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Full text of "Hermes"

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HERMES 


ZEITSCHRIFT  FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOÖIE 


HERAUSGEGEBEN 


GEORG  KAIBEL  osd  CARL  ROBERT 


FUNFUNDDREISSI6STER  BAND 


BERLIN 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 
1900 


INHALT. 


Seite 

F.  BEGHTEL,  das  Wort  innoç  in  den  eretrischeo  Personennamen     .    .  326 
J.  BELOGH,  zor  Geschichte  des  Eorypontidenhauses 254 

G.  BLSOLT,  zur  Ghronologie  des  peloponnesischen  Krieges     ....  573 
H.  DESSAU,  zum  Kalender  der  Provinz  Asien 332 

D.  DETLEFSEN,  die  Werthangaben  in  der  naturalis  historia  des  Plinius  585 
H.  DIELS,  Parmenidea 196 

E.  FABRIGIUS,  zum  SUdtrecht  von  Urso 205 

G.  KAIBEL,  Apuleiana 202 

SepuleraUa 567 

J.  KROMAYER,  vergleichende  Studien  zur  Geschichte  des  griechischen 

und  römischen  Heerwesens 216 

C.  F.  LEHMANN,  Weiteres  zu  Aristoteles  'A&nvalœv  noXtrala  X     .    .  636 

TH.  MOMMSEN,  Prâtorium 437 

ägyptische  Legionare 443 

P.  NATORP.  Piatos  Phaedrus 385 

6.  NIESE,  Beiträge  zur  Geschichte  und  Ghronologie  des  Hellenismus     .  53 
Kritik  der  beiden  Makkabäerbucher  nebst  Beiträgen  zur  Ge- 
schichte der  makkabäischen  Erhebung 268.  453 

H.  REITZENSTEIN,  die  Hochzeit  des  Peleus  und  der  Thetis   ....  73 

ans  der  Strassburger  Papyrussammlung     ....  602 
€.  ROBERT,  die  Ordnung  der  olympischen  Spiele  und  die  Sieger  der 

75.-83.  Olympiade.     (Nebst  einer  Beilage) 141 

archäologische  Nachlese 650 

G,  SCHULTZ,  Beiträge  zur  Theorie  der  antiken  Metrik 308 

£.  SCHWARTZ,  Kallisthenes  Hellenika 106 

P.  STENGEL,  der  Gull  der  Winde 627 

I.  VAHLEN,  raria 131 

iM.  WELLMANN,  zur  Geschichte  der  Medizin  im  Alterthum      ....  349 

U.  VON  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF,  Asianismus  und  Atticismus  .    .  1 

Lesefrûchte 533 

HISCELLEN. 

H.  VOR  ARNIM,  Berichtigung 130 

F    BEGHTEL,  &aHa&aXnds 348 

a* 


IV  INHALT 

Seite 

P.  BLASS,  Verse  von  Komikern  bei  Clemens  Alexandrinos      ....  340 

die  Punkte  zur  Bezeichnung  des  metrischen  Ictus  ....  342 
M.  GONRAT,  Bieronymus  und  die  Gollatio  legum  Mosaicarum  et  Roma- 

Dorum 344 

W.  FRANTZ,  ein  Fragment  des  Komikers  Philippides 671 

F.  HILLER  VON  GAERTRINGEN,  Dionysosinschrift  aus  Naxos       ...  339 

M.  LEBNERDT,  zur  Ueberlieferung  des  Tacitus 530 

TH.  MOMMSEN,  Berichtigung 532 

A.  STEIN,  das  Todesjahr  des  Gardepräfecten  Perennis 528 

A.  WILHELM,  véwoç 669 

REGISTER 672 


VERZEICHNISS  DER  MITARBEITER 

und  ihrer  Artikel  in  Band  XXVI  — XXXV. >) 


E.  Albrecht  in  Berlin 
C.  Aldenhoven  in  Köln 
H.  Ton  Arnim  in  Wien   26,  366    27, 
118   28,  65   150    34.  363  35,  130 

B.  Arnold  in  München 

E.  Assmann  in  Berlin  31,  174 
Gl.  Baeumker  in  Bonn 

A.  Ton  Bamberg  in  Gotha 

a  Bardt  in  Berlin  29,  451    32,  264 

L.  D.  Barnett  in  Cambridge  33,  638 

F.  Becher  (f) 

F.  Bechtel  in  Halle  a.  S.  31,  318    84, 

395  4S0    36,  326  34S 
A.  Behr  in  Köln  26,  315   30,  447 
Gh.  Beiger  in  Berlin 
J.  Beloch  in   Rom   28,  481  630    29, 

604    32,  667   35,  254 
Th.  Bergk  (t) 
R.  Bergmann  (f) 
J.  Bernays  (t) 
Ë.  Bethe  in   Basel   26,  593    28,  474 

522    33   313 
F.  Blass  in  Halle  a.  S.  29,  633  30,  314 

465  32,  149    33,  179  654    34,  312 

35,  340  342 
H.  Bluemner  in  Zürich  29,  294 
U.  Ph.  Boissevain  in  Groningen  26,  440 

F.  Boll  in  Mönchen  34,  643 
J.  Bolte  in  Berlin 

H.  Bonitz  (t) 

M.  Bonnet  in  Montpellier 

C.  de  Boor  in  Breslau  34,  298  480 
E,  Ton  Borries  in  Strassburg  i.  E.  27, 170 
K.  Boysen  in  Königsberg  i.  Pr. 

A.  Brand  in  Potsdam 

e.G.  Brandis  in  Berlin  31, 161  32,509 

J.  Brandis  (t) 

Th.  Braune  in  Berlin 

A.  Breysig  in  Berlin 

K.  Bürger  in   Blankenburg  a.  H.  27, 

36  345  359 
H.  Buermann  in  Berlin 
Fr.  Burger  in  Hof  26,  463 

G.  Busolt  in  Göttingen   28,  312   33, 
71  336  661  34,  280    86,573 

A.  Busse  in  Berlin  28,  252 
J.  Bywater  in  Oxford 
M.  Gantor  in'  Heidelberg 
A.  Ceriani  in  Mailand 
H.  Ghristensen  in  Hamburg 
L  Cohn  in  Breslau  32,  107 


M.  Cohn  in  Amsterdam 
H.  Collitz  in  Philadelphia 
J.  Conington  (f) 

C.  Conradt  in  Greifenberg  i.  Pom. 
M.  Conrat  in  Amsterdam  85,  344 
A.  Cosattini  in  Pavia  29,  1 

0.  Crusius  in  Heidelberg 
0.  Cuntz  in  Graz  29,  586 
G.  Curtius  in  Lübeck 

E.  Curtius  (t) 

L.  Gwiklinski  in  Lemberg 
H.  Degenkolb  in  Leipzig 
H.  Deissmann  in  Heidelberg  83,  344 
H.  Delbrück  in  Berlin 
H.  Dessau  in  Berlin  27,  561    28,  156 
29,  393    84,  81    35,  332 

D.  Detlefsen  jn  Glöckstadt  32,  191  321 
35,  585 

H.  Diels  in  Berlin  26,  243  478  28, 
407    31,339  38,  334  35,  196 

W.  Dittenberger  in  Halle  a.  S.  26,  472 
474  28,472  31,271320  643  32, 
1  161    88,  324 

E.  Dopp  in  Rostock 
W.  Dörpfeld  in  Athen 

A.  B.  Drachmann  in  Kopenhagen    30, 

475 
J.  Draheim  in  Berlin 
J.  G.  Droysen  (t) 
H.  Droysen  in  Berlin 

F.  Duemmler  (f)  27,  260  28,  468 
A.  Eberhard  in  Wesel 

R.  Ellis  in  Oxford 

A.  Erman  in  Berlin  28,  479 

F.  Eyssenhardt  in  Hamburg 

E.  Fabricius  in  Freiburg  i.  B.  35,  205 

G.  Fallin  (t)  20,  71  632 

F.  Fischer  in  Berlin 
H.  Flach  (t) 

R.  Förster  in  Breslau 
M.  Fränkel  in  Berlin 
S.  Fraenkel  in  Breslau  88,  335 

G.  M.  Francken  in  Groningen 

W.  Frantz  in  Strassburg  i.  Eis.  35,  671 
J.  Freuden  berg  (t) 
J.  Freudenthal  in  Breslau 
J.  Friedlaender  (f) 
H.  von  Fritze  in  Berlin  32,  235 
R.  Fuchs  in  Dresden  29,  171    38,  342 
A.  Funck    in  Sondershausen  28,  158 
29,  159 


1)  Für  die  früheren  Beiträge  vgl.  Generalregister  zu  Hermes, 
Zeitschrift  für  classische  Philologie,  Band  1— XXV,  bearbeitet  von  M.  Well- 
mann,  Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung  1893.    (Preis:  Mk.  7.) 


VI 


VERZEIGHNISS  DER  MITARBEITER 


G.  Galland  in  Strassburg  1.  E. 

V.  Gardthausen  in  Leipzig 

J.  Geffcken   in  Hamburg  26,  33  567 

27,  381 
Â.  GemoU  in  Striegau 
W.  GemoU  in  Liegnitz 
H.  Genlhe  (t) 
K.  E.  Georges  (f) 
G.  E.  Geppert  (f)    ' 
A.  Gercke  in  Greifswald  28, 135  29, 373 

32,  341 
J.  Gildemeister  (f) 
H.  Giske  in  Lübeck 
Th.  Gleiniger  in  Berlin 
Th.Gomperz  in  Wien  31,  469 
0.  Gradenwitz  in  Königsberg  i.Pr.28,321 
H.  Graeven  in  Rom  30,  289  471 
0.  Gruppe  in  Berlin 
F.  Gustafsson  in  Helsingfors 
A.  Haebler  (f) 

W.  Gardner  Haie  in  Ghicago  84,  133 
H.  Haupt  in  Giessen 
M.  Haupt  (t) 

F.  Haverficid  in  Oxford 

E.  Hedicke  in  Freienwalde  a.  0. 

J.  Heinemann  in  Frankfurt  a.  M.  84, 590 
R.  Heinze  in  Berlin  38,  432   84,  494 
W.  Heibig  in  Rom  32,  86 
R.  Helm  in  Berlin  29,  161 

G.  Henning  in  Rio  Janeiro 
W.  Henzen  (f) 

W.  Heraeus  in  Offenbach  a.  M.  84,  161 
L.  Herbst  (f) 
R.  Hercher  (f) 

F.  K.  Hertlcin  (f) 
M.  Hertz  (f) 

H.  van  Herwerden  in  Utrecht 
R.Herzog  in  Tübingen  29,625  30, 154 
H.  Heydemann  (f) 

G.  Heylbut  in  Hamburg 
Th.  Heyse  (f) 

Edw.  Lee  Ricks  in  Oxford 

E.  Hiller  (f) 

F.  Hiller  v.Gaertringen  in  Berlin  28,469 
29,  16   32,  320  35,  339 

G.  Hinrichs(t) 
G.  Hirschfeld  (t) 

0.  Hirschfeld  in  Berlin  26,  150 

R.  Hirzel  in  Jena 

A.  Hock  in  Rendsburg  26,  76  453  30, 

347  38,  626 
A.  Hofmeister  in  Rostock 
G.  Hofstede  de  Groot  in  Leiden 
A.  Holder  in  Karlsruhe 
H.  Hollander  in  Osnabrück  26, 170  636 
L.  Holzapfel  in  Giessen  28,  435 
K.  Hude  in  Kopenhagen  27,  152 
E.  Hübner  in  Berlin 
Gh.  Hülsen  in  Rom 


G.  Jacob  (t) 

V.  Jagid  in  Wien 

Ph.  Jaffé  (t) 

A.  Jahn  (f)  34,  315 

0.  Jahn  (t) 

E.  Janzon  in  Godenburg  27,  315 
V.  Jernsledt  in  St.  Petersburg 

H.  Joachim  in  Hamburg  30,  39 

F.  Jonas  in  Berlin 

A.  Jordan  in  Lemgo 
H.  Jordan  (f) 

0.  Kaebler  in  Weimar 
H.  Kaeslner   in    Regensburg    31,  578 
32,  160 

G.  Kaibel  in  Göttingen  26,  580  27, 
249  28,  40  29,  82  30,  71  148  429 
31,264   34,  107  319   35,202  567 

K.  Kalbfleisch  in  Rostock  30,  631 

Br.  Keil  in  Strassburg  i.  E.  26, 128  29, 
32  249  320  321  30, 199  473  31,  472 
508    32,  399  496  497    34,  183  479 

H.  Keil  (t) 

0.  Kern  in  Rostock 

H.  Kettner  (f) 

M.  Kiderlin  (f) 

H.  Kiepert  (tj 

A.Kiessling(t)  26,634. 

B.  Kindt  in  Greifswald  26,  317 
A.  Kirchhofl*  in   Berlin 

Job.  E.  Kirchner  in  Berlin  28,  139  31, 

254 
H.  V.  Kleist  in  Leer 
P.  Klimek  in  Breslau 
A.  Klögmann  (f) 
G.  Knaack  in  Stettin  29,  472  627 

F.  Knickenberg  in  Bonn  27,  144 
Th.  Kock  in  Weimar 

A.  Köhler  in  Nürnberg 

Tl.  Köhler  in  Berlin  26,  43  148  27,  68 

29,156  158  30,629  31,  137 
W.  Kolbe  in  Gulschdorf  34,  380 
A.  Kopp  in  Königsberg  i.  P. 

G.  Kramer  (f) 

A.  Krause  (j) 

Fr.  Krebs  (f)  30,  144 

P.  Kretschmer  in  Wien  26,  118 

W.  Kroll   in  Greifswald  26,  316    29, 

517  30,  462 
J.  Kromayer  in  Strassburg  i.  E.  29,  556 

31,  1  70    88,1   84,1   35,  216 
P.  Krüger  in  Bonn 
K.  Krumbacher  in  Mönchen 
J.  W.  KubiUchek  in  Wien 

B.  Köhler  in  Berlin  26,  479 
H.  Köhlewein  in  Kiel   27,  301 
R.  Kunze  in  Zittau  84,  345 
S.  P.  Lampros  in  Athen 

E.  Laites  in  Mailand  31,  465 
G.  A.  Lehmann  (f) 


VERZEIGHNISS  DER  MITARBEITER 


Vir 


G.  P.  Lehmann  in  Berlin  27,  530  35, 

636. 
0.  Lebmann  in  Dresden 
M.Lehnerdt  in  Königsberg  i.Pr.  83, 499 

35,  530 

F.  Leo  in  Göttingen  27,  308 
R«  Lepsius  (f) 

K.  Lincke  in  Jena 

S.  Linde  in  Lund 

A.  Lucbs  in  Erlangen 

A.  Ladwicb  in  Königsberg  i.  Pr. 

0.  Luders  in  Athen 

W.  Lutbe  in  Bonn 

E.  Maass  in  Marburg  26,  178  31,  375 

M.  Manitius  in  Oberlössniti  bei  Dresden 

27   318 
H.  Ma'lzat  in  Weilburg 
M.  Mayer  in  Bad  27,  461 
A.  Meineke  (f) 
R.  Meister  in  Leipzig  26,  319  480 

E.  Meyer  in  Halle  a.S.  27,363  29,478 

30,  1  241    33,  643  648  652 

P.  Meyer  in  Berlin  32, 210  482  38, 262 

W.  Meyer  in  Göttingen 

A.  Michaelis  in  Strassburg  i.  E. 

L.  Mittels  in  Leipzig  30,  564  32,  629 
84,  88 

Th.  Mommsen  in  Berlin  26,  145  27,  79 
28,  33  599  29,  468  618  30,  90  321 
456  32,  454  538  660  88,  160  665 
84,  145  151    35,  437  443  532 

G.  von  Morawski  in  Krakau 
J.  H.  Mordtmann  in  Saloniki 
K.  Mûllenhoff(t) 

A.  Müller  (f) 

B.  MQUer(t) 

G.  F.  W.  Möller  in  Breslau  84,  321 
G.  H.  Möller  in  Saargemönd  26,  159 
H.  F.  Möller  in  Blankenburg  a.  H. 
H.  1.  Möller  in  Berlin 
0.  Möller  in  Berlin 

F.  Mönzer  in  Basel  30,  499  31,  308 
32,  469    34,  641 

P.  Natorp  in  Marburg  35,  385 

A.  Nauck  (t) 

R.  Neubauer  in  Berlin 

K.  J.  Neumann  in  Strassburg  i.  E.  31, 

519   32,  313  475 
M.  Niemeyer  in  Potsdam 

B.  Niese  in  Marburg   26,  1    28,  194 

31,  481    84,  520   35.  53  268  453 
A.  Nikitzky  in  Odessa  28,  619 

H.  Nissen  in  Bonn 

F.  Noack  in  Jena  27,  407  452  28,  146 
Th.Nöldeke  in  Strassburg  i.E.  29, 155 
H.  Nohl  in  Beriin 

E.  Norden  in  Breslau  27,  606  28,  360 
501    29,  290  313 

F.  Novati  in  Mailand 


J.  Oeri  in  Basel  84,  640 

J.  Olsbausen  (t) 

Tb.  V.  Oppolzer  (f) 

A.  Otto  in  Breslau 

H.  Pack  in  Dortmund 

G.  Parthey  (t) 

J.  Partsch  in  Breslau 

G.  Pascal  in  Rom  30,  548 

W.  Passow  in  Hirschberg 

H.  Peter  in  Meissen 

E.  Petersen  in  Rom 

E.  Piccolomini  in  Rom  27,  1 

R.  Piscbel  in  Halle  a.  S.  28,  465 

F.  Picbimayr  in  Mönchen  26,  635  83, 
653 

M.  Pohlenz  in  Berlin  31,  321 

H.  1.  Polak  in  Rotterdam 

H.  Pomptow  in  Eberswalde  88,  329 

E.  Preuner  in  Athen  29,  530 

M.  Pulch  in  Rinteln 

A.  Rasmus  in  Brandenburg  a.  H. 

R.  Rassow  in  Elberfeld 

A.  Rehm  in  Ansbach  84,  251 

Th.  Reinach  in  Paris  84,  159 

R.  Reitzenslein  in  Strassburg  i.  £.  26, 

308  28,  159  29,  231  619  31,  185 

38,  87    35,  73  602 
A.  Reusch  in  Altkirch  i.  E. 
A.  Reuter  in  Marburg  28,  73 
0.  Richter  in  Berlin 
A.  Riedenauer  (t) 
A.  Riese  in  Frankfurt  a.  M. 

G.  Robert  in  Halle  a.  S.  26,  480  29, 
417  30,  135  14S  156  31,530  32, 
421  33,  130  566  84,  645  35,  141 
650 

H.  Röhl  in  Halberstadt 

E.  Rohde  (f) 

V.  Rose  in  Berlin 

G.  Rosenthal  in  Berlin  32,  317 

0.  Rossbach  in  Königsberg  i.  Pr. 

M.  Rothstein  in  Berlin 

M.  Rabensohn  in  Potsdam  26,  153 

A.  Rzach  in  Prag  88,  591 

G.  de  Sanctis  in  Rom  29,  479 

M.  Schanz  in  Wörzburg  29,  597    30, 

401 
A.  Schaube  in  Brieg 
Th.  Schlehe  in  Berlin 
H.  Schiller  in  Leipzig 

F.  Schmidt  in  Jever 

J.  H.  Schmidt  in  Hagen  i.  W. 

Job.  Schmidt  (t) 

L.Schmidt  in  Dresden  34,  155 

W.  Schmitz  (t) 

R.  Scholl  (t) 

A.  Schöne  in  Kiel 

R.  Schöne  in  Berlin 

H.  Schrader  in  Hamburg  29,  25 


VIII 


VERZEIGHNISS  DER  MITARBEITER 


Th.  Schreiber  in  Leipzig 

0.  Schroeder  in  Berlin 

R.  Schubert  in  Königsberg  i.  Pr. 

Â.  Schulten  in  Götlingen  29,  204  481 

32,  273  523    83,  534 
G.  Schultz  in  Steglitz  35,  308 
W.  Schulz  in  Berlin 
K.P.Schulze  in  Berlin  83,  511 
W.Schulze  in  Göttingen  28, 19 
L.Schwabe  in  Tübingen 
E.  Schwanz  in  Strassburg  i.  E.  32,  493 

Ö54    38,  101  132  185   34,  427  481 

35,  106 

E.  Schweder  in  Kiel 

0.  Seeck  in  Greifswald 
G.  Sintenis  (f) 
Â.  Skias  in  Athen 

F.  Skutsch  in  Breslau  27,317  29,517 

31,  646    32,  92 

W.  Sollau  in  Zabcrn  26,  408  29,  611 

629  63t  30,  624  31,155 
J.  Sommerbrodl  in  Breslau 

G.  Sorof  in  Kloster  Rossleben  84,  568 
F.  Spiro  in  Rom  29,  143 

E.  Steßenhagen  in  Kiel 
A.  Stein  in  Wien  32,  663    35,  528 
H.Stein  in  Oldenburg  27, 159   88,352 
P.Stengel  in  Berlin  26,157  160   27, 
161  446  28,489   29,281627   30, 
339    31,  477  478  637    84,  469  642 
35,  627 
K.  Strecker  in  Dortmund  26,  262 
H.E.W.  Strootman  in  Sneek  30,  355 
W.  Studemund  (f) 
Fr.  Studniczka  in  Leipzig  28,  1 

E.  StuUer  in  Görlitz 

F.  Susemihl  in  Greifswald 
L.  von  SybeJ  in  Marburg 

H.  Swoboda  in  Prag  28,  536 

E.  Szanlo  in  Wien  27,  312 

Th.  Thalhcim  in  Breslau  29,  458 

C.Thiele  i.  Marburg  27,  11    30,  124 

32,  68 

•Ph.  Tliiclmann  in  Fürth 

E.  Thomas  in  Berlin  27,  22  28,  277 

31,  457  32,  60 
P.  Thomas  in  Gent 
M.  Thommen  in  Basel 

G.  V.  Thompson  in  New-Haven   Conn. 
30,  478 

£d.  Thrämer  in  Strassburg  i.  E. 

H.  Ticdke  in  Berlin 

J.  Toepffer  (f)  29,  463    30,  391  31, 

105  124 
A.  Torslrik  (t) 

L.  Traube  in  Mönchen  27,  158  SS,  345 
P.  Trautwein  in  Berlin 
M.  Treu  in  Potsdam 


C.  Trieber  in  Frankfurt  a.  M.  27,  210 

321     29,  124 
G.  Turk  in  Breslau  31,  647 

F.  Umpfenbach  (t) 

G.  F.  Unger  in  Würzburg 

J.  Vahlen  in  Berlin  26,  161  35t  28, 
354  30,25  361385  88,245  35,131 

L  S.  van  Veen  in  Arnheim 

P.  Viereck  in  Berlin  27,  516  654  30, 
107 

W.  Vi8cher(t) 

I.  van  der  Vliet  in  Utrecht  32,  79 

H.  Voretzsch  in  Berlin 

G.  Wachsmuth  in  Leipzig 

W.  H.  Waddington  (f) 

R.  Wagner  in  Dresden  27,  131 

S.J.  Warren  in  Dordrecht  29,  476 

S.  Waszynski  in  Berlin  34,  553 

J.  Weber  in  Perleberg 

N.  Wecklein  in  München 

R.  Weil  in  Berlin 

M.  Wellmann  in  Stettin  26,  321  4SI 

27,  389  649  654    30,  161    31,  221 
38,  360    35,  349 

P.  Wendland  in  Gharlottenburg  31,  435 

88,  175    34,  412 
E.  Wendung  in  Diedenhofen  28,  355 
G.Wentzel  in  Göltingen  30,367  33,275 
K.  Wernicke  (f)  26,  51    32,  290 
G.  Weyman  in  München  29,  626 
U.  von  WilamowitzMöllendorff  in  Ber- 
lin 26,  191   27.  648    29,  150  154 
240   30,  177    32,  99  251  382  83, 
119  492  513    84,  55  203  601    35, 
1  533 
U.  Wilcken   in    Breslau    27,  287   464 

28,  154  161  230    29,  436    30.  151 
481  619    32,  478 

A.  Wilhelm  in  Athen  32,  317  35,  669 
H.  Willrich  in  Göttingen  88,  657    84, 

174  231  306 
P.  von  Winterfeld  in  Berlin    30,  557 

83,  168  506  667 
H.  Wirz  in  Zürich  32,  202    83,  109 
G.  Wissowa  in  Halle  a.  S.    26,  137 

32   31 1 
E.  Wölfllin  in  München  27,  652 
R.  Wuensch  in  Breslau  32,  42 
K.  Zacher  in  Breslau 
K.  Zangemeister  in  Heidelberg 
E.  Zeller  in  Stuttgart 
E.  Ziebarth  in  Hamburg  30,  57   32,  609 
L.  Ziegler  in  Heidelberg   31,  19  27S 
J.  Ziehen  in  Frankfurt  a.  M.    31,  313 

32,  490    88,  340  341 
H.  Zimmer  in  Greifswald  29,  317 
R.  Zimmermann  in  Lübeck 
H.  Zurborg  (t) 


ASIANISMÜ8  UND  ATTICISMÜS. 

Asianismus  ist  heut  zu  Tage  ein  vielgebrauchter  Name'); 
manche  ideotificiren  den  Begriff  mit  dem  vagen  der  eorrupta  do- 
quentia  aller  Zeilen;  manche  verstehen  darunter  die  gesammte  kunst- 
mässige  Prosa  der  hellenistischen  Zeit;  andere  halten  sich  mehr 
an  den  geographischen  Sinn,  lassen  aber  dafür  den  Asianismus 
der  hellenistischen  Zeit  in  der  zweiten  Sophistik,  deren  Centrum 
Asien  ist,  Wiederaufleben;  darin  aber  sind  alle  einig ,  dass  Asia- 
nismus etwas  sehr  verwerfliches  isL  In  scharfem  Gegensatze  hierzu 
steht  die  geringe  Zahl  der  antiken  Zeugnisse,  auf  Grund  deren  der 
moderne  Begriff  sich  gebildet  hat;  so  bekannt  sie  sind,  müssen 
sie  doch  von  Neuem  vorgeführt  werden.  Cicero  kennt  in  den 
Büchern  vom  Redner  den  stilistischen  Terminus  noch  nicht;  er 
bemerkt  nur,  dass  der  gebildete  Asiate  die  Feinheit  der  Aussprache, 
wie  sie  auch  der  ungebildete  Athener  von  selbst  besitze,  niemals 
erreichen  kOnne.*)    Im  Brutus  (325)  dagegen  charakterisirt  er  gar 


1)  Es  wird  jeder  jetzt  zonäcbst  nach  Nordeos  schönem  Buche  greifen, 
wo  die  hellenistische  Zeit  kurzweg  1  126  ff.  als  ,Entartung  der  griechischen 
Prosa,  Demetrios  und  die  asianische  Beredtsamkeit*  behandelt  ist.  Die  zweite 
Sophistik  wird  dann  I  353  ff.  behandelt.  Nordens  Versuch,  einen  Widerspruch 
zwischen  Rohdes  und  Raibels  Aufsätzen  (Rhein.  Mus.  41  gegen  Herrn.  20)  zu 
leugnen,  ia^uft  Rohdes  Intention  zuwider  und  kann  nur  so  weit  gebilligt 
werden,  als  zwei  so  kenntniss-  und  urlbeilsvoUe  Beortheiler  sachlich  sich 
sehr  Tiel  näher  stehen,  als  es  ihnen  selber  scheint.  Dass  ich  gegen  Norden 
vielfach  ex-  und  implicite  polemisire,  geschieht  natürlich  nur,  weil  sein  Buch 
so  schön  ist. 

2)  De  orai.  3,  43  AlhenU  tarn  diu  doctrina  ipsorum  Atheniensium 
interiity  darmciUum  tarUum  in  illa  urbe  remanet  ttudiorum,  qtäbut  vacant 
cives,  perêgrini  fruttntur^  eapti  quodam  modo  nomine  urbiê  et  auctoritate. 
tarnen  eruditistimoê  homines  Asialieos  quivis  Atheniensis  indoctus  nan  ver- 
bis sed  sono  vocis  nee  tarn  bene  quam  suaviter  loquendo  facile  superabit. 
Das  ist  der  Zustand  Athens,  den  Cicero  kannte,  nach  der  sullanischen  Kata- 
strophe; Grasses  batte  es  noch  anders  gesehen,  und  das  Volk  war  erst  durch 
die  Verarmung  der  Bildung  entfremdet,  vgl.  Philodem  rhet.  11  217  Sudh.  (aus 

Henne«  XXXY.  1 


2  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

zwei  Artec  der  asiatischen  Beredtsamkeit,  {genus  Astalicae  dictionis)^ 
als  er  Qber  Hortensius,  eioe  gefaUene  Grosse,  sein  Urtheil  abgeben 
soll.  Die  eine  jagt  nach  eleganten  Pointen,  fOr  sie  ist  Beleg  ausser 
Menekles  und  Xenokles  von  Alabanda  (die  er  schon  de  orat.  II  93 
hatte  loben  lassen)  der  Sikeliote  Timaios;  die  andere  Art,  aus- 
gezeichnet durch  hastigen  Redefluss  und  den  Schmuck  künstlich 
gebildeter  Wörter  {facta,  d.  i.  TteTcoirjfiiva) ,  lässt  er  in  seiner 
Gegenwart  regieren  und  nennt  dafür  als  Muster  Aischines  von 
Knidos  und  Aischylos  von  Milet.  Er  verwirft  diesen  Stil  nicht, 
aber  man  merkt,  was  an  ihm  fehlerhaft  ist,  wenn  man  den  Bericht 
über  seinen  eigenen  Studiengang  kurz  vorher  vergleicht  (315). 
Auch  er  hat  jenen  Aischylos  gehOrt,  daneben  einen  Menippos  von 
Stratonikeia ,  also  einen  Kar^r,  der  aber  als  Attiker  gelten  soll, 
si  nihä  habere  ineptiarum  Atticorum  est;  dann  lobt  er  die  strenge 
Zucht  des  Rbodiers  Molon,  der  ihm  die  jugendliche  Ueberschweng- 
licbkeit  abgewohnt  hätte.  Es  ist  also  nur  ein  Uebermaass,  was 
er  tadelt,  und  er  leugnet,  dass  alle  Asiaten  daran  krankten.  Hef- 
tiger Tadel  kommt  erst  im  Orator  heraus  (24),  da  haben  Phi7gien 
Karien  Mysien  ein  opimum  et  quasi  adipatae  dictionis  genus  er- 
funden^ von  dem  die  Rhodier  nie  etwas  haben  wissen  wollen, 
geschweige  die  Athener.  Aber  diese  haben  selbst  verschiedene 
gleichberechtigte  Arten  ausgebildet,  wie  er  gegen  seine  eigenen 
Gegner,  die  radicalen  Atticisten,  sofort  hervorhebt.  Er  tadelt 
weiterhin  die  zu  musicalischen  Clausein  jener  Pbryger  und  Karer 
(57),  und  unterscheidet  an  den  Asiatici  maxime  numéro  servientes 
(230.  231)  drei  Fehler,  das  Einfügen  gleichgiltiger  Wörter  um  den 
Rhythmus  zu  füllen,')  die  von  Hegesias  hergeleitete  Zerhackung  der 
Rede  in  lauter  versäbnliche  -KOfÄf^ata*)  und  die  Monotonie  der- 


Diogeoes  von  Babylon).  Wir  dürfen  also  dieses  ganze  Urtheil  nicht  von  Cicero 
auf  seine  griechische  Vorlage  übertragen.  Um  so  bemerkenswerther  ist,  dass 
er  an  den  Asiaten  keine  unattischen  Wörter  zu  tadeln  weiss. 

1)  Dies  gilt  hier  nur  einzelnen  Flickwörtern;  den  Vorwurf  erinnere  ich 
mich  nicht  bei  den  Griechen  gelesen  zu  haben,  denn  die  feinen  Anmerkungen 
aber  naçanhfiçatfiaTotol  avvdsa/ioi  bei  Demetrios  55  zielen  ganz  wo  anders 
hin.  Analog  ist  Tielmehr  in  der  periodisirten  Rede  die  Einfügung  überflüssiger 
Glieder,  die  Dionysios  Demosth.  19  in  belehrender  Weise  an  Isokrates  rögL 
Die  im  Bilde  ähnliche  Stelle  jt.  vynws  10  (S.  23,  4  Vahlen)  hat  anderen  Inhalt. 

2)  Infringendis  concidendUque  numerit  in  quoddam  genus  abiectum 
xncidunt  {ver)siculorum  timilUmum,  heisst  es  von  dem  Fehler  des  Hegesias; 
weiter  unten  nee  minutos  numéros  sequens  concidat  dehimbeique  senlenUas, 


ASIÂNISHUS  UND  ATTICISMUS  3 

selben  immer  wiederholten  Clausel,  an  der  das  Brüderpaar  von 
Alabanda  kranke.  Aber  diese  erhalten  daneben  doch  ein  warmes 
Lob,  und  dem  Hegesias,  an  dem  er  hier  auch  die  senientiae  ge- 
tadelt hat  (226),  während  er  die  Asiaten  immer  nur  bei  der  dictio 
erwähnt,  war  im  Brutus  trotz  dem  Tadel  des  fAStçaxnôdeç  seiner 
xofÀfÀora,  zugestanden,  dass  er  die  concinnitas  erreichte.  So  hat 
Qcero  sich  niemals  zu  einer  runden  Verurtheilung  der  Asianer  herbei- 
gelassen. Selbst  in  der  Vorrede  zu  seiner  Uebersetzung  der  Kranz- 
reden, wo  er  principiell  nur  einen  Stil  gellen  lassen  will,  um  die 
Attiker  auf  ihrem  eigenen  Boden  zu  schlagen,  stellt  er  neben  dieses 
demostbeniscbe  Ideal  einerseits  die  Gesundheit  derer  qui  aut  AUici 
numerantur  aut  dicunt  Auice,  andererseits  die  quorum  vitiosa 
abundantia  est,  quales  Asia  multos  tulit  (8),  er  kannte  also  sowohl 
attisch,  d.  i.  classisch,  schreibende,  die  nicht  aus  Athen  waren, 
wie  auch  Asianer,  die  nicht  den  Vorwurf  der  UeberfQlle  verdienten. 
Es  ist  deutlich,  dass  er  im  Jahre  55  die  asiatischen  Redner  nur 
als  geographischen  BegriiT  kannte,  dass  ihm  dann  von  atticistischer 
Polemik  die  stilistische  Bedeutung  des  Terminus  nahe  gebracht  ward, 
er  aber  nun  mit  der  geographischen  Beschränkung  nichts  anfangen 
kann,  denn  er  kennt  Asiaten,  die  nicht  asianisch  sind,  und  er 
muss  einen  Sikelioten,  den  er  nie  aufgegeben  hat  als  Muster- 
scbriftsteller  zu  betrachten,  mit  als  Typus  des  Asianismus  nennen, 


Da  ist  das  letzte  ganz  klar:  wenn  man  I«uter  xo/Afidrta  ^v^/iucâ  bildet,  so 
werden  die  Sätze  zertiackt  ond  haben  keine  tcwla  mehr.  Danach  versteht 
mao  das  erste,  fv^ftol  xataxsxhiafiévot  ual  xaraMSMO/ifiärot  ergeben  eine 
elende  Composition,  denn  sie  ist  ganz  ähnlich  —  wem?  Das  könnte  eine 
Gattung  Verse  sein,  freilich  nicht  Dithyramben,  die  nicht  aas  KOfiitaxa  be- 
steben, sondern  etwa  Kinaeden,  zumal  es  sich  am  den  Ithyphallicos  mit  in 
erster  Linie  bandelt;  aber  Hegesias  hat  nicht  nur  eine  Sorte  Glaoseln.  Also  ist 
sein  Fehler,  dass  er  so  kurze  rhythmische  Glieder  baut^  dass  die  ganze  Rede 
ans  Verstheilcben  besteht;  also  hat  Jahn  mit  der  Ergänzung  (ver)êicularum 
Recht.  Dasselbe  ergiebt  sich  auch  so:  Cicero  fordert,  man  solle  claudere  nu^ 
maris  tenteniioi  (229),  aber  der  numerus  soll  sein  non  modo  non  poelice 
vineius,  verum  etiam  fugiens  illum  eique  omnium  dissimillimos  (227): 
schon  der  Anklang  sollte  zeigen,  wem  das  genus  abiectum  similUmum  sei. 
Es  ist  aber  auch  thatsächlich  der  Fehler,  den  Cicero  rügt,  dass  die  Rede  IJu- 
fter(fos,  nicht  ë^dv&uos  wird,  wenn  sie  aus  lauter  xôfifiara  ^d'/uxd  besieht. 
Selbstverstindlich  muss  man  wie  in  der  philosophischen,  so  in  der  rhetorischen 
Terminologie  bei  den  Lateinern  retrovertiren ,  am  scharf  zu  verstehen.  Ich 
habe  diese  Anmerkung  schreiben  müssen,  weil  Immisch  Rhein.  Mus.  48,  546 
ood  Norden  I  147  mir  schlechthin  Unbegreifliches  darüber  gesagt  haben« 

1* 


4  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

oder  vielmehr  eines  Asianismus,  denn  er  unterscheidet  mehrere 
Arten  :  so  wenig  präcis  dünkt  ihn  der  Begriff,  obwohl  er  gar  nicht 
der  ganzen  Beredtsamkeit,  sondern  nur  der  dictio,  der  ççâoiç  gilt; 
von  dem  Wortschatze  ist  nur  insofern  die  Rede,  als  die  xvQia 
ov6fxa%a  den  nenoiTjfÀéva  gegenüber  stehn,  nicht  die  l^TTtxa  den 
EkXrjymà  oder  aoloixa.  Die  Stelle  des  Orator  reproducirt  getreu  die 
remden  Vorwürfe,  Schwulst  und  Ueberladung  an  jeglichem  Schmucke 
der  Rede,  vornehmlich  auch  in  ihrer  dadurch  monoton  werdenden 
Rhythroisirung.  Das  schien  auch  ihm  ein  Fehler,  und  er  Hess  sich 
gern  gefallen,  dass  er  auf  die  Unbildung  von  Karern  und  Phrygern 
zurückginge;  er  selber  kannte  die  Unbildung  und  Geschmacklosigkeit 
seiner  Landsleute  genug,  die  sich  daher  mit  dem  Schwulste  des  Hör- 
tensius  befreundet  hatten,  bis  er  auf  Grund  seiner  tiefen  Griechen- 
bildung  ihnen  besseres  zeigte.  Aber  er  merkte  auch,  dass  er  den 
atticistischen  Pedanten  die  Asiaten  nicht  preisgeben  durfte,  ohne 
selbst  sowohl  seine  eigene  Stellung  wie  das  höhere  Ideal  seines 
Redners  zu  gefährden.  Er  ist  doch  auch  der  unvergleichlich  sach- 
verständigste Mann,  den  wir  hören  können,  und  wenn  für  ihn  der 
Asianismus  ein  unklarer  Begriff  und  die  Verurtheilung  der  ganzen 
Richtung  eine  Ungerechtigkeit  gewesen  ist,  so  wird  er  schon  Recht 
haben. 

Vielleicht  schon  vor  Cicero  hat  Santra  gesagt,  dass  die  Asiaten, 
als  sie  hellenisirt  wurden  und  sich  in  der  Rede  versuchten,  aus 
Unkenntniss  der  xvgia  ovofxava  auf  Umschreibungen  verfallen 
wären,  die  sich  dann  in  ihrer  Beredtsamkeit  behauptet  hätten. 
Quintilian  citirt  dies  (XII  10,  16),  wo  er  die  arUiqua  divisio  ifUer 
Atticos  atque  Äsiafios  bespricht,^)  d.  h.  die  ihm  aus  der  Tradition 
bekannt,  seiner  Zeit  aber  bedeutungslos  war.  Santras  rein  gram- 
malische Bemerkung  ist  interessant:  die  Periphrase  ist  ja  wirklich 
für  die  xoivrj  im  Gegensatze  zu  der  alten  Sprache  charakteristisch, 
freilich  nicht  für  Asien  mehr  als  für  Syrien  und  Aegypten.  Von 
solchen  Beobachtungen  hat  Cicero  nichts  gewusst;  andererseits  geht 
Santras  Urtheil  die  Stilkritik  nichts  an. 

Dionysios  von  Halikarnass  ist  selbst  ein  Karer  oder  wenigstens 
Asiate,  so  dass  er  den  Namen  meiden  muss;  aber  er  giebt  in  der 


1)  Er  selbst  fügt  als  Mittelding  die  Rhodier  hinzu,  deren  Schale  nach 
der  bekannten  Tradition  Aiscbines  gestiftet  habe.  Ihre  Beurtheilung  ist  intér- 
essant, weil  sie  nicht  aas  Cicero  sUmnit;  sie  sind  lenibus  siagnU  nmiiss: 
das  stimmt  dazo,  dass  der  altere  Apollonios  fudeatàç  hiess,  Strab.  655. 


ASIANISMUS  UND  ATTICISMUS  5 

Vorrede  seioes  Werkes  Aber  die  aUischeo  Redner  dieselbe  Lehre, 
die  dem  Cicero  im  Orator  vorlag.  Nach  Alexander  wäre  aus  einigen 
asiatischen  Spelunken  die  AfTermuse  hervorgekrochen,  eine  Phry- 
gerin  oder  ein  karisches  Ungethüm,  und  hätte  geherrscht,  bis  die 
in  Rom  centralisirte  Macht  dem  Geschmacke  der  Welt  den  Befehl 
zur  Umkehr  und  Einkehr  gegeben  hätte.  Dionysios  braucht  nicht 
mehr  zu  kämpfen  ;  der  Sieg  ist  mittlerweile  erfochten  oder  er  darf 
es  doch  schon  so  darstellen.  Er  steht  in  seiner  Verherrlichung 
des  Demosthenes  dem  Cicero  gar  nicht  so  fern;  aber  er  unter- 
scheidet sich  von  ihm  in  der  radicalen  Verurtheilung  der  gesammten 
nachclassischen  Prosa,  wie  er  es  namentlich  in  der  Schrift  Ober 
die  Wortfügung  ausspricht,  so  verschiedene  Stilisten  wie  Duris  und 
Polybios,  Hieronymos  und  Hegesias  in  einen  Topf  werfend.  Von 
ihm  haben  die  Modernen  die  Anschauung,  dass  der  Asianismus 
mit  Hellenismus  einerseits,  mit  carrupta  eloquentia  andererseits 
identisch  wäre. 

Noch  im  Kampfe  hat  der  Sikeliote  Caecilius  gestanden,  als  er 
sein  Buch  xavà  0Qvy(Lv  schrieb,  von  dem  der  Titel,  das  einzige 
bekannte,  die  Tendenz  offenbart;  daneben  stand  ein  Buch  rivi 
ôuapéçei  b  jitzivioc  ^fîkoç  %ov  lAlaiavov.  Wir  kennen  ihn  auch 
als  einseitigen  Atticisten  der  Art,  gegen  die  Cicero  fleht,  denn  sein 
Ideal  war  Lysias,  während  er  selbst  Piaton  ganz  verwarf.  Auch 
das  passt  für  die  Zeit  des  Streites,  und  es  existirt  keine  Instanz 
dagegen,  dass  er  diese  Polemik  vor  Dionysios  geführt  und  ganz 
wesentlich  zu  dem  Siege  beigetragen  hat.  Er  hat  auch  zuerst,  so 
viel  wir  wissen,  ein  Lexikon  in  dem  atticistischen  Sinne  verfasst, 
dem  Redner  die  echten  Worte,  die  xvçlac  lé^eiç  zu  liefern,  damit 
die  Rede  wieder  attisch. würde.  Das  mag  er  später  verfasst  haben 
als  Dionysios  sein  verlorenes  Buch  über  die  Wortwahl;  dass  der 
Asianismus  nach  dieser  Seite  sündigte,  war  schon  dem  Santra  ge- 
läufig gewesen.  Der  zweisprachige  Sikeliote  und  römische  Bürger 
mochte  sich  den  ,Asianern^  schon  gesellschaftlich  überlegen  fühlen; 
der  Bruch  mit  der  Tradition  ward  ihm  leichter,  wenn  er  von  Her- 
kunft oder  Glauben  Jude  war. 

In  der  späteren  Zeit  des  Augustus  giebt  es  in  Rom  asianische 
Declamatoren,  die  uns  Seneca  unter  diesem  nun  zuerst  auftretenden 
Namen  vorführt.  Wie  sich  damals  ja  auch  andere  Attici  nennen, 
unbeschadet  ihrer  gut  asiatischen  Herkunft.  Die  Asiani  scheinen 
allerdings  auch   der  Abstammung   nach  Asiaten,  und  wenn  einer» 


6  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

als  ihm  der  Kaiser  ein  Talent  schenken  will,  sagt,  ^  nçoa^eç  i 
açeXe  fbirj  ^At%i;kov  rji^  so  muss  sich  das  Attische  in  einer  ein- 
zelnen Vocahel,  nicht  in  der  Composition  gezeigt  haben,  wie  an 
Münzen  der  x^Q^^'^^Q»  ^^^  xoju^a  agxalov  oder  xor^voV.*)  FQr 
unsere  EmpOndung  ist  der  Gradunterschied  des  Absurden  zwischen 
allen  diesen  Declamatoren  gering. 

Das  Urtheil  der  Gebildeten  jener  Zeit  giebt  Strabon  wieder. 
Er  traut  sich  kein  eigenes  Urtheil  in  rhetorischer  Technik  zu, 
äussert  aber  den  altsloischen  Widerwillen  gegen  Redeschmuck  selbst 
dem  Poseidonios  gegenüber  (147),  und  über  Hegesias  sagt  er  oç 
i]Q^e  fjiaXiaza  vov  ^Aaiavov  Xsyofxivov  ^tjXov  naçacpd^eiçaç  %b 
xa&eaToç  ed'oç  to  ^Aitixov.  Er  macht  das  noch  boshafter,  in- 
dem er  Hegesias  mit  einem  Musiker  vergleicht,  der  ebenso  die  ehr- 
bare Weise  verlassen  hätte,  und  diese  Zusammenstellung  wird  er- 
möglicht durch  die  Versetzung  des  Hegesias  von  dem  Magnesia  am 
Sipyios  nach  dem  am  Maeander  (648).  Bekanntlich  hat  Strabon 
nichtsdestoweniger  eine  Phrase  des  Hegesias  angewandt,  um  sich 
eine  Beschreibung  Athens  zu  sparen  (396);  er  hatte  sie  doch  wohl 
als  Knabe  in  Amaseia  auswendig  gelernt. 

Endlich  tadelt  noch  Theon  in  den  Progymnasmen  (S.  71)  die 
%fAfÂB%QOç  TLaï  Uvçv&fÀOÇ  Xé^iç  des  Hegesias  und  der  idaiavoi 
xalovf4€voi  çrj'iogeç,  die  aber  auch  bei  Epikur  vorkäme.  Theon 
erwähnt  als  jüngste  den  Theodoros  von  Gadara  und  den  Apion,') 

1)  Craton  venuttUtimtu  homo  et  profettus  Mianu*,  Seneca  contr,  X 
5,  21 ,  seine  Herkunft  wird  nicht  angegeben.  In  den  paar  citirten  Worten  ist 
der  Vulgarismus  ßawos;  auch  i^Xiov  xaiovxos  ist  nicht  classisch.  In  einem 
losgerissenen  Satze  wie  Jlçofitjâ'ev ,  vvv  iSei  ce  nvç  nléxpaiy  wage  ich  auf 
den  Rhythmen  w |  -w-^ nicht  zu  insisliren. 

2)  Der  in  den  'jä^iotvoe  iXayxo^  S.  93  stecken  muss.  Der  fihodier  Apol- 
lonios  (Molon)  ist  ihm  ein  halbverschollener  ttäv  ncsaßviecatv  S.  6t.  Er  weiss 
von  der  Kritik  der  Lysiasreden  durch  Dionysios  oder  Gaecilius  S.  69.  Für  den 
Ätticismus  ist  besonders  bezeichnend,  wie  er  seinen  Knaben  den  Dual  beibringt 
S.  10t.  Dass  er  nach  Suidas  als  römischer  Bürger  Aelius  hiess,  braucht  nicht 
auf  badrianische  Zeit  zu  führen.  Dionysios  hat  doch  wohl  schon  von  den 
Aelii  Tuberones  das  Bürgerrecht  auf  seinen  Nachkommen,  den  Atticisten,  ver- 
erbt, und  Aelius  Gallus  war  praefectus  Aeg.  gewesen,  so  dass  es  Aelii  in 
Alexandreia  gegeben  haben  wird;  das  ist  nach  Suidas  Theons  Heimath.  Das 
Buch  bietet  keinen  Anhalt  für  den  Ort  seiner  Entstehung.  Der  Stil  zeigt  auf 
jeder  Seite  den  vollen  Sieg  des  Ätticismus,  aber  Genaueres  kann  ich  ihm 
nicht  entnehmen  und  würde  sehr  bedenklich  sein,  wenn  Jemand  aus  ihm  ent- 
scheiden wollte,  ob  50  n.  Ghr.  oder  150.  Der  Name  ist  zu  gewöhnlich,  als 
dass  man  auf  diesen  Theon  die  Gitate  Quintilians  (3,  6,  4S.  9,  3,  76)  beziehen 


ASIANISMDS  UND  ATTICISMUS  7 

der  Kreis  der  Lecture,  den  er  voraussetzt,  umfasst  our  Klassiker, 
Redoer  gar  nicht  mit  Vorliebe,  von  Historikern  Theopompos,  Epho- 
ros,  Philistos,  von  Dichtern  nicht  Tragödie  oder  Lyrik,  dagegen 
mit  Vorliebe  Menander:  das  ist,  wie  mich  dOnkt,  im  2.  Jahrhundert 
undenkbar,  so  dass  ich  mit  denjenigen  übereinstimme,  die  die 
Schrift  um  die  Mitte  des  1.  Jahrhunderts  ansetzen.  Dazu  stimmt 
auch  die  Nennung  der  Asianer,  die  freilich  der  Vergangenheit  an- 
gehören können,  aber  doch  noch  bekannt  sind.  Denn  es  ist  ihre 
letzte  Erwähnung.  Wenn  Plutarch  von  Antonius  (2)  sagt,  dass  er 
dem  ^^koç  uiaiavoç  angehangen  hätte,  avd'wv  irt'  èxeivov  rot 
XQOvov^  so  entnimmt  er  das  seiner  Quelle,  bezeugt  zudem  ebenso 
wie  Quintilian,  dass  diese  Stilrichtung  nicht  mehr  existirte. 

Das  ist  alles.')  Constatiren  wir  dem  gegenüber,  wer  den  Aus- 
druck nicht  kennt.  Agatharchides,  der  doch  mit  Hegesias  so  streng 
ins  Gericht  geht,  Seztus,  dessen  Buch  wider  die  Rhetoren  vor- 
ciceronische  Doctrin  giebl,  Philodem,  Cicero  de  inventionet  der 
Rhetor  ad  Herennium,  Gorgias  von  Athen,  der  die  Asiaten  an- 
standslos als  Musler  braucht,  die  Schrift  n.  vxpovg,  der  jüngere 
Seneca  und  alle  Späteren.  Es  ist  ein  Schlagwort,  ausgegeben  in 
Rom  um  die  Mitte  des  1.  Jahrhunderts,  das  kaum  zwei  Menschen- 
aller vorgehalten  hat.  Es  richtete  sich  gegen  die  Redner,  die  in 
d*fr  Gegenwart  in  der  Provinz  Asia  herrschten,  wo  die  Römer  ihre 
rhetorischen  Studien  zu  machen  pflegten,  und  deren  Vorbilder,  die 
denn  freilich  nicht  alle  Asiaten  waren,  sondern  Timaios  Sikeliote, 
Matris  Thebaner,  Epikur  gar  Athener.  Gegen  sie  spielte  man  die 
,Ailiker*,  d.h.  die  alten  Classiker,  aus,  über  deren  Auswahl  man 
immer  noch  so  verschieden  urlheilen  konnte,  wie  Cicero  und  Brutus^ 
Dionysios  und  Caecilius.  Der  Gegensatz  von  Attisch  und  Asianisch 
ging  nicht  die  ôiâvoia,  sondern  ausschliesslich  die  Xé^iç  an,  dies 
in  doppelter  Weise,  einmal  die  Rhythmen,  d.  i.  die  avv&eaig  ovo- 
fiQTiov,  wo  man  denn  wieder  verschiedenes  tadelte,  zum  anderen 
die  ixloyfj  ovof^dzwv.  Dies  zweite  tritt  zufällig  in  unserer  Ueber- 
lieferung  zurück,  da  Cicero^  der  Lateiner,  es  nicht  behandeln  kann, 

kôuDte.  An  der  letzteren  Stelle  heisst  er  Stoiker  und  vermittelt  vielleicht  ein 
Unheil  des  Caecilius:  unvereinbar  ist  auch  das  mit  den  Progymnasmen  nicht. 
1)  Scheinbare  Zeugnisse  aus  viel  späterer  Zeit,  auf  die  sich  Norden  1  367  fif. 
stûut,  werden  unten  S.  11  A.  4  an  ihrer  Stelle  besprochen.  Was  von  La  leinern 
dem  Cicero  nachgesprochen  wird,  wie  in  den  von  Norden  II  635  vorgelegten 
Stelleo  des  Hieronymus,  kann  hier  nichts  lehren,  und  auch  in  dem  Zusammen* 
hange,  in  den  es  Norden  rückt,  hat  es  keine  Beweiskraft. 


8  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

und  die  betreffende  Schrift  des  Dionysios  verloren  ist;  aber  es  muss 
eigentlich  den  Ausgangspunkt  gebildet  haben.  Wenn  die  barbarischen 
Elemente  Afiens  für  die  Verderbniss  verantwortlich  gemacht  wurden, 
so  niusste  ihr  Einfluss  sich  in  der  Correctheit  und  Precision  des 
Ausdruckes  fühlbar  machen,  in  den  Rhythmen  höchstens  mittelbar. 
So  finden  wir  die  asianiscbe  Sprache  unzweifelhaft  von  dem  be- 
deutendsten Feinde  der  Phryger,  von  Caecilius  bekämpft,  und  unser 
vielleicht  ältester  Zeuge  Santra  redet  auch  von  ihr.  Als  unter 
Augustus  die  griechischen  Rhetoren  sich  nach  Rom  zogen,  so  dass 
die  Romer  nicht  mehr  nOthig  hatten,  ihre  Ausbildung  in  Asien  zu 
suchen,  haben  sich  natürlich  nicht  gleich  alle  der  dort  bereits 
herrschenden  Mode  unterworfen,  und  der  eine  Kraton  ist  als  mu- 
thiger  Bekenner  des  Asianismus  zu  rühmen,  aber  es  liegt  schon 
in  dem  Verstummen  der  Polemik,  dass  der  Atticismus  mindestens 
theoretisch  rasch  einen  vollkommenen  Sieg  errungen  hat.  Mit  der 
Polemik  gegen  sie  verschwinden  auch  die  Stilmuster  des  Asianismus. 
Wenn  Rutilius  Lupus  in  dem  veralteten  Musterbuche  des  Gorgias 
noch  eine  Menge  Beispiele  hellenistischer  Zeit  übersetzt  hat,  so 
beweist  das  nur  seine  Unbildung.  Es  kann  Niemand  bezweifeln, 
dass,  von  Hegesias  und  allen  den  von  Cicero  gerühmten  Rhetoren 
zu  schweigen,  auch  die  Historiographie  der  hellenistischen  Zeit, 
Timaios  an  der  Spitze,  aus  den  Händen  des  Publicums  vollkommen 
verschwanden,  ganz  im  Gegensatze  zu  dem  Urtheile  und  der  Praxis 
von  Cicero  und  Varro.  Nur  aus  stofflichem  Interesse  hat  man  sie 
noch  gelesen,  nicht  mehr  in  weiten  Kreisen.  Selbst  Plutarch,  der 
doch  Hieronymos,  Aratos,  Phylarchos  und  viele  geringere  für  seine 
Biographien  aufgesucht  hat,  rechnet  sie  nur  als  Vermittler  der  That- 
Sachen;  einem  Aristides  liegen  sie  schon  volhg  fern.  Man  kann 
nicht  bezweifeln,  dass  die  Romane,  Milesiaka,  Assyriaka  und  wie 
sie  hiessen,  derselben  Verachtung  verfielen,  lediglich  der  Form 
wegen,  und  diese  sogar  spurlos,  da  sie  als  Historie  denn  doch 
nicht  genommen  wurden.  Oder  vielmehr  sie  haben  sich  auch  trans- 
formirt,  schliesslich  in  die  erotischen  Romane,  Briefe  u.  dgl.  der 
Sophistik.')  Die  Unterhallungslilteratur  der  breiten  Masse  ist  ja 
immer  modern,  aber  immer  ephemer  und  niemals  original. 


1)  Seit  der  Entdeckung  der  älteren  Romane,  namentlich  dem  von  Ninos 
kann  das  nicht  bezweifelt  werden.  Die  Entwickelung  habe  ich  kurz  gezeichnet 
Arist.  und  Alb.  II  32.  Wie  der  Roman  in  die  Historiographie  gehört,  hat 
E.  Schwartz  besonders  treffend  ausgeführt. 


ASIANISMDS  UND  ATTICISHUS  9 

Wenn  sich  demnach  die  Asianer  eigentlich  als  solche  niemals 
geftthlt  haben,  und  mit  der  Zeit  des  Tiberius  auch  die  Polemik  gegen 
sie  ganz  verschwindet,  wenn  diese  ganze  Litteratur  damals  untergeht, 
so  kann  die  Ansicht  von  Rohde  unmöglich  zutreffend  sein,  dass  die 
sogenannte  zweite  Sophistik  die  Fortsetzung  des  Asianismus  wäre, 
es  sei  denn,  man  legte  diesem  Terminus  etwas  ganz  anderes  unter, 
als  er  im  Aherthum  bedeutet.  Darüber  zu  urtheilen  müssen  wir  uns 
die  zweite  Sophistik  ansehen.  Dieser  Begriff  stammt  ausschliesslich 
aus  den  ßiot  Gog>cat(ùv  des  Philostratos  ;  was  er  werlh  ist,  muss 
sich  aus  der  Tendenz  dieses  Buches  und  ihrer  Tragweite  ergeben. 

Es  scheint  freilich  so,  als  wäre  die  alte  Sophistik,  von  der 
Philostratos  stolz  ausgeht,  durch  Niketes  II.  von  Smyrna  und  Dion 
von  Prusa  unter  den  Flaviern  plötzlich  wieder  aufgelebt.  Aber 
1)61  näherem  Zusehen  stellt  es  sich  ganz  anders.  Erstens  fehlen 
zwischen  Aischines  und  Niketes  so  gut  wie  alle  Namen,  und  die 
sich  finden  sind  nichts  mehr  als  Namen  und  waren  es  auch  nicht 
für  Philostratos.  Er  hat  von  der  gesammten  rhetorischen  Litte- 
ratur zwischen  den  attischen  Klassikern  und  der  Flavierepoche  gar 
nichts  gewusst,  geschweige  gelesen.  Die  Asianer  und  die  Rhodier, 
die  Dedamatoren  der  augusteischen  Zeit  und  noch  die  der  nero- 
nischen  sind  für  ihn  verschollen.  Man  würde  aber  schwer  irren, 
wollte  man  glauben,  dass  er  von  den  alten  Sophisten  mehr  wüsste, 
so  dass  sie  etwa  wirklich  Vorbilder  der  neuen  gewesen  wären. 
Denn  was  von  Protagoras,  Prodikos,  Hippias,  Polos,  ja  sogar  Thra- 
symachos  bei  ihm  steht,  zeigt,  dass  er,  oder  besser  seine  ganze  Zeit 
sie  nicht  mehr  kannte«  Gorgias*)  und  Kritias  (dieser  durch  Herodes 
entdeckt,  von  Philostratos  besonders  nachgeahmt)  sind  noch  gelesen, 
wie  Aischines  und  Antiphon  und  Isokrates,')  obwohl  er  auch  von 

1)  Dessen  Nachatimung  hebt  er  bei  Skopelian  hervor,  was  man  glauben 
mag.  Von  seinem  Lehrer  Proklus  sagt  er  (II  Ka'),  er  hätte  selten  eine  Sid' 
Igfti  gebalten,  ihat  er  es  aber,  iTtmdiovrt  éeôixai  nal  yo^ia^ovrtj  d.h. 
über  einen  allgemein  moralischen  Stoff  sprach  er  so  prachtvoll  wie  Hippias 
und  Gorgias,  bei  Piaton  npmlich.  Wollte  man  es  wörllich  nehmen,  so  hätte 
es  noch  etwas  von  Hippias  gegeben,  was  notorisch  nicht  wahr  ist  und  mit 
dem  Artikel  des  Philoslrat  über  Ihn  direct  streitet.  Norden  I  385  hat  sich 
läuschen  lassen  und  operirt  auch  mit  dem  Weiterleben  von  Schlagwörtern 
der  alten  Sophistik,  als  ob  der  Journalist  die  Herkunft  der  fremden  Federn 
kennte,  mit  denen  er  sich  putzt. 

2)  Die  Sophisten  des  4.  Jahrhunderts,  die  so  recht  hergehörten,  Poly- 
krates,  Anaximenes,  Alkidamas,  Theodektes  fehlen  auch:  so  viel  ärmer  war 
die  Litteraturkenntniss  seit  Giceros  Zeit  geworden. 


10  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

alleu  dieseo  ganz  flQchtig  handelt.  Also  die  ganze  Anknüpfung  an 
die  alte  Sophistik  ist  nur  ein  Coup,  bestimmt,  die  Würde  der  Kunst 
zu  erhohen:  in  Wahrheit  wollte  er  über  die  Sophisten  handeln, 
von  denen  er  durch  Tradition  und,  lange  nicht  von  allen,  durch 
ihre  Werke  Kunde  hatte.'}  Also  fängt  mit  den  Flaviern  daruoi 
noch  lange  keine  neue  Periode  an,  weil  anderthalb  Jahrhunderte 
später  die  F>innerung  und  die  in  den  Händen  des  Publicums  erhaltene 
LiUeratur  nicht  weiter  zurück  reichte.  Auch  diese  Litteratur  ist 
immer  modern  und  ephemer  und  nie  original.  Wie  wäre  es  ge- 
gangen, wenn  wir  Philostratos  nicht  mehr  hätten?  Was  wären 
uns  Niketes  und  Lollian,  Hippodromos  und  Skopelian?  Wie  ist  es 
denn  den  Sophisten  nach  ihm  ergangen,  Proaeresius,  Kallinikos, 
Minucian  u.  s.  w.?  Und  wenn  wir  Seneca  den  Vater  nicht  hätten, 
was  besässen  wir  von  der  Blüthe  der  augusteischen  Declamation? 
So  viel  wie  jetzt  von  den  lateinischen  Declamatoren  zwischen  Se- 
neca und  Quintilian,  die  doch  wahrhaftig  ihrer  Zeit  bedeutend 
waren.  So  lange  die  Litteratur  sich  irgendwie  fortentwickelt,  zer- 
stört sie  unweigerlich  die  Masse  dessen,  was  für  den  Tag  Bedeutung 
hatte,  aber  über  den  Tag  hinaus  zu  wirken  die  Kraft  verlor.  Die 
Nachwelt  trifft  eine  Auswahl,  nicht  absolut  gerecht,  aber  doch  mit 
geschichtlich  erkennbarer  Nothwendigkeit.  Aber  wer  die  Entwick- 
lung der  Litteratur  verfolgen  will,  muss  nicht  nur  was  dauernd, 
sondern  auch  was  momentan  wirkt,  erwägen. 

Was  die  Byzantiner  an  Litteratur  übernahmen,  setzt  in  breiter 
Massenhaftigkeit  mit  dem  4.  Jahrhundert  ein,  das  in  den  grossen 
Klassikern  der  christlichen  Kirche  des  Orients  auch  rhetorische  Vor- 
bilder hinterliess,  deren  Geltung  nicht  mehr  angefochten  worden 
ist,  weil  keine  neue  kräftige  Zeit  mehr  kam;  zu  ihnen  gesellt  sich 
Libanios,  von  dem  sich  nur  zu  viel  erhalten  hat,  der  am  strengsten 
attische  und  archaistische  Rhetor  des  Jahrhunderts.  Daher  hat  er 
das  Uebergewicht  erhalten.  Aber  es  sind  neben  ihm  doch  nicht 
nur  lulian   und  Themistios,  sondern  auch  Himerios  erhalten,   ein 


1)  Das  gilt  von  Niketes,  dessen  Werke  jedoch  bereils  eine  offenbar 
attisch-puristische  Umarbeitung  erfahren  hatten,  und  Skopelian,  aber  nicht 
mehr  von  Isaios,  der  doch  seiner  Zeil  eher  noch  mehr  gegolten  hatte.  Auch 
über  Skopelian  schöpft  Philostratos  aus  mündlicher  Tradition,  die  er  freilich 
noch  mit  den  Reden  vergleichen  kann  (II  p.  39  Kayser).  Offenbar  haben  ihm 
über  Vieles  Bücher  in  der  Art  des  Seneca  vorgelegen,  denn  die  einzelnen 
Schlagworte  stammen  längst  nicht  alle  aus  publicirten  Reden. 


ASIANISMÜS  UND  ATTICISMÜS  11 

Haupt  der  atheoischeD  poetisireodeD  Richtung,  dieser  bezeichoender 
Weise  our  in  einer  Handschrift,  weil  die  Erneuerung  der  Kunst- 
prosa seit  Photius  mit  diesem  Stile  nichts  mehr  anfangen  konnte 
und  wollte.*)  Nimmt  man  die  reiche  rhetorische  Doctrin,  Geneth- 
lios  und  Menander  an  der  Spitze,  dazu,  so  kann  man  wohl  sagen, 
dass  wir  Ober  die  Prosa  des  4.  Jahrhunderts  ausreichend  unter- 
richtet sind.  Aber  die  Heroen  des  Philostratos?  Mit  den  drei 
kleinen  Declamationen  des  Herodes  und  Polemon,  zu  denen  die 
beiden  des  Lesbonax  kommen,  den  jener  auffallender  Weise  ver- 
gessen hat,')  ist  wenig  erreicht:  sie  haben  sich  in  Miscellanbanden 
fon  MüsterstQcken  erhalten,  vereinigt  wohl  mit  den  immer  noch 
zahlreicheren  Musterdeclamationen  der  classischen  Zeit  (Gorgias, 
Alkidamas,  Antislhenes).  Dion  ist  nicht  als  Rhetor,  sondern  durch 
das  philosophische  Interesse  gerettet,  das  man  seit  Synesios  an  ihm 
nahm');  aus  demselben  Interesse  haben  wir,  allerdings  mehr  durch 
glücklichen  Zufall,  den  Tyrier  Maximus,  uns  als  Rhetor  und  Stilist 
sehr  wichtig  y  von  Philostratos  aber  verschmäht.  Dagegen  ist  Fa- 
vorin  verschollen,  weil  seine  Skepsis  dem  Christenthume  unsym- 
pathisch war.  Wirklich  in  mächtigem  Einflüsse  ist  nur  Aristides 
geblieben,  Classiker  schon  für  Longio,  und  schon  für  ihn  aus  dem 
Grunde,  der  ihn  immer  oben  gehalten  hat,  weil  er  wirklich  den 
attischen  Stil  so  vollkommen  wie  kein  anderer  erreicht  hat.^)     Die 


1)  Sie  konnte  es  nicht,  weil  ihr  die  dazu  nôthige  Poesie  verloren  war, 
oder  sie  mosste  es  machen  wie  der  fiomanschreiber  Eustathius,  den  ich  nie- 
mals fähig  gewesen  bin  durchzulesen.  Sie  wollte  es  nicht,  weil  ihr  das  gram- 
matisch correcte  Allgriechisch  schon  an  sich  schwer  und  poetisch  genug  war. 

2)  Seine  Zeit  hat  Rohde  fixirt;  als  Mitschüler  des  Polemon  und  Demonax 
ßllt  er  in  die  erste  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts.  Noch  auffälliger  ist  bei  Philo- 
strat das  Fehlen  des  Nikostratos. 

3)  Daher  sind  seine  sophistischen  Declamationen  fast  alle  verloren. 

4)  Seine  Kritik  ist  erhalten,  1  326  Sp.  tt^  nXeovdaaaav  nsgi  xrjv  *Aaiav 
ixhuctv  àveKzrjCoTO :  damit  ist  der  Gegensatz  bezeichnet,  in  dem  Aristides 
wirklich  und  bewusst  zu  den  i^oçxovfMvoi  in  seiner  Provinz  stand,  nichts 
von  dem  allen  »Asianismus'  des  Matris  oder  Timaios.  Auf  Longin,  der  741 
dtirt  wird,  gehn  die  Prolegomena  zu  Aristides  Hl  737  zurück,  wo  zwei  at- 
tischen  ipoqai  ^r^oçofv  eine  dritte  zugefügt  wird,  in  der  Asien  die  Redner 
stellt,  Polemon,  Herodes,  Aristides  und  ihre  Zeitgenossen.  Also  diesem  By- 
zantiner ist  in  diesem  Sinne,  ganz  ohne  Stilkritik,  die  ,zweite  Sophistik*  asia- 
nisch,  Aristides  ihr  Haupt  —  neben  Herodes  Attikos.  Wenn  also  Spätere  von 
eioem  Buche  sagen,  dass  es  tot  ^Aaiavov  lœv  Xeyoir  x^Q^^'^^Ç^  trägt,  so 
beisst  das  nichts  weiter,  als  es  ist  mit  rhetorischem  Aufputze  abgefassl:  wie 


12  ü.  V.  WILAMO WITZ-MÖLLENDORFF 

Schule  hat  entschieden,  uod  sie  ist  oder  wird  immer  wieder  classi- 
cistiscb.  Es  hat  doch  auch  die  attische  Diction  ganz  weseutlicb 
dazu  beigetragen,  dass  sich  die  Schriftenmasse  Lukians  immer  be- 
hauptet hat,  und  in  ihr  eine  Anzahl  an  sich  geringer,  nun  fOr  uns 
als  Proben  höchst  schätzbarer  Declamalionen.  Sonst  haben  in 
diesem  Zusammenhange  die  Schriftsteller  nicht  zu  erscheinen,  die 
für  Philostratos  und  seine  Zeit  keine  Sophisten  sind. 

Würden  wir  so  aus  dem  Bestände  der  erhaltenen  Litteratur 
unmöglich  auf  das  scbliessen,  was  uns  nun  durch  Philostratos  als 
zweite  Sophistik  geläufig  ist,  so  fehlt  es  uns  nicht  an  Zeugnissen» 
dafür,  dass  das  erste  Jahrhundert  genau  ebenso  reich  an  grossen 
Rednern  erscheinen  würde,  wenn  ein  Pliilostrat  der  hadrianischen 
Zeit  etwa  von  ihm  erzählte.  In  der  18.  Rede,  einem  Erzeugniss 
seiner  Sophistenzeit,  führt  Dion  neben  den  Klassikern  keinen  ein- 
zigen Redner  der  Zwischenzeit  als  Muster  an,  wohl  aber  von  den 
neueren  Antipatros,  Theodoros  (wohl  den  Gadarener),  Plution  und 
Konon,  die  uns  doch  kaum  mehr  als  Schatten  sind.  Die  rhe- 
torischen Techniker  der  Zeit  zwischen  Theodoros  und  Quintilian 
und  Alezander  Numenios,  darunter  Leute  wie  Theon,  Neokles  und 
der  Schriftsteller  vom  Erhabenen,  müssen  doch  auch  als  ausübende 
Redner  gelten,  und  auch  die  Fortbildung  der  Theorie  bis  auf  Quin- 
tilian ist  keineswegs  verächtlich.  So  klafft  die  Lücke  höchstens 
in  unserer  Ueberlieferung.  In  der  augusteischen  Zeit  ist  die  Fülle 
der  Namen  thatsächlich  kaum  geringer  als  in  der  Zeit,  von  der 
Philostrat  berichtet,  und  das  kann  man  von  dem  ganzen  ersten  Jahr- 
hundert vorher,  wohl  auch  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  sagen,  dank 
Seneca  dem  Vater,  Strabon  und  Cicero.  Insbesondere  charakte- 
ristisch sind  die  Erwähnungen  der  asiatischen  Berühmtheiten,   die 


hätte  ein  Sokrates  oder  gar  ein  Photios  etwas  von  den  allen  Kämpfen  des 
Caecilius  wissen  können?  So  erledigen  sich  die  von  Norden  1  370  angeführten 
Stellen,  die  ich  ohne  ihn  nicht  kennen  würde.  Ich  füge  loh.  Doxopatris  VI 
S3  W.  hinzu.  Die  aber,  auf  die  Norden  besonderen  Werth  legt,  Prokop. 
EpisLWQ  referirt  nur  Longins  Unheil  über  Aristides,  einen  Salz  aus  der 
schulmässigen  Einleitung  in  die  Aristideserklärung ,  wie  wir  sie  lesen,  eben 
auch  aus  der  Schule  von  Gaza  :  ri  8rjta  roXg  fieiçaxioiç  n^Ha&B^éftat^ùS  otêi 
Ti  fiéya  (péçBiv  {tp^ovalv  vulgo)  ^AçiaxeiSov  tov  ndw  n^s  ènatvov^  ai  XfyotÇ 
œs  avroç  (17  IloXéfitov)  T^fi  t^cuzvijs  raçaraias  %r]v  aqxaiav  ^rjxo^x^v  êum." 
d^çev.  Das  allerdings  unüberlegt  eingeschobene  ^  Uolifiapv,  das  man  uft- 
glöcklich  corrigirt  hat,  besagt,  man  könnte  das  auch  von  Poleroon  sagen, 
den  die  Prolegomena  zu  Aristides  an  erster  Stelle  nennen. 


ASI  ANISHOS  UND  ATTICISM  US  13 

StraboDf  natûrlich  nicht  aus  irgend  welcher  Quelle,  sonderu  aus 
seiner  exacten  und  dem  Greise  wunderbar  prflsenlen  Kenntniss  bei 
den  einzelnen  Städten  namhaft  macht.  Es  sind  ausser  Leuten  von 
immer  dauerndem  Ruhme  im  Wesentlichen  die  Notabilitâten ,  die 
etwa  noch  zwei  Menschenalter  vor  Strabons  eigener  Geburt  in  dieser 
Geltung  standen,  wohl  schon  viele  sonst  verschollen ,  als  der  alte 
Herr  ihrer  erwähnte.  Das  reicht  etwa  so  weit  zurück,  wie  die 
Erwähnungen  Ciceros,  der  mit  den  Erinnerungen  seiner  eigenen 
Studienzeit  wirthschafteU  Die  Rhetoren  von  Alabanda  und  Dio- 
pbanes  von  Mytilene,  den  seine  Verbindung  mit  Tiberius  Gracchus 
im  Gedächtniss  hielt,  sind  wohl  die  ältesten.  Vor  der  Mitte  des 
2.  Jahrhunderts  scheint  dann  eine  grosse  Leere  zu  sein,  bis  empor 
zu  den  letzten  Attikern,  Demochares  und  Charisios.  Aber  das  liegt 
nur  an  unsere  Ueberlieferung.  Zopyros  von  Klazomenai ,')  Kleo- 
chares  von  Myrlea,*)  Hermesianax,*)  Matris  von  Theben/)  die  ihrer 
Zeit  Geltung  genug  gehabt  haben  müssen,  waren  eben  um  100 
schon  ziemlich  verschollen.  Und  wenn  wir  keinen  einzigen  Namen 
kennten:  die  Zeit,  welche  einen  neuen  Stil  und  ein  neues  rheto- 
risches System  ausgebildet  hat,  kann  bedeutender  oder  wenigstens 
ihrer  Zeit  gefeierter  Redner  nicht  entbehrt  haben. 

So  ist  denn  in  Wahrheit  eine  ununterbrochene  Continuität  der 


1)  Der  Erfinder  des  Begriffes  azaais,  also  ein  sehr  bedeutsamer  Mann; 
^e  oê^ioracêêQ  sind  damit  zugleich  gegeben.  Dies  lesen  wir  bei  Quinlilian  ; 
»Is  ältesten  Techniker  stellt  ihn  Philodem  I  187  mit  Antiphon  (dessen  falsche 
Techoe  bezeugend)  zusammen.  Als  Zeitgenossen  Timons  erwähnt  ihn  Anti- 
fODos  S.  43  meines  Buches. 

2)  Vom  falschen  Aristipp  als  Jüngerer  Zeitgenosse  des  Arkesilaos  er- 
wähnt, Antig.  V.  Raryst.  50. 

3)  Von  Agatharebides  446^  34  erwähnt;  der  Name  zeigt  wohl  sicher 
àea  asiatischen  lonier. 

4)  Sein  Gedächtniss  hat  gedauert  bis  Ptolemaios  Ghennos  148^  1  (daraus 
Athen.  IJ  44');  ob  der  ihn  wirklich  vfivoyQatpoi  genannt  hat,  oder  Photius 
doen  falschen  Ausdruck  gewählt  hat,  muss  dahingestellt  bleiben.  Gemeint 
war  das  iynmiuov  'H^aul^ovs,  das  wir  durch  Diodor  kennen,  oder  mehr  GÖtter- 
reden  der  Art.  Seine  Zeit  habe  ich  bei  Bethe  qu.  Diodor,  myth.  87  zu  tief 
angesetzt,  weil  ich  Philodem  nicht  kannte,  II  233,  234,  wo  sich  ergiebt, 
dass  Diogenes  von  Babylon  ihn  neben  Isokrates  als  Typus  des  sophistischen 
Bedners  im  Gegensatze  zum  politischen  citirt  halte.  Damais  war  er  also 
hoch  angesehen,  und  es  ist  bezeichnend,  dass  Diodor,  der  vom  Glassicismus 

weiss,  ihn  noch  ausschreibt;  dem  Schriftsteiler  n.  vynnfÇ  ist  er  schon 
Typus  schwülstiger  Bede  wie  Hegesias. 


14  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

praktischen  Uebung  in  Schule  und  Leben  von  der  alten  Sophislik 
bis  in  die  neue  und  weit  über  sie  hinaus.  Es  ist  dieselbe  So* 
pbistik  zur  Zeit  des  Isokrates  und  des  Hermagoras,  des  MoIod, 
des  Theodoros,  Theon,  Dion  und  Aristides,  und  weiter  des  Hermo- 
genes  und  Lachares,  wenn  man  will  bis  Gregor  von  Korinth  und 
Michael  Akominatos.  Es  ist  durchaus  richtig,  dass  die  asianische 
Beredtsamkeit  in  der  des  Niketes  und  Polemon  lebt,  aber  sie  lebt 
nicht  plötzlich  wieder  auf,  am  Wenigsten  durch  Zurückgreifen  auf 
die  längst  verschollenen  hellenistischen  Redner,  und  dieselbe  Rbe* 
torik  des  Niketes  und  Polemon  ist  zugleich  auch  die  fortlebende 
Sophistik  des  Isokrates,  wenn  man  will  des  Gorgias  und  Thrasy- 
machos  f  aber  auch  das  nicht  durch  plötzliches  bewusstes  Zurück- 
greifen, sondern  in  der  stillen  Continuität  des  Lebens,  plus  ça 
change,  plus  c*est  la  même  chose.  Nur  einmal  ist  ein  partieller 
Bruch  eingetreten,  durch  die  atticistische  Reform  der  Sprache  und 
des  Rhythmus.  Doch  von  der  reden  wir  noch  nicht;  die  Conti- 
nuität der  rhetorischen  Praxis  tangirt  sie  auch  nicht. 

Ohne  Zweifel  liegt  ein  stärkerer  Anspruch  auf  Können  und 
Wissen  darin,  wenn  sich  die  Redelehrer  und  Redekünstler  Sophisten 
nennen,  als  wenn  sie  nur  Rhetoren  sein  wollen,  worauf  doch  ge- 
rade Gorgias  bei  Piaton  mit  Schärfe  seine  Ansprüche  beschränkt. 
Aber  wir  stehen  zu  sehr  unter  dem  Banne  der  platonischen  und 
aristotelischen  Terminologie,  wenn  wir  meinen,  dass  der  Sophisten- 
name je  den  Nebenton  des  falschen  und  trüglichen  nothwendig  in  sich 
getragen  hätte,  der  für  uns  mit  ihm  verbunden  ist.  Das  neue  Marmor 
Parium  hat  gelehrt,  dass  der  parische  Schulmeister  seine  Knaben  das 
Todesjahr  des  Philosophen  Piaton,  aber  des  Sophisten  Aristoteles 
auswendig  lernen  Hess,  offenbar,  weil  nur  der  Letztere  auch  Rede- 
lehrer gewesen  war.  Und  Philodem  hat  gelehrt,  dass  Epikuros 
den  Namen  Sophist  durchaus  auf  den  Schulredner  so  angewandt 
hat,  wie  es  Philodem  selbst  für  seine  Zeit  auch  thut,  und  wie  es 
Philostratos  thut.  Gerade  einem  der  schärfsten  Atticisten  giebt 
auch  Strabon  diesen  selben  Namen.*)  Dion  aber  kämpft  nach 
seiner  Bekehrung  zur  Philosophie  immer  gegen  die  Sophisten,  was 
ihn  nicht  davor  bewahrt  hat,  selbst  in  ihrer  Reihe  einen  Ehren- 
platz zu  erhalten.  Also  kann  das  Hervorziehen  dieses  Namens  in 
keiner  Weise  Epoche  machen;   nur   ein  Gradmesser  für  die  An- 


1)  Dem  DioDysios  von  Pergamon  625. 


ÂS1AMSMUS  UND  ATT1CISMUS  15 

sprOche  mag  es  sein,  die  voo  den  Rhetoren  erhoben  wurden.  Mehr 
ooch  bat  der  allgemeine  arcbaisirende  Zug  der  Zeit  gelban.  Wenn 
man  immer  so  that,  als  wäre  die  ganze  Zeil  nach  Alexander  ge- 
strichen und  lebte  man  beinahe  im  4.  Jahrhundert,  so  machte  es 
sich  fast  von  selbst,  dass  man  Gorgias  und  Isokrates  als  Collegen 
behandelte. 

Also  die  zweite  Sophislik  ist  in  dem  Sinne  keine  festumgrenzte 
Periode,  dass  um  100  n.  Chr.  irgend  etwas  Neues  begänne,  was 
damals  auch  kein  Mensch  empfunden  hat.  Wenn  wir  den  Namen 
weiter  brauchen,  um  die  grosse  Masse  Lilteratur  zusammenzufassen, 
die  uns  im  Gegensatze  zu  der  Aermlichkeit  des  1.  Jahrhunderts 
ans  dem  2.  vorliegt,  so  sollen  wir  uns  seiner  sehr  bedingten  Richtig- 
keit bewusst  sein.  Aber  er  ist  ganz  praktisch,  weil  das  Selbsl- 
gefahl  und  die  sociale  Geltung  der  Rhetoren  der  Kaiserzeil  in  ihm 
ausgesprochen  ist,  die  allerdings  etwas  Neues  ist  und  namentlich 
mit  der  Verachtung  contrastirt,  die  Aristoteles  und  Epikuros  dem 
widmen,  was  sie  Sophist  nennen.  Dies  zu  begreifen,  müssen  wir 
das  halbe  Jahrtausend  und  die  säcularen  Schwankungen  in  den 
Beziehungen  zwischen  Philosophie  und  Sophislik  mit  einem  raschen 
Blicke  überschauen.^)  Es  ist  das  durch  das  tiefe  erste  Capitel  in 
Arnims  Dion  erleichtert,  dem  ich  die  längste  Strecke  des  Weges 
einfach  folgen  kann. 

Das  5.  Jahrhundert  sah  an  seinem  Ende,  wie  den  Tod  des 
nationalen  Staates  der  Hellenen,  so  den  Tod  der  hohen  Poesie. 
Aber  es  waren  zwei  Mächte  erstanden,  die  sich  anheischig  machten, 
die  verlorenen  Ideale  zu  ersetzen.  Die  Rhetorik  beanspruchte  die 
Erziehung  der  Jugend,  versprach  durch  eine  allgemeine  formale 
Bildung  den  Menschen  sittlich  und  politisch  zu  erziehen  und  tüchtig 
im  praktischen  Leben  zu  machen;  sie  getraute  sich  auch  Kunst- 
werke zu  erzeugen,  die  in  jeder  Weise  die  Poesie,  die  Lehrmeisterin 
der  Erwachsenen,  ersetzen  könnten.     Die  Wissenschaft  forderte  die 


1)  £s  wäre  vielleicht  noch  erforderlich,  die  politischen  Beziehungen  zu 
beleuchten,  das  üebergewicht  des  Hellenischen,  das  die  Reichspolitik  Hadrians 
im  Gegensitze  zu  der  römischen  des  Augustus  hervorruft,  die  materielle  Blûthe, 
deren  sich  die  griechischen  Landestheile  erfreuen,  die  von  den  Kaisem  des 
2.  Jahrhunderts  in  fast  befremdender  Weise  geförderte  municipale  Autonomie, 
der  Eintritt  der  Griechen,  gerade  auch  der  Redner,  in  den  Senat  und  damit  das 
Reicbsregiment  und  den  Adel  der  Welt.  Aber  das  würde  den  Zusammenhang 
dieses  Aufsatzesr  vollends  sprengen,  der  doch  schon  weite  Umwege  braucht^ 
am  sein  eigentliches  Thema  einen  Schritt  zu  fördern. 


16  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Jugendbildung  ebenfalls,  damit  ein  Geschlecht  heranwüchse,  das 
sich  ein  neues  besseres  Leben  zimmerte.  Sie  wollte  in  dem  An- 
schauen der  durch  eigene  Arbeit  erschlossenen  Wahrheit  auch  einen 
höheren  Ästhetischen  Genuss  erschliessen,  als  es  die  ,NachahmungeD' 
der  Poesie  gewähren  konnten.  In  Platon  und  Isokrates  stehen  sich 
diese  beiden  Mächte  in  scharfem  Gegensatze  gegenüber.  Piaton 
negirt  diese  Weit:  er  negirt  auch  die  Rhetorik.  Aristoteles  will 
die  Wissenschaft  f^hig  machen  in  dieser  Welt  zu  herrschen:  er 
macht  sich  auch  die  Rhetorik  dienstbar.  Zunächst  bedeutet  das 
den  vollkommenen  Sieg,  und  die  Sophistik  hat  sich  eine  Weile 
verkriechen  müssen.  Aber  Wissenschaft,  die  durch  individuelle 
Arbeit  errungen  wird,  lässt  sich  nicht  als  Massenartikel  produciren 
und  selbst  das  Bedürfniss  und  die  Nachfrage  kann  die  Production 
von  wissenschaftlich  wirklich  befähigten  Denkern  und  Lehrern  nicht 
hervorrufen.  Die  allgemeine  Bildung  dagegen  kann  ihre  Beltel- 
suppen  in  jeder  erforderlichen  Portionenzahl  kochen;  die  Suppe 
wird  höchstens  etwas  dünner.  Als  nun  durch  Alexander  die  helle- 
nische Welt  so  ungeheuer  erweitert  ward,  fand  der  Rhetor  weite 
Strecken,  wo  ihm  der  Philosoph  noch  keine  Concurrenz  machte. 
Und  in  den  autonomen  Städten  Asiens  gab  es  noch  Jahrhunderte 
lang  eine  Art  municipalen  und  selbst  politischen  Lebens,  in  dem 
die  alte  politische  Beredtsamkeit  praktisch  nicht  entbehrlich  war. 
Vollends  aber  in  der  schönen  Litteratur  hatte  Aristoteles  selbst, 
ein  Bewunderer  des  isokrateischen  Kunstwerkes,  der  Rhetorik  sehr 
weite  Concessionen  gemacht.  Sein  Freund  Theodektes  war  ein 
rhetorischer  Tragiker,  seine  Schüler  Demelrios  und  Kallisthenes 
und  Duris  wandelten  stilistisch  in  den  Bahnen  der  Rhetorik.  Ab- 
surder als  Klearchos  von  Soloi  kann  kaum  ein  ,Asianer^  gewesen 
sein.  Das  3.  Jahrhundert  sieht  die  Einzelwissenschaften  sich  von 
der  Philosophie  emancipiren,  die  dadurch  an  Macht  zunächst  nicht 
einbüsst,  aber  in  dem  dialektischen  Kriticismus  des  Arkesilaos  und 
dem  scholastischen  Dogmatismus  des  Chrysippos  Methoden  ausbildet, 
deren  sich  auch  die  Scheinwissenschaft  der  Rhetorik  bedienen  kann. 
Grosse  Kunstwerke  werden  nicht  erzeugt;  Arkesilaos  verschmäht 
die  Schrift,  Chrysippos  ist  aus  dem  Princip  des  Professorendünkels 
langweilig  und  geschmacklos.  Beide  mögen  die  Rhetoren  so  Ober 
die  Achsel  angesehen  haben,  wie  wir  es  von  Epikuros  wissen,  von 
allen  Philosophen  der  Diadochenzeit  annehmen  dürfen.  Aber  als  am 
Ende    des  3.  Jahrhunderts  auf  allen   Scliullhronen   unbedeutende 


ASiANISMUS  UND  ATTICISMUS  17 

Nachtreter  sitzen,  wagt  sich  die  Rhetorik  wieder  hervor.     Sie  hat 
TOD   der   philosophischen  Methode   so   ?iel   angenommeD ,   um   ein 
System  zu  zimmern.    Wer  die  Lehre  des  Her-magoras  mit  dem  so- 
genannteD  Anaximenes  vergleicht,   ûndet  einen  ungemeinen  Forl- 
schritt der  Methode.     Diese   Rhetorik   zielt  zwar  auf  die  Reredt- 
samkeit  des  praktischen  Lebens,  insbesondere  die  gerichtliche,  von 
der  die  Declamation  ein  Abbild  ist,  aber  sie  beansprucht  theoretisch 
die  noXitiTuà  ^TjTrjfÂora  auch  so  weit  sie  %à  xa^*  Ökov  umfassen, 
zu  bebandeln.')    Wir  können  ihren  Erfolg  direct  noch  nicht  ab- 
messen,  und   wir  entbehren   insbesondere  ganz    der  Proben    von 
dem,  was  praktisch  geleistet  ward:  aber  die  Philosophie  muss  ihre 
Stellung  als  bedroht  angesehen  haben,  denn  alle  Schulen  gingen 
zum   Angriff  vor,    Kritolaos,    selbst  ein   eleganter  Schriftsteller,') 
Diogenes  von  Babylon,  Karneades.')     So  ist  die  zweite  Hälfte  des 
2.  Jahrhunderts  von   dem  Kampfe  erfüllt,  ei  Tixvrj  fj  ^rjTOQixij, 
und   Ober  ihr  rikoc  und  Sgyov.     Auf  Seite  der  Rhetorik  wissen 
wir  von  einer  Gegenschrift  des  Molon  xavà  çikoaoçtov,  und  die 
Rhetorik   hatte  keine  schlechte  Position;   es   ist  ihr  nicht  wieder 
gegangen  wie  im  4.  Jahrhundert,  sondern  sie  hat  sich  theoretisch 
überaus   vervollkommnet     Praktisch   kam   ohne   Zweifel  sehr  viel 
darauf  an,  dass  die  Herren  der  Welt,  die  in  dem  gewaltigsten  poli- 
tischen Kampfe  standen,  nach  der  Waffe  des  Wortes  und  der  Schrift 
griffen,   die  ihr  die  Rhetoren  fertig  geschliffen  darbieten  konnten. 
Es  ist  namentlich  durch  die  bahnbrechenden  Ausführungen   von 
Marx  klar  geworden,  dass  die  Beredtsamkeit  und  Publicistik  der 
römischen   Revolution,  zu   der  die   Historiographie  ganz  gehört,^) 
TOO  der  zeitgenössischen  griechischen  Rhetorik  beherrscht  ist,  nicht 
bloss  in  der  Lehre,  sondern  viel  weiter  als  wir  es  verfolgen  können 

1)  Thiele,  Hermagoras  30  ff.,  zq  dem  aber  Arnim  92  ff.  hiazugeDommeo 
Verden  moss. 

2)  Das  spurt  man  namentlich  in  den  Auszügen  bei  Philon  de  aetem, 
mundl 

3)  Sudhaus  und  Radermacher  in  dem  Supplement  zu  Philodems  Rhetorik 
nil  den  Berichtigungen  Arnims. 

4)  Wir  aeben  die  tendenziöse  Dichtung  der  sogenannten  Annalisten  der 
ReTdnÜonszeit  gewöhnlich  nur  von  der  Seile  an,  wo  sie  als  Geschiehst- 
filscbnngen  unseren  Aerger  erregen.  Aber  sie  verfolgten  durchaus  praktische 
Zwecke  und  die  Umformung  der  vaterländischen  Geschichte  ist  hier  nicht  ver- 
werflicher, als  io  der  Poesie  und  Tendenzschriflstellerei  des  5.  Jahrhunderts 
bei  den  Griechen. 

HenaM  XXXV.  2 


18  D.  v.  W1LAH0W1TZ-MÖLLEND0RFF 

in  der  Praxis.  Und  die  römische  Poesie  der  Revolutiooszeit  tragt 
ebenfalls  den  rhetorischen  Stempel.  Aber  die  jungen  Römer  kamen 
nach  Asien,  Athen  und  Rhodos  und  hörten  dort  auch  gelegentlich 
die  Philosophen.  So  erfassten  diese  das  hohe  Ziel  richtig,  die 
Herrscher  der  Welt  zu  Qberzeugen,  dass  sie  bei  ihnen  Höheres 
erhalten  könnten,  damit  sie  allmählich  einer  tieferen  hellenischeD 
Bildung  zugeführt  würden,  wie  das  in  kleinem  Kreise  der  Besteo 
Panaitios  schon  vollbracht  hatte.  Dazu  gehörte  aber  eine  betracht- 
liche Concession  an  die  rhetorische  künstlerische  Form  und  den 
rhetorischen  Unterricht. 

Poseidonios,  der  Geschichtsschreiber  der  römischen  Optimaten- 
oligarchie,^)  der  encyclopadische  Gelehrte,  der  noch  einmal  in 
aristotelischer  Weise  die  Summe  des  Wissens  in  sich  vereinigt  und 
in  platonischer  Weise  die  Bedeutung  der  Mathematik  und  der  Mystik 
gleichermaassen  zu  würdigen  weiss,  ist  nicht  nur  im  Gegensatze 
zu  seiner  Schule  ein  vollendeter  Stilist  mit  allen  rhetorischen 
Künsten,  sondern  er  disputirt  noch  als  Greis  über  ein  rhetorisches 
Thema  vor  einem  römischen  Grossen.  So  hat  er  die  Wissenschaft 
salonfähig  gemacht.  Ohne  ihn  wäre  Varro  gar  nicht  denkbar,*) 
und  Cicero  ist  ihm  für  vieles  verpflichtet,  was  dann  am  tiefsten 
gewirkt  hat  Aber  es  ist  in  Rom  wenig  mehr  als  Salonwissenschaft 
aus  der  Anregung  des  grossen  Apameners  erwachsen.  Philon  von 
Larissa  übermittelt  dem  Cicero  das  neue  Ideal  des  wissenschaftlich 
gebildeten  Redners,  nach  dem  die  Rhetorik  eine  der  Philosophie 
untergeordnete  Potenz  ist,  deren  sich  der  wahrhaft  gebildete  Philo- 
soph bedient,  um  im  praktischen  Leben  zu  wirken.  Was  Cicero 
in   den   Büchern   von  Redner  aufstellt/)   ist  das    höchste  Lebens- 


1)  Angesetzt  hat  er  als  solcher  ausdrücklich  an  Polybios,  aber  inoerlich 
und  stilistisch  ist  er  diesem  sehr  wenig  verwandt  Er  hat  da  viel  mehr  von 
den  peripa  tetischen  Historikern  und  von  Timaios,  dem  Polybios  so  bitter 
feind  war.  Timaios  ist  denn  auch  für  Varro  und  Cicero  eine  hohe  Autorität, 
und  man  darf  ihn  nicht  bloss  nach  Polybios  beurtheilen. 

2}  Auf  die  Degradation  der  Wissenschaft  zu  den  dUciplinae  der  iynv' 
xXiOS  TtatSeia  gehe  ich  nicht  ein.  Darin  ist  der  Bankerott  der  Philosophie 
eingestanden;  gemeint  war  sie  freilich  so,  wie  die  Erfinder  des  preussischen 
Gymnasiums  die  aligemeine  Bildung  meinten,  zuerst  in  wirklich  hohem  Sinne 
echter  Philosophie,  und  so  gehört  ihre  Erfindung  in  die  Zeit  des  Poseidonios 
und  Philon. 

3)  Arnim  hat  mich  mit  der  Zurûckfûhrung  der  entscheidenden  Gedanken 
auf  Philon  durchaus  Oberzeugt.    Man  muss  nur  hier  gerade  wirklich  sehr  viel 


ASIANISMÜS  UND  ATTICISMÜS  19 

ideal,  zu  dem  sich  vor  Augustinus  ein  ROmer  aufgeschwungen  hat, 
and  gewiss  hat  Philon  so  durch  Cicero  ungemein  viel  Segen  ge- 
^pfirkt.  Aber  es  war  doch  ein  Abfall  von  Piaton,  wenn  der  Aka- 
demiker der  Rhetorik  in  seiner  Schule  einen  so  breiten  Raum 
Oberliess,  und  den  Vortheil  hat  schliesslich  nicht  die  Wissenschaft 
und  demnach  auch  nicht  die  Erziehung,  der  Jugend  gehabt.  Denn 
wenn  sein  Schüler  Cicero  die  letzten  Lebensjahre  darangesetzt  hat, 
der  Philosophie  in  seinem  Volke  eine  Stätte  zu  bereiten,  so  hat 
das  keinen  Fortgang  gehabt.  Die  vornehmsten  Geister  der  nächsten 
Generation,  Augustus,  Vergil  und  Horaz  sind  tief  von  der  Philo- 
sophie durchtränkt,  von  der  Rhetorik  unverdorben;  aber  dann 
bricht  sie  herein  und  beherrscht  auf  alle  Zeit  Poesie  und  Leben« 
Man  braucht  nur  Seneca  und  etwa  Ovid  dabei  zu  lesen,  um  zu 
sehen,  wie  die  Rhetoren,  die  sich  nun  in  Rom  festsetzten,  der 
römischen  Stilentwicklung  den  Weg  gewiesen  haben.  Es  ist  gewiss 
richtig,  dass  die  römische  Litteratur  bis  auf  ihren  Meister  Seneca 
ans  stilistisch  die  hellenistische  ,asianische*  Weise  am  besten  zeigt. 
Die  Philosophie  dagegen  ward  ganz  zurückgedrängt,  ja  sie  begann 
nan  die  unheilvolle  Wendung,  sich  der  Feindin  anzubequemen. 
Vielleicht  schon  Areios,  sicherlich  Papirius  Fabianus,  der  Lehrer 
Senecas,  sind  halb  Philosophen,  halb  Rhetoren,  wie  spater  Dion 
and  Favorin.  Und  in  dem  Mischling  pflegt  das  schlechtere  Element 
das  Debergewicht  zu  haben.  Von  jetzt  ab  ist  die  Rhetorik  that- 
saehlich  in  der  Jugendbildung  das  Fundament  für  alles.  »Das  zeigt 
z.  B.  Theon,*)  und  solche  Progymnasmen   wie  er  sie  vorschreibt. 


auf  die  Person  Ciceros  zurückführen,  der  das  erfüllte,  was  Philoo  forderte. 
Das  Ethos,  das  durch  diesen  Dialog  weht,  kommt  nicht  von  dem  athenischen 
Professor,  sondern  von  dem  Manne,  der  am  Regimente  der  Welt  Hand  an- 
gelegt hatte,  und  der  zugleich  begriffen  hat,  dass  es  ein  Höheres  giebt,  das 
bestehen  und  blühen  wird,  auch  wenn  diese  Welt  zusammenbricht. 

1)  S.  70  âvayxawv  ^  rmv  yvfipeuffidttûv  âattrjats  ov  fiovor  roïs  fUh- 
XoffCi  ftjToçtvai/^  àXXà  x€d  et  tis  rj  notijTœv  {  loyonouCv  ij  SUmv  xwwv 
Icymr  Bvvafuv  é&éXaê  fUTaxßtqi^Bad'ai,  èCTi  yà^  zavra  olovtl  d'afUha 
Ttaarjç  rr^s  tcüv  loyaux  i9éaQ,  Man  vergleiche  auch  die  Definition  des  Rufus 
{\  462  Sp.)  mit  den  älteren,  die  man  bei  Sextus  und  Quintilian  2,  15  findet: 
17  ^fftOQeKi^  iariv  éntat^fifj  rov  xaltSs  ued  neiartKtüS  navra  rop  nqoxalftevot^ 
Sta&éa^oé  loyor.  Die  Beschränkung  auf  die  noJUrixa,  die  noch  Theodoros 
festhielt  (Quint.  2,  15,21),  ist  aufgegeben,  die  universale  Geltung  direct  be- 
hauptet. Eine  ebenso  weite  Definition,  die  Quintilian  missbilligt,  rührt  nach 
den  Handschriften  2, 15,  16  von  Eudoros  oder  Theodoros  her;  der  Urheber 
and  die  Tendenz  sind  ungewiss. 

2* 


20  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

hat  fortan  jeder  Knabe  verfertigt.  Endlich  ist  es  ein  Römer,  Quin- 
tilian,  der  diese  neue  erhabene  Rhetorik  in  einem  vielbändigen 
Lehrgebäude  darstellt,  wie  Arnim  sehr  wahr  ausspricht,  trotz  allem 
Anschlüsse  an  Cicero  in  ganz  anderem  Sinne:  die  Philosophie  ist 
zu  einem  iyxvxXiov  nalôevfÀa  herabgesunken;  man  macht  auch 
einmal  einen  Cursus  in  i^r  durch,  aber  die  Bildung  des  Lebens 
ist  durch  die  Rhetorik  fundirt,  und  nur  auf  diesem  Fundamente 
baut  das  Leben  welter.  Mehr  konnte  auch  ein  Aristides  nicht 
verlangen.  Er  muss  freiUch  noch  kämpfen,  denn  unter  Griechen 
konnte  äusserlich  die  Philosophie  nicht  verläugnet  werden,  deren 
trivialisirte  Doctrinen  bekannt  blieben,  wie  sie  etwa  Lukians  ßlwv 
ngäaig  zeigt  ^);  sie  erhielt  jetzt  gerade  staatliche  Unterstützung, 
was  ihr  nichts  half,  aber  bezeichnender  Weise  jetzt  nothwendig 
schien.  Das  standard  work  der  Epoche  aber  waren  die  Reden  des 
Aristides  gegen  Piaton,  auf  die  keine  entsprechende  Antwort  er- 
folgt ist.  Es  war  wirkhch  ein  vollkommener  Umschlag  erreicht, 
seit  Piaton  den  Gorgias  schrieb.  Das  Salz  der  Welt  war  dumm 
geworden,  der  Untergang  der  Cultur  war  besiegelt,  denn  die  all- 
gemeine Bildung  hatte  über  die  Wissenschaft  triumphirt.  Aber 
wer  wollte  es  den  Journalisten  verdenken,  wenn  sie  sich  stolz  als 
die  Besitzer  der  Weisheit  prociamirten  ;  die  Welt  glaubte  ihnen  ja. 
Die  Continuität,  die  wir  verfolgt  haben,  ging  vor  Allem  durch 
die  Schule,  in  der  die  Tradition  nie  abreisst  und  die  über  alle 
ihre  Macht  ausübt,  die  sie  besuchen.  Damit  hängt  die  unablässige 
Neubearbeitung  der  Lehrbücher  zusammen,  die  gerade  in  dieser 
ständigen  Metamorphose  ihre  Constanz  beweisen.  Wir  müssen  uns 
schon  freuen,  dass  die  Byzantiner  neben  Aphthonius  und  anderen 
Spätlingen  wenigstens  Hermogenes  erhalten  haben,  und  aus  älterer 
Zeit  ein  und  das  andere  Stück:  aber  immer  nur  aus  der  Raiserzeit, 
von  der  wir  bis  auf  Aristoteles  *)  zurückspringen  müssten,  wenn 
die  Lateiner  nicht  wären,  die  uns  wenigstens  ein  Lehrgebäude  der 
rhodischen  Schule  und  einigermaassen  die  Grundzüge  des  Heraia- 


1)  Diese  äusserliche  Kenntniss  and  das  Fortleben  in  den  engen  Fach- 
kreisen täuscht  leicht;  aber  man  bedenke,  wie  tief  ein  so  wissenschaftlicher 
Mann,  wie  Ptolemaios,  trotz  Philosophie  im  cmden  Aberglauben  steckt,  wie 
unwissenschaftlich  am  letzten  Ende  Galen  trotz  aller  philosophischen  Fon- 
dimug  seiner  Kunst  ist. 

2)  Auf  den  die  Rhetorik  an  Alexander  ging,  die  übrigens  keine  prak- 
tische Geltung  hatte. 


AS1AN1SHUS  UND  ATTICISHUS  21 

goras  erkennen  lassen.^)  Weiter  ward  die  Continuität  gewahrt 
durch  die  praktischen  Aufgaben,  die  das  griechische  Leben  in  so 
za  sagen  politischen  und  recht  vielen  epideiktischen  Casualreden 
aof  Gotter')  und  Menschen  dem  Rhetor  stellte.  Dazu  trat  die 
UebuDg  der  ficti?en  Gerichtsrede,  die  Declamation,  die  ungleich 
wichtiger  war  als  die  wirkliche.  Gerade  in  der  Declamation  hat 
sich  seit  den  Tagen  des  Demetrios  von  Phaleron  und  Zopyros  sehr 
wenig  geändert.  Also  in  dem  was  geredet  ward,  ist  kein  tief- 
greifender Unterschied  jemals  hervorgetreten.  Die  Themata  bleiben, 
und  was  den  antiken  Rhetoren  schon  als  neue  Gedanken  erschien, 
ist  fOr  unser  Urtheil  oft  nur  eine  neue  Wendung.  In  der  That 
kam  es  nicht  so  sehr  auf  das  was  an,  als  auf  das  wie,  und  zumal 
hier  fragen  wir  nur  nach  den  Worten. 

Es  kann  scheinen,  als  befinde  ich  mich  so  mit  Norden  in 
▼oller  Uebereinstimmung ,  der  als  seine  Resultate  hervorhebt,  dass 
wir  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Kunstprosa  eine  direkte 
Verbindungslinie  zwischen  dem  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  und  dem 
2.  n.  Chr.  ziehen  dürfen  (I  299)  und  dass  diese  Linie  sich  bis 
lum  Ende  des  Alterthums  verfolgen  Iflsst  (391).  Allein  er 
will  bewiesen  haben,  dass  ,der  Asianismus  der  alten  Zeit  eine 
naturgemdsse  Weiterentwicklung  der  sophistischen  Kunstprosa  der 
platonischen  Zeit  ist*:   das   unterschreibe  ich  auch;   weiter,  dass 


1)  Dass  dies  in  Fetzen  oder  Bearbeitungen  sich  in  etlichen  Winkeln  des 
Ocddenta  hielt,  so  dass  es  namentlich  Augustin  aufgreifen  konnte,  ist  ein 
Zeiehen,  wie  zurückgeblieben  und  zufällig  die  Bildung  der  Hinterwäldler  war. 
Âoch  der  mit  Gorgias  (nicht  Rutilius)  stimmende  Theil  des  carmen  de  figuris 
beweist  das.  So  hat  ja  auch  Marx  die  Erhaltung  der  Rhetorik  ad  Herennium 
erUirt. 

2)  Norden  11  544  erkennt  wohl  die  Verwandtschaft  der  christlichen  Fest- 
predigt mit  den  lâyo*  sk  ^bovs,  aber  wenn  er  hervorhebt,  dass  sie  erst  im 
4.  Jihrhundert  auftritt,  ao  hatte  er  ihre  Abhängigkeit  zuTersichtlich  behaupten 
Mlleo.  Gerade  da  liegt  die  Theorie  bei  Genethlius  vor,  und  weiter  zurück 
<Üe  Reden  des  Ariatides.  Die  Inschriften  zeigen ,  dass  die  Sitte  tief  in  die 
belleoistische  Zeit  hinaufreicht:  die  Rede  löst  den  epischen  und  lyrischen 
Hynioas  ab.  Den  Unterschied,  dass  die  Christen  an  die  Schrift  ansetzen, 
enpfiade  ich  nicht  schwer:  die  heilige  Geschichte  ist  z.  B.  in  allen  yoval  d'êcJv 
gleicberroaassen  gegebener  Text.  Die  Schriftauslegung  der  Kirche  nennt  sich 
^luXUy  und  sie  ist,  wie  bei  Origenes  sonst  die  Ueberlieferung ,  wie  die 
Form  lehrt,  aus  der  Katechetenschule  erwachsen;  aber  der  Name  ist  modern 
•ophistisch  im  höchsten  Grade,  denn  er  ist  von  den  Homilien  des  Kritias  (Ar. 
Q.  Âtb.  I  175)  entlehnt:  o  ^elos  loyoQ  »^«tmiC«»,  würde  Philostratos  sagen. 


22  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

derjenige  Stil,  den  Seneca  am  vollendetsten  repräsentirt,  den  Quin- 
tilian  die  eorrupta  eloquentia  nennt,  die  Fortsetzung  des  Asianismus 
ist,  und  dass  weiterhin  ,sich  zwei  Richtungen  gegenober  stehen, 
die  Archaisten  und  die  Neoteriker  des  Stiles,  jene  anknüpfend  an 
die  attischen  Classiker,  diese  an  die  Sophisten  der  platonischen 
Zeit  und  die  mit  diesen  ihrerseits  verwandle  asianische  Rhetorik'. 
Bei  den  Archaisten  findet  er  Erstarrung,  bei  den  Neoterikern  Fort- 
bildung. 

Hier  kann  ich  nicht  mehr  mit.  Zum  ersten:  was  ist  denn 
bei  der  Fortbildung  herausgekommen?  Diese  ganze  sogenannte 
neoterische  Richtung  hat  ja  so  wenig  erreicht,  dass  die  griechische 
Sprache  immer  wieder  auf  den  Classicismus  zurückgegriffen  hat, 
den  die  Lehrbücher  predigen  und  dessen  vollkommenste  Vertreter, 
Aristides,  Lukian  und  Libanius  sich  erhalten  haben,  während  kein 
einziger  Neoteriker  zu  irgend  einer  Zeit  classisch  geworden  ist, 
die  meisten  spurlos  verschwunden  sind.')  Und  ist  etwa  zwischen 
ihnen,  sagen  wir  zwischen  Favorin  und  Himerius,  ein  Zusammen- 
hang? Die  sich  lebendig  fortentwickelnde  Sprache  kennen  wir 
Dank  den  Schriften  des  Urchristenthums  und  den  Papyri:  gravitirt 
sie  naoh  der  angeblich  entwicklungsfähigen,  angeblich  neoterischen 
Richtung?  Kein  Gedanke.  Sobald  das  Christen thum  sich  der  Bildung 
erschliesst,  regirt  auch  in  ihm  der  Classicismus.  Das  VolksthOm- 
liche  bleibt  kaum  als  UnterstrOmung;  so  erfolgt  denn  statt  einer 
lebensvollen  Ausgestaltung  der  wirklichen  Sprache  die  völlige  Mumi- 
ficirung  des  litterarischen  Attisch.  Ferner  hat  sich  bereits  gezeigt, 
dass  ein  directes  Anknüpfen  an  die  Sophistik  des  4.  Jahrhunderts 
oder  an  die  hellenistische  Kunstprosa  nicht  vorhanden  gewesen  ist, 
sondern  die  Continuitât  eben  in  dem  beständigen  Abstossen  der 
älteren  nacbclassischen  Litteratur  besteht,  während  die  classische 
dauernd  das  Fundament  bleibt.  Endlich  hat  sich  ergeben,  dass 
sich  die  Bezeichnung  der  gesammten  neoterischen  Rhetorik  als 
asianisch  aus  dem  antiken  Gebrauche  des  Terminus  nicht  recht- 
fertigen lässt;  geographisch  genommen  ist  sie  so  wie  so  ein  Un- 
ding. Nun  könnte  es  ja  unschädlich  scheinen,  einen  bequemen 
kurzen  Terminus  einzuführen,  auch  wenn  er  ganz  oder  in  seiner 


1)  Man  bedenke  dagegen,  dass  die  Poesie  des  3.  Jahrhunderts  in  der- 
selben Zeit,  wo  der  Atticismas  sich  erhebt,  classisch  wird,  und  dass  ein  Nach- 
ahmer dieser  Poesie  aus  augusteischer  Zeit,  Parthenios,  in  die  Reihe  der 
nçarrôftavoi  hat  eintreten  können. 


ASIANISMOS  UND  ATTICISMUS  23 

weiteren  Ausdehnung  modern  wäre;  allein  die  bedenklichen  Hiss- 
brauche,  die  mit  dem  hoffentlich  endgiltig  abgethanen  stilus  Afer 
getrieben  sind,  rathen  zur  Vorsicht,  und  es  schillert  allzu  modern 
naturwissenschaftlich,  wenn   eine  gewisse  Stilrichtung  aus  localer 
Disposition  hergeleitet  zu  werden  auch  nur  scheint,  die  Deppigkeit 
und  Weichheit  des  ionischen  Klimas  sich  auch  in  der  asiauiscben 
Rede  durch  die  Jahrhunderte  offenbart.     Daher  wollen  wir  lieber 
die  Thatsachen   constatiren.     An   der  alten  sophistischen  Rhetorik 
hat  Asien,  so   weit  es  ionisch  ist,   gar  keinen  Antheil.     Thrasy- 
machos  Ton  Chalkedon,   Tbeodoros  von  Byzanz,   Theodektes  von 
Phaseiis   sind  aus  Orten  dorischer  Sprache;   Alkidamas  von  Elaia, 
Ephoros  von  Ryme  sind  Aeoler,  und  Naukrates  von  Erythrai,  Ana- 
ximenes  von  Lampsakos  sind  aus  ionischen  Orlen  mit  starker  äo- 
liscber  Unterlage;   auch  Isokrales  aus  dem   pontischen   Apollonia 
kaon  nicht  als  vollblütiger  lonier   gelten.     Es    ist  das  bemerkens- 
werth  und  leicht  begreiflich.     Ionien  hatte  eben  eine  kunstmflssige 
Prosa  ausgebildet,  ehe  die  attische  begann,   und  die  Sophistik  ist 
voD  Anbeginn    attisch.     Ionien  hatte  die  wissenschaftliche  Prosa 
ausgebildet,  bis  zu  einer  solchen  Vollendung,  dass  sie  auch  äusser- 
lich  attisch  geworden  sich   nie  verläugnet  hat.^    Wenn   also  der 
Asianismus  in   der  allen   Sophistik  wurzeil,   so  ist  seine  Wurzel 
ganz  und  gar  nicht  asiatisch.     Aber  auch   das  Wesen   der   allen 
ionischen  Kunst,  die  wir  nun  endlich  zu  erkennen  beginnen,  hat 
wahrhaftig  mit  dem  nichts  verwandtes,  was  die  corrupta  doquentia 
mit  den  motus  lonici  und  den  ionici  cinaedi^  gemein  zu  haben 
scheioen  kann.   Andererseits  ist  Athen  keineswegs  durch  eine  Natur- 
Dolhwendigkeit   zum   Sitze    der  sana  eloqtientia  prädestinirt.     Im 
4.  Jahrhundert  n.  Chr.   ist  das   üppige  Anliocheia  durch  Libanius 
(lie  Burg  des  Classicismus,   in  Athen  treibt  der  Athener  Himerius 
die  tollsten  Sprünge  des  ,Asianismus^     Und   in   der  Zwischenzeil 

1)  Die  Datnrwissenschaftlicheo  Schrifteo  des  Aristoteles  and  Theophrast 
ÏD  ihrer  bewiioderungswürdigeD  Prägnanz  und  Sachlichkeit  sind  der  beste 
^«ieg.  Piaton,  der  diesem  lonerthum  immer  fern  blieb,  hat  darum  keine 
visseogchafUiche  Prosa  ausbilden  können.  Der  Timaios  ist  zwar  ein  Wunder 
>o  Stil,  aber  ein  ré^as  auch.    Ihn  nachahmen  ist  xcutoiijlia, 

2)  Heber  die  altionische  Musik  und  Metrik  sagt  einer  der  wenigen,  die 
(Iwis  sagen  können,  Herakleides,  414  bei  Aihtn.  ro  rfjS^Ieurrl  yévœ  a^fwvlas 
<^^*  op&rj^ov  ovra  ihtqSv  éaxêv  aXX*  avcxriftov  xal  anhiQév^  oyxov  B*  ixov 
^  aftwiq.  Daran  mnss  ich  immer  denken,  wenn  ich  die  Werke  namentlich 
der  altioniscben  Malerei  sehe. 


24  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

ist  es  nicht  besser  um  die  Verbindlichkeit  des  Terminus  bestellt; 
wir  haben  gesehen,  dass  Timaios  und  Epikuros  des  Asianismus 
bezichtigt  werden,  von  den  Atticisten  aber  ist,  so  viel  ich  weiss, 
kein  einziger  aus  Athen,  dagegen  ApoUodoros  und  Dionysios  von 
Pergamon  und  Dionysios  von  Halikarnass  sind  Asiaten. 

Doch  lassen  wir  das  Wort.  Wenn  wir  die  corrupia  eloqueniia 
mit  dem  ,Asianismus'  identificirt  als  einen  bestimmten  seines  Zieles 
bewussten  Stil  hinstellen,  machen  wir  den  Fehler,  einen  negativen 
Begriff  als  positiv  zu  verwenden.  Corrupta  doquentia,  Schwulst, 
Ziererei,  Verstiegenheit,  weichliche  Rhythmen,  zerhackter  Satzbau, 
falsches  Pathos,  und  was  es  alles  von  solchen  Fehlern  geben  mag, 
das  sind  alles  Predicate  von  dem  Standpunkte  einer  Gesundheit 
und  Correctheit  aus,  der  sehr  schön  und  richtig  sein  mag,  aber 
den  die  Urheber  der  also  kritisirten  Reden  niemals  anerkennen 
werden.  Aus  Princip  ist  man  weder  geziert  noch  geschmacklos, 
und  wenn  man  es  in  anderer  Augen  ist,  so  theilt  man  deren 
Princip  nicht,  es  sei  denn  man  sündigt  aus  Unfähigkeit.  Das  ver- 
steht sich  doch  wohl  von  selbst,  dass  es  zu  allen  Zeiten  und  in 
allen  Stilen  Leute  mit  und  ohne  Geschmack  gegeben  hat,*)  Leute, 
die  erhaben  und  die  einfach  sein  wollten,  die  sich  weiss  und  roth 
schminkten,  die  echte  und  falsche  Brillanten  trugen,  die  rechts 
und  links  vom  Pferde  fielen.  Ich  erlaube  mir  Aelian  eben  so  un- 
ausstehlich zu  finden  wie  Herodian,  Chariton  wie  Alkiphrons  Para- 
sitenbriefe, und  um  ihrer  selbst  willen  würde  ich  von  keinem 
Rhetor  des  Philostratos  oder  des  Seneca  eine  Zeile  lesen,  einerlei 
ob  Attiker  oder  Asianer.  Albern  sind  sie  alle  mit  einander.  Damit 
ist  aber  für  die  Stilprincipien,  die  der  Einzelne  bekennt,  gar  nichts 
gesagt.  Ein  positiver  Begriff  wird  die  corrupta  eloquentia  auf  dem 
lateinischen   Gebiete  durch   Quintilians   Polemik,    die   auf  Norden 


1)  Auch  in  Athen  in  der  classischen  Zeit.  Wie  schon  Rohde  und  Norden 
gebührend  hervorgehoben  haben,  geisselt  Aristoteles  den  Alkidamas  wegen 
derselben  Sünden,  für  die  später  Hegesias  und  Timaios  die  Proben  liefern, 
sein  yfvxçop  und  das  /ut^anicâdee  der  gorgianischen  Figuren  sind  xaKà^tjXa 
und  asianisch  und  corrupta ,  oder  gehören  doch  dazu.  Dabei  ist  Alkidamas 
ein  Mensch  von  bedeutender  Versatilität,  denn  seine  Rede  über  die  Impro- 
visation zeigt  wenig  yw^^a,  darür  die  isokrateischen  Künste,  gegen  die  er 
loszieht,  und  der  Palemedes,  dessen  Echtheit  Maass  unwiderleglich  dargethan 
hat,  ist  doch  stilistisch  ganz  und  gar  verschieden.  So  lebte  schon  zu  Piatons 
Zeiten  Jemand  ganz  von  /ii^Tjaie^  beliebig  dies  oder  jenes  Vorbild  wieder- 
gebend. 


ASIAMSMDS  UND  ATTICISMUS  25 

^rk  eiogewirkt  hat«  weil  neben  dem  wohlmeinenden  aber  flachen 
Rhetor  der  grosse  Historiker  steht/)  der  die  Abslractionen  zu  be- 
leben  weiss  und   einen  Vertreter  des  Neuen   einführt,   der  denn 
aach  weit  entfernt  ist,  seinen  Stil  für  corrupt  zu  halten.    Und  noch 
viel  mehr  trägt  aus,  dass  wir  lateinische  Schriftsteller  besitzen,  die 
den  Stil  in  voller  Heisterschaft  und  mit  voller  Ueberzeugung  ver- 
treten, der  dem   Quintilian   corrupt  ist,   Seneca   und   im  Grunde 
auch  trotz  dem  Dialoge  Tacitus.    Aber  wenn  das  Lateinische,  nach- 
dem es  die  classische  Höhe  in  Cicero  erreicht  hat,   nun  eine  Pe- 
riode des  Barockstils  durchmacht,  die  in  so  hervorragenden  Schrift- 
stellern gipfelt,  und  wenn  es  dann  mit  dem  durch  Quintilian  inau- 
gorirten  Cbssicismus,  der  bald  in  Archaismus  ausartet,  in  entsetzliche 
Oede  versinkt,  aus  der  es  erst  durch  das  Christenthum  erlöst  wird, 
80  trifft  es  schon  durchaus  zu,  dass  die  ehedem  sogenannte  silberne 
Latinität   dem  Griechischen   der  hellenistischen  Periode  entspricht, 
eben  auch  einer  Barockperiode,  aber  auf  das  gleichzeitige  Griechisch 
darf  man  es  nicht  übertragen  und  noch  viel  weniger  die  unendlich 
grossere  Mannigfaltigkeit  aus  der  geradlinigen  römischen  Entwick- 
loDg  erklaren.'} 

Was  hat  es  für  Zeit  und  Mühe  gekostet,  dass  begriffen  wurde, 
wie  Tacitus  gleichzeitig  den  Dialog  im  Stil  des  ciceronischen  Dialoges, 
den  Agricola  in  dem  des  Enkomions,  (Prototyp  Xenophons  Agesilaos, 
Polybios'  Philopoimen),  die  Germania  in  dem  der  ethnographischen 
Ekpbrasis  (Ahnenreihe:  Herodot,  Theopomp,  Timaios,  Poseidonios, 
Saliust)  verfassen  konnte.  Uns  Modernen  wird  es  eben  schwer,  die 
Einheit  des  persönlichen  Stiles  daran  zu  geben  und  die  Forderungen 

1)  Es  sollte  einleuchten,  dass  Tacitus  den  Dialog  geschrieben  hat,  als 
er  da«  Bild,  das  ihm  Quintilian  in  seiner  Streitschrift  vorführte,  mit  den  Augen 
des  flistorikera  ttl>er8chattte,  unmittelbar  dadurch  angeregt,  natürlich  aber,  wie 
Ho  antiker  Historiker  pflegt,  den  Stoff  und  die  Gedanken  des  Gelehrten  über- 
Debmcod;  wir  finden  sie  zum  Theil  in  tt.  v^povs,  und  natürlich  hatten  sie 
Philosophen  gedacht,  denen  die  Rhetoren  sie  alle  entnahmen.  Ausserdem  hat 
den  Tacitus  die  Einleitung  des  ciceronischen  Hortensius  viel  geliefert,  wie 
«e  Dseoer  reconstruirt  hat 

2)  Nordens  Fehlgriff  zeigt  sich  greifbar  in  seiner  Disposition.  Er  hat 
I  149  our  ein  paar  Worte  über  den  Atticismus,  den  er  durch  ein  mir  nn- 
l^egreiflicbes  Verseben  um  200  v.  Chr.  ansetzt.  Dann  geht  er  auf  Rom  über, 
verfolgt  das  Latein  bis  Tacitus,  und  nun  kommt  die  zweite  Sophistik.  Da 
kommt  es  freilich  nicht  heraus,  dass  unter  Augustus  die  Entscheidungsstunde 
for  die  griechische  Litteratur  geschlagen  hat.  Ueber  die  Unfruchtbarkeit  des 
Stilprincipes  der  /lifitjais  hat  dagegen  Norden  öfter  zutreffend  geortheilt. 


26  D.  T.  WILAMOWITZ-MÖLLEKDORFF 

der  litlerarischcD  Gattung  amoerkeoDeo.  Und  doch  ist  das  f Or  die 
griechiscbe  Litterator  der  Kaiseneit  mit  HaodeD  tu  greifen.  Arrian 
ist  ein  IQchtiger  Bilbjner,  ein  ordentlicher  Soldat  daiu,  ond  mit 
Recht  ist  er  doch  ab  ein  chamSleonhafter  Stilist  beieichnet  worden, 
der  mindestens  auf  vier  ganx  verschiedene  Weisen  geschrieben  hat. 
Aristides  ist  ein  strenger  Classicisl,  aber  wenn  er  eine  Monodie 
macht,  so  mnss  er  singen,  das  liegt  darin;  und  wenn  er  eine 
Grabrede  hllt,  so  muss  er  heulen,  das  li«gt  auch  darin:  soUeo 
wir  dann  sagen,  er  redete  asianisch*)?  Es  ist  eine  ToUkommene 
Verkennong  der  geltenden  stilistischen  Gesetze,  wenn  man  die 
Gegensätze  innerhalb  der  Werke  des  Plutarch  und  Lukian  auf  eine 
stilistische  Entwicklung  der  Personen  zurUckfOhrt,  die  höchstens 
darin  liegen  kann,  dans  die  Schriftsteller  zu  Terschiedenen  Zeiten 
verschiedene  Gattungen  pflegen.  Die  €Îôr^  der  Prosa  sind  Aen 
starr  und  fest  geworden,  wie  es  seit  5(H)  Jahren  die  der  Poesie 
waren,  und  ein  jeder,  der  eine  hccQaatc  oder  eine  Tr^olaiia  oder 
eine  ôiâle^t^  verfasst,  ist  gehalten,  bestimmte  Farben  und  Stim- 
mungen zu  wählen,  ganz  wie  es  fOr  Tragödie  und  RomOdie  ge- 
fordert war.  Innerhalb  derselben  Gattung  aber,  uod  ganz  besonders 
in  der  eigentlichen  Beredtsamkeit ,  stehen  noch  die  verschiedenen, 
aber  auch  langst  fest  ausgearbeiteten  Stilarten  (/£>i;,  ajr^funaf 
Zf^iotj  x<i^^<^^^^^'  iôéai  zu  verschiedenen  Zeiten  genannt)  zur 
WahL  Man  kann  grossartig  oder  einfachlidu  herb  oder  sUss,  wdt- 
minnisch  oder  naiv  {ifolirutäc  oder  içêifii^)  schreiben,  so  weit 
nicht  auch  hier  die  bestimmte  Aufgabe  (Grabrede  z.  B.  oder  Hoch- 
zeitsrede) das  eine  oder  andere  forderte.  Was  Norden  asianisch 
nennt,  ist  meistens  das  sOsse  oder  blumige  oder  auch  das  er- 
habene.*) Der  einzelne  Redner  mochte  sich  nach  eigener  Neigung 
oder  mit  Rllcksicht  auf  den  Geschmack  des  Publicums  fQr  diesen 
oder  jenen  Charakter  entscheiden,  uod  er  mochte  das  Charakte- 
ristische mit  mehr  oder  weniger  Geschick  und  Massiguo^  anwenden  ; 
das  wird  Unterschiede  hervorrufen,  die  zu  bemerken  unsere  Ohren 
•icberiich  sehr  viel  weniger  fein  sind,  als  die  des  zeitgenössischen 
an  den  Stilprincipien  und  ihrer  strengen  Verbindlicbkeit 
dM  nichts,  und  so  ähnlich  zu  verschiedenen  Zeiten  die  Pri- 
des Lobes  und  des  Tadels  niingen,  die  Objecte  werden  durch 

1)  NMdcn  tknt  das  wifUick  I  420. 

1}  Wenn  ich  «ia  Sophist  wiie.  würde  ich  jv.  i-vms  in  seinen  i^lâ 


ASIANISMUS  UND  ATTICISMUS  27 

lie  nicht  gleich  gemacht.     Die  Anerkeoouog  voo  festen  Gattungeo 
ond  Stilen  schliesst  strenggenommen  jeden  Fortschritt  aus,  es  kann 
und  darf  ja  nichts  Neues  mehr  geben:   wir  sehen  ja  bei  den  Ro- 
manen  im  Laufe  der  Zeiten   Öfter,  bei  uns  in   gewissen  Kreisen 
noch  jetzt   diese  Starrheil  der  classicistischen  Doclrin.     So  ist  es 
in   der  griechischen  Poesie  schon  früh,  so  ist  es  seit  dem  Siege 
des  Classicismus  unter  Augustus  auch  in  der  griechischen  Prosa 
gewesen.     In  der  Poesie  nach  Menander,  in  der  Prosa  nach  Posei- 
donios   ist  alles  gemacht,  wenn   auch  vieles  vortrefflich  gemacht, 
oder  es  ist  doch  künstlich  gezogen  ;  lebendiges  Wachsthum  beginnt 
erst  wieder  mit   dem  Christenthume  —  auch  nur  auf  kurze  Zeit. 
Die  Unterscheidung  der  Stilarten   war  in  Ausführung  aristo- 
telischer Gedanken  von  Theophrastos  mit  vollkommenstem  Erfolge 
durchgeführt  und  den  richtigen  Gattungen  waren  ihre  naQexßaaßic 
zur  Seite  gestellt  worden.')     Es  genügt  an  die  Fortwirkung  dieser 
bedeutenden  Gedanken  gerade  in  dem  feinsten,   was  Cicero,   Dio- 
nysios  und  Demetrios  lehren,  zu  erinnern.    Aber  wenn  man  meinen 
möchte,  die  Asianer  würden  sich  dagegen  gewendet  haben,  so  wäre 
mao  in   schwerem  Irrthum.     Der  Rhetor  ad  Herennium   giebt  im 
vierten   Buch  11 — 16    die    drei   Gattungen   an,    die   er   axi^/uara 
DeDDt,*)  aefivov  fÀéaov  lax^ov  und  ihre  dvrixeifÀeva  afiiactijfAazay 
q)vow5eç  diakekvfAivov  evveléç^^  und  hat  für  alle  gute  Proben 
verfertigt.    Ohne  Frage  könnte  man  nach  diesen  Regeln  die  Fehler 
brandmarken,   die  Cicero   an  den  Asianern  tadelt,  und  an  denen 
dieser  Rhetor   selbst  wie   wenige  krankt.^)    Er  ist  sich  also  eines 
Gegensatzes   zu    der  theophrastischen   Doctrin  gar  nicht   bewusst 
gewesen.     Man   hatte   nur  die  einzelnen  Gattungen  viel  charakte- 
ristischer und  ToUer  herausgearbeitet  als  die  Classiker,  die  man 
verehrte,  aber  überwunden   hatte.     So   etwa  mag  der  Rhetor  ge- 
dacht haben. 

1)  Rabe,  Theophrastos  9V.  îU£«ioc,  führt  das  trotz  einiger  Uebertreibongen 
ZQtreffend  aos. 

2)  Ein  dringendes  Bedûrfniss  ist  die  Verfolgung  der  Lehre  von  diesen 
^rifuna  zu  den  späteren  aX'9iavoia£  xcU  îU'|«a»s,  andererseits  die  Abgrenzung 
dieser  Doctrin  von  der  der  t^otto«,  die  wohl  grammatischen  Ursprunges  sind. 

3)  leb  setze,  was  für  diese  Schrift  besonders  nöthig  ist,  gleich  die  grie- 
chischen Termini. 

4)  So  sieht  Seneca  den  Splitter  im  Äuge  des  Maecenas,  ohne  den  Balken 
in  seinem  Eigenen  zu  bemerken.  Allerdings  war  er  nicht  geschmacklos  wie 
der  Etrusker. 


28  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Der  Stil  oder  die  Manier,  für  die  sich  ein  Redner  entschiedeD 
hatte,  die  er  nun  anzuwenden  strebte,  nannte  man  damals  seinen 
Ç'^loç.^)  Hatte  er  sich  statt  für  ein  berechtigtes  yévoç  fOr  eine 
nacexßaatg  entschieden,  so  hiess  es,  xaxov  i^i^kwaev,^)  und 
sein  Streben  xaxoÇrjllaJ)    In  dem  Worte  liegt  mit  Nichten  schon, 

1)  Gule  DefiDition  bei  Syrian  lo  Hermogenes  Ideen  I  3  B.  irjlos  icx^r 
évéçyeut  ywxijs  n^oç  d'avfia  lov  Boxovvroç  xalov  xtvovfiévrj,  Hermogenes 
hatte  ^i^los  und  fiifirjvis  verbunden,  wie  auch  Dionysios  (z.  B.  Lysias  2)  thut. 
Natürlich  redet  man  von  verschiedenen  Zr;lot  auch  in  anderen  Dingen  (Phi- 
lodem Rhet  II  54),  und  die  bewunderten  Maler  sind  é^rjloÊ/iêvoê  (Philodem 
1, 125),  Kratinos  heisst  xà  ^A(fxMxov  (i^iUuffae  als  Vertreter  der  tafißixrj  iSia 
(Platonius  p.  6  Kaib.)  u.  s.  w.  Es  bleibt  aber  immer  ein  Unterschied  von 
/iifirjoêç, 

2)  Âgatharchides  446*  20  tadelt,  dass  Hegesias  iv  avOTfj^œt  nçay/utrê 
if  âvâyxTjç  xo/AxpoxT)%a  Sêay>aiv8t,  weil  es  unangemessen  ist,  giebt  aber  zu, 
dass  er  rav  ZrjXcafiaTOQ  inl  nocor  ivyx&vu.  Sein  irjhtç  geht  also  auf  das 
xofitpov.  Kein  Gedanke  an  atticistische  Opposition,  auch  nur  an  völlige  Ver- 
werfung des  Hegesias,  von  dem  er  sogar  sagt  ei  n^bç  éXgeivoloyiaw  Ifyot^ 
éyyvç  rov  nçénoTTOÇ  îcraxM,  Agatharchides  selbst  würde  einem  Atticisten 
asianisch  sein;  man  lese  z.  B.  die  Beschreibung  der  Bergwerke  genau  487^ 
34  ff.,  wo  Photius  die  Schilderung  des  Unglückes  der  zur  Zwangsarbeit  Ver- 
urtheilten  übergeht,  die  der  Verfasser  eSercaytCtatjaev, 

3)  Die  Stellen  meist  bei  Norden  I  69  u.  o.,  der  freilich  auf  Beheim- 
Schwarzbach  Ubeli,  n,  iQfiriv.  38  nicht  hätte  verweisen  sollen,  der  mit  einem 
falschen  Gitale  aus  Polybios  beginnt,  das  er  abschreibt:  er  meint  X  22, 10, 
wo  jetzt  aus  den  Handschriften  Kaxot^rjhoaia  hergestellt  ist.  Das  Wort  fehlt 
bei  Gicero,  Philodem,  Dionysios,  ist  wirklich  Gegensatz  des  Attischen  bei 
Sueton  Aug,  86,  ist  wohl  zuerst  bei  Demetrios  Magnes  (Diog.  1,  38)  belegt^ 
wo  ein  ^rjxaç  xaxol^Xoi  Thaies  aus  Kallatis  verzeichnet  ist.  Bei  dem  Vater 
Seneca  ist  es  häufig,  aber  im  richtig  weiten  Sinne,  9,  25,  28  ^enu«  oaeo- 
%eHae  amaritudinem  verborum  quasi  res  aggravaturam  petit.  9,  24,  15  geht 
es  die  Btavota  an.  Der  Rhetor  n.  t^V'cn;^  unterscheidet  als  Fehler  oi8ovy  fui- 
çaxitbdes  Tfa^âvd^çffor  yvxçov,  bei  dem  zweiten  sagt  er,  dass  namentlich 
das  Streben  nach  i^Bv  in  ^»nucov  xai  xaxo^rjlov  ausartet,  und  Demetrios 
sagt  186  ausdrücklich,  dass  er  das  xowov  Svofia  xaxàitjlov  auf  diese  Aus- 
artung des  yXa^^op  anwenden  wolle;  seine  Zeit  nenne  auch  das  \fwxq6v  so 
(239),  das  er  unterscheidet.  Dagegen  bei  Hermogenes  n.  sv^ia,  12,  256  Sp. 
(daraus  UI  118)  umfasst  es  wieder  in  ganzer  Weite  8tavo$a  und  ieS^Q.  Auf 
gezierte  nenoirjfUva  ovéftaxa  wendet  es  Helladius  532^  19  an.  Die  Defi- 
nition bei  Diomedes  451,  die  Norden  bevorzugt,  nimio  cultu  aut  nimio 
tumore  corrupta  sententia  deckt  sich  mit  dem,  was  Demetrios  den  Gebrauch 
seiner  Zeit  nennt:  man  darf  urtheilen,  dass  dies  die  atticistische  Polemik  der 
augusteischen  Zeit  ist,  die  aber  die  im  Worte  liegende  Weite  bei  den  Griechen 
nie  ganz  eingeengt  hat.  el^fiXos,  sv^riXia  sagt  man  nicht  (falsche  Lesart  Plut. 
Lyk.  21,  falsche  Goigectur  Plin.  Ep.  7,  12);  aber  ein  Feind  der  Atticisten  bildet 


ASIANISMÜS  UND  ATTICISMÜS  29 

Dach   welcher  Seite   der  Fehler  ginge.     Niemand   also   kann   sich 

getrauen  zu  sagen,  worauf  Neanthes  von  Kyzikos  mit  dem  Worte 

gezieh  hat,  bei  dem  es  in  einem  Buchtitel  zuerst  auftritt.     Noch 

Quintilian  (8,  3,  56),   der  unlogisch  genug  (wie  gewöhnlich)  das 

TLaxo^T^loy  in  die  Reihe  von  einzelnen  Fehlern  stellt,  giebt  doch  die 

allgemeine  Deflnition,  mm  didtur  aliter  quam  se  natura  habet  et  quam 

oportet  et  quam  sat  est.    Gewiss  hat  er  es  in  der  carrupta  eloquentia 

gefunden,  da  er  sofort  auf  seine  Specialschrift  verweist,  und  gewiss 

hat  jeder  besonnene  viel  Manier  (so  übersetzen  wir  am  besten)  in 

den  Productionen  der  Asianer  gefunden,  aber  es  ist  ganz  unberechtigt 

zu  scbliessen,  dies  heisst  xaKO^rjXov,  also  wird  es  asianisch  sein  und 

geiuont  worden  sein.     Wenn  die  Vorkämpfer  des  Atticismus  ihre 

Gegner  die  ,von  der  falschen  Manier*  nennen,  so  konnten  jene  die 

Velleietâten  der  alticistischen  Imitation  mit  demselben  Worte  belegen. 

Es  ist  zweierlei,  ob  man  gegen  Ausschreitung  und  xaxà  ^rj- 

hifjuna  kämpft,  oder  ob  man  das  allein  seligmachende  Evangelium 

des  Rückschrittes  verkündet.     Es  ist  zweierlei,  ob  man  die  Attiker 

als  musterhafte  Stilisten  anerkennt,  von  denen  man  sehr  viel  lernen 

kiOD,  oder  ob  man  gebietet  zu  schreiben  wie  sie.     Das  erste  ist 

sehr  berechtigt;   es  ist  auch  während  der  ganzen  Zeit  des  Helle- 

Dismns  anerkannt  worden.     Das  zweite  ist  nur  so  weit  berechtigt, 

als  es  das  erste  ist:  was  darüber  ist,  ist  das  Princip  der  Imitation, 

àv  filfirjatç  statt  des  Ç^loç:  das  ist  der  falsche  Classicismus,  der 

die  Entwicklung  hemmt  und  das  Leben  ertödtel.    Dies  Princip  hat 

die  Rhetorik  der  augusteischen  Zeit  nicht  nur  verkündet,  sondern 

nun  Siege  geführt:  daher  ist  dies  die  entscheidende  Stunde  in  der 

Eotwicklung  der  ganzen  griechischen  Sprache  und  Litteratur. 

Dass  Isokrates  und  Demosthenes  niemals  aufgehört  haben,  als 
Muster  der  Rede  studirt  zu  werden,  bedarf  keines  Beleges');  man 

CS)  om  den  Vorwarf  der  MoxoirjUa  zu  insinoireo ,  Gerealis  Antli.  Pal.  XI  344 
^  TO  Xtyuv  na^founjfui  tuü  WttmcA  ^riftara  navra  «v^i^iUve  éaxUf  ntd  ipoo- 
*^  fiêXgtmf,    Das  gehört  in  die  ,zweite  Sophistik'. 

1)  Man  vergesse  nicht,  dass  Demelrios . von  Phaleron  ein  ififi9f€Qov  des 
l^ciDoithenes  tadelt,  Eratosthenes  meint,  er  wäre  oft  vncßaxxos  geworden 
(l^litt.  Dem.  9):  das  sind  Vorwürfe,  wie  sie  den  ,Asianern'  gemacht  werden. 
Bcnüppos  erz&hlt  von  einem  Aisioo,  vermuthlich  einem  alten  Manne,  der  den 
I^enotthenes  noch  gehört  hatte;  der  sagte,  zu  hören  wären  die  Redner  der 
Gegenwart  bewaodeningawerth,  da  sie  »imôcfiafç  tcaX  ftsyalonçiTttbQ  redeten; 
<i>er  gelesen  wäre  jener  ihnen  weit  überlegen  (Plot.  11).  Da  iriflll  die  Modernen 
^ioelbe  Kritik,  wie  bei  Cicero  den  Hortensias. 


30  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

hat  ihneD  ja  so  ?iel  Fremdes  untergeschoben.  Die  kritische  Be- 
schäftigung mit  ihnen  ist  aber  auch  gerade  für  einen  Asianer, 
Kleochares  von  Myrlea,  bezeugt.*)  Lysias  möchte  man  eher  ver- 
gessen glauben,  aber  ihm  hat  man  den  Epitaphios  untergeschoben, 
Anfang  des  3.  Jahrhunderts,  wie  ich  schätze,  und  damals  bekannte 
sich  Charisios  zu  seinem  Vorbilde,  und  danach  gar  Hegesias,  dessen 
Declamationen  eine  uneingeschränkte  Bewunderung  Athens  zeigen. 
Offenbar  war  es  eine  Richtung,  die  im  Gegensatze  sowohl  zu  Demo- 
sthenes wie  zu  Isokrates  in  der  privaten  Gerichtsrede  die  perio- 
disirte  Stilisirung  verwarf;  für  epideiktische  Rede,  wie  den  Epi- 
taphios, galt  das  natürlich  nicht.  Den  Hypereides  haben  aus  ähn- 
licher Tendenz  die  Rhodier  auf  den  Schild  gehoben,  deren  durchaus 
modern  gesonnenes  Haupt  Molon  den  Spruch  abgegeben  hat,  ârà- 
yvfaaig  Tçog>fi  ké^etoç.*)  Es  hat  auch  nicht  an  solchen  gefehlt, 
die  wie  die  Caracci  im  Barocco  die  Vereinigung  aller  Vorzüge  aller 
Meister  als  Programm  verkündeten.')  Cicero  versichert,  dase  alle 
seine  griechischen  Lehrer  ihn  auf  Demosthenes  hingewiesen  hätten. 
Bei  Philodem  kommen  ^rjlùnal  verschiedener  Attiker  neben  denen 
der  Modernen  vor,^)  dasselbe  zeigt  das  Musterbuch  des  Gorgias  (Ru- 

1)  Ruhnken  zu  Rutil.  Lup.  1,  2.  Aotig.  v.  Kar.  52.  Das  dort  hervor- 
gezogene  Bruchstück  (Speogel  III  97)  ist  eioe  tolle  Spielerei  ia  lauter  mo^- 
fiara^  merkwürdig,  weil  es  seigt,  daas  schoo  im  3.  Jahrhundert  die  Casus 
in  die  Reihenfolge  unserer  Grammatik  gestellt  waren. 

2)  Dies  bei  Theon  61  Sp.  Den  Anschluss  an  Hypereides  bezeugt  Dionysios 
Din,  8.    Cicero  hat  dies  dort  nicht  gelernt. 

3)  Das  ist  der  Sinn  der  Geschichte,  wie  Zeuxis  den  Krotoniaten  die 
Helena  nach  dem  Studium  nicht  eines  Modells,  sondern  aller  Schönheiteo 
malt,  Cicero  de  inv,  II  Vorrede,  später  beigefügt,  aber  keineswegs  aus  atti- 
cistischer  /Ufirjcis,  wie  es  Dionysios  in  der  Vorrede  von  n.  /ufir,cêms  ver- 
wendet. 

4)  I  150  ist  vom  xaXbi  loyos  in  der  Art  entweder  des  Isokrates  oder 
Demosthenes  die  Rede.  151  6î  fiir  t^  *Iaoxqdxovç  ot  8i  Trjy  BovKvdiiov 
^S^y  iv^^^h  ^^^^  osch  längerer  Lücke,  aber  im  selben  Gedanken  raçôrinê 
(ytyovÔTt^)  Tov  KlsiTaQxsiov.  S.  157  wird  Jemand  getadelt,  aadfeta  erstrebt 
zu  haben,  8ui  ßovkqotv  èfKpâaêcoç  tov  noir^tMoli  Kai  rçonixav  nod  i^  ova- 
xexofQfjitviae  icroftiae  ifinalçov  xcd  tov  tptlaçx^^'^'  das  kann  nur  Timaios 
sein.  Das  vierte  Buch  würde  sehr  wichtig  sein,  wenn  es  zusammenhängender 
verständlich  wäre.  Ein  Gegensatz  wie  X6yo£  TfivStjfios  und  «piloxarâcuêvos 
(der  rhetorisch  stilisirte  164)  ist  echt  hellenistisch,  später  verschollen,  vier 
nlofffiaTa  aSçov  iaxyôv  fjtéya  yhupvçôp  (165)  widerlegen  die  auch  an  sich 
verkehrte  Ansicht,  die  vier  Gattungen  des  Demetrios  könnten  erst  nachchrist« 
lieh   sein;   iriv  y%  n^oxatdor  xaxaiiav  aîvcu  BiOftvyuv,  èfi/âêXfka  duvXaßtj^ 


ASiANISMUS  UND  ATTICISMUS  31 

tilins).  Ich  bin  ausser  Stande  eine  abschfllzige  Beurtheilung  der 
açxaioi  bei  den  bellenisüschen  Rednern  aufzuzeigen.  Erst  in  der 
Fehde,  die  der  Atticismus  begann  und  die  er  bis  zu  der  Ver- 
werfoDg  des  Piaton  wie  des  Pheidias  trieb,*)  wird  auch  von  den 
Aohflogem  des  modernen  Stiles  kräftiger  vorgegangen  sein.  Es 
seheiDt  mir  aus  einer  Stelle  Quintiiians  zu  folgen,  dass  man  im 
Gegeasatie  zu  der  Bevorzugung  der  archaischen  Sculplur  und  des 
polyklelischen  Kanons  gewagt  hat,  dem  Vorwurfe  des  Castraten- 
Stiles  tum  Trotze  das  Ideal  des  mannweiblicheo  Megabyzos  zu  ver- 
treten,*) pikanter  Weise  sich  mit  dem  Geschmacke  des  Classicisten 
Winckelmann  berührend.*)  Aber  freilich,  die  Bewunderung  der 
attischen  Classiker  hemmte  die  selbständige  Portbildung  des  Stiles 
nicht,  die  man  nicht  auf  eine  Weise  bloss  versuchte,  und  die 
Herrschaft  Ober  die  Kuustmittel  führte  zu  den  Uebertreibungen 
Dach  den  verschiedenen  Seiten,  die  dann  die  Reaction  hervorriefen. 


ßiiw  Uyuv  Moi  TOucCrai  d/ifißoXiac  iXtUf  fitrafrv/uHcSv  (185,  vorzüglich  von 
Sodbans  ergSozt)  giebt  den  Tadel  wieder,  den  die  Atticisten  erhoben,  mit 
daeo  sieb  wie  die  Zeit  so  nicht  selten  das  Urtheil,  nicht  die  Tendenz  und 
«B  wenigsten  die  Sprache  Philodems  berührt. 

1)  n,  vtpovç  36,  erläutert  in  der  Sirenna  Helbigiana, 

2)  Quintilian  sagt  V  12,21,  ersichtlich  aus  seiner  Specialschrift  einen 
Trampf  borgend,  Hatuarum  arttfices  pictorespie  clariiHmi  ....  numquam 
tu  Atme  eeeideruni  errorem,  ut  Bagoam  aliquem  aut  Megabyzum  in  exem- 
fhm  operis  sumerent  Hbi^  Med  doryphöron  etc.  Er  negiert  also  das,  was  ich 
gleichwohl  ihm  selbst  entnehme.  Wie  sollen  diese  Eunuchennamen  typisch 
itehea?  Wer  schmähen  will,  wählt  sich  nicht  die  vornehmsten  Vertreter  des 
«ogegriffenen  Ideales.  Bagoas«  Name  bedeutsamster  Hofeunuchen  des  Perser- 
Ricbes,  ebendaher  von  Ovid  j4m.  2,  2  genommen ,  möchte  noch  gehen ,  aber 
üegibyzos,  der  Hohepriester  der  ephesischen  Artemis,  wie  soll  der  anders 
lis  honorü  causa  genannt  sein?  Und  nun  die  Thatsachen:  erstens  hat  kein 
geriogerer  als  Apelles  den  ^Megabyzos  gemalt  (Plin.  35,  93) ,  vielleicht  auch 
Pirrhasios  (Plin.  35,  70,  Brunn  Gesch.  d.  K.  II 101),  und  zweitens  weiss  jeder, 
dass  die  hellenistische  Kunst  namentlich  in  Dionysos  und  Apollon  ein  solches 
Ideal  verfolgt  hat.  Unwissend  ist  also  Quintilian  auf  alle  Fälle;  entweder 
bat  er  ahnungslos  geleugnet,  was  doch  geschehen  war,  oder  er  ist  beherrscht 
TOD  dem  dassicistischen  Geschmacke  auch  in  der  bildenden  Kunst  und  be- 
streitet das  Princip,  das  sich  einst  auf  die  Schönheit  des  Megabyzos  von 
Apelles  berufen  hatte,  mit  der  Behauptung,  die  classischen  Künstler  hätten 
10  Diemals  geurtbeilt,  was  ja  zutrifft.  Die  Wahl  zwischen  diesen  beiden 
Möglichkeiten  scheint  mir  nicht  schwer. 

3)  Insti  n*  2,  173.  Uebrigens  sagt  schon  ein  o^oQia/iéç  des  Kritias 
(Dien.  Chr.  21,  3)  HaXXtcrov  iv  roïs  aQÇêai  xo  &tiXv.  Solch  ein  XtvHonvyoi 
ist  der  Knabe  von  Subiaco. 


32  ü.  V.  WlLAMOWiTZ-MÖLLENDORFF 

Wir  habeo  gesehen,  dass  erst  diese  den  Begriff  der  Asianer  schafft, 
dass  sie  bei  Dionysios  so  weit  geht,  die  gesammte  hellenistische 
Prosa  zu  verwerfen;  wir  wollen  nan  sachlich  prQfen,  was  man  den 
Asianern  vorwarf:  wenn  unsere  Rechnung  stimmt,  so  muss  das  in 
der  Rherorik  der  Kaiserzeit  aberwunden  sein,  ganz  so  wie  die  helle-* 
nistische  Litteratur  wirklich  bei  Seite  geworfen  ist 

Der  eine  Vorwurf  ging  den  Rhythmus  an;  sie  sollen  gesündigt 
haben,  theils  durch  die  Wahl  zu  weicher  Rhythmen ,  theils  durch 
die  durchgängige  Rhythmisirung  {ïfifABiQa  noulv)^  womit  die  Zer- 
hackung der  Rede  in  lauter  einzelne  Satzchen  zusammenhing,  theils 
durch  die  Eintönigkeit,  welche  die  Bevorzugung  weniger  Schlüsse 
zur  Folge  hatte.  Von  dem  ersten  sehen  wir  besser  ab,  da  unser 
Urtheil  Ober  die  Wirkung  und  Qualität  der  einzelnen  Rhythmen 
schwerlich  objecliven  Werth  hat.')  Die  beiden  anderen  Vorwtirfe 
hängen  mit  den  beiden  Composiiionsarten  zusammen,  die  in  der 
griechischen  Prosa  unbeschadet  der  Zeit  und  Stilrichtung  neben- 
einander bestanden  haben,  seit  es  eine  gab,  die  periodisirte  und 
die  kommatische  Rede.  Die  Periode  ist  von  Isokrates,  dem  SchQler 
des  Gorgias,  vollendet;  sie  wird  in  ihrer  Structur  passend  mit  der 
Architectur  verglichen,*)  man  darf  aber  auch  den  strengen  Bau 
eines  Musikstückes  vergleichen,')  Harmonie  ist  für  beide  Künste 
unentbehrlich.  So  kommt  es  in  diesem  Stile  dahin,  dass  ein  ge- 
übtes Ohr  den  nothwendigen  Abschluss  vorausempfindet  und  sich 
die  Schlussglieder  der  Periode,  so  weit  sie  die  Klangwirkung  an- 
gehen, von  selbst  ergänzt.  Erwachsen  ist  die  Periode,  in  deren 
Namen  die  Rückkehr  zum  Ausgange  und  der  harmonische  Abschluss 
liegt,  aus  den  Figuren  des  Gorgias,  Parisose  und  Antithese,  die 
gern  durch  das  lediglich  musikalische  Mittel  des  Reimes  und  der 
Assonanz  hervorgehoben  werden.  Aristoteles  hat  in  Theorie  und 
Praxis  die  Periode  von  Isokrates  übernommen,  und  so  regirt  sie 
in  der  hohen  Prosa,  namentlich  der  Geschiclitschreibung,  durchaus. 

1)  Die  alten  Kritiker  dachten  an  Rhythmen,  die  ihnen  nnanstândig 
schienen,  weil  sie  in  unanständigen  Gedichten  herrschten,  namentlich  den 
Ithyphallicns,  der  den  Schluss  des  Sotadeus  bildet,  und  andere  avauhafm^a. 
Die  werden  auch  von  Asianern  nur  einzeln  gesucht  sein,   wie  von  Hegesias. 

Schlüsse  wie  -  ^ sind  das  Gegentheil  von  lasciv,  und  doch  werden  sie 

bevorzugt. 

2)  Demetr.  «.  i(ffi.  10.  15. 

3)  Die  Rede  im  Ganzen  ist  einem  vèfioi  gerade  in  ältester  Zeit  ver- 
glichen worden,  daher  die  Termini  n^oolfuov  u   a. 


ASIANISMÜS  UND  ATTICISMÜS  33 

Der  oiDss  Polybios  sehr  obenhin  gelesen  haben,  der  bei  ihm  die 
Arbeil  verkennt,  die  in  der  Periodisirung  steckt;  selbst  ein  Diodor 
bat  darin  seine  stilistische  Ambition,  und  wenn  ein  Fachmann  ein 
gelehrtes  Werk  ohne  alle  stilistischen  Aspirationen  verfasst,  so  ver- 
fehlt er  nicht  in  den  Widmungen  periodisch  zu  schreiben/)  Dieser 
Stil  bat  also  seine  Parallele  nicht  in  der  Poesie,  sondern  in  der 
Unnk.*)  Ihm  steht  eine  andere  Weise  gegentlber,  die  wie  die 
Poesie  fon  der  Sylbenquantität  ausgeht,  die  von  der  Sprache  ganz 
ebenso  gut  unmittelbar  geliefert  wird  wie  der  Klang.  Aristoteles 
beieugt  uns,  dass  Thrasymachos  zuerst  auf  diese  rhythmische  Wir- 
kung geachtet  hat;  daher  heisst  es,  dass  er  den  metrischen  BegrilT 
xêlof  zuerst  gebraucht  habe.')  Natürlich  fielen  bestimmte  Rhythmen 
DOT  im  Anfange  und  am  Schlüsse  des  Satzes  deutlich  in  das  Ohr. 
Wer  also  auf  solche  Wirkung  ausging,  der  kam  dazu,  die  Rede  in 
daxeloe  rhythmische  Glieder  und  Gliedchen  zu  zertheilen,  so  dass 
sie  ganz  und  gar  als  rhythmisch  empfunden  ward.  Dann  unter- 
schied sie  nur  die  Regellosigkeit  der  Rhythmenfolge  von  der  ge- 
leseoen  Poesie:  ein  durchgehender  Takt  würde  sie  ganz  dazu  ge- 
macht haben.  Aber  schon  die  Wahl  der  Paeone,  die  Thrasymachos 
empfahl,  zeigt,  dass  er  sich  hütete,  den  Unterschied  der  Gattungen 
SD  ferwischen.  Die  gleichzeitige  Poesie  hatte  das  Ziel  fast  er- 
reicht, auch  in  den  Versgattungen ,  welche  den  Hiatus  unter  Ver- 
kQrzQDg  einer  schliessenden  vocalischen  Länge  nach  dem  home- 
riscbeo  Vorbilde  zuliessen,  hiatuslos  zu  bleiben,  wie  immer  in 
latnbeo  und  Trochäen  geschehen   war.^)     Das  musste  diese  Prosa 

1)  Böchst  bezeichnend  die  Kegelschnitte  des  ApoUonios. 

2)  Daher  seine  Wirkung  so  oft  xtjXehf,  yor^tvêtr,  der  ihn  ausübt  ^s^çrjv^ 
»M^tiv  heisst. 

3)  Aristoteles  Rhet^,  8,  Snid.  «.  v.,  wo  neben  xœlop  auch  neçio8oç 
^oaoDt  ist,  kaum  richtig.  Auf  ihn  geht  es,  wenn  Cicero  or,  39  der  ältesten 
Beredtsamkeit  minuta  et  venicularum  sitnilia  quaedam  zuschreibt.  Er  wirft 
ibo  mit  Gorgias  in  einen  Topf,  hat  natürlich  von  beiden  nichts  selbst  gelesen. 
Dea  Hiatos  vertreibt  aus  dem  erhaltenen  Stücke  nor  Gewalt.  Uebrigens  wird 
Tbnsymachos  sich  in  seiner  langen  ThStigkeit  nicht  gleich  geblieben  sein. 
Für  Theophrast  war  er  der  Stifter  der  vollkommensten  Bede,  des  fUaov. 

4)  Jene  Verkürzung  war  nichts  als  eine  Unvollkommenheit,  die  sich 
<He  homerischen  Dichter  nothgedrungen  verslatteten  und  die  nach  ihrem  Vor- 
bilde wenigstens  in  den  Versen,  welche  zwei  kurze  Senkungen  hinter  ein- 
ander haben,  legitim  war  (in  Lesbos  und  bei  Anakreon  jedoch  nur  im  home- 
liacben  Hexameter).  Aber  hässlich  fand  man  es  immer;  selbst  Pindar  hat  es 
in   besonders    gefeilten    Gedichten    gemieden,    und    so    Aristophanes    seine 

Htrmw  XinLV.  3 


U  U.  V.  W1LAM0WITZ-MÖLLEND0RFF 

aufsebmen,  da  der  Hiatus  den  Rhythmus  miDde^teos  itokenntlieh 
macht.  Gleichzeitig  war  in  der  modemsten  Poesie,  dem  Dithyrambus« 
und  danach  im  Drama  immer  weiter  die  Responsion  aufgegebe»: 
es  verstand  sich  ganz  fon  selbst,  dass  ?on  ihr  in  der  rhythmiacbeD 
Prosa  keine  Rede  sein  konnte,  wie  es  Aristoteles  auch  ausschliesst.*) 
Es  ist  das  ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  von  der  mosicalische» 
Prosa,  die  freilich  keine  quantitirende,  aber  doch  eine  logische, 
meist  antithetische  Responsion  verfolgte,  und  in  dem  architecto- 
nischen  Aufbau  der  Periode  nothwendig  zu  symmetrischen  Gliedern 
gelangte.  Nun  trat  schon  bei  Isokrates  eine  Verbindung  beider 
Principien  ein;  namentlich  empfahl  sich  die  Rhythmisirung  zur 
Hervorhebung  des  Abschlusses  der  Glieder  innerhalb  der  Periode, 
so  wie  man  auch  Reim  und  Assonanz  verwandte,  wohlgemerkt  ohne 
Responsion.  Ebenso  hat  Isokrates  die  Vermeidung  des  Hiatus  durch- 
geführt, ja  wohl  er  zuerst  mit  unerbittlicher  Consequenz  und  diese 
doch  auch  im  musicalischen  Klange  sehr  fohlbare  Kunst  mit  seiner 
Periodisirung  der  ganzen  folgenden  Kunstprosa  übermittelt*)  An- 
dererseits empfindet  man  bei  Demosthenes,  so  viel  er  bei  Isokrates 
gelernt  hat,  eine  viel  weitergehende  Berücksichtigung  des  Rhythmus, 
der   zu  Liebe  er,  wie  die   erhabene  Poesie,  die  Häufung  kurzer 

ÂnapSste  sehr  verechiedeD  gestaltet.  Die  Athener,  ausser  Sophokles,  worden 
immer  strenger,  und  Eoripides  hat  in  vielen  seiner  letzten  Dramen  höchstens 
in  Daktylen  vereinzelte  Verkürzungen. 

1)  Die  Vergieichung  der  ei^/MPti  und  xarêtrr^/ifuvrj  XéS*6  mit  den  àww 
ßohU  der  Dithyramben  (dessen  Vollendung  in  den  Gantica  vorliegt,  die  Leo 
erläutert  hat)  und  den  strophischen  Liedern  zieht  Aristoteles  Rhet  111,  9;  den 
Rhythmus  behandelt  Gap.  8.  Es  ist  wohl  die  Stelle,  welche  über  die  Prosa- 
technik den  entscheidenden  Âofschluss  giebt:  tb  axtj/^o,  xrjs  léSêots  du  fitjXB 
ififjttxçop  eîvai.  fir^xB  aççvd'fiov,  to  ftàv  yà^  àni&arov.  nexlocd'ai  yà^ 
80K8Î,  Kai  a  fia  mU  iSicxfjaf  nf^oaixBkv  yà^  nouH  rai  éfâoiwij  norê 
ndXêv  ^fc«.  Wie  dem  gegenüber  in  der  Prosa  des  Demosthenes  und  Aristo- 
teles rhythmische  Entsprechung  gesucht  werden  kann,  ist  mir  alleseU  «nfass- 
bar  gewesen;  am  meisten  freilich,  weil  ich  keine  hören  kann.  Dass  dagegen 
die  Glieder  der  Periode  sich  entsprechen,  wie  es  Aristoteles  ja  auch  sagt, 
zeigt  am  besten  Kaibel  in  seiner  Analyse  des  Stiles  der  Uohxela, 

.2)  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  die  Sprache  überhaupt  dem 
Hiatus  feind  war,  und  da  der  Schulunterricht  seine  Hässlichkeit  immer  ein- 
schärft, ist  thatsachlich  die  Sprache  immer  mehr  dazu  gedrängt,  ihn  durch 
Wortstellung  und  Doppelforroen  zu  vermeiden.  Jeder  Halbgebildete  schrieb 
um  Ghristi  Geburt  mit  weniger  Hiaten  als  Herakleilos  oder  Thukydides.  Die 
Affen  des  Atticismus  der  Kaiserzeit  haben  ihn  sich  dann  wieder  mühselig  an- 
gequält,  um  archaisch  zu  schreiben. 


ASIANISHUS  UND  ATTICISMUS  35 

SjlbeD  fermeidet*);  dagegen  hat  er  sich  die  ängstliche  Regelmassig- 
keit  der  isokrateischen  Periodisirung  nicht  aufgexwuogen;  gerade 
durch  xofißuna  wirkt  er  oft  überwältigend.  Eben  durch  seine 
Blifthmik  ist  er  der  specifisch  hellenische  Heister  der  erhabenen 
Kui8trede  geworden,  denn  die  Rhythmen  konnte  selbst  Cicero  nicht 
imilireD.  Auf  die  Schlüsse  der  Glieder  und  Sätxe  hat  er  hohen  Werth 
gelegt,  aber  mit  Freiheit,  und  selbst  die  Paeone  oder  den  Schluss 
Eretiker  und  Spondeus  hat  er  wohl  mehr  unbewusst  gewählt  als 
mit  Bedacht  gesucht^ 

la  der  hellenistischen  Rhetorik,  die  Demosthenes  und  Isokrates 
giejchermaassen  als  Vorbilder  überkam,  strebte  man  danach,  beider 
VonOge  zu  vereinen,  und  die  rhythmische  und  musicalische  Wir- 
kung lugleich  zu  erzielen:  die  Gefahr  war  damit  gegeben,  dass 
die  Rede  wirklich  (fifiSTQoç  würde.  Das  klar  in  seiner  Wirkung 
XU  beurtheilen,  müssten  wir  vollständige  Proben  der  Beredtsamkeit 
besitzen.  Der  Vorwurf  wird  ja  oft  erhoben.  Ferner  mussten  die 
Rhetoren  auf  der  Bahn  des  Thrasymachos  und  Aristoteles  fort- 
Khreitend  bestimmte,  besonders  belobte  Rhythmen  für  die  corre- 
spoodirenden  Glieder  der  Periode  empfehlen  und  anwenden,  was 
dann  monoton  ward.  Norden  hat  das  an  dem  heiligen  Gesetze  des 
Aatiochos  von  Kommagene  gezeigt,  das  wohl  jeder,  der  diese  Studien 
seibstflodig  aus  den  Quellen  treibt,  so  verwerthet  hatte.  Da  herrschen 

die  Clausein   -w ,  -v^-^,  -^ — w-   mit  den  wenigen  Abwechse- 

Inugeo,  die  durch  Auflösung  einer  Länge  entstehen.  In  der  That 
eise  Illustration  zu  der  Monotonie,  die  Cicero  dem  Menekles  nach- 
agt.  Immerhin  wird,  für  mein  Gefühl  wenigstens,  der  gewollte 
Eindruck  der  Feierlichkeit  und  kirchlichen  Salbung  erzielt.  Ich 
v^eiee  nicht,  wie  man  den  Bombast  unserer  Doctordiplome  ertragen 
kann  und  auf  Antiochos  als  ,Asianer*  mit  Steinen  werfen. 

Zu  Demosthenes  Zeiten  hatte  die  periodisirte  Rede,  die  nave- 
vtQafifiévf]^  wenigstens  die  erhabene  Prosa  so  sehr  beherrscht,  dass 
sie  die  einzig  mögliche  schien.  Aber  es  konnte  nicht  ausbleiben, 
dass  daneben  die  elçofjévrj  sich  regen  musste,  wäre  es  auch  nur 


1)  Die  Eotdeckong  dieses  Gesetses  (weon  auch  der  Name  Gesetz  ooza- 
trefleod  ist)  ist  ein  grosses  Verdieost  von  Blass,  um  so  wichtiger,  als  De- 
■osthenes  keioeo  Nachfolger  gefunden  zu  haben  scheint. 

3)  Yoo  der  platonische»  Kunst,  die  in  lebendiger  Rede  und  in  jeder 
StiÜsiroDg  ¥0D  ganz  naiven  Geplauder  bis  zum  Wetteifer  mit  der  Poesie 
gleich  vollkommen  ist,  darf  in  diesem  Zusammenhange  nicht  die  Rede  sein 

3* 


36  U.  V.  WILAMOWITZMÖLLENDORFF 

aus  UebersättigUDg.  Wenn  sie  kuDstfoU  sein  wollte,  bedurfte  auch 
sie  der  Rhythmen.  Es  mag  wohl  sein,  dass  Hypereides  in  dieser 
Richtung  gewirkt  hat/)  obwohl  das  nicht  gesagt  wird,  sondern 
Lysias  als  Vorbild  des  Charisios  gilt,  bei  dem  Rhythmik  nicht  zu 
holen  war,  dagegen  gorgianische  Künste  nichts  seltenes  sind,  wie 
der  Verfertiger  des  Epitaphios  wohl  gewusst  hat.  Jedenfalls  hat 
Hegesias  an  Charisios  und  durch  ihn  an  Lysias  ausgesprochener- 
maassen  anknüpfen  wollen,  als  er  seinen  Stil  aufbrachte,  der  in 
der  epideiktischen  Rede*)  wenigstens  rhythmische  elcofAevt}  ist. 
Und  hier  haben  wir  denn  wirkliche  ififieTça^  ixelvo  ^eœxoçiov, 
%ov%o  QriOBîov*)  das  ist  Iriie  Oolße  aol  ôè  vavt'  açéat*  eîtjy 
und  in  den  TtofAfidvia^  die  Agatharchides  tadelt,  sind  Schlüsse  wie 

-  WW  -  v^w  -    (tfjç  fiêydXrjç    SinvXevç) ,    «^-v^w-wx^-v^w-w-s^i 

-  v>  _  w  —  (oQwvTa  Ta  Xelxjjava  trjç  Ttokewç  naçovta  fioi  avvtxe- 
TBVBiv)  vyv^ w—  I  —  v^—  I  —  v-K-^  — w —  I  wv>— wv>-.s.y>-/— s-^— w —  (arche- 
buleisch)  |w_v>-|--|--w-  |_w-|-s^_|_vy-)  ovo  yàç  av- 
%ai  noleiç  Tfjç  ^EXXaôoç  rjaav  otpeiç'  ôio  xal  neçi  trjç  évéçaç 
âywvui  vvv  h  fiïv  yàq  élç  amaiv  6q>&aXfiog  fi  Orjßalwv^ 
èxuéxomai  noXiç.  Vergleichen  wir  nun  diese  Stilisirungen  mit 
denen  der  späteren  Prosa ,  so  ist  das  erste,  dass  man  sieht,  die 
asianischen  Clausein   der  periodisirten  Rede  haben  in  Rom  in  der 

1)  Sein  Stil  in  den  Gerichtsreden  moss  für  denjenigen  der  Tolikommenste 
sein,  der  poetische  Prosa  (das  ist  für  uns  Demosthenes)  im  Plaidoyer  deplacirt 
findet.  Es  ist  in  der  That  höchst  kunstvoller  iermo.  Darin  ist  er  gross, 
und  der  ienuü  spiritus  Graiae  catnenae  bezaubert.  Aber  die  Erhabenheit 
liegt  ihm  nicht,  und  so  wird  der  Epitaphios  dorch  Imitation  conTenlionell. 
Wenn  Rhodier  ihn  empfahlen,  die  ägyptischen  Rhetoren,  wie  die  Erhaltnog 
der  Papyri  lehrt,  ihn  bevorzugten,  während  die  Schulrhetorik  seit  Dionysios 
ihn  fallen  Hess,  so  waren  sie  attischer  als  die  Atticisten,  die  an  den  Vocabeln 
klebten. 

2)  Das  historische  Fragment  hat  at^fUtn/j  XdSts,  keine  Rhythmen:  das 
ist  Fortwirkung  altionischer  Historiographie,  die  nie  verstummt  war.  Die  An- 
stösse  liegen  in  der  Wortwahl  und  Wortstellung,  noch  mehr  in  dem  nê^ 
%࣠ roi^CBis  Kturoanovdav ,  das  der  Schriftsteller  n.  vxpavs  an  seinen  Zeit- 
genossen rügt,  das  also  mit  Asianisch  und  Altisch  nichts  zu  thun  hat. 

3)  Dies  der  einzige  significante  Satz  in  dem  lückenhaften  Fragmente  bei 
Strabon  396.  Unmittelbar  folgt  ai>  Bvvofuu  Sfjldiaat  xa^'  Xr  SKoaxor,  ganz 
Tfa^œs.    Das  andere  ist  zerstört 

4)  Ich  messe  das  kretisch,  wie  z.  B.  damals  Artemidoros  von  Perge  in 
seinen  Epigrammen  immer  ^qoXoi,  Natürlich  ist  das  Willkür,  aber  die  kann 
niemand  aus  diesen  Analysen  bannen,  wenigstens  so  viel  wir  bis  jetzt  er- 
kennen. 


ASIANISMÜS  UND  ATTICISMÜS  37 

Gracchenzeit  ihren  Einzug  gehalten/)  ihnen  hat  sich  auch  Cicero 
nicht  eotzogen ,  dessen  von  Tacitus  verspottetes  esse  videatur  eine 
solche  ist,  und  sie  regieren  bei  Seneca,  obwohl  der  die  eiçofiévri 
vonieht,  und  weiter  bei  Cyprian  und  noch  lange,  als  im  Grie- 
cUscben  die  Quantität  überhaupt  aufgegeben  ist.')  Also  ist  freilich 
die  romische  Rhetorik  ohne  jede  Unterbrechung  von  der  helle- 
nistischen Tradition  beherrscht  worden;  wenn  man  das  asianisch 
nenneo  will,  mag  man's  thun.  Aber  für  die  griechische  Prosa  gilt 
das  nicht.  Das  zu  beweisen  reichen  die  Partien  in  Nordens  Buch 
hin,  die  fQr  die  entgegengesetzte  Behauptung  geschrieben  sind.*) 
Denn  wenn  er  keinen  einzigen  namhaften  Schriftsteller  anzuführen 
bat,  so  sollten  die  Exempel,  die  er  aufgetrieben  hat,  der  Brief  des 
Ptolemaios  an  Flora,  Favorins  korinthische  Rede^  und  ein  paar 
Phrasen  aus  Philostrat,  vielmehr  beweisen,  dass  die  Bevorzugung 
der  an  sich  daraus  ernsten  und  durch  Demosthenes  und  Aristoteles 
empfohlenen  Rhythmen  in  ein  paar  Reden,  zu  denen  gar  noch  die 
Monodie  des  Aristides  gerechnet  wird,  alles  andere  als  neoterisch 
geffleiot  war.  Wenn  aber  die  gewaltigen  Massen  slilisirter  Rede, 
Philon,  Plutarch,  Aristides,  Maximus,  Dion,  Philostratos  so  wenig 
boten,  so  ist  zu  constatiren,  dass  die  Tradition  abgerissen  war. 
Nicht  die  Rhythmen  überhaupt  sind  verboten,  höchstens  die  xexXa- 
Ofihoiy  die  denn  auch  fehlen,  sondern  die  Eintönigkeit:  und  die 
Imitation  der  Atliker  hat  die  Weise  des  Demosthenes  und  Isokrates 
wiederhergestellt.  Der  grosse  Gegensatz  zwischen  silberner  Latinitât 
uod  gleichzeitigem  Griechisch  in  den  Rhythmen  ist  der  sinnfällige 
Erfolg  des  Atticismus.^) 

1)  Marx  Rhei.  ad  Her.  99. 

2)  Was  m  Athen  schon  gegen  300  geschehen  ist,  vgl.  in  dies.  Ztschr. 
34,217. 

3)  n,  918.  Den  Gitaten  der  Historiker  des  Veros  bei  Lukian  hört  Norden 
wohl  zo  viel  beabsichtigte  Rhythmen  ab;  jedenfalls  sind  jenem  nicht  die 
Rbytbmen  anstössig,  sondern  die  allerdings  albernen  homerischen  Vocabeln. 
i,  413,  wo  eine  Anzahl  hoch  pathetischer  Stellen  der  philostratischen  Rhetoren 
rhythmisch  analysirt  werden,  was  sehr  dankenswerth  ist,  kommt  gewiss 
manche  Klingele!  heraas,  die  onaosstehlich  ist,  aber  die  specifisch  «asianischen* 
Klauseln  wiegen  gar  nicht  vor.  In  dem  Décret  ans  Âssos  (II,  920)  ist  der 
SebJasa    altformelbaft,    also    nicht   rhythmisch    neu   stilisirt;   im  Anfang  ist 

-w fein  beobachtet,  so  dass  ich  bv^kbv  6  Koa/ioç  nicht  als  Adonius, 

sondern  mit  Elision  als  Ditrochaeus  sprechen  möchte. 

4)  Der  Raum  verbietet  mir,  Proben  zo  geben;  gern  würde  ich  die  Frei- 
heit an  n.  vyfovs  zeigen,  in  dem  allerdings  weil  kein  einseitiger  Atticismus, 


38  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Der  andere  Vorwurf  gegen  die  Asianer  ging  die  Sprache  an. 
Getadelt  ward  ausser  dem  Uebermaass  an  Schmuck  der  Mangel  an 
%vQia  ovofiatay  statt  deren  Umschreibungen  oder  Neubildungen 
eintraten.  Darüber  könnte  man  unendliches  reden/)  aber  wenige 
Worte  werden  dem  genügen,  der  die  Schriften  lesen  will.  Das 
hellenistische  Griechisch  ist  die  natürliche  Tochter  des  hellenischen, 
die  lebendige  Rede  aller  Hellenen  und  hellenisirten  Barbaren,  er- 
wachsen auf  dem  Boden  einmal  der  jeweiligen  mündlichen  Ueber- 
lieferung,  zum  anderen  der  attischen  Schriftsprache,  die  in  allen 
Reichen  seit  Philippos  Kanzleisprache  war,  und  abgesehen  von  ge- 
wissen Gattungen  der  Poesie  und  kleinen  Kreisen  epichorischer 
Bedeutung  Litteratursprache  sein  sollte,  aber  sich  unwillkürlich 
fortwährend  umformte.  Es  ist  ja  nur  ein  Zeichen  dafür,  wie  wenig 
uns  erhalten  war,  wenn  man  ehedem  die  Uebereinstimmung  der 
Sprache  des  neuen  Testamentes  mit  vielem,  was  man  nur  bei  Po- 
lybios  fand,  befremdet  constatirte  (was  man  etwa  so  ausdrückte, 
dass  der  heilige  Geist  eine  besondere  Vorliebe  für  den  Stil  des 
Polybios  gehabt  hätte),  und  dass  man  neuerdings  die  Ueberein- 
stimmung des  Polybios  mit  gleichzeitigen  Inschriften  ganz  anderer 
Gegend  befremdet  constatirt  und  wohl  gar  Kanzleisprache  bei  ihm 
£ndet.^    In  Wahrheit  lebt  in  jenen  Documenten  und  Polybios  die- 

ein  gutes  Theil  Tradition  steckt.  Ein  Böswilliger  könnte  manche  Glaoseln 
asianisch  nennen  wollen.  Ein  seltsames  Stück  Rhetorik  derselben  Zeit  ist 
die  jüdische  Rede  n.  avrouçatoçoç  lôyav,  die  Norden  I  416  gegen  Frendenthal, 
dem  ich  froher  gefolgt  war,  richtig  würdigt  ;  sie  kann  um  des  Inhaltes  willen 
nnr  vor  Galignla  entstanden  sein:  die  Jodenhetze  ist  nicht  actuell,  viel  eher 
Gefahr,  dass  die  Juden  transigiren.  Auch  sprachlich  urtheilt  hier  Norden  ganz 
zutreffend:  es  ist  reines  Hellenistisch,  s.  g.  Asianisch,  wohl  das  jüngste  Spe» 
cimen  der  Art.  Rhythmen  kennt  der  Verfasser  nicht,  so  sehr  er  in  gorgia- 
nischen  Figuren  schwelgt  Freudenthal  hat  ihn  maasslos  überschitzt.  Das 
dritte  Makkabäerbuch  kann  in  seinen  rhythmischen  Theilen  (vgl.  in  dieser 
Zeitachr.  34,  635)  kaum  jünger  als  Aristeas  sein. 

1)  Das  bewnsste  Schmücken  der  Rede  mit  ,schönen*  Wörtern  ist  aach 
so  alt  wie  die  Rhetorik  und  älter.  Gorgias  und  Isokrates  sind  auch  darin 
die  bewussten  Stilkünstler  und  Lehrer;  Alkidamas  sündigt  nach  dieser  Seite. 
Eine  Reaction,  die  strenge  Wortwahl  und  Einfachheit  suchte,  repräsentiren 
Isaios  und  Demosthenes,  der  die  Kühnheiten  der  eigenen  mündlichen  Rede  in 
der  Schrift  ausmerzte.  So  geht  das  weiter;  ich  muss  es  bei  der  Bindeatung 
bewenden  lassen.  Das  stammt  ganz  direct  aus  der  Poesie,  insbesondere  der 
Lyrik. 

2)  Der  vornehme  junge  Mann,  berufen  zu  der  politisch-militärischen 
Führung  seiner  Vaterstadt  Megalopolis,  hat  die  Schulbildung  dieser  arkadischen 


ASIANISHUS  UND  ATTICISMUS  39 

selbe  aligemeine  Sprache,  und  lebt  in  den  altchrisilicheD  SchrifteD 
dieselbe  fort,  ungetrübt  durch  den  Atticismus,  so  dass  ihr  Gegen- 
eati  zu  der  gleichzeitigen  gebildeten  Litteratur  eben  den  zwischen- 
getreCenen  Atticismus  beweist.^)  Seit  wir  nun  theils  auf  die  zer- 
splitterten Reste  hellenistischer  Rede  besser  achten,  theils  auf  Stein 
uod  Papyrus  immer  neue  Documente  auftauchen,  kann  man  ja  gar 
oiebt  ferkennen,  dass  die  augusteische  Zeit  einen  Einschnitt  macht 
(Jod  wer  will,  kann  gerade  periphrastische  Ausdrücke,  die  den 
helleDistischen  Stil  so  uogefüge  und  breit  machen,  und  saftlose 
Neobiidungen  in  Masse  aufzeigen,  die  später  beseitigt  worden  sind. 
Hit  eioem  Schlage  ging  das  freilich  nicht;  es  war  den  atticistisch 
Gesooaenen  gar  nicht  sofort  bewusst,  wie  vieles  sie  im  Munde 
fQbrteo,  was  der  sehr  exclusive  Geschmack  der  attischen  Rede  des 
4.  Jahrhunderts  verschmäht  oder  nicht  gekannt  hatte.  Man  darf 
sieb  also  nicht  wundern,  wenn  Dionysios  in  seiner  Geschichte  uns 
oft  dem  Polybios  näher  zu  stehen  scheint  als  dem  Cassius  Dio, 
dessen  Griechisch  ein  Pelz  von  altattischem  Allerleirauch  ist.  Plutarch, 
der  dem  puristischen  Atticismus  unfreundlich  gesonnen  ist,  klingt 
scbon  weit  attischer  als  Dionysios.  Das  ist  der  Erfolg  der  Schule, 
die  mittlerweile  die  Kinder  schon  an  diese  Vorbilder  ausschliesslich 
gewohnte  und  längst  Ober  lexicalische  Hilfsmittel  gebot:  Caecilius 
baue  ja  das  erste  atticistische  Lexicon  verfertigt.  Nordens  so- 
geoaoote  Neoteriker  der  Kaiserzeit  schreiben  freilich  ein  eben  so 
buolei  Griechisch  wie  Hegesias  in  dem  Bruchstücke  seiner  Ge- 
schichte oder  Antiochos  von  Kommagene;  gleichwohl  ist  es  eine 
gaoi  andere  Buntheit.  Der  hellenistische  Rhetor  bedient  sich  ge- 
machter Wörter;  er  ist  frei;  er  wird  auch  aus  dem  Sprachschätze 
des  Volkes  etwas  aufgreifen,  wo  es  bezeichnend  ist,  auch  ein  poe- 


Mittdttadt  erhalten ,  allerdings  früh  litterarische  Neigungen  gehabt  und  den 
rhetorischen  Unterricht  in  einer  Lobschrift  auf  Philopoimen  verwerthet.  Das 
•patere  Leben  bat  ihn  nur  selten  in  Contact  mit  der  Litterator  gebracht,  deren 
Ceotra  er  kaum  vorfibergehend  besucht  hat.  Uro  so  wertvoller,  dass  er  den 
Hiatus  peinlich  vermeldet,  endlose  Perioden  baut,  zumal  wenn  er  seine  Betrach- 
toogeo  anstellt,  und  in  breiten  Periphrasen  und  üppiger  Wortrfllle  schwelgt 
trotz  aller  Antipathie  gegen  Phylarchos  und  Timaios.  Das  gehörte  eben  zur 
Historie.    Dionysios  erklärt  ihn  ja  auch  für  unlesbar. 

1)  Sehr  fein  bat  Norden  die  sprachliche  Modernisirung,  d.  h.  Atticisirung 
im  Ucasevangelium  gezeigt,  wie  denn  die  Partie  Ober  den  altchrisllicben  Stil 
wohl  die  bedeutendste  des  Buches  ist. 


40  U.  V.  WiLAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

tiscbes,  d.  h.  der  hohen  Rede  angehöriges  Wort  nicht  scheu 
er  braucht  ^éva,  lôiWTixâ*)  Ttanoiripiéva,  Der  atticistische  Sel 
steller  unterliegt  schliesslich  doch  dem  tcov  %Bîtaii  mit  Bewi 
sein  wagt  er  keine  Neubildung,  selbst  in  der  wissenschaftli« 
Terminologie  nicht.  Die  Sprache  des  Lebens  gilt  nicht  für 
der  Feder:  daher  die  Latinismen,  die  schon  das  Marcusevange 
zeigt,  durchaus  fehlen,  und  die  Schulgesprflche  bei  dem  sogenan 
Dositheus  oder  Pollux  so  ganz  anders  klingen  als  irgend  ein 
biidetes  Document.')  Aber  dafOr  wagt  die  Rhetorik  immer  n 
statt  der  7ie7coi>rjfiéva  noirjrixd  anzuwenden.^)  Man  sieht 
Fortschritt,  wenn  Caecilius  den  Sprachschatz  der  Redner  ausz 
Phrynichus  nicht  mal  die  alle  gelten  lässt,  aber  daneben  eine 
schränkte  Zahl  anderer  Schriftsteller,  namentlich  Dichter,  P( 
aber,  dem  wir  das  umfänglichste  erhaltene  Onomasticon  verdan 
ausgesprochenermaassen    für   die    aoq)iaTixrj   nço/iaçaanevij 

1)  Das  erlaubt  selbst  Aristoteles  {HheL  3,  7  S.  1408^  13),  sogar  eio  x 
oiçavo/iTjxes  ^  ntXcoçutVj  aber  im  Afiect«  und  wenn  der  Redner  seiner  I 
sicher  ist  xal  7iotr,<rtji   évd'ovatâaa*.    Und  dann  verdenkt  man  es  den 
toren.    Das  xXenreiv  ix  t^c  avvijd'aia«  hat  er  bekauntlirh  an  Euripides  gc 

2)  TT.  t/yovfi  31,  wo  ein  Wort  aus  Theopomp  als  Beispiel  dient,  o 
xo^ayëiv  rà  n^ay/Aara  (eigentlich  eine  Metapher,  denn  es  geht  die  sti 
Diät  der  Athleten  an,  för  die  es  technisch  war);  richtiger  war  alsc 
verborum  audacia  von  anderen  an  Theopomp  monirt  (Cicero  de  orat  111 
Dionys  Lys.  4  sieht  bei  diesem  den  Schmuck  in  dem  fufisïtrâ'ai  rov  tSut 
War  es  denn  schlimm,  wenn  Hegesias  das  auch  that,  schlimm,  weil  der  «^«. 
uui  250  in  Asien  anders  sprach  als  um  390  in  Athen? 

3)  Wenn  die  Leute  in  einen  Laden  gingen,  sich  einen  Rock  oder  i 
Kuchen  zu  kaufen,  so  redeten  sie  nothgedrungen  wie  das  diocletianische  E 
in  der  Kunstprosa  existiren  alle  die  Vocabeln  nicht;  aber  Pollux  notir 
Idiotismen  des  altattischen  Marktes  für  Röcke  und  Kuchen.  Wenn  Li 
^f/T.  Bi8,  16  die  Sophisten  schildeit,  wie  sie  mit  ein  Paar  Dutzend  altattii 
Wörter  ihre  sonstigen  Barbarismen  und  Solöcismen  decken,  wie  sie  j 
Schmuck  nicht  bei  den  Attikern  selbst,  sondern  bei  den  berühmten  Coli 
der  letzten  Generation  suchen,  so  liegt  darin  wahrlich  keine  Zulassung 
lebenden  Sprache,  weder  in  seinem  Sinne,  noch  in  dem  der  Sophisten 
drücken  sich  nur  um  die  Mühe  und  erfüllen  die  nolhwendigen  Forderu 
möglichst  billig. 

4)  Philostr.  Fit,  soph.  119  K.  NixayoQOv  fAritéça  aotpicrcjv  rt^  Tça 
3iav  TiçoffBêTfôvTOS  Sioç&ovfASvoi  o  *'J7in68ço/ios  Tov  koyov,  éyàf  Sd,  ^^y 
léça  **Ofiijçor.  Daher  die  homerischen  Vocabeln  bei  den  Historikern  des  V 
Später  nimmt  Himerius  auch  die  der  Lyrik.  In  diesen  Zusammenhang  gt 
auch  das  künstliche  Ionisch,  am  ärgsten  bei  Aretaeus;  die  Asiaten  s 
nennen  sich  gern  lonier,  auch  bei  Philostrat. 


ASIANISHUS  UND  ATTICISMUS  41 

giDze  Ljtteratur  der  classischen  Zeir,  selbst  dialektische.  Dieser 
sprachliche  Atticismus  hat  eine  unvergleichlich  grössere  Bedeutung 
als  der  rhetorische,  wenn  er  auch  auf  das  Latein  nicht  gleich  hin- 
oberwirken  konnte.')  Er  bat  über  das  Geschick  der  griechischen 
Litteratur  entschieden;  er  bewirkt,  dass  heute  noch  ein  moderner 
Ausboder,  der  an  Xenophon  und  Lysias  sein  bischen  Griechisch 
gelerot  hat,  eine  griechische  Zeitung  versteht,  ein  Kreter  aber  nicht, 
obwohl  er  dem  Blute  und  der  Sprache  nach  der  ecbtbürtige  Nach- 
komme der  Kreter  des  Idomeneus  und  Epimenides  ist.  Dieser  ver- 
hingDissfolle  Atticismus  ist  nun  unbestreitbar  und  unbestritten 
unter  Augustus  zur  Herrschaft  gelangt:  das  macht  Epoche  und 
würde  an  sich  genügen  auch  den  rhetorischen  Atticismus  zu  da- 
tiren.  Der  Kampf  gegen  die  itiaiavol  ist  eine  Kleinigkeit,  selbst 
io  der  modernen  Verallgemeinerung,  gegenüber  dem  Kampfe  gegen 
die  "EkJLrjveg,  zu  dem  der  gegen  die  avvr^'O'eia  bald  geworden  ist. 
Dies  ist  der  Kampf  des  papiernen  Attisch  gegen  das  lebendige 
Uelieoistisch ,  in  dem  das  Todte  gesiegt  hat,  weil  vom  Hellenen- 
thume  nichts  mehr  zu  leben  verdiente  als  der  unsterbliche  Geist  der 
Vergangenheit,  von  dem  die  Propheten  der  filfirjaiç  nur  zu  wenig 
geerbt  hatten. 

Wie  diese  Reaction  sich  siegreich  hat  erheben  können,  ist 
freilich  eine  bedeutende  Frage,  die  mit  dem  Hinweis  auf  einen 
Menschen  oder  ein  einzelnes  Moment  nicht  gelöst  wird.')  Der  erste 
wichtige  Factor  ist  die  Grammatik,  der  allgemein  der  erste  Jugend- 
unterricht zufiel.  Die  aller  Orten  im  Dunkel  wirkenden  Schul- 
meister, so  viel  weniger  Ansehen  sie  genossen  als  die  Rhetoren, 
hatten  doch  von  Wissenschaft  einen  Hauch  verspürt,  als  sie  bei 
den  wirklichen  Grammatikern  studirteo.  Zur  Wissenschaft  geworden 
war  die  Grammatik  in  Alexandreia,  wo  ihre  Blüthe  nur  vorOber- 
l?ehend  gestört  ward,   als  Euergetes  11.  dort  wOthete.     Die  Ver- 

1)  Als  er  es  that,  zu  Frontos  Zeiten,  war  das  Resultat  darum  viel  un- 
ansstehliclier ,  weil  die  Römer  damit  gerade  ihre  classische  Litteratur  ver- 
driogtcD,  aber  es  kam  damit  doch  auch  viel  vulgares  Lebendiges  auf.  Ganz 
vergleichbar  dem  griechischen  Classicismus  ist  erst  der  des  Lactantius:  neben 
àtm  tni  steht  ein  Vulgärlatein,  wie  ein  Vulgärgriechisch  neben  dem  des 
PlQUrch. 

2)  Ich  verzeichne  nicht  die  Versuche  der  Beantwortung  von  meinem 
Hioweig  in  dieser  Zeitschr.  12,  333  bis  auf  Radermacher  Rh.  M.  54,  35t.  Aber 
wohl  sei  hier  daran  erinnert,  dass  Olto  Jahn  das  Verdienst  hat,  das  ganze 
P^obleiD  des  Classicismus  gestellt  zu  haben. 


42  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

IreibuDg  der  Aristarcheer  und  des  Aristarchos  selbst  ist  ihrer  Ver- 
breitQDg    nur   zu   Gute  gekommen,    und   Rhodos  Dameotlich  eiu 
wichtiger  Platz  auch  hierfür  geworden.')    In  Alezandreia  sass  man 
auf  einer  Sprachinsel  und  hatte  keine  wirklich  hellenische  Volks- 
sprache wie  in  Asien  unter  sich.     Da  also  ist  der  Gedanke  auf 
die  Sprache  Oberhaupt,  die  hellenische  Sprache   und  ihre  Hund- 
arten insbesondere  gerichtet  worden.    Die  Lexicographie  entwickelt 
sich  schon  im  3.  Jahrhundert  aus  der  Glossographie,  die  Behand- 
lung einzelner  Dialekte  beginnt  mit  Dionysios  lambos,  die  Saimn- 
iung  der  Litteratur  fahrt  zur  diplomatischen  Kritik,  die  Aestbetik 
der  Peripateliker  zur  philologischen  Exegese.    So  kennt  schon  Era- 
tosthenes falsche  Attiker,*)  Aristophanes  aber  muss  puristische  lieber- 
treibungen   kennen,   sonst  könnte  er  nicht  rcegl  vtSv  aoxovwwv 
fifi  elQijaâixi  loîg  èçxoloiç  schreiben,  so  dem  späteren  Antiatti- 
cismus  vorarbeitend.   Er  stellt  in  der  allgemeinen  Spracbbetrachtung 
das  Princip  der  Analogie  auf,  das  dann  Aristarch  mit  der  Autorität 
eines  gewaltigen  Schulhauptes  verficht,  die  Regel  und  die  beweis- 
bare Correctheit  gegenüber  dem  allezeit  lässlichen,   widerspruchs- 
vollen Gebrauche  des  Lebens.    All  dies  gravitirt  nach  der  Normali- 
sirung  der  Sprache,  der  Aufstellung  fester  Regeln,  der  Kanonisirung 
eines  bestimmten   durch  Muster   festgelegten  Griechisch.     Und   so 
viel  ist  an  dem  sogenannten  alexandrinischen  Kanon')  auch  wahr, 
dass  in   der  Poesie  trolz  ihrer  alexandrinischen  Blüthe  und  trotz 
dem,  dass  die  Gelehrten   theils  selbst  Dichter  waren,   wie  Erato- 
slhenes  und  Aristophanes,  theils  mit  Dichtern  befreundet,  wie  Ari- 
starchos  mit  Moschos,  ein  Strich  gezogen  ward,  der  die  Classiker 
abschloss.     Der  Strich   ist  bei  Alexander  gezogen;   der  Alticismus 
hat  ihn   einfach   auf  die  Prosa   Obertragen.    Wenn   also  auch  die 
Grammatiker  keine  Redner,   vielleicht   Oberhaupt   keine  attischen 
Prosaiker  in  den  Kreis  der  Interpretation,  also  noch  viel  weniger 
in  den  der  Knabenschule  zogeo,  so  war  doch  ihre  Tendenz  bereits 
ôvvàfÀei  atticistisch,  ablehnend  auch  im  Stile  gegen  die  veatTecoi, 
und  sie  ward  es  evsQyelai,  als  sie  in  Rom  dem  Bedürfoiss  gemäss 
auch  Redner  erklärten,  aber  nur  attische  Redner.    Wie  viel  Didymos 


t)  Trefieod  hat  das  Marx  gezeigt,  Rhet.  ad  Her.  138  u.  ö. 

2)  Schol.  Aristoph.  Frö.  1263,  fgm.  149  Strecker.   Dort  mehreres,  was  die 
feinste  Spracbbeobachtung  beweist. 

3)  Ueber  ihn  and  den  s.  g.  Kanon  der  tO  Redner  spreche  ich  nicht,  weil 
ich  darauf  bald  an  anderem  Orte  ausführlich  einzugehen  hoffe. 


ASIANISHUS  UND  ATTICISMUS  43 

dafür  schon  gethan  hat,  «eht  man  bei  Harpokration.  Damals  kommt 
ei  auch  zu  der  Anlage  eines  Onomastikons,  also  eines  griechischen 
Wörterbuches,  durch  den  scharfen  Analogetiker  Tryphon^):  wer 
wollte  darin  eine  mächtige  Waffe  der  classicistischen  Sprach- 
emeoerung  verkennen.  Wer  auch  immer  die  Auswahl  der  LectOre 
for  den  Redner  gemacht  bat,  die  wir  bei  Dionysios,  Quintilian,  Ta- 
citos,  Dio  befolgt  finden,  ein  Grammatiker  ist  er  gewesen,  ein  Classi- 
cist auch,  und  welchen  Einfluss  er  gewonnen  hat,  zeigt  die  weite 
Geltung  seiner  Auswahl. 

Gleich  mächtig  ward  die  Philosophie,  gerade  weil  sie  in  ihrem 
Doterrichte  nun  auch  der  Rhetorik  einen  Platz  gewährte.  Die 
Akademie,  Ton  der  diese  Dewegung  ausging,  hatte  in  Piaton  nicht 
Dor  den  erbitterten  Feind  der  xo^u/uoiTixi)  als  Patron,  sondern 
auch  das  unvergleichliche  Vorbild  edelster  menschlicher,  aber  auch 
attiacber  Rede.  Die  leeren. formalen  KOnsteleien .konnten  hier  gar 
liebt  das  Uebergewicht  erlangen.  So  sehen  wir  denn  in  Ciceros 
driuem  Ruche  dt  oratort  Stilprincipien  ausgesprochen  und  Forde- 
niogen  erhoben,  die  der  sana  eloquentia  wahrhaftig  entsprechen  *)  ; 
wer  diese  philosophische  Rhetorik  in  sich  aufnahm,  dem  ward  die 
M)phi8ti8che  Rhetorik  an  sich  zuwider,  und  wenn  er  Höheres  an- 
strebte, so  kam  er  noth wendig  auf  den  Anschluss  an  die  wirklich 
gronen  Stilisten,  zuerst  zu  Piaton,  dann  den  Historikern  und 
Hedoern.  Diesem  Unterrichte,  seiner  philosophischen  und  zwar 
^bdemischen  Bildung,  verdankt  doch  Cicero,  dass  er  ein  wirklicher 


1)  Weoo  er  der  Verfasser  der  rhetorischen  Schrift  nefd  z^énotr  ist, 
WM  ich  sehr  wohl  für  möglich,  aber  für  angewiss  halte,  so  hat  er  sell>8t  in 
die  Rhetorik  eingegriffen. 

2)  Die  Doctrio,  die  ganz  in  platonischem  Grunde  wurzelt  (21),  erkennt 
nelnrere  gleichberechtigte  Stile  an  (Parallele  Myron,  Polyklet,  Lysipp,  d.  i. 
«^JCi'oV,  vifêror,  /uaov),  aber  die  Stilmuster  sind  alle  Glassiker  (27.  28).  Die 
Forderaog  der  Lecture  ist  sehr  stark,  und  die  Sprache  soll  rein ,  d.  h.  attisch 
^iA(42:  hier  die  Kritik  der  asianischen  Aussprache;  bei  der  Forderung  der 
«<^C**  opofuna  49  wird  das  Original  wohl  auch  die  Polemik  gehabt  haben).  Be- 
sooders  bemerkenswert  ist  die  Warnung  vor  dem  nimù  dulce,  96 — 101  :  das  ist 
gaox  ohne  jede  Polemik  gehalten,  auch  ohne  jede  Uebertreibung,  aber  es  triflt 
den  Ken;  es  enthalt  das,  was  in  der  stilistischen  Kritik  der  Atticisten  unein- 
geschriQkten  Beifall  verdient  Die  weiteren  speciellen  Vorschriften  über  Xé^êS 
oo4  ^ftos  lehren  weniger.  Berührungen  mit  Philodemos  sind  in  diesem 
^die  zahlreich:  das  ist  bei  beiden  Niederschlag  der  allgemeinen  philosophi- 
seheo  Polemik  gegen  die  Rhetorik  aus  dem  zweiten  Jahrhundert. 


44  U.  ?.  WILAHOWITZ-HÖLLENDORFF 

Classiker  geworden  ist.  Die  peripatetische  Schule')^ hat  nach  Kri- 
tolaos  keine  Bedeutung,  und  als  sie  durch  Aristonikos  die  Wendung 
nimmt,  die  Werke  des  Stifters  zu  commentiren  und  paraphrasiren 
wird  ihre  Lehre  vollends  esoterisch.  Sie  zeugt  damit  fQr  den  all- 
gemein rückwärts  classicistisch  gerichteten  Geist  der  Zeit.  Abei 
eine  aus  der  rhetorischen  Lehre  des  Aristoteles  und  Theophrastof 
stammende  und  nie  unterbrochene  Anregung  wirkte  doch  sehr  start 
auf  den  stilistischen  Geschmack.  Die  Grundlage  der  Stillehre  àei 
Dionysios  ist  ja  theophrastisch.  Die  sophistische  Rhetorik  des  Her 
magoras  hat,  so  Tiel  wir  wissen,  die  (pQâaiç  Ober  die  bvqboiç 
stark  vernachlässigt;  wir  haben  von  ihm  keinerlei  Vorschriften  Qbei 
sie.  Ciceros  Rhetorik  nennen  wir  aus  demselben  Grunde  <fe  in- 
ventiane,  und  noch  von  Apollodoros  von  Pergamon  haben  wir  nichts 
Stilistisches.  Dagegen  ist  das  letzte  Buch  der  Rhetorik  ad  Heretir 
nium  ein  sehr  werthvoller  Tractat  n.  ^^^ecciç, 'dessen  asianisch< 
Form  zu  den  verständigen  Lehrsätzen  in  seltsamem  Contraste  steht 
Die  theophrastische  Grundlage  ist  auch  hier  unverkennbar:  dei 
rhod'sche  Rhetor  hat  offenbar,  vermuthlich  durch  Vermittelung  dei 
Grammatik,  eine  Lehre  vorgetragen,  die  auf  Sprache  und  Stil  refor- 
mirend  wirken  musste,  sobald  man  sie  in  der  Praxis  ernst  nahm, 
Die  Postulate,  dass  die  Rede  rein  und  dass  sie  griechisch  sein 
sollte,  die  Warnung  vor  den  Fehlern  des  ßacßaQiafxoc  und  aoXoi- 
xiCfÂOç  hat  wohl  immer  auch  in  der  rhetorischen  Techne  gestanden: 
auch  hier  war  die  sprachliche  Reaction  und  die  Forderung  def 
Anschlusses  an  die  Attiker  nothwendig,  so  bald  man  die  Frage, 
was  ist  Griechisch,  mit  festen  positiven  Regeln  und  Relegen  beant- 
worten wollte,  wie  es  die  Grammatiker  zumal  in  Rom  mussteo 
und  thaten. 

Dies  führt  zu  der  Betrachtung  des  Factors,  den  Dionysios  aU 
Urheber  der  Geschmacksänderung  bezeichnet,  Roms.    Wenn  er  fort- 


1)  Die  Sioa  hatte  ihr  erstes  Jahrhundert  lang  die  Form  gröblich  ver- 
nachlässigt, und  ich  vermag  dem,  was  von  der  Polemik  des  Diogenes  von 
Babylon  übrig  ist,  nichts  nach  dieser  Seite  Belangreiches  zu  enlnehmea  (was 
Kadermacher  jüngst  über  eine  stoische  Vorlage  von  Cicero  de  oraiore  vorge- 
tragen hat,  Rh.  M.  54,  285,  kann  ich  nicht  billigen).  Dann  treibt  freilich 
Panaitios  sogar  sprachlich-philologische  Studien  an  Plalon.  Aber  bei  Posei- 
donios  und  seiner  Schule  tritt  diese  Seile  ganz  zurück.  Gleichwohl  will  ich 
gern  glauben,  dass  Gelehrtere  auch  Stoiker  aufzeigen  können,  die  im  ähnlichen 
Sinne  thätig  gewesen  sind  wie  Philon.  Die  Epikureer  bedeuten  nichts,  sc 
Werthvolles  wir  Philodem  verdanken. 


ASfANISMUS  UND  ATTICISHUS  45 

Ûbrt  ond  die  övvaaTevovTßc  xav*  açeTfjv  xal  àno  tov  x^a- 
titnov  Ta  xoivà  ôioiKOvvTeç  dafür  lobt,  dass  sie  der  Qbrigeo 
Gesellschaft  ihren  Geschmack  aufzwingen,  so  geht  das  auf  den  be- 
kaDDliicb  aberzeugt  classicistisch  gesonnenen  Kaiser  Augustus,  dessen 
persOoliche  Haltung  gewiss  sehr  viel  gewirkt  hat;  aber  die  atti- 
cistiscben  Forderungen  sind  schon  fast  ein  Menschenalter  früher 
erbobeo  worden.  Schon  damals  galt,  was  er  von  Rom  sagt,  dass 
es  als  Centrum  der  Welt  den  Ton  angab;  aber  Römer  können 
ibo  unmöglich  angegeben  haben.  Die  Herren  der  Welt  mussten 
Griechisch  lernen,  der  Grammatiker  und  dann  der  Rhetor,  immer 
mehr  auch  der  Philosoph  erhielten  die  Aufgabe  ihnen  die  Sprache 
und  Bildung  zu  vermitteln.  Die  Frage,  was  ist  als  griechisch  zu 
lernen,  was  ist  als  musterhaft  zu  interpretiren,  drängte  sich  dadurch 
in  neuer  Weise  auf.  Das  hat  wohl  seine  Wichtigkeit;  allein  Rom 
batte  im  2.  Jahrhundert  den  Hellenismus  in  seiner  modernsten, 
asiatischen  Form  begierig  aufgenommen,  Rom  hat  gerade,  während 
Dionysios  sein  Triumphgeschrei  erhob,  die  Arellius  Fuscus  und 
Hjbreas  als  Stilmuster  allen  Atticisten  vorgezogen.  Die  römischen 
Attiker  vollends,  die  Cicero  bekämpft,  sind  Leute,  denen  eigene 
Initiative  nicht  zugetraut  werden  kann:  es  wäre  naiv,  einen  Thucy- 
éiiii  tyrannus  Atticae  febris,  eine  Imitation  des  Lysias  oder  Xeno- 
pbon  spontan  auf  lateinischem  Gebiete  erwachsen  zu  glauben.  Die 
Stilmuster  sind  ja  immer  Griechen,  uns  als  solche  auch  durch 
Griechen  bekannt,  und  es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  jungen 
römischen  Redner,  die  diese  Imitation  gegen  Cicero  ausspielten, 
wwohl  ihre  verschiedenen  Vorbilder  wie  das  Princip  der  f^lf^fjoiç 
▼on  ihren  griechischen  Lehrern  hatten,  die  freilich  keine  Rhetoren 
gewesen  zu  sein  brauchen.  Nicht  die  Römer  haben  den  Griechen 
l>eigebracht,  wer  ihre  Classiker  wären,  sondern  die  Griechen  haben 
in  Rom  sich  auf  ihre  Classiker  besonnen,  die  Macht,  die  ihnen 
einag  noch  blieb«  Seit  der  Verwüstung  Asiens  und  vollends  seit 
der  Annexion  von  Aegypten  ist  Rom  auch  für  die  griechische  Litte- 
ntnr  der  Hauptsitz.  Hier  fast  allein  erscheinen  die  neuen  Litte- 
raturwerke,^)  hierhin  zieht  sich  auch  Grammatik  und  Philosophie, 
und  dass  die  Griechen  in  fremdem  Lande  sind,  eine  fremde  Sprache 

i)  Es  verachligt  nichts,  dass  der  Verlag  des  Atticos  die  Bûcher  in 
Athen  herstellen  Hess,  offenbar,  weil  es  dort  geschulte  Schreiber  gab;  es  wird 
toch  billiger  gewesen  sein.  Unter  Augustas  hat  sich  auch  dieses  Gewerbe 
"•«h  der  Hauptsudt  gezogen. 


46  U.  V.  WILAMOWITZ-HÖLLENDORFF 

lernen  mOssen,  eine  fremde,  wenn  auch  heiienisirte  Litteratur  neben 
sich  haben  y  beeinflasst  ihre  Wissenschaft  und  ihren  Geschmack. 
Die  Grammatik  ist  dies  eine  Mal  durch  die  Heranziehong  einer 
fremden  Sprache  zu  einer  lieferen  Erfassung  der  Sprachbaues  an- 
geregt worden  :  Philoxenos  und  Seleukos  haben  wirklich  noch  Fort- 
schritte gemacht.^)  Das  Weltreich  kam  den  Philologen  in  dem 
Centrum  seines  Regimentes  ganz  anders  als  Einheit  zum  Bewusst- 
sein  als  in  den  hellenischen  Winkeln:  nur  hier  konnte  ein  Ale- 
xander die  Archäologien  aller  barbarischen  Volker,  darunter  dei 
R(Vmer,  konnte  ein  Strabon  seine  populäre  Erdbeschreibung  ver- 
fassen.*) Es  gab  kein  hellenisches  Reich  mehr.  Die  Welt  war  in 
den  Bahnen  fortgeschritten,  die  Polybios  und  Poseidonios  geweis- 
sagt hatten.  Der  letzte  Versuch  des  Widerstandes,  den  Hellas  mit 
dem  Anschlüsse  an  den  schlimmeren  Barbaren  Hithradates  gemacht 
hat,  war  in  die  Zertrümmerung  Asiens  und  Athens  ausgegangen. 
Die  Machte  dieser  Welt  hatten  nicht  geholfen:  da  besann  der  Helle- 
nismus sich  auf  die  ewigen  Machte,  durch  die  er  seine  Herren 
trotz  Allem  beherrschte,  seine  classische  Litteratur,  seine  Wissen- 
schaft und  seine  Sprache.  Damit  war  der  Classicismus  gegeben. 
Ohne  Zweifel  ist  kein  einzelner  Mann  im  Stande,  eine  solche 
fundamentale  Umkehr  des  Geschmackes  zu  bewirken  ;  eben  so  selbst- 
verständlich muss  eine  geistige  Bewegung  ihre  Führer  haben,  und 
man  darf  nicht  aufhören  nach  diesen  zu  suchen.  In  Rom,  in  dei 
Zeit  von  Ciceros  höchstem  Ansehen  mOssen  sie  aufgetreten  sein, 
lehrend  vielleicht  mehr  als  schreibend.  Die  entscheidenden  Ge- 
danken können  nicht  im  Hirne  eines  Rhetors  entstanden  sein  :  die 
aUgemeine  Bildung  schwimmt  immer  mit  dem  Strome.  Aber  dl 
es  sich  wesentlich  um  den  Stil  handelt,  kommeo  die  Professoren 
der  Stilistik  für  die  Verbreitung  der  neuen  Principien  stark  in 
Betracht.  Ich  schäme  mich  dessen  nicht,  dass  ich  einst  auf  ApoUo- 
doros  von  Pergamon  gerathen  habe,  deon  dessen  Schüler,  Augustus. 


1)  Dass  Philoxenos  Tor  Yarro  fallt,  habe  ich  von  Reitzenstein  gelernt 
Gesch.  d.  Etym.  179,  dessen  Aosfühningen  über  die  Grammatik  dieser  Zeil 
von  höchstem  Werthe  sind. 

2)  Auch  eine  solche  Weltgeschichte  wie  die  des  Trogus  (an  Timagenei 
glaube  ich  nicht)  hat  ihre  Anregung  aus  dieser  hellenischen  Betrachtung  ge- 
schöpft, nur  in  antirömischem  Sinne.  Am  Hofe  des  Herodes  schrieb  Nikolaoi 
ganz  anders,  nach  der  Geschichtsbetrachtung  des  Daniel  grayitirend,  übrigem 
auch  schon  atticistisch  und  als  Peripatetiker. 


ASIANISMUS  UND  ATTICISMUS  47 

Diooysioe  vod  Pergamoa  der  Attiker  und  Caecilius,  our  die  grOssteo 
zu  oenoeD,  siod  AUiker.  Ausserdem  keoDen  wir  die  Principien, 
aaf  denen  das  System  des  Apollodoros  aufgebaut  war,  durch  die 
Polemik  des  Alexander  Numenius.')  Sie  siod  von  pedantischer 
Streage.  Die  Rede  zerfôllt  in  vier  Tbeile,  diese  sind  obligatorisch 
\ai  kaben  auch  ihre  feste  Reihenfolge.  Es  ist  offenbar,  dass  darin 
eise  ganx  scharfe  Reaction  gegen  die  casuistische  Scbolastik  des 
Hmnagoras  liegt,  eine  Reschränkung  auf  das  abstract  logisch  als 
DOÜkwendig  Erweisliche,  und  die  Aufstellung  eines  festen  Kanons. 
Dis  ist  noch  viel  archaischer  als  die  Rhetorik,  mit  der  sich  Piaton 
in  Pbaidros  befasst,  nicht  ohne  die  modernen  Distinctionen  des 
Theodoros  und  Euenos  zu  verlachen.  Es  liegt  nahe,  bei  Apollo- 
doroe  ein  Zurückgehen  auf  die  älteste  Doctrin  anzunehmen,  und 
leiae Schüler  bedienen  sich  auch  des  Argumentes:  so  haben  es  die 
Altes  gemacht.  Dennoch  mache  ich  jetzt  den  wichtigen  Unter- 
schied, dass  Apollodoros  zwar  in  seiner  Sinnesart  dem  Classicismus 
angehört  und  nach  dieser  Richtung  wirken  musste,  wie  denn  die 
ApoUodoreer  klârlich  Attiker  sind;  aber  dass  er  die  fiifirjaiç  der 
attiflchen  Sprache  gefordert  hat,  dafür  fehlt  jeder  Anhalt.^  Seine 
Doctrin  gilt  auch  viel  einseitiger  als  die  des  Hermagoras  der 
Gerichtsrede,  und  von  dieser  Enge  kann  die  Reform  des  ganzen 
Praeaotiles  nicht  ausgegangen  sein.  Wir  haben  auch  nicht  ein  Wort 
▼OD  ihm  Ober  die  Xé^iç.  Die  Berufung  auf  die  Alten  kann  sehr 
wohl  seinen  Schülern  zugeschrieben  werden.  Immerhin  hat  er 
pendalich  an  dem  Siege  seiner  Geistesrichtung  auch  auf  sprach- 
lichem Gebiete  vermuthlich  mehr  Antheil  als  irgend  ein  anderer, 
denn  er  hat  die  rhetorische  Ausbildung  des  Augustus  geleitet,  und 
weso  Caesar  ihn  seinem  Erben  zum  Lehrer  gab,  so  wissen  wir, 
was  er  von  ihm  erwartete.  Caesar  war  doch  Analogetiker  und  im 
Stile  der  unerreichten  Heister,  zwar  nicht  classicistischer ,  aber 
claasischer,  im  besten  Sinne  attischer  Rede.  Dazu  hat  ihn  kein 
Rhetor  gemacht;  die  Wissenschaft,  die  ihn  gereizt  hat,  ist  die 
Grammatik  und  zwar  die  alexandrinische. 


1)  Id  der  Rhetorik,  die  Graeveo  als  Goroutus  edirt  hat  Die  Hauptstelle 
ist  26^29. 

2)  SeiD  Schüler  Galidias  wird  von  Cicero  Brut,  274 — 279  gaoz  so  ge- 
Mhildcrt  wie  ein  wirklicher  Attiker,  aber  der  Secte  gehört  er  nicht  an.  Diese 
Haltaog  des  Schülers  nicht  auf  die  Lehre  des  Apollodoros  zurûckxufûhreo,  ist 
eine  Zomothoog,  die  man  nicht  ernst  nehmen  kann. 


48  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Noch  viel  weniger  kommt  darauf  an,  dass  ApoUodoros  un 
einige  seiner  Schüler  aus  Pergamon  gebürtig  waren.  Es  ist  Ober 
haupt  ein  Unding  einen  Gegensatz  zwischen  Pergamon  und  Asie 
zu  statuiren,  der  mysischen  Stadt  ohne  hellenisches  Hinterlanc 
der  Nachbarstadt  von  Temnos,  wo  Hermagoras  her  war:  auch  Hysiei 
gehört  zu  den  Barbarenlandschaften,  aus  denen  die  Atticisten  Rom 
die  Aflermuse  herleiten.  Als  die  Reliefs  des  grossen  Altares  be 
kannt  wurden,  als  dann  die  Verbindung  der  älteren  Künstler  de 
pergamenischen  Hofes  mit  athenischer  Kunst  und  Philosophie  deut 
lieber  hervortrat,  die  periegetischen  und  antiquarischen  Studien  de 
Demetrios  und  Polemon  verfolgt  wurden,  da  führte  uns  das  dazu 
die  Bedeutung  der  Pergamener  zu  übertreiben,  und  mit  dem  Gegen 
satze  der  Krateteer  gegen  Aristarch  einerseits,  andererseits  mit  den 
Einflüsse,  den  die  Asiaten  auf  Rom  naturgemäss  vor  den  Alexan 
drinern  gewinnen  mussten,  zu  combiniren,  und  so  einen  gesondertei 
Culturkreis  von  bedeutender  Eigenart  zu  construiren,  dem  wir  seim 
Lebensdauer  ins  Unbestimmte  prolongirten.  Aber  der  pergamenischi 
Hof  hat  schon  die  äussere  Stellung,  die  zu  solcher  Wirkung  er 
forderlich  war,  erst  erworben,  als  Eumenes  Asien  erhielt,*)  um 
mit  dem  Erlöschen  der  Dynastie  ist  alles  aus.  Eumenes  hat  wob 
wirklich  mehr  angestrebt,  als  die  Stellung  eines  hellenischen  Königi 
von  Roms  Gnaden  an  sich  erforderte,  nicht  bloss  in  seinen  Bauten 
sondern  auch  in  der  Gründung  eines  wissenschaftlichen  Centrums 
wie  es  die  Stiftung  der  Bibliothek  mit  sich  brachte.  Bei  seinei 
Nachfolgern  ist  schon  diese  Absicht  fraglich.  Die  Tendenz  ist  abei 
keinesfalls  gegen  Asien,  d.  b.  gegen  sein  eigenes  Reich  gerichtet 
das  ist  ja  gar  nicht  auszudenken.  Es  ist  auch  nichts  zu  construiren, 
was  Krates  von  Mallos,   der  stoisch   gebildete  Grammatiker,')  und 


1)  Attalos  I.  ist  zwar  der  bedeutendste  Mann  des  Hauses,  und  er  hat 
im  Gefühle  sterben  können,  dass  er,  der  Parvenu,  das  Diadem  im  Aller  sich 
verdient  hätte,  das  er  als  junger  Mann  leichtsinnig  genug  angelegt  hatte.  Abei 
während  des  ganzen  dritten  Jahrhunderts  hat  er  immer  wieder  um  seine 
Existenz  kämpfen  müssen,  und  die  Aspiration  mit  Aiexandreia  zu  rivalisireo, 
konnte  ihm  niemals  kommen. 

2)  Die  theoretische  Position  der  Anomalie  hat  ihre  gute  Berechtigung 
und  hat  daher  bis  in  die  Augusteische  Zeit  sich  behauptet:  dann  ist  es  vorbei; 
sonst  hätte  sich  die  ihrem  ganzen  Wesen  nach  analogetische  na^âSo<ns  nicht 
zum  Herrn  machen  können.  Auf  anderen  Gebieten,  namentlich  in  Lexiko- 
graphie und  Exegese,  vermag  ich  keine  pergamenische  Schultradition  zu  er- 
kennen.   Polemon  hat  keine  Schule  gemacht. 


ASfANISMUS  DND  ATTICISMUS  49 

der  Antiquar  Polemoo  unter  sich  uud  vollends  mit  dem  Classicismus 
gemein  haben  sollten.  Auch  der  Stil  der  pergamenischen  Reliefs 
ist  wahrlich  dem  Asianismus  verwandter,  als  den  neuattischen 
Reliefs,  die  freilich  classicistisch  anmuthen.  Als  dann  statt  der 
Ktoige  römische  Proconsuln  oder  gar  Mithradates  in  Pergamon 
sitxeo,  da  ist  es  ausgeschlossen,  dass  dort  Oberhaupt  noch  eine 
Schule  der  Grammatik  oder  irgend  einer  Disciplin  blühe;  die  Römer 
gehen  auch  nicht  dorthin  studiren.^)  Es  ist  eine  asiatische  Stadt 
zweiteo  Ranges.  Nur  Rhodos  ist  im  Osten  noch  ein  Ort  von  all- 
gemeiner Redeutung.  Dort  sitzt  der  universale  Gelehrte  der  Zeit, 
Poseidonios,  von  dort  verbreitet  sich  die  Grammatik,  die  allein  als 
wissenschaftlich  gelten  kann,  die  alexaodrinische,  dort  blüht  auch 
die  Rhetorik ,  die  sich  eben  aus  Asien  dorthin  zieht.  Aber  es  ist 
eine  kaum  fassbare  Verkehrtheit,  dort  von  Atticismus  zu  reden, 
trots  Poseidonios  und  Holon ,  trotz  der  Stellung  des  Dionysios  zu 
den  Rhodiern,  und  trotz  dem,  dass  eben  dort  Theodoros  der  Gada- 
rener  gewirkt  hat,  der  Lehrer  des  Schriftstellers  n.  vipovg*)  der 
gegen  den  exclusiven  Attiker  Caecilius  Front  macht.  Theodoros 
nnd  seine  Schule  vermittelt  gerade  die  Tradition  des  Hellenismus 
an  die  Sophisten  der  Kaiserzeit.  Noch  viel  weniger  Redeutung  hat 
<iss  nach  der  definitiven  Zerstörung  von  Delos  durch  die  Seerfluber 
gSnzlich  verarmte  Athen.  Die  Misere  wird  durch  die  athenischen 
Inschriften  und  Monumente  ganz  ebenso  erläutert  wie  durch  Ciceros 
Correspondenz.  Dieser  lässt  freilich  seinen  Sohn  dort  studiren, 
aber  der  Peripatetiker  Kratippos  ist  der  Einzige,  der  auch  nur  in 
der  Philosophie  ein  wenig  zu  bedeuten  hat.  Horaz  hat  seiner  athe- 
nischen Studienzeit  mit  der  Pietät,  die  dem  heiligen  Orte,  und  mit 
der  Warme,  die  der  frohen  Jugend  und  ihren  Thorheiten  gilt  (bei 
ihm  waren  es  griechische  Verse),  gern  gedacht:  aber  kein  Professor 
bat  auf  ihn  gewirkt. 

1)  Es  gab  auch  eioeo  Zeitgenossen  des  Apollodoros,  der  aus  Pergamon 
§Uiuiite  and  ^asianischer  Rhetor*  war,  Isidoros:  das  zeigt  das  Gitat  bei 
RotiliDs  U  16  mit  Rnhnkens  Anmerkung.  Er  war  auch  als  Rhetor  Feind  der 
Philosophen. 

2)  Ich  muss  auf  das  nachdräcklichste  behaupten,  dass  dieser  seine 
Sckilmcbaft  mit  dem  Imperfect  0e6Swços  é«dXê$  (4)  selbst  angiebt,  und  dass 
in  der  Doctrin  und  der  Sprache  alles  auf  diese  Zeit,  sagen  wir  20 — 50  n.  Chr., 
^rt  Die  Zeit  der  Flavier  halte  ich  für  ausgeschlossen.  Von  Longin  braucht 
■tan  nicht  mehr  zu  reden.  Aus  der  Zeit  Zenobias  ist  die  Schrift,  wenn  Pe  tron 
ans  àtt  des  Severus  Alexander  ist 

HgnneiXXXy.  4 


50  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Die  griechischeD  Lehrer  der  Wissenschaft  uod  der  Sprache 
haben  id  Rom  die  classicistische  Reaction  inaogurirt.  Die  Wdt- 
stellung  Roms  hat  ihr  in  der  Welt  Geltung  verschafft.  Wenn  aian 
bloss  das  Gezflnke  der  Rhetoren  um  Asianisch  und  Attisch  ansidit, 
mag  es  eine  Bagatelle  scheinen.  Auch  als  solche  ist  sie  nur  aus 
dem  ganzen  Gange  der  WeltculUir  versUndlicb.  Selbst  die  doch 
so  ungemein  wichtige  sprachliche  Reaction  ist  nur  eine  Hauptseite, 
in  der  sich  die  Wandelung  des  ganzen  Empfindens  der  Menschen 
offenbart.  Die  Seele  der  Menschen  hatte  sich  geändert,  wie  sich 
Piaton  ausdrucken  wtlrde.  Die  Werke,  die  in  der  augusteischen 
Zeit  (besser  in  ihrer  ersten  Hälfte)  gelingen  und  den  Stempel  eines 
gewissen  Classischen  tragen,  das  Augustusforum  und  die  Ara  pacis, 
die  Aeneis  und  die  Lieder  des  Horaz,  haben  mit  der  atticistischen 
Bewegung  der  Rhetoren  und  Grammatiker  direct  nichts  zu  thun: 
den  Geist  des  Classicismus  athmen  sie  doch,  nur  den  des  edelsten 
und  darum  nicht  mit  dem  Stigma  der  Oden  Nachahmung  gezeich- 
neten, weil  sie  einem  fremden  stolzen  Volke  angehören  und  die 
heimische  Weise  nicht  verläugnen.*)  Es  steckt  auch  in  der  Politik 
des  Princeps  ein  gut  Theil  dieses  Geistes:  Antonius  wollte  ein 
hellenistischer  KOnig  werden  und  diese  innerlich  verlebte  Caltur 
fortsetzen:  er  war  ja  auch  Anhänger  des  Asianismus.  Die  grie- 
chischen Väter  des  Classicismus  hatten  sich  in  das  Reich  des  fernen 
Ideales  geflüchtet,  zu  der  ewigen  Schönheit  und  dem  ewigen  Ruhme 
der  Ahnen,  theils  aus  Ekel  an  dem  Chaos  der  Revolution,  das  die 
Welt  zu  verschlingen  drohte,  theils  um  den  Rest  des  hellenischen 
Wesens  zu  retten.  Jetzt  war  erstanden,  der  in  dem  Chaos  Ord- 
nung schuf,  und  man  jubelte  ihm  als  dem  Heiland  zu,  jetzt  glaubte 
man  wirklich  an  die  Zeit  der  Erneuerung,  und  die  von  classischer 
griechischer  Cultur  gesättigten  ROmer  trauten  sich  zu,  im  Anschluss 
au  die  Classiker  Classisches  zu  schaffen.  Sie  bewundern  wir;  die 
ähnlichen  Aspirationen   der   griechischen  Rhetoren,  die  classische 


1)  Das  erhebt  die  römische  Poesie  der  Zeit  so  angeheuer  über  die  grie- 
chische ,  die  in  Terhängnisvoller  Weise  ^ie  Technik  sogar  verlerot,  weil  sie 
die  Gontinuität  abreisst  —  wie  die  Malerei  vor  100  Jahren.  Es  sind  nach 
Phiiodem  keine  guten  Distichen  mehr  gemacht  worden,  und  als  die  Rbetoreo 
aus  Asien  auch  die  Epigramme  machen,  ist  diese  rhythmische  Poesie  wirklich 
nur  eine  geringere  Form  der  eloquenUa.  ßemerkenswerth  ist,  dass  Strabon 
628  an  seinem  Bekannten  Diodoros  II.  von  Sardes  ioto^iko  avyy^fifiaxa  %a\ 
fiiXrj  xal  aXla  noirifiaxa'ïrjv  a^xalav  yçatpriv  èni^alvovxa  iuavwc  rühmt 


ASIANISMUS  UND  ATTICISMUS  51 

Historie  schreiben  wollten,  sind  eitel  gewesen.')  Aber  eine  wirk- 
liche Erneuerung  hal  auch  Kaiser  Augustus  nicht  schaffen  können, 
uod  die  Blathe  der  Poesie  seines  Volkes  hat  er  noch  selbst  welken 
séeo.  Die  Unterströmung,  die  zu  der  Bildung  einer  neuen  Reli- 
gion and  eines  neuen  Lebens  strebte,  hal  an  den  Hellenismus  an- 
gekoflpft  und  ist  von  der  Reaction,  die  doch  nur  die  Gebildeten 
aDgiog,  unberührt  geblieben.  Die  Atticisten  braucht  man  nicht, 
um  Paulus  zu  verstehen:  die  Asianer  kann  man  nicht  entbehren. 
So  würden  wir  schliesslich  dazu  geführt,  zu  fragen,  woher 
jene  Wandlung  in  der  Volksseele  gekommen  sei,  die  sie  von  der 
Gegenwart  und  der  Tradition  weg  zu  der  Nachahmung  dessen  trieb, 
was  300  und  mehr  Jahre  zurücklag  und  einer  Form  des  Lebens 
und  Fohlens  in  Staat  und  Gesellschaft  angehörte,  die  so  wenig 
wiederkehren  konnte  wie  die  alten  Götter.  Aber  das  ist  eine  Frage, 
auf  die  die  Geschichte,  so  anmaasslich  sie  sich  geberde,  keine  Ant- 
wort haben  kann,  wo  ich  mich  mit  der  Philosophie  Piatons  be- 
gnflgen  muss.*)  Wir  verfügen  nur  über  die  Erweiterung  des  Beo- 
bachlungsmateriales,  das  zwei  weitere  Jahrtausende  der  Vergleichung 
bieten.  Mir  ist,  seit  ich  sie  kennen  lernte,  die  Entwicklung  der 
moderoen  Kunst  vom  Cinquecento  bis  zum  Classicismus,  der  vor 
beilSofig  100  Jahren  den  Bruch  brachte,  die  beste  Erläuterung  der 
hellenistischen  Entwickelung,  und  in  diesem  Sinne  habe  ich  die 
Schbgwörter  der  modernen  Kunstgeschichte  allezeit  gebraucht.') 
So  wenig  wie  wir  noch  etwas  Herabsetzendes  sagen  wollen,  wenn 
wir  ein  Werk  der  bildenden  Künste  barock  nennen,  so  wenig 
dürfen  wir  uns  die  Beurtheilung  der  antiken  Classicislen,  gar  des 
armen  Gesellen  Dionysios,  gegenüber  der  hellenistischen  Litteratur 
und  Kunst  aneignen.  Wenn  das  antike  Barocco  weiter  asianisch 
heissen  soll,  so  muss  der  Verachtung  des  Asianismus  ein  Ende 
gemacht,  muss  namentlich  die  lebendige  Sprache,  auch  in  ihren 
Neologismen  und  ihrem  lärmenden  Schmucke,  so  schwer  uns  das 

1)  Das  versDcben  sie  alle,  Diooysios  von  Halikarnass  und  von  Pergamoo, 
Caeeiiioa,  Theodoros;  vermuthlicb  gehört  auch  Timageoes  dabin,  sicher  Niko- 
la«. Memnoo  von  flerakleia,  die  erfreulichste  Erscheinung,  steht  als  Provinziale 
wohl  der  Bewegung  fern. 

2)  Wie  ich  in  meiner  Rede  über  Weltperioden  ausgeführt  habe. 

3)  Von  Tornberein  io  bewusstem  Gegensatze  zu  der  Art,  wie  es  Hertz 
in  Moer  Rede  Renaissance  und  Rococo  io  Rom  gethan  hatte;  das  ist  ein 
IfiNbraocb,  weil  es  die  Worte,  nicht  die  Stile  im  Auge  hat.  Die  Renaissance 
wir  etwas  Besseres  als  Imitation. 

4* 


52    ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF,  ASIAN,  ü.  ATTIC. 

zuoachst  fällt,  iD  ihrem  Rechte  anerkaoDt  werden/)  das  doch  das 
beste  ist,  das  Recht  des  Lebeodigeo.  Dem  kommendeo  Jahrhundert 
der  Philologie  fällt  als  eine  grosse  und  schöne  Aufgabe  die  Er- 
schliessung der  hellenistischen  Jahrhunderte  zu,  in  jeder  Beziehung; 
nur  das  Verstflndniss  der  hellenistischen  Philosophie  wird  ihm  von 
dem  scheidenden  bereits  übergeben.  Aber  auch,  so  weit  sie  die 
Sprachen  und  einige  Werke  des  Alterthums  in  der  Schule  zur 
Bildung  unserer  Knaben  verwendet,  darf  die  Philologie  nicht  ver^ 
gessen,  dass  es  zwar  Classicismus  gewesen  ist,  der  die  Griechen 
in  den  Jugendunterricht  erst  wirklich  eingeführt  hat,  dass  sie  aber 
diese  Stellung  nicht  zu  behaupten  verdienen,  wenn  sie  diesem 
überwundenen  Geiste  dienen  sollen.  Nicht  fUfirjoic,  sondern  ^rjkoç 
ist  das  wahre,  und  nicht  wie  sie  den  Classicisten  der  augusteischen 
oder  der  goethischen  Zeit  erschienen,  sondern  wie  sie  im  leben- 
digen Lichte  ihres  Tages  lebten,  gar  nicht  als  Classiker,  sondern 
im  heissen  Kampfe  strebend  und  irrend,  wie  irrend  und  strebend 
die  Wissenschaft  sie  in  heissem  Kampfe  immer  wahrer  und  leben- 
diger erfassen  lehrt,  werden  die  grossen  und  ganzen  Menschen 
Asiens  und  Athens  nimmer  die  Kraft  verlieren,  den  Geist  zu  be- 
freien und  die  Seele  zu  erheben,  mit  jener  ewig  jungen  und  ver- 
jüngenden Kraft,  die  allein  das  Lebendige  besitzt.  Diesem  Leben- 
digen kann  und  wird  die  Philologie  weiter  dienen,  fröhlich  und 
siegesgewiss;  ihre  Todten  müssen  die  Todten  begraben. 

Westend.  ü.  v.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF. 


1)  So  habe  ich  mich  nicht  gescheut,  das  Grenfellsche  Lied  schön  so 
fiodeD,  das  ich  des  Mädchens  Klage  getauft  habe.  Ich  kano  nicht  anders  sagen 
als  dass  di^enigen,  welche  gar  das  Ued  darin  zu  verkennen  fortfahren, 
den  Bann  des  Classicismus  noch  nicht  los  sind,  in  dem  wir  alle  aofge* 
wachsen  sind. 


BEITRÄGE  ZUR  GESCHICHTE 
UND  CHRONOLOGIE  DES  HELLENISMUS.") 

1.    Die  achftische  Zeittafel  des  Polybios. 

Die  Chronologie  der  achaischen  Geschichte  io  der  Mitte  des 
3.  Jahrhundert  beruht  auf  der  kurzen  Uebersicht,  in  welcher  Po- 
ItIhos')  Wachsthum  und  Entwicklung  des  achäischen  Bundes  zu 
xeigeo  unternimmt.  Nach  einem  kurzen  Rückblick  auf  die  froheren 
Schicksale  Achaias  bis  zu  den  Zeiten  des  Antigonos  Gonatas  erzählt 
er  zuerst,  wie  das  Volk  sich  vom  makedonischen  Joche  befreite, 
uod  fahrt  uns  dann  die  wichtigsten  Ereignisse  mit  ihren  Zeit- 
absUnden  vor,  ganz  in  derselben  Weise,  wie  er  vorher*)  die  Kriege 
der  Bomer  mit  den  Galliern  aufgezeichnet  hat. 

Was  Polybios  giebt,  ist  eine  Art  Zeittafel;  er  zählt  demnach 
oar  ganze  Jahre.  Jahresabschnitte  hat  er  nicht  berücksichtigt,  und 
es  ist  wohl  möglich,  dass  er  eine  ältere  Chronographie  benutzt  hat. 
DcD  Ausgangspunkt  der  Rechnung  bezeichnet  er  mit  einer  Olym- 
piadeoiiffer;  er  setzt  also  diese  Zeitrechnung  als  allgemein  tlblich 
^^oraos,  wie  er  denn  auch  seine  spätere  Geschichtserzählung  nach 
Olympiaden  gegliedert  hat.  Seine  Daten  sind  offenbar  bestimmt, 
20  Oljmpiadenjahren  ausgedrückt  zu  werden.^)     Seine  Jahreszahlen 

1)  Ich  beabsichtige  hier  einige  Ausföhroogen  za  dem  j flogst  erschieoeoen 
2.  Btode  meioer  Geschichte  der  griechischen  uod  malcedoDischen  Staateo  seit 
der  Schlacht  bei  Ghaironeia  zo  geben.  Die  Resultate  dieser  Untersuchungeo 
sind  io  dem  Bande  schon  verwerthet;  doch  konnte  eine  eiogehendere,  om- 
fa>ttode  Begründung  mit  Rücksicht  auf  den  Raum  dort  nicht  gegeben  werden. 

2)  n  41—43. 
3)II18fi: 

4)  Unerörtert  kann  es  bleiben,  wie  die  Olympiadenjahre  mit  der  natür- 
lieben  oder  epichorischen  Zeitrechnung  ausgeglichen  wurden.  Mommsen  (Rom, 
Foncboogen  II  353)  lisst  diese  Jahre  von  Herbst  zu  Herbst  laufen ,  im  Ân- 
mUqss  an  H.  Nissen,  der  annahm,  dass  die  polybiaoischen  Olympiadenjahre 


54  B.  NIESE 

giebt  er  in  OrdinalieDy  Ober  deren  BerechnuDg  sich  einige  Zweife 
erhoben  haben.  Es  fragt  sieb,  ob  man  beide  Termini  einrechnei 
soll  oder  nur  einen,  oder  concret  ausgedrückt,  ob  das  zehnte  Jahi 
nach  diesem  oder  jenem  Ereignisse  zehn  Jahre  nachher  bedeute 
oder  nur  neun.  Ich  habe  mich  schon  früher^)  für  die  ersten 
Rechnung  entschieden,  bei  der  die  Ordinalzahlen  den  entsprechende! 
Cardinalzablen  gleich  sind.  Diese  Zahlungsweise,  bei  einer  fort- 
laufenden Reihe  von  Daten  die  einzig  rationelle,  wird,  wie  ein« 
Fülle  ¥on  Beispielen  lehrt,  von  den  Alten  durchweg  angewandt 
und  Polybios  bat  sich  diesem  Gebrauche  angeschlossen.  Anden 
sind  abweichender  Meinung:  kein  geringerer  als  Th.  Mommsei 
hat  in  seiner  Behandlung  der  gallischen  Kriege  bei  Polybios  di« 
andere  Rechnungsart  durchgeführt  und  sie  auch  auf  den  Abri« 
der  acholischen  Geschichte  anzuwenden  versucht.')  Ich  halte  diet 
für  einen  Irrthum,  muss  aber  darauf  verzichten,  die  Frage  hiei 
principiell  zur  Entscheidung  zu  bringen,  sondern  begnüge  micii 
meine  Meinung  hier  nochmals  auszusprechen  und  darnach  an  die 
Erläuterung  des  polybianischen  Capitels  zu  gehen.  Die  Richtigkeil 
der  Rechnung  wird  der  unbefangene  Leser  am  leichtesten  und 
besten  aus  dem  Ergebniss  ersehen  können. 

Die  Anfänge  des  spätem  achäischen  Bundes  Ifegen  nach  Po- 
lybios in  der  124.  Olympiade,  in  welcher  eine  Reihe  der  mächtig« 
sten  Fürsten,  Ptolemaios  I.,  Lysimachos,  Seleukos  f.  und  Ptolemaios 

mit  den  achäischeo  Amtsjabren  zusammenÜelea ,  die  seit  217  v.  Chr.  uro  die 
Herbsttag-  and  -nachtgleiche  anfingen.  Ich  halte  dies  zwar  nicht  für  gani 
richtig,  wohl  aber  ist  zuzugeben,  dass  die  inneren  Olympiadenjahre  darchwe^ 
mit  dem  Herbste  zu  Ende  gehen  oder  anrangen.  Dies  gilt  aber  immer  nui 
für  die  eigentliche  Geschichtserzählung  des  Polybios,  die  mit  dem  3.  Bach< 
anhebt.  Dass  er  dagegen  auch  die  Vergangenheit  in  diese  spateren  achäischer 
Amtsjahre  sollte  umgesetzt  haben,  ist  höchst  unwahrscheinlich,  schwer  denkbai 
und  durchaus  unerwiesen.  Bei  diesen  Stücken  des  2.  Buches,  der  römischer 
wie  der  achäischen  Zeittafel,  wo  es  sich  um  Ereignisse  handelt,  Ton  dener 
wir  sonst  nichts  wissen,  thut  man  besser,  diese  Frage  gar  nicht  aufzawerfen 
80  lange  man  nicht  ein  Mittel  hat,  sie  mit  ausreichenden  Gründen  zu  beant 
Worten,  bietet  sie  nur  eine  gefährliche  Versuchung  zu  allerlei  chronologischei 
Kunststöcken. 

1)  In  dies.  Ztschr.  XUl  407,  vgl.  XXXI  489. 

2)  Rom.  Forsch.  II  360  Ânm.  Die  in  manchen  Stücken  recht  Terstindlgi 
Abhandlung  von  G.  Strebt,  Die  chronologischen  Daten  bei  Polybios  Berlin  1879 
schlagt  einen  Mittelweg  ein.  Die  hier  Terkundete  Regellosigkeit  ist  freilicl 
ein  Unding. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS       55 

Kenunos  starbeo.')  In  dieser  Olympiade  und  zwar  zur  Zeit,  wo 
Pjrrhos  nach  Italien  hioOberging,  xara  ttjv  JIvqqov  didßaoiv 
iig  itallay,  thaten  sich  die  vier  Städte  Dyme,  Patrai,  Tritaia  und 
Pharai  zu  eioem  oeueo  Bunde  zusammen.  Da  Pyrrbos  im  FrQh- 
iiog  280  ▼.  Chr.  nach  Italien  hinüberging,  so  ist  das  4.  Jabr  der 
124.  Olympiade  gemeint,  das  mit  den  Olympien,  also  etwa  August 
280  T.  Chr.  zu  Ende  ging.  Dieses  Jahr  also,  281/0  v.  Chr.  ist 
das  GrOndungsjahr  des  achäischen  Bundes. 

Meta  âè  %ai%a  fiàXiOtà  nwç  ïtbi  TtéfiriTfp^  sagt  Polybios 
weiter,  tf^v  çqovqùv  eußakowec  Alyuîç  (ÀBzéaxov  %f^ç  avfi- 
nohulag,  é^ç  ai  BovQioi  %ov  Tvgavvov  aTcoxfelvavreç,  SfÂO 
èe  fovtoiç  Kaçvveîç  aiioxaiéavrjaav  avviôwv  yèç  ^laéaç  o 
î^ç  Kaçvvelaç  zôte  TVQOvvevwv  ixnemwxviav  fièv  è^  uilytov 
trpt  çgovQQv ,  ànolutXoja  ôè  tov  Iv  zfj  Bovqçi  fiovaQXOV  dià 
Miçyov  mal  tcJv  Ir^j^aecJy,  éavjov  ôk  nav%axo^Bv  oqwv  oaov 
oit  ijdrj  nokefirj^rjaofievov,  aitod'efievog  ttjv  açx^^  xo^i  hxßuv 
%CL  niatà  naçà  twv  L^x^'^  V7C€q  r^ç  oiaq)aXeiaç  nQoai&rjxê 
ffif  néXiv  nqoç  %o  %wv  ^Axotiwv  avaTtjiaa.  Also  die  Befreiung 
AigioDs,  Buras  und  Karyneias  geschah  ungefähr  5  Jahre  nach  der 
StiflQog  des  Bundes,  also  etwa  Olymp.  126,  1  <=  276/5  v.  Chr. 
Zu  beachten  ist  das  fiaXiavd  nwg;  es  ist  keine  ganz  genaue  Zeit- 
bestimmung. Polybios  fasst,  wie  es  scheint,  den  Anschluss  der 
drei  Städte,  der  nicht  auf  einmal,  sondern  nacheinander  erfolgte, 
unter  einem  Datum  zusammen.  Es  ist  also  wohl  möglich,  dass 
diese  Ereignisse  sich  noch  ins  vorhergebende  oder  nachfolgende 
Jahr  hinein  erstreckt  haben. 

Von  den  Übrigen  achäischen  Städten,  darunter  Pellene,  der 
bedeutendsten  von  Allen,  schweigt  Polybios.  Dennoch  müssen  wir 
annehmen,  dass  sie  bald  darnach,  vermuthlich  durch  Pyrrbos  (273 
V-  Chr.)  befreit  wurden*)  und  dass  bald  alle  zehn  achäischen  Städte 
dem  Bunde  angehörten.*)    Polybios  scheint  es  selbst  vorauszusetzen. 


1)  II  41,  1  und  11,  vgl.  11  71,  5,  wo  es  nochmals  wiederholt  wird.  Von 
Interesse  ist,  dass  aoch  der  Tod  des  Keraaoos  noch  in  die  124.  Olymp.,  also 
▼or  die  Olympien  von  280  v.  Chr.  fällt.  Eusebios  I  235  f.  datirt  ihn  später 
Olymp.  125, 1.    Meine  Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II  15. 

2)  Meine  Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II  56.  212. 

3)  Dies  muss  nolhwendig  angenommen  werden.  Zur  Zeit  als  Sikyon 
sieb  SDschloss,  war  sicher  das  benachbarte  Pellene  achäisch.  Ebenso  weist 
die  BoDdesverfassung  mit  den  10  Damiorgen  auf  die  Theilnahme  der  10  Stfidte 


56  B.  NIESE 

Er  legt  hier  eine  Betrachtung  über  die  Grundsätze  der  achaischen 
Bundespolitik  ein  (c.  42),  was  darauf  deutet,  dass  nach  seiner 
Meinung  ein  gewisser  Abschluss  erreicht  war.  Er  nimmt  dann 
c.  43  die  Erzählung  mit  folgenden  Worten  wieder  auf: 

EiKoai  fÀév  oiv  hf]  tu  nçœra  xai  ninfre  awertoliTeV" 
aavTo  fÂsd'^  iavjwv  al  nço€iQrjf4ivai  ftoleiç  ygafifiatia  -tloi- 
vov  Ix  negiodov  nQOXBiQi^àfÀBvai  %ai  ovo  aTçaTtjyovç,  fzeta 
ôè  tavra  ndkiv  eôo^ev  avraîç  ^va  xa&iataveip  xai  fovttfi 
niajevBiv  vnkq  twv  okmvj  xaï  nqwioç  biv^b  t^ç  '^if^fjc  Tavttjç 
Màçyoç  ô  Kagvvevç. 

In  den  ersten  25  Jahren  des  Bundes  war  also,  wie  der  Histo- 
riker sagt,  die  Verfassung  des  Bundes  so  geordnet,  dass  ein  Schreiber 
und  zwei  Strategen  die  gemeinsamen  Geschäfte  besorgten.')  Es 
fragt  sich  zunächst,  von  welchem  Zeitpunkte  aus  die  25  Jahre  ge- 
rechnet werden,  ob  von  dem  zuletzt  genannten  Jahre  der  Befreiung 
Aigions  oder  von  dem  Stiftungsjahre  des  Bundes.  Für  das  erster« 
entscheidet  sich  Mommsen,  aber  mit  Unrecht;  denn  alsdann  wUrdeo 
wir  noth wendig  zu  der  Annahme  kommen,  dass  die  ersten  5  Jahre 
des  neuen  Bundes  ohne  Verfassung  waren,  während  doch  schon 
die  vier  ersten  Städte  sich  zu  einer  Einheit,  einem  avazrifjta  zu- 
sammengethan  halten  und  also  eine  gemeinsame  Verfassung  mit 
gemeinsamen  Beamten  nicht  entbehren  konnten.*)  Polybios  deutet 
selbst  an,  wie  er  verhtanden  sein  will,  indem  er  die  25  Jahre  als 
die  ersten  (rà  ngajta),  die  Anfangsjahre  bezeichnet.  Also  muss 
man  mit  den  früheren  Chronologen')  vom  Gründungsjahre  281/0 
V.  Chr.  ausgehen:  der  Beitritt  Aigions,  Buras  und  Karyneias  ist 
chronographisch  in  Parenthese  gesetzt  und  vielleicht  aus  diesem 
Grunde,  wie  erwähnt,  minder  genau  bestimmt  worden.  Diese  An- 
nahme hat  um  so   weniger  Bedenken,  als  ja  Polybios  hier  seine 


hin.    Zu  irgend  einer  Zeit  vor  255  v.  Chr.  müssen  also  die  drei  von  Polybios 
übergangenen  Orle  beigetreten  sein. 

1)  Die  Voranstellung  des  Schreibers  könnte  wohl  zur  Annahme  führen, 
dass  er  der  wichtigste  Beamte  oder  wenigstens  der  Eponymos  gewesen  sei. 

2)  Im  anderen  Falle  hätte  Polybios  c.  41  §  13  unmöglich  sagen  können 
AtyiBlQ  ßuteuxor  r^s  avfinoXêXslas  und  §  15  Tt^acéâ^jxe  rtjv  nohv  n^i  %6 
TCLV  Itéxauvr  üvartifia.  Dass  die  vier  Städte  nicht  wie  die  späteren  Achaer 
eine  Bundessäuie  (mi^k^)  errichtet  hatten  (§  12),  ist  nebensächlich. 

3)  Clinton  Fasti  Helleniei  II  240. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  57 

EnflhloDg  durch  die  erwähole  Einlage  unterbrochen  hat  und  mit 
c  43  gleichsam  neu  anhebt.^) 

Ferner  sind  die  25  Jahre  der  alten  Verfassung  zu  rechnen 
mit  Ausschluss  des  Gründungsjahres;  es  sind  volle  25  Jahre,  die 
zwischen  dem  Jahre  der  Gründung  und  dem  nächsten  Ereignisse 
liegen,  erst  nach  ihrem  Ablaufe,  fietà  de  ravta  sagt  Poiybios, 
ward  die  Verfassungsänderung  beschlossen.  Gerade  so  ist  der  Histo- 
rilier  in  der  gleichartigen  Uebersicht  der  gallischen  Kriege  verfahren  ; 
hier  werden  einmal  13«  dann  30,  dann  45  Friedensjahre  so  ge- 
rechoet,  dass  zwischen  dem  letzterwähnten  und  dem  zuerst  nach- 
folgenden Ereignisse  13  «  30  oder  45  volle  Jahre  einzulegen  sind 
und  jene  Ereignisse  einen  Abstand  von  14,  31  und  46  Jahren 
haben.  Und  wie  hier  das  Jahr  der  Stiftung  des  Bundes,  so  rechnet 
Poiybios  dort  einen  Friedenschluss  als  ganzes  Jahr,  das  in  die 
Dauer  des  Friedenszustandes  nicht  eingerechnet  wird.*)  Gewiss 
miUB  zugegeben  werden,  dass  die  Worte  des  Poiybios  an  sich  wohl 
gestatten,  das  Jahr  der  Gründung  in  die  25  Jahre  mit  einzube- 
greifen,  aber  die  Rücksicht  auf  die  Gesammtrechnung  nöthigt  uns 
es  auszuschliessen  und  die  Analogie  der  gallischen  Chronologie  he- 
rechtigt  vollauf  dazu.  Ueberdies  darf  ohne  Bedenken  angenommen 
werden,  dass  der  Bund  und  seine  Verfassung  erst  mit  dem  auf  die 
Stifloog  folgenden  Jahre,  mit  der  Wahl  der  gemeinsamen  Beamten 
U.S.W.  in  Kraft  trat,  so  dass  Olymp.  125,  1  (280/79  v.  Chr.)  mit 
Recht  als  erstes  gerechnet  werden  konnte. 

Die  25  Jahre  sind  also  die  Jahre  von  Olymp.  125,  1 — 131,  1 
H  280/79— 256/5  v.  Chr.),  und  erst  im  Jahre  darnach  Olymp.  131,2 


t)  Strabo  Vni  385,  der  den  Poiybios  aasgeschrieben  hat,  giebt  an  dieser 
Stelle  nor  20,  nicht  25  Jahre.  Aber  dies  ist  Versehen  oder  Gorroptel  and 
M  Dicht  SU  Gunsten  irgend  einer  Rechnung  geltend  gemacht  werden.  Es 
wördeja  eher  der  meinigen  zu  Gute  kommen. 

2)  Polyb.  II  18,  9:  ànb  3è  rovrav  rov  tpoßov  r^taxaiSena  fièv  ëirj  %^v 
fffrtxiw  Dr^or,  finà  9i  ravra  üwo^rres  ctviavofidptjv  vrjv  'T-tOfidletv  3v* 
'^/uy  ücrirriv  inottiüa^ro  KOti  aw&^nas,  iv  als  tirj  r^idxovra  fisivavrsc 
^fiJtîim^  av&iS  mX,  II  21,  1:  Palârai  J'  in  ra^v  nQ99t^fUvtov  iXazrah- 
!^9tv  Hrj  fiàv  nêtfTê  nai  mra^anovra  rrjv  tjOvxiO'V  iüxov  ii(f^vtjv  ayavras 
n^i  p^fuiiavç,  inêl  8*  uxL  Vgl.  diese  Ztschr.  XIII  404.  408  fT.  Die  13  und 
^  Friedenjtjahre  rechnet  Mommseo  Rom.  Forsch.  II  361  f.  364  ebenfalls  voll; 
^^^  Priedensschloss  will  er  mit  in  die  30  Jahfe  des  Friedens  einrechnen.  Dass 
*^r  meine  Rechnung  das  Richtige  trifft,  wird  eben  dadurch  gezeigt,  dass 
l^oiybios  den  Fiiedensschluss  neben  den  Frieden^ahren  besonders  aufführt 


58  B.  NIESE 

(255/4  V.  Chr.)  erfolgte  der  Beschluss,  die  Verfassung  zu  andero  uud 
jährlich  einen  Strategen  zu  bestellen.  Beiläuflg  bemerkt,  wenn 
man  den  Polybios  genau  nehmen  wollte,  so  mOsste  dieser  Be- 
schluss noch  unter  der  Herrschaft  der  alten  Verfassung  ergangen 
sein,  woraus  sich  ergeben  wQrde,  dass  Hargos  erst  im  nächsten 
Jahre  254/3  v.  Chr.  die  Strategie  verwaltet  hätte.  Doch  dürfen  wohl 
die  Werte  des  Schriftstellers  nicht  allzu  sehr  gepresst  werden. 

Er  fôhrt  nun  fort:  TeraQTq}  d'  varegov  ezei  %ov  fcçoeiçt]- 
piévov  avQavriyovvToç  *ldQa%og  6  2ixvüjvioc,  ^ttj  piiv  ixwv  ef- 
xoai,  Tvçavvovfxévrjv  d'  iXev&eQuiaac  Trjv  natgiaa  dia  Tr;ç 
aQBTijç  T^ç  iavvov  xaï  T6XfÀr]ç,  nQoaevBipiB  tcqoç  Ttjv  %wv 
^Axatiâv  noXitelav,  açx^&ev  evdvç  içaoTrig  yêvofÂevoç  'njç 
nçoaiQéaewç  avTùiv.  Das  vierte  Jahr  nach  der  Verfassungsänderung 
ist  Olymp.  132,  2  ^  251/0  v.  Chr.  In  diesem  Jahre  ward  also 
Sikyon  achäisch. 

Als  nächster  und  letzter  Punkt  folgt  die  Befreiung  Korinths: 
oydoq)  de  Ttaliv  erei  aTQaTtjyog  alçe&eiç  tc  devreçov  .  .  .  • 
KoQiv&iovç  TCQoatjyàyeTo  n^oç  Trjv  twv  ^A%aiu}v  noXirelctv^ 
inl  de  ttjç  avTfjÇ  àçx^ç  xai  zfjv  twv  Meyaçéwv  nokiv  dia-- 
TiQa^afievoç  ngoaéveifie  %oîg  'jixoioîç.  %av%a  %*  èylvsTO  tip 
nçàvsQov  Mrei  Trjç  KaQxrjôovltuv  rjrTrjç,  iv  Jj  xad^oXov  Sixe- 
kiaç  èiiX(OQ¥}aavTeç  vrcéfisivav  zote  q)OQovç  èveyiuiv  ^PùifÀoloig* 
Acht  Jahre  nach  Olymp.  132,  2  bringen  uns  auf  Olymp.  134,  2  ^^ 
243/2  V.  Chr.  Dies  ist  zugleich  das  Jahr  vor  der  Schlacht  bei  den 
ägatischen  Inseln,  die,  was  von  Niemandem  bestritten  wird,  mit 
dem  Olympiadenjahr  134,  4  b=  242/1  v.  Chr.  zusammenfallt.  Heine 
hier  vorgetragene  Rechnung  stimmt  genau  im  Anfang,  wie  im  End- 
punkte, und  dies  ist,  wie  ich  glaube,  eine  gute  Bürgschaft  fttr  ihre 
Richtigkeit. 

Die  Chronologie  des  Polybios  lässt  sich  also  durch  folgende 
Tabelle  ausdrücken: 

Olymp.  124,  4  =  281/0     v.  Chr.  Vereinigung   der  vier  Städte  und 

Stiftung  des  Bundes. 
„      126,  1  =  276/5         „       Etwa  5  Jahre  später  Beitritt  von 

Aigion,  Bura  und  Karyneia. 

:      m.  1  =  Sr  fchr.}^»  "^  -«•  »""  '•""•"»«• 
„      131, 2  —  255/4         „       Verfassungsänderung     und    Wahl 

eines  einzigen  Strategen. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  59 


Olymp.  132,  2  =-  251/0 

T.  Chr.  4  Jahre  später  Beitritt  Sikyoas. 

,     134,2  =  243/2 

„      8  Jahre  spater  Befreiung  Korinths, 

ein  Jahr  vor 

,     134,3  =  242/1 

„      der  Schlacht  bei  den  agatischen 

Inseln.«) 

1)  Wenn  man  mit  Mommsen  n.  a.  bei  den  Ordinalzahlen  beide  Endpunkte 
<ler  Rechoong  einschliesst,  so  erhält  man  folgende  Tabelle: 

Begründung  des  Bundes  281/0  v.  Chr. 

Dauer  der  ersten  Verfassung  25  Jahre  bis  256/5      „ 

Darnach  Verfassungsänderung  255/4      , 

3  Jahre  (ihei  ttxâçnctg)  später  Beitritt  Sikyons  252/1       , 
7  Jahre  {izBi  oy86<p)  später  Befreiung  Korinths  245/4      « 
6ei  Eiorecbnung  der  4  Jahre  (iVa«  ni/inxip)  bis  zum  Beitritt  Âigions  (oben 
S.  55)  geben  alle  Jahreszahlen  um  vier  Stellen  herab  und  kommt  also  die  Be- 
freioog  Korinths   auf  241/0  v.  Chr.    Beides  giebt  ein  unmögliches  Ergebnis». 
Ebenso,  wenn  man  umgekehrt  von  der  Befreiung  Korinths  zurûckrechnet.    Man 
kommt  dann  für  die  Gründung  des  Bundes  entweder  auf  279/8  oder  bei  Ein- 
recboQog  jener  4  Jahre  auf  283/2  v.  Chr.    Letzteres  war  ungefähr  der  Ansatz 
Lärchen,  stimmt  aber  nicht  mit  Polybios.    Zwar  ist  es  noch  die  124.  Olym- 
piide,  aber  nicht  mehr  die  Zeit,  wo  Pyrrhos  gen  italien  zog.    Die   Tafel 
Mommiens  (Rom.  Forsch.  11  360  Aom.)  ist  etwas  anderes  construirt;  er  rechnet 
DinÜcb  folgendennaassen: 
2S1/0  Ol.  124,  4  Vereinigung  der  vier  Städte. 
277/6  ,    125,  4  Zutritt  von  Aigion  u.  s.  w. 

253/2  „    131»  4  Nach  25 jährigem  BQndniss  Wahl  des  ersten  Bundesfeldherrn. 
250/1   .    132,  3  Beitritt  Sikyons. 
243/3  ,    134,  2  Befreiung  Korinths. 

I^r  Polybische  Rahmen  ist  bei  dieser  Rechnung  gut  ausgefüllt,  aber  nur  da- 
dareb,  dass  Mommsen  die  erwähnten  25  Jahre  auf  23  verkürzt  hat.  Er  hat 
ofieobar  die  BiMOOe  kxri  xal  nivTB  des  Polybios  so  behandelt,  als  wenn  es 
Ordioaliablen  wären  und  auch  das  folgende  /ma  Tavxa  nicht  beachtet.  Da- 
mit ist  er  nicht  nur  mit  Polybios ,  sondern  auch  mit  seiner  eigenen  früheren 
Reebooog  in  Widerspruch  gerathen;  denn  bei  den  gallischen  Kriegen  hat  er 
•0  den  betreffenden  Stellen  die  Jahre  des  Polybios  richtig  voilgezählt  (Rom. 
Forecb.  n  361  f.  364).  Clinton  FomU  Helleniei  II  240  f.  giebt  folgende  Zeittafel: 
Stiftung  des  Bundes  280  v.  Chr. 

Zutritt  Aigions  u.  s.  w.  21t       „ 

Erste  Strategie  des  Margos  255      „ 

Sikyons  Beitritt  251 

Korinths  Befreiung  243      „ 

Schlacht  bei  den  agatischen  Inseln  242      „ 
I^>YOQ  weicht  die  Meinige  nur  an  der  ersten  Stelle  ab.    Clinton  hat  hier  gegen 
^9  wiederholte  Zeugniss   des   Polybios  den  Anfang  des  Bundes  nicht  auf 
^^ynp.  124»  4,  sondern  auf  125,  1  gesetzt.    Wie  Clinton  hat  übrigens  schon 
Wer  Bayer  {opusc.  p.  298  ff.)  gerechnet. 


60  B.  NIESE 

2.    Die  Zeit  der  Schlacht  bei  Sellasia. 

Es  hat  lange  Zeit  als  feststehend  gegolten,  dass  die  Schlachl 
bei  Sellasia  im  Jahre  221  v.  Chr.  geschlagen  worden  sei.  Dies 
hat  SchOmann  in  der  Vorrede  zur  Ausgabe  des  Plularchischen  Agis 
und  Kleomenes  zu  erweisen  gesucht  ;  ?ön  ihm  hat  Droysen  es  an- 
genommen, und  so  ist  es  auf  die  späteren,  soviel  icn  sehe,  ziemlich 
ohne  Ausnahme  übergegangen.^)  Jedoch  die  älteren,  z.  B.  fiiansc 
und  Chnton,  haben  sie  ius  Jahr  222  v.  Chr.  gesetzt  und  haben 
Recht  daran  gethan;  denn  wenn  etwas,  so  kann  dies  mit  Sicherheit 
erwiesen  werden,  dass  die  Schlacht  nicht  221,  sondern  222  v.  Chr. 
geschlagen  worden  ist.') 

So  bezeugt  erstlich  Polybios.  Er  berichtet,  dass  die  Sper> 
taner  um  das  Frühjahr  219  ▼.  Chr.  (Olymp.  140,  1),  als  die  Nach- 
richt vom  Tode  des  Kleomenes  eintraf,")  zur  Wahl  neuer  Könige 
schritten,  nachdem  sie  seit  der  Flucht  des  Kleomenes  beinahe 
3  Jahre  lang  (ax^aov  rfit]  tçéiç  èviavrovg)  ohne  Könige  gelebt 
hatten.^)  Dies  ist  ein  ganz  unzweideutiger  Ausdruck,  der  nur 
einerlei  Auslegung  zulässt.*)     Es  müssen  damals  seit  der  Schlacht 


1)  Plutarchi  Agit  et  Cleomenet  p.  XXXVlll.  Auch  Sctiora  Geschidite 
Griechenlands  S.  134  setzt  die  Schlacht  in  den  Sommer  221  t.  Chr.  Ebenso 
Max  Klatt  Forschungen  zur  Geschichte  des  achaischen  Bandes  I  63  f.       s 

2)  Manso  Sparta  III  300.  Clinton  Fasti  Hellßnici  III  u.  d.  J.  222  v.  Chr. 
Ich  habe  schon  früher  in  Sybels  histor.  Ztschr.  N.  F.  IX  489  und  in  meiaer 
Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II  307  A.  5  dieselbe  Anaidit 
ausgesprochen  und  kurz  begründet. 

3)  Kleomenes  starb  etw)i  im  Winter  220/19  v.  Chr.  Meine  Geschichte 
der  griech.  oqd  makedon.  Staaten  II  364  A.  1. 

4)  Poiyb.  IV  35,  8. 

5)  Freilich  nach  Schorn  S.  134  A.  3  sind  die  3  Jahre  des  Polybios  eigent- 
lich nur  zwei.  Polybios,  meint  er,  rede  von  3  Jahren,  weil  seitdem  drei 
olympische  Jahre,  nämlich  139,  3,  139,  4  und  140,  1  beinahe  verlaufen  waren; 
die  Schlacht  müsse  daher  noch  139,  3  vorgefallen  sein.  Dies  ist  nur  eine 
Verschleierung  einer  ungenauen  Rechnung.  Es  ist  nicht  richtig,  dass  seitdem, 
d.  h.  seit  der  Schlacht  bei  Sellasia  drei  olympische  Jahre  verlaufen  waren. 
Nach  Schorns  Rechnung  würden  zwei  Ereignisse,  die  nur  1  Jahr  und  einigt 
Tage  auseinanderliegen,  ebenso  gut  beinahe  3  Jahre  von  einander  entfemi 
sein  können.  Auch  Manso  Sparta  III  266  behandelt  die  Stelle  nicht  richtig 
Er  setzt  den  Tod  des  Kleomenes  irrig  Olymp.  139,  4,  1  Jahr  zu  früh;  wie  ei 
dazu  gekommen  ist,  ist  mir  unklar;  denn  hier  lisst  Polybios  nicht  den  ge 
ringsten  Zweifel.  Schümann  {Plutarchi  Agit  et  Cieomenet  p.  LHI)  nimmt  ao 
Polybios  habe  absichtlich  1  Jahr  zu  viel  gezahlt;  diese  Meinung  braucht  nich 
widerlegt  zu  werden. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  61 

bei  Sellasia  und  der  Flucht  des  Kleomenes  mehr  als  2  Jahre  Ter- 
gangen  seio,  und  da  wir  wissen,  dass  die  Schlacht  im  Sommer 
geschlagen  ward/)  so  muss  es  der  Sommer  222  v.  Chr.  gewesen  sein. 

Bekanntlich  entfloh  nach  der  Schlacht  Kleomenes  zu  Ptole- 
oiaios  ÜL  Ton  Aegypten,  der  ihn  freundlich  aufnahm  und  bei  dem 
er  Doch  eine  Zeit  lang  lebte.*)  Nun  kann  erwiesen  werden ,  dass 
Ptolemaios  im  Sommer  221  v.  Chr.,  wo  man  die  Schlacht  bei  Sei- 
lasia  ansetzen  will,  bereits  gestorben  war,  dass  also,  wenn  das 
Datum  richtig  ware,  Kleomenes  den  Ptolemaios  UL  nicht  hätte 
iebcDd  antreffen  können. 

Denn  Ptolemaios  IlL  starb,  dies  folgt  aus  dem  Kanon  der 
KODJge,  in  dem  ägyptischen  Jahre,  das  vom  18.  October  222  bis 
mm  17.  October  221  t.  Chr.  lief,  und  zwar  wahrscheinlich  im 
Winter,  jedenfalls  Tor  dem  Sommer  221  v.  Chr.*)  Er  war  schon 
todt  and  sein  Nachfolger  Ptolemaios  IV.  sass  schon  auf  dem  Throne, 
als  Antiochos  UL  seinen  ersten  Angriff  auf  Colesyrien  ins  Werk 
letite.  Der  Plan  zu  diesem  Angriffe  ward  gefasst,  als  Ptolemaios  IIL 
gestorben  war;  nach  einigen  Erwägungen  und  nachdem  Antiochos 
vorher  seine  Vermählung  gefeiert  hatte,  kam  das  Unternehmen  noch 
ia  der  sommerlichen  Jahreszeit  221  v.  Chr.  zur  Ausftlhrung,  wie 
die  ausführlichere  Erzählung  des  Polybios  lehrt.^)  Es  ist  klar, 
dass  damals  Ptolemaios  HL  schon  geraume  Zeit  todt  war. 

Zur  Bei'tätigung  dient  endlich,  was  wir  (]ber  das  Lebensende 
desAotigonos  Doson  hOren.  Er  blieb  nach  der  Schlacht  bei  Sel- 
Ittia  noch  eine  kurze  Zeit  im  Peloponnes,  wohnte  den  nemeischen 

1)  Polyb.  11  65,  1  Tov  9è  d'élevé  àt^iffraftévov  ktX, 

2)  Plutarch  Chom.  33.    Polyb.  V  35,  1. 

3)  Clinton  FasH  Uelienici  111  382.  Slrack,  die  Dynastie  der  Ptole- 
n«rl82.    ' 

4)  Polyb.  V  42 — 46.     Die  Zeit  dieses  Feldzuges  ist  sicher.    Antiochos 
MKte  den  Angriff  auf  Colesyrien  bald  wieder  aufgeben ,  um  sich  gegen  den 
aUrlonigen  Molon  lu  wenden.    Nach  Ueberwindung  mancher  Schwierigkeiten 
setEte  er  sich  nach  Osten  in  Bewegung.    Mitte  Winters,  um  die  Sonnenwende, 
slso  gegen  Neiûahr  220  ▼.  Chr.  war  er  in  Antiochien  in  Mygdonien  (Nisibis), 
wo  er  sich  eine  Zeitlang  aufhielt  Polyb.  V  51,  1.    Er  muss  also  schon  im 
Heftete  221  Colesyrien  wieder  geriumt  haben.    Dann  folgt  der  Feldzug  gegen 
üoloo,  von  dem  er  gegen  Ende  Sommers  220  v.  Chr.  nach  Syrien  zurück- 
kehrte (Polyb.  y  57, 1),  am  alsdann  im  nSchsten  Frühjahr  219  (Polyb.  V  58,  2) 
4eo  zweiten  Krieg  in  Colesyrien  zu  beginnen,  der  nach  2  Jahren  mit  der 
Scàiacht  bei  Raphia,  die  mit  der  trasimenischen  Schlacht  gleichzeitig  ist,  217 
«*.  Gfar.  seinen  Abschlnss  fand. 


62  B.  NIESE 

Spielen  bei,  eilte  dann  nach  MakedoDien  zurOck  und  besiegte  die 
eiDgedniDgenen  IHyrier  in  einer  Feldschlacbt.  In  Folge  der  An- 
strenguDgen  des  Kampfes  ward  er  von  einem  Blutsturz  befallen 
und  starb  nicht  lange  darnach  an  der  Schwindsucht,  etwa  October 
22t  V.  Chr.^)  Aus  den  Berichten  geht  aber  hervor,  dass  seine 
Krankheit  nicht  ganz  kurz  dauerte;  ehe  er  starb,  schickte  er  sein 
MOndel,  den  zukünftigen  König  Philippos,  in  den  Peloponnes,  wo 
er  sich  unter  Arats  Leitung  den  hellenischen  VerbOndeten  zeigte. 
Als  Philippos  nach  Makedonien  zurQckkehrte,  muss  Antigonos  noch 
gelebt  haben.')  Dies  fahrt  darauf,  dass  zwischen  der  Schlacht  bei 
Sellasia  und  seinem  Tode  ein  längerer  Zwischenraum  liegt.  Die 
wenigen,  drei  oder  vier  Monate,  die  zur  Verfügung  stehen,  wenn 
wir  die  Schlacht  bei  Sellasia  im  Juli  oder  August  221  v.  Chr.  ge> 
schlagen  sein  lassen,  reichen  kaum  aus.  Auch  dies  spricht  für 
das  Jahr  222  v.  Chr. 

Das  einzige,  was  für  Schümanns  Datirung  angeführt  werden 
kann,*)  sind  die  Nemeen,  die  bald  nach  der  Schlacht  bei  Sellasia 
in  Gegenwart  des  Antigonos  gefeiert  wurden.  Nun  scheint  sich 
aus  den  vorhandenen  Nachrichten  in  der  That  zu  ergeben,  dass  jenes 
Fest  alle  zwei  Jahre  etwa  im  Monat  August,  immer  ein  Jahr  vor  und 
nach  den  Olympien,  also  in  den  ungeraden  Ziffern  der  vorchrist- 
lichen Jahresreihe,  gehalten  zu  werden  pflegte.^}    Darnach  konnten 

1)  Polyb.  II  70,  4  ff.  Antigonos  starb  späler  als  Ptolemaios  UI,  Polyb.  V 
35,  2.  Plntarch  Cleom.  23  f.  Die  Chronographen  geben  ihm  9  Jahre.  Sein 
Nachfolger  Philippos  sass  schon  im  Frühling  220  v.  Chr.  auf  dem  Throne. 
Nach  Ensebios  chron.  \  243  dauert  die  Regierong  Philipps  in  Thessalien  bia 
zur  Schlacht  bei  Kynoskephalai  (Frûhsommer  197  v.  Chr.)  23  Jahre  9  Monate, 
was  darauf  hinführt,  dass  er  etwa  im  October  221  v.  Chr.  die  Herrschaft 
antrat.  Vgl.  Maoso  III  280  ff.  Clinton  [Fatti  Helleniei  III  297.  Eusebius 
chron.  I  239. 

2)  Plutarch  /trat.  46. 

3)  Wenn  Schömaon  Phitarehi  Agis  et  Cleomenet  praef.  XXXVllI  be- 
hauptet, es  sei  ausgemacht,  dass  die  Schlacht  zur  Zeit  der  Strategie  des  Ti- 
moxenos  stattgefunden  habe  {quo  praetore  ad  Sellatiam  pugnatutn  esse  üon- 
stat)^  der  als  Arats  Vorgänger  vom  Frühjahr  221  bis  zum  Frühjahr  220  im 
Amte  war,  so  ist  das  ein  Irrtbum.  Die  angezogenen  Stellen  Polyb.  IV  6»  4 
and  7.  Plutarch  Arat,  47,  beweisen  zwar,  dass  Timoxenos  Arats  Vorgiogei 
war  und  im  erwähnten  Jahre  221/20  v.  Chr.  Olymp.  139,  4  die  Strategie  ver- 
waltete, dass  aber  unter  ihm  die  Schlacht  geliefert  ward,  wird  nirgendwc 
bezeugt. 

4)  J.  G.  Droysen  in  dies.  Ztschr.  XIV  Iff.  G.  F.  Unger  SitzungsberichU 
der  Mönchener  Akad.  Philos.  Philol.  Hist.  Cl.  1879  S.  164  f.    Stengel  griech 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS       63 

also  222  ▼.  Cbr.  keine  Nemeeo  gefeiert  worden  sein,  und  dies  ist 
der  Grund,  weshalb  ScbOmann^)  das  Jahr  221  t.  Cbr.  wählte,  ein 
Grund,  der  auch,  namentlich  in  Ermangelung  besserer  Zeugnisse» 
ao  sieb  nicht  zu  Terachten  ist,  aber  in  diesem  Falle  nichts  be- 
deutet, denn  die  Nachrichten  Ober  die  Nemeen  sind  ebenso  dürftig 
ood  unsicher,  wie  die  Zeugnisse,  welche  die  Schlacht  bei  Sellasia 
ins  Jahr  222  v.  Chr.  verweisen,  klar  und  unzweideutig.  Diese 
Zeugnisse  sind  auch  für  die  Nemeen  maassgebend  :  durch  sie  steht 
fest,  dass  gegen  die  Regel  das  Fest  im  Jahre  222  v.  Chr.  nach  der 
Sehlacht  bei  Sellasia  gehalten  wurde.  Es  ist  also  wahrscheinlich 
des  Krieges  wegen  von  seinem  gewöhnlichen  Platze  verlegt  worden. 
Aehnlich  geschah  es  195  v.  Chr.,  wo  die  Nemeen  aus  ahnlichem 
Grunde  nicht  zur  rechten  Zeit  stattfinden  konnten  und  daher  von  den 
Argifern  erst  auf  die  Ankunft  des  Titus  Flamininus  angesagt  wur- 
den.^ Wir  halten  damit  zusammen,  was  Polybios*)  berichtet,  dass 
nämlich  nach  dem  Ende  des  Bundesgenossenkrieges  die  Pelopon- 
nesier  daran  gingen,  ihre  Opfer  und  Festversammlungen,  die  in 
den  langen  Kriegszeiten  vernachlässigt  waren,  wieder  herzustellen. 
Nichts  ist  wahrscheinlicher,  als  dass  auch  die  Nemeen  unter  den 
Kriegen  gelitten  hatten  und  ihre  gesetzliche  Zeit  nicht  innehalteli 
konnten.  Ebenso  kann  das  zunächst  vorangegangene  Fest,  bei 
dem  Kleomenes  Argos  eroberte ,  nicht  zur  normalen  Zeit  gehalten 
worden  sein,  sondern  muss  im  Frühjahr  224  v.  Chr.  stattgefunden 
bal)en.^ 


KoJtonlterthümer  2.  Aofl.  S.  191.    So  ist  bezeugt,   dass  in  den  Jahren  217 
ood  209  V.  Chr.  Nemeen  gehalten  wurden.    Polyb.  V  101,  5.    Liv.  XXVIF  30,  9. 

1)  Dnd  vorher  schon  Gorsini  dissert,  agon.  III  §  6. 

2)  LiT.  XXXI V  41. 

3)  V  106. 

4)  Plutarch  Cleom,  17.  Zwischen  diesen  Nemeen  und  der  Ankunft  des 
Antigooos  am  Isthroos  liegen  folgende  Ereignisse:  der  Abfall  von  Korinth, 
Epidaoros,  Troizen  und  Hermion,  Unterhandlungen  zwischen  Aratos  und  Kleo- 
■ocoes,  endlich  der  Angriff  auf  Sikyon  und  die  dreimonatliche  Einschliessung 
dicter  StadL  Man  wird  also  die  Nemeen  mindestens  vier  Monate  vor  die 
Aokooft  der  Makedonier  zu  setzen  haben,  und  da  diese  spätestens  zu  Anfang 
^M  Herbstes  erfolgte,  so  muss  das  Fest  spätestens  Anfang  Juni  gefeiert  sein. 
Also  iQch  dann,  wenn  man  es  ins  Jahr  223  v.  Chr.  setzt,  liegt  es  nicht  in 
der  oormalen  Zeit;  denn  unter  keinen  Umständen  kann  es  etwa  in  den  August 
gefallen  sein.  Schömann  a.  a.  0.  XLVni  nimmt  hier  Winternemeen  an  ;  ob  es 
*^  diese  wirklich  gegeben  habe,  ist  sehr  zweifelhaft;  denn  die  Winter- 
ocoieen  sind  vielleicht  erst  von  Hadrian  gestiftet.    Auch  wird  man  bei  un- 


64  B.  NIESE 

Wenn  die  Schlacht  bei  Sellasia  auf  222  v.  Chr.  zu  aetzeo  iai 
80  mdsseo  auch  die  vorangehendeD  Ereignisse  um  ein  Jahr  hioaal 
gerockt  werden.  Antigonos  Doson  erschien  zwei  Jahre  früher  ii 
Peloponnes;  wir  wissen  aus  Polybios,  dass  er  zweimal  dort  Obei 
wintert  hat.  Also  fällt  seine  Ankunft  224,  der  zweite  Feldzof 
wo  er  Tegea,  Orchomenos  und  Mantineia  nahin,  endlich  die  Uebei 
rumpelung  von  Megalopolis  durch  Kleomenes  223  ▼.  Chr.')  Mi 
dieser  Rechnung  stimmt  nun  vollkommen  überein,  was  wir  dure 
die  Reihenfolge  der  achäischen  Strategen  über  die  früheren  Er 
eignisse  des  kleomenischen  Krieges  und  ihre  Zeit  wissen;  nkli 
geringe  Schwierigkeiten  werden  durch  die  richtige  Datirung  de 
Schlacht  bei  Sellasia  vermieden. 

Die  achäische  Strategenreihe  ist  seit  der  Befreiung  Korinth 
243/2  V.  Chr.  ziemlich  vollständig.  In  diesem  Jahre  war  Arata 
zum  zweiten  Mal  Stratege)  und  pflegte  seitdem  immer  ein  Jahr  un 
das  andere  das  höchste  Amt  zu  verwalten.')  Seit  dem  Beitritt 
der  Megalopoliten  wechselte  mit  ihm  Lydiadas  und  brachte  es  au 
drei  Strategien.^)  Ferner  gleich  nachdem  König  Demetrios  ge 
siorben  war,  und  zwar  während  Lydiadas  Strateg  war,  schloss  siel 
Argos  den  Achäern  an,  das  war  also  etwa  im  Frühjahr  229  v.  Chr.* 
Im  folgenden  Jahre,  also  für  228/7  v.  Chr.,  ward  Aristomachos,  dei 
frühere  Herrscher  von  Argos  zum  Bundesfeldherrn  gewählt.*)  Unte 
ihm  war  der  Krieg  gegen  Kleomenes  schon  im  Gange;  im  vorher 
gehenden  Amtsjahr  Arats,  also  229/8  v.  Chr.,  waren  die  ersten  Feind 
Seligkeiten  vorgefallen  und  der  Krieg  von  den  Achäern  beschlossen.* 
Aristomachos  führte  das  achäische  Heer  gegen  den  Feind  und  hatl 
mit  Kleomenes  eine  Begegnung  bei  Pallantion,  wo  es  jedoch  nich 


befangener  Betrachtung  die  Eroberung  von  Argos  und  was  sich  daran  an 
knflpft,  kann  in  die  Winterzeit  setzen  dürfen.  Plutarch  Oleom,  19  f.  jirai,  40  I 
Meine  Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II  329. 

1)  Polyb.  n  54,  5.  13  f.  55,  1  ff.    Meine  Geschichte  II  338  ff. 

2)  Polyb.  II  43,  4  oben  S.  58. 

3)  Plutarch  yérat.  24.  35.  38.  Cleom,  15.  Seine  erste  Strategie  ist  wahr 
scheinlich  ebenso  darnach  zu  bestimmen  und  wird  ins  Jahr  245/4  v.  Chr.  fallec 

4)  Plutarch  yirat  35. 

5)  Polyb.  II  44,  3  ff.  Plutarch  yérat  35.  Demetrios  starb  Olymp.  137,  2 
wohl  im  Winter  230/29  v.  Chr.  Meine  Geschichte  der  griech.  and  makedon 
Staaten  i;  z86. 

6)  Plutarch  Ârat.  35. 

7)  Plutarch  Chom.  4.    Polyb.  U  46. 


^       ZDR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS       65 

wn  ScbbgeD  kam.')  For  das  nächste  Jahr,  also  227/6  v.  Chr., 
bewarb  sich  Lydiadas  um  die  Strategie,  aber  Tergebens,  Aratos 
ward  gewählt.^  Id  dieser  Strategie  Arats  wurden  die  Treffen  am 
LjkaioD  und  bei  Ladokeia  geliefert;  in  letzterem  fiel  Lydiadas,') 
der  also  wahrend  des  kleomenischen  Krieges  das  Strategenamt  nicht 
bekleidet  hat. 

Aus  diesen  Nachrichten  ergiebt  sich,  wie  man  schon  langst 
erbnot  haV)  ohne  Schwierigkeit  folgende  Jahresreihe,  wobei  ich 
bemerke,  dass  die  achäischen  Strategen  damals  um  die  Zeit  des 
Aufgangs  der  Pleiaden,  also  im  FrOhjahr,  etwa  im  Mai,  ihr  Amt 
aolraleD.*) 

243/4  T.  Chr.  Aratos  zum  zweiten  Male  Strateg,  befreit  Korinth. 

242/1       „       Unbekannt. 

241/0       „       Aratos  lU. 

240/39     „       Unbekannt. 

239/8       „       Aratos  IV. 

238/7       „       Unbekannt. 

237/6       „       Aratos  V. 

236/5       „       Unbekannt. 

235/4       ri       Aratos  VL  Befreiung  der  Megalopoliten. 

234/3       „       Lydiadas. 

233/2       „       Aratos  VII. 


1)  Platarch  j4rat  35.     Oleom.  4. 

2)  Plutarch  jérat  35  a.  E.,  wo  es  heisst  to  Smdétarov  i^êd^  cr^arr^yoc. 
£s  war  io  Wahrheit  nicht  die  12.,  sondern  die  10.  Strategie  Arats,  und  Piass 
IHe  Tyrannis  II  158  hat  wohl  recht,  wenn  er  bei  Platarch  to  déxarov  her- 
«teilt  Vgl.  Rlatt  Beiträge  zur  Geschichte  des  ach.  Bundes  1  124. 

3)  Platarch  Ârat  36. 

4)  Die  Siteren,  zum  Theil  noch  fehlerhaften  Rechnungen  bei  Bayer  fasti 
Jtkaiei  {Opuseuia  ed.  Klotz  269  ff.).  Ferner  Manso  Sparta  HI  259  ff.  Schö- 
Bioo  Ptutarehi  jégis  et  Cleomenet  praef.  XLVfi.  Plass  Die  Tyrannis  11  159. 
MsxKlatt  Forschungen  zur  Geschichte  des  achiischen  Bundes  1  40  ff.  81  ff.  und 
die  übrigen  von  Klatt  citirten  Schriftsteller. 

5)  Polyb.  lY  37,  2.  V  1, 1.  Diese  Angabe  gilt  zwar  streng  genommen 
nur  ffir  die  Zeit  des  Bundesgenossenkrieges,  aber  es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
^81  dieselbe  Ordnung  schon  seil  Langem  bestand.  Der  Antrittstermin  war 
sttärlich  an  einen  bestimmten  Monat  und  Tag  des  achäischen  Kalenders  geknüpft 
SBd  wird  also  im  Verhältnisse  zum  Sonnenjahr  um  die  übliche  Zeit,  etwa 
eiocD  Monat  geschwankt  haben;  denn  das  achäische  Jahr  hatte,  wie  alle  grie- 
tischen,  12  Monate  von  29  oder  30  Tagen  mit  einem  periodischen  Schalt- 
aooit 

HouiXZXY.  5 


66  B.  NIESE 

232/1  ▼•  Chr.  Lydiadas  IL 

231/0       „      Aratos  Vlll. 

230/29     ^      Lydiadas  HL  Beitritt  tod  Argoa. 

229/8  ^  Aratos  IX.  Besetzung  des  Athenaion^  erste  Feind- 
seligkeiten mit  Kleomenes. 

228/7       „       Aristomacbos.     Begegnung  bei  Pallantion. 

227/6  „  Aratos  X.  Schlacht  am  Lykaion  und  bei  Lado- 
keia,  Tod  des  Lydiadas. 

Auch  die  folgenden  Strategen  werden  bestimmt  Oberliefert 
Es  sind 

226/5  „  Hyperbatas^  der  von  Kleomenes  bei  Dyme  besiegt 
ward.*) 

225/4  „  Timoxenos.  Er  ward  gewählt,  nachdem  Aratos, 
der  nach  der  langjährigen  Praxis  an  der 
Reihe  gewesen  wäre,  abgelehnt  hatte.*) 

Diese  wohlbeglaubigte  Strategenreihe  steht,  wie  man  sieht,  mit 
der  ermittelten  Zeit  der  Schlacht  bei  Sellasia  in  bestem  Einklänge. 
An  die  zuletzt  erwähnte  Strategie  des  Timoxenos  Ton  225/4  t.  Chr. 
schliesst  sich  die  Ankunft  des  Antigonos  an;  denn  in  das  Jahr  des 
Timoxenos  fallen  wenigstens  zum  grOssten  Theil  die  auf  die  Schlacht 
bei  Dyme  folgenden  und  der  Ankunft  des  Königs  unmittelbar  Toran- 
gehenden  Ereignisse,  zunächst  die  Unterhandlungen  mit  Kleomenes, 
die  übrigens  gewiss  schon  vorher  unter  Hyperbatas  begonnen  hatten,') 
ihr  Abbruch,  der  neue  Angriff  des  Kleomenes  und  die  äusserste 
Bedrängniss  der  Achäer,  der  erst  die  makedonische  HQlfe  ein  Ende 
setzte. 

Freilich  machen  die  achäischen  Strategen  dieser  Zeit  eine  ge- 
wisse Schwierigkeit.  Als  der  Krieg  mit  Kleomenes  wieder  ange- 
gangen war,  entstanden  zu  Gunsten  des  spartanischen  Königs  unter 
den  Achäern,  besonders  in  Sikyon  und  Korinth  allerlei  Bewegungen. 
Um  diese  zu  unterdrücken,  empfing  Aratos  vom  Bunde  eine  ausser- 
ordentliche Vollmacht/)  In  Ausübung  dieses  Amtes  wird  er  von 
Polybios*)  Strateg  genannt.     Kurz  darauf,  nachdem  Argos,  Korinth 


1)  Piutarch  Cleom.  14. 

2)  Plolarch  Ârat.  38.     Cleom.  15. 

3)  Plutarch  ^rat.  39.    Cleom,  15.    Gleich  nach  der  Niederlage  am  Heka- 
toiiibaioo. 

4)  Plutarch  ^rat.  i^ovaiav  awnBid'vwov  kaßciy, 

5)  II  52,  3. 


ZDR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  67 

und  andere  SUidte  io  die  Hand  des  KleomeDes  gefallen  waren,  ward 
er  TOD  den  in  Sikyon  versammelten  Achaern  zum  bevollmächtigten 
Strategen  {aTçatrjyoç  avtoxQdrwQ)  gewählt^)  und  brachte  nun  das 
BODdaiss  mit  Makedonien  zum  Abschluss.  Einige  Zeit  später  dann, 
als  Aotigonos  schon  am  Isthmos  lag ,  wird  Timoxenos  als  Strateg 
bezeichnet.*)  Es  scheint  also,  dass  Aratos  und  Timoxenos  gleich- 
zeitig das  höchste  Amt  inne  gehabt  haben. 

Diese  Schwierigkeiten  lassen  sich,  wie  ich  glaube,  leicht  heben. 
Weoo  die  Achäer  dem  Aratos  jenes  ausserordentliche  Amt  tlber- 
trugen,  so  scheint  es  zu  beweisen,  dass  er  damals  nicht  Bundes- 
feldberr  war,  dass  also  Timoxenos  sich  noch  im  Amte  befand.    Die 
Bezeichnung   Stratege,  die  ihm  bei   dieser  Gelegenheit  Polybios') 
giebtf  ist  wohl  eine  kleine  Ungenauigkeit,  die  sich  aus  der  Kürze 
der  polybianischen  Darstellung  und   der  Schwierigkeit  einer  ganz 
angemessenen  Bezeichnung  leicht  erklärt.^)     Später  erfolgte  in  Si- 
kyon die  Wahl  Arals  zum  Bundesfeldherrn ,  und   zwar  ist  damit 
ohne  Zweifel  die  ordentliche  Strategie  von  224/3  v.  Chr.  gemeint. 
Als  solcher  erhielt  Aratos  mit  Rücksicht  auf  die  bedrohliche  Zeitlage 
grossere  Vollmachten,  besonders  für  die  Unterhandlungen  mit  Anti- 
goDos.   Als  nun  das  Abkommen  geschlossen  war,  ging  Aratos  dem 
aarOckenden   Aotigonos    entgegen    und   blieb   zunächst  im   make- 
donischen Hauptquartier.*)   Für  die  Dauer  seiner  Abwesenheit  scheint 
nun  Timoxenos  als  gewesener  Strateg  die  Functionen  des  Strategen 
wieder  übernommen  zu  haben,  ähnlich,  wie  bekanntlich,  wenn  der 
Stratege  starb,   nach  der  achäischen  Verfassung  der  nächste  Vor- 
gänger an  seine  Stelle  trat«*)    So  erklärt  es  sich,  dass  Timoxenos 
hei  der  Wiedereroberung   von  Argos  Strateg  der  Achäer  genannt 
wird.    Man  kann  gewiss  auch  andere  Erklärungen  versuchen;  mir 
scheint  die  vorgetragene  die  einfachste  zu  sein;    auf  jeden   Fall 
kann  es  nicht  Wunder  nehmen,   wenn  in  der  Noth  des  Krieges, 
wo  der  achäische  Bund   fast  ganz  aus  den  Fugen   ging,  ausser- 
ordentliche Maassnahmen  getroffen  wurden,  die  in  der  Verfassung 
nicht  vorgesehen  waren. 

1)  Platarch  j4rat.  41. 

2)  Polyb.  II  53,  1   oi  9*  ^Axauki  fàttà  Ttfwiivov  tov  crçarrjyotf  xard- 

3)  II  52,  3  rtp  fiir  *4çàr(p  ar^artiyovvr*, 

4)  SchômaDO  a.  a.  0.  S.  XLVIII. 

5)  Plutorch  Ârat  43  f. 

6)  Polyb.  XXXIX  8. 


68  B.  NIESE 

Für  die  verechiedeneD  UDterhandluDgen  »  wie  für  die  neuen 
Kriegserei^isse  bieten  die  Jahre  225  und  224  bis  lur  Ankunft 
des  Antigonos  ToUkommen  ausreichenden  und  doch  nicht  über- 
mässig viel  Platz.  Dagegen  die  bisherige  Zeitrechnung,  welche  den 
Antigonos  erst  223  ▼.  Chr.  im  Peloponnes  erscheinen  liess,  hatte 
mit  den  grOssten  Schwierigkeiten  zu  kftmpfen,  um  die  drei  Jahre 
zwischen  der  Schlacht  am  Hekatombaion  (226  t.  Chr.)  und  dem 
Eintreffen  des  Antigonos  auszufüllen,  wozu  die  Ereignisse  schlechter- 
dings nicht  ausreichen.  Man  musste  dazu  entweder  den  Anfang 
des  Krieges,  die  Besetzung  des  Athenaion  durch  Kleomenes,  gegen 
die  Qberlieferte  Strategenliste  ins  Jahr  228/7  ▼.  Chr.  herabrOcken 
oder  die  Ereignisse  in  ungebohrlicher  Weise  auseinandernehen. 
Ersteres  versucht  SchOmann,')  letzteres  ist  z.  B.  bei  Klatt  der  Fall, 
der  im  Uebrigen  die  einschlägigen  chronologischen  Fragen  verständig 
und  zutreffend  behandelt  hat;  bei  ihm*)  nehmen  die  ersten  Unter- 
handlungen der  Achäer  mit  Kleomenes  ein  ganzes  Jahr  in  Anspruch. 
Alle  diese  Schwierigkeiten  sind  mit  einem  Schlage  verschwunden, 
wenn  man  sich  entschliesst,  der  gut  beglaubigten  UeberUeferung 
zu  folgen  und  die  Schlacht  bei  Sellasia  ins  Jahr  222  v.  Chr.  z« 
setzen. 

Mit  dieser  Zeitrechnung  stimmen  auch  die  sonstigen  Andeu- 
tungen überein,  zunächst  dasjenige,  was  wir  aus  dem  Leben  Pbilo- 
poimens  wissen.  Philopoimen  starb  70  jährig  im  Jahre  183  v.  Chr.,*) 
war  also  253  v.  Chr.  geboren.  Er  zeichnete  sich  zuerst  bei  der 
Uebermmpelung  von  Megalopolis  durch  Kleomenes  aus,  die  in  den 
Herbst  vor  der  Schlacht  bei  Sellasia  ßillt,  und  zwar  war  er  damals 
30  Jahre  alt.^)  Dies  passt  vollkommen  zu  der  als  richtig  ermit- 
telten Zeitrechnung,  nach  der  Megalopolis  im  Herbste  223  v.  Chr. 
von  Kleomenes  erobert  ward.*) 

Ebenso  passt  dasjenige,  was  Polybios  uns  von  der  Eroberung 


1)  Schömaon  a.  a.  0.  S.  UV.  Er  setzt  die  Strategie  des  Aristomachos 
ins  Jahr  227  v.  Chr. 

2)  Beiträge  zar  Geschichte  des  achäischen  Bondes  I  91. 

3)  Polyb.  XXIII  12.    Liv.  XXXIX  49,  3. 

4)  Plutarch  Philop,  5  î^Bri  8*  airov  rçtâxopra  iFnj  yeyovôroç  teti^  womit 
Polybios  a.  a.  0.  übereinstimmt,  wo  es  heisst,  dass  er  bei  seinem  Tode  seinem 
Vaterlande  40  Jahre  lang  in  hervorragender  Stellung  gedient  habe. 

5)  Hierauf  hat  schon  H.  Dodwell  aufmerksam  gemacht,  wie  ich  aoa  der 
Polemik  bei  Gorsini  dUterU  agonist  (S.  83  der  Leipziger  Aasgabe)  entnehme. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  69 

▼OB  Mantineia  durch  die  Achäer  berichtet.  Er  sagt*):  y%yov6%%q  i" 
in\  foiavTtiç  fCQoaiQéaeùfÇ  xai  fieréxovteç  rrjç  ^axêdaifiovlw 
Ttoksttttç  ïrei  retaçtip  nçovegov  T17Ç  l/ivviyovov  naçovataç 
iaUêoav  xavâ  xQoctoç  vno  tûv  ^A%ai(âv  ^Aqûxov  ftça^ixonMJ^ 
aanoç  avtuv  %iqv  nokw.  Also  Mantineia  ward  im  4.  Jahre,  d.  h, 
▼ier  Jahre  vor  der  Ankunft  oder  Anwesenheit  des  Antigonos  erobert 
Wdche  Anwesenheit  des  Antigonos  kann  hier  gemeint  sein?  Man 
hat  an  die  Ankunft  am  Isthmos  im  Peloponnes  gedacht.  Aber 
we&n  Polybios  das  gemeint  hatte,  so  würde  er  es  in  diesem  Zu- 
saomenbange  ausdrücklich  gesagt  haben.  Hier  ist  ja  Ton  Mantineia 
die  Rede,  und  so  kann  unter  nagovala  ohne  weiteren  Zusatz  nur 
an  die  Ankunft  vor  Mantineia  gedacht  sein.  Antigonos  zog  vor 
Maotiaeia  und  erstürmte  es  im  Jahre  vor  der  Schlacht  bei  Sellasia, 
aho  223  t.  Chr.*)  Darnach  fällt  die  Eroberung  durch  Aratos 
Tier  Jahre  vorher  ins  Jahr  227  t.  Chr.  Dies  stimmt  ToUkommen; 
âe  geschah  bald  nach  dem  Treffen  am  Lykaion,  aber  Tor  der  Schlacht 
bei  Ladokeia  in  dw  10.  Strategie  Arats,  die  Tom  Mai  227  bis  Mai 
226  f.  Chr.  lauft,  also  im  Sommer  227  t.  Chr.*)  Die  Torhandenen 
ehroDologischen  Angaben  führen  also  sammtiich  zu  dem  Resultat, 
da»  die  Schlacht  bei  Sellasia  ins  Jahr  222,  und  das  EinrOckea 
des  Antigonos  in  den  Peloponnes  224  t.  Chr.  zu  setzen  isL 

3.    Adaios,  Dynast  in  Thrakien.^) 

In  einem  Fragment  des  Komikers  Damoienos  beschreibt  jemané 

ein  Trinkgefäss,  den  sogenannten  Elephanten,  und  rOhmt  sich  es 

von  Adaios  in  Kypsela,  also  in  Thrakien  erhalten  zu  haben.*}    Wer 

war  nun  dieser  Adaios?   Man  nahm  bisher  an,  dass  es  der  Feldherr 

Ph'lipps  dieses  Namens  gewesen  sei,  der  den  Beinamen  Hahn  führte^ 

dem  der  Athener  Chares  einmal  zur  Zeit  des  heiligen  Krieges  eine 


1)  II  57,  2. 

2)  Polyb.  U  54,  12. 

3)  Plotarch  Arat  36. 

4)  Vgl.  meine  Geschichte  II  150. 

5)  Meineke  frgm.  com.  Gr.  IV  529,  hittor,  erit.  484.     Kock  com.  Att. 
fr.  m  348.    Athen  XI  468  F 

it  8   avx  utavop  cot,  ràv  iXi^av&*  rjuët  fd^tov 
6  naU.    B,  ri  9*  iarl  rovro  nços  d'êcjv;  ji,  ^vxbv 

'AiMwwos  içyv*  nifovmw  9i  ftoi  TtotB 
i¥  KtnpéXois  lASàtae. 


70  B.  NIESE 

Niederlage  beigebracht  halte.*)  lodess  macht  diese  Deutung  ernste 
Schwierigkeiten;  denn  der  Komiker  Damoxenos  gehört  ohne  Zweifel 
ins  3.  Jahrhundert;  in  einem  längeren  Fragmente  verspottet  er  die 
Philosophie  Epikurs.  Wahrscheinlich  ist  er  ein  Nachfolger  Henanders. 
Nun  ist  aber  anzunehmen,  dass  Adaios  zur  Zeit  der  Dichtung  eine 
in  Athen  wohl  bekannte  Persönlichkeit  gewesen  ist;  aber  jener 
Feldherr  Philipps  ist  wohl  im  4.  Jahrhundert  zur  Zeit  der  Kampfe 
Athens  mit  Philipp  eine  Zeitlang  in  der  Leute  Mund  gewesen,  ist 
aber  dann  vergessen,  und  nur  die  Gelehrten  erinnerten  sich  seiner. 
Zur  Zeit  des  Damozenos  ware  also  die  Anspielung  unverstandlich 
gewesen.  Der  Adaios  des  Damoxenos  muss  vielmehr  zur  Zeit  des 
Dichters  gelebt  haben  und  sich  damals  einen  Namen  gemacht  haben. 
Ich  schlage  daher  vor,  ihn  mit  einem  anderen  zu  identifldren, 
den  wir  aus  den  Inhaltsangaben  des  Trogus  Pompeius*)  als  Zeit- 
genossen des  Ptolemaios  III.  kennen.  Es  heisst  da:  ui  PtdewuuMi 
Ädaeum  denuo  captum  occident;  denn  so  adeum  ist  tiberliefert  und 
von  Gutschmid  wieder  in  den  Text  aufgenommen  worden.  Niebuhr*) 
hat  darin  zuerst  einen  Namen  erkannt  und  Obrigens  mit  aller  ZurOck" 
haltung  Äehaeum  vermuthet;  er  meint,  es  sei  der  altere  Achaios^ 
der  Vater  des  Andromachos  und  der  Laodike  gemeint,  ein  naher 
Verwandter  der  Seleukiden.^)  Aber  diese  Aenderung,  so  leicht  sie 
ist,  bleibt  immer  eine  Aenderung,  für  die  es  einen  Beweis  nicht 
giebt;  denn  wir  wissen  nichts  von  einer  doppelten  Gefangennahme 
oder  einer  Hinrichtung  des  Achaios  durch  Ptolemaios  lU.,  die  auch 
nicht  wahrscheinlich  ist;  denn  jener  Achaios  war  allem  Anscheine  nach 
ein  Zeitgenosse  des  ersten  und  zweiten  Antiochos,  gehört  also  einer 
alteren  Generation  an.  Noch  weniger  kann  die  gewaltsamere  Aende- 
rung K.  Hollers  befriedigen,  der^)  die  Worte  ad  eum  dmuù  zu  Ah 
demum  zusammenziehen  wollte.  Eudemos  soll  der  aus  Polybios  als 
HOrder  des  Aristodamos  von  Megalopolis  bekannte  Ekdemos  (Ek- 
delos)  sein,  der  auch  in  Kyrene  als  Schiedsrichter  und  Gesetzgdier 
thatig  war.  Er  ist  nach  Müllers  Meinung  bei  der  Wiedererobening 
Kyrenes  durch  Ptolemaios  111.  gefallen.    Dies  ist  vollends  unmöglich; 

1)  Schäfer  Demosthenes  u.  s.  Zeit  I  443  A.  3.    Ebenso  Indeich  in  Püuly- 
Mf  issowas  Realencyklopädie  I  341,  vgl.  Athen.  XU  533  D. 

2)  Ptolog.  27. 

3)  Kl.  Schriften  I  259  f. 

4)  Vgl.  über  ihn  Wilcken  in  Pauly-Wissowas  Retlencyklopidie  I  206. 

5)  Fragm,  Historie,  graec.  Hl  709. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS  71 

denn  Ekdemos  lebte  noch  später,  oachdem  Megalopolis  achftisch 
gewordeo  war  (235  v.  Chr.)«  als  Lehrer  des  heraDwachsenden  Philo- 
poimeo  friedlich  in  Megalopolis.^) 

Es  wird  immer  vorzuziehen  sein,  wenn  es  gelingt,  den  tlber- 
lieferteo  Namen  Ädaeum  zu  erklären.  Da  wir  nun  aus  dem  Ko- 
miker Damozenos  sehen,  dass  im  3.  Jahrhundert  ein  Adaios  in 
Rjpsela  am  Hebros  sass,  da  wir  ferner  wissen,  dass  später  die 
Koste  des  südlichen  Thrakiens  Ton  der  Grenze  Makedoniens  bis 
an  den  Hellespont  ägyptisch  war,  und  aus  dem  Monument  von 
Adolis  wissen,  dass  Ptolemaios  UL  es  war,  der  diese  Gegenden  er- 
oberte,*) so  ergiebt  sich  ungezwungen  die  Combination,  dass  der 
Adaios  des  Trogus  nach  Thrakien  gehört  und  dass  seine  Beseitigung 
durch  Ptolemaios  in.  bei  der  Besitznahme  der  thrakischen  Kostenplätze 
lieh  ereignete,  die  etwa  um  das  Jahr  240  v.  Chr.  zu  setzen  sein  wird. 
Auf  diesen  Adaios  wird  man  endlich  auch  die  Kupfermünzen 
mit  der  Aufschrift  *Adalov  beziehen  dürfen,  die  aus  den  thrakisch- 
mkedoniscben  Grenzgebieten  stammen.*)  Nach  Meinung  der  Kenner 
gehOreo  diese  Münzen  zwar  etwa  dem  Jahre  200  v.  Chr.  an,  aber 
Imhoof- Blumer,  an  den  ich  mich  brieflich  wandte,  schrieb  mir, 
dasB  lie  recht  wohl  noch  in  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  gehören 
kOoDteo.  Es  scheint  also  nichts  ernstliches  im  Wege  zu  stehen, 
sie  dem  Adaios  des  Darooienos  und  Trogus  zuzuweisen. 

Es  ist  bekannt,  dass  nach  dem  Tode  des  Lysimachos  (281  v.  Chr.) 
Thrakien  zunächst  dem  Seleukos  zuflel.    Dieser  ward  freilich  er- 
mordet, ehe  er  den  Besitz  antreten  konnte;  jedoch  nach  seinem 
Tode  hielt  Antiochos  L  seine  Ansprüche  auch  im  Kriege  gegen  Anti- 
gODos  Gonatas  aufrecht,  und  dieser  wird  ihm,  als  (um  280/79  v.  Chr.) 
der  Friede  geschlossen  ward,  Thrakien  überlassen  haben.     Es  fehlt 
Hiebt  ganz  an  Spuren,  dass  Antiochos  L  an  den  thrakischen  Küsten- 
pllCzen  als  Herrscher  anerkannt  ward,   und  auch  sein  Sohn  und 
IVachfolger  Antiochos  11.  hat  wenigstens  den  Versuch  gemacht,  diese 
Stellung  zu  behaupten^);  indess  scheint  die  seleukidische  Herrschaft 


1)  Polyb.  X  22,  2.    Plutarch  Philop.  1. 

2)  GIG.  Ill  5127.    Strack  Die  Dynastie  der  Ploleniäer  253. 

3)  Imhoof- Blomer  monnaiet  Grecques  {yerhandlingen  der  Kon,  AkatL 
van  ß^eiensehapen  j4fdeL  Letterkunde  14.  Amsterdam  1883)  S.  112  f.  Read 
Mist,  num,  206. 

4)  Vgl.  meioe  Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II  23  74  ÏÏ» 
138  (mit  den  Nachtragen  S.  777). 


72       B.  NIESE,  ZUR  GESCHICHTE  DES  HELLENISMUS 

damals  schoo  nicht  mehr  viel  bedeutet  zu  haben,  und  der  ROmer 
Titus  Flamininus  hat  wohl  im  wesenllicben  Recht,  wenn  er  in  den 
Verhandlungen  mit  den  Gesandten  des  Antiochos  UI.  behauptet^ 
dass  der  Vater  und  Gross?ater  desselben  die  Herrschaft  nicht  mehr 
ausgeObt  haben.^)  Seleukos  Kallinikos,  der  Sohn  und  Nachfolger 
des  Antiochos  hat  jedenfalls  diese  Gebiete  ganzlich  aufgeben  mtlssen. 
Während  das  thrakische  Binnenland  theils  thrakischen  Dynasten, 
theils  den  tylenischen  Galliern  zufiel,  hat  sich  nun  in  der  Küsten- 
landschaft der  erwähnte  Adaios  eine  Herrschaft  gegründet  Er  war, 
wie  der  Name  zeigt,  ein  Makedonier,  Termuthlich  ein  Kriegsmann, 
der  sich,  wie  es  so  oft  geschah,  selbständig  machte«*)  Ihm  gehörte 
Kypsela  am  Hebros,  aber  er  hat  wahrscheinlich  auch  die  helle- 
nischen Kostenplätze,  wie  Ainos  und  Maroneia,  unterworfen  oder  zu 
unterwerfen  versucht.  Man  darf  vermuthen,  dass  diese  hellenischen 
Städte  sich  an  Ptolemaios  HI.  um  Schutz  und  Befreiung  wandten  ; 
wir  wissen  ja,  dass  die  Ptolemäer  sich  gern  als  Schätzer  der  helle- 
nischen Freiheit  ansahen  ;  dies  war  also  vielleicht  fOr  Ptolemaios  III. 
der  Anlass  in  Thrakien  einzugreifen  und  die  Kostenlandschaft  in 
seinen  Besitz  zu  bringen.  Adaios  ward,  dies  lehrt  der  Auszug  aus 
Trogus  Pompeius,  gefangen  genommen,  aber  wieder  freigelassen. 
Er  muss  dann  wieder  zu  den  Waffen  gegriffen  haben,  ward  aber- 
mals gefangen  und  nunmehr  hingerichtet 

Marburg.  BENEDICTUS  NIESE. 


1)  Liv.  XXXIV  58,  4  f.  10. 

2)  Man  kann  sich  denken,  dass  er  orsprflnglich  im  Dienste  der  Seleu- 
kiden  stand. 


DIE 
HOCHZEIT  DES  PELEÜS  UND  DER  THETIS. 

I. 

lieber  die  Hochzeit  des  Peleus  und  der  Thetis  berichtet  Apol- 
lodor  HI  168—170  (Wag.)  av^iç  de  yafiel  &é%iv  Trjv  Nrjgéfoç, 
mçl  ^ç  tov  yafÂOv  Zeifç  xai  Iloaêidwv  î^Qiaav,  OéfAiâoç  ôh 
^6onupdovai]ç  ïo^ad'ai  tàv  Ix  tavttiç  yewrjâ^ivra  xgelttova 
toi  mnQOç  ànéoxovro.  ivioi  ôé  q)aai,  dtoç  ôçfÂœvtoç  Ini 
Tijy  xaùtriç  avvovaiav,  elgtixevai  IlQOfAfjâ^ia  tov  èx  %avvriç 
fnn([  YEvvrid'irta  oiçavov  dvvaatevaeiv.  tiviç  di  Xéyovai 
Biti9  fA'^  ßovXfi&fvai  diï  avvêl&eîv  wç  vno  ^Hqoç  TQaq)eî' 
iww,  Jla  ai  OQyia&ivta  ^rjftp  ^éXeiv  mr^y  avvoïKiaai^) 
Xifmoç  ovy  inoô^efiévov  Ilrjlel  avllaßelv  %al  xcnaaxBÏv 
ftvf^v  fietafioçqxwfÂiiniv ,  èniTtiçijaaç  awa^nàÇei,  yivofâivriv 
ii  ofi  fiiv  nvQ  oth  di  vàtaç  b%h  di  ^îjqIov  ov  uq&ibqov 
ûvijx«,  nçïy  fj  tfiv  àçxalav  fiOQq>^v  êîdev  anohjtßovaav,  yafÂêî 
'i  h  T^  Jlrjkiif  xôxeê  &€oi  tov  ydfiov  BvtaxovfABvot  naôvfA- 
fffaaf,  xal  dldwai  XIqùpv  utiIbI  ôoqv  fiBllivov,  IIoaBiôtJV 
ii  ïnnovç  Baklov  mal  Soiv&ov.     â^àvceroi  di  rjoav  oixoi. 

Einen  Theil  dieser  Angaben  hat  ohne  nähere  Begründung  und 
ohne  scharfe  Sondemng  schon  Wagner  (Efitom,  Vatic,  p.  172)  fQr 
die  Kfprien  in  Anspruch  genommen.  Beides  ermöglicht  uns  das 
BrochstOck  eines  roythographischen  Tractates  in  den  Herculanen- 
ätcheo  Rollen  (Coli  alt.  VIII  105),  welches  ich  früher  (Rostocker 
Inda  1891/92  S.  15)  nicht  genügend  ergänzt  habe:  .  .  .  .  di 
*o[i  avvoi7itla]ai  %wi  IJ{riXBÎ.  iv]  n]QO(Âriô'B[î   di    tm]  uivo^ 

f<^y]ait  .  .  [Qé^ydog  b gaotv  ....  [o  de  %\à  Ki^ 

^[(tct  noirjaag  "H]Qai  X^çU^^f^^^V]^  q>BvyBiv  a:i[%ov  %b]v  yd-- 
f^w,  J[ia  di  o^^ooat  xoaC(;[^^vt]o  dioxi  ^ri[%m  av]voixlaBt.*) 

1)  aviHUKfjcoe  cod.  A.    avvoixürst^^EpiU 

2)  «r^  .  .  .  .  votKtjcBe  Pap.  Za  den  Ergänzungen  vgl.  Philodem  ir«^ 
'^^ß'  41  Comp.  Hol  fèr  [n^ofifji]&éa  Hac&tU  [^ctv]  AUix^loi  o[t«  to  l}^ 


74  R.  REITZENSTEIN 

xcr[i  Tcaq^  'H]ai6dw(i)  ôè  melîtai  %]6  naçanXrjaliov.  o]  L 
aavdçoç  [de  n]€çt  KXvfâévfjç  l^ç"H]ii]ov  içaaâ^ép[Ta] .  • .  .  6C 
nai  ....  tov  .  .  • 

Es  scheÎDt,  da»8  auch  der  aooDyme  Mythograph  fon  der 
Apollodor  ersteo  Fassuog  ausgegaogeo  ist;  nur  die  charakteristiac 
AbweichuDgeo   von   dieser  Hauptfassung   werden  bei  beiden  ai 
geben,  lunachst  aus  Aeschylus,  sodann  aus  den  Kyprien.    Aescb; 
hat  das  Orakel   nur  einem  anderen  in  den  Mund  gelegt,  die 
prien  kennen   es  gar  nicht  und  motiviren  den  Sinneswechsel 
Zeus  durch  das  Widerstreben  der  Thetis,  seinen  Grimm  und 
Obereilten  Schwur. 

Die  erste  Version  bietet  in  voller  Reinheit  und  offenbar 
engster  Anlehnung  an  ein  Epos  Pindar  Isthm.  VIII  28 — 52:  2 
und  Poseidon  streiten  um  Thetis,  sie  rufen  Themis  zur  Schû 
ricbterin  an  (eine  6^  evßovloc  iv  fiiaoiai  Bifug),  diese  kOi 
das  Orakel  und  befiehlt«  Thetis  einem  Sterblichen  zur  Gattin  zu  gel 
und  zwar  dem  Peleus  ov%^  evaeßeavarov  q>a%ig  ^Itahuov  rçà^ 
TiBÔiov.  So  soll  denn  sofort  Rotschaft  an  Chiron  gesendet  wen 
am  nächsten  Vollmondabend  (wenn  die  Nereide  wieder  an 
Strand  kommt)  soll  sie  ihre  Jungfräulichkeit  an  den  kühnen  H( 
verlieren.  So  sprach  Themis;  die  Götter  stimmten  bei  und  hiel 
Wort:  q>av%i  yàg  ^w*  aliyeiv  xal  ydfiov  Bérioç  avaxvaçJ 

Apollodor  kehrt,  wie  das  seine  Sitte  und  im  Grunde  ja  ai 
selbstversiSndlich   ist,  nach   der  Aufzählung  der  Varianten  zu 


i9v9êw  a[vT^]v  à[rSe{].  Vgl.  ferner  aus  dem  Lexikon  zur  Aristokratea  (B 
in  [dies.  Ztschr.  XVII  154)  Glos<;e  Méçavi  xai  ^ovkv^^^]  ra  na, 
nXria^a  i^roçM.    Aehnliches  öfter. 

1)  Die  Abhingigkeit  Pindars  von  einem  grösseren  Liede  zeigen,  « 
dies  überhaupt  nöthig  sein  sollte,  die  für  ihn  überflüssigen  Nebenzäge 
Genüge;  die  Hörer  müssen  wissen,  dass  Pelens  augenblicklich  bei  Gh 
weilt,  am  die  Botschaft  an  ihn  gleich  zu  verstehen;  aach  dass  die  Ner 
in  der  Vollmondnacht  an  einer  bestimmten  Stelle  ans  Land  zn  kommen  pfl 
muss  gesagt  sein,  ja  im  Grande  sogar,  warnm  Pelens  der  Frömmste  der  St 
liehen  heisst.  Schöpft  Pindar  ans  einem  Epos,  so  hängt  Apollodor  — 
sicher  nicht  Pindar  als  Haoptquelle  t>enatst  —  mit  eben  diesem  zosami 
ob  dnrch  eine  spatere  Mittelqoelle  oder  durch  Pherekydes,  der  in  §  163 
173  benutzt  scheint,  und  dessen  Fr.  16  sich  mit  §  170  berührt,  ist  nicht 
zumachen  und  für  uns  gleichgiltig.  Die  epische  Erzählung,  der  Aeseh 
folgte,  kannte  ebenfalls  Poseidon  und  Zeus  als  Bewerber  um  die  Gonst 
Tketis;  das  beweist  die  Fassang  des  Orakels  V.  921  oc  ^17  Hifmtpmv  m^ 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        75 

Bauptquelle  zurück.  Das  bezeugen  gleich  die  ersten  Worte  Xl- 
çmoç  ow  vnoô'tfAévovy  iodem  sie  unmittelbar  an  das  von  Pindar 
enählte  schliessen.  Wir  werden  jetzt,  aber  freilich  auch  erst  jetzt, 
daraof  verweisen  dürfen,  dass  eine  beträchtliche  Anzahl  älterer  Vasen- 
bilder  ihn  in  die  Darstellung  des  Kampfes  des  Peleus  und  der  Thetis 
mit  hineinziehen.')  Das  Lied  berichtete  nach  der  Ueberwältigung 
der  widerstrebenden  Heerjungfrau  die  feierliche  Hochzeit,  welche 
die  beiden  Götter  gemeinsam  ausrüsteten. 

Ein  zweites  Lied  Pindars  Ntm.  IV  57 — 68,  bestätigt  dies.  Hier 
finden  wir  die  in  dem  ersten  fehlenden  Züge:  dem  Weib  des  Akastos 
gegenOber  bat  Peleus  seine  evaeßeia  gezeigt;  Akastos  hat  ihn  zu 
toten  versucht,  Chiron  ihn  gerettet;  bei  ihm  weilt  er  und  fon 
ihm  erfährt  er  das  vom  Schicksal  bestimmte,  von  Zeus  ihm  be- 
echiedeoe  Loos.  So  überwindet  er  die  sich  verwandelnde  Nereide, 
feiert  die  Hochzeit  mit  ihr  und  sieht  auf  ihren  Wagen  die  Herrscher 
des  Himmels  und  des  Meeres  nahen,  ihm  ihre  Gaben  und  Macht  zu 
erweisen. 

Deber  den  Fortgang  der  Erzählung  in  den  Kyprien  besitzen 
wir  kein  -Zeugniss.  Aber  so  viel  können  wir  auch  ohne  ein  solches 
sagen:  wenn  Zeus  aus  Grimm  schwört,  Thetis  solle  einem  Sterb- 
lichen verfallen,  so  kommt  es  für  ihn  nicht  darauf  an,  dass  dieser 
hcionders  heldenhaft  und  fromm  sei  ;  nicht  ein  bestimmter  Halbgott 
soll  belohnt  y  sondern  Thetis  soll  bestraft  werden.  Dagegen  hat 
Hen,  om  derentwillen  Thetis  die  Strafe  erleidet,  allen  Anlass,  ihr 
wenigstens  den  besten  Sterblichen  zu  erwählen  und  diesen  Bund 
in  jeder  Weise  zu  heiligen  und  zu  verherrlichen.  Wie  nothwendig 
das  las  den  für  die  Kyprien  bezeugten  Voraussetzungen  folgt,  zeigt  am 
^D  die  Rede  der  Hera  an  Thetis  bei  ApoUonios  Argon.  IV  790 
bis  809: 

790  akld  ae  yàç  dq 

l^iri  vfiTCvrlrjç  avtiq  %Qéq>ov  ijd*  ayanrjaa 
Is^oxov  àiXiiJûv  aï%^  elv  all  vaievaovaiv^ 

'^'  tv^M  ^loya  flçopri^ç  &'  vna^ßaXlavra  uaçxêQov  xrvnov  &aXaaalat^ 
*<  yii  xtramtu^ü»  voaor,  r^ioivctv  tuxft^tf  rov  IIoaBêSœroç  axêdq  (vgL 
l^indir  V.  37  09  uB^ttvpav  tê  HQiooav  aXlo  fla'los  *Btmii  xbqI  iqUBovxos  t* 
•/■«i^MtKtfrov).  So  sehe  ich  keinen  Grand  zu  bestreiten,  dass  Aeschylus  and 
Piodar  dieselbe  Vorltge  benatien. 

1)  VgL  Arthur  Schneider  Der  troische  Sagenkreis  S.  78.  Darauf,  dass 
<iiuail  tadi  Hermes  erscheint,  lege  ich,  wiewohl  er  ja  trefflich  zum  Träger 
der  Botsebift  patten  würde,  kein  Gewicht. 


76  R.  REITZENSTEIN 

ovvex€v  ovx  ïtItiq  bvvjj  Jibç  Ufiivoio 
Xé^aa^au    xelvfp  yàç  aei  %âde  Sçya  fiifÂfjJiev 
7d5  Tjk  avv  à^avdraiç  iqè  ^vrjffjaiv  laveiv. 

àlX^  èfii  t'  alôoftévfi  xai  ivi  q)Qeal  deifialrovaa 
rjkevw.     0  d'  heeita  neXtigiov  ogutov  ofAoaaev 
(Arinoxé  a'  à&avàvoio  %^bov  xaXiea^ai  axoinv* 
lifÂnrjç  d*  ov  fÂe^^UaKev  onirtevtov  àéxovaav, 
800  elaoTê  ol  nceaßeica  @é(jitç  xarileÇev  Snarra, 
éç  ârj  toi  ninçunai  àfitlvova  natçoç  kolo 
naîâa  texeîv.    %Ç  %al  ob  kilaiofievoç  fie^érjxev 
delfiati,  fÂT  tiç  iov  avra^ioç  alloc  avaaaoi 
a&avavwv,  àlV  alèv  iov  xçaxoç  elçioito, 
805  avtàç  iyto  zov  agiatov  Intx^ovLwv  noaiv  elvai 
doîxa  toi,  oq)Qtt  yâfAOV  ^vfAtidioç  àyriaoeiaç, 
réxva  tb  g>i%vaaio.    ô^eovç  d*  eiç  dalt*  èxâleaaa 
nivxaç  ofÂWÇ,  avTrj  âè  aélaç  xbIcboolv  àvéaxov 
yv(Aq>idiov,  xêhrjç  dyav6q>çovoç  eïvexa  re/u^g. 
ApolloDÎog  hat  die  KyprieD  selbst  gelesen;  dass  er  sie  hier  beoutii^ 
scheint  mir  sicher.     Freilich   gestaltet  er  sie  leicht  um;   die  Er- 
wähnung der  Themis  zeigt  das  Bestreben,  die  beiden  HauptfassungCD 
der  Sage  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen.')    Aber  Hera  al» 
Stifterin  der  Ehe  des  Peleus  und  der  Thetis  muss  ihm   in   der 
Hauptversion  gegeben  gewesen  sein. 

Hierzu  stimmt  die  Episode  der  Gotterberathung  im  XXIV.  Bucb 
der  Ilias.  Wilamowitz  (in  dies.  Ztschr.  XIV  201)  bemerkt,  dass  die 
Verse  57—63 

"ExTwg  fihv  ^rjToç  te  yvvaîxd  te  S^i^accto  fÀQ^ov 
avtàg  ^Axillevç  loxt  ^eâç  yoyoç,  ^v  iyœ  avt^ 
60  ^çéipa  te  xaï  atiirjla  xal  àvdçi  noçov  naçàxoitiv 


1)  Apollonios  mnsste  dazu  Wortltat  und  Motiy  des  Eides  indern,  freilicb 
ohne  ihn  dann  wirklich  passend  einfügen  zu  können.  Zeus  schwört  (nicht 
aus  Aerger,  sondern  um  Thetis  zu  zwingen)  zunächst  nur,  Gattin  eines  Gottes 
solle  sie  nie  werden;  so  behalt  er  für  sich  die  Möglichkeit  weiterer  Nach- 
stellungen. Als  er  diese  aufgiebt,  sorgt  Hera  wenigstens  för  einen  SterbUehen» 
damit  Tbetis  doch  das  Glück  der  Ehe  kennen  lerne  und  Kinder  kriege.  Das 
ist  Göttersage  echt  alexandrinisch  ins  Kleinbürgerliche  übersetzt  Im  altea 
Epos  moss  m.  E.  der  Eid  des  Zeus  für  diesen  selbst  abschliessend  geweaeo 
sein,  wie  es  der  Mythograph  darstellt  So  wird  auch  die  bei  diesem  flber- 
Ueferte  Fassung  des  Eides,  welche  ja  auch  für  das  Eintreten  der  Hera  Spiel- 
raum genug  lässt,  um  selbst  II.  24,60  zu  erkliren,  die  ursprünglichere  sein. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEDS  UND  DER  THETIS        77 

Ilfjliï,  oç  fteçl  x'^Qi  q>Lkoç  yivBx^  à&avaxoiaiv, 
nav%eq  d'  àvTiaaO'd'B  d^eoï  yâfAOv*  iv  ôè  av  xoîaiv 
ôalw'  ^oiy  (poçfÂiyya^  xoxcûy  Stag^,  aikv  aniave. 
«in  Lied  vod  der  Hochieit  des  Peleus  voraussetzen.    Dass  eine  der 
▼ieleo  Meerjungfrauen  von  Hera  auferzogen  ist,  wOrde  kein  jüngerer 
Dichter  erfinden  ;  er  hat  es  in  diesem  Liede  gefunden.    Dass  es  die 
Kyprien  waren,  zeigt  jetzt  zwingend  Apollonios  und  nicht  20  Verse 
voraos  lesen  wir  in  diesem  Abschnitt  der  Ilias  in  der  Erwähnung 
des  Parisurtheils  eine  auch  für  mich  unbestreitbare  Verweisung  auf 
^ie  Kyprien.')   Wir  gewinnen  aus  Homer  noch  den  Einzelzug  hinzu, 
^ass  unter  den  feiernden  Göttern  Apollo  die  qiocfAiy^  gespielt  hat. 
Dass  die  Hochieit  auf  dem  Pelion  statt  fand^  lehrt  das  Scholion  zu 
U.  16,  140  und  es  erwähnt  Geschenke  der  Götter. 

For  das  erste  Lied  —  ich  will  es  der  Kürze  halber  das  Peleus- 
liied  nennen  -:-  bezeugt  die  Geschenke  auch  Pindar.  Dass  die 
fiochzeit  auch  in  ihm  auf  dem  Pelion  gefeiert  wurde,  folgere  ich 
aosApoUodor  um  so  zuversichtlicher^  als  dies  für  Pherekydes  (Fr.  16) 
oflfeDbar  Voraussetzung  ist.  Hierzu  stimmt,  wie  wir  sehen  werden,  das 
weoigstens  m.  E.  von  unserem  Lied  abhängige  hesiodeische  Gedicht 
ebenso  wie  das  ältere  Lied,  die  Kyprien.  Der  ganze  Schluss  unseres 
Liedes,  die  feierliche  Hochzeit  nach  der  Ueberwältigung  scheint  mir 
^r  den  Kyprien  entnommen.  Die  alezandrinische  Vorlage  Ovids(ilfe- 
'^HR.Xl  221 — 265),  welche  alle  charakteristischen  Züge  unseres  Liedes 
aufweist,  nur  dass  Proteus  an  Stelle  des  Chiron  und  der  Themis  ge- 
treten ist,  scheint  die  Hochzeit  nicht  zu  kennen  und  Sophokles  im 
Troilos  (Fr.  161  N.^)  eyrjiiev  (ûç  SyrjfiBv  àq>d'6yyovç  ycfiovç 
^  nay%o(Â6Qq)i^  QàTiôi  avfinlaxelc  note  die  Existenz  einer 
derartigen  Sagenversion  ebenfalls  vorauszusetzen.  Zwei  verschiedene 
Formen  desselben  Mythus  wird,  auch  wer  das  nicht  gelten  lässt, 
immer  annehmen.  Der  Kampf  und  die  Vergewaltigung  der  Thetis 
^  zu  der  Schilderung  der  von  den  Göttern  ausgerüsteten  Hochzeit 
im  Grunde  nicht  passen.*)    Zum  mindesten  für  das  Lied,  in  welchem 


1)  VgL  Robert  Bild  und  Lied  125.  Ganz  eigenartig  ist  in  dieser  Episode 
der  Gôtterberathang  das  Verhältniss  der  Thetia  zu  Zeas,  vgl.  V.  90.  91.  101. 
10%  Old  Tor  Allem  110.  111  avràç  fytà  xoBê  wûSos  *AxtlX^t  n(f<nianrat  ai- 
âca  tuU  ftloTfyta  rêf^v  fànéma&a  fvXaac»v.  Der  Dichter  kennt  den  ersten 
Gesang,  aber  er  berücksichtigt  zugleich  die  Kyprien. 

2)  Die  ältere  Sagenfonn  wird  allerdings  der  Kampf  sein,  die  feierlich 
geschlossene  Ehe  die  jüngere,  einem  feineren  Empfinden  entsprechende. 


78  R.  REITZENSTEIN 

Hera  als  Pflegeriû  und  Mutter  der  Thetis  erscheiot  uod  io  welchem 
sie  selbst  die  Ehe  grQndet,  die  Hochzeitsfackel  tragt  und  die  Feier 
veranstaltet,  ist  eio  NebeoeinaDder  beider  Fassungeo  Dicht  möglich. 
Ad  deD  VerseD  xoi  àvdçî  noçov  naçâxoitiv  Ilrilitf  oç  ne^l 
xijçi  q>iXoç  yiver^  aâavdroiaiv  muss  jeder  Versuch,  dcD  Liebes- 
kampf far  die  Kyprieo  io  ÀDspruch  zu  uehmeo,  scheiterD.  Weiseo 
sie  auf  dies  Lied,  so  kaoDte  oder  berücksichtigte  desseo  Dichter 
ihD  so  weoig  wie  die  SSoger  der  Ilias/) 

EiDe  fernere  wichtige  Folgeruog  fQr  die  KyprieD  ist,  dass  aocb 
die  weitereo  Angaben  des  Apollonios  {Argon.  IV  812.  813;  867 
bis  879)  im  Wesentlichen  auf  dies  Lied  zurückgehen  werden. 

Auf  die  ßovX'^  Jiog  führte  der  Dichter  desselben  den  tro- 
ischen  Krieg  und  notbwendig  auch  die  Erzeugung  der  Heleoa  zu- 
rück.') Achills  Persönlichkeit  stand  ausserhalb.  Aber 
einen  beabsichtigten  Parallelismus  mag  man  in  dem  Bericht  Ober 
Nemesis  und  Thetis  flnden. 

U. 

Der  herculanensische  Mythograph  giebt  uns  Kunde  voo  einem 
Gedicht  Hesiods,  welches  mit  keinem  der  besprochenen  identisch 
war,  aber  denselben  Stoff  behandelte.*) 

Natürlich  denkt  jeder  sofort  an  das  Lied,  welches  Tzetzes  im 
Lykophron-Commentar  (260  M.)  ja  ausdrücklich  als  Epithalamion  des 
Peleus  und  der  Thetis  bezeichnet  hat  (Fr.  102  Rz.)  kni^aXafjiiO' 
yçdq)oi  dh  noirjrai,  6aoi  nçoç  tovç  vvfAq>lovç  èv  yâfioiç  ly- 
xcifAia  €yçaq>ov^  oloç  rjv  o  ^AyafirjaTwç  b  Oaçaàlioç  xal  ireçoi, 
xal  ^Halodoç  avroç  ygaipaç  int^aXàfiiov  êiç  Ilrjléa  xal  Qé%iv, 
XQÏç  fiaxaç  uitaxldrj  xaï  vezçaxiç,  oXßis  Ilïjlev, 
oç  toïad^  h  (AeyaQoiç  Uqov  léxoç  eiaavaßalveic.^) 


1)  U.  18,  432—435  erscheint  anch  mir  als  handgreifliche  Interpolation. 
II.  18,  84  kennt  nur  die  Hochzeit. 

2)  Bezeugt  durch  Eurip.  Orett  1639,  vgl.  Welcker  Ep.  Gyclos*  II  87; 
als  Variante  steht  es  in  der  Epitome  Apollodors  (III  1  Wagn.). 

3)  Mehr  würde,  wie  E.  Schwartz  mir  zeigt,  ans  der  Angabe  des  Mytho- 
graphen  selbst  dann  nicht  folgen,  wenn  es  sicher  wire,  dass  r6  na^anJJi^iav 
ZQ  dem  Satz  über  Hesiod  gehört.  Auch  dann  bezieht  sich  die  Angabe  schwer^ 
lieh  auf  die  unmittelbar  Torausgehenden  Varianten.  Ein  weiterer  Bearbeiter 
des  Stoffes  wird  eingeführt,  dessen  Abweichungen  im  Einzelnen  aninfûlireii 
nicht  lohnte  oder  zu  schwer  erschien. 

4)  Agamestor  scheint  aus  dem  Scholion  zu  V.  179  (459  M.),  wo  sein 
im&aXâfitov  SèrtBoi  erwähnt  ist,  eingetragen.    Die  Quelle  des  Tsetses  fand 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        79 


Eine  Dlhere  Vorstellung  von  diesem  Liede  geben  zwei  aneinander- 
Khliessende  Papyrus-Streifen,  welche  ich  im  vorigen  Winter  zu 
Kairo  durch  die  gfllige  Vermittlung  des  Herrn  Dr.  C.  Reinhardt  fOr 
die  Papyruft-Sammlung  der  Strassburger  Bibliothek  erwarb,  und 
dercD  grosserer  mir  erst  während  der  Correctur  dieses  Aufsatzes 
ra  Gesieht  kam  {Pap.  grate.  55).  Die  breite,  regelmassige  Schrift 
entspricht  im  allgemeinen  der  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  Ob- 
licheD;  nur  ist  |  regelmassig  durch  zwei  unverbundene  wagerechle 
Striche,  zwischen  denen  ein  ganz  kleiner  dritter  steht,  wieder- 
gegeben, sodass  man  vielleicht  noch  an  das  erste  Jahrhundert 
n.Chr.  denken  kann.    Das  Fragment  lautet; 


(pOIHNeZIKGTOMHTe 

THMATArUUNeZGYPYXO 

AlAKlAHC<t>IAOCAOANA 

Aei.O'Ç'CiNArAieTOOYM 

AIN ..  AAnAZGNGYKTIT 

r.MONKAITO?Teno 

Àkiahkaitgtpakic 

€ . .  AüüPONOAYMniO 

AKAPGCOeOieZ 

PONAGXOCG 

HPnolHCGK 

TAAAUJNAA 

CO  .  . 


PAMHAUJN 

POYiUJAKOY 

TOICIÖGOICIN 

OCAnACIN  ') 
ONUUC.GTGAGCCGN») 
CGinANAnANTGC») 
OABieüHAGY 

CGYPYOHAZGYC 

STGAeCCAN 

ICANABAINUÜN 

PONIUJN 

<t>HCTAUJN 

.  .  .  nON  .  AOYCI  .") 


dn  illtttc  Epithalamion  b«i  Hesiod  —  mit  Recht,  wie  wir  sehen  werden; 
deoo  wibrend  Homer  (II.  18,493)  den  Hymenaios  nnr  erwihnt,  finden  lieh 
i>ei  Hesiod  Worte,  welche  aarßllig  an  die  gpiteren  Hymenaien  erinoern.  Sie 
•iad  daher  heransgehoben. 

1)  9  an  dritter  Stelle  iat  ganz  verblichen,  nur  Ober  der  Zeile  erkennt 
nan  einen  Rett  de«  Grandstrichea,  der  wohl  kaum  za  einem  anderen  Buch- 
stabeo  gehören  kann. 

3)  Nach  (DC  scheint  T  ausgefallen,  wenigstens  kann  an  der  leicht  be- 
lebidigten  Stelle  nnr  ein  senkrechter  Strich  gestanden  haben. 

3)  Von  dem  T  ist  nur  der  senkrechte  Strich  erhalten. 

4)  Nor  die  oberen  Rinder  der  Bochstaben  sind  erhalten;  für  C  and  O 
ist  aneh  O  denkbar  ;  über  O  steht  noch  ein  Zeichen,  welches  am  besten  wohl 
den  Spiritus  asper  bedeutet;  für  A  wäre  auch  A  mSglich. 


80  R.  REITZENSTEIN 

Also  etwa: 

O^lriv  i^lxeto,  (itixéça  fn^Juar, 

ftXelara  x]TijjUOfT*  aywv  l§  evçvxoçov  *Ia(olxov*) 
xaçT$çoç]  uiiaTildfiç  q>lXoç  à^avaroiai  â^eoîaiv. 

àyaUto  ôvfioç  anaaiv^) 

5  wg  0  n6\Uv  [%'  à]làna^Bv  èvKTiTov  âç  [t']  iriXeaaev*) 
IfiBQoevra]  y[a]^ov,  xal  tovt^  Mnoç  eînav  SnavrêÇ* 
,TqÏç  ßdxac  Al]axidYi  xal  TBTçaxiÇj  olßu  IlfjlêVj 

^ ]  ôwQOv  ^OkvfÀnioç  BVQvôna  Zevç 

iSnaaev  rjâè  ydfAOv  ft]dxaçeç  ^eoi  i^eTéksaactv*) 
10  oç  toîaô^  iv  fÀeyaçoiç  U]çov  léxoç  eiaavaßaivwv 
xçalvetç.   xvdiatôv  ae  naT]qg  nolrjae  KqovLwv 
Ttavtmv  fifÂi^éwv  tcbqL]  t'  aXkvjv  àlq>fjaTd(av^) 

xaç]ftov  iôovai[v\.' 

Die  UeberraschuDg,  welche  der  Fund  des  HaupUheiles  air 
brachte,  war  gross.  Nicht  vod  der  Hochzeit,  soodero  von  der  sieg- 
reichen Heimkehr  vod  der  Eroberung  ?od  lolkos  ist  zunflcbst  die 
Rede.  Aber  die  Seligpreisung  des  Peleus  knOpft  dennoch  haupt- 
sachlich oder  ausschliesslich  an  seine  Hochzeit  und  erinnert  der- 
artig an  den  Hymenaios,  oder  besser,  an  die  Worte,  welche  dem 
Bräutigam  zugerufen  werden,  wenn  er  die  Braut  endlich  in  das 
eigene  Haus  TQhrt  oder  geführt  hat,  dass  wir  mit  Sicherheit  an- 
nehmen dürfen,  Thetis  betritt  bei  dieser  Heimkehr  zum  ersten  Mal 
das  Haus  des  Gatten.*)  Peleus  ist  der  rechtmässige  KOnig  von 
Phthia;  hier  steht  sein  Palast  Er  verlasst  ihn,  kommt  allein  nach 
lolkos,  bewährt  dem  Akastos  gegenüber  seine  eiaeßeia,  wird  Ton 
diesem  verralhen,  von  den  Göttern  gerettet,  bestraft  den  Frevler 
und  ompfäugt  von  Zeus  die  unsterbliche  Gattin  als  Lohn.    So  kehrt 

1)  IcêXhoI  Pap:  verb.  Schwarti. 

2)  Mail  würde  etwa  norow  Si  Svruncitf  ày,  &,  a.  erwarten. 

U)  Für  wti  ntôXér  i^alana^wv  reicht  der  Baum  nicht;  TieUeicht  war 
irrthüiiilich  dafür  o»»*  n^oXtr  àlnnaitr  geschrieben. 

4)  Vgt.  Od.  4,  6  dv  T^rj  yà^  Tt^xor  vnMxno  u€Ù  «orirMVtfr  Bm9i- 
ftêrm*^  Toitfir  9i  &$0i  yt'uor  é^m'lêwr  und  Sappho  Fr.  99  B^  SXßu  yAfiß^ 
col  fài¥  Sr,  ynfêOi  nti  a^mo  <trT«f«x«OT\  ix^  Si  na^&tvor  «r  ô^o«. 

b)  Vgi.  Dd.  6,  S  iwfl«  arS^r  àif  if«Tâo»r.  Beach  tens  wertb  ist  der  Accent 
über  ff«^*  letw«,  da  Y.  7.  8  Theti^i  erwähnt  sein  muss«  î;^  roU9'  à^/iuLL  ai^mma- 
/f<«iViM»  X^Vf\  «»«•  mtSêCtU  99  îf .  ji,  J:.  ISojt«  &*  i^^oWr  m9^  t*  «tL  G.  K.] 

61  Krst  damit  ist  ja  für  antikes  Kmpßuden  die  Hochieit  Tollttindig,  eist 
damit  dt»  Mädchen  W«iff  u*  (Theokr.  tS  aSK    Der  Hymemios  gehakt  bb 
Moment. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        81 

€r  mit  ihr  und  der  reicheo  Beute  Dach  Phthia  zurück.    Die  Hoch- 
zeit liegt  voraus. 

So  ist   offenbar  der  Sachverhalt.    Nun   scheint  es  mir  gaoz 
uDODöglich,   dass  die  Bewunderung   der  Dnterthanen   nur  der  Be- 
sieguDg  des  Akastos  gilt  und  in  ihren  Worten  dann  nur  die  Hoch- 
zeit erwähnt  wird;  so  mag  ich   V.  5/6   nicht  wç  t'   hileaaev 
aiv6%ttTov  nôXefÂOv  oder  ähnlich  ergänzen,  sondern  muss,  ganz 
abgesehen  von  jenem  senkrechten  Strich  in  V.  6,  der  sich  am  besten 
zu  r  vervollständigen  lässt,  eine  Erwähnung  der  Hochzeit  unbedingt 
verlangen.     Dann   entspricht  dem   so   offenkundig  V.  9,   dass  ich 
auch  hier  nicht  etwa  no^ov  oder  vàov  i^êTékeaaav  schreiben 
kaoD.  Freilich  ist  der  Ausdruck  yifxov  leléaai  für  den  Bräutigam 
UDgewObnlich;  nur  aus  Wendungen  wie  ïçyov  reléaai  verständ- 
Ueb,  setzt  er  eine  ganz  bestimmte  Vorgeschichte  voraus;   ebenso 
kann  man  aus  den  Worten  yafxov  &eoi  è^eTéleaaav  heraushören, 
^lass  sie   damit   eine  Bitte  oder  gar   ein  Versprechen   endlich  zur 
ErfOlluDg  bringen.     So   viel  zur  Rechtfertigung  der  Ergänzungen. 
Zu  demselben  Liede  gehört  offenbar  Fr.  38  Rz. 
lade  de  Ol  xazà  &vfÂOv  aclatrj  q)alvezo  ßovli], 
avToy  fihv  axéa^ai,  HQvipai  ö'  aäoxrjta  fiàxoiçav 
nakijv,  ijv  ol  ïvev^e  tibqUXvvoç  à^q)iyvr]€iç, 
luç  TTjv  fiaazëvwv  oloç  xazà  Ih]Xiov  aiuv 
alifji*  vfto  KevtavQOiaiv  ôçeaxfpoiai  da/ielr].^) 
^eim  ferner  Porphyrios   zu  II.  6,  164   fein    darauf  aufmerksam 
Ottcht,  wie   zurtlckhaltend   und   kurz  Homer  —   ganz  anders  als 
Hesiod  —  den  Verführungsversuch  gegen   Bellerophon  schildere, 
ovffoiÂWç  ôè  ta  aiaxçà  (Codd.  àçxala,  sinnlos)  ôedijlœxe  ,iÂiyrj' 
»0*  owe  i'd'ekovar]*  aAÀ'  oix  aaneç  ^Haloôoç  rà  tcbqï  Ilrjkiœç 
^fà  frjç  ui7iàa%ov   yvyaixoç   âià  fiaxçdiv   (so  Bergk,    fAixçwv 
^d.)  ine^el^anf,  so  werden  wir  auch  dies  nunmehr  ohne  Weiteres 
auf  unser  Lied  beziehen. 

Ob  in  demselben  auch  das  auf  dem  Pelion  von  den  Göttern 
((feierte  Hochzeitsfest  vorkam,  steht  nicht  sicher;  da  jedoch  Hesiod 
^a  Ungewöhnliche  dieser  Ehe  so  stark  hervorhebt,  da  ferner  die 
l^yprien,  das  eng  mit  Hesiod  Obereinstimmende  Peleus-Lied,  end- 

1)  Âehnlicbes,  aber  nicht  das  gleiche  berichtete  das  früher  besprochene 
Pdeai.Ued,  welches  ja  auch  nach  der  mythographischen  Tradition  voo  dem 
■flcnodeischen  Gedichte  so  sondern  ist,  vgl.  Pindar  Nem.  4,  59  zq  JanBàlov 
*  f^Xß^  ÇfVTÊud  ol  &waxav  in  Xoxov  IlêUao  naïs  âlaXxë  8i  Xi(HOv, 
HaaatXXXV.  6 


82  R.  REITZENSTEIN 

lieh  Pherekydes  (vgl.  Fr.  16)  diet  Fest  keonen«  ist  es  wenigtteoc 
sehr  wahrscheinlich.  So  sei  es  gestattet,  die  weitere  Tradition  fon 
der  Hochzeit  xu  verfolgen  und  zu  prüfen,  ob  eine  bestimmte  Fassung 
sich  besonders  leicht  mit  den  sicheren  Hesiod-Fragmenten  vereinigeo 
ISsst.  Ein  zwingender  Beweis  lässt  sich  daraus  natOrlich  nicht 
ableiten,  vielleicht  aber  manche  Folgerungen  für  die  jflngeren  Be- 
handlungen des  Stoffes  gewinnen. 

Pindar  beschreibt  Nem.  V  22 — 37  die  Hochzeit  des  Peleus  ngo- 
q)QWv  dk  mal  kbIvoiç  Seid'  iv  IlakL^  Moiam  S  xcUlunoç 
Xoçoçy  iv  de  fiéaaiç  q>6çfiiyy  l^rroXltov  éftràylwacav  xçvaé^ 
nX6ii%Qi^  diwxwv  ayêlTO  navvoitav  vofiœy.  al  di  nQiatiarov 
fier  vfÂVTjaav  Jioç  àçxofÂevai  OBfAvàv  Qiziv  Ilfjkéa  ^'  aç  %i 
viv  aßqa  Kgri&êtç  'InnoXvxa  dolfp  neâàaai  ijâ^êXe  §vpâva 
MayvT^TWv  axonbv  nelaaia^  "uàKaarov  nonuLkoig  ßovXeviiaaiv* 
ipevarav  di  noirjTov  avvérta^e  lôyov,  wç  aça  wfjiq>e£aç  Inelça 
xeîvoç  iv  lixTQOiç  ^Axaatov  evvâç*  to  d'  ivav%lov  iaicev* 
noXlà  ydç  viv  navxï  ^(Aif  naçq>afÂiva  Xitavevev  tov  i* 
Vfc  oçyàv  xvlÇov  alneivol  loyoi'  êv^v^  d^  inavdvato  vv/â- 
g>av,  ^eivlov  natçoç  xôXov  deiaaiç'  o  d'  iq>Qàa&ri  xaré^ 
vevaév  vé  ol  OQaiv€g>r^ç  i^  oiçavov  Zevç  â^avàrtûv  ßaai- 
Xevç,  äat^  iv  tâxei  novtiàv  x^vaaiLoxarcoy  zivà  NrjQst- 
ôwv  nçâ^Biv  aKOitiv,  ya^ßgov  HoaBiôawva  neiaaiç^) 

Gewiss  weicht  das  nicht  weit  von  der  Passung  des  zuerst  be- 
sprochenen Peleusliedes  ab  und  man  könnte  die  Verschiebung  des  Ge- 
sichtspunktes sehr  wohl  auf  Pindar  allein  zurückführen.  Mich  hindert 
daran,  dass  Euripides  in  der  Iphigenie  auf  Aulis  denselben  genau  so 
verschoben  hat  und  durch  seine  Uebereinstimmuog  in  zwei  wichtigen 
Einzelzügen  beweist,  dass  er  aus  derselben  Quelle  wie  Pindar  schOpfL 
Auch  bei  Euripides  wird  allein  betont,  dass  Zeus  es  ist,  der  die  Ehe 
zwischen  Peleus  und  Thetis  stiftet  (V.  696 — 709);  auch  bei  Eoripidei 

1)  Oie  letzten  Worte  werden  von  Pindar^  des  Uebergangs  zu  dem  Folgen- 
den halber  zugefügt  sein.  Man  sieht  in  ihnen  vielfach  eine  Anspielung  aal 
den  Streit  des  Zeus  und  Poseidon.  Allein  weder  lässt  sich  ya/iß^Q  \n  der- 
artiger Ausdehnung  (Bewerber)  bei  Pindar  belegen,  noch  würde  es  allein  fui 
avyya/iß^oß  genügen.  Das  Einfachste  ist  wohl,  mit  Dissen  anzanebmen,  dast 
Poseidon  als  Herr  des  Meeres  seine  Zustimmung  zu  geben  hat;  er  ist 
zugleich  durch  Amphitrite  Schwager  der  Thetis.  Das  betont  in  der  Hoch- 
Zeitsbeschreibung  auch  Koiluthos  V.  20 — 22  nàoa  8i  ttvSaiiHfv€a  &MWi 
ianevSê  yßve&lr^  avroxactyvrjxfjv  lavxtôXêvor  'jéfAfn^irfjÇf  Zêitç  fthf  an 
Ovhifmoêo,  noasàôdafv  Öi  &alâuaijç.    Das  ist  Ruhm   auch  für  Peleas. 


DIE  HOCBZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        83 

wird  die  Hochzeit  auf  dem  Pelion  und  der  Gesaog  der  Musen  breit 

geschildert  (1036 — 1079),  uod  weon  Pindar  von  einem  doppelten 

Preislied  auf  Thetis,  dann  auf  Peleus  spricht,  so   entspricht  bei 

Euripides    genau   (Aeltpäolc   Oiriv   àxfjf^ceaiv  t6v  t'  Aiomidav 

tliovaai.     Dass  es  sich  um  mehr  als  um  den  herkömmlichen 

kurzen  Preis  von  Bräutigam  und  Braut  im  eigentlichen  Hymenaios 

bandelt,  deutet  Pindar  schon  mit  den  Worten  ^^log  agxofisvat  an, 

und  gern  will  ich  glauben,  dass  die  folgende  Erzählung  von  Peleus 

scboD  in  seiner  Vorlage  in  dem  Musenliede  gestanden  hat.    Endlich 

scheidet  Pindar  deutlich   ein   feierliches  Versprechen   des  Zeus  an 

Peleus,  den  natürlichen  Scbluss  des  Musenliedes,  von  der  späteren 

Erf&lloDg,  der  Hochzeit');  dasselbe  sagt  Euripides  mit  dem  Rechts- 

auadnick  (V.  703)  Zeig  i^yyvrjae  xal  did  wo"  o  xvgioç.*)    Das 

läSBt  «ch   nur  gezwungen  auf  die  Botschaft  an  Chiron  beziehen. 

Die  andere  Auffassung  hat  einen  anderen  Gang  der  Erzählung  ge- 

scfaaffeD.    Ob  Peleus  in  derselben  Zeus  gebeten  und  selbst  Thetis 

begehrt  hat,  Iflsst  sich  nicht  entscheiden;  unmöglich  ist  es  durchaus 

Dicht,  dass  gewisse  Voraussetzungen  fOr  die  Fassung  Catulls  schon 

in  Qoserem  Gedichte  gegeben  waren.    Auf  dasselbe  werden  wir  die 

Mehrzahl  der  in  dem  Chorliede  des  Euripides  berichteten  Einzel- 

>tige  lurOckfQhren  dörfen.     Eine  auffällige  Menge  derselben  kehrt 

io  der  Beschreibung  des  Kolluthos  und   in  dem   mythologischen 

Vorwort  zu  Claudians  Lied  auf  die  Hochzeit  des  Honorius  wieder; 

beide  schöpfen  durch  Mittelquellen  aus  diesem  Gedicht.')     Die  Er- 


1)  Das  ist  besonders  durch  ét^  rdx't  scharf  hervorgehoben.  Dazu  passt 
>o  lieh  gut,  dass  Zens  sich  vorher  sichert,  das  Versprechen  auch  erfûllea 
»1  köanen. 

2)  Die  Scheidaog  der  Tempora  ond  die  Fortfährang  yaful  3i  zeigt,  dass 
^Umw  hier  auf  die  wirkliche  Uebergabe  bei  der  Hochzeit  geht  Eigenthamlich 
>>t  4ie  Betonung,  dass  Zeus  natürlich  MvçioQ  für  alle  Göttinnen  ist.  Ich  ver- 
lose KboD  jetzt  auf  Gatnll  tum  ThetitU  pater  ipsê  iugandum  Pelea  sensit 
V^tf  timul  optatae  fini  to  tempore  hiees  aävenere, 

3)  Die  Abhängigkeit  braucht  für  Kolluthos  wohl  kaum  erwiesen  zu 
^erdeo.  Da  er  bei  Eiofnhrnng  der  Ëris  aofföllig  mit  Lncian  Symp.  35  (vgl. 
^^  nutr,  5)  übereinstimmt,  steht  wohl  ein  alexandrinisches  Lied  zwischen 
^tn  (Tgl.  Wentzel  Epithalamioo  fflr  W.  Passow,  Zoellner  Analecta  Ovù 
^^)t  welches  verschieden  von  der  bald  zu  t>esprechenden  Quelle  Gatnlls 
^  doch  ihr  ähnlich  genug  war,  dass  man  fast  noch  Beziehungen  auf  sie 
^Rooehmen  meint,  vgl.  V.  31  éç  ydfior  wfAacrfjos  yâ/M»v  àBldamxoQ  ^A&rjvrj 
^i  naciyn^  yÉfjTûftàs  l^noXXâfvaç  "A^SfuG  àrifiijas  moI  ày^miqti  ns^ 
^a  mit  Gatnll  299  eaelo  te  solum^  Phoebe,  reänquens  ttmgenamque  simui 

6* 


84  R.  REITZENSTEIN 

klftroog  wird  sich  uds  später  bieteo.  Die  Hochieilsschildening  war 
danach  mit  lebhafter  Phantasie  breit  und  flgurenreich  ausgeführt; 
den  Schluss  bildete  die  Weissagung  von  Achill  und  seinen  Rohmes- 
thaten  vor  Troja,  genau  wie  bei  Catull. 

Die  gewaltige  Nachwirkung  dieses  Liedes,  die  sich  selbst  bei 
den  Späteren  nicht  lediglich  aus  einer  mythographischen  Tradition 
erklären  lässt,  legt  es  wenigstens  nahe,  Hesiod  als  Verfasser  zu  Ter^ 
muthen,  und  was  Porphyries  an  dessen  Schilderung  tadelt,  trifft  so 
▼oUkommen  auf  die  Beschreibung  bei  Pindar  zu,  dass  man,  wenn 
dieser  hier  Oberhaupt  einer  epischen  Vorlage  folgt,  was  doch  durch 
Euripides  yerbOrgt  wird,  unbedingt  an  Hesiod  denken  muss.  Seiner 
Kunst  würde  es  trefflich  entsprechen,  wenn  schon  bei  ihm  ein  Theil 
der  Vorgeschichte  in  das  Lied  der  Musen  aufgenommen  war.  Der- 
selben Pindarstelle  entsprechen  aber  auch  durchaus  die  Worte  yâfwv 
fiaKQçeç  &eoi  i^erekeaaav;  ich  verweise  noch  einmal  auf  Od.  4,  6 
v7c^ax6To  Kai  Titatévevaev  ôtoaéfiêvai^  xoîaiv  di  ya/ioy  &eoi 
è^eTélecov.  Die  Hochzeit  muss  bei  Hesiod  natQrlich  nach  der 
Zerstörung  von  lolkos  fallen  ;  das  Versprechen  setzt  Pindar  unmittel- 
bar nach  der  Errettung  des  Peleus;   wir  worden  jetzt  begreifen^ 


euUrieem  monUbtu  Idri  (a/^or^);  Pelea  nam  tecum  pariier  »oror  tuper- 
notait  nee  TheUdis  taedas  vobiit  eelehrare  iugalee.  Die  Eotscholdigiinf 
reicht  för  Artemis  nicht,  wenn  Atheoe  erscheint  —  Gltuditn,  dessen  SchO- 
deniDg  ein  hnhsches  Gegenstück  bei  Qnintns  Smymaeos  IV  128—143  hat,  fährt 
wie  Eoripides  die  Kentanren  und  Nereiden  ein,  aber  er  schöpft  kaam  aas 
ihm;  mit  Ca  toll  hat  er  den  Peneios  gemeinsam;  von  beiden  weicht  er  ab, 
indem  er  die  Thaten  des  Achilles  von  Apollo  yoraossagen  lisst  Von  Glao- 
dian  hingt  Sidonius  C,  X  ab  ;  ans  den  vielen  willkürlichen  Zositzen  hebt  sich 
die  Beschreibung,  wie  Thetis  zu  der  Hochzeit  kommt;  auch  bei  Gatnll  wird 
sie  ja  erst  nach  dem  Parzenliede  erwartet;  eine  Schilderung,  wie  sie  zur 
Hochzeit  kommt,  setzt  Statins  SUv.  I  2,  215  als  bekannt  Toraus;  ihr  Kommeo 
mit  den  Nereiden  beschreibt,  freilich  in  andrer  Färbung,  Valerius  Flaccna  I  130, 
dessen  griechische  Quelle  Qnintns  Smyroaeus  V  73—76  erweist,  und  erwähnt 
den  Gesang  des  Chiron  beim  Gelage.  Sidonius  endlich  C  XIV  24—30  kennt 
Lieder,  sowohl  des  Chiron  als  des  Apollo.  Dass  ein  Uteres  Lied  zo  Grunde 
liegt,  welches  jeder  Ton  den  Epithalamiendichtem  nach  seinem  Belieben  be- 
nutzt und  modelt,  hoffe  ich  später  wahrscheinlich  zu  machen«  Eineu  Zog 
haben  vielleicht  sogar  die  jüngsten  und  unzuTerlässigsten  Zeugen  am  besten 
gewahrt,  dass  nämlich  ausser  Chiron  auch  Apollo  singt.  Ein  weissagendes 
Lied  Apollos  kennt,  allerdings  aus  andrer  Quelle  und  in  andrer  Wendung, 
Aeschylus  Fr.  350  (Tgl.  das  carmen  de  figurU  V.  35),  und  Apollos  Weiaaagwig 
scheint  der  Grund  dafür,  dass  ein  später  Bearbeiter  unseres  Liedes  ihn  über- 
haupt aidit  bei  der  Hochzeit  anwesend  sein  liess.    So  bleibt  hier  ein  Zweifel. 


DIE  HOCBZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        85 

warum  Versprechen  und  Ausführung  zeitlich  geschieden  werden. 
WeDD  es  ferner  bei  Pindar  möglich  schien,  dass  Peleus  die  Nereide 
sich  erbittet 9  sie  also  schon  frOher  begehrt  hat,  so  wQrde  auch 
hieno  der  eigentümliche  Ausdruck  Hesiods  Sc  t  èréleaaey  .  .  . 
yénof  passen.  Wenn  endlich  Catulls  Lied  vielfach  mit  dem  von 
Piodar  und  Euripides  benutzten  Obereinstimmt,  so  giebt  dies  wenig- 
stens eine  gewisse  Bestätigung  meiner  Vermnthung;  auf  den 
thesiodeischen  Charakter'  der  Dichtung  Catulls  hat  man  ja  häufig 
geoog  hingewiesen.') 

Ob  Thetis  in  der  Dichtung  mit  besserem  Recht  Nereide  ist, 
als  Poseidon  Heergott?  Ihr  Verhältniss  zu  Hera  und  ihr  Cult  im 
Bioneolande  begünstigen  den  Zweifel.  Alt  ist  dieser  Cult  am 
Thetideion;  so  zog  er,  als  das  Epos  zu  wirken  begann,  den  ur- 
sprünglich am  Pelion  und  vielleicht  in  lolkos  heimischen  Peleus 
hierher.  Aber  nicht  die  Stadt  der  Thetis,  sondern  der  nicht  zu 
fem  liegende,  machtvoll  aufgeblühte  Herrschersitz  von  Pharsalos, 
deneo  Burg  ja  wirklich  bis  in  mykenische  Zeit  hinaufreichen  mag^ 
nahm  ihn  in  Anspruch;  er  erscheint  als  Herrscher  eines  inner- 
theisalischen  Reiches.  Die  Feier  der  Hochzeit  freilich  liess  sich 
▼om  Pelion  nicht  loslösen.  So  erzählt  denn  Pherekydes  (Fr.  16) 
inma  Ilrjkevç  ç;;^€to  elç  O^lav  Qiriv  inl  vùv  ÏTcnwv  toiî- 
îow  ayuyif  xa2  ^hbl  Iv  Oaçaâlq)  mal  èv  &eTidei(py  o  maXelrat 
ono  Tïjç  Oéridoç.  Mit  ihm  stimmt  auf  das  genaueste  Euripides 
io  der  Iphigenie  in  Aulis.  Während  er  V.  704  ff.  den  Ort  der  Hoch- 
zeit beschreibt 

yafieî  di  nov  viv;  rj  xor'  oldfia  novviov;  — 
Xlgwy  ïv'  oixel  aefAva  Ilfillov  ßi^qa,  — 
ov  (paoi  Kevtccvgeiov  (fiKla^ai  yévoç;  — 
lvTctV'9'^  idaiaav  Ilfjléœç  yàfÂOvç  ^boL  — 
▼erlegi  er  die  Herrschaft  des  Peleus  in  die  Gegend  von  Pharsalos 
(V.  712.713): 

1)  Mit  dem  Schloss  vgl.  besonders  Fr.  216  Rz.  Origenes  (c.  Celt,  IV  79 
«•  1  349, 25  K5.)  sagt,  wenn  ein  Gott  die  Welt  regiert,  so  mass  er  das 
Menscbeogeschlecht  in  seiner  Frühzeit  ganz  besonders  gehütet  und  geschirmt 
haben,  £mê  uax*  à^xù^  htifuHav  yayordvat  t^s  &Biaç  ^aeats  n^ès  ravs 
âr^^mnovs*  anêç  fiai  6  *AoMQaloç  notijxrjÇ  iwomv  •In» 

Svrai  yàç  tore  SaïxêÇ  ^av,  Swol  9b  &6atM0t 
à&avàxotui  &BoXat  xara&vriTOêS  r'  âv&^wnots. 
UmB  könnte  direct  aus  dem  Liede  aaf  die  Hochzeit  des  Pelens  genommen  sein. 
Nirgends  würde  es  besser  passen. 


86  R.  REITZENSTEIN 

olxel  d*  aa%v  nolov  'ElXadog;  — 
^Anidavbv  afiq)l  no%a(ibv  iv  O&Lag  oqoiç.^) 
Es  ist  daoach  immerhio  wahrscheiolich ,  dass  schoo  Hesiod  Pbar- 
salos  ak  Hauptstadt  vod  Phthia  uod  Sitz  des  Peleus  kannte.  So 
▼iel  aber  ist  sicher,  dass  keine  altere  Tradition  die  Gotterhochieit 
nach  Pharsalos  verlegt  hat«  Das  hat  erst  Catull  oder  seine  alexan- 
driniscbe  Quelle  gewagt,  und   kein  Dichter  ist  ihm  darin  gefolgt. 

III. 

Das  Reich  des  Peleus  ist  fQr  Catull  ganz  Thessalien,  die  Haupt- 
stadt und  der  KOnigssitz  Pharsalos.  Hierher  kommen  Ton  der  einen 
Seite  die  Re wohner  von  Kierion,  von  der  anderen  die  der  an- 
stoasenden  Rergthflier  der  Phthiotis*);  aus  der  Östlichen  Ebene 
zunächst  die  Rewohner  von  Krannon,  dann  die  des  entfernteren 
Larissa.  Die  berühmte  Angabe  des  SchifllBkaUlogs  (681—683)  bat 
die  Regrenzung  des  Reiches  gegeben;  dem  Achill  geboren  %o  Ht- 
laaytxoy  "^Qyoc^  d.  h.  nach  dieser  Auflassung  das  Flachland  Thes- 
saliens, eine  Anzahl  KOstenstlklte  und  die  bergige  Landschaft  Phtbia 
(YgL  z.  R.  Strabo  IX  431).  Aber  der  Dichter  meidet  die  home- 
rischen Stidtenamen«  die  keine  rechte  Vorstellung  geben  :  er  nennt 
die  Hauptstädte,  welche  die  Gegenwart  in  der  Ebene  Thessaliens 
kennt,  und  die  Thiler  Phthias.  Alles  ist  so  modern  wie  möglich 
gehalten.  Wie  in  den  Diadochenreichen  die  Rewohner  von  aUen 
Seilen  au  den  Festen  des  Königs  in  die  Hauptstadt  zuammen- 
strOmen,  so  hier  die  Thesmia  fubn  (nicht  die  Myrnudonea).  Das 
kann  seinen  Anla$s  in  einem  Zug  seiner  Vorlage  haben,  die  ja 
wahrscheinlich  die  umwohnenden  Kentauren  zu  dem  Feste  kommen 
liess;  der  Untenchied  ist  dennoch  gross«  die  Einftlhmng  der 
schaulustigen   Unterlhanen    in   so   schneidendem  Widersprach    zu 

O  In  der  An4i\t«i«ck^  mini  ^tt  R««b  an  $epU$>G«stade»  das  WehiMB 
d<«  juniBir«  IVarr«  «m  TtHriU^ioii,  ««mich  Pbannlo«  als  cigenüickcr  Herr- 
•ckaftwiu  ermiluit  i^  Kuripi^f«  t»ai  ia  dies««  Slack  die  Fcstföcr  duck 
di^  0<MI«r  vwawbM^ui«  ba  «iclit  <^a4scb^4bar. 

t)  tW»  #^Uài<f4k>«  iMigNT  in  4w«MT  YefftkiaJttig  aickt  aUfeawia  die  Thiler 
Hh«mU«m  bettKkM«  kaaii«  bl  m\4il  Uar»  Km  WsliwBie  lagikr  ist  nolhr 
«^•iIh|[,  <U»  MikluMK^  rr«ir>«  «icli^  »Klit  ije««ràL  kè  dachte  frihcr  aa 
^a  im<«t««  T<r«f<  oie^  Stefh.  ^.  I^tssm  Xfmvwv^  mi4  «mb  weMcm  Ge- 
Kra»rlk  4««  N«nMNM  l^tàu;  «b«c  O^nni^  Kèw(K4<M«  piwia  aicki  ia  dca 

/ttAMMIM«kail^,      HtN  SUÜIM  .'<^^.   I   t»  tl^   micü   MlÙhKè 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEDS  UND  DER  THETIS        87 

der  Hochieitsfeier  durch  die  GOUer,  das«  ihr  eiD  bestimmter 
Zweck  tu  Gmude  liegeo  muss.  Für  eioeu  Römer  wäre  die  Er- 
fiodnog  seltsam. 

Für  CatuUs   Beschreibuog  gebeu   die  Adouiazuseo   Theokrits 
und  mehr  ooch  die  SchilderuDgen  alexaodrioischer  Feste  bei  Kai- 
lixeioos  vod  Rhodos  (Atlieo.  196  Äff.)  das  Verstand niss.    Das  gaoze 
am  bestimmten,  vorher  verkündeten  Tag  zusammengeströmte  thes- 
salische  Volk   fasst   bei  GaluU  der  üppige  Riesenbau  des  Palastes. 
So  weit  er  sich  dehnt,  strahlt  alles  von  Silber  und  Gold;  an  den 
Sesseln  schimmert  das  Elfenbein;  auf  dem  Prunktisch  funkelt  das 
kostbare  Trinkgeräth.     So   lässt  Ptolemaios  Philadelphos  innerhalb 
der  KOuigsburg  die  ungeheuere  Festhalle,  das  ovfinoatov,  für  120 
miXyat  errichten;  an  den  Wänden  hängen  im  Wechsel  silberne  und 
goldeoe  Schilder;  die   xÀtyot  selbst   sind  vergoldet,   neben  jeder 
zwei  goldene  Dreifüsse,  hinter  jeder  ein  silbernes  Waschbecken. 
Der  Kredenztisch  aber  trägt,  zur  Schau  ausgestellt,  alle  Arten  von 
TriDkgefïisseD  aus  Gold  und  Edelstein.     Bei  Catull  steht   in   dem 
HiUelraum  das  Ehebett  aus  Elfenbein^   dessen  Purpurdecke  ein- 
gewebte mythologische  Bilder  zeigt.     Genau  so  werden  die  yiklvai 
in  der  Festhalle  des  Ptolemaios  beschrieben,  deren  Decken  kunst- 
vollste Weberei   zeigen   (vgl.   auch  Theokr.  15,  80—83);   an   den 
Winden  hängen  neben  den  Bildern  Stoffe,  welche  die  Porträts  der 
KOoige  oder  mythologische  Scenen   darstellen.     Den  freien  Raum 
vm  den  Festbau  des  Ptolemaios  überwölben  Myrthen,  Lorbeer  und 
aadere  geeignete  junge  Stämme,    bei   Catull  bringt  der  Peneios 
schbnke  Buchen,  hohe  Lorbeerstämme,  Platanen,   Erlen  und  Cy- 
prenen  und   pflanzt  sie   rings   um  den  Königsbau  vestihulum  %U 
natu  vdatum  fronde  vireret  (ganz  ähnlich  die  neçlavvkoç  avçiy^ 
aa  dem  Ptolemaiosbau).')    Bei  Catull  bringt  Chiron  Kränze,  an  denen 
besonders  hervorgehoben  wird,  dass  in  ihnen  alle  Blumen  der  Ebene, 
der  Bergeshöhen,  der  Flussufer  Thessaliens  vereinigt  sind.    Dasselbe 
Empfinden   wenigstens  zeigt  sich,   wenn  auch   bei  dem  Fest  des 

1)  Auch  der  Römer  in  Gatulls  Zeit  baut  ja,  wie  mir  E.  Schwartz  zeigt, 
die  irieiima  wohl  einmal  so,  dass  sie  Aassicht  auf  viridaria  haben,  und  be- 
recbiiet  den  Uchteflect  (vgl.  ad  AtHc.  \\  3  mit  Vitruv  VI  3,  10  fiunt  auiem 
mon  Jialicae  eomuetudinis  oeci,  quoi  Graeci  Cyzicenos  appêtUmi, 
«.^•#.  ood  mit  VI  7,3).  Aber  der  Alexandriner  allein  kennt  und  übt  das 
Geitiier-Knnststfick,  derartige  Anlagen  um  einen  für  den  Augenblick  errichteten 
Festsaal  zu  improvisiren. 


88  R.  REITZENSTEIN 

Ptolemaios  in  den  RräDieD  und  auf  dem  Boden  sich  alle  erdeok- 
Hchen  Blumen  verstreut  finden,  die  man  in  keiner  anderen  Stadt  in 
solcher  Vereinigung  antreffen  könnte.*)  An  all  dieser  Herrlichkeit 
dOrfen  die  glocklichen  Unterthanen  des  Peleus,  wie  des  Ptolemaios 
sich  vorher  satt  sehen,  dann  haben  sie  den  eigentlichen  Gisten 
des  Herrschers  Platz  zu  machen. 

Ich  lege  auf  keine  Einzelheit  hierbei  Gewicht;  das  Ganze  der 
Schilderung  weist  nothwendig  in  die  Diadochenzeit.  Dass  Gatull 
einem  alexandrinischen  Dichter  folgt,  scheint  mir  damit  erwiesen. 
Aber  auch  fOr  diesen  ist  es  eigenthOmlich  genug,  dass  er  die  Be- 
schreibung des  Festes  so  unverbaut  der  Gegenwart  entnimmt  und  — 
wie  wir  jetzt  wohl  sagen  dürfen  —  zu  diesem  Ende  die  Hochzeit  vom 
Pelion  nach  Pharsalos  verlegt.*)  Wenn  er  die  phantastische  Scenerie 
der  alteren  Dichter,  die  Kentauren ,  den  Tanz  der  Nereiden,  endlich 
die  Beschreibung  des  wunderbaren  Symposions  als  zu  gross  fOr 
sich  aufgeben  und  sich  auf  eine  einfache  Erzählung  der  Ankunft 
der  Gotter  beschränken  wollte,  so  lag  es  dem  alexandrinischen  Em- 
pfinden fast  näher,  archaisch  schlichte  und  bescheidene  Verhält- 
nisse durch  die  Anwesenheit  der  Götter  adeln  zu  lassen. 

Betrachten  wir  die  weiteren  an  der  Vorlage  vorgenommenen 
Aenderungen.  Dass  Prometheus  unter  den  Gästen  erscheint,  wird 
aus  Aeschylus  zu  erklären  sein;  das  konnte  ein  Römer  so  gut  wie 
ein  Alexandriner  einfügen.  Dagegen  vermag  ich  die  offenkundige 
Neuerung  in  den  Versen  caelo  te  solum,  Phoebe,  relinquens  mifr- 
genamque  simtU  cuUricem  montibus  Idri;  Pdea  nam  tecum  pariur 
soror  aspematast  nee  Thetidis  taedas  voluit  cekbrare  iugaîîs  nicht 
unmittelbar  auf  Aeschylus  Fr.  350  zurückzuführen;  hier  wirkt  Piatos 
Tadel,  der  dies  als  eine  unwürdige,  streng  zu  verbietende  Erfindung 
der  Dichter  hinstellt  (Rep.  II  383  B).  So  wird  hier  betont,  dass  der 
Sonnengott  den  Himmel  doch  gar  nicht  verlassen  haben  kann;  fOr 
ihn  treten  die  veridicae  Parcae  ein  und  singen  ein  Lied  perfidiaê 

1)  Gewiss  konnte  für  diese  Erfindung  bei  Gatull  ein  Zug  seiner  Vorlage 
den  Anlass  bieten  (Earip.  Jph,  1058  àvà  J'  iXaTcuai  are^avûSêëi  r«  xU^ 
&iaaoç  ifiolev  innoßoras  Kevrav^tüv);  die  Ausmalung  ist  alexaodriniscb. 

2)  Ich  erwähne  schon  jetzt,  dass  nach  Menander  {Rhei,  gr,  IX  271, 12  W.) 
derartige  Beschreibungen  zum  émd'aXnfiêoç  loyos  gehören:  ovt^êk^lv^B  /Ur 
ovv  17  nohs,  aweo^a^eê  8i  anas,  nenrjyaa  Se  naarâSëÇ,  olat  ovx  éxi^tf 
noxi'  d'àhxfioç  Si  nenoUilrai  äv&aai  ual  yça^aXs  nat^oiatç  noXl^  8à 
Tfjv  léfçoSirijv  ix^ê.    Vgl.  [Dionys.]  Techne  IV  1  ô  ya/ioe  êfoiiuv  nawtjyv^m 

"«W  Kai  veo/irjri<f  nai  Sij/uneleX  éoçrfj  rijs  Ttoletas. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        89 

^uod  post  nulla  arguet  aetas  und  das  natürlich  demzufolge 
aach  den  Tod  Achills  vor  Troja  schon  ausdrücklich  erwähnen  muss. 
Piatos  Republik  ist  dem  Dichter  und  dem  Publicum  der  Alexandriner- 
leit  selbstverstSlndlich  bekannt');  far  den  Römer  wäre  die  Rücksicht 
auf  sie  eher  befremdlich. 

Die  Vorgeschichte  der  Hochzeit  ist  völlig  zur  alexandrinischen 
Liebesgeschichte  geworden.  Bei  einem  bestimmten  Anlass,  der 
icbarfsiDDig  erfunden  und  breit  ausgemalt  wird,  tauchen  die  Meer- 
jungfrauen aus  der  Flut,  die  sie  sonst  vor  den  Blicken  der  Sterb- 
lichen schützend  verbirgt  — ^^  denn  ganz  wie  die  übersittsamen,  im 
Hlafiog  versteckten  Jungfräulein  der  alexandrinischen  Romanzen 
siod  sie  geschildert  —  aber  freilich  trotz  aller  Neugier  vergessen 
»e  die  SchicUichkeit  nicht  nutrieum  tenus  extantes  e  gurgite  eano. 
Da  sah  Peleus  die  Thetis  und  entbrannte  in  Liebe  zu  ihr  und  Thetis 
erglohte  für  Peleus,  und  so  gross  war  beider  Leidenschaft,  dass  Zeus 
gar  Dicht  anders  konnte,  als  ihre  Hochzeit  festzusetzen.  Auch  für 
diese  Erfindung  kann  die  Vorlage  einen  Anhalt  geboten  haben; 
die  Art  der  Erzählung  und  die  Betonnng  der  glühenden  Liebe  auf 
den  ersten  Blick  (alles  genau  wie  in  V.  86  ff.)  gehören  durchaus  der 
slexandrinischen  Erotik  an.  Zugleich  empfindet  man  in  den  Versen 
eine  gewisse  Polemik,  oder  besser,  ein  Bestreben,  die  Erinnerung  an 
frühere  Behandlungen  des  Stoffes  im  Hörer  unschädlich  zu  machen. 
Die  wirksame  Litotes  tum  Thetis  humanos  non  despexit  hymenaeos 
(^1*  V.  335)  widerspricht  dem  bekannten  Hlrjv  avéçoç  eivfjv 
noüa  fiat*  ovx  iô^éXovaa  und  den  von  Statins  aus  griechischen 
Vorlagen  übernommenen  Klagen  d^r  Göttin  über  das  Unwürdige 
ihrer  Ehe.  Die  Worte  illa  non  alia  . .  luce*)  schliessen  eine  Zeit- 
folge, wie  die  bei  ApoUonios  gegebene  aus;  sie  lehnen,  was  wich- 
tiger ist,  auch  die  Sagen  von  einer  Ueberwältigung  der  Thetis  vor 
der  Hochzeit  oder  von   einem  Belauschen   der  nackt  am  Strande 


1)  Vgl.  EaphorloD  Fr.  124  M.  Die  Beschreibang  der  Parzeo  scheint  in 
aJexaodrinisch- realistischer  Ansfûhrung  das  Gegenstück  za  Piatos  erhabenem 
GenâJde.  Aof  die  Möglichkeit  einer  Berücksichtigung  der  Stelle  bei  Kolluthos 
ist  Sw  83  A.  3  verwiesen. 

2)  Ich  kann  mich  nicht  entschliessen,  mit  Vahlen  (Ind.  led,  1896/97  S.  7) 
in  y.  16  ilia  alia  atque  alia  .  .  luce  zu  lesen.  Abgesehen  von  der  sprach- 
licbeo  uod  metrischen  Härte  und  dem  Bedenken,  dass  es  hier  gar  nicht  auf 
das  allmiblige  Veninnen  angemessener  Zeit  ankommt,  scheint  mir  der  Zu- 
satz nuirieum  tenue  «•  q,  s.  ungezwungen  nur  an  die  Schilderung  eines 
Momentes  schliessen  zu  können. 


90  K.  REITZENSTEIN 

liegenden  Göttin  durch  Peleus  ab  (vgl.  0?id  Mama.  XI  221— S 
Nackt  ist  Thetis  auch  bei  unserem  Dichter,  aber  die  Fliith  ^eii 
sie;  das  ist  im  Gegensati,  doch  aus  demselben  Empfinden  geacha 
aus  dem  Apollonios  in  der  Operetten  haften  Scene  der  Rettung 
Argo  durch  die  Nereiden  die  Göttinnen  im  Wasser  Kleider  Ur. 
und  sich,  wenn  sie  sich  auf  Klippen  oder  Wogenkämmen  tc 
müssen,  nur  bis  zum  Knie  schürzen  lässt.  Die  eigenthQmli« 
Umgestaltung  ist  wohl,  dass,  wahrend  die  gesammle  jüngere  P< 
eine  baldige  Trennung  des  Peleus  und  der  Thetis  und  einen  £ 
kennt,  hier  die  untrüglichen  Parzen  yerkOnden  nuUa  domui 
unquameantexit  amores,  nulhu  atnortali  coniunxtt  foedere  ama 
qualis  adest  Tkettdi,  qualis  concordia  PeUo.^)  Nun  hat  g( 
nicht  erst  Aristarch  die  Bemerkung  gemacht,  dass  nach  der 
Thetis  den  Peleus  nicht  verlassen  hat;  ein  Anlass  oder  besser 
Rechtfertigung  der  Erfindung  lässt  sich  aufweisen;  kein  Einzc 
überhaupt,  der  sich  nicht  durch  Beispiele  belegen  liesse;  aber 
Ganze  wirkt  eigenartig  und  nimmt  sich  fast  wie  die  officielle 
Stellung  der  Liebe  eines  fürstlichen  Paares  der  Alexandrine 
aus.  Die  Prophezeiung  der  Parzen  ist  in  einen  Hymenaios 
woben  (V.  323—338,  372—382),  dessen  Anfang  noch  an  das, 
wir  ?on  Sapphos  Hymenaien  wissen,  erinnert  Die  Vorlage  setzt 
Beschreibung  des  Festes  fort;  Thetis  kommt  mit  ihren  Schwesi 
das  Gelage  entwickelt  sich:  unser  Dichter  bricht  mit  dem  H; 
naios,  mit  der  Aufforderung  zu  seligem  Liebesgenuss  ab.  So 
sein  Lied  wohl  für  ein  alezandrinisches  Hochzeitsfest  verfasst 
etwa  in  einem  Sangerstreit  bei  ihm  vorgetragen  sein.'}  Wir  mü 
um  hierfür  die  richtige  Beurtheilung  zu  gewinnen,  einen  Blicl 
die  Hochzeitspoeaie  der  Alexandriner  werfen.  Freilich  können 
ihr  nur  auf  Umwegen  naher  kommen.  Ich  will  ihnen  zuni 
sogar  überflüssig  weit  nachgehen,  um  bei  der  Gelegenheit  aul 
schönes  und,  wie  ich  glaube,  doch  wenig  bekanntes  Lied  hl 
weisen. 

Von  der  Hochzeitslitteratur  der  Griechen  haben  wir,  von 
Fragmenten  abgesehen,  die  rhetorischen  Vorschriften  des  Pse 
Dionysios  und  Menander,  eine  Rede  des  Himerios,  zwei  Reden 


1)  Die  oftovoêa  wird  in  den  Hochzeitsreden  immer  propheieit. 

2)  Natörlich  als  Epyilion  nicht  als  Epithalamion;  Theokrit  rerw« 
Aitieodichlung  und  Epithalamion.  Wie  der  Alexandriner  vergleicht  qdi 
er  empfindet,  zeigt  Theokrit  XVII  53  ff.  und  Glaudian  IX,  Sidonios  X. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        91 

Chorikios')  und  die  mit  eiuem  Theil  derselben  sich  berQhreDden 
^ioiiç  ël  yafÂrj%ioy  bei   Aphthonios  und   Libanios.     Hit  ihnen 
wieder  hangt  eng  zusammen  die  in  mehr  als  einer  Beziehung  inter- 
enante  avyxQiaiç   naç&evlaç  xal  yàfiov,    welche  Gregor  von 
Nazianz  in   sein  Gedicht  Unaivog  naç^eviaç  aufgenommen  hat') 
Des  Zusammenhang  mit  den  ^éaeiç  zeigen  besonders  gut  die  Ein- 
wisde  gegen  die  Ehe.    Aus  den  geschickten,  aber  recht  nOchternen 
Aoifithningen  hebt  sich  m.  E.   im  Ton  fühlbar  eine  Eindichtuug 
von  V.  238  an  ab«    In  un?ermitteltem  Widerspruch  zu  den  ?oraus- 
gebeiden  Behauptungen,  dass  die  Gottheit  selbst  und  alle  himm- 
lischea  Wesen  jungfräulich  sind  und  dass  die  Ehe  nur  wegen  der 
Schwachheit  der  Menschen   für  sie  förderlich  ist,   beginnt  Gregor 
îtQdha  ^eog  navTwv  yevéTrjç  .... 
%(^  6^  %7tt  deofiog  Ïqwvoç,  ènel  xal  yala  xal  al&ijç 
^tal  novzoç  Texieaai,  ydfiov  ôciçoiai,  Té&rjkev 
Bart  schlieast  hieran  der  zweite  Gedanke 

d  d'  ireov  çoivi^i  no&ov  vofiog  v^pixofioiai, 
ynywfiivovç  ^kvv  %e  xal  äcaeva  eïaçoç  äcf^ 
iqfoxofAiüv  naXafifjGi  ßcveiv  ßoTcviidea  xaçnov^ 
d  de  xal  ix  ôvâôoç  ki^axwv  Xid^og  eig  ev  lovaijç 
^^%ix%€Tai,  (og  ivinovoi  kl&wv  inUaxoQBg  avdgeg, 
lini  xal  atlwxoiGi  ydfiog  xai  deafdog  ïçwrog.  — 
oiUlo;  %l  fioi  ^eivùtv,  q)ik6rrjg,  fii^iav  %b  tvo^wv  ve; 
èéçxeo  %à  fiecOTteaai  yâfdog  Ttôçavvev  ixéq>Qwv. 

\)  R.  Förster  Ind.  led.  VraiUlav.  1891. 

2)  Migne  ill  522  ff.    Conn.  mor.  1  und  2;  das  zweite  Gedicht  enthält 

<fie  Dothwendige  Fortsetiong;  die  nicht  sehr  geschickt  eingeflochtene  av/xçurts 

mite  1,  217—732,  der  Preis  des  rafios  215—341.    Das  Gegenstück  zu  dem 

zwdteo  Gedicht  bieten  die  Fa/itiKà  naçayyéXfuira  des  Nauroacliios,  vgl.  Sto* 

bum  68,  5  (ans  der  Einleitoog)  und  74,  7;  Tgl.  68,  5,  9  ei  Bi  ce  nal  iwoUf 

n^&9Q  ßwtoeo  x<xaro«,  *ud  Tovro  n(to9aeii  i^i»,  Tfws  x^V  ^^  Tte^aaê  rov 

«itfvr,  ms  fpoffivj  rov  Bevrepov  evf>(^i  &vfi^  mit  Gregor  2,  413  Tovreney  ij 

ma&m^ijp  àona^eo  nofina»  à^Ttjv  (d^are  Edd.)  na^eritjVj  tXcoiye  fââvoQ  xal 

^ßii  ô^teçtf^  fii  fa/unf  cricyeiif  tov  ofwiêop^  c^s  ivénovaiy  Sevreçov  in  nffOL- 

99W  uedàp  nl6ov.    Mit  Naumachios  V.  6  iv^a  ya/toi  ueBvol  uai  àXij^êeç,  fy^a 

fuyêlta  ^eanêaioéS  inéeccê  varj/nara  tpâea  tiicreê,  vgl.  Gregor  1,  540  àXlà 

&ef  lUfinmMaw  clor  voop^  in  Si  &eoîo  x^eiacoct  xai  rexécev  yewrifiaa^v 

9i^aXiovoet¥  ilxeeçj  Ka&a^ok  te  vojq/iaiaw  èx  xa&açolo.    In  der  Benutzung 

dct  Sympoaioii  könnten  beide  durch  Zufall  übereinstimmen,  die  eigenartige 

Beiiotiang  des  platonischen  Saixeços  nXovç  zeigt,  dass  Naumachios  von  Gregor 

abhiogig  ist    Er  ist  wohl  Zeitgenosse  Gregors. 


92  R.  REITZENSTEIN 

Eine  AufzabluDg  solcher  ^ivoi  nà&oi  giebt  Achilles  Tatiiis  I  17 
er  erwähnt  den  Içcciç  U&wv,*)  den  yà/doç  fpvxwvy  and  swar  m 
besonderem  Verweis  auf  die  Palmen,*)  sodann  die  Liebe  und  Eh 
der  Ströme')  und  die  Ehe  der  Fische.  Mit  Gregor  stimmt  in  de 
Gedankenfolge  Himerios  ($  8)  %bL%ê%ai  di  xal  (purà  xai  Ç^ 
xal  yij  olxeîtai  aal  vo  vrjxofievov  lafißavei  &âlaaaa  xal  ch} 
içàvf]  rt%eçip  noçevaifdoç.  iq>^xê  de  6  Fafioc  xal  qfvtà  ^ 
%oîç  xal  notafAOvç  m^yaiç  xai  xâlaÇav  xal  ofißQOvg  %fî  y^,' 
Noch  fehlen  die  fiv&oi,  die  Gregor  erwähnt;  sie  schliesae 
offenbar  an  die  bei  ihm  ?erdunkeUe  Behauptung,  dass  auch  di 
Gottheit  dem  Zwang  des  Eros  unterworfen  ist  und  daher  das  Welta 
entsteht.  Die  AusfOhrung  giebt  Himerios  $  7  t^y  ô^eoç  xal  qrûaé 
...  §  8  ôévTéçovç  ôè  yafiovç  (àb%*  aitovç  ^xeavov  xal  T\ 
^oç  ...  in  demselben  Zusammenhange.*) 

*     Gregor  fôhrt  fort: 

tiç  ao(fir]v  iôida^c  çiXtjv  xal  ßiv^e^  avevçev 

250  oaaa  x^^^»  ^^^  novxoç,  Sa*  oiçavoç  itroç  iéçyei; 
Tiç  ftxoXuoaiv  ï^r^xe  vofiovç;  xal  twvôe  nàqoL&BV 
riç  rt%6Xiaç  à*  àvéyeiçe  xal  êigeto  lAtfitai  %éx^ag; 
tiç  nh]aev  (d')  àyoçàg  xal  ôwftava;  xal  %lç  aywpaç; 
Jiç  axQotov  iv  noléfioiai  xal  |y  &aXif]ai  tçani^ç; 

255  riç  x^Ç^^  vfAVt^Tf^ça  &vfid€t  Tttj^aro  vriÇ; 
tiç  &rjgwv  xarêXvae  ßiov  xal  yaîav  ègàaaeiv 
xal  q^vtOBçytlr^v  iôiôa^atOy  xal  nêhiyeaai 
vf/  j/ra9>j^x€  fiékaivav  ineiyofiévr^y  àvifâoiai; 
ttç  yaîcnf  xal  novtov  vygij  avéôïïjoe  xelevô^ 

200  jtôatfi  yâfAOt\  ta  ôh  noiXov  anànQO&ev  elç  er  àyëlçêi; 


\)  V(r).  Theophrist  9r<^  It^mr  §  5.     Plio.  n.  A.  36, 134. 

2)  Die  PariHelfo  aus  Kallimacbos  odö  der  gesamiBteB  too  den  Alexa 
drinern  bebenschten  Litteratur  giebt  Dilthey  df  C4tliimachi  Cydippm  79. 

3)  Alpbeios  aod  Areihosa  als  Beweis  für  die  Macht  des  Eros  ibnlich 
dem  aus  eiaem  grössereo  Gedicht  excerpirten  Id.  6  des  Mosches;  in  aodi 
Verbiodung  erwähnt  ihn  Gregor  im  iweiten  Gedicht  V.  596  und  Statins  Sih, 
2,203  0: 

4)  Es  folgen,  wohl  ans  andrer  Quelle ,  eine  Reihe  tos  Sagen  tob  d 
Liebe  der  Ströme.  Mit  Himerios  t»erûhrt  sich  eng  SutHis  5ilp.  I,  2, 183— tC 
Breiter  ist  Menander  (ilAef.  frmec.  IX  267.  7—26$  Wall),  ancb  er  Tenre 
anf  Alpheio«  nnd  die  Liebe  der  Palmen;  doch  ist  die  Ânordnang  aaders. 

5)  Aehnlich.  doch  nach  andrer  O^^l^  Meoander  266,7flC 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        93 

Dl»  Gregor  hier  eioe  Vorlage  abgeschrieben  bat,  ohne  sie  zu  ver- 
steben,  leigt  die  Widerlegung  V.  429—440:  das  alles  hängt  mit 
der  Ehe  doch  gar  nicht  zusammen  und  macht  ausserdem  nicht 
glocklich.  Wir  finden  den  Gedanken,  dass  die  Ehe  den  Städten, 
Markten  u.  s.  f.  die  Henschenfalle  giebt  und  dass  aller  Culturfort- 
tduritt,  Kunst  und  Wissenschaft  nur  in  der  ununterbrochenen  Folge 
der  Geschlechter,  die  aus  der  Ehe  folgt,  entstehen  konnte,  auch 
bei  Libanios  (IV  1060  R.)  und  —  näher  an  Gregor  anklingend  — 
bei  Menander  267,  4  wieder  ort  di*  ovtov  o'äkazxa  TtkeîTai^  di 
mov  yewçyeitai  yfj,  o%i  q>iXooo(pla  xal  yvwoiç  tdv  oiga- 
fim  öl*  èxeîvov  ea%i  xai  vofioi  xal  noXiTeîai  xai  navra 
mhLç  Ta  àp^çùiTteia.  Gregors  Vorlage  aber  hat  danach  den  Fafiog 
nun  Erfinder,  zum  evQetijç  aller  dieser  Dinge  gemacht,  genau  wie 
Himerios  $  9  narra  avxfß  avve^evçe  xal  avvenoQiaev  olç 
fil  Te  oixeivai  xal  ^dkarra'  ^ççrj^e  fièv  yrjç  ôi  av%oi  àço- 
Tçotç  dlaxa,  oxâq>oç  de  ènaçfjxë  toîç  xv fiaaiv,  ïn- 
novç  6b  tf/alloiç  ineiaev,  $ôœxe  de  noXéfi(^  fihv  Snka^ 
itQTivrj  ôk  &aklaç.  Eine  derartige  Kühnheit  möchte  ich  eher 
einem  Dichter  als  einem  Redner  zutrauen;  dass  er  an  die  philo- 
sophischen Constructionen  der  Urgeschichte  und  die  Litteratur 
Ober  svQrifAora  anschliesst,  zeigt  alexandrinischen  Einfluss.  Eine 
gewisse  Aehnlichkeit  bietet  der  Preis  der  di  agrestes  bei  TibuU  U  1, 
UDd  schon  ?or  diesem  hat  Calvus  —  wahrscheinlich  in  einem 
£pi(halamion  —  Demeter  als  Freundin  des  Fafjioç  das  vollbringen 
bssen,  was  Gregor  dem  FdfAOC  allein  zuschreibt  et  leges  sanctas 
éêQât  et  eara  iugamt  corpora  conubiis  et  magnas  condidit  urhes. 
Gregor  hat  seine  Vorlage  nicht  verstanden,  als  er  V.  251  xal  vtavoe 
nd^id'ev  schrieb. 

Zum  letzten  Theil  geht  Gregor  fiber: 
Kai  va  (ikv  iv^dde  %ola,  %à  ô^  vipôd^t  nokXov  açelw. 
àXkijkoiai  x^Q^S  ^^  ^^^  ovata  xal  noôeç  kofiiv 
avÇvyljjf  ôinXovv  de  ydfÂOÇ  xal  avakxiv  e&rjxev, 
XOQfia  fiéy^  evfievieaaiv,  axoç  ôé  ze  âvofxevéeaaiv.^) 


1)  Der  Gedanke  erklärt  sich  aus  Antipater  nagi  yâfwv  Stob.  67,  25  optoi- 
ya^  àcruy  oiS  tX  t«6  fila»  ixaw  x^Hf^  irsQav  no&av  ncoalaßoi^  rj 
ttm.  n63a  tx»v  txtijov  akhtxôà'ÈV  iitnrflaxo,  dtç  yà^  ovtos  noXv  âv  ^ov 
mml  ßalBiötu  av  ^éloê  xal  n^ayayovwo,  ovrtûS  6  yvvaïxa  eicayéfuvoç  ^qov 
mnuXtf^fmras  ràç  «atà  rov  ßiov  at^jfjçiovs  xai  cvfifegovaaç  x^eiaç.  àpri 
ymvw  9vo  è^&aXfê£v  xif^^rttu  récaaçaê  xal  avrl  Svo  x^Hf^^  été^êS  Toccetf 


94  R.  REiTZENSTEIN 

265  §vval  xal  fÀêXeôùivai  iXaq>QiCovoiv  àviaç, 

^vrai  d*  8vq>Qoavvai  ylvxeçtitëçai  àfiqxnéçoiai. 
TBQTtvoTBQOÇ  fABv  TtXovToç  ôfÂoq>QOvéovGi  Tevvxrai, 
TsçnvotiQfj  nlovTOio  ô^  ofioq>Qoavvr]  %a%éovot. 
Die  folgenden  Abgcbnitte  sind  von  Gregor  theils  nach  BibelsprOcheii 
umgebildet,  tbeils  im  Hinblick  auf  christliche  Verhältniise  hiniii- 
erfunden.    Was  hier  fehlt,  zeigt  die  Widerlegung  V.  592 

vli^eaaiv  ava%Xoâovai  tox^eç 

yrjQoxofÀOiç,  àkoxtp  t6  noaiç  aXoxoç  ts  àxolvf]. 

Gnà^ovTi  dé  viç  ßeßawg  fiéy^  ÏQBiOfia. 

Dem  entspricht  in  derselben  Reihenfolge  bei  Himerios  $  9  {Jtomu) 
xaï  yijçif  tifiijv  xal  rjßaic  av^og  xal  naldiov  ykvxelaç  èhxlôaç. 
Wortlaut  und  Reihenfolge  verbargen,  dass  Gregor  und  Hime- 
rios in  diesem  ganzen  Abschnitt  eine  gemeinsame  Quelle  benutieBy 
und  als  ein  Ganzes  kennt  diesen  Preis  des  rdfAOç  auch  Chorikios 
(Förster  S.  19,  20—20,  1).')  Die  im  weiteren  Verlauf  der  my- 
xQiaiç  nicht  ungeschickt  benutzte  ^éoiç  war  es  nicht,  und  da 
Himerios  (§12  Eingang)  ausdrücklich  bezeugt,  dass  sich  dieser 
Preis  des  FafAOc  auch  in  Hochzeitliedern  finde  und  noch  zu  seiner 
Zeit  in  denselben  regelmässig  wiederkehre,  werden  wir  an  ein  be- 
kanntes Hochzeitslied  —  am  liebsten  aus  alexandrinischer  Zeit  — 
denken.  Der  gewaltige  Einfluss,  welchen  die  alezandrinische  Poesie 
auf  Gregor  übt,  bat  m.  W.  noch  keine  genügende  Darstellung  ge- 
funden.*)    Mit  ihr  steht  auch  der  km^aXâfAtog  kôyoç^   wie  ihn 

Ta«ff,  ok  xai  à&çotûS  nçârroi  ov  Qqov  to  fà.v  x^^Q^^v  é^ar.  Der  ans  Plato 
Symp,  189.  190  herausgebildete  Gedanke  hat  bei  Gregor  in  Y.  263  so  wonder- 
voUen  Ausdruck  gefunden  (während  doch  261.  262  zeigen,  dass  Gregor  die 
Sache  nicht  versteht),  dass  ich  auch  das  Original  dieser  Verse  troti  des 
nahen  Anklangs  von  V.  264  an  Od.  6,  184  für  einen  älteren  Dichter  in  Ad- 
sprucb  nehme. 

1)  Vgl.  z.  B.  19,  30  rà  fièv  ovv  nalypui  jov  d'aov  dipd^  nal  li^avs 
èôj  (xal  rà  nix6yfi»vd  re  xai  vri%6fieva  yévrj  xal  norafiov  r&va  nriyr-Ç  ifa" 
axriv  q^érop  afitx^Xoyos  av^^. 

2)  Wenigstens  so  weit  es  sich  nm  die  Erfindung,  nicht  den  sprachlichen 
Ausdruck  bandelt.  Gleich  der  erste  Vers  unserer  Ausgaben  (Hda  /sir  ds 
ax*9i^at  fiax^op  nXàav  ixne^omfisv  verbürgt  durch  seine  UebereiostimmiiDg 
mit  Properz  III  9,  35.  36  seinen  alexandrinischen  Ursprung.  £aphoiioa 
(Meineke  j4naL  AI.  S.  120)  beginnt  die  Erzählung  eines  Traumes  (des 
Herakles?)  mit  den  Worten  x^*Z^^  f^***  xvmaaom  ntiç  l4^avd'mvêO¥  cJsca«, 
Gregor  (eamu  de  te  45,  229  Migne  III  1369)  mit  den  Worten  xai  nowé  /ÊOê 
xvei^aopti  na^iara/TO  rolaç  Cveêçoç;  das  Traumbild  selbst,  die  Beschreibnog  4er 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEDS  UND  DER  THETIS        95 

Meoander  UDd  Himerios  cbarakterisiren,  im  eogsten  Zusammenhang; 
ift  er  doch  nur  eine  Art  des  içwvixoç  Xoyoç  und  zwar  diejenige, 
Id  welcher  der  Brauch  des  taglichen  Lebens,  das  beständige  ge- 
meiDsame  Auftreten  ?on  Rednern  und  Dichtern«  eine  fortgesetzte 
Wechselwirkung  von  Rhetorik  und  Poesie  am  meisten  erzwang. 

Als  classische  Vorbilder  dieser  fortlebenden  und  wenigstens 
zum  grossen  Theile  ?on  den  Alexandrinern  abhängigen  Poesie 
gellen  dabei  die  Hochzeitslieder  der  Sappho.  Das  bezeugen  Pseudo- 
DioDysios  und  Henander,  das  zeigt  Himerios  und  bis  zu  einem  ge- 
wisseo  Grade  noch  Chorikios.')  Eine  treffliche  Bestätigung  giebt 
Gregor  in  der  Klage  des  Sohnes  des  Vitellianus,*)  der  von  der 
flochxeit  seiner  Schwester  ausgeschlossen  ist  und  doch  gar 
10  gern  seine  poetische  Begabung  in  einem  Liede  auf  die 
flochxeit  gezeigt  batte.*)  JOnglingschOre  umringen  den  Bräuti- 
gim  und  preisen  ihn  ioixova  içveï  xaiU^/)  Jungfrauenchore 
Khmflcken  —  offenbar  ebenfalls  unter  Liedern  —  die  Braut 
hr  den  Svtlafiog,  einzelne  Sanger,  leider  nicht  die  besten,  singen  : 
ttUoç  aeias  xaXlLoç  iov,  ^av^olaiv  vno  nXoxâfioiai  (léXaivav 
ifp^w  vnegvéXlovaay  in^  açyvQéfjOi  naçeuxîç.    ï  a  ne  gov  bÏ- 

Widen  Joogfrauen  ist  durchaas  alexandrinisch.  Den  langen  Aofzählungen  der 
liederatoffe,  welche  der  Dichter  nicht  besingen  will,  entspricht  bei  Gregor 
(com.  de  ae  34,  71  Migne  III  1312)  fiêlnœ  8'  av  T^ifjv,  ovx  evnloov  oîa 
w  Afyw,  ov8i  avoç  xe^aXrjv^  ov  noXvv  'H^anlsaj  ov  y^ç  av^éa 
Ma  oncH  nêXayB99tiv  â^^ar,  ovk  avyàs  Xi&aMOfv,  ov  Sgô/wv  ovçaviaar, 
**èè  nô&aav  fiiXnœ  fiavii^v  nal  xàXXos  itprißiov^  olct  X\i(nj  ftaXanov 
itfovn'  àno  n^orâçaav*  fiiXnm  8'  vrpifii8i»rta  ^aov  fAéyap  tnX.  Das  ist,  wie 
wieder  Properz  zeigt,  alexandrinisch  empfunden,  und  die  Erwähnung  von 
Kpen  aof  die  kalydonische  Jagd  und  Herakles  mag  auch  direct  aus  einem 
Alexindrinef  übernommen  sein.  Sollte  in  dem  Letzten  übrigens  eine  Hin- 
deotQog  auf  Phanokles'  'E^aneç  ^  naXoi  liegen? 

1)  Förster  S.  16,  20  t^  vvfiftiv  ,  .  .  San^êx^  fiaXip8iq  Koa/irjCaf  col 
XPftap  ßh^  aî8oç  xal  OfL/iaxa  fuhxçâ^  'Eçm^  8è  tiaX^  naçiicéxvraê  nçoownqf 
(Sappb.  Fr.  100  ßtaXUxiOC  J'  in*  tfiêçrq^  Ke'xv^ai  n^oao^ntçi)  ual  aa  rari/irjxar 
iffixtK  ri  *AtpQo8ixri,  aXX*  inai  ovtm  (Cod.  ovnto)  r^s  ^anf>ovç  fjxQodatu 
mM^  mL  Man  vergleiche  hiermit  die  alexandrinische  Ausmalung  bei  Hi- 
■erios  §  19,  bei  der  man,  wie  Ghorikios  zeigt,  irrig  an  Anakreon  Fr.  2  ge- 
4adit  bat 

3)  Carm.  ad  aUoa  3,  177^215,  Migne  III  1493-1495. 

3)  V.  198  17  yà(f  àoêSrjç  t8çiS  iow  no^iatv  %a  Fafiov  uai  Xdxzçov  aaiaai 
• .  .  ual  ^aMfiOv  /laXéaCGê  7tar(^s  %6lov  i^oMiatufd'tu,  Die  Hochzeitsreden 
erwibot  V.  180. 

4)  Vgl.  Sappho  Fr.  104. 


96  R.  REITZENSTEIN 

Qvaev  aXi.0Çy  éwaq>6çov  aXkoç  Seiaev.  Die  aus  de 
Lebeo  gegriffene  Schilderung  giebt  wenigslens  annähernd  ein  Bi 
?on  dem  Fortwirken  der  durch  Sappho  in  die  Litteratur  eingefOh 
ten  Form  des  Hochzeitaliedea. 

Wie  die  Hochzeitslieder  Sapphos  von  den  Alexandrinern  nad 
geahmt  werden,  hat  Kaibel  an  einer  Aitiendichtung  Theokrits  zi 
▼ollsten  Anschaulichkeit  gebracht.  Aber  auch  Eratosthenes  hl 
was  man  bisher  nicht  beachtet  hat,  in  einem  Epithalamion  di 
Vergleich  des  Madchens  mit  der  Rebe  von  Sappho  entlehnt 
Nicht  im  Gegensatz  zu  den  Alexandrinern,  sondern  im  engst« 
Anschluss  an  sie  und  z.  Th.  wohl  durch  sie  haben  Catull,  Calr 
und  Ticidas  fOr  ihre  Epilhalamien  Sappho  benutzL  Sie  fahre 
soweit  wir  erkennen  können,  die  griechische  Sitte  solcher  Die 
tungen  in  Rom  ein.  An  sie  schliessen  die  zugleich  stärker  ▼< 
der  Rhetorik  beeinflussten  Dichter  der  ersten  Kaiserzeit:  zwisch* 
Catull  und  Statins  steht  Ovid.')  Eine  Vorstellung  von  dieser  Poei 
giebt  das  Epithalamion  fQr  lason  und  Kreusa  bei  Seneca  (Medea  i 
bis  115),  dessen  einzelne  Züge  wir  fast  sammtlich  bei  Sappli 
Theokrit  und  Catull  nachweisen  können.')  Das  Vorbild  wird  Ofi 
Medea  gegeben  haben,  da  in  der  Epistel  XU  137  der  Hymenal 
ausdrOcklich   erwähnt  wird.^)     Durch  die  Rhetorik  und  weit  mei 

1)  Vgl.  Elym.  genuin.  Avçotrxâs'  r-  â/untloç.  fié/ivrjTeu  ïla^d'iptos  i 
'HcaxXdi  ,avçoffx^^^  ßorcw  'Ixaçêœvîrjç^.  *EçaTOff&èvTjÇ  3è  iv  *JSn*^alafd 
rà  Hotà  ßor^w  icJSjfia.  Vgl.  Catull  62,  49  ff.  Die  wunderliche  Missbaodlui 
der  Stelle  bei  Hiller  hätte  schon  nach  dem,  was  Jacobs,  Welcker  und  Wüste 
mann  zu  Theokrit  und  Sappho  bemerkt  hatten,  unmöglich  sein  sollen;  li 
verdient  keine  Widerlegung  mehr.  Ein  Epithalamion  oder  eine  diesem  tci 
wandte  Dichtung  ist  auch  für  Kallimachos  bezeugt  (Fr.  196  ^A^iv&tfi,  œffiift 
yâftov  Maraßallofi*  àeiSeiv)^  fur  Parthenios  wenigstens  wahrscheinlich  (Fr.  ) 
Mein.  tXaoç,  w  ^Tfuvau), 

2)  Vgl.  ex  Ponto  I  2,  13t  iUe  ego,  qui  duxi  ve tiros  iiymena99 
ad  ignea  et  cecini  fauslo  carmina  digna  thttro.  Es  scheint,  dass  dasUc 
wirklich  gesungen  wurde. 

3)  Man  vergleiche,  um  die  Unterschiede  voll  zu  empfinden,  die  Ve 
Wendung  des  Hymenaios  im  älteren  Drama  (Eurip.  Troad.  308->340,  PhaMi 
Fr.  781,  14—30,  Aristoph.  Friede  1316—1357,  Vögel  1720—1754).  Einidi 
Wendungen  (wie  z.  B.  lumine  non  suo)  verreiben  alexandriniscben  Einfloss;  n 
V.  100. 101  pastor  roscidus  vgl.  Kallimachos  Hecale  ed.  GomperzIV  U  axtßif^ 
ayxovQas,  —  Mit  der  alexandriniscben  Schilderung  der  Hochzeit  des  Pelc 
berührt  sich  der  Eingang  ad  regutn  thalamos  nutnine  prospéra  qui  eofik 
superi  quique  regunt  fretutn  adsint  cum  populis  rite  faventibus, 

4)  Vgl.  Leo  Seneca  I  168  ff. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        97 

Docb  durch  allere  Vorbilder  hangen  dann  die  Spatlinge  der  latei- 
lischen  Poesie«  Glaudian,  Luxoriua,  Sidonius,  Dracontius,  ja  selbst 
EoDodius  und  Venantius  mit  der  alexandrinischen  Dichtung  zu- 
sammen. 

leb  Terzicbte  darauf,  zum  Beweis  hierfür  die  EinzelzOge  bei 
dieuD  Dichtern  in  Himerios,  Meuander  und  der  alexandrinischen 
PoMie  aufzuweisen^);  stets  kann  hier  die  Rede,  nicht  die  Poesie 
dieTermitÜerin  gewesen  sein;  ich  beschranke  mich  auf  die  grösseren 
ErflodoDgen,  weiche  Himerios  ausdrücklich  für  Sappho  oder  ,die 
Dichter*  in  Anspruch  nimmt') 

{5        Alle  Dichter  lassen  im   HochzeilsHede  Sappho  den  Preis 

und  schliessen  an  sie;  sie  errichtet  den  d-akafiog*)  sie 

tritt  nach  den  Wettgesangen  herein,  sie  rüstet  das  Lager, 

(A)  sie  beschreibt  die  Braut  und   den  Bräutigam  ;   sie  führt 

Aphrodite   auf  dem   Wagen   herbei   mit  den   Charitinnen 

und  dem   Obermüthig  sich  tummelnden  Chor  der  Eroten 

{ t9  (B)  mit  goldenen  Flügeln  und  goldenen  Locken.  —  Auf  die 

Braut   passen  die  bewundernden  Rufe  Sapphos  et  xaili^, 

b   Xagieaoa;  sie  ist  ja  Spielgenossin  der  Charitinnen  und 

der  Aphrodite,^)  ihr  schmücken  die  Hören  die  Wiesen  mit 

dem  Blumenteppich,  über  den  sie  in  leichtem  Tanz  dahin- 

(A)  schwebt.*)  —  Die  Eroten   umkränzen   das   Brautbett  mit 

Rosen,  die  sie  in   dem  Garten  der  Aphrodite  gebrochen 

f  20  (B)  haben.  —  Ware  ich  ein  Dichter,  ich  versetzte  sie  in  den 

(A)  Hain  der  Aphrodite.  —  (Zu  der  Hochzeit)  riefe   ich  die 

Musf^n  herbei  und  die  Nereiden  und  Chöre  von  Nymphen 

und  Dryaden,   Echo   und  tanzende  Satyrn,   Pan   mit  der 


1)  Weoo  z.  B.  aaadiao  X  289  ff.  den  Briatigam  mit  dem  Füllen  ver- 
gleicht, ao  dessen  erster  Uebealust  die  Hirten  sich  freuen,  und  Himerios  §  5 
teiellien  Bilde  eine  neue,  rein  persönliche  Wendung  giebt. 

2)  Dass  Himerios,  auch  wo  er  Sappho  citirt,  ihren  Worten  und  Bildern 
hcttiodig  jüngere  Zöge  beifügt  (z.  B.  in  der  Schilderung  der  Eroten),  erklärt 
äek  ans  leicht;  die  Ausführungen  und  Anklinge  der  jüngeren  Poesie  beein- 
ioiien  ihn. 

3)  VgL  Sappho  Fr.  91;  anders  Glaudian  X  213. 

4)  Vgl.  das  Fragment  der  Sappho  bei  Ghorikios  S.  95  A.  1  und  die  Fort- 
aelmog  bei  Himerios. 

6)  ^iofv^ê  Xa(nTB6  avfincUiovaiv ,  vgl.  §  20  (nach  einer  alexan« 
dMniacben  Einlage)  x"^^^  ^^  Xa^ixatv  nXêiafievos  é'Staxsv  âv  TaU  &aaXç 

HoMsXXXV.  7 


98  R.  REITZENSTEIN 

Syrinx  und  den  gaozen  Tbiasos  des  Dionysos.  Aphrod 
aber  (wie  sie  eben  aas  dem  Meer  entstiegen  ist)  lief 
icb  zu  Häapten  des  Bettes  treten  und  mit  süssem  Lflcbc 
den  Eroten  den  Befebl  geben,  das  Paar  mit  ihren  Pfeil 
zu  treffen.') 
Verscbiedene  Bilder  geben,  z.  Tb.  vielleicbt  nicbt  einmal  durch  d 
Redners  Schuld,  hier  durcheinander;  wir  mOssen  einen  Anb 
suchen,  um  sie  zu  scheiden.  In  der  lateinischen  Poesie  sonde 
sich  leicht  zwei  Haupltypen.  Der  Dichter  erzahlt  entweder  c 
Vorgeschichte  der  Hochzeit:  Venus  berflth  mit  Amor;  er  hat  d< 
JOngling  getroffen,  sie  begiebt  sich  zu  dem  Mädchen,  um  sie  s 
Ehe  zu  bestimmen;  zu  diesem  Typus  gehört  das  Lied  des  Stati 
(ßilv.  1  2),  ferner  nach  ihm  Claudian  IX.  X')  und  nach  diese 
Sidonius  X.  XI.*)  Oder  der  Dichter  beschreibt  die  Hochzeit  seit 
und  lässt  alle  Gotter  zu  ihr  kommen.  Venus  kommt  mit  den  Obe 
müthigen  Eroten  und  mit  dem  Hymenaios  durch  die  Luft  zu  de 
Brautgemach;  sie  holt  als  fronuba  das  Mädchen  vom  Scbooss  d 
Mutter  weg  und  führt  es  zu  dem  Gatten,  vereinigt  beider  Hänc 
spricht  die  Segensworte  und  befiehlt  zwei  Eroten,  sie  mit  ihr 
Pfeilen  zu  treffen.  Diesen  Typus  vertritt  am  besten  Claudian 
dem  Hocbzeitsliede  für  Palladius;  in  allen  Einzelheiten  stimmt 
zu  Himerios,^)  und  eine  starke  Benutzung  älterer  griechischer  Die 
tungen  wird   bei  Claudian   niemand   befremden;   er  genügt  allei 


1)  Auf  dasselbe  Lied  nimmt  Menander  IX  271,  15  Bezog:  ^aXaftoç 
neTTOitulrai  av&iüi  xai  y^atpals  TtavroiaiS  noXkr^v  Sa  tt^v  l^y^fodixtjr  i'x 
Ttêi&Oftai  8i  xal  "Mçanaç  na^eXvai,  Tofa  fiiv  èvrêivofiivovç  ßäkq  Si  èfê 
fiOTTOvraç  yaçfiâicOie  nod'œv  ràe  dxiSas  xç^^^*^^^ ,  ^^'  ^^  '^às  ywxàs  m 
xvçeicovaiv  àvanvêlv  aXXr^Xaie, 

2)  Dass  die  Beschreibuog  des  Haines  der  Venus  auf  alexaodrioische  V( 
bilder  zurückgeht,  bat  Dilthey  Cydippe  S.  79  bewiesen;  den  Hain  der  Âphr 
dite  erwähnt  Himerios  §  20. 

3)  Scherzhafte  Weiterbildung  ist  Sidonius  XIV.  XV  (vgl.  Vollmer 
Silven-Gommentar  S.  235  ff.);    an  denselben  Typus  schliesst  Loxorius  Bihrf 
PLM  IV  237  ff.    Eine  wenigstens  ähnliche  Erfindung  verwendet  Ghorikioi 
der  ersten  Hochzeitsrede. 

4)  Carm.  min,  XXV;  vgl.  besonders  V.  116—123  die  Eroteo  streoeo  < 
Kosen  aus  den  Gärten  der  Venus  (vgl.  die  leichte  Umbildung  bei  Statins 
bis  21).  Mit  Gatull  LXI  beröhrt  sich  das  Gedicht  in  dem  Gedanken,  d 
der  Festjubel  selbst  die  Hochzeitsgötter  aus  ihren  Träumen  weckt,  and 
der  Beschreibung  des  Hymenaios  (vgl.  Menander  272,  7,  Seneca  Mn 
V.  67—70). 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS        99 

um  aus  den  AndeutuDgeD  des  Himerios  ein  zusammeDhäogeodes 
Lied  la  gewinneD.  Freier  spielt  mit  diesem  Typus  DracoDtius  VI/) 
aber  er  ist  im  Wesentlichen  uoabhaogig  tod  Claudian  uod  hat 
eineo  eigenthOmlichen  Zug  mit  Sappho  gemein.  Als  Aphrodites 
Zaoberwagen  das  Haus  erreicht,  eilen  alle  Freuden  ihr  entgegen, 
tmm  mre  modesio  anxia  sola  procul  thalamo  florente  rdieto  Ytr- 
pdàm  pudibunda  fugit  raptumque  pavescens  fletibus  ora  rigat,  quae 
non  reditura  recedit,*) 

Sutius  kennt  diesen  Liedertypus  schon  und  nimmt  im  Eingang 
aosdrOcklich  auf  ihn  Bezug  ;  er  hat  sogar  die  Form  der  Vision  — 
lof  welcher  die  ganze  Erfindung  beruht  —  am  treusten  bewahrt. 
Es  ist  dieselbe  Form,  welche  Kallimachos  in  seinen  Hymnen  ver- 
weiMlet,  and  es  ist  dieselbe  Vision,  welche  Kallimachos  im  Fr.  116 
beschreibt  eveav*  IätcoHwv  riß  X^QV'  ^^^  i'VQtjg  dnovw  xai 
m^EQtitwv  "^a^ofirjv  ïavi  xàg>QOÔlTrj.  Sehr  wohl  kann  dieses 
Fragment  daher  einem  melischen  Hochzeitsliede  angeboren.*) 

Es  ist  ein  weiter^  yieherschlungener  Weg,  der  von  Sapphos 
wttDderbaren  Dichtungen  bis  herab  zu  den  kläglichen  Stümpereien 
eines  Dracontius  fQhrt^  und  nur  auf  kurze  Strecken  fällt  bisher 
ein  dämmerndes  Licht,  wie  wir  ja  Oberhaupt  das  nie  wirklich  unter- 
broGhene  Fortwirken  der  alexandrinischen  Poesie  bis  in  die  Aus- 
UiDge  des  Alterthums  hinein,  nicht  mehr  im  Einzelnen  verfolgen 
kOonen.  — 


1)  Zo  demselben  Typus  gehört  noch  das  Lied,  welches  Drtcootios  VII 
2Î-68  beschreibt,  so  wie  z.  Th.  Enoodios  1  4  uod  Veoantios  VI  1.  Vgl,  auch 
CliQdian  de  com,  StiUehofäs  II  354. 

2)  Demetrios  ytê^l  é^fifjv.  140  naçà  ^anfpol  •  .  vvfuyrj  nçoi  xtiv  Ila^ 

3)  Vgl.  z.  B.  Dracontius  VI  4  Fenus  alma,  poiestas  Delphica^  flammi- 
poUm  invasit  tecta  Cupido;  vgl.  VII  10  und  für  die  Form  der  Einführung 
Cborikios  (Förster  23,  24)  nêi&o/iai  tnfv  ras  Motiaas  ror  i/iivautv  qBëiv  und 
Menander  271,  15  (oben  S.  98  A.  1).    Die  Ausführung  wäre  freilich  hier  eine  au- 
to. So  berühren  sich  ja  auch  die  in  anakreonteischen  Maassen  geschriebenen 
spâtgriechischen  Bochzeitslieder  nur  ganz  selten  mit  den  hier  berücksichtigten, 
te  stark  auch  der  Einfluss  der  Rhetorik  auf  ihre  Verfasser  sonst  ist.    Genau 
io  hält  sich  die  in  lyrischen  Maassen  geschriebene  Feseennina  des  Claudian 
(H— >XIV)  und  der  (^nto  des  Âusonius  auf  einem  anderen  Gebiet  und  wird 
die  Nachahmung  einer  ^^17  bei  Himerios  (§  20)  deutlich  von  dem  Torher- 
gebenden  Uede  geschieden.    Die  Verquickung  yerschiedener  Elemente  bei  En- 
oodios ist  offenbar  stilwidrig. 


100  R.  REITZENSTEIN 

Den  Dichtero  entlehnt  die  Hochzeitsrede  auch  ihre  myth« 
Idgiscben  Beispiele,  and  hierfOr  empfiehlt  Menander  268,  15  d 
Stadium  Homers  und  vor  allem  Hesiods:  noiXà  dh  av%^  ip  %o 
Kataloyoïç  jwv  yvvainLwv  eÏQijrai  ftegl  ^eahf  awovalag  x< 
ydfiov.^)  Das  berühmteste  dieser  Beispiele,  die  Hochzeit  de«  Pelei 
und  der  Thetis,  erwähnt  er  selbst  als  passendste  Einleitung  ein 
avBToç  Xôyoç  verbunden  mit  der  Hochzeit  des  Dionysos  and  d 
Ariadne  265,  8:  olov  al  Xéyoïç  viog  Jiv  o%i  yafiovrtoç  Jiotvai 
'uàQiââvrjv  naçrjv  o  ^AnoXkwv  xal  rrpf  kvgav  ïnlrjTtev'  îj  9 
nrjXéwç  yafiovvToç  naçrjaav  fikv  anonfTsç  ol  ^eol  xal  tcgot 
fjeaav  ai  Movaai  %ai  ovx  '^fielet  %(âv  Ttaçovrwv  ixaaxog  nçi 
Ttovaav  av%(f  àwqeàv  xaqÜ^Bad'ai  tip  yctf^fi'  a^'  i  fiiv  idlêc 
dwQa,  o  dh  HnltjTve  XvQav,  al  êi  rjvlovv,  al  di  fjôav,  *Eçpiê^ 
de  ixtJQwre  rov  vfAvov  roi  ydfiov.  Hesiods  Lied  ist  dabei  ebc 
so  frei  umgebildet,  wie  die  Anführungen  aus  Sappho  bei  Hiffl< 
rios;  der  Redner  bringt  den  Hermes  loyioç  herein;  auch  für  di 
erste  Beispiel  wählt  er  eine  junge  Umformung,  die  wenigstens  m 
nur  aus  Georgios  dem  Grammatiker  (C.  VU  Bergk  PLG^  HI  371 
bekannt  ist  xi&âçijç  ava§  'AnoXliov  yâ/aiov  fiéXoç  Xiyahê 
yXvKBQai  nàgeiai  Movaai  BgofiUp  yà^ovç  %eXoiaai\)  D< 
Vorschrift  Menanders  folgen  Qaudian  IX.  und  Sidonius  X.;  wei 
ihr  Vorbild,  oder  besser,  ihre  Vorbilder  für  diese  Schilfierung  wirl 
lieh,  wie  ich  vermuthe,  Hesiod  benutzten,  so  folgten  sie  au« 
darin  nur  der  technischen  Vorschrift  und  der  herrschenden  SitI 
Wenn  ferner  Himerios  (§  20)  angiebt,  dass  in  einem  Hochzeit 
liede  die  Musen  uud  Nereiden  einerseits.  Pan,  Echo,  die  Satji 


1)  Unmittelbar  Toraos  geht  die  Aofsahloog  der  Beispiele  Poseidon  m 
Tyro,  Zeus  und  Europa,  Zens  und  lo;  eine  ähoUche  AofsShloog  bringt  276,  j 
Dionysos  und  AriadDe(?),  Aiakos  und  Aigioa,  Peleos  nod  Thetis,  Zeos  w 
Leda,  Telemach  und  Polykaste,  Anchises  und  Aphrodite.  Das  vorletzte  Bc 
spiel  weoigsteos  stammt  in  letzter  Lioie  sicher  aus  Hesiod  (Fr.  36  Rs.). 

2)  Das  gaoze  Lied  schliesst  ausnahmsweise  (?gl.  S.  99  A.  3)  an  den  Torhi 
besprochenen  Typus:  der  Chor  der  Charitinnen  rüstet  das  Lager,  Eros  nini 
den  Pfeil  des  Himeros  aus  dem  Köcher ,  der  greise  Nil  schwingt  sich  mit  i 
Reigentanz;  so  will  auch  der  greise  Dichter  muthig  mit  tanzen  und  singe 
—  Die  Hochzeit  des  Dionysos  erwähnt  in  ihnlicher  Gedankenverbindang  m 
Menander  auch  Himerios  (§  5)  àuovm  9à  xal  rov  Ilàva  &aàv  ravrov  xo^  • 
fuar  fUîiop  ifiTivëtccu  Tj  oi(>iYYi,  ot»  xr^v  li^tâSpijy  Jêorvcos  ir  K^ifTtm 
âtrif^ç  ivvfAtpavav,  Beide  Hochzeilssagen  erwähnen  femer  Statins,  Dnco 
tins  (VII),  Ghorikios,  Psendo-Dionysios. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS      101 

und  der  ganze  Thiasos  des  Diooysos  andrerseits  id  das  Hochieits- 
baas  doziebeD,  und  die  lateinischeo  Dichter  dies  dadurch  bestfltigeD, 
dass  sie  fast  alle  die  CbOre  des  Apollo  und  die  des  Bacchus  ein- 
fdhreD,')  so  ist  die  einfachste  Erklärung,  dass  von  allersher  diese 
beiden  ya^ioi  d-etSv  im  Hochzeitsliede  besonders  oft  angeführt 
werdeo  und  typisch  sind. 

So  ist  m.  E.  eine  Erklärung,  wie  fOr  die  starke  Benutzung 
gerade  dieses  hesiodischen  Gedichtes,  so  auch  für  die  Composition 
CaUiUs  gewonnen.  Nur  wenn  ich  das  Original  seines  Liedes  mit 
einer  Hochzeit  in  Zusammenhang  bringe,  vermag  ich  Gewicht  darauf 
n  legen,  dass  der  Hochzeit  des  Sterblichen  mit  der  Göttin  die  des 
Gottes  mit  der  Sterblichen  entspricht.*)  Wenn  der  Dichter,  um 
eioea  Gegensatz  und  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit  der  Töne  zu 
fewinnen,  das  Liebesleid  und  die  Klagen  der  Ariadne  stärker  hervor- 
treteo  lässt,')  so  weiss  er  doch,  dass  jeder  Anstoss  und  jede  Qble 
Vorbedeutung  durch  den  Schluss  der  Peleuserzählung  beseitigt  wird. 

Dass  das  Lied  von  Ariadne  aus  einer  alexandrinischen  Vorlage 
stammt,  beweist  bekanntlich  der  bei  Cicero  erhaltene  Vers  des  Ori- 
ginals nolka  fÂàrijv  xeçaBoaiv  iç  àéça  &vfÀijvavja,*)  sowie  die 
Klage  der  Ariadne  bei  Nonnos.*)  Dass  es  dasselbe  Lied  ist,  welchem 
ittch  die  Hochzeit  des  Peleus  entnommen  ist,  beweist  ausser  der 
l^procbenen  Gleichheit  des  Inhalts  die  vollkommene  Ueberein- 
^mong  des  Stils.*)  Der  Dichter  schloss  in  der  Composition  m.E.  an 


1)  Falsch  erklärt  yoo  Herzog  Siatii  Epithalamium  p.  39. 

2)  Vgl.  Sliadworth  Hodgson  bei  Ellis  Commentary*  280. 

3)  Dass  auch  dieser  Gegensatz  zum  Preise  der  rechtmässigen  Liebe  in 
^er  Ehe  dient,  zeigt  bObsch  Lafaye  CnUdU  et  see  modèles  139  ff. 

4)  Der  nnglûckliehe  Zufall,  dass  Haupt  bei  demselben  an  die  Hekale 
^dite  ond  darum  die  Uebereinstimmung  mit  Gatull  V.  111  unter  demselben 
Mcbtswinkel,  wie  die  übrigen  ,An8pielungen*  betrachtete,  hat  die  Unter- 
üdiBDgen  bis  in  neueste  Zeit  beeinflusst  —  Mit  dem  Vers  vergleiche  Hesiod 
Schild  262  Bêêvà  8*  is  âXXrjÀas  Sffâxov  o/ifianfi  &vfiirjvaaai, 

5)  Vgl.  besonders  Nonnos  47,368.  369,  Gatull  139.  140;  Nonnos  390 
^  395,  Gatull  15&— 163  u.  a. 

6)  Sie  zeigt  am  besten  eine  Zusammenstellung  der  Anklinge  einerseits 
•B  Homer  ond  Hesiod,  andrerseits  an  Euripides  und  ApoUonios;  Ellis  bietet 
daffir  wenigstens  einiges  Material,  das  sich  allerdings  sehr  vermehren  llsst, 
hcaonders  wenn  man  bei  Euripides  nicht  nur  die  Nachbildung  ganzer  Sitze, 
flaadern  auch  des  einzelnen  Ausdruckes,  bei  ApoUonios  die  Behandlung  ganzer 
Seeoen  mit  hineinzieht  Nicht  die  Prioritit  des  einen  oder  anderen  der  beiden 
alezandriniscben  Dichter,  noch  directe  Benutzung  der  ilteren  bei  Jedem  ein- 


102  R.  REITZENSTEIN 

Hesiod  ;  aber  wIlbreDd  dessen  Lied  tod  der  Hochicit  des  Peleas  im  Ver 
gleich  mit  dem  früher  besprocheneo  PeieusUede  wahrscheinlich  nur  da 
einfache  Kunstmittel  verwendet  zeigte,  dass  ein  Theil  der  Handlani 
in  einen  Bericht  umgesetit  war,  etwa  wie  im  ersten  Theil  der  Odyssei 
spielt  unser  Dichter  mit  der  Technik  der  hesiodeischen  'Aattiç^^ 
wie  sie  sich  dem  Alexandriner  darstellte,  nur  dass  die  scheinbar 
Schilderung  des  Kunstwerkes  unmerklich  zu  einer  zweiten  Enflhluni 
von  weit  lebhafterem  Charakter  und  mit  eingelegter  leidenschaft 
lieber  Rede  wird  —  ein  Virtuosenstock  von  feinster  Berechnung,  den 
auch  wir  die  Bewunderung  nicht  versagen  können. 

Den  Namen  des  Dichters  kenne  ich  nicht,  nicht  einmal  sein 
Zeit.  Auf  Kallimachos  räth  jeder,  der  sich  an  der  Schönheit  de 
Liedes  und  der  maassroll  feinen  Verwendung  der  poetischen  Mitte 
erfreut,  aber  die  Yieigequâlten  Fragmente  ergeben  nichts.  Au 
den  Deutungen  der  Sternbilder  bei  Hermippos  ist  m.  E.  ebenfall 
nichts  zu  erschliessen,  selbst  wenn  es  sicher  ware,  dass  gerade  e 
in  dem  Knieenden,  dem  Adler  und  dem  Pfeil  eine  Darstellung  de 
Befreiung  des  Prometheus  sah,  wie  er  in  den  Sternbildern  des  Ken 
tauren,  Thieres  und  Altars  in  der  That  eine  Scene  aus  de 
Hochzeit  des  Peleus  erblickte.*)  Nicht  auf  den  Namen  de 
Dichters,  sondern  auf  die  Art  seines  Schaffens  kommt  es  mir  an 
Ich  wäre  glOcklich,  wenn  es  mir  gelungen  wSre,  zu  deren  Er 
kenntniss  einen  Beitrag  zu  bieten. 

Ich  habe  in  der  griechischen  Dichtung  des  4.  Jahrhundert 
eine  ähnliche  Behandlung  rhetorischer  Schulthemata,  wie  in  de 

zeloeo  Anklang  soll  das  erweisen,  wohl  aber  die  Einheit  der  Sprache  on 
Erfindung  in  Gatnlls  Original.  So  ist  für  den  lateinischen  Ausdruck  sogt 
Munros  Vergleich  von  Gatuli  und  Lukrez  nützlich  geworden,  wenn  er  anc 
das  Umgekehrte  von  dem,  was  Muoro  wollte,  erwies  (vgl.  Ellis  lu  V.  18;  di 
Sache  wird  klar,  sobald  man  Ennius  mit  sum  Vergleich  heranzieht). 

1)  Der  Vergleich  lässt  sich  weit  ausdehnen;  Aolage  und  Umfang  beide 
Gedichte  entsprechen  sich  und  selbst  das  Kunstmittel,  in  der  Wiederaofnalim 
der  Erzählung  die  gleichen  Ausdrucke,  wie  bei  dem  Verlassen  derselben  s 
gebrauchen  (V.  140  d'avfUL  idsa&ai  und  318  &avfm  iSaUf)  ist  bei  Gatnll  ani 
gegriffen,  nur  dass  er  es  nicht  nur  V.  50  und  265,  sondern  bei  all  den  ▼« 
schiedenen  Einschachtelungen  und  Verschrinkungen  durchgeführt  zeigt. 

2)  Schol.  zu  Arat  437,  vgl.  Robert  Eratosth  S.  223.  Eine  bildliche  Dsi 
Stellung  ähnlich  der  Chirongruppe  in  der  Frsnçoisvase  mag  hierzu  den  Ai 

4t  gegeben  haben.   Einen  Beweis  dafür,  dass  Hermippos  den  Prometheus  al 
chidtsgast  kannte,  finde  ich  nirgends. 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS      103 

spSteren  lateiDischeD  (iind  griechiscben)  Poesie  nachzuweisen  ver- 
tachU  Es  sei  gestattet,  anhangsweise  noch  die  auf  zwei  Papyrus- 
blSUeni  des  4.  Jahrhunderts  erhaltenen  Reste  einer  griechischen 
Dichtung  lum  Vergleich  heranzuziehen,  in  der  ein  deutscher  und 
ein  englischer  Rearbeiter  ein  wunderliches  Heldengedicht  aus  dem 
troiiehen  Sagenkreise  zu  finden  geglaubt  habend) 

Fol.  I'  9  ist  erhalten rj  naQafAv^ovfiivt]  vi^v  Qé- 

r4Jo]i^  Ton  einem  Epos  oder  einem  fortlaufenden  Gedicht  kann 
also  Dicht  die  Rede  sein.  Es  ist  die  Inhaltsangabe  zu  einer  in 
Vereea  mitgetheilten  Rede.  Wir  müssen  einen  auf  rj  endigenden 
Nimeo  suchen,  dessen  Trägerin  mit  Thetis  in  Verbindung  gebracht 
werden  kann.  Die  Wahl  ist  klein.  Quintus  Smyrnaeus  lässt  3,  633  ff. 
Killiope  die  Thetis  Ober  den  Tod  des  Sohnes  trösten  ;  wir  erkennen 
Id  Zeile  16,  welche  zu  dieser  Rede  gehört,  vor  den  Ruchstaben 
mtia  noch  deutlich  die  Spitzen  des  doppelten  X.  Die  Reste  der 
Rede,  in  welchen  die  Heransgeber  die  Aufforderung  Achills  an 
Helena  sehen,  mit  ihm  die  Ehe  zu  brechen,  lauten 

[ïiTxeo  d€i]và  na&ovaa'  to  fiogaifiov  [ovx  vnalvxvov]. 

a\a^vq>élciiToç  à7cel&av[oç Alaa]. 

firjd*  inaxi^B  Jibç  v[ôov\ 

[Mé]^vova  è[îov] 
y  OTêvax  •  • 
'OQg>ia  Ka]lkiÔ7irjç 


1)  Erworben  too  dem  Bischof  von  Limerick  nod  von  ihm  nod  Charles 
GnTci  io  der  Hermatheoa  von  1885  (XI  237)  mit  gutem  Facsimile  pnblicirt; 
die  Erginittog  versnehte  A.  Lndwich  Carminis  IHaci  deperdiü  reliquiae 
Kioigsb.  1807.  Von  einem  »Homer-Gento*  spricht  »  ohne  nähere  Begründung, 
flaeberlin  Gentralblatt  für  Bibliothekswesen  1897  S.  218. 

6 

2)  Geschrieben  TTAPAMY0OYM    also  mit  der  bekannten,  übrigens  selbst 

bei  Gardtbaosen  erwähnten  Abkürznng  der  Participialendung,  die  auch  in 
jôogeren  Minnskelhandschriften  nicht  selten  ist.  Graves  sagt,  dass  er  nichts 
^Biit  zn  machen  wisse.  Lndwig  liest  [aov  9*  aqa  Slq  na^ta/iv^ov  trrir, 
êétiSos  S^  oniv  oiBov]  und  lässt,  wenn  ich  seinen  Gommentar  richtig  ver- 
stehe, Helena  zu  Achill  sagen,  da  sie  die  ihr  von  ihm  drohende  Vergewaltigung 
aicbt  überleben  werde»  so  solle  er  ihren  früheren  Freier  Patroklos  über  ihren 
Tod  trösten,  und  den  Zorn  seiner  Mutter,  welche  jetzt  die  Helena  begleitet, 
fchenen. 

3)  So  nach  der  Photographie. 


104  R.  REITZENSTEIN 

Deo  besten  CommeDtar  giebt  die  Rede  bei  QuinUis;  miD  vergleid 
besonders  ïaxéo  xwxvtoïo  —  firja^  alvovaa  ^ecDy  fisdeoru,  xt 
àvdçav  axvÇeo  —  xatd-ave  â*  vloç  ifiélo  xài  airt^g  à&avi 
%oio  *Oçg>evç  —  iXofi  TtêQ^nimatai  aaxetoç  Alaa.  Der  Epiki 
scheint  direct  benutzt. 

Auch  sonst  finden  sich  mehrfach  prosaische  Abschnitte,  d 
von  den  Herausgebern  natOrlich  wohl  oder  Obei  daktylisch  scandi 
werden.  So  auf  der  lesbaren  Seite  des  zweiten  Blattes  II'  3  U 
und  deutlich  [M]€VBlàov  x€iUi;aayro[ç].  Es  handelt  sich  in  de 
folgenden  Versen  um  Bestattung  eines  Toten.  Ich  erginze  scho 
jetzt  [AXarta  fifi  d'ôtipai]  und  lese 

%à\td^BÇ  VBXVWV  Aï »  •   •  • 

[fii^] Vi  &ëwv  ßaaiXrja  X^^^^ns]* 

Die  nächsten  zwei  Zeilen  sind  wieder  Prosa,  das  beweisen 
der  zweiten  die  selbst  von  dem  englischen  Herausgeber  gelesmi 
Worte  ovalav  xal  und  in  der  ersten  das  von  ihm  nicht  erkannt 
aber  nach  der  Photographie  völlig  sichere  àv[àVUo7LovTo[ç].    D 
Inhaltsangabe    lautet    etwa    [Tgionag    *EQ]uaix^ovoç    àv[a]lU 
xovvo{ç  näaav  %riv   avtoi]   ovaiav  xai  fi^   xogov   ioxl^à 
xovog].    Die  Probe  auf  die  Ergänzung  geben  die  folgenden  Zeile 
[^r^w,  naiêog]  ljU€î(7(?)  xaxtjv  [àa]aiÂVVoy  ^qiv[vv]. 
fAivfiagCl)  ofÂfjâ^ea  fi^Xa  vofÂêv[eiw]. 
V  knitegnofiai  ïa%^  ïxi,  X^valataY) 
Âw  z€  xai  ovxoQOV  bvqbv  kèui\df^% 
Die  Rückseiten   heider  Blatter  sind  arg  verwischt  und  die  Lesaa 
noch  von  keinem  Fachmann  revidirt.    Ein  auffälliger  Umbruch  d< 
Themas  scheint  in  H^  mit  Zeile  8  zu  beginnen,  und  wieder  hOi 
ich  hier  die  reine  Prosa.    Da  .  .  v^pî\eaiv  rww  nalöwv  rijg  N 
o[ßr]c]f   was  beide  Herausgeber  aufnehmen,   mir  keinen  Sinn  : 
geben  scheint,  vermuthe  ich,  dass  [âjv^[ç]€aiy  fflr  ipalgeaiv  g 
schrieben  war  und  lese  [fi€tà  xr^y  à]vai[Q]Baiv  TcSy  naidtuv  «i 
2Vio[/3fr;(;].     Es   entsprechen  die,   ebenfalls  jener  VerfOhrungsscei 
zugeschriebenen  Verse 

^iiAVivf]  N]i6ßi^  ;  >€xtiov  arijfoç')  ïxBO  t6a[awv] 
x]ai  yiyvwGXf  &f(M»y  ad^h*oç  i; 

1)  i€x  der  K^p.  nach  (braves,  der  Photographie  nach  eher  ëUitu 
t\  ITIXAA  glaubte  Grares   xo  lesen;  so  könnte  man  mit  andrer  I 
gâoxung  auch  9jixa  i*  versuchen.     Einen  AccosatiT  mnxâêa  anzaaebmi 
•eke  kh  keinen  Grund.    Der  Autor  versteht  viel  mehr  Griechisch,  als  die  1 


DIE  HOCHZEIT  DES  PELEUS  UND  DER  THETIS      105 

veQBrjaiti  .  .  v  zujv  eex  .  .  ae 

arçoç xoi  .  .  . 

Wir  babeo  es  mit  einer  Bucbhandschrift  zu  thun;  das  zeigt  die 
AuMUttuDg,  vor  Allem  der  üppig  breite  Rand.  Es  ist  ein  Litte- 
nuirwerk.  Schon  darum  ksDD  man  nicht  einmal  an  Excerpte  aus 
doem  sonst  unbekannten,  jungen  Epos  denken;  auch  warden  sich 
solche  nie  auf  Reden  beschränken  und  nie  mit  derartigen  Inbalts- 
iDgaben  versehen  sein.  Die  Losung  giebt  die  Palal.  Anthologie  IX 
457—480.  Wer  sie  gelesen  hat,  wird  die  metrischen  rj^onoUai 
oboe  Weiteres  erkennen  und  die  Ueberschriflen  ergänzen  (Tl  av 
Anoi)  Kalkiontj  TtaQafAV&ovfiivrj  jtjv  Qitiôa  —  {tI  av  einoi) 
\)èvaaBvç  MsvëXaov  xei>evaavjog  fif^  d^ixpai  Aïavra  —  {%i  av 
ànoi)  Tçiônaç  ^QvaLx&ovog  avaklaxortoç  nâaav  ri^v  avxov 
mlay  %al  ^17  xoçov  iax^y^otoç  —  (tI  av  eïnoi)  IdnoXkiav 
^era  n^y  avalgeaiv  %(xiv  nalêwv  Ttjç  Nioßrjc,^) 

Eine  rhetorisch -poetische  Spielerei  entsprechend  einer  Quelle 
de  Anthologie  liegt  uns  vor.  Interessant  ist  sie  durch  ihr  Ver- 
\äiUm  zu  Quintus  Smyrnaeus,  dessen  Zeit  etwas  näher  bestimmt 
wird,  und  vielleicht  auch  durch  das  Seltsame,  was  man  aus  ihr 
gemacht  hat. 

Sürassburg  i.  E.  R.  REITZENSTEIN. 


arbeit«r  anzanehmen  scheineD;  er  hat,  om  wenigstens  zwei  Beispiele  aus  dem 
Hiebt  besprochenen  Blatt  I^  herauszugreifen,  die  Dioskuren  nicht  [L]na^6' 
9^96  genannt  (Oberliefert  ist  Z.  4  .  .  re^of^ot^ae  oder  na^of^oraSy  also 
hfafjjfof^ovas)  oder  eine  l4yço9iTrj  yawsaiij  (genitalis)  erfunden  (zu  lesen 
ist  [vjn'  iwredija^  lef^irtjs)  u.  s.  w. 
1)  Vgl.  Anth.  IX  479. 


KALLISTHENES  HELLENIKA. 

Kallistheues  tod  Olynth  begrOndete  seioeo  Ruhm  als  Gesebiehtp 
Schreiber  durch  die  j&ÜJlijvixd,  welche  io  10  BOcheru  den  Zeitreoa 
vom  KOoigsfriedeD  [387/6]  bis  zur  Besetzung  des  delphischen  Heilig- 
thums  durch  die  Phokier  [356/5]  behandelten.^)     lieber  die  Vei^ 
theilung  des  Stoffes  lässt  sich  Folgendes  ermitteln.     Im  2.  Buch 
kam   der  Einfall   des  Spbodrias  in  Attika  vor  [378],')  im   3.  die 
Schlacht  bei  Tegyra  [in  der  Mitte  der  siebziger  Jahre]/)  im  4.  das 
altisch-spartanische  BOndniss  von  370/69.^)    Das  Hauptwerk  war 
abgeschlossen  y  als  er  sich  daran  machte,  den  phokiscben  Kri^ 
[356/5 — 347/6]  zu  erzählen:  das  Buch  erschien  unter  besonderoD 
Titel,*)  jedenfalls  vor  334,  ehe  der  anerkannte  Schriftsteller  sich 
dem  Gefolge  Alexanders  anschloss,   um  das  historische  Epos  anf 
den  neuen  Achill  zu  verfassen.    Die  Katastrophe  des  Winters  328/7 
ist  bekannt.     Der  unvollendete  Torso   erhielt  ebenfalls   den  Titd 
'EiJir]vixà;  da  aber  wegen  des  Sonderbuchs  Ober  den  heiligen  Krieg 
ein  Durchzählen   nicht  möglich   war,  setzte  die  Buchzftblung  dm 
ein:   im   2.   kam   die  Schlacht  am  Granikos  vor,*)  im  4.  die  E^ 

1)  Diod.  14, 117,  8.  16^14,  4  aas  dem  Ghrooographen. 

2)  Harp.  ^oS^iasi  èv  ß  "Elhjvixœv,  Zar  Sache  Ygl.  ImL  Roêtoeh,  1893. 

3)  Steph.  Téyvça:  èv  rçirm  tcâv  'EUajvtxœr,  Der  Schluts  des  Frag- 
meots  beweist,  dass  die  Geschichte  bei  Plut  de  def,  orae,  5  p.  412^  aos  Killî- 
sthenes  stammt  Plutarch  hat  an  dem  ersten  peripatetischeo  Geschicbtacbreiber 
sehr  grosses  Gefallen  gefunden. 

4)  Anonym,  in  Ari$t.  eth,  ^  8  p.  1 124^  15.  Es  ist  klar,  dass  Aristotelet 
das  Beispiel  aus  der  Geschichte  seines  Neffen  entlehnt  hat  Für  èv  %ijê  n^ 
rrjt  ist  natürlich  ir  t^«7zu  schreiben. 

5)  Gic.  ep,  5,  12,  2.  Athen.  13,  560«^  Ue^i  rov  Uqov  nolifuov.  Da  auch 
Kephisodor  der  Isokrateer,  Aristoteles  erbitterter  Gegner,  den  gleichen  Stoff 
behandelte  [Anonym,  in  AritL  eth,  r  W  p.  1116^  11  iv  t^i  [i\ß  UbqI  rot 
U(>ov  noléfuw],  so  hat  hier  die  Polemik  eine  Rolle  gespielt,  näheres  ist  nicht 
zu  wissen. 

6)  Schol.  Eur.  Hec.  910  iv'^  (so  überliefert)  rœv  'BXltjvauSr ,  die  Be- 
ziehung ergiebt  sich  aus  Plut  Cam,  19. 


KALLISTHENES  HELLEMKA  107 

oberuDg  Aegyptens.*)  Es  ist  sehr  möglieb,  dass  Rallistbeoes  die 
Bacher  eiozelo  tod  Asien  nach  Griechenland  zur  Veröffentlichuog 
schickte:  wenigsteos  hatte  der  KOnig  schwerlich  ein  loteresse  daran, 
den  Nachlass  des  von  ihm  bestrafleD  Sophisten  za  publiciren,  und 
die  Anhänger  des  unglOcklichen  Mannes  noch  viel  weniger,  wo  der 
panegyrische  Ton  des  Werkes  dem  Tode  ,fQr  die  Freiheit*  so  wenig 
entsprach,  neçaixà  hat  Kallisthenes,  um  von  den  gefälschten 
Titeln  der  ParalUla  minora  zu  schweigen,  nie  geschrieben.  Aller- 
dings scheint  ein  Citat  daraus  vorzuliegen  in  dem  Scholion  zu  Aristo- 
phines  VOgeln  1041  bei  Phot.  Suid.  Saçêavanàlovg:  èv  ß  tleQai" 
têf  ovo  q>ijaî  yeyovévai  KaXXia^évrjç,  ^va  fiiv  dgaaTrjQiov  %aî 
ymaîoyj  aUiov  ôk  fiaXaxôv.  Aber  ist  schon  die  Wortstellung  sehr 
sonderbar,  so  genügt  es  die  Fassung,  welche  das  Scholion  in  unseren 
Handschriften  bewahrt  hat,  zu  vergleichen,  um  zu  erkennen,  dass 
der  Name  des  Kallisthenes  an  unpassender  Stelle  steht:  b  dk^Ellavi- 
toç  iv  %olç  nsgaixoîç  ovo  çiqal  SaçôavanàiJLovç  yeyovévai^ 
Bellanikos  ueQaixa  in  mindestens  zwei  BOchern  sind  durch  das 
Citat  Harp,  ^zgétpa  gesichert. 

Kallisthenes  hat,  wenn  nicht  alles  täuscht,  die  panegyrische 
Tradition  Ober  Pelopidas  und  Epaminondas  begründet  und  den 
Ghni  der  neuen  historiographischen  Kunst,  die  er  im  Gegensatz 
a  dem  Isokrateer  Epboros  schuf,  in  den  Dienst  der  so  plötzlich 
herrorgetretenen  dritten  hellenischen  Grossmacht  gestellt  Das  ist 
Tersttiidlicb  bei  einem  Olynthier')  und  einem  von  künstlerischen 
Gesichtspunkten  geleiteten  Geschichtschreiber,  der  eine  innere,  den 
Stoff  beschränkende  Einheit  im  Gegensatz  zu  der  einen  unendlich 
fortspinnenden  Weltgeschichte  verlangte. 

Ueber  den  attischen  Demos  hat  er  schwerlich  günstiger  gedacht 
als  sein  Oheim;  die  Hoffnungen,  die  er  auf  Alexander  setzte,  seine 
Verbiodangen  mit  dem  makedonischen  Adel  schliessen  jede  Sym- 
pathie mit.  dem  neuattischen  Patriotismus  aus.  Aber  in  der  Ver- 
ortheilang  der  attischen  Vergangenheit  kann  er  nicht  so  weit  ge- 
giDgeo  sein,*)  als  der  Chier  Theopomp,  der  nie  vergessen  hat,  dass 


1)  Lyd.  de  ment.  4, 107  p.  146,  20  W.  [aus   Seoeca]   iv  tc5i  xaxâçrtan 
ßtßlitn  %év  'ElhjviMà^r. 

2)  Xeo.  BeiL  5,  2,  14.    Oxyrhynchos  Papyri  XIU  p.  37. 

3)  Vgl.  Prod,  ad  Tim.  p.  30®.    Die  eotgegeogesetzte  Aoffassang  vertrat 
aüerdings  nicht  der  echte  Theopomp,  sondern  die  boshafte  Fälschung  des  Ana- 

Sy  TgL  AfricaDQS  bei  Eoseb.  PE  10,  10  p.  491«. 


108  E.  SCHWARTZ 

der  Anschluss  seiner  Ueimalh  an  Athen  seinen  Vater  und  ihn  î 
Elend  gejagt  hatte.*)  Wenn  er  ebenso  wie  dieser  sich  bemOht,  d( 
Vertrag  mit  Persien,  den  die  attische  Rhetorik  nicht  gans  mit  Rec 
zu  einem  glanzenden  Gegenstück  des  Kalliasfriedens  gestmnpi 
hatte,')  aus  der' Reihe  der  attischen  gloires  des  5.  Jahrhunderts  ] 
streichen,  ohne  dass  diese  Kritik  eine  scharfe  Pointe  gegen  Atb 
enthalt,*)  so  ist  die  Vermutliung  unabweislich,  dass  er  diese  Kril 
aus  Theopomp  entlehnte,  bei  dem  sie  nicht  isolirt  stand,  nicht  a 
geschwächt  war,  sondern  ein  Glied  eines  zusammenhängenden  Ai 
griffes  gegen   den  historischen  Ruhm  Athens  bildete.^     Es  erbe 

1)  Phot.  bibl.  176  p.  120*>  19  [aas  einem  Bioç  eaané^nav,  deo  Photii 
in  seiner  Bandschrift  fand]  iari  8i  ßeimofinoi  Xïas  fUtf  xo  yévos,  vioQJuß 
oxçaTOVf  fvyBiv  8i  Xéyarat  éx  rr^s  7tarçi8os  a/Aa  rwê  nat^i^  inl  leatmtnfpà 
rov  Ttar^e  àlâvros.     Die  Zeit  weiss  ich  nicht. 

2)  Das  Vorbild  für  alle  ist  Isokrates  Panegyrikos  117  ff.  Dass  es  é 
Gemeinplatz  war,  bezeugt  Demosthenes  15, 29  êtol  cvr^r^uat  xoU  "EJihiß^  in 
Tai  n^oe  flaüilea,  ae  enottfiaTO  i}  nokii  ^  i^^cTci^,  aV  anca^K  iyM»f» 
gova»,  xai  furà  xav&'  vaxaçov  ^axêSaifiônoi  ravraç  wv  drj  xar^yo^ôiMf 
19,  273  ravnjv  xijy  vnè  nâvrwv  d'(gvhovfêivriv  Bt^rfVfjv, 

3)  Plut  Atifi.  13  xovTo  TO  i^ar  [Kimons  Sieg  am  Earymedon]  «voi 
ixanêiv»iS»  %fi¥  yvmfufiv  xolv  flaaiXémQ  Sctm  avr&éir&at  vijr  nê^ô^fm^d 
^9njv  iueltn^,  tnnov  /iiv  S^ftoy  àêi  t^  'ElXipfU^ç  inéxêuf  ^tilamiS,  Ê^ 
8or  8i  Kvaviœv  xai  XêXiSopiofv  ftax^i  t^i  xal  x^^ß^fi^^*  f^  ^*^ 
xaixoê  KalX*o&éinjç  od  ftjat  xavra  cw&sad'cu  xov  fta^fta^av,  i^t^  ^ 
nouiiv  8^à' fpeßov  x^q  ^rn^ff  éxeit^fjs  xai  fiax^v  ovxats  aTtocx^fWt  x^V 
Xa8oe  eScxB  nêvxîxavxa  vavoi  ntçtx7.éa  xal  xçiaxotna  /levons  ^BfUkoj^ 
inéxëiva  nXevaat  XêXiioviœv  xai  fifjèir  nvxoU  vavxixov  ànavxijcai  %9^ 
xwv  ßacßaQWV, 

4)  Theon.  profç.  2  p.  162  W.  xœv  8i  n^ayfiaxixœv  êêtiyiicetÊv  icxißi 
xiva  xai  naq^  'HqoSôxov  XaßaXv  .  .  .  nlêiœ  9i  àxofAtv  xai  naq*  âlXotp  «ff« 
^ixmv  XaßeZv,  naqà  fièv  *Etp6(fOv  .  .  .  naçà  8ê  ßaonofinov  ix  x^Ç  nifOif^ 
xai  eixooxfjs  xœv  4>éXinnixwv  oxi  (ô)  'EXkrivmoQ  oqxoç  xaxé^pavcxat  [uatt 
tpevSsT ai  cod.],  vv  *A&tivaioi  <paaiv  ofiécoé  xovs''BXh^a9  npo  xijs  /tag^ 
xr^s  év  nlaxauiU  7tQo9  xovs  ßizqßc^vc,  xai  ai  n^s  ßaaMa  [Jaqmm 
^Adr^raiotr  (^xaÀliopeç  ij  ßaciXews)  nqoe  "EXhp^as  ovv&ijxa*^  ikt  9i  Mal  xi 
ér  Maqa&àvi  fiôxrjv  ovx  oïav  anavxBi  [olxji  a/ia  na$rr9Ç  cod.]  iftvoufe,  y 
Y^vfifUvriv  xai  oaa  âXXa^  ^aiv^  rj  Ad^vaicav  no  Jus  àUi^ov9V9xai  xal  na^ 
xçovêxaè  xovs  "Ekhjvas,  Mag  meine  Herstellung  der  verdorbenen  Worte  ao< 
nicht  in  allem  das  Richtige  getroffen  haben,  dass  der  Vertrag  mit  Persien  g 
meint  ist,  steht  fest  durch  Harp,  jixxixole  yqâfifiactv  —  womit  Phot.  Soi 
Xafiiatv  ô  BrjfAOÇ  zu  verbinden  ist  —  ßeonofinoc  S*  iv  xrji  "xi  xœv  ^tJU 
ntxdv  iaxtvmçTic&ai  léyaé  xàs  nqoç  xov  ßa^ßacov  awd^ixas^  Sc  €v  xi 
làixxtxoU  yqafAfâaaiv  iarriXtTsiad'ai  àXXà  xols  'lojvafr.  Der  Excars  mass  i 
Abschloss  der  mit  grosser  Breite  in   den  Büchern  20  [vgl.  Theon  2  p.  11 


KALLISTHENES  HELLENIKA  109 

flcb  die,  for  die  Chrooologie  Theopomps  wichtige  Frage,  io  welchem 
der  GeschichUwerke  des  Kallisthenes  dieser  kritische  Excurs  ge- 
ituideD  hat:  nar  ein  solcher  kaoo  es  gewesen  seiD,  da  die  Ge- 
Khichte  des  5.  Jahrhunderts  kein  Gegenstand  seiner  Schriflstellerei 
lewesen  ist.  Die  Antwort  lässt  sich  mit  ziemlicher  Bestimmtheit 
geben.  Kallisthenes  knüpfte  die  Leugnung  des  Vertrages  au  eine 
SchiUerang  der  Schlacht  am  Eurymedon  :  für  eine  solche  Schilde- 
nmg  ist  kein  leichterer  Anlass  denkbar,  als  Alexanders  Marsch 
durch  Pamphylien  im  Jahr  333.'}  Damals,  vermuthlich  schon  vor 
334,  müssen  von  Theopomps  philippischen  Geschichten  mindestens 
die  ersten  25  Bücher  veröffentlicht  gewesen  sein.  Nicht  lange 
vorher;  es  muss  ohnehin  angenommen  werden,  dass  Theopomp 
ein  frühreifes  Talent  war  und  sehr  rasch  producirte.  Er  war  ge- 
borea  377/6.*)  Dem  Isokrateer  galt  wie  dem  Meister  die  Geschichte 
ik  der  Stoff  für  die  Kunst  des  Stils,*)  wenn  er  auch  ein  viel  zu 
«nrohiger  Geist  war,  um  sich  wie  Ephoros  auf  die  Geschieht- 
«hreibung  zu  beschränken^)  und  die  Epideixis  als  ein  rascheres 
Mittel  zu  Ansehen  zu  kommen  nicht  verschmähte.  Herodot  in  den 
lenen  Stil  umzuschreiben,  Thukydides  besser  fortzusetzen,  als  es 
der  altfränkische  Xenophon  gekonnt  hatte,*)  waren  die  ersten  Auf- 
I    pbea,  die  er  seiner  historiographischen  Kunst  stellte:  es  spricht 


tar  seine  Jugend  und  seine  Selbstkenntniss,  dass  er  es  nicht  wagte 
Bit  Thukydides  selbst  zu  wetteifern,  wie  Philistos  und  Ephoros. 
Möglich,  dass  er  ursprünglich   die  'ElltjviKa  bis  auf  seine  Zeit 


^2&  cnsäblten  Geschichte  des  eaboeisch-olyothischen  Krieges  [349/8]  ge- 
itiodeo  haben;  die  attischen  Üeclamationen  über  die  Olynth  geleistete 
Hülfe  gaben  den  Anlass. 

1)  Arr.  1,  27, 1. 

2)  Nach  der  Vita  bei  Phot  a.  a.  0.  war  er  45  Jahr  alt,  als  Alexander 
^t  d.  h.  die  Verbaonten  flberhaupt,  nach  Chios  zurückrief.  Der  Brief  des 
I^teigs  ist  wiedergefunden,  SIG.  150*;  Dittenberger  seUt  ihn  mit  Recht  in  das 
^r  853/2.  Es  ist  ja  nicht  absolut  unmöglich ,  dass  die  Altersangabe  be- 
ndiset  ist,  aber  doch  Tiel  wahrscheiolicher,  dass  sie  auf  Theopomp  peraön- 
fieh,  etwa  die  Xtaxal  imaTolai  oder  eine  Epideixis,  xurûckging. 

3)  Isokr.  4,  9  cu  fUv  yàç  n^dSetS  ai  7t(foyayêVTj/iêvai  xoêvcU  nâaiv  rifilv 
tntltUpdii^tt»^  TO  B*  iv  xat^i  ravxaiç  xaxaxçricaa&aê  xai  %à  n^Oürptovxa 
Mi^  htâaxfiç  h^Oiffoj&rfVai  xal  toU  ovà/uiaiv  ai  8ia&éa^ai  xciv  ev  ^fo* 

4)  Polyb.  12,  fe,  8  ff. 

5)  Theon  2  p.  167  W. 


no  E.  SCHWARTZ 

hiDabftthren   wollte*):   das  aufgebende  Gestirn  Philipps  wie«  il 
andere  Wege. 

flminer  gefillU  das  neue  Lied  am  meisten^  das  galt  tod  A 
Geschichtschreiber  nicht  weniger  als  von  seinem  Vorgänger,  A 
epischeu  Sänger:  die  auf  einem  langen  Wanderleben  gewönne 
Weltkenntnisse  die  brausende  Leidenschaftlichkeit  mussten  ohnel 
Theopomp  mehr  zur  Zeilgeschichte  drängen,  ab  lu  der  mhig 
Stubenarbeit,  welche  die  Leistungen  der  Vorgänger  in  neue  Vm 
kleidet.  So  Hess  er  alles  liegen  und  begann  die  Geschichte  i 
Mannes,  der  aller  Blicke  auf  sich  zog.^  Das  kann  nicht  vor  34 
ja  kaum  vor  dem  Ende  des  phokischen  Krieges  346  gewesen  sd 
Immerhin  war  Theopomp  damals  nicht  viel  älter  ab  30  Jahre,  oi 
sah  doch  schon  auf  eine  stattliche  Aniahl  von  Bänden  znrttd 
Andererseits  kann  er  auch  nicht  viel  später  sein  Hauptwerk  b 
gönnen  haben  :  es  geschah  sicher  noch  zu  Philipps  Lebzeiten  oi 
das  Prooemion  des  1.  Buches  behandelt  Isokrates  und  Theodeb 
so  y  als  lebten  sie  noch.^)  Dass  er,  anders  ab  der  buchgddvt 
Timaeos,  in  höchstens  12  Jahren  mit  mindestens  25  BOchem  ferti 
wurde ,  ist  in  dem  Bilde  des  reichbegabten ,  aber  im  Leben  wi 
im  Schreiben  ruhelosen  Mannes  kein  unwesentlicher  Zug. 


1)  Polyb.  8,  13,  3  os  yt  imßalofiBvoi  yçâfpsiv  râç  'Ellijrmaç  ^{i 
ay*  oiv  ßovxvSiSrjs  ànéXêntVy  xai  owëyyiaaç  toXq  AevmQêMoXn  utu^ok» 
TOÎS  inètpavëcrdroiQ  rtôv  *EXhfivtx<Sv  tqytov^  %riv  fièv  'Ellâêa  fUvaSv  • 
%àç  TavTijs  inêfioiàe  àn6(fçi,\p»y  furaßalcuv  Bè  ttjv  vnohijyffiv  ràc  <PtUKM 
n^Sats  ngovd'sro  yçatpêw.  Dem  wird  um  so  eher  eine  Aeosserang  TheopoB| 
in  der  Vorrede  sur  Geschichte  Philipps  zu  Graude  liegen,  als  die  heraosgegebcai 
*ElhfivêKo  durchaus  nicht  so  weit  reichten,  als  Polybios  aagiebt,  sonden  ii 
bis  zur  Schlacht  bei  Knidos  [Diod.  14,  84,  7];  nur  Theopomp  selbst  koiintes 
geben,  wie  weit  er  mit  der  vorläufigen  Ausarbeitung  schon  gekommen  wf 

2)  Polyb.  S.  11,  1  èv  oQx^t  tt^q  <Pihnn{êi)ùv  trwrdSêOfÇ  J**  avtè  ^ 
iiGTa  naçoçfjtTj&r^vaê  yr^aas  nços  Ttjv  émfloXrjv  xr^s  nqayfULraias  dêà  xo  ^ 
dmaxa  xtjv  Eilçwnrjv  évrjvoxâvai  xoêovxor  âvSça  naQanav  0IOV  xhv  *AfA 
xov  4HXênnov. 

3)  Phot.  bibL  176  p.  120'^  39  aus  dem  Prooemium  des  ersten  Baches  i 
Geschichte  Philipps:  œs  oIh  âv  êCrj  avxtôi  Tta^loyov  dvxinoiavfUrm&  n 
Tt^aneitovy  ovh  éXaxxvvoyy  fièv  ^  Butfiv^latv  inwr  xovç  émSêutiiianfS  Xi 
Xoytov  cvyyçaxpafiévœi ,  nXaiove  Si  rj  ïi  /ivQidSas  iv  oïs  xclq  tc  xé^v  !fiSL 
vtov  Kai  ßa^ßactov  Tiça^eis  f^XQ^  ^^  djtayyaXXo/uvas  ëaxi  Xaßehf,  ] 
den  letzten  Worten  sind  die'ElXriviKa  gemeint:  'die  Thaten  der  Hellenen  u 
Barbaren,  die  ich  bis  jetzt,  wo  ich  die  Geschichte  Philipps  beginne^ 
zählt  habe.'     Die  Stichenzahl  scheint  verdorben, 

4)  Phot.  bibL  176  p.  12Ü»>  30—121«  22. 


KALLISTHENES  HELLENIKA  111 

Der  Vertrag  mit  PersieD  oder  der  sogenaDDte  Kalliasfrieden  ist 
kein  Problem  der  politischeD,*)  sondern  der  litterariscbeD  Geschichte. 
Von  der  Kritik  Theopomps  ist  nur  das  für  die  rQcksichlslose  Ad- 
focatenmanier  des  Rhetors  charakteristische  Argument  erhalten,  das 
nfGrond  des  ionischen  Alphabets,  in  dem  die  Vertragsurkunde 
lof  dem  Stein  geschrieben  war,  den  attischen  Staat  einer  gran- 
Hosen  Fälschung  beschuldigte:  Ober  die  Ansicht  des  Kallisthenes 
Eegt  etwas  mehr  vor.  Er  ging  von  der  Vorstellung  aus,  als  sei 
der  Vertrag  nicht  nach  dem  kyprischen  Feldzug  von  449,  sondern 
oagefilhr  20  Jahre  früher,  nach  dem  Sieg  Kimons  am  Eurymedon  ab- 
geschlossen. Es  versteht  sich  im  Grunde  von  selbst,  dass  Kalli- 
ttheoes,  der  an  den  Vertrag  nicht  glaubte,  ihn  nicht  zuerst  falsch 
ihtirt  hat;  es  lasst  sich  aber  auch  positiv  beweisen,  dass  er  eine 
;  sehoD  vorhandene  Vorstellung  zum  Hebel  seiner  Kritik  machte. 
Ljknrg  stellt  in  der  Rede  gegen  Leokrates  den  Frieden  als  die 
gläDieodste  Folge   des  Sieges   am  Eurymedon   hin*);   da  die  Rede 

l)  Der  Grosskönig  trat  die  asiatischen  Kûstenstâdte  nicht  ab,  versprach 
iber  der  attischen  Verwaltung  keine  Schwierigkeiten  zu  machen  :  das  Verhält- 
iIk  twischen  dem  Saltan  oder  dem  Kaiser  von  China  und  den  earopiischen 
Oecopationen  ist  eine  schlagende  Analogie.  Die  persische  Reichsregiemng  hatte 
OD  starkes  Interesse  daran,  dass  Athen  Kypem  and  Aegypten  in  Ruhe  Hess; 
üe  ittiiche,  dass  sie  bei  Verwicklungen  mit  aufständischen  Städten  oder  ehr- 
geiageD  Satrapen  die  persische  Reichsmacht,  vor  allem  die  phoenizische  Flotte 
liebt  IQ  fârchten  brauchte;  wenn  es  einem  einzelnen  Satrapen  einmal  gelang, 
Ol  plM>enizische8  Geschwader  mobil  zu  machen,  so  hob  das  den  Vortheil  sich 
TV  doem  Krieg  mit  dem  ganzen  Reich  sicher  zu  wissen  nicht  auf.  Der 
PcfNrkôoig  Terzichtete  darauf,  ein  factisch  verlorenes  Gebiet  zurückzuerobern, 
te  tttiache  Volk  auf  die  formelle  Abtretung  eines  Besitzes,  den  es  factisch 
kttte,  and  das  um  so  lieber,  als  mit  der  rechtlichen  Unklarheit  auch  die  Noth- 
vcadigkeit  diesen  Besitz  weiterhin  zu  schützen,  der  Rechtsgrund  des  Bundes 
fortbestand.  Ich  wûsste  gar  nicht,  was  hier  nicht  haarscharf  zusammenschlösse. 
Ihm  Tbukydides  den  Frieden  kennt,  betont  Nôldeke  mit  Recht. 

3)  72  TOtyoLdOw  TOiavraêS  x^/^^^'Oi  yvcjfiaiÇ  évnn^xavra  fUv  Htij  %à)v 

Smfpcfv  ^yêu6vê£  MaTdtnTjoaVf  ^oêvixfjv  8i  xal  KiXixiav  inoQ&tiaav ^  èn^ 

^^fUSopxi  9i  Koi  ns^o^axovrrêS  xai  vavfiaxovprêç  éviKijaaPy  éxaxov  Si 

tfi^tf  TÔ^y  ßaqßa^mtf  aixfiahù'EOvs  Haßor,  anaaav  Si  t^  ^Aaiav  naxcàQ 

*mw%K  nMçUffltvffar,  xai  to  xê^âXeuov  T^ff  vùeijSy  ov  to  iv  ^aXafiwê 

TfMraioy  ayanr,aapr96  êèTt^aary  àXX'  o^ovç  toîs  ßacßdgoic  TirjèavTêS  tovs 

tk  Tfi¥  iXn/&adiav  rijs  'EXXuSoi  xai  tovtovç  xœXvaavrêi  vnacßaivavy  avr- 

^ijxas  inotticavTO  faaxçdn  fièv  nXoiofê  firi  nXtiv  àvTos  Kvavitov  xai  <Paai^- 

ïêSoQy  TOVS  S*  "EXhrfPO»  avrovo/tovs  iîvai  firj  /lôvov  tovq  Tt^v  Ev^œTïtjv  [da 

icbwebt  der  isokrateische  Vergleich  mit  dem  Königsfrieden  vor]  àXXà  xai  rois 

Tijp  ^AßUw  xafïïomowTM,    Es  ist  unmöglich  das  kyprische  Salamis  zu  ver- 


112  E.  SCHWARTZ 

331/0  gehalten  wurde,')  ist,  too  allgemeineo  GrflDdeD  abgesd 
die  Möglichkeit,  daaa  er  Kallistheoes^  beDUtzte,  so  gut  wie  ao 
schlössen.  Dieselbe  Datiruog  findet  sich  im  Menexenos^:  es  y 
sich  noch  ergeben,  was  daraus  für  die  Autorschaft  Piatos  m  sebliei 
ist.  Zunächst  muss  der  Nachweis  ?ersucht  werden,  wie  der  in 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  in  Athen  offenbar  weit  verbrei 
Irrthum  entstanden  ist. 

Thukydides  kennt  zwei  combinirte  Land-  und  Seesiege 
Athener  über  die  Perser,  die  Eurymedonschlacht  1  oder  S  Ji 
vor  dem  Aufstand  der  Thasier,  467  oder  466  und  die  bei  Kj| 
449  kurz  nach  Kimons  Tod,  ausserdem  zwei  an  kyprische 
peditionen  sich  anschliessende  Unterstützungen  aegyptischer  i 
Stande,  Ton  denen  die  zweite  mit  dem  zweiten  Land-  und  Seei 
zusammenßlllt,  die  von  459  und  449.')     Daraus  ist  bei  Ephoi 

sleheo,  aus  sprachlichen  Gründen  und  wegen  des  ganzen  Zasammenhaoi 
Lykurg  spricht  hier  nur  von  einer  Eipedition,  wie  er  vorher  nur  von 
Schlacht  bei  Salamis  gesprochen  hatte. 

1)  Blass,  Attische  Beredtsamiteit  III*  2,  111. 

2)  241^—242*  Sùtaêor  Bti  nal  tovxtov  r;ftàç  inifivffü&yircUf  ol  téiit 
Tt^oté^opv  içyoêÇ  réXoç  rr^s  uMTfjçias  éné&Êffav,  àvoKa&fKfafiêPOt  fud  ift* 
carres  nàv  xo  ßa^ßa^ar  in  t^€  d'aXnxrriç  '  tjaav  Se  ovxot  oï  t«  in*  £k 
fiéBovTi  vavfiaxr^aavrBS  nal  oi  êis  Kvn^or  CT^arêvuavrêS  uai  oi  §U  Jt^ 
Ttxov  nlêvcavreç  ual  aXXocê  noXXaxoOf  à.v  fj^ri  fi8ftvfi9&at  Mai  %è^i¥  m/i 
aiâérat  ôxê  ßacitia  htoirjaav  Seiüavra  r^i  iavrov  amxfj^Uu  tèv  vow  % 
uéxtt^t  àXXà  ßi^  T^i  rébv  'EXXijvwv  enißovXtieiv  ^OQat.  Koi  avroe  ßef 
nàs  r^i  noXBê  SajvTXrj&rj  6  7t6le/ios  vnèç  iavxâv  t«  ko*  rwv  aUmv  û^ 
ftûvmp  n^£  raifS  ßa^ßacavc'  êtçrivfjs  Se  yBvo/iivrfi  nai  rifi  nôlêmi  tt/t 
fuptie  fjX&Bv  in*  avrr^v  o  Srj  fptX$X  hc  xœv  àp&^neav  roï$  9v  npâ%t» 
n^ocninTêtv,  n^wrav  fiir  ^^loe,  àno  ^rjXov  Si  f&6roÇ'  S  «ai  rijrSê  i 
nôXiv  âxovonv  iv  nole/iœi  vole  "Ekltjai  xavêcrfiCêV  fmà  Si  rovro  p 
fiévov  noXê'fiOv  cvpißahov  fiiv  iv  Tavâyça*  «%L 

3)  Thuk.  1,  100,  1  iyivBxo  Si  (ma  xaÀfta  «ai  17  in*  Ev^fUSorrt  : 
rafuoi  iv  Ila/AfffvXiai  nê^ofia^ia  «aJL  vav/iaxia  *Ad'rivaU9v  «ai  xwv  ^fitftâx 
nços  M^Sovs  «ai  ivUatv  T^i  avr^*  ^fUQoi  àfifôrë^  *A&fjvatOi  KifUà 
xov  MêXxtâSov  orçaxijyovvxoç  «ai  tOioy  x^^^s  ^oivùtmv  «ai  Sié^&Mn 
xàç  nacaç  is  S&a«ocias.  104,  1.  2  'Ivof^ats  Si  , ,  .  ànioxrjcêv  Aiyvmoo 
nltiw  ano  ßaaelätus  *AçxaiéQiov  «al  avxos  â^x"^  yovéfUVùG  l49ijvm 
éntjyâyêxo,  oi  Si^  ixvxov  yàç  is  Kvnçfov  ox^xwofuvoê  vavci  SêomMi 
aixdv  xe  «ai  ^fiuaxtov^  rjX&oy  ànoXinôvxos  xrnv  Kvn^ov,  112,  2  nmi  ! 
XijviMOv  fUv  noXé/iov  ioxov  oi  lédljvaloi,  is  Si  Kvnçov  ivxç&xtCovxo  vm 
Siaxoaiais  avxwv  xë  «ai  xeuv  Sv/ifiax^'^t  KifMOvos  irx^Xfjyovvros,  nai  1 
xovxa  fiiv  vijêS  is  AXyvnxov  an*  avxdfv  inXevoav  .  .  ,,  ai  Si  âXXuê  Kit 
énoXi6^«avv.     Kifiœvos  8è  àno&avovxos  «al   Xifiov  yêvOfUvov  anë^w^ 


KALLISTHENES  HELLENIKA  113 

des  Diodor  in  dieser  Partie  durchweg  excerpirt,*)  folgeDdes  ge- 
worden. 

Auf  dem  ersleo  Zuge  gewinnt  Kimon  zunächst  die  karischen 
und  lykischen  Städte.  Auf  die  Nachricht,  dass  die  von  den  Persern 
ioPboeoizien,  Kypern,  Kilikien  zusammengebrachte  Flotte  in  Kypern 
siatioDirt,  fôhrt  er  dorthin  und  besiegt  sie  in  dner  Seeschlacht: 
100  Scbiiïe  werden  in  der  Schlacht  selbst  genommen,  der  Rest  in 
den  Grund  gebohrt  oder  später  an  der  KOste  erbeutet.')  Noch  an 
demselben  Tag'j  segelt  er  nach  dem  Fluss  Eurymedon,  wo  das 
peraische  Landheer  sein  Lager  aufgeschlagen  hat.  Am  späten  Abend 
iDgebogt,  richtet  er  in  der  Nacht  unter  den  Persern ,  die  durch 
one  Kriegslist  getauscht,  in  den  Athenern  die  Feinde  nicht  erkannt 
und  sie  ins  Lager  gelassen  haben,  ein  grosses  Gemetzel  an.  Nach 
den  doppelten  Sieg  kehrt  er  nach  Kypern  zurück. 

Die  aegyptische  Expedition  ist  von  der  Verbindung  mit  einer 
kjprigchen  gelöst:   wenigstens  Diodor  erwähnt  eine  solche  nicht. 

Bei  dem  dritten  Zuge  finden  die  Athener  unter  Kimon  die 
pergjscbe  Flotte  in  Kypern,  das  Landheer  in  Kilikien.  Kimon  er- 
obert zunächst  die  kyprischen  Städte  Kition  und  Marion  und  schlägt 
die  persische  Flotte  bei  Kypern^);  100  Schiffe  werden  genommen, 
die  Übrigen  bis  nach  Phoenizien  verfolgt.    Sie  flochten  in  den  Schutz 


no  Kniav  xai  nlMavrëS  vniff  ^aXafiïvoe  ttjS  iv  Kvjiçan  0oiviSi  xcd 
•K^ir  êt^avfidxfjcav  ued  i7tëZoftâx;rjaav  a/ia  nai  vexi^aapxas  àfnp&isQa  ant" 
Jf»f^9¥  in*  iHMOv  Kai  ai  é^  Aiyvnxav  vriê£^  naXiv  él&ovoaif  fin*  avrtir, 

1)  Diod.  11,  60,  3-62.  71.  74.  12,  3.  4.  Die  Abhängigkeit  von  Ephoro^ 
«ird  erwiesen  dorcb  die  Gleichung  Diod.  11,  60,  5.  61,  3  —  Plut,  dm,  12. 
IHekldoe  Abweichung  in  der  Zahl  Diod.  11,60,6.  62,6  beweist  nichu,  ist 
loch  leicht  zu  beseitigen,  wenn  man  in  dem  Gitat  bei  Plutarch  fi  für  v  schreibt. 
Aof  Epboroa  gebt  auch  surück  Frontin.  3,  2,  5  [vgl.  Diod.  11,  60,  4].  2,  9,  10 
-Diod.  11,  61. 

2)  Es  ist  Flüchtigkeit  Diodors,  wenn  er  11,62,2  die  Geaammtzahl  der 
«îbenteteD  Schiffe  dem  ursprünglichen  Bestand  der  persischen  Flotte  gleichsetzt. 

3)  11,  61,  4  Kora  njf  avrrjr  r^fu^av. 

4)  Nach  den  Worten  Diodors  12,  2,  2  l^^aßa^oi  fiiv  xr^v  riyêfàoviav 
Hß'^  iv  %ifi  Kvn^oH  iutc^ßav  M%a>v  T^ê^(feêS  r^HoxoaiaQ  und  im  folgenden 
Paragraphen  fttro  Si  %avra  in  KiXuUas  uai  0oivixrjç  nQoa^Bcofiivtov  xqê» 
ifmw  t^ê  r^mê  könnte  man  versucht  sein,  an  zwei  persische  Flotten  zu 
desken,  aber  die  letzten  Worte  sind  verdorben,  und  es  muas  zum  Mindesten 
(Twr)  x^^mv  gelesen  werden;  im  Original  war  ausführlicher  beschrieben, 
»ie  Artabazos  in  Kypern  aus  Phoenizien  und  Kilikien  eine  Flotte  zusammen- 
brachte: Tgl.  den  Parallelbericht  11,60,5. 

Ramm  ZXXV.  8 


114  E.  SCHWARTZ 

des  Landheeres,  Rimon  landet  und  besiegt  dieses,  kehrt  dann  na« 
Kypern  zurück,  wo  er  Salamis  belagert.  Da  zieht  der  GrosskOn 
vor,  Frieden  zu  schliessen,  und  der  berOhmte  Vertrag  kommt  : 
Stande.  Die  Bestimmung  avtovôpiovç  eîvai  zàç  xavà  r^y  ié^aU 
^Elltivldaç  nokeiç  omâaaç,  die  in  der  echten  Urkunde  nicht  g 
standen  haben  kann,  zeigt  unverkennbar,  wie  der  berflchtigfe  Pur 
graph  des  KOnigsfriedens  als  Gegenbild  gewirkt  hat;  in  einer  sp 
teren  Stelle  Diodors  schimmert  der  Vergleich  zwischen  den  beidi 
Vertragen,  den  Ephoros  aus  Isokrates  übernahm,  noch  durch. 
Der  Tod  Kimons  wird  nebenbei  erwähnt.  Die  Combination  m 
der  Unterstützung  des  aegyptischen  Aufstandes,  für  die  historisct 
Beurtiieilung  des  Kalliasfriedens  von  primärer  Wichtigkeit,  feb 
wiederum. 

Die  Erweiterungen  des  thukydideischen  Berichtes  drängen  sie 
auch  der  oberflächlichsten  Betrachtung  auf;  sie  werden,  von  d« 
Ungeheuerlichkeit  abgesehen,  dass  der  Seesieg  bei  Kypern  und  à 
Landschlacht  am  Eurymedon  in  einen  Zeitraum  von  24  Stund« 
zusammengedrängt  werden,  gänzlich  discreditirt  durch  die  mit  Tht 
kydides  unvereinbaren  Verschiebungen  in  der  Erzählung  des  letiU 
kimonischen  Feldzuges.  Mit  diesen  beiden  Fehlern  hängt  ein  driti 
unlöslich  zusammen,  das  congruente  Schema,  nach  dem  die  beid« 
kimonischen  Feldzüge  angeordnet  sind.  Alles  ist  doppelt:  die  St€ 
lung  der  Perser  mit  der  Flotte  in  Kypern ,  mit  dem  Landheer  ^ 
der  gegenüberliegenden  Küste,  die  Städte,  die  Kimon  zunächst  g 
winnt,  die  Reihenfolge  von  See-  und  Landsieg,  die  100  genommene 
Schiffe,  die  Rückkehr  nach  Kypern.  Das  erste  Mal  wird  der  Si< 
in  Pamphylien  mit  einem  kyprischen,  das  zweite  Mal  der  kypriscl 
mit  einem  in  Kilikien  combinirt,  beide  Mal  gegen  den  kurzen,  ab 
unzweideutigen  Bericht  des  Thukydides.  Es  sieht  ganz  so  aus,  i 
hätte  Ephoros  einen  Feldzugsbericht  verdoppelt:  freilich  mOss 
dann  auch  dieser  Bericht  eine  Erfindung  sein.  So  sonderbar  d 
erscheinen  wird,  es  ist  wirklich  so  hergegangen. 

1)  tiiod.  12,  26,  2  rovrwv  Sa  nçotxTOfidvatv  ret  nJisUfxa  rœv  xarà  x 
oixov/jiévriv  è^t'éov  iv  i^avxiai  vnriQx^  navxtov  ox^Bov  eiQtpnfir  ayo^fxofv, 
fAsv  yaç  néçaai  SiXTas  avv&rjxag  bÎxov  nçoç  rovg  "Ellr^vas,  xàs  ftètf  n{ 
*A&ijvaiovs  xal  rove  avft/udxove  avxdv,  èv  aïs  rjcav  al  xarà  njv  Wtf'^av  *i 
lijviSeç  néltêS  avrovofiot,  nços  8è  roiç  AaxaSaifAOvUtvç  varegav  iy^^pij^i 
iv  ah  xoivavriov  r^  ysyçafifiévov  vnrjxôove  tîvou  roU  Ué^aiS  ràç  na 
Trjv  'Affiav  ^EilrjviSas  nôltiç.  Die  bis  zur  Unverständlichkeit  uogesehicl 
Fassung  des  Vergleichs  beweist,  dass  er  aus  der  Vorlage  ûbernommeD  ist 


KALLISTHßNES  HELLENIKA  115 

Lykurg  schiebt  Folgendes  in  einen  Feldzug  zusammen: 

1.  Die  Verwflstung  von  Phoenizien  und  Kilikien:  das  gehört 
10  der  Verfolgung  der  persischen  Flotte  nach  Phoenizien  im  letzten 
Fddxug  bei  Ephoros. 

2.  Den  Land-  und  Seesieg  am  Eurymedon,  100  Schiffe  werden 
erbeutet. 

3.  Die  Plündeningsfahrt  an  der  asiatischen  Küste,  sie  fehlt 
beiEpboros,  wenn  man  nicht  die  Eroberung  ?on  Karien  und  Lykien 
beim  ersten  Feldzug  dahin  ziehen  will. 

4.  Den  Vertrag,  den  Ephoros,  richtig,  dem  letzten  Feldzug 
aoicbliessL 

Der  rhetorischen  Geschichtsmacherei  Lykurgs  steht  die  des 
Menexenos  sehr  nahe  durch  den  fast  identischen  Uebergang  von 
defi  altischen  Siegen  der  Freiheitskriege  zu  denen  der  Pentekon- 
Uetie:  eine  traditionelle  Anordnung  ist  unverkennbar,  die  auch  bei 
Isokrates  Spuren  hinterlassen  hat')  Nur  tritt  im  Menexenos  noch 
scharfer  hervor,  wie  in  der  panegyrischen  Tradition  die  attischen 
Eroberangskriege  gegen  Persien  zu  einem  verschwommenen  Ganzen 
zoammengelaufen  waren.  Hier  werden  die  Seeschlacht  am  Eury- 
medoo,  der  Feldzug  gegen  Kypern,  die  Fahrt  nach  Aegypten  zii- 
Nomeo  vor  den  Vertrag  gerückt,  ferner  in  eine  solche  Reihenfolge 
geschoben,  dass  man  den  kypriscbeo  Feldzug  vor  den  aegyptischen 
steilen  muss  und  nun  nicht  weiss,  welcher  von  den  kimonischen 
Zogen,  die  Ephoros  beide  mit  Kypero  in  Verbindung  bringt,  ge- 
Deiot  ist,  auch  nicht  wie  oft  die  Athener  nach  Aegypten  gefahren 
«od,  ob  öfter,  wie  bei  Thukydides,  oder  einmal,  wie  bei  Ephoros. 
Am  allerschlimmsten  ist,  dass  alles  der  Schlacht  bei  Tanagra  zeitlich 
vorangehen  soll.  Es  ist  an  und  für  sich  nichts  dagegen  zu  sagen, 
da»  der  Vertrag  die  Kämpfe  gegen  Persien  abschliesst,  auch  nicht, 
dass  die  rhetorische  Darstellung  diese  und  die  gegen  die  Griechen 
in  zwei  grosse  Massen  sondert:  zum  directen  Fehler  wird  das  un- 
klare Zusammenfassen   der   ausländischen    Ereignisse   dann,   wenn 


1)  4,  117.  118  av£  rjfuiic  diaßijpai  Tolßn^aavraS  eU  rr;v  ßi^cmtjr  xal 
ftëZÇiov  ff  n^oOTfXetf  avroU  ipQovttaavras  ovrto  SU&êfA9v  moi^  fir,  fwvov  9rat- 
0a0&at  üT^areias  i^^  ^/*ôs  ytoiovfiévovç^  àXXà  xal  rrjv  avrov  x^Q^'^  àvdxe- 
0&tu  7tO(^ovfiévfiVy  xtd  S$axo<rlcuç  nal  ;i(iAia«s  vavai  ntçmXeotnas  eiç  to- 
0mvtifr  Tonêwôxfira  Hœ€êiiTr,aafA8v  œaje  fiaxçov  nXotor  ini  xdSa  tpaai^- 
Xi/9os  fiti  9ta&éXttêiv  àXi^  riifvxioLv  ayetv  xal  rot)£  xai^vG  yiSQifidvêiv  ^  àXXà 
fiWf  r^i  na^vmjê  9waftêi  Tiunavetv. 

8* 


116  E.  SCHWARTZ 

diese  aus  rhetorischen  Grflnden  auseinandergehalteDen  Massen  aa< 
chronologisch  getrennt  und  in  ein  falsches  Verhflitniss  gebrac 
werden.  Nur  weil  Lykurg  den  hellenischen  Krieg  auslasst^  tri 
der  Fehler  bei  ihm  nicht  so  sichtbar  hervor:  dass  er  ihn  TorCui 
leigt  die  falsche  Verbindung  des  Vertrags  mit  der  Eurymedo 
Schlacht. 

Isokrates  hat,  wie  oft,  das  herkömmliche  Schema  geiatvi 
durchbrochen.^)  380  war  die  Politik  des  attischen  Reichs  wflhrei 
des  peloponnesischen  Kriegs  lebendiger  im  Gedachtniss  als  die  k 
monische  Zeit:  so  springt  er  sofort  von  den  Freiheitskriegen  : 
<ler  Apologie  dieser  Politik  und  dem  Angriff  gegen  die  Genoi» 
Lysanders  über,  um  mit  dem  effectTollen  Vergleich  iwischen  d< 
iwei  Vertrügen  zu  schliessen.  Ungeschickt  ist  diese  kunstvolle  Arcl 
tektonik  Ton  dem  Verfasser  des  lysianischen  Epitaphios  umgestalte! 
Er  bsst  auf  die  Freiheitskriege  ein  paar  Episoden  aus  dem  hell 
nischen  Krieg  der  Pentekontaetie  folgen,  als  Gegenstücke  su  de 
korinthischen  Krieg,  den  er  feiert,  und  schiebt  dann  ein  aus  Rea 
niscenzen  an  Isokrates*)  zusammengeflicktes,  unklares  Bild  des  a 
tischen  Reichs  ein,  in  dem  auch  der  persische  Vertrag  auftaucht' 
der  peloponnesische  Krieg  folgt  Nur  die  unflbertreSliche  Disponi 
kunst  des  Isokrates  Termochte  die  hergebrachte  Manier,  die  ehr 
Dologisch  ordnete,*)  bei  Seite  zu  schieben  und  durch  ein  belebend 
Abwägen  und  Vergleichen,  ein  wichtiges  Mittel  der  at^tjoig^  ' 
ersetzen. 

So  fallen  er  und  sein  stümpernder  Nachahmer  aus  der  Reil 


1)  4, 100—121. 

2)  [Lys.]  2,  48-57. 

3)  55  —  Isokr.  4, 106;  56  —  Isokr.  4, 105.  104. 118;  57  —  Isokr.  4, 11 
Die  Âbhingigkeit  von  Isokrates  wird  hier  besonders  deotlicb,  da  der  Vergleii 
den  dieser  zwiscbeo  der  Zeit  des  Reichs  uod  der  spartanischen  HeriBchi 
anstellt,  m  inhaltslosen  Phrasen  zerfetzt  ist:  Isokrates  giebt  wenigstens  r* 
der  Zeit  nach  404  scharfe  Bilder,  die  sich  historisch  interpretiren  lassen;  d 
Nachahmer  hat  keine  lebendige  Anschauung,  und  sein  Geschreibsel  rente 
nnr  der,  welcher  das  Original  nachliest. 

4)  56  T^  ttvrwr  Svrofur  rocecfinpf  imSëiSturits  wed'*  6  ftéyas  ßae 
iltès  9VHiT$  rwr  akhnqimv  àvf^fiMi^  àJU'  ÜiSov  %Sr  iawrov  «al  ta^  %à 
lomAr  ifoßevto» 

5)  Thukydides  deutet  die  tralaticischen  «a^éhua  an  2,  36,  \  iv  iy 
rà  ftètf  «axà  noXéftovç  içya  oîs  Sxaara  Aen?^,  ^  bX  t«  avxoi  ^  oi  noH^ 
flftwtf  ßOLf^ßm^op  tj  "Eklrjva  noXifuov  énêôvra  n^&vfitoç  fipwofu^a^  /mm^ 
yo^ûv  iv  ëiBoCê^  ov  ßavl6/Mvo£  iaato. 


KALLISTHENES  HELLENIKA  117 

lienus:  die  Rede  gegen  Leokrates  und  der  Menexenos  sind  ge* 
tmere  Repliken  der  Manier,  mit  welcher  das  4.,  ja  schon  das  aus- 
gebeode  5.  Jahrhundert  die  gloires  Athens  immer  wieder  vorzufahren 
pSegte.  Zu  ihnen  gesellt  sich  noch  ein  drittes,  nicht  minder  wich- 
tiges Zeugniss,  das  vielbesprochene')  Epigramm,  das  nach  Ephoros 
auf  dem  Weihgeschenk  stand,  welches  die  Athener  nach  dem  Sieg 
am  Eurjmedon  nach  Delphi  stifteten.  Es  lautete  nach  der  Fassung 
bei  Ephoros,  die  der  von  Aristides  [de  quaUuarviris  p.  209  D. 
28,64  K.]  und  der  Anthologie  [7,  296]  überlieferten^  fast  durchweg 
Tomiziehen  ist: 
1$  av  t'  EvQwmjv  [Aalag  dlxa  növrog  eveifÀe') 

xal  TtoXeag  ^rjtdh  &ovqoç  ^^çtjç  ènéxei,*) 
oiôir  nw  voumov')  inix^ovlwv  yever^  àvdçiuv 

igyop  Iv  '^nelQWt  xal  xcttà  nortov  afia^) 
oUe  yàq  h  Kincwi"^  Mijdovç  noXXovç  oXéaavreç 

0otplxwv  ixccTov  vavç  Mkov  Iv  nekayet 
ivi^ùfv  nkt)-9'0vaaç^  fiéya  à^  Saver ey  Idaiç  irt^  o^TcJi*} 

nkfjyeîa*  afÂg>otéçaiç  x^Q^^  Kcaret  nokéfAOv. 
Ephoros  belegte  seine  Darstellung  gerne  mit  Epigranunen.*)     Dass 
tf  »eh  Öfter  Ton  Fälschungen  täuschen  liess,  ist  an  und  für  sich 
kein  Beweis,  dass  er  die  Steine  nicht  selbst  sah;  hat  doch  auch 


1)  Die  Litterator  bei  Preger,  inscr,  gr.  meir.  n.  269. 

2)  Der  Scholiast  zo  Aristides  [3,  209  D.]  bat  dieselbeo  Lesungen  wie  der 
Tat  des  Aristides,  flllt  also  weg. 

3)  /'  Diod.  Aoth.  ix^ira  Arist 

4)  noXias  &vfit69v  —  ifinu  ArisL  noXsftot^  Xadv  —  itpintt  Aoth. 
«Seitdem  die  Staaten  der  Mensehen  Krieg  fuhren'  ist  besser  als  »seitdem  Ares 
^  Kriegigott  ist'.  noXêiK  behalte  ich  mit  den  Diodorhandschriften  bei:  es 
irt  die  alezandrinische  Lesung  J  308  und  liegt  in  dem  Epigramm  Hoffinann 
322  a  Raibel  759  dem  unmetrischen  nohjas  zu  Grunde. 

5)  MmfM  na  xaXXior  Anth.  ovSêvi  not  xaXkiov  Arist.  Aristides  Lesung 
ist  wegen  des  Singulars  unbrauchbar,  die  der  Anthologie  wegen  ovSa/ia,  ausser- 
dem ist  tounrrar  stärker  und  stolzer  als  nâllior. 

6)  ofutv  Arist 

7)  iv  ynüjt  Arist.  mit  augenscheinlicher  Interpolation. 

8)  avTw3^  Arist.,  in  der  Anthologie  fehlt  der  Versschluss.  Bei  vn^  av- 
teôê  K^%Bé  noXifêiov  wird  àfi^^oréifatç  x*^^  verständlich,  bei  vn'  avrwv  ge- 
icfamacklos.  Kaibel  [Jahrbb.  105,  799]  hat  in  Aesch.  Pers.  548  rvr  8^  n^- 
iKttca  fUw  9Ta¥êi  ytu    jicle  hotavavfUva,  das  Original  aufgezeigt. 

9)  Diod.  13,  41,  3  wo  für  ir  xœi  nnql  Koçmrêtar  vawi  natürlich  To- 
^m^fltf  zu  schreiben  ist.    Strab.  10,463.  464. 


118  E.  SCHWARTZ 

Uerodot  gefôl»chte  iDSchriften  io  Thebeo  abgeschrieben.*)  Afa 
das  Epigramm,  das  Dach  Ephoros  auf  dem  nach  den  Freiheitskrieg 
?on  dem  Uellenenbund  in  Delphi  gestifteten  Dreifuss  stand,^  km 
nie  einer  anderen  als  einer  papierenen  Existenz  sich  gerühmt  hah 
und  die  Fassung,  in  welcher  er  die  Aufschrift  des  Spartanergrat 
bei  den  Thermopylen  überliefert,^)  liefert  den  bestimmten  Bawc 
dass  er  auch  die  echten  Epigramme  aus  litlorarischer  Ueberliefemi 
welcher  Art  sie  auch  sein  mochte,  entnahm. 

Es  zweifelt  niemand,  dass  das  Epigramm  auf  die  Eurymedo 
Schlacht  in  der  Form,  in  welcher  Epboros  es  in  sein  Geschieht 
werk  aufgenommen  hat,  auf  einem  attischen  Weihgescheok  d 
5.  Jahrhunderts  nicht  hat  stehen  können.^)  Am  anstOssigsten 
die  Unbestimmtheit,  mit  der  der  Sieg  selbst  bezeichnet  wird.  Ephor 
behauptet,  es  bezöge  sich  auf  die  Eurymedonschlacbt,  die  er  freili 
mit  einem  kyprischen  Seesieg  verbindet:  nach  dem  Wortlaut  gc 
es  auf  einen  Landsieg  in  Kypern,  einen  Seesieg  im  Meer,  den  m 
sich  an  manchen  Stellen  denken  kann.  Die  unklare  Art,  mit  welch 
die  panegyrische  Tradition  von  den  Persersiegen  der  Pentekontae 
spricht,  ist  hier  durch  den  Zwang  der  epigrammatischen  Form  na 
gesteigert;  ja  es  sieht  so  aus,  als  wären  die  100  gefangenen  Scbif 
die  auch  Lykurg  kennt,  die  Ephoros  beide  Mal  anbringt,  von  eiiM 
schlechten  Poeten  aus  den  200  gefangenen  und  zerstörten  Schiff 
bei  Thukydides  zurechtgemacht,  um  sich  auf  das  Gefangene  li 
schränkend  und  das  Vernichtete  weglassend,  einen  rhetorisch 
Gegensatz  zwischen  Ooivlxtav  éxarov  vavç  slov  und  Mfjât 
noiXovg  okéaavzeç  zu  gewinnen,  und  auf  diese  Weise  in  die  rh 
torische  Tradition  gelangt. 

Die  Verbindung  zwischen  den  beiden  Theilen  des  Gedichts  i 
schlecht.     Man  erwartet  eine  Fortfühniug  des  roiovvov,  eine  Fo 
mulirung  des  Gedankens,  wie  sie  in  umgekehrter  Reihenfolge 
der  Damonouinschrift  gewählt  ist  [Hoffmann  374]: 


1)  5, 59  ff. 

2)  Dioü.  11,33,2. 

3)  Diod.  11,  33,  2  w  fêïpê  àyyaïXor  jdaxaâatftovùus  ot$  ttjiSb  m 
fitd'a  roSs  ttêivnv  nai&ofABvot  yo/iifiOiç,  Ebenso  citiren  bekanntlich  L 
kurg.  109,  Stnb.  9,  429,  Gic.  Tusc,  1,  ICI;  auf  dem  Stein  stand  dyydlh 
[Her.  7,  228]  and  ^fiaai  nê$&6fuvoi  [Her.  ÂP  7,  249]. 

4)  Die  Grabschrift  ÂP  7,  258  bat  Keil  in  dies.  Ztschr.  XX  341  ff.  : 
litterarisches  Fabricat  erwiesen  ;  ÂP  7, 443  hat  gar  keine  bestimmte  Heciehu 


KALLISTHENES  HELLENIKA  119 

JafAioviûv  àvi&rjue  'Ad'avaiai  noXiaxwt 
viKohaç  tavtä  Aar'  ovâfjç  nrjnoxa  xiav  vvv. 
Slatt  dessen  wird  der  zweite  Theil  mit  einem  oïds  begODoeo,  das 
aus  der  Formelsprache  der  GrabschrifteD  herstammt   und   in   die 
Aufschrift  eines  Weih^escheuks  sich  nicht  fQgen  will. 

Schon  vor  langen  Jahren  ist  die  Vermulhung  aufgestellt,')  dass 
das  io  der  Anthologie  [Plan.  26]  unter  Simonides  [89  B.]  Namen 
erbaiteoe  Epigramm  auf  den  Sieg  der  Athener  über  Ghalkis  zu- 
nmmeogesetzt  ist  aus  der  echten  Grabschrift 

JiQipvoç  êdfÀjj&ijfÀev  vno  Ttrvxl,  afjfÀa  d^  iq>^  fifAîv 
iyyvâ^ev  Eèçinov  ôrjfÀoalac  xéxvtai 
ood  dem  rhetorischen  Flicken: 

oux  àôixwç*  içatijv  yàg  ànwXéaafÀBV  veoTïjta 
Tçrjxeîav  nokéfÀOV  ôe^àf^evoi  vëcpékriv.*) 
DieVermuthung  ist  glänzend  bestätigt  durch  den  Stein  von  Salamis,') 
der  die  sicher  zu  deutenden  und  zu  begrenzenden  Reste  der  Grab- 
icbrifl  der  480  gefallenen  Korinther  trägt,  welche  längst  aus  Plu- 
twcb  und  Favorin^)  bekannt  war: 

(i  ^ive,  evhvÔQOv  no%^  iyaiofieç  aatv  QoQlvâ'Oy 
vvy  ô\  a  fié  Aïavroç  vàaog  ex^c  ^alofilç. 
Der  Stein  lehrt,  dass  erst  in  der  litterarischen  Ueberlieferung  das 
Stilkondigen  stets  anstössige  zweite  Verspaar  zugewachsen  ist: 
hx^döe  OoLviaoag  vrjag  xai  üegaac  ékovTeg 
Tuxi  Mijàovg  leQCcv  ^EkXaôa  ^vadßei^a. 
Ke  Zusammenstellung  der  phoenizischen  Schiffe,  der  medopersischen 
Truppen  kehrt  hier  ganz  ähnlich  wieder,   wie  in  dem  Epigramm 
auf  die  Eorymedonschlacht  und  den  Schlachtberichten  des  Ephoros.') 
Nach  dieser  Analogie  ist  auch   die  Inschrift*)  auf  dem  Kenotaph 
itt  Koriolh  in  der  Fassung  Plutarchs  und  der  Anthologie  von  dem 
Verdacht  der  Fälschung  befreit: 

àt^&g  iarrjxvlav  irci  ^vqov  'EU,ciâa  nàaav 
xaîg  avtwv  xpvxctlg  xelfÂBÔ-a  ^vadfisvoi^ 

1)  Kaibel  Jahrbb.  105,  801. 

^^  ^gl.  Find.  nem.  9,  37  nav^oi  Si  ßovXnfOai  tpovov  naçnoSiov  v- 
'      *  V^'ywi  norl  Svafiavitov  àvS^àv  arixas  x^i^^  ^^  y^X^*  Swenoi, 
^)  Mai  22,  52  ff.   Wilamowitz  Nachr.  d.  GöU.  Ges.  d.  Wiss.  1897,  306  ff. 
^>  l^lwU  de  mai  Herod.  39  p.  870«.    [Dio]  37,  18. 
^^  öiod.  11,  60,  6.  12,  3,  3  vgl.  11,  75,  2. 
^^  ï^lttt.  a.  a.  0.   AP  7,  250.    Arisl.  28,  66. 


120  E.  SCHWARTZ 

die  Fortsetzung,  die  Aristeides  kennt,  als  ein  neues  Beispiel  r 
torischer  Fortwucherung  erkannt: 

dovkoavvtjç'  négaaiç  di  negl  q>Qeal  TajfAora  ttwxa 
ijtpafiev^  aQyakérjç  fÂvrJinata  vavfÂaxlf]Ç» 

oatéa  y  rjiAiv  %xet  Sakafilç*  natçlç  dk  Koqiv&oç 
ovt'  eveçyeaiïjç  lÂvrlfi   ifté^rjxe  tôde. 
Korinthische  Apologetik  hat  in  diesen,  attische  Epideixis  in  jen 
ersten  Beispiel  die  alte,  grosse  Einrachheit  ?erschnOrkelt.     In  i 
Tbeile  mit  sichtbarer  Fuge  zerfiel   bei   genauer  Betrachtung  ai 
das   Epigramm    auf  die   Eurymedonschlacht.     Der  zweite  ist  i 
rettbar,   aber  der  erste  kann  auf  dem  Weihgeschenk   in  Del| 
dessen  Existenz  durch  ein  von  Ephoros  unabhängiges  Zeugniss 
sichert  ist,')  gestanden  haben: 

1$  ov  %^  EvQiircTjv  idalag  dlxa  novtog  ivetfÂB 
xal  nokeag  ^rjTwv  ^ovqoç  ^Agr^g  inéx^h 

ovâév  nw  xoioîtov  èmx^oviwv  yévex*  àvÔQfHv 
ïgyov  iv  rjTtelgtüi  xal  xavà  novxov  Sua, 
Das   echte  Epigramm  war  bekannt  und  berühmt:  dass  Isokn 
darauf   anspielt,')    dass   es   in    zwei   noch   erhaltenen    Inschril 
nachgeahmt  wird,')   ist  nun  nicht  mehr  wunderbar.     Der  Gada 

1)  Paus.  10,  15,  4  rov  Se  fpoivma  àvê&eaar*A^i]valoi  tov  x^^knavv 
avrov  xal  ^Aâijvâs  âyaXua  inlx^cov  ini  rcji  tpoivmi  anb  kf^tav  tuv 
EvcivßiSov%i  èv  rjfiiqai  ttji  avriji  %o  fiàv  Tr^^^i,  to  8i  vavalv  èv  xéût 
ra/Awi  xnroiçd'afcaVf  der  Relativsalz  umschreibt  den  prosaischen  Tbeil 
Inschrift.  Es  folgt  eine  Geschichte,  die  Kleidemos  von  dem  Weihgescl 
erzählt  hatte. 

2)  4,  179  T^s  yà^  yrfi  ànàcriç  triQ  vno  ttui  xoc/ian  xetfUtnjç  SIjuhl 
TfiijfUtnjs  xal  xrjS  fiiv  jéaiaç^  ri^e  8*  Evçœnijs  xaXovuévrjs^  rrjtf  ^fUaBun 
xtov  aw&fptwv  êilrjtpar  wanB(f  nçès  vov  Jia  trjv  x^^t'^^  vBfiOfisvoç  àlX 
nçbs  àv&QcjnavQ  tos  aw9'T,xni  noêov/Mvoe.  Als  Gegenstück  za  dem  1 
gramm  gefasst,  bekommt  die  Stelle  eine  ungleich  grössere  Schärfe. 

3)  Hoffmann  330  »  Kaibel  76S 

*£$  ov  T*  Evç€J7tijv  \iaiaç  Sîxf^  nonoe  é't^eê/iét^, 
ov8ais  nm  Avxiatv  airihfjv  rotâv8ê  âve'^xer 

8d»8»xa  &êoîs  àyoçàc  év  xa&açdbi  Te/iivei. 

vixôâv  xal  noXêfiov  fivr,fia  i68e  a^avarov  xtX. 
Hoffmann  352  —  Kaibel  844,  aus  dem  Jahr  376/5 

*Eè  ov  Kix^na  >lao6  A&rivaiofv  ovoud^ei 

xai  x^9^^  IlaXlàs  rtjvS*  ixtiOê  Srifion  lédijvwVf 

ovSilç  2o»a$ßiov  xal  Ilvçça  fiêi^ova  &vfjrwv 

^Xt]v  KaxQ07n8(üv  ifçya9i  iSçaaa  àya&â. 
Es  folgt  eine  prosaische  Inschrift. 


KALLISTUENES  HELLËNIKA  121 

ist:  Docb  nie  ist  im  Krieg ,  den  die  Hellenen  von  jeher  mit  den 
Persern  und  ihren  Vorgangern  geführt  haben,  ein  solcher  Sieg,  zur 
See  zugleich  und  zu  Lande,  erfochten.  Die  Vorstellung  von  der 
Zweilbeilung  der  Erde,  welche  die  physikalische  Geographie  der 
loDier  im  bcwussten  Gegensatz  zu  der  Conventionellen  Scheidung 
Dach  Völkern  und  Städten  geschaffen  hatte,  ist  benutzt,  um  den 
Kampf  des  attischen  Reichs  gegen  den  GrosskOnig  zu  einem  von 
jeher  geführten,  durch  die  Natur,  gegebenen  zu  stempeln  :  das  ist 
ein  für  die  kimonische  Zeit  charakteristischer  Zug,  den  kein  Fifl- 
scher  erfinden  konnte.  Nur  auf  den  Einwand  bin  ich  gefasst, 
dass  das  Epigramm  eine  zweite  prosaische  Inschrift  voraussetzt 
mit  dem  Namen  der  Weihenden,  der  Dedicationsformel,  der  Bezeicb- 
BQDg  der  Schlacht.  Wenn  das  Stilgesetz,  dass  diese  Dinge  in 
ein  Epigramm  einbezogen  werden  müssen,  unverbrOchlich  ist, 
80  muss  jene  Hypothese,  welche  die  ersten  beiden  Distichen 
retten  will,  fallen.  Ich  will  mich  nicht  allein  darauf  berufen, 
daas  die  attische  Nachahmung  vom  Jahr  375  thatsächlich  nur 
dorch  die  hinzugefügte  prosaische  Inschrift  verständlich  wird, 
aoch  die  Analogie  einer  auf  dem  Stein  erhaltenen  Inschrift') 
Dicht  allzuscharf  betonen,  da  diese  nicht  älter  als  die  Mitte 
tiea  4.  Jahrhunderts  sein  soll.  Beispiele  aus  dem  5.  Jahrhundert 
(ebleo  nicht  ganz;  es  ist  ausserdem  nicht  zu  vergessen,  dass 
iDsehriften  grosser,  staatlicher  Weihgeschenke  in  sehr  geringer 
Anahl  erhalten  sind,  sodass  ,Geseize^  nicht  ohne  Reserve  slatuirt 
werden  dürfen,  um  so  weniger  als  die  Kunstwerke  selbst  den  Anlass 
geben  konnten  die  Inschriften  zu  vertheilen.  An  der  Echtheit  der 
mit  der  Eurymedonschlacht  etwa  gleichzeitigen  olympischen  Inschrift 
[Paus.  5,  27,  2  —  Preger  55] 

OôçfÂtç  àvé&rjxev 
^Aqmç  Maivàkioç,  vvv  ôè  2vQax6aioç 
)«t  auch  nicht  der  geringste  Zweifel   möglich,   und   die   ebenfalls 
Dicher  authentische  Hieroduleninschrift   von  Korinth   verlangt  eine 
prosaische  üeberscbrift  *)  ;  ebenso  die  von  Ephoros  [Diod.  13,  41,  3] 

1)  Hoffmann  100  «—  Kaibel  28,  ich  bezeiche  nur  die  nicht  sicheren  Er- 

giozongeo 

yavfiaxias  iv  àyœvi'  Tâfp[oç  lH*  ov  9rj/ios  iSatKêv 
9P^S«i  [nai]  Ttarf^iS*  als  [^yXaiaav  x^Ç^^^^- 

2)  Wilamowitz  Comm.  gramm.  IV  IfT. 


122  E.  SCHWARTZ 

aogeführte  aus  Torone.  So  lässt  sich  ohne  zu  grosses  Bcdeoki 
das  Gleiche  auch  von  der  Aufschrift  auf  dem  attischeo  Weihgeschei 
io  Delphi  voraussetzen,  weun  mau  nicht  vorzieht,  was  ich  nie 
thue,  eio  zweites  Epigramm  anzunehmen. 

Die  unechte  Fortsetzung  der  Inschrift  reiht  sich  mit  ihrer  ( 
schichtlichen  Unkenntuiss  in  die  panegyrisch-rhetorische  Traditi 
ein,  welche  die  attischen  Persersiege  der  Pentekontaetie  nicht  ai 
einanderzuhalten  vermochte.  Es  dürfte  dies  Oberhaupt  ein  Fingi 
zeig  dafür  sein,  in  welchen  Kreisen  die  Sammler  und  Verfalact 
der  historischen  Epigramme  zu  suchen  sind.  Nicht  nur  Hero< 
und  Thukydides  haben  sich  auf  Inschriften  berufen,  die  Localhisla 
wird  noch  in  viel  höherem  Grade  mit  diesem  Material,  gutem  o 
schlechtem,  gewirthschaftet  haben.  Die  Trübungen  der  korinthisch 
Epigramme  aus  der  Perserzeil  weisen  auf  korinthische  Chronik« 
die  ähnlich  wie  die  megarische  gegen  die  Glorification  Athens  poi 
misirten  ;  manches  von  seinen  Epigrammen  wird  Ephoros  aus  Bei. 
nikos  und  derartigen  Sammlern  locaier  Ueberlielerung  entnomm 
haben.  Neben  die  Geschichte  grossen  Stils  und  die  localantiqo 
rische  Forschung  stellt  sich  die  Pseudohistorie  der  attischen  E| 
taphien  und  Panegyriken  milsammt  den  polemischen  Pamphlete 
die  sie  hervorrief.  Sie  brauchte  die  Citate,  ,wie  der  Dichter  sing 
,wie  der  Stein  kündet'  so  gut  wie  unsere  beutigen  Festredner,  ui 
man  soll  sich  dadurch  nicht  lauschen  lassen,  dass  die  uns  erbi 
tenen  Proben  dieser  Beredtsamkeit  das  Sulgesetz  streng  befolge 
welches  das  Einstreuen  solcher  Dichterworte  als  schülerhaft  verpOi 
Ephoros  band  sich  keineswegs  daran  und  cilirt  nicht  nur  um 
beweisen,  sondern  eben  so  sehr  um  zu  schmücken*);  Timae 
putzte  gerade  seine  Reden  mit  poetischen  Brocken  überreicbli 
aus.  Polybios')  nennt  sie  darum  Schüleraufsätze  und  verrfith  dam 
dass  die  Rbetoreuschuie  zur  Verwendung  auch  solcher  T€Xfiry^ 
anleitete,  gewiss  nicht  erst  im  2.  Jahrhundert,  wenn  man  bedenl 
welche  Rolle  die  Poesie  in  der  allgemeinen  Bildung  des  5.  u.  4.  Jak 
hunderts  spielte.  In  der  Schule,  in  dem  Formelschatz,  den  ( 
Epitaphien   anhäuften,   ist  das   historische  Epipramm  fortgepflar 


1)  Vgl.  das  Gitat  aus  Simonides  Diod.  11, 11, 6;  aus  Choerilos  Strab.  7, 3( 

2)  12,  26,  9  &avfm^(a  8tj  r/a»  jror*  av  ä?.Xots  ext^rjoaro  kSyoiS  tj  ni 
^o^ale  [^  Gilate]  fteiQaxtov  a^i  ytveftsvav  neçi  8iarctßa€  m€lI  ras  am  ti 
vnofAVtifidtofv  nolvngay/ioawaç    nai    ßavkofuvov  nnçayyelfiartxtSç  in  tt 


KALLISTHENES  HELLENIKA  123 

nod  rhetorisch  umgebildet,  nicht  io  eigenen,  um  des  poetischen 
Intéresses  willen  zum  Buch  zusammengestellten  Sammlungen.  Dann 
wflrde  ein  fingirter  Autorname  sich  eingestellt  haben;  aber  weder 
Epboros  noch  die  altere  Ueberlieferung  der  Historiker  und  Rhetoren 
keoDt  die  Manier  solche  historischen  Epigramme  Simonides  oder 
auch  nur  irgend  einem  bestimmten  Dichter  zuzutheilen,  wo  sie 
sieh  doch  nicht  entblödet,  wenn  sie  andere  Poesie  citirt,  den  Dichter 
xa  DeiineD. 

Kehren  wir  zur  Eurymedonschlacht  zurück,  so  wird  nach  dieser 
Uitenuchiing  die  Art  nicht  mehr  aufTallen,  mit  der  Epboros  den 
Bericht  von  den  zwei  kimonischen  FeldzOgen  zu  einem  äusserlich 
doppelten,  innerlich  identischen  Bilde  formt.  Der  kyprische  Peldzug 
Old  der  Sieg  am  Eurymedon  waren  der  rhetorischen  Tradition  in 
«ios  zusammengelaufen  :  der  Geschichtschreiber  wusste  so  viel  aus 
Thokydides,  dass  beide  zu  trennen  waren,  beschränkte  sich  aber 
io  seiner  das  Halbe  liebenden  Art  darauf,  das  falsche  rhetorische 
Cesammtbild  zweimal  zu  verwerthen,  mit  unbedeutenden  Modifica- 
tioneo;  ja  er  verstieg  sich  bei  der  Eurymedonschlacht  sogar  zu  der 
ÜDwahrscheinlichkeit,  Kimon  in  wenig  Stunden  direct  nach  der  See- 
schlacht von  Kypern  nach  Pamphylien  fahren  zu  lassen,  damit  der 
sHgeiiiein  berühmte  Doppelsieg  ein  einheitlicher  bliebe  und  doch 
<üe  Combination  zwischen  dem  pamphylischen  und  kyprischen  Sieg, 
die  ursprünglich  etwas  ganz  anderes  bedeutete,  nicht  aufgegeben 
^fMt,  Er  fand  auch  nichts  dabei,  seine  Darstellung  mit  dem  der 
rhetorischen  Tradition  angehörigen  Epigramm  zu  krönen,  ü1)gleich 
»  zu  seiner  halben  Correclur  der  rhetorischen  Manier  die  Dinge 
ZQsammenzuziehen  nicht  mehr  passte;  ein  kleiner  stilistischer  Kunst- 
griff vertuschte  den  Widerspruch.') 

Epboros  hat  sich  vor  dem  Fehler  allerdings  gehütet,  den  Ver- 
trag mit  Persien  an  die  falsche  Stelle  zu  rücken  :  dass  dieser  Fehler 
wirklich  und  mehr  als  einmal  gemacht  wurde,  beweisen,  von  Kalli- 

1)  Bei  Ephoros  geht  der  Seesieg  der  Laodschlacht  voraus;  aber  in  der 
^^Itliessenden  Wfirdigoog  heisst  es,  mit  genaoem  Anldang  an  das  Epigramm 
nii61,7]:  vêftxipeoTaÇ  Sto  xakXiffraç  rixaÇy  rtjr  ßuv  narà  yrjv,  rijv  8i  xarà 

f^olyaeo  1,  34, 1  erzihlt  im  Debrigen  nach  Ephoros,  stellt  aber  die  Schlachten 
gemäss  dem  Epigramm  um:  er  oder  sein  Gewährsmann  haben  also  das  Epi- 
irraiDin  bei  Ephoros  gefunden. 


124  E.  SCHWARTZ 

sthenes  Polemik  abgesehen,  der  Menexenos  und  Lykurg.  Er  i 
enUtanden  aus  der  rhetorischen  Unsitte,  die  persischen  FeldzQj 
der  Pentekontaetie  zu  einem  Bilde  zusammenzuziehen.  In  diese 
Bilde  prangte  der  durch  das  delphische  Weihgeschenk  mit  seine 
berühmten  Epigramm  gefeierte  Sieg  am  Eurymedon  mit  den  leoc 
tendsten  Farben  und  zog  daher  den  Vertrag  um  so  eher  an  sie 
als  dieser  fOr  das  ruhmreiche  Gegenstück  des  KOnigsfriedens  ga 
für  einen  Erfolg,  nicht  fOr  eine  Concession  Athens.  Ephoros  ric 
tigere  Darstellung  beseitigte  den  Fehler  nicht,  sondern  trug  dar 
die  Identität  der  Berichte  von  den  beiden  Siegen  nur  noch  me 
dazu  bei,  dass  die  Confusion  sich  einbürgerte.  Soll  man  nun  ab 
glauben,  dass  auch  Piaton  den  Irrthum  getheilt  hätte,  dass  dersel 
Geist,  der  in  den  Gesetzen  so  tiefsinnige  Gedanken  Ober  den  Gai 
der  griechischen  Geschichte  ausspricht,  einen  Schnitzer  begang( 
hätte,  den  ein  Ephoros  vermeiden  konnte,  dass  der  Todfeind  d 
verflachenden  Rhetorik  dem  Laster  der  Rhetoren  verfallen  wSi 
tralaticische  Phrasen  urlheilslos  nachzuplappern?  Sollte  er  eine 
dumme  Erfindung  sich  erlaubt  haben,  wie  die,  dass  Perikles  Hl 
tresse  dem  Sokrates  im  Jahr  386  eine  Rede  hält?  Sollte  er,  d 
in  der  romantischen  Erneuerung  des  Heldenepos  die  Poesie  d 
Zukunft  sah  und  von  der  grassirenden  Verehrung  des  Choerilos  nich 
wissen  wollte,  das  panegyrische  Gerede  von  den  Perserkriegen  fl 
einen  dankbaren  poetischen  Stoff  erklärt  haben?*)  Aber  Aristotel 
citirt  den   Menexenos.')     Gewiss   citirt  er  ihn,   unzweideutig:  a 


1)  239^  wv  de  OVT8  noifjTTi^  nto  86iav  dSiav  in*  a^ünc  Xaßatw  ix 
iVi  ré  ètfiiv  év  ftvijcrêiaê,  rovrofv  naçê  fioi  Soxêï  x^V^ft*  én&fivrjad^ai  ixtL 
vovvxâ  T6  xal  nçofti^caftêvov  âXloi£  is  (èêSds  t<  nal  Tr^v  oXkrjv  noirjaw  avi 
d'ëlva^  nçtnévrws  xwr  nçaidvxav,  Procl.  ad  Tim.  p.  28^  'H^axXBiSrjç  ym 
6  UovTixoe  ^aw  on  xùiv  Xoêffilov  rare  êvSaxi/iOvvratv  nJuaxatv  rà  lipt 
fiâxov  nçovilfâriUB  ual  avxov  énêiCê  rov  ^HçaxXâidtjv  eis  Koloipwva  iX^iwt 
xà  not^juaxa  avXXeiai  xov  avisos,  ftâxriv  ovv  fXrivaipoviit,  KaXU/uagos  m 
Jovçu  WS  nX&xmvos  ovx  ovxos  ixarov  nffivtiv  noirjxâs.  Vgl.  Plot.  Lyt,  \ 
etc.  Brtd.  191. 

2)  RhêL  r  14  p.  1415^  30  o  yàç  Xéye*  ^StOM^ârr^s  étf  xa$  inixtupim 
àXaj&is  Sxt  av  x^^^ov  ^A&rjvaiovs  iv  'Ad^aùns  inatvaiv  âiU*  év  Aom 
ecußAOvüHß  •»  Menex,  235<>;  derselbe  Ausspruch  wird  rheU  .<^  9  p.  1367^ 
mit  tuCTtê^  6  Smn^xris  HXayw  eingeführt,  vielleicht  als  Apophthegma,  dm 
kommt,  da  an  dem  Zeugniss  in  IL%ql  XiSaafs  kein  Zweifei  möglich  ist,  dara 
nichts  an.  Gegen  eine  ultraradikale  Kritik,  die  behauptete,  dass  platoniscl 
Dialoge  nach  Stellen  des  Aristoteles  gefälscht  wären,  hat  der  Satz,  dass  e 


KALLISTHENES  HELLENIKA  125 

wenn  das  etwas  anderes  bewiese  als  dass,  was  ohnehiD  wahrschein- 
lich ist,  der  Meoexenos  io  der  Zeit  Alexanders  geschrieben   ist. 
Es  hat  damals  genug  Isokrateer  gegeben,  die  Piaton  verehrten  — 
man  denke  an  Isokrates  von  Apollonia  und  Philiskos  —  und  Pla- 
toniker,  die  mit  der  Rhetorik  coquettirten:  wo  es  lebendige  Gegen- 
sUxe  giebt,  fehlen  nie  die  Leute,  die  sie  vertuschen.    In  jener  Zeit 
des  DebergangSy  in   der  die  Principien  der  Bildung  und  des  Stils 
in  buntestem  Durcheinander  sich  mischen,  erschien  die  thörichte 
Idee  nicht  thOricht,  die  mimetische  Kunst  Piatons  und  den  ernsthaft 
gemeinten  Pomp  der  Panegyriker  zu  einem  kentaurischen  Ganzen 
ZQ  ?ereinigen.    Nicht  mit  dem  Gorgias  oder  Phaidros,   mit  dem 


aristotelisches  Gitat  die  Ectilbeit  verbürgt,  gute  Dienste  gethan  :  jetzt  wo  viel 
mehr  Gefahr  von  einer  Berge  versetzenden  Gläubigkeit  droht,  dOrfte  es  hohe 
Zeil  seio,  das  seit  Jahrzehnten  für  ein  noU  me  längere  gelteodene  Aziom 
20  revidiren,  damit  es  nicht  zu  einer  Formel  sich  versteinert.  Es  ist  einfach 
mtfetitio  jtrineipii,  dass  Aristoteles  eine  unter  Piatons  Namen  gehende  Schrift, 
SDch  wenn  sie  unecht  war,  nicht  hätte  citiren  können,  ohne  sie  ausdrücklich 
9k  onecht  zu  kennzeichnen.  Sieht  man  sich  die  von  Bonitz  Ind.  ArUtot, 
^596f.  zusammengestellten  Gitate  des  platonischen  Sokrates  naher  an,  so 
Ofiebl  sich,  dass  Aristoteles  diese  Form  anwendet,  wenn  er  eine  Lehre  oder 
Aiicbaaung  als  einer  bestimmten  Schrift  eigenthömiich  charakterisiren  will: 
to  wird  die  Ideenlehre  des  Phaedon  besonders  hervorgehoben,  weil  sie  ein 
bcssaderes  Entwicklungsstadium  darstellt  [vgl.  de  gen,  et  eorr,  ^  9  p.  335i>  10 
Biit  met,  A  9  p.  991i>  3]  und  in  der  Politik  steht  der  Sokrates  des  Staate  den 
iiRiter  geschriebenen*  Gesetzen  gegenüber.  B  6  ISsst  das  deutlich  erkennen, 
sttTts  ol  Tov  ^mHifotovç  loyot  heisst  ,der  Staat*,  auf  den  ebenvorher  die 
CcMUe  zurückgeführt  sind,  mit  Nichten  ,der  Staat  und  die  Gesetze*;  zu  ^  7 
P*  1342*  33  ff.  bemerke  ich,  dass  die  Erörterungen  der  Gesetze  über  den  dio- 
Byiiiciieo  Chor  der  Alten  [2,  665*  ff.]  den  aristotelischen  Gedankengängen  er- 
^lieh  näher  stehen,  als  die  kritisirten  Erörterungen  im  Staat,  ^ofx^ânjs 
iitalsomit  Nichten  eine  Formel  für  Piaton,  sondern  soll,  wo  nicht  witpoL  A  13 
P.1360*  22  «<A.^  3  p.  1145^  23  der  historische  Sokrates  gemeint  ist,  einen 
l)i>log  bezeichnen  wie  Lf^toro^at^s  év  rois  é^anutoU  loyois  [pol.  B  4 
^•1262^  11]  das  Symposion,  ô  KcdXtMlrjs  év  rtüt  Po^iai  [top.  /  12  p.  173*  8] 
<leo  Gorgias.  Es  ist  gewiss  charakteristisch,  dass  Aristoteles  die  Dialoge  des 
Aesdüoes  und  Antisthenes  nie  so  citirt,  aber  daraus  folgt  noch  lange  nicht, 
àsi  it  immer  und  unter  allen  Umständen  nur  ein  echt  platonisches  Buch  so 
dtirte.  Er  citirt  auch  [met.  J  29  p.  1025*  6]  den  kleinen  Hippias  mit  o  év 
fm  'bntitu  lâyoç^  und  doch  glaube  ich  nicht,  dass  Piaton  selbst  seine  eigene 
ipologie  [p.  17«]  so  ungeschickt  copirt  hat,  wie  der  den  platonischen  Humor 
«efa  aoqoälende  Verfasser  dieses  kümmerlichen  Machwerks  es  thut  [368^]:  So- 
lrates Platz  ist  auf  dem  attischen  Markt  an  den  Wechslerbuden,  der  vornehme 
Sophist  gehört  da  nicht  hin. 


126  E.  SCHWARTZ 

pseudolysianischeD  Epitaphios  gehört  der  MenexeDOs  susamm« 
beide  lehren  viel  Tür  die  Slelluog,  die  um  330  das  gebild 
Publicum  zu  Lysias  und  Platon  einnahm,  für  diese  seibat  s 
bedingt  nichts. 

Die  Anschauung  von  dem  Frieden,  gegen  welche  Kallistbeo 
polemisirte,  ist  in  ihren  Ursprüngen  aufgedeckt.  Es  bleibt  bo 
übrig  die  seltsame  Beschreibung  der  Schlacht  am  Eurymedon,  welcl 
Plutarch  [Kim.  12,  13]  aus  Kallisthenes  und  Phanodem  entkh 
haben  will,  mit  Ephoros  zu  vergleichen  und  zu  analysiren.  Geblieb 
ist  die  Reihenfolge  9  dass  zuerst  der  Sieg  zur  See,  dann  zu  Lau 
erfolgt,  insofern  als  die  im  Eurymedon  stationirte  Flotte  der  Pen 
zunächst  geschlagen,  dann  sofort  das  Landheer  vernichtet  wir 
andererseits  ist  hiermit  die  Einheit  der  Schlacht,  die  Ephoros  dun 
die  unwahrscheinliche  Fahrt  nach  Kypern  zerstört  hatte,  wiede 
hergestellt.  Aber  diese  Combination  mit  dem  kyprischen  Sieg,  d 
den  Berichten  des  Ephoros  so  verhängnissvoll  geworden  war,  i 
nicht  ganz  aufgegeben,  sondern  mit  der  allgemeinen  Wahrscheii 
lichkeit  in  Einklang  gebracht  durch  die  Erfindung,  dass  ein  pbOii 
zisches  Geschwader  von  80  Schiffen  von  Kypern  her  im  Adioj 
gewesen  sei  und  Kimon  dies  sofort  nach  dem  Landsieg  am  Ear 
medon  geschlagen  hätte.  Nur  weil  Ephoros  noch  vorliegt,  ist 
möglich  die  Technik  dieser  Erzählung  zu  durchschauen:  Plutan 
führt  sie  ausdrücklich  auf  Kallisthenes  zurück.  Aus  dem  von  Plo 
arch  erhaltenen  Rest  von  Polemik,  die  Phanodem  gegen  Ephor 
über  die  Anzahl  der  persischen  Schiffe  führte,  lässt  sich  mit  B 
slimmtheit  nur  so  viel  schliesseu,  dass  dieser  den  Glanz  des  Sieg 
durch  eine  ungeheuerliche  Uebertreibung  zu  erhöhen  bemüht  g 
wesen  ist.  Möglich  ist,  dass  Kallisthenes,  der  auch  sonst  einn 
mit  Phanodem  zusammengestellt  wird,*)  aus  ihm  im  Wesentlich 
die  romanhafte  Correctur  von  Ephoros'  Bericht  entlehnte,  mögli 
auch,  dass  Phanodem  den  falschen  Ansatz  des  Vertrags  mit  Perti 
in  seine  Althis  hinübernahm:  aber  zu  sicheren  Schlüssen  rei< 
die  Ueberlieferung  nicht  aus,  und  keinenfalls  durfte  man  einen  e 
zelnen  Atlhidographeu  zum  Erfinder  des  in  der  panegyrischen  Lit 
ratur  feslge wurzeilen  Irrlhums  stempeln. 


1)  Proci.  ad  Tim.  p.  30^  Der  CIG.  Sept.  4252.  4253  [332/t]  Qod  A 
[329/S]  genannte  4>av68ri/ioç  JMXov  BvfiairdSrjç  ist  der  Âtthidograph, 
Historiker  Diyllos  sehr  wahrscheinlich  sein  Sohn. 


KALUSTHENËS  HELLENIKA  127 

KallistheDes  wird  Olynthier  genannt,  weil  er  vor  348  geboren 
war.  Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  die  Schriftsteller  zusammen- 
luslellen,  die  auf  diese  Weise  dem  4.  Jahrhundert  zugewiesen  werden 
mOsseo. 

Der  Neffe  des  Aristoteles  hat  es  Alexander  nicht  nachgetragen, 
^  sein  Vater  ihn  heimathlos  gemacht  hatte:  er  hat  Alexander 
oppooirt  nicht  als  Bürger  einer  hellenischen  Stadt,  sondern  als 
Génoise  des  makedonischen  Adels,  weil  er  die  Chancen  des  Conflicts 
iwischen  diesem  und  dem  König  falsch  berechnete.  Dagegen  stimmte 
ein  anderer  Olynthier  in  die  Hetze  gegen  den  todten  Löwen  mit 
lauter  Stimme  ein  :  Ephippos  schrieb,  zweifellos  gleich  nach  Alexan- 
ders Tod,  ein  giftiges  Pamphlet  zum  Nachweis,  dass  der  Welt- 
beherrscher, der  als  Gott  hatte  verehrt  sein  wollen,  und  sein  Freund, 
deo  er  zum  Heros  declarirt  hatte,  sehr  sündhafte  gotteslästerliche 
Meoschen  gewesen  seien,  die  gestorben  wären  und  im  Grabe  lägen 
wif  andere  auch.  Alexander  hat  sich  zu  Tode  gesoffen,  weil  Dio- 
nysos an  ihm  die  Zerstörung  Thebens  rächte;  die  Makedonen  können 
nicht  gebildet  zechen,  sondern  sind  schon  vor  dem  Dessert  be- 
tranken:  das  charakterisirt  dies  Product  frommen  Patriotismus  und 
griechischen  Bildungsstolzes  zur  Genüge,  es  war  ein  Pasquill,  kein 
Geschichtsbuch.  Der  Titel  Tleçl  t^ç  ^Hq^aiaTiœvoç  xal  ^AXe- 
\Mqov  Tag>Yjg^)  reiht  sich  einem*  Pamphlet  Hegl  tov  tôçov 
fiii  noirjaai  OiXinnœi  an,  das  ein  Gegner  des  Isokrates  diesem 
untergeschoben  hatte,  um  dem  Redner,  welcher  mit  Demosthenes 
vnd  Hfpereides  nichts  zu  schaffen  haben  wollte,  die  Schande  an- 
XQhangen,  dass  er  für  die  göttliche  Verehrung  Philipps  eingetreten 
sei.')  Aoaximenes  BaaiXiwv  (uêTaXXayal^)  gehören  in  den  gleichen 
Zosammenhang,  mehr  lässt  sich  leider  nicht  erkennen. 

Dagegen  ist  der  Olynthier  Strattis  völlig  verschollen,  der  in 
fünf  Büchern  die  officielle  Version  über  den  Tod  Alexanders  be- 
handelte und  ausserdem  Heçl  TCOtafÂWV  xa/  xçtjywv  xal  XtfAvwv 
(Soldas)  schrieb. 


1)  Athen.  3,  120«.  10,  434«.     Für  täcp^c  steht  4,  146«  /laTaXXayriQ,  12, 

2)  Soldas  fährt  es  unter  deo  Schriften  des  Isokrates  von  Apollooia  auf; 
das  ist  ebenso  zo  beortheilen,  wie  wenn  Harp,  inaxroe  cqxos  U^ü  JrjfAovi' 
mp  ibm  zogescbrieben  wird.  Für  die  übrigen  Titel,  wie  für  die  des  Pbiliskos 
rao  Miiet  gilt  dasselbe. 

3)  Athen.  12,  631<».    Steph.  naacacyadoe. 


128  E.  SCHWARTZ 

EupbantoB  vod   Olynth')  schrieb   die  Geschichte  seioer  Zeil 
und  Tragoedien.     Das  zeigt  erstens,  dass  damals,  wie  in  Rom  lur 
Zeit   Ciceros,    jeder  der  die    Kunstprosa  beherrscht,   glaubt  eine 
Tragoedie  machen  zu  können:  Agatbon  und Tbeodektes  haben  ge- 
wirkt   Ferner  kann  dies  ZusammentrefTen  dafür  angeführt  werden, 
dass  die   bistoriographisclie  Technik   der  hellenistischen  Zeil  ihre 
Mittel  von  der  Bohne  entlehnt:  Duris  und  Phylarch  habeD  so  gol 
Furcht  und  Mitleid  erregen  wollen,  wie  das  tragische  Spiel  nach 
Aristoteles  soll.')    War  Eupliantos  vor  348  geboren,  so  konnte  er 
bei  Eubulides,  Aristoteles  persönlichem  Feind,  hören  und  AnligooM 
Gonatas  Vorträge  halten,  aber  nicht  von  einem  g>lloç  des  Ptole- 
maios  Euergetes  erzählen'):  der  Kallikrates,  den  er  erwähnt,  istaisc^ 
nicht   der  Admiral  des  Philadelphos,   der  der  Arsinoe  Zephyriti» 
einen  Tempel  und  die  Standbilder  der  Götter  Adelphen  in  Olympiai 
errichtete,  sondern  der  ältere,  den  Ptolemaios  1.  310  nach  Kypero 
schickte,   mit   dem  Auftrag  Nikokles   von  Paphos   wegzuschaOeo.*> 


1)  Diog.  2,  110  EvßovUBov  Bè  xcù  Eltpavxoç  yéyovap  i  'Olir&iOS, 
çiaç  ytyQatpwç  ràs  naxk  tovç  %q6vovQ  tovç  éavtov'  inoùjoê  8i  ual  x^tpÊêr- 
Siaç  nXeiovç  iv  aU  »vdoxifiêê  uarà  vois  aywvaS'  yéyopê  8i  utd  jivtvfifO^ 
Tov  ßaaiXe'afS  SiSaoxaXoe,  ff(fos  ov  xai  Xôyov  yéyqaipe  neçi  fia€iktiaç  Cfô^f^ 
BvBoKiftovvTa,     TOV  ßiov  Se  yriQtu  Kavdctçêyfev, 

2)  Vgl.  Fünf  Vorträge  über  den  griechischen  Roman  116.     Died.  19,8,  4 
[aus  Doris]  à^'  wv  fifdv  nêçgaiçaxéov  iati  ttjv  inid'nov  nai  aw^^  fpSff 
avyyçaupàlai  x^ayandiav  fidXiaxa  /iiv  9ià  rov  xdßV  nad'6vx»v  iXaor,  itm^^ 
ual  Sià  rv  fitjdiva  xwy  avayivofaxovrofv  ini^ijTtîr  axovcrai  rà  xarà  ^ä|p»*j 
év  iroifiwi  rrj«  yvatcsafç  ovarjç.     Polyb.  2,  56,  7  [gegen  Phylarch]  9ftov3i{ß^^ 
S*  eis  iXaov  ixxaXàia&ai  rovç  avayivcûaxovxaç  xai  avftnad'eîe  nouîw  %9fSB 
Xayofiévoie  êtaàyêi  neçmXoxàç  ywaixœv  xai  xofias  Sêe^çififuraç  uai  fUt9xS^^ 
éxfioXdç^  ngoç  Si  rovrois  Sàx^a  xai  ^çi^vovs  àvSçtûv  xai  yvraauSv  uray^^ 
renvois  xai  yovexai  yrjçaiolç  ànayofiivojv   noul  Si  tov%o  na^*  olqv  tô^ 
iaroçiav  nsiçiôftêvos  éxdajois  àei  nço  6^t^aXfi(ùv  Tt&dvoé  rà  Sêtrâ  ...     * 
Sëï  toiyaçovv  ovx  iTunXrjrreiv  xov  avyyçaipda  ra^arevo/iMt^v  Sêà  xijç  i9t^F^ 
çias  roifÇ  ivrvyxdrovraç  ovdè    tovs   àvSexofiévovç    loyovç    ^fjrBW   xai  f^ 
na^anofiiêva   rois  vnoxtifiévois  i^açi&fieîa&ai  xaâ'dnan  oi  XQaymtSioy^Aft^^ 
....    TO   yàç  rélaç   iaroçias  xai   rçayatiSias  ov  tavrov  aXXà  towkäMÄ^^'* 
Mit  der  Technik  der  hellenistischen  Historiographie  übernimmt  die  rtoisdi^ 
natürlich  auch  das  »dramatische^  der  feuilletonistische  Augenblickseinfiill,  4ie^^ 
aur  die  Praetexta  zurückzuruhren,  verdiente  nicht  verfolgt  zu  werden. 

3)  Athen.  6,  251**  Elfpavros  8*  év  rrrâ^ri/i  ^laxo^iwv  UxoXefuUev  f^jT^^ 
10V  TQixov  ßaOiXtvaavxoi  j4iyvnrov  xoXaxa  yBvt'ü&oe  Kaklitt^cit^r  ktA-  '^ 
Schon  Mallet  [vgl.  Zeller  II  1^  p.  211]  hat  für  r^irov  hergestellt  n^ov. 

4)  Dittenberger  zu  SIC.  223'. 


HALLISTHËNES  HELLBNIKA  129 

Ich   fuge   noeli  biozu  den  Horoeriker  Dionyaios,')  der  in  dem 

von  Tatian  erhaltenen  und  chronologisch  geordneten  Katalog  der 

Schriftsteller  Ober  flomer  zwischen   Herodot  und  Epboros  steht: 

er  dOrfle  mit  den  grammatischen  Studien  Demokrits  zusammen- 

hSiigeD,  ferner  den  in  einem  der  Ezcerpte  nsçl  evQéaswç  avoi- 

liuûv  auftauchenden  Menekrates.*) 

Köhler*)  bat  die  Behauptung  des  Demosthenes,  dass  Philipp 
die  S(8dte  der  Chalkidike  dem  Erdhodien  gleich  gemacht  habe,  als 
eine  rhetorische  Phrase  erwiesen,  zugleich  aber  gezeigt,  wie  das 
moDicipale  Leben  der  hellenischen  Bevölkerung  von  ihm  unter- 
drOckt  ist.  Erwagt  man  ferner,  dass  die  NeugrQndungen  Kassanders, 
Kassandreia  und  Thessalouike  die  Elemente  der  Cultur  so  ziemlich 
aorsaugen  mussten^  so  wird  man  den  Satz  nicht  zu  kOhn  finden, 
dass  Schriftsteller,  die  als  Bürger  einer  der  kleinen  chalkidischen 
Städte  bezeichnet  werden,  nicht  unter  das  4.  Jahrhundert  hinab- 
geschoben werden  dürfen.     Folgende  sind  mir  bekannt: 

Herodotos  von  Olophyxos,  schrieb  Ileçi  vvfÂfpwv  xal  d^ewv. 
Sleph.  'Okoqnj^oç. 

Hegesippos  von  Mekyberna/)  der  Chronist  der  Pallene.  Dionys 
i)ezeichnet  ihn  ausdrücklich  als  einen  alten  Schriftsteller  und 
L}kopbron  acheint  ihn  benutzt  zu  haben.*) 
.  Philonides,  ebenfalls  von  Mekyberna,  wird  nur  von  Plioius 
|5,i29]  citirt,  ohne  Angabe  des  Titels.  Er  gab  als  allen  Namen 
von  Kypern  ^uixafiavtic  aus:  itixàfiaç  ist  ein  kyprisches  Vor- 
gebirge, aber  der  attische  Heros  stammt  aus  der  Strymongegend. 


1)  Tatian.  p.  31,  20.    Nach  Varro   bei   [Serg^.]   expl.  in  Donat,  p.  531 
!  er  die  nê^tan»iUvfi  duraros^  beschäftigte  sich  also  mit  der  Âccent- 

lebre:  das  gehört  zor  Lehre  von  der  îU|«ff. 

2)  ßekker  AG  p.  782, 19. 

3)  SB.  d.  Berl.  Âkad.  1891,  473  ff. 

4)  Step  h .  MfjKvßBcva  .  . .  Mijitvße(fvalo£  *  ovrms  yàq  avayqatpiffcu  ^Hytr 
^wiw  o  rà  IlaXh^^aità  awrnaxiùs  xal  ^ilan'iSfjç  xal  [oi]  âXhn,  Dionys. 
^A 1, 49, 1  KâfuXmp  t«  é  Fegyid'toç  xal  ^HytjOinnoç  6  Ilegl  JlaXXrjrtjs  y^' 
^  Mqts  aQxaSct  tud  loyov  â|io«.  Dionys  bat  nicht  gewoast,  dasa  Kepha- 
^01  Chronik  eine  Fälschung  des  2.  Jahrhunderts  war.  Das  Gitat  Mèhrjaiaxœv 
«  Pirthea.  16  ist  oatärlich  ein  Versehen  für  üalkrirwMcuv,  Skymnos  640  T. 
l^^ichnet  Meky berna  als  nicht  mehr  existirend. 

5)  Vgl.  494  ff.  mit  Parthen.  16.  Hoefer  Konon  53  ff.  ist  mit  seiner  Unter- 
svchïïDg  über  Hegesippos  besonders  glflcklich  gewesen.  Konon  17  ist  nêçi 
w  Myytuov  [nriXêMhf  cod.]  6(^  [ttfi  BMcaXiai]  zu  lesen. 

HwwiXXXV.  9 


130  E.  SCHWARTZ,  KALLISTHENES  HELLENIKA 

Nikomedes  tod  Akanthos  Terfasste  Maxedovmd,^)  selbsUersUod- 
licb  Dicht  ?or  Philipp,  achrieb  ferner  Ober  Orpheua,^  deaaen  pieriachcr 
Cult  ala  DationalmakedoDiach  zu  Alezaodera  Zeit  angeaeheD  wurde.) 
£a  iat  ?od  Intereaae,  daaa  eio  Chalkidier  den  Eroberern  die  ge- 
achichtliche  Vergangenheit  beschafft,  die  aie  brauchten,  wenn  ric 
sich  als  HelleneD  legitimiren  wollten.[*)] 

Strasaburg.  EDUARD  SCHWARTZ. 


1)  YoD  Lysimachos  schol.  Eor.  jéndr,  24  citirt 

2)  Athen.  14,  637«. 

3)  Arr.  1, 11,  2. 

[*)  Der  Verfasser  batte  ManiMcript  and  Corrector  geraome  Zeit  Tor  defl 
ErschelDen  Ton  Ed.  Meyers  Forscbongen  i.  alten  Geschiehte  II  ans  den  Héndei 
gegeben.   ANM.  D.  RED.]. 


BERICHTIGUNG. 

Durch  eine  freundliche  briefliche  Hittheilung  yon  H.  Dessau  bü 
ich  darauf  aurmerksam  gemacht  worden,  dass  meine  auf  die  Wort^ 
Hommsens  Rom.  StaaUr.  P  590  gebauten  Schlüsse  Bd.  XXXIV  S.  36^ 
und  371  nicht  stichhaltig  sind,  sondern  auf  einem  His8TeratSndoi0< 
dieaer  Stelle  beruhen.  ,Wenn  Mommsen  sagt,  daaa  der  Name  doi 
renuntiirten  Beamten  in  die  Magistratslisten  eingetragen  wird,  aiid 
wenn  er  das  Amt  nicht  angetreten  hat,  so  meint  er  damit  Magistrat» 
listen  von  der  Ausführlichkeit,  wie  wir  sie  fOr  die  republikanisch^ 
Zeit  nur  in  den  capitolinischen  Fasten,  für  die  Kaiserzeit  aber  Ober 
haupt  nicht  besitzen.  Natürlich  wurde  in  diesen  vollständigen  Listel 
dann  auch  bemerkt,  dass  der  Betreffende  das  Amt  nicht  angetretei 
hat.  —  Mommsen  meint  selbstverständlich  nicht,  dass  ein  vor  Aa- 
tritt  des  Amts  verurlheilter  Beamter  den  späteren  rechtmflssigei 
Inhaber  desselben  aus  den  Listen  habe  verdrängen  können.^ 

Indem  ich  diesen  Irrthum  berichtige^  bemerke  ich  noch,  das 
auch  nach  Wegfall  der  auf  ihn  gebauten  Schlüsse  mir  genügend 
Gründe  für  die  Datirung  der  Hinrichtung  des  Sabinus  auf  da 
Jahr  82  vorzuliegen  scheinen. 

Rostock.  H.  V.  ARNIM. 


VARIA. 

(Cf.  Tol.  XXXUI  245  sqq.). 

LV.    Praeclara  est  oarratio  CiceroDis  de  Pompeio  et  Crasso 
I  senaiu  verba  facientibus  in  epistola  ad  Atticum  libri  primi  XIV 
a.  693  exposita;  quae  nuper  mirum  io  modum  emendaDdo  et 
iterpretando  obscurata  est  et  depravata.    Sunt  verba  haec. 

Pûiiea  MessaOa  consul  in  senaiu  de  Pompeio  quaesivit,  quid 

de  religione  el  de  promtdgaia  rogatione  eentirel:  loeiUui  ita 

esi  m  senaiu,  ui  omnîa  iUius  ordinis  eonsulia  yevixwç  bu- 

daret,  mihique,  ui  assedù,  dixii  se  puiare  saiis  ab  te  eiiam  de 

isiis  rebus  esse  responsum.    Crassus  posieaquam  mdü  ilium  ex- 

esfisss  laïudem  ex  eo,  quod  hi  suspicareniur  homines  ei  eon- 

sulatum  wieum  plaeere,  surrexii  omaiissimeque  de  meo  con- 

sulatu  locuius  esi,  ui  iia  dkerei,  se,  quod  essei  senaior,  quod 

dois,  quod  liber,  quod  oioerei,  mihi  aecepium  re ferre;  quoHes 

eoniugem,  quoiies  domum,  quoiies  pairiam  oiderei,  ioiies  se  bene- 

fäum  meum  vidore:  quid  multa?  toium  hune  loeum,  quem  ego 

varie  meis  oraiionibus,  quorum  iu  Arisiarchus  es,  soleo  pin- 

gere,  de  flamma,  de  ferro  (nosii  illas  Xrjxvd^ovç),  valde  gra- 

tiier  periexuii.    Proximus  Pompeio  sedebam:  inieUexi  hominem 

moveri,  uirum  Crassum  inire  earn  gratiam,  quam  ipte  praeier- 

misiss^,  an  esse  ianias  res  nostras,  quae  iam  Ubenii  senaiu 

kudareniur,  ab  eo  praesertim,  qui  mihi  laudem  illam  eo  minus 

ieberei,  quod  meis  omnibus  liiteris  in  Pompeiana  laude  per- 

sirieius  essei.    Bit  dies  me  valde  Crasso  adiunxü,  et  tarnen 

ob  itto  aperie  ieete  quidquid  esi  datum  libenier  accepi. 

De  his  igitur  Terbis,  quae  pleoius   perscripsi   quo  facilius  teoor 

Moteoüarum  perspiceretur,   perscripsi  autem  ila  ut  librorum  fide 

rolgo  tradi  soient,  Dovissimus  harum  epistolarum  editor  ila  egit 

io  museo  Rheoaoo  vol.  53  a.  1898  p.  121),  ut  summam  eius  oar- 

atioDis  absurdam   esse  affirmaret   et  taotum  abesse  ut  Pompeius 

b  Cicerooem  a  se  laudatum   senatus  plausum   consecutus  esset, 

9* 


132  1.  VAHLEN 

quae  vulgaris  erat  sententia,  ut  coDtrarium  Decease  esset  a  Cicero 
dici,  Pompeio  oullum  a  patribus  hoDorem  cootigisse  propterea  q» 
nulla  CiceroDem  laude  impertisset.')  Quam  seotentiam  eo  mo 
posse  yerbis  exprimi  sibi  persuasit,  ut  ex  At  nupkarwiwr  efBccnl 
mmtis  noficarentur  et  non  exeepisu  laudem  sed  exctVIusa  Im 
scriberetur.  Itaque  ne  editionem  ipsam  bis  inventîs  frustrant 
sic  baec  edenda  curavit. 

Crassus  posteaquam  vidit  tfftim'excidisse  laude  ex  eê,  fi 
minus  suepicarentur  homines  ei  eoneulaium  meum  plaeere,  n 
rexit  amatissimeque  de  meo  eansutatu  loaUui  esi. 
Pion  quaero  quam  recte  exddiese  laude  dicatur  cui  nihil  laudis  et 
tigerit  neque  magis  illud  quam  probe  minue  critici  arbitrio  eo  lo 
positum  sit  ubi  vix  possit  quin  minue  suspicarentur,  non  MÉi 
placere  intelligatur.  Sed  explanato  narrationis  itinere  totam  isti 
rationem  irritam  esse  et  a  Ciceronis  mente  atienam  puto  pai 
probari.  Proficiscor  autem  a  suepieando.  Quid  igilur?  Nempe 
Pompeii  oratione  in  senatu  habita  hoc  suspicabantur  patres,  orati 
Ciceronis  consulatum  non  displicuisse:  hoc  enim  sibi  ?oluDt  ler 
quae  leguntur  vidit  iUum  excepieee  laudem  ex  eo  quod  euspiearmiÊ 
homines  ei  consulatum  meum  placere.  Et  recte  quidem«  Nam  Pol 
peius  etsi  de  Ciceronis  rebus  nihil  expresse  dixit,  tarnen  qui  f 
vixwç  omnia  senatus  décréta  sibi  probari')  profitetur,  is  dob  i 
iuria  putabitur  ne  Ciceronis  quidem  res  auctore  senatu  iUo  am 
gestas  damnare.  Neque  id  secus  aut  Pompeius  accepit,  qui  habt 
oratione  Ciceroni  insusurraret  se  sibi  videri  etiam  de  istis  b.  e. 
Ciceronis  rebus  satis  dixisse,  aut  Cicero,  quem  voluntas  qoiflk 
Pompeii,  quamvis  eins  ambitioni  minime  satisfecisset,  follere  m 
potuit;  id  quod  cum  narratio  ipsa  declaret^  tum  ilh  quae  deinee 
dicit  ab  iUo  (b.  e.  Pompeio)  aperte  tecte  quidquid  est  datum 
benter  aceepi.  Sed  senatores,  quia  iure  suo  suspicabantur  Pompi 
Ciceronis   consulatum   non   improbari,   plausu  eins  orationein  ( 

1)  In  adnotatione  ex  illius  disputatione  parum  ut  mihi  videtor  perapk 
aut  ad  persuadendum  apposita  haec  pauca  quidem  afferam  verba:  Pomfe 
hat  ebenso  wie  vor  dem  Folke^  wo  er  frigebat,  auch  im  Senate  kein 
Beifall  geemtet^  und  »war  in  Folge  dessen,  dass  er  dem  Oeero  kein  à 
gespendet  hat, 

2)  Eoudem  in  modum  Pompeius  ante  in  conlioue  habita  locatos  e 
ul  Cicero  eadem  epistola  scribit,  tum  Pompeius  /laX*  àçêaTOHÇixxittwe  toem 
est  senatusque  auctorilatem  sibi  omnibus  in  rebus  maximam  videri  4 
que  visam  esse  respondit. 


VARIA  133 

ciperuDt.  Sic  eDim  explicaDdum  arbitrer  quod  scriptum  est,  non 
«tPompeius  laudem  ezcepisse  h.  e.  captasse,  ut  nonnulli  ioter- 
pntahaiitur,  sed  contra  laudatio  Pompeium  Pompeianamque  ora- 
tioiiem  ezcepisse  dicatur,  eo  loquendi  modo  quo  cum  alia. tum  ilia 
apod  Ciceronem  io  Sestiana  (68,  143)  elata  suot  de  Hercule,  cuius 
Miyire  ambusto  vitam  eius  el  virtutem  immortaluas  excepis$e  di- 
ctfNT.  Etenim  Pompeius  tantum  aberat  ut  laudem  captaret,  ut  ne 
eiipectareC  quidem,  cuius  orationem  laudatio  ista  praeter  opinipnem 
Mcata  est.  Et  hoc  illud  erat  quod  noo  fugit  Crassi  prudentiam, 
qni  quia  intellexit  Pompeii  orationem  plausu  patrum  excipi  quod 
impicabaotur  tantum  ei  Ciceronis  consulatum  placere,  baec  sibi 
reiontiavit,  ,illi  qui  ob  levem  suspicionem  consulatus  TuUiani  a 
Ptapeio  non  vituperati  laude  eius  orationem  prosequebantur,  quid 
'  iKieat  mihi,  si  non  tecte  ut  iUe,  sed  aperte,  sed  magnis  laudibus 
RHwdaras  res  Cicerone  consule  gestas  eztulero^  Atque  ille  asse- 
cHiis  est  quod  voluit,  cum  luculenta  oratione,  qua  Ciceronis  laudes 
et  bénéficia  consulatu  eius  accepta  pertezuit,  tarn  senatui  grati- 
leiretur  quam  Ciceronis  admirationem  ezcitaret,  Pompeium  autem 
phse  incertum  relinqueret,  quid  de  ea  re  iudicandum  censeret, . 
CruMunne  bac  laudatiooe  sibi  tantum  parare  patrum  gratiam  Telle 
Vm.  ipse  non  nisi  incerta  memoria  Ciceronis  usus  praetermisisset, 
*•)  res  a  Cicerone  consule  gestas  re  vera  tantas  fuisse,  quarum 
hi4atof«m  senatus  approbatione  ac  plausu  prosequeretur. 

Baec  quae  Ciceronis  verba  cum  cura  secutus  ezposui  ila  oeza 
tt  celligala  esse  inter  se  videntur,  ut  de  consilio  narrantis  dubi- 
lüio.eise  non  possit.  Et  bine  si  quis  ad  ea  respexerit,  quae  a 
>iWmio  editore  suo  periculo  novata  sunt,  intelliget,  opinor,  quam 
hige  is  interpretando  a  vera  ratione  aberraverit  et  quam  prava  sit 
■ttiptom  qua   Ciceronis  orationem  planam  et  perspicuam  defor- 

Sad  restant  nonnulla  in  singulis  quae  seorsum  a  toto  senien- 
Ittira  cursu  disceptare  licet:  primum  At  in  verbis  ex  eo  quod  hi 
^V^pteran/tir  hêmines,  ez  quo  ille  suum  illud  minus  efflciendum 
fitSfit  quod  ezpendimus;  sed  fuerunt  qui  aut  dempto  pronomine 
fni  ituptcarenltir  homines,  aut  in  sic  mutato  quod  sic  suspi- 
tsmiur  homines  scribi  mallent;  quorum  neutrum  vituperabile  est. 
Minim  tamen  valde  probabile.  Intimam  sententiam  consulenti 
iod  scio  an  ad  suspicarentur  nihil  aptius  videatur  addi  posse  quam 
flf  particula:  ex  eo  quod  vel  (tiQ  suspicarentur  homines;  qua  re 


134  1.  VAHLEN 

sensus  dum  miouitur  augetur,  ut  vel  istam  suspicionein  satk  fuiss 
indîcetur,  qua  patres  moti  plaudereot  oratori.  Sed  res  est  incert 
et  eruDt  fortasse  qui  ipsum  quod  scriptum  est  in  libris  quod  l 
iuspicaretUur  homines*)  defeûdi  posse  censeant;  quod  utut  est,  a 
summam  certe  sententiam  hoc  non  ita  pertioet 

Impeditiora  suot  quae  sequuutur  intellexi  hominem  nHn>er 
utrum  Crasium  mire  earn  gratiam,  quam  ipse  praetermisisset ,  a 
esse  tantas  res  nostras,  quae  tam  libenti  senaiu  laudarentur.  Si 
haec  édita  sunt  in  libris  scriptis  et  impressis:  nam  quod  in  coc 
Mediceo  uerum  exaratum  dicitur,  le?is  error  est  in  margine  coi 
rectus;  utrvm  autem  Wesen bergius  uncis  inclusit  maluitque  abessi 
aut  hoc  aut  cum  Bootio  servata  utrum  particula  ineertum  ei  prac 
mitti.  At  utrum  aliéna  manu  adiectum  esse  (quo  consilio  no 
apparet)  credibile  non  est;  addi  autem  unde  utrum  ipsum  pen 
deret,  inutile  erat.  Sed  sive  banc  si?e  illam  emendandi  ?iam  ini 
eriS|  quod  summum  est,  ne  attingitur  quidem,  hoc  est,  quo  mod< 
inflnitivorum  ratio  in  bac  duplici  interrogatio^e  pendenti  explicetur 
cui  rei  a  nemine  allatum  vidi  quod  satisfaceret:  nam  quae  noU 
sunt  infinitiyorum  exempta  in  interrogatione  positorum  in  baD< 
orationem  cadere  non  ?identur.  In  qua  re  ut  aliquid  efOciatar 
moveri  yerbum,  quod  interprètes  fere  praetermittunt,  acrius  atten* 
dendum  est;  cuius  vis  verbi  quae  h.  I.  sit,  doceri  Taciti  verbii 
videtur,  quae  de  Tiberio  scribit  in  Annalium  IV  57  causam  ah 
cessus  quamquam  secuius  plurimos  auctorum  ad  Seiani  artes  rettuli 
quia  tamen  caede  eius  patrata  sex  postea  annos  pari  secreto  con 
iunxit,  plerumq^e  permoveor,  num  ad  ipsum  referri  verius  si 
h.  e.  ich  gerathe  ins  Schwanken,  werde  unsicher,  ob  nicht  riduigoi 
sei,  quo  modo  etiam  Graecorum  xipeiad'ai  poni  notum  est.  Se« 
quod  Nipperdeius  hoc  nove  dictum  esse  a  Tacito  adnotat,  videmo 
Ciceronem  iam  ante  eundem  in  modum  locutum  esse.  Nam  do 
bium  non  est  quin  is  quoque  haec  in  banc  sententiam  coniung 
voluerit  intellexi  hominem  moveri  (h.  e.  pendere  animi  et  incertun 
FS9e)  utrum  haec  an  illa  pro  veris  haberet:  nimirum  Cicero  e 
vultu  geöiuve  Pompeii  propter  sedentis  hoc  sibi  videbatur  intelli 
gere,  ille  quid  sentiret  aut  secum  deliberaret  Quod  si  ita  rect 
statuitur,  necessario  colligitur  ad  perficiendam  orationem  nihil  desi 

1)  Cicero  de  legibus  III  13,  29  non  enim  de  hoc  senaiu  nee  his  d 
hominibtu  qui  nunc  êunt  .  .  haec  habetur  oratio. 


VARIA  135 

derari   oisi   verbum   quod  particula  iolerrogativa  poscatur  et  unde 
apli  nnt   infiniti?!,   qui  istis  particulis  régi  non   possunt  neque 
vero  pendere  soluti.     Suspicor  igitur  Ciceronem  scripsisse  ùudlexi 
kontiMsi  moveri,  tUrum  [crederet]  Crassum  inire  earn  graiiam  quam 
ifm  froitermisisset ,   an  esse  tanias  res  nostras  quae  tarn  /t  beult 
aeMTM  hudareniur;   neque  vereor,    ne  liuic  opinioni  überlas  mu- 
toDdi  obesse  existimetur.    Nam  cum  pateat  quo  errore  erederet  ante 
Cmsmn  praetermisaum   alt,   tum   omnino   faciliua  credilur  inter- 
ciditse  verbum   scriptum   quam  quod  scriptum  non  erat  falso  ad- 
iectum  esse,  propterea  quod  illud  errore  fit,  quo  errore  omni  tem- 
pore errarunt  bomioes,  hoc  non  potest  nisi  consilio  factum  esse^ 
cuius  raro  manifesta  ratio  ostenditur. 

LVI.    Cum  nuper  b.  e.  ante  aliquot  annos  certo  consilio  Gellii 
Noctes  Atticas  relegerem,  incidi  in  quaedam  antea  a  me  neglecta, 
fuibtis  scripturas    quasdam   Ciceronis   de  legibus   in   suspicionem 
vitii  Focatas  ac  demutatas  slabiliri  posse  crederem.     Primum  haec 
1 26,  66  fuit  enim  kic  vir  non  solum  eruditissimus  sed  etiam  eivis 
I  rt  fublica  maxime  tuendaeque  civitatis  paratissimus.  Plerique  pert- 
edunt  de  coniectura  Roberti  Stepbani,  id  quod  ad  gene- 
commodius,   ad    tuendae  civitatis  notionem  alterum    magis 
tppositoro   esse  olim  adnota?i.    Quod  quam  verum  fuerit,  et  illo 
aemplo  quo  tum  usus  sum  de  re  pubt.  6,  13,  13  alacrior  ad  tu- 
mAmi  rem  publicam  et  multis  similibus  confirmatur,  Asellionis  apud 
Ulittm  5,  18,  9  alacriores  ad  rem  publicam  defendundam,  Cice- 
ronis autem  Philipp.  4,  1,  1   alacritatem  summam  defendendae  rei 
piHtae;   9,  5,  10  praestantem  in   re  publica  tuenda  curam  atque 
fniimtiam;   11,  15,  39  ad  liberandam  patriam  paratissimae;  cf. 
iM.  14,  35;   2,  44,  113  hab^  res  publica  adulescentes  nobilissimos 
tîntes  defensares;  adde  etiam   pro  Sest.  18,  41   cupidissimum  rei 
fMeao^  conservandae;  et  pro  Mil.  9,  25  homo  ad  omne  facinus 
l^missimius'f   neque  praetereo  aut  de  re  publ.  2,  34,  59  aut  de 
b.  4,  22,  61  et  de  off.  2,  1,  2.    Quamobrem  peritissimus  si  Cicero 
Toluisset,  non  tuendae  opinor  eum  sed  gerendae  sed  regendae  dvi- 
tstis  scripturum   fuisse.     Ut  enim   dicit  belli  gerendi  peritissimos 
(pro  Font.  19,  43,  ubi   vide  etiam  quae  insequuntur)  vel  universe 
fimpeium  iuris  publid,  vnaris  maiorum,  rei  denique  publicae  peri- 
tisttmum  (pro  Mil.  26,  70) ,  sic  qui   scripsit  pro  Rah.  Post.  9,  23 
Demetrium  et  ex  re  publica  Athenis  quam  optime  gesserat  et  ex  doc- 
^rina  nobilem  et  darum,  de  leg.  3,  6,  14  Phalereus  ille  Demetrius 


136  1.  VAHLEN 

« 

fU  et  dourinae  stuHii  et  regenda  cinitate  frhueps  etftfi  is 

certe  optime  scribere,  de  eodem  praesertim  Demetrio,  germâeie  site 
regendae  eimtatis  peritiisimuê  potuit.  Sed  tuendae  cum  pontum 
eMet,  eum  pehtùsimus  addidisse  mihi  De  nunc  quidem  fit  credibila 
Dec  me  paenituit  quod  inlacta  reliqui  quae  libri  teslaolur  iumidm 
eimtatis  paratissimus ,  quaroquam  geDetiyum  quo  taerer  exeoaplum 
gemiouro  tum  in  promplu  dod  erat.  Id  nunc  obtulit  Gellius  cuoi 
ita  seribii  10,  22,  1  Plato  veritatis  homo  amieissiwme  ancagn«  aM- 
nibus  exhibendae  promptissimus,  quamquam  idem  alibi  promptm  et 
paratus  cum  ad  praepositione  iuogere  solet  ?elut  13,28,3  ai  u 
cavenda  esse  oportet  animo  prompte  atque  intente;  4  ad  nitanies 
ictus  catUa  stint  aut  ad  faeiendos  parata;  14,  4,  5  ut  prompta  eà 
camsiderandum  iudieandumque  sint.  Quo  mious  improbabile  eit, 
Cicerouem  quoque  hoc  sibi  permisiase  ut  tuendae  eimtatis  parth 
tissimus  siugulari  exemple  scriberet. 

Alter  locus,  in  quo  Ciceroui  attemptato  Gellius  succurrera  fi«  - 
detur,  hie  est  1,  23,  61  idem  cum  caelum  terras  maria  rerumfÊê 
omnium  naturam  perspexerit  eaque  unde  generata  quo  recmnat% 
quando,  quo  modo  obitura,  quid  in  iis  mortale  et  caducum,  ftU 
divinum  aetemumque  sit  viderit  ipsumque  ea  moderantem  et  regentem- 
paene  prenderit  seseque  non  omnis  eircumdatum  moenibus  popuiarem 
alicuius  definiti  loci  sed  civem  totius  mtmdi  quasi  unius  urhis  agao* 
verit,   in  hac  ille  magnifieentia  rerum  .  .  .  quam  se  ipse  noseeu 
Sic   baec  edidi  olim  recteque  scripta  e^e  in  aduotatiooe  compro» 
bare  studui:   nisi   quod  dubitatio  haerebat  omnis  quod  falaom  est 
quo  modo  emeodaDdum  dicerem  :  quod  proposui  commsmibus  habet 
illud  quidem  quo  se  tueatur,  sed  melius  fortasse  est  et  simpliciiii 
scribi  seseque  non  suis  eircumdatum  moenibus  popuharem  alieuàsi  - 
definiti  loci;   id   quod  Seneca    praeivii  cum  dicit  Natur,  quaeat  3f 
27,  7  (lorrens)  urbes  et  implicites  trahit  moenibus  suis  populoi.    Sel^ 
de   illis   quae  sunt   seseque  non  suis  eircumdatum  moenibus 
larem  alicuius  definiti  loci,  sed  civem  totius  mundi  quasi  unius  \ 
agnoverit,   quae  mihi   egregie   inter  se   opponi   videntur,    ut  ipsa 
contrariorum  ratione  defendantur,   plerique  ahter  sentiuDt  et  baec 
verba  potissimum  populärem  alicuius  definiti  a  Cicerooe  abiudicaDdt- 
esse  censent:  quo  facto  quae  reliqua  sunt  ita  scribi  volunt  semque 
non  unius  circumdati  moenibus  loci.     Ego  ne  quia  denegaret  jnh 
pularem  alicuius  loci  recte  dici,  hoc  attendere  iussi  baec  singulari 
numéro  de  homine  proferri  quae  aptius  poterant  plurativo  de  lio- 


VARIA  137 

«lid,  ui  easel  tiofi  pêpulares  alicuius  loci  ud  cives  urdtk  Sed 
i  de  ea  re,  qu»e  mihi  adhuc  probatur,  iudicant  alii,  j>e- 
êMeuiuê  loci  potuisse  plaoe  pari  modo  cum  cive  mundi  pooi 
testis  est  qui  ita  scnbit  5,  3,  3  Protagoras  de  froosimo  rure 
m  oppidum,  cuius  popularis  fuii,  caudicês  ligni  .  . 
r:  mm  forte  Democritus  civitatis  eiusdem  civis  .  .  aim 
fur  extra  urbem  videt  eunu    Nam  Gellii  ne  quis  auctori- 

0  emendando  Cicerone  respuat,  non  hoc  agitur  ut  flcta 
■genio  defendantur,  sed  quae  librorum  fide  constant  iis  ad- 
i  quiddam  accedere  etiam  ex  Gellii  testimonio  cur  negemus 

non  Tideo. 

IL  Gellium,  qui  modo  Cicereni  aliquam  utilitatem  atlolit 
!dX  non  multa  habeo  quibus  ?ice  versa  ipsum  adiu?are  li- 
fferam  tamen  quamvis  pauca.  In  quibus  si  forte  est  quod 
opaverint,  neminem  sua  laude  fraudatum  volo.  Ego  Hertzii 
editiones  duas.  Qui  quod  1,  9,  3  (de  disciplina  Pylhagorica) 
lidit  in  libelle  minore  Tum  qui  exploratus  ab  eo  idoneusque 
tus]  fuorai,  redpi  in  disdplinam  statim  iubebat  et  tewvpus 
îaeere,  id  quidem  probe  intellezit,  desiderari  non  posse  al- 
Mirlicipium«  Terum  addi  debebat  non  declaratus  sed  tiioeiiliis, 
OD  difficilius  eo  loco  insen  apparet:  qui  exploratus  ah  eo 
pce  [inuentus]  fuerai.  Idque  iam  ab  aliis,  postremo  a  Maeh- 
iposilum  est,  mihi  ut  nihil  relinquatur  nisi  ut  exemplis 
Iam  hoc  usa  probari  ostendam.  Itaque  Cicero  dicit  pro 
S,  72    m    fUa   gravi  £.  SuUae   turbulentaque   victorm  quis 

1  mitior  quis  misericordior  inventus  est;  in  Pison.  17,  40 
»  qui  ad  senatum  nihil  scripseris^  ut  in  urbe  neqiuior  tn- 
I  es  quam  Gabinms,  sie  in  provinda  paulo  tamen  quam  iUo 
fr;  pro  Balb.  26,  58  huic  quidem  ipsi  quis  est  umquam 
tus  inimicus  aut  quis  iure  esse  potuü;  Horatius  ipse  ego 
los  me  adfirmo  scribere  versus^  invenior  Parthis  mendador. 
seeus  Graeci,  eï  %i  nçà^aç  f^tj  xaktug  evçlaxofiai  Euri- 
uppl.  254,  cf.  319. 

la  Toce  amissa  laborare  putaverim  etiam  ea  quae  Hertzius 
.7,  15,  5  (de  elleboro)  utriusque  esse  hane  vim,  ut  humores 
m  quibus  causae  morborum  sum,  extrakant.  Esse  autem 
tm,  ne  inter  causas  morborum,  omni  corporum  via  patefaeta, 
ue  ipsa,  in  quibus  causa  vivendi  est,  amissoque  omni  natu^ 
mumiae  fundamento  homo  exkaustus  intereat.    Nam  apparet 


138  I.  VAHLEN 

sententiain  ta  quoque  ipsa  m  quil/us  causa  vivendi  esi  pendere, 
Deque  e  vicinia  quod  HerUius  opinabatur  meote  addi  Terbom  potr 
est,  sed   necesse  est  adiiciatur.     lotegra  autem  erit  oratio  iuserlo 
verbo    quo    nullum    facilius   librarii    incuria    praetermitti    poluit, 
amittantur  ante  amissa.    Ut  baec  sit  sententia:  esse  periadum,  n$ 
inter  causas  morborum  omni  corporum  via  paiefacia  ea  quaque  ^sa 
in   quibus  causa  vivendi  est  [amittantur]  amissoque  omni  naturalis 
alimoniae  fundamento   homo   mtereat.     Quod  quam  yenim  fuerit, 
Gellius  ipse  sibi   testis  exstitit,   cum  ita  scribit  19,  12,5  DicAat 
enim  (Herodes  Atticus)  sensus  istos  motusque  animi,  qui  cum  immê- 
deratiores  sunt,    vitia  fiunt,  innexos  impUcatosque  esse  vigarihu 
quibusdam  mentium  et  alacritatibus,  ac  propterea  si  omnina  owmss 
eos  imperitius  convellamus  periculum  esse,  ne  eis  adhaerentes  bonos 
quoque  et  utiles  animi  indoles  amittamus.    Moderandos  esse  igitwr 
et  scite  considerateque  purgandos  eensebat,  ut  ea  tantum  quae  a/teM 
sunt  caniraque  naturam  videntur  detrahantur.     Sententiae  simi- 
litudo  aperta  est,  et  ut  nunc  oratio  verbis  amittamus  et  detrakaniur 
variatur,   ita   isto  loco  verbis  extrahant  et  amittantur^  si  quidem 
hoc  recte  adieclum  est.     De  amittendi  vi,  de  qua  non  semper  rette 
iudicatur,   non   inutile  erit  conferri   quae  Gellius  ipse  scribit  15» 
10,  1  et  quae  Cicero  de  naL  deor.  3,  14,  35  Tusc.  disp.  1,  35,  85. 
Plura  verba  intercepta  esse  probabile  est  in  his  quae  19,  10 
de   verbo  praeter  propter  ezposita   sunt  6  Âtque  iUe  amicus  jiMm 
meum'  inquit  ,hoc  verbum  est  sed  multorum  hominum,  quos  loquentem 
id  audias;  quid  autem  id  verbum  signified,  non  ex  me  sed  ex  gram- 
matico  quaerendum  est'  ac  simul  digito   demonstrat  grammaticum' 
haud  incelebri  twmine  Romae  docentem  (sedentem).     Sic  baec  Bert- 
zius  edidit  secluso  sedentem  participio,  quod  in  maiore  editione  09 
toleravit  quidem  in  textu.     Sed  ut  hoc  sic  nude  positum  et  alter! 
participio   agglutinatum    ferri   nimirum   non   potest,   ita   falso  ad^ 
scriptum   esse  (ex  lis,   putabat  Hertzius,   quae  supra  1  legerentur* 
circum  undique  sedentibus  multis)  eo  minus  credibile  est,  quo  magi» 
apparet  desiderari  aliquid  in  earn  sententiam  quam  participium  illu<L 
subindicat:    necesse   enim  erat  indicari  quodam  modo  hunc  gram^ 
maticum  qui  Romae  docehat  inter  ceteros  fuisse  praesentem.     Ita — 
que  sic  statuendum   est   opinor   inter   duo   participia  docentem  e^- 
sedentem   nonnulla   inteicidisse,   quae  audita  stabilire  sedentem  po-^ 
tuerint,  Gelliumque  (ere  ad  huuc  modum  scripsisse  ac  eimul  digit^^ 
demonstrat  grammaticum   haud  inulebri  nomine   Romae  docente 


VARIA  139 

imm  forte   una  ibidem]  sedeniem.     Sic  enim  loqui  solet:   1,  2,  3 

erat  ibidem  nobiseum  timvl  adulescens  phihsophiae  seciatar  (cf.  2, 

21, 3);  15,  9,  3  tum  de  grammatieorum  vulgo  quispiam  nobiseum 

ih  Qdsi$ien$  non  sane  ignobilis  (18,  1,  2.  19,  13,  1);   19,  9,  2  c;e- 

neror  tum  nobiseum  ad  eandem  eenam  Iulianus. 

20,  1,  2S  haec  leguotur  in  Hertzii  editione  minore:  iumentum 
{Mtffiie  non  id  solum  significat  quod  nunc  dicitur,  sed  vectabulum 
etîèM  quod  a  iunctis  pecoribus  trahebatur;  veteres  [scilicet]  nostri 
hÊmmhtm  a  iungendo  dixerunt.  Addidit  scilicei,  in  maiore  editione 
«mR,  quod  olim  propositum  et  receptum  est,  sed  addidit  alteram 
utroni  ut  duo  seiungeret  enuntiata.  At  nihil  addendum  fuisse  et 
omoia  sana  et  intégra  esse  recte  distincta  oratio  patefaciet:  m- 
MaiAm  quoque  non  id  solum  significat  quod  nunc  dicitur,  sed  vee- 
téuhm  etiam  quod  a  iunctis  pecoribus  trahAatur  veteres  nostri 
imeiUuM  a  iungendo  dixerunt.  Quid  enim  baeremus  in  eo,  quod 
paalalum  variata  oratione  banc  alteram  sententiam  unam  esse  et 
totim  Toluit?  Quod  genus  vel  illa  prae  se  ferunt  quae  17,  12,  1 
iegoDlur  Infames  materias  .  .  et  veteres  adorti  sunt,  non  sophistae 
nhm  sed  philosophi  quoque,  et  noster  Favorinus  oppido  quain  libens 
m  eu  materias  se  deiiciebat,  vd  ingenio  expergificando  ratus  idoneas 
w/  etc.  Nam  in  Farorinus  subsisti  poluit  et  nova  sententia  sub- 
iici.  Sed  erunt  fortasse  qui  illo  loco  a  iungendo  verba  non  com- 
mode addi  obiiciant,  et  poterant  abesse  :  sed  vectabulum  etiam  quod 
e  noiertis  pecoribus  trahebatur  veteres  nostri  iumentum  dixerunt: 
Bam  causa  que  vectabulum  etiam  iumentum  appellaverint  significatur 
v^is  quod  a  iunctis  pecoribus  trahebatur,  sed  quo  magis  appa- 
Kret  a  iungendo  iumentum  nomen  accepisse,  non  inepte  quamquam 
DOD  sine  abundantia  quadam  hoc  in  eadem  sententia  adiectum  est. 
Id  qaa  re  qui  Getlium  vituperabit,  vitupère!  Ciceronem  qui  ita 
scribil  de  nat.  deor.  2,  28,  72  911t  omnia  quae  ad  cultum  deorum 
?Wmerent,  diligenter  retractarent  et  tamquam  relegerent  sunt  dicti 
f^isiosi  ex  relegendo,  ut  élégantes  ex  eligendo,  una  sententia 
^mpiexus  quae  distribui  poterant  in  duas. 

Maie  dirempta  et  discissa  mihi  videntur  quae  Hertzius  in  utra- 
que  editione  ita  descripsit  4,  11,  14 

Pythagoram  vero  ipsum  (sicuti)  célèbre  est  Euphorbum  primo 

fvisu  dictasse, 

ha  haec.     Remotiora  sunt  his  quae  Clearchus  et  Dicaearchus 

memoriae  tradiderunt,  fuisse  eum  postea  Pyrrum  Ptpranthium, 


140  I.  VAHLEN,  VARIA 

ddnde  Aethaiidem,  deinde  feminam  puUkra  fade  mêretrkem  eut 

nomen  fuerat  Aleo. 
In  libris  scriptum  est  5tci«(t  ipnm,  quod  maDifestitsimuin  indicium 
orationis  formatae  Hertzius  miro  consilio  sustulit,  qui  stcitfi  in  ma- 
iore  editione  delevit,  in  minore  pronomini  postpositum  lunulia  oo- 
tafit  ut  spurium.  At  haec  recte  tradita  sunt  Piftha^oram  vero  sh- 
cult  iptum  cekbre  M  Euphorbum  primo  fuitse  dictasse  h.  e.  sicut 
célèbre  est  Pytbagoram  ipsum  dictasse  Euphorbum  se  primo  fuîase. 
Quae  pars  est  orationis,  cui  necesse  est  subiiciatur  altera;  neqoe 
ea  desideratur,  modo  iungamus  ea  quae  iungenda  sunt:  P^tha- 
goram  iieuti  iptum  cehbre  e$i  Euphêtimm  primo  fmsso  dkUuse,  tta 
haee  its  romotiora  (b.  e.  minus  Celebris  aut  minus  vulgata)  mM  quao 
Cloarchus  et  Dioaoarckus  memmiae  tradidiruni,  fvmà  evm  foUoa 
tdkm  et  takm.  Nolo  persequi  interpretando  singula:  illud  unum 
fidentiiis  obtineo,  banc  unam  esse  orationem  cuius  membra  per 
siaUi  et  ita  particolas  compingantur. 

Berolini  m.  Octobri  a.  MDCCCIC.  I.  VAHLEN. 


DIE  ORDNUNG  DER  OLYMPISCHEN  SPIELE 
UND  DIE  SIEGER  DER  75.-83.  OLYMPIADE. 

(Nebst  eioer  Beilage). 

Wean  die  antike  Kunstgeschichte  bisher  aus  den  dgyptisclien 
PapjrosfuDden  keinen   nennenswerthen  Nutzen  ziehen  konnte ,  so 
wird  sie  jetzt  fQr  manche  Enttäuschung  reichlich  entschädigt  durch 
das  Fragment  einer  olympischen  Siegerliste^  das  uns  der  eben  aus- 
gegebene zweite  Band  der  Ozyrhynchos- Papyri  von  Grenfell  und 
HoDt  bescheert     Der  Name  dieser  beiden   ebenso  unermüdlichen 
wie  giQcklichen  Forscher  wird  fortan  in  den  Kreisen  der  Archflo- 
iogen  mit  derselben  dankbaren  Anerkennung  genannt  werden,  wie 
KhoD  langst  in  denen   der  Philologen.     Aus  der  dunkelsten  und 
ragleich  wichtigsten  Periode  der  griechischen  Plastik,  der  zwischen 
der  Schlacht  bei  Salamis  und  dem  Beginn  des  Parthenon,  besitzen 
vir  DUO  ein  im  wesentlichen  yollständiges  Verzeichniss  der  Olym- 
pioDikeo,  unter  diesen  manchen  wohlbekannten  Namen,  der  seinen 
l^ntigeo    Ruhm   allerdings    weniger   der    gymnastischen    Meister- 
Rbaft  seines  Trägers  als  dem  Künstler  verdankt,  der  ihm  die  Sieges- 
statne  verfertigt  hat.     Dass  wir  auf  diese  Weise  für  eine  Anzahl 
benorragender  Bildhauer  des  5.  Jahrhunderts  endlich  feste  chrono- 
logische Daten  gewinnen,  darin  liegt  die  grosse  Bedeutung  dieses 
Fondes  for  die  Archäologie,   ein  Gewinn,  den  ich  kaum  geringer 
anschlagen  möchte,  als  wenn  ein  Stock  aus  Xenokrates  oder  Anti- 
gooos  gefunden  wäre,  das  übrigens  vielleicht  auch  noch  einmal  aus 
eioeiD  ägyptischen  Grabe  oder  Kehrichthaufen  auftaucht.    Uebrigens 
geht  neben  der  Kunstgeschichte  auch  die  Litteraturgeschichte  nicht 
leer  aus;  namentlich  ist  die  Belehrung  Ober  die  richtige  Dätirung 
eioiger  Oden  Pindars  dankbar  zu  begrOssen.    Auch  von  den  olym- 
pischen Siegerbasen   werden   einige  chronologisch  zum  ersten  Mal 
ûxirij  und  endlich  erhalten  wir  Ober  die  Ordnung  der  olympischen 
Spiele  definitive  Aufklärung,  die  freilich,  wie  sich  jetzt  herausstellt, 
auch  aus  den  schon  längst  bekannten  Zeugnissen  zu  gewinnen  ge- 


142  C.  ROBERT 

wesen  wflre,  hätte  man  diese  Dur  nach  ihrem  wahren  Werthe  ab- 
gewogen. 

Wenn  ich  schon  jetit  nach  allen  diesen  Seiten  hin  die  Goose- 
quenzen  aus  dem  schonen  Fund  lu  liehen  mir  getraoe,  so  Ter- 
danke  ich  das  dem  liebenswürdigen  Entgegenkommen  der  beiden 
Entdecker  und  der  Freundlichkeit  von  Friedrich  Blass;  denn  darch 
die  GOte  dieser  Männer  befindet  sich  das  BruchaCbck  schon  seit 
Monaten  luerst  in  Abschrift,  später  im  Aushängebogen  in  meinen 
Händen.  Ich  brauche  übrigens  kaum  lu  bemerken,  dass  die  Er- 
gäniungen,  um  die  der  Text  meiner  Tabelle  reicher  ist  als  der  foik 
Grenfeli  und  Hunt,  von  mir  erst  gefunden  sind,  als  der  Druck  de^ 
Papyrosbandes  schon  abgeschlossen  war,  so  dass  die  Herausgeber 
meine  Mittheilungen  nicht  mehr  ferwerthen  konnten. 

Das  iwei  Columnen  umfassende  Bruchstück  beginnt  ungelihr 
in  der  Mitte  der  75.  Olympiade,  enthält  die  beiden  folgendea 
Olympiaden  foUständig  und  die  78.  Olympiade  bis  auf  den  lelitea 
Namen.  Damit  bricht  die  erste  Columne  ab;  in  die  Lflcke  iwischen 
ihr  und  der  am  Anfang  ▼erstUmmelten  iweiten  Columne  entbllea« 
ausser  dem  Ende  der  78.,  die  game  79.  und  80.  Olympiade  sowie 
die  ersten  Namen  der  81.  Die  iweite  Columne  umfasst  den  grOsstaD 
Theil  der  81.  Olympiade,  die  82.  follständig  und  die  83.  bis  auf 
die  beiden  letsten  Namen.  Von  jedem  Sieger  wird  ausser  de^ 
Namen  auch  die  Heimath  und  der  Agon  angegeben,  also  KaUJatC 
Id&Tjvàîoç  nayKgàriov.  Viermal  findet  sich  hinter  dem  AgoD 
eine  kune  Notiz,  nämlich  einmal  âlç,  worüber  unten  lu  sprediea 
sein  wird,  und  dreimal  die  gleichartigen  Angaben  O  KPATIC,  O 
<t>IAIC,  ÔKAAAIC,  was  wohl  mit  Blass  nur  outroç  (oder '02vf^' 
niovixrjgl)  xçotiotoç,  g>i)Lia%oç^  xdiJiia%oç  gelesen  werden  darf* 
Wer  diese  Prädicate  ertheilte,  die  Hellanodiken ,  die  Volksttinuii« 
oder  erst  die  Verfasser  der  Olympionikenlisten,  ist  unklar,  ebenso 
wie  oft  oder  innerhalb  welches  Zeitraumes  sie  ertheilt  wurdeo- 
Keinesfalls  in  jeder  Olympiade,  denn,  wie  schon  die  Herausgebar 
treffend  beobachtet  haben^  in  der  77.,  wo  das  Ende  sämmtlicber 
Zeilen  erhalten  ist,  fehlen  sie.  Beachtung  ?erdient  aber,  das* 
auch  Pausanias  VI  3,  6  von  Kratinos,  der  etwa  in  der  ersten  Hälf^ 
des  3.  Jahrhunderts  gesiegt  haben  muss,')  bemerkt:  %o%6  iyivê^^ 

1)  Die  Zeit  wird  bestimmt  durch  den  Verfertiger  der  Siegerstatoe  Ks^* 
tharos,  der  ein  Schüler  des  Eutycbides  war;  vgl.  G.  H.  Förster  Die  Sieger  ** 
den  olympischen  Spieleo  n.  433. 


OLYMPISCHE  SIEGER  143 

xâXkiinoç  %div  èg>*  éavvov  xaï  avv  zéxvtji  fiàkiOTa  inaXaiae. 
Jedem  Sieger  ist  eioe  besondere  Zeile  gewidmet.  Da  ouo  die  erste 
Columoe  am  Aofaog,  die  iweile  am  Eode  verstümmelt  ist,  so  ist 
dort  bfluflg  nur  ElhnikoD  und  Agon,  hier  nur  der  Name  erhallen, 
IQ  dem  aber  der  Agon  aus  der  Reihenfolge  stets  mit  Sicherheit 
ergiDxt  werden  kann.  Die  Nammer  der  Olympiade  steht  selbst- 
Tentaodlich  for  dem  Namen  des  Siegers  im  Stadion,  der  die  Auf- 
dhloDg  eröffnet. 

Das  Fragment  steht  auf  der  Rückseite  des  Blattes.  Die  Vorder- 
seite enthalt  eine  Rechnung  aus  der  Zeit  entweder  des  Commodus 
oder  des  Caracalla.  Die  Schrift  der  Olympionikenliste  setzen  die 
Heraasgeber  in  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts. 

Die  Agone  werden  in  folgender  Ordnung  aufgezählt:  aràôiov, 
iiavloç,  ôokixoç,  nivva&XoVj  ftaXtj,  nv§,  TtayxQariov,  naldwv 
otiötoy^  naidußv  nâXtj,  nalâwv  fiv§,  onXljriç,  %é&Qinnov^ 
ti%.  Bei  den  beiden  letzten  Kampfarten  steht  der  Name  des 
Kegers  im  Genetiv,  z.  B.  Qi^gwvog  idxçayavtlvov  Ti&Qiitnov, 
^Uffmog  Svçaxoalov  KiXrjç,  Also  im  Ganzen  13  Agone;  vor- 
übergehend geübte  Kampfarten,  wie  àni^vri  und  Kdknrj,  die  gerade 
«ibread  der  hier  behandelten  Olympiaden  bestanden,  werden  nicht 
kerücksichligt;  vielleicht  weil  der  Verfasser  nur  die  noch  zu  seiner 
Zeit  ablieben  Agone  in  die  Liste  aufgenommen  bat.  Auch  in  dem 
Olympionikenverzeichniss,  das  Pausanias  benutzte,  standen  die 
Sieger  mit  der  xalTcrj  nicht,  wie  VI  9,  2  lehrt:  fiêjà  âè  t^v  ei- 
tifa  %ov  àvôçoç,  ov  *HXelol  q>aaiv  ov  yçaçfjvai  fit%à  twv 
ühoPf  OTi  Ini  xdXfnjg  àvrjyogev&ri  ôgofÀWv  xtX.^  und  ebenso 
veoig  verzeichnet  lulius  Africanus  das  Stiflungsjahr  dieser  beiden 
bmpfarten.  Schon  die  Herausgeber  haben  bemerkt,  dass  die 
kier  vorliegende  Reihenfolge  dieselbe  ist  wie  bei  Phlegon  FHG. 
111606  fr.  12  (Photios  Ml.  XCVll)  t^g  ^o^'mvfÄTtiadog,  iv 
^i  ifUa  ^EnatofÀVwg  MiXi^aiog  aradiov  xai  dlotvXov  T^al  onXi- 
^^9  rç/g»  'YtfßixX^g  Sixvfjiviog  doXixoVy  Faiog  ^Pwfxalog  do- 
^20v,  IdçurtfavvfÀlôag  Kwtog  nivta&Xov ,  'loiôwQog  HXe^av- 
iflivg  naXf)v  arctanog  rceglodoVy  ^Atvavag  'Innoxgdjovg  l^dga- 
MVTTijydç  ÇAdgaiivrlov  nalg  cod.,  corr.  Rutgers)  nv^y  2q>oàgiag 
Sixvwnog  nayngcniov^  Swaiyévrig  ^Aoiavog  naiâwv  ardâiovy 
^nolkotpdrqg  Kvnagiaaiëig  nalôtov  ndXrjv,  2w%ijgixog  'HXeîog 
^ö/oüif  nv§,  KdXag  ^HXelog  naidwv  nayxgdrtov,  ^ExatofAVwg 
Miirjaiog  énXitriv  (ovrog  iv  t^i  avrrji  ta  tgia  iateg>ttV€i&rj, 


144  C.  ROBERT 

avddtov,  dlavXoVy  onllzrjv)^  ^AçtatôXoxoç  ^Hksioç  %é&Qênfiav, 
^AyruÀoyoç  'Hlelov    KéXrjç^    %ov    avvov    nwXiKLOv    Tè&gumow, 
Khqxla  ^kelov  nwkix^  ovvwqIç^  KalÀbtnov  ^HXbIov  *)  Ttu»Ï4,Tithç 
xéhqç.     Die  KampfarteD,   die  diese  Liste  mehr  eothalt,  das  Pftn- 
kralioD  der  Knaben  und  die  vier  letzten  hippischeo  Agone,  existirteD 
OL  75 — 83   noch   nicht.     Der  onklTrjç  ist  freilich  schon  bei  dem 
Siadioo  vorweggenommen,  weil  derselbe  Läufer  in  beiden  Kampfarteo 
und  überdies  noch  im  Diaulos  gesiegt  hat,  erscheint  aber  dann  noch 
einmal  und  zwar  an  derselben  Stelle  wie  in  dem  Fragment.    Welche 
Bewandtniss  es  mit  den  beiden  Siegen  im  ôôkix^ç  hat,  wissen  wir 
nicht;  fielleicht  handelt  es  sich  nur  um  eine  Courtoisie  gegen  den  con- 
currirenden  ROmer.')   Auch  im  Uebrigen  geht  die  Uebereinstimmnng 
zwischen  dem  Fragment  und  Phlegon  sehr  weit.     So  fehlt  in  der 
Liste  stets  der  Vatername,  ebenso  bei  Phlegon  mit  einer  einzigen  Aus** 
nähme,  und  dieser  Ausnahme  —  es  handelt  sich  um  ^^Tvdvaç  — 
wird  man  vielleicht  kein  zu  grosses  Gewicht  beilegen,   wenn  maià 
sieht,  dass  auch   in   den    beiden   anderen  aus  den  ^Okvfifttoflwat^ 
stammenden  Fragmenten,  die  Siegernamen  enthalten,*)  der  Vatemano 
fehlt.    Angesichts  dieser  Thatsache  darf  man  vielleicht,  zumal  aocb 
das  Folgende  verderbt  ist,  corrigiren  :  o  xal  ^iTtnoKQdzrjç.    WeiCer* 
stehen,  wie  im  Papyros,  so  auch  bei  Phlegon  die  Namen  der  hip— 
pischen  Sieger  im  Genetiv,   wieder  mit  einer  Ausnahme,   der  de9 
ersten  in  der  Reihe.    Hier  aber  verlangt  die  Analogie  des  folgende» 
gebieterisch  die  Correctur:   i^QiaroXoxov  'Hkeiov.    Wo  dersdb^ 
Agonist  in  zwei  aufeinander   folgenden  Spielen   siegt,  wiederhole 
Phlegon   nicht  den  Namen,   sondern  schreibt  tov  avzovj  flhnlicb 
der  Papyros:  IlacfAevldfjc   o  avroç   (Ol.  78).    Ebenso    hat   daiP> 
Exatofivwç  Mihtjaioc  .  .  .  tqLç  des  Phlegon  in  dem  .  .  •  ylaç" 
^EmèavQioç  .  .  .  .  ôlç   des  Fragmentes  seine  Analogie.     Auf  di^ 
allgemeine  Aehnlicbkeit  zwischen  dem  Papyros  und  Phlegon  weiseifc 
auch  Hunt  und  Grenfell  hin  und,  wenn  ich  richtig  zwischen  dei^ 
Zeilen  lese,  sind  sie  sehr  geneigt,  das  Bruchstück  geradezu  diesa»- 
Schriltsteller  zuzutheilen.     Sollten  sie  das  thun,  so  kann  ich  ihneik^ 

1)  So  Meier.    IlfjXiov  Cod.,   TVjXiov  Ratgers. 

2)  Andere  Erklärungsversuche  bei  Förster  a.  0.  n.  554.    Worauf  die  voo^ 

Christ  Pindari  carmina  p.  LXXVII  statuirte  Unterscheidung  eines  SéhxQs'BX 

Xr^vwv  und  9cXixos  *Pwfiaiafv  beruhe,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 

3)  Fr.  1    JaixXi^e  Meccrivtoç,   fr.  4  'Avrifiaxos  ^ffXaXos  in  Jvenarxicv^,^-^ 
Jciinnos  Kçormviarfie. 


OLYMPISCHE  SIEGER  145 

BUT  luslimmeo.    Mao  wird  Tielleicht  einwerfen,  dass  bei  derartigen 
Lislen  die  ZurQckfahrung  auf  einen  bestimmten  Autor  überhaupt 
mn  Ding  der  Unmöglichkeit  sei,   da  sie  sich  alle  gleich  gesehen 
haben  mOssen,   und  es  kein  Mittel  gebe,  um  zu  entscheiden,  ob 
wir  es  mit  ein  Excerpt  aus  Hippys  oder  Philochoros^  Aristoteles, 
Eaanoridas  oder  Phlegon  zu  thun  haben.     Indessen  so  ganz  trifft 
das  nicht   zu.      Die    Angabe   oder   Auslassung   des  Vaternamens, 
die  Bezeichnung   der  Kampfarten,   die  Form   des  Ethnikon  sind 
vieUeicht  nicht  ganz  entscheidende,  aber  doch  immerhin  recht  be- 
achtenswerthe   Merkmale.     Dass   im   Weglassen   des  Vaternamens 
Phlegon    und    der   Papyros   zusammengehen,    haben    wir   bereits 
gesehen.    Dasselbe  ist  freilich  auch   bei  lulius  Africanus  der  Fall; 
iher  Pausanias  setzt  den  Vaternamen  in  der  Regel  hinzu;  er  wird 
iho  doch  schwerlich  in  allen  diesen  Fällen  von  der  Inschrift  oder 
lOfl  seiner   periegetischen  Quelle  entnommen,  sondern  in  seinem 
01jmpioniken?erzeichniss   gefunden    haben.      Schwerer   fallen    die 
Nameo  der  Agone  ins  Gewicht    Der  Papyros  und  Phlegon  schreiben 
ni^,  lulius  Africanus*)  und  Pausanias  nvyfuij.   Jene  Bezeichnung  ist 
kkaootlich  die  ältere,  die  sich,  ausser  bei  Homer,   bei  den  Ly- 
rikern,*) bei  Hippokrates,  Xenophon  und  Demosthenes  und  in  der 
Dorieosinschrift  (Olymp.  Inschr.  153)  findet.     Hingegen  haben  die 
jflDgeren  olympischen   und   die  attischen  Inschriften*)  regelmässig 
inyii^,  ebenso   Polybios  (XX VU  Tbl),   Philostrat  {d.  gymi.  22) 
>•  s.     Téô'Qinnov    schreiben   Phlegon   und  der   Papyros,   agpia 
PtonDias.     Hier  ist  allerdings  der  Sprachgebrauch  schwankender, 
wie  denn  lulius  Africanus  Ol.  25.  99.  199  Ti^Qircftov,  Ol.  211 
iQfia  setzt     Aber   im  Grossen    und   Ganzen    scheint   auch   hier 
U^utTcov  das  altere  und  correctere  zu  sein,  vgl.  Herodot  VI  103. 
122,  das  Epigramm  des  Deinomenes  Paus.  VIII  42,  9,  und  noch  die 
H^teren  olympischen  Inschriften  56.  177.  198  ff.  220.  221.    Syno- 
via) damit  steht  ÏTtnoiç,  Pind.  P.  VII  4,  Herodot.  VI  103  und  in  den 

t)  Unter  Ol.  32.  41.  48. 

2)  Piod.  OL  VII  163,  Simonides  fr.  152.  154.  158.    Sehr  charalcteristisch 
^  Paos,  VI  9,  9  Tovro9t  tcùi  ^iXtovi  JS&/ic9i^i9Tj9  6  yHaantçdnovç  éXeyeïov  9am 

narbig  ftèv  KôqxvQa^  0lXœv  9*  ovo/a  ,     êtjd  9i  rXavxov 
i;*00,  xal  vutm  nv^  9v*  olv/inid9aç, 
ftMKftrai  fuzi  Mavxwtvç  *Ayafi,riTtoq^  x^r^aas  nvy/irji  ntû9aç. 

3)  01.  Inschr.  56.  185. 186.  213,  CIA.  II  444—446.  448.  966-968.  970. 

m.  m  1079. 

Hwmxxxv.  iO 


146  C.  ROBERT 

Epigrammen  Ol.  loschr.  166  und  Paus.  VI  10,  6.  Dagegeo  Sgfia 
im  Epigramm  der  Kyuiska  (Ol.  Inschr.  166)  und  anderen  olym- 
pischen Inschriften  56.  188.  206.  236,  stets  auf  den  attischen 
CIA.  II  966—968,  bei  Athenaeus  I  5  p.  3  u.  s.  w.  Die  Pindar- 
handschriften endlich  schwanken  in  den  Ueberschriften  und  den 
Scholien  zwischen  allen  drei  Bezeichnungen  bin  und  her.')  Aehn- 
lich  steht  es  mit  xéXrjç,  wie  der  Papyros  mit  Phlegon  und  Afiri- 
canus  (OL  33)  schreibt,  gegenüber  dem  ïnnoç  xékrjç,  das  Pau- 
sanias  bevorzugt  Die  olympischen  und  attischen  Inschriften  setxen 
sonst  stets  das  einfache  niXrjç,*)  nur  Ol.  Inschr.  239  (3.  Jahrb. 
n.  Chr.)  und  CIA.  II  965  b  ("=  TcolefAearriQioiç)  machen  eine  Aus- 
nahme. Die  Pindarhandschriften  zeigen  dasselbe  Schwanken  wie 
bei  agfÄG  und  Té&gmnov/)  Die  vollere  Bezeichnung  herrscht  hm 
den  Prosaschriftstellern  vor,  Herodot.  VI  122,  Plutarch  Alex.  3« 
Schol.  Arist.  Äves  283.  Gerade  diesem  schwankenden  Sprach- 
gebrauch gegenüber  ist  aber  das  Zusammengehen  des  Papyros  mit 
Phlegon  bedeutsam. 

Für  den  Gebrauch  der  Ethnika  bieten  sich  zwischen  dem 
Fragment  und  Phlegon  keine  directen  Vergleichungspunkte.  WoU 
aber  können  wir  auch  hier  Abweichungen  des  Papyros  von  Pau- 
sanias  und  anderen  Schriftstellern  constatiren.  Ev&vfioc  ^ongog 
an  'Izaklaç  Pap.  (Ol.  76,  77),  Ev&vfAog  Ix  zdiv  èv  'haXlai  ^o- 
Tcgwv,  0Ï  j^fti^ay  Jtjv  ngog  t(5i  Z6q>vglwi  trji  äxgai  vefAorvat- 
Paus.  VI  7,  10,  ^oxgoç  twv  iv  'ItaXiai  Aelian  v.  h.  VIII  18.  ^o* 
xgog  ano  Zeipvglov  die  Inschrift  (Ol.  Inschr.  144).  Ferner  jii%9Ç 
Oeaaalog  Pap.  (Ol.  82),  ^vxog  ^agiaalog  Afric,  Avxog  BêO'- 
aalog  ano  ^aglar]g<,  was  vielleicht  auch  in  dem  Papyros  s» 
ergänzen  ist,  Dionys.  Halic.  X  53. 

Dass  diese  Uebereinstimmung  zwischen  Phlegon  und  dem  Pïk 
pyros  nicht  absolut  entscheidend  ist,  muss  man  freilich  zugeben» 
Auch  Aristoteles  kann  nv§  statt  nvyfÂtj  gesagt  und  die  Vatemamen 


1)  OL  lY  Ueberschrift  T8d'(finnaft  BD.  ïnnois  G.  a(f/iati  A  —  OL  I  Hypo- 
tbesis  Ta&çlnnaft  uod  a^fiart.  —  Pyth.  VIII  rad'^innwt  Hypothesis  D.  Trnvots 
Ueberschrift  B.  —  Isthm.  111  ja&çinTfon  uod  înnoiç  Hypothesis.  —  âg/êott 
OL  H.  Pyth.  1.  II.  IV^Vl.  Jsihm,  II,  dagegen  mnoêç  Bakchylides  IIL 

2)  Ol.  loschr.  56.  177,  k.  rälaios  198.  199.  207.  217.  226.  CIA.  U  965 
967. 968. 

3)  KthjTi  and  ïn7rot&  xél^i.  OL  I  (Hypothesis)  —  xélijrt  OL  I  (Ueber- 
schrift), Pyth.  m,  Isthm.  UI  (Hypothesis). 


OLYMPISCHE  SIEGER  147 

weggélMBen  haben»  obgleich  letzteres  nicht  eben  wahrscheinlich 
Wl  Aber  man  erwäge,  ob  es  wahrscheinlicher  ist,  dass  man  im 
3.  Jahrhundert  in  Aegypten  sich  des  Olympionikenverzeichnisses 
des  Aristoteles  bediente,  das  die  Sieger  der  hellenistischen  und 
römischen  Periode  nicht  enthielt,  oder  der  bis  auf  Hadrian  fort- 
gehbrten  Liste  des  in  damaliger  Zeit  so  beliebten  Phlegon.  NatOr^p 
lieh  ist,  was  uns  hier  geboten  wird,  nicht  ein  Stück  der  grossen 
14  BOcher  umfassenden  ^OJivfAniovixaiv  xa2  Xqovixwv  ovvaywyi^^ 
soadern  der  'BnaofAfj  VIvfÄniovixwv  iv  ßißUoig  ß\  Darauf  führt 
schoo  die  ganze  Anordnung,  eine  Zeile  für  jeden  Sieger.  Hin-^ 
gepo  stammt  das  Excerpt  des  Photios  und  das  der  Heidelberger 
Haodschrifi  (fr.  1.  12)  wohl  sicher  aus  dem  grossen  Werk,  wahrend 
sich  bei  Stephanos  von  Byzanz  kaum  wird  entscheiden  lassen,  ob  er 
dieies  oder  die  Epitome  benutzt  hat.  Ralkmanns  Hypothese,')  dass 
die  TOD  Paasanias  benutzte  Olympionikenlisle  die  des  Phlegon  sei, 
wird  sich  gegenüber  den  oben  constatirten  Abweichungen  beider 
kaam  mehr  aufrecht  erhalten  lassen.  Auch  die  Ausflucht,  dass 
<las  Tollständige  Werk  vielleicht  die  Vaternamen  enthalten  habe,  ist 
dadurch  abgeschnitten,  dass  diese  auch  bei  Photios  und  in  dem 
Heidelberger  Fragment  fehlen.  Auch  bliebe  immer  noch  nv§  und 
mynr.  Selbstverständlich  haben  schon  vor  Phlegon  andere  die 
Liste  des  Aristoteles  weitergeführt ,  wie  vielleicht  schon  der  Ralli- 
nacbeer  Apollas.*) 

Wäre  das  neue  Fragment  nicht  von  Phlegon,   so  könnte  der 

Dostaad,  dass  zwei   verschiedene  Autoren  die  olympischen  Wett- 

Umpfe  in   ganz  derselben  Reihenfolge  aufführen,  uns  bis  zu  einem 

tewisien  Grade  zur  Gewähr  dienen,  dass  diese  Reibenfolge  authen- 

Kb  sei.     Da   es  sich   uns  aber  als  sehr  wahrscheinlich  ergeben 

t,  dass  auch   das  Fragment  Phlegon   gehört,   und   wir  es  also 

de  Haie  mit  einem  und  demselben  Zeugen  zu  thun  haben ,  so 

für  die  Frage,  ob  dieser  die  Sieger  nach  der  Ordnung  der  Spiele 

*  nach  einem  anderen  Princip  aufzählt,  scheinbar  nichts  Neues 

tonen.     Dennoch  glaube  ich,  dass  sich  seine  Angaben  auch  in 

*  Hinsicht  als  absolut  authentisch   erweisen   lassen.     In  den 

idlungen   über  die  Organisation  der  olympischen  Spiele  wird 


\  Pausanias  der  Perieget  S.  107  ff. 

FfiG.  IV  307,  vgl.  Kalkmann  a.  0.  105,  der  diesen  Namen  auch  bei 
VIII  82  herstellen  will,  wo  andere  an   Eoanoridas  denken.    S.  aber 

irtz  bei  Pauly-Wissowa  I  S.  2841. 

10* 


148  C  ROBERT 

er  freilich  meistens  mit  schnOder  GeringschfltiUDg  behandelt^  Die 
Frage,  welch  anderes  Princip  denn  der  Aufzahlung  zu  Grunde  liegen 
könne,  wenn  es  nicht  das  der  wirklichen  Reihenfolge  ist,  sucht 
Kindscher^  dahin  zu  beantworten,  dass  die  Agone  in  die  beiden 
Kategorien  der  gymnischen  und  hippischen  gelheilt,  innerhalb 
dieser  Kategorien  aber  streng  chronologisch  aufgezählt  worden, 
allerdings  mit  Ausnahme  des  nayifcgariov  naldwv  (gesL  Ol.  145), 
das  vor  dem  onUrrjç  (gest.  Ol.  65)  genannt  werde,  um  es  den 
tlbrigen  Knabenkämpfen  anzugliedern.  Aehnlich  nimmt  Hie  (p.  20) 
drei  Kategorien  an,  Manner,  Knaben,  Rosse.  Dass  der  onlltfjg 
zwischen  den  Agonen  der  Knaben  und  denen  der  Rosse  steht,  wird 
vermuthungsweise  auf  eine  Eigenmächtigkeit  des  Phlegon  in  diesem 
besonderen  Fall  zurückgeführt.  Dieser  Ausweg  erweist  sich  aber  an- 
gesichts des  neuen  Fragmentes  als  unmöglich,  und  insofern  trSgt  dieses 
doch  etwas  zur  Losung  der  Frage  bei.  Der  Erklärung  Kindschers 
hingegen  liegt  etwas  richtiges  zu  Grunde;  nur  gilt  sie  nicht  fQr  den 
Schriftsteller,  sondern  für  die  thatsächliche  Ordnung  der  Spiele. 

Christ  allein  ist,  in  seiner  grossen  Pindarausgabe  p.  LXXVD» 
wenn  auch  mit  einer  gewissen  Schüchternheit,  für  die  Glaubwürdige 
keil  des  Phlegon   eingetreten ,  aber  auch   er  will  die  dort  flber-^ 
lieferte  Reihenfolge   nur  für  eine  kurze  Zeit  der  spateren  Periode» 
gelten  lassen.    Warum  aber  hat  man  die  doch  wahrlich  natürlichstes 
Annahme,  dass  Phlegon  die  wirkliche  Ordnung  der  Spiele  wieder — 
gebe,  nie  ernstlich  in  Betracht  gezogen?   Weil  man  stets,  sei  e^ 
bewusst  oder  unbewusst,   von  der  bekannten  Stelle  in  Xenophoft.^ 
'ElXr]vixâ  VII  4,  18  ausgegangen  ist  und  nach  dieser  die  Obrigeiff^ 
Zeugnisse  gemodelt,  hat,  und  weil  man  die  Pausaniasstelle  (V  9, 3),  di  ^ 
von  der  Neuordnung  von  Ol.  78  handelt,  etwas  zu  voreilig  für  schw^^* 
corrupt  hielt.    Es  sei  hier  gleich  bemerkt,  dass  Phlegon  die  damals 
eingeführte  Reihenfolge  auch   auf  die  früheren  Olympiaden  flber^^ 
tragt,  was,  wenn  vielleicht  auch  nicht  historisch  exakt,   so  doel' 
für  den  Benutzer  höchst  praktisch  war.     Man   gestatte   mir,  di^ 
Xenophonstelle  zunächst  ganz  bei  Seite  zu   lassen   und  dafür  die 
übrigen  Zeugnisse   um  so  unbefangener  zu  prüfen.     Unlösbar  mit 


1)  Mie  quaesUones  agonisticae  p.  20,  der  auch  p.  1  die  illere  Litteratnr 
Teneichnet.  Holwerda  (Arch.  Zeit.  1880  S.  169)  uod  A.  Mommsen  (Deber  die 
Zeit  der  Olympien)  igooriren  Phlegon  gänzlich. 

2)  Jahns  Jahrbücher  XI  Suppl.  Band  S.  519. 


« 


OLYMPISCHE  SIEGER  149 

dieser  Uotersuchung  ferknOpft  hi  die  Frage  nach  der  Zahl  der 
Spieltage  und  der  Vertheiluog  der  Agone  auf  diese  Tage. 

IlëfimafÀiQOiç  afAÛJiaiç  oder,  wie  die  modernen  Herausgeber 
mit  Triclinius  und  den  schlechteren  Handschriften  schreiben,  ne/Â- 
naiiigoiç  àfAlXXaiç  lesen  wir  in  der  fünften  olympischen  Ode, 
und  die  Schoiien  bemerken  dazu:  i/ri  névte  ^  fié  ça  ig  ijyeto 
atfà  Ta  àywvéa^ata  ano  évdexthrjç  eiç  u;  so  wenig- 
steiu  der  Vratislaviensis  A ,  während  andere  Handschriften  (ii%Qiç 
IxxàidexoTi^g  haben,  im  direkten  Widerspruch  mit  nivxB  ^fiiçaiç. 
Mit  dem  Vratislaviensis  stimmt  Tietzes  überein,  der  offenbar  aus 
mm  Pindarcommentar  zu  Lykophron  V.  41  bemerkt:  va  de 
^Unnia  niwe  '^fÀiçaç  iveleîto  arte  ta  rrjç  aelijvi^ç  iÂi%Qi 
^$  ohiç  u\  Dazu  kommt  Schol.  Ol.  V  8  tiqxbxo  àè  ^  navT]- 
yvdiç  Kctrà  rfjv  âexàrrjy  %ov  fÀtjvoç  %al  izekêîto  (léxQi  xai 
^^  Uxaidënarrjç,  iv  iji  Toi  a&ka  idldtno^)  Somit  würde  das 
game  Fest  sieben  Tage  gedauert  haben  und  von  diesen  die  fünf 
mittleren  Spieltage  gewesen  sein.  Das  ist  die  Ueberlieferung,  die 
nio  als  falsch  erweisen  mag,  wenn  man  es  kann,  die  sich  aber 
nicht  umdeuten  lässU  Am  wenigsten  ist  man  berechtigt  mit  Hol- 
werda,  Mie,  A.  Mommsen,  Christ  u.a.  zwei  oder  drei  der  fünf 
Spieltage  als  blosse  Opfertage  anzusehen,  und  das  angesichts  des 
ovra  %à  ayœviafÀata  der  Schoiien. 

Was  sagt  nun  der  Dichter  der  fünften  olympischen  Ode,  wenn 
Otto  die  schlechter  bezeugte  Lesung  ncfAna^éçoiç  einsetzt? 
og  %àv  aàv  nôXiv  av^tav,  KafÀciçiva,  XaotQoq>ov 
ßwf40vc  S^  ôidvfÀOvç  iyéQQQBV  éograîç  ^ewv  fieylOTaiç 
vnb  ßov^aLatg  ài&hav  re  rtsfAftafAicoic  àfiLXkatç, 
ïnnoiç  ^fÂiovoiç  Te  fÀOvafinvTLlai  Te. 
Hag  man  die  letzten  Worte  als  Dativus  instrumentatis  von  afiliXaic 
abhängen  lassen  oder  sie,  was  mir  allein  möglich  scheint,  als  Appo- 
MlioD  dazu  auffassen,  immer  bleibt  es  höchst  seltsam,  dass  aus  sämmt- 
licheo  Agonen  der  fünf  Tage  nur  diese  drei  herausgegriffen  werden. 
Cad  wenn  man  mit  Bergk  in  seinen  letzten  Ausgaben  ne^rta^ 
fiiçovç  éfilXlaç  schreibt  und  übersetzt:  er  ehrte  die  sechs  Zwillings- 
altâre  mit  Stieropfern   und  die  fünftägigen  Wettkämpfe  mit  Vier- 
gespann, Haulthierwagen  und  Rennpferd,  so  ist  es  abgesehen  von 
der  Abgeschmacktheit  des  Gedankens  doch  wunderlich,  dass  Psau- 


1)  Ueber  diesen  onrichtigen  Zusatz  s.  anten  S.  157. 


150  C.  ROBERT 

mis  auch  mit  den  beiden  Agonen,  in  deoeo  er  unlerlegeo  i 
mflsste,  ,die  Wettkämpfe  geehrt'  haben  soll;  denn  dass  er  nur 
der  anr^vrj  gesiegt  hat,  lehrt  V.  3.  Hält  man  aber  mit  G*  E 
mann  (ap.  VI  15),  L.  Schmidt  (Pindars  Leben  394)  und  Mets 
(Pindars  Siegeslieder  141)  an  der  guten  Ueberlieferung  nefift 
fAiçoiç  efÄiklaig  fest^  so  besagt  die  Stelle,  dass  die  Wettkäm 
des  fünften  Tages  Viergespann,  Maulthiergespann  und  Rennpl 
waren.  An  dem  Fehlen  der  xalrcrj  kann  nur  Anstoss  nehm 
wer  von  dem  Dichter  die  Pedanterie  eines  Registrators  Terbi 
In  der  That  machen  nun  bei  Phlegon  %é&Qinnov  und  niXtig  < 
Schluss,')  während  die  an;i]vr}  aus  den  oben  erörterten  GrQn< 
fehlt  Ausserdem  lehrt  die  Stelle,  wenn  man,  was  meiner  Ansi 
nach  unumgänglich  nOthig  ist,  vrco  ßov&ovaiaic  ài&lwv  vb  m 
TttafAiçoiç  afiilXaiç  verbindet,  dass  am  fünften  Spieltag  auch  Sti 
Opfer  stattfanden,  selbst  wenn  man  nicht  ne/ÂtafAéçoiç  als  i 
noivov  auffasst,  was  sich  wohl  am  meisten  empfiehlt.  Dies  n 
sich  unten  bestätigen. 

Den  Schluss  des  vorhergehenden  Tages  würde  demnach  « 
Oftlltr]ç  gebildet  haben.  Daxu  stimmt  Artemidoros  I  63  %à 
onkov  keyofAevov  ènî  navruv  näai  naçoX^àç  aijfialvei  '  veh 
%alov  yàq  knl  nâai  to  a&lov,  wenn  man  annimmt,  dass  er  da 
nur  die  gymnischen  Agooen  im  Auge  hat,  die  hippischen  à 
unberücksichtigt  lässt.  Dieselbe  Einschränkung  findet  sich  in  d 
übereinstimmenden  Zeugniss  des  Plutarch  quae^.  symp.  II  5, 
der  ganze  Zusammenhang  lehrt,  dass  nur  von  den  gymnisd 
Wettkämpfen  die  Rede  ist:  xat  yàç  onllTfjç  inï  n&ai  eloayet 
fiaQ%vQOvf€voç  oil  TovTO  TO  zéXoç  ioTi  Ttjç  aiû^aanlaç  : 
jtjç  afÂlXkfjç.')  Allein  eben  derselbe  Dialog  bereitet  uns  die  ei 
ernsthafte  Schwierigkeit,  denn  kurz  vorher  lesen  wir:  inel  dk  o% 
ol  Ttaîâeç  diaywvlGwvtai,  jovg  avâgaç  xaXovoiv,  und  auf  Gri 
dieses  Zeugnisses  wird  denn  auch  in  den  neueren  Arbeiten  Q' 
die  Ordnung  der  olympischen  Spiele,  so  viel  ich  sehe,  allgem 
angenommen,  dass  die  Knabenspiele  den  Anfang  machten. 
sich  ist  das  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich.     Sollen  wir  i 


1)  Auch  in  Delphi  gingen  bekanntlich  die  gymnischen  Agone  deo  1 
pischen  voraus  Soph.  El,  691. 

2)  Vgl.  auch  das  allerdings  ironisch  gemeinte  Epigraoim  Anth.  Pal.  Xl 
rixra  fiearjv  inoirjaa  r^éxtov  Ttorê  Mà^HOS  onkirijs  und  dato  INttenbéi 
Ol.  Inschr.  S.  117. 


OLYMPISCHE  SIEGER  151 

•rirklich  vorstellen,  dass  die  älteste  Rampfart,  das  Stadion,  das 
eeûem  Sieger  die  Ehre  einbringt,  Eponym  der  Olympiade  zu 
werden,  jemals  seinen  Platz  an  der  Spitze  der  Agone  verloren 
babe?  Man  denke  doch  an  die  grossen  Dionysien  in  Athen,  bei 
denen  der  Älteste  Agon,  die  kyklischen  ChOre,  die  erste  Stelle 
durch  alle  Zeiten  hindurch  behauptet  hat.  Und  doch  scheint  es 
«chwer  der  bestimmten  Angabe  des  Plutarch  den  Glauben  zu  ver- 
sagen. Partiell  trifit  sie  allerdings  für  die  bei  Phlegon  vorliegende 
Ordoung  zu,  da  nach  ihm  dem  onllTtjç  die  Knabenkampfe  voran- 
geben, aber  alle  (Ihrigen  Agone  der  Mäoner  fallen  frQher  als  diese, 
und  dass  Plutarch  seine  Bemerkung  ganz  allgemein  verstanden 
wissen  will,  lehrt  der  Gegensatz  zu  den  unmittelbar  vorher  er- 
wähnten pythischen  Spielen,*)  bei  denen  auf  jeden  Rnabenkampf 
(1er  entsprechende  Hannerkampf  folgte.  Will  man  sich  also  nicht 
tu  der  Annahme  entschliessen ,  dass  Plutarch  Ober  die  Ordnung 
<ier  olympischen  Spiele  nicht  genau  unterrichtet  gewesen  sei,  so 
bleibt  scheinbar  nur  das  Gewaltmittel  Obrig  avdgeg  und  naldeg 
u  Tertauschen;  also  ixel  â^  o%av  ol  avâçeç  diaywvlatavtai, 
tore  toiç  naîdaç  naXovaiv.  Aber  selbst  dies  wQrde  nicht  correct 
SQD,  da  ja  nach  Phlegon  der  OTtllTrjç  auf  die  Knabenkämpfe  folgt. 
Aber  ist  es  denn  wirklich  ausgemacht,  dass  der  fragliche  Satz  sich 
)Qf  Olympia  bezieht?  Freilich  heisst  es  kurz  vorher:  ftolov  ovv 
^1}  TIC  Sv  tüjv  àytûviafiàrwv  yeyovivai  nccÜTov,  ^  ri  ova- 
iiov  waneg  ^OXviinLaaiv  ^  so  dass  man  auf  dieses  das  1%bI  zu 
^ehen  verführt  wird.  Aber  hinter  ^Olvf^ftlaaiv  ist  eine  grosse 
I^cke,  in  der  sogar  die  Person  des  Redenden  wechselt,  und  dass 
ifi  dieser  Lücke  ausser  den  pythischen  und  olympischen  Spielen 
iM)ch  die  Spiele  mindestens  einer  dritten  Cultslätte  genannt  ge- 
wesen sein  müssen,  Idsst  sich  wie  ich  glaube  zur  Evidenz  bringen. 
Man  erwäge:  Lysimachos  wirft  die  Frage  auf:  welcher  Agon  ist  der 
^e?  und  geht  dabei  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  hierfür  nur 
solche  Agone  in  Betracht  kommen,  die  an  den  verschiedenen  Cult- 
sUitten  den  ersten  Platz  einnehmen.  In  Olympia  ist  das  das  Stadion, 
^  wir  uns  gleich  für  spflter  merken  wollen.    Nun   muss  eine 

1)  Nicht  den  panathenâischeo ,  wie  Christ  a.  0.  p.  LXXVIU  annimmt 
^M  Local  des  Dialoges  ist  dorch  den  unmittelbar  vorhergehenden  bestimmt, 
^0  Fortsetzong  er  bildet.  Dort  heisst  es:  JSaainXea  %bv  Ko(ftûri^êr, 
^io^Q  vêtutapcôra  noif^râç,  alaruTftav  rà  inwUtcu  Also  bedeutet  ivrav&a 
^^'  fl/thf  in  Delphi. 


152  C.  ROBERT 

andere  CulUUiUe  gefolgt  sein,  an  der  eine  andere  Kampfart  an 
der  Spitie  stand.    Delphi  kann  das  nicht  gewesen  sein,  weil  dort 
ebenfalls  das  Stadion  die  Agone  eröffnete,  wie  sich  aus  Sophokles 
JB.  684  (?gl.  Heliodor  Aeihiop.  IV)  ergiebt')     Es  kann  also  nur 
in  derselben  Kategorie  mit  Olympia,  etwa  durch  ^OXvfinlaal  %% 
xa2  naq*  fiiilv,  erwähnt  gewesen  sein.    Welches  dritte  Fest  als 
Vertreter  einer  anderen  Kategorie  erwähnt  war,  ist  natQriich  mit 
Sicherheit  nicht  zu  sagen.    In  Betracht  kommen  die  Panathenflen, 
wo  der  dlavXog  den  Anfang  machte,  ferner  die  isthmischen  und 
nemeischen  Spiele,  deren  Reihenfolge  wir  nicht  kennen,  die  aber 
ganz  gut  mit  nalrj  oder  nvyfirj  begonnen  haben  können.    Und 
an  diese  mochte  man  darum  lieber  denken,  weil  der  dlavlog  den 
aradiov  zu  nahe  steht  und  in  dem  Dialog  nur  die  Hauptclassen  der 
Spiele  berücksichtigt  werden.    Timon,  der  in  seiner  Entgegnung 
offenbar  darauf  hinwies,  dass  die  Ordnung  der  Spiele  an  den 
schiedenen  Orten  keineswegs  eine  streng  chronologische  sei, 
natürlich  auch  auf  dieses  dritte  nicht  zu  bestimmende  Fest  Bezug 
genommen  haben,  und  auf  dieses  wird  sich  denn  auch  die  mit  Ixaf 
eingeleitete  Bemerkung  beziehen.    Ich  ferkenne  die  Schwierigkeil 
nicht,  die  darin  liegt,  dass  sowohl  bei  den  Panathenäen  als  bei 
den  isthmischen  und  nemeischen  Spielen  die  Agonisten  in  nali^ç, 
ayéveioi  und  avàçeç  zerfielen,  während  Plutarch  nur  von  naldi^ 
und   avÔQ€ç  spricht.     Da  aber  für  den  Zusammenhang  der  Stella 
auf  die  Zahl  der  Classen  nicht  das  geringste  ankommt,  wird  mafl» 
dem  Schriftsteller  die  kleine  Ungenauigkeit  wohl  zutrauen  dflrfeiB« 
dass  er  die  ayeveioi  zu  den  naîôeç  rechnete.     Und  wenigstes^ 
für  die  Panathenäen  steht  es  urkundlich  fest,  dass  an  ihnen  d»^ 
avdceg    nach   den   nalàeç  und   àyiveioi  auftraten.^     Jedenfatt^ 
aber  ist  dieses  Zeugniss   nicht  der  Art,   um   die  Glaubwürdigke^^ 
des  Phlegon  erschüttern  zu  können. 

Die  drei  Knabenagone,  die  bei  Phlegon  dem  onllvfjç  Tor 
gehen,  wird   man  a  priori  geneigt  sein,  auf  denselben  Tag 


1)  Unter  dem  d^é/ioç  auch  deo  96Lxo£  mit  einzubegreifen  ist  rcii^  ' 
Willkür  von  Â.  Mommsen  Delphi  199.  Auch  bei  dem  pythischen  Agon  d^^ 
Götter  steht  das  <na8éov  voran  (Tnod;  üv&iofv  p.  297  Böckh). 

2)  Für  die  Nemeen  auf  Keos  scheint  sich  aus  der  bekannten  SiegeriisO^ 
(Pridik  de  Cet  intulae  rebus  p.  160  n.  39)  die  umgekehrte  Reibenfolge  ( 
ayévaiOi  naldsç  zu  ergeben,  und  zwar  nach  dem  delphischen  Princip, 
sie  sich  in  denselben  Kampfarten  unmittelbar  folgten. 


OLYMPISCHE  SIEGER  153 

dieMiD  EU  ferlegen.  Das  wird  bestätigt  durch  die  olympischen  lo- 
schriften  54.  55«  nach  denen  der  Pankratiast  Ti.  Claudius  Rufus 
bis  in  die  Nacht  kämpfte.  Das  Pankration  bildete  ako  den  Schluss 
des  vorhergehenden  Tages.  Die  Reihenfolge  ndkrj  ni^  nay- 
xpofioy  ist  durch  die  Geschichte  des  Kapros  bei  Paus.  VI  15,  3 
bexeagt.  Gans  dieselbe  finden  wir  bei  Phlegon.  Ausserdem  folgt 
m  der  Stelle  des  Pausanias,  dass  diese  drei  Kampfarten  auf  einen 
and  denselben  Tag  fielen  ^  den  dritten ,  wenn  wir  auf  Pindar  und 
Kineo  SchoUasten  gestützt  fOnf  Spieltage  annehmen. 

Auch  f(lr  die  drei  Agone  im  Lauf:  a%aâiov  dlavkoç  ôolixoç 
ist  durch  die  Geschichte  des  Polites  von  Keramos  (Ol.  212)  ein  und 
derselbe  Tag  bezeugt  (Paus.  VI  13,  3) ,  aber  freilich  scheint 
»eh  aus  dieser  eine  andere  Reihenfolge  als  bei  Phlegon ,  nflmlich 
^^%0Ç9  aràôiov,  diavkoç  zu  ergeben:  avéq>fjvB  de  agev^v  no- 
iw  iv  ^OkvfAnlai  näaiv  äno  yaQ  tov  fÀtjxlarov  tloI  diaç- 
unifov  dl  oXiylaxov  Ji}  xaiqov  fie^QfÀàaato  inl  %6  ßga- 
jjnmtyif  of40ü  xal  wniajov  xai  doXlxov  re  h  fifiégai  zfji  avHji 
xa2  naQonnUa  aradiov  kaßwv  vUr^v  nQoaé^%B  diavXov  aq>lai 
^f  fQlTfjv.  Allein  gegen  Pausanias  und  fQr  Phlegon  spricht  nicht 
Dor  wie  wir  bereits  oben  gesehen  haben ,  die  innere  Wahrschein- 
Kebkeit,  sondern  auch  das  directe  Zeugniss  des  Plutarch  :  ngdS^ov 
^0  tnidiov  ^OlvfÄTtlaoiv ,  der,  wenn  er  die  sdmmtlichen  Agooe 
des  Laufes  gemeint  hatte,  nicht  aradiov^  sondern  àçofiog  gesagt 
bbeo  wtlrde,  und  das  dçs  Platon  leg.  VIII  833  a:  ataâioÔQOfiov  dt] 

^^ov  6  x^QV^,  xa&dneQ  rvv,  iv  %oîç  aydüai  nagaxakel 

ieifiçoç  dk  o  tov  öUxvJiov  {afÀikkriaofÀevoç),  tçltoç  6  %ov  kq>Ln- 
^tov,  xal  dfj  thagzog  b  %6v  ôolixov  xtL^  der  gewiss  nicht  in 
Kleber  Alh^emeinheit  xa&àneg  vvv  sagen  würde,  wenn  er  nicht 
i^ebeD  Delphi  auch  Olympia  im  Auge  hatte,  zumal  in  Athen  an 
den  Panathenflen  die  Reihenfolge  eine  andere  war.     Diesen  drei 
Zeugen  gegenüber  kann  die  widersprechende  Angabe  des  Pausanias 
Qq  80  weniger  ins  Gewicht  fallen,  als  er  sie  nicht  in  der  Form 
^es  schlichten  Referats,  sondern  in  der  einer  rhetorischen  Phrase 
giebt.    Es  ist  denkbar,  dass  Pausanias  in  der  That  über  die  Reihen- 
folge der  Agone  des  -ersten  Tages   nicht  genau  unterrichtet  war; 
^  ist  denkbar,  wenn  auch  nicht  gerade  wahrscheinlich,  dass  an 
fiesem  speciellen  Tag  die  Agone  anders  geordnet  waren,  wie  der 
fsiU  des  Kapros,  wo  das  Pankration  ausnahmsweise  vor  den  Faust- 
kampf gestellt  wurde,  ein  Beleg  dafür  ist,  dass  Verschiebungen  inner- 


154  C.  ROBERT 

halb  der  Kämpfe  desselbeo  Tages  allerdings  möglich  waren;  et  i 
weiter  denkbar,  aber  noch  weit  unwahrscheinlicheTt  dass,  wie  Kim! 
scher  zweifelnd  (Jahns  Jahrb.  XI  Suppl.  Band  S.  517),  Kalkmai 
{Pausanias  der  Perieget  S.  73)  mit  »emUcber  Bestimoitheit  ai 
nehmen,  in  der  212.  Olympiade  eine  Neuordnung  der  Spiele  stitl 
fand,  die  aber  dann  zu  Piutarchs  Zeit  wieder  abgeschafft  geweae 
sein  müsste.  Am  wahrscheinlichsten  aber  ist  mir,  das«  Paaaaoii 
seiner  rhetorischen  Phrase  zu  Liebe  hier  die  thatsüchliche  Reiba 
folge  der  Spiele  einfach  ignorirt,  indem  er,  um  mit  Gottfried  Ha 
mann  (Op.  Vi  10)  zu  sprechen  ,nach  seiner  gesuchten  Art  la  red« 
rückwärts  ?om  längsten  und  die  meiste  Ausdauer  erfordernden  tm 
kürzesten  und  schnellsten  Laufe  gemessen  hat'.  Dabei  mag  ih 
▼ielleicht  auch  die  Ordnung  der  Panathenäen  im  Sinne  gelegi 
haben,  falls  er  nicht  etwa  die  ganze  Wendung  einem  sophislischc 
CoUegen  nachgebildet  hat,  der  von  einem  Siege  an  diesem  attiaclM 
Feste  sprach.  Man  hat  fQr  die  Ansetzung  des  dolix^g  an  enk 
Stelle  auch  die  Geschichte  ?on  dem  Argiver  Aigeus  ins  Feld  geftihrt, 
der  seinen  Sieg  noch  an  demselben  Tage  in  seiner  Vaterstadt  ?fli 
kündete.  Aber  einem  solchen  Läufer  darf  man  es  schon  zutrasei 
dass  er  von  Mittag  bis  Abend  von  Olympia  nach  Argos  gelangt 
konnte.  Man  denke  an  die  Leistung  des  Pheidippides  bei  HeroA 
VI  106.  Uebrigens  ist  es  psychologisch  h(Vchst  unwahrscheinlid 
dass  ein  Sieger  im  Dauerlauf  nicht  auch  den  Ausgang  der  beiden  v« 
wandten  Agone  abgewartet  haben  sollte^  so  dass  für  den  Zei 
punkt,  an  dem  Aigeus  von  Olympia  aufbrach,  die  Reihenfolge  die» 
drei  Kampfspiele  gleichgültig  ist. 

Das  TcivTad-lov  steht  bei  Phlegon  zwischen  den  dgofiuu 
ayùiveç  und  der  nakrj.  Eine  indirecte  Bestätigung  giebt  Pao* 
nias  VI  24,  1^  wo  er,  von  den  Vorübungen  im  Gymnasium  handebi 
für  diese  dieselbe  Reihenfolge  bezeugt:  eloiaai  de  (ol  ^Ellan 
dixai)  ngiv  fxhv  ijkiov  clviaxeiv  avfÄßalovvrac  dgofiéaç^  fii 
aovarjg  de  Tijç  f^f^égaç  inî  to  névta&Xov  %ai  oaa  ßagia  a^i 
ovofAÔÇovoiv.  Eine  weitere,  allerdings  gleichfalls  nur  indirecte  B» 
statigung  wird  durch  die  olympische  Inschrift  aber  die  nepolit 
nischen  Seßatnd  (Ol.  Inschr.  56)  geboten  ;  denn  dass  sich  die» 
Fest,  die  ^iTalmà  'Okvfxnia  oder  laoUfinia,   wie  es  urkundlk 

1)  lui.  Africanus  Ol.  113  Uysi^;  vgl.  Rutgers  p.  67,  Förster  n.  3fi 
Krause  und  Holwerda  wollen  "AçyM  corrigiren;  mehr  empfiehlt  sich  jifyê 
«owohl  palaographisch  als  onomatologiach. 


OLYMPISCHE  SIEGER  155 

hdsst  (fgl.  Dittenberger  zu  der  Inschrift),  auch  bezüglich  der 
Reihenfolge  der  Kampfspiele  wenigstens  in  den  Grundzügen  einiger- 
maatsen  an  sein  Vorbild  anlehnte,  dürfen  wir  ohne  Weiteres  voraus- 
setieo.  So  Terstümmelt  nun  leider  gerade  die  von  den  Agonen 
bändelnde  Stelle  (Z.  42  ff.)  ist^  so  läset  sich  doch  so  viel  erkennen, 
ém  auch  dort  das  oTadiov  ivögwv  den  Anfang  machte,  dann 
nina^koVf  nakrj,  nvyfiij,  TcayxQoriov  folgten  und  der  onllttjç 
den  Schluss  der  gymniscben  Agone  bildete.  Hingegen  liegt  eine 
Abweichung  darin,  dass  wie  in  Delphi,  die  Agone  der  Knaben  und 
MlBoer  nach  Kategorien  zusammengestellt  waren  und  die  Knaben 
dea  Vortritt  hatten;  wenigstens  lesen  wir  navxQoxiov  nalâofv, 
nançariov  àvÔQwv.  Nur  im  Wettlauf  müssen,  was  für  unsere 
(rtthere  Betrachtung  sehr  beachtenswerth  ist,  die  Knaben  auf  die 
Iboner  gefolgt  sein.  Dagegen  sind  wieder  wie  in  Olympia  die 
Uppiachen  Agone  hinter  die  gymniscben  gestellt,  allerdings  in  der 
ibweicbenden  Reihenfolge:  xilrjg,  gvvwqIç^  xid^ginftov. 

Auf  wie  fiel  Tage  sind  nun  die  sieben  zuletzt  besprochenen  Agone 
so  fertheilen ?  Auf  drei,  auf  zwei  oder  einen?  Der  Scholiast  oder 
ricbtiger  der  Paraphrast  der  XIII.  olympischen  Ode  behauptet  aller- 
üogs  von  dem  Korinthier  Xenophon,  dass  er  seine  beiden  Siege  im 
Stadion  und  Pentathlon  an  demselben  Tage  errungen  habe.  Aber 
leboo  Nie  hat  p.  34  mit  Recht  hervorgehoben ,  dass  davon  bei 
Kndar  selbst  nichts  zu  lesen  ist;  dieser  sagt  nur  V.  30  Ttevzae- 
^W  Sfia  Gtadlov  vixœv  dgôfAOV  avTeßolrjaev  t(üv  avtjQ 
^atog  ovTto)  %ig  ngotêQOv,  was  um  so  mehr  ins  Gewicht 
Mit,  als  er  nachher  bei  den  pythischen  Siegen  ausdrücklich  hervor- 
bebt, dass  sie  an  einem  und  demselben  Tage  errungen  seien: 
Bv^ol  t'  tx^i  atadlov  rtfiay  diaiXov  t'  aekiwi  afÀq>^  ivL 
Uer  dafür  beruft  sich  nun  Mie  auf  das  Décret  des  Demeas  in 
Ukians  Timon  50  vevlnrjxe  de  ni^  xal  nàkrjv  xal  ôçôfiov 
i^^Olvfiniai  fAiSg  ^fieçàç  xal  veleiwi  agfiati  xal  avvwQlâi 
^Ux^i.  Wenn  wir  das  allerdings  gläubig  hinnehmen,  so  hatte 
der  Pindarscholiast  auch  hinsichtlich  des  Ttévta&kov,  das  vor  der 
nüfj  vorhergeht.  Recht,  und  wir  müssten  in  der  That  alle  sieben 
Agooe  auf  einen  Tag  verlegen.  Aber  ich  dächte,  schon  die  perverse 
(Reihenfolge  der  Aufzflhlung  lehrt,  dass  es  sich  um  absichtliche  In- 
correciheiten  handelt.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  greift  nun  hier 
dievielbehandeltePausaniasstelle  V9,  3  aufklärend  ein:  6  âk  xoofÀOç 


156  C.  ROBERT 

nsvzà&kov  fiiv  xai  dgofiov  twv  ïnnoiv  vavega  aytaviafâ^ 
oitoç  xarioTTj  aq>iaiv  o  xéofÂOç  ^OXv^niâdi  éfido/Âtji  Ttgoç 
ißöofAiJTiovta'  rà  ngo  tovzwv  ôè  ènl  ^fiégaç  tjyov  v^g  i 
ifÂoiwç  xal  àv&goimav  xal  ÏTtntav  dywva,  %6tb  dk  ngorjx^ 
iç  yvxra  ol  nayxgaTidÇovveç,  Sre  ov  xcnà  xaigbv  iaxh 
TêÇ|  aïxioi  dh  iyivovTO  oï  ze  ïnnoi  xal  iç  nïÀov  Ïti  i^ 
nevta&lwv  SfÀiiXa'  xal  ixgarei  fÀkv  KaXXlaç  %ovç  na] 
riàaarraç.  ifATtôdiov  ôè  ovx  ifiekke  nayxgarlwi  vov  h. 
%o  nirrad'kov  oiài  ol  ïnnoi  yBrrjoea&at.  Der  letite  Sal 
weist,  da88  seit  Ol.  78  PankratiasteD  und  Fonfkämpfer  nicht 
an  demselben  Tage  auftraten.  Folglich  sind  die  betreffenden  i 
auf  mindestens  zwei  Tage  zu  vertbeilen,  und  es  fragt  sich  nur 
ob  wir  für  das  nérta&kov  einen  besonderen  Tag  anzunehmen  1 
was  angesichts  der  Thatsache,  dass  es  eigentUcb  fünf  Kamp 
reprasentirt,  doch  wabrlich  nicht  unglaublich  ist.  Thun  wii 
so  erhalten  wir  die  von  Pindar  und  seinem  Scholiaslen  beze 
fOnf  Spieltage,  und  die  Vertheilung  auf  diese  ist  eine  so  g 
massige,  dass  ich  jeden  auffordere  eine  bessere  zu  finden: 

I.  Tag  :    1.  aiadiov.    2.  diavXoç.    3.  dolixoç. 

H.     „    :    4.  nivra^Xov. 

III.  „    :    5.  ndXtj*     6.  nv§.     7.  nayxgâziov* 

IV.  „    :    8.  naidwv   ardôiov.     9.   tt.  nakt].     10.   n. 

11.  onXirijç. 
V.     „    :  12.  Té&gmnov.  13.  xilrjç,  (14.  aTcrjvrj.  15.  xi 

oder  später  14.  avvwglç  etc.). 
Doch  wir  sind  mit  der  Pausaniasstelle  noch  nicht  fertig 
erster  Satz  gilt  ja  allgemein  für  verderbt  und  zahlreiche  Aenderi 
sind  vorgeschlagen;  auch  ich  selbst  bekenne  mich  früher  ai 
versündigt  zu  haben;  zum  Glücke  ohne  meine  Vermuthung 
Offentlicht  zu  haben.  Die  Ueberlieferung  ist  ja  an  sich  bis  ai 
einziges  Wortchen  ganz  untadlig.  Die  Opfer,  heisst  es,  w 
nach  dem  Pentathlon  und  den  hippischen  Agonen  dargebi 
da  diese  nach  dem  Folgenden  seit  Ol.  78  nicht  mehr  an  demt 
Tage  stattfanden,  handelt  es  sich  nicht  um  ein  einziges,  so 
um  ein  zweimaliges  oder  zwiefaches  Opfer.  Damit  ist  das  oft 
Hauptopfer  am  grossen  Zeusaltar  ausgeschlossen');   gemeint 


1)  Dionysios  Hai.  Lys,  520,  Lucian.  bis  aceusatus  2,  Pseado-And 
c.  Alcib,  29. 


OLYMPISCHE  SIEGER  157 

die  Opfer,  die  die  Sieger  zuerst  an  demselbeD  Zeusaltar/)  daher 
f(M  ^edji,  daoD  aber  auch  au  den  sechs  DoppelalUlreD  darbrachten,*) 
lé  welcher  Gelegenheit  die  achte  olympische  Ode  gesungen  worden 
ÏA.  Aus  Paus.  V  21,  12  hat  Mie  p.  30  richtig  geschlossen,  dass 
die  Proclamation  und  Krönung  des  Siegers  unmittelbar  nach  dem 
Wettkampf  geschah');  wenn  er  aber  hinzusetzt,  dass  auch  das  Opfer 
des  Siegers  an  demselben  Tage  stattgefunden  habe,  so  vermisse  ich 
für  diese  Behauptung  die  Beweisei  Vielmehr  sagt  Pausanias,  dass 
es  nach  dem  névta&Xov  und  den  hippischen  Agonen  stattfand. 
Die  Sieger  opferten  in  zwei  Abtheilungen,  die  der  vier  ersten  Agone 
am  zweiten,  die  der  neun  oder  elf  folgenden  am  fünften  Tag,  und 
wir  Terstehen  nun,  warum  diese  beiden  Tage  verhflltnissmässig 
im  wenigsten  belastet  sind,  der  eine  mit  einem  einzigen,  der  an- 
dere mit  den  sich  am  schnellsten  abspielenden  hippischen  Agonen. 
Dod  nun  erinnern  wir  uns,  dass  wir  bereits  S.  150  aus  dem 
ino  ßov^aiaic  ai&X(av  %e  nef/Tctafiéçoiç  àfAiXXaiç  der  fünften 
ol.  Ode  geschlossen  haben,  dass  am  fünften  Spieltag  auch  Opfer 
stattfanden.  Eine  weitere  Bestätigung  bringt  die  unter  Andokides' 
Namen  Überlieferte  Rede  gegen  Alkibiades,  wo  §  29  erzahlt  wird, 
dass  Alkibiades  für  die  inivUia  seines  Wagensieges,  die  er  tt^o- 
n^alai  t^ç  -^aiaç,  also  am  Tage  vor  dem  officiellen  Opfer,  dar- 
kriogeo  wollte,  das  staatliche  Opfergeräth  von  den  attischen  Theoren 
^otlieh,  dann  aber,  wenn  ich  den  Hergang  richtig  auffasse,  dies 
KID  privates  Opfer  ordnungswidrig  erst  am  folgenden  Tag  vor  der 
Hebtombe  in  Scene  setzte.  Wir  ersehen  also  auch  daraus,  dass  am 
Sofien  Spieltag  von  den  Siegern  geopfert  wurde.  Nach  dem  Pindar« 
tcholjasten  muss  das  officielle  Opfer  auf  den  16.  Monatstag  fallen,  was 
derch  Bakchylides  VII  3  bestätigt  wird.  Wenn  Schol.  Ol.  III  32  auf 
diesen  Tag  auch  die  xqIoiç  verlegt  wird,  so  ist  das  ein  falscher  Schluss 
^tts  den  Worten  des  Pindar,  und  auf  diesem  falschen  Schluss  mag 
<laQn  weiter  der  unrichtige  Zusatz  Schol.  Ol.  V  b  èv  ^i  ta  a&la 
iilioto  (s.  S.  149)  beruhen.  Denn  dass  die  Entscheidung  unmittel- 
l^r  nach  dem  Kampfe  erfolgte,  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  und 
^en  Kranztisch  wird  man  sich  doch  in  dem  Stadion,  der  Palästra, 

1)  Schol.  Piod.  Ol.  IX  1  xaf/iâ^ai  de  n^os  top  rov  Jioe  ßtofiov  6  vf 
>i^«afi  furà  rcüv  tpiXœv^  avrbs  t^  toidfjS  iirjYov(A9v9S. 

2)  Find.  (?/.  V  8  Schol. 

3)  Vgl.  Paus.  III  21,  1  und  die  Geschichte  von  Aigeus,  der  doch  nicht 
^^Qe  den  Kranz  nach  Argos  gelaufen  sein  wird  (%.  oben  8.  154). 


158  C.  ROBERT 

dem  Hippodrom  ?or  den  Hellanodiken  aufgestellt  la  denken  babeo*' 
Dagegen  fiel  natürlich  auf  diesen  Tag  das  Festmahl  im  Prytaneio 
(Paus.  V  15,  12).  A.  Mommsen  Ueher  die  Zeit  der  Olympien  S.  ; 
wQûscht  sich  für  das  «Hochfest*  die  XV  Luna.  Sein  Wunsch  lisi 
sich  erfüllen,  denn  das  Opfer  des  Herakles,  das  die  von  ihm  heran 
gesogene  Pindarstelle  OL  HI  19  feiert  —  fjdrj  yàç  avrûi^  lunq 
fihv  ßiafAwv  ayia&évTWv,  ôixofÂTjviç  olov  XQvaaçiAonog  éaftiçoi 
6q>&(ikfA0v  civri(pXe^e  Mijva  —  ist  natürlich  nicht  das  mytblscb 
Prototyp  für  die  Hekatombe  am  16,  sondern  für  die  Opfer  dei 
einzelnen  Sieger  am  12  und  15,  und  dass  der  15.  fon  Anfang  ai 
der  Hauptfesttag  war,  worüber  unten  mehr,  glaube  ich  allerdingi 
auch.  Auf  den  10.,  um  die  seit  OL  78  bestehende  Festordnuif 
gleich  zu  erledigen,  fallt  dann  alles  das,  was  Mie  p.  40  höchst  an* 
nOthiger  Weise  auf  zwei  Tage  vertheilt:  die  allerdings  nicht  über 
lieferte,  aber  mit  Bestimmtheit  zu  postulirende  religiöse  Einleituogs- 
feier,  der  Eid  der  Hellanodiken  und  Agonisten,  die  Prüfung  da 
Athleten  und  der  Pferde. 

Dass  der  Ausdruck  des  Pausanias  aa  der  Stelle,  die  uns  dies« 
erwünschte  Aufklärung  gebracht  hat,  absonderlich  und  gesudH 
ist,  wird  man  bereitwillig  zugeben.  Ein  natürlich  und  einbcl 
schreibender  Schriftsteller  würde  gesagt  haben ,  seit  Ol.  78  fandea 
der  Fünfkampf,  das  Pankration  und  die  hippischen  Agone  an  dre 
verschiedenen  Tagen  statt.  Aber  von  diesem  Sophisten  sind  wir  e 
ja  längst  gewöhnt,  dass  er  häufig  nur  für  solche  verständlich  isl 
welche  die  von  ihm  berichtete  Thatsache  bereits  kennen.  So  selfl 
er  die  Vertrautheit  mit  der  bestehenden  olympischen  Spielordnuifcj 
auch  hier  bei  seinem  Leser  voraus.  Gewaltsam  geändert  dar 
unter  keinen  Umständen  werden.  Anstoss  erregt  auch  nur  um 
beziehungslose  fiiv  hinter  nevTà&Xov;  man  wird  dafür  entweda 
vvv  zu  schreiben  oder  vielleicht  noch  besser  vvv  vorher  einzit 
schieben  haben,  damit  ein  Gegensatz  zu  dem  tu  uqo  tovtuv  d* 
am  Anfang  des  folgenden  Satzes  gewonnen  wird. 

Aber  ein  Zeugniss  ist  noch  übrig,  das  alle  bis  jetzt  gewonnenei 
und,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  vortreOlicb  zusammenstimmende! 


1)  Vgl.  ausser  Mie  p.  30  f.  auch  Krause  Olympia  164  A.  16.  Steng« 
Griech.  Kultusalterthünier^  S.  184  A.  9  beruft  sich  für  sein  abweichendes  Uf 
theil  auf  Schol.  Find.  Ol  III  33  p.  97  Böckh,  wo  gesagt  sein  soll,  dass  all 
Kränze  an  einem  Tage  ausgetheilt  wurden.  Ich  habe  die  Stelle,  die  er  meint 
nicht  finden  können. 


OLYMPISCHE  SIEGER  159 

Besoltate  umzustOrzen  droht:  der  bisher  geflissentlich  bei  Seite  ge- 

tassene  Bericht   des  Xenophoo   über  die  von   den   Arkadern   und 

Kttteo   Ol.  104   begangene    Feier,   die    die    Eleer   stören.     Wie 

veit  die  Agone  sich  bereits  abgespielt    hatten,   als  die    eleische 

Armee  heranrOckte  und  der  Kampf  in   der  Altis  begann,   das  be- 

leichDet  Xenophon  {HeU.  Vll  4,  29)  mit  den  Worten  :  %al  t^v  fier 

InnoiçofÂlav  ijôrj   inenoii^iieaav  xal  zà  dçofAixà  rov  Ttevva^ 

^lov'  oî  ô*  bÎç  naXtjv  aq)i%6fAavoi  oixéri  iy  rm  Ôqoilkûi,  alXà 

fina^  %ov  ÔQOfAOv  xaï  toi  ßwfAov  ènàlaiov.    Danach  mttssten 

afao  die  hippischen  Agone  vor  dem  Faustkampf  stattgefunden  haben, 

—  nicht  nothwendig  an  demselben  Tage,  einen  solchen  eclatanten 

Widerspruch  mit  Pausanias,  nach  dem  seit  Ol.  78  gymnische  und 

bippische  Agone  nicht  mehr  auf  denselben  Tage  fielen,  haben  wir 

Dicht  nOthig  zu  statuiren;   denn   es  kommt  Xenophon  nur  darauf 

m,  den  letzten  wirklich  zu  Ende  geführten  Agon  zu  bezeichnen. 

Aber  nicht  aus  der  Welt  zu  schaffen  ist  der  Widerspruch  mit  der 

fOnften  olympischen  Ode;   denn  einen  sechsten  Spieltag  fOr  das 

Pentathlon  wird  doch   im  Ernst  niemand  postuliren  wollen.    Ich 

bekenne    nun,    dass  die  Uebereiostimmung  aller  wirklich   zuver- 

tMgen  Zeugen   mit  Phlegon   für  mich  so  entscheidend  ist,  das» 

vir  fest  vertrauen  dQrfen,  der  Widerspruch  dieses  einen  Zeugnisses 

^  nur  ein  scheinbarer.     Ich  glaube  aber,  dass  man  weder  anzu- 

Bdunen  braucht,  dass  wahrend  des  4.  Jahrhunderts  zeitweilig  eine 

andere  Spielordnung  bestanden  habe,  was  ja  an  sich  denkbar  wäre, 

Boch  dass  die  Pisaten  und  Arkader  von  der  üblichen  Reihenfolge 

gewichen  seien,  was  unwahrscheinlich  ist,  da  Xenophon  von  der 

Ordnung   wie  von   einer  allgemein  bekannten  Sache  spricht.    Ich 

''üge  mich,   welcher  Agon   müsste  in  Wahrheit  dem  TtivTa&Xov 

Vorausgehen.     Der  dàXixoç.    Wenn   wir  uns  nun  erinnern,   das» 

^n  dem   doXixog  sehr  ähnlicher  Agon  in  Athen  und  anderwärts 

^nnioç  oder  Innixôç  oder  iq)lnniog  hiess,^)  so  ist  vielleicht  die 

Annahme  nicht  zu  gewagt,  dass  hier  Xenophon  statt  öoXixog  den 

Ausdruck  InTCOÔQOfAia  gebraucht  habe.     Noch  einfacher  wäre  es, 

^enn  man  sich,  wie  Blass  mir  vorschlägt,  entschlösse  IrcTtioàçoiilav 

^  schreiben,  ein  Wort,  das  freilich  sonst  nicht  bezeugt  ist.    Sollte 

ionand  für  die  übliche  Auffassung  von  Innoôçofila  geltend  machen 


1)  tnmoG  CIA.  II 966.  968,  Dittenberger  Sylt.  398.  é^inmoç  Plut.  leg.yWl 
^3b.    inniuoQ  CIA.  U  970. 


160  C.  ROBERT 

woUeD,  dass  das  WageDreonen  id  jener  Olympiade  doch  statt- 
gefundeD  habe,  da  bei  Pausanias  VI  8,  3  der  Name  des  wirklicheo 
oder  angeblichen  Siegers  steht,  so  erwidere  ich,  dass  die  Spiele, 
nachdem  die  Eleer  zurückgeschlagen  waren,  natürlich  ihren  Fort- 
gang nahmen,  wie  das  auch  aus  Xenophons  Bericht  indirect  henror- 
geht,  und  also  das  Wagenrennen  ebenso  gut  auf  die  Unterbrechang 
folgen,  wie  ihr  vorhergehen  konnte. 

Schon  oben  haben  wir  constatirt,  dass  Phlegon  die  Ol.  78  ge- 
schafTene  Spielordnung  auch  auf  die  früheren  Olympiaden  überträgt, 
was  für  ein  Handbuch  gewiss  sehr  praktisch  war.    Die  Wissenschaft 
aber  kann  sich  der  Aufgabe  nicht  entziehen,  auch  fon  der  Reihenfolge, 
wie  sie  bis  Ol.  77  bestand,  ein  Bild  zu  entwerfen.    Aus  der  oben  be* 
sprochenen  Pausaniasstelle  geht  hervor,  dass  damals  der  FOnfkampl^ 
die  hippischen  Agone  und  das  Pankration  auf  denselben  Tag  fidea« 
mit  nichten  aber,  was  auch  besonnene  Forscher  daraus  entnehmen 
wollen,  dass  alle  Wettkampfe  an  demselben  Tag  abgehalten  wurden:  bti 
rifAéqaç  rjyov  Tfjg  avrtjç  ofÂolwç  xal  àv&çainwv  xai  ÏTtnwv  àywœ 
steht  da,  nicht  tovg  àv&çœnwv  xori  ïrcTtwv  aywvaç.    13  Agone 
an  demselben  Tag  wäre  doch  auch  wirklich  ein  Ding  der  UnmOglkè- 
keit,  womit  natürlich  nicht  gesagt  sein  soll,  dass  nicht  noch  zwei 
oder    drei   weitere    Agone  auf  denselben  Tag  mit  den  oben  ge- 
nannten fallen  konnten.    Die  Neuerung  bestand  darin,  dass  sowohl 
das  névra&Xov   als   die  bippischen  Agone  einen  besonderen  Tig 
für  sich  erhielten.    Nun  beachte  man,  class,   wie  auch  Kindseber     1 
beobachtet  hat,  die  bei  Phlegon  vorliegende  und  von  uns  mit  der 
seit  01.78  bestehenden  identificirte  Ordnung  genau  die  chronologische 
sein   würde,   wenn  man  die  bippischen  Agone  vor  das  Pankratioo 
setzte,  also  an  die  Stelle,  die  sie  nach  Pausanias  bis  Ol.  77  that" 
sächlich  einnahmen.    Es  sind  nümlich  gestiftet  axadiov  Ol.  1,  dUnr^ 
log  Ol.  14,   doXixoç  Ol.  15,  nivra&kov  und  nalt)  Ol.  18,  fcv^ 
Ol.  23,  Ti^QLTtnov  Ol.  25,  nékriç  und  TcayxQaTiov  Ol.  33,  naC^ 
dwv   (nââiov   und   naXrj  Ol.  37,   naidwv  tcv^  Ol.  41,   onkltf}^ 
Ol.  65.    Da  ergiebt  sich  denn  doch  die  Schlussfolgerung  eigentlict* 
von  selbst,   dass  bis  Ol.  77  die  Reihenfolge  der  Agone  durch  da^ 
Datum   ihrer  Einfübrung  bestimmt   wurde.    Wenn  Pausanias  sagt«^ 
an   dem  späten  Auftreten  der  Pankratiasten  in  der  77.  Olympiade 
seien  oï  Te  ïnnoi  xaï  èg  nXéov  evt  ^  tcJv  nevTa&ixov  SfitiXi^ 
scbuld  gewesen,  so  greift  er  offenbar  einerseits  den  dem  PankratioiP 
unmittelbar  vorangehenden,  andererseits  den  am  längsten  dauerodei^ 


OLYMPISCHE  SIEGER  161 

Agon  heraus.  Die  vor  dem  nivxa&Xov  liegeoden  WettkSImpfe  liesseo 
«kh  BatOrlieh  bequem  au  einem  einzigeo  Tag  erledigen,  ebenso 
die  auf  das  Pankration  folgenden.  Wir  erhalten  also  für  Ol.  77  und 
4ie  ?orhergeheuden  Olympiaden  eine  Vertheilung  auf  drei  Tage: 
I.  Tag  1.  atadioy,  2.  dlctvlog,  3.  doXixog. 
II.     yf     4.  nivTa&lov,   5.  nâXrj^   6.  nv^^  7.  zi&Qinnov^ 

8.  xéXfjÇ,  9.  TcayxQajiov. 
m.  ,9  10.  naldwv  OTaôiov,  11.  jcaidœv  TtdXrj,  12.  Tval- 
âcjv  Tfv^,  13.  onXlTtjç.*) 
Als  dann  Ol.  70  die  anr^vr},  Ol.  71  die  xalrtt]  hinzutrat,  wird  man 
diese  nach  dem  üblichen  Princip  ans  Ende,  also  hinter  den  onXlTrjç, 
gestellt  haben.  Der  zweite  und  dritte  Spieltag  wurden  auf  diese  Weise 
so  überlastet,  dass  man  sich  endlich  doch  zur  Zugabe  zweier  weiterer 
Spieltage  entschliessen  musste,  wobei  man  dann  sämmtlicbe  hippische 
Agoae  ans  Ende  stellte  und  die  Opfer  der  Sieger,  die  vermuthlich  bis- 
her am  dritten  Spieltage  stattgefunden  hatten,  auf  zwei  Tage  vertheilte. 
lieber  den  Zeitpunkt  der  Einführung  dieser  dreitägigen  Spiel- 
^irdnoDg  lässt  sich  natürlich  nichts  Bestimmtes  sagen.  Bis  ztir 
StiftoDg  des  Wagenrennens  Ol.  25  wird  man  wohl  mit  einem  Tag 
losgekommen  sein.  Bei  der  damaligen  Reorganisation,  als  die  Zahl 
fa  Hellanodiken  auf  neun  erhöht  wurde,  mag  auch  der  zweite 
Spiellag  eingerührt  worden  sein.  Als  dann  weiter  das  Pankration, 
die  Koabenagone,  unter  ihnen  auch  vorübergehend  das  Pentathlon, 
QDd  endlich  der  bnXitriç  hinzutraten,  wird  man  sich  zu  der  Zugabe 
^oes  weiteren  Tages  entschlossen  haben,*)  während  in  der  Zwischen- 
^t  gewiss  mehrfach  Schiebungen  vorkamen,  z.  B.  Ol.  25  etwa 

I.  Tag:  dgofioç,  ôlavXoç^  âoXixoç 

II.  f,   :  nivTO&Xov,  naXrj,  7tv§,  vé&QiTtTtov, 
OL  37  vielleicht 

I.  Tag:  ôçofÀOÇ,  dlavXoç,  âoXixoç,  névza&Xov 
II.    y,  :  TiàXrif  nv^,  té&Qinnov,  xéXrjç^  TCayxçdtioVf  nal^ 
dwv  OTodiov,  Ttaldwv  naXrj, 

1)  Ordoet  mao  nach  Kategorieo,  wie  das  io  Athen  der  Fall  war,  und 
'dieidet  also  die  hippischen  and  die  KnabenkSnipre  aus,  so  erhfilt  man  die 
^nbenfolge:  närra^lttr,  nahn^  nvS,  7tayx(fâjêav,  onXitrfi^  die  für  die  Pana- 
l^sea  orkoDdlich  bezengt  ist  (CIA.  II  966—968). 

2)  Aoch  an  den  Panathenieo  scheinen  die  hippischen  and  gymnischen 
^oae  drei  Tage  beanspracht  zo  haben;  wir  wissen  aber  nicht,  ob  das  schon 
^  ft.  Jabrhoodert  der  Palt  war,  so  dass  ein  Rûckschluss  auf  die  Zeit  der  Ein- 
•ohning  des  dritten  Tages  bei  der  olympischen  Panegyris  nicht  möglich  ist 

B«aeiXXXV.  11 


16Î  C.  ROBEHT 

Der  15.  als  Vollmondstag  wird  vermuthlicb  io  deir  «IfesUso  Zeil 
sowohl  der  eiozige  Spieltag,  als  der  einiige  Festlag  geweseo  sefBl 
Die  neueo  Spiellage  wurdeo  vor  ihm  eiogeschobeo  und  spStesleM 
in  der  dreitägigen  Periode  trat  eine  Anfangs-  und  Scklassfeier» 
also  bis  Ol.  77  am  12.  und  16.  Monatstag,  binzu,  so  dass  die  ganze 
Panegyris  damals  fünf  Tage  dauerte. 

Wie  die  nacb  Ol.  78,  als  das  chronologische  Princip  wenigsteoft» 
partiell  durchbrochen  war,  eingeführten  Agone  eingereiht  wurden^ 
lehrt  das  Fragment  des  Phlegon  Ober  Ol.  177  (s.  oben  S.  143>« 
Die  jüngeren  hippischen  Wettkämpfe  avvwçlç  Ol.  93«  Ti&Qinntm^ 
nwkiKov  Ol.  99,  avvwçiç  nfühnTj  Ol.  128  oder  129,  xili^^ 
TCwXiKcç  Ol.  131  wurden  hinter  den  xéXt]ç,  also  ans  Ende  des  fOnfteo 
Spieltages,  gestellt  Bei  ihnen  trafen  das  chronologische  und 
generische  Princip  zusammen.  Das  naldiav  nayxçctTiov  aber 
stellte  man  unbekümmert  um  die  Chronologie  nach  dem  gen»- 
riechen  Princip  an  den  Schluss  der  Knabenkampfe,  also  vor  dorn 
viel  älteren  Waffenlauf. 

Den  Ol.  96  eingeführten  Agon  der  Trompeter  and  Herolde 
hat  Mie  p.  35  richtig  an  den  Anfang  gestellt.  Zwar  die  Analogie 
der  Pamboiotien  und  plataeischen  Eleutherien,  auf  die  er  àdk 
stützt,  kann  nicht  viel  beweisen,  da  z.  B.  bei  den  keischeii 
Nemeen  der  Agon  der  Herolde  den  Schluss  bildete.')  Aber  eot- 
scheidend  ist  die  Erzählung  des  Lukian  vom  Tod  des  Peregrioiü 
(c.  31),  der  unmittelbar  nach  dem  Wettkampf  der  Herolde  dae 
Scheiterhaufen  besteigt.  Der  Erzähler  trifft  in  diesem  Moment  i* 
Olympia  ein,  und  der  ganze  Zusammenhang  lehrt,  dass  das  am  ersteh  J 
Tag  der  Panegyris  geschah.  Also,  nicht  wie  Mie  wilt,  am  dritleBt 
sondern  am  ersten  Festtag,  dem  10.^  an  dem  weitere  Ago0^ 
nicht  stattfanden,  erfolgte  der  àyciv  der  Herolde.  Er  geMK^ 
gewissermaassen  zur  naçaaxëvij^  und  so  wird  aiich  flusseriid^ 
sein  singulärer  Charakter  gegenüber  den  übrigen  Agonen  betone 
Desshalb  ist  diese  Anordnung  auch  kein  Verstoss  gegen  das  obee 
aufgestellte  Princip,  dass  dem  Stadion  der  erste  Platz  gewabi^ 
bleiben  müsse. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  den  einzelnen  Olympioniken,  der^^ 
Siege  das  neu  gefundene  Fragment  verzeichnet.  Ich  habe  es  vo^' 
gezogen,  nicht  den  Text  nach  den  Oxyrbynchos-Papyri  II  n.  GCX](^ 
p.  85  ff.  einfach  abzudrucken,  sondern  die  Namen  auf  der  Beila^^ 

1)  Pridik  de  Cei  insulae  rebus  p.  160  n.  39. 


OLYMPISCHE  SIEGER  16? 

tabellarisch  zu  ordnen,  wodurch  ich  dem  Leser  die  Uebersicht  nicht 
ofierheblich  zu  erleichtern  hoffe.  Dabei  habe  ich  mir  nicht  ver- 
Bageo  wollen,  sowohl  die  unvollständig  erhaltenen  Olympiaden  aU 
die  in  der  Mitte  ausgefallenen  aus  unserer  sonstigen  litterarischen 
Deberlieferung  zu  ergänzen,  habe  aber  zur  leichteren  Unterscheidung 
die  dem  Papyros  entnommenen  Namen  mit  griechischen,  die  tibrigen 
mit  lateinischen  Lettern  setzen  lassen.  Unsicheres  ist  mit  einem 
Stern  bezeichnet  Ferner  habe  ich,  um  die  Tür  die  Litleratur- 
vnd  Kunstgeschichte  wichtigen  Daten  sofort  kenntlich  zu  machen, 
10  deo  beireff'enden  Stellen  den  Namen  des  Dichters,  der  das  Sieges- 
lied ferfasst,  oder  des  Künstlers,  der  die  Siegerstatue  verfertigt 
hat,  io  Capitälchen  beigesetzt;  den  letzteren  in  der  Regel  bei  dem 
spitesten  Siege. 

Ein  kurzer  Commentar  zum  griechischen  Text  mag  zunächst 
neine  Lesungen  rechtfertigen  und  die  nöthigen  Notizen  Ober  die 
doielnen  Persönlichkeiten  geben,  für  die  es  häufig  genügen  wird 
iof  Rutgers  Ausgabe  der  'OXvfATtiidwv  avayQaq>ij  des  Seztus 
laUiis  Africanus  und  auf  Hugo  Förster  Die  Sieger  in  den  olym- 
piKhen  Spielen  (Gymnasial-Programme  von  Zwickau  1891.  1892) 
a  Terweiscui.  Fehler  orthographischer  Art  habe  ich  meist  still- 
ichweigend  berichtigt.    Die  Ziffern  bezeichnen  die  Columnen. 

Ol.  75:  9.  vielleicht  Jça^wv  oder  'ElUwv.  —  11.  Astylos  von 
Kroton  ist  auch  in  der  nächsten  Olympiade  Sieger  im  Waffenlauf. 
Er  hatte  sowohl  in  dieser  als  in  den  beiden  vorhergehenden  Olym- 
piaden auch  im  Stadion  gesiegt  und  sich  bei  seineu  letzten  Siegen 
>ls  Sjrakusier  ausrufen  lassen,  Rutgers  p.  32.  Förster  n.  181.  Nun 
hieo  wir  bei  Pausanias  VI  13,  1  lda%vXoç  de  KQotùtviâtrjç 
ÏÏjû^ayoQOv  fUv  ia%iv  igyov,  rçelç  de  èg>e^^ç  ^OXvfiniaai 
otaôlov  tê  aal  diavkov  vlxaç  eaxBv^  8ri  âè  iv  dvo  jalç 
^tnif^aiç  iç  X^Qi^  i^^v  ^liçwvoç  vov  ^eivofiivovg  avriyoçëvaev 
Wor  SvQttxovaioVy  tovtwv  Svexa  oi  KçorwviaTai  ttjv  oixlav 
ffvrov  ôêafuajiJQiov  eïvai  xajéyvwaav  xal  t^v  elxova  xa^ei- 
W  naçà  rfji  "Hçai  trji  Aaxtviai  xeifiévi^v.  Die  Herausgeber 
nehmen  an,  dass  Pausanias  hier  âlavXoç  und  OTjclltrjç  verwechselt 
Ittihe.  Allein  so  einfach  liegt  die  Sache  nicht.  Der  Anfang  des 
zweiten  Satzes  Sri  dh  iv  ovo  valg  vojigaic  zeigt,  dass  das  Wort 
OhffAniâç  vorangegangen  sein  muss..  Daher  hat  Schubert  in  der 
Ueioen  Ausgabe  die  an  sich  tadellose  Wendung  vgelg  —  iq>eSvS 
Oh)iinlaai  —  plxag  in  rgial  —  ètpeSrjç  ^OXvfinidai  —  vlxaç 

11* 


164  C.  ROBERT 

geaDdert«    Nimmt  mao  dies  an,  so  mOssten  die  drei  Siege  in  d^^i 
zweiten  Kampfari  in  denselben  Olympiaden  errangen  sein,  wie  Ain 
im  Stadion,  was  für  den  letzten  Sieg  im  onlitfjg  nicht  lutrim 
iedenfaHs  lehrt  jetzt  der  Papyros,  dass  Astylos  nicht  in  drei,  sondari 
in   vier  aureinaoderfolgenden  Olympiaden   gesiegt  hatte  und   da« 
für  die  beiden  letzten,  Ol.  75  und  76,  die  Notiz,  er  habe  sich  ab 
Syrakusier  ausrufen  lassen ,   richtig  ist.    Für  Ol.  76  stimmt  auch 
die  Angabe,  dass  diese  Fälschung  dem  Hieron  zu  Liehe  geschebes 
sei,  wahrend  es  für  OL  75  bei  der  bisher  statairteu  Verwechslaog 
mit  Gelon  bleibt.    Man  könnte  nun  vielleicht  annehmen,  dass  die 
Worte  des  Pausanias,  soweit  sie  die  Siege  betreffen,  der  WaOh 
•inschrift  der  Statue  entnommen  und  diese  bereits  Ol.  75  gesettf 
sei.    Allein  diese  Hypothese  erklärt  wohl  die  Auslassung  des  zweitaa 
Sieges  im  onXlTrjç,  nicht  aber  die  des  ersten.    Man  wird  sich  abo 
wohl  zur  Statuirung  einer  jener  kleinen  Locken  verstehen  mOttea, 
die  im  Pausaniastext  so  häufig  sind;  zu  ihrer  Begründung  irefEM 
hier  zwei  Momente  zusammen,  die  Beziehungslosigkeit  der  Worte 
èv  ovo  %alç  varéçaiç  und  das  Fehlen  des  onkljtjç.     Also  etwa 
^QBÎç  ôi  iq>Bè^ç  ^Olvfinlaai  ataôlov  te  aal  diavlov,  (ßto  ü 
ycal  onXljov  iv  ^OXvfinidai  vecaagai)  vlxag  eax^v.  oti  âk  h 
ovo  Talc  varéçaiç  %xL   Er  wQrde  dann  im  Ganzen  acht  olympiscb« 
Siege  davongetragen  haben,  wozu  die  Bezeichnung  als  xQcnictoÇf 
die  ihm  unter  Ol.  76  gegeben  wird,  gut  stimmt;  denn  selbst  der 
berühmte  Chionis  hat  es  nur  auf  sieben  olympische  Siege  gebrachL 
Vertbeilen  würden  sich  diese  Siege  folgendermaassen  :  Ol.  73  Ofir^ 
iiov^  dlavXog^  Ol.  74  azâdiov^  olavkoc,  Ol.  75  atàdiov,  ilavloÇf 
onkltrjç,  Ol.  76  onXltrjç.     Als  Krotoniate  würde  er  sich  OL73> 
74,  als  Syrakusier  Ol.  75.  76  haben   ausrufen   lassen,  das  letitf 
Mal  in  der  That  zu  Ehren  des  Hieron,  was  Pausanias  irrthümlick 
auch  auf  OL  75  Oberträgt    Dass  die  Statue  des  Pythagoras  OL  75, 
als  er  hgiaaevaev,  aufgestellt  worden  sei,  wird  man  am  liebstes 
annehmen.     Doch  habe  ich,  da  kein  bestimmtes  Zeugniss  vorliegt, 
auch  in   diesem  Fall   den  Namen  des  Künstlers  beim  letzten  Sieg 
angemerkt  —  12.  Jaixtivàa  oder  KQoxwvda  Gr.  H. 

OL  76:  1.  SxâfÂavôçog  ^  ebenso  Dionys.  HaL  IX  8  und  der 
Armenier;  Suafiâvôçiog  Diodor  XI  48  und  luL  Afric.  Rutgers 
p.  37.  Förster  n.  194.  —  2.  Javöig,  ebenso  Anth.  PaL  XIII  14, 
die  beste  Ueberlieferung  (P)  bei  Diodor  XI  53  und  der  Armenier; 
Javarjg  die  schlechtere  Diodorüberlieferung  und  Africanus;  ^dwtjç 


OLYMPISCHE  SIEGER  165 

üoBji.  Hai.  IX  37.    Ab  Sieger  im  Sudion  Ol.  77  langst  bekanoU 

ber  seine  dem  Simonides  lugeschriebene  Grabschrift  (Anth.  Pal. 

0.  —  Bergk  fr.  125)  erwähnt  zwei  olympische  Siege,   deren 

Oberen  ans  nun  der  Papyros  kennen  lehrt,  Rutgers  p.  39.    Förster 

•  ••^ 
204.  205.  —  3.    ••-[••]  f^i  ^1^  beginning  of  the  Une  some 

(en  have  been  crossed  out  and  others  added  over  them.  The  re- 
}t  is  a  confused  6/ur»  in  which  «t  is  scarcely  possible  to  read 
}fkmjf.  Gr.  H.  Da  demnach  der  Name  5 — 6  Buchstaben  enthielt 
d  das  letzte  y,  wie  mir  auch  Blass  bestätigt,  höchst  unsicher  ist, 
M  ich  der  Versuchung  nicht  widerstehen  können,  den  Namen 
I  bertlhmten  lakonischen  Dauerläufers  wenigstens  frageweise  ein- 
etien.  Rutgers  p.  107.  Förster  n.  249.  —  4.  Obgleich  die 
nusgeber  einen  Namen  von  etwa  sieben  Buchstaben  verkingen, 
le  ich  meine  Ergänzung  für  sicher.  Paus.  VI  10,  5  7xxoç  dk 
Ifixokalda  Taçavtlvoç  %6v  %e  ^OXvfAmxov  aTéq>avov  laxev 
1  nerrd&JLoßif  xal  vavegov  yvfivaajf^c  agiajog  kiy etai  %iüv 
^  Qvsov  yevéa&ai.  Plat.  Prot.  316  D  iyw  di  jrjv  fikv  ao- 
nixr^v  téxy^y  (p^ipà  fiiv  elvai  naXaidv,  %ovç  ôè  fieraxeiQi' 
ihovç  avJTjv  luv  naXaiwv  otvdçwv  nçoax^fici  noieîa&ai 
I  ngoxaXvntea&ai  toiç  f^h  noitjaiv  . . .  èvlovg  ôè  fjia&rj" 
I  xal  yvpLvafnixjqv,  olov  "Ixxog  o  Tagavtivog.  fep.VlIl  840 A 
'  Taçttvtîvov  ^Ixxov  did  %bv  ^OXvftniaai  tb  dydiva  x%L  Steph. 
!*  V.  Tdçag  .....  ^xxog  o  Tagavtlvog  iazgog  ial  T^g 
ilvfinidaog,  fiéfivrjTai  %ov%ov  xal  IHdrtov  iv  IlQùJTayÔQai. 
ion  Sauppe  hat  bemerkt,  dass  dies  das  Datum  seines  olym- 
pien Sieges  sein  werde;  aber  Ol.  77  ist  durch  einen  anderen 
Btzt,  also  og'  zu  corrigiren.  Weitere  Zeugnisse  bei  Rutgers  p.  113f. 
Iter  n.  240.  —  5.  MaQtjveljfjgl  Gr.  H.  ^he  reading  is  very 
Uful;  the  traces  before  e  suit  a(or  e)ç  better  than  v,  and  vf4, 
vx  anUd  weU  be  read  in  place  of  gw\  Die  Lesung  ZVovx^a- 
]g,  die  ich  in  Erinnerung  an  den  reçrjvog  Navxçatitrjg  (Phi- 
*.  n.  yvfiv.  54)  vorschlug,  erklärt  Hunt  auf  briefliche  Anfrage 
ausgeschlossen.  —  6.  Rutgers  p.  38.  Förster  n.  195.  Vgl. 
n.  —  7.  Rutgers  p.  38.  Förster  n.  191.  196.  Siegerstatue 
dem  Aegineten  Glaukias  Paus.  VI  11,  9.  Ol.  loschr.  143.  — 
rotz  der  Bedenken  der  Herausgeber,  die  einen  Namen  von 
sechs  Buchstaben  wünschen,  halte  ich  die  Ergänzung  für  sicher, 
überlieferte  Ansatz  der  VIII.  Pythiscben  Ode  auf  Pylb.  35 
)  ist  von  Wilamowitz  (Aristoteles  und  Athen  II  302)  und  Christ 


166  C.  ROBERT 

(a.  0.  p.  193)  mit  Recht  vertheidigt  worden.     Darin  heisst  es  tod 
AristomeDes  V.  35  nalaïa/Âateaai  yàç  Ixvbvwv  (natQadehpeoifç 
^OXvfinLai   re  Oeoyvfjtov   ov  xaTsXeyx^^S  xtA.     Zu  dem   Sieg 
des  Neffen  446   passt   ein   Knabensieg  seines  Oheimes  476.     Die 
vorhergehende  Olympiade  ist  besetzt,   und  Ol.  74  jst  entschieden 
zu  früh.    Rurgers  p.  37  hatte  ihn  Ol.  75,  Förster  n.  193  zwischen 
Ol.  75   und  78   angesetzt.     Die  von   seinem  Landsmann  Ptolicbos 
gerertigte  Siegerstatue  stellte   ihn   mit  einem  Granat-   und   einem 
Pinienapfel  in  der  Hand  dar  Paus.  Vi  9,  1  ;  das  Epigramm  scheint^ 
natürlich  unter  Simonides  Namen,  in  der  Anth.  Pal.  2  (Bergk  fr.  149*. 
Crusius  fr.  130)  erhallen   zu   sein.  —   10.  Der  Papyros  bestätige, 
die  Lesung  der   Schol.  Ambr.   und  Vrat.  og'  gegenüber   der  iem^ 
vaticanischen   oô\  der  die  meisten  Herausgeber  des  Pindar  sowi^i 
Rutgers  p.  35  und  Förster  n.  186  gefolgt  sind.     Richtig  urtheill« 
Christ.  —  11.  VQOÇ  Pap.  Vgl.  unter  Ol.  75.  â  ist  mir  unverstflndlich« 
die  Herausgeber  schlagen  zweifelnd  Ttdvrwv  vor,  was  aber  hinter 
q)cXia  und  xaXlia  fehlt;  der  Strich  über  dem  a  kann  nach  ihrer 
Angabe  auch  ein  Buchstabe   sein.  —   12.  og   Schol.  Ambr.,  o^ 
Schol.  Vatic.    Mit  Recht  sind  alle  Herausgeber  der  ersteren  Lesung 
gefolgt,  auch  Bergk,  von  dem  Christ  a.  0.  p.  14  irrthümlich  das 
Gegentheil   angiebt.    Rutgers  p.  38.    Förster  n.  198.   —  13.  I>eY 
Papyros  bestätigt  Bergks  mit  Recht  von  Blass  angenommene  Aeü- 
derung  og   für  oy   in  den  vaticanischen  Pindarscholien.     Rutgers 
p.  33.   Förster  n.  199. 

Ol.  77:  2.  Evàyrjçl  Qeâyrjçl  vgl.  U.  —  3.  Rutgers  p.  40- 
Förster  n.  206.  üeber  den  zweiten  Sieg  des  Ergoteles  s.  S.  173.  — 
4.  Sœâafioçl  —  5.  Die  Ergänzung  ist  wohl  sicher,  obgleich  âk 
Herausgeber   nur  für  drei   Buchstaben  Raum  angeben.     Porphyr. 
<?.   Pyth.  15   XQ^^ov    ôé  ziva  avTov   diaTQißwv  (Pythagoras  io 
Samos)  Evgvfiivovg  zov  ^afiiov  a^XrjTov  èuêfielelto ,  oç  tqi 
Ilvô'ayoçov    aoq>lai    Ofiixcog    jo    aw  fia   wv  noXhJjv   %aï  fii- 
ydkiov  èxçàrei  xal  hUa  'OlvfAniaaiv.  Vgl.  Favorin  hei  Diogenes 
Laertius  VIII  1,  12,  der  erzählt,  dass  er  auf  Rath  des  Pythagoras 
gegen  die  bisher  übliche  Athletentrad ilion  sich  von  Fleisch  genährt 
habe,  eine  diätetische  Neuerung,  die  Pausanias  VI  7,  10  dem  Dro- 
meus    von   Stymphalos*)    zuschreibt.     Die   Legende  setzt  die  Ge- 
schichte freilich  in  die  Zeit  des  Polykrates,  aber  was  kümmert  sich 


1)  Ueber  das  routhmaassliche  Datum  seines  Sieges  s.  onteo. 


OLYMPISCHE  SIEGER  167 

die  Legeode  um  die  Chronologie.  —  6.  Vgl.  Ol.  76.  lo  diesem 
Falle  steht  fesl,  dass  die  von  Pythagoras  gefertigte  Siegerstatue 
erat  nach  diesem  dritten  Sieg  —  der  erste  fällt  Ol.  74  —  gesetzt 
wurde.  Die  Balis  Ol.  loschr.  144.  —  7.  Rutgers  p.  41.  Förster 
B.  208.  Vgl.  oben  S.  156.  Die  Basis  der  von  Mikon  gefertigten 
Siegerstatae  Ol.  Inschr.  146.  Eine  Copie  derselben  vermutbet  Furt- 
wlDgler  in  einer  Statue  der  Sammlung  Somzée  Taf.  III.  —  8.  ,The 
Mtfnl %  may  bey  or  a"  Gr.  H.  IlavtavÔQLàaçt  Iliavavôçlâaçl 
-  10.  Rutgers  p.  138.  Förster  n.  237.  Die  Basis  der  Siegerstatue 
Ol.  Inschr.  147. 148,  dorl'^^xàç  'Oçea&âaioç.  —  11.  ,The  vestiges 
•f  the  first  letter  are  also  consistent  with  t  or  k"  Gr.  H.  Unter 
Hioweis  auf  Pblegon  fr.  12  (s.  S.  143)  nimmt  Blass  an,  dass  dig 
«oeo  zweiten  Sieg  in  derselben  Olympiade  bezeichne,  also  der  Sieger 
in  onXitrjç  mit  .  .  .  yrjg  ^Enidaiçioç,  dem  Sieger  im  ôiavloÇf 
ideitisch  und  entweder  hier  oder  dort  zu  corrigiren  sei.  Dabei 
vflrde  nur  auffallend  sein,  dass  bei  Astylos  Ol.  75  Col.  11,  wo 
gieichfalls  das  Ende  der  Zeile  erhalten  ist,  nicht  auch  der  Zusatz  dig 
oder  vielmehr  zqIç  steht  Daher  ist  mir  die  Annahme  der  englischen 
Bcnusgeber  wahrscheinlicher,  dass  der  Walfenlauf  zweimal  statt- 
gefoBden  habe,  vielleicht  weil  das  erste  Mal  die  Entscheidung  un- 
«eber  geblieben  war.  —  13.  Schol.  Pind.  Ol.  1  Hypothesis.  Rutgers 
^41.   Förster  n.  209. 

Ol.  78:  1.  Rutgers  p.  42.    Förster  n.  212.     Dass  Parmenides 
ÎD  derselben  Olympiade  auch  im  Doppellauf  gesiegt  hat,  war  bisher 
Biclit  bekannt.  —  4.  Kaçtiwvl  2utlwvl  —  5.  Der  Papyros  be- 
s'iitigl   aufs   glänzendste  G.  Hermanns  Ansetzung    der   IX.   olym- 
pitchen  Ode,  der  nur  Lübbert  zugestimmt  hat.     Die  richtige  Zahl 
<ni  ist  in  der  Hypothesis  des  Mediceus  zu  na\*)  in  den  Scholien 
10  ¥.  17   leichter  zu   oy   verderbt;   dort  aber   haben   alle   Hand- 
schriften die   richtige  Zahl  der  Pythiade  X\  nur  der  Ambrosianus 
ly,  wo  y  sich  jetzt  als  Dittographie  des  Anfangsbuchstaben  von 
JJv&iada  darstellt«    Rutgers  p.  46.  Förster  n.  231.  —  6.  Natürlich 
eio  anderer  als  der  Menalkes  von  Elis,  der  in  unbekannter  Zeit 
in  FOnftampf  gesiegt  hat,  Paus.  VI  16,  5.  —  7.  ,The  first  i  was 
€ûnnected  with  the  preceding  letter  with  a  ligature  at  the  top^  which 
should  be  eoniistent  with  e,  /,  a,  or  %^.    Gr.  H.  Ferner  tlieill  mir 
Bunt  auf  briefliche  Anfrage  mit,  dass  der  zweite  und  dritte  Buch- 
«tabe  des  Elhnikon  unsicher  seien,  und  auch  ^ly,  weniger  wahr^ 

1)  Vielleicht  na  oL  aus  iX^^. 


168  C.  ROBERT 

scheinlich  'Agyi  gelesen  werden  kOnne.  Der  Name  mag  elwa  %if<* 
Tifâiaôaç  gelautet  haben.  Darf  man  nun  hiermit  den  .  •  aôaç  der 
in  Olympia  gefundene  Basis  (Ol.  Inschr.  150)  combiniren,  die  ntcb 
dem  Scbriftcharakter  innerhalb  der  auf  dem  Papyros  regislrirten 
Olympiaden  fallen  muss?   Nach  dem  Vorbild  Paus.  VI  10«  7 

KXeoa^ivrjç  (i  avi&tjxBv  6  Tlôvrioç  i^  'EnidàfÂVOv 
vixT^aaç  ïnnoiç  %aXbv  aydtva  Jioç 
und  nach  der  Nachbildung  Kaibel  Ep.  gr.  938.  CIGGS.  I  530 

Elxova  trivè'  àvé^rjne  Ooçvavaç  nalç  6  Tçlaxoç 
yifJQv^  vixijaaç  ycakov  aywva  Jioç 
liesse  sich  unter  dieser  Voraussetzung  das  Epigramm  etwa  so  erginie^^i 

EIkovo  ravâ'  loocäv  'E7ciTifÀi]QÔaç  àvéd'rjxB 
XBQalw  viiiaa]aç  xakov  àywva  Jioç. 
Das  Fehlen   des  Vatemameus  und  des  Ethnikon   ist  freilich  nicByl 
schön,  aber  ersterer  fehlt  auch  in  der  Kleosthenesinschrift,  and  ^ 
folgt  noch  eine  dritte  Zeile,  in  der  beides  gestanden  haben  kaiin. 
Die   unbestimmte  Bezeichnung  der  Kampfart  wird   durch  die  Eo- 
thymosbasis  geschüttt,  auf  der  der  Agon  Oberhaupt  nicht  angegebea 
ist.    Argifisch  kann  die  Inschrift  wegen  der  Form  des  X  allerdings 
nicht  sein,  aber  nach  Hunts  Mittheilung   kann  das  Ethnikon  del 
Papyros  ebenso  gut  zu  Aiyivrizriç  ergänzt  werden.     An   Aigisi 
dachte   bei  der  Inschrift  bereits  RobI,   allerdings  auf  Grund  eioer 
unhaltbaren  Combination.     Aber   immerhin   ist  es  sehr  verlockeiui 
mit  ihm  den  Rest  der  dritten  Zelle  vaifA  zu  Iv  Aly(\vai  zu  e^ 
ganzen.     Mehr  als  eine  Möglichkeit  soll  natürlich  auch  mein  Vor- 
schlag nicht  sein.     Für  den  àiaç  der  Inschrift  stehen  auch  noch 
der  Doppellauf  Ol.  79—81,  der  Dauerlauf  Ol.  80.  81,  das  Pas- 
kration  und  der  Faustkampf  Ol.  80,  der  Waffenlauf  Ol.  79.  80  nr 
Verfügung.    Auch  könnte  er  zur  Nolh  erst  Ol.  84  oder  85  gesiegt 
haben,  während  man  über  Ol.  75  schwerlich  gerne  wird  hinaufgehea 
wollen.  —  8.  Neben  Aux6(pçu)v ,   wie  die  Herausgeber  ergflnzeft» 
ist  auch  OiXoqiQiüv  möglich.  —  9.  Die  Endung  i^juoç  ist  bei  eioem 
Arkader    kaum    denkbar.     Vielleicht    ist   rivoç   zu   schreibeb   und 
Ev&Tjvoç  (Fick-Bechtel   S.  146)   oder  ^nrjvoç  zu  ergänzen.  — 
10.  TevvT^g,   2&évrjç   und    vieles   andere   kann   ergänzt  werden» 
Wenn  in  dieser  Olympiade  ein  Tirynlhier  siegt,  so  lehrt  dies,  wie 
bereits  die  Herausgeher  richtig  bemerken,  dass  die  in  dieses  Jahr 
fallende  Zerstörung  von  Tiryns  erst  nach  der  Olympienfeier  erfolgt 
sein  kann.  —  11.  Fgvkog,  'HàCXoç,  Jivkoç  und  vieles  andere  isi 


OLYMPISCHE  SIEGER  169 

deckbar.  —  12.  Rutgers  p.  42.  FOrsler  d.  215.  Soll  maa  die  volle 
fom'hçwyvfiov  eioselzen?  Aber  warum  steht  dann  Ol.  76  und  77 
die  Kurzform?  Also  ein  Abschreiber  müsste  aus  reinem  Versehen 
(SeVollform  hergestellt  haben.  Oder  sollen  wir  aviavifiov  lesen? 
Aber  wie  ist  es  denkbar,  dass  Hieron  einen  Sieg,  den  er  durch  das 
prächtige  Viergespann  von  Kaiamis  und  Onalas  verewigte  und  durch 
fiakchylides  feiern  liess,  als  Auonymos  errungen  haben  sollte?  Die 
Herausgeber  treffen  keine  Entscheidung,  ich  möchte  dem  Gedanken 
an  ein  allerdings  recht  merkwürdiges  Abscbreiberversehen  den  Vorzug 
geben. 

Ol.  81:  4.  .  .  yq^ot;  Pap.  ,The  reading  is  dubious.    The  firsi 
hiter  may  be  x   and  the  last  i  or  v  or  any  similar  letter  with 
•  vertical  left-hand  stroke'  Gr.  H.     Die   Einsetzung  des  Namens 
Swôfiioç  beruht   auf  folgender  Combination.     Paus.  Vi  3,  2  sagt 
SfOfiliai   de   nev%a^Xovv%i  iv  ^OXvfAniai  xal  Nefielcjv  Tçeîç 
^nîjç^ev  aveXéa^ai   vIkqç.     to   ôk   inlyçafAfÀa  to   In*  aixwt 
xal  rode   inikéyei,   trig  ^^^ov  te  ^Xeloig  aitôv  fjyovfievov 
tnaairjaai  tçônata  xai   awdga  toîç  noXefiLoig  OTQon^yovvta 
eaio^aveî^    vno  %ov   Srofdov   fiOvofiaxT^Gavrà   ol  xavà   uqo- 
^Qiv.     êîvai   ôk  avrov  èx  2iiiv(ûvoç  ol  ^HXeîol  q>aai  xal 
^itv  2ixvtüvl(av,   atQaievaai  âh  inl  Sixvaiva  aizol  q>iklai 
6tißai(üv  ofiov  %^i  ix  Boiwxlaç  àwifiei.    Das  letzte,  die  Com- 
pilation der  Inschrift  mit  der  Eroberung  von  Sikyon  im  Jahr  369 
(Diod.  XV  69) ,  ist  natürlich  ein   blosser  Periegeteneinfall,  und  die 
llbliche  Datirung   von  Stomios'  Sieg  auf  Ol.  102  (Rutgers  p.  115. 
Fürster  n.  335)    daher  äusserst   problematisch.     Auf  dem   Steine 
«aad  nur,  dass  Stomios  eleischer  ReiterfOhrer  gewesen  sei   und 
eioeo  feindlichen  Strategen  im  Zweikampf  getötet  habe.     Das  kann 
ebenso  gut  in  der  Schlacht  bei  Tanagra  oder  bei  einem  beliebigen 
Scharmützel   mit  den  Nachbarvölkern  geschehen  sein.     Nun  haben 
wir  hier  einen  Sieger  im  Pentathlon,  dessen  Name  sich  nicht  allzu 
schwer  zu  2T6fiioç  emendiren  lässt,  und  sein  Sieg  f^llt  kurz  nach 
Tanagra.    Wenigstens  "mit  einem  Fragezeichen   glaubte  ich   daher 
die  Conjectur  einsetzen  zu  dürfen.  —  5.  Rutgers  p.  110.   Förster 
ü.  202.  203.     Leontiskos  siegt  auch  in  der  folgenden  Olympiade. 
■Seine  Siegesstatue  war  eins  der  berühmtesten  Werke  des  Pythagoras 
von  Rhegion  (s.  S.  184).    Dass  sie  nach  dem  zweiten  Siege  gesetzt 
war,  scheint  daraus  hervorzugehen,  dass  Pausanias,  doch  wohl  auf 
Grund    des    Epigramms,    beide    olympische    Siege    erwähnt.    — 


170  C.  ROBERT 

6.  Aristot.  Eth.  VII  6  "A^^çwreoç  6  rà  'Okifirtia  vevixfjxw 
Alexaoder  Vod  Aphrodisias  Top.  61  rjv  yàç  ïôiov  ovo/âo  tow 
wov  'OXvfiftiovlxov  TtvxTOv^  ov  iv  *H&ixoîç  èfÀvrjfAOvevaev*  D 
iRFeiteren  Zeugoisse  bei  HudI  und  Grenfell.  Wir  wollen  es  de 
Arigtoteles  und  seinen  Commentatoren  glauben ,  das«  "uiv&gtam 
ein  Eigenname  oder  vielleicht  ein  Spitzname  war.  Aber  der  F 
pyros  tragt  zu  der  Entscheidung  der  Frage  nichts  bei,  da  der  Schln 
der  Zeile  verloren  ist  und  wir  also  nicht  wissen  können,  ob  ei 
Ethnikon  folgte  oder  nicht.  Sollte  es  gefehlt  haben,  so  wOn 
av&Qwnoç  wie  6  dsiva  gebraucht  sein.  —  7.  Rutgers  p.  12 
Förster  n.  232,  der  bereits  die  richtige  Datirung  durch  Conjecl 
gefunden  hatte.  —  8.  ixavwv  Pap.,  sicher  verderbt.  Paus.  VI  17« 
erwähnt  einen  Sieger  im  Wettlauf  der  Knaben,  dessen  Name  : 
den  Handschriften  ^EfxotvtLwv  oder  'E/davTlwv  oder  J/Aavzlwv  laat< 
also  gleichfalls  verderbt,  aber  von  Bechtel  sehr  ansprechend 
^Evarlwv  verbessert  ist.  Diesen  mit  dem  ixdviav  des  Papyros  : 
identificiren  und  auch  dort  ^EvotIwv  zu  schreiben,  habe  ich  kein  B 
denken  getragen.  Das  Ethnikon  *Açxaç  ist  ein  Nothhehelf,  Plileg« 
wird  gewiss  die  Landschaft  genauer  angegeben  haben,  naççâato. 
Maivalioç  oder  dergleichen.  Aber  Pausanias  bezeichnet  ib 
nach  dem  Epigramm  nur  allgemein  als  Arkader.  —  10.  Alkaioelfl 
war  bisher  schon  durch  seine  Söhne  Hellanikos  und  Theantoi 
die  Ol.  89  und  90  gleichfalls  im  Faustkampf  der  Knaben  siegt« 
(Paus.  VI  8,  9),  annähernd  datirt.  Aber  man  hatte  seinen  eigeoei 
Knabensieg  zu  tief  herabgerückl,  Ol.  83  Förster  n.  241.  Jetzt  seha 
wir,  dass  zwischen  dem  Knabensieg  des  Vaters  und  dem  seiner  Söhw 
32  und  36  Jahre  liegen,  was  wir  uns  für  später  merken  wollet 
Der  Sieg  des  Alkainetos  im  Faustkampf  der  Männer  kann  nad 
Ausweis  des  Papyros  frühestens  Ol.  84  fallen.  FOr  die  Form  dt 
Ethnikon  vergleiche  man  die  bereits  von  Rutgers  p.  117  herai 
gezogene  Pausaniasstelle  V  5,  3  oaoi  avTijv  {twv  Aençecnék 
'OXvfÂTtia  èvlxrjaav,  TiXeiovg  ix  Aangeov  ag>âç  6  x^qv§  avelft 
—  11.  kivaaq  Pap.  ,The  scribe  seems  clearly  to  have  wrütem 
and  not  fi,  ....  It  is  of  course  quite  possible,  that  ki  is  a  ooi 
ruption  for  /ti  ;  the  mistake  is  a  very  easy  one,  e  could  ipeU 
read  after  a;  a  second  a,  a  or  v  would  also  suit  the  vesiigeg'  Gr.  I 
Paus.  VI  13,  7.  Mit  Rcicksicht  aui  den  Sieg  seines  Sohnes  Kr 
tisthenes,  dessen  Statue  gleichfalls  von  Pythagoras  war,  hat  ms 
den  Sieg   des  Mnaseas   bisher  viel  zu  hoch  datirt.    Rutgers  p.  S 


OLYMPISCHE  SIEGER  171 

Förstern.  184.  —  12.  Vielleicht  aus  Sparta,  vgl.  S.  176;  wenigsteos 
(odel  8ich  der  Name  dort,  Herod.  VI  71,  allerdiogs  auch  io  Thes- 
Mliee,  Herod.  VI  127. 

Ol.  82:  1.  Xvxw  Pap.,  aber  Av%oç  AoQiaaloç  Afric,  Av%og 
BioaaXoç  arto  ^açlai^ç  Diooys.  Hai.  X  53,  also   gewiss  idea- 
Hscb  mît  dem  Sieger  im  onXlttig,  was  auch  die  Herausgeber  an- 
deuten.    Rutgers   p.  47.    Förster  n.  235.   —    4.   Rutgers   p.  114. 
Förster  d.  295.     Die  Rasis  der  von  Polyklet  gerertigren  Siegerstatue 
Ol.  Inschr.  162.  163  vgl.  unten  S.  185.  —  6.  agiatiov  Pap.  lAgi- 
üxltaif  Qeoq>iX€Oç  ^Eniâavçioç  Ol.  Inschr.  165,  ^Açiariiova  Qeo^ 
^pllmç'EjtidavQiov  Paus. VI  13,  6.  Rutgers  p.  117.  Förster  n.  376. 
Wir  lernen,  also,  dass  die  Siegerstatue  von  dem  alteren  Polyklet 
war,  was  so  eben  Löwy  Strena  Helbigiana  S.  180  A.  4,  ohne  den 
Papyros  lu  kennen,  höchst  scharfsinnig  vermuthet  hat.  —  7.  Paus.  VI 
7,3.    Die   Rasis  der  Siegerstatue  Ol.   Inschr.  152.    Wir  wussten 
bisher  nur  von   einem   olympischen  Siege   dieses  Sohnes  des  be* 
fUbmten  Diagoras,  und  zwar  dem  zweiten,  den  man  aber  allgemein 
Và  spflt  ansetzte.     Rutgers   p.  49.    Förster   n.  253.  —  8.  kaxußv 
i^p.  —  12.  oofÄCov  Pap.,  emendirt  von  Gr.  H.  vgl.  unten  S.  182. 
Ol.  83:  1.  xQiTwv  Pap.  KqIowv  Plat.  Protag.  335  E  Scbol., 
Dioays.  Hai.  XI  1,  Diod.  XII  5,  Paus.  V  23,  4,  Plutarch  Mar.  p.58F, 
Clemens  AI.  Strum.  Ill  6,  50  p.  1534P,  lui.  Afric;  rçiaœv  Hesych. 
Rtitgers  p.  47.  Förster  n.  239.   Er  siegt  auch  in  den  beiden  nächsten 
Olympiaden  in  derselben  Kampfart,  wesshalb  ihn  der  platonische  Prota- 
gons als  den  berühmtesten  Laufer  seiner  Zeit  erwähnt.  —  2.  Ueber 
den  Anfangsbuchstaben   des  Ethnikon   bemerken   die  Herausgeber: 
fie  mutilated  letter  had  a  rounded  first  stroke;  e,  &,  o^  a  or  to 
we  moU  probable^.   —  4.  xtjtwv  Pap.    Zu  dem  Namen   s.  Fick- 
Bechtel  S.  287.  —  5.  xifiwv  Pap.    Paus.  VI  9,  3.    Rutgers  p.  106. 
Fdrster  n.  285.    Deber  den  Sieg  seines  Sohnes  Aristeus  s.  S.  179. 
—  ^.ayriatXaoç  Pap.   Rutgers  p.  49.  Förster  n.  252.  Akusilaos  war 
Sohn  des  Diagoras  und  Rruder  des  Damagetos.   Die  von  Paus.  VI  7,  3 
geschilderte  Scene  wird  nun  durch  Phlegon  auf  Ol.  83  datirt.    Ueber 
die  Siegerstatue,  deren  Meister  unbekannt  ist  s.  Aristoteles  fr.  264 
ond  ApoUas  fr.  7  (SchoLPind.  0/.  VII),  vgl.  unten  S.  195.  —  9.  Das 
Ethnikon  bietet  der  Grabstein  der  bei  Delion   gefallenen  Thespier 
CIGGS.  I  1888  TIoXvvixoç  'OXvßirtiovlxag.    Also   448  Sieger  im 
Koabenkampf,   424  Landwehrmann.    —  10.  Von    dem    Anfangs- 
buchstaben des  Ethnikon  sagen  die  Herausgeber,  dass  er  auch  À 


172  C.  ROBERT 

oder  /LI  sein  kOnoe.  —  11.  ,Tke  doubtful  X  may  ht  %  êr  ftrkofê  ii^ 
Gr.  H.  VoD  dem  Lakedfimonier  Lykioos  berichtet  Paus.  VI  2,  S 
uivxîvoç  dk  àyayùv  ig  'Olv^nlav  nwXovg  xal  ou  doxifiO" 
oô^évtoç  évoç  i^  aitwv,  xa&qxev  èç  twv  ïnrnav  top  ôçofiùf 
rctfy  Têlêiwv  tovç  noilovç  xaï  ivixa  ôi  aitwv'  àvi^xe  iè 
xal  âvÔQiâvtaç  dvo  èç  'OXvfinlav,  Muq(ûvoç  tov  L^^vo/mr 
nof^^ara.  Rutgers  p.  144  hat  mit  Recht  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  das  FohleoreDDeD  erst  Ol.  99  eingefOhrl  sei,  und  mitbii 
entweder  die  Anekdote  ungeschickt  erfunden  sein  mQsse  oder  die 
Standbilder  nicht  von  Myron  sein  konnten.  FOr  die  erste  Alter- 
native spricht  aber  in  entscheidender  Weise,  dass  Lykinos  bei  Pas- 
sanias  unter  lauter  Wagensiegern  des  5.  Jahrhunderts  erscheiot. 
Man  konnte  nun  meinen,  dass  dieser  Sieg  der  im  Papyros  ve^ 
leichnete  sei.  Dann  mOsste  also  zwischen  Ariston  und  Lykinos 
eine  Zeile  mit  dem  Namen  des  Siegers  im  onlltfjç  ausgefalles 
sein.  Diese  Annahme  wird  aber  von  den  Herausgebern  mit  der 
durchschlagenden  Motivirung  abgelehnt,  dass  dann  der  Name  Av' 
XÎV0Ç  im  Genetiv  stehen  müsse.  Nichtsdestoweniger  wird  an  der 
Identität  der  Persönlichkeit  festzuhalten  zu  sein.  Zwei  Statuen  da 
Lykinos,  beide  von  der  Hand  des  Myron,  standen  in  der  Altii 
Dass  die  eine  die  seines  Wagenlenkens  gewesen  sei,  ist  kein  glflcfc- 
licher  Einfall  von  Förster  n.  211a.  Vielmehr  haben  wir  daraus  m 
schliesseu,  dass  Lykinos  zweimal  in  Olympia  gesiegt  hatte.  Dt« 
er  beide  Siege  im  Wagenrennen  errungen  habe,  folgt  aus  Pausaoiii 
keineswegs.  Der  eine  dieser  beiden  Siege  wird  der  hier  verzeich- 
nete im  onklT¥]ç  gewesen  sein.  Der  Sieg  im  Wagenrennen  rnntfi 
wnn  er  nicht  Ol.  79  errungen  ist,  was  sich  uns  unten  S.  176  ab 
wenig  wahrscheinlich  ergeben  wird,  auf  eine  der  folgenden  Olyia- 
piaden  angesetzt  werden. 

Hier  bricht  der  Papyros  ab.  Sehen  wir  nun,  in  wie  weit  sieb 
seine  Lücken  aus  der  sonstigen  Ueberlieferung  ergänzen  lassen, 
indem  wir  mit  dem  Sicheren,  grOsstentheils  schon  langst  Aner- 
kannten beginnen. 

Ol.  75.  Stadion:  Astylos.  —  Doppellauf:  derselbe,  falls  die  oben 
S.  164  vorgetragene  Erklärung  richtig  ist.  —  Faustkampf:  Tbea- 
genes  von  Thasos.  ^  Pankration  :  Dromeus  von  Mantinea.  Rutgers 
p.  35f.    Forster  n.  \bl.  188.  191.  192. 

Ol.  79.  Stadion:  Xenophoo  von  Korinth.  —  Fünfkampf:  der- 
selbe. —  Fauslkampf:  Diagoras  von  Rhodos.    Rasis  seiner  tod  Kai- 


[  OLYMPISCHE  SIEGER  173 

iikles  gefertigteo  Siegerstatue  Ol.  Inschr.  151.  —  Pankratioo:  Epbu- 
dioo  foo  Mainaloa,  —  Ringkampf  der  Knabeo:  Phecias  von  Aigina. 
fintgen  p.  43  f.    Förster  n.  218—222. 

OL  80.  Stadion:  Thorymbas  aus  Thessalien.  —  Ringkampf: 
Amesioas  von  Kyrene. —  Ringkampf  der  Knaben:  Alkimedon  von 
Aigioa.  —  Wagen:  Arkesilas  von  Kyrene.  Rutgers  p.  44 f.  Förster 
1.224.  225.  227,  229. 

OL  81.  Stadion:  Polymnastos  von  Kyrene.  Rutgers  p.  46. 
hnter  n.  230. 

Die  Listen   fOr  Ol.  79  und  80  lassen  sich  aber  noch  vervoll- 

stäodigen.     Das  Datum  des  iweiten  Sieges  des  Ergoteles  (s.  Ol.  77 

CoL  3)  ist  io  den  Scholien  des  Ambrosianus  zu  Pind.  Ol.  XU  ganz 

Tiditig  Oberliefert:  ^Olvfiniaöa  fxlv  ivlxrjoêv  o^  xal  Trjv  i^^ç 

9^  {ri&'  Vrat.)f    ist   aber    von   Mommsen   fïilschlicb   in   orj'  ge- 

lidert  worden.    Auch  Rutgers  p.  42  setzt  den  zweiten  Sieg  Ol.  78 

«Kder  Motivirung,  dass  Ergoteles  472  nach  Pind.  Ol.  XII  26  bereits 

iveinial  in  den  Pythien,  also  das  erste  Mal  spätestens  479  gesiegt 

fabe,  und  dass  es  nicht  glaublich  sei,  dass  er  sich  15  Jahre  lang  im 

W  ausgezeichnet  habe.     Nun    13  Jahre   hat  das,  wie  wir  oben 

tthea,  auch  Astylos  gethan,  und  da  Ol.  78  durch  einen  anderen 

besetzt  ist,  behfllt  die  Ueberlieferung  der  Scholien  wieder 

Recht. 

Den  Sieg  des  Sostratos  von  Pellene  im  Wettlauf  der  Knaben 

iit  schon  Rutgers  p.  45  in  die  80  Olympiade  gesetzt,  weil  damals 

die  Dachträgliche  Aufstellung  der  Statue  des  Oibotas  errolgt  und  da- 

r   Atfch  der  Fluch  dieses  Olympioniken  gesOhnt  worden  sei,  nach  dem 

keil  Achâer  in  Olympia  siegen  sollte.     Mag  die  Voraussetzung  der 

Legende  auch  unhislorisch  sein,  da  zwischen  Ol.  6,  dem  Jahr  des 

Oibotas,  und  Ol.  80  thatsflchlich  Achfler  den  olympischen  Kranz 

gewonnen  haben,')  insoweit  hat  Rutgers  gewiss  richtig  gesehen, 

als  die  Datirung  der  nachträglichen  Aufstellung  der  Oibotasstatue 

Bach  dem  Siegesjahr  des  Sostratos  erfolgt  sein  wird,  und  jedenfalls 

Tcrbieten  die  Worte  des  Paus.  VII  17,  14  ovvw  xal  äkXa  èç  tifi^v 

aqfici   rov    Olßdza   Tcoitjoaai  xai  ziiv   eUtva  àvaô^elaiv   ig 

XUvfinlaVy    Swargatog  Ilsilrjyevç    atadlov    vUrjv    ia^ev    ^t' 

natahf  zwischen  Ol.  80  und  dem  Sieg  des  Sostratos  einen  längeren 

Zwiacbeoraom  anzunehmen.     Nun  zeigt  der  Papyros,  dass  01.81 


1)  Ktlkmann  PaoMnias  der  Perieget  130  f. 


174  C.  ROBERT 

bis  83  andere  im  Wettlauf  der  Knabeo  aiegen.    Rutgers  hat  alaa 
gaoz  gewiss  das  Richtige  geaeheo  ;  ?gl.  Förster  p.  226. 

Für  die  beiden  disponiblen  Stellen  in  der  Liste  der  KoabeiH' 
sieger  im  Fauslkampf  haben   wir  fOnf  Concurrenten ,  tod  deoei^ 
einer  unbedingt  zu  berOcksicbtigen   ist,   Kyniskos  von  Manlineia^ 
dessen  Statue   bekanntlich   ein    Werk   des   alteren  Poiyklet   war^^ 
Paus.  VI  4,  11,  Tgl.  Rutgers  p.  134.  Förster  n.l5$.    Die  in  Olympia^ 
gefundene  Basis  (Ol.  Inschr.  149)  muss  nach  ihrem  Schrirtcharaktecr 
alter  sein,  als  die  des  Pythokles  aus  Ol.  82  (Ol.  Inschr.  ^62.  iVi% 
was  durch  die  Vergleichung  des  Standmolives  beider  Statuen  be-  ■ 
stfltigt  wird,  vgl.  unten  S.  189.    Da  nun  über  Ol.  75  gewiss  Niemaml 
wird  hinaufgehen  wollen  und  Ol.  75 — 78  anderweitig  besetzt  üad, 
so  bleiben  fOr  Kyniskos  nur  Ol.  79  oder  80  übrig.    Ich  habe  mkb 
für  das  spätere  Datum  entschieden,  da  schon  dies  ein  Oberrascheml 
froherer  Zeitpunkt   für  den  Beginn   der  künstlerischen  ThSligkot 
des  Poiyklet  ist,  den  zu  überschreiten  sehr  bedenklich  sein  würde 
(s.  unten  S.  186).     For  Ol.  79  kommen  nun  in  Betracht:  1)  Epi* 
kradios  von  Mantineia,  Siegerstatue  von  Plolichos  von  Aigina  (Jhm^  ■. 
VI  10,  8,  Rutgers  p.  127.   Förster  n.228),  2)  Protolaos  von  Mia- 
tineia,  Siegerstatue  von  Pythagoras  (Paus.  VI  6,  1.  Rutgers  p.  13& 
Förster  n.  200),  3)  Gnathon  von  Dipaia,  Siegerstatue  von  KalliUeii 
(Paus.  VI  7,  9.   Rutgers  p.  132.  Förster  n.  200),  4)  Charmides  M 
Elis  (Paus.  VI  7,  1.    Basis  der  Siegersutue  Ol.  Inschr.  156.  Rutgers 
p.  127.   Forster  n.  763).    Prüfen  wir  ihre  Ansprüche.     Ptoiicboi» 
den   wir  Ol.  76   thätig   finden ,  konnte   es  auch  schon  vor  OL  IS 
und  zur  Noth  auch  noch  nach  Ol.  83  gewesen  sein.     Dasselbe  gÜ 
in   noch   höherem  Grade  von  Pythagoras  und  wahrscheinlich  SQcb     \ 
von   Kallikles.*)     Die  Inschrift    des  Charmides    ist  nur   in  spUtf 
Copie  erhalten,  da  aber  diese  BoXbIov  offenbar  als  Transscriptioa 
von  ßaXeiov  hat,  haben  Dittenberger  und  Purgold  mit  Recht  ge- 
schlossen, dass  das  Original  im  5.  Jahrhundert  abgefasst  sein  mOiae. 
Eine  genauere  Datirung  innerhalb  dieses  Zeitraumes  Iflsst  sich  aus  dar  1 
Inschrift  nicht  gewinnen.    Aber  schwer  fällt  ins  Gewicht,  worauf  die  I 
genannten  Forscher  gleichfalls  hingewiesen  haben,  dass  die  Statue  ! 
des  Charmides  zwischen  der  des  Euthymos  (Ol.  77)  und  denen  des  ! 
Diagoras  und  seiner  Sühne   (Ol.  79.  82.  83)   in  der  Mitte  stand. 
Dazu  würde  eine  Datirung  auf  Ol.  79  ausgezeichnet  stimmen.    Nebeo 


1)  Vgl.  unten  S.  194. 


OLYMPISCHE  SIEGER  17S 

der  Statue  des  Cbarmides  staod  die  des  Pytharcbos  von  Hantioeia, 
Siegers  im  Wettlauf  der  Koabeo  (Rutgers  p.  127.  Förster  o.  798), 
DodfiDrdieseD  ist  die  entsprechende  Stelle  01.79  ebenfalls  frei.  Frei- 
lieb  kommt  fOr  sie  aucb  Asopicbos  von  Orcbomenos  (Find.  OL  XIV. 
Rutgers  p.  38.  Förster  n.  197)  in  Betracht,  aber  seine  Ansprüche 
werden  sich  uns  unten  -(S.  183)  als  weniger  berechtigt  erweisen. 
lit  allem  Vorbehalt  sétie  ich  also  Charmides  und  Pytharchos  in 
die  betreflfenden  Stellen  ein.  Denn  freilich  bleibt  zu  berücksichtigen« 
km  für  den  Faustkampf  der  Knaben  bis  Ol.  89  (Hellanikos),  für 
des  Knabeniauf  sogar  bis  zum  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  alle 
(Kfmpjaden  von  Ol.  83  an  disponibel  sind,  nur  muss  in  einer  noch 

der xçàrrjç  o  Ili&iavog  der  olympischen  Inschrift  157  unter- 

(ebraeht  werden,  der  im  oradiov  naldußv  gesiegt  zu  haben  scheint. 

Nicht  minder  gross  ist  die  Zahl  der  Bewerber  um  die  Stelle  des 

Wigensiegers  von  Ol.  79.     Ehe  wir  sie  aufzählen^  wird  es  gut  sein 

lieh  darüber  klar  zu  werden,  welche  Platze  in  den  nächsten  auf 

OL  83  folgenden  und  vor  Ol.  75  vorausgehenden  Olympiaden  noch 

irei  sind.  Wir  haben  Ol.  85  Leon  von  Sparta,  Schol.  Eur.  Hipp,  23/) 

OL  90  Lichas  von  Sparta,  ofûciell  &rjßal(ov  ôrjfÀoaiov^  Thuk.  V 

4t.  50,  Rutgers  p.  52.   Förster  n.  270,  Ol.  91  Alkibiades,  Rutgers 

f.  53.  Forster  n.  270,  dann  alles  disponibel  bis  Ol.  104.  Wir  haben 

MfmirU  Ol.  73  Gelon,  Rutgers  p.  32.   Förster  n.  180,  Ol.  66  Kleo- 

Abenes  von  Epidamnos,  Rutgers  p.  27.  Förster  n.  143;  die  früheren 

Olympiaden   kommen   für  uns  nicht  in  Betracht.    Vor  Ol.  79  sind 

aho  frei  Ol.  67—72  und  Ol.  74  =  7  Stellen,  nachher  Ol.  83.  84. 

86-89  ~  6  Stellen.     Nicht  in  Betracht  für  Ol.  79  kommt  Krati- 

itheoes  von  Kyrene  (P,aus.  VI  18, 1;  Rutgers  p.l43.  Förster  n.  193»); 

deoo  da  er,  einerlei  ob  mit  Recht  oder  Unrecht,  für  den  Sohn  des 

Moaseas  galt,  muss  er  jedenfalls  nach  diesem,  also  nach  Ol.  81, 

gesiegt  haben.    Andererseits  verbietet  die  Rücksicht  auf  Pythagoras 

YOD  Rhegion,   der  aucb  für  ihn  das  Standbild  verfertigte,   zu  tief 

fliit  seinem  Sieg  hinabzugehen.    Da  nun  Ol.  85  besetzt  ist,  kommen 

Ar  ihn  nur  Ol.  83  und  84  in  Erwägung.   Eine  Entscheidung  zwischen 

diesen  beiden  Möglichkeiten   wird  sich   uns  gleich  ergeben.     Den 


1)  n&-  A.  nâ^  B.  Die  erstere  Lesuog  mit  SchwarU  zu  bevorzugen, 
AÔtigt  àtr  Zosammeohaog.  Die  ErwahouDg  der  veoetischen  Rosse  im  Text 
wird  darauf  zurückgeführt,  dass  Leon  mit  Thiereo  dieser  Rasse  in  Olympia 
gesiegt  babe.  Natürlich  muss  also  der  Sieg  des  Leon  vor  die  AufTührung  des 
Hippolytof  Ol.  87,  4  fallen.    Unrichtig  nrtheiit  Förster  n.  264. 


176  C.  ROBERT 

meisten  Anspruch  auf  BerOcksichtiguog  habeo  aber  die  lakedl 
niscben  Wageosieger.  Paus.  VI  2,  1  schreibt  ^axadaifiövioi 
lA€%à  Tryv  iTtiatgattlav  %ov  Mtjdov  diBté^aav  nivttav  ^ 
TifAOtoToi  ^ElXrjvwy  nçoç  ïnnmv  rgoqxiç.  Wir  habeo  abef 
jetzt  ausser  Leoo  (Ol.  85)  nur  einen  lakonischen  Sieger  im  ol 
piscben  Wagenrennen  gefunden,  Diaktoridas  (Ol.  81),  und  bei  die 
ist  die  spartanische  Herkunft  blosse  Vermuthung.  Es  ist  alsc 
höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  der  Sieger  von  Ol.  79 
Lakedfimonier  war  und  unter  denen  zu  suchen  ist,  die  Pausa 
an  der  angeführten  Stelle  aufzählt.  Es  sind  dies  1)  Xenarc 
Rutgers  p.  124.  Förster  n.  211,  2)Lykinos,  s.  oben  S.  172,  3) 
kesilaos  zweimal,  Rutgers  p.  141.  Förster  n.  250.  256.  Sein  8 
Lichas,  der  Sieger  von  Ol.  90,  scheidet  aus  unserer  Betracht 
aus.  Dazu  kommen  die  beiden  schon  vorher  VI  1^  7  genannten, 
durch  die  Worte  x^Q^S  V  ^^ovg  xatiks^a  tjotj  ausdrücklich 
unter  die  oben  citirte  Bemerkung  mit  einbegriffen  bezeichnet  wer( 
4)  Anaxandros,  Rutgers  p.  140.  Förster  n.  233,  5)  Polykles,  Rutf 
p.  148.  Von  Anaxandros  heisst  es  nun:  'Avâ^avôgoç  fikv  OQfi 
avrjyoçev&ïj  nçwzoç.  Da  unmittelbar  vorher  gesagt  ist  S/rn 
vluLai  yeyovaaiv  avzoiç,  kann  das  unmöglich  eine  blosse  l 
Schreibung  von  agfiari  ivUa  sein,  sondern  es  heisst,  wie  For 
richtig  erklärt:  unter  den  dort  durch  eine  Statue  verherrlidi 
Wagenlenkern  war  Anaxandros  der  älteste.  Da  hatten  wir  di 
also  den  Sieger  von  OL  79;  denn  nach  dem  Gesagten  muss  An 
andres  vor  Lykinos  geniegt  haben,  Lykinos  kann  aber  mit  Rfl 
sieht  auf  Myron,  der  ihm  das  Standbild  machte,  nicht  unter  L 
herabgerOckt  werden;  sein  Wagensieg  fôlll  also  Ol.  84,  denn  w< 
er  in  derselben  Olympiade  mit  dem  Té&çiTcnov  gesiegt  hl 
würde  er  wohl  nur  ein  einziges  Standbild  geweiht  haben.  Dado 
wird  nun  auch  der  Sieg  des  Kratisthenes  auf  Ol.  83  festgelegt  (9.  ol 
S.  175).  Es  bleiben  also  zwischen  Ol.  85  und  90  noch  vier  Stel 
übrig,  von  denen  zwei  durch  die  beiden  Siege  des  Arkesilaos 
ansprucht  werden,  der  natürlich  vor  seinem  Sohn  Lichas  gesi 
haben  muss,  am  wahrscheinlichsten  doch  Ol.  86  und  87.  Für 
beiden  noch  disponiblen  Stellen  stehen  Xenarches  und  Polyl 
zur  Verfügung.  Setzt  man  sie  ein,  so  haben  von  444—420  i 
Spartaner  im  Wagenrennen  gesiegt,  was  zu  den  geschichtlichen  V 
hältnissen  gut  passen  und  dem  Sieg  des  Alkibiades  im  Jahre  i 
eine  erhöhte  politische  Bedeutung  geben  würde.    Aber  freilich  11 


OLYMPISCHE  SIEGER  177 

Ues  und  Xeoarcbes  auch  die  Möglichkeit  vor,  dass  ihre 
ie  der  der  gleichfalls  zu  jener  Gruppe  gehOrigeo  Kyoiskä, 
\k  Ol.  90  fallen. 

aber  bleiben  bei  dieser  Rechnung  die  drei  Wagensiege 
ias,  von  denen  Schol.  Arist.  Nubes  64  spricht:  Kàkklaç  b 
0Ç  %Qiç  'OXvfiTua  vixTjaag  agfiOTi  tov  vlov  ixàleaev 
ovt  (Rutgers  p.  142.  Förster  n.  186  a.  242.  247).  Selbst 
r  Polykles  und  Xeoarcbes  ausschalten  und  die  beiden  Siege 
ssilaos  unmittelbar  vor  die  seines  Sohnes  stellen,  bleiben 
i  Siellen  frei,  Ol.  86  und  87.  Seine  beiden  letzten  Siege 
er  also  als  uralter  Greis,  den  ersten  aber  vor  Ol.  75  als 
[ano  errungen  haben.  Auf  keinen  Fall  ware  dann  die  Ge- 
von  der  Namengebung  richtig;  denn  sein  Sohn  Hipponikos, 
iviegervater  des  Alkibiades,  fällt  bekanntlich  424  und  war 
ewiss  kein  junger  Mann  mehr.  Dass  aber  Rallias  432  noch  am 
ewesen  sein  sollte,  ist  Oberhaupt  äusserst  unwahrscheinlich, 
»s  sich  also  schon  entschliessen,  allé  drei  Siege  in  die  Jugend 
ias  zu  verlegen  und  würde  dann,  da  01.73  durch  Gelon 
U,  auf  Ol.  71.  72.  74  kommen.  Hipponikos  würde  somit  um 
»ren  sein,  was  ganz  gut  passt.  Kallias  ist  490  schon  Daduche, 
soll  er  also  nicht  schon  496  in  Olympia  gesiegt  haben? 
»schluss  des  nach  ihm  benannten  Friedens  kann  er  ganz 
hon  ein  hoher  Siebziger  gewesen  sein.     Dass  die  Legende 

einen  Rrechung  sçinen  Vater  Hipponikos  I.  noch  490  am 
en  sein  lässt,  wird  man  schwerlich  einwenden  wollen, 
ieser  erste  Hipponikos  gleichfalls  nach  einem  olympischen 
ämlich  dem  seines  Vaters  Kallias  I.  mit  dem  xéXriç  (Ol.  54), 

ist,  würde  er.  nach  564  geboren  sein,  was  gleichfalls  passt. 
5  desshalb  keinen  ausreichenden  Grund  zu  der  Annahme, 
Geschichte  von  der  Benennung  des  zweiten  Hipponikos  nach 
ersten  erfunden  und  die  drei  olympischen  Siege  des  zweitea 
diu  blosses  Autoschediasma  des  Scholiasten  seien, 
r  das  Pankration  der  Knaben  in  Ol.  80  kommt  Timodemos 
m,  dessen  nemeischen  Sieg  Pindar  iVem.  H  feiert,  in  Betracht, 
e  es  aber  vor,  diese  Frage  erst  weiter  uolen  im  Zusammen- 
it  der  Chroqologie  anderer  Pindarischer  Oden  zu  behandeln, 
die  Rubrik  des  Dauerlaufes  könnte  man  versucht  sein,  unter 
und  81  die  beiden  Siege  des  Dromeus  von  Stymphalos  ein- 
1,  Rutgers  p.  34  f.  Fürster  n.  183.  189.  Denn  Pyihagoras, 
»xxxv.  12 


178  C.  ROBERT 

von  dem  die  Siegeretatoe  herrflhrte,  war  ja  nach  Ausweis  i 
Papyros  Ol.  81  uod  sogar  darüber  hinaas  noch  thitig;  denna 
habe  ich  den  üblichen  Ansatz  OK  74.  75  «  wenigstens  fragewe 
beibehahen,  auf  das  freilich  höchst  unsichere  Indicium  hio,  d 
dem  Dromeus  dieselbe  diätetische  Neuerung  lugeschrieben  wi 
wie  dem  Eurymenes  (s.  oben  S.  166),  und  es  sich  daher  empAel 
ihn  möglichst  nahe  an  diesen  heranzurücken. 

Für  Sieger  im  Fünfkampf  ist  OL  75  und  80  noch  frei,  f 
OL  75  kommen  in  Betracht  Hieronymos  von  Andros,  dessen  Si 
nach  der  Erzählung  des  Herodot  IX  33.  35  (vgl.  Paus.  III  11, 
VI  14,  13),  da  sein  überwundener  Gegner  Tisamenos  bereits  ! 
Plataiai  als  Wahrsager  fungirt,  spätestens  Ol.  75  fallen  muss,  al 
auch  schon  OL  74  fallen  kann  (Rutgers  p.  35.  Förster  n.  190),  u 
Alexibios  von  Heraia,  dessen  Siegerstatue  von  Akestor  war  (Rutg 
p.  112.  Förster  n.  236).  Akestor  war  Vater  des  Amphion,  der  • 
Enkelschuler  des  Kritias  gewesen  sein  soll.  Die  Richtigkeit  die 
Diadochie  vorausgesetzt/)  würde  zwar  für  seine  Tbätigkeit  OL 
nicht  unbedingt  ausgeschlossen  sein,  aber  doch  Ol.  80  weit  bes 
passen.  Ich  habe  daher  für  Hieronymos  von  Andros  den  Oblid 
Ansatz  OL  75  beibehalten  und  vermuthungsweise  OL  80  Alexih 
von  Heraia  eingesetzt.  Seine  Statue  stand  neben  der  des  Enati 
der  OL  81  siegt,  was  doch  auch  zu  beachten  ist  (vgl.  oben  S.  11 
Im  Fünfkampf  batte  auch  der  seinem  Namen  nach  unbekannte  Gro 
vater  des  Anaxandros  (Ol.  79,  s.  oben  S.  176)  gesiegt.  Dieser  Si 
den  Förster  n.  170  an  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  setzt,  w 
wohl  an  das  Ende  des  6.  gehören. 

Für  die  einzige  noch  leere  Stelle  von  OL  75  kommt  Tb 
pompös  von  Heraia  in  Frage^  der  nach  Paus.  VI  10,  4  zweimal 
Ringkampf  gesiegt  hat;  Rutgers  p.  110.  Förster  n.  216.  217.  S 
Grossvater  Damaretos  siegte  OL  65  und  66  im  onUrriç,  Rutg 
p.  25  L  Förster  n.  135.  140.  Dazwischen  siegt  der  Vater  Th 
pompös  I.  zweimal  im  Fünfkampf  (Rutgers  p.  113.  Förster  n.  i 
169),  d.  h.  da  er  in  unserer  Liste  nicht  vorkommt,  spätesl 
OL  73.  74.  Wann  also  siegte  Theopompos  II.?  Wenn  man  ihn  uo 
OL  83  berabrückt,  muss  man  gleich  bis  OL  85  und  86  gehen, 
OL  84  durch  Taurosthenes  besetzt  ist,  s.  unten  S.  179.  Dann  wün 
zwischen  den  Siegen  des  Grossvaters  (520.  516)  und  des  Enkels  (4 


i)  S.  Archiologiscbe  Märchen  S.  14. 


OLYMPISCHE  SIEGER  t79 

436)  80 — 84  Jahre  liegeo,  was  doch  eio  bischen  reichlich  ist.    Bei 

AJkaioetos  und  seinen  Söhnen  beträgt  der  Abstand  32  und  36  Jahre 

I      (l  oben  S.  170),  bei  Diagoras  und  seinem  jüngsten  Sohn  Dorieus 

(OL  87—89)  allerdings  32 — 40  Jahre.  Dagegen  fallen  die  Siege  seiner 

kdden  Alteren  Sohne  nur  12  und  16  Jahre  später,  als  sein  eigener. 

Danach  empfiehlt  es  sich  doch  wohl  mehr,  die  Siege  desTheopomposII. 

näher  an  die  seines  Grossvaters  heranzurücken.  Einer  von  ihnen  wird 

dasD  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  Ol.  75  angesetzt  werden  dürfen, 

wie  ich  es  in  der  Tabelle  getban  habe.    Den  anderen  könnte  man 

venncht  sein,  in  die  leere  Stelle  Ol.  79  einzusetzen.     Aber  dann 

monte  Tbeopompos  II.  sich  17  Jahre  im  Ringkampf  ausgezeichnet 

babeo,  was  selbst  Ober  die  Leistungen  des  Astylos  und  Ergoteles 

im  Lauf  hinausgehen  würde.  Tgl.   oben  S.  173.     Es  ist  desshalb 

wohl  wahrscheinlicher,  dass  dieser  andere  Sieg  früher,  vermuthlich 

OL  74  fällt.     Die  Siege  des  Vaters  Theopompos  I.  im  Fünfkampf 

mflssen  dann   etwa  Ol.  69  und   70   fallen,  und  so  hat  sie  auch 

bereits  Purster  auf  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  datirt.     Die 

Kitaoz  zwischen  den  drei  Generationen  wird  auf  diese  Weise  ganz 

ifieKlbe,  wie  zwischen  Diagoras  und  seinen  älteren  Sühnen. 

Bei  diesem  Versuch  die  Liste  des  Papyrus  zu  ergänzen  hat 
lieh  uns  auch  für  die  vorangebenden  und  folgenden  Olympiaden 
BiBcberlei  ergeben.  Hierzu  ist  noch  Folgendes  nachzutragen.  Der 
ftiager,  den  Cheimon  Ol.  83  besiegte,  Taurosthenes  von  Aigion 
(htts.  VI  9,  3,  Rotgers  p.  111),  war  in  der  folgenden  Olympiade 
Mibet  siegreich.  Dieser  Sieg  ist  also  nicht  mit  Förster  n.  288 
OL  95,  sondern  Ol.  84  anzusetzen. 

Noch   eine  weitere  Corrector  der  Olympionikenliste  wird  uns 
dirch  die  Datirong  von   Cheimons  Sieg  ermöglicht.     Sein   Sohn 
Aristeus  siegt  im  Dauerlauf,  Paus.  VI  9,  3,  Rutgers  p.  106.    Wenn 
FOrsto*  n.  329   diesen  Sieg  auf  Ol.  101   datirt,   so  stellt  sich  das 
jetzt  als  entschieden  zu  spät  heraus.    3 — 10  Olympiaden  haben  wir 
oben  als  den  Zwischenraum  zwischen  den  Siegern   zweier  Gene- 
rationen festgestellt,  dadurch  wird  der  Sieg  des  Aristeus  auf  Ol.  86 
bis  93  befristet     Die  Siegerstatue  des  Aristeus  war  aber  von  Pan- 
tias  von  Chios,  und  derselbe  Pantias  verfertigt  die  Standbilder  des 
Pfifcostratos  von  Heraia,  Siegers  im  Ringkampf  der  Knaben  (Paus.  VI 
3,  11,  Rutgers  p.  130,  Förster  n.  331),   und  des  Xenodikos  von 
Kos,  Siegers  im  Faustkampf  der  Knaben  (Paus.  VI  14,  12,  Rutgers 
p.  135,  Förster  n.  332),  von  dessen  Sieg  der  seines  Vaters  Xenom- 

12* 


180  C.  ROBERT 

broto8  mit  dem  xélrjç  (Rutgers  p.  150,  Förster  n*  327)  nicht  alli 
weit  abliegen  kann ,  da  das  Siegesdenkmal  den  Knaben  auf  d< 
Rennpferd  reitend  darstellte.  Auch  diese  drei  Sieger  rdcken  al 
jetzt  in  das  5.  Jahrhundert  hinauf,  und  ebenso  der  nicht  oit 
bekannte  Plastiker  Philotimos  von  Aigina,  der  in  dem  eben  < 
wähnten  Siegesdenkmal  die  Figur  des  Vaters  Xenombrotos,  die  neb 
dem  Rosse  stand,  gearbeitet  hatte.  Die  Basis  dieses  Denkmale« 
uns,  wenn  ich  mich  nicht  sehr  tausche,  in  dem  Block  aus  schwär» 
Kalkstein  Ol.  Inschr.  155  theilweise  erhalten.  Kirchhoflf  hat  i 
Epigramm,  wenn  auch  mit  grossem  Vorbehalt,  so  ergänzt:  ng 
T]éQO  d^  andre  J[afAàa]in:noç ,  xleivorégav  ôk  nokiv  jtctrgl 
£[^x€— ]  und  danach  angenommen,  dass  es  sich  um  den  Si 
eines  Läufers  handele.  Aber  der  erhaltene  Block  reprüsent 
höchstens  die  Hälfte  der  ganzen  Basis,  da  er  rechts  Stossfläc 
hat,  und  ist  selbst  schon  Ton  recht  ansehnlichen  Dimensionen,  0,1 
breit  und  0,43  tief.  Für  die  Statue  eines  Läufers,  überhaupt  f 
eine  einzelne  Figur,  ist  dies  Batliron  entschieden  zu  gross.  I 
habe  desshalb  schon  längst  den  Verdacht  gehabt,  dass  es  mi 
destens  eine  Reiterfigur  getragen  und  dass  das  Epigramm  aus  i« 
Distichen  bestanden  haben  müsse.  Dann  muss  für  den  Schlc 
des  erhaltenen  Hexameters  eine  andere  Ergänzung  gesucht  werde 
und  schon  lange,  bevor  ich  auf  die  folgende  Combination  verft 
hat  mich  Blass  darauf  aufmerksam  gemacht^  dass  die  ersten  Buc 
Stäben  auch  die  Lesung  ngoTéçœ  ôk  narrJQ  zuließen.  Für  d 
Schluss  des  Pentameters  wird  ein  iambischer  Städtename  gesuci 
der  bietet  sich  in  Kowv.  Ich  schlage  also  zu  lesen  vor:  ngoii. 
ôk  Ttazkç  [èkaa]innoç,  ukevoregav  ôk  TtoXiv  natçlô*  f[^« 
Koov].^)  Das  erste  Distichon  und  der  Anfang  des  zweiten  ma 
den  Gedanken  enthalten  haben:  ,Xenodikos  der  Sohn  des  Xeno 
brotos  hat  dies  Bildwerk  geweiht,  nachdem  er  im  Faustkampf  c 
Knaben  gesiegt  hattet  die  Verse  herzustellen  muss  ich  Gewandter 
überlassen.  Daran  schliesst  sich  das  Erhaltene:  ,vorher  aber  ha 
sein  Vater  der  Rosselenker  (also  mit  dem  Rennpferd)  gesiegt  ii 


1)  An  dem  Fehlen  des  œ  wird  keinen  Anstoss  nehmen,  wer  sich  erlDO^ 
dass  auch  auf  der  ältesten,  aber  nach  480  geprägten  koischeo  Münze  K< 
steht.  Und  da  IGA.  471  jetzt  von  Hiller  von  Gärtringeu  IGI.  1  450  als  tl 
räisch  erwiesen,  ist  auch  e  für  langes  e  nicht  mehr  anstössig.  Wir  hat 
dann  in  dieser  Basis  die  älteste  koische  Inschrift.  Das  Alphabet  entspric 
wie  zu  erwarten  war,  dem  von  Epidauros. 


OLYMPISCHE  SIEGER  181 

(Uorch  den  Ruhm  seiner  Vaterstadt  Kos  vermehrte    Ist  das  richtig, 
so  lassen  sich  beide  Siege  noch  etwas  genauer  datiren;  denn  die 
&elle  des  Siegers  im   Knabenfaustkampf  ist   fOr  Ol.  89  und  90 
<iiirch  Hellanikos  und  Theantos  besetzt  und  bis  Ol.  91.  92  herab- 
sagehen   wird    man    mit  Rücksicht  auf  den   Schrirtcharakter  Be- 
deoken  tragen.     Dieser  empfiehlt  vielmehr  eine   möglichst  frühe 
Datirung,  und  so  kommt  man,  da  die  Stellen  für  den  Knabenfaust- 
kampf  bis  Ol.  83  besetzt  sind,  für  Xenodikos  auf  Ol.  84,  für  Xenom- 
brotos  auf  Ol.  83.     Deber  die  Siege  der  Kyniska  s.  unten  S.  195. 
Sind    schon    diese    Erweiterungen    und    Correcturen    unserer 
Olympionikenliste  höchst  erfreulich,  so  liegt  doch  die  grossie  Be* 
dculung  des  Papyros  in  der  Datirung  einer  Anzahl  von  olympischen 
loscbriften   und   in   der  reichen  Belehrung,  die  er  uns  mittelbar 
Ober  litterarische   und   kunsthislorische  Fragen   bringt.    Von   den 
olympischen  Inschriften   werden   zum   ersten  Mal  aufs  Jahr  datirt 
147.  148  Tellon:  Ol.  77;  152  Damagetos:  Ol.  83;  162  Pythokles 
(d.h.  die  ältere  der  beiden  Inschriften):  Ol.  82.    Die  Aristionbasis 
165  stellt  sich  als  jüngere  Erneuerung  der  ursprünglichen  Ol.  82 
gesetzten  Inschrift  heraus,  s.  S.  185.    Das  Original  der  Charmides- 
ÎQschrift  156  scheint  aus  Ol.  79  zu  stammen;  149  Kyniskos  darf  mit 
grosser  Zuversicht  Ol.  80  angesetzt  werden,  164  Xenokles  muss  jünger 
^01.83  sein;  ibO'EnitifiiadacCl)gehöTU  wenn  unsere  Combination 
Hchtig  ist,  in  Ol.  78,  154  Xenombrotos  und  Xenodikos  OL  84,  end- 
lich 157  ..  .  xQCCTriç  o  Jll^wvoç,  nach  KirchhofTs  überzeugendem 
Nachweis  ein  Sieger  im  Knabenwettlauf,  ist  nach  Ol.  83  anzusetzen, 
da  Ol.  75 — 83  vollständig  besetzt  sind  und  über  Ol.  75  schwerlich 
hinauf  gegangen  werden  darf.    Man  muss  den  Bearbeitern  des  olym- 
pischen Inschriftenbandes  das  Compliment  machen,  dass  ihre  chrono- 
logische Anordnung  sich  in  der  Hauptsache  glänzend  bewahrt  hat. 
Vtt  die  zweite  Pythogorasinschrift  145  betrifft,  so  darf  Angesichts 
der  Ton   den  Herausgebern  constatirten  Aehnlichkeit  des  Schrift- 
^rakters  mit  der  Euthymosbasis  (Ol.  77}  vielleicht  die  Vermutung 
S^assert  werden,  dass  sie  vom  Standbild  des  Dromeus  oder  des 
^stylos  (Ol.  75.  76)  herrührt.     Die  nächstfolgende  Olympioniken- 
^^toe  des  Pythagoras,  der  Mnaseas,  fallt  erst  Ol.  81. 

Ziehen  wir  endlich  das  Facit  unseres  Gewinnes  für  die  Litte- 
ratur-  und  Kunstgeschichte. 

Die   Lachongedichte   des    Bakchylides   (VI.  VIl)    werden    auf 
^^*  82  festgelegt.     Die  Datirung  der  ersten  drei  olympischen  Oden 


182  C.  ROBERT 

des  Piodar  sowie  der  zehuten  und  elften  auf  OL  76«  die  der  nmm 
auf  Ol.  78,  in  welchen  Fällen  die  Zahlenangaben  der  Schot 
schwankten  oder  verdorben  waren,  wird  urkundlich  bestätigt  S 
interessant  ist  das  Ergebniss  fOr  die  Psaumisgedichle  IV  uaë 
Zwar  stand  fdr  IV  Ol.  82  schon  langst  fest,  aber  man  hatte 
Widerspruch  mit  der  Ueberschrift  der  Handschriften  an  eil 
Sieg  mit  dem  Ifaulthiergespann  gedacht  Jetzt  lernen  wir,  d 
der  Sieg  in  der  That  mit  dem  %é&QL7tnov  gewonnen  war,  wor 
übrigens  in  dem  Gedichte  selbst  sowohl  V.  12  Vccvfuog  yàç  & 
oxétov  (xw^oç)  als  V.  18  ftâka  fièv  Tçotpalç  ivolfior  ïftawp  h 
deuten.  Wann  ist  nun  aber  der  Sieg  mit  dem  MaulthiergesptJ 
auf  den  die  V.  Ode  zweifellos  gedichtet  ist,  errungen  worden?  Nn 
in  derselben  Olympiade,  wie  der  Wagensieg;  sonst  mOsste  er 
der  vierten  Ode  erwähnt  sein.  Aber  auch  nicht  in  der  vofb 
gehenden,  01.81,  obgleich  das  die  Scholien  zu  V  19  anneh« 
und  auch  Grenfell  und  Hunt  diese  Möglichkeit  offen  lassen.  De 
IV  20  dianeigd  toi  ßgozup  Mleyx^S  in  Verbindung  mit  d 
folgenden  Beispiel  des  Erginos  beweist,  dass  Psaumis  sich  Ol. 
zum  ersten  Mal  an  den  Agonen  bßtheiligte  und  dies  Dnterfanf 
in  den  Kreisen  seiner  Bekannten  Kopfschtttteln  erregte.  H 
andrerseits  deutet  V.  19  f.  O^eog  Bvççiav  eïtj.Xoinaïç  êixaïç 
Hoffnung  auf  weitere  Siege  an.  Also  fôllt  der  Sieg  mit  der  a/nr 
nach  Ol.  82,  und  da  diese  Kampfart  bekanntlich  Ol.  84  abgesck 
wurde,  entweder  Ol.  83  oder  84.  Es  lässt  sich  aber,  wie 
glaube,  zwischen  diesen  beiden  Möglichkeiten  mit  Bestimmtheit 
Entscheidung  treffen;  denn  wflre  Psaumis  der  letzte  Sieger  mti 
anfjyrj  gewesen,  so  würde  der  Dichter  wohl  nicht  unterla« 
haben,  dies  ausdrücklich  hervorzuheben.  Also  fällt  der  Sieg  Ol.  f 
Pie  Annahme  der  Scholien,  dass  Psaumis  bei  dieser  Gelegenb 
auch  mit  dem  Wagen  und  dem  Rennpferd  gesiegt  habe,  bero 
wie  längst  erkannt,  auf  falscher  Deutung  von  V  6  nefinrafii^ 
éfilklaiç,  tTtTtoiç  '^fÂiovoig  te  fÀOvafÀnvxlai  zs.  Wir  sat 
oben  S.  150,  dass  hier  die  Kämpfe  des  fünften  Tages,  mit  Ausnah 
der  xdlnrjy  als  Apposition  zum  TtBfxmafxéQOiç  afxliXaic  aufgeii 
werden.  Eia  zweiter  Sieg  des  Psaumis  mit  dem  Viergespann 
auch  dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  Liste  der  Wagensieger 
diese  Periode  vollständig  besetzt  ist  Da  die  V.  ol.  Ode  erst  i 
Didymos  unter  die  Pindarischen  Siegeslieder  aufgenommen  ist  i 
heute  bei  den  meisten  Pindarkennern  für  unecht  gilt,  ist  das  , 


OLYMPISCHE  SIEGER  188 

woDoene.  Resultat  fQr  die  Frage  oach  dem  Todesjahr  des  Pindar 
nicht  voD  Belang  und  wird  die  nicht  bekehren ,  die  Pindar  schon 
OL  82,  1  sterben  lassen.  Für  eine  längere  Lebensdauer  sind  neuer- 
diags  mit  Recht  Wilamowitz,  Kaibel  und  Christ  eingetreten,  ersterer 
namendich  mit  Hinweis  auf  das  Überlieferte  Datum  von  Pyth.  VUI 
OL  85»  3,  Tgh  oben  S.  165  f. 

Indirect  lehrt  der  Papyros^  dass  die  XIV.  olympische  Ode 
auf  Asopichos  Ton  Orchomenos,  Sieger  im  Wettiauf  der  Knaben, 
io  den  Scholien  unrichtig  auf  OL  76  oder  77  (og',  o^')  datirt 
wird.  Beide  Olympiaden  sind  durch  andere  Knabenifiufer  besetzt. 
Aho  ist  die  Zahl  verderbL  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man 
an  der  Zehnerangabe  o  festzuhalten  bat,  zumal  01.80  mit  ziem- 
Ucher  Sicherheit  Sokrates  von  Pellene  eingesetzt  ist  Also  hat 
msD  die  Wahl  zwischen  Ol.  79  (o^'),  wo  wir  vermuthungsweise 
t^jtharch  eingesetzt  haben  (S.  175),  und  zwischen  Ol.  71 — 74,  in 
welchem  Fall  das  Gedicht  eines  der  frühesten  des  Pindar  sein 
wtrde.  For  letzteren  AnsaU  spricht  die  Metrik;  E.  Graf  (Pindars 
logaOdische  Strophen  S.  24  f.)  hat,  obgleich  er  natOrlich  unter  dem 
Buine  der  überlieferten  und  bisher  unangefochtenen  Datirung 
aUod,  doch  die  grOsste  Verwandtschaft  mit  Isthm.  VII  auf  Kleandros 
^0  Aigina  gefunden ,  das  jetzt  ziemlich  allgemein  Ol.  75,  2  an- 
g«ietzt  wird.  Ohne  mir  ein  ausschlaggebendes  Urteil  anmaassen 
m  wollen ,  da  mein  näheres  Verhflltniss  zo  dem  Dichter  von  sehr 
}«Bgem  Datum  ist,  möchte  ich  es  doch  aussprechen,  dass  mir  die 
Ode  gerade  in  ihren  Vorzügen  durchaus  den  Eindruck  eines 
^endgedichtes  macht.  Paläographisch  am  nächsten  liegt  dann 
wohl  die  Aenderung  o/,  also  OL  73,  und  sie  ist  auch  ungleich 
lôcbter  als  die  in  o&\ 

Timodemos  von  Athen,  dessen  Sieg  im  Pankration  die  zweite 
Moieische  Ode  feiert,  hat  nach  dem  Scholiasten  bald  darauf  auch  in 
Olympia,  doch  jedenfalls  in  derselben  Kampfart»  gesiegt.   Eine  Stelle 
ÎS  der  Rubrik  der  Pankratiasten  ist  noch  frei,  Ol.  80.     Setzen  wir 
Uer  Timodemos  ein,  so  mttsste  die  nemeische  Ode  vorher,   etwa 
Ol.  76 — 79,  um  einen  möglichst  weiten  Spielraum  zu  lassen,  ge- 
dichtet sein.     Aber  es  bleiben  noch  die  beiden  weiteren  Möglich- 
teiten  bestehen,  dass  der  Sieg  des  Timodemos  vor  Ol.  75   oder 
oach  OL  83  falle;  denn   auch   dort   sind  die  nächsten  Stellen  fQr 
den    Pankratiasten    frei.     Und    in    der    That    rechnet    einerseits 
L.  Schmidt  das  Gedicht  zu  den  spätesten,   andrerseits  Fraccaroli 


184  C.  ROBERT 

ta  den  frühesten  Arbeiten  des  Pindar.  Und  wenn  Graf  a.  a.  0.  39 
unter  Christs  Zustimmung  die  Ode  aus  metrischen  Gründen  in  die 
Jahre  459 — 451  setzt,  so  würde  dieser  Ansatz  die  Datirung  de« 
olympischen  Sieges  auf  Ol.  80  ausschliessen,  aber  die  Möglichkeit  offen 
lassen,  ihn  nach  Ol.  83  zu  setzen.  Persönlich  bekenne  ich  allerdings, 
dass  mir  FraccaroHs  Argument,  die  Ode  müsse  vor  480  gedichtet 
sein,  weil  sonst  V.  13  der  Schlacht  bei  Salamis  gedacht  sein  würde, 
einigen  Eindruck  macht.  Bei  dieser  Sachlage  muss  das  Datum 
unbestimmt  bleiben,  und  man  sieht  jetzt,  aus  welchen  Gründen  ich 
Aer  Versuchung  widerstanden  habe,  die  einzige  in  der  Rubrik  der 
Pankratiasten  noch  vorhandene  Lücke  mit  dem  Namen  des  Tiroo- 
demos  auszufüllen. 

Noch  reicher  ist  der  Ertrag  für  die  Geschichte  der  Plastilu 
Von  Myron  werden  zum  ersten  Mal  zwei  Statuen  sicher  datirt,  der 
Timanthes  456  und  der  Lykinos  448,  und  aus  dem  oben  (S.  176) 
über  den  zweiten  Sieg  des  Lykinos  Ermittelten  ergiebt  sich,  dass 
der  Meister  mindestens  noch  bis  444  tbätig  war,  also  zu  einer  Zeit, 
wo  bereits  sein  Sohn  Lykios  die  bekannten  Reiterstatuen  für  die 
Burg  arbeitete  (CIA  IV  3  nr.  418  p.  Lolling  Jektiov  1889,  181). 
Und  wenn  wir  oben  den  Ladas  richtig  476  eingesetzt  haben,  so 
wäre  dieses  bochberühmte  Werk  eine  Jugendarbeit  des  Meisters  und 
der  zweiten  Gruppe  der  Tyrannenmörder  von  Kritios  und  Nesiotes 
gleichzeitig  gewesen.  Leider  aber  ist  die  Ergänzung  nicht  sicher, 
und  es  bleibt  die  Möglichkeit  bestehen,  den  Ladas  auch  in  den  freien 
Stellen  Ol.  80.  81  unterzubringen,  welche  Zeit  Furtwängler  Meister- 
werke S.  456  als  die  eigentliche  Glanzzeit  Myrons  betrachtet. 

Mehr  positiv  Neues  ergiebt  sich  für  Pythagoras  von  Rhegion. 
Wenn  bisher  nur  sein  Euthymos  und  sein  Astylos,  und  dieser  auch 
nur  annähernd,  datirt  waren,  so  erfahren  wir  jetzt,  dass  sein 
Mnaseas  456  und  eines  seiner  berühmtesten  Werke,  der  Leonliskos, 
452  gearbeitet  ist,  also  in  einer  Periode,  wo  man  sich  seine 
Künstlerlaufbahn  bisher  meist  schon  abgeschlossen  dachte.  Und  so- 
gar noch  länger,  mindestens  bis  448,  muss  er  thätig  gewesen  sein, 
da  dies  der  denkbar  früheste  Ansatz  für  seinen  Kratisthenes  ist  (s.obeB 
S.  175).  Seine  Wirksamkeit  erstreckt  sich  also  sicher  Ober  die  Zeit 
von  476  (Astylos) — 448,  wobei  wir  besser  thun,  die  obere  Grenze 
gleich  bis  480')  zu  stecken,  weil  es  wahrscheinlich  ist,  dass  die  Statue 

1)  Dass  die  Ol.  75  demolirte  Statue  des  Astylos  im  Heiligtham  der  Hera 
Lakinia  gleichfalls  von  Pythagoras  gewesen  sei,  ist  eine  ansprechende»  aber 


OLYMPISCHE  SIEGER  185 

des  Afltyios  schon  damals  verfertigt  wurde  (S.  164);  Dromeas  kommt 
Dicht  ia  Betracht,  weil  er  möglicher  Weise  auch  Ol.  80.  81    ein- 
gesetzt werden  konnte.     Wir  müssen  aber  entweder  nach  oben 
oder   nach  unten  noch  über  diesen  Zeitraum  hinausgehen,   wenn 
wir  S.  174  f.  mit  Recht  in  die  einzige  Stelle,  die  fOr  den  Sieg  des 
Protoiaos  in  der  Rubrik  der  Knabensieger  im  Faustkampf  frei  war 
Ol.  79«  den  Charmides  eingesetzt  haben.    Dann  muss  also  Proto- 
bos  entweder  nach .  Ol.  83  oder   vor  Ol.  75  gesiegt  haben.    Für 
die  letztere  Alternative  fällt  die  sehr  ansprechende  Hypothese  von 
Urlichs  ins  Gewicht,  dass  Pythagoras,  der  sich  noch  472  auf  der 
Basis  des  Euthymos  Safiiog  nennt,  zu  den  Samiern  gehört  habe; 
die  Ol.  71  nach  Italien  auswanderten.    Die  Annahme,  dass  er  um 
510  geboren  sei,  kann  also  bestehen   bleiben.     Bemerkenswerth 
aller  ist,  dass  er.  im  höchsten   Alter  gerade  seine  berühmtesten 
Werke  schafft;  denn  auch  der  delphische  Pankratiast  muss  nach 
dem  Ausdruck  des  Plinius  34,  59  todem  vicit  et  LeorUiseum  (d.  h. 
skh  selbst  in  seinem  bisher  besten  Werk)  nach  452  fallen.    Der 
lAifipuer  tenens  tabeüam  konnte  einer  der  Knabensieger  von  OK.  81 
uid  82,  deren  Ethnikon  im  Papyros  verloren  ist^  also  Phrynichos 
oder  Kleodoros  oder  ApoUodoros  gewesen  sein. 

Am  grOssten  aber  ist  der  Gewinn  für  Polyklet.  Wenn  ich 
diesen  früher^)  tief  herunterrücken  zu  müssen  glaubte,  so  erweist 
fich  das  jetzt  freilich  als  ein  Irrthum ,  aber  die  Beobachtung ,  die 
mich  tu  diesem  Fehlschluss  verleitet  hatte,  war  richtig.  Der  Pytbo- 
Uei  und  nicht  nur  dieser,  sondern,  was  so  eben  LOwy  {Strena 
Bdbi^ana  S.  180)  durch  feinste  Beobachtung  erkannt  hat,  auch  der 
AhstioD  geboren  dem  älteren  Polyklet.  Beide  haben  Ol.  82  gesiegt, 
aber  wahrend  auf  der  Pythoklesbasis  (Ol.Inschr.  162. 163)  wenigstens 
noch  der  Anfang  der  ursprünglichen  Dedications-  und  Künstler- 
iofchrift  neben  der  spateren  Erneuerung  erhalten  ist,  fehlt  auf  der 
Ariiiionbasis  (Ol.  Inschr.  165)  jede  Spur  einer  älteren  Inschrift,  so 
dtts  doch  wohl  das  ganze  Balhron  erneuert  sein  wird.  Hier- 
für spricht  auch  die  Form  des  Steines,  den  Purgold  Olympia  II 
(fiaodenkmäler)    S.  150    ,als   typischen    Vertreter   der  Basenform 


iikbt  gesicherte  Gombioation  von  CoUignon  HUtorie  de  la  sculp,  gr.  p.  409, 
^  daher  bei  chronologischen  Untersuchungen  besser  aus  dem  Spiel  bleibt 
Auf  das  K^oxmifiâxrii  bei  Pausanias  ist  schwerlich  grosses  Gewicht  zu  legen. 
1)  Arch.  March.  98  f.  and  in  dies.  Ztschr.  XXllI  429. 


186  C.  ROBERT 

griechischer  Zeit,  specieil  des  4.  vorchrisllichen  Jahrhuodertä^  be- 
seichnet,  sowie  die  Befesliguogsart  der  Statue,  fOr  die  die  BettungoB 
in  der  Oberflfiche  der  Basis  eingearbeitet  sind,  wie  bei  der  Xeookks 
basis  (Ol.  Inschr.  164),  während  bei  den  Basen  des  Kyniskos  (OL 
Inschr.  149)  und  Pythokles  nur   fOr  die  Zehen  beider  Fasse  und 
fOr  die  Ferse  des  Standbeins  Vertiefungen  angebracht  sind.     Mai 
vergleiche    die    höchst    instructive    Zusammenstellung    der    drei 
Polykletbasen  auf  Tafel  XCII  des  zweiten  Olympiabandes  und  die 
feinen  Bemerkungen  von  Purgold  II  S.  148  ff.   Somit  ist  die  kOnat- 
lerische    Thätigkeit  des  Polyklet  bereits  far  452   urkundlich  be» 
zeugt.    Aber  wir  müssen  ihren  Beginn  noch  weiter  hinaufrückea, 
denn  die  Inschrift  der  Kyniskosbasis  trägt  so  ausgesprochen  altéras 
Charakter  ab  die  ursprüngliche  Pylhoklesinschrift,  dass  sie  unbediiigl 
früher*)  anzusetzen  ist,  also  460;  denn  456  ist  besetzt  und  bis  404 
hinaufzugehen,    haben    wir   keinen    Grund.     War   aber   Polyktot 
bereits  460  künstlerisch  thUtig,  so  muss  er  spätestens  477  gebonD 
sein.  .  Er  könnte  also  immerhin  noch  die  Aphrodite  von  Aaiykhi» 
wenn  auch  als  Siebziger,  gemacht  haben,  man  denke  an  daa  oben 
über  Pythagoras  ermittelte,  und  als  er  die  Hera  schuf,  war  er,  «ie 
wir  jetzt  sehen,   mindestens   ein  Sechziger.     Aber  man  muss  ie> 
geben,  dass  die  Ansprüche  des  jüngeren  Polyklet  auf  die  Aphrodite 
bedeutend  gewachsen  sind ,  seit  sich  die  thebanische  Basis  als  flhr 
die  Chronologie  dieses  Künstlers  nicht  verwendbar  herausgestalll 


1)  Löwy  a.  a.  0.  S.  180  macht  für  diese  Datirang  auch  das  Material  der 
Basis  geltend.    Er  glaubt,  dass  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  5.  Jahrhoodcfti 
durch  lange  Zeit  bei  den  Basen  die  dunkle  Farbe  des  Steines  vorgehemdtt 
habe,  während  in  der  älteren  Zeit  die  Verwendung  hellen  weissen  Steines  ë» 
selten  verlassene  Regel  gewesen  sei.    Die  Beobachtung  hat  dneo  ricbtifü 
Kern,  kann  aber  Angesichts  der  Datirung  der  PythokJesbasIs  nicht  mehrll* 
unbedingte  Norm  gelten.     Es  haben  nämlich  Kyniskos  weissen,   Pytbokkt 
schwarzen,  Xenokles  weissen,  Aristion  (erneuert)  schwarzen  Stein,  and  nach 
Purgold  a.  0.  S.  150  gewann  dieser  schwarze  in  den  benachbarten  Gebirgen 
brechende  Kalkstein   gerade   im   4.  Jahrhundert  grössere  Verwendung.    Dev 
Xenokles  Tor  den  Pythokles  in  dieselbe  Zeit  mit  Kyniskos  an  stellen  ist,  nAt 
ein  Blick  auf  die  Tabelle  lehrt,  nicht  möglich,  and  da  der  Pythokles  sdM* 
452  fällt,  lässl  sich  auch  die  sehr  bestechende  Combination,  dass  die  nacb 
Löwy  zur  Aufhebung  der  Reflexe  vor  dem  Zeusbild  des  Pheidias  angebrachte 
schwarze  Pflasterung  das  Vorbild  für  die  dunklen  Statuenbasen  gewesen  ad, 
nur  unter  der  Voraussetzung  aufrecht  erhalten,  dass  diese  schon  in  einon 
sehr  frühen  Stadium  der  Arbeit  von  Pheidias  geplant  und  dieser  Plan  desi 
Polyklet  bekannt  geworden  war.    Sehr  wahrscheinlich  ist  daa  nicht 


OLYMPISCHE  SIEGER  187 

hat.*)  Als  sichere  Daten  für  seine  TbStigkeit  besitzen  wir  jetzt 
aar  noch  den  Zeus  yon  Megalopolis,  bald  nach  369*)«  und  nichts 
hindert  mehr,  diesen  in  die  Mitte  oder  an  das  Ende  der  Künstler- 
lisfbahn  des  zweiten  Polyklet  zu  setzen.  Es  ist  also  sehr  wohl 
sOglicb,  daas  Brunn  und  Furtwflngler  recht  gethan  haben ,  ihm 
«och  die  Aphrodite  zuzuweisen,  und  wenn  die  Ton  Paus.  IV  2, 6 
erzählte  Anekdote  authentisch  sein  sollte,  was  ich  allerdings  auch 
heute  noch  bezweifle,  gebort  ihm  auch  die  Olympionikenstatue  des 
Antipatros  wie  selbstTerstäodlicb  der  Agenor  (Paus.  VI  6,  2). 

Auch  hinsichtlich  meiner  Zutbeilung  des  Xenokles  an  den 
älteren  Polyklet,  der  Ditlenberger,  Purgold  und  LOwy  zugestimmt 
haben,  bin  ich  jetzt  zweifelhaft  geworden.  Fest  steht  zunächst, 
ém  sein  Sieg  im  Knabenringkampf  (Paus.  VI  9, 2,  Rutgers  p.  136. 
Förster  n.  308)  nach  OL  84  fallen  muss,  denn  vorher  ist  die  be- 
treffende Rubrik  yollsUndig  besetzt  Die  Basis  (OL  Inschr.  169) 
ttts  gelblichem  Marmor  von  Dolianâ  «bringt  den.  stufenförmigen 
Asfbau  des  Balhrons,  der  sonst  immer  durch  zwei  auf  einander 
goeute  Quadern  gebildet  wird ,  an  einem  Stein  zum  Ausdruck* 
(Porgold).  Diese  Stufenform  weisen  die  Zanesbasen  schon  in  ihrer 
iltesten  dem  4.  Jahrhundert  aogefaOrigen  Gruppe  auf  (Olympia  U 
Taf.  XCU  6).  Sie  findet  sich  aber  allerdings  auch  bereits  im 
&  Jahrhundert  bei  der  Prazitelesbasis  (a.  0.  XCII  9).  Die  Statue 
«^  in  derselben  Weise,  wie  der  Aristion  bei  seiner  zweiten  Auf- 
stdlang,  befestigt.  Aber  diese  Methode  der  Befestigung  findet  sich 
auch  bereits  bei  der  Statue  des  Hellanikos  Ol.  89  (OL  Inschr.  155). 
Die  im  ionischen  Alphabet  geschriebene  Inschrift  wird  ?on  Ditten- 
bei^er  und  Purgold  den  beiden  ersten  Jahrzehnten  des  4.  Jahr- 
iHiiiderts  zugewiesen,  während  sie  Lowy  neuerdings  so  alterthOm- 
lich  findet,  dass  er  sie  nicht  erheblich  unter  440 — 435  herünter* 
Hlcken  mochte.  Bei  dieser  Sachlage  scheint  mir  eine  sichere  Ent- 
scheidung dartlber,  ob  der  Xenokles  eines  der  späteren  Werke  des 
Uteren')  oder  eines  der  früheren  des  jüngeren  Polyklet  ist,  zur 
Zeit  nicht  möglich.  Ich  persönlich  neige  jetzt  mehr  zu  der  zweiten 
f   AiiDahme,  und  zwar  aus  folgendem  Grund.    An  der  Niedrigkeil  der 

1)  Diiteoberger  GGGS.  I  2532,  Keil  Aih.  Mttlh.  XX  1895  S.  111,  wo  die 
übrige  Litteratar  yerzeichnet  ist. 

2)  S.  Niese  in  dies.  Ztschr.  XXXIV  S.  527  ff. 

3)  Daoo  etwa  Ol.  87— 90,  denn  Ol.  86  ist  durch  Pantarkes  Ton  Elis 
besetzt. 


188  C.  ROBERT 

Baseo  de8  Kyniekos  and  des  Pythokles  sehen  wir,  dass  es  der  grosse 
Polyklet  liebte,  seine  Statuen  tief  zu  stellen,  und  dieser  Tendeni 
scheint  man  auch  bei  der  Erneuerung  der  Aristionbasis,  die  doch 
wohl  im  4.  Jahrhundert  erfolgt  ist,  Rechnung  getragen  zu  habea. 
Die  alten  Pompejaner,  die  ihre  Harmorcopie  des  Doryphoros  auf 
den  flachen  Boden  stellten,^)  kamen  damit  den  Intentionen  des 
Heisters  entschieden  naher,  als  die  modernen  Museumsdirektoreiy 
die  sich  darauf  capriciren,  seinem  Gipsabguss  ein  hohes  Postameat 
zu  geben.  Es  wird  mir  schwer  zu  glauben,  dass  Polyklet  in  seinen 
alten  Tagen  sich  selbst  so  untreu  geworden  sein  sollte. 

Sein  berühmtes  Standmoti?,  das  uno  erure  innstere,  hat  abo 
Polyklet  schon  460«  bei  seinem  ersten  fQr  uns  kenntlichen  Werk, 
dem  Kyniskos,  den  ich  mit  Petersen,  Collignon  und  Furtwlngler 
in  dem  Westmacottschen  Athleten  wieder  erkenne,  angewandt.  Dan 
er  diese  Schrittstellung  selbst  erfunden  habe,  hat  schon  Furtwaoghr 
Meisterwerke  S.  405  bestritten,  indem  er  einerseits  auf  die  Staad- 
spuren  der  einen  Smikythosbasis  (Ol.  Inschr.  267),  andrerseits  aif 
den  Münchener  König  hinwies,  und  diesen  dem  für  Smikydwi 
arbeitenden  Dionysios  ?on  Argos  zutheilte.  Wenn  auch  diese  Ur 
Weisung  nicht  absolut  sicher  ist,  so  wird  man  doch  FurtwSagkr 
sowohl  in  der  Abweisung  der  Hypothese,  dass  der  MOncheaer 
König  polykletisch  sei,  als  in  der  Ansetzung  um  466  unbediagt 
zustimmen.  Allerdings  sind  die  Weihgeschenke  des  SmikythM 
selbst  nicht  alter,  als  460,  also  dem  Kyniskos  ungefähr  gleichseitig, 
aber  es  ist  ja  auch  nicht  gesagt,  dass  das  Slandmotiv  damals  suis 
ersten  Mal  in  Anwendung  kam.  Jedenfalls  wird  es  verstandlicby 
wie  es  Polyklet  bereits  460  bei  einem  seiner  frühsten  Weiki 
verwenden  konnte.  Man  möchte  sogar  die  Frage  aufwerfen,  A 
er  nicht  geradezu,  woran  auch  Furtwangler  zu  denken  scheint,  cii 
Schuler  des  damals  für  Olympia  so  viel  beschäftigten  Dionysioi 
war,  und  dessen  Vermittelung  den  Auftrag  verdankte,  die  olympiscba 
Siegerstatue  für  den  Knaben  aus  Mantineia  zu  arbeiten.  Wenn  nuo 
auch  Polyklet  spater  jenes  Standmotiv  weiter  entwickelte  und  mü 
Vorliebe  verwandte,  so  hat  er  sich  doch  keineswegs  sciavisck 
daran  gebunden.  Vielmehr  sehen  wir  ihn  anfangs  mannigfaâ 
ezperimentireo.     Das   lehren  sehr  eindringlich   die  beiden  Statues 


1)  Mau  Strena  UeWigiana  S.  lS2fr.;   vgl.  Bulle  Griechische  Stataea- 
basen  S.  8  f. 


OLYMPISCHE  SIEGER  189 

von  452.  Beim  Pythokles,  *)  fQr  den  ich  mich  hier  damit  begnOgen 
nuss,  auf  die  schonen  AusfahniDgen  von  Furtwangler  a.  0.  S.  471 
VOL  Terweisen«  war  die  Function  der  Beine  die  umgekehrte  wie  bei 
dem  Kyniskos.  Dasselbe  finden  wir  bei  dem  entschieden  jüngeren 
Ihresdener  Knaben.  Der  Aristion  hingegen  muss  eine  ähnliche 
Stellung  wie  der  Dresdener  Zeus  und  der  Casseler  Apollon  gehabt 
bben,  nur  dass  die  rechte  Fussspitze  mehr  nach  aussen  gekehrt 
war.  Der  Hermes  Lansdowne^  der  im  Standmoti?  nach  Furtwänglers 
Nachweis  dem  Aristion  am  nächsten  kommt,  kann,  wie  derselbe 
Forscher  selbst  zeigt,  nicht  dem  Poiyklet  selbst^  sondern  nur  einem 
seiner  Schüler  geboren.  Dieses  Standmotiv  ist  aber,  wieder  nach 
Furtwflnglers  Nachweis,  die  Umbildung  desjenigen  der  Stephanos- 
igor,  in  der  er  vielleicht  mit  Recht  den  Kanon  der  alten  argivi- 
ichen  Schule  sieht.  Also  hat  der  jugendliche  Poiyklet  in  dem- 
selben Jahre  sowohl  ein  altes  Standmotiv  weiter  entwickelt,  als  ein 
eben  neu  geschaffenes  variirt.  Dass  auch  die  Schule  des  Poiyklet 
4ieses  filtere  Motiv  weiter  cultivirte,  zeigt  ausser  dem  eben  er- 
wähnten Hermes  Lansdowne  derEukles  desNaukydes  (Ol.Inschr.  159, 
s.  onten  S.  191),  wie  übrigens  auch  der  sog.  Ares  Borghese,  in  dem 
ieh  nach  wie  vor,  trotz  Furtwänglers  Einwendungen,  nur  den  Paris 
des  der  polykletischen  Schule  nahe  stehenden  Euphranor  sehen 
kann.  Damit  ist  der  weitverbreitete,  von  Furtwäogler  selbstver- 
•Undlich  nicht  getheilte  Aberglaube,  als  ob  Poiyklet  und  die  Seinen 
SDsschliesslich  das  uno  crure  insütere  angewandt  hätten,  wohl  ge- 
DQgend  widerlegt.  Von  dieser  Seite  stände  also  auch  der  Zu- 
weisung des  Xenokles  an  den  alleren  Poiyklet  nichts  im  Wege. 
Das  Standmotiv  ist  das  umgekehrte,  wie  bei  Aristion,  leicht  vor- 
lesetztes  linkes  Bein  mit  massiger  Auswärlsdrehung,  wie  es  auch 
de  beiden  Mittelflguren  der  olympischen  Giebel  gehabt  haben 
ttflssen.  Athletenstatuen  in  dieser  Stellung  hat  Furlwängler  a.  0. 497 
üifgezeigt,  darunter  namentlich  eine  schone  Bronze  des  Louvre. 
Ich  muss  es  mir  versagen,  hier  alle  Folgerungen  zu  ziehen 
m  ind  zu  begründen,  die  sich  nach  meinem  Dafürhalten  aus  dieser 
■  Ihlberen  Datirung  der  Jugendarbeiten  Polyklets  für  seinen  Ent- 
f  wjcklungsgang  und  für  die  Ansetzung  seiner  berühmtesten  Werke 
f   ergeben.    Aber  kurz  andeuten  will  ich  sie  doch  ;  der  Kürze  wegen, 

1)  lieber  die  in  Rom  gefoodene  Basis  ^  die  wahrscheinlich  das  dorlhia 
eotfûhrU  Original  des  Pythokles  trog,  vgl.  Petersen  Rom.  Miilh.  1891  S.  304f., 
Fortwäogler  Meisterwerke  S.  472. 


I^ 


190  C.  ROBERT 

in  apodiktischer  Form.  Der  Dresdener  Knabe  gehört  an  den  A 
Tang,  der  Doryphoros  an  daa  Ende  der  Tierziger,  der  Diid 
menos  hingegen  erst  in  die  swanziger  Jahre;  er  steht  d 
Hera  nahe.  Und  was  die  leidige  Amasonenfrage  betriiEt,  ; 
halte  ich  es  keineswegs  für  ausgeschlossen  ^  dass  die  in  Betrae 
kommenden  Typen  beide  dem  Polyklet  gehören;  denn  das  IbrdM 
▼on  der  ephesischen  Concurrenz  sollte  man  doch  endlich  aufhön 
fOr  historisch  zu  halten.*)  Die  Berliner  setze  ich  in  die  Tierzigi 
Jahre,  bald  nach  dem  Doryphoros,  die  ^Capitolinische*  m  à 
zwanziger  ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  Diadamenos.^ 

Im  Wesentlichen  haben  sich  also  Furtwflnglers  AufstelloBge 
aufs  Glänzendste  bestätigt.  Mit  Recht  hatte  er  meiner  Annahw 
dass  Polyklet  später  angesetzt  werden  rnttsse,  keinen  Glauben  gl 
schenkt  und  sich  auf  die  Piatonstelle  (Protagoras  328  C)  TerlaMi 
nach  der  Polyklet  um  428  bereits  erwachsene  Söhne,  die  deaa 
des  Perikles  ungefähr  gleichaltrig  waren,  gehabt  haben  moss,  li 
Recht  hat  er  ferner  daran  festgehalten,  dass  Polyklet  in  Argos  ge 
boren  sei  und  nicht  das  argirâche  Bürgerrecht,  wie  ich  nad 
LOschckes  Vorgang  und  unter  Zustimmung  von  Dittenbergo'  ■» 
Purgold  angenommen  hatte,  erst  nach  Ol.  90  zum  Dank  fttr  dl 
Hera  erhalten  habe.  Denn  schon  viele  Jahre  frOher,  bereits  ai 
der  jetzt  Ol.  82  datirten  Pythoklesbasis,  schreibt  er  das  aigi 
Tische  h  Plinius'  Angabe  Sieyonius  erweist  sich  als  ein  bf 
thum.  Aber  darin  behalte  ich  Recht,  dass  Naukydes  der  Bmde 
des  älteren  Polyklet  war;  denn  schon  448  arbeitet  er  die  Statn 
des  Cheimon,  und  also  dtlrfte  mein  Vorschlag  bei  Paus.  II  28,  ' 
adelçoç  IloXvxkeltov  vedreçoç  zu  schreiben,  wohl  das  Richtig 
getroffen  haben.  Denn  der  Patrokles,  den  wir  durch  Ol.  Inschr.  IS 
als  Vater  des  Naukydes  kennen,  kann  unmöglich  dersdbe  seil 
der  an  dem  Weihgeschenk  ftlr  Aigospotamoi  mitarbeitet  (Paus.  X  9, 10] 
Ein  noch  405  thätiger  Künstler  wird  doch  nicht  schon  448  äwä 
erwachsenen  Sohn  gehabt  haben.  Auch  darin  hatte  ich  also  Recht 
dass  ich  den  Vater  des  Naukydes  von  jenem  Ërzgiesser,   der  m 


1)  Furtwängler  a.  0.  S.  289  giebt  die  GoDCurreoz  auch  Preis.  Du 
bleibt  also  von  der  Nachricht  des  Plioius  nur  fibrig,  dass  im  epbesiichc 
Artemistempel  vier  Amazonenstatuen  von  Pheidias,  Polyklet,  Phradmon  Qi 
Kresilas  standen,  die  doch  wahrhaftig  nicht  gleichzeitig  gewesen  m  se 
brauchen  und  uns  nicht  alle  vier  in  Nachbildungen  erhalten  sein  inûsscn. 

2)  S.  B.  Graef  Arch.  Jahrb.  XII  81. 


OLYMPISCHE  SIEGER  191 

den    Schûlero    des    grosseo    Polyklet    zusammen    das    genannte 
Weifageschenk    für  Delphi    arbeitet,   unterschied,   aber   ich    irrte 
darin,  dase  ich  nach  der  bisher  allgemeinen  Annahme  den  gleich- 
Mmigen  Vater  des  Daidalos  (Paus.  VI  3,  4,  OL.Inschr.  161.  635. 
Lowy,  Inscbr.  gr.  Bildh.  88)  mit  dem  Vater  des  Naukydes  iden- 
tiflöirte,  und  also  Polyklet,  Naukydes   und  Daidalos  zu  Brüdern 
■lachte.     Vielmehr    ist   Daidalos    der   Sohn   jenes  jüngeren    für 
das     delphisehe    Weihgeschenk     thätigen    Patrokles    und    mithin 
awei    Generationen   jünger    als    Polyklet    und    Naukydes.      Eine 
Musterung  der  datirbaren  Werke  des  Naukydes  und  Daidalos  wird 
das^  wie  ich  hoffe,  zur  Evidenz  bringen.    Wir  haben  von  Nauky- 
des sicher  datirt  den  neugewonnenen  Cheimon  448  und  die  sog. 
Hebe,  in  Wahrheit  "{f^a  rtalç^  in  Argos  etwa  417.    Den  Faust- 
kämpfer Eukles   (Ol.  Inscbr.   159.    Paus.  VI  6,  2.    7,  2,   Rutgers 
pill9.    Förster  n.  297),  den  Enkel  des  Diagoras,  wollen  Ditten- 
berger    und    Pui^old   ans    Ende    des   fünften    oder   den    Anfang 
ücs  4.  Jahrhunderts    setzen.      ErwSgt    man,    dass    sein    Gross- 
vitcr  464,  seine  Siteren   Oheime   452.   448,   sein  jüngster    ihm 
BOglicherweise   gleichalteriger   Oheim   432—424    siegt,    so   wird 
Bin  die:^  reichlich  spat  finden  und  nach   der  oben  angeführten 
analogie  lieber  an  die  Zeit  420 — 410  denken.    Der  Schriftcharakter 
ier  Inschrift  giebt  für  die  Daürung  nichts  aus,  da  sie  wie  die  des 
Aristion   (S.  185  f.)  wohl  sicher  im  4.  Jahrhundert  oder  ?ielleicht 
loch  spater  erneuert  worden  ist,  woran  auch  die  Herausgeber  ge- 
facht zu  haben  scheinen.')     Aber  selbst  wenn  wir  bis  zum  Anfang 
des   4.   Jahrhunderts    hinabgehen,    würde    uns    auch    das    noch 
sieht  nOthigen,  etwa  einen  zweiten  Naukydes  zu  statuiren.    Ebenso 
Gegt   die  Sache  bei  der  Inschrift  von   der  Akropolis  N]avy:vârjç 
\*^(^eîoç  èTtolrjae  (Löwy  87),   die  gemeiniglich  dem  Anfang  des 
vierten  Jahrhunderts  zugewiesen   wird,  aber  ganz  gut  noch  dem 
Ende  des  fünften  angehören  kaon.    Auf  Ol.  95  (400)  wird  übrigens 
Naukydes  auch  bei  Plinius  datirt,  auf  Grund  welcher  Combination 
wissen   wir  nicht.     Wir  werden   also  kaum  fehlgehen ,  wenn  wir 
leine  ThStigkeil  auf  448 — 400   festsetzen,   ein  recht  langer  Zeit- 
num,  über  den  nach  unten  hinabzugehen  sich  kaum  empfiehiL 

Daidalos  habe  ich  früher  erheblich  zu  alt  gemacht.^  Die  Inschrift 
des  arkadischen  Weihgeschenkes  für  Delpi,  an  dem  er  mitgearbeitet 

1)  S.  Dilteoberger  Ol.  Inschr.  zu  151. 

2)  Arcb.  Mircli.  104  ood  io  dies.  Ztschr.  XXIU  429. 


192  C.  ROBERT 

hat,  leigt  jetzt,  dass  er  noch  nach  369  thatig  gewesen  ist.*) 
VermuthuDg,  dass  das  yoo  ihm  fQr  die  Altis  gefertigte  Tro 
in  die  90.  Olympiade  gehöre,  kann  ich  dem  gegenüber  nicht 
aufrecht   erhalten.     Weiter  kennen  wir  yon    ihm  Olympion 
Statuen  aus  Ol.  96  (Eupolemos)  und  Ol.  98  (Aristodemos). 
die  beiden  in  Olympia  gefundenen  Basen  mit  seiner  Signatu 
Inschr.  161   u.  635)    gehören   nach   dem    Schriflcharakter  ii 
erste  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts.   Nichts  berechtigt  uns  daher  i 
seine   Thfitigkeit   schon  im    5.  Jahrhundert   beginnen  zu  im 
Nehmen  wir  aber  selbst  an,  dass  er  369  bereits  ein  alter  1 
war  und  seine  ersten  Arbeiten  schon  410  fallen,  so  wftre  das 
immer  Tierzig  Jahre  später  als  die  Anfänge  des  Naukydes,  fQr 
Sohne  desselben  Vaters  doch  kaum  denkbar.  Und  tlberdies  wird  ^ 
dalos  ausdrücklich  als  Schüler  seines  Vaters  Patrokles  (Paus.  VI  ! 
bezeichnet.    Soll  der  Vater  des  Naukydes  noch  .zur  Zeit  des  | 
ponnesischen  Krieges  gelebt  haben  ?    Dagegen  passt  dies  TorzUf 
auf  jenen  Naukydes,  der  an  dem  Siegesdenkmal  für  Aigospot^ 
mitgearbeitet  hat.    Wir  h^ben   also  auf  der  einen  Seite  Pol] 
und  Naukydes  als  Sohne  eines  Patrokles,  auf  der  anderen  S 
Daidalos  als  Sohn   und  Schüler  eines  zweiten  Patrokles.    Da 
nun  wissen,  dass  Polyklel  zwei  Sohne  hatte,  die  gleichfalls  I 
hauer  waren  und  ?on  denen  er  wenigstens  den  einen  selbst  ui 
richtet  hat,*)  so  wäre  es  doch   reiner  Eigensinn,  die  Baust 
nicht  aufeinander  zu  setzen  und  nicht  den   zweiten  Patrokles 
den  Enkel  des  ersten  zu  halten.  Das  Ton  mir  in  den  Arch.  March, 
aufgestellte  Stemma  ist  also  folgendermaassen  zu  corrigireo 

Patrokles  I. 

Polyklet  Naukydes 

Patrokles  II.     x 

I 

Daidalos. 
Daidalos  wird  also   aus   einem  Bruder  zu  dem  Enkel  des  gro 
Polyklet.      Warum   er   sich    nicht,  wie   sein  Grossyater,   Arg 
sondern  Sikyonier   und   einmal,  falls  Dittenberger  die  olympi 
Inschrift  161  richtig  ergänzt  hat,  sogar  Phliasier  nennt,  ?erm( 

1)  Pomtow  Ath.  Mitth.  XIV  1889  S.  25  f.,  Frazer  zu  Paus.  X  9 A  ^ 
in  dies.  ZUchr.  XXXIV  522. 

2)  In   den  JtaXiSßiS  p.  228,  9  heisst  es:   éSlSaSav  o  nolvxXsitos 
vlov  àvBçMvrai  notdp,  vgl.  Trieber  io  dies.  Ztschr.  XXVII  239. 


JL3L 


y 


ETAAION      nAlAON  ÏÏAAH  HAl 


.    .    .    KOiV 

'Aqybîos 

■1 

KCÛV 

Aiyi]vr!Tr]Ç 
Ptolichos 

PiND 

irchus 
lensis 


atus 
naeus 


Kfie] 


[OÏV 

loi] 

ts  VI.  VII. 


Taçarjïvoç 


.    rjßios 
na^çâa[io£ 
û  xaXXiC 


Aeginetes 

Alciinedon 
Aeginetes 

PlNDAR  0.  VIII. 

<P^vvix[f*s] 

'HXbI 

Kk£6S(oço[i] 

'An 

Ilokvuxoç 

[éttanuvi] 

— '"* 

OLYMPISCHE  SIEGER  193 

wir  natOrlich  nicht  zu  sagen.  Den  älteren  Naukydes  aber  mochte 
ich  auch  heute  noch  mit  dem  Sohn  des  Katillos  (Paus.  VI  19«  6) 
identificiren  und  fOr  einen  emîgrirten  Krotoniaten  halten.  Wenn 
Furtwangler  a.  0.  417  A.  1  einwirkt  dass  das  einzig  bekannte  Werk 
dieses  Patrokles,  ein  Holzbild  des  Apollon  mit  vergoldetem  Kopf, 
gewiss  archaisch  gewesen  sei,  so  möchte  ich  wissen,  welch  andere 
Bezeichnung  man  der  Arbeit  eines  um  480  thätigen  Künstlers  geben 
sollte;  und  überdies  ist  die  Voraussetzung  nicht  zwingend,  denn 
aoch  die  Athena  Nike  war  noch  ein  Holzbild. 

In  welchem  Familienzusammenhang  der  jüngere  Polyklet  zu 
dem  älteren  stand,  ist  leider  immer  noch  nicht  klar.  War  er 
îieileichl  sein  Enkel?  Ein  Bruder  des  Daidalos  schwerlich;  denn 
soost  würde  er  wohl,  wie  dieser,  bei  Patrokles  und  nicht  bei 
Naukydes  gelernt  haben.  Also  vielleicht,  ein  Sohn  des  zweiten 
Polykletsohnes,  dessen  Namen  wir  nicht  kennen,  oder  ein  Schwester- 
sohn des  Polyklet  und  Naukydes. 

Auch  für  einige  Künstler  zweiten  Ranges  lernen  wir  manches 
recht  erwünschte.     Ptolichos  von   Aigina   finden   wir  476  thfitig. 
Er  ist  nach  der  bei  Paus.  VI  9,  1  überlieferten  Künstlerdiadochie  ein 
Enkelschüler  des  Aristokles,  dessen  künstlerisches  Wirken  noch  dem 
6.  Jahrhundert  angehört  (Arch.  March.  95).    Ob  das  zweite  bekannte 
Werk  des  Ptolichos,  der  Epikradios,  der  Zeit  vor  OL  75  oder  nach 
Ol.  S3  angehöre,   musste  zunächst  dahingestellt  bleiben  (S.  174). 
Dagegen  gewinnen   wir  aus  dem  indirect  Ermittelten  einen  festen 
chronologischen  Anhalt  für  ein  anderes  Hitglied  derselben  Künstler- 
diadochie, Pantias  von  Chios,  der  nach  Paus.  VI  3,  11  der  siebenten 
Kflostlergeneration  nach  Aristokles  angehört,  also  von  Ptoljchos  durch 
vier  Glieder  getrennt  ist    Von  Pantias  rührt  nicht  nur  die  Statue 
ÎOD  Cbeimons  Sohn  Aristeus  her,  dessen  Sieg  zwischen  436  und  408 
âiit  (s.  S.  179),  sondern  auch  die  des  Xenombrotos,  die,  wie  oben 
gezeigt,  444  gearbeitet  worden  ist.    Die  bisherige  Datirung  des  Pantias 
ist  also  erheblich  zu  spät    Daraus  ergiebt  sich  weiter,  dass  Sostratos 
der  Vater  und  Lehrer  des  Pantias,  mindestens  in  die  erste  Hälfte 
des  5.  Jahrhunderts  hinaufgerückt  werden  muss.    Ein  Sostratos  hilft 
dem  Hypatodoros  bei  der  Athena  von  Aliphera,  demselben  Hypa- 
todoros«  wie   ich   in  dieser  Zeitschr.  XXV  419  gezeigt  habe,  der 
das  delphische  Weihgeschenk  .für.  die  Schlacht  bei  Oinoa  verfertigt 
bat.    Diesen  Sostratos  habe  ich  damals  von  dem  Chier  unterschieden, 
und  mit  dem  Schwestersohoe  des  Pythagoras  von  Samos  (Plin.34,60) 

Herrn«  XXXY.  13 


IM  C.  ROBERT 

idmUflcirt,  eine  Verdoppelung  die  sich  jetit  als  ttnrichtig  erwei 
Der  Chier  seltMt  war  der  Meffe  des  Pythagoras,  deoD  dass  eiae  Sa»ia 
sich  nach  Chios  Terhenrathete,  ist  doch  begreiflich  genug.  Hierdur 
wird  nun  nicht  nnr  mein  Ansata  sowohl  der  Atbena  Alipbera  i 
der  Schhcht  bei  Oiaoa  und  der  sie  verherrlichenden  Bildwerke  ai 
neu«  bestätigt«  sondern  auch  fOr  die  Datirung  des  Ptolichos  ein  festsr 
Anhalt  gewonnen.  Denn  wenn  bei  Aufstellong  jener  KOnstk 
diadochie  wenigstens  einigermaassen  die  Chronologie  berttcksichti 
ist,  muss  Ptolichos,  der  Repräsentant  der  tweiten  Kftnstlergeneratic 
nach  Ariatokles,  beträchtlich  filter  sein,  als  Sostratoa^  der  Reprflsents 
der  sechsten.  Der  Theognelos  476  muss  also  schon  eines  sein 
spateren  Werke  sein,  und  hinsichtlich  des  Epikradios  können  n 
es  jetit  bestimmt  behaupten,  dass  sein  Sieg  nicht  nach  OL 8 
sondern  yor  Ol.  75  fällt. 

Wir  haben  in  den  Torbergehenden  Untersuchungen  stets  yorau 
gesetzt,  dass  die  Aufstellung  der  Siegerstatue  unmittelbar  auf  A 
Sieg  gefolgt  sei.  Das  liegt  auch  so  sehr  in  der  Natur  der  Sache,  da 
das  Gegentheil  nur  auf  der  Basis  zwingendster  Argumente  ang 
nommen  werden  sollte.  Welchen  Grund  sollte  z.  B.  der  reid 
Rhodier  Diagoras,  der  Ol.  79  schon  in  ziemlich  yorgerOcktem  Alt 
im  Faustkampf  siegte,  gehabt  haben  mit  der  Aufstellung  der  Siege 
Statue  zu  zögern?  Also  ist  der  KOnstler  Kallikles  von  Hegara  scb 
464  thatig  und  danach  auch  Gnathon  (S.  174)  zu  datiren,  den  m 
allerdings  lieber  nach  Ol.  83  als  yor  Ol.  75  ansetzen  wird,  da  • 
neben  den  Söhnen  des  Alkainetos  424.  420  stand.  Also  mag  se 
Sieg  etwa  auf  Ol.  85  fallen,  denn  Ol.  84  ist  durch  Xenodikos  bead 
(s.  oben  S.  181).  Aber  Paus.  VI  7, 1  sagt  doch  MêyaQëvç  Kall 
xA^^  GeoxocfAOv  vov  noiijaavtoç  %o  ayakfia  iv  Mêyâgo 
%ov  Jtoçy  und  dieses  Werk,  bei  dem  der  Legende  nach  Pb< 
dias  geholfen  haben  soll ,  wurde  nach  Paus.  I  40,  4  erst  kurz  y 
dem  peloponnesischen  Krieg  begonnen,  ein  Ansatz,  der  dadnr 
bestätigt  wird,  dass  Theokosmos  noch  am  delphischen  Weihg 
schenk  fDr  Aigospotamoi  mitgearbeitet  hat  (Paus.  X  9,  8).  Dak 
setzt  Brunn  KOnstlergesch.  I  246  den  Sohn  dieses  Theokosm 
Kallikles  nach  Ol.  90  und  supponirt,  dass  die  Statue  des  Diagoi 
erst  laoge  Zeit  nach  dem  Siege  aufgestellt  worden  sei,  und  seil 
noch  Purgold  deutet  Ol.  Inschr.  n.  15t  den  Gedanken  an,  < 
Statuen  des  Diagoras  und  die  seiner  Sohne  seien  yielleicht  e 
yon  seinen  Enkeln  gestiftet  worden.    Alles  dessen  bedarf  es  nie 


OLYMPISCHE  SIEGER  195 

Tielmebr  ist,  weoD  sonst  jemals,  sicherlich  in  diesem  Fall  die  An- 
nahme eines  dem  Enkel  gleichnamigen  GrossYaters  geboten.  Auf 
der  Basis  des  Diagoras  stand  doch  gewiss  nur:  KaDiixk^ç  Geo* 
tôanov  iTtolfjaev,  aber  natürlich  nichts  davon,  dass  dieser  Theo- 
komos  den  megarischen  Zeus  gearbeitet  habe.  Pausanias  oder 
sein  Gewährsmann  bat  diesen  Vater  des  Kallikles  schlankweg  mit 
dem  Verfertiger  der  Zeasstatue  ideatiAcirt,  der  vermuthlich  der 
Sohn  dieses  Kallikles  war.  Wie  es  kam,  dass  die  Statuen  des 
Diigoras,  Damagetos  und  Eukles  später  neue  Basen  erhielten, 
wüureod  die  des  Dorieus  durch  das  ganze  Alterthum  ihre  ursprOn- 
ïehe  Basis  behielt,  entzieht  sich  unserer  Kenntnisse  Dittenbergers 
Amiihoie  (Ol.  loscbr.  159),  dass  ihatsftcblich  zwischen  der  Zeit  des 
Aristoteles  und  des  Pausanias  die  Gruppe  umgestellt  worden  ist,  halte 
ich  fOr  viel  wahracheinUcber,  als  den  Versuch  Purgolds  die  Angaben 
des  Aristoteles  und  Paneanias  mit  einander  in  Einklang  zu  bring  en, 
.  «9bei  er  Qbersidit,  dass  den  beiden  Aufstellungen  ein  verschiedenes 
Plriicip  zu  Grunde  liegt  Bei  der  alteren  folgen  die  drei  Geoe- 
ntisien  von  links  nach  rechts  aufeinander,  Vater,  S<ybne,  Enkel 
Bei  der  jüngeren  ist  der  Ahnherr  Diagoras  in  die  Mitte  gestellt, 
bb  icblieiseD  sich  die  Sohne,  rechts  die  Enkel  an. 

Ein  anderer  Sohn  des  Kallikles,  also  ein  Bruder  des  Tbeo- 

bsnos,  war  Apellees.    Er  arbeitete  fOr  Kyniska  die  beiden  olym- 

piseben  Siegesauatbeme,  deren  Basen  erhalten  sind  (Paus.  V  12,  5. 

VI  1,6.    OL  Inschr.  160.  634).    Entscheidender  als  das  ionische 

Alphabet,  das  in  Sparta  so  gut  wie  in  Athen  schon  Ende  des  5.  Jahr- 

hinäerts  in  priraten  Gebrauch  gewesen  sein  kann,  seheint  mir  fOr 

die  ipsiere  Ansetzung  dieser  Si^e  der  Anfang  des  Weibepigramms 

a  sprecbea:  Snàçtaç  fikv  ßaaU^eg  ifiol  nazéçeg  nalàôeX- 

fçl.    Danach  mflssen  ihre  Siege  unter  Agesilaos,  fermuthlich 

ÂL  96  und  97,  errungen  sein.    Die  Tbiftigkeit  des  Apelleas  so  weit 

nach  inten  auszudehnen  bindert  nichts,  somal  wenn  wir  annehmen, 

dtM  er  der  jUngere  Bruder  des  Tbeokosmos  war. 

HaUe  a.  S.  CARL  ROBERT. 


13* 


PARMENTOEA. 

I. 

Vom  Leben   des  grossen  Paroaenides  wissen   wir  soviel 
nichts,  selbst  wenn  wir  Piatons  Dialog  heranliehen,  was  aas 
kannten  Gründen  misslich  ist.    Die  Biographie  des  Laertios  hl 
im  biographischen  Theile  hauptsächlich  von  Sotion  ab,  dessen 
streben,  wie  längst  erkannt  ist,')  darauf  abzielt,  Parmenidesan 
Pythagoreer  anzuschliessen.    Hit  welcher  Willkür  immer  er  i 
fahren  sein  mag,  die  Thatsachen,  die  er  dafür  anführt,  hat  er  g 
gewiss  nicht  erfunden.    Gegen  Theophrasts  Ansicht,  der  den  P 
menides,  von  dogmengeschichtlicher  Voraussetzung  aus,^  an  Xei 
phanes   anknüpft,   macht   er   folgendes   geltend*):    ofiwç  d*  i 
ànqvaaç  xai  Sevoçàvovç  ovx  iqxokov&ijaev  avT(p^  imoivum^ 
dh    xal   ^AfABivl(f    xal   JioxaLvji    %Ç   üva^ayoQixq     (wg    I 
2ùnlœv)  avOQi  nivriti  fiév^  xalif  ôè  xaya&tß^  (p  xal  fiaii 
'^xoXovdriae  xal  ano^avévxoç  fiqÇov    lÔQvaato.     yévovç 
vnaQXiav  Xa^nQOv  xaï  TtXovaioç  V7t^  ^AfjLBivLov^  oÀA'  oix  v, 
Sevoçavovç  elç   fiavxlav  nQoevQafcrj,     Die  confuse  Geschicl 
wird  in  der  Regel  so  verstanden,  wie  Zeller  paraphrasirt  (I  554 
,Auf  Antrieb  des  Pythagoreers  Ameinias  soll  er  sich  dem  phi 
sophischen  Leben   gewidmet   und   für  Diochaites,  gleichfalls  ein 
Pythagoreer,  solche  Verehrung  gehegt  haben,   dass  er  ihm  ni 
seinem  Tode  ein  Heroon  errichtete.**^)    Aber  redet  denn  so  < 
Grieche  und  wenn  es  selbst  ein  Diogenes  wäre?     Kann  man  i 
'Afi€ivl(f   xal  JioxalTf]    beginnend    und    mit  t^  üvd'ayoQp 


1)  Dox,  148.   Rohde,  34.  Philologenvera.  83. 

2)  AI.  Metaph.  31,  7  Hayd.  fr.  6  (Dox.  482,  7)  ne^i  na^/iêviâov  md 
SoSfje  avtav  moI  ßeefcacroü  à»  rtp  n^iotq^  Ile^l  rw  ipMftHoîv  ovxms  h 
'rovrq^  3i  intytv6fi9voQ  Uacfuvidtjc  Uvçijroç  6  'EXêaTijç  (Hyt  9i  [moI]  Se 
<pàvfi¥)  *in  â/A^poréças  i]X&8  tàç  êdovs'  ktL 

3)  Laertios  IX  21  fr.  folgt  Sotion  hier  ohne  viel  zu  ändern. 

4)  Ebenso  Gomperz  Gr.  Denk.  1 136. 


PARHEMDEA  197 

ivdçï   ftivriti  fikv   xaXîp   dk  nèya^Ç  fortfahren,  als  ob  Amei« 

Dias    gar   nicht   genannt  sei?    Und  am  Ende  des  Satzes  taucht 

wiederuDQ  Ameinias  auf,   während   der  biedere  Diochailes  wie  in 

einer  Versenkung  verschwunden  ist.    Es  ist  schwer  Terstândlich, 

wie  wir  alle  so  lange  Ober  diesen.  Galimathias  weglesen  konnten, 

wenn   man   nicht  annimmt,   dass  unwillkürlich  die  Vorstellung  in 

uns  festsitit,  brave  Pythagoreer  mOssten  paarweise  auftreten,  damit 

sich  ihnen  dann  der  Dritte  im  Bunde  nach  bekanntem  Muster  an- 

schliessen  kOnne. 

Sieht  man  sich  die  in  diesem  Buche  maaèsgebende  lieber- 
liehmog  der  Hss.  BP  an,  so  verschwindet  jeder  Anstoss  mit- 
sammt  dem  Pythagoreer  Diocbaites;  denn  die  hier  gegebene  Ueber- 
fieferung  aß^ivUf  ôioxoItij  %Ç  nv&ayoQiX(^  braucht  nur  des 
durch  dialektische  Unkenntniss  entstandenen  lonismus  entkleidet  zu 
werden,  so  liest  man  den  einen  Namen  ^A^eivUf  Jioxaha  %Ç 
Uv^ayoQixfp^  an  dem  nichts  auszusetzen  ist  Denn  dass  der 
Tatersname  des  Pythagoreers  in  der  dorischen  Form  erscheint,  ist 
logar  ein  Zeichen  guter  alter  Ueberlieferung.  Der  Name  selbst, 
Most  nicht  nachgewiesen,')  ist  schon.  Das  lange  Haar  wallt  dem 
sdligen  (xaXoç  xaya-96ç)  Achter  wie  Zeus'  Locken  um  die 
Schulter.  Nicht  umsonst  spricht  der  Dichter  von  den  hauptum- 
kckten  Acbaern.  Auch  im  Folgenden  ergiebt  die  handschriftliche 
Oeberlieferung  noch  eine  Kleinigkeit.  Der  Satt  hOrt  nicht  hinter 
lèçiottto  auf,  sondern  schliesst  den  Participialsatz  yévovç  ^' 
twa^oiy  Xafjingov  xal  nXovvov  an.  Dann  folgt  mit  xai  an- 
pkaOpft  der.  Schlusssatz  vtt'  IdfiBivLov  u.  s.  w. 

Danach  ergiebt  sich  folgende  Schlussfolgerung  Sotionç:  ,Nicht 

laoopbanes  ist  der  Lehrer  des  Parmenides,  sondern  Ameinias  des 

Diocbaitas  Sohn,  der  Pythagoreer,  ein  armer  aber  adliger  Mann. 

Beweis  dafflr  ist  das  Heroon,  das  er  diesem  nach  seinem  Tode 

errichtete.     Denn  zu  solcher  Leistung  verpflichtete  ihn  sein  Stand 

(noiksse  ohUge)  und  befähigte  ihn   sein  Reichthum.')    Auch  war 


1)  Er  ist  nach  dem  Typns  JiO/ifjSrjs  gebildet.  Dass  x^^'^  zur  Nomen- 
datar  verwandt  wird,  seigen  die  von  Fick*  287  zusammengestellten  Beispiele. 
fiiieo  ganz  ähnlich  gebildeten  Namen  habe  ich  freilich  nicht  ermitteln  können. 

2)  ^ofijt^  gehört  zu  yévovs  und  nlovrov  gemeinsam,  die  nach  natür- 
licher Anffaasnng  zusammengehören,  vgl.  Eurip.  fr.  1040  ^àv  i9i^s  nçoç  vynts 
^fiérov  Vera,  Xa/ifffq.  Tf  nXoviip  xal  ydvBt  yav^fiêvov.  Daher  wird  die 
eigentlich  unmögliche  Verbindung  von  nldvvov  mit  ina^x^*^  erträglich.    Aehn- 


198  H.  DIEL8 

es  Ameinias,  nicht  Xenophaoes,  der  ihn  antrieb,  lich 
schattlichen  Leben  zu  widmen/ 

Woher  hatte  Sotion  diese  erlesene  Kunde?  Offenbar  tod  m 
Westbellenen,  der  Ober  das  in  Elea  noch  erhaltene  Denl 
•und  dessen  Inschrift  berichtete.  Die  Errichtung  eines  Heroeiu 
in  Unteritalien  nichts  Auflsllendes.  Die  Verbreitung  des  Tod 
und  Herooncultes  daselbst  ergiebt  sich  u.  A.  ans  den  dorti 
Vasen,  deren  Bilder  die  Form  jener  Aedicolae  tu  reconstruiren 
statten.') 

In  dieser  Inschrift  also,  die  den  Kern  der  DeberlieiBn 
bildet,  kann  eine  directe  Beseichnung  des  Pythagoreerthums  n 
wohl  gestanden  haben.  Vielmehr  war  das  ans  dem  besonds 
Inhalte  der  Weihinscbrift  erschlossen  und  die  Worte  nçot^n 
elg  fiQv%Uxv  werden  in  dem  Berichte  des  Sotion  so  Terwandt, 
ob  sie  als  Beweisinstanz  verwendet  werden  sollten.  Sie  wer 
daher  entweder  genau  so  oder  ähnlich  auf  dem  Stein  gestan 
haben.  D^  Ausdruck  Tiav%la  statt  fpiloaoq^ia  muthet  nieht 
aleiandrinische  Prosa  an,  namentlich  bei  Sotion,  der  fiber 
Verdacht  erhaben  ist,  die  quietistisdien  Anschauungen  pyrrh 
stischer  araça^la  auf  Parmenides  zu  Qbertragen.  Vielmefar  seh 
sich  ^avxla  sehr  wohl  in  ein  alterthOmliches  Griechisch,  in  i 
das  Wort  im  Sinne  von  othm  (syn.  axoX^f  Gegens.  froitn 
TtoXvnQOYfjLoavvri)  seine  richtige  Stelle  hat.*)  nqotf^ifteiv  l 
lich  ist  in  der  Sokratik  technisch  zugespitzt  worden  und  kOi 
darum  als  bedenklich  gelten,  aber  in  jenem  Zusammenhange 
das  gute  alte  Wort  auch  in  einem  Epigramme  des  5.  Jahrfaund 
denkbar.  Es  Hesse  sich  also  aus  den  gegebenen  Elementen  I 
spielsweise  folgendes  Widmungsdistichon  zusammensetzen: 
nagfißvldrjc  Jioxaka  ^AiieivUf  êïactro  firijfAa, 
0Ç  %é  fÀiv  ig  aefÂV^v  ftgovrganev  ijavx/i/r. 


lieb  ist  die  Yerbioduo^  Herod.  I  107  oiuùjç  fiip  iêvra  àyadijç^  rgoftoi 
fjavxiov.    Aber  der  Fall  ist  leichter.    Denn  v^onov  nrès  tXvtu  findet 
auch  sonst,  and  es  fehlt  nicht  das  bei  diesem  (im  Grieckisebeo  aelte 
Gebrauch  des  Qualititsgenitifs  unentbehrliche  AdjectiT.    Die  Vnlgata  nlm 
(oder  wenn  man  daffir  setsen  wollte  9f  JU«T«5r)  verdirbt  die  rfaelorisehe  F< 

1)  Watzinger  de  va»cuHs  TareniinU.    Bonner  Dissert  1899. 

2)  Vgl.  Pind.  P,  4,  296  êr  ts  aofois  BaêBtdiav  ^(fpuyya  fimmra 
noXiratç  h^fvxiq  ^iyifiM¥\  Isoer.  8,  26  t^  /lip  ^^vxfmp  dfehßmwefmm 
xê^aXêcrri^v  elva$  x^ç  nolv7t^yf$09wrjç. 


PARMENIDEA  199 

Der  Gedâttke  an  die  Ttêvjaetrjç  ^avxla  der  Pytbagoreer,  die  den 
dotreteodeD  NoTisea  auferlegt  wordeo  sein  soll,  ist  far  das  Ori- 
pul  natürlich  fern  zu  halten.  Aber  Solion  konnte  daran  gedacht 
ui  doe  Bestfitigung  seiner  Ansicht  darin  gefunden  haben.  Doch 
anch  abgesehen  Ton  einer  solchen  Missdeutung  konnte  eine  un- 
Mugene  Erwägung  des  Epigrammsy  falls  darin  eine  ähnliche 
Hoüfirung  der  Weihung  ausgesprochen  war,  kaum  auf  eine  andere 
EiUlrang  kommen,  als  dass  ein  dem  pythagoreischen  Bunde  an* 
gehöriger  AchSer  oder  Dorer  namens  Ameinias  entscheidenden 
finflass  auf  das  Leben  des  Parmenides  gewonnen  habe.  Denn 
war  auch  das  pythagoreische  Leben  keineswegs  der  politischen 
Bewegung  ganz  entfremdet,  so  fohlte  sich  doch  ein  dem  Verein 
aogeboriger  Philosoph  innerlich  getrennt  von  seinen  HitbOrgern, 
Qid  wie  er  sich  in  seinem  Gedichte  entzückt  und  erhaben  denkt 
ttcr  das  Getriebe  der  Menschen  und  in  himmlische  Hohe  gehoben, 
m  kannte  er  bereits  damals,  als  er  in  den  Orden  eintrat,  sich  aus 
ta  Wirren  des  Lebens  in  ein  seliges  Haus  versetzt  wähnen, 
9^/ay  xa^dttov  ^eyaXwv  noiyàv  laxoyz*  i^aigêtov,  wie  es 
iÔB  Zeitgenosse  Pindar  dem  verklarten  Herakles  verheisst.  Die 
hterpretation  des  Epigramms  scheint  mithin  das  Richtige  getroffen 
u  haben,  vorausgesetzt  dass  Parmenides  der  Philosoph  ist. 

Da  Sotion,  der  Alexandriner,  schwerlich  Elea  bereist  oder  be- 
MDdere  Stadien   Ober  italische  Localgeschichte  angestellt  hat,  so 
sehne  ich  als  Quelle  den  Bericht  eines  Westbellenen  an.    Ich  weiss 
keiaiB  bessern  als  Timaios,  der  sehr  wohl  diese  Localnotiz  auf- 
geMSbert  und  im  Literesse  des  Pythagoras  und  dessen  Schule  nutz- 
bar gemacht  baben  konnte.    So  hatte  er  (Fr.  78)  aus  Kroton  er- 
.  Urea,  dass  Pythagoras'  Tochter  ChorfOhrerin  der  Jungfrauen  und 
H^ler  der  Frauen ,  dass  ihr  Haus  der  Demeter  geweiht  und  die 
^  {arevtanoc)  Museion  genannt  worden  sei.    Bei  Empedokles 
btte  er  berichtet,  dass  Pythagoras  sein  Lehrer  gewesen  (!),  der 
ibo  ausgestossen    habe.     Er  hatte    als    Beweis   für  diese   pytha- 
goreische Beziehungen  dessen  Verse  r^v  dé  tiç  h  xêLvoiaiv  àv^Q 
Mquioêu  éiôiûç  u.  s.  w.  angeführt.    Besonders  merkwürdig  ist  die 
kaiiiâge  Bemerkung  (98  bei  Laert.VU171):  ,wenn  [Empedokles 
r  wnllidi  ab  Gott  gestorben  wäre,  so  wOrde  sein  Freund  Pausanias 
ihm  ein  Denkmal  oder  eine  Bildsäule  oder  eine  Kapelle   geweiht 
Aaben.     Denn  er  hatte  ja  das   Geld  dazu^  {xal  yoQ  nXovaiov 


200  H.  DIELS 

Die  kleioliche  Motiviruog  hier  wie  oben  beim  Denkmal  de 
Ameinias,  die  für  den  Zusammenhang  entbehrlich«  für  die  Pedao 
terie  des  Timaios  aber  charakteristisch  ist,  berechtigt  doch  wol 
die  Quellenfrage  in  diesem  Sinne  zu  erledigen,  zumal  er  gewii 
das  Epigramm,  das  Sotion  oder  dessen  Ausschreiber  weggelasse 
haben,  ausfQhrlich  nach  seiner  Gewohnheit  mitgetheilt  hatte.  Abc 
dieses  epigraphische  Interesse,  das  ihn  trieb,  die  Steine  in  de 
Tempelarchi?en  und  die  in  den  Fussboden  eingehisseoeD  Pro» 
niedekrete  aufzustöbern,  *)  gehört  zu  den  Leitmuscheln  der  Quellei 
forschung,  die  bei  der  Ermittelung  der  TimSlischen  Schichten  i 
der  historischen  Ueberlieferung  gute  Dienste  leisten. 

IL 

Eine  neue  und  nicht  ganz  werthlose  Notiz  Ober  Parmeaidi 
Ansicht  Ober  die  Fixsterne  hat  zuerst  M.  Treu^  aus  dem  Miscellai 
codex  Paris.  Suppl.  gr.  607  A  saec.  X  und  danach  E.  Maaas  j 
seinen  Aratcommentaren')  veröffentlicht.  Sie  lautet  hier  S.  318,  IS 
xal  Tùèv  fikv  dftlavwv  tûv  avv  %(^  navxi  negiayofiévùff  «i 
fikv  àxa%ov6(Aaa%a  rjialv  xai  ànegUrirtra,  wç  xal  üagfiivUifi 
b  q)vaiiioç  eicrjue,  Ta  dk  xatwvofAaaiiéva  wç  èx  %ov  fié  fi' 
&OVÇ  x^^^tt  elai  xarà  tov^Aqotov.  Die  hervorgehobenen  WmU 
sind  mir  nicht  verständlich.  Die  Hs.  bietet,  wie  auch  Treu  ediii 
êwç  ix  Tov  fieyé&ovç,  ganz  richtig,  wenn  man  Mwg  ïxrov  fUff 
-d-ovc  verbindet.  Der  Commentator  hat  die  Sternlisten  des  Ptote- 
maios  nachgesehen,  die  bekanntlich  die  Sterne  bis  zur  sechslM 
Grösse  aufzählen.    Er  selbst  sagt  das  Math.  9ynt.  VII  4  S.  29  Bain 


1)  Polyb.  XII 11,  2  höhDt  tod  der  Höhe  der  pragmatiscben  Historie  heut 
dieses  philologische  Interesse  :  6  ras  ^xarà  tovs)  omad'odoftovs  irrfjXttS  »• 
ras  iv  raXs  ^XiaXe  r(»v  vêoJv  TtgoSevias  iStv^rfMCJS,  Meine  Ergänzung  scheiti 
einfacher  als  die  Aenderung  von  Wilamowitz  èniad'oy(fa^pavt{Xu  u.  Ath.l  306*1 
6  oTtiC&oSô/tos  ■■  TO  T^  *Aaias  SrjfAoaiov  àçx^lov  bei  Eoseb.  fu  eeei  V  II 
p.  185  B  ff.  Val.  Verwandt  ist  seine  archäologische  Forschung,  die  sich  in  Akngi 
bis  auf  die  Monumente  für  Rennpferde  und  Lieblingsvögel  der  Kinder  erstreckt 
Auch  hier  hatte  er  in  seiner  pedantischen  WTeise  die  Autopsie  bezeugt,  Dio 
13,  82,  6  8rjlol  Si  Tr;v  rçvtprjp  a\ncâv  xai  tj  nolvrélêia  rmv  firrjfiêioÊV 
tivà  fiiv  role  â&XtjToXç  ïnnoii  xaxeansvaaaVy  tivà  Si  roie  vno  Ttov  se« 
&dvafv  xal  nalBwv  èv  otxq^  TçatpofAévois  oçvi&açloiÇ  ^  a  Jïftaios  im^axi» 
tpriai  iidxjfii  xov  xa&*  éavxov  ßiov  SiafAtvovxa, 

2)  Anonym.  Byr.  Ohlau  1880  S.  52,  19. 

3)  Commenlarior,  in  Arat,  reliqu,  BeroL  1898. 


PARHENIDEA  201 

ivrjçi^aafÀev  oaovç  dvvarov  ijv  (lixQi  twv  lov  %%tov  fieyé&ovç 
iiOTnevitv.  lo  der  Tierteo  Spalle  seioer  Listen  wird  die  Grosse 
der  Steroe  regelmässig  durch  die  Ziffero  ä  —  §  bezeichnet. 

Die  Nachricht  selbst  ergänzt  in  etwas  die  Dozographie  der 
PartDenideischen  Kosmologie.  Natürlich  hat  der  Dichter  sich  anders 
ausgedrOckt.  Die  feinere,  erst  von  Bpikur  aufgebrachte  Dnter- 
ttbeidoog  zwischen  anêiça  und  aTceQUrjTCTa  liegt  den  Eleaten 
fern.  Er  wird  die  Fixsterne  àvdwfia  (vgl.  8,  17)  xal  arteiça 
geninnt  haben.  Wie  sich  nun  aber  diese  ànlav^  in  den  Kosmos 
seiner  KrSnze  einfOgen,  wie  sich  die  Fixsternsphäre  zu  dem  olvfi" 
HOC  iaxo'^oç  verhalte  und  wie  das  MissTersiaindniss  der  Placita 
lofzaklären  sei,  dass  die  «Sterne  im  Feurigen^  (ovçavoç)  die  unterste 
Stelle  einnahmen,  ist  bis  jetzt  nicht  in  einwandfreier  Weise  er* 
üittelt  worden.  Die  neueren  Vermuthnngen  hierober*)  haben  ?ieU 
nehr  gezeigt,  dass  sich  die  schwierige  und  z.  Th.  mit  unnOthiger 
Kreiferung  gefohrte  Controverse  Ober  die  Parmenideische  Kosmo- 
logie ohne  neues  Material  kaum  wird  befriedigend  lösen  lassen. 
Okna  Gewaltacte  der  Interpretation  oder  der  Conjecturalkritik  ist 
■an  bisher  nicht  ausgekommen.  So  muss  man  wünschen,  dass 
«eitere  Bruchstücke  der  Theophrastischen  Tradition,  aus  der  sich 
ni  deo  Aratcommentaren  (aus  Poseidooios  und  den  Placita)  manches 
ffhlteo  hat,  unserer  lockenhaften  Kenntniss  dereinst  zu  Hilfe 
bmneo  werden.  Als  vorläufige  Abschlagszahlung  darf  man  das 
Ueine  Fragment  des  Parisinus  immerhin  willkommen  heissen. 

Berlin.  H.  DIELS. 


1)  VgL  meiDCD  Parmenidet  S.  105 f.;  Döring  Ztschr.  f.  Phil.  a.  phil.  KriU 
N.F.104  S.  161  ff.,  Patin  J.  f.  cl.  Phil.  Suppl.  20,  598. 


APVLEIANA. 

Quod  superest  cbartae,  mioutiis  quibusdam  ego  mihi  iilipleMi 
adrogavi,  ne  quia  prae  magnia  donia  quae  Dovum  aaecttlom  iigr 
auri  in  hoc  Hermae  faaciculo  coacervafimua  minutalia  deun  Doatr 
apernere  exiatimet 

Apuleiua  Lucii  Patrenaia  graecauicam  fabulam  ita  narrafk 
ooDDullia  mutatia,  alieoia  admixtia  permultia,  ceteroquiu  graeci  aar 
toria  exemplum  aatis  diligenter  aecutua  id  prooemio  miro  uaua  ai 
ficio  tamquam  Lucii  Domine  de  auia  ipae  atudiia  expooerel,  extra 
Jibri  parte  eidem  Lucio  adfiogeret  quae  dod  niai  ipai  acddi 
certum  eat  Luciua  enim  de  auia  fatia  quae  iradiderit  docet  1 
ciauea  quae  fertur  epitome.  Apuleiua  roaia  aalutiferia  laidia  di 
auxilium  addidit  plane  inutile,  ut  acilicet  publice  pronuDtiarel  G 
rinthi  se  olim  verno  tempore  featis  nXoiaq>ëaUav  diebua  (III 
Isiacia  sacria  initiatum,  deinde  neacio  cuiua  anni  Idibua  Daoai 
bribua  (c.  26)  Romam  profectum  iam  Isidia  Oairidiaque  üben 
Providentia  atipendiia  forenaibua  bellule  foveri  (c.  30).  repelita  gn 
festiaaimi  diei  recordatione,  quo  légitima  teletae  conaummatio  cd 
brata  erat,  ita  religioaum  quo  utebatur  habitum  deacribit  (e^l 
in  ipso  aedis  sacrae  medituUio  ante  deae  iimtdacrum  eoiufiMi 
tribunal  ligneum  iussus  superstiti,  byssina  quidem  ied  flariiB  i 
picta  veste  conspieuus.  et  umeris  dependebat  pone  tergum  takn 
tenus  pretiosa  Alamyda.  quaqua  tarnen  viseres,  colore  vario  eirm 
notatis  insignibar  animalibus:  hinc  draeones  India,  inde  grj/l 
Hyperborei,  quos  in  spedem  pinnatae  alitis  generali  munéu»  aft 
hanc  olympiacam  stolam  sacrati  nuneupant,  recte  aie  ial 
pretantur  quod  traditum  est  olipiaea{m)  stolam.  tamen  ut  ipai 
Aegyptii  Olympicis  alieni  immo  adversi  sunt,  ita  ne  atola  quid 
Olympiaca  did  potuit.  certam  inventam  mihi  emendationem  o 
firroavit  Damascius  Vit.  Isidori  107  de  Heraisco  philoaopbo  narr 
ono&avovTi  ok  Ineiô^  tic  vofii^ofAeva  toIq  Uçevacv  o  'AaiL 
niàôrjç  ànoôiôovai  TcaçeaKevâ^êto,  %a  tb  alla  xal  vàç  X) 


APVLEIANA  203 

f 

QÉ.4idaç  inl  %m  awfdcnc  necißoXac,  avzUa  q>w%l  xa%ëXafÂn$%o 
tmctnaxil  tCh  Oivdovwv  anoQQijTa.  aiayQa^iAata  xai  negl  avtà 
nuM-^iùfQâto  q>aafAa%(av  eïdt}  ^eonçenwv.     îoduit  igitur  ille  dod 
Oljmpiacam  sed  Otiriaeam  siolam. 

Isis  dea  Lucium  dormieoteiD  tali  oratione  digoata  esse  per- 
bibetur  (c.  5)  m  adium  tui$  eommota,  Lud,  preeibus  .  .  cuius 
Mmm  umeum  muüiformi  specie,  rüu  varie,  nomine  mtdtiiugo  totus 
«eaentfiir  mrbis.  inde  primigenii  Phryges  Pessinuniiam  deam  mairem, 
UM  auiaehikones  Attid  Cecropeiam  Minervam,,  illine  fluduantes 
Cgfrii  Paphiam  Venerem,  Creies  sagittiferi  Dictynnam  Diamm,  Si- 
mk  trüitigue$  Stygiam  Prosarpinam,  .  .  .  Eleudnii  Vetustam  deam 
(knrem  .  •  priteaque  docirina  pollentes  Äegyptii  caerimoniie  me  pro- 
friù  pertùlmUes  appellant  vera  nomine  Reginam  leidem,  notabili 
MMtaotia,  ut  solet  Apuleius  in  oratiooe  sublimiore,  vides  dod 
NhiiD  siDgulis  geDtiooa  Domioibus  siogula  adiectiTa  apposita^  ita 
tt  EleusiDiorum  epithetoD  librarii  culpa  iDtercidisse  coDiciaa,  sed 
(tim  siDgula  dearum  Doaiioa  sacris  slDgulis  cogDooaiDibus  oroata. 
nele  eoim  Apuleius  dod  tijv  naXaiiv  sed  t^v  ^Aqxalav  ^- 
tapi^  iDtellegebal,  i.  e.  primigeoiam  fel  frugum  pareutem  origi- 
(c.  2).  iDauditum  vero  est  Proserpiuae  Stygiae  DooaeD  Dec 
quÎD  Ortygiam  Proserpinam  Apuleius  scripserit.  coufir- 
igiiur  quod  Boeckbius  cooiecerat  (ad  Piod.  01.  VI  92)  Cereris 
^ProseqiiDae  templuoi,  cuius  sacerdotium  a  maioribus  receplum 
teidiii  HieroD,  id  Ortygia  iDsula  situai  fuisse. 

multo  iocertius  est  iudicium  de  difficiilimo  loco  c.  10,  ubi 

pHipa  Isiaca   describitur.     agmeo  ducuot  lov%Qox6oif  secuDtur 

IBphoDiacif   tum  iDitiatorum  turbae,  deiode  aotistites  poteDtissi- 

■orom  deonioi    profercDtes   iDsigDCs   exufias.     e  quibus  primus 

iMmiam  claro   praemicaotem  porrigebat  lumiue,  tertius  palmam 

ittoUebat  subtiliter  foliatam  et  Mercuriale  caduceum,  quartus  aequi- 

Mii  iodicium  osteudebat  deformatam  maDum  siuistram  simulque 

Miream  vasculum  iu  modum  papillae  rotuodatum,  quiotus  auream 

faiDum  aureis  cougestam  ramulis,  sextus  amphoram  ferebat.    haec 

ot  iperta  omoia  ita  obscura  suDt  quae  de  secuudo  dicta  legimns: 

MomiiM  veetitu  quidmn  (primo)  similis  sed  manibus  ambabus  gerebat 

ëbaria  id  est  auxilia,  quibus  nomen  dedit  proprium  deae  summatis 

auxiUaris  Providentia,     oihil   profecit  Hildebraodius  deletis  verbis 

id  est  auxilia  lamquam  ab  ioterprete  docto  additis.    dod  saDe  is 

erat   Apuleius    qui    proprium   iustrumeuti   DomeD  legeotibus  divi- 


204  G..KA1BEL«  APVLEIANA 

oaoduin  relioqueret,  at  taceam  altaria  oullo  pacto  auxilla  explicari 
potniase.  proprium  oomen  fuisse  conieci  auxtlhu.  auxilla  eDim 
teste  Festo  (Pauli  p.  24,  17)  oUa  parfola  est,  ut  malas  e  mazillis, 
alas  ex  axillis  factas  perhibent,  et  recte  opinor  Guilelmus  Heraeiis 
corruptam  glossam  (Thes.  gloss.  VI  1,  120)  aifa^tï^tcm:  Içétav  lv%ça 
Tj  ovfAfiaxlot  ita  emeudabat  auxilla:  Içécjv  (potius  Uçêltav)  xvrça* 
▼ideutur  antem  ollae  sacro  apparatu  refertae  Isidi  Manium  regioae 
(Apul.  XI  5)  eodem  modo  dicari  quo  Athenienses  Anthesteriorom 
ritu  Mercurio  infero  deo  chytras  saci*abant  io  eonim  memortam 
qui  e  fluctibus  Deucalioneis  olim  superstites  evaseraot,  teste  Theo* 
pompo  in  schol.  Anst.  Ran.  218.  tameo  Apuleius  quid  scripserit 
ne  sic  quidem  liquet,  poteris  facere  verborum  ordioe  mutais 
auxillas  id  est  altaria,  si  quidem  altaria  glossographi  explicant  doi 
solum  ßwfAOvc  sed  etiam  yh)aiaa%riQia  vel  xanvœttjçia,  poterift 
etiam  verba  id  est  altaria  tamquam  interpretis  additameutum  de 
medio  tollere. 

Apuleius  Isiacus  factus,  deinde  Osiriacus,  deoique  tertiam  quo* 
que  cogitur  teletam  susceptare  (c.  29),  quae  qualis  fuerit  noo  satis 
perspicitur.  mirantem  et  vario  cogilationis  aestu  fluctuaotem  diviai 
somnii  suada  maiestas  firmavit  et  quod  usus  foret  pronuntiavit.  coi 
obsecutus  (c.  30)  protinus,  inquit,  eastimoniae  iugum  subeo  et  legs 
perpétua  praescriptis  Ulis  decern  diebus  spontali  sobrietate  mnlii' 
plicatis  instructum  teletae  compara  largitus,  ex  studio  pietatis  WHsg^ 
quam  mensura  commoditatis,  ita  eoim  extreme  verba  redintegrao^i^ 
esse  suspicabar,  quae  io  codice  satis  corruptam  baoc  fere  habeol 
speciem  quam  mensurarum  eolatis  (vel  cilatis). 

Gottiogae.  G.  KAlBEL. 


ZUM  STADTRECHT  VON  ÜRSO. 

Auf  den  BroDzetafeln  von  Osuna  stehl  der  Text  des  Stadtrechtes 
der  €ohmvi  Genetiva  hdia  in  eigenthamlichem  Zustand.    Die  beiden 
mlen  erhaltenen  Stücke  c.  61— 82  und  c.  91— 106,  der  Inhalt 
4er  Tafeln  I — III«  sind  abgesehen  von  Schreib-  und  Orthographie- 
(cblern  in  bester  Ordnung.    Die  Fassung  ist  in  diesem  Theil  des 
Ceieties  fast  durchweg  sachgemflss  und  klar,  wie  bei  den  übrigen 
StMtsurkunden   der  Cäsarischen  Zeit.    Der  xweite  Theil  dagegen, 
te  auf  Tafel  IV  erhaltene  Stück  c.  123—134,  zeigt  ausser  den 
^cben  flusserlichen  Mängeln  eine  ungewöhnlich  schlechte  Form. 
Der  Text  ist  hier  weitschweiOg ,  unklar,  theilweise  geradezu  nn- 
^milDdlich,  yoll  unnützer  Wiederholungen  und  sprachlicher  Un- 
Mglichkeiten.    Ausserdem  betreffen  die  Beslimmungen   über  den 
fttroDat  in  c.  130  einen  Gegenstand^  der  schon  im  ersten  Theil 
^  97  in  anderer,  scheinbar  abschliessender  Weise  behandelt  war.') 
Aus  zufälligen  Vorkommnissen  bei  der  Entstehung  des  Bronze- 
^ODplars  lassen  sich   diese  Dinge   nicht  erklären.     Allerdings  ist 
^Qch  die  Schrift  auf  Tafel  IV  theilweise  kleiner  und  enger  als  auf 
<len  drei  ersten  Tafeln  eingegraben.     Aber  der  Abschnitt,   der  so 
österlich  als  Zusatz  erscheint,  c.  129 — 13t,  deckt  sich  nicht  mit 
^  Theil  des  Textes,  dessen  Besonderheiten  in  der  Form  hervor- 
gehoben wurden.  Und  umgekehrt  erstrecken  sich  die  EigenthOmlich- 
keiteo  der  Orthographie  gleicbmässig  über  alle  erhaltenen  Theile 
àfx>  Gesetzes:  die  Vermengung  alter  und  junger  Sprachformen,  die 
Verwechselung  der  Conjunctionen  cue  und  ve^  die  Missverständnisse 
eiDieloer  Worte  und  die  Entstellungen  einzelner  Wendungen  ßnden 
sich  eben  so   zahlreich  auf  der  vierten,  wie  auf  den  drei  ersten 
Tafeio. 

Nach  Hübner,  der  das  Original  geprüft  hat,  sind  alle  Inschrift- 
platten gleichzeitig  in  Domitianischer  Zeit  hergestellt  worden.    Die 


1)  CIL  II  Soppl.  5439.  —  Brans  Ftmies  iur.  rom.  ant  ed.  VI  p.  123. 
HenBM  XXXY.  14 


206  E.  FABRICIUS 

Leute,  meint  er,  die  das  umfaDgreicbe  ActeostOck  auf  die  Bron 
tafeln  zu  übertragen  hatten,  könnten  sich  hinsichtlich  des  Raui 
verrechnet  haben  und  während  der  Arbeit  genOthigt  worden  m 
um  auszukommen,  gegen  Ende  SchriftgrOsse  und  ZeilenabsUli 
zu  verringern.')  Auch  war  die  Vorlage,  nach  der  sie  arbeil 
mussten,  stellenweise  anscheinend  schwer  zu  lesen.  Und  die  eigi 
thOmliche  Orthographie  wird  mit  Recht  darauf  zurOckgeführt,  d 
die  Verfertiger  der  Inschrift  sich  nicht  allein  häufig  geirrt,  sonde 
namentlich  die  sprachliche  Form  der  Vorlage,  das  heisst  die  Schrei 
weise  der  Cäsarischen  Zeit,  nicht  immer  gewahrt,  sondern  si 
hier  und  da  der  Rechtschreibung  ihrer  eigenen,  der  Domitianisch 
Zeit  bedient  haben.  Während  also  alle  diese  mehr  äusserlich 
Dinge  sehr  einfach  und  klar  liegen,  gehen  über  die  Ursache  i 
mangelhaften  Fassung  des  Textes  im  zweiten  Theil  des  Geseti 
die  Ansichten  weit  auseinander. 

Hommsen  glaubte,  dass  die  Urkunde  hier  durch  Interpol 
tionen  entstellt  sei,  Huschke,  dass  Caesar  sich  des  Mittels  der  Arbdl 
theilung  bedient  und  das  Gesetz  durch  verschiedene  Concipient 
habe  herstellen  lassen,  und  Nissen  erkennt  in  dem  ganzen  zweit 
Theil  Zusätze  aus  Augusteischer  Zeit.')  Die  erste  dieser  E 
klärungen  befriedigt  nicht,  weil,  wie  ihr  Urheber  selbst  bemerl 
ein  vernOnfliger  Grund  für  die  Interpolationen  nicht  zu  erkenn 
ist.*)  Wäre  Huschkes  Erklärung  richtig,  so  dürften  die  gleich« 
Materien  nicht  in  beiden  Theilen  des  Gesetzes  vorkommen.  Dei 
bei  der  Arbeitstheilung  kann  vom  Gesetzgeber  doch  nicht  ein  ui 
derselbe  Gegenstand,  wie  beispielsweise  der  Patronat,  verschiedeo« 
Bearbeitern  zugewiesen  worden  sein.  Und  gegen  die  Annahf 
der  Entstehung  des  so  mangelhaft  abgefassten  zweiten  Theiles 
spätaugusteischer  Zeit  spricht,  abgesehen  von  den  auch  hier  so  zai 
reichen  Beispielen  voraugusteischer  Orthographie,  eben  die  Mang 
haftigkeit  des  Textes  selbst.  Es  ist  doch  kaum  denkbar,  dass  < 
kaiserliche  Regierung  gerade  damals  Verordnungen  in  solchem  2 
stand  in  die  Provinz  hätte  gehen  lassen,  und  eben  so  wenig  ka 
man   sich  vorstellen,   dass  dort  an  den  Verordnungen  willkOrlii 

1)  CIL.  II  Suppl.  p.  860.  —  Abbildungen  der  Schrift  bei  Hühner  Ewern 
script,  epigr,  n.  805  a — e. 

2)  Mpmmsen  Ephem.  epigr.  II  p.  121.   —   Huschke  Die  Malta  und 
Sacramenlum  S.  548  ff.  —  Nissen  Rhein.  Mus.  45  (1890)  S.  107  ff. 

3)  Bei  Bruns  Fontes  iur,  roin,  ant,  ed.  VI  p.  135  not. 


ZUM  STADTRECHT  VON  ÜRSO  207 

und  sioolose  AeDderungen  vorgenommeD  worden  seien.  Auch 
mOsste  der  Redactor  dieser  Augusteischen  Zusätze,  worauf  Nissen 
lelbst  hingewiesen  hat,  in  c.  125  ohne  allen  vernünftigen  Grund 
TOD  dem  Dictator  Caesar  gesprochen  haben,  als  wäre  er  noch  am 
Leben.  So  führen  diese  LOsungsversnche  immer  nur  zu  weiteren 
Aporieo.  Aber  durch  die  Erwägungen,  die  im  Einzelnen  geltend 
gemacht  worden  sind,  scheint  mir  die  Frage  doch  so  weit  geklärt, 
da»  man  von  Neuem  an  das  Problem  mit  der  Hoffnung  heran- 
gehen kann,  eine  Lösung  zu  finden,  bei  der  alle  formellen  und 
nchlichen  EigenthQmlichkeiten  des  Textes  befriedigend  erklärt 
werden. 

Vor  allem  müssen  wir  uns  nur  über  die  Ursachen  der  Ver- 
kehrtheiten und  Mängel  an  den  einzelnen  fehlerhaften  Stellen  ver- 
ständigen. Am  klarsten  liegt  der  Schaden  an  der  schon  von 
Nommsen  und  Nissen  behandelten  Stelle  c.  127,  wo  von  dem  prae- 
fuctus  fakrum  die  Rede  ist,  eins  magistratus  prove  tnagistratu,  qui 
fnmeiarum  Hispaniarum  uüeriorem  Baeticae  praerit  optinebit.  ,In 
der  Vorlage  des  Graveurs  war  offenbar  die  Correctur  Baeticae  praerit 
ab  Ersatz  für  die  ältere  Fassung  angemerkt  gewesen  und  der  Graveur 
bat  aus  Nachlässigkeit  die  Correctur  nebst  den  zu  tilgenden  Worten 
in^enoromen^  Man  wird,  um  ganz  vorsichtig  zu  sein,  diese  in 
der  Hauptsache  zweifellos  richtige  Erklärung  Nissens  dahin  ein- 
schränken müssen,  dass  formell  auch  das  Umgekehrte  möglich  ist 
>nd  vielleicht  die  längere  Fassung  die  kürzere  ersetzen  sollte,  und 
dass  der  Fehler  schon  bei  einer  früheren  Abschrift,  nicht  erst  bei 
der  Debertragung  auf  Rronze  in  den  Text  gekommen  sein  kann. 
'  Aof  alle  Fälle  steht  hier  eine  Correctur  im  Text,  ohne  dass  die 
Vorte,  die  dafür  in  Wegfall  kommen  sollten,  im  Concepte  getilgt 
oder  bei  der  Copie  fortgelassen  worden  sind. 

Der  gleiche  Fehler  kommt  aber  auch  sonst  an  Stellen  vor, 
wo  er  noch  nicht  recht  erkannt  oder  beachtet  zu  sein  scheint. 
Der  Anfang  von  c.  126  lautet  auf  der  Bronze:  Ilvir,  aedilis,  prae- 
feetu»  quicumque  coloniae  Genetivae  luliae  ludos  seaenicos  faciei, 
•  . .  colonos  Genetives  incolasque  hospitesque  atventoresque  ita  sessum 
duetto,  ita  locum  dato  distribuito  atsignato,  uti  de  ea  re,  de  eo  loco 
dando  atsignando  decuriones,  cum  non  minus  L  decuriones,  cum  ea 
res  eonstdetur,  in  decurionibus  adfuerint,  deereverint  statuerint  sine 
doh  malo.  Hier  sind  die  von  Mommsen  als  Interpolation  gekenn- 
zeichneten Worte  tita  loeum  dato  distribuito  atsignato  als  Ersatz  für 

14* 


208  E.  FABRICIUS 

ita  seisum  dudto  gedacht  und  sollten,  natariieh  Dach  Aeoder 
des  Objectscasus ,  ao  ihre  Stelle  treten;  ebenso  waren  die  W 
de  to  loco  dando  aisignando  bestimmt,  de  eareva  ersetzen,  um 
dêcurianibuB  sollte  statt  des  zweiten  decuriones  in  den  Text  komn 
Wenn  es  dann  nach  der  ausgehobenen  Stelle  weiter  heisst:  < 
ita  ab  deewionibus  de  loeo  dando  atiignando  üaiuium  deerehtm  ( 
so  muss  auch  hier  de  loco  dando  atsignando  nachtrSglicb  hii 
gefflgt  und  bestimmt  gewesen  sein,  fOr  oder  neben  ita  einges 
zu  werden. 

Gans  ähnlicher  Art  sind  die  Teztentstellungen  und  Dngerei 
heiten  im  128.  Kapitel,  dessen  Anfang  lautet:  Ilvir  aediUs  p 
fectus  eoloniae  Genetivae  luliae  quicutnque  erit,  is  mo  quoque  m 
magiitratu  itnperioque  facito  curato,  quod  eius  fieri  potent,  tili  {i 
recte  factum  esse  vokt  sine  dolo  mah,  magistri  ad  fana  templa 
lubra,  quem  ad  modum  decuriones  censuerint,  suo  quoque  anno  /b 
eique  decurionum  décréta  suo  quoque  anno  ludos  circenses,  sacrif 
pulvinariaque  facienda  curent,  quem  ad  modum  quitquit  de  Osréi 
magistris  creandis,  ludis  drcensibus  faciendis,  sacrifidis  procuran 
puhnnaribus  faciendis  decuriones  statuerint  decreverint,  ea  on 
ita  fiant.  In  diesem  horribeln  Satz  scheinen  zwei  Fassungen  i 
selben  Sache  gleichsam  ineinander  geflossen:  die  Wendungen  ] 
enis  fieri  poterit  und  quod  recte  factum  esse  volet  sine  dolo  n 
sind  eine  unnötige  Häufung,  der  Concipient  hat  wohl  zwisc 
ihnen  geschwankt,  oder  die  eine  war  als  Verbesserungsforscl 
far  die  andere  angemerkt.  Ferner  suo  quoque  (auf  der  Tafel  sl 
das  sinnlose  quemque)  anno  ist  zuerst  an  den  Schluss  des  Sa 
▼or  fiant  gesetzt  und  dann  an  den  Anfang  hinter  is  heraufgerC 
worden;  quem  ad  modum  und  quitquit,  de  iis  rebus  und  de  i 
gistris  ereandis  etc.,  decurionum  décréta  und  quem  ad  modum  . 
decuriones  statuerint  decreverint  sind  lauter  Wendungen,  von  de 
immer  nur  eine  im  Text  stehen  bleiben  sollte. 

Ebenso  ist  in  c.  130  (Z.  44)  für  decurionum  décréta  corn 
worden  decurionum  sententia  per  tabellam  facta,^)  décréta  aber  tr 
dem  stehen  geblieben;  c.  132,  wo  der  Text  lautet:  ne  quis  . 
petitor  kandidatus  .  .  magistratus  petendi  causa  .  .  magistratus 

1)  Aaf  der  Bronze  steht  zweimal,  c.  130  und  c.  13t,  sinnlos  sentt 
per  tabellam  facito,  —  SentenÜam  per  tabellam.  facere  für  ferre  ist  i 
belegt,  aber  nach  Analogie  von  discessionem  facere^  senatus  consutium  fa^ 
decretum  facere^  natürlich  Tom  Vorsitzenden  gesagt,  nicht  aoTerstSndHc] 


ZUM  STADTRECHT  VON  DRSO  209 

ttndi  cmviüia  fadto,  sollte  der  wiederholte  Ausdruck  ao  einer  der 
beiden  Stellen  fortbleiben;  und  c.  133  in  den  Worten  uxarei  .  . . 
kffäms  eoloniae  Genetivae  luUae  virique  parento  iuraque  ex  hae 
kgB,  qmecumque  in  hae  lege  scripta  sunt,  omnium  rerum  ex  hoc 
b^  habento,  sollte  das  erste  ex  hae  lege  entweder  durch  quoeeum- 
fMe  ere.  ersetzt  oder  an  den  Scbluss  gerückt  werden,  ist  aber  am 
infiDg  trotzdem  nicht  getilgt  oder  fortgelassen  worden. 

Von  Interpolationen  im  gewOhnhchen  Sinn  kann  an  allen 
diesen  Stellen  nicht  wohl  die  Rede  sein.  Wir  haben  es  fielmehr 
mit  einem  unfertigen  Text  zu  thon,  mit  einem  Concept,  das, 
dnrchcorrigirl  und  Qberarbeitet^  mit  allen  Abänderungen  und  Ver- 
keeMruogen  ohne  Tilgung  der  Worte,  die  ersetzt  werden  sollten, 
gedankenlos  abgeschrieben  ist 

Unter  dieser  Voraussetzung  begreift  man  auch  die  meisten 
flbrigen  Mängel,  die  unnOthigen  Wiederholungen  und  Sprachwidrig- 
keilen. Am  Schluss  von  c.  127  geht  sachlich  und  formeil  der 
Zittnunenhang  geradezu  verloren;  man  erkennt  ungefähr  den  Ge- 
danken, den  der  Concipient  ausdrücken  wollte,  aber  was  in  dem 
Dorcbeioander  angefangener  Sätze  ursprüngliche  Fassung  und  was 
Zutatx  oder  Aenderungsvorschlag  ist,  lässt  sich  gar  nicht  mehr  ent- 
wirren. Der  Sekretär,  dem  die  Ausarbeitung  dieser  Theile  des  Ge- 
leties  oblag,  war  sichtlich  ungewandt,  und  man  hat  ihm  offenbar 
■icbt  die  genügende  Zeit  gelassen ,  um  seine  Arbeit  zu  vollenden, 
(cicbweige  denn  nachträglich  das  Ganze  in  Ordnung  gebracht. 

So  erklärt  sich  weiter  die  sinnwidrige  Verwendung  verschie- 
dener Formeln  der  Gesetzessprache.  Während  im  ersten  Theil  die 
<A  wiederholte  Bestimmung  Ober  die  Bussgelder  mit  geringer  Ab- 
weichung regelmässig  lautet  :  eiusque  pecuniae  cut  (Fehler  statt  gut) 
^  petitio  persecutio  ex  hae  lege  esto,  steht  im  zweiten  Theil 
^Imässig  die  längere  Fassung:  eiusque  pecuniae  cui  eorum  vokt 
^^f^atorio  iudicio  aput  Ilvirum  praefectumve  actio  petitio  per- 
*Kitfio  ex  hae  lege  ius  potestasque  esto.  Hier  verrälh  der  Zusatz 
^  potestasque  die  Gedankenlosigkeit  des  ungebildeten  Schreibers, 
der  wie  mancher  moderne  Subalternbeamte  erlernte  Formeln  sinn- 
widrig verwendet«  So  ist  es  gewiss  auf  blosse  Gedanketilosigkeit 
des  Concipienten  zurückzuführen,  dass  die  Kapitel,  die  von  den  Ob- 
li^enbeiten  der  Beamten  handeln  (126, 128—131, 134),  regelmässig 
mit  den  Worten  beginnen  :  //t;tr  aedilis  praefectus  eoloniae  Genetivae 
luUae  quieumque  erit,  auch  in  Fällen,  wo  es  sich  im  Folgenden 


210  E.  FABRICIUS 

um  Fuoctioneo  bandelt,  bei  deren  Ausübung  die  Aedileo  gar  micA 
in  Frage  kamen  (130.  131.  134),  aedilis  also  h8Ue  fortblôb«« 
müssen.  Warum  im  zweilen  Theil  des  Gesetzes  in  den  Slrmf' 
androbungen  der  Hinweis  auf  das  Recuperatorengericht  immci' 
wiederholt  wurde,  während  er  im  ersten  weggelassen  ist,  mag  dahin 
gestellt  bleiben'):  jedenfalls  fehlt,  das  zeigt  sich  auch  hierin,  die 
letzte  Deberarbeitung  des  Ganzen,  bei  der  alle  UngleicbaUlssigkeite0 
und  Verkehrtheiten  hätten  beseitigt  werden  müssen. 

Endlich  kann  es,  wenn  man  sich  einmal  klar  gemacht  hat» 
dass  das  Gesetz  unvollendet  ist,  nicht  befremden,  dass  in  der  Aift- 
einanderreihung  der  behandelten  Gegenstände  die  grOssteVerwirraB^ 
herrscht,  und  dass  auch  die  gleichen  Gegenstände,  wie  der  PatronaC« 
in  doppelter  Formulirung  vorliegen.  Nur  fordern  hier  die  Ab- 
änderungen der  im  ersten  Theil  enthaltenen  ursprünglichen  FassuBg^v 
insofern  sie  nicht  formell,  sondern  sachlich  sind,  eine  weiter«» 
besondere  Erklärung. 

Das  Sladtrecht  der  cohnia  Genetiva  luUa  ist  also  niemals  fertig 
geworden,  sondern  wurde  im  Zustand  eines  ungleich  gearbeitete!»« 
unvollendeten  Entwurfes  nach  Urso  geschickt  Es  fragt  sich  nufft" 
mehr,  ob  diese  auffallende  Thatsache  sich  nicht  aus  dem, 
wir  über  die  Entstehungsgeschichte  der  Colonie  sicher  wissen, 
greifen  lässU 

Wie  der  Name  lehrt  und  das  Gesetz  selbst  sagt,  gilt  lalia* 
Caesar  als  Gründer  der  Colonie,  quae  i%U9u  C,  Caesaris  diüMr^ 
deducta  est  (c.  106),  die  Ausführung  der  Deduction  und  der  kBr 
signationen  kann  aber  erst  nach  seinem  Tod  erfolgt  sein,  des* 
e.  104  heisst  der  ager  im  Gebiet  der  Colonie  qui  iussu  C.  Catupri^ 
dictatoris  itnperatoris  et  lege  Äntonia  senatusque  consuUü  fiMff^ 
scitis  ager  datus  atsignatus  erit.  Die  Existenz  der  Colonie  berub^ 
also  rechtlich  erstens  auf  der  Bestätigung  der  acta  Caesaris  dardi 
den  Senat  und  das  Volk  vom  17.  März  44,  wobei  bekanntlich  éi^ 
schriftlich  hinterlassenen  Entschlüsse  mit  einbegriffen  waren,  daher 
iussu  Caesaris,  zweitens  auf  der  allgemeinen  lex  Äntonia  de  cobiiäf 
deducendis  (Cicero  Phil.  V  10)  oder  einem  Specialgesetz  des  An- 
tonius  über  Urso,   und   drittens  auf  den  weiteren   Aasftlhrungs- 

1)  Buschke  meiot,  der  Goocipient  des  ersten  Theiles  könnte  das  Process* 
verfahren  überhaupt  und  namentlich  das  Recuperatorengericht  in  eioem  eigenes 
(jetzt  verlorenen)  Abschnitt  behandelt  und  sich  desshalb  im  Einzeln  kurier 
gefasst  haben.   Vgl.  c.  95  des  Gesetzes. 


ZUM  STADTRECHT  VON  URSO  211 

bestimrouDgen  «  die  yermuthlich ,  als  c.  104  des  Stadtrechtes  ab- 
gefasst  wurde,  vom  Seoat  und  vom  Volk  noch  erlasseo  oder  ge- 
nehmigt werden  sollleo.  Das  Stadtrecht  selbst  ist  folglich  in  der 
Fassung,  io  der  es  nach  Urso  ging,  io  der  Zeit  zwischen  Caesars 
Tod  und  Antonios'  Abreise  von  Rom  (October  44)  entstanden,  und 
wir  mQssen  zwei  Bestandtheile  darin  unterscheiden,  den  Ursprünge 
Ijchen  Entwurf,  der  sich  in  Caesars  Nachlass  vorgefunden  hatte, 
1     uod  die  Zusätze  des  Antonius. 

[  Denn  dass  ein  Theil  des  Gesetzes  noch  zu  Caesars  Lebzeiten 

I     ibgefasst  worden  sei,  hat  Mommsen  mit  Recht  aus  c.  66  geschlossen, 

\     wo  es  von  den  zukünftigen  Priestern  der  Colonie  heisst  :  çfios  ponti- 

fut  quosque  augures  C.  Caesar  quive  iussu  eius  coloniam  deduxerù, 

ffurü  ex  eolanis  Genetivis,  ei  poniifices  eique  augures  coloniae  G.  L 

•     Mtfo.    Man  wird  hiernach  annehmen  dürfen,  dass  der  ganze  erste 

l     Theil  des  Gesetzes,  der  ein  so  durchaus  einheitliches  Gepräge  trägt 

Qod  alle  Vorzage  Caesarischer  Technik  aufweist,  in  Caesars  Bureau 

losgearbeitet  worden  ist  und  nach  Caesars  Tod  nur  einzelne  Zusätze 

(wie  den  in  c.  104)  erhalten  hat. 

Aber  die  ganze  Angelegenheit  war  doch,  als  Caesar  ermordet 
wurde,  erst  in  Vorbereitung,  das  Stadtrecht  unvollendet,  die  Aus- 
fähruDgsbestimmungen  kaum  beantragt,  geschweige  denn  beschlossen. 
AotODius  hat  alles  Weitere,  so  gut  es  ging,   erledigt.     Auf  ihn 
wflrden  wir  dann  im  Wesentlichen  den  zweiten  Theil  des  Gesetzes 
nirOckfOhren.     Bei    dieser  Annahme  wflre  sowohl  die   (Jeberein- 
t^mong  in   orthographischer  Hinsicht,   die  auf  ungefähr  gleich- 
artige Entstehung  schliessen  lässt,  wie  die  Verschiedenheit  beider 
Theile  in  der  Fassung  und  Formulirung  erklärt,   und  namentlich 
vwfioden  wir  den  unfertigen  Zustand  des  Ganzen.    In  den  Wirren, 
fc  Ton  den   Iden  des  März   bis  zu  Antonius'  Reise  nach  Brun- 
'iiiiom  im  October  in  Rom  geherrscht  haben,  sind  Oberaus  zahl- 
roche  SenatsbeschlOsse,  Comitialgesetze   und  Plebiscite  Hals  über 
lopf  durchgesetzt  und  ausgeführt  worden.    Es  ist  wohl  begreiflich, 
dan  Antonius  mit  der  Deduction  der  Colonie  Urso  nicht  wartete, 
bis  das  Stadtrecht  säuberlich   ausgearbeitet  und   endgiltig  redigirt 
war,  sondern,  als  das  Ungewitter  des  Bürgerkrieges  heraufzog,  die 
lex  unfertig  wie  sie  war  ,gegeben'  (lex  data  c.  132),  das  heisst 
nach  Spanien  geschickt  hat. 

Zum  Glück   können  wir  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  aus 
dem  Inhalt  des  Gesetzes  selbst  direct  beweisen,  eben  durch  die  Ab- 


212  E.  FABRICIUS 

ftnderuDg  der  BestimmuDgen  über  den  Patronat.    Im  eralen,  wii^ 
wir  annehmen ,   Caesarischen  Tbeil   wird  darüber  c.  97  ferordneU^ 
dass  ausser  einer  bestimmten  Anzahl  von  Personen,  denen  ex  I^i^ 
Itdia  (gemeint  ist  die  lex  lulia  agraria  v.  J.  59)  das  Recht  wa  ^ 
Ackervertheilung  zustehe,   und  ausser  den  Gründern  der  ColonL^ 
selbst  sowie  deren  Nachkommen   andere  nur  unter  gewissen  B^^ 
dingungen   der  Ehre   des  Patronats  theilbaflig  werden  sollen:  i^ar 
Oberbeamte  muss  bei  diesen  einen  Hehrheitsbescbluss  fon  mindesleait 
50   in   der  Sitzung  anwesenden    Decurionen   durch   geheime  Ab- 
stimmung   herbeiführen   und   wird   bei   Zuwiderhandeln   mit  eJBcr 
Strafe  von  5000  Sesterzen  bedroht.     Ganz  anders  lauten  die  Ver* 
Ordnungen  im  zweiten,  von  uns  auf  Antonius  zurückgeführten  Theü 
c.  130  und  131:  hiernach  darf  ein  römischer  Senator  oder  desieo 
Sohn    überhaupt   nur   dann    zum  patronus    oder   hoepes   ernaoil 
werden,  wenn  er  sich  zur  Zeit  der  Verhandlung  des  Gegenstandei 
als  Privatmann  sine  imperio  in  Italien  aufhftlt,  und  auch  ein  solche 
nur  dann,  wenn  drei  Viertel  aller  Decurionen  in  geheimer  Bescblo«- 
fassung  zugestimmt  haben.    Kein  Beamter  der  Colonie  darf  aûdsrs- 
falls  über  die  Ernennung  eines  patronus  oder  hospes  an  die  D^ 
curionen  referiren,  noch  Umfrage  halten,  noch  abstimmen  lassest 
noch  die   Publication   bewirken,    keiner  der  Decurionen   bei  der 
Umfrage  eine  Meinung  sagen,  noch  das  Protocoll  über  einen  Be^ 
schluss  zeichnen,  noch  die  Publication  bewirken,  und  wer  dagegea 
handelt,  wird  für  jeden  einzelnen  Uebertretungsfall  mit  einer  BiiflW 
von   100000  Sesterzen,   also   einer  ganz   exorbitant  hohen  Strafe     ] 
bedroht.     Da    für    die   Ernennung  zu   Patronen   einer  rOmischaa 
Uürgercolonie    in    republicanischer   Zeit  fast  allein   Leute  senato- 
rischen Standes   in  Frage  kamen,  so   hat  Nissen,  der  überhaupt 
auf  diesen  Punkt  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat,  mit  Recht  ge* 
folgert,   dass   die   beiden  Abschnitte   unmöglich   der   gleichen  Zeit 
entstammen    und  von  demselben  Gesetzgeber  herrühren  konnten.*) 


1)  Nissen  dachte  desshalb  an  Augustus,  der  im  Jahre  11  o.  Chr.  deo 
Provinzialeo  verbot,  den  Slatthaitern  während  der  Amtsführung  oder  innerhalb 
60  Tagen  nach  dem  Abgang  aus  der  Provinz  irgend  eine  Ehre  za  erweise«, 
weil  einige  Stalthalter  sich  lobende  Anerkennungen  von  den  Proviosialen 
verschafft  und  damit  ihre  Misswirlhschafl  verdeckt  halten  (Dio  LVI  25«  6). 
Diese  Angabe  müsste  bei  dem  Historiker  seiir  ungenau  gefasst  sein,  wenn  sie 
auf  denselben  gesetzgeberischen  Act,  wie  die  Bestimmungen  fiber  Patrooat 
und  Hospilium  im  zweiten  Theil  des  Stadtrechtes,  zurückginge. 


ZUM  STADTRECHT  VON  DRSO  213 

b  hl  klar,   dass  die  ausserordentliche  Verscharfuog  der  Bestim- 
«uogeo  aber  den  Patronat  durch  besondere  Umslânde  Teranlasst 
ieia  muss.     Nun  wissen   wir  aus  Ciceros  li.  Philippischer  Rede, 
dem  nach  Caesars  Ermordung  zuerst  die  Sidiciner,  dann  die  Puteo- 
hiier  C  Cassius,  sowie  H.  und  D.  Brutus  zu  Patronen   ernannt 
btten.    Alle  drei  waren  damals  Beamte  cum  imperio,  Cassius  und 
I.  Brutus  Prätoren,  D.  Brutus  Statthalter  von  Gallia  citerior.    An- 
•oius  ist  Ober  die  Demonstration  der  beiden  Gemeinden  zu  Gunsten 
leioer  Gegner  Äusserst  erbittert  gewesen:  Cicero  sagt  in  der  Rede 
t  107:    quid   ego  ittas  isttus  minas  contumeliasque  commemorem, 
fâHnu  invectus  est  in  Sidicims,  vexavit  Puieolanos,  quod  C.  Cassium 
d  BnUos  palronos  adoptassent.     Das  war  Ende  April  oder  Anfang 
Mai  44,  ungeföhr  in  der  Zeit  des  Erlasses  der  lex  Antonia  de  eo- 
kmis  deäueendis  und  der  Wirren  in  Campanien,  die  Antonius  durch 
di«  Deduction  einer  neuen  Colonie  nach  Casilinum  hervorrief.    Zur 
gMcben  Zeit  beschäftigte   er  sich   mit  der  Verarbeitung  der  acta 
Csttaris,    zu    deren   Prüfung   am   1.  Juni   eine  Senatscommission 
ttmmnen treten  sollte.^)    Eben  damals  oder  wenig  später  muss  die 
ia  IJrsonensis  in   Arbeit  gewesen   sein.     Auch  im   October,  als 
M.  Brutus  und  Cassius  Italien  verliessen,  fehlte  es  ihnen  nicht  an 
SjfBpalhien  der  italischen  Municipien  (Cic.  Phil.Xl — 14),  und  in 
Alheo  wurden  sie  nicht  nur  glänzend  empfangen,  sondern  die  dor- 
tige Bürgerschaft  beschloss  alle  möglichen  Demonstrationen,  wie  die, 
ikn  Statuen  neben  den  TyrannenmOrdern  aufzustellen  (Dio  47,  20). 
Weao  also   im   letzten,  nur  unvollständig  erhaltenen  Kapitel  134 
iss  Stadtrechtes  die  Bewilligung  öffentlicher  Gelder  honoris  habendi 
cmta  munerisoe   dandi  poUicendi  prove  statua  danda  ponenda  an- 
tebeinend  von  den  gleichen  erschwerenden  Bedingungen,  wie  die 
Verleihung  des   Patronats  abhängig  gemacht   wird,    so  darf  man 
fies  vielleicht  gleichfalls  auf  die  politischen  Verhältnisse  im  Sommer 
•der  Herbst  d.  J.  44  zurQckfOhren. . 

So  gewährt  uns  also  der  zweite  Theil  des  Stadtrechtes  von 
îrso  einen  kleinen  Einblick  in  die  Werkstatt  des  Antonius.  Wir 
AeUy  wie  dort  gearbeitet,  wie  dort  gefälscht  wurde.  Denn  die 
estimroungen  Qber  den  Patronat  sind  geradezu  Verfälschungen 
is  Caesarischen  Entwurfes,  die  augenscheinlich  den  Zweck  hatten, 
(O    Colonisten    unmöglich   zu   machen,    nach    dem   Vorbilde  der 

1)  Groebe  De  legibus  et  tenatus  coruultis  aiuii  740  p.  2 — 3,  46. 


214  E.  FABRICIUS 

Sidiciner  und  Puteolaner  für  die  CaesarmOrder  zu  demoostrirei 
Wir  werden  annebmen  dOrfen,  dass  den  Stadirechten  der  von  Ai 
tonius  in  Italien  selbst  geplanten  Colonien  entsprechende  Verhol 
einverleibt  wurden.  Bei  der  Colonie  in  Hispania  ulterior  kOnal 
auch  an  Sex.  Pompeius  gedacht  worden  sein.  Von  der  Verfillscbuii 
der  Hinterlassenschaft  Caesars  durch  Antonius  ist  oft  die  Rede,  h 
der  lex  Ursonensis  besitzen  wir  einen  urkundlichen  Beweis  dafllr 

Denn  selbstverständlich  wurde  das  Ganze  als  Bestandtheil  da 
Hinterlassenschaft  Caesars  hingestellt^  und  wurden  demgemflss  and 
die  Zusätze  so  abgefasst,  als  ob  sie  zu  Lebzeiten  Caesars  entstaodei 
wären.  Auf  diese  Weise  erklärt  es  sich,  dass  in  c.  125  von  doi 
zukünftigen  Beamten  der  Colonie  gesagt  wird,  ^t*  tum  magùtmm 
itnpehum  potestatemve  colonorum  suffragio  geret  iussuve  (so  istidi 
husuq^ie  zu  verbessern)  C,  Caesaris  dictatoris  consults  prove  coimd 
habebù.  Diese  Worte,  in  denen  Caesar  ein  Titel  beigelegt  wird, 
den  er  nie  geführt  hat,  verrathen  die  Gedankenlosigkeit  oder  Ab- 
geschmacktheit des  Fälschers,  der  so  thut,  als  wäre  das  alles  DOck 
zu  Caesars  Lebzeiten  und  in  der  Voraussetzung  zukünftiger  Aemltf 
des  Dictators  verfasst.  Antonius  selbst  möchte  ich  dafür  nicbl 
verantwortlich  machen,  sondern  den  Sekretär,  von  dessen  Ungeschick 
fast  jeder  Satz  im  zweiten  Theil  des  Gesetzes  Zeugniss  ablegt 

Das  Verhältniss  der  beiden  Theiie  zu  einander  und  die  Dr- 
sache  der  Schäden  des  Textes  wären  gewiss  von  vornherein  richtlf 
erkannt  worden,  wenn  die  in  c.  t27  enthaltene  Variante  BaäiiM 
promt  für  provinciarum  Hispaniarum  uUeriorem  optinebit  die  Aol' 
merksamkeit  nicht  in  ganz  anderer  Richtung  abgelenkt  hätte.  Bßit 
tica  als  officieller  Name  der  Provinz  kommt  erst  in  Flavischer  ZA 
vor.  Auch  die  vollere  Bezeichnung  Hispania  ulterior  Baeticüp  die 
neben  jener  noch  im  2.  Jahrhundert  gelegentlich  verwendet  wird 
(CIL.  XU  3167  n  1970),  ist  urkundlich  als  officieUer  Name  ent 
für  die  Zeit,  in  der  Augustus  den  Titel  pater  patriae  führt,  also 
nach  2  v.  Chr.,  durch  eine  neuerdings  gefundene  stadtrOmiscbf 
Inschrift  vom  Forum  Augusti,  Dessau  Inser.  lat.  sei.  103,  belegt 
Man  nimmt  also  an,  dass  erst  unter  Augustus  nach  Abtrennunf 
Lusitaniens  der  übrig  bleibende  Theil  von  Hispania  ulterior  dei 
Namen  provincia  Baetica  erhalten  habe.  Die  Variante  Baetica 
praerit  schien  hiernach  als  Ersatz  für  die  ältere  Benennung  de 
Provinz  nicht  allzulange  vor  der  Herstellung  der  Inschrift  in  dl 
Vorlage  des  Graveurs  hineincorrigirt  zu  sein. 


ZUM  STADTRECHT  VON  ÜRSO  215 

Von  unserem  Standpunkt  aus  ist  aber  die  Annahme  einer  erst 
in  Drso  selbst  vorgenommenen  Aenderung  des  Gesetzes  misslich. 
Go  zwingender  Grund  lag  doch  kaum  vor,  denn  misszuverstehen 
mr  die  andere  Benennung  keinenfalls;  zum  mindesten  hätte  der 
ZoMtz  Baeticam  genügt.  Auf  das  alterthOmliche  praerit,  das  in 
der  lex  lulia  municipalis  so  oft  vorkommt,  will  ich  kein  Gewicht 
legen,  denn  praerunt  und  praessent  begegnen  neben  praeerunt  auch 
io  der  lex  Malaeitana.  Es  ist  indess  durchaus  nicht  unmöglich, 
dm  der  Name  Baetica  weit  älteren  Ursprunges  ist,  als  die  Theilung 
der  jenseitigen  Provinz,  und  dass  Hispania  Baetica,  wenn  auch 
nicht  als  officielle  Bezeichnung,  so  doch  neben  Bispania  ulterior, 
wie  Gallia  Transalpina  neben  Gallia  ulterior,  damals  längst  in  Ge- 
bnoch  war.  Die  Art,  wie  Strabo  sich  des  Namens  BaiTixr  wieder- 
holt bedient  (111  p.  139.  160.  162.  166),  macht  nicht  den  Eindruck, 
ab  ob  er  erst  seit  kurzer  Zeit  Üblich  geworden  sei.  Und  wenn 
lach  bei  Livius  28,  2,  15  Poenus  cum  castra  tum  forte  in  Baetica 
ei  todarum  <mimo8  eontinendos  in  fide  haberet  in  der  einen  Hand- 
Khriflengruppe  in  Baetica  hinter  animos  an  falscher  Stelle  steht, 
10  ist  es  doch  immerhin  einfacher,  dort  das  Versehen  eines  Ab- 
ichreibers  als  mit  Mommsen  in  beiden  Ueberlieferungsreihen  eine 
alte  Lacke  anzunehmen  und  die  unentbehrliche  Ortsbezeichnung 
>b  Interpolation  zu  streichen.*)  Ich  möchte  also  glauben,  dass  der 
CoQcipient  unseres  Gesetzes  zuerst  das  für  seine  Zeit  in  einem 
oiBeiellen  Actenstück  incorrecte  qui  Baeticae  praerit  geschrieben 
btte,  und  dass  eben  desshalb  qui  provineiarum  Hispaniarum  uUe- 
riorem  optinebit  verbessert  worden  ist,  beides  im  Hause  des  An- 
tonius. 

Freiburg  i.  Br.  ERNST  FABRICIUS. 


1)  Res  gestae  Divi  Augusti  ed.  II  p.  120, 1;  222. 


VERGLEICHENDE  STUDIEN 

ZUR  GESCHICHTE  DES  GRIECHISCHEN 

UND  RÖMISCHEN  HEERWESENS. 

i. 

Eine  grundlegende  Frage. 

Vorbemerkung:  Stand  und  Art  der  Forschung. 

,Wer  ohne  wesenllich  neues  Material  zur  Verfügung  zu 
nach    ROstow    und   KOchly/)    Delbrück')    und  Soltau,")  Gienog;^ 
Lamroert")  und  Schneider')  und  noch  so  manchen  anderen^)  Ober 
Aufstellung   und  Taktik  der  Römer  und  Makedonier  schreibt,  der 
mag  nur  gleich  alle  Hoffnung  auf  Erfolg  fahren  lassen/    So  kOoBti^ 
wer  Unglück  prophezeien  woUte,  mit  allem  Anschein  der  Wahrheit' 
Torhersagen.    Denn   in   der  That,   es  haben   bei   der  Behandloo| 
dieser  Fragen   so  ziemlich  alle  logisch  nur  irgend  denkbaren  aar 
sichten  schon  ihre  Vertreter  gefunden,  und  Neues  ist  also  — soUtt 
man  meinen  —  überhaupt  nicht  mehr  zu  erbringen.    Dazu  ist  da» 
Interesse  für  diese  Dinge  in  historisch-philologischen  Kreisen,  «ii 
sie  heute  sind,  überhaupt  ein  ziemlich  geringes.    Nur  wenige  haben 
auf  taktischem  Gebiete  ein  eigenes  Urtheil  und  die  Mehrzahl  begnOgt 
sich  daher,  wenn  über  Schlachten  zu  sprechen  unvermeidlich  ist,  dit 
Entscheidungen  als  solche  einfach  zu  regislriren  und  die  politischra 
Folgen  derselben  zu  erörtern.     Man  vermeidet  es,  sich  eingehender 

1)  Griecb.  Kriegsschriftsteller  1853  ff.  bes.  die  Einleitung  zu  Bd.  II.    Ge- 
schichte d.  griech.  Kriegswesens  1852.    Rûstow  Gesch.  d.  Infanterie  1804« 

2)  Sybels  hist.  Ztschr.  Bd.  51,  239.  56,  504.  60,  238;  in  dies.  Ztschr.  XXI 
65.     Perser-  und  Burgunderkriege  1887.    Anhang. 

3)  In  dies.  Ztschr.  XX  262.  1885. 

4)  Fieckeisen  1888  S.  849.  1889  S.  161. 

5)  Polybius  und  die  röm.  Taktik  1889. 

6)  Legion  und  Phalanx.     Berlin  1893. 

7)  Die  an  ihrem  Orte  genannt  werden  sollen. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    217 

mit  der  Frage  zu  beschäftigen,  wie  diese  EntscheiduDgeD  deno 
tigeDtlich  zu  Stande  kommen  konnten  und  zu  Stande  gekommen 
nnd.  Dies  an  sich  schon  geringe  Interesse  ist  nun  durch  die  Art 
und  Weise,  wie  neuerdings  taktische  Fragen  vielfach  behandelt  werden, 
noch  mehr  geschwunden.  Die  etwas  chevalereske  Art,  mit  der  die 
Forscher  auf  diesem  Gebiete  z.  Th.  mit  den  Quellen  umgesprungen 
and,  das  Hineintragen  von  Analogien  aus  der  modernen  Kriegs- 
geschichte, die  ferner  Stehende  nicht  controUiren  konnten  und 
deneo  sie  jedenfalls  die  Berechtigung  absprachen,  eine  gut  be- 
gründete alte  Tradition  umzustürzen,  das  z.  Th.  etwas  schnelle  Vor- 
geheo,  bei  dem  Hypothesen  wie  voUig  gesicherte  Errungenschaften 
bingestellt  und  bald  wieder  fallen  gelassen  wurden:  das  alles  hat 
diese  Seite  der  antiken  Forschung  leiden  lassen ,  und  indem  man 
tos  einem  durch  solche  Eindrücke  entstandenen  Unbehagen  heraus 
den  Gedanken  ,taktische  Untersuchung*  und  ,Buch  zu*  identificirt, 
bst  naan  den,  der  dieses  Gebiet  behandelt,  dem  schlimmsten  Ge- 
schicke verfallen,  das  einen  Schriftsteller  nur  treffen  kann. 

Doter  diesen  Umstanden  könnte  man  den  Mulh  yerlieren,  mit 
solchen  Dingen  auf  den  Plan  zu  treten,  wenn  nicht  der  Vorwurf 
K^D  die  neueste  Forschungsmethode  gerade  darum  einen  Schimmer 
^n  Hoffnung  aufkommen   Hesse,   weil  er  so  berechtigt  ist:  eine 
^nichtige    und    wirklich    kritische  QuellenprQfung    hat   also    bei 
^cser  Sachlage    noch    die  Möglichkeit   des  Erfolges   und   könnte 
^lleicht  schon  desshalb  auf  die  Theilnahme  der  historisch -philo- 
logischen Alterlhumsforschung  rechnen,   weil   durch   sie  die  alten 
Ooellen  wieder  mehr  die  ihnen  gebührende  Würdigung  finden  und 
SQ  gleicher  Zeit  durch   die  selbstverständlich   in  weitestem  Maasse 
mr  Erklärung  und  Ergänzung  heranzuziehenden  analogen  Verhält- 
oisse  aus  anderen  Perioden  der  Kriegsgeschichte  in  neue  Beleuch- 
toog  treten.    Ja   es  fallt  damit  vielleicht   sogar  für  das  Interesse 
jm  Gegenstande  selbst  etwas  ab:  die  Frage,  ob  Rom  durch  seine 
Tüchtigkeit  oder  sein  Glück  die  Welt  erobert  habe,   hat  ja   von 
Polybius  und  Plutarch   bis  Niebuhr  die  Geister  immer  wieder  be- 
wegt.   Wenn   unsere   moderne  Alterthumswissenschaft  bestrebt  ist, 
solche  Probleme  aus  der  Höhenluft  geschichtsphilosophischer  Be- 
trachtung auf  den  Boden  der  realen  Thatsachen  zu  versetzen,  so 
gebort   die  Frage,  mit  welchen   taktischen  Mitteln  die  Römer  die 
makedonisch-hellenistische  Welt  bezwungen  haben,  in  erster  Linie 
mit  in  den  Kreis  ihrer  Arbeit  hinein. 


218  J.  RROMATER 

Das  ist  der  weitere  Gesichtspunkt,  aus  welchem  ich  fOr  diese 
specielleo  Dinge  ein  höheres  und  allgemeineres  Interesse  in  Anspmct 
nehmen  möchte.  Es  muss  aber  eine  Forschung,  die  nicht  in  da 
Luft  stehen  will,  gerade  hier  mit  den  Elementen  beginnen,  ük 
denen  sich  alles  zusammensetzt,  d.  h.  mit  dem  einzelnen  Maon« 
und  seiner  Stellung  in  Reih  und  Glied.  Und  so  behandeln  wi 
denn  in  erster  Linie  den  Abstand  der  Rotten  und  Glieder,  sowolij 
in  der  makedonischen  Phalanx  wie  in  der  römischen  Actes. 

1.    Die  makedonische  Phalanx. 
Jede  Untersuchung,  welche  die  verwickelte  Frage  des  Rottet» 
und  Gliederabstandes  in  der  makedonischen  Phalanx  zu  lösen  ont6^ 
nimmt,  wird  sich  in  erster  Linie  mit  der  berQhmten  Darlegung  dai 
Polybius  auseinanderzusetzen  haben,  in  welcher  dieser  Kenner  make- 
donischer und  römischer  Kriegskunst  die  Vortheile  und  Nachtbeilft 
von  Phalanx  und  Manipularstellung  einer  eindringenden  und  geitfp 
reichen   Kritik    unterzieht.^)     Ja    man   wird,    wenn   man  wirklid 
methodisch  und  sicher  vorgehen  will,   diese  Darlegung  zu  Gmida 
legen   und   von   ihr  ausgehen  müssen.     Denn  Polybius  war  eiM^ 
seits   aus    eigenster,    persönlicher    Erfahrung   so   in    diese   Diii|i 
eingeweiht   und    andererseits   ist   seine  Darstellung   so    klar  Olli 
peinlich  genau,  dass  sowohl  von  seiner  Seite  ein  Irrlhum  als  m 
unserer  ein  Missverstdndniss  ausgeschlossen   erscheint,  wenn  vir 
uns  nur  redlich  bemühen,  in  den  Sinn  seiner  Worte  einzudringeo*) 
So  wiegt  sein  Zeugniss  schwerer,  als  alle  anderen  des  AlterthUHi 
wenn   sie  ihm   widersprechen   sollten;   und  dreifach  schwerer  ah 
alle  modernen   Speculationen ,  die  sich   ihm   desshalb   gegenOb«' 
gestellt  haben ,   weil  deren  Urheber  dies  und  jenes  aus  ihrer  E^ 
fahrung  nicht  mit  Polybius'  Darlegungen  reimen  zu  können  glaubteiu 
Diesen   Standpunkt  von   vorn   herein  mit  möglichster  Schärfe  n 
präcisiren,    war    unumgänglich   nöthig,  'weil   die  moderne  Kritik 
durch  Abweichen  davon  und  durch  die  Sucht  Polybius  zu  meistera 
ohne  ihn   recht  zu  verstehen,   sich  selber  den  richtigen  Weg  da 
Erkenntniss  verbaut  hat. 

1)  XVIII  29  bis  30,4  (Hultsch). 

2)  Das  bleibt  selbst  für  den  richtig,  der  etwa  mit  Delbrück  (Sybd 
Ztschr.  Bd.  56,  504)  annehmen  sollte,  dass  Polybius  ,offenbar  etwas  rasch  gt 
arbeitet'  habe.  Denn  hier  handelt  es  sich  nicht  um  eine  eventuell  flûcbti| 
Quellenbenutzung  von  Seiten  des  Polybius,  sondern  lediglich  am  Niederschri 
persönlicher  Erfahrungen. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    219 

Der  GliederabstaDd. 

Polybius  legt  dar,  wie  es  komme,  dass  in  der  zum  Angriff 
vonrOckeDden  Phalanx  —  denn  nur  um  diese  handelt  es  sich^)  — 
eine  bestimmte  Zahl  yon  Speereisen  vor  jedem  Manne  des  ersten 
Gliedes  vorstarre:  ,da*  —  so  führt  er  aus  —  ,der  Abstand  der 
Leute  von  einander  so  und  so  gross  ist,  und  da  die  Sarissen  so  und 
10  lang  sind,  so  folgt  daraus,  dass  die  Speere  von  so  und  so  viel 
Gliedern  bis  vor  die  Front  reichen/")  Dies  ist  der  von  allen  ueben- 
dchlichen  Ausführungen  gereinigte,  in  voller  Nacktheit  vorgeführte 
Poljbianische  Gedankengang.  In  der  Rechnung  müssen  also  drei 
Grossen  vorkommen.  1.  der  Abstand  von  Vordermann  zu  Hinter- 
anon.  2.  die  Länge  der  Sarissen.  3.  die  Zahl  der  vor  das  erste 
Glied  vorragenden  Speereisen. 

bt  das  logisch  gedacht,  so  folgt  daraus  mit  Ausschluss  jeder 
aideren  Möglichkeit,  dass  in  der  einzigen  Abstandsangabe,  die  in 
QBierer  Stelle  vorkommt,  d.  h.  in  den  Worten  des  Polybius  o  fikv 
iniQ  ïatatat  .  .  iv  tçcoI  tcooï  das  Maass  des  Abstandes  von 
Vordermann  zu  Hintermann  enthalten  sein  muss.*)  Sonst  fehlt  ein 
Bernent  in  der  Rechnung  und  der  Leser  ist  gar  nicht  in  die  Lage 
(Mzt  die  Deduction  des  Polybius  zu  conlroUiren. 

Diesen  einfachen  logischen  Zusammenhang  haben  ROstow  und 
loecbly  verkannt,  und  da  sie  in  allerlei  modernen  Vorstellungen 
kfoogen,  einen  Gliederabstand  von  nur  zwei  Fuss  annehmen  zu 
nflssen  glaubten,  haben  sie  es  wirklich  für  möglich  gehalten,  dass 
Polybius  den  Gliederabstand  gar  nicht  erwähne,  dafür  aber  durch 
eine  andere,  überhaupt  nicht  in  den  unmittelbaren  Zusammenhang 


1)  Das  muss  gleich  hier  wegen  yerschiedener  moderner  Verschleierungen 
üeses  Tbatbestandes  betont  werden.  Pol.  a.  a.  0.  29,  4:  oTav  trj.  30,  1:  fyo- 
Ist  Mtd  ncoßokr,v.  4:  ßuUav  noéovai  rr^r  ^tpoSov  u.  s.  w.  —  Wie  die  Pha- 
iflz  im  Stehen  gegen  einen  Angriff  oder  etwa  beim  Exerciren  aufgestellt  war, 
t  eine  ganz  andere  Frage. 

2)  ^Enü  yo^  o  fièv  ârrjç  ïararai  .  .  ép  rçêol  noai  ...  to  ^c  xdv 
t^t/acœv  fiéyad'ôi  iaji  .  .  nrixô^v  [so  die  Ueberlieferung;  noBàv  ist  Con- 
clor]  .  .  leaaaQwv  xai  dexa  .  .,  ^aveçov  on  ,  .  ix  Si  tovtov  avu- 
Uvté  Tas  Tov  nifintov  ivyov  aapiaffas  .  .  jiçonlnTHv  .  .  nço  tœv  tiqco- 

3)  Nor  dass  es  darin  enthalten  sein  muss,  folgt,  nicht  aber,  dass  diese 
«ummong  nicht  zugleich  noch  eine  andere  Angabe  enthalten  könne,  wie  es 
•tsächlich  der  Fall  ist,  s.  unten. 


220  J.  KROMATER 

gehörige  Angabe  den  Leser  grOndlich  irrefohre.  —  Denn  da 
Worle  b  fièv  avrjç   ïa%a%ai  .  .  iv  Tçial  noal  nun  einmal  « 
standen,  so  halfen  sie  sich,  indem  sie  sie  wilikQrlich  auf  die  E 
fernung  zum  Nebenmann   bezogen.^)    Das  heisst  den  Polybios 
einen  gedankenlosen  und  schluderigen  Scribenten  erklären. 

Lassen  wir  uns  also  durch  solche  Gewaltsamkeiten  nicht 
irren,  sondern  machen  wir  die  Probe  auf  unsere  Rechnung, 
drei  Fuss  Abstand  von  Vorder-  zu  Hintermann  und  bei  14  EU 
d.  b.  21  Fuss*)  langen  Sarissen,  von  denen  aber  nur  10  Ell 
d.  h.  15  Fuss  vor  den  Mann  fallen,*)  sollen  die  Spiesse  des  fOnI 
Gliedes  noch  um  zwei  Ellen,  d.  h.  drei  Fuss  vor  dem  ersten  Gli 
vorragen.^  Die  Rechnung  stimmt  aufs  Genaueste  und  ich  kOs 
hier  unter  Berufung  auf  die  Autorität  des  Polybius  die  Ac 
schliessen  mit  dem  Resultat:  der  Gliederabstand  der  mal 
donischen  Phalanx,  wenn  sie  ins  Gefecht  rückte,  betrug  d 
Fuss  oder  89  cm,')  von  Brust  zu  Brust'}  gerechnet.  Aber  i 
Ergebniss  widerspricht  einerseits  zu  sehr  der  bisher  allgemein  | 
tenden   Ansicht,  welche  sich   durchaus  an   Rüstow- Kochly  an 

1)  Rüstow  und  Köchly  griech.  Kriegsschriftsteller  II  1,  125  and  6< 
des  griech.  Kriegswesens  S.  238  Â.  17.  ^Beiläufig'  —  heisst  es  bei  ib 
an  einer  dritten  Stelle  ganz  naiv  (Gesch.  d.  griech.  Kriegsw.  S.  108  A.  15] 
soll  sich  aus  Polybius  die  Distanz  von  Hinter-  zu  Vordermann  auf  2'  ergel 

2)  Der  Fuss,  nach  welchem  Polybius  rechnet  (Dörpfeld  Athen.  Mitth. 
277 ff.  Danach  Nissen  bei  J.  Müller  Hdb.  I  S.  701,  2),  beträgt  29,  57  cm. 
Elle  «=  1  Va  Fuss,  also  44,36  cm.  Wo  in  dieser  Abhandlung  Ton  Fuss  schle 
hin  die  Rede  ist,  ist  überall  dieser  Fuss  gemeint.  H.  Droysen  Heerwesen 
Kriegführung  der  Griechen  S.  172  ff.  legt  seinen  Angaben  den  Fuss  von  30,8 
zu  Grunde  (Hultsch  Metrol.  S.  67 f.),  der  jedenfalls  für  Polybius  nicht 
halten  ist. 

3)  Weil  vier  Ellen  (^b  sechs  Fuss)  durch  den  Raum  zwischen  den  be 
Händen  und  dem  hinter  den  Mann  fallenden  Ende  des  Schaftes  verbrt 
werden:  tovs  téxTaçaç  {ntix^ii)  aipaiçel  to  fieraSv  rolv  xBQoiv  9uiCt 
Hal  TO  xaroniv  ar]xœfia  t^c  ncoßoXrjs.    Pol.  a.  a.  0. 

4)  Ich  folge  hier  natûriich  dem  Texte  des  Polybius,  wie  ihn  die  U< 
lieferung  giebt,  ohne  mich  um  die  Gonjecturen  von  Kôchly-Rûstow  zu  kons 

5)  Genau  88,7.  Die  Bruchtheile  der  cm.  sind,  je  nachdem  sie  kl< 
oder  grösser  als  0,5  sind,  stets  nach  oben  bezw.  unten  abgerundet. 

6)  Der  Platz,  welchen  der  Mann  einnimmt,  ist  also  bei  den  drei 
mitgerechnet.    Das  geht  aus  der  Rechnung  hervor  und  ist  überhaupt  fast  di 
gehend  Brauch  bei  den  Ansätzen  sowohl  der  griechischen  Taktiker,  als  d 
der  Landsknechtszeit  und  der  modernen  Exercierreglements. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  ROMISCHEN  HEERWESEN    221 

«blossen  bat/)  andererseits  ist  es  fQr  unsere  folgenden  Unter- 
sochuDgen  selbst  von  zu  grosser  Bedeutung,  bier  auch  nicbt  die 
geringste  Unklarbeit  zu  lassen,  als  dass  wir  uns  nicbt  der  Mühe 
«oteniehen  mQssten,  den  Grund  der  berrscbenden  falscben  Auf- 
fassung aufzudecken  und  ihn  zu  beseitigen. 

ROstow   hat  den   Gliederabstand   der  makedonischen   Phalanx 
desshalb  auf  nur  zwei  Fuss  angesetzt,  weil  er  es  für  unmöglich 
Ueit,  dass  die  Sarisse  der  Makedonier,  wie  Polybius  angiebt,  14  Ellen 
Img  gewesen  sei.    Er  meint,  sie  könne  höchstens  14  Fuss  gehabt 
haben   und   ersetzt  desshalb   im   Texte   des   Polybius  viermal  das 
d)erlieferte  nrjx^g  durch  novg.     Nun  stehen  bei  ihm  die  Lanzen- 
ipilzen  der   fünf  ersten   Glieder   nur   noch   in   Abständen   von  je 
ivei  Fuss  hintereinander  und  folglich  auch  die  Glieder  selber  nur 
•il  iwei  Fuss  Abstand  von  Brust  zu  Brust.    Diese  seine  Aenderung 
eilt  Rüstow   bezw.  Köchly   ffir  eine  besonders  leichte ,   weil  beide 
Worte  mit  einem  n  begönnen,   daher   wohl   gleich   oder  ähnlich 
abgekürzt  gewesen  sein  würden  und  so  unschwer  halten  verwechselt 
«erden  können.     Ueber  die  Leichtigkeit  oder  Schwierigkeit  einer 
solcben  Verwechselung,    für    deren   Thatsächlichkeit    ein    philolo- 
gischer Beweis  nicht  einmal  versucht  ist,  enthalte  ich  mich  schon 
desshalb  billig  jedes  Unheiles,   weil  die  Möglichkeit  Yon  Rüstow- 
löchlys  Conjectur  sich  aus  Polybius  selbst  widerlegt:  die  Rechnung 
nimmt  dann  nicht  mehr  oder  man  müsste  auch  noch  das  ö  avfjQ 
totaiai  iv  rçtai  nool  in  ein  iv  oval  Ttoa/ verwandeln.    Das 
thaten  Rüstow   bezw.  Köchly  auch  am   liebsten,')   wagen   es  aber 
f    lelber  nicht   und   so  greifen   sie  zu   dem   soeben  charakterisirten, 
r   tenweifelten  Ausweg,    es    auf   den   Abstand  von   Nebenmann    zu 
:    Nebenihann  zu  beziehen.    Dass  das  nicht  angeht,  haben  wir  gezeigt 
Ofid  schon   damit  eigentlich  die  Conjectur  widerlegt.*)     Es  kommt 
aber  noch  hinzu,   dass  auch  die  ganze  übrige  Ueberlieferung  des 
Alterthumes  gegen   sie  spricht.     Die  Taktiker  berechnen  die  Ab- 

1)  8»  H.  Droyten  Heerwesen  S.  39  und  172  f.  Schneider  Legion  und 
Phalanx  S.  88  f.  Ferner  Delbrück,  A.  Müller,  Jahns  durch  Annahme  von  Rü- 
«lows  eng  damit  zusammenhängender  und  gleich  naher  zu  besprechender 
Theorie  Ton  den  kurzen  Sarissen,  s.  unten  S.  223  Â.  1. 

2)  Kriegsschr.  II  1, 124. 

3)  Sehr  mit  Recht  hat  desshalb  Hnltsch  die  überlieferte  Lesart  im  Texte 
Masseo^  ohne  sich  um  die  Versicherungen  der  Taktiker  und  ihre  Verwunde- 
f^of^eo  aber  die  Ungliubigkeit  der  Philologen  zu  kümmern  (S.  Schneider, 
B.  Legion  ond  Phalanx  S.  89.    H.  Droysen  Kriegf.  S.  173  A.  2). 

HennM  XXXY.  15 


222  J.  KROMATER 

stflnde  der  Glieder')  und  die  Läoge*)  uod  Zahl*)  der  Torrageod« 
Sarissen  gaoz  ebenso  wie  Polybius;  ja  sie  keDoen  Oberhaupt  keia  • 
Gliederabstand  von  zwei  Fuss,  soudera  erwflbnen  in  ihren  ausfOfa 
liehen  Darlegungen  nur  solche  von  ein,  zwei  und  vier  Ellen 
Es  ist  nicht  wohl  annehmbar,  dass  sie  gerade  die  wichtigste  Wf 
allen  Aufstellungen,  nämlich  die,  in  welcher  man  zum  Angriff  tq 
rückte,  in  diesen  Erörterungen  ausgelassen  haben  sollten.  Eii 
Reihe  anderer  Zeugnisse,  welche  Sarissen  von  12  bezw.  16  Ell« 
nennen,  tritt  ferner  bestätigend  ein/)    Auch  hier  Qberall  statt  Eil 

1)  Asclep.y  1  (bei  Köcbly-Rüstow  gr.  Kriegsschriftst  II  1  S.  150)  dßi 
yaQ  ép  rq^  Sêvr^çq^  i*^V  9S^x^^*  9vclv  vnoßeßijKeree,  ebenso  Aelia 
14,  4  and  ferner  14,  2:  o  yà^  àvrjç  ïcxaxo  . .  iv  nrix^a^  9vo,  Endlich  Arriti 
12,6  (Hercher-Eberbard)  »  14,  2  (RûstowKôcbly),  àvrj^  yoQ  aior^xu . , .  it 
9vo  nrixM^  fidXMr%a.  Hierher  gehört  ferner  die  Angabe  des  ScholiatteD  ii 
llias  XIII  130  (codex  Marcianus),  welcher  berichtet,  dasa  die  Speere  des  iwdtd 
Gliedes  Bvtfl  n^x*^^  länger  als  die  des  ersten  gewesen  seien. 

2)  Asclep.  ib.  £oja  xr^v  ni^onrantèv  êlvai  Bixanr^xv^  "  Ael.  ib.  ol  ièim 

3)  Asclep.  ib.  rdiv  Xoxayoiv  (so  heissen  die  Soldaten  des  ersten  Gliedcfl 
inaunov  navré  Bwaßisoe  nBtp^ovçVf^^oP  . .  nQoßaßhiftdvtu  xov  n^rov  ityti* 
néPTt  ad(fiaaai,    Ael.  ib.:  càç^acaê  ntvrt  ncoßsßlijfievae, 

4)  Die  Abstände  gelten  überall  für  Neben-  und  Hintermann.  Asclep.  IV  1 
dnéxùvai  xard  ta  fi^KOS  kcU  ßi&oe  ixtuijoi  ntixsii  raacaças  .  .  .  ixaitf^ 
ino  Twv  äXXatv  navTuxo&av  S^Jartjxav  nrjxpaiov  êuzanjfia  .  .  .  Statte 
»atfi  navraxo^av  8vo  ntixeis  an'  aXXijXafv,  Ebenso  Aelian  toc&X12oB 
entsprechend  Arrian  tact.  XI  If.  Hercher-Eberbard,  nach  welcher  Ausgab 
durchgehends  citirt  ist. 

5)  Die  12  ellige  Sarisse  kennt  als  die  längste  Lanze  dieser  Art  TbH 
phrast  (Pflanzengeschichte  III  12,  2),  wie  H.  Droysen  Heerwesen  der  Grieche 
S.  19  A.  2  mit  Recht  bemerkt.  Sein  Zeugniss  ist  für  seine  Zeit  maassgebei^ 
Polyän  nennt  dann  für  die  Zeit  der  Kleonymos  Sarissen  von  16  Ellen  (#1^ 
tag,  11  29,  2)  und  Leo  tacL  Y  3  und  VI  39,  sowie  Constantin  Porphyr,  t^' 
1.  Meursius  p.  4  stimmen  damit  überein.  Zu  Polybius  Zeilen  kam  man  d* 
auf  14  ellige  zurück.  Die  Sarissen  haben  also  nach  unserer  Ueberlieferang 
schliessen  ihre  Geschichte  gehabt  und  sind  gerade  wie  die  Piken  der  La0< 
knechte  erst  fortwährend  gewachsen,  dann  wieder  verkürzt  worden.  Dm  1 
schon  Lammert  a.  a.  0.  S.  16  f.  richtig  erkannt.  —  Mit  Theophrast  stimmt 
merkwürdiger  Weise  Asclepiodot  überein,  indem  er  V  1  sagt:  ov  fi^  ^ 
fialCfiv  ixikacav  Bvo  xai  Sana  nrjxaofv.  Das  ist  ein  wichtiger  Fingerzeig 
die  Zeit  des  Asclepiodot,  der  meines  Wissens  durchgängig  weit  später  * 
gesetzt  und  desshalb  sehr  unterschätzt  wird.  —  Dass  man  durch  AeodertS 
von  nrix*'^  in  noSdÜv  den  Asclepiodot  die  Ungereimtheit  sagen  lässt,  es  h^ 
nie  längere  Speere  als  solche  von  3,55  m  gegeben,  sei  nur  nebenbei  bemer 
Auch  bei  Xenopbon  jénab.  IV  7,  15  kommen  schon  Lanzen  von  15  Ellen  V 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    223 

Fuss  eiDZusetien  oder  diese  zahlreichen  und  z.  Th.  von  einander 

pnz  unabhängigen  Nachrichten  aus  einer  Corruption  des  Polybius 

ni  erklären,  die  gar  nicht  vorhanden  war,  ist  natürlich  schlechter- 

àings  unmöglich,  und  RQslow-Kochlys  Versuch  zu  Gunsten  ihrer 

Ansicht  die  Ueberlieferung  zu  corrigiren,   um  an  ihr  eine  Stütze 

n  finden,  ist  um  so  mehr  verfehlt,  als  auch  das  letzte  Zeugniss, 

welches  sie  etwa  fflr  ihre  Theorie  der  kurzen  Sarissen  und  engen 

Gliederahstflnde  anführen  könnten,  versagt. 

Es  ist  dies  eine  Angabe  Arrians,  die  aber  durch  den  Wider- 
ipracb,  in  den  der  Autor  bei  der  Behandlung  dieser  Frage  mit 
«eh  selber  geräth,  alsbald  zum  wirksamsten  Bundesgenossen  seiner 
Kbeinbaren  Gegner  wird.^)  So  sind  wir  also  vor  eine  böse  Alter- 
Datire  gestellt.  Wollen  wir  Röstows  Ansicht,  dass  Lanzen  von  21 
(nod  Dattirlich  erst  recht  solche  von  24)  Fuss  eine  Unmöglichkeit 
seien,  gelten  lassen,  so  müssen  wir  offen  und  ehrlich  gestehen, 
dass  wir  uns  dadurch  zu  der  gesammten  antiken  Ueberlieferung 
mil  Polybius  an  der  Spitze  in  Gegensatz  bringen.  Haben  wir  dazu 
iber  Dicht  den  Muth  —  und  den  habe  ich  wirklich  nicht  —  so 
mOssen  wir  jetzt  noch  ein  zweites  Mal  gegen  Rüstow  Front  machen 
uod  seine  Ansicht,  dass  es  unmöglich  Sarissen  von  14 — 16  Ellen 
Uoge  habe  geben  können ,  zu  widerlegen  suchen.  Rüstow  führt, 
Auf  zahlenmflssige  Berechnung  gestützt,  des  Langen  und  Breiten 
»Vi,  dass  eine  Sarisse  wie  die  in  Rede  stehende,  welche  nach  Po- 
lybios'  Vorschrift  getragen  wurde,  von  der  rechten  Hand  einen 
Druck  von  30  it.  verlange,  um  im  Gleichgewicht  zu  bleiben.    Denn 


1)  Arrian  setzt  (Hereber-Eberhard  12,  7  —  Kôcbly-Rûstow  14, 1)  in  der 

Tbat  die  laogsten  Sarissen  anf  16  Fuss  an  und  berechnet  den  Abstand  der 

Glieder  auf  zwei  Fass,  so  dass  bei  ihm  sogar  sechs  Speereisen  vor  Jeden 

Üiao  des  ersten  Gliedes  zu  liegen  kommen.    Aber  damit  steht  in  unlösbarem 

^idenprneh  seine  eigene,  soeben  (S.  222  A.  1)  schon  angeführte  Nachrieht, 

^  die  Mannschaften  zwei  Ellen  Abstand  Ton  einander  gehabt  hätten.    Es 

^DD  kein  Zweifel   sein,  welche  seiner  Behauptungen  weichen  muss.    Auf 

Seiten  der  letzterwähnten  Angabe  steht  Polybius  und  die  ganze  andere  Ueber- 

fiefemog.    Ob  der  Irrthum  ein   nur  handschriftlicher  ist,  so  dass  man  mit 

Scheffer  nrx'ts  statt  nodis  einsetzen  mûsste,  oder  ob  absichtliche  Aenderung 

irriins  vorliegt,  was  bei  den  vielen  kleinen  Verbesserungen  und  Zusätzen, 

dk  er  gemacht  hat,  keineswegs  ausgeschlossen  ist,  bleibt  zur  Entscheidung 

^üJig  den  Philologen  ûberiassen.    Für  uns  ist  die  Sache  erlegt  mit  der  Er- 

kenotniss,  daas  das  stehengebliebene  Rndiment  arrj^  êiar^uêê  iv  dvo  n^x'^^ 

^aXêOxa  die  ursprüngliche  Fassung  der  ganzen  Stelle  erkennen  lässt 

15* 


224  J.  RROMATER 

um  80  viel  ziehe  das  lange  vordere  Ende  mehr  nach  unten  als  ( 
kurze  hintere.     Einen  solchen  Druck   längere  Zeit  auszuüben 
aber  so  gut  wie  unmöglich  für  einen  Soldaten.^) 

Dieses  scheinbar  so  Oberwähigende  Ergebniss  hat  den  meist 
modernen  Gelehrten,  die  sich  mit  dieser  Frage  beschäHligt  hab< 
so  imponirt,  dass  sie  Rüstows  Ansicht  ohne  weitere  NachprQfu 
einfach  angenommen  haben.')  Sie  kommt  aber  durch  drei  falM 
Voraussetzungen  zu  Stande,  t.  Rüstow  legt  seiner  Berechnung 
erster  Linie  die  Lanze  von  16  Ellen  oder  24  Fuss  zu  Grum 
Polybius  dagegen  hat  bei  seiner  ganzen  Darlegung  eine  solche  v 
nur  14  Ellen  oder  21  Fuss  im  Auge.  Die  Lanze  von  16  Ell 
existirt  bei  ihm  nur  in  der  Theorie:  in  der  Praxis  ist  man 
seiner  Zeit  wenigstens  nicht  über  14  Ellen  hinausgekommei 
Nur  mit  der  Praxis  haben  wir  zu  thun,  also  auch  nur  mit  eii 
Lanze  von  14  Ellen.  2.  Rüstow  nimmt  das  Gewicht  einer  Lai 
von  16  Ellen  auf  8 — 8V2  kg  an,  so  dass  sich  für  die  Elle  < 
Durchschnittsgewicht  von  stark  V2  kg^)  ergeben  würde.  Das 
etwa  um  das  Doppelle  zu  schwer.  Ein  Baseler  Landsknechtspi 
von   5,16  m,  also    11,396  Ellen  Länge  wog  nur  3,285  kg.^)     I 

1)  Gesch.  des  griech.  Kriegsw.  S.  238  A.  17. 

2)  Schneider,  R.  Legion  und  Phalanx  S.  88.  Delbrück  Die  Perser-  i 
Borgunderkriege  S.  307:  ,auch  ist  die  Länge  der  Sarissen  nach  den  Handsc 
nicht  16  Foss,  sondern,  natürlich  falsch,  16  Ellen/  H.  Droysen  Hc 
wesen  und  Kriegf.  der  Griechen  S.  19  und  171.  Max  Jahns  Geschiche  < 
Kriegswesens  S.  100:  ,Diese  Ueberlreibung  (von  16 elligen  Sarissen)  hat  Rästo 
einschlägige  Untersuchung  endgültig  beseitigt.*  A.  Müller  bei  Baumeister  Dei 
mäler  111  S.  2042  Guhl  und  Koner  u.  s.  w.  Richtig  Bauer  bei  J.  Müller  IV  1,  : 
und  Lammert,  Polybius  und  die  römische  Taktik  S.  19.  Letzterer  hat  eine  Na 
Prüfung  versucht.  Nach  seinen  Angaben  wiegt  ein  Eschenspeer  von  14  gric 
Ellen  aus  frischem  Holz  6,5,  einer  aus  trockenem  5,6  kg  und  die  Druckk 
des  rechten  Armes  wäre  nach  ihm  auf  4,6 — 5,1  k  anzuschlagen.  Auch  sc 
Untersuchung  zeigt  die  Verkehrtheit  der  ROstowschen  Annahmen  und 
Möglichkeit  der  Führung  einer  so  langen  Lanze.  Sein  Gedanke,  es  könne 
Fusse  der  Sarisse  ein  eisernes  Schuhstück,  wie  es  wohl  bei  griechischen  Lan 
vorkommt  (H.  Droysen  Heerwesen  S.  17),  als  Gegengewicht  angebracht  gewe 
sein  {oriKOffia  bei  Polybius)  ist  ansprechend,  aber  nicht  zu  beweisen. 

3)  Pol.  XVIIl  29,  2:  TO  9i  tdJv  aaçiaacâv  fieye&os  iari  uata  fièv  ' 
ii  açxr^s  v7i6d'8CiV  éxxaiSaxa  nrjxoiv,  xara  8è  rrjv  âçftoytjv  tvjv  nçoç  i 
aii^&eiav  dêxaxaxtâQatv. 

4)  Genau  0,50—0,53  kg. 

5)  Nach  freundlicher  Angabe  des  Herrn  Abwart  Küntly  am  Baseler  h 
Museums.    Der  Umfang  des  Schaftes  an  diesem  Speere  betrug  am  Fuss  0,10 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    225 

El\e  dafOD  wog  also  mit  EiDrechmiDg  der  eiserneo  Spitze  im 
IhirchscbDÎtt  Dur  etwas  Ober  ^/a  kg*);  und  bei  einem  aoderea 
Spiesse  im  Zeugbause  tod  Luzern  kam  der  Durcbscbnitt  sogar  nur 
auf  0,213,  also  beträchtlich  unter  7«  kg  zu  stebeo.*)  Legen  wir 
trotzdem  das  volle  Gewicht  der  schwereren  Lanze  der  Berechnung 
des  14  elligen  Speeres  zu  Grunde,  so  erbalten  wir  doch  nur  ein 
Gesammtgewicbt  von  nicht  ganz  4  kg.*)  3.  RQstow  setzt  den  Raum 
xwiscben  den  beiden  Händen  des  speerlragenden  Soldaten  auf  nur 
zwei  Fuss  an/)  Je  kleiner  dieser  Raum  war^  um  so  grösser  musste 
allerdings  der  Druck  der  rechten  Hand  werden,  welcher  dem  vor- 
deren längeren  Theile  der  Lanze  das  Gleichgewicht  halten  sollte. 
Darum  rechnet  man  aber  auch  in  der  Landsknechtszeit  durchgehend 
drei  Fuss  zwischen  den  Händen  und  damals  musste  man  doch 
wohl  wissen,   wie  man  am  bequemsten  solche  Speere  handhabt.*) 


io  der  Mitte  0,115  m.  Ich  bemerke  dabei  gleich,  dass  alle  langen  Spiesse 
<iieier  Art,  die  ich  aolersucht  habe,  die  Eigenthümlichkeit  hatten  in  der  Bütte 
im  dicksten  zu  sein. 

1)  Genau  0,282  kg. 

2)  Von  mir  selbst  gewogen.  Der  Spiess  war  4,56  m  lang,  2,2  kg  schwer, 
listte  ooten  9,  in  der  Mitte  10,  oben  8  cm  Umfang.  Er  gehörte  zu  den  leich- 
^.  Nach  Angabe  des  dortigen  Vorstehers  des  Zeughaases  haben  die  dor- 
Htü  Speere  —  es  sind  noch  mehrere  hundert  da  —  alle  etwa  dasselbe  Ge- 
bebt. Er  taxirte ,  dass  die  Abweichung  nach  oben  höchstens  etwa  0,60  kg 
Intrigen  könne. 

3)  Genau  3,953  kg. 

4)  Er  setzt  diesen  Zwischenraum  so  klein  an  wegen  des  Schildes,  den 
^cr  makedonische  Hoplit  trug  :  ,die  rechte  wird  aber  —  sagt  er  —  nicht  viel 
^titer  als  2'  hinter  der  linken  angreifen  können,  wenn  der  linke  Arm  dicht 
*Bi  Leibe  bleiben  soll,  was  man  wegen  der  Deckung  mit  dem  Schilde,  zumal 
Ib  der  nvxvwais^  nothwendig  annehmen  muss.*    Der  Schild  deckte  indessen, 

[      ▼ran  er  an  halbgekrûmmtem  und  halb  rechts  vorgestrecktem  Arme  hing,  auch 
I       ohne  an  den  Körper  angepresst  zu  sein,  ebensowohl.   War  er  doch  durch  eine 
.      besondere  Vorrichtung  (Plut.   Cleomenet   11),  die  uns  aber  nicht  genau  be- 
gannt ist  (Baumeister  Deiikm.  S.  2039,  H.  Droysen  Heerführung  der  Griechen 
S.  14),  zam  Gebrauch  neben  der  Sarisse  eingerichteL    Auch  die  Landsknechte 
des  17.  Jahrhunderts  fassten,  wenn  sie  mit  Schild  und  Pike  bewehrt  waren, 
die  letztere  mindestens  mit  drei  Fuss  Spannung,   wie  die  Abbildungen  in 
flaoptmann  Lavaters  Kriegsböchlein  (Zürich  1644)  das  auf  S.  84  deutlich  zeigen, 
die  auch  lugletch  aber  die  Haltung  des  Schildes  Aufschluss  geben. 

5)  Maechiavelii  IieUe  Ubri  deW  arts  delta  guerra.  Opère  Bd.  IV  (Aus- 
gabe 1813)  p.  302:  uno  braecio  e  mezzo  (88  cm.  1  braecio  von  Florenz  i» 
0,584  ID,  Behm  geogr.  Jahrbuch  I  S.  XXIV)  ê  oecupato  dalle  mani,   Monte- 


226  J.  KROHATER 

Der  Druck,  welcher  das  Gleichgewicht  halt,  verriDgert  sich  damit 
um  ein  yolles  Drittel.  Das  Resultat  dieser  drei  Correctureo  ist, 
dass  statt  des  Yermeintlichen  Druckes  yon  30  &.  our  eio  solcher 
▼OD  kaum  6  kg  nOthig  ist.*)  Die  RQstow'scbe  UomOglichkeit  ist 
verschwunden.*)  Wenn  ich  zum  Schlüsse  noch  hinzufOge,  dass  die 
längsten  Speere  der  Landsknechte,  die  uns  bekannt  sind,  nur  um 
36  cm  hinter  den  14  elligen  des  Polybius  zurOckbleiben,')  so  glaube 


encoli  Mémoires  (Strassborg  1735)  S.  26:  t7  y  a  iroù  pieds  au  entfiron  {de 
la  pique)  occupe»  par  les  mains,  v.  Wallhausen  Kriegskunst  za  Pass  (Oppen- 
heim 1615)  die  Abbild,  zw.  S.  54  ond  55.  —  Man  halte  nicht  entgegen  (wie 
RQstow  Gesch.  der  Infanterie  S.  252),  dass  die  Speerhaltung  bei  den  Make- 
doniern  eine  andere  gewesen  sei  als  bei  den  Landsknechten,  dass  jene  des 
Speer  in  Hûflhôhe,  die  Landsknechte  ihn  dagegen  in  Halshöhe  gehalten  hittea 
(s.  die  Abb.  bei  Wallhausen  a.  a.  0.).    Denn  1.  gab  es  auch  bei  den  Lands- 
knechten  die  Haltung   in   Hufthöhe,  wie  die  Beschreibung  bei  Mootecocali 
S.  21  und  zahlreiche  Abbildungen  zeigen  (Wallh.  Taf.  32.  37  u.  s.  die  Landt- 
knechtsschlacht  von  Holbein  in  Basel   u.  s.  w.).    Sie  war  sogar  die  gewöhn- 
liche (von  Wallhausen  wird  sie  S.  57  als  die  zweite  Art  des  SpiessiSlIea» 
gegen  Fussvolk  ausführlich  beschrieben).    2.  ist  dieser  Unterschied  fflr  di^ 
Weite  der  Handfassung  gleichgültig.    Durch  eine  Senkung  beider  Unterarme 
um  etwa  25  cm  geht  man  ohne  irgend  welche  Veränderung  in  der  Fassoa^ 
aus  einer  Stellung  in  die  andere  über.    Den  Versuch  kann  jeder  selbst  mM^ 
Leichtigkeit  machen. 

1)  Genau  5,924  kg.  a  b  sei  der  Spiess  von  14  Ellen,  c  der  AngrtiSiB- 
punkt  der  linken  Hand,  zugleich  der  Unterstötzungspunkt  des  Hebels,  dess^* 
linker  Arm  also  10,  dessen  rechter  4  Ellen  lang  ist  Der  längere  Arm,  2,821  ^< 
schwer,  wirkt  in  dem  Schwerpunkte  dieses  Hebelarms  d;  der  kürzere  1,128  ^f 
schwer  in  e.  Der  Druck,  welcher  an  diesem  Punkte  durch  die  rechte  B***^ 
geleistet  werden  muss,  sei  x.    Er  ergiebt  sich  aus  der  Gleichung: 

5.  2,821  =  2.  1,128  + 2  X. 
a  de  e  ^ 

10        9876543        2         1        A        Î        2 


Î  I 


2,821  kg.  1,128  kg. 

2)  Die  Landsknechte,  welche  ihre  Spiesse  beim  Fällen  ganz  am  KO^ 
aiifassten  (s.  Macchiav.  a.  a.  0.  Wallhausen  a.  a.  0.  Montecuculi  S.  26  n.  s.  ^^ 
hatten  bei  einer  Länge  der  Spiesse  von  18  Fuss  sogar  einen  Druck  von  tt^^ 
7,5  k  mit  der  rechten  Hand  auszuüben. 

3)  Die  Spiesse  der  Landsknechte  betrugen  18  Fuss  nach  Monteca^^^^ 
Mém.  p.  26,  Macchiavelli  a.  a.  0. 11  S.  232  u.  a.;  14  polybianische  Ellen  »i^^ 
6,21m,  (falsch  Daremberg  7,20  m  Lit.  H  p.  36),  18  alte  pariser  Fuss  Ȕ^^ 
5,85  m,  da  der  betr.  Fnss  0,325  m  beträgt    Behm  geogr.  Jahrbuch  I  S.  %f-^ 


ZOM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    227 

ich  auch  too  dieser  Seite  her  die  ExisteozmOglichkeit  der  Poly- 
biaDiscben  Sarissen  erwiesen  und  somit  jedeo  Einwand,  der  fOD 
^eser  Seite  her  gegen  den  Gliederabstand  Ton  drei  Fuss  erhoben 
werden  kann,  aus  der  Welt  gescbaflTt  zu  haben. 

Doch  es  erhebt  sich  alsbald  eine  neue  Schwierigkeit.    Es  giebt 
nadi  Niebuhrs^)   nicht   nur  geistreicher,  sondern,  was  mehr  ist, 
wahrer  Bemerkung,  im  Alterthum  zwei  ganz  entgegengesetzte  Arten 
der  Taktik.     Die  eine  yerlasst  sich  auf  den  einzelnen  Mann,  seine 
Geschicklichkeit  in  den  Waffen,  seine  persönliche  Tapferkeit,  die 
andere  wirkt  durch  die  Masse,  der  Einzelne  thut  fOr  sich  allein 
niebts  oder  fast  nichts.    Jene  ist  die  römische,  diese  die  make- 
donische KampfesarL    Wie  nun?   Wenn   die   Phalanx,   in  der  ja 
dieses  Hassenprincip  am  stärksten  ausgeprägt  ist,  mit  ihrer  16  oder 
gar  32  Glieder*)  tiefen  Aufstellung  durch  den  Druck  allein,  aber 
durch  ihn  auch  mit  Tollster  Gewalt  wirken  soll,*)   wie  ist  dann 
One  80  weite  Aufstellung  der  Glieder  Oberhaupt  denkbar?    Hat 
nsn  da  nicht  doch  vollkommen  Recht  mit  der  Annahme,  dass  die 
Uoteren  Reihen,  die  ja  zu  gar  nichts  weiter  nütze  waren,  als  zu 
sehieben,  dicht  genug  aufgeschlossen  sein  mussten,  um  dieser  Auf- 
gabe auch  gerecht  werden  zu  können?^  Wie  yermochten  sie  aber 
<kn  Stoss   der   ersten   Glieder    wirksam   zu   unterstützen ,   ja   wie 
konnte  auch  nur  das  zweite  und  dritte  Glied  den  Stoss  des  ersten 
verstärken,  wenn   zwischen  Vorder-   und   Hintermann   ein   lichter 
Baom  ?oo  wenigstens  58 — 60  cm  gelassen  war?   Das  will  in  der 
thii  uns  Modernen,  die  wir  ohne  eigene  Anschauung  und  prak- 
liicbe  Erfahrung  in   solchen  Dingen   sind,  unmöglich  erscheinen, 
und  hilfesuchend  sehen  wir  uns  nach  einem  Zeugen  um,  der  uns 
JDit  lebendiger  Anschauung  zur  Seite  treten  könnte,  um  uns  gegen- 


—  Volle  14  Ellen  würden  nach  Jahns  a.  a.  0.  S.  756  auch  für  die  Landa- 
knechte  heraus  kommen.  Er  spricht  von  Piken  Ton  über  6  m  Länge,  aber 
leider  ohne  Beleg. 

1)  Römische  und  makedonische  Taktik,  in  der  röm.  Gesch.  $.987 ff. 
(Ausgab«  1853). 

2)  So  bei  Magnesia  Liv.  XXXVII  40,  2.  App.  Syr.  32.  37,  vgl.  H.  Droyaen 
Heerfflhrang  172  A.  2. 

3)  Das  sagt  Polyblos  ausdrücklich  XVIII  30,  4:  avrtp  ys  /ir^  rq  tov 
^«SßuttoQ  ßa(^e  .  •  nu^avvrac  ovroi  rovs  nçoijyov/i^vatfÇ  ßlaiav  .  .  noioicé 
Tçr  èfo9o¥, 

4)  So  RQstow  Gesch.  des  gr.  Kriegsw.  S.  239  A. 


228  J.  KROMAYER 

aber  einer  UDbegreifiicheD,  und  dessbalb  nalOrlich  als  falsch  b^ 
trachteten  Ueberlieferung  zum  Siege  zu  verhelfeD.  Der  ZuhU  wi 
ans  wohl,  so  scheint  es.  Es  giebt  ja  bekanntlich  in  der  & 
schichte  des  Kriegswesens  eine  durchschlagende  Parallele  tu  in 
makedonischen  Phalanx:  die  Landsknechtstaktik  mit  ihren  Jang« 
Spiessen\^)  Auch  hier  ist  der  Einzelne  nichts  und  fOllig  wehrk 
wenn  der  Gegner  ihm  nahe  genug  auf  den  Leib  rücken  kann,  i 
Masse  wirkt  als  solche,  auch  hier  ist  der  Choc,  auch  hier  die  fl 
Reihen  Speereisen,  welche  sich  vor  das  erste  Glied  yorstarr« 
senken,  auch  hier  die  dicke  Masse  der  nur  schiebenden  Krieg 
im  Hintergrunde,  hier  werden  wir  also  —  so  hoffen  wir  von  unsen 
modernen  Standpunkte  aus  —  sicher  eine  Widerlegung  der  Grieck 
finden. 

In  der  ThatI  Reichlich  und  klar  sprudeln  die  Nachrichl* 
hier  empor.  Macchiavelli  lässt  in  seiner  Theorie  der  Kriegaku 
die  Gewalthaufen  Yon  400  Mann  mit  20  Mann  Front  und  20  Mai 
Tiefe  (a.  a.  0.  S.  252  f.)  so  aufmarschiren,  dass  die  Tiefe  40  flore 
tinische  bracda  (S.  284),  d.  h.  23,36  m  betragt.^  Er  rechnet  » 
hin  auf  den  Mann  zwei  volle  bracda')  oder  1,17  m  der  Tiefe  aacl 
und  in  der  engsten  Ordnung,  wo  es  ihm  darauf  ankommt  zu  zeig« 
wie  viele  Piken  man  besten  Falles^)  ins  Gefecht  bringen  kOoB 
lässt  er  seine  Glieder  doch  nicht  naher  als  1^2  braecio  »^  Ofii  \ 
aufrücken.")  Es  ist  eine  recht  peinliche  Ueberraschung:  das  i 
genau  der  Abstand  der  Makedonier  nach  Polybius.  Und  nid 
anders  war  es  in  Frankreich,  wo  die  Institution  de  la  dßsdfb 
militaire  au  royaume  de  France  a.  1559")  gleichfalls  einen  Glieda 
abstand  von  drei  Fuss  vorschreibt,  nicht  anders  in  Deutschliai 
wo  nach  den  Angaben  des  Herrn  Johann  Jacob  von  Wallbau80 
der  loblichen  Stadt  Danzig  Obrist- Wachtmeister,  beim  Klampfe  vc 


1)  Vgl.  Macchiavelli  a.  a.  0.  S.  280:  i  battagliani  de*  Svi%%eri  \ 
qitetti  tempi  tutti  i  modi  delta  falange  etc. 

2)  1  braccio  von  Florenz  »  0,584  m,  s.  obeo  S.  225  A.  5. 

3)  P.  253:  tono  distanti  almeno  due  braccia  Vuno  dalP  aUro, 

4)  Quattro  o  at  piu  cinque, 

5)  P.  302  :  la  seconda  fila  .  .  consume  un  braccio  e  mezzo  neiio  spa 
che  resta  ira  Puna  fila  e  Pâlira. 

6)  P.  76  und  96.    Nach   Röstow  Gescb.  der  Infanterie  S.  251.    Ebei 
Je  la  Noue,  discours  politiques  et  militaires  éd.  de  Fresnes  1596  p.  458, 
50  Mann  hintereinander  60  Schritt  brauchen. 


TXM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    229 

Fvmolk  gegen  Fussfolk  sogar  ein  Abstand  von  iVs  Schritt/)  d.  h. 
fon  etwa  3 — 3V2  Fuss  gefordert  wird.') 

Man  kODDte  das  Register  leicht  yermehreD.*)  Doch  genug  I 
Die  drei  Beispiele  aus  den  drei  Ländern  zeigen,  dass  es  eben 
flbenlJ  so  war,  und  die  Ubereinslimnaenden  Zeugnisse  aus  den 
beideo  fast  um  zwei  Jahrtausende  getrennten  Geschichtsperioden 
akacheo  jeden  Widerspruch  yerstummen.  Zugleich  aber  reizen  sie 
oiwjderstehlich,  den  Grund  dieser  Uebereinstimmung,  die  also  doch 
wohl  ia  der  Natur  der  Sache  liegen  muss,  kennen  zu  lernen. 

Hit  einem  so  oberflächlichen  Raisonnement,  wie  das  vorher 
legebene  über  den  Druck  der  hinteren  Glieder  ist  es  freilich  nicht 
gelban.  Es  bedarf  der  lebhaftesten  Vergegenwärtigung  der  Actions- 
bedingungen.  Der  makedonische  Soldat  fasst  wie  der  Landsknecht 
Moe  Lanze  mit  beiden  Händen  möglichst  weit,  wie  wir  gesehen 
kaben.    Drei  Fuss  war  etwa   das  Maass   dieser  Weite.    Wie   nun, 

1)  Kriegskunst  zu  Fuss  S.  79:  in  enger  und  geschlossener  Ordnung  stehen 
•  ..erstlich  mit  geschlossener  Schlachtordnung  gegen  Fussvolk  streiten. 
Zon  auderen  .  .  ,  gegen  Reulerei  streiten.  Die  erste  gegen  Fussvolk  ge- 
itMebet  nach  Gelegenheit  etwas  weiter  (als  gegen  die  Reiterei)  und  mit 
iQdertliaib  Schritt  in  Reyen  (d.h.  in  Rotten)  und  Gliedern  Oistantien. 

2)  Es  giebt  natürlich  grosse  und  kleine  Schritte.  Wenn  aber  wie  hier 
00  Schritt,  so  wie  man  ihn  beim  Abschreilen  zu  nehmen  pflegt,  als  Maass 
Sttetzt  ist,  so  wird  man  an  einen  Dnrchschnittsschritt  von  mindestens  60  bis 
^Ocin  denken  müssen.  Damit  erhalten  wir  90—105  cm  für  IVs  Schritt  oder 
Iwt  genau  3 — 3Yt  polybianische  Fuss.  Dass  diese  Thatsache  R.  Schneider 
^  seiner  Theorie  Ton  den  engen  Abständen  der  Makedonier  (s.  S.  221  A.  3. 
^224  A.  2)  sehr  unbequem  ist,  lässt  sich  denken.  Wenn  er  sie  aber  da- 
divch  aus  der  Weit  zu  schaflen  sucht,  dass  er  (Legion  und  Phalanx  S.  77) 
los  glauben  machen  will,  ein  Durchschnitlsschritt  sei  im  17.  Jahrhundert 
^er  gewesen  als  im  19.,  weil  damals  die  Soldaten  im  Glied  in  der  Grätsche 
IttUoden  hätteo,  während  sie  jetzt  mit  Hackenschlnss  stehen,  so  verglast  er 
ttiogeben,  was  Grätsche  und  Hackenschlnss  in  aller  Welt  mit  dem  Schritte 
^Mannes  zu  thun  haben,  der  Distancen  abschreitet.  Denn  darum  handelt 
^  sidi  j»,  wie  ausser  der  Natur  der  Sache  noch  die  Schriitmessung  bei  Ab- 
•teckoog  des  Lagers  (Wallhansen  S.  122  f.  125  f.)  handgreiflich  zeigt.  Monte- 
^OCQÜ,  dessen  Soldaten  auch  mit  PioderhoKeo  in  Grätsche  standen,  rechnet 
^ü  auch  ausdrücklich  einen  Schritt  égal  à  deux  grands  pieds  géométriques 
^^^.  p.  25),  d.  h.  ^  0,75  cm.  Denn  ein  geometrischer  Fuss,  von  denen  10 
'of  eine  rheinische  Ruthe  gehen  (Montecuc.  a.  0.),  ist  gleich  0,376  m.  Behm 
f^gr.  Jahrbach  I  S.  XXX.  (Jebrigens  kommt  Schneider  mit  seinem  kleinen 
^rilt  von  55  cm  nicht  einmal  zum  gewünschten  Ziel:  P/s  seiner  Schritte 
9<t>eo  auch  82,5  cm,  also  nur  6  cm  weniger  als  drei  polybianische  Fuss. 

3)  Vgl.  z.  B.  unten  S.  230  A.  2. 


230  J.  KROMATER 

wenn  der  HiDtermaoD   naher  als  drei  Puss  steht?   Soll  er  ei 
über  die  Hand   seines  Vordermannes  nach  vorn  Qbergreifen, 
an  jeder  freien  Bewegung  hindern  ?   Schon  aus  diesem  Gnioda 
ein  näheres  AufrOcken  unthuulich.*) 

Aber  es  kommt  ein  Zweites  hinzu.  Eine  so  tief  aufgesld 
Colonne  wie  die  makedonische  bedarf  naturgemflss  einiger  Elai 
citat  in  sich.  Sie  muss  sich  noch  um  ein  wenig  mehr  zusamme 
drücken  können ,  als  ihre  normale  Tiefe  betragt.  Sonst  bat  i 
kleinste  Anhalten,  ja  die  geringste,  auch  nur  augenblickliche  Stockm 
in  einem  der  ersten  Glieder  einen  Stoss  fDr  den  Hintermann  i 
Folge,  der  sich  von  jenem  weiter  bis  zum  letzten  Gliede  fortiel 
und  öfters  wiederholt  unerträglich  wird.  Um  dieser  ermOdesdi 
Unannehmlichkeit  tiberhoben  zu  sein,  wird  der  Soldat  sich  « 
willkürlich  mehr  oder  weniger  von  seinem  Vordermann  fernhalte 
Die  Colonne  lockert  sich  unweigerlich,')  aber  mit  dem  Nachtheil 
dass  Richtung  und  Ordnung  zugleich  verloren  gehen.  Kdi 
100  Schritt  wird  sich  eine  Colonne  von  16  Gliedern  mit  dsc 
Abstand  von  zwei  Fuss  vorwärts  bewegen  können.')  Die  vooi 
fang  an  loser  aufgestellte  dagegen  bewegt  sich  frei,  bis  sie  di 
Feind  erreicht:  da  verlangsamen  plötzlich  die  ersten  Gliedenh 
Schritt  oder  sie  hemmen  ihn  ganz,  nothgedrungen.  Und  nun  dria 
hinter  ihnen  Glied  auf  Glied,  wie  es  im  Schwünge  ist,  gleichmSei 
überall  nach.  Der  moralische  Halt,  den  die  hinteren  Kämpfer  g 
währten,  verwandelt  sich  jetzt  erst^)  in  physischen  Druck  und  i 

1)  Dies  ist  also  Dicht  nor,  wie  Rüstow  meint,  ein  Grand  für  den  weit 
Gliederabstand  bei  den  Landsknechten  (Gesch.  der  Infanterie  S.  252),  aonôt 
es  gilt  ebenso  für  die  Makedonier,  vgl.  oben  S.  225  A.  4. 

2)  Es  ist  eine  bekannte  Erfahrang  vom  Exercierplatze,  dass  sich  be 
Marsche  in  Reihen  trotz  aller  Gegenmaassregeln  der  Exerciermeister  die  fn 
stets  verlängert.  Das  ist  genau  dieselbe  Erscheinung,  und  dabei  betrilgt 
dieser  Stellung  der  Abstand  unserer  Soldaten  von  einander  mehr  als  iwei  Fo 
etwa  66  cm,  s.  onten  S.  240  A.  2.  Diese  Thatsache  erkennt  Râstow  (Gen 
der  Infanterie  S.  254)  sogar  für  die  Schweizer  Gewalthaufen  an,  obgleich 
hier  selber  den  Abstand  schon  auf  drei  Fuss  ansetzt. 

3)  Bei  unseren  wohl  eingedrillten  Soldaten  beträgt  sogar  der  lichte,  d. 
von  Röcken  zu  Brust  gemessene  Gliederabstand  selbst  im  Schritt  schon  64« 
Bei  ,ohne  Tritt*  wird  er  dann  auf  80  cm  verlängert,  Exercierregleoeat 
die  Infanterie  1889  S.  7  §  7.  Und  auf  Kriegsmärschen  soll  er  nacli  der  Fe 
dienstoidnung  von  Brust  zu  Brust  sogar  1,10  m  weit  sein. 

4)  So  erledigt  sich  Lammerts  Bedenken  (Polybius  und  die  römische  Tak 
S.  12):  ,eben8o  verkehrt  bezeichnet  es  Polybius  für  einen  besonderen  Vortl 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  ROMISCHEN  HEERWESEN    231 

lebereeaguDg,  dass  man  vorwärts  müsse,  wenn  mao  Dicht  erdrückt 
ider  zertreten  werden  wolle,  wird  durch  diese  grob -sinnliche 
Empfindung  zu  vollstem  Bewusstsein  gebracht.  Die  vordersten 
Beiheo,  und  mit  ihnen  die  ganze  Phalanx  entfalten  ihre  höchsten 
Leistungen. 

Es  ist  immer  ein  erfreuliches  Zeichen  für  die  Richtigkeit  eines 
vineDschaftlichen  Resultates,  wenn  dadurch  auf  bisher  unerklärte 
Tbitsachen  plötzlich  ein  neues  Licht  fölit.  Die  makedonische  Pha- 
hix  ist  in  dem  Augenblicke,  wo  sie  schon  zum  Kampfe  vorrücken 
tollte,  noch  im  Stande  gewesen,  leichtbewaffnetes  Fussvolk  von 
vorn  nach  hinten  durch  ihre  Reihen  hindurchzulassen,  ohne  in 
Verwirrung  zu  gerathen.  ,Sie  macht  Lücken'  —  so  heisst  es  wieder- 
Mt  —  und  schlicssl  sie  nachher  sofort  wieder.')  Merkwürdiges, 
leAhrliches  Manöver  im  Angesicht  des  FeindesI  Sollte  man  wirklich 
^veh  Zusammenziehen  der  Front  oder  gar  durch  Bewegungen 
giaier  Abtbeilungen  dem  Feinde  eine  solche  Blosse  gegeben  haben 
Sit  einer  Phalanx,  deren  Heil  ja  allein  auf  ihrem  Zusammenhalt 
krähte?  Da  man  dies  schlechterdings  nicht  annehmen  konnte,  so 
bGeb  den  bisherigen  Erklärungsversuchen  in  der  That  nichts  an- 
aleres übrig,   als  der  Interpretation   der  Texte  Gewalt  anzuthun.*) 


^  Bikedonischeo  Aofstellang,  dass  die  15  Hintermänner  .  .  .  ihren  Vorder- 
^ocTD  durch  den  Druck  ihres  Körpergewichtes  .  •  •  eine  gewaltige  Stoss- 
baft  verleihen.  Denn  das  ist  bei  drei  Fnss  Gliederabstand  unmöglich.'  Es 
PWea  denn  natürlich  die  Beschreibungen  der  Alten  auch  nur  auf  den  Augen- 
l>Kck  des  Zusammenstosses,  nicht  auf  das  Anrücken.  Arr.  tact,  16:  xarà  rois 
*^wirs  nal  ras  nXev(fàs  al  àrêffêiaeis  ylyvovrat,  tœv  ne^àiv;  anon.  byz.  15,  19  : 
^  x(  noê^  xov  àyœroç  cwm^ovm  ravs  tfftnçoa&av^  cûaxe  ßac%nicav  rtjr 
fwoyya  t^  nAir.aêi  yiyraaâ'ai. 

1)  Bei  Magnesia  App.  Syr,  35:  ^  di  ydXayS  •  •  ''ovç  tptlovç  xoiç  inl 
^  futwnav  tSfpmv  ixi  nçonoXêfiavrraç  8iairràira  iç  avrrjv  idiiaro 
^  nâXiv  üvv^ei  und  bei  den  Thermopylen  ib.  19:  rot's  fUv  yptlaitç  r} 
f^i  .  .  •  8iacràira  is  avrr^v  éSêSato  xal  uvvêX&ovca  ènaXwpê, 

2)  H.  Droysen  Heerwesen  S.  173,  3.  Wenn  die  Leichten  sich  bei  Magnesia 
^irch  die  Intervalle,  in  denen  die  Elephanten  gestanden  hatten,  wie  Droysen 
▼VBQthety  zurückgezogen  hätten,  so  bitte  von  einem  Auseinandertreten  und 
^itderzQsammen treten  der  Phalanx  nicht  geredet  zu  werden  brauchen.  Auf 
^  Schlacht  bei  Thermopylae  aber  passt  Droysens  Erklärung  erst  recht  nicht, 
^  hier  die  Elephanten  gar  nicht  zwischen  den  Abtheilungen  der  Phalanx, 
•owlern  alle  anf  dem  rechten  Flügel  standen  (App.  Syr,  18).  Die  Maassregel 
^  Eiodonblirens  der  Rotten  verwirft  Droysen  von  seinem  Standpunkte  aus  mit 
'^t,  weil  bei  zwei  Fuss  Gliederabstand  das  gar  nicht  mehr  ausführbar  ist 


232  J.  KROMATER 

Bei  eiDem  Gliederabsland  voo  drei  Fuss  ist  das  MaoO?er  das  en- 
fachste  tod  der  Welt:  die  ungeraden  Rotten  treten  mit  eÎMB 
Schritt  halblinks  rOckwärts  hinter  ihre  NebennUInner.*)  Breili 
Strassen  entstehen  so  überall  zwischen  den  steheDgebliebènen  ge- 
raden Rotten.  Die  Leichten  können  sogar  laufend  hindarcb.  Dmè 
einen  Schritt  halbrechts  vorwärts  wird  dann  die  alte  Stellung  wieAr 
gewonnen.  Auch  dass  man  von  der  Phalanx  in  ihrer  Schbchl» 
Stellung  den  Laufschritt  verlangen  kann,  wie  es  Alexander  im 
Massaga*)  und  unter  den  erschwerenden  Umstanden  einer  Flaokea* 
bewegung  PhilopOmen  bei  Mantinea  that/)  auch  das  ist  etwas,  d» 
nur  bei  der  von  uns  erwiesenen  loseren  Aufstellung  möglich  «Mi» 
So  finden  die  verschiedensten  Elemente  sich  zusammen:  ikr 
directe  Ueberlieferung  des  Polybius  und  der  Taktiker,  die  Anakigift 
ähnlicher  taktischer  Verhältnisse  aus  der  Zeit  der  LandskneAti^ 
die  aus  der  Natur  der  Sache  selbst  geschöpfte  Betrachtung  né 
endlich  die  Erklärung  bisher  unverständlicher  Nachrichten  alM* 
Schriftsteller:  alles  hilft  an  seinem  Theile  eine  bisher  zwar  alk 
gemein  herrschende,  aber  doch  nur  moderne  Ansicht,  boffentUi 
endgültig,  zu  beseitigen. 

Der  Rottenabstand. 

Ein  Taktiker,  der  seinen  Lesern  ein  Bild  von  der  AufsIdloH  ' 
eines  Truppenkörpers  geben  will,  hat  ausser  von  dem  Gliedir- 
abstande  auch  von  der  Dichtigkeit  der  Rotten  oder  von  dem  Ab*- 
Stande  des  Nebenmannes  zum  Nebenmann  zu  sprechen.  PoIyM: 
bat  in  seiner  Auseinandersetzung  über  die  Phalanx  ein  soldMI' 
Bild  geben  wollen.  Er  spricht  das  nicht  nur  im  AUgemeinca 
aus,^)  sondern  er  ist  sich  der  beiden  soeben  gestellten  Fordenmgit 
voll  bewusst,  da  er  ausdrücklich  von  dem  Charakter  und  der  Dichts 
der  Phalanx  nach  Vorder-  und  Nebenmann  redet.*)  Folglich  muH 
sich   in  seiner  Beschreibung  eine  Bestimmung  auch  Ober  den  Ab- 

1)  Dies  Manöver  des  Eindoublirens  nach  Rotten  ist  den  griecblsckeo  Tak 
tikern  wohl  bekannt     Belege  bei  Droysen  S.  41. 

2)  Arrian  anab,  IV  26. 

3)  Poiyb.  XI  15,  2:    naçayyeiXas   ev&iOfÇ  xoU  nçwxo^ç  tiJiMfft  tomt  ^ 
JUx^^iTo;«'  kn^  aaniSa  xXiveiv,  nçorfye  finà  SçofUfv^  xrjçwv  %às  to^mc. 

4)  XVIIl  29,  1  :  éxovafjÇ  rr^e  ^aXayyoç  t^v  avrf^  iStârtfTa  nal  9wm^m 

5)  Ib.  5:  éxoicij:  t^c  fnXayyos  rr^r  avrtjS  iSwrrira  xai  nwevmCi^  9m% 
inKrrârfjv  xal  xarà  naça^rajrjv. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    233 

«Uod  voD  Neben-  zu  NebeomaDD  fioden.     Die  einzige  hierher  be- 

iti^licbe  Angabe  ist  aber  dieselbe,  die   wir  schon  früher  kennen 

gelernt  haben  6  fiiv  avqg  ïaTaïai  .  .  .  |y  rçi^aï  noai,  und  so 

bat  man  sie  denn  auch  bis  jetzt  durchgehend  auf  diesen  Abstand 

gedeutet.')    Wir  aber  hatten   sie  oben   mit  demselben  Rechte  für 

deo  Abstand  von  Hinter-  zu  Vordermann  in  Anspruch  genommen. 

Was  folgt  daraus?  —  Sie  gilt  für  beides.     Der  Ausdruck  laTorai 

h  ïQiai  noai  lässt  doch  auch,  besonders  wenn  wir  noch  die  ana- 

,    logen  Ausdrucksweisen  der  übrigen  Taktiker  heranziehen,')   kaum 

I    eine  andere  Deutung  als  möglich  erscheinen.     Denn  er  enthält  ja 

[    keine  specielle  Bestimmung  für  irgend  eine  Richtung,  sondern  giebt 

1    den  Raum,  den  ein  Mann  braucht^  ganz  allgemein,  also  nach  allen 

Seiten  bin  an.    Man  könnte  ihn  deutsch  am  klarsten  etwa  so  über- 

Ktien:  der  Mann   nimmt  drei  Fuss  im  Quadrat  ein.')     Die  Sache 

ist  80  zweifellos,   dass  ich  auch  hier  wieder  die  Acten  schliessen 

konnte  mit  dem  Resultat:   in   der  zum  Gefecht  anrückenden 

Phalaux  betrug  der  Frontraum  des  einzelnen  Mannes  drei 

griechische  Fuss  oder  89  cm. 

Es  ist  einigermaassen  wunderbar,  dass  man  diesen  so  klaren 
fhatbestand  bat  läugnen  oder  wenigstens  an  ihm  hat  deuteln  können. 
^ker  man  hat  es  gethan,  und  unsere  nächste  Aufgabe  wird  daher 
^Oi  auch  die  anderen  Quellen  daraufhin  zu  verhören. 

Zunächst  die  Taktiker  des  Alterthumes:  sie  kennen  eine  Stel- 
^  der  Phalanx,  in  welcher  der  Mann  zwei  Ellen  im  Quadrat 
einnimmt^);  es  ist  genau  dieselbe  wie  die  des  Polybius.  Sie  nennen 
^eae  Stellung   7cvytvù)aiç,^)  Polybius  auch.*)     Sie  behaupten ,   ge- 

i)  Rüstow  und  Köchly  gr.  Kriegsschriftst.  II  1,  125  o.  8.  Droysen  Heer- 
^cien  S.  39  Â.  1  ood  sonst 

2)  Sie  geben  stets  den  Abstand  nach  Breite  und  Tiefe  an  und  zwar 
**B)€r  beide  Entfernungen  gleich  gross,  s.  unten  A.  4  und  S.  234  A.  2. 

3)  Wörtlich  biesse  es  ,er  steht  innerhalb  eines  Raumes  von  drei  Fuss.* 
^  Bedeutung  der  Präposition  ir  ist  bei  Polybius  sehr  häufig,  s.  das  Lexicon 
^*lyb.  Ton  Gasaubonus-Sehweighäuser  unter  iv  Absatz  6. 

4)  Âsclep.  IV  1:  ro  (dêâaxrjflia)  .  .  tp  Staanjxaat  nayraxS&ar  8vo 
*^Xßti  («  drei  Fuss)  ott'  ulXi^Xatr,  Arrian  12,  6  avr^ç  .  .  onUrrjç  êhrtJKSi^ 
*  *  ^  Svo  nrtXß^i  fiàJuaxa^  vgl.  11,  3:  xatà  na(>a<frœnjp  Zê  ncd  énêifTonjr. 
Aelian  U,  2:  xaxix*^  ^X'*^   ^^o  ...  3  nazà  na^cràrrjv  uetl  imatârtiv. 

&)  Âsclep.  a.  0.:  o  nal  niûnvœaév  énovofta^ovair;  Arr.  a.  0.:  xarà 
"•""«Wir;  Aelian:  nêTttmvatfAivoi. 

^)  A.  0.  29,  2:  narà  Tctç  ivaytoviovQ  tnmrecanç,  5:  éxovmjs  rrjé  ^â- 
^/yw  T^v  avrr,s  .  .  TtvMvvifir,    30,  3  :  t J  ynmtuèasê. 


234  J.  KROMAYER 

rade  in  dieser  Stellung  sei  man  zum  Kampfe  angerOckt,*)  Polybii 
nicht  minder.  Die  Uebereinstimmung  kann  nicht  TollkonDmeM 
sein  im  Positiven.  Auch  nicht  im  Negativen:  die  Taktiker  keiUM 
keine,  insonderheit  keine  engere  Stellung  für  den  Angriff,  PoljUi 
auch  nicht.  Die  einzige  engere  Stellung,  von  der  die  Taktiker  noek 
reden,  wird  ausdrücklich  als  eine  Vertheidigungsstellung  im  Sukm 
bezeichnet.*)  Von  Vertheidigung  redet  Polybius  an  unswer  Stdi 
aber  Oberhaupt  nicht,  folglich  auch  von  keiner  engeren  SteUofi 
Die  alte  Tradition  steht  also  hier  beim  Rottenabstand  diea« 
geschlossen  da,  wie  vorher  beim  Gliederabstand,  and  bietet  aach 
zu  einem  sachlichen  Zweifel  um  so  weniger  Veranlassung,  als  dii 
Nachrichten  der  Landsknechtszeit  völlig  damit  Qbereinstimmen.  Wii 
wissen  schon ,  dass  Macchiavellis  Bataglie  20  Mann  in  der  Fküfl 
haben  (s.  oben  S.  228)  und  lernen  jetzt  dazu,  dass  diese  20  Haan 
25  braccia,  d.  h.  14,60  m')  Raum  brauchten.  Auf  den  Mann  eifish 
das  0,73  m  oder  fast  genau  2V2  griechische  Fuss.^)  Nicht  mtm 
ist  es  bei  Wallhausen:  1^2  Schritt  für  den  Mann  auch  in  dtf 
Front,  das  war  sein  Maass  beim  Kampfe  von  Fussvolk  gegen  Fm» 
volk,  und  wie  wir  gesehen,  waren  das  etwa  3 — 37^  griechisch 
Fuss  (S.  221  A.  1  und  2).  Nicht  anders  war  es  ferner  in  Frankrdcb 
wie  das  aus  dem  zweiten  von  de  la  Nouös  geistreichen  ParadoB 
deutlich    hervorgeht.*)     Der  Abstand    von   Neben-  zu  NebenmM 

1)  Asdep.  IV  3:  yirarai  9i  tj  fiàv  TtvKvmins,  oxav  ri/iäU  tous  flBili 
fiioêS  xjjv  fpélayya  énâya»ft.w,  Ael.  11,  5:  ylvtxcu  di  17  xwepmaeS,  cum  i 
CTffarrjyos  ßovhqd^  énâyêiv  rr^v  ^kayya  ini  to^s  ivav^tavÇm 

2)  Diese  Stellung  wird  von  ihnen  awaantaftos  genannt;  der  Ranin,  êm 
der  Mann  in  ihr  einnimmt,  beträgt  1  Elle  oder  17s  Fuss  im  Quadrat  anl  c 
heisst  Ton  ihr:  yivexai .  .  0  cwaan*Cftos  orar  oi  noXé/iWà  fjftû^  ànâymn^ 
Asclep.  IV  1.  3.    Ael.  11,  2.  5  und  entsprechend  Arrian  11,  4. 

3)  1  braccio  »  0,584,  s.  oben  S.  225  A.  5. 

4)  2Vs  Fuss  genau  »  0,7392;  falsch  behauptet  Lammert  a.  a.  0.  S.1^ 
dass  die  Soldaten  bei  Macchiavelli  nur  P/a  Fuss  Frontraum  gehabt  hittea. 

5)  Discours  politiques  et  militaires  p.  456,  die  Zeichnung  mit  MaasMtd 
Es  kommen  danach  auf  50  Mann  60  Schritt  auch  in  der  Front;  also  bei  SchritU 
von  70  cm  auf  jeden  Mann  84  cm  oder  fast  volle  drei  Fuss.  —  Nach  Röata^ 
Gesch.  der  Infanterie  S.  251  soll  die  Institution  de  la  discipline  wäÜtmirte 
royaume  de  France  die  Frontbreite  eines  Mannes  auf  nur  l'/i  geometrisd 
Fuss,  d.  h.  56  cm  (s.  oben  S.  229  A.  2  über  die  Grösse  des  geometrischl 
Fusses)  angeben.  Für  eine  Vertheidigungsstellung  ist  das  gaox  io  der  Of 
nung.  Da  Rüstow  sich  ober  diesen  Punkt  nicht  ausspricht  and  ich  die  I 
stitution  auf  vier  der  grössten  deutschen  Bibliotheken  vergebens  verlaa 
habe,  muss  ich  die  Sache  vorläufig  auf  sich  beruhen  lasten. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    235 

chwaokt  also  auch  in  den  Gefechten  der  Landskoecbte  um  die 
Irei  Fuss  herum  und  deckt  sich  genau  mit  deo  AogabeD  des  Po- 
tjbius  und  der  alten  Tradition  überhaupt.  Ja  sogar  die  negative 
Säte  stimmt  wiederum  üherein.  Ein  geringerer  Abstand  ist  Wall- 
huMen  for  das  Angriffsgefecht  Oberhaupt  nicht  bekannt,  sondern 
Msdrticklich  wird  auch  bei  ihm  die  engere  Stellung,  die  er  noch 
vwtbnty  auf  den  Kampf  gegen  Reiterei  und  das  stehende  Ver- 
Iheidigungsgefecht  beschränkt.*) 

Ziehen  wir  auch  hier  wieder  die  Summe  des  Ganzen,  so 
können  wir  schlechterdings  nicht  umhin,  zunächst  wenigstens  die 
Thitflache  als  Thatsache  hinzunehmen.  Ja  die  merkwürdige  und 
mllkommene  Uebereinstimmung  zwischen  Alterthum  und  Lands- 
knechtszeit gestattet  kaum  noch,  den  Gedanken  zurückzudrängen, 
im  far  eine  mit  langen  Lanzen  bewehrte  Truppe  die  Aufstellung 
■it  drei  Fuss  Frontbreite  ebenso  durch  die  Natur  der  Sache  ge- 
Mert  sein  muss,  wie  wir  es  vorher  von  den  drei  Fuss  Tiefe  con- 
ititirt  haben.  Freilich  begreifen  wir  es  sehr  wohl,  dass  moderne 
Faneber  diese  nach  unseren  Begriffen  so  lose  Stellung  nicht  für 
ie  berühmte  enggedrängte  Phalanxstellung  haben  halten  wollen 
nnd  dass  es  ihnen  äusserst  sonderbar  vorkam,  wenn  sie  lasen,  dass 
ie  Taktiker  sie  zu  den  ,geschlossenen'  rechneten')  und  Polybius 
Mf  sie  gar  die  bekannten  Dichterworte  anwandte: 

ianlg  ag^  àanià*  ïçsiôe,  xoqvç  %6qvv^  àvéça  â^  àvrç  .  .  . 

^mvov  i*  iTcnoxofÂOi  xoçvx^eç  Xafinçoîai  ^akoiat 

fevoyrwv  wç  nvxvol  iq>éo%aaav  àllijXoiai* 
Denn  der  Mann  im  Gliede  —  so  haben  diese  Forscher  mit  allem 
MieiDe  der  Wahrheit  ausgeführt')  —  braucht  ja  bekanntlich  nicht 

1)  Nach  den  oben  S.  229  A.  1  citirten  Worten  fahrt  Wallhaosen  Kriega- 
kaD8tS.79  ao  fort:  zum  anderen  mit  wohl  geschlcaaen er  Schlachtordnang 
fcgeo  Beoterei  atreiten, ...  die  zweite  gegen  Reoterei  h  a  r  t  angeachloaaen,  damit 
^  im  ein-  und  durchbrechen  der  Reoterei  besserer  Widerstand  zu  thun  sei. 
Aach  der  Hauptmann  Lavater  in  seinem  .Kriegsböchlein'  Zürich  1644  kennt 
^  ganz  geschlossene  Ordnung  ,soIIen  sich  aneinander  wohl  anschliessen,  doch 
M  weit,  dass  ein  Jeder  sein  Gewehr  unverhindert  führen  möge*  (S.  89),  nur 
>l  etwa  für  Wagen  oder  Kanonen  schnell  Platz  zu  machen,  oder  beim  Reiter- 
ttfriff  ,80  meiatentheils  wegen  der  Reiterei  Einbruch  beschihet'  S.  90.  Seine 
üAireichen  Abbildungen  geben  überall  eine  Weite  von  etwa  drei  Fuss. 

2)  Indem  sie  sie  als  nvupœaiç  bezeichnen. 

3)  Delbrück  in  dies.  Ztschr.  XXI  S.  85  ff.  und  mit  Abänderungen  und 
ofâ(zea  Perser-  und  Burgunderkriege  S.  307  f.  Ihm  folgend  dann  Schneider 
erlioer  pbilol.  Wochenschrift  VI  S.  609  und  Legion  und  Phalanx  bes.  S.  90  f. 


236  J.  KROMATER 

entferot  drei  Fuss  FrooU  Die  Schulterbreite  beträgt  Dor  ein» 
50  cm,  durch  die  GefechtstelluDg  mit  Yorgesetztem  liokeu  Fuss  u§i 
die  damit  verbundeoe  halbe  Drehung  des  Oberkörpers  wird  die 
FroDt  Doch  mehr  verschmälert  uod  so  entsteheu  bei  drei  Fm 
FroDtraum  maonsbreite  Lückeo  in  der  Phalanx.  Es  kann  tbo, 
wie  man  glaubt,  dabei  fon  einer  «geschlossenen*  Stellung  eben» 
wenig  die  Rede  sein  wie  davon,  dass  Polybius  das  Homercitat  i«f 
diese  weite  Aufstellung  angewandt  babe. 

Dieses  verführerische  Raisonnement  ist  nun  seinen  Urheben 
in  der  That  so  beweiskräftig  vorgekommen,  dass  sie  nicht  drrar 
zurQckgescheut  haben,  lediglich  darauf  gestützt,  die  ganze  Ueber- 
lieferuDg  anzugreifen  und  umzustossen.  Wenn  wir  ein  solches  Ver- 
fahren auch  für  grundsätzlich  verkehrt  halten,  so  werden  wir  dacb 
diesen  Gedankengängen,  deren  Berechtigung  bis  jetzt  von  nienaad 
ernstlich  in  Frage  gestellt  ist,  einen  Augenblick  folgen  müMei« 
um  zu  sehen,  wohin  sie  uns  denn  eigentlich  führen.  Delbrick« 
der  Hauptvertreter  dieser  Theorie,  stellt  sich  vor,  die  Leute  des 
zweiten  Gliedes  hätten  nicht  genau  hinter  denen  des  ersten,  Mindera 
auf  den  sogenannten  mannsbreiten  Lücken  gestanden,  die  des  drittes 
auf  denen  des  zweiten  und  so  fort  bis  zum  16.  Gliede.  In  dieser 
Quincunxstellung  sei  man  ins  Gefecht  gerückt.  Habe  man  data 
aus  irgend  einem  Grunde  Hall  gemacht,  so  seien  die  geraden  Glieder 
in  die  Lücken  der  ungeraden  hineingesprungen  und  in  den  avf 
diese  Weise  eindoBblirten  Gliedern  habe  jetzt  natürlich  jeder  SoMat 
nur  noch  1  V'i  Fuss  Frontraum  gehabt.  Dies  sei  die  Stellung,  di6 
Polybius  meine.  So  glaubt  Delbrück  zu  gleicher  Zeit  eine  ander* 
sofort  näher  zu  besprechende  Schwierigkeit  gelöst  und  erklärt  IS 
haben,  wesshalb  Polybius  auf  zwei  Mann  Makedonier  nur  einen  Römer 
in  der  Front  rechne. 

Ich  constatire  gegenüber  diesem  Erklärungsversuch  folgendes* 
1.  Von  einer  Quincunxstellung  in  der  makedonischen  Phalanx  ist 
nicht  nur  nichts  bekannt,  sondern  sie  widerspricht  direct  deP 
Quellennachrichten.*)     2.  Von   dem   ganzen   Manöver  des   Eindoo' 

und  l^mmert  a.  a.  0.  bes.  S.  12,  wo  die  Sache  elwas  grotesk  ausgemalt  wife« 
Die  von  Delbrück  an  erstgenannter  Stelle  vorgetragenen  Behauptaogeo  M 
Einzelnen  zu  widerlegen  war  nicht  nöthig ,  da  er  sie  z.  Th.  selber  an  dcf 
zweiten  Stelle  zurückgezogen  hat. 

1)  Es  ist  in  den  ausführlichen  Schilderungen  der  Taktiker  Aber  die  ve^ 
schiedenen  Abstände   und  die  Verânderungen   derselbea  immer  nur  vwi  Ab 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  ROMISCHEN  HEERWESEN    237 

i)\îreDS  und  eioer  Veränderung  in  der  Formation  der  Phalanx  sieht 
bei  Poljbius  kein  Wort.  3.  Das  Durchstecken  der  Speere  durch 
die  fünf  Tordersten  Glieder  der  Phalanx  ist  eine  Unmöglichkeit, 
weDD  die  Leute  der  hinteren  Glieder  gerade  immer  auf  den  Lücken 
der  vorderen  stehen  (s.  unten  S.  240).  4.  Nach  dem  Eindoubliren, 
wie  Delbrück  es  sich  denkt,  würden  nicht  fünf,  sondern  nur  noch 
drei  Speereisen  vor  jedem  Hanne  des  ersten  Gliedes  vorragen,*) 
oder  man  mOsste  noch  dazu  annehmen ,  dass  gleichzeitig  mit  dem 
Eindoabliren  die  hinteren  Glieder  aufgerückt  wären,  wodurch  das 
Manöver  noch  complicirter  wird.  5.  Nach  dem  Eindoubliren  ist 
die  Truppe  nicht  mehr  bewegungsfôhig.  Das  giebt  Delbrück  selber 
VL*)  Was  hat  dann  aber  diese  ganze  Neuformation  mit  Polybius 
IQ  thun?  Der  spricht  ja  lediglich  von  einer  Phalanx  in  Bewegung 
(s.  oben  S.  219  A.  1),  wendet  auf  sie  das  Dichterwort  an  und  lässt 
indem  Augenblick  wo  sie  anrückt  zwei  Makedonier  auf  einen  Römer 
kommen. 

Der  Delbrückscbe  Erklärungsversuch  ist  also  gescheitert  Be- 
tnchten  wir  die  anderen  Vertreter  dieser  Theorie.  Sie  haben  es 
fleh  leichter  gemacht  als  Delbrück.  Denn  ohne  auf  das  schwierige 
ÎOQ  Delbrück  wenigstens  gestellte  Problem ,  wie  denn  im  letzten 
Augenblick  vor  Beginn  des  Kampfes  eine  so  tiefgreifende  Forma- 
tioniferänderung  eintreten  konnte,  überhaupt  näher  einzugehen, 
Behmen  sie  einfach  an,  dass  die  Makedonier  auf  1^2  Fuss  gestanden 
Idtten,  ja  —  weniger  einsichtig  als  Delbrück  —  wollen  sie  uns 
ghuben  machen,  sie  wären  in  dieser  Aufstellung  sogar  vorgegangen.') 

^Meo  uaw  fAtptoQ  nai  ßa&os  die  Rede,  oie  voo  scbrägeo.  Dies  ist  mehr 
^  ein  argumentum  ex  siientio.  Die  Berechnungen  der  Abstände  auf  ein, 
>vei,  Tier  Elieo  von  Hinter-  und  Nebenmann  waren  unter  der  Voraussetzung 
do  QoiDcunzstellung  geradezu  falsch.  Es  mûsste  z.  B.  bei  der  Entfernungs- 
*^og  Ton  zwei  Ellen,  je  nachdem  man  den  geraden  oder  den  schrägen 
ffiotermano  im  Auge  hat,  vier  oder  27^  Elle  rund  angegeben  sein.  Auch  die 
nnie  Lehre  von  den  Eindoublirungen  (Asclep.  X  17—20.  Ael.  XXIX  ff.  Arr. 
^Vfl^)  ist  unter  der  Voraussetzung  der  Quincunxstellung  nicht  verständlich. 

1)  Da  ja  die  ursprünglichen  Glieder  zwei  und  vier  durch  das  Eindou- 
l^eo  versehwunden  sind. 

2)  ,In  dieser  Gedrängtheit  waren  sie  freilich  nicht  mehr  im  Stande  zu 
Burichieren*  Perserkriege  S.  308. 

3)  Schneider  S.  90:  ,.  .  für  den  Anmarsch  standen  die  Phalangiten  mit 
iDaoasbreiteo  Locken,  zum  Fällen  der  Sarissen  aber  wurden  die  Glieder 

I  (/orcb  Anschlieasen  oder  Verdoppelung  geschlossen.*    Und  dann?  Machte  man 
etwa  immer  Halt,  wenn  man  die  Sarissen  fällte?   Lammert  S.  21:  ,die  Ver- 
Hflcmes  XZXV.  16 


238  J.  KROMAYER 

Sie  lassen  damit  nicht  nur  den  Polybius  etwas  Unmögliches  sag 
sondern  sie  bringen  ihn  in  directen  Gegensati  tu  den  andc 
Quellen.  Denn  diese  kennen  ja,  wie  wir  sahen,  die  GefechtasteBi 
mit  1^2  Fuss  Frontbreite  lediglich  als  eine  DefensifsteUong 
Stehen.  Zu  all  diesen  sachlichen  Schwierigkeiten  kommt  schliesil 
noch  hinzu,  dass  dies  wenig  beneidenswerlhe  Resultat  moden 
Constructionen  nur  durch  eine  Textänderung  des  Polybius  seil 
erreicht  werden  kann,  die  ohne  irgendwie  sprachlich  oder  inhaltt 
begründet  zu  sein,')  lediglich  in  der  Voreingenommenheit  die 
Conjecturalkritiker  für  ihre  Theorie  ihre  Stütze  hat.*)  Der  I 
sonnene  Historiker  uad  Philologe  wird  die  künstlichen  LOcki 
Setzungen  und  die  noch  viel  künstlicheren  Ausfüllungen  derselb 
die  alles  erlaubte  Maass  conjecturaler  Freiheiten  überschreiten,  dal 
stellen,  wo  sie  zu  stehen  ▼erdienen.') 

Die  Lösung  der  Schwierigkeit  auf  diesem  Wege  ist  also  ai 
jeder  Seite  hin  misslungen.  Wir  kehren  zum  Ausgangspunkt  zart 
und  indem  wir  constatiren,  dass  uns  jetzt  schlechterdings  nie 
anderes  mehr  übrig  bleibt,  als  an  der  Ueberlieferuog  festzuhtlt 
zeigen  uns  zwei  Bestätigungen,  die  wir  auf  dem  Wege  finden,  d 
wir  nunmehr  den  richtigen  Pfad  endlich  wieder  betreten  beb 
Einerseits  nämlich  bemerken  wir,  dass  Polybius  noch  an  einer  p 
anderen  Stelle  seines  Werkes  dasselbe  homerische  Dichterwort 
unzweideutiger  Weise  auf  die  Stellung  mit  drei  Fuss  Frontbn 
anwendet^);  und  andererseits  erinnern  wir  uns,  dass  sowohl  Hob 


schildung  .  .  (d.h.  der  Abstaod  von   V/^  Fuss)  wurde  nur  unmittelbar^ 
dem  Angriffe  .  .  angewendet.'    Also  doch   zum  Angriffe  and  S.  14: 
liess  nur  den  Marsch  (!)  aber  keine  Wendungen  mehr  zu.* 

1)  Die  schwachen  Versuche  in  dieser  Richtung  bei  Schneider  S.  91 
Lammert  S.  21  ff.  bedürfen  keiner  Widerlegung. 

2)  In  dem  Satze  Pol.  XVIII  29,  2:  inel  yàç  6  fièv  àvr,ç  ïaraxeu 
Toïs  oTtloiS  èv  Tçiai  Tiocl  xarà  ràç  évayofviove  TtvMrœaets  u.  8.  w.  soll  fl 
Schneider  hinter  noal  das  Ende  dieses  Satzes  und  zugleich  der  Anfang 
folgenden  ausgefallen  sein,  von  dem  nur  die  Worte  xaxà  ras  è.  n,  noch  8t( 
geblieben  wären. 

3)  Schneider  begnügt  sich  so  wenigstens  mit  einer  unmotivirten  Lfl 
Lammert  aber  conslruirt  deren  acht  und  füllt  sie  auch  alle  wieder  mit  eige 
Texte  aus  S.  23  ff. 

4)  Die  bei  der  Kritik  von  Kallisthenes  Beschreibung  der  Schlacht 
Issus   vorkommenden  Worte:  ei  8*  oXtoe  avrj^amaav  xarà  xov  non, 
ovTois  cücja  avvsQeXaai  nçbi  àXli^lovs  (XII  21,  3)  sind  nichts  als  die 
saische  Umschreibung  des  àonU  âo'  àaniS^  k'çaiBe,    Dass  sie  auch  hier 


IQM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    23Q 

ettcoli  als  Wallhauseo  die  Aufstelluog  mit  drei,  hezw.  mit  3V2  Fuss 
Fronlraum  ausdrücklich  auch  zu  den  geschlossenen  rechnen,*)  wie 
geÖissentlich  man  das  auch  wenigstens  dem  letzteren  hat  abstreiten 
wolleD.*)  Alle  drei  Zeugnisse  beweisen  aber  nicht  nur  von  Neuem, 
«lass  die  Stellung  mit  drei  Puss  Frontbreite  in  der  That  die  engste 
war,  die  man  für  eine  Truppe  in  Bewegung  kannte,  sondern  auch, 
«lasa  sie  alleft  denen,  welche  praktische  Erfahrung  besassen,  wirklich 
ab  eine  durchaus  enggeschlossene  vorgekommen  ist. 

Wenn  uns  vom  Studiertische  aus  zunächst  diese  Auffassung 
Dicht  recht  zutreffend  erscheiot,  so  werden  wir  uns  doch,  denke 
ich,  unterordnen  müssen  und  nachdem  wir  die  Unanfechtbarkeit 
der  Ttiatsache  eingesehen  haben,  uns  darauf  beschränken,  uns  mit 
QBserem  Verständniss  ihr  anzupassen.  Denn  in  der  That  liegt  der 
Fehler  wiederum  ganz  allein  in  unserer  mangelhaften  Anschauung 
voo  diesen  Dingen.  Sie  durch  oine  möglichst  eindringende  Be- 
(nchtung  so  gut  es  geht  zu  ersetzen,  sei  hier  der  Versuch  gewagt. 

^  Prontbreite  von  drei  Fuss  angewandt  sind,  folgt  aus  Polybius  ganzer  Be- 
rcdiDODg  für  die  Schlacht:  32000  Mann  acht  Mann  tief  »-  20  Stadien  Front, 
ako  4000  Mann  —  12000  Fuss,  d.  h.  1  Mann  »  3  Fuss.  Irrlhömlich  glaubt 
Biaer  (Jabresber.  des  ösl.  arch.  Inst.  Bd.  II  S.  115),  dass  es  sich  hier  um 
^  9wa9nKrßt6s  von  1  Vs  Fuss  bandelt.  Dass  man  es  fertig  gebracht  bat, 
aneb  dies  zweite  Zeugniss  durch  allerlei  Künsteleien  und  Verdächtigungen  des 
l'oiybiDs  (so  Delbrück  in  dies.  Ztschr.  XXI  S.  87)  oder  durch  Gonjecturen  (so 
l^Dfrl  S.  20  f.)  aus  der  Welt  schaffen  zu  wollen,  zeigt  nur,  wie  verzweifelt 
tt  mit  der  Theorie  von  den  l^t  Fuss  Frontraum  steht:  hier  sowie  an  ver- 
•düedenen  anderen  Stellen  (z.  B.  Pol.  IV  64,  6.  Arr.  V  17,  7.  Plut.  Philop.  9 
VBd  sonst  oft)  ist  das  Wort  infvaaniieir  in  einem  weiteren  Sinne  gebraucht, 
*ls  bei  den  Taktikern  awaamiffioc  (s.  S.  234  Â.  2).  Es  bezeichnet  hier  einfach 
<ioe  eog  geschlossene  Aufstellung. 

1)  Oben  S.  229  Â.  1  und  Montecuculi  a.  a.  0.  S.  25:  pour  les  distances 
'*fréet  on  compte  que  le  fantassin  occupe  trois  pieds  de  front  et  autant 
^hauteur. 

2)  Schneider  S.  83,  der  das  durch  eine  vollständige  Verwirrung  der  Be- 
Srifie  za  Stande  bringt.  Nicht  genug,  dass  er  den  Schritt  bei  Wallhausen, 
^(  oben  (S.  229  A.  2)  ausgeführt  ist,  willkürlich  auf  55  cm,  also  um  etwa 
10  cm,  verkürzt;  er  setzt  ihn  jetzt  gar  der  griechischen  Elle  von  44  cm  gleich 
oixl  schneidet  ihm  damit  noch  einmal  11cm  ab.  So  ausgerüstet  identificirt 
^dann  Wallhausens  ,weite  Ordnung  von  zwei  Schritt  Abstand  mit  der  grie- 
^ischen  nvxroKUS  von  drei  Fuss  im  Geviert,  während  in  Wahrheit  die 
^nifaciç  sogar  noch  etwas  enger  ist  als  die  geschlossene  Schlachtordnung* 
(^liiiiausens  von  P/s  Schritt.  Damit  fallen  auch  die  anderen  Identifîcationen 
eboeiders  und  die  Schlösse,  die  er  in  dieser  Richtung  zieht,  sämmtlich  dahin, 
B.  S.  76  f.  und  sonst. 

16* 


i 


240  J.  KROMAYER 

Der  obeo  besprochene  Einwurf  mit  seiner  Construction  row  ^ 
mannsbreiten  Lücken  bei  drei  Fuss  Froolbreite  geht  DSmlich 
seres  Erachtens    nach    zwei   Seiten    hin   von    einer    grundsfttilii 
falschen  Voraussetzung  aus.    Erstens  macht  er  den  Raum,  welcb^j 
ein  Mann  in  der  Ruhe  einnimmt,  mechanisch  zur  Grundlage  der 
Rerechnung  für  den  Mann  in  der  Rewegung/)  ohne  zu  bedenkea^ 
dass  dabei  jedes  Glied  —  ich   möchte  sagen  —  doppelten  Rauo 
verlangt.    Denn  wegen  der  Schwankungen  des  Körpers  nach  recbli 
und   links,  wegen  der  Rewegung  der  Reine,  der  Schwinguoga 
oder  sonstigen  Lageveränderungen  der  Arme,  wegen  allerlei  will- 
kürlicher oder  unwillkürlicher  Bewegungen  der  Waffen,  wegen  der 
stets  vorhandenen  Unebenheiten  im  Gelände  bleiben  die  Zwischea- 
räume  keinen  Augenblick  constant,   sondern  scheinbar  selbst  sehr 
bedeutende  vermindern  sich  oft  auf  ein  Minimum,  so  dass,  wirei 
sie  nicht  vorhanden,  ein  fortwährendes  Zusammenstossen,  Gedrlnge 
und  Unordnung  die  Folge  sein  würde.     Das  kann  man  selbst  bei 
jedem  Parademarsch,  wo  alle  diese  Störungen  so  viel  wie  Mensches 
möglich,  beseitigt  sind,  fast  jeden  Augenblick  constatiren.    Schwaa- 
kungen  und  Schiebungen   bedenklichster  Art  setzen  sich  hier  oft 
von  einem  Flügel  der  Front  bis  zum  anderen  fort    Und  doch  liiri 
unsere  Soldaten  eingedrillt,  wie  wir  es  bei  den  Makedoniern  woU 
kaum   voraussetzen   dürfen   und   haben  dazu  einen  Frontraum  tob 
mehr  als  zwei  Fuss.^     Zweitens  aber  ist  bei  der  Phalanx  die  be* 
sondere  Art  der  Bewaffnung  nicht  genügend  in  Rechnung  geiogea 
worden:   der  Schild   der  Phalangiten   hatte  zwei  Fuss  im  Durch- 
messer')  und   nahm   daher  schon   zwei    Drittel  des  Raumes  weg* 
In   das  dritte   Drittel   fiel   die  linke  Faust  des  Mannes^)  und  es 
mussten    sich    fünf  Lanzenschärte    hinein    theilen,    die  jedes  Mil 

1)  Die  preussiftche  Infanteriezielscheihe  giebt  die  Mannsbreite  sogir  lof 
nur  40  cm  an  (Schiessvorschrift  1893).  Bei  Zugrundelegung  dieser  Breite 
könnte  man  sogar  Lücken  von  melir  als  IV4  Mannsbreile  herausrechneo. 

2)  30  Mann  eines  Strassburger  Regimentes  mit  loser  Tuchfûhlong  ohae 
Gewehr  aufgestellt  nahmen  nach  meiner  Messung  18,90  m  Frootraum  ob» 
Das  ergiebt  Tür  den  Mann  63  cm.  Mil  Gewehr  dürfte  sich  der  Raoia  vm 
mindestens  3  cm  pro  Mann  erhöhen.     Das  wären  dann  etwa  274  Fuss. 

3)  Âsclep.  V  1  :  twv  t?;«  q>dXayyoi  àaniSœv  àqictri  ri  Maxadopoài  •  . 
oxjofTidXaiajos  =  Àel.  XII  1.  —  Nach  Constantin  Porphyr.  taeL  1.  Meani» 
p.  4  sogar  3  Spithamen  -=»  2^4  Fuss. 

4)  Da  der  Maun  die  Lanze  mit  beiden  Händen  hielt,  konnte  die  Faost 
nicht  unter  dem  Schilde  sein. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  ROMISCHEN  HEERWESEN    241 

Lwiscben  zwei  Mann  des  ersteD  Gliedes  hindurchragteDé*)  Wenn 
àiete  auch  fielleicht  nicht  alle  genau  in  der  gleichen  Höhe  lagen, 
todasa  für  jede  nur  ein  Fünftel  des  Raumes  vorhanden  gewesen 
wsre,  so  wird  man  doch  andererseits  für  so  gewaltig  lange  Lanzen 
«Der  in  Bewegung  befindlichen  Truppe  einen  gewissen  Spielraum 
verlaagen  müssen.  Sonst  hatte  der  Soldat  seine  Waffe  überhaupt 
Dicbt  mehr  frei  führen  und  zum  Stosse  gebrauchen  können,  ganz 
abgesehen  von  der  nOthigen  Ellbogenfreiheit,  die  für  den  Mann 
selber  erforderlich  war.  Es  will  uns  im  Gegentheile  bedünken, 
ab  ob  dieser  Raum  so  knapp  wie  nur  irgend  möglich  bemessen 
gewesen  ware,  als  ob  nur  eine  gut  eingedrillte  Truppe  bei  so  engem 
Abstände,  ohne  Ordnung  und  Richtung  zu  verlieren  zum  Gefechte 
babe  vorrücken  können.  Ja  es  wird  selbst  dann  noch  das  àarrlç 
0^'  àaniô'  ïçeide  bei  einigermaassen  lebhafter  Bewegung  noch 
nehr  als  einmal  im  buchstäblichen  Sinne  wahr  geworden  sein. 

So  ist  unser  Ergebniss  nach  allen  Seiten  hin  gesichert.  Es 
bedarf  nicht  einmal  mehr  eines  Rückblickes  auf  den  durchmessenen 
Weg,  diese  Ueberzeugung  noch  zu  verstarken.  Wohl  aber  benutze 
ieb  gleich  hier  den  günstigen  Augenblick,  von  unserer  gewonnenen 
Stellong  aus  noch  einen  Ausblick  nach  vorne  zu  machen:  wenn 
<)em  Poiybius  die  Schlachtstelluog  des  makedonischen  Hopliten  in 
<hr  Phalanx  mit  drei  Fuss  im  Quadrat  so  besonders  enge  vorkam, 
<h88  er  zur  Veranschaulichung  den  Dichter  mit  seiner  Schilderung 
n  Hilfe  rief,  so  werden  die  anderen  Schlachtordnungen ,  die  er 
kannte,  loser,  vielleicht  weit  loser  gewesen  sein  müssen.  Wir  werden 
uns  daran  erinnern. 

2.    Die  römische  Acies. 

Der  General  von  Göler  rechnet  auf  den  römischen  Soldaten 
io  der  Schlacht  drei  Puss  Frontraum')  und  hat  für  diese  Ansicht 

1)  Bei  den  Landskoechlen  waren  offenbar  alle  Speere  gleich  hoch  aod 
^gerecht  geüllt,  lagen  also  nebeneinander.  Das  scheint  aus  den  Vorschriften 
^  Wallhauseo  und  besonders  aus  der  Abbildung  Fig.  2  No.  1  lib.  3  hervor- 
<ngeheo.  Bei  den  Makedoniern  kann  man  das  kaum  annehmen:  der  Raum 
zwischen  je  zwei  Schilden  reicht  für  fünf  Spiesse  nebeneinander  gar  nicht 
ans.  Die  anschauliche  Schilderung,  welche  Lammert  a.  a.  0.  S.  14  von  der 
Hiltaog  der  Speere  und  Schilde  bei  VI2  Fuss  Abstand  gegeben  hat,  passt 
pta  wohl  für  den  Zustand  der  Ruhe,  für  die  Bewegung  gedacht  w&re  sie 
*fa  Unding. 

2)  Die  Kämpfe  bei  Dyrrh.  S.  103.  —  Gall.  Krieg.   Anh.  H  §  11. 


242  J.  KROMAYER 

ausser  anderen  in  letzter  Zeit  besonders  an  Schneider*)  und  L 
mert')  sehr  entschiedene  Anhänger  gefunden.  Eine  Kleinigkeit  d 
Iflsst  Delbrück  gelten  und  vermuthet  etwa  3V2  Fuss;  denn  das 
durch  die  Natur  der  Dinge  gegeben.')  Rüstow  gieht  noch  etwas 
es  will  ihm  scheinen,  als  ob  doch  wenigstens  vier  Fuss  ausreic 
müssten,  wenn  —  so  selzl  er  vorsichtig  hinxu  —  nicht  der  B 
sondern  nur  der  Sloss  angewendet  werde.^)  Wieder  einen  Sei 
weiter  geht  Giesing:  er  nimmt  ganze  4^2  Fuss  an.*)  Die  fûnf^ 
vertreten  durch  Soltau,*)  die  5V2  in  runder  Zahl  durch  Sto( 
und  sechs  Fuss  Frontraum  finden  endlich  in  Rüstow  und  KOch 
Soltau^*)  Fröhlich**)  und  anderen")  die  zahlreichsten  Anwälte, 
haben  wir  von  3 — 6  Fuss  hin  die  freie  Auswahl  und  können 
für  jegliche  Annahme,  die  uns  nur  zu  machen  beliebt,  auf  irg 
eine  grosse  oder  kleine  Autorität  berufen.  Wer  es  aber  voi 
noch  nicht  wusste,  dass  wir  Modernen  in  dem  tiefsten  Dui 
herumtappen,  wenn  wir  uns  von  dem  Lichte  der  Ueberliefer 
entfernen  und  in  diesen  Dingen  nach  sogenannten  ,sachlicl 
Gesichtspunkten  vorgehend  unseren  Vermuthungen  Raum  gel 
der  kann  es  an  dieser  gewiss  eigenartigen  und  lückenlosen  cl 
matischen  Scala  mit  Händen  greifen.    Denn  so  selbslverständlid 


1)  Legion  und  Phalanx  S.  92.  Auf  ihn  gestutzt  Fröhlich,  Kriegsw 
Caesars  1889  S.  145  und  148. 

2)  A.  a.  0.  S.  10  und  3,  wo  auch  die  ältere  Litteratur  darüber  citirf 

3)  In  dies.  Ztschr.  XXI  S.  89. 

4)  Kriegswesen  Caesars  1862  S.  39,  14.    Geschichte  der  Infanlerie  18 
'S.  46:  3—4  Fuss. 

5)  Fleckeisens  Jahrb.  für  Philol.  und  Päd.  1889  S.  161. 

6)  Deutsche  Litteraturzeitung  1888  S.  178. 

7)  Stoffel  sagt  das  nicht  ausdrücklich,  es  ergiebt  sich  aber  daraus, 
15  Mann  Front  mit  zwei  IManipelintervallen  von  77s  oder  15  Fuss  (sa 
zweite  Zeichnung),  auf  den  Mann  5,8  oder  5,46  Fuss  ergeben.     UisL  de  à 
Céâar,  guerre  civile,  tome  2  p.  328  f. 

8)  Gr.  Kriegsschriftsteller  1855  II  1, 124  und  Kriegswesen  Caesars  a.  a 
wo  net)en  der  oben  citirten  Annahme  auch  sechs  Fuss  als  möglich  bezeic 
werden. 

9)  In  dies.  Ztschr.  XX  S.  264. 

10)  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kriegführung  der  Römer  1886  S.  27 

11)  Z.  B.  Marquardt  Handbuch  V  S.  347.  Max  Jahns  Geschichte  des  Kr 
Wesens  von  der  Urzeit  bis  zur  Renaissance  S.  224.  Schiller  röm.  Altertbi 
bei  J.  Müller  Handbuch  S.  708.  Kuthe  die  röm.  Manipulartaktik  (in  Festsc 
für  Nölting,  Wismar  1886)  S.  80  f. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  ROMISCHEN  HEERWESEN    243 

Vst|  dass  diese  eiozelneD  ÄDsStze  von  ihren  Vertretern  ausdrücklich 
oder  stillschweigend  als  in  der  Natur  der  Dinge  gegeben  betrachtet 
werden,  so  wenig  hat  das  doch  die  einzelnen  immer  davon  ab- 
gehalten, sich  zu  Terschiedenen  Zeiten  an  verschiedenen  Punkten 
der  Scala  einzuordnen. 

Es  wird  also  unser  erstes  Geschäft  sein,  uns  um  diesen  ganzen 
Wirrwarr  von  Meinungen  nicht  zu  kümmern,  und  unser  zweites, 
das  Vertrauen  lediglich  auf  die  zu  setzen,  welche  von  den  Dingen 
selbst  noch  etwas  gesehen  hatten,  ganz  ohne  Rücksicht  darauf,  ob 
ihre  Angaben  für  unser  Empfinden  den  Schein  der  Wahrheit  haben 
oder  nicht.  Wir  wenden  uns  also  wieder  zu  Polybius  und  finden, 
dass  nach  ihm  der  römische  Legionär  in  der  Schlacht  thatsSchlich 
sechs  Fuss  Frontraum  und  sechs  Fuss  Tiefe  gebraucht  hat.') 

jNicht  möglich'  —  so  höre  ich  ausrufen;  ,das  haben  ja  nur 
Rflslow  und  Köchly  in  den  Polybius  hineininterpretirt,  und  diese 
Auslegung  ist's  ja  gerade,  die  wir  bestreiten.'  Betrachten  wir  denn 
siso  die  Sache  genauer  und  legen  wir  zunächst  wieder  das  Gerippe 
des  polybianischen  Gedankenganges  bloss;  es  besteht  aus  vier  unter- 
einander zusamr  ;nhängenden  Behauptungen.  1.  Die  Römer  —  so 
'Uirt  Polybius  imittelbar  nach  der  Schilderung  der  makedonischen 
Phalanx  fort  —  nehmen  zwar  auch  in  Wafifen  drei  Fuss  im  Quadrat 
^-^  2.  Aber  da  ihre  Kampfesart  der  Einzelkampf  ist,')  3.  so 
^It  die  Nothwendigkeit  einer  Lockerung  und  Erweiterung  von 
^i  Fuss  bei  ihnen  ein  und  zwar  nach  Neben-  und  Hintermann.^) 
4*  Daraus  geht  hervor,  dass  jeder  Römer  zwei  Makedonieru  oder 
zehn  Sarissen  gegenübersteht.^) 

Man  wird  nicht  verkennen  können,  dass  diese  vier  Gedanken, 
^  wie  sie  hier  aus  den  umgebenden  Details  herausgeschält  vor 
^^  stehen,  mit  lückenloser  Logik  auseinander  folgen  und  keinen 
Zweifel  an  der  Richtigkeit  unseres  Schlusses  über  den  Raum  des 
'^^Qiers  nach  Front  und  Tiefe  übrig  lassen.     Man  wird  daher  auch 


1)  XVIII  30,  6  ff.  (Haltsch). 

2)  taramu  fiiv  ovv  iv  Tçial  noal  fiixà  Ttäv  onhov  Mal  ^PotfAoioé, 

3)  r^6  f*^xrjs  d*  avroîs  xar^  ârSça  ttjv  nlvtjaw  laßißavotaijc. 

^         4)  nQOtpaviç  oxi  ;(ajla0'^a  nai  eiaaraaiv  aXh^latv  ix^iv  8erjasi  rovs 
^^«»fi  elax^CTOv  rçeïs  n68aç  xar*  éTuaTârrjv  xal  xavà  naQaaxartjv, 

5)  ix  8i  tovTov  ayfißr^aerai  vor  è'ra  ^Ptofialov  taraa&ai  xarà  8vo 
*f**^«ffT«tToç  ràiv  tpaXayynœVf  œcre  nços  Sixa  ^agiaaas  avx($  yivêod'ai 
"î*^    crsicfvTi^aiy  xal  xr^  fAaxHv» 


244  J.  KROMAYER 

darin  dem  Polybius  voll  beipflichteD,  dass  er  es  für  QtM 
gehalten  hat,  dies  Resultat  noch  einmal  ausdrtlcklicb  hinzuscl 
Und  zwar  um  so  mehr,  als  er  es  genau  genommen  schon  a 
fache  Weise  sichergestellt  hatte.  Denn  allein  aus  dem  yiei 
danken  unserer  Analyse  folgt  ja  für  den  Römer  schon  ein 
räum  von  sechs  Puss,  nachdem  Polybius,  wie  wir  gesehen 
vorher  den  Frontraum  des  Makedoniers  auf  drei  Fuss  auj 
halte.  Wenn  also  selbst  in  einem  der  ersten  drei  Gedankei 
eine  sprachliche  oder  sachliche  Unklarheit  sein  sollte,  sc 
das  doch  unser  Resultat  eines  Frontraumes  von  sechs  Fuss  ii 
Weise  erschüttern  können. 

Trotzdem  hat  man  den  dritten  Gedanken  dazu  benutzen  i 
Man  hat  geäussert,  die  Worte  drückten  nicht  die  Bewegu 
Veränderung  der  Aufstellung  aus  und  desshalb  könne  dann 
auch  nicht  von  sechs  Fuss  Frontbreite  die  Rede  sein, 
wenn  Polybius  wirklich  einen  Abstand  von  sechs  Fuss 
hätte,  so  würde  er  sich  unglaublich  ungeschickt  ausgedrück 
von  drei  Fuss  zu  sprechen ,  ohne  die  betonte  Hinzufügui 
,nochS  Das  ,noch\  worauf  alles  ankommt  —  so  sagt  D 
der  Hauptvertreter  dieser  Ansicht,  wörtlich  —  steht  nicht  in 
Die  Worte  xaXaofia  xai  diäaraaiv  ildxtorov  jçeîç  n6\ 
deuten  nach  ihm  nichts  anderes,  als  das,  was  vorher  ausj 
war  durch  %Q%€tv%ai  Iv  tgial  nooL  Ja  er  geht  so  weit,  di 
ment  überhaupt  als  verderbt  zu  bezeichnen  und  ihm  som 
haupt  den  Charakter  eines  einwandfreien  Zeugnisses  abzus) 
Abgesehen  von  diesem  letzten,  wie  wir  gesehen  haben,  C 
Ziel  hinausschiessenden  Schlüsse,  ist  auch  der  ganze  Einwui 
nicht  Stichhallig. 

Es  giebt  hier  zwei  Möglichkeiten  der  Erklärung,  i 
denen  ich  nicht  entscheiden  will,  auch  nicht  zu  ent 
brauche,  weil  für  meine  Zwecke  bei  beiden  dasselbe  heraui 


1)  Delbrück  in  dies.  Ztschr.  XXI  S.  83  ff.  Ihm  folgend  Schneid« 
S.  92.  Lammert  S.  11.  Vorher  hatten  schon  Rüstow  und  Köchly 
Schwierigkeiten  in  unserer  Stelle  gefunden,  Gesch.  des  römischen  Krie 
S.  238Â;  später  haben  sie  dann  ihre  Ansicht  geändert,  griechisch 
Schriftsteller  11  1,  114. 

2)  Er  polemisirt  dabei  gegen  Röstow  und  Köchly,  welche  die  St 
setzt  hatten:  ,es  ist  klar,  dass  die  Leute  sich  lockern  und  noch  c 
stand  von  —  drei  Fuss  —  nehmen  müssen.' 


ZOH  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    245 

k.    Vieuü   es  wirklich  wahr  wäre,  dass  die  Worte  xahxa^a  uod 
ôi^ctataotç  keine  Bewegung  ausdrücken  könnten,  so   wQrde  der 
4kitle  Gedanke  unserer  Analyse  doch   niemals  dasselbe  bedeuten 
kODnen,  was  ïatavtai  h  %Qial  noaL  besagt')     Denn  wenn  zwei 
Leute  in  Front  nebeneinander  je  drei  Fuss  Raum  einnehmen,  so 
belrSigt  die  LQcke  oder  der  Spalt  —  das  wäre  bei  dieser  Inter- 
pretation xdXaa^a  %al  diaaraaiç  —  zwischen  ihnen  nicht  drei, 
loodern  höchstens  einen  Fuss.    Oder  wenn  wir,  wie  man  das  natür- 
lich thun   muss,  an   den  Legionär  mit  seinem  2^/2  Fuss  breiten 
SchiMe*)  denken,  so  ist  der  Zwischenraum  gar  nur  7^  Ptiss  breit. 
Ein  xaXaofÂa  xai   didaraaiç  ikdxtoxov  tqsîç  néôag  würde 
OBS  also  auch  auf  sechs  Fuss  Frontraum  führen«    Das  von  Delbrück 
verlangte  ,noch*  ist  überflüssig.    Denn  es  ist  vorher  von  gar  keiner 
,     Lücke  oder  Spalt  die  Rede  gewesen.')    Polybius  sieht  im  Gegentheil 
den  mit  Wehr  und  Waffen  versehenen  Römer  als  ungefähre  Füllung 
I     ftr  die  drei  Fuss  Frontraum  an,  wie  das  auch  völlig  in  der  Natur 
<ier  Sache  begründet  ist.     Bei  dieser  Interpretation  wäre  also  nur 
<h8  Resultat  der  Aufstellungsveränderung  von  Polybius  bezeichnet. 
2.  Es  ist  aber  gar  nicht  richtig,  dass  die  betreffenden  Worte  keine 
Bewegung  bezeichnen  können.    Es  lässt  sich  nicht  nur  für  x^ii^Ofia 
QDd  iiaotaaig  das  Gegentheil  nachweisen,^)  sondern  auch  die  Ver- 
biodoDg  dtaataaiv  Mx^^'^f  welche  im  ersten  Augenblicke  Befremden 


1)  Schon  desshalb  nichl,  weil  in  den  Worten  rr,ç  fiâxrjs  3é  der  Gegen- 
^^  ZQ  dem  ioravrai  fàiv  «charf  aasgedrückt  ist. 

2)  Polyb.  VI  23,2:  âv^eoç,  ov  ro  /aw  nlaroç  icrl  rijs  xvçrijç  im- 
^^nia^  nivd'*  ^funoêiar, 

3)  Man  kann  hiergegen  nicht  anführen,  dass  das  technische  Wort  für 
AbtUnd  Sulanj/Aa  auch  so  gebraucht  wird,  dass  der  Mann  mitgerechnet  ist, 
^B.A8clep.  IV  1:  nr^xv^lav  Stâcrr^fiia.  Denn  xaXacfia  bedeutet  eben  durch- 
aus die  Oeffnung  selber  (Belege  bei  Stephanas  s.  v.  bes.  aus  der  roedicinischen 
uttentor)  und  entspricht  daher  im  militärischen  Sinne  genau  unserem  Wort 
Xöcke*,  so  wie  wir  andererseits  auch  bei  dem  Worte  ,Âbstand'  den  Mann 
°"(  einrechnen  können.  Auch  Giesing  bei  Fleckeisen  1889  S.  162  fasst  es  als 
Zwischenraum  und  Entfernung.* 

4)  Für  x^^^f^  Plot,  de  tvenda  sanitate  19  {mor,  132  D):  ay  d'Bc/Aov 
^^^^  TtUofAÊV  .  •  %aXtt<tfiaroQ  .  .  aia^avo/Asd'a  ib.  20  (133  D):  àvanvofiv 
^  xilaofia  naçê'xetv.  Dass  Polybius  nicht  das  unzweideutigere  Wort  x^' 
^9ifi  gewählt  hat,  hat  wohl  darin  seinen  Grund,  dass  er  den  Gleichklang 
xiht9ts  HiimaciÇ  vermeiden  wollte.  Für  diâaraciç  Belege  in  Fülle  bei  Ste- 
PbsQQS  8.  V.  bes.  Plut,  de  def.  orac.  32  C.  34  C.  35  D.  37  D  u.  s.  w. 


246  J.  KROHATER 

erregt,  kommt  im  Sinne  von  diiaTaa&ai  vor.')  Dazu  tritt  dai 
der  negative  Beweis,  dass  bei  Polybius  und  den  Taktikern  d( 
stehende  technische  Ausdruck  für  «Abstand*  lediglich  âiaottifà 
ist.*)  Jiaaxaaiç  wäre  dafür  nach  meiner  Kenntniss  dieser  Litt 
ratur  ein  Unicum. 

Die  Probe  endlich  auf  das  Ezempel,  welche  in  der  Erschliessa 
und  glatten  Interpretation  unserer  bisher  so  viel  misshandelt 
Polybiusstelle  liegt,  lässt  keinen  Zweifel  mehr  übrig. 

Steht  somit  die  Thatsache,  dass  ein  kämpfender  rOmiseli 
Legionär  nach  Polybius  sechs  Fuss  Frontraum  und  sechs  Pu 
Tiefe  gehabt  hat,  quellenmässig  fest,  so  kann  es  sich  fürunsjefi 
nur  noch  darum  handeln,  die  Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  weich 
wegen  des  Mangels  an  praktischer  Erfahrung  für  unsere  Anschautiai 
in  einer  so  weiten  Aufstellung  liegen,  und  mit  nachschafTeodei 
Phantasie  vor  unserem  Geiste  wiederum  dasjenige  Bild  rOmisebei 
Fechtweise  erstehen  zu  lassen,  welches  einst  Wirklichkeil  gewesei 
ist  Bei  sechs  Fuss  oder  1,77  m  Fronlbreite  stehen  die  Leute  M 
weil  voneinander  ab,  dass,  wenn  sie  ihre  Arme  seitwärts  ausstrecken 
die  Fingerspitzen  eines  Hannes  etwa  bis  in  die  halbe  Hand  da 
Nebenmannes  hineinreichen.  Das  erscheint  uns  freilich  etwas  fiel 
in  die  Lücke  können  noch  zwei  Mann  hineintreten  und  wOrdei 
doch  immer  noch  ,lose*  Tuchfühlung  haben.  Aber  tragen  wir  audi 
hier  den  Verhältnissen  der  Feldschlacht  Rechnung:  der  Römer  waJ 
bewaffnet  und  er  sollte  nicht  still  stehen,  sondern  fechten.  Eil 
Schild  von  2^2  Fuss  Breite  deckte,  wie  wir  sahen,  jeden  einzeioeo 
In  der  langen  Reihe  der  Schilde  war  also  zwischen  je  zweien  aa 
immer  ein  lichter  Raum  von  3V2  Fuss  oder  etwas  über  1  m  übrig 
Das  war  der  Raum,  der  dem  Soldaten  zum  Angriffe  auf  den  Gegoe 


1)  Plat.  a.  a.  0.  35  D  (mor,  429  D):  ii  fièv  yàç  ôfuyès  ,  ,  1^  %o9^ 
ois*  âv  oXias  êlx^v  ri  Zhfi  8 ta  axamv  inei  8i  tcß  J«cti^«T«x4> .  •  fUfuxf^ 
tofiTiv  fiiv  àSéiaxo  xal  Siaiçeaiv.  —  Aach  die  eotsprecheoden  BildoBg<^ 
anonardcTaaiC,  éTttxarâcTafftç  bezeichoen  Trappeabewegangen.  Aadel 
X  9  und  sonst  oft. 

2)  Bei  flüchtiger  Sammlung,  die  auf  Vollständigkeit  keinen  Ansprach  mac^ 
habe  ich  mir  doch  aus  Polybius  acht  Stellen  notirt  (111  65,  7.  73,  6.  XI 22, 1^ 
XII  18,  1.  19,  7.  21, 10.  XV  12,  4.  XVllI  24,  10),  aus  Asclep.  7  (IV  6.  VI  ' 
XU  5.  6.  8.  9.  11),  aus  Aelian  10  (11,  1.  2.  19,  11.  13.  26,  1.  29,2.  31,« 
32,  5.  33,  2.  5),  aus  Arrian  6  (22,  1.  25,  5.  26,  4.  6.  32,  1.  38,  3).  Die  Men^ 
derselben  zeigt  den  constanten  Gebrauch.  JiâaïaaiS  habe  ich  in  diesem  Sinn 
nie  gefunden. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    247 

dît,    dem  Schwerte  zu  Gebote  stand.')     Es  kam   dud   bekaonüich 
Dei    deo  Römern  in  den  Perioden  ihrer  ausgebildetsten  Kriegskunst, 
à.  fa.  zu  den  Zeiten  des  Polybius  und  Caesar,  alles  auf  die  Tüchtig- 
keit und  Waffenfertigkeit  des  einzelnen  Hannes  an.   Um  seine  Ueber- 
\egeDheit   und   seine  Kunst  voll  entfalten  zu  können,   bedurfte  er 
aber  in   erster  Linie  voller  Raumfreiheit.    Wenn  wir  hören,   dass 
Caesar  es  bei  Pharsalus  wagen  konnte,  mit  weniger  als  der  halben 
Beeresstftrke  dem   Pompeius  in  offenem  Felde  enlgegenzutreteUf') 
wenn  ein  Caesarischer  Centurio   es  unternehmen  wollte,   mit  den 
leho  besten  Soldaten  seines  Zuges  einer  ganzen  feindlichen  Cohorte 
staod  zu  halten/)  und  einzelne  schlachtgeübte  Veteranen  es  in  der 
Thal  mit  ganzen  Haufen  von   Rarbaren  aufnahmen/)  so  machen 
wir  uns  einen  Regriff,  wie  virtuosenhafl  gesteigert  die  Fechtkunst 
des  einzelnen  Mannes  gewesen  sein  muss.')    Es  ist  daher  ein  kind- 
licher Gedanke  anzunehmen,  dass  Leute  von  solcher  Ausbildung, 
etwa  wie  schlechte  Schauspieler   den  Hamlet   und  Laertes  geben, 
mit  gekrümmtem  Ellbogen*)  und  nur  immer  von  hinten  nach  vorne 
aof  den  Gegner  losgestochen  hatten.'')    Schon  wer  vom  Florettiren 
etwas  versteht,   weiss,  dass  man  hier  keineswegs  immer  mit  ge- 
krtlmmtem  Ellbogen,  sondern  mit  gestrecktem  Arme,  bei  der  Terz 
mit  Tollstandig  seitwärts  gestrecktem  Arme  den  Stoss  führt.    Dieser 
Stoss  in  die  linke  Flanke  des  Gegners  ist  selbstverständlich  nicht 


1)  Bei  einem  Frontraam  von  drei  Fuss  wäre  nur  V>  Pu^s  zwischen  den 
^IdrinderD  der  Nebenmänner  geblieben  und  bei  der  kleinsten  Bewegung 
<ics  Kampfes  wären  sie  zusammengeprallt. 

2)  B.  e.  111  88.  89. 

3)  Bell.  Afr,  45  und  dazu  Napoleons  I.  Urtheil  über  die  Möglichkeit 
bitter  scheinbar  so  übertriebenen  Prahlerei.  Précis  des  guerres  de  Jules 
^«i-  p.  153. 

4)  Wie  Pulio  und  Vorenus  b.  G.  V  44. 

5)  Man  vergleiche  über  den  engen  Zusammenhang  der  militärischen 
fechtkuDst  mit  dem  zur  grössten  Meisterschaft  gesteigerten  Specialistenthum 
^^  Gladiatorenhandwerks  Friedländer  Sittengescb.  II*  S.  358  ff. ,  bes.  S.  372, 
^0  von  Senatoren  als  Gladiatorenlehrern,  und  S.  381,  wo  von  den  Einzelheiten 
^  Fechtkunst  und  der  Verwendung  von  Gladiatoren  als  Soldaten  ausführlich 
*«  Rede  ist. 

6)  So  Schneider  a.  a.  0.  S.  92. 

7)  So  Lammert,  der  a.  a.  0.  S.  7  behauptet,  dass  ein  halber  Fuss  freier 
mm  zwischen  den  Schildern,  wie  er  bei  drei  Fuss  Rottenbreite  vorhanden 
^  >iQin  Hindurchstechen  und  -hauen  vollauf  genügte.^ 


248  J.  KROHATER 

Dur  auch  bei  deo  Römern  vorhaodeD  gewesen/)  sondern  bei  ihn 
war  ein  ganz  besonders  weites  Ausholen  nach  der  Seite  erforderl» 
wenn  man  um  den  Schild  des  Gegners  herumkommen  wollte.  V< 
bunden,  wie  natarlich,  mit  einem  Ausfalle  nach  halbrechts-TorwSrt 
brachte  diese  Bewegung  die  seitwärts  ausgestreckte  Faust  des  I 
gionars  selbst  bei  der  weiten  Stellung  von  sechs  Fuss  schon 
auf  einen,  ja  bis  auf  einen  halben  Fuss  an  den  Schildrand  seil 
Nebenmannes  heran*);  und  zwar,  wenn  jener  ganz  ruhig  ^i 
Wie  wenn  sie  nun  enger  gestanden  hätten  und  jener  noch  da 
selber  in  lebhaftestem  Kampfe  begriffen,  vielleicht  in  demselb 
Augenblick  mit  seinem  Schild  eine  entgegengesetzte  Bewegt 
machte?  —  Aber  weiter!  Der  Römer  stiess  nicht  nur,  er  scU 
auch/)  Man  wird  sich  nicht  einbilden  wollen,  dass  er  nur  sie 
mit  der  Prim  von  oben  herab  gehauen  habe,  wie  die  Kürasm 
bei  der  Attaque/)  Ein  besonders  gefOrchteter  Hieb  war  im  Gegei 
theil  das  Durchhauen  der  Kniekehle*):  eine  Finte,  die  den  GegB 
veranlasste  den  Schild  zu  heben,  ein  blitzschnelles  Bücken  d 
Körpers  verbunden  wieder  mit  dem  Ausfall  nach  rechts,  ein  Bm 
von  der  Seite  her  und  halb  von  hinten  durchgezogen,  und  4 
Gegner  lag  mit  zerhauener  Sehne  am  Boden.  Aber  das  erforder 
Platz,   nicht   nur  für  den  Hieb  selber  —  der  konnte  wohl  aiK 


t)  Veg.lt  1,10  (Lang.):  laterihtit  minaretur,  ib.  II  23,9:  laUra  * 
petere  punctim  caesimque, 

2)  Veg.  1  20  Ende  Z.  17:  cum  manu  ad  manum  gladiis  pugnatur,  t» 
dextroi  pedes  inante  milites  habere  debent, 

3)  Von  der  Milte  des  Legionars  bis  zur  Mitte  seines  rechten  Neb« 
mannes  sind  1,77  m.  Von  diesem  Raum  nimmt  die  Hälfte  der  Schulterbrei 
zusammen  mit  dem  rechts  seitwärts  gestreckten  Arm  des  Legionars  76—82  ci 
die  Verschiebung  durch  den  Ausfall  35 — 42  cm  in  Anspruch.  Durch  den  Sdû 
des  rechts  stehenden  Nebenmannes  wird  ein  Raum  von  halber  Schildbrdt 
d.  h.  IY4  Fuss  —  37  cm  belegt.  Es  bleiben  also  nur  29—16  cm  Rn 
zwischen  der  rechten  Faust  des  linken  und  dem  linken  Schildrande  des  recht« 
Nebenmannes  übrig. 

4)  Polyb.  XVllI  30,7:  t^  fiaxai^q  ix  xara^oçàç  xal  8iai^iffsefS iti 
iiad'ai  r^v  ftaxrjv.  Veg.  II  23,  9  :  punctim  caesimque;  ebenso  III  4,  20  m 
ib.  I  12,  25:  ad  dimicandum  hoc  (punctim)  praecipue  genere  usos  m 
constat  Romanos  :  also  nicht  nur  puîictim,  wie  man  behauptet  hat.  Delbrfl< 
in  dies.  Ztschr.  XXI  S.  85. 

5)  So  Lammert  a.  a.  0. 

6)  Poplites  et  crura  succidere  hiess  der  Kunstausdruck.  Veg.  I  11, 1 
Auch  bei  Livius  häufig. 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    249 

eiamal  geführt  werden,  weno  der  Nebeomann  gerade  Raum  gab  — 
aondero  desshalb,  damit  man  den  Gegner  jeden  Augenblick  von 
\(Aer  Seile  her  bedrohen  könnte  und  er  so,  indem  er  seine  Auf- 

,     merksamkeil  theilte,   um  so  sicherer  dem  erfahrenen  Fechter  hier 

1    oder  da  die  todiliche  Blosse  bote.') 

I  Und   nun  der  Absland   nach  hinten.     Es  scheint  schwieriger 

J    im  ersten  Augenblick,    auch    hier  die  sechs  Fuss  zu   motiviren. 

3  Qad  doch;  wenn  wir  lesen,  dass  Caesars  Veteranen  in  der  Schlacht 
oft  weiter  als  vier  Fuss  vorwärts  aus  dem  Gliede  heraussprangen 
and  eine  Beschränkung  auf  dies  Haass  bei  bestimmter  Gelegenheit 
dorch  einen  besonderen  Befehl  vorgeschrieben  werden  musste*); 
weDD  wir  hören,  dass  die  römischen  Recruten  im  Vorspringen  auf 
dea  Gegner  und  im  augenblickUchen  Wiederzurückspringen,  um 
oicbt  von  rechts-  oder  linksher  verwundet  zu  werden,  aufs  sorg- 
Utigste  am  Pfahle  eingeübt  wurden,')  wenn  wir  uns  klar  machen, 
«ie  DOlhig  für  diese  Rückwärtsbewegung  ein  gewisser  freier  Raum 
Unter  dem  Standorte  des  Kriegers  war,  weil  man  nicht  nach  hinten 
Kheo  und  bei  so  lebhaftem  Schwünge  der  Glieder  nicht  auf  den 
Zoll  berechnen  kann,  ob  man  genau  wieder  auf  die  alte  Linie 
xarflckkommt,  wenn  wir  diesen  ganzen  sprungartigen,  wilden  Cha- 
rakter des  Kampfes  uns  recht  lebhaft  vergegenwärtigen,  so  wird 
^  UDS  einleuchten,  dass  nicht  drei  Fuss  hinter  der  Schildlinie 
des  ersten  Gliedes  eine  lebendige  Mauer  aufgepflanzt  sein  durfte, 
>D  die  man  stiess,  sobald  man  sich  von  einem  Angrifi*  zurückzog. 
l)ie  beste  Parade  gegen  Speerwurf,  Steinwurf  oder  Stoss,  ein  Schritt 
>Qs  dem  Stande  zurück,  wäre  dadurch  unmöglich  gemacht,  und 
den  mit  Recht   so  beliebten  KuostgrifT,    den   Gegner   durch   ein 


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n 


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4 


er? 


1)  Veg.  I  11,  9:  Uro  . .  se  exereebat,  ut  nunc  quasi  caput  aut  faciem 
.^  i    pi(ve<,  nunc  lateribus  minaretur,  interdum  contenderet  popUtes  et  crura 

2)  BelL  A  fr,  15:  Caesar  edicit  per  ordines,  ne  quis  miles  ab  signis 
V^obter  pedes  lon^us  procederet. 

3)  Veg.  I  9,  17:  beUator  cum  cursu  saltuque  veniens  .  .  ib.  1  11,  U: 
^^dentj  recederetf  assuUaret,  insiUret,  11  23,  10:  saltus  quoque  et  ictus 
ftete  pariter  adsuescant,  insurgere  trépidantes  in  clipeum  rursusque  sub- 
'^^,  nunc  gesUendo  provolare  cum  saltu,  nunc  cedentes  in  terga  resilire. 
^^r  gab  sogar  selber  im  Âfricanischen  Feldzuge  seinen  Veteranen  noch  be- 
'Qgliche  iDStractiooen  non  ut  imperator  exercitum  veteranum  . .,  sed  ut  la- 
'^  tirones  gladia^ores  .  .  .  condocefacere ,  unter  anderem:  modo  pro- 
^^'^f^nnt^  modo  recédèrent  comminarenturque  impetum.    Bell,  À  fr,  71. 


250  J.  KROMATER 

solches  Ausweichen  in  die  Lufl  stossen  oder  hauen  zu  laeaeo,  ïhw 
so  aus  dem  Gleichgewicht  zu  bringen  und  den  Augenblick  seiaei 
Blosse  zum  todüichen  Nachstoss  zu  benutzen,  hätte  man  dabei  gü 
nicht  mehr  anwenden  können.  Die  Weite,  welche  heutzutage  beir 
Säbel  glacé  den  Fechtern  nach  hinten  zu  gewährt  wird,  kaca 
uns  ein  ungefähres  Bild  dessen  geben,  was  der  Römer  in  die^^i 
Beziehung  bedurfte.*) 

Es  ist  genug.  Wir  werden  klar  darüber  geworden  sein,  da» 
eine  so  weite  Aufstellung  nicht  nur  möglich  war,  sondern  dass  me 
erwünscht,  wenn  nicht  gar  nOthig  sein  musste. 

Man  wird  mir  indessen  vielleicht  einwenden  wollen,  dass  diese 
ganze  Schilderung  sehr  wohl  auf  den  Kampf  von  Schwert  ge^ea 
Schwert,  aber  nicht  in  allen  Punkten,  auf  den  von  Schwert  gegeo 
Sarisse  passe,  und  den  habe  doch  Polybius  im  Sinne.  Ich  nehme 
mit  Vergnügen  das  Zugeständniss  entgegen,  das  in  diesem  Einwurfe 
liegt,  ohne  doch  den  Vorbehalt  anzuerkennen.  Denn  erstens  spricht 
Polybius  wohl  mit  Hinblick  auf  die  makedonische  Phalanx,  aber 
doch  von  der  Gewohnheit  der  Römer  im  Allgemeinen.  Und  zweiteoi 
war  auch  im  Kampfe  gegen  den  Phalangiten  volle  Freiheit  der  Be- 
wegung nOIhig,  wenn  es  dem  Einzelnen  gelingen  sollte,  im  Dräogee 
nach  vorn  oder  im  langsamen  Zurückweichen  vor  dem  Walle  der 
Speere,  wie  solches  in  den  ersten  Stadien  dieses  Kampfes  gewOho* 
lieh  eintrat,  mit  Erfolg  zu  kämpfen;  wenn  er  mit  seinem  Schilde 
den  Bewegungen  des  Körpers  bei  Schlag  und  Sloss  folgen  sollte, 
ohne    die  Deckung    zu  verlieren^);    wenn   er  ohne  den   Nacbbir 


1)  Nach  dem  Paukcomment  der  Strassburger  Burschenschaft  Germaiii 
beträgt  die  Weite  der  Mensur  für  Säbel  glacé  bei  Leuten  von  mittlerer  Stator 
2,85  m,  also  9,64  pol  y  Manische  Fuss.  Selbst  bei  dieser  Weite  ist  es  oid»t 
zu  vermeiden,  dass  der  eine  oder  andere  Paukant  auf  einen  Augenblick  biottf 
den  gezogenen  Kreidestrich  znriickgeht,  und  dabei  unterscheidet  sich  das  ■0' 
derne  Säbelfechten  noch  dadurch  wesentlich  von  der  römischen  Kampfiiti 
dass  der  geschilderte  sprungartige  Charakter  jener  durch  die  Paukvorschrifteo 
ausdrücklich  ausgeschlossen  wird.  Man  vergleiche  auch  Roux  deutsches  Pink' 
buch,  Jena  1867  §  34  und  §  7. 

2)  Dies  betont  Polybius  XVIII  30,  7  ausdrücklich  in  den  Worten:  9i^ 
TO  rtô  fièv  &vçecô  ffxe'neiv  ro  cœfiay  avfi/iezaitd'efievovs  aUi  nçoQ  tov  flr 
Tfkrjyije  xat^ov.  Die  Stelle  ist  von  Köchly  und  Rüstow  falsch  verstaodeo! 
usTajid'ea&ai  ist  ohne  Zweifel  ein  Fechterausdruck  und  muss  bedeuten  ^neaß 
Position  ändern*,  wenn  ich  es  in  diesem  Sinne  auch  sonst  nicht  belegen  kaoD« 
Dann  wäre  zu  übersetzen  ,weil  sie  sich  mit  dem  Schilde  schützen  möSKO» 
edesmal    wenn   sie   im  Augenblick,  wo  sie  den  Stoss  führen,  zugleich  ihre 


!S 


ZUM  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    251 

anvarennen,   m  Stande  sein   sollte  mit  dem  Schwerte   durch  die 

Lücken  zwischen   den   Schilden   hindurch   die  Lanzen  abzuhauen, 

abzubrechen   oder   wenigstens  zu   pariren.    Trat   dann  das  zweite 

Stadium  des  Kampfes  ein,  in   welchem  der  Legionär  zusammen 

mit  einer  kleineren   oder  grösseren   Schaar  beherzter  Kameraden 

sich  kOhn  in  die  entstandenen  Lücken  der  Phalanx  warf  und  sich 

tief  in  die  dicken  und  wehrlosen  Haufen  einwühlte,   dann  musste 

er  erst  recht  Herr  seiner  Glieder  und  seiner  Bewegung  sein ,   um 

seine  Kunst  zu  bewähren. 

Aber  noch  ein  zweites,  schwerwiegenderes  Bedenken  gilt  es 
tu  erledigen.  Hit  grosser  Anschaulichkeit  und  Frische  schildert 
008  Lammert  (a.a.O.  S.  9),  wie  nach  seiner  Ansicht  der  Beginn 
nod  Fortgang  eines  Gefechtes  römischer  Legionare  gewesen  ist: 
die  Massen  beider  Heere,  sagt  er  etwa,  zehn  oder  mehr  Mann  tief 
itQneo  im  Laufe  auf  einander  los,  die  Schilde  der  ersten  Glieder 
kncheo  zusammen,  die  hinteren  Glieder  prallen  dem  Beharrungs- 
gesetze folgend  mit  Wucht  nach,  und  es  beginnt  zwischen  den 
eog  lusammengekeilten  Körpermassen  ein  Drängen  auf  Leben  und 
Tod.  Vom  Gebrauche  der  Waffen  kann  eigentlich  nur  unmittelbar 
vor  dem  Zusammenprall  die  Rede  sein.  Stehen  nun  auf  beiden 
Seiten  die  Kräfte  gleich,  so  drängt  und  schiebt,  stösst  und  haut 
Otta,  bis  zur  beiderseitigen  Erschöpfung.  —  Wo  ist  nun  dabei, 
hgt  Lammert,  Raum  fQr  eine  so  dünne  Plänklerkette,  wie  wir 
lie  mit  Polybius  annehmen? 
Kif  Hier  ist  in  der  Thal  eine  Schwierigkeit  berührt,  die  wir  nicht 
tingeben  dürfen,  wenn  wir  unser  Resultat  nach  allen  Seiten  hin 
sicherstellen  wollen.  Der  Choc  —  das  ist  der  Kern  der  Sache  — 
Mert  möglichst  gedrängte  Massen  und  sein  Vorhandensein  ist 
<|aelleDmas8ig  überliefert.  Der  Einzelkampf  fordert  dagegen  mög- 
Ittlttt  lichte  Aufstellung,  aber  —  und  indem  wir  dies  betonen, 
scheiden  sich  unsere  Wege  von  Lammert  —  aber  auch  er  ist 
<lQdleiunässig  überliefert.  Folglich  kann  die  Lösung  des  Proi^lems 
dichtauf  dem  Wege  erfolgen,  den  Lammert  einschlägt,  dass  man 
^mlicb  die  eine  der  beiden  Aufstellungen  wegen  des  Daseins  der 
loderen  läugnet,  sondern  die  Frage  ist  lediglich  die:  wie  können 

I^QiitioD  ändern',  d.  h.  etwa  einen  Ausfall  machen.  Bei  dieser  Inlerpretation 
'^^  tt  dtoo  aach  nicht  mehr  nöthig  avfâfiêjaxid'êad'ai  activ  zu  fassen  (s.  das 
'^COQ  Pol.  T.  Schweighäuser),  was  man  bisher  genöthigt  war  zu  thun,  ohne 
^  *Q8  Polybius  aoderweitig  belegen  zu  können. 


ri 


fP! 


252  J.  KROMATER 

wir  uns  den  Uebergang  von  der  einen  zu  der  anderen  GefecbCi 
fahrung  vorstellen.  Sollte  uns  das  auch  nicht  gelingen,  so  würde  d. 
Existenz  unserer  weiten  Kampfesstellung  doch  dadurch  ebenso  wem 
zweifelhaft  werden,  wie  andererseits  die  Thatsache,  dass  die  ROmi 
den  Choc  angewandt  haben,  durch  das  Vorhandensein  der  weilj 
Kampfstellung  erschüttert  werden  kann.  Das  zu  constatiren  genQ 
mir  hier  vorläufig.  Denn  die  Erklärung  dieses  Ueberganges  gehe 
zu  den  schwierigsten  Problemen,  die  die  römische  Taktik  Oberhavj 
bieteL  Es  hängt  daran  die  ganze  so  vielfach  behandelte  Frage  de 
Hanipularaufstellung  mit  oder  ohne  Intervalle,  der  TreiïenablOsusi 
und  der  EinzelablOsung.  Ich  werde  daher  eine  Beantwortung,  dii 
in  diesem  Rahmen  doch  nur  unvollkommen  ausfallen  könnte,  hiei 
nicht  versuchen  ;  schon  desshalb  nicht,  um  ein  völlig  feststefaeodei 
Ergebniss  nicht  zum  Schlüsse  noch  mit  einem  vielleicht  nicht  ebeaio 
einwandfreien  Erklärungsversuche  zu  mischen  und  so  ein  GefllU 
der  Unsicherheit  hervorzubringen.  Nur  das  eine  will  ich  hion* 
fügen,  dass  für  den  Kampf  mit  der  makedonischen  Phalanx,  den 
ja  Polybius  in  erster  Linie  im  Auge  hat,  dies  Problem  Oberhiopl 
nicht  vorliegt.  Denn  mit  dem  Choc  hat  der  Römer  hier  sicbei 
nicht  das  Gefecht  eröffnet.  Es  wäre  ja  der  helle  Wahnsinn  ge* 
wesen,  in  den  Wall  der  fünf  Speerreihen  hineinzulaufen  und  siel 
selber  aufzuspiessen.  Der  Kampf  hat  hier  begonnen,  wie  wir  iki 
soeben  geschildert,  indem  man  stehend,  oder  langsam  vorgebet« 
den  Angriff  aufnahm,  dann  weichend  die  Phalanx  zu  lockern  oiK 
so  ihre  Kraft  zu  zersplittern  versuchte.  Darin  stimmen  sämmtlick« 
Schlachtbericbte  mit  dem  von  der  Natur  der  Sache  geforderte! 
Hergange  überein. 

Wenn  ich  somit  die  Lösung  des  von  Lammert  gestelitei 
Problems  vorläufig  zurückschiebe,  so  will  ich  aber  doch  andererseit: 
die  Fragestellung  benutzen,  um  einer  zu  weitgehenden  Folgeraag 
die  man  aus  der  losen  Stellung  von  sechs  Fuss  ziehen  köDDlc 
gleich  hier  vorzubeugen.  Es  ist  nicht  nöthig  anzunehmen,  das 
alle  Glieder  und  Rotten  der  römischen  Schlachtlinie  die  weite  Aal 
Stellung  gehabt  hätten,*)  sondern  Polybius  spricht  nur  von  def 
ersten  Gliede,  d.  h.  demjenigen,  welches  allein  den  Kampf  i 
jedem  Augenblicke  führte.   Wir  haben  also,  da  die  QuellenberichC 

1)  So  stellte  sich  Niebuhr  die  Sache  vor,  rôm.  Gesch.  1853  S.  991,  w 
er  sagt,  dass  das  zehnte  Glied  54  Fuss  (neun  Glieder  je  sechs  Fass  davoi 
vom  Feinde  entfernt  gewesen  sei. 


20M  GRIECHISCHEN  UND  RÖMISCHEN  HEERWESEN    253 

àip^eigen^  völlige  Freiheil,  uos  die  Aufstellung  der  hinteren  Glieder 

denken  wie  wir  wollen. 

Dabei   sind   aber  theoretisch   vier  Fälle   möglich:   es  können 

&f  den  Mann  kommen:  1.  sechs  Fuss  Front  und  sechs  Fuss  Tiefe, 

t.   sechs  Fuss  Front   und   drei   Fuss  Tiefe,    3.  drei  Fuss   Front 

and  sechs  Fuss  Tiefe,   4.   drei  Fuss  Front  und  drei  Fuss  Tiefe. 

Mo.  1  und  3  fallen  fort  als  gänzlich  zwecklos  und  daher  unwahr- 

Kteinlich.     No.  2  und  4   dagegen   köqnen   beide  zur  Anwendung 

gekommen  sein  und  werden  je  nach  dem  Gefechtszwecke  wohl  in 

der  That  beide  zu  verschiedenen  Zeiten  angewandt  sein.    In  beiden 

Fsilen  haben  wir  hinter  dem  ersten  Gliede,  d.  h.  hinter  der  losen 

Reihe  der  eigentlichen  Kämpfer  eine  mehr  oder  minder  geschlos- 

leoe  Masse,'  die  einerseits  als  fester  Rückhalt  und  andererseits  zur 

àblOsiing  dient,  wenn   die  Kämpfer  des  ersten   Gliedes  ermOdet, 

verwundet  oder  erschlagen  sind. 

Das  Bild  der  römischen  Schlacht,  welches  solcher  Gestalt  vor 
008  ersteht,  ist  daher  das  einer  oder,  wenn  auf  beiden  Seiten 
ROmer  kämpfen,  zweier  langer  Reihen,  die  in  ihre  Elemente,  die 
ciDielnen  Streiter,  aufgelöst  in  einer  Unzahl  von  Zweikämpfen^) 
WD  das  Schicksal  des  Tages  streiten,  während  auf  beiden  Seiten 
Unter  ihnen  die  geschlossene  Masse,  wie  die  Corona  um  die  Duel- 
hDleo,  steht.  Nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  diese  Hasse  auch 
gelegentlich  wieder  mit  ihrer  vollen  Wucht  in  den  Streit  einzu- 
greifen bereit  ist.  Denn  das  Bild,  welches  wir  hier  gezeichnet, 
itt  Dur  der  Kampf  in  einem  bestimmten  Gefechtstadium.  Die  rö- 
mische Schlacht  hat  auch  noch  ein  ganz  anderes  Gesicht. 

Doch  das  führt  uns  zu  weit  hinaus  über  Rotten-  und  Glieder- 
^od,  die  allein  hier  zur  Verhandlung  standen.  Ueber  die  Conse- 
<loeoten  dieser  grundlegenden  Frage  ein  ander  Mal. 

Strassburg  i.  Eis.  J.  KROMATER. 


1)  So  auch  Niebohr  a.  a.  0.  S.  992. 


S«rmeiX3CXV.  17 


ZUR 
GESCHICHTE  DES  EÜRYPONTIDENHAUSES. 

L   König  Laotychidas  und  der  messenische  Aufstand. 

Ed.  Schwartz  sagt  Bd.  34  S.  429  dies.  Ztschr.,  naréçœv  i^fit- 
tiQtav  natiqBç  in  der  bekannten  Tyrtaeosstelle  könne  zweierlei 
bedeuten:  «unsere  Grossvflter*  und  , unsere  Vorfahren^;  die  Neuere» 
schienen  aber  an   die  zweite  Auffassung  nicht  gedacht  zu  habeo. 
Das  ist  nicht  ganz  richtig;  vgl.  meine  Gr.  Gesch.  I  285  A,  wo  ich 
ausdrücklich  auf  die  Zulttssigkeit  dieser  zweiten  Auffassung  hia- 
gewiesen  habe,  da  Tjrtaeos  ja  ein  Dichter  und  kein  Genealoge 
war.    Die  zwei  Generationen  nach  Theoporop  geben  uns  also  nur 
eine   obere  Grenze   für  die  Zeit  des  grossen  messenischen  All^ 
Standes,   und  es  bleibt  die  Möglichkeit,  bis  ins  6.  Jahrhundert 
und  selbst  noch  liefer  herabzugehen.    Schwartz  glaubt  denn  aock 
beweisen  zu  können,  dass  der  Krieg  erst  an  den  Anfang  des  5.  Jall^ 
hunderts  gehört;   denn  Rhianos  setzt  ihn   unter  den  König  Lkh 
tychidas  (bei  Paus.  IV  15,  2),  und  für  einen  alexandrinischen  Dichter 
habe   das  àfiaQrvQov  ovôkv  ielôw  zu  gelten.     Das  letztere  wird 
in   diesem  Falle  wenigstens   niemand   bestreiten.     Aber  was  steht 
denn    bei   Herodot  VIII  131?    ^zçaxriyog   ôh   xa2   vavaQXOÇ  i}^ 
^Bvtvxlôrjç  6   Mevaçeoç   tov  ^Hyrjaikeùi  tov  ^InnoxQCttidi» 
%ov  ^evTVxlôeu)  tov  ^^va^iXew  %ov  l/içxBdrjfÀOv  %ov  ^Avafyffh' 
âgideo)  tov   &Bon6fA7tov  %ov  Nixâvôçov  xtA.      ovtoi  nâffiÇt 
fclrjv  %ù}v  dvüßv  Twv  fietà  uievTvxlôrjv  ngtitwy  Koralex^^^^^ ^ 
ol  allot  ßaaileeg  iyivovto  27cdQTr]ç.    Also,  es  hat  nach  Herodo^ 
vor  dem  Sieger  von  Mykale  einen  zweiten  Laotychidas  als  KOoil 
von  Sparta  gegeben.     Man  pflegt  nun  allerdings  bei  Herodot  gege  * 
die  Handschriften  ôvwv  in  émà  zu  ändern,  und  zwar  mit  ROd^ 
sieht  auf  Paus.  Ill  7,  6.  7,  wonach  auf  Theopomp  dessen  Enkelsob  i 
Zeuxidamos,  dann  dessen  Sohn  Anaxidamos,  und  weiter  Archidamo^ 
Agasikles,  Ariston,  Damaratos  gefolgt  wären.    Aber  ein  solches  Ver* 
fahren,  wobei  die  bessere  Quelle  der  schlechteren  Quelle  zu  Lieb^ 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURTPONTIDENHAUSES      255 

neodirt'  wird,  richtet  sich  selbst.  Es  ist  auch  an  und  für  sich 
lalässig.  Herodot  führt  von  Laotjcbidas  bis  Aristodaroos,  dem 
len  beraklidischen  Könige  Spartas,  16  Namen  auf;  konnte  er 
Terständiger  Weise  sagen:  diese  alle  waren,  bis  auf  sieben, 
nige  ?on  Sparta?  Sieben  sind  ja  beinahe  die  Hälfte  von  16; 
DD  dagegen  nur  zwei  von  den  16  nicht  Könige  waren,  ist  alles 
Ordnung.  Ferner:  Laotychidas  wurde  Damaratos  Nachfolger, 
S  dessen  Legitimität  bezweifelt  wurde.  Also  war  Laotychidas  der 
M%  successionsfähige  Verwandte.  Ist  das  nun  im  geringsten 
hncheinlich,  wenn  die  Linie,  der  Laotychidas  angehörte,  bereits 
l  sieben  Generationen  nicht  mehr  auf  dem  Throne  gesessen 
le?  Dann  mussten  doch  offenbar  aus  Damaratos  Linie  Seiten- 
wandte  vorhanden  sein,  die  besseres  Recht  auf  die  Thronfolge 
tea.  Die  Sache  ist  so  evident,  dass  Plutarch  (Apophth.  Lacon. 
224),  d.  h.  doch  wohl  schon  seine  Quelle,  Laotychidas  zum  Sohn 
Ariston  macht,  also  zum  jüngeren  Rruder  des  Damaratos.  Das 
ja  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  Herodots  gegenüber  nicht 
Ibar,  und  auch  an  sich  wenig  wahrscheinlich.  Wenn  aber  Lao- 
bidas,  wie  sich  aus  Herodot  ergiebt,  der  älteren  Linie  des  Eury- 
itidenhauses  angehörte,  und  noch  sein  Urgrossvater  König  gewesen 
r,  dann  erklärt  es  sich  sehr  einfach,  dass  er  bei  Damaratos  Ab- 
EQDg  zum  Throne  berufen  wurde.  Der  alte  Conflict  zwischen 
i  beiden  Linien  des  Eurypontidenhauses,  der  vor  2 — 3  Menschen- 
om  zur  Absetzung  des  Hippokratidas,  oder  zur  Ausschliessung 
Aes  Sohnes  Agesilaos  von  der  Thronfolge  geführt  hatte,  wurde 
CD  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  aufgerollt. 

Wir  erhalten  demnach  folgenden  Stammbaum  des  Eurypontiden- 
ttics  von  Tbeopompos  bis  Laotychidas,  wobei  ich  die  Könige  durch 
(sperrten  Druck,  und  fortlaufende  Ordnungsnummern  hervorhebe: 

1«  Tbeopompos 

2.  Anazandridas  Archidamos 

3.  Archidamos  Zeuzidamos 
4«  Anaxilaos                          Anazidamos 

5.  Laotychidas  Archidamos 

6.  Hippokratidas  7.  Agasikles 
Agesilaos  8.  Ariston 
Menares  9.  Damaratos 

10.  Laotychidas 

17* 


256  J.  BELOCn 

Agasikles  wird  voo  Herod.  I  65  ausdrücklich  als  KOnig  beieicbn 
dass  er  auf  Hippokratidas  folgt,  obgleich  er  wie  dieser  der  füi 
nach  Theopompos  ist,  hat  nichts  auffallendes,  da  er  der  jQng« 
Linie  angehört,  und  ausserdem  die  Möglichkeit  bleibt,  dass  Hipj 
kratidas  abgesetzt  wurde.*) 

Auch  Plutarch,  oder  seine  Quelle,  scheint  eine  Königsliste  i 
sich  gehabt  zu  haben,  wie  sie  hier  nach  Herodot  reconstrai 
worden  ist;  wenigstens  kennt  er  neben  dem  bekannten  noch  ein 
älteren  Laotycbidas,  den  er  als  6  nçUtog  bezeichnet,  und  demi« 
offenbar  als  König  betrachtet  hat  {AfOfhth.  Lacon.  a.  a.  0.). 

Wenn  also  Rhianos  den  zweiten  messenischen  Krieg  unter  d 
König  Laotycbidas  setzte,  so  folgt  daraus  keineswegs,  dass  er  du 
den  Sieger  von  Hykale  meinte;  er  kann  gerade  so  gut  den  litar 
Laotycbidas  gemeint  haben;  dass  er  ihn  wirklich  gemeint  hat,  ergk 
sich  klar  genug  aus  Pausanias.  Rhianos  hat  natürlich  gewn 
dass  Sparta  zwei  Könige  hatte;  wenn  er  also  den  einen  naoD 
muss  er  auch  den  anderen  genannt  haben.  Hätte  er  nun  den  Kri 
unter  den  jüngeren  Laotycbidas  gesetzt,  so  wäre  Kleomenes  de« 
College  gewesen  ;  an  dessen  Erwähnung  würde  aber  Pausanias  gen 
so  Anstoss  genommen  haben ,  wie  er  es  an  der  Erwähnung  < 
Laotycbidas  thut  (IV  15,  2).  Dies  das  negative  Argument;  < 
positive  ist,  dass  Pausanias  in  den  aus  Rhianos  geflossenen  Capiti 
Anaxandros  als  König  aus  dem  Agiadenhause  nennt  (IV  22, 
Und  Anaxandros  entspricht,  nach  der  herodoteischen  Liste  (VII  2( 
VIII  131),  in  der  Folge  der  Generationen  genau  dem  ersten  Li 
tychidas;  denn  er  ist  der  elfte  nach  Eurysthenes,  wie  Laotychi« 
der  elfte  nach  Prokies,  und  der  vierte  vor  Kleomenes  und  LeonU 
wie  Laotychidas  I.  der  vierte  vor  Laotycbidas  II.  Damit  ist,  des 
ich,   bewiesen,  dass  Rhianos  den   zweiten   messenischen  Krieg 


1)  Wenn,  wie  Niese  meint  (bei  Paaly-Wissowa  II  467),  der  Archidai 
der  älteren  Linie  mit  dem  ersten  Archidamos  der  jüngeren  Linie  identiscii 
würden  Âgesilaos  nnd  Agasikles,  Laotychidas  und  Damaratos  in  die  gleid 
Generationen  kommen.  Bei  der  beständigen  Wiederkehr  derselben  Namcffl 
den  griechischen  Familien  ist  ein  solcher  Schluss  aber  sehr  ansicher.  '. 
Kegen  ist  es  sehr  fraglich,  welchen  Werth  überhaupt  der  Stammbaam 
jüngeren  Linie  zwischen  Theopompos  und  Agasikles  hat  Er  sieht  gaos  i 
wie  ein  genealogischer  Lûckenbûsser,  zu  dem  das  Material  dem  Stammbi 
der  alteren  Linie  entnommen  ist.  Zu  beachten  ist  auch,  dass  Herodot  di 
Stammbaum  des  Damaratos  nicht  giebt. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EÜRYPONTIDENHAÜSES      257 

die  Tierte  GeneratioD  vor  den  Perserkriegen  uod  nach  Theoporopos 
^etzt  hat,  also  in  das  7.  Jahrhundert.  Im  übrigen  vgl.  meine 
Gr.  Gesch.  I  285  A  ;  das  dort  kurz  angedeutete  bedarf  hoffentlich 
keiner  näheren  Ausführung. 

Jetzt  verstehen  wir  auch,  wie  Piaton  zu  seinem  Ansatz  des 
ousseoischen  Aufstandes  auf  die  Zeit  der  Schlacht  hei  Marathon 
gekommen  ist:  er  hat  einfach,  ganz  wie  Pausanias  und  Schwartz, 
deo  ersten  mit  dem  zweiten  Laotychidas  verwechselt.  Piatons  histo- 
rische Angaben  sind  gewiss  sehr  beachtenswerth ;  sie  zeigen,  wie 
die  griechische  Geschichte  in  dem  Kopfe  eines  hochgebildeten  Athe- 
nen des  4.  Jahrhunderts  sich  spiegelte,  es  liegt  auch  immer  etwas 
ihatsächliches  zu  Grunde,  nur  soll  man  keine  historische,  und 
DUDeotlich  keine  chronologische  Akribie  darin  suchen.  Ich  will 
mich  aber  gern  vom  Gegentheii  überzeugen  lassen,  und  erwarte 
deo  Beweis.  Bis  dahin  glaube  ich  nicht  an  einen  messenischen 
Aabtand  am  Anfang  des  5.  Jahrhunderts;  mindestens  kann  es  sich 
BQr  um  eine  ganz  unbedeutende  Sache  handeln.  Das  zeigt  das 
Schweigen  Herodots,  und  auch  Schwartz  giebt  es  zu,  wenn  er 
•  (S.438)  von  einer  ,Rauferei  zwischen  Herren  und  Hörigen'  spricht. 
Oehrigens  ist  es  nicht  richtig,  dass  die  Spartaner  den  Athenern  490 
i  iiuir  ein  kleines  Hilfscorps  und  zu  spät'  geschickt  hätten  (Schwartz 
;  S.  437);  2000  Hopliten  waren  für  spartanische  Verhaltnisse  viel, 
:  etwa  ein  Drittel,  wenn  nicht  mehr,  der  überhaupt  zur  Verfügung 
stehenden  Heeresstärke;  und  ausreichend  für  den  Zweck  war  das 
CoBliogent  auch,  denn  die  Athener  haben  ja  sogar  ohne  diese 
Bilfe  abzuwarten  die  Perser  geschlagen.  Weiteres  in  meiner  Gr. 
Gesch.  1  356.  358.  Und  dass  die  Spartaner  nur  fii^  fjf^éQtf  zu  spät 
bnen,  steht  ja  sogar  bei  Piaton.  Die  Aporien  aber,  die  Schwartz 
S. 437  aufstellt,  finden  ihre  Losung  in  ganz  anderer  Weise.  Ein 
Angriffskrieg  gegen  Persien  war  eben  eine  viel  ernstere  Sache,  als 
^ioe  Intervention  in  Samos  gegen  Polykrates;  und  die  athenische 
Politik  Spartas  ist  am  Ende  des  6.  Jahrhunders  ganz  ebenso  von 
den  inneren  Verhältnissen  des  spartanischen  Staates  bestimmt  worden, 
^  am  Ende  des  fünften. 

Jedenfalls  ist  der  politische  Hintergrund,  den  Tyrtaeos  Gesänge 
^oran88etien ,  sehr  viel  ernster,  als  die  ,Rauferei  zwischen  Herren 
QndHtfrigenS  <^ic  ^ir  allenfalls  für  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts 
annehmen  könnten,  für  die  aber  jeder  historische  Beweis  mangelt. 
Ebensowenig  passt   die  'innere  Situation   für  das  5.  Jahrhundert. 


258  J.  BELOCH 

Wir  wissen  nicht  das  geringste  von  inneren  Wirren  in  der  sp 
tanischen  Bürgerschaft  zur  Zeit  der  Perserkriege,  wie  die,  wel 
Tyrtaeos  Evvofila  voraussetzt.  Und  vor  allem,  Tyrtaeos  Schwei 
aber  die  Epboren  zeigt,  dass  er  gedichtet  hat,  ehe  diese  BefaC 
zur  ausschlaggebenden  Macht  im  Staate  wurde. 

Aber  freilich,  Sctiwartz  meint  ja,  Tyrtaeos  Gedichte  seien  ef 
athenische  Fälschung  aus  der  Zeit  des  peloponnesischen  Rriep 
und  so  kommt  der  lahme  athenische  Schulmeister  in  verwandelt 
Gestalt  doch  noch  einmal  zu  Ehren.  Welchen  Zweck  diese  Ffllschoi 
gehabt  haben  sollte,  ist  freilich  schwer  abzusehen;  und  noch  wenig« 
verstehen  wir  bei  einem  Fälscher  die  Gluth  patriotischer  und  krieg« 
rischer  Begeisterung,  die  aus  den  Versen  athmet. 

Doch  der  Verfasser  der  Gedichte  soll  ja  auch ,  nach  Art  di 
Sophisten,  den  ,Sport^  gering  geachtet  haben,  wofQr  fr.  12  citi 
wircl.  Dort  steht  aber  gerade  das  Gegentheil;  der  Dichter  scblt 
gymnastische  Tüchtigkeit  so  hoch  wie  nur  irgend  eine  andere  agsf^ 
körperliche  Schönheit,  Reichthum,  vornehme  Abkunft,  hervorrageiu 
Redegabe  ;  aber  das  alles  ist  ihm  nichts,  wenn  die  Tapferkeit  feb 
Also  auch  dieses  Argument  fôllt  in  sich  zusammen. 

Ueberhaupt  sehe  ich  nicht,  was  dem  überlieferten  Ansatz  d 
Zeit  des  Tyrtaeos  entgegen  steht.  Sparta  war  ja  damals  um  d 
Wende  vom  7.  zum  6.  Jahrhundert  einer  der  grossen  Hittelpuok 
des  geistigen  Lebens  in  Griechenland,  in  sehr  viel  höherem  Grad 
als  es  z.  B.  Athen  um  dieselbe  Zeit  gewesen  ist.  Wir  dürfen  d 
Zustande  des  5.  Jahrhunderts  doch  nicht  in  das  ausgehende  7.  Jab 
hundert  hineinprojiciren.  Wenn  nun  in  Athen  um  600  ein  Staat 
mann  wie  Solon  sich  der  Elegie  bediente,  um  für  seine  politisch* 
Ideen  Propaganda  zu  machen,  weil  es  eine  litterarische  Prosa  no* 
nicht  gab,   warum   soll   da   um   dieselbe  Zeit')  ein   spartanisch 


1)  Laotychidas  II.  ist  469  (Gr.  Gesch.  I  455  A.  2)  abgesetzt  worden;  i 
lange  er  dann  noch  gelebt  hat,  wissen  wir  nicht.  Rechnen  wir  aber  von  470 
rückwärts,  und  setzen  die  Generation  zu  30  Jahren  an,  so  würde  Laotychidn 
590  gestorben  sein.  Ist  es  also  richtig,  dass  der  messenische  Aufstand  un 
diesen  König  fallt,  wie  Rhianos  sagt  (und  wenigstens  aus  Tyrtaeos  ist  < 
Ansatz  nicht  abgeleitet),  so  würde  er  etwa  ums  Jahr  600  zu  setzen  sein,  i 
dieselbe  Zeit  führt,  was  uns  sonst  über  den  Krieg  überliefert  ist  (Gr.  Gesd 
2S5  A),  auch  abgesehen  von  der  Angabc  bei  Flut.  Jpophth.  Reg,  p.  195, 
Schwartz  nicht  gelten  lässt.  Tyrtaeos  wäre  demnach  ein  Zeitgenosse  Sol* 
gewesen.    Alle   diese  Zeugnisse   haben   nun  freilich  keinen  absolaten  Wei 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURYPONTIDENHAUSES      259 

Offizier  uod  Staalsmaon  nicht  das  gleiche  gethao  haben?   Tyrtaeos 
mag  etwa  Polemarch  gewesen,  und  später  in  die  Gerusie  gelangt 
sein.    Die  Analogie  zwischen  Tyrtaeos  und  Solon  liegt  ja  auf  der 
Band;   sie   erklärt   sich  aus  der  Analogie  der  Verhältnisse ,   die 
übrigens   nur   ganz   vereinzelten  Anklänge   im  Ausdruck   daraus, 
das8  beide  das  Epos  und  die  ionische  Elegie  vor  sich  hatten;   zu 
der  Annahme  der  Nachahmung  des  einen  durch  den  anderen  be* 
rechtigt  uns  nichts.    Auch  dass  Tyrtaeos  seine  Elegieen  im  epischen 
Dialekt  gedichtet  hat,  ist  ganz  in  der  Ordnung.  War  doch  die  Elegie 
aafdem  Boden  des  Epos  in  Ionien  erwachsen;  wie  der  Verfasser 
der  hesiodeischen  Epen,  wie  der  Megarer  Theognis  im  homerischen 
Dialekt  gedichtet  haben,  musste  auch  Tyrtaeos  es  thun.    Und  wenn 
die  Spartaner  ihren  Homer  verstanden,  konnten  sie  auch  den  Tyr- 
taeos verstehen.    Dass  uns  Alkman  so  viel  fremdartiger  erscheint, 
ab  Tyrtaeos,  obgleich  er  wahrscheinlich  etwas  jünger  ist,  als  dieser, 
liegt  an  der  Kunstform  ;  es  ist  mutatis  mutandis  ganz  dasselbe  Ver- 
hâllDiss  wie  zwischen  Solon  und  den  aeschyleischen  Chorliedern. 
Doch  um  diese  Dinge  zu  sagen,  habe  ich  das  Wort  nicht  er- 
griffen.   Mir  lag  nur  daran,  die  Konigsfolge  und  die  Genealogie 
des  Eurypontidenhauses  richtig  zu  stellen ,  und  die  Ueberlieferung 
kâ  Herodot  VUI  131  gegen  eine  Fälschung  in  Schutz  zu  nehmen, 
die  sich  bereits  in  manche  unserer  Ausgaben  eingeschlichen  hat. 

II.   Agis  Tod  bei  Mantineia. 

Bei  Pausanias  VHI  10,  5  ff.  (vgl.  VI  2,  4;  VIH  27,  13;  36,  6) 
wird  bekanntlich  erzählt,  dass  König  Agis,  Eudamidas  Sohn,  bei 
Hantineia  in  einer  Schlacht  gegen  die  verbündeten  Arkader  und 
Achaeer  gefallen  sei.  Dass  diese  Angabe  nicht  richtig  sein  kann, 
^l  auf  der  Hand;  denn  nichts  steht  sicherer,  als  dass  Agis  nach 
^^  Scheitern  seiner  Reformpläne  im  Gefängnisse  hingerichtet 
worden  ist  Trotzdem  hat  Droysen  den  Bericht  des  Pausanias  von 
Agis  arkadischem  Feldzuge  in  seine  Erzählung  aufgenommen,  und 
nur  den  Tod  des  Agis  herausgestrichen,  wodurch  dann  alles  in 
schönste  Ordnung  kommt.    Eine  solche  Art  conciliatorischer  Kritik 

wollen  wir  sie  bei  Seite  werfen,  so  würde  uns  nichts  hindern,  Tyrtaeos  noch 
<un  einige  Jahrzehnte  herabzurûclien.  Einen  terminus  ante  quem  giebt  die 
Begrûndang  der  Ephorenmacht ,  etwa  um  die  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  (Gr. 
Gesch.  IîiRfi\ 


260  J.  BELOCH 

bedarf  keiner  WiderleguDg;  auch  ganz  abgesehen  davon,  dass  PI 
tarch  mit  keinem  Worte  die  Schlacht  erwähnt,  und  das«  Agis  n»j 
einer  8o  schweren  Niederlage  unmöglich  das  Ansehen  hätte  hab« 
können,  das  fOr  die  Inangriffnahme  der  Socialreform  nothwend^ 
Voraussetiung  war. 

Und  doch  ist  Droysen  von  einem  ganz  richtigen  GefOhle  ^ 
leitet  worden.  Wir  dürfen  die  Angabe  des  Pausanias  nicht  so  oh, 
Weiteres  bei  Seite  werfen,  wie  es  noch  kürzlich  Niese  gethan  b« 
Schon  darum  nicht,  weil  Pausanias  das  zum  Gedächtniss  des  Siega 
errichtete  Tropaeon  noch  vor  dem  Thore  von  Mantineia  gesebea 
hat,  und  eben  an  dieses  Denkmal  seinen  Bericht  anknüpft.  Und 
vor  allem,  dieser  Bericht  ist  Tiel  zu  eingehend,  und  was  mehr  ioi 
Gewicht  fôllt,  er  ist  viel  zu  gut,  als  dass  Pausanias  ihn  hätte  er- 
finden können.  Die  Erzählung  ist  keineswegs,  wie  Niese  meist 
(II  304  A)  ,aus  allerlei  Stücken  zusammengesetztS  vielmehr  giai 
aus  einem  Guss,  und  sie  spiegelt  genau  die  politische  Lage  wieder, 
wie  sie  um  250  im  Peloponnes  war.  Sikyon  ist  bereits  in  des 
achaeischen  Bund  eingetreten,  der  Bund  aber  noch  auf  Sikyon  uad 
Achaia  beschränkt;  Lydiadas  ist  bereits  in  angesehener  Stellangi 
aber  noch  nicht  Tyrann,  denn  er  hat  im  Befehl  über  das  megak»- 
politische  Contingent  Lakydas  zum  CoUegen;  und  endlich.  Megalo- 
polis steht  mit  Mantineia  und  einer  Anzahl  anderer  arkadischer 
Gemeinden  im  Bunde,  was  seit  der  Secession  des  Jahres  363 
nicht  mehr  der  Fall  gewesen  war,  und  bis  zum  Eintritt  beider 
Städte  in  den  achaeischen  Bund  nicht  wieder  der  Fall  sein  sollte. 

Von  dem  Bestehen  eines  solchen  arkadischen  Bundes  (deoD 
darum  bandelt  es  sich  bei  Pausanias  ganz  offenbar)  hat  sich  ou0 
freilich  in  unserer  sonstigen  litterarischen  Ueberlieferung  keine 
Spur  erhalten,  was  bei  der  Dürftigkeit  dieser  Ueberlieferung  fûi 
die  Geschichte  des  3.  Jahrhunderts  nach  keiner  Richtung  hin  etwai 
beweist.  Dagegen  haben  wir  dafür  ein  numismatisches  Zeugniss  is 
BronzemUnzen  mit  megalopolitischen  Typen,  aber  dem  arkadischen 
Monogramm,  die  etwa  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  angehören  (Hea< 
Hist.  Num.  S.  377),  während  sonst  die  Münzen  von  Megalopolis 
aus  dieser  Zeit  die  Aufschrift  M  EP  zeigen.  Dazu  kommt  dani 
weiter  ein  epigraphisches  Zeugniss:  das  bekannte  Proxeniedecre 
für  den  Athener  Phylarchos,  Dittenberger  SylL^  106.  Bekanntlicl 
hat  Dittenberger  dieses  Décret  in  die  Zeit  nach  der  Schlacht  bc 
Leuktra  gesetzt,  weil  er  von  dem  Bestehen  eines  arkadischen  Bunde 


hrf 

I« 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURTPONTIDENHAUSES      261 

im    3.  Jahrhundert    nichto  wusste;   auch  ich  habe  diese  Ansicht 

lange  getbeilt,  und  noch  ganz  kürzlich  hat  Max  Fränkel  die  offene 

Thllr  noch  einmal  eingerannt.    Der  Stein  scheint  leider  verschollen; 

weon  aber  Fränkel  dem  ungeachtet  aus  epigraphischen  Gründen 

\)eweisen  will,  dass  er  in  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  gehört^ 

90  ist  doch  zu  erinnern,  dass  Foucart,  der  den  Stein  selbst  gesehen 

bat,  ihn  in  das  Jahr  224  setzt.     Die  Annahme,  dass  eine  solche 

àutoritai   sich    um    anderthalb  Jahrhunderte    geirrt   haben    sollte, 

Kheint  mir  unzulässig,  bis  der  Stein  einmal  wiedergefunden  wird, 

und  uns  ein  eigenes  Urlheil  gestattet.     Dazu  kommt,  dass  auf  dem 

Stein  Stymphalos  in  der  Liste  der  arkadischen  Bundesstädte  fehlt, 

was  bei  der  geschlossenen  Zahl  der  Damiorgen  nicht  zufällig  sein 

kuD,  während   die  Stadt  dem   ersten   Bunde  angehört  hat.     Im 

übrigen  verweise  ich  auf  die  Ausführungen  Nieses  in  dies.  Ztschr. 

miV  S.  542  ff. 

Dass  die  Wiederaufrichtung  des  arkadischen  Bundes  mit  der 
L  (  Befreiung  von  Megalopolis  durch  Damophanes  und  Ekdelos  zusammen- 
hängt, liegt  auf  der  Hand^  und  ist  mehrfach  ausgesprochen  worden. 
fiif  Ebenso,  dass  diese  Befreiung  um  250  erfolgt  ist.  Wenn  Polybios  X 
22,2.  3  die  Ereignisse  in  chronologischer  Folge  aufzählt,  müsste 
üe  der  Befreiung  von  Sikyon  durch  Aratos  vorhergehen.  Daraus 
«Qrde  aber  keineswegs  folgen,  was  Niese,  allerdings  mit  grosser 
ZurOckbaltung,  vermuthet  (II  258,  3),  das  Damophanes  und  Ekdelos 
Uf  zur  Zeit  der  Befreiung  von  Sikyon  schon  wieder  aus  Megalopolis 
vertrieben  waren.  Denn  sie  könnten  Aratos  Unternehmen  auch  von 
legalopolis  aus  unterstützt  haben  ^  und  Plut.  Àrat.  5  sagt  nicht 
^rflcklich,  dass  Ekdelos  als  Verbannter  in  Argos  lebte.  Es  wäre 
^r  an  sich  recht  wenig  wahrscheinlich,  wenn  Damophanes  und 
Ekdelos  sich  nach  ihrer  zweiten  Vertreibung  aus  Megalopolis  gerade 
^ Argos  gewandt  hätten,  also  in  Antigonos  Machtbereich;  auch 
^*trde  unter  diesen  Umständen  ein  Verkehr  mit  ihnen  für  Aratos 
bOcbst  compromittirend  gewesen  sein.  Aber  es  zwingt  uns  über- 
h  biDpt  nichts  zu  der  Annahme,  dass  Polybios  hier,  wo  er  nur  kurz 
M  ganz  beiläufig  von  diesen  Dingen  erzählt,  sich  streng  an  die 
^nologische  Ordnung  gehalten  hat;  er  thut  das  in  solchen  Fällen 
>Qch  sonst  keineswegs  immer.  Es  ist  ganz  ebenso  möglich,  und 
PSTchologiscb  wahrscheinlicher,  dass  er  die  Thaten  der  beiden 
V^lopoliten  nach  ihrer  Wichtigkeit  aufzählt,  und  da  war  dann  na- 
>•<     türlich  die  Befreiung  der  Vaterstadt  an  erster  Stelle  zu  nennen.    Ich 


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262  J.  BELOCfl 

glaube  demnach  allerdings,  dass  Damophanes  und  Ekdeios  zur  Z 
der  Befreiung  von  Sikyon  ah  Verbannte  in  Argos  lebten ,  aber 
ihrem  ersten  Exil.  Da  sie  sich  bis  dahin  in  Athen  philosophisdi 
Studien  hingegeben  hatten,  schienen  sie  politisch  unverdicbtig,  n 
da  sie  aus  Athen  kamen,  das  unter  Antigonos  unmittelbarer  Herrsch 
stand,  lag  kein  Grund  vor,  ihnen  den  Aufenthalt  in  Argos  zu  n 
wehren.  Demnach  ist  die  Befreiung  von  Megalopolis  erst  von  Siki 
aus  ins  Werk  gesetzt  worden,  und  zwar  ohne  Zweifel  nidit  lai 
nach  der  Befreiung  der  letzteren  Stadt,  da  sonst  fOr  die  Demokn 
in  Megalopolis  und  die  Tyrannis  des  Lydiadas  nicht  hinreiche 
Zeit  bleiben  würde. 

Gewiss  war  die  Befreiung  von  Sikyon  und  Megalopolis  indire 
ein  Schlag  gegen  Antigonos.  Aber  der  König  Hess  die  Sache  bu 
gehen;  wie  er  mit  Aratos  zunächst  in  guten  Beziehungen  blid 
so  auch  mit  dem  neuen  arkadischen  Bunde.  Ein  Beweis  dafOr  i 
eben  unser  Proxeniedecret  für  den  Athener  Phylarchos ,  also  d< 
Borger  einer  Antigonos  unterworfenen  Stadt.^)  Auch  bestand  , 
eine  traditionelle  Freundschaft  zwischen  Megalopolis  und  dem  mak« 
donischen  Konigshause;  und  Megalopolis  hatte  in  dem  neuen  Bimi 
die  Fahrung.  Es  entsprach  durchaus  Antigonos  Interesse,  wei 
diese  Stadt  durch  den  Anschluss  der  übrigen  arkadischen  Gemeindi 
gegen  Sparta  gestärkt  wurde. 

Eine  Aenderung  in  diesen  Verhältnissen  trat  erst  ein,  nacbde 
Antigonos  Neffe  Alexandros  von  Korinth  sich  gegen  seinen  Ohei 
erhoben  hatte  und  mit  den  Achaeern  in  Bund  getreten  war  (Ph 
Ärat.  18).  Bei  den  engen  Beziehungen  zwischen  Aratos  und  di 
Befreiern  von  Megalopolis  und  der  Interessengemeinschaft,  d 
zwischen  den  beiden  grossen  peloponnesischen  Bundesstaaten  b 
stand,  können  wir  nicht  daran  zweifeln,  dass  Arkadien  die 
Schwenkung  mitmachte.  Aber  in  Megalopolis  hatte  Antigonos  at 
reiche  Anhänger,  die  den  Abfall  von  seiner  Sache  nicht  ruhig  hi 
nehmen  konnten.  Und  so  geschah  es^  dass  einer  dieser  AnhSog« 
Lydiadas,  sich  gegen  die  arkadische  Regierung  erhob,  und  in  Megal 
polis  die  Militärdictatur  in  die  Hand  nahm.  In  Folge  dessen  bra 
der  arkadische  Bund  auseinander.  Das  muss  geschehen  sein,  e 
Korinth   von  Aratos  befreit  wurde   (243),  und   nach  dem  Abfa 


1)  Da  er  zum  Proxenos  ernannt  wird,  ist  die  Möglichkeit  au8geschh»8» 
an  die  sonst  gedacht  werden  könnte,  dass  er  ein  athenischer  Verbannter  w 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURYPONTIDENHAÜSES      263 

des    Alexaodros,  der  einige  Jahre  Dach  der  Befreiung  von  Sikyon 

(Plut.  Àrat.  15.  18),  also  etwa   um  247  erfolgte  (vgl.  De  Sanctis 

in   meinen  Studi  li  58);  der   arkadische  Bund   hat   demnach   nur 

wenige  Jahre ,   längstens   von  250 — 245  bestanden,   wozu  es  aufs 

beste  stimmt,   dass  wir  nur  so  wenige  Münzen  von  ihm  besitzen. 

Zu  dem  westlich  benachbarten  Elis  stand  der  Bund  ohne 
Zweifel  in  guten  Beziehungen.  Er  überliess  diesem  den  Besitz  der 
meisten  tripbylischen  Stfldte,  was  daraus  hervorgeht,  dass  nur  Le- 
preoD  in  der  Liste  der  Bundesgemeinden  aufgeführt  wird;  ferner 
fehlt  darin  das  altarkadische  Psophis,  das  also  ebenfalls  bereits 
eleisch  gewesen  sein  muss.  Auch  Lydiadas  hat  spater,  als  Tyrann 
von  Megalopolis,  diese  guten  Beziehungen  gepflegt.  Er  hat  dem  An- 
schlüsse von  Lepreon  an  Elis  keine  Hindernisse  in  den  Weg  gelegt, 
und  sogar,  gegen  andere  Compensationen ,  Alipheira  an  Elis  ab- 
getreten (Polyb.  IV  77,  10).  Was  beide  Staaten  zusammenführte, 
war  der  gemeinsame  Gegensatz  gegen  Sparta.  Die  eleische  Politik 
hat  im  3.  Jahrhundert  zwischen  Aetolien  und  Sparta  hin-  und  her- 
gesehwankt.  Die  Tyrannis  des  Aristotimos  war  mit  aetolischer 
Hilfe  gestürzt  worden,  und  ohne  Zweifel  dankte  es  Elis  nur  dem 
Bflckhalt,  den  ihm  Aetolien  gab,  wenn  es  nach  dem  Sturz  des 
Tyrannen  gegen  Antigonos  seine  Freiheit  behaupten  konnte.  Kurz 
<)araor,  im  chremonideischen  Kriege  flnden  wir  Elis  im  Bündniss 
mit  Sparta,  während  Aetolien  in  diesem  Kriege  neutral  blieb.  Nach 
Antigonos  Siege  hat  Elis  sich  dann  wieder  an  Aetolien  ange- 
schlossen; der  aetolische  Angriff  gegen  Sparta  nach  Agis  Sturz, 
etwa  239,  ware  nicht  möglich  gewesen,  wenn  Elis  nicht  mit  Aetolien 
im  Bunde  stand.  Aetolien  hat  nun  allerdings  den  Anschluss  von 
Si^Ton  an  die  Achaeer  nur  ungern  gesehen,  da  es  selbst  gehofl't 
hatte,  die  Stadt  zu  gewinnen;  aber  zum  Bruch  zwischen  Aetolien 
^  Achaia  ist  es  darüber  noch  nicht  gekommen,  vielmehr  erfolgte 
<)i€8er  Bruch  erst  245,  als  sich  Achaia  mit  Boeotien  gegen  die  Ae- 
toler  verband. 

Dagegen  fühlte  sich  natürlich  Sparta  durch  die  Wiederaufrichtung 
^^  arkadischen  Bundes  in  seinen  vitalsten  Interessen  bedroht;  sah 
^  sich  doch  damit  jede  Möglichkeit  der  Expansion  über  die  eigenen 
^rc^zen  hinaus  abgeschnitten.  Es  musste  zum  Schwerte  greifen, 
^tn  diese  Gefahr  abzuwenden.  Und  ebenso  selbstverständlich  ist  es, 
^3ss  die  Achaeer  dem  befreundeten  arkadischen  Bunde  gegen  diesen 
Angriff  zu  Hilfe  kamen.    Erst  als  der  arkadische  Bund  auseinander 


264  J.  BELOCH 

gebrochen  war,  und  die  Achaeer  gegen  Spartas  alte  Feinde,  i 
Aetoler  im  Kriege  standen,  war  eine  Annäherung  zwischen  Spar 
und  Achaia  möglich;  sie  ist  denn  auch  sogleich  eingetreten. 

In  diesen  politischen  Hinlergrund  passt  nun  die  Schlacht  li 
Mantineia,  wie  sie  bei  Pausanias  erzahlt  wird,  aufs  beste  hineii 
so  gut,  dass  wir  beinahe  gezwungen  wären,  einen  solchen  Kri* 
Spartas  gegen  die  Achaeer  und  Arkader  in  dieser  Zeit  anzunehme 
auch  wenn  gar  nichts  davon  Oberliefert  wäre.  Als  terminus  «i 
quem  ergiebt  sich  die  erste  Strategie  des  Aratos  245.  Das  m 
das  Schweigen  Plutarchs,  der  die  Schlacht  ohne  allen  Zweifel  n 
wähnen  würde,  wenn  Aratos  in  leitender  Stellung  dabei  betheiL 
gewesen  wäre.  Es  ergiebt  sich  aber  auch  aus  den  Worten  c 
Pausanias:  ^Açàtqp  ôè  inBTéTçajvto  xo2  2ixvwvloiç  xal  ^Axaê€ 
to  fAéaov.  Hier  wird  Aratos  deutlich  nur  als  Fahrer  des  sit 
onischen  Contingents  bezeichnet;  denn  sonst  wäre  die  ErwähnUi 
der  Sikyonier,  die  ja  auch  Achaeer  waren,  ganz  Überflüssig.  D« 
Namen  des  achaeischen  Strategen  hat  Pausanias  unterdrückt;  w 
war  ihm  so  ein  dunkler  Ehrenmann  aus  Dyme  oder  Tritaea?  Ab 
er  hat  glücklicher  Weise  seine  Vorlage  im  übrigen  so  genau  e: 
cerpirty  dass  wir  den  wahren  Sachverhalt  noch  herstellen  kOnnei 
Dass  Aratos,  ehe  er  selbst  zur  Strategie  gelangte,  in  untergeordnet« 
Stellung  an  den  Feldzügen  des  achaeischen  Bundes  theilgenomme 
hat,  sagt  ja  Plutarch  ausdrücklich:  wç  kvi  twv  knizvxôvtiav xqt^ 
a^ai  noQBlXBV  avrip  %Ç  àeï  OTçatrjyovvTi  %wv  i^x^^^^^  *^* 
Jvfiaîoç^  BÏXB  TçivaiBVÇ,  bïtb  fÂixçoTéçaç  tivoç  wv  ti^O£  ito 
Ibwç  (Arat.ll).  Plutarchs  Quelle  wird  dabei  auch  diesen  Feldiii 
im  Auge  gehabt  haben.  —  Den  terminus  post  quem  für  die  Schlact 
giebt  die  Begründung  des  arkadischen  Bundes,  die,  wie  wir  gesebe 
haben,  etwa  ins  Jahr  250  gehört.  Es  ist  nach  der  ganzen  Sacblag 
wahrscheinlich,  dass  der  spartanische  Angriff  sehr  bald  nach  diesu 
Zeitpunkt  erfolgt  ist. 

Auch  die  Erwähnung  des  eleischen  Sehers  Thrasybulos,  a^ 
Theilnehmer  an  der  Schlacht  (Paus.  VI  2,  4;  VIll  10,  5),  bietet  kein 
Schwierigkeit.  Er  ist  doch  offenbar  derselbe,  der  Pyrrhos  ein 
Statue  in  Olympia  errichtet  hatte  (Paus.  VI  14,  9).  Das  wird  ge 
schehen  sein,  als  Pyrrhos  in  den  Peloponnes  zog,  also  273;  dem 
nur  damals  ist  Pyrrhos  in  nähere  Beziehungen  zu  Elis  getretei 
Wenn  Thrasybulos  zu  dieser  Zeit  etwa  40  Jahre  alt  war,  so  ws 
er   zur  Zeit   der   Schlacht   bei   Mantineia   ein   Sechziger.     Die  Ei 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURYPONTIDENHAUSES      265 

ictiluDg  der  Statue  des  Pyrrhos  zeigt,  das«  er  zu  der  Sparta  feiod- 
iclieii  Partei  in  Elis  gehörte;  die  Errichtung  einer  Statue  seines 
äobnes  Agatbinos  durch  die  Achaeer  von  Pellene  (Paus.  VI  13,  11), 
dass  er  zu  Achaia  in  guten  Beziehungen  stand. 

Der  mantineische  Strateg  Podares,  der  in   der  Schlacht  be- 
fehligte, wird  als  ànoyovoç  zqItoç  des  gleichnamigen  Mannes  be- 
zeichnet, der  362  gegen  Epameinondas  den  Befehl  geführt  hatte. 
Auch  das  hat  keine  Schwierigkeit,   wenn  der  eine  Terminus  aus- 
geschlossen wird.     Im  übrigen  ist  ja  bekanntlich  auf  solche  genea- 
logische Angaben  meist  nur  wenig  Verlass. 

Aber  es  bleibt  noch  die  Hauptschwierigkeit,  der  Tod  des  Agis. 
Zq  ihrer  Lösung  muss  ich  etwas  weiter  ausholen.  Ich  gebe  zu- 
nächst den  Stammbaum  des  Eurypontidenhauses  seit  Archidamos^ 
dem  Sohne  des  grossen  Agesilaos;  die  Namen  der  Könige  sind 
gesperrt  gedruckt  und  mit  Ordnungsnummern  bezeichnet. 

1.  Archidamos  I. 


2.  Agis  I.    3.  Eu  da  m  id  as  1.    Agesilaos  {\tt.  Anab,\\  13,6) 


4.  Archidamos  11.  Eudaroidas  11.  (Polyb.  IV  35, 13) 

I  Gem.  Archidameia  (Plut.  AgU  4.  20) 

5.  Eudamidas  III.  Agis  11.        Agesilaos       Agesistrata 
Gein.  Agesistrata  |  Gem.  Eudamidas 

^' Agis  m.    8.  Archidamos  m.  Hippomedon 

^.  Agiatis     Gem.  Hippomedons 

I  Tochter  (Polyb.  IV  35, 13) 

'Budamidas  IV.  I 

Zwei  Söhne. 

Die  Regentenfolge,  die  diesem  Stammbaum  zu  Grunde  liegt, 
^^  Uns  bei  Plut.  Agis  3  überliefert,  wozu  Paus.  III  10,  5  bestätigend 
Und   ergänzend   hinzutritt.     Dafür,  dass  Archidamos  II.  der   Sohn 
^^  älteren  (I.),  und  der  Vater  des  jüngeren  Eudamidas  (III.)  war, 
'^ben  wir  sonst  kein  Zeugniss;  dagegen  wird  ein  Ausspruch,  der 
"'^^rem   Archidamos   gehören    muss,    bei    Plut.   Apophth,   Lacan. 
P*  2l9  unter  *AqxLdaiioç  itiyrjaiXdov  aufgeführt     Doch  liegt  hier 
^"^Obar  eine   blosse  Verwechselung   mit  seinem   so  viel  berühm- 
^^en  Grossvater   vor.     Denn   Archidamos    stand    bereits   294   als 
'^^^Ig  an   der  Spitze  des  Heeres  (Plut.  Demetr.  35),   wir  können 
^'H»    zwischen   ihm   und  Eudamidas  I.   nicht  eine  Generation   ein- 
schieben.   Eher  wäre  das  zwischen  Archidamos  und  dem  jüngeren 
^^damidas  (III.)   möglich;   aber  ein  Anhalt  dafür  liegt  nicht  vor, 
^''^d    die   etwa   140  Jahre,   die  zwischen  der  Geburt  des  Archi- 


266  J.  BELOCH 

damos  I.  (ca.  400)  und  der  Geburt  des  Agis  III.  (ca.  260)  iieg< 
sind  für  vier  GeDeraliooeo  nicht  zu  viel.  Und  wenn  dieser  k 
bei  Plutarch  (Ages.  40)  der  fünfte,  ein  andermal  (Agis  3)  der  secb 
nach  Agesilaos  heisst,  so  erklärt  sich  dies  Schwanken  am  ei 
fachsten  durch  die  Annahme  ^  dass  das  eine  Mal  exclusive  «  i 
andere  Mal  inclusive  gerechnet  ist.  Freilich  ist  eben  darum  i 
diese  Angaben  kein  Gewicht  zu  legen. 

Was  die  jüngere  Linie  angeht,  der  Agesilaos  und  Hippomed 
angehören,  so  bedarf  es  keiner  Bemerkung,  dass  Agesilaos  Vater  E 
damidas  (IL)  nicht  mit  einem  der  beiden  Könige  dieses  Namens  id« 
tisch  sein  kann.  Wohl  aber  war  diese  Linie,  wie  sich  aus  Polyb. 
35,  13  ergiebt,  nach  dem  Hauptstamme  die  nächste  am  Throi 
es  wird  dadurch  wahrscheinlich,  dass  Eudamidas  U.  ein  Bruder  i 
Königs  Archidamos  H.,  und  also  der  zweite  Sohn  des  Königs  Eu< 
midas  L  gewesen  ist.  Sonst  wäre  auch  möglich,  dass  er  ein  So 
von  Eudamidas  L  Bruder  Agesilaos  gewesen  ist;  doch  mOssten  ^ 
dann  annehmen,  dass  Archidamos  IL  keine  Brüder  gehabt  hat, 
deren  Descendenz  sonst  vorgegangen  wäre. 

Nun  ist  König  Agis  UL  zur  Regierung  gelangt  (um  245),  als 
eben  erwachsen  war.  Es  ist  ja  möglich,  dass  sein  Vater  eben  zu  i 
Zeit  starb,  als  der  Sohn  grossjährig  wurde;  aber  das  wäre  ein 
merkwürdiger  Zufall,  dass  wir  kein  Recht  haben,  das  ohne  ausdrüc 
liches  Zeugniss  anzunehmen.  Alle  Wahrscheinlichkeit  spricht  vi< 
mehr  dafür,  dass  der  Uebernahme  der  Regierung  durch  Agis  eil 
Vormundschaftsregierung  vorausgegangen  ist.  Vormund  aber  w 
nach  spartanischem  Rechte  der  nächste  männliche  Verwandte, 
diesem  Falle  also  der  älteste  Sohn  von  Agis  Grossoheim  Eud 
midas  U.,  denn  dieser  selbst  war  ohne  Zweifel  nicht  mehr  a 
Leben. 

Und  jetzt  zurück  zu  der  Schlacht  bei  Mantineia.  Sie  ttà 
wie  wir  gesehen  haben,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  die  Ze 
in  der  Agis  zwar  schon  KOnig,  aber  noch  minderjährig  war;  wei 
also,  wie  Pausanias  sagt,  Itiyiç  Eida^Lôov  die  Spartaner  in  d 
Schlacht  befehligte,  so  ist  das  nicht  der  König,  sondern  sein  Vc 
mund.  Wir  haben  gesehen,  dass  dieser  Vormund  ein  Sohn  i 
Eudamidas  war;  aber  natürlich  nicht  Agesilaos,  da  ja  der  spar) 
nische  Befehlshaber  in  der  Schlacht  gefallen  ist.  Es  handelt  si 
also  um  einen  älteren  Bruder  des  Agesilaos;  dass  er  Agis  hie 
müssen  wir  Pausanias  glauben,  denn  es  liegt  auch  nicht  der  Schatt 


ZUR  GESCHICHTE  DES  EURYPONTIDENHAUSES       267 

eines  Grundes  vor,  sein  Zeugniss  zu  verdächtigen.  Vielmehr  war 
der  Name  Agis  im  Eurypontidenhause  gerade  fOr  den  ersten  Sohn 
»ehr  beliebt,  und  zwar  hat  keiner  der  drei  Könige,  die  im  5.  bis 
3.   Jahrhundert  diesen  Namen  getragen  haben,  einen  directen  Vor- 
fahren des  gleichen  Namens  gehabt.    Es  war  demnach   nur  den 
Traditionen  des  Hauses  entsprechend,  wenn  Eudamidas,  der  Sohn 
des    Eudamidas,  seinen  ältesten  Sohn  Agis  nannte.     Und  es  ist 
sehr  begreiflich,  dass  Pausanias  diesen  Agis  IL,  Sohn  des  Euda- 
midas, mit  seinem  so  viel  bertlhmteren  Mündel  Agis  III.  verwechselte, 
der  ebenfalls  Sohn  eines  Eudamidas  war. 

Rom.  JULIUS  BELOCH. 


KRITIK  DER  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHEa 

NEBST  BEITRÄGEN  ZUR  GESCHICHTE  DEB 

MAKKABÄISCHEN  ERHEBUNG. 

(ERSTER  ARTIKEL). 
EiDleitUDg. 

Unter  den  sogeoanuten  ApokrypheD  des  alten  Testamente 
haben  das  erste  und  zweite-  Makkabäerbuch  besondere  WicbUgkei 
nicht  nur  für  die  jüdische  Geschichte,  sondern  auch  fOr  die  Gc 
schichte  des  späteren  Hellenismus,  die  in  ihnen  eine  der  wichtig 
sten  Quellen  besitzt.  Sie  gehören  zugleich  zu  den  eigenartigste 
litterarischen  Erzeugnissen  dieser  Zeit,  aus  der  sonst  nur  so  weni 
erhalten  ist,  und  verdienen  dadurch  ein  besonderes  Interesse.  Ic 
habe  wiederholt  Gelegenheit  gehabt,  mich  mit  ihnen  zu  beschaftigei 
und  darf  es  wohl  unternehmen,  die  Eindrücke,  die  ich  von  ihiic 
erhalten,  und  die  daran  geknüpften  Untersuchungen  an  dieser  Stel 
zu  veröffentlichen.  Zur  vorläuQgen  Orientirung  beginne  ich  m 
einer  kurzen  Beschreibung  und  Charakteristik  der  beiden  Bücher« 

Den  herkömmlichen  Titel,  1.  und  2.  Makkabäerbuch  (Moxu 
ßaiiüv  aß')  führen  sie  nicht  ursprünglich;  denn  sie  bilden  nie 
zusammen  ein  grösseres  Ganzes,  sondern  jedes  ein  Werk  für  sid 
Makkabäer  ist  auch  nicht  die  Bezeichnung  der  gesammten  HasmonS 
gewesen,  sondern  im  älteren  Sprachgebrauche  bis  auf  Josephus  her 
ist  Makkabaios*)  nur  der  Beiname  des  Judas.  Erst  der  Sammle 
der  das  Corpus  der  Apokryphen  herstellte,  kann  den  Namen  g 
geben  haben,  der  nun  noch  zwei  anderen  anonymen  Schriften  a 
scheinend  verwandten  Inhaltes  beigelegt  ward,  die  jetzt  ak  3.  i» 
4.  Makkabäerbuch  bekannt  sind. 

1)  Eine  kurze  aber  gute  Charakteristik  der  Makkabäerbucher,  und  i« 
auch  des  3.  und  4.,  giebt  ein  altes,  sehr  bemerkenswerlhes  Scholion  zo  D^ 
(S5)  der  apostol.  Kanones  bei  Gotelcrius  SS.  Patrum  qui  temporilms  apo0 
licis  ßoruerunt   —  opera  1  452  (ed.  Clericus  Amsterdam  1724). 

2)  Oder  Makabaios. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  269 

Das  1.  Makkabäerbucb  ist,  wie  man  heute  nach  dem  Zeugniss 

.^s  Hieronymus  allgemeiD  aunimmt,*)  die  griechische  Uebersetzuog 

exnes  ebräischen  oder  aramäischen  Originales^  wie  es  sich  auch  in 

Sprache,   Darstellung,  Satzbau  und  vielen  anderen  Dingen  an  das 

^nechische  alte  Testament  anschliesst.    Als  ursprQnglicheu   Titel 

brachtet  man   den   von  Origenes*)   überlieferten  aaqßrid^  aaßa^ 

ydiik,  von   dem  jedoch   eine  befriedigende  Erklärung  noch  nicht 

gefunden   worden   ist.')     Nach  kurzer  Einleitung   Ober  Alexander 

den  Grossen   und  die  Tbeilung  des  Reiches  beginnt  das  Buch  mit 

Antiochos  Epiphanes  und  erzählt  die  Bedrängnisse  des  Judenthumes, 

die  Erbebung   und  Kämpfe  des  Volkes  vom  Anfang   unter  Matta- 

(hias  bis  zur  völligen  Befreiung  und  dem  Tode  Simons.     Die  Dar- 

stelluDg  umfasst  also  die  Zeit  von  169/8—136/5  v.  Chr.,  etwa  33 

oder  34  Jahre.    Ein  besonderer  Vorzug  ist  es,   dass  eine  Anzahl 

[     wichtiger  Ereignisse  nach  den  Jahren  der  seleukidischen  Aera  be- 

I-    stimmt  datirt  wird. 

Das  2.  Makkabäerbuch  ist  nach  seinem  eigenen  Zeugniss 
(€.2,19(r.)  ein  Auszug  aus  lason  von  Kyrene,  dessen  Werk  fünf 
L  BOcher  umfasste,  und  ist  ohne  Zweifel  ursprünglich  griechisch  ge- 
i  schrieben.  Die  Darstellung  beginnt  schon  in  den  letzten  Jahren 
des  Seleukos  IV.  mit  der  Vorgeschichte  der  makkabäischen  Erhebung, 
g^t  dann  zu  dieser  Ober  und  verfolgt  sie  bis  zum  Siege  des  Judas 
Nakkabaos  über  Nikanor,  also  bis  162/1  v.  Chr.  Es  ist  im  Wesent- 
lichea  eine  Geschichte  des  Judas  Makkabäos,  und  der  Name  Makka- 
berbuch  ^MaxxaßatKoi*'  kommt  ihm  in  höherem  Grade  und  eigent- 
licher  zu  als  dem  ersten.  Vorangeschickt  ist  ein  aus  dem  seleuki- 
&chen  Jahre  188  —  125/4  v.  Chr.  datirter  Brief  der  Juden  in 
Jadaa  an  die  ägyptischen,  worin  diese  aufgefordert  werden,  das 
BMkkabfliscbe  Erinnerungsfest   der  Tempelweihe   gleichfalls  zu  be- 

1)  Hierooymus  IX  459  ff.  Vallarsi.  Machabaeorum  primum  Ubrum  He- 
^ffticum  repperi.  Schürer  Gesch.  des  jüd.  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  111 
139  3,  Aufl. 

2)  Bei  Euseb.  hiti.  eccles.  VI  25,  2. 

3)  Mao  übersetzt,  indem  man  mit  H.  Stephanus  (und  vielleicht  dem  Co- 
dex  H)  oa^ßartuäl  liest,  Buch  der  Fürsten  der  Kinder  Gottes  oder 
d»  Fftrstenhaus  der  Kinder  Gottes  u.  dgl.  Vgl.  Grimm  kurzgef.  exe- 
S<t.  Haodb.  zu  d.  Apokryphen  III  S.  XV  ff.  Ewald  Gesch.  d.  Voiiies  Israel  IV 
^^^*  Dérenbourg  Essai  sur  Vhistoire  et  la  géographie  de  la  Palestine  1  450. 
Nach  Origenes  war  es  übrigens  nicht  der  Titel  des  1.  Makkabaerbuches  allein, 
^°<iero  der  makkabäischen  Geschichte  {ta  Maxxaßa'ixd)  überhaupt 

Henu«,  XXXV.  18 


270  B.  NIESE 

gebeD^  nod  im  Anschluss  daran  einige  Legenden  von  Nebemia  \ 
Jeremia  erzählt  werden.  Der  eigentliche  Titel  erscheint  in 
Subscription  einiger  alter  Handschriften.  Er  lautet  nach  dem  C 
Alex.:  *Iovôa  %ov  Maxxaßalov^)  nça^e(av  iniatoJLi^^  nach  « 
Venetus  'lovôa  Mannaßalov  nçâ^êwv  ènivofu^f  wie  auch  i 
mens  von  Alexandrien^  das  Buch  als  %œv  Maxxaßatxujv  imn 
citirt.  Beides  ist  berechtigt,  da  das  2.  MakkabSlerbucb  ein  Ans 
in  Form  eines  Briefes  ist.*) 

Nur  zum  Theil  also  fallen  die  beiden  Hakkabfierbücher  ] 
sammen,  nämlich  für  die  Jahre  169 — 161  v.  Chr.,  deren  Ereignii 
wie  bei  historischen  Schriften  zu  erwarten,  in  den  Grundzflg 
übereinstimmend  erzflhlt  werden.  In  beiden  herrscht  ferner  ( 
gleiche  Tendenz,  sie  stehen  auf  streng  jüdischem  Standpunkte  a 
behandeln  die  Gegner,  die  griechischen  Bedränger  wie  die  jüdisch 
Widersacher  als  gottlose  Frevler.  Gemeinsam  ferner  ist  beid 
Werken  der  Nachdruck,  der  auf  die  Stiftung  der  beiden  Gedenkti 
gelegt  wird,  des  von  den  Juden  Channuka  genannten  Festes  c 
Tempelweihe  am  25.  Kislev  und  des  sogenannten  Nikanortages  ; 
13.  des  Monats  Adar,  am  Tage  vor  Purim/) 

Neben  solchen  Aehnlichkeiten  im  Ganzen  bestehen  jedoch  • 
grOssten  Unterschiede  und  Abweichungen  jeglicher  Art  im  Einselm 
Von  besonderer  Bedeutung  ist  z.  B.,  dass  der  Tod  des  Antiocl 
Epiphanes  verschieden  gesetzt  wird.*)  In  jedem  der  beiden  BOd 
finden  sich  Dinge,  die  das  andere  entweder  verschweigt  oder  i 
kurz  berühru  Im  2.  Buche  fehlt  Hattathias  ganz,  und  die  er« 
Siege  des  Judas  über  ApoUonios  und  Seron")  werden  nur  lei* 
angedeutet.  Im  ersten  dagegen  wird  die  Vorgeschichte  der  I 
hebung,  der  Streit  zwischen  den  Hohenpriestern  lason  und  Henel 
übergangen;  diese  beiden  Männer  werden  nie  genannt,  nicht  eini 
Menelaos,  der  doch  nachher  in  der  Kriegsgeschichte  seine  R< 
spielt.  Ebenso  enthält  das  2.  Makkabäerbuch  mehrere  Thatsacl 
der  gleichzeitigen   syrischen  Geschichte,  die  sich  im  ersten  ni 


1)  MoKHcUov  die  Hs. 

2)  Strom,  V  14,  98  p.  705  Polt. 

3)  *H  dtvréça  8è  iv  eï$e&  éntarolrjs  oîaa  sagt  schon  das  oben  an 
führte  Sctiolion  zu  den  Kanones. 

4)  1.  Makk.  4,  52.  7,  48.     2.  Makk.  10,  1  ff.  15,  36. 

5)  1.  xMakk.  6.     2.  Makk.  9. 

6)  1.  Makk.  3,  10  fT. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÂERBtiCHER  271 

ftodeo,  es  erzdbU  oft  eingehender,  genauer  und  nennt  mehr  Namen; 
)Liirz  die  Verschiedenheiten  der  beiden  BUcher  sind  ebenso  zahlreich 
wie  beträchtlich. 

In  beiden  Büchern  herrscht,  wie  sclion  gesagt,  ein  streng 
indischer  Geist.  Uebereinstimmend  wird  die  Frömmigkeit  der  jü- 
dischen Kämpfer  hervorgehoben;  die  Beispiele,  an  denen  sie  sich 
ennuthigen,  werden  dem  alten  Testament  entlehnt.')  Bei  jeder 
Gelegenheit  wird  der  göttliche  Beistand  hervorgehoben,  der  den 
Vertheidigern  des  Glaubens  zu  Theil  ward,  oder  die  Strafe,  die 
den  Gottlosen  traf.  Selbst  bei  abweichender  Erzählung  herrscht 
dirin  völlige  Einigkeit.  In  beiden  Büchern  ist  z.  B.  der  Tod  des 
ADtiocbos  die  göttliche  Strafe  für  die  Unterdrückung  des  jüdischen 
Gottesdienstes,  in  beiden  ist  der  sterbende  König  seiner  Schuld  be- 
wusst  und  bereut  sie.*)  Der  Tod  des  Alkimos,  wie  ihn  das  1.  Buch 
bttchreibt,  und  das  Ende  des  Menelaos  im  zweiten  zeigen  bei 
aller  Verschiedenheit  der  Erzählung  doch  die  gleiche  Tendenz;  den 
ungetreuen  Priester  ereilt  die  göttliche  Strafe.')  Aber  die  Art,  wie 
«lieser  Geist  sich  ausspricht,  ist  verschieden.  Im  1.  Makkabäerbuch 
*ird  die  göttliche  Hülfe  durch  Fasten^  Busse  und  Gebet  vermittelt,^) 
und  dies  fehlt  auch  dem  zweiten  nicht,*)  aber  die  Hülfe  ist  un- 
mittelbarer, himmlische  Heerschaaren ,  gewappnete  Engel  Gottes 
ZQ  Ross  und  zu  Fuss  kommen  herab,  um  an  der  Seite  der  Ihrigen 
XU  kämpfen.  Wer  kennt  nicht  die  Geschichte  Heliodors,  der  bei 
m  Mioem  Versuche,  den  Tempelschatz  anzutasten,  von  einem  himm- 
I  lucbeo  Reiter  zu  Boden  geworfen,  aber  auf  das  Gebet  des  Hohen- 
f  Priesters  Onias  verschont  wird  und  sich  nun  zum  Glauben  an 
"  Cottes  Allmacht  bekehrt?')  Ueberhaupt  liebt  das  2.  Buch  Wunder- 
werk allerlei  Art,  wovon  das  schon  erwähnte  schreckliche  Ende  des 
Nenelaos  und   die  Martyrien  des  greisen  Eleazar  und   der  sieben 


1)  Im  1.  Makk.  ausschliesslich.  2.  Makk.  8, 19  f.  wird  daneben  ein  an- 
derer Vorfall  erwähnt,  wo  die  babylonischen  Juden  für  die  bedrängten  Make- 
dooier  über  eine  gewaltige  Uebermacht  der  Galater  den  Sieg  erkämpfen.  Diese 
Geschichte  hat  man  vergebens  in  der  Zeit  des  Seleukos  Kaliinikos  oder  An- 
tiochos  Ul.  UDterzobringeo  versucht.   Wernsdorff  S.  96  ff. 

2)  1.  Makk.  6,  8  ff.    2.  Makic.  9,  3  ff. 

3)  1.  Makk.  9,  54.    2.  Makk.  13,  3  f. 

4)  1.  Makk.  3,  17  ff.  46  ff.  4,  8  ff. 

5)  2.  Makk.  8,  23.  28.  11,25. 

6)  2.  Makk.  3,  23  ff.,  vgl.  10,29. 

18* 


272  B.  NIESE 

Brüder/)  ferner  die  io  den  Eioleitungskapitelo  erzählten  Legen« 
Beispiele  sind.  In  dieser  Hinsicht  ist  das  1.  Buch  viel  gemissis' 
das  grobe  Wunder  fehlt,  Gott  leistet  seine  Hülfe  unsichtbar,  i 
zweite  ist  religiös  mit  einer  Fülle  populären  Aberglaubens, 
andere  ist  nicht  minder  religiös,  aber  es  ist  eine  geläuterte,  c 
rectere  Frömmigkeit. 

Auch  sonst  weht  im  2.  Makkabflerbuch  eine  andere  Luft  a 
im  ersten.  Jenes  betont  wiederholt,  dass  die  Drangsale  Israels  d 
Strafe  früherer  Sünden  seien,  dass  aber  durch  die  Leiden,  d 
Martyrien  der  Zorn  Gottes  gesühnt  sei,  und  sich  seine  Gnade  ihi 
wieder  zugewandt  babe.^  Im  1.  Buche  tritt  dieser  Gedanke  Di 
zu  Anfang  leise  hervor,')  dann  verschwindet  er  gänzlich.  Wiederbo 
hebt  ferner  das  2.  Makkabäerbuch  die  strenge  Befolgung  der  Sabba 
Ordnung  durch  Judas  und  seine  Genossen  hervor;  am  Sabbat  bd 
der  Krieg,  die  Verfolgung  auf/)  Das  1.  Buch  schweigt  davoi 
hier  Qndet  sich  dafür  die  bekannte  Erzählung,  wie  unter  Mattatbi 
der  Beschluss  gefasst  ward,  dass  es  erlaubt  sei  sich  am  Sabbat  a 
vertbeidigen,  wenn  man  angegriffen  werde,  sich  also  in  einer  Noll 
läge  befônde,  und  darnach  wird  später  gehandelt.*)  Von  besondere 
Interesse  ist  ferner  der  Unsterblichkeitsglaube,  der  im  2.  Bucl 
wiederholt  und  mit  Nachdruck  verkündet  wird;  nicht  alle  Mensche 
aber  die  Frommen  sollen  zum  Lohne  wieder  zum  Leben  aafe 
stehen*);  der  Verfasser  beweist,  dass  auch  Judas  Makkabäos  dies' 
Glauben  getheilt  habe.'')  Davon  hat  das  1.  Buch  keine  Spur;  seil 
da,  wo  man  mit  einigem  Grund  etwas  erwarten  konnte,  io  d 
Abschiedsrede  des  Maltathias')  ist  von  einer  Auferstehung  nie 
die  Rede.    Da  wir  nun  wissen,  dass  der  Glaube  an  die  Auferstehu 


1)  2.  Makk.  13,  5  f.  6,  18  ff.  7,  Iff. 

2)  2.  Makk.  5,  17  ff.  6,  12  f.  7,  18.  32  f.  37  f.  10,  4.  Sehr  bcachlcnswe 
ist  der  Ausspruch  5,  19:  all*  ov  8ià  tov  jonov  to  i&i'os,  dXlà  Sià  to  I 
voi  tov  rânov  6  xvçios  éieléSc^ro, 

3)  1.  Makk.  1,  11.  64  xal  éyévBxo  oçyrj  fiaydXtj  ini  ^IcoarjX  fffoiçOm 

4)  2.  Makk.  8,  26.  12,  38,  vgl.  15,  1  und  die  5,  26  und  6,  11  crwih 
Hinschlachtung  wehrloser  Juden  durch  die  Feinde. 

5)  1.  Makk.  2,  39.  9,  34.  43,  vgl.  Josephus  Antiq,  XII  277. 

6)  Vgl.  besonders  c.  7,  wo  v.  14  zu  Ântiochos  Epiphaues  gesagt  « 
aoi  fièv  yoQ  àvâaxaati  bU  ^œrjv  ovx  éarat.  Vgl.  Bertheau  de  secundo  lié 
Mace.  50  ff.   Geiger  Urschrift  S.  219  ff. 

7)  2.  Makk.  12,  43  ff. 

8)  1.  Makk.  2,  49. 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBOCnER  273 

der  Frommen  zu  deo  Lehren  der  Pharisäer  gehörte,  dass  dagegen 
die  Sadducäer  die  Unsterblichkeil  leugneten,*)  so  hat  man  schon 
längst  vermuthet,  dass  der  Verfasser  des  2.  Buches  zur  pharisäischen 
Sekte,  der  des  anderen  zur  sadducäischen  gehört  habe. 

Wohl  am  auffälligsten  ist  zuletzt  der  Unterschied  in  der  Form 
der  beiden  Werke.  Während  das  erste  im  .Uebersetzungsgriechisch 
der  Sepluaginta  geschrieben  ist,  folgt  das  zweite  der  allgemeinen 
Litteratursprache.  Im  ersten  verläuft  die  Erzählung  in  gleichmässiger 
Rübe  und  Würde,  dagegen  ist  das  2.  Hakkabäerbuch  sehr  ungleich, 
an  manchen  Stellen  macht  sich  die  Verkürzung  des  Epitomators 
stark  bemerklich*)  und  giebt  der  Darstellung  den  Charakter  eiliger 
Hast  und  Flüchtigkeit.  Aus  der  gleichen  Ursache  mögen  sich  einige 
Widersprüche  und  Verkehrtheilen  erklären,  die  sich  im  2.  Hakka- 
bäerbuche  eingenistet  haben.*) 

Die  beiden  Bücher,  deren  Charakteristik  soeben  versucht  wurde, 
stehen  bei  den  Gelehrten  in  sehr  ungleicher  Achtung.^)  Es  liegt 
10  der  Natur  der  Sache,  dass  sich  meist  die  Theologen  mit  ihnen 
beschäftigt   haben,  aber  auch  andere  Gelehrte  schliessen  sich  der 


1)  Josepbus  bell.  lud.  11  163.  165.    ^ntiq.  XVIII  14.  16. 

2)  Z.  B.  2.  Makk.  13,  18  ff.  14,  18  ff. 

3)  Das  auffälligste  ist,  dass  2.  IMakk.  12,  2  ff .  Timolheos  wieder  zum 
Vorschein  kommt,  nachdem  10,  37  sein  Tod  erzählt  worden  war.  Die  katho- 
lischen Gelehrten  und  mit  ihnen  Schlatter  nehmen  an,  dass  es  sich  um  zwei 
Slcichnamige  Männer  handle.  Das  ist  ja  möglich,  aber  doch  nicht  eben  wahr- 
«heinlicb. 

4)  Ich  Terweise  auf  die  verschiedenen  Handbücher,  z.  B.  Ed.  Reuss  Ge- 
richte der  heiligen  Schriften  des  alten  Testamentes ,  und  auf  katholischer 
^ile  Scholz  Einleitung  in  die  heiligen  Schriften  des  alten  und  neuen  Testa- 
oeotes  Bd.  IL  Abraham  Geiger  Urschrift  und  Uebersetzungen  der  Bibel.  E. 
Scbürer  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  Bd.  2  und 
3,  3.  ÄDfl.  Tb.  Nöldeke  Die  alttestamentliche  Lilteratur.  Ferner  Wilib.  Grimm 
l^ongefasstes  exegetisches  Handbuch  zu  den  Apokryphen  des  alten  Testamentes 
l'icf.  3  nnd  4.  C.  F.  Keil  Commentar  über  die  Bücher  der  Makkabäer.  Ed. 
l^eosg  Das  alte  Testament  Bd.  7.  Kaulzsch  Die  Apokryphen  und  Pseudepi- 
Snpheo  des  alten  Testamentes.  Ewald  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV^  603  ff. 
^Dler  den  Specialschriften  ist  das  Hauptweik  Gottlieb  Wernsdorffs  Commen- 
^^^  hittorieO'Critica  de  fide  kistorica  librorum  Maccabaeorum  Breslau  1747, 
^1°^  gelehrte  und  scharfsinnige  Schrift,  wenn  auch  der  Verfasser  mit  seiner 
'^niik  Dicht  selten  über  das  Ziel  hinausschiesst  Ausserdem  ist  noch  zu  nennen 
^^'^  Berlheau  De  secundo  iibro  Maccabaeorum  Diss.  Göttingen  1829.  Das 
bekannte  Werk  von  J.  D.  Michaelis  Deutsche  Uebersetzung  des  1.  Buches  der 
Makkabäer,  berührt  die  hier  zu  behandelnde  Frage  nicht. 


274  B.  NIESE 

voo  jeoeo  begrOodeteo  Meinung  an,  wonach  das  1.  MakkabSerbc 
für  ein  im  Kerne  gediegenes,  ernstes  und  zuverlässiges  Geschieh 
werk  gilt,  das  zweite  dagegen  für  ein  leichtfertiges,  minder werthij 
und  zugleich  jüngeres  Machwerk.')  Die  herrschenden  Vorstellüif 
vom  Charakter  und  Verlauf  der  makkabäischen  Erhebung  s 
wesentlich  nach  dem  1.  Buch  gebildet,  an  diesem  wird  daher 
Werth  des  zweiten  gemessen,  und  wenn  es  abweicht,  wird  e»v 
worfen.  Nur  zur  Ergänzung  wird  es  herangezogen,  und  besomi 
die  im  1.  Makkabäerbuch  fehlende  Vorgeschichte  des  AofstaM 
schöpfte  man  aus  dem  zweiten ,  lange  Zeit  ohne  Scrupel ,  ja  n 
einem  gewissen  Lobe,  bis  die  Kritik  auch  dahin  vordrang.  Kosten 
sprach  dem  ganzen  Buch,  auch  der  Vorgeschichte,  jeden  historisch 
Werth  ab  und  legte  ihm  nur  eine  gewisse  litterarische  Bedeutai 
bei.  Alles  ist  nach  ihm  ein  willkürliches,  tendenziöses  Gewebe  fi 
Thatsachen,  die  der  Verfasser,  um  die  Leser  zu  täuschen,  fälscblii 
'  für  einen  Auszug  aus  lason  von  Kyrene  ausgebe,  während  in  Wah 
heit  alles  dem  1.  Makkabäerbuch  entnommen  sei.  Nicht  ganz  i 
weit  geht  Hugo  Willrich*);  er  versucht  zu  zeigen,  dass  die  Vc 
geschichte  in  absichllicher  Entstellung  und  Uebermalung  vorUe; 
und  ihm  sind  andere  mit  ähnlichen  Vermuthungen  nachgefolgt 
Und  wenn  das  2.  Makkabäerbuch  wirklich  so  schlecht  ist,  so  da 
ihm  offenbar  auch  dasjenige,  was  es  allein  bietet,  nicht  ohne  wi 
teres  geglaubt  werden. 

Diese  schlechte  Meinung  gründet  sich  auf  die  vielen  und  off« 
baren  Fehler  des  Buches,  wie  sie  schon  aus  der  oben  gegeben 
Charakteristik  hervorgehen.  Es  steht  nicht  nur  mit  dem  1.  Makk 
häerbuch  in  Widerspruch,  sondern  zuweilen  auch  mit  sich  selb 
und  die  Erzählung  ist  Öfters  recht  flüchtig.  Und  wenn  au 
ein  Theil  der  gerügten  Mängel  dadurch  entschuldigt  oder  erkli 
wird,  dass  wir  es  eingestandener  Maassen  mit  einer  Epitome 
(hun  haben,  so  giebt  es  doch  andere  Erscheinungen,  die  sich  nie 
daraus  erklären  lassen,  die  Uebertreibungen,  das  Wunderwerk  u 
andere  Dinge,   die  an   den  Glauben   des  Lesers  starke  Ansprüc 


1)  Nach  Ewald  ist  es  etwa  100  Jahre  nach  dem  ersteo  geschriebeo. 

2)  Theologisch  Tijdschrift  XII  (1878)  491  ff. 

3)  Juden  und  Griechen  vor  der  makkabäischen  Erhebung  S.  64  ff. 

4)  Besonders  Adolf  Büchler,  die  Tobiaden  und  die  Oniaden  im  2.  Mak 
bäerbuche  u.  s.  w.  Wien  1899.   Vgl.   über  dieses  Buch  meine  Anzeige  in 
Gott.  Gel.  Anz.  von  1900. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  275 

»lelleo  und  dem  Ansehen  des  Buches  in  den  Augen  kritischer  Leser 
sehr  geschadet  haben  und  schaden  mussten. 

Auch  der  confessionelie  Gegensatz  zwischen  Protestanten  und 
Kaihohken  spielt  in  diese  Sache  hinein.    Bekanntlich  hat  die  alte 
Kirche  die  Makkabäerbttcher  niemals  als  kanonisch  angesehen;  erst 
das  Tridentiner  Konzil  hat  sie  mit  den  anderen  Apokryphen  unter 
die  heiligen  BQcher  aufgenommen.     Für  die  Katholiken  hatte  be- 
sonders das  2.  Buch,  in  dem  die  Lehre  vom  Fegfeuer  seine  schrift- 
oiässige  Begründung  fand,  hohen   Werth.     Pflichtmässig  mussten 
sie  sich  der  schweren  und  undankbaren  Aufgabe  unterziehen,  die 
volle  Wahrhaftigkeit  des  Buches  zu  erweisen  und  die  Widersprüche 
<ier  beiden    Makkabäerbücher    untereinander    und    mit   der   son- 
nen historischen  Ueberlieferung  auszugleichen.     Um   so  eifriger 
wandten  sich  die  Protestanten  gegen  das  Buch;  sie  entdeckten  darin 
oicht  nur  schwere  historische'  Fehler  und  Unmöglichkeiten  aller 
^rt,  sondern  auch  bedenkliche  sittliche  Defecte,  z.  B.  die  Erzählung 
^om  Selbstmord  des  Razis.')     Einen  charakteristischen   Ausdruck 
'ut  diese  Polemik   in  der  gegen  den  Jesuiten  FrOlich  gerichteten 
Schrift  Gottlieb  Wernsdorffs  gefunden,  dessen  Urtheil  vielfach  noch 
jetzt  maassgebend  ist.  Wernsdorff  hat  auch  das  1.  Makkabäerbuch 
''icht  verschont,   aber   diesem    hat  die  Kritik  nicht  dauernd  ge- 
'^^hadet.    Wie  sich  schon  Luther  günstig  über  dasselbe  äusserte, 
^  blieb  es  auch  weiter  in  gutem  Ansehen,')  während  die  Autorität 
^^  zweiten   immer  mehr  herabsank  und  jetzt  ungefähr  auf  dem 
Nullpunkt  steht.") 

Ich  bin  jedoch  der  Meinung,  dass  diese  Schätzung  nicht  gerecht 
''U  und  dass  vor  allem  die  neuere  Kritik,  die  sich  an  das  2.  Makka- 
^erbuch  gemacht  hat,  ganz  verfehlt  ist.  Es  liegt  in  Wahrheit  kein 
^>^Dd  vor,  das  2.  Makkabäerbuch  in  allen  Stücken  hinter  das  erste 
zoriiekzusetzen,  sondern  es  ist  als  die  ältere  und  oft  reinere  Quelle 
^i^zusehen.    Diesen  Satz  denke  ich  im  Nachfolgenden  zu  begründen. 


1)  2.  Makk.  14,  37. 

2)  WozQ  auch  J.  D.  Michaelis  in  seiner  deutschen  Uebersetzung  ge- 
^«"kt  hat. 

3)  Eine  Ausnahme  bildet  Schlatter  in  seiner  Schrift  über  lason  von  Ky- 
^^^^>  München  1890.  Schlatters  Untersuchungen  haben  viele  Mängel  und  führen 
^  ^Qhaltbaren  Ergebnissen.  Oft  aber  liegt  ihnen  ein  richtiges  Gefühl  zu  Grunde, 
^^    jedenfalls  ist  ihm  hoch  anzurechnen,  dass  er  eine  unparteiischere  Wûr- 

^^^^g  lasons  und  des  2.  Makkabäerbuches  versucht  hat. 


276  B.  NIESE 

Abfassuogszeit. 

Zuerst  muss  duo   die  Abfassuogszeit  der  beideo   Makkabâet^ 
bûcher  festgeslellt  werdeo.    Darüber  besteht,  was  das  erste  anlaog;^ 
kaum   eioe  Meiouogsverschiedeoheit;  deoo   am  Schlüsse  desselben 
wird   auf  eioe  Geschichte  der  Regieruog  des  Johaooes  Hyrkaoos 
hiugewieseo,  die  offeobar  voraussetzt,  dass  dieser  schoo  gestorbeo 
ist,')  was  105/4  y.  Chr.  geschah.     Also  fsillt  das  Buch  später,  ood 
zwar  wahrscheiolich  weoigsteos  eioige  Jahre  später.    Hierzu  stinaml 
c.  8  die  Aufzdhluog  der  rOmischeu  Grossthateo,  wo  ganz  offenbar, 
um  von  aodereo  zweifeihafteo  Diogeo  zu  schweigen,  auf  den  add- 
ischen  Krieg  von  146  v.  Chr.  hingewiesen  wird,*)  und  einige  andere 
Stellen,  aus  denen   man   abnehmen   darf,  dass  zwischen  dem  E^ 
zählten  und  dem  Erzähler  bereits  eine  geraume  Zeit  verstrichen  ist.*} 
Einen  ähnlichen  Schiuss   erlaubt  c.  2,  59,  wo  auf  den  Propbeteo 
Daniel  in  einer  Weise  Bezug  genommen  wird,  die  erkennen  ISsat, 
dass  dieses  Buch,  das  bekanntlich  zwischen  169  und  164  v.  Cbr« 
geschrieben  worden  ist,  bereits  den  kanonischen  Schriften  des  alten 
Testamentes  angehorte.    Ferner  nimmt  man  an,  dass  die  Geschichte 
vor  der  Vernichtung  der  jüdischen  Selbständigkeit  und  der  basmo- 
näischen  Dynastie  durch  Pompeius  (63  v.  Chr.)  geschrieben  wardi 
weil   der  Verfasser  dieses  Ereigniss  nirgendwo  andeutet,  vielmel^T 
die  Herrschaft  der  Hasmonäer  als  bestehend  vorauszusetzen  schein^ 
Dies  ist  kein  ganz  bindender  Beweis,  immerhin  aber  von  BedeutuBfi« 
und   man  darf  daher  in  Ermangelung  anderer  Indicien  annehme^A 
dass  der  Verfasser  zwischen  104  und  63  v.  Chr.  lebte  und  scbrie^l^' 


1)  1.  Makk.  15,  23:  xai  tu  Xoinn  rmv  Xôyœv  ^Imavvov  xai  xmv  \ 
Xifitov  airov  nal  rc5v  arScayad'iCüv  avrov  œv  r^vB^ayadique  koI  irfi  < 
Bofi^ç  %mv  Tßix^ofv  (ov  cpxo86fitjae  xai  xcôv  nQa^ecov  «vrot»,  iSov 
yey^anrai  èv  ßißXiq^  rifieçàv  a^jjris^aicvfiyc  avjov  a^*  ov  iyavTf&rj  a^X'^f^*^ 
/isra  Tov  nariça  avjov.  Hierzu  stimmen  aocti  die  Worte  14,  25  riva  %à^^ 
ànoSânofAtv  ^Ifiojvi  xai  viols  avrov.  Es  besteht  zwar  die  Meinaog,  di^* 
sei  noch  unter  Hyrkanos  I.  geschrieben  (Grimm  III  p.  XXVI),  aber  der  Ai'^ 
druck  TU  Xomà  rœv  Xoyœv  beweist,  dass  diese  Annahme  irrig  ist 

2)  1.  Makk.  8,  9.  Vgl.  Willrich  S.  73,  dessen  weitere  BeobachtQoç  ^' 
jedoch  nicht  Stich  halten;  denn  keineswegs  wird  v.  3  die  vollständige  Uot^ ^ 
werfung  Spaniens  angedeutet.  Die  Kämpfe  mit  den  Galatem  könoea  auf  &^ 
allobrogischen  Krieg  125 — 118  v.  Chr.  gehen. 

3)  Besonders  1.  Makk.  13,  30  ovroe  6  rdipoe  ov  ànoùjffev  {JSifiC9v)  ^ 
M(oBeCv  ia)6  zr^s  r-fiéçae  rairiTje,  vgl.  3,  7. 


DIE  BEIDEN  MAKKAfiÄERBÜCHER  277 

Die  Zeit  des  2.  Makkabäerbuches  ISsst  sich  Docb  geoauer  be- 
mineD;  deno  der  Eioieitungsbrief  ist,  wie  schon  erwäbnt,  aus 
im  Jabre  188  Sei.  —  125/4  v.  Cbr.  datirt.  Alleio  bier  beginot 
le  Schwierigkeit;  denn  fast  allgemein')  halt  man  den  Brief 
^  gefälscht  oder  interpolirt')  oder  man  glaubt  wenigstens,  dass 
r  nicht  ursprünglich  zur  Epitome  gehört  habe,')  sondern  erst 
nachträglich  angefügt  sei,  also  auch  nicht  zur  Zeitbestimmung  des 
L  Nakkabflerbuches  benutzt  werden  könne.  Ferner  glaubt  man, 
^  sich  aus  dem  Inhalt  des  2.  Makkabäerbuches  mit  Nothwendig- 
eiteine  spätere  Abfassungszeit  ergebe;  denn  die  schweren  Verstösse 
egen  die  historische  Wahrheit  sollen  beweisen,  dass  diese  Ueber- 
eferung  vor  ihrer  schriftlichen  Aufzeichnung  längere  Zeit  mündlich 
•rtgepflanzt  worden  sei/)  Wann  es  geschrieben  sei,  darüber  sind 
e  Ansichten  verschieden.*)  Für  sicher  gilt  nur,  dass  es  vor  der 
srstörung  Jerusalems  (70  n.  Chr.)  geschah,  das  nähere  hängt  davon 
>9  wie  man  sich  das  Verbältniss  zum  1.  Makkabäerbuche  denkt 
leb  Grimm  und  Schürer  hat  lason  dieses  nicht  gekannt  und  ge- 
tirieben,  ehe  es  in  Aegypten  bekannt  ward.  Neuerdings  glaubt  man 
loch  vielfach,  lason  habe  das  1.  Makkabäerbuch  benutzt  und  müsse 
«  in  die  herodeische  Zeit  oder  in  den  Anfang  des  ersten  nach- 
ristlicben  Jahrhunderts  fallen  und  sein  Epilomator  demnach  noch 
ftter.')  Hierbei  fällt  jedoch  auf,  dass  sich  im  2.  Makkabäerbuche 
gar  keine  Anspielung  auf  die  spätere  Geschichte  findet,  z.  B.  auf 
B  Ende  der  jüdischen  Selbständigkeit  durch  Pompeius,  was  doch 
r  Zeitbestimmung  des  ersten  gedient  hat.  Ferner  jene  Verstösse 
gen  die  historische  Wahrheit,  auf  die  man  hinweist,  sind  haupt- 
chlich  die  Abweichungen  vom  ersten  Buche;  dieses  wird  also  zum 
ussstab  des  anderen  gemacht,  was  eine  petUto  principit  ist,  die 
^  Dicht  gelten  darf. 

Der  Kern  der  Sache  liegt  in  der  Frage  nach  der  Echtheit  des 
roAmiums  und  seinem  Verbältniss  zur  nachfolgenden  Geschichte. 

1)  Vgl.  Grimm  Exeget.  Handb.  IV  22  ff. 

2)  Valckeoaer  De  Arislobulo  ludaeo  3Sf. 

3)  Scholz  EioleituDg  in  den  heiligen  Schriften  II  649  ff. 

4)  Grimm  S.  19  ff. 

5)  Ewald  lissl  es  etwa  100  Jahre  nach  dem  1.  Makkabäerbuche  ge- 
'^^beo  sein. 

6)  Willricb  z.  B.  nimmt  an,  dass  lason  auch  diejenigen  Theile  des 
flakkabäerbucbes  benutzt  habe,  die  nach  seiner  Meinung  erst  durch  spätere 
'fbeituog  hereingekommen  sind. 


278  B.  NIESE 

Ist  es  unecht  oder  oachträglich  hinzugesetzt,  so  hat  es  fOr  die  2 
bestimmuDg  des  Buches  keioeo  Werth;  kaoD  dagegen  die  Una 
heit  nicht  erwiesen  werden,  und  der  Beweis  liegt  denen  ob, 
sie  behaupten,  so  muss  angenommen  werden,  dass  das  2.  Hakkabi 
buch  125/4  V.  Chr.  geschrieben  ward.  Es  ist  also  durchaus  nOl 
den  Widmungsbrief  zu  untersuchen  und  die  Gründe  der  Unecht 
zu  prüfen. 

Das  Schreiben  ist  von  den  Juden  in  Jerusalem  und  Jodai 
die  Glaubensgenossen  in  Aegypten  gerichtet.    Es  beginnt  mit  6i 
und  Segenswünschen.     Sie  haben  schon  früher,  sagen  sie  dar» 
unter  König  Demetrios  (II.)  im  Jahre  169  (144/3  v.  Chr.)  zur 
der  Bedrftngniss  einen  Brief  nach  Aegypten  gerichtet,  und  Jetä 
Jahre  188   (125/4  v.  Chr.)  schreiben   sie  abermals,  um  zur  F 
des  Tempelweihfestes  aufzufordern.     Sie  danken  Gott,  dass  er 
aus  grosser  Nolh  erlöst  hat;  denn  der  Dränger  Antiochos  ist  t 
Um  der  Mahnung  zur  Feslfeier  mehr  Nachdruck  zu  geben,  wird  sad 
von  der  Einweihung  des  Tempels  durch  Nehemias  erzählt,  wi( 
nach  Anweisung  des  Propheten  Jeremias  das  heihge  Feuer  des  a 
Tempels   in  einer  Naphthaquelie  '  wieder  entdeckte  und  damit 
Opfer   entzündete.    Weiter  wird   nach  der  Schrift  berichtet, 
Jeremias  Stiflshütte,   Bundeslade   und  Räucheraltar  aus  dem  a 
Tempel  in  eine  Höhle  des  Berges  Nebo  rettete,  von  wo  sie  ei 
wenn  Gottes  Gnade   wiederhergestellt   und   das  ganze  Volk  wi« 
beisammen   ist,   wieder  zum  Vorschein  kommen  soll.     Dann^ 
der  Gottesdienst  in   seiner  ganzen  alten  Herrlichkeit  wieder 
leben.    Auch   sind   die  alten   Schriften   theils  von  Nehemia  tl 
von  Judas  wieder  zusammengebracht.    Darum  sollen  die  ägyptisc 
Juden  das  Fest  mit  feiern.    Denn  wir  hoffen,  so  schliesst  der  B 
dass  Gott,   der  das  Volk   errettet  hat,  sich  weiter  erbarmen 
uns  von  der  ganzen  Erde  wieder  zusammenführen  wird;  dem 
hat  uns  aus  grosser  Gefahr  befreit  und  die  heilige  Stätte  gereii 
Was  aber  die  Geschichte  des  Judas  Makkabäos  und  seiner  Brl 
angeht,  so  wollen  wir  jetzt  versuchen,  das  Werk  lasons  von 
rene,  der  darüber  in  fünf  Büchern  gehandelt,  in  einem  Buch 
zuziehen,  hofTeD  damit  ein  nützliches  Werk  zu  thun  und  begin 
mit  der  Erzählung. 

Dieser  Einleituugsbrief,  wie  er  sich  giebt,  ist  die  Vor 
zur  nachfolgeDden  Epitome  aus  lasen,  und  ist  daher  vom  . 
tomator  verfasst,   nicht  von  lason,   von  dem  erst  zuletzt  die  I 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  279 

.  Es  ist  ein  krauses,  locker  compooirles  Schriftstück.  Der 
loptgedanke,  der  sich  in  Anfang,  Mitte  und  Ende  findet,  ist  die 
ihnung,  das  Fest  der  Tempelweihe  mitzufeiern.  Darin  liegt  za- 
sich  der  Zusammenhang  mit  der  folgenden  Darstellung;  denn  die 
iftung  der  beiden  makkabäischen  Gedenktage  bildet  gleichsam  den 
ttelpunkt  und  Absehluss  des  Ganzen.  Unterstützt  wird  jene  Mab- 
ifig  weiter  durch  die  Erzählung  von  der  Einweihung  des  Tempels 
id  der  Auffindung  des  heiligen  Feuers  durch  Nehemias.  Denn 
SMS  Fest  ist  ein  Vorläufer  der  makkabäischen  Feier  und  der 
hriftsteller  denkt  es  sich  vielleicht  an  demselben  Tage,  dem  25. 
dev,  begangen.  Die  Legende  bat  zugleich  den  Zweck,  wie  man 
itig  bemerkt  hat,  die  Heiligkeit  des  jerusalemischen  Tempels 
Moders  hervorzuheben,  in  dem  das  heilige  Feuer  des  salomo- 
KheD  Heiligthums  sich  fortsetzt.')  Dieselbe  Tendenz  verfolgt  die 
ilhlang  von  den  verborgenen  Heiligthümern ,  die  an  den  Tag 
amen  sollen,  wenn  Gott  wieder  gnädig  und  das  ganze  Volk 
eder  vereinigt  ist.^  Offenbar  glaubt  der  Verfasser  oder  will  den 
loben  erwecken,  dass  dieser  Zeitpunkt  nicht  mehr  fern  ist:  man 
rf  dann  erinnern,  dass  im  Laufe  der  Erzählung  wiederholt  betont 
rd,  wie  der  Zorn  Gottes  und  die  Drangsale  des  Volkes  nur  vor- 
ergebend sind,  und  dass  Gott  seinem  Volke  bald  wieder  seine 
tade  zuwenden  wird.  Dazu  sollen  dann  auch  die  Aegypler  durch 
Ibâligung  an  der  Festfeier  an  ihrem  Theile  mit  helfen.  Gewiss 
der  innere  Zusammenbang  zwischen  Vorrede  und  Buch  nur 
)ker,  aber  er  ist  unzweifelhaft  vorhanden,  und  er  wird  am  sicher- 
n  beglaubigt  durch  die  Ueberlieferung,  in  der  das  ProOmium 
0  jeher  gestanden  hat,  wo  es  jetzt  steht.  Da,  wo  uns  das  2.  Makka- 
erboeh  in  der  Litteralur  zuerst  bestimmt  begegnet,  bei  Clemens 
n  Alexandrien,  wird  das  ProOmium  als  zur  Epitome  der  Makka- 
ischen  Geschichte  gehörig  anerkannt,'}  ebenso  geben  es  alle 
tidscbriften  und  die  alten  Uebersetzungen,  auch  der  Titel  des 
•d.  Alexandrinus  'lovda  %ov  MaxKaßalov  ncd^ewv  imazoXr^ 
^gt  den  Widmungsbrief. 

1)  Man  hat  vermuthet,  dass  die  Heiligkeit  des  jerusalemischen  Tempels 
1^  ^ensatze  zum  Oniastempel  damit  betont  werden  solle.    Ewald  IV^  609  f. 

2)  2.  Makk.  2,  7. 

3)  Clemens  Alex.  Strom,  V  14,  98  (p.  254  Syib.  705  Pott.)  "Aqiatoßovh^ 
^  *  *  •  •)  ov  fûfivfjia^  b  atfVjaSdfiBPOS  rrjv  rtSv  Maxxaßaixiuv  imto/Ativ 
'^'^^  2.  Makk.  1,  10,  vgl.  Euseb.  praep.  ev.  VIII  9,  38. 


280  B.  NIESE 

Ehe  ich  ao  die  PrQfuog  der  gegen  die  Echtheit  vorgebrach 
Beweise  gehe,  muss  ich  vorher  noch  eine  andere  Sache  erledig 
Man  nimmt  seit  langem  fast  allgemein  an,  dass  der  Widmoo 
brief  aus  zwei  verschiedenen  Schreiben  zusammengesetzt  sei,  i 
bringt  dies  auch  in  den  Ausgaben  zum  Ausdruck.  Der  äun 
und  wesentliche  Anhalt')  zu  dieser  Annahme  ist  der  Umstand,  ( 
wir  eine  doppelte  Adresse  haben:  v.  1  heisst  es  rolg  àô$3jf 
TOÎÇ  xar'  AïyvrtTov  ^lovdaloig  x^/^e^v  oi  àdeXq>ol  ol  h  % 
aoXvfAOig  ^lovdaîoi  xal  ol  h  rfj  x^QV  ^^ovdaioi  elgi^vrjv  iyat 
und  v.  10  ol  h  'legoaoXvfioig  xaï  ol  iv  %ji  'lovdalif  xal  fj 
Qovaia  xal  'lovôaç  'AQiaToßovX(p  dcdaaxaXtp  TlToXefialov 
ßaaiXiwQ  .  .  .  xal  zoîç  iv  ^iyv7t%(^  ^lovôaloiç  xalgeiv 
vyiaheiv.  Dem  ersten  Schreiben  pflegt  man  v.  1 — 9  zu  gd 
dem  zweiten  das  Qbrige  und  weiter.  Einige  Gelehrte  ziehen 
zweite  Hälfte  von  v.  9,  das  Datum  hovg  éxazooTov  xal  of 
rixoaxov  xal  oydoov  zum  zweiten  Brief,  meist  jedoch  rechnet  i 
es  zum  ersten,  so  dass  beide  Daten  diesem  angehören.  Das  ^ 
hältniss  der  beiden  Briefe  denkt  sich  z.  B.  Wernsdorff*)  so,  • 
der  zweite,  der  den  Namen  des  Judas  als  Absender  trägt,  ! 
nach  der  Wiederherstellung  des  Gottesdienstes  164  v.  Chr.  verl 
und  ursprünglich  bestimmt  war  die  ägyptischen  Juden  zur  F 
feier  einzuladen,  während  der  erste  jüngere  auf  den  Judasbrief  Bi 
nimmt,  freilich  mit  irrigem  Datum,  und  der  Epitome  aus  lason 
Einleitung  oder  Begleitbrief  dienen  sollte.') 

Ich  glaube,  dass  eine  solche  Theilung  des  Widmungsbri 
unmöglich  ist.  Der  angeblich  erste  Brief,  v.  1 — 9  kann  kein  t 
ständiges  Schreiben  vorstellen,  aus  dem  einfachen  Grunde,  wd 
keinen  Inhalt  hat;  denn  nach  dem  Gruss  und  den  SegenswQnsc 
bleiben  nur  übrig  die  ganz  in  der  Luft  schwebenden  Worte  v 
xai  vvv  ïva  äyrjTe  tag  fiptecag  rfjg  axrjvonrjyiag  %ov  Xaai 
^irjvog.     Die   neun  Verse   sind   verständlich  als  Eingang  zu  eil 


1)  Die  Behauptung,  dass  die  Sprache  der  ersten  neon  Verse  von 
übrigen  Theile  des  Proömium  abweiche,  kann  nicht  erhärtet  werden.  Da 
nur  ein  subsidiäres,  sehr  zweifelhaftes  Argument. 

2)  A.  a.  0.  S.  64  ff. 

3)  Vielfach  glaubt  man,  dass  einer  der  beiden  Briefe,  der  erste  odei 
zweite  oder  auch  beide  aus  dem  hebräischen  (aramäischeD)  übersetzt  sei. 
dies  nicht  anzunehmen   sei,  hat   Grimm  IV  S.  23  f.   mit  Recht   erkanot. 
selbst  glaubt  übrigens  an  die  Theilung. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  281 

Briefe,  als  ROckverweisung  auf  eineo  früher  geschriebenen,  aber 
Dicht  als  eigenes  Schreiben,  und  es  kann  keid  Zweifel  sein,  dass 
die  Eiogangsepistel  c.  1  und  2  ein  untheilbares  Ganzes  bildet,  das 
durch  die  Identität  der  Absender  und  den  gemeinsamen  Grund- 
gedaoken,  die  Aufforderung  zur  Festfeier,  genügend  als  solches 
boeicbnet  wird.  Erschwert  wird  freilich  das  Verständniss  durch 
die  salbungsvolle  Breite  des  Verfassers,  der  nach  Art  erbaulicher 
Schriflsteller  gern  dem  Zuge  des  Herzens  folgt,  und  allerlei  schweres 
Gepäck  beilegt.  Er  hat  es  für  nOthig  befunden,  nach  den  langen 
EJDgangsdtzen  die  Anrede  nochmals  feierlicher  und  ausführlicher 
tu  wiederholen ,  aber  wir  müssen  den  geschwätzigen  Schriftsteller 
oehmen  so  wie  er  ist.  Ueberdies  werden  die  Dinge  durch  die  An- 
oahme  zweier  Briefe  nicht  um  ein  Haar  besser  als  vorher,  die 
Schwierigkeiten  und  AnstOsse  bleiben  unverändert.  Wie  wenig  be- 
friedigend das  Resultat  ist,  erkennt  man  auch  daraus,  dass  man 
weiter  den  ersten,  schon  an  sich  kleinen  Brief  in  zwei  noch  kleinere 
Stocke  hat  zerschlagen  wollen,*)  nach  welchem  Recept  man  aus 
dem  iweiten  leicht  vier  oder  fünf  machen  könnte. 

Erschwerend  für  das  Verständniss  wirkten  auch  die  offenbaren 
Verderbnisse  der  Ueberlieferung^  und  die  gänzlich  verwahrloste 
Interpunction  unserer  Texte.  Zieht  man  dies  alles  in  Erwägung, 
so  ist  der  Gedankengang  des  Briefes  ganz  leidlich  klar.  1 — 6  sind 
Bogangsgruss  und  Segenswünsche.  Dann  v.  7 — 8  erwähnen  die 
Absender  ihr  früheres  Schreiben  aus  dem  Jahre  169  zur  Zeit  der 
Drangsale,  wobei  zu  beachten  ist,  dass  v.  8  xai  ivenvgiaqv  — 
toiç  açTovç  von  aq>'  ov  abhängt;  es  wird  eben,  sehr  zur  Unzeit; 
*chon  jetzt  Gelegenheit  genommen  die  ganze  Geschichte  zu  reca- 
piloliren.  V.  9  f.  wird  fortgefahren:  und  jetzt  im  Jahre  188  schreiben 
kreuch,  damit  ihr  die  Festfeier  mir  uns  begehet,  und  entbieten 
cnch  unseren  Gruss,  wir  die  Juden  aus  Jerusalem  u.  s.  w.:  xal  vvv, 
«»o  ayrjte  rag  ^[decac  t^ç  axrivoTtrjylaç  %ov  Xaaelev  firjvoç 
ixovç  kxavoatov  oydorjKoaTov  xal  oyôàov  ol  iv  'legoaokvfÂOiç 
xai  ol  iv  Tfj  ^lovàaUf  —  toîg  iv  ^lyvnrq)  ^lovôaioiç  x^^Q^^^ 
xai  vyiaiveiv;  denn  so  muss  man  natürlich  construiren.    Das  xai 

1)  Bniston  in  Stades  Zeitschrift  für  d.  alUest.  Wiss.  1890  X  S.  110  f. 

2)  Dies  lehren  auch  die  zahlreichen  und  erheblichen  Varianten  der  Hand- 
"^nfien.  Wahrscheinlich  ist  zuweilen  etwas  ausgefallen.  Vergebens  habe  ich 
•oich  bemüht  v.  7  zu  verstehen  :  xal  vvv  iBi  àa/itv  nQOCsvxofievoi  (avxofiavoi) 


282  B.  NIESE 

vvv  weist  deutlich  genug  auf  das  yorhergehende  ßaadevoni 
JrifAri%Qlov  zurück.')  Im  weiteren  wird  der  GedaDkengang  don 
die  eingelegten  heiligen  Legenden  gestört,  die  ja  einen  gewiwc 
Zusammenhang  mit  den  Absichten  des  Verfassers  haben,  uns  ab 
recht  überflüssig  erscheinen,  aber  gewiss  nicht  den  Leuten,  flOrd 
das  Buch  bestimmt  war.  Der  Schriftsteller  hat  eben  die  Gelega 
heit  der  Vorrede  benutzt,  um  sie  vorzubringen  ;  die  Vorrede  dia 
ihm  als  Vehikel  seiner  Legenden,  wie  ja  auch  andere  antike  Sehrif 
steller  in  ihren  ProOmien  Dinge  vorgebracht  haben ,  die  mit  d« 
Inhalt  ihrer  Bücher  wenig  oder  gar  nicht  zusammeohflngen.*)  1 
dieser  Form  hat  der  Epitomator  dem  Auszuge  aus  lason  auch  atw 
von  seinem  eigenen  zur  Erbauung  des  Lesers  mitgegeben. 

Dass  nun  der  Widmungsbrief  nicht  ursprünglich  zum  2.  Hakki 
buche  gehöre  und  unecht  sei,  sucht  man  vor  allem  aus  einer  ReA 
schwerer  historischer  Schnitzer  und  Unmöglichkeiten  nachzuweim 
die  der  Verfasser  begangen  haben  soll.')  Zunächst  wird  besoid« 
in  der  älteren  Litteratur  der  legendäre  Charakter  stark  betoot,  dl 
die  Geschichten  von  Nehemia  und  Jeremia  haben,  die  in  der  Ueba 
lieferung  des  alten  Testamentes  keinerlei  Stütze  haben  und  als  Ei 
Ondung  gelten  müssen.  Wie  sollte  es  ferner  möglich  sein,  so  fii| 
man  weiter,  dass  Rath  und  Volk  von  Jerusalem  in  einem  Schreibe 
an  die  Aegypter  solche  Geschichten  auf  die  Autorität  der  Schri 
vorbringen  können?^)  Dieser  beiden  Argumente  können  wir  oi 
schnell  erledigen*);  sie  würden  Gewicht  haben,  wenn  es  sich  dari 
handelte,  die  Kanonicität  und  somit  die  unbedingte  WahrhafUgkf 
des  Buches  anzufechten.  Für  unsere  Frage  kommt  es  gar  nid 
in  Betracht,  ob  und  wie  weit  diese  Geschichten  glaubhaft  sind  od 
nicht.  Der  Widmungsbrief  ist  das  Proömium  des  Epilomators,  i 
ebenso  frei  componirt  ist,  wie  überhaupt  die  Proömien  zu  sc 
pflegen;  niemand   darf  hier  ein   authentisches  Schreiben  der  C 


1)  Man  würde  den  Zusammenhang  sehr  verbessern,  wenn  man  ^'  t 
setzte  und  %al  vvv  8^  îva  schriebe. 

2)  Ich  denke  an  die  Proömien  Theopomps  mit  ihrer  Polemik  (Dioa 
Halic.  ant.  Rom.  I  1)  und  an  die  Reste  der  Vorreden  zu  Agatharchides  n 
TTjç  èçv&çàs  d'aXâcaijs  bei  C.  Mfiller  geogr.  gr.  min.  I  111  ff. 

3)  Vgl.  Grimm  S.  22  ff. 

4)  2.  Makk.  2,  1  tvçiaxaxai  8i  iv  rate  àvayçafàii  'le^fiùxç  ktÎL,  i 
V.  13. 

5)  Vgl.  Grimm  S.  23. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  283 

»Dde  ID  Jerusalem  erwarteo  ;  dies  ist  our  die  vom  Verfasser  ge- 
ihite  EiokleiduDg;  Diemand  darf  auch  den  legendareo  Charakter 
1er  GeschichteD  als  Zeicheo  der  Uoecbtheit  aoseheo.  Dass  dabei 
i  Schrift  oder  SchrifteD  citirt  werdeo ,  ist  Dicht  im  miodesteo 
inderbar  uud  kommt  bei  derartigen  Sachen  oft  vor.  Bekaonüich 
ken  die  jüdischen  Schriffgelebrten  im  Anschluss  an  die  heiligen 
ihriften,  zum  Theil  auch  oach  griechischem  Muster  LegeodeD 
sog  in  die  Welt  gesetzL  Dem  hier  Erzählten  nahe  verwandt  ist 
iter  in  der  Geschichte  das  Traumgesicht  das  Judas  Hakkabäos, 
^  auf  das  Gebet  des  Hohenpriesters  Onias  ebenfalls  der  Prophet 
reuias  erscheint  und  von  Gott  das  goldene  Schwert  des  Sieges 
wrbringt.')  Wer  dies  erzählt,  dem  kann  man  auch  die  Geschichten 
s  Widmungsbriefes  ohne  Bedenken  zutrauen. 

Es  sind  aber  eine  Reihe  von  anderen  Bedenken  vorgebracht 
wden.  Zuerst  nennt  sich  unter  den  Absendern  des  Briefes  (c.  1 
10)  Judas;  damit  soll  nun,  wie  schon  früh  angenommen  wurde, 
Idas  Makkabäos  gemeint  sein,  der  161  v.  Chr.  fiel  uad  unmOgtiob 
»iahe  40  Jahre  später  125/4  v.  Chr.  jenen  Brief  geschrieben 
iben  kann.')  Ferner  hält  man  es  für  undenkbar  oder  doch  sehr 
iwahrscheinlich,  dass  die  palästinensischen  Juden  zur  Theilnahme 
t  einer  Festfeier  auffordern,  die  schon  so  viele  Jahre  früher  be- 
lodet  war.*)  Allein  die  Annahme,  dass  Judas  Hakkabäos  gemeint 
i}  iat  ganz  unerwiesen  und  bei  näherer  Erwägung  unwahrscheinlich, 
ttte  der  Schriftsteller  ihn  bezeichnen  wollen ,  so  würde  er  wohl 
tt  Beinamen,  auch  wohl  eine  Amtsbezeichnung,  wie  aTçaTfjyéç 
âgeaetzt  haben.^)  Es  ist  ohne  Zweifel  ein  anderer  Judas  gemeint, 
tt  bei  der  Häufigkeit  des  Namens  ohne  jedes  Bedenken  isU^)  Ebenso 
M  die  Aufforderung  zur  Festfeier  zu  dieser  Zeit  nichts  anstössiges. 
I  iat  im  Gegentheil  nur  zu  begreiflich ,  wenn  unter  den  Kriegs- 
<>fteu,  unter  denen  Judäa  so  lange  litt,  das  Fest  zunächst  nicht 


1)  1  Makk.  15,  12. 

2)  Daher  auch  Luther  Johannes  übersetzt,  worunter  Johannes  Hyrkanos 
'  versieben  ist. 

3)  Es  wird  dem  Leser  nicht  entgehen,  dass  diese  Argumente  wiederum 
^ter  Linie  gegen  die  Kanonicität  der  Briefe  gerichtet  sind. 

4)  Wobei  ich  unerörlerl  lasse,  ob  Judas  Makkabäos  wirklich  sich,  wie 
^^  geschieht,  neben  der  Gerusia  nennen  konnte. 

^)  ^8  nimmt  auch  Hugo  Grolius  an,  der  an  einen  Verwandten  Hyr- 
'^  denkt.    Einer  der  Söhne  Simons  hiess  Judas  1.  Makk.  16,  2.  9,  14. 


284  B.  NIESE 

aufkommeD  koonle  und  sich  erst  nach  längerer  Zeit  Geltung  f 
schaffte.  Ueberdies  wissen  wir  gar  nicht,  ob  die  Feste  wirk! 
ursprünglich  .  makkabäische  Gedenktage  waren.  Das  eine  ist 
Lichterfesl,  cpwTa^^)  das  andere  ein  Theil  des  Purim,  und  et 
sehr  möglich,  dass  sie  erst  nachträglich  mit  den  Ereignissen 
Freiheitskrieges  in  Verbindung  gebracht  worden  «nd.^  AlaiL 
ist  es  erst  recht  in  der  Ordnung,  wenn  ihre  Feier  erst  gern 
Zeit  nach  dem  begründenden  Ereigniss  in  Anregung  gebracht  w 

Als  besonders  schwer  und  entscheidend  gilt  ein  Irrthum, 
V.  7  begangen  sein  soll,  wo  es  heisst  ßaaiXevovfog  Jri^riti^ 
ïzovç  éxarooTov  e^rjuoazov  kvâxov  iqfÂeîç  ol  'lovôaïoi  yey^ 
q>i^xafi€v  v/iilv  h  %fj  Miipei  xtX.  Denn  im  Jahre  169  Sel.  14^ 
V.  Chr.  konnte,  so  sagt  man,  nach  1.  Makk.  \\,  54 ff.  von  eil 
Bedrängniss  der  Juden  nicht  die  Rede  sein,  auch  hatten  dam 
Juden  den  Demetrios  II.  nicht  mehr  als  König  anerkannt,  da  J 
nathan  schon  vorher  zu  Antiochos  VI.  und  Tryphon  abgefalleo  i 
Der  Verfasser  habe  hier  den  zweiten  Demetrios  mit  dem  erit 
verwechselt,  unter  dem  bekanntlich  Judas  ßel  und  die  Juden  iti 
bedrängt  wurden.')  Aber  an  solche  Verwechselung  zu  glauben, 
nicht  leicht.  Man  kann  es  sich  nur  so  vorstellen,  dass  der  Vi 
fasser  an  Demetrios  I.  dachte,  dann  zu  einer  Chronik  griff,  h 
unter  den  Jahren  168 — 173  Sei  einen  Demetrios  verzeichnet  b 
und  sich  nun  von  dessen  Jahren  eins  wählte,  wobei  es  weder  < 
klärt  wird,  warum  er  überhaupt  das  Bedürfniss  nach  einem  Dati 
empfand,  noch  weshalb  er  gerade  169  wählte.  Es  ist  ferner  w* 
richtig,  dass  Jonathan  von  Demetrios  II.  abgefallen  und  zu  seis 
Rivalen  Antiochos  VI.  und  dessen  Vormund  Diodotos  Tryphon  Ob 
gegangen  war,*)  aber  gerade  in  dem  fraglichen  Jahre  169  SeL 
144/3  V.  Chr.  geschah  ein  wichtiges  Ereigniss,  das  viel  ändei 
Tryphon  nahm  in  Plolemais  den  Jonathan  fest,  hielt  ihn  < 
Zeitlang   gefangen   und   liess   ihn   bald  darnach   hinrichten.*) 


1)  Josephus  ant.  lud.  Xll  325. 

2)  Ewald  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV^  407. 

3)  So  schon  Wernsdorff  S.  67. 

4)  1.  Makk.  11,  54  ff. 

5)  Die  Zeit  bestimmt  sich  darnach,  dass  im  nächsten  Jahre  170  Se 
143/2  V.  Chr.  Simons  Herrschaft  ihren  Anfang  nahm.  In  demselbeo  J 
ward  ferner  Antiochos  VI.  beseiligl;  denn  nach  den  Münzen  ist  170  SeL 
letztes  Jahr  und  zugleich  das  erste  seines  Nachfolgers  Tryphon.    Babeloo 


DIE  BEIDEN  MARKABÂERBOCHER  285 

näheren  UmsUiDde,   unter  denen   dies  geschah,  kennen  wir  zwar 

aus   l.Hakk.  12,  40  ff.  nor  unvoUkooimen,^)  aber  wir  wissen,  dass 

dadurch  die  Juden,  wie  natürlich,  in  die  grösste  Unruhe  und  Be- 

sorgDiss  versetzt  wurden.*)    Die  Folge  war  selbstverständlich,  dass 

fk  sofort  zu  Demetrios  IL  zurückkehrten  :  Simon  setzte  sich  gleich 

mit  ihm  in  Verbindung,  und  Demetrios  ist  es,  der  ihn  zum  Hohen- 

priesler  machte.*)    Es  entspriclit  also  recht  gut  den  Zeitumständen, 

wenn  im  Widmungsbriefe  das  Jahr  169  Sei.  eine  Zeit  der  Bedrflng- 

Dias  genannt  wird  und  zugleich  Demetrios  als  König  erscheint. 

Unter  den  sonstigen  fOr  die  Unechtheit  der  Vorrede  angeführten 
Beweisgründen  befinden  sich  eigentlich  nur  zwei,  die  eine  gewisse 
Bedeutung  beanspruchen.  Einmal  die  Beobachtung,  dass  im  Pro- 
Omium  der  Stil  anders  ist  als  nachher  in  der  Erzählung.  Unleugbar 
ist  ein  Unterschied  vorhanden  nicht  im  Sprach-  oder  Wortschatz, 
^e  wesentlich  zusammenfallen,^)  wohl  aber  in  der  Schreibart.  Die 
Handhabung  der  Sprache  ist  in  der  Einleitung  unbeholfener,  un- 
geschickter als  in  den  übrigen  Theilen.  Die  Erklärung  dafür  liegt 
*of  der  Hand  ;  in  der  Geschichte  excerpirt  der  Verfasser  den  lasoo 
von  Kyrene  und  kann  sich  auch  in  der  Sprache  an  sein  Original 
^Blehnen;  an  dieser  Krücke  kommt  er  leidlich  gut  vorwärts.  Da- 
gegen der  Einleitungsbrief  ist  sein  eigenes  Werk,  eigener  Com- 
PoaitioB,  eigenen  Ausdruckes,  und  es  ist  kein  Wunder,  dass  dabei 
seine  Ungeschicklichkeit  zu  Tage  tritt.  In  der  That  haben  wir  es 
iBit  einem  sehr  mittelmässigen  Schriftsteller  zu  thun.  Das  zeigt 
*>ch  die  Epitome  mit  ihren  zahlreichen  Unebenheiten,  wo  die  Dar- 
*tellang  zuweilen  zu  völliger  Formlosigkeit  herabsinkt.*)  Auch  ist 
^^^j  dass   ein  Mann,   dessen   schriftstellerischer  Ehrgeiz  sich  mit 


^  Syrie  GXXXV.  GXXXYIlf.  Das  Ende  des  Antiochos  »lit  aber  erat  einige 
^'  nach  Jonathans  Tode,  1.  Makk.  13,  31.  Es  liegt  also  zwischen  Jonathans 
r^'^o^nnabme  and  Simons  Antritt  einige  Zeit,  und  wir  haben  daher  die  Ver- 
"*^tiiiOg  Jonathans  ohne  Zweifel  in  das  Jahr  169  Sei.  zu  setzen. 

1)  Es  war  darnach  Tryphons  Heimtacke,  der  fürchtete,  dass  Jonathan 
^^eo  Yerbrecherischen  Anschlägen  auf  Antiochos  hinderlich  sein  würde.    Ich 
f'^^the,  dass  Tryphon  besorgte,  Jonathan  würde  sich  wieder  dem  Deme- 
^    II.  zuwenden,  und  vielleicht  auch  Grund  zu  diesem  Argwohn  hatte. 

2)  1.  Makk.  13,  2  koI   bÏSb  (^ifiœv)  rov  laov  or  à  èariv  iftnrçofioç  xai 

3)  1.  Makk.  13,34.  36.  14,38. 

4)  Vgl.  Ewald  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV  610  A.  1. 

5)  Z.B.  c.  13,  18 ff. 

^«niwiXXXV.  19 


286  B.  NIESE 

einer  Epitome  begnügt,  sich  selbst  nicht  allzuviel  zutraut.  Wir 
haben  keinen  Grund,  die  stilistische  Beschaffenheit,  die  zablr^icbeii 
formalen  Mängel  des  Briefes  als  Zeichen  der  Unechtheir  anzuseheo.') 
Ein  gewichtigeres  Argument  liefert  die  Art,  wie  v.  13  ff.  Ober 
den  Tod  des  Antiochos  berichtet  wird.  Denn  diese  Erzahluog  ist 
mit  dem,  was  c.  9  ausführlicher  Ober  das  Ende  des  Antiochos  Epi- 
phanes  berichtet  wird,  nicht  zu  vereinigen.  Hier  stirbt  der  KOoig 
nach  schmerzhaften  Leiden  an  einer  fürchterlichen  Krankheil,  da- 
gegen der  Antiochos  der  Einleitung  wird  im  Tempel  der  Aoaii,^ 
den  er  berauben  will,  mit  seinem  Gefolge  unversehens  erschlagen. 
Da  nun  nicht  anzunehmen  sei,  dass  der  Verfasser  der  Epitome 
einen  seiner  eigenen  Erzählung  so  widerstrebenden  Bericht  hier 
vorgetragen  habe,  so  schliesst  man,  dass  nicht  er  selbst,  sonders 
erst  ein  späterer  Fälscher  den  Brief  verfertigt  und  an  seine  jetzige 
Stelle  gesetzt  habe.  Dagegen  muss  ich  zunächst  bemerken,  da» 
mit  dieser  Annahme  die  Schwierigkeit  mehr  bei  Seite  geschoben 
als  wirklich  behoben  ist;  denn  auch  der  Fälscher  hätte  den  Wide^ 
Spruch  doch  bemerken  müssen.  Wie  kam  er  dazu,  dieses  Stack 
hier  einzusetzen,  und  zwar  ohne  jede  Nöthigung?  denn  er  hätte 
es  ja  leicht  auslassen  oder  umändern  können.  Oder  war  er  ein 
Mann,  der  nicht  lesen  noch  schreiben  konnte?  Das  wird  niemand 
glauben.  Im  übrigen  aber  bin  ich  ebenfalls  der  Meinung^  das« 
der  harte  Widerspruch  sehr  gegen  die  Echtheit  des  ProOmiuma 
sprechen  würde,  wenn  er  wirklich  bestünde.  Aber  ich  behaupte, 
dass  an  unserer  Stelle  2*  Makk.  1, 11  ff.  unter  dem  König  Antiocboe 
nicht  Antiochos  IV.  Epiphanes,  sondern  Antiochos  VII.  Sidetes  m 
verstehen  ist,  der  von  138/7—129/8  v.  Chr.  regierte.")  Sidete« 
war  der  letzte  Seleukide,  der  nochmals  zu  bedeutender  Macht  ge* 
langte;   er   hat   130/29  v.  Chr.   Olymp.  162,  3   einen   vollkommen 

1)  Die  Wiederholungen  des  Briefes  haben  eine  ganz  passende  Analogie 
in  der  Ausdauer,  mit  der  in  der  Geschichte  der  Gedanke  wiederholt  wird,  dtf* 
die  Leiden  der  Juden  nur  ein  vorübergehendes  Strafgericht  Gottes  seien,  obeo 
S.  272  A.  2. 

2)  Dieser  Name  ist  ohne  Zweifel  herzustellen.  Die  Handschriften  biet«^ 
theils  Navaia  tlieils  ^Avavaia. 

3)  Icli  kehre  damit  zu  einer  älteren  Meinung  zurück,  die  von  verschi*" 
denen    katholischen  Gelehrten,   z.  B.  von  Frölich   {annales  Syriae  p.  45,  *** 
Scholz  Einl.  II  653)  aufgestellt,   aber  von  Wernsdorff  p.  64 ff.  eifrig  bekaiPP^ 
wordeil  ist.    Die  protestantischen  Ausleger,  Grimm  und  Keil,  nehmen  fast  k^** 
Notiz  davon. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  287 

eichen  Feldzug  gegen  den  Hohenpriester  Johannes  Hyrkanos, 
Sohn  Simons  unternommen,  hat  Jerusalem  belagert  und  er- 
^  die  Befestigungen  geschleift,  den  Tempel  besucht,  den  Juden 
Eroberungen  wieder  abgenommen  und  sie  zur  Unterwerfung, 
esfolge  und  Tributzahlung  gezwungen.')  Hyrkanos  musste  ihn 
b  darnach  begleiten,  als  er  über  den  Euphrat  gegen  die  Parther 

auf  diesem  Feldzuge  hat  Antiochos  dann  schon  im  nächsten 
i,  Olymp.  162,  4  (Frühjahr  128  v.  Chr.),  in  Medien  sein  Ende 
iden,  und  dies  Ereigniss  wird  im  Widmungsbrief  des  2.  Makka- 
mches  erwähnt,  freilich  in  mythischer  Entstellung;  denn  in 
'heit  ßel  Sidetes  in  der  Schlacht  gegen  Arsakes.     Dieser  Um- 

jedoch  kann  hier  kein  Bedenken  erregen;  denn  auch  wenn 
die  Stelle  auf  Epiphanes  bezieht,  muss  man  eine  gleiche  Ent- 
ng  annehmen.  Auch  waren  die  Verhältnisse,  unter  denen 
es  zu  Grunde  ging,  wohl  geeignet  eine  solche  Legende  zu 
gen.  Nach  siegreichen  Kämpfen  überwinterte  er  in  Medien, 
hier  in  den  Winterquartieren  verübte  sein  zügelloses  Heer 
rOssten  Gewaltlhaten  gegen  die  Eingeborenen.  Es  kam  daher 
ande  zu  einer  allgemeinen  Empörung,  und  man  wandte  sich 
T  den  Parthern  zu.  Die  Meder  überfielen  die  in  den  Quar- 
I  weit  zerstreuten  Heeresabtheilungen  und  zugleich  kam  Arsakes 
Qckt.  Antiochos  konnte  nur  einen  kleinen  Theil  seiner  Truppen 
leln,  zog  dem  Feinde  tollkühn  entgegen,  ward  geschlagen  und 

Der  Untergang  des  Antiochos  war  also  eine  Folge  der  Ge- 
baten  seines  Heeres,  und  daraus  konnte  mit  einiger  Phantasie 
wohl  die  Erzählung  entstehen,  dass  Antiochos  den  Tempel 
iOaia  aufsucht,  um  sich  mit  der  Göttin  zu  vermählen  und  unter 
m  Vorwande  die  Tempelschätze  als  Mitgift  an  sich  zu  nehmen, 
i  er  dann  von  den  Priestern  in  den  Tempel  gelockt  und  un- 
bens  erschlagen  ward.  Der  Schriftsteller  benutzte  dabei  eine 
che  dem  Antiochos  Epiphanes  angehängte  Geschichte,')  viel- 
l  auch   die   bekannte  Erzählung  vom  Tode  des  Antiochos  des 

1)  Diod.  XXXIV  1.  Josephus  W/.  I  61.  ani,  XUI  236  0*.  cont.  Apion. 
'  Euseb.  chronA  255.  lustin  XXXVI  1,  tO.  Ueber  die  Zeit  der  Erobe- 
Jerugaleins,  vgl.  meine  Ausführungen  in  dies.  Zlschr.  2S,  225. 

2)  Granius  Licin.  p.  9  Bonn,  berichtet,  wie  Anliociios  Epiphanes  zur  Diana 
Hierapolis  kam,  um  sie  zu  heirathen,  und  beim  Hochzeitsmahl  den  Tempel- 
^  als  Milgift  an  sich  nahm.  Aehnlich  lautet  was  Seneca  Suasor.  1  6  von 
^nionius  in  Athen  berichtet. 

19* 


288  B.  NIESE 

Grossen.')  Nicht  selten  werden  zeitgenössische  Ereignisse  in 
gendarer  Entstellung  erzählt,^  beim  Tode  des  Sideles  kann  i 
es  um  so^  eher  annehmen^  als  noch  heute  die  Nachrichten  darfl 
nicht  Obereinstimmen.*)  Nur  auf  Sidetes  ferner  passen  die  W< 
der  Vorrede:  Gott  hat  das  Heer,  das  in  der  heiligen  Stadt  I 
nach  Persien  ausgeworfen^);  denn  auf  die  Eroberung  Jemsalei 
Olymp.  162,  3,  folgte  in  kurzer  Frist,  fast  unmittelbar,  der  2 
gegen  Arsakes  und  der  Tod  des  Sidetes,  Olymp.  162,  4;  dagq 
auf  Epiphanes  kann  es  nicht  gehen,  da  dessen  Zug  in  die  ob« 
Satrapien  unter  ganz  anderen  Umständen  vor  sich  ging  und 
allem  mit  den  Kämpfen  um  Jeru^lem  in  keiner  Verbindung  sta 
Far  Sidetes  passen  ebenso  trefflich  die  Worte  ▼.  13  o  ^yefiw  \ 
17  ft€Ql  avtov  étvvnoataroç  âonovaa  ehai  dvvafiiç;  denn 
König  zog  mit  einem  Heer  hinauf,  das  auf  80000  beziffert  wi 
schlug  die  Parther  dreimal  und  warf  alles  nieder,  bis  er  an 
Zuchllosigkeit  seiner  Soldaten  zu  Grunde  ging.*} 

Dass  die  Juden  seinen  Tod  als  eine  Erlösung  mit  Frem 
begrüssten^  ist  leicht  zu  begreifen.  Man  darf  sich  durch  die  aasfti 
liehe  Erzählung  des  Josephus  nicht  beeinflussen  lassen,  der  einse 
und  übertrieben  den  Edelmuth  und  das  Wohlwollen  des  Sidetes  ge; 
die  Juden  hervorhebt.  Antiochos  hat  den  jüdischen  Kultus 
angetastet  gelassen,  aber  im  übrigen  die  Juden  vollständig  uni 
worfen,  was  natürlich  um  so  mehr  empfunden  ward,  als  man 
Unabhängigkeit  schon  erlangt  zu  haben  glaubte.  Es  ist  da 
durchaus  der  Sachlage  angemessen,  wenn  nicht  lange  nach 
125/4  V.  Chr.  der  Verfasser  des  2.  Makkabäerbuches  seinen  Dn 
gang  als  befreiendes  Ereigniss  mit  besonderem  Dank  erwähnt, 
waren   zwar  seitdem   etwa  vier  oder  fanf  Jahre  vergangen,*)  1 

1)  Diod.  XXVIII  3.  XXIX  15.     Slrabo  XVI  741  u.  a.  Stelien. 

2)  Bekannt  und  verwsndt  ist  der  Bericht  über  das  Schicksal  des 
Mithridat  gefangenen  M.'  Aquillius,  der  gleich  zur  Fabel  wurde.  Die  Be 
bei  Reinach,  Mithradates  Eupator  S.  126. 

3)  Nach  der  gewöhnlichen  Version  fallt  er  in  der  Schlacht,  nach  Ap] 
Syr,  68  nimnit  er  sich  das  Leben,  nach  Aelian  httt.  anim,  X  34  störst  er 
in  einen  Abgrund. 

4)  2.  Makk.  1,  12  alro^  yàç  eieß^aae  roi'Ç  na^araSaftepovs  ip  xf,  i 
noXei  eis  rrjy  IleQffiSa, 

5)  Diod.  XXXIV  15-17.    lustin.  XXXVIII  10. 

6)  Frölichs  apologetischer  Versuch,  die  Regierungszeit  des  Sideles  i 
bis  186  Sei.  (127/6  v.  Chr.)   auszudehnen  ist  nichtig.   Vgl.  Wernsdorff  S. 


DIE  BEIDEN  MAKKADÄERBOCHER  289 

ohne  Zweifel  bat  es  eine  Weile  gedauert,  ehe  die  Juden  das  er- 
freuliche Ereigoiss  ausnulzeo,  ihren  früheren  Zustand  wiederher- 
stclleo  und  ihre  Verluste  ersetzen  konnten.')  Von  dem  was  zunächst 
folgte,  wissen  wir  wenig,  mQssen  uns  aber  erinnern,  dass  Hyrkanos 
der  Hohepriester,  mit  Antiochos  gegen  die  Parther  gezogen  war 
ttod  dass  seine  Rückkehr  vielleicht  auf  sich  warten  liess.*)  Da  in 
Syrien  die  Thronstreitigkeiten  weitergingen,  so  war  es  den  Juden 
möglich,  sich  wieder  unabhängig  zu  machen.  Demetrios  IL,  der 
m  der  parthischen  Gefangenschaft  entlassene  Bruder  und  Nach- 
folger des  Sidetes,  der  sie  ohne  Zweifel  in  Abhängigkeit  hielt,  ward 
schon  nach  vierjähriger  Herrschaft  gestürzt;  Ptolemäos  VII.  Physkon, 
mit  dem  er  in  Krieg  kam,  sandte  ihm  einen  Nebenbuhler,  Alexander 
Zabinas  ins  Land,  und  diesem  gelang  es,  die  Herrschaft  zu  ge- 
wionen;  auch  die  Juden  schlössen  sich  ihm  an.')  Gerade  in  diese 
Zeil  125/4  v.  Chr.,  in  die  Anfänge  des  Zabinas,  fällt  das  Sendschreiben 
der  jerusalemischen  an  die  ägyptischen  Juden  und  die  Epitome  des 
Makkabäerbuches.  Ich  bin  weit  entfernt,  ihm  irgendwelche  poli- 
tiscbe  Bedeutung  oder  Absicht  zuzuschreiben,  aber  man  darf  sagen, 
data  es  nicht  übel  in  eine  Zeit  passt,  wo  die  Herrschaft  des  De- 
metrios beseitigt  war  und  zugleich  durch  die  Person  des  Zabinas 
zwiscben  Judäa  und  Aegypten  eine  neue  politische  Verbindung  sich 
gebildet  hatte. 

Ich  glaube  hiermit  gezeigt  zu  haben,  dass  die  groben  histo- 
nichen  und  chronologischen  Fehler  oder  Widersprüche,  die  man  in 
der  Einleitung  zu  finden  geglaubt  hat,  in  Wahrheit  nicht  exisliren. 
Dazu  kommt  nun  noch,  dass  man  den  Widmungsbrief  überhaupt 
Qicbt  wegschneiden  kann.     Lässt  man  ihn,  wie  manche  thun,  bis 


^  IcUtcD  Mâozea  des  Sidetes  haben  die  Ziffer  183  (130/29  v.  Chr.),  mit  dem- 
^beo  Jahre  beginnt  wieder  die  Prägung  des  Demetrios  II.  Babelon  rois  de 
Syrie  CXLI. 

1)  Sie  wandten  sich  damals  auch  an  die  Römer,  wie  das  Senatusconsult 
^^  Josephus  ant  XllI  260  ff.  zeigt. 

2)  Nach  Josephus  ant.  XIll  254  erfahrt  Hyrkan  den  Tod  des  Antiochos 
^^  Jadâa.  Aber  diese  Nachricht  ist  ein  willkürlicher  Zusatz  des  Josephus  zu 
xiier  früheren,  sehr  summarischen  und  stark  verschobenen  Erzählung  bell. 
^v^l62  und  daher  ohne  Wertb.  Da  wir  wissen,  dass  Hyrkan  mit  in  den 
^^^Q  ging,  so  liegt  nahe  zu  vermuthen,  dass  er  sammt  dem  übrigen  Heere 
'°^  in  Medien  war  und  vielleicht  in  irgend  einer  Weise  an  der  Katastrophe 
^''(ilDahm.  Wie  er  nach  Hause  kam,  ist  unbekannt. 

3)  lastin.  XXXIX  1.    Josephus  anL  XHI  269.    Euseb.  chron,  I  257  f. 


290  B.  NIESE 

2,  18  gehen  und  denkt  sich  ihn  fori,  so  kann  doch  unmöglich« 
Buch  mit  ▼.  19  ra  âk  xaià  tov  ^lovdav  tov  MoAxaßalof  f 
angefangen  haben,  auch  wenn  man  dk  auslässt.  Nothwendtg  mi 
noch  etwas  vorangegangen  sein;  der  Interpolator  wflrde  also  e 
frohere  Vorrede  beseitigt  und  durch  sein  eigenes  Machwerk  verdri 
haben.  Man  lese  ferner  die  Schlussworle  der  Vorrede  (2,  32):  i 
T€V^€v  ovv  ac^iüfie^a  T?]g  dirjyriaetüc  toîç  Ttgoêigrifiévoiç  ti 
ovTOv  im^ev^avreç'  evrj&eç  yàç  %o  fikv  Ttgo  ti;ç  latoç^ 
nleovàÇeiy ,  rfjv  ôk  laroçiav  èTcirefÀeîv,  Dies  bedeutet:  ,i 
so  viel  wollen  wir  dem  oben  Gesagten  hinzugefügt  haben  und  hi 
mit  unserer  Geschichte  beginnen;  denn  es  ist  thOricht  einer  kur 
Epitome  eine  lange  Einleitung  zu  geben/  Mit  dem  toaovvov  I 
^ev^avTsg  sind  ▼.  24—31  gemeint,  folglich  kann  unter  %oîç  n 
eiQTjfAévoiç  nicht  wohl  etwas  anderes  verstanden  werden  als 
c.  1 — 2,  13  gesagte.  Dies  gehört  alles  zusammen,  und  w 
man  also  die  Einleitung  1,  1—2,  18  wegschneidet,  so  muss  a 
der  Rest  des  2.  Capitels  fallen,  und  damit  die  Erwähnung  lai 
von  Kyrene,  der  dann  seine  Existenzberechtigung  verlieren  wtli 
Wirklich  liesse  sich  wohl  denken ,  dass  die  Darstellung  ohne  j 
Vorrede  c.  3  anfinge.  Aber  dann  muss  man  auch  den  Schluss 
Buches  15,  37 IT.  streichen;  denn  jeder  Leser  muss  sehen,  < 
dieser  Epilog  sich  an  die  Einleitung  2,  24  ff.  anlehnt  und  von  d 
selben  Manne  geschrieben  sein  muss.  Alles  greift  hier  in  einai 
ein,  und  der  überlieferte  Zusammenhang  kann  nicht  so  leicht 
rissen  werden.  Es  gelingt  nur  durch  sehr  gewaltsame  Mittel, 
sich  in  keiner  Weise  rechtfertigen  lassen. 

Schliesslich  erhebt  sich  noch  die  Frage,  was  denn  diese  1 
leituug,  diese  Briefe,  die  zwar  einen  Anfang  aber  kein  Ende  hal 
allein  für  sich  bedeutet  haben  sollten.  Als  selbständiges  Schriftsi 
haben  sie  offenbar  gar  keinen  Sinn,  und  so  wissen  denn  auch 
jenigen,  welche  sie  für  unecht  erklären,  in  Wahrheit  nichts  dj 
anzufangen.  Schon  ihr  Umfang  zeigt,  dass  sie  bestimmt  wa 
sich  an  ein  anderes  Werk  anzulehnen.  Wie  soll  ferner  ein  spät 
Bearbeiter  oder  Fälscher  dazu  gekommen  sein,  sie  an  die  Epit< 
aus  Jason  anzufügen?  Was  wollte  er  damit?  Was  dachte  er 
dabei?   Auf  diese  Fragen   fehlt  jede  ausreichende  Autwort.*) 


1)  iMan   kann   sich   nicht  mit  dem   begnügen,  was  Willricb  S.  77 
dass  , irgend  ein  Abschreiber,  schwerlich  der  Epitomator  selbst ,  diese  hi 


DIE  BEIDEN  MAKKABÂEKBOCHER  291 

hat  nicht  bedacht,  wie  UDwahrscbeiolich  es  ist,  dass  ein  Späterer 
dieses  so  eigenthOmliche  Schriftstück  oder  gar  iwei  oder  drei  Briefe 
zusammengesetzt,  mit  falschen  Daten  versehen  und  nachträglich  und 
ohne  Nothigong  einem  ganz  anders  gearteten  Werke  sollte  vor- 
gesetzt haben.  Man  hat  kein  Recht,  das,  was  man  dem  Epitomator 
Dicht  zutrauen  mag,  einem  späteren  Redactor  aufzubürden«  Ein 
Redactor  ist  auch  Schriftsteller.  In  Wahrheit  ist  dies  nur  ein  Noth- 
behelf;  eine  unbequeme  Last  wird  auf  den  geduldigen  RCIcken  eines 
fiogirten  Bearbeiters  oder  Fälschers  abgewälzt. 

Es  liegt  demnach  kein  zwingender  oder  auch  nur  wahrschein- 
licher  Grund  vor,  den  Widmungsbrief  von  der  Epitome  lasons  zu 
treoDen.  Er  gehört  an  die  Stelle,  wohin  ihn  die  Ueberlieferung 
setzt,  als  die  Vorrede,  die  der  Verfasser  der  Epitome  seinem  Werke 
vorgesetzt  hat,  und  zwar  in  Form  eines  Briefes  der  jerusalemischen 
Judeo  an  die  ägyptischen,  insbesondere  an  Aristobulos.  Es  ist  also 
eio  litterarischer  Brief,  der  sich  dabei  ganz  auf  dem  Boden  der 
Wirklichkeit  bewegt.  Der  Adressat  Aristobulos  ist  sicher,  wie  schon 
die  Alten  annahmen,  der  bekannte  jüdische  Philosoph,  der  unter 
Ptolemäos  Philometor  schrieb  und  also  seine  Lebenszeit  noch  bis 
auf  Pbyskon  ausgedehnt  hat,*)  und  auch  an  der  Realität  des  an- 
geblichen Absenders  Judas  brauchen  wir  nicht  zu  zweifeln.  Die 
beiden  Jahreszahlen  entsprechen,  wie  oben  ausgeführt,  den  Zeit- 
▼erhültoissen  so  gut  wie  nur  möglich.  Die  zweite  ist  das  Datum  des 
Briefes,  die  erste  bezeichnet  ein  früheres  Schreiben,  dessen  Existenz 
>Qch  nicht  bezweifelt  zu  werden  braucht.  Wenigstens  liegt  darin 
nichts,  was  den  Umständen  widerspräche;  die  Beziehungen  zwischen 
<Ien  jQdischen  Gemeinden   in  Jerusalem  und  Alexandreia  waren  ja 

Schreiben  Gott  weUs  wo  vorgefunden  und  sie,  auf  dass  sie  nicht  umkammen 
■Dôchteo,  dem  Einleilungsbriefe  des  Judas  Makkabäus  vorangestellt  hätte/ 
^Df  solche  Weise  kann  man  auch  die  Unechtheit  der  Einleitung  des  Thuky- 
dides  beweisen. 

1)  Vgl.  SchOrer  Geschichte  des  jüdisches  Volkes  III  384.  Diese  Annahme 
li^t  nicht  die  geringste  Schwierigkeit;  denn  sonst  wissen  wir  über  Aristobuls 
^ît  mil  Sicherheit  nur  das  eine,  dass  er  seine  Schrift  an  Ptolemäos  Philo*» 
iB^^or  richtete.  Wenn  er  hier  im  2.  Makkabäerbuch  Lehrer  des  Königs  Ptolemäos 
geotont  wird,  so  ist  darunter  natürlich  Pbyskon  zu  verstehen,  was  keine 
^i^wierigkeiten  hat  und  auch  das  Verhällniss  zu  Philometor  nicht  berührt; 
aeno  Philometor  und  Physkoo  waren  Brüder  mit  geringem  Altersunterschied. 
Auch  war  Pbyskon,  wie  neuere  Ermittelungen  gezeigt  haben,  keineswegs  prin- 
^Pieller  Jadenfeind.  V^illrich  Juden  und  Griechen  S.  150  ff. 


292  B.  NIESE 

zahlreich  und  innig  genug.  Daraus  folgt  weiter,  daas  das  2.  MakluH-i 
baerbuch  wirklich  125/4  ▼•  Chr.  geschrieben  und  also  Alter  ist  ak^ 
das  erste. 

Es  kann  also  nicht  die  Rede  davon  sein«  dass  im  2.  Makka^ 
baerbuche  das  erste  benutst  oder  bekämpft  werde,  wie  Geiger') 
und  mit  starker  Uebertrcibung  Kosters')  behauptet  haben.  Es 
bestehen,  wie  oben  S.  271  ff.  ausgeführt  wurde,  gewisse  Unter» 
schiede  in  den  religiösen  Anschauungen  der  beiden  Werke,  sber 
es  fehlt  jede  Spur  eines  geflissentUchen  Widerspruches  oder  einer 
Polemik,  die  man  nur  desshalb  gefunden  hat,  weil  man  von  vorn- 
herein von  dem  höheren  Alter  des  1.  Makkabaerbucbes  Qbeneagt 
war.  Das  gleiche  gilt  von  einer  Stelle  des  2.  MakkabaerbucbeSi 
wo  Geiger  und  mit  ihm  Wellhausen  *)  eine  absichtlich  abweicheade 
Beürtheilung  der  Asidäer  zu  bemerken  glauben.  Nach  dem  1.  Hak« 
kabäerbucb  7,  13  sind  sie  friedliche  Leute,  die  dem  llohenpnestar 
Alkimos  und  Bakchides  freundlich  entgegenkommen,  dafür  aber  asls 
roheste  misshandelt  werden,  wahrend  im  2.  Makkabaerbuche  14, 6 
Alkimos  beim  Könige  Demetrios  I.  die  Asidaer  als  die  Freunde  des 
Judas  und  Erzunruhestifler  anschwärzt.  Man  hat  übersehen,  da« 
hier  eine  dem  gottlosen  Alkimos  in  den  Mund  gelegte  Anschuldigoog 
vorliegt,  die  der  Schriftsteller  gewiss  nicht  als  Wahrheit  angesehen 
wissen  will.  Man  kann  also  sehr  zweifelhaft  sein,  ob  hier  auch 
nur  ein  abweichender  Bericht  vorliegt;  vollends  von  absichtlicher 
Polemik  oder  Widerspruch  ist  nicht  die  leiseste  Spur.^)  Was  end- 
hch  Hugo  Willhch^)  vorgebracht  hat,  um  die  Abhängigkeit  des 
2.  Makkabäerbuches  vom  ersten  zu  erweisen,  beruht  auf  so  un- 
sicherer Vermutliung,  dass  es  nicht  ernstlich  in  Betracht  kommen 
kann.     In  Wahrheit  existirl  im  2.  Makkabaerbuche  kein  HioweiSi 


1)  Urschrift  S.  219  ff. 

2)  TkeologUck  TijdMchriß  1878  S.  49 Iff. 

3)  Pharisäer  und  Sadducäer  82. 

4)  Wellhausen  S.  81  hebt  noch  hervor,  dass  die  Asidaer  im  2.  Makki- 
baerbuch  nur  an  jener  Stelle  vorkommen  und  schliesst  daraus,  dass  ihre  E^ 
wahnuDg  au  den  Haaren  herbeigezogen  sei.  Aber  auch  im  1.  Makkabäerbaeb 
werden  sie  nur  zweimal  genannt.  Daraus  folgt  also  nichts.  Ebensowenig  kiOQ 
ich  mit  Wellhausen  zwischen  1.  Makk.  2,  42  und  2.  Makk.  14,  6  eloeo  Gegen- 
satz entdecken.  Beide  Stellen  stimmen  vielmehr  ziemlich  überein,  da  sich  voA 
der  ersleren  ergiebl,  dass  wenigstens  früher  die  Asidaer  zu  Judas  gehalten  habeo 
und  daher  Alkimos  mit  seiner  Anklage  vielleicht  nicht  ganz  Unrecht  halte. 

5)  Juden  und  Griechen  S.  69. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÂERBOCHER  293 

• 

leBezitfhuDg  auf  das  erste;  von  dieser  Seite  steht  also  der  Qber- 
iften  Zeitbestimmung  nichts  im  Wege,  und  ebenso  wenig  bildet 
religiose  Standpunkt,  die  pharisäischen  Lehren  des  Verfassers 
Hioderniss.  Die  Sekte  der  Pharisäer  wird  zuerst  unter  Simon 
Ibnt,  bestimmter  und  sicherer  dann  unter  Johannes  Hyrkanos, 
ihr  Schüler  gewesen  sein  soll,  dem  sie  aber  trotzdem  viel  zu 
Ben  machten.*)  Zur  Zeit,  aus  der  die  Vorrede  des  2.  Makka- 
bucbes  datirt  ist,  stehen  sie  in  voller  BlOthe. 
Es  bleibt  also  dabei,  dass  die  Epitome  lasons  im  Jahre  125/4 
sr.  geschrieben  worden  ist,  und  noch  früher  das  Original  selbst. 
1  stimmt  auch,  was  wir  aus  den  sonstigen  Beziehungen  des 
les  ermitteln  können.  Es  ist  zu  Grunde  gelegt  dem  sogenannten 
lakkabäerbuche ,  dem  Traktat  negl  avTOxçâtOQoç  loyiofiov, 
dem  man  annimmt,  dass  er  jedenfalls  vor  der  Zerstörung  des 
pels  (70  n.  Chr.)  abgefasst  ward.  Ebenso  wird  es  voraus- 
it  im  3.  Makkabäerbuch;  denn  die  Art,  wie  dort  Ptolemäos  IV. 
!n  der  beabsichtigten  Entweihung  des  Tempels  von  Gott  ge- 
l  wird,^  erinnert  so  stark  an  die  Geschichte  Heliodors,  dass 
Entlehnung  von  da  sehr  wahrscheinlich  ist.  Man  setzt  diese 
ift  mit  Ewald  gewöhnlich  in  die  Zeit  Caligulas,  sie  kann  aber 
[  wohl  noch  älter  sein.  Endlich  findet  man  mit  einiger  Wahr- 
nlichkeit  im  Brief  an  die  Ebräer  11,  35  einen  Hinweis  auf 
Martyrien,  wie  sie  2.  Makk.  6  und  7  erzählt  werden.  Von 
;>bus  nimmt  man  an/)  dass  er  das  Buch  nicht  kenne  und  hat 
18  auf  einen  verbal tnissmässig  jungen  und  apokryphen  Charakter 
Jben  schliessen  wollen.  Allerdings  citirt  Josephus  es  nirgendwo, 
dies  beweist  nichts;  denn  auch  das  1.  Makkabäerbuch,  das 
och  so  ausgiebig  benutzt  hat,  nennt  er  nicht.  Er  hat  ferner 
;e  Nachrichten,  die  das  1.  Makkabäerbuch  nicht  hat,  mit  dem 
iten  gemeinsam,^)  und  ich  werde  weiterhin  Gelegenheit  haben  zu 
eD,  dass  er  sie  wahrscheinlich  diesem  oder  dem  lason  entlehnt 
in  Wahrheit  also  denjenigen  Schriftstellern  beizuzählen  ist,  die 
lasoQ  beeinflusst  worden  sind. 


1)  Josephus  ant.  XHI  171  ff.  288  (f. 

2)  3.  Makk.  1,  10-2,  24. 

3)  Grimm  S.  20. 

4)  Grimm  S.  13.    Am  b^merkeDswerthesten   ist  der  Tod  des  Menelaos. 
^P^QS  ant.  XU  383  ff.  und  2.  Makk.  13,  3  ff. 


294  B.  MESE 

Weitere  Prüfung  des  2.  Makkabäerbuches. 

Die  herrscheode  Ansicht  entnimmt  ihr  Unheil  über  den  We 
des  2.  Makkabäerbuches  der  Beschaffenheit  der  Nachrichten  ^  < 
mancherlei  Mängeln  derselben,  in  denen  man  Zeichen  einer  jünger 
den  Ereignissen  selbst  schon  sehr  fern  stehenden  Zeit  zu  erkeni 
glaubt.  Auch  dies  ist  ein  Irrlhum,  der  im  nachfolgenden  berichi 
werden  soll.  Es  ist  dem  Buche  ergangen,  wie  manchem  ande 
es  ward  verkannt,  weil  man  es  nicht  richtig  verstand. 

Die  volle  Würdigung  der  Nachrichten  ist  freilich  nicht  p 
leicht,  weil  fast  die  gesammte  Ueberlieferung  jener  Zeit  in  den  beid 
Makkabâerbttchern  niedergelegt  worden  ist  und  es  an  einer  nid 
jüdischen,  unparteiischen  Darstellung,  die  ah  Prüfstein  dienen  kODO 
gänzlich  fehlt.  Aus  den  Werken  der  profanen  Historiker,  Polfbi 
Poseidonios,  Timagenes,  Nikolaos  ist  hierfür  kaum  etwas  erhalte 
Josephus  in  der  Archäologie  hängt  ganz  von  den  Makkabäerbüebi 
ab,  und  auch  sein  Abriss  im  Bellum  ludaicum  ist  von  densdb 
wenigstens  beeinflusst,  überdies  stark  verkürzt  und  durchaus  nii 
unparteiisch.  Er  ist  sicherlich  von  Werth,  darf  aber  nicht  ok 
genauere  Prüfung  zur  Coulrolle  benutzt  werden  und  wird  dil 
vorläufig  besser  bei  Seite  gelassen.  Gleichwohl  genügt  udm 
Kenntniss,  um  zu  behaupten,  dass  im  2.  Makkabäerbuche  maoc 
sehr  gute  Nachrichten  enthalten  sind.*) 

Eine  besondere  Beachtung  verdienen  zunächst  die  gelegeotli 
eingefügten  Notizen  aus  der  syrischen  Geschichte,  die  sich  in  il 
allein  finden.  Sie  gelten  mit  Recht  als  vertrauenswürdig  und  si 
daher  auch  allgemein  angenommen  und  benutzt  worden.  Wir  bOi 
z.  B.  (4,  21)  von  der  Gesandtschaft,  die  Antiochos  Epiphanes  bei( 
legenheit  der  Mündigkeitserklärung  des  jungen  Ptolemäos  Philome 
an  den  ägyptischen  Hof  schickte,  wobei  zum  ersten  Male  die  kric 
rischen  Absiebten  der  Aegypter  deutlich  zu  Tage  traten.  I 
stimmt  zu  unseren  sonstigen  Nachrichten,  aus  denen  hervorg 
dass  die  Feindseligkeiten  erst  nach  dem  Tode  der  Kleopatra, 
Mutter  und  Vormünderin  des  jungen  Ptolemäos  ihren  Anfang  nahii 
Bei  anderer  Gelegenheit  (10,  13)  wird  Ptolemäos  Makron  erwa 
der   als   Statthalter   von  Cypern    von   den  Aegyptern    zu  AnUo* 


1)  Eine  Reihe    von    Einzelheiten   wird    im    nächsten  Heft   zur  Spi 
kommen. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  295 

irgiog.  In  der  That  wissen  wir  aus  Polybios,  dass  dieser  Ptole- 
os  längere  Zeil  Cypern  verwaltet  hat.*)  Auch  was  über  Phüippos 
Q  Nebenbuhler  des  Lysias  erzählt  wird,  seine  Flucht  zu  Pbilo- 
stor  nach  Aegypten  (9,  29),  ist  nicht  zu  beanstanden.  1.  Makk. 
63  schweigt  zwar  davon,  widerspricht  aber  auch  nicht.')  Weiter- 
D  (13,  25)  wird  erzählt,  dass  der  Vertrag  Eupators  niit  den  Juden 
Ptolemais  lebhafte  Unzufriedenheit  erregte,  und  dass  Lysias  die 
regten  Bürger  beschwichtigen  niussle.  Ganz  natürlich;  denn 
lolemais  war,  da  es  an  Galiläa  grenzte,  am  Kriege  zunächst  be- 
leiügl,  hatte  wahrscheinlich  mancherlei  Unbill  von  den  Aufstän- 
schen  erfahren  und  war  ihnen  daher  besonders  feindlich  gesinnt.') 
D  diesen  und  ähnlichen  Stellen  haben  wir  offenbar  Stücke  einer 
înaueren  Geschichtschreibung,  die  über  Ereignisse  und  Personen 
Syrien  gut  unterrichtet  war.  Ganz  entsprechend  giebt  uns  ferner 
IS  2.  Hakkabäerbuch  allerlei  Auskunft  über  Stalthalter  und  sonstige 
loigliche  Beamte  im  südlichen  Syrien,  die  wir,  obwohl  es  die 
ideo  so  nahe  anging,  im  1.  Buche  vergeblich  suchen.  Wir  er* 
hren,  wer  die  Besatzung  der  Burg  in  Jerusalem  befehligte,  wer 
I  Judäa,  wer  in  Samarien  kommandirte^  wer  Strateg  in  COlesyrien 
Bd  PhOnizien  war.^)  Es  wird  uns  berichtet,  dass  bei  dem  Re- 
eruDgswechsel  nach  dem  Tode  des  Epiphanes,  wie  es  oft  geschah, 
eser  Strateg,  der  schon  erwähnte  Ptolemäos  Makron,  ein  ge- 
ässigter  Mann,  in  Ungnade  fiel  und  durch  einen  anderen,  Prot- 
thos,  ersetzt  ward.  Bemerkenswerlh  ist  ferner  die  Genauigkeit, 
it  welcher  Amt  und  Titel  dieser  Würdenträger  gegeben  werden, 
eamte  wie  der  Strateg  von  COlesyrien  und  PhOnizien  (3,  5  u.  a.), 
TEleplianiarches  (14,  12),  die  Ehrentitel  Freund  oder  Milchbruder 
9  Königs')  haben  genau  die  Benennungen,  wie  wir  sie  aus  den 
ibriflstellern  und  Monumenten  kennen.^)  Der  berühmte  Heliodoros 
isst  Ini  %(jjv  TtçayfAârwv  ;  in  der  That  ist  dies  am  seleukidischen 
d  später  am  pergamenischen  Hofe  der  übliche  Name  der  höchsten 
imten;  dass  ihn  Heliodoros  führte,  lehrt  eine  ihm  zu  Ehren  in 


1)  Polyb.  XVIll  55,  6.  XXVII  23. 

2)  Nor  Josephus  ant.  XII  3S6  erzählt,  dass  Philippos  von  Äntiochos  V. 
^dtet  ward.    Aber  dies  ist  offenbar  ein  Missverständniss. 

3)  1.  Makk.  5,  15(r. 

4)  2.  Makk.  4,  27.  5,  22  ff.  8,  8. 

5)  7\ôr  nçfûT(ov  tpihav  %,  9.    aivxQOfoi  9,  29. 

6)  BCH.  XIV  587.  I  285. 


296  B.  NIESE 

Delos  gesetzte  Inschrift.*)  Ganz  natürlich  ist,  dass  zuweilen  Tit« 
vorkommen ,  von  denen  wir  sonst  nichts  wissen ,  wie  5,  24  di 
Mysarch  (jÀvadgxVS)*  ^-  b*  ^^^  Befehlshaber  der  Myser,  die  w 
unter  Antiochos  HI.,  aber  auch  unter  Epiphanes  als  ein  besonder! 
Truppencorps  kennen,*)  und  der  Kypriarch,')  der  ebenfalls  a 
Oberster  einer  Kyprier  genannten  Truppenabtheilung  anzusehen  m 
Auch  diejenigen  Stttcke,  deren  GlaubwOrdigkeit  mit  Grund  ai 
gefochten  wird,  zeigen  doch  deutliche  Spuren  einer  genauen 
Kenntniss  des  Epiphanes  und  seiner  Zeit.  Der  Sturz  aus  de 
Wagen  ^  mit  dem  die  Krankheit  des  Königs  beginnt  (9,  8),  nu 
wohl  eine  Fabel  sein  ;  aber  es  scheint,  dass  man  wirklich  von  E( 
phanes  derartiges  erzählte;  nach  einer  Notiz  des  Granius  Liciniam 
(p.  9  Bonn)  geschah,  was  hier  dem  Könige  begegnet,  seiner  Leicb 
die  auf  dem  Wege  nach  Antiochien,  da  die  Zugthieren  scheu  wurdet 
aus  dem  Wagen  in  den  Fluss  geschleudert  ward.  Reuevoll  versprid 
Antiochos  in  seiner  letzten  Krankheit  den  misshandelten  Jndei 
hohe  Ehren  und  Entschädigung;  er  will  sie  alle  den  Athenen 
gleich  halten  :  ndviag  avjoiç  ïaovç  'A&r^vaiotç  noifjanv  (v.  15) 
Wenn  dies  Capitel  auch  schweren  kritischen  Bedenken  unter* 
liegt,  so  muss  doch,  wer  so  schrieb,  die  Gesinnung  des  AntiodMH 
gut  gekannt  haben.  Es  ist  genugsam  bekannt,  dass  dieser  FW 
eifriger  Phiihellene  war,  am  meisten  aber  den  Athenern  seine  GoBil 
zuwandte.  Er  hat  bei  ihnen  eine  Zeitlang  gewohnt,  war  dor< 
Strateg,  und  Polybios^)  und  andere  Historiker  berichten  von  del 
grossen  Wohlthaten ,  die  er  ihnen  erwies.  Eine  erwünschte  E^ 
läuterung  zu   diesen  Berichten  ist  neuerdings  in  den  Inschriften 

1)  Bull.   corr.  hell,  1  285  'HXt6B<oQav  Atcxylov  l4rj[ioxéa]  %op  m 

vayfiévop  xrL,  vgl.  III  364.  Polyb.  V  41,  2.  Frinkel  Insclir.  v.  PergamM 
171 — 176.  Aehnlich  wird  2.  Makk.  11,  1  der  Titel  des  Lysias  correct  ond  Ml 
rûhrlich  wiedergegeben  inirçonas  rov  ßaaeliofs  xal  avyyêyrje  uni  ini  fà 
TïçayfiarafVf  vgl.  10,  11. 

2)  Liv.  XXXVIi  40,  8.  Polyb.  31,  3,  3.  Die  gewöhnliche  Erklirnog  ,Ei 
bosewichl*,  von  fivaoe,  die  sich  noch  in  Reusbcns  und  Kamphaaseos  Ueb< 
Setzung  findet  (Kautzsch  Apokryphen  96)  ist  ganz  verkehrt,  ebenso  die  ( 
Wahrheit  näher  kommende  Erklärung  des  H.  Grotios,  dass  Mysirch  den  | 
wesenen  Statthalter  von  iMysien  bedeute. 

3)  4,  29,  auch  inl  rœv  Kvnçlofv  12,  2. 

4)  XXVI  1.  lieber  seine  Anwesenheit  in  Athen  und  die  dort  bekleid 
Strategie  Appian  Syr,  45.  Catalogue  of  Greek  coins  in  the  Brit,  Mum.  AU 
p.  36.     Reinach  revue  des  et.  grecques  I  (1688)  168. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  297 

ion  PergainoD*)  zu  Tage  gekommeD,  ein  in  Pergamon  aufgestellter 
VollLsbeschluss  der  Aoliochener  aus  deo  ersten  Jahren  des  Antiochos 
10  Ehren  des  Eumenes  II.  und  seiner  Brüder.  Dieses  Décret  ist 
genau  in  den  Formen  der  attischen  VolksbeschlQsse  gehalten,  und 
wir  lernen  daraus,  dass  Antiochos  die  attische  Kanzleisprache  in 
Antiochien  eingeführt  hat;  wahrscheinlich  hat  er  auch  athenische 
Kolonisten  dahin  verpflanzt  und  scheint  sogar  die  Verfassung  der 
Stadt  nach  athenischem  Muster  umgestaltet  zu  haben.*)  Antiochos 
war  ein  begeisterter  Bewunderer  Athens,  und  dies  hat  der  Verfasser 
in  dem  Briefe  an  die  Juden  zum  Ausdrucke  gebracht;  er  verspricht 
ihnen  das  höchste,  was  es  nach  seiner  Schätzung  giebt,  er  will 
sie  den  Athenern  gleich  machen. 

Aehnlich  steht's  mit  seinem  Brief  an  die  Juden,  der  im  folgen- 
den mitgetheilt  wird.    Schon  die  Adresse  ist  sehr  bemerkenswerth. 
El  heisst  (9,  19):  toIç  x^ijairoZç  ^lovôaloiç  rolç  noliraiç  noXlà 
Xalçiif  xal  vyialvBiv  xcri  ev  nçàrzeiv  ßaaiXevc  nai  aTçarrjyoç 
Anloxoç.     Die  Juden  werden  nolUai,  als  Mitbürger  angeredet, 
wahrscheinlich  mit  Rücksicht  darauf,  dass  Jerusalem  den  Namen  An- 
tiocheia  und  die  Juden  Antiochener  genannt  waren,  wie  das  2.  Mak- 
hbaerbuch  vorher  (4,  9)  mitgetheilt  hat,  welche  Nachricht  wieder- 
un  sehr  gut  zu  der  von  den  Münzen  bezeugten  Thatsache  stimmt, 
data  unter  Antiochos  mehrere  Städte  sich   dem  Könige  zu  Ehren 
Altiocheia   nannten.')    Er  selbst  ferner  nennt  sich  Strategen  der 
Jaden,  und  auch  dies  hat  seine  Bedeutung.   Wir  wissen  aus  einem 
hernbmten  Fragment  des  Polybios  XXVI  1,   wie  lebhaft  sich  An- 
tiochos für  das  Gemeindeleben  der  Städte  inleressirte;  er  war  in 
Athen  Strateg,  bewarb  sich  in  Vermischung  römischer  und  grie- 
f    cUtcber  Sitte  auch  daheim  um  die  städtischen  Aemter  und  strebte 
'    eifrig  nach  Popularität.    Diese  Eigenart  wird  hier  in  dem  Briefe  zum 
iosdruck  gebracht,  er  nennt  sich,  um  den  Juden  zu  schmeicheln, 
ihren  Strategen,  und  wer  weiss,  ob  er  nicht  in  Jerusalem  wirklich 
eiomal  zum  Strategen  gewählt  worden  ist? 

Schliesslich  weise  ich  noch  auf  das  2.  Makk.  1 1 ,  34  IT.  mil- 
getbeilte  Schreiben  der  römischen  Gesandten  hin.     Ich  weiss,  dass 

1)  lofichr.  V.  Pergamon  I  d.  160. 

2)  Vielleicht  hat  er  einige  attische  Monate  Oberoommen.  In  dem  bei 
JoMphns  ant.  XII  264  erhaltenen  Schreiben  des  Epiphanes  wird  nach  dem 
fiekatombien  datirt    Freilich  macht  diese  Stelle  noch  Schwierigkeiten. 

3)  BabeloD  roU  de  Syrie  Gl.    Steph.  Byz.  8.  Ta^oç, 


298  B.  NIESE 

viele  es  für  geßilscht  aoseheo,  aber  in  jedem  Falle  entspricht  et 
ebeDRO,  wie  die  drei  auderen  Briefe  dort  voUkommeo  dem  Kaoilei- 
Stil  der  damaligen  Zeit,  d.  h.  des  2.  vorchristlichen  Jahrhunderts* 
Insonderheit  führen  die  beiden  Gesandten,  Quintus  Memmius  und 
Titus  Manlius  nur  zwei  Namen,  Nomen  und  Gentile,  oboe  Cog- 
nomen, ganz  wie  es  der  Brauch  der  damaligen  Zeit  vorBchreibL*) 
Schon  gegen  das  Ende  des  Jahrhunderts  gerieth  bekanntlich  dieser 
Gebrauch  ins  Schwanken,  und  besonders  vornehme  Familien,  wm 
denen  auch  die  Manlier  gehören,  fingen  an  ihre  Cognomina  bei«- 
zusetzen,*)  und  dies  wird  weiterhin  so  allgemein,  dass  bekanntlich 
die  Historiker  auch  den  Personen  der  Vergangenheit  die  Cognomiiw . 
anzuhängen  pflegten.  Es  ist  daher  wohl  bemerkenswerth,  dass  ki 
dieser  Hinsicht  der  erwähnte  Brief  des  2.  M akkabäer huches  ^i 
keinem  Bedenken  Anlass  giebt. 

Endlich  zeigen  auch  Sprache  und  Wortschatz  des  2.  Makkabüer- 
huches  durchaus  die  Gestalt,  wie  wir  sie  aus  der  sonstigen  Litte- 
ratur  des  2.  Jahrhunderts  kennen.     Ich   brauche  es  nicht  zu  be- 
weisen,  da    es   allgemein   anerkannt   ist    und    auch  die  Erkiflrer 
wiederholt  darauf  hingewiesen  haben.     Es  ist  im  wesentlichen  die 
Sprache  des  Polybios,')  die   sich  zugleich  auch  in  den  Urkundeo 
der  Zeit  findet.^)     Auch  in  dieser  Hinsicht  passt  das  2.  MakkabSer- 
buch  vollkommen   in  die  Zeit  hinein,  in  die  es  durch  das  Datum    1 
der  Vorrede  gesetzt  wird.     Dagegen  wird  jeder  Unbefangene  es  ab    | 
höchst  unwahrscheinlich,  ja  fast  unmöglich  ansehen,  dass  in  spl- 
terer  Zeit  ein  jüdischer  Schriftsteller,   noch  dazu  ein  tendenziöser 
Fälscher,   sich   eine   so  gute   und  genaue  Kenntniss  der  Zeit  uad 
ihres  Geistes  sollte  angeeignet  haben,  wie  wir  hier  finden,  zumal  da 
diese  Zeit  und  ihre  Litteratur  sehr  bald  dem  Gedächtnisse  der  Nach- 


t)  Dies  ist  eine  allgemein  bekannte  Thatsache,  über  die  ich  z.  B.  auf 
Mommsen  Rom.  Forsch.  I  47  verweisen  kann. 

2)  Z.  B.  in  der  Inschrift  aus  Dyme  Kotvroç  <Paßios  Kotvrov  Ma^ifios 
Dittenberger  syll,  P  316.     Ebenso  die  Scipionen. 

3)  Dem  z.  B.  der  weite  Gebrauch  von  ;^o£^a  entspricht,  vgl.  die  Erklärer 
zu  8,  20  und  Grimms  Commenter  S.  7. 

4)  Häufiger  ist  im  2.  Makk.  (z.  B.  5,  11)  der  Gebrauch  von  àtala^Afiôrêw 
in  der  Bedeutung  von  vnoka/Lißaveiv.  Dasselbe  findet  sich  z.  B.  in  der  etwas 
jüngeren  ephesischen  Inschrift  bei  Dittenberger  syli,  P  329,  20.  Mao  vergleiche 
lerner  11,  23  im  Briefe  des  Antiochos  Kupator  den  Ausdruck  vov  naxQos  ^finv 
eU  d'eovs  /ißraarapros  mit  der  Inschrift  von  Hierapolis  énei  ßaaiXtcaa  *^noi- 
liüvis  —  fisd'iartjHep  eis  d'eote.    Alterthümer  von  Hierapolis  S.  78  D.  30. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  299 

well  entschwand  und  nur  in  dunkeln  Umrissen  bekannt  blieb,  da 
aach  die  Schreibart  unter  dem  Einflüsse  neuer  Richtungen  erheb- 
liche Wandlungen  erfuhr. 

Alle  Indicien  treffen  also  dahin  zusammen,  dass  wir  im  2.  Makka- 
bäerbuch  und  seinem  Original  lason  von  Kyrene  ein  zeitgenössi- 
sches Geschichtswerk  aus  der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
besitzen,  und  dass  wir  keinen  Grund  haben,  diese  in  der  Vorrede 
aosdrQcklich  überUeferte  Thatsache  bei  Seite  zu  schieben. 

lason  von  Kyrene. 

lason  von  Kyrene,  dem  wir  uns  jetzt  zuwenden,  muss  nach 
dem  Siege  des  Judas  Ober  Nikanor  als  dem  letzten  berichteten 
Ereignisse  (162/1  v.  Chr.)  und  vor  dem  Jahre  der  Epitome  (125/4 
▼•  Chr.)  geschrieben  haben.  Was  wir  von  ihm  wissen,  beruht  allein 
auf  der  Aussage  des  Epitomalors  (2, 19  ff.)  und  der  Beschaffenheit 
der  Epitome;  daran  müssen  wir  uns  halten.^)  Wir  dürfen  ohne 
Bedenken  annehmen,  dass  der  Epitomator,  wie  es  zu  geschehen 
pflegt,  sich  oft  wörtlich  an  das  Original  angeschlossen  hat. 

lason  schrieb  also  eine  Geschichte  der  jüdischen  Erhebung 
UQUr  Hakkabäos  und  seinen  Brüdern  in  fünf  Büchern  in  dem  um- 
böge, wie  ihn  das  2.  Makkabäerbuch  andeutet,  d.  h.  als  Einleitung 
^^d  die  Vorgeschichte  vorausgeschickt  und  den  Schluss  bildete 
die  Niederlage  Nikanors.  Zwar  nennt  der  Epilomator  in  seiner 
(kurzen  Nachricht  2,  20  nur  die  Kriege  unter  Antiochos  Epiphanes  und 
Enpator  und  erwähnt  nicht  den  Demetrios  L,  unter  den  die  letzten 
Ereignisse  fallen.  Aber  dies  darf  nicht  maassgebend  sein,  da  hier 
keine  vollständige  Inhaltsangabe  gegeben  wird  und  im  übrigen  der 
Auszug  selbst  für  das  Original  zeugt.  Uebrigens  wird  die  Zeit  des 
l^enoetrios  nur  in  ihren  Anfängen  berührt.  Ich  hebe  dies  hervor, 
^^il  manche,  darunter  Hugo  Grotius,  vermuthet  haben,  dass  im 
^-  Makkabäerbuch  ausser  lason  noch  ein  anderes  Werk  ausgezogen 
forden  sei.  Dies  ist  jedoch  unwahrscheinlich;  denn  warum  sollte 
^tt  Epitomator  es  nicht  gesagt  haben?  Ebenso  wenig  darf  man 
'onehmen,   wie  gleichfalls   vermuthet  worden   ist,')  dass  die  Vor- 

1)  Ob  der  lason  voo  Kyreoe,  dessen  Namen  man  an  der  Wand  eines 
'^tischen  Tempels  gefunden  hat,  unser  Schriftsteller  ist,  lässt  sich  natürlich 
oicbt  sagen  und  ist  auch  von  geringem  Belang.    Schflrer  111  361. 

2)  Neuerdings  von  Adolf  BQchler  Die  Tobiaden  und  die  Oniaden  im 
2- Makkabaerbuchc  S.  277  ff. 


300  B.  NIESE 

geschichte  des  Aufstandes  c.  3 — 5,  weil  in  der  Vorrede  nicht  ai 
drücklieb  erwähnt,  nicht  aus  lason  stamme;  es  ist  kaum  denkb 
dass  der  Historiker  diese  für  das  Verständnits  der  Erhebung 
wesentlichen  Ereignisse  wider  allen  Brauch  sollte  übergangen  babi 
lason  war  nach  Ausweis  der  Darstellung,  wie  auch  der  Naa 
das  hellenisirte  Jesus,  andeutet,  ein  Jude  und  schrieb  seine  C 
schichte  in  der  Absicht,  die  Heldenthaten  seiner  Landsleute,  t 
sonders  des  Judas  Makkabäos  und  seiner  Brüder  zu  verherrliebi 
Dies  geschieht  nach  der  Weise  der  damaligen  griechischen  Geschicl 
Schreibung,  d.  h.  mit  den  Künsten  der  Rhetorik.  Dies  lehrt  die  Ran 
habung  der  Sprache  und  Sprachmittel  der  Epitome;  lason  muss  eis« 
blühenden  Stil  geschrieben  haben  mit  poetischen  Wendungen  hi 
allerlei  ungewöhnlichen  Wortbildungen.^)  Besonders  deutlich  u 
sicher  erkennt  man  seine  Art  an  der  Behandlung  des  Stoffes,  «i 
sie  auf  jedem  Blatt  des  2.  Makkabäerbuches  hervortritt  und  sdw 
oben  S.  271  ff.  kurz  angedeutet  wurde.  Dazu  gehört  die  U«btf 
treibung  des  jüdischen  Heroismus  wie  der  Grausamkeit  und  Gott 
losigkeit  der  Feinde,  das  Streben  nach  starken  Effecten  in  ScUMe 
rungen  und  Erfindungen.  Hervorragende  Beispiele  sind  die  6e 
schiebte  Heliodors,  die  Hinrichtung  des  greisen  Eleazar,  der  Tt< 
des  Antiochos  Epiphanes,  das  wunderbare  Ende  des  Menelaoi  m 
der  Selbstmord  des  Razis,  der  unseren  Theologen  so  schweni 
Anstoss  gegeben  bat.')  Gewallig  übertrieben  ist  die  Zahl  der  ttai 
liehen  Streiter  und  der  Erschlagenen;  es  geht  meist  in  die  Zel» 
lausende.  Antiochos  Eupator  und  Lysias  ziehen  163/2  v.  Chr.  jflk 
mit  110000  Mann  zu  Fuss,  5300  Reitern,  22  Elepbanten  u 
300  Sichelwagen  gegen  Judäa  ins  Feld.'j  Erwägt  man,  dass  ài 
tiochos  der  Grosse  nach  langen  Rüstungen  in  der  Schlacht  b 
Raphia  217  v.  Chr.  alles  in  allem  nicht  ganz  70000  Mann  insP< 
stellte,  bei  Magnesia  kaum  60000,^)  so  ist  ohne  Weiteres  klar,  dl 
die  Zahlen  in  mindestens  zehnfacher  VergrOsserung  erscheinen,   i 


1)  Poetisch  ist  z.  B  2.  Maklc.  4,  41  SvXofr  naxrj.  Vgl.  4^  47  xwüs^ 
Ttcücois,  oÏTéVBS  ei  Kai  èni  ^xvd'mv  ^Xeyov  anslvâtjcav  iv,  11,  It  il 
trjSov  (d.  h.  mil  Löwenmulh)  èmvaiavrae  sis  rois  noUfiüwc.  14,  45  ^ 
fiÊvcDv  xçovvfiBov  rôjv  alfiàr€9v.  Die  Gommentatoren  hat>eB  schan  Un 
darauf  aufmerksam  gemacht. 

2)  2.  Makk.  3,  8  ff.  6,  8  ff.  9,  4  ff.  13,  4  ff.  14,  37  ff. 

3)  2.  Makk.  13,  1  f. 

4)  Polyb.  V  79.    Liv.  XXXVll  40.    Appian  Syr.  32. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÀEKBOCHER  301 

diese  Dinge  eDtsprechen  der  heirschenden  Richtuog  der  rhetorischen 
Gescbichtschreibung,  wie  wir  sie  in  ihren  herrorragendsten  Ver- 
tretern, Theopomp,  Klitarch  und  Phylarch  kennen,^)  ?on  der  sich 
Dur  wenige  auserlesene  Geister  wie  Polybios  frei  gehalten  haben. 
Eigen  ist  unserem  Schriftsteller,  dass  er  seine  Kunst  etwas  grob- 
körnig und  reichlich  übt,  dass  er  sie  ferner  in  den  Dienst  der 
jQdiscben  Sache  gestellt  hat  Seine  Beredtsamkeit  ist  besonders 
auf  das  Erbauliche  gerichtet,  zu  welchem  Zwecke  ausser  der  Tapfer- 
keit die  Gesetzestreue  und  Frömmigkeit  der  Juden  jeder  Zeit  hervor- 
gehoben wird.  In  dieser  Richtung  bewegen  sich  auch  die  Martyrien, 
Gebete,*)  alttestamentliche  Beispiele')  und  dergleichen  mehr.  Im 
tlbngen  sind  die  Eigenschaften,  die  wir  am  2.  Makkabäerbuch  tadeln, 
die  grobe  Parteilichkeit,  Fabelsucht  und  EfTecthascherei  sehr  vielen 
Bistorikern  der  hellenistischen  Epoche  eigen  ;  besonders  derbe  Exem- 
pd  finden  sich  bei  den  Römern,  die  auch  in  dieser  Hinsicht  Schaler 
der  Griechen  sind.^) 

Zu  den  Requisiten  dieser  Geschichtschreibung  gehören  nicht 
nletzt  die  Wunder,  denen  wir  nach  Ausweis  des  2.  Makkabäer- 
bocbes  bei  lason  öfters  begegnen,  wie  die  Prodigien  vor  Ausbruch 
des  Krieges,  der  Traum  des  Judas,  die  Erscheinung  himmlischer 
Streiter  zur  Errettung  der  Juden.*)  Die  himmlischen  Erschei- 
BQDgen  Tag  i|  ovQavov  yevofAèvaç  irtiçavelaç  legt  der  Epi- 
tomator*)  dem  lason  ausdrücklich  bei.  Aehnliches  findet  sich 
überall  bei  den  Griechen.  Die  himmlischen  Streiter,  die  den 
Heliodor  vom  Heiligthum  zurücktreiben  und  den  Juden  in  der 
Seblacht  zur  Seite  treten,  erinnern  durchaus  an  Apollon  und  seine 
göttlichen  Genossen,  von  denen  die  Perser  und  später  die  Gallier 
ans  Delphi  Tertrieben  werden,^  an  Herakles  oder  die  Dioskuren, 
die  an  der  Seite  ihrer  Freunde  streiten.  Man  glaube  nicht, 
iiass  solcherlei   Geschichten    nur   in   die  Erzählungen   längst  ver- 


1)  Eine  sehr  gote  Analogie  zum  2.  Makkabäerbuch  bildet  das,  was  Po- 
Jjbios  11  56  fi.  von  Phylarch  berichtet,  wie  er  die  Grausamkeit  der  Makedonier 
oiid  Acbier  beschrieb,  z.  B.  bei  der  Hinrichtung  des  AristoiAachos  von  Argos. 

2)  2.  Makk.  8,  16  01  10, 16  ff.  und  weiterhin  fast  in  jedem  Gapitel. 

3)  %  Makk.  8, 19.  12,  15.  15,  22. 

4)  Ich  darf  auf  die  Historiker  der  mithridatischen  Kriege,  femer  auf  Sullas 
Denkwürdigkeiten  hinweisen,  um  von  den  römischen  Annalisten  zu  schweigen. 

5)  2.  Makk.  5,  2.  15,  12.  3,  24  ff.  10,  29. 

6)  2.  Makk.  2,  21. 

7)  Herodot  VIII  37.    lustin.  XXIV  8,  3.    Paasan.  X  23,  2. 
Hennas  XXXV.  20 


302  B.  NIESE 

gaogeoer  Ereignisse  Einlass  gefunden  hatten;  auch  die  leitgente^ 
siachen  GeachichtabQcher  waren  voll  davon,  entsprechend  dem  popiK. 
Iflren  Glauben  der  damaligen  Menschheit;  denn  die  Hellenen,  die 
Heiden  waren  nicht  minder  gottesrorchtig  und  gläubig  als  die  Juden, 
und  sahen  bei  grossen,  entscheidenden  Ereignissen  überall  Wunder, 
überall  die  Zeichen  gottlicher  Hoire,  und  die  Historiker  Terfefaltei 
nicht,  diesen  Stoff  auszuarbeiten  und  zu  vermehren.  Beispidi 
liefert  die  Alexandergeschichte,  z.  B.  was  Kallisthenes«  der  va- 
mittelbare  Zeitgenosse,  von  dem  ZurOcktreten  des  Meeres  an  der 
pamphylischen  Koste  und  von  den  Zeichen  göttlicher  Ftlhrvig 
auf  dem  Wege  zur  Ammonsoase  berichtete.*)  Bekannt  ist,  wie 
nach  Polybios  HI  47,  8  f.  Hannibals  Historiker  Götter  und  Gotte^ 
sOhne  aufboten,  um  ihrem  Helden  den  Weg  durch  die  EinOdea 
der  Alpen  zu  weisen,  nicht  minder  berühmt  der  oft  wiederholte 
Traum  Hannibals,  von  dem  zuerst  Silenos,  der  Zeitgenosse,  e^ 
zahlte.')  Vielleicht  noch  lehrreicher,  weil  aus  populärem  Maade 
hervorgegangen,  ist  das  Zeugniss  der  Ehreninschrift  für  Diophantos, 
den  Feldherrn  Mithridates,  der  um  110  v.  Chr.  die  Chersonestea 
in  der  Krim  vor  den  skythischen  Barbaren  errettete;  sein  S^ 
ward,  wie  die  kurz  nachher  gesetzte  Inschrift  bezeugt,  von  der 
SchutzgOttin  der  bedrohten  Stadt  angekündigt.*)  Etwas  spater  wifd 
der  Siegeszug  Milhridats  durch  Vorderasien  ebenso  von  vielfe^ 
heissenden  Sehersprachen  begleitet  oder  angekündigt,^)  wie  nachher 
die  Siege  Sullas;  von  letzteren  hat  Sulla  selbst  nicht  unterfamei 
in  seinen  Denkwürdigkeiten  zu  berichten");  denn  derartiges  wir 
immer  ein  Zeichen  göttlicher  Gunst  und  Hülfe.    lason  unterscheidcl 


1)  Kallisthenes  fr.  25  p.  18.    fr.  36  p.  27  Müller. 
Cicero  de  divin.  I  49. 

Dittenberger  syll.  P  326  z.  23  :  a  Sm  narroç  XeQCot^ttrtväv  sr^otff«^ 
ovaa  IlaQ&êvos  xal  tot«  avfinaqovaa  Jtotpavrq^  nçoêaafiav9  pth^  xècw  pÛ^ 
XovHoLV  yivsa&ai  nçà^iv  S&à  xwv  èv  Tty  iaçq    ytvofiivatv  aafiêimv^  &n^i9êi 
9i  xal  ToXfiav  ivenoifjas  navnci  i^  arçaronidi^,    Aehnlich  heisst  es  in  dcc 
Inschrift   von  Lete   in  Makedonien   von  117  t.  Chr.,  wo   die  Letier  ihns 
Quâstor  M.  Annias  für  die  Errettung  aus  dringender  Kriegsgefahr  danken,  Mi 
ivixijaev  rove  nolsfiiovs  fiiâxr]  fAßxa  rrfi  xav  &ewv  Tt^ovoiaç,     Dtttenbergcr 
*y//.  P318  z.  28. 

4)  Poseidonios  bei  Athen.  V  213  B. 

5)  Z.  B.  Plutarch  Sulla  17,  vgl.  27.  Besonders  lehrreich  sind  die  Wander» 
die  bei  der  Belagerung  von  Kyzikos  erzählt  wurden,  wo  die  göttliche  Hülfe 
durch  Décrète  und  Inschriften  beglaubigt  war.     Plutarch  LueuU,  10. 


DIE  BEffiEN  MAKKABÀERBOCHER  303 

lieh  von  deo  aodereo  Historikern  durch  sein  Jodenthum;  wenn  er 
gOUlicbe  Hülfe  braucht,  so  erscheiot  nicht  Apollon  oder  Herakles, 
fondera  der  Engel  Gottes,  im  Obrigen  besteht  kein  wesentlicher 
Unterschied. 

Schliesslich  ist  auch  das  qual?olle  Ende  des  Anliochos  Epi- 
phaoes  unter  Gewissensbissen  und  Schmerzen,  wie  es  im  2.  Makka- 
hierbuch  erzählt  wird,  ganz  dem  nachgebildet,  was  man  gelegentlich 
TOD  der  göttlichen  Heimsuchung  der  Tyrannen  und  Gottesverächter 
wie  Agathokles,  Sulla  und  Herodes')  zu  erzählen  wusste.  lason 
TOD  Kyrene, 'wie  ihn  das  2.  Makkabäerbuch  zeigt,  schliesst  sich 
ibo  ganz  den  Gewohnheiten  der  rhetorischen  Schriftstellerei  an, 
VDd  nichts  ist  an  ihm,  was  nicht  vollkommen  ins  2.  Jahrhundert 
T.  Chr.  hineinpasste.  Also  ist  es  ein  Irrthum ,  wenn  man  in  all 
diesem  Wunderkram  ein  Zeichen  späterer  Bearbeitung  und  Ent- 
iteiloDg  sieht.  Im  Gegentheil  zeigt  sich  darin  eine  so  lebendige, 
•tnittelbare  Theilnahme  an  den  Ereignissen,  wie  man  sie  schwerlich 
«iem  späteren  Zeitalter  zutrauen  darf,  zumal  bei  einem  Juden; 
deaa  historisches  Interesse  und  historischer  Sinn  war  unter  den 
hden  sehr  selten;  selbst  die  makkabäische  Erhebung  ist  dem  Ge- 
totoiss  bald  entschwunden,  und  ich  halte  es  fQr  kaum  denkbar, 
ém  ein  Buch  wie  lasons  oder  das  2.  Makkabäerbuch  erst  zur  Zeit 
des  Herodes  oder  gar  noch  später  abgefasst  sein  sollte. 

Aus   dem  Gesagten   ergiebt  sich  der  Werth   lasons  und   die 
fiiaibwfirdigkeit,  die  ihm  zukommt.    Als  Rhetor  und  eifriger  Partei* 
(Inger  der  makkabäischen  Sache  wird  er  überall  mit  höchster  kri- 
tischer Vorsicht  zu  benutzen   sein,   zugleich  hat  er  aber  alle  die 
Vorzüge,  die  zeitgenössischen  Aufzeichnungen  eigen  sind.    Mit  den 
Ereignissen,  den  handelnden  Personen  und  herrschenden  Zuständen 
ivir  er  ohne  Zweifel  bekannt,  und  seine  Erzählung  ist,  soweit  sie 
Thatsachen  betrifft,  im  Kern  als  zuverlässig  anzusehen,  wie  sie 
denn  auch  zur  profanen  Ueberlieferung  soweit  ersichtlich  in  bestem 
I  fiakbnge    steht.     Seine   Fehler,    die  ja    auf  der   Hand    liegen, 
r  machen  ihn  nicht  werthlos;  es  hat  ja  manche  Historiker  gegeben, 
L  B.   den    schon    erwähnten    Kallisthenes,    die    trotz    zahlreichen 
Mängeln    dennoch    werthvolle  Träger   einer    gleichzeitigen   Ueber- 
lieferung waren.    Am  besten  kann   man   lason   wohl   mit  seinem 


1)  Diodor  XXI  16,  5.     Plutarch  SuUa  36.     Joeephus  bell.  lud,  1  656. 
XYU  168. 

20* 


304  B.  NIESE 

späteren  LaDdsmaon  Josephus  vergleichen ,  dessen  Geschiehte  dei 
jQdischen  Krieges  ebenso  parteiisch  und  von  Rhetorik  ebenso  u 
.  rankt  ist,  und  dennoch  Hauptquelle  für  die  Zeit  geworden  ist  und 
sein  muss. 

In   welchem  der  Jahre  zwischen  161  und  125  t.  Chr.  Ismo 
gchrieb,  lässt  sich  nicht  mehr  bestimmen,  jedenfalls  wohl  nach  am 
Tode  des  Makkabäos;  das  Buch  sollte  ja  eine  Verklarung  des  HeUet 
liefern.     Da  auf  spätere  Zeiten,  auf  das  FQrstenthum  Jonathani 
und  Simons,  im   2.  Makkabäerbuch  nirgendwo  hingedeutet  wir<^ 
obwohl  beide  Brüder  gelegentlich  erwähnt  werden,  so  ist  lasoi 
Werk  Tielleicht  schon  vor  der  Aufrichtung  der  hasmonäischen  Ew" 
Schaft,  also  wohl  vor  153/2  v.  Chr.  abgefasst  worden,  yidleichtia 
Aegypten.     Man   kann  sich  etwa  denken ,  dass  er  ein  Freund  da 
Judas  Makkabäos  war  und  nach  seinem  Tode  nach  Aegypten  ivi* 
wanderte.   Wäre  uns  sein  Buch  im  Original  erhalten,  so  wflrA 
wir  wohl  nähere  und  bestimmtere  Angaben  über  Zeit  und  Ort  wiBcr 
Schriftstellerei  haben.     Jetzt  haben  wir  von  ihm  nun  einen  stifk 
verdünnten  Auszug;  der  Verfasser  des  2.  Makkabäerbuches,  ebe 
falls  ein  Jude,  der  sich  Judas  zu    nennen  scheint,   hat  ans  Alf  j 
Büchern  eins  gemacht.    Er  zieht  nicht  gleichmässig  aus;  mandMf  j 
erzählt  er  genauer,  manches  deutet  er  nur  flüchtig  an,  und  will 
scheinlich  hat  er  die  Mängel  des  Originales  noch  vergröbert,  mif  j 
auch  wohl  einzelnes  geändert  oder  zugesetzt  haben.     Denn  er  hit  j 
nun  das  Werk  lasons  durch  eine  selbst  verfasste  Vorrede  in  en 
Brief  an  die  ägyptischen  Juden  umgewandelt,  um  diesen  die  Fehr  { 
der  makkabäischen  Gedenktage  aus  Herz  zu  legen,   hat  also  se 
besonderen  schriftstellerischen  Absichten,  die  man  dem  lason  nicM  ^ 
zuschreiben  darf;  daher  darf  man  zweifeln,  ob  schon  dieser  in  der»  ' 
selben  Weise   von  der  Stiftung  jener  Feste  berichtet  hat«  wie  der 
Epitomator.^)     Wohl  möglich  ist  ferner,  dass  der  Bearbeiter  fil 
erbauliche,  specifisch  jüdische  Tendenz  noch  mehr  zur  GeltinK 
gebracht  hat.    Von   ihm  mag  wohl  die  nachdrückliche   Betonaig 
der  Auferstehungslehre')  herrühren;  ihm  dürfen  wir  es  zuschräbeo, 
wenn  jetzt  so  oft  und  so  stark  hervorgehoben  wird,  dass  die  Ver- 
wüstung des  Tempels  und  anderes  Ungemach  nur  eine  TorOber- 
gehende  Strafe  Gottes  für  die  Sünden   seines  Volkes  seien*);  be» 

1)  2.  Makk.  10,  5  ff.  15,36. 

2)  2.  Makk.  12,  43. 

3)  2.  Makk.  5,  17  fr.  6,  12  f.  7,  18.  32  f.  37  f.  10,  3,  vgl.  S,  272. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  305 

sooders  c.  6,  12  niachr  den  Eindruck^  als  weoD  der  Epitomator 
Ttàe^  Dicht  lasoD.  Auch  c.  7,  das  berühmte  Martyrium  der  Mutter 
mit  den  sieben  Sohnen,  kann  eine  Zuthat  des  Bearbeiters  sein,  weil 
darin  ein  Widerspruch  mit  dem  früher  Erzählten  liegt;  denn  anders 
ib  vorher  wird  Anliochos  selbst  in  Jerusalem  anwesend  gedacht. 
Aber  es  kann  auch  sein,  dass  dies  nur  eine  Ungeschicklichkeit  des 
Bearbeiters  ist;  denn  an  sich  liegt  nichts  vor,  wesshalb  nicht  lason 
leibst  die  Geschichte  erzählt  haben  könnte.  Die  Tendenzen  lasons 
lud  seines  Bearbeiters  waren  gewiss  nahe  verwandt. 

Ein  unleugbarer  Vorzug  ist  es,  dass  der  Epitomator  nicht  all- 
roiange  nach  lason  ans  Werk  gegangen  ist;  wenn  er  auch  nicht 
Ngentlich  Zeitgenosse  der  Ereignisse  ist,  so  steht  er  ihnen  doch 
nahe  genug,  um  noch  lebendiges  Interesse  und  eine  gewisse  Kennt- 
en für  seine  Arbeit  mitzubringen.  Was  der  Epitomator  über  lasons 
Werk  und  sein  Verhältniss  zu  ihm  berichtet,')  anzuzweifeln,  ist 
liebt  gestattet.  Es  liegt  darin  ein  Grad  von  Aufrichtigkeit,  der 
fiBem  Fälscher  nicht  angemessen  sein  würde;  ein  solcher  würde 
das  Buch  lieber  sich  selbst  zuschreiben ,  man  hat  also ,  bis  das 
Gegentheil  bewiesen  wird,  anzunehmen,  dass  die  Erzählung  des 
1  Makkabäerbuches  im  wesentlichen,  auch  dem  Umfange  nach,  dem 
Werke  lasons  entspricht^ 

Zum  Schlüsse  sei  noch  die  von  Geiger  aufgestellte  und  be- 
londers  von  Koslers  durchgeführte  Behauptung  erwähnt,  dass  der 
Verfasser  des  2.  Makkabäerbuches  ein  Gegner  der  hasmonäischen 
Dynastie  gewesen  sei  und  sich  auch  darin  zum  1.  Makkabäer- 
bocbe  in  bewussten  Gegensatz  gebracht  habe.  Nach  Kosters  hat 
er  aus  diesem  Grunde  die  Brüder  des  Judas,  besonders  Jonathan 
B&d  Simon,  die  Gründer  der  Dynastie  in  den  Hintergrund  ge- 
•ehoben  und  alles  Heldenthum  allein  auf  Judas  gehäuft  Diese  Be- 
iaoptung  wird  bei  näherer  Prüfung  hinfällig;  denn  es  lässt  sich 
in  keinem  Falle  nachweisen,  dass  im  2.  Makkabäerbuch  dem  Judas 


1)  2.  Makk.  2,  19  ff. 

2)  Es  könnte  jemand  vermathen ,  dass  Jason  bis  zum  Tode  des  Makka* 
lios  gegangen  sei,  was  ja  als  ein  passenderer  Abschluss  erscheinen  kann. 
Utch  balte  ich  es  nicht  für  wahrscheinlich;  die  Art,  wie  c.  4,  11  das  Bûndniss 
les  Judas  mit  den  Römern  erwähnt  wird,  scheint  mir  nicht  dafür  zu  sprechen. 
Ke  Vermnthnng  Schlatters,  dass  lason  die  Geschichte  bis  zum  Tode  Simons,  ja 
18  Johannes  Hyrkanos  geführt  habe,  ist  völlig  unbegründet  Schlatter  nimm  t 
D,  dass  auch  das  1.  Makkabäerbuch  wesentlich  aus  lason  geschöpft  habe. 


306  B.  NIESE 

etwas  zugeschrieben  worden  sei,  was  einem  der  BrOder  gebflhr 
Vielmehr  verhalten  sich  den  Brüdern  gegenaber  beide  BOcher  ii 
wesentlichen  gleich.  In  beiden  ist  Judas  allein  der  Handelnde;  ii 
1.  Makkabäerbuch  werden  neben  ihm  Jonathan  und  Simon  als  seil 
Geholfen  einmal  erwähnt,  ebenso  Eleazar.^)  Im  2.  MakkabSerfanc 
kommen  einmal')  sämmtliche  Brüder  vor  als  von  Judas  émanai 
Fohrer  einzelner  Heerestheile,  einmal  wird  ferner  eine  leidu 
Schlappe  Simons  ohne  jeden  Tadel  erwähnt.*)  Dagegen  der  a 
anderer  Stelle^)  mit  zwei  anderen  als  Verräther  genannte  Simoi 
den  Judas  hinrichten  lässt,  kann  nicht  der  Bruder  des  Judas  seil 
und  wird  auch  nicht  als  solcher  bezeichnet  Es  ist  ein  aoden 
gleichnamiger  Jude.  Nur  in  einem  Punkt  unterscheidet  sich  d 
1.  Makkabäerbuch  wirklich  von  dem  anderen.  Während  hierJoA 
genannt  wird,  erscheint  dort  wiederholt  die  Formel  ,Judas  und  seil 
Brüder^')  Dies  ist,  wie  ich  nach  Geiger  annehme,  mit  Bedad 
geschehen,  involvirt  aber  keinen  Widerspruch  zum  2.  Makkabäe 
buch,  wo  in  der  Vorrede  ganz  ähnlich  die  Brüder  dem  Judas  ao 
drücklich  an  die  Seite  gestellt  werden.*)  Auch  für  das  2.  Makk 
bäerbuch  bilden  also  Judas  und  seine  Brüder  ein  Ganzes;  wei 
dies  nicht  bei  jeder  Gelegenheit  wiederholt  wird ,  so  bedeutet  d 
keine  feindselige  Gesinnung  gegen  die  Brüder,  sondern  kann  eti 
Folge  der  Kürzung  sein.  Das  1.  Makkabäerbuch  hat  es  allerdin 
für  nOthig  gehalten,  die  Verdienste  der  Brüder  besonders  herro 
zuheben,  ohne  dass  es  jedoch,  was  sebr  wesentlich  ist,  von  d 
einzelnen,  von  Simon,  Jonathan  u.  s.  w.  mehr  zu  berichten  wOsi 
als  das  andere. 

Ja  in  Wahrheit  ist  im  1.  Makkabäerbuch  Judas  in  viel  höher 
Grade  und  ausschliesslicher  der  Held  der  Erzählung  als  im  zweit 

1)  1.  Makk.  5,  17  ff.  6,  43  ff.    Die  Nennung  des  Johannes  1.  Makk.  9, 3i 
fällt  nicht  mehr  in  den  Rahmen  des  2.  Makkabäerbuches. 

2)  2.  Makk.  8,  22  f. 

3)  2.  Makk.  14,  17  JSifiav  8i  o  oSaX^os  'lov8a  avußBßhjHWC  i^v  rq 
icatfO^i,   ß^axeets  8è  8ià  t^v  aiipviSiov  tciv  avrmaXwr  àfpaaiav  énxau 
à^aalav  ist  corrupt.    Die  alle  laleintsche  Uebersetzung  hat  adventumy 
zunächst  auf  fyoSov  führt;  auch  an  éntfâvBtav  oder  atpi^iv  kann  man  den 

4)  2.  Makk.  10,  19  ff. 

5)  Z.  B.  1.  Makk.  4,  36  BÎm  8è  %v8as  xal  oi  a8BXfol  alxov.    Vgl.  3 
42.  5,  10.  61.  63.  65.  7,  6.  10.  27. 

6)  2.  Makk.  2,  19  ff.  rà  8à  xavà  rov  *Io\8av  to»'  Matcxaflalav  tud 
Tovrov  a8êl^is  —  natQacéfiB&a  8i'  évhs  awrayfiaxos  iniXBfuiv, 


DIE  BEroEN  MAKKABÄERBOCHER  307 

rieben  Judas  und  seineo  Brüdern  wird  auf  jüdischer  Seite  niemals 
ein     anderer  genannt  oder  hervorgehoben  ausser  zwei  vorwitzigen, 
«aberufenen  Männern,  Joseph  und  Azarias,  die  wider  Judas'  Befehl 
mit  den  Feinden  anbinden  und  geschlagen  werden/)  also  nur  zum 
warnenden  Exempel  dienen.    Dagegen  nennt  das  2.  Makkabäerbuch 
avch  andere  Juden  mit  Auszeichnung,  Dositheos,  Sosipatros,  Esdri^ 
und  gelegentlich  andere,*)  ist  also  nicht  so  einseitig  makkabäisch 
wie  das  1.  Buch,  zu  dem  ich  nunmehr  im  nächsten  Artikel  über- 
gehen will. 

Marburg.  BENEDICTUS  NIESE. 


1)  1.  Makk.  5, 18.  56. 

2)  2.  Makk.  12, 19.  35. 

3)  11, 17  die  Unterhindler  Johannes  und  Absalom,  10, 19  die  drei  Ver- 
fither  Simon,  Joseph  und  Zakchlos. 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEl^^ 
METRIK. 

Als   Gottfried   Hermann   das   Studium  der  antiken  Metrik  /a 
Deutschland  erneuerte,  verwarf  er  von  vornherein  die  Lehren  der 
alten  Grammatiker  als  werthlos   und  binderlich  für  eine  wahrM 
v^issenschaflliche  Erkenntniss.    Es  ist  das  leicht  begreiflich.    Haches 
doch  die  erhaltenen  Werke,  meist  schlechte  Compilationen  aus  sptt- 
rOmischer   Zeit,    auf    den    ersten    Blick    einen    wenig   vertrauen- 
erweckenden Eindruck,  während  andererseits  die  Oberlieferten  Lehren 
in  einem  schreienden  Gegensatz  stehen  zu  unserem  modernen,  nr 
Zeit  Hermanns  eben   wieder  erwachten  Gefühl  für  die  SchOnbdt 
dichterischer  Formen.     So  fand  das  Urtheil  des  grossen  Gelehrten 
allseitige  Zustimmung  und  man  gewohnte  sich,  von  den  granmutiä 
nur  mit  einer  Mischung  von   Mitleid   und  Verachtung  zu  reden. 
Dieses  Gefühl  der  Ueberlegenheit  wurde  noch  gesteigert,  als  nun 
im  Glauben  an  aller  neueste  Theorien  kyklische  Messung  des  Dak- 
tylus,  drei-   oder  vierzeitige  Längen   und  Pausen  je   nach  Bedarf 
des  modernen  rhythmischen  Gefühles  in  die  antiken  Verse  hineintrug. 
Davon  stand  freilich  bei  den  Grammatikern  nichts  zu  lesen.    Doch 
konnte  man  sie,   namentlich  der  Dichtercitate  wegen,  auch  nicht 
ganz  entbehren,  und  so  fanden  sich  Gelehrte,  die  ernste  Arbeit  an 
sie   wendeten   und  allmählich  auch  das  sachliche  Verständniss  f&^ 
derten.   Westphal  fand  den  Unterschied  zwischen  einer  älteren  und 
jüngeren  Schule;  Keil  sorgte  für  die  Herstellung  der  lateinischen, 
Studemund   für  die  der  griechischen  Texte,   und  beiden  gelangen 
dabei  überraschende  Entdeckungen;  Christ  wies  nach,  dass  Horait 
d.  h.   die  römische  Kaiserzeit  von  den  Lehren  der  älteren  Schule 
abhängt.   Mit  einer  genaueren  Kenntniss  ist  auch  die  WerthscbätiQDg 
der  Grammatiker  gestiegen,    freilich  aber   noch   lange  nicht  hoch 
genug,  um  ihnen  irgend  welchen  Einfluss  auf  moderne  Wissenschaft 
einzuräumen.     Nicht  einmal  bei  Horaz  hat  man  gewagt,  an  Stelle 
neuester  Erfindungen    die    glücklich   entdeckte  Ueberlieferung  m 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     309 

D.  Noch  immer  hält  mao  sich  für  berechtigt,  mit  Achselzucken 
Grammatikerweisheit^  vorbeizugehen,  uod  zwar  oicht  bloss  an 
Erklärungen  und  Systemen,  —  die  kann  jede  Zeit  neu  auf- 
m  und,  wenn  das  Glück  gut  ist,  verbessern  —  sondern  auch 
len  von  ihnen  überlieferten  metrischen  Thatsachen,  —  und 
ist  der  Punkt,  an  dem  ich  Einspruch  erheben  möchte.  Aller- 
\  verstOsst  hier  manches  gegen  unser  deutsches  Gefühl.  Aber 
das  ein  Grund  sein,  um  es  für  falsch  zu  erklären? 
Ich  werde  in  meiner  Untersuchung  ausgehen  von  dem  elegischen 
ameter,  einem  Vers,  über  den  alle  neueren  Metriker  einig  zu 
scheinen')  —  ein  seltener  Fall  — :'  ich  werde  zunächst  die 
;e  Ueberlieferung  vorlegen  und  dann  untersuchen,  ob  wir  ein 
it  haben  sie  zu  verwerfen.  Es  wird  sich  dabei  die  Noth- 
ligkeil  ergeben,  die  Unterschiede,  die  den  antiken  Versbau  von 
modernen  im  tiefsten  Grunde  trennen,  einer  erneuten  Prüfung 
interziehen. 

Schon  G.  Hermann  nahm  in  der  Mitte  des  Pentameters  eine 
16  an,  Elem,  doctr.  metr.  p.  33:  necessaria  est  (caesura),  quae 
wem  pausam  reguirit,  —  qualis  est  in  pentametro  elegiaco.  Das- 
s  thut  die  jetzt  allgemein  herrschende  Ansicht,  nur  dass  sie 
kelle  der  Pause  auch  Dehnung  zulässt.  Man  vergleiche  z.  B. 
ibach  Griechische  Metrik  IIP  p.  81:  ,der  Pentameter  ist  nichts 
1res  als  ein  synkopirter  Hexameter,  d.  h.  die  Zusammensetzung 
er  katalektisch- daktylischer  Tripodien,  deren  Schlusssilben  im 
iDge  den  Zeitumfang  von  je  einem  ganzen  Fusse  hatten/  Es 
nur  folgerichtig,  dass  man  den  altehrwürdigen  Namen  des 
ameters  als  ein  Denkmal  antiker  Unwissenheit  beseitigen  und 
der  Tiefe  moderner  Erkenntniss  einen  neuen  schaffen  wollte. 
Dieser  einstimmigen  Erklärung  der  Neueren  steht  die  ebenso 
limmige  Ueberlieferung  des  Alierthums  gegenüber.  Schon  der 
e  setzt  ja  deutlich  eine  andere  Auffassung  voraus;  denn  fünf 
a  kann  man  auf  keine  andere  Weise  erhalten,  als  wenn  man 
Iritte  und  sechste  Länge  als  Halbfüsse,  d.  h.  zweizeitig  rechnet, 
kommt  dann  eine  lange  Reihe  von  Zeugnissen  der  Dichter 
hl  wie  der  Grammatiker.  Wie  die  fünf  Fusse  abzutheilen  seien, 
)er  war  man  verschiedener  Ansicht;  dass  es  fünf  seien,  daran 


1)  Die  Litteratur  findet  man  gesammelt  bei  Rasi,  De  elegiae  latinae 
mtione  et  forma.    Patavii  1894. 


310  G.  SCHULTZ 

hat  niemalft  jemand  gezweifelt.  Als  ältesten  GewflhrsmanD  fOr 
Namen  pflegt  man  den  Hermesianax  zu  nennen,  den  bereits  v»*^^ 
300  gestorbenen  Schüler  des  Aristoteles,  der  in  seiner  bei  Athens,  ^u 
erhaltenen  Elegie  sagt  (XHl  598  a)  : 

Mlftvêçfioç  dk  %ov  ridvv  Sc  evcero  rtolXov  àvavXàç 
rjxov  xal  fAaXanov  nvBv^i'  ano  nêvrafAévQOv. 
Dabei  ist  aber  Heraclides  Ponticus  übersehen,  dessen  Alter  dadnvHdi 
bestimmt  wird,  dass  ihn  Plato  im  Jahre  362  zu  seinem  Stellfertretar 
in  der  Akademie  machte.     In  dessen,  wie  es  scheint,  schon  ¥00 
Hieronymus  Rhodius  ausgeschriebener  Erzählung  von  Chariton  und    j 
Melanippos  stand  geschrieben  (Athenäus  XIll  602  c,  cf.  Hiller  Him^ 
ronymi  Rhodit  fragmenta  in  der  Satura  philologa  H.  Sauppio  Maim 
fr.  XVII)  :   ïxQriOBV   de  (sc.  IdnàlXmv)  -Kai  neqi  tdjv  ifAÇÏ  Xœ^ 
gltiüva  TtQorâ^aç  %ov   k^apiétQov   %o  TcepràfiêTQOv  •  .  .  Diese 
Stellen  führen  uns  in  eine  Zeit,  die  der  höchsten  Blüthe  der  gri^* 
chischen   Dichtkunst  nahe  benachbart  ist;  zugleich   beweisen  si^v 
dass  der  Name  (zo  nevrafievgov)  damals  geläufig  und  ohne  wei' 
teres  verständlich  war. 

Als  Vertreter  ferner  der  klassischen  Dichter  unter  Augnst^B* 
sagt  uns  0?id  ex  Ponto  HI  3.  30:  Apposui  senis  te  duee  quinf^MS 
pedeSf  wozu  die  Stellen  Amor.  1  1.  4  und  30  kommen.  Daift^ 
folgt  die  lange  Reihe  der  Grammatiker,  der  Griechen  sowohl  f^^ 
der  Römer,  die  alle  in  derselben  Weise  die  doppelte  MOglichk^^^ 
der  Messung  angeben.*)  Als  Beispiel  will  ich  die  Worte  des  Vt^^^ 
medes  p.  520,  32  K  hersetzen:  pentameter,  id  est  quinanus,  sct^" 
ditnr  duahus  semiquinariis ,  id  est  ut  posterior  tome  duos  dactjif^^ 
habeat  et  semipedem,  quod  genus  scansionis  est  usitatius.  alii  H^^ 
sie  scandunt:  feritur  quinquies,  in  primis  duabus  grestionibus  U^ 
mittit  dactylum  et  spondeum  — ,  tertiam  regionem  sine  dubio  fsT^ 
petuo  spondeus  debet  habere  — ,  duobus  anapaestis  terminaiur.  Eii^ 
ausdrückliches  Zeugniss  über  die  Beschaffen  hei  t  der  mittleren  Pavt^ 
giebt  uns  endlich  Quintilian,  der  den  älteren  römischen  Grammatiken 
nahe  steht  (IX  4,  97):   spondeus  qnoque  —  modum  semper  per  m 


1)  Eine  Pause  tod  zwei  Moren  erwähnt  bekanntlich  Auguslious  é9 1 
4,  14,  der  dafür  auch  an  dieser  Steile  —  leider  nur  ao  dieser  —  10  Ehren 
liommt  und  dankbar  citirt  wird.  Seine  Worte  beweisen  doch  nnr,  was  wir 
sonst  auch  schon  wissen,  dass  er  von  der  alten  metrischen  UeberHefeniii| 
nichts  wusste.  Man  sollte  doch  froh  sein,  ein  Zeugniss  zu  besitzen,  dass 
man  zu  Auguslins  Zeit  die  Verse  eben  anders  las,  als  früher. 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     311 

hahei,  optime  praecedet  eum  creticta,  ut  in  hoc  .  . .  iUud  est,  quad 
twpra  dùci,  muUutn  referre,  unone  verbo  sint  duo  pedes  comprehensi 
m  ttierque  liber,  sic  enim  forte  Criminis  causa,  molle  Archi- 
firaiae,  tnoUius  si  tribrachys  praeeedat  facilitates,  est  enim 
qmddam  ipsa  divisione  verborum  latens  tempus,  ut  in  pentametri 
medio  spondio.  Durch  den  Ausdruck  latens  tempus,  sowohl  wie 
durch  das  erste  Beispiel  criminis  causa  wird  uns  bezeugt,  dass  die 
Pause  in  der  Mitte  des  Pentameters  genau  ebenso  verschwand,  wie 
die  swischen  zwei  gewöhnlichen  Worten  in  fortlaufender  Rede. 

Prüfen   wir  nun   den  Werth   dieser  Zeugnisse   und  beginnen 
dabei   mit  den   Grammatikern,    so   ist  gegenwärtig  allgemein  zu- 
gestanden, dass  sie  uns  wenigstens  die  Lehre  der  besten  römischen 
Kaiserzeit  erhalten  haben.    Haben  wir  ein  Recht  der  Beobachtungs- 
«charfe   dieser  Zeit  zu  misstrauen?    Ich  erinnere  an  das  bekannte 
Wort  Ciceros   de  orat.  HI  50.  196:  quotus  enim  quisque  est,  qm 
ttneai  artem  numerorum  ac  modorum?  at  in  his,  si  paullum  modo 
^Ifensum  est,  ut  aut  contraetione  brevius  fieret  aut  productione  Ion- 
gnis,   theatra  tota  réclamant  (cf.  Or.  173.    Parad.  3,  2).     Derselbe 
Cicero   sagt   nachher:   verum  ut  in  versu  valgus,  si  est  peccatum, 
^dei ,  sie  si  quid  in  nostra  oratione  Claudicat,  sentit.     Dies  wird 
I^Ulligt  durch  Dionysios  Halic  De  comp.  verb.  11:  ijdrj  d'  ïyœye 
*^^     Iv    TOÎÇ    noXvav&QiuTtozatoic    ^eâzgoiç,    a    avfiTvXrjgol 
nawodaTtog  xal  afAOvaog  ox^og,   ïdo^a  naTafia&eiv ,   u»g  (pv- 
oixiq  %lç  ioTiv  anavTWV  rjfiiZv  oixei6%rjg  —  nçoç  evçv&filav. 
""  —  id'saaàfiriv  afia  rtdvzag  ayavaxTovvrag  xaï  övaageatov' 
l^évovg,   ore  Tig  rj  xgovaiv  ^  xivrjaiv  i]  iÂOQq>fiv  iv  àav^ifÂé- 
^oiç  TtonjaaiTO  XQÔvoig  xal  zovg  ^v&fAOifg  aq>avlaeuv.   Wenn 
das  QDgebildete  Volk  jede  Abweichung  bemerkte,  werden  doch  wohl 
die  Grammatiker  sich  nicht  uro  einen  halben  Versfuss  geirrt  haben  I 
Dürfen  wir  ferner  den  grossen  Elegikern,  deren  feines  Gehör  für 
den  Wohlklang  der  Verse  zu  rOhmen  man  nicht  müde  wird,  dürfen 
wir  denen  zutrauen,  dass  sie  nicht  eineo  Pentameter  richtig  scan- 
diren  konnten?   Wie  soll  man  es  endlich  anfangen,  um  die  Zeug- 
nisse des  Hermesianax  und  des  Heraclides  Ponticus  zu  entkräften, 
die  uns  bis  in  die  beste  Zeit  der  griechischen  Litteratur  zurück- 
führen? An  einer  Messung,  die  uns  aus  der  Zeit  des  Aristoxenos 
berichtet  wird,  hat  man  bisher  doch  nicht  zu  zweifeln  gewagt. 

Nun  nehmen  die  Modernen,  um  unbequeme  Zeugnisse  zu  be- 
seiligen,  gern   ihre  Zuflucht  zur  Musik  und  behaupten,  dass  nur 


312  G.  SCHULTZ 

durch  UDkeoDtniss  derselben  die  anstOssigen  MessuogeD  enUiandei^^ 
seien.    Abgesehen  davon  aber^  dass  diesmal  die  Nachrichten  in  ein-^.^ 
Zeit  zurückgehen,  die  bisher  gegen  jenen  Verdacht  geschätzt  wa^r-; 
beruht   die  ganze  Vorstellung  auf  einem  Irrthum.     Die  klassiscl^  « 
Musik   der  Griechen   war  unter  Augustus  in  Rom  recht  wohl  bi^^. 
kannt.     Sehen   wir  doch,   dass  Dionysios  Halic.  noch  die  Melodkie 
eines  Chorliedes  des  Euripides  beschreibt  (De  comp.  verb.  11).    Eis 
fehlt  an  jedem  Anhalt  zu  der  Annahme,  dass  die  musikalische  Tr^a- 
dition  des  Alterthumes  jemals  unterbrochen  sei.    Insbesondere  setKte 
sich  der  Gesang  der  Elegien  beim  Mahle  fort  bis  tief  in  die  rOmisclie 
Kaiserzeit  ^   wie  wir  beispielsweise  aus  der  Erzählung  des  Gellius 
XIX  9  sehen,  aus  der  ich  die  Worte  hersetze:   ac  posteaquam  m- 
troducti  pueri  puellaeque  sutU,  iucundum  in  modutn  'Avaxgeovteta 
pleraque  et  Sapphica  et  poetarum  quoque  recentium  ikeyela  quaedam 
içwtixà  dulcia  et  venusta  cecinerunt.   Wenn  Pentameter  ?od  ChOren 
eingeübt  und  gesungen  wurden,  musste  natürlich  gezählt  und  Takt 
gehalten  werden.    Und   da  soll  kein  Mensch  bemerkt  haben,  dast 
die  dritte  und  sechste  Länge  des  Verses  nicht  zwei,   sondern  Wer 
Moren  dauerte,  wenn  es  nämlich  wirklich  vier  waren  ?   Wer  jemals 
in   einem  Chore   mitgesungen  hat,   wird  überzeugt -sein,  dass  bei 
der  ersten  Probe   ein  Irrthum  von   einem   halben  Takt  alles  uo* 
geworfen   hätte.     Daraus  folgt,  dass  die  Berufung  auf  die  Musik 
nur  den  Erfolg  hat,  die  antike  Messung  des  Pentameters  zu  stotzeo 
und  vollends  gegen  jeden  Zweifel  zu  sichern. 

Wir  sehen,  die  Ueberlieferung  von  sieben  Jahrhunderten  steht 
wie  eine  Mauer,  die  nirgends  einen  Angriffspunkt  bietet,  und  wir 
sind  begierig  das  schwere  Geschütz  kennen  zu  lernen ,  das  icO 
Stande  war  sie  zu  zertrümmen.  Es  müssen  doch  wohl  ganz  starke 
und  zwingende  Gründe  gewesen  sein,  die  unsere  neueren  Metriker 
so  gleichmässig  zu  ihrem  Unglauben  gezwungen  haben?  Indesseü 
—  wir  suchen  vergebens.  Eine  Widerlegung  der  alten  Zeugnisse 
bat  niemand  versucht! 

Statt  mich  in  allgemeine  Betrachtungen  über  diese  sonderbare 
Thatsache  zu  verlieren,  will  ich  gleich  auf  den  Punkt  losgeheo, 
der  alles  erklärt,  wenn  auch  nicht  entschuldigt,  nämUch  auf  unsere 
moderne  metrische  Gruodanschauung.  Man  sagt:  ein  Vers  kommt 
zu  Stande  durch  den  Wechsel  von  Hebung  und  Senkung.  Wo  die 
Senkung  fehlt  und  zwei  Hebungen  zusammenstossen ,  lehrt  uns 
unser  Ohr,  dass  dieser  Verlust  ausgeglichen  wird  durch  eine  Pause 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     313 

oder  durch  eine  Dehnung.  Man  braucht  nur  einen  solchen  Vers 
aufmerksam  herzusagen  und  bei  jeder  Hebung  mit  dem  Finger  auf 
<ien  Tisch  zu  klopfen,  so  wird  man  den  Beweis  haben. 

Das  Experiment  ist  einfach  —  so  einfach,  dass  die  Romer  und 

kriechen   es  ganz  sicher  auch  gemacht  hatten  und  zu  demselben 

Ergebniss  gekommen  wären  wie  wir,  wenn  sie  nämlich  die  Verse 

auch  so  gelesen  hätten  wie  wir.     Es  ist  eine  thOrichte  Vorstellung, 

àB9%  die  Alten  nicht  gekonnt  haben  sollten,  was  jedes  Kind  kann, 

und  dass  sie  erst  auf  Augustinus  hätten  warten  müssen,  um  eine 

i^atise  in   einem  Verse  zu   bemerken.    Nein,   die  Allen   haben  zu 

ihren  Versen  sehr  scharf  Takt  geschlagen,  mit  Händen  und  Füssen, 

nod  wenn  sie  zu  einem  anderen  Resultat  kamen  als  wir,  so  folgt 

<laraus  nicht,  dass  sie  geirrt  haben.    Wenn  uns  tadellose  Zeugen 

versichern,  dass  zwischen  ganzen  Versfüssen  auch  halbe  vorkamen, 

<ia8s  Hebungen  an  Hebungen  stossen  konnten,  um  mich  vorläufig 

<ier  modernen  Ausdrucksweise  zu  bedienen,  ohne  dass  ein  Ausgleich 

^r  die  unterdrückte  Senkung  eintrat,  so  sind  wir  verpflichtet  ihnen 

SU   glauben.    Allerdings  folgt  dann  daraus,  dass  sie  die  Verse  nicht 

fiesen  haben  können  wie  wir,  und  es  entsteht  die  Frage,  wie  sie 

fiesen  haben. 

Ehe  ich  hierauf  zu  antworten  versuche,  möchte  ich  noch  einmal 
uiiD  Pentameter  zurückkehren  und  auf  einen  anderen  Punkt  hin- 
weisen, über  den  die  Alten  und  Neuen  verschiedener  Ansicht  sind. 
^  bandelt  sich  um  das  ^&oçy  den  Charakter  des  Verses  (cf.  Rasi 
^-  a.  0.  S.  4).    Die  moderne  Auffassung   hört  aus  dem  Verse  — 
i^eofalls  wegen  der  zwei  zusammenstossenden  Hebungen  —  ,den 
MTogenschlag   stärkerer   Gemülhsbewegung^    (Glediuch)    oder    ,das 
^wanken  und  Wogen  der  Empfindungen'  (Gruppe).     Sie  erklärt 
ibn  demnach  als  ein  Bild  der  Aufregung,  sie  findet  ihn  im  Gegen- 
^tz  zu  dem  ruhigen  Hexameter  leidenschaftlich,  ja  Rossbach  nennt 
^CD  Vers  «energisch*.    Dagegen  bezeichnet  ihn  gleich  Hermesianax 
iû  der  oben  angeführten  Stelle  als  f^akaxog,  die  lateinischen  Ele- 
{iker  geben  ihm  am  häufigsten  das  Reiwort  mollis,  daneben  lenis 
^er  levis  (cf.  Rasi  a.  a.  0.  S.  47).    Sie  werden  das  schwerlich  von 
Hermesianax  übernommen,  sondern   damit  einem  allgemein   fest- 
stehenden Urtheil  Ausdruck  gegeben  haben.  Diese  Reiwörter  kurzweg 
aof  den  Inhalt  der  Elegien   zu  beziehen,  wie  es  Rossbach   tbut 
(Griech.  Metrik  HP  p.  83),   ist  bare  Willkür.    Man  beachte  z.  B. 
ilen  Gegensatz  bei  Ovid  am.  I  1, 17 ff.: 


314  6.  SCHULTZ 

cum  bene  surrexit  venu  nova  pagina  primo, 
atténuât  nervös  proximus  iüe  mêos. 

nee  mihi  materia  est  numeris  leviorihus  opta, 
out  puer  out  longas  compta  puella  comas  — 
und  mao  wird  sich  überzeugen,  das«  dem  Dichter  Dicht  der  Inhi^l 
sonderD  der  Rhythmus  des  Pentameters  schwächlicher  und  weicl^« 
vorkam.     Es  bleibt  nichts  übrig,  als  auch  hier  einen  Widerspni^ 
zwischen  den  alten  und  neuen  Kritikern  anzuerkennen.    Und  üu 
diesem  Widerspruch  können  wir  wiederum  eine  Bestätigung  unserer 
Ansicht  ableiten,  dass  der  Pentameter  im  Alterthum  eben  anders  Uaiif 
und  anders  gelesen  wurde  als  bei  uns.    Können  wir  uns  nun  davoi 
eine  Vorstellung  verschaffen?  —  Ich  kann  hier  eine  allgemeÎM 
Auseinandersetzung  nicht  umgehen.    Doch  hoffe  ich,  dass  sie  nich 
nur  über  den  Pentameter,  sondern  über  den  gesammten  antikea 
Versbau  die  landläufigen  Vorstellungen  klären  und  berichtigen  wild. 

Man   pflegt  den  Unterschied  im  Versbau  der  antiken  und  der 
neueren  Zeit  so  zu  bestimmen ,  dass  man  jenen  als  quantitireod, 
diesen  als  accentuirend  bezeichnet.    Die  Verse  der  Alten  bauen  sich 
auf  der  Länge  und  Kürze  der  Silben   auf,  die   unsrigen  auf  öer    | 
verschiedenen  Tonstärke.     Dieser  Unterschied  ist,  wie  man  meioea 
sollte,  offenkundig  und  allgemein  bekannt.     Man  wird  es  also  fiel-    , 
leicht   übertrieben  finden,  wenn  ich  behaupte,  dass  er  überhaupt 
noch   niemals  mit  Bewusstsein   und  Klarheit  durchgeführt  wordea 
ist.    Dennoch  ist  es  so.    Alle  metrischen  Systeme,  die  mir  bekaont    1 
geworden  sind,  arbeiten  auch  in  der  antiken  Poesie  mit  dem  Begrif    ' 
des  Accentes  im  modernen  Sinn,  indem  sie,  je  nach  ihrem  Sprach- 
gebrauch,   die  einen  die  Arsis,  die  anderen  die  Thesis  als  betoat     i 
ansehen.    Um  nur  einige  hervorragende  Namen  zu  nennen,  so  bit 
Usener  seine  Hypothese  von  der  Entstehung  des  altgriechi«cbea 
Versbaus  wesentlich  auf  dem  ,Hochton'  aufgebaut    Wie  unbefaogea 
ferner  Westphal,  der   erfolgreichste  unter  den  neueren  MetrikerUt 
die  antike  Thesis  oder  Basis  unserer  Hebung  oder  der  tontragendea 
Silbe  gleichsetzt,  dafür  giebt  jede  Seite  seiner  Rhythmik  Zeugniis-' 
Ich  behaupte  nun,  dass  dies  unrichtig  ist,  und  stelle  den  Satz  auf's, 
es  giebt  in  der  antiken  Poesie  keinen  Versaccent. 

Dieser  Satz  beruht  zunächst  auf  einer  allgemeinen  ErwägUBj^ 
Wo  bleibt  denn  der  Unterschied  zwischen  acceotuirendem  und  quàB^*^ 
titirendem  Versbau,  wenn  auch  dieser  wiederum  der  Accente  bedarf^ 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  HETRIK     315 

it  der  ÄDDahme  von  betooten  uod  onbetoDteo  Silbeo  auch  io  der 
Leo  Poesie  beseitigt  man  doch  sofort  wieder  das  UDterscheideode 
erkroal  und  erhält  andererseits  statt  des  einfachen  ein  doppeltes 
rinzip,  was  nothwendig  zu  Widersprüchen  fuhren  muss. 

Unser  Satz  beruht  ferner  auf  der  Ueberlieferung.  NatOrlich 
nflhlen  uns  die  Alten  nicht,  dass  sie  einen  Versaccent  nicht  kennen, 
lodern  dass  sie  von  ihm  schweigen,  ist  das  erste  und  nicht  un- 
ichtigste  Argument.  Wenn  Dichter,  Grammatiker  und  Redner  Jahr- 
onderte  hindurch  in  einer  Weise,  wie  wir  es  gar  nicht  kenneu, 
ve  Aufmerksamkeit  auf  den  Rhythmus  richten  und  niemals  einer 
emerkt,  dass  die  Fusse  nicht  bloss  aus  Längen  und  Kürzen  be- 
tehen,  sondern  dass  sie  für  das  Ohr  durch  Tonverstärkung  markirt 
rerden,  so  kann  man  sich  ganz  sicher  darauf  verlassen,  dass  das 
^hr  auch  keinen  Accent  wahrnahm.  Aber  der  Missbrauch  der  an- 
àen  Ausdrücke  hat  bei  uns  zu  einer  solchen  Verwirrung  geführt, 
to  ich  erst  beweisen  muss,  dass  die  Alten  wirklich  von  einem 
accent  nichts  gehört  und  überliefert  haben. 

Zunächst  versuche  man  einmal,  den  Begriff  ,Versaccent'  la- 
Aumh  oder  griechisch  auszudrücken.  Das  Wort  aecmtus  können 
irir  nicht  gebrauchen;  denn  es  ist  jetzt  wohl  allgemein  zugestanden, 
fang  der  antike  und  moderne  Accent  nichts  gemein  hat,  als  den  Namen, 
^  der  antike  musikalischer  Natur  ist  und  sich  auf  die  Tonhöhe 
l^ebt,  der  unserige  auf  die  Tonstärke.  Yersuum  accetuus  könnte 
dso  nur  bedeuten,  dass  ein  gewisser  Theil  des  Verses  höher  oder 
tiefer  gesprochen  werden  soll,  als  die  übrigen.  Davon  kann  aber 
tone  Rede  sein.  Ebensowenig  können  wir  den  ,Accent^  mit  ictus 
llbersetzen.  Denn  dies  Wort  bezeichnet  den  Taktschlag  sei  es  mit 
deiD  Finger,  wie  bei  Horaz  Od.  IV  6.  31  Lesbium  servate  pedem 
"^'{ue  polUeis  ietum,  sei  es  mit  dem  Fuss,  wie  bei  Quintilian  IX 
^*  51  pedum  et  digitorutn  ietu  intervalla  signante)  Zunächst  ist 
^lar,  dass  kein  nothwendiger  Zusammenhang  besteht  zwischen  einem 
''9kt8chlag  und  der  Intensität  der  Stimme.  Zweitens  sagt  uns  aber 
l*erentianus  Maurus  v.  1342  f.,  dass  sowohl  die  Arsis  als  die 
''hesis  einen  Ictus  erhalten  habe: 

una  longa  non  valehit  edere  ex  sese  pedem, 
ictibus  quia  fit  duobus,  non  gemello  tempore, 
brevis  utrimque  sit  licebit,  bis  ferire  convenit. 

X)  bie  Stellen  über  die  antike  Praxis  des  Taktirens  findet  man  gesammelt 
^  We8tphal  Griech.  Metrik  1>  S.  500,  I*S.103£ 


316  G.  SCHULTZ 

Ictus  ist  also  nur  eine  Bewegung  des  Körpers,  nicht  eine  Verstarki^^ 
der  Stimme,  und  es  ist  ein  grober  Fehler  Iktus  und  HochtOD  glAelh 
zusetzen.    Demnach  steht  fest,   dass  die  Alten  sowohl  Accent  ai 
Ictus  in   einem  anderen  Sinn  gebraucht  haben  als  wir,  und  dt» 
sie  far  den  modernen  Accent  überhaupt  keine  Bezeichnung  besituo. 
Nun  ist  freilich  ein  Beweis  ex  silentio  niemals  ganz  zwiogriid. 
Man  kann  aber  auch  zeigen,  dass  die  Annahme  eines  Versacceota 
in  einem  unauflöslichen  Widerspruch  mit  einer  ganzen  Reibe  loi 
anderen  Nachrichlen  steht.    Zu  diesem  Zwecke  muss  ich  die  Uebe^ 
lieferung  Ober  Arsis  und   Thesis  durchgehen.     Beide  Worte  be- 
zeichnen ursprünglich  nur  eine  Bewegung  des  Körpers^)  (vgl.x.B. 

1)  Gewöhnlich   bezieht  man  sie  auf  den  Taktschlag,  aber  mit  Uorecht. 
Da  Aristoxenos  statt  â'éu&ç  den  Ausdruck  ßaas  braucht,  können  wir  lllb^ 
denklich  annehmen,  dass  beide  Ausdrücke  sich  auf  die  Bewegung  der  Füat 
beziehen.    Nun  hat  Weslphal  schon  ganz  richtig  gefühlt,  dass  man  mit  des   , 
Fuss  nur  Zeichen  für  das  Ohr  durch  Niedertritt  geben  kann;  —  man  denke  lieh, 
dass  der  Chor  mit  einer  Arsis  beginnen  sollte  —  wie  hitte  sonst  der  Dirigent  to 
Zeichen    geben   sollen?    Wie  hoch  hätte  er  das  Bein  heben  müssen?  Dw 
schon    in    Aristoxenos    Zeit    oder   noch    vorher   auch   die    Arsis   mit  tnm 
Niedertritt  bezeichnet  wurde,  geht  mit  Sicherheit  hervor  aus  dem  Aoidnck 
bei  Aristoteles  3fetaph,  N  6  (cf.  Usener  Altgriechischer  Versbau  S.  41  Â.  SQ* 
[to  ènoe]  ßaivsrai  iv  fièv  rt^  Bs^icp  iwéa  avXXaßcus,  èv  8i  rcf  a(>af9^ 
oxrœ.    Der  Ausdruck  hat  nur  Sinn,  wenn  auch  die  kurzen  Silben  ihr  Zdchei 
erhielten.    Das  gleiche  folgt  für  die  spätere  Zeit  aus  der  Steile  des  Cao^ 
Bassus  bei  Bufinus  p.  555K.:   iamhicus  autem,  cum  pedes  eiiam  dactffVd 
generis  adsutnaiy  desinit  iamhicus  videri,  nisi  percussione  ita  modermsfi^ 
ut,  cum pe dem  supp lodes,  iambum  ferias.    Um  den  Jambus  von  cioc* 
Spondeus  zu  trennen,  rousste  gerade  die  Kürze  besonders  scharf  markirt  werdet 
(cf.  Terent.  Maur.  2249  fr.).     Das  ging  natürlich  nur  durch  einen  doppeM 
Ictus,  wie  es  Terenlianus  nach  Bassus  in  der  oben  angeführten  Stelle  ao^cMi 
Es   bleibt  die  Frage,  ob  man  bei  dem  Taktiren  mit  den  Händen  ein  Hekc* 
und  Senken  anzunehmen  hat,  wie  Weslphal  will.    Uns  Modernen  liegt  eäff 
Gedanke  nahe,  er  stimmt  aber  nicht  zu  den  alten   Nachrichten.     Es  \AVt 
schon  stutzig  machen  sollen,  dass  immer  nur  von  den  Fingern  die  Rede  i>l» 
während  doch  die  Arme  hätten  genannt  werden  müssen.    Das  Richtige  ié^ 
Quintilian  IX  4.  55  oratio  non  descendet  ad  crepitum  digiiorum  und  Tefei* 
tianus  Maurus  v.  2253  f.:  moram^  quam  pollicis  sonore  vel  plausu  ftü» 
discriminare  soient    Dass  der  Daumen  hier  genannt  wird ,  ist  nicht  nlUfiS* 
Man  schnalzte  mit  den  Fingern,  indem  man  den  Mittelfinger  an  den  Daanei 
legte  und  herunterschnellen  Hess.    Also  auch  diese  Art  des  Taktirens  war  fk 
das  Ohr  bestimmt,  nicht  für  das  Auge  (Augustinus  berichtet  auch  hieran 
weichend  von  den  anderen  von  Händeklatschen).    Für  uns  ist  es  befremde!^ 
dass  die  Griechen  und  Römer  sich  durch  ein  solches  iveriosch  nicht  slAic 


BEITRAGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     »17 

risU  Quiotil.  p.SlM:  agoiç  fihv  ovv  iati  g>OQà  fiéQovç  ow- 
jonoç  inl  to  ävw,  &éaiç  àk  ini  to  xotcci  tovtov  fiiqovc)  und 
•geo  demnach  aber  die  Betonung  nichts  aus.  Da  nun  aber  einmal 
lie  Ansicht  verbreitet  ist,  dass  Arsis  uod  Thesis  die  betonte  und 
inbetonte  Silbe  bezeichnen,  so  muss  ich  die  antike  Lehre  Ober  beide 
Worte  so  weit  vorlegen,  als  es  für  unsere  Frage  von  Wichtigkeit  ist. 
Die  Untersuchung  Ober  die  Geschichte  der  beiden  Worte  ein- 
{eheod  geführt  und  die  Hauptpunkte  richtig  gestellt  zu  haben, 
nachdem  durch  Bentley  und  G.  Hermann  schwere  Irrthümer  ver- 
breitet waren,  ist  ein  unbestreitbares  Verdienst  von  Westphal.  Er 
bat  zuerst  richtig  erkannt,  dass  Aristoxenos  im  Trochäus  die  erste, 
im  Jambus  die  zweite  Silbe  als  Basis  oder  Thesis  bezeichnete,  dass 
aber  später  der  Gebrauch  schwankte,  indem  der  eine  Theil  der 
Metriker  dem  grossen  Rhythmiker  folgte,  der  andere  stets  den  ersten 
Tbeil  des  Fusses  als  Arsis,  den  zweiten  als  Thesis  bezeichnete. 
Wean  er  dann  noch  einen  dritten  Gebrauch  annimmt,  der  dem 
VOD  Bentley  eingeführten  entspricht  und  dem  des  Aristoxenos  ge- 
rade entgegengesetzt  ist,  so  kann  ich  ihm  hierin  allerdings  nicht 
folgen,')  wie  überhaupt  sehr  zu  bedauern  ist,  dass  Westphal  nach 
tinem  guten  Anfang   nicht  die  Geduld   gehabt   hat,  tiefer  in  die 

littieD.  Indessen  müssen  wir  die  Thatsache  hinnehmen  nicht  bloss  für  den 
^rgesang,  sondern  sogar  für  den  Solovortrag  des  Flötenbläsers,  der  sich 
adbfit  den  Takt  trat  (vgl.  Westphal  a.  a.  0.).  Wenn  nun  von  einem  Heben 
*ad  Senken  beim  Taktiren  nicht  die  Rede  war,  so  kann  auch  Arsis  und  Thesis 
aicht  daher  den  Namen  haben.  Vielmehr  glaube  ich,  dass  beide  Worte,  wie 
aach  das  zugehörige  not>ç,  vom  Tanze  entlehnt  sind,  wo  sie  als  alte,  volks- 
tbAmlicbe  Ausdrucke  ihre  eigentliche  Bedeutung  hatten.  Merkwürdig  gut  passt 
^Q  die  Angabe  des  loannes  Sik.  Walz  Rhet  Gr,  VI  239,  1  :  a^civ  fièv  no- 
'•Ä'  ifx^/iévwy  tna^iVf  d'iaiv  8i  xr^v  sU  yriv  ßdaiv,  über  deren  Herkunft 
leb  allerdings  nichts  angeben  kann.  Ebenso  sind  dann  auch  die  Bezeicb- 
aoogen  6  ivm  xq6voç  und  o  uaxm  xç^poq  bei  Aristoxenos  zu  benrtheilen,  die 
•piter  verschwinden. 

1)  Ea  handelt  sich  um  das  Kapitel  de  arsi  et  thesi  bei  Marins  Victor. 
^40K.  In  der  ersten  Hälfte  ist  es  lückenhaft,  in  der  zweiten  steht  aber 
I*»  deutlich  :  baeckiuM  a  örevi  incipiens  in  tublatione  semper  brevem  et 
^^am  reHnet^  in  positione  longam;  palimbacchius  autem  in  sublatione 
^am,  in  positione  longam  et  brevem.  Und:  amphibrachys,  in  quo  duae 
ifnes,  media  longa  est^  in  arsi  tria,  in  thesi  unum  tempus  accipiet,  rursuê- 
fue  arsis  unum,  thesis  tria  sibimet  vindicabiU  Es  gehört  also  dies  Kapitel 
fteicblills  zu  der  Schule,  die  jeden  Fuss  mit  der  Arsis  beginnen  lasst,  und 
aaaeli  ist  der  Anfang  zu  verbessern.  Uebrigens  hat  schon  Keil  auf  die  Uebei^ 
inatimmuDg  mit  dem  Anonymus  Ambrosianua  hingewiesen, 
H«mM  XXXV.  21 


318  G.  SCHULTZ 

UeberlieferuDg  der  Grammatiker  einzudriogeD.     Er  wflre  dann  ?or 
vielen  IrrtbOmern  bewahrt  gebliebeo« 

Sehen  wir  nun  zu,  was  zunächst  Aristoxenos  Ober  Arsis  ïïbâ 
Thesis  lehrt,  so  ist  das  auffallendste,  was  ihn  in  Gegensatz  za  allea 
Späteren  stellt,  dass  er  beide  Ausdrücke  entsprechend  seinem  Ge* 
brauch   ?on  novç  nicht  auf  EinzelfQsse  allein,  sondern  auch  ait 
ganze  Reihen   bezieht.     Es   war  das  ein  geistreicher  Versuch,  die 
Periode  oder  das  Kolon ,  d.  h.  die  wahre  rhythmische  Einheit,  die 
der  Dichter  erfindet  und  das  Ohr  des  Hörers  aufnimmt,  als  Ganni 
zu  behandeln,  aber  er  scheiterte  und  die  Späteren  haben  ihn  nkkt 
wieder  aufgenommen.     Leider  sind   uns  die  Einzelheiten  veriorea 
gegangen,  wie  auch  die  Besprechung  von  Arsis  und  Thesis;  dock 
genügt  far  unsere  Zwecke,  dass  wir  überhaupt  wissen,  wie  Aristo* 
xenos  verfuhr.     Hatte  er  beispielsweise  eine  Reihe  von  12  Horeii 
so  Iheilte  er  sie  entweder  in  3  X  4  oder  2x6,  und  erhielt  so  ent- 
weder -w^  I  -w^~^N>  novg  2a/u/^ixo^  mit  vierzeitiger  Arsis  aal 
achtzeitiger  Basis,  oder  z.  B.  -v^-w|w-w>  noùç  âanTvlixéç  nï 
sechszeitiger  Arsis  und  sechszeitiger  Basis.   Versucht  man  nun  kitf 
den  modernen  Accent  einzuführen  und  nimmt  an,  dass  die  Basbdei 
schweren  oder  betonten  Takttbeil  vorstelle,  so  muss  man  folgeft, 
dass  im  ersten  Beispiel  die  sechs,  im  zweiten  die  vier  Silbeader 
Basis  den  Hochton  trugen,  die  übrigen  den  Tiefton.    Wenn  Weit* 
phal  und  seine  Anhänger  diesen  Schluss  nicht  gezogen  haben,  H 
sind   sie  inconsequent  gewesen.     Sie  hätten  allerdings  mit  eiitf 
solchen   Behauptung  schwerlich  Glauben   gefunden.  —  Noch  ein 
andere  Stelle  beweist,  dass  Aristoxenos  von  einer  Betonung  nicbti 
wusste,   nämlich  seine  Aufzählung  der  èTCJCt  diaq>OQai  noiitül* 
ngtirrj  fAiv,  xa^*  t]v  (ol  nodeç)  fiByi&ei  diag>éQovaiy  alXrjhaf' 
devtega  dé,  xad^'  TjV  y  ever   rgiTTj  de,  xa^'  rjv  ol  fihv  ^ijT«t 
oi   â'  aXoyot  rwv   noöiuv   elai'   teiagtri   di^   xa&^  rjv  ol  ^ 
aavv^ejoi,   ol    ôè   avv&Bxoi*   nifiTtTtj   âé^   xa^*  ^V  diaiQeüi^ 
diag)éQOvaiy  àXXi^Xwv'  ^xrrj  dé,  xa^'  i^v  ax^ßOTi  ôia(péQOVca 
âkXi^kcjv'  eßdofirj  ôé,  xa&'  rjv  àvxL&éaeu   Wenn  der  Fall  denkbtf 
gewesen   wäre,   dass  Silbengruppen,   wie  -ww  oder  —  mit  ve^ 
schiedener  ßetonuDg  gesprochen  werden  konnten,  so  hätte  das  hifl 
erwähut  werden  müssen.     Nach  unserer  Verlragsweise  ist  doch  ci 
grosser  Unterschied   zwischen  -^^^  oder  ^  -   in  daktylischen  m 
—  sL  ^  oder  -  ^  in  anapästischen  Versen.     Für  Aristoxenos  war  ab« 
eine  ötacpoqa  in  der  Betonung  nicht  vorhanden. 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     319 

Nach  ihm  klafft  nun  in  uoserer  Deberlieferaog  eine  grosse 
cke.  Doch  muss  immer  wieder  daran  erioDert  werden^  dass 
se  fOr  die  Ahen  nicht  vorhanden  war.  Die  ROcher  und  die 
hre  des  Regrttnders  der  Rhythmik  lebten  fort  bis  in  die  Zeiten 
B  Psellos,  und  dass  auch  die  Grammatiker  sie  kannten,  beweisen 
I  durch  wiederholte  Citale.  Allerdings  bieten  deren  Schriften  ein 
DI  anderes  Rild  dar.  An  die  Stelle  der  Theorie  ist  die  Praxis 
r  Schule,  an  die  Stelle  der  wissenschaftlichen  Untersuchung  ist 
s  Lehrbuch  getreten  mit  Reispielsammlungen,  die  nach  bestimmten 
mndsatzen  geordnet  sind.  Westphal  hat  nun  zuerst  zwei  metrische 
^holeo  getrennt,  eine  altere  und  eine  jüngere,  was  ich  festhalte, 
gleich  neuerdings  die  betreffenden  Thatsachen  anders  gedeutet 
ordeo  sind.')  Mit  dieser  Zweitheilung  hangt  aber,  was  bisher 
eht  beachtet  ist,  auch  der  oben  erwähnte  doppelte  Gebrauch  von 
m  und  Thesis  zusammen.  Und  zwar  sind  diejenigen,  die  jedes- 
al  den  ersten  Theil  des  Fusses  als  Arsis  bezeichnen ,  die  alteren 
msmatiker,  wahrend  die  jüngeren,  von  Heliodor  abhangigen,  zu 
r  Allsdrucksweise  des  Aristoxenos  zurückkehren.  Die  Lehre  der 
lereo  finden  wir  unvermischt  bei  Terentianus  Maurus,  der  in  der 
ehiodlung  der  Versfüsse  natürlich  ebenso  von  Caesius  Rassus  ab- 
iDgig  ist,  wie  in  der  der  Metra.  Sollte  das  noch  eines  besonderen 
Bweises  bedürfen,  so  vergleiche  man  die  Worte  des  Caesius  p.  264, 
7f.  K.  proeeleumatieus  constat  ex  duohus  pariambù,  id  est  ex  quai' 
«r  brevibus  syUabis,  cuius  exemplutn  in  pedum  demonstraüane 
Mut  —  mit  Terentianus  v.  1460  ngoxeleva^arixog  primus  erit: 
reeet  hahebit  hie  qnattuor  amnes,  duo  quia  sunt  pariambi.  Der 
Iso  sagt  z.  R.  V.  1388  f^: 

agaig  unum  possidebit,  quando  iambum  partiar; 
fiat  abemum  necesse  est,  cum  trochaeum  divides 
od  Ober  den  Amphibrachys: 

arsis  hinc  sumat  necesse  est  tria  priora  tempora 
et  thesi  rdinquat  unum:  vel  licet  vertas  retro, 
arsis  uno  sublevetur,  déprimant  thesin  tria. 


1)  F.  Leo  hat  in    dies.  Ztschr.  XXIV  280  tL  das  ältere  System  auf  die 

rgamener,  das  jüngere  auf  die  Âlexandrioer  zurückgeführt,  and  Sasemihl 

das  in  seiner  Geschichte  der  griechischen  Litteratnr  io  der  Alexandriner- 

t  angenommen.    Ich  habe  meinen  Widersprach  begründet  in  dem  Aufsatz 

Î  Metrik  des  Philoxenus*  in  dem  G.  Robert  gewidmeten  Sammelbande:  aus 

Anomia.    Berlin  1890. 

21* 


320  6.  SCHULTZ 

Der  zweite  Zeuge  ist  Marius  VictoriDus  in. dem  Kapitel  iê  amä 
tkm  (vgl.  S.  317  A.  1.).  Dieser  Abschnitt  stammt  aus  Tbeomestu,^ 
wie  ich  in  meiner  Dissertation:  Quibus  auctoribui  Ädim  fiM 
AphAonius  de  re  metrica  usus  sit,  Vratisl.  1885,  nachgewiesen  hibi, 
und  geht,  wie  ich  noch  jetzt  glaube,  durch  diesen  auf  Philoiea« 
zurflck  (vgl.  meinen  S.  319  A.  1  genannten  Aufsazt:  Die  Metrik  ta 
Philoxenus).  Noch  unbekannt,  aber  deutlich  in  denselben  Krai 
gehörig  sind  die  Quellen  des  Diomedes  p.  474,  31  f.  K.  {pes  etifss^ 
ticae  dietianis  .  .  .  modus  recipiens  arstn  et  thesin,  id  esi,  pdü^ 
cipit  a  sublatione,  finitur  positions),  des  Atilius  Portonatiun 
p.  281,  5  K.  und  des  Anonymus  Ambrosianus,  Anecdota  waria  p.  W 
Stud.,  des  einzigen,  dafür  aber  um  so  gewichtigeren  Griechea,  ta 
zu  dieser  Schule  gehört  Sehr  interessant  ist,  dass  derselbe  Imüi 
Ausdrücke  entsprechend  sogar  vom  Hexameter  braucht  p.  21^  91:- 
açaiç  fihv  yàç  xaXeltai  ^  éçx^i  ^^^  a%lxov,  ^ioiç  ih  ti 
zéXoç  (a^aiç  BB  Anheben,  ^eatç  "^  Absetzen). 

lieber  den  Urheber  der  Terminologie  wage  ich  keine  T«* 
muthung;  ihre  Begründung  giebt  uns  Terentianus  in  den  dflrftigai 
Worten  über  den  pariambus  v.  1345  f.: 

bis  ferire  convenit, 
parte  nam  attollit  sonorem,  parte  rdiqua  deprimit: 
açaiv  hanc  Graed  vocarunt,  alteram  contra  ^éaiv. 
Er  bezieht  also  agaig  auf  die  Erhebung,   d.  h.   den  Ansatz  dff 
Stimme,*)  wodurch  er  freilich  bei  Erklärung  der  â^éaiç  in  Schwieiif» 
•keiten  kommt    Denn  was  soll  deprimere  vocem  eigentlich  bedeatttt 
Da  wir  nun  wissen,   dass  diese  ,ältere*  Schule  im  Beginn  derfi" 
mischen  Kaiserzeit  herrschte  und  dass  Dichter  wie  Horaz  ihr  foigttii 
so  kommen  wir  zu  dem  Schluss  :  in  der  Blüthezeit  der  rOmisckH 
Dichtung  und  mindestens  im  ganzen  ersten  nachchristlicheD  Uf* 
hundert  hat  man  immer  den  ersten  Theil  des  Versfusses  als  kfài 


1)  Theomestus  =  Theomnestus  hat  Usener  verbessert  io  Fleckeil(i> 
Jahrb.  1889  S.  395  für  den  in  der  Ueberlieferung  verdorbenen  Namen  Thac^ 
mestus.  Vgl.  Leo  Ein  metrisches  Fragment  aus  Oxyrhynchos.  Nachrichten 4ff 
K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  1899,  495. 

2)  Ein  Best  davon  steckt  auch  in  der  confosen  Mischnng,  die  Aphtht" 
nius  aus  seinen  verschiedenen  Onellen  zusammengebraut  hat.  Marios  VkMI* 
p.  40,  15  R.:  est  enim  arsi^  suhlatio  pedis  sine  sono,  thesii  poiiUo  f^ 
cum  sono:  ttem(I)  arsis  eiatio  temporis^{I)  soni,  voeiSj  thens  depoeUU  é 
quaedam  contractio{!)  syllabarum.  Es  ist  vergebliche  Mühe  BU  »theo,  wi 
Ihm  vorgelegen  hat. 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     331 

deo  zweiten  als  Thesis  bezeichnet.  Wollte  quo  jemaod  das  attoUit 
mmrem  des  Tereotiaous  auf  eine  Verstärkung  der  Stimme,  d.  h. 
lof  einen  Accent  der  Arsis  in  unserem  Sinne  deuten,  so  wOrde 
er  bald  zu  bedenklichen  Polgerungen  kommen,  weil  er  z.  B.  beim 
Jimbus  die  Kürze  betonen  mOsste,  bei  dem  Anapäst  beide  erste 
tonen.  Davon  kann  nattlrlich  keine  Rede  sein.  Ebenso  schlimm 
wfirde  es  uns  freilich  gehen,  wenn  wir  die  Thesis  betonen  wollten, 
weil  wir  dann  beim  Trochäus  statt  der  Länge  die  Kürze  betonen 
■Oisten,  beim  Daktylus  die  Länge  schwach,  die  Kürze  stark  sprechen 
nOssten.  Wir  mögen  es  also  anstellen,  wie  wir  wollen,  wir  kommen 
tech  unsere  Betonung  in  einen  unlöslichen  Widerspruch  mit  der 
Deberlieferung,  und  es  bleibt  gar  nichts  anderes  übrig  als  zu  sagen: 
Mtweder  sind  die  Alten  vollständig  unvernünftig  gewesen  oder  sie 
Uten  eben  überhaupt  keine  Betonung  in  ihren  Versen  gehabt. 

Endlich  ist  ja  auch  die  Tbatsache,  dass  [die  Bedeutung  vom 
Anis  und  Thesis  schwankte,  dass  also  die  einen  z.  B.  im  Trochäus 
die  Länge,  die  anderen  die  Kürze  als  Thesis  bezeichneten,  nur  erklär- 
Bch,  wenn  man  von  dem  Versaccent  absieht  Denn  der  hätte  gar 
ttcbt  schwanken  können.  Eine  Erklärung  für  diese  wunderliche 
Erscheinung  hat  Rheines  Wissens  noch  niemand  versucht  Leider 
BMDgelt  eine  bestimmte  Ueberlieferung,  sodass  wir  auf  Vermuthungen 
Ugewiesen  sind,  und  so  denke  ich  mir  folgendes.  Bei  dem  älteren 
Sprachgebrauch  trat  eine  gewisse  Unbequemlichkeit  ein,  wenn 
Spoodeen  in  jambischen  oder  trochäischen  Versen  scandirt  wurden, 
bmusste  dann  im  ersten  Fall  die  zweite  Silbe ,  im  zweiten  Fall 
digegen  die  erste  Silbe  als  Thesis  bezeichnet  werden.  Oder  wenn 
CID  Daktylus  in  einem  jambischen  Trimeter  stand,  so  musste  man 
die  Länge  Arsis,  die  beiden  Kürzen  Thesis  nennen  entgegengesetzt 
dem  gewöhnlichen  Gebrauche.  Und  doch  hatte  der  Spondeus  sowohl 
^  der  Daktylus  in  allen  Fällen  den  gleichen  Klang.  Es  lässt  sich 
Wohl  begreifen,  dass  irgend  ein  Gelehrter  vorschlug,  dem  ein  Ende 
tQ  machen  und  ein  für  alle  Hai  die  erste  Silbe  als  Arsis,  die  zweite 
ib  Thesis  zu  bezeichnen.  Um  die  alten  Namen  festhalten  zu  können, 
deatete  er  sie  um  und  bezog  sie  auf  die  Stimme.  Wahrscheinlich 
mrde  bei  dieser  Gelegenheit  der  alte,  nun  aber  nicht  mehr  pas- 
(ode  Ausdruck  ßdaig  beseitigt  und  durch  Ô'éaiç  ersetzt  Das 
]f  diese  Weise  frei  gewordene  Wort  wurde  dann  zur  Bezeichnung 
m  Doppelfusses  verwendet 

Es  bleibt  noch  übrig,  einige  Worte  über  die  jüngere  metrisclie 


322  G.  SCHULTZ 

Schule  zuEufOgen,  deren  Lehre  Marius  Victorious  in  dem  Kap&if 
de  rhythmo  p.  41  f.  R.  aufbewahrt  hau  Sie  schliesst  rieh  so  m§ 
an  Aristoxenos  an,  dass  Westphal  sie  in  der  griech.  Metrik  P  207IL 
einem  vorneroniscben  (warum  ?)  Aristoxeneer  zuschreibt.  Ich  ghobe 
in  meiner  Dissertation  p.  43  gezeigt  zu  haben,  dass  sie  auf  iobi, 
d.  b.  auf  Heliodor  zurückgebt,  der  doch  wohl  Aristoxenos  ttUiit 
gelesen  und  p.  43,  2  citirt  haben  wird.  FOr  unsere  Frage  will 
ich  nur  bemerken,  dass  er  Thesis  und  Arsis  in  der  durch  Westphal 
eingeführten  Art  braucht  und  dass  er  von  einer  Betonung  der  Theni 
ebenso  wenig  weiss,  wie  die  anderen  Metriker/) 

Verlassen  wir  nun  diese,  so  bleibt  noch  übrig  kurz  der  Redaer 
SU  gedenken ,  denen  wir  manche  werthvolle  Nachricht  Ober  im 
Rhythmus  verdanken.  Es  ist  bekannt,  dass  die  kunstvolle  Rede  die 
Verwendung  von  Versfüssen  verlangte  und  dass  man  diß  attischen 
Redner  daraufbin  eifrig  studirte.  Wenn  man  nun  bei  diesen  Tri- 
meter und  Hexameter  oder  Bruchstücke  von  solchen  entdechte,  so 
ist  es  unmittelbar  einleuchtend,  dass  von  einer  Accentuation  aidit 
die  Rede  sein  kann.  In  der  Prosa  hat  der  Versaccent  keinen  Platti 
sondern  hier  kommt  nur  Länge  und  Kürze  in  Betracht.  Das  iil 
so  klar,  dass  jedes  weitere  Wort  überflüssig  ist. 

Diese  Ausführungen  werden  genügen,  um  den  oben  au^ 
stellten  Satz  zu  beweisen,  dass  es  in  den  antiken  Versen  keinen 
Accent  gegeben  hat.  Er  ist  negativ  und  hat  zunächst  den  negatiiee 
Nutzen,  dass  er  falsche  Fragen  und  falsche  Annahmen  beseitige! 
kann.  HoflTentlicb  wird  man  sich  in  Zukunft  Untersuchungen  über 
das  Verhältniss  von  Wort-  und  Versaccent  ersparen  und  wird  sich 
nicht  mehr  bemühen,  die  Betonung  des  Dochmius  zu  ergrQodcB* 
Unser  Satz  kann  uns  aber  auch  positiv  fördern;  denn  auf  seioA 
wie  ich  hoffe,  festen  Grunde  können  wir  in  neuer  und  klarefvr 
Weise  die  Frage  stellen,  welche  Gestalt  eine  Dichtung  und  Hoflk 
annimmt,  die  rein  auf  dem  Prinzip  der  Quantität  aufgebaut  iiL 
Diese  Frage  zu  beantworten,  ist  freilich  erst  das  letzte  Ziel  albr 
metrischen  Wissenschaft.  Und  während  unser  Grundsatz  nur  am 
(1er  theoretischeo  Ueberlieferung  des  Alterthumes  zu  finden  war,  u 


1)  Auffällig  könnte  scheinen,  dass  sich  bei  den  späteren  Griechen  köae 
weitere  Spur  von   dieser  Lehre  Heliodors  findet.    Aber  da  Heph&stioo  keiae  | 
Definition  von  Arsis  und  Thesis  gegeben  hatte,  so  schwiegen  aacb  seine  Scko> 

liasten  darüber. 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     323 

vird  sich  die  wirkliche  Kenntniss  der  antiken  Verskanst  wesentlich 
nur  aus  den  Werken  der  Dichter  gewinnen  lassen.  Einige  all- 
gemeine Andeutungen  mOgen  aber  hier  Platz  finden. 

1.  Wir  haben  in  unserer  accentuirenden  Poesie  Gedichte,  in 
denen  ?on  Anfang  bis  zu  Ende  im  regelmassigen  Wechsel  betonte 
und  unbetonte  Silben  auf  einander  folgen.  Als  Beispiel  möge  dienen 
Platens  Grab  im  Busento: 

Nächtlich  am  Basento  lispeln  bei  Gosenza  dompfe  Lieder, 

Ao8  den  Wassern  schallt  es  Antwort,  and  in  Wirbeln  klingt  es  wieder 

oder  das  ganz  ebenso  gebaute:  der  Tod  des  Carus.  Sie  sind  von 
îollendeter  Klangschönheit,  und  ich  glaube,  dass  Platen  durch  ihre 
Einfachheit  und  strenge  Grösse  den  Eindruck  des  Antiken  erreicht 
n  haben  meinte.  Gerade  sie  aber  sind  geeignet,  den  Gegensatz 
gegen  echte  antike  Metrik  am  schärfsten  zu  zeigen.  Denn  nichts 
îermied  diese  mehr,  als  durchgeführte  Gleichmässigkeit.  Bei  uns 
belebt  der  Accent  die  immer  wiederkehrende  Abfolge  der  Silben; 
biet  man  ihn  weg,  so  bleibt  eine  öde  Monotonie  und  unerträgliche 
Einförmigkeit.  Daher  giebt  es  in  der  quantitirenden  Poesie 
keine  Verse  aus  lauter  gleich  langen  Silben,  z.  B.  keine 
Hexameter  aus  lauter  Spondeen.  Selbst  gleichmassiger  Wechsel 
vonLängen  undKQrzen  in  längerer  Dauer  war  dem  grie- 
chischen Ohre  unerträglich.  Daher  verschwinden  die  Hexameter 
^Q8  reinen  Daktylen  zwischen  der  Masse  der  aus  Spondeen  und 
Daktylen  gemischten;  bei  den  Jamben  und  Trochäen  setzte  man 
S|)oodeen   ein   und  ertrug  lieber  Taktwechsel,  als  eintöniges  Ge- 


2.  Will  ein  moderner  Dichter  Abwechselung  in  den  Rhythmus 
bringen,  so  wechselt  er  in  der  Zahl  der  tonlosen  Silben,   die  er 
zwischen  die  tontragenden  einschiebt,  oder  er  lässt  diese  auch  un- 
niUelbar  an  einander  stossen.     Die  quantitirende  Poesie  muss  an- 
dere Mittel  suchen.    Das  erste  und  einfachste  ist  die  Weglassung 
eines  Takttheiles  wie  im  Pentameter,  das  zweite  ist  der  Takt- 
wechsel, der  in  jambischen  und  trochäischen  Versen  bereits  in 
der  Volkspoesie  vorgebildet  war.     Archilochos  führte  ihn   weiter, 
indem  er  Reihen  des  yévoç  ïaov  und  dinXdaiov  vereinigte,  die 
Lesbier  mischten  dann  beide  yivrj  nach  Belieben.    Das  dritte  Mittel 
eodlich  war  Umstellung  von  Längen  und  Kürzen,   wie  im 
Auftakt  v>-— -v>,   in  viersilbigen  Gruppen  -wv>-— w-^-,  von 
achtsilbigen  Gruppen  ww-s^-s-» — —^^  —  y^^ — . 


324  G.  SCHULTZ 

3.  In  der  moderneo  Dichtung  ist  Takfgleichkeit  durch  < 
Accent  zum  Grundgesetz  geworden.  Wird  die  Reihe  der  Acce 
unterbrochen,  so  ist  der  Vers  zu  Ende.  Taktgleichheit  ?eria 
also  unerbittlich  unser  Ohr  und  Takrgleichheit  ist  das  Losungsn 
aller  geworden,  die  die  griechischen  Verse  haben  für  unserer  Ge 
zurechtstutzen  und  in  unsere  musikalischen  Schemata  haben  < 
zwingen  wollen.  Taktgleichheit  ist  aber  nicht  nOthig  für  eine  qu 
titirende  Metrik  ohne  Accente,  ja  sie  ist  nicht  einmal  möglich 
sie,  da  unter  ihrer  Herrschaft  alles  Leben  erstarren  würde.  So 
es  denn  eine  Thatsache,  dass  die  Ueberlieferung  der  All 
die  Taktgleichheit  ablehnt  (vgl.  Westphal  Griech.  Metril 
p.  683  ff.),  und  wir  begreifen,  dass  gerade  das  Prinzip  der  Qu 
titat  es  war,  das  die  Griechen  zwang  nach  immer  neuen  Gec 
tnngen  des  Sprachstoffes  zu  suchen,  bis  sie  zu  jenen  wunderbi 
Versgebilden  kamen,  wie  sie  keine  accentuirende  Poesie  auch 
annShernd  hervorgebracht  haL  In  welcher  V^eise  freilich  die 
wShnten  Runstmittel  allmfthlich  ausgebildet,  verwendet  und 
▼ollkommnet  wurden,  das  zu  verfolgen  ist  Sache  der  historÎM 
Einzelforschung.  Wie  viel  hier  noch  zu  lernen  ist,  das  mOgen 
meisterhaften  Untersuchungen  von  Wilamowitz  zeigen. 

Versuchen  wir  endlich  das  gewonnene  Resultat  praktiscl 
verwerthen,  bei  dem  Lesen  der  antiken  Verse  unsere  Accent« 
verbannen,  dafür  Lftngen  und  Kürzen  scharf  zu  beobachten, 
fehlt  uns  zwar  immer  noch  eins,  um  richtig,  d.  h.  wie  die  A 
zu  lesen,  das  ist  die  genaue  Vorstellung  vom  Klange  des  ant 
Sprachaccentes.  Aber  ein  annähernd  zutreffendes  Bild  vom  Kl 
griechischer  Declamation  und  griechischen  Gesanges  können 
uns  doch  machen.  Könnten  wir  einen  antiken  Chor  ein  Lied  sii 
hören,  so  würden  wir  zuerst  jedenfalls  eine  gewisse  Eintönif 
empfinden  und  den  lebenspendenden  Accent  schmerzlich  vermis 
Der  stetige  Wechsel  von  langen  und  kurzen  Silben  würde 
vielleicht  klingen,  wie  das  gleichmässige  Plätschern  des  Was 
Wenn  wir  aber  unser  Ohr  gewöhnt  hätten,  so,  denke  ich,  w 
die  Wirkung  etwa  die  gleiche  sein,  wie  die  der  antiken  Bauki 
Hat  doch  ein  geistreicher  Philosoph  die  Baukunst  eine  gefro 
Musik  genannt.  Der  alte  Baumeister  errichtete  seinen  Tei 
immer  in  demselben  gleichmassigen  Viereck,  stellte  die  Säule 
gleichen  Abständen,  verzichtete  auf  jeden  Vorsprung  etwa  an 
Ecken   oder  an  den  Eingängen,   vermied  jede  Spitze,  auf  die 


BEITRÄGE  ZUR  THEORIE  DER  ANTIKEN  METRIK     325 

:h  zustrebte.  Man  stelle  in  Gedanken  einen  gotbischen  Dom 
leben  mit  seinem  dreitheiligen  Dach,  seinem  Strebesystem  und 
orbau,  seinen  Thürmen,  oder  eine  Kirche  der  Renaissance  mit 
tn  Haupt-  und  Nebenkuppeln,  ihren  Kapellen  und  Portalen, 
er  eine  Vielheit,  die  durch  gewaltige  Accente  und  Höhepunkte 
r  Einheit  zusammengefasst  wird,  dort  eine  Einheit,  die  sich  erst 
inahlich  in  eine  Vielheit  der  Bestand ttheile  zerlegt.  Und  doch, 
ilch  unvergänglicher  Zauber  geht  von  dem  griechischen  Tempel 
sl  So  muss  auch  die  Wirkung  des  griechischen  Gesanges  ge- 
eieo  sein. 
Steglitz.  GERHARD  SCHULTZ. 


DAS  WORT  innos  IN  DEN  ERETRISCHEN 
PERSONENNAMEN. 

Schon  lange  hat  sich  mir  die  Wahrnehmung  aufgedrtngt,  daiB 
das  Element  ïrtTtoç  in  den  Namen  der  Eretrier  sich  hoher  Befor- 
zugung  erfreut.  Da  ich  jetzt  im  Stande  bin  für  die  Beobacbtnag 
mehr  als  40  VoUnamen  geltend  zu  machen,  halte  ich  für  eriaoM 
sie  mitzutheilen. 

Ich  beginne  mit  der  Durchmusterung  des  grossen  Kataloges,  dar 
'Eq>.  açx^  1887  83  ff.  ?on  Tsuntas,  besser*)  'Eq>.  agx*  1895  131  IE- 


1)  Dies  Uriheil  stützt  sich  aaf  das  Stadium  eines  Abklatsches,  den  ■si' 
Herr  Karnniotis  aas  £retria  in  Folge  liebenswürdiger  Vermittelaog  too  ?9^ 
Wolters  in  Athen  verschafiEt  hat.  Von  Kleinigkeiten  abgesehen  bestätigt  Aaf 
Abklatsch  an  allen  Stellen,  wo  ich  ihn  zn  lesen  vermag,  die  Angabeo  «IC 
zweiten  Heraasgebers.  So  steht  Ufas  KTHMAPPOY,  nicht  THM-;  Im  KAA- 
AIKAEOY,  nicht  BAAAI-;  U137;  lOPENOY  (1.  (J)toyérov),  nicht  IOI-;  Uti 
^QTEQ,  nicht  I . .  SEÛ;  1 176  BAEPYPOY,  nicht  KAEOPYPOY;  Ulito  ^J^ 
Èn^Orje  OINAPfO  .,  nicht  ^tloievaffi  ^OIN-.  Ans  dem  Namenbacbe  fall«« 
also  BaXXinXeriCy  Zivtre,  KXêoTtv^  bis  anf  weiteres  weg,  wahrend  Ktijfttiy^ 
der  erste  Beleg  fflr  die  Verwendung  von  tcrfjfui  als  vorderes  Gompositionsgii^ 
ist.  Umgekehrt  scheint  mir  der  erste  Heraasgeber  mit  ZI^QN  (ÏÏL  m)  î* 
Rechte  gegen  den  zweiten  zu  sein,  der  SifOiv  angiebt  An  anderen  Stelisa 
lässt  mich  der  Abklatsch  im  Stiche.    H  im  liest  Ts.  ^xQoxoveuoi  TE,  St  EM- 

PIQ,  1 140  Ts.  AOP ,  Staur.  JoçtTroe,  1  iss  Ts. .  £  . . .  £KO£,  SL  'Atf^ 

xiaxas  (man  erwartet  wenigstens  'AafaXurxoç),  1 191  Ts.  KAAA  • . .  AOY,  St 
KaXamiSov  (dies  sicher  falsch).    Den  Namen  'OaXi9iO£  (III 174)  hätte  SU  oicU 
in  0aXiSios  verändern  sollen:  er  war  schon  von  Blass  (Kühner*  182)  riehtif 
gedeutet.  —  Auch  von   der  *Ey,  olqx^  1897  t44  f.  publicirten  Inschrift  besttt 
ich  durch  Herrn  Kurionitis  Gute  zwei  Abklatsche,  die  die  Angaben  seines  Fio> 
simile  fast  überall  bestätigen.    Namenilich  ist  der  Bvnxoe  gesichert,  den  er  |^ 
lesen  hat;  damit  ist  der  B^mx^i  des  Alkaios  aus  der  Isolirtheit  befreit  IQt  fickt 
der  Herausgeber  AYPI^KO^  AYPÛN  .  ^.    Nach  den  Abklatschen  kann  man  BS 
—  so  urtheilt  auch  mein  College  Blass  —  zwischen  AYPÛN .  ^  oder  AYIQN  X 
schwanken,  und  nach  der  Art,  wie  auf  dem  einen  von  ihnen  das  dritte  Zeichei 
erscheint,  würde  ich  es  lieber  für  I  als  für  r  halten  (die  Seitenhasta  steht 
schräg  und  macht  eher  den  Eindruck  eines  zulalligen  Risses).    Avimv  wifC 


mnOS  IN  EKETRISCHEN  PEKSONENNAHEN         327 

TOD  Stauropulos  ▼erOiïeotlicht  worden  isU  Seine  Zeit  wird  dadurch 
bestimmt,  dass  er  zwei  Persönlichkeiten  mit  der  ^q>.  àgx^  1892 
136  ff.  und  1895  144  herausgegebenen  Ephebenliste  gemeinsam  hat 
(Wilhelm  'E(p.  a^%.  1892  140),  die  nach  Holleaux  {Reü.  d.  et.  gr. 
10. 157  ff.)  zwischen  die  Jahre  308  und  304  Mu  Ich  werde  die 
Liste  so  anlegen,  dass  ich  nicht  nur  einen,  sondern  sämmtliche 
Träger  eines  Namens  anführe,  soweit  sich  nicht  ein  Grund  dafür 
geltend  machen  lässt,  dass  sie  identisch  seien,  und  dass  ich  die 
Belege  fQr  einen  Namen  durch  Heranziehen  anderer  Quellen  ?er- 
Tollständige. 

^ArcijfÀOVtoç  AlQLn{n)ièov  'HgéTtioç  III  38. 

^jifielvcnnoç  Mevlnrcov  Tafivvacevç  1 149. 

"Aqx^'^^oc  OlHvov  'QçwTtioç  1 39  ; "Açxi'^^oç  'Agxiddf^ov 
Tafivnfj'&ev  II 99  ;  ^AQXcrtnoq  Xaiçéov  naQ'^evUo&ev)  III  lis  ; 
"^QXiTtnog  niâ^œvoç  ^SiçiaTto^ev  Uli 69;  XaiQinnoç  ^AQxLrtTtov 
'daxe&ev  240  f.  ;  ^AQxmnoç  ^AqxIov  Miv&ovvxod^Bv  312.  —  Sbvo^ 
tQtkrjç  'AQxlnnov  è^  îlOY  BCH.  2.  277 10. 

"Aqx^^^oç  ZoQ.y  ^Eq>.  açx-  1895  12742;  \Jri\iio%i(iog  'AqX" 
wn-'  \AAzz;*AQXirt7toç  Kkeozlfiov  Jva.,  1897  143  II 14. 

JiâçiTtnoç  JwQod^éov  Bovôio&ey  II 15* 

^AçéTùiv  ^Egaainnov  AaxBd^ev  Uns;  ^Egàocnnoç  Ev' 
nôlidoç  AocKBd'BV  II  119;  TEçdacrcnoç  MvriaÔQXov  Aaxed^sv 
H 168.  —  jBça[ai7r]fKoç  [^a]x(€)^£v  muss  wohl  CIA.  4  Suppl.  2 
>*•  116  c  15  geschrieben  werden  ;  die  Abschrift  Lollings  bietet  im 
Demotikon  hinter  zwei  Fehlstellen  I  POEN. 

EvdrifÀinnoç  EvdrjfÂOv  Bovdio&ev  lie. 

KqI'^wv  QaQÇiTtniôov  Bovôlo&bv  le. 

^iTtnaQxiàtlS  nç(OToq)d(vov)  i^  Aiyleq>e£çrjç  220. 

'Exzoçldrjç  Ïtt TtooTçâvov  KozvXaievç  1 129 ;  SùioTçaroç 
InnoGTQdrov  ^iÎQWTco&ev  m.  —  Ein  ^IftrtooTQatoç  ohne  weitere 
Beieichnung  BCH.  3.  213  n.  7. 


mit  imv  gebildetes  Hypokoristikon  zu  AvavS^  (man  beachte,  dass  der  Sohn 

JvQiawn  heisst)  ;  Avytov  wäre  ein  Spitzname,  der  den  Träger  mit  dem  Xiya^ 

ferglicbe.    I17  erscheint  hinter  dem  Bruche  ^TEI^IKPATOY;  es  ist  also  zn 

ifsen  --€  TuaiMifdrov,  —  Auf  der  Urkunde  bilden  die  Styraer  einen  Demos 

ron  Eretria.   Sie  ist  folglich  gleichzeitig  mit  dem  Vertrage  des  Ghairephanes,  den 

Holleanx  zwischen  die  Jahre  322  und  309/8  setzt  {Rev,  des  et,  gr.  10.  189^). 

Ich   bemerke  noch,  dass  'Etp.  %.  1897  149  b  9   <|>AAOMAXO^   aus  <|>ANO- 

Terlesen  oder  Terschrieben  ist. 


328  F.  BECHTEL 

Haçifiovoç   KaXXLnnov   KœfÀauiç  III  so*  —  Ohne  ^^i 

gäbe  des  Demos  KaXXinnoç,  'E(p.  agx-  1892  155  d.  43;  K[6Lr]Z. 

iTtTCog^  id&rjvà  1893  352  d.  11;  Kkeagiarrj  KaXklnnov  Blink^o. 

berg  0.  66. 

ItéiLielvtnTcoç  Mbv Limov  Tafivvauvg  1 1 49* 
Nixavdgiôrjç  Nixinnov  Bovôio-d'ev  Hu;  Jioviaioç  Ntx" 

tnnov  Koxvkauvg  I132;  Nixmnoç  u^vxwvlôov  Bovdt6^ev»(^r 

Nlxiftfiog  ^ïaxQtovoç  Taf^vvrjÔ^év  325.  —  Nlxcnnoç  MvtjOttQjov, 

'A&rjva  1893  359  o.  43. 

ndiçinnoç  narçoxkéovç  Bovôtôd'BV  II  lo* 
Iloaeldmftoç  'HyTjaàvô{çov)  ^àxe&ey  232.  —  nocîtS"^ 

iTCTtoç   Blinkenberg   d.  121;    Nixrjocj   IloaidLnnov   Blinkenben^ 

D.  102. 

UQij^iTmoç  IlQrj^ivUov   Bovdi^&ev  III 21;   ngrj^iTihj^S 

Ilçrj^innov  'iiçwTtO'^ev  III 1  es-  —  IlQtj^inTioç ,  ^ßy-  i(U^^ 

1895  144  u;  Hç^^mnoç   M«--  1897  149  be. 

EvKÇaTrjÇ   IlQWTiTtnOV    ^àx€&€V    II  169. 

Hv d" tn n 0 g*Eni%%ri%ov  KoTvkauvç  1 138. woçnvd""^ 

innou  Ig  Ida.,  *E(p.  açx.  1897  143  1 19. 

SwainTCOç  Idvxiqxivov  Bovôio^ëv  II 150. 

TeXéamnoç  Tekeçiov  ^àxe-d'ev 1 1 19 ;  Teléamnoç  Tên 
av{àQov)  ^Qtanoâ^ev  200. 

*Idaîoç  Oavinnov  ^a%€&BV  II 179  ;  IlokvxçcitrjÇ  uod 
voxXéfjç  OavlvcTtov  Tafivvrj^ev  262  ff. 

[Kt]q)i]G6ôwçoç  OikLnnov  KœfiaiBvç  I  73  ;  OlXtunoç  . 
Tcokcôoç  uldxe&ev  Iioe;  ^Aqtiixiav  (DiXlnnov  Aaxe&Bv  IIiiin-^ 
0ikinnoç    uço^ivov    Aaxad^Bv  H  125;    (Diltnnog    OilofU^lo^^ 
'loTidi^&af  II  199.   —    OlhrtTtoç  ....  ovoç  BCH.  3.  212  n.4r5 
OiXinnog  Trjxinnov  Philol.  10.  302  72. 

OvQxtnnog^)  iticxekdov  Koj/Âaievç  lil  73. 

Xaiçmnoç  Xaiçita  Aaxê^ev  II 122;  Xalçirtftoç  ^Açif^ 
Innov   Aàxed'ev  240;    Xaiçmnidrjç    ^Hçaltavoç    Kiofiauiç 

II 81.  —  XaïQinnoç ,  'Eq>.  àçx*  1897  144  III 39;  XaiçlnfOi 

ZrjXéov  Bliokenberg  d.  150. 

Dies  sind  23  VollDamen  mit  ïnnoç.  Zu  iboen  kommt  eine 
Koseform:  ^'iTtJiwv  Aaad^évov  IleQaevç  II  139.  Der  Name  des 
Vaters  lässt  vermulhen,  dass  "^Itctiwv  Verkürzung  von  ^Injtoad'hriç 


innOZ  IN  ERETRISCHEN  PERSONENNAHEN         329 

«ei;  und  da  wir  flnden  werden ,  dass  der  Name  ^IftftoO'&évrjç 
tür  Eretria  beglaubigt  ist,  erhält  diese  YermutbuDg  eine  weitere 
StQUe. 

Die  Zahl  der  eretrischeo  Namen,  die  das  Element  ÏTtftoç  va- 
riiren,  lässt  sich  mit  Hinzuziehung  anderer  Quellen  nahezu  ver- 
doppeln. Ich  führe  zuerst  die  Namen  an,  die  zu  den  bisher  er- 
wähnten in  lediglich  formalem  Verhältnisse  stehn. 
Alglnnri  IdQxe/ÂÔxov,  *Eq>.  açx*  1899  227. 
Jrj^iTtnog  Arj/iOTlfiov  Blinkenberg  n.  26;  Evq>7ifÂ0ç  ^fi- 
Innov  ZaQri.,,^(p.  açx-  1897  144  II  is;  Ji^iumnoç  ^lan.  1895 
12735;  /JifjfÂifCTfOÇ  Oiq,  130  45. 

^^X<^  Sgctalftnov  Blinkenberg  n.  16. 
"Innaçxoç  Demosth.  9.  58,  18.  295;  uiv&tjdwv  ^Iftnagxt^v, 
Ï9).  àçx>  1897  162  n.  24;  'Innaçxlfav  149 bio. 

—  édwQoç  Kaklinnldov,  ^A^.  èq>.  1869  347  n.  412  23; 
Xa[lX-^  I  Ktt]Ui7t7tidov  Z[a^J.,  "Eq>.  àgx.  1895  129  7  f. 

Diesen  fünf  schliesse  ich  die  Namen  an,  die  ïnnoç  in  Ver- 
l^Ddong  mit  einem  neuen  Elemente  oder  doch  in  anderer  An- 
Ordnung  als  in  der  Urkunde  enthalten,  7on  der  wir  ausgegangen 
•ind. 

^A^[|]in:/r[oçJ  auf  einer  Bronzemttnze  des  britischen  Mu* 
*>iuii8  {Catalogue  Central  Greece  124). 

'!^A[x]4frffroe--],  'Eq>.  oqx-  1895  130  48. 
^Açi]aTiftnoç  2tvQ.,  ^q>.  àçx*  1895  12747. 
E[vi]7cnoç    oder  ''E[cpi]n7toç   oder  *jB[^e]fr7rog  agxtav 
W:B^2.27832. 

Ev^ii)ft7tidtjçnoUfiaçxoç,  'Aqx^  è(p.  1869  347  n.  412 1. 
^HyiJQmftoç  Ava.y  ^Eq>.  a^x- 1895  127  23;   'HyTJçmTtoç 

^Yriçiv[U]ov  [na]v[a].  144  20  (vgl.  130 37);  N oç'Hyrjairi' 

ftov  0[lxa].  1897  144  111  36. 

^InftoxXérjç  Te,/Eq>.  âçx.  1895  130  44;  Avronkeidtjç 'Iri' 
ffoxliov  "Aq>aQ.  BCH.  2.  277 15. 

Innoxvdrig  Arj/ÀOvUov  ^ii.,  ^Eq>.  àqx*  1897  144  III 9. 
^Innéloxoç,  *Eq>»  àçX'  1895  126  5« 
^Inftovixoç  2tvç,,  *Eq>.  açx^  1895  127  40. 
'Inn:oa^év[f]ç]  Miv{^).  CIA.  4  Suppl.  2  n.  116 ce;  lano- 
4f9ipriç  Jva%ô{&ev),  'Etp.  aQx-  1895  126  7. 

^InnoxàçTjç,  *Eq>.  àçx>  1897  149 bu;  Blinkenberg  n.  55. 
KvâiTtTtoç  'Ag>a.,  ^g>.  dçx»  1895  130  29. 


330  F.  BECHTEL 

Avalnnri  Bliokenberg  d.  89. 

VççiTtnoç,  'E(p.  OQX.  1899  146  n,  23. 

Kkeofco/Ànoç  2Tç[aT]ln7tov  E,  'Eq>.  àçx»  1897  144  Ilf^g. 

OiXiTtnoç  Trjxinnov^)  Philol.  10.  302  72«  vgl.  Trixinnoç 
OiXlnnoVy  'A^va  1893  348*. 

Tlfiinnog,  'E(p.  agx-  1887  79  n.  2  2. 

TifiTjçlnftrj,  'Arriva  1893  354  d.  21. 

So  erhalten  wir  19  neue  Vollnamen  mit  ïnnoq.  Neben  ihneB 
steht  ein  als  Namen  verwendetes  Âdjecti?um:  ^trcntxoç  in  der 
Grabschrift  Norma  'Innlxov  (Blinkenberg  n.  106). 

Wenn  von  den   etwa  200  VoUnamen ,  deren  eines  Glied  das 
Wort  ÏTtTcoç  bildet,  ein  Fünftel  in  dem  Gebiet  einer  einzigen  Stadt» 
theilweise  mit  gewisser  Vorliebe  verwendet  worden   ist,  so  kaaià 
das  nicht  Zufall  sein.   Wer  es  dafür  halten  wollte,  den  würde  icb 
bitten   sich  einmal  die  Namen  der  Bleiplättcben  von  Styra  m  be- 
trachten: auf  den   447  bekannten  Plättchen   kommt  ein  einzig^^ 
auf  ÏTcnoç  aufgebauter  Name  zu  Tage,  'Ififitûvdrjç  Ion.  loscht'- 
n.  18,  373.    Auf  dem  Vertrage,  den  Eretria  mit  Chairephanes  gt^-  * 
schlössen   hat,  erscheint  allerdings  ein  ^Innovixoç  2tvç.  and  ei  :^^ 
['Açl]azinnoç  2tvç.  unter  den   o/ÀÔoavTeç,    Aber  diese  Styr*^^*** 
sind  keine  Bürger  der  autonomen  Stadt  Styra,  sondern  Bürger 
Stadt   Eretria  aus  dem  Demos  Styra;    ich  habe  mich  daher 
berechtigt  gehalten,  sie  ohne  weiteres  als  eretrisches  SpracbgL-^^'^ 
zu  behandeln.     Ist  also  der  Zufall  ausgeschlossen,  so  erhebt  sie 
die  Frage,  ob  wir  den  Grund   zu   erkennen  vermögen,  aus  de 
das  Wort  ïnnoç  in  den  Namen  eretrischer  noXltai,  eine  so  j 
Rolle  spielt.     Der  altgriechische  Hannesname  pflegt  eine  bestimme ^ 
Seite   des    Mannesideals   zu    umschreiben.      Ideal    des   erelrisch^^ 
Mannes  alter  Zeit  war  es  einen  prächtigen  Marstall  aufweisen  rtf 
können.     Dies   folgt   aus  dem ,  was  Aristoteles  über  die  alte  Ver- 


1)  TriXiTtnoe  weiss  ich  our  unter  der  Annahme  zq  erklären,  dass  neben 
rdxos  (vgl.   Tâxinnoç)  ein  Nomen  raxos  gestanden  habe  (vgl.  yâ&oQ^  ^àSait 
^àxos,  xàSoG,  Xà&os,  fiàxoç^  fàxos^  nçàyoç)^  das  sich  zu  ràxot  TerhaUea 
würde  wie  név&os  zu  noL&os.    Sprachlich  unmöglich  ist  der  Vorschlag,  der 
in  Staiiropulos  Worten   *E(p.  açX'  tS95  t67   enthalten    ist:  fTrjad,  >»  7)Mtf«. 
IlacßX.  Tr,xin7toi\    Nirgends  auf  der  72  Columnen  langen  Inschrift  sind  die 
Laute  17  und  ei.  confundirt.    Auch   die  Erklärung   von  Triad  ist  ohne  Zweifel 
falsch  ;   ich   vermag  jedoch    hier  keinen   positiven  Vorschlag  zu  machen  and 
muss   mich   mil  dem  Hinweise  begnügen,   dass  auf  einer  delischen  Ghoregen- 
inschrift  von  281  die  Namenform  TficaQ  erscheint  (BGH.  7.  108  n.  4 11). 


imiOZ  IN  ERETRISCHEN  PERSONENNAMEN         331 

lUDg  TOD  Eretria  berichtet:  ôiôneq  inl  tuv  aQxaUav  XQOvwv 
ratç  noXêOiP  h  zoîç  ïrtrtoiç  ^  ôvvafÀiç  rjv,  oXiyaqxlai  nagà 
nj%oiç  fjucnfm  Ix^ciJyTO  ôè  nçog  tovç  ftoXêfÀlovç  ïnnoig  nçoç 
7VÇ  àoTvyêlTovaç,  oîov  ^Egerçêelç  xal  Xakxiôelç  tuxI  May^ 
i]T€ç  ol  èftl  Matâvdçfai  xal  xwy  alXtuv  nolXoï  neçi  tijv 
ialof  (PoUt.  4.  3  p.  1289  b  36).  In  dieser  Zeit  kann  das  Wort 
mioç  seine  Beyoraugung  in  der  eretrischen  Namengebung  erbalten 
iben;  und  die  folgenden  Gescblechter  setzen  fort,  was  ihnen 
loreh  die  Tradition  an  die  Hand  gegeben  war. 

Halle.  F.  BEGHTEL. 


ZUM  KALENDER  DER  PROVINZ  ASIEN, 

Nachdem  kürzlich,  bei  deo  Ausgrabungea  in  Prieoe,  der  Ba- 
schluss  des  Landtages  der  Provinz  Asien  aus  der  Zeit  des 
Augustus  (9  ?.  Chr.  oder  bald  darauf)  über  die  EinfOhrung 
neyen  Kalenders  vollständig'  zu  Tage  gekommen  ist,')  kann  es  keiaai 
Zvi^eifel  mehr  unterliegen,  dass  dieser  neue  Kalender  dem  rOmisdiei 
der  damaligen  Zeit  in  allen  wesentlichen  Dingen,  in  der  Lange  dei 
Jahres  und  der  Vertheilung  der  Tage  auf  die  einzelnen  Monati^ 
genau  entsprach,  dass  aber  der  Jahresanfang  der  römische  23.  Sep- 
tember (a.  d.  IX.  kal.  Oct.,  der  Geburtstag  des  Kaisers  Auguitai) 
war,  und  dass  das  Jahr  weiter  sich  dem  römischen  in  der  Wdii 
anscbloss,  dass  an  jedem  römischen  a.  i.  IX  kaL  in  Asien  eil 
neuer  Monat  begann');  wie  dies  übrigens  Usener  schon  im  J.  1874 
mit  Hülfe  des  Florentiner  Hemerologiums  und  der  wenigen  damab 
bekannten  Bruchstücke  der  Verhandlungen  aus  der  Zeit  des  Au- 
gustus höchst  wahrscheinlich  gemacht  hatte.')  Auch  im  Schaltjakr 
sollte,  und  dies  hat  der  neue  Fund  zuerst  gelehrt,  von  dem  Priaiip 
der  Fixirung  der  asiatischen  Honatsanfänge  auf  die  römischea  ü. 
d,  IX  kal.  nicht  abgegangen  werden.  Es  hatte  dies  zur  Folgte 
dass,  da  bekanntlich  in  Rom  im  Schaltjahr  zwei  Tage  die  Bezeick- 
nuog  a,  d.  VI  kaL  Maritas  führten,  der  asiatische  Monat,  der  a.i 
IX  kal  Martias  (21.  Februar)  begann  und  a.  d.  X  koL  ifrta 
(23.  März)  schloss,  der  Sav^ixoç,  im  Schaltjahr  32  Tage  hatte.^ 

1)  Mitih.  des  deuUchen  arch.  Inst,  in  Athen  1899  S.  275  fiT^  mit  Eriillt^ 
ruDgen  von  Mommsen  und  Wilamowitz. 

2)  Inschrift  von  Priene  (s.  Ânm.  t)  v.  72  ff.:  if^a  de  ano  xov  vv¥  #VMXf* 

cmaw  oi  /ir^res  xal  ai  r^fiéçai, xfj  tiqo  érréa  K€tXaw9wr  ^eß^ 

a4fi€»p  ciofASv  iHJVfirjviav  fjifjvoç  Jvcrçovy  xal  Ka&*  htaa^o^  ftr^va  a^]p  tttm 
TTjÇ  vovfirivlas  tj  nço  ivréa  KoXavSôàv, 

3)  Usener  Bull.  delC  Inst.  1874  p.  75  fi*. 

4)  Inschrift  von  Priene  v.  710*.:  ètp*  iroç  8èp]  9tà  r^  itT§Qiialâfmr  i 
Sav&ixos  àx^rjasxM  ^fieçœv  Xß^.  —  Mit  Nothwendigkeit  ergiebt  sich  fibrigcai 
ans  dieser  Durchführung  der  Fixirung  der  Monatsanfange  anf  die  römiaclMa 
a.  d,  IX  kal.,  dass  asianisches  und  römisches  Schaltjahr  snsammen  fidea. 
Hätten  die  Asianer  in  einem  römischen  Gemeiigahr  ihrem  ffa$^&êuéi  32  Tagt 


ZUM  KALENDEK  DER  PROVINZ  ASIEN  333 

urch  diese  EigenthOmlichkeit  erklärt  sich  nuo  ein  sonder- 
I  bisher  wohl  kaum  beachteter  Irrtbum  des  Galenus  Ober  den 
icben  Kalender  seiner  Zeit.  Nach  Galenus  Versicherung  hstte 
leo  Römern  jedes  vierte  Jahr  der  dritte  Monat  des  Jahres  32 
tt  31  Tage  gehabt  I  Galen  im  Commentar  zu  Hippokrates  Epi- 
n  B.  I  (XVII  1,  22  ed.  Kühn):  nagà  'Pœfialoiç  b  aifinaç  hi* 
;  elç  (jArjyaç)  iß*  diaiQOVfievoc^t  évoç  fÂkv  avrwv  oxTcii  xal 
iv  fjfABQWv  ovtoç,  ov  ÔBvtBQOV  léyovoi  /u€TO  tàç  TQOTtàg 
çiyaçj  autov  di  tov  nqwxov  /Âcrà  tàç  tQondÇf  ov  %aï 
ov  okov  %ov  %xovç  àçi&/ÀOvaiv,  {xiav  in\  laîç  X  Ttçoasi- 
ïoçy  (SaneQ  ye  xai  tov  y  fietà  ràç  Tçortâç'  xaï  yàq  xaï 
:  av%ôg  iaxi  fÂiâç  xai  X  ^fxeguiv,  o  ôk  ritaQtoç  zçia» 
fifÂBÇoç  xtX.  .  .  .  h  ôk  T(p  d'  Hei  tov  tgitov  ànb  tov 
toiovat  ôvolv  %aï  X'  '^fieçwv,  ïv*  inaatoç  tûv  hiav- 
yivrjftai  t^e  i^fÀêçwv  xal  TtQoaitt  tstdçtriç  fiixéQaç  fÂiâç. 

1  Galenus  ?on  Jugend  auf  einen  Kalender  gebraucht  hatte,  in 
em  in  jedem  vierten  Jahr  nicht  der  einzige  28lflgige  Monat 
!9  Tage,  sondern  der  auf  diesen  zu  nächstfolgende  31  tagige 

2  Tage  gebracht  wurde,  so  ist  der  Irrtbum  erklftrlich.  (Ga- 
hatte,  als  er  jenes  schrieb,  zwar  vermuthlich  schon  mehrere 
in  Rom  zugebracht,*)  aber  vielleicht  noch  niemals  den  Fe- 
eines Schaltjahres). 

Wie  Usener  ebenfalls  an  der  Hand  des  Florentiner  Hemero- 
Ds  gezeigt  hat,*)  pflegte  man  in  Asien  auch  nach  Einführung 
leuen  Kaieoders  nominell  sämmtlichen  Monaten  30  Tage  zu 
i;  in  den  Sltagigen  zahlte  man  den  ersten  Mooatstag  doppelt 
begann  die  eigentliche  Zählung  erst  mit  dem  zweiten  Tage, 
wirklichen  Ersten,  der,  wie  gesagt,  immer  mit  einem  römischen 
IX  kd.  zusammentraf,  scheint  man  zu  Ehren  des  Augustus, 
in  einem  a.  d.  IX  kal.  geboren  war,  Seßaati]  genannt  zu 
1.0     Wie  hielt  man  es  nun   mit  dem  32tägigen  Monat  des 

in,  so  würde  der  Anfang  ihres  nächsten  Monates,  des  ^Açrefitaicôr,  auf 

^JII  kal.  ApriUs  gerückt  sein,  und  ebenso  die  Anfänge  aller  folgenden 

B,  bis  zur  nächsten  römischen  Schaltung,  um  eins  sich  verschoben  haben. 

1)  So   ist  offenbar  zu  schreiben  für  anb  toi   S'  (oder  dies  ganz  zu 

eo). 

\)  Uberg  Rhein.  Mus.  44  S.  213. 

I)  Usener  BulL  delC  Jnst.  1874  p.  77.  78. 

i)  Und  zwar  nicht  etwa  bloss  in  den  31  tâgigen  Monaten.   Zu  Pergamom 

wie  Jetzt  feststeht,  auch  der  Panemos,  ein  30  tigiger  Monat  seine  JSt- 

mes  XXXIV.  22 


334  H.  DESSAU 

Schaltjahres?  Durch  einen  sonderbaren  Zufall  haben  wir  unter  d 
wenigen  Beispielen,  in  denen  römische  und  asianische  Datini 
uns  vereint  vorliegen,  eines,  das  in  den  Anfang  eines  sold 
32tftgigen  Monates  gehört.  Nach  einer  bekannten,  jetit  im  I 
tischen  Museum  befindlichen  Inschrift  aus  Ephesus  hat  der  Wo 
thäter  jener  Stadt  C.  Vibius  Salutaris  eine  seiner  Schenkungen 
22.  Februar  104  {rrgo  tj'  nalavôûJv  Maçzlœv,  unter  dem  Conn 
des^ez.  Attius  Suburanus  und  M.  Asinius  Marcellas)  und  n|)i 
fÀfjvoç  'Av^etnriQKiSvoç  ß'  Seßaazfj  vollzogen  {Gredc  imer.  âi 
Briti$h  ÜTtiMum  n.  CCCCLXXXI 1.  318  ff..  Vol.  III  S.  123.  133). 
Monat,  den  man  in  Ephesus  damals  noch  nach  alter  Weise  u 
â'BOrriçifiv  nannte  und  der  nach  dieser  Inschrift  dem  geoM 
asianischen  Eav&ixog  entsprochen  haben  muss,  begann  d 
Zweifel,  jenen  Vorschriften  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Augustus  < 
sprechend,  am  21.  Februar  (a.  d.  IK  hol.  Mart.);  der  22.  Febi 
war  also  factisch  der  zweite  des  ephesischen  Monates.  Aber  ai 
mit  Unrecht  hat  man  an  der  Bezeichnung  des  zweiten  als  zwd 
Anstoss  genommen,')  da  der  Eav&ixög  einer  der  31  tägigen  Hoi 
war,  in  denen  die  beiden  Anfangstage  die  Ziffer  Ä  trugen.  Ai 
musste  die  Bezeichnung  eines  zweiten  Monalstages  als  2eßm 
auffallen.  Die  Erklärung  dürfte  darin  liegen,  dass  das  Jahr  1 
wie  bekannt,  ein  Schaltjahr  war,  in  welchem  der  am  21.  Febr 
beginnende  asianische  Monat  32  Tage  halte.  Es  sieht  nach  der 
Schrift  von  Ephesus  so  aus,  als  ob  in  solchen  Monaten  der  erste  1 
als  Seßaazi],  der  zweite  als  devréça  Seßaattj  bezeichnet  won 
sei*);  die  reguläre  Durchzähluog  begann  dann  mit  dem  dritte 
Aus   den    in    einer    fälschlich   dem  heiligen   Johannes  Qi 

ßaajrj  (Fränkel  loschriften  von  Pergamon  S.  262).  —  Ob  io  der  von  Hct 
jénnaL  deW  Inst,  1852,  153  und  danach  von  Waddington  1676  verfifl 
lichten  Inschrift  wirlclich  ein  6.  Monalstag  als  ^eßacrr,  bezeichnet  we 
soll,  ist  nicht  ganz  sicher.  —  In  Âegypten  haftete,  wie  Wilckeo  kânlich 
gestellt  hat  (Ostraka  S.  812.  813),  der  Name  ^aßacrft  nicht  ausschlid 
am  ersten  des  Monates. 

1)  Liglitfool  the  apostolic  fathers  part.  11  vol.  1^  p.  683. 

2)  In  der  Inschrift  von  Lagina  in  Karlen  BulL  de  eorr,  hell.  11, 
p.  29  ist  mit  17  Ttçœrrj  üeßacTti  der  erste  Tag  des  ganzen  Jahres  gel 
wie  der  Beisatz  rov  Kaîcaça  fijjvôç  zeigt. 

3)  Dass  die  Zählung  der  Tage  im  Savd'txôs  des  Schaltjahres  mil 
dritten  begonnen  habe,  ist  auch  Mommsens  Ansicht,  der  (a.  a.  0.  S.  285)  1 
der  Schalttag  sei  den  beiden  gleichmässig  als  ,ersten*  bezeichneten  âdI 
tagen  des  Monates  voraufgegangen. 


ZUM  KALENDER  DER  PROVINZ  ASIEN  335 

sosiomus  ^ugeschriebeneD  Osterreäe*)  enthalteneD,  lum  Theil 
ausdrücklich  als  asianisch  bezeichneten  Daten')  hat  man  früher 
wohl  geglaubt  folgern  zu  müssen,  der  Schalttag  im  asianischen 
bleoder  habe  seinen  Platz  nicht  in  dem  am  21.  Februar  begin- 
aenden  31  tagigen  Monat  gehabt,  sondern  später  im  Jahre.*)  Es 
icheiot  aber,  dass  jene  Daten  nicht  zu  einer  solchen  Annahme 
Aftthigen  und  sich  überhaupt  mit  dem  System  des  asianischen  Ka- 
lenders, wie  er  unter  Augustus  gestaltet  worden  ist,  vereinigen 
liMeo.  Es  handelt  sich  in  jener  Rede  um  die  Bestimmung  des 
iichsten,  sowie  um  die  Lage  einiger  künftigen  Osterfeste.  Als 
jene  Rede  gehalten  wurde,  fiel  die  erste  Luna  XIV  nach  der  Frtth- 
liigs-Tag-  und  Nachtgleiche  auf  den  26.  des  7.  Monates,^  d.  b. 
nenn  dieser  Monat  damals  noch  wie  früher  a.  d.  IX  kal.  Apriles, 
am  24.  März  begann,  auf  den  18.  April.  Dieser  Tag  war  aber 
damals  ein  Sonntag,  Ostern  sollte  desshalb  auf  den  nächsten  Sonn- 
tag, also  den  2b.  April,  auf  den  2.  Tag  des  8.  Monates,  wie  der 
Redner  sich  ausdrückt,  verschoben  werden.*)  Wenn  der  2.  Tag 
éw  8.  Monates  auf  den   25.  April  fiel,*)  so  begann  entweder  der 

1)  Dieselbe  ist  zuerst  heraosgegebeo  von  Savile  io  dessen  Chrysostomos- 
nagibe  Bd.  5  (Eton  1612)  S.  940  ff.,  dann  in  der  Pariser  (Montfauconschen) 
Avgibe  der  Werke  des  Ghrysostomus  Bd.  8  app.  gpur,  p.  275  ff.  (danach 

:    wiederholt  bei  Migne  Patrolog,  Gr.  59,  74C  ff.). 

2)  p.  275  ed.  Montf.  >»  p.  746  Migne:  {&êo^avia)  émrêXaheu  rifii(fq 
\  è^/$évfj,  TffêuHaiêêHOTfj  ttrâçTOv  /ir^os  xatà  j4<navavç.  P.  276  ed.  Moiitf. 
\  •■  p.  747  Migne:  ^êcaoçtanatSeKaTriv  yà^  fiifyos  lov  n^c&xov  fvXansê^  tovt- 
\    itti  fÊtjros  ißdofwv  xar'  léaêarovç, 

3)  Usher  de  Maeed.  et  Atian,  anno  êolari  c.  V  (p.  104  éd.  Genev.  1722), 
im  Noris  annuu  et  epoehae  Syromaced,  (Flor.  1689,  I  2  p.  17)  und  Ideler 
1 424  beistimmen;  JMommsen  Mitth.  des  archaol.  Inst,  in  Athen  1891  S.  238. 

4)  Die  vorhergehende  Luna  XIF  war  zu  früh  gefallen,  n^o  9vo  rjfiuQœv 
1^  tofifu^flas,  desshalb  kam  sie  nicht  in  Betracht,  dvayxtjv  ix^iiw  ravtijr 
ßiif  na^Mfeu.  aXX*  avrrj  naXiv  17  a^fw^ovüa  teitaa^aaKat^ÊKâxrjy  fährt  der 
Redner  fort,  fitftws  ißdofiov  aixâdê  Sxrrj  awrçéxB*. 

by  *BngiSrjiJ)  xal  Kv^*€ue^  ffvuninTSi,  sagt  der  Redner  nach  den  in 
6er  vorigen  Anm.  angeführten  Worten  und  fahrt  fort:  inal  ovr  r,  taaaaf^- 
tuuStxârfi  av  t^  Kv^anfi  cvfinintBt^  trjt^  xrfi  àt^aardaatoç  ao^jnjv  eis  ttjv 
i^ffi  KvQittxrjv  fAêfïaiid'afjLev  ....  nai  ovto»  t§  aixdSi  Snrrj  tov  ißdofwv 
fojvos  ißdofidBa  entawanjuvTae  aie  Savré^at^  oydov  fif^voç  rrjv  àracrdaifiov 
â^^Mf\  und  gegen  Schiuss  der  Rede  (p.  284  ed.  Montf.,  p.  754  ed.  Migne): 
rvr  f»M¥  ylvaroè  8avré^  oydoov  1^  dvaardaéfias. 

6)  Die  Annahme  Mommsens  (ath.  Mitih.  1891,  238),  mit  dem  2.  Tag  des 
L  Mooates  sei  der  24.  April  gemeint,  verträgt  sich  nicht  mit  dem,  was  in 
1er  Rede  ober  den  vorhergehenden  Sonntag  gesagt  ist. 

22* 


336  H.  DESSAU 

8.  Monat  am  24.  April,  a.  d.  VllI  (nicht  a.  d.  IX)  kaL  Mmiu,  md 
hat  der  7.  Monat,  dei*  am  24.  Man  begann«  31  Tage  gehah  — 
80  urtheilte  man  früher;  oder  es  muss  doch,  und  so  werden  wir 
im  Anschluss  an  Useners  Auseinandersetzungen  sagen,  die  Dutb- 
zählung  der  Tage  des  8.  Monates  am  24.  April  begonnen  haha, 
der  23.  April  braucht   nicht  unbedingt  den  31.  Tag  des  forher- 
gehenden  Monates  gebildet,  sondern  kann  immerhin  an  derSpitae 
des  neuen  Monates  gestanden  haben.^)    Es  lassen  sich  also  die 
Angaben   über  dieses  eine  Osterfest  mit  der  im  Wesentlichen  oi- 
veränderten  Fortexistenz  des  unter  Augustus  eingefohrten  Kalendcn 
vereinigen.    Ebenso  aber  auch  die  Angaben  aber  die  folgendea 
Osterfeste.    Es  sollte  nämlich  im  nächsten  Jahre  das  Osterfest  aa 
17.  des  7.  Monates,   und  in  den  beiden  darauf  folgenden  am  % 
und  am  29.  des  7.  Monates  gefeiert  werden,*)  d.  h.,  wenn  auch  ii 
diesen  drei  Jahren,  ob  auch  eines  von  ihnen  ein  Schal^ahr  war, 
der  7.  Monat  regeUnässig  a.  d.  IX  IcaL  ipr.  (24.  März)  begaaa, 
am  9.,  1.  und  21.  April.    Dass  Ostern  in  vier  aufeinanderfolgemka 
Jahren  am  25.,  9.,  1.  und  21.  April  gefeiert  worden  ist»  kam  wm 
ersten  Mal  in  den  Jahren  387 — 390  vor  (und  dann  erst  wieder 
919 — 922),  in  deren  erstes  also  jene  Rede  gehören  mOsste.   Hd 
ich  sehe  in  der  That  kein  Hindemiss,  die  Rede  dem  Jahre  387 
zuzuweisen.')    Freilich  hat  man  im  Jahre  387  Ostern  vielerwftti, 


1)  So  sind  vielleicht  auch  noch  andere  Datirangen  zu  erkläreo.  Nach 
einer  Stelle  zu  Anfang  derselben  Rede  (s.  S.  335  A.  2)  wird  als  Datain  iä 
Festes  Stoipapia  (Epiphanias)  der  13.  des  4.  Monates  genannt,  wofSr  man,  ä 
dieser  4.  Monat  a.  d.  kal,  IX  Ion.  (24.  Dec)  begann,  zunächst  den  5.  Jaiatf 
halten  wurde,  factisch  aber  wohl  den  6.  Januar  zu  hallen  hat,  inden  ^ 
Durchzählnng  der  Tage  dieses  31  tigigen  Monates  (des  Uê^êOG,  atb.  Mitti 
1899  S.  290)  erst  am  2.  begann.  —  Nach  Epiphanius  nra^i  fU%ifmw  uài  fta^ 
fULtv  c«  20  fand  das  Begräbniss  Valentinians  II  (im  Jahre  392)  am  16.  Mä 
und  zugleich  am  23.  des  ,griechischen*  Monates  li^gfiiciOG  statt  Ist  hitf 
der  asianische  Kalender  gemeint,  so  ist  der  Monat  der  a.  iL  IX  käL  Èhi 
(23.  April)  anfangende  achte  des  asianischen  Jahres,  dessen  23.  Tag  nur  dm 
auf  den  16.  Mai  fallt,  wenn  die  Durchzählnng  der  Tage  mit  dem  24.  k^ 
beginnt. 

2)  p.  284  ed.  Montf. ,  748  Migne:  Nvr  /ter  yivszcu  dtvxd^  oy^^  ^ 
avaataaifwi  ^  eis  Si  to  in*ov  éTCTaxaéSenaTfj  eß86fi4nf  fiajroG  yiwtxmty  td 
ndUv  aie  ro  é^rje  évarrj  aßSofAOv  firjvo£  koù  av&éS  êis  to  TQi%09f  ëraç  aiwtli 
ivàt'Q  tov  fitjvoe  t]  avcLaToiatftoi  yvto^MÔijaeTtu, 

3)  Das  ist,  wie  ich  sehe,  auch  Useners  Meinung  (Religioosgesch.  ÜDtch 
suchungen  I  241). 


ZUM  KALENDER  DER  PROVINZ  ASIEN  337 

ksonders  auch  in  Rom,  nicht  am  25.  April,  sondern  froher  (am 
21.  März)  gefeiert  Aber  gerade  dadurch  wird  das  oflfenkundige 
Streben  des  Redners  erst  erklärlich,  die  so  späte  Feier  des  Festes 
10  rechtfertigen.  Es  ist  dasselbe  Osterfest,  auf  das  sich  ein  be- 
kUDtes  Schreiben  des  Ambrosius  an  die  Bischöfe  der  ProTinz 
Aemilia  besieht;  und  zum  Theil  werden  in  diesem  Schreiben  die- 
nlbeD  Argumente  vorgebracht  wie  in  der  griechischen  Festrede. 
So  wird  hier  wie  dort  darauf  hingewiesen,  dass  an  einer  Osterfeier 
am  21.  April  doch  noch  niemand  Anstoss  genommen  habe  (in  der 
Rede  p.  284  Hontf.,  748  Migne:  ol  fiiv  yag  aixujfitvog  ofiolo- 
yovütv  elxadi  ivàrr]  ißdofxov  (nrjvoç  —  d.  i.  am  21.  April  — 
yiyevija&ai  nâaxcc  rcollaxiç.  Ambrosius  ep.  23  c  17:  sed  cum 
nU  sexetmium  celebraverimus  paseha  dominieum  undeeimo  koL  Matt, 
. . .  moveri  non  debemus  eqs,).  In  der  That  hatte  man  im  J.  379 
Ostern  am  21.  April  begangen.*)  Ambrosius  weist  ausserdem  auch 
auf  das  Osterfest  am  23.  April  im  Jahre  360  hin.*)  Aus  beiden 
I  SdriftstOcken  geht  hervor,  dass  Ostern  am  25.  April  damals  etwas 
;  ginilich  Unerhörtes  war  (in  der  That  hätte  der  Fall  vorher  nur 
'•  em  einziges  Mal  eintreten  können,  im  Jahre  140  n.  Chr.).  Auch 
■  ^n  einer  Feier  des  Osterfestes  am  24.  April  scheint  dem  Redner 
kein  Beispiel  bekannt  gewesen  zu  sein.  Mir  scheint  dies  viel  besser 
in  das  Jahr  387  zu  passen  als  in  das  7.  Jahrhundert,  in  welche 
Zeit  (672  n.  Chr.)  Usher  die  Rede  hat  setzen  wollen,  zu  welcher 
:  Zeit  innerhalb  der  Kirche,  abgesehen  vom  fernen  Westen,  keine 
Differenzen  mehr  Ober  die  Daten  des  Osterfestes  herrschten,  und 
Ostern  schon  oft  am  24.  sowohl  als  am  25.  April  gefeiert  worden 
W  (am  24.  April  z.  B.  in  den  Jahren  634  und  645^  am  25.  April 
im  Jahre  577).  Auch  passt  gerade  in  den  Ausgang  des  4.  Jahr^ 
konderts  die  Erwähnung  einer  merkwürdigen  Spielart  des  Quarto- 
decimanismus,  die  damals  innerhalb  der  Gemeinschaft  der  Monta- 
nisten aufgekommen   war;   eine  Gruppe   dieser  Secte  hatte  ange- 

t)  in  demselben  Sinne  heisst  es  gegen  Schluss  der  Rede,  nachdem  erwähnt 
ist,  dass  das  Osterfest  in  einigen  Jahren  auf  den  21.  April  (den  29.  des  7.  Monates) 
liUen  würde  (s.  S.  336  Â.  2):  xal  ov8êlg  n^oe  tavta  ßldnrera^,  ovdels  n^bs 
rtnra  Àuntêlreu. 

2)  Ambrosius  a.  a.  0.  c.  21  :  sicui  septuagesimo  texto  anno  ex  die  im- 
ferii  DioeleHani  factum  est:  nam  tunc  vigesimo  octavo  die  Pharmutki 
mtfuis,  qui  est  nono  kalendas  Maii  (23.  Apr.),  Dominicam  Patchae  célébra- 
émus  sine  uÜa  dubitatione  maiorum  (wo  freilich  die  Zahlen  zum  Theil  erst 
oreh  Corrector  der  Ueberlieferung  hergestellt  sind). 


338    H.  DESSAU,  ZUM  KALENDER  DER  PROVINZ  ASIEN 

fangen,  Ostern  ohne  Rücksicht  auf  den  Mond  und  ohne  RQcksj 
auf  den  Wochentag  regehnässig  am  14.  des  Frahlingsmonates»  i 
am  24.  März  beginnenden  asianischen  7.  Monates  zu  feiern.*)  i 
7.  Jahiiiundert  waren  Quartodedmanismus  und  Montanismua  Ijl0| 
erloschen.*)  —  Ist  dies  richtig,  und  gehört  die  Rede  in  das  J.  38 
so  zeigt  sich,  dass  im  Schaltjahr  (388)  die  einzelnen  Tage  i 
7.  asianischen  Monates  auf  dieselben  Apriltage  fielen  wie  im  Gemd 
jähr,  dass  also  auch  damals  noch  der  Schalttag  jedenfalls  mi 
später  als  im  6.,  allem  Anschein  nach  eben  im  6«  Monat  eingel< 
wurde,  wie  es  unter  Augustus  bestinunt  worden  war. 

Berlin.  H.  DESSAU. 


1)  p.  276  ed.  MoDtf.  —  p.  747  Migoe  :  i&%ê  3ä  rts  aJUi;  aSçtOiS  ^  i 

Mt»vra»ut%ô^  ^ Têa^cL^aawudêftâfnjv  yà^  fojvoç  rav  n^tùtav 

Xârrêip  rovricrr«  fujvos  ißäo/tav  mot*  ^Aautvovç^  ov  %9€CaQ999tetêSmiittfft 
eal^s.  HienroD  wissen  wir  sonst  nor  durch  Sozomenas,  der  die  Snkt 
der  RegieniDg  des  Kaisers  Theodosios  erzählt  (7, 18). 

2)  Hilgenfeld  der  Paschastreit  der  alten  Kirche  S.  399.    Bonwetsch 
schichte  des  Montanismus  S.  55. 


MI8CELLEN. 


DIONTSOSINSCHRIFT  AUS  NAXOS. 

A.  de  Ridder  hat  im  BuU.  de  corr.  hêU.  XXI  1897,  20,  2  und 
8  zwei  loscbriftreste  mitgetheilt,  deo  eioeo  Dach  der  VerOffent- 
log  des  Daxischen  Localforschers  Markopolis  id  der  athenischen 
la,  den  andereD  (d.  8)  Dach  Autopsie.    LetztereD  sah  ich  1899 

bei  Herrn  Markopolis,  welcher  vermuthete,  dass  beide  Stücke 
umeDgehOreD  mOchteD,  uud  mir  gleichzeitig  seioe  OrigiDal- 
lirift  voD  D.  2  zeigte.  Aus  dieser  folgte,  dass  d.  2  atoixridhv 
ordoet  war,  wie  dies  fQr  d.  8  bereits  durch  de  Ridders  Abschrift 
eht.  Verbessert  mau  duo  Doch  im  Lemma  zu  d.  8^  wie  maD 
,    Complet  à  gauche  statt  â  droite,  uud   bemerkt,  dass  auch 

antiker  Raud,  uoten  aber  freier  Raum  ist,  so  kaDD  maD  deo 
ich  der  Zusammeosetzung  beginnen. 

n.  8  n.  2 


.  Y  OY 

«DP  OH 

O  A 

ES  OA 

1  O  HYS 

KP  O  H  j 

O  S 

frei 

Als  unmittelbar  eiDleuchteDd  ergebeo  sich  fQr  deo  Schluss: 
hLi\\€a&a[i  J]iovva[ù)t]  |  Kqov[iù)v]oç.  Dies  bedeutet  eine 
ilflDge  von  13  Buchstaben.  Wenn  man  dann  in  Z.  2  erst  die 
eliung  beseitigt  hat,  als  mOsste  es  sich  durchaus  um  einen 
handeln,  und  festhält,  dass  der  Stein  dionysisch  ist,  findet 
leicht  das  Qbrige: 


340  HISCELLEN 

EYGYS  I  STAN A  I  X 

O  P  O  N  K^A  I  Q[A]AS0Y 

ESO  A  I  AI  OH  YSfl_l 

K  P  O  N  I  Slt^O  2 
[E}v&v[ç  latavai  x]oQov  [xai]  o{v)[làç  ^]|«a*a[«  J\iovvé{on]  \ 
KQov[iù)y]oç. 

Dass  ich  ein  von  Markopolis  gelesenes  A  in  A  geändert  hab^ 
wird  nicht  als  grosses  Wagniss  gelten.  FOr  die  ovXal  genOgt  ^ 
anf  die  Ausführungen  von  P.  Stengel  und  H.  von  Fritze,  beide  i^ 
dies.  Ztschr.  (XXIX  627  ff.  und  XXXII  235  ff.),  zu  verweisen.  Be- 
fremdlich ist  zunächst  die  Zeitangabe;  wir  erwarten  ein  genaad 
Datuno,  wie  in  den  Ähnlich  abgefassten  rhodischen  Steinen  IGbt*  I 
892«  905.  906.  Aber  dies  Datum  ist  da,  nur  etwas  versteckt.  Ev* 
'^ç  lavafiivo(v)  —  Kqoviwvoç  wird  verlangt,  aber,  da  latareu 
unmittelbar  auf  latafxivov  gefolgt  wäre,  Hess  man  das  Participiofli 
weg,  und  stellte  die  zusammengehörenden  Zeitbestimmungen  an  di€ 
eindrucksvollsten  Stellen,  an  Anfang  und  Ende;  so  weiss  jeder« 
was  gemeint  ist.  Wer  die  Construction  hart  findet,  mOge  erwlges, 
dass  der  Stein  n.  2  in  Policbni,  an  der  SodwestkQste  der  Iiiad» 
weitab  von  der  Stadt  gefunden  ward  (n.  8  war  bereits,  als  Marko- 
polis es  feststellen  konnte,  nach  den  KatmxwQia  verschleppt),  als» 
von  einem  landlichen  Dionysosheiligthum  stammt.  —  Da  hat  mal 
es  mit  der  Formulirung  nicht  so  genau  genommen. 

Berlin.  F.  HILLER  VON  GAERTRINGEN. 


VERSE  VON  KOMIKERN  BEI  CLEMENS  ALEXANDRINUS. 

Menander  frg.  786  Kock:  o  xçriatoç  iazi  noXkaxov  atari" 
Qioç.  Stobaeus  Fl.  37,  6.  Dazu  Clemens  Protrepi.  c.  X  s.  105 
(I  p.  107  Ddf.):  et;  yàç  toi  navToç  fLiSklov  rovto  eïçrjtai'  o 
Xqiojoç  iati  navxaxov  awTijçioç,  Es  ist  S  XQV^^^^  ^ 
schreiben;  denn  von  Christus  ist  gar  nicht  die  Rede.  HayTaxov,  1 
was  besser  scheint  als  nolkaxov,  hat  auch  das  Flor.  Monac  HO.  1 

Men.   frg.  993   Kock:   ,ciyaTçéx(o   Miv.  àvtï  %ov    moUiâ.  \ 
Suidas  et  Zonaras,   non  inttUego*  (K.).     Sehr  natürlich.     ClemeM  ^ 
Paedagog.  111  c.  XII  93  (1  p.  399  Ddf.):  to  filv  yàç  i^afiaç^avM 
nàaiv   €^(pvjov   xai   xoivov,    avadcafLielv  dk  t/jv  afifxftlm 


MISCELLEN  341 

ti    wcv  Tvxôvtoç  àvÔQOÇf   aXXc  a^ioXoyov.    Das  siod  alto  drei 
^erse  vod  MeDander: 

TO  fàiv  i^afiaçToveiy  Snaaiv  ffiqwTov 
xal  Koivov,  àvaÔQafâëîy  di  rrjv  éfiaQtlctv 
oi  %ov  Tvxorrog  âvôçog,  âXX'  à^ioXàyov.    . 
Diei  ermuthigt  zu  weiterem  Suchen^  uod  man  braucht  zunächst 
gir  nicht  weit  zu  gehen«  um  etwas  zu  finden.    Ebend.  s.  92  Ende: 
xa)  oixitatç  fiiv  XQtiaxiov  wg  iavToig'  Sv&Qtonoi  yâç  elaiv 
ig  fjfitîç'   o  yàç  &boç  nâaiv   (naaiv  in  marg.  P)  tolg  llêv^ 
^içoig  xai  toîg  ôovXoig  iattv  av  axoTt^g  laog.     Das  av  axo- 
m^g  weist  so  sicher  wie  etwas  auf  Dialog;  also  doch  auch  wohl 
Heoander: 

o  yàç  9èog  (to2ç?)  näat,  %oîg  t*  ilev^içoig 
xai  toîa{i)  dovkoig,  èatlv  av  axonrjg  ïaog. 
IW.  m  c.  3  a.  20  (I  p.  342  Ddf.)  spricht  Clemens  von  dem  mr- 
fMa^i  verweichlichter  Männer«  und  sagt  schliesslich  von  ihnen: 
tmmaQzvQBl  d*  avtwv  fj  èv  %Ç  ôïjfâoalip  àvataxorria  vfiv  iv 
I    ff  àtpaveî  in   l^ovalag  àxoXaaiav  *  b  yàç  ino  %àg  avyàç  tov 
I    mèça  âgvov/Âevog  Tcgoôrjlôg  èari  vvxtwq  iXêyxofievog  yvvri. 
Dm  giebt  zwei  Verse: 

o  yàg  vno  %àg  avyàg  xbv  avâg   agvovfAevog 
vvxTWQ  nçoôrjXog  iax^  ilByxôfievoç  yvvri. 
Woher  die  Verse  sind,  scheint  die  spätere  Stelle  c.  11  s.  69  p.  380 
nieigen:  %xoi  d*  av  xaxelvo  agiota  to  eÎQrjfiivov' 
%o  6^  oXov  oix  iniata/Àai 
èyù  tpi^çl^êiv  ovôk  xataxexXaofxévog 
nXâytov  noii^aag  tov  rçaxrjXov  neginatélv^ 
âanBQ  iteQOvg  bqù  xivaldovg  iv&aÔB 
noUiovg  iv  aatei  xal  nBni%%oxomqpiivovg. 
I)>rin  möchte  Meineke  (IV  p.  611)  die  vorher  c  3  s.  15  p.  337 
in  Nomin.  citirten  Verse  hängen ,  unter  Aenderung  in  den  Accu- 
lati?: 

xXaviai  öi  otj  tp  avalai,   (Mein.  fOr  ôiaq>aviai)  nBQinB^ 

TtBfifxévovg 
xai  fÂaatlxtqv  tgwyovtag,  o^ovvag  fivQOv. 
Das  kann  richtig  sein;   doch  an  xaï  nBnitxox.  schliesst  sich  viel 
besser  xal  x^'Oviai  —  ;   nämlich  das  di  ist  von  CI.  nur  gesetzt, 
weil  xovQog  fiiv  .  .  anoxBiçofÀBvoi  bei   ihm  vorhergeht.     Als 
weitere  Fortsetzung  aber  passt  nun  sehr  gut  6  yàç  ifcb  %àç  av- 


342  MISCELLEN 

yàç  ntvL,  zur  BegrüoduDg  dafQr,  dass  diese  Leute  als  xlvaiJai 
bezeichnet  sind. 

Diese  aus  Clemens  neugewonnenen  Verse  scheinen  mir  sichtf 
zu  sein;  etwas  weniger  die  folgenden: 

Paedagog.  II  c.  2  s.  28  p.  238:  vo  dk  nXij&oç  Tfjç  obth 
q>lvyiaç  ^aldtTrjç  eïxaoev  (der  Dichter  der  vorher  citirten  Vene) 
àuBikfiy  iv  fj  ßeßv&iafiievov  to  adifia  S.an%Q  vavç  ôiôtnLBf  <iç 
ßv&ov  axoofÀiag,  taîç  %ov  oïvov  tçixvfAiaiç  iniXBXOiCfdpop» 
Elç  ßv&ov  gleich  nach  ßeßv&iofxivov  scheint  doch  deutlich  auf 
ein  Citat  zu  weisen.    Also 

TO  awfAO  d'  âansQ  vavç  ôédvxev  elç  ßv^ov, 
oïvov  TQixvfÀiaia{ivy  InmLBXoiofÂévov. 
Warum  nicht  hnt%ëxv^ivoVy  was  doch  natQrlicher  war?  Weil  du 
nicht  in  den  Vers  ging.  CI.  fährt  fort:  b  dk  xvßecvi^ijc,  ofovç 
6  av&çtifrivoç,  nBQiq>éQ€xai  r(p  xXvdwvi  vfteQêxovarjçtîjç 
fied^fjCy  h&ttlaztevwv  ts  iliyyif  %Ç  Çoqxp  ttjç  xataêylàoÇf 
%ov  Tfjç  âXrj'^elaç  àoTOxijoaç  XifÂévoç,  ^(ûç  av  TteçiTceaèf 
(L.  Dindorf:  dvTineç*  codd.)  v  g)  à  lot  g  néTçaiç  avToç  aitif 
l^oxeilaç  elç  fjâovàç  di^açd'elçrj. 

Paedagog.  111  c.  5  s.  32  p.  352  f.:  ol  yàç  Ttaçeiaayoïiefoi 
naçà  Ta  kovTçà  toIç  dsOTcolvaiç  yvfAvaiç  /ÀeXirrjv  îaxovuif 
anoôvaaad^at  nçoç  Tolfiav  èTcidvfÀiaç  S&ei  novtjQfß  naqa* 
yçâçovTeç  tov  q>6ßov.  negiygâg),  Lowth ;  Dindorf  indeii 
hait  auch  naqayQàq>Btv  in  diesem  Sinne  für  richtig  heUenistiscIi 
(Thesaur.  «.  t>.). 

Patd.  c,  6  s.  34  p.  353  f.:  fAi]  nrj  aça  xaï  nçoç  fiixàç  ffîi^ 
Tiç'  o  ïnnoç  avTov  nevTexalôexa  TokàvTwv  ioTiv  a^ioç  rj  fo 
XO)çlov  ij  o  oixéTTjç  fj  TO  xç^<^^0Vy  avTOç  di  x^^^^^  ^^^* 
TifÀiufTsçoç  tqkSv.  So  Hdschr.;  èoTiv  ov  TifuLomÛL  Unttf 
der  Voraussetzung,  dass  hier  ein  Trimeter  zu  Grunde  liegt,  kani 
man  schreiben  ioT*  otTifAOTeçoç  (werthloser),  oder  Icnre  t/^üoc,  9 
ist  für  drei  Heller  (zu)  theuer.  Der  Gedanke  kehrt  wieder  II,  c  10 
s.  115  p.  312,  auf  eine  Frau  übertragen,  doch  ohne  Spur  Ton  Versen. 

Halle.  F.  BLASS. 


DIE  PUNKTE  ZUR  BEZEICHNUNG   DES  METRISCHEN  ICTUS. 

Bekanntlich   ist  bei   dem  Anonymus  Bellermanns  neçl   ftov- 
OLArjç  aberliefert,  dass  die  metrische  Arsis,  der  unbetonte  TaktUieil« 


\ 


MISCELLEN  343 


5« 

|Î3 


ZiO 


in  der  Musikschrîft  durch  einen  Punkt  aber  der  Note  gekenn- 
xeicbnet  werde:  t*,  während  die  Thesis,  der  schwere  Takttheil,  durch 
die  Abwesenheit  dieses  Punktes  bezeichnet  sei.  Bekannt  ist  auch, 
dass  Westphal  die  Emendation  dieser  Stelle  verlangte,  um  den  um- 
gekehrten Sinn  zu  gewinnen,  und  andere  zu  demselben  Zwecke 
dieAusdrQcke  açaiç  und  &éaiç  zu  umgekehrtem  Sinne  zu  wenden 
fochten.  Ich  habe  in  meiner  Ausgabe  des  Bakchylides  p.  L*  (XLIV*), 
wie  ich  meine,  aufgezeigt,  dass  die  Ueberlieferung  einschliesslich 
<ler  Doch  jetzt,  auf  Stein  und  Papyrus,  sich  bei  lyrischen  Stacken 
fiodeoden  Punkte  in  sich  völlig  einhellig  ist,  und  dass  darnach  die 
Worte  des  Anonymus  bleiben  müssen  wie  sie  sind,  und  bedeuten 
mOsieD,  was  sie  nach  wohlbekanntem  und  sehr  festem  Sprach- 
gehraocbe  bedeuten,  dass  also  gegen  Westphal,  0.  Crusius,  Th. 
fteinach  F.  Haussen  Recht  behält. 

Wesshalb  also  komme  ich,  nach  so  kurzer  Zeit,  auf  diesen 
(Gegenstand  zurQck?  Weil  ich  etwas  Thatsächliches  übersehen  habe, 
dessen  Hervorziehung  und  Deutung  0.  Crusius'  Verdienst  ist.*) 
Nlmlich  in  Herondas'  Choliamben  ist  einmal,  I  40,  der  Schluss 
«Ines  Verses  so  notirt:  XIAAP.HKATACTHO.I.*)  Damit  muss, 
^e  Crusius  richtig  sagt,  die  auch  anderweitig  genugsam  erwiesene 

îj*      Betonung  des  Choliambus  (^-^^)v^-wji,  ^-^^   bezeichnet  sein. 

ffte      Dann  aber  bezeichnet  der  Punkt  doch  den  schweren  Takttheil,  die 

f>4   Thens,  und  nicht  die  Arsis.    Also  hat  Haussen  dennoch  Unrecht? 

Ich  sage  nein!    Dies  sind  Punkte  xcorco,   unter  der  betonten 

Silbe  und  unter  dem   xaroi  XQOvoç  «b  ^éaiç,   die  Punkte   des 

^r     AnoDymus  sind  Punkte  ayco  über  der  unbetonten  Silbe  und  Note 
QDd  dem   Svw  XQOvog  a»  açaiç.     Daraus  wird   alsbald   das  ur- 
^prQngliche  System  klar:  der  Trimeter,  der  gerade  wie  der  hinkende, 
Wille  notirt  sein  ^^^v-»  ^-v-r.  ^-v^-r,  indem  in  jeder  Dipodie  die 
<inte  Hälfte  Arsis,  die  zweite  Thesis  war.    Aber  beiderlei  Punkte 
>o  setzen  war  nicht  nOthig,  und  ebenso  wenig  nOthig,  beide  Silben 
icB  schweren  Takttheiles  bei  einem  zu  recitirenden  Verse  zu  kenn- 
zeichnen, indem  (wie  wir  es  auch  machen)  die  Bezeichnung  der 
Länge  als  betont  geuQgte.  Umgekehrt  wurden,  wo  Noten  hinzukamen, 
die  XQOvoi  avw   bezeichnet,    die  xqovoi  xotcü  nicht.    Wesshalb? 

1)  Grosias  Pbilol.  Uli  (N.  F.  VII)  224  f. 

2)  Die  Punkte  stehen  etwas  unterhalb  der  Zeile.  An  den  von  Grasios 
DOch  iDSterdem  genannten  Stellen  I  16  and  V  6  kann  ich  nichts  erkennen, 
IKe  TOfdere  Hüfte  des  V.  I  40  ist  schlecht  erhalten. 


344  HISCELLEN 

Sehr  eiofach,  weil  die  Noten  hart  über  dem  Texte  staDdei,  so  da» 
für  deutliche  Punkte  xarai  kein  Raum  war  ;  also  Dahm  mao  hier  die 
Punkte  oyoi,  und  alles  ist  nach  wie  vor  in  schönster  DebereinatimaMiDg. 
Halle.  F.  BLASS. 


HIERONTMUS  UND  DIE  COLLATIO  LEGUM 
MOSAICARUM  ET  ROMANORDM. 

Die  älteste,  wohl  den  frühesten  Jahrhunderten  des  Mittelalter» 
angehOrige  Vita  des  Hieronymus,  welche  erstmals  von  Mabillon  Te^ 
öffentlicht  worden  ist,*)  enthält  die  Angabe,  dass  dieser  Schriftsteller 
an  die  lurisconsulti  einen  Liber  singularis  sonansque  gerichtet  .habe: 
ad  iuris  quoçue  eonsuUos  singularem  sonantemque  edidü  Ittm».') 
Die  Folgerungen,  welche  ich  daraus  ziehe,  gehen  lunächst  die  hea- 
tigen  luriiconsulii  an,  welchen  jene  Notiz,  soweit  ich  sehe,  aa* 
bekannt  geblieben  ist.  Ich  darf  aber  auch  bei  den  Lesern  dieser 
Zeitschrift  einiges  Interesse  fQr  den  Versuch  voraussetzen,  auf  der 
Grundlage  dieses  Berichtes  das  Schriftenregister  des  Kirchenfaten 
mit  einem,  Qberdies  erhaltenen,  juristischen  Opus  zu  bereicherst 
und  gebe  daher  hier  eine  Zusammenfassung  dessen ,  was  ich  mir 
an  einem  anderen  Orte  ausführlich  darzulegen  vorbehalte. 

Die  Ueberlieferung  der  Vita,  dass  Hieronymus  eine  Schrift  i' 
lurisconsuUos  verfasst  hat,  verdient  meines  Erachtens  keine  Be 
anstandung.  Allerdings  werden  ja  sowohl  in  jener  Lebensbeschrei- 
bung selbst,  wie  auch  sonst,  dem  Kirchenvater  Schriften,  theolo- 
gischen Inhaltes,  fälschlich  auf  Rechnung  gesetzt.')  Aber  damit 
erklärt  sich  noch  nicht,  wie  die  Vita,  bez.  ihre  Quelle,  zu  derea 
Abfassungszeit  Begriff  und  Name  des  Rechtsgelehrten  fast  in  Ver» 
schoUenheit  gerathen  waren,  ohne  Grund  eine  als  Liher  ad  Iwit  ] 
consultas  bezeichnete  Schrift  mit  einem  Theologen,  wie  Hieronymus, 
als  dem  Autor  derselben  in  Verbindung  bringen  konnte.  Ande^e^ 
seits  aber   ist  der  Thatbestaud,   dass  Hieronymus  eine  Schrift  ab- 

1)  retU  AnalL  IV  194—196.   Vgl.  daza  Acta  Sanctorum,  Sept  VIII  411 
und  422. 

2)  Martianay  nimmt  in  seinem  Abdruck  der  Vita  {Opp.  ffieron.  V  1— Sy 
die  folgenden  Varianten  einer  Handschrift  in  den  Text:  iuris  quoquB  eon- 
suUus  singularem  tonantemque  edidit  librum  (vgl.  p.  9,  10). 

3)  Vgl.  Acta  Sanctorum  a.  a.  0.  p.  666  §  LXXVil  sqq.,  421  sob  N.  11 
ond  18. 


HISCELLEN  345 

«81  bat,  hioter  welcher  eine  juristiscbe  Termuthet  werden  darf 
weon  die  Vita  sie  einen  Liher  singularü  sonanêque  nennt,  so 
das  wohl  nur  rhetorischer  Ausdruck  fflr  ein  treffliches  Werk, 
wohl  auffallend,  aber  doch  nicht  befremdend:  denn  der  Kirchen- 
ir  ist  zwar  kein  Jurist,  immerhin  aber,,  wie  seine  Schriften 
eo,  dem  Juristischen  nicht  fremd  geblieben;  er  erkennt  die 
cbäftigung  mit  der  Rechtswissenschaft  als  eine  wissenschafUiche 
siplin  an  (icfoers.  Pelagg.  1,21),  erblickt  in  Papinian  den  grossen 
Iter  der  weltlichen  Gesetze  {EpisL  77,  3)  und  lässt  es  auch  sonst 
Bezugnahmen  auf  das  römische  Recht  nicht  fehlen  (z.  R.  Bpist. 
6;  77,  3;  123,  1(5;  Comment,  in  Epüt.  ad  Gal  2,  4  ad  v.  29). 

Es  ist  nun. aber  eine  anonyme  Schrift  romischen  Rechtes  auf 

gekommen,  in  welcher  das  Werk  des  Hieronymus  Äd  luriê- 
niftos  zu   erblicken  mit  guten  Gründen  sich  vertheidigen  lässt 

ist  die  unter  dem  Namen  der  Collatio  hgum  Mosaicarum  et 
nanarum  bekannte  Sammlung/)  welche  —  soviel  ist  davon  er- 
ten  —  unter  16  die  Materie  kennzeichnenden  Rubriken  Texte 
I  zwar  des  Pentateuches  einerseits,  des  römischen  Rechtes  an- 
eneits  zusammenstellt  und  mit  vereinzelten  Remerkungen  des 
unlors  begleitet.*)     Die  auffallende   Erscheinung,  welcher  wir 

des  Hieronymus  Werk  Ad  lurüconsultos  begegnet  sind,  Ab- 
nmg  einer  juristischen  Schrift  durch  einen  Kirchenschriftsteller, 
irt  hier  wieder:  denn  wenn  wir  mit  Krüger')  annehmen  dürfen, 
B  der  Autor  der  Collatio  kein  Jurist  gewesen  ist,  so  verrüth 
ne  Herkunft  aus  der  Schule  des  Theologen  die  Systematisirung 
(Stoffes  nach  der  Haterienfolge  des  Dekaloges,  sowie  die  mehr 
t  theologischen,  als  den  juristischen  Standpunkt  vertretende 
ndenz  des  Autors,  durch  Aufweisung  der  Analogien  des  mo- 
Khen    und   des   römischen   Rechtes  die   Uebereinstimmung,   ja 

1)  Die  beste  Ausgabe  ist  von  Mommsen  CoU,  Kbrr,  iuris  anteiust  fÜ 
(iqq.  Vgl.  zu  dieser  Schrift  Krüger  Geschichte  der  Quellen  S.  302  ff.,  uod 
lUDsen  a.  0.  p.  109  sqq. 

2)  Mommsen  a.  a.  0.  p.  130,  sagt  mit  Bezug  auf  diese  Bemerkungen  (bei 
'ihnung  der  angeblichen  Autorschaft  des  Ambrosius):  neque  . .  ttili  genus 
imbroHo  abhorret.  Dasselbe  wird  gewiss  auch  mit  Bezug  auf  Hieronymus 
(elten  haben;  z.  B.  quia,  statt  des  Accusatives  cum  Infinitiv,  hinter  scire, 
es  an  der  im  Texte  (S.  346)  aufgeführten  charakteristischen  Stelle  heisst 
m  ihm  ganz  gewöhnlich,  so  in  der  Hiobubersetzung  nach  der  Septnaginta 
Lagarde  Mittheilungen  11  193  sqq.)  23,  2;  36,  5;  37,  15;  42,  2. 

3)  A.  0.  S.  303. 


346  MISCELLEN 

sogar  die  Herkunft  des  letzteren  aus  der  Lex  dimna  darmtho 
Wie  aber  dem  Hieronymus  Papinian  als  Spitze  der  römischen  Jor 
prudenz  erscheint,  so  ist  auch  in  der  Collatio  dieser  Jurist  i 
zahlreichen  Auszogen  aus  mehreren  seiner  Werke  ▼ertretea,  q 
wenn  diese  Schrift  neben  Auszogen  aus  den  Alteren  ConstitutioiM 
Sammlungen,  dem  Gregorianus  und  dem  Hermogenianus,  eine  ù 
stitution  vom  Jahre  390,  welche  spflter  in  den  Codex  Theodosiai 
Oberging,  nicht  in  der  an  letzterer  Stelle  Oberlieferten  Gest 
sondern  als  Extravagante  benutzt  (vgl.  unten),  so  bedient  sich  ai 
Hieronymus  (Epist.  52,  6),  der  ja  die  Abfassung  des  geoann 
Gesetzbuches  vom  Jahre  438  nicht  mehr  erlebte,  eines  wohl 
dieses,  aber  in  keine  ältere  Sammlung  aufgenommenen  Gesel 
vom  Jahre  370  (C.  Th.  16,  2,  20).')  Noch  mehr  fällt,  wie  ich  glaa 
ins  Gewicht ,  dass  auch  die  Collatio ,  wie  das  von  dem  Werke  • 
Hieronymus  ausgesagt  wird,  als  ein  Liher  ad  luriseonsukos  gel 
konnte,  und  zwar  nicht  bloss  als  Buch  juristischen  Inhaltes,  sond< 
noch  in  einem  besonderen  und  auf  die  Angabe  der  Vita  Ad  im 
eotiiultos  .  .  edidit  Ubrum  ganz  vorzüglich  passenden  Sinne.  Denn 
einer  Stelle  der  Schrift,  in  welcher  sich  der  Sammler  der  CoUa 
an  seine  Leser  wendet,  bezeichnet  er  sie,  und  zwar  ohne  jed 
weiteren  Zusatz,  als  lurisconsullu  Es  heisst  da  folgender  Maa» 
(7,  1,  1):  quod  si  duodecim  tabularum  noctumum  furem  quêf 
modo,  diumum  autem  si  se  audeat  telo  defmdere,  inter fici  niia 
scitote,  iuris  consulti,  quia  Moyses  prius  hoc  statuit.  Wie  leic 
konnte  dann  von  dem  Urheber  der  Vita,  bezw.  von  seiner  Qael 
diese  in  der  Schrift  ganz  einzig  dastehende,  auch  an  und  fOr  si< 
sehr  auffallende  Peroration  der  lurisconsuüi  geradezu  zur  Beseic 
nung  des  Werkes  verwendet  worden  seini 

Mit  Rücksicht  auf  die  Benutzung  der  genannten  Constitoli< 
vom  Jahre  390  vor  ihrer  Aufnahme  in  den  Codex  Theodosiai 
ergiebt  sich,  dass  die  Abfassungszeit  der  Collatio  zwischen  390  Q 
438  fällt:  innerhalb  dieses  Zeilraumes  liegt  aber  auch  die  sehr 
Stellerische  Thätigkeit  des  Hieronymus  (geboren  340,  gestorben  420 
Und  wenn  sodann  die  Constitution  vom  Jahre  390,  welche  in 
Sammlung  die  Inscriplioo  Impp.  Valentinianus  Theodosius  et  Arctk 
^^999'  <^d  Orientium  vicarium  urbis  Romae,  sowie  das  Proposi 


1)  Vgl.  Gothofredus  ad  h.  I.  (ed.  Ritter  VI  55). 

2)  Einzelheiten  z.  B.  bei  Zöckler  Hieronymus  S.  1  ff^  VIII  fil 


MISCELLEN  347 

Pr.  id.  Maias  Romae  in  atrio  Minervae  fohrt,  vom  Autor  als  Impe- 
Tütoris  Tkeodoni  comtitutio  bezeichoet  wird  (5,  3,  1),  obschoo  sie 
nicht  von  Theodosius,  sondero  von  Valentinian,  dem  Kaiser  des 
Westreiches,  herrObri,  so  erklärt  sieb  das  am  leicbtesten,  wenn  die 
CoUatio  in  demjenigen  Tbeile  des  ROmerreicbes  abgefasst  ist,  an 
dessen  Regierung  die,  wie  überall,  so  aucb  auf  dem  Gebiete  der 
Gesetzgebung  dominirende  PersOnlicbkeit  des  Theodosius  fortdauernd 
Antheil  gehabt  hat,  das  ist  also  im  Osten.*)  Hier  war  es  aber 
aaeh,  wo  Hieronymus,  dem  die  Bedeutung  des  Kaisers,  sowohl  im 
allgemeinen  wie  im  besonderen  als  Gesetzgeber,  nicht  entgehen 
koDDte,*)  vom  Jahre  386  bis  zu  seinem  Tode,  im  Kloster  bei  Beth- 
lehem, litterarisch  tbfltig  war.  Ja  es  lässt  sich  diesem  Autor  ge- 
radeiu  als  eine  Geflogenheit  nachweisen,  occidentalische  Vorgänge 
nach  der  Regierungszeit  des  Theodosius  zu  datiren.*) 

Einen  Einwand  gegen  die  Zuschreibung  der  Collatio  an  Hiero- 
aymos  könnte  man  aus  dem  Umstände  herleiten  zu  müssen  meinen, 
diss  die  Pentateuchstellen,  welche  darin  aufgeführt  sind,  eine  Itala- 
receosion  darstellen  und  somit  nicht  denjenigen  Bibeltext  wieder- 
geben, der  unter  dem  Namen  des  Hieronymianischen  bekannt  ist.^) 
Es  kommt  jedoch  bezüglich  der  in  die  Collatio  aufgenommenen 
Textstellen  des  Pentateuchs  —  keine  derselben  gehört  der  Genesis 
>a  ^  insbesondere  in  Betracht,  dass  Hieronymus  seine  Uebersetzung 
erst  im  Jahre  396  begonnen  und  bis  zum  Jahre  404  fortgeführt  hat*): 
nichts  aber  hindert  anzunehmen,  dass  die  Collatio  zusammengestellt 
worden  ist,  bevor  die  Pentateuchübersetzung  vollendet  war. 

Amsterdam.  MAX  CONRAT. 


1)  Vgl.  hierzu  Mommsen  a.  a.  0.  S.  127  und  128. 

2)  Er  rechnet  mit  Bezug  auf  sein  Leben  nach  den  Regierung8jahren  des 
Tlieodoiius  (vgt  das  Vorwort  zu  der  Schrift  De  viris  iUuttribus  und  Epiti.  48). 
lo  einem  Briefe  an  Paulinus  {Epist  49)  gedenkt  er  aus  Anlass  der  von  letz- 
terem nach  dem  Siege  des  Theodosius  über  Eugenius  abgefassten  Lobrede  des 
Kûaen  mit  den  folgenden  Worten  :  Felt'x  Theodosius,  qui  a  tali  Christi  oror 
lore  defenditur,  illustrasti  purpuras  eius  et  utilitatem  legum  futuris  sae- 
euHs  eansecrasti. 

3)  Z.  B.  den  Tod   des  Damasus  (384)   und   des  Pacianus  (391)   in   der 
Schrift  De  viris  illustrious  103  und  1U6. 

4)  Vgl.  hierzu  Mommsen  a.  a.^0.  S.  130  sqq. 

5|  VgL  Realeucykl.  f.  prot.  Theol.  und  Kirche'  Hl  39. 


348  MISCELLEN 

0AKA0AAIIAL. 

Im  29.  SlQcke  des  zweiten  Baodes  der  Oxyryocbos  Papyri 
liest  maD: 

6  yàç  àlixtwç  ria%6%ti%i  fiav 

%al  GÂKA0AAIIAAO2;  i^aa^elç  èfièv  ivnatiUrte. 
Grenfell  und  Hunt  bemerken  dazu:  ,Qaxa&alnttç  ii  eonotiDaify 
the  name  of  a  hen'.  Die  Vermutbung  ist  richtig,  nur  muas  eine 
kleine  Correctur  vorgenommen  werden,  damit  ein  möglicher  Name 
heraus  komme.  Man  schreibe  Oax(o}9'alnQÔoç,  der  SiUwarmerin, 
und  erinnere  sich  der  aus  Herondas  bekannten  Wendung  ô^lneiv 
%àv  ôUpQOv. 

Halle.  F.  BECHTBL. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN 
IM  ALTERTHUM. 

(Vgl.  Bd.  XXIII  556  f.). 

V.  In  dies.  Zlschr.  (XXIII  561  A.  3)  batte  ich  die  VermulhuDg 
ausgesprochen,  dass  die  zahlreichen  Citate  medicinischer  Schrift- 
steller Ober  den  diätetischen  Werth  der  Nahrungsmittel  in  den  drei 
ersteo  Bachern  der  Compilation  des  Athenaios  aus  dem  avfiTioaiov 
des  grossen  Empirikers  Herakleides  von  Tarent  stammen.  Im  Folgen- 
den will  ich  Tersuchen  diese  Vermuthung  näher  zu  begründen. 

Id  den  Deipnosophisten  des  Naukratiten  finden  sich  im  ganzen 
sechs  Hippokratescitate,  fon  denen  eine  Anführung*)  rein  glosso- 
grapbischen  Charakters  ist,  sich  also  von  den  Qbrigen  ohne  Weiteres 
absonderU  Durch  die  Wiederkehr  dieser  Glosse  bei  Hes.  s.  v.  tp6a 
{wo  allerdings  nur  das  Klearchcitat  wiedergegeben  ist)  ist  ihre  Her- 
leilODg  aus  einer  lexicalischen  Vorlage,  d.  b.  aus  Herodian*)  oder 
Pamphilos  gesichert.  Andererseits  wird  durch  das  49.  Capitel  des 
2.  Boches  Ober  die  Benennung  und  diätetische  Wirkung  der  Pinien- 
keme,  in  dem  gleichfalls  ein  Hippokratescital')  erscheint,  da  sich 

1)  Atb.  IX  399  b:  fivtifnopevsè  di  lœv  ipvwv  xal  ^Innouçartiç  o  Uqw- 
%m%o9.  Du  Gitat  l»ezieht  sich  auf  n9Qi  <pva,  àvd'd,  c.  11  (VI  58  L),  wo  die 
»cblechte  Ueberlieferuog  yrvas  hat,  vgl.  nsQi  oarétav  fva.  c.  9  (IX  174).  Das 
ScbolioD  im  Parisinas  F  zu  nê(fl  fva,  avd'g.  (vgl.  Li  tiré)  stammt  ohne  Zweifei 
MO»  derselben  lexikalischen  Ueberlieferung,  vgl.  dazu  llberg  das  Hippokrates- 
glossar  des  Erotian  Abb.  der  Sachs.  Ges.  d.  W.  XIV  121  f.  Dieselbe  lieber- 
lieferaog  bei  Poil.  (^11185,  der  aus  Rufus-Sorao  schöpft  (Vogt  Sorani 
JSphesii  Über  de  tiymologiis  corporis  humani  quattnu*  resiilui  poMsii 
Greifsw.  Diss.  1882),  nod  Sorao  benutzt  wieder  den  Irenäus,  den  Schüler  des 
Beüodor  (WilamowiU  Herakl.  P  186  A  130),  vgl.  Reitzenstein  Gesch.  der  gr. 
Btymologika  383. 

2)  Vgl.  Reitzenstein  a.  a.  0.  371  ff. 

3)  Atb.  U  67  c:  'htnaie^Trjs  Se  èv  tîj^  nê^i  nriaavrjç^  o  ix  tov  r^fiiaovç 
Itàw  va^tVÊftOê^  vn*  Mmv  Si  uai  olov^  xoxMcilovQ  (SC.  roits  nv(f^a£  toU 
^%^ßiXov  iMtiUî).  Das  Citât  bezieht  sich  auf  nsqi  ipva.  àr&^,  c  11  (VI  58  L), 
vgl.  Gal.  gloiê.  Hipp.  (XIX  113).    llberg  a.  a.  0.  116. 

HeroMS  XXXY.  23 


350  M.  WELLMANN 

die  Glosseo  bei  Hesych  s.  ynovog^  ycoxxaXog,  ftvçrjveç,  ot{ 
wiederfinden,  die  Annahme  fast  zur  Gewissheit  erhoben,  dass  Pim- 
philos  als  Quelle  jenes  ganzen  Citatennesles,  also  auch  der  Snt- 
liehen  Schriftsteller  anzusehen  ist,  d.  h.  dass  Pamphilos  die  un- 
mittelbare Vorlage  des  Athenaios  fOr  die  gesanunte  medicioische 
Ueberlieferung  ist.  Die  übrigen  vier  Citate  geboren  dem  meü- 
cinischen  Excurs  über  die  Heilwirkung  des  Wassers  im  2.  Buche 
an  (II  c.  24  p.  45  d  (f.):  sie  zeigen  sachliche  Benutzung  des  Hippo- 
Urates.') 

Wer  die  medicinischen  Partien  der  drei  ersten  Bücher  da 
Athenaios  durchliest  (I  c.  59  IT.),  wird  sich  des  Eindruckes  nicht  e^ 
wehren,  dass  ihnen  dieselbe  medicinische  Compilation  zu  Graade 
liegt:  das  gemeinsame  Band  besteht  in  der  Wiederkehr  derselbe! 
Gewährsmänner.  Hippokrates,  Philistion,  Diokles,  Praxagoras,  Pbf* 
lotimos,  Mnesitheos,  Pleistonikos,  Euenor,  Diphilos,  Erasistratoi, 
Glaukias,  Andreas  und  Hikesios  werden  citirt,  d.  h.  Aerzte  der 
besten  Zeit,  die  in  gleicher  Vollsiändigkeit  nur  noch  in  den  fei 
den  Heilkräften  der  Gemüsearten  handelnden  Bflchern  der  pKiit' 
niscben  Compilation  (Bd.  XX — XXII)  benutzt  sind.  Ferner  iit  ii 
hohem  Grade  beachtenswert h,  dass  die  Quelle  Kritik  an  den  hipp^ 
kratischen  Schriften  übte:  sie  kannte  die  verschiedenen  Titd  der 
Schrift  n€Qt  dialzfjç  o^éwv*)  und  erklärte  sie  zur  Hälfte  far  bi- 

1)  Ath.  45  e  :  xai  o  yXvxâ^œv  8*  oîvos  ov  fta^vrei  rr^v  xê^al^'y,  »Ç  */«*>• 
K^TTjç  év  'i(f  neçl  Stairriç  ^c£v,  o  nvBÇ  fUv  émyça^^avci  nê^l  oSêm^^* 
Si  nsçl  nricàvr^Çy  âXloi  Bè  nQOi  tcts  Kvidiaç  yvtvfiai  ^  Hipp,  nêçl  8iâk^ 
6È.  r.  50  (134  K).  —  A  th.  46  b:   ^cl  3è  ual  'inTtOMçàrtjç  'vè»^  to  fp^ 
d'BQfiatvoßAevov   xal   \fwx6fi9vov  àel  xovipéxBçov    ^   Àph.  V  26  (IV  54Sl^ 
Epid,  Il  11  (V  S8L).  —  Alh.  46  b:  iv  8i  tq>  ne^  vBdxtov^Inmm^xffiifM 
TO  xç^<''^ov  v8(OQ  nÔTifiOv  {nolvjiftav  CE)  ^  neçl  vyqciv  ^^ffioc  c.  l  (^ 
118  L),  v;j^l.  Theoph.  hist.  plauLSW  5»  2:  xœp  8à  v8âi»r  â^êCta  Ta  «^np* 
xal  rà  yffvxifâ.    So  wird  die  Schrift  auch  von  Erotian  citirt  (llberg  a.  a.  0. 11^ 
Lillré  I  151.  370  f.).  —  46  c:  'innox^njç  8^  iv  rcp  na^  tonw  a^cxa  fifim 
èlvai  TÔfv  vBâttov  oca  ix  fASTBagotv  xo^^^a»«'  ^tX  xai  ix  Xo^mv  ytfjfth  kvL 
BS  negl  déç,  v8.  Tonotv  c.  7  (42,  11  K).    Erotian  citirt  die  Scbrift  jrtfi  <^ 
natv  xai  ύcSv,  vgl.  llberg  a.  a.  0. 

2)  Nach  Erotian  war  die  Schrift  betitelt:  neçi  nx^â^tiç.  Im  Marc  209(1! 
bteht  als  Ueberschrifl:  ^InnoxQarf^s  tzb^  8$aixriç  oiimv^  oi  Bi  nt^  9tri€ë9^ 
Ol  Si  71QOÇ  Toff  KvTjdias  yvojfuie.  Soran  kennt  die  beiden  Titel:  nêfi  snn 
oâvTjç  und  71ÇOÇ  ras  KviBiaç  yvaif^aç  (Gael.  Âur.).  Er  begreift  a«ch  ë 
vô&a  unter  dem  Titel  wie  Erotian.  Einmal  (Gael.  Anr.  ^.  ü.  II  29  ^  «« 
Biaixriç  of.  {voO-a)  c.  34  p.  164,  21)  citirt  er  den  zweiten  Teil  als  9ê«uit^uA\ 


ZDR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     351 

^ht  (58  c),  ja  sie  wusste  zu  berichteo,  dass  eioige  Aerzte  die  gaoze 
Schrift  ror  unecht  bielteo.  Ee  liegt  auf  der  Hand,  dass  als  Quelle 
Qor  ein  Hedicioer  in  Betracht  kommeo  kano,  der  sich  gleichzeitig 
mit  Hippokrates  abgegebeo  hat,  uod  es  ist  bezeichaeod,  dass  sich 
das  Wissen  der  Quelle  in  diesem  Punkte  nahe  mit  dem  berührt, 
was  Galen  in  seinem  Commentar  zu  dieser  Schrift  über  Titel  und 
Echtheit  berichtet/) 

Für  die  Zeit  der  Quelle  ergiebt  sich  soviel,  dass  sie  frühestens 
der  ersten  Hälfte  des  1.  Jahrhunderts  v.  Chr.  zuzuweisen  ist,  da 
der  jüngste  der  compilirten  Aerzte,  der  Erasistrateer  Hikesios,  nach 
meinen  Ausführungen*)  dem  Ausgange  des  2.  resp.  dem  Anfange 
des  1.  Jahrhunderts  angehört.  Andererseits  verwehrt  uns  die  That- 
sache,  dass  die  pharmakologischen  Schriften  der  Folgezeit  wie  die 
Werke  des  Asklepiades,  Krateuas,  Sextius  Niger  und  Dioskurides 
gänzlich  bei  Seite  gelassen  sind,  ihre  Zeit  allzutief  hinabzurücken. 
Eioe  weitere  Einschränkung  gestattet  der  Abschnitt  Ober  die  physi- 
bliscben  Eigenschaften  und  den  hygienischen  Werth  des  Wassers 
(11 42  c.  d.  46  a — d).  Die  Zusammengehörigkeit  dieser  beiden  Stücke 
folgt  aus  der  theilweisen  Uebereinstimmung  mit  Plin.  XXXI  31  f.* 
ttf  die  bereits  P.  Rusch  in  seiner  Greifswalder  Dissertation  (1882) 
de  Pmdomo  Luereti  Cari  auctare  33  f.  aufmerksam  gemacht  hat, 
oboe  jedoch  aus  dieser  Uebereinstimmung  die  richtigen  Schluss- 
Iblgerungen  gezogen  zu  haben. 

Seit  der  Zeit  des  5.  Jahrhunderts  war  von  den  Aerzten  die 
«iehtige  Frage  lebhaft  disculirt  worden,  welches  Wasser  der  Ge- 
iiiBdbeit  am  zuträglichsten  und  welches  ungesund  sei.  In  der  grupd- 
kgeoden  Schrift  ft$çi  àéçwv  vô.  ton.  verficht  der  geistvolle  Ver- 


Bi^p^cratês  ttero  Hbro  reguUaH,  quem   diaeleticum  voeamt  {xsqI  Siairrfc 

Wi  Alb.),  peripneumonieae  inquii  remedium  aptandum  ex  coccalo  atque 

flkmo  etc.|  vgl.  Gal.  XV  452:   rolrov  rov  Xoyov  (c.  10  p.  113,  19  K)  âvor 

pmmi  fUfi.  Bomovct  ftévor  ol  jibqI  nncavijç  iniycayfavTei  to  ßißXiov  *  wü- 

Mtf  av  ndknf  oi  ngos  ras  KviSiaç  yvwfias  to  nqmrov  nQOoiftêov'  édeix^ 

yif  ér  rtp  Savtéç4p  fojxért  nQO£  rovi  Kvidiovç  iarçais  %6v  lôyov  noioi- 

ßEtfOQ^  àJUà  n^t^inœv  ini  rtftf  âatnfaiv  t^s  tô^  oSsar  voürj/Aatotv  ^«^a- 

jMtes.    oiàSfi  Tf/TOS  lâyoç,  ov  àxçi  Ssvço  dtîjld'ev,  ^3tj  avTr^s  rrjii  diaêxrj- 

fwrçf  xéx^9  rwr  èiéêftf  voaijfiaTafv  icjiv.     Die  vo&a   standen    schon   zu 

JBnsbtratot  Zeit   hinter   dem   Buch   naçl  njèffatnjs  (Gal.  XV  744).     Diokles 

ktmott  sie  schon  alt  hippokratiscb.    Darüber  an  eineni  anderen  Ort. 

1)  Gal.  XV  452.  744.    Littré  I  327  ff. 

2)  Sasemibl  Litteratargeschichte  der  Alex.  H  418  f. 

23* 


352  H.  WELLMANN 

fasser  mit  eiDgehender  BegrOodaug  die  Aosicht  (c  7  p.  40«  1 
dass  das  stehende  Wasser  aus  Sümpfen  und  Teichen  dem  Hen 
schädlich  sei  (p.  42,  2),  nSichstdem  das  Wasser,  dessen  Quelli 
Gebirge  entspringen  oder  das  aus  einem  an  Hineralstoflfen  rt 
Boden  kommt  (p.  42,  8).  Das  Schnee-  und  Eiswasser  (p.  4! 
ist  seiner  Ansicht  nach  ohne  «Ausnahme  schlecht,  weil  bein 
frieren  die  klaren,  leichten  und  sttssen  Bestandttheile  des  W 
ausgesondert  werden  und  die  schmutzigsten  und  schwersten 
zurackbleiben  (p.  46,  11).  Dagegen  empfiehlt  er  (p.  42,  11 
Quellwasser,  das  aus  hochgelegenen  Gegenden  kommt  und  ( 
Temperatur  in  Folge  der  tiefen  Lage  der  Quellen  im  Sommet 
im  Winter  warm  ist,  sowie  das  Regenwasser  (p.  44,  lf.)t  < 
zur  Beseitigung  des  schlechten  Geruches  abzukochen  rSith. 

Diese  Theorie  des  Hippokrates  ist,  wenn  auch  vielfach 
ficirt,  doch  in  den  GrOndzOgen  für  die  Folgezeit  maassgebei 
worden.  Schon  in  den  pseudoaristotelischen  Problemen  hat 
hippokratische  Ansicht  von  der  Schädlichkeit  des  Schnee-  unt 
Wassers  Verwendung  gefunden,')  und  dass  sie  noch  in  der  K 
zeit  fortlebte,  dafür  sind  der  von  Oribasios  in  seinem  grossen  Sai 
werk  erhaltene  Tractat  des  Rufus  Tceçi  iôâttav  (Orib.  I  324 
Buch  II  seines  umfänglichen  Werkes  tcbqI  dialtrjg)  sowie  dii 
streuten  Bemerkungen  des  Galen  ein  vollgalliger  Beweis.*) 

Rufus  rühmt  wie  Hippokrates  das  Wasser  der  Quellen 
im  Osten  entspringen  auf  Hügeln  und  Bergen,  weil  es  klar,  < 
flüssig,  wohlriechend,  süss  und  weder  allzu  warm  noch  allzi 
sei.  Ruf.  328,  6  :  jcrjyala  dk  zà  fuev  Ttçoç  dvatokàç  ve\ 
Ttavta  xal  vygotrjTi  xal  keTtrotrjti  xal  evwdltf  xai  tÇ  fw 
fihv  xfJvxQ€tlv€iv,  fÀeTçlwç  de  &£QpLaLvBiv  ngovxei  tdiv  al, 
329,  9  :  l6q)oi  de  xal  ocrj  xçeloaut  *  xal  yàg  xa&aQtiteç 
kejcTOteca  xai  evwdeaveca  nal  valg  yXvxvtrjaiv  iqdlat  {i 
vôava)  naçéxovaiv  ^  Hipp.  42,  1 1  :  aQiara  de  oKoaa  ex 
WÇWV  xwQluiv  Qel  xai  X6q>wv  yetjQaiv.    airta  te  ydg  eat 

1)  Poschenrieder  die  naturwissenschafllichen  Schriften  des  Arii 
in  ihrem  Verhâltniss  zu  Hippokrates,  Progr.  von  Bamberg  (1887)  41.  ^ 
jérût.  Pt.  223  n.  197. 

2)  Zur  Ergänzung  des  Oribasios  vgl.  Aet.  tetrab.  I  c.  165  (f 
Daremberg-Ruelle  341),  wo  Vorsicht  geboten  ist,  weil  das  Excerpt  ao 
und  Rufus  zusammengestückt  ist  (vgl.  Ruf.  342,  3  f.  «  Gal.  bei  Orib.  I  3 
und  Simeon  Seth  p.  109  L,  der  gleichfalls  indirect  aus  Galen  und  Rafns  : 

3)  Vgl.  Gal.  bei  Orib.  a.  a.  0. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  HEDICIN  IM  ALTERTHUH    353 

xëo  xai  Xejttà  {Xevna  cod.)  xal  tov  olvov  q>éQ€iv  oXLyov  ola 
^i  lüTiv*  tov  de  XBLiAWvog  d'BQfià  ylvevai,  tov  ôh  d'éçeoç  xfjv 
X^a  .  .  •  fAaXioja  âè  inaivéio  wv  ta  ^evf^ata  fCQOç  tag  àva- 
xoUlç  tov  fiXLov  èçQùiyaai  xaï  (làXkov  tcqoç  tàç  d'eçivdç' 
àviyxfj  yàç  XafircQot&qa  elvai  xai  evtôdea  xal  xovq>a.  Das 
Wasser,  das  aus  eioem  felsîgeo  oder  miDeralreicheo  Boden  kommt, 
steht  ihm  ao  Güte  oach.')  Ruf.  330,  3:  ta  6h  netguidrj  xbIqh} 
{ih  %jj  axkrjQotrjti  xal  tf\  tpv^ei^  xa&aQo  dh  nXéov  tujv  aÀ- 
im  xal  ayvnoatata.  fAeylatt]  âh  toîç  vâaai  diaq>OQà  xal 
hui}fÀOtàtr}  ex  te  fietâXXuiv  xai  ßotavwv  7teg)vxviwv  avto^i' 
îà  fiiv  ovv  fiétaXXa  eïç  te  Ti}y  aXXrjv  oïxrjaiv  xal  elç  ri} y 
tùp  vdatuiv  ftôaiv  ßXaßega  »■  Hipp.  42,  4:  âevtega  âk  oatav 
liai»  al  nrjyal  ix  netgéwv  —  axXrjçà  yàç  àvàyxtj  elvai  —  § 
ix  yr^Çj  oxov  &eQfÀà  vâatd  iattv  fj  aiôriQog  yivetai  iq  ;^olxoç 
1?  QQYVQOÇ  iq  XQ^^^S  ?  â'eîov  fj  otVfitrjQlri  ij  aaq>aXtov  ij  vl- 
tQOv . , ,  ov  toivvv  Ix  toiavtrjç  yrjç  olov  te  vâata  aya^à  ylve- 
9^1.  Im  allgemeioeo  ist  das  Wasser  am  besten,  das  im  Winter 
wann,  im  Sommer  kohl  ist,  da  es  aus  deo  tiefsten  Quellen  kommt*)  : 
OQtt  yaQ  av  tov  pAv  x^^f^^^<^S  ô^eçfÂa  ioti,  tov  de  ^igovc 
^Ifv^Qo  ôoxeî  nùfç  eîvai  xdXXiata,  ta  âk  OfÂoliog  ix^^^^  V^^~ 
U^ç  xal  &eQft6trjtog  talg  aiçaig  xdxiata'  tov  fièv  yàç  &é- 
a(ivç  inifCoX^g  tij  yf)  to  d'ecptov  ylvetai,  tov  ôè  ;^£t/uc5yog  elç 
ßi^og  xatadvetai,  xal  6ià  tout 6  fioi  ôoxeî  nrjyal  te  ooai  èx 
ßat^vtatiav  ^éovai  xal  oaa  avtça  xolXa  ndvta  elvai  xatà 
ftcy  Xeifiwva  d'eçfÀOtata,  xatà  âè  ô'éçog  xpvxQcitata  »>  Elipp> 
42, 14  :  tov  dh  x^^f^^^^S  ^eg/Àa  ylvetai  (se.  ta  agiota  vdatay^ 
<  toi  dh  ô'éQeog  xpvxQCt'  ovtw  yàç  av  eïrj  èx  ßa&vtdtwv  nt}- 
yim.    Das  Regenwasser')  wird  ?on  ihm  gleichfalls  geschätzt,  weil 

1)  Theoph.  hisi,  plant,  VII  5,  2:  jt^^^iara  3i  rà  àlvxà  nai  dvofiapij,  8** 
9  Mal  Ac  TtSv  Sxttdyy  oi  x^V^''^'  ^v/tnepi^éQH  yàç  cnéçftava  né  ai,  Buf. 
330,  7:  ßordvat  3i  hri  /Ur  ital  nayv  ßXanrovci  rc  vSmç^  oii  8i  xal  nçoa- 
nßEE^olatv  avrà  to  ffior  Kai  rj  xalafiivdij  xed  ro  àdiavrov*  ravra  yàq 
mhS/Sfa  ép  roïs  èx9roU  niifvxw, 

2)  Vgl.  die  weitere  Begrûndang  dieser  Ansicht  bei  dem  Verf.  von  ntci 
fmû.  naiiiov  c.  25. 

3)  Praiagoras  theilte  die  Ansicht  des  Hippokrates  Âth.  46d:  n(faSa- 
y6fa€  X9  ravrâ  ^ci'  ina^vai  de  t6  o/*ßQtov,  Desgleichen  Theophrast  a. 
s.  0.:  âya&à  8i  rà  à»  JUi.  Ein  kurzes  Excerpt  aas  Rufus  steht  im  Com- 
meotar  des  Galen  zu  hbqI  xvf*ôiv  XVI  362.  Galen  selbst  steht  völlig  anter 
dem  Banne  der  hippokratischen  Schrift,  vgl.  Gal.  bei  Orib.  1  309  f. 


354  M.  WELLMANN 

es  leicht,  dflDO,  klar  und  sQss  ist    Ruf.  326,  3:  ftêçl  êk  %wo^^ 
ßgliüv  vdarcjv  yivùioxcj  rade  *   ta  oiAßgia  xovqxi  Tê  lori  %  «^c 
kemà   xal  xa^aga  xal  ykvxéa  yevofiexp  ^  Hipp.  44,  3:  ^^^ 
/lev  ofißgia  xovq>6taTa  xai  yXvxvtaza  ioti  xal  Xefcxotara  x^ar 
kafÀTtgotata.     Das  Schnee-   uod  Eiswasser  hält  er  fOr  schSdÜG-Wi 
weil  es  wegeo  seioer  Härte  und  Kälte  weder  die  Verdauung  do^^ 
die  UriosecretioD  befördert  und  allerlei  Gebrechen  im  Gefolge  tet. 
Ruf.  328,  1:   oaa   dk   ànb  xiovuàv  xaï   xgvatalXuàv   ^€l  vSawro 
navra  oxltjgà  itièv  xcri  xfjv^ei  VTtegßccllovTa,  yXvxéa  ai  yev^- 
fÂivip  xtL  =»  nipp.  45,  22:  ta  ôè  ànb  xiôvoq  xai  xgvaxiûiXav 
novrjgà  ndvxa'    oxorav  yàg  ana^  ^oyfj,   ovx  ïri  iç  Trjv  aç^ 
Xa/i^y   q>vaiv   xa&iatatai,    alla  to   fièv   avtov  XafAngbv  nal 
xovq>ov  xaï  yXvxv  ixxglvevai,  %b  âè  ^ohaôèatàxov  xaï  axa^- 
(AwâioTatov  Xelnstai.    Desgleichen  das  stagnirende  Wasser  uni 
das  Wasser  aus  Teichen,  weil  es  einen  faulen  Geruch  hat  und  in 
Sommer  warm,  im  Winter  kalt  ist.    Ruf.  325,  2:  tu  öi  ix  Ufiffiç 
nàvva  xâxiara*  oofÀt^v  te  yàg  ex^i  avonov  ola  oeof^nota  wl 
Tov  fikv  x^égovç  ^sgfÀO  ylvetai,  tov  àè  xeiiAiJavoç  tfwxga,  ont^ 
fiéyiatov   arjinsîov  tl-^^efiai  7covrjgiaç  voatußv  -^^  Hipp.  40, 15: 
oxoaa  fièv  ovv  iattv  éXtiâea  xaï  atàaifta  xaï  kifivaîa,  Tovra 
àvàyxrj   tov   fzkv  d'égeoç   elvai   &€gfÀà   xaï  naxéa  xai  oôiiiif 
ÏXovTa,   ate   ovx  ànoggvta  kovta.     Die  Erkrankungen,  welche 
der  Genuss  von  solchem  Wasser  im  Gefolge  hat,  werden  von  ihn 
in  Uebereinstimmung  mit  Hippokrates  angegeben:  im  Sommer  Djf- 
enterie,    Leienterie    und  dadurch  herbeigeführte  Wassersucht  (Rrf* 
325,7  =  Hipp.  41, 10),  im  Winter  Hilzleiden  und  offene  Wuodei 
an  den  Füssen  (Ruf.  325,  8  —  Hipp.  40,  22.  41,  23). 

Eine  abweichende  Theorie  von  dem  Werth  und  Unwerth  dd 
Wassers   liegt  bei  Plin.   (XXXl  31  f.)   und   bei  Aih.  (H  42  c)  for, 
deren  Quelle  zwar  gleichfalls  an  Hippokrates  anknüpft,  aber  denllidi 
genug  gegen  verschiedene  Sätze  desselben  polemisirt.     Die  Polemik 
besteht  darin,  dass  sie  die  Schädlichkeit  des  Schnee-  und  Eiswaesers    j 
bestreitet,  ja  dass  sie  es  für  gesunder  erklärt  als  das  Regenwaascr.   '. 
Als  Grund  wird  die  dem  Hippokrates  entnommene,  von  Xenophanes  j 
resp.  Diogenes  stammende  Annahme  angeführt,  dass  beide  leichter  I 
seien  als  andere  Wasser,  da  bei  der  Verdunstung  des  Wassers  nur 
die  leichlesteD  Bestandltheile  desselben  von  der  Sonne  hinaufgeiogei 
würden:   das  Schneewasser   werde   weiter   durch  die  Reibung  der 
Luft  verdünnt,  das  Eiswasser  durch  den  Frost  verfeinert.    lo  Ceber* 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     355 


liûftliminuDg  mit  Hippokrates  beOodet  sich  die  Quelle,  wenn  sie 
beba^uptet ,  dass  das  slagnireode  Wasser  schlechter  sei  als  das 
fiiessende,  weil  das  fliesseode  Wasser  durch  seine  Bewegung  und 
Reibung  verdünnt  werde. 


Plitt.  XXXI31: 
quaeritur  inter  medicos  cuius 
generis  aquae  sint  uiilissimae.  stag- 
nantes pigrasque  merito  damnant, 
utiliores  quae  profluuni  existi- 
mantes,  cursu  enim  percussuque 
ipso  extenuari  atque  proßcere,  eo- 
que  miror  cistemarum  ab  aliquis 
maxime  probari.  sed  hi  rationem 
adferunt,  quoniam  levissima  sit 
imbrium,  ut  quae  subire  potuerit 
ac  pendere  in  aere.  idea  et  nives 
praeferunt  nivibusque  etiam  gla^ 
dem  velut  ad  infinitum  coacta 
sublilitate.  leviora  enim  haec  esse 
et  glaciem  multo  leviorem  aqua, 
Eugen  Oder*)  hat  in  seiner  ganz  vortrefflichen  Abhandlung  ,ein 
angebliches  Bruchstück  des  Demokrit  über  die  Entdeckung  tinter- 
iitliicher  Quellen'  (Philol.  Suppl.  VII  1899,  306)  die  ausgehobeneu 
Worte  des  Athenaios  auf  die  theophrasteische  Schritt  Tcegl  vÔotoç, 
<iie  thatsächlich  in  jenem  Abschnitt  benutzt  ist  (41  f.)«  zurückgeführt 
^  für  Plinius  auf  Grund  der  Beweisführung  von  Rusch  Benutzung 
ikrseiben  Quelle  angenommen.  Wimmer  hat  sogar  in  seiner  Ausgabe 
<iesTheophrast  die  ganze  Partie  des  Athenaios  (41  f. — 43  f.)  für  Theo- 
phrast  in  Anspruch  genommen  (fr.  159).  Dem  gegenüber  hat  schon 
Rusch  (a.  a.  0.  35)  mit  Recht  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die 
von  Ath.  43a  erwähnten  ßaaiXixa  xakovfÂeva  vâava  in  Prusa  nicht 
lus  Theophrast  stammen  können,  da  die  Gründung  von  Prusa  erst 


Ath.  42  c: 

là  d*  iniçQvxa  xaî  i^  oxeiov 

WC  ifilnav  ßelrlto  twv   ata- 

cinùiv  nomofÀevà  T€*)  fiaXa- 

tmtça  yLvBtat,    ôià  tovro  xal 

(fi)  OLTtO  jfiÇ  X^OVOÇ  ÔOULBÎ  XQ^' 

(nà  dvai'  xai  yàg  avayéTai 
fo  noTifÀtitegov  xai  jovto  xe- 
TiOfifiévov  iati  t^  àiçr  âio  xai 
tm  ofißclwv  ßeXxlta'  xaï  xà 
h  tcvardklov  âè  âià  to  xov- 
fitîça  eîvai'  arjfÀSÎov  d^  oti 
Xtti  0  xQvataXkoç  avroç  xov- 
ipitiçoç  vov  aXXov  vâaTOç. 


1)  Kaibel  hat  vennuthel  xonrofievâ  tb  (rr^  àéçi),  Oder  Quellensacher 
B  Alterthum  Ptiil.  Soppl.  Vil  (1899)  306  ist  ihm  gefolgt.  Dass  die  lieber- 
efeniog  untadelig  ist,  beweist  Plinius.  Das  fliessende  Wasser  wird  dadurch 
eieb,  dass  es  sich  aneinander  reibt  in  Folge  seiner  Bewegung,  nicht  durch 
e  Reibung  der  Loft. 

2)  Ich  bemerke,  dass  mein  Aufsatz  schon  im  Entwurf  vorlag,  als  die 
)haod]ung  Oders  erschien. 


356  M.  WELLMANN 

gegen  Eode  des  3.  Jahrhunderts  fällt.  Ebenso  wenig  kooole  Thec 
phrast  aber  auch  von  den  Heilquellen  von  Bajae  berichten,  da  n 
erst  in  der  Liiteratur  einer  weit  späteren  Zeit  auftreten.*)  Kon 
in  jenem  Abschnitt  des  Atheuaios  sind  zwei  Quellen  nebeneinandc 
benutzt:  Theophrast  negi  väazoc  und  ein  späterer  Schriftsteila 
Die  Epitomirung  des  2.  Buches  hat  diesen  Thatbestand  verwitda 
Da  die  angeführten  Worte  des  Atheuaios  sich  völlig  mit  Plioii 
decken ,  wogegen  die  von  Oder  conslatirte  Uebereinstimmung  an 
Vitruv  (187,23),  die  dadurch  hervorgerufen  ist,  dass  die  Qaeilei 
des  Atheuaios  und  Vitruv  in  letzter  Linie  von  Hippokrates  abhSogf 
sind,  als  völlig  unwesentlich  und  nichts  beweisend  zurOcktreta 
muss,  so  haben  wir  anzunehmen,  dass  beide  Autoren  dieselbe  Queue 
benutzten,  und  wenn  es  nun  bei  Plinius  zu  Anfang  jenes  Ab- 
schnittes heisst:  quaerüur  inier  medicos  cuius  generis  aquae  M 
utilissimae  und  im  folgenden  der  Arzt  Epigeues  und  andere  mM 
erwähnt  werden,  so  ist  wohl  kein  Zweifel  mehr,  dass  die  gemdi* 
same  Quelle  ein  Arzt  gewesen  ist,  der  nicht  nur  über  den  Nuükd 
und  Schaden  des  Wassers  gehandelt,  sondern  wie  wir  aus  Athe* 
naios  entnehmen  dürfen,  auch  paradoxa  beigefügt  hat.  Durch  di« 
Resultat  werden  wir  der  Annahme  Oberhoben,  zu  der  Oder  a.  i.  0. 
auf  Grund  von  Theophrast  hist.  pl.  VII  5,  2  gezwungen  ist,  da« 
Theophrasts  Ansicht  vom  Epitomator  nur  ungenau  wiedergegebei 
sei.  Uebrigens  ist  die  Uebereinstimmung  zwischen  Plinius  und  AÜK- 
naios  weitgehender  als  Rusch  a.  a.  0.  34  gesehen  hat,  und  es  verdient 
besondere  Beachtung,  dass  die  Quelle  des  Plinius  die  Ansicbieo 
mehrerer  Aerzte  ohne  Namensnennung  anführt,  die  von  dem  Ge* 
währsmann  des  Atheuaios  mit  Namen  genannt  werden.  So  kehrt 
die  Behauptung  des  aus  Argos  in  Akaruanien  stammenden  kvM 
Euenor,  der  322/1  in  Athen  das  Bürgerrecht  erhielt,^  dass  du 
Cisternenwasser  das  Beste  sei  (Ath.  46  d:  Evr^vwQ  de  ra  Àaxxola 
sc.  inaivei)  bei  Plin.  XXXI  31  wieder:  eoque  tniror  dêlemenÊ 
ah  aliquis  maxime  prohari  und  wird  weiter  unten  (34)  mit  dei 
Citat  eines  anderen  Arztes  modificiri:  nam  cistemas  etiam  meiK 
confilentur  inutiles  alvo  duritia  faucibusque,  etiam  limi  nan  eU 
inesse  plus  aut  animalium  quae  faciunt  taedium.  Die  Bebauptui 
des   Erasistratos,   dass   einige   Aerzte   das  Wasser  hiosichtlich  d 

1)  Lucr.  VI  748.     Hor.  Ep.  I  16,  5.    Ovid  met.  XV  713.     Strab,  V  227 

2)  Vgl.  Wilamowitz  in  dies.  Ztschr.  XXII  240  A.  1. 


ZDR  GESCHICHTE  DER  HEDICIN  IM  ALTERTHUM     357 

îcifiscbeo  Gewichtes  mit  der  Waage  prüfen,  aber  ohoe  Erfolg') 
>c:  'EçaaioTçatoç  dé  q>fjaiv  wç  ' âo^i^d^oval  tiveç  zà  vôava 
a9fâ(p  ave^êtdavwç'  ièov  yàç  tov  i^  ^AfKpiaQaov  vdatog 
l  {%ov)  i^  ^Qetçiaç  avfjßaXlo^ivwv ,  %ov  fiiv  g>avkov,  vov 

Xçrjatov  ovtoç,  oiô*  fJTtç  èari  èiaq>OQà  xarà  %ov  axa&fiôv^ 
1.  Eueoor  46  d)  hat  ihre  Parallele  in  den  plinianischen  Worten 
S):  qjdidam  staiera  indicant  de  salnbritate,  frustrante  diligentia, 
\mido  perramm  est  ut  levion  sit  aliqua.  Das  bekannle,  in  der 
edicinischen  Lilteralur  so  häufig  wiederkehrende  Wort  des  Hippo- 
ites:  vâùiQ  to  zaxéwç  ^ecfiaivo^evov  xai  ipvxofievov  ael 
njffOTBQOv  (Ath.  46  b)  ist  der  Quelle  des  Plinius  gleichfalls  be- 
iDDt*)  (38):  certior  subtilitas  inter  pares  meUorem  esse  quae  ca- 
|btf  refrigereturque  celerius.  Was  Ath.  (46  b)  als  sicheres  Erken- 
JD^eichen  der  Schfldlichkeit  des  Wassers  anführt,  dass  es  in 
ipfernen  oder  silbernen  Gefâssen  Grünspan  ansetzt  und  dass 
Qlsenfrücbte  schwer  in  ihm  kochen/)  wird  von  Plinius  gleichfalls 
fmerkt  (37).  Endlich  sei  darauf  verwiesen,  dass  einzelne  Notizen 
s  ersten  Abschnittes  bei  Alhenaios  durchaus  hippokrateisch  sind: 
B.  dass  das  salzhaltige  Wasser  schwer  zu  erweichen  sei  (Ath.  42  b. 
ipp.  43,21),  dass  das  schwere  und  harte  Wasser  gesundheits- 
hädlich  sei  (Ath.  42  c.  Hipp.  42,  4.  46,  3.  Ruf.  bei  Orib.  I  333,  6), 
i»  das  Wasser,  das  von  Bergen  kommt,  dem  in  der  Ebene  vor- 
itieben  sei  (Ath.  42  d.  Hipp.  42,  11.  Ruf.  bei  Orib.  I  329)  und 
IM  das  dicke  Wasser  im  Sommer  warm,  im  Winter  kalt  ist 
tth.  42d.  Hipp.  40,  16.  Ruf.  bei  Orib.  325,  3).  Desgleichen  bei 
ÜdIus.  Die  Notiz  (33):  nee  vero  pauci  inter  ipsos  e  contrario  ex 
A(  ac  nivibus  insaluberrimos  potus  praedicant,  quoniam  exactum 
t  inde  quod  tenuissimutn  fuerit,  minui  certe  liquorem  omnem  con- 
iatione  deprehenditur  geht  auf  Hipp.  (45,  22  f.)  und  dessen  Näch- 
ster,  ebenso  die  Angabe,   dass  das  Regenwasser  am  schnellsten 

Fäulnis  übergebe  (33  =  Hipp.  44,  22).  Für  Plinius  schliesse 
i  aus  der  Thatsache,  dass  er  die  von  der  ärztUchen  Quelle  vor- 
Iragene  Theorie  von  dem  Werth  des  Schnee-  und  Eiswassers  mit 
)88em  Nachdruck  zurückweist  (32:  horum  sententiam  refelli  inter- 

1)  Gels.  II  18  (66,  26):  nam  levis  pondère  opparet:  et  ex  üs  quae  pon- 
e  pares  sunt,  eo  melior  quaeque  est,  quo  celerius  et  cale  fit  et  frigescity 
>que  celerius  ex  ea  legumina  percoquuntur.    Ruf.  bei  Orib.  1  333,  5. 

2)  Gels.  a.  a.  0.  Ruf.  bei  Orib.  I  333,  8. 

3)  Gels.  a.  a.  0.  Vitr.  VIU  4.    Gal.  bei  Orib.  I  308. 


358  H.  WELLMANN 

est  vitae),  währeod  Alheoaios  nur  darüber  referirt,  dass  bei  ih 
iodirecte  Benulzung  desselbeo  Gewährsmannes  vorliegt  wie  l 
Athenaios,  und  eine  erwOnschle  Bestätigung  für  diese  Schlui 
folgerung  erbalten  wir  durch  den  von  Rusch  geführten  Nachwe 
dass  Plinius  seine  Partie  aus  Varro  entlehnt  hat.  Wenn  dagegi 
F.  Hünzer  in  seinen  Beiträgen  zur  Quellenkritik  der  Naturgeschicli 
des  Plinius  (Berlin  1897,  43)  in  der  Kritik  des  Plinius  eine  b 
wusste  Polemik  gegen  Celsus  (a.  a.«  0.)  erkennen  will,  so  ist  die 
Annahme  auf  eine  irrige  Auffassung  des  Celsus  zurückzuführe 
Seine  Worte  lauten:  aqua  levissima  pluvialis  est,  detnde  fontat 
tum  ex  flumine,  tum  ex  puteo;  post  haec  ex  nive  aut  glacie;  gr 
vier  his  ex  lacu;  gravissima  ex  palude.  Ich  meine,  deutlich 
konnte  Celsus  die  Ansicht  nicht  zum  Ausdruck  bringen,  dass 
das  Schnee-  und  Eiswasser  für  schlechter  halte  als  Regen-,  Quel 
Fluss-  und  Brunnenwasser,  als  indem  er  sein  grösseres  Gewit 
betonte,  da  ja  auch  nach  seiner  Meinung  der  Werth  des  Wass^ 
durch  das  geringere  Gewicht  bedingt  ist.  Diese  Ansicht  ist  al 
doch  der  von  der  Quelle  des  Athenaios- Plinius  vertretenen  ger^ 
entgegengesetzt. 

In  engem  Zusammenhang  mit  dieser  rein  medicinischen  ik' 
einandersetzung  über  den  Nutzen  des  Wassers  steht  bei  Athena 
der  Abschnitt  über  merkwürdige  Quellen  und  Flüsse,  deren  A 
gaben  zum  Theil  bei  Plinius  wiederkehren.  Ein  Theil  dieser  Par 
doxa  geht  sicher  auf  Theophrasts  Schrift  negi  iidavoc  zurück,  uo 
daraus  erklärt  sich  die  theilweise  Uebereinstimmung  mit  Pliniui 
dessen  Quelle  (Poseidonios)  den  Theoplirast  gleichfalls  verarbeitete. 
Andererseits  hat  die  vorhergehende  Untersuchung  gelehrt ,  dass  io 
der  medicinischen  Vorlage  gleichfalls  Paradoxa  behandelt  waren  — 
in  welchem  Umfange,  lässt  sich  nicht  mehr  erkennen  — ,  unddw 
diese  Verknüpfung  auch  der  medicinischen  Litteratur  eigen  wir, 
beweist  das  Beispiel  des  Rufus,  in  dessen  Tractat  negl  vSitai 
das  paradoxographische  Element  ebenso  berücksichtigt  ist,  gleicb 
falls,  wie  natürlich  auf  diesem  Gebiet,  in  theilweiser  Ueberein 
Stimmung  mit  Plinius  und  Athenaios.')  Der  Katalog,  der  bei  Kalk 
mann  Pausanias  der  Perieget  (33  f.)  nachzutragen  ist,  möge  hii 
Platz  finden: 

1)  Vgl.  Huf.  bei  Orib.  I  332  f.  und  seine  èça>Ti]ftaTa  tar^uea  in  der  Ai 
:;abf  von  Ruelle  215,  s.  den  vortrefflichen  Gommentar  Darembergs  io  seil 

Alisgabe  des  Orib.  I  629. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     359 

17  h  Jr^ltif  lifivf]  =  Plin.  II  229. 

TOT  iv  Ilv&OTCoXsi  =  A  Dt.  V.  Kar.  162  (Eudoxos). 

vdwQ  h  ^eovTlvoig  =  Plin.  31 ,  27  (Lykos).  AdI.  t.  Kar.  159  W. 

Zôwç  iv  0€ve(p  ^  Plin.  31,  26.    Theoph.  bei  Ant.  158. 

Sôwç  iv  Qçf^f]  =  Plin.  31,  27.  Theopomp  bei  Ant.  v.  Kar, 
141.  Viir.  Vm  3. 

UfAvrj  17  iv  ^avco^axaig  =  Ant.  t.  Kar.  152  aus  Herakleides. 
Isig.  c.  14.     Sot.  de  flutn.  22. 

kifivrj  xarà  Mi^dovg  =  Plin.  II  109,  vgl.  Gal.  I  658. 

vâwç  ftBQÏ  2ovaa  =«  Sot.  26.    Vitruv  Vlll  3. 

0  2v(iaçiç  fioTOfÂOçl 

%o  iv  Ai^ioniif  vâwç  =  Plin.  31,9  (Ktesias).  Ant.  145. 
Sot  17. 

to  iv  Alyvmffi  vâwÇf  vgl.  A  th.  42  a. 

vo  iv  AvyxrjOTaiç  vâwç  «=  Ant.  164  (Theopomp).  Isig.  c.  13. 
23.  Ath.  43  d. 

TO  iv  KkeiToçiqi  ttjç  uiçxadlaç  =  Ath.  43  f.  (Phylarch). 
f^IÎD.  31,  16  (Eudoxos).     Sot.  12.   Vitr.  Vlll  3. 

TO  iv  Xalxlâi  rrjç  "AQC&ovarjç  =  Plin.  31, 11.  Vitr.  VIII  3. 

0  Kôâvoç  =  Plin.  31,  11.  Vitr.  VU!  3. 

Rufus  stimmt  also  ganz  in  derselben  Weise  wie  Athenaios  mit 
Hioius.  Aus  dieser  Uebereinslimmung  irgend  welche  Schlüsse  auf 
^ie  Quelle  zu  ziehen,  scheint  mir,  wie  E.  Oder  a.  a.  0.,  bei  der 
leiten  Verbreitung  und  völligen  Gleichartigkeit  der  aus  Handbüchern 
^er  damaligen  Zeit  bekannten  paradoxographischen  Litteratur  völlig 
aussichtslos  und  auch  völlig  werthlos. 

Ganz  dasselbe  Resultat  wie  die  vorstehende  Untersuchung,  dass 

tlie  medicinische  Quelle  des  Athenaios  älter  ist  als  Varro  und  jünger 

•  db  Hikesios  ergiebt  die  Retrachtung   des  in  R.  I  gegen  Ende  er- 

ballenen  Verzeichnisses  römischer  und  griechischer  Weine  und. ihres 

hygienischen  Werthes  (26  a— 27  d.  32  c— 33  c),  über  dessen  Quelle 

fl.  Bruns   in   seiner  Rostocker  Dissertation   qiiaesiiones  asclepiadeae 

de  tinorum  diversis  generihus  16  f.  scharfsinnig  gehandelt  hat.    Man 

darf  soviel  als  gesichertes  Ergebniss  dieser  Arbeit  betrachten,  dass 

die  Quelle  ein  Arzt  gewesen  ist,  und  zeitlich  nicht  über  die  repu- 

bijcanische  Zeit  hinabreicht.  Wenn  aber  Rruns  die  beiden  Abschnitte 

«charf  von   einander  trennt  und  für  den  letzteren  den  berühmten 

AsklepiadeSy  für  den  ersteren  einen  Schüler  des  Asklepiades  als  Quelle 

ansetzt,  so  vermag   ich   mich   dieser  Ansicht  nicht  anzuschliessen. 


360  H.  WELLMANN 

Sehr  bezeichoend  ist  zuoachst,  dass  Notizen  beider  Abschoitte  b« 
Plioias   und   Dioskurides  wiederkehreu  :   mao   vergleiche  Alb.  2k 
mit  PliD.  XXIli  38  und  Diosk.Vll,  Alb.  32  d  mit  Plin.  XXIU4. 
Diosk.  V  9.     Sodann   spricht  für   den   gleichen   Ursprung  anf  ^ 
allerunzweideutigsie  der  Umstand ,  dass  Notizen  des  einen  im  ftv 
deren  wiederholt  werden  :  der  Compilator  scheidet  nicht  so  sSubcr 
lieh,  wie  wir  es  bei  Compilationen  gewohnt  sind.    Oder  bedeutei 
die  Worte  26  b:    ôvvafituLWvatoç   (sc.  o  (jiiXag  olvog)  yaç  ieu 
xai  fiévîov  iv  talg  e^eai  %wv  mvovtwv  nkelavov  xçovov  .  . . 
0  âk   kevubç   oîvoç  àa&evijç  xal  kentoç.     o  âk  xiççoç  ninu 
^^ov  ^rjçavtixoç  wv  elwas  anderes,  als  was  32  d  als  Ansiebt  te 
Hnesitbeos  referirt  wird  :  Mvrjaix^eog  d^  o  ^A^valog  g>riai9'  '0 
fÀéXaç  olvog  iati  ^çenrixtoTaTog,  o  âk  kêvxog  ovçrjZixmaMOÇ 
Tcaï  Xentotatog,  o  dk  xiQçog  ^rjçog  xal  %ù»v  aitiùày  rtêftfauh 
rêQogt'^)   Aber  Athenaios  kommt  im  zweiten  Abschnitt  noch  eioad 
auf  die  italienischen  Weine  zurück,  trotzdem  sie  im  ersten  Abschaitt 
abgehandelt  sind.    Auch  das  Iflsst  sich  meines  Erachtens  erklXreiu 
Was  er  über  den  Albaner-  und  Falernerwein  an  jener  Stelle  (33 1) 
sagt,  deckt  sich   inhaltlich   mit   26  c.     Dazu   tritt   nur  der  ohoç 
^AÔQiavog.    Der  fehlt  im  ersten  Abschnitt,  er  wird  von  Atbenaloi 
nachgetragen  und  um  dieses  Nachtrages  willen  die  abermalige  E^ 
wähnung  italienischer  Weine.     Im  übrigen  weisen  beide  Abscboitte 
inhaltlich   so  sehr  den  gleichen  Charakter  auf,  dass  sie  aus  einer 
Quelle  herzuleiten  sind:   ihr  Unterschied   besteht  einzig  und  allem 
darin,  dass  im  ersten  die  italienischen,  im  zweiten  die  griechischeo 
Weine  abgehandelt  werden.     Ist  diese  Scblussfolgerung  richtig,  ^ 
spricht   das  im  vorhergehenden  gewonnene  Resultat,   dass  die  Ur- 
quelle des  Athenaios  älter  als  Varro  ist,   gegen  die  Annahme  vos 
Bruns,  dass  ein  Schüler  des  Asklepiades  benutzt  ist. 

Aber  auch  das  epochemachende  Werk  des  Asklepiades  ia^ 
0ÏVOV  âoaecjg  kann  nicht  als  Quelle  des  Athenaios  gelten.  Wir 
können  uns  von  dem  Inhalt  dieses  Buches  eine  ungefähre  Vo^ 
Stellung  machen  durch  die  bei  Plin.  XXlil  31f.  und  Diosk. Vit 
vorliegenden  Abschnitte  über  die  Weine,  d.  h.  durch  die  phanna- 
kologiscbe  Compilation  des  Asklepiadeers  Seztius  Niger.  Es  ist  keil 
Zweifel,  dass  Asklepiades  in  der  richtigen  Erkenntniss,  dass  de 
Wein  das  beste  q)açiLiaxov  ist,  die  verschiedenen  Weinarlen,  grii 

1)  Vgl.  Diosc.  V  8.     Plin.  XXIII  38. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     361 

«hiscbe  wie  rOmiscbe,  io  dieser  Schrift  behandelt  und  genaue  Vor- 
schrilteD  Ober  seine  therapeutische  Verwendung  gegeben  hat,  aber 
da«  die  bei  Athenaeos  vorliegenden  Citate  des  Drokles,  Praxagoras 
ood  Hnesitheos  unmöglich  aus  Asklepiades  stammen  können,  folgt 
aus  dem  Umstände,  dass  sich  von  ihnen  bei  Plinius  und  Dioskurides 
kdoe  Spur  findet.  Ausserdem  mOsste  bei  Benutzung  des  Asklepiades 
durch  Athenaios   die  Uebereinstimmung  zwischen   ihm  und  Niger- 
Cdsus  eine  weit  engere  sein,  als  sie  es  thatsächlich  ist.     Demnach 
sehe  ich  keinen   anderen  Ausweg   aus  diesem  Dilemma  als  anzu- 
Bekmen,  dass  die  Quelle  des  Athenaios,  auf  dessen  Rechnung  ohne 
Zweifel  die  angeführten  Citate  zu  setzen  sind,   fOr  die  mit  Niger 
stinmendeo  Partien  aus  derselben  Vorlage  geschöpft  hat  wie  Askle- 
piades,  und  diese  Vorlage  kann   dann   meines  Erachtens  nur  der 
VOD  Asklepiades,    wie   von    der  Vorlage    des  Athenaios   gleicher- 
maassen  benutzte  Arzt  Hikesios,*)  der  Gründer  der  Aerzteschule 
der  Erasistrateer  in  Smyrna,  gewesen  sein.    Es  ergiebt  sich  also 
fttr  das  von  Bruns  behandelte  Verhältniss  der  über  Wein  handeln- 
den Autoren  folgendes  Stemma: 

Hikesios  de  conditura  vint 


med.  Quelle  des  Athenaios  Asklepiades  nsçi 

I  otrov  dooeofç 

PaiDphilo8(?)  ^/^\^    \ 

Athenaios  Sextios  Niger    Gelsus 

PÜD.  XXIII.     Diosk. 

Columella    Pli n.  XIV. 


ViCISUB 


Fragen  wir  nun  endlich  nach  dem  Namen  der  medicinischen 
Quelle  des  Athenaios,  so  scheint  eine  schwache  Spur  uns  den 
Qttnkter  desselben  zu  verrathen.  In  dem  Abschnitt  über  die 
rOmisehen  Weine  (27  a)  heisst  es  von  dem  Fundanerwein,  dass  er 
knftig  und  nahrhaft  sei,  aber  Kopf  und  Magen  angreife:  dio  ov 
fioüc  iv  ovfÀnooloiç  Ttlvetai.  Ich  schliesse  daraus,  dass  die 
Oodle  mit  Rücksicht  auf  die  Symposien  über  den  Werlh  und  Un- 


1)  Vgl.  meine  Aosföhraogen  Ober  ihn  bei  Sasemihl  Gesch.  der  Alexan- 
drinerzdt  II  418.  Er  hat  sowohl  in  seiner  Schrift  naçl  vli^,  als  auch  in  der 
Spedilsehrift  de  conditura  vint  (Plin.  Ind,  14.  15.  XIV  120)  über  den  Wein 
geblödelt.  Er  kannte  bereits  die  römischen  Weine,  die  su  Beginn  des  3.  Jahr- 
hooderts  den  griechischen  Aerzten  noch  unbekannt  waren,  vgl.  Plin.  XIV  76. 


362  M.  WELLMANN 

werth  der  Weine  gehaodelt  hat.  Es  liegt  ounmehr  nahe 
an  ein  medicinisches  Symposioo  als  Quelle  zu  deokeD,  i 
solches  ist  von  Athenaios  thalsächlich  benutzt  worden:  icli 
das  Symposion  des  Herakleides  von  TarenL  In  der  That  U 
dem  letzten  grossen  Vertreter  der  empirischen  Schule^)  al 
sammen,  was  wir  an  Kriterien  für  die  Quelle'  gewonnen 
Er  leble*)  nach  Hikesios  und  vor  ApoUonios  von  Kition«  ( 
Anfang  des  ersten  vorchristlichen  Jahrhunderts.  Varro  kam 
benutzte  ihn:  es  ist  eine  ansprechende  Vermuthung  Hirseli 
die  varronische  Satire  ,quinqu(Urug'  ,eine  kynische  Antwort  y 
den  medicinischen  Dialog  des  Tarenliners  Herakleides/  N 
musste  in  der  ohne  Zweifel  dialogisch  gehaltenen  Satire  eii 
Theilnehmer  sich  des  Empirikers  annehmen:  darauf  beziehe 
Worte  (fr.  445  bei  Petr.  ed.  Bücheler)  qui  TaretUinum  it 
Heraelidem  Ponticon  corUendereL  Aber  auch  in  dem  'Yd{ 
wird  jeder,  der  die  Worte  des  Athenaios  im  Gedächtniss  1 
wunderbare  Uebereinslimmung  des  uns  aus  dieser  Satire  erl 
Mnesitheosfragmentes  mit  Ath.  32d^)  zu  der  Annahme  vem 
dass  Varro  das  ihm  von  Herakleides  in  seinem  avfinooi 
botene  Material  zur  Begründung  seiner  ,Wa8sertheorie'  v< 
habe.  Sein  aviÀTtôaiov  vidx  eine  Compilation:  der  compilai 
Charakter  folgt  aus  den  namentlichen  Anführungen.  Ath 
Hçaxlelôrjç  ô*  6  TaQavTîvoç  év  t(^  JSvfÂnoolip  ÇtjTBi  n 
iuLkafjißaveiv  ôeî  fÂB%à  Trjv  zwv  ouxwv  nQoa(poQàv  i 
vàuiQ  ïj  xpvxQOV,  xal  zolç  (ihv  kéyovvaç  â'eçftov  ôbîv  i 
(iaveiv  TtQooçwvvaç  to  toioZto  naçuxelevea^'aïf  ôioti  3 

1)  Cad.  Aur.  M.  AA  17:  empiricorum  sufficit  toli  Heraclidi  T 
respondere:  etenim  eorum  (nemine)  posterior  atque  omnium  prt 
apud  suos  invenilur,  vgl.  Gomperz  Apologie  der  Heilkunde  166. 

2)  Vgl.  meine  Angaben  in  Sosemihls  Litter.  der  Alex.  II  419. 
ist  die  Zdtbestimroung  de§  Herakleides  in  meinem  Aufsatz  sur  Geschi 
Medicin  in  dies.  Ztschr.  XXllI  558  zu  berichtigen. 

3)  Hirzel  Dialog  1  449  A.  2. 

4)  Mrfjci&eoç  8*  6  ^yi&rjpaïéç  tprjaiv  ^6  /läXas  oïvos  iaxi  &( 
jaTOSy  V  de  levxbe  oiçfjTixiÛTatoç  xai  IsTtrorafOS,  v  8è  Hê^ços  | 
Ttûr  anitûv  mnt tueur açoi ,  Varro  bei  Geil.  XlU  31  (fr.  575  8):  non  vi 
Mnenlkeum  scribi  tria  genera  esse  vini,  nigrum  y  album  y  medim 
vocant  xiÇQÔv,  et  novum ,  vêtus,  medium?  et  efßcere  nigrum  viru 
urinaniy  medium  nirpiv  ?  novum  refrigerare^  vêtus  calefaeere,  meê 
prandium  caninum? 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     36a 

X^ÎQog  taxéuàç  to  -âeQ/iov  ^vntai'  âio  7Ci^avov  eîvai  xal  iv 
%odl(f  avvTOfÀWÇ  avrà  T(p  &€QfÂ(îi  âiaXvea^ai.  xal  inl  %d.v 
ixioq  âè  (xwvy  avuwv  to  -S^egfAOV  ôiaXvec  Trjv  avvéxBiav  avTwv 
wl  €Îç  lefCTo/ÂBçeiç  TOfÂOvç  ayei^  to  ôk  ifwxQOv  avvlaTrjaiv. 
ol  dk  ilfvXQov  XéyovTêç  nçooq>éQ€a&ai  S;  tov  ifJvxQOv,  q>aalf 
nénatoç  Irjipig  Ta  i/ti  tov  OTOjudxov  xa^vjfÂeva  T(f  ßagei 
taia(péçei  .  .  •  âiôneç  Tivèç  xal  tov  ançaTov  avvexfàç  nqoo- 
(féQovtai  •  .  /  Er  halle  also  die  Streitfrage,  ob  man  zu  den 
Feigen  warmes  oder  kaltes  Wasser  triokeo  müsse,  in  eingehender 
Weise  behandelt,  indem  er  die  Begründung  beider  ärztlichen  Ansichten 
»röhrte,  ohne  sich  für  die  eine  oder  die  andere  zu  entscheiden. 
Ab  Vertreter  der  zweiten  Ansicht  glaube  ich  nach  einer  Andeutung 
beiOrib.  ill  176  den  Karystier  Drokles  ansetzen  zu  dürfen:  t^ç  ôè 
(mûçaç  ta  fikv  avua  kegieXovTac  to  ôéçfia  xal  tov  onbv  tibcl-^ 
nkivavtaç  xai  ßgi^avTag  iv  vOotl  ^xfJvxQfp  fiektiov  iati  Xafi- 
ßiveiv  xai  ^rj  exovtoq  avTov  xaï  tovg  iatj  dwa/Àévovg  iad'leiv 
una  (to)  ôelrtvoVf  tovç  ôk  Xol/iovç  tcqo  tov  ôeLnvov.  \m 
engen  Zusammenhang  mit  diesen  Ausführungen  des  Herakleides 
iteben  die  Citate  des  Phylotimos  (79  a),  Diphilos  (80  b)  und  Mne- 
fllheos  (80  c)  über  den  diätetischen  Werth  der  Feigen  :  sie  stammen 
siciier  aus  der  medicinischen  Quelle. 

Aus  einer  zweiten  Stelle  (120  b)  ergiebt  sich,  dass  der  Siphnier 
Diphilos  gleichfalls  von  ihm  benutzt  ist.  Dass  Athenaios  die  Di- 
|4lilo8ci^te  durch  Vermittelung  eines  späteren  Arztes  überkommen 
bat,  schliesse  ich  aus  dem  Umstände,  dass  an  zwei  Stellen  (80  f. 
121a)  etwas  von  ihm  berichtet  wird,  was  unmöglich  von  diesem 
Am  herrühren  kann  (vgl.  Kaibel  in  der  adnotatio).  120  c  pole- 
iiisirt  Herakleides  gegen  diejenigen  Aerzte,  welche  alle  Gemüse- 
uten  und  eingesalzenen  Fische  als  xaxooTOfiaxa  erklärt  hatten, 
*^1  sie  etwas  scharfes,  beissendes  besitzen,  und  begründet  seine 
abweichende  Meinung  mit  der  Thatsache^  dass  viele  Speisen,  welche 
eine  leichte,  schnelle  Eröffnung  herbeiführen,  gerade  dem  Magen 
luüHglich  sind.')  Zu  den  Vertretern  der  von  Herakleides  bekämpften 
Aosicht  gehörte  der  Siphnier  Diphilos.  Ath.  1170  a:  JlçpiXoç  dh 
xoiviûç  q^r^aiv  êîvai  nàvTa  Ta  Xdxccva  oTçoqfa  xai  XernvvTixa 
xal  xaxoxvXa  Îti  te  InmoXaaTixà  xai  dvaoïxovàfirjTa,  HI  120e: 


1)  Herakleides  steht  hierin  auf  dem  Bodeo  diokleischer  Doctrio,  vgl.  das 
Jaogere  Brachstûck  aus  den  'Tytg^và  n^o£  IDU^tci^x«^  bei  Gal.  VI  455  f. 


364  M.  WELLMANN 

j1iq)ikoç  d*  o  2iq>vi6ç  q>rjaiv'  ^%à  tciqIx^  ta  Ix  twv  ^alaaolMf 
xai  XifÀvaiwv  xal  fcotafiltüv  yivofAcvà  iattv  ôXiyotçoqWf  oh- 
yoxvXa,  xavaioârj,  elxoiXia,  iQB&iatixà  OQé^Bfag . 

Das  vorliegeDde  Bruchstück  des  Herakleides  gestaiiel  uds  eiies 
Einblick  in  die  Anlage  seines  Symposions*  Bei  den  griechisdiei 
Symposien  war  es  Brauch,  vor  der  Hauptmahlzeit  einen  Tnnk 
Wasser  oder  Wein  und  Appetit  oder  Durst  reizende.  Speisen  n 
.geniessen.')  Zu  diesem  Brauch  mussten  die  alten  Aerzte  Stelhig 
nehmen,  und  schon  Diokles  hat  in  seinen  ^yieipa  ngoç  IBai' 
inaqxov  Vorschriften  Ober  das  nconlvBiv  und  nçoBO^Uiv  ge 
geben.  Orib.  174,  1  :  nqo  ai  zov  lafißaveiv  to  oitIov  n^ 
ftlveiv  vaijQ  fÂéVf  Sv  di\f)^  Tic,  nXeloV  el  öi  fjtrjf  ilan99, 
175,7:  kaxova  dh  dfia  fikv  nçoeaâ'lêiv  fclijp  aixvov  aal  ^ 
çâvov  *  TavTa  de  Televtala  '  to  de  Iç7^à  XafAßivBiv  wtb  nçw' 
Tov  TO  âëÎTcyov  (vgl.  Diokles  bei  Ath.  74  b).  176,5:  ngoninvt 
de  ngo  tov  deljtvov  xai  niveiv  fiixQi  tivog  vdiaç"  SrteiTatoiç 
fikv  ioxyovç  piélava  XercTov  olvov,  pie^à  âk  to  deînvov  iUvxor, 
Tovç  ôè  evaaQxovç  dià  TéXovç  Xevxov,  vâaçéoTeQov  ôè  nanaç 
• . .  àxçoâçva  ôè  dvaxQrjata  ptev  ioTi  nàvTa,  ijxiaTa  dk  hoilA 
TOV  Xàyov  (xéTQia  Xaptfiavopieva  nço  tvjv  aiTiwv  .  .  .  Aus  Pbfto- 
timos  ist  bei  Orib.  I  429  eio  Abschnitt  erhalten  Ober  die  Frage: 
negi  noaewç  t^ç  /ueirà  tov  altov  rj  tiqo  tov,  Herakleides  htt* 
wie  wir  aus  dem  angeführten  Bruchstück  ersehen,  in  seinem  SjiR- 
posion  das  Thema  gleichfalls  behandelt:  in  einem  anderen  Çragmeit 
<Ath.  H  53  c)  erwähnt  er  auch  den  Brauch,  den  Nachtisch,  der  ge- 
wöhnlich den  Beschluss  der  Hauptmahlzeit  bildete,  vor  dem  Mable 
2u  geniessen  und  widmet  der  Frage,  ob  das  gesundheitsgemittwif 
eine  kurze  Besprechung.  Was  das  ngonlveiv  anlangt,  so  want 
er  vor  übermässigem  Trinken  zu  Beginn  der  Mahlzeit  (120d:Yàs 
èk  àd'QOovg  iv  clqxj}  noaeiç  èxxXiTéov),  weil  dadurch  die  Triok- 
fähigkeit  nach  dem  Mahle  beeiiitrMcbtigt  werde.    Diese  Worte  koflpfe» 


1)  Plut,  quaest,  symp.yUi  9,  3:  al  yàç  xaXov/Awai  yntx^i  rçini'* 
nçÔTBçov  oatQénDVf  ixiv€9Vf  Cüfiwv  Xaxarcjv,  mtfnêç  ilsyev  o  J7XoT0r,  0* 
ovçàç  éni  üto/ia  /âerax&elaaif  rrjv  nçtôxi^v  àvrl  Trjç  iuxiffj^  râ^tv  fyn^^ 
fiéya  8è  xal  to  xœv  xaXovfxéveûv  nçono/uaTcav'  ovdè  yà^  v9a^  01  stoi«**« 
nçiv  évTçayBiv ,  imvov  '  oi  Si  vvv  âcêTOi  nço/iêdvud'évxaç  ajttoPtM  î^* 
TQOfftis  Siaß^xV  '^^î*  ocifAaTi  xai  l^éovxi^  Xenxà  xai  roftà  xai  ôfta  fffH* 
^iQOvTeSy  vnéxxavfia  t^c  oçéSems,  êîra  ovrmç  ifi^QOVfiêvoi  Tcur  «iÜUfV« 
Mocrob.  tat.  Ill  13,  12.     Plin.  XV  143. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICiN  IM  ALTERTHUM     365 

i  die  von  AtheDaios  45  d  behaDdelte  Frage  des  ngonivBiv  an. 
ier  werden  die  nachtheiligen  Folgen  des  Obermässigen  ngonlveiv 
ifgezählt  und  der  Rath  ertheilt,  vor  der  Mahlzeit  LeibesQbiingen 
Hnanehmen,  zu  baden  und  darnach  möglichst  gutes  Wasser,  im 
^ioter  und  Frühling  warmes,  im  Sommer  kaltes  zu  trinken,  aber 
wh  darin  Maass  zu  halten,  und  wem  das  nicht  genehm  ist,  dem 
Dpfiehlt  er  warmen,  mit  Wasser  versetzten  süssen  Wein  zu  trinken, 
isonders  den  mytilenäischen  Wein  {nqoTQonoç).  Es  liegt  auf  der 
ind,  dass  in  diesen  Ausfahrungen  gleichfalls  Gut  des  Herakleides 
»fliegt,  und  es  verdient  besondere  Hervorhebung,  dass  seine  Vor- 
hriften  an  die  des  Diokles  und  des  Pneumatikers  Athenaios  an- 
ingen.  Diokl.  bei  Orib.  HI  172,  2:  naXdic  dh  ïx^i  yvfAvà^ea&ai 
c  fiQo  %ov  àgiazov)  vovg  iihv  véovç  xa^  nkeiovwv  yvfÂvaalùtv 
If ofiévovç  xai]  ÔBOfxévovg  elç  vo  yvfÂvaaiov  anoxtfQijoavTaç^ 
^ç  âè  ngeaßvTiQovg  xai  aa&eveaTéQovç  elç  ßakavelov  .... 
iHta  fiBQifyaâ^Bvov  XovxqÇ  aQii6%%ovTi  XQ^oaad'ai,  174,  1. 
76,5.  A  th.  bei  Orib.  HI  186:  noiia  (àïv  oiv  êaiw  axolov&wç 
tîç  oQfialç  xai  vaîç  %'^ç  g>va€wç  oçé^eaiv  idaçiateçov  xai 
fj  ^eçfAOv  ayav,  ykvxéog  fjikv  kv  nçofcOfAorc  nçorçonov  ij  2xV' 
îUtov  ij  TIVOÇ  %(âv  OfÂOlwV, 

In  dem  Bruchstück  des  Herakleides  bei  Ath.  111120  c  folgt 
ne  Aufzählung  der  Gemüse  und  Schalthiere,  die  seiner  Ansicht 
ich  dem  Magen  zuträglich  sind  und  deren  Genuss  er  desshalb  zu 
ÜB  ngonivBiv  empfahl.  Bis  auf  das  alaagov^  das  an  dieser 
teile  von  Athenaios  nachgetragen  wird,  daher  das  Epicharm-  und 
nd  Dioklescitat,^)  sind  ihnen  an  verschiedenen  Stellen  der  Com- 
ilation  des  Athenaios  besondere  Capitel  gewidmet,  mit  den  für 
t  medicinische  Quelle  charakteristischen  Citaten: 

aoTcàçayoç  II  62  d  mit  einem  Citat  aus  Diphilos  62  f. 

têvtJiov  VIII  371a  gleichfalls  mit  einem  DiphiloscitaL 

xoyxaij  awX^veg,  /avec  x^aXatrioi,  x^if^^h  ^'^éveç  III  c.  34 
is  44  mit  Hikesios-,  Diphilos-  und  Mnesitheoscitaten. 

taqlxri  III  120  e  mit  Diphilos-  und  Mnesitheoscitaten. 

q>vlXiq  II  66  c. 

1)  Das  Dioklescitat  steht  ausführlicher  bei  Plin.  XX  34:  uHnam  ciet  (sc. 
wr  0rralieutn),  ut  Ophion  credit  et  venerem,  in  eadem  sententia  est  et 
^oeht;  praeterea  cordi  convenir e  convalescentium  aut  post  muitas  vomi' 
nês  perquam  uüle.  Es  folgen  Gitate  aas  Herakleides  (v.  Tarent.),  aas  Hl* 
sios:  das  stammt  sicher  aus  dem  Tareotiner. 
HennM  XXXV.  24 


366  M.  WELLMANN 

Der  Zusammenhaog  jener  Partien  mit  dem  Bruchsttlck  dl 
Herakleides  ist  so  augeofällig,  dass  ich  sie  UDbedeoklich  fOr  P 
in  Anspruch  nehme  und  die  Vermuthung  ausspreche,  dass  sie  Wi 
ihm  im  Anschluss  an  die  Erörterung  Ober  das  nQorcivuv  uj 
TCQoea&iêiv  in  seinem  Symposion  behandelt  worden  sind. 

Soviel  lehrt  die  Analyse  der  geringen  Bruchstücke,  dass  seil 
aviAftoaiov  eine  Compilation  war,  in  der  mit  reichem  Excerptea- 
material  die  xu  einem  Symposion  gehörigen  Speisen  und  Getriske 
nach  ihrem  diätetischen  Werth,  sowie  eine  Reihe  von  hygieniscJMo, 
gleichfalls  mit  dem  Symposion  in  Zusammenhang  stehenden  Fnfes 
behandelt  waren.  Das  Band  freilich,  das  diese  hochgelehrten  and 
wejgen  der  Excerpte  aus  alteren  Aerzten  überaus  werthvolleo  Er- 
örterungen zusammenhielt,  lässt  sich  mit  unseren  Mitteln  nidil 
mehr  erkennen  :  dass  sein  Symposion  ein  Dialog  gewesen  ist,  wie 
Hirzel  a.  a.  0.  anzunehmen  geneigt  ist,  möchte  ich  stark  bezweifdo. 

Ein  derartiges  Excerptenbuch  steht  aber  auch  dem  grosiefl 
Empiriker  zu  Gesichte.  Es  ist  bekannt  von  ihm,')  dass  er  audi 
sonst  in  seiner  ausgedehnten  Schriftstellerei  seinen  Vorgängern  àt 
weitgehendste  Berücksichtigung  hat  zu  Tbeil  werden  lassen.  Die 
Aerzte  Hippokrates,  Diokles,  Phylotimos,  Euenor,  Nyraphodoroi, 
Andreas,  Protarchos,  Andron,  Demetrios  von  Apamea,  Serapioni 
der  lologe  ApoUodor  und  vor  allem  sein  Lehrer  Hikesios*)  sad 
erwiesener  Maassen  von  ihm  benutzt  worden,  d.  h.  zum  Tbeil  die- 
selben Aerzte,  deren  Excerpte  bei  Athenaios  vorliegen.  Dieitf 
Charakter  seiner  Schriftstellerei  kann  nicht  Wunder  nehmen,  weal 
man  bedenkt,  dass  er  der  empirischen  Aerzteschule  angehörte,  d.  b 
jener  Schule,  für  die  bekanntlich  die  lotoqla  rwv  a^x^iW  eia« 
der  Grundlagen  ihres  Systèmes  war.  Und  wenn  Galen  in  leiiei 
Schrift  neçl  nXrj&ovç  (VII  557)  die  Schriftstellerei  der  Empirikei 
mit  folgenden  Worten  charakterisirt  :  anavia  yàq  à^Qoiaam\ 
elç  TavTOy  oaa  twv  ooyfuatixwy  exaattf)  lékexTai,  vofiljÇ/in>u 
fièv  €X(pevy€iv  ix  tovtwv  têtç  ixelvfov  ànoçiaç  xrX,,  so  glwA 
ich  ohne  Furcht  vor  Widerrede  den  Herakleides  zu  den  Empiriker 
auf  deren  Werke  die  obige  Bemerkung  des  Galen  zielt,  rechnt 
zu   dürfen.     Der   Zweck ,    den   die   Empiriker   bei   dieser  Schri 

1)  Vgl.  M.  WellmaDQ  zur  Geschichte  der  Medicin  im  Alterthome  d» 
Ztschr.  XXIII  5Ô9  f.     Susemihl  Gesch.  d.  Alex.  I!  4t9. 

2)  Vgl.  Susemihl  a.  a.  0.  Im  HomonymenTerzeichniss  bei  Diog.  L  ^ 
siod  beide  versehentlich  getrennt. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     367 

tiellerei  verfolgten,  war  der,  durch  Coostatirung  der  grossen  Mei- 
nangsferscbiedenheit  der  Dogmatiker  die  Unerrassbarkeit  der  aorjla, 
auf  deren  Erforschung  die  dogmatischen  Aerzte  den  grOssten  Nach- 
druck legten,  theoretisch  zu  begründen.  Somit  halte  ich  die  Ver- 
mulhung  Hirzels  fOr  gesichert,  dass  das  Symposion  des  Herakleides 
xar  Bekämpfung  der  dogmatischen  Schule  verfasst  ist. 

Auch  das  letzte  der  für  den  Autor  des  Athenaios  erkannten 
Merkmale,  Beschäftigung  mit  Hippokrates,  trifft  auf  Herakleides 
XU.  Es  steht  durch  Galens  Zeugniss  unumstösslich  Test,  dass  alle 
Schriften  des  Hippokrates  von  ihm  commentirt  worden  sind,  vgl. 
Gal.  XVI  1  :  duqxtjrriaav  nçoç  o[XXi]Xovç  ol  TtaXaioi  i^rjyrjTOÏ 
nîç\  vovTOv  %ov  ovyycafAfAcnog  (sc.  neçl  x^f^^"^)'  o  fxhv  yàQ 
Ztv^ig  xal  'HQaxXeidrjç  8Xwç  àno  %wv  yvrjalwv  'iTtTtoxQavovç 
ßißUiJv  TO  neçl  x^f^^  anoßdXXovaiv'  aSv  6  iihv  Zev^ig  xal 
fiCT*  avtov  ^HçaxXêlôrjç  eiç  Ttavva  %à  ßißXla  Unnoxgatovc 
yéyQaq>€v,  vgl.  Gal.  XVIH  B  631. 

VI.    In   dem  bekannten  Laur.  73, 1  (s.  XI)  des  Celsus  ist  uns 

Unter  dem  Celsustext  fol.  142"^  ein  Verzeichniss  griechischer  Aerzte 

erhalten,  das  trotz  der  Veröffentlichung  in  dem  Katalog  der  Lau- 

rentiana  von  Bandini  bisher  für  die  Wissenschaft  noch  von  niemand 

nutzbar  gemacht  worden   ist.')     Ueber  die  Entstehungszeit  dieses 

Verzeichnisses  sei  soviel  gesagt,  dass  abgesehen  von  dem  mir  un- 

hduonten  Laurentius(?)   keiner  der  aufgezählten  Autoren  diesseits 

des  6.  Jahrhunderts  liegt  :  der  jüngste  scheint  Muscio  zu  sein,  der 

von  V.  Rose  in  seiner  Ausgabe  von  Sorans  gynaecta  edirte  Ueber- 

letzer  des  Soran,  der  Zeitgenosse  und  Landsmann  des  Caelius  Au- 

reiianus  und  Cassius  Felix,')  vorausgesetzt,  dass  der  Verfasser  unter 

tan  schriftstellernden  Escolapius  nicht  etwa  den  Verfasser  der  un- 

gefiUir  ins  7.  Jahrhundert*)  fallenden  Compilation  aus  Caelius  Au- 

relianus  verstanden  wissen  will.     Der  Verfasser  besitzt  eine  nicht 

verichtliche  Kenntniss  der  medicinischen  Litteratur  der  besten  Zeit, 

die  Erwähnung  der  medicinischen  Fälschungen  auf  den  Namen  des 

Chiron,  des  Asclepius,  des  Hermes  trismegistus^  Manetho,  Necbepso 

ood  der  regina  Cleopatra,  die  ja  zum  Theil  schon  dem  1.  resp. 


1)  Vgl.  hierzo  die  Königsberger  Dissertation  von  Otto  Kroehnert  caito- 
nesne  poetarum  tcriptorum  artificum  per  antiquitatem  fueruntt  1897  54  f. 

2)  V.  Rose  praef.  IV. 

3)  V.  Rose  jéneedota  II  117. 

24* 


368  M.  WELLMANN 

2.  Jahrhundert  v.  Chr.  aogehOren,  kann  uns  bei  einem  Arst  dei 
spateren  Zeit  —  und  das  war  doch  wohl  der  Verfasser  —  nich 
Wunder  nehmen.  Das  Verzeichniss  heginnt  auf  der  rechten  Co 
lumne  von  fol.  142^  und  umfasst  ausserdem  die  beiden  Colomn« 
der  nächsten  Seite.    Sein  Wortlaut  ist  folgender: 

Fol.  142^  nomina  auctomm  medidnae  Aegyptiarum  pel  Grm 
carum  et  Latinorum. 

Escolafius  item  qui  graeca  lingua  scripienm 

Podalirius  Chiron  Thessalus 

5  et  Machaon  Hippocrates 

eins  filii  Heraclidis  filius  Cous 

Äselepius  [eius]  Soranus 

nepos  Escolapi  Galenus 

Hermes  Trismegistus    Dioscurides 
10  Manetho  Musa 

Nechepso  Euphorbus 

Cleopatra  Äsclepiades 

regina  Uenemachus 


1  Grecorum  cod.  3  Scolapius  cd.  —  g^eca  4  Podaniiut 

5  Bipocrat        6  chous        8  Solapi  —  Gallienus        9  trimegitUut  ^  Diu- 
scoridis        10  emmanetos        11  Necepso  —  Eufuranus 


4)  Aaf  den  Namen  des  Xßicmv  gefälscht  war  das  von  Suid.  «.  o.  erwilnU 
inn&arQiHov  und  die  vno&^neu  8i*  inmv  nçhi  läx^^a.  Die  erste  FilschoDf 
ist  älter  als  das  4.  Jahrhundert,  da  Yegetius  sie  bereits  kennL  E.  Oder  wd 
darüber  neues  lehren,  Tgl.  ferner  V.  Rose  Anecd,  11  120.  122.  GaL  XlV  Uli 
wo  ein  Mittel  des  'Inniœv  6  Kêvrav^ios  (sic)  steht 

7)  Asclepios  als  Arzt  bei  Paul.  Aig.  VII 13  mit  einem  Cft^fui  fi;^« 
Ausserdem  bezeugt  der  Hippocratescommentator  Stephanos  too  Ihm  eiaea 
Gommentar  zu  den  Aphorismen  :  vgl.  Dietz  schoL  in  Hipp,  et  GaL  I  458.  418> 
Der  Name  ist  natürlich  ein  Pseudonym,  vgl.  Geop.  XX  6  und  data  Oder  Rk 
Mus.  XLVIII  21. 

10)  Eine  medicinische  Fälschung  auf  den  Namen  des  Manetho  lernen  vir 
aus  Paul.  Aig.VII  13  kennen,  wo  ein  Mavé&atv  mit  einem  CftTfYfM  8êà  «ftf- 
xlrjQ  erwähnt  wird. 

11)  Die  umfangreiche  Fälschung  auf  den  Namen  des  alten  Aegypterk6iM|i 
Nechepso  ne^i  U&iov  ylvfije  fallt  bereits  in  vorgalenische  Zeit:  Gal.  XO  Wl< 
Oder  in  Susemihls  Litters turgeschich te  I  866  A.  —  Euphorbus  (Enfarboa)  is 
der  Bruder  des  Antonius  Musa  und  Arzt  des  luba  (Plio.  XXV  77). 

13)  Menemachos  aus  Aphrodisias,  Schüler  des  Themison,  gehörte  4e 
methodischen  Schule  an,  Tgl.  M.  Wellmann  Die  pneum.  Schule  7  A.  1. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  HEDICIN  IM  ALTERTHUM    369 


Fol.  143' 

Philoûoenus 

Chrysippus  Erinei  filius 

Paccius  Antiochtis 

Crito 

Cnidius 

Philonides  Catinensis 

Niger 

Lysias 

Lupus  Pelopis 

Apoüonius 

Laurentius 

Hipposiades 

Pergamenus 

Philippus  Cous 

Antyllus 

Herodotus 

Demoeedes  Cdliphontis  filius 

Ardiigenes 

DiiKles    Archi- 

Crotoniensis 

Mareellus 

dami  filius 

Dracon 

Lucius 

Carystius 

Hippocratis  filius  Cous 

Lucius 

1  Siroxenuê  —  Chriwippui  erui  —  anthiocus  2  chmdius  —  Ft- 

^nis  catefuis  3  LUiuê  —  pelobi  4  Hippostiadas  5  Pergamin  — 
^»nHUui  6  calUfantes  —  arcigenis  7  arcidä  —  crodonieruit  8  Li- 
«««I       9  cariâtius 


1)  PhiloxenoB  aus  Alexaodreia,  Verfasser  einer  Chirurgie  ans  augustei- 
^ber  Zeit:  vgl.  VL  Wellmann  Die  pneum.  Schule  123.  —  Paccius  Antiochus, 
^öler  des  Philonides  (Scrib.  Larg.  97),  aus  spätaugusteischer  Zeit,  Verfasser 
^ner  Arzneimittellehre. 

2)  Crito  ist  der  bekannte  Leibarzt  des  Trajan:  M.  Wellmann  Die  pneum. 
^bole  14  A.7.    Oeber  Philonides,  Tgl.  diese  Ztschr.  XXUI  563. 

3)  Lysias  wird  von  Celans  V  18  und  Gal.  XIII  49  erwähnt.  Vermuthlich 
^t  er  der  Verfasser  der  Schrift  naffi  xif^ltov  na&àv  in  mindestens  vier  Büchern 
(G.  Aar.  M.  Chr,  IV  3),  die  Soran-Caelius  Aurelianns  erwähnt.  {M.  Chr,  II  7. 
n  1,  wo  er  zwischen  Thessalus  and  Themison  genannt  wird).  Bekanntlich 
rthrt  die  Unterscheidung  der  acuten  nnd  chronischen  Krankheiten  erst  von 
Asdepiades  ber,  also  muss  der  Verfasser  junger  sein  als  Asclepiades.  Uebrigens 
kthrt  dieselbe  Gormptel  des  Namens  bei  Cael.  Aur.  wieder.  —  Ueber  Lupus 
Pelopis,  Tgl.  das  folgende. 

4)  Ueber  Apollonios  Pergamenos,  vgl  M.  Wellmann  Die  pneum.  Schule  17. 

5)  Ueber  Philippos  und  Antyll,  vgl.  meine  pneum.  Schule  19  A.  2  u.  18. 

6)  flerodot  war  der  pneumatische  Arzt:  pneum.  Schule  14.  —  Ueber  Demo- 
eedes, vgl.  Krische  Die  theologischen  Lehren  der  griechischen  Denker  72  A.  1. 

8)  Galen  kennt  zwei  Lucii,  einen  Lucius  aus  Tarsus  (Gal.  XIII  295  aus 
Andromacbos)  und  den  jitSnuoi  Kad^yrjrr^,  den  Lehrer  des  Asklepiades  o 
^/UÊtUmv  (XUI  972.  969),  also  aus  der  zweiten  Hälfte  des  1.  Jahrhunderts 
A.  Chr.   Dass  beide  verschieden  sind,  folgt  aus  dem  Excerpt,  das  Gal.  XIII  289  ff. 
ans  dem  pharmakologischen  Werke  des  Andromachos  giebt,  in  dem  er  Mittel 
g^egen  Dysenterie  anführt  aus  einem  jiovntoi  (292)  und  einem  ^ovxioç  Ta^- 
cevt   (295).    Beide   waren    auf  pharmakologischem   Gebiet   schriftstellerisch 
thâtig.    Die  Gitate  des  jiavutoi  na&ijyrjri^Q  stammen  sämmtlich  aus  Askle- 
piades, vgL  XIII  287.  524.  648.  746.  829.  846.  850.  852.  857.  934.  XII  767. 
787.  828  o.  Ô. 


370 

10  Nicander 
Theophrastus 
Andreas 
Thessalus 
Hippocratis 

15  filius  Cous 
HerasCappadox 
Andromachus 
Theomnestus 
Themison 

20  Thessalus 
Menecrates 
Elephantides 
Muscio 
Eudemus 

25  Sostratus 


M.  WELLMANN 

Praxagoras  Nieardii  filius 

Herophilus  Ckaleedonius 

Erastslratus  Cleomhroti 

filius  Ceius 

Xenophon  Alexandrinus 

Dionysius  Cyrtos 

Callimachus  Bithynius 

Asdepiades  Andreae  filius 

Heraclides 

Menodorus 

Archibius 

Pythagoras 

Empedoeles 

Democritus 

Chrysippus 

Serapion 


Attalus 
Nieeraius 
Tharseas 
Thessalus  ex  JVeckq^ 

90(1) 


10  nicanairi  fiUu*  11  HerofiUus  ealeedonius  —  Nigeratoi  12  An- 
sistratus  eleobroH  —  Tharteus  13  filius  Hum  14  yppoerateê  —  t^^ 
fion  15  CËutos  16  Eras  capadox  —  Scomachus  btUnius  17  in* 
dromacus  18  Theonestus  —  EracHdis  20  arcibius  21  Msnegni» 
—  pithagoraw  22  EHfaniides  —  Etnpodedes  24  Crisippus  15  Se- 
stradus  —  Sepion 

10)  Âllalus  ist  der  leiste  König  von  Pergamum,  Attains  ID.  Philonettfi 
vgl.  meine  Ausführungen  bei  Susemihl  a.  a.  0.  II  415. 

11)  Niceratos  ist  der  bekannte  Asklepladeer,  der  ein  Buch  über  Ph«»- 
kologie  schrieb  (Diosc.  praef.  2),  ans  dem  bei  Galen  eine  Reihe  von  Mituli 
erhalten  ist  (XII  634.  XIII  96.  98.  87.  HO.  180.  232.  233),  vgl.  Plin.XXXI 
101.  Ind.  XXXI.  Er  schrieb  über  den  Schlagflnss  na^  Kccvaili^yMK,  ^ 
Gael.  Aur.  M.  Chr.  II  5. 

12)  lieber  Tharseas,  vgl.  meine  pneum.  Schule  58  A. 

16)  Hera»  aus  Kappadokien  ist  der  von  Galen  sehr  häufig  erwähnte  Vtf^ 
fasser  eines  pharmakologischen  Werkes  mit  dem  Titel  va^&tfi  oder  fi«^ 
Swa/Mofr  (Gal.  XUI  416)  aus  der  Zeit  des  Augustus  oder  Tiberius.  Gdiai 
(V  22)  erwähnt  ihn  bereits,  vgl.  Gal.  Xll  989,  Garg.  Mari.  135  (R>.  Nichts 
verwechseln  mit  ihm  ist  der  im  folgenden  genannte  Heron,  den  Gels.  VO^w 
als  bedeutenden  Chirurgen  kennt  aus  vorchristlicher  Zeit,  vgl.  VII 14.  Sor 
gyn,  1  21,  70  (239,  23  R,  wo  nichts  zu  ändern  ist).    Gal.  XII  745. 

18)  Theomnestus  wird  von  Plin.  Ind,  I  33—35  genannt  Ein  spItertfTk 
war  Leibthierarzt  Theoderichs  des  Grossen,  vgl.  Ihm  Rh.  Mas.  47,  318. 

19)  Menodorus  war  Erasistrateer  und  Freund  des  Hikesios.  Ath.Il^** 
vgl.  Gal.  XIII  64.    Orib.  IV  161. 

22)  Elephantides  wird  von  Soran  citirt  bei  Gal.  XII  416. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     371 

roM  Glaucias 

liodorus  Plistonieus 

oUonius  Cassius 

t1jhanes(T)  Cteophantus 

26  Enm  —  Claucitu  27  EUodorus         29  Epifanes  —  Clefantes 

lokbar  sind  wir  dem  Verfasser  für  die  Notiz,  dass  Diokles  ein 
^ho  des  Arcbidamos  gewesen.  Der  Name  ist  uns  nicht  unbe- 
iDDt,  führt  doch  eine  der  Schriften  des  Karystiers  den  Titel 
'çxlôa/iioç.^)  Wir  lernen  nunmehr,  dass  sie  nach  seinem  Vater, 
T  gleichfalls  Arzt  war,  benannt  und  gegen  die  von  ihm  ver- 
eteoe  Theorie  gerichtet  war,  dass  die  ^rjcotcißla  dem  Ein- 
iben  mit  Oel  vorzuziehen  sei.  Unbekannt  waren  ferner  der  Ascle- 
ades  Andreae  filius,  die  Aerzte  Hipposiades  und  Philippus  Cous. 
Br  Name  des  Chrysipp  kommt  zweimal  in  dem  Verzeichniss  vor. 
er  eine  Chrysippus  Erinei  filius  Cnidius  ist  -der  bekannte  Be- 
eiter  des  Endoxos  auf  seiner  ägyptischen*)  Reise,  die  von  Wila- 
owitz  Antig.  v.  Kar.  325  in  die  sechziger  Jahre  des  4.  Jahr- 
loderts')  verlegt  ist,  der  jüngere  Zeitgenosse  des  Plato.^)  Wer 
w  der  zweite?  Dem  Uebersetzer  des  Soran,  Caelius  Aurelianus 
trdaoken  wir  die  Kunde  von  einem  zweiten  Arzt  dieses  Namens, 
Dem  Schaler  des  Asklepiades,  der  über  Würmer  (de  lumhricü) 
»cbrieben  (C.  Aur.  M.  Chr.  IV  8)  und  zwischen  Lethargie  und 
italepsie  unterschieden  hat  (C.  Aur.  Ä.  M.  U  10.  12). 

Chrysippos  hiess  aber  auch  der  Lehrer  des  Erasistratos  nach 
im  übereinstimmenden  Zeugnis»  des  Piinius,  Diogenes  Laertios 
id  Galen.  Ich  setze  die  Stellen  her.  Plin.  XXIX  5:  Horum  (sc. 
iffocratis  et  Prodicx)  placita  Chrysippus  ingenti  garrulüate  mu-- 

1)  Gal.  XI  47t  ff.  Mehr  über  ihn  wird  Bd.  I  der  von  mir  heraasgegebenen 
tgmenta  medicorutn  Graecorum  geben. 

2)  Diog.  Laert.  VIII  87  :  Sio  8rj  fAr,va9  diarçiyfavra  (sc.  êt^  Ileigauii) 
ni*  inavßX&elr  (sc.  Evio^ov)  nai  n(H)Q  rtüv  <piXafv  igavêa^épra  ßis  Ai- 
ymw  ànàqtu  fi9xà  Xçvcinnov  toi  iargov,  avaxetviKàQ  tpéçovxa  na^  ^y^- 
i«ov  Ttf^Q  Natetdvaßev,     Die  Nachricht  stammt  aus  Sotions  8iadoxai,  vgl. 

L.  VIII  89. 

3)  Anders  Böckh  ober  die  vierjährige  Sonnenkreise  d.  Alten  Berl.  1863 
i2f.,  nach  dem  diese  Reise  schon  ins  Jahr  379  fällt.  Vgl.  R.  Helm  über 
'«Lebenszeit  der  Aerzte  Nikias,  Erasistratos,  Metrodor  und  Chrysipp,  diese 
l«chr.XXIX167ff. 

4)  Der  von  D.  L.  VIII  89  erhaltene  Name  seines  Vaters  wird  durch  un- 
'f«  UeberlieferuDg  in  erfreulicher  Weise  bestätigt. 


372  M.  WELLMANN 

tavü,   plurimumque   et  ex   Chrysippo  di8cip%du8  en»  Bramtraimm 
Aristotelis  filia  genitus  (sie)  (Quelle  ist  Varro).     Diog.  L.  VII  1%^ 
yiyove  ôè  xal  alloc  Xgvacrtnoç  Kviôcoç  largoç,  noQ*  oi  ^^ 
aiv  ^gaalatçarog   eiç  ta  ixaliaxa  (üq>elrja&ai.     Gal.  XI 17/; 
tI  not'  ovv   avToç  6  'EgaalarçaTOç  xa&alQOvai  XQV^^*^  9^f* 
fÀQUoiç   xai   ohov    ôéôwaiv  vêati   tpvxQV  xe^ayyt;^  ailoiç  té 
tiOi  xaî  xolsQixolç;  ivxavd'a  fiiv  ys  (poQTixtâç  Ixavwç  inai-   J 
vwv  %ov  ôiôacKalov  XQvainTtov,  wç  i^evQovta  ßoi/]&t](Aa  nij- 
ôevi  Twv   ifjinçoa^ev   iyvwofAévov ,  fÀOvov   diaçxèç   elç  ïaoïf 
Xoleçixcjv  ijârj  x^avâtfp  nelaUvTWv^  vgl.  Gal.  XI  151.  197.251 
Mao    hat  sich   daran  gewöhnt,   diesen  Chrysippos,   der  gleichfalb 
aus  Knidos  gebürtig  war,  mit  dem  Begleiter  des  Eudoxos  zu  iden- 
tificiren.    Meines  Erachtens  ist  das  eine  chronologische  Ungeheueh 
lichkeit:  denn  der  Begleiter  des  Eudoxos  war  ein  Schüler  des  od 
380  blühenden  Philistion  von  Lokroi,  wie  Plato  und  Diokles  tob 
Karystos,')  während  wir  von  dem  Lehrer  des  Erasistratos  erfahreo,*) 
dass    sein    Sohn    unter   Ptolemaios  Philadelphos,    nach  einer  an- 
sprechenden Vermuthung  von  Wilamowitz*)  zu   Beginn  der  sieb- 
ziger Jahre  des   3.  Jahrhunderts  ums  Leben  kam ,  und  dass  seil 
Schüler   Aristogenes    nach    276    Leibarzt   des   Antigonos  Gooatai 
wurde.^)     R.  Helm  hat  a.  a.  0.  161  f.  der  althergebrachten,  bisher 
unbeanstandet   gebliebenen  Identiûciruog   zu  Liebe  die  Lebeosseit 
des  älteren   Chrysipp   herabgerûckt  (geb.  390),   aber  auch  dorcb 
diesen  etwas  gewaltsamen  Reckungsversuch,  der  stark  an  dasVe^ 
fahren  des  Prokrustes  erinnert,  wird  die  chronologische  Schwierig- 
keit  nicht  gehoben.     Die  Zeit  von  Vater  und  Sohn,  von  Lehrer  : 
und  Schüler  würde  110  und  mehr  Jahre  betragen,  was  beides  die 
Grenzen  der  Möglichkeit  überschreitet.     Ich  sehe  die  einzige  Mög- 
lichkeit,  in   dieser  schwierigen  Frage  Klarheit  zu  schaffen,  darin 
von  den  Bruchstücken  des  Lehrers  des  Erasistratos  ausgehend  die 


1)  Vgl.  darüber  meine  Ausführangen  in  Bd.  I  der  Fragmenta. 

2)  D.  L.  VIII  1 86  :  «al  ëre^s  (sc.  X^amnoç)  vlos  rovrov  (sc.  des  Lehrcft 
des  Erasistratos),  larços  nroXe/iaiov j  vs  Suzßlr^d'eis  nê^fjx^^  ntd  fiMMif 
yovfievos  ixolda&rj,  Schol.  Theoc.  XVII  128:  HrolêfiaU^  r^  ^dàiÛff 
avvq'xBê  nçôre^ov  ^Açaivorj  tj  yivaifiâxov^  a^*  r^s  xai  jai/Q  naldas  èyimftfn^ 
JltoXßfxaiov  xai  yivaifiaxov  xai  Beçavixt^v.  inißovltvovaar  Si  reeiniP  iir 
çwv  xai  aiv  avrf,  yi/uvvrav  xai  Xçvamnov  lov  KviSior  (PàSiov  ood.)  U- 
T^ov  TovTOvç  fièv  àvàîker,  avrr^v  $è  éSé'nefitpev  êÎQ  Kontbv  xrfi  Sfjfiatiaî  iêxL 

3)  Anlig.  V.  Kar.  326. 

4)  Vgl.  meine  Ausführangen  bei  Sasemihl  a.  a.  0. 1  783. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     373 

Frage  xu  beantworteo,  was  lehren  sie  uns  über  Zeit  und  Richtung 
dieses  Arxtes.  Die  einzige  Quelle  für  seine  Lehren  sind  die  Schrift 
Galeos  Tteçl  q>X€ßoTOfilac  ngog  ^EgaalatgaTov  (XI  147),  die  aus 
einem  gegen  den  Erasistrateer  Martiales  gerichteten  Vortrag  hervor- 
gegangen war/)  und  die  spätere  Schrift  desselben  Verfassers  negl 
(plsßotofjilac  fiQoç  ^EQaaiOTQavelovç  tovç  iv  ^PcifAj]  (XI  187). 
Eine  sichere  Gewähr  für  die  Authenticität  dieser  Bruchstücke  giebt 
die  Thatsache,  dass  sie  aus  seines  Schülers  Schrift  negl  aïfAatog 
àfoywyrjç  stammen.  Seine  Schriften  waren  damals  eine  Selten- 
heit, wenigstens  klagt  Galen  (XI  221)  darüber,  dass  sie  dem  Unter- 
gange geweiht  seien. 

Das  bekannteste  Dogma  des  Chrysipp,  mit  dem  er  sich  in 
Widerspruch  zu  der  ganzen  älteren  Medicin  gesetzt  hat,  ist  das 
Verbot  des  Aderlasses.  Gal.  XI  252  :  tovrwv  yag  %oi  ro  Steçov 
(sc  aus  Renommisterei  neue  Dogmen  aufzubringen)  6  Kvlôioç 
X^oiTtnoç  ena&ev  i^ekùv  navtanaai  q>keßo%ofAlav  tuiv  ßorj- 
^fiarwv  %(Zv  laxçmûv'  iqxoXov&rjaav  d*  av%(ß  aal  ol  ^a&T]- 
talMijdiog  ts  aal  'ulçiaToyévrjç  'évôo^oi  xal  avTol  naQ^^'El- 
k^oi  yev6fÀ€voc,  tovtcjv  d^  ini  fÂÔlkov  o  'EgaalaTçaToç  elç 
ié^av  àçâ^eiç  XafjmQOtâjriv  ig>vXa^e  t^v  XQvainnov  yvaffÀrjv, 
Seine  Schüler  Medios,  der  Oheim  des  Erasistratos,  Aristogenes  und 
Erasistratos  selbst  waren  ihm  darin  gefolgt  (Gal.  XI  197),  dem 
Erasistratos  wieder  seine  Schüler  Straton  und  Apemantos,  aller- 
dings mit  der  yerschiedensten  Begrüudung.  Gal.  XI  150:  ^  d' 
ttiî/o  dl'  ^v  ovx  ixQ^'^^  g)XeßotofAl(f ,  vo  fièv  àlrj&éaTaTov 
9«^««,  vâx^  av  t(p  do^ece  fiavveiag  ôela^ac,  %i  yàq  äv  Tic 
üOBlrj  nwg  'Eçaolatçatoç  iylvœaxev  vtiIq  tav  airog  oiökv 
iftffjfiovevae  ôie^odixaiç;  o/àwç  d'  ovv  iToXfArjadv  Tiveg  ano- 
HOfTBvaaa&ai  ttjç  yvwfÀfjç  avtov'  natàqxaQoi  ô'  elaïv  afiaç- 
^àfovteç  ovx  TfXiata  i^  wv  nçoç  àXX7f\lovç  ôiaq>éQovtai.  âoxeî 
Yqq  av%wv  ovôevî  ta  avrà  xal  to  navTiav  ôeivoTatov,  oti 
fifjô  avTOÎç  Toîç  avfAq>oiTriTaîç  ^hv  toi  ^EgaaiaTçâtov,  ^aâ^j- 
^öfe  de  XçvalfiTtov  tov  Kviâlov,  ovTteç  d^  nçwTov  iro  âoy^a 
tavT*  rjv,  fÀTi  XQ^^f^^f'  q>X€ßoTOfAl(f'  ovâè  yàç  Ixeivoiç  ofAoko- 
Mtai  neçl  ttjç  Xçvainnov  yvwfirjç  ovôév  ....  Wodurch  war 
ïeses  Verbot  bedingt?  In  letzter  Linie  ohne  Zweifel  durch  die 
obe  Werthschätzung  des  Blutes,  die  seit  der  Zeit  des  Empedokles 


1)  Ilberg  Rheio.  Mos.  47,  497.  51,  181. 


374  M.  WELLMANN 

TOD  der  sikelischen  Schule  und  voo  der  durch  sie  (Philisüoo  tq 
Lokroi)  beeinllussteD  knidischen  Schule  vertreten  wurde,  bmi 
kam  aber  bei  Ghrysipp  etwa8  anderes.  Wir  erfahren  genauere 
darüber  durch  das  von  Galen  aufbewahrte  (XI  148,  vgL  176.  279. 
234)  Bruchstück  des  Erasistratos  über  die  Therapie  des  Blutspeieiii 
ich  muss  es  ganz  ausschreiben:  àrcoôéoeiç  de  noula&ai  {içloiç} 
naçà  re  ràg  fAaaxàXaç  xal  xovç  ßovßwvac,  /ui)  aaneç  htoi 
TcJy  /ÂifÀOVfAévwv  TÙç  y^eçaneiaç  ovâkv  naçaxokov&ovrreç  ai- 
fia%oç  xa^iv  %avra  noiovvtai,  àXX^  anortié^ovrai  Ixavdiçfoîç 
ôeofÀOîç,  iv  yàg  toîç  anodovfiévocç  fiéçeai  %ov  awfuxtpç 
tcXbîov  alfia  anoXafißdvetai'  ârjloî  âè  ^  %e  diâvaaiç  m 
q>Xeß(üV  nal  iq  q>X€ßoTOfAia'  nokv  yàq  rtXelov  ^€î,  orav  (ou 
éd.)  anoôed"^  to  ckeßoTOfAOVfievov  fxéQOç  %ov  OùifÀoroç.  M 
ôè  fr^ç  dvaywyilc  %ov  aï/Âatoç  nkeîatov  anoXafAßdvBtai  toi 
aifÀOTOç  ano  r^g  ânoôéoêwç  iv  te  %oiç  anéleai  xaî  roiç  ß^ 
Xloaiv.  èXâaaovoç  yàç  yivof^évov  tov  tcbqï  vov  &wgttxa{ai' 
fiavoç)  xa«  iXag)Qotéga  ïatai  ^  àvaytoyri'  %6  ô'  av%6  fovtê 
ßovXovToi  Ttoieîv  xal  ol  cXeßotOfiovvvec  tovç  àvayovraç  ù 
alfia,  àXXà  noXv  ßiXriov  o  XQvamTioç,  ov  (âovov  to  naçiff 
InißXiniav,  àXXà  xal  tov  iftKpBQOfiévov  xivôvvov  q>QOvxit,w, 
eX^fiBVog  yàg  tov  TtBgi  Trjv  àvaywy^v  o  xatçt  ttjv  q)XByiionp 
xlvôvvog,  èv  (p  ngoaçégBiv  fièv  ov  g^dcov,  q>XBßoTOfAri^ini 
ôè  xal  noXvv  xgôvov  aaiTijaavTC  xlvàvvog  ixXv&^vai*  o  fi 
{XgvainTiogy  ttjv  ivvndgxovaav  Tgoq)fjV  èv  T(p  aci/naTi  xoie^ 
ya^o^évriv  Big  Tonovg  àXvnovg  {aXvxovg  éd.)  fAeraaTr^aafJiBifOÇi 
xa^'  ov  xaigov  o  Tr^g  ixXvaeiog  xlvàvvog^  otav  ôè  ovrwç  ntf 
çaXXa^jj,  l§  kTolfjLOv  TavT*  ijdï]  XQ^H^^og  xal  firj  ngoaq^iqi^ 
àvayxaÇofÂBvog,  axgœg  nsgiTTog  Tjj  àtavoiff  xal  a^iog  ènahoif 
xal  ôi^  oXov  axoXov^wv  avxog  éavTtp,  Darnach  hatte  Cbiysipp 
bei  dieser  Krankheit  an  Stelle  der  Venaesection  das  Binden  der 
Glieder    mit  WollPaden')   empfohlen,    indem   er,    wie   Erasistratot 

1)  Vgl.  Gael.  Aur.  M.  Chr.  II  13:  item  de  ligalionibuM  (sc.  in  kaemtf 
rhagiae  curatione)  pvgnaveruni.  tiquidem  Xenophon  et  Dionysiut  et  Bff*' 
philus  primo  libro  curationum  et  Erasistratus  probant  articulorum  /"«• 
ciendaîfi  coTutrictionem,  Herophilus  vero  capitis  et  brachiorum  et  (^ 
viorum^  Erasistratus  m  agis  inguinum  et  alarum,  etenim  laœationem  itMl^ 
sanguinis  approbat  fieri  retontionem.  Doch  verwarf  Erasistratos  den  Adff* 
lass  nicht  völlig,  vgl.  G.  Aur.  a.  a.  0.  Da  Ghrysipp  als  Erfinder  dieses  Ver- 
fahrens gilt,  so  ergiebt  sich,  dass  Xenophon,  der  bekannte  Schüler  des  Praxt- 
^oras,  Dionysios  und  Herophilos  es  von  ihm  übernommeQ  haben,  Tgl.  Gels.  H 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM    375 

obend  hervorhebt,  Dicht  Dur  auf  den  gegen wärtigeo  Krankheits- 
;iistaDd  Rücksicht  nahm,  soodero  auch  auf  die  mit  der  Krankheit 
rerbuodene  Gefahr  achtete.  Denn  er  wusste,  da^s  durch  diese 
Innkheit  leicht  Entzündungen  hervorgeruren  würden,  und  er  vertrat 
eraer  den  Grundsatz,  dass  bei  der  Entzündung  völlige  Enthaltung 
OD  Speisen  {àaivla)  zuträglich  sei.  Demnach  würde  der  Patient, 
veoD  sich  zu  der  Entziehung  der  Nahrung  noch  die  Entziehung 
Où  Blut  geselle,  zu  sehr  geschwächt  und  es  bestehe  die  Gefahr, 
lass  er  in  Folge  allzu  grosser  Schwäche  ums  Leben  käme  (vgl. 
laL  X  376  f.).  Durch  das  Binden  der  Glieder  dagegen  würde  das 
Hut  der  Brust  entzogen  und  ausserdem  habe  der  Kranke  während 
1er  durch  die  Entzündung  bedingten  Fastenzeit  Nahrung  genug 
ur  Erhaltung  des  Körpers  in  den  unterbundenen  Gliedern.  Wenn 
Ihrjsipp,  was  sich  aus  den  Worten  des  Erasistratos  ergiebt,  die 
ilotzQndung  durch  Fasten  zu  beseitigen  suchte,  so  folgt  daraus 
oit  Nothwendigkeit,  dass  er  als  Ursache  derselben  in  Ueberein- 
timmung  mit  Erasistratos  die  Plethora  ansaht  d.  h.  die  übermässige 
knfollung  der  Blutgefässe  mit  Nährstoffen.  Demnach  haben  wir 
^  coDStatiren^  dass  Erasistratos  auch  die  Lehre  von  der  Plethora, 
lie  bekanntlich  in  seinem  System  eine  bedeutsame  Rolle  spielt, 
licht  selbständig  ausgebildet,  sondern  von  seinem  Lehrer  über- 
kommen hat.  Wie  kam  nun  Chrysipp  weiter  zu  der  Behauptung, 
lass  mit  dem  Bluthusten  die  Gefahr  der  Entzündung  verbunden 
iei?  Sein  Schüler  Erasistratos  unterschied  drei  Entstehungsursachen 
ier  Blutungen,  Ruptur  der  Venen,  Fäulniss  ihrer  Häute  und  die 
Anastomose,  d.  h.  die  Oeffnung  der  Venenklappen.^)  Es  liegt  auf 
■l^r  Hand,  dass  er  vornehmlich  im  letzteren  Falle  eine  Entzündung 
ftls  Folgeerscheinuni^  der  Blutung  betrachten  musste,  da  bekanut- 
Bcb  nach  seiner  Theorie  Venen  und  Arterien  durch  Klappen  mit 
^oaoder  in  Verbindung  stehen  und  da  er  die  Entzündung  aus 
dem  gewaltsamen  Eindringen  des  Venenblutes  in  die  luftgefüllten 
Arterien  erklärte.*)     Bedenkt  man  nun,  d^tss  Galen  von  Erasistratos 


11,  135:  EraHêlratus  komm  (sc.  qui  sanguinis  sputu  laborant)  crura  quo- 
pu  et  femora  braehiaque  pluribut  tocit  deligabat,  id  Àselepiadei  adeo 
um  prodeue,  etiam  inimicum  esse  proposuit. 

1)  Vgl.  Gael.  Auf.  üf.  Chr.  II  10. 

2)  R.  Fuchs  Die  plethora  bei  Eras,  in  Fleckeisens  Jahrb.  1892  S.  679  f., 
Diets  Ueber  das  physikalische  System  des  Straton  Sitzgsb.  der  Berl.  Akad. 

(93  105. 


376  M.  WELLMANN 

ausdrücklich  bezeugt ,  er  sei  in  alleo  Stocken  seinem  Lehrer  ge- 
folgtf')  d.  h.  soviel  wir  beurtheilen  können ,  auf  physiologisdieB 
und  pathologischem  Gebiet ,  ein  Zeugniss,  das  gestützt  durch  Pli- 
nius,')  in  den  spärlichen  Bruchstücken  des  Chrysipp  yoUe  Be- 
stätigung findet,*)  so   steht  der   Annahme   nichts  im  Wege,  da» 


1)  Gal.  XI  197:  xai  ii  ^avfiaarov  ^Ecnciarcarov  ëmad'aê  %à  myrt 
X^vainnqf  t^  KviSiq^y  nçorj^fiêvov  ànoarrjvai.  rov  fleßoxofuiv  m9%a^ 
uàiulvoç  ; 

2)  Plin.  XXIX  5. 

3)  Die  von  Gilen  coostatirte  Uebereinstimmong  beider  Lehren  beiMt 
sich  auf  folgende  Punkte:   1.  auf  die  Verwerfung  des  Aderlasses,  dea  En* 
sistratos  allerdings  nicht  TÖllig  verwarf,  sondern   nur  sehr   beschrinktf,  %, 
Gael.  Aar.  M.  Chr.  II  13.    Gal.  XI  191 ,  Tgl.  Fuchs  diese  ZUcbr.  XXIX 19H 
2.  auf  die  Ersetzung  des  Aderlasses  beim  Bluthusten  dureh  Unterbindeo  der 
Extremititen  in  der  Achsel-  und  Leistengegend.    Gal.  XI 148  f.  GaeL  Aar.  IL 
Chr.  U  13.    Gels.  IV  1 1.    3.  auf  die  Verwendung  eines  Mischtrankes  too  Weil 
und  kaltem  Wasser  bei  der  Gallenruhr,   wenn  der  Kranke  bereits  den  Tude 
nahe  ist.    Gal.  XI  171  :  %i  nor*  ovv  avros  b  *EçaaimQaxos  xad'digavct  xif^» 
ipa^fiâxoêS  Kai  olvov  8iâœaiv  vêajê  ywx^fp  Ksçavvvi  cXloiQ  %é  riai  wixh 
Xêgêxolç;   ivrav&a    fiiv  ye  (poQ-nxcii  ixav£s  innivcuv  tov  âàSdcxalw  Xfr- 
amnov^  a>e  iievQÔvra  ßor,&rifia  fir^dn^l  xwv  fynQoad'av  iyvwCfUpov^  fuft^ 
âta^ès  eis  Xaa^v  xo^*çi>xœv  rjSij  d'avaxt^  naXal^ovxofv.     Genaaeres  über  in 
therapeutische  Verfahren  des  Erasistratos   bei  der  Gholera  hat  GaeL  Aar.  A* 
M,  III  21,  d.  h.  Soran  aus  seiner  Schrift  nê^l  rcùv  vyieivèâv  erhalten.   Daniaeh 
gab  er  lauwarmes  Wasser  zu  trinken,  um  Erbrechen  zu  erregen  oder  nm  die  , 
Bitterkeit  der  Galle   zu   mildern:  bei   Kolikschmerzen  empfahl   er  laowtrae  \ 
Bähungen  und  Umschläge  aus  Gerstenmehl  und  Wein.    Bei  Ohnmächten  fick 
lese:  al  si  Spiritus  (sitis  ed.)  defectio  coegerii,  vgl.  Gels.  IV  18.   Aret.  ftr* 
j4.  M.  n  4,  268)  verordnete  er  lesbischen  Wein,  den  er  (Plin.  XIV  73)  besoodtfs 
hoch  schätzte,  mit  kaltem  Wasser,   doch  rieth  er  jedem  Becher  Wasser  ntf 
zwei  bis  drei  Tropfen  Wein  zuzusetzen  und  nach  dem  Erbrechen  zu  tiiokfl*' 
Gels.  IV  18,  144  steht  fast  völlig  unter  dem  Einfluss  des  Erasistratos,  wovM 
sich  durch  Nachlesen  jeder  überzeugen  kann,  desgleichen  Aretaios  (ArchigeiMi) 
Cur,  A.  M.  II  4,  268  f.    4.  auf  die  Verwerfung  der  scharfen  Porgantieo.   Gil*  ! 
XI  245:   ovifoi  àça  nQoxaifiBvov    éariv   avrcß  {avr6  ed.;  gemeint  ist  Erti) 
Sia(pvhxjjeiv  aal  ro  tov  Xçvcinnov  xai  /t^  tpXeßotOfiiq  XÜ^i^^^^  /*7"  ^"^ 
tmv  icxvQwe  xa&aiçôvTeûv  tpaçuâxœv^   vgl.  X  377.  379.     5.  auf  die  weittf   I 
unten  zu  besprechende  Diagnose  des  Fiebers.    6.  auf  die  Bevorzugung  und  Ve^ 
voilkommnung  der  Anatomie.    Gal.  XV  136,  wo  Ghrysipp,  Aristogenes  (Àf^ 
yéwfjç  ed.)  und   Medios  als  Analomen  der  alten  Zeit  genannt  werden.   D* 
Verbindung  des  Medios   und  Aristogenes,  d.  h.  zweier  Schüler  des  Gbrysi^ 
mit  ihm   macht  es  wahrscheinlich,   dass  der  Lehrer  des  Erasistratos  gemciit 
ist.     7.  vermuthlich   auch  auf  die   Verwendung  des   Schwitzkastens  bei  4(r 
Wassersucht,  vgl.  Gal.  IV  495.    Damit  sind  die  uns  erhaltenen  Fragmente  4ei 
Ghrysipp  erschöpft.    Soviel  Bruchstücke,  soviel  Uebereinstimmnngen  mit  Era- 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     377 

Chrynpp,  als  er  von  der  mit  dem  Blutspeien  yerbuDdeneo  Gefahr 
der  EotiQnduDg  schrieb,  besonders  den  letzteren  Fall  im  Auge 
hatte  und  dass  er  Ober  das  Wesen  der  Entzündung  dasselbe  ge- 
lehrt hat  wie  Erasistratos,  zumal  da  sein  Schüler  mit  grossem 
Nachdruck  hervorhebt,  dass  diese  Ableitung  des  Blutes  von  der 
Brost  durch  Unterbinden  der  Glieder  im  Einklang  stehe  mit  der 
sonstigen  Lehre  des  Mannes  {xai  dt'  olov  axokov&wv  airog 
icnnip),  was  doch  nur  den  Sinn  haben  kann,  dass  er  die  Lehre 
foo  den  Synanastomosen  kannte,  deren  Schliessung  er  durch  die 
Ableitung  des  Blutes  von  der  Brust  herbeiführen  wollte.  Ist  diese 
Annahme  richtig,  so  ist  der  Schluss  unabweislich,  dass  Chrysipp 
die  fon  Praxagoras  aufgestellte  Hypothese,  dass  die  Arterien  nur 
Luft,  die  Venen  nur  Blut  enthalten,  kannte,  d.  h.  dass  er  jünger 
war,  als  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  lebende 
SchOler  des  Diokles.') 

sistralos:  ich  meioe,  dis  sollte  zu  denken  geben.  Die  Schrift  na^l  Xaxaveov 
<tchoL  Nie.  Ther.  845.  Plin.  XXII  83)  gehört  ohne  Zweifel  dem  Schüler  des 
Philistion  an,  für  dessen  Sehnte  die  diätetisehe  Richtung  charakteristisch  ist: 
PbilisUon  selbst  schrieb  n»^  3éairijQj  desgleichen  sein  Schüler  Dickies.  Seine 
Verdienste  om  die  Diätetik  werden  noch  von  Porphyries  (Porph.  reliquiae 
ed.Scbrader!  165)  gerühmt:  %ov  yàq  dêauijrêxov  *Hç69ixoç  ftir  ^çS^ro,  aw- 
*ïïÛê98  9i  xal  *InnoitçoLtri9,  Jl^aSayo^as,  Xçvatnnoe^  vgl.  Gels.  I  prooem,  2,  18. 
1^.  L  VIII  89  kennt  von  ihm  vnofivrjfiaja  xoiXhara,  In  der  späteren  phar- 
Mkologiachen  Lilteratnr  ist  seine  Schrift  von  vielen  Aerzten  zu  Rathe  gezogen, 
▼OQ  Dionysios  (vgl.  Plin.  XX  113),  von  dem  Commentator  des  Nikander  (Anti- 
fOBoi),  von  Sextius  Niger,  Diosknrides,  Plinins,  sogar  eine  Pflanze  scheint 
>ach  ihm  Chrysippios  benannt  worden  zu  sein  (Plin.  XXVI  93.  Garg.  Mart. 
^  Rose  152, 14).  Ich  meine,  auf  diesen  Chrysipp  passt  unmöglich  das  ab- 
W%e  Urtheil  des  Plin.  (XXVIII  5),  das  ausserdem  im  Widerspruch  steht  mit 
^  Porphyriosstelle  :  horum  (sc.  Hippocratis  et  Herodici)  placita  Chrysippus 
^nUi  garruHiate  mutavit  plurimumque  et  ex  Chrysippo  discipului  eins 
^uiitratuM  etc.  Dieser  Chrysipp  muss  ein  Arzt  gewesen  sein,  der  die  medi- 
^iaische  Wissenschaft  nm  ganz  neue  Ideen  bereichert  hat,  und  das  hatte  nach 
^  obigen  Ausführungen  der  Lehrer  des  Erasistratos  gethan. 

1)  Damit  fallt  meines  Ërachtens  auch  der  von  H.  Diels  a.  a.  0.  geführte 

^toweis,   dass  Erasistratos   die   seiner  Lehre  von  den   Synanastomosen   zu 

^niade  liegende  Vacuumtheorie  dem  Straton  verdanke.    Der  Weg,  auf  dem 

^ryiipp  zu  dieser  Theorie,  die  er  doch  ohne  Zweifel  gleichfalls  vertrat,  ge- 

iiogt  war,  ist  ein  anderer.    Man  wird  sich  erinnern,  dass  Plalo  im  Timaios 

e.36.  37  (79.  80)  in  der  von  ihm  ausführiich  gehaltenen  Darstellung  des  Ath- 

iDOOgsprocesses  hervorhebt,  dass  dieser  Vorgang  auf  dem  horror  vacui  be- 

mile.    Mod  gebt  aber,  wie  ich  an  anderer  Stelle  nachweisen  werde,  die  pla- 

iooische  Erklirang  des  Athmnngsprocesses  auf  Philistion  zurück:  folglich  ist 


378  M.  WELLMANN 

Auf  einem  andereD  Wege  kommen  wir  zu  demselben  Reiidul- 
Von  Empedokles  und  den  Hippokratikern  ist  uns  Oberliefert,  da» 
sie  das  Wesen  des  Fiebers  in  einer  abnormen  Steigerung  der  w- 
gepflanzten  Wärme  saben.^  Dem  gegenüber  behauptete  Erasitfn- 
los,  dass  das  Fieber  in  Folge  einer  Entzündung  auftrete,  da«« 
also  hervorgerufen  werde  durch  das  Eindringen  des  Blutes  io  die 
Arterien,*)  und  betrachtete  als  Zeichen  des  Fiebers  die  mkt- 
natürliche  Pulsfrequenz  in  den  Arterien.  Die  letztere  Angabe  w- 
danken  wir  dem  Gael.  Aur.-Soran  und  mit  ihr  zugleich  die  Qudie 
dieser  Lehre.  V.  Rose  Aneed.  II  226  (vgl  mit  208):  alii  enim  cttutn 
naturam  effectam  mutationem  sine  externat  causae  adt>entu  si§mm 
febrium  voeaverunt,  %U  Aethlius  (Agrius  cod.),  alii  crebritatem  pba 
ultra  naturam,  ut  Cleophantus,  Ckrysippus  et  Era$istratus.  Eia- 
sislratos  verdankt  also  seine  Lehre  von  der  Erkennung  des  Fieben 
an  der  Pulsfrequenz  dem  Chrysipp,  und  Kleophantos,  des  Kleon- 
brotos  Sohn,  hat  sie  ebenfalls  diesem  Arzte  entlehnt,  wShread 
Aethlius')  als  Erkennungszeichen  eine  widernatürliche  Verflnden»! 
der  Pulsation  ohne  äussere  Ursache  {avev  nçoçàaeîoç  g>a9i^ 
annahm.  Eine  erfreuliche  Bestätigung  dieser  werthvollen  Noiii 
erhalten  wir  durch  Gal.  XVII  A  873:  ov  yàq  h  tt}  tûv  açnjçuif 
xivtjaei  ri  %wv  nvçetwv  iartv  ovaia.  tovto  yàg  onwg  rjnit 
Trjvai  Toîg  Tieçl  %ov  'EcaalavcaTOv  te  xai  Xçvamnov^  ifi\ 
/Li€fAà'9'f]xaç.  Vereinigen  wir  diese  Worte  des  Galen  mit  der  obig« 
Notiz  des  Soran,  so  folgt,  dass  Chrysipp  wie  Erasistratos  die  Pot* 
sationskraft  auf  die  Arterien  beschränkte,  dass  er  ferner  ve^8clli^ 
dene  Arten  der  Pulsbewegung  kannte  und  sie  zur  Grundlage  seioer 
Semiotik  machte.  Diese  Lehre  hat  meines  Erachtens  jene  Vtf- 
feinerung   der   Pulsbeobachtung  zur  Voraussetzung,   die  uds  voi 

diese  Vacuumlebre  schoD  vor  Chrysipp  in  ärztlichen  Kreisen  verbreitet  (i^ 
wesen.  Chrysipp  hatte,  wenn  er,  wie  später  nachgewiesen  wird,  mit  d« 
Enkel  des  grossen  Knidiers  Identisch  ist,  physikalisches  Interesse:  er  schrieb 
fvaixà  d'etoçT/fiara  nach  Diog.  L.  VIII  89. 

1)  Vgl.  Alex.  V.  Aphr.  in  Idelers  physici  et  medici  gr,  minores  1  Sî- 
V.  Rose  /énecd.  II  226  (208).  Plistonikos,  Euenor  folgten  der  hippokratiscM 
Theorie. 

2)  Diels  Dox,  441  a  3.     Gal.  XVII  A.  873. 

3)  Dieser  Arzt  kommt  nur  noch  einmal  in  der  Litteratur  vor  als  \jàt« 
des  jüngeren  Chrysipp,  des  Enkels  des  Begleiters  des  Eudoxos  t>ei  D.  L.VI1189'- 
Xqiainnoiy  jéeO'Xîov  /lad^ri^ç,  ov  t«  ^sQanêVfiata  fpé^nai  6çaxim,ti* 
(fx^aixcüv  d'eacTißtciTafv  tcùv  vno  tî^v  Siâvoiav  avrov  nêcôvxmy. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHÜM     379 

Praxagoras  Qberliefert  ist  (Gal.  V  508).  Praxagoras  war  der  erste 
Ant,  der  die  Pulsationskraft  auf  Herz  uod  Arterien  beschrflnkle 
(VIII  702.  V  561),  seio  nalf^og,  xçofiog  und  anaafAOç  siod  weiter 
nichts  ab  Terschiedeoe  Arten  des  Pulses.  Ohne  diese  für  die  Se- 
miotik  der  damaligen  Zeit  so  wichtige  Entdeckung  wflre  die  Schrift 
seines  Schülers  Herophilos  negl  acpvyfÀiàv  unmöglich  gewesen, 
ohne  sie  ist  jene  Lehre  des  Cbrysipp  undenkbar.  Der  Lehrer  des 
Erasistratos  lebte  also  nach  Praxagoras. 

Nun  sehe  man  sich  die  bei  Diog.  Laert.  erhaltenen  Notizen 
Ober  die  Chrysippoi  einmal  genauei*  an.  Nach  VH  176  hiess  der 
Sohn  des  Lehrers  des  Erasistratos  Cbrysipp,  nach  VHl  89  hiess 
dagegen  der  Sohn  des  Begleiters  des  Eudoxos  Aristagoras.  Ich 
meine,  deutlicher  konnte  nicht  zum  Ausdruck  gebracht  werden, 
fag  beide  verschiedene  Aerzte  sind.  Man  wende  nicht  ein,  beide, 
Aristagoras  und  Chrysippos  könnten  ganz  gut  Söhne  desselben 
Cbrysipp  gewesen  sein  und  Diog.  L.  habe  den  einen  an  dieser, 
'eo  anderen  an  jener  Stelle  genannt.  Jeder,  der  unbefangen  ur- 
tbeilt,  wird  diese  an  sich  mögliche,  aber  höchst  gezwungene  Er^ 
klirong  verwerfen  gegenüber  der  von  mir  gegebenen  Auslegung. 
Wir  erhalten  also  auch  durch  Diog.  L.  eine  erwünschte  Bestätigung 
ftlr  das  vorher  gefundene  Resultat.  Ohne  Zweifel  gehört  der  Lehrer 
des  Erasistratos,  der  gleichfalls  Knidier  war,  in  diese  berühmte 
Aentefamilie:  dann  ist  er  identisch  mit  dem  von  Diog.  VIII  89 
genannten  Enkel  des  Begleiters  des  Eudoxos.  Bei  meiner  Auf- 
bseang  des  Diog.  L.  erhalten  wir  folgendes  Stemma  für  die  Fa- 
Hilie  des  Cbrysipp,  das  ich  in  Verbindung  setze  mit  einer  Tabelle 
der  medicinischen  Nachfolge  in  der  Schule  des  Philistion. 
Philistion  von  Lokroi 


Cbryaippos,  des  Erineos  Sohn^        Eudoxos  Diokles 

aus  Knidos 

I 

Aristagoras  Aethlios  Praxagoras  um  330 

I  I  I 

Chrysippos  Chrysippos       Herophilos,  Mnesitheos, 

Lehrer  des  Erasistratos 


I 


Xenophon,  Plistonikos 
Phylotimos 


Ihrysippos  gest.  etwa  272  Erasistratos,  Medios,  Aristogenes, 

unter  Ptolemaios  IL  Xenophon^  Hetrodor,  Kleophantos. 


380  M.  WELLMANN 

Es  ist  erfreulich  zu  coDstatiren,  dass  das  gewonoene  Resolut 
durch  die  bisher  meist  stiermQtterlich  behaudelte  Aogabe  des  Eusebiot 
bestätigt  wird,  dass  Erasistratos  zur  Zeit  des  Aotiochos  U.  Tbeoi 
voD  Syrien  (262—247)  258/7  berühmt  wurde.  Seine  Lebenaeit 
fôllt  unter  Plolemaios  Pbiladeipbos  und  Euergeles,  d.  h.  eine  GeD^ 
ration  später  als  die  des  Herophilos.  Die  Annahme  SusemiUs,*) 
dass  Erasistratos  nicht  später  als  324  geboren  sei»  wird  also  dadureh 
zur  Unmöglichkeit;  wir  werden  seine  Geburt  schwerlich  Ober  310 
hinaufrücken  dQrfen.  Dann  kann  aber  die  bekannte,  ihm  tod  der 
Sage  zugeschriebene  Heilung  des  syrischen  Prinzen  Antiochos  I. 
(um  293,  Tgl.  Droysen  Geschichte  des  Hellenismus  11*  2,  29^ 
nimmermehr  auf  historischer  Grundhige  beruhen.  Nun  entiilt 
Plinius  an  bekannter  Stelle  (VII  123)  diese  Geschichte  von  des 
Keier  Kleombrotos  und  nicht  von  Erasistratos.  Ich  stehe  demnach 
nicht  an,  diese  Form  der  Sage  mit  Susemihl*)  gegenüber  des 
nichtssagenden  Einwendungen  Yon  R.  Fuchs  *)  fQr  die  ursprflof 
liehe  zu  erklären,  und  wenn  man  sich  erinnert,  dass  der  Vater 
des  Erasistratos  Kleombrotos  geheissen,^)  so  steht  zeitlich  .nicht  du 
geringste  im  Wege,  in  ihm  den  Leibarzt  Seleukos  I.  Nikator  (31} 
bis  280)  zu  sehen,  von  dem  Plinius  jene  Sage  berichtet«  In  diesen 
Falle  wird  auch  mit  einem  Schlage  begreiflich,  wie  die  Sage  iif 
Erasistratos  übertragen  werden  konnte:  der  in  späterer  Zeit  1m- 
rühmtere  Sohn  trat  in  der  späteren  Ueberlieferung  an  die  Stelle 
seines  damals  unberühmten  Vaters.  Es  unterliegt  für  mich  keioefl 
Zweifel,  dass  wir  es  in  beiden  Fällen  mit  einer  Sage  zu  thoi 
haben:  der  Kern  derselben,  die  wunderbare  Heilung  des  Koolff' 
sohnes  von  unglücklicher  Liebe,  ist  weiter  nichts  als  eine  Uebe^ 
tragung  der  von  der  Sage  dem  grossen  Koer  angedichteten  Wunder* 
that  am  Hofe  des  Königs  Perdikkas  von  Makedonien.*)  Aber  jede 
Sage,  die  an  eine  berühmte  Persönlichkeit  anknüpft,  muss,  weai 
sie  nicht  von  vornherein  auf  Unglauben  stossen  soll,  in  ihrer  Eia- 
kleidung  einigermaassen  den  geschichtlichen  Thatsachen  entsprechea. 


1)  A.a.O.  1800  A  127. 

2)  Beitrage  zur  alex.  Litt.  Rh.  Mus.  53,  325. 

3)  Lebte  Erasistratos  in  Alexandreia  Rh.  Mus.  52,  380  f. 

4)  Suid.  s.  V,  ^EçaaiaxQaTOi  .  .  .  ;i;^iy/uaT^S««  ovv  Kigto£^  vioç  K^t^ 
^évrjç  TTj€  Mrj8iov  rov  tax  gov  àdeX^rjs,  xal  KXeofißQOxov.  In  ooscrein  VO" 
zeich niss  heisst  es:  Erasistratus  Cleombroli  fititu  Ceius, 

5)  Sor.  ßios  "'InnoKçdrovs  bei  Ideler  phy*.  1  253. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHUM     381 

^eheo  wir  uns  darauf  hin  unsere  Sage  an,  so  glaube  ich  soviel 
als  hislorisch  herausschälen  zu  dürfen,  dass  Kleombrotos  am  Hofe 
Seleukos  1.  Nikator  als  Leibarzt  gewirkt  und  durch  glückliche  Kuren 
berQbmt  geworden  ist  und  dass  sein  Sohn  Leibarzt  Ptolemaios*)  U. 
resp.  ni.  gewesen  und  durch  seine  Heilerfolge  die  Augen  der  Mit- 
welt auf  sich  gezogen  hat.  Die  geschäftige  Sage  schuf  die  That, 
der  Kleombrotos  seinen  Ruhm  verdankte:  vom  Vater  wurde  sie  auf 
den  Sohn  übertragen.  Der  That  folgte  der  verdiente  Lohn:  beide 
wurden  durch  grosse  Geldgeschenke  von  ihren  Herrschern  aus- 
gexeichnet,  Kleombrotos  von  den  Seleukiden,  Erasistratos  von  den 
Ptolemaiern  :  auch  diese  Schenkungen  wurden  in  der  Sage  vom 
eineo  auf  den  anderen  übertragen.  Ich  meine,  die  Fäden  des 
Sageogewebes  liegen  so  deutlich  zu  Tage,  dass  es  unmöglich  ist 
sie  dagegen  zu  verkennen.  So  und  nur  so  erklären  sich  die  beiden 
widersprechenden  Versionen  bei  Plin.  VU  123:  eandem  scientiam 
(ic  praedictionis)  in  Cleombroto  Ceo  Ptolemaeus  rex  Megalensihus 
sflcris  donavit  C  talentis  servato  Antiocho  rege  und  Plin.  XXIX  5: 
itc  (sc.  Erasistratus)  Antiocho  rege  sanato  C  talentis  donatus  est  a 
Tige  Ptolemaeo,  filio  eius  (sie). 

Der  Name  des  Kleombrotos  kommt  noch  einmal  in  der  medi- 
Qnischeu  Litteratur  vor.  Der  Pneumatiker  Rufus  aus  Ephesus 
(Ruelle-Daremberg  32)  erwähnt  einen  Kl€6q)avToç  6  Kleof^ßcoTOv. 
Dieser  Kleophautos  ist  der  aus  Plin.  (XXVI  14.  XXIll  32)  bekannte 
Büfier  einer  eigenen  nach  ihm  benannten  Aerzteschule  in  Alexan- 
dreia  zur  Zeit  Ptolemaios  IL  111.,  dessen  diätetische  Vorschriften 
in  späterer  Zeit  den  Beifall  des  grossen  Asklepiades  fanden.*)    Nun 

1)  Beweisend  ist  für  mich  io  Verbindung  mit  den  obigen  Erwägungen 
die  Stelle  des  Gael.  Âur.  M.  Cfir.  V  2,  die  ich  mir  lange  angemerkt  hatte:  Era- 
'Utratus  Ubro  quo  de  podagra  scripsit,  prohiberu  tarnen  purgativa  adkiberi 
fßae  uad'açTwâ  vocaverunt^  malagma  vero  Ptolemaeo  regi  promUtent^  cuius 
'fripturam  non  edidit»  Vermathlich  hörte  er  den  Ghrysipp  nicht  in  Knidos, 
lodern  in  Âlexandreia ,  nachdem  er  vorher  in  Athen  stadienhalber  geweilt 
(daher  seine  Beziehungen  zum  Peripatos  Gal.  II  88).  Die  Beziehungen  des 
^hoes  des  Ghrysipp  zu  den  Ptolemaern  sprechen  für  diese  Annahme:  ausser- 
dem haben  von  den  Schülern  des  Ghrysipp  Kleophantos  sicher  in  Âlexandreia 
gewirkt  und  Xenophon,  der  gleichfalls  unter  dem  Einfluss  seiner  Lehre  steht, 
W  anfängliche  Schüler  des  Praxagoras,  heisst  in  unserem  Verzeichniss  be- 
^ichoender  Weise  Alexandrinus,  woraus  ich  schliesse,  dass  er  in  späterer 
!eit  in  Alexandreia  als  Arzt  thälig  gewesen  ist.  Ueber  Herophilos  brauche 
h  kein  Wort  zu  verlieren. 

2)  Susemihl  a.  a.  0. 1  814. 

Hermes  XXXV.  25 


382  M.  WELLHANN 

möchte  ich  auf  vier  Thatsacben  hinweisen ,  die  io  hohem  Gnde 
geeignet  sind,  Anlass  zu  einer  lunächsf  von  mir  mit  aller  Besene 
vorgetragenen  Combination  zu  geben.  Kleophantoa  lebte  zu  dtf- 
selben  Zeit  wie  Erasistratos,  d.  h.  unter  Ptolemaioa  IL  HI. ,  Ueo- 
phantos  schloss  sich  wie  jener  in  seinen  Theorien  an  den  jflngerei 
Chrysipp  an,  dem  er  nach  Soran  (a.  a.  0.)  darin  gefolgt  war,  dm 
er  die  abnorme  Pulsfrequenz  als  das  Kriterium  des  Fiebers  ansah 
(■■  Erasistratos),  er  übte  seine  ärztliche  LehrthJitigkeit  in  AleuB* 
dreia  aus  wie  Erasistratos  und  gründete  wie  Erasistratos  und  Ewh 
philos  eine  eigene  nach  ihm  benannte  Schule  der  Kksoqxmtoi, 
zu  welcher  der  unter  Ptolemaios  Hl.  Euergetes  lebende  Hnemoi 
aus  Side  und  Antigenes  gehörten.  Wenn  nun  Kleophantos  gletdh 
falls  ein  Sohn  des  Kleombrotos  genannt  wird,  gewinnt  es  da  nicht 
den  Anschein,  als  ob  beide  Aerzte  Brüder  gewesen  seien? 

VlI.  Die  Zeit  des  Heropbileers  Kallimachos  aus  Bithfniaa 
(Callimachus  Bühynius  heisst  er  in  unserem  Verzeichniss)  ist  im 
mir  bei  Susemihl  a.  a.  0.  827  zu  spät  angesetzt.  Mangelhafti 
Kenntniss  der  dickleibigen  Hauptquelle  für  die  Geschichte  deraltea 
Medicin ,  des  Galen ,  hat  mich  die  für  seine  Zeit  wichtige  Stdk 
(XVH  A  826)  übersehen  lassen,  die  aus  dem  Hippokratescommenlir 
des  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  lebenden  Empiriken 
Zeuxis  stammt:  o  ö'  avzoç  ovtoç  Zev^iç  vtjnia  q)r^aiv  BiQfr 
o&at  Ttavta  rà  natdlaj  xa&oTi  xai  ^Hç6q>ikoç  tivof^aoev  avtc . 
oïfwç.  xal  yàç  7ceçl  tovtov  yçdçei  vôvôe  rov  rçonov  èi 
tavTTjç  Ttjç  Xé^eofç'  '"tpaivaiai  vi^nia  Xéywv  o  ^Inrtoxçatïjç  «• 
ewç  Tijßrjc  xal  ovxl  fce  veoyvà  fiéxQt'  ^tJv  névte  ij  ?J  ètùnf,  «ç 
vvv  ol  nkelOTOc  kéyovaiv.  rjçxei  ôè  xal  o  *Hç6(piXoç  %d  Jijlar 
avra  kéywv  vrjnia^  àt'  wv  q>r]ai'  'joÎç  vrjnloiç  oi  yivWA 
anéçf,iaTa  fÂsyâka,  -jiaTa^irjvia,  xvrj^a,  q)aXaxçàTrjÇ.^  ov  yif 
Toîç  (ÀéxQi-  T'Js  7Cço€içrjf,iévî]ç  r^lixlaç  naçayivofuévoiç  lé^ti 
ILirj  ylvead^ai  raZra,  rovréariv  àno  tr^ç  nçdntjç  ei&éwç  yifi' 
a€(og,  onBQ  %iveg  ôbxo^bvol  xarayeXuiaiv  airov,  (aç  ta  nàot 
yiyvwaxôfÀBva  ôiôâaxovroç,  wv  èoTc  xaï  6  KaXkluaxog,  àii^ 
Toiç  lÂéxçt^ç  ^iß^ig,  eneiöij  tiveç  vnekaßov  xal  iv  fovToiç  fovf^ 
ylveo^ai'  Darnach  lebte  er  vor  150  v.  Chr.,  und  es  ist  nickt 
uumOglicl),  dass  er  noch  dem  Ausgange  des  3.  Jahrhunderts  aa- 
geliürt,  da  er  von  Erol.  7,  18  zwischen  Bakcheios  und  Pbilinos 
geuauDt  wird.  Ausserdem  ist  a.  a.  0.  nachzutragen,  dass  Kallimachos 


ZUR  GESCHICHTE  DER  MEDiClN  IM  ALTERTHUM     383 

v^aob  dem  Zeugoiss  des  Rufus  (202  D.  Ruelle)  içwtijfiOTa  largixâ 
C^*^ ragen  des  Arzles  am  KrankenbeU)  geschriebeo  hat^  wie  sein  äl- 
terer ScbulgeDOsse  Kallianax  (um  280),  die  nach  dem  Urtheil  des 
B^kcheios  äusserst  albern  waren  (Gal.  XVH  B  145  aus  Zeuxis),  und 
^^te  später  der  Pneumatiker  Rufus  selbst. 

VHI.    Lupus  Pelopis  in  unserem  Verzeicbuiss  ist  der  aus  Galen 
Aaitsam    bekannte   Makedonier   Lykos,    der   Schüler   des  Quintus 
(XVUlBlOO),  der  i^rjyritixà  jwv  ^IrtnoxçaTovç  àqiOçiOpLuiv  vno- 
ß^^f'Tjftata  Terfasste.    Er  war  wie  sein  Vater  Pelops,  der  Lel^rer  des 
GaileD,  bedeutender  Anatom   und  schrieb  ein   umfängliches  Werk 
^e^i  fivwv  (Gal.  XVllI  B  926.  928  f.),  in  welchem  er  die  Ansichten 
der  alteren  Anatomen  mit  grosser  Sorgfalt  zusammengetragen  hatte 
(XIX  22,  vgl.  11  458  f.  470).    Galen,  der  bei  seiner  Hochschätzung 
v^or  dem  Begründer  der  Medicin  erbittert  war,  dass  Lykos  es  ge- 
ragt hatte  den  grossen  Koer  so  scharf  anzugreifen,  verfasste  zwei 
[»olemische    Schriften    gegen    ihn:    Tteçl   twv    ayvorj&evfOßv   T(p 
^^ilxijfi  xa%à  Tag  àvaxofidç  (XIX  22)  und  tzqoc  udmov  oti  firiôkv 
fifiaQxrjTai  xarcr  rov   aq)0Qiafi6v   (XVII  B  414).     Daneben  ver- 
fasste er  von  sämmtlichen   anatomischen  Büchern  des  Lykos  eine 
Elpitome  (XIX  25).*)    Von   dem   Makedonier  zu   unterscheiden   ist 
der  von   Plinius  (XX  220)   und  von   Erotian    (47,  15.  85,  8)   er- 
wähnte Neapolitanus,   für  dessen  Lebenszeit  sich  ein  sicherer  ter- 
ntijttts  ante  quem  gewinnen  lässt.    Nach  Erot.  47, 14  gaben  Epikles 
und  Lykos  dieselbe  Erklärung   der   Glosse  doçréiov,    indem   sie 
<ldrunier   im   Gegensatz    zu  Bakcheios    die   Bronchien   verstanden, 
folglich  muss  der  eine  den  anderen  benutzt  haben.    Nun  hat  aber 
Erotian  das  Lexikon  des  Epikles,  das  ein  Auszug  aus  dem  Lexikon 
^Bakcheios  mit  häufiger  Berichtigung  dieses  angesehenen  Hippo- 
Neserklärers  auf  Grund  anderer  Ueberlieferung  war,  thatsächlich 
io  Händen  gehabt')  und  an  nicht  weniger  als  21  Stellen  benutzt, 
^^^  ist  Lykos,  der  zudem  nur  einzelne  Schriften  des  Hippokrates 
^l^brt  bat,')   der  benutzte  Schriftsteller.     Epikles  aus  Kreta  lebte 


1)  Ilberg  Rh.  Mus.  47,  501.  503.  Ilberg  de  Galeni  vocum  hippocr.  glos- 
'^o  tomment.  phiL  in  honorem  0.  Ribbeckii  337  A.  3.  Galeni  scripta  mi- 
"^^  ed.  J.  Muller  vol.  11  p.  63. 

2)  Vgl.  Strecker  in  dies.  Ztschr.  XXVi  301. 

<,  3)  Er  schrieb  nach  Erot.  85,  8  ein  iirjytjrtxov  zu  der  Schrift  neçi  dç- 

25* 


384     M.  WELLMANN,  GESCH.  DER  MEDICIN  IM  ALTERTHDM 

aber  Dach  Nikander  und  vor  Dioskurides  6  0axâç,  d.  h.  in  der 
ersten  Hälfte  des  1.  Jahrhunderts  v.  Chr./)  mithin  muss  die  Lebeos- 
zeit des  Neapolitaners  Lykos  vor  100  v.  Chr.  fallen.  Etwa  der- 
selben Zeit,  d.  h.  der  Wende  des  2.  und  1.  Jahrhunderts  gebort 
der  von  Gal.  (X  142  f.)  erwähnte  Empiriker  dieses  Namens  an,  der 
ein  so  eingefleischter  Anhänger  dieser  Schule  war,  dass  er  nur 
von  der  Erfahrung  und  Beobachtung  Gebrauch  machte  (Gal.  XVI  ! 
eig  ifiTieiçlav  xai  jrjçrjaiv  àvanépinet  Ttàvra).  Ich  halte  ihn 
für  ein  und  dieselbe  Person  mit  dem  Neapolitaner:  die  Empiriker 
der  damaligen  Zeit  waren  Hippokratescommentatoren  und  Diätetiker. 
Von  diesem  Empiriker  hat  Oribasius  längere  BnichslOcke  wSr 
bewahrt.  Dass  dieser  von  ihm  genannte  Avxoç  der  empirischei 
Aerzteschule  angehört,  folgt  aus  seinen  Worten  des  II  228:  àqti' 
fiioç  âk  xai  Tovjwy  twv  xlvafAWv  iniç/tolvç  iativ  iyd  f^ 
ovx  Snavtag  àvayçdipœ ,  alla  OTtoaoi  neîçav  diàôvztg  h^^ 
&r]aav  elvai  açiOTOi  xad^ànsç  xai  ol  nqoa&Bv  avayQatpih 
reg.  233:  ofiolwg  xai  fieTaßt]aetat  dno  étéçov  eig  ht(f0 
elôog  xlva^axog.  Indem  der  Autor  auf  die  Erfahrung  und  Debch 
lieferung  seiner  Vorgänger  grosses  Gewicht  legt  und  den  lieber* 
gang  von  einem  zum  anderen  empfiehlt  (fievdßaaig  ano  %m 
of^olov,  vgl.  Gal.  X  782),  giebt  er  sich  deutlich  als  Anhänger  dei 
empirischen  Dreifusses  zu  erkennen.  Die  von  Orib.  II  225.  2t) 
(=  V  153)  344  (=  V  42).  Ili  382  erhaltenen  Excerpte  bebandeli 
Clystierrecepte ,  Abführmittel  und  verschiedene  Arten  voo  Gfl- 
schlagen.  Das  letzte  Excerpt  (Orib.  II  344)  umfasst  nicht  nur  du 
25.  Kapitel  des  9.  Buches  der  iargixal  avvaywyal  des  Oribasin^ 
sondern  c.  25—55  (Orib.  II  344—368).  Der  einheitliche  Cbarakler 
folgt  aus  dem  Inhalt:  wenn  nun  eins  dieser  Capitel  für  Lykos  ii 
Anspruch  genommen  werden  darf,  was  sich  hier  c.  34  (11  359 
aus  der  Vergleichung  mit  V  43  f.  (wo  Lykos  genannt  wird)  crgieK 
so  wird  man  ohne  Bedenken  das  Zwingende  dieser  ScUussfolgeroBf 
zugeben. 

Stettin.  M.  WELLMANN. 


1)  Susemihl  a.  a.  0.  II  427.    Strecker  a.  a.  0.  299. 


PLATOS  PHAEDRUS. 

Theodor  Gomperz  hal  deo  Ausspruch  gewagt:  die  platonische 
rage  sei  jelzt  Jo  der  Hauptsache  gelöst/  Seine  Zuversicht  stQtzt 
cb  hauptsächlich  auf  die  Ergebnisse  der  Sprach-  und  Stilunter- 
ichungen.  So  sehr  ich  nun  überzeugt  bin,  dass  bei  jeder  die 
hroDoIogie  platonischer  Schriften  betreffenden  Frage  die  Kriterien 
y  Sprache  und  des  Stils  genaueste  Berücksichtigung  fordern, 
nd  so  sehr  ich  mich  um  die  Prüfung  der  bisher  vorliegenden 
atistischen  Feststellungen  und  die  Verbesserung  ihrer  Methoden 
Iber  bemüht  habe  (Archiv  für  Geschichte  der  Philosophie  Bd.  XII 
1-49.  159^186.  XIll  1—22),  so  haben  doch  eben  diese  Be- 
Qbungen  mich  überzeugt,  dass  die  Aussicht,  auf  dieser  Grundlage 
e  Frage  zu  endgültiger  Entscheidung  zu  bringen,  gering,  jeden« 
Ik  der  Glaube,  dass  diese  Entscheidung  bereits  gewonnen  sei, 
àïi  haltbar  ist.  Wohl  aber  halte  ich,  auf  Grund  des  Gesammt- 
istandes  des  Inhalts  sowohl  als  der  Sprache  und  des  Stils  der 
atooischen  Schriften,  nach  den  bisher  vorliegenden  und  meinen 
poen  Untersuchungen  Folgendes  für  hinreichend  gesichert:  die 
ei  Schriften  Phaedo,  Gastmahl  und  Staat')  stehen  im  Centrum 
r  platonischen  Schriftstellerlhätigkeit  und  stellen,  unter  sich  eng 
sammengéhOrig ,  die  philosophische  Grundlehre  Piatos  von  den 
een  in  fertiger,  ziemlich  geschlossener  Gestalt  dar.  Im  Parme- 
des,  Sophist-Staatsmann  und  Philebus  dagegen  sehen  wir 
ito  mit  einer  tiefgreifenden  Umarbeitung  eben  der  in  den  drei 
itgenannten  Schriften  von  ihm  entwickelten  Grundlehre  beschäftigt, 
ese  hat  nicht  zu  einer  neuen,  ähnlich  abgeschlossenen  Darstellung 
führt;  doch  ist  im  Timaeus  eine  nochmalige»  knappe  Formuli- 
Qg  der  Lehre  erfolgt,  welche  die  Spuren  jener  Nachprüfung  un- 

1)  In  der  uns  vorliegenden  Gestalt.  Frühere  Abfassung  und  Herausgabe 
telner  Theile  des  Werkes  ist  dadurch  nicht  ausgeschlossen.  Nur  für  eine 
:he,  nicht  für  eine  frühere,  wesentlich  abweichende  ^Redactions  lässt  das 
gniss  des  Gellius  sich  geltend  machen. 


386  P.  NATORP 

zweideutig  erkennen  lässt.  Jene  vier  SchrifleD  sind  also,  nebst 
Timaeus-Crilias  und  den  Gesetzen,  später  als  die  erstgenaDoteo 
drei  verfasst.  Dies  bestätigt  das  Verhältoiss  des  Staatsmanns  zoin 
Staat  einerseits,  den  Gesetzen  andererseits  in  der  Auffassung  des 
Staatsprohlems  ;  auch  sprechen  alle  Gründe  der  Sprache  und  des 
Stils  sehr  entschieden  im  gleichen  Sinne.  Es  fragt  sich  nan 
weiter,  ob  etwa  noch  einige  der  übrigen  Schriften  der  Reihe  dei 
bisher  genannten  zehn  einzugliedern  sind.  Sehr  nahe  liegt  e» 
den  Theaetet  mit  dem  (Parmenides  und)  Sophisten  zu  Terbiodeo 
also  ebenfalls  dem  Phaedo,  Gastmahl  und  Staat  nachfolgen  zu  lasren 
wofür  auch  fast  alle  die  Forscher,  die  die  obigen  Sätze  anoehneo 
sich  entschieden  haben.  Dem  Theaetet  aber  steht  der  Phaedrni 
in  vieler  Hinsicht  nahe,  und  eine  wenn  auch  weniger  geschlosieiM 
Mehrheit  von  Forschern  hat  sich  dafür  erklärt,  ihn  ebenfalls,  weai 
nicht  auf  den  ganzen  Staat,  doch  auf  die  erst  verOffeotlichtci 
Theile  desselben,  jedenfalls  aber  auf  den  Phaedo  und  das  Gastmill, 
folgen  zu  lassen,  wofür  man  namentlich  Gründe  der  Sprache  nd 
des  Stils  geltend  macht.  Ich  bin  bezüglich  beider  Schriften  a 
einem  anderen  Ergebniss  gekommen,  und  mochte  in  dieser A^ 
handlung  meine  abweichende  Meinung  in  Hinsicht  des  Phiedf« 
begründen. 

1.  Was  die  Sprach-  und  Stilkriterien  betrifTt,  bedarf  es  nur dff 
knappen  Zusammenfassung  der  auf  den  Phaedrus  sich  erstreckenéd 
Ergebnisse  der  genannten  früheren  Untersuchung,  welche  auch  de* 
Kennern  der  letzteren  nicht  unwillkommen  sein  wird. 

Die  bisherige  Forschung  auf  diesem  Gebiet  bat  zu  wenig  Rück' 
sieht  darauf  genommen,  dass  der  Phaedrus  in  sprachlicher  ondstili' 
slischer  Hinsicht  besondere,  keineswegs  allen  platonischen  Wotei 
oder  denen  einer  gewissen  Periode  gemeinsame  Absichten  verf# 
nnmiich    in  Wettstreit   mit   den  Rhetoren  tritt,   die  er  nicht  bl«» 
durch   weit  vertieften   Inhalt  und   logischere  Disposition,  sondm 
gleichzeitig  durch  ungewöhnlichen  Glanz  der  Sprache  zu  scblagn 
sucht.      Diesem   Zwecke    dient    am    auffallendsten   die   EinfOhnnf 
eigentlich   dichterischer  Gebrauchsweisen  in  die  Prosasprache,  die 
denn   auch  Sokrates  ausdrücklich   als   ihm   ,ganz  ungewohnt*  be 
zeichnet.     Dadurch  konnte  der  Schein  entstehen,  als  ob  der  Phae 
drus  den  in  gleicher  Hinsicht  ausgezeichneten  Schriften  der  lettlei 
Periode    besonders   nahe  slände.     Sobald  man  aber,    was  zunächfi 
-den    seltneren  Worlgebrauch    betrifft,    nach   einer    besonderen,  i' 


PLATOS  PHAEDRUS  387 

genannter  Abhandlung  dargelegten  Methode  die  Gemeiosamkeiten 
des  Gebrauchs  zwischen   dem  Phaedrus  und  jeder  der  übrigen  in 
Vergleich  kommenden  Schriften   und   wiederum   dieser  unter  sich 
genau  feststellt  und  vergleicht,  so  schwindet  dieser  Schein;  es  er-^ 
giebt  sich  vielmehr,   dass  der  Phaedrus  bestimmt   nicht  mit  den 
Schriften  der   letzten  Periode,   sondern  mit  denen  einer  mittleren 
Gruppe  zusammengehört,  der  ausser   ihm  jedenfalls  die  Schriften 
Phaedo,  Gastmahl,  Staat,  Theaetet  und  Cratylus  zuzurechnen  sind. 
Er  zeigt,  obgleich  er  weit  mehr  seltene,  insbesondere  dichterische 
Worter  hat,  in  diesen  verhaltnissmässig  geringere  Gemeinsamkeiten 
tnit  Schriften  der  letzten  Periode  als  der  Cratylus,  und  nicht  stärkere 
ab  der  Phaedo  und  das  Gastmahl,  mit  welchen  beiden  er  Gemein- 
samkeiten hohen  Grades  aufweist.  Von  den  übrigen  (Arch.  Xll  177 f. 
XQsammengestellten)  Eigenheiten   dichterischer  Sprache  gilt  haupt- 
licblich,  was  von  einem  Theil  derselben  schon  Campbell  erkannt 
kat,  dass  sie  im  Phaedrus  in  bestimmter  Absicht  und  mit  beson-» 
derer  Wirkung  gebraucht  werden,  während  sie  in  den  späten  Schriften 
derart  zur  stehenden  Gewohnheit  geworden  sind,  dass  sie  nichts 
Sonderliches  mehr  bedeuten  und  keineswegs  der  Sprache  eine  aus- 
geieichnet  dichterische  Färbung  geben  wollen.    Die  relative  Häufig- 
keit einiger  dieser  Gebrauchsweisen  im  Phaedrus  erklärt  sich  eben 
aus  dieser  Absichtlichkeit,  beweist  daher  gerade  nicht  eine  besonders 
labe  Stellung  zur  letzten  Periode,  sondern   eher  das  Gegenlheil. 
Könnte   nun   dieser  Befund  eine  späte  Stellung  des  Phaedrus 
immer  noch  als  möglich  erscheinen  lassen,   so  sprechen  andere 
(Imstäbde   bestimmt   dagegen.     Der  Phaedrus   ragt    nicht  minder 
k^or  durch  Reichthum   und   Freiheit   der   Erfindung,  wirksame 
Steigerung,  feine  Charakteristik  der  Personen  und  einen  sehr  aus- 
fearbeiteten  Dialog:   das  sind  aber  vielmehr  Merkmale  der  frühen 
und  mittleren  Zeit  Piatos  als  der  späten;  ja  man  muss  sagen:  nach 
der  endgültigen,  bedingungslosen  Absage  an  die  Dichtung  (im  Sinne 
der  fiifir]aiç)  im  10.  Buche  des  Staates  war  ein  Dialog  wie  Phaedrus 
oomöglich,  am  unmöglichsten  unmittelbar  danach,  wie  Lutoslawski 
(The  Origin  and  Growth  of  Platos  Logic.  London  1897)  will.    Ins- 
besondere die  höchst  gewagte,  zugleich  sehr  individuelle  und  sehr 
ODhistorische  Zeichnung  des  Sokrates  im  Phaedrus  ist  schwer  denk- 
bar nach  dem  Gastmahl,  welches  durch  die  Einführung  der  fictiven 
Diotima  in  so  feiner  Weise  vermeidet,  den  Sokrates  allzu  sehr  aus 
der  Rolle  fallen  zu  lassen. 


388  P.  NATORP 

Dann  aber  ist  es  doch  sehr  merkwürdig,  dass  in  der  Haupt- 
masse der  nicht  dichterischen  Spracherscheinungen  (Partikelgebnucb 
und  was  sonst  Arch.  XII  170 — 177  zusammengestellt  wurde,  «.die 
Recapitulation  S.  178)  der  Phaedrus,  trotz  unverkennbarer  BefO^ 
zugung  gewählterer  Gebrauchsweisen,  durchaus  auf  der  Stufe  der 
mittleren  Schriften  verbleibt,  in  Einzelnem,  wie  der  Attraction  io 
Relativsätzen,  sogar  (mit  dem  Theaetet)  den  Schriften  der  frühesteD 
Zeit  sich  gleichstellt.  Es  ist  dies  eine  Erscheinung,  die  dem  freiesteo, 
unmittelbar  dem  Leben  abgelauschten  Gesprächston  vorzugsweise 
eigen  ist;  aber  dieser  lebendige  Dialog  ist  eins  der  sichersten  Keno« 
zeichen  der  frühen  und  allenfalls  noch  der  mittleren  Zeit;  er  scheidet 
den  Phaedrus  unbedingt  von  der  ganzen  nachstaallichen  Periode, 
und  auch  vom  Staat,  wenn  man  das  1.  Buch  abrechnet. 

Im  entgegengesetzten  Sinne  könnten  einzig  die  AntwortformeiD 
zu  sprechen  scheinen,  von  denen  eine  (r/  f^rjv;)  das  Urtheii  tod 
Philologen  vorzugsweise  bestochen  hat  und  bisweilen  noch  Ober 
alle  sonstigen  Bedenken  hinweg  bestimmt.  Aber  sowohl  die  starke 
Vorliebe  für  uneingeschränkte,  nicht  objectiv  gehaltene,  oft  nodi 
besonders  bekräftigende  und  belobigende  Zustimmung  als  auch  die 
beispiellose  Mannigfaltigkeit  und  Gewähltheit  des  Ausdruckes  der 
Zustimmung  lässt  wiederum  auf  besondere  Absichten  schliesseo. 
Sie  gehört  grossentheils  zur  persönlichen  Charakteristik  des  Phae- 
drus, und  übrigens  zu  dem  beabsichtigten,  fast  überladenen  AufpoU 
dieses  {naiâiâç  t€  xai  éoçifjç  x^Ç^^  276  h)  gewollten  Schau- 
stücks; die  erstere  Eigenthümlichkeit  entspricht  überdies  dem 
Zweck,  für  diesmal  nicht  sowohl  dialektisch  zu  entwickeln  als  sich 
positiv  auszusprechen.  Zieht  man  dies  alles  in  Erwägung,  so  e^ 
scheint  ein  einseitiger  Schluss  aus  den  Antwortformeln,  der  in  jedem 
Fall  gewagt  wäre,  vollends  ungerechtfertigt. 

In  Summa  ergiebt  sich,  dass  der  Phaedrus  der  oben  bezeich- 
neten Mitlelgruppe  zugehört,  innerhalb  dieser  aber  dem  Staat  und, 
was  meist  zugestanden  wird,  dem  Theaetet  vorangeht,  mit  hober 
Wahrscheinlichkeit  aber  auch  dem  Gastmahl;  woraus  die  Priorilâl 
vor  dem  Phaedo  folgen  würde,  da  diese  zwei  Schriften  unter  sich 
und  mit  dem  Staat  sachlich  wie  sprachlich  eng  zusammengeliöreo. 
Nicht  so  eindeutig  entscheiden  die  sprachlich-stilistischen  Kriterieo 
für  eine  spatere  Stellung  des  Cratylus,  da  zwar  der  Worlscbat* 
und  gewisse  allgemeine  Charakterzüge  dieses  eigenartigen  DialogeSi 
aber  immerhin  nicht  die  Gesammtheit  der  Spracherscheinungen  sich 


PLATOS  PHAEDRÜS  389 

afar  geltend  macheo  lässt.  Der  Euthydem  endlich  sieht  dieser 
Iruppe  voD  Schriften  zwar  nahe  genug,  um,  wenn  sachliche  Gründe 
Î8  fordern  sollten,  ihr  beigerechnet  werden  zu  dürfen,  er  zeigt 
lodessen  weit  grössere  Verwandtschaft  als  eine  der  Yorgenannten 
Schriften  mit  den  Werken  der  ersten  Periode.  Doch  hat  sich 
gezeigt,  dass  überhaupt  die  Mittelgruppe  die  stärksten  Schwankungen 
der  Sprache  und  des  Stils  aufweist,  im  Unterschied  sowohl  von 
den  frühen  als  den  späten  Schriften,  die  beiderseits  ein  ungleich 
festeres,  übereinstimmenderes  Gepräge  zeigen.  Daher  ist  eine  be- 
stimmtere chronologische  Anordnung  der  Schriften  der  Hittelgruppe 
auf  Grund  dieser  Kriterien  allein  nicht  durchführbar.  Um  so  mehr 
sieht  man  sich  auf  Sachgründe  hingewiesen,  auf  die  allein  wir 
008  von  hier  an  stützen  werden. 

2.  Eine  frühere  Abfassung  des  Phaedrus  als  um  die  Zeit 
der  Schulgründung  des  Isokrates,  d.  h.  nicht  vor  392, 
Dicht  nach  390,   findet  kaum  mehr  Vertheidiger *)   und   ist  schüir 

1)  Zwar  ist  der  Dalirang  auf  403  erst  jüngst  wieder  ein  Fürsprecher 
VOD  fast  beneidenswerther  Ueberzeugtheit  erstanden  in  0.  Iromisch  (N.  Jahrb.  11 
H9ff.);  doch  mass  man  sehr  naheliegende  Dinge  übersehen,  am  diese  Datirang 
Meli  irgend  glaubhaft  zu  finden.  Nur  weniges  zur  Erwiderung,  t.  Gegen 
1«8  zwingende*  Argument  S.  558f.:  Plato  spricht  27 iff.,  277c  mit  keinem 
'Vorte  von  nia%eK  in  lov  ^d'ovSf  die  vielmehr  273  einfach  zu  den  tUÔTa 
ferecbnet  werden,  sondern  von  psychologischer  Berechnung  der  Rede  auf  die 
odiridualitât  des  Hörenden  und  des  Moments,  wofür  irgend  ein  ,Reden- 
icbreiber*  schon  gar  nicht  in  Betracht  Icommen  kann.  Was  hat  der  Reiche 
uidÂrme,  Jüngling  und  Greis  mit  Pialos  èXBri  tpvxrjs  zu  thun?  Fordert  es 
lie  271  e  verlangte  Treffsicherheit  des  psychologischen  Blicks,  zu  erkennen, 
^b  man  mit  einem  solchen  zu  thun  hat?  ,Âbsurd'  ist  demnach  die  Annahme 
*^ohl  nicht,  dass  Plato  seine  psychologischen  Forderungen  in  den  Gerichts- 
^en  des  Lysias  so  wenig  wie  in  dem  Erotikos  erfüllt  finden  konnte  (vgl. 
^bilol.  II  627).  2.  Die  Worte  mansQ  yàç  axovsiv  ktX.  261  e  sind  gewiss  so 
'Q  verstehen,  dass  Sokrates  es  so  darstellt,  als  falle  das  damit  eingeleitete 
foment  ihm  in  diesem  Augenblick,  angeregt  durch  das  jetzige  Gespräch, 
'io,  daher  durch  xalXlnaiBa  <Pal$Qov  dieser  als  TtarfjQ  tov  lôyov  bezeichnet 
vird;  aber  dadurch  wird  man  nicht  ,damit  fertig*  (Immisch  S.  559),  dass  das 
foment  selbst  an  den  Gorgias  in  solcher  Bestimmtheit  erinnert,  dass  die 
abliebt  der  Anknüpfung  an  diesen  sich  geradezu  aufdrängt,  zumal  über  das 
lort  ausführlich  Gesagte,  hier  kurz  in  Erinnerung  Gebrachte  dann  wesentlich 
lioiosgegangen  wird  durch  den  positiven  Nachweis  der  Bedingungen,  unter 
Iraen  die  Rhetorik,  die  dort  keine  Techne  sein  sollte,  doch  eine  solche  sein 
vârde.  Aehnlich  ist  aber  das  Verhältniss  zum  Gorgias  noch  in  mehreren  an- 
l^n  Thesen  des  Phaedrus  über  die  Rhetorik  (s.  die  frühere  Abhandlung,  und 
^Diges  weiter  unten).    Das  ist  nicht  wohl  deutbar,  wenn  nicht  der  Gorgias 


390  P.  NATORP 

durch  die  Grande  der  Sprache  und  des  Suis  ausgeschlonoi: 
im  Übrigen  siehe  meine  frühere  Abhandlung,  Philo!«  L  (NeiK 
Folge  II)  S.  583 — 596.  Andererseits  ist  ein  späterer  Termin  al 
der  genannte  für  den  unannehmbar,  der  Yon  der  bekannteii  Bi 
weisführung  Useners  und  seiner  Vorgänger  und  Nachfolger  wenif 
stens  so  viel  für  unwiderlegt  hält:  1.  dass  zwischen  dem  Ph« 
drus  und  der  Sophistenrede  des  Isokrates  Beziehungen  obwaltei 
die  auf  möglichste  zeitliche  Nähe  beider  Schriften,  nicht  ii 
einen  Abstand  von  zehn  und  mehr  Jahren  schliessen  lassen, 
dass  das  Lob  des  Isokrates  im  Phaedrus  in  irgend  einem  spät«» 
Zeitpunkt  undenkbar  ist,  undenkbar  namentlich  nach  der  Zuredi 
Weisung  des  ungenannten  Redemeisters  im  SchlussstOck  des  Ei 
thydem,  wenn  dieser  Ungenannte  Isokrates  ist.^)  Gesetzt,  d 
letztere  sei  richtig,  so  wäre  die  chronologische  Frage  damit  alle 
entschieden,   da   für  den   Eutbydem   ein   späterer  Termin  als  d 

vorherging.  Die  oneingeschränkle  Behauptung  des  letzteren:  Rhetorik  ist  iib< 
haupt  keine  Techne,  wäre  aDverständlich ,  wenn  Plato  nar  ein  paar  Jit 
früher  und  mit  so  guten  GrOnden  dieselbe  Behauptung  erst  sam  AusgiO| 
punkt  genommen,  dann  aber  so  eihgeschrinkt  hätte,  wie  es  im  Phaedmi  f 
schieht.  Allermindestens  hätte  er  im  Gorgias  sagen  müssen,  dass  und  wati 
er  das  vor  kurzem  noch  mit  so  grossem  Anspruch  Behauptete  jetzt  preisfel 
aber  jener  möglichen  Einschränkung  geschieht  im  Gorgias  mit  keiner  SB 
Erwähnung;  unbefangen  wird  man  nur  urtheilen  können,  dass  sie  dan 
Oberhaupt  seinen  Gedanken  fern  lag.  3.  Es  ist  nicht  die  hier  entscbeideB 
Frage,  ob  Plato  den  Sokrates  bei  dessen  Lebzeiten  überhaupt,  sondern,  ob 
ihn  so  hat  darstellen  können,  wie  es  im  Phaedrus  geschieht.  Dm  von  Viel 
nur  Weniges  in  Erinnerung  zu  bringen:  a)  Plato  soll  also  wirklich  i.  J.  4 
den  Sokrates  sich  zu  des  Anaxagoras  à8oUaxia  xal  /lereœ^loyia  fvn 
Ttéçi  bekennen  lassen  (270a),  wahrend  er  ihn  in  der  Apologie  (19 cd,  23 
26  d)  sich  feierlich  dagegen  verwahren  lasst,  dass  man  ihn  je  das  mindf 
von  dergleichen  habe  reden  hören.  Mit  dieser  Annahme  macht  man  ol 
Umstände  Plato  zum  Mitschuldigen  der  Anklage  von  399;  die  Apologie  bi 
sich,  statt  gegen  Aristophanes  Wolken,  gegen  Piatos  Phaedrus  verwaki 
müssen,  b)  Sokrates  in  der  Apologie  zeiht  der  Lüge  und  Verleumdung  (2C 
den,  der  behauptet,  dass  er  je  beansprucht  habe,  im  Besitz  der  Wisseascb 
von  der  Tugend  zu  sein  und  sie  zu  lehren;  Sokrates  im  Phaedrus  vertan 
dass  man  diese  Wissenschaft  besitze  und  lehren  könne,  sonst  habe  man  fifc 
haupt  kein  Recht,  redend  aufzutreten.  Von  Anstössen  gegen  ,modernes  f 
pfinden'  ist  liier  gar  nicht  die  Rede,  sondern  von  platten  Unmöglicbk«! 
Die  absolute  Grenze  für  die  Rehauptunp  der  Tugendlehre  bei  Plato  selbst 
der  Meno;  s.  weiter  unten  im  Text. 

1)  Versehentlich  licss  ich  (Arch.  Xll  S.  1)  Gomperz  (1887)  sich  aoch  « 
das  erste  Argument  stützen;  er  bezog  sich  nur  auf  das  zweite. 


PLATOS  PHAEDRÜS  391 

ersten  Jahre  des  2.  Jahrzehnts  aus  allen,  auch  den  sprachlich- 
stilislischen  GrOnden  unannehmbar  ist.  In  diesem  Falle  würde  es 
tu  einer  Frage  von  untergeordneter  Wichtigkeit,  ob  dem  Phaedrus 
oder  der  Sophistenrede  die  Priorität  zukomme.  Ich  habe  in  meiner 
früheren  Abhandlung  nach  dem  Vorgang  anderer  das  letztere  an- 
genommen und  bin  auch  durch  die  neuen  Darlegungen  von  Gercke 
(in  dies.  Ztschr.  XXXII  365  ff.)  und  SusemihI  (Neue  plat.  Forsch.  I, 
wiss.  Beil.  z.  Vorl.-Verz.  der  Univ.  Greifswald,  Ostern  1898)  in 
meiner  Ansicht  nur  sicherer  geworden.  Es  lohnt  darauf  einzu- 
gehen, weil  es  dazu  beitragen  wird,  die  Beziehung  zwischen  beiden 
Schriften,  die  für  das  chronologische  Verhaltniss  Von  Bedeutung 
ist,  noch  etwas  schärfer  zu  beleuchten  ;  übrigens  wolle  man  auch 
hier  meine  frühere  Darlegung  vergleichen. 

Gercke  hält  ein  freundliches  Urtheil  Piatos  über  Isokrates  nach 
der  Sophistenrede  erstens  desshalb  für  ausgeschlossen,  weil  diese 
(§  21)  die  Lehrharkeit  der  Tugend  verneine.  Darauf  sei  nochmals 
geantwortet:  1.  In  der  Apologie  hat  Sokrates  nur  Hohn  übrig  für 
den  Wahn  gewisser  ooq)oi,  mit  denen  er  nichts  zu  schaffen  haben 
will,  im  Besitz  der  Wissenschaft  von  der  Tugend  zu  sein  und  sie 
gleich  einer  anderen  Kunst  durch  Lehre  mittheilen  zu  kOniien 
(ip.  19  ff.)  ;  er  hält  das  •  für  gar  keine  dem  Menschen  zustehende 
Wissenschaft,  da  er  überhaupt  kein  anderes  menschliches  Wissen 
anerkennt,  als  das  Wissen,  dass  man  nichts  weiss.  Die  Behauptung 
vollends,  dass  er  jene  vermeintliche  Wissenschaft  besitze  und  lehren 
wolle,  erklärt  er  für  böswillige  Verleumdung  (20  de,  33  ab,  und 
durchweg).  Dieselbe  unzweideutige  Stellung  nimmt  Sokrates  in 
dieser  Frage  2.  im  Protagoras  ein;  bes.  319  a — b:  iyù  yàq  tovto 
öwc  utiiri^  diôànTov  elvai  .  .  .  furjö^  vn^  àv&çtûnœv  naQaaxBv- 
wtoy  àv&çojTtoiç ,  ferner  328  e.  Die  Lehrharkeit  der  Tugend 
vertreten  auch  hier  vielmehr  Protagoras  und  die  übrigen  Sophisten; 
tSophisl*  heisst  überhaupt:  einer  der  sich  anheischig  macht  Tugend 
>n  lehren.  Im  gleichen  Sinne  spricht  3.  Lach.  186  c,  200  e;  4. 
'^.  89  e.  Schon  lange  ist  es  mir  räthselhaft,  wie  man  angesichts 
^i^er  klaren  und  einhelligen  Zeugnisse  die  Lehrharkeit  der  Tugend 
^^  einen  Grund-  und  Eckstein  sei  es  der  sokratischen  Philo- 
^phie  (vorausgesetzt,  dass  man  über  diese  den  genannten  Schriften 
H^nà  welchen  Zeugnisswerth  beimisst)  oder  der  platonischen  in 
^^^  Zeit,  der  diese  Schriften  angehören,  nur  je  hat  halten  können. 
^6^is8,  vom  Meno  an  behauptet  Plato  mit  wachsender  Entschieden- 


392  P.  NATORP 

heit  die  Lehrbarkeit  der  Tugend.    Aber   damit  widerruft  er  nic^^ 
einmal  jene  früheren  Aeusserungen,  denn  die  Lehre  wird  jetzt 
einem  ganz  neuen  Sinne  verstanden.     Im  gemeinen  Sinn  der  B^ 
bringung   oder  Mittheilung  von  Erkenntniss  oder  Tugend  (na^^^ 
axevd^eiv,  Prot.  1.  c,  Ttaçaôidovai  z.  B.  Men.  93  b),  ihrer  ausser^« 
Hervorbringung  oder  Einpflanzung  in  die  Seele,  in  der  sie  m^er 
nicht  war  (nach  dem  Vers  des  Theognis,  Mm.  95  e:  bI  <J'  ijy  /ro/- 
rjtàv  TS   xal  ïvdsTov   àvâçl  vôrjiÂa)  wird   die  Lehre  nach  wie 
vor   verworfen;   aus  späterer   Zeit  vgl.  bes.  Äip.  5l8b— c,  aucb 
Conv.  175  d.     Die  Lehre,  die   Plato   behauptet,  ist  vielmehr  Er- 
weckung  des  Selbstbewusstseins  des  Lernenden,   mythisch  darge- 
stellt als  Wiedererinnerung  an  eine  Erkenntniss,  die  wir  in  eioem 
Vorleben   schon   besassen.     Isokrates  nun   in  der  von  Gercke  an- 
gezogenen Stelle  wie  in  den  Übrigen  leugnet  die  Lehre  ausdrück- 
lich im  Sinne  des  naçaôiôovai  (5.  7.  10),  èveçyà^ea^ai  (6),  Ifi- 
nouîv  (21,  wobei   sehr  wohl  an  das  noirjjov  xal  Mv&btov  ^» 
Theognis  gedacht  sein  kann);  was  er  positiv  betont,  ist,  dass  die 
Begabung   des  Lernenden,    seine   (piaig,    ein   nicht   zu  vernach- 
lässigender Factor,   und  auch  die  Uebung  nicht  zu  unterscbatien 
ist  (14  f.  17.  21  JOÎÇ  xaxwg  7t€q>vx6ai).     Das  erstere  ist  es  aber, 
was  auch  der  platonischen  Ansicht  zu  Grunde  liegt  (vgl.  z.  B.  ief- 
I.  c.   rfjv   Ivovoav   dvvafiiv   iv   tfj   ipvxfj   y^ccl  to   ogyavov  ©it 
Is.  14  al  yàg  ôvvdf4ecç  iv  toIç  evq)V€aiv  iyylyrovToi),  und  die     I 
Trias:   q)vaiç,  öidax^j^  aa^rjoiç  bat  Plato  im  Phaedrus  ebenfalls    i 
behauptet.    Unter  Voraussetzung   der   geeigneten  ,Natur*  aber  und    ^ 
unter  Beihülfe  der  Uebung  verheisst  Isokrates  sogar  positiv,  seine     | 
Schüler  nicht   bloss   zur  Redefähigkeit,   sondern   selbst  eher  noch 
zur  Rechtschaiïenheit  zu  leiten,  Uitmlich  durch  aviHTtacaxeXevOdt'' 
a&at  xat  avvaovLf^aat  (21).     Sollte  dies  im  Munde  eines  Gorgias- 
Schülers  doch  auffallende  Versprechen,  unmittelbar  nach  der  Ver- 
wahrung dagegen,   dass  man  die  Redekunst  ausschliesslich  in  den     i 
Dienst  der  Gerichtspraxis,   damit  aber  der  noXvTcçayfuoavvrj  ^^^     ' 
nleove^la  stelle  —  bekannte  Schlagwörter  des  platonischen  Gor-     i 
gias  gegen  die  politische  Bercdtsamkeit  —  nicht  eben  durch  diesen 
Dialog  veranlasst  sein,   der  an  den  alten  Redemeisler  genau  diese 
Forderung   stellt   und   sich   schliesslich  von   diesem  selbst  das  Zu- 
gesländniss   machen    lüsst,    dass   er   seine   Schüler,    wenn   sie  die 
nülhige  sililiche  Tüchtigkeit  nicht  mitbrUchlen,  sie  erst  werde  lehren 
müssen?    Mehr:    gerade    bei    der    Bekämpfung    der    sophistischen 


PLATOS  PHAEDRUS  393 

geodlehre  hat  Isokrates  zweifellos  die  frOhereo  plalonischen 
[irifteD  vor  Augen  und  bezieht  sich  auf  sie,  wie  ich  früher  be- 
ts durch  zwei  Slellen  belegt  habe/)  Kommt  nun  noch  hinzu, 
SS  die  Polemik  des  Isokrates  demselben  Manne  gilt,  den  Pialos 
itbjdem  in  schlagender  Uebereinstimmung  mit  Isokrates  Sophisten- 
de und  Helena  charakterisirt  und  lächerlich  macht  (Antisthenes; 
ichweisungen  Philol.  a.  0.  616  A.  64),  so  muss  man  sagen:  es  he- 
hl auf  ihatsächlich  irrigen  Voraussetzungen,  wenn  Gercke  in  dieser 
igen  Antisthenes  Tugendlehre  gerichleten  Polemik  ,eine  Art  Kriegs- 
klarung'  gegen  die  ,sokratisch- platonischen  Grundanschauungen^ 
kennen  will.  Isokrates  nähert  sich  vielmehr  hier  eben  dem,  was 
ato  in  den  Schriflen  seiner  Frühzeit  vertritt,  und  zwar  unver- 
iDobar  unter  dem  EinÛuss  dieser  Schriflen:  der  Apologie,  des 
rotagoras,  Meno  und  Gorgias.  Gewiss  ist  er  in  die  eigenlliche 
iefe  der  platonischen  Anschauung  vom  Lehren  und  Lernen  nicht 
Dgedrungen.  Aber  das  Lob  der  rlg  q>iloaoq)la  des  Isokrates 
^haedr.  279  a)  verlangt  auch  nicht,  dass  er  die  von  Plato  selbst  seit 
irzem  erreichte  Höhe  jetzt  schon  erklommen  habe:  vielleicht 
lafUg  einmal,  heisst  es  vielmehr,  werde  die  -^etoréça  ôçfirj  ihn 
fassen.  Ein  so  bedingtes  Lob  setzt  nicht  mehr  voraus,  als  eine 
lebe  Annäherung  an  Piatos  Denkweise,  wie  sie  nach  dem  Be- 
lesenen in  der  That  vorliegt. 

Das  zweite  Hauptargument  Gerckes  ist:  Isokrates  habe  nicht 
ine  Redelehre  als  ,Philosophie^  bezeichnen  können  vor  dem 
laedrus,  der  (278  d)  entweder  diesen  Terminus  zuerst  geprägt 
er  wenigstens  dem  Begriff  erst  die  Erweiterung  gegeben  habe, 
der  er  die  philosophisch  begründete  Redekunst  milumfasst. 
)er  der  Terminus  ist  im  Phaedrus  keinesfalls  neu,  sondern  allein 


1)  Es  ist  schwerlich  blosser  Zarall,  dass  1.  Sokrates  in  der  Apologie 
^b)  über  solche  spollet,  die  für  fünf  Mineo,  Isokrates  (3)  in  doch  wohl  ab- 
bllicher  Ueberbietung  über  solche,  die  für  3—4  Minen  Tugend  beibringen 
^Hen;  und  dass  2.  Pialo  im  Gorgias  (519 cd)  höhnt,  dass  diese  trefflichen 
igeodmeister  nicht  einmal  den  ErMg  aufzuweisen  haben,  dass  ihre  Schüler 
>eo  den  ausbedungenen  Lohn  gutwillig  entrichten,  da  sie  oft  genöthigt  sind 
t  einzuklagen,  Isokrates  aber  (5—6)  das  spitzige  Argument  noch  weiter 
^\n  zuspitzt:  sie  setzen  selber  so  wenig  Vertrauen  in  die  Wirksamkeit  ihrer 
igendlehre,  dass  sie  für  das  Honorar  voraus  bei  Dritten  ein  Pfand  hinter- 
eo  lassen:  also  solchen,  die  nie  ihre  Tugendiehre  genossen  haben,  trauen 
noch  mehr  Bechllichkeit  zu  als  jenen,  denen  sie  doch  behaupten  sie  bei- 
bringen. 


394  P.  NATORP 

die  FixiruDg   des  Begriffs;    und    diese   bedeutet    Dicht   eine   Em 
Weiterung,    sondero    eioe    Verengung   des   bisherigen    Gebraucl^ 
Das  Wort  hatte  bis  dabin  einen  harmlosen  Sinn,  es  besagte:  Sta- 
dium zwecks  höherer  Bildung;  çiloaotpoç  ^^r  îeder,  der  sich  e^^ 
höhere  Bildung  ansueignen  beflissen  ist,  in  erster  Linie  der  Schalt) 
des  aoq)iaTrjç,  des  berufsmässigen  Bildungsmeisters.    So  ganz  UJir 
eben  bei  Isokrates  ($  14),  wo  q)iXoaoq)elv  =-  avyylyvea^ai  %(f 
aoq)ia%fj,  und  $  18  ol  q)ii.oaoq>ovvTeç  ungefähr:   die  Studioses. 
Aber  in  ähnlich  allgemeinem  Sinn  lobt  Sokrates  im  Protagoras  (335 dj 
die  q)iXoaoq)la,   d.  h.  Bildungsbeflissenheit  des  Kallias,  und  (oit 
leisem  Scherz,   wegen  der  Vorliebe  für  Sinnspruche)  die  der  La- 
konier  (342  a — e,  343  b;  zu  beachten  342  d  q>iloaoq>lav  xallo' 
yovg);  so  Kritias  die  des  jungen  Charmides  {Charm.  154e  cr.l53d)i 
und  dass  auch  frühere  oder  gleichzeitige  Redemeister  das  Studiun 
ihrer  Kunst  eine  ,Philosophie^  nannten,  hat  Suseroihl  (a.  0.  Â.  61) 
schon  gegen  Gercke  erinnert.    An  einen  anderen  Sinn  des  Wortes 
ist  in   der  Sophistenrede   eben   dann   nicht  zu  denken,  wenn  sie 
dem  Phaedrus  vorausging.    Freilich,  wenn  sie  ihm  nicht  nur  folgte, 
sondern   die  Antwort  auf  ihn  war,  so  konnte  sie  das  Wort  oickt    ; 
ebenso  harmlos  gebrauchen,  sie  musste  vielmehr  zu  den  hobereo    ! 
Forderungen,  die  es  für  Plato  nunmehr  einschloss,  Stellung  oebmeo, 
sie  anerkennen  oder  bestimmt  ablehnen.    Sie  thut  keins  von  beideo, 
sie  weiss  offenbar  von   diesen   höheren  Forderungen  nichts:  also 
wird  wohl  der  Phaedrus  nicht  vorangegangen  sein. 

Oder  will  Isokrates  mit  der  Betonung  seiner  q>ilooo(fiii 
(namentlich  §  11)  doch  etwas  besonderes  sagen?  Will  er  vielleicht 
auch  damit  bekräftigen,  dass  seine  Redelehre  nicht,  wie  die  tod 
Plato  im  Gorgias  gescholtene,  der  Gerichtspraxis  und  damit  sittlich 
etwa  bedenklichen  Tendenzen  dienstbar  sein  (19.  20),  sondero  vß 
naiôevaiç  (10  cf.  1)  und  zwar  auch  im  sittlichen  Sinne  {ifti' 
eUeia  21)  beitragen  will?  Aber  eben  dann  ist  der  Gebrauch  dieses 
Ausdrucks  eine  Wirkung  des  Gorgias,  eine  Anerkennung  Platos^ 
und  konnte  dieser  daran  nicht  nur  keinen  Anstoss  nehmen,  sondero 
darin  nur  einen  Beweis  mehr  sehen  sowohl  für  das  t^ô-oç  y^vn- 
Aioreçov  als  für  die  tig  (piXoaocpia  des  Hannes:  für  ein  ,BilduDgs- 
strebenS  ernst  genug,  um  vielleicht  noch  einmal  bis  zur  Stufe  der 
Wissenschaft  (denn  das  ist  das  Höhere,  was  Plato  im  Sinn  bat) 
sich  durchzuarbeiten.  Auch  in  dieser  Hinsicht  kann  weit  eher  der 
IMiaedrus  die  Antwort  auf  die  Sophistenrede   sein  als  umgekehrt. 


PLATOS  PilAEDRUS  395 

Im  übrigen  bleibt  meio  Hauptgrund  für  die  PrioriUt  der 
phistenrede:  dass  von  Isokrates  doch  irgend  etwas  vorliegen 
isste,  worauf  das  günstige  Urtheil  Piatos  sich  mit  einigem  Recht 
er  Schein  von  Recht  stützen  konnte.  Worauf  stützte  es  sich 
QO  nach  Gerckes  Annahme?  Darauf,  dass  Isokrates  sich  —  aber 
eD  das  war  zu  beweisen  I  —  im  persönlichen  Verkehr  für  Piatos 
iregungep  überaus  empßinglich  gezeigt,  nämlich  die  beträchtlichen 
ïrbesserungen  der  Redekunst,  welche  die  Sophislenrede  darlegt 
ià  welche  das  Unterscheidende  seiner  Schule  fortan  ausmachen, 
eiche  aber  gleichwohl  in  der  Grundidee  und  selbst  in  den  Einzel- 
iiteo  von  Plato  ursprünglich  gefunden  waren,  aufgenommen  und 
ch  zu  eigen  gemacht  hatte.  Kein  Wunder,  dass  Plato  für  einen 
Al  Jahre  älteren  und  noch  so  gelehrigen  Schüler,  der  durch 
im  zu  gründende  oder  kürzlich  eröffnete  Schule  zugleich  für  die 
iinige,  die  noch  in  den  Windeln  lag,  Propaganda  machen  konnte, 
&hr  eingenommen  war;  kein  Wunder,  dass  das  Programm  der 
«ueo  Rhetorik  von  Plato,  als  seinem  Schöpfer,  auch  zuerst  ent- 
iekeU  wurde,  natürlich  unter  kräftiger  Empfehlung  des  Isokrat0s, 
s  des  Berufenen,  dies  Programm  zu  verwirklichen,  als  des  Philo- 
^pheo  unter  den  Rhetoren.  Hätte  dieser  nur  geschwiegen,  er 
äre  der  Philosoph  geblieben.  Unglücklicherweise  aber  glaubte 
;  nachdem  doch  bereits  Plato  das  Programm  für  seine  (des  Iso- 
ates)  Schule  geschrieben  hatte,  es  selbst  nochmals  schreiben  zu 
Qsseo,  wobei  er  es  nur  verpfuschte.  Denn  wirklich  verstand  er 
ch  nicht  so  viel,  die  fremde  Idee  erträglich  aufzunehmen  und 
r  Ausführung  zu  bringen.  Von  da  ab  ist  es  mit  seinem  Philo- 
phenthum  natürlich  aus,  wie  es  denn  der  schwer  enttäuschte 
ato  ihm  im  Euthydem  unverblümt  anheimgiebt:  versprach  er  im 
laedrus  noch  den  Rhetor  und  Philosophen  zu  vereinigen,  so  wird 
m  jetzt  schwer  verdacht,  dass  er  beides  sein  will,  während  er 
der  That  als  Rhetor  nichts  rechtes  und  als  Philosoph  gar 
cbts  ist. 

So  etwa  nach  Gercke.  Ich  empfinde  bei  dieser  Combination, 
sser  dass  die  Grundannabme,  wie  gesagt,  unbewiesen  ist,  be- 
Oders den  Anstoss:  es  genügt  nicht,  dass  Plato  privatim  eine 
Dstige  Meinung  von  Isokrates  hegte,  um  den  über  40jährigen, 
r  noch  immer  nichts  Imponirendes  geleistet  hatte,  mit  solcher 
Ophase  der  ganzen  früheren  und  gleichzeitigen  Redekunst  gegen- 
»er  auf  den  Schild   beben  zu  dürfen.     Es  musste  irgend  etwas 


396  P.  NATORP 

auch  der  Oeiïentlichkeit  vorliegen,  was  eioer  solcheo  Hervorhebi^^ 
wenigstens  einen  Schatten  von  Berechtigung  lieh.  Nun  mag  dü^^ 
mit  Susennihl  annehmen,  dass  die  Gerichtsreden  des  Isokrates  ^et 
eines  gewissen  Ansehens  immerhin  erfreuten;  obwohl  man  bk 
dahin  glaubte,  dass  er  eben  wegen  des  ungenügenden  Erfolges  auf 
diesem  Gebiet  andere  Bahnen  aufgesucht  habe;  aber  jedenfalls  Platoi 
Urtheil  kann  sich  unmöglich  auf  diese,  es  kann  sich,  wie  auch 
Gercke  richtig  empGndet,  nur  auf  irgend  einen  Grad  von  Uebe^ 
einstimmung  mit  der  neuen  Richtung  stützen,  die  Plato  der  Rede- 
kunst im  Phaedrus  anweist;  anders  kann  das  Lob,  am  Schluss  des 
Phaedrus,  auf  dem  Gipfel  der  ganzen,  wirkungsvoll  sich  steigerndeo 
Darlegung,  nach  dem  letzten  ironischen  Gruss  an  Lysias,  unmOgUck 
aufgefasst  werden.  Seine  Richtung  aber  hat  Isokrates  nirgends 
anders  als  in  seinem  Programm,  der  Sophistenrede,  ausgesprocheo. 
Also  fragt  es  sich  nur  noch:  konnte  Plato  dies  Programm  im  all- 
gemeinen gutheissen  oder  nicht?  Diese  Frage  aber  ist  urkundlich 
beantwortet  eben  durch  den  Phaedrus,  der  alle  Plato  interessirendeo 
Punkte  dieses  Programmes  gleichfalls  betont,  nur  sie  durchweg 
vertieft  und  mit  neuen,  ungleich  ernsteren  Forderungen  überbietet. 
Isokrates  stellt  1.  der  Rhetorik  eine  erweiterte  Aufgabe  (20  iO'l 
vgl.  Phaedr.  261);  er  verspricht  2.  sie  in  den  Dienst  der  allgemeineD 
Bildung  zu  stellen  und  auf  sittlicher  Höhe  zu  halten  (s.  oben);  er 
bricht  3.,  wenigstens  anscheinend,  mit  den  morsch  gewordenen 
Traditionen  der  bisherigen  Redetechnik,  denselben,  welche,  our  viel 
radikaler,  der  Phaedrus  für  abgethan  erklärt;  er  betont  nameotlicb 
4.  die  Notb wendigkeit  einer  ordentlichen  Disposition  (16),  deren 
Abwesenheit  Plato  an  Lysias  ganz  besonders  zu  rügen  fand;  er 
nimmt  5.  einen  immerhin  nennenswerthen  Anlauf  zu  einer  all- 
gemein theoretischen  Begründung  der  Redekunst  auf  die  ao  sich 
un  verwerf  liehe,  genau  so  von  Plato  behauptete  Trias:  q)voiç,  i^' 
daxrj ,  aamfjGiç,  wobei  auf  das  psychologische  Moment  der  ge- 
eigneten Anlage  der  stärkste  Nachdruck  fällt.  Das  alles  konnte 
Plato  nicht  bloss  gelten  lassen,  sondern  er  musste  einen  acblbareo 
Forlschritl  darin  erkennen;  er  konnte  danach  auch  allgemein  to» 
isokrates  eine  günstige  Meinung  fassen,  vorausgesetzt  nameotlich, 
dass  er  zu  diesen  Verbesserungen  selbständig  gekommen  war.  Dies 
vorauszusetzen  hindert  aber  doch  nichts,  es  ist  vielmehr  die  bei 
weitem  natürlichere  Annahme,  zu  der  man  sich  um  so  lieber  eni- 
schliesst,  da  alsdann  der  Contrast  zwischen  dem  Urtheil  Piatos  fSb^ 


PLATOS  PÜAEDRUS  397 

krales  uod  dessen  wirklicheu  Leistungen  doch  etwas  weniger 
ireiend  wird.  Denn  das  lässt  sich  gerade  noch  ?erstehen,  dass 
ito  um  jener  an  sich  achtenswerthen,  obwohl  mit  wenig  Ahnung 
Q  wirklicher  Wissenschaft  erreichten  Fortschritte  willen,  die  dem 
)krates  selbständig  geglückt  waren,  ihm  auch  die  grössere  Auf- 
be  zu  stellen  wagte,  deren  Losung  freilich  ganz  ausser  den 
enzen  seiner  Begabung  lag:  die  einer  ernstlich  wissenschaft- 
:ben  Neubegründung  der  Darstellungskunst  auf  den  Grundlagen 
r  Dialektik  und  Psychologie.  Uebrigens  unterscheidet  Piatos  Lob 
»timmt  genug:  er  wird  1.  in  der  Redekunst,  wie  er  sie  jetzt 
itreibl,^)  es  sicher  den  anderen  weit  zuvorlhun,  was  gewisser- 
aassen  eingetroffen  ist;  2.  vielleicht  noch,  ftgoïovarjç  rfjç  f})ii' 
^aç,  darüber  hinaus  zur  wahren  Philosophie  durchdringen,^  was 
cht  eingetroiïen  ist  und  wozu,  genau  besehen,  auch  die  Sophisten- 


1)  ip  avrole  rols  Xoyois  oU  vvv  ènix^içdi  (wie  Gor^,  521  d  inixsiçalv 
■  ''^X^V  »betreiben*).  —  Susemihl  (a.  0.  S.  36)  glaubt  das  Jetzt*  dorchans 
f  den  fictiven  Zeitpunkt  des  Gespräches  beziehen  zu  müssen.  Mir  ist  nieht 
reifelbaft,  dass  der  damalige  Leser  es,  wenn  es  sich  um  eioe  Tagesfrage 
tdelte,  skrupellos  auf  die  Zeit  des  Erscheinens  der  Schrift  bezog.  Jedenfalls 
«r  halte  Plato  volle  Freiheit,  die  neue  Tendenz  der  isokrateischen  Rede- 
ttre  —  und  auf  die  Tendenz  bezieht  sich  das  Lob,  nicht  auf  einzelne  Reden, 
Mlorch  die  obige  Ueberselzung  sich  rechtfertigt  —  in  die  Zeit  des  Sokrales 
rockzudatiren,  weil  es  nur  so  möglich  war,  Sokrales  davon  sprechen  zu  lassen. 
iBe  solche  Freiheit  wären  sehr  zahlreiche  Stellen  bei  Flalo  unverständlich. 

2)  Ich  baue  weiter  nichts  darauf,  möchte  aber  gleichwohl  festhalten, 
SS  Plato  mit  dieser  Unterscheidung  Isokrales  in  höflichster  Form  zu  ver- 
üben geben  will:  so  löblich  auch  seine  Verbesserungen  in  der  Redekunst 
rigens  seien,  so  würde  es  doch  etwas  ganz  anderes  zu  bedeuten  haben, 
^OD  er  sich  bis  zur  Höhe  der  Wissenschaft  noch  erhöbe.  Er  muss  desshalb 
:bt  ernstlich  geglaubt  haben,  dass  Isokrales  dazu  die  ausreichende  Fähigkeit 
»tze  oder  überhaupt  Lust  verspüre;  er  spricht  durchaus  nur  conditional; 
r  ganze  Nachdruck  aber  fällt  auf  das  Sachliche:  dass  auch  die  im  Sinne 
s  Isokrales  verbesserte  Redekunst  weit  unter  der  reinen  Philosophie  bleibt; 
bes.  die  feierliche  Erklärung  273  e— 274  a,  die  doch  nicht  etwa  für  Iso- 
les nicht  gelten  soll.  Hai  Isokrales  eine  echte  und  zulängliche  philo- 
^bische  Begabung,  will  Plato  sagen,  so  muss  und  wird  er  sie  damit  be- 
ûeo,  dass  er  sich  zu  dem  ,Grösseren*  noch  aufschwingt.  Mit  diesem  Wort 
'f  er  schliessen,  weil  es  in  der  That  das  reife  Ergebniss  der  ganzen  Er- 
(mng  nochmals  kurz  zusainmenfasst.  Diese,  wie  mir  scheint,  durch  den 
lanimenhang  geforderte,  jedenfalls  aber  mögliche  Interpretation  empfiehlt 
1  dann  auch  dadurch,  dass  sie  die  Schwierigkeit,  die  in  dem  Lobe  der 
ilosophie*  des  Isokrales  Jedenfalls  liegt,  doch  auf  das  mindeste  Mass 
öckbringt. 

Heraes  XXXV.  26 


398  P.  NATORP 

rede  keine  Aussicht  gab.   Wie  dagegen  Plato  dazu  bStte  komsüoi^^ 
können,  von  dem  Manne  so  hohe  Erwartungen  zu  hegen  und   aji 
solcher  Zuversicht  Oiïentlich  auszusprechen,  wenn  er  auch  nie^/ 
einmal  jenes  massige  Verdienst  aufzuweisen  hatte,  entzieht  «ücft 
meinem  Verständniss. 

Darfle   hierdurch   die   Priorität   der  Sophistenrede   vor  dem 
Phaedrus  gesichert  sein,  so  wird  man  aber  wohl  nicht  darGber  im 
Zweifel  sein ,  dass  dieselben  Argumente  zwingen  im  Phaedrus  die 
unmittelbare  Antwort  auf  die  Sophistenrede  zu  erkennen,  und  also  i 
ihn  dieser  zeitlich  möglichst  nahe  zu  rücken.     Dazu  kommt,  das 
das  Lob   der  ,Philosophie'  des  Isokrates  in  irgend  einem  spätereo 
Zeitpunkt  unmöglich  ist,  um  so  unmöglicher,  je  weiter  mao  die 
Schrift  von  diesem  Zeitpunkt  abrückt.     Denn  nicht  nur  ISsst  keine 
der    späteren   Schriften    des  Rhetors    dies  Lob    etwa  begründeter 
erscheinen,   und   wäre  es  überhaupt  absurd  gewesen  bei  dem  al- 
ternden Manne  noch  eine  Umkehr  auch  nur  als  möglich  ins  Auge 
zu  fassen ,   sondern   es  muss  nach  allen  vorliegenden  Spuren  (fe 
feindliche  Spannung  zwischen  beiden  Männern  frühzeitig  eingetrelei 
sein  und  die  Kluft  sich  dann  nur  immer  mehr  vertieft  haben.  Das 
würde  entscheiden,  selbst  ohne  das  Urtheil  über  den  Ungenaonteo 
im  Euthydem.    Bezieht  sich  aber  dieses,  wie  ich  nicht  zweifle,  auf 
Isokrates ,   so   ist  es  vollends  ausgeschlossen ,  dass  derselbe  Plato» 
der  den  Rhetor  hier  so  genau  als  das  schätzt,  was  er  ist  (306 c)i 
sich  von  dessen  späteren  Leistungen  derart  habe  imponireo  lassea, 
zugleich    gegen    seine   fortgesetzte  verständnisslose   und   neidisdie 
Mäkelei  gegen  ihn  in  solchem  Grade  unempfindlich  geblieben  sti, 
dass    er    ein   Lob   wie    das   im  Phaedrus  ausgesprochene  sieb  iß 
irgend  einem  späteren  Zeitpunkte  hätte  abgewinnen  können.  Viel- 
mehr scheint  auch  das  bescheidene  Prädikat,  das  von  der  %\ç  (pû^ 
aocpia   im  Euthydem   zurückgeblieben   ist  {Ixofjievov  q^QoriiOtfii 
ngâyfia    306  c),    noch    zurückgenommen   zu   werden  Rep.  496a 
oiôiv    .  .  .    cpQOvr^aewç   à).rj^ivrjç   ixcfievov.     Als   letzte  Nott 
hülfe   bleibt  somit   dem,   der  die  spätere  Abfassung  des  Phaedro» 
erzwingen  will,  übrig,  das  Urlheil  im  Euthydem  auf  einen  Ändere» 
zu  beziehen.    Allein  es  müsste  sozusagen  nicht  mit  rechten  Dios^ 
zugehn,   wenn    ein  Anderer   gemeint   wäre.    Alles  trifft  genau  auf 
Isokrates   zu/)   und  dabei  muss  es  sich,   nach  dem  Wortlaut,  ^ 

1)  Vielleichl  wendet  jemand  ein,   gerade  das  Eine  treffe  nicht  lu,  **" 
«iurcti  der  Gemeinte  am  bestimmtesten  charakterisirt  werde:  dass  er  too  ^^ 


PLATOS  PHAEDRUS  399 

nen  ganz  bekannten,  um  einen  Mann  solchen  Ranges  handeln, 
ISS  er,  ohne  eine  so  ernste  und  eingehende  Zurechtweisung,  wie 
lato  sie  für  nOthig  hält,  zur  Lächerlichkeit  zu  machen,  den  An- 
pnich  erheben  konnte,  der  erste  zu  sein,  sobald  es  ihm  ge- 
ilDge,  die  Philosophen,  d.  b.  ausser  Antisthenes  ?or  allen  Plato, 
0  den  Schatten  zu  stellen  (305  c — d).  Das  passt  so  sehr  auf  Iso- 
krates,  dass  man  getrost  behaupten  darf:  sofern  dieser  damals  lebte, 
musste  man  es  auf  ihn  deuten.  Also  wird  es  auch  auf  ihn  ge- 
mOnzt  sein. 

Nach  dem  allen  halte  ich  die  Datirung  des  Phaedrus  auf  392 
bis  390  insoweit  ftlr  verbindlich,  dass  man  versuchen  muss  mit 
ihr  auszukommen,  bis  etwa  eine  klare  Unmöglichkeit  dabei  sich 
herausstellt. 

3.  Für  denselben  Termin   habe  ich   frtlher  geltend  gemacht 

ErbÜkern  gesprochen  habe  als  neçl  ov9evos  aiitov  âva^iav  ixnovSrjv  noi- 
9tfUptûv  —  ovxaal  ydçt  na>s  xai  eîna  roïe  ovofiaai  (Euih.  304  e).  Es  wird 
vielleicht  das  Verlangea  gestellt  werden,  dass  man  die  Stelle  bei  Isokrates 
Diehweise,  wo  wörtlich  so  über  die  Erisliker  geartheilt  werde.  Das  Verlangen 
vire  unbillig,  denn  es  scheint  sich  um  eine  mündlich  kolportirte  Aeasserung 
kq  handeln.  Zum  Ueberfluss  aber  sagt  Isokrates  in  der  Helena  dem  Sinn 
»ich  dasselbe,  und  auch  ungefähr  —  nmi  —  in  denselben  Worten,  nur  nicht 
gende  an  einer  einzelnen  Stelle,  sondern  durch  das  ganze  Proôm  verstreut. 
IKe  Gegenstände,  mit  denen  die  Eristiker  sich  abgeben,  sind  durchaus  nichtig, 
Vertblos:  oîdèv  cotpeXotaas  (l),  àxç^i^'^o'^'i  /uijdèv  n^os  jov  ßiov  eoipeXovaiv 
[S))  ftf}8i  nçce  iv  XÇ^^^M^^  (6),  fpavXœv  xai  raneivtuv  (13);  sie  steigen  auf 
Ho  Gebiet  herab,  ol  /ii^8eiç  av  aXXos  aiicâaeiav  (10),  und  es  ist  nicht 
^loerlei  iSitos  eineXv  nsçl  énaréçtov^  über  jene  nichtigen  und  über  erspriess- 
Ichere  Themata  (13);  letzteres  ist  so  viel  schwerer  oaqf  ntQ  to  CBfivxvaad'ai 
^  üHojnjBiv  xai  TO  anovSa^eiv  tov  nai^eiv  (11),  Jenes  sind  Narreos- 
POsscD,  TiQÔ'çiia  (4)  U.S.W.  Plato  konnte  am  Ende,  selbst  wenn  er  etwa 
(ende  das  Helena- Proöm  im  Auge  hatte,  den  so  immer  gleichsinnig  wieder- 
holten Tadel  in  jene  knappe,  zugleich  die  isokraleische  Worlliftelei  parodirende 
Formel  zusammenfassen,  und  fingiren,  dass  diese  dem  Sokrates  mündlich  hinter- 
>ncbt  worden  sei.  Jedenfalls  aber  ist  das  in  dieser  Formel  ausgedrückte 
^rtheil  über  die  ,Eristiker*  mit  dem  in  der  Helena  von  Isokrates  ausgesprochenen 
'er  Sache  nach  identisch  und  selbst  in  den  Worten  ähnlich  gefasst.  Und  diese 
'Nogie  ist  um  so  beweisender,  da  überhaupt  die  ganze  Charakteristik  des 
^  Benrtheilten  (Antisthenes)  im  Euthydem  mit  der  von  Isokrates  in  den 
^iden  Proömien  der  Sophistenrede  und  der  Helena  gelieferten  bis  in  Einzel- 
-iten  selbst  des  Ausdruckes  übereinstimmt.  Wolle  man  doch  die  (Philol.  N. 
II  616  Anm.  64  zusammengestellten)  Parallelen  sich  vergegenwärtigen,  und 
'h  wohl  überlegen,  ob  man  es  auf  sich  nehmen  will,  diese  ganze  Fülle  von 
'bereinstimmungen  für  zufällig  zu  erklären. 

26* 


400  P.  NATORP 

die  nahen  Beziehungen  zwischen  dem  Phaedrus  und  dem  Gorgias 
Pialos  (Philol.  a.  0.  429  f.  431.  444—449.  594—596  f.,  vgl.  Arch. 
II  397).  Die  Themata,  die  Grundabsichten  beider  Schrifleo  er- 
gänzen sich;  der  zweite,  entwickelnde  Theil  des  Phaedrus  koOpÜ 
an  den  Gorgias  Punkt  für  Punkt  an,  um  aber  in  jedem  eiozelneo 
Stück  ergänzend  und  berichtigend  über  ihn  hinauszugebn.  Ad  sich 
ist  nun  zwar  ein  Zurückgreifen  auf  eine  so  naobbaltig  wiriiuoie 
Schrift  wie  den  Gorgias  auch  in  späterer  Zeit  denkbar;  aber  un- 
gleich wahrscheinlicher  ist,  alles  in  allem,  die  baldige  Wieder- 
aufnahme des  Themas:  Werth  der  Redekunst  Macht  dagegen 
Gercke  (in  der  werthvollen  Einleitung  seiner  Ausgabe  des  Gorgias 
1897  S.  XXXVIII)  Ton  neuem  den  Stimmungsunterschied  beider 
Schriften  geltend,  so  möchte  dem ,  was  darüber  Philol.  a.  0.  449 
gesagt  ist,  nur  hinzuzusetzen  sein:  an  welcher  Stelle  mao  auch 
den  Phaedrus,  das  Gastmahl,  den  Euthydem  einschieben  mag,  stels 
werden  diese  sonnigeren  Schriften  unmittelbar  neben  solchen  voa 
düsterstem  Ernst  stehen.  Plato  selbst  war  der  Ansicht,  dass  der 
echte  Tragiker  allein  auch  im  Stande  sei  Komödien  zu  dichtes 
(Conv.  223  d),  was  man  mit  Recht  auf  das  Verhältniss  des  Gast- 
mahls zum  Phaedo  deutet;  und  die  Erfahrung  aller  Zeilen  be 
stätigt,  dass  solche,  die  beides  vermochten,  zu  beidem  auch  in  ge 
ringem  Zeitabstand  fähig  waren.  Gaben  sie  sich  einmal  für  PoeleOt 
so  commandirten  sie  die  Poesie.  Plato  ist  Dichter  genug,  dass 
man  ihm  ein  gleiches  zutrauen  darf. 

Uebrigens  reicht,  um  die  veränderte  Stimmung  im  Phaedrus 
zu  erklären,  die  einzige,  doch  wohl  nicht  zu  gewagte  Vorausselzoog 
hin,  dass  eine  so  wuchtige  Schrift  wie  der  Gorgias  ihren  Eindruck 
nicht  verfehlt  hatte;  dass  die  bösartigen  Angriffe  auf  Plato,  weiche 
die  Schrift  voraussetzt  und  denen  sie  so  mannhaft  zu  aotwortea 
weiss,  in  der  OlTentlichen  Meinung  keinen  ernstlichen*  RQckhait 
mehr  fanden;  dass  die  rabulistische  Rhetorik,  der  sie  so  unbanO' 
herzig  die  Maske  vom  Gesicht  reisst,  in  den  Kreisen  der  feinereo 
Bildung  entschiedener  missbiiligt  wurde;  dass  die  bildungsbegierig^ 
vornehme  Jugend  sich  um  Plato  zu  schaaren  begann,  und  ersOt 
wenn  auch  keine  unangefochtene,  doch  auch  keine  schutzlose  oa<i 
verachtete  Stellung  mehr  in  der  Stadt  einnahm.  Auf  eine  solch« 
Wendung  aher  erlaubt  einen  völlig  sicheren  Schluss  die  Sophisief' 
rede  des  Isokrates;  und  es  begreift  sich  um  so  mehr  der  wariB« 
Ton  der  Aulwori  auf  diese  im  Phaedrus,  wenn  Plato,  einer  rich- 


PLATOS  PIIAEDRÜS  401 

en  EmpGuduDg  nur  etwas  sanguiaischer  nachgebeod,  darin  den 
DZ  aufrichligen  Ausdruck  einer  befreundeten  Haltung  gegen  ihn 
ti,  während  Isokrates  wirklich  nur,  wie  er  zu  thun  pflegte,  den 
aotel  nach  dera  Winde  der  öffentlichen  Meinung  hängte.  Es 
(greift  sich  ebenfalls,  dass  Plato  nun  auch  sich  bereit  ßnden 
iss,  ohne  sachliches  Zurückweichen,  doch  unnötige  Schroffheiten 
ioes  Üorgias  fornnell  zu  mildern.  In  drei  Punkten  ist  dies  ge- 
Men:  die  Redekunst  wird  nicht  mehr  in  Bausch  und  Bogen 
irurlbeilt,  sondern  unter  bestimmten,  freilich  bisher  unerfüllten 
od  überhaupt  schwer  erfüllbaren  Bedingungen  anerkannt;  über 
erikles  —  als  Redner,  nicht  als  Staatsmann  —  wird  ein  Urtheil 
(filllt,  das  bei  einiger  Ironie  doch  auch  einen  Grad  aufrichtiger 
oerkennung  einschliesst  ;  und  die  tragische  Dichtung  wird  jetzt 
I  weniger  wegwerfendem  Tone  behandelt.  In  allen  drei  Fällen 
eruhten  die  schroffen  Verdicte  des  Gorgias  auf  dem  einseitig  mo- 
ilischen  Standpunkt  der  Beurtheilung.  In  dieser  Beziehung  ßndet 
lato  im  Phaedrus  nichts  zurückzunehmen;  dagegen  kann  er  ohne 
elbslwiderspruch  erklären,  dass,  sofern  vom  Moralischen  abgesehen 
ird  und  nur  von  der  Darstellung  als  solcher  geurtheilt  werden 
ill,  er  gegen  den  Werth  einer  tüchtigen  rednerischen  und  dichte- 
schen Technik  und  gegen  die  Höhe  der  Bildung  und  Redegabe 
Des  Perikles  sich  nicht  verschliesst.  Das  ist  eine  nachträgliche 
erwahrung  ähnlicher  Art,  wie  er  sie  selbst  seiner  herbsten  Ver- 
Iheilung  der  Dichtkunst  im  10.  Buche  des  Staates  hinzuzufügen 
T  richtig  gehalten  hat:  damit  man  ihn  nicht  der  axJirjçoTTjç  und 
Yçoixla  beschuldigen  könne  {Rep,  607  b).  Ganz  so  antwortet  der 
Inedrus,  und  zwar  übereinstimmend  in  allen  drei  Fällen,  auf  den 
t>rwurf  der  aygoixla  (s.  Philol.  a.  0.  446  f.,  bes.  Anm.  47).  Nur, 
Urend  er  im  Staat  beide  Seiten  der  Sache  in  einem  Zusammen- 
iDg  behandelt^  die  Anerkennung  eine  sehr  viel  subjectivere  Färbung 
It,  und  das  ganze  Gewicht  nur  desto  mehr  auf  das  verwerfende 
idurtheil  fôllt,  lässt  er  im  Gorgias  schroff  nur  die  eine,  im 
taedrus,  doch  in  deutlichem  Rückblick  auf  den  Gorgias,  auch 
5  andere  Seite,  und  zwar  diesmal  in  voller  objectiver  Würdigung, 
Worte  kommen,  wie  es  durch  die  allgemein  verschiedene  Ab- 
ht  beider  Schriften  klar  motivirt  ist. 

Was  nun  die  Abfassuogszeit  des  Gorgias  betrifft,  so  dürfte  als 
minus  ante  quem  die  Sophislenrede  im  obigen  erwiesen  sein, 
îiler  kommt   in    Frage  die   mögliche  Beziehung   zwischen   denv 


402  P.  NATORP 

Gorgias  und  des  Polykrates  Anklagerede  gegen  Sokrates.  Ger^jf^ 
(in  der  Ausg.  des  Gorgias  S.  XLVU)  glaubte  im  Gorgias  polemisc^^ 
BezugDabme  auf  Polykrates  zu  erkennen  ;  indessen  hat  t.  Wilamo- 
witz  die  umgekehrte  Beziehung  sehr  viel  wahrscheinlicher  gemadif 
und  gefolgert,  dass  der  Gorgias  vor  393  geschriet^en  sein  mflsse. 
Uebrigens  liegt  es  dann  um  so  näher,  bei  den  wiederholten  und 
nacbdracklichen  Erörterungen  über  den  Unwerth  der  BefestigHDgs- 
werke  im  Gorgias  (517 — 519)  an  den  in  der  Bede  des  Polykrates 
direkt  erwähnten  Wiederaufbau  der  ,langen  Mauern^  zu  denken; 
man  beachte  besonders,  dass  (517  a — c)  die  Leistungen  der  gegen- 
wärtigen Staatsmänner  in  dieser  Hinsicht  mit  denen  der  früheren 
verglichen  werden.  Darum  kann  übrigens  der  Gorgias  doch  schon  394 
geschrieben  sein,  da,  wie  Immisch  (a.  0.  616  A.  1)  aus  Inschriflen 
schliesst,  der  393  vollendete  Mauerbau  schon  ein  Jahr  früher  im 
Werk  war.  Demnach  dürfte  die  Bede  des  Polykrates  393,  die 
Sophistenrede,  die  den  noch  frischen  Eindruck  des  Gorgias  e^ 
kennen  lässt,  schwerlich  später  als  392,  und  der  Phaedrus  nor 
wenig  später  verfasst  sein. 

4.  Was  nun  endlich  den  philosophischen  Inhalt  des  Dialoges 
betrifft,  ist  an  erster  Stelle  hervorluheben  seine  formelle  Haltung 
in  den  philosophischen  Fragen,  sein  Programmcharakter.  Weicht 
schon  der  Gorgias,  wie  Gerckes  Einleitung  in  dankenswertber  E^ 
gänzung  meiner  früheren  Bemerkungen  nachweist,  von  der  Haltuof 
der  eigentlich  sokratisirenden  Schriften  Piatos  darin  auffallend  ab, 
dass  er,  statt  wie  jene  nach  vielseitiger  Untersuchung  beim  Ge- 
ständniss  des  Nichtwissens  stehen  zu  bleiben,  eine  stattliche  Reibe 
von  Sätzen,  als  Kernsätze  einer  wissenschaftlichen  Ethik,  M^ 
eisernen  und  stählernen  Gründen^  festlegt,  die  entgegengesetzteo 
Thesen  aber,  nachdem  sie  sich  erst  mit  voller  Wucht  und  in  ihrem 
verführendslen  Schein  haben  aussprecl>en  dürfen,  durch  eine  desto 
unwiderstehlicher  bis  zur  Wurzel  des  Irrthums  dringende  Kritik 
vernichtet,  so  scheint  der  Phaedrus  diese  schon  ganz  unsokratiscbe 
Positivität  nur  noch  überbieten  zu  wollen.  Die  Selbstgewissbeit 
nimmt  hier  beinahe  einen  Plato  sonst  fremden  Zug  von  Dogm)' 
tismus  an.  Beweis  und  Wissenschaft  wird  gefordert,  aber  der 
Dialog  seihst  erarbeitet  die  behaupteten  Sätze  nicht,  sondern  spricbl 
sie  als  feslslchende  Ueherzeugungen  nur  einfach  aus,  widerleg 
nicht  die  cDtgegenslehenden,  sondern  weist  sie  vom  eigenen  Slafl^l' 
puukt,  als  ob  dieser  jeder  Anfechtung  entzogen  sei,  kurz  und  so- 


PLATOS  PHAEDRUS  403 

zh  entschiedeD,  beinahe  ungeduldig  ab.  Wie  soll  mau  diese  bei 
.0  sonst  beispiellose  Art  des  Vorgehens  sich  erklären?  Das 
hsüiegende  wäre,  die  Beweise  wenigstens  für  die  Grundlhesen 
vorausgegangenen  Schriften  zu  suchen.  Aber  nicht  nur  findet 
i  im  Phaedrus  nirgendwo  ein  Hinweis  auf  frOher  Bewiesenes, 

etwa  im  Phaedo  (72  e,  100  b)  und  SUat  (507  a,  611b  u.  0.), 
idem   der  ganze  Ton   namentlich  der  dritten  Rede,   die  gleich 

ganzes  Follhorn  philosophischer  Thesen  ausschüttet,  ist  der  der 
tmaligen  Enthüllung  bisher  nicht  ausgesprochener,  und  zwar 
hr  intuitiv  geschauter  als  rational  erarbeiteter,  persönlicher 
berzeugungen.  Die  ganze  «Beweisführung^  wird  eingeführt  als 
foîç  (àïv  aTtiOToç,  Goq)oîç  âè  matri  (245  c),  während  es  doch 

feststehender,  sogar  im  Phaedrus  selbst  (277  c,  e)  vorkommen- 

Satz  Piatos  ist,  dass  nloxig  nicht  ôiôaxri  ist.  Die  Grundlehre 
I  den  Ideen  aber  führt  sich  ein  mit  dem  merkwürdigen  Wort 
7  c):  ,Den  überhimmlischen  Ort  hat  noch  keiner  der  Dichter 
oieden  besungen,  noch  wird  ihn  je  einer  besingen  nach  Würdig- 
t;  es  verhält  sich  aber  damit  so  —  man  muss  doch  einmal 
gen,  was  wahr  ist,  zu  sagen,  zumal  es  sich  um  die 
ihrheit  handelte  Es  gehört  Voreingenommenheit  dazu,  aus 
Mr  Parenthese  etwas  anderes  herauszulesen,  als  dass  die  so  ein- 
Qhrte  Lehre  bis  dahin  noch  nicht,  oder,  um  das  äusserste  zuzu- 
tehen,  nicht  geradezu  von  Plato  ausgesprochen  worden  war. 
m  aber  kann  schon  der  Phaedo,  der  diese  Lehre  nicht  nur 
%  eingehendste  erörtert,  sondern  von  Anfang  an  als  in  den 
mdzügen  bekannt  voraussetzt  und  (an  der  zweiten  der  oben 
lannten  Stellen)  vielmehr  seinerseits  sich  auf  frühere  Darlegungen 
Qber  bezieht,  dem  Phaedrus  unmöglich  vorausgegangen  sein; 
selbe  gilt  vom  Gastmahl,  wo  der  ,überhimmlische  Ort^  wahrlich 
tlicher  von  Diotima  beschrieben  und  in  reineren  Akkorden  he- 
gen wird;  es  gilt  vollends  vom  Staat;  ja  auf  den  Cratylus  wird 
1  den  Schluss  ausdehnen  müssen,  wo  dieselbe  Grundlehre  zwar 
z,  aber  in  schlichter,  alles  Dichterischen  entkleideter,  die  Haupt- 
ikle  knapp  zusammenfassender  Formulirung,  und  wiederum  nicht 
gänzlich  neu,  sondern  als  etwas,  das  ihm  ,oft  wie  im  Traume 
Mïhwebe^  von  Sokrales  entwickelt  wird  (439  e).  Ich  kenne 
\t  Auslegung  jener  Worte,  die  es  ermöglichte,  dieser  Folgerung 
annehmbare  Weise  zu  entgehen.  Man  könnte  etwa  sagen:  es 
i  doch  Sokrates;  es  werde  also  nur  fingirt,  dass  dieser  die  wie 


404  P.  NATORP 

io  einer  Visioo  vorausgeschaute  platonische  Ideenlehre  jetzt  erstiCKje^ 
verktlndige;  an  andere  platonische  Darlegungen  zu  denken  sei  ^Jso 
keine  Veranlassung.    Allein  tlberhaupt  nirgends  spricht  Plato  in  dm 
Grade  persönlich  und  verwendet  er  die  Maske  des  Sokrates  mit  st^ 
unerhörter  Freiheit  wie  im  Pliaedrus;  die  Illusion,  dass  man  Soknles 
und  nicht  Plato  reden  höre,  kann  Oberhaupt  kaum  aufkommen,  so 
unsokratisch  ist  hier  alles  und  jedes;  man  kann  nur  annehmeOf 
dass  eine  solche  Illusion  gar  nicht  beabsichtigt  ist.     Das  ,Wagoiss* 
der  Aussprache  hat  keinen  Sinn,  wenn  Plato  bereits  in  einer  Reibe 
früherer  Schriften  den  Sokrates  —  als  ob  das  zu  seinen  taglicben 
Gewohnheiten   gehört  hatte  —  von  der  Ideenlehre  hatte  sprechen 
lassen.    Oder  man  könnte  versuchen,  die  emphatische  AnkflndiguDg 
von   etwas   unerhört  Neuem  auf  das  Dichterische  der  Einkleidung 
zu   beziehen  ;  aber  zu  bestimmt  wird   das  Aussprechen   der  frag- 
lichen ,Wahrheit'  selbst  als  das  Wagniss  bezeichnet. 

Können  also  die  Beweise  der  neuen  Thesen  auch  nicht  in 
früheren  Schriften  Pialos  gesucht  werden ,  weichen  Sinu  bat  das 
beweislose  Hinstellen  dieser  Thesen  im  Phaedrus?  Durch  die  Fic- 
tion der  Eingebung,  der  enlhusiastischeu  Vision,  denke  ich,  sichert 
sich  Plato  das  Recht,  für  diesmal,  ohne  wirkliche  Untersuchung 
oder  wissenschaftlichen  Beweis  {avev  àyaxgiaewç  xal  dtèaxïiÇt 
sagt  er  selbst  277  e)  seine  subjective  Ueberzeugung  nur  eindrioglicb 
überredend  vorzutragen.  So  trifft  der  Vorwurf  des  Dogmatimus 
ihn  eigentlich  nicht:  er  wird  mit  Untersuchung  und  Beweis  nicht 
zurückhalten,  nur  hier  soll  man  sie  nicht  suchen,  denn  es  ent- 
spricht nicht  der  Absicht  gerade  dieser  Schrift,  die  von 
der  Darstellung,  nicht  vom  Finden  der  Wahrheit  handelt,  aber 
doch  sie  voraussetzen  muss,  um  von  ihrer  Darstellung  deutlich 
reden  und  ein  ,Paradigma'  geben  zu  können.  Auch  die  (über- 
treibende) Verurlheilung  aller  schriftlichen  Darstellung  philoso- 
phischer Lehre  und  der  Hinweis  auf  die  jahrelange  geduldige  Arbeit 
im  philosophischen  Seminar  der  Akademie  dient  mit  dazu,  ihn  vor 
sich  selbst  und  dem  Leser  zu  entschuldigen  wegen  der  nur  wie 
zum  festlichen  Gepränge  (276b)  ausgestellten,  nicht  zum  wahren 
Fortschrill  der  Wissenschaft  dialektisch  entwickelten  Philosophen«' 

Demnach  dürfte  Schleiermacher  insoweit  Recht  behalteD,  dass 
man  im  Piiaedrus  ein  Programm  der  platonischen  Philosophie 
—  auch  in  diesem  inhalllichen  Sinne  eine  ,Epideixis*  —  nicht 
aber  eine  solclie  Darlegimg  zu  sehen  hat,    die  auch  nur  über  é\t 


PLATOS  PHAEDRÜS  405 

itraleo  Frageo  der  Philosophie  etwas  ausgemacht  haben  wilL 
ch  folgerte  er  viel  zu  rasch,  dass  die  Schrift  desshalb  im  ersten 
ifang  der  platouischeo  Schriftstellerthatigkeit  gedacht  werden 
Isse.  Sie  steht  gleichwohl  au  einem  Anfang,  nämUch  am  Anfang^ 
8  Plato  ganz  eigenthümlichen ,  tiber  Sokrates  frei  hinausschrei- 
ndeo  Philosophirens.  Denn  auch  der  Meno  und  Gorgias  barg 
luptsächlich  den  Gewinn,  den  Plato  aus  der  Sokratik  zog,  wenn 
ich  schon  in  einer  über  Sokrates  hinausgehenden  Positivität. 
eide  verlassen  der  Materie  nach  den  Problemkreis  der  Sokratik 
icht.  Nur  wird  im  Meno  die  erste  eigenthümlich  platonische  Lehre^ 
le  TOD  der  Anamnesis,  episodisch  eingeflochten  und  werden,  ge- 
rânoissvolier  noch,  weitere  damit  zusammenhängende  platonische 
ehren  dort  und  im  Gorgias  als  ,Mysterien^  für  «Eingeweihte^  — 
so  recht  «zur  Erinnerung  schon  Wissender*  {Phatdr.  278  a)  an- 
HJeutet  (vgl.  Arch.  II  407  iï.).  Erfolgt  nun  die  offene  Darlegung 
erselben  eigenthümlich  platonischen  Lehren  im  Phaedrus  in  Form 
Der  wie  aus  höherer  Eingebung  in  einem  enthusiastischen  Moment 
Bwagten  Enthüllung  eines  Mysteriums^  so  ist  es  für  den,  der  Piatos 
UDst  in  diesen  Dingen  zu  beachten  gewohnt  ist,  kaum  noch  eine 
cblu88folgerung,  sondern  ein  Datum,  dass  hier  eben  das  zum 
rsten  Mal  enthüllt  wird,  was  er  im  Menu  und  Gorgias  sich  noch 
icht  zu  enthüllen  getraute.  Denn  in  allen  sonst  vergleichbaren 
chriften  sind  diese  Lehren  durchaus  keine  Geheimnisse  mehr, 
modern  in  der  Hauptsache  bekannt  und  längst  Gegenstand  auch 
fentlicher  Discussion. 

Immerhin  würde  ich  auf  dies  formale  Argument  weniger  bauen, 
eoD  es  sich  nicht  auch  im  einzelnen  bestätigte,  dass  die  fraglichen 
ehren  selbst,  überhaupt  der  ganze  Bestand  der  philosophischen 
ehre  im  Phaedrus,  soweit  sie  über  das  Sokratische  hinausgeht, 
>  einer  Gestalt  vorliegt,  die  dem  gedachten  Stadiuoa  genau  ent- 
^richt,  nämlich  in  der  Unfertigkeit  der  ersten  Conception,  nicht 
jener  Reife  wissenschaftlicher  Durcharbeitung,  die  erst  das  Er- 
•boiss  langer  und  tiefgründiger,  in  späteren  Schriften,  zunächst 
^eaetet  und  Phaedo  niedergelegter  Untersuchungen  ist.  Wir  kommen 
tnit  zu  dem  sachlich  wichtigsten,  die  innere  Geschichte  der  pla- 
Dischen  Philosophie  betreffenden  Theile  dieser  Untersuchung. 

5.  Der  oberste  Gesichtspunkt  der  platonischen  Philosophie  ist 
t  der  Methode  (zuerst  if  en.  74  d  /deriévat  %ov  Xoyov,  Ein- 
uog  am  Beispiel  75  a,  77  b,  79  a.     So  Phaedr.  270  d— e  fiiao- 


406  P.  NATORP 

âoçy  fixvfi  fi€t lirai,  und  oft  in  alleo  Hauptschrillten).  Der  i^«^/. 
geschichtliche  Name  der  von  Plato  eotdeckten  Methode  aber:  I>/j. 
lektik,  wird  im  Phaedrus  deutlich  als  neu  eingerobri;  266b, 
nach  Beschreibung  der  beiden  Grundbestandlheile  des  Verfahrens, 
Gvvaywyij  und  ôialçeaiç,  heisst  es  weiter:  xal  fiéwoi  xal  mg 
ôvvafÀévovç  %ov%o  âçàv  ei  fikv  oç&wç  iq  fA^  ngoaayoçmi, 
^eog  oläe,  xakw  ôè  ovv  (JtixQi  %ovôb  dtaAcxTixot;^,  worauf 
die  Antwort  erfolgt:  aXXa  rovzo  ^kv  to  eîâoç  ogâwç  ïnoifB 
âoxêîç  xaleiv,  âiaXextixov  xakwy,  dann  276e%^  dialexTitfj 
'^^X^î]  XQ^f^^^^Ç'  ^^  ^^^  Schriften  der  FrOhzeit  werden  iwar 
vielseitig  genug  die  Regeln  des  âialiyea&ai,  als  des  eigenthümlicb 
sokratischen  Verfahrens,  erörtert,  aber  keinmal  erscheint  das  Ad- 
jectivum  diaXêxtixoç^  nur  einmal  das  Adverbium  dialextixtke^uf 
(Men.  75  d,  Gegensatz:  el  fiév  ye  %wv  aoq)wv  %ig  eïrj  xal  Içioti- 
xwv  re  xai  àywpiarixdiv,  cf.  Theaet.  164  c,  167e),  womit  oichU 
weiter  als  die  nothwendige  Rücksicht  auf  die  freie  Beistimoiuig 
des  Anderen  in  der  Unterredung  bezeichnet  wird.  Im  Pbaedras 
ist  die  ,Dialektik^  bereits  die  feststehende  Schule  des  Philosopbeo; 
die  Schulung  in  der  Dialektik  ist  die  tcoXX^  nçayiiatela  273 e 
(wie  The.  161  e  i^  %ov  ôiaXéyea&ai  ncayfiatela),  oder  es  ist  die 
/Aaxçà  neçlodoç  Phaedr.27Aa;  Ausdrücke,  die  bestimmt  auf  die 
Curse  der  platonischen  Schule  gedeutet  werden  dürfen.  Auch  auf 
ältere  Muster  des  Verfahrens  scheint  266  b  hingedeutet  zu  werdeo 
(iày  %é  %iv^  akloy  '^yi^awfiai  dvvarov  xtX.),  Dabei  kann  wobl 
nur  an  Zeno  gedacht  werden,  der  von  Aristoteles  direct  als  Urheber 
der  Dialektik  genannt  wird  und  in  gleicher  Rolle  bei  Plato  im 
Parmenides  auftritt;  um  so  bedeutungsvoller  erscheint  die  Erwüb- 
nung  des  ,eleatischen  Palamedes'  Phaedr.  261  d. 

Nur  wer  des  dialektischen  Verfahrens  mächtig  ist,  wird  aber 
fortan  gewürdigt  Philosoph  zu  heissen  (278  d),  welche  Beoeo- 
nung  damit  endgültig  ihrer  bisherigen  Unbestimmtheit  eothobeo 
wird.  Zwar  für  die  zweite  Rede  reicht  noch  die  alte  BedeuUiog 
aus:  ^  x^ela  cpdoooq}la  239  b  sagt  nicht  mehr  als  ipvx^ç  noi- 
öevoiv  241  c.  Enthusiaslisch  dagegen  wird  die  Philosophie,  zweifel- 
los in  dem  nachher  ûxirten  prägnanten  Sinn,  in  der  dritten  Rede 
(248  iï.)  gepriesen.  Zu  beachten  ist  die  einfache  Gleichsetzung des 
Begriffsverfahrens  {^wièvai  xaz^  eîôoç  keyofievov  xvL  cf.  265 d» 
2G6c,  273  e,  277  b)  mit  der  Anamnesis:  rotvo  ôé  iauv  avi' 
uvi.oig  ztL  249  c  (wie  übrigens  schon  im  Meno  98a:  %ovfoi 


PLATOS  PHAEDRÜS  407 

ùy  avàfAyr]Giç,  Dämlich  die  Verknüprung  der  Vorstellungen  ai- 
ig  Xoyia^tji,  welche  irciaTt]firj  von  oçd^fj  âo^a  scheidet),  und 
ran  sofort  anschliessend:  ôio  ôrj  ôixaiwç  fiovrj  meçovrai  f^ 
V  q)Lkoaôq>ov  ôidvoia.  Weiter  wird  250  b  unter  ^fxelc  (der 
ifolgschallt  des  Zeus)  zusammengefasst,  wer  g>iX6aoq>6ç  rs  xal 
/tlÂoyixoç  zrjv  q)vatv.  Sollte  jemand  in  Zweifel  sein,  ob  diese 
recle  Gleichsetzung  des  Berufes  zur  Philosophie  und  zur  Slaats- 
ituog  vor  Piatos  Staat  denkbar  sei,  so  wolle  er  sich  erinnern, 
188  im  Euthydem,  den  man  wohl  nicht  nach  dem  Staat  wird  setzen 
oUeo,  die  Dialektik  nicht  bloss  über  alle,  auch  die  mathematischen 
i'issenschaften  erhoben  (290  b — c),  sondern  gleichzeitig  zur  ßaai- 
iXTj  zixvr]  gesteigert  wird  (291b).  Die  Grundlage  war  schon  im 
orgias  gegeben  ;  dass  nur  der  Philosoph  auch  der  berufene  Staats- 
laoD  sei,  steht  seitdem  für  Plato  fest. 

Aber  der  Begriff  ,Dialektik'  ist  im  Gorgias  noch  nicht  geprägt, 
)Ddern  erst  im  Phaedrus.  Also  besteht  die  Folgerung  Ueberwegs 
'gl.  Gomperz,  plat.  Aufs.  1887  S.  27)  immer  noch  zu  Recht,  dass, 
Jch  um  jener  Stelle  willen,  der  Euthydem  nicht  vor  dem 
haedrus  zu  denken  ist.  Mögen  die  ersten  Ansätze  zu  dieser, 
ie  Sokratik  weit  hinter  sich  lassenden,  die  Wissenschaftslehre  im 
^aat^  schon  ankündigenden  Auffassung  der  ,Dialektik'  im  Meno 
Kid  Gorgias  nachweisbar  sein:  der  wichtige  Terminus  hätte  im 
uthjdem  nicht  so  beiläuGg  ohne  die  geringste  Vermittelung  eiu- 
sfQhrt  werden  können,  er  wird  vorausgesetzt.  Aehnliches  gilt 
>iD  Cratylus  (390  c),  der  sich  hier  wie  in  so  vielem  mit  dem 
uthydem  eng  verbindet.  Vollends  würde  das  Wort  im  Gastmahl 
!02e — 203  a)  von  der  dämonischen  âiaXexTOç,  welche  als  Mitt- 
les zwischen  Göttlichem  und  Menschlichem  die  Brücke  schlägt, 
(ft€  %o  Ttäv  avro  avzt^  ^vvàeôéa&aiy  seine  tiefe  Bedeutung 
•m  nicht  erschliessen ,  der  nicht  den  denkbar  höchsten  Begriff 
'r  platonischen  Dialektik  dabei  versteht.  Dass  aber  nichts  anderes 
iineint  ist,  bestätigt  die  Fortsetzung:  es  wird  gleich  hernach 
03  d~204  b)  das  auch  im  Phaedr.  278  d  benutzte  Motiv  der  Be- 
ichnung  Philosophie,  als  Forschung  im  Unterschied  vom  ver- 
einten Besitz  der  endgültigen  Wahrheit,  somit  als  Mittleres 
'i8chen  gänzlichem  Nichtwissen  und  der  göttlichen  Wahrheit,  nur 
'fer,  durchgeführt;  so  wird  Eros,  der  Dämon  der  ersten  Stelle, 
OQ  q)il6aog)oç,  und  also  ist  es,  unter  der  Benennung  des  Eros, 
en  die  Philosophie  (Dialektik),  die  dann  ferner  bis  zum  höchsten 


408  P.  NATORP 

Gîprel  der  Ideenschau  sich  steigert.  Somit  wird  mao  wiederuni 
auch  aus  diesem  Grunde  das  Gastmahl  nicht  vor  den  Phaedrui 
setzen  können.  Im  Phaedo  endlich  wird  der  Terminus  «Philosophie' 
von  Anfang  an  als  jedem  bekannt  und  zwar  durchweg  im  präg- 
nantesten Sinne  gebraucht.  «Dialektik'  unter  diesem  Namen  b^ 
gegnet  nicht,  dagegen  iq  neçî  rovç  Xôyovg  téxi^ri  (90  b),  die 
allein  rcJv  ovrwv  trjç  àlrj&êlaç  te  xai  iniarrjfiijç  theilhaft 
macht  (90  d),  womit  man  vergleiche  99  e  *éôo^ê  âij  fioi  jt^voi  dç 
Tovç  loyovç  xcnag)vy6vTa  iv  èxelvoiç  axoneîv  %wv  ovxwf  ti{9 
aXrj&eiav,  was  unmittelbar  die  Idee  als  vno&eaiç  (methodisclKO 
Grundsatz)  einführt.  Im  Phaedrus  war  noch  koywv  tixvri  die 
(vermeinte,  nicht  wahre)  ,Kunst*  der  Rede  (266 d,  271c  o.  ö.); 
jener  Gebrauch  des  Phaedo  entspricht  vielmehr  dem  höchst  prSf- 
nanten  Sinn,  in  welchem  loyog  z.  B.  Phil.  15  d  gebraucht  wird, 
nach  welchem  das  Wort  die  ganze  formale  Grundlage  dès  Begriffet 
des  Urtheils  und  der  Verknüpfung  der  Urtheile  im  Verfahreo  der 
Wissenschaft,  also  das  Logische  im  vollen  Umfang,  vertritt,  to 
scheint  mir  über  den  Phaedrus  und  alle  frühen  Schriften  sogar 
weit  hinauszugehen. 

6.  So  viel  über  den  Namen  der  Methode  und  die  Bedeutuog, 
die  ihr  beigemessen  wird.  Welches  sind  nun  die  Elemente  des 
Verfahrens?  Sie  wurden  genannt:  avvaywyi]  und  dta/^£aiç  (266b, 
cf.  273  e,  277  b).  Sicher  ist  es  ein  bemerkenswerther  Fortschritt 
gegen  die  sokratischen  Schriften,  auch  Heno  und  Gorgias,  das» 
die  ySynlhesis  des  Mannigfaltigen^  wie  wir  nach  Kant  sagen,  and 
zwar  des  Mannigfaltigen  der  Sinne  (249  b),  zur  Einheit  (249  b  ix 
7CoXX(jüv  .  .  eig  ev  ^vvaiQOv^evov,  265  d  elg  fiiav  Idiav  avfo* 
Qüivxa  ra  noXkaxfj  ôuanaçfiéva,  266  b  elg  €v  xaï  inî  noilo? 
273  e  ^içf  lôé(^  necdaijßdveiv),  und  wiederum  die  ZerlegoDg 
solcher  Einheiten  in  untergeordnete  (xar'  eïâr]  TifÂveiv,  xor'  af 
&Qa  fj  néq)vyi€  265  e,  xar'  eïârj  âiaiçela^ac  273  d)  bis  zu  de» 
nicht  mehr  zerlegbaren  (fiixQt  tov  ccTfxrJTov  277  b)  in  dieser  Be- 
stimmtheil herausgehoben  und  unter  kurzen  Bezeichnungen  alsdi^ 
fundamentalen,  zu  einander  complementären  BestandslOcke  des 
wissenschaftlichen  Verfahrens  ungefähr  so  festgelegt  werden,  ^* 
sie  noch  sp.'ti  im  Sophisten  (253  d — e)  zu  Grunde  liegen.  Alx^ 
doch  ist  die  Sache  selbst  nicht  so  gar  neu.  Die  Einheit  des  Be- 
griffs wird  in  den  sokratischen  Dialogen  fort  und  fort  eingescbSfft 
und  das  Verfalireu,  diese  Begriffseinheil  zu  gewinnen,  die  Begriffs* 


PLATOS  PHAEDRUS  409 

beslimmung  (ÔQt^ofievoç,  o  ionv  oçia&év  265  d,  cf.  262  b;  ^^- 
fteyoç  OQOv  237  d;  xor'  avto  ogiÇtad^at  277  b)  systematisch  geübt 
und  theoretisch  erörtert;  aber  auch  das  Verfahreo  der  Eintheilung 
wird  im  Gorgias  schon  mit  voller  Sicherheit  gehaudhabt  (454  e 
üiri,  463  b  fiogia,  wie  auch  Phaedr.  265  a— b,  266  a  f^igt]  neben 
ddrj);  die  ganze  dort  entwickelte  Systematik  der  Künste  beruht 
auf  diesem  Verfahren,  und  wie  bestimmt  dabei  die  logischen  Be- 
xiehuogen  und  die  Begriffe  als  deren  Termini  bewusst  sind,  zeigt 
X.  ß.  die  Anwendung  der  Proportion  auf  letztere  (465  b),  wo  auf 
das  Vorbild  der  Geometrie  verwiesen  wird  und  die  Parenthese  {ijôri 
fàq  &y  ïawç  axokov^aaiç)  die  Bewusstheit  und  Neuheit  dieser 
logischen  Errungenschaft  verräth.  So  sehr  also  ein  Fortschritt  des 
iDelhodischen  Bewusstseins  im  Phaedrus  anzuerkennen  ist,  so  muss 
nan  doch  sagen,  dass  vom  Meno  und  Gorgias  aus  dieser  Fort- 
schritt nicht  allzu  fern  lag.  Mit  dem  Gorgias  theilt  der  Phaedrus 
anch  die  Bezeichnung  des  Gegensatzes  des  begrifflichen  Verfahrens 
àmh  i/ATieigla  und  azsxroç  tgißq  (PAaedr.  260  e,  270  b,  Gorg. 
463b,  456a,  501a;  vgl.  auch  Phaedr.  271  e  o^iwç  rfj  aia^ijaêi 
iinaa&ai  iTtaKoXov^eiv,  âiaïaô^avofievoi,  mit  Gorg,  464c 
ola^ofÀêvr],  ov  yvovaa  Xéyw  àkkà  ovoxoaafÀivrj^  463  e  ipv^ 
X^Ç  aTOxaojiKfjç  —  eine  andere  Bedeutung  von  aioa^rjaic  als 
'Wr.  249  b).  Dies  ist  das  Verfahren,  weiches  Phaedr.  270  d — e 
^^  Gange  eines  Blinden  verglichen  wird. 

Die  Auseinanderhaltung  der  Begriffe  ist  aber  bloss  das  Gegen- 
HQck  ihrer  Verbindung  in  einer  Einheit;  Verbindung  schliesst  Aus- 
cioaoderhallung  des  Zuverbindenden  im  Bewusstsein  immer  ein; 
^er  kann  als  Grundlage  des  Logischen  auch  schlechtweg  die 
Syoihesis  des  Begriffs  bezeichnet  werden.  In  dieser  aber  wurzelt 
^^^  platonische  ,ldeeS  und  insofern  darf  diese  gewiss  in  dem  Ter- 
nioug  fila  iôéa  (265  d,  273  e)  gefunden  werden.  Sonst  aber 
i^tiss,  wenn  die  Schrift  einer  späteren  Zeit  angehören  soll,  die 
Mogelnde  Festigkeit  gerade  dieses,  im  Phaedo  und  Staat  ganz 
^Dg  verstandenen  Terminus  doch  auffallen.  So  besagt  iôéa 
^37 d,  238  a  etwa  psychische  Funktion,  wie  eïôr]  253  cd,  wo  die 
'icthode  der  Eintheilung  zu  Grunde  liegt  {vgtxfj  duilo/urjv),  deren 
^■*^ebniss  ja  die  eidrj  (Arten  der  Gattung)  sind  ;  also  Gestaltungen 
^cr  Arten  des  Bewusstseins.  246  a  ist  iôéa  (tf^ç  tpvxrjç)  Be- 
^aOTeoheit,  Qualität,  und  so  wohl  auch  253  b  (dort  die  allge- 
'ciiie,  hier  eine  besondere).    An  keiner  dieser  Stellen  würde  die 


410  P.  NATORP 

Wiedergabe  durch  ,Idee*  den  Sinn  treffeii.    Aber  auch  elç  faüry   j 
idiav  265  d  sagt   nichts  anderes  als  elç  Sv  249  c:  zur  Einbeil 
(zusammenscbauen),   und   so  273  d  fiiÇ   idi(f  nBgdafifiavuv  in 
einer  Einheit  begreifen.    So  werden  ja  die  reinen  Begriffsinhalte  ge- 
radezu Einheiten  (évaâeç,  ^ovddeç)  genannt  im  Philebus  (15  a— b). 
Diese    Bedeutung   von   fUa    idea    bestätigen    besonders    mehrere 
Stellen  des  Theaetet:  184  d  eig  fiiav  Idiav  eïre  ipvx^v  xtÎL  (zu 
einer  Einheit,  heisse  man  sie  nun  Bewusstsein   oder  wie  80D8t)i 
ferner  203  c,  e,  204  a,  205  c— e.    Sonst  ist  die  gelaufigste  Be- 
zeichnung   des    reinen    Begriffsinhalts   die   durch    das   Pronomen 
avtog   zum  Neutrum   des  Adjectivum   oder  zum  Substantifum  ab- 
stractum  gesetzt;  im  Phaedrus  findet  sich  nur  das  Letztere:  avtfj 
dixatoovvrj  247  d,  aito  to  xalloç  250  e.     Damit  wechselt  aber 
das  einfache  Substantivum,  awq)Qoovvr],  iTtian^fir]  247  d,  ôixai" 
oavvrj,   aw(pQoavvrj  250  b,   q>Q6vrjaiç,   xàXloç  250  d,  zum  ge- 
ntlgenden  Beweis,  dass  der  Zusatz  des  Pronomen  bloss  den  Nach- 
druck, nicht  den  Sinn   ändert.     Es   handelt  sich  einfach  um  deo 
Inhalt  der  Prädication   als   dlxatov^   xaXov  u.  s.  w.,  daher  254  b 
auch    Ti}y    tov   xdlXovg    q>iatv   .  .  .  iiBta  awtpQoavvtig*    I» 
diesem  Sinne  bahnt  sich  der  Gebrauch  des  avro  schon  im  Prota* 
goras  an   (330  c«  d,  360  e).    Und  so  wird  auch  die  Einheit  de« 
Begriffs   schon   dort   betont:    349a,   alle  Tugend   ist  Eines,  €if 
Ttgäyfia,  von  einer  Wesenheit,  Bedeutung,  ovala,  övvafxtc,  ferne' 
329  c,  d,  %v  n,  %ov  avzov  évoç  ovtog,  330  a — c;  lfm.  72  b — ^ 
ovala  =  ö  TL  noT^  eati  =  €v  zi  eldog  TavTOv,  Euthypkr.  5  d, 
6d— e,  fiia  idea,  daneben  eîâog,  lia  ovaia  >=»  8  zi  5y.')    E* 
ist  also  irrig,  wenn  Lutoslawski  (S.  340)  im  Gebrauch  von  oial^ 
für  den  Begriffsinhalt  Phaedr.  237  c,  254  e  (neben  Xoyog^  q>vüic}f 
270  e  {ovoiav  zf^g  (pvatwg)  irgend  etwas  Besonderes  finden  will» 
Auch   q>vaig   begegnet   neben   X6yog   und   aizla  im  Gorg.  465  ^* 
501a  so  gut  wie   im  PÄaerfr.  270— 27 1 ,  254  b  al.;    dvvafiig  i^ 
Prot.  (s.  oben)  und  Lach.  192  b. 

Ausser  avvaywyr.  und  ôiaiçeaig  wird  noch  ein  dritter  Gniod* 
begriff  platonischer  Methodenlehre,  die  anoÖBi^ig  (245  c)  wenigste^* 
berührt.  Aber  auch  das  ist  nicht  etwa  eine  neue  EntdeckuDg» 
das  Verfahren  der  deductiven  Folgerung  (charakteristische  TermiDJ- 

1)  Indem  ich  diese  Stellen  anführe,  kann  ich  freilich  nicht  unterlass^^ 
hinzuzusetzen,  dass  ich  über  den  platonischen  Ursprung  des  Schriftchens  dîc*' 
ganz  beruhigt  bin.   Wenn  echt,  gehört  es  ungefähr  in  die  Zeit  des  Meno. 


PLATOS  PHAEDRÜS  411 

vno^eaiç  —  avfißaivetv)  wird  ebenfalls  schon  in  frühen  Schriften 
angewandt  and  technisch  bezeichnet,  so  im  Charmides  (160  d,  163  a, 
164  c,  175  d),  mit  besonderem  Nachdruck  aber  im  Heno  (86  e  i^ 
ino^iaewç  axorteïa&ai  waneg  ol  yewfÄercaij  87  a  ovfißaiveiv^ 
TO  avfißaivovy  avrrj  ^  vnô^êaiç  fnévei  rjfAÎy,  die  Voraussetzung 
hält  stand,  bewährt  sich  in  den  Folgerungen;  89  c).  Der  Zusammen- 
baog  von  Grund  und  Folge  bewirkt  jene  Festigung  der  Vorstel- 
laogen,  welche  macht,  dass  sie  Erkenntnisse  und  damit  beharrend 
werden,  unterscheidet  inêaTrjfirj  und  oq&^  do^a  (98  a),  ,und  das 
ist  die  Wiedererinnerung/  Aber  auch  der  Gorgias  betont  besonders 
stark  die  Folgerichtigkeit  des  Schliessens  (454  c  é^rjç  Tteçaiveiv 
fof  loyov,  xara  rfjv  ino^eaiv  nêçalveiv^  457  e  otf  navv  âxo- 
hvâa  ovôè  avjiiqxüva  olg  to  nçaitov  ii-eyeçj,  die  Einstimmigkeit 
als  Probe  der  Wahrheit  (482  a  :  nicht  ich ,  die  Philosophie  spricht 
so,  sie  ist  ael  iwv  avxwv  Xoywv,  mögen  eher  alle  Menschen  mir 
widersprechen  ^  eva  ovza  ifik  efÄavztß  aavfÀq>iovov  ehai  xal 
hanla  Xiyeiv).  Nach  dem  allen  kann  es  höchstens  auffallen, 
dass  das  Beweisverfahren  im  Phaedrus  gerade  da  Obergangen  wird, 
wo  die  Elemente  der  dialektischen  Methode  festgestellt  werden 
sollen;  zumal  wenn  man  sich  erinnert,  eine  wie  wichtige  Rolle 
^  im  Phaedo  und  Staat,  und  vollends  im  Parmenides  spielt. 

7.  Geht  also  in  diesen  wenigen  methodologischen  Festsetzungen, 
tn  denen  der  Inhalt  der  oialBxrixij  réxvr]  hier  beinahe  schon 
erschöpft  scheint,  der  Phaedrus  über  die  Errungenschaften  der 
akratischen  Dialoge  (einschliesslich  Meno  und  Gorgias),  abgesehen 
^on  der  bestimmteren  Formulirung,  kaum  hinaus,  so  fehlt  ihm 
andererseits  die  ganze  Vertiefung,  welche  die  Methode  im  Theaetef, 
^baedo,  Gastmahl  und  Staat  erfahrt.  Ich  denke  hierbei  a)  an  die 
'Ui'OckfObrung  aller  möglichen  Begriffe  auf  wenige  Grundbegriffe 
Kategorien).  Diese  bahnt  sich  zuerst  im  Theaetet  an,  um  später 
^  Parmenides  und  Sophisten  wieder  aufgenommen  und  weiter 
'^Wickelt  zu  werden;  sie  liegt  aber,  wie  sich  zeigen  wird,  der 
^he  nach  auch  im  Phaedo  und  Staat  zu  Grunde.  Ich  denke 
^n  das  Postulat  letzter  begründender  Sätze,  Grundsätze  oder 
^Ocipien,  für  dessen  Aufstellung  der  klassische  Ort  der  Phaedo 
*  Und  dies  leitet  c)  zum  Gipfel  platonischer  Methodik,  zur  Idee 
'^^r  strengen  systematischen  Einheit  der  Erkenntnisse  in  einer 
"^îigen,  allen  Obergeordneten  Grundwissenschaft,  der  Wissen- 
^hart  der  Methode^  Dialektik.     Diese  Idee  ist  es,  welche,  auf  den 


ié 

«1 

liTi 


412  P.  NATORP  .  y 

im  Theaetel  und  Phaedo  gegebenen  Grundlagen  schon  fassend,  dm  ^-^ 
Gastmahl  in  einfachen,  klaren  Haupllinien  entwirft,  der  Staat  m^  w 
führlicher  entwickelt,  übrigens  schon  der  Eathydem  (an  derer-  1^  * 
wähnten  Stelle)  vorgreifend  andeutet.  Es  dürfte  klar  sein,  wie 
jene  drei  Dinge  unter  sich  zwingend  zusammenhangen  und  sicli  ^^ 
gegenseitig  fordern.  Nimmt  man  nun  hinzu,  dass  der  mSchligste 
Fortschritt  und  die  unvergänglichste  Bedeutung  der  platoDischen 
Dialektik  oder  «Philosophie*  eben  darin  liegt,  dass  so  zum  ersten. 
Mal  die  Fundamente  der  ,\VissenschaftS  in  formaler  Hinsicht,  gdegt 
wurden,  so  muss  man  gestehen,  dass  das  Fehlen  fast  jedes  ent- 
fernten Hinweises  auf  dies  alles  im  Phaedrus  ein  starkes  Gewicbt 
zu  Gunsten  der  Annahme  in  die  Wagschale  wirft,  dass  dieser  den 
nothwendig  zusamnftngehOrenden  Schriften  Theaetet,  Phaedo,  Gast- 
mahl, Staat,  mit  denen  aber  auch  hier  der  Euthydem  sich  zusamineD- 
gruppirt,  vorausgeht  und,  unbeschadet  seiner  Fortschritte  über  die 
sokratischen  Dialoge,  doch  von  allen  des  nicht  mehr  sokraliscben 
Charakters  diesen  zunächst  steht.  Schon  seit  langer  Zeit  ist  dies 
für  mich  der  eigentlich  bestimmende  Grund  für  die  frühe  DatiroDg 
des  Phaedrus.  Die  Bedeutung  der  Sache  rechtfertigt  wohl  ein  infr 
führliches  Eingehen. 

a)   Der  Theaetet  stellt  (185^186)  eine  Reihe  durchgehender 
GrundbegrifTe  {noiva  negl  nàvtwv  185  d,  während  bei  den  fr£^<' 
zçéxoyra  202  a  es  sich  nicht  genau  um  dasselbe,  ja  nach  201  d, 
202  c,  e  vielmehr  um  eine  fremde  Lehre  handelt)  auf,  zwar  oho^ 
die   Geschlossenheit   eines  Systems  anzustreben,   auf  welche  et^> 
die  /néyiava  twv  yevuiv  im  Sophisten  (254  f.)  Anspruch  macbeo 
möchten.     An   der  Spitze  steht  das  Sein,   mit   seinem  Gegensatz 
dem  Nichtsein,  es  folgen  Identität  und  Verschiedenheit  bez.  GegeP' 
setz,   (qualitative)  Gleichheit   und  Ungleichheit,  (quantitative)  EÎ0' 
heit  und   Zahl   nebst   Gerade  und  Ungerade   und   allem  was  sieb 
daran   anschliesst   (185  d):   hier  ist  die   Anknüpfung   gegeben  fO^ 
die   Grundbegriffe   der  Mathematik   zunächst  in  Gestalt  der  AriU^ 
roctik;   aber  auch  SchDn  und  Gut  mit  ihren  Gegentheilen  werd^^ 
genannt;   also    neben  Grundbegriffen   der  theoretischen  solche  à^^ 
praktischen    Erkenntniss,   welche    beide   Gruppen    als   oiaia  uP^ 
o)cptUa  186  c  kurz  zusammengefasst  werden. 

Im  Phaedrus  erscheinen  weder  diese  Grundbegriffe  selbst,  ^1^ 
solche,  noch  wird  irgendwie  angedeutet,  dass  es  nicht  genug  i^ 
in  jeder  besonderen  Frage  die  Einheit  des  Begriffs  dessen,  warüfl' 


PLATOS  PHAEDRUS  413 

es  sieb  haodelt,  festzustellen  und  ionezubalten ,  sondern  dass  alle 
Begriffe  sich  oolliweodig  unter  gewisse  höchste  durchgebende  Be* 
griffe  ordnen.  Man  erwartet  zum  mindesten  bei  der  Schilderung 
des  Ideenreichs  eine  Gipfelung  der  Ideen  in  einer  begrenzten 
Zabi  letzter  Ideen,  wenn  nicht  in  einer  einzigen;  aber  sie  kommt 
Dicbt  zu  Tage.  Genannt  wird  247  c  zuerst  ro  t^g  altj^vg  int" 
(nrifirfÇ  yévoç  —  das  ist  nur  Bezeichnung  des  ganzen  Gebietes 
der  Begriffe,  nicht  ein  oberster  Begriff  oder  einer  der  obersten; 
daoOf  in  nicht  klarem  Verhältniss  hierzu:  dixaioavvrj,  awtpço- 
üiff}  und  als  drittes  daneben  noch  einmal  imaTi^/Âr},  wobei  nach 
dieser  Zusammenstellung  wie  nach  den  Parallelen  250  b  und  d 
{ôixaioavvTj,  a(aq>ço0vvrjy  dann  çQovrjaiÇt  in  Unterscheidung  von 
xalkoç)  so  wie  254  b  {xdJikoç  und  a(oq>Qoavvrj)  es  am  nächsten 
liegt  an  jene  èrciatijfÀr]  zu  denken ,  die  in  den  sokratischen  Dia- 
logen mit  âgêTTj  gleichgesetzt  wird  oder  auch,  als  aotpia  oder 
fçôfrjoiÇy  nur  einer  ihrer  Ausdrücke  oder  ,Theile%  Seiten  dar- 
teilen soll.  Wollte  man  aber  dies  der  so  vieles  verschleiernden 
dichterischen  Holle  zu  Gute  halten  (obgleich  gesagt  war,  es  solle, 
Uer  endlich,  ,die  Wahrheit*  enthüllt  werden),  so  erwartet  man 
doch,  dass  in  der  nachfolgenden  nüchternen  Erklärung  neben  den 
sittlichen  Begriffen,  die  fort  und  fort,  in  Gestalt  der  von  den 
frtlhesien  Dialogen  an  geläufigen  Dreiheit  des  aya&àv^  xakov^  öl- 
^lov  (260a  wie  276c,  277 d,  278a)  allein  auftreten,  die  aller- 
^ten  Grundbegriffe  der  theoretischen  Erkenntniss,  die  «logischen* 
B^riffe,  doch  wenigstens  irgendwie  angedeutet  würden.  Soll  die 
rein  historische  Erwähnung  der  zenoniscben  Thesen  (261  d)  etwa 
^iese  Andeutung  enthalten?  Selbst  wenn  wir  wagen,  so  viel  als 
^^Uaserstes  daraus  zu  folgern,  dass  die  Beschäftigung  mit  den  von 
^o  zuerst  ausgezeichneten  Uieoretischen  Stammbegriffen  (cf.  Piatos 
'''Oienides)  Plato  schon  damals  nicht  ungeläufig  ist,  so  bleibt  das 
'*^cre  Bedenken,  dass  nicht  auch  nur  die  Existenz  einer  Hathe- 
^(ik  an  einer  einzigen  Stelle  erwähnt,  geschweige  irgend  ein 
^«^res  Verhältniss  der  mathematischen  Grundbegriffe  und  Methoden 
^  ,ldee*  angedeutet  wird;  was  stark  auffallen  rouss  im  Vergleich 
^  Theaetel,  Phaedo,  Gastmahl,  Staat,  selbst  Euthydem,  erst  recht 
^  allen  späten  Schriften  ohne  eine  einzige  Ausnahme.  Vielleicht 
*"il  sich  später  finden ,  dass  die  Mathematik  trotzdem  irgendwie 
^  Hintergrund  steht;  aber  dass  sie  so  tief  in  den  Hintergrund 
't'flcktreten  kann  in  einem  ganzen  Dialog,  der  einen  Uauptplatz 

Bennes  XXXV.  27 


414  P.  NATORP 

unter  den  Darstellungen  der  dialektischen  Methode  beanspruc/r^ 
beweist  stark  für  ein  noch  wenig  entwickeltes  Stadium  dieser  Afe» 
thode. 

b)  Im  Phaedo  können  die  Grundbegriffe  des  Tbeaelet  ver- 
gessen scheinen,  obgleich  man  bei  genauerem  Zusehen  sie  alsbald 
wiederfindet.  Dagegen  werden  (100  ff^^)  erste  Grundsätze  gefordert. 
Es  ist  zuerst  in  jeder  besonderen  Frage  der  relative  Gruodsati 
(Obersatz  zur  Deduction ,  vTto^saiç)  festzustellen,  aus  dem  sie  tu 
entscheiden  ist;  es  ist  dann  weiter  erstlich  zu  prOfen*,  ob  dieser 
sich  in  seinen  Ableitungen  (ira  àn^  ixeivrjç  OQfirj&évTa  oder  é^ 
^riiÂéva  101  d — e)  durchgängig  bewährt;  zweitens  ^aufwärts*  id 
gehen  zu  höheren  und  höheren  Obersätzen,  bis  man  zu  eioeo 
,zulänglichen%  d.  h.  keinen  weiter  voraussetzenden  Obersatz,  einen 
wahrhaft  ,ersten*  Grundsatz  (vTto^éaeiç  Tag  nçtitaq  107  b)  oder 
Princip  {ctQxfi  lOle)  gelangt.  Im  Kern  der  Sache  aber  deckt  sidi 
Grundsatz  mit  Grundbegriff,  denn  Begriffe  sind,  nach  Plato  wie 
nach  Kant,  Oberhaupt  die  ,Prädikate  möglicher  Urtheile'.  Das 
kommt  gerade  im  Phaedo  zu  deutlichster  Aussprache ,  gleich  bd 
der  ersten  Einführung  des  Begriffs  65  d,  dann  besonders  75c: 
es  handelt  sich  nicht  bloss  um  den  Begriff  des  Gleich,  Gr^^sser, 
Kleiner,  sondern  ebenso  um  Schön,  Gut,  Gerecht,  Heilig,  /ic^i 
andvjwv  olç  èniatpçayiÇôfie^a  tovto  o  îa%t  (dem  wir  das 
Siegel  des  ,es  ist*  aufdrücken,,  d.  h.  was  wir  mittels  der  Ropoia 
als  Prädikat  setzen)  xal  Iv  taîç  èçioTTjaeaiv  èçwTwvTsç  xaï  h 
raîç  inoxQlaeaiv  anoxQivo/aevoty  d.  h.  im  Urtheilen;  ebenso 
78  d:  avjfj  ij  ova  La  ^ç  Xàyov  âlôofisr  %ov  eîvai  xal  içtf 
TùJVTEç  xal  ànoxQivôfABvoi^  und  nochmals  92  d  ^  ovala  l^x^^^ 
TTjv  Inwvvfiiav  r^v  tov  o  eativ.  Eben  der  Sinn  dieser  Art 
ovala  (nâaa  ij  totavir]  ova  la  76  d  cf.  65  d)  und  ihr  Gebnucb 
in  der  Erkenntniss  ist  es  aber,  der  seine  endgültige  Erkläroog 
finden  soll  durch  jenes  Verfahren  der  Begründung  in  ObersäU^t 
bis  zu  letzten  Obersätzen  zurück  (100  b  ovdhv  xaivov  x%X,).  So- 
mit besagt  die  Begründung  aller  Urtheile  in  den  Grundurtheües 
zugleich  die  Begründung  aller  Begriffe  in  den  Grundbegriffen,  d.b. 
aller  gültigen  Prädikationen  in  den  Grundprädikationen.  Der  ^ 
länglich^  definirte  Inhalt  der  Prädikation  als  gut,  als  schön  u.  %.^'^ 
das  und  nichts  anderes  ist  die  ,ldee^  des  Guten,  des  Schönen,  und 
die  richtige  Subsumplion  unter  die  zulängliche  Definition  des  be- 
haupteten Prädikats,   das   ist   der  Sinn   der  ^é^e^iç  au  der  Idee, 


PLATOS  PHAEDRUS  415 

die  allein  wisseoschaftlich  befriedigeode  Antwort  giebt  auf 
ige  «Warum'.  Die  Zulänglichkeit  der  Definition  aber  besagt 
rückführung  jeglicher  Setzung    eines  Begriffs   (100a  t/- 

WÇ  dXtj^^  ovTo)  auf  fundamentalere  Setzungen,  bis  zu 
chlechthin)  fundamentalen  zurück.  Was  aber  diese  Gründ- 
en betrifft,  so  deutet  der  Phaedo  genug  davon  an,  um  ihre 
t  mit  den  Grundbegriffen  des  Theaetet  klar  erkennen  zu 
ein  letzter  Grundsatz  der  Unverträglichkeit  contradiktorischer 
tionen  in  Hinsicht  desselben  Bezugspunktes  wird  ausführlich 
elt  (102  e),  wobei  mit  Identität  und  Gegensatz  (havtlog 
101  a;  iyavTWTTjc  auch  unter  diesem  Namen  105a;  das 
at  liegt  nahe  105  d  e)  sicher  umgegangen  wird.  Ferner 
m  als  Beispiele  fundamentaler  Setzungen  Einheit,  Zweiheit 

ôvctç  101c),  Zahl,  Gerade  und  Ungerade  (103  e  ff.),  Gleich,, 
h.  Grosser,  Kleiner  (lOla,  102b  cf.  74 — 75  pass.),  also 
h  im  Theaetet  besonders  ausgezeichneten  Grundbegriffe  des 
atischen  ;  daneben,  selbstverständlich,  die  praktischen  Grund- 

(100  b  cf.  75  c,  76  d,  77  a),  in  der  Regel,  wie  im  Theaetet, 
Qtirt  durch  die  zwei:  xalov  und  dya&ÔK  Vermissen  könnte 
s  o(.ioiov  und  dvofioiov,  aber  eine  erschöpfende  Aufzählung 
It  beabsichtigt,  und  übrigens  wird  später  (im  ,SophistenS 
r  unten)  die  Zahl  der  Grundbegriffe  noch  mehr  beschränkt. 

Phaedrus  nun  fehlt  von  dem  allen  jede  noch  so  ferne  An- 
;.  Noch  ferner,  mochte  man  sagen,  liegt  ihm  die  Forderung, 
isenschafl liehen  Urtheile  in  Grundurtheilen  festzulegen,  als 
ere,  die  Begriffe  auf  Grundbegriffe  zurückzuführen  ;  das  letz- 
st  sich,  obwohl  es  nicht  positiv  angedeutet  wird,  in  der  ganz 
in  gehaltenen  Forderung  der  avvaywyal  und  âêaiçéaeiç 
in  mitdenken;  wie  die  Theilung  bis  zum  nicht  mehr  Theil- 
brtgehen  soll,  so  muss  ja  wohl  die  Verbindung  bis  zum 
eiter  Zuverbindenden,  weil  letztlich  und  ursprünglich  Ver- 
len   zurückgehen.    Aber  im   Grunde   erscheint   der   Begriff, 

den  sokratischen  Dialogen,  fast  lediglich  als  Vereinbarung 
,   wovon   genau    die  Rede   ist  (237c  neçi   ov   av  y  ij 

265  d  Tteql  ov  äv  del  âiddaxeiv  id^éXrj).  Auch  stellt 
Sterblichkeitsbeweis  (245)  nicht  eine  reine  Deduktion  aus 
ichen'  ersten  Vorausselzungen  im  Sinne  des  Phaedo  dar; 
inoôei^ewg  245  c  hat  entschieden  nicht  die  logisch  be- 
Bedeutung  einer   TtQiotrj   VTtà&EOiÇy  es  heisst   »BeginnS 

27« 


416  P.  NATORP 

oder  beslenfalls   «Ausgnogspunkt'   des  Beweises  (vgl.  237  c  èç^rj, 
h   açxfj  .  •  •  ngoeXdôvTeç)^  ungefôhr  wie  schoo  Diogenes  yob 
Apollooia   (Diog.  Laert.  VI  81.   IX  57)  zu  sagen  weiss,  dass  mas 
von  einem  einwandfreien  Anfangssatze  beginnen  müsse. 

c)  Sind  nun  alle  Urtheile  in  zunächst  relativen  GrundortheileD, 
diese  in  fundamentaleren  zu  begründen  bis  zu  den  schlechthin  fonda- 
mentalen ,  so  ist  damit  gegeben ,  dass  alle  Einzelerkenntnisse  sieb 
fügen  müssen  in  zusammenhängende  Wissenschaften,  alle  Wisseo- 
Schäften  aber  zuletzt  nothwendig  sich  unterordnen  einer  eiangeo 
Grundwissenschaft,  welches  nur  sein  kann  die  Wissenschaft  voo  der 
Methode,  die  Dialektik.  Dies  setzt  schon  der  Euthydem  voram, 
wenn  er  die  mathematischen  Disciplinen  (Rechnen,  Geometrie, 
Astronomie  werden  genannt)  der  Dialektik  unterordnet,  als  die  aUeia 
von  jenen  den  rechten  Gebrauch  zu  machen  wisse,  und  wenn  die- 
selbe Dialektik  sich  dann  zugleich  als  wissenschaftliche  Grandlage 
der  Praxis  herausstellt  Bestimmter  lässt  das  Gastmahl  die  ,M^ 
thode'  (210  a  lay  tig  oç^a^ç  fASTljß^  e  ^êtSfievoç  iq>é^riç  toi 
oç&œg  rà  xaXâ)  systematisch  fortschreiten  von  dem  besondereo 
Schönen  der  körperlichen  wie  seelischen  Welt  zu  dem  SchOoeB 
der  W^issenschaflen  (èniatfifAaiy  (xa&ri^a%a)^  von  da  aber  zu  eioer 
letzten  Wissenschaft  (210  d  iivà  iniaxrifiriv  f^iav,  btHoç,  2111» 
iwç  ano  Twv  fÀa&rjiÂâtwy  In^  ixelvo  zo  fiadripia  xeXevtrifFt^ 
deren  Inhalt  ,üas'  Schöne  selbst  und  an  sich  ist.  Dem  entspricbl 
im  Staat  die  Idee  des  Guten  als  ^éyiaxov  fÂa&rjfÂa  oder  af^^ 
àvvTtàd^eTOÇy  beruhend  auf  der  ,Melhode*  (510  b)  durch  reine  Be- 
griffe (auch  511b — c)  d.  i.  der  «dialektischen  Methode'  (533  c— d), 
welche  keine  (bloss  relativen)  Hypothesen  mehr  erlaubt,  soaderD 
auf  das  ,Princip  selbst'  zurückgeht,  um  in  ihm  sich  zu  sichera 
(ßeßaKjiarjTaL).  So  ist  die  Wissenschaft  der  Methode,  Dialektik, 
die  Krönung  des  pyramidalen  Aufbaues  der  Wissenscliafteo ,  uad 
keine  weitere  mehr  höher  hinauf  zu  suchen,  sondern  hier  hat's  eia 
Ende  (534  e).  Inwiefern  dasselbe  Letzte  der  Erkenntnisse  das  doch 
heidemal  nur  eines  sein  soll,  mit  verschiedenen  Namen,  im  Gast- 
mahl als  y.akovy  im  Staat  als  aya&ov  bezeichnet  wiixl,  inwietera 
^ias  eine  oder  das  andere  oder  eins  wie  das  andere  das  wirklidi 
Letzte,  die  Idee  der  Idee,  das  Gesetz  der  Gesetzlichkeit  bedeute 
(lies  zu  entwickeln  möchte  hier  zu  weil  fuhren;  zweifellos  aber 
ist  beidemal  ein  Letztes  verlangt,  worin  alle  Erkenntniss  sich  be- 
gründe als  in  derjenigen  Voraussetzung,  die  nichts  weiter  voraas- 


PLATOS  PHAEDßUS  417 

&eUt.  Der  Sache  nach  liegt  dies  nuo  auch  schon  oder  bereitet 
sich  vor  in  den  vorerwähnten  Ausführungen  des  Theaetet  und 
Phaedo;  besonders  deutlich  und  einhellig  lehren  beide  die  ja  eben- 
falls im  Eutbydem  hervorgehobene  Begründung  der  Mathematik  in 
der  Dialektik.  Aber  auch  die  Wissenschaft  des  Werdens,  die  Physik, 
in  ihr  zu  begründen  nimmt  der  Phaedo  einen  sehr  merkwürdigen, 
in  seiner  Bedeutung  selten  gewürdigten  Anlauf:  er  wdgt  aus  der 
logischen  Erhaltung  der  Identität  der  Grundsetzung  direct  zu  folgern 
auf  die  Erhaltung  des  Grundbestandes  des  Seins  in  der  Verände- 
ruog,  indem  alle  Veränderung  bloss  als  Stellenwechsel  eines  und 
desselben,  in  der  Substanz  unwandelbaren  Grundbestandes  logisch 
zu  denken  sei,  wie,  wenn  wir  modern  Bewegung  deûniren  als 
Stellenwechsel  der  Energie,  die  in  der  Gesammtsumme  unverändert 
sich  erbalte,  und  die  dabei  selbst  nur  ein  Begriff,  ein  Ansatz  der 
Wissenschaft  ist.  Diese  Reduktion  der  Physik  auf  Dialektik  mag 
verdeutlichen,  was  es  für  Plato  besagt,  rein  durch  BÏôrj  zu  eïôij 
fortschreitend,  die  blossen  (fundamentlosen)  Hypothesen  aufheben 
und  zum  ^Princip  selbst*  zurückgehen,  um  in  ihm  die  Gewissheit 
der  Wissenschaft  zu  gründen. 

Hat  nun  der  Phaedrus  irgend  etwas  hiervon?  Ich  finde  — 
nichts,  weder  von  einer  Systemordnung  der  Wissenschaften,  noch 
▼OD  einem  letzten,  einzigen  (Äa^ri^a^  dem  ein  letzter,  einziger 
Gegenstand,  die  Idee  der  Idee,  der  Grundsatz  der  Grundsätze  ent- 
spräche. Es  kann  weder  das  Schöne  des  Gastmahls  noch  das 
Cme  des  Staats  hier  als  dies  Letzte  gedacht  sein,  da  beide  coor- 
dinirt  auftreten,  allenfalls  das  Schöne  dem  Sinnlichen  eine  Stufe 
Bäher,  und  darüber  stehend  —  ÇQÔvrjaiç  (250  d);  das  aber  ist 
Mgar  besonders  auffallend  gegenüber  dem  Staat,  der  diese  sokra- 
tische  Bezeichnung  des  Guten  ausdrücklich  ablehnt  als  ganz  unzu- 
läoglich,  denn  man  müsste  weiter  fragen:  welche  q)Q6vrjaiÇy  worauf 
nur  die  Antwort  erfolgen  könne:  die  des  Guten  (505b);  eine 
Selbstkritik  von  schlagender  Richtigkeit,  die  Plato  unmöglich  in 
einer  späteren  (wohl  gar,  nach  Lutoslawski,  der  nächstfolgenden) 
Schrift  wieder  vergessen  haben  könnte.  Man  wird  sich  erinnern, 
dass  auch  im  Philebus  die  çQÔvrjoig  ihren  Platz  erst  nach  dem 
fiétçiov  =  àya&ov  =  Y.aXàv  erhält. 

Man  ist  fast  versucht  zu  sagen,  der  Gorgias  sei  hier  schon 
weiter  gewesen.  Nicht  nur  lässt  er  bei  der  Andeutung  des  Pro- 
blèmes des  Kosmos  (507  e)  den   ausdrücklichen   Hinweis  auf  die 


418  P.  NATORP 

Geometrie  nicht  vermissen ,  sondern  er  erhebt  sich  (506  c  fT.j  zu 
einer  universellen  Zusammenfassung  aller  Probleme,  theoretiscii^r 
vfie  praktischer,  unter  dem  einzigen  höchsten  Gesichtspunkt  des 
Gesetzlichen,  als  dessen,  v^as  die  eigentbOmliche  Güte  oder 
Tugend  eines  jeden  Dinges,  sei  es  des  äusseren  Umversum,  das 
davon  seine  Benennung  als  Kosmos  trägt,  oder  des  inneren:  das 
Ziel  mensdilichen  Handelns,  des  Individuums  wie  des  Staates  (507 d), 
ausmacht.  Eben  dies  deckt  sich  allgemein  mit  dem  eîdoÇf  ab 
dem  Leitpunkt  jeglicher  tixvf]  (503  de,  506  d).  Hier  ist  bereits 
der  Grund  gelegt  zur  Idee  des  Guten  als  Idee  der  Idee,  z\&  fié- 
yiazov  lAd^TjfAa.  Gesetzlichkeit  ist  der  Sinn  aller  Idee,  die  Idee 
besagt  das  Gesetz.  Warum  aber  die  des  Guten?  Weil  der  letzte 
Sinn  des  Gesetzes  Einheit,  Erhaltung  der  Einheit  im  Wechsd 
und  Werden  ist;  allgemein  theoretisch:  Erhaltung  der  Einheit,  der 
Identität  als  Gesichtspunkt  des  Denkens  zur  Auffassung  des  Vieleo, 
DifTerenten;  kosmisch:  Erhaltung  des  Grundbestandes  des  Seins  in 
der  Veränderung;  ethisch  und  politisch:  Erhaltung  des  Sinns  usa 
Willens  der  Gesetzlichkeit  im  Individuum  und  der,  eben  dadurd) 
begründeten,  Gemeinschaft.  Erhaltung  aber  ist  durchweg  bei  Pbto 
der  Sinn  des  ,Guten^  Ganz  in  dieser  Anschauung  wurzelt  der 
Phaedo,  wo  98  b  ixaazcp  ànoèioôvta  ttjv  ahiav  nai  xoiffj 
nàai  JO  kiiàoti^  ßiljiOTOv  y,ai  to  xotvov  nStaiv  àya^ôv  W« 
zum  WWtlaut  erinnert  an  Gor^.  506  e:  xoc/âoç  èyyevofievoç  h 
é-Kaaup  0  éKCcoTOv  olxeîoç  àya&bv  nagex^i  iKaaxov  %wv  of 
Tiovy  welchem  (507  e)  gegenübersteht  der  eine  xoofioç,  der  , das 
Ganze^  Himmel  und  Erde,  Götter  und  Menschen  zu  einem  Systeo 
zusammenschliesst  (cf.  504  in.  ewg  av  %o  anav  ovan^ar^tai  «• 
TayfÀévov  re  xaî  x6xoaf.trjfÀévov  7tçâyfj.a,  woran  wiederum  er- 
innert Conv,  202  e  viave  to  nàv  avvo  avT(^  ^vvôeôéa^aiy 

Vielleicht  lässt  sich  nun  oben  diese  Grundanschauung  im 
Phaedrus,  wiewohl  nicht  ausgesprochen  ûnden,  doch  als  unaos- 
gesprochen  voraussetzen.  Gehört  er,  nach  allem,  an  irgendeine 
Stelle  zwischen  Gorgias  und  Staat,  so  wäre  es  ja  unwahrscheinücbt 
dass  eine  andere  als  diese  Anschauung  ihm  schliesslich  zu  GniDde 
liegen  sollte.  Aber  vveuigslens  hat  sie  sich  gut  zu  verstecken  g^ 
wusst.  Eine  Kosmologie  wird  gefordert,  aber  sie  scheint  beinahe 
nocli  auf  vorsokralischer  Stufe  gedacht:  Anaxagoras  sei  in  seiner 
l)erilchtiglen  Meteorologie  iui  q>voiv  vov  t€  xai  âvolaç  gelangt» 
NNüvon    er  ja   so  viel  Hedcns  niaclile.    Anaxagoras,   der  nach  dem 


PLATOS  PHAEDRUS  419 

laedo  mit  seinein  vovg  wirklich  nicbls  anzufaDgeo  wusste  und 
ssbalb  zu  deo  mechanischea  Ursachen  zurOckgriff;  der,  nach 
ioo  Urtheil  des  Aristoteles  und  der  Geschichte,  ihn  selbst  wie  eine 
ascbine  gebrauchte  I  Und  Hippokrates  habe  das  Beispiel  gegeben, 
lysiologie  auf  Kosmologie  zu  gründen  und  ein  rationales  Ver- 
hren  in  ihr  an  die  Stelle  der  blinden  Empirie  zu  setzen  (270). 
18  Erstere  ist  hoffentlich  blosse  Ironie,  denn  wir  sollen  doch 
ohl  nicht  annehmen,  Plato  sei  hier  von  der  freudigen  Erwartung, 
it  der  er  einst  zum  Buche  des  Anaxagoras  griff  {Phaedo  97  c, 
ib),  immer  noch  nicht  zurückgekommen,  ja  er  suche  wohl  gar 
rund  und  ,Krart*  des  Wirkens  und  Leidens  noch  in  gegebenen 
logen  statt  in  Begriff  und  Gesetz,  in  den  êçya  oder  ngayfiata 
Ht  in  den  koyoi  (Phaedo  99  e)I  Die  annehmbarste  Deutung  dürfte 
dmehr  diese  sein:  die  schwachen  Keime  des  Richtigen  in  der 
tereo  Physik  werden  dankbar  anerkannt,  der  endgültige  Weg  der 
)r8chung  hier  noch  nicht  enthüllt,  weil  das  nicht  so  nebenbei 
ischehen  konnte.  Wenn  aber  die  dritte  Rede  die  Seele  als  ein 
iocip  der  Selbsterhaltung  im  Werden  des  Kosmos,  in  den  — 
irom  gesetzmässigen  —  Bewegungen  des  Uranos,  somit  deutlich 
I  Weltseele  (bes.  246  b,  c,  e)  aufstellt,  dann  aber  über  den  so 
Dfdoeten  Himmelsbau  erst  den  überhimmlischen  Raum  der  Ideen 
flrmt,  in  welchem  —  man  versteht  jetzt  erst,  warum  —  Ge- 
chtigkeit,  Besonnenheit,  und  vom  Werden  unberührte  Erkenntniss 
lo*  Besinnung  —  allerdings  mit  ihnen  die  sinnlichere  Schön- 
à  —  thront,  so  kann  und  darf  auch  wohl  eine  dem  Gorgias, 
uiedo  und  Staat  entsprechende  Grundmeinung  dabei  vorausgesetzt 
kd  zur  Erklärung  der  allzu  bilderreichen  Darstellung  zu  Hülfe 
Qommen,  ja  auch  der  vermisste  Fortschritt  über  den  Gorgias 
«D  hier  gefunden  werden.  Auch  die  q>vaiç  oder  dvvafitc  des 
iilens  und  Leidens  (270  d)  darf  verstanden  werden  von  jener 
lern  im  besonderen  einwohnenden  Gesetzlichkeit,  die  einhellig  im 
»rgias  und  Phaedo  von  der  übergreifenden  Gesetzesordnung  des 
lozen  unterschieden  wird.  Zwar  will  auch  so  nicht  alle  Differenz 
iiwinden.  Zu  dem  erwähnten  Anstoss  bezüglich  der  ççovrjaêç 
mmt  ein  weiterer  inbetreff  der  kniovri^ri.  Das  naXbv  des  Gast- 
ibls  ist  ovàé  tiç  léyoç  ovôé  tiç  i7tiaTi]fir]  (211a),  das  Gute- 
J  Staates  über  htiazri^ri  und  àlr]^eia  wie  (folglich)  Ober  die 
üa  hinaus,  als  ,Grund'  des  einen  wie  des  anderen  (508  e,  509  b). 
\  lässt,  so  viel  ich  sehe,  nur  diese  Deutung  zu:  selbst. der  Gel- 


420  P.  NATORP 

tUDgswerth  der  Wahrheit  und  der  Erkennlnits,  der  seinerseits  die 
oiaia  bedingt,  sei  schliesslich  gegrandet  in  einem  letzten  Prioeipt 
das  sich  fflglich  als  das  der  Erhaltung  bezeichnen  Utast');  nämUcb 
auch  Erkenntniss  und  Wahrheit  gehe  schliesslich  kraft  der  Eis- 
stinraiigkeit  im  Denken,  kraft  des  Miteinanderbestebens  des  Ge- 
dachten in  unverbrüchlicher  Consequenz.  Die  ,Idee'  sagt  das  G^ 
setz,  Sinn  alles  Gesetzes  aber  ist  Erhaltung.  Sind  die  Gnmdbgea 
dazu ,  wie  gesagt ,  schon  im  Gorgias  gegeben ,  so  erreicht  dieser 
doch  nicht  diese  Höhe  der  Abstraction.  Aber  auch  der  Pbaedroi 
bleibt  dahinter  zurück,  wie  die  Unsicherheit  über  die  nothweadige 
Einheit  des  Letzten  der  Erkenntniss,  dies  unbestimmte  Neben- j> 
Durcheinander  von  âixaioavvrjj  awq>Qoavprjf  imari^fÂrjy  tp^ 
rrjaig,  xdlkoc  beweist,  worin  einen  einzigen  Centralpunkt  zu  socbeo 
vergebliche  Mühe  wäre.  Der  Phaedo  aber,  das  Gastmahl  und  der 
Staat  erheben  sich  bis  zu  dieser  Hohe  der  Abstraction ,  aUo  hat 
der  Phaedrus  seine  Stelle  vor  diesen  dreien,  in  der  Nähe  des 
Gorgias. 

8.  Eine  fernere  Frage  schliesst  sich  hier  eng  an.  Ohne  Zweifd 
hat  Plato  in  einer  späteren  Periode  (Perm.,  Soph.  bes.  248 K» 
Phil.)  der  Veränderung  (Bewegung)  und  damit  der  Sinnenwelt  wdt 
mehr  zugestanden  als  ehedem,  wo  Werden  und  Sein,  Sinnen-  ood 
Ideenwelt  in  schroffer  Antithese,  fast  nach  eleatischer  Denkart  ab 
Schein  und  Wahrheit  sich  gegenüberstehen.  Welche  Stellung  nimiBt 
in  dieser  Entwicklung  der  Phaedrus  ein?  Eine  Annäherung  an  die 
spätere  Anschauungsweise  könnte  man  etwa  suchen  1.  in  der  Vor- 
aussetzung, auf  die  der  Unsterblichkeitsbeweis  (245)  sich  stQUt: 
alles  Werden  und  (als  dessen  Quell?)  die  Bewegung  des  Himinels- 
gewolbes  roüsste  stillstehn,  wenn  es  nicht  einen  unzerstOrlicbeD 
ersten  Grund  der  Bewegung  gäbe  in  einem  sich  selbst  BewegeodeB; 
also  um  des  Bestandes  des  Werdens  willen  wird  ein  Ewiges  postu- 
lirt;  2.  in  der,  wenngleich  ganz  allgemein  gehaltenen  Anerkenooog 
der  Naturforschung  (270).  In  der  That  ist  Lutoslawski  (S.34i) 
der  Meinung,  da  an  letzterer  Stelle  im  Einklang  mit  späteren 
Schriften  (Tim.  Leg.)  die  ,efticienten  Ursachen^  anerkannt  wQrdeOt 
die   der  Phaedo   verwerfe,   so   sei    damit   ,jede  Möglichkeit^  eiflcr 

1)  Ich  empfinde  dabei  woiil  den  Anstoss,  dass  ,ErlialtuDg'  die  Zeil 'ii^ 
zuschliessen  scheint,  was  doch  die  Meinung  nicht  ist.  Aber  ich  finde  käüf^ 
besseren  Ausdrucii.  , Bestand'  tiüfe  die  Sache,  ist  aber  vielleicht  nicht  dent* 
lieh  genug. 


PLATOS  PHAEDRUS  42! 

kliereD  Abfassung  des  Phaedrus  aufgehobeo.  Das  beruht  aber 
f  eioer  irrthOmlicheo  Auffassuug  des  Phaedo  ;  dieser  verwirft 
s  Wirken  und  Leiden  nur,  sofern  sein  Grund  im  sinnlichen  Ding 
sucht  wird,  statt  in  den  Xoyoi  und  schliesslich  in  dem  Grunde 
er  Gründe,  dem  Grunde  des  Guten  (98  a).  Diesen  letzten  (Formal- 
id  Final-)Grund  vorausgesetzt,  lässt  er  selbst  die  Materialursache 
Iteo  als  Bedingung,  av€v  ov  to  aïriov  ovx  ay  no%*  eïr]  aï- 
Of  (vgl.  7fifi.  46d— e);  ganz  ausdrücklich  aber  wird  z.B.  die 
irme  als  wesentliche  Eigenschaft  des  Feuers  behauptet  (103  d  ff.. 

>  Stoff  und  Form  fast  ganz  aristotelisch  unterschieden  werden, 
ID  beachte  auch  netpvxivai,  nigyvxe  104  a).  Im  Phaedrus  aber 
rd  die  ,Kraft  des  Wirkens  und  Leidens*  (in  demselben  Ausdruck 
B  nsqyuxivai  270  d)  einfach  nur  vorausgesetzt,  nach  ihrem  Ur- 
niDg  gar  nicht  gefragt;  allenfalls  könnte  die  Anspielung  auf  den 
VC  des  Anaxagoras  (270  a)  auf  dasselbe  hindeuten  wollen,  was 
I  Phaedo  (97  f.)  offener  gesagt  ist.  Ein  Widerspruch  liegt  dem- 
ch  nicht  vor,  ein  Fortschritt  weit  eher  im  Phaedo.  Ebenso  kann 
16  allgemeine  Voraussetzung  über  das  Werden  hier  nichts  be- 
âsen.  Das  Werden  überhaupt  ist,  wie  sich  sogleich  zeigen  wird, 
iidestens  so  entschieden  im  Phaedo  behauptet;  auch  gewisse  all- 
meine  Gesetze  des  Werdens  werden  behauptet  (70 — 72). 

Andererseits  spricht  sich  aber  gerade  im  Phaedrus  eine  so 
hroffe  Entgegensetzung  von  Werden  und  Sein  aus,  wie 
um  irgendwo  sonst  bei  Plato;  das  Werden,  die  Erscheinung  wird, 
e  bei  den  Eleaten,  zum  trügenden  Schein.  Die  Vernunft  schaut 
s  reine  Wesenheit,  der  nichts  vom  Sinnlichen  anhaftet  {axQii- 
noç  xal  aaxf]f*(iftaToç  xal  àvag>riç  ova  la)  noch  vom  Werden 
h  7]  yéveaiç  nçooeariv)  noch  von  Bäumlichkeit,  wie  dem  was 
ir  jetzt  seiend  nennen*  {old^  rj  iazl  nov  ktiga  iv  IxéQtfi  ovaa 
*  fifieïç  vvv  oyrwv  xaXovptBV  247c — d).  Die  Seele,  die  nicht 
r  Schau  dieses  allein  echten  Seins  {lov  ovrog  ^éaç)  theilhaft 
rd,  Dährt  sich  vom  Schein  (rQOfpfj  do^aavfj  xQtZvrat  248  b, 
gen  ^ewQoiaa  Tâkrj&rj  Tçàrpêzai  247  d).  In  der  Wiederer- 
BeruDg  des  dereinst  Geschauteu  blickt  die  Seele  des  Philosophen 
aweg  über  das  ,wovon  wir  jetzt  sagen,   es  sei*  (vTteçiôovaa  a 

>  dval  rpafÄ€v)y  taucht  empor  ins  wirklich  Seiende  {ov  ovrœç 
9c),  und  erhebt  sich  so  in  enthusiastischer  Ekstase  über  das, 
>i^U8  Menschen  einen  Ernst  machen  (d).  Von  dem  schlechten 
^bild  hienieden  schwingt  sich  der,  dem  die  Weihe  geblieben,  in 


422  P.  NATORP 

jähem  Flug  ins  Jenseits  empor,  wo  das  Urbild  zu  schauen  {i^iwç 
<péç€Tai  iv^évôe  ixelae  250  e),  und  was  solcher  Wendungen  mehr 
sind.  Ausser  einer  merkwürdigen  Stelle  des  Protagoras  (356  d  e), 
die  ähnlich  schrolT  das  Veränderliche  als  Phantom  bezeichnet,  das  uns 
in  Irrung  und  Selbstwiderspruch  treibe,  und  das  ungültig  (axv^) 
gemacht  werde  durch  die  Enthüllung  des  unwandelbar  Wahren,  wird 
man  schwerlich  bei  Plato  eine  Stelle  namhaft  machen  können,  die 
sich  der  eleatischen  Negierung  des  Werdens  und  damit  der  ganien 
Sinnenwelt  in  solchem  Grade  nähert.  Die  Ausdrucksweise  selbst, 
die  Unterscheidung  des  bloss  von  uns  Menschen  so  genannten  voi 
dem  wahren  Sein  ,an  sichS  die  Entgegensetzung  der  beiden  Reiebe 
der  aXri^Bia  und  öo^a  (248  b)  als  des  Jenseits  und  Diesseits  klingt 
an  das  Gedicht  des  Parmenides  direct  an;  die  aristotelische  Charak- 
teristik der  Eleaten  {de  gen.  et  corr.  I  8,  325  a  13):  Inecßdne; 
T))y  aïadTjaiy  xal  nagidovrêç  wç  t<jJ  Aoyçi  âéov  axolovdih 
triiït  genau  auf  den  Phaedrus  zu  (inegidovaa  a  vvv  elvai  g>a(i&i 
Kai  avaxviljaaa  elg  to  ov  ovtwç);  selbst  die  wundervolle  Wageo- 
fahrt  in  die  Gefilde  der  Wahrheit  kann  der  phantastischen  Ein- 
leitung des  parmenideischen  Gedichts  überbietend  nachgedichtet  sein; 
und  die  Zusammenstellung  der  drei  Prädikate  okoxkrjga  xal  iaui 
xai  arcefATJ  {çàafÂaTo)  250  c  ist  vielleicht  eine  directe  Reminisceni 
an  dasselbe  Gedicht  {ovlov  (Àovvoyevéç  ze  xai  ccTgefieç),  Nimnit 
man  dazu  den  Hinweis  auf  Zeno  261  d  und  die  wahrscheinliche 
Beziehung  auf  denselben  als  Begründer  des  dialektischen  Verfahrens 
266  b  (s.  oben  S.  406),  so  wird  man  sagen  müssen,  dass  in  keinen 
zweiten  platonischen  Dialog  sich  so  stark  der  positive  Einfluss  des 
Eleatismus  beweist.  Schon  der  Theaetet  kündigt,  neben  dem  Aus- 
druck der  höchsten  Verehrung  für  Parmenides  (183  a),  doch  xu- 
gleich  die  Kritik  an,  die  dann  später  im  Parmenides  und  Sophisten 
in  sehr  einschneidender  Weise  an  den  Eleaten  geübt  wird. 

Nun  ist  gewiss  von  eleatischer  Stimmung  auch  recht  viel  im 
Phaedo  anzutreiïeu.  Aber  sie  beschränkt  sich  auf  den  ersten  Tbeili 
und  auch  da  im  ganzen  auf  die  freieren  Ausführungen.  Ernstlich 
wissenschaftlich  wird  dagegen  a)  75  a  scharf  betont,  dass  die  Idee 
überhaupt  nicht  anders  als  ,aus^  den  Sinneswahrnehmungen  zu  er- 
keunen  sei.  Danach  kann  mau  keinesfalls  mit  Lutoslawski  (S.  354) 
iu  eiuer  höchstens  auf  gleicher  Stufe  stehenden  Andeutung  vu 
Phaedrus  (249  b)  ein  Argument  für  späteren  Ursprung  finden;  und 
noch  auffallender  irrt  derselbe,  wenn  er  (S.  339)  die  dort  vorwaltende 


PLATOS  PHAEDRÜS  423 

rslelluDg  voD  Idee  und  Erscheinung  als  Urbild  und  Abbild  für  jünger 
It  als  die  mehr  ,iminanenle*  Auffassung  der  Idee  im  Phaedo,  da 
ch  jenes  nur  eine  jener  Metaphern  (nach  Arist.  metapk.  1  6)  ist. 
Den  der  Phaedo  durch  die  ^einfältige^  logische  Erklärung  der  Idee 
d  der  ,Theilhabe*  an  ihr  (100  ff.)  glücklich  ein  Ende  macht. 
Phaedo  19  di  werden  als  die  beiden  Arten  des  Seins  (ovo 
öij  Tùip  oytwv)  das  Veränderliche  und  Unveränder- 
:he  aufgestellt,  im  bestimmtesten  Gegensatz,  wie  zu  den  Eleaten, 
zum  Phaedrus  und  selbst  zum  Theaetet,  der,  trotz  bedingter 
erkennung  des  Werdens  und  der  Erscheinung  und  trotz  der  An- 
itUDg  einer  an  den  Eleaten  zu  übenden  Kritik,  dennoch  (186  c — e) 
l)ei  verharrt,  dass  es  vom  Sein  allein,  nicht  vom  Werden  ge- 
lodetes  Urtheil  und  somit  Wahrheit  und  Erkennlniss  gebe.    Ja 

0  darf  sagen,  es  werden  im  Phaedo  (102  ff.)  jene  zwei  Arten 
8  Seins  begründet  in  zwei  Arten  des  Urtbeilens,  indem 

Bewegung  des  Werdens  erwiesen  wird  als  Bewegung  der  Pra- 
llte im  Urtheil,  durch  Wechsel  des  Bezugspunktes.  Und  so  kann 
(Gastmahl  in  überraschender  Klarheit  eine  unlösliche  Verknüpfung 
laupten  zwischen  ,Himmel  und  Erde,  Göttlichem  nnd  Mensch- 
tieni*  d.  i.  Idee  und  Sinnenwelt,  kraft  der  dialektischen  Methode, 
ift  jenes  inductiv  {ànb  évoç  int  ovo  xai  arto  ôvoïv  inl  ndvta 

1  0  cf.  210  a — b)  fortschreitenden  Verfahrens,  das  von  den  iso- 
rten  Sonderobjecten  somatischer  und  psychischer  Ordnung  durch 
t  lusammenhängenden  Wissenschaften  bis  zur  Einen  Grundwissen- 
laft  Stufe  um  Stufe  (obOTieç  inavaßa&^olc  xQOffievov  211  c) 
lauffflhrt.  Es  ist  wahr,  dass  noch  nach  diesen  Schriften  im  Staat 
e  eigentliche  Wissenschaft  vom  Werden  nicht  zugestanden  zu 
rden  scheint;  es  ist  also  die  eleatische  Verdächtigung  der  Sinnen- 
It  noch  nicht  endgültig  überwunden.  Aber  sicher  ist  es  falsch, 
1  PhaedruSy  der  nur  die  schroffste  Scheidung  kennt,  nichts  von 
thodischer  Verknüpfung  noch  so  entfernt  andeutet,  in  ein  späteres 
idium  setzen  zu  wollen  als  den  Phaedo,  der  mit  den  genannten 
Kimmungen  die  in  der  Richtung  der  Immanenz  (neben  dem 
rmenides)  weitgehendste  Schrift,  den  Sophisten  vorwegnimmt,  wenn 
ser  unter  den  fiéyiara  yivt]  (254  d),  zunächst  dem  ov,  also 
Sem  direct  untergeordnet,  azàaiç  und  xlvrjacç  nennt,  weil  beides, 
ivijta  xai  xsxivrjfÄiva  (249  d),  gleichen  Anspruch  darauf  habe, 
D  Sein  gerechnet  zu  werden.  Zugleich  bestätigt  sich  hier  das 
!D  von   der  Bekanntschaft  des  Phaedo   mit  den  Kategorien  Ge- 


424  P.  NATORP 

sagte  :  der  Sophist  stellt  endgültig  our  fOnf  als  letzte  Begriffe  fest, 
Dämlich  neben  den  drei  genannten  nur  noch  Identität  oad  Ver* 
schiedenheit.  Das  Zurücktreten  der  übrigen  im  Theaetet  aufge- 
führten Begriffe  im  Phaedo  bedeutet  demnach  nur  einen  Fort- 
schritt  zu   grösserer  Pracision. 

Es  wird  hierbei  nicht  verkannt,  vielmehr  behaupte  ich  nil 
gleicher  Bestimmtheit  wie  Lutosiawski  (S.  339),  dass  den  ,HetapberD' 
des  Phaedrus  so  gut  wie  denen  des  Gastmahls  und  Staats  eii 
nüchterner  wissenschaftlicher  Sinn  zu  Grunde  liegt  Bei  allen  bat 
Plato  zuletzt  vor  Augen:  die  Methode  der  Begriffe,  nichts  Andere«. 
Aber  es  ist  ein  gründlicher  Unterschied  zwischen  dem  Begriff  ib 
blossem  Werkzeug  im  Apparate  der  Erkenntniss,  als  blester  Etappe 
auf  dem  Wege  zum  unendlich  fernen  Ziele  der  Wahrheit,  und  dem- 
selben als  vermeintlich  letztem,  endgültigem  Ausdruck  des  erkanotea 
Wahren.  Im  Phaedrus  schwebt  durchweg  das  Letztere  vor.  Von 
Sinnlichen  zwar  soll  die  Erkenntniss  den  Ausgang  nehmen,  ua 
aber  von  da  in  unvermitteltem  Sprung  (o^éotç  q>éQetai)  sich  wieder 
zu  erheben  zu  dem  einst  durch  reine  Vernunft  geschauten,  jea- 
seitigen,  von  aller  Sinnlichkeit  und  Räumlichkeit  schlechthin  Ivr 
gelösten,  rein  begrifflichen  Wesen.  Diese  schroffe  Transcendeai 
der  Begriffe  ist  die  begreifliche  Folge  der  Unentwickeltbeit 
der  Methode,  die  den  Begriff  zu  Grunde  legt,  aber  seine  dutd)- 
aus  bedingte  Rolle  im  Process  der  Erkenntniss  noch  nicht  dardi- 
schaut  und  so  noch  glauben  kann,  in  den  Begriffen  die  Wesea- 
heiten  der  Dinge  unvermittelt,  gleichsam  im  Fluge  zu  erhascbea* 
Was  vorschwebt,  ist  die  reine  Ursprünglichkeit  der  Denkeinbeit 
selbst  als  Function.  Das  Gesetz  der  Einheit,  als  Urgesetx  der 
Erkenntniss,  erscheint  freilich  nicht,  es  ist  übersinnlich,  über  Rao* 
und  Zeit,  in  seiner  Geltung  unbedingt,  die  in  der  That  YVoraQ«- 
setzungslose'  Voraussetzung.  Dagegen  wird  alles  Sinnliche  aar 
erkennbar  in  der  Zurückbeziehung  (schliesslich)  auf  das  reine  Ge- 
setz dieser  Einheit;  insofern  erscheint  dieses  in  jenem,  aber  als  im 
^Abbilds  nicht  im  Urbild.  Diese  Beziehung  des  Begriffs  zum  o^ 
sprünglichen  Gesetze  des  Selbstbewusstseins  lag  von  Anfang  an  zu 
Grunde  in  dem  Motiv  der  dvdfAvrjaiç^  als  des  avalaßelv  aito^ 
€§  éavroij  rf^v  entOTrjir^v  (Men,  85  d,  vgl.  Phaedo  75  e);  dan«D 
ist  die  fragliche  ovaia  ursprünglich  unser  (ebenda  76  d  v/i^^ 
Xovoav  7i()6t€çov  àv€VQiaytovT€ç  f.fÀBxégav  ovaav^  92  d  a^fi 
[sc.  rft;  xpvxi^i^]  loriv  f;.  ovaia).     Diese   an  sich  wohlbegrOndeie 


PLATOS  PHAEDRÜS  425 

insicht  koDDle  aber,  so  lange  sie  nicht  bis  zur  tiefsten  Darch- 
^uchtuDg  des  ganzen  Getriebes  der  wissenschaftlichen  Methode  sich 
Dtwickelt  hatte,  leicht  irreleiten  zu  einer  Hypostasirung  der  Be- 
riffe,  der  Plato  dauernd  nicht  unterlegen,  aber  nirgends  so  nahe 
ekommen  ist  wie  im  Phaedrus.  Das  Transcendentale,  mit  Kant 
j  reden,  liegt  dem  Transcendenten  stets  zu  Grunde,  selbst  bei  den 
leiten,  die  nur  darum  die  Führer  der  Dialektik  werden  konnten; 
)er  im  Verharren  bei  der  Transcendenz  konnte  es  seine  eigenste 
raft,  die  der  Gestaltung  von  Wissenschaft,  nicht  entfalten.  Plato, 
1  dem  Entwürfe  seiner  Dialektik,  nächst  der  ethischen  Reflexion 
»  Sokrates,  am  mächtigsten  durch  die  Eleaten  angeregt,  hatte 
ese  Klippe  zunächst  zu  befahren  ;  er  ist  an  ihr  nicht  gescheitert, 
m  keine  seiner  Schriften  zeigt  ihn  der  gefährlichen  Stelle  so 
ihe  wie  der  Phaedrus.  Also  gehört  er  an  den  Anfang  der  Plato 
genthOmlichen,  tlber  Sokrates  hinausführenden  Entwickelung,  in 
0  Stadium  vor  dem  Tbeaetet,  Phaedo,  Gastmahl  und  Staat. 

9.  Ausser  der  Dialektik  tritt  die  Psychologie  im  Phaedrus  be- 
hutsam hervor;  erst  beide  vereint  liefern  die  zulängliche  wissen- 
baftliche  Grundlage  für  die  neue  Redekunst.  Den  Anfang  macht 
!r  in  dialektischer  Hinsicht  schon  oben  berührte  llnsterblichkeits- 
!wei8.  Was  an  diesem  zuerst  auffällt,  ist  das  Archaisiren,  das 
irtlckgreifen  nicht  bloss  auf  vorsokratische,  sondern  auf  urälteste 
iechische  Philosopheme  wie  die  des  Anaximander  und  Alkmäon. 
eoD  nach  bester  Ueberlieferung  (s.  Zeller  Philos,  d.  Gr.  P  198) 
tt  Anaximander  zuerst  den  Begriff  einer  açx^  geprägt,  eines  ,An- 
ogs*,  d.  i.  Princips  des  Werdens,  das,  eben  als  Princip,  unver- 
inglich  beharren  müsse,  weil  sonst  das  Werden  sich  erschöpfen 
Orde.  Plato  macht  nicht  nur  von  dem  zum  Gemeingut  gewordenen 
erminus  Gebrauch,  sondern  stützt  sich  auf  denselben  Grund:  das 
'rincip*  der  Bewegung  zunächst  des  Himmelsgewölbes,  damit  aber 
les  Werdens  (auch  dies  ganz  anaximandrisch  1)  muss  ewig  sein, 
enn  sonst  würde  diese  Bewegung,  mithin  alles  Werden  zum  Still-  . 
and  kommen,  auch  nicht  wieder  von  neuem  anheben  können, 
^incip  der  Bewegung  aber  ist:  das  sich  selbst  Bewegende,  gleich- 
setzt mit  der  ,Seele^  Dies  zweite  Bestandstück  des  Beweises  ist 
'in  Pyihagoreer  Alkmäon  entnommen,  der  (nach  Arist.  de  an.  I  2, 
)5  a  29)  bereits  die  Unsterblichkeit  der  Seele  als  des  ùbï  xivov- 
^'Vov  behauptet  und  sich  dafür  auf  die  ewige  Bewegung  des  gött- 
ihen,  also  beseelten   Himmelsgewölbes  als  beweisendes  Beispiel 


426  P.  NATORP 

berufen  hat.')  Die  Grundvorstellung  tod  der  Seele  ab  Beweg-  \ 
kraft  war  übrigens  (nach  Arist.  de  an.  I  2)  fast  allen  alteren  Philo- 
sophen gemein.  Dieser  historischen  Beziehungen  muss  man  sich 
erinnern,  um  die  Bedeutung  des  Beweises  im  Zusammenhange  der 
Entwickelung  der  platonischen  Philosophie  richtig  zu  schätzen. 

Plato  hat  nun  denselben  Beweisgrund  in  den  Gesetzen  (893ff.)t 
und  zwar,  wie  im  Phaedrus,  als  einzigen,  für  sich  ausreichenden 
Beweis,  allerdings  nicht  der  Unsterblichkeit,  aber  doch  der  Prioriftt 
der  Seele  vor  dem  Körper,  sachlich  ganz  gleichsinnig,  nur  in  fid 
breiterer  Ausführung,  wiederholt.  Daraus  schliesst  Lutosbwski:  er 
müsse  diesen  Beweis  für  triftiger  gehalten  haben  als  alle  im  Phaedo 
zusammengetragenen  sammt  dem  Nachtrag  zu  diesen  im  10.  Boche 
des  Staats  (608  ff.).  Wenn  aber,  so  sei  es  sehr  unwahrscheinlich, 
dass  er  im  Phaedo,  wo  er  solche  Anstrengungen  macht,  immer 
neue  Beweisgründe  für  die  Unsterblichkeit  zu  flnden«  gerade  dieseOt 
seinem  eigenen  Urtheil  nach  durchschlagendsten  ausgelassen  hätte, 
wenn  er  schon  in  seinem  Besitz  gewesen  ware.  Folglich  kOnne 
der  Phaedrus  nur  nach  dem  Phaedo  und  selbst  nach  dem  10.  Buche 
des  Staats  geschrieben  sein. 

Diese  Ausdehnung  der  Folgerung  ware  in  der  That  noChwendig; 
womit  das  Argument  für  den  schon  unannehmbar  wird,  der  die 
Abfassung  des  Phaedrus  nach  dem  10.  Buche  des  Staats  aus  anderen 
Gründen  für  ausgeschlossen  hält.  Aber  die  Schlussfolgerung  an 
und  für  sich  wird  sofort  wankend,  wenn  man  sich*)  überzeugt) 
dass  das  Argument  des  Phaedrus  und  der  Gesetze  dem  Kerne  mA 
auch  im  Phaedo  vorliegt.  Bekanntlich  wird  dort  die  Uebeneuguog 
von  der  Unsterblichkeit  durch  eine  lange  Reihe  von  Argumenten 
ungleichen  Gewichts  nach  und  nach  geweckt  und  befestigt;  aber 
erst  ein  letztes  Argument  soll  den  Ausschlag  geben;  es  lautet  Dich 


1)  Von  beiden  Philosophen  hat  PJalo  auch  Anderes  ûberoommeD :  tod 
Anaximander  die  nothwendige  Ruhe  der  Erde  im  Geotrom  der  Welt  kraft  des 
gleichen  Abstandes  von  der  Peripherie  {Phaedo  109  in.;  es  ist  sehr  lü^ 
achten,  dass  Arist.  de  cael.  II  13,  295  b  12  sich  auf  den  Wortlaut  bei  Plit» 
bezieht,  während  er  zugleich  bemerkt,  das  Argument  stamme  von  Aoaximanda 
her;  ganz  so  gebraucht  er  de  an.lZ  Piatos  Formulirangen,  nachdem  er  in 
2.  Kapitel  Alkmäon  als  Quelle  der  fraglichen  Ansicht  genannt  hat);  yod  Alk- 
uiäon  die  Unlerscheidung  des  Menschen  vom  Thier  durch  das  Merkmal  des 
^ivitvai  {Pliaedr.  249  l) — c,  vgl.  Hirzel  in  dies.  Zlschr.  XI  241). 

2)  iMit  Zeller  Phil.  d.  Gr.  II  a^  825  IT.;  vgl.  auch  Toccos  Besprechung  d« 
Werkes  von  Lutoslawski  in  der  Zeitschrift  Alene  e  Roma  1  1,35  01 


PLATOS  PHAEDRÜS  427 

Dger,  weit  ausgreifender  Vorbereitung  schliesslich  ganz  knapp  so: 
eele  ist,  ihrer  Idee  nach,  das  den  Körper  Belebende;  also  wider- 
pricht  es  ihrer  Idee,  dem  Tode  unterworfen  zu  sein  (105  c— e). 
^as,  was  Oberhaupt  den  Begriff  des  Lebens  ausnoacht,  avtb  %6 
Hoc  %fiç  ^w^ç,  kann  nicht  sterben  (106  d).  Hier  brauchte  nur 
ttr  ,belebend'  ,bewegend^  zu  stehen,  so  würde  das  Argument  mit 
lern  des  Phaedrus  und  d^  Gesetze  der  Sache  nach  identisch.  Diese 
iileichsetzung  ist  aber  nicht  nur  durch  die  Sache  gegeben  —  Belebung 
beisst  wesentlich  Hittheilung  von  Bewegung  — ,  sondern  sie  ist 
im  Phaedrus  selbst  und  noch  bestimmter  in  den  Gesetzen  ausge- 
sprochen und  bildet  in  beiden  ein  gar  nicht  zu  entbehrendes  Glied 
des  Beweises.  Phaedr.  245  c  :  Was  in  beständiger  Bewegung  ist  (indem 
es  den  Quell  der  Bewegung  in  sich  hat),  ist  (damit)  unsterblich; 
m  dagegen  nur  durch  Anderes  beweglich  ist,  findet,  wenn  ein 
Ende  dieser  ihm  bloss  mitgetheillen  Bewegung,  eben  damit  ein  Ende 
des  Lebens.  246  c:  Was  vermöge  einer  ihm  innewohnenden 
Sede  bewegt  ist  und  daher  sich  selbst  zu  bewegen  scheint,  heisst 
eia  Lebendes.  Am  directeslen  aber  Leg.  895  c:  ,Wir  sagen,  dass 
etwas  lebt,  wenn  es  sich  selbst  bewegt*;  nun  ist  Seele  das,  kraft 
denen  ein  Körper  lebt,  also  (896  in.)  ist  Seele  ihrem  wesentlichen 
Begriff  nach  (Xoyog  ttjç  ovalaç^  wie  Phaedr.  245  e  ovalav  Te  xal 
Uyov)  das,  was  sich  selbst  zu  bewegen  im  Stande  ist.  Der  ganze 
Doterschied  ist,  dass  im  Phaedo  nicht  ausdrücklich  gesagt,  weil 
ab  selbstverständlich  vorausgesetzt  ist^  was  als  Begriff  des  Lebens 
ugenommen  wird  :  spontane  Bewegung.  Dies  durfte  deshalb  voraus- 
gesetzt werden,  weil  es  ja,  nach  dem  Zeugniss  des  Aristoteles,  der 
%emein  angenommene  Begriff  des  Lebens  oder  der  Beseelung 
^,  den  Plato  im  Phaedrus  und  den  Gesetzen  ausdrücklich  an- 
BiiniDt  und  an  keiner  sonstigen  Stelle  etwa  in  Zweifel  gezogen  oder 
%ch  einen  anderen  ersetzt  hat.  Man  beachte  wohl,  dass  auch  im 
i^haedrus  und  den  Gesetzen  diese  Voraussetzung  gar  nicht  erst 
'^gründet,  sondern  als  allgemein  zugestanden  angenommen  wird, 
'ba  beachte  ferner,  dass  dieselbe  Grundmeinung  von  der  Macht 
1er  Seele  über  den  Körper,  wie  im  Phaedrus  und  den  Gesetzen, 
iQch  im  Phaedo  sich  ausspricht  :  80  a  wie  94  b  und  e  wird,  wiederum 
b  von  Jedermann  zugestanden,  angenommen,  dass  die  Seele  den 
Körper  leitet,  regiert,  befehligt,  beherrscht  (ayeiv,  aQXBiVy  157e- 
onvsiv,  âeanoÇeiv)^  desgleichen  vom  Novg  des  Anaxagoras  ge- 
igt, dass  er  alles,  besonders  die  Bewegungen  der  Gestirne^  ordne 


428  P.  NATORP 

{ôiaxoafiêlv  97  c,  98  c),  Weodungen  wie  sie  im  Phaedrus  und 
den  Gesetzeo  in  enger  Verbindung  mit  dem  Unsterblicbkeitsbeweis 
begegnen  (246  b  näaa  ^  tpvxfj  navtbg  ifii/ÂelëîTai  %ov  atlfijpVi 
7tav%a  %bv  hoo/àov  dioix€i,  e  o  fiéyaç  ^yefiwv  ip  oiqwn^^ 
êiaxoafidjv  Tcavza  xal  iTti/ÂBlovfiBwoç^  Leg.  896c — e  ^vpiQ 
àçxovarjç^  xov  oiçavov  dioixelv^  ayeip  rijw  tfwxfj^  nine 
.  .  .  ralç  avtfjg  'Aivrjoeaiv). 

Aber,  wird  man  fragen,  wetshalb  ist,  wenn  io  der  Sache  das* 
selbe  gemeint  ist,  dem  Argument  im  Phaedo  eine,  so  alMtracte,  M 
die  Hauptsache  versteckende  Fassung  gegeben?    Darauf  llsit  àd 
bestimmt  antworten.     Das  Argument  steht  am  Ende  der  sehr  äs* 
gehenden,  tief  angelegten  Untersuchung  über  die  Methode  der  Ideei 
ab  allein  sichere*)  Basis  der  Begründung,  insbesondere  für  irgend 
welche  These,  die  ein  Werden  oder  Vergehen  betrifft;  es  war  deat- 
nach  schlechthin   nothwendig,  gerade  den  Beweis,  der  auch  dsa 
letzten,  ernstesten  Zweifel  standhalten  sollte,  auch  in  aller  Streife 
auf  diese  allein   sichere  Methode   und    nur  auf  sie   lu  grüsdei. 
Dies  geschieht,  indem  die  Seele  als  elôoç  ^wf^ç  deflnirt  und  mu 
rein  aus  dieser  Definition,  ohne  irgend  eine  weitere  Hülfsanoaba^ 
ihre  Sterblichkeit  als  durch  den  Satz  des  Widerspruchs  ausgescbloMi* 
verneint  wird.    Darum  auch  wird  dieser  Beweis  ausdrücklich  (105  b) 
als  gar  sehr  zulänglich  bezeichnet  (xat  fiaXa  Ixavwg  sciL  anoi^ 
delx^cti  qxà/Âevy  cf.  101  e  ^wç  ini  ri  Ixavov  elô'Oiç);  woni 
der   nachträgliche   Skrupel    wegen   der  menschlichen   Schwachheit 
(107  a)   nichts   ändert,»  denn  er  betrifft   nur  die  subjective  V«ip- 
wisserung  seitens  des  vorher  anders  Ueberzeugten,   nicht  dea  ob- 
jectiven  Grund  der  Gewissheit,   dessen  für  Plato  feststehende  V«^ 
lässlichkeit  dann    noch    weiter    bekräftigt   wird:    xal    iàv  avfèç 
Ixavwç   ôié?.rjTe,   wç  èyqtfÀaiy    àxoXov&tjoêtê  t^  ÜJt 
xa&^    oaov    ôvvajov    iiâXiar     àvd-Qùintfi    Irtaxolov 
y^'^aai,  xav  xovto  aacpeç  yevrjtai^  ovâkv  ÇriTr^aeTe  niçfi^' 
%éQw.*)     Also  das  Vorwalten  des  formalen  Interesses,  den  Bevei» 
aus  einer  einzigen  unzweifelhaften  Voraussetzung  streng  nach  4c* 


1)  100  d  àa<paX€aTaTOv  y  101  d  ixo^tet^i  exeivov  zov  âa^paXovC,  105^ 
aXkrjv  àotpâXeiav. 

2)  Gar  nicht  damit  zu  vergleichen  ist  Phaedr,  246  a  nsçl  fièv  ovv  à^' 
vaaiai  avifjs  Ixavtôi^  d.  h.  ,davon  genüge  Die  Beweisführung  heisst  viehDclfl 
245  c  nur  711017]^  was  nach  Phaedo  107  b  [xai  ei  müTcU  siagv)  nicht  genügt 
Dies  mit  Bezog  auf  Luloslawski  S.  334  f. 


PLATOS  PHAEDBUS  429 

allein  sicheren  VerrabreD  der  Ideen  zu  führen,  erklärt  die  äusserst 
knappe  und  abstracte  Fa^ung  des  Arguments  im  Pbaedo.     Der 
Piiaedrus  und  die  Gesetze  haben  sich  zur  gleichen  formalen  Strenge 
nicht  verpflichtet;  insbesondere  können  sie  fdr  ihre  Beweisführung 
von  dem  Verfahren  der  Ideen  keinen  Gebrauch  machen,  denn  im 
Pbaedrus  wird  das  Mysterium  der  Ideenlehre  erst  an  späterer  Stelle 
enlhüllt,  und  die  Methode  der  vTto&éaeiç  ist  diesem  Dialog'  Ober- 
haupt unbekannt;  die  Gesetze  lassen  sich  auf  tiefere  dialektische 
Untersuchungen  vollends  nicht  ein;  allenfalls  wird  das  Nothigste  Ober 
die  Definition  aus  diesem  besonderen  Anlass  in  mOglichst  schlichter, 
gemeinverständlicher  Fassung  erklärt  (895  d — e),   womit  übrigens 
dieser  Theil  des  Beweises  sich  umsomehr  dem  Phaedo  annähert. 
10.  Der  grosseren  formalen   Strenge  der   Beweisführung  im 
Phaedo  entsprechen  aber  auch  sachliche  Fortschritte.    Die  Scheidung 
des  Seelischen  vom   Körperlichen   ist  im  Phaedo  ungleich   reiner 
durchgeführt   als   im   Pbaedrus.     Die  Absiebt   dieser   im   Gorgias 
(492  a — b,  523  d,  524  b)   schon   ausgesprochenen  Scheidung  hätte 
es  eigentlich  ausschliessen  müssen,  als  ursprOnglichen  Begriff  der 
Seele  zu  Grunde  zu  legen,  dass  sie,  um  Quelle  der  Bewegung  des 
Körpers  zu  sein,  selbst  in  unablässiger  und  zwar  räumlicher  Be- 
weguog  sei  (ael  xivri%6v  245  c,  %bv  ovQavov  necinolelj  jÂSTeuçO' 
noQd  246  b).     Denn  wird  sie  gleich  dem  Körper  im  Baume  be- 
wegt und  dadurch  den  Körper  bewegend  vorgestellt  —  wie,  wenn 
nuin  einer  Statue  Quecksilber  eingösse,  spottet  Aristoteles  —  so 
ist  sie  damit  ohne  Frage  kOrperähnlich  gedacht.    Nun   setzt  zwar 
auch  der  Phaedo  wohl  die  Seele  als  das  den  Körper  Bewegende 
voraus,  aber  gewiss  ist  nicht  nur  zufällig  nirgendwo  gesagt,   dass 
sie,  um  Quell  der  Bewegung   des  Körpers  zu   sein,  selbst  im 
Kau  me  bewegt  sein  müsse.    Wäre  sie  das,  so  wäre  sie  um  nichts 
l^esser  als  jene  Materialursachen,  die  der  Pbaedo  so  energisch  ab- 
lehnt.   So  aber  sind  die  Unklarheiten  glücklich  vermieden,  die  sieb 
in  Pbaedrus  in  geradezu  naiver  Offenheit  blossstellen.     Nachdem 
fiämlich  dort,  wie  gesagt,  die  Seele  als  Princip  der  Bewegung  des 
Körpers,  zunächst  des  .Himmelsgewölbes,  eingeführt  und  aus  dieser 
Voraussetzung  (damit  die  Bewegung  der  Körperwelt  nicht  abreisse) 
ihre  Unsterblichkeit  bewiesen  ist,  wird  andererseits  alle  ihre  Ver- 
bindung mit  dem  Körper  als  gewaltsam  und  darum  auflösbar  dar- 
gestellt; die  reine  Vernunft  —  ipoxfjç  to  Sqiotov  248  b  —  hat 
dereinst  die  färb-  und  gestalllose,  untastbare,  also  doch  unkörper- 

Hennas  XZXV.  28 


430  P.  NATORP 

liehe  Wesenheit  geschaut  (247  c),   sich  gflnzlicb  Ober  alles  rXaiH' 
liehe  Sein   erhoben  (d,  e,  cf.  249  c);  sie  ist  im  KOrper  wie  be* 
graben,  eingekerkert  gleich  der  Schnecke  im  Gehäuse  (250  c).  Wi^ 
ist  das  zu  denken,  wenn  die  Seele  ihrem  ersten  Begriff  nach  i^ 
Bewegende  im  Körper  und  desshalb  selbst  in  ewiger  rflumlicber  B^" 
wegung  sein    soll?     Weitere  un  verhüllte  Widersprüche  sind  di^ 
allbekannten:   dass  an  der  wundersamen  Fahrt  in  den  DeberravCB 
auch  die  niederen  seelischen  Functionen    theilnehmen,   übrigetfM 
doch  nichts  vom  Jenseitigen  schauen  sollen,  und  dass  auch  in  d^ 
göttlichen  Seele  eine  Theilung  analog  der  menschlichen  angenomm^i 
wird,  während  andrerseits  der  vernünftige  Theil  der  HenscheflB' 
seele  der  göttliche  heisst.    Dagegen  lehrt  der  Phaedo:  die  Seeli 
ist  in  ihrem  Reinzustand  körperlos  (85  e),  getrennt  vom  KOrp^ 
zu  existiren  fähig.     Sie  ist,   wenn   nicht  schlechthin  einfach,  asi- 
zusammengesetzt,   doch  dem  am   nächsten  (78  0-    Sic  ^^^U^  ^^^ 
Princip   einer  reinen  Einheit  dar,  jener  Einheit,  die  wir  nur  im 
Bewusstsein,  als  ßewusslsein  kennen.     Der  vovg^  aufs  strengste 
geschieden  von  einer  Maschine  oder  Maschinenkraft,  die  blosse  Wabl 
des  Besten  (99  a),  das  Gute  oder  Seinsollende  (99  c)  bloss  als  im 
Bewusstsein  sicher  erfasst,  übt   eine  ,dämoni8che'  Kraft  auf  den 
Körper,  dessen  Organe,  Wirbel,  Stösse  allenfalls  nur  secundäre  Be- 
dingungen, Mittel  der  Ausübung  jener  in  sich  rein  geistigen  Knli 
sind  (98  0*    Demnach  steht  hier  im  Begriff  der  Seele  durchaus  di» 
Merkmal  des  Bewusstseins  voran;  erst  ein  Zweites  ist,  dass  sie  Ober 
den  Körper  Gewalt  hat,  nämlich  nicht,  als  im  Räume  bewegt,  éi&c 
ihre  Bewegung   ihm   wie  durch  Anstoss  mittheilt,  sondern  seiflea 
sonst  anarchischen,  regellosen  Bewegungen  Maass  und  Gesetz  giek^ 
nach  dem  Gesichtspunkt   des   ,Beslen*  (98  a)  d.  i.  der  Erbaltoo^'^ 
Die  Getheiltheit  aber,   der  innere  Streit  der  seelischen  Kräfte,  al» 
seelischer,   der  im  Phaedrus  so  auffällt,  ist  im  Phaedo  ganz  vtf' 
mieden;  die  Seele  im  reinen,  körperlosen  Zustand  würde  der  Sinn- 
lichkeit überhaupt  nicht  unterliegen,  diese  ist  erst  die  Folge  ihrer 
Verbindung  mit  dem  Körper,  ja  sie  erscheint  (94  b^)  fast  m 
als  Erregung  des  Körpers  (anders  Rep.  439).    Zwar  kann  dies  aichl 
die  schliessliche  Meinung  sein,  da  doch  zweifellos  die  Seele  davon 
miteriegt  wird,  sie  empfindet  doch  Begier,  Zorn  u.  s^  w.,  und  so 
wird  es  auch  anderwärts  ausdrücklich  angenommen,  z.  B.  79  c:die 
Seele  nach  ihrer  sinDlicheo  Seite,  d.  h.  als  an  den  Körper  hinge- 
^'ebeu,    wird   von  ihm   in  den  Strudel  des  Werdens  mit  hineinge- 


PLATOS  PHAEDRUS  431 

rissen  und  gerälh  dadurch  selber  io  Irruog  uod  Schwaokuug,  wah- 
rend sie  durch  die  Kraft  des  abgezogeneo  Denkens  vermag  sich 
rein  in  sich  selbst  zu  samonelD,  zu  coDcentriren  (65  bc,  67  c,  82  e 
u.  8.  w.),  was  aber  ebeu  kvaiç  xal  x^Qf-^^l^og  ipvxjjç  àno  ad^azoc 
ist.  Der  thatsächliche  Gegensatz  der  seelischen  Kräfte  wird  also 
Dicht  geleugnet,  aber  er  löst  sich  auf  in  den  Gegensatz  der  rein 
auf  sich  selbst  zurückgezogenen  und  der  an  den  Körper  sich  hin- 
gebenden und  gleichsam  verlierenden  Seele,  es  ist  nicht  mehr  ein 
orsprünglicher  Streit  seelischer  Kräfte  als  seelischer.  Im  Phaedrus 
kann  man  mit  einiger  Hübe  vielleicht  eben  dies  angedeutet  finden, 
aber  klar  festgehalten  ist  es  nicht,  sonst  wären  die  aufgezeigten 
Widersprüche  nicht  möglich  gewesen. 

Hat  man  sich  dies  einmal  deutlich  gemacht,  so  wird  man  nicht 
leicht  mehr  beirrt  werden   durch  das  Argument  von  F.  Schultess, 
auf   das  die  Vertheidiger  einer  späten  Datirung  des  Phaedrus  sich 
regelmässig  berufen  :  der  Phaedrus  müsse,  gleich  dem  Staat,  später 
als    der  Phaedo  verfasst  sein,  weil  dieser  von  der  in  jenen  beiden 
geehrten  Theilung  der  Seele  überhaupt  nichts  wisse,  sondern  ihre 
strenge  Einheitlichkeit  behaupte.     Es  ist  darauf  schon  so  oft  ge- 
antwortet worden  (von  mir  Philol.  a.  0.  596 — 602),  dass  man  sich 
fast  scheut,  es  nochmals  zu  thun.    Doch  sei  in  Kürze  so  viel  darüber 
bemerkt:   1.  Der  Phaedo  sagt  nicht  schlechthin:  die  Seele  ist  ein- 
fach, sondern  entweder  einfach  (was  schlechthin  nur  von  der  Idee 
behauptet  wird)  oder  dem  am  nächsten.     2.  Dies  kann  jedenfalls 
Dar  gelten  von  der  Seele  im  reinen  Gegensatz  zum  Körper,  nicht 
v<>n  ihr,  sofern  sie  in  Folge  ihrer  Verbindung  mit  ihm  von  seinen 
Erregungen   tausendfach   mitberührt  wird.     Dass  in  letzterer  Hin- 
sicht die  Seele  mit  sich  selbst,  nämlich  die  Vernunft  mit  der  Sinn- 
lichkeit,  in   fortwährendem  Streit  ist,  wird  keineswegs  geleugnet, 
gerade  der  Phaedo  ist  vielmehr  unerschöpflich  in  der  Schilderung 
dieses  Streites.  Auch  die  Dreiheit  der  Functionen  ist  ihm  nicht  fremd 
(68  b— c  (piX6aoq}oij  (piloxQT^f^otoif  (piXÖTCfioi).   3.  Im  Staat  wird 
die  Dreitheilung  zunächst  eingeführt  ohne  jedes  Eingehen  auf  die 
Principienfrage  des  Verhältnisses  der  Seele  zum  Körper;  nachdem 
aber  schon  in  den  mittleren  Büchern  dies  Verhältniss  ganz  so  wie 
im  Phaedo  vorausgesetzt   worden,   wird   im  letzten  Buch  (611  fif.) 
die  früher  aufgestellte  Dreitheilung  mit  der  jetzt  behaupteten  rela- 
tiven Einfachheit  der  Seele  ausdrücklich  vermittelt  und  zwar  ganz 
so,  wie  es  der  Auffassung  des  Phaedo  entspricht:  die  Einfachheit 

28* 


432  P.  NATORP 

(oder  Dächste  AoDaberuog  an  diese  —  selbst  diese  EinscbrinkuDg 
der  Behauptung  stimmt  mit  dem  Phaedo  ganz  Oberein  — )  gilt  fflr 
den  Reiozustand  der  Seele,  die  früher  behauptete  Tbeilung  fOrihre 
derzeitige  VerbioduDg  mit  dem  Körper.     4.   Sollte  die  TbeiloDg 
ioDerhalh  der  Seele  im  Phaedo   noch  ganz  unbekannt  und  Ober' 
haupt  erst  spater  von  Plato  behauptet  worden  sein,  so  dOrfte  lacb 
keine  frohere  Schrift  sie  enthalten.    Aber  nicht  nur  ist  dem  Pro* 
tagoras  (352  b,  c,  356  d,  e)  und  anderen  früheren   Schriften  àcx 
Streit  in  der  Seele  ganz  geläuug,  sondern  im  Gorgias  (493  a)  wird 
mit  darren  Worten  der  Begierde  ihr  Sitz  in  einem  eigenen  SeeleiB- 
theil  angewiesen  {ttjç  xpvxijç  vovto  iv  (^  ini&vfilai  elalp).  Will 
man   also   nicht  etwa  den  Gorgias  später  als  den  Phaedo  selzesB, 
so  muss  auch  nicht  der  Phaedrus  deswegen   später  sein,  weil  ^r 
eine  Tbeilung  der  Seele  annimmt.     5.  Der  Phaedrus  nfthert  sioh 
seinerseits  dem  Phaedo,  wenn  er  die  Vernunft  als  dem  UnkOrper- 
lichen  zugewandt,  die  Sinnlichkeit  als  zum  Körper  niederziehend 
betrachtet.    Auch  wird  250  c  eine  gewisse  Gleichartigkeit  der  Ver- 
nunft mit  ihrem  reinen  Object,  der  Idee,  wie  im  Phaedo,  aoge- 
nommen.    Gleichwohl  sind  die  oben  bemerkten  Unklarheiten  stebao 
geblieben,  die  im  Phaedo  vermieden,  im  10.  Buch  des  Staats  aus- 
drücklich beseitigt  sind.     Also  kann  der  Phaedrus  keinesfalls  nacb 
dem  10.  Buche  des  Staats,  aber  auch  schwerlich  nach  dem  Phaedo 
verfasst  sein;  letzterer  vertritt  in  Hinsicht  der  Psychologie  ebenso 
wie  der  Dialektik  die  entwickeltere,  abgeklärtere  Position  ;  wie  deno 
auch  die  Fortschritte  in  beiden  Beziehungen  sich  als  eng  zusanuneo- 
liängend  erwiesen. 

11.   Es  bleiben   noch   einige  wenige  Argumente  von  minder 
centraler  Bedeutung  übrig.    Lutoslawski  legt  grosses  Gewicht  dirauf« 
dass  in  der  Rangordnung  der  Lebensberufe  Phaedr,  248  d  dem  Dichter 
kein   sonderlich   hoher  Rang  eingeräumt  wird.     Das  widerspreche 
der  Würdigung   der   Poesie  im   Gastmahl  (209  d—e),  entspreche 
dagegen   ihrer  radicalen  Verwerfung  im   letzten  Buche  des  Stalls» 
Aber  Phaedr.  245  a,  265  b,  259  d  spricht  sich  eine  Schätzung  der 
Dichtkunst  aus,   wie   sie   nach   dem  10.  Buche  des  Staats,  zumal 
unmittelbar  danach,  für  Plato  nicht  möglich  war;  und  in  derAo- 
erkeonung   des   Vorzugs  der   dichterischen   Begeisterung    vor  der 
blossen  rixvi]  (245  a)  geht  der  Phaedrus  auch  über  das  Gastmahl 
liinaus,  wo  die  Dichtung   durchaus  als  Sache  der  Téxvrj  erscheint 
(223  d).     Wie   wäre  es  auch   denkbar,   dass   die  Schrift,    die  von 


PLATOS  PHAEDRÜS  433 

ichteriscbeo  Hiltelo  den  stärksten  Gebrauch  macht  und  sich  laut 
essen  rahmt  (neben  Phaedr.  265  c  beachte  man  besonders  das  durch- 
Js  ironielose  Selbstlob  Theaet.  176  in.),  die  Dichtung  schlechthin 
ibe  herabsetzen  wollen.  Richtig  ist  nur,  dass  er  die  Dichterei 
(  feruf  nicht  sonderlich  hochstellt^  denn  seine  letzte  Meinung  ist, 
S3  die  Dichtung  allein  der  philosophischen  Muse  dienstbar  sein 
Ite  (259  b  u.  bes.  277  f.).  Aber  gegenüber  der  uneingeschränkten 
rwerfung  der  Poesie  in  der  Apologie  und  im  Gorgias  vertritt  der 
aedrus  entschieden  eine  gerechtere  Würdigung,  auch  scheint 
8  c— e  eii^e  Milderung  der  Schroffheiten  des  Gorgias  (502)  gegen 
i  Tragiker  beabsichtigt  zu  sein.  Dagegen  kehrt  das  10.  Buch 
s  Staats  ganz  zu  der  extremen  Haltung  der  ersten  Schriften  zurück 
d  bedauert  den  «Rückfall'  (vgl.  Arch.  XII  42^48).  Also  ftUl 
r  Phaedrus  und  mit  ihm  der  Theaetet  und  das  Gastmahl  jeden* 
Is  zwischen  Gorgias  und  Staat. 

12.  Endlich  will  Lutoslawski  (S.  329)  in  der  Jenseitsdichtung 
B  Phaedrus  Unterschiede  gegen  Phaedo  und  Staat  finden,  die  nur 
greiflich  seien,  wenn  ersterer  in  eine  spätere  Zeit  falle  als  die 
iden  letzteren,  besonders  der  Phaedo.  Indess  sind  Döring  (Arch. 
1  475  ff.)  und  Dieterich  (Nekyia,  1893,  S.  112  ff.)  nach  sorgsamer 
Atersuchung,  unabhängig  von  einander,  zu  dem  Ergebniss  ge- 
>aimeny  dass  die  drei  Darstellungen  in  den  wesentlichen  Zügen 
!>ereinstimmen,  die  des  Phaedrus  aber,  als  die  in  den  Grundlinien 
zuständigste,  in  den  Einzelheiten  wenigst  ausgeführte  Skizze  am 
^türlichsten  voranstehe.  Zwar  findet  Dieterich  andererseits,  dass 
bestimmten  Einzelheiten  Phaedrus  und  Staat  sich  näher  stehen 
^d  einer  gemeinsamen  Vorlage  (orphischen  Dichtung)  in  gegen- 
'itiger  Ergänzung  nachgearbeitet  seien,  während  der  Phaedo  einiges 
IS  anderen  Quellen  (allattischen  Rechtsvorstellungen)  einflechte, 
AQientlich  aber  an  die  alt  überlieferten,  schon  Pindar  und  Empe- 
<^kles  bekannten  genauen  Zeitbestimmungen  sich  nicht  binde, 
ondern  die  Zeiten  unbestimmt  lasse.  Es  handelt  sich  dabei  aber 
miner  nur  um  unwichtige  Variationen  der  Hauptsache  nach  fest- 
lebender, religiös  überlieferter  Motive,  nicht  um  von  Plato  frei 
Dtworfene  Vorstellungen.')  Chronologische  Schlüsse  wären  bei 
ieser  Sachlage  überhaupt  gewagt.  Aber  auch  die  einzelnen  Wider- 
)rüche,  die  Lutoslawski  findet,  liegen  nicht  vor.  Er  macht  gel- 
nd,  1.  dass  nach  Phaedo  (1 14  a)  selbst  Vatermörder  unter  gewissen 

1)  Rohde  Psyche  5i2^  566^    Dieterich  a.  0. 


434  P.  NATORP 

Bedingungen  schon  nacli  einjähriger  Strafe  loskommen,  wahrend  im 
Staat  (615b,  617d)  und  Phaedrus  (249a — b)  eine  tausendjährige 
Periode  for  alle  Abgeschiedenen  angesetzt  werde,  nach  welcher 
sie  erst  reYncarnirt  werden;  2.  dass  nach  dem  Phaedo  (114c)  der 
Philosoph  sogleich  nach  dem  Tode  vom  Körper  befreit  in  die  Selig- 
keit eingehe,  während  er  im  Phaedrus  (249  a)  erst  nach  drei  jener 
tausendjährigen  Perioden  das  Ziel  erreiche,  alle  Übrigen  aber  (248  e) 
sogar  zehn  solcher  Perioden  durchzumachen  haben  (letzteres  auch 
dem  Staat  fremd).  Er  sieht  in  diesen  ungeheueren  Strafverecbir- 
fungen  den  Beweis  eines  gewachsenen  Verantwortlichjceilsbewusüt- 
seins.  Im  ersten  Punkte  aber  hat  Lutostawski  den  platoniscbeD 
Text  nicht  scharf  aufgefasst.  Die  Classe,  von  der  Phaedo  114a 
die  Rede  ist,  nämlich  die  der  mit  schwerer,  doch  nicht  uDsOhn- 
barer  Schuld  Belasteten,  steht  in  der  Mitte  zwischen  den  ganz  Un- 
heilbaren (113  e),  die  auf  ewige  Zeit  im  Tartarus  bUssen  mOssem 
und  den  ,Miltelmässigen'  (113  d),  die  nicht  zum  Tartarus  kommen, 
sondern  am  acherusischen  See,  gleichsam  in  einem  PurgatoriuDt 
von  ihren  Verfehlungen  sich  reinigen  müssen ,  aber  auch  für  ihre 
Gutthaten  belohnt  werden,  um  dann,  nach  bestimmten  längeren 
oder  kürzeren  (113  a,  vielen  und  grossen  107  e)  Perioden  rela- 
carnirt  zu  werden  (ndkiv  ixné^Ttovrai  elç  rag  twv  ttpwv  fi- 
véoeiç  113  a,  alloc  ôevQO  ndktv  tjyeiiiwv  xofiiKei  107  e).  Aus- 
drücklich nun  kommt  jene  mittlere  Classe  nach  einjährigen  Tartanis- 
qualen  unter  der  angegebenen  Bedingung  an  den  See,  d.  h.  ao 
jenen  Ort  der  Reinigung,  und  nimmt  von  da  ab  offenbar  an  de0 
Los  jener  nächstbesseren  Classe  theil  (so  auch  Döring  S.  484).  Die 
Worte  Xriyovai  twv  xorxcJy  beziehen  sich  auf  die  Qualen  des  Tar^ 
tarus,  der  Reinigung  dagegen  am  acherusischen  See  unterliegen 
diese  so  gut  wie  die  ,Mittelmässigen'.  Dies  bestätigt  die  Fortsetzung 
(114  b — c):  die  ausgezeichnet  heilig  gelebt  haben^  heisst  es  weiter, 
diese  sind  es,  die  von  den  unterirdischen  Gefängnissen  losgesprochen 
werden  und  aufwärts  zu  den  (vorher  geschilderten)  reinen  Wohn- 
sitzen an  der  wahren  Erdoberfläche  gelangen.  Wiederum  unter 
diesen  werden  dann  ausgezeichnet  die  durch  Philosophie  ,genug8am* 
Gereioigteo,  welche  fortan  körperlos  bleiben  und  ,noch  schöneres 
hier   nicht  zu  schildernde  Wohnsitze  erhalten  sollen.')     Hierdurch 

1)  Diese  Wolinsitze  können  nur  jenseits,  in  ätherischen  Regionen  ge- 
snclit  werden.  Insofern  ist  es  ungenau,  wenn  Lutoslawski  S.  328  (nnlen)  sagt, 
4i^r  Schauplatz  des  Mythus  im  Phaedo  sei  auf  die  Erde  beschränkt. 


PLATOS  PHAEDRUS  435 

sind  die  öfteren  iDcaroatiooeD  (selbst  der  Philosophen)  nicht  einmal 
aasgeschlossen.  Und  wenn  107  e  von  vielen  und  langen  Perioden 
die  Rede  ist,  würde  man  an  die  traditionellen  tausendjährigen  sogar 
ohne  weiteres  denken,  wenn  nicht  die  ParalleUtelle  113a  mehr 
dafür  spräche,  dass  die  Dauer  absichtlich  unbestimmt  gelassen  ist, 
vielleicht  weil  es  rationeller  schien,  eine  längere  oder  kürzere  Buss- 
zeit je  nach  der  Grösse  der  Verschuldung  oder  auch  nach  der 
Lebeosdauer  anzunehmen.  Der  Staat  (615  a — b)  sucht  nämlich  die 
kODStlichsten  GrQnde,  um  die  handgreiflich  ungerechte,  aber  durch 
die  Tradition  einmal  gegebene,  für  alle  unterschiedslos  gleiche  Buss- 
zeit von  1000  Jahren  einigermaassen  zu  rechtfertigen:  die  mensch* 
liehe  Lebensdauer  sei  zu  100  Jahren  gerechnet  (1)  und  es  mQssten 
alle  Gut-  und  Uebelthaten  zehnfach  vergolten  werden;  eine  Rech- 
nung, die  bei  der  thatsächlichen  Ungleichheit  der  Lebensdauer 
vielmehr  auf  ungleiche  Perioden  hätte  führen  sollen.  Es  wäre 
kleinlich  über  solche  Dinge  mit  dem  Schriftsteller  zu  rechten,  der 
selber  sagt,  dergleichen  buchstäblich  für  wahr  zu  nehmen  ov  ngi- 
mi  vovv  UxovTi  àvdçi  (Phaedo  114  d).  Aber  eben  desshalb  lässt 
sich  aus  dergleichen  chronologisch  nichts  schliessen.  Ich  kann 
ebenso  wenig  die  Abweichungen  in  der  Ausmalung  der  Oertlich- 
keiten  für  gewichtig  genug  halten,  um  Schlüsse  hinsichtlich  der 
Zeitfolge  der  Schriften  darauf  zu  bauen.  Phaedr.  249  a  und  Rep. 
614 c—d,  615a  sprechen,  nach  einer  Ueberlieferung,  von  einem 
Aufenthalt  der  Gerechten  droben  im  Himmel,  wo  sie  den  Lohn, 
(ier  Ungerechten  drunten  in  der  Unterwelt,  wo  sie  die  Strafe  ihrer 
Thaten  empfangen,  oder  genauer:  der  Phaedrus  von  einem  dauernden 
Aufenthalt,  der  Staat  beiderseits  von  Wanderungen,  während  der 
Phaedo,  der,  wie  wir  sahen,  nicht  weniger  als  fünf  Cbssen  Jinter- 
scheidet,  hauptsächlich  von  jenem  Aufenthalt  der  «Meisten*  (113  a), 
it^lich  aller  mit  Ausnahme  der  hervorragend  Frommen  und  der 
ganz  Verruchten,  also  derer,  die  ,mittelmässig*  gelebt  haben  (113  d), 
am  acherusischen  See  zu  erzählen  weiss,  wo  sie  sowohl  von  ihren 
Debelthaten  sich  zu  reinigen  haben,  als  für  ihre  Gulthaten  Lohn 
empfangen  (an  letzteres  wieder  anklingend  Rep.  615  b).  Dies  wird 
ebenfalls  Ueberlieferungen,  nur  anderen,  entnommen  sein;  oder 
es  wirkt  vielleicht  auch  hier  jenes  rationalistische  Bestreben,  in 
der  jenseitigen  Vergeltung  etwas  mehr  Gerechtigkeit  walten  zu 
lassen  ;  denn  die  grosse  Masse  der  Menschen  theilt  sich  eben  nicht 
in  die  zwei  Classen  :  Gerechte  und  Ungerechte,  sondern  hat  eben- 


436        P.  NATORP,  PLATOS  PHAEDRUS 

sowohl  gute  wie  üble  Thaten  aufzuweisen  ;  dazu  passt  besser  eio 
gemeiosamer  Aufentbaltsort,  wo  beides,  Loho  und  Strafe,  zugelheih 
wird.  So  wOrde  der  Fortschritt^  nSmlich  in  der  Richtung  grosserer 
Freiheit  von  der  Ueberlieferung  und  eines  genaueren  Gerechtig^ 
keitsstrebens  vielmehr  auf  Seiten  des  Phaedo  sein;  und  desshalb 
mag  wohl  Rohde  (Psyche  S.  566*  Schluss)  die  Darstellung  des 
Phaedo  sogar  für  die  jüngste  gehalten  haben.  Aber  darin  konnte 
ich  ihm  aus  anderen  Gründen  nicht  folgen  ;  sondern  ich  vermuthe, 
dass  Plato  spater  im  Staat  vorzog,  sich  wieder  enger  an  die  Deber- 
liefening  anzuschliessen  und  sie  lieber  auf  irgend  eine  Weise  — 
ihm  gilt  gleichviel,  wie,  s.  z.  B.  den  Zusatz  betreffs  der  ganz  jung 
Verstorbenen  615c  —  zu  rechtfertigen,  statt  eigene  Dichlangei 
an  ihre  Stelle  zu  setzen,  die  ohne  Halt  an  der  Ueberlieferung  am 
Ende  nicht  des  gleichen  Eindruckes  gewiss  sein  konnten.  M» 
muss  nie  vergessen,  dass  Plato  in  diesen  Mythen  predigt,  nicht 
philosophirt. 

Und  so  können  auch  diese,  an  sich  nicht  allzu  ernst  zu  neh- 
menden Differenzen  nichts  an  der  allgemeinen  Schlussfolgerusg 
ändern,  auf  die  so  viele  übereinstimmende  Erwägungen  hinfQbrteo: 
der  Phaedrus  ist  jünger  als  der  Gorgias,  jünger  somit  als  die  game 
sokratisirende  Periode  Piatos,  deren  positivsten  Abschluss  der  6<m^ 
gias  bezeichnet;  jünger  auch  als  die  Sophistenrede  des  Isokrates, 
aber  die  unmittelbare  Antwort  auf  diese;  er  ist  andererseits  alter 
als  der  Theaetet,  Euthydem,  Cratylus,  Phaedo,  das  Gastmahl,  der 
Staat  und  die  ganze  letzte,  d.  h.  nachstaatliche  Gruppe  von  Schriften; 
daher  um  so  mehr  dem  Gorgias  und  der  Sophistenrede  nahe  n 
stellen;  mithin  schwerlich  später  als  390,  eher  ein  bis  zwei  Jahre 
früher  verfasst. 

Marburg.  P.  NATORP. 


PRAETORIUM. 

Kein  technisches  Wort  der  römischen  Militärsprache  begegnet 
i  unseren  Limesforschern  häufiger  als  die  Benennung  praetorium. 
^  fragt  sich  aber,  ob  dieser  Gebrauch  nicht  grossentheils  ein 
iasbrauch  ist.  Dass  er  mindestens  incorrect  ist,  hat  kürzlich 
»maszewski  (Neue  Heidelberger  Jahrb.  9  S.  142)  ausgesprochen; 
illeicht  aber  ist  er  geradezu  falsch. 

Praetorium  in  der  ursprünglichen  Verwendung  bezeichnet  Ort- 
h  den  im  Heerlager  dem  praetor,  d.  h.  dem  befehlführenden  Ma- 
Hni  vorbehaltenen  Raum;  das  Wort  muss  in  republikanischer 
it  aufgekommen  sein,  nachdem  der  rex  beseitigt  war  und  bevor 
9  Benennung  consul  die  spätere  Allgemeinheit  gewann.  In  dem 
twickelten  Sprachgebrauch  wird  das  Wort  neben  dieser  immer 
ilgehaltenen  Verwendung  in  zwiefacher  Weise  verallgemeinert, 
imial  geschieht  dies  durch  Hervorheben  der  Beziehung  auf  den 
Idherrn  unter  Zurücktreten  der  Ortlichen;  in  praetorio  militare 
last  nicht  im  FeldherrnzeU,  sondern  unmittelbar  unter  dem  Feld- 
rm  Dienst  thun.  Daraus  entwickelt  sich  der  Begriff  des  Haupt- 
tartiers,  des  Gardedienstes  im  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen 
verdienst.  Andererseits  heisst  wenigstens  schon  in  der  frühen 
liserzeit  praetorium  unter  Zurücktreten  der  militärischen  Be- 
AuDg')  jede  ausserhalb  der  Stadt  insbesondere  für  den  Beamten 
Bcrvirte  Wohnung,  die  kaiserliche  Villa*)  so  wie  die  Statthalter- 
Bidenz  und  namentlich  das  für  die  amtlichen  Reisen  des  Statt- 
Iters  eingerichtete  Gebäude,*)  aber  auch  im  Privatverhältniss  das 

1)  Dies  zeigt  sich  besonders  deutlich  in  der  Stelle  des  Tacitos  ann,  3,  33, 

die  Domaszewski  mich  aufmerksam  macht,  wonach,  wenn  dem  Feldherrn 

ac  Gemahlin  ins  Lager  folgt,  in  demselben  zwei  Reservatquartiere,  duo  prae- 

^  erforderlich  sind.    Die  Dame  mit  ihrem  Gefolge  kann  nicht  an  der  Ofßzier- 

'  apeisen. 

2)  Edict  des  Claudius  Bau  in  praetorio  CIL.  Ill  5050  und  sonst. 

3)  luUan  CTh.  15,  1,  8:   oportuit  praetoria  iudicum  et  domos  iudi' 
publico  iuri  atque   usut  vindicari,    Honorius  G.  Th.  15,  1,  35:  de 


438  TH.  HOMMSEN 

▼on  dem  Gutsbesitzer  Dicht  für  wirlhschafUiche  Zwecke  angelegte, 

sondern  für  persönliche  BenuUung  reservirte  Landhaus.^) 

Von  diesem  Sprachgebrauch  dürfte  auch  der  in  den  Inscbrifteo 

begegnende  sich  nicht  entfernen. 

Unter  den   nicht  häuflgen  Erwähnungen   des  pnutornm  auf 

den  Inschriften  fordern   die  meisten  die  Auffassung  desselben  ak 

Statthalterbaus  oder  lassen  doch  dieselbe  ungezwungen  zu. 

Köln  :  dis  conservatoribius)  Q.  Tarçuitius  Ca[t]ulu$  leg,  Aug.,  ctit«[i] 
cwra  fraeto[r]ium  in  ruina[m  eo]lapsum  ad  fi[o]oam  fadem  rv- 
8titut[um  est],    Brambach  CIL.  331. 

Asturica:  /.  o.  m.»  Soli  inviclo,  Libero  pairi.  Genta  praaariii)Q, 
MamiL  Capitolinus  .  .  .  leg.  Aug.  per  Aituriam  et  Callaeamt 
dux  leg.  VII  [G.]  p.  [f.] . . .  pro  salute  ma  et  suorum.  CIL.  II 2634. 

Tarraco  :  /.  o.  m.,  lunoni,  Minervae,  Genio  praelorii  consularii,  iù 
....  ibu8  T,  Fl.  Titianus  kg.  Augg.  pr.  pr.  (praesee  pm. 
Hi$p.  citerioris  auf  der  Inschrift  II  41 18) ...  a  eins  dedicavenat* 
CIL.  II 1076.  Das  praetorium  consularis  (so  wohl  eher  als  fm- 
torium  consulare,  wie  Domaszewski  Westdeutsche  Ztschr.  14,101 
meint,  da  eonsularis  als  Adjectiv  nur  von  consul,  nicht  too  cM" 
sularis  verwendet  werden  kann)  ist  die  Amtswohnung  des  Statt- 
halters der  Provinz,  der  in  Beziehung  auf  diese  nicht  titular» 
sondern  mit  der  üblichen  Kurzformel  bezeichnet  wird. 


palatiit  aut  praetoriU  iudicum.  Vgl.  G.  Tti.  1,  26,  4.  C.  lust.  ],  40, 1^ 
Darauf  beziehen  sich  die  praetoria  der  Provinz  Thrakien,  deren  Aolegoof 
unter  Nero  eine  Inschrift  (CIL.  III  6123)  bezeugt:  [Nero  Claudius]  ....<*- 
bemat  et  praetoria  per  vias  militares  fieri  iutiit  per  TV.  lulium  Iiutum  frpc 
provinciae  Thraciae  und  die  dann  Severus  wieder  aufnahm.  Nach  ooer 
kürzlich  gefundenen  Urkunde  {Bull,  de  corr.  hell.  22  p.  472  fg.)  wurde  in 
Jahre  202  der  Marktflecken  {ifinoffiov)  Pizos  in  dieser  Provinz  unweit  voo  Pki- 
lippopolis  gegründet  und  aus  den  benachbarten  Ortschaften  eine  Anzahl  CoU* 
nisten  dort  angesiedelt;  in  dem  darauf  bezüglichen  Erlass  des  kaiserlichen  Ststt- 
halters  Q.  Sicinnius  Clarus  heisst  es  (Z.  246  fr.):  neçl  êi  twv  oUoBofOifuktt* 
oncas  énifieXeiaç  rvvxavovra  eis  asl  Biafiévoi ,  tcelevof  rovç  roTta^x^  ^ 
TOv£  é7ti[arâ]d'fiovs  arcariiVTag  [n]a[Q]à  rdv  ènt/ieXfjTtôy  na^fala[vß]09[''^\' 
Ta  nçcuxœçia  nai  rà  ftaXarsia  oXoKXr^qa,  Gemeint  sind  die  an  den  ItiB* 
sionen  angelegten  Nachtquartiere  nebst  ihren  Badern.  —  An  solche  pradmi^ 
knüpfen  die  der  peulingerschen  Tafel  an. 

1)  Clpianus  Dig.  50,  16,  198  rechnet  die  praetoria  voluptati  taniuméi' 
servienlia  zu  den  nicht  in  oppidis  befindlichen  urbana  aedificia.  Dcfselbt 
unterscheidet  7,  »,  12  villa  und  praetorium  als  Nutz-  und  Luxusbaaten«  ?•* 
pinian  Dig.  32,  91,  1  spricht  von  praedia  cum  praetorio  in  ähnlichem  Slü* 


PRAETORIUM  439 

pulum:  Genio  praeiohi  huius  M.  VaL  Longinus  [v.  c,  leg.]  leg. 
XIII  g^m.]  Sevehanae  cum  suis  votum  sobnt.  CIL.  UI  1019.  Die 
Parallelinschrifi,  dem  /.  o.  m,  conservator  gewidmet  (CIL.  III 
1020)9  deutet  darauf  hin,  das  der  Genius  des  Gebäudes  ge- 
meint ist.  Auch  huius,  was  gegen  den  sonstigen  Inschriften- 
gebrauch  hinzugesetzt  ist,  will  wohl  nicht,  wie  Domaszewski 
meint,  das  Haus  des  Legionslegaten  von  dem  des  Statthalters 
Ton  Dacien  unterscheiden,  sondern  andeuten,  dass  unter  prae- 
torium nicht  das  Hauptquartier  verstanden  werden  soll,  sondern 
das  Gebäude.*) 

huTDom:  praetorium  [vetustate]  conlapsum  .  .  .  .,  Bumistae,  .... 
ses  ex  pec,  [puhl.  fecer.].  Scapulla]  ....  (wahrscheinlich 
Scapula  Tertullus  unter  Marcus  und  Commodus)  leg.  Äugg. 
p[rov.  Dalmatiae]  restit[uit].  CIL.  III  2809.  Zur  Errichtung 
dieses  Stationsgebäudes  haben  sich  also  mehrere  benachbarte 
Gemeinden  zusammengethan. 

fegend  von  Volubilis  in  der  Tingitana:  [Ge]nio  loci ...  I.  Neon 
praef.  [coh.]  I  Astur,  et  Call[aec.  praetorium  per  m[a[nus  com- 
m{ilitonum)  has  .  .  .  io  composuit  et  fecit.  BuU.  du  comité 
1891  p.  137  >»  CIL.  VIII  21820.  Auch  hier  steht  der  An- 
nahme nichts  im  Wege,  dass  der  Cohortencommandant  für  den 
Statthalter  ein  Gebäude  hat  herstellen  lassen,  zumal  da  die 
Ruinen  desselben  den  Berichterstattern  ansehnlicher  erschienen 
sind  als  die  gewöhnlicher  Burgen. 

mracum  :  &boîç  toîç  tov  ^yBfiovmov  nçaitwçlov  (Eph.  epigr.  3 
p.  312). 
Inschriftliche  Zeugnisse  für  den  Gebrauch  von  praetorium,  die 

ii  auf  die  Statthalterwohnung  nicht  beziehen  lassen,  flnden  sich, 
viel  ich  weiss,  lediglich  in  Britannien  am  Wall: 

inchest  er:  Genio  praetori  Cl.  Epaphroditis  Gaudianus  tribunus 
cho.  I  Ling.  v.  l  p.  m.  CIL.  VU  432. 


1)  In  den  Dedicalionsinschriften  fehlt  das  hie  ständig,  weil  es  selbst- 
ntindlich  ist,  dass  das  Gebäude  gemeint  ist,  an  dem  die  Inschrift  sich  be- 
idet  und  also  fehlerhaft  dies  auszudrücken.  Soll  ein  Gebäude  von  einem 
deren  unterschieden  werden,  so  kann  dies  nur  geschehen  durch  Hinsetzung 
ioer  speciellen  Benennung.  Aber  da  Genio  praetorii  zweideutig  ist  und 
irobl  örtlich  verstanden  werden  kann  von  dem  Gebäude  wie  von  dem  Haupt- 
irtier  oder  dem  Feldherrn,  so  ist  die  Hinzufûgung  des  Wortes  hier  gerecht- 
ligt. 


440  TH.  MOMMSEN 

Litllechesters:    /.  o.  m.    ceierisque  dits  immort,  et  Gen.  praetor,  j 

Q.  Pelronius  Q.  F.  Fab.  Urbicus  praef.  cok.  IUI  fiofiomm.... 

voium  solvit  pro  se  et  suis.    CIL.  Vl(  704. 
Ebendaselbsl:  Genio  praetori  sacrum  Pituanius  Secundus  praeftäiü 

coh.  IUI  Gallor.  CIL.  Vil  703. 
Aber  was  wir  jelzt  io  den  Castellen  Praetorium  nenoeD,  kaao  aach 
in  diesen  Inschriften  unmöglich  gemeint  sein.  Praetorium  ist  weder 
in  dem  grossen  Lager  der  Legion  noch  in  dem  einer  kläacrei 
Truppe  der  hausahnliche  Hittelbau,  sondern  eine  für  den  Fdd- 
herrn  oder  den  Statthalter  oder  den  Gutsbesitzer  reservirte  fUuD- 
lichkeit,  immer,  auch  in  abgeleiteter  Ausdrucksweise,  gegensatxlid 
zu  den  den  untergeordneten  Personen  zugänglichen  Räumen.  Dtf 
auch  der  einem  Commandoführer  niederen  Ranges  angewiesene 
Raum  also  genannt  werden  könne,  passt  wenig  zu  dem  for- 
nehmen  Charakter  des  Wortes;  aber  selbst  wenn  man  dies  aB- 
nimmt,  kann  ein  solcher  unter  dem  praetorium  jener  engliscbes 
Inschriften  unmöglich  gemeint  sein,  da  es  nicht  angeht  dieie 
Dedicationen  auf  d\v,  einem  solchen  Fahrer  im  Gegensatz  zu  des 
Mannschaften  vorbehaltene  Wohnung  zu  beschränken.  Dagegei 
steht  nichts  im  Wege,  darunter  das  statthalterliche  Hauptquartier 
zu  verstehen.  Der  Genius  der  einzelnen  Person,  vom  Kaiser  ab- 
gesehen, ist  vom  Lagercult  ausgeschlossen');  aber  fOglich  konDte 
das  Obercommando  in  seiner  abstracten  Bezeichnung  in  gleicher  ; 
Weise  divinisirt  werden.  Allgemein  gebräuchlich  scheint  dies  oicht 
gewesen  zu  sein,  da  die  Belege  dafür  sich  auf  Britannien  te- 
schränken;  in  der  Regel  hat  man  es  wohl  vorgezogen,  den  Genius 
auf  die  Provinz  oder  die  Legion  zu  beziehen,  wobei  die  Penos 
des  Statthalters  und  des  Felüherrn  noch  weiter  zurücktrat.  Abo 
aus  den  sparsamen  Belegen  für  diesen  Gebrauch  des  Wortes  kami 
ein  Schluss  auf  die  Benennung  der  castrensischen  Localitäten  nicht 
gezogen  werden. 

So  weit  ich  sehe,  fehlt  es  in  der  technischen  Sprache  der 
Römer  an  einem  zusammenlassenden  Ausdruck  für  die  Lagerbauten 
im  Gegensatz  zu  den  Soldatenzelten  und  dem  Wall  und  ist  die  Be* 
nennuDg  praetorium  in   örtlicher  Geltung  beschränkt   auf  die  fOr 


1)  Ausnahme  macht,  bis  jetzt  einzig,  eine  kürzlich  bei  Stockach  gefu- 
dene  Inschrift  (Zangemeister  im  westdeutschen  Gorr.  Blatt  1898  S.  19c):  i. 
o.  in.   (Gölterbildnisse   mit  ßeischriften  Isis  Sarapis)  conservatori  eeterUfM$ 

dits  deabusque  e[t]  Genio  lutii  Fictorini  co{n)s(ularis). 


PRAETORIUM  441 

den  Feldberrn  yorbebalteuen  Räume,  unanwendbar  aber  oder  we- 
nigsteDS  bis  jetzt  unerwiesen  fOr  die  Wohnung  des  Commando- 
trflgers  Oberhaupt,  welche  bei  kleineren  Abtheilungen  schwerlich 
in  der  baulichen  Anlage  dem  praetorium  des  Legionslagers  glich 
nnd  schwerlich  einen  distinctiven  Namen  geführt  hat.') 

Es  kann  Oberhaupt  die  Frage  aufgeworfen  werden,  in  wie  weit 
irir  befugt  sind  die  Lagerbezeichnungen  der  römischen  Mililär- 
sprache  auf  die  kleinen  und  kleinsten  römischen  Staudlager  zu 
übertragen.  An  sich  ist  es  ja  wahrscheinlich,  dass,  so  weit  das 
Cistell  mit  dem  Heerlager  im  Schema  zusammenstimmt,  die  tech- 
nischen Bezeichnungen  auch  auf  jenes  Anwendung  gefunden  haben 
werden,  und  die  Benennung  der  Hauptthore  des  Lagers  porta  prae- 
t»ria  giebt  den  Anstoss  nicht,  welchen  das  vornehme  Wort  prae- 
Mim  in  der  Anwendung  auf  die  Behausung  eines  kleinen  Ort- 
liehen BefehlfOhrers  hervorruft.  Weiter  hat  Domaszewski  (bei  Hett- 
Der,  Limes-Castell  Murrhardl  S.  4  A.  1)  aus  einer  von  ihm  in  dem 
Boesischen  Castell  Kutlovica  gefundenen  Inschrift  vom  Jahre  258 
pL.  III  7450:  portam  praetoriam  cum  turre  a  futidamento  .  •  . 
ftArkaüit)  den  Gebrauch  von  porta  praetoria  auch  für  das  Castell- 
tlior  nachgewiesen;  für  die  porta  decumana  fehlt  bis  jetzt  ein  gleich- 
irtiger  Beleg.  Indess  ist  bei  dem  Gebrauch  dieser  Thorbenennungen 
licht  zu  Obersehen ,  dass  derselbe  durch  den  Nachweis  der  Stirn- 
läte  bedingt  ist. 

Nach  der  romischen  Ueberlieferung  ist  bei  der  Anlage  des 
Manch-  wie  des  Standlagers  nalurgemäss  die  Stirnseite  diejenige, 
welche  in  der  Marschrichtung  liegt  oder  dem  Feinde  zugewendet 
ist*};  indess  ist  dies  Princip,  da  es  eben  durch  die  nicht  immer 
lleichmässigen  militärischen  Ziele  bedingt  wird,  mancherlei  Modi- 
icationen  unterworfen  und  wir  wissen  auch,  dass  noch  andere 
Aflcksichten  dabei  eingriffen,  zum  Beispiel  auf  ungleichem  Boden 
fQr  das  Hinterthor  der  Umschau  wegen  die  höchste  Stelle  bevor- 


1)  Als  daoernde  Residenzen  haben  die  Gastelle  auch  den  Offizieren  von 
fiitterraog  schwerlich  gedient;  für  die  Subalternen,  die  hier  regelmässig  den 
Befehl  geführt  haben  müssen,  dürfle  ein  grösseres  Zelt  ausgereicht  haben. 

2)  Diese  Regel  giebt  bekanntlich  Pseudo-Hyginus  56:  porta  praetoria 
temper  hostem  speetare  debet  Vegetius  1,  23:  porta  quae  appeüatur  prae- 
iaria  out  orientent  speetare  debet  aut  ilium  locum  qui  ad  hottes  respicit 
mut  si  iter  agitur  illam  partem  debet  attendere,  ad  quam  est  profecturus 
exereitus. 


442  TH.  MOMHSEN^  PRAETORIUM 

zugl  ward.')  Wenn  also  bei  der  Wahl  der  Stirnseite  ZweckmS 
keitsrücksichten  entschieden  uod  eine  feste  Orieotiruog  nichi 
stand,  so  lässt  sich  die  Stirnseite  in  den  erhaltenen  Lagern 
in  anderer  Weise  bestimmen.  Rekannllich  ist  das  römische  I 
der  späteren  Zeit  der  Regel  nach  kein  Quadrat,  sondern  mei 
ein  Rechteck  und  es  liegen  die  beiden  Hauptthore  an  den  Sei 
Seiten,  die  beiden  secundären  aber  in  den  Längsseiten  nid 
deren  Mitte,  sondern  im  ersten  Drittel,  so  dass  dieselben  ?oi 
porta  decumana  doppelt  so  weit  entfernt  sind  als  von  der  j 
praeioria.  Nach  dieser  Regel  lässt  sich  da,  wo  die  Lage  der  1 
ermittelt  ist,  danach  die  Stirnseite  feststellen. 

Nicht  immer  treffen  beide  Merkmale  zusammen.  Das  G 
der  Saalburg  folgt  im  allgemeinen  dem  gewöhnlichen  Schema 
Schmalseiten  messen  100,  die  Längsseiten  150  römische  Sd 
und  die  Seitenthore  liegen  im  Drittel  der  Längsseiten.  Wir< 
Stirnseite  bestimmt  durch  die  Entfernung  der  Seitenthore  tob 
Schmalseiten,  so  ist  das  Thor  an  der  Südseite  auf  dem  Wege 
Heddemheim,  das  im  Wesentlichen  sich  erhalten  und  dem  Ja 
Meisterhand  kürzlich  seine  Vollständigkeit  wiedergegeben  hat, 
pinrta  praeioria.  Wird  aber  die  Stirnseite  bestimmt  durch 
Rücksicht  auf  das  Ausland,  so  ist  umgekehrt  dieses  Thor  diej 
decumana  und  dasjenige  an  der  Nordseile,  das  zum  Limes  uo 
das  Ausland  führt,  die  porta  praetoria. 

Die  letztere  Ansicht  hat  sich  eingebürgert,  wenn  sie  g 
uicht  ohne  Widerspruch  geblieben  ist.  Aber  zugegeben  i 
werden,  dass  die  jetzt  beliebte  Annahme,  wonach  das  Saalb 
Castell  durch  Vertauschung  der  praetentura  und  der  retentura 
von  der  gewöhnlichen  Anlageform  entfernt  haben  soll,  auf  i 
schwachem  Grunde  beruht  und  dass,  da  einmal  eine  Ausnahme 
genommen  werden  muss,  es  einfacher  ist,  die  Richtung  auf 
Ausland  aufzugeben  und  die  porta  praetoria  auf  der  Strasse  i 
Heddemheim  zu  suchen,  wo  der  offenbar  nicht  unbedeutende  Mi 
flecken  an  das  Castell  sich  anschliesst. 

Berlin.  TH.  MOMMSEI 


1)  Pseudo-Hyginas  a.a.O.:  porta  decimana  eminentissimo  loco 
stituitur,  ut  regiones  castris  subiaceant.  Die  von  Vegetius  s.  a.  0.  bd 
gehobene  Bevorzugung  der  Ostseite  kann  wohl  nur  auf  den  Gesetzes 
Limitation  beruhen;  sie  wird  in  der  antiquarischen  Theorie  eine  Rolle  ges 
aber  schwerlich  praktisch  eingegriffen  haben. 


ÄGYPTISCHE  LEGIONARE. 

VegetiuSf  iodem  er  bemerkl,  dass  bei  dem  Legioosdienst  des 
SchreibeDs  uod  des  Rechnens  kundige  Leute  nicht  fehlen  dürfen, 
begründet  dies  eingehend  (2,  19):  totius  enim  Ugionis  ratio,  sive 
ûbseguiorum  sive  milUarium  munerum  sive  pecuniae,   cotidie  ad- 
uribitur  actis  maiore  prope  diligentia,  quam  res  annonaria  vel  ci- 
vais  in  polyptychis  adnotatur:  cotidianas  etiam  in  pau  vigilias,  item 
txcubitum  sive  agrarias  de  omnibus  centuriis  et  contubemiis  vicissim 
mSites  faciunt.    ut  ne  quis  contra  iustitiam  praegravetur  aut  alicui 
fraestetur  immunitas,  nomina  eorum,  qui  vices  suas  fecerunt,  bre- 
r    vAus  inseruntur,    quando  quis  commeatum  acceperit  vel  quot  dierum, 
[f    eiMtatur  in  brevibus.     Ein  Stück  solcher  brevia  ist  kürzlich  in 
Aegypten  zum  Vorschein  gekommen  und  von  zwei  namhaften  Genfer 
Gelehrten,  lules  Nicole  und  Ch.  Morel  in  Sonderpublication  {ar- 
(üoes  militaires  au  I  siede.     Genf  1900)   mit  Facsimile  heraus- 
gegeben worden. 

Ich  beabsichtige  nicht  den  gesammten  Inhalt  des  opislho- 
gnphen  Blattes  hier  zu  wiederholen  und  zu  erläutern;  es  soll  nur 
eine  kurze  Uebersicht  des  Inhaltes  gegeben  und  der  wichtigste  Be- 
itaadttheil,  die  Soldberechnung  zweier  Legionare,  näher  erörtert 
irerden. 

Die  Vorderseite  des  Papyrus  zeigt  in  der  Ueberschrift  den  Rest 
des  Consulats  81  n.  Chr.  .  .  .  £.  Asinio  cos.^)  In  dem  Soldver- 
lachniss,  wovon  die  beiden  letzten  Columnen  erhalten  sind,  ist  diesen 
vorgeschrieben  an(no)  III  Do(mitiani),  d.  h.  nach  der  ohne  Zweifel 
hier  zu  Grunde  liegenden  ägyptischen  Jahrbezeichnung  29.  August 
83/4.   Die  in  der  letzten  Columne  der  Vorderseite  zusammengestellten 

Uriaubsvermerke  beginnen:  exü  ....  anno  III  [imp.  Tito ] 

Octobres,  r{edit)  anno  eodem  XII  k.  Februarias  und  fahren  fort:  exit 

1)  Der  sonst  nicht  bekannte  Vorname  dieses  Consuls  erscheint  mir  auf 
der  Photographie  deutlich  mit  vorhergehendem  leerem  Raum,  und  ebenso 
liest  Nicole.    Morel  meint  vielmehr  et  zu  erkennen. 


444  TH.  HOMMSEN 

....  anno  I  imp.  Domitiano  ....  r{edit)  anno  eodem  II 
luUas.  Diese  Notiz  ist  also  begonnen  zwischen  dem  14.  Sep 
und  dem  14.  October  81,  bevor  die  Kunde  von  dem  am  12 
tember  erMglen  Tode  des  Titus  nach  Aegypten  kam,  uiu 
weiter  geführt  bis  13.  Juli  82;  der  annus  III  Tut  (29.  Aug 
13.  September  81)  und  der  annus  I  Domitiani  (14.  Septem 
bis  28.  August  82)  sind  identisch.  Unter  den  späteren  ai 
Vermerken  ist  der  jüngste  datirt  anno  VII  Damüiani  III 
tob[res],  29.  September  87.  Demnach  ist  die  Liste  angel^ 
im  Todesjahr  des  Tilus  81  n.  Chr.  und,  von  verschiedenen  I 
fortgeführt,  in  Gebrauch  geblieben  bis  zum  Jahr  87.  —  Du 
Seite,  welche  nach  Cassirung  der  Vorderseite  geschrieben  if 
sich  nur  insoweit  datiren,  dass  die  darin  aufgeführten  Ti 
zeichnet  sind  als  k.  DomUia(nis)  und  so  weiter  bis  VI  iéh 
mittanas],  Sie  ist  also  bald  nach  Cassirung  der  Vorderaei 
gesetzt,  da  die  Umnennung  des  Monats  October  in  Dan 
(Sueton  Dom.  13)  nach  dem  vorher  Bemerkten  nach  87  zi 
scheint,  aber  in  den  Jahren  88/9  (nach  einem  von  den  I 
gebern  angeführten  Genfer  Papyrus)  und  89/90  (nach  drei  a 
einem  Londoner  Pap.  of  the  Br.  Mus.  1  n.  259  p.  39,  eine 
liner,  Wilcken  Ostraka  1,  810  und  einem  Oxforder,  Grenf 
Hunt  Oxyrhynchus  2  p.  164)  bereits  eingeführt  war;  mit  de 
strophe  Domitians  im  Jahre  96  verschwindet  sie  wieder.  —  I 
der  Vorderseite,  aber  nach  Umkehrung  und  Cassirung  de 
geschriebener  Vermerk,  beginnend  imp.  Domitiano  XV  ea 
aus  dem  Jahre  90,  kann  der  Rückseite  gleichzeitig  sein. 

Ich  verzeichne  die  einzelnen  Schriftstücke. 

1.  Die  —  unter  dem  schon  angegebenen  Rest  des  Samt 
.  .  .  £.  Asinio  cos.  und  mit  der,  auch  vielleicht  zu  Anfang 
ständigen,  wahrscheinlich  den  Schreiber  nennenden  UnU 
L.  Ennius  Innocens  —  von  mehreren  vermuthlich  gleicharti 
lumnen  übrig  gebliebenen  beiden  letzten  tragen  als  Ueben 
zwei  Soldalenoamen: 

Q.  lulius  Proculus  Ganigrisl)^) 

C,  Valerius  Germanus  Tyr{o)^)  und  führen  mit  der 
gleichlautenden  £iDgangsfoimel:   accepit  slip.  I  (oder  //  o 

1)  Die  Lesung  ist  unsicher,  vielleicht  mit  Morel  so  wie  oben  a 
zu  fassen. 

2)  Mir  scheint  Tyr.  zu  stehen,  nicht  Cyr, 


ÄGYPTISCHE  LEGIONARE  445 

an.  Ill  Do.  (oachher  anni  eiusdem)  dr.  CCXLVIII  die  Löhnung 
dieser  beiden  Leute  in  Einnahme,  Ausgabe  und  Kassenrest  auf, 
wie  dies  weiterhin  näher  ausgeführt  werden  soll. 

2.  Eine  neben  den  beiden  vorigen  stehende  am  Zeiienachiuss 
beschädigte  Columne  nennt  vier  einzelne  Soldaten  mit  römischen 
Namen   —   die  wahrscheinlich   hinzugefügte  Charge  fehlt  bis  auf 
c  .    .  •  bei   dem   ersten   —  unter  Hinzufügung  bei   einem  jeden 
längerer  Entsendungen  zum  Empfang  von  Getr^de  oder  zu  anderen 
Zwecken:   ad  hormos  cùnfoditndos  —  ad  Aariam  eonficiendam  — 
ad  moneta{m).    Beispielsweise  heisst  es  bei  dem  ersten:  C.  Papirius 
Clemens  c  .  .  .  .  exit  ad  frumentutm  Neapoli{m)  eso  ep[i8lula^)  T. 
S\udi]  dementis  'pfaef.  castrorum,  welcher  Offizier  als  praef.  ca- 
ttramm  iu  Aegypten  auch  auf  einer  Inschrift  der  Memnonsäule 
(CIL.  III  33)  vom  Jahre  79  genannt  wird.    Hier  ist  von  einer  Sen- 
dung in  das  Hauptquartier  die  Rede;   Neapoüs  wird  als  Stadttheil 
von  Alexai\dreia  genannt  in  dem  mehrfach  begegnenden  Beamtentitel 
des  procurator  Neaspoleos  et  tnausolei  Alexandria».^    Auch  die  Wen- 
dung ad  frumentum  Mercuri  wird  man  in  Verbindung  bringen  dürfen 
nit  dem  procurator  À[ug^orum  ad  ife[re]urtiitn  AUxandT{eaiey) 

3.  Auf  der  gewendeten  Vorderseite  stehen,  wie  angegeben  ward« 
unter  dem  Prascript  imp.  Domitiano  XY  cos.  au  .....  vier  Namen 
rOiniscber  Form  mit  Angabe  der  Tribus,  bei  dreien  der  PolUa,  bei 
deq^  vierten  der  CoUina;  die  Heimathangaben  fehlen,  scheinen  aber 
MQ  Schluss  gestanden  zu  haben.  In  welcher  Beziehung  dieselben 
>l3o  verzeichnet  werden,  ist  nicht  ersichtlich. 

4.  Auf  der  Rückseite  erscheint  zunächst  eine  Aufzählung  ver- 
schiedener Soldaten  mit  Angabe  ihrer  Specialchargen  und  unter 
Beisetzung  bei  den  eitnzelnen  Namen  der  Zahl  1  oder^  wo  mehrere 
zusammengeCssst  werden,  der  entsprechenden  Zahl.  Von  diesem 
ScbriftstOck  ist  der  Schluss  der  vorletzten  und  die  letzte  Columne 
einigermaassen  erhalten.    Am  Ende  der  vorletzteii  erscheint  die  Be^ 

1)  Der  letzte  erhaltene  Bochslabe  nach  EP  scheint  L  zo  sein;  die  Er- 
gioaiKig  ist  gSDZ  unsicher. 

2)  Lyon:  G.  lolios  Celsos  CIL.  XII  1S68  —  Dessau  inser.  sei.  n.  1454; 
Saldae  in  Mauretanien:  Sex.  Cornelius  Dexter  CIL  VUI  S934  ^  Dessau  1400; 
Magnius  Rufinianus  Berliner  Papyrus  BGU.  8,  2,  28.  Einen  Theii  dieser  Nach- 
Weisungen  verdanke  ich  Wiicken.  Unmöglich  kann  mit  Morel  an  die  Kaêtni  TtoXêS 
der  Thebais  gedacht  werden,  wenn  diese  gleich  bei  Herodot  Néfj  noXis  heisst. 

3)  Diesen  nennt  die  capuanische  Inschrift  G.  X  3847  ^  Dessau  1398. 
Morel  denkt  au  tiermupoUs  magna, 

Henne«  XXXV.  29 


446  TH.  MOMMSEN 

Zeichnung  e^tfiïes  mil  der  Ziffer  II;  darunter  iwei  Namen. 
letzte  Columne  beginnt  mit  den  Worten: 

reliqui  XXXX,  ex  eis  opera  vacantes 
Darauf  folgt  weiter  —  die  unsicheren  Lesungen  sind  in  (  },    -dii 
Ergänzungen  in  [  ]  gegeben: 

armorum  enstos  I 

eonducior:  Porcius  1 

carrarius:  {Si)vinius  I 

secuior  tri[buni]:  .  .  •  tius  Severus  1 

custos  dornt  .  .  .  ibi  .  .  .;  Slams   I 

Ubrarius  et  (diseens)  II 

Curiati{us)  ...  a 

Àureli{us)  .  .  s 
supra  numer[um]  ....  1 

Domitius  .  .  . 
stationem  a[gens]  1 

Domitius  .... 
f\iunt  VIIIH] 
Nach  Aufzahlung  dieser  neun  vom  Dienst  Befreiten  wird  abermals 
die  Summe  gezogen: 

reliqui  XXXL 
Es  scheint  hier  eine  Uebersicht  sämmllicher  der  betreffenden  Ab- 
theilung angehOriger  Soldaten  Torzuliegen  mit  Angabe  der  eio^ 
jeden  zugewiesenen  militärischen  Beschäftigung,  so  dass  am  Scblo^i 
neun  befreite  Leute  und  31  nicht  fest  verwendete  munifici  ^^' 
bleiben.  Indess  ist  dies  Schriftsttlck  so  unvollständig  und  zerst.^^ 
dass  damit  wenig  anzufangen  ist. 

5.  Den  grösseren  Theil  der  ROckseite  fallt  eine  recht  eig^^^' 
lieh  den  brevia  des  Vegelius  entsprechende  Tafel,  welche  in  itMf^^ 
Längsstreifen  die  Namen  von  36  Soldaten  aufführt,  in  ihren  Q^M^ 
streifen  die  ersten  zehn  Octobertage,  wie  schon  gesagt,  voiB  ^' 
Dom.  bis  VI  id,  Dom.  Weitere  Namen  folgten  nicht,  wohl  3^^ 
folgten  weitere  Tagescolumnen.  Das  Jahr  ist  nicht  angeget'^^' 
Die  36  Soldaten  werden  bezeichnet  mit  den  drei  römischen  Na(^^^ 
ohne  Angabe  der  Tribus  und  der  Heimath;  einer  derselben  T.  f^ 
vius  Valens  kehrt  wieder  unter  den  vier  im  zweiten  Schriflst**^ 
genannten.  Zwei  Homonyme  C.  iulii  Longi  werden  unterschied*^ 
durch  die  Zusätze  Sipo  und  Miso,  vielleicht  castrensische  0^'' 
namen.     Es  bildete   sich   also   für  jeden  Soldaten   und   ftlr  jed^^ 


ÄGYPTISCHE  LEGIONARE  447 

ensttag  ein  Rechteck,  in  welches  der  Tagesdienst  des  einzelnen 
anoes  eingetragen  werden  konnte.  Ein  grosser  Theil  dieser  Qua- 
rate  ist  nicht  ausgefällt;  vermuthlich  sind  nur  Specialmandate  Ter- 
lichnet.  Einzelne  derselben,  wie  das  hier  mehrfach  wiederkehrende 
ii  mit  folgendem  Determinativ ,  weiter  ein  unTerstfindliches  pro 
intane  .  .,  erstrecken  sich  tlber  mehrere  Tage;  die  meisten,  auch 
»chmassig  sich  wiederholende,  beschränken  sich  auf  den  einzelnen 
g.   Von   manchen  ist  die  Bedeutung  klar:   armamenta  —  signis 

harena  —  calcem  —  via  Nieo{politn?)  —  8ta(tio)  prindpis  — 

sta{tio)  por{taé)  —  8tati[o]  ad  Serenu(m);  mehrfach  findet  sich 
Weisung  zu  einzelnen  Centurien  :  in  7  Heli  —  Serem  7  —  D. 
cri  7.     Die  Beischrift  pagano  cuUu,  welche,  wie  Morel  erinnert, 

metaphorischer  Anwendung  in  Plinius  Briefen  (7,  20)  wieder- 
irt,  wird  die  Aufsichtfflhrung  über  die  für  die  Truppe  thatigen 
Idarbeiter  bezeichnen.   Anderes  bleibt  wenigstens  zur  Zeit  dunkel, 

die  häufigen  Angaben  strigis  und  baüio. 


Die  Truppenabtheilung,  von  welcher  diese  Aufzeichnungen  her- 
hren,  gehörte  ohne  Zweifel  einer  Legion  an.  Alle  darin  begeg- 
snden  Vollnamen  haben  die  römische  Form;  die  Tribus,  und  zwar 
verwiegend  die  castrensische  Pollia,  erscheint  in  dem  dritten 
tOck;  die  Heimathangabe  steht  in  dem  ersten  und  stand  wohl 
ach  in  dem  dritten.  Gehörten  diese  Aufzeichnungen  einer  Auxiliar- 
ruppe  an,  so  würden  unrömisch  gebildete  Namen  nicht  mangeln. 
)i8s  diese  Abtheilung  nicht  in  dem  alexandrinischen  Hauptquartier 
'Und,  ist  wahrscheinlich,  weil  sie,  um  Getreide  zu  empfangen,  wie 
bemerkt  ward,  nach  Alexandreia  schickte.  Die  Gesammtsahl  der 
^btheilung  kann  nicht  viel  höher  als  40  gewesen  sein,  da  vor  den 
àiqui  XXXX  verzeichneten  Namen  wohl  nur  die  der  Chargirlen  ge- 
raden haben  können.  Dazu  passt  auch  die  36  Namen  aufführende 
'iste,  da  diese  vermuthlich  nur  die  eigentlichen  munifici  nannte  und, 
^l%leich  sie  freilich  auf  anderen  gleichartigen  Blättern  ihre  Fort- 
letiUDg  gehabt  haben  kann,  vermuthlich  vollständig  ist.  Immer  wird 
itit  einiger  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  dürfen,  dass 
Kese  Mannschaften  keine  feste  Legionsabtheilung  bildeten,  sondern 
»oe  abcommandirte  legionare  vexiUatio,  eine  statio  agraria.^)  Es 
rt  möglich,  dass  eine  solche  in  Arsinoe  stand,  obwohl  dies  aus  dem 
ODdort  des  Blattes  nicht  mit  Sicherheit  gefolgert  werden  darf. 

1)  AmmisDas  14,  3,  2.  Vegetias  a.  a.  0. 

29* 


448  TH.  MOMMSEN 

Bei  weitem  das  wichtigste  Stück  unter  den  hier  erhaltenen 
ist  die  Aufzeichnung  hinsichtlich  der  Soldsahlung.    Ich  stelle  lu- 
nflchst  die  beiden  wesentlich  gleichförmigen  RecbnungeD  in  ihren 
Ergebnissen   lusammen;    kleine  Abweichungen  und  ErgSiniungen  . 
bezeichne  ich  nicht  besonders,  dsi  alles  Wesentliche  feststeht 

In  Einnahme  wird  jedem  der  beiden  Solduten  gestcdlt  ftlr  das 
dritte  (ägyptische)  Jahr  Domitians: 

aecepit  siip.  I  dt.  CCÏLVIII 
II  dr.  CCXLVIII 
III  dr.  CCXLYIU 
In  Ausgabe  wird  gestellt  fOr  den  ersten  Viermonaltemiin  : 
ex  eii  faenaria  dr.  X 

in  vtetum  dr.  IXXX 

caligas  faseias  dr.  XII 

saiumalicium  k{aiiren$e)^)  dr.  XX 
in  vestim^ntum]   (oder  [in 

vesti]torium)  dr.  LX  Proculus;  dr.  C  Germanus 


expensas 

dr.  CLXXXII       dr.  CCXXII 

Ftlr  den  zweiten 

Viermonattermin: 

ex  eis  faenaria 

dr.  X 

in  victum 

dr.  LXXX 

caligas  fascias 

dr.  XII 

ad  signa 

dr.  IV 

expensas 

dr.  CVI 

Ftlr  den  dritten 

Viermonattermio: 

ex  eis  faenaria 

dr.X 

in  victum 

dr.  LXXX 

caligas  fascias 

dr.  XII 

in  vestimentis 

dr.  CXLVI 

expensas 

dr.  CCXLVIII 

Die  Bilanzen  stellen  sich  verschieden  ftlr  die  beiden  Soldaten: 
Proculus:  Germaous: 

1.  Termin: 
reliquas  deposuit  dr.  LXVI  dr.  XXVI 

ei  kabuü  ex  prio[rey)  dr.  CXXXVI  dr.  XX 

fit  summa  omnis  dr.  CCII       '       "^   dr.  XLfI 

1  )  So  dürfte  aufzulösen  sein,  wie  im  dlocietianischen  Edict,  nicht  kialendts). 
2)  Dies  weist  auf  entsprechende  Vorzeichnungen  aus  dem  Vorjahr  sorûçkt 
die  füglich  in  den  fehlenden  Columnen  gestanden  haben  können. 


ÄGYPTISCHE  LEGIONARE  449 

min: 

muit  dr.  CXLII  dr.  CXLII 

X  priore         dr.  CCII  dr.  XLVI 

omnis  dr.CCCXLIV  dr.  CLXXXVIII 

tniD  (io  dem  Einnahme  und  Ausgabe  sich  decken): 
fOiito  dr.CCCXLIV  dr.  CLXXXVIII 

Zunächst  bestätigt  diese  Aufstellung,  was  wir  schon  wussten, 
die  römische  Soldzahlung  in  Viermonatterminen,  also  dreimal 
ihre  stattfand.  Dass  dabei  wenigstens  in  unserer  Liste  das 
ische  Jahr  zu  Grunde  gelegt  ist,  bestätigt  sich  durch  die  Ein- 
Dg  der  Verabreichung  fOr  die  Saturnalien  (Dec.  17  fg.)  in  den 
1  Termin. 

Dass  das  Stipendium  des  Legionars  von  Caesar  auf  75  Denare, 
ahressold  auf  225  Denare  festgesetzt  war  und  dieser  Satz  blieb, 
lomitian  ihn  auf  100  Denare  erhöhte,  steht  fest.')  Es  fragt 
wie  der  in  dem  Papyrus  angegebene  Betrag  von  24S  Drachmen 
es  Stipendium  oder  von  744  Drachmen  fQr  die  JahreslOhnung 
Jazu  verhält,  oder,  was  dasselbe  ist,  wie  die  ägyptische  Silber- 
me  dieser  Epoche  —  dass  diese  gemeint  ist,  kann  keinen 
nblick  zweifelhaft  sein*)  —  sich  verhält  zu  dem  römischen  Denar. 
Nominell  wird  bekanntlich  der  römische  Silberdenar  in  Aegypten 
elradrachmon  behandelt  und  es  würde  danach  das  Stipendium 
auf  300  Drachmen  Silbers  stellen,  während  die  Urkunde  nur 
Drachmen  ansetzt.  Allein  neben  der  Silberdrachme  von  7 
71/4  Obolen  (der  Denar  wird  auf  28  oder  29  Obolen  ange- 
gab  es  eine  Kupferdrachme  von  6  Obolen,  auf  welche  die 
Dzialmünze  ausgebracht  ward.')  Nimmt  man  an,  was  alle  Wahr- 


1)  Es  genügt  die  Verweisung  auf  Marquardts  Staatsverwaltung  2,  96.  480. 

2)  Das  zeigt  auch  die  Fassung  reliqua*.  Morel  bat,  indem  er  dr,  durch 
ios  auflöste,  die  richtige  Auffassung  des  Schriftstückes  verfehlt. 

3)  Metrologisches  Fragment  bei  Grenfell  und  Hunt  Oxyrhynchos  pa- 
vol.  1  p.  77  :  fx^  xahtelvfj  oßoXovS  ç  .  .  ,  ixßi  Bçaxuri  oßoXovc  Snxa. 
cens  kann  ich  für  diese  Ausführung  auf  Wilckens  Ostraka  1,  732  fg. 
isen.  Zweifelhaft  ist  mir  nur  eine  allerdings  sehr  wichtige  Frage: 
e  Gegensätze  von  Silber  und  Kupfer  mit  Recht  auf  das  Billon  der 
irachmen  und  das  Kupfer  der  Obolen  bezogen,  oder  nicht  yielmehr  die 
;he  Reichsmflnze  und  die  ägyptische  Prägung  damit  bezeichnet  worden, 
lemunze  kann  neben  dem  dazu  gehörigen  Grossgeld  zu  einem  besonderen 
nur  gelangen,  wenn  sie  in  Massen  geprägt  wird,  um  auch  in  Gross- 
Igen  verwendet  zu  werden;  das  scheint  auf  das  ägyptische  Kleingeld 


450  TH.  MOMMSEN 

scbeiolichkeît  for  sich  hat,  dass  die  io  Silber  zahlende 
Behörde  den  Denar  nach  diesem  Satze  anrechnete,  ao  konnten 
dem  Curs  1  :  29  mit  62  Denaren  oder  248  Silberdrachmen  effect.» 
300  ägyptische  Drachmen  (genau  62  x  29  —  1798  Oboien)  begliche- n 
werden,  und  so  wird  hier  verfahren  worden  sein.  Ohne  Zweifel  L^ag 
in  dieser  Substituirung  der  Drachme  von  6  fOr  die  Drachme  roo 
7  Oboien  factisch  eine  Soldreduction,  die  insbesondere  bei  den  Er- 
sparnissen der  Mannschaften  sichtbar  wurde;  aber  bei  der  ohneknin 
zurückgesetzten  Stellung  der  ägyptischen  Legionen  kann  eine  derartige 
Plusmacherei  der  kaiserlichen  Kasse  nicht  befremden.  Danach  li^t 
der  von  Caesar  eingeführte  Lohnungsbetrag  auch  hier  lu  Gründe; 
die  Erhöhung  durch  Domitian  ist  erst  nach  Abschluss  dieser  Ur- 
kunde eingetreten. 

Dass  diese  Löhnung  factisch  nicht  ausgezahlt,  sondern  dem 
einzelnen  Soldaten  theils  für  seine  Bedürfnisse  verrechnet,  tbe/ls 
gutgeschrieben  wurde,  zeigt  unsere  Urkunde  zum  ersten  Mal  ia 
voller  Deutlichkeit.  Die  fälligen  Soldbetrfige  verblieben  in  der 
Kasse  der  betreffenden  Abtheilung,  wahrscheinlich  nach  der  Ad* 
gäbe  des  Vegetius  (2,  20)  und  nach  der  Natur  der  Sache  ao  der 
Centralstelle,  in  der  Cohorte  bei  den  signa.  Dass  noch  in  der 
besseren  Kaiserzeit  dem  Soldaten,  was  er  verbrauchte,  am  Solde 
gekürzt  ward,  wussten  wir');  aber  jetzt  erst  ersehen  wir,  dasf  Uno 

der  Kaiserzeit  keineswegs  za  passeo.  Andererseits  kann  das  von  Tiberius 
eingeführte  Billon,  in  dem  Silber  ond  Kupfer  normal  sich  wie  1 : 3  verUelttOy 
insbesondere  wenn  man  erwägt,  dass  die  Römer  der  guten  Kaiseneit  iiel> 
der  Kupferpragung  einen  gewissen  Metailwerth  gaben,  füglich  als  Kopfefgd^ 
betrachtet  werden.  Das  fast  vollständige  Schweigen  der  Sgyptlschen  Urkondeo 
von  dem  Denar,  der  doch  sicher  auch  dort  umlief  und  dem  Aureus  zu  Groode 
lag,  ist  eine  weitere  Bestätigung  für  diese  Annahme.  Dass  der  Denar  hief 
nicht  mit  seinem  römischen  Namen,  sondern  nach  Drachmen  Silbers  bezeichBet 
wurde,  entspricht  geuau  der  formell  festgehaltenen  Selbständigkeit  des  König* 
reiches.  Wenn  ,ptolemäische  Drachmen*  in  den  ägyptischen  Urkunden  bis  hioab 
in  die  claudische  Zeit  genannt  werden,  so  ist  wahrscheinlich  einfach  der  Den« 
gemeint,  der  dem  Aegypter  füglich  erscheinen  konnte  als  die  alte  Silber- 
drachme  der  Königszeit. 

1)  Bei  Tacitus  anîi.  1,  17  klagen  die  Legionare:  denis  in  diem  amhu 
animam  et  corpus  aestimarû  hinc  vestem  arma  tentaria  .  . .  redimi,  Daas 
die  Kost  nicht  abgezogen  ward,  ist  hieraus  mit  Unrecht  geschlossen  worden 
(Marquardt  a.  a.  0.  S.  97  A.  1).  Nur  den  Prätorianern  wurde  seit  Nero  diese 
unentgeltlich  gewährt  (Tacilus  ann.  15,72:  addidit  sine  preHo  frumentum, 
quo  ante  ex  modo  annonae  utebantur;  Sueton  iVer.  10:  consUiuit  .  .  . 
praetorianis  cohortibus  frumentum  menstruum  gratuitum). 


ÄGYPTISCHE  LEGIONÄRE  45t 

Iberhaupt  für  seine  Bedürfoisse  kein  Geld  in  die  Hand  gegeben, 
»Odern  nach  einem  wenigstens  im  Ganzen  fest  regulirtem  System 
19  Erforderliche  ihm  geliefert  wurde.  Diese  Lieferung  muss  durch 
DC>€Stellte  oder  Unternehmer  bewirkt  worden  sein,  denen  fOr  den 
apf  entsprechende  Betrage  gezahlt  und  diese  in  der  Lohnungs- 
»rcchnung  dem  Soldaten  zur  Last  geschrieben  wurden.  Die  ein- 
tloen  Posten,  welche  in  den  Rechnungen  erscheinen,  sind  die 
■senden ,  wobei  nicht  zu  übersehen  ist,  dass  auch  sie  auf  die 
^Iberrechnung  gestellt  sind,  also  die  Drachme  nicht  6,  sondern  7 
1er  7V4  Obolen  des  ägyptischen  Courants  gleichsteht. 

In  victum,  fflr  die  Kost,  durchgängig  in  jedem  Termin  fOr 
en  Mann  80  Drachmen  oder  täglich  nahezu  5  Obolen.  In  den 
ertlhmten  ägyptischen  Gutsverwalterrechnungen  Tom  Jahre  78/9 
I.    Chr.  ist  der  gewöhnliche  und  niedrigste  Tagelohn  3  Obolen. 

In  vesimentum,  im  ersten  Termin  60  oder  100  Drachmen 
[ifies  ist  der  einzige  Ansatz,  in  welchem  die  Personen  differiren), 
im   zweiten  nichts,  im  dritten  146  Drachmen. 

Caltgas  faseias,  Stiefel  und  Strumpfe,')  durchgängig  in  jedem 
Termin  12  Drachmen. 

Faenaria,  wofOr  in  jedem  Termin  10  Drachmen  ausgeworfen 
werden,  scheinen,  da  Tacitus  unter  den  dem  Soldaten  in  Rechnung 
geateliten  Gegenständen  die  temotia  aufführt  (S.  450  Â.  1),  die 
Bettung  und  was  damit  zusammenhängt  zu  bezeichnen.  An  die 
Kosten  fOr  Pferdeverpflegung  mit  den  Herausgebern  zu  denken, 
verbietet,  abgesehen  davon,  dass  nichts  dafür  spricht,  dass  die 
beiden  Soldaten  beritten  waren,  die  geringe  Höhe  der  Summe. 

Ad  signa,  wofür  im  zweiten  Termin  4  Drachmen  ausgesetzt 
worden,  beziehen  die  Herausgeber  auf  die  von  Vegetius  (2,  20)  er- 
wähnte Slerbecasse,  den  saecus  undecimus  neben  den  zehn  Cohorten- 
bssen,  in  quem  iota  legio  particulam  aliquam  conferebat,  septd- 
turae  scilicet  causa,  ut  si  guis  ex  coniubemalibus  defédsset,  de  illo 
nndedmo  sauo  ad  sepulturam  ipsius  promeretur  expensa.  Dafür 
würde  man  eine  präcisere  Bezeichnung  erwarten.  Eher  könnte 
man  an  einen  Beilrag  denken  für  Instandhaltung  der  Feldzeichen. 


1)  Ulpian  Dig^.  34,  2,  25,  4  :  fasciae  crurales  pedulesquê  ....  veslis  loco 
suntf  quia  partem  corporis  legunt,  Plinius  n.  h.  8,57,221:  Carboni  imp, 
ipud  Ctusium  (mures  adrosis)  fasceis,  quibus  in  calciatu  uiebalur^  exitium 
porUndebanl), 


452  TH.  MOMMSEN,  ÄGYPTISCHE  LEGIONARE 

Von  AufwenduDgeD  für  di«  Waffen,  deren  Tadtas  gedeak^s 
sprechen  unsere  Listen  nicht. 

Das  satumaUdum  kiastrense)  von  20  Draehmen  im  ersten  Tecmi^ 
ist  ohne  Zweifel  bestimmt  fOr  das  Satamalienfest  im  'Decemb^ 
und  dOrfle  die  einzige  Summe  sein,  die  dem  Soldaten  ca  beliebige 
Verwendung  in  die  Hand  gegeben  ward,  obwohl  auch  dies  hmm 
zweifelt  werden  kann. 

Den  nicht  für  die  Ausgaben  abgeschriebenen  Restbetrag  erhalt^^ 
die  Mannschaften  ebenso  wenig  ausgezahlt,  sondern  ^deponiren' ikv 
wie  unsere  Urkunde  bestätigt,  offenbar  nicht  freiwillig,  sondern 
nach  fester  Ordnung  bei   der  Abtheilungskasse.')    Es  ist  dies  ^as 
eigentliche  peculium  castrense,  das  bei  der  Entlassung  dem  'Soldaten 
ausgehändigt  wird,  und  auf  dieses  beziehen  sich  die  —  neben  àea 
Militärschreibern   für  die  Magazine  und  denen  für  die  Strafgelder 
und  den  militärischen  Schreiblehrern  genannten  —  librarü  dtfou'    , 
tomm,^)  deren  einer  T.  Ennius  Innocens  unsere  Urkunde  abgefasst 
haben  wird. 

Berlin.  TH.  MOMMSEN. 


1)  Marqoardt  Handb.  2,  563.  Suetoo  Dom.  7  :  L.  Antonius  apud  duar» 
legionum  hiberna  res  novas  moliri  fiduciam  cepisse  etiam  ex  depositoru» 
summa  videbatur  (v%\,  vita  Pescennii  10).  Die  fallige  Soldzahlang  bleibt  rnr 
ebenfalls  in  der  Rasse  und  kann  rechtlich  auch  nur  als  Depositum  betrachtet 
werden;  aber  technisch  gilt  als  solches  nur  die  nicht  erhobene  Restsonme. 

2)  Dig.  50,  6,  7. 


?1K  DER  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER 
JT  BEITRÄGEN  ZUR  GESCHICHTE  DER 
MAKKABÄISCHEN  ERHEBUNG. 

(ZWEITER  ARTIKEL). 
Kur  Charakteristik  des  1.  Hakkabaerbuches. 

1.  Makkabäerbuch  lässt  sich  wie  das  zweite  als  Epitome 
eo;  es  giebt  gleichfalls  our  eine  Auswahl  der  wichtigsten 
len/)  und  z.  B.  lasoo  von  Kyrene  muss  viel  eingehender 
iahen.  Im  übrigen  unterscheidet  es  sich  vor  allem  durch 
sseren  Umfang  des  historischen  Stoffes,  der  ja  bis  zum 
mens  reicht.  Doch  zeigt  sich  schon  bei  oberflächlicher 
UDg,  dass  die  Erzählung  sehr  ungleich  ist,  und  man  darnach 
ti  in  zwei  annähernd  gleiche  Hälften  theilen  kann.  Das 
Qck  c.  1 — 7  läuft  dem  2.  Hakkabäerbuche  parallel  und 
De  leidlich  ausführliche  Geschichte  der  ersten  8 — 9  Jahre 
bung,  die  letzten  acht  Capitel  umfassen  in  viel  dürftigerer 
ng  25  Jahre,*)  wobei  von   den  syrischen  und  ägyptischen 

fast  ebensoviel  die  Rede  ist  wie  von  den  Juden.  Ausser* 
halt  dieser  Theil,  was  der  ersten  Hälfte  fehlt,  nämlich  eine 
iringe  Anzahl  von  Urkunden,  zuerst  das  Bündniss  Judas 
I,  Briefwechsel  mit  Römern  und  Spartanern,  Lehn-  und 
riefe  der.'Seleukidischen  Fürsten  und  endlich  einen  langen 
chluss   der  Juden    für   Simon.     Diese   Urkunden  werden 

mitgetheilt,  können  jedoch^  wie  längst  erkannt  worden 
it  original  sein;  denn  sie  reden  nicht  die  Sprache  der 
n  und  griechischen  Kanzleien,  sondern  sind  im  Stil  des 
ßllers  gehalten.  Sie  müssen  also  in  dem  vorliegenden  Wort- 
mes   Werk   des   Schriftstellers  sein,   und   sind  im   besten 

.  Makk.  9,  22. 

de  Kurze  hebt  schon  die  oben  S.  26S  Â.  1  citirte  alte  Charakteristik 


454  B.  MESE 

Falle  nur  dem  Sinne  nach  echl;  aber  da  bei  Urkunden  die  Form 
eine  nicht  geringe  Bedeutung  hat,  so  ist  kein  Wunder,  daas  ihre 
Echtheit  und  Beglaubigung  ernsten,  wohlbegrQndeten  Zweifeln  aas- 
geaetzt  ist,  zumal  da  auch  der  Inhalt  mancherlei  Verdacht  erwedtt, 
und  vieles  zum  Ruhme  und  Vorlheil  des  jüdischen  Volkes  hinio- 
gesetzt  scheint.*)  Durch  diese  Urkunden  wird  der  Raum  fOr  die 
Erzählung  stark  eingeengt,  und  da  zugleich  WeitläuftigkriteD, 
Wiederholungen  u.  s.  w.  nicht  fehlen,  so  ist  die  Erzihlung,  wie 
gesagt,  sehr  kurz  ausgefallen  und  erreicht  nirgendwo  auch  nr 
annähernd  die  Ausführlichkeit ,  mit  der  vorher  die  KriegszOge  des 
Judas  geschildert  werden.  Diese  Ungleichheit  der  beiden  TheOe 
ist  auffallend;  denn  sonst  pQegt  die  Erzählung,  je  mehr  sich  der 
Historiker  seiner  Zeit  nähert,  um  so  ausführlicher  zu  werden;  hier 
ist  es  umgekehrt. 

Besonders  bemerkenswerth  ist  eine  grosse  Lücke  von  7  Jahrait 
die  zwischen  dem  Tode  des  Hohenpriesters  Alkimos  und  der  Er- 
hebung Jonathans,  zwischen  160/59  und  153/2  v.  Chr.  klafft.  Nir 
von  einem  Ereigniss  weiss  in  all  dieser  Zeit  der  Historiker  lu  be- 
richten.^ Erst  mit  der  Erhebung  Alexander  Balas  fängt  die  E^ 
Zählung  wieder  an.  Was  bat  sich  sonst  in  den  sieben  Jahres  fe- 
geben? Wer  z.  B.  versah  die  Functionen  eines  HohenpriestersT 
Darüber  schweigt  die  Ueberlieferung;  entweder  hat  also  der  Ver- 
fasser nichts  darüber  gewusst,  oder  er  hat  nichts  sagen  wolles. 

Denn  die  Möglichkeit  des  absichtlichen  Stillschweigens  ist  oiebt 
von  der  Hand  zu  weisen,  da  auch  an  anderen  Stellen  dieser  Ver- 
dacht besteht.  So  sehen  wir,  dass  die  Vorgeschichte  des  Kriegeii 
die  das  2.  Makkabäerbuch  giebt,  fast  gänzlich  fehlt  und  auf  ein 
paar  allgemeine  Sätze  zusammengeschrumpft  ist,  wahrscheinlich  mit 
Bedacht,  weil  damit  für  die  Juden  wenig  Ehre  einzulegen  war.*) 
Die  Hohenpriester  lason  und  Menelaos,  von  denen  besonders  der 
letztere  eine  sehr  einflussreiche  Rolle  gespielt  hat,  werden  niefflib 
auch  nur  genannt,  und  wenn  wir  nur  das  1.  Makkabäerbuch  hättea, 


1)  Den  Briefwechsel  der  Jbden  mit  den  Spartanern  tiat  schon  G.  Wens- 
dorff  und  vor  ihm  Joh.  Clericus  für  unecht  erklärt.  G.  Wernsdorf  ComiReii- 
tatio  S.  37.  141  ff. 

2)  9,  58  fr. 

3)  Wellhausen  Israelitische  und  jüdische  Geschichte  242  3.  Aufl.  Abf. 
(feiger  Urschrift  und  Leberseizungen  der  Bibel  S.  215  nimmt  an,  dass  dab« 
r.ücksicht  auf  den  Priesterstand  maassgebend  gewesen  sei. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  455 

10  würden  wir  nichts  ?on  ihnen  wissen.  Dies  sind  Erscheinungen» 
die  auf  eine  Tendenz  hinweisen  ;  denn  es  isi  sehr  unwahrscheinlich, 
dass  der  Verfasser  Dinge,  die  im  2.  Hakkabäerbuche  ausführlicher 
dargestellt  werden  und  auch  auf  spfttere  Autoren  Obergegangen  sind, 
Dicht  gewusst  haben  sollte.  Auch  anderswo  zeigt  sich,  dass  er 
sdoe  Nation  in  möglichst  ?ort heilhaftem  Lichte  erscheinen  lassen 
wül  und  daher  das  unrühmliche  und  tadelnswerthe  gern  Obergeht. 

So  wird  ganz  offenbar  verschwiegen,  dass  Jonathan  auf  Ge- 
heias  des  Königs  Demelrios  II.  die  Belagerung  der  Akra  in  Jeni- 
ttlem  aufgeben  musste.^)  Ebenso  wird  c  5,  66  f.  eine  Schlappe 
der  Juden  yerschleiert;  besonders  deutlich  wird  es,  wenn  man  die 
entsprechende  Stelle  des  2.  Makkabfterbuches')  vergleicht,  wo  offen- 
bar derselbe  Vorfall,  aber  genauer,  unter  Nennung  mehrerer  Namen 
behandelt  wird.  Auch  hier  wird  die  Niederlage  nicht  eingestanden, 
Mhimmert  aber  deutlich  durch.  Eine  Anzahl  Juden  sind  gefallen, 
oad  da  stellt  sich  bei  der  Bestattung  heraus,  dass  sie  heidnische 
Anoelette  am  Leibe  tragen.  Ihr  Tod  erscheint  somit  als  Strafe 
der  Abgötterei ,  und  Judas  trifft  sogleich  Anstalten,  den  göttlichen 
Zorn  zu  versöhnen.  Eis  ist  wohl  möglich,  dass  im  1.  Makkabfier- 
beche  diese  Geschichte,  die  für  die  religiöse  Correctheit  der  kämpfen- 
den Juden  etwas  bedenklich  ist,  absichtlich  ausgelassen  worden  ist,*} 
ebenso  wie  die  Erzählung  vom  Verrath  einiger  Unterführer  und 
^^  jüdischen  Spion,  welche  das  2:  Hakkabäerbuch  unbedenklich 
iwtlheilt^) 

Denn  was  patriotische  Gesinnung  anlangt,  so  ist  das  1.  Hakka- 
blerbuch  vielleicht  noch  weiter  vorgeschritten  als  das  andere,  dessen 
Piitriotismus  zwar  laut  und  aufdringlich,  aber  harmlos  erscheint, 
'edenfalls  ist  im  ersten  Buche  das  jüdische  Selbstgefühl  viel  mehr 
entwickelt;  hier  steht  das  jüdische  Volk  im  Mittelpunkt  der  Welt- 
feachichte.  Schon  zu  Anfang  ist  es  der  Aufstand  des  Judas,  der 
en  Antiochos  Epiphanes  in  den  Osten  treibt  und  damit  die  Ur- 
icbe  seines  Unterganges  wird;  denn  da  er  zur  Bezwingung  des 
ufstandes  in  seinem  Säckel  nicht  Geld  genug  flndet,  muss  er  über 


1)  1.  Makk.  11,20.  41  ff. 

2)  2.  Makk.  12,  32  ff.    Denn  dass  es  sich  am  denselben  Vorfall  handelt 
1.  Makk.  5y(>6f,  zeigt  die  gemeinsame  Erwähnung  Marisas. 

3)  Dafür  erzählt  es  gleich  darnach,  dass  Judas  sich  gegen  Azotos  wandte 
heidnische  Altäre  und  Götzenbilder  zerstörte.     1.  Makk.  5,  68. 

4)  2.  Makk.  10,  19  ff.  13,21. 


456  B.  NIESE 

den  Eiiphrat  ziehen,  neues  zu  holen.')  Nicht  nor  das  2.  Hakkahier- 
buch  weiss  hie?on  nichts;  aus  anderen  Nachricbteo  hOren  wir 
auch,  dass  die  Parther  es  waren,  die  den  Antiocbos  in  den  Oiteo 
riefen.')  Mit  Wohlgefallen  berichtet  ferner  der  Schriftsteller  «  wie 
auswärtige  Volker  sich  um  die  Freundschaft  der  Juden  bemflben, 
nicht  nur  die  syrischen  und  ägyptischen  Kdnige,^  sondern  MRh 
Römer  und  Spartaner,  wie  Jonathans  Tod  in  Rom  uad  bis  DMh 
Sparta  hin  mit  Trauer  vernommen  ward  und  man  sich  beeilte,  mit 
seinem  Nachfolger  Simon  Freundschaft  zu  schliessen,  wie  Sinmn 
Ruhm  bis  zu  den  Enden  der  Erde  ▼ordrang/)  Kurs  alles  ist  ge> 
schehen ,  um  einerseits  alle  Schatten  aus  der  makkabäischen  G^ 
schichte  zu  entfernen ,  andererseits  diese  ganze  Zeit  in  einer  Art 
Verklarung  darzustellen.  Die  Einzeluntersuchung  wird  noch  weitare 
Beispiele  davon  zu  Tage  fördern. 

Wenn   das  1.  HakkabSerbuch  manches  unerfreuliche  und  ta- 
gOnstige  verschwiegen  hat,  so  hat  es  doch  daneben  auch  etw» 
hinzugethan.   Wohl  das  bemerkenswertheste  Stack  ist  c  2,  die  An- 
fHnge  des  Aufstandes.     Es  erhob  sich,  heisst  es,  Hattathias,  Soin 
des  Johannes  des  Sohnes  Simeons,   ein  Priester  aus  der  FaaiKe 
Jojarib,  mit  fünf  Söhnen,  Johannes,  Simon,  Judas,  Eleazar  uid 
Jonathan.     Er  wird   Führer  der  gesetzestreuen  Juden  gegen  As- 
tiochos  Epiphanes,  aber  schon   nach   einem  Jahre  stirbt  er;  nf 
dem  Todtenbette  hält  er  eine  Ansprache  an  seine  Sohne.    Sinai, 
sagt  er,  ist  klug  und  weise  im  Rath,   auf  ihn  hOrt,   er  soll  eoer 
Vater  sein;  Judas  ist  jung  und  stark,  er  sei  euer  Feldherr.    Hier 
wird    also    mit    deutlichen   Worten   Simon,   der   Zweitälteste  isd 
Familienliaupt  erklart.     Jedoch  von  einer  leitenden,  beratheodea 
Thâtigkeil  desselben  ist  in  der  Geschichte  nicht  die  leiseste  Spar,  1 
weder  im   1.   noch  im   2.  Makkabäerbuche.    Ein  und  das  andere 
Mal  wird  Simon  wie  die  anderen  Brüder  erwähnt,  aber  das  Haapt 
in  Rath  und  That,  der  anerkannte  Führer  ist  allein  Judas  (s.  oben 
S.  305  fr.).   Erst  viel  spater  nach  Judas'  Tode  und  unter  der  Priester- 
schaft Jonathans  tritt  Simon  bedeutender  hervor. 

Offenbar  ist   in  der  Rede  des  Mattathias  Simon  vorangestelh, 
weil   von    ihm   die   späteren    Hasmonüer,   Johannes  Hyrkanos  und 

1)  1.  Alakk.  4,  27.     Hieron.  in  Daniel.  8,  9  vol.  Ill  p.  1105. 

2)  Tacitus  histur.  V  8. 
;i)   1.  Makk.  11,  5  f. 

4)  1.  Makk.  14,  10.  10  ff. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  457 

ine  Çobne  abstaiDmeD,^  wie  dean  auch  sonst  auf  Simon  und 
ine  Söhne  besondere  Rücksicht  genommen  wird.*)  Nur  Simons 
iscbiecht  hat  sich  in  der  Herrschaft  behauptet,  die  Nachkommen 
r  Brüder  sind  verschollen^  und  der  Verfasser  des  1.  Makkabtter^ 
iches,  der  ja  unter  den  späteren  Hasoionäern  schrieb,  hat  offenbar 
B.Absicht  gehabt,  Swons  Principat  schon  durch  Mattathias  sanc« 
)Biren  zu  lassen. 

Von  besonderem  Ipleresse  ist  die  Genealogie,  die  den  Matta* 
IM  so  feierlich  eii^führt;  er  ist  Sohn  des  Johannes,  Enkel  Si- 
ms, Priester  und  zwar  aus  der  Ephemeris  Jojarib,  der  ersten 
id  fornebmsten,*)  also  einer  der  angesehensten  aus  den  Söhnen 
irons.  Merkwürdig  aber,  dass  in  dieser  Genealogie  der  Name 
l^t,  nach  dem  das  ganze  Geschlecht  heisst,  Hasmonai  oder  Asa- 
oiiaios.  Dadurch  weicht  die  Genealogie  stark  von  Josepbus  im 
ibtm  lud.*)  ab,  wo  Mattathias  Sohn  des  Asamonaios  genannt 
fd.  Später  hat  daher  Josepbus  in  den  Antiquitätein,  wo  er  das 
Makkabäerbuch  ausschreibt,  den  Asamonaios  eingefügt,')  weil  er 
a  eigentlichen  Eponym  des  vielgenannten  Geschlechtes  vergnisste. 
ich  in  unseren  Tagen  hat  man  ihn  vermisst,  i.  B.  Wellhausen 
V  für  Simeon  Aschmon  in  den  Text  setzen,*)  was  mich  wenig 
ihrscheinlich  dünkt«  Ich  habe  vielmehr  den  Verdacht,  dass  Asa- 
Niaios  absichtlich  unterdrückt  worden  ist;  der  Verfasser  hat  ihn 
pgelassen,  um  dafür  die  prieslerlicbe  Abkunft  des  Mattathias  mit 
icbdruck  hervorzuheben.  Es  ist  bekannt,  dass  das  Recht  der 
iMQonäer  auf  den  hohenpriesterlichen  Stuhl  sehr  zweifelhaft 
r.    Schon  Jonathan  hatte  seine  Widersacher,^)  ebenso  Johannes. 


1)  Richtig  hat  dies«  Tendenz  erkannt  Abr.  Geiger  Urschrift  S.  206  ff. 

2)  1.  Makk.  13,  17  ff.  wird  Simon  wegen  der  Auslieferung  der.  Söhne 
laMians  bei  Gefangennahme  des  Vaters  gerechtfertigt.  14,  25  werden  im 
rendecret  für  Simon  seine  Söhne,  die  damals  sich  noch  nicht  hervorgelhan, 
t  einbegriffen. 

3)  l.  Paralip.  24,  7. 

4)  I  36.    Darnach  Jobannes  Ânt.  fr.  58  {fr,  hist,  gr.  IV  558). 

5)  Ant^,  luä*  X|I  265  Marrad'ias  viàs  *I<oaw9v  X€m  ^fiaœvos  tov  'Aoa- 
¥aiov.  Gewiss  hat  er  nicht  das  1.  Makkabäerbach  in  anderem  Text  vor 
I  gehabt,  sondern  dasselbe  aus  seiner  eigenen  früheren  DarsteUung  ergänzt, 

öfters,  s.  unten. 

6)  Israelitische  und  jüdische  Geschichte  253  3.  Aufl. 

7)  1.  Makk.  10,61.  11,  21.  25  erz&hlt,  dasa  schlechte  Menschen  ihn  bei 
lemäos  VI.  und  Demetrios  II.  verklagten. 


458  B.  NIESE 

Hyrkaoos')  und  noch  mehr  seine  Sohoe;  ihr  Recht  ist  immer  be- 
stritten wordeO;  und  dies  hat  später  der  iduroaiscbeD  Dynastie  éei 
Antipater  und  Herodes  die  Wege  ebnen  helfen.  Da  dient  nun  die 
prieslerliche  Genealogie  des  1.  Makkabäerbudies  daiu«  du  Anrecht 
der  Nachkommen  des  Mattalhias  aufs  unzweifelhafteste  iiachxuweiie&. 
Wie  es  mit  dem  Stammvater  Asamonflos  stand,  können  wir  aidil 
sagen,  da  über  diesen  jede  Nachricht  fehlt,  und  wir  nnr  seinen 
Namen  kennen.  Aber  es  ist  wohl  möglich,  dass  dessen  prieetar- 
liehe  Abkunft  zweifelhaft,  sein  Stammbaum  nicht  rein  war,  oié 
dass  aus  diesem  Grunde  der  Schriftsteller  es  vorzog  ihn  wegn- 
lassen.  Fügen  wir  nun  hinzu,  dass,  wie  schon  gesagt,  mit  der 
Vorgeschichte  des  Krieges  auch  die  Hohenpriester  lason  und  Nea^ 
laos  vollkommen  ausgefallen  sind;  ja  selbst  Onias,  der  in  anderer 
Ueberlieferung,  z.  B.  im  2.  MakkabSerbuche,  als  ein  Mann  eh^«(l^ 
digsten  Andenkens  erscheint,*)  ist  aus  dem  1.  Hakkabäerbuch  fOUif 
verschwunden  und  taucht  nur  einmal  in  dem  Brief  an  die  Spartuer 
in  unbestimmter  Ferne  auf.')  Wohl  möglich,  dass  der  Verfasser  nil 
Rücksicht  auf  die  Hasmonfter  an  die  früheren  Hohenpriester,  dem 
Nachkommen  vielleicht  noch  lebten,  lieber  nicht  erinnern  mocbte. 
Kehren  wir  indess  zu  Mattathias  zurück.  Von  jeher  iit  ib 
auffallend  bemerkt  worden,  dass  er  im  2.  Makkabaeri)uche  oidit 
mit  einem  Wort  erwähnt  wird.  Man  wird  zunächst  denken,  der 
Epitomator  habe  ihn  der  Kürze  halber  übergangen:  denn  ao  eise 
bOse  Absicht  wird  man  nicht  leicht  denken  können;  wie  soDie 
wohl  ein  Schriftsteller,  der  den  Hakkabäos  so  hoch  hält,  den  Vattf 
des  Helden  geflissentlich  aus  der  Geschichte  entfernt  haben?  Al- 
lein die  Sache  liegt  so,  dass  im  2.  Makkabäerbuch  für  Hattathiai 
überhaupt  kein  Platz  ist.  Bei  dem  zweiten  Strafgericht,  das  Ober 
Jerusalem  erging,  entfloh  nach  dieser  Erzählung  Judas  mit  wenigen 
Begleitern  in  die  Einöde  und  musste  hier  wie  ein  wildes  Thier 
sein  Leben  fristen,  dann  aber,  als  die  Verfolgung  das  ganze  Las' 
ergrifl*,  machte  er  sich  auf,  sammelte  Verwandte  und  Freunde  bis 
zu  6000  Mann  um  sich  und  begann  der  Kampf  wider  die  Doter 
drücker/)    Also  von  Anfang  an,  noch  ehe  der  eigentliche  AufsUni 

1)  Josephus  BelL  lud.  I  07.    AnL  XIII  288  ff. 

2)  '1,  Makk.  3,  Ifl.  15,  12  ff. 

3)  1.  Makk.  12,  7  ff. 

4)  2.  Makk.  5,  27.  8,  Iff.    C.  8  schliesst  eng  an  den  Schluss  von  5  tu, 
dazwischen  ist  c.  6  und  7  die  Religionsverfolgung  mit  den  Martyrien  eingdegt 


DIE  BEIDEN  MARKABÄERBOCHER  459 

t,  181  Judas  der  Führer  und   nimmt  diejenige  Stelle  ein, 

nach  dem  1.  Makkabäerbuche  seinem  Vater  zukommen 
^  auch  lason  von  Kyrene  kann  nicht  anders  erzählt  haben, 
ht  also  fest,  dass  der  ältere  Bericht  nichts  von  Hattathias 

und  da  auch  sonst  im  1.  Hakkahäerbuche  eine  Tendenz 
ennbar  ist,  so  ist  der  Gedanke  unabweisbar,  dass  alles  was 
attathias  und  seinen  Thaten  übrigens  in  ganz  allgemeinen 
D  erzählt  wird,')  also  der  ganze  Inhalt  von  c.  2 ,  eine  ten- 
le  Erdichtung  des  1.  Hakkabäerbuches  ist,  deren  eigentliche 
L  dahin  ging,  das  Erbrecht  Simons  und  seiner  Sohne  zu  er- 
Denn  wenn  schon  der  Vater  legitimer  Führer  oder  Fürst 
d  war,  so  hat  Simon  als  ältester  überlebender  Sohn  das 
\  Erbrecht,  zumal  wenn  der  sterbende  Vater  selbst  ihn  zum 

designirt  hatte.  Ganz  anders  lag  die  Sache,  wenn,  wie  es 
tirheit  der  Fall  war,  Judas  zuerst  das  Führeramt  an  sich 
lit  hatte.  Deutlich  verräth  sich  die  Absicht  an  einer  spä- 
»tdle  in  dem  für  Simon  und  seine  Sühne  bestimmten  jüdischen 
eschluss,  wo  wohl  der  Vater  erwähnt  wird,  aber  der  eigent- 
leid,  Judas  nicht.*). 

attathias  ist  also  eingefügt  worden,  um  unter  Verdrängung 
titen  Ahnen,  Asamonäos,  die  priesterliche  Herkunft  des  Ge- 
iles nachzuweisen  und  zugleich  die  Thronrecbte  Simons  und 
Bohne,  der  späteren  Hasmonäer,  sicher  zu  begründen/)  Von 

Gedanken  ist  vielleicht  auch  die  Reihenfolge  der  Sobne  des 
lias  beeinflusst  worden.    Jetzt  lautet  sie:  Johannes,  Simon, 

Eleazar,  Jonathan.")    Judas  ist  darnach  jünger  als  Simon, 

Henfeld  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  II  446  vermothet,  bei  lason 
«oe  sei  eine  Locke  gewesen  und  desshalb  im  2.  Makkabäerboche  Matta- 
sgefallen.    Aber  es  fehlt  nichts;  die  Stelle  des  Mattathias  ist  besetzt. 

1.  Makk.  2,  45  f.  Von  Judas  wird  gleich  darnach  ungefähr  dasselbe 
M  ff). 

1.  Makk.  14,  26. 

Zweifelhaft  kann  es  dabei  sein,  ob  Mattathias  ganz  und  gar  auf  Er- 
bernbt  oder  nur  sein  Führeramt.  Nicht  übel  ist  die  Vermuthung 
ri,  lason  Ton  Kyrene  S.  10,  dass  Asamonäos  der  Beiname  des  Malta- 
iwesen  sei,  wofür  sich  auch  ein  Zeugniss  bei  Syncellus  p.  543  anführen 
Preilich  Josephus,  bei  dem  Asamonäos  Vater  des  Mattathias  ist,  spricht 
igegen,  and  ich  neige  mehr  zur  Ansicht,  dass  der  Vater  des  Judas  und 
irflder  in  Wahrheit  Asamonäos  geheissen  habe. 

2.  Makk.  8,  22  werden  die  Bruder  des  Judas  in  folgender  Ordnung  ge- 
Simon, Joseph,  Jonathan,  Eleazar.    Joseph  tritt  an  Stelle  des  Johannes. 


460  B.  NIESE 

und  Jooalhao  der  allerjüogste.  Aber  es  besteht  eioe  andere  Hieb 
rieht,  dass  Judas  der  älteste  war/)  und  dazu  stimmt  sehr  gM 
dass  Judas  in  der  That,  so  lange  er  lebte,  anerkannt/es  Haapt  4« 
Familie  war;  es  kann  also  wohl  sein,  dass  Simon  erst  nachlrlglir 
seinen  Plats  ?or  Judas  erhalten  hat,*)  was  der  Tendenz  des  Bsdii 
durchaus  entsprechen  würde. 

Ich  gehe  jetzt  zur  Form  und  Art  der  Darstellung  des  !..  Nikh 
btterbuches  über,  worin  es  sich,  wie  gesagt,  vom  zweiten  m 
bestimmt  unterscheidet,  aber  auch  vielfach  mit  ihm  berührt  i 
tieferem  Eindringen  erkennt  man,  dass  alles  was  osan  am  zw«iti 
Buche  tadelt,  wenn  auch  weniger  grell,  so  doch  ähnlich,  ja  zuweik 
noch  verstärkt  im  ersten  bemerklieb  ist«  Wenn  auch  die  grob 
Wunder,  insbesondere  die  Eogelserscheinungen  fehlen,  so  ist  #1 
des  Unglaublichen  und  Fabelhaften  genug  übrig  geblieben.*)  I 
ist  z.  B.  ein  starkes  Stück,  wenn  uns  erzählt  wird»  dass  J4Nlialli 
mit  nur  zwei  Geßihrlen  das  schon  siegreiche  feindliche  Heer  schtas 
An  Uebertreibungen ,  wie  sie  am  deutlichsten  in  den  ZiSero  m 
zeigen,  fehlt  es  auch  nicht;  das  1.  Hakkabäerbuch  giebt  dem  « 
deren  darin  wenig  nach.')  Die  Parteilichkeit  und  Einseitigkeit  i 
im  1.  Makkabäerbuche  eher  grosser  als  geringer;  denn  im  zweiti 
wird  doch  zuweilen  etwas  für  die  Juden  nachtbeiliges  berichti 
im  ersten  dagegen  fast  gar  nichts.')  Unzweifelhaft  ist  ferner,  à 
im  Verfasser  des  1.  Makkabäerbuches  gleichzeitig  eine  starke  A 
torische  Ader  schlägt.     Gern   ergeht  er  sich   in   Bescbreibuogi 


1)  Josephus  Bell,  lud.  I  37. 

2)  Allerdings  ist  nicht  Simon,  sondern  Johannes  im  1.  MakJMiicrtiC 
der  älteste;  es  wäre  aber  denkbar,  dass  dieser  wenig  hervortretende  Brad 
nur  zur  Verschleierung  der  Absicht  an  die  Spitze  gestellt  wire.    Da  es 
einer  wirklich  zuverlässigen  Gontrolle  fehlt,  so  wird   man  in  diesesi  Pii 
über  mehr  oder  minder  unsichere  Vermutbungen  nicht  binauskommen. 

3)  Z.  B.  was  man  c.  1  zu  Anfang  über  Alexander  und  die  Thettaog  i 
Reiches  liest,  c.  6  über  den  Tod  des  Antiochos,  c.  8  über  das  Wesen  waé  i 
Thaten  der  Römer.   WernsdoifT  S.  40  ff. 

4)  1.  Makk.  11,70.   Wernsdorff  139. 

5)  So  räckt  nach  1.  Makk.  4,  2S  Lysias  mit  60000  Mann  zu  Fais  i 
5000  Reitern  gegen  Jerusalem;  nach  7',  46  entkommt  von  den  Leuten  Mikai 
auch  nicht  einer;  nach  11,  44  werden  120000  Antiocbener  von  3000  Ja 
besiegt,  und  nicht  weniger  als  100000  fallen;  Antiochos  Sidetes  soll,  wie  M 
erzählt  wird,  bei  der  Belagerung  Doras  ein  Beer  von  128000  Bfaon  gel 
haben,  vgl.  oben  S.  300.    Wernsdorff  S.  16. 

i>)  Oben  S.  529. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  461 

Ausmalungea ,  Reden  und  Gebeten,  die  durchaus  den  Stempel  der 
Rhetorik  tragen  ;  denn  sie  sind  typisch  und  ohne  individuelles  Ge- 
prige.')  In  ihrer  anspruchsTolien  Breite  stehen  diese  Stocke  in 
merklichem  Gegensatze  zur  Kürze,  mit  der  oft  die  wichtigsten  Be- 
gebenheiten erzählt  werden.  Von  der  griechischen  Art  sind  sie  ver- 
schieden durch  ihre  alttestamentliche  Färbung;  im  übrigen  aber 
lassen  sie  sich  sehr  wohl  mit  dem  vergleichen,  was  man  bei  rhe- 
torisch veranlagten  Schriftstellern,  bei  Diodor  und  anderen  häufig 
trifft 

Eigenthûmlich  ist  dem  Verfasser,  dass  er  seine  Erzählung  ganz 
in  den  Formen  des  alten  Testamentes  hält  oder  doch  zu  halten 
sich  bestrebt,  und  die  Kämpfe  der  Hasmonäer  etwa  nach  dem 
Muster  der  alten  israelitischen  Kriege  erzählt.  Das  zeigt  die  Sprache, 
die  durchaus  dem  Griechisch  der  Septuaginta  nachgebildet  ist, 
das  zeigen  auch  die  zahlreichen  wörtlichen  Anklänge  und  Ent- 
lehnungen, die  wir  finden.')  Dem  alten  Testamente,  mit  Ein- 
ichluss  des  Propheten  Daniel,  entnimmt  er  die  Beispiele ^  die  er 
in  den  Reden  braucht,  was  ebenso,  aber  nicht  ausschliesslich 
in  2.  Hakkabäerbuche  der  Fall  ist,*)  aber  auch  Orte  und  Namen. 
Nach  3;  46  sammelt  Judas  sein  Heer  in  Mi^pah;  denn  dies  war, 
M  wird  bezeichnend  zugesetzt,  vor  alters  eine  Stätte  der  Anbetung. 
Jonathan  lässt  sich  in  Hichmas  nieder  und  beginnt  das  Volk  zu 
richten:   xat  (^nrjaev  ^Iwya&av   iv   Maxfidct  xal  rjg^aTO  ïci>- 

1)  Z.  B.  1,  20  ff.  die  Bedrângniss  Israels,  2,  1  ff.  die  Geschichte  des  Matta- 
^M,  6,  28  ff.  BeschreiboDg  der  feiodlichen  Schlachtreihe,  vgl.  4, 9  ff.  30  ff. 
*i»ff:9,  Iff.  16,  Iff. 

2)  Z.  B.  1.  Makk.  5,  46  :  ovx  f,v  itniilvai  an   avTr^Q  Bêiiàv  iq  açiarê^âr 

SQ9  Nom.  22,  26  :  sis  ôv  ovx  ijv  éxxlivai  8a(iàv  ovBè  à^ê<nêçav.    5,  4  Stammt 

>ssp8.  68,  23.    Die  Schlussworte  (1.  Makk.  16,  23)  xai  rà  hunà  rœv  lôycÊv 

i»wvov  xtU  xoiv  noXifiiov  ovtov  xai  twv  âvBQayad'uâv  avxoi  wv  rjyBQa- 

yi^9tr  xai  r^  oixodofiTfÇ  %wv  TSiX^afv  tav  tj^uodofatjaev  xai  jcjv  n(^iêmv 

tmov  i8oi  ratera  yéy^aTtraê  èni  ßißXiov  ^fUQWv  €c^;i;M^aKrv077S  avxov  ent- 

iprechen  genao  den  häufigen  Formeln  in  den  Büchern  der  Könige  und  Ghro- 

oika,  I.  B.  3.  Reg.  16,  20:  xai  rà  Xomà  rmv  I6yœp  Za/iß^i  ual  ràç  owd- 

%pêU  avrov  as  avrfjytav  ovx  t8ov  tavja  ysyçafifiéva  iv  ßißXiqf  hdyofv  roTr 

^fiêçav  tœv  ßaüeXeofr  ^la^affl  und  mit  leichten  Variationen  an  Tielen  an* 

deren  Stellen.    Bleeck  Einl.  in  das  alte  Test.  S.  13.    Grimm  zu  1.  Makk.  9,  22 

S,  135  f. 

3)  Vgl.  1.  Makk.  2,  51  ff.  4,  9.  30.  7, 41.  Aus  Daniel  stammt  auch  1,  54 
die  Benennung  des  heidnischen  Altars  im  Tempel  als  ßOeXvyfta  i^fifi(ôuBOÊS. 
Daniel  11,  31.  12,  11. 

Hermes  XXXV.  30 


462  B.  NIESE 

ifé^av  xçivBiv  %ov  Xaov,  wie  eîoer  der  alten  Richter  aus  der  Vku 
zeit.^)  Die  Idumfler  heissen  Söhne  Esaus,*)  and  ein  Mann  ana  den 
Termutblich  arabischen  Stamm  Ambri  oder  larobri  wird  ab  eioer 
der  Grossen  in  Kanaan  vorgeruhrt,')  Skythopplit  ist  Baithsaa.^ 
Die  Akra,  die  syrische  Zwingburg  in  Jerusalem,  ial  dem  Schrift- 
steller unter  diesem  Namen  wohlbekannt,")  xuweilen  aber  b«it 
sie  auch  Stadt  Davids/)  was  sich  in  den  BOchem  der  Könige  aal 
Chronika  Öfters  findet,  selten  in  den  jOngeren  historiacben  Sobri^ 
ten.  Tempelberg  und  Stadt  werden  Zion  genannt,*)  mit  der  b^' 
kannten  poetischen  Bezeichnung,  die  ohne  Zweifel  fOUig  obsokt 
war  und  daher  in  historischen  Schriften  sonst  nicht  gebrückt 
wird.*)  Im  2.  Makkabäerbuche  kommt,  obwohl  der  Verfasser  ci 
an  jodischem  Eifer  nicht  fehlen  lässt,  derartiges  nicht  Tor.  Er 
giebt  die  Namen  durchweg  in  der  griechischen  Form,  «gt  imMr 
'leçoaôkv^a  nicht '/e^ovaaAifjti,  und  mit  beachtenswerther  Correelr 
heit  Shv^w   noXtç   nicht   Baithsan.*)     Ohne   Zweifel   soll  àa 

1.  Makkabaerbuch  den  Schriften  des  alten  Testamentes  auch  Sinkp* 
lieh  gleichgemacht  werden.  Der  Verfiisser  trügt  lugleich  Sorge, 
dass  seine  Archaismen  auch  verstttndlich  sind.  Dass  die  Stadt  Dinia 
die  Akra  bedeuten  soll ,  wird  ausdrOcklich  erläutert,'®)  ebenso  «er 
unter  den  Söhnen  Esaus  zu  verstehen  sei,")  und  wenn  es  im  Ea- 
gang  des  Buches  heisst  IdXé^cnfdqov  xàv  OiXirtnov  %ov  Mona- 
doVa,  og  i^fjl^ev  Ix  yrjç  Xérvteift^  so  hat  er  damit  den  Leier 
belehrt,  wo  das  Land  Kittim  zu  suchen  sei,  und  kann  daher  spSer 

1)  1.  Makk.  0,  73.  Vgl.  ladic.  3, 10.  4,  4.  Aach  die  Ebene  Asor  1.  Hakt 
11,  67  bedeutet  vielleicht  eine  Remioiscenz  an  Josua  11,  Iff.,  wo  es  4ieReii- 
denz  des  Königs  Jabin  ist. 

2)  1.  Makk.  5,  3. 

3)  9,  37  ivcç  rdv  fitydJiMv  fiêytCTnrofp  év  Xavaâr. 

4)  5,  52.    Dagegen  heisst  es  Ptolemak,  nicht  Âkko. 

^)  Z.  B.  Ol  ix  Tfjcair^««  1.  Makk.  6,  18.    oi  vUl  tf^ç  aM^as  I.  Hakt  4,1 

6)  1.  Makk.  1,  33.  7,  32.  14,  36. 

7)  1.  Makk.  4,  30.  5,  54.  6,  48.  62.  7,  33.  10, 11. 

8)  Worüber  die  Goncordanzen  Ansksnft  geben.    Zion  6oden  sich  in  4ei 
Psalmen  and  bei  den  Propheten,  auch  bei  Jesus  Sirach  36, 10.  48,  16.  2i 

9)  Eine  Ausnahme  bilden   nur  die  durch  den  hanfigen  Gebrauch  legi 
timirten  Formen  der  Sep  tu  agi  n  ta:  *j4ßqaafi  ^htttnu  'latcafl  Javi9  .Sttfpaxii^ 

2.  Makk.  1,2.  2,  13.  8,  19.  15,22. 

10)  1.  Makk.  1,  33:  xai  ojxoSofir^ca  try  noXiv  Javi8  weixM  fuyâXt^  m 
oxyqot  niçy'OiS  oxtçoïi  nal  éyévtro  avroU  eiç  ançav,  vgl.  14,  36. 

11)  5,  3:  Tzoos  rots  vlois  'llaav  èv  rfj  *I$ov/iaiq, 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCIIER  463 

:i  Philippos  uod  Perseus  obne  ein  MissversUfodniss  zu  befürchten 
nige  der  Kitier  nennen.')  Dass  hier  benrusste  Alterthflmelei  vor- 
gfl,  muss  um  so  eher  angenommen  werden,  als  er  einen  guten 
eil  seines  Wissens  doch  aus  griechischer  Quelle  geschöpft  haben 
ISS,  und  griechischer  Einfliiss  vielfach  durchschimmert.  Was  zu 
fang  Ober  Alexander  und  seine  Nachfolger,  ferner  c.  8  über  Rom 
d  seine  Geschichte  gesagt  wird,  beruht  in  letzter  Hand  auf  grie- 
8chen  Historien,  nicht  etwa  auf  einheimischer  Tradition;  sonst 
inte  Alexander  nicht  wohl  zwölf  Regierungsjahre  erhalten,')  denn 
iT  die  Juden  bat  er  ja  nur  neun  oder  zehn  Jahre  geherrscht.*) 
ch  hat  der  König  seinen  richtigen,  griechischen  Namen  ^Aki^ctv 
9$  OiXlTtnov  Maneiciv  oder  Maneôoyœv  ßaüikevg.*) 

Griechische  Quellen  sind  besonders  in  der  zweiten  HAlfte  des 
ches  wahrscheinlich,  wo  sich  die  Erzählung  ja  grossentheils  in 
'  ägyptischen  und  syrischen  Königsgeschichte  bewegt.  Sehr  be- 
rkenswerlh  ist  hier  gegen  Ende  14,  25  ff.  der  feierliche  jadische 
Ihsbeschlttss  für  Simon  aus  seinem  dritten  Jahre  (172  Sei.  «» 
1/0  V.  Chr.).  Dieses  Dekret  hält  man  wohl  für  die  Bestallungs- 
cunde  Simons,  durch  welche  ihm  Priesteramt  und  Pürstenthum 
ertragen  ward.*)  Aber  fon  einer  Ernennung  zum  Hohenpriester 
rch  das  Volk  steht  im  Décret  kein  Wort;  sie  wird  vielmehr  als 
lon  geschehen  Torausgesetzt,*)  und  war  ja  auch  nach  v.  38  und 
*  Torangehenden  Erzählung  schon  zwei  Jahre  früher,  und  zwar 
rch  Demetrios  II.  erfolgt.  Es  ist  Tielmehr  ein  Ehrendecret,  das 
n  Simon  aus  Dank  für  seine  Verdienste  gewidmet  worden  ist,^) 
d  entspricht  am  besten  den  bekannten  Ehrendecreten  grie- 
ischer  Städte  für  verdiente  Männer,  oder  auch  den  ptolemäischen 
creten  von  Kanopos  und  Rosette,  iu  denen,  wie  hier,  die 
taten    der   gefeierten    aufgezählt    und  zuletzt  die  würdige  Auf« 


1)  1.  Makk.  8,  5. 

2)  1,  7. 

3)  So  hat  Alexander  im  Kanon  des  Ptolemaios  fur  Babylon  our  acht  Jahre. 

4)  1,  l.  6,  2. 

5)  Grioiina   Gommenlar  S.  212.     Ewald   Geschichte   des  Volkes  Israel 
438  f. 

6)  V.  41  f.,  wo  man  natürlich  ot«  nicht  streichen  darf.  Vgl.  die  richtige 
lerkung  Destinons,  die  Quellen  des  Flavius  Josephaa  86  Anm. 

7)  1.  Makk.  14,  25   ύ  da  ^xovaiv  6  Bij/tos  liov  hoywv  xoinotv  tlnav* 
t  j^efffty  anoBàcOftw  JSifiafvi  ual  toU  vloU  a'èrov  urX, 

30* 


464  B.  MESE 

stelluog  und  Bekanntmachung  des  Beschlusses  verfOgt  wird.') 
Solche  Ehrendecrete  haben  dem  Verfasser  des  1.  Hakkabflerbuches 
vermulhlich  an  dieser  Stelle  xum  Huster  gedient;  denn  was  mio 
auch  über  die  Echtheit  des  Inhaltes  denken  mag,  die  Form  and 
Fassung  rührt  unxweifelhaft  vom  Schriftsteller  selbst  her.  Der 
Nachdruck ,  der  nicht  nur  auf  den  Vater  Hattalhias  fi&Ut  (v.  26. 
29),  sondern  auch  auf  die  Söhne  Simons  (v.  25.  49),  die  Nennuog 
des  Berges  Zion  (v.  27),  Ausdrucksweise  und  Stil,  alles  entspricht 
vollkommen  der  Art  des  ganzen  Buches.')  Der  Schriftsteller  hit 
offenbar  ein  griechisches  Vorbild  in  seinen  Stil  umgesetzt  Bit 
er  doch  anderswo  sogar  die  amtlichen  Titulaturen  umgestiltet; 
denn  wenn  er  3,  32  sagt:  xcri  xafiXinsv  Avaiav  av&çwrcofh' 
ôo^ov  xaî  ànb  yévovç  %^ç  ßaaikelac  inï  vcHv  nçayfiâtwv  tov 
ßaailiwg^  so  ist  dies  eine  hebraisirende  Paraphrase  des  correcteo 
Titels,  den  das  2.  Hakkabäerbuch  erhalten  hat:  Avaiag  Initfo- 
nog  Tov  ßaaikitog  xal  avyyevrjg  mal  im  %wv  nçay/iitm,') 
wobei  jedoch  beim  Leser  das  Hiss?erstflndniss  geweckt  wird,  ib 
wäre  Lysias  wirklich  ein  Verwandter  des  Königshauses  gewesen, 
das  in  der  correcten  Fassung  für  den  kundigen  Zeitgenossen  kiuin 
aufkommen  konnte;  denn  avyyevijg  %ov  ßaailewg  ,Vetter  des 
Königs*  ist  nur  Titel  oder  Raugbezeichnung,^)  darf  aber,  um  richtig 
verstanden  zu  werden,  nicht  verändert  worden.  Ich  habe  aus  dieses 
und  ähnlichen  Erscheinungen  die  Ueberzeugung  gewonnen,  diss 
die  hebraisirende  Art  des  1.  Makkabäerbucbes  nicht  so  sehr  laf 
Unfâbigkeit  oder  Uokenntniss  des  Griechischen  beruht,  soodero 
ebenfalls  der  Absicht  dient,  die  Schrift  den  kanonischen  BOchero 

1)  V^l.  die  Ehrendecrete  für  die  Redner  bei  Plutarch  vit  dêc,  orâL 
p.  850 ff.,  fur  Phaidros  CIA.  Il  331  Dittenberger  sylL  P  213,  fur  IHophaotoi 
Diitenberger  syll.  I>  326.  Die  ptolemâischen  Décrète  bei  Su-ack  Dynastie  dtf 
Ptolemäer  227.  211. 

2)  Die  Echtheit  der  Urkunde  wird  vielfach  in  Zweifel  gezogen,  uo<l 
nicht  ohne  Grund.  Vgl.  Welihausen  Israel,  und  jüd.  Gesch.  268.  Die  log«!)- 
liehen  sachlichen  Unrichtigkeiten  (Keils  Commentar  S.  233)  fallen  Dachmeioef 
Meinung  nicht  sehr  ins  Gewicht,  weil  es  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  dies  wirklich 
Unrichtigkeiten  sind.  Aber  die  im  Décret  aufgeführten  Thalen  Simoos  komoeB 
sämmtlich  auch  in  der  vorangehenden  Erzählung  vor,  und  die  Neonong  <itf 
Söhne  Simons  ist  sehr  verdächtig.  Letzteres  kann  freilich  durch  die  Stilisiroul  . 
hereingekommen  sein,  und  die  Möglichkeit,  dass  ein  Ehreodecret  für  SiiW» 
exislirte,  iässt  sich  gewiss  nicht  in  Abrede  stellen. 

3)  2.  Makk.  11,  1. 

4j  Hierüber  hat  neuerdings  Strack  gehandelt,  Rhein,  Mas.  N.  F.  56, 1611 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  465 

des  alten  Testamentes  möglichst  ähnlich  zu  machen');  dies  ist  dem 
Verfasser  in  der  That  sehr  gut  gelungen  und  hat  seinem  Buche 
KU  dauerndem  Ansehen  verhelfen.  Die  alttestamentliche  Färbung 
pb  ihm  den  ehrwürdigen  Charakter  unbedingter  Zuverlässigkeit, 
JDd  da  es  zugleich  das  umfassendere,  ausgiebigere  Werk  war,  so 
ivard  ihm  unter  den  MakkabäerbUchern  die  erste  und  vornehmste 
Stelle  eingeräumt. 

Uns  hat  sich  dagegen  aus  den  dargelegten  Gründen  ergeben, 
lass  es  ein  aus  zwei  ungleichen  Theilen  zusammengesetztes  Buch 
st,  in  dem  die  Tradition  durch  nationale  und  antiquarische  Ten- 
lenzen  stark  bearbeitet  vorliegt.  Der  Verfasser  ist  ein  Freund  der 
)riesterlichen  Dynastie  der  späteren  Hasmonäer  und  ein  strenger 
lann  des  Gesetzes.'}  Er  ist  dringend  verdächtig,  vieles  absichtlich 
verschwiegen,  geändert  oder  zugesetzt  zu  haben.  Seine  Tendenzen 
«od  dem  2.  Makkabäerbuche  in  manchen  Stücken  nahe  verwandt, 
^gleich  aber  geschickter  und  gründlicher  durchgeführt.  Das  Werk 
nacht  einen  harmonischeren,  geschlosseneren  Eindruck;  die  Er- 
ttluDg  giebt  ungünstigerer  Beurtheilung  wenig  Raum,  während 
hs  2.  Hakkabäerbuch  seine  Tendenzen  zwar  offener  kundthut,  aber 
oit  weniger  Ueberlegung  durchführt  und  namentlich  die  Kunst 
'es  Verschweigens  in  geringerem  Haasse  übt.  Wenn  wir  also  im 
!•  Makkabäerbuche  eine  ältere,  vielfach  ursprünglichere  Erzählung 
sitzen,  so  hat  doch  das  erste  seine  bedeutenden  Vorzüge  durch 
lie  grössere  Umsicht  des  Schriftstellers,  der  manche  Fehler  des 
weiten  zu  vermeiden  gewusst  hat  und  den  dürftigen  Auszug  des- 
elbeo  vielfach  ergänzt  und  berichtigt.  Das  erste  ist  auch  nicht 
iwa  vom  zweiten  abhängig,  sondern  vertritt  eine  selbständige  Be- 
rbeitung  der  Ueberlieferung.  Es  behält  neben  dem  älteren  Bruder 
einen  Werth;  nur  kann  es  die  erste  Stelle  nicht  mehr  behaupten, 

1)  Man  braocht  desshalb  die  Nachricht,  wonach  das  1.  Makkabäerboch 
Da  dem  Hebräischen  übersetzt  sei,  noch  nicht  zu  bezweifeln,  wie  manclie 

B.  Hengstenberg  gethan  haben.  Aber  diese  Frage  verdient  eine  gründliche 
i^teraochong,  die  eine  bessere  Eennlniss  des  alten  Testamentes  erfordert,  als 
'^  besitze. 

2)  Als  charakteristisch  fur  das  Buch  darf  hier  noch  angeführt  werden, 
>M  die  Zeit  der  Propheten  vorbei  ist  und  gewisse  Entscheidungen  auf  die 
ikttDft  verschoben  werden,  wenn  ein  Prophet  auftritt.  1.  Makk.  4,  46.  9,  27. 
1)41.  Offenbar  denkt  sich  der  Verfasser  ähnlich  wie  Josephus  Conl,  Ap,  I  41 
e  Prophétie  mit  Maleachi  erloschen^  dem  letzten  Propheten  im  Kanon  der 
%en  Schriften.    Es  deutet  darauf  hin,  dass  der  Kanon  schon  fertig  war. 


466  B.  NIESE 

soDdero  muss  sich  mit  der  zweiten  begoQgeo.  Dies  wird  auch  ük 
Untersuchung  einzelner  Nachrichten  lehren,  die  im  nachfolgeDdefi 
vorgetragen  werden  soll. 

Der  erste  Feldzug. 

Als  Anliochos  Epiphanes  von  den  Erfolgen  des  Judas  über 
Apollonios  und  Seron  hOrt,  so  erzählt  das  1.  MakkabSerbuch/)  ht- 
schliesst  er  den  Krieg  gegen  Judas.  Da  er  jedoch  findet,  da» 
seine  Kasse  fOr  ein  solches  Unternehmen  nicht  ausreichti  zieht  er 
vorerst  in  die  oberen  Satrapien,  uro  seinen  Schatz  zu  fOlleD 
(t47  Sei.  =  166/5  v.  Chr.).  Als  Statthalter  bleibt  Lysias  zurOck, 
der  nun  drei  Männer,  Ptolemäos,  den  Sohn  des  Dorymenes,  Ni- 
kanor  und  Gorgias  mit  47000  Mann  gegen  die  Juden  aussendet. 
Aber  das  syrische  Heer  wird  bei  Emmaus  geschlagen  ;  nur  Gorgias 
mit  seiner  Abtheilung  entkommt.*) 

Dieser  Sieg  des  Judas  wird  ebenfalls  im  2.  Makk.  8,  8  berichteti 
aber  mit  bcachtenswerthen  Abweichungen.  Denn  hier  geht  das  Uoter* 
nehmen  von  Philippos,  dem  Befehlshaber  in  Jerusalem  aus.    Dieser 
wendet  sich   um  Hülfe  an  den  Strategen  Cölesyriens,   Ptolemäos, 
Sohn  des  Dorymenes,  der  Strateg  schickt  20000  Mann  unter  Ni- 
kanor  und  Gorgias,  die  nun  von  Judas  geschlagen  werden.    Diese 
Version   macht  einen  guten  Eindruck;   denn  in  der  That  hat  lu- 
nächst  der  Befehlshaber  in  Jerusalem  für  Unterdrückung  der  Re- 
bellion zu  sorgen,  erst  als  Judas  ihm  zu  mächtig  wird,  wendet  er 
sich  an  die  nächste  Instanz,  den  Statthalter  von  Colesyrien.    Der 
könighche  Hof  in  Antiochien  wird  nicht  gleich  in  Bewegung  geseUli 
während  im   1.  Makkabäerbuche  alles  von  da  ausgeht,   wodurch, 
wie    schon    bemerkt  ist,    die   bisherigen   Erfolge  Judas   eine  fiel 
grössere  Bedeutung  erhalten,   und  dem  entspricht,  dass  auch  das 
syrische  Heer  mehr  als  verdoppelt  wird.     Ptolemäos  ist  nach  dem 
2.  Makkabäerbuche  gar  nicht  mit  ausgezogen«  sondern  nur  Nikaoor 
und   Gorgias,   und   die  Kriegsgeschichte   bestätigt  es;   denn  jener 
wird  in  keinem  Berichte,  auch  nicht  im  1.  Makkabäerbuche  weiter 
genannt. 

Im    übrigen   herrscht   in    beiden  Büchern    über   das  Ereigniss 


1)  1.  Makk.  3,  10  ff.    Die  ersten  Unternehmungen  werden  2.  Makk.  S,  6f. 

nur  kurz  angedeutet. 

2)  1.  Makk.  3,  3 S  il 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBOCHER  467 

le  bemerkenswerihe  Uebereiusümmung  in  den  Gruodsttgen  wie 
maDcheo  Eioielheiteo.  Beide  heben  die  sichere  Siegeszuversicht 
r  Feinde  wie  die  besorgte  Stimmung  dar  Juden  her?or,  ihre 
bete  zu  Gott,  zugleich  die  damals  vorgenommene  Eiatheilung 
d  Gliederung  des  Heeres.  Aber  die  Art»  wie  dies  alles  erzählt 
rd,  weicht  wieder  sehr  ab.  Nach  dem  2.  Hakkahäerbuche  Ver- 
sen viele  Juden  das  Heer  aus  Angst,  im  ersten  entlässt  Judas 
bst  alle  die,  welche  nach  dem  Gesetz  vom  Kriegsdienst  zu  be- 
ien  sind.^)  Die  Eintheilung  des  Heeres  geschieht  nach  dem 
MakkabSlerfouche  so,  dass  Judas  vier  Haufen  bildet  und  über 
ien  einen  seiner  Brüder  setzt,  nach  dem  ersten  ernennt  er 
üiarchen,  Hekatontarchen,  Penlekontarchen  und  Dekarchen,  wie 

im  alten  Testament  zuweilen  vorkommen,*)  Stellt  ferner  die 
zirâer  vor  und  erfüllt  auch  sonst  noch  allerlei  alte  gesetzliche 
brauche.  In  allen  diesen  Dingen  macht  die  Version  des  2.  Hakka- 
erbucbes  einen  viel  ursprünglicheren  Eindruck,  während  das 
icre  eine  theils  beschönigende  theils  antiquarische  Bearbeitung 
rstellt,  die  vor  allem  zeigen  soll,  dass  es  den  Freiheitskämpfern 
erall  vornehmlich  auf  getreue  Erfüllung  des  Gesetzes  ankam; 

Auf  den  Sieg  Ober  Nikanor  folgt  im  2.  Hakkahäerbuche  noch 
I  zweites  siegreiches  Treffen  mit  Timotheos  und  Bakchides,  und 
srauf  die  Wiedereinnahme  Jerusalems.  Im  1.  Makkabflerbuche 
lit  das  eine  gänzlich,  das  zweite,  die  Besetzung  Jerusalems  wird 
It  später  nach  dem  ersten  Feldzuge  des  Lysias  gesetzt  und  mit 
r  Einweihung  des  Tempeb  zusammengelegt*)  Ueber  diesen 
iterschied  der  Anordnung  später;  zunächst  ist  dne  andere  Be- 
irkung  zu  machen. 

Nach  dem  1.  Hakkahäerbuche  wird  Jerusalem  ohne  Wider- 
nd  und  Kampf  besetzt;  nach  den  Vorstellungen  des  Verfassers 
Jerusalem  verödet  (ao/xijToç),  in  den  Tempelhöfen  wächst  das 
IS,  und  nur  in  der  Akra  sitzen  die  Syrer.^)  Hingegen  nach 
n  2.  Hakkahäerbuche  ist  Jerusalem  keineswegs  ohne  Kampf  in 
Hände  des  Judas  gefallen  ;  ein  gewisser  Kallisthenes,  der  früher 
der  Eroberung  der  Stadt  das  Thorhaus  des  Tempels  verbrannt 


1)  1.  Makk.  3,  56.    Deuteron.  20,  5  ff.    ludic.  7,  a. 

2)  1.  Makk.  3,  54  und  dazu  die  Erklärer. 

3)  1.  Makk.  4,  36. 

4)  1.  Makk.  3,  45.  4,  3S. 


468  B.  NJESE 

hatte,  fiodet  io  gerechter  Vergeltung  den  Feuertod^)  und  spater 
hören  wir  voo  Vertriebeneo  aus  Jerusalem,  die  id  xiemlidier  An- 
zahl gewesen  sein  mOsseo.')  Also  war  Jerusalem  Dicht  mensdieo- 
leer,  sondern  die  Parteigänger,  vielleicht  auch  Kolonistea  des  Au* 
tiochos  wohnten  daselbst.  Judas  hat  sieb  der  Sudt  mît  Gewill 
bemächtigt  und  die  Gegner  vertrieben*  Hiermit  ist  zu  verbipdea 
die  leider  sehr  kurze  Erzählung  des  Josephus,*)  wonach  sich  Judu; 
nachdem  er  den  Epiphanes  geschlagen,  gegen  Jeru^lem  wendet, 
die  syrische  Besatzung  aus  der  oberen  Stadt  in  die  uütere,  d» 
Akra  treibt  und  sich  der  Stadt  bemäcbtigL  Dies  stimmt  mit  dem 
2.  Makkabäerbuche  gut  Uberein.  Dass  dabei  Jerusalem  so  leicht 
und  ohne  Belagerung  gewonnen  wird,  iat  nicht  zu  verwundern» 
Aus  der  Geschichte  dieser  Zeit  gebt  hervor,  daes  die  Stadt  all 
solche  nur  dürftig  befestigt  und  nur  die  Akra  eine  wirkliche  Festung 
war.  Antiochos  wie  lason  ziehen  ziemlich  ungehindert  in  die 
Stadt  ein/) 

Der  Sieg  Ober  Timotbeos  und  Bakchides^)  steht  mit  den  DOh 
gebenden  Ereignissen  in  sehr  gutem  Zusammenhange.  Man  bon 
vermuthen,  dass  die  beiden  nach  der  Niederlage  Nikauor«  tum 
Schulze  Jerusalems  herbeigeeilt  waren,  und  zwar  von  Osten  über 
den  Jordan  her,  wo  Timotbeos  heimisch  war.  Judas  schlug  sie 
ebenfalls,  machte  ansehnliche  Beute,  nahm  mehrere  Kasldl«  up^I 
besetzte  sie  mit  eigenen  Leuten,  und  nachdem  er  sich  eines  Tbeik 
der  Landschaft  also  versichert  hatte,  eroberte  er  auch  Jenisaleni 
ausser  der  Burg.  Der  hier  erwähnte  Bakchides  ist  gewiss  kein 
anderer  als  derjenige,  welcher  einige  Jahre  später  um  160  T*Cbr* 
den  Hakkabäos  schlug  und  zu  Fall  hr«cbte/3 

Die  Kriege  des  Judas  gegen  die  Nachbarn. 

Wenn   wir  in   den  HakkabäerbOchern  weiter  vordriogcu, 
fällt  am  meisten  und  zunächst  ein  bedeutender  Unterschied  in 


1)  2.  Makk.  8,  33.    Dies  stimmt  mi'  4eo 
bei    der  Eroberung  Jerusalems   dorelr 
vielleicht    noch    ein   Nebengebäode, 
2.  Makk.  1,8.     1.  Makk.  4,  38. 

2)  2.  Makk.  10,  15. 

3)  Bell  lud,  I  39. 

4)  2.  Makk.  5,  5  ff.    lasor 

5)  2.  Makk.  8,  30. 
(;)  1.  Makk.  9,  Iff. 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBOCHER  469 

kenfolge  der  Begebeoheiteo  in  die  Augen,  der  sich  am  leich- 
en  durch  folgende  Gegenüberstellung  klar  machen  lässt: 

1.  Makk.  c.  4  ff.  2.  Makk.  c.  8  ff. 

[  Ober  Gorgias  und  Nikanor.  Sieg  über  Gorgias  und  Nikanor. 
^eldzug  des  Lysias.  Besetzung  Jerusalems, 

itiung  Jerusalems  und  Tod  des  Epiphanes  (c.  9). 

ligung  des  Tempels.  Reinigung  des  Tempels  (c.  10). 

ibarkflmpfe  (c.  5).  Regierungsantritt  Eupators. 

des  Epiphanes  und  Nachbarkämpfe, 

ierungsanfang  Eupators  (c.  6).   1.  Feldzug  des  Lysias  und  Friede 

(c.  11). 
^eldzug  des  Lysias  mit  Eu-  Neue  Nachbarkampfe  (c.  12). 
itor.  2.  Feldzug  des  Lysias  mit  Eupator. 

de  mit  den  Juden.  Friede  mit  den  Juden  (c.  13). 

e  Unterschiede  werden  wir  bei  allen  nachfolgenden  Erörterungen 
t  aus  den  Augen  zu  verlieren  haben.  Zunächst  habe  ich  mich 
den  kleineren  Kämpfen  zu  beschäftigen,  die  Judas  Hakkabäos 
)n  den  Hauptactionen  mit  feindlichen  Nachbarn,  mit  den  Feld- 
Q  und  Bundesgenossen  der  syrischen  Könige  auszufechten  hatte. 

1.  Makkabäerbuch  erzählt  da?on  c.  5  im  Anschluss  an  die 
derherstellung  des  Gottesdienstes.  Ergrimmt  Ober  diesen  Erfolg 
ben  sich  die  Heiden  ringsum  zur  Vernichtung  der  in  ihrer  Mitte 
oenden  Juden.  Aber  Makkabäos  kommt  seinen  Stammesgenossen 
Lig  zur  Hülfe.  Er  wendet  sich  zuerst  gegen  die  Idumäer  und 
Kinder  Baian/)  geht  dann  über  den  Jordan  ins  Land  der  Am- 
iter  und  gegen  Timotheos,  erobert  Jazer  und  kehrt  wieder 
ck.  Hierauf  kommt  Nachricht  von  der  Bedrängniss  der  Tu- 
er und  anderer  Juden  in  Gilead  und  Galiläa.  Während  Judas 
m  Bruder  Simon  nach  Galiläa  schickt,  geht  er  selber  mit  Jo- 
in nach  Gilead,  schlägt  den  Timotheos  aufs  neue,  nimmt  ?er- 
idene  Städte,  darunter  Karnaim  sammt  dem  Heiligthum  und 
"on,  und  kehrt  über  Skythopolis  nach  Jerusalem  zurück  (v.  9  ff.). 
Beauftragten,  die  Judas  daheim  zurückgelassen,  haben  in  seiner 
esenheit  wider  Befehl  mit  Gorgias  in  Jamneia  angebunden  und 

Niederlage  erlitten.')    Später  geht  Judas  nochmals  nach  Idu- 

1)  1.  Makk.  5,  3.  Die  Lage  dieses  Stammes  ist  unbekanot.  Namen  32,  3 
t  jeaseits  des  Jordan  ein  Baian,  aber  ao  unserer  Steile  scheint  die  Nach- 
:hift  Idumâas  angedeutet  zu  werden. 

2)  1.  Makk.  5,  55  ff. 


470  B.  NIESE 

màa,  nimmt  Hebron,  kämpft  bei  Marisa  und  unternimmt  nleci 
einen  Streifzug  nach  Azotos  (?•  65  ff.)-  ^^^  ^^^  ^ud  in  tiwm 
Züge  zwischen  der  Tempelweihe  (im  Kislev  148  Sei.  «>  December 
165  V.  Chr.)  ')  und  dem  Tode  des  Antiocho«  (149  Sei.  — 164^ 
V.  Chr.)*)  erzählt;  es  fällt  somit  alles  unter  die  Regierung  da 
Epiphanes. 

Dagegen  im  2.  Makkabäerbuche  werden  dieselben  Untemk- 
mungen  gleichfalls  an  die  Tempelweihe  angeschlosaen ,  aber  ii 
zwei  Gruppen  vertheilt;  gleich  der  Tempelweihe  fallen  sie  in  ta 
Zeit  Eupators.  Der  Verlauf  ist  in  KOrze  folgender*):  Gorgias»  te 
königliche  Strateg  an  der  philisiäischen  Küste  und  die  Idaoler 
machen  den  Juden  \iel  zu  schaffen.  Makkabäos  fällt  in  Idomit 
ein  und  belagert  und  erobert  mehrere  feste  Plätze.  Von  hier  vA 
er  gegen  Timotheos,  der  geschlagen  und  in  der  Festung  Gaan 
gefangen  und  getodtet  wird/)  Judas  kehrt  siegreich  zurück.  Hir, 
folgt  nun  der  erste  Angriff  des  Lysias/)  der  mit  einem  FriediB* 
schluss  endigt  Aber  nur  kurz  ist  der  Friede;  die  Feindidif 
keiten  der  Nachbarn,  besonders  der  Joppiten,  lassen  den  Juèi 
keine  Ruhe.*)  Judas  züchtigt  Joppe  und  Jamneia  und  wendet  éà 
dann  gegen  arabische  Stämme;  die  Erzählung  ist  hier  durch  Vr 
kürzung,  vielleicht  auch  durch  Verwahrlosung  des  Textes  flchinr 
entstellt;  offenbar  handelt  es  sich  um  ein  Unternehmen  im  OHr 
jordanlande.  Eine  Stadt  an  einem  See  wird  ferner  gewooMii 
dann  den  Tubienern  zur  Hülfe  gezogen  und  Timotheos  geschla|«i 
der  Tempel  der  Atargatis  bei  Karnion  und  die  Stadt  Ephron  nr* 
wüstet.  Ueber  Skylbopolis  kehrt  Judas  zu  Pfingsten  nach  Jcpi- 
salem  zurück,  um  bald  wieder  nach  Idumäa  zu  ziehen«  wo  er  ei 
bei  Marisa  mit  Gorgias  ohne  Entscheidung  herumschlägt  und  disB 
wieder  nach  Jerusalem  geht. 

Die  beiden  Berichte  stimmen  in  den  Grundlinien  mit  einanli 
überein.     In  beiden  macht  ein  Zug  nach  Idumäa  den  Anfang,  < 


1)  1.  Makk.  4,  52. 

2)  1.  Makk.  6,  16. 

3)  2.  Makk.  10,  10  ff. 

4)  Gazara  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  Jazer.  Vgl.  Grimm  zu  2.  Mal 
10,  32  (Exeg.  Handb.  IV  163);  denn  Timotheos  ist  im  Ostjordanliade  heinia 
Er  lebt  übrigens  nachher  wieder  auf,  oben  S.  273  A.  3. 

5)  2.  Makk.  11,  Iff. 

6)  2.  Makk.  12,  Iff. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  471 

folgen  iwei  UnterDehmungeD  jenseits  des  Jordaas,    deo   Schlug» 
micht  eioe  zweite  Reihe  idumäiscber  Kämpfe.     Im  1.  Makkabäer* 
boche  fehlt  der  Rachezug  gegeu  Joppe  uod  Jamneia/)  im  zweiten 
digegen  da»  Unternehmen  gegen  Azolos.    Auch  sonst  herrscht  im 
tiDKlnen,  in  den  Ortsnamen  u.  s.  w.  eine  bemerkenswertbe  lieber* 
•lisliimnung  zwischen  den  beiden  Büchern.')  Der  wesentliche  Unter- 
sehied  liegt  darin ,  dass  diese  Kämpfe,  die  im  1.  Buch  in  einem 
Zuge  dargestellt  werden,  im  zweiten  durch  den  Angriff  des  Lysias 
nd  den  Friedensscbluss  unterbrochen  werden.    Das  2.  Buch  ver- 
thiilt  also  die  Ereignisse  auf  einen  weiteren  Zeitraum,  und  dies 
m  offenbar  viel  wahrscheinlicher  und  sachgemässer  als  jenes;  denn 
es  liegt  in   der  Natur  der  Sache,   dass  diese  Kampfe,  von  denen 
m  Übrigens  gewiss  nur  die  wichtigeren  kennen ,  sich  nicht  auf 
«tmal  abgespielt,  sondern  den  ganzen  Krieg  begleitet  haben.     Es 
iit  daher  wahrscheinlich,  dass  die  Anordnung  des  1.  Buches  auf  spä- 
terer Redaction  beruht,  durch  die  eine  Reihe  gleichartiger  Ereig^ 
litt«,  die  tu  verschiedenen  Zeiten  geschahen,  zusammengelegt  ward. 
Diese  Vermutbung  wird  bestätigt  durch  die  Art,  wie  diese 
Kimpfe  eingeleitet  werden.     Es  heisst  1.  Makk.  5,  1:  xot  iyiveto 
in  ijnovaay  to  fi^fj  i^vxXo&ev   o%t  (pnodofirj^   to  ^aior 
^tt'icior  xai   ivexaiviodif]   to   aylaafÀa  wç  to  tcçotsçov,   xal 
^yioxhjacep   oq>6âça  xal  eßovksvovTO  xov  agai  to  yévoç  ^la-- 
^  Tovç  ovraç  h  iiéatfi  avrwv  u.  s.  w.     Die  Angriffe  auf  die 
"loden  werden   hervorgerufen   durch  die  Erneuerung  des  jüdischen 
(Uttesdienstes  ;  die  Heiden  beschliessen  jetzt,  die  bei  ihnen  wohnen- 
<ini  Juden  auszurotten;    ihre   Feindseligkeit  entspringt  also   dem 
Uns  gegen  die  jüdische  Religion.     Hievon  ist  im  2.  Makkabäer- 
)>ucbe  keine  Spur');  dagegen  erinnert  es  lebhaft  an  dasjenige,  was 
ia  den  Büchern  Esra  und  Neliemia  über  die  Missgunst  der  Heiden 
beim  Wiederaufbau  des  Tempels  und  der  Stadtmauern  berichtet 
vird«    Offenbar  ist  die  ältere  Schrift,  und  zwar  wörtlich  benutzt 


1)  Der  verooglöckte  Versuch  des  Joseph  ood  Azarias  aaf  Jamoeia  (1.  Makk. 
56 j  kaoo  schwerlich  an  dessen  Stelle  treten. 

2)  £wald  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV^  415  Aimi.  nimmt  au,  2.  Makk. 
ly  10  ff.  und  12,  11  ff.  seien  dieselben  Vorginge  doppelt  erzählt,  ebenso  wie 
ch  der  Angriff  des  Lysias.  Dies  Urtheil  hält  einer  genaueren  Prüfung  nicht 
ifld«  Das  1.  Makkabäerbuch  kennt  ebenso  wie  das  zweite  einen  doppelten 
igriff  des  Lysias. 

3)  2.  Makk.  10,  4. 


472  B.  NIESE 

wordeo,*)  uod  dadurch  auch  die  Anordnung  im  1.  Makkabaerbucbe 
beeinflusst.  Der  Schriftsteller  hat  alle  Nachbarkriege  susammei»- 
gefasst,  um  aie  nach  dem  Muster  Nehemias  an  die  Wiederherstelluog 
des  Gottesdienstes  anzuknüpfen,  wodurch  nun  alles  io  fiel  höherem 
Grade  den  Charakter  eines  Religionskrieges  erhalten  hat,  als  es 
im  Alteren  Bericht  des  2.  Hakkabflerbuches  der  Fall  ist;  aocb 
hierin  wird  dieses  letztere  die  ursprüngliche  Ueberliefening  besser 
wiedergeben. 

Von  Anfang  an  ist  die  makkabSische  Erhebung  von  Raub  ood 
PlQnderung  begleitet  «  die  weit  ins  Land  hinausging  und  natflrlieb 
viele  Klagen  erzeugte  «  Hass  gegen  die  Juden  erweckte^  und  lor 
Vergeltung  einlud.  Von  welcher  Seite  der  Anfang  gemacht  ward, 
ist  schwerlich  zu  ermitteln;  gewiss  hatten  auch  die  Juden  n 
leiden,*)  wenn  auch  dies  in  unseren  Berichten  wenig  henrortritt 
Auf  jeden  Fall  sehen  wir,  dass  Judas  Hakkabaos  und  seine  Ge- 
nossen sich  nicht  auf  die  Abwehr  beschränkten,  sondern  offensiv 
Yorgingen.  Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  sich  von  Anfang 
an  waffengeQbte  Rfluber  und  Freibeuter  um  Makkabflos  und  seine 
Brüder  sammelten  und  den  Kern  seiner  Schaaren  bildeten,  Lente» 
bei  denen  religiöser  Eifer  sich  mit  Raublust  verband.  Ueberdies 
waren  die  PlOnderungzüge  im  gewissen  Sinne  wohl  unentbehrlich 
für  die  Unterhaltung  der  Aufständischen,  die  als  Verbannte  und 
Geächtete  in  den  Bergen  und  der  Wildniss  lebten  und  gewiss  nicbt 
selten  Mangel  litten.^) 

Von  diesen  Zügen,  bei  denen  wacker  geraubt,  gesengt  und 
gemordet  ward,  erzählt  das  2.  Makkabäerbuch  mit  einer  naives 
Freude.      Schon    in    der    Inhaltsübersicht    wird    die    Plünderung 


1)  Nehem.  4,  1  xal  iydvajo  r,vixa  r/MOvaa  ^vaßaXXax  or*  r^fMß  0** 
xoSofiOVfiÊP  TO  'reîxoSy  Kcd  novriçov  avr^  ètpâvri  xal  œçyiadij  inl  noJi»  ood 
fast  mit  denselben  Worten  v.  7,  vgl.  Esra  4,  1. 

2)  Vgl.  Strabo  XVI  761  oi  ftèv  yàç  à^tarâfiavoê  r^v  x^for  hiiitetr 
xai  avTTfV  xai  t^v  yetTviwaav  ^  oi  8è  av/inçàiioviêS  roïs  cr^;|rava«  iMt^f 
na^or  rà  àkkorçia  xai  tt;s  ^vçiae  xaTsarçé^orro  xal  rijs  <PotviK^ç  Ttoli^i 
was  übrigens  hauptsächlich  auf  die  spätere  Zeit  geht,  wo  die  Riobereieo  der 
Juden  eine  wahre  Landplage  wurden.  Slrabo  XVI  763.  Diodor  XL  2.  InstiD 
XL  2,  4.  Aber  auch  in  der  makkabâischen  Zeit  war  es  nicht  anders.  Vgl 
die  Klagen  des  Antiochos  Sideles  1.  Makk.  15,  29. 

3)  Wie  z.  B.  aus  1.  Makk.  5,  4  und  2.  Makk.  32  hervorgeht,  wo  Leute 
erwiilmt  worden,  die  den  Juden  viel  übles  gethan  hatten. 

4)  2.  Makk.  5,  27. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  473 

les  ganzen  Landes  unter  die  Ruhmesthaten  des  Judas  gerechnet*) 
lod  ebenso  nachher  erzählt,  wie  Judas  mit  seinen  Leuten  Städte 
jnd  Dörfer  Qberfiel  und  anzündete  und  besonders  im  Dunkel 
1er  Nacht  seine  Anschläge  ins  Werk  zu  setzen  pQegte.')  Seine 
»pateren  Zöge  sind  yon  gewaltigem  Blutvergiessen  begleitet*)  Dies 
ritt  im  1.  Makkabäerbuche  viel  weniger  hervor;  es  wird  mit  Sorg- 
alt  berforgehoben,  dass  Judas  nur  dem  Glauben  und  den  Gesetzen 
lieot.  Die  PlttnderungzUge  werden  dargestellt  als  unternommen 
ediglich  zur  Verlheidigung ,  zum  Schutze  bedrängter  Landsleute, 
or  Vergeltung  früherer  Unbill,^)  oder  zur  Bezwingung  böswilliger 
Verstocktheit,  wobei  es  zugleich  nicht  an  alttestamentlichen  An- 
Jlogen  fehlt*)  Dass  dabei  fiel  Blut  floss,  wird  nicht  verschwiegen, 
ber  wiederum  nach  alttestamentlichem  Vorbild  ausdrücklich  gesagt, 
ais  nur  die  Männer  gemordet  wurden.*)  Alles  dieses  macht  den 
aodruck  einer  gewissen  Beschönigung.  Das  1.  Makkabäerbuch 
rill  die  schonungslose  Kriegführung  der  Juden  in  milderem  Lichte 
ncheinen  lassen  und  zeigen,  dass  nur  soviel  geschehen  sei,  als 
or  Vertheidigung  nothwendig  und  nach  den  Vorschriften  der  hei- 
igen  Bücher  erlaubt  gewesen. 

Die  Tempelreinigung  und  Benachbartes. 

Die  abweichende  Reihenfolge  der  Ereignisse,  die  oben  kurz 
lirgestellt  wurde,  geht  in  der  Hauptsache  darauf  zurück,  dass 
nteos,  wovon  soeben  gehandelt  ward,  die  kleineren  Kriegzüge  im 

1)  2.  Makk.  2,  21  &crB  r^  okriv  xfôgnv  oliyovs  ovtaß  XnjXarslv  nai 
A  ßigßaga  nli^&tj  duuxêiv, 

2)  2.  Makk.  8,  5  ff. 

3)  2.  Makk.  12,  16  âfiv^^rovç  inotr^aarro  ag>aya9y  vgl.  v.  26. 

4)  1.  Makk.  3,  Iff.  5,  Iff.  9ff.  25  ff. 

5)  Hierher  gehört  die  Ersturmoog  der  Stadl  Ephron.  Nach  1.  Makk.  6,  46 
91188  Judas  auf  der  Heimkehr  hindurch,  es  giebt  keinen  Weg  daneben;  oIh 
9  ixxiZvcu  an*  alrr^ç  da^iàv  rj  àçiCTaQdv  heîsst  es  mit  den  Worten  der 
«pluaginta  Num.  22,  26  (vgl.  S.  461  A.  2).  Aber  die  Bürger  verweigern  ihm 
tn  friedlichen  Durchzug  und  so  bieibl  nur  Gewalt  Qbrig.  Judas  verfährt 
coioach  mit  der  Stadt  gerade  so  wie  Moses  mit  Sihon,  dem  Könige  der  Amo- 
ier  Num.  21,  21  ff.  Im  2.  Makk.  12,  27,  wo  Ephrons  Eroberung  auch  er- 
ihnt  wird,  steht  von  alledem  nichts  zu  lesen.  Bedenken  erweckt  auch  die 
-zihlang  1.  Makk.  5,  23.  45,  dass  alle  Juden  aus  Gilead  und  Galilfia  mit  Kind 
id  Kegel  mitgenommen  worden  seien.  Dies  dient  dazu,  den  Nothstand  recht 
atlich  za  machen,  ist  aber  gewiss  nur  zum  Theil  richtig. 

6)  1.  Makk.  5,  28.  51. 


474  B.  NIESE 

1.  Makkabäerbuche  in  eins  zusammeDgelegt  wurden,  zweitem  der 
Tod  des  AnUochos  Epiphanes  im  1.  Buch  etwa  ein  Jahr  spKcr 
ßlllt  als  im  anderen,  drittens  der  erste  Angriff  des  Lysias  um  Hwi 
ebensoviel  früher  gesetzt  wird,  also  diese  beiden  Ereignisse,  der 
Tod  des  Antiochos  und  das  Unternehmen  des  Lysias  in  den  beidei 
MakkabäerbQcbern  ungefähr  den  Platz  getauscht  haben. 

Wenn  wir  uns  nun  die  Aufgabe  stellen,  zwischen  den  beidei 
Darstellungen  zn  wtthlen,  so  wird  vor  allem  zu  unterssehen  m^ 
wann  Epiphanes  starb.  Hierüber  wird  demgeroäss  unten  zu  huMi 
sein;  doch  möchte  ich  schon  jetzt  und  vorweg  bemerken,  daesii 
Anordnung  des  1.  Makkabäerbuches,  da  sie  in  Einem  Punkte  wsiii 
begründeten  Verdacht  erweckt,  auch  im  übrigen  nicht  mehr  ab 
maassgebend  gelten  kann.  Der  Schriftsteller  kann  auch  hier  ii 
überlieferte  Folge  absichtlich  gelindert  haben.  Im  2.  Makkabflerbad» 
wird  der  jüdische  Gottesdienst  erst  nach  dem  Tode  des  AntioMioi 
Epiphanes  wieder  eingerichtet ,  der  in  seinen  letzten  Tagen  dei 
Juden  Freiheit  und  hohe  Ehren  versprochen  haben  soll.  In  soltkcB 
Zusammenhange  kann  die  Wiederherstellung  des  Gottesdienstes  leidil 
als  Wirkung  der  Bewilligungen  des  Epiphanes  erscheinen;  es  wH 
nicht  ausgesprochen,  aber  die  Folge  der  Erzählung  legt  es  osbe, 
während  bei  der  Anordnung  des  1.  Makkabäerbuches  dieser  G^ 
danke  nicht  aufkommen  kann,  sondern  die  Wiedergewinnung  des 
Heiiigthumes  in  unzweifelhafter  Weise  eigenes  Werk  des  HakkabI* 
ist.  Vielleicht  könnte  also,  um  dies  zu  erreichen,  die  überiieferti 
Ordnung  im  1.  Makkabäerbuche  geändert  sein.  Wahrscheinlich  lei* 
lete  ihn  aber  noch  mehr  ein  anderer  Umstand.  Nach  dem  2.  Makka- 
bäerbuche sind  die  Besetzung  Jerusalems  und  die  Reinigung  des 
Tempels  zwei  getrennte  Handlungen;  der  Tod  des  Antiochos  liegt 
zwischen  ihnen.  Judas  feiert  erst  in  Jerusalem  ein  Siegeifesi;') 
dann  erst,  nach  dem  Tode  des  Antiochos  schreitet  er  zur  neoen 
Tempelweihe.  Dies  war  vermuthlicli  dem  Verfasser  des  1.  Halb- 
bäerbuches  anstössig;  bei  ihm  steht  der  Gottesdienst,  der  Tempei« 
das  Gesetz  im  Mittelpunkt  der  Darstellung;  es  schien  ihm  uner* 
träglich,  dass  Judas  eine  Zeillang  in  Jerusalem  gewesen  sei  oi' 
Siegesfeste  begangen  habe,  ehe  der  Tempel  wieder  hergerichtet 
war.  Er  legte  daher  die  Besetzung  Jerusalems  und  die  Wiede^ 
einrichtung  des  Gottesdienstes  zu  einer  Handlung  zusammen,  "^ 

I)  tTuvixia  2.  Makk.  8,  33. 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBCCHER  475 

idurch  geschah,  dàss  der  Tod  des  Epipbanes  auf  einen  späteren 
'«Dkt  verlegt  ward.  Eine  solche  Umstellung  wflrde  den  priester^ 
ichen  Tendenxen  des  1.  Makkahflerbuches  vollkommen  entsprechen. 

Auch  hier  macht  das  2.  MakkabSerbuch  an  sich  den  Eindruck 
les  ursprtinglicheren ,  unbefangeneren  Berichtes,  an  den  wir  uns 
nlten  mQssen.  Dbss  zwischen  der  Einnahme  Jerusalems  und  der 
Fempelweibe  einige  Zeit  liegt,  dass  Judas  nicht  sogleich  daran 
hfihte  oder  im  Stande  war,  den  Tempel  zum  dauernden  Gebrauch 
miurichten,  ist  ganz  natürlich;  schon  die  Existenz  der  syrischen 
ientzung  auf  der  Burg  zeigt,  welche  Schwierigkeiten  hier  be- 
Inden.  Es  ist  möglich,  dass  erst  der  Tod  des  Antiochos  für 
Uas  der  Afilass  war,  den  weiteren  Schritt  zu  thun  und  den 
iottesdienst  wieder  einzurichten.^ 

Der  Bericht  Ober  die  Reinigung  und  Einwdhung  des  Tempels 
Hitet  in  den  beiden  Bachern  in  der  Hauptsache  übereinstimmend,*) 
kr  jeder  zeigt  wiederum  charakteristische  Eigenheiten.  Im  1.  Hak- 
ibierbuche  wird  der  Zustand  der  Verwüstung  und  später  der  Akt 
isr  Reinigung  wortreich  und  mit  einer  gewissen  Inbrunst  ge- 
ekildert;  es  soll  ersichtlich  gezeigt  werden,  dass  alles  nach  dem 
■iietz  und  in  rechter  Weise  geschehen  ist.  Das  zweite  ist  darin 
ill  kurzer,  fügt  aber  andere  Notizen  hinzu.  Von  besonderem  Inter- 
ne ist  darunter,  dass  die  Reinigung  nicht  nur  den  Tempel  und 
liiien  Bezirk  angeht,  sondern  die  ganze  Stadt  umfasst,  wo  auf 
in  Harkt  und  anderswo  heidnische  Altäre  und  andere  Heilig- 
hiaier  niedergerissen  werden.')  Das  1.  Makkabäerbuch  hat  nichts 
isîon  erzählt,  vielleicht  weil  es  der  vom  Verfasser  beliebten  Vor- 


1)  Dies  ist  freilich  sehr  onsieher,  da  wir  nicht  wissen,  ob  die  parallele 
^hng  des  2.  MakkabSerbaches  die  Zeitfolge  genao  ianebält  und  nicht 
Jchaehr  nur  eine  nngelahre  Gleichzeitigkeit  der  Ereignisse  andeutet  Da 
«r  Anfang  Eapators,  der  doch  mit  dem  Tode  des  Epiphanes  zusammenfallt, 
nt  nach  der  Tempelweihe  berichtet  wird,  so  ist  vielleicht  anzunehmen, 
^  die  Todesnachricht  erst  etwas  spater  eintraf.  Dass  Antiochos  wirklich 
ie  Absicht  gehabt  hat,  mit  den  Juden  Frieden  zu  machen,  lässt  sich  aus 
m  2.  Makkabäerbuch  schwerlich  entnehmen.  An  sich  würde  es  weder  dem 
ibankter  noch  der  Politik  des  Antiochos  widersprechen,  der  durchaus  kein 
Istdfirstiger  Tyrann  war,  aber  der  Bericht  des  2.  Makkabaerbuches  ist  zu 
ihr  Ton  erbaulicher  Rhetorik  überwuchert  und  erlaubt  in  dieser  Richtung 
Efaie  Schlüsse. 

2)  1.  M«kk.  A,  36.    2.  Makk.  10, 1  ff. 

3)  2.  Makk.  10,  2. 


476  B.  NIESE 

Stellung  eoUpricht,  dass  Jerusalem  zur  Zeit  fler  Entweihuag  y  ^g, 
ödet  und  menschenleer  gewesen  wäre*);  denn  es  geht  daraus  her»-4>|. 
dass  die  Stadt  bewohnt  und  eine  Zeitlang  auf  dem  besten  VT^^^ 
war,  heidnisch  und  hellenisch  zu  werden. 


i 


Die  Urkunden  im  2.  Makkabflerbuche  and  die 
Friedensverhandlungen. 

Schon  mehrmals  sind  die  FeldzQge  des  Lysias  erwähnt  worden, 
deren  jedes  der  Makkabäerbücher  zwei  kennt.*)  Beidemale  versucht 
Lysias  von  Süden  her,  aber  Bethsura,  Jerusalem  zu  erreichen; 
zuerst  gelingt  es  nicht,  als  er  aber  zum  zweiten  Male  mit  grosserer 
Macht  und  in  Begleitung  des  Königs  den  Angriff  erneuert,  bat 
er  besseren  Erfolg.  Soweit  stimmen  beide  Erzählungen  Oberdo. 
Sonst  gehen  sie  in  zwei  Hauptstücken  stark  auseinander;  luerst 
in  der  Zeitfolge;  denn  im  1.  Makkabäerbuche  gehört  der  eine  Zog 
noch  unter  Antiochos  Epiphanes,  der  andere  unter  Eupator,  wahrend 
im  2.  Buch  beide  in  die  Zeit  Eupators  fallen.  Zweitens  fOhn  im 
1.  Makkabäerbuch  nur  der  zweite  Zug  zu  einem  Friedenschlosse, 
während  im  anderen  Berichte  beide  in  ein  friedliches  AbkomDiefl 
ausgehen,  und  zwar  wird  dieses  an  zweiter  Stelle*)  nur  ganz  flochtig 
erwähnt,  dagegen  früher,  wo  das  1.  Makkabäerbuch  überhaupt 
nichts  von  Unterhandlungen  weiss,  ausführlicher  erzählt,  unter  Bei- 
fügung der  zugehörigen  Schreiben  des  Lysias,  des  Königs  und  einer 
römischen  Gesandtschaft.  Mit  dieser  Unterhandlung  und  diesen  vi^ 
Schreiben,  den  einzigen  urkundlichen  Beilagen,  die  sich  im  2.  Makka- 
bäerbuche ûnden,  werden  wir  uns  jetzt  zu  beschäftigen  haben. 

Lysias  versucht  also  von  Süden  her  durch  Idumäa  in  Jüdäa 
einzudringen  und  greift  Bethsura  an,  erleidet  aber  eine  Niederlage 
und  entschliesst  sieb  nun  zu  Unterhandlungen,  auf  welche  die  Auf' 
ständigen  eingehen.  Judas  reicht  dem  Lysias  seine  Forderungen 
schriftlich  ein;  sie  gehen  von  hier  an  den  König,  von  dem  ai^ 
genehmigt  werden/)  Zum  Beleg  dafür  werden  die  nachstehendeO 
vier  Briefe  mitgetheilt  (v.  IßfiT.): 

1)  Oben  S.  463. 

2)  1.  Makk.  4,  28  ff.  6,  28  ft'.    2.  Makk.  11  und  13. 

3)  2.  Makk.  13,  23. 

4)  2.  Makk.  11,  15:  énévêvatv  de  6  Maxxaßaloe  inl  naatp  oh  6  Av- 
alas naçexdXei  rov  avfiféçovxoi  tpQOvxil^mv'  oca  yàç  o  MoHxaßalos  èf*- 
dcDxev  T^  ydvaiq  8ià  yçajiTwv  Tteçi  tclv  *IovBaiœv  avvBxtû^aw  6  ßacdtv^ 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBOCHEU  ÀTt 

r^aav  yàç  al  yêyçafÀfÀévai  tolç  ^lovdaloiç  iniutolùl  itaQà 
^ïv  Avalov  ftêçiéxovoai  viv  tgonov  tovtoV^ 

Avaiaç  ztp  nXrj&ët  tdiv  ^tovdaUav  x^^Ç^^^^  *twùvvfjç  xcrl 
'Aßioaaldt^  ol  nêfÀq)&évtBç  fcaç*  vfÂWp  iniôofreç  tov  irto^ 
ytyQafifxévop^)  xçrnÂatiaiÂOv  rj^lovv  TteQÏ  vwv  ôt  txbxov  ari" 
\iuntofiévwv.  oaa  ftiv  ovv  eêec  xal  r(p  ßaatkel  nçooêfex^^ 
»öl  duaafprjaa,*)  a  d'  ^v  ivaixof^^va  avifex(jiQtJ0a.^)  èàt  fikv 
ovf  avvTfjQrjarjte  tf^v  elç  tct  nçdyfÀaia  evpoiav,  xaï  elç  to 
komov  fiêt(fàaofiac  Ttaqaitioq  àya&wv  yevéa&aiy  vnkç  de 
w*)  xorà:  iUqoç  ivrétaX^ai  %ovvoiç  te  xal  totç  naç*  ifiov 
itaUx^rjvai  vfdîv.  ïçQùta^B.  hovç  ixatoatov  teaaaQaxoatov 
oyôoov  Aioaxoçiv&lov  têtgaôi  nal  eUaôi. 

%r  ôk  tov  ßaoiXiwg  èmatolrj  nëçtBÎx^y  ovttaç'  Baailêvç 
Aftioxoç  t(p  adeig)^  jivolq  x^içeir'  to€  natçoç  fiiim  eiç 
^ifç  fAStaatàvtoç  ßovXoßetoi*)  tovç  ix  trjg  ßaciXelag  itœ- 
fixovç  ovtaç  yevia&at  nqbç  tfj  tdhf  lôliov  im^elelif,*)  axij- 
witiç  tovç  *lovàalovç  iiii  avvevdoxovvtaç  tfj  toi  nctfQèç 
ini"^  ta  'Eiltivixà  ^letad'iaei,  alla,  t^v  iavttôv*)  àytoy^^v 
^Iqnl^ovtaç  a^iovv*)  avyxofçrj&^vac  avtoîç  ta  vofÂifÀO,  al- 
[  tovfiëvot  xai  tovto  to  i&voç  ixtoç  taçax^ç  thaï  xçlvofiev 
^otB  Isçàv  anoxataata&^yai  avtoîç  xa\  rtolitevea^ai  xatà 
ta  im  ttav  ftçoyôvwv  avtwv  ï-^rj.  sv  oUv  tcoh^obiç  diansfÀ- 
^àfiêvoç  rcqbç  aitovç  xaï  ôovç  de^iàç,  onwç  eldotBç  trjv  ^jU€- 
téçttv  TtQoalçeaiv  Bv^fioi  tB  waiv  xaï  ^déœç  diaylvœvtai 
fCQOç  tfj  twp  lôlœv  avtikijil^Bi. 

IIqoç  ôk  to  l^oç  17  tov  ßaaikitog  iniatoX^  toiaÔB  ^v 
BaaikBvç  ^Avtioxoç  tfj  yBçovaitjç  ttLv  'lovdaiwy  xaï  toîç  ai- 
ioiç  'lovôaiotç  ^^/^«iv.  bi  ÎQQwa&By  BÎt]  av  wç  ßovlofAB&a, 
xai   avtoi  âh  vyiaivofÀBV.     èvBq>dviOBv  ^fiîv  MBvékaoç  ßovXB- 


1)  éniy9yfaftf»éwov  eod.  Venetus.    anoyty^aftftdfß^p  ood.  74. 

2)  Bfaatpfitta»  cod.  Oxon.  (62). 

3)  4wêxœ0i0à\  Oxon.  ftvrtx(Â(^9v  Alex.  Ven.  u.  t. 

4)  Tœv]  tovttav  cod.  Alex.  u.  a.  tovrœv  nal  %m¥  Yen.  il  t. 

5)  ßovXofiirov  cod.  Alex. 

6)  nçoe  Ttjv  tojv  ^Iov8aitov  iynfitUav  Alex. 

7)  ëU  Alex. 

8)  àlXk  Tfjp  éavTÔûv]  ite  8i  rrjv  éavrôiv  Oxon.  a.  a. 

9)  aitavv\  àiêovvrêi  Yen.   ntd  Sià  rovro  dfiovrrctc  volgo.     et  prop^ 
t^rea  postulare  Latinus. 

HennM  XXXY.  31 


478  B.  NIESE 

ad^ai  xateld'ovtaç  vfiàç  ylvea&ai  nçoç  toIç  Idioig.  tolç  <^ 
xa%anoçevofÀévocg  fieXQt  TQiaxàdoç  Sov&ixov  vnàç^ei^)  is^^ia, 
fxërà  ndar]ç*)  âôslaç  x^^a^crt*)  ToifÇ  *Iovdaiavç  toîç  kfxvxm 
[ôanavijfiaai  xaiy)  vofÂOiç  xad^à  xal  ro  tiqoibqov^  xai  ovêeig 
avrdiv  xot'  ovôéva  zçônov  naçêvoxi'Tjd'i^aeTai  Tceçl  tw  rjpO' 
r]fÀivwv.  7ténofÀg)a  dk  xal  vov  MeveXaov  TtaçaxaXiaovta  vfiàg' 
^Qçwad^e.  ^ovç  éxaroarov  xal  TBaaaqaxoarov  xal  oyôiov 
Sav^ixov  nifÀmj]  xal  ÔBxàif]. 

^uBiÂipav  dk  xal  ol  'PwfÀaîoi  nçoç  avtovg  iniatoXfi^ 
neçiéxovoav')  ovtùjç'  Koivrog  Mé^fiiog  Tizog  Màviog^  nqttf^ 
ßeVTal  'PtûfÀalùJv  T(p  *lovàaLiav  nXrid'Bi^  xalq^iv,  vnhç  fif^ 
^vaUxg  6  avyyevrjç  %ov  ßaaikiwg  ovvexfifQfjoep  vfilv  xal  ^lUt^ 
avvBvèoxoviiBv  y  a  ôk  ïxqivbv  nQoaavBvex^rjvai  t(p  ßaaiXei 
TcefAifjoti  Tiva  nagaxQrjfÀa  incaxBipoiÀBVov*)  ubqI  Tov%(aVf  îr' 
ix&wfÀBv^)  tic  xa^ixBt  lyfiîs^*^*  fifÀBÎg  yàç  nçoàyofÂBV^^)  n^ç 
^Av%iôxBtav,  âto  anBvaa%B  xal  Tcé(i\pa%é  ripaç,  onwç  lurl 
rilÂBîg  kniyvfSiABVy  inl  noiag^^  lath  yvcifÂfjg.  vyiaivetB.  ïtovç 
ixatoaxov  xal  TBOGaçaxoarov  xal  oyôoov  Eavd'ixov  fiBrre- 
xaidBxàtj].^') 

Da  im  1.  Makkabäerbucb  von  diesen  Verhandlungen  keine  Spur 
i8t|   80  wird   die  Glaubwürdigkeit   der  Nachricht  und   somit  aucfa 
die  Echtheit  der  Urkunden  stark  angefochten.    Die  meisten  onserer 
Gelehrten,   wenn   wir  von   den   katholischen  Interpreten  abseheo, 
halten  sie  für  gefälscht  *^)  und  geben  höchstens  einige  echte  Ele- 


1)  vnaQ^êi  —  n^ortcov]  damns  dextras  seeurilatU,  ut  ludaei  tUantur 
cibU  et  legibus  suis  sicut  et  prius  Latious. 

2)  juerà  naarje]  Oxon.  fisrà  t^6  Yen.  Alex,  volgo. 

3)  ;c^a^a*]  xÇV^^^^  ^^  Oxon. 

4)  Betnavrifiaai  feai  fehlt  im  Oxon. 

5)  l';^ovaa»'  Alex. 

6)  Mavioç]  Alex,  und  die  meisten  Hdschr.  MàvXioç  volgo  Môpos'St 
v$oi  Yen. 

7)  T(ô  'lovSaicjv  nXrj&ei]  Yen.  tip  Bi^fitp  rœv  ^lovBalœv  Alex,  o.«« 

8)  è7têax8xpa/ievo&  Alex.  Latin. 

9)  ixoffitev  Alex.    Der  Archetypes  hatte  vielleicht  éxâ'œftav, 

10)  vfiXr  Alex.  Lat.  u.  a. 

11)  nçocâyofisv  Alex.  Yen.  u.  a. 

12)  ènl  noias]  onoias  Alex. 

13)  nsvTBxatSsxâxT-]  nivraxaiSexdrij  Bioaxoçidov  Yen. 

14)  Auch  Grimm  Exeget.  Handbuch  IV  172  f. 


DIE  BEIDElN  MAKKABÄERBÜCHER  479 

nente  zu,  andere,  wie  Bertheau  und  Keil/)  auch  Clinton')  und 
j.  F.  Unger*)  geben  die  Echtheit  der  Schreiben  zu,  nehmen  aber 
Dach  Anleitung  des  1.  Makkabäerbuches  an,  dass  sie  den  Verhand- 
luDgeo  nach  dem  zweiten  Zuge  des  Lysias  angehören  und  hier 
falsch  eingereiht  seien.  Diese  Vermuthung  scheint  ja  recht  ein- 
leuchtend, ist  aber  in  Wahrheit  nicht  sehr  wahrscheinlich.  Denn 
das  2.  Mnkkahäerbuch  kennt  ja  auch  den  Frieden  nach  dem  zweiten 
Ijalanischen  Feldzuge;  wie  kam  also  lason  oder  der  Epitomator  zu 
der  Umstellung?  Wenn  man  annimmt,  dass  ihm  diese  Briefe  irgend- 
wie in  die  Hände  gefallen  und  nun  irrthümlich  statt  in  die  zweite 
in  die  erste  Verhandlung  eingelegt  seien,  so  setzt  man  dabei  doch 
eine  zweimalige  Verhandlung  als  überliefert  foraus.  Da  ferner 
die  Briefe  datirt  sind,  so  muss  man  glauben,  dass  die  Daten  ent- 
weder eigenmächtig  hinzugesetzt  oder  die  yorhandenen  richtigeren 
geändert  worden  seien,  alles  Dinge,  die  nicht  so  leicht  zu  glauben 
sind,  zumal  da  auch  die  Situation  bei  dem  zweiten  Feldzuge  durch 
die  persönliche  Anwesenheit  des  Königs  wesentlich  anders  war/) 
Insofern  haben  diejenigen,  welche  Nachricht  und  Briefe  kurz- 
weg fQr  unecht  erklären,  leichteres  Spiel,  aber  sie  behaupten  zu- 
gleich etwas,  was  bei  der  Beschaffenheit  der  Urkunden  unglaublich 
i^t  Wer  etwas  von  Polybios,  wer  einige  Inschriften  und  Urkunden 
'er  hellenistischen  Zeit  gelesen  hat,  wird  urtheilen  müssen,  dass 
^om  formellen  Standpunkt  aus  gegen  die  Echtheit  der  Schreiben 
Dichls  einzuwenden  ist.  So  schrieb  man  damals  überall.  Hier 
iegt  also  die  Sache  ganz  anders  als  bei  den  Urkunden  im  1.  Mak- 
{^bäerbuche.  Aber  auch  der  Inhalt  ist  ganz  uuTerdächtig;  es  sind 
'infache  geschäftliche  Schreiben,  in  denen  bestimmte  Abmachungen 
<irz  getroffen  werden,  tadellose  Schriftstücke,  die  nur  durch  die 
'<!hu]d  des  Epitomators  oder  die  Ungunst  der  Ueberlieferung  einigen 
<^haden  gelitten  haben.  Es  fehlt  jede  Rhetorik;  kein  Wort  wird 
^^a  zum  besonderen  Ruhme  der  Juden  gesagt.  Wir  haben  es 
^ch  mit  einem  Schriftsteller  vom  allergröbsten  jüdischen  Patriotismus 
^  thun;  halte  er  also  gefälscht,  so  würde  er  seiner  Tendenz  gemäss 
'fälscht  haben. 


1)  Commentar  über  die  Bücher  der  Makkah.  389  f.,  wo  im  übrigen  haupt- 
schlich  Grimm  benutzt  ist. 

2)  Foiti  Hell.  Ill  373  f. 

3)  SitzDDgsberichle  der  xMuncb.  Akad.  Philo!,  philos,  hist.  G).  1S95  S.  2S1  ff. 

4)  Grimm  a.  a.  0.  S.  173. 

31* 


4S0  B.  NIESE 

Auch  hier  ist  ferner  das  Verdammungsurlbeil  nichl  frei  ^^^^ 
starken  MissverstflndDissen.     Ich  will  eins  erwflhaeil:    Im  Bfiefe 
des  Königs  an  die  Gerusia  (3)  ist  von  katèl^oifteç,  xatafsofeif 
6f4€voi  die  Rede.     Dies  setxt  nach    Grimiii  und  Keil  eine  Be- 
lagern  ug  Jerusalems  Yordus;  die  Belagerten  sollen  herabkooBeo 
und  Begnadigung  erhalten.     Da   nan  nicht  im  ersten,  wob!  aker 
im  zweiten  Feldzuge  des  Lysias  Jerusalem  belagert  Ward*,  so  isU 
daraus  folgen«  dass  die  Urkunde  nicht   an  die  Stelle  gebort,  wo 
sie   gesetzt  wird.*)     Aber  es  ist  wohlbekannt,   dase  xatëMtlf^ 
xââodoç    und    synonyme    Worte   die  ROckkebr  Verbannter,  die 
Heimkehr   Vertriebener   im    eigentlichen  Sinne  bedeuten  uod  in 
keiner  Weise  auf  eine  Belagerung  scbliessen  lassen.    Auf  Belagerte 
angewendet  würden   jene  Ausdrücke  unpassend   oder   wenigsleat 
missversUfndlich  sein.     Auch  andere  Gründe  der  Uneebtheit  sind 
wenig  überzeugend.*)    Ueberhaupt  würde  die  Sache  wohl  anders 
behandelt    worden   sein,   wenn    man    nicht   von    vornbertiD  die 
Autorität  des  1.  Makkabäerbuches  als  massgebend  anerkannt  bitte. 
Ich  glaube  genügend  gezeigt  zu  haben,  dass  diese  Meinung  nicht 
bestehen  kann,  will  daher  hier  nur  noch  aussprechen,  dass  gegeo 
die  Echtheit  der  Briefe  in  Wahrheit  nichts  stichhaltiges  angelUirt 
worden  ist,  und  gehe  jetzt  dazu  über,  einige  Beiträge  zu  ibno 
Verständniss  zu  geben,   das,  soviel  ich  weiss,  noch  zu  wünscbeo 
übrig  lässL 

Die  Briefe  1 — 3  scbliessen  sich  so  genau  wie  möglich  lo 
den  Bericht  über  die  Verhandlungen  an.')  Judas  MakkabSos  bK 
seine  Forderungen  schriftlich  vorgelegt,  Lysias  befürwortet  sie,  der 
König  nimmt  sie  an.  Dass  der  KOnig  noch  ein  Kind  ist,  nudit 
keinen  Unterschied;  von  ihm  gebt  gleichwohl  alles  aus,  wenn  ittch 
andere  für  ihn  handeln.  Auch  Lysias  ist  nicht  allein  competent; 
er  ist  wohl  Vormund,  aber  nicht  Regent  in  unserm  Sinne.  Daher 
geht  die  Sache   von   ihm   an   den   Hof  nach  Antiochien,  wo  iff 


1)  Aehnlich  schon  WernsdorfT  S.  102. 

2)  Z.  ß.  die  angeblich  römische  Grussformel  aÜQQaa^e,  attj  ây  tis  f09- 
kofied'a  xtX.  aus  den  etwa  gleichzeitigen  pergameniscben  Schreiben  (ArchIoL 
epigr.  Mittheil,  aus  Oesterreich  VIII  95  fr.),  dem  Brief  des  Aotiochos  VIII  f» 
(lies.  Ztschr.  XXIX  436)  crgiebt  sich  zur  Genüge,  dass  diese  Formel  TÎelnM^ 
ursprünglich  hellenistisch  ist.  Sie  findet  sich  ebenso  im  Afisteasbriefe  und 
nn  3.  Makkabäerbuche,  die  beide  römische  Einflüsse  nichl  erfahren  haben. 

3)  2.  Makk.  11,  15. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  481 

LO^igi  d.  h.  der  Staauratbi*)  ai#  zu  genehmig^m  bat.  D«r  m 
Hryten  Brief  erwähnte  xQ^ß^'^^^^^Q  î^  ^>Q  ScbrifUtQck  des  Ju4m; 
!s  wird  der  AQtwort  des  Lyslas  beigefagt,  v7€oy9yQa(4ß4vog*)  abçr 
1^  Sistoriker  hat  es  nicht  mitgetheiltf  weil  sieb  der  Inbalt  aas 
den  oichfolgendeo  Bewilligungen  des  Koqigi  ergiebt,  f^ur  ejp 
gerJDgfDgiger  Unterschied  scheint  zu  besteben;  Q^cb  d^in  J,  Briefe 
hit  Judas  die  Verhandlungen  eipgeleitet,  «ach  der  Erzählung*) 
Lysi^n.  Das  vereipigt  sich  ohne  Schwierigkeit;  Lfsiffs  k^pp  j|i 
U9ter  der  Qend  vorher  angefragt  haben.  In  der  That  war  bei  der 
dim^iligen  höchst  pnsicheren  Lage,  wq  der  KropprJitepdept  D^ip^ 
trios  in  Rom  sass  pnd  our  apf  ejpe  Gelegephei^  wartete,  ppd 
bei  der  dadurch  bedingten  SchwCfcbe  der  Regierupg  für  I<»ysias  der 
Frii^e  sehr  wünschepswertb.^)  Uebrigeps  ist  nicht  l^u  verge^eep« 
dsss  die  Emählupg  des  2.  Makkabäerbuches  fpr  die  Judep  sehr 
(Qnstig  lautet;  der  Sieg  ist  oflfepbar  stark  aufgebläht;  paçh  d#m 
t*  HakkabSerbuche/)  das  hier  ergfinzepd  eintritt,  ist  er  schon 
Hinder  glänzend,  wahrscheinlich  hapdelt  es  sich  um  eipen  ver<- 
kdtDiismässig  unbedeutenden  Erfolg.  Judas  bat  dai  Spiel  noch 
siebt  gewonnen;  immer  aase  ibm  die  syrische  Besatzppg  der  B^rg 
in  Jerusalem  auf  dem  Nacken,  upd  ohpe  Zweifel  war  auch  für  ibp 
ead  seine  Freupde  ein  friedliches  Abkommen  auf  ertr<|gliçhe  Be» 
diagungen  höchst  erwapscht,  besonders  für  dep  friedlichen  Theil 
teioer  Anhanger,  der  nur  durch  die  Noth  zum  Aufstande  getrieben 
^r.  Der  Friedensschluss  entsprach  also  den  Interessen  beider 
Theile. 

Die  beidep  Briefe,  die  ap  die  Juden  gerichtet  sipd,  I  und  lUt 
>ei|^D  einen  bem^kenswerthen  Unterschied  ip  den  Adressep;  der 
dfS  Lysias  ist  an  das  nlfj'9og  süv  'loüdalmv  gerichtet,  wOrtUcb 
ii^  Mehrheit  der  Juden.  Der  Köpig  dagegen  wendet  sich  aP  die 
l^erysia  upd  die  übrigen  Juden,  also  die  aqotlicbep  Vertreter  der 
iQdiscben  Gemeinde,  deren  Sitz  wir  ip  Jerusalem  au  denken  haben. 
^^9  nkTJx^og  1WV  ^lovöaiwv  sind  ohne  Zweifel  die  Aufständischen, 


1)  Vgl.  Polyb.  XXXI  12,  10.  13,6,  wo  tod  nçùêeiwjMS  die  ßede  ist. 

2)  Was  DStârlich  oicht  heisseo  kann  ,der  unterzeichDete,   mit  Unter- 
^briA^n  versehene',  wie  Keil  o.  a.  es  wolleo.    Richtig  Grimm  z.  d.  St.  S.  168. 

3)  2.  Makk.  11,130*. 

4)  Polyb.  XXXI  12,  TfT.  13,  6  zeigl  die  Schwäche  der  damaligen  Re- 
{itruDg  in  Ântioehien. 

5)  1.  Makk.  4,  34  f. 


482  B.  NIESE 

Judas    und    GeoosseD,    mit    denen    Lysias   zunSchst    unterhandelt 
hat  ;  wie  es  scheint,  befinden  sie  sich  nicht  in  Jerusalem  bei  der 
Gerusia.     Judas  selbst  wird  nicht  besonders  genannt,   ganz  natOr* 
lieb,  da  er  sich  in  keiner  anerkannten  amtlichen  Stellung  befand, 
sondern  nur  thatsâchlicb  Führer  war.     Es  sind  also  zwei  jadiacbe 
Gruppen,  mit  denen  unterbandelt  wird^  und  dem  entspricht,  dass 
in  den  beiden  Briefen  auch  die  Unterhändler  verschieden  sind;  io 
lysianischen   Briefe   sind    es  Johannes    und   Absalom,')    Genossen 
des    Judas,    im    Briefe    des  Königs    wird    hingegen  Menelaos  ge- 
nannt,  ohne   Zweifel  der   Hohepriester,   der    hier  also  noch  als 
Vertreter  des  Volkes  erscheint.     Seine  Mitwirkung  ist  yon  beson- 
derem Interesse;  man  hat  sie  für  unglaublich  gehalten^  aber  nur 
deshalb,  weil  man  gewohnt  ist,  alles  durch  die  Brille  des  1.  Makka- 
bäerbuches  zu  sehen.     Menelaos  ist  beim  Könige   für  Wiederher- 
stellung des  jüdischen  Gottesdienstes  eingetreten,   und  der  KOnig 
schickt  ihn  nach  Jerusalem,  um  auch  seinerseits  an  der  Versöhnung 
und  Beruhigung  des  Volkes  zu  arbeiten.     Aus  diesem  Antbeil  am 
Friedensschluss  erklärt  sich  nun  auch  sein  Ende.     Als  sich  baM 
darnach  zeigte,  dass  der  Friede  umsonst  geschlossen  war,  als  der 
Krieg  in  Judäa  wieder  ausbrach  und  der  König  selbst  gegen  die  Auf* 
ständischen  ins  Feld  zog,  ging  Menelaos  den  Syrern  entgegen,  ward 
aber  festgenommen  und  in  Beroia  hingerichtet.    Diese  sonst  schwer 
verständliche  Execution   ist  jetzt   begreiflich  ;   er  musste  eben  die 
Verantwortung  für  den  verfehlten  Frieden  tragen.*) 

Noch  einige  einzelne  Bemerkungen.  Anstoss  und  viel  Be- 
denken hat  das  Datum  des  ersten  Briefes  gemacht;  im  148.  iahre 
am  24.  des  Monats  Dioskorintbios.')  Dieser  Monat  ist  sonst  unbe* 
kannt.  Scaliger,")  der  die  Lesart  der  lateinischen  Uebersetzoog 
Dioscori  annahm,  hielt  es  für  den  Schaltmonat  des  syromake- 
donischen  Kalenders,  scharfsinnig  aber  unwahrscheinlich;  deoD 
Schaltmonate  pflegen  sonst  keine  eigenen  Namen  zu  haben.    AD" 


1)  Letzterer  ist  wohl  der  1.  Makk.  11,  70.  13, 11  erwälinle  Valer  des  MalU- 
ttiias  und  Jonathan,  ohne  Zweifel  ein  Verwandter  des  Hasmoniischen  Haoses. 

2)  2.  Makk.  13,3  fr.  Josephus  ^rch,  XII  383  0*.  Ewald  Geschichte  des 
Volkes  Israel  IV^  416.  Unsere  Quellen  sagen  nichts  ober  die  Ursache  der 
Hinrichtung,  im  2.  Makkabäerbuche  heissl  es  nur:  der  König  der  Könige  e^ 
weckte  des  Antiochos  Zorn  wider  den  Frevler. 

3)  Die  verschiedenen   Meinungen   bei  Grimm  Exeget.  Handbuch  IV  1$9. 

4)  Ebenso  G.  F.  Unger  a.  a.  0.  S.  290. 


DIE  BEIDEN  HARKABÄERBÜCHER  483 

e  meiDen,  es  sei  der  Dios  zu  verstehen,  der  erste  Monat  des 
kedonischen  Jahres,  was  noch  ud wahrscheinlicher  ist.    Ich  wage 

Vermuthung,  dass  wir  einen  von  Antiochos  Epiphanes  einge- 
urteo,  nur  kurze  Zeit  in  Gebrauch  gebliebenen  neuen  Monat 
*  UD8  haben.  Aus  der  Urkunde  bei  Josephus  Ant.  XII  264 
DSD  wir,  dass  Antiochos  IV.  den  attischen  Monat  Hekatombäon 
:h  Syrien  gebracht  und  den  makedonischen  Kalender  klassisch 
iiustellen  versucht  hat.  So  ist  wohl  denkbar,  dass  er  auch  an- 
'e  kalendarische  Neuerungen  eingefahrt  hat.')  Der  Name 
oaxoçiv^ioç*)  scheint  von  der  sprichwörtlichen  Redensart  Jiog 
Qiv&oQ  abgeleitet  zu  sein,')  Antiochos  könnte  damit  zugleich 
rinlh  zu  ehren  beabsichtigt  haben;  denn  seine  Vorliebe  fOr 
len  hinderte  ihn  nicht,  auch  andern  Griechen  seine  Gunst  zu 
leoken.^)  Wie  man  aber  auch  Ober  diese  Vermuthung  denken 
g,  so  ist  doch  wenigstens  klar,  dass  dieser  eigenartige  Monat 
tbaus  nicht  nach  einem  Falscher  aussieht;  denn  einem  solchen 
Dden  ja  die  bekannten  und  daher  viel  wahrscheinlicheren  syro* 
kedonischen  Namen  zur  Verfügung,  die  bis  ins  spateste  Alter- 
im  in  Geltung  geblieben  sind. 

Der  vierte  und  letzte  Brief  ist  ein  Schreiben  zweier  römischer 
iandter  an  die  Juden,  und  zwar  an  das  nXfj&og  %œy  ^lovdalwy^*) 
)  an  Judas  und  Genossen.  Der  Adresse  nach,  aber  auch  zeit- 
i  und  sachlich  gehört  der  Brief  mit  dem  ersten  Briefe  des 
üas  zusammen.    Man  ersieht  aus  ihm,   dass  die  Juden  sich  an 

römischen  Gesandten  gewendet  und  sie  um  ihre  Fürsprache 
>eten  haben.  Die  Römer  wissen,  dass  Lysias  den  Juden  ent- 
eokommt  und   aber  das  Weitere   an  den  Hof  berichtet  hat.*) 

stellen  ebenfalls  ihre  Verwendung  beim  König  in  Aussicht,  und 
sie  auf  der  Reise  nach  Antiochien  begriffen  sind,   fordern   sie 


1)  Natürlich  können  nur  einzelne  Monate  geändert  sein,  andere,  z.  B. 
Xanthikos  blieben. 

2)  Wenn  die  Lesart  richlig  ist,  vgl.  unten  S.  484.  520. 

3)  Plato  Euthydem.  292  E  mit  Scholl.,  Aristophanes  Vögel  439  mit  Scholl., 
as  s.  Jwe  Koçêv&oç.  Es  bedeutet  einen  stolzen  Namen,  ein  prunkhaftes 
(sere  ohne  wirkliche  Kraft.  Schwerlich  kann,  wie  die  Aasleger  wohl 
hmen,  Jioanoçivd'iov  von  einem  Nominativ  ZtvQ  KoQiy&ê09  abgeleitet 
len. 

4)  Polyb.  XXVI  l,  11.    Liv.  XL!  20,  6. 

5)  So  ist  mit  dem  Venelus,  der  besten  Handschrift  zu  lesen. 

6)  V.  35  f. 


484  B.  NIESE 

die  Judeo  auf,  scbleunigst  zur  weiteren  InronnatioD  ihiieo  üAr 
ihre  Forderungen  Nachriebt  zu  geben.  Daraus  gebt  mit  Not- 
wendigkeit berror,  data  die  Entscheidung  dee  Könige,  die  im  iweffea 
und  dritten  Briefe  Torliegt,  noch  nicht  erfolgt  ist;  dss  rOmiidM 
Schreiben  geht  diesen  also  voran.  Es  ist  ferner  höchst  wak^ 
scbeinlicby  dass  die  Gessndten  mit  Lysias  sussmmengetroffen  nnd 
und  vielleicht  noch  zur  Zeit  des  Briefes  sich  bei  ihm  befisdefl. 
Sie  sind  ferner  nach  Antiocbien  unterwegs,  und  da  ansunclmeo 
ist,  daas  sie  sich  in  der  Nähe  der  Juden  befinden,  so  ist  mit* 
scbeinlich,  dass  der  Brief  von  einer  der  pallfstinensischen  Kttiles- 
Städte,  etwa  von  Gaza  oder  Ptolemais  aus  geschrieben  ist.  Hu 
kann  sich  denken,  dass  die  ROmer  auf  der  Reise  von  Alexsodrie» 
nach  Antiocbien  begriffen  waren,  die  aufständischen  Juden  battes 
von  ihrer  Anwesenheit  gehört  und  baten  sie,  sich  su  ihren  GoDftes 
bei  Lysias  und  dem  Könige  zu  verwenden,  und  die  Römer,  stdi 
bereit,  sich  der  Schwächeren,  UnterdrOckten  anzunehmen,  wsbb 
es  sich  nur  nicht  um  ihre  eigenen  Unterthanen  bandelte,  ginges 
gerne  darauf  ein.  Wie  stimmt  aber  damit  das  überlieferte  Datsn 
des  römischen  Briefes,  der  15.  Xantbikoe  des  Jahres  148,  derselbe 
Tag,  von  dem  auch  der  Amnestiebrief  des  Königs  Antiochos  ib 
die  Juden  datirt  ist?  Der  Römerbrief  geht  ja  offenbar  dem  KdBi|t' 
brief  voran,  und  die  Gesandten  waren  ja  nicht  beim  Könige,  sof 
dern  erst  auf  dem  Wege  zu  ihm.  Die  Briefe  können  nicht  woèl 
gleichzeitig  gesehrieben  sein,  und  die  Uebereinstimmung  der  beidei 
Briefdaten  hat  daher  seit  Wernsdorff*)  ein  willkommenes  Argumeot 
gegen  die  Echtheit  der  Briefe  geboten,  aber  mit  Unrecht;  deDO 
in  Wahrheit  ist  nur  durch  einen  Fehler  der  handschrifUichen  Uebe^ 
lieferung  das  Datum  des  dritten  Briefes  auch  dem  vierten  beige- 
schrieben worden.  In  der  besten  Handschrift,  dem  Venetui,  '^ 
der  Schluss  unseres  Briefes')  folgendermassen  überliefert:  Itoi;^ 
lyiOToarov  xal  teoaaçaxoaTOv  aal  oydoov  Sovd^ixov  ft€ytt' 
TcatoexccTTj  Jioo%oqLöov.  Dieses  /Jioaxoçlâov  ist  offenbar  eine 
alte  Variante  für  Savx^iicov  und  bezeichnet  denselben  Honst,  wie 
JioavLOQLv^Lov  des  ersten  Briefes.  Ich  halte  es  für  die  ursprüng- 
liche Lesart,  die  von  der  jetzigen  Vuigata  verdrangt  ward.  Wir 
erhalten   damit  ein    Datum,   das   allen   Ansprüchen    genügt.     Der 


1)  A.  a.  0.  103  f.   Vgl.  Schlatter  lason  von  Kyrene  30. 

2)  2.  Makk.  11,  3S. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  485 

Bri^f  der  röoiischep  Geeaodteo  jet  von  demselbeq  Mooat  wie  der 
lysiiDHKdie»  mit  dem  er  ja  ¥>  eng  susammeDbangt.  Die  Tageisiffer 
omai  dam  ergflpzt  werdeo;  deoD  auch  7c$vTMnaiôêxthn  wird  lur 
InierpolatioQ  gehören.  Oboe  Schwierigkeit  kaon  mao  dafür  xb 
oder  aholieb  ▼ermuihen;  der  Romerbrief  ist  gewiaa  nicht  vor  dem 
des  Lyaias  gefcbrieben,  sondern  etwaa  apäier.') 

Aueh  an  einer  anderen  wichtigen  Stelle  bietet  der  Venetua 
eioe  aehr  bemerkenswerihe  Verbesserung  des  vulgaren  Textes,  nfim- 
lieb  bei  den  Namen  der  römischen  Gesandten,  die  in  der  That 
allerlei  Schwierigkeiten  bieten.  Man  liest  jeut  Koivtoç  Méfifiioç 
Titog  Mdvlioç.  Von  einem  Memmius  aus  dieser  Zeit  wissen 
wir  oichts;  wir  kennen  aus  Livius  einen  Gains  Hemmius,  der 
nveinal  Pritor,  auch  einmal  Gesandter  war,')  auch  ein  Titus 
Ntmoiîus  wird  aus  dem  Jahre  170  v.  Chr.  als  Gesandter  erwähnt.*) 
BfkaoQter  ist  Titus  Manlius;  diess  mOsste  T.  Manlius  Torquatus 
ieio,  Consul  vor  165  v.  Chr.,  der  nach  Polybios*)  im  nächsten 
Jihre  164/8  aus  Rom  ausgesandt  ward,  um  den  Ptolemflos  Physkon 
ascb  Cypern  zu  führen.  Unmöglich  jedoch  kann  dieser  unsern 
Brief  geschrieben  haben,  der  jedenfalls  geraume  Zeit  vor  dem 
laothikos  148  Sei.,  also  vor  April  164  v.  Chr.  abgesandt  ist;  denn 
erst  am  15.  März  dieses  Jahres  lief  das  Consulat  des  Manlius  ab, 
M  selbst  bei  einer  starken  Verschiebung  des  römischen  Kalenders 
varde  man  mit  der  Zeit  sehr  ins  Gedränge  kommen.  Dieser  Punkt 
iit  auch  Wernsdorff  nicht  entgangen^)  und  von  ihm  mit  Nachdruck 
g^B  die  Echtheit  des  Schreibens  vorgebracht  worden. 

Jedoch  der  Name  Màvlioç  ist  geringer  Beglaubigung,  und 
•Mtt  fast  wie  eine  Conjectur  aus.  Unter  den  15  in  Betracht 
komnenden  Handschriften  bei  Hohnes  und  Parsons  bezeugen  ihn 
QBr  fanf,  wenn  man  nämlich  aus  dem  Stillschweigen  des  kritischen 
Apparats  schliessen  darf.  Unter  den  alten  Teitzeugen  könnte  nur  die 
biciaiache  Uebersetzung  vielleicht  dafür  angeführt  werden,  die  nach 

1)  Man  hat  aehr  mit  Unrecht  daran  Anatoaa  genommen,  daaa  *die  Römer 
flieh  der  aeleokidischen  Aera  datiren;  die  Gesandten  schlieasen  sich  darin 
AsUriieh  den  Ortsgewohnheiten  an;  nach  Gonsulo  und  römischem  Kalender  ta 

dstjreo,  der  nur  örtliche  Geltung  hatte,  wäre  hier  gani  unzweckmässig  ge- 

veseo. 

2)  Liv.  XU  25,  5.  XLII  9,  8.  10,  14  aus  den  Jahren  174  uqd  173  ?.  Chr. 
8)  LiT.  XLUl  5,  10. 

4)  XXXI 18,  9. 

5)  Â.  a.  0.  S.  103. 


486  B.  MESE 

Sabatier  Quintus  Memmius  et  Titus  Manilius  bat.  Alle  ûhn'geo, 
darunter  die  ältesten  und  besten  Autoritäten,  haben  Màvioç^  lB, 
der  Alexandrinus  und  die  syrische  Uebersetzung.  BeaoDdèrs  wjdb- 
tig  ist  aber  die  Lesart  des  Venetus  xoivvoa  fÂefÂfÂioa  titoa  fiO' 
vioa  egvioa.  Diese  Ueberlieferung  giebt  der  Sache  ein  gaox  id- 
deres  Aussehen  ;  denn  hier  haben  wir  zum  Vornameo  Manias  eis 
Gentile,  und  Titus  Manlius  verliert  damit  seine  Berechtigong. 
Zwar  einen  römischen  Namen  Ernius  oder  Hernius  giebt  es 
meines  Wissens  nicht;  aber  man  wird  mit  leichter  Aendemag 
schreiben  dtirfen  Mdviog  Zegyiog;  denn  M'.  Sergius  nahm  Dich 
Polybios')  mit  C.  Sulpicius  an  einer  Gesandtschaft  theii,  die 
zuerst  in  Hellas  vorsprechen,  aber  vor  allem  sich  überzeugen  sollte, 
ob  nicht  Antiochos  Epiphanes  und  Eu  menés  zusammen  etms 
gegen  Rom  im  Schilde  führten.  Sulpicius  hielt  sich  in  Vordeh 
asien  auf  und  bemühte  sich,  dem  Eumenes  möglichst  unangeneho 
zu  sein.*)  Sein  Mitgesandter,  Sergius,  mag  nach  Syrien  gegangeo 
sein,  um  den  Antiochos  zu  überwachen.  Auch  das  Datum  ist  an- 
gemessen; denn  Sulpicius,  der  Consul  von  166  v.  Chr.,  ging  oicli 
Ablauf  seines  Amtes,  also  165  v.  Chr.  nach  Asien  ab,  und  der 
Brief  ist  vom  Jahre  148  Sei.  datirt,  das  im  Herbste  desselben 
Jahres  begann. 

Dass  also  Sergius  an  diesen  Ort  und  in  diese  Zeit  nicht  Obel 
passt,  darf  man  wohl  behaupten.  Dagegen  ist  nicht  leicht  lu 
sagen,  was  mit  seinem  Collegen  Koivzog  MéfÂfiioç  Titog  an- 
zufangen ist.  Dies  können  zwei  Namen  sein,  Quintus  Memmiusund 
ein  Tilus,  dessen  Gentile  ausgefallen  wäre;  vielleicht  ist  es  aber  nor 
einer;  tizog  kann  der  Rest  eines  Namens  auf  tiu$  sein.  Sacblidi 
würde  es  nahe  liegen,  C.  Sulpicius  einzusetzen,  aber  das  wSre  ein 
zu  hartes  Stück,  und  man  muss  eine  andere  Lösung  versuchen, 
wozu  sich  eine  doppelte  Möglichkeit  bietet;  entweder  handelt  es 
sich  um  eine  neue  Gesandtschaft,  an  der  M'.  Sergius  wiederum  tbeil- 
nahm,  die  im  Herbst  165  v.  Chr.,  etwa  in  dem  damals  entbranaten 
Streit  zwischen  Ptolemäos  Philometor  und  Pbyskon,  eingreifea 
sollte,  und  von  Alexandrien  auch  nach  Antiochien  kam;  bekannt* 
lieh  sind  in  diesen  Zeiten  sehr  viele  römische  Gesandtschaften  auf 
den  Beinen  gewesen,   oder   es  ist  bei  Polybios  in  der  Notiz  über 

I)  XXXI  9,  0.    Er  wird  als  Zeuge  im  SC  de  ThisbaeU  erwähnt.    Dittes- 

berger  sijll.  P  i^üO  z.  16. 
2)'Polyl).  XXXI  10. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  487 

t  Gesandlschaft  des  Sulpicius  ein  Name  ausgefallen,  was  leicht 
schehen  konote');  es  wäre  also  diese  Gesandtschaft,  was  damals 
îîst  geschah,  dreikOpûg  gewesen,  und  der  im  2.  Makkabäerbuche 
mipt  erhaltene  Name  wäre  zwischen  Sulpicius  und  Sergius  ein* 
logen. 

Dass  hier  eine  Schwierigkeit  vorliegt,  ist  unleugbar.  Darüber 
irf  man  sich  jedoch  nicht  sonderlich  erstaunen;  denn  unsere 
eootniss  dieser  Zeit  ist  sehr  mangelhaft;  von  Polybios  besitzen 
ir  Dur  einige  Auszüge,  und  Livius  existirt  nicht  mehr.  So  be- 
eisen  denn  auch  diese  Schwierigkeiten  nichts  gegen  die  Echtheit 
»Briefes  der  römischen  Gesandten,  der  vielmehr  nach  Inhalt 
nd  Form  tadellos  und  ohne  Bedenken  ist,  dessen  Datum,  wie  es 
ir  codex  Venetus  andeutet,  aufs  beste  in  die  Reihe  der  übrigen 
rkuoden  passt. 

Noch  ein  Bedenken  ist  zu  erwähnen,  und  zwar  wohl  das 
:hwerste  von  allen,  die  gegen  die  vier  Urkunden  ins  Feld  geführt 
Orden  sind-.  Im  zweiten  Briefe  erwähnt  Antiocbos  den  Tod  seines 
Iters,  des  Epiphanes.')  Der  Brief  hat  kein  eigenes  Datum,  ist 
t>er  offenbar  von  demselben  Tage,  wie  der  nachfolgende,  nämlich 
M  15.  Xanthikos  148  Sei.,  also  etwa  vom  April  164  v.Chr.« 
ährend  nach  1.  Makk.  6,  16  Antiocbos  Epiphanes  erst  im  nächsten 
ibre,  149  Sei.  starb,  womit  die  Chronik  des  Eusebius  stimmt, 
ie  sein  Ende  in  Olymp.  154,  1  —  164/3  v.  Chr.  setzt. 

Frühzeitig  hat  man  auf  einen  Ausgleich  dieses  bedenklichen 
irooologiscben  Widerspruches  gesonnen,  der  natürlich  dem  An- 
ihen  und  der  Echtheit  der  Briefe  erheblichen  Eintrag  that.  Man 
U  angenommen,  die  Aera  im  2.  Makkabäerbuche  sei  anders  als 
A  ersten.  Der  normale  Anfang  der  seleukidischen  Aera  ist  der 
erbst,  etwa  October  312  v.  Chr.,  man  bat  nun  vielfach  vermuthet, 
)  1.  Makkabäerbuche  sei  es  das  Frühjahr  desselben  Jahres,  also 
D  Punkt,  der  ein  halbes  Jahr  früher  liegt.  Auch  hat  man  daran 
dacht,  dem  2.  Makkabäerbuch  die  sogenannte  chaldäische  Aera 
izulegen,  die  im  Herbste  311  v.  Chr.  anfangt,  deren  148.  Jahr 
der  That  dem  149sten   der  seleukidischen  Zählung  entspricht. 


1)  Polyb.  XXXI  9,  6  wo  man  schreiben  könnte  rdiop  JSoXniMtov  {koU 
trrov )  xal  Mdviov  ^éçyiov.    Das  doppelte  Kcd  würde  den  Aus- 
leicht erklären. 

2)  2.  Makk.  11,  23:  tov  Ttajçoe  tifjiœv  eis  â'êovs  /maarâvros. 


488  B.  MESE 

CliDtoD,  der  aber  diese  Versuche  berichtet,')  hat  jedoch  gaoi  richtig 
erkaDDt,  dass  diese  Auskunftsmittel  entweder  nicbta  belfea  oder 
höchst  uDwahrscheiolich  sind.  Er  oimmt  deaahalb  an,  ibn  te 
Brief  des  Königs  an  die  Juden  später  sei  ala  im  übrigen,  etm 
aus  dem  December  164  v.  Chr.^  was  ja  dadurch  erleichtert  wird, 
dass  er  in  der  That  kein  eigenes  Datum  tragt.^  Aber  d«r  lohalt 
widerspricht  aufs  bestimmteste  einer  solchen  Scheidung;  Britft 
und  3  hingen  auf  das  engste  zusammen  und  trgftniM  sich.  Ihi 
konnte  sich  wohl  denken ,  dass  n.  2  etwas  vor  n.  3  läge,  nich 
aber,  dass  er  so  viel,  mehr  als  ein  halbes  Jahr  spater  ware.  Otcsr 
bar  gilt  das  Datum  des  dritten  auch  für  den  zweiten  und  ist  w 
diesem  Grunde  nur  einmal  gesellt  worden.  Wenn  also  n.  2  nidit 
am  rechten  Platze  steht  oder  gefälscht  ist,  so  zieht  er  die  andens 
nach  sich;  was  von  einem  gilt,  muss  von  allen  gdtoii.  Da  an 
nach  meiner  Meinung  eine  Fälschung  ebenso  unwabrscheinlich  ist 
wie  eine  Versetzung,  so  bleibt  nichts  Qhrig  ala  der  Urkunde  9 
glauben,  dass  Antiocbos  wirklich  im  April  164  v.  Chr,  bareits  vo^ 
stürben  war. 

Dies  entspricht  auch  durchaus  der  Erzählung  d^  3.  MiUl' 
bäerbucbes,  wo  der  Tod  des  Epipbaoes  vor  der  Tampflw^be  in 
Kislev  (December)  165  v.  Chr.  erzählt,  und  folgerichtig  der  päcbiti 
Feldzug  des  Lysias  ins  folgende  Jahr  149  Sei.  gesetzt  wird.')  El 
ist  eine  in  sich  völlig  Qbereinstimmepde  und  geachlosieae  Dtf^ 
Stellung,  wo  von  einer  Verwirrung,  von  einem  Versehen  keine  Spur 
ist.  Der  Tod  des  Epiphanes  muss  darnach  der  Tempelweibe  op- 
gefähr  gleichzeitig  sein,')  also  3 — 4  Monate  vor  dem  AbscUv» 
der  Verhandlungen  im  Xantbikos  liegen.  Diese  Zeit  reicht  voll« 
kommen  aus,  für  die  kriegerischen  Unternehmungen  des  Jodii 
gegen  Gorgias  und  Timotheos,  wie  für  den  Zug  des  Lysias  od^ 
die  Uoterbandlungeo.  Ein  Theil  dieser  Ereignisse  muss  in  den 
VVioter  fallen.    Offenbar  sind  die  FeldzPge  beiderseits  nur  geriogeo 


1)  Fasti  hell.  111  367  ff.  Hier  sei  erwähot,  dass  Q,  F.  Unger  Sii^aif*' 
bericht  der  MûocheDer  Akad.  phllos.  philo),  hist.  Cl.  1895  S.  236 ff.  demi 
lind  2.  Makkabâerbuch  eine  seleukidische  Âera  beilegt,  die  mit  dem  înïr 
Jahr  311  v.  Chr.  beginnt. 

2)  Aehnlich  G.  F.  Unger  S.  285. 

3)  2.  Makk.  13,  1. 

4)  Die  Tempelweihe  fallt  noch  unter  die  Regierung  des  Epiphanes,  weott» 
^leich  sein  Tod  schon  früher  erzählt  worden  ist.     2.  Makk.  10,  l.  9, 


DIE  BEIDEN  MAKKâBAERBOCHER  489 

ifaoges  uod  machen  mehr  den  Eindruck  improvisirler  StreifzQge, 
e  man  sie  auch  zur  Winterzeit  uoternahm.  Sie  bewegen  aicb 
rchaus  in  nächster  Nachbarschaft  Judäas  und  haben  schwerlich 
igere  Zeil  beansprucht.^) 

Auch  ton  Seiten  der  sonstigen  Ueberlieferung  steht  der  An- 
hme  nichts  in  Wege,  dass  Antiochos  Epiphanes  gegen  Ende  165 
Chr.  gestorben  ist.  Ich  werde  im  nächsten  Abschnitt  darüber 
adeln  und  hoffe  tror  allem  bestimmt  nachzuweisen,  dass  auch 
der  Chronographie  des  Eusebios  sein  Tod  ursprQnglich  auf 
ynp.  153,  4  SM  165/4  v.  Chr.  fiel.  Indem  ich  dies  einstweilen 
I  erwiesen  voraussetze,  werfe  ich  zunächst  noch  einen  Blick  auf 
a  Zusammenhang  der  Ereignisse  nach  dem  Tode  des  Antiochos 
)iphanes,  wie  sie  uns  in  der  Ueberlieferung  des  2.  Makkabtter- 
icbes  vorliegen. 

Nach  dem  Tode  des  Epiphanes  und  der  Wiederherstellung  des 
tischen  Gottesdienstes  ging  zunächst  der  kleine  Krieg  der  auf- 
lodischen  gegen  die  syrischen  Feldherrn  Gorgias  und  Timolheos 
Biter.  Die  Erfolge  des  Judas  bewirkten,  dass  Lysias  selbst  sich 
ich  im  Winter  gegen  Jerusalem  aufmachte;  er  ward  aber  bei 
ithsura  zurückgeschlagen,  und  es  kam  jetzt  vielleicht  unter  dem 
afluss  der  Nachricht  Vom  Tode  des  Epiphanes  zu  Unterhand- 
Bgen,  in  die  auch  eine  des  Weges  kommende  römische  Gesandt- 
bift  fordernd  eingriff.  Das  Ergebniss  war,  dass  die  Wiederher* 
dhiDg  des  Gottesdienstes  genehmigt  ward;  den  Juden  wurden 
te  alten  Gesetze  zurückgegeben,  die  Aufständischen  unter  Judas 
kieken  die  Erlaubniss  zurückzukehren  unter  Zusicherung  völliger 
Boestie.  Es  sollte  zugleich  eine  Aussöhnung  der  feindlichen  Par- 
ten sein;  der  Hohepriester  Menelaos,  der  an  dem  Frieden  mit- 
irirkt  hatte,  kehrte  nach  Jerusalem  zurück;  die  Juden  gingen 
eder  an  ihre  friedliche  Arbeit. 

Aber  der  Friede  hatte  keine  Dauer.    Nach  dem  Bericht  im 

Hakkabaerbuche')  Hessen  die  syrischen  Peldherrn  und  die  um- 

ihnenden   Heiden  keine  Ruhe  und  brachten  den  Judas  wieder 

die   Waffen.    Wir  dürfen   hier  fragen,   ob   nicht  auch  andere 

istände  das  Kriegsfeuer  wieder  entfachten,  ob  nicht  die  Partei- 


1)  Nor  die  Belagerong  von  Gazara  (Jazer)  nimmt  25  Tage  in  Ansprach, 
dakk.  10,  35. 

2)  12,  2  if. 


490  B.  MESE 

ungeo  unter  den  Juden  selbst,  z.  B.  die  Feindschaft  gegen  deo 
zurückgekehrten  Henelaos  dabei  mitwirkte.  Kurz,  der  Friede  ward 
gebrochen,  die  philistäischen  Stfldte,  das  Ostjordanland,  Idomia 
wurden  von  Judas  heimgesucht ,  und  nun  setzte  sich  der  König 
selbst,  geleitet  von  Lysias,  mit  ansehnlicher  Macht  in  Bewegung, 
in  der  Absicht,  die  Juden  jetzt  völlig  zu  unterwerfen.  Das  erste 
Opfer  des  königlichen  Zornes  war  Menelaos,  der  wahrscheinlidi 
aus  Judäa  vertrieben  dem  Heere  entgegen  kam,  zur  Verantwortung 
gezogen  und  in  Beroia  enthauptet  ward.  Der  Angriff  ging  wieder 
von  der  philistäischen  Koste  aus  durch  Idumäa  auf  Jerusalen. 
Hier  ist  nun  das  einzelne  im  2.  Makkabäerbuche  durch  unglaok- 
liche  Verkürzung  und  patriotische  Verfälschung  ganz  entstellL  Ei 
lässt  den  Judas  immer  siegen,  berichtet  aber  im  Widerspruch  damit, 
dass  die  den  Zugang  nach  Jerusalem  beherrschende  Veste  Betih 
sura  sich  den  Syrern  ergab,  der  König  einen  Frieden  schloss,  nach 
Jerusalem  kam ,  im  Tempel  opferte  und  sich  mit  Makkabäos  Ter- 
söhnte.*)  Wir  müssen  den  parallelen  Bericht  des  1.  Hakkabäo^ 
bûches  heranziehen,  der  hier  ganz  offenbar  den  Vorzug  verdient.) 
Auch  Josephus^)  bietet  einige  Ergänzungen.  Daraus  ergiebt  «cb, 
dass  der  König  Bethsura  nahm  und  den  Judas  bei  Bethzacharii 
schlug.  Judas  musste  den  Weg  nach  Jerusalem  freigeben  und  lOg 
mit  dem  Rest  seiner  Leute  nordwärts  in  die  Gegend  von  Gopbni. 
Jerusalem  ward  belagert  und  hätte  sich  auf  Gnade  und  Ungnade 
ergeben  müssen,  wenn  nicht  in  Antiochien  Philippos,  der  dort 
geblieben  war,  Unruhen  verursacht  hätte,  die  den  König  und  Lyiiv 
nölhigten,  schleunigst  dorthin  zurückzukehren.  Er  gewährte  at» 
den  Juden  einen  billigen  Frieden,  d.  h.  ihre  Gesetze  und  ilif 
Gottesdienst  wurde  anerkannL  Unter  dieser  Bedingung  borte 
der  Widerstand  auf,  der  König  zog  ein  und  opferte  im  Tempe!« 
liess  ihn  aber  entfestigen  und  legte  eine  ausreichende  Besatnng 
hinein.  Auch  Judas  ward  zu  Gnaden  angenommen;  der  hinge- 
richtete Menelaos  ward,  wie  es  scheint,  zunächst  nicht  ersetzt, 
die  Partei   der  Hasmonäer  behielt  also  in  Jerusalem  die  Oberbind 


1)  2.  Makk.  13,  9—24,  v.  21  ist  von  einem  Verrälher  die  Rede,  w» 
ebenfalls  auf  Unglücksfälle  hinweist:  lason  wird  also  die  Niederlage  nidii 
verschwiegen    haben    und    scheint   einem  Verräther   die  Schuld  gegeben  n 

haben. 

2)  1.  Makk.  6,  28  fT. 
:\)  Bell.  lud.  1  41  ff. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHFR  491 

>d  der  Friede  war  in   dieser  Hinsicht  für  Judas  noch  günstiger 
s  der  letzte.') 

Dieser  Hergang,  wie  ihn  das  2.  Makkabäerbuch  überliefert, 
t  durchaus  natürlich  ;  beide  Verträge,  der  frühere  wie  der  spätere, 
erden  durch  die  Lage  der  Dinge  gut  begründet.  Wir  haben  nur 
och, zu  fragen,  was  das  1.  Makkabäerbuch  bewog,  den  ersten 
riedensschluss  fortzulassen.  Wahrscheinlich  wieder  der  Wunsch  zu 
eschOnigen.  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  nach  dem  2.  Makka- 
lerbuch  Judas  einen  vortheilhaften  Frieden  gebrochen  hat.  Diese 
iMtsache  wollte  das  1.  Makkabäerbuch  vielleicht  unterdrücken  und 
at  es  desshalb  für  gut  befunden,  den  ersten  Friedensscbluss  zu 
enchweigen. 

Die  syrische  KOnigsliste  bei  Eusebios  und 
das  Todesjahr  des  Antiochos  IV. 

Unsere  Chronologie  der  syrischen  Könige  in  der  Makkabäer- 
m  beruht,  neben  dem  1.  Makkabäerbuch,  vor  allem  auf  der  KOnigs- 
Bte,  die  Eusebios  aus  Porphyrios  entlehnt  hat.')  Sie  giebt  ja 
QT  annähernde  Bestimmungen,  da  sie  wie  alle  derartige  Listen, 
or  ganze  Zahlen  giebt  und  Jahrestheile  nicht  berücksichtigt«  Ihre 
iDricbtung  ist  so,  dass  jedem  Könige  sein  Todesjahr  zugerechnet 
ird,  sein  letztes  Jahr  also  das  Todesjahr  ist,  oder  anders  aus- 
edrflckt  die  Regierung  jedes  Herrschers  von  dem  Jahre  ab  ge- 
icliDet  wird,  das  auf  seinen  Regierungsantritt  folgl.^)  Bei  aller 
Oferlässigkeit  im  Ganzen  haben  sich  nun  in  Einzelnem  mehrere 
eUer  eingeschlichen.  Der  bedeutendste  findet  sich  bei  den  Näch- 
tigem des  Antiochos  III.,  bei  Seleukos  IV.,  Antiochos  IV.  Epi- 
banes,  Antiochos  V.  Eupator,  Demetrios  I.  und  Alexander  Balas. 
iese  Könige  haben  folgende  Regierungzeiten: 
Dtiochos  III.  36  Jahre.  Erstes  Jahr  Ol.  139,  2  —  223/2  v.  Chr. 
Letztes  Jahr  Ol.  148,  2  =  187/6  v.  Chr. 

1)  1.  Makk.  6,  55.  2.  Makk.  13,  23  f.  Josephus  bell,  lud.  l  46.  Alki- 
«,  der  spätere  Nachfolger  des  Menelaos,  scheint  damals  nicht  eingesetzt 
rden  zu  sein. 

2)  Eusebios  ehron,  I  p.  247  ff.  Schöne.  Vgl.  G.  Müller  fragm.  hüt.  graec. 
710  ff.    Clinton  fasti  hell.  Ill  314  ff. 

3)  Dies  sieht  man  bei  Seleukos  I.,  Antiochos  II.,  Seleukos  II.  und  auch 
ter.  Der  Ptolemfiische  Kanon  verfährt  bekanntlich  für  Aegypten  umge* 
rt;  hier  wird  das  Jahr,  in  dem  ein  König  stirbt,  als  erstes  seines  Nach- 
[crs  gerechnet.    Ideler  Handbuch  der  Chronologie  I  117  ff. 


492  B.  NIESË 

Seleukos  IV.    12  Jahre.    Ergte»  Jahr  Ol.  148,  8  »  1S6/5  t.  Chr. 

Letztes  Jahr  Ol.  151,  1  —  176/5  f.  Chr. 

(Ol.  151,  2  '^  175/4  V.  Chr.  nach  Gytacbmid). 

ADtiochos  IV.  11  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  151,  3  -•  174/3  v.  Chr. 

Lettles  Jahr  Ol.  154,  1  —  164/3  t.  Chr. 
ADliocbos  V.  nimmt  2  Jahre  eio  Ol.  154,  2  ««•  163/2  v.  Chr. 

Ol.  154,  3  —  162/1  V.  Chr. 
Demetrios  1.    12  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  154,  4  —  161/0  v.  Chr. 

Letztes  Jahr  Ol.  157,  4  «-  149/8  v.  Chr. 

(Ol.  157,  3  »-  150/49  v.  Chr.  oaeh  Gotschmid  und  MQll<r> 

Alexander  Balas  5  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  157,  3  •»  150/49  f.  Chr. 

(Ol.  157,  4  =  149/8  V.  Chr.  nach  Gutschmid). 

Letztes  Jahr  Ol.  158,  4  —  145/4  ▼.  Chr. 
Sie  haben  sich  alle  um  ein  Jahr  verspätet.  Die  Ursache  des  Fehlers 
ist,  dass  als  letztes  Jahr  Antiochos  des  Grossen  Ol.  148,2  statt 
Ol.  148,  1  gezahlt  wird,  ihm  also  statt  der  richtig  überlieferten 
36  Jahre  in  Wahrheit  37  zugeschrieben  werden;  es  gab  namlicfc 
eine  Angabe,  die  zuerst  bei  Appian  Syr.  66  begegnet,')  womck 
Antiochos  111.  37  Jahre  regiert  hat,  und  er  mag  wirklich  mehr  lii 
36  Jahre  im  Amte  gewesen  sein,  aber  in  der  chronographisdüi 
Jahresreihe  kommen  ihm  doch  nur  volle  36  Jahre  zu,*)  und  jeoer 
Fehler  hat  dann  die  unvermeidliche  Folge  gehabt,  dass  die  gine 
Liste  bis  Alexander  Balas  um  ein  Jahr  verschoben  worden  iH^ 
Die  Richtigkeit  dieses  Satzes  wird  durch  unanfechtbare  Zeug- 
nisse bewiesen.  Antiochos  111.  ist  nicht,  wie  es  die  jetzige  eose- 
bianische  Liste  will,  Ol.  148,  2  (187/6  v.  Chr.)«  sondern  Olymp.  148, 

1)  Wobei  zu  bemerken  ist,  dass  Appian  zugleich  seinem  Vorgänger  St- 
leukos  III.  statt  der  sonst  üblichen  drei  Jahre  nur  zwei  giebt,  also  sieb  to 
überschüssige  Jahr  vom  Vorgänger  holt  und  damit  den  Unterschied  aosgleidit 
Recht  wohl  möglich  ist  übrigens,  dass  bei  Appian  nor  eio  Versehen  v^füegt 

2)  36  Jahre  rechnet  Eusebius  im  armenischen  Text  der  Chronik  od^ 
des  Laterculus  (I  253.  263)  und  im  Kanon  (II  122  f.)  nach  dem  armeoiscbefl 
Text  wie  nach  Hieronymus,  femer  Syncellos  p.  540  Bonn,  die  ExcerpU  Bir- 
bari  p.  223  Schöne,  und  die  Series  Hegnm  p.  16.  36  SchSoe.  37  Jahre  sSUa 
ausser  Appian  Syr.  66  einige  spätere  Chroniken,  Sulpicius  Severos  ehron,  1119.4 
das  ;u(xw'oy^a9p«îo*'  avvrofwv  p.  91  Schöne  nnd  die  griechischen  ExcerpU  •• 
Eusebius.  Sie  haben  alle  wohl  die  heutige  Gestalt  der  Gusebianiscben  IMti 
benutzt. 

3)  Leber  Alexander  Balas  hinaus  pflanzt  sich  der  Fehler  nicht  fort,«ti' 
die  Liste  bei  ihm  eine  Unterbrechung  erleidet  und  mit  einem  Sprung  aof  D(* 
nielrios  II.  überseht. 


DIE  BEIDEN  MAKKaBÄERBOCHER  493 

">  188/7  y.  Chr.  oder  im  Jahre  125  dei*  seléukidiâcheD  Àera  ver* 
orbeo.  Diet  ergiebt  sich  aus  der  Datiraûg  des  Ereigoisses  in 
m  römischen  Ânnalen/)  wo  das  Ereigniss  in  das  Consolalajafar 
37  ?.  Chr.  fiel,  was  mit  Sicherheit  erschliessen  läset«  dass  Poiybios 
I  Olymp.  148,  1  setzte.  Noch  zwingeoder  ist  ein  anderes  Zeugnias. 
I  giebt  babylonische  Urkunden  aus  dem  Jahre  125  Sei.,  die  nach 
atioclios  und  Seleukos  datirt  sin^,  aber  auch  solche,  in  denen 
eleukos  allein  als  Herrscher  erscheint.')  Daraus  folgt  nothwendig, 
in  Antiochos  Hl.  im  Laufe  des  Jahres  125,  also  Olymp.  148,  1 
■  188/7  V.  Chr.  starb.')  Hiermit  steht  im  follkommenem  Ein- 
lange,  dass  die  Gesandten  seines  Nachfolgers  Seleukos  IV.  schon 
0  achäischen  Amisjahre  187/6  v.  Chr.  unter  der  Strategie  des 
rislainos  beim  achflischen  Bunde  erscheinen.') 

Ferner  die  Thronbesteigung  des  Antiochos  Epiphanes  erzählte 
irius^)  unter  dem  Consulatsjahre  175  ▼.  Chr.,  und  zwar  nach 
olybios;  dieser  muss  demnach  unter  Olymp.  151,  1  =»  176/5  v. 
hr.  davon  erzählt  haben.  Dies  ist  also  das  Todesjahr  des  Seleu- 
n  IV.  und  in  der  eusebianischen  Liste  musste  demnach  das  fol- 
Mide,  Olymp.  151,  2  >»  175/4  v.  Chr.  als  erstes  des  Epiphanes 
Btilhlt  werden,  nicht  wie  es  jetzt  heisst,  Olymp.  153,  3.  Ich  be* 
terke  noch,  dass  Antiochos  IV.  seinem  Bruder  nicht,  unmittelbar 
lecedirte,  sondern  nach  einem  Interregnum,  das  man  auf  zwei 
ODate  oder  mehr  berechnen  kann.  Der  Tod  des  Seleukos  kann 
ihr  wohl  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres,  etwa  Ende  176  v.  Chr. 
attgefunden  haben. 

Aoch  das  Ende  des  Demetrios  I.  und  der  Anfang  Alexanders  I. 
088  bei  Eusebios  um  ein  Jahr  verschoben  sein;  denn  nach  Ausweis 
irMOnzen  vollzog  sich  dieses  Ereigniss  162  Sei.  ai  151/0  v.  Chr., 
80  nicht  im  dritten,  sondern  im  zweiten  Jahre  der  157.  Oiym- 
ttde.*)  '  Endlich  wird   beim  Tode  Alexanders  der  gleiche  Fehler 


1)  Zonaras  IX  21,  5. 

2)  Strassmaier  in  der  Zeitscbria  für  Aasyriologie  VIU  109  ff. 

3)  Die  Jahre  der  seleokidischen  Aera,  die  im  Herbst  anfangen,  decken 
ih  âenlich  genau  mit  den  OiympiadeiUahren,  namentlich  nach  der  Praxis 
B  Poiybios. 

4)  Polyb.  XXn  10,  4. 

5)  XU  20. 

6)  Aus  162  Sei.  stammen  die  letzten  Münzen  des  Demetrios  und  zugleich 
ersten  Alexanders,  Babelon  rois  de  Syrie  p.  GXIX  ff.  CXXllI. 

Henaei  XXXV.  32 


494  B.  NIESE 

allgemeio  aoerkaont^);  deno  nach  dem  QbereinstimmeiideD  Zeogcf^ 
der  syriscbeD  und  ägyptischeo  Chronologie  starb  er  etwa  Prlfl^ 
sommer  145  v.  Chr.,  d.  h.  Ol.  158,  3,*)  was  die  Mûoseo  bestätigst 
denn  seine  letzten  wie  die  ersten  seines  Nachfolgers  Demetrios  1^- 
sind  167  Sei.  ■»  146/5  v.  Chr.  geschlagen,  in  diesem  Jahre  \b^ 
also  der  Thronwechsel  stattgefunden.  Falschlich  wird  demnach  b^ 
Eusebios  jeUt  Ol.  158,  4  (145/4  v.  Chr.)  als  sein  léutes  Jahr  g^ 
rechnet. 

Darnach  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die  eusebische  Liste  i 
ursprünglicher  Gestalt  folgendermaassen  lief: 
Antiochos  III.  reg.  36  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  139,  2  (223/2  ▼.  Cbv 

Letztes  Jahr  Ol.  148,  1  (188/7  v.  Cha 
Seleukos  IV.  reg.  12  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  148,  2  (187/6  v.  Otm 

Letztes  Jahr  Ol.  151,  1  (176/5  ▼.  Clu 
Antiochos  IV.  reg.  11  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  151,  2  (175/4  ▼.  Cbr 

Letztes  Jahr  Ol.  153,  4  (165/4  ▼.  Chr. 
Antiochos  V.  reg.  2  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  154,  1  (164/3  v.  Chr. 

Letztes  Jahr  Ol.  154,  2  (163/2  ▼.  Chr.J 
Demetrios  1.   reg.  12  Jahre.    Erstes  Jahr  Ol.  154,  3  (162/1  ?.  Cbr.) 

Letztes  Jahr  Ol.  157,  2  (151/0  v.  Chr.) 
Alexander  Balas  reg.  5  Jahre.   Erstes  Jahr  Ol.  157,  3  (150/49  t.  Cbr) 

Letztes  Jahr  Ol.  158,  3  (146/5  ▼.  Cbr.) 
Dies  ist  nun  genau  die  Liste,  wie  sie  im  Kanon,  also  den  Tabelleo 
des  Eusebios  nach  der  Bearbeitung  des  Hieronymus  sich  fiodeL*) 
Ja  selbst  im  Texte  des  eusebischen  Verzeichnisses  in  der  Cbrooik 
haben  sich  davon  noch  an  zwei  Stellen  Reste  des  ursprQnglicbeo 
erbalten;   denn   ganz  richtig  wird   dort  der  Tod  des  Seleukos  IV. 


1)  Clinton  fasti  hell  III  314  ff.    G.  Müller  fr.  hist.  Gr.  Ill  712. 

2)  Nach  1.  Makk.  11,  19  fiel  er  167  Sei.  -»  146/5  v.  Chr.  Er  «tarb  ferner 
korze  Zeit  vor  Ptolemäos  Philometor,  dessen  Begierang  nach  dem  ptol^ 
maischen  Kanon  in  dem  Jahre  zu  Ende  ging,  das  vom  29.  September  t4S 
bis  zum  27.  September  145  v.  Chr.  lief.  Vgl.  Strack  Dynastie  der  Ptoleoief 
184.  198. 

3)  Euseb.  1!  123  fi'.  Schöne.  Nur  Alexanders  Begierang  hat  einen  «oderei 
Schluss;  es  werden  ihm  10  Jahre  gegeben  und  damit  die  Lücke  der  CbroiMh 
graphie  nach  seinem  Tode  öberkleistert.  Die  armenische  Uebersetznng  stioD^ 
ebenfalls,  aber  in  ihr  sind  die  Olympiadenjahre  bekanntlich  am  eine  SteBe 
zurückgesetzt,  so  dass  z.  B.  Seleukos  1.  nicht  Ol.  117, 1,  sondern  117, 2  t»' 
(ängi  u.  s.  w. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  495 

151,  1  und  der  Aofang  Alexanders  Ol.  157,  3  geselzt.')  Es 
eiot  also,  dass  der  Fehler  erst  durch  eine  Dachträgliche,  von 
Bebios  selbst  nicht  verschuldete  Redaction  entslanden  ist;  denn 
*  haben  ja  nicht  den  Originaltext  des  Eusebios,  sondern  nur  die 
aenische  Uebersetzung. 

Die  sonst  vorhandenen  chronologischen  Zeugnisse  fügen  sich 

berichtigten  Liste  trefflich  ein.  Zunächst  die  Hünzdaten')  und 
hl  anders  die  Zeilbestimmungen  des  1.  Makkabäerbucbes.  Hier 
Kimt  Antiochos  Epiphanes  137  Sei.  —  176/5  v.  Chr.  auf  den 
ron,  Demetrios  I.  beginnt  151  Sei.  «=  162/1  v.  Chr.,  er  stirbt 
2  Sei.  BB  151/0  V.  Chr.,  und  Alexander  Balas  endet,  wie  schon 
râhnt,  167  Sel.  =  146/5  v.  Chr.')  Nur  der  Tod  des  Antiochos 
iphanes,  der  den  Ausgangspunkt  dieser  Untersuchung  bildet, 
icbt  ab  und  wird  149  Sei.  «=  164/3  v.  Chr.  gesetzt,')  also  ein 
ir  später  und  übereinstimmend  mit  der  redigirten  Liste  des  Eu- 
>ios.  Diese  Angabe,  die  auch  sonst  Schwierigkeiten -macht,  weil 
zu  den  einmQlhig  überlieferten  11  Regierungsjahren  des  Herr- 
tiers  nicht  stimmt,')  erklärt  sich  wohl  so,  dass  der  Schriftsteller 
r  das  letzte  Jahr  des  Epiphanes  das  erste  seines  Nachfolgers 
^etzt  hat;  in  der  Thai  wird  der  Regierungsantritt  Eupators  un- 
lUtelbar  anschliessend  erzählt.^ 

Nach  der  ursprünglichen,  wohlbeglaubigten  chronographischen 
^eberlieferung  ist  also  Antiochos  Epiphanes  Ol.  153,  4  «-  148 
el.  KB  165/4  V.  Chr.  gestorben,  und  mit  diesem  Datum  stehen 
Ddlich   auch   die  Reste   der  polybianischen  Geschichte  in  bestem 

1)  Euseb.  I  253.  255  Schöne.  Clinton  und  Gutscbmid  wollen  den  Text 
ibttsern. 

2)  Zasammengestellt  von  Babelon  rois  de  Syrie  XG  ff.  Das  von  Babelon 
m  Epiphanes  zugewiesene  SlQck,  eine  Münze  von  Tripolis  mit  der  Ziffer  149 
fi^\  bildet  keine  Ansnahme;  denn  der  Königsname  fehlt,  und  sie  ist  daher 
t  Gavedoni  dem  Antiochos  V.  zuzuweisen,  was  keine  Schwierigkeit  bietet 

Com  be  veterum  pop.  et  reg,  numi  qui  in  mus,  briL  asservantur  205 
.  XII  4.    Gavedoni  revue  numismat,  1856  S.  380.     Babelon  S.  GX. 

3)  l.  Makk.  1,10.  7,  1.  10,51.11,19. 

4)  1.  Makk.  6,  16. 

5)  Clinton  sucht  ihr  dadurch  gerecht  zu  werden,  dass  er  den  Beginn 
B  Antiochos  Ende  137  und  den  Tod  Anfang  149  Sei.  setzt. 

6)  1.  Makk.  6,  16:  xa*  ànéd'avsv  exellevrioxo«  6  ßaaiXeic  iravç  ivârov 
i  reaaacaxoüTOv  xal  éxaarov  Kai  énéyvat  j^vaiaç,  on  Të&tnjMSv  o  ßacfi^ 
VC,  xal  nariatrjcsv  ßaaileveip  Itévrioxov  rov  viov  avrov  àvr'  avrov,  or 
id'qexpsv  vetuTSçov,  xal  èxaXeaev  ro  ovofia  axiov  Evnaratç» 

32* 


496  B.  NIESE 

Einklang.    Buch  31  fr.  12  lesen  wir,  wie  die  Nicbricfat  vom  T(k/« 
des  Epipbanes  und  der  Thronbesteigung  seines  Sohnes  nach  R^f» 
iLommly  wie  der  Senat  die  Ansprüche  des  Demetrios,  der  als  Gei»^^ 
in  Rom  lebt,  zurückweist,  weil  er  es  für  ntttzlicher  hsit,  des  oü' 
mündigen   und  schwachen  Antiochos  V.  anzuerkennen ,  und  eii»^ 
Gesandtschaft   nach  Antiocliien   schickt,  an  deren  Spitie  Co.  Oc-' 
tavius  steht.    Dieser  war  einer  der  Consuln  von  165  r.  Chr.,  omcl 
seine  Entsendung  ßllt  höchst  wahrscheinlich  ins  Amtsjahr  164.*) 
Da   sie  erst  geraume  Zeit  nach  dem  Tode  des  Epipbanes  erfolgte^ 
so  sieht  von  dieser  Seite  nichts  im  Wege  denselben  in  den  Wiates* 
165/4  V.  Chr.  zu  setzen.    Aus  dieser  Stelle  folgt  zugleich,  dass 
eine  Nachricht  des  Granius  Licinianus,  wonach  der  König  im  Cott«* 
suiatsjahr  163  v.  Chr.  starb,  nicht  richtig  sein  kann,  sondern  aixT 
MissverstMndniss  beruhen  muss.*) 

Zum  Schluss  und  um  nichts  zu  vergessen,  muss  noch  ein« 
Stelle  Appians  erwähnt  werden,  wo  die  Regierungszeit  des  Epi- 
pbanes nicht,  wie  sonst  immer,  auf  11,  sondern  auf  nicht  volle 
12  Jahre  beziffert  wird.  Dieses  Zeugniss  verdient  desshalb  Be- 
achtung, weil  Appian  älter  ist  als  sämmtliche  erhaltene  Chrono- 
graphien und  jedenfalls  da,  wo  er  ausführlicher  erzählt,  den  Po- 
iybios  zu  benutzen  pflegt.')     Man  muss  aus  seiner  Angabe  zunlchst 


1)  Dies  erfordert  eigentlich  einen  umständlicheren  Beweis  und  steht  nicbi 
mit  der  jetzigen  Ordnung  und  Datirung  der  Polybiosexcerpte  in  Einklng,  wie 
sie  Metzung  und  Nissen  gegeben  haben,  wonach  das  30.  Buch  die  153.,  das 
31.  die  154.  Olympiade  enthielt.  Dem  widerstreben  auch  die  Zeugnisse;  vir 
müssen  auf  Grund  derselben  vielmehr  annehmen,  dass  die  153.  Olympiade  id 
den  Büchern  30  und  31  dargestellt  ward.  Für  den  hier  vorliegenden  Fall  be- 
merke ich  nur  folgendes;  es  ist  in  der  Zeit,  die  uns  beschäftigt,  ofieabar  eis 
gewisses  Princip  gewesen,  die  Consuln  des  letztvergangenen  Jahres,  soweit 
sie  zur  Verfügung  standen,  an  die  Spitze  der  wichtigsten  üesandtscbafteo  n 
stellen.  So  geht  G.  Sulpicius  Gallus,  der  Consul  von  166  v.  Chr.  im  nichslefl 
Jahre  nach  Pergamon,  ähnlich  T.  Manlius  Torqnatus  der  Consul  von  165  ood 
Ti.  Gracchus,  Consul  von  163.  Polyb.  XXXI  9,  7.  18,  9.  23,  9.  Ebenso  wirf 
es  in  unserem  Falle  mil  Cn.  Octavius  stehen,  der  dann  in  langsamem  Zöge 
mil  vielem  Aufenthalt  nach  Syrien  ging  und  dort  bekanntlich  ermordet  wird. 
Seinen  Tod  erzählte  Livius  (Obsequens  15)  unter  den  Consuln  von  162  v.  Gbr^ 
^r  gehört  also  in  Olymp.  154,  2  (163/2  v.  Chr.). 

2)  Granius  p.  9  Bonn:  Graccho  Herum  ....  contuh,  wenn  hier  richtig 
gelesen  ist. 

3)  Was  aber  von  dieser  Stelle  nicht  gilt;  hier  hat  Appian  offenbar  «w 
eine  kurze,  clironikartige  Uebersicht  gehabt. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  497 

bliesseo,  dass  Epipbaoes  beinahe  12  oder  wenigsteDS  mehr  als 
L  Jahre  regiert  habe.  Dies  letztere  liesse  sidi  auch  mit  der 
iDstigen  beglaubigten  Ueberlieferung  unschwer  vereinigen.  Man 
aiicht  z.  B.  nur  anzunehmen,  dass  Seleukos  IV.  im  Herbst  176 
Chr.  starb,  was  sehr  wohl  möglich  ist.  Indess  beiweifle  ich, 
»  Appian  wirklich  so  gerechnet  hat.  Seine  Worte  lautea  (Syr.  66) 
:  xal  avtov  (nämlich  ^Avxioxov  %ov  fisycikov)  mcl  %olv  Ttai- 
'«9^  nçoëÎTiov  ifÀÇoîv  ßeßaailivxoroiv,  Sêlevxov  re  xal  ^jiv^ 
'^X<^f  ^êlevxov  jdiv  ïreai  ôiidexa  artçdxTWç  Sfia  xai  aa- 
ta^cJç  âià  jfjv  %ov  naxQog  av/Â^poçàv,  IAvtUxov  ôk  ôaiôêxa 
^tXrJQéaiv,  h  olç  l/içta^iav  %ov  itiçfdéviov  eViê  xal  iç  Aï- 
^^rzov  iajQcnevaav  xtk.  Er  stellt  also  die  beiden  Brüder  Se- 
ile os  und  Antiochos  nebeneinander;  Seleuko«,  sagt  er,  herrschte 
•  Jahre,  Antiochos  nicht  ganze  12  Jahre.  Bekanntlich  ist  Appian 
•t«  und  überall  bemüht  gewesen,  sich  mOglidist  gewählt  und  ge* 
bnorkelt  auszudrücken,  und  auch  an  dieser  Stelle  kommt  es  ihm 
^Ikl  mehr  auf  die  Antithese  an,  als  auf  historische  Genauigkeit, 
b  halte  es  daher  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  er  mit  seinen 
cht  YoUen  12  Jahren  nur  die  sonst  überall  und  eintnüthig  über* 
Herten  1 1  Regierungsjahre  des  Epipbanes  hat  umschreiben  wollen. 

Die  Berichte  über  den  Tod  des  Antiochos. 

Wie  Antiochos  Epipbanes  starb,  berichtet  zuerst  Polybios.*) 
'I*  König  versuchte  darnach  den  Tempel  der  Artemis  in  ElymaTs 
berauben,  jedoch  die  Bevölkerung  liess  es  nicht  zu,  er  ging 
^rauf  nach  Tabä  in  Persis  zurück  und  starb  daselbst*)  Einige 
S^^n,  fôhrt  Polybios  fort,  er  sei  unter  göttlicher  Heimsuchung 
^^fiavi]aaç)  gestorben;  die  beleidigte  Gottheit  habe  ihren  Zorn 
>*eh  allerlei  Zeichen  kundgethan.  Dieser  Punkt  wird  von  anderen 
^iter  ausgemalt;  der  Misserfolg  sei  ihm  sehr  zu  Herzen  gegangen, 
sei  von  schreckhaften  Gespenstern  und  Gesichten  heimgesucht 
^K^tien  und  so  zu  Grunde  gegangen.^) 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  diese  Berichte,  wie  sie  schon  Polybios 
'beutet,  auch  den  beiden  Makkabäerbü<!bern  zu  Grunde  liegen  und 


1)  XXXI  11  vielleicht  Tom  Excerptor  verkürzt.   Josepbus  Ânt  XII  358 
^^  ihn,  hat  ihn  aber  nicht  ganz  richtig  verstanden. 

2)  Seine  Krankheit  war  Schwindsucht,  wie  Appian  Syr,  66  sagt 

3)  Porphyrios  bei  Hieronymus  in  Daniel,  11,  36  vol.  Ill  p.  1131  ff.,  W(k 
'^^^'bios  und  Diodor  cilirt  werden. 


498  B.  MESE 

voo  ilmeo  verarbeitet  worden  sind.  Beide  haben  den  Versuch  gegeo 
den  persischen  Tempel  übernommen,  zugleich  aber  die  Vergewal- 
tigung der  Juden  daneben  gesetzt  und  in  den  Vordergrund  gerückt; 
bei  beiden  wird  die  Trauer  des  Königs  durch  die  ungQnstigen 
Nachrichten  aus  Judäa  verschärft.')  Das  2.  Buch  beschreibt  sodann 
die  Krankheit  des  Königs,  seine  Reue  und  den  Wunsch,  das  Un- 
recht an  den  Juden  wieder  gut  zu  machen,  und  theilt  den  Briet 
mit,  in  dem  er  ihnen  seinen  Sohn  empfiehlt.  Das  Ende  wird  ein- 
geleitet durch  den  Sturz  aus  dem  Wagen ,  der  wie  oben  S.  296 
bemerkt  wohl  aus  anderem  Zusammenhange  entlehnt  ist.  Der 
Tempelraub  geschieht  hier  in  Persepolis,  als  Ort,  wo  den  Ronig 
das  Verhangniss  ereilte,  erscheint  Ekbatana^;  lason  hat  also,  um 
seine  Geschichte  stattlicher  herauszuputzen,  an  Steile  unbekanolerer 
Orte  die  beiden  berühmteslen  Städte  Irans  gesetzt.  Das  1.  Hakka- 
bäerbuch  nennt  wie  Polybios  die  Elymais,  die  es  für  eine  Stadt 
hält,  lässt  aber  den  König  dann  in  Babylon  sterben.  Er  schildert 
den  Reichthum  des  elymäischen  Heiliglhuroes  mit  den  von  Alexander 
dem  Grossen  gestifteten  goldenen  Rüstungen  und  Waffen.  Beide 
Bücher  haben  also  zum  Aufputz  der  Geschichte  das  ihrige  biozu- 
gethan,  das  erste  hat  sich  nicht  ganz  so  frei  gehen  lassen  wie  das 
zweite,  verdient  aber  doch,  was  den  historischen  Werth  anlangt, 
vor  dem  anderen  keinerlei  Vorzug.') 

Die  Niederlage  Nikanors. 

Nach  dem  zweiten  Vertrage  mit  Eupator  herrschte  in  Jodia 
eine  Zeillang  Friede.^)  Die  Menge  der  friedlichen  Leute,  darunter 
auch  die  Frommen  oder  Asidäer  (Chassidim)  fügten  sich  der  seien- 
kidischen  Oberherrlichkeit,')  Jerusalem  war  königlich,  die  Be- 
festigungen waren  geschleift  und  in  der  Akra  lag  immer  die  Be- 
satzung.   Judas  war  in  den  Frieden  aufgenommen  und  konnte  nacb 


1)  1.  Makk.  6.     2.  Makk.  9. 

2)  Wobei  es  möglicli  ist,  dass  Antiochos  bei  Gelegenheit  dieser  Fcldiûg? 
wirklich  in  Ekbatana  war,  das  nach  ihm  eine  Zeitlang  ^Ejn^aveia  geheissc» 
liaben  soll.     Stephan.  Byz.  s.  ^Ayßaiava. 

3)  Ein  gewisser  vielleicht  zufälliger  Anklang  zwischen  beiden  findet  siel' 
an  einer  Stelle:  1.  Makk.  6,  13  klagt  Antiochos  iSov  àncllvficu  Xvn^  »t^^ 
év  )'î  aXkorçiq.  Vgl.  2.  Makk.  9,  28  éni  iivrji  èv  toli  ogeciv  oixxicxt^  ft^ 
y-ajearoex^'ev  xov  ßiov, 

A)  1.  Makk.  ü,  55  ff.    2.  Makk.  13,  23. 
5)  1.  Makk.  7,  12.    2.  Makk.  14,6. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  499 

r  Niederlage  ouq  Kräfte  sammelo.  Ob  er  sich  in  Jerusalem 
ielt  oder  draussen  auf  dem  Lande,  wissen  wir  nicht  bestimmt, 
was  aus  den  Gegnern  wurde,  ist  nicht  ttberiiefert.  Der  Führer 
ilben,  Alkimos  (Jakimos),  Nachfolger  des  Henelaos,  scheint 
t  zurückgekehrt  zu  sein;  Lysias  hielt  es  damals  mit  den  Has- 
lern. 

Aber  bald  brach  der  Streit  wieder  aus,  und  zwar  in  Anlass 
Thronwechsels  in  Syrien,  wo  162  t.  Chr,  Antiochos  V.  von 
etrios  entthront  ward.  Der  neue  König  nahm  sich  des  Al- 
is an,  und  beschloss  ihn  als  Hohenpriester  und  Vorsteher  des 
es  einzusetzen.')  In  der  That  wurde  er  ?on  Nikanor  nach 
salem  gefuhrt  und  dort  auch  allgemein  anerkannt.  Aber  Judas 
labäos  und  seine  Partei  wollte  und  konnte  mit  ihm  nicht  zu- 
oen  hausen  ;  sie  machten  ihm  sofort  den  Krieg,  worauf  Nikanor 
ftragt  ward,  den  Widerstand  zu  brechen  und  vor  allem  Judas 
hädlich  zu  machen.  Nikanor  versuchte  es  zunächst  sich  mit 
8  zu  verständigen,  er  hatte  mit  ihm  eine  Zusammenkunft,  die 
1  durchaus  freundschafUichen  Verlauf  nahm.  Die  Waffen  wurden 
irgelegt,  Judas  verstand  sich  dazu  ,^  bei  Nikanor  in  Jerusalem 
lieh  zu  wohnen,  zu  heirathen  und  eine  Familie  zu  grttnden  ;  er 
e  sich  gewissermaassen  mit  seiner  Person  als  Geisel.  Aber  bei 
nos  erregte  das  gute  Verhältniss  der  beiden  Besorgniss,  und 
ihm  beeinflusst  verweigerte  Demetrios  dem  Vertrage  mit  Judas 
Bestätigung  und  ertheilte  Nikanorn  den  Befehl,  Judas  festzu- 
len,  weichem  Auftrage  sich  Nikanor  nur  ungern  fügte.  In- 
!n  blieb  ihm  die  Ausführung  erspart;  denn  es  gelang  dem  Judas 
in  Sicherheit  zu  bringen.  Nikanor  ging  nun  in  den  Tempel 
machte  die  Priesterschaft  für  die  Flucht  des  Judas  verant- 
lich;  unter  Drohungen  gegen  das  Heiligthum  verlangte  er  seine 
eferung  und  schritt  zugleich  gegen  die  Verdächtigen  ein.') 
I  wandte  er  sich  durch  jüdische  Holfstruppen  verstärkt  gegen 
s,  der  sofort  wieder  die  Waffen  ergriffen  hatte,  ward  aber  bei 


t)  1.  Makk.  7,  5  ff.  2.  Makk.  14,  3  ff.  Josephus  Anl.  XII  385.  XX  235. 
letzterer  Stelle  regierte  er  drei  Jahre  ;  wenn  diese  Nachricht  richtig  ist, 
folgte  seine  Einsetzung  162  v.  Chr.,  denn  er  starb  nach  1.  Makk.  9,  54 
öhjahr  159  v.  Chr. 

2)  2.  Makk.  14,  31  ff.    Hier  wird  die  Verhaftang  and  der  Selbstmord  des 
erzählt.    In  diesen  Zusammenhang  wird  auch  die  vom  1.  Makk«  7, 16 
Xe  Hinrichtung  60  unschuldiger  Juden  gehören. 


500  B.  NIESE 

BelhoroD  geschlagen  uod  fiel  selbst.  SeÎD  Kopf  und  der  km, 
den  er  drohend  gegen  das  Heiligthum  emporgestreckt,  wird  ib 
Trophle  nach  Jerusalem  gebracht  und  dort  ausgestellt 

Dieser  Bericht,  wie  ich  ihn  im  wesentlichen  nach  dem  2.Hikk»- 
baerbuch  gegeben  habe,  wird  vom  1.  IhkkabSerbiich  in  eioigM 
Stocken  ergänzt;  z.  B.  erscheint  hier  zu  Anfang  statt  Nikaain 
und  neben  ihm  Bakchides')  als  Beauftragter  des  Königs.  Viel  be 
deutender  sind  aber  die  Abweichungen;  so  wird  lükaaor  als  da 
geschworener  Judenfeind  dargestellt,  der  es  bei  den  Unterbaaé- 
lungen  ?on  Anfang  an  darauf  abgesehen  hat,  den  Judas  mit  Aig* 
list  zu  fangen,*)  wf  hrend  er  nach  dem  2.  Makkabaerbaoh  eraallidi 
Frieden  und  Freundschaft  mit  Judas  wtlnscht.  Besonders  folgender 
Punkt  Terdient  Beachtung.  Nach  dem  2.  Makkabflerbuch  bat  Ni- 
kanor,  als  er  too  Jerusalem  gegen  Judas  ausrückt,  auch  jödiicka 
Truppen  zwangsweise  aufgeboten.  Der  Schriftsteller  hebt  es  ib 
einen  Beweis  besonderer  Gottlosigkeit  hervor,  dass  er  sie,  Dreilick 
Tergeblich,  zu  zwingen  versucht,  den  Judas  wahrend  der  Sabbili- 
ruhe  zu  überfallen.*)  Von  diesem  jüdischen  Aufgebot  weiss  du 
1.  Makkabaerbuch  nichts;  gleichwohl  ist  die  Nachricht  sicher  ricbtif 
und  nicht  ohne  Bedeutung.  Zur  Ergänzung  dient  eine  andere 
ebenfalls  nur  im  2.  Makkabaerbuche  vorhandene,  dass  nämlich  Ni- 
kanor,  nachdem  er  mit  Judas  das  Abkommen  geschlossen,  seine 
Httlfstnippen  nach  Hause  gehen  liess.^)  Man  sieht  also,  Nikasor 
hatte,  als  der  Krieg  mit  Judas  wieder  anfing,  nicht  genug  Tmppei 
bei  sich  und  nahm  daher  aus  der  Mitte  der  Juden  einige  Ver* 
Stärkungen  mit.  Jetzt  erklart  sich  auch  seine  Niederlage;  denn  es 
ist  leicht  begreiflich  und  man  liest  es  sogar  zwischen  den  Zeilen 
des  Berichtes,  dass  die  jüdischen  Soldaten  nicht  gegen  ihre  Landi- 
leute  fechten  wollten,  sondern  ihn  verliessen  oder  zu  Judas  flbe^ 
liefen.  Das  1.  Makkabaerbuch  bat  dies  absichtlich  ausgelaseeo, 
weil  es  dazu  dienen  konnte,  das  Verdienst  und  den  Ruhm  des  jo- 
discben  Sieges  abzuschwächen,  es  erzählt  dafür,  dass  Nikanor  kun 
vor  der  Schlacht  syrische  Verstärkungen  empOng,*)  und  sucht  da« 
durch  den  Erfolg  des  Judas  noch  glänzender  zu  gestalten. 


1)  1.  Makk.  7,8. 

2)  1.  Makk.  7,  26. 

3)  2.  Makk.  14,  1  ff. 

4)  2.  Makk.  14,  23.     Es  sind  die  v.  14  erwähnten  Bundesgenossen. 

5)  1.  Makk.  7,  39. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄEBBÜCHEB  50t 

Das  Bflndniss  der  Bomer  mit  Judas  Makkabäos. 

Dass  Judas  Makkabäos,  wie  das  1.  Makk.  8  erzählt,  mit  deD 
Römern  Freundschaft  und  Bündniss  geschlossen  habe,  ist  neuerdings 
▼on  Willrich  und  Wellbausen  bestimmt  geleugnet  worden.')  In  der 
That  ist  die  dort  mitgelheiite  Bündnissurkunde  in  keinem  Falle  echt, 
sondern  erst  ?om  Schriftsteller  selbst  ausgearbeitet,  und  die  ganze 
Erxahlung  erweckt  in  ihrer  aufgeblähten,  salbungsvollen,  umsländ- 
licben  Rhetorik  nur  geringes  Vertrauen.  Da?on  abgesehen  ist  jedoch 
die  Tbatsache,  dass  Judas  mit  den  Römern  Freundschaft  schloss,  so 
gut  wie  nur  möglich  bezeugt.  Auch  Josephus  im  Bellum  ludaicum 
êpricht  da?on*)  in  unverdächtiger  Weise,  lustinus  erwähnt  es')  und 
schliesslich  wird  wenigstens  die  jüdische  Gesandtschaft  nach  Rom 
îom  2.  Hakkabäerbuche  in  einer  beiläuugen  und  ganz  unbefangenen 
Notiz  so  efwähnt,  dass  an  ihrer  Wirklichkeit  kein  Grund  zu  zweifeln 
vorliegt,^)  zumal  da  auch  die  Zeitumstände  sehr  dafür  sprechen. 
Dean  Judas  suchte  in  Rom  gegen  Demetrios  einen  Rückhalt  und 
batte  auch  Grund ,  auf  Erfolg  zu  hoffen  ;  denn  die  ROmer  waren 
jeaem  Fürsten  durchaus  feindlich  gesinnt;  wenn  sie  ihn  auch  an- 
criuionten,  so  haben  sie  ihm  doch  nie  verziehen,  dass  er  gegen 
ihren  Willen  auf  den  Thron  gelangt  war,  und  daran  ist  er  dann 
achliesslich  tu  Grunde  gegangen. 

Man  hat  nun  gesagt,  mit  einem  Bebellen  wie  Judas  würden 
die  Aomer  kein  Bündniss  geschlossen  haben.  Dagegen  verweise 
ich  auf  ihr  Verhalten  gegen  Timarchos,  der  sich  als  babylonischer 
Satrap  gegen  Demetrios  erhob;  er  erhielt  vom  Senat  eine  sehr 
^nmiihigende  Antwort,*)  und  es  ist  wahrscheinlich  genug,  dass 
QUO  sich   den  Juden   gegenüber   nicht  anders  verhielt.     Ob   nun 

1)  Willrich  Jaden  and  Griechen  S.  71.  Wellhausen  Israelitische  und  jü- 
disehe  Geschichte  3.  Âofl.  261.  Keine  Zweifel  ânssern  Ewald  Geschichte  des 
^•Ikes  Israel  IV*  420  f.    Schurer  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  1*  171  ff. 

2)  BeiL  lud.  I  §  .38  an  einer  früheren  Stelle  aU  das  1.  Makkabâerbndi 
and  aUem  Anscheine  nach  von  diesem  unabhängig. 

3)  XXX VI  3,  9,  denn  es  geht  aus  c  1  §  10  hervor,  dass  er  das  Bündniss 
Qnter  Demetrios  I.  setzt,  also  nicht,  wie  Willrich  meint,  den  Vertrag  mit  Simon 
***»  Auge  hat. 

4)  2.  Makk.  4,  11  SUl  'Icaavpov  rov  TtaxQos  EvTtohéftov  rov  noér^aafUvav 
^''«y  n^aßeiav  vniq  fiXias  xal  avfifiaxlaç  n^Q  ToifS  'Boffiaiavs. 

5)  Diodor  XXXI  27*  Ti/ioQx^  Spêxtp  avrcûr  (éitUvaé}  ßainkda  êîpai. 
^%l  im  SC  de  TbiêbaeU  z.  19  (Dittenberger  »yll,  1*  300)  ravra  ri/itSv  /uiv 
^*X9v  ixê$v  iSeïvai  idoiêv,  vgl.  Ewald  a.  a.  0. 


502  B.  NIESE 

damals  schon  ein  förmliches  Bttndûiss  mit  dem  römischen  Volke 
geschlossen  ward,  oder  ob  die  Gesandten  der  Juden  nur  einen  freand- 
lichen  Senatsbeschluss  und  eine  Verwendung  bei  Demetrios  er- 
reichten, darüber  kann  man  zweifeln;  denn  da  die  BOndaissurkunde 
in  der  Überlieferlen  Form  unecht  ist,  so  ist  es  wohl  denkbar,  da» 
der  Schriftsteller  ein  Senatusconsult  zu  einem  Bündnis«  umgearbôtel 
habe.  Uebrigens  kommt  nicht  viel  darauf  an;  denn  das  BflodnlH 
ist  nicht  in  Wirksamkeit  getreten. 

Bald  nach  dem  Falle  Nikanors  hatte  Judas  die  Gesandtschalt 
nach  Rom  geschickt,  ihre  Bückkehr  hat  er  vielleicht  nicht  mehr 
erlebt*);  denn  er  ûel  schon  ein  Jahr  nach  dem  Siege  über  Ni- 
kanor.^)  Demetrios  sandte  eine  überlegene  Streitmacht  unter  Bak- 
chides  nach  Judäa,  Judas  ward  in  einer  Schlacht  völlig  geschiageo 
und  fiel,  seine  Brüder  und  Anhänger  mussten  fliehen.  Die  G^ 
sandtschafl  hilft  uns  nun,  den  schnellen  Verlauf  der  Ereigoiae 
zu  erklären.  Es  lässt  sich  vermuthen,  dass  Judas  sich  bei  den 
drohenden  Rüstungen  des  Königs  nach  Rom  um  Beistand  wandle, 
dass  aber  Demetrios  von  dem  Abgange  der  Gesandtschaft  erfulir 
und  nun  mit  verdoppelter  Kraft  und  Eile  handelte^  um  der  läsligeo 
und  vielleicht  gefährlichen  römischen  Einmischung  durch  eioeo 
raschen  Erfolg  zuvorzukommen,  was  ihm  denn  auch  gekng. 

Die  ägyptischen   Feldzüge  des   Antiochos   Epiphaoes. 

Wann  und  wie  oft  Antiochos  Epiphanes  nach  Aegypten  zog, 
ist  immer  noch  streitig.  Man  hat  drei,  ja  vier  verschiedene  Feld- 
züge ausgerechnet,')  nicht  auf  Grund  bestimmter  Zeugnisse,  soodem 
durch  Combination  abweichender  Nachrichten,  wobei  natürlich  die 
Makkabäerbücher  eine  wichtige  Rolle  gespielt  haben.  In  Wahrheit 
jedoch  hat  es  nur  zwei  Feldzüge  gegeben;  als  classischer  Zeuge 
dafür  kann  der  Prophet  Daniel  gellen,  der  Zeitgenosse,^)  und  das- 
selbe ergiebt  sich  aus  den  Resten  der  polybischen  Erzählung  mit 
den  Ergänzungen  aus  den  Excerpten  Diodors.    Durch  die  VerkettUDg 


1)  Ewald  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV^  420. 

2)  2.  Makk.  15,  37.    1.  Makk.  7,  49.  9,  3.   Wellhausen   Israelitische  Ge- 
schichte 3.  Aufl.  2GI  Anm. 

3)  WernsdorfT  a.  a.  0.  S.  910*.  zahlt  vier,  Clinton  fasH  HeU,  ID  3l8f. 
und  U.  Wilcken  in  Pauly-Wissowas  Realencyclop.  I  2,  2472  f.  drei. 

4)  Daniel  11,  25  f.    Wellhausen  a.  a.  0.  246. 


DIE  BEIDEN  UAKKABÄERBOCHER  503 

dem  gleichzeiligeD  dritten  makedonischen  Kriege  wird  die  Chro- 
ogie  der  polybiscben  Excerpte  in  dieser  Hinsicht  vollkommen 
ichert 

Ueber  den  zweiten  Feldzug  besteht  kein  Zweifel  und  konnte 
Der  bestehen  ;  es  ist  sicher,  dass  er  dem  letzten  Jahre  des  make- 
liscben  Krieges  parallel  lief,  und  kurze  Zeit  nach  der  Schlacht 

Pydna  (22.  Juni  168  ?.  Chr.)  durch  die  berühmte  Botschaft 
I  C.  Popilius  zu  Ende  ging.  Ebenso  sicher  ist  aber,  dass  der 
te  Krieg  nicht,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,')  im  Jahre  170, 
kdern  169  t.  Chr.  sich  ereignete.*) 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  der  Krieg  von  Aegypten  angefangen 
fde,  wo  man  die  Rückgabe  Colesyriens  forderte  und  diese  Forde- 
)g  mit  den  Waffen  erzwingen  wollte.  Ehe  man  in  den  Krieg 
lg,  vollzog  man  die  Mündigkeitserklärung,  die  Anakleterien,  des 
)lemaos  Philomelor.  Diese  Feier  muss  170  v.  Chr.  stattgefunden 
l>eo;  denn  eine  achäische  Gratulationsgesandtschaft  aus  diesem 
lass  ging  im  Frühsommer  169  v.  Chr.  nach  Aegypten  ab.")    Auch 

kurz  zuvor  in  Rom  anlangende  ägyptische  Gesandtschaft,  die 
1  Auftrag  hatte,  die  Freundschaft  mit  Rom  zu  erneuern,  erfolgte 
hrsclieinlich  bald  nach  den  Anakleterien.^) 

Als  die  ägyptischen  Rüstungen  drohend  wurden,  beschwerte 
b  Antiochos  in  Rom.  Zur  Zeit,  wo  seine  Gesandten  in  Rom 
trafen,  hatte  mittlerweile  der  Krieg  schon  angefangen.    Der  Senat 


1)  So  auch  Schörer  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu 
'.  1*  152.   Wellhausen  a.  a.  0.  247. 

2)  Richtig  hat  dies  J.  G.  Droysen  gesehen  (kl.  Sehr.  II  409),  ebenso 
f.  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akad.  philosopb.  philol.  hist.  Gl. 
)5  S.  247. 

3)  Polyb.  XXVIII  12,  8.  Wenn,  wie  man  glaubt,  die  2.  Makk.  4,  21  ge- 
mten  7r^<uT0»AiJ<r«a  mit  den  Anakleterien  identisch  sind,  so  bestimmt  sich 
mach  auch  die  Zeit  der  dort  erzählten  Ereignisse,  die  demgemäss  später 
d,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Der  Tod  des  Onias  u.  s.  w.  würde  dann 
den  Winter  169/8  t.  Ghr.  fallen.  Doch  dies  erfordert  eine  besondere  Unter- 
iliDDg.  U.  Wilcken  (in  Droysens  kl.  Schriften  II  440)  will  nach  Schweig- 
iser  (Polyb.  vol.  VIII  1,  428)  bei  Polybios  die  Anakleterien  des  Ptolemfios 
yskon  erkennen.  Allein  Polybios  unterscheidet  nach  Physkons  Erbebung 
ts  sorgfältig  zwischen  dem  älteren  und  jüngeren  Ptolemäos.  Da  er  nun 
r  nur  von  König  Ptolemäos  spricht  {neçl  rov  ßattiXeas  Uxolêfiaiov  nçoa^ 
révTos  ToU  W^ttAOtc))  so  kann  nur  Philomelor  gemeint  sein  und  es  damals 
'  einen  König  des  Namens  gegeben  haben. 

4)  Polyb.  XXVIII  1,  7. 


504  B.  NIESE 

aotworlete  ihm,  er  werde  den  Q.  Marcius  beauftragea  darOber  nach 
pOichtmaBsigem  Ermessen  an  Ptolemttos  2u  adireibeo.')  Q.  Maro« 
war  Consul  von  169  v.  Chr.  und  damals  ohne  Zweifel  schoa  lui 
Kriege  nach  Makedonien  abgegangen;  also  ftUt  die  Getaadisdufl 
und  der  Beginn  des  Krieges  in  dieses  Jahr.  Dazu  stimmt,  te 
einige  Zeil  spüier  Q.  Marcius  in  Makedonien  schon  Ton  deo  Er- 
folgen des  Antiochos  wuaste.*) 

Eine  Bestätigung  ergiebt  die  Regierungsieit  des  Ptoiemios 
Ph^fskon,  der  bekanntlich  in  Alexandrien  zum  König  ausgerofai 
ward,  als  Antiochos  in  Aegypten  stand  und  den  Philometor  fo 
Frieden  und  BOndniss  genOthigl  hatte.  Physkons  1.  Regieniop^ 
jähr  ist  gleich  dem  12.  Philometors,  das  vom  5.  October  170  kii 
sum  3.  October  169  lief);  er  ist  demoach  in  diesem  Jahre,  abo 
vor  dem  4.  October  169  KOnig  geworden. 

Das  sind  klare,  unanfechtbare  Zeugnisse,  die  allein  muar 
gebend  sind;  die  entgegenstehenden  Berichte  jüngerer,  mindtf- 
werthiger  Quellen  müssen  dagegen  zurückstehen.  So  lässt  P(n^ 
phyrios^  den  zweiten  Feldzug  zwei  Jahre  nach  dem  ersten  stattfiadei. 
Dies  ist  ein  Irrthum,  der  wahrscheinlich  durch  ein  Missverstaodaisi 
herbeigeführt  worden  ist;  Porphyrios  hat  die  zwei  Jahre,  die  Dich 
dem  1.  Makkabäerbuch  und  Josephus,  die  er  beide  benutzt,  zwiscbea 
den  beiden  Eroberungen  Jerusalems  liegen,  auf  die  agyptischeo 
Feldzüge  übertragen,  was  in  diesem  Falle  ja  sehr  nahe  lag. 

Irreführend  hat  dann  besonders  Livius  gewirkt^  der  den  ä^ 
tisch -syrischen  Streit  nicht  im  Zusammenhange  erzählt,  sondera 
nur  gelegentlich  kurz  und  üüchtig  erwähnt,  und  zwar  zuerst  unter 
171  V.  Chr.,^)  woraus  man  geschlossen  hat,  dass  damals  oder  biM 
nachher  der  Krieg  begann.  Jedoch  giebt  der  Historiker  ao  jener 
Stelle  nur  einen  kurzen  Ueberblick  ohne  jeden  chronologiscben 
Werlh,  er  nimmt  die  späteren  Enûgnisse,  die  er  nicht  enSUea 
will,  in  kurzer  Zusammenfassung  vorweg,  und  zwar  bei  Geiegeobeit 
der  sladlrümischen  Vorgänge,  deren  Bericht' sich  auch  in  dieser 
Zeit   durch   grobe   Unzuvei  lässigkeil  auszeichnet.     Ich  würde  aus 


1)  Folyb.  XXVII  19.  XXVIll  1.     Diodor  XXX  2. 

2)  Polyb.  XXVIll  17,  5. 

3)  Eusebius  cliron.  I  101. 

4)  Bei  Hieronymus  in  Danfei.  11,  2S  vol.  Ill  p.  1129. 
h)  Liv.  XLII  29,  5. 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBÜCIIER  505 

dieser  Stelle  nicht  oionial  das  zu  entoehmen  wagen ,  dass  im  ge- 
dachten Jabre  die  Sireitfrage  in  Fluss  gekommen  wäre.') 
f  Im  1.  Hakkabäerbüch  wird  die  ROckkehr  des  Antiocbos  aus 

Aegypten  ins  Jahr  143  Sei.  gesetzt,  das  vom  Herbste  170  his  zum 
Herbste  169  v.  Chr.  lief,  also  den  ganzen  Sommer  169  v.  Chr.  noch 
omfaMte.  Dies  ist  das  richtige,  mit  Polybios  vollkommen  überein- 
stionnende  Datam  des  ersten  Zuges.  Die  erste  Heimsuchung  der 
Juden  wird  also  nach  dem  1.  Hakkabäerbuche  169  v.  Chr.  zu  setzen 
seil.  Die  zweite,  die  Entweihung  des  Tempels  geschah  nach  dem- 
«dben  Berichte,  zwei  Jahre  darnach  im  Jabre  143  Sei.  und  zwar 
in  Monat  Kislev,  d.  h.  168  v.  Chr.  im  December.  Die  zweite 
Heimsuchung  kann  also  nicht  zwei  volle  Jahre,  wie  das  1.  Makka- 
Iderbuch  sagt,  sondern  nur  ein  Jahr  und  einige  Monate  nach  der 
ersten  stattgefunden  haben.  Die  zwei  Jabre  sind  nur  chrooo- 
^phisch  nach  der  Jahresziffer  gemessen. 

Das  1.  Hakbabäerbuch  knüpft  also,  ohne  es  jedoch  ausdrücklich 
ai  tagen,  die  erste  Plünderung  Jerusalems  an  den  ersten  igyp* 
4iKben  Feldzug  des  Antiochos  an  ;  ebenso  bestimmt  sagt  nun  aber 
éa  zweite,  dass  sie  erst  bei  Gelegenheit  des  zweiten,  also  168  v.  Chr. 
leiehehen  sei,*)  und  berechnet  zugleich  die  folgenden  Ereignisse 
^ers.    Das  1.  Makkabflerbuch  giebt  folgende  Jahreszahlen: 
143  Sei.  ->  170/69  v.  Chr.  Rückkehr  aus  Aegypten.  1.  Plünderung. 
145  — '  168/7  Entweihung  des  Tempels  am  25.  Kislev. 
J46—  167/6  Tod  des  Mattathias. 
148— >  165/4  Tempelweihe  am   25.  Kislev.     Drei  Jahre  nach  der 

Verunreinigung. 
Im  2.  Makkabäerbuche  geschieht  die  erste  Plünderung  der  heiligen 
Stadt  nach  dem  zweiten  ägyptischen  Feldzuge  168  v.  Chr.,  nicht 
lange  darnach  fier'  ov  noXvv  xqovov  die  zweite  Heimsuchung  und 
Citweibung  .des  Tempels  am  25.  Kislev,  und  zwei  Jahre  spater  an 
denselben  Tage  die  Reinigung  durch  Judas.*)  Da  nun  nach  dem 
•3.  Habkabfierbocbe  die  Reinigung  ohne  Zweifel  wie  im  ersten  in 


1)  Die  t>eideo  anderen  Stellen  des  Li  vins,  die  sich  auf  den  ägyptischen 
^eg  beziehen,  XLIV  19,  6  ff.  XLV  11,  8,  beide  aus  168  v.  Chr.,  weichen  von 
^^r  polybischen  Zeitrechnung  nicht  ab,  haben  also  für  die  vorliegende  Frage 
^^ine  Bedeotung.  Aber  auch  diese  Nachrichten  müssen  unter  schärfste  Gon- 
^'^lle  gestellt  werden. 

2)  2.  Makk.5, 1  vi^r  SêvriQav  èfo8ov  6  lévrioxos  êtç  AXyvytxov  iarêiXajo, 

3)  1.  Makk.  1,  20.  29.  59.  4,  52.    2.  Makk.  5,  1.  11  f.  10,  3  ff. 


506  B.  NIESE 

den  December  165  ▼.  Chr.  fSlllt,   so  muss  die  EDtweihuDg  m  ; 
Jahre  vorher,  December  167  v.  Chr.  fallen.    Auch  diese  RechnaDg 
ist  an  sich  tadellos;  indem  Plünderung  und  Entweihung  des  Tempels 
ein  Jahr  später  gesetzt  werden,  ist  zugleich  die  Dauer  der  EntweihoDg 
um  ein  Jahr  kOrzer. 

Eine  Vereinigung  der  beiden  Ueberlieferungen ,  die  jede  ii 
sich  80  wohl  zusammenhangt,  wie  man  sie  ?on  apologetischer  Sdte 
versucht  hat,  ist  natOrlich  unmöglich.  Zugleich  ist  aber  ebeiM 
schwer  zu  sagen,  welche  von  beiden  besser  ist.  Immer  wird  aber 
von  vorne  herein  die  des  2.  Makkabäerbuchs  fOr  die  ursprOnglicbere 
zu  halten  sein,  und  vielleicht  wird  sie  unterstützt  durch  Josephu, 
der  zwar  ganz  dem  1.  Makkabäerbuche  folgt,  aber  nur  der  zweites 
Plünderung  ein  griechisches  Datum  beigesetzt  hat,  Olymp.  153 Ji 
das  Jahr,  wo  Antiochos  zum  zweiten  Mal  aus  Aegyplen  zorOck- 
kehrte.^  Dies  Jahr  stammt  aus  den  griechischen  Cbronographiei, 
die,  wie  wir  auch  sonst  wissen,  von  der  Plünderung  des  Tenpds 
durch  Antiochos  erzahlten.')  Da  nun  nur  eine  Plünderung  dordi 
Antiochos  stattgefunden  hat,*)  so  scheint  es,  dass  die  profane  lieber- 
lieferung,  vor  allem  Polybios,  diese  an  den  zweiten  agyptiscbei 
Feldzug  anknüpfte,  also  mit  dem  2.  Hakkabaerbuch  ttbereinstimote. 

Auch  lässt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  erklären,  wie 
die  abweichende  Rechnung  des  1.  Makkabaerbuches  entstanden  isU 
Die  oben  S.  458  schon  erwähnte  Einführung  des  Mattatbias  b»t 
bewirkt,  dass  für  diesen  ein  Jahr  in  die  Geschichte  eingelegt  warA. 
wodurch  dann  weiter  geschah,  dass  die  Plünderung  des  Tempeln 
von  dem  zweiten  auf  den  ersten  ägyptischen  Feldzug  zurückweichet 
musste. 

Quellen  und  Chronologie  des  1.  Makkabaerbuches. 

Schlatter  hat  bekanntlich  vermuthet,  dass  dem  1.  Makkabäe^ 
buch   in   ganzer   Ausdehnung  das  Werk  lasons  zu  Grunde  ü 
Dabei   wird    ein   lason   vorausgesetzt,   der  gar   nicht  existirt 


1)  Josephus  Antiq,  XII  248.     Auch   Polybios   hat  das  Ereigniss  oi»'« 
Olymp.  153,  1  erzählt. 

2)  Josephus  cont,  Ap.  II  84,  vgl.  in  dies.  Ztschr.  XXVIÜ  222  ff. 

3)  Die  zweite  Eroberung  Jerusalems  war  keine  Plünderung  des  Temp«^ 
sondern  beabsichtigte  die  Unterdrückung  des  Judenthunos  und  wurde  nicht  f^B 
Antiochos  selbst,  sondern  von  seinen  Beamten  vorgenommen.    Hierin  sliœD**' 
die  beiden  Makkabäerbücher  völlig  überein. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  507 

leoD  nach  dem  einzig  Torliegenden  Zeugoiss  hat  lasoo  nur  die 
jcschichte  des  Judas  Makkabaos  bebandelt.  Ausserdem  wird  dabei 
1er  Unterschied  nicht  beachtet,  der  zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Salfle  des  1.  Makkabaerbuches  besteht.  Wenn  also  auch  die  Schlatter- 
tche  Vermuthung  zu  verwerfen  ist,  so  liegt  ihr  doch  ein  guter 
ßedanke  zu  Grunde.  Dass  nämlich  fOr  den  ersten  Theil  c  1 — 7, 
lasoD  dem  1 .  Makkabäerbuch  den  historischen  Stoff  geliefert  habe, 
ist  bei  den  zahlreichen  Berührungen  mit  dem  2.  Makkabäerbuch 
recht  wahrscheinlich,  wobei  dann  zugleich  zu  sagen  ist,  dass  jenes 
mit  dem  Stoff  sehr  frei  und  gemäss  seinen  besonderen  Tendenzen 
umgegangen  ist. 

Für  den  zweiten  Theil  c.  8 — 15  fehlt  es  für  die  Quellenkritik 
)D  jeder  bestimmten  Handhabe.  Ich  habe  schon  bemerkt,  dass 
lie  Erzählung  viel  kürzer  ist  und  dass  in  ihr  die  syrischen  An- 
gelegenheiten einen  verhältnissmässig  breiten  Raum  einnehmen, 
ivahrend  das  jüdische  Volk  in  den  Nachrichten  stark  zurücktritt; 
Dur  die  Fürsten,  die  Hasmonäer,  ziehen  das  Interesse  auf  sich. 
Schwerlich  konnte  also  eine  Specialgeschichte  Yon  der  Art  lasons, 
{esetzt  es  hätte  eine  solche  gegeben,  die  Quelle  sein.  Die  Dar- 
itelluDg  ist  vielmehr  so  beschaffen,  dass  vieles  oder  das  meiste 
"^ht  wohl  aus  einer  Geschichte  der  syrischen  Könige  abgeleitet 
cio  könnte,  wenn  wir  uns  diese  auch  nur  leidlich  ausführlich 
enken. 

Bei  der  Erörterung  dieser  Frage  dürfen  wir  nicht  an  den 
U'onologischen  Daten  vorübergehen,  die  eine  so  hervorstechende 
genthümlichkeit  des  1.  Hakkabäerbuches  bilden.  Um  sie  richtig 
Würdigen,  wird  es  von  Nutzen  sein,  sie  hier  zusammenzustellen, 
^bei  ich  dann  hoffe,  dass  mir  keines  entgangen  ist.  Diese  Daten 
'<)  alle  in  Jahren  der  seleukidischen  Aera  gegeben,  die  im  Herbste 

2  V.  Chr.  begann;  es  sind  also  Jahre,  die  von  Herbst  zu  Herbst 
tren. 

"7  Antiochos  Epiphanes  kommt  zur  Regierung  (1,  10). 

3  Auf  der  Rückkehr  von  Aegypten  nimmt  er  Jerusalem  (1,  20). 
Zwei  Jahre  später  (1,  29)  im  Jahre 

^5  im  Monat  Kislev  (December)  Entweihung  des  Tempels  (1,  59). 

16  Tod  des  Mattathias  (2,  70). 

17  Antiochos  geht  über  den  Euphrat  (3,  37). 

Im  folgenden  Jahre  1.  Feldzug  des  Lysias  (4,  28). 
48  Am   25.  Kislev  Reinigung  des  Tempels  durch  Judas  (4,  52). 


508  B.  NIESE 

149  Tod  des  Aotiochos  IV.  (6,  16). 

150  2.  Zug  des  Lysias  und  Eupators.   Friede  mit  deo  Jaden  (6, 

151  Demetrios  1.  kommt  auf  den  Thron  (7, 1). 

152  Im   1.  Monat  neuer  Angrifl  der  syrischen  FeMberren  auf       ^iie 
Juden  (Tod  des  Judas)  9,  3. 

153  Im  2.  Monat  Tod  des  Hohenpriesters  Alkimos  (9,  54). 
160  Auftreten  des  Alexander  Balas  (10,  1). 

160  Am  LaubhQttenfest  wird  Jonathan  Hoherpriester  (10,21). 

162  Vermahlung  Alexanders  mit  Kleopatra  (10,  57). 

165  Demetrios  II.  kommt  nach  Syrien  (10,  67). 

167  Tod  Alexanders,  Demetrios  wird  König  (11,  19). 

170  Befreiung  der  Juden,  Beginn  Simons  (13,  41). 

171  Am  23.  des  2.  Monates  Einzug  in  die  Akra  (13,  51). 

172  Demetrios  IL  zieht  nach  Medien,  wird  gefangen  (14, 1). 

172  Am   18.   Eiul  (3.  Jahr  Simons)  Ehrendecret  der  Jaden  für 

Simon  (14,  27). 
174  Anliochos  Sidetes  kommt  nach  Syrien  (15,  10). 
Die  Daten  gehen  besonders  in  der  zweiten  Hilfte  des  Buches  Olier^ 
wiegend  auf  die  syrische  Konigsgeschicbte,  es  sind  durchweg  di^ 
Anfangs-  und  Endjahre  der  Könige  und  als  solche  ofifenbar  ehrooo-^ 
graphisch   zu  verstehen,  z.  B.  das  Auftreten  des  Demetrios  I.  be^ 
deutet  sein  erstes  Regierungsjahr,  ganz  entsprechend  dem,  welcfae^^ 
ihm   in  der  echten  Liste  des  Eusebios  beigelegt  wird.     Es  scheiiC-- 
mir  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  Schriftsteller  hier  dDCs== 
€hronik  der  Seleukiden,  eine  Art  Chronographie  benutzt  hat  Eigest— 
lieh  jüdisch  ist  ausser  den  Daten  Simons  nur  der  Tod  des  AlkioM;^^ 
der    Anfang  Jonathans    dagegen    fallt    einfach    mit    dem   Aoliniiu-  *" 
Alexanders  zusammen;  das  erste  Jahr  des  einen  gilt  auch  fftr  deo^^ 
anderen. 

Auch   im   ersten  Theile   des  Buches  liefert  die  scleukidiidi«^*^ 
Geschichte  die  wichtigsten  Daten,  da  jedoch  schon  lason  too  Kj^^ 
rene  nacii  Ausweis  des  2.  Makkabäerbuches  einzelne  Ereignisse  ier^ 
jüdischen    Geschichte   seleukidisch   datirt   hat/)  so   kann   auch  er* 
benutzt   sein,   ich    vermuthe   z.  B. ,   dass   das  wichtige  Dalun  der 
TeoipelreiniguDg   ans   ihm    stammt.     Dabei   hat  der  Verfasser  if^ 
1.  Makkabäerbuches  mil  der  Aenderung  des  Zusammenhanges  aodi 
einzelne  Zeitbestimmungen    geändert.    Wie  schon  bemerkt,  wurde 

1)  2.  Makk.  13,  1.   14,  4. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  509 

r  Tod  des  Antiochos  in  das  Aûfangsjahr  seines  Nachfolgers  ver- 
:t ,  und  an  Stelle  des  zweiten  ägyptischen  Feldzuges  trat  der 
(t€.')  Für  derartige  Verschiebungen  bot  ja  die  Chronographie 
I     ganz  bequemes  Hülfsmittel  dar. 

Tod  des  Onias. 

2.  Makk.  4,  27  ff.  wird  erzählt,  wie  der  Hohepriester  Menelaos, 
*  in  Gefahr  stand  sein  Amt  wieder  zu  ?erlieren,  und  auch  durch 
t  Anklage  seines  Nebenbuhlers  und  Vorgängers  Onias  bedroht 
1*,  sich  desselben  zu  entledigen  Tcrsuchte^  In  Abwesenheit  des 
>nigs  gewann  er  den  Andronikos,  seinen  Stellvertreter,  durch 
schenke.  Onias,  der  die  drohende  Gefahr  merkte,  hatte  beim  Heilig- 
em in  Daphne  ein  Asyl  gesucht,  wurde  aber  von  Andronikos 
rch  feierliche  Zusicherungen  bewogen,  herauszukommen  und 
srauf  umgebracht.  Es  herrschte  darüber  allgemeine  Entrüstung 
^ntiochien;  Antiochos,  der  bald  darauf  zurückkam,  theilte  sie, 
klagte  den  Tod  des  Onias  und  liess  den  Andronikos  an  derselben 
eile  hinrichten,  wo  dieser  den  Onias  hatte  todten  lassen. 

Schon  Wernsdorff  (S.  90)  hat  diese  Erzählung  bezweifelt.  Er 
\t  es  vor  allem  für  unglaublich,  dass  ein  Jude  das  Asyl  des  beid- 
rehen Tempels  in  Daphne  sollte  aufgesucht  haben.  Aber  dieser 
und  ist  nicht  zutreffend;  denn  wir  befinden  uns  noch  in  einer 
it,  wo  der  Kampf  gegen  die  jüdische  Religion  noch  nicht  ent- 
anDt  war.  Ueberdies  befand  sich  Onias  in  einer  Nothlage;  er 
l^lte  sein  Leben  bedroht  und  begab  sich  desshalb  an  einen  Ort, 
ssen  Heiligkeit  allgemein  respectirt  war.  Dies  konnte  ein  Jude 
c^hl  wohl  thun. 

Andere  Zweifel  äussern  Willrich  und  Wellhausen.^)  Nach  ihrer 
^inung  ist  dieser  Onias  derselbe,  dessen  Flucht  nach  Aegypten 
'%ephus  berichtet  und  im  Bellum  ludaicum  gleichzeitig  mit  der 
Onderung  Jerusalems  setzt*);  er  kann  also  nicht  wohl  schon 
^rher  in  Antiochien  hingerichtet  worden  sein.  Es  wird  darauf 
^gewiesen,  dass  nach  anderen  Berichten  Andronikos  desshalb  hin* 
^richtet  ward,  weil  er  den  jungen  Seleukos,  den  Neffen  des  Ad- 


1)  Oben  S.  502  ff. 

2)  Willrich  Joden  ond  Griechen  86  ff.  120  fL  Wellhaosen  Gott.  Gel.  Adz. 
.895  S.  951  r.  Israelitische  und  jüdische  Geschichte  3.  Aafl.  243  ff. 

3)  Josephus  belL  lud.  1  31.  33. 

Hennés  XXXV.  33 


519  S.  NIESE 

tiochos,  beseitigte*);  diese  EriäUung  erittaert  in  einigeo  P«DkU^^ 
•Urk  »D  die  unsere,  wodurch  dann  der  Verdacht  entstuden  h^^ 
der  Tod  des  Onias  sei  nach  diesem  Muster  erfu»deo.  In  YiAA^^ 
jedoch  wird  durch  diesen  Vergleich  nicht  der  Tod  des  Obiss,  sosder^r~ 
des  Andronikos  betroffen;  sehr  wohl  kann  lason  um  seiner  &-«£ 
schichte  mehr  Interesse  lu  geben,  den  Tod  des  Onias  willkOhrli<^^i 
damit  in  Verbindung  gebracht  haben. 

Im   übrigen   bietet  seine  Erzählung   zu  Zweifeln  keinen  s^e- 
grQndeten  Anlass.   Wir   lernen   daraus,  dass  Onias  in  Antiochieo 
lebte;  er  war  also   nach  seiner  Absetzung  dorthin   berufen,  uov 
seinem  Nachfolger  in  Judäa  nicht  beschwerlich  zu  fallen  und  ooter 
den  Augen  des  Hofes  zu  leben,  was  eine  begreifliche  und  viel  ge- 
(fl)te  Regierungspraxis  ist.    Er  konnte  bei  passender  Gelegenheit 
leicht  wieder  ins  Amt  kommen,  war  also  fOr  Menelaos  ein  lastiger 
Nebenbuhler,    dessen   Beseitigung  erwünscht  war.    Wie  das  aos- 
gefahrl  ward ,  erzählte  lason,  wie  er  es  liebte,  mit  aller  IRhetorik. 
Dass  z.  B.  Andronikos  an  derselben  Stelle  den  Tod  erleidet,  wo 
er  den  Onias  hat  hinrichten  lassen,  ist  ein  bekannter  Effekt;  lach 
scheint  die  Geschichte  vom  Tode  des  jungen  Seleukos  verarbeitet 
zu  sein.    Aber  dies  alles  berechtigt  nicht,  die  Thatsache  selbst  ta 
leugnen.    Ich   erinnere   an   die  Erzählung  von   den  letzten  Tagen 
des  Epiphanes.    Auch  in  ihr  blüht  die  üppigste  Rhetorik  und  sind 
einzelne  Züge  aus  anderen  Geschichten  entlehnt,*)  gleichwohl  bleibt 
es  wahr,  dass  Antiochos  im  fernen  Osten  zu  Grunde  gegangen  ist 
So  werden  wir  auch  hier  die  Hinrichtung  des  Onias  auf  Betreiben 
des  Menelaos  in  Anliochien  als  Thatsache  hinzunehmen  haben. 

Der  Schluss  des  1.  Makkabäerbuciies. 
J.  V.  Destinon  hat  vermuthet,  dass  der  letzte  Therl  des  1.  Hakka- 
f)äerbuches,  von  c.  t4,  16  an,  eine  nachträgliche  Ergänsong  sei, 
und  das  Buch  ursprünglich  mit  der  Befreiung  des  Volkes  durdi 
Simon  geschlossen  habe,  und  andere  Gelehrte  hafben  sidi  ihm 
angeschlossen.')   Der  Grund  zu  dieser  Vermuthung  ist  die  Thatsadie, 

1)  Diodor  XXX  7,  2.  Joh.  Anlioch.  fr.  58  {Frgm.  hùt.  Gr.  IV  558).   Ewild 
Geschichte  des  Volkes  Israel  IV^  384. 

2)  Oben  S.  497. 

3)  Destinon  Die  Quellen  des  Josephus  S.  80  ff.  Wellbanseo  Israelitische 
Geschichte  3.  Aufl.  26S.  Schon  vorher  hat  Ewald  Geachicbte  des  Volkes  Israel 
IV^  436  A.  1  nach  Whiston  ähnliches  angedeutet.  Vgl.  auch  Hugo  WUlrich 
Juden  und  Griechen  S.  69  ff. 


DIE  BEIDEN  MAKKABâERBOCHER  511 

^^^st  JMqphtts  in  der  Archäologie,  wo  er  fais  dabio  das  1.  Makkabäer- 
^^^«h  so  fetreuUch  beoutzt  hat,  Dunmefar  diese  QoeHe  urplötzlich 
^^^"Wlisst.  Dies  kaoD  oach  DesüooD  nur  deo  Grood  habeo,  dass  die 
'^^aeile  aufborte  zu  fliessen,  d.  b.  Josephus  benutzte  das  1.  Makka- 
lerbucb  ohne  den  jetzigen  Scbluss,  deo  erst  ein  spälerer  hinzu- 
tfêgi  hatte,  um  den  Anschluss  an  die  zu  Ende  des  Buches  ge- 
^^^BDten  Annalen  Hyrkans  herzustellen. 

Dazu   komneo   andere  Erscheinungen,  die  den  Gedanken  an 

^%^«ien  Interpolator  nahe  legen,  z.  B.  ein  gewisser  Widerspruch  des 

^€^koD  erwähnten  Ehrendecrets  für  Simon  mit  der  umgebenden  Er- 

Uihlang,')  besonders  die  Nachricht,  dass  Demetrios  IL  den  Simon 

^«im  Hobeapriest«r  gemacht  habe,  weil  er  vernahm,  dass  die  Römer 

û«n   Juden    ihre  Freundschaft   gewährten   und   die  jodischen   Ge- 

«anfUen  Simons    mit   allen   Ehren  aufgenommen  hätten.')     Denn 

Numenios,  der  Gesandte  Simons,  wird  zwar  vor  dem  Décret  von 

172  Sei.  nach  Rom  abgesandt,  kommt  aber  erst  um  das  Jahr  174, 

d.  h.   zwei  Jahre   später  zurück  *);  da  also  das  Böndniss  mit  Rom 

erst  damals  perfect  gewesen  sei,  so  habe  es  im  Ebrendecret  nicht 

erwähnt  werden  können. 

Diese  Discrepanz  betritt,  wie  man  siebt,  eigentlich  nur  die 
Urkunde  und  kann  als  Argument  gegen  deren  Echtheit  benutzt 
werden,  beweist  aber  nicht,  dass  der  ganze  Schluss  später  hinzu- 
gefOgt  sei.  Ausserdem  lässt  sich  sagen,  daas  Demetrios  von  der 
guten  Aufnahme  der  jüdischen  Gesandten  in  Rom  auch  schon  vor 
der  Rückkehr  derselben,  die  ja  ungewöhnlich  spät  erfolgte,  gehört 
haben  könnte.  Aber  ich  will  davon  absehen;  denn  ich  glaube, 
dass  der  betreffende  Satz  des  Décrets  auf  den  c.  14,  18  erwähnten 
Abschluss  der  römischen  Freundschaft  gehen  soll,  und  kann  einen 
erheblichen  Widerspruch  nicht  finden. 

Sehr  gewichtig  sind  die  Gronde,  die  gegen  Destinons  Annahme 
sprechen;  vor  allem  ist  es  die  Gleichartigkeit  der  Erzählung,  die 
in  derselben  Weise,  wie  die  frühere,  mit  allerlei  Urkunden  und 
Jahreszahlen  versehen  ist,  und  die  völlige  Uebereinstimmung  der 
Scihlusscapitel  in  Sprache  und  Tendenz  mit  dem  frdheren  Theile 
des  Buches.  Die  Verherrlichung  Simons  und  seiner  Söhne,  die 
im  Ehrendecrei  ihren  Höhepunkt  erreicht,  durchzieht,   wie  oben 

1)  Vgl.  GrimiDS  Gommentar  219  ff. 

2)  1.  Makk.  14,  40. 

3)  1.  Makk.  14,  24.  15,  15. 

33* 


512  B.  NIESE 

bemerkt,  das  ganze  1.  Makkabäerbuch  ;  der  venneiDÜiche  Fortsetier 
mOsste  also  ein  Mann  genau  desselben  Geistes,  derselben  Art  ge- 
wesen sein,  wie  sein  Vorgänger,  was  höchst  unwahrscheinlich  ist. 

Das  kräftigste  Argument  Destinons  liegt  in  der  Beschaffeoheil 
des  Josephus.  Gewiss  ist  es  aufTallend ,  dass  dieser  mit  der  Re- 
gierung Simons  das  1.  Makkabäerbucb  verlässt,  aber  dieser  Dmstand 
gestattet  schwerlich  so  weit  gehende  Schlüsse.  Es  braucht  nicht 
dessbalb  geschehen  zu  sein,  weil  das  1.  Makkabäerbucb^  die  bisher 
vorwiegend  benutzte  Quelle,  zu  Ende  ging,  sondern  dessbalb,  weil 
Josephus  zu  einer  anderen,  übrigens  schon  vorher  gelegentlich  be- 
nutzten grilTy  nämlich  zu  seiner  eigenen  früheren  Darstellung  io 
der  Geschichte  des  jüdischen  Krieges.  Dieselbe  ist  anfänglich  sehr 
kurz  und  summarisch,  dagegen  mit  Simon  wird  sie  ausführlicher 
und  enthalt,  wenn  auch  in  kürzerer  Fassung,  alles  wesentliche  wt8 
man  wusste.  Es  ist  daher  kein  Wunder,  wenn  der  Historiker  tod 
dieser  Zeit  an  statt  des  1.  Makkabäerbuches  sein  eigenes  Werk  lu 
Grunde  legt,  wobei  er  aber  jenes  nicht  ganz  vergass.  Denn  es 
ist  nach  meiner  Meinung  ein  Irrthum,  wenn  man  meint,  dass  er 
die  letzten  Capitel  des  1.  Makkabäerbuches  gar  nicht  benutzt  hibe. 
Die  Nachricht  vom  Bündniss  Simons  mit  den  Römern,  die  sich  im 
BeUum  Judaicum  nicht  ûndet,  ist  gewiss  von  dort  her  entlehnt 
worden.') 

Die  Destinonsche  Hypothese  ist  später  von  Hugo  Willrich^ 
dahin  erweitert  worden,  dass  der  ganze  zweite  Theil  des  1.  Makka- 
bäerbuches uns  in  interpolirter  Gestalt  vorliege  und  dass  vor  allem 
die  zahlreichen  Urkunden  theils  durch  den  Uebersetzer  interpolirtf 
theils  nach  späteren  Mustern  in  herodischer  Zeit  eingefügt  worden 
seien.  Dieser  Vermuthung  fehlt  es  an  jeglicher  Begründung;  Will- 
rich  begnügt  sich  damit  auszuführen,  aus  welchen  Quellen  ein 
solcher  Bearbeiter  die  Urkunden  vielleicht  hätte  nehmen  können'); 
die  Hauptsache,   der  Beweis  der  Interpolation   fehlt   gänzlich  und 

1)  Josephus  Ant  XIII  227.    1.  Makk.  14,  24.  15,  15. 

2)  Juden  und  Griechen  S.  69  ff. 

3)  Willrich  glaubt  (S.  72),  dass  es  eine  Sammlung  von  jüdischen  Ür* 
künden  gab,  aus  der  Josephus  die  seinigen  entnahm.  Aus  dieser  Sammlangt 
vermulhet  er,  sei  das  Verzeichniss  der  Städte  1.  Makk.  15,  23  geflossen;  deoo 
diese  Städte  finden  sich  z.  Th.  in  den  Urkunden  bei  Josephus,  z,  Th.  lOch 
unter  den  von  Herodes  beschenkten  Gemeinden,  und  darnach  habe  der  Fälscher 
seine  Liste  gemacht.  Die  Uebereinstimmung  ist  in  M^ahrheit  recht  unvoll- 
kommen  und  beweist  gar  nichts,  da  es  sich  um  bekannte  Orte  handelt. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  513 

DD  auch  schwerlich  geliefert  werdeo;  denn  Id  Wahrheit  bilden 
I  Urkunden,  mag  man  auch  Ober  ihre  Echtheit  denken  was  man 
II,  einen  wesentlichen  Bestandtlheil  der  Erzählung  und  können 
;ht  entbehrt  werden;  wenn  man  sie  sich  fortdenkt,  so  bleibt 
;ht  viel  übrig. 

Offenbar  ist  Willrich  hauptsächlich  desshalb  auf  seinen  Inter- 
lator  verfallen,  weil  er  den  Verfasser  des  1.  Makkabäerbuches 
'  einen  zuverlässigen,  ehrlichen  Mann  hält,  dem  man  falsche  Ur- 
nden  nicht  zutrauen  dürfe.  Er  iheilt  das  allgemeine  so  günstige 
rurtheil  für  das  1.  Makkabäerbuch,  das  sich,  wie  ich  gezeigt  zu 
[)en  glaube,  bei  eindringlicher  Betrachtung  nicht  bewährt. 

Der  Bericht  des  Josephus. 

Josephus  hat  bekanntlich  zwei  verschiedene  Erzählungen  der 
ikkabäischen  Erhebung  hinterlassen,  eine  frühere  im  Bellum  lu- 
\cum,  eine  spätere  in  den  Antiquitäten.  Ich  versuche  sie  im 
chfolgendeu  zu  charakterisiren. 

Die  Erzählung  des  Bellum  Judaicum  beginnt  I  31  mit  den 
lischen  Parteikämpfen  unter  Antiochos  Epiphanes,  mit  der  Ver- 
istung  des  Tempels  und  der  Verfolgung  der  jüdischen  Religion, 
s  als  ein  Ereigniss  zusammengefasst  wird.  Die  folgende  Ge- 
lichte von  der  Erhebung  bis  zur  Regierung  Simons  und  weiter 
im  wesentlichen  eine  Geschichte  nicht  der  Juden,  sondern  der 
smonäischen  Fürsten.  Bemerkenswerth  ist,  dass  gleich  der  erste, 
ittathias,  als  richtiger  Herrscher  erscheint,  der  die  fremden  Be- 
inger vertreibt,  das  Fürstenthum  erlangt  und  bei  seinem  Tode 
m  ältesten  Sohne  Judas  hinterlässt.*)  Wirksamkeit  und  Erfolge 
9  Hattathias  werden  offenbar  stark  übertrieben;  ich  sehe  natürlich 
ron  ab^  dass  seine  Existenz  etwas  zweifelhaft  ist,  aber  aus  dem 
Makkabäerbuche  geht  doch  zur  Genüge  hervor,  dass  ihm  weder 
i  Vertreibung  der  Makedonier  noch  eine  eigentliche  Herrschaft 
igelegt  werden  kann. 

Weit  ausführlicher  ist  die  Darstellung  der  Archäologie  XII 
7  ff.  Hier  ist  von  §  240  ab  das  1.  Makkabäerbuch  ausgiebig 
nutzt,   oder  vielmehr   zu  Grunde  gelegt  worden,   wie  allgemein 


1)  UaçeX&wv  de  ano  jrjs  avnQoyias  êU  dwaaxeiav  nal  8tà  irjp  ânttX' 
taßvjaTtp  Tcjv  naî8cav  xaraXéTttov  rr^r  aQXTi^  I  §  37. 


514  B.  MESE 

aoerkaoût  wird.  Weniger  beachtet  ist,  dass  Josephus  tugleich  seioc 
frühere  Erzähluog  hioeiogewirkt  hat.  Aufs  dentlichste  erkennt  man 
es  §  270.  Hier  wird  berichtet,  wie  Hatlathias  und  seme  nsit  Opfer* 
messern  bewaffnelen  Sohne  herbeieilen  und  den  abtrSnnigen  Juden, 
der  nach  dem  königlichen  Befehl  heidnisch  opfert,  erschlagen. 
Jedoch  an  der  entsprechenden  Stelle  des  1.  Makkabaerbucbes  ist 
weder  von  den  Söhnen  noch  von  Opfermessern  die  Rede;  beides 
findet  sich  an  der  parallelen  Stelle  des  jüdischen  Krieges  und  ist 
ohne  Zweifel  von  da  geholt*) 

Aehnlich   erklärt  sich  eine  zweite   Erscheinung.     Nach  dem^ 

1.  Makkabäerbuche  zerfällt  die  Judenverfolgung  des  Antiochos  be 

kanntlich  in  zwei  Abschnitte.')  Zuerst  wird  Jerusalem  mit  deor» 
Tempel  von  Antiochos  nach  dem  ersten  ägyptischen  Feldzuge  er — 
ubert  und  geplündert,  zwei  Jahre  später  folgt  der  zweite  Akt;  û^r 
König  schickt  seine  Beamten  und  Soldaten,  und  lässt  durch  sie  üi«s 
Stadt  verheeren,  den  Tempel  schänden  und  die  jüdisclie  Religioo 
verbieten.  Josephus  Antiq,  XU  246  ff.  unterscheidet  zwar  gleieb— 
falls  diese  beiden  Executioneu,  lässt  aber  auch  zur  zweitei  Ver- 
wüstung den  König  in  Person  erscheinen.  Vielleicht  ward  er  dabei 
von  den  griechischen  Chronographen,  von  denen  oben  die  Redics 
war,  beeinûusst,  aber  vor  allem  wird  es  auch  nach  BMum  lud,  1 
32  ff.  geändert  sein;  denn  hier,  wo  überhaupt  alles  in  einen  Ai^t 
zusammengedrängt  wird,  nimmt  Antiochos  auch  die  Entweihui&S 
des  Tempels    und    die  Verfolgung  der  jüdischen   Religion   selber 


1)  Âni.  XII  270  &vfito&8ls  ô  Marra&ias  œçfitjaev  in'  avtov  fitrà  tck^ 
naidtav   è%ovt<av  xoniSaç  xal   avtév  re  ixeXvot^  SU^&ê^QUP  neà  tov  9X^^»^ 
ifiyov  10V  ßaOeXetos  jéneXXrjVf  vS  inrjvâyxal^ty^  Bu%çrjifaro  fiex*  ollymv  #t^^' 
tianœv  xai  tov  ßcofiov  xa&eXœv  àvéxQayiv  htX,    Anders  1.  Makk.  2,  2 '4' 
xai  eîSe  Majzad'iaç  xai  é^r^Xcaae  xai  irQo^rjaav  ol  vBfpqoi  avrov  »ai  àm^' 
vByxB   d'vfxov   xaro   to   x^ifia  xai   8çafi(ùv  icr^a^av  avrov  inl  tov  ßtaft^^i 
xai   rbv   âvSça   jov   ßaailetoi  lov   àvayxa^ovra   &v8$tf   anéxTBwtP  ht  ^Ç 
xatoo)  èxeivoj  xai  tov  ßoifiov  xad'sïlB  ....  xai  àviMQa^ê  xtX.    Bell,  ImL  I  S^ 
Mairad'iaç  yovr  ....  awaanicsai  fiBxà  x^^QOS  oixBiaç^  7fâ$rtê  yàq  vUt6  Tfiftif' 
avTo)^  xoTtîotp  àvaiçBÏ  tbv  BaxxiStjv.    Ich  habe  sogar  den  Verdacht,  dan 
der  Name  Âpelles,  den  Josephus  ebenfalls  allein  hat,  nichts  ist  als  eine  Vff- 
besseruiig  des  früheren  Berichtes;  denn  ßakchides,  das  sah  Josephos  aus  dem 
weiteren  Verlauf  der  Geschichte,  war  nicht  am  Platze.     Es  ist  ihm  wohl  ZQ- 
zutraiicn,  dass  er  dafür  nach  eigenem  Belieben  einen  anderen  Namen  eingesetxl 
.'iHi.    A[iders  urlheilt  Destinon,  die  Quellen  des  Fiav.  Josephus  S.  6S. 

2)  1.  Makk.  1,  20.  29.     Dasselbe  gilt  vom  2.  Makkabäerbache. 


DIE  BEIDEN  HAKKABÄERBÜCHER  515 

r-.*)  Wörtliche  Ankläoge  bestätigen  diese  Anoahrae.^)  Auch  scheiot 
»C,  d»8  XU  373  der  HeMeotod  Eleazars  nMhr  oach  Bill.  lud.  I  42 
sablt  ist  als  Dach  i.  Makk.  6,  43.') 

Nicht  mioder  beweiskräftig  ist  folgender  Fall.  Dem  1.  Makka* 
Ltsrbuch  ist,  wie  schon  erwähnt,  eine  eigentliche  Herrschaft  des 
altatbias  nicht  bekannt.  Die  Gläubigen  schaaren  sich  um  ihn, 
^^  von  einer  Wahl  zum  Vorsteher  des  Volkes  ist  keine  Rede, 
ad  nicht  so  sehr  Hattathias  tritt  handelnd  hervor,  wie  die  Ge- 
inanlheit  der  Gläubigen:  es  heisst  (c.  %  45):  xa^eÜLov  tovç  ßan 
o-vç,  n€çUt€fâov,  iäiw^avj  avreldßovTO.  Dagegen  bei  Josephos 
rscheint  Mattathias  als  gewählter  legitimer  FOrst,^)  alles  geht  von 
im  aus,  er  stürzt  die  Altäre  um  und  befiehlt  die  Kinder  zu  bt- 
stioeideD,*)  und  ab  er  nach  einjähriger  Herrschaft  stirbt,  Ober- 
immt  Judas  von  rhm  die  Regierung.*)  Josepbas  hat,  wie  man 
iebt,  die  Darstellung  des  BeU.  Ind.  dem  1.  Makkabäerbuch  aufge- 
Aropa,  um  auch  in  den  Antiquitäten  den  ersten  Hasmonäer  als 
echtmässigen  Forsten  erscheinen  zu  lassen« 

Ich  darf  zugleich  daran  erinnern,  dass  Josephus  bei  Judas 
'akkabäos  ganz  ähnlich  das  Herrscheramt,  die  forstliche  Stellung 
*Û  mehr  Nachdruck  betont  hat  als  seine  Quelle.  Er  läset  ihn  be- 
^Qntlich,  wovon  das  Makkabäerbuch  nichts  weiss,  als  Nachfolger 
^  Alkimos  zum  Hohenpriester  gewählt  werden,  und  hat,  um  dies 
'  erreichen,  die  Überlieferte  Erzählung  abgeändert  Alkimos,  der 
Wirklichkeit  den  Judas  überlebt  hat,  stirbt  bei  ihm  mehrere 
^bre  Torher  zu  Lebzeiten  des  Makkabäos,  und  durch  Verschweigung 
^er  Jahreszahl  hat  sich  Josephus  weiter  bemOht,  seine  WillkOhr 
^    gut  wie  möglich  zu  verbergen.^)    Josephus  ist  nichts  weniger 

1)  Dies  erklärt  sich  aus  der  Kürze  des  Berichtes;  in  den  Worten  koI 
^^^Hxi^Tji  6  nê/u^êlQ  vn''  *Avrt6xov  fpwfacgoc  (1  35)  ist  flbrigens  noeb  eine 
^^chte  Spur  des  richtigeo  erhalten. 

2)  Es  heisst  §  2&5  ol  dotufuireno*  wie  Bell  lud,  I  35. 

3)  Denn  Josephus  erzählt  beide  Male,  dass  Eleasar  irrig  geglaubt  habe, 
^<*r  König  sitze  auf  dem  Elephanten,  während  nach  1.  Makkabäerbuch  dies 
^ITeDbar  wirklich  der  Fall  war. 

4)  j4nL  Xn  275  Mànàivoif  âçxo^^^t  amiSaiSttp. 

5)  §  278  T0V6  ßofßiOvQ  na&alXêv  .  . .  xovê  ov  nê^iVêx/trffUrmn  ittikiv^e 

6)  §  279  â^ias  iviavTov.  §  285  Budiiaxo  di  Ttjy  nQOCxaalav  wu 
7[(faYfidxo»v  6  naii  aixov  ^lovdaç. 

7)  ^ntiq.  XII  414.  434.  Vgl.  Destlnon,  die  Chronologie  des  Josephos  29  f. 
meine  Ausführungen  in  dies.  Ztscbr.  XXVIII  218. 


516  B.  NIESE 

als  eiü  automatischer  Abschreiber  seiner  Quellen;  er  hat  in  deo 
Antiquitäten  seine  frohere  Darstellung  im  Bellum  ludaimm  niete^ 
gessen,  sondern  sie  mit  verarbeitet  und  dazu  auch  eigene  Âende 
rungen  nicht  gescheut. 

Darnach  ist  nun  auch  die  Vorgeschichte  der  makkabüischen 
Erhebung  zu  beurtheilen,  wie  er  sie  giebt  (XII  237  ff.)-  Die  Sache 
liegt  hier  minder  einfach,  weil  er  weder  das  1.  Makkabäerbuch 
noch  den  jüdischen  Krieg  benutzen  konnte,  die  beide  von  lasoD 
und  Menelaos  nichts  wissen  ;  nur  Onias  und  die  Tobiaden  werden 
im  jodischen  Krieg  erwähnt,')  alles  Qbrige  muss  aus  anderer  Qoelle 
stammen.  Wahrscheinlich  war  es  nur  eine  kurze  summarische  Nach- 
richt, deren  Ursprung  kaum  zu  ermitteln  ist.  Vielleicht  ist  sie  im 
Anschluss  an  die  Hohenpriesterliste  zu  ihm  gelangt,*)  und  in  letiter 
Hand  wird  sie  auf  das  2.  Makkabäerbuch,  unsere  Hauptquelle, 
zurückgehen.  Aber  Josephus  selbst  kann  dieses  hier  nicht  benotit 
haben,  da  er  zu  sehr  abweicht  und  ein  seltsames  Gemisch  tod 
Wahrheit  und  Dichtung  hergestellt  hat.  Er  hat  offenbar  tod  deo 
feindlichen  Brüdern  Onias  und  lason  gehört,  ebenso  vom  Streite 
zwischen  lason  und  Menelaos.  Die  beiden  Paare  nun  ferbinden 
sich  bei  ihm  zu  einem,  wodurch  Menelaos  und  Onias  in  eine  PersoD 
▼erschmelzen.  Zugleich  erscheint  ?or  lason  ein  zweiter  Ooias,  so 
dass  die  im  2.  Hakkabäerbuche  überlieferte  Priesterreihe,  Ooias, 
lason,  Menelaos,  immerhin  auch  bei  Josephus  herauskommt.  Aus 
dem  jüdischen  Kriege  sind  ferner  die  Tobiaden  eingeflochten,  wie 
dort  als  Bundesgenossen  des  Antiochos,  aber  sonst  mit  reränderter 
Stellung,  da  sie  nicht  mehr  Gegner,  sondern  Freunde  des  Onias 
sind.  Das  ganze  ist  offenbar  eine  willkürliche  Contamination  einer 
stark  verkürzten  Ueberlieferung  und  kann,  wie  man  schon  richtig 
erkannt  hat,  eigenen  Werth  nicht  beanspruchen. 

Ueber  die  Anfänge  des  Aufstandes  kommt  also  bei  Josephus 
nur  das  Bellum  Judaicum  in  Betracht,  und  dies  ist  eine  Erzählung, 
deren  Ursprung  sich  nicht  ganz  leicht  bestimmen  lässt.  FrOber 
habe  ich  griechische  Ueberliererung  zu  erkennen  geglaubt,  uod  fDr 
manche  Theiîe  trifft  dies  gewiss  zu,  aber  die  Erzählung  hat  dabei 
doch  ganz  jüdische  Färbung.  Schon  die  Bezeichnung  der  Gegner 
als  Fremde,  aXkucpvXoL^^)  ist  charakteristisch.     Sie  stellt  die  Juden 

1)  Antiq.  XII  239  f.    Bell,  lud,  I  31  f. 

2)  Wie  die  kurzen  Notizen,  die  sich  Ant,  XV  41  und  XX  235  fiodeo. 

3)  1  37   8i(t  jr^v  n7taV.ayr;v  xciv  àXh)<f\Xo}%', 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBGCHDR  517 

1  ihre  Forsten  von  der  fortheilhaftesten  Seite  dar.  Die  Stand- 
ligkeit  des  Volkes  gegen  die  Bedrückungen  wird  ?iel  starker 
*forgehoben,  als  z.  B.  im  1.  Makkabäerbucbe.  Von  den  zahl- 
chen Abtrünnigen  ist  keine  Rede.')  Auch  zeigen  sich  deutliche 
aren  jüdischer  Ueberlieferung.  Josephus  lässt  die  Verwüstung 
i  Heiligthumes  nicht  drei  Jahre  dauern,  wie  im  1.  Makkabfler- 
ch  erzahlt  wird,  sondern  3V2  Jahre.")  Diese  3V2  Jahre  stammen 
DB  Zweifel  aus  dem  Propheten  Daniel');  denn  dieser  verkündete, 
BS  die  Entweihung  des  Tempels  dauern  sollte  xaiçov  xol  xaiQovg 
à  rjfiiav  xaiQOv,*)  die  letzte  Hälfte  der  letzten  Jahrwoche  bis  zur 
lOsuDg  und  Wiederherstellung.  Und  der  Heldentod  Eleazars,  der 
12  mit  besonderem  Nachdruck  erzählt  wird,  ist  sicherlich  direct  oder 
direct  dem  1.  Makkabäerbucbe  (6,  43)  entlehnt,  dem  die  Darstel- 
Dg  möglichst  genau  entspricht.  Auch  anderes,  wie  der  Ruhm  der 
ophelischen  Gaben  Hyrkans*)  macht  durchaus  nicht  den  Eindruck 
llenischen  Ursprunges.  Wenn  also  griechische  Ueberlieferung 
nutzt  ist,  so  ist  diese  jedenfalls  mit  jüdischen  Elementen  durch- 
tzt  und  von  jüdischer  Hand  bearbeitet.  Und  zwar  darf  Josephus 
Ibst  als  der  Bearbeiter  angesehen  werden.  Der  Ton  der  Er- 
Uung  entspricht  ganz  seiner  apologetischen  Tendenz,  mit  der 
sich  überall  bemüht,  die  Vergangenheit  seines  Volkes  möglichst 
»ig  zu  malen.  Das  Hervortreten  der  hasmonäischen  Fürsten,  in- 
iderheit  des  Mattatbias,  ist  seiner  Person  und  Herkunft  vollkommen 
gemessen;  denn  er  stammte  selbst  mütterlicherseits  von  ihnen 
und  blickt  mit  Stolz  auf  die  hasmonäische  Periode  der  jüdischen 
schichte  zurück.^  Auf  die  Zeit  des  Josephus  weist  es  auch 
tick,  wenn  gleich  zu  Anfange  Onias  als  einer  der  Hohenpriester 


1)  1.  Makk.  1,  52.  Dagegen  Bell.  lud.  I  35  n^os  a  narre«  fièv  r,nBi- 
*w^  iatparrovro  di  oi  doMi/nuxaxoi. 

2)  Bell,  lud.  I  32.    Ebenso  §  19  und  V  394. 

3)  A.  Bûchler  Die  Tobiaden  and  die  Oniaden  122.   Vgl.  Ewald  Geschichte 
Volkes  Israel  IV»  406  A.  3. 

4)  Daniel  12,  7,  vgl.  8,  10  ff.  24  ff. 

5)  BeU.  lud,  I  69. 

6)  lotephi  vita  §  2  vndçx"^  ^^  ^lai  rov  ßcunXtxov  yivovi  ino  t^c  ^17- 
c  oi  yàç  'Aaaftmvaiùv  naîdeSj  car  iyyoroQ  ixêlvrj^  tov  è&rovQ  rjfttüv  ini 
iéorov  x^^^^^  Ti(fx^a^àxBvaav  %ai  ißaciXevaav,  Man  beachte  diese  Worte; 
Tendenz,  der  hasmonäischen  Dynastie  ein  möglichst  hohes  Alter  zu  geben, 
^t  in  ihnen. 

7)  Bell.  lud,  I  31. 


518  B.  KIESE 

elç  Jijjv  OLQxuQéiuv  bezeichoet  wird ,  was  maocheni  schM  va* 
gefallen  ist;  deon  dies  eotspricht  nicht  der  älteren  Ordnaag,  noid 
aber  dem  Zeitalter  des  Josephus;  denn  aus  ihm  wie  ans  den  Eni- 
gelien  wissen  wir«  dass  damals  die  Hohenpriester  eine  besonder« 
Classe  innerhalb  des  Priesterstandes  bildeten,  aus  der  die  nsok 
wechselnden  amtirenden  Hohenpriester  genomonn  wurden.')  Den- 
gemäss  ist  nun  der  Werth  der  Darstellung  im  BMitm  ludaicmm  m 
ermessen;  es  ist  eine  kurze«  patriotisch  g«f2R*ble  Uebersicbt  wesenl- 
iich  jüdischen  Charakters,  die  zwar  auch  Stocke  aus  griechischer, 
unparteiischer  Quelle  enthält,  aber  auf  alle  Fälle  mit  Kritik  beootit 
werden  muss. 

Hat  Josephus  das  2.  Makkabäerbuch  gekannt? 

In  den  besprochenen  Tbeilen  der  josephischea  Archäoisgie 
finden  sich  noch  andere  Stellen,  die  weder  auf  das  1.  Makkabie^ 
buch  noch  anf  den  jüdischen  Krieg  zurückgeben.  •  Darunter  tmi 
einige  nicht  unwichtige  Ergänzungen  zur  syrischen  Geschichte,  die 
auf  griechische  Geschicblswerke  zurückzuführen  sind,^  ferner  iick 
einige  Dinge,  die  sich  mit  dem  2.  Makkabäerbuche  berOhren  otri 
daher  auf  einen  Einfluss  dieser  Schrift  oder  des  lason  von  Kjreae 
zurückgeführt  werden  können  und  zurückgeführt  worden  siad.^ 
Demetrios  I.  landet  z.  B.  nach  XII  389  im  phOniziscben  TripoiiSi 
was  sich  nicht  im  1.,  wohl  aber  im  2.  Makkabäerbuch  fiodel,^ 
es  kann  also  dalier  entlehnt  sein,  braucht  e»  aber  nicht;  deoo  cf 
kann  aus  griechischen  Historien  stammen,  wie  es  sich,  in  derTbK 
heute  noch  bei  Porphyries  u.  a.  findet.^) 

Ueber  XU  237(1.,  die  Vorgeschichte  des  Aufstandes  habe  ich 
schon  gehandelt.  Dass  sie  in  letzter  Hand  auf  das  2.  MakkabM^ 
buch  oder  lason  zurückgeht,  ist  wahrscheinlich  genug,  zugleich  ist 


1)  Belege  sind  sehr  zahlreich,  z.  B.  BßlL  lud.  IV  151.  160.  Ant,  XX  180 
heisst  es  :  è^dnxÊTou  Bà  neu  roU  à^x^Q^vin  exacts  nçoç  xovç  ia^àis,  Schûicf 
Geschichte  des  jüdischen  Volkes  IP  214. 

2)  Z.  B.  XII  402  die  Notiz,  dass  Nikanor  dem  Demetrios  aaf  der  Flodit 
von  Rom  beigestanden  habe,  was  sich  im  1.  Makkabäerbuche  nicht  findet  nod 
mit  Polyb.  XXXI  22,  4  sUmrot.  Vgl.  Destinon  Die  Quellen  des  FL  JoMpbis 
S.  60  If.,  wo  eine  sorgfältige  Vergleichung  vorgenommen  wird. 

3)  Vgl.  Grimm  Exeg.  Handb.  IV  20. 

4)  1.  Makk.  7,  1.    2.  Makk.  14,  1. 

5)  Euseb.  chron.  I  253.  Umgekehrt  kann  die  oben  erwähnte  Nacbriekt 
über  Nikanor  sehr  wohl  bei  lason  gestanden  haben. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  519 

»er  XU  TerDiutbeo,  dass  diese  Quelle  dem  Joaephus  oicbt  unmittelbar 
irgelegen  bat«  sondern  durch  Vermittelung  einer  kürzenden  Be- 
"beitang. 

Da  Josepbus  bei  dieser  Gelegenheit  vom  Hohenpriester  Henelaos 
cqurochen  hatte,  Ton  dem  das  1.  Makkabäerbuch  ja  ganz  schweigt, 
I  ist  angemessen,  dass  er  später^]  auch  sein  Ende  erzahlt,  und 
ivar  im  wesentlichen  wie  2.  Makk«  13,  3  ff .  Nur  wird  es  an  an- 
nrer  Stelle  eingefügt  und  die  Beschreibung  des  Todes  fehlt  ganz, 
ifilr  wird  die  Ernennung  des  Alkimos  hinzugesetzt,  die  sich  im 
.  Makkabäerbuche  findet.  Eine  Entlehnung  aus  dem  2.  Bfakka- 
lerbuch  oder  aus  lason  wird  hier  schwer  abzuweisen  sein;  denn 
n  NichtJude  hatte  dieses  Ereigniss  schwerlich  so  erzählt.  Die 
iweichende  Einfagong  mag  sich  daraus  erklären,  dass  Josepbus 
m  Geschichte  in  eine  anders  geartete  Darstellung  einftlgen  musste, 
•  eigentlich  kein  Platz  dafür  war.  Die  nähere  Beschreibung  der 
inricbtuiig  des  Meoelaos  im  feurigen  Ofen  kann  er  ferner  als 
iehl  geeignet  bei  Seite  gelassen  haben.  Es  ist  aber  auch  möglich, 
elleicht  sogar  wahrscheinlicher,  dass  Josepbus  den  lasoo  nur  durch 
ermitteinng  einer  anderen  Quelle  benutzt  habe.  Sehr  zu  beachten 
I  ferner,  dass  der  Tod  des  Menelaos  bei  ihm  sehr  eng  mit  der 
lacht  des  Onias  nach  Aegypten  verknüpft  ist,  und  dass  die  Quelle, 
te  das  eine  brachte,  auch  wohl  das  andere  erzählte.  Wie  man 
cfa  das  auch  vorstellen  mag,  dass  die  Erzählung  aus  lason  stammt, 
C  in  hofaem  Grade  wahrscheinlich. 

Ein  fernerer  Zusatz  des  Josepbus  zum  1.  Makkabäerbuch  betrifft 
ie  Ballung  der  Samaritaner  am  Garizim  Arch,  XII  257 — 264.  Die- 
dben  sagen  sich  von  den  Juden  los,  zeigen  dies  dem  KOnig  in 
mtm  wörtlich  mitgetheilten  Schreiben  an  und  bitten  ihn,  er  möge 
inen  erlauben,  den  Gott  ihres  Heiligthumes  Zeus  Hellenios  zu 
Boeonen,  was  der  König  in  einem  ebenfalls  wörtlich  mitgetheilten 
riass  an  Nikanor  gestattet.  Dies  deckt  sich  mit  2.  Makk.  6,  2, 
'onach  Antiocfaos  den  Tempel  auf  Garizim  auf  Ansuchen  der  Um- 
obner  dem  Zeus  Xenios  zu  weihen  befahl.')  Natürlich  ist  die 
•iokleidung  der  Erzählung  bei  Josepbus  das  Eigenthum  dieses 
üstorikers;  denn  sie  entspricht  ganz  dem,  was  er  wiederholt  von 


1)  ^n^'^.XlI  383  ff.,  vgl.  XX  235. 

2)  2.  Makk.  6,  3  na&eis  èvstvyxavov  ol  toy  ronov  otxoîvrae;  denn 
*^nvyxf^*'<>y  wird  für  das  überlieferte,  aber  sinnlose  éxvYxavov  zu  lesen  sein. 


520  B.  NIESE 

den  Samaritanern  gesagt  hatte ,  zuletzt  XI  341  ff.«  wo  aie  ebenso, 
wie  hier  als  Sidooier  in  Sichern')  bezeichnet  werdeD. 

Sehr  bemerkeDSwerth  siod  die  beiden  Schreiben;  sieeriancn 
stark  an  die  im  2.  Makkabaerbuch  c.  1 1  eingelegten,  oben  besprocbeiMi 
Aktenstocke,  und  es  sdheint  mir  aus  diesem  Gmnde  wahrscheinlick 
genug,  dass  Josephus  sie  aus  lason  entlehnt  und  dann  selbstäDdif 
seiner  Erzählung  eingefügt  hat. 

Die  Schreiben  selbst  zeigen  alle  Merkmale  der  Echtheit,  nl 
wer  an  eine  Fälschung  glaubt,  muss  jedenfalls  einen  kuadign 
Fälscher  annehmen.  Im  ersten  Stock  ist  die  Betitelung  des  Konp 
ßaaiXel  ^Avxioxtf  ^ê(p  iniçaveî  tadellos  und  entspricht  seiMi 
zahlreichen  MOnzaufschrifleu.*)  Auch  der  Name  Sidonier  in  Sicheii 
den  sich  die  Samariter  beilegen ,  passt  nicht  Obel  in  diese  Zdt 
Wir  bemerken,  wiederum  nach  den  Münzen,  dass  unter  Antioeh« 
Epiphanes  sich  ein  gewisses  Nationalbewusstsein  der  PhOnizierregt. 
Damals  beginnen  die  phOnizischen  MOnzaufschriften,  Laodikeia  ib 
Libanon  nennt  sich  ,Mutter  in  Kanaan%  Tyros  ,Mutter  der  SidoDia't 
und  auch  Sidon  legt  sich  ähnliche  phOnizische  Ehrentitel  bel^ 
Diesen  Vorstellungen  und  Gesinnungen  entspricht  es,  wenn  Uer 
die  Samariter,  um  alle  Gemeinschaft  mit  den  Juden  abzulehaa« 
Sidonier,  d.  h.  Phönizier  von  Sichem  zu  sein  behaupten.  Der  Konif 
in  seiner  Antwort  fOgt,  ebenfalls  dem  Amtsstil  entsprechend,  seile 
Titel  nicht  bei.^)  Aber  sehr  auffallend  ist  zuletzt  das  Monatsdatoo 
fÀrjvoç  ^ExaTOfißaiüjvoc  'Ygxaviov  ôxTwxaiôexàTf].  Schon  b^ 
merkt  ist,  dass  der  attische  Hekatombäon  uns  an  die  Vorliebe  de$ 
Königs  für  Athen  erinnert.  Ein  König,  der  den  attischen  Urkaodeo* 
Stil  in  Antiochien  einführt,  kann  recht  wohl  attische  Monate  dorthio 
verpflanzt  haben.^)  Mit  dem  Hyrkanios  freilich,  der  daneben  steht. 
weiss  ich  nichts  anzufangen;  dies  ist  ein  Räthsel,  das  sich  boffeot- 
lich  noch  einmal  lösen  wird.  Jedenfalls  ist  diese  Datirung  so  eigen* 
artig,  dass  man  sich  schwerlich  entschliessen  wird,  sie  einem  FJÜscbtf 
zuzutrauen,  und  von  dieser  Seite  steht  nichts  im  Wege,  die  D^ 
künde  aus  lason  abzuleiten. 


1)  Ol  dv  ^ixi/jLOtç  ^éSojv^ê  Ant.  XI  344. 

2)  Babelon  rois  de  Syrie  67  ff. 

3)  Babelon  a.  a.  0.  84  ff. 

4)  §  262  ßaaiXevs  lévrioxos  Nixâvoçi, 

5)  Oben  S.  483,  wo  über  den  ebenfalls  singulären  Monat  Dioskorifltü«  t^ 

wurde.  1  l 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  521 

Eioe  schwächere  Spur  findet  sich  XII  274.    Hier  wird  erzählt, 

die  FeldherrD  des  Antiochos  eioe  Schaar  Juden  am  Sabbat 
jner  Höhle  überrascht  und  ohne  Gegenwehr  verbrannt  hätten. 

stammt  aus  1.  Makk.  2,  38,  mit  einer  Ausnahme;  ?on  Ver- 
neo  wird  dort  nichts  gesagt,  wohl  aber  im  2.  Makk.  6,  11, 
lieselbe  Geschichte  in  etwas  anderer  Umgebung  berichtet  wird.') 
D  also  nicht  der  Zufall  gespielt  bat,  so  scheint  dem  Josephus 

Erinnerung  an  die  Version  lasons  in  die  Feder  geflossen  zu 
Endlich  kann  das  Hohepriesterlhum  des  Judas,  das  wir  zuerst 
losephus  finden,^  recht  wohl  aus  dem  2.  Hakkabäerbuch  ent- 
len  sein,  wo  Alkimos  beim  Könige  Demetrios  den  Nikanor 
huldigt,  dass  er  Judas  an  seine  Stelle  gesetzt  habe.')  Aus 
sr  Anklage  konnte  gar  leicht  die  Nachricht  entstehen;  es  lag 
»elt  nahe,  wenn  man  ohnehin,  wie  Josephus  es  thut,  den  Judas 
ISO  als  richtigen  Fürsten  der  Juden  auiïasst,  wie  später  Jonathan 
Simon  es  waren. 

Um  also  das  Gesagte  kurz  zusammenzufassen,  so  lässt  sich 
Recht  behaupten,  dass  lasen  von  Kyrene  oder  das  2.  Makka- 
bucb  auf  Josephus  und  seine  Erzählung  eingewirkt  hat^  jedoch 
iger  durch  eigene  unmittelbare  Benutzung  als  durch  spätere  Ver- 
slung.  Es  wäre  wohl  denkbar,  dass  aus  lason  manches  in  die 
:hischen  Historien,  wie  Nikolaos  von  Damaskos,  eingedrungen 
^  und  auch  auf  den  kurzen  Abriss  des  BeUum  ludaicum  könnte 
diesem  Wege  lasons  Erzählung  Einfluss  gewonnen  haben. 

eiträge  zur  Textkritik  des  2.  Makkabäerbuches. 

Schon  bei  flüchtiger  Leetüre  der  Makkahäerbücher  kann  man 
überzeugen,  dass  für  die  Herstellung  des  Textes  noch  nichts 
'  fast  nichts  geschehen  ist.  Der  gewöhnliche  Text,  wie  ihn 
grosse  Oxforder  Ausgabe  von  Holmes  und  Parsons^  Tischendorf 
.  bieten,  ist  offenbar  ziemlich  zußQlig  und  willkührlich  ent- 
deo.  0.  F.  Fritzsche^)  will  besseres  leisten,  hat  aber  den  Text 
'  verschlechtert,  dazu  den  Apparat  der  Oxforder  Ausgabe  so 
Igelhaft  excerpirt,  dass  kein  Verlass  auf  ihn  ist.    Die  Commen- 


1)  Vgl.  Geiger  Urschrift  S.  229. 

2)  Jnliq.  XII  414.  419.  434. 

3)  2.  Makk.  14,  26  :  ror  yà^  inißovhtv  t^6  ßaaiXsias  avxov  *Iovday 
^  diâdoxov  àvaiéBêix^v. 

4)  Libri  apocryphi  Fet.  Test,  gr,  Leipzig  1871. 


522  B.  NIESE 

tare  geben  fOr  die  Textkritik  beinahe  gar  niohtt  am.  Endbh  die 
neue  Cambridger  Ausgabe')  giebt  keine  neue  Reeenaioo,  aeoin 
nur  eiuen  Abdruck  des  Codex  Alexasdrinna  mit  den  Variante  ds 
Sinaiticua  und  Venetua.  Dies  ist  gewiss  «n  verdienslilâehea  ^feik, 
jda  jedoch  der  Alexandrinus  hier  sehr  viele  Fehler  hat,  so  ist  éer 
Text  kaum  zu  geniesse«. 

Die  handschriftlichen  Holfmittel  sind  fOr  die  MakkakierbOéa 
insofern  minder  reich,  als  der  Vaticaous  «usßlllt  «nd  unteren 
altes  Uncialhandschriften  nur  der  Alexandrinoe  fsrhanden  ist  aehi 
dem  Sinaiticus,  in  dem  jedoch  nur  einige  Stücke  des  1.  flachs 
erhalten  sind.  Im  ttbrigen  fehlt  es  nicht  an  kritischen  fluifanttda 
eine  syrische  und  eine  lateinische,  fOr  das  1.  Makkabäerbudi  Mp 
zwei  lateinische  Uebersetzungen  und  eine  Menge  jüngerer  gnecbiacke 
Handschriften  sind  vorhanden.^  Unter  letzteren  ist  der  älteste  de 
Venetus  Gr.  1,  eine  Handschrift  des  8. — 9.  Jabrinnderts,  dieai 
ein  Original  des  6.  zurückgeht.')  Sie  ist  offenbar  die  beste  m 
allen  und  giebt  in  vielen  SUlcken  die  älteste  Ueberiiefemog  irieder 
Neben  ihr  ist  die  Gruppe  der  Lucianischen  Recension  bemefkeai 
werth,  die  Handschriften  n.  19.  62.  und  93/)  die  eine  werliifil 
Ergänzung  zum  Venetus  bilden.  Diese  und  andere  Handschriftei 
dürfen  desshalb,  weil  sie  jünger  sind,  neben  den  tJndalcodioe 
doch  nicht  vernachlässigt  werden;  zwar  ist  für  eine  Handsckril 
hohes  Alter  immer  ein  Vorzug,  aber  wer  auf  diesem  Gebiet  éaif 
Erfahrung  besitzt,  weiss,  dass  hier  der  Spruch  gilt:  Alter  scbQtitf« 
Thorheit  nicht,  wovon  der  Alexandrinus  ein  leibhaftes  Exempel  !$> 

Der  Text  des  1.  Buches  hat  ein  günstigeres  Schicksal  gebil) 
als  der  des  zweiten ,  ist  aber  natürlich  nicht  fehlerfrei ,  hat  and 
Recensionen  und  Emendationen  erfahren.  Neben  den  Handsdliriftei 
und  Uebersetzungen  giebt  es  noch  ein  wichtiges  kritisches  HtAi 
mittel  in  Josephus,  der  als  ältester  Textzeuge  gelten  kann.  ScIm 
längst  hat  man  z.  ß.  gesehen,   dass  1.  Makk.  5,  66  fito-  das  Ober 

1)  The  old  iettamenl  in  Greek  —  by  H.  B.  Swete,  vol.  Ill  GaiB 
bridge   1S94. 

2)  Sclîûrer  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  IIP  144. 

3)  Swete  vol.  III  p.  XIV.  Auf  den  Werth  des  Venetus  bat  scIim  U 
garde  gelegentlich  hingewiesen. 

4)  N.  19  ein  Ghisianus  des  tO.  Jahrhunderts,  n.  62  eiae  OxforderHs.  d< 
13.  Jahrhunderts,  n.  93  Brit.  Mus.  o.  I  D  11  des  14.  Jahrhunderte.  Vfl.  Or 
^^enis  hexapL  ed.  Field  I  p.  LXXXVIfî.  Lagarde  Theol.  Lit  Zelt.  l«76  S.  W 
Miltheilungen  1   122.  175. 


DIE  BEIDEN  HaKKASÄERBGCHER  523 

lieferte  Zaixaquav  nach  AnU  lud.  XII  353  MoQiaav  eiozugetzeo 
lit,  was  auch  die  ältere  lateinisohe  Ueberaetzung  geleaeo  hat/)  u«d 
auch  die  anderen  Abweicbungeo  too  unserer  handsohrifdichen 
Oeberlieferiingf  die  sieb  bei  Jesepbus  finden,  verdienen  ernste  Be- 
rflcksichtigung.*) 

Offenbar  viel  scfhiechter  ttberliefert  ist  das  2.  Hakkabflerbucb  ; 
m  wimmelt  von  Verderbnissen  jeder  Art,  Dittographien ,  Inter- 
(Kklationen,')  Lücken  und  amch  Verbesserungen;  denn  es  ist  ganz 
«atQrUch,  dass  eise  so  ml  gelesene  Schrift  gelegentlich  auch  emen- 
4iit  ward.  Beispiele  sind  Hberall,  z.  B.  gleich  die  beiden  Anfirags- 
bpitel  geben  manches  Räthsel  auf.  Die  guten  Handschriften,  vor 
aUem  dcrr  Venetus,  bringen  an  vielen  Stellen  erwünschte  Hülfe,^) 
liebt  selten  aber  versagen  sie,  und  man  muss  dann  zur  Conjec- 
Unalkrkik  greifen.  Eünige  Beispiele  werden  das  Gesagte  erläutern; 
icè  beginne  mit  6,  18  (Tm  den  ersten  Sätzen  des  bertthmten  Mar- 
Ifrioms  Eleazars,  die  zugleich  vom  Zustande  der  Vulgata   einen 

I      Bepiff  geben  können,  wo  sie  so  lauten  : 

[  ^ELboI^qoç  %iç  TÛv  Ttçanevâvtwv  ygafÂ^fiaréiov  àrqç  fjdrj 

^  ^t^ßeßriKWC  f^v  ^liKlav  xal  r^v  ncoaoipiv  %ov  Ttgoatorvov 
voUitiFvoç  Tv^cmûv,  àvttxctvtiv  ^vaynaÇtro  çetysîv  vsiov  Kçéaç. 
(19)  0  ôi  Tov  fjiBv^  êvxkeiaç  ^dvarov  [aUXov  ^  %ov  fievà  fivaovç 
ßiof  àvaÔB^o^evog   ttv&atQérœç  inl   to  xvßnavov   nQoarjye, 

\  ^ùJtTvaaç  ai  (20)  xa^'  ov  eôei  tqÔtvov  TtçoaéçxsG&ai  tovç 
^^Oftivovtaç  àfivyea^ai  cJv  ov  ^fiiç  yivaao&ai  àià  %fiv  tc^oç 
*^  ^v  q>ékoavoQylttP.  (21)  ol  de  Ttqoç  j(p  TcagayôfjKp  anXayxyi- 
^liif  TBxayiÂévoi^  ôià  rijv  ix  TcJf  Ttalaitâv  xqovwv  jiqoç  vov 
^ÔQa  yvùHjtv  anokttß6v%BC  avtov  xar'  lôlccv  TcaçexdXovv^  iviy- 
^Miyra  Kçéa  olç  ko^xov  ctv%ip  xç^^^^^^''  ^^'  av%ov  naçaaxev- 
^^éinga,  vnoKQ^â'fjvai  dh  (oç  ia&loy%a  rà  imè  %ov  ßaailewc 
^f^oaxeutyuima  vdh  àrto  wrjç  Ôvalaç  xQtwv,  (22)  ïva  tovto 
ngajag  ànolv^  tov  '^avàvov  wxl  âtà  c^y  oqx^^^  nçoç  av- 
fovç  q^ikiav  %vx^  tpikavô'Qbiniaç.    (23)  o  àk  Xoyio^bv  àaielov 

1)  Anoh  1.  Makk.  5,  35  laa  diese  UebersetzuDg  mit  Josephas  Ant.  XII  340 
MêHa,  («■  jéÀêfta)  fur  das  sonst  überlieferte  Maatpa, 

2)  Z.  B.  steht  für  das  verdächtige  ^A^iokov  des  1.  Makk.  9,  15  bei  Jose- 
phns  AnL  XII  429  'iSga  oder  Itf^a.  Abweichende  Ortsnamen  überliefert  femer 
Josephos  Ant.  XII  397.  422.  XUI  26,  vgl.  1.  Makk.  7, 19.  9,  4.  62. 

3)  Einen  Fat!,  wo  eine  Randbemerkung  in  den  Texl  gelangt  ist  (2.  Makk. 
12,  45),  bemerkt  Gobet  Far.  led.  4S0. 

4)  Vgl.  oben  S.  484  fr. 


524  B.  NIESE 

avakaßüfv  naï  a^iov  t^ç  iqXinlaç  nai  tijç  %ov  jn^QUfç  vnBQOiffi 
xai  Trjç  kni%%ri%ov  nal  imçavovç  rtokiâç  xai  rf^ç  h,  nmioç 
KaXXlattjç  avaatQoq>tlç ,  fiàlkov  ôk  tijç  aylaç  xal  ^«oxtîotov 
vofÀO^ealaç,  àxokoid'wç  anBq>fjvcpro  raxifoç  kéyîav  nçonifinuf 

Dieser  Text  ist  m  schlimmem  Zustande.   V.  18  haben  die  HxùA^ 
Schriften  durchweg  entweder  rvyxo^^^  ^^  avaxcn^ùiv,  nicht  beide» 
nebeneinander;   letzteres  ist  eine  freilich  sehr  alte  Comiptel,  die 
schon   der  Lateiner  Obersetzt  hat;   natürlich  muss  es  hinaus.   Id 
Venetus  fehlt  übrigens  %vyxciv(ov.  V.  19  muss  man  aus  Origeo»^ 
TtQorjye  schreiben,  ferner  nQoartrvaaç,  das  folgende  dl  muss  mit 
cod.  62  ausgelassen  werden,  und  wenn  man  dann  mit  HugoGro- 
tius  joTtov  aus  xQonov  herstellt,  erhalt  man  einen  leidlichen  Sioi. 
Nur   àfivveaâ'ai  (a/ivvaa&ai)  macht  untlberwindliche  Schwierig- 
keiten; Tielleicht  ist  es  eine  Dittographie.    Jedenfalls  ist  klar,  dais^ 
TOVÇ  vnofÀévovraç  dy  ov    d-éfÀiç  yevaaad'ai  zu  Terbindeo  isU 
Von  ▼.  21  ist  der  erste  Theil  gut  Terstlindlich,  gegen  den  ScUos» 
aber  muss  de   mit  cod.  44  gestrichen  werden   und  weiterhin  ist 
mit  cod.  52   dg  ia^lovta  ôià  ta  —  7tçoare%ayfÂéva  zu  lesea 
oder  auch  nach  der  lateinischen  Uebersetzung  sicui  rex  miperwnS 
xatà  Ta  —  Ttçoav.y  denn  sonst  würde  es  so  ausseben,  als  bitte 
der  königliche  Befehl  bestimmte  Fleischstücke  zum  Genüsse  tot— 
geschrieben.   V.  23  ist  für  yi]Qœç  (yiJQOvç  Alex.)  zu  schreiben  yi-- 
VOVÇ,   ferner   mit  dem  Venetus   xal  tfjg  inixTiJTOv  imqxtvBia^ 
Kai  T^g  ftoXiäg,  auch  vermisst  man  ein  Object  zu  âneq>rifaT9^ 
etwa  yvùifirjv  oder  dergleichen. 

Aehnlich  verwahrloste  Stellen  findet  man  überall,  und  oft 
bieten  die  Handschriften  die  schönsten,  einleuchtendsten  Besse-* 
rungen:  Emendatiooeo  sind  hier  sehr  billig  zu  haben,  und  nur 
um  das  Bemerkte  durch  einige  Beispiele  flüchtig  zu  erlflutern,  ge' 
stalle  man  mir  zum  Schluss  noch  ein  paar  Stellen  anzuführen. 

3,  15  Ol  de  leçeig  tzqo  tov  ^aiaatrjçiov  iv  %aîg  Uçd^ 
tmaîç  oxoXalg  çlipavteç  kavtoig  iTtexakovvzo  elg  ovQcnfov  lOf 
neçl  TiaçaKaja&i^Krjç  vo^o&etrioavxa  xoîg  rtaçaxava^efiifotç 
raixa  owa  ôiaq)vla^ai.  Mit  codd.  19,  62  und  93  muss  hier  eiç 
ovçavov  geslriclieD  werden. 

4,  24  heisst  es  von  Menelaos  o  ôk  —  eig  éavzov  xttTT^vrriO&i 
rr^v  àçxieçwavvr^v.  Der  Venetus  hat  xaTiarrjae  und  daraus  wird 
fdeTéazr.ae  herzustellen  sein. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBOCHER  525 

4,  34  lesen  wir  o  de  naçayivofÀêvoç  im  %ov  ^Ovlav  xoî 
ne€€&êlç  inï  ôolip  xaï  ôê^iùç  fieâ'^  oçxwv  ôovç  xaifteç  Iv 
iTJCotplç  KBlfieyoç  'éneiOêV  Ix  tov  aaukov  ngoslâ-elv,  oy  xal 
naçaxQT^^a  naçéxXeiCêv  ovx  alôead'êlg  to  ôUaiov^  Ich  will 
die  soostigen  Variaoteo  übergehen,  und  nur  bemerken,  dass  ohne 
Zweifel  für  das  unverständliche  nua^êlç  aus  cod.  62  nlaTeig 
eiozuseUen  ist  Das  allgemein  überlieferte  naçixXetaev  ist  schwer- 
lich richtig;  da  der  Lateiner  (und  ebenso  der  Syrer)  peremù  hat, 
so    wird  anéxTeivev  herzustellen  sein. 

7,  18  sagt  einer  der  sieben  Märtyrer:  ^fielg  yàç  dt*  éavrovç 
vavTo  naaxofiev  è/Àaçrôvteç  elç  rov  kavtwv  d'Bov^  àib  a^ia 
^cevfiaa/ÀOv  yéyovê.  Das  dio  der  Vulgata  ist  ganz  schlecht  be- 
glaubigt und  muss  gestrichen  werden.  Dafür  ist  mit  einer  Anzahl 
Handschriften  yàç  hinter  a^ia  einzusetzen.  Ferner  hat  der  Ve- 
neins  a^ioi  —  yeyovafiev,  endlich  ist  &avfÀaafÀOv  ganz  und  gar 
Dicht  am  Platze,  sondern  erfordert  wird  ein  Wort,  das  Strafe  be- 
deutet; bis  ein  besseres  gefunden  wird,  schlage  ich  xoXaa/ioC  vor; 
^enn  wir  darnach  a^ioi  yàç  xoXacfÀOv  yeyovafiep  lesen,  so  haben 
^Hr  wenigstens  das  was  der  Sinn  verlangt. 

7,  23  lesen  wir:  6  nXdoag  àvd'QWrtov  yéveaiv  xol  nàvtfov 
iS^vfwif  yiveaiv.  Ohne  Zweifel  ist  das  erste  yéveaiv  zu  streichen 
und  zu  lesen  6  nkaaag  av&Qwnov  (oder  âv^çcinovg)  xaï  nâv- 
^^*^  L  y. 

7,  30  ist  das  überlieferte  Ire  de  tavtrjg  xaraXeyovarjg  (oder 
xorraAiyyoïîcnjç)  in  ravra  Xsyovatjg  zu  verbessern.  Für  das  fol- 
K^nde  veavlag  schreibt  der  Yen.  besser  veaviaxog. 

7,  36  ol  fikv  yàç  vvv  ^fiiTegoi  ad€Xq>oï  ßcaxifv  vaBviy- 
*«^>ffiç  nôvav  àetàov  Çtoijg  vno  dia^ijxtiv  â'ëov  nenrcixaaiv. 
Hier  ist  zu  ergänzen  avt'  ievdov  ^wrjg.  Auch  der  Anfang  des 
^^tses  ist  vielleicht  nicht  fehlerlos  überliefert;  fiiv  fehlt  im  Ven., 
^^vjr  im  cod.  71. 

8,  3  iXêfjaai  di  xai  trjv  Kataq>&€i(fOfÀévfiv  nôXiv  xol  niX" 
lovaoy  laoTcedov  yivea&ai  schlage  ich  vor  umzustellen  xatatp&ei" 
feOfiivtiV  TT^v  néXiv.  Den  zweiten  Theil  des  Verses  xal  %wv  — 
^laaxovüai  Ittsst  der  Ven.  aus,  vielleicht  mit  Recht. 

8,  8  haben  die  Ausgaben:  cvvoçwv  di  o  OlXinnog  xorcr 
fitKQOv  eig  TtQoxonfjv  içxofÀevov  tov  iivdçaj  nvxvoteçov  ôk  iv 
fcdg  eififÀSçiaig  nQoßaivov%a^  nçog  IhoXs^aîov  —  ïyçatpsv 
xtX.     Hier  muss  nach  cod.  62  und  seinen  Verwandten  hergestellt 

Bonnes  XXXV.  34 


526  B.  NIESE 

werden:  avvoçwv  ä'  6  OIL  ov  xarà  fiixcov  —  fcvxvétegov       ^i 
tfjç  sirjfiêQlaç  nQoßalvovta.     Philippos  sah«  dass  Judas  ni'^^^fif 
langsame,   sondern    rasche  Fortschritte  machte.     Erst  durch  m^sks 
vorangegangene  ov  erhalt  das  äk  seine  Berechtigung. 

8,  9  lesen  wir  Ntxdvoga  tov  %ov  Ilcnçoxlov  twv  nQonr^MMv 
(plXwv  aneatBilev  inorà^aç  nafitpiXtav  ï^rj  ovx  iXàrr^m^ç 
roiv  diOfiVQlwv.  Hier  ist  offenbar  mit  codd.  19«  62,  64  und  93 
ovra  nach  q)ÜL(jJv  einzusetzen,  und  fOr  das  unmögliche  nafiq)vL€MM9 
^&vrj  aus  dem  Ven.  ox^iov  nafiq>vXov. 

8,  14  ist  schwer  verderht;  für  ol  ab  rà  neçileXeififié^^a 
ndvta  inciXovv  wird  ol  äk  TteçileXeififÀivoi  n.  i.  zu  schreibeo 
sein.    Aber  auch  nachher  bestehen  ernste  Schwierigkeiten. 

8,  27  heisst  es  neciaadc  evkoyovvteg  xal  i^OfioXoyovfiew^oi 
%(p  xvQlif  %(^  diaawaayri  avrovg  sic  ttjV  ^fiéçav  ravr^ijr 
açx^v  iXéovç  rd^awog  avroîg.  Nach  Anleitung  einiger  Hand- 
schriften, besonders  des  cod.  62,  wird  man  lesen  dürfen  :  T(p  ôêa- 
acüCavTi  avTOvg  xal  t^v  ^fâéçav  vavTrjv  açxf^y  iXéovg  rà^avu 
avTOîg.    jâ^avji  Qberliefern  62  und  64. 

8,  30  ist  jetzt  unverständlich.  Fritzsche  liest  nach  dem  Altf  • 
xal  rolg  nsQi  Tifio&eov  xal  Baxxldrjv  avvBQlaavveg  vtiIq  tovç 
ôiafivçiovç  avTùiv  aveïXov,  aber  der  Venetus  hat  xal  ol  rtSQ^ 
Ti^o&Bov  —  avvBQiaavrêÇy  andere  xal  xwv  tzbqI  Ttfi.  —  au^^' 
Qiadvtwy.  In  avvêQiaavTeç  steckt  ohne  Zweifel  avveyylaav^^^' 
Im  übrigen  halte  ich  die  Ueberlieferung  des  Ven.  für  die  be^^^* 
glaube  aber,  dass  nach  avveçlaavreg  etwas  ausgefallen  ist. 

9,  11  f.  ist  von  Antiochos  die  Rede;   wir  lesen  da:   inaO^ 
ovv  ^Q^ato  %b  noXv  tfjg  vTtBçijçaviag  Xijyeiv  VTCOteâ^çavafii^^^ 
xal  Big  kniyvwoiv  ÏQXBO^ai  &Bl<f  fidatiyi  xard  atiyfArjv  ït^^' 
%Bivàf4Bvoç  ralg  aXytjdoai.     12.    xal  firjôi  tf^g   oafitjg  av^^ 
dvvdfiBvog   dvixBO&ai  ravt'  Bq)rj  xtX.     Hier  ist  xa%à  a%iyf^^J 
nicht  zu  erklären.*)     Ich   vermutbe,   es  ist  aus  einer  DiltograpV^^ 
des  benachbarten  fidatiyi  hervorgegangen,  was  dadurch  untersttt  ^^ 
wird,  dass  cod.  62  fiaoTiyfirjv  hat.    Ferner  muss  man  mit  19.  ^^' 
64.   93   lesen:    xal  Big   Irtlyvwaiv   ÏQXBO&at  àXrj&Blag'   &^^^ 
yàg   fÂaatiyi   knitBivô^Bvog  xalg  dXyrjâoai  xal  fitjôi  tijg  a^^ 
firjg  dvvdfÂBvog  avéxBOx^ai  xvX. 


1)  Grimm  übersetzt  ,von  Augenblick  zu  Augenblick'  als  wenn  uarà  üt^, 
fitiv  xQOvav  da  stünde. 


DIE  BEIDEN  MAKKABÄERBÜCHER  527 

12,35  liest  man:  Jwoi&Boç  dé  riç  rwv  %ov  Baxi^voQOç 
ênnoç  avrjQ  xaï  xaçT€QOÇ  eïxeto  %ov  Foçylov  xaï  laßo- 
voç  zijç  xkaiÂvdoç  rjyev  avrov  evQciatwç  %%h  Sehr  wunder- 
ii  ist  xvjv  rov  Baxr^voQoç;  voo  einem  Bakenor  ist  nie  die  Rede 
d  der  Name  ist  höchst  seltsam.  Sicherlich  ist  mit  dem  codd.  19. 
.  64.  93  zu  lesen  twv  Tovßirjvdjy  oder  TwßiTjvoiv.  Dositbeos 
lOrt  zu  den  Tubienern,  den  Juden,  die  jenseits  des  Jordan  wohnten. 
IMakk.  12,  17.    1.  Makk.  5,  13. 

13,  6  ist  Ton  dem  Feuerthurm  die  Rede,  in  den  Menelaos 
itOrzt  wird  ;  es  heisst  :  lv%av9a  %bv  Ucoavklag  evoxov  ovta 
'Kai  xtvwv  aXkwv  xaxwv  vnegoxfiv  TteTCOitjfÀévoy  aTtavreç 
wawd^ovaiv  sic  oke^çov.  Dies  giebt  keinen  Sinn;  denn  anav- 
S  als  Subject  zu  nQoaw&ovai  ist  undenkbar.  Ich  schlage  vor: 
^av%Bg  ngoia&ovaiv. 

13,  16  f.  wird  ein  nächtlicher  Ueberfall  des  Judas  auf  das  feind- 
he  Lager  beschrieben:  xal  %o  réloç  t^v  nacefißoX^v  ôiovç 
ti  tagaxrjç  inXtJQwaav  xal  i^ikvaav  svr]fÀSçovy%Bç.  17  vno^ 
nvovOTjç  de  ijârj  Trjç  r^fiiçaç  rovto  iyeyovei  dià  Ttjv  iTcaçtj^ 
vaav  airip  xov  xvqIov  axénrjv.  Der  zweite  Satz  ist  ganz  un- 
Bglich;  aber  eine  wesentliche  Besserung  bringt  der  Venetus,  der 
s  de  an  anderer  Stelle,  nämlich  hinter  tovto  hat.  Man  muss 
K>  verbinden  xa<  i^ékvaav  evrj/ÂêQOvvTêç  V7toq>aivovarjç  rjarj 
ç  ^fiégaç.  Bei  Tagesanbruch  zog  Judas  wieder  ab.  Der  Venetus 
irt  dann  fort:  %ovto  d^  iyeyovei  ôtà  trjv  i^  oigavov  yeyo- 
lay  avTip  ènaçijyovaav  xvçiov  axiTtrjv.  Auch  dies  mochte 
I  zur  Annahme  empfehlen. 

Wenn  man  hienach  den  Zustand  unseres  Textes  erwägt,  so 
rd  man  es  nicht  unwahrscheinlich  finden,  dass  auch  manche 
iQgel  der  Erzählung  in  Verderbnissen  der  Ueberlieferung  ihren 
'und  haben.  Dies  im  einzelnen  festzustellen  wird  Aufgabe  eines 
künftigen  Herausgebers  der  Hakkabäerbücher  sein,  der  sich  hoffent- 
h  finden  wird.  Zwar  keine  leichte,  aber  eine  dankbare  Aufgabe 
Irde  ihm  zufallen. 

Marburg.  BENEDICTUS  NIESE. 


34* 


MISCELLEN. 


DAS  TODESJAHR  DES  GARDEPRÂPECTEN  PERENNIS. 

Der  Sturz  von  Commodus'  allmSlchtigeiii  Gardeprafecten  (Ti- 
gidius?)  Perennis  ist  seit  Eckhel  ziemlich  allgemein  in  das  Jahr  185 
Q.  Chr.  gesetzt  worden;  vor  kurzem  aber  hat  Rar!  E.  W.  StrootmaD 
wieder  den  von  Tillemont  angenommenen  ZeitansaU  186  zu  Yer- 
iheidigen  gesucht,^)  obwohl  jene  andere  Annahme  durch  ein  Galeo- 
citat  bei  einem  arabischen,  beziehungsweise  syrischen  Autor  schoD 
längst  eine  bedeutsame  Bestätigung  erfahren  hat.*)  StrootmaDS 
Untersuchung  trifft  nicht  das  Richtige;  der  Sturz  des  Pereonis 
fällt,  wie  sich  gleich  zeigen  wird,  in  das  Jahr  185.  Eine  Wider- 
legung der  schon  an  sich  nicht  sehr  kräftigen  drei  neuen  Argu- 
mente, die  Strootman  vorbringt,  ist  überflüssig,  da  sich  die  richtige 
Zeitbestimmung  auf  anderem  Wege  mit  völliger  Zuverlässigkeit  ge- 
winnen lässt. 

Es  ist  interessant  und  erfreulich,  dass  wir  zu  der  verhaltuiss- 
massig  grossen  Zahl  von  bereits  bekannten  Praefeeti  praetorio  unter 
Commodus,  der,  wie  sein  Biograph  sagt,  dieses  Amt  oft  our  auf 
Stunden  und  Tage  besetzte/)  jetzt  wieder  einen  neuen  kenoen 
lernen. 

In  der  vor  kurzem  im  Corpus  publicirten  lateinischen  iDSchrift 
auf  einer  Säule  in  Alexandria^)  lesen  wir  den  Namen  T.  Loogatu$ 
Rufus,  dem  die  Inschrift  von  dem  praef(ectus)  leg{ionis)  II  Tr.  fori' 
ff.,  T,  Voconius  A,  /".,*)   gesetzt  ist,   und  der  ah  praef.  Aegi^t), 

1)  Jahrb.  f.  class.  Philol.  XLIJI  (1897)  653—656;  vgl.  besonders  655, $ 
und  dazu  Dessau  Protopogr.  imp,  Rom,  III  316  n.  146. 

2)  A.  Müller  in  dies.  Zlschr.  XVIII  623-626. 

3)  Hisl.  Aug.  Comm.  6,  7  mutabantur  enim  praef,  praet,  per  horot'^ 

dies;   vgl.   auch  14,  8 ul  etiam  de  is  praefeclity   quos  ipse  feeerti, 

Iriennium  nuUus  impleret, 

4)  CIL.  III  Suppl.  14137. 

5)  Auffällig  ist  das  Fehlen  des  Cognomens. 


MISCELLEN  529 

praef.  praei(Qrio),  eminentissimw  vir  bezeichnet  wird.    Daraus  iét 
ohne  Weiters  ersichtlich,  dass  Rufus  wahrend  seiner  Verwaltung 
▼on  Aegypten  zum  Gardeprärecten  befördert  wurde,  und  dass  er  vor 
dem  Abgeben  aus  der  Provinz  von  seinem  Untergebenen  durch  Auf- 
stellung einer  Statue  geehrt  wurde,  deren  Untersatz  erhalten  ist') 
Schmidt,  der  die  Inschrift  zuerst  sah,  aber  nur  die  erste  Zeile 
lesen  konnte,  fand  mit  Recht  die  Form  Longatus  für  das  Gentile 
auffallend.     Es  liegt  hier  eine  ungenaue  Lesung  vor;  wir  kennen 
jetzt  den   richtigen  Namen  durch  eine  in   dem   letzten  Heft  der 
Berliner  Publication  veröffentlichte  Papyrusurkunde *):  kein  Zweifel, 
dass  der  hier  genannte  ^/e^ucJy  Longaeus  Rufus  mit  dem  eben 
erwähnten  Prafecten  identisch  ist.    Als  Zeit  seiner  Statthalterschaft 
in  Aegypten  wird  das  24.  Jahr  des  Kaisers  Commodus,  das  ist  183/4, 
angegeben;  Hommsen  und  Hirschfeld  in*en  somit,  wenn  sie  das  G 
in  dem  Beinamen  der  Legion  zu  Gordiana  auflösen  und  demnach 
Rufas  der  Zeit  Gordians  zuweisen,  indem   sie  nicht  bemerkten, 
l     dass  dieses  G  den   dritten  Beinamen  der  legio  II  Traiana  foriis, 
Germanica,  bedeutet,  der  uns  durch   mehrere  andere  Inschriften 
bekannt  geworden  ist.") 
f  Der  Papyrus  ist  datirt  vom  November  185;  zu  dieser  Zeit  war 

T.  LoDgaeus  Rufus,  wie  sich  aus  der  Form  ^yefÀOvevaaç  ergiebt, 
nicht  mehr  Prafect  von  Aegypten;  folglich  war  er  damals  schon 
i  J^aefecttu  praitario  geworden,  und  Perennis  muss  schon  früher, 
[  also  spätestens  185,  gestürzt  worden  sein.^)  Denn  Herodian  sagt 
ausdrücklich,  dass  Perennis  bis  an  sein  Lebensende  allein  im  Amte 
blieb,  und  dass  erst  dann  wieder  zwei  Prafecten  eingesetzt  wurden.") 
Wahrscheinlich  wurde  Rufus  zugleich  mit  Niger,  der  an  Stelle  des 


1)  Eineo  analogen  Fall  finden  wir  z.  B.  in  der  Laufbahn  des  (Mevius) 
BoQoratus,  CIL.  III  Snppl.  12052. 

2)  Aegypt.  Urk.  aus  dem  kgi.  Museum  in  Berlin.   Griech.  Urk.  III  807. 

3)  CIL.  m  Suppl.  6592.  6594  a.  6609.  12058  a  —  14132;  vgl.  12052. 
^'^141.  14142.  Jetzt  zeigt  sich  auch,  dass  die  Yermuthnng  Trommsdorffs 
(hmett.  duae  ad  hist,  legion,  Romanar,  spectanies  diss.  Lips,  1S96,  24  f.  über 
^i«  Ursache  dieses  Beinamens  irrig  ist. 

4)  Herod.  I  9, 10  o  8 à  Ko/ioâos  Bio  rove  ina^x^^  MctrcunTj^as  àa^" 
*^fs^ov  (pf^d^  fsri  M  THüTsveiv  jocavnjr  iSovaiav,  fisffia&siaav  Bi  avTr^v 
^9&stfsatê^av  icêo&ai  IjXmae  n^os  r^  ßaCiXeiac  int&vfAiav\  vgl.  Dio  ep, 
l'XXn  10, 1  SuL  T^v  fiXa^x^^  ahtcataxos  xq  üaxiq^'tf  rq  cwa^x^**^*  '^ov 
oli&(fov  iyivsTO» 

5)  HisL  Aug,  Comm.  6,  6. 


530  MISCELLEN 

Perenois  Gardepräfect  wurde,  und  voo  dem  berichtet  wird,  dass 
er  sein  Amt  nur  sechs  Stuodeo  versehen  habe/)  zu  seiner  neueo 
Würde  erhoben.  Die  Zeitbestimmung,  die  Herodian  fOr  den  Stun 
des  Perennis  bietet,  dass  nämlich  dessen  angebliche  VerschwOniag 
zur  Zeit  des  capitolinischen  Agon,*)  das  wäre  also  im  Sommer  186 
(vgl.  Wissowa  in  Pauly-Wissowas  Real-Encyclop.  Ill  s.  v.  Capitolia), 
entdeckt  worden  sei,  erweist  sich  nach  dem  Gesagten  als  uoricbtig. 
Wien.  ARTHUR  STEIN. 

ZUR  ÜBERLIEFERUNG  DES  TACITUS. 

Mehrfach  ist  in  den  letzten  Jahren  die  Frage  berührt  worden, 
ob  im  14.  Jahrhundert  der  Cod.  Mediceus  II.,  der  heute  bekannl- 
lieh  im  26.  Capitel  des  5.  Buches  der  Historien  abbricht,  noch 
Theile  des  Werkes  enthielt,  die  uns  heute  verloren  sind,  oder  ob 
es  gar  eine  zweite  vollständigere  Ilandschrirt  der  Historien  gegebeo 
habe.  Diese  Frage  aufzuwerfen,  giebt  ausser  einer  Briefstelle  des 
Poggio  der  Umstand  Veranlassung,  dass  in  zwei  Fallen  Worte  ib 
taciteisch  angeführt  werden,  die  sich  in  dem  uns  vorliegenden  Texte 
des  Geschichtschreibers  nicht  finden. 

Poggio  schreibt  an  Niccoli  am  21.  October  1427:  Misistimäd 
librum  Senecae  et  Cornelium  Taciturn,  quod  est  mihi  gratum;  ot  tf 
est  litteris  Longobardis  et  maiore  ex  parle  caducis,  quod  si  sämM, 
liberassem  te  eo  lahore.  Legi  olim  quendam  apud  vos  manens  Uttm 
antiquis,  nesao  Coluciine  esset  an  alterius.  Illum  eupio  haben  vi 
alium  qui  legi  possit,  nam  difficile  erit  reperire  scriptorem,  qui  kunt 
codicem  rede  legat.  Am  5.  Juni  1428  berichtet  Poggio  Ober  die 
Rücksendung:  Dedi  Bartholomaeo  de  Bardis  Decadem  Livii  etOfr- 
nelium  Tacitum,  ut  illos  ad  te  mittat;  in  tuo  Cornelia  defiduntfhffft 
chartae  variis  in  locis,^)  Dass  dieser  an  Poggio  geliehene  lOckeD- 
hafte  alte  Codex  in  langobardischer  Schrift  der  Mediceus  II.  war, 
der  nach  einer  darin  eingetragenen  Notiz  de  hereditate  Nicolai  Ifi- 

1)  Herod.  a.  a.  0. 

2)  Der  iName  des  Präfecten  von  Aegypten  Longaeus  Rafas  taacht  jetit 
auch  in  einem  anderen  Papyrus  auf,  Grenfell  und  Huot,  Oxyrhyoclios  Pap.  U 
n.  237  col.  IV  14.  34.  VI  6  u.  ö.  Dessen  ctironologisclie  AogabeD  bestâtigeo 
meinen  Ansatz;  Rufus  ist  noch  am  22.  iMai  185  im  Amte;  im  Tybi  des  26. 
Jahres  (27.  December  185  bis  25.  Januar  186)  finden  wir  schon  als  seioeo 
Nachfolger  Pomponius  Fauslianus;  vgl.  Grenfell  und  Hunt  a.  a.  0.  S.  147. 

3)  Poggii  EpisLin  15.  17  ed.  Tonelli. 


MISCELLEN  531 

herstammte,  ist  Dicht  zu  bezweifeln.  Jene  lesbarere  Handschrift 
',  die  Poggio  einst  in  Florenz  in  Händen  gehabt,  war  nichts 
iger  als  ein  alter  etwa  mit  dem  Hediceus  II.  gleichzeitiger  Codex, 
)  Utterae  antiquae  bedeutet  nicht  alte  Schrift,  sondern  moderne 
alte  karolingische  Minuskel  nachahmende  schöne  Schrift.  Wie 
|ifii5  bei  den  Humanisten  geradezu  die  Bedeutung  schön  in 
Btischer  wie  in  moralischer  Beziehung  erhalten  hat,  dafür  hat 
Rossi,  Il  Quattrocento,  Hilano  1898  (Stotia  Uu.  f  Italia  vol.V) 
.  407  genügende  Belegstellen  beigebracht.  Hier  mit  Ramorino') 
Frage  aufzuwerfen,  ob  diese  Handschrift  vielleicht  aus  einem 
Ten  Originale  stammte  als  aus  dem  Mediceus  H.,  entbehrt  jeder 
ehtigung. 

In  seinem  in  den  siebziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts  ?er- 
en  Commentar  zu  Dantes  Inferno  spricht  Benvenuto  da  Imola 
Cleopatra,  die  der  Dichter  ihrer  Unzucht  wegen  in  die  Hölle 
Hzt  habe:  aduUerata  est  cum  omnibus  regibus  orienlalibus ,  ut 
Cornelius  Tacitus.*)  Die  Stelle  findet  sich  in  unserem 
8  nicht;  Pierre  de  Nolhac*)  hält  es  für  möglich,  sie  könne  in 
verlorenen  Capiteln  des  5.  Buches  der  Historien  gestanden 
D,  die  der  Mediceus  II.  damals  noch  enthalten.  Wenn  man  nun 
in  Boccaccios  Schrift  de  claris  mulieribus  c.  86  von  Cleopatra 
Norie  liest:  quasi  scortum  orientalium  regum  facta,  so  ist  wohl 
(lass  hier  bloss  ein  irrtbümliches  Citat  vorliegt  und  dass  Ben- 
to  in  Wirklichkeit  jene  Stelle  Boccaccios^  den  er  in  seinem 
mentar  aufs  ausgiebigste  benutzt,  vor  Augen  gehabt  hat. 
Endlich  hat  M.  Goldmann  im  Centralblatt  für  Bibliothekswesen 
[V  1887  einen  1451  abgeschlossenen  Katalog  der /i6rerta  pan7a 
Klosters  S.  Spirito  in  Florenz  veröffentlicht,  aus  dem  S.  151 
iführt  wird  :  Item  in  eodem  banco  V  lib.  7  id  quod  de  Comelio 
lo  reperitur.  conpletus  copertus  corio  rubeo.  cuius  principium 
Nam  valeium  asiaticum.  finis  uero  in  penultima  carta 
hina  acessura  erat.*)    Die  Anfangsworte  stimmen  mit  denen 


1)  Comelio  Tacito  nella  storia  delta   coUura,    II*  ediz.  Milano  1898, 

2)  Comeiitum  super  Dantis  Mdigherii  comoediam  ed.  Lacaita  I  201. 

3)  Boccace  et  Tacite.    Extrait  des  Mélanges  d*archéoL  et  d'hist,  t  XII 
p.  27. 

4)  Einige  Uogenaoigkeiten  Goldmanns  berichtigte   Sabbadini   im  Mttseo 
a  filoL  class.  III  1890  p.  341. 


532  MISCELLEN 

des  Mediceus  IL,  die  Schlussworte  aber  stehen  nicht  bei  TaäUis, 
sondern  bei  Vitruvius  X  22,  7;  was  hierauf  bei  Yitruv  Doch  folgt, 
kann  etwa  noch  ein  Blatt  der  Handschrift  eingenommen  haben,  so 
dass  also  auch  die  Angabe  in  pmuUima  carta  hierzu  passt.  In 
jenem  Codex  von  S.  Spirito  folgte  also  auf  Tacitus  das  Werk  des 
Vitruvius;   bei  der  Ungenauigkeii  der  alten  Kataloge  ist  es  etwis 
durchaus  Gewöhnliches,  für  Sammelhandschriften  als  Titel  nur  das 
erste  Werk  anzugeben  ohne  Rücksicht  auf  das  Folgende.    Ob  der 
Codex,  dessen  Wiederaufßndung  nicht  ausgeschlossen  erscheint,  sur 
Bibliothek  Boccaccios  geborte,  die  lange  in  S.  Spirito  aufbewihit 
wurde,  mochte  ich  ebenso  wenig  mit  Bestimmtheit  Tersichen  wie 
de  Nolhac  (a.  a.  0.  S.  25);  jedenralls  aber  ist  die  Frage,  ob  n 
im  14.  und  15.  Jahrhundert  die  Historien  in  vollständigerer  Gestalt 
besass  als  heute,  jetzt  endgiltig  zu  verneinen. 

Königsberg  i.  Pr.  M.  LEHNERDT. 


Berichtigung. 


S.  443  Z.  28  ist  anno  III[I  imp.  Tito  ....),  * 

S.  444  Z.  5  annus  IUI  Tili  zu  lesen.  .        k\ 

Th.  M. 


LESEFRÜCHTE. 

LVII.  In  verschiedeDeo  UntersuchuDgen  spielt  der  Glaube  eine 
tolle,  dass  Isokrates  in  seinem  Euagoras  das  erste  Enkomion  auf 
Hoeo  Menschen  verfasst  hätte,  keinesfalls  vor  der  Mitte  der  sieb- 
ager  Jahre.  Der  Glaube  gründet  sich  auf  Isokrates  selbst,  der  sich 
fihmt  als  erster  das  Werk  zu  leisten,  avôgoç  açetrjv  âcà  loyœv 
yxwfAià^eiv  (8).  Er  thut  das  im  Gegensatze  zu  den  Dichtern, 
Dd  der  Name  Enkomion  ist  ja  aus  der  Lyrik  entlehnt,  von  den 
reisliedern,  die  wir  von  Pindaros  und  Bakchylides  haben;  die 
ieder^  welche  die  Grammatiker  bei  Pindar  als  Enkomien  in  einem 
^sonderen  Buche  absonderten,  werden  von  den  erhaltenen,  die 
•Q  xwfiog  so  oft  erwähnen,  der  Art  nach  schwerlich  verschieden 
!  Wesen  sein.  Nun  ist  es  an  sich  sehr  unwahrscheinlich,  dass  die 
letoren,  die  Lob  und  Tadel  als  eine  Gattung  theoretisch  aner- 
QDten,  vor  dem  Euagoras  noch  nicht  auf  den  Gedanken  gekommen 
Iren,  einen  lebenden  Zeitgenossen  zu  preisen;  genau  genommen 
rühmt  sich  Isokrates  auch  nur,  zuerst  die  ageti]  eines  Mannes 
priesen  zu  haben,  und  er  war  geneigt  seine  Originalität  sehr 
'ch  einzuschätzen.  Ich  habe  ihm  also  nie  sehr  getraut.  Aber 
8  wichtige  ist,  dass  ein  anderer  ihm  geflissentlich  den  Ruhm 
stritten  hat,   einer  der  es  wissen  konnte,  Aristoteles.     Er  führt 

der  Rhetorik  (I  9,  1368  a  17)  unter  den  av^rjttxa  Dinge  an, 
K  jemandem  als  besonderes  Lob  zuzurechnen  sind,  weil  er  sie 
^schliesslich  oder  zuerst  erreicht  hat,  xal  elg  ov  ngurrov  iy- 
ifiiov  inoiij&rjy  olov  eig  ^iTtnoloxov,  Wenn  er,  eben  in  den 
Erträgen,  die  ihn  in  scharfe  Opposition  zu  den  Isokrateern  brachten, 
kd  die  doch  auf  Schritt  und  Tritt  den  Einfluss  des  Isokrates 
igen,  auch  den  Euagoras  wiederholt  citiren,  so  etwas  einflocht, 

war  die  Absicht  den  Hörern  merkbar  und  ist  es  auch  uns. 
übei  braucht  die  Rede  auf  Hippolochos  nicht  bedeutender  gewesen 
i  sein  als  die  Dialoge  des  Alexamenos  von  Teos,  die  Aristoteles 

Henne«  XXXV.  35 


534  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

aus  dem  wisseDScbaftlichen  Interesse  fOr  die  AoniDge  einer  Galtasg 
als  die  ersten  angemerkt  hat.    Den  Hippolochos  mochte  man  na* 
türlich  kennen;   der  Name   klingt  thessalisch«  und  da  finden  wir 
den  Mann  denn  auch.    Um   seinetwillen  giebt  Lais  ihr  Gewertie 
auf,  folgt  ihm  aus  Korinth  nach  Thessalien;  aber  die  Ehefnooi 
dulden  nicht,  dass  die  schöne  Hetflre  in  ihre  Reihen  tritt,  sondern 
bringen  sie  um.    Die  hübsche  Geschichte  steht  mit  dem  Naawft 
Hippolochos  im  Erotikos  des  Plutarch  21,  Quelle  unbekannt,  aber 
wohl  philosophische  Tradition  n.  ïçœvoç.    Enflhlt  hatte  sie  auch 
Polemon  (Âth.  XUI  583) ,  aber  (wenn  kein  Irrthum  vorliegt)  mk 
dem  Namen  Pausanias  statt  Hippolochos.    Lais,  als  Kind  415  »» 
Hykara  geraubt,  hat  im  Beginn  des  4.  Jahrhunderts  geblüht  nid 
ist  noch  als  bezaubernde  Schönheit  gestorben:  das  ist  unbedingt 
lange  vor   dem  Euagoras  des  Isokrates  geschehen.     Aber  iimr 
konnte  in   dem  Preise  eines  königlichen  Helden  den  Ruhm  einei 
Hippolochos  bei  Seite  lassen,  von  dem  wir  nur  noch  das  allerdings 
in  gewissem  Sinne  grössere,  zu  sagen  haben,  dass  die  Liebe  zu  iba 
eine  Bajadere  aus  tiefem  Verderben  zu  einem  läuternden  Tode  ge- 
führt hat. 

LVIH.  In  dem  Odysseus  des  Alkidamas  muss  man  scbreibes 
17,  Paris  wollte  nach  Hellas  fahren  to  tb  Uqov  to  iv  Jelipolç 
d-ewçrjoai  ßovkof/evoc  Sfia  dk  xal  %o  xàXkoç  %rjç  ^BAfffc 
[à'KOvwv  drjXovoTi]  xal  tiJv  tov  TTj3iéq>ov  yéveaiv  àxrjxofki 
ono^ev  T€  eiTj  xai  viva  tqotzov  %al  vno  vivoç  eftga^*  D** 
Glossem  ist  durch  die  Form  schon  kenntlich;  indem  das  re  oit 
Sf^a  ah  xal  aufgenommen  wird,  subjungirt  sich,  wie  der  Gedanke 
fordert,  das  axrjxoœç  dem  ^Biog^aai  ßovlofiivoc.  Er  hatte  tod 
Helenes  Schönheit  und  der  Herkunft  seines  Freundes  Telepb« 
gehört  und  fuhr  nach  Hellas,  sich  über  beides  persönlich  in  io- 
formiren.  Eigentlich  müssten  nun  die  drei  so  bezeichneten  SU- 
tionen  der  Reise  in  der  Erzählung  vorkommen.  Aber  der  Besuch 
Delphis  wird  übergangen/)  Helenes  Raub  erzählt,  und  dann  gebt 
es  fort  àg)ixoiÂévov  ôè  avtov  nàXcy  eîç  'Aaiav  ayovroç  ta  xqt^ 
fÂOta  xaî  zïjv  yvvalxa  ïaxLv  onov  avveXdßov  tcvoç  (19)u.  8.t. 


t)  Aikidamas  hat  ihn  natürlich  nicht  erfanden,  sondern  eine  Traditiw 
obenhin  benutzt.  Wir  kennen  ein  Orakel,  das  dem  Menelaos  und  Paris  soglekib 
in  Delphi  gegeben  ist,  schol.  E  64;  ich  habe  es  in  dies.  Ztschr.  XXII 636  b^ 
sprochen.  Aber  das  setzt  einen  Besuch  des  Menelaos  in  Ilios  voraus,  Lykophr. 
132  ffg.,  stimmt  also  nicht  zu  Alkidamas. 


LESEFROCHTE  535 

(geredet  ist  Palainedes:  wie  sollte  der  das  deoD  io  Asien  leisten? 
d  wo  ist  die  Expedition  um  des  Telephos  willen  geblieben? 
er  auch,  wozu  hat  Alkidamas  ?on  Telephos  geredet,  abgesehen 
D  dem  Localpatriotismus  des  Elaiten?  Es  ist  ganz  offenbar  àfpi- 
lAivov  ak  ^avTov  elç  NavnXiav  zu  schreiben,  und  die  Cor- 
stur^  die  zu  naXiv  geworden  ist,  ist  für  die  Textentstellung 
Leressant. 

Danach  wird  21  erzählt,  dass  Palamedes  zu  Oinopion  und  Ki- 
rras  gesandt  war,  Hilfe  zu  holen.  Von  Rinyras  hat  er  sich  das 
»kaufen  lassen  und  von  dem  Gelde  an  Agamemnon  nur  einen 
lozer  abgegeben.  Das  ist  Fiction  auf  Grund  der  Panzerbeschreibung 
BS  A.  Dabei  ist  vorausgesetzt,  dass  Rinyras  sich  wirklich  los- 
loft,')  nur  hat  er  viel  mehr  gezahlt  als  Agamemnon  bekommen 
It«  Dass  dieser  statt  der  Theilnahme  am  Zuge  auch  eine  Ab- 
BduDg  durch  Geschenke  nahm,  ist  auch  aus  der  Ilias  genommen 
^296.  Hat  man  den  Sinn  erfasst,  so  ist  gesagt,  dass  es  lauten 
loss  It^ya/néfÀVOvi  fxlv  aTtoôlôwai  ^ùiçoxa  ...  va  d'  akXa 
vToç  ïx^i  xQrifAa%a,  nicht  ûxe^  und  dass  das  folgende  nicht 
ehr  von  Rinyras  gesagt  sein  kann,  anijyyeXke  6*  ovi  ixarov 
tvg  [ano]nifiipu  b  Kivvçaç,  Denn  die  Verpflichtung  war  Ri- 
fras  los.  Dass  aber  von  Oinopion  etwas  gesagt  werden  musste, 
It  man  schon  bemerkt.  Offenbar  muss  er  hier  statt  Rinyras  ein- 
setzt werden;  nur  ist  die  directe  Vertauschung  der  Namen  zu 
»h;  es  wird  ein  Ausdruck  wie  6  Xioç  hier  gestanden  haben,  der 
1  falscher  Glossirung  Anlass  bot.  Uebrigens  ist  diese  Geschichte 
ihwerlich  ganz  neu  erfunden;  dem  Elaiten  lag  Chios  am  nächsten. 

24.    Das  zweite  Distichon  hat  zu  lauten: 

Oldygov  q>lXov  vlov  og  'HgaxXfj'  idida^evy 
evQBV  Ô*  àv&gtinoiç  ygafAfACtra  xai  aoq>lr]v. 


1)  Nach  einer  anderen  Tradition  versprach  er  50  Schiffe,  schickte  eins 
d  macht  die  49  ans  Thon  mit  thônemer  Bemannung  und  wirft  sie  ins  Meer, 
»memnon  verflucht  ihn,  und  er  kommt  um,  weil  er  mit  Apollon  einen  mu- 
eben  Wettkampf  eingeht,  seine  50  Töchter  stürzen  sich  ins  Meer  und  werden 
Vögel.  So  schol.  T  zu  //  20  (daraus  EusUth.)  und  EpiL  ApoUod.  BibL  9 
igner  (der  das  Scholion  nicht  kennt).  Bei  ApoUodor  stand  als  Führer  des 
en  Schiffes  o  . .  •  •  üvyfiaXiwvoc  {Mvy8aXüuvo8  cod.);  es  war  ein  Schwager 
I  Kinyras  (Apoll.  3, 182).  Den  Namen  habe  ich  noch  nicht  gefunden.  Die 
^e  ist  rar.  Dem  Pindar  Pyth.  2,  26  war  Kinyras  ein  von  Apollons  Liebe 
reihter  König. 

35* 


536  ü.  ?.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Dass  trotz  der  UeberlieferuDg  des  CrippsisDus  ^canXr}  l^cdijo^ey 
edirt  wird,  ist  mir  unverstäDdlich  ;  daoo  sieht  eigciv  tut  evçîf  i\ 
als  ob  der  Hauptrubm  des  Linos  der  Ersiehuog  des  Herakles  vb^ 
juDgirt  wäre.    26.  Die  PhOnikier  haben  die  HOozen  erfonden,  naç^ 
wv  ovtog  fAo^wv  aoq>il^B%ai.     Dass  [xa^tiv  zu  IJJdw  ▼erdori)ecm 
ist,  ist  amusant    Unbegreiflich,  wie  ein  Sprachkenner  lilc»y  Ter^— 
muthen  konnte,  was  auf  griechisch  Xaßwv  heissen  mOsste. 

LIX.   Lysias  32,  7  àno&avovtoç  èxelvov  ^loyelrwr  tr^f  fiiw^ 
yh}ya%éQa  exgvnrê  tov  ^votov  toi  àvâgoç  xal  tot  ygifiiiotf^i 

kafAßavei  ta  aearjfÂaofÂéva inBidrj  di  xçôviai  idtihan^ 

%bv  d'dvaxov  %xX.    Der  Fehler,  den  das  beziehungslose  fxiv  leigi^ 
will  Fuhr  durch  die  Annahme  einer  LOcke  heben,  in  der  gestsodeo 
hätte,  dass  der  ungetreue  Vormund  Forderungen  eintrieb.    Das  ist 
nicht  richtig:   es  steht  im   engsten  Zusammenhange,  dass  er  n 
seiner  Tochter  geht,  aber  statt  ihr  die  Trauerbotschaft  zu  melden, 
die  Papiere  wegnimmt,  die  das  Vermögen  des  unmOndigen  Erixo 
auswiesen.    Ich  meine  mit  Téwç  fikv  Ti}y  ^.  gut  zu  heilen,  sndi 
in  Hinblick  auf  den  Tempuswechsel. 

Der  Vater  war  vor  Ephesos  unter  dem  Commando  des  Thra- 
syllos  gefallen  (7);  als  er  aufgeboten  wird,  heisst  es  (5)  xataUym 
JiôèoToç  [jUCTci  QgaaiXXov]  %wv  bnXivwv.  Der  ofTenkundige 
Anstoss,  den  man  falsch,  zuweilen  mit  groben  sachlichen  Versehet 
hat  heben  wollen,  fordert  die  Athetese.  Der  Stratege  wird  nicht 
mit  ausgehoben,  und  auch  die  Hopliten  werden  zwar  diuth  die 
Strategen,  aber  in  ihrer  Phyle  ausgehoben;  die  Verwendung  des 
Regimentes  oder  seiner  Theile  ist  etwas  späteres  als  die  Aus- 
hebung. 

Auch  20  ist  eine  Interpolation«  In  der  Rechnung  des  Vo^ 
mundes  erscheint  ein  Talent  eig  VTtoofjfAara  xal  elg  yvatptlof 
[IfÂÔTLa]  xal  eig  xovçéœg.  Man  soll  das  Glossem  nicht  darcb 
Zusatz  von  xal  eig  einrenken.  Denn  der  Interpolator  yennisste 
wie  wir  den  Posten  Kleidung,  neben  Schuhwerk,  Wäsche  und  Toi* 
lette.  Allein  Kleider  wurden  nicht  gekault,  sondern  im  Hause  voo 
den  weibiicheo  Familienmitgliedern  und  Sclavinnen  gewoben:  di 
figiirirt  nur  die  Walkerrechnung.  Das  ist  die  attische  von  unserer 
verschiedene  Sitte. 

LX.  Im  BtdL  de  corr.  hell.  XX  124  ist  ein  Volksbeschluss  vod 
MaDtiueia-Antigoneia  veröffentlicht,  den  ich  wiederhole,  weil  er  eis 
Deukmal  des  rhythmischen  hellenistischen  Stiles  ist,  den  Antioches 


LESEFRÜCHTE  537 

TOD  Kommagene  am  volUtäDdigsten  zeigt,  den  Ciceros  Lehrer  in 
Asien  yertraten,  wir  also  asianisch  nennen.  Ich  hatte  dieses  Do- 
cament  beachtet,  als  ich  im  ersten  Hefte  dieses  Jahrganges  diesen 
Stil  besprach.  Gleichzeitig  hatte  ich  den  Landtagsbeschluss  von 
Asien  aus  dem  Jahre  9  v.  Chr.  zu  bearbeiten,  der  in  den  athe- 
nischen Mittheilungen  steht,  und  von  dem  ich  dort  bemerke,  dass 
er  bereits  den  Stempel  der  classicistischen  Reaction  trägt;  im  In- 
neren TOD  Arkadien  war  man  noch  nicht  so  weit,  als  man  den 
Eophrosynos  ehrte.  Das  war  nicht  wohl  mehr  möglich  am  Ende 
des  1.  Jahrhunders,  wohin  der  Herausgeber,  der  um  Mantineia  sehr 
verdiente  Fougères,  die  Inschrift  setzt.  Es  ist  dazu  auch  kein 
A^nlass.  Denn  wenn  Eupbrosynos  das  Macellum  gebaut  hat,  und 
m  diesem  ein  Alur  an  Qed  'lovXla  Seßaavd  gefunden  ist  (S.  151), 
so  wQrde  dieser  das  Macellum  nicht  datiren,  auch  wenn  es  der  lulia 
Sabina  gfilte.  Aber  es  ist  allerdings  bei  diesem  Titel  ungleich  wahr- 
scheinlicher, dass  Livia  nach  ihrer  testamentarischen  Adoption  durch 
Augustus  gemeint  ist»  da  deren  Cult  bei  den  Orientalen  überaus 
beliebt  war.  Dann  datirt  der  Altar  freilich  das  Macellum  insofern, 
als  es  vor  dem  Tode  des  Augustus  errichtet  sein  muss.  Eupbro- 
synos, hören  wir,  hat  zwei  Gesandtschaftsreisen  nach  Rom  unter- 
nommen und  dem  Senate  nicht  Beschwerden,  sondern  Lobdecrete 
(tlr  die  Proconsuln  aberreicht  (Z.  31).  Das  führt  auch,  wenn  es 
nicht  nach  Claudius  Thronbesteigung  fallt,  auf  die  Zeit  des  Augustus, 
da  Tiberius  Achaia  dem  Senate  genommen  hat;  das  Senatsregiment 
hatte  also  nicht  genügt,  und  an  Eupbrosynos  hatte  der  Senat  an- 
genehm, also  als  Ausnahme,  bemerkt,  dass  er  nicht  mit  Beschwerden 
kam.  So  werden  wir  nicht  irren,  wenn  wir  die  Inschrift  etwa  in 
den  20  Jahren  um  Christi  Geburt  ansetzen.  Ich  gebe  die  Inschrift 
nicht  in  der  Zeilentheilung  des  Steines,  sondern  nach  ihren  Rhythmen 
gegliedert  und  bezeichne  kleine  selbstverstaindliche  Ergänzungen, 
Tilgungen  von  Dittographien  und  dgl.  nicht. 

Id  nokig  Ttüv  idmyoviwv  xal  'Pwfjialoi  ol  ncayf^atev- 
ôfÀêvoi  h  avxà  ^EniySvrjv  IdQTéfAWvoç  %àv  iavtwv  eveçyàviv* 

WfjçiGfjia  !AvTiyovéwy.  \  èneiârj  Eèççoavvoç  Titov  no^ 
Xltfjç  f^iÀéxBQOç  nQoyovi\xfiv  eiç  vi^v  narçlda  ôiade^àfievoç 
evvoiuv  ov  fiovov  ov\ii  Ifiiwaév  %i  t^ç.  Ttargwag  àçBTfjç 
dXXà  xaî  avvav^Tjaev  \  (10)  ahl  xal  xa&*  ^fÀigav  inivowv 
r^i  noXei  nXelov  ze  naçéxBad-ai  |  ttjv  fxiv  knUxBiav  %wv 
Tçonwv  yeyBVVTjfÂivoç        trjv  ôè  tpvx'^v  evyeveareQav  vrjç  q)v- 


538  U.  ▼.  WILâMOWITZ-MOLLENDORFF 

aewç  nkaTvvaç        nolvtek^ç  (âIv  iv  hier  schlieast  der  ente 
Stein;  der  Kopf  des  zweiten  ist  verstümmelt;  es  wird  aber  mchl 

sehr  viel  fehlen,    ngartovaiv  àvBfÀeai^vœç  naaiv 

(15)  véa&ai.  a^iov  de  xal  %ov%o  zwv  xatoçdio[fiatwv  ittî]}- 
varia V  T^v  yàq  nqoaoôov  t^ç  xtoQaç  elç  ev&fjvlcnf  aiTw\flaç 
èvo/no&irrjae,  to  avevôeèç  t^ç  %Qoq)fjç  alwvlw  \  Tcaça^é' 
fXBvoç  anolavaei,  ivngrja'd'évToç  re  rav  xavot  \  to  yvit- 

yàaiov  xvxXov  ràç  elç  Ttjy  lôlav  evxçrj]  (20)  artav  ^oifiaü- 
fxévaç  Ixaçlaono  nXlvâ'Ovç,  t^ç  xot*  oÎ\xov  (iq>BUaç  tor 
drjfÀoacov  xoafÀOv  Tcçoxgelvaç.  n3Lfj\çtûaaç  ody  noitÙxiç 

evegyealaç  v^v  nôXiv  vneçé\[fial$]  tovç  %fjç  *Elladoç  [içlovç^ 
xaî  (ÂéxQi  %€ï¥  aeßaavellwv  evnkorjaev  xoçaxn^çwy,        oy  ô'  of 
naçàxtioc  jcXeîy  \  (25)  liôçlay  xay  ana^  BvXaßovyrai,        tot- 
ray  6  fAeaôyaioç  \  xal  devregoy  nkeva[aç]  xctTêq>ç6yf]ae'  ^^ 
çeîy  yàç  av\rdy  nargldoç  evegyetovfÀéyrjç  evxceî  ngoetgénono»] 
ôlç  ovy,  xal  ravza  dwgeay,  ngeaßevaag  vnig  t^y  nôXiy  \ 
nçoarjvriç  èyéyeTO  xai  Ttj  &e[tovat]ï]  avyxki]Ttû,  /U17  xo  (30)  |f<t- 
^œv  xaTTjyoglav  [ayâvn]a[T]wy  alk*  ïftaiyoy.         üvyrig\ii6chi 
â'  avTw  xal  y[vy^]  TtoXîxiç  àno  yivovç  ^Efciyôyrj  J^AgréfÂtafOÇ 
[to]Iç  yd/noiç  avyxegaa&eîaa,        i^evyyvy\i^o  yàg  ßi[oiC  x]ai 
aci^aaiy  i/n;^«/,  xal  nag*  àfÂÇotigoiç  \  àfieQfjç  6fÀ]6yoia, 
q)&àvovT€Ç  d*  c[iÀr;kovç  ralç  elç  (35)  |  ev[n;oUaç]  èTtiyolaiç 
vaovç  fièv  ^yeigav   elç   ïdaq>oç  iJ|^[ei/u^^v]ot;g,    deinyiafTjQia 
te  TcgoaefÀijxvyav  ôeucyclatrigloiç  xal  %a(Àela  avvôioiç  ixaçi- 
aavTO         nagexofie\yoi  firj   fioyoy  &eoîç  evaeßeiay         àlii- 
xal  xÔtcolç  xÔGfÀOv,       fj  [T]e  ae/ÂyoTocTt]  xai  q>lXaydgoç  ^EmyôfTj 
fÂeifÂTjaafÂéi  (40)  yrj  tov  ya/nr^Gayra  xal  avti^,  nâarj  ^ti 

zfjv  ènlralxToy  legwovyrjy  ayalaßovaa  fietà  nâarjç  iaTtêf 
vif]ç  nolvrelovg  tovç  fxey  &eoiç  l&griaxevaey  ev\aeßwc  foiç 
d'  àvd'gtonovç  evwxriae  Ttayâijfiwç.  ^âei  de  \  xal  ta  nqar 

r^yovfÂeva  %olç  ^exà  xaika  dwgoiç  vnegßf^^yav  \  (45)  /uaxeîUo^ 
^x  &efÀeX£u}v  vxpovxo  nolvveXrjç  igyaavrjlglwy  avràgxrj  ôta- 
yga(p6fjLevoç  xaXXoviqvy  hiagvezo  d*  atf\Toîç  i^éôga  (äoi] 

ôvva^àvri   Y.al  fiôvi]  noleœç  x6\aiÂ0Ç  elvai  7tgoefÀï]xvvi%o 

ô'  avToîç  xoft  ßalrrjc  \  evxgrjGvoç  ànoXavaiç  Xf'f^égioy  xati- 
GTr^liia  viK(ju\  (50)  ar]ç  eneaq)gayLaa%o  â'  avtwy  t^vmIv 
réleiav   n€Qi\aTvXov  fiag/iaçlvoiç   inegtôôfieyoy  xelooih 

CUV  f^  'Aalllovij  xai   zo   Xelnov  eti  rfjÇ  àyogâç  xexSafitjxe  xci 
0:  I  (^léTQia  ô'  avTwv   elvai   ôoxovvva   ngoç   avyxgiaiv  —  der 


LESEFROCHTE  539 

It  der  Motive  und  der  eigentliche  Beschluss  stand  auf  einem 
.ten  Steine. 

15  ergänit  Fougères  23  v7tece[Tißa]  toig  rf^g  'EkXàdoç 
}vç  Foug.  Das  habe  ich  ohne  Bedenken  geändert  29  ergänzt 
lg.  30  [aTg(n]aywv  Foug.  falsch  31  d*  steht  bei  Foug. 
der  Umschrift,  fehlt  also  wohl  durch  Versehen  in  der  Abschrift. 
if  von  Foug.  ergänzt  32  [a^loiç]  Foug.  in  seiner  Abschrift 
len  Reste  von  ig^  aber  dann  seltsame  Punkte,  die  nur  Raum 
zwei  Buchstaben  lassen«  Allerdings  sind  die  Spatien,  wie  die 
men  Ergänzungen  zeigen,  ungenau  notirt  33  ßloig  Foug. 

dieser  Partie  kann   nur  der  Stein  Entscheidung  bringen 
ergänzt  Foug.  35   Bv[eQyealay]  Foug.  zu  lang  für  seine 

ikte  und  unrhythmisch  36  Ergänzt  von  Leonardos.    Ein 

Qnschter  Beleg  für  eine  postulirte,  aber  noch  nicht  sicher  be- 
ß  Form  39  ys  giebt  Foug.  da  musste  re  eingesetzt  werden, 
irlei  ob  der  Fehler  auf  dem  Steine  steht. 

Sachlich  hat  Fougères  den  Text  erläutert;  es  wird  den  Lesern 
ler  Zeitschrift  aber  bequem  sein,  wenn  auch  hier  kurz  gesagt 
j,  was  die  Inschrift  lehrt.  Wie  ivt  den  meisten  Städten  des  ver- 
iten  Griechenlands  hat  sich  auch  in  Hantineia  in  der  Revolution 
Mann  an  Stelle  der  Gemeinde  ins  ungemessene  bereichert;  in 
Ruhe  des  Kaiserreiches  trägt  das  seine  Frucht,  endlich  auch 
Gunsten  der  Stadt.  Euphrosynos,  Sohn  des  Titus,  aber  nicht 
lischer  Bürger,  war  in  Antigoneia  das  was  Eurykles  in  Sparta, 
sr  Caligula  Epaminondas  in  Akraiphia,  unter  Trajan  Atticus  in 
en  war;  er  hat  in  der  städtischen  Verwaltung  mancherlei,  was 

nicht  mehr  lesen,  geleistet  und  die  Einkünfte  für  eine  cura 
onae,  die  evd-tjvla,  festgelegt,  die  wir  aus  Asien  kennen,  deren 
auere  Aufklärung  einmal  ein  Volkswirth  geben  mOge.    Sonst  ist 

die  Lieferung  privater  Ziegel  für  einen  Bau  und  die  Ueber- 
me  zweier  Gesandtschaften  zu  erwähnen,  bei  denen  er  die  Ehre 
.e,  den  Majestäten  vorgestellt  zu  werden  ;  dem  Senat  aber  gefiel 

dass  er  im  Gegensatze  zu  dem  Landtage  die  Proconsuln  be- 
;e:  er  stand  sich  also  mit  der  vorgesetzten  Behörde;  die  römische 
Dnie  in  Antigoneia,  d.  h.  die  blutsaugenden  Geldmänner,  votiren 
I  auch  ihren  Dank.  Seine  Frau  hat  ausser  der  Herstellung 
'aliéner  Heiligthümer  und  der  Uebernahme  der  Priesterthümer, 
denen  es,  wie  man  sogar  ausspricht,  wesentlich  auf  die  Speisung 
Volkes  ankam,  den  grossen  Bau  angelegt,  dessen  Reste  Fou- 


540  D.  V.  WILAMOWITZ-HÖLLENDORFF 

gères  entdeckt  hat,  eio  Schlachthaus  mit  Tabernen  daran;  in  de 
Mitte  des  Hofes,  den  Zimmer  umgeben,  eine  Exedra,')  daneba 
eine  Wärmehalle,  d.  h.  einen  geheizten  Raum,*)  der  im  Winter  de 
Dienst  der  zugigen  Stoen  that,  und  rings  um  die  ganze  Anla| 
einen  Säulengang  ?on  Marmor:  das  wird  ausdrOcklich  henrorgehobei 
der  Glanz  ist  in  Antigoneia  natQrlich  relativ.  Es  ist  ein  lebendig« 
Bild  der  Misère  jenes  Griechenlandes,  das  der  ehrliche  Strabc 
schildert,  und  der  beginnenden  Herstellung,  die  freilich  nur  darc 
Verschärfung  der  socialen  Schaden  möglich  war.  Aber  nicht  ai 
der  Sachen  willen  habe  ich  die  Inschrift  tractirt,  sondern  ah  91 
cimen  d^éloqumce  provinciale,  wie  Fougères  sich  ausdrückt.  D 
Gemeinde  redete  noch  Dialect,  zwar  nicht  arkadisch,  aber  pel« 
ponnesisch');  der  Rhetor  bedient  sich  der  Schriftsprache  und  b 
gewiss  so  schön  geschrieben,  wie  er  es  bei  seinem  UniversilAI 
professor .  gelernt  hatte.  Sein  Stil  ist  alles  andere  als  proyincû 
Da  ist  erstens  der  Hiat  vermieden,  denn  xai  avrij  40  muss  aac 
um  der  Rhythmen  willen  mit  Krasis  gelesen  werden.  Zweitei 
sind  die  drei  Cadenzen  inne  gehalten,  die  auch  die  Römer  dama 
übernahmen,  Ditrochaeus,  Doppelkretiker  und  Kretiker  +  Spondeu 
Die  Auflösungen,  die  sehr  beliebt  sind,  beleben  die  Honotoni 
aber  Ausnahmen  giebt  es  nicht/)  Man  sieht,  was  die  Recitatic 
als  ein  Glied  zusammenfasste.  Interessant  ist,  dass  das  flOcbtif 
Ny  nur  gesetzt  ist,  wo  es  für  die  Rhythmen  erforderlich  wa 
Z.  3  muss   man   messen   diaàe^âfitvoç  evvoiav  s>ww  —  w,  ab 

1)  Man  denke  an  das  Macellnm  in  Pompei,  wo  auch  an  den  Seiten  d 
Semviari^Qta  nicht  fehlen,  die  Speisezimmer,  bestimmt  für  die  Opferschmia 
des  Volkes.  Hier  wurden  auch  den  Glubbs,  cvvoBoi^  Sitzongs-,  d.  h.  Roei 
räume  zur  Verfügung  gestellt. 

2)  ßaizfi  heisst  eigentlich  der  Flausch,  volksthömlich  auf  die  wan 
Stube  übertragen.  Belegen  kann  ich  den  Gebrauch  nur  aus  der  Inschrift  ▼< 
Magnesia  179,  12. 15,  aber  er  ist  nun  deutlich,  und  man  begreift,  was  i 
inalêrfi  Xtffxn  ist,  die  schon  Hesiodos  (Erg.  491)  und  Homer  (ff  320)  kenoc 
Neoptolemos  von  Parion  bei  Proklus  zu  Hesiod  erklärt  avXrj  iv  r^  nvQ  #ai 
dann  muss  es  ein  geschlossener  Raum  sein.  Die  ßairn  in  Mantineia  und  Ma 
nesia  ist  durch  Luftheizung  wie  die  ßädern  geheizt  zu  denken. 

3)  Auf  die  charakteristische  Erscheinung,  dass  Antigoneia  nicht  me 
arkadisch  schreibt,  habe  ich  schon  vor  Jahren  hingewiesen. 

4)  Es  sei  denn  37  in  8êinviaTTj^ioie  eine  dochmische  Gadenz  beabsichtii 
die  bei  manchen  Stilisten,  z.  B.  in  n.  vxp&vç,  beliebt  ist.  Aber  hier  swai 
die  Aufzählung  zu  diesen  Worten,  und  man  braucht  kein  besonderes  Gli 
abzusetzen. 


LESEFRÜCHTE  541 

fieç^ç  ofÀOvoia  ~v^^^^,  35  einoilaç  Inivolaiç  -w.^ 
Ein  80  streng  rhythmisirtes  Stack  ist  im  gnechischen 
r  noch  etwas  rares.  Es  repräsentirt  die  hellenistische  Weise 
in  dem  Sprachschätze  und  Stile.  Zwar  ßalxrj  ist  eio  tech- 
\  Wort,  6v&rjvla  auch,  aber  ngoarjvi^ç  von  Persooen,  mla- 
V  zrjy  tlwx^v  seine  Seele  weiten,  ist  neu,  letzteres  zumal  be- 
ioswerthy  weil  nkarvQ  in  gutem  Sinne  nicht  gesagt  zu  werden 
.  Aus  der  stoischen  Sprache  ist  xanoQd'WfAava  für  avègaya- 
!ra  gekommen;  avB/neajjtύ  hat  Piaton  (Ges.  684  e)  gewagt, 
in  âq>â'6vwç  die  eigentliche  Bedeutung,  ohne  qfd'ovog,  nicht 

gefohlt  ward.  Das  Hauptkennzeichen  der  hellenistischen  Rede 
ß  Periphrase:  dafür  sind  hier  prachtige  Belege,  xifiigiov  xa- 
rifia  für  xEVfÂtivy  ßaltrjc  evxQfjOTog  anolavaig,  wo  ßalTtj  ge- 
,  EvnXoeiv  für  nXelv^  evxQtjGTla  für  XQ^^^y  danavt]  noXvte- 
wo  das  Adjectiv  nur  schmückt,  avvriQfAoad^  yvvrj  toîç  yàfÀOiç 
îçaG'd'elaa,  worin  ausser  der  Heirath  die  ,innige  Verschmel- 

bezeichnet  werden  soll:  xegavvvyac  höchst  pretiOs,  kein 
ike  an  das  Synonymon  fiBiyvvad'ai^^)  aber  auch  das  poetische 
r?  xegavvvvai  ist  anders  gemeint  (?on  dem  ^iXoTr^aioç  x^a- 
ler  verständlich).  Das  seltsamste  ist  die  Bezeichnung  der  aller- 
ten  Herrschaften  durch  aeßdateioi  x^Q^^^'^^Q^Sf  >di®  Triiger 
lempels  der  Majestät.'    Man  versteht  es,  wenn  man  die  Sprache 

und  kann  es  elegant  finden;  aber  einen  Beleg  habe  ich  nicht 
r  im  Hebraeerbriefe  1,  3  von  dem  Gottessohn  anavyaafia  t^ç 
;  xal  x^Q^^'^^Q  ^^?  vnooTàaewç  avtov.  Von  Wortverbin- 
^n  ist  äusserst  kühn  zijv  fikv  inaUuav  %wv  Tçàfcwv  ye-- 
jl^évoç  für  èftiemrjç  tov  tgéttov  q>iaei  Tcecpvxtoç.  Plebejisch, 
Dan  wohl  sagen  darf,  ist  vnkg  t^v  nôXiy  statt  des  Genetivs; 
iahe  zufällig  einen  Beleg  auf  einer  Freilassungsurkunde  von 
lissa  BGH.  XIX  386;  Epigraphiker  werden  leicht  mehr  geben, 
veiter  besonders  ins  Auge  fallende  ist  die  Wortstellung,  die 
I  das  Streben  nach  der  quantitirenden  Cadenz  mitbedingt  wird; 
oalformen  prävaliren,  zu  denen  Participia  und  Adverbia  zu  rechnen 

man  vergleiche  aus  der  späten  Prosa  mit  accentuirender  Ca- 
eine  Partie,  so  wird  man  sehen,  wie  um  der  Barytonie  willen 
lie  Verbalformen  prävaliren.  Periodisirung  ist  nicht  angestrebt, 
irn  die  Parataxe  coordinirter  Glieder,  Parisose  nicht  eben  stark, 

1)  fiaiyvva&ai  ist  die  correcte  Forn),  nicht  ftiywad'at;  so  steht  in  dem 
sehen  Hymnus. 


542  U.  V.  WILâHOWITZ-MOLLENDORFF 

Reim  oicht:  es  ist  etwas  wesentlich  anderes  als  die  gorgiamicbe 
Rede,  die  doch  auch  mit  coordinirten  Gliedern  operirt,  aber  seine 
Herkunft  aus  der  vorisokrateischen  Kunstprosa  verlflugnet  dieier 
,Âsianismus'  nicht. 

LXI.    Im  Bull,  de  corr.  heU.  IV  352  hat  HomoUe  einen  Be* 
schluss  ?on  Knossos  veröffentlicht,   der  in  Delos  publicirt  worden 
isL    Es  ist  die  Ehrung  eines  Grammatikers  Dioskurides  aus  Tanoi, 
der  ein  Enkomion  auf  Kreta  in  homerischem  Stile')  verfasst  noA 
seinen  Schüler^  den   epischen   und  lyrischen  Dichter  Myrinos  an» 
Amisos  nach  Knossos  geschickt  hatte,    um  es  dort  Torsutrageo. 
Das  ist  ein  charakteristisches  Culturbild;  aber  es  wflre  gewiss  noda 
fiel  hübscher,  wenn  Dioskurides  und  Myrinos  für  uns  bekannte 
Grossen  wären.     So  hat  zuerst  Homolle  das  von  Myrinos  ange- 
nommen, den  er  mit  einem  gleichnamigen  Dichter  der  Anthologie 
identificirt  hat,  und  dann  hat  Br.  Keil  in  dem  Grammatiker  Dios- 
kurides den  Verfasser  der  Abhandlung  über  die  homerische  Cnltnr 
gefunden,  den  die  treffliche  Arbeit  ?on  R.  Weber  hergestellt  hiL^ 
Leider  ist  beides  unhaltbar,  und  ich  muss  das  Negative  ausführem 
weil  ich  sehe,  dass  Dittenberger  in  seiner  neuen  Sylloge  722  badei 
annimmt,  so  dass  zu  befürchten  ist,  dass  es  in  die  üffentliebe 
Meinung  übergeht.    Myrinos  ist  bald  abgethan.    Die  Gedichte  der 
Anthologie  Xl  67,  VII  703,  VI  108  und  254  stehen  alle  in  Reibeo, 
deren  Herkunft  aus  der  Sammlung  des  Philippos  unzweifelhaft  in: 
also  hat  Myrinos  zwischen  Sulla  und  Caligula  gelebt,  wahrscbeinlid) 
mehr  nach  der  unteren  Grenze  zu.  Auch  der  Stil  der  ekphrastiscbeo 
Epigramme,  mit   ihrer  zum  Theil  dürftigen  bukolischen  ImitatioD 
weisl  sie  aus  dem  2.  Jahrhundert  in  die  Sphäre  der  Augusteer,  efl(i* 
lieh  heisst  die  Hetäre,  die  den  Apparat  ihres  Handwerkes  weiht,  tl^^ 
sie  sich  zu  Ruhe  setzt,  Statyllion,  die  erste  Silbe  lang  gebrauditt 
ein  gräcisirtes  Statilia.')     lieber  Dioskurides  ist  nicht  ganz  so  éor 

1)  éyxcifiiov  xarà  rov  noirjTav  vnèç  to;  àfiœ  éi9y«os  könnte  aoch  ÔDC 
prosaische  Schrift  sein,  die  das  Lob  Kretas  bei  Homer  enthielte;  alleiD  za 
deren  Recitation  war  die  Entsendung  eines  Vorlesers  und  ToIIends  eines  Diditeß 
nicht  erfordert. 

2)  Leipz.  Stud.  XI.  Die  Sammlung  und  Werthung  der  Doctrio  in  dieser 
Arbeit  ist  viel  werthvoller  und  sicherer  als  die  Herstellung  der  Person  des 
Schriftstellers;  aber  da  die  Identification  mit  diesem  operirt,  kann  ich  iho 
einsetzen,  wie  Weber  ihn  gegeben  hat 

3)  VI  254.  Es  wird  eine  Freigelassene  aus  dem  Gesinde  der  StaHB 
Tauri  sein,  Myrinos  ein  geringer  Litterat  der  Zeit  nicht  lange  vor  Philippol 


LESEFROCHTE  543 

h  zum  Schluss  zu  kommen.  Die  Inschrift  wird  man  um  ihrer 
nche  willen  möglichst  nahe  an  die  obere  Grenze  166,  die  An- 
den von  Delos  au  Athen,  rUcken.  Der  Homeriker  Dioskurides 
isste  also  noch  Zeitgenosse  des  Aristarchos  sein,  dessen  Lehre 

vorwiegend  bekennt.  Das  ist  nicht  gerade  unmöglich,  wohl 
^r  darf  man  den  ganzen  Charakter  des  Buches  in  die  Wagschale 
^egen  werfen.  Wenn  Dio  und  Plutarch  ein  Buch  direct  benutzen 
à  dasselbe  noch  dem  Athenaeus  vorliegt,  so  ist  nicht  wahrschein- 
ti,  dass  es  aus  der  gelehrtesten  Periode  der  Grammatik  stammte, 
t  der  namentlich  Dio  keine  Verbindung  hat.  Es  war  ein  popu- 
«8  Buch,  und  sein  Verfasser  ein  Eklektiker,  der  die  aristarchische 
:egese  und  neben  ihr  ruhig  die  peripatetischen  Lösungen  der 
lorien  und  mancherlei  Stoisches  verarbeitete.  Das  sieht  viel  eher 
€h  der  Zeit  des  Augustus  als  der  des  Aristarchos  aus.  Ich  vermag 
>ch  weder  in  den  Resten  des  Dioskurides  Spuren  speciflsch  helle- 
itischer  Weise  zu  finden,  noch  sind  Benutzungen  dieses  Buches 
•r  Plutarch  und  Dio  nachgewiesen.  Anders  steht  es  mit  der  la- 
»nischen  Politic  eines  Dioskurides,  die  von  Didymos  benutzt  ist,') 
id  den  Apomnemoneumata  eines  Dioskurides,  die  sogar  schon 
egesandros  von  Delphi  citirt*);  aber  die  Identification  dieser  gleich- 
imigen  Schriftsteller  mit  dem  Verfasser  des  homerischen  Buches 
1er  mit  dem  dichtenden  Grammatiker  der  Inschrift  schwebt  völlig 

der  Luft,  und  wenn   man  auch  geneigt  sein  mag,  die  Anzahl 

r  schriftstellernden  Dioskurides  zu  verringern  :  das  einzig  wirklich 

ichtige,  die  Identification  des  Grammatikers  von  Tarsos  mit  dem 

)meriker,  hat  am  meisten  gegen  sich. 

LXII.  lieber  den  Grammatiker  Artemidoros,  den  Vater  Theons, 

die  Untersuchung  von  Ahrens  BucoL  II  XXXV  mit  Recht  an- 
sehen. Es  erscheint  durchaus  geboten  ihn  mit  dem  ^Agiaxo- 
if$ioç  oder  W€vôaQiaToq>ay€ioç  zu  identificiren;  minder  sicher 

die  Identification  mit  dem  TaçaevÇj  den  Strabon  erwähnt  (675), 
dit  als  Zeitgenossen,  also  spätestens  in  suUanischer  Zeit  blühend, 

1)  Ihr  uod  nicht  dem  homerischen  Buche  gehört  ofienbar  an,  was  bei 
)tio8  axvrdlij  steht,  Jwaxovçidrjs  ir  rois  nêçl  vofiifM^v  rovs  8apêi^opras 
ZncLÇTfîi  htX,  Eine  lakonische  Politie  ist  immer  eine  Darstellung  von  ve- 
ut. Der  unglückliche  Gedanke,  diese  mit  dem  Leben  der  Heroen  zu  ver- 
»peln,  wird  damit  beseitigt  sein.  Eine  Politie  schreibt  nicht  leicht  ein 
mmatiker. 

2)  Diesen  wird  man  nicht  leicht  für  jünger  als  die  zweite  Hälfte  des 
lahrhunderts  v.  Chr.  halten. 


546  U.  V.  WILÂMOWITZ-MOLLENDORFF 

xandriDer  nichts  angehC)  wird  noch  filter  sein:  hat  doch  Daiid 
schon  sein  Volk  gezahlt. 

Was  die  Zahl  der  ägyptischen  Ortschaften  angeht  (Wilden 
488ffg.)>  so  sind  die  Einreden  Belochs  gegen  die  Ueberliefernug 
Diodors  und  das  angebliche  confuse  Fragment  des  Baton  oder  BiitoD 
(so  E.  Meyer)  in  dies.  Ztschr.  XXXIU  520*)  erledigt.  Es  istHeki- 
taios.  Es  sei  aber  noch  eine  Appianstelle  behandelt,  mit  der 
Wilcken  247  nicht  zu  Rande  kommt.  5iyr.  50  ergeben  sich  dem 
Pompeius  Kilikien  und  Syrien,  nur  die  Juden  muss  er  mit  Gewalt 
bezwingen,  ihren  König  nach  Rom  schicken  und  ihre  Hauptstadt 
zerstören,  was  Ptolemfios  I.  froher,  nachher  Vespasian  und  Hadri» 
wiederholt  haben.  Diese  sehr  übertreibenden  Bemerkungen  flogt 
Appian  natürlich  aus  sich  hinzu.  Dass  die  gewaltsame  Eroberaag 
durch  Pompeius  so  bezeichnet  werden  konnte,  wird  man  Dicht 
beanstanden.  Nun  folgt  der  fragliche  Satz  nai  dca  %av%^  lorlr 
'lovdaloiç  Snaaiy  6  q>6goç  vaiv  awfÀorwv,  ßagirecoc  %rjç  oUi/g 
neçiovalaç.  eari  ai  xal  2vqoiç  xai  Klli^iv  èvijaioç  ixatomi 
tov  TifAi^inatoç  éxdatwi.  Dass  sich  dies  auf  Pompeius  beseht, 
nicht  auf  die  Gegenwart,  folgt  aus  der  Gegenüberstellung  der  fOh 
her  ebenso  in  ihrem  Verhalten  zu  ihm  entgegengestellten  Volker. 
Es  folgt  auch  daraus,  dass  zur  Zeit  Appians  Kopfsteuer  in  Syrien 
gezahlt  ward.  Also  schreibt  Appian  einen  Berichterstatter  aus,  der 
gemfiss  den  Ordnungen  das  Pompeius  für  jene  zwei  Provinzen  nur 
eine  jfihrige  einprocentige  Vermögenssteuer  angab.  Dieser  Satz  wird 
verdorben^  wenn  man  hinter  èzijaioç  ein  Komma  setzt.  Vorher 
hat  Musgrave  neçiovaia  mit  Recht  für  unerträglich  erklärt,  einerlei 
wie  falsches  er  an  seine  Stelle  setzte.  Wilcken  durfte  einem  aa* 
tiken  Schriftsteller  nicht  eine  byzantinische  Bedeutung,  d.  h.  dl 
Verwechselung  mit  oiala  zumuthen*  Mao  verlan jït  den  Sinn, 
den  Juden,  die  sonst  natürlich  dasselbe  zu  leisten  hatten  wie 

1)  Das  sagen  das  3.  Makkabaerbuch  und  iostphuä  hf'ide^ 

2)  Mittlerweile  hat  Wachsmoth  io  den  JatirbücherD  füf  N^bopttoki 
und  Statistik  1900,779  die  Steile  behandefl;  der  Aiif^ati  litif  du^ 
Freundlichkeit  des  Verfassers  vor.    Er  zeigt,  dass  dn*  *  j)Uh  B 
einmal  mit  derselben  Gorruptel  Bärtov  bei  S( 
vorliegt.    Ich  denke,  er  selbst  wird  die  £mt 
den  er  billigt,  vorziehen,  denn  er  weiss,  das^j 
Im  übrigen  lasse  ich  alles  stehn  wie  es 
zu  vergleichen.     So  viel   ich  von  Wac' 
Millionen  und  die  Volkszahlung  sehe 


LESEFROCHTE  545 

far  das  Platon  (aus  den  Gesetzen)  bei  Photius  Téçafiov  citirt  wird, 
hat  hiermit  nichts  zu  Ihun.  FOr  die  Beurtheilung  unserer  Platon- 
flberlieferung  scheint  mir  die  Variante  wichtig;  ich  habe  mich 
leider  dazu  bekehren  müssen,  wie  die  Einheitlichkeit,  so  die  Vor- 
trefilichkeit  unseres  Textes  nur  mit  starker  Einschränkung  anzu- 
erkennen. 

LXIV.  Josephus  BeU.  11  385  giebt  die  Bevölkerung  Aegyptens 
auf  7^2  Million  an  ix  %rjç  etc  éxdottjv  xegtal^v  elaqtogSc, 
Wilcken  in  seinem  schonen  Werke  über  die  Ostraka  1  239  macht 
sich  mit  dieser  Notiz  Mühe.  Wenn  die  Zahl  so  gewonnen  ware, 
dass  Josephus  die  Gesammtsumme  der  Kopfsteuer  durch  den  Ein- 
heitssatz dividirt  hatte,  so  wflre  sie  freilich  so  werthlos,  wie  Wilcken 
sagt,  da  der  Satz  stark  differirte.  Aber  eine  solche  Rechnung  wird 
so  leicht  niemand  dem  Josephus  zutrauen;  dividiren  ist  in  der 
griechischen  Rechenkunst  etwas  schweres.  Nun  kommt  aber  Wilcken 
S.  491  zu  dem  Ergebniss,  dass  die  Zahl  an  sich  richtig  sein  wird, 
da  sie  der  gegenwartigen  fast  gleich  ist,  und  die  von  Diodor  für 
die  Ptolemäerzeit  und  die  eigene  Gegenwart  angegebenen  7  Millionen 
in  angemessener  Weise  abersteigt.  Da  ist  es  doch  sehr  seltsam, 
dass  eine  falsche  Rechnung  ein  richtiges  Resultat  haben  soll.  Nicht 
die  Kopfsteuer,  sondern  die  zu  deren  Behufe  vorgenommene  Volks- 
zählung hatte  Josephus  benutzen  sollen,  also  griechisch  ausgedrückt. 
die  kaoyçaq)la  —  doch  uein^  dieses  Wort  ist  zwar  dem  Wortsinne 
nach  Volkszahlung,  hat  aber  die  Bedeutung  Kopfsteuer.  Nun  ist 
das  Wort  Oberhaupt  nicht  schriftgemass.  Es  kommt  nur  in  einer 
Stelle  des  3.  Makkabaerbuches  vor  2,  28,  die  so  verwirrt  ist,  dass 
ich  sie  nicht  verwenden  kann.  Josephus  hat  bekanntlich  sein  Werk 
▼on  einem  Grammatiker  sprachlich  revidiren  lassen:  da  haben  wir 
den  Erfolg.  ^aoyçaq)la  ist  durch  eine  Paraphrase  ersetzt,  welche 
den  Sinn  giebt,  den  es  praktisch  zu  jener  Zeit  hatte,  der  aber 
hier  nicht  zutrifft:  der  Grammatiker  hatte  noch  schwerfälliger  sagen 
müssen,  Ix  rcJy  ^évexa  Ttjç  sic  éxàavriv  x€q>aXfjv  elaq>oçaç  àva- 
yQaq>ü(¥.  Das  Alter  der  Kopfsteuer  lasst  man  passend  mit  Wilcken 
in  stUEpeiMo:  dass  die  kaoyçaq)la  zuerst  bedeutet  hat,  was  sie  sagt, 
fordert  die  Sprache,  bestätigt  sich  durch  die  Angabe  über  die  Volks- 
zahl schon  unter  Ptolemaos  1.*)  und  die  Zahlung,  die  ja  die  Ale- 

1)  Die  Stelle  Diodor  I  31  ist  von  Wilcken  mit  Erfolg  gegen  Belocti  ge- 
sichert T0VTÙ9V  möchte  icli  freilicli  nicht  aus  rçioxaaiatv  machen,  sondern 
•wie  Stephanus  und  schon  ein  Schreiber  streichen. 


546  U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

xandriner  nicbu  angeht,^)  wird  noch  älter  sein:  hat  doch  DiTkl 
achoD  sein  Volk  gezahlt. 

Was  die  Zahl  der  Sgyptiacben  Ortschaften  angeht  (Wikkea 
488ffg.)y  so  sind  die  Einreden  Belochs  gegen  die  Ueberlieferoag 
Diodors  und  das  angebliche  confuse  Fragment  des  Baton  oder  Baiton 
(so  E.  Meyer)  in  dies.  Ztschr.  XXXIII  520*)  erledigt.    Es  ist  Heb- 
taios.     Es   sei    aber  nocb   eine   Appianstelle  behandelt ,   mit  der 
Wilcken  247  nicht  zu  Rande   kommt.    Syr.  50  ergeben  sieb  den 
Pompeius  Rilikien  und  Syrien,  nur  die  Juden  muss  er  mit  Gewalt 
bezwingen,  ihren  ROnig  nach  Rom  schicken  und  ihre  Hauptstadt 
zerstören,  was  PtolemSos  I.  froher,  nachher  Vespasian  und  Hadrian 
wiederholt  haben.    Diese  sehr  Obertreibenden  Bemerkungen  füft 
Appian  natOrlich  aus  sich  hinzu.     Dass  die  gewaltsame  EroberuD^ 
durch  Pompeius  so  bezeichnet  werden  konnte,  wird   man  nicht 
beanstanden.     Nun   folgt  der  fragliche  Satz  xal  aid  %av%^  Icnrla^ 
^lovôaloiç  Snaatv  6  q^éçoç  tvjv  owfAOTWv,  ßacvreQOC  r^ç  cfUijç 
neçiovalaç.    ^ati  êè  aal  Svqolç  xal  KlXi^iv  injaioç  éxatoav^ 
tov  %ifAi]iÂa%oç  éxâarwi.    Dass  sich  dies  auf  Pompeius  bezieht, 
nicht  auf  die  Gegenwart,  folgt  aus  der  GegenOberstellung  der  j(x^ 
her  ebenso  in  ihrem  Verhalten  zu  ihm  entgegengestellten  Volker. 
Es  folgt  auch  daraus,  dass  zur  Zeit  Appians  Kopfsteuer  in  Syries 
gezahlt  ward.    Also  schreibt  Appian  einen  Berichterstatter  aus,  der 
gemäss  den  Ordnungen  das  Pompeius  fOr  jene  zwei  Pronnzen  nur 
eine  jährige  einprocentige  Vermögenssteuer  angab.    Dieser  Satz  wird 
verdorben,   wenn   man   hinter  itijaioç  ein  Komma  setzt.  Vorher 
hat  Musgrave  nsçiovala  mit  Recht  fOr  unerträglich  erklärt,  einerlei 
wie  falsches  er  an  seine  Stelle  setzte.   Wilcken  durfte  einem  ao* 
tiken  Schriftsteller  nicht  eine  byzantinische  Bedeutung,  d.h.  eine 
Verwechselung  mit  olala  zumuthen.    Man  verlangt  den  Sinn,  da» 
den  Juden,  die  sonst  natürlich  dasselbe  zu  leisten  hatten  wie  die 


1)  Das  sagen  das  3.  Makkabâerbuch  und  Josephus  beide. 

2)  Mittlerweile  hat  Wachsmolh  in  den  Jahrbüchern  für  Nationalökonomie 
und  Statistik  1900,  779  die  Stelle  behandelt;  der  Aufsatz  liegt  mir  durch  die 
Freundlichkeit  des  Verfassers  vor.  Er  zeigt,  dass  das  Homerscbolion  B  noch 
einmal  mit  derselben  Gorruptel  Bdxav  bei  Stephanos  von  Byzaoz  Jêccmlti 
vorliegt.  Ich  denke,  er  selbst  wird  die  Emendation  'EKaxaloG  dem  JCaar«»^, 
den  er  billigt,  vorziehen,  denn  er  weiss,  dass  dieser  der  Erfinder  der  Zahl  ist 
Im  übrigen  lasse  ich  alles  stehn  wie  es  geschrieben  war,  bitte  aber  den  Leser 
zu  vergleichen.  So  viel  ich  von  Wachsmuth  sonst  gelernt  habe,  die  siebea 
Millionen  und  die  Volkszählung  scheinen  mir  nicht  beseitigt. 


LESEFRÜCHTE  547 

anderen  ProYiozialen,  zur  Strafe  für  ihreo  Widerstand  die  drückende 
Kopfsteuer  extra  auferlegt  wurde.  Extra  kann  man  in  elegantem 
Griechisch  nicht  besser  sagen  als  ix  nsçiovalaç;  ßacvrecoc^ 
Apposition  zu  q>6çoç,  fordert  einen  Zusatz  der  Relation,  schwerer 
als  die  anderen  Steuern,  %wv  SXXtav.  So  meine  ich,  muss  man 
schreiben. 

LXV.  Unter  den  vielen  Vorwürfen,  die  Eduard  Meyer  in  seinen 
Forschungen  zur  alten  Geschichte  gegen  mich  erhebt,  befindet  sich 
einer,  der  eine  thatsflchliche  Feststellung  betrifft,  und  dem  ich  daher 
sofort  Rede  stehe;   im  übrigen  lasse  ich  mich  nicht  provociren. 
Er  wirft  Kaibel  und  mir  vor,  dass  wir  auch  noch  in  der  dritten 
Auflage  der  aristotelischen  Politic  die  Lesart  der  Berliner  Hand- 
schrift 13,  4  Térraçaç  für  nivve  der  Londoner  ,ignorirlenS    Blass 
l      hatte  noch  in  seiner  zweiten  Auflage  dieselbe  Sünde  begangen;  in 
^ler  dritten  die  für  den  Text  nicht  geringere,  auf  Meyers  Mahnung 
[      hin  die  Vierzahl  zu  empfehlen,  denn  dass  sie  falsch  ist,  giebt 
\     dieser  jetzt  selbst  zu.    Aber  darum  haben  beide  sich  nicht  ge- 
'     kümmert,  dass  unsere  dritte  Auflage  eine  neue  Vergleichung  der 
Berliner  Blatter  verwerthet,  die  ich  angestellt  habe.   Wenn  sich  da 
diese  Variante  nicht  findet,  so  heisst  das  für  jeden,  der  einen  kri- 
tischen Apparat  zu  benutzen  weiss,  dass  ich  das  von  Blass  selbst 
4s  unsicher  bezeichnete  ag,    auf  dem   allein   die  Zahl   vier  be- 
ruht, nicht  gefunden   habe   und   nicht  anerkenne.     Ich  habe  nur 
einen   halbrunden  Buchstaben    sicher  gelesen   und  bin  moralisch 
überzeugt,  dass   er  der  letzte  von  névre  ist.     Ich  bewundere  die 
Leistung  von  Blass,  der  mit  der  ersten  Abschrift  der  Blatter  auch 
das  aç  gegeben  hat,  aber  dass  er,  wie  wir  alle,  an  die  neun  Ar- 
chonten  allein  gewohnt  die  Spuren   auf  réTTagaç  gedeutet  bat, 
was  jeder  erwarten  musste,  ist  wahrlich  begreiflich.    Solchen  Irr- 
thomern  verfallen  wir  Gelehrte  leicht  in  Folge  unserer  Sachkennt- 
niss.    Schreiber  freilich,  wie  sie  sich  Meyer  denkt,  die  entweder 
die  Neunzahl  um  der  Kenntniss  der  neun  Archonten,  oder  die 
Zebnzahl,  wegen   ihrer  Herrschaft  im  kleisthenischen  Athen,  ein- 
setzen, sind  für  den,  der  die  Schreiber  kennt  (unseren  Setzern 
vergleichbar),  eine  komische  Erfindung. 

Nicht  mehr  Glück  hat  Meyer  mit  seiner  neuen  Deutung.  Er 
meint,  die  zehn  Archonten  wären  statt  des  einen  gewählt  worden. 
Also  sollen  acht  andere  neben  ihnen  gestanden  haben.  Die  zehn, 
die  sich  die  Macht  des  Regenten  theilen,  sind  Vertreter  der  drei 


548  U.  V.  WILAHOWITZ-MÖLLENDORPP 

Stande:  die  acht  sind  wohl  io  solonischer  Weise  auf  Präseotation 
der  vier  Phyleu  erloste  PentakosiomediiDDen,  haben  aber  nichts  lu 
bedeuten.  Das  sollen  wir  ernst  nehmen?  Da  soll  die  Parallele 
der  Decemvirn  ziehen  :  ja,  standen  denn  neben  denen  andere  Obe^ 
beamte?  Dass  die  neun  Archonten  niemals  gemeinsam  agirtea,  ist 
falsch.  Eine  Competenz,  wie  der  Zuschlag  zum  Verkaufe  der  con- 
ûscirten  Goter  der  q>BvyovTBg  k^  uiçêlov  nàyov,  der  ihnen  i.  B. 
immer  geblieben  ist,  war  in  der  Revolutionszeit  keine  Kleinigkeit. 
Mein  Drtheil,  das  freilich  gegenOber  dem  geschulten  Historiker 
inferior  ist  (Meyer  S.  412),  gewohnt  an  Schlüsse  aus  der  Aa^ 
logie,  hier  von  den  awagxLai  anderer  Staaten  her,  und  an  ROck- 
schlQsse  aus  späterer  VerkOmmerung  auf  die  Bedeutung  der  In- 
stitution in  ihrer  BlOlhe,  kann  die  ivvia  oqxovxbç  nicht  als  eiaea 
inhaltlosen  Zahlbegriff  fassen.  Aber  die  Competenzen  der  aeua 
und  der  zehn  jenes  einen  Jahres,  an  denen  ihre  Bestellung  uad 
ihre  Zahl  allein  so  bedeutsam  erschienen  ist,  dass  sie  aufgesdchnct 
waren,  kann  ich  nicht  abschätzen.  Das  konnte  auch  Aristotdei 
nicht,  der  schwerlich  mehr  überliefert  erhalten  hatte,  als  er  g^ 
geben  hat.  Wenn  er  aber  in  der  Chronik  fand,  dass  ein  Dsurpatur 
sich  Ober  Jahresfrist  als  Archen  gehalten  hat,  mehrfach  ayo^/a 
war  (gab  es  in  solchen  Jahren  die  anderen  acht?),  in  einem  Jahre 
10  anomal  gewählte  —  soll  er  da  nicht  sagen,  das  wäre  ein  Beweis 
von  der  entscheidenden  Bedeutung  des  Amtes,  wobei  o  açxwv  oad 
ol  aQxovTBç  nicht  unterschieden  werden ,  da  sie  jetzt  längst  alle 
neun  bedeutungslos  sind. 

LXVl.  1.  Bruns')  hat  kürzlich  treffend  dargelegt,  dass  schoa 
lange  vor  den  Ekklesiazusen  Aristophanes  selbst  mit  den  Ideen  der 
Frauenemancipation  gespielt  bat,  so  dass  dieser  Gedanke  schon  lo 
denen  gehört,  die  io  der  unendlich  fruchtbaren  Sophistenzeit  auf- 
geworfen worden  sind:  kennt  doch  Euripides  sogar  die  Weibe^ 
gemeinschaft.')  Mit  diesen  Beobachtungen  habe  ich  auch  immer 
gerechnet,  wenn  ich  die  unerträgliche  Beziehung  der  Ekklesiazusen 
auf  Piaton  abwies.  Aber  Bruns  geht  weiter;  er  nimmt  in  des 
weiblichen  Kreisen  selbst  eine  auf  höhere  Bildung  und  Emao- 
cipatiou  gerichtete  Bewegung  an,  schon  in  perikleischer  Zeit,  und 

1)  Frauenemancipation  In  Athen,  Kiel  1900. 

2)  Im  Protesilaos  653,  der  zu  seinen  älteren  Stücken  gerechnet  werden 
muss.  Der  Vers  wird  bei  Clemens  eben  zu  dem  Zwecke  angeführt,  Platoni 
xXoTir]  dieses  Gedankens  zu  zeigen. 


LESEFROCHTE  549 

die  Chorlieder  der  Medeia  de«  Euripides  sollen  sie  ihm  belegen. 
Diese  Interpretation  verkennt  die  Weise  und  zum  Theil  die  dra- 
matische Absicht  des  Dichters.')  Freilich  dreht  sich  das  Drama 
um  die  Stellung  der  Frau:  die  gekrankte  Wtirde  der  Ehefrau  ver- 
tritt Medeia,  die  von  dem  gewissenlosen  Egoisten  lason  Verstössen 
wird,  weil  sie  eine  Fremde  ist.  So  etwas  haben  die  Frauen  in 
Athen  oft  erfahren,  zumal  nach  der  Verschärfung  der  Gesetze  über 
die  Legitimität  Es  mag  auch  manche  gescheitere  Frau  unter  ihrer 
den  Mannern  und  Frauen  unbequemen  aoq>la  gelitten  haben  wie 
Medeia;  aoq>riv  oh  fiiow  sagt  Hippolytos,  und  die  ganze  yuvai,- 
xoç  àçeTi^  ist  im  athenischen  Sinne  bedingungsloser  Gehorsam. 
In  80  fern  als  er  die  Partei  einer  solchen  nimmt,  muss  der  Chor 
der  Korintherinnen  und  der  Dichter,  der  durch  diesen  spricht,  fOr 
die  Frauen  eintreten.  Aber  dass  er  diese  aoq>la  selbst  gebilligt 
hatte,  folgt  daraus  nicht:  denn  Medeia  ist  doch  eine  Giftmiscberin 
und  Mörderin,  und  Euripides  hat  sie  erst  dazu  gemacht.  Sie  ist 
das  nicht  als  Barbarin,  wie  bei  Grillparzer,  sie  ist  auch  das  als 
Frau:  die  List,  der  Betrug,  die  aTclr^arla  xo/ti^ç,  die  vor  nichts 
zurückschreckende  Verfolgung  ihrer  Nebenbuhlerin,  alles  gehört 
dazu.    Giftmord  ist  für  sie  als  Weib  der  gerade  Weg. 

71Ç0Ç  de  xal  neq>viiafÀBV 
yvvaîxsç,  iç  fikv  'éa^V  à^rixaviâtaxai, 
naxdiv  âè  ndvtcjv  Téntoveç  aoq>ùnaTai  (407). 
Das  haben  wir  noch  in  den  Ohren,  als  der  Chor  das  Lied  anstimmt, 
das   für  Bruns   eine  kleine  aber  bedeutende  Partei  emancipirter 
Damen  in  Alben  belegen  soll.    ,Die  Welt  dreht  sich  um,  die  Männer 
sind  treulos  und  die  Frauen  müssen  gepriesen  werden.    Die  Sprüche 
der   alten   Dichter')   von    unserer   Unzuverlässigkeit   müssen    ver- 
stummen,  und  wenn  wir  zu  dichten  verstünden,  würden  wir  ein 
Lied  von  der  Männertreue  singen.'    So  sagen  sie,  weil  lason  treulos 
ist  und  Medeia  —  ihnen  den  Mordplan  mitgetheilt  hat.    Auf  dem 
Contraste  beruht  die  starke  Wirkung  des  Liedes,  das  auch  die  ver- 
brecherische Natur  der  Frauen  illustrirt,  die  Medeia  selbst  gerühmt 


1)  Es  ist  nicht  meine  Schuld,  dass  ich  von  neuem  einschärfen  muss, 
was  von  mir  in  dies.  Ztschr.  XV  518  und  von  Arnim  in  seiner  Erklärung  der 
Medeia  dargelegt  war. 

2)  /tovüai  naXatyavê'anf  àotddJPy  nicht  àoidàPf  wie  ich  auch  schon  froher 
betont  habe  und  jeder  sich  bei  einigem  Nachdenken  sagen  sollte,  rà  not^ 
T,fiLata  T(vv  naltn  aofcày  notrjrœv  sagt  der  Scholiast. 

Hdrmet  XXXV.  36 


550  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

hat.*)      Die   Treulosigkeit   der   Manner   macht   die    Frauen  nicht 
besser. 

Hier  war   ausgesprochen,   dass   es   keine  Dichterinnen  oder     ^ 
Schriftstellerinnen,  was  dasselbe  ist,  gflbe.    In  einem  späteren  Liede 
(1081)  sagt  der  Chor,  er  hätte  tiefer  gedacht  als  die  Frauen  pflegten^ 
aber  es  gäbe  ja  auch  vereinzelt  unter  dem  weiblichen  Gescblechte 
musisch -sophistisch  gebildete.    Diese  Erklärung  leitet  eine  dialec^ 
tische  Erörterung  ein,  die  zu  dem  Schlüsse  fOhrt,  dass  Rinder 
kein  Segen  wären,  also  zum  Widerspruche  gegen  das  allgemeine 
Urtheil   der  natQrlichen  Weiblichkeit:   desshalb  wird  dem  Aasios».» 
dass  Frauen  so  etwas  sagen,  durch  jene  Einleitung  vorgebaut.    E^ 
ist  schwer  zu  sehen,   mit  welcher  Kunst  hieraus  auf  die  ExisteiiaK 
von  emanicipationslüsternen  Frauen  geschlossen  werden  soll.    Di^ 
anderen  Lieder  vollends,  in  denen  der  Chor  der  Medeia  um  ein^ 
friedliche,  auch  von  keinem  Ueberschwang  der  Leidenschaft  ge^ 
trObte  Ehe  bittet  (weil  er  das  Gegentheil  vor  Augen  hat),  und  wo 
er  Athen  als  den  unverletzlichen^  Boden  -der  Cultur  und  Bildoai? 
preist  (weil  sein  ROnig  Medeia  dort  Zuflucht  versprochen  hat)  kann 
vollends  nur  Voreingenommenheit  in  dieselben  Kreise  ziehen.    Es 
befremdet,  dass  Bruns  nicht  auch  Phaidra  als  Typus  dieser  gelehrten 
Frauen  angeführt  hat:  sie  leitet  tiefe  allgemeine  Betrachtung«*n  mil    ^ 
dem  Bekenntniss  ein,  in   schlaflosen  Nächten  gegrübelt  zu  haben 
(374),  oder  ihre  Amme,  die  in  langem  Leben  viel  gelernt  und  die 
Ueberlieferung  der  Vorzeit  studirt  zu   haben   bekennt  (252.  451)' 
Und  vollends  Melanippe,  die  den  Beinamen  ,die  Sophistin'  erhalteo 
hat,  und  eine  Kosmologie  vortrug,  die  sie,  wieder  um  sich  zu  ent- 
schuldigen,  vpn   ihrer  göttlichen  Mutter  empfangen  haben  wollte. 
Manchmal   wagt  der  Dichter   weibliche   Personen   auch   ohne  b^ 
sondere  Motivirung  sogar  ganz  bestimmte  philosophische  Sätze  aus- 
sprechen zu  lassen  ;  es  ist  ja  bekannt,  dass  Zeitgenossen  und  Nach- 
welt ihm  die  Verletzung  der  Wahrscheinlichkeit  stark  verflbelt  haben.') 
Es  ist  wirklich  schwer  begreiflich,  wie  er  so  missverstanden  werden 
kann,  dass  er  noch  mehr  beweisen  soll,  als  er  selbst  sagt,  dass  der 
Chor  der   Medeia   eine  Partei   emancipirler  Frauen   vertreten  soll, 


1)  Wieder  muss  ich  audi  daran  erinnern,  dass  Euripides  sich  mît  der- 
selben Wirkung  im  Ion  1090  copirt  hat. 

2)  Dies,  weil  der  Einfall  der  Peloponnesier  nnmiltelbar  droht,  deren  Heer 
während  der  Dionysien  am  Isthmus  stand. 

3)  Troer.  SS4  mit  Schol.,  wenn   man  denn  dafür  noch  erst  citireo  soll. 


f 


LESEFRÜCIITE  551 

wo  er  doch  nur  angiebt,  dass  ganz  vereinzelt  eio  iDdividuum  der 
Art  sich  fände.  Was  er  allgemein  sagt,  dass  die  Frau  an  sich  der 
Muse  nicht  entbehre,  d.  h.  bildungsfähig  wäre,  ist  gewiss  ein  wich- 
tiger Satz  abstracter  sophistischer  Doctrin,  ein  Vorfäufer  der  Uto- 
pîeen  der  nächsten  Generation,  aber  mit  dem  Leben  hat  das  so 
veenig  zu  thun  als  jene,  und  ihn  spricht  der  Mann,  der  Sophist 
aus.  Das  Leben  betrachtete  die  Athenerinnen  so,  dass  sie  mit 
IXcGBidwv  xa2  axdfpr]  abgethan  sind;  und  nach  drei  Generationen, 
in    Henanders  RomOdie,  ist  es  nicht  viel  anders. 

Als  weiteren  Beweis  führt  Bruns  die  Aspasia  an  :  da  sind  wir 
bei  Hamerling.    Drei  Zeugnisse  der  Sokratiker  lägen  für  ihre  geistige 
Bedeutung  vor.     Es  ist,  wie  ich  gesagt  hatte   und  der  Prüfende 
unschwer  finden  konnte,  eins.    Denn  wenn  Xenophon  {Oecon.  3, 14) 
Aspasia  als  Erzieherin  nennt,  so  ist  das  ein  Compliment  an  Aischines, 
in  dessen  Dialoge  Aspasia  eben  Xenophon  und  seiner  jungen  Frau 
Segenübertrat  :  das  ist  doch   evident.     Historische  Realität  bean- 
sprucht es  nicht,   sintemal  Xenophon  zu  Aspasias  Lebzeiten  eine 
^rau  weder  hatte  noch  haben  konnte.    Das  zweite  ist  der  Mene- 
Keiios  oder  besser  seine  Rahmenerzählung.     Da  ist  Aspasia  als  die 
L»ehrerin   der  Rhetorik  freilich  für  den  Verfasser  eine  feststehende 
Grosse;  wer  den  Dialog  nicht  für  platonisch  hält,  wird  ihn  über- 
haupt  für  die  Realität  nicht  verwenden.    Uebrigens  treibt  Aspasia 
bier  keine  Frauenemancipation ,   sondern  belehrt  Männer.     Sie  ist 
l^eine  Ehefrau,  sondern   es  geht  bei  ihr  die  Männerwelt  aus  und 
^d:  kein  anständiger  Mann  konnte  seine  Frau  in  ein  solches  Haus 
bringen.    Bleibt  also  Aischines.     Der  hat  freilich  jenes  nicht  un- 
veriïngliche  Gespräch  erfunden,  das  sie  mit  Xenophon  und  seiner 
Frau  führt,  hat  auch  erzählt,  dass  sie  nach  Perikles  Tod  schleunigst 
den  Schafhändler  Lysikles  nicht  nur  zum  Staatsmann  gebildet  hat, 
sondern  ihm  auch  einen  Sohn  geboren,  Poristes  mit  Namen.    Nun, 
ist  das  historisch?    Hiess  ein  Mensch  nach  dem  Amte,  das  die  Er- 
öffnung  neuer  Einnahmequellen   im  Namen    trägt?    Aischines   hat 
es  mit  der  Realität  so   frei   gehalten   wie   er  durfte  und  manche 
Fabel   aufgebracht.')     Diese  Novellen   in  die  Historie  aufzunehmen 
aiag  den  Leuten  reizvoll  sein,  die  das  pikante  Detail  nicht  missen 
können;   man    kann    darüber    nicht   ernsthaft   reden.     Historisch 
▼erwerthbar  ist   lexliglich,  dass  Aischines  die  Aspasia  als  ein  ge- 

1)  Daraater  die  Gesctiichte  vom  armen  Âristeides  und  dem  reichen  Ral- 
lias —  sollen  wir  hinter  der  auch  Realität  suchen? 

36* 


552  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

schcidtes  Weib  überkommen  hatte,  die  Egeria  des  Perikles,  deren 
Besitz  die   politische  Macht  verlieh.     Social  war  ihre  Position  bei 
ihm  so  weil  gehoben,  dass  ein  Vater  seinen  Sohn  su  ihr  schickte, 
ein  Mann   mit  seiner  Frau   bei   ihr  erschien;   ob  sie  bei  LysiUes^ 
wohnte,  ob  sie   über  die  Zeilen   persönlicher  Reize  hinweg  war 
(was   mir  Xenophons   wegen    vorzuziehen    scheint),    stehe   dabio* 
Es  ward   in  dem  Dialoge  unzweifelhaft  die  Frage  der  weiblichen 
Leistungsfähigkeit  behandelt,  da  die  Hetäre  Thargelia  und  die  KOnigix: 
Rhodogune  besprochen   wurden;   es  ward   auch  die  sittliche  Ver- 
kommenheit der  lonierinnen  gegeisselt,  und  man  mag  sich  deokecM 
dass  Aspasia  sie  aus  dem  Haremsleben  ableitete:  gewiss  ein  merlK- 
würdiges  Buch,  belehrend  für  die  sophistisch-sokratische  Speculation, 
aber  weder  für  die  geschichtliche  Kebse  des  Perikles  noch  fOr  die 
Atbenerinnen  des  5.  Jahrhunderts  ein  verwendbares  Zeugniss.  We 
wirkliche  Aspasia  hat  dem  Perikles  vor  dem  samischen  Kriege  eioeo 
Sohn  geboren;   es  ist  ganz  ausgeschlossen,   dass  sie  auch  nur  al$ 
nakXaxfj   ènl   natal  yvrjaloiç  bei   ihm  hätte  leben  können,  da 
sie  eine  Fremde  war.    Höchstens  als  der  Sohn  durch  Specialgesett 
legitimirt  war,  kann  sie  sich  neçiyiléovç  yvvtj  genannt  haben,  und 
wer  den  Grabstein   mit  Diodoros  anerkennt,  darf  sagen,  sie  war 
eine  Tochter  des  Axiochos  von  Milet,  Concubine  des  Perikles,  und 
ist  legitimirt  als  seine  VVitiwe   gestorben.     Das   ist  eine  baltbare 
Position:  aber  dann  ein  Strich  durch  die  unvereinbaren  Geschichten. 
Denn  es  ist  natürlich  unmöglich,  dass  sie  nach  dem  Tode  des  Peri- 
kles Concubine  des  Lysikles  ward,  und  dem  wieder  einen  Sohn  gebar: 
E.Meyer  bringt  es  freilich  fertig  beides  zu  glauben:  er  glaubt  auch 
Blass,  dass  Periklione  ihren  Sohn  aus  erster  Ehe  zum  xvçioç  gehabt 
hätte.     Ob  Perikles  sich  Aspasia  in   seinem  Hause  hielt  oder  wo 
anders,  kann  niemand  entscheiden:  das  zweite  bezeugt  Antisthenes, 
der  ebensoviel  und  wenig  bedeutet  wie  Aischines,  bezeugt  Aristo- 
phanes (sonst  konnte  sie  keine  Sciavinnen  haben)  bei  ihren  Leb- 
zeiten, und  in  den  Schiiderungen  vom  Tode  des  Perikles  fehlt  die 
,Gallin',  deren  Pflicht  das  fualvea^ai  ist.    Vollkommen  lächerlich 
wird  es,  wenn  die  Anklage  daeßsiag  ein  Beweis  für  ihre  geistige 
Bildung  sein  soll:    oder  gilt  das  auch  für  Ninos  und  Phryne,  die 
ebenso  belangt  worden  sind?   Unser  Bericht  lässt  erkennen,  dass 
der  Angiifl*  darauf  hinauslief,  sie  veranstaltete  Zusammenkünfte  von 
Frauen,   die   sie    in  Wahrheit  an  Perikles  verkuppelte.     Also  ein 
verbotener  Verein,  wie  Phryne  einen  des  Isodaites  gestiftet  habeo 


LESEFRÜCHTE  553 

sollte.    Ich  gebe  auf  den  ganzen  Bericht  gar  nichts,  der  sogar  nach 
(Jem  Process  der  Phryne  verfertigt  sein   kann.     Ich  habe  gesagt, 
Aspasia  war   eine  Hetäre:   nur  als  solche  kennt  sie  die  Komödie. 
Dass  Perikles  eine  dauernde  Verbindung  mit  ihr  gehabt  hat,   be- 
zeugt noch   lange   nicht,   dass  sie   ein  gescheidtes  Weib  gewesen 
ist:  das  will  ich  aber  den  Angriffen  der  Komödie  zugestehen.  Weil 
sie  Hetäre  war,  konnte  man  alles  mögliche  von  ihr  erfinden,  gutes 
uod  schlechtes.   Weil  sie  HetSre  war,  beweist  sie  fdr  die  Athene- 
rs nnen  gar  nichts.    Ob  sie  Bildung  oder  Bildungstrieb  besass,  kann 
lieute  niemand  sagen;  für  die  Geschichte  ist  es  einerlei.   Von  meinen 
Aufstellungen  ist  widerlegt,  dass  der  Name  bei  einer  lonierin  das  Ge- 
werbe bezeichnete:  weiter  nichts.     Da  haben  neue  Thatsachen  mit- 
gesprochen: die  respectire  ich;  alte  Meinungen  werden  durch  er- 
i^eute  Belheuerungen  nicht  stärker,  und  über  weiteres  haben  E.  Heyer 
und  Bruns  nicht  verfügt. 

LXVII.    Nachdem  Thukydides  seine  Erzählung  des  Krieges  mit 
dem  vielbewunderten  Gemälde  der  Deberrumpelung  Plataiais  eröffnet 
und  die  Hinrichtung  der  gefangenen  Thebaner  erzählt  hat,  lïhrt 
er  fort  (6):  ,als  sie  das  gethan  hatten,  schickten  sie  Botschaft  nach 
Athen  und  gaben  den  Thebanern  unter  Vertrag  die  Leichen  zurück  ; 
trafen  auch  in  ihrer  Stadt  die  geeignet  scheinenden  Maassnahmen. 
I  Den  Athenern  ward  das  Geschehene  sofort  gemeldet');  sie 
nahmen  auf  der  Stelle  alle  Böoter  in  Attika  fest  und  sandten  einen 
Herold  nach  Plataiai,  der  zu  bestellen  hatte,  man  sollte  sich  an  den 
Gefangenen  nicht  vergreifen,  ehe  nicht  auch  Athen  darüber  beraten 
hätte.     Die  Hinrichtung  war  ihnen  nämlich  nicht  gemeldet,  denn 
der  erste  Bote  war  gleich   bei  dem  Eindringen  der  Thebaner  ab- 
gegangen, der  zweite,  als  diese  eben  besiegt  und  gefangen  waren; 
von   dem  weiteren  wussten   sie  nichts.    So  sandten  die  Athener 
Botschaft,  ohne  davon  zu  wissen,  und  der  Herold  traf  bei  seiner 
Ankunft  die  Männer  bereiu  hingerichtet.  || 

1)  rà  [nê^l  TÔSv  UXaiatœv}  yeysvrjfiiva'  das  Ueberlieferte  ist  überhaupt 
kein  Griechisch,  daher  hat  der  Gorreclor  des  Laurentianus  naçà  verniulhet, 
eben  so  unbrauchbar,  wie  wenn  man  nach  8,  96  rà  neçl  rrjy  Evßoiav  /«• 
YÊWfiftiva  hier  nêf^i  rr,v  liXaxatay  vermuthen  wollte,  oder  etwa  naçà  rcSy 
nL  ff  ysy,  Tilgung  ist  hier  das  allein  befriedigende  wie  19  rà  iv  nXa" 
raioi  [rair  eüsX&bvxmv  6rißalav]  ;  aber  es  bleibt  die  Unsicherheit,  dass  man 
die  Interpolation  nicht  begreift.  In  den  Formen  des  Stadtnamens  befolge  ich 
die  Ueberlieferung ,  nicht  weil  ich  sie  glaubte,  sondern  weil  ich  keine  Ratio 
ermitteln  kann. 


554  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

Danach  zog  ein  athenisches  Heer  nach  Plataiai,  brachte  ProfiaBl 
hinein,  liess  eine  Besatzung  dort  und  nahm  die  wehrlose  BevOlkenug 
mit  Frauen  und  Kindern  mit  hinaus/*) 

Ich  halte  für  evident,  dass  die  bezeichneten  Satze  eine  spätere 
Einlage  sind.  In  diesem  Nachtrage  ist  alles  in  schönster  Ordonog; 
wir  erfahren,  dass  die  Athener  Ober  das  vorgefallene  schleonigst 
unterrichtet  wurden  und  was  sie  thaten  ;  dabei  wird  durch  genaoere 
Angaben  festgestellt,  dass  ihr  Beschluss  die  Hinrichtung  iesr  Ge- 
fangenen nicht  nur  nicht  vorausgesetzt  hat,  sondern  sogar  gegen 
diese  gerichtet  war.  Der  Schlusssatz  des  Kapitels  kann  so  wie  er 
steht  angeschlossen  werden,  obwohl  fueza  zavva  ziemlich  leer  ist: 
doch  würde  Thukydides  den  Namen  der  Athener  schwerlich  wieder* 
holt  haben,  wenn  er  das  in  einem  Zuge  geschrieben  hätte.  Da» 
er  das  nicht  hat,  zeigt  der  Unsinn,  der  durch  die  Verbindang  der 
Einlage  nach  oben  erzeugt  ist.  Denn  der  Bote,  den  er  ehen  eiD- 
führt,  muss  dann  nach  der  Hinrichtung  abgegangen  sein,  kann  also 
nicht  unter  den  beiden  später  erwähnten  verstanden  werden.  Und 
es  ist  eine  Stümperei,  wenn  nichts  schlimmeres,  nach  ig  fàç 
^Ad^rivag  ayyskov  ïnB(Anov  fortzufahren  zolg  d'  'A&ijvaioig  rff- 
yél&rj  €v&vç  %à  yêyevrifÀéva,  wenn  sich  auch  dafür  wie  fOr  alle 
solche  Stümperei  Bewunderer  finden.  Dagegen  liest  man  alles  mil 
voller  Befriedigung,  wenn  die  Einlage  ausgeschieden  wird. 

Die  Einlage  hat  den  Zweck  die  Athener  zu  entlasten;  sie 
sind  unschuldig  an  der  Blutlhat,  ja  sie  haben  sie  missbilligt.  Diese 
Blutthat  ist  vorher  ganz  einfach  als  That  der  Platäer  erzähiL  Weoo 
die  Einlage  fehlt,  sollen  die  Athener  auch  unschuldig  sein,  deoo 
der  Schriftsteller  hat  die  Botschaft  an  Athen  erst  nachher  enäbll. 
Das  genügte  im  allgemeinen  vollkommen.  Erst  bei  genauerer  Er- 
wägung der  Mitschuld  Athens  musste  Thukydides  aufmerksam  werden, 
dass  sein  Bericht  allerdings  in  dem  nun  bedeutsam  gewordeDen 
Punkte  angreifbar  geworden  war.  Er  halte  den  Abgang  der  Bol- 
schaft  zeitlich   zu  spät  erzählt,   wenn  auch  bei  seiner  Darstellung 


1)  Griechisch  schreibe  ich  nur  die  Hauptsätze  ab  toixo  8s  %oirflan^ 
Si  TB  tag  'Ad'rjvas  nyyslop  insfinov  xai  tovc  vBKÇoi£  vnacnorSovs  out 
doaav  toU  Orißaiois  rei  re  iv  riji  noXei  na&iatatno  nçoG  rà  neiçovxfi  M 
éSôxei  nvroXe.  \\  rois  8*  j4d'rjvaiois  rjyyéXd'rj  tv&vç  t«  [nsçl  xàv  Ilhactad*] 

yeysiTj/uera ovrco  8r.  ovx  eiSortS  oi  ^Ad'r^aXot  ineaxalXoVy  6  ii  «f* 

çv^  ocfCxofiBvoi  r^içE  rois  nvSçae  8tefd'açfiéyov6  |  Koi  /tstà  xavra  oi  A^ 
rnJoi  aTçaTetaarres  li  UXâraiar  alxôv  x'  ioriyayov  jctA. 


LESEFRÜCHTE  555 

keine  Trübung  der  Wahrheit  entstand.  Bekanntlich  hat  die  un- 
überlegte Grausamkeit  der  Platäer  die  Folge  gehabt,  dass  ihre  Ge- 
fangenen nach  dem  Falle  der  Stadt  hingerichtet  wurden,  ein  Ge- 
schick, das  auch  25  mitgefangene  Athener  theilten.  Athen  aber 
hat  im  Nikiasfrieden  auf  Plataiai  verzichtet  Die  Hinrichtung  der 
athenischen  Gefangenen  konnte  entschuldigt  werden,  wenn  Athen 
an  der  ersten  Hinrichtung  mitschuldig  war;  die  Distinction  war 
für  Athen  von  Wertb,  und  sie  mochte  später  zur  Entschuldigung 
dafür  dienen,  dass  Athen  die  Platäer  preisgab.  Ephoros  hat  sich 
nicht  gescheut,  die  ganze  erste  Grausamkeit  der  Plaiäer  zu  unter- 
schlagen (Diodor  12,  42):  zu  seiner  Zeit  war  die  Sympathie  der 
OflTentlichen  Meinung  bei  den  Platäern,  die  unter  dem  erneuten 
Hasse  Thebens  so  viel  gelitten  hatten.  Es  ist  somit  ganz  begreif- 
lich, dass  Thukydides,  der  die  Geschichte  des  Deberfalles  längst 
geschrieben  hatte,  nach  421  Veranlassung  fand,  einen  Nachtrag 
zu  machen,  den  er  freilich  nicht  mehr  in  den  alten  Text  ver- 
woben  bat. 

Darauf  erzählt  Thukydides  nicht  gleich  die  durch  die  factische 
Eröffnung  des  Krieges  hervorgerufenen  Maassregeln,  sondern  die 
Vorbereitungen  des  letzten  Winters,  und  giebt  eine  Uebersicht  über 
die  Bundesgenossenschaften  der  beiden  Gegner.')  Daraus  folgt,  dass 
er  von  vornherein  nicht  beabsichtigt  hat,  diese  Vorbereitungen  an 
der  Stelle  zu  behandeln,  wo  sie  zeitlich  hingehörten;  ein  Anschluss, 
wie  er  jetzt  zwischen  den  Verhandlungen  der  Mächte  im  Herbste 
und  der  That  von  Plataiai  im  März  vorliegt,  war  also  immer  sein 
Plan.  Von  der  Uebersicht  der  beiden  Bundesgenossenschaften  ist 
von  mir  und  anderen  bemerkt,  dass  sie  auf  dem  Friedensinstrument 
von  445  beruht,  das  er  immer  voraussetzt.  So  ist  es  gekommen, 
dass   er  von  den  Westhellenen  ganz  absieht,  obwohl  sie  sich  auf 


1)  7  yiyêtnjftévov  xov  iv  UXataïaïs  ^(f/ov  .  .  ol  jä^ifpalot  net^inttV' 
a^orto  cas  noXê/u^fforras  ^  naceüxeva^opro  8i  uai  oi  jieutadmßtoruH  ued  oi 
èvfifiaxoi.  9  €JQ/ifivTO^  noXêie  8*  iuâxtçoi  Taa8*  ixov%B9  ....  am  Ende 
fvufMLxia  fUr  avnj  éxaxiQmv  xai  na^oxevri  éi  Tor  noXa/iOP  r^v,  10  Oi  8i 
^oMêâtu/iAoviot  ftatà  rà  év  IlXaxaécûs  9v&vç,  la  dieser  archaischen  Weise 
die  einzelnen  Abschnitte  fest  umgrenzend  erzihlt  er  nicht  immer:  es  wird  so 
der  Aufban  der  Erzählung  ganz  klar.  Die  archaische  Poesie  und  Rhetorik, 
ganz  besonders  Thukydides,  bauen  zwar  so;  die  Interpreten  übersehen  es  nur 
zu  oft  Von  der  ünbehilflichkeit,  dass  es  nun  zuerst  den  Eindruck  erweckt, 
als  wären  die  Vorbereitungen  von  c.  7  nach  dem  5.  März  431  getroffen,  kann 
man  ihn  nicht  freisprechen. 


556  U.  Y.  WILAHOWITZ-MOLLENDORFP 

beide  Parteien  vertbeilteD,  und  auch  Athen  sich  damals  um  sie  be- 
mühte. Es  fehlen  auf  athenischer  Seite  auch  die  Thessaler,  obwohl 
sie  sehr  bald  eingreifen  :  alle  diese  Völker  standen  ausserhalb  der 
griechischen  Welt,  die  Athen  und  Sparta  sich  445  getheilt  hatten. 
Der  Anschluss  an  das  Verzeichniss  in  jener  Urkunde  erklärt  allei.^) 
Thukydides  bemerkt  bei  den  Achäern,  dass  sie  zunSchst  neutral 
blieben  bis  auf  Pallene,  dann  aber  auf  Spartas  Seite  traten.  Be- 
kanntlich ist  aber  nach  dem  Nikiasfrieden  Achaia  nicht  bei  dem 
Bunde  geblieben,  ja  Alkibiades  hat  versucht  Patrai  zu  dem  Bau  too 
langen  Mauern  zu  bewegen  (5,  52).  Thukydides  hat  das  nicht  ge 
wusst,  als  er  dies  schrieb;  er  würde  nach  420  auch  die  so  be- 
deutsame Verbindung  von  Arges  mit  Athen  ebenso  erwähnt  haben, 
wie  er  den  Anschluss  von  Achaia  an  Sparta  berichtet. 

Nun  beginnt  die  ErzShIung,  und  Archidamos  steht  in  ihrer 
Mitte.  Ihm  wird  eine  Rede  in  den  Mund  gelegt,')  deren  Absicht 
ist,  einen  Angriff  der  Athener  als  sehr  wohl  denkbar  hinzustellen 
und  demgemdss  die  grflsste  Vorsicht  zu  empfehlen.  Dann  schickt 
er  noch  einen  Herold,  den  Perikles  abweist,  und  das  Heer  rflckl 
vor.    In  dem  Moment  springt  die  Erzählung  nach  Athen  Ober  und 

t)  Der  nsineaTiKos  tpèçoi  wird  so  bezeichoet  vr,cin  ôaeu  àvrot  ÏÏûù' 
nowr^üov  uai  K^jTijç  nços  ijlior  avicxovja  nâaai  al  aXXeu  (dies  Wort  fehlt 
in  G)  KimXddas  nXrp^  Mr^lov  hoI  Or^^s,  Hier  hat  mao  seit  Dobree  die  Ky* 
kladeo  Tertrieben,  und  man  moss  es,  wenn  sie  Id  der  später  ûblicheo  Weise 
als  die  rings  am  Delos  liegenden  aufgefasst  werden.  Allein  dass  ThukydidM 
eine  andere  Auffassung  hat,  die  gerade,  weil  sie  den  späteren  widerspricht, 
alt  und  gut  ist,  zeigt  der  s.  g.  Skylax  48.  KvxXâdaç  at9ê  eici  nêigl  v^ 
yîeuadaifiopiofr  x^Q^^  oixovfievai^  das  sind  die  dorischen  von  Melos  bis  Âsty* 
palaia.  58  naxa  da  t^v  *Axrixr^v  tiai  rr^aoi  ai  KvxlâSêS  xahn'fuvau  DaoQ 
werden  die  eigentlichen  Kykladen  aufgezählt  mit  dem  Vermerk:  avxiu  fkf 
ai  xvuldSts  vr,tfot*  vjfo  8i  ravxats  nçhi  vlxov  los  Amorgos  Ikaros  (so  dtss 
man  für  dies  falschlich  südliche  Lage  annehmen  würde),  fuxà  "Avèf^  £^ 
ßota^  iv  TûJ«  Alyaioi  nsXiyu  Skyros,  Ikos,  Peparethos,  Skiathos.  Man  wird 
hiernach  bei  Thukydides  nichts  ändern.  Dass  die  Inseireihe  von  Tenedos  bis 
Rhodos  immer  nur  zu  Asien  gehört,  muss  bekannt  sein. 

2)  Diese  wird  eingeführt  èvpcaXëCaç  xovç  ax^xijyoiç  x£r  nolutv  iw 
omv  %al  XOVÇ  fiâliaxa  èv  xélei  xai  xovç  àiioloyandxovs  ntiL^vai  xoUi^ 
ile^er.  Diese  Vulgata  schien  Sintenis  mit  yta(fTjiv8t  xoiddê  vortrefflich  ver- 
bessert zu  haben.  Aber  G  hat  xoifs  àSiandxovç  naqswai^  und  dieser  bestes 
Ueberlieferung  soll  man  folgen.  Neben  den  Führern  der  bundesgenössiscbeo 
Contingente  und  den  höchsten  spartanischen  Offizieren  werden  Männer  sa- 
gezogen, deren  Gegenwart  der  König  sonst  für  angemessen  hält.  Es  wird 
eine  alte  Variante  à^ioXoycûTàrovç  neben  à^iaxdxovi  naçêitai  existirt  haben. 


LESEFRÜCHTE  557 

ckt  zuerst  Perikles  in  bedeutungsvollster  Weise  in  den  Vorder- 
ind,  schweift  dann  aber  weit  in  aitattische  Geschichte  ab.  Danach 
id  die  Peleponnesier  (18)  erst  an  das  Grenzcastell  gekommen, 
s  Archidamos  zu  belagern  sich  anschickt.  Der  Schriftsteller  halt 
le,  um  zu  erzählen,  wie  unpopulär  und  wohl  auch  unrichtig  die 
;emde  Kriegsfahrung  gewesen  wäre,  dass  Archidamos  aber  immer 
cb  auf  Nachgiebigkeit  Athens  gehofft  batte.^)  Endlich  geht  es 
\  Acharnai,  wo  wieder  längere  Station  gemacht  wird.  Diese  wird 
I  einer  ausdrücklich  hervorgehobenen  Betrachtung  Ober  die  Ab- 
hi  des  Archidamos  ausgefüllt,  der  nun  einen  Angriff  erwartete.') 
in  wendet  sich  die  Erzählung   nach  Athen;   die  Stimmung  dort 

ihrem  Wechsel  und  mit  ihren  Widersprüchen  wird  geschildert 
•  offenbart  sich,  dass  die  Rechnung  des  Archidamos  in  ihrem 
iten  Theile  doch  nicht  unberechtigt  war,  denn  ohne  die  Con« 
({uenz  des  Perikles  würde  ein  Angriff  erfolgt  sein.    Es  fehlt  nicht 

directen  Beziehungen  auf  die  vorhergehenden  Betrachtungen.') 
iDD  wird  gelegentlich  eines  einzelnen  Gefechtes^)  die  thessalische 
lodesgenossenschaft  aufgezählt'):  dem  Schriftsteller  ist  ersichtlich 


1)  18  Ânf.  heisst  es  ,8ie  rösteten  sich  zam  Sturme  und  hielten  sich  auch 
ast  lange  auf.'  Dann  die  Belrachtong.  ,Âls  sie  mit  dem  Sturme  und  allen 
deren  Versuchen  Oinoe  nicht  nehmen  konnten  und  Athen  keinen  Herold 
lickte/    Man  kann  die  Zwischensätze  nicht  missen. 

2)  Nicht  nur,  dass  die  Betrachtung  des  c.  20  durch  Wiederholung  der- 
ben Worte  eingerahmt  ist,  auch  c.  21  recapilulirt  die  einzelnen  Stationen 
§  Marsches,  die  19  genannt  sind,  am  Eingange,  so  dass  es  eine  Ungeheuer- 
bkeit  ist,  den  Thukydides  21  an  19  ohne  20  reihen  zu  lassen. 

3)  Wenn  nicht  20  vorhergeht,  ist  unverstandlich,  wieso  die  Acharner  21 
^  a^ictv  avToU  ov  ttiv  àXaxiCTTjv  fio^av  ilyat  *A&fjvaimr  annahmen. 

4)  Den  Ort  <P^yêa  habe  ich  im  Demos  Lakiadai,  noch  am  linken  Ke- 
sosufer,  bei  der  U(fà  ^x^  (Pausan.  I  37,  Phot,  is^  fftm^)  bestimmt,  in- 
II  ich  das  sonst  unverständliche,  bei  Âthenaeus  III  75  b  schlechtgedeutete, 
vyias  avf^fiaxa  üvnrfi  bei  Alexis  (Athen.  II  55  b)  auf  dies  0Qi>yM  bezog, 
nahe  also  ist  eine  böotische  Gavalleriepatrouille  schon  431  gekommen. 

5)  Die  Larisaeer  fahren  JloXv/itjdaç  xal  *jéQicr6vovç  ànb  t^s  ardaêœç 
T«fOff*  Ich  halte  gesagt,  wir  wössten  nicht,  was  üxciaic  wäre,  da  es  ja 
Dbar  eine  politische  Körperschaft  ist  Dagegen  hat  man  nur  Redensarten 
gebracht.  Jetzt  ist  in  Larisa  die  Unterschrift  einer  Ehrenstatue  des  einen 
ines  entdeckt  und  von  dem  Herausgeber  Hatzigogides  richtig  verwerthet 
den  (A&f^à  VII  449)  i7oA[v/M]i7^<[a]  araüui^x*  —  das  Tempus  wage  ich 
It  zu  bestimmen.    Es  gab  also  in  Larisa  neben  der  Gemeinde  tint  atd^iSy 

ihre  eigenen  Beamten  hatte  und  einen  eigenen  Her  bann  aufbot,  eine  plebê 


558  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF 

gegeowärtig ,  das8  er  sie  obeo  in  der  allgemeinen  Uebersicht  aus- 
gelassen hat;  schriftstellerisch  kaum  löblich.  Endlich  wird  die 
Erzählung  des  peloponnesischen  Einfalles  zum  Abschlüsse  gd)ncbi 
und  zu  der  athenischen  Expedition  um  den  Peloponnes  überge- 
gangen.*) 

Formell  wird  man  an  dieser  Darstellung  eine  gewisse  un- 
behilfliche Breite  Yielleicht  tadeln  können  (wie  denn  mancherlei 
athetirt  worden  ist),  es  wird  aber  alles  in  seiner  Einheitlickkrii 
und  seiner  bedeutenden  Berechnung  klar,  sobald  man  die  Kunst- 
mittel  verfolgt  und  von  den  Winken  des  Schriftstellers  geleitel  zur 
Erkenntniss  seiner  Absicht  gelangt.  Er  will  retardiren:  daher  vor 
Ueberschreitung  der  Grenze  die  Rede  und  die  Sendung  des  Herolds. 
Die  Rede  fordert  den  allersorgsamsten  Sicherheitsdienst,  warnt  vor 
Unterschatzung  des  Gegners,  spricht  aber  die  Erwartung  eioer 
grossen  Schlacht  aus:  sie  dient  also  der  einen  Absicht  desArchi- 
damos,  die  Athener  zu  einer  Schlacht  zu  bringen,  in  der  er  Sieg 
hofft,  wenn  die  lakonische  Disciplin  gewahrt  wird.     Die  letzte  Bot- 


neben  dem  populusy  oder  wie  in  Deutschland  etwa  eine  bischöfliche  oehcfi 
einer  autonomen  Gemeinde  in  derselben  Stadt  bestand.  Das  genauere  wisset) 
wir  immer  noch  nicht. 

1)  Aus  c.  25  seien  noch  ein  paar  Einzelheiten  erledigt  Nachdem  die 
Waffenthat  des  Brasidas  bei  Methone  erzählt  ist,  heisst  es  ành  rovSi  m 
ToXfirj/iaros  n^toxoe  tdfv  narà  rov  noXt/iov  ijtruvid^  èv  JSnâqrtn.  Da 
ändert  Hude  mit  Herwerden  nçcjxav;  sie  verstehen  also,  dass  diese  That  sdo 
Renommee  begründete.  Schwerlich  kann  ènr^ivid^  das  heissen,  schwerlid) 
passt  dafür  der  Aorist.  Was  Thokydides  angiebl  ist  ein  einzelnes  Factam: 
Brasidas  erhielt  in  diesem  Kriege  die  erste  Auszeichnung  wegen  Tapferkeit: 
der  Orden  ist  ihtaivoe.  Wir  sind  noch  in  einer  Zeit,  wo  das  genügt:  später 
würde  es  heissen  ènawsiv  énaivati  x^vffflVof  axstpwon  u.  dgl.  Weiter  schlafen 
die  Athener  bei  Pheia  n^ßorj&rjüavrac  rwv  in  rrfC  xoiXtjç  "HXtSaç  t^ta- 
Koaiovs  Xoyddac  nal  toi  S  {rdJv  codd.)  avro&er  is  Tf;s  nê^utiSoç  ^HUim. 
Die  300  waren  nicht  aus  den  Eleem  des  hohlen  Elis  und  denen  des  Dntertbaaeo- 
landes  ausgewählte  300,  sondern  300,  die  die  Eleer  gleich  schicken  koaotea, 
daneben  das  Aufgebot  der  ne^ioixls.  Ein  paar  Tage  später  rœr  *Hldmf  % 
TtolXf}  armaria  TtQoceßeßoij&Tjxei ,  im  Gegensatze  zu  den  300 ,  wo  man  daoii 
also  nicht  mit  Madvlg  nom^  in  aXlij  ändern  darf.  Auch  26  ändert  Madvif 
falsch.  Die  Athener  schicken  30  Schiffe  die  lokrische  Küste  entlang  (natär- 
lieh,  wie  sich  gleich  zeigt,  zum  Plündern),  koI  Evßoias  apta  tfvJLaury^  ,nh 
gleich  auch  als  Wache  von  Euböa/  Weil  der  Leder  bei  9r«^j  ^oac^«  die  Ab- 
sicht der  Plünderung  sich  selbst  ergänzt,  kann  ein  zweites  Motiv  angereiht 
werden;  Kai  —  aua  ist  nicht  copulativ.  xarâ  für  nai  steht  schlecht  and  is 
(1er  alten  Rede  bedarf  der  Accusativ  keiner  Stütze. 


LESEFROCHTE  559 

scbaft  dient  dagegen  seiner  personlichen  Neigung,  den  Krieg  zu 
vermeiden,  Athen  zum  Einlenken  zu  bewegen.  Endlich  wird  die 
Grenze  Oberschritten.  Das  Zaudern  bei  Oinoe  versinnlicht  eine 
Betrachtung  des  SchriftsteUers  :  die  Hoffnung  auf  Einlenken  Athens 
war  trügerisch  und  schädlich  :  Perikles  hatte  mit  dem  Kriege  Ernst 
gemacht.  Nun  geht  es  bis  Acharnai,  wo  Archidamos  die  Schlacht 
anbietet,  die  er  herbeiführen  müchte.  Wieder  eine  Betrachtung. 
Diesmal  würde  die  Rechnung  nicht  getrogen  haben,  wenn  nicht 
Perikles  die  Volksstiromung  mit  fester  Hand  gezOgelt  hätte.  Dann 
läuft  die  Ueberschwemmung  Attikas  durch  die  Peloponnesier  ab, 
resultallos.  Dafür  treten  die  Unternehmungen  Athens  ein,  die  an 
vielen  Punkten  ansetzen;  alles  ganz  knapp  erzählt,  keinerlei  Schil- 
derung, keinerlei  Betrachtung,  oder  gar  Einführung  eines  Redners. 
Wir  bekommen  den  Eindruck  eines  Erfolges  der  perikleischen  Po- 
litik und  Strategie;  das  wird  nicht  gesagt,  denn  es  ist  ja  der 
Erfolg  der  Geduld  und  der  Berechnung;  die  Früchte  reifen,  aber 
sie  brauchen  noch  Zeit.  Dem  gegenüber  sehen  wir  die  Pelopon- 
nesier mit  grossem  Aufwände  ?on  Mitteln  nichts  erreichen.  Unter 
ihnen  aber  tritt  der  alte  König  als  Gegenspieler  des  Perikles  hervor. 
Er  soll  verstanden  und  gerechtfertigt  werden,  wenn  auch  Perikles 
als  überlegen  erscheint.  Archidamos  tritt  nicht  weiter  als  leitende 
Persönlichkeit  hervor,  dagegen  spielt  er  dieselbe  Rolle  wie  hier 
auch  im  ersten  Buche.  Die  Haltung  des  Perikles  ist  durch  seine 
Rede  am  Ende  des  ersten  Buches  vorbereitet,  seine  Person  in  die 
nothwendige  Höbe  gestellt.  In  all  dem  zeigt  sich  eine  zusammen- 
hängende künstlerische  Absicht.  Untrennbar  aber  ist  auch  die  Rede 
des  Archidamos  in  die  Erzählung  verwoben,  die  ihrer  so  wenig 
entbehren  kann  wie  der  eingeschobenen  Betrachtungen  des  Schrift- 
stellers. 

Wir  folgern  also.  Thukydides  hat  diese  ganze  Partie  in  einem 
Zuge  geschrieben,  auch  die  Rede  und  auch  die  Kritik  des  Archi- 
daoios.  Selbst  wo  man  etwas  befremdet  wird,  versteht  man  seine 
Intentionen.  Wenn  er  die  älteren  Vorbereitungen  erst  hinter  dem 
Ueberfalle  von  Plataiai  berichtet,  so  sollte  dieser  erste  wirkliche  Casus 
belli  fn  Contrast  zu  den  diplomatischen  Verhandlungen  des  Vor- 
jahres treten.  Wenn  er  die  Bundesgenossenschaften  auf  Grund  des 
Verzeichnisses  aufzählt,  das  für  das  ganze  Recht  der  beiden  Theile 
maassgebend  ist,  so  bleiben  die  Thessaler  fort:  ihr  Verzeichniss 
wird  bei  einem  kleinen  Gefechte  nachgeholt^  dem  einzigen,  wo  sie 


560  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFP 

in  Action  getreten  sind.  Mit  dieser  Partie  muss  mindesteDS  ein 
Theil  des  ersten  Buches  in  engem  Zusammenhange  stehen,  die 
Partien  in  welchen  sich  Archidamos  und  Perikles  einfOhren.  Beide 
thun  das  durch  Reden*):  da  wir  hier  auch  eine  Rede  haben,  die 
mit  der  Erzählung  unlöslich  lusammenhflngt,  werden  wir  daran 
keinen  Anstoss  nehmen. 

Wann  hat  Thukydides  diese  Partie  entworfen?  Kein  Zweifel, 
dass  wir  ihm  glauben  dürfen,  wenn  er  sagt,  dass  er  gleich  mit 
dem  Beginne  des  Krieges  zu  schreiben  begonnen  hat.  Wir  sebeo 
hier  das  Verhalten  sowohl  des  spartanischen  wie  das  des  alhe 
nischen  Führers  auf  eine  scharfe  Verurlheilung  im  Publicum  slosseo, 
deren  Berechtigung  der  Schriftsteller  prüft  und  verwirft.  Wir  sebeo 
in  dem  schweigenden  Contrasie  der  Actionen  beider  Parteien  und 
ihrer  Erfolge  die  Chancen  des  Kampfes  deutlich  gemacht.  Wir 
empfinden,  dass  die  conséquente  Verfolgung  der  perikleischeo  Po- 
litik zum  Siege  führen  muss.  Schon  im  nächsten  Jahre  hat  sieb 
das  geändert,  durch  unvorhersehbare  Dinge.  .Perikles  tritt  Ton 
Schauplatz  ab;  Archidamos  tritt  zurück,  wir  erfahren  nicht  wieso, 
vermulhlich  weil  er  durch  die  ersten  Hisserfolge  an  Einfiuss  xu 
Hause  verlor.  Man  kommt  durch  alles  zu  dem  Urtheile,  dass  diese 
Schilderung  unter  dem  unmittelbaren  Eindrucke  des  ersten  Sommers 
entworfen  ist. 

Es  ist  schon  ein  Indicium  dafür  aufgewiesen,  dass  selbst  die 
Ausarbeitung  vor  den  Nikiasfrieden  fällt.  Zwei  weitere  treten  zu. 
Schon  vor  Jahren  habe  ich  bemerkt,  dass  c.  23  vor  411  verfasst 
ist,  da  Oropos  im  Besitze  von  Athen  erscheint.  Dasselbe  gilt  vod 
24,  denn  die  Sicherheitsmaassregeln,  die  hier  für  den  ganzen  Krieg 
gütig  heissen,  konnten  nur  bis  421  gellen:  dann  gab  es  Frieden 
und  nach  der  Besetzung  Dekeleias  änderte  sich  alles.  Also  ist  diese 
Partie  ganz  und  gar  ein  Theil  der  ersten  Bearbeitung,  wie  die  Ein- 
sichtigen auch  angenommen  haben  werden.  Zu  ihr  gehören  aber 
auch  schon  Reden.    Das  ist  sehr  wichtig;  aber  seit  wir  die  attische 


1)  Die  Rede  des  Archidamos  I  80  beginnt  ähnlich  wie  seine  spatere;  sie 
scheint  mir  denselben  Charakter  zu  tragen.  Man  hat  sehr  viel  in  ihr  btin- 
standet;  in  Wahrheit  zeigt  sie  jene  Breite  und  jenen  Mangel  an  Concentration 
der  Gedanken,  wie  z.  B.  Antiphons  Herodesrede.  Die  Ethopöie  ist,  wie  über- 
haupt, unbehülflich,  aber  was  beabsichtigt  ist,  offenbart  die  Gegenrede  des 
Slhenelaidas.  Die  Partie  schliesst  mit  einer  Datirung  nach  dem  Frieden  von 
445  (87). 


LESEFRÜCHTE  561 

Beredsamkeit  über  das  Auflrelen  des  Gorgias  hioauf  verfolgt  haben, 
Dicht  mehr  befremdlich.  Es  erwächst  die  Aufgabe,  diesen  Faden 
io  dem  Labyrinthe  des  ersten  Buches  zu  verfolgen,  wie  anderer- 
seits in  dem  Epitapbios  des  Perikles  ein  Stück  von  notorisch  spa- 
terer Entstehung  folgt.*)  Scharfe  Interpretation  des  einzelnen,  Ver- 
folgung der  schriftstellerischen  Intentionen  und  der  rhetorischen 
KuDstmittel,  Beobachtung  der  Entwickelung  des  Schriftstellers  zu 
der  künstlerischen  Höhe,  die  im  sicilischen  Kriege  weit  über  diesen 
Anfangen  steht,  wird  die  complicirten  und  höchst  reizvollen  und 
bedeutsamen  Probleme  lOsen:  Philologenarbeit. 

LXVIII.  Das  T  ist  zwar  innerhalb  der  Uias  ein  junges,  aber 
ein  schönes  Stück,  das  eine  sehr  entwickelte  und  überlegte  Er- 
zflblungskunst  zeigt.  Nachdem  das  Schwuropfer  auf  dem  Marktplätze 
am  Heere  gebracht  ist,  entlässt  Achilleus  die  Versammlung  und 
die  Achäer  gehen  zum  Essen  (275).  Die  Hyrmidonen  nehmen  die 
Geschenke  Agamemnons  in  Empfang  und  tragen  sie  in  die  Zelte 
des  Achilleus.  Hit  ihnen  gehl  Briseis,  und  der  Dichter  tbeilt  ihre 
Klagen  mit,  die  sie  vor  der  Leiche  des  Patroklos  anstimmt.  Diese 
Scene  geht  also  in  dem  Zelte  vor  sich  (bis  302).  Gleichzeitig  sind 
die  Heerführer  bemüht  den  Achilleus  dazu  zu  bewegen,  dass  er 
Speise  zu  sich  nähme.  Der  Dichter  ist  zwar  so  sehr  bei  seiner 
Hauptperson,  dass  er  zu  ihr  zurückkehren  kann,  ohne  den  Namen 
zu  nennen  (303),  aber  er  sagt  nicht,  dass  Achilleus  in  sein  Zelt 
gegangen  wäre,  und  das  ist  auch  nicht  wahrscheinlich,  da  er  nicht 
essen  will.  Er  weist  den  Vorschlag  der  Heerführer  ab,  indem  er 
schmerzlich  seines  Sohnes  gedenkt.  Wenn  dazu  die  Alten  klagen, 
auch  an  ihre  eigenen  Kinder  gedenkend,  so  ist  das  prächtig  in 
Parallele  zu  den  Klagen  der  Sclavinnen  componirt,  die  eigenen 
Leides  eingedenk  der  Briseis  accompagniren  (338.  39  und  301.  2). 
Nun  sendet  Zeus  die  Athena,  um  dem  Achilleus  die  Stärkung  deren 
er  bedarf  durch  ein  Wunder  zu  verleihen.  Als  sie  wieder  geht, 
werden  eine  Henge  Waffen  herausgetragen,')  deren  Glanz  zum 
Himmel  strahlt,  man   hört  das  Dröhnen   der  Hännerschritte  und 


1)  £s  sollte  auch  abgesehen  von  einem  bestimmten  Belege  (in  dies. 
Ztschr.  XI  294)  klar  sein,  dass  der  Epitapbios  des  Gorgias  dem  Tbukydides 
vorlag;  dieser  ist  natürlich  für  Athen  verfasst,  also  nach  427. 

2)  360  xÔQvd'êÇ  vt]ûiv  èxfoçiovro  xal  àaniBtç  ktX,  Mit  einer  Erklärung, 
die  hierin  das  Erscheinen  von  Männern  sieht,  die  Helme  und  Schilde  angelegt 
haben,  kann  man  nicht  debattiren. 


562  ü.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORPF 

mitten   unter  ihnen  wappnet  sich  Achilleus.     Also  ist  die  Vorstel- 
lung, (lass  die  Wappnung  da  vor  sich  geht  (355 — 64),  wo  er  sich 
befand,  wo   ihm   einige  der  ersten  Helden  Geleit  gaben  (wo  and 
wie  diese  gegessen  haben,  bleibt  unerOrtert).     Es  ist  freilich  wider 
die  raisonable  Wirklichkeit,  dass  die  Achäer  sich  ihre  Waffen  aaf 
den  Marktplatz  tragen ,   um  sie  da  erst  anzulegen  ;  aber  das  steht 
da  und  ist  von  dem  Dichter  offenbar  darum  so  erfunden,  weil  seil 
Achiileus  den  Ort  nicht  wechseln   wollte  und   in  mitten  der  all- 
gemeinen Rüstung  eingeführt  werden  sollte.     Nun  hat  man  aber 
nichts  von  der  Wirkung  der  Götterspeise  vernommen,   die  ihm 
Athens  eingeflOsst  hatte:   das  ist   nicht   zu   entbehren.     Es  stebt 
denn  auch  ,er  knirschte  mit  den  Zähnen,  die  Augen  strahlten  ibni 
wie  Feuer,  unerträglicher  Schmerz  (Wuth)  drang  ihm  in  das  Hen, 
und  so  legte  er  die  Waffen  an,  die  Hephaislos  ihm  gemacht  batfe, 
Groll  gegen  die  Troer  sinnend  (365 — 69).*    Es  sollte  einleuchtea, 
dass  Aristarch  gut  berathen  war,  als  er  von  seiner  Athetese  dieser 
Verse  zurückkam,  die  gleichwohl  heute  vielen  Beifall  findet.    Bei 
seiner  Ausrede,  die  AnstOsse,  die  er  früher  genommen  hatte,  waren 
zu  ertragen,  das  ware  eben  poetisch,  d.  h.  Dichterlicenz,  werdea 
wir  uns  freilich  nicht  beruhigen,   oder  doch  nur,  so  weit  este 
Zähneknirschen  angeht,  das  allein  in  den  Auszügen  unserer  Scholieo 
als  Ansloss  hervorgehoben  wird.     Es  folgt  nämlich  eine  detaillirte 
Beschreibung  der  Rüstung,  die  aus  dem  11  entlehnt  ist,  und  aocb 
sonst  mit  fremdem  Sprachgut  operirt.*)     Dass  sie  in  sich  einheit- 
lich  ist,   hat  schon  der  feinsinnige  Erklärer  der  Scholien  B  ge- 
sehen.    Denn   die  drei  Vergleichungen  des  Schildes,   der  wie  der 
Mond  glänzt  (374),  des  Helmes,  der  wie  ein  Stern  funkelt  (381)i 
und   des  vollgerüsteten  Achiileus,  der  wie  die  Sonne  im  Waffen- 
glänze  einherschreitet,  sind  in  einem  Zuge  erfunden  (398).    Damit 
ist  auch  das  Besteigen  des  Wagens  und  die  Einführung  des  Auto- 
medon  und  Alkimedon  als  zugehörig  erwiesen,  d.  h.  die  Benutzung 
jener  Partieeo   des  P,   in   denen  die  Rosse   und  Wagenlenker  des 
Achiileus   nach  Patroklos  Falle   eingeführt  sind.    Und   schon  nach 
dem  Aufbau   der  originalen   (d.  h.  diesem  Dichter  gegenüber  ori- 
ginalen) Wappnung   des  Patroklos  im  11,   ist  zu  verlangen,  dass 
die  Rosse  hier  eingeführt  werden,   wie  es  die  Ueberlieferung  be- 
zeugt.   Achiileus  redet   sie  an,   bei  Namen   und  mit  ergreifendem 

l)  Z.  B.  382.  83  =  X314.   15. 


LESEFRÜCHTE  563 

Ethos  des  Patroklos  gedenkend,  der  jetzt  zum  ersten  Male  auf 
dem  Platze  des  Wagenlenkers  neben  ihm  fehlt.  Diese  Anrede  ist« 
das  sollte  sich  jeder  sagen,  auf  die  Antwort  des  Rosses,  also  das 
Wunder  des  redenden  Pferdes,  componirt,  und  wenn  der  nahe  Tod 
dem  Achilleus  vor  dieser  Ausfahrt  durch  Hera  selbst,  seine  Be- 
schOtzerin,  mitgetheilt  wird,  so  haben  wir  hoflTeotlich  die  Empfindung 
unserer  Kindheit  noch  nicht  verloren,  die  uns  diese  Scene  so  rührend 
machte.  Es  streitet  wider  die  an  sich  untadelige  Composition  der 
ganzen  Partie,  wenn  die  Rede  des  sprechenden  Pferdes  allein  oder 
mit  der  vorhergehenden  Anrede  durch  Achilleus  athetirt  wird,  mag 
auch  das  ,Unhomeri8che^  mit  richtigem  Gefühle  beobachtet  sein. 

In   sich   ist  die  Scene  369 — 424   ganz   und   gut,   aber  dem 
Dichter  von    T  gehört  sie   nicht  an.     Sie  schliesst  damit,    dass 
Achilleus  sich  in  die  Reihe  der  Vorkämpfer  mit  seinem  Wagen  stellt: 
dann  waren  die  auch  zu  Wagen.     Davon  haben  wir  in  T  nichts 
gdiOrt.    Der  nächste  Vers  Y  1  sagt,  ,8o  wappneten  sie  sich  um 
Achilleus  an  den  Schiffen.*     Der  setzt  also  nicht  den  letzten  Vers 
^OA  T  voraus,  sondern  die  Situation  von  368,  an  den  er  unmittel- 
bar anschliessen  kann.    Und  endlich  und  vornehmlich:   die  Scene 
Qiit  den  Pferden,  mit  der  die  zweite  Wappnung  zusammenhängt, 
^rd  sich  jeder  in  Achilleus  Zelt  denken,  was  doch  wider  die  Er- 
findung von    T  ist.     So   hat  dieser   Dichter  es  auch   verstanden, 
denn  Achilleus  nimmt  seine  Lanze  aus  dem  Schranke  (ovQty^y 
^lao  in  seinem  Zelte  (387).     So  hat  also  Aristarch  ein  richtiges 
Gefühl  gehabt,   wenn  ihm  die  vier  Verse ^   welche  die  Wappnung 
des  Achilleus  und  bereits  seine  Seelenstimmung  schildern  und  seinen 
sofortigen  Eintritt  in  die  Schlacht  fordern,  mit  dem  folgenden  un- 
tereinbar  erschienen.    Aber  er  hat  getilgt  was  an  seinem  Platze 
steht,  statt  die  längere  Erzählung  als  etwas  Zugewachsenes  anzu- 
erkennen :  die  Scene  des  prophezeienden  Xanthos  war  zu  rührend, 
als  dass  er  sie  fallen  lassen  mochte.     So  muss  es  gehen,  wenn 
die  Hypothese  der  Einheit  mit  ihren  falschen  Begriffen  echt  und 
unecht  in  der  Homerkritik  regirt. 

Für  uns  ist  das  Ergebniss,  dass  die  Scene  mit  dem  sprechenden 
Pferde  später  eingefügt  ist  als  die  jetzige  Verarbeitung  der  Theo- 
machie  und  der  Aineiasepisode  mit  dem  T.  Denn  Y  1  schliesst 
erst  an,  wenn  man  sie  tilgt.  Die  Episode  ist  vornehmlich  nach 
der  Wappnung  des  Patroklos  gearbeitet^  und  zwar  ist  auch  die 
Beschreibung  der  Lanze  entlehnt,  denn  wenn  sie  auch  Aristarch 


564  ü.  V.  WILAMOWITZ-MOLLENDORFF 

hier  verworfen  hat,  so  ist  sie  doch  unentbehrlich,  da  die  Haupt- 
waiïe  nicht  fehlen  kann.  Wir  erfahren  auch  keinen  Grund  der 
Athetese,  als  dass  Zenodot  die  Verse  im  11  gestrichen  hätte;  also 
Aristarch  übertrug  nur  die  Athetese  auf  den  vermeintlich  richtigeren 
Fleck.  Da  hat  er  sich  aber  getäuscht.  Die  Verse  sind  im  il  ZoaaU 
(140 — 44),  denn  erstens  hat  da  Patroklos  sich  iwei  Speere  Torher 
genommen,  und  es  folgt  nur  eine  Motivirung  dafür,  dass  er  nicht 
die  Eschenlanze  des  Achilleus  nahm:  d.  h.  dies  ist  zugesetzt,  ab 
die  Scene,  die  ursprünglich  nichts  von  dem  Waffentausche  wusste, 
in  dieser  Absicht  umgearbeitet  ward.  Zweitens  erfahren  wir  durch 
die  Schollen  des  n,  dass  Zenodol  mindestens  vier  der  Verse  gar 
nicht  schrieb,  d.  h.,  da  kein  schwerer  inhaithcher  Anstoss  far  ihn 
vorhanden  war,  gute  Handschriften  kannte,  die  sie  nicht  enthielten. 
Um  so  merkwürdiger,  dass  ein  Nachdichter  die  Erweiterung  kennt, 
die  Zenodot  noch  nicht  überall  fand.  Nur  diejenigen,  die  auch  in 
der  Ueberlieferung  Einheitshirten  sind,  können  sich  gegen  eine 
solche  Möglichkeit  sperren,  aber  es  ist  werthvoll,  ein  concretes 
Exempel  zu  haben.  Wir  haben  aus  Aegypten  bisher  nur  Reste  vod 
^Iliàôeç  TcolvaTixoi:  wenn  erst  einmal  eine  ôliyotnixoç  komml 
wird  sie  wohl  mehr  directen  Gewinn  bringen. 

Auch  eine  Einlage  des  P  ist  von  der  Xanthosepisode  benutzt 
Nach  einer  Versreibe,  die  Zenodot  nicht  las,  und  die  auch  gani 
inhaltsleer  ist  (404 — 425),  folgt  ein  Stück,  das  ganz  für  sich  steht 
426 — 542,  eine  Aristie  des  Automedon,  die  damit  eingeleitet  wird, 
dass  die  Pferde  um  Patroklos  weinen.  Die  Priorität  dieser  Partie 
vor  der  Rede  des  Xanlhos  zu  erhärten  genügt  eine  Beobachtung, 
im  P  weinen  die  Pferde,  haben  den  Kopf  auf  den  Boden  gesenkt, 
so  dass  die  Mähne  unter  dem  Joche  und  den  Riemen,  die  es  an 
dem  Nacken  befestigen,  hervorquillt  (440).  Das  T  wiederholt  die 
anderthalb  Verse,  lässt  also  den  Xanthos  auch  den  Kopf  auf  den 
Boden  senken  :  und  dabei  will  der  Hengst  reden,  während  er  im  P 
weint.  Dort  weigert  er  sich  anzuziehen,  hier  sind  wir  in  dem 
Augenblicke,  wo  der  Kutscher  die  Zügel  bereits  erfasst,  der  Kämpfer 
aufgestiegen  ist  und  den  Pferden  gewaltig  zugeschrien  hat:  da  ist 
die  Bewegung  widersinnig,  und  wenn  Automedon  ein  ordentlicher 
Kutscher  ist,  so  lässt  er  die  Zügel  nicht  locker. 

Die  Episode  des  T  ist  also  ein  ganz  spätes  Stück,  in  die 
feilige  llias  eingesetzt,  und  mit  sehr  unselbständiger  Kunst  enl- 
worfeü.    Das  redende  Pferd  ist  eine  Steigerung  des  weinenden.   Es 


LESEFRÜCHTE  565 

ist  oichte  mehr  tod  der  allen  Anschauung  darin,  die  dem  Helden 
Rosse  gegeben  hatte,  die  göttlich  waren  nach  Ursprung  und  Kraft 
und  es  sein  konnten,  weil  die  höchsten  Götter  Rossgestalt  nicht 
Terschmähten.  Hier  erhält  Xanthos  durch  Gotterlaune  einmal  die 
Rede,  und  die  Hollenmächte,  die  so  zu  sagen  das  Naturgesetz  ver- 
treCeo,  nehmen  sie  ihm  wieder.  Der  Dichter  fabulirt.  Leider  kann 
man  nicht  beweisen,  dass  er  den  Arion  des  Adrestos  vor  Augen 
hat,  aber  der  Sohn  des  Poseidon  und  der  Erinys  muss  mindestens 
in  der  originalen  Sags  handelnde,  also  auch  redende  Person  ge- 
wesen sein. 

LXIX.  Athenaeus  XV  665  führt  in  seiner  eigenen  Rede  zwei 
Euripidesverse  an 

êï  (AOL  TO  Neatôgeiov  ^yXœaaov  fxiXog 
IdvTiijvoQoç  Te  Tov  Oçvyoç  doit]  ^eoç^ 
ov%  av  dvvalfÂrjv  ànofivrifiovBVBiv  htL 
Den  Nachsatz  hat  Husgrave  glücklich  in  einem  Citate  Plutarchs, 
auch  aus  eigenem  Gedflchtniss,  de  garrulit.  1  erkannt 

ovx  av  dvvaLfiriv  fi^  OTiyovTa  nifiTtXdvai 
aoq>ovç  InavThJüv  àvdgl  fiij  aogxHi  Xàyovç. 
Das  war  nach  Plutarch  uqoç  tov  dovveTov  àKçoaTi^v  gerichtet 
Diesen  und  damit  das  Drama  zu  bestimmen,  in  dem  die  Verse 
standen,  weiss  ich  nicht,  obwohl  es  nicht  viele  sind,  deren  Zeit 
die  Nennung  des  Nestor  und  Antenor  gestattete;  man  denkt  leicht 
an  Philoklet,  vor  dem  Vertreter  der  Troer  und  Achäer  einen  Rede- 
kampf führten.  Im  ersten  Verse  hat  schon  Barnes  das  sinnlose 
fiéXoç  in  fiiXi  geändert,  was  unmittelbar  einleuchten  muss,  da  es 
aus  Homer  ^  249  stammt:  dass  es  eine  Sorte  Conjecturenmacher 
giebt,  die  oro/ua  für  wahrscheinlicher  halten,  ist  kaum  der  Er- 
wähnung werth.  Interessant  aber  ist,  dass  die  Verse  in  der  Rhetoren- 
schule  der  ersten  Kaiserzeit  auch  wenig  gebildeten  Römern  bekannt 
geworden  sind.  Der  Dichter  der  Laus  Pisonis  64  hat  die  inclüa 
Neatorei  .  .  .  graiia  mellis,  so  die  Lesart  sichernd,  und  der  der 
laus  MessaUae  in  dem  Buche  xaTÙ  ksTtrov  9,  15  von  dessen  Ge- 
dichten carmina  quae  Phrygium  .  .  .  quae  PyUum  vincere  digna 
senetn.  Nur  in  der  festen  Zusammenstellung  war  Antenor  und 
seine  Beredsamkeit  verständlich. 

LXX.  In  diesen  Lesefrüchten  (in  dies.  Ztscbr.  XXXHI  519) 
babe  ich  das  Andenken  des  tenedischen  Arztes  Pbaidas  erneuert, 
den  die  Londoner  latrika  PhaYtas  nennen.     Ich  finde  ihn  jetzt  als 

Henne«  XXXY.  37 


566    U.  V.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF,  LESEFRÜCHTE 

Verfasser  eines  Kochbuches,  speciell  für  Kuchen,  das  Kallimachos 
in  seinem  Kataloge  der  alexandrinischen  Bibliothek  aufgezeichnet 
hat.  Denn  man  wird  den  Namen  OuItov  bei  Athen.  XIV  643  f. 
nicht  mehr  beanstanden,  der  doch  so  rar  ist,  dass  man  das  Buch, 
das  um  250  vorhanden  war,  dem  Manne  zusdireiben  wird,  der 
um  330  gestorben  ist  Und  Kochrecepte  stehen  einem  Ante  sehr 
gut.    Gab  es  doch  selbst  von  Diokles  von  Karystos  X)ipa^Tvfm. 

LXXI.  In  den  Scholien  des  Ammonios  (Oxyrhynchos  11  221) 
ist  die  Herkunft  des  Asteropaios  zu  <Z>  162  ganz  besonders  aui- 
führlich  und  gelehrt  behandelt.  Ich  habe  in  meiner  Besprecbung 
(Gott  Gel.  Anz.  1900  38)  übersehen,  dass  wir  den  Verfasser  nach- 
weisen können:  es  ist  Ptolemaios  Pindarion,  der  negl  *AaTBQ(h 
naLov  %ov  nag*  ^Ofiijgwi  /ÀVfjfÀOVëvofiévov  schrieb;  so  die  Suidas- 
vita.  Dass  er  in  den  Scholien  des  Ammonios  zweimal  mit  dem 
wenig  bezeichnenden  Namen  Ptolemaios  (mit  Ignorirung  des  Asb- 
loniten)  angeführt,  ein  drittes  Mal  namenlos  benutzt  ist,  hatte  ich 
schon  angemerkt;  er  ist  also  neben  Seleukos  als  Hauptautor  an- 
zusehen. 

Westend.  ü.  v.  WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF. 


SEPULCRALIA. 

Musa  latioa  lapidaria  ood  minus  quam  litteraria  Graecis 
rere  coepit,  ubi  primum  iambis  rudioribus  spretis  dactylicos 
imeros  praeoptavit.  multa  sunt  quae  ne  intellegas  quidem  commode 
si  de  graeco  mooitus  exemplo.  venustum  Callimacbi  epigramma 
Ti  hoc  est 

elxov  ano  OfÂinçùiv  oXlyov  ßlov^  ov%b  %i  aeivov 

^éÇwv  ov%^  aâixéwv  ovôéva.     Fala  q)Üif], 
MixvXoç  €Ï  Ti  novrjQov  inijiveaa,  iat^xb  ai  xovq)rj 
ylveo  firi$^  ïleu  dalfÀOveç  oï  (jl    ^xéze. 
rierunt  artis  gratiae,    supersuot  vero  sententiae  artiore  dicendi 
nere  compressae  in  dislicho  quod  Q.  Caetrooius  Passer  miles  coh. 
prael.    anno    p.  Chr.   xxix  suc  sépulcre   inscribeodum   curavit 
irm.  epigr.  991  Buecheleri) 

vixi  quod  volui  semper  bene^  pauper  honeste; 
fraudavi  nullum,  quod  tuvat  ossa  mea. 
Q  puto  T.  1  quod  parum  scite  positum  esse  pro  quoad,  quam- 
am  in  alio  eiusdem  disticbi  exemplo  (992  Buech)  rêvera  scriptum 
imus  010751  quad  potui  semper  bene,  sed   hoc  ille  uti  dixit  ita 
luit  dicere  ovôkv  èyw  novriQov  im^iveoa  i.  e.  bene  mi  semper 
ut  volui.    alterum  Caliimachi  distichum  saepe  et  vario  modo  in 
înis  carminibus  expressum  reperitur  nec  semper  tam  arido  et 
:ompto  stilo  quam  in  Caetrooii  titulo,   velut  1321  B.  qui  ittiUi 
i9is  extiteram,  dum  vita  manebai,  hac  functo  aetemum  sit  mihi 
^a  levis,     novo  et  ridiculo  paene  acumine  Heieager,  si  quidem 
Meleagri  distichon  A.  P.  vu  461  Cailimacheo  carmini  subiectum 
IlaiÂfÂrjJOç  rfj,  X^^Q^'  ^^  ''^^^  naçoç  ov  ßacvv  elç  ah 

Alaiyévriv  xavrfj  vvv  inéxoiç  aßacT^g, 

puero  scilicet  parvulo  non   magoi   pooderis,  sicut  de  puellula 

rtialis  v  34  mollia  nec  rigidus  caespes  tegat  ossa^  nec  iUi,  Terra, 

^vis  fueris:  non  fuit  iUa  tibi,    similiter  Diodorus,  de  rhetorum 

itni  saeculi  numéro  haud  dubie  epigrammatarius,  A.  P.  vii  632 

37* 


568  G.  KAiBEL 

aXlà  ai  vrjniàxov  ôfdwSç^  xovi^  iÀijnoTB  ßgl^eiv  èatéa,  jov 
duTovç  q)€iôoinévr]  KoQaxoç,  et  saepe  sic  latiDi  poeUe  velot 
1152  B.  te,  lapis,  ohtestor,  levis  ut  super  ossa  quieseas,  ne  reiierae 
aetati  gravis  esse  videaris,  el  absurde  polius  quam  ridicule  Apelles 
quidam  de  uxore  sua  (1192  B)  te,  lapis,  obtestar,  hviter  super  om 
quiescas  et  mediae  aetati  ne  gravis  esse  veUs. 

Id  Boaruo  Tiroieusiuro  pago  Felicianus  salis  mirum  carmen 
olim  descripsit  (982  B) 

si  lutus,  si  pulvis  tardât  te  forte,  viator^ 
arida  sive  sitis  nunc  tibi  iter  minuit, 
perlege,  cum  in  patria{m)  tülerit  te  dextera  Fati, 

ut  requietus  queas  dicere  saepe  tuis: 
'finibus  Italiae  monumentum  vidi  Yohema, 
in  quo  est  Atini  conditum  [corpus  .  / 
mirum   oi  viator  velut  Tarenlious  vel  Venetus  de  Atinio  homioe 
ignoto  apud  suos  uarrare  oblitus  sit.    corrupil,  nisi  failor,  poeta 
Catullo  aetate  quidem  el  palria  aequalis,  graecum  carmeo  tale  quale 
est  Asclepiadis  A.  P.  vii  500 

w  nag'  IfÀOv  atelx^v  xevov  fjgiov  etnoVj  oâîta, 

etc  Xlov  evT^  av  ïurji,  nazgl  MelfjaayoQYjiy 
(üQ  ifih  ixlv  xa/  vija  %ai  ifÂnoçlrjv  xanog  evçoç 
äkeaev,  Evinnov  ^  aixo  kikeim'  ovofAa, 
vel  ul  laceam  Lacedaemonios  ad  Tliermopylas  occisos  qualia  sunt 
Caliimaclii  ep.  12,  Nossidis  A.  P.  vii  718,  Nicaeneti  A.  P.  ni  502. 
pulcre  hoc  ab  alexandrinis  poelis  invenlum,    ut    nautae   milites 
mercatores  apud  peregrinos  mortui  viatorem  rogarenl,  si  forte  patriam 
parentes  cognatos  viseret,  de  fato  suo   nuntiarent.     non  invitam 
dico  latinum  poetam  a  graecorum  mente  aberrasse,  sciens  mutafit,  ut 
docet  dextera  Fati,  sed  parum  seile. 

illud  quoque  a  graecis  mutuati  sunt  poetae  latini  ut  in  udo 
sepulcro  magnam  vulgarium  lugendi  incusandi  consolandi  adbortaodi 
oplandi  formularum  copiam  cumularent.  moleste  ferimus  effusam 
in  dolore  ostentaodo  vcrborum  uberlalem,  sed  quanto  talia  ineptiora. 
tanto  cerlius  ex  anliquioribus  exemplis  petita  esse  patebiu  Romae 
olim  duo  lapides  inventi  sunt,  extra  Pincianam  portam  aller,  alter 
ad  viam  Salariam  (970.  971  B),  carminibus  inscripti  inter  se  ûmil- 
limis.     (le  puero  prius  esl: 

.  .  .  Uns  P.  et  Clodiae  L  Optatus  \  vixit  annos  vi  m.  i;iii, 
cum  me]  ßorentem  met  combussere  parentes. 


SEPULCRALIA  569 

vixi  d]um  licuit  superis  acceptior  tint», 
quoi  nemo  po]tuit  verba  mahdicere  acerbo  eqs. 
apparet  vero  de  puero  sexenni  baec  primilus  scripta  dod  fuisse, 
cuius   quidem  ineplum  est  laudare  sine  crimine  vitam.    alterum 
de  Octavia  L.  et  3.  1.  Arbuscula: 

terminus  est  vitae  nostrae  tertius  et  vicensimus  annus, 
cum  me  florentem  met  combussere  parentes, 
vixi  ego  dum  licuit  superis  acceptior  una, 
quoi  nemo  potuit  verbo  {verbis  lapis)  makdicere  acerbo. 
aetatis  Tocabula  versibus  non  apla  satis  indicant  antiquius  aliquod 
Arbuscula  carmen,  fldemque  facit  simile  exordium  n.  1219  vigintiduo 
erant  annt,  si  fata  dedissetU,  cum  me  florentem  rapuit  sibi  Ditis 
ad    umbras,     polerat  poeta  nisi  rerum  Veritas    obstarel   scribere 
ierminus  alter  erat  vitae  et  vicensimus  anmis;  requiritur  enim  etiam 
erat  praeteritum  pro  praesenti  est. 

secuntur  plane  diversa  in  Optati  titulo,  quae  iam  mutila  nulio 
modo  redintegrari  possunt 

festino]  ad  superos,  quos  pietas  (i.  e.  pietas  quos)  cogi[t  adire. 
lugete]  modeste  nunc  vos,  quoni[am  moriundum  est 

tis  dicite  'Opiate,  sit  [tibi  terra  levied 

ubi  de  primi  versus  sententia  praeter  alia  v.  n.  1048. 

numerosius  paullo  de  Arbuscula   poeta,  sed  virginis  prorsus 
oblitus  tamquam  de  iuvene  parentibus  erepto: 

crudele  pater  funus  nati  vidisse  videris 
et  pia  complexu  mater  spoliata  senescens. 
at  tu,  dulcis  soror,  exstincto  me  solare  parentes. 
his  vero  très  subiecit  carminum  particulas  nuili  fere  vituperio  ob* 
noxias,  sed  nullo  sententiarum  vinculo  inter  se  conexas: 

1.  crudelis  Pluton,  nimio  saevite  rapinae, 

parce  precor  nostram  iam  lacerare  domum. 

2.  te,  lapis,  obtestor,  leviter  super  ossa  résidas, 

ne  nostra  doleat  conditus  officio. 

3.  detine  iam  frustra,  mater  mea,  desine  fletu 

te  miseram  tolas  exagitare  dies, 
namque  dolor  talis  nan  nunc  tibi  cantigit  uni, 

haec  eadem  et  magnis  regibus  acdderunt. 
alterum  distichum  non  puellae  aplum  satis  crebrum,  v.  quae  adno- 
taTit  Buechelenis  ad  n.  1474.     primo  sententia  similis  n.    1212 
crudeles  divi  .  .  quid  vos  immatura  iuvat  quae  vestra  futura  est 


570  G.  KAIBEL 

post  modo  consumpto  tempore,  turba,  tuo,  sed  forma  similius  cannen 
graecum  NeapolUaoum  (E]i.  gr.  575)  ôaKçvxctQi]g  IHovtaifi  oi 
nvevfiara  7tdv%a  ßcoteia  coi  véfÂBtai;  %l  Tçvyàiç  ofiq^axaç 
^hxlrjç;  vide  ad  Ep.  gr.  576 — 578.    apertum  autem  est  et  Ditis 
crimiDatioDem  et  lapidis  obtestationem  non   niai   îd   extremis  car- 
minibus  sepulcralibus  primitus  locum   habere  potuisse,  eidemque 
legi  paret  tertium  carmen,   cuius  argumentum  tragoediis  consola- 
tionibus  epitaphiis  frequentalum  non  mullum  admittit  variatioois. 
persimile  e  latinis  distichum  est  n.  1068  B  de$ine,  soror,  me  im 
flere  sepukro:  hoc  etiam  mnüis  regibus  hora  tulü^  ubi  satis  ioepte 
multü  pro  magnis  scriptum,     e  graecis  epigranuna  Parium  (mus. 
Rhen.  xxxir  183)    %lç    anXi^atov    névô-eog    iiq>eXlri\    rifla^r 
xai    yoQ   avanTeg  àfÀeiôi^twi   no%i   niv&ei    xvçoarreç  tolri^ 
aXyoç  *€x^va    odtvrjç,  quod  carmen  ut  Ârbuscuiae  lapide  sit  recen- 
tius,  tamen  neque  ex  hoc  neque  ullo  ex  alio  latino  carmine  graece 
versum  est.    ineptum  est  et  imperatoria  aetate  fortasse  non  antiquios 
ex  regum  mortalitate  privatorum  consolationem  petere.    aniiquitos 
quid  fuerit  demonstrari  potest,  vulgare  est  dicere  ,quid  fies?  omaibas 
scilicet  moriundum  est*  (e.  g.  Ep.gr.  264,  11.  372,37),  idemqoe 
paulio   quaesitius  expressum   Ep.   gr.  345  /n'^reç    Ifiii^  ^crffw 
ànonaveOy  kij^ov  oêvç^nâv  xai  %one%wv'  ^Alôrjç  olxToy  oTto- 
a%Qé(fBtai.    sed  na&rjtinioTeQOv  mullo  Antipater  Sidonius  A.  P. 
VII  8  tI  (p^LfÀévoiç  OTovaxevf^ev  iq>'  vldaiv  ctvix    othiktw 
tùjv  nalôwv  'AlÔYiv   ovôè   ^eoîç   àvva^iç^    quod   aliquo  modo 
imitatus  est  poeta  Teius  Ep.  gr.  298  alXây  nareg,  &ç7jvwv,  qiXit 
naveo'  /afJTeQ  nQeifiiyévrj ,  ànod^ov  ^vfÀOÔaneîç   oêvvaç'  ViÇ 
in    Ifiol    XvTtrjç    naga^v^iov   ifÀ  q)Qeaï    ^éa&e    tovtov  xoî 
ftaxdgwv  naîôeç  'éveç^ev  %ßav.    inscile  communis  omnium  IDO^ 
talitas  cum  heroum  mortalitate  coniuncta  in  fratrum  titvdo  m  fere 
p.  Chr.  saeculi  (CI  liai.  Sic.  1474)  ^açaeltov^  âvo  naîôe^  n- 
^vr]7i[6Te'  xai  Aïoç]  vlio'  xoivov  hcel  fisçofKûv  fcaai  /nlivtiio 
rélo]ç,     hanc  igitur  graecam  sententiam  varus  modis  latini  poetae 
suam  feceruDt  (satis  antiqui  iambi  n.  59,  12  et  81,  dactyli  n.  107S, 
cf.  1211.  998  alia),     fecerunt  etiam  duo  illi  qui  de  Optato  puero 
et  (le  Arbuscula  virgine  carmina  compilaverunt,  non  alter  alterius 
opera  abusus  sed  antiquiore  auclore  adhibito  uterque. 

post  eoim  verba  Opiate,  sit  tibi  terra  levis  unius  fere  versus 
spaiio  vacuo  interieclo  haec  vel  supersunt  vel  certa  coniectura 
restitula  sunt 


SEPÜLCRALIA  571 

....  0  annorum  nondum 

e]iim  ad  mortem  matris  [de  gremio  raptor, 
Manibus  carus  fui,  vivos  cartlssimus  Uli, 

adverseis  quae  me  su^ulit  o[minibus, 
desine  iam  frustra,  mea  mater,  [dtsine  fletu 

te  miseram  totos  exagitare  dit{s, 
namque  dolor  talis  non  nunc  tibi  [eontigit  uni, 
haec  eadem  et  magnets  regibus  [acciderunt. 

CLARA  AMARANTO  

AV  .  .  .  .  . 
haec  quae  perscripsi  quattuor  disticba  non  crediderim  de  Amaranlo 
potius  quam  de  Optato  scripta  esse,     cur  enim  subscriptum  magis 
Amaraoli  oomen   quam   praescriptum ,    cur  maioribus    litteris?  si 
falli  DOS  voluit  lapidarius,  dod  saue  polerat  calUdius.     fac  alterum 
Optati,   alterum    Amaraoti    titulum    esse,   boc   sane    nihil   offen- 
sioDÎs  babet,  modo  Amarantum  brevi  post  Optalum  obiisse  sumas, 
qaod  utrumque  carmen  ut  in   eodem   lapide  ita  ab  eodem  poeta 
coDcinnatum  sit.     at  quooiam   in   antiquiore  iam  lapide  vidimus 
coDÎUDCta   fuisse  duo  ilia  carmina,  unum  cum  me  florentem  met 
cambussere  parentes,    alterum    desine    iam   frustra,    putabimusne 
poeiastrum  cum  Optatum  laudaret  prius  carmen  adbibuisse,  alterum 
vero  seposuisse,  tamquam  alterum  eiusdem   familiae  funus  expec- 
tantem,  mox  vero  cum  Amarantus  puer  expectationem  non  fefellisset, 
ex  eodem  penu  alterum  adiecisse  carmen  ?  multo  profecto  acerbio- 
res  querellas  legeremus  si  duos  pueros  eiusdem  fere  aetatis  eodem 
fere  tempore  eisdem  forlasse  parentibus  ereplos  flendos  ille  susce* 
pisset,    immo  ad  eundem  Optatum  utrumque  pertinet  epigramma: 
posterius  additus  brevis  titulus  quem  posuit  Clara  Amaranto.    itaque 
supplendum  fere,  ut  de  Optato  haec  quoque  dicta  sint 
Septem  iter]  annorum  nondum  [fatale  peregi^ 
c\um  ad  mortem  matris  [de  gremio  rapior. 
omnibus  carus  fui  vivos,  cart\ssimus  Uli, 
adverseis  quae  me  sustulit  o[minibus. 
V.  t   unius  Amadutii   fide  traditam  litteram  0  in  R  mutavi  et  feci 
versum  qualis  in  urbano  titulo  n.  1068  est  iter  vii  annis  ego  iam 
fatale  peregi,  nunc  rapior  tenebris  eqs.  confidentius  v.  3  omnibus 
scripsi  pro  Manibus.     Diti  et  Proserpinae  dilectos  pueros  puéllasve 
ad   mortem  trahi  fingunt  passim  graeci  poetae  (A.  P.  vu  483.  Bp. 
gr.  272),  sed  quod  absurdum  erat  dicere,  Manes  hominum  amore 


572  G.  KAIBEL,  SEPULCRALIA 

ÎDcensos  Duoquam  legimus,   et  si   maxime    boc   voluisset  poeta, 
dicendum    fuit  Manihus  earns  obii;  ▼.  n.  1020  eut  fueras  mus 
vivos,   et  ille  tibi,  d.  1085  dum  vixi  fui  eara  viro,  similia  saepe. 
quod  in  opère  tectorio  nigro  albis  litleris  pulcris  saeculi  p- 
Chr.  primi  ioscriptum  inveoeruDt  carmen  illi  qui  in  colle  Capitolino 
monumento  Victori  Immanneli  régi  erigendo  fundamenta  struebaat 
(Buecheleri  n.  877),  id  etsi  in   integrum  restifuere  non  ponona« 
sententiam  tamen  qualem  babuerit  indicabo. 

REI 
SS///MIVSM/// 
\i  VNVLLANORTEPL 
RINAEPIOMVNDOSINEC 
MVNAMDOSC//SVPI 
vacat 
dubium  non  est,  si  maioribus  litteris  scriptum  yersum  primam    a 
reliquis  separaveris,  quin  carmen  fuerit  duobus  distichis  composi- 
tum.    ▼.  3   NORTE    pro   morte   scriptum   adgnovit   Buechelerus, 
simili  autem  vitio  non  tam  pictoris  opinor  quam  eius  qui  descripsit 
V.  4  AEPIO  scriptum  Yidetur  pro  aerio,  quo  correcto  haec  suppleri 
possunt 

tu  nuUa  morte  perire  potes. 
semper  in  aerio  mundo  sine  corpore  vives: 
propter  Musam  unam,  docte^  superstes  oris* 
in  amici  sive  amicae  alicuius  memoriam  ab  amico  versus  parieti 
private  inscripti  in  mentem  revocant  Callimachi  de  Heraclite  Bali- 
carnassensi  poeta  pulcrum  fivrjfÀoavvov. 

Gottingae.  GEORGIUS  KAIBEL 


JR  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN 
KRIEGES. 

Für  die  Chronologie  des  peloponnesischeD  Krieges  ist  die  viel 
nterte  Frage  von  wesentlicher  Bedeutung,  ob  der  Ueberfall  von 
raiai  Anfang  März  oder  Anfang  April  erfolgte ,  ob  die  Pelopon- 
ier  in  Attika  in  der  iweiten  Hälfte  des  Hai  oder  in  der  zweiten 
fte  des  Juni  einfielen.  In  den  achtziger  Jahren  hielten  sich 
Vertreter  der  einen  oder  der  anderen  Ansicht  so  ziemlich  die 
age,  in  der  letzten  Zeit  hat  sich  eine  entschiedene  Wendung  zu 
Dsten  der  Mflrz-  und  Maidatirung  vollzogen. 

Es  sei  gestattet,  zunächst  daran  zu  erinnern,  dass  die  Pelo- 
inesier  in  Attika  einfielen  /usrcr  ta  h  TlXonalq  yevofÂBva  rund 

80.  Tage  jov  &iQovç  xol  tov  altov  àxfiâ^ovroç.  Die  Be- 
itung  der  axfii]  des  aîToç  steht  jetzt  fest,  es  ist  die  Schnittreife. 

Angaben  über  die  gegenwärtige  Erntezeit  findet  man  nament- 
^  hei  A.  Hommsen  Gr.  Jahreszeiten  (Schleswig  1877)  571  und 
r  Kunde  des  gr.  Klimas  (Schleswig  1870)  8.  A.  Mommsen  be- 
;|inet  den  15.  Hai  als  Hittelzeit  des  gegenwärtigen  attischen 
Dteanfanges.  Tb.  v.  Heldreich  sagt  bei  Hommsen  a.  a.  0.  571: 
s  Ernte  beginnt  in  Atlika  Hitte  Mai  und  endigt  je  nach  den 
gen  spätestens  Ende  Juni^  Die  Erntezeit  di£ferirt  aber  nicht 
'SS  je  nach  der  ungünstigen  oder  günstigen  Lage  um  mehrere 
>chen,  sondern  sie  ist  auch  in  den  verschiedenen  Jahren  je  nach 
*  Witterung  erheblichen  Schwankungen  unterworfen.  Nach  den 
gaben  des  Hofgärtners  Schmidt  bei  A.  Hommsen  a.  a.  0.  6.  7 
r^nn  man  im  Jahre  1860  in  der  attischen  Ebene  erst  am  30.  Hai, 
Jahre  1866  erst  am  31.  Hai  Gerste  zu  schneiden. 

Wilamowitz  hat  im  Hai  den  Eintritt  der  ax^i;  des  Getreides 
Verschiedenen  Gegenden  beobachtet  und  sich  viel  darüber  unter- 
teil. ,Danach  erkläre  ich  denn,  sagt  Wilamowitz  in  dies.  Ztschr. 
^V|  (1891)  220  A.  1,  dass  der  Ansatz  des  Ueberfalles  von  Plataiai 
>  April   und  des  Einfalles  der  Peloponnesier  im  Juni  mit  dem 


574  G.  BUSOLT 

Klima  von  Boeotien  und  Attika  schlechlhin  uovereinbar  ist.  Wer 
sie  behaupten  will,  gebe  hio  und  sehe  nach:  ich  mag  kein  Wort 
mehr  darüber  TerlierenS 

Noch  stärker  drückt  sich  Ed.  Meyer  Forschungen  lur  alten 
Geschichte  il  (1899)  306  A.  2  aus:  ,wer  freilich  beiweifelly  dass 
zur  Zeil  des  pelopoonesiscben  Krieges  der  Frühlingsanfang  in  die 
letzten  Tage  des  Februar  und  die  ersten  des  Harz,  der  BegioD  der 
Ernte  (tov  oItov  axfiâ^ovToç)  Hitte  Hai  julianisch  fôllt,  kennt 
die  grundlegenden  Thatsachen  nicht  und  muss  daher  zu  falschen 
Schlüssen  kommen.  Als  ich  im  Jahre  1884  in  Griechenland  war, 
begann  die  Ernte  auf  dem  Isthmos  am  5.  Hai  gregor.,  in  Delphi 
war  sie  am  23.  Hai  im  vollen  Gange;  Anfang  Juni  stand  in  den 
Ebenen  Boeotiens  und  Attikas  kein  Halm  mehr  auf  dem  Felden 

Durch  solche  apodiktische  Aeusserungen  darf  man  sich  nicht 
beirren  lassen.  So  einfach  liegt  die  Sache  nicht.  Für  die  Be- 
stimmung der  Erntezeit  vor  rund  2330  Jahren  kommen  noch  an- 
dere Factoren  in  Betracht  als  Beobachtungen  über  die  gegenwärtige 
Erntezeit. 

Erstens  sind  die  gegenwärtigen  gregor.  Daten  für  die  Zeit  des 
Tbukydides  nicht  um  fünf,  sondern  um  sieben  zu  erhoben,  da  die 
Sonnenwende  im  Jahre  431  erst  am  28.  Juni  (zwischen  1  und 
2  Uhr  Hittags)  eintrat.  Ferner  befand  sich  damals  die  Erde  nicht 
am  31.  December,  sondern  am  21.  November  in  der  Sonnennähe, 
was  das  Klima  und  den  Eintritt  des  natürlichen  Frühjahres  um 
etwa  zwei  Tage  beeinflusst.  (Nach  gütigen  Berechnungen  der  Herren 
Proff.  Schur  und  Wiechert).  Das  ergiebt  eine  normale  Verschiebung 
der  Ernte  um  durchschnittlich  neun  Tage.  Namentlich  hat  aber 
die  damals  bereits  beginnende,  stetig  fortschreitende  Entwaldung 
in  VerbioduDg  mit  anderen  Homenten  eine  andere  Vertheilung  der 
Niederschläge  und  eine  raschere  Entwickelung  der  Halmfrüchte  im 
Hittelmeergebiet  zur  Folge  gehabt. 

In  Italien  hat  sich  die  Reife  des  Weizens  seit  dem  Alterthume 
um  einen  vollen  Honat  verfrüht  (Nissen  Italische  Landeskunde  399  flf.). 
Nach  einer  mündlichen  Hittheilung  des  Herrn  Prof.  Th.  Fischer, 
des  ersten  Kenners  des  Hiltelmeerklimas,  sprechen  verschiedene  An- 
zeichen für  eine  nicht  unwesentliche  Veränderung  des  Klimas. 

Aus  dem  Alterthume  selbst  liegt  namentlich  die  von  Ed.  Meyer 
citirte  Aeusserung  bei  Hesiod  Erga  383  vor:  nkriididwv'ATlayeyiwv 
iniTeXXofÀevaiov  agx^od^  a/nriTov  xtL    Dazu  bemerkt  Ed.  Meyer: 


m  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES    575 

lach  Hesiod  fUU  der  Anfang  der  Ernte  bekanntlich  auf  den  Prüh- 
jfgang  der  Pleiaden,  d.  h.  im  5.  Jahrhundert  auf  den  16.  Mai', 
ie  Bestimmung  des  mit  dem  unbewaffneten  Auge  sichtbaren  FrOh- 
ifganges  ist  ein  recht  schwieriges  Problem.  Sie  hangt  wesentlich 
»o  dem  ,SehuDgsbogen'  ab,  mit  anderen  Worten,  von  dem  Winkel 
T  dadurch  entsteht,  dass  man  das  eine  Auge  auf  die  (unler  dem 
orizoDt  stehende)  Sonne,  das  andere  auf  das  (über  dem  Horizont 
ifiodlicbe)  Sternbild  richtet  Letzteres  ist  erst  bei  einer  gewissen 
itferoung  von  der  Sonne  oder  bei  einer  gewissen  Höhe  des 
ïhungsbogens  siebtbar.  Der  erforderliche  Sehungsbogen  lässt  sich 
»er,  wie  mir  der  gerade  auf  diesem  Gebiete  arbeitende  Herr  Prof. 
'endel  versichert,  sehr  schwer  auch  nur  mit  annähernder  Sicher- 
dt  bestimmen,  da  sehr  verschiedene  schwankende  Factoren  in 
stracht  zu  ziehen  sind.  Ideler  hatte  einen  Sehungsbogen  von 
}o  angenommen  und  danach  für  800  v.  Chr.  den  FrQhaufgang 
iv  Pleiaden  auf  den  19.  Mai  jul.  Kai.  gesetzt.  Der  Director  der 
esigen  Sternwarte  Herr  Prof.  Schur  hat  die  Gflte  gehabt,  eine 
achprQfung  der  Berechnung  vorzunehmen  und  im  Wesentlichen 
18  Ergebniss  Idelers  bestätigt.  Unter  Annahme  eines  Sehungs- 
3gens  von  16^  fand  um  700  v.  Chr.  der  FrOhaufgang  am  20.  Mai 
alt.  Aber  jede  VergrOsserung  des  Sehungsbogens  um  nur  einen 
rad  bedeutet  eine  Verschiebung  des  FrQhaufganges  von  nicht 
eniger  als  2,  55  bis  2,  60  Tage.  Auf  Grund  von  directen  Beob- 
:htUDgen  und  nicht  bloss  rein  theoretischen  Erwägungen  J.  Schmidts^ 
es  ehemaligen  hochverdienten  Directors  der  Athener  Sternwarte,  hat 
nihns  bri  A.  Mommsen  Chronologie  29  einen  Sehungsbogen  von 
BV2^  angenommen,  und  danach  für  das  Jahr  800  den  FrQhaufgang 
nf  den  27.  Mai  jul.  Kai.,  für  das  Jahr  431  auf  den  29.  gesetzt, 
er  grössere  Bogen  ist  entschieden  der  richtigere.  A,  Mommsen  a.  a.  0. 
at  bereits  zu  dem  durch  die  Berechnung  Schurs  bestätigten  Ergeb- 
isse  von  Bruhns  bemerkt,  dass  der  16.  Mai  (Ernteanfang  in  Athen 
ach  heutigen  Notirungen)  ungefähr  dem  26.  Mai  hesiodischer  Zeit 
dtspricht.  Im  Jahre  800  fiel  nämlich  die  Sonnenwende  erst  auf 
en  1.  Juli.  Die  Notirungen  nach  gregorianischen  Daten  sind  also 
m  rund  zehn  Tage  zu  erhöben.  Dazu  kommen  noch  zwei  Tage 
egen  der  Verschiebung  der  Sonnennähe,  also  zusammen  bereits 
2  Tage  normaler  Verspätung  der  Ernte  in  hesiodischer  Zeit  im 
ergleich  mit  der  Gegenwart.  Wenn  man  aber  die  Angaben  Schmidts 
ber  die  von  ihm  beobachteten  Frühaufgänge  (16.  Juni,  17.  Juni, 


576  G.  BÜSOLT 

21.  Juni,  22.  Juni)  betrachtet^  80  ergiebt  sich,  dass  der  tod  Hesiodo» 
ios  Auge  gefasste  PrQhaufgaog  leicht  noch  einige  Tage  ipller 
fallen  kann. 

A.  Moromsen  Zur  Kunde  des  gr.  Klimas  S.  6  bemerkt  ferner 
zur  Anweisung  Hesiods  mit  Recht,  dass  der  Bauer  gern  gtlnstige 
Umstände  als  Norm  betrachte.  Ausserdem  ist  das  drOckend  hone 
Klima  Boeotiens  im  Sommer  zu  berücksichtigen,  ferner  der  Umstand, 
dass  mau  möglichst  früh  mit  der  Ernte  begann,  weil  sich  dieselbe 
lange  hinzog,  da  man  das  Getreide  mit  der  Sichel  schnitt  (Neo- 
mann  und  Partsch  Physikal.  Geographie  Griechenlands  439).  Der 
günstige  Beginn  derErnte  fiel  also  schon  nach  diesen 
Daten  im  Alterthume  frühestens  erst  in  dieselbeZeit, 
in  der  sie  gegenwärtig  in  ungünstigen  Jahren  beginnt. 
Wenn  aber  unter  günstigen  Umständen  die  Ernte  erst  Ende  Mai 
begann,  so  wird  man  den  Juni  als  normale  Erntezeit  betrachteo 
müssen. 

Wie  will  man  mit  folgenden  Angaben  des  Thukydides  die  Be- 
hauptung vereinigen,  dass  zu  dessen  Zeit  der  Frühlingsanfang  in 
die  letzten  Tage  der  Februar  und  in  die  ersten  der  März  fiel? 

Thuk.  IV  117,  1  sagt  in  Bezug  auf  den  Waffenstillstand  fom 
Frühjahre  423:  ^ayieâai/Aovioi  ôk  nalui&rjvaîoiafjia^Qim 
iniyiyvofievov  ^égovç  ev&vç  ixex^içiav  inoii^aavto  xtl.  Das 
geschah  in  zwei  Acten.  Zuerst  stellten  die  Lakedaimonier  und  ihre 
Bundesgenossen  die  den  Athenern  vorzulegenden  Bedingungen  in 
Sparta  fest,  dann  erfolgte  deren  Genehmigung  durch  die  athe 
nische  Volksversammlung.  'Exexeiçiav  inoirjaavxo  geht  auf  beide 
Acte.  Vgl.  IV  117,  3:  yiyverai  ovv  ixexeigia  avtolg  re  xal  toiç 
SvfdfÀQXoiç  ijâe.  Dann  folgt  die  Vertragsurkunde,  die  aus  den 
Propositionen  der  Lakedaimonier  und  dem  athenischen  Volksbe 
Schlüsse  besteht.  Der  Vertrag  trat  am  14.  Elaphebolion,  am  ersten 
Tage  nach  den  Dionysien,  in  Kraft,  an  demselben  Tage,  an  dem 
ihn  die  Volksversammlung  genehmigte.  Die  Beschlussfassung  in 
Sparta  erfolgte  10— 14  Tage  früher.  Nach  Böckh  Mondcyklen  79, 
90  und  Ungar  Philol.  43  (1884)  606  entoprach  der  14.  Elaphebolion 
dem  20.  April.  Das  geschah  S/Aa  riQi  tov  éniyiyvofiévov  âéçovç 
eix^vg.  Und  dabei  soll  das  Thukydideische  Frühjahr  Ende  Febroar 
oder  in  den  ersten  Tagen  des  März  begonnen  haben! 

Ein  anderer  Falll  Der  fünfzigjährige  Friede  wurde  in  SparU 
abgeschlossen  und  beschworen.     Er  begann  mit  dem   25.  Elaphe- 


ZUR  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES    577 

bolioD,  nach  Bockh  und  Unger  mit  dem  11.  April  421.  Thuk.  V  20 
sagt:  ^vtai  al  onovdai  lyévovxo  tbXbvtwvtoç  %ov  x^^f^^^^S 
Sfia  rjQi  ix  Jiovvaiiav  ev&vg  tüv  àavixœv.  In  diesem  Falle 
liegt  der  Schwerpunkt  der  Datirung,  wie  M .  Strack  Dé  rerutn  prima 
hdli  Pelop.  parte  gest.  temporihu  (Bonn  .1892  Diss.)  p.  18  dargelegt 
tiat,  in  den  Worten  ^x  Jiovvalœv  ev&vç  vwv  aanxwv.  Bei  der 
Peier  der  Dionysien  war  der  Friede  thatsächlich  perfect,  die  Volks- 
rereammlung  wird  ihn  am  Tage  nach  den  Dionysien  d.  h.  am 
H.  Mftrz  genehmigt  haben.  Ein  zweites  Datum  S  fia  ^çi  Ende 
März,  noch  dazu  mit  dem  Zusätze  velevzœvvoç  vov  xeiixtivoç. 
iu8  der  Reihe  ähnlicher  Fälle  heben  wir  noch  zwei  henror,  die 
roo  der  Kalenderredaction  unabhängig  sind,  die  man  —  obschon 
»  noch  nicht  geschehen  ist  —  vielleicht  anzweifeln  könnte.  Im 
labre  412  fuhr  die  lakonische  Flotte  nach  Ionien  neçï  fiXiov  tçonàç 
1.  h.  um  den  26.  December  (Unger  Philol.  43,  580;  657).  Von 
1er  Abfahrt  der  Flotte  bis  zum  Beginne  des  Sommersemesters  ver- 
lossen  nach  Thuk.  VIU  39—42;  44,  4;  60. 61  mindestens  100  Tage. 
Unger  a.  a.  0.  rechnet  zu  knapp  mindesten  90  Tage,  Mûller-StrObing 
labrb.  f.  kl.  Philol.  127  (1883)  701  etwas  zu  hoch  mindestens 
110  Tage.  Das  mit  dem  Frühjahre  beginnende  Kriegsjahr  begann 
iko  etwa  Anfang  April.  Wilamowitz  Curae  Thueydideae  (Ind. 
tchol.  Gotting.  1885)  p.  19  beseitigt  die  unbequemen  Angaben  des 
rbuk.  dadurch,  dass  er  VIII  44,  4  das  überlieferte  SydoiJKOvta 
sinfach  in  nevtrjuovra  ändert  und  dadurch  einen  Monat  für  den 
rflhern  Beginn  des  Frühlings  gewinnt.  Dann  heisst  es  bei  Thuk. 
iV  52:  Tov  d'  imyi/vofiévov  ô'iQOvç  ev-^vç  xov  Te  rjUov  ixXi- 
xéç  re  iyévevo  neçl  vovfÀrjvlav  xal  tov  avzov  iâtjvoç  lava/dévov 
îaeiae.  Die  SonnenOnsterniss  fand  am  21.  März  statt,  am  3.  Ela-- 
)hebolion  nach  Unger  a.  a.  0.  604.  Das  Erdbeben  ereignete  sich 
dso  spätestens  am  28.  März.  Die  Datirung  des  Thukydides  geht 
mf  beide  durch  eine  Zwischenzeit  von  wenigen  Tagen  von  einander 
jelrennle  Vorgänge.  L.  Herbst  Philol.  42  (1884)  652.  Suhl  in 
^oppos  Thuk.  Ausg.*  Vol.  I  Sect.  II  Append.  244. 

Nach  diesen  Daten,  die  sich  leicht  vermehren  lassen,  begann 
las  Thukydideische  Frühjahr  zwischen  Mitte  März  und  Anfang  April. 
)a  Plataia  Sfia  rjçi  dgxo/aivtp  Überrallen  wurde,  so  ist  damit  schon 
intschieden,  dass  der  Ueberfall  in  der  Nacht  vom  3.  auf  den  4.  April 
►der  vom  4.  auf  den  5.  April  erfolgte,  nicht  in  der  vom  5./6.  oder 
;./7.  März. 


578  G.  BUSOLT 

Die  weitere  Datirung  bei  Thukydides  Ilv&oôtûçov  lu  èio 
fÀ^vaç  agxovtoç  ùi&rivaloigy  die  gegen  die  voo  Wibmowitz 
Curae  p.  13  erhobeneQ  sprachlichen  Bedenken  von  anderer  Seite 
(L.  Herbst  Philol.  46*432;  Stahl  Poppos  Thuk.  Ausg.V  tu  U 
2,1)  in  Schutz  genommen  wird,  besUtigt  unseren  Ansatz,  sofern 
man  die  einleuchteode ,  einfache  Konjektur  K.  W.  Krügers  Hist. 
Philol.  Stud.  I  221  annimmt,  dass  &  irrthOmlich  als  üo  geleieo 
wurde.  Häufig  ist  im  Texte  des  Th.  d'  TerschriebeD  oder  falsch 
aufgefasst  wordeo.  Die  immerhin  ungewöhnliche  Datirung  ist  mit 
Ad.  Schmidt  Jahrb.  f.  kl.  Philol.  113  (1885)  638  dadurch  zu  e^ 
klären,  dass  das  Jahr  432/1  ein  Schalljahr  von  13  Monateo  wir. 
Wenn  Th.  etwa  %va%ov  f^fjva  gesagt  hätte,  so  würde  ein  Leser 
leicht  arglos  ao  deo  Elaphebolion  statt  an  den  Aothesterion  g^ 
dacht  haben.  Setzt  man  den  Ueberfall  Plataias  nicht  Ende  Aotbe 
sterion,  sondern  Ende  Gamelioo,  so  steht  man  dieser  DatiroDg 
ganz  rathlos  gegenüber  und  muss  sie  irgendwie  beseitigen. 

Nun  zu  dem  Ausdrucke  tov  ^igovc  mal  xov  airov  axfiaKoffoc- 
Weon  man  denselben  nicht  mit  MoUer-StrObing  geradezu  für  ,albero* 
erkläreo  oder  ihn  irgendwie  zurecht  schneideo  will,  sondern  ihn 
so  nimmt,  wie  er  einmal  überliefert  ist,  so  muss  es  einen  Zeit- 
punkt  gegeben  haben,  wo  sich  sowohl  das  •S'égoç  als  der  oîtoç 
in  der  ax^ij  befand. 

L.  Herbst  Philol.  46  (1S88)  496;   527  hat   richtig  bemerkt, 
dass  Thukydides  mit  Rücksicht  auf  tov  aizov  den  Begriff  der  axfi)} 
anwendet,  und  dass  der  Sommer  des  natürlichen  Sonnenjahres  sieb 
beim  höchsten  Stande  der  Sonne  in  der  ax/ui/  befindet  (vgl.  PluL 
Pelof,  24:   x«£]Ma)yo$  fihv  r]oav  al  negl  tqotcqç  ax/i^ai).    Aber 
die  Formel  ist  doch  nicht,  wie  Herbst  annimmt,  gleichbedeutend 
mit  TOV  &éçovç  iasgovvtoç^  sondern  sie  hat  eine  prägnantere  Be- 
deutung.   Mittsommer   beginnt  bei  Thuk.  im  Juni.     Die  Ausfahrt 
der  Flotte  nach  Sicilien  erfolgte  -d'éçovç  fjLBOOvvToç  rdrj  (VI  30), 
nach  Isaios  VI  30  im  Archontenjahre  des  Arimnestos,  d.  h.  vor  dem 
9.  Juli.    Da  das  ihukydideische  -d-éçoç  nach  den  angeführten  Fällen 
mit  Ende  März  beginnt  und,   wie  hinlänglich  feststeht,  bis  Ende 
October  oder  Anfang  November  reicht,  so  umfasst  der  Mittsommer 
die  Zeit  von  Mitte  Juni  bis  Mitte  August  oder  die  beiden  Monate, 
die   Xen.  Cyr.  Vlll  6,  22   als  ax^uiy   des  Oéçoç   bezeichnet.    Der 
Ausdruck   dy^jurj   unterscheidet  sich  in  der  von  Thuk.  gebrauchten 
Formel  von  der  Mitte  dadurch,  dass  er  eine  organische  Entwickelnog 


ZUR  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES     579 

andeutet,  deren  Höbepunkt  nicht  immer  gerade  mit  der  Mitte  zu- 
sammenzufallen braucht  Der  Zusatz  Kai  tov  altov  bezeichnet  einen 
bestimmten  Zeitpunkt  der  anfirj  des  &içoç,  nämlich  denjenigen, 
in  dem  sich  sowohl  der  aîtoç,  als  das  d-égoç  in  der  ax/irj  be- 
ÛDden,  die  Zeit,  in  der  sich  beide  Begriffe  decken.  Wurde  Plataiai 
etwa  am  4.  April  überfallen,  so  fand  der  Einfall  der  Peloponnesier 
etwa  am  20.  Juni  statu  Der  Sommer  war  damals  in  die  ax/ui^' 
eingetreten,  und  der  airog  muss  sich  also  auch  in  derselben  be- 
funden haben,  wenn  man  nicht  dem  Thukydides  einen  ganz  un- 
passenden, den  realen  Verhältnissen  widersprechenden  Ausdruck 
zutrauen  will.  Verlegt  man  den  Einfall  etwa  auf  den  22.  Mai,  so 
mûsste  er  in  einer  Zeil  stattgefunden  haben,  wo  nach  der  gewöhn- 
lichen Anschauung  das  eigentliche  ^éçoç  noch  gar  nicht  begonnen 
hatte,  denn  den  Beginn  desselben  datirte  man  vom  sichtbaren  Früh- 
aufgange  der  Pleiaden,  vom  Ende  Mai.  Vgl.  die  Zusammenstellung 
Ungera  Philol.  43  (1884)  628;  44  (1885)  641  ff.;  Jahrbuch  f.  kl. 
PhUol.  141  (1890)  153  ff. 

In  Bezug  auf  den  Einfall  der  Peloponnesier  ist 
ferner  zu  beachten,  dass  derselbe  2 — 3  Wochen  später 
erfolgte,  als  ursprünglich  beabsichtigt  worden  war. 
Es  fand  eine  irtifÂOv^  auf  dem  Isthmos  statt,  dazu  kam  axoXaiàzriç 
auf  dem  Harsche^  schliesslich  eine  iniaxBaiç  vor  Oinoe.  Das  Heer 
war  deswegen  gegen  Archidamos  aufgebracht.  Die  Peloponnesier 
fielen  dann  noch  ein  %ov  airov  àxfÀaÇovtoç,  aber  damit  ist  nicht 
gesagt,  dass  es  gleich  zu  Beginn  der  ox^uif  oder  genau  afia  rtp 
alrtfi  axfÂdÇovTi  (III  1)  geschah.  Es  war  zwar  Erntezeit,  aber 
die  Ernte  wird  bereits  in  günstigen  Lagen  eingebracht  worden 
sein.  Die  Peloponnesier  werden  doch  sicherlich  im  Sinne  gehabt 
haben,  die  ganze  Ernte  zu  vernichten,  also  zu  Beginn  der  axfirj 
oder  mindestens  of/ua  T(p  aittp  axfia^ovii  einzufallen;  wenn  sich 
ihr  Einfall  erheblich  gegen  ihren  Willen  verzögerte,  so  wird  der 
beste  Zeitpunkt  überschritten  worden  sein.  Der  Beginn  der  axfii^ 
wird  also  etwa  zwei  Wochen  vor  den  Einfall  zu  setzen  sein.  Dann 
entfernt  er  sich  aber  nur  wenig  von  dem  in  ungünstigen  Jahren 
der  Gegenwart.  Auch  die  Möglichkeit  eines  schlechten  Frühjahres 
ist  immerhin  nicht  ausser  Acht  gelassen. 

Endlich  hat  man  sich  auf  die  Schatzmeisterurkunde 
CIA.  IV  p.  170  A  zum  Beweise  dafür  berufen,  dass  die  Pelopon- 
nesier  bereits  im  Mai  eingefallen  wären  (vgl.  namentlich  Wilamo- 


580  G.  BUSOLT 

wiu  Curœ  Thucydideae  p.  10).  Gerade  sie  liefert  den  Beweis, 
daes  das  nicht  geschehen  sein  kann.  Es  handelt  sich  um 
Zahlungen  für  die  negi  ÜBlonovvriaov  ausgesandte  Flotte.  Zu- 
nächst müssen  wir  diese  etwas  auf  ihrer  Fahrt  begleiten. 

Die  Flotte  stach  in  See,  als  die  Peloponnesier  noch  in  AUika 
waren,  ovxiav  avrwp  h  Tjj  y^^  aber  bereits  Acharnai  TerUiMD 
hatten  und  Demen  iwischen  dem  Parnes  und  Brilesios  TerwOsteteD 
(II  23,  1).  Die  Abfahrt  der  Flotte  erfolgte  etwa  acht  Tage  beior 
die  Peloponnesier  wieder  die  Grenze  Attikas  Oberschritten.  Der 
Einfall  dauerte  weniger  als  40  Tage  und  mehr  als  15,  im  Mittel 
also  27 — 28  Tage.  Man  wird  unter  diese  Mittelxeit  noch  ettw 
heruntergehen  müssen,  da  der  mitgebrachte  Proviant  in  Folge  der 
inlax^oig  vor  Oinoe  und  der  sonstigen  Verzögerungen  bei  der 
eigentlichen  iaßokij  offenbar  zum  grossen  Theil  verbraucht  wir 
(Tgl.  dazu  die  Bemerkung  Delbrücks  Die  Strategie  des  PerÜLles 
S.  111  A.  2).  Rechnet  man  auf  den  Einfall  etwa  25  Tage,  so 
Verliese  also  die  Flotte,  wenn  die  iaßoXri  etwa  am  20.  Juni  be- 
gann, etwa  am  7.  Juli  den  Peiraieus.  Die  Athener  traten  die  Fahrt 
um  die  Peloponnesos  an  {nBQié7tXBov\  vereinigten  sich  dabei  mit 
50  korkyraeischen  Schiffen ,  aXhx  ta  inàxovv  neQinkéovt$ç  xai 
ig  Me^^civriv  %f^ç  ^axaivixrjç  anoßdvxeg  %ifi  relxti  fcgooi- 
ßaXov.  Der  Angriff  scheiterte,  die  Athener  fuhren  weiter,  hmdeteo 
an  der  elischen  Küste  bei  Pheia,  verwüsteten  dort  zwei  Tage  lang 
das  Land  und  schlugen  eine  Kerutruppe  der  Eleier.  Es  trat 
nun  stürmisches  Wetter  ein,  die  meisten  Athener  gingen  an  Bord, 
einige  mussten  am  Lande  zurückbleiben.  Die  Flotte  umfuhr  das 
Vorgebirge  Icbthys  und  suchte  im  Haren  von  Pheia  Schulz.  Die 
Zurückgebliebenen  nahmen  Pheia  ein.  Als  sich  der  Sturm  legte, 
kehrte  die  Flotte  zurück,  Pheia  wurde  geräumt  und  die  zurück* 
gebliebene  Abtheilung  an  Bord  genommen,  da  bereits  die  Haupt* 
macht  der  Eleier  im  Anzüge  war.  Gesammtaufenthalt  bei  Pheia 
höchstens  eine  Woche,  nacanlevoavteg  âk  ol  IdÔTji^aioi  ln\ 
äkXa  x^Q^^  èôfjovv.     Sonnenûnsterniss  vom  3«  August  (li  28). 

Die  Umfahrt  um  die  Peloponnesos  mit  gelegentlichen  KOslen* 
Verwüstungen  und  der  Landung  zur  Berennung  des  schwach  be- 
iestigtcD  und  besetzten  Metbone  kann  nicht  länger  als  3 — 4  Wochen 
gedauert  liabeu.  Auf  die  blosse  Fahrt  von  Athen  bis  zur  nOrd- 
liclieü  Küste  von  Elis  sind  bei  der  damaligen  Jahreszeit  unter  D0^ 
malen  VerhUlluissen  uiclit  mehr  als  fünf  Tage  zu  rechnen  (vgl.  die 


ZUR  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES    h%\ 

Zusammeiigtellung  bei  H.  Droysen  Gr.  KriegMitertiiamer  302).   Wie 

kurz  die  Landungeo  der  Athener  waren,  gebt  darans  hervor,  daw 

Thukydidea  besoodera  bemerkt,  dass  die  Athener  iftl  ovo  rifiéçaç 

das  Kostengebiet  von  Elia  verwOstelen.    Delbrück  Die  Strategie  dea 

Periklea  S.  111   liat  richtig  auseinandergeaeut,  daaa  ,die  Athener 

sich  immer  sehr  beeilen  musslen,  wieder  an  Bord  zu  kommenS  da 

ibr  Landengacorps,  1000  Epibaten«  400  BogenschQtxen  und  einige 

buDdeageaOseiache  Mannachaften ,  zn  achwach  war,  um  stärkeren 

feindlichen  Anaammlungen  die  Spitze  eu  bieten  und  sich  zugleich 

die  Rückkehr   nach    dem  Strande  zu  sichern.    Wenn  ferner  ein 

KOstensiridi  oberflUchlich  verwOstet  war,  so  roussie  die  Flotte  wegen 

der  Alarmirung  der  Bevölkerung  eine  gute  Strecke  weiter  fahren, 

bevor  sie  wieder  eine  Landung  unternehmen  konnte.    Damit  würde 

eine  Ausfahrt  der  Flotte  etwa  am  7.  Juli  darchaus  im  Einklänge 

stellen. 

Nun  ist  in  der  Urkunde  zunächst  eine  SKahlung  der  Schatz- 
meister 9^1  vav<pQ{<ixT)(p  atgoTifi  wrji  {rregl  II$3icnovvtiaov) 
an  die  Strategen  Sokrates,  Proteas  und  Karkinos  acht  Tage  vor  dem 
Schlüsse  einer  Prytanie  verzeichnet  Dann  folgt  die  erste  Zahlung 
einer  Summe  in  der  Prytanie  der  Hippothontis  an  die  Hel^ 
lenotamieen,  die  das  Geld  den  Strategen  flbermiUelten  (vovra  ido&rj 
Kagxhifi  ktX.),  eine  zweite  Zahlung  .  •  •  vridoç  ngvtaveiaç  auf 
demselben  Wege  an  Karkinos,  eine  dritte  desgleidien  an  Sokrates. 
Von  einer  vierten  Zalilung  haben  sich  noch  Spuren  erhalten,  dann 
bricht  die  Inschrift  ab. 

Die  Zahlung  acht  Tage  vor  dem  Ende  der  Prytanie  wurde 
direct  an  die  Strategen  geleistet,  die  (Ihrigen  Zahlungen  gingen 
durch  die  Hände  der  Hellenotamieen.  Letzteres  geschah,  sobald 
die  Strategen  in  See  gestochen  waren.  Natürlich  konnte  man  die 
Strategen  nicht  mit  leeren  Händen  abfahren  lassen.  Es  wurde  also 
an  sie  kurz  vor  der  Abfahrt,  wenn  die  Einschififang  begann,  eine 
Summe  gezahlt  und  zwar  unmittelbar  durch  die  Scharzmeister. 
€IA.  I  179  A.  B. 

Nun  steht  es  jetzt  fest,  dass  die  Hippothontis  nur  die  9.  oder 
10.  Prytanie  gehabt  haben  kann.  Wenn  sich  Wilamowiu  a.  a.  0., 
Kubicki  Die  attische  Zeitrechnung  vor  Archen  Kailias  (Wohlau  1897 
Progr.)  12  und  W.  Kolbe  in  dies.  Ztschr.  XXXIV  (1899)  393  für 
die  neunte  entscheiden,  so  fehlt  es  dafür  an  jedem  zwingenden 
iïrunde.    Die  Ergänzungsversuche  Kolbes  schweben  bei  der  Fülle 

Hennet  XXXV.  38 


582  G.  BUSOLT 

vou  MOglichkeiteD  gaoz  in  der  Luft,  und  in  dieftem  Falle  bldbeo 
bei  der  EiosetzuDg  ?od  ivérriç  noch  twei  Stelleo  aDausgefQllU 

Der  erste  Abschnitt  der  Inschrift  entbSit  Zahlungen,  die  io 
demselben  Jahre  gleichzeitig  für  den  Krieg  mit  Makedonien  ond 
namentlich  fOr  die  Streitkrflfte  bei  Poteidaia  geleistet  wurden.  Am 
sechsten  Tage  der  Prytanie  der  Hippothontis  zahlten  die  Schau- 
meister  fOr  das  Heer  bei  Poteidaia  40  Talente,  in  derselben  Pry- 
Unie  ebenfalls  für  dieses  Heer  20  Talente  5535  Dr.  Diese  61  TalenU 
deckten  ungefähr  die  Unterhaltungskosten  von  Belagemngsheer  uod 
Flotte  far  eine  Prytanie  (vgl.  Holzapfel  Berlin.  Stud.  VII  81;  Wocbeih 
Schrift  f.  kl.  Philo!.  1888  V  Sp.  1270  ff.;  Stahl  Poppos  Thuk.  Ausg.' 
Vol.  I  Sect.  II  Append.  258)*  Würde  die  Hippothontis  die  9.  Pry- 
tanie gehabt  haben,  so  wäre  noch  eine  Zahlung  in  der  zehnten  iv 
erwarten.  Allein  es  kommt  nur  noch  eine  Zahlung  von  16  Talenteo 
am  17.  Tage  einer  Prytanie,  die,  wie  Kolbe  richtig  erkannt  bat, 
far  den  altog  der  Ritter  bestimmt  war.  Diese  Zahlung  kann 
selbstverständlich  in  derselben  Prytanie  erfolgt  sein,  wie  die  beidn 
vorhergehenden  an  das  Heer  bei  Poteidaia.  Die  Hippothontis  hatte 
also  schon  aus  diesem  Grunde  wahrscheinlich  die  10.  Prytanie. 
Das  bestätigt  folgende  Erwägung. 

Der  erste  Hekatombaion  des  Jahres  431  fiel  etwa  auf  deo 
2.  August.  Die  10.  Prytanie  würde  demnach  die  Zeit  vom  24./25. 
Juni  bis  zum  1.  August,  die  neunte  vom  16./18.  Mai  bis  23./24.  iuni, 
die  achte  vom  7./10.  April  bis  15./17.  Mai  umfasst  haben.  Aber 
B.  Keil  in  dies.  Ztschr.  XXIX  (1894)  358  hat  nachgewiesen  oder 
mindestens  höchst  wahrscheinlich  gemacht,  dass  das  Rathsjabr  432/1 
erst  am  12.  Hekatombaion,  am  13.  August,  schloss.  Dann  reichte 
die  10.  Prytanie  etwa  vom  6.  Juli  bis  zum  13.  August,  die  neaote 
etwa  vom  28.  Mai  bis  5.  Juli,  die  achte  etwa  vom  19.  April  bis 
27.  Mai. 

Wenn  die  erste,  directe  Zahlung  an  die  Strategen  in  der  9.  Pry- 
tanie erfolgte,  so  wurde  das  Geld  etwa  am  27.  Juni  geiahlt,  etwa  oeuH 
Tage  vor  der  Abfahrt  der  Flotte.     Es  stimmt  also  alles  vortrefflich. 
Nimmt   man   an,   dass  die  Hippothontis  die  9.  Prytanie  hatte,  so 
inüsste  die  Zahlung  bereits  um  den  20.  Mai  geleistet  worden  seia^ 
während   doch  die  Flotte,  selbst  wenn  man  den  Einfall  in  Attika 
bereits  um  den  22.  Mai  ansetzt,  erst  um  den  7.  Juni,  im  anderen 
Falle   erst   um  den  7.  Juli   in   See   ging.     Man   sucht   Ober  diese 
Scliwierigkeit   durch  die  Annahme  hinwegzukommen,   da^  die  di- 


ZUR  CHRONOLOGIE  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES    583 

recte  Zahlung  ao  die  Strategen  zur  Ausrüstung,  nicht  zur  Abfahrt 
uod  Einschiffung  gezahlt  wurde;  so  Wilamowiiz,  Kubicki,  H.  Lipsius. 
Dabei  übersieht  manjedoch,  dass  dann  die  unentbehr- 
liche directe  Zahlung  zur  AbTahrt  fehlen  würde.  Die 
Hippothontis  muss  »also  auch  aus  diesem  Grunde  die  10.  Prytanie 
gehabt  haben. 

Auch  die  Annahme,  dass  die  auf  die  directe  Auszahlung  an 
die  Strategen  folgenden  ?ier  Zahlungen  auf  mehrere  Pryranieen  zu 
▼ertheilen  waren,  entbehrt,  wie  schon  Unger  Philol.  44,  625.  H. 
Lipsius  Leipziger  Stud.  Vlll  166.  Stahl  Poppos  Thuk.  Ausg.*  Vol.  I 
Sect.  II  Append.  240,  2  bemerkt  haben,  jeder  Begründung.  Eine 
Flotte  von  100  Trieren  mit  einem  Landungscorps  an  Bord  erfor- 
derte  so  grosse  Summen,  mindestens  sechs  Talente  täglich,  dass 
die  Wahrscheinlichkeit  für  Theilzahlungen  in  kürzeren  Fristen  spricht 
Man  sieht  ja  in  der  Urkunde,  wie  während  der  Prytanie  der  Hippo« 
thoDtis  an  das  Heer  vor  Poteidaia  nur  Zahlungen  von  40  und  20  Ta- 
lenten geleistet  wurden.  Der  Staat  sparte  durch  die  kleineren 
ZahloDgen  auch  an  Zinsen  für  die  Göttin.  Die  Urkunde  liefert 
also  einen  Beweis,  dass  der  Einfall  der  Peloponnesier  nicht  vor 
Mitte  Juni  erfolgte. 

Schliesslich  machen  wir  noch  eine  Probe  auf  die  Rechnung. 
Im  Jahre  428  ûelen  nach  Thuk.  111  1  die  Peloponnesier  SfAU  rtp 
clttff  axfia^ofti  in  Attika  ein  und  blieben  dort,  so  lange  die 
Lebensmittel  reichten.  Der  Einfall  dauerte  nicht  länger  als  etwa 
30  Tage  (vgl.  oben  S.  579).  Mezà  de  rffv  iaßoXrjv  TtSv  Ileko- 
Teovvrjaiatv  Bv&vcuiiaßog  7rÀr)v  MrjOvfAvrjg  arcearrj  an*  i^x^rj- 
vai(üy.  Die  arcôoTaoïç  erfolgte,  als  eine  von  den  Athenern  zur 
Fahrt  negl  Ilelonevvrjaov  ausgerüstete  und  rasch  nach  Lesbos 
gesandte  Flotte  vor  Mylilene  erschien,  und  die  Mytilenaier  die  von 
den  Strategen  an  sie  gestellten  Forderungen  ablehnten  (IH  4,  1 
und  5,  4  mit  der  Bemerkung  Steups).  Da  nun  die  Athener  noch 
während  des  Aufenthaltes  der  Peloponnesier  in  Attika  —  auch  mit 
Rücksicht  auf  die  geringere  Anzahl  der  in  der  Peloponnesos  anwesen- 
den Sireitkräfte  —  die  Flotte  abzusenden  pflegten,  so  ging  dieselbe 
spätestens  etwa  gleichzeitig  mit  dem  Abzüge  der  Peloponnesier  nach 
Lesbos  in  See«  Das  ev&vg  ist  also  ganz  scharf  als  ,unmittelbar 
nach'  aufzurassen.  Gleich  nach  der  anoaraoic  wurde  ein  VVafTen- 
stilktand  zwischen  den  Mytilenaiern  und  den  Strategen  abgeschlossen, 
xal  àyoxwxt]v  noirjadiAevoi  schickten  jene  Gesandte  nach  AI  hen, 

38* 


584     G.  BUSOLT,  CHRONOL.  DES  PELOPON.  KRIEGES 

h  tovtffi  (io  der  Zwischenzeit,  währeod  sie  auf  Aotwort  von  Athen 
warteten)  dnoatikkovai  xai  ig  %rjv  AaxBdaifiova  ncicßtt; 
xQtT^QBL  hx&ovteg  %o  wdiv  ui&fivaiwv  vav%i%6v  %%h  Nach  «ner 
beschwerlichen  Fahrt  mitten  durch  das  Meer  (ohne  irgendwo  ao 
einer  Insel  anzulegen)  trafen  die  Gesandten  in  Sparta  ein,  fe^ 
handelten  dort  Aber  eine  Hülfssendung  (III  4,  6)  und  erhieltea  ton 
den  Lakedamoniern  den  Bescheid,  sie  möchten  sich  nach  Olympia 
begeben,  damit  auch  die  übrigen  Bundesgenossen  sie  anhOren  und 
ihre  Beschlüsse  fassen  könnten.  Die  Gesandten  begaben  sich  nacb 
Olympia  und  trugen  nach  dem  Feste  ihre  Sache  ?or  (III  8). 

Die  Olympien  wurden,  wie  jetzt  feststeht  (A.  Mommsen  Die 
Festzeit  der  Olympien  54  ff.;  vgl.  Unger  Philol.  33,  427 ff.;  Nisaeo 
Rhein.  Mus.  40,34911.)  in  diesem  Jahre  zwischen  dem  11.  uod 
15.  August  gefeiert.  Die  Seereise  auf  einer  Triere  ?on  Hytiteiie 
nach  Lakonien  mitten  durch  das  Meer  (gegen  70  geogr.  Heilei) 
dauerte  in  dieser  Jahreszeit  unter  normalen  Verhaltnissen  lickl 
mehr  als  3 — 5  Tage.  Rechnen  wir  jedoch  die  doppelte  Zeit.  Diiit 
reichlich  bemessen,  10  Tage  Verbandlungen  in  Sparta,  endlidi 
5  Tage  Reise  nach  Olympia.  Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Ge 
sandten  frühestens  um  den  15.  Juli  von  Mytilene  abfuhren.  Der 
Abfall  erfolgte  etwa  eine  Woche  vor  der  Abfahrt,  ganz  unmittdbar 
vor  dem  Abfall  der  Abzug  der  Peloponnesier  aus  Attika.  Die  Felo- 
ponnesier  fielen  also  frühestens  Anfang  Juni  ä/uor  %Ç  oittp  axni» 
ÇovTi  in  Attika  ein,  sie  können  aber  auch  erst  um  den  10.  Juni 
eingefallen  sein.  Dazu  stimmt,  dass  sie  im  Jahre  431  in  Folge 
der  Verzögerung  des  Einfalles  erst  um  den  20.  Juni  einfielen,  nicht 
mehr  ganz  Sjua  T(p  airtp  OKfAol^ovti. 

Götlingen.  G.  BUSOLT. 


DIE   WERTHANGABEN    IN   DER   NATURALIS 
HISTORIA  DES  PLINlüS. 

Id  meineo  kOnlich  erschieoen  «UntereuchuDgeD  über  die  Zu* 
sammeDseliung  der  Naturgeschichte  des  Plioius,  Berlin  Weid* 
mann  1899^  uotenog  ich  die  indices  im  1.  B.  der  N.  H.  einer 
eingehenden  Betrachtung,  um  aus  deren  Vergleich  mit  dem  Texte 
der  folgenden  Bücher  über  die  Arbeitsweise  des  Schriflstellers  Auf- 
kUürung  zu  gewinnen.  In  Anlehnung  an  die  gewonnenen  Resultate 
▼ersuche  ich  jetzt,  über  eine  Reihe  Ton  Stellen  der  N.  H.,  die  nach 
Inhalt  und  Fassung  unter  einander  nahe  verwandt  sind,  einiges 
Licht  zu  verbreiten.  Auch  hier  richtet  sich  das  Hauptaugenmerk 
darauf  zu  erkennen,  welche  Gesichtspunkte  PI.  bei  seiner  Arbeit 
verfolgte,  welche  Quellen  er  benutzte,  und  insbesondere  was  von 
jenen  Stellen  als  seine  eigene  Leistung  anzusehen  ist. 

Eine  Hauptaufgabe,  welche  sich  PI.  bei  der  Abfassung  der 
N.  H.  stellte,  war  die,  Bedeutung  und  Nutzen  der  einzelnen  Natur- 
producte  für  das  Leben  nachzuweisen  (praef.  16).  Einen  Haassstab 
dafür  musste  auch  der  Preis  abgeben,  den  wichtigere  Gegenstände 
im  Verkehr  hatten.  Für  eine  Anzahl  solcher  bat  er  mit  einer  ge- 
wissen Sorgralt  Preisangaben  gemacht,  und  es  hat  sowohl  ein  sach- 
liches Interesse,  diese  zusammenzustellen  und  einer  Betrachtung  zu 
unterwerfen,  als  auch  ist  es  nicht  unwichtig  zu  erkennen,  auf 
welche  Dinge  PI.  dabei  sein  Hauptaugenmerk  richtete. 

Den  letzten  Abschnitt  seines  Werkes,  den  von  Jan  zuerst  aus 
der  Bamberger  Handschrift,  der  einzigen,  die  ihn  erhalten  hat, 
herausgab,')  bezeichnet  PI.  am  Schluss  des  ind.  von  B.  37  als  Com- 
f oratio  naiuraê  per  terras,  comparatio  rerum  per  pretia.  Dem 
entsprechend  beginnt  er  diesen  Abschnitt  37,  201  mit  den  Worten  : 
Peractis  omnibus  naturae  operibus  discrimen  quoddam  rerum  ipsarum 

1)  Leetione*  Ptinianae  pari.  I  1834,  in  denen  der  Text  eingehend  be- 
bandelt wird,  doch  ohne  die  Gesichtspunkte  weiter  zu  verfolgen,  die  ich  zo- 
meist  ins  Ange  fasse. 


586  D.  DETLEFSEN 

atgve  terrarum  facere  convenU,  und  stellt  daon  an  die  Spitze  der 
Länder  Italien,  dessen  Vorzüge  er  einzeln  Yorrûhrt.  Ihm  fOgt 
er  Spanien  und  Gallien  mit  kürzerer  Schilderung  an,  nennt  aber, 
abgesehen  vom  nebenher  erwähnten  Indien,  hier  keine  anderen  Lander 
mehr.  Dann  fährt  er  §  204  fort:  verum  autem  ipsarum  maximwÊi 
est  prêt  tum  in  mari  nascentium  margaritis,  extra  tellurem^)  ery- 
stallis,  intra  adamanti,  smaragdis^  [gemmis],*)  myrrkinii,  e  tem 
vero  exeuntibus  in  cocco,  lasere,  in  fronde  nardo,  Serids  veaSnUf 
in  arbore  dtro,  in  frutice  cinnamo,  casia,  amomo,  arbori$  autfru- 
tids  suco  in  mcino,  opobalsamo,  murra,  ture,  in  radicibui  coito, 
ex  is,  quae  spirare  convenu,  animalibus  in  terra  maximum  dentilm 
elephantorum ,  in  mari  testudinum  cortici,  in  tergore  pellibus  qm 
Seres  infidunt  et  Arabiae  caprarum  viUo  quad  hdanum  vocammtu, 
ex  is,  quae  terrena  et  maris,  conchylis,^)  purpurae.  voluarwn  na- 
turae praeter  conos  beUicos  et  Commagenum  anserum  adipem  mcttm 
adnotatur  indgne.  non  praetereundum  est,  auro,  drca  q[uod  omna 
mortales  insaniunt,  dedmum*)  vix  esse  in  pretio  locum,  argnâ^ 
vero,  quo  aurum  emitur,  paene  vieennmum. 

PI.  stellt  also  aus  sämmtlichen  Naturreichen  eine  Liste  der 
kostbarsten  Dinge  zusammen,  die  alle  in  den  Handel  kommen, 
meist  Luxusgegenstände,  aber  nicht  eigentliche  Kunstwerke.  Die 
Liste  umfasst  28  Stoffe,  und  wenn  PL  am  Schlüsse  sagt,  Gold 
nehme  unter  ihnen  kaum  den  zehnten,  Silber  kaum  den  20.  Plati 
ein,  so  muss  ihm  eine  förmliche  Liste  vorgelegen  haben,  die  jene 
Stoffe  und  wohl  noch  andere  mit  den  Preisangaben  enthielt    Darauf 


1)  PI.  will  sagen,  dass  der  Bergkristall  sich  nicht  i  o  der  Erde,  aoodero 
aussen  an  den  Felsen  hervorstehend  findet,  wie  er  es  37,  27  näher  beschreibt. 
Doch  stimmen  dazu  nicht  33,  5  und  27,  24 

2)  Ich  halte  gemmit  für  ein  Glossem  ;  es  ist  ein  Gattungsbegriff,  der  alte 
Edelsteine,  von  denen  B.  37  handelt,  umfasst  (37,  t  :  ut  nihil  instituto  operi 
desil,  gemmae  supertunt).  Auch  die  myrrhina  werden  37,  18  ff.  daiu  gezâhlL 
Schon  von  Jan  nahm  a.  a.  0.  S.  9  an  dem  Worte  Anstoss. 

3)  Strack  übersetzt:  ,von  allen  Land-  und  Seemuscheln  der  Purpur*,  aber 
ich  verstehe  nicht,  wie  er  da  conchy  lis  construirt.  Ich  übersetze:  ,vod  den 
Dingen,  die  aus  Erde  und  Meer  gemischt  sind,  den  Muschelfarbeo  und  deiD 
Purpur'.  Nicht  die  Schalthierc  selbst  sind  gemeint,  sondern  die  aus  ihoea 
gewoiinenen  Farben,  zu  deren  Bereitung  auch  erdige  Bestaodttheile  nölhig 
waren,  nach  9,  133  Salz,  (nach  §  133  Urin),  nach  §  140  auch  coceum  (^in 
et  te?'rena  vüscere  coccuque  thictum  Tyrio  tinguere,  ut  fierel  hysginum). 

4)  So  von  Jan;  der  Bamb.  bietet  demum. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS    587 

Mreisen  auch  die  Worte  voluerum  twturae  praeter  conos  beUieos  .  .  • 
luUutn  adnotatur  insigne. 

Mag  DUO  PI.  selbst  diese  Liste  xusammeogestellt,  oder  sie 
inderswoher  entlehnt  haben ,  der  Urheber  musste  sich,  soweit  es 
nOglich  war,  eines  festen  Maasses  bedienen,  nach  dem  er  die  Preise 
)erechnete,  um  sie  mit  einander  vergleichen  zu  können,  und  das 
klaass  konnte  für  einen  grossen  Theil  der  Gegenstände  kein  anderes 
lein,  als  das  Gewicht  der  libra,  nach  dem  sich  auch  der  Werth 
les  Goldes  bestimmte.  Wenn  PI.  dem  Golde  kaum  den  zehnten, 
lein  Silber  kaum  den  20.  Platz  in  der  Reihe  der  Preise  einräumt, 
^)  heisst  das  nach  seinen  Angaben  über  das  Gold  33,  47  (plaeuit  3i 
XXXX  signari  ex  auri  libris,  paulatimçue  principes  imminuere  pon- 
lus  et  nooissime  Nero  ad  XXXXY)  und  über  das  Silber  §  132 
[cum  Sit  iustum  LXXXIV  denarios  e  libris  signari),*)  dass  es  zehn 
Stoffe  gab,  von  denen  das  Pfund  mehr  als  40 — 45  Golddenare  s. 
1000  —  1125  Silberdenaren*)  kostete  und  zehn  andere  zwischen 
Jiesem  Preise  und  dem  ?on  84  Silberdenaren  für  das  Pfund.  Ueber 
liese  Verhältnisse  werden  wir  in  der  N.  H.  genauere  Angaben  er- 
irarten  dürfen. 

In  der  That  hat  PI.  es  auch  nicht  unterlassen,  von  den  meisten 
jener  Gegenstände  an  den  Stellen,  wo  er  im  Text  der  N.  H.  von 
ihnen  handelt,  ihren  Werth  anzugeben.  Nicht  bei  allen  jedoch,  und 
gerade  bei  den  werthvollsten  nicht,  hat  er  den  Preis  in  bestimmten 
Kahlen  angeben  können,  da  manche  nicht  nach  dem  Gewichte, 
sondern  nach  anderen  Eigenschaften  bewerthet  wurden,  doch  hat 
sr  von  den  allerwerihvollsten  den  Platz  in  der  Preisliste  genau 
3estimmt. 

Nach  PI.  eigenen  Worten  ergiebt  sich  mit  ziemlicher  Sicher- 
leit  folgende  Rangabstufun^: 

1.  Der  Diamant;  37,  55:  maximum  in  rébus  humanis, 
%cn  solum  inter  gemmas  pretium  habet  a  damas: 

2.  Ihm  folgt  die  Perle;  37,  62:  proximum  apud  nos  In- 
Ueis  Arabicisque  margaritis pretium  est.  Schon  9,  106  schreibt 


1)  Doch  wurde  während  der  Regierung  Neros  die  Zahl  der  auf  ein  Pfund 
gehenden  Denare  auf  96  bestimmt  (s.  Mommsen  R6m.  MQnzw.  S.  757),  was 
lern  PI.  entgangen  zu  sein  scheint. 

2)  ,Gemäss  dem  ursprünglichen  Normalverhältniss  der  drei  Metalle  in  tker- 
^eichsmûnze  der  Kaiserzeit  entsprach  1  Goldstück  25  Silberdenaren,  100  Mes* 
ingsesterzen  und  400  KupferassenS    Mommsen  a.  0.  S.  766. 


588  D.  DETLEFSEN 

PL:  prituipium  coluntenque  omnium  nrum  preii  margarit»  teim 
und  führt  $  120  die  Perle  der  Rleopatre  im  Werte  von  eentim 
sêslertium,  d.  i.  10000000  Denaren  an. 

3.  Der  Smaragd;  37,  62:  tertia  auctorùoi  imara^iit 
perhibetur. 

4.  Der  vierte  Plata  gebohrt  wohl  dem  Holz  des  mauretaniwheo 
Citrus,  aus  dem  kostbare  Tische  verfertigt  wurden.  PI.  redet 
13,  91  von  der  mensarum  (e  citro)  insania,  quas  feminae  mm 
contra  margaritas  regeruni,  und  fahrt  Preise  derselben  lu  1000000, 
1200000  und  1300000  Sestenen  an,  latifundi  taxatione,  n  qm» 
pratiiü  tanti  mtrcari  malil. 

5.  Es  folgen  die  myrrhina;  37,  18  wird  ein  vas  myrrhinm 
zum  Preise  von  70000  Sesterzen  und  §  20  eine  tndla  zu  300000 
und  eine  capis  zu  1000000  Sesterzen  erwähnt. 

6.  Der  Bergkristall  crystallum,  von  dem  es  37,29 
heisst:  alius  et  in  his  furor,  centum  quinquaginta  milibus  truttm 
unam  non  ante  multos  annos  mercata  matte  familias  non  divile, 

7.  Der  Bernstein,  sucinum;  37,30:  proximum  (a  cry- 
stallis)  locum  in  delicis,  feminarum  tamen  adhuc  lantum,  svctas 
optinent  eandemque  omnia  haec  quam  gemmae*)  auctoritatem  uod 
§  49:  taxatio  in  delicis  tanta,  ut  hominis  quamvis  parva  effila 
vivorum  hominum  vigentiumque  prelia  exsuperet. 

8.  Das  cinnamum,  der  Zimnit;  12,93:  pretium  quondam 
fuere  in  libras  denarium  milia.  auctum  id  parte  dimidia  est  in- 
censis,  ut  ferunt,  silvis  ira  barbarorum. 

9.  Das  opobalsamum,  der  Balsam;  12,  123:  milibus  ék- 
narium  sextarii  .  .  .  veneunt.  Setzen  wir  letzteres  Hohlmaass  der 
libra  gleich,  so  kam  der  VVerth  des  Balsams  dem  des  Goldes  zu 
Anfang  der  Regierung  Neros  gleich.  In*  der  N.  H.  wird  sonst  kein 
anderer  SlofT  mit  einem  Preise  erwähnt,  der  höher  anzusetzen  wärt», 
als 

10.  Das  Gold,  von  dem  PI.  37,  204  sagt:  dedmum  vix  tsu 
in  pretio  locum.  Er  sclieint  Ireilich  seiner  Sache  nicht  ganz  sicher 
zu  sein,  da  er  ein  vix  hinzufügt,  mit  dem  er  aber  vielleicht  nur 
andeuten  will,  dass  eine  genau  bestimmte  Reihenfolge  der  Wertbe 
bei    der  verschiedenen  Natur   der  Gegenstände  schwierig  oder  un- 


1)  Hier  muss  gemmae  so  viel  heissen  als  ,geschniUene  Steine',  in  welcbem 
Sirüie  das  Woit  öfter  vorkommt. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS    5S» 

möglich  sei.    Es  mOgeo  hier  zunächst  diejeoigeD  folgen,  die  etwa 
noch  neben  oder  vor  dem  Golde  in  Betracht  kommen  konnten. 

11.  Das  Elfenbein;  8,  31:  dentibus  (etephaniorum)  ingens 
pretium. 

12.  Serieaé  vestes,  die  6,  54.  12,  2;  11;  84.  21,  11.  34, 
145  als  Gegenstände  des  grOssten  Luxus  erwähnt  werden.  PI.  lässt 
ihren  Stoff  falschlich  aus  dem  Laube  von  Bäumen  gewinnen  (6,  54. 
12,  17;  38.  37,  204),  indem  er  den  Ursprung  der  Seide  mit  dem 
der  Baumwolle  Terwechselt. 

13.  Sericae  feiles,  die  34,  145  neben  den  vestes  als  Luxus- 
gegenstände  genannt  werden.^ 

Bestimmtere  Preisangaben  macht  PI.  zu  den  folgenden  Stoffen  ; 
doch  ist  ausführlicher  darüber  zu  handeln,  welche  Stelle 

14.  dem  Purpur  in  seiner  Preisliste  zukommt.  Nachdem 
PI.  9,  124  die  Perle  gerühmt  hat,  weil  ihr  Werth  von  der  Zeit 
nicht  angegriffen  werde  {aetemae  prope  possessionis  est),  fährt  er 
fort:  conthyUa  et  purpuras  omnis  hora  atterit,  quibus  eadem  mater 
luxuria  paria  paene  et  margahtis  pretia  fecit.  Danach  müsste  der 
Purpur  etwa  an  der  vierten  Stelle  der  Liste  stehen.  Auch  widmet 
ihm  PL  einen  langen  Abschnitt  §  125—140.  Darin  führt  er  $  137 
wortlich  eine  Stelle  aus  dem  Nepos  Ober  die  Preise  des  Purpurs 
zur  Zeit  des  Augustus  an:  me,  inquit,  iuvene  violacea  purpura  vi- 
gebat,  cuius  libra  denariis  centum  venibat,  nee  multo  post  rubra  Ta- 
rentina.  huic  sueeessit  dibapha  Tyria,  quae  in  libras  denariis  milk 
non  polerat  emi.  hac  P.  Lentulus  Spinther  aedilis  curulis  primus  in 
praetexta  usus  improbabatur  ;  qua  purpura  quis  non  iam,  inquit, 
trieUniaria  faeit.  Diese  Stelle  führt  PL,  wie  auch  sonst  in  ähn- 
lichen Fällen,  offenbar  nur  an,  um  einen  Vergleich  der  früheren 
IVeise  mit  denen  seiner  Zeit  daran  anzuschliessen.  Kurz  darauf 
nennt  er  diese:  pretia  medicamento  sunt  quidem  pro  fertilitate  li- 
torum  viliora,  non  tarnen  usquam  pelagi^)  [centenas]  libras  quinqua- 
genos  nummos  excedere  et  bucini  eentenos  sciant,  qui  ista  mercantur 
inmenso.  Der  Vergleich  der  beiden  Stellen  lehrt,  wie  mir  scheint, 
dass  das  in  allen  Handschriften  Oberlieferte  centenas  vor  libras  zu 
streichen  ist;  es  wird  eine  Dittographie  des  kurz  darauf  folgenden 
eentenos  sein.    Zwar  entsprechen  die  von  Nepos  angegebenen  und 


1)  Von  dem  pêlagium  und   bueinum,  zwei  Sorten  des  Parpore,   war 
bereiu  §  130  f.  gehandelt. 


590  D.  DETLEFSEN 

die  voD'Pl.  geoaDDten  Sorten  eiDander  nicht  genau«  docli  scheiol 
der  Preis  des  Purpurs  seit  des  Augustus  Zeit  Oberhaupt  etwu 
zurückgegangen  zu  sein.  Für  die  Preisliste  des  PI.  sind  nur  die 
Angaben  von  §  138  zu  berücksichtigen.  Da  50  und  100  Siiber- 
denare  nur  gleich  2  und  4  Golddenaren  sind,  ergiebt  sich,  da» 
PI.  9,  124  stark  übertrieben  hat,  wenn  er  den  Werth  des  Purpurs 
fast  dem  der  Perlen  gleichstellt;  er  scheint  hier  nur  die  aus  dem 
Meere  gewonnenen  Gegenstände  mit  einander  verglichen  zu  habeo, 
unter  denen  allerdings  der  Purpur  der  Perle  am  nächsten  kommt. 
In  der  Liste  des  PI.  hat  er  seinen  Platz  zwischen  Gold  und  Silber. 

15.  Die  Muschelfarben,  comhylia,  schliessen  sich  ao, 
von  deren  Bereitung  PL  zugleich  mit  der  des  Purpurs  handelt, 
ohne  jedoch  genaue  Preise  derselben  anzugeben. 

16.  Das  nardum  steht  dem  letzten  Purpur  im  Preise  gleicli; 
12,  43:  pretium  spicae  in  Ubras  K  C. 

17.  Das  /a« er;  19,  38:  auctoritaie  darissimum  laserpichm, 
quod  Graeci  silphion  vacant,  in  Cfflrenaica  provinda  repertum,  am 
sucutn^)  laser  vacant,  magnifieum  in  um  medicamentisque  H  ad 
pondus  argentei  denarii  repensum;  vgl.  22,  101  und  107.  Dastoer 
steht  also  im  Preise  neben 

18.  dem  Silber,  dem  PI.  paene  viunsimum  locum  io  der 
Preisliste  zuschreibt.  Hat  er  sich  damit  nicht  nachlässig  ausge- 
druckt, so  mOssen  in  der  Liste  entweder  noch  einige  ungeHÜir 
gleich werlhige  Stoffe  enthalten  sein,  oder  PI.  hat  solche  hier  Obe^ 
gangen.     In  Betracht  kommt  für  jenen  Fall  zunächst 

19.  das  coccutn.  Schon  bei  Gelegenheit  des  Purpurs  e^ 
wähnl  PI.  9,  141  diesen  kostbaren  Farbstoff,  dann  16,  32,  wo  er 
von  den  Waldbäumen  handelt.  Nachdem  er  vom  robur  und  dessen 
Parasiten  gesprochen,  fügt  er  hinzu:  otnnes  tarnen  has  eins  dofes 
Hex  solo  provocat  cocco  .  .  .  pensionem  alteram  tributi  pauperiius 
Hispaniae  donat.  Weiter  nennt  er  22,  3  das  coccum  einen  aisad- 
rahilis  fucus  zum  Färben  der  Kleider,  imperatoriis  dicatum  pak- 
damentis,  doch  nirgends  fügt  er  seinen  Preis  hinzu. 

20.  Vom  Schildpatt  giebt  PI.  ebenfalls  keinen  Preis  an,  so 
oft  er  auch  von  den  Schildkröten  redet,  z.  B.  9,  35 — 39  und  be- 
sonders oft  in  B.  11.    Als  Gegenstand  des  Luxus  wird  es  32,  144 

1)  Demnach  hätte  das  later  in  der  Lisle  von  B.  37  seinen  Platz  eigeot* 
lieh  neben  dem  suchiumf  opobaltamum  u.  8.  w.  haben  müssen. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIÜS    591 

oaoDt,  nach  §  32  werden  die  SchildkrOteD  in  Ehren  gehalten 
l  propter  exuUens  in  usu  pretium,  9,  39  werden  die  Blatter  des 
bildpatts  als  luxuriae  instrumenta  bezeichnet  und  §  139  sowie 
,  146  wird  weiter  von  ihrer  Verwendung  gehandelt,  doch  bleibt 
bei  unbestimmten  Angaben  über  den  Werth. 

21.  Die  Straussenfedern,  mit  denen  nach  10,  2  die  coni 
Uici  geschmückt  werden,  können  ebenfalls  hier  noch  iu  Betracht 
mmen,  sowie 

22.  das  Comtnagenum,  von  dessen  Herstellung  aus  dem 
tt  der  Commagenischen  Gänse  und  von  dessen  Gebrauch  als  Heil- 
ttel  29,  55  IT.  und  10,  55  die  Rede  ist;  PI.  nennt  es  eine  do- 
tima  res  celeberrimi  usus  als  Salbe  zugleich  und  als  Heilmittel, 
ne  jedoch  seinen  Preis  anzugeben. 

Bleibt  es  bei  den  vier  zuletzt  angeführten  Stoffen  zweifelhaft, 
sie  dem  Silber  gleichstehen  oder  nicht,  so  sind  die  übrigen  in 
r  Liste  37,  204  genannten  alle  weniger  werth.    Sie  ordnen  sich 
gendermaassen  : 

23.  amomum  (12,49)  t>i  libras  3i  LX, 

24.  casta  (12,97)  in  libras  HL, 

25.  murra  (12,70)  XI. 

26.  tus  (12,  65)  libra  ï  V/. 

27.  costum  (12,41)  in  libras  X  VS 

28.  ladanum  (12, 76)  in  libras  asses  XXXX  oder  21/2  Denare. 
Es  muss  auffallen,  dass  die  zuletzt  genannten,  so  geringwer- 

igen  Stoffe  von  PI.  in  die  Schlussliste  aufgenommen  sind,  um 
mehr  da  besonders  in  B.  12,  in  dem  von  ihnen  die  Rede  ist, 
inche  theurere  Stoffe  vorkommen;  indess  lässt  sich  der  Grund  dafür 
)hl  erkennen.  Die  Zusammensetzung  der  Liste  zeigt,  dass  PI. 
rauf  Gewicht  legte,  Stoffe  möglichst  verschiedener  Herkunft  aus 
m  Pflanzenreiche  aufzuzahlen;  sie  finden  sich  in  fronde,  in  ar^ 
re,  in  frutice,  arboris  et  fruticis  suco,  in  radidhus. 

Dass  die  ganze  Liste  mit  denjenigen  Stellen  des  Textes,  in 
nen  die  Preise  der  einzelnen  Stoffe  angegeben  werden,  in 
echselbeziehung  steht,  ist  klar,  obgleich  in  ihr  nur  beim  ia- 
num  ausdrücklich  auf  12,  73  zurückverwiesen  wird.  Aber  die 
eilen,  auf  welche  PI.  Bezug  nimmt,  treten  auch  in  ihrer  Um» 
bung  durch  einige  gemeinschaftliche  Eigenschaften  hervor.  In 
(mittelbarer  Verbindung  mit  einander  stehen  die  drei  zuerst  gö- 
nnten  Stoffe  (maximum  pretium  —  proximum  —  tertia  auc- 


592  D.  DETLEFSEN 

tcrÜQs),  für  13  andere,  nach  Gewicht  oder  Hohlmaaas  beUhnmle 
ist  die  genaue  Preisangabe  charakteristisch.  Aaffallend  isC,  da», 
abgesehen  fon  dem  Citat  aus  Nepos  fOr  keine  einzige  Preisangibe 
ein  Gewährsmann  angeführt  wird,  obgleich  in  der  Einzelbeschrei« 
bung  mancher  eine  Anzahl  solcher  genannt  sind.  Wenn  beim  Pur« 
pur  Nepos  nur  deshalb  citirt  wurde,  um  im  Gegensalz  zu  ihm  die 
Preise  der  Neuzeit  hinzuzufügen«  so  heisst  es  bei  den  Perlen  aus- 
drücklich: proximum  apud  nos  • .  pretittm  est,  beim  tucinum,  fs 
sei  aihuc  nur  bei  den  Frauen  in  hohem  Ansehen,  der  höchste 
Preis  eines  Tisches  aus  ct7rtf«i  ist  nnper  gezahlt  worden,  bdo 
teuren  vas  ntfflrrhinum  setzt  PI.  hinzu:  neque  esi  ho  die  mifrrkm 
aUßrius  praestantior  indicatnra,  die  teure  truUa  aus  Bergkristall  ist 
non  ante  multos  annos  gekauft  Beim  cinnamum  wird  dem 
froheren  Preise  der  zu  PI.  Zeit  gellende  gegenüber  gestellt,  auch 
beim  opobalsamum  spricht  PI.  deutlich  von  dem  zu  seiner  Zeit  fest- 
stehenden,  und  dass  dasselbe  ?on  allen  übrigen  Gewürzen  aozu- 
nehmen  ist,  werden  wir  weiter  unten  sehen.  Endlich  ist  noch 
beachtenswerth ,  dass  bei  allen  Preisangaben  nur  römische  Haasse 
und  Münzen  angeführt  werden  und  keine  Spur  ?on  griecbischeD 
vorkommt,  die  auf  fremde  und  ältere  Quellen  hinweisen  würde. 

Alle  diese  Beobachtungen  machen  es  wahrscheinlich,  dass  oicht 
allein  die  Liste  von  37,204,  sondern  auch,  wenn  nicht  alle,  so 
doch  die  meisten  oben  angeführten  Stellen  mit  Preisangaben  nicht 
aus  einer  älteren  Quelle  entlehnt,  sondern  von  PL  selbst  oder  tod 
einem  Zeitgenossen  gesammelt  sind.  Es  kam  dem  PI.  besonders 
darauf  an,  die  Fortschrille  seiner  Zeit  gegenüber  der  früheren  nach- 
zuweisen,*) und  ein  besonderer  Charakterzug  seiner  Schriflstellerei 
ist  es,  auf  Zahlen  ein  grosses  Gewicht  zu  legen^  und  so  auch  auf 
die  Preise  der  Dinge.  Er  selbst  erklärt  am  Schluss  von  B.  33, 
das  26  Preisangaben  von  Farben  enthält:  pretia  remm,  tptae  tci- 
quam  posuimus,  non  ignoramus  alia  aliis  loeis  esse  et  omnibus  pom 
annis  mutari,  prout  navigatione  constiterint  aut  ut  quisque  mercatus 
sit  aut  aliqiiis  praevalens  manceps  annonam  flagellet .  .  .  poni  tamei^ 
necessarium  fuit,  quae  plerumque  erant  Romae,  ut  exprimeretur  auc' 
toritas  renim.  Demnach  hat  PI.  die  Marktpreise  mancher  Gegen- 
stände in  Rom  gesammeil. 

Die  N.  IL  enthält  in  mehreren  Büchern  umfangreiche  Gruppen 

1)  S.  meine  Unters.  46;  48;  93. 

2)  Ebd.  92  f. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS    593 

D  Preisangabeo  Ober  verschiedeoe  Stoffe.  Besonders  tritt  eine 
che  in  B.  12  hervor,  dasTOD  den  fremdlfindiscbeD  Bflomeo  haodelt, 
d  manches  ist  aus  ihr  in  die  Schlussliste  von  B.  37  Obergegangen 
n.  8.  16.  23—28).  Schon  im  ind.  zu  B.  12  onter  s.  19  macht 
.  auf  diese  Preisangaben  aufmerksam;  t»  ounubtu  odoribus  aut 
%dimenti$  dkuntur  aduUerattones,  ea^erimeiUa,  pretia.  Ich  stelle 
ar  diese  Gruppe  nach  den  Preisen  geordnet  mit  den  hinzuge- 
hen Belegstellen  zusammen,  jedoch  so,  dass  ich  diejenigen  Stoffe, 
D  denen  PI.  nach  den  Unterarten  verschiedene  Preise  angiebt, 
den  Platz  stelle,  der  dem  hOclisten  der  genannten  Preise  zu- 
mmt.  Alle  bis  auf  den  für  Balsam,  n.  2,  sind  für  das  Pfund, 
)  libra,  in  Denaren,  einige  wenige  in  Assen  angegeben.  Es 
stet  das  Pfund 

1.  einnamum  1500  Denare  (§  93;  s.  o.  n.  8). 
balsamum  der  sextarius  1000  Den.  (s.  o.  n.  9). 

xylobaUamum  das  Pfund  5  Den.  (§  123). 
nudobathrum  1 — 400  Den. 
5.        das  Blatl  desselben  40  Den.  (§  129). 
isoeinnamon  300  Den.  (§  98). 
nardum  in  Aehren  100  Den.  (s.  o.  n.  16). 
microsphaerum  75  Den. 
mesosphaerum  60  Den. 
10.        hadrosphaerum  40  Den.  (§  44). 

amomum  in  Trauben  60  Den.  (s.  o.  n.  23). 

firiatum  48  Den.  (§  49). 
coêia,  die  beste  Sorte  50  Den.  (s.  o.  n.  24). 
die  übrigen  5  Den.  (§  97). 
15.  murra  stade  3 — 50  Den.  (s.  o.  n.  25). 
saiiva  höchstens  11  Den. 
Erythraea  16  Den. 
Trogodyticae  nucleus  I6V2  Den. 
odoraria  12  Den.  (§  70). 
20.  styrax  optimus  17  Den.  (§  125). 
piper  longum  15  Den. 
album  7  Den. 
nigrum  4  Den.  (§  28). 
mastiche  Chia  Candida  10  Den.*). 

1)  Id  meiner  Ausgabe  habe  ich  nach  dem  Palimpsest  If  hinter  der  Zahl  X 
ch  zwei  Punkle,  das  Zeicheo  des  Sextans,  hinzugefügt;  da  jedoch  in  dieser 


594  D.  DETLEFSEN 

25.        nigra  2  Den.  (§  72). 

xylocinnamomum  10  Den.  (§  91). 
zingiberi  6  Den.  (§  28). 
omphacium  6  Den.  (§  131). 
thus  optimum  6  Deo.  (s.  o.  n.  26). 
30.        secundum  5  DeD. 

tertium  3  Den.  (§  65). 
seriehatum  6  Den.  (§  99). 
costum  candicans  57^  Den.  (§  41;  8.  o.  n.  27). 
iuncus  odoratHS  5  Den.  (§  106). 
85.  eypros  5  Den.  (§  109). 
aspalathos  5  Den.  ($  110). 
galbanum  5  Den.  (§  126). 
bdellium  sincerum  3  Den.  (§  36) 
nardum  Gallicum  3  Den.  (§  45). 
40.  cardamomum  optimum  3  Den.  (§  50). 

ladanum  laudatissimum  40  As8e,  gleich  2V2  Den.  (§  76 

'  8.  0.  n.  28). 
metopon  optimum^  40  A88e  (§  107). 
comacum  40  Asse*)  (§  135). 
myrohalanum  2  Den.  (§  103). 
45.  panax  optimus  2  Den.  (§  127). 
calamus  odoratus  1  Den.  (§  106). 
Bei  diesen  Preisangaben,   ?on  denen  n.  1.  2.  7.  11.  13.  15. 
29.  33.  41  bereits   oben   angefQhrt  wurden,  finden  sich  zunächst 
dieselben  bezeichnenden  Merkmale,  die  wir  dort  zosammenstelltea; 
nur  römische  ^aasse  und  Münzen  kommen  vor,  für  keine  einzige 
Angabe   beruft  sich  PI.  auf  einen  Gewährsmann,   fQr  keine  lässl 
sich  eine  anderweitige  Schriftquelle  nachweisen.    Auch  fflr  sie  haben 
ohne  Zweifei   die  aus  dem  Schluss  von  B.  33  angeführten  Worte 
Geltung.     Die  Preisangabe  findet  sich  selten  in  engerer  gramma- 
tischer Verbindung  mit  dem  übrigen  Texte,  sondern  meist  irgendwo 
lose  eingeschoben  oder  ans  Ende  des  Abschnittes  gesetzt.     Häufig 
heisst  es  einfach:  pretium  ei  in  libras  K  tot;   kommt  ein  Verbum 
im  Satze  vor,  so  steht  es  im  Präsens:  pretium  est,  pr.  habet,  per- 


und  den  folgenden  Listen  so  genaue  Angaben  nicht  vorkommen,  wird  es  rich- 
tiger sein,  den  übrigen  Handschriften  zu  folgen,  die  alle  nur  X  bieten. 

1)  OITenbar  ist  XXXX  asses  zu  PI.  Zeit  der  gebräuchliche  Aasdrack  für 

den  sestertius  gewesen. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS    595 

mniatur  oder  ähnlich,  so  dass  es  klar  ist,  PI.  führt  deo  zu  seiner 
Zeit  üblichen  Preis  an. 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  uns  in  jener  Liste  eine  Art  Preis- 
courant  vorliegt,  und  da  wir  doch  kaum  annehmen  können,  dass 
der  vornehme  Beamte  Plinius  ihn  aus  eigener  Erfahrung  zusammen- 
gestellt habe,  darf  man  es  wohl  «als  sehr  wahrscheinlich  ansehen, 
dass  er  ihn  sich  von  einem  Kaufmann  verschaffe  hat,  den  wir  im 
Anschluss  an  die  Worte  des  index  als  einen  odorarius  oder  con- 
dimenlarius  werden  bezeichnen  dürfen.*) 

Auffallen  muss  es,  dass  in  B.  13«  das  als  Fortsetzung  des 
vorigen  ebenfalls  von  fremdländischen  Bäumen  handelt,  und  dessen 
index  ganz  dieselben  auctores  wie  der  des  vorigen  nennt,  nur  zwei 
Preisangaben  sich  finden,  die  wir  den  obigen  vielleicht  anschliessen 
dürfen: 

47.   {cummis  aptimae)  preiium  in  libras  X  ///  (S  66  f.)')  und 

4S.    tragacanthi  pretium  in  Ubras  ^  III  (§  115). 

Sonst  giebt  PI.  in  diesem  Buche  ausser  dem  schon  oben  S.  588 
unter  n.  4  behandelten  Preise  des  citrum  nur  noch  folgende  beiden 
an: 

§  15:  pretia  (unguento  einnamomino)  a  X  XXXY  adK  CCCC 
und 

§  20:  exeedunt  quadringenos  X  librae  ungueniorum. 

Dass  von  anderen  Salben,  von  denen  ein  grosser  Theil  dieses 
Buches  handelt,  gar  keine  Preise  angefahrt  werden,  mag  in  dem 
starken  Schwanken  derselben  seinen  Grund  haben,  je  nachdem  ein 
grösseres  oder  ein  geringeres  Quantum  der  zahlreichen,  theureren 
oder  wohlfeileren  Bestandttheile,  aus  denen  sie  bereitet  wurden, 
dazu  genommen  wurde.  Auch  in  der  Schlussliste  von  B.  37  nimmt 
PI.  auf  die  unguenta  gar  keine  Rücksicht. 

1)  Die  Glossen  des  Philoxeaus  übersetzen  odorarius  mit  cL(^a>ftatonœhfi. 
Blûmner  Tecbnol.  1,  355  giebt  noch  eine  Reibe  ähnlicher  Bezeichnungen  an, 
aber  nicht  die  des  condimentariut,  die  vielleicht  nnr  bei  Tertol.  an.  23,  aber 
in  übertragener  Bedeutong  vorkommt  :  doleq  Plaionem  omnium  haereticorum 
condimentarium  factum.  Bemerkenswerlh  ist  es,  dass  in  der  Liste  von  zoll- 
pflichtigen Dingen  (species  pertinentes  ad  veetigal)^  die  in  den  Dig,  I.  39 
t.  4,  16,  7  ans  Marcianus  liber  singularis  de  delatoribus  mitgetheilt  wird,  die 
unter  nn.  1.  4.  7.  11.  13.  15.  21.  22.  26.  27.  33.  40  unserer  Liste  angeführten 
Dinge  und  ans  der  vorigen  Liste  die  nn.  2.  11.  12.  14.  17  vorkommen. 

2)  Doch  wird  die  Art  e  sarcocoUa  §  67  utilissima  pictoribus  et  mèdieis 
genannt,  so  dass  die  Preisangabe  auch  zu  der  sogleich  zu  behandelnden  Liste 
der  Farben  gehören  könnte. 


596  D.  DETLEFSEN 

Eine  grosse  Aeholichkeit  mit  der  aus  B.  12  und  13  gewon- 
nenen Preisliste  hat  eine  andere,  die  sidi  aus  Stellen  der  Bûcher 
33  und  35  .tusammensetzt  und  die  »eisten  der  in  der  Malerei  ge- 
briuchlichen  Farben  umfasst.  Ich  flDbre  sie  in  derselben  Weise 
wie  jene  geordnet  an  : 

1.  fwrpurissmum  1—30  »Den.  (35,  45). 
Imdieum  20  Den.  (35,  46). 
mimmm  70  Seslerze  —  171/2  Den.  (33, 118). 
cinnabaris  sineera  nummi  L  ■-  I2V2  Den.  (33,  117). 
5.  lomentum  10  Den.- 
•  eaendeum  8  Den. 
Indieum  7  Den. 
Veitorianum  1  Den. 
adifitum  5  Asse  (33,  162  f.). 
10.  Paraeiomum  optimum  m  pondo  VI  IE  l,  also  das  Pfund 
zu  8V9  Den.  (35,  36). 
Armeninm  kostete  früher  rreceni  nummi  »  71/2  Den., 

jeUt  6  Den.  (35,  97). 
ckrysocoUa  aspera  7  Den. 
media  5  Den. 

adirita  oder  herbaeea  3  Den.  (33,  90). 
15.  eenista  6  Den.  (35,  38). 

auripigmentum  4  Den.  zur  Zeit  Caligulas*)  (33,  79). 
ft7  Atticum  2  Den. 

marmorosum  1  Den.  (33,  15S). 
Sinopis  optima  2  Den. 
20.        quae  ex  Africa  venit  8  Asse  (35,  31). 
Sil  Scyncum  2  Sesterze  «=  ^/2  Den. 

lucidum  e  Gallia  venietu  dupondis  dametis  mb  6  Assen 
(33,  158). 
Melinum  1  Sesterz  (35,  37). 
viridß  çuod  Appianum  voamt  1  Sesterz  (35,  48). 
2$.  sandaraca  5  Asse  (35,  39). 
Mondyx  2V2  Asse  (35,  40). 
In  dieser  Liste  werden   fast  alle   von  PI.  in  diesen  BOchem 
genannten   Malerfarben,   die  aus   Metallen   oder  Erden   gewonnen 

1)  Dieser  Beisatz  lisst  die  PreisbestinmaDg  Tielleiclit  andereD  Drepraaget 
erscheioen  als  die  übrigeo. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS    597 

werden,  aurgeführt;  nur  die  gaoz  wohlfeilen,  ochra,  atramentum 
(35,  30),  rubrica,  sind  nicht  aurgenommen.  Die  Preise  sind  durch- 
weg beträchtlich  geringer  als  die  der  adores  und  condimenta.  Sonst 
ist  die  Liste  der  obigen  in  allen  aufgezahlten  Merkmalen  gleich, 
auch  in  ihr  finden  wir  nirgendwo  eine  Quelle  erwflhnt,  noch  ist 
fOr  irgend  welche  Angabe  eine  Quelle  bekannt;  nur  n.  16  ist  viel- 
leicht aus  irgend  einem  Schriftwerk  entlehnt.  Als  Grundlage  des 
Textes  dürfen  wir  daher  wohl  entsprechend  der  obigen  Liste  eines 
odarartus  hier  die  eines  Parbenhändlers,  pigmentarius,  aus  der  Zeit 
des  PL  erkennen.  BlOmner  sagt  (Technol.  1,  354),  mit  dem  Ver- 
kauf von  Droguen  sei  im  Alterihum  in  der  Regel  auch  der  von 
Farbestoffen,  Schminken,  Seifen,  Pomaden  u.  a.  kosmetischen  Mit- 
teln verbunden  gewesen,  mehrere  von  Forcellini  $.  v.  pigmentarius 
angefahrte  Stellen  beweisen  das,  und  so  roOgen  die  in  ß.  12.  13. 
33  und  35  benutzten  Preislisten  dem  PI.  wohl  von  einem  und 
demselben  Kaufmann  geliefert  worden  sein.  Von  allen  auctores,  die 
PI.  in  den  indices  dieser  Bücher  nennt,  kann  keiner  mit  Wahr- 
scheinlichkeit als  Urheber  derselben  angesehen  werden,  nur  M.  Varrö 
und  Democrit  werden  in  allen  vieren  zugleich  genannt,  stehen  aber 
ihres  Alters  wegen  hier  völlig  ausser  Frage.  Wenn  aber  PI.  in  der 
praef.  6  vom  Inhalt  seiner  N.  H.,  allerdings  mit  erkünstelter  Be- 
scheidenheit sagt:  humili  vulgo  scripta  sunt^  agricolarum,  opificum 
turbae,  so  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  er  sich  wohl  auch 
einmal  bei  Männern  dieses  Schlages  Auskunft  geholt  hat.  Ueber- 
haupt  dürfte  gar  manches  von  dem,  was  in  der  N.  H.  mit  hodiep 
nunc,  nuper  und  ahnlichen  Zeilbestimmungen  angeführt  wird,  aus 
der  mündlichen  oder  schriftlichen  Mittheilung  von  Zeitgenossen 
stammen,  die  PI.  nicht  als  schriftstellerische  auctores  in  seine  in- 
dices aufnehmen  konnte. 

Ausser  den  besprochenen  macht  PL  nur  noch  an  reichlich 
20  Stellen  Preisangaben  für  Gegenstände  de6  Verkehres  und  des 
täglichen  Gebrauches;  denn  von  den  wenigen  Stellen,  an  denen 
Preise  von  Statuen  sich  finden,  werden  wir  in  diesem  Zusammen- 
hange abzusehen  haben.  Wenn  ich  dagegen  auf  jene  hier  noch 
kurz  eingehe,  so  geschieht  das  nicht,  weil  sie  etwa  mit  den 
Preislisten  oder  auch  unter  einander  in  Zusammenhang  stehen 
könnten,  was  sicherlich  nicht  der  Fall  ist,  sondern  weil  wir  aus 
ihnen  die  Gesichtspunkte  näher  kennen  lernen,  die  PL  bei  seiner 
Schriftstellerei  im  Auge  hatte. 

Hermes  XXXV.  39 


59»  D.  DETLEFSEN 

Er  selbst  macht  im  index  von  B.  7  s.  40  auf  die  pretia  do- 
minum intignia  und  in  dem  von  B.  9  s.  31  auf  miraUUa  pisciuB 
pretia  aufmerksam.  Beide  Male  stellt  er  im  entsprechenden  Texte 
Preise  aus  alter  Zeit  denen  der  neuesten  gegenüber«  7,  128  f.  des 
als  Sciaven  für  700000  Sesterzen  verkauften  Grammatiker  Dapbsis 
aue  dem  7.  Jahrhundert  dem  diepensaiw  im  Armenischen  Kriege, 
den  Nero  fOr  12000000  Sesteraen  freiliess,  und  den  Verschnitteoeo 
Pazon  des  Sejan,  der  für  50  Millionen  vei kauft  wurde,  ähnlich 
9,  67  den  Preis  von  8000  Sesterzen,  den  Asinius  Celer  zur  Zeil 
des  Caligula  fOr  einen  muUue  bezahlte,  dem  mittler  Weile  sehr 
gestiegenen  Preise  der  Fiache  zu  seiner  Zeit:  nunc  cod  triwu- 
pharum  pretiie  parantnr  et  eocorum  pisces. 

Bei  den  Sflugethieren,  aus  deren  Reiche  die  Schlussliste 
von  B.  37  das  Elfenbein  und  die  Serischen  Felle  anfuhrt,  wird  our 
8,  154  der  16  Talente  betragende  Preis  von  Alexanders  Buce- 
phalus erwShnt  und  §  167  nach  Varro  der  Preis  eines  Esek  zu 
40000  Denaren.  In  dem  von  den  Vögeln  handelnden  B.  10  wird 
§  54  erzählt,  dass  die  Federn  der  deutschen  Gänse  das  Pfund  5  De- 
nare kosteten,  §  84,  dass  zur  Zeit  des  Claudius  eine  weisse  Nach- 
tigall mit  6000  Sesterzen  bezahlt  wurde,  §110  (wozu  esimmè^ 
zu  8.  52  f.  heisst  :  De  columbis,  opera  earum  mirabilia  et  pretia) 
nach  Varro  r.  r.  3,  7,  10,  dass  ein  paar  Tauben  fQr  4000  Denare 
verkauft  wurden,  und  §  141  wird  eine  GeÛQgelpastete  des  Clodius 
Aesopus  erwähnt,  in  qua  posuit  aves  cantu  aliguo  aut  humane  ur- 
mone  vocales  HSVI  singulas  coemptas.^)  Alle  diese  Preise  sind  aber 
keine  Marktpreise,  sondera  Affectionspreise,  die  PI.  offenbar  aus 
irgend  welchen  Schriftquellen  entlehnt  hat. 

Das  vom  Wein  handelnde  B.  14  enthält  mehrere  Preisangaben; 
nach  §  48  kostete  zur  Zeit  der  ersten  Kaiser  ein  Landgut  voa 
60  iugera  bei  Nomentum  400000  Denare,  20  Jahre  später  ein 
anderes  in  derselben 'Gegend  6000000,  dessen  Besitzer  Remmius 
Palämou  nach  8  Jahren  fleissiger  Bearbeitung  die  blosse  Weinernte 
für  4  000000  am  Stock  verkaufte.    An  Weinpreisen  erscheint  §56 


1)  PI.  giebt  auch  den  Preis  der  ganzen  Pastete  an,  doch  ist  er  fehlerhsfl 
überliefert.  Ich  schrieb  mitSillig:  patina  US  0  taxaia;  statt  der  letzten  drei 
Worte  geben  DE^F^  in  isla  ea  ia ,  H  in  isla  eva^  E*  taxata  ^  F*  coiUfâM 
liia.  Die  Summe  von  100  000  Sesterzen  scheint  aber  zu  klein  gegenülier  dem 
IVeise  der  einzelnen  Vögelchen.  Wahrscheinlicher  ist  es,  CC  (oder  VCC)  BS 
lüxata  zu  setzen. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS     599> 

r  des  Opimianischeo  Weines  zur  Zelt  des  C.  Gracchus  die  am^ 
'pra  zu  100  Denaren,  und  §  57  wird  htnzugefQgt,  dass  zu  PI. 
il  auch  von  Schlemmern  seilen  mehr  als  1000  Denare  fOr  das 
BS  bezahlt  wurde.  Offenbar  zum  Vergleich  wird  dem  gegenüber 
>5  ein  censorisches  Edict  aus  dem  Jahre  665  angeführt:  ne  quis 
uum  Graecum  Amineumque  octonis  aeris  singula  quadrantalta^) 
tderet.  Denselben  Pi*eis  hatte  der  Wein  nach  18,  17  (s.  u.)  auch 
lon  im  Jahre  502.  Uebrigens  geschieht  in  der  SchlussHste  von 
37  des  Weines  so  wenig,  wie  der  Salben  Erwähnung.  Selbst 
^  ga^rum  kommt  hier  nicht  vor.  Ober  das  sich  31,  94  eine  Preis- 
gabe ûndet,  nach,  der  ungefähr  zwei  congii*)  desselben  1000  De- 
re  kosteten;  nee,  fährt  PI.  fort,  liquor  ulbis  paene  praeter  un- 
9nta  maiore  in  pretio  esse  coepit. 

Bei  der  Behandlung  der  Waldblume  berichtet  PI.  16,  202  von 
isten  aus  Fichtenstämmen:  vulgo  auditur  LKXX  nummum  et 
iTis  malos  venundari  . .  .  rates  vero  eonecti  [xZj')  satertium  ple- 
içue. 

Auch  für  den  Preis  des  Getreides  fohrt  PI.  zwei  Beispiele 
»  eins  aus  der  alten  Zeit,  an  das  sich  eine  Reihe  anderer  Nahrungs- 
Itel  anschliesst,  und  eins  aus  der  neueren.  Ersteres  18,  17  ent- 
nmt  er  dem  Varro:  M.  Varro  auclor  est,  cum  L  Metellus  in 
Umpho  plurimos  duxit  elephantos  (502  der  Stadt),  assibus  singulis 
Tri  s  modios  fuisse,  item  vini  congios  ficique  siccae  pondo  XXX, 
et  pondo  X,  carnis  pondo  XII.  Dem  gegenüber  heisst  es  §  90: 
"etium  huic  (tritico)  annona  media  in  modios  farinae  XL  assis, 
nilagini  octonis  assibus  amplius,  siligini  çastratae  duplum. 

Ganz  beiläuGg  und  kaum  um  des  Preises  selbst  willen  macht 
:.  29,  96  folgende  Angabe:  Cantharides  obiectae  sunt  Catoni 
ticensi,  ceu  venenum  vendidisset  in  auctione  regia,  quoniam  eas 
S  LX  addixerat.  Et  sebum  autem  struthocamelinum  tunc 
Hisse  US  XXX  obiter  dictum  sil. 

Endlich  findet  sich  noch  eine  Preisangabe  in  B.  34,  deren 
iberlieferung  jedoch  getrübt  ist.    Gehandelt  wird  nach  dem  index 


1)  Ein  quadrantal  ist  gleich  einer  amphora  und  enthält  8  congii. 

2)  Die  uobestimmle  Angabe  congios  fêre  binos  ist  wohl  so  zu  erklären, 
s  die  Gefässe,  in  denen  die  Fischbrühe  in  den  Handel  gebracht  wurde, 
^t  immer  volle  2  congii  enthielten. 

3)  So  schreibt  Kubitschek  in^s.  Ztschr.  XXIV  1SS9  S.  586  ohne  Zweifel 
Recht  statt  des  überlieferten  XL, 

39» 


600  D.  DETLEFSEN 

zu  8.  47 — 56  de  plumbi  nietaUis.    PI.  uoterscheidet  §  156  flum- 

bum  nigrum  und  candidum.    Letzteres  neDot  er  preftostsstmum  und 

berichtet  §  161  :  albo  per  se  sineero  pretium  sunt  R  IXXX/)  m'lfro 

jE  YII.    Danach  käme  der  Preis  des  weissen  Bleies  fast  dem  des 

Silbers  gleich  (s.  o.  S.  5).    AufTallend  ist  es,  dass  PL  weder  hierauf 

noch  auf  den  starken  Unterschied  Tom  Preise  des  schwarzen  Bleies 

aufmerksam  macht.   Unmittelbar  vor  obigen  Worten  führt  er  mehrere 

Mischungen  an  :  terliarium  vocant,  in  quo  duae  sunt  nigh  portiom 

et  terlia  albi,     pretium  eius  in  Ubras  X  XX.     Stellen   wir  eine 

Rechnung  an,  so  mOsste  nach  diesen  Angaben  das  Pfund  tertiarium 

•        2.  7  4-  80 
mindestens  -^ — ^- — «=311/3  Den.  kosten;  wenn  der  Harktpreii 
o 

dafür  nur  20  ansetzt,  hätten  die  Mischer  mit  starkem  Schaden  ge- 
arbeitet. Weiter  beisst  es:  improbiores  ad  tertiarium  addilis  par- 
tibus  aequis  albi  argentarium  vocant.  .  .  .  pretium  kuius  faciunt 
in  p,  X  IXX.')    Rechnen  wir  mit  den  von  PI.  gegebenen  Wertheo, 

20  -4-  80 

so  ist  das  Pfund  argentarium  mindestens  zu =  50  Den. 

/i 

anzusetzen,  so  dass  für  den  Mischer  ein  hübscher  Vortheil  lieraas- 
gekommen  wäre.  Dagegen  ist  zwar  nichts  einzuwenden,  aber  der 
Preis  des  terliarium  zu  20  Den.  ist  nach  den  gegebenen  Grund- 
preisen für  plumbum  nigrum  und  candidum  unerklärlich.  Eioe 
Heilung  der  ganzen  Stelle  wäre  erreicht,  wenn  §  161  der  Preis 
des  plumbum  candidum  statt  zu  X  IXXX   vielmehr  zu  X  XXXI 

2.  7  4-  40 
angesetzt  wird.     Dann    ergiebt  sich   für  das  tertiarium  -^ — r 

"=18  Den.,  und  die  Mischer  hätten  2  Den.  gewonnen,  wenn  sie 
es  zu  20  Den.  verkauften.     Der  Herstellungspreis  des  argentarium 

wäre   — ^ —  =  29  Den.,   und  danach  wäre  bei  PI.  für  dieses 

X  XXX  statt  X  LXX  als  Marktpreis  anzusetzen.  Auf  die  Verderbniss 
letzterer  Stelle  scheint  die  der  ersteren  eingewirkt  zu  haben.  Indess 
giebt  obiger  Vorschlag  nur  eine  Möglichkeit  der  Heilung  an,  neben 
<ler  sich  nocli  manche  andere  denken  lassen.  Uebrigens  erinnerl 
<lie  Stelle  ihrer  Fassung  nach  an  die  Preislisten  der  Wohlgerücbe 
und  der  Farben,  so  dass  man  auf  den  Gedanken  kommt,  es  habe 

1)  n  giebi  XLXXX,  K  XXX,  /-'  XCX,  ^  CX- 

2)  So  B';  B-  sclireibt:   X-LXX///,  R.  CXLXX,    T:  CXXLXX;   a  Ussl 
die  Zahl  aus. 


WERTHANGABEN  IN  DER  NAT.  HIST.  DES  PLINIUS     601 

dem  PI.  eioe  gleichartige  über  die  Metalle  vorgelegen.  Weitere 
Preisaogaben  sind  aus  ihr  jedoch  nicht  in  die  N.  H.  herüber- 
genomroen. 

Stellen  wir  die  Resultate  dieser  Untersuchungen  zusammen, 
80  dürfte  sich  als  höchst  wahrscheinlich  ergeben  haben ,  dass  PI. 
in  den  Büchern  12  und  13,  sodann  in  33  und  35  zwei  Preislisten 
benutzte,  deren  eine  die  Marktpreise  der  odores  und  condimenia, 
die  andere  die  der  pigmenta  enthielt.  Beide  gaben  die  zu  seiner 
Zeit  gangbaren  Preise  an  und  waren  ihm  wohl  ?on  zwei  oder  viel- 
leicht von  einem  und  demselben  Kaufmann  zur  Verfügung  gestellt. 
Die  comparatio  rerum  per  pretia  in  B.  37,  204  dagegen  hat  er  wohl 
erst  selbst  zusammengestellt.  Benutzt  hat  er  dabei  die  Preisliste 
der  odores,  aber  nicht  die  der  pigmenta,  im  übrigen  wohl  nur  die 
von  ihm  selbst  im  Texte  der  N.  H«  gemachten  Angaben.  Dass 
ihm  ein  Verzeichniss  von  Edelsteinen  und  anderen  Luxusgegen- 
standen  mit  Preisangaben  von  fremder  Hand  vorgelegen  habe,  an- 
zunehmen genügt  die  Beziehung  des  Wertbes  der  Diamanten,  Perlen 
und  Smaragde  als  maximum,  proximum  und  tertium  nicht,  da  sie 
sich  an  keine  weiteren  ähnlichen  Angaben  in  der  ausführlichen 
Beschreibung  der  Edelsteine  in  B.  37  anschliesst.  Dass  PI.  jedoch 
bei  der  Abfassung  seines  Werkes  jene  comparatio  im  Auge  gehabt 
und  sie  nicht  auf  einen  blossen  Einfall  hin  angehängt  hat,  gehl 
daraus  hervor,  dass  die  oben  gegebene  Anordnung  der  dort  ge- 
nannten Gegenstände  nach  ihrem  Werthe,  die  auf  den  Aeusserungen 
und  Preisangaben  des  PI.  im  Texte  selbst  beruht,  in  der  That  mil 
seinen  Angaben  über  die  Stellung  des  Goldes  und  Silber  in  der 
Rangordnung  so  gut  wie  möglich  stimmt.  Im  übrigen  trat  bei 
manchen  Preisangaben  die  klare  Absicht  des  PI.  hervor  zu  zeigen, 
wie  sich  unter  der  gesegneten  Regierung  Vespasians  der  Werth 
der  Dinge  gegenüber  der  früheren  Zeit  gesteigert  habe. 

Glflckstadt.  D.  DETLEFSEN. 


AUS  DER  STRASSBÜRGER 
PAPYRÜS8AMMLÜNÖ. 

I.    Zu  Aristophanes. 

Aus    der  ältesten   Handschrift   der  Wolken   des  Aristophanes 
besitzt  die  Strassburger  Bibliothek  (unter  n.  621)  arg  verstümmelte 
Reste  eines  Pergamentblaitchens;  Höhe  12  cm,  Breite  10,5  cm,  ob^ 
rer,  unterer  und  linker  Rand  fehlen.    Die  fast  unleserliche  erste 
Seite  enthalt  die  Reste  von  1371—1391,  die  Rückseite  von  1407 
bis  1428   (Bergk).     Da   die  lyrischen  Partien  in  ihrer  Vertheilung 
etwa  unserer  Trennung  entsprochen  haben,  standen  also  ursprüng- 
lich 36  Zeilen  auf  einer  Seite,  deren  Schriftraum  etwa  18x15  cm 
betragen  haben  mag;  die  BlaitgrOsse  war  etwa  26x20  cm.    Die 
Zeilen  sind  eingeritzt,  die  Schrift  steht  unter  ihnen.    An  dem  breiten 
äusseren  Rand  standen  vereinzelte  Scholien,  in  denen  zwei  Hände 
zu  erkennen   sind.     Das  Alter  der  etwas  schräg  liegenden  Scbrifl 
ist  ausserordentlich  schwer  zu  bestimmen;   ich   möchte   über  das 
7.  Jahrhundert  nicht   namhaft  herunter,   über  das  5.  sicher  nicht 
heraufgehen. 

Der  Text  der  Vorderseite  lautet*): 

if  .  AN  . . .  A(|)HN  ^  ezAiOAOY 

.  .  eVOeuUCAPPATUU  tapattcd 

YOGNOlONeiKOC 
1375  YTUüCenANAnHAA 

reKAnéTPiBe 

AHNeTJAlN  . 

nuü 


1)  Ein  Tlieil  der  Schrift  und  die  Accenle  der  Vorderseite  scheinen  in 
jüngerer  Zeil  mil  schwärzerer  Tinte  nachgemalt.  Bei  den  Acceoten  der  Rück- 
seite ist  dasselbe  wenigstens  möglich.  Die  Randbemerkungen  stammen  z.  Tb. 
von  zweiter  Hand. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAMMLUNG   603 

H  .  TAP  AIKAICÜC 

13S0  eOPGYA 

TINOOIHC 

NenécxoN 
auünanApton 

AABüüNO^PAZe 
13S5  M€NYNAnÂrXU)N 


1390 


APAIAC 


AC, 
Besser  isl  die  Rückseite  erhalten: 

.  nnuü 

eK6fC€A'6oeN 
KAlüPOüT'ePHCOMA 

c 
1410  ermre  •  gynoiun 

OYK  AMeCOlAlKAlONe 

TYTTTeiNT  eTÏÏAHnep 

N    . 
nCJUCrAPTOMG  N  COICUU 

TOYMÔNAGMH  •  KAIM 

1415  KAÄlOYCin 

TO  TYTTTeCOAl.  HCeiCNO 

.  rujAer'ANT 
e . k6ct€m 
ocuünepezAM 

1420  AAA'OYAAMOYN 
OYKOYNANHPTÖNN 

uücnepcYKArujKA 

HTTONTI  AHT  6 


1379  Für  TAP  auch  TCP  möglich. 

1381  Am  Rand  ein  längeres,  für  mich  ganz  unleserliches  ScholioD. 

1415  Das  ersle  t  scheint  durchstrichen. 

1416  Vgl.  Schol.  R  TOÜTO  Tovfyov:  rà  rinxiad'at. 


604  R.  REITZENSTEIN 

OeiNAINOMONTO 

1425  ocACAenAHrAC 

A<p  .  IMeN  •  KAIAI 
CK . .  AIAGTOY 

'.  ..  ATG 

Die  eigeoen  Lesungen  der  neuen  Handschrift,  also  1375  oi'- 
JWÇ,  1383  ein  anderes  Particip  für  g)éçwv^  1413  aoi  tod  erster 
Hand  fQr  aov,  1415  xXalovoi,  1421  o  fehlt,  1426  a^^e^fiey  habeo 
wenig  zu  bedeuten.  Dagegen  ist  äusserst  interessant,  dass  V.  1373 
die  Conjectur  von  Heineke  ivâéwç  âçQtrw,  welche  Blaydes  in 
einer  einzigen  jungen  Handschrift,  dem  Cantabr.  1,  wiedergefundeo 
hat,  in  leichter  Verderbniss  wiederkehrt;  BV'^iwg  i^aQatrw  haben 
Cant.  3,  Harl.  1,  Bodl.  1,  eV'^vg  i^açdjxw  alle  übrigen,  und  i|a- 
çatjw  wird  von  den  Scholien  zu  R  bezeugt.  Von  den  weiteren 
Varianten,  die  jeder  leicht  in  Blaydes  Ausgabe  nachschlagen  kann, 
erwähne  ich  nur 

1376  xanirctße:  xanirctßev  die  jüngeren  Codd.,  xanialißB 

RS,  xini^Ußtv  V. 
1379  Iv  dixji  yag  wie  @  Elb:  hôlxwç  ydç  A0  Bodl.  8,  b 
ôUf]  y"  av  RV  und  die  überwiegende  Zahl  der  jüngeren 
Codd. 
1407  ïnnù){v):  ïnnov  V  und  ein  Theil  der  jüngeren. 

1409  xal  TtQwr'i  xai  Tiguitov  V. 

1410  eyœyé  a*  (a^  über  der  Zeile  vielleicht  von  zweiter  Hand): 
ïyw/  STX  Par.  19,  Bodl.  1.7;  Mut.  2. 

1411  oif  xafie:  oix  av  kfih  V. 

1412  TvnT€cv  t'  mit  den  jüngeren:  %in%eiv  d^V,  %vn%€iv^* 
1417  iytà  ôé  y":  èyià  ô'  V.  Mut.  1.  2.  3,  Bodl.  l.  7  T. 

141S  elxoç  T€  mit  R  und  wenigen  jüngeren  gegen  V  und  die 
Mehrzahl,  die  elxoç  ôé  haben. 

Die  Folgerungen  sind  klar:  unsere  Aristophanesüberlieferung 
ist  nicht  in  der  Art  einheitlich,  dass  R  und  V  als  älteste  Zeugen 
derselben  etwa  frühbyzaolinischen  Recension,  von  der  auch  die 
Übrigen  Handschriften  abstammen,  das  meiste  Vertrauen  verdienen. 
Die  verschiedenen  Receusionen^  welche  es  im  Alterthum  gab«  haben 
noch  auf  bisher  kaum  beachtete  junge  Handschriften  weiter  ge- 
wirkt. Ein  Stemma  der  Ueberlieferung  zu  geben  wird  wohl  niemals 
möglich  sein. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAHHLUNG      605 
II.    Zu  Apollonios  von  Rhodos. 

Die  Ueberlieferung  der  Argonautika  ist,  soweit  wir  wissen, 
sserordenllich  einheillich.  Dass  sie  freilich  von  spaten  und  ge- 
Itsamen  Interpolationen  nicht  frei  ist,  hoffe  ich  durch  einen 
reifen  aus  der  ältesten  Handschrift  zu  belegen. 

Das  Pergamentfetzchen  (n.  173),  um  das  es  sich  dabei  handelt, 
auf  der  Rückseite  traurig  entstellt,  da  das  weiche,  schwammige 
rgament  in  zahllose  Faltchen  zusammengedrückt  und  abgerieben 
.  Die  Schrift,  etwa  dem  8.  oder  9.  Jahrhundert  angehOrig,  ist 
b,  am  Zeilenende  ist,  wo  der  Raum  nicht  reichte,  eine  beliebige 
izahl  Buchstaben  über  die  Zeile  gestellt.  Ein  gewölbter  Strich 
innt  sie  von  der  oberen  Zeile  und  zeigt  ihre  Zugehörigkeit. 

Die  Seite  hatte  29  Zeilen,  die  Schrifthöhe  war  ungefähr  20  cm, 
i  Schriftbreite  etwa  15  cm.  Das  Format  war  also  dem  der  Aristo- 
aneshandschrift  ahnlich. 

Die  Vorderseite  enthält  folgende  Reste  von  3,  145—161: 

145  UU 
MHA 
NUÜAGM 

AfcceTo 

ANTOMé 

isojcYccenÖT 

ICtuü  .  YN 

HM..TOIAUÜP 

eiKGNeNlCKHM 

(|)H  •  ÖA'  ÀP'  ACTPAFA 

155  MHTPÔcéHCeYUAN 

AYTÎKAA^  ÏOAOKHNX 

TTPGMNUüKeKAlMeN 

6K 
.  HAeAlOCMerAAOlOO 

.  .  .  .  P .  neiTATTYAACeZ 

160 eNASKAT 

n 


158  6K  über  der  Zeile  ia  dünnerer,  steifer  Schrift. 


606  R.  REITZENSTEIN 

Auf  der  Bückselte  unterscheidet  man  Kette  von  173—191  : 

I 

■  KU) 

n€P 

175  ^  YPAC 

MNeTEKHAOI 

lAIHTAO 
YC 
TOlCIN  e  .  .  .  0 

eP  .  .  .  NTI  .  .  .^^ 
180  Y 


icoMe 

A .  eeproMeNoicjN  ay  . . . 

1S5  N  eneeccireneiPHÔ .... 

NC<|)éTepoNKTep 

INAPeCCACOAl  MG 

YOOCOKeNMOAlC 

HGKATAXPÇ  

inoTAMY 

T 

Dass  die  Handschrift  derselben  Ueberlieferung  wie  LG  und  dir 
jüDgeren  angehört,  beweist  der  allen  gemeinsame  Schreibfehler 
inéiaat  in  V.  1S5,  dem  gegenüber  wohl  niemand  auf  eine  orlho- 
graphische  Absonderlichkeit  wie  176  nlurer'  hiiiXoi  Gewicht  legen 
wird.  Um  so  wichtiger  ist  die  Abweichung  in  V.  15S,  welcher  io 
unseren  Handschriften  übereinstimmend 

ßi]  ôè  ôiex  fieyâçoio  ^loç  nayxacnor  àkwr^y 
überliefert  ist.') 

An  dieser  Fassung  hatte  schon  Gerhard  (lect.  Apoll,  p.  77) 
Anstoss  genommen.  Hera  und  Athene,  welche  Aphrodite  in  ihrem 
Hause  auf  dem  Olymp  aufgesucht  haben,  geben  mit  dieser  dcD 
Eros  suchen  OvXvunoio  natu  nxvxaç.  Sie  finden  ihn  Jibç  9a- 
legfj  fv  àXùtfj.  Wenu  er  nun  zur  Erde  eilt,  so  ist  die  Beschreibung 
ßrj  ai  dieyi  fteyâçoio  Jiàç  Ttâyxagnov  âXorriV,  selbst  wenn  wir  fii- 
yagov  gleich  olxog  im  weitesten  Sinne  fassen,  unklar  und  unschOo. 

1   /$r;   SeSi'  éxfiiyâçoto   L. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPYRUSSAMMLUNG   607 

Gerhard  vermuthete  ßrj  âk  âi^  ix  /Asydloto  Jibç  fiayycacnov  àXœijvj 
wenig  Oberzeugeud,  weil  wir  dabei  dux  von  dem  daneben  siehenden 
Genetiv  Irennen  müssten.  Dagegen  scheint  mir,  was  unser  Text 
bietet  [ß]fj  de  Jioç  fieyâkoio  '3[éœv^)  TCêQixaXlia  aktor^v]  in 
jeder  Hinsicht  ansprechend.  Was  der  Corrector  gewollt  hat,  ist 
schwer  zu  entscheiden;  ich  glaube,  dass  zunächst  AI€K  ganz  me- 
chanisch aus  Aloe,  dessen  O  unleserlich  geworden  war,  verdorben 
ist,  und  dass  erst,  als  öiex  nun  im  Text  stand,  aus  dem  miss- 
verstandenen MGFAAOIO  061ÜN  durch  Interpolation  ^yàçoio 
Jioç  wurde.  Es  lohnt  vielleicht  nachzusehen,  ob  sich  in  der  noch 
wenig  bekannten  jüngeren  Ueberlieferung,  die  sicher  nicht  ganz 
aus  L  stammt,   weitere  Spuren   dieses  Herganges  erhalten  haben. 

Hl.   Zu  Isokrates  und  den  Florilegien. 

Ein  kleines  mit  der  Scheere  zurechtgeschnittenes  Papyrusblatt 
{Pap.  graec.  92),  seiner  Zeit  meine  erste  Erwerbung  in  Kairo,  ent- 
hält auf  seiner  Vorderseite  in  grosser,  wundervoller  Uncialschrift 
etwa  des  beginnenden  3.  Jahrhunderts')  Isokrates  7cçoç  Jiniôvi- 
xov  §  45  in  zwei  schmalen  Coluranen,  deren  jede  ursprünglich 
23  Zeilen  umfasste. 

1  11 

.  .  .  ri;yXA  XPUUMGNOC- 

viü  TcJy  MSn  THnePlTHN 

yàç  aXXwH  AAAHNÏÏAI 

%ovç  nU\  AeiAN(|)IAO 

a%ovg  bvqH  TTONIATON  5 

aouev  cL'CüeP  TAPAYTUU 

tüv  (TtT/fiN  TABeATICTa 

%olg  fidiaTo\c  TTPATTeiN 

^aXkov  H  eniTATTON 

%oiq  vyuMo  TATOYiON        lo 

lâjoiç  xol  eiKOCKAl 


1)  Bezw.  &iêtv, 

2)  Die  ZeitbeslimmuDg  danke  ich  der  grossen  Güte  Prof.  Wilckens,  der 
zu  der  Schrift  der  Vorderseite  in  dem  Fragment  aus  Demosthenes  de  corona 
Oxyrrh.  I  25  pi.  3  das  beste  Ânalogon  findet.  Die  Schrift  der  Rückseite  kann 
nach  ihm  nicht  mehr  dem  4.,  wohl  aber  nach  den  Formen  der  einzelnen 
Buchstaben  eventuell  sogar  dem  2.  Jahrhundert  angehören;  doch  deute  auch 
hier  der  Geaammtcharakler  mehr  auf  das  3.  Jahrhundert. 


608  R.  REITZENSTEliN 

çovjaç  oY  TOYCAAAOYc 

twg  xai  tflN  TOYCeülTHN 

Die  einzige  neoDeDswerthe  Variante  ist,  dass  in  11  3  oov,  welcbet 
die  jüngeren  Handschriften  einschieben,  hier  wie  im  Drbinas  fehlt 
Wichtiger  ist  die  Rückseite,  welche  in  einer  eigentbanlich 
steifen  und  verschnörkelten  Schrift,  die  ebenfalls  noch  dem  3.  ithr- 
hundert  gehOrl,  Reste  eines  Florilegiums  bietet,  durch  welches  sich 
vielleicht  schon  der  erste  Besitzer  die  inhaltlich  einem  solchen  ja  sehr 
nahestehende  Isokratesrede  nachträglich  erweitern  liess.  Von  der 
obersten  Zeile  ist  das  HauptstUck  weggeschnitten.  Ich  lese: 
TATOYCj 

PYIATÖKAIAieceiCATOeiTA 
MHT€KeNOCMHTeMeC 
PeYCAl  •  €§TATOIAYTACTINAC 

KAieniM€AeiAcnepiTOYnop 

nPOCMGAieïHeiOYTOCONA 
OTOYH<l>AIC§OYiePeYCAC6r 

CG 
AereiNTTPOCTONAeKOAO(t)U) 

TOIC€nH;?'|€NOTieiOeA€l 

KIANArAf/yeiN€NM€NTAICA 

OYKABUDTONOYTUUCeCTI 

MOixeiAre  nhtaikaitoytoai 

nHCAMAATTOnNeireTAIKA 

OYTlAlNOMIMONeCTINKAI 
tABOPeiNOY 

enAMeiNlüNAACrAPOOHBAi 

GAAHNUUNTAYTHNeclïHMenCT 
Die  Zeilen  waren  uffenbar  sehr  lang;  die  Ergänzung  wird  noch 
durch  die   (iDgleichmässigkeit  der  Schrift  erschwert;   so  oehmeD 
z.  B.  in  Z.  3  die  16  Buchstaben  denselben  Raum,  wie  die  23  in 
Z.  2  ein.     Für  die  Reconstruction  des  Gedankenganges  muss  m.  E. 
maassgebend   sein,   dass   es  sich    um  ein  FlorilegienslQck  bandelt, 
dass   ein   den  Meisten  befremdliches  vefuftov  in  einem  brieflichen 
oder  mündlichen  Bericht  über  eine  Unterredung  gerechtfertigt  wird, 
endlicli  dass  Z,  10 — 13  die  bekannten,  immer  wiederholten  Grflnde 
gegen   die  Ehe  entliaiteo')    und  in  Z.  5  von  der  noçyeia  im  all- 

1)  Vgl.  Gellius  V  18   und  die   von    Freudrolhal   Rh.   Mus.  35,  413  id- 
''fûhrle  Lilteratur.     Der  Gedanke  kehrt  in  den  d'iaus  n  ya/u/Ttov  wieder. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPYRUSSAMMLUNG   609 

gemeinen  die  Rede  ist.  Um  die  Unterhaltung  eines  christlichen 
Asketen  mit  einem  Heiden  kann  es  sich  kaum  handeln;  nicht  vom 
Fasten,  sondern  von  den  massigen  Mahlzeiten,  wie  sie  z.  B.  Apol- 
lonius von  Tyana  mit  seinen  Schülern  hielt,  scheint  in  Z.  3  die 
Rede.')  Auf  die  Litteratur  über  ihn  oder  andere  Neupythagoreer 
scheint  unser  Stück  zurückzugehen.  Ich  will  statt  eines  langen 
Commentares  lieber  einen  Ergänzungsversuch ,  der  natürlich  gün- 
stigsten Falles  nur  den  Gedankengang  treffen  kann,  geben: 

rdrovc [fcokkaxic  diu)]- 

ov^aro    xal    öuaelaaxo*    elta 

uijte  xevog  fii^iB  fÀ€a[TOç  xoii^rj&fjvai  T]  diavvxJ€]Q€vaai'  e[Z]ra 
loiavvaç  tivàç  [innrjâeiaug  te  éavtov]  xal  ènifiBlelaç  negl  5 
lov  noçlvelaç  ânixea&ai  ndarjç]  nçog  fie  die^ff£i  oitoç^  oy 
l[ayviaTa%ov  (oyofÀaaev]  b  %ov  ^Hq>ala[T\ov  leçevç,  aç  èy[ià  ovx 
av  ôvvaifiriv  ov6ï\  Xéyêiv  tcqoç  ae.  %ov  ai  xoXoq>ùi[va  ixeî- 
voy  (.lâXiaia  %ov\ioiç  l/i^f/jcO  on  el  â'éket  [tiç  yvyaîxa  elç 
Vfjv  ol\Klay  àyQ[y]€lv,  h  fikv  taîç  a[laxQC[iç  àridla*  xaï  nwç]  10 
wx  aßiwTov  ovtwç  èa%l[v;  h  de  taîç  xaXaîç  (poßog  jui)]  juox- 
[ela  yivrjrai'  xal  %ov%o  al^oxi'OTOv  èariv,  ozi  vno  AtJj/rîjç  afxa 
trtonyiyBiai  xa\l  im&vfÀlaç.  aixolg  ôïî\  ovtw  vofÂifiov  iariy 
:aî  [rtdarjç  inéxsa^ai  fil^eœç]. 

Das  aus  Favorinus  entnommene  Stück  hflngl  wahrscheinlich, 
nit  dem  von  Freudenthal  im  Rh.  Mus.  XXXV  408  besprochenen 
Verke,  den  rvm^oXoyixa,  zusammen.  Wichtig  ist  die  Einführung 
les  ct7z6(p^ey^a  durch  yaQ.  Sie  zeigt,  dass  Favorinus  nicht  nur 
len  Aussprüchen  berühmter  Männer  eigene  allgemeine  Betrach- 
ungen  vorausgeschickt  hat,  wie  mau  dies  bisher  annehmen  musste, 
ondern  dass  er  die  anoq)&éyfiata  v^ie  die  Gnomen  in  sachlich 
geordneter,  zusammenhängender  Darstellung  bot.')  Eine  Fundgrube 
Ür  die  Verfasser  von  Florilegien  oder  die  Zusammensteller  von 
ipophthegmensammlungen  war  das  Werk  gewiss,  aber  der  Form 
)ach  war  es  weder  das  eine  noch  das  andere,  sondern  eine  Samm- 
ung philosophisch-rhetorischer  Vorträge  über  moralische  Themata, 
lierzu   stimmen,   wie  schon  Freudenthal  gesehen  hat,  die  Frag- 

1)  Z.  1  und  2  könnten  die  Enthaltung  vom  Weingenuss  vorschreiben. 

2)  Vgl.  Aelian  H.  /4.  13,  12  teal  8rj  teal  rov  xoloipivva  énijyê  r(p8ê  r^ 
cyip  navxl  ixelvav. 

3)  Genau  entspricht  Stob.  119,  16  ex  iwv  4>aß(o^ivov  tibçI  ytiqav  Sêô^ 
tûÇO£  fiiv  yaç  6  Kv^vàîos  oiSê/iiav  ixavr^p  nqcipnaiv  êfaaxêv  êlnu  xrX, 


610  R.  REITZENSTEIN 

mente  (z.  B.  104.  106.  110  Marres),  die  diesem  Werke  abto- 
sprechen  jetzt  noch  weniger  Grund  Torliegt.  Allein  wir  dOrlen 
weiter  fortschreiten.  Freudenthal  hat  einen  falschen  Ausgang 
punkt  gewählt,  rvwfiokoyixa  ist  gar  kein  Titel  und  als  solcher 
nicht  bezeugt  Zu  der  Suidasvita  ist  nach  der  vollkommen  ab- 
geschlossenen Schriftenaursahlung  (xal  aila)  nachtraglich  von  eioem 
B]fzantiner  hinzugefügt  ovtog  fyçaipe  koI  yytofioloyixa.^)  Die 
Erklärung  bietet  eben  Freudenthals  Fund.  Es  gab  einen  byno- 
tinischen  Auszug,  welcher  einerseits  anoq>&éyiiaza ,  andererseits 
Gnomen  entliielt;  ihn  bat  JMaximus  benutzt.*)  E&  ist,  wie  die 
Uebereinstimmungen  mit  Stobaios  zeigen,  ein  dürfliger  Auszug  aus 
demselben  Werk,  oder  besser  demselben  corpus,  welches  dieser 
benutzte.  Dasselbe  muss  als  solches  allgemein  bekannt,  seine  Titel 
denen  des  Florilegiums  z.  Tb.  ähnlich  gewesen  sein.  Nur  so  ist 
es  zu  erklären,  dass,  wie  Stobaios  in  der  Regel,  so  auch  uoser 
Autor  keinen  Specialtitel  cilirl.  Aber  ,gnomologisch*  war  es  nicbt. 
Seinen  Charakter  lehrt  uns  Gellius  IX  8  kennen,  der  einen  Theil 
des  von  Stobaios  49,  48  angeführten  Fragmentes  mit  den  Worten 
einleitet  hanc  sententiam  memini  a  Favorino  inter  ingéniés  omnium 
damores  detomatam  ind^uwnque  verbis  his  paucissimis.  Eine  Re- 
stitliguDg  bietet  uns  Philostratos  vit.  Apollon.  IV  25  ^Jrjfujtçioç 
....  ov  OaßwQivog  vazeçov  iv  noXkoîg  %wy  iavtov  Ilo- 
ywv  ovx  ayevvajg  l/rc/uyifa^i}.')  Es  kann  sich  dabei  nur  um 
moralphilosophischc  Vorträge  handeln.  Traten  in  ihnen,  wie  wir 
dies  ja  bei  dem  vielbelesenen  Sophisten  ohne  weiteres  erwarteo, 
die  Dichterei  ta  te,^)  die  Gnomen  und  àîtoç^éYpiaxa  besonders  stark 
hervor,  so  ist  die  weitgehende  Benutzung  in  den  Florilegien  ebenso 
wie  der  ,gnomologische'  Auszug,  dessen  Reste  Freudenthal  entdeckt 
hat,  erklärt. 

Gellius  erwähnt  diese  Reden  stets,  als  ob  er  sie  lediglich  dem 


1)  Selbst  wer  diesen,  m.  E.  nolhwendigen  Schluss  nicht  machen  woHte, 
mûsste  den  Satz  wenigstens  sachlich  mit  yéyçanxai  yox-v  aixtp  ipûâ^ofa  xt 
xai  iaroçixâ  verbinden;  auch  dann  ist  yvtofioXoyixd  Icein  Titel. 

2)  Leber  den  Titel  ex  xwv  (Paßtocivov,  vgl.  Freudenthal  S.  415. 

3)  Sehr  möglich  daher,  dass  die  Erwähnungen  des  Kynilcers  Demetrios 
in  der  Florilegienlitleratur  auf  dies  corpus  zurückgehen.  Die  Ijoyot  ftU- 
GOffoxfiEvot,  welche  Philostratos  {vit.  Soph.  8)  erwähnt,  umfassen  neben  deo 
^vçioi'Bioi  /.oyat  auch  diese  moralphilosophischen. 

4)  Vgl.  Fr.  109  und  87  Marres. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPYRUSSAMMLUNG       611 

Gedfichtoiss  eotnimmt;  aber  er  cilirt  IX  8  zweifellos  Dach  der 
Ausgabe.^)  Wenn  nun  Phiiostratos  (viL  Soph.  8)  einen  Xoyoç  inl 
j(ß  li]Ç(fi  bezeugt  und  Gellius  1  15,  17  nach  prSchügen  griechischen 
Citaten  Ober  das  IrjQelv  erwähni,  Favorinus  habe  die  bekannten 
Verse  aus  Euripides  Bakchen  386 — 388  im  Gegensatz  zu  anderen 
auf  die  Schwatzer  bezogen  (was  allerdings  auch  Plutarch  und  an- 
dere thuD),  so  gilt  mir  als  wahrscheinlich,  dass  Gellius  auf  diese 
Rede  Bezug  nimmt,  und  als  möglich,  dass  Stobaios  36,  13  aus 
Favorinus  stammt.  Ich  führe  auf  diese  koyoi  ferner  noch  Gellius 
I  3,  27  (Ober  die  Freundschaft),  V  11  (ei  yafirjzéovl),  XII  1  (Ober 
Kindererziehung),  XIX  3  (über  Lob  und  Tadel,  Tgl.  Fr.  104  Marres), 
ja  selbst  XVII  19  die  Gnomen  des  Epiktet  zurück. 

Auf  die  schon  von  Marres  bemerkte,  nun  immer  deutlicher 
hervortretende  Aehnlichkeit  der  Schriftstellerei  des  Haximus  von 
Tyros  und  auf  die  Schulvortrüge  der  Philosophen  kann  ich  hier 
nicht  eingehen. 

Der  Spruch  des  Epaminondas  ist  m.  W.  sonst  nicht  erhalten. 
Wie  gut  ein  Spruch  gegen  die  nogvela  —  denn  nur  diese,  nicht 
die  Ehe  kann  als  das  grOsste  Unglück  in  Hellas  bezeichnet  sein  — 
in  den  Mund  des  in  strenger  Selbstzucht  nur  der  Politik  und  dem 
Waflenhandwerk  lebenden  Mannes  passt,  brauche  ich  kaum  zu  er- 
wähnen. Vielleicht  hilft  auch  dies  Fragmentchen,  in  den  noch  wenig 
bekannten  jüngeren  lateinischen  und  griechischen  Apophlhegmen- 
sammlungen  die  Spur  des  Favorinus  verfolgen. 

IV.    Zu  den  lliasscholien. 

U.  Wilcken  hat  in  den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akade- 
mie 1887  S.  817  aus  einem  Pariser  und  einem  Berliner  Papyrus- 
blatt des  3./4.  und  des  5.  Jahrhunderts  den  Anfang  zweier  Glossen- 


1)  Die  Manier  wird  besonders  klar  durch  II  1,3  de  fortitudine  eitu  viri 
ui  pleraque  disterens  (woraas  M.  freilich  niemals  einen  Titel  nêçl  rtji  JSW- 
nçdrovç  ^{ofArjç  hätte  machen  dflrfen)  und  XIV  1,  wo  unzweifelhaft  eine  Rede 
xaxà  Xaldaieav  vorliegt.  Aber  auch  von  den  Fictionen  des  Gellius  abgesehen 
—  wir  beziehen  viel  zu  häufig  ein  dicebat  oder  itpaantv  auf  mündliche  Tra- 
dition und  vergessen,  dass  es  z.  B.  Lucian  (nêçl  r^s  ènotpçâSos  32)  fertig 
bringt,  Euripides  Bakch.  386—388  mit  den  Worten  einzuführen  a>6  o  xaXis 
EvçèfUSriç  Xdyêtv  sïœâ'êv.  —  Ob  das  ^vyycaßi^nav  nsçl  «v^^s,  welches 
Phrynichos  citirt,  oder  die  Schrift  ntf^i  ytjçopQ  bei  Stobaios  zu  diesem  Ck>rpu8 
gehörte,  ist  natürlich  nicht  zu  entscheiden. 


612  R.  REITZENSTEIN 

Sammlungen  zum  ersten  Buch  der  Uias  herausgegeben.  Ihre  Ver- 
wandtschaft mit  den  sogenannten  Didymosscholien  hat  Wilamowiii 
in  dies.  Ztschr.  XXlil  142  hervorgehoben  und  die  entscheidenden 
Folgerungen  gezogen.  Der  Glossenbestand  ist  verschieden;  das 
jüngere  Blatt  bietet  eine  ganze  Reihe  der  allertrivialslen  Umschrei- 
bungen mehr.  Ein  sehr  viel  grösseres  Stock  aus  der  Mitte  des- 
selben Iliasbuches  erwarb  ich  für  die  Strassburger  Sammlung  im 
Fayoum,  allerdings  in  traurigem  Zustand.')  Die  Schrift«  etwa 
dem  3.  Jahrhundert  angehOrig,  ist  z.  Th.  verloschen ,  z.  Tb.,  be- 
sonders im  Anfang,  weggerissen,  der  Rest  nur  mit  furchtbarer  An- 
strengung der  Augen  lesbar.  Die  Buchstaben  sind  unregelmässig, 
je  nach  dem  Raum  breiter  oder  schmäler,  zwischen  Lemma  und 
Erklärung  bald  mehr,  bald  weniger  Raum  gelassen;  fast  jede  An- 
gabe über  die  Zahl  der  verlorenen  Buchstaben  ist  unsicher.  Die 
Vorderseite  nimmt  eine  längere  Rechnung  ein.  Zur  Ergänzung 
helfen  vor  allem  die  Didymosscholien ,  für  die  ich  leider  nur  die 
Baseler  Ausgabe  (die  Hervagiana  von  1535)  benuuen  kann,  lieber 
die  handschriftliche  Tradition  dieses  Theiles  der  Didymosscholien 
wissen  wir  bisher  nichts;  etwas  hilft  die  Bekkersche  Paraphrase, 
die  nach  einer  Recension  dieser  Scholien  gemacht  ist,  sowie  die 
interlinearglossen  des  Venelus  A.  Die  Uebereinstimmung  ist  durch 
die  Buchstaben  DPA  am  Schluss  der  Glossen  angedeutet.  Ueber- 
einstimmungen  mit  Eustathios  (E)  sind  nicht  immer,  sondern  nur, 
wo  sie  Wichtigkeit  zu  haben  schienen,  angegeben.  Von  der  ersten 
Columne  sind  nur  wenige  Zeilenenden  erhalten.') 

Col.  1. 
20  ....    rag 

avai 


QOViOV 
(JÜV 

25  (oôov  elv^éiiievaf  sic  èv)éàQag  II.  l,  151 


1)  Bezeichnet  als  Pap.  gr.  33;  Höhe  2ü,3  cm,  Länge  80,5  cm. 

2)  Accenle,   Spiritus,    Apostroph   und  Interpunktion    fehlen   vollständig. 
Jota  muluvi  ist  nie  gesetzt.     Die  Orthographie  ist  bis  auf  die  Verwechselung 

'OU  t  und  El  und  c  und  ai  richtig. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAMMLUNG      613 

Col.  IL 
>) 

/) 

eJÀax(t) 155 

.i}aay(To) 156  5 

evra 157 

ïvaidi{ç)'  (fieyàktoç)  ävaidea(taT€).  DP  158 

• (t)^I'  Tif4w{Qiav).  DPA  159 

)fÀ€&a' ^€v.  158 

)fiev{oi)'  (àvtiKaTaXX)aaao(jiëvoi).  DP  159  10 

)n{ay  ci(vaidiayr(ne.  DP  159 

xr  if    (v).  162 

ifjaa''  èx{a)xoiTtd)d7iaa.  DA  162 

Tç(ii)ut(v)'  (Ix  Tgwtüv),  rtaçà  Tçiiwv.  P  160 

)nç{é)rcj]'  (jÀBTaa%Q)é(p7}.  160  15 

iXt{yC)T^Biç'  oit,  o  ....  y  %XBiç.  cf.  E.  160 

iU^QOv 164 

lai  €x)^W*  TCOQ{BvoiÀat)^  fjxw  168 

«S- 

xi6fÀ€vov)'  Tri(v)  xaXùi{ç)  oUovfÀi^  164  20 

{yri)v.  DP 

iixoç'  {n)okXà(ç  oç)iÀàç  ^x^VTOg.  DA  165 

vaiv at.  166 

iç'  (jÀBÇia)fÂ6ç.  DPA  166 

rj(v)  n(oT)e'  èày  ai  7tot€>  P  166  25 

•  xon(id)aœ.  PA  168 

liiÇwv)'  {7to)XêfA(iy.  DPA  168 

Col.  111. 


• 

169 

v(iatv)' < 

170  5 

^ ç 

Tivrai)' 

173 

ifiàya)  oder  (fiayâltos)  denkbar 

8  {xjrjv  über  der  Zeile 

15  So 

ieTa}nç{a)7i8i         III  4  smrj 

mos  XXXV. 

40 

614  R.  REITZENSTEIN 

aq>€v{oç)' fjç  171 


10  aq>v^êi{v)'  èniavtXriaêiv).  DP  171 

XiaaofÀai' 174 

naç^  l(lÀ)o(i  yfi)*  na(çeiaiv  èfÂoi),  D  174 

f4t]tUta'  ßov(X€vrix6c).  DP  175 

ïx9'ia%oç'  lix&QOTaTog).  DP  176 

15  ôi{o)%QBq>iwv'  à{no  Jioç  to)  176 
yjvoç  ixo{vT(oy) 

ovô'  o&ofAar  (ovdk  iniy  181 

a(T)Qeg>o(fi)a(i  t)ovtwv.  cf.  P 

oé&ev  aov  .  .  .  .  DP  180 

20  notiovtoç'  oiçyi^ofÂivov).  DP  181 

nXialfjv  axîjWiJy.  DP  185 

aTvyiji  dé'  (poßrj(&ff).  186 

iaal'  vnciQx(eiç) ai.  P  176 

ofÄOiW&r^iiiiByai)' 187 

25  avrrjv  i§  iva{vTiaç).  DP  187 

q>àa&af  elneîv.  187 

Xaaloiai'  n;vxvoî(ç).  189 

ueçuiiQiBev'  i 189 

Col.  IV. 

(diàv)dix(ay  iâi)x(ôç  f^i(oi) DPA  189 

[içvaad)fÂêvoç  '  anaaà^evoç.  DPA  190 

oç'  (pq oç 

xrj^ôofÂévrj)'  q>Qovtl^ovaa 196 

5  avao(ji^aBiey)'  avaarrjvaii)  noir^O]].  191 

iv(açl^oi)' rj  aKvXiêvoi).  cf.  E.  191? 

(âiç/Âaive)'  {ât)evoelJO.  DPA  193 

{èçrjjvaeié  ze  dv^)6v  xatdaxoi  Trjv  192 

0{Q)y7]V. 

10  x(o)k{eolo)'  (^t)(po{&ri)itrjç  rov  ^lg>ovç.  DP  194 

(oiçavo&ev)*  {s^  ovçavov.  DP  195 

nço  yà{ç)  f^{x)e'  7tQoén€fi(ipe)  ydç.  DPA  195 

ô/nûig'  o/ioiwç,  DP  196 

{k)evxwX€voç'  Xevxo ç  195 

15  XevKi]. 

lu  a(fv^t{v)         26  «tTTiv 


LUS  DER  STRASSBURGER  PAPYRUSSAMMLUNG      615 

o>V.  DP  I  &iäfiß)f}aev'  ii)(poß/X^)rj.  DP          198.  199 

• ïctJÇ 

^dav)&€V'  avq xga  200 Î 

4f  V  20 

{g>6)ß(o)v  aiioi.  200 

Tr€^(o6yx)a'  %axBî{g  X6)yovç.  DP  201 

o(f{d)aXiioL  DP  200 

v^ag 1] 202 

9£o'  oly.^àoyxov  (ij)  a/yig  25 

'Ziniov) cf.  DP  202 


»«     r// 


zl{laiçy  (vn)BQ(îj)q>(aviai)ç.  DPA  205 

Col.V. 

7i)iç'  yX{avx6q))&ai.fioç.  DP  206 

ti&r})ai'  èûiv  neia&fjç.  DP  207 

....  1^-  ï(pfj,  iil)nê.  DP  •  210.  219 

aaa)'  tqiç  To{a)avta.  I  xQV '  '*^-  213.  216 

Qov)'  vfi{ù)v  T)cJy  ovo.  cf.  AD  216    5 

Try  toî;  ^{i(po)vg  )iia)ß^:  AB  219 

x(€),  lax€.  219 

iti)/iiovaç  aXX{ovç)*  nqoç  tovç  222 

\viâ{ç)a.  DPA  227     10 

Odijvar 226 

(palverai.  DP  224 

q{o)îç'  (yiQ)v€QOÎç,  223 

[(>)^ç-  oMq)  ߀ßaQr})fiiyi£)y  225     15 

iu^^ae.  DP 

[ofi)fÂaTa  e(x)(ov*  (âv)aiâéaTaTe.  D  225 
•)  d'  ilâq)oio'  (â)€i(Xé)*  ôeiXoy  yàç 

Q(poy  Ua(poç.  cf.  D  225 

0-  â(3paiç(o)t}.  275?  20 

Drç-  V7tOfiB^é\{ri)yia{g).  D  228 

2  Ta;e«(6)        25  Möglich  auch  «uj^fov^ov        V  13  «Jrr«        14  ge* 
wohl  ß{c)vioo^s        15  Oi{vofi)a{ç}tjç 

40* 


616  R.  REITZENSTEIN 

(Xw)iov'  ßikTiov.  m 

{ari)iAo(ß6)Qog*  b  %à àrifiov  231 

25  (o)v%ià{av)oîç*  fJi{ri)àaiiLvoîç.  231 
{o^ovg-  x)Xadovç.  ||  ida%)aTa'  ïoxa%a,                            234.  232 

X(wßT^aai)o'  ßk(a)ipaic.  232 

ig>va€i)'  avaßXaatri{a)Bi.  D  235 

Col.  VI. 

.  .  .  .^ .  i4ß  .  .V, 

o(ix  àifaâ)rjki]aêf  ovx  ayaßkaarii^aBi).  DP  236 

fi yr 

(pX{oi6v)'  .  .  ov  237 

b  ytu no  .  .  .  Jiiiq 

noi^Ti)*  avia^TJTrjaiçy  240 

elQv(a)Tai'  q){v3L)àaa{ovai)v,  DPA  239 

evr"  av  (ot)av.  DP  242 

fieçànwv  /Âê/€(Qia)fÂivov  'é-  250 

10  X^^T^Ç  .  ,  t]  .  . 

nçoa&e*  nQÔTt{Qo)v»  PA  251 

i(p&ia&ot  (so)*  i(p^aQf4ivoi  elialy).  cf.  D  251 

rjya&i^'  ayav  &ie)iay  (so),  cf.  E  252 

ag>ly' avtoîç.  cf.  DP  253 

15  01  7t{6n)or  œ  nanai'  eari  ôk  ijiiçQrj-  254 
((do)  ax€tXiaafi{ov). 

lx(àyeiy  xaTaXa(j4ßd)v(€i),  P  254 

^Ax{auö)a  yaiay  %(riy)  IlekoTCoyyi]-  254 
aov. 

20  y7j{xh^)aet'  xciç(elr]).  DA  255 

n{v\^oLaT)o'  à'AOv{aBiav).  P  257 

fia{Q)v{afi)év{ou)v  (jLiaxo)/iiév(ûv  ôvixcjç.  DPA  257 
oï  neçï  fièv  ßovkfj  Javawy*  (oï  'tfi)v 

(ß)ovX{ri)v Twv  'EXXijyœy.  25S 

25  7i{eçl  ô^)  èaié'  neçleate  âé  E.  258 

dgieiooiv)'  xçeiaaoai.  DA  260 


VI  2    (avad')r]Xrjai    und    avaßXaffrrj(a)i  7    éçv{a}Tê  15  «f»- 

oïî(^a)  20  yri{&Ti)ai  hierauf  vielleicht  noch  drei  Bachstaben  22  Ge- 

schrieben  8vi        25  ne^iwra*  8i,  vorher  vielleicht  noch  vier  Bachsttbeo 

26  xpiaacaai 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAMHLUNG   617 

fi{filXr})aa*  aiv)v{'q)X&ov  avve  ....  261 

GoLVIl. 

i&éçiÇov'  an(€)âoxlf4a^ov.  DPA  261 

àfTl^BOV  la{fid)Bov.  DPA  264 

%Qàq>Bv'  iTQ{ä(p)i^(aa)v.  DP  266 

inix^ovlœv  i[7t)i(y€l)(üv.  DP  266 

i<p)rjQaly  xevravQoig.  cf.  D  268  5 

oQeaxtpoiOi'  h  5(q)€{i  âi)aiTw-  268 

/Âévoiç,  DPA 

{è)xnàyX(uç'  ix(n)X{7i)iitixwç,  lf(o)xcüc.  cf.  DA                        268 

anlrjç  yairjç'  Tr^ç  fxaxQO&ëv,  270 

Ti^ç 10 

xar'  ifÀttvtov  xarà  xîj(y  i/na)v%ov  271 

âvvaf^iv  DP  g  ßQOTOQ'  (av)9Q{(u7C0ç).  P  272 

(^vviov*  avvi{ßa)av,  7Ja&{dvo)vto.  EA  273 

avTißlrjv  IÇ  l(v)aiv)Tiaç.  DP  278 

anoalQBO'  àq)(aiQ)ov.  DP  275  15 

SfXflOQe'   fi€T   ....€,    (6Ï)ÀÎ?X«'  278 

ofÂoiriç*  ïarjç,  DA  278 

axrjntovxoç'  axriTtXQOçoQoç.  DP  279 
X6il€i;^oi;ç*  (o)doi;g. 

fâB&ifiev'  iaaai.  283  20 

e^xo^-  Telxoçj  à{a)q>ài.eia.  cf.  DPA  284 

Ttéletai'  ylvBTaiy  èarl.  DA  284 

(x)aTà  fioÎQav*  xçt%à  rb  xa&rjiio(y).  286 

alxf^flfijv'  (jÀOJxi^Tfjv  290 

7r€(^){  (/t)ayTaiy  v/ri^  /rdyTc^y.  287  25 

alèv  BOVTBÇ'  âià  navroç  ovtBç»  D  290 

nço&iovoi'  n(QOt)Qéxovai.  DP  291 

Col.  VIII. 

ov%(iday6ç)' 293 

vnoßX'^d(rjv)'  vnoßaXktjy  nçlv  292 

a(y  o)  ^tBçoç  oiytjat]. 

vnieO^OfÂar  VTCOxcaQijow.  DA  294 

Vn  6  offtcx^o^^h  ^*  scheint  übergeschrieben  12  Wohl  (av)^^(ai)  ge- 
schrieben; Tgl.  das  bei  Ad.  Jacoby  Ein  neues  Evangelienfragment  S.  34  heraus- 
gegebene Gebet  Z.  16  16  iêt)lrjx'  sehr  unsicher  20  aêaa<u  21  itxo^^ 
a(a)faXia        22  ica*  oder  saxt        VIII  3  cnyrjcij 


61S  R.  REITZENSTEIN 

5  a/j(ßaiy)€'  è{n{)iaaa€.  2% 

lniTiXi.€o'  nçoaraaae.  DP  295 

(7tel)Q'f]ia)ar  (nBlQ)aaov.  302 

aiii(ovtoç)'  fÀfj  ßovXofxevov.  DP  301 

x€Àa(Oyoy*  liihiv.  DPA  303 

10  alxpa*  Toxitoç.  DA  303 

lQwi]atr  i^)Bv(a)Bi.  P  303 

äg  TcJ/e*  oCrTcoç  ovtoi.  DP  304 

(liVag-  laoToixovg.  DP  306 

Mevomaâi]'  Mevoitlov  307 

15  vl^'"  T^  IlaxQÔxXif.  DA  cf.  P 

£la€V  (l)x(a)^(ta)€i'.  DPA  311 

{ß)^aB'  (eveßlß)aa€v.  D  cf.  P  310 

{Tt)QoiQvaae  '  xa&elXxvaev.  DA  30S 

noXvfÂr]%{iç)'  TtoXvßovXog.  DP  311 

20  xaXXinaQjjov  xaXàç  naçeiàç  ïx^^^^^*  3^^ 

avtoyev  ixiXevev.  DP  313 

(àn)oXvifÀ)alv(e)a&ai'  aicoxa&aiçia-  313 

;^(ot).  DPA 

{vyç)à  xiXevd'a'  t^v  ôià  ^aXctaarig  312 

25  hdov.  DPA 

(ii;)]uaTa*  {to)  xa^acf^ara.  E  314 

(?^)doy  InexiXovv.  D  315 

ttXriéaaaç*  zeXtiag.  DP  315 

Col.  IX. 

nivovTO'  hrjçyovv.  DP  ||  ^lyiov  (pQixtov.  E  318.  325 

otçTjçùi'  ß  .  .  .  €Qc(   ^initeXXe'  inizaaae.  321.  326 
ßdTTjV  ènoç(6v&)riaav.  DA  ||  èçiovTO'  riQtizwv.  cf.  P   327.  332 

orQ{v)yéToio'  xçc^agâg  xaï  néçag  firj  èxovar]ç.  327 

5  TaQßi]aavT€g'  q^oßrj&ivTeg.  DP  331 

^BQajtoviag*  (v)n:î]çéjaç,  ev(io)i  de  âovXovg.  cf.  DP  321 

Tci)  ju^y  ov(jOi)  jU£v,  dfixcJç.  D  321 

aaaov  ïzb*  (TtQ6)aéQXB0d^e.  335 

nQ{o)ur  7cç{oé)ne^xp€v.  PA  |  (xrt«'«^'  XC«^.  DP  336.  341 

10  àm^véog'  qy.(hjçu)y.  DA  ||  ^lîef  iv^ovai^^  oçfÀÇ.  340.  342 

affag'  ev&é(u)ç).  D  ||  nçôaow  sfÂnQoat^e.  349.  343 

rôoqi'  x^^çiOÇ'  f)  ||  {6n)Laow  fiejà  zavza.  cf.  E  349.  343 

11    £na)r;(Jt    {ç)£v{c)i  13    («««)<T«s  IX    8    {n^)C9^x*(r&aê 

9    7r()(0)«(l)5< 


AUS  DEK  STRASSBURGER  PAPYRUSSAHMLUNG   619 

}Xirjç  aloç'  (rfjç  v)7to  %ov  àq>Qov  Xeuxaivoféé'-  350 

vt]ç  &aX(daar]ç).  ]  novrov  d-àXaoaav.  DP  350 

vona'  oiv{oei)ôfj  T?}y  XQ^^^  ïx^»'^«-  350  15 

:xad-elç'  çc(vaxl)iyaç  |  OQêyvvç*  ixTeiviaç).  DA  349.  351 

\jT)d'6v'  oUyov.  DA  ||  cxpiXkav  ä^pBlev.  DPA  354.  353 

yvv&âôiov  (okt)yoxQOviov.  DPA  352 

lv/n7tioç'  6  Zevç.  I  iè)yyvaXi^ar  iyx^iQiaai,  dqvvqi.  A  353.  353 
HfiçefiéTriç*  o  èy  vipBi  ßQoyrwv.  DPA  354  20 

wvQaç'  àq)B(là)^Bvoç.  DA  \  ßev&oc'  ßa&og.  DP        356.  358 
hvia'  iv{ti/noç).  DA  ||  nargl  yéqovxC  Tip  NrjçBî.  DP  357.  358 

{v)vwy' Il  xaQnalifxtJç*  Taxéu){ç).  DPA         407  î  357 

'%€'  xa&d{fteQy  iiç).  P  ||  ôfilxXrj*  axotla.  359.  359 

içoi^ey  ï/UTtQoa&e.  DP  |  oîa&a'  oîdaç.  D  .360.  365  25 

tagi^ai'  ameiy^  xaraip^aai.  cf.  DP  361 

Die  Aehnlichkeit  mit  den  tod  Wilcken  herausgebenen  Stücken 
It  sofort  in  die  Augen  und  die  erste  Folgerung  ist,  dass  dieser 
leil  der  Didymosscholien  mit  den  loToglai  überhaupt  nichts 
ihun  hat.  Der  Schluss  aus  einer  Randnotiz  eines  im  Inhalt 
s  unbekannten  Blattes  war  trügerisch.  Aber  dürfen  wir  über- 
upl  von  den  Didymosscholien  als  einer  Einheit,  wenn  auch  im 
iiteslen  Sinne,  reden  und  ihr  Alter  durch  derartige  Papyrosfunde 
stimmen?   Es  sei  gestattet,  etwas  weiter  auszuholen. 

Wie  unser  Werk  entstand,  zeigt  am  besten  VI  12  €(t>OIAOOI 
|)OAPM€NOl  €\{aiv).  Aus  einer  Interlinearglosse  ist  das 
ein  zu  erklären;  aber  gerade,  wenn  wir  diesen  Ursprung  an- 
hmen,  befremdet  die  so  häufige  Störung  der  Ordnung.  Auch 
Qst  finden  sich  Spuren,  dass  mehrere  glossirte  Texte  zusammen- 
arbeitet sind.  Ich  verweise  auf  IX  6  d'eçârcorvaç'  VTttiQétaç" 
lOi  âk  ôovXovç,  Die  Didymosscholien  und  Bekkers  Paraphrase 
;ten  &£Qdnoyt€'  vmjQéTai;  ApoUonios  87,  15  ^BQinov%€ç* 
X  Ol  dovloi,  âXlà  ndvraç  rovç  a^ecarcevtixioc  ^x^yraç  ovtw 
keî  xjX.     Die  Glosse  durchbricht  die  Ordnung.*)    Aehnlich   ist 

16  haa&iç  a{vaxX)eivas  und  iKTiy{aç)        19  avx^^^f^         20  sv  vipê 
vtiQê        26  a^naiv  für  anrêiv 

1)  Ganz  ähnlich  ist  V  4  tqIs  rocaa*  t^c  roffavra^  vgL  Did.  xçlç  rocca* 

llaxêC  Toaavra'  ov  yoQ  r^êTtlôata  avr^  naqêCxidtj  nafà  jéyofUfu^oroSj 

là   avv  rfi  Bc^arj[t8i  noXhà  âJUa,   tos  avxoi  ftjCêv  iv  r^  «'.     Auch  hier 

die  Stellung  insofern   beachtenswerlh ,  als  sich  unmittelbar  fünf  von  den 

lymosscholien  abweichende  Glossen  folgen  V  4—9.    Zu  beachten  ist  auch 

Stellung  von  II  14-19,  V  Jl— 25,  VI  9  ff. 


620  R.  REITZENSTEIN 

IV  6,  èvagl^oi ^  oxv^eioi).    Aoch  hier  wird  die  ente 

Erklärung  den  Didyinogscholien  {g>ovevoi)  entsprochen  haben,  die 
zweite  entspricht  Apollonios  (68,  6)  und  Eustathios.  Die  dritte 
Stelle  (IV  f.  ôiavôixa'  ôixwç  fjroi ....  seigt  wieder  die  Erklaraog 
der  Didymosscholien  als  erste;  daneben  eine  andere,  die  dort  nicht 
erscheint  Ich  verweise  schon  jetzt  auf  die  Glosse  ^lov*  avvUoat, 
jia^avortOj  der  in  den  Didymosscholien  und  der  Paraphrase  ^xovov 
entspricht,  während  Eustathios  100,  2  genau  die  Erklärung  unseres 
Textes  bietet. 

Zwei  verschiedene  Exemplare  scheinen  benutzt  Wir  können  im 
Anfang  von  Col.  IX  fast  mit  Händen  greifen,  wie  neben  eine  Reibe 
névovvo,  oTÇTjçw,  ßarfjv  (zu  den  Versen  318.  321.  327)  eine 
zweite  tritt  ^lyiov,  inejeiXey  èçéovro  (zu  325.  326.  332),  ebenso 
neben  nçotei,  anrjvéoç,  aq>aQ,  v6ag>i  (zu  336.  340.  349)  eine 
andere  XÇ^^^>  &v€i,  ngoaato,  onlaaw  (zu  341.  342.  343).  Zu 
den  Didymosscholien  stimmt  beide  Male  die  erste  einigermaassen; 
man  vgl.  nevovto'  ivtjgyovv^  ingattoy.  ßartiv  ïfirjaav,  kno- 
gev&tjaav.  ngotei'  ïnef^ne  (vgl.  ngoinefiipe  P.  hier  und  zu 
V.  326,  TtgoiftBfÀftB  zu  326  D).  anrivéoç'  anrjvovç,  x^iU;cov, 
axXrjgov.  aq>ag*  ev&i(oç^  raxetog,  v6aq>i'  X^Q^S*  Aus  deo 
beiden  nebenbei  geschriebenen  Reihen  kehrt  nur  eine  Glosse  x^^i^i' 
Xgeia  in  den  Scholien  wieder,  dagegen  die  sehr  charakteristische 
Glosse  (pgixtov  ^lyœv  bei  Eustathios  111,  19  (vgl.  oniaao)'  fieta 
%avTa  Eust  115,9). 

Aus    verschiedenen     glossirten    Ausgaben    ist    unser   Stock 
entnommen.     Aber  mit  dem   entsprechenden  Theil  der  Didymos- 
scholien   steht  es  nicht  anders,   wie  ich  für  den,   der  sie  und 
die   Paraphrase    nachgeschlagen    hat,  wohl   nicht  eingehender  zu 
beweisen    brauche.     Auch    hier    finden    sich   beständig    zwei  Er- 
klärungen, auch   hier  fehlt  es   nicht  an  Wendungen   wie  ol  àé, 
evioL  ôé,  Tj,  rJToi.     Nicht  eine  einheitliche  ,Trivialerklärung',  oder 
gar  die  Reste  einer  alten  Paraphrase  bieten   sie,   sondern  alles, 
was  sich  aus  den  verschiedensten,  glossirten  Exemplaren  zusammen- 
raffen Hess  und  vielleicht  in  verschiedenen  Zeiten  zusammengerafft 
ist.     Wir  sehen   in   ein   buntes  Treiben   hinein.     Hatte  der  eine 
Schulmeister,   der  sich   und   seinen   Schülern  den  Text  glossiren 
wollte,   noch   allerhand  gelehrtes  Material,  auch  ältere  Lexika  be- 
uutzt,   ein   anderer   sich   mit   den  billigsten  Trivialitäten    begnügt, 
so  kam  bald  genug  ein  dritter,  um  beides  zu  einer  neuen  Schul- 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAHHLUNG   621 

lusgabe  oder  zu  einem  Lexikoo  (in  byzaDtiDischem  SioDe)  zu  ver- 
rbeiten,  und  dies  mochte  wieder  allein  oder  mit  Ergänzungen  aus 
weiteren  glossirten  Texten  von  dem  einen  an  den  Rand  eines  neuen 
*exte8  geschrieben,  von  dem  andern  in  grossere  Glossare  wie  Kyrill 
nd  Hesych  übertragen  werden.')  Eine  gewisse  Einheit  des  Grund- 
barakters  bleibt  freilich;  dafür  sorgt  das  Schulbedürfniss');  aber 
s  ist  die  täuschende  Einheit  der  Erbärmlichkeit,  und  der  ganze 
iewinn  aus  der  mühseligen  Aufdeckung  eines  Stückes  dieser  Tra- 
ition  ist  die  Erkenntniss,  dass  die  Zunft  der  Grammatiker  mindestens 
eil  dem  2.  Jahrhundert  nicht  einmal  auf  dem  Gebiet  solcher  Trivial- 
rklärung  etwas  Eigenes  wagt,  sondern  nur,  was  in  verschiedenen 
Ixemplaren  umläuft,  zusammenzuschweissen  versteht.  Dass  es  mit 
en  gelehrten  Scholien  ähnlich  steht,  wird  jetzt  wohl  allgemein 
ugegeben  und  im  letzten  Grunde  zeigen  die  von  mir  entdeckten 
leste  der  Orthographie  Herodians,  dass  auch  der  gefeiertste  Ge- 
ehrte der  Zeit  unter  derselben  knechtenden  Gewalt  des  einmal  Ge- 
cfariebenen  steht  wie  der  arme  Schulmeister,  mit  dessen  Werk  ich 
lieh  hier  ungern  beschäftigt  habe. 

t)  An  die  Earipidesglossen  im  Hesych  (Kyriil)  brauche  ich  nur  zu  er- 
mern  ;  sie  geben  za  êtp&ia&oi  die  besten  Parallelen  und  stammen  doch  sicher 
lebt  aus  dem  Euripidestext,  sondern  aus  ähnlichen  Lexika.  Vgl.  Rh.  Mus. 
I,  451. 

2)  [Durchaus  ähnlich  scheinen  die  Erklärungen  zu  dem  Slrassburger  Epo- 
eDStück,  in  welchen  Blass  (Rh.  Mus.  LV  102  Â  und  341  ff.)  m.  E.  bald  zu  Tie), 
ild  zu  wenig  sucht  Zu  den  an  sich  klaren  Schlussworten  des  Dichters  xaik' 
^iXoifi^  av  idelv  Sc  /a*  Tfdiierjae  XàS  9*  itp^  oçxioêS  ißri  to  n^v  iralçoi  iwv 
isst  er  den  Glossator  hinzufügen  [fffjjfiaivêt  [rov  Bo%]naX[otf].  Ich  würde, 
'enn  er  im  ganzen  Gedicht  nicht  genannt  war,  entweder  am  Eingang  des 
edichtes  iU  Btnnalov  oder  bei  der  ersten  Erwähnung  BovnaXov  Xdyn  er- 
warten. Für  die  Annahme,  der  Gegner  sei  im  Eingang  mit  einem  Beinamen 
>der,  wegen  ctj/iaivat  wohl  besser,  durch  irgend  einen  y(nfpo£)  bezeichnet  ge- 
wesen und  eine  Anmerkung  zu  dieser  Stelle  sei  an  den  Schiuss  des  Gedichtes 
erschlagen,  bieten  die  drei  nicht  einmal  ganz  sicheren  Buchstaben  ITAA  einen 
a  schwachen  Anhalt.  Die  zweite,  für  mich  noch  immer  entscheidende  Glosse 
ianofi'  bezieht  Blass  unter  Ablehnung  der  Ergänzung  yêan6fA[oç\  und  gegen 
ie  Stellung  auf  V.  1  oder  2  des  zweiten  Gedichtes,  ohne  eine  andere  Er- 
änzung  oder  Correctur  Torzuschlagen  und  ohne  in  diesen  Versen  ein  Wort 
acbzuweisen,  welches  so  erklärt  werden  könnte.  Dass  Boras  auch  Epoden  des 
ipponax  gekannt  und  nachgeahmt  hat,  war  von  jeher  meine  Ueberieugung, 
ber  einen  Anhalt,  auf  sie  zu  rathen,  finde  ich  in  den  erhaltenen  Trümmern 
benso  wenig,  wie  einen  zwingenden  Beweis  für  die  Autorschaft  des  Archiiochos. 
0   bleibt  für  mich  vor  der  Hand  der  Charakter  der  Dichtung  entscbeideod]. 


622  R.  REITZENSTEIN 

In  eioem  Nachtrag  sei  es  mir  vergönnt ,  auf  den  KomOdien- 
prolog  zurQckzukommen,  welchen  Kaibel  soeben  in  den  NachriehteD 
der  Gott.  Gesellscb.  d.  Wissenschaften  1899  S.  549  aus  dem  Strass- 
burger  Pap.  grate.  53  herausgegeben ,  ergänzt  und  in  seiner  Be- 
deutung gewürdigt  hat  Es  sind  zwei  Einzelheiten,  in  welcbes  ich 
Von  seiner  überzeugenden  Herstellung  abweichen  mochte. 

Der  Text  lautet  nach  einer  nochmaligen  Revision  des  Originak*) 

€  fAaxQoloyog  &€[6ç] 

Toiç  ä\xovov%ac  Jiaßf] 

y]àQ  WÇ  netQWfAévovç 

r]o  ngtjxov  ov  tçoTvov 

5  xal  to  devreçov  nà[li]v 

taiovde  xaï  ràç  alrlaç 
xal  ràç  à7c]odBi^eiÇn  i^  avàyxriç  yiverai 
fAvçiâxi]ç  àyxwviaa/Liéyoïç  ^fjaiv  léyeiv 
ptaxçàv  olxkriQOLV,  ixôidâaKOvraç  aaœwç 
10  xaiiTLd^€fÂ]éyovç  xa&'  ïxaaTOVy  dv  sv  oîS*  oti 

oid^eïç  fAe]fÀà&T]XBv  oi&iv^  alla  tovâ"*  oç^ 
xaï  anêi]aiv.  Ifjiaç  ô^  1$  avdyxrjç  ßoilofjiai 
nàv  xaxav\ofiaaiy  %al  &eov  ri,  yij  ^la^ 
a^iov  ève]yx€îv  avjoç,  all*  ovxcoç  &€ov* 
15  Ttçinei  Jiov\vo(fi  yâç  n  niateveiv  IfÀoi.  — 

....  iyivovYo  Sœa&éyfjç  xai  ^rjfiéaç' 
ovT€Ç  ô'  àô]6lq>ol  ôvo  nox    êig  ràç  ix^i^ivaç 
yvvaîx    fy]rifiav  olxlaç  xal  yivsTai 
naîç  xÇ  (nkv  a]vTwyy  ^vyâtçcov  ôè  &aTiç(p. 
20  efiBit*  a7t]oâr]fÀla  ziç  àfxçozéQOig  Sfia 

bIç  Tfjv  'A]aiav  ixel  te  tzbqI  twv  orco/ucrraiy 
xlvdvvo]ç.  BlQX&ivTog  yàg  airwv  d^atéçov 
xal  nçoaTaT]r]v  axoyvoç  xiv    aâixov  axeçoç 
eanevôe]  xrjv  awxrjçiav'  ïntid^  6  fisv 
25  q^siyei  ÀJa^cJv,  o  ô'  ixeivov  ixxlixpac  ôoxûv 

ôeixai  d\ià  xovxo,  xal  yéyovev  éxxaiôexa 

1)  Die  Ergänzungen  stammen,  wo  nichts  bemerkt  ist,  von  Kaibel. 

6  rajovSe  wäre  denkbar        10  Nach  6  zu  Anfang  sieht  man  den  efsleu 
Grundstrich   und   die   obere   Hälfte  des  schrägen  Striches   von  N,  das  O  ist 

fast  bichiT,  ein  Participium  also  wahrscheinlich ini  ft]é[Qo]vi  K. 

12  Tiodi  ait£]aiv  K.        16  Es  fehlt  die  Ortsangabe,  vielleicht  die  Bezeichnang 
eines  attischen  Demos         26  (pavyet  S]éà  r.  K. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPTRUSSAMMLUNG      623 

anav]  to  (â^xoç  %^ç  aTCOÔTfjfilaç  ïrt]. 
tI  ô*  ïÔ€i],  tlç  av  q>i}a€i€Vi  afiçoréçoiç  afia 
ètiôv]  %oaov%iav^  xa2  ri  ravaynaiov  rjv  .  .  • 
Die  EigeDthümlichkeit  dieses  Prologes  ist,  dass  seine  ganse 
erste  Hälfte  gegen  den  Prolog  in  seiner  bisher  allgemein  üblichen 
Form  polemisirt.  Nothwendig  führt  sie  zu  einer  langen  und 
langweiligen  Rede  in  unendlichen  Wiederholungen  mit  dem  einen, 
unvermeidlichen  Erfolg,  dass  der  HOrer  doch  nichts  versteht  und 
keine  Theilnahme  für  das  Stück  gewinnt.  Unser  Dichter  will  es 
so  machen,  dass  ebenso  nothwendig  Jeder  alles  verstehen  muss, 
und  mit  dieser  Kunst  etwas  Neues,  Wichtiges  einführen.  Denn 
wenn  es  auch  ein  Gott  ist,  der  in  seinem  Namen  spricht,  er  wolle 
etwas  eines  wahren  Gottes  Würdiges  damit  bringen,  Dionysos,  an 
den  Kaibel  denkt,  scheint  es  mir  nichL  Wenn  K.V.15  deutet  ,denn 
mir  dem  Dionysos  müsst  ihr  doch  glaubenS  so  stOrt  mich,  dass 
diese  Begründung  sich  nicht  auf  das  Nachstvorhergehende,  sondern 
höchstens  auf  das  vfAag  i^  avàyxrjç  ßoHofiai  nàv  7ia%avofjaai 
bezieht,  und  dass  gerade  dann  nginei  ti  niateveiv  hierfür 
sehr  matt  ist.  Auf  die  Einführung  einer  neuen  Technik, 
nicht  auf  die  Wahl  des  Theatergottes  als  Prolog  muss  der  Dichter 
stolz  sein  und  daher^  worauf  mich  zuerst  Bruno  Keil  aufmerksam 
machte,  niaveveiv  hier  die  Bedeutung  ,vertrauen^  haben.  Ein 
Gott,  und  zwar  im  Gegensatz  zu  den  wesenlosen  ProloggOttern 
wie  ^EXeyxoQ,  ^^riQt  ^^çhtovqoç,  ein  wirklicher  Gott,  etwa  Apollon 
oder  Hermes,  spricht  ;  er  darf  sich  auf  die  Hilfe  des  Dionysos  ver- 
lassen. Es  ist  kein  kleiner,  namenloser  Dichter,  der  in  dieser 
unanstOssigen  Form  seinen  Stolz  und  seine  Zuversicht  ausspricht.^) 
So  komme  ich  endlich  zu  der  Ergänzung  von  V.  12;  als  eine  Art 
Parenthese  hat  K.  àkkà  toi^  og^  [ngog  avve]aiv  vorgeschlagen. 
Aber  der  Dichter  hat  ja  eben  gesagt,  nothwendig  müssen  bei  der 
einen  Technik  alle  nichts  verstehen,  und  will  fortfahren,  nothwendig 
müssen  bei  der  anderen  alle  alles  verstehen.  Weder  zu  dem  einen 
noch  zu  dem  anderen  will  der  Zwischensatz  ungezwungen  passen; 
der  Nachsatz,  der  in  V.  7  mit  i^  avdyxtjç  ylverat  beginnt,  muss 
bis  unmittelbar  an  seinen  Gegensatz  ifiàç  6^  i^  évàyiir]ç  ßovXoiiai 
heranreichen.     Ich  erwarte  hier:  ist  solch  ein  langweiliger  Prolog 

1)  Gewiss  würde  man  eher  ifU  (die  betonte  Form  ist  darch  den  Gegen- 
satz zu  den  gewöhnlichen  Prologgöttern  gerechtfertigt)  für  ifioi  erwarten. 
Doch  scheint  mir  auch  der  Dativ  nicht  anmöglich. 


624  R.  REITZENSTEIN 

vorbei,  so  hat  keiner  irgend  etwas  begriffen,  sondern  siebt  die  dud 
folgende  Handlung  ohne  Verständniss,  ohne  Theilnahme.  Daisdem 
die  von  mir  vorgeschlagene  Ergänzung  nicht  voll  gerecht  wird, 
empfinde  ich  freilich  und  hoffe,  dass  andere  glücklicher  sind,  SchoD 
dass  ich  der  Buchstabenzabl  halber  annehmen  muss,  der  Schreiber 
habe  aus  metrischen  Gründen  geglaubt,  hier  die  Krasis  nicht  dorch- 
führen  zu  brauchen,  und  dass  ansiaiVy  wenn  es  auch  hart  aa  die 
Bedeutung  des  Futurums  streift,  in  der  Verbindung  mit  ogq  zwar 
für  diese  Zeit  nicht  unmöglich,  aber  immerhin  ungewöhnlich  ist, 
mindert  ihre  Wahrscheinlichkeit.  Die  Bedeutung  von  jovto  (das, 
wovon  die  Bede  ist,  das  betreffende  Stück)  ist  leichter  zu  belegeDi') 
und  dass  das  betonte  ,er  geht  weg*  hier  heissen  kann  ,er  bleibt 
nicht,  er  geht  vor  dem  Schlüsse  weg*  hoffe  ich  nicht  erst  beweiseD 
zu  müssen;  aber  ein  Zweifel  bleibt  leider  auch  mir. 

Unvermittelt  geht  der  Gott  nun  zu  seiner  Hauptaufgabe,  der 
Exposition  über,  die  der  angekündigten  neuen  Technik  entsprecheod 
keine  altlai  oder  ànoàii^Big,  keine  Unterhaltung  mit  dem  Zu- 
schauer, vor  allem  kein  Wort  zu  viel  enthalten  darf.  Auch  hier 
habe  ich  gegen  K.s  Ergänzung  eine  einzige  Kleinigkeit  einzuweadeo. 

Im  Ausland  ist  der  eine  der  beiden  Brüder  auf  falsche  Anklage 
ins  Gefôngniss  geworfen  worden,  der  andere  hat  ihn  befreit^  ist  aber, 
während  jener  entkam,  selbst  ergriffen  worden.  Wird  hier  nur  seine 
Flucht  oder  ein  Process  erwähnt,  so  bleibt  der  Hörer  im  Unklaren, 
warum  er  nun  16  Jahre  fort  ist.*)    Er  wird  vielmehr  ins  GefôDgoiss 


1)  Vgl.  Plato  Soph.  251  Â  noXXoïs  ovofiaa  xavrov  xovro  éxa^xorê  nço- 
cayoQ9vofuv.  Aristot.  Eth.  Nik.  I  5  Têkuôfêçov  Si  Xéyoftsr  rd  xa&*  avto 
dtioxxov  xov  8i^  ^reçor  xai  x6  ftrjdtnoxa  8t  aXlo  al^exov  xèiv  (nal)  %a^ 
iavxà  xai  8tà  xovd"*  aiçaxœv.  Auf  eioe  ähnliche  Erscheinung  im  Lateiniscbeo 
habe  ich  in  dies.  Zlschr.  XXIX  623  hiDgewiesen.  Es  sei  gestattet  einige  Bei- 
spiele aus  Varro  nachzutragen  :  de  lingua  lat,  V  13  sed  qua  eognaUo  erit 
eins  verbi  (des  betreffenden  Wortes,  dessen,  das  ich  etwa  erwähnen  werde); 
de  re  rust.  1  6,  2  igitur  cum  tria  genera  tint  a  specie  simplicia  agronm 
campes  tre  collinum  montanum  et  ex  lis  tribus  quartum,  ut  in  eo  fun  do 
haec  duo  aut  tria  sini.  Keils  Aenderung  in  uno  fundo  ist  überflüssig.  Ferner 
1  2,  S  nemo  enim  s  anus  debet  velle  inpensam  ac  sumptum  faeere  in  ad- 
iura,  si  videt  non  posse  refici,  nee,  si  potest  reficere  fructu,  {fructus  Cod.) 
si  videt  eos  fore  ut  pestHentia  dispereanL  Nach  dem  Zusammenhang  kioo 
eos  hier  nur  die  Betreffenden,  die  Bebauer  bezeichnen,  fructu  ist  ebenfalls 
wegen  des  Vorhergehenden  nöthig. 

2)  Nur  das,  dass  der  Gerettete  auch  so  lange  fort  ist,  kann  nach  der 
sichl  des  Dichters  den  Hörer  befremden. 


AUS  DER  STRASSBURGER  PAPYRUSSAMHLUNG   625 

geworfen  und  nun  bleibt  der  durch  ihn  schon  gerettete  Bruder,  statt 
heimzukehren,  in  seiner  Nähe,  um  ihn  zu  befreien.  So  sind  sie  16  Jahre 
fort  Dass  sie  gegen  Ende  des  Stückes  zurückkehren,  ist  ebenso 
selbstverständlich,  wie  dass  ihre  Kinder  das  Liebespaar  bilden,  das 
durch  ihre  Heimkehr  glücklich  vereinigt  wird.  Die  Schwierigkeiten, 
die  entgegengestanden  haben  werden,  mögen  etwa  in  der  Verarmung 
des  einen  Hauses  gelegen  haben.  Es  war  ein  Rührstück;  auf  der 
Buhne  selbst  muss  die  hingebende  Liebe  und  Treue  der  beiden 
Brüder  beredten  Ausdruck  gefunden  haben,  und  eben  darum  mag 
der  Dichter  nicht  schon  sagen,  warum  auch  der  schon  Befreite 
fem  geblieben  ist;  er  will  spannen  und  wird  auf  die  so  natürliche 
Frage  am  Schluss  des  Prologs  kaum  eine  andere  Antwort  gehabt 
haben,  als  ,ihr  werdet's  hören,  sie  selbst  werden  es  euch  sagend*) 
Nur  weil  die  Brüder  so  spät  erst  auftreten,  bat  er  die  Situation  der 
beiden  Familien  kurz  angedeutet.  Hit  dieser  Antwort  ist  der  Prolog 
zu  Ende.     Das  Stück  kann  beginnen. 

Der  Gewinn  für  die  Geschichte  der  Komödie  scheint  mir  daher 
etwas  grösser.  Nicht  nur  dass  für  die  Echtheit  einer  Anzahl  plau- 
tinischer  Prologe  ein  sicheres  Zeugniss  gewonnen  ist,  das  Leos 
glänzende  Ausführungen  in  diesem  Punkte  trefflich  bestätigt:  wir 
lernen  jetzt,  dass  in  der  neuen  Komödie  die  weitschweifigen  Götter- 
prologe das  Aelteste  und  Ursprünglichste  oder  wenigstens  in  einer 
frühen  Zeit  das  allgemein  Uebliche  sind.  Sie  herrschen  derart, 
dass  selbst  unser  Dichter,  der  diesen  Prolog  eigentlich  für  über- 
flüssig erklärt,  sich  selbst  noch  hinter  der  Maske  eines  Gottes  ver- 
stekt  und  ihm  die  Auseinandersetzung  mit  seinen  Rivalen  und  die 
Rechtfertigung  der  neuen  Technik  überträgt  Es  ist  ein  einziger 
kurzer  Schritt,  der  von  hier  bis  zum  Auftreten  des  Dichters,  bezw. 
des  Protagonisten  an  seiner  Stelle  führt,  ebenso  wie  es  weiter  ein 
kurzer  Schritt  ist,  der  auch  den  Rest  des  Arguments  in  die  ersten 
Scenen  des  eigentlichen  Dramas  verlegt  Nicht  neben  einander, 
sondern  nach  einander  sind  jene  verschiedenen  Formen  des  Prologs 
zu  stellen,  welche  Leo  in  den  Plautin.  Forschungen  S.  176  0*.  ana- 


1)  Er  darf  ja  keine  aixia  nennen  und  nur  am  Schluss,  im  Uebergang 
mit  den  Zuschauern  plaudern.  —  Vgl.  Terenz  Adelph.  23  Menés  qui  primi 
ventent  ei  partem  aperient  in  agendo  partem  attendent^  Plautus  FiduL  10 
credo  argumentum  velle  vos  pemoseere,  int(elle)getis  potius  quid  agant 
quando  agant.  Das  Vermeiden  des  Monologes  in  der  Exposition  bei  Te- 
renz hängt  offenbar  mit  dieser  dramatischen  Theorie  eng  zusammen. 


626    R.  REITZENSTEIN,  STKASSB.  PAPYRUSSAHMLUNG 

lysirt«*)  Die  Prologe  des  Tereoz  erweisen  sich  dud  ali 
echt  griechisch;  sie  führen  uns  in  das  Ende  der  Bewegung, 
deren  Anfang  unser  Prolog  bietet. 

Gern  würden  wir  ihn  daher  näher  datiren;  nur  ein  Aobalt 
bietet  sich:  er  ist  älter  als  das  Original  der  Vidularia,  also  wohl 
die  Sxedia  des  Diphilos.  Da  der  Fund  eines  einzigen  weitereo 
Blattes  eine  Entscheidung  bringen  kann,  erwähne  sich  sum  Scblu«, 
dass  unser  Fragment  durch  Vermittlung  des  Viceconsuls  Dr.  C 
Reinhardt  von  dem  Antiquitätenhändler  Ali  in  Gizeh  bei  Kairo 
erworben  ist,  und  dass  die  Hauptmasse  seiner  Papyrussammlaog 
unmittelbar  danach  in  englischen  oder  amerikanischen  PrivatbesiU 
übergegangen  sein  soll. 

Strassburg  i.  Eis.  R.  REITZENSTEIN. 


1)  Für  deo  lateioiscben  Beaii»eiter  standen  sie  freilich  neben  eioaoder. 
Bei  Naevius  finden  wir  den  Rest  eines  , empfehlenden  Prologes*  io  Fr.  1 
AeorUi%omtnoM  fabula  est  prime  proba.  Aber  anch  die  Tradition»  dtss  er 
im  Hariolns  and  Leon  den  von  ihm  beleidigten  Vornehmen  Genngthonog  g^ 
geben  habe,  ist  an  sich  eben  so  wenig  in  bestreiten»  wie,  dass  die  bekannten 
nur  von  einigen  Forschern  dem  Plantos  xugeschriebenen  Stflci^e  Andeotangea 
über  das  Leben  ihres  Verfassers  machten.  Ein  rein  iitterarischer  Prolog  ist 
in  Rom  erst  in* einer  späteren  Generation  möglich,  ein  rein  persönlicher  tod 
Anfang  an. 


DER  CULT  DER  WINDE. 

Nach  der  Erzählung  der  Odyssee  hat  Aiolo.s,  des  Hippotes 
Sohn,  lieb  den  uDsterblichen  Göttern,  von  Zeus  die  Macht  be- 
kommen, die  Winde  zu  erregen  und  zu  beschwichtigen  (x  21  f.). 
Doch  wird  er  uns  kaum  anders  denn  als  ein  mächtiger  Sterblicher 
geschilderL  Wie  Alkinoos  bewirthet  er  Odysseus  eine  Zeitlang,  lässt 
sich  von  ihm  über  den  troischen  Krieg  und  die  Schicksale  der 
Achaier  berichten,  und  die  Gefährten  des  Helden  glauben,  er  habe 
ihrem  Herrn  Gold  und  Silber  als  Gastgeschenk  mitgegeben  (x  43  ff.). 
Den  Zurückkehrenden  aber  weist  er  zornig  ab,  denn  er  sei  offenbar 
den  Göttern  verhasst  (72  ff.).  Auch  hat  er  nicht  etwa  allein  die 
Herrschaft  über  die  Winde.  Athene  erregt  und  beruhigt  sie  gleich 
ihm  (€  382,  ß  420);  Apollon  {A  479),  ja.  auch  Kalypso  und  Kirke 
senden  günstigen  Fahrwind  (e  268,  l  6),  Here  (0  26)  und  Po- 
seidon (€  293)  verderblichen  Sturm.  Aber  W  194  ff.  betet  Achil- 
leus  zu  den  beiden  Winden  Boreas  und  Zephyros,  spendet  aus 
goldenem  Becher  Wein  und  verspricht  ihnen  herrliche  Opfer.  Doch 
auch  sie  werden  von  den  a^dyarpi  unterschieden  (207),  und  da 
sie  im  fernen  Thrakien  wohnen,  bedarf  es  der  Vermittlung  der  Iris, 
damit  sie  von  Achills  Begehren  erfahren.  Wer  aber  eine  Fahrt 
über  das  Heer  antritt,  opfert  dem  Poseidon  {y  178)  oder  rolat 
Ceolat  (/  159,  £  306).  Von  einem  Cult  der  Winde  oder  eines 
einzelnen  Windgottes  kann  demnach  in  homerischer  Zeit  nicht  die 
Rede  sein ,  denn  mit  diesem  Namen  dürfen  wir  nur  eine  regel- 
mässige oder  doch  eine  bei  gleichem  Anlass  immer  wiederkehrende 
Ehrung  der  Gottheit  durch  Opferspenden  bezeichnen. 

Auch  nach  Homer  weiss  die  Sage  nur  von  Beispielen,  wo 
Seefahrer  die  feindliche  Gewalt  der  Winde  —  nilfia  fiéya  -dyri- 
%olai  •  •  •  diaaxidvSai  t$  vrjaç  vavtaç  jb  q>&elQovai  (Hes. 
theog.  873)  —  durch  das  grausamste,  aber  wirksamste  Opfer,  das 
Menschenopfer,  zu  versöhnen  suchen,  nicht  aber  von  solchen,  wo 
man  durch  heitere  Speiseopfer  ihre  Gunst  gewinnt,  wie  die  an- 


628  P.  STENGEL 

derer  Götter.  Henelaos  opfert,  durch  widrige  Winde  in  Aegypten 
zurückgehalten,  zwei  Kinder  (Herod.  II  119),  Iphigeneia  heisst  bei 
Aischylos  Ttavadvef^oç  &vala  {Ag.  214)  und  èn(pdoç  QQjjtiùiif 
arjfÄatwv  {Ag.  1418),  und  Vergils  (Am.  II  118)  iongume  quaetmä 
redüus  animaque  litandum  stammt  wohl  auch  aus  alter  epischer 
Quelle.  Schwerlich  ist  der  Aberglaube  unum  pro  muUü  dabüur 
caput  (Verg.  Aen.  V  815)  jemals  ganz  Überwunden  worden,  ge- 
wöhnlich aber  begnügte  man  sich  doch  bald  mit  einem  stellver- 
tretenden Opfer.  Dem  Typhon  ziemend  heisst  das  Jungfiraueii- 
opfer,  das  vor  der  Schlacht  bei  Leuktra  von  Pelopidas  gefordert 
wird  (PluU  Pdop.  21),  aber  Aristoph.  ran.  847  hören  wir  von  eioeoi 
schwarzen  Lamm  als  Opfergabe  für  Typhos,  und  Herod.  VII 191 
und  Xen.  anab.  IV  5,  4  genügen  die  auch  sonst  üblichen  aq>éyttt. 
Aber  das  alles  sind  durch  die  Umstände  veranlasste  Sühnopfer,  in 
der  Noth  und  Angst  gebracht,  zum  Theil  in  fremdem  Land:  eioeo 
Cult  kann  nur  die  Polis  stiften,  und  er  wird  dann  in  der  Regel 
aufhören  rein  apotropäischer  Natur  zu  sein,  wie  die  hisher  e^ 
wähnten  Fälle  sie  zeigten. 

Wann  soche  Culte  der  Windgottheiten  in  Griechenland  Eingang 
fanden,  ist  uns  bezeugt.    E^  geschah  erst  nach  den  grossen  See 
schlachten  im  Kriege  mit  Xerxes.    Als  die  Hederheere  heranziebeo, 
befragen  die  Delphier  ihr  Orakel  und  erhalten  den  Bescheid  avi- 
fjLOLOL  €vx€a&ai,  fjiByàXovç  yàg  rovrovç   ïaea&OL  jfj  ^ElXdèi 
avfjtfiaxovç.    (Aerà  de  zavxa  ol  ^elq>oï  rolai  avéfioiai  ßtuiiw 
T€   àrcéôe^av  Iv  Qvitj  ....  xat  ^valrjai  fÂBti^ïaav.    'Jehpot 
(àIv   âfj   naTÙ   TO  XQV^'^Ç^^^   ^*  J^^'   ^^^  roiç  àvé^ovç  Uc- 
a^ovrac  (Herod.  VII  178.    Cf.  Clem.  Al.  Strom.  753  Pott  JtlqiOi 
ßiüfAov  xat  &vaiav  noirjoavreç  toîç  avifioiç).   Und  als  ein  StufiD 
einen  Theil  der  feindlichen  Flotte  vernichtet,  ol  ^A&rjpaioi  içiv 
.  .  .  Boçéù)  lôçvaavTO  naçà  nora^ov  ^Iliaaov  (Herod.  VII 189).  * 
Die  Thatsache,   dass  dort  ein  Altar  des  Boreas  stand,   überliefert 
auch  Platon  {Phaidr.  229),  die  Zeit  der  Gründung  Pausanias  (VIU 
27,  9,  cf.  1  19,  6);  endlich  bezeugt  Aelian  {nat.  an.  VII  27)  6  toi 
Neoxléovç  'A^i]vaiov<;  àôiôaaxe  ^vblv  %olç  nvevfiaaiv  (cf.  var, 
hist.  XII  61).    Aus  demselben  Grunde  —  ein  Sturm  hatte  die  FloUe 
des   DioDysios   zerstört  —  ol  Qovçcoi   Ttp    Boçqç  ï&vuov  .  .  . 
y.ai  oïy.iav  avxip  xa/  x'/.r]cov  aTtexlfjcußoav  xal  xa^*'  Mxaatof 
ïroç   iJTtrélovv   avT(p   (Ael.  var.  hist.  XII  61).     Ehenso  weibleo 
die  Megalopolilen,  die  ihre  Rettung  vor  dem  Heere  des  Agis  dem 


DER  CULT  DER  WINDE  629 

Boreas  zu  verdaDkeo  meioteo,  ihm  ein  Téf^evoç,  xal  &valaç  ^v- 
?vaiv  àvà  näv  IVoç  nai  &bwv  ovâevoç  Bogéav  vateçov  ayov- 
Jiv  iç  tifA^v  (Paus.  Vin  36,  4,  cf.  VIII  27,  4).  Id  Athen  gab  es 
luch  einen  Altar  des  Zephyros  (Paus.  I  37,  1)«  in  Koroneia  auf  dem 
Harkte  einen  ßtoftog  rcJy  avefAwv,  und  die  orphischen  Hymnen 
[80)  bringen  auch-eine  Anrufung  des  Boreas  und  die  Anweisung: 
9vfÀiafAa  Ußavov.  Hier  haben  wir  also  überall  einen  wirklichen 
Cult  der  Winde  und  zwar  ganz  in  der  Art,  wie  ihn  die  olympischen 
Sütter  geniessen  :  ein  Ugov,  ßwfAol,  avalai,  ein  rißevog^)  Auch 
über  die  Art  der  Verehrung  erfahren  wir  einiges.  Wenn  es  heisst, 
dass  die  Thurier  (Ael.  var.  hist.  XII  61)  und  die  Megalopoliten 
(Paus.  VIII  36,  4)  den  Winden  jährlich  opferten,  so  kann  dies  nur 
am  Jahrestag  ihrer  Errettung  von  den  Feinden  geschehen  sein,  wie 
die  Athener  am  6.  Boedromion  der  Artemis  Agrotera  das  grosse 
Ziegenopfer  zum  Gedachtniss  des  marathonischen  Sieges  darbrachten. 
Es  sind  also  Dankopfer,  von  denen  die  Festtbeil nehmer  geniessen. 
Id  Athen  wurde  nach  einer  inschriftlich  erhaltenen  Opferanweisung 
aus  dem  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  (CIA.  Ill  77)  am  19.  Poseideon^ 
deo  Winden  ein  nonavov  und  ein  i^i^ç^cfÀcoy  dargebracht,  wie  an 
einem  früheren  Tage  desselben  Monates  dem  Poseidon  xotfialC^rikog. 
Gleiche  Opfer  erhalten  in  anderen  Monaten  die  ^«a/,  also  Demeter 
und  Köre,  und  Zeus  Georgos.  Aus  der  Jahreszeit  aber  lässt  sich 
scbliessen,  dass  die  Winde  dies  Opfer  nicht  desshalb  empfingen, 
weil  auch  sie  für  das  Gedeihen  der  Peldfrüchte  wichtig  waren, 
sondern  weil  man  die  Wuth  der  Winterstürme  fürchtete  (vgl.  Preller- 
Robert  Griech.  Myth.  I  474,  2).  Kuchenopfer  scheint  auch  Matron 
bei  Athen.  IV134E  zu  bezeugen:  x6t(üv  KalBogérjç  rJQdaaaro  neaao- 
fâevàwv^  s.  Kaibel  z.  d.  St.  Ob  von  diesen  Kuchen  gegessen  wurde, 
wissen  wir  nicht,  möglich  ist  es  wohl,  denn  eine  Nachricht,  die 
uns  Hesychios  erhalten  hat,  berichtet  von  Festen  und  Opferschmaus, 
die  aus  denselben  Gründen  veranstaltet  wurden:  BogeaafAol'  ^A&tj- 
vjjaiv  ol  ayovxBç  tip  Boçér]  éoçràç  xal  &oivav,  iva  avcTOi 
nvéfûocv.  iTtakovvTo  de  B.  Was  diese  Opfer  wesentlich  von  Sühn- 
opfern, die  natürlich  ayevatoi  sind,  unterscheidet,  ist,  dass  sie 
regelmässig  zu  bestimmter  Zeil  gebracht  werden,  nicht  erst,  wenn 


1)  Das  i>la<rx«<r^ai  Herod.  Vil  179  widerspricht  dem  nicht,  dvoirjfft  ^thi 
kurz  vorher;  das  aber  bedeutet  Speiseopfer,  Festschmaus  (Herod.  VIU  99,  Schot. 
Aisch.  Prom,  530).  IXâffMaa&cu  heisst  auch  sonst  bisweilen  einfach:  gnädig 
«timmen  (Od.  y  419,  Herod.  1  67). 

Hermes  XXXY .  4 1 


630  P.  STENGEL 

man  den  bereits  eiogetretenen  Sturm  beschwichtigen  will.  Ueber- 
baupt  nicht  zum  Zweck  der  Beschwörung,  also  auch  regelmässig, 
opfern  die  Arkader  aatçanalç  xal  ^éHaiç  t«  xal  ßcortalg 
in  Bathos,  wo  einer  Localsage  nach  die  Gigantomachie  stattgefunden 
hatte  (Paus.  VIII  29,  2).  Dagegen  muss  unentschieden  bleiben,  ob 
das  Eselopfer  der  Tarentiner,  von  dem  wir  aus  Hesychios  erfahren, 
ein  gelegentliches  war  oder  zu  bestimmter  Zeit  stattfand:  Hes.  u. 
ttvefiwrag*  ovog  aq>€TOç  U^oç  %oîg  àvépLOiç  ^opiBvog  iv  Ta- 
Q€if%ivotg.  Die  Wahl  des  Thieres  spricht  jedenfalls  gegen  ein 
Speiseopfer. 

Aber  auch  auf  das  Klima  und  den  Ackerbau  hatten  die  Winde 
den  grOssten  Einfluss  — 

%Q'y^  içarà  q>&elçovai  xafAaiyBviwv  avd^gwnwv, 
nifAfrlevaai  novtog  re  xaï  açyaXéov  hoXogvqtov 
(Hes.  theog.  879  f.)  —  und  da  hier  nicht  wie  bei  der  Schiffahrt 
wenige,  sondern  die  ganze  Stadt  oder  Landschaft  betroffen  wurden, 
lässt  sich  von  vornherein  annehmen,  dass  schon  in  viel  früher«* 
Zeit  und  mit  grösserem  Eifer  die  Kunst  der  Beschwörungen  ge- 
pflegt oder  Opferdienste  ausgebildet  waren,  um  schädliche  Winde 
zu  bannen,  gedeihliche  herbeizurufen.  Das  wird  uns  denn  auch 
vielfach  bezeugt  (vgl.  Welcker  Kl.  Sehr.  Ill  57 ff.,  Preller- Robert 
Griech.  Myth.  1  456  ff.).  Empedokles  erhielt  den  Beinamen  xiolva- 
avéfAag<t  weil  er  es  verstanden  hatte,  Akragas  vor  einem  verderb- 
lichen Wind  zu  schützen,  und  er  verhiess  auch  seinen  Schülern 
Macht  Ober  die  Winde  (Clem.  Alex.  5/rom.  VI  745  Pott.,  Diog. 
Laert.  VIII  59  f.  Stui*z  Emped.  5,  399),  von  Pythagoras,  Epimenides 
u.  a.  wird  ähnliches  berichtet  (Porph.  vit.  Pyth.  29.  lamblicb  v.  P. 
135  f.  Plut.  quaest.  symp.Wil  8,  1),  und  im  Korinthischen  kennt 
mao  Mrjôelaç  inqtdag^  die  die  Kraft  haben.  Winde  zu  beschwich- 
tigen (Paus.  II  12,  1).  Ja  es  gab  Geschlechter  oder  Cultgenossen- 
Schäften,  die  berufsmässig  die  Kunst  des  Windzaubers  übten.  So 
in  Korinth  das  yivog  der  lAvB^oxoitai  (Suid.  u.  Hesych.  u.  d.  W. 
Eustath.  1645,  41),  und  eine  ähnliche  Bedeutung  scheinen  in  Athen 
die  Evddveinoi  gehabt  zu  haben  (Hesych.  u.  d.  W.,  Dion.  Hal.  de 
Din.  11  p.  315,  1  Us.  Raderm.,  Arr.  anah.  HI  16,  8.  TOpffer  AtU 
Geneal.  110  ff.). 

Doch  wir  wollten  hier  von  dem  Cultus  handeln.  Dass  er  sehr 
eigenthümliche  und  überall  verschiedene  Formen  zeigt,  wird  nie- 
manden wunder  nehmen  ;  wo  der  Aberglaube  und  das  Zauberwesen 


DER  CULT  DER  WINDE  631 

so  faineiDspielt  wie  hier,  ist  das  gar  nicht  anders  möglich  ;  dennoch 
aber  lehnten  sich  die  seltsamsten  Brauche  an  ein  schon  bestehendes 
Ritual  an  und  zeigen  im  Wesentlichen  ein  Gemeinsames.  Isokrates 
V  117  sagt:  ogoi  .  .  .  xat  twv  &€Wv  tovg  (ihv  %(ov  ayad^uir 
a\%lovç  fiiAîv  owtaç  'OXvi^nlovç  Ttçoaayoçevofdévovç ,  roifç  d* 
èrtl  Talc  avfAq>ogaîç  xal  ràîç  JêfiWQlaiç  jevayfÂévovç  ôvoxb-- 
çearéçaç  %àç  ifcuvv^laç  l^oyToc,  xal  %wv  fjihv  xal  zovç  Mi- 
iÔTaç  xai  jàç  noleiç  xal  ysioç  xal  ßwfxovc  lô^vfAivovç,  ravç 
d'  ovt'  èv  raîç  evxoïç  ovt*  iv  taîç  &valaiç  Ti^ta^évovg,  aiU* 
âfconofÀTtàç  airuiv  ^fiâç  noiovfiivovç.  Man  pflegt  kurz  das 
eine  als  den  Cult  der  Himmlischen,  das  zweite  als  den  chtbonischen 
zu  bezeichnen.  Das  ist  in  der  Hauptsache  gewiss  richtig,  nur  lässt 
sieb  bei  den  einzelnen  Gottheiten  eine  Scheidung  nicht  immer 
reinlich  durchführen.  Zeus  rswcyog  erhält  andere  Opfer  als  der 
himmlische,  Demeter  X&ovla,  Artemis  *AyQO%iQa^  Apollon  Ka- 
&àçaioç  andere,  wenn  man  sie  mit  der  Unterwelt  in  Beziehung 
setzt  oder  ihnen  sühnbedOrftig  naht,  als  an  den  heiteren  Festen, 
wo  unter  FlOtenschall  geschmückte  Rinder  an  ihre  Altäre  geführt 
werden.  Solch'  eine  Doppelnatur  haben  aber  ganz  Torzugsweise 
die  Winde.*)  Wir  fanden  von  dankbaren  Bürgern  Altäre  gestiftet 
und  an  festlichen  Tagen  frohe  Opfer  dargebracht,  wir  fanden  das 
àrvonofiTtàç  avtaiv  noula&at  durch  Beschwörungen  und  Zauber- 
sprüche versucht,  wir  finden  auch  chthonisch-apotropäischen  Cultus. 
Sqv^  ,  açva  fiekava  naldeg  i^eviyxate, 
Tvq)wç  yàç  exßaivßiv  naçaaxevà^BTai 
heisst  es  bei  Aristophanes');  Laeedaemonii  in  monte  Taygeto  equum 
ventis  mmolant  ibidemque  adoknt,  ut  eorum  flatu  cinis  eins  per 
fines  quam  latissime  difftratur,  berichtet  eine  Ueberlieferung  bei 
Festus  p.  181.  Dass  man  sich  von  der  Asche  eine  wunderbare 
Befruchtung  der  Felder  versprochen  habe,  ist  nicht  anzunehmen, 
man  wird  gehofl't  haben,  schädliche  Einflüsse  der  Winde  dadurch 
fernzuhalten,  ähnlich  wie  abergläubische  Leute  in  Athen  Segen  für 
ihre  Aecker  davon  erwarteten,  dass  sie  die  verwesten  Reste  der 
Ferkel,  die  man  am  Thesmophorieofeste  dem  Eubuleus  in  die  /u^- 
yaQa  gestürzt  hatte,   in   die  Saat  mischten.     Auch  das  kann  nur 

1)  Vgl.  z.  B.  Verg.  Aen.  Ill  120  nigram  Hiemi  pecudem,  Zephyris  feti- 
eibus  atbam. 

2)  Ran.  847.   Vgl.  Verg.  Àen.  V  772  Tempestatibus  agnam  eaedere, 
entsprechend  dem  griechischen  atpayw^c^ai  (s.  diese  Zlschr.  XXV  324). 

41* 


632  P.  STENGEL 

apotropSlisehe  Bedeutung  gehabt  habeu.    Lehrreich  ist  die  Schîi — 
deruDg  eines  in  Hethana  bei  Korioth  geübten  Brauches,  durch  dei«» 
man   die  WeinstOcke  vor  den   verheerenden  Wirkungen   des  Lip^ 
genannten  Windes  zu  schtltzen  hofifte.    Man  reisst  einen  weiss  ge«> 
flOgellen   Hahn  in   zwei  Stücke,  und  zwei  Manner  laufen,  jeder 
eine  Hälfte  tragend,  in  entgegengesetzter  Richtung  um  die  Wein- 
Pflanzungen    herum;   am  Ausgangspunkt   zusammengetroffen   ver- 
graben  sie  die  Stücke  (Paus.  II  31,  3).    Auch  dies  Verfahren  hat 
Analogien.    Ich  erinnere  nur  an  den  Widder,  den  in  Tanagra  ali- 
jährlich  ein    schöner  Jüngling   rings  um  die  Stadt  herumtrageo 
musste,  um  sie  vor  Seuchen  zu  schützen  (Paus.  IX  22,  2),  und  an 
den  Ausdruck  neçiatlaçxog ,  den  uns  die  Lexikographen  u.  xa- 
&açfÀa  und  xa^dgacov  erklären  (Istros  bei  Phot.  neçiéQXovrai 
Xoiçoq>oçovvT€ç).    Umständlicher  noch  sind  die  Ceremonien  in  Ti- 
tane bei  Sikyon:  ßw^oc  iaziv  avéfitDV,  iq>*  ov  roîç  dvéftoiç  o 
leçevç  fii§  vvxtI  dvà  näv  €toç  &v€i.    ôç^  ôè  xaî  Skia  ànoç- 
Qr^xa  èç  ßo^govc  Téaaaçaç  ^/€QovfAevoç  twv  nveviiâtwv  %o 
ayçcov,    xaï    â^    xal   Mrjôelaç  wç  kiyovaiv   èntpôàç  inçâei 
(Paus.  II  12,  1).     Die  Handlung  setzt  sich   aus  drei  Theilen   zu- 
sammen, oder  wenigstens   es  werden   uns  dreierlei  Umstände  be- 
richtet:  das  Opfer  am  Allar,  die  geheimnissvoUen  Begehungen  an 
den  ßo&QOiy  das  Absingen  oder  Hersagen  von  Beschwörungsformeln. 
Alles  dient  einem  Zweck  und  kann  von  einander  ebensowenig  ge- 
schieden  werden  wie  die   ôçtifteva  und   Xeyôfi$va  bei  der  Feier 
der  Mysterien.     Es  kommt  darauf  an,  was  wir  uns  unter  dem  dgct 
ànoççrjza  vorzustellen  haben.     Irgend  eine  alberne  Absonderlich- 
keit kann   es  nicht  gewesen  sein,  der  Ausdruck  ist  feierlich,  im 
Mysteriendienst  und  anderen  geheimen  Cullen  (vgl.  z.  B.  Paus.  VIII 
38,  5)  üblich,   und  man  weiss,   mit  wie  ernster  Scheu  Pausanias 
von  solchen  Culten  spricht.     1st  nun  aber  die  Absicht  der  ganzen 
heiligen  Handlung   fjfiecova&ai   tüv  nvevftarcav  to  aygiov^  so 
stehen  diese  Worte  doch  neben  dem  ànoççrjTa  dç^,  und  wie  es 
klar  ist,  dass  das  irtcpôèç  intfôeiv  die  Haupthandlung  nur  begleitet 
und  ihre  Wirkung  unterstützen  soll,  so  ist  auch  nicht  zu  bezweifeln, 
dass   das  Opfer  auf  dem  Altar  nur  der  Anfang,   nur  Mittel   zum 
Zweck  ist.     Schon  die  nächtliche  Stunde  beweist,   dass  man  sich 
die  Gottheiten,  denen  es  dargebracht  wird,  in  der  Nacht,  also  der 
Unterwelt  wohnend  denkt.     Auch  der  Ausdruck  fjfiBQOva&ai,  das 
offenbar   um  des  Gegensatzes  zu  ayçiov  willen  statt  des  üblichen 


DER  CULT  DER  WINDE  633 

iläaxead^ai  gewählt  ist,  lässt  Ober  ihren  Charakter  keinen  Zweifel. 
Eine  Versöhnung  aher  oder  Beschworung  solcher  Wesen  fordert 
Blut  Nicht  der  Leib  des  Thieres  ist  die  Opfergabe,*)  die  der  Dampf 
zu  heiteren  Höhen  trägt,  sondern  das  Blut,  das  in  die  Erde  hinab- 
rieselt. Könnte  daran  noch  ein  Zweifel  sein,  so  würde  ihn  die 
Erwähnung  der  Gruben,  .die  hier  den  vier  Hauptwinden  zugeeignet 
sein  werden,  heben.  Wir  finden  solche  ßod-cot  sonst  nur  im  Toten- 
oder Heroencult  (Od.  X  36,  Luk.  Nekyiom.  9,  Paus.  IX  39,  4),  in 
sie  wird  das  Blut  gegossen,  eine  andere  Bestimmung  haben  sie  nie. 
So  kann  also  auch  hier  das  Opfer  am  Altar  nur  dem  Zweck  ge- 
dient haben,  das  Blut  zu  gewinnen,  das  die  Geister  der  Tiefe 
lechzend  schlürfen.^  Ich  schliesse  hier  eine  Stelle  an,  wo  es  sich 
nicht  eigentlich  um  die  Winde,  sondern  um  Abwendung  Ton  Hagel- 
schaden handelt,  weil  sie  doch  auch  Licht  auf  die  hier  behandelten 
Bräuche  wirft.  In  Kleonai  in  Argolis  gab  es  staatlich  angestellte 
xaXa^oipvXaxeg.  Von  ihnen  erzählt  Seneca  quaest.  tuU.  IV  6  :  At 
cum  Signum  dédissent  adesse  tarn  grandinem  .  .  •  pro  se  quisque 
alius  agnum  immolabat  alius  pullum*)  ...  st  quis  neque  agnum 
neque  puUum  habebat  .  .  .  digitum  suum  .  •  graphio  pungebat  et 
hoc  sanguine  litabat. 

Uebersehen  wir  die  Merkmale  all  dieser  Opferhandlungen. 

Es  sind  sämmtlich  Blutopfer  und  zwar  Holokausta,  oder  das 
Thier  wird  vergraben.  Ausser  Tbieren,  die  zu  Speiseopfern  nicht 
zu  gebrauchen  sind,  wie  Pferd  und  Esel,  finden  wir  Lämmer  0  und 
Hähne,  wie  sie  im  Kult  für  die  X&ovioi  üblich  sind  (vgl.  Rohde 
Psyche  I  242,  Deubner  de  incubatione  p.  47);  die  Farbe  ist  schwarz 
oder  weiss,   wie  es  sich  für  SUhnopfer  ziemt  (vgl.  meine  Griech. 


1)  Der  wird  vcrbraoDt  oder  sonstwie  vernichtet,  II.  7  266  f.  z.  B.  ins 
Meer  geworfen. 

2)  Es  ist  dies  Opfer  also  nicht  zu  vergleichen  mit  Gülten,  wie  wir  sie 
z.  B.  Herod.  VII  191,  Ärr.  anab.  VI  19  cf.  Ind.  20,  Fans.  II  10,  1,  Herod.  II  44, 
Philostr.  Her,  XIX  741  finden;  da  liegen  die  Falle  alle  wesentlich  anders: 
entweder  werden  die  gleichzeitigen  Opfer  verschiedenen  Gottheiten  gebracht, 
oder  die  Gottheit  ist  gleichsam  in  ein  Doppelwesen  gespalten,  das  ganz  ver- 
schiedene Seiten  zeigt.    Hier  trifft  keines  vom  beidem  za. 

3)  Weicker  Kl.  Sehr.  Ill  58  versteht  ,Fûllen'.  Ich  denke  puUus  wird 
,Hahn<  bedeuten.  Seneca  sagt  spottend  ,ein  Hûhochen*.  Die  xa^aSo9pi.7axtfi 
in  Kleönai  erwähnt  auch  Giern.  Alex.  754  Polt. 

4)  S.  auch  Hör.  Epod.  X  23  f.  caper  et  agna,  wo  es  sich  allerdings  um 
ein  Dankopfer  handelt. 


634  P.  STENGEL 

Cullusaltl.'  134),  als  Opferzeit  wird  eiamal  die  Nacht  genaDot 
Erklären  sich  diese  EigeDtliümlichkeiteD  sur  GeDQge  daraus,  am 
die  Winde  das  Gedeihen  der  FeldfrQchte  fördern  oder  scbUdigen 
können,  ist  das  der  einzige  oder  auch  nur  ein  ausreichender  Gruod 
für  den  ganz  chthonischen  Cult?  Es  ist  nur  eine  Ausflucht,  woUle 
man  sagen:  der  apotropäische  Cult  hat  einmal  die  Formen  des 
chthonischen  angenommen;  dergleichen  geschieht  nie  ohne  Grund. 
Die  Unterwelt  sandte  den  gefürchteten  Spuk  heraur,  den  der  Zauba 
wieder  bannen  sollte,  aus  der  Unterwelt  rief  der  Beschwöreade 
<lie  Geister,  und  ihren  Gewalten  weihte  man  bei  VerwünscbuDgen 
den  Feind,  den  man  verderben  wollte.  Sind  nun  das  schwarze 
Lamm,  die  nächtlichen  BlutgOsse  in  die  ßod'coi,  der  Hahn,  des 
man  vergräbt,  Opfergaben,  durch  die  man  unheimliche  Dämooeo 
besänftigen  oder  fernhalten  will,*)  so  müssen  die  Wesen,  denen  sie 
gelten ,  unter  der  Erde  wohnend  gedacht  sein  —  die  Winde  aber 
hausen  doch  oben  im  Luftraum. 

Ich  habe  früher  (in  dies.  Zuchr.  XVI  346  ff.)  die  EigentbQai- 
lichkeiten  des  Cultes  durch  orientalische,  speciell  phönikische  Ein* 
(lusse  erklären  wollen,  bin  aber  von  dieser  Ansicht  längst  zurück- 
gekommen. Abgesehen  von  anderen  Unwahrscheinlichkeiten,  be 
gegnen  gerade  die  auffallenden  Gebräuche  nicht  bei  Seefahrern, 
sondern  im  Innern  des  Landes.  Man  muss  zwischen  den  Winden 
unterscheiden.  Schon  in  der  hesiodischen  Théogonie  (869)  sind 
Notos,  Boreas,  Zephyros  Ix  &£Ôq>cv  yeverjy  die  anderen,  schlimmen 
Winde  aber  Ix  Tvq)U}éoç,  und  noch  früher  unterscheidet  Homer 
die  avBfiOi  und  die  ^velkai  (vgl.  diese  Ztschr.  XXVI  157  fr.),  fflr 
aie  er  auch  "AçTwiai  setzt  (Od.  v  63.  66.  77).  Ueber  das  Wesen 
der  Ilarpyien  hat  namentlich  Rohde  Psyche  I  71fr.  und  noch  ein- 
gehender Rhein.  Mus.  50,  1  IT.  gehandelt ,  und  ich  muss*  hier  auf 
seine  überzeugenden  Ausführungen  verweisen.  ,Wie  leicht  der 
Uebergang  im  Winde  fahrender  Seelen  in  Windgeister  sich  voll- 
ziehen kounteS  wie  wir  in  den  attischen  Trilopatores  wirklich 
noch  fZugleich  Seelen  der  Vorfahren  und  Windgeister^  haben,  wie 
ilekate  mil  ihrem  Geisterheer,  des  Hades  schnellen  Hunden  (Apoll. 
Rhod.  IV  1666),  durch  die  Lüfte  jagt  (Psyche  II  83,  409),  das  alles 
möge  man  hei  ihm  nachlesen.  Rolide  schliesst:  ^Keren  einer  be- 
sonderen Art,  grimmige  uud  unheilvolle  Keren  möchten  auch  die 


VS'as  niemand  bezweifeln  wird.    Vgl.  Rohde  Psyche  II  79,  1. 


DER  CULT  DER  WINDE  635 

Harpyien  ursprQDglich  zu  bedeuten  habeo.  Sie  sind  bei  Homer 
zu  eigeneo  Dämooen  geworden,  nicht  anders  als  die  Keren  auch, 
deren  Seelennatur  sich,  deutlicher  als  die  der  Harpyien,  in  einzelnen, 
uns  zufällig  erhaltenen  Spuren  im  Cultus  und  Sprachgebrauch  ver- 
räth*  (Rhein.  Mus.  50,  5).  In  derselben  Abhandlung  (s.  namentlich 
S.  3)  aber  zeigt  Rohde,  wie  man  sich  als  den  Aufenthaltsort 
der  Harpyien  die  Unterwelt  dachte.  Sie  verlassen  sie  also  nur, 
wie  der  zürnende  Heros  sein  Grab  verlässt,  um  bald  dahin  zurück- 
zukehren, die  wilde  Jagd  fährt  brausend,  schreiend  durch  die  ver- 
düsterte Luft,  um  andere  Seelen  zu  erhaschen  und  in  die  Unter- 
welt zu  entraffen.  Hundegebell  zerreisst  das  Ohr,')  und  der  ge- 
angstigte  Sterbliche  athmet  auf,  wenn  die  Luft  wieder  ruhig  und 
klar  ist.  Sind  aber  die  '9'Vêllai  und  Ztignviai  identisch,  und 
wohnen  die  "Agnvuti  in  der  Unterwelt  —  wie  beides  ja  nicht  zu 
bezweifeln  ist  —  so  ist  auch  der  Cult  der  Winde  erklärt,  und  in 
ihm  wiederum  «Spuren  der  SeelennaUir  der  Harpyien  erhalten*. 
Auch  hier  ermöglicht  uns  also  wieder  der  Cultus  alte  Vorstellungen 
zu  erkennen,  die  den  Menschen,  die  ihn  übten,  nicht  mehr  be- 
wusst  und  lebendig  waren. 

Berlin.  PAUL  STENGEL. 


1  )  Rohde  Psyche  U  83  f.  kommt  im  Zosammenhaog  dieser  Dinge  auf  die 
sog.  Heroenreliefs  zu  sprechen  (vgl.  I  242),  wo  die  Bedeutung  des  Pferdes 
and  Hundes  noch  immer  nicht  sicher  erklärt  ist.  Ein  Symbol  für  die  eigene 
Person  des  Heros  können  diese  Thiere  schwerlich  sein,  der  Heros  erscheint, 
wenn  überhaupt  in  anderer  Gestalt,  als  Schlange.  Was  können  sie  aber  sonst 
fflr  einen  Sinn  haben?  —  Bin  Pferd  braucht  man,  um  zu  reiten.  Doch  auf 
der  Erde  erscheint  der  Heros  zu  Foss,  auch  im  Kampf  gegen  die  Feinde  seines 
Landes  (Beispiele  Psyche  I  195  f.).  Aber  durch  die  Luft  könnte  ihn  das  Geister- 
ross  tragen.  Psychen  und  Winde  sind  geflögeU.  So  stellt  die  Kunst  sie  dar, 
so  schildern  sie  die  Dichter,  so  hat  man  sie  sich  also  vorgestellt.  Die  Heroen 
haben  keine  Flügel,  wollen  auch  sie  sich  durch  die  Luft  bewegen,  können 
sie  es  nur,  wenn  die  Winde  sie  tragen.  Das  aber  kann  ,nach  mythologischer 
Vorstel  lungs  weise*  nicht  wohl  anders  heissen  als:  Rosse.  Die  Winde  nehmen 
oft  RossgestaU  an,  und  unter  dem  leichten  Fuss  der  Füllen,  die  Boreas  mit 
den  Stuten  des  Erichtbonios  gezeugt  hat,  wogen  die  Getreidefelder,  ohne  dass 
die  Halme  geknickt  werden,  und  die  Wellenkämme  des  Meeres.  Daraus  folgt 
noch  nicht,  dass  man  sich  den  Heros  im  Gefolge  Hekates  denken  muss,  wie- 
wohl auch  dies  nicht  unerhört  wäre  (S.  Dilthey  Rhein.  Mus.  XXV  333);  der 
Hund  gehört  jedenfalls  zu  ihr,  wie  sie  ja  selbst  hundeköpfig  oder  auch  als 
Hündin  vorgestellt  wird.  Ob  er  so  auch  als  Begleiter  des  gespenstisch  durch 
die  Luft  reitenden  Heros  gedacht  wird? 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES 
A0HNAIÛN  nOAITEIA  X. 

(Vgl.  dies.  Ztschr.  XXVII  530—60). 

1.  ZumText.  inolrjoe  oh  xa}  ara^iÂà  nçoç  to  vofiiafia 
T[Q]eîç  xaî  é^xovta  fÀvâç  to  Takavtov  ayovaaç  xai  Iniài- 
eveimj&tjaav  [al  T]Qelç  fival  tÇ  OTarf^Qi  xal  toîç  SXloiç 
ata&fioîç.  Die  wichtige  LesuDg  [al  T]Qeîç  fivaîj  an  deren  Fest- 
stelluDg  ich  mitgewirkt  habe,')  hat  folgende  GmodlageD.  ßlasg^ 
erkaDDte  als  Erster  Spuren  zwischeD  imdievefiij&tiaav  [aï]  uod 
fÄval,  und  ergänzte  [al  y]'  ^^^^t.  Bei  eigener  Untersuchung  der 
Stelle  im  Original  (Januar  1894)  fand  ich,  dass  Blass*  Ergänzung 
für  den  vorhandenen  Raum  nicht  ausreichte  und  bemerkte  Spuren 
mehrerer  Buchstaben,  die  ich  möglichst  genau  copirte.    Diels,  dem 


^<wtwJ^j:^:»ji^ 


ich  die  Copie  in  Berlin  vorlegte,  theilte  mir  mit,  dass  er  eben 
diese  Spuren  bei  seiner  vorgängigen  Collation  gleichfalls  gesehen 
und  den  Eindruck  gehabt  habe,  dass  sie  Reste  von  Tçeîç  seien. 
In  der  That  war  dies  (s.  sogleich  unter  2),  wenn  Blass'  Vorschlag 
verlassen  werden  musste,  dem  Inhalte  nach  die  einzig  denkbare 
Lesung.  Hr.  Kenyon,  der  bereits  in  London  meinen  Befund  als 
richtig  anerkannt  hatte,  hatte  dann  die  Gote,  bald  darauf  im  An- 
schluss an  meine  Copie  das  folgende  möglichst  genaue  Facsimile 
auf  meine  Bitte  herstellen  zu  lassen  und  gleichzeitig  die  Ergänzung 
der  Spuren    zum  »vollständigen   Worte   seinerseits   hinzuzufügen.*) 


-»cyNiJT^^'Chl^ 


1)  S.  Blass  in  der  zweiten  und  dritten  Auflage  zu  der  Stelle. 

2)  Fleckeisens  Jahrbücher  145/146  1892,  S.  572. 

3)  Die  Lesung  ist  desshalb  besonders  schwierig,  weil  die  Zeile  auf  dem 
Papyrus  in  der  Längsrichtung  zerrissen  ist. 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES  A0HN.  nOAIT.       637 

IVilcken,  dessen  Collation  ebenfalls  tgelç  als  zweifellos  ergab,') 
lat  das  ihm  Yon  mir  nebst  Kenyons  Ergänzungen  Qbersandte  Fac- 
simile am  Original  nachgeprOft  und  mir  bestflligt,  dass  alles  aufs 
Beste  stimmt. 

2.  Das  Gewichtstalent  zu  63  solonischen  Minen. 
Was  dergestalt  palaograpbisch  sicher  gestellt  ist,  musste  gefolgert 
werden,  sobald  Oberhaupt  nur  die  Möglichkeit  vorlag,  zwischen 
[al]  und  fxval  irgend  etwas  zu  ergänzen.  Ich  habe  daher,  un- 
mittelbar, nachdem  diese  Ergänzungsmöglichkeit  durch  Blass 
festgestellt  war,  seiner  Ergänzung,  ihrem  Sinne  nach,  beigepflichtet 
und  darauf  hingewiesen,*)  dass  dadurch  nicht  nur  das  von  mir 
(in  dies.  Z)schr.  XXVII  531)  fälschlich  angefochtene  rçelç  xal  ^|i}- 
xovta  seine  Sicherung  erhielte,')  sondern  auch  für  die  vergleichende 
Metrologie  ein  sehr  wichtiges  Ergebniss  gewonnen  werde.  ,Dass 
das  Bestehen  einer  erhöhten  Norm  neben  der  gemeinen  Norm,  wie 
in  Babylonien  und  sonst  im  vorderen  Orient,  so  auch  in  den  ab- 
geleiteten Systemen  des  Alterthumes  überall  in  Betracht  zu  ziehen 
sei,  halte  ich  längst  lediglich  aus  dem  Befund  der  antiken  Münzen 
und  Gewichte  geschlossen.  Als  ursprünglichen  und  häuugeren 
Betrag  dieser  Erhöhung  hatte  ich  ^24  des  betreffenden  Gewichtes 
gemeiner  Norm  ermittelt,  aber  bereits  als  wahrscheinlich  hingestellt, 
dass  daneben  auch  eine  Form  hergegangen  sei,  in  welcher  diese 
Erhöhung  1/20  (5^/o)  betrug/^)  Dieser  Schluss  erhält  durch  Ari- 
stoteles* Zeugniss  eine  schlagende  Bestätigung.") 


1)  Wilcken  brieflich.  Kaibel  und  ^'ilamowitz  im  Text  der  dritten  Auflage. 
Blass  >  zu  der  Stelle. 

2)  VerhandlungeD  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  [YBAG]. 
Sitzung  vom  17.  December  1892  S.  582.  Dies  ist  vcfn  Hill  NvmUmaHc  Chro- 
nicle XVII  (1897)  p.  397,  der  selbständig  das  Richtige  gefunden  hat,  über- 
sehen worden. 

3)  Schon  damit  erledigen  sich  also  Pernices  Einwendungen,  («Griechische 
Gewichte*  1894  S.  29)  gegen  das  ^ganz  neue  System*,  das  ich  auf  Grund 
dieser  Stelle  ,fOr  Athen*  halte  ,er8chUe8sen*  wollen. 

4)  VBAG  1889  S.  274  ff.:  diese  Ztschr.  XXVIl  S.  546  f.  A.  1;  S.  531  A.  1, 
vgl.  S.  558  A.  3. 

5)  Der  Gedanke ,  dass  sich  das  t^U  xai  éSiJHOPra  fivuQ  xo  raXarrav 
ayavaas  in  dieser  Weise  erkläre,  war  mir  bereits  bei  meinen  ersten  in  dies. 
Ztschr.  XXVII  veröffentlichten  Untersuchungen  über  das  Gapitel  aufgestiegen. 
Aber  eben  weil  einerseits  eine  derartige  Bestätigung  meiner  Ermittlungen  nur 
doch  gar  zu  willkommen  erscheinen  musste,  andererseits  von  der  Möglichkeit 
einer  weiteren  Ergänzung  zwischen  [ai]  und  /ivai  nichts  verlautete,  liess  ich 


638  C.  F.  LEHMANN 

Damit  ist  freilich  die  EiofOhruDg  dieses  erhöhten  Talentes 
durch  SoloD  fOr  Athen  noch  nicht  erklflrL  Solon  war  Kaufmann/) 
und  als  solchem  waren  ihm  die  Grössen  und  die  ZahlenTerhältnisse 
des  denWelthandel  beherrschenden  babylonischen  Systèmes')  geläufig. 


deo  GedaokeD  fallen  und  gelangte  so  zu  der  irrigen  Atbetese  resp.  UmsteUaDg 
des  T^als  xcU  (in  dies.  Ztschr.  XXVII  S.  531)  statt,  wie  es  gerade  mir  ob- 
gelegen bitte,  scbon  damals  den  wabren  Sacbverbalt  betreffs  des  Textes  darch 
Anfrage  bei  Mr.  Kenyon  su  erkunden.  Da  ich  vielfach  der  Aascbaanng  zn 
begegnen  habe,  als  seien  meine  mir  selbst  sehr  aberrascbenden  Ermitüangen 
auf  metrologischem  Gebiet  Ergebnisse  zu  weit  gebender  GombinatioDen^  so  lege 
ich  Werth  darauf,  zu  betonen,  wie  ich  hier  durch  übergrosse  Vorsicht 
und  Bedenklichkeit  vom  richtigen  Wege  abgelenkt  worden  bin. 

1)  Der  an  sich  wohl  nicht  neue  Gesichtspunkt,  dass  Solons  Bedeutung  und 
Persönlichkeit  nur  richtig  gewürdigt  werden  kann,  wenn  man  in  ihm  den  Poli- 
tiker mit  dem  weitgereisten  und  weitblickenden  Grosskaufmann  vereinigt  sieht, 
▼erdient  m.  E.  schärfer  betont  zn  werden  als  üblich.  Auf  dem  Wege  des  Handels 
wollte  Selon  Athen  zur  Grösse  führen,  indem  er  es  von  dem  iginiischen  Einfluss 
loslöste.  Seine  Gesetze  waren  daher,  das  möchte  ich  als  Zweites  hervorgehoben 
haben,  auf  das  von  ihm  angebahnte  und  erhofile  Wachsthum  des  athenischen 
Staatswesens  zugeschnitten.  Anerkennung  und  Deutung  eines  als  solooisch 
angesprochenen  Gesetzes  dürfen  nicht  von  der  Frage  abhingig  gemacht  werden, 
ob  das  Gesetz  zur  Anwendung  gekommen  ist  oder  nicht:  die  Dinge  haben  sich 
im  letzteren  Falle  eben  anders  entwickelt,  als  der  Gesetzgeber  voraussah.  — 
In  einer  gesonderten  Untersuchung  ,das  Mindesteinkommen  der  Zeogiten  und 
die  solonischen  Timemata*  denke  ich  vorstehende  beide  Gesichtspunkte  zur 
Anwendung  zu  bringen.  Sie  zielt  ab  auf  den  Nachweis,  dass  das  Mindest- 
einkommen der  Zeugiten  ursprünglich  150  Drachmen  betragen  hat,  wie  deut- 
lich aus  dem  bei  Demosthenes  nçoç  Maxaçratov  §  54  wiedergegebeoen 
Gesetz  hervorgeht  Letzleres  soll  offenbar  besagen:  für  eine  thetische  Erb- 
tochter  bat  der  zur  Ausstattung  Verpflichtete  einmal  das  jährliche  gesetzlich« 
Mindesteinkommen  seiner  Classe  zu  erlegen.  Die  bei  Aristoteles  (A&.  icaÂ. 
c.  VII)  angegebenen  200  sind  erst  das  Ergebniss  einer  späteren  Aendemng. 
Böckbs  auf  die  150  gegründete  Auffassung  der  solonischen  Steuerdasseo  und 
des  Census  glaube  ich  für  die  ursprüngliche  solonische  Classenordnang  durch 
neue,  unter  den  ersten  der  vorstehenden  Gesichtspunkte  entfallende  Argumente 
stützen  zu  können.  Die  Erhebung  der  (ausserordentlichen)  Steuer,  mag,  so 
wie  sie  Solou  vor  Augen  hatte,  niemals  zur  Anwendung  gekommen  sein,  und 
war  spätestens  mit  der  Erhöhung  des  Mindesteinkommens  der  Zeagitenclasse 
antiquirt.  —  Dass  Solon  alle  Elemente  des  den  Weltverkehr  beherrschenden 
babylonischen  Systèmes  der  Zeit-  und  Raummessung,  denn  mit  einem 
solchen  haben  wir  es  zu  thun,  in  sich  aufgenommen  hatte,  zeigen  übrigens 
auch  seine  Reformen  auf  dem  Gebiete  der  Zeitrechnung;  Plutarch  Sol.  25. 

2)  Hultsch  (Die  Gewichte  des  Alterthumes  nach  ihrem  Zasamaaenhange 
dargestellt  Abh.  Kgl.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  XVIII  n.  U  1S98)  sacht  aenerdings 
aus  dem  von  mir  geführten  Nachweis,  dass  das  ägyptische  Loth  (Kite)  zu  den 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES  A0HN.  nOAIT.       639 

in  Fleisch  und  Blut  übergegaDgeo.  Ao  solche  Verhältoisse  lehnte 
er  sich  bei  der  EinfOhruDg  des  Zuschlages  zum  Marktgewicht  an.*) 
Seinem  Grund  und  Wesen  nach  aber  sollte  dieser  Zuschlag,  wie 
Allen  voran  Wilamowitz,  unter  Heranziehung  auch  der  im  Volks- 
beschluss  CIA.  II  496  vorgeschriebenen  VergrOsserung  des  Hohl- 
maasses ,  betont  hat,  eine  volksfreundliche  Maassregel  sein  :  ,der 
Athener  bekam  wirklich  mehr  als  eine  Metze  Feigen  oder  ein  Pfund 
Salz.*  *)    Von  dem  Solonischen  Marktgewicht  erhöhter  Norm  ist  die 


Einheiten  des  babylonischen  Gewi chtssy sternes  gemeiner  Norm  in  glatten  Ver- 
hältnissen steht,  die  Theorie  ägyptischen  Ursprunges  der  antiken  Gewichte  her- 
zuleiten, ohne  zwingende  Grunde  und  mit  unhaltbaren  Gonsequenzen.  Hultsch, 
der  in  seinen  Schriften  stets  bisher  den  babylonischen  Ursprung  vertreten  hatte, 
lässt  befremdlicher  Weise  diese  Erkenntniss  in  dem  Augenblicke  fallen,  wo 
sie  durch  die  Auffindung  der  ,gemeinen*  Norm  des  babylonischen  Gewichtes, 
zu  deren  Einheiten  die  wichtigsten  Einheiten  des  classlschen  Alterthumes,  so 
die  solonische  Mine  (436,67  g),  das  römische  Pfund  (327,45  g)  in  diesen  ihren, 
durch  die  classische  Alterthumsforschung  festgestellten  und  von 
mir  nicht  angetasteten  Normal  betragen  in  glatten  Verhältnissen  stehen, 
thatsächlich  ihre  stirliste  Stütze  erhälL  Vgl.  VBAG  1894  S.  189,  ferner  un- 
ten S.  644  S»  sowie  meine  Recension  von  Hultsch'  Schrift  im  Litterarischen 
Gentralblatt  und  im  allgemeinen  auch  Hill  Handbook  of  Greek  and  Roman 
Coins,  Introduction,  —  Das  von  mir  ermittelte  durchgehende  Nebeneinander- 
bestehen von  gemeiner  und  erhöhter  königlicher  Norm  ist  inzwischen  Gemein- 
gut der  Metrologie  geworden.  Auch  Hultsch  a.  a.  0.  stimmt  darin  mit  mir 
über  ein.  Das  besprochene  Gewicht  bildet  die  erhöhte  Norm  des  solonischen 
Systèmes:  von  einem  ganz  neuen  System  zu  sprechen  (Pernice  vgl.  S.  637 
A.  3)  wäre  irreführend. 

1)  »Jedenfalls  ist  nicht  abzusehen,  was  Solon  veranlassen  konnte,  diese 
für  den  Verkehr  höchst  verwirrende  Anordnung  zu  treffen.  Es  hält  nicht 
schwer,  unter  den  vielen  Gewichtstûcken  solche  zu  finden,  die  genau  so  schwer 
sind,  als  es  die  erhöhte  Norm  veriangt.  Aber  lässt  man  sie  bestehen,  so  ist 
die  geniale  handelspolitische  Maassregel,  die  Solon  mit  der  Eiufuhrung  des 
euböischen  Systèmes  traf,  und  die  natûriich  ebenso  für  die  Gewichte  als  für 
die  Münzen  gilt,  zur  Hälfte  wieder  aufgehoben'.  So  äusserte  Pernice  Grie- 
chische Gewichte  S.  30  in  Bekämt^fung  meiner  ersten  Ausführungen  (VBAG 
1892  Anm.)  über  das  Talent  von  63  solonischen  Minen.  Wieder  ein  Beleg 
dafür,  dass  auf  metrologischem  Gebiet  in  nachdrücklicher  Skepsis  nicht  immer 
das  fördernde  Princip  zu  erblicken  ist.  Die  Gewichtsstücke,  die  der  um  V>o 
erhöhten  Norm  (leichte  Mine  458,6  g,  schwere  917  g)  entsprechen  (z.  B.  Pernice 
n.  8,  9;  248  01),  werden  als  gesonderte  Beibe  auszuscheiden  sein.  Dass  sich 
die  um  ^u  erhöhte  Norm  (454,9  g),  die  sich  im  englischen  A voir-dupoids- 
Pfund  (453,49  g)  fortsetzt,  verschiedentlich  in  den  dem  euböisch- attischen 
System  angehörigen  Prägungen  findet,  habe  ich  schon  mehrfach  betont. 

2)  Aristoteles  und  Athen  I  43. 


640  C.  F.  LEHMANN 

alle  /avâ  ifinoçixi^  des  genannteo  Volksbeschlusaes  im  Betrage  von 
600,2  g  wob]  zu  UDterscheiden.^)  Sie  ist  die  eigentiiche  Einheit 
des  pheidooischen ,  auch  iu  Aegiua  gültigen  Gewichtssystemes.*) 
Sie  selbst  und  die  zugehörige  erhöhte  Norm  kamen  nicht  föUig 
ausser  Gebrauch,  wie  jener  Volksbescbluss  und  erhaltene  Gewichte 
zeigen.*)  Ein  Anstoss  liegt  darin  nicht/)  Es  ist  nur  ein  Fall  der 
allgemeinen,  auch  uns  heule  noch  nahe  tretenden  Erscheioung, 
dass  bei  einem  Systemwechsel  auf  metrischem  Gebiet  das  AltCt 
Nominale  wie  Bezeichnungen,  sich  mit  grosser  Zähigkeit  erbalt. 

Pernice*)  findet  es  befremdlich,  dass  in  Athen  eine  Aozahl 
verschiedener  Gewichtssysteme  im  Handel  Verwendung  gefundeo 
haben  sollten.  Man  müsse  sich  ,immer  wieder  daran  erinnern, 
dass  die  antiken  Gewichtsstücke  lediglich  für  den  Kleinhandel  in 
Athen  und  auf  dem  Lande  bestimmt  gewesen  sind.  Und  sollen  wir 
glauben^  dass  der  athenische  Bürger,  wenn  er  sich  seinen  Haus* 
vorrath  einkaufte,  stets  genau  wusste,  wie  schwer  die  phönikiscbe, 
wie  schwer  die  leichte  babylonische  Mine')  war?  Er  brauchte  daxu 
ein  eigenes  Rechenbüchlein,  und  es  wäre  gewiss  schwer  geweseo, 
sich  darin  zurecht  zu  finden.  Pflegen  wir  die  Feigen  okaweise 
einzukaufen,  weil  wir  sie  aus  Griechenland  beziehen,  oder  kaufen 
wir  Waaren,  die  aus  den  englichen  Kolonien  kommen,  nach  eng- 
lischem Gewicht?  Der  Verkäufer  vollends  musste,  wenn  er  nur 
einigermaassen  gut  assortirt  war,  stets  einige  Dutzend  von  Gewichten 
mit  sich  schleppen,  um  die  nach  verschiedeneu  Normen  rechnenden 
Kunden  genügend  zu  bedienend 

Der  Fehler  liegt  hier  in  der  zu  starken  Betonung  des  Klein- 


1)  ]d  dies.  Ztschr.  XXVII  ÔÔ5  A.  1. 

2)  lieber  den  Unterschied  von  pheidont8cb(-äginii8chem)  Gewicht  ood 
igiiiâischem  MQnzgewicht,  s.  diese  Ztschr.  XXVII  557 ff. 

dies.  Ztschr,  XXVII  &39.  —  Pernice  §  14. 
Dies  im  Hinblick  auT  WitamowiU'  Gedanken  a.  a.  0. 
5)  'îrîechiftcht!  Gewichte  S.  2b* 

1'        TîrhTifï  Cï^^^o  Pernice  S.  24  f.)  hü  UuUsch  eine  Anzahl  attischer 

w^*  lif^r  bsbylonigchfn  Gewictibnjine  zugewiesen.    Sie  stellen  meist 

I  dar  (seil  wer  H'^'lA,  z*  B.  Pernice  n.  200  ff.,  leicht  [«»  'fralis^ 

fifà]  4HU2,   t.  B.  Pernice  n.  3:)â,  351  ff.),     ^/mo  der  haby* 

^er«n  Gewlchttmln«  (nicht  etwa   einer  Silbermine)  gemdaer 

tr  Norm  lèM^^m^  ^.  US^S  ^  stellen  singularer  Weise  aacfc 

Glücke  dcr^^^^^im  W^^i  dar,  wie  schon  VBÂG  1889  tob 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES  A0HN.  HOAIT.       641 

handels  und  in  VorslellungeD ,  die  der  Haauigfaltigkeit  und  Viel- 
seitigkeit des  Verkehres  in  einem  grossen  Seehafen  und  der  durch 
sie  bedingten  Arbeitstheilung  nicht  gerecht  werden.  Athen,  das 
nimmt  ja  auch  Pernice  an,  war  «wahrend  seiner  Blüthezeit  eine 
der  bedeutendsten  Handelsstädte  der  alten  Welt^  Dass  bestimmte 
Waaren  nach  besonderem,  zum  Theil  den  an  ihrem  Ursprungsort 
tlblichen  Gewichten  und  Haassen  gehandelt  wurden,  ist  durchaus 
nicht  überraschend.  Nicht  alle  Kaufleute  und  Händler,  sondern 
nur  eben  diejenigen,  die  mit  diesen  Waaren  zu  thun  hatten, 
waren  mit  den  nOthigen  Sondermaassen  und  -Gewichten  bekannt  und 
▼ersehen,  die  sie  natQrlich  nicht  mit  sich  herumzutragen  brauchten. 
Wir  haben  vielfach,  eventuell  auch  bei  gleicher  Form  und  gleichen 
Abzeichen  der  Gewichte,*)  mehr  Normen  zu  unterscheiden  als  bisher 
angenommen,  und  dem  entsprechend  vermindern  sich  die  bisher 
vorausgesetzten  übermässigen  Abweichungen  von  der  Norm.*)  In 
Hamburg  wurde  bis  vor  Kurzem  das  aus  Russland  eingeführte  Ge- 
treide nach  englischem  Maasse  (per  Quarter)  neu  vermessen  und 
gebandelt.  Fände  man  nun  nach  3000  Jahren  bei  Neubauten  oder 
Ausgrabungen  in  Hamburg  ein  Hohlmaass,  das  ein  oder  mehrere 
Quarter  darstellt,  so  würden  zukünftige  Hetrologen,  nach  deren 
Anschauung  in  einer  grossen  Handelsstadt  nur  einheitliches  Maass 
und  Gewicht  denkbar  wären,  Anstrengungen  machen,  dieses  eng- 
lische Hohlmaass  als  einem  deutschen  zugehörig  hinzustellen.  Und 
wenn  sie  dabei  nach  dem  in  der  heuligen  Metrologie  vielfach  üb- 
lichen Verfahren,  das  Pernice  und  ich  in  gleicher  Weise,  wenn 
auch  zum  Theil  unter  verschiedenen  Gesichtspunkten,  bekämpfen, 
die  nOthigen  grösseren  oder  kleineren  Abweichungen  von  der  Norm 
(willkürliche  Erhöhungen,  Erniedrigungen)  zugestehen,  so  würde 
ihnen  das  auch  gelingen.') 


1)  Dies  mit  Bezug  auf  Pernices  Forderung  S.  5,  32;  vgl.  bei  Pernice 
selbst  S.  57. 

2)  Vgl.  dazu  Pernice  S.  13. 

3)  Auch  in  der  Form  der  Gewichtsstücke  zeigt  sich  im  Alterthum, 
besonders  auf  orientalischem  Gebiet  eine  grosse  MannigfaUigkeit.  Besonders 
biafig  begegnen  Thiergestalt,  eingegrabene  Thierdarstellung  und  gewisse 
stereometrische  Körper.  Die  Beobachtung  dieser  von  den  Gewichten  mit  No« 
mtnalbezeiehDung  bekannten  Formen  kann  uns  zur  Erkenntniss  der  grossen 
Aiisahl  von  unbezeichneten  Gewichten  verhelfen.  Gewichte  in  Thiergestalt 
oboe  ersichtliche  Nominalbezeichnung  zeigt  die  bekannte,  auch  im  Berliner 
M oseom  nichgebildete  ägyptische  Darstellung  der  Wägung  von  Goldringen.  Von 


642  C.  F.  LEHMANN 

3.  Der  , S  ta  ter/  xal  iniduvBfiij&tiaav  [al  t]^€îç  fÂval 
vtp  oraTTJQi  xtX.  Warum  %fp  axarriQit  Hier  liegt  ein  Bedenkeo, 
dessen  man  sich  bisher  nicht  bewusst  geworden  ist.  Ein  solo- 
nisches  Didrachmon  wiegt  8*73  g.  Eine  Erhöhung  um  game  0,4  g 
ist  nicht  bedeutend  genug,  um  gerade  diese  Einheit  als  Beispiel  für 
die  Yon  der  Erhobung  betroffenen  Gewichte  zu  nennen.  Auch 
bewegt  sich  doch  der  Harktverkehr  mehr  in  Pfunden  und  Centnern 
als  in  Loth  und  Quentchen.    Die  Losung  der  Schwierigkeit  bietet 


solcheo  Beobachtuogeo  aosgeheod  habe  ich  (VBAG  1891  S.  515  ff.)  mich  be* 
mQht,  etliche  Merkmale  der  «Gewichlsverdichtigkeit*  xnsamnieDzostelleDy  wo- 
bei ich  freilich,  wie  Pernice  Griechische  Gewichte  §  2  zuzogeben  ist,  ia  einiger 
Hinsicht  zu  weit  gegangen  bin.  Namentlich,  wenn  mehrere  solcher  Merk- 
male für  ein  Stück  zusammentreffen,  erscheint  der  Gewichtsverdacht  begrfindeL 
Tii£Et  es  sich  dann,  dass  ein  solches  Stack  mit  einer  der  bekannten  Einheiten 
der  verschiedenen  Gewichtssysteme  genau  harmonirt,  so  wird  regelmässig  der 
Verdacht  als  znr  Gewissheit  erhoben,  die  Gewichtsqualitit  als  erwiesen  gelten 
können.  Wenn  also  Pernice  a.  a.  0.  sagt:  ,es  wird  zwar  (von  Lehmann) 
ausdrücklich  bemerkt,  dass  diese  Gegenstände  nur  ,gewichtsverdâchtig*  sind, 
aber  nichts  destoweniger  werden  sie  den  verschiedensten  Systemen  ein- 
geordnetS  so  wird  damit,  wie  man  sieht,  der  Thatbestand  verschoben.  Es 
galt  die  Beantwortung  einer,  muthmaassliche  Gewichtsstücke  betreffenden  ar- 
chäologischen Untersuchung,  bei  der  erst  in  allerletzter  Linie  die  Metrologie 
zur  Hülfe  genommen  wurde.  Als  Basis  für  metrologische  Schlüsse,  als  Be- 
lege für  etwaige  neue  Gewichtsnormen  kommen  diese  Stücke  in  keiner  Weise 
in  Betracht  und  um  Versuche,  das  metrologische  Material  in  ,nnzul&ssiger* 
Weise  zu  ,bereichern'  (Pernice  S.  5),  handelt  es  sich  durchaus  nicht  Vielmehr 
habe  ich  mich  auch  hier  durch  falsche  Bedenken  hemmen  lassen.  Die  Ber- 
liner vorderasiatische  Sammlung  enthält  ein  Stück  ans  weissem  Gestein,  das 
ich  aus  verschiedenen  Gründen  als  Gewicht  ansprach.  Die  Wigung,  nach 
der  es  einer  Drittelroine  gleichkam,  schien  das  zu  bestätigen.  Als  man  mir 
einwandte,  das  Stück  sei  offenbar  ein  durch  die  Brüste  deutlich  gekenn- 
zeichneter weiblicher  Oberkörper,  liess  ich  den  Gedanken  fallen.  Pernices 
Uebersicht  zeigt  nun  mehrfach  Gewichte  mit  Darstellung  weiblicher  Brüste 
(s.  B.  n.  27S,  279,  284,  291).  Diese  Form  gehört  also  zu  denen,  die  mit 
den  Normen  aus  dem  Orient  übernommen  sind.  —  Für  die  Goldgefässe  der 
Schliemannschen  Sammlung,  die  ihrem  Gewichte  nach  wohlbekannte  Minen- 
einheilen  repräsentiren,  verweise  ich  gegenüber  Pernice  S.  4,  wiederholt  (vgl. 
VBAG  18S9  S.  266)  auf  die  in  Neukarthago  erbeuteten  Goldschalen  (Livios 
26,  47,  7,  vgl.  dazu  jeUt  Hultsch  Gewichte  S.  51  A.  1)  nnd  auf  meine  Be- 
merkungen VBAG  18S9  S.  248  unten  und  1893  S.  25ff.  Dem  Goldschmidt 
wurde  das  kostbare  Material  sugewogen.  Er  musste  es,  eventuell  abzüglich 
eines  Bruchtheiles  als  Arbeitslohnes,  vollwichtig  verarbeiten.  Dass  man  bei  der 
Hingabe  möglichst  eine  Einheit  oder  deren  organischen  Theil  wählte,  ist  keines- 
wegs verwunderlich. 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES  A0HN.  HOAIT.       643 

der  fOD  PerDice')  an  den  attischen  Gewichten  geführte  Nachweis, 
dass  die  Doppelmine  als  Einheit  des  ^schweren  Systèmes^  solonischer 
Norm')  regelmässig  als  Stater  bezeichnet  wurde.  Dieser  Stater 
erfuhr  die,  eine  Erwähnung  lohnende  Erhöhung  um  43t6  g.  Aristo- 
teles bestätigt  also  Pernices  Ermittelung. 

4.  Beziehungen  zwischen  der  aeiaäx'9'eia  una  àer 
Aenderung  des  Hüuzfussses?  Im  Anschluss  an  Köhler  habe 
ich  in  dies.  Ztschr.  XXVII  553  ausgeführt,  dass  die  OBiaax&Bia 
▼on  der  Aenderung  des  Münzfusses  zu  trennen,  jene  eine  sociale, 
diese  eine  handelspolitische  Haassregel  sei.  Die  Seisacbthie  bedeutet 
▼oUkommene  Aufhebung  der  Schulden  zum  Zweck  der  Beseitigung 
der  Schuldknechtschaft.  Dem  fügte  ich  hinzu:  ,dabei  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  die  Münzänderung  in  einzelnen  Fällen  und  in 
der  Yon  den  tivhç  wv  xeri  idvdgoTlwy  angedeuteten  Weise  durch 
private  Abkommen  zu  einer  Ermässigung  der  ,(Darlehns-}^Schuld 
benutzt  worden  ist;  so  dass  wir  nicht  durchaus  gezwungen  sind, 
diese  Ansicht  als  eine  gelehrte  Erklärung  der  Münzreform,  deren 
wahren  Grund  man  nicht  mehr  kannte,  zu  betrachten.' 

In  der  von  mir  ausgesprochenen  Form  ist  der  Gedanke  nicht 
haUbar,  denn  es  gab  ja  keine  (Darlehns-}Schuld  mehr,  die  ermässigt 
werden  konnte.  Und  doch  möchte  ich  glauben,  dass  in  den  Worten 
bei  Plutarch')  etwas  Richtiges  ausgesprochen,  ein  mit  Missver^ 
stflndnissen  umkleideter  wahrer  Kern  enthalten  ist.^)  In  Betracht 
kommen  könnten  von  älteren  Verbindlichkeiten  nur  solche  aus  an-* 
deren  als  Darlehnsverträgen.  Wie  nun,  wenn  Solon  ein  Einführungs* 
gesetz  mit  Uebergangsbestimmungen  erlassen  hätte,  dahin  lautend, 

1)  Griechische  Gewichte  S.  48  f. 

2)  Das  NebeneioaDderbestehen  eines  schweren  und  eines  leichten  Systè- 
mes, deren  Haupteinheiten  im  YerhSltniss  2 : 1  stehen,  ist,  wie  bekannt,  eine 
durch  die  gesammte  antike  Metrologie  verbreitete  Eigeathfimlichkeit  gerade 
des  babylonischen  Systems.  So  auch  Pernice  Zeitschrift  für  Numismatik 
XX  1896,  228  und  Hultsch  Gewichte  S.  174.  Die  Ursachen  dieser  Erschei- 
■oog  sind  wie  die  Grundlagen  des  gesammten  babylonischen  Systèmes  der 
Zeit-  and  Raommessung  in  der  Himmelsbeobachtung,  der  technischen  Chrono- 
logie za  soeben;  s.  zuletzt  meine  Bemerkungen  Zeitschrift  für  Assyriologie 
XIV  1900,  S.  367  ff. 

8)  TgL  dies.  ZUchr.  XXVII  554  A.  t. 

4)  Die  Frage  weiter  zu  verfolgen  bin  ich  namentlich  veranlasst  worden 
briefliche  Bemerkung,  ihm  scheine  mit  meinen  ihm  grösstentheiis 
AosfQhrungen  die  Erklärung  der  uêuiàx^êia  und  der  Münz- 
•fdmuig  niekl  erschöpft. 


644  C.  F.  LEHMANN 

dass  bis  zu  einem  gewigseo  TermiD  Zahlungen  an  die  SiaatekasseD, 
namentlich   auf  Grund  solcher  Verbindlichkeiten  aus  Älterer  Zeit, 
statt  in  alten  Drachmen   in   neuen  Drachmen  erfolgen   konnten? 
Das  hatte  mehrere  Vortheile.    Der  Uebergang  Tom  alten  zum  neuen 
Gelde  wurde  beschleunigt ^  der  stets  sehr  starke  Widerwille  gegen 
EinfOhrung  einer  neuen  HOnze,  noch  dazu  einer  mit  geriogwer- 
thigerer  Einheit  wurde  Oberwunden,  und  thatsAcblich  eine  weitere 
Aufbesserung  der  wirthschaftlichen  Verhältnisse  herbeigeführt.  Weoo 
der  Staat  diese  Bestimmung  garantirte,  so  konnte  sich  auch  der 
PrivatYerkehr  dieselbe   zu  Nutze  machen.     In  solchen  Fällen  traf, 
der  Hauptsache  nach,  zu  :  (cSar'}  (ig)eleîa&ai  fièv  %ovç  èuLtlvowtaç 
IJLByàXay  ^rjôèv   ôk  ßXdTctea&ai  tovç  xofÀiÇofiévovç   (Plutarch 
Solon  15).     Dagegen   ist   natürlich   der  Vordersatz  (Sar'  aQi&fntfi 
fiiv  laov,  ovvafiei  d*  skatTov  ànoôiàoirnav  nur  auf  den  Grund- 
irrthum  betreffs  der  alten   und  neuen  Drachmen  zurOckzufOhreo. 
5.    Entstehung  des  euboischen  Gewichtes.    Das  tod 
Solon  eingeführte  Gewicht  war  das  euböiscbe.    Mit  der  EinfOhruDg 
der  euboischen  Wahrung  brachte  Solon^  wie  Köhler')  gezeigt  bat, 
den  Anschluss    an   das  chalkidisch- korinthische  Handelsgebiet  zu 
Wege  und  lOste  Athen  Ton  den  Beziehungen  zu  dem  Qbermachtigen 
Aegina,  um  ihm  Concurrenz  und  UeberOlügelung  zu  ermOglicheD.*) 
Die  Entstehung  des  euboischen  Gewichtes  habe  ich')  fermuthuogs- 
weise  erklärt  als  Folge  einer  Veränderung  des  Werthverhältnisses 
▼on  Silber  zu  Kupfer  96  :  1  statt  120  : 1  und  eine  Bestätigung  io 
der  Thalsache  erblickt,  dass  96  Obolen   auf  einen  Stater  gehen. 
Hierin  hat  mir  inzwischen  HilM)  beigepflichtet. 

1)  MiUh.  des  arch.  Inst,  zu  A^hen  X  S.  151  ff. 

2)  S.  diese  ZUchr.  XXVII  553. 

3)  S.  diese  ZUclir.  XXVII  549  A.  1. 

4)  Handbook  p.  36.  Nähme  man  an ,  Solon  hätte  gleichieitig  mit  EId- 
fûhrung  der  euboischen  Währung  im  Anschluss  an  frühere,  eventuell  vm 
Theil  noch  gültige  euböische  Verhäitnisse  zeitweilig  einen  Zwangskan  für 
Kupfer  vorgeschrieben,  der  diesem  einen  um  V^  höheren  Werth  verlieh,  fo 
hätten  wiederum  ,die*  in  Kupfer  ^zahlenden  einen  Vortheil^  die,  die  den  Ans- 
tausch  gegen  Silber  bewerkstelligten,  im  letzten  Grunde  die  Staatskasse 
,keinen  Nachtheil*  gehabt.  Vielleicht  konnte  auch  eine  solche  Maassrefd 
weiter  noch  mit  der  Neuordnung  der  Münze  in  Verbindung  gesetzt  werden, 
indem  verordnet  wurde,  dass  für  die  Uebergangsfrist  etwaige  alte,  grössere 
Kupfereinlieiten  den  neueren,  kleineren  gleich  gesetzt  wurden,  umsomehr  als 
es  sich  hier  thatsächlich  oder  nahezu  um  Scheidemünze  handelte ,   bei  der  es 

f  die  genauen  Beträge  weniger  ankam. 


WEITERES  IV  ARISTOTELES  A0HN.  HOAIT.       645 

Hultsch')  nimmt  an,  dass  eine,  der  eubOischen  entsprechende 
GewichUnorm  in  einer  schweren  und  einer  leichten  Form  bereits 
in  viel  allerer  Zeit  in  Aegyplen  nachweisbar  sei  und  sieht  darin 
eine  «Beseitigung*  meiner  Anschauung  über  deren  Entstehung.  Mit 
Unrecht.  Angenommen  die  Thatsache  wäre  richtig,  was  mir  durch 
Hultschs  Belege  und  Ausführungen  S.  39  ff.  noch  nicht  gesichert 
erscheint,  so  hätte  meine  Erklärung  für  deren  Entstehung  doch 
Bestand.  Man  hätte  nur  die  Wahl  zwischen  der  Annahme,  dass 
das  in  Aegypten  in  Folge  einer  Veränderung  des  Verhältnisses  vom 
Kupfer  zum  Silber  entstandene  Gewicht  in  EubOa  eingeführt  sei, 
oder  aber  dass  analoge  Umstände  zur  Neubildung  des  früher  an 
anderem  Orte  entstandenen  Gewichtes  geführt  hätten.*) 

Theilt  man  die  eubOisch-solonische  Mine  in  Sechzigstel,  so 
ergiebt  sich  der  Betrag  des  schweren  und  leichten  phOnikischen 
Schekels  gemeiner  Norm  (14,55  bezw.  7,28  g).    Aber  ihrer  Ent- 


1)  Die  Gewichte  des  Alterlhumes  S.  66  A.  4. 

2)  Das  römische  Pfund  von  normal  327,45  g  ist  m.  E.  entstanden  durch 
eine  noch  stärkere  Reduction  jenes  Werthverhältnisses,  72:1  stall  120:1.  Diese 
Annahme  halte  ich  aufrecht  (s.  Sitzungsberichte  der  Archäologischen  Gesell- 
schaft, Archäologischer  Anzeiger  XII 1897  S.  168),  wenn  ich  mich  auch  nicht 
mehr  auf  die  Waage  von  Ghiusi  dafür  berufen  kann  (s.  Pernice  Archäologisches 
Jahrbuch  Bd.  XIII  1898  S.  79).  Schon  viel  früher  aber  wird  einmal  die 
gleiche  Reduction  mehr  im  Osten  der  antiken  Gulturwelt  eingetreten  sein.  Ihr 
verdanken  möglicherweise  die  Mine  von  654,9  g  (Mine  der  ältesten  ä^inätschen 
Silberwährung)  und  die  von  672  g  {fiva  ayoQala  in  dies.  Ztschr.  XXVII  558; 
Pernice  Griechische  Gewichte  §  13)  ihre  Entstehung,  die  sich  zur  babylonischen 
schweren  Silbermine  genau  verhalten  (3 : 5)  wie  das  römische  Pfund  zur  ba- 
bylonischen leichten  Silbermine.  Das  Gewicht  von  654,9  g  gehört  der  ge- 
meinen Norm  an,  das  von  672  nimmt  die  entsprechende  Stelle  im  ,königlichen 
System  reducirter  Form*  ein.  Rein  rechnerisch  ist  das  römische  Pfund  die 
Hälfte  dieser  äginäischen  Mine  gemeiner  Norm,  ebenso  wie  es  7^  d^r  baby- 
lonischen schweren  (982,4  g)  */s  ^^r  babylonischen  leichten  (491,2  g)  Gewichts- 
mine  gemeiner  Norm  ist.  Wenn  die  Römer  zu  Beginn  des  ersten  punischen 
Krieges  zur  Silberwährung  übergingen  und  damit  im  Znsammenhang  eine 
Aenderung  ihres  Gewichtes  eintrat,  so  ist  die  Schlussfolgerung,  dass  sie  einen 
Zwangskurs  für  Kupfer  einführten,  um  Silber  möglichst  billig  einzukaufen,  von 
vornherein  gegeben  und  gerechtfertigt.  Die  Stellung  des  römischen  Pfundes 
im  System  der  Währungsgewichte  giebt  uns  nun  den  mathematischen  Aof- 
schluss  über  den  Betrag  dieser  Reduction,  immer  vorausgesetzt,  dass  zwischen 
Silber  und  Kupfer  ursprünglich  das  Verhältniss  von  120: 1  obwaltete  tvgl.  jetzt 
aochRultsch  «Gewichte*  S.  136),  was  ja  freilich  noch  vielfach  bestritten  wird  und 
worauf  ich  bei  anderer  Gelegenheit,  unter  Betonung  namentlich  auch  der  sici- 
Jischen  Verhältnisse,  zurückzukommen  hoffe.  Vgl.  diese  Ztschr.  XXVII 546 f.  Anm. 

Herme«  XXXV.  42 


646  C.  F.  LEHMANN 

stehuDg  fiach  ist  die  nirgends  secbzigfach  getheilt  auftretende 
euboische  Mine  keinenfalls  die  ,Sechzigeroiine*  dieses  phOnikischeD 
Schekels,  wie  Hultsch  a.  a.  0.  will.  Wenn  wir  höhere  Einheiten 
entstanden  sein  lassen  aus  kleineren,  die  jenen  niemals  als  deren 
Bestandttheile  zugeordnet  erscheinen,  so  yerlieren  wir  völlig  den 
Boden  unter  den  Fassen.  Ist  es  schon  irreführend,  die  Betrachtung 
überwiegend  an  die  kleineren  Einheiten  (Schekel,  Loth,  Drachme) 
anzuknüpfen,  so  lauft  Hultschs  Aufstellung,  aus  jeder  solchen  klei- 
neren Einheit  habe  eine  «Fünfziger-  und  eine  Sechzigennine*  ge- 
bildet werden  können,  direct  der  metrologischen  Entwicklung  zu- 
wider. Das  einheimische  babylonische  Sexagesimalsystem  ist  bei 
der  Eintheilung  der  ,Wflhrungsminen^  zu  Gunsten  des  in  Aegypten 
und  Syrien  u.  s.  w.  herrschenden  Decimalsystemes  aufgegeben  und 
nie  wieder  aufgenommen  worden.  Schon  in  dies.  Ztschr.  XXVII 
549  A.  1  schrieb  ich  ,mit  solcher  rechnungsmassigen  und  folglich 
mehr  mechanischen  Feststellung  darf  sich  die  metrologische  For- 
schung nicht  begnügen,  sondern  muss  überall  die  Gründe  f&r  die 
Aenderung  der  Normen  festzustellen  suchen,  die  bei  den  Gewichten 
in  überwiegendem  Maasse  merkantiler  und  handelspolitischer  Natur 
sind'.  Meinen  Einspruch  gegen  die  rein  rechnerische  Betrachtungs- 
weise, die  in  Hultsch'  neuer  Darstellung  gerade  auf  Grund  der  ge- 
nannten Aufsteilung  bedenklich  hervortritt,  möchte  ich  hier,  wie 
an  anderer  Stelle,  nachdrücklich  wiederholen. 

6.  Die  Oeidojveia  ^évça.  in  ixelvov  yàç  iyéveto 
xal  rà  fiérça  fÀil^w  jwv  Oeidwveiiov  xai  t^  /ivâ  nçoteçof 
^x[o]vaa  [a]ta&fÀOV  sßdofAi^xovva  dçaxf^àç  âvefcXrjQoivh]  taîç 
éxazov.  Hultsch  batte  aus  diesem  Satze  gefolgert,  dass  entgegen 
allen  Nachrichten  in  Athen  vor  Solon  ein  kleineres  Gewicht  als 
das  euboische  in  Anwendung  gewesen  sei  und  schloss  auf  das 
babylonisch-persische  Gewicht.  Nachdem  Wilamowitz  und  ich  unab- 
hängig von  einander  dies  als  unzulässig  erwiesen  hatten,*)  bat 
Hultsch  diesen  Irrthum  zurückgenommen.  Neuerdings  folgert  er 
aus  dieser  Stelle,  dass  die  vorsolonischen  Hohlmaasse  in  Athen 
kleiner  gewesen  seien  als  die  solonischen.*)  Hultsch  beruft  sich 
darauf,   dass   die  Aenderung  /aelw  statt  ^el^œ  sich  nicht  bewährt 


1)  Aristoteles  und  Athen  I  43.  44  A.  1.  —  Diese  Ztschr.  XXVII  534  ff.  - 
Anch  Ed.  Meyer  Geschichte  des  Alterthumes  II,   und  Andere  haben  mir  zo- 
■Mmmt. 

'-^hle  des  Alterthumes  S.  60  A.  2. 


WEITERES  ZU  ARISTOTELES  A0HN.  HOAIT.       647 

habe.  Die  ist  freilich  langst  aufgegeben.  Aber  sicher  ist,  dass 
der  auf  dem  Gebiet  der  Gewichte  nachweisbare  Grundirrthum 
irrige  Vorstellungen  belrefls  der  übrigen  Maasskategorien  mit  Noth- 
wendigkeit  bedingte.  Wie  ich  (in  dies.  Ztschr.  XXVII  533)  bemerkt 
habe,  war  es  offenbar  Aristoteles  ganz  wohl  bekannt,  dass  in  einem 
geschlossenen  System  die  Grundeinheiten  der  verschiedenen  Kate- 
gorien als  von  einander  abhängig  betrachtet  werden.  Für  Ueber- 
vorsichtige,  die  das  nicht  zugestehen  mögen,  ist  übrigens  auch  diese 
Annahme  entbehrlich:  es  brauchen  nur  in  einer  der  älteren  Quellen 
altes  und  neues  Maass  in  derselben  Weise  verglichen  gewesen  zu 
sein  wie  alte  und  neue  Drachmen  (35  alte  ».  48  neue  Choiniken 
ca.),  so  ist  auch  der  gleiche  Fehler  in  der  Auflassung  erklärt. 
Ich  selbst  halte  freilich  letztere  Annahme  aus  verschiedenen  Gründen 
für  weniger  wahr^heinlich.  Hultsch  betrachtet  den  vorsolonischen 
Metretes  als  dem  einfachen  Cubus  des  vorsolonischen  (pheido- 
nischen)  Fusses  entsprechend,  während  bekanntlich  im  solonischen 
System  der  Metretes  das  1  ^2  fache  vom  Cubus  des  solonischen  Fusses 
ist.*)  Zu  solcher  Annahme  möchte  ich  mich  in  diesem  Zusammen- 
hang auf  Aristoteles'  alleinige  Autorität  hin  nicht  verstehen.  Wir 
wissen,  dass  Pheidon  den  Peloponnesiern  ein  geschlossenes  Maass- 
system gegeben  hat,  in  welchem  die  Längeneinheit,  der  babylonisch- 
persisch-pheidonische  Fuss  von  rund  330  (genauer  330,78  mm,  ^I'a 
des  (jiéTQioç  nfixvg)^)  vereinigt  war  mit  praeexistenten,  im  baby- 
lonischen System  wurzelnden  Einheiten  der  anderen  Kategorien, 
die  sich  zu  dem  Fusse  fügten,  als  wären  sie  auf  ihm  aufgebaut, 
aus  ihm  berechnet.*)  Wir  wissen,  dass  in  Athen  in  älterer  Zeit  ein 
grösserer,  eben  dieser  Fuss  von  rund  330  mm  im  Gebrauch  war, 
der  um  ein  Neuntel  grösser  war  als  der  solonische  Fuss.  Wir 
kennen  peloponnesisches  (spartanisches)  Maass  und  Gewicht.^)  Wir 
finden,  dass  das  vorsolonische  Gewicht  und  somit  das  ganze  vor- 
solonische  System  —  von   dem   gesondert  zu   betrachtenden   ägi- 

1)  In  dies.  Ztschr.  XXVII  541  war  natürlich  zu  lesen:  ^dass  auch  der  solo- 
nische Metretes,  das  1 72  fache  des  Maasses,  welches  Flüssigkeit  vom  Gewicht 
des  Talentes  fasst  (60.  436»67  cdm  sind  26,20  1),  kleiner  ist  als  der  vorsolonische 
Metretes,  der  ^/s  von  (60.  600  cdm  =^)  6001  bildet.* 

2)  Diese  Ztschr.  XXVII  540  unter  2. 

3)  Dies  der  Sachverhalt  bei  abgeleiteten  geschlossenen  Systemen,  s.  diese 
Ztschr.  XXVII  533  f.  Acten  des  Stockholmer  Grien talistencongresses,  Section 
Sémitique  S.  226  unter  b)  und  sonst. 

4)  S.  besonders  Hultsch  Metrologie  ^  §  46,  5  S.  300. 

42* 


648  '  C.  F.  LEHMANN 

Dflischen  Müozsystem  abgeseheD*)  —  mit  diesem  in  Einklang  steht 
und  sind  somit  nicht  überrascht  durch  Aristoteles  zu  erfahren, 
dass  das  Yorsolonische  Maass  das  pheidonische  war.  Die  Bildung 
des  Irrthums  betreffs  der  Hohlmaasse  mag  dadurch  mit  befördert 
sein,  dass  Solon  fOr  den  Harktverkehr  in  gewissen  Fallen,  wie  spater 
der  Volksbeschluss  CIA.  II  496 ,  der  vielfach  nur  früher  Angeord- 
netes neu  eingeschärft  haben  wird,  statt  gestrichenen  gehäuftes 
Maass  Yorgeschrieben  hat,  worauf  die  inav^aig  bei  Plutarch  zu 
deuten  scheint.  Aber  an  der  Annahme  eines  Irrthums*)  wird  bis 
auf  Weiteres  festzuhalten  sein. 

7.  Zeit  des  Pheidon.  Meine  früher  gegebenen  Anschau- 
ungen über  Pheidons  chronologische  Zuweisung')  sind  durch  seit- 
her geführte  eingehende  Untersuchungen  nur  befestigt  worden. 
Gedankengang  und  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen,  die  ich  dem- 
nächst in  extenso  zu  verOffenllichen  hoffe,  deute  ich  hier  kurz  an. 
Die  Nachrichten  (Her.  VI  27,  Paus.  XXH  6,2),  dass  Pheidon  der 
Machtigste,  Stolzeste  der  Peloponnesier  gewesen  sei  (Her.:  vß^i- 
aavtog  ^éyiOta  ô^  ^Ekki^vwv  ànav%(av ,  Paus.:  %ov  ly'EA- 
Iriai  laaliara  ißgloavtaY)  und  ihnen  Maass  und  Gewichte  ge- 
geben habe,  führen,  wie  ich  mit  Köhler  annehme,  in  die  Zeit  vor 
Entwicklung  der  spartanischen  Hegemonie,  als  vor  die  messenischen 
Kriege.  Den  so  gewonnenen  allgemeinen  Ansatz  bestätigen  die 
beiden  einzigen  Daten,  die  ernstlich  in  Betracht  kommen.  Theo- 
pomps Ansatz  (nach  ihm  Marmor  Parium)  beruht,  wie  allseitig 
anerkannt,  auf  künstlicher  schematischer  Berechnung.  Herodots 
chronologisch  ganz  sinnlose  Angabe  erklart  sich  sehr  einfach  da- 
durch, dass  das  Thalsachliche  über  Pheidon,  die  Worte  (Deldiorog 
ôè  bis  Totrov  ôk  naig,  ein  Einscbub  ist,  den  Herodot  aus  einer 
schriftlichen  Quelle^)   eingefügt  hat  in  die  rein  novellistische,   auf 


1)  S.  diese  Ztsclir.  XXVII  557  ff. 

2)  Vgl.  Wilamowilz,  Aristoteles  und  Athen  I  43,  der  dies  mit  der  gleichen 
Beslimmtheit  ausspricht  wie  ich,  diese  Ztschr.  XXVII  534  und  541. 

3)  S.  diese  Zischr.  XXVII  559  f. 

4)  Eduard  Meyers  Uebersetzung  G  A  II:  ,der  den  Griechen  den  grössten 
Schimpf  angelhan  hat',  (indem  er  den  Eleern  den  Vorsitz  bei  den  olympischen 
Spielen  entriss),  lässt  sich  doch  wohl  nicht  vertreten:  da  müsste  vßpl^eir 
mit  eU  oder  dem  blossen  Accusativ  conslruirt  werden. 

5)  Und  zwar  derselben  Quelle,  welcher  Pausanias,  der  hier  der  Haupt- 
sache nach  nicht  auf  Herodot  fusst,  durch  verschiedene  Mitlelquelleo  folgt, 
m.  E.  Hekataios. 


WEITERES  Zu  ARISTOTELES  A0HN.  HOAIT.       649 

mODdiicher  Tradition  beruhende  Mär  von  der  Werbung  um  Agariste 
und  den  dadurch  begründeten  Ruhm  der  AikmeonidenJ)  Die  Ein- 
fügung ist  deutlich  erkennbar  an  dem  zweimaligen  dé:  Oeldwvog 
ôè  Tov  TOT  laivca  xtA.  .  .  .  tovtov  de  naîç.  Bleiben  Ephoros 
und  Pausanias.  Pausanias'  Angaben  sind  um  so  werthvoller,  als 
sie  gar  nicht  die  chronologische  Bestimmung  des  Pheidon  im  Auge 
haben,  sondern  seiner  nur  mehr  zufällig  bei  einer  Erörterung  der 
Anolympiaden*)  gedenkt.  Zu  Pausanias'  8.  Olympiade  (748)  stimmt 
Ephoros  Ansatz  dixarog  ano  Te^ivov  genauer,  als  man  ge- 
wöhnlich annimmt.  Denn  Ephoros'  Angabe,  nach  welcher  die  do- 
rische Wanderung  735  Jahre  vor  Alexanders'  Uebergang  nach  Asien 
fallt,  lässt  mit  Sicherheit  auf  Generationen  zu  35  Jahren 
schliessen:  735  —  21.  35.  Von  1069  resp.  1068  9  mal  35  »» 
315  Jahre  abrechnend  kommen  wir  für  die  ax^ri  des  Pheidon 
auf  754  V.  Chr.  —  Ich  glaube,  dass  bereits  Hekataios,  dessen  Be- 
nutzung durch  Ephoros  namentlich  aus  Pseudo-Skymnos  ersichtlich 
ist,  mit  Generationen  zu  35  (nicht  zu  40)  Jahren  gerechnet  hat, 
und  meine  ferner,  dass  die  Nachrichten  über  Pheidons  Anschlag 
auf  Korinth,  der  die  Gründung  von  Syrakus  (757  Marmor  Parium, 
734  Eusebius)  mit  bedingte,  nicht  durchweg  legendarisch  sind. 
Aus  der  mhtelbar  über  den 'Peloponnes  hinausgreifenden  Macht- 
stellung Pheidons,  die  ihrerseits  wieder  nur  für  das  8.  Jahrhundert 
begreiflich  ist,  erklärt  sich  auch  die  Geltung  seiner  Maassordnung 
ausserhalb  des  Peloponnes.  Man  wird  also  nicht  mit  Wilamowitz*) 
bei  Aristoteles  in  der  Bezeichnung  des  alten  Maasses  als  des  ,phei- 
donischen*  einen  Irrthum  in  Betracht  zu  ziehen  brauchen.^ 
Berlin.  C.  F.  LEHMANN^ 


1)  Vgl.  Her.  VI  125  Anfang  mit  VI  131  Anfang:  nal  ovrm  liXMjnêovièai 
ißfOü&rfüav  àvà  rr;v  *Ella8a, 

2)  lieber  die  Differenzen  in  den  Angaben  betreffs  der  Fehlolympiaden 
and  ihre  Herkunft  Näheres  s.  Z.  in  der  ausführlichen  Darlegung. 

3)  Aristoteles  und  Athen  S.  44  A.  1. 

4)  Wie  man  sieht,  stehen  meine  Ergebnisse  (hier  wie  an  manchen  anderen 
Stellen)  in  einigem  Gegensatz  zu  den  beiden  übrigens  einander  wohl  zum 
Theil  bedingenden  Anschauungen,  dass  die  historische  Tradition  in  Griechen- 
land nirgends  über  das  7.  Jahrhundert  hinausreiche  (Ed.  Meyer,  GA  II  §  228, 
vgl.  §  4)  und  dass  bei  Herodot  (und  anderen  Autoren)  wohl  eine  Kenatniss, 
nicht  aber  eine  litterarische  Benutzung  des  Hekataios  und  anderer  älterer  Quellen 
nachweisbar  oder  anzunehmen  sei  (Ed.  Meyer  Forschungen  zur  alten  Geschichte 
1  183,  II  233  GA  II  §  7  A.  2). 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE. 

(Vgl.  diese  Ztschr.  XXIX  417  ff.). 

XL  EIN  iDEALPORTRAT  DES  HESioD:  Arodt  uDd  AmeluDg  biiDgeD 
ÎD  ihreo  so  verdienslTollen  uod  dem  archaologischeo  Forscher 
wie  dem  archaologischeo  Lehrer  gleich  UDCDlbehrlicheD  ,EiDzel- 
aufnahmeo^  UDter  d.  530  die  Photographie  eioer  Reliefplatte  des 
Neapler  Museums/)  die  sich  sofort  als  die  Schmalseite  eines  Sarko- 
phages  zu  erkeoneD  giebt  uod  als  solche  auch  schon  längst  dem 
Sarkophagapparat  in  einer  Zeichnung  Eichlers  einverleibt  ist.  Auch 
welcher  Classe  der  Sarkophag,  von  dem  diese  Platte  abgetrennt 
worden  ist,  angehört  hat,  lässl  sich  mit  Sicherheit  bestimmen. 
Es  war,  wie  bereits  Arndt  in  den  Nachträgen  S.  51  vermuthet 
hat,  ein  Musensarkophag;  denn  nur  bei  solchen  pflegen,  bald  auf 
den  Schmalseiten  für  sich  allein,  bald  auf  der  Vorderseite  mitten 
unter  den  Musen  und  häufig  im  Gespräch  mit  ihnen,  Männer  mit 
Büchern  in  den  Händen  oder  mit  Bücherkästen  zu  ihren  Füssen 
angebracht  zu  werden.  In  diesen  haben  wir  bald  den  Verstorbenen 
selbst  mit  seinen  gebildeten  Freunden,  bald  aber  auch  berühmte 
Schriftsteller  der  Vergangenheit,  vor  allem  Dichter  zu  erkennen. 
Das  letzlere  ist  bei  der  Neapler  Platte  der  Fall.  Der  hochgewachsene 
Mann  mit  breiter  Brust  und  mächtig  wallendem  langem  Vollbart,  der 
auf  einem  Felsen  sitzend  die  Rechte  docirend  erhebt  und  in  der 
Linken  einen  langen  Stab  hält»  soll  ohne  Zweifel  eine  litterarische 
Berühmtheit  darstellen,  bei  deren  Bestimmung  neben  der  allge- 
meinen Charakteristik  das  zu  seinen  Füssen  stehende  Schaf  und  das 
neben  ihm  angebrachte  Scrinium,  auf  dem  ein  Bündel  von  Bücher- 
rollen liegt,  zu  berücksichtigen  sein  werden.  Mit  seinem  feinen 
und  geschulten  Auge  hat  Friedrich  Hauser  erkannt,  dass  ein  Kopf 
des  Capitolinischen  Museums,  der  jetzt  in  Arndts  Griechischen  und 
römischen  Porträts  Taf.  325.  326  vortrefllich  reproducirt  ist,*)  mit 

1)  Kurz  erwähnt  bei  Gerhard  Neapels  Antike  Bildwerke  S.  133  Nr.  502. 

2)  V^l.  auch  Helbi^  Führer^  I  319  Xr.  4TS. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  651 

dem  Kopf  der  Relieffigur  so  frappant  ObereÎDstimmt ,  dass  an  der 
Ideotität  der  dargestellten  Persönlichkeit  nicht  gezweifelt  werden 
kann.  Wenn  er  aber  diese  in  dem  Philosophen  Diogenes  gefunden 
zu  haben  glaubt,  indem  er  diese  traditonelle  schon  bei  Bottari 
Mus.  Capitol.  I  p.  20  zu  lesende  Deutung  des  Capitolinischen  Kopfes 
acceptirt  und  sie  auf  das  Neapler  Relief  überträgt,  so  unterliegt 
diese  Taufe  schweren  Bedenken.')  Nicht  nur,  dass  die  Aehnlichkeit 
mit  der  Albanischen  Statuette,')  die  doch  für  die  Richtigkeit  der 
Benennung  allein  den  Prüfstein  abgeben  kann,  äusserst  gering 
oder  vielmehr,  wenn  wir  aufrichtig  sein  wollen,  überhaupt  nicht 
vorhanden  ist  (man  vergleiche  nur  Schädel  und  Hals),  auch  die 
ganze  Erscheinung  der  Relieffigur  und  der  Charakter  des  Capito- 
linischen Kopfes  stimmen  absolut  nicht  zu  dem  Bilde,  das  wir 
uns  auch  ohne  die  Albanische  Statuette  von  Diogenes  machen 
würden.  Diese  imponirende  Gestalt  sollte  der  kleine  buckelige  Cy- 
niker  sein?  Diese  Züge,  die  von  tiefen  seelischen  Leiden,  von 
schwerem  Ringen  mit  den  tiefsten  Problemen,  von  einer  ruhigen 
geläuterten  vornehmen  Lebensauffassung  erzählen  und  nicht,  wie 
Arndt  sagt.  Grämlichkeit,  sondern  höchstens  eine  schon  über- 
wundene Bitterkeit  und  stolze  Menschenverachtung  zeigen,  sollen 
dem  Philosophen  der  Gasse  angehören?  Und  nun  die  Attribute. 
Hauser  bemerkt  sehr  richtig,  dass  man  statt  des  Schafes  einen 
Hund  erwarten  sollte,  bricht  aber  damit  selbst  über  seine  Deutung 
den  Stab.  Das  Rollenbündel  könnte  man  vielleicht  durch  den  Hin- 
weis auf  die  apokryphen  Schriften  des  Diogenes  zu  rechtfertigen 
versuchen  —  in  Wahrheit  hat  er  bekanntlich  keine  Zeile  geschrieben. 
—  Aber  was  soll  der  lange,  knorrige,  fast  scepterartige  Stab,  der 
von  dem  Stecken  des  Cynikers  sehr  weit  verschieden  ist?  Und 
der,  wenn  auch  nicht  mit  übertriebener  Eleganz,  so  doch  immer 
mit  dem  Grade  von  Sorgfalt,  den  die  gute  Sitte  erheischt,  drapirte 
Mantel?  Und  der  docirende  Gestus?   Und  der  Felssitz? 

So  schlecht  dies  alles  zu  der  Benennung  Diogenes  stimmt,  so 
Torzdglich  passt  es  für  Hesiod.    Felssitz,  Schaf  und  Stab  erinnern 
das  Proömium  des  Théogonie,  wo  die  Musen  den  Dichter  finden 
"IÇ  noifialvov&'  ^Ehnwyog  vno  ^a&éoio  und  ihm  als  axi}- 
ferleihen  daq)vrjç  iQi&rjkioç  o^ov  OQéxpaaai  ^ririxov.    Die 

-^  Six  Rom.  Mitth.  XIII  1898  S.  65  bezweifelt  die  Deutung,  glaubt 
i^er  Weise  einen  Blinden  dargestellt. 
\  Porträts  Taf.  321.  322. 


652  C.  ROBERT 

RolleD  Deben  ihm  sind  natOrlich  seioe  Gedichte.  Dass  vod  allen 
Dichtern  des  Alterthumes  keiner  ein  grosseres  Anrecht  auf  einen 
Ehrenplatz  an  einem  Musensarkophag  hat  als  Hesiod,  brauche  ich 
nicht  erst  zu  beweisen.  Ebenso  wenig,  wie  vortrefflich  gerade  fOr 
ihn  der  docirende  Gestus  passl.  Und  nun  die  Büste.  Lässt  sich 
eine  treffendere  Verbildlichung  des  Sängers  der  '^çya  denken  ?  Die 
Leiden,  die  ihm  der  Rechtsstreit  mit  seinem  Bruder  bescheert  hat, 
kommen  darin  ebenso  zum  Ausdruck,  wie  die  Erfahrung  eines  langen 
Lebens  und  Denkens  und  die  milde  Weisheit  Das  ist  wirklich 
der  Prophet  unter  den  griechischen  Dichtern,  als  welchen  Wila- 
mowitz  kOrzlich  den  Hesiod  so  schOn  gezeichnet  hat;  co  Iléçafj^ 
av  6^  axove  dixrjç^  firjô^  vßQiv  oq>€U.€  würde  das  passendste 
Motto  für  diesen  Kopf  sein ,  den  man ,  nachdem  seine  eigentliche 
Bedeutung  erkannt,  unter  den  Idealbildnissen  unmittelbar  neben 
das  des  Homers  wird  stellen  dürfen. 

Mit  dem  einzigen  bis  jetzt  bekannten  Idealportrat')  des  Hesiod, 
der  inschriftlich  gesicherten  Büste  auf  dem  Mosaik  des  Mon  nus,*) 
hat  der  Capitolinische  Kopf  kaum  etwas  gemein.  Höchstens  konnte 
man  in  dem  wallenden  Vollbart  eine  Spur  von  Aehnlichkeit  ent- 
decken. Aber  die  Auffassung  ist  eine  grundverschiedene.  Zunächst 
hinsichtlich  des  Lebensalters.  Auf  dem  Mosaik  erscheint  Hesiod 
nicht  als  kahlkOpflger  Greis,  sondern  als  Mann  auf  der  Hohe  des 
Lehens  mit  langem  vollen  Haar.  Noch  mehr  aber  hinsichtlich  des 
Charakters.  Das  Mosaikbild  hat  nichts  von  der  Energie  und  der 
packenden  Grossartigkeit  des  Capitolinischen  Kopfes,  vielmehr  etwas 
Sinnendes  und  Schwermüthiges,  was  zwar  auch  für  den  Dichter 
der  '^gya  recht  gut  passt,  aber  doch  nicht  seine  ganze  Persönlich- 
keit so  erschöpfend  zum  Ausdruck  bringt,  wie  es  bei  dem  Marmor^ 
köpf  der  Fall  ist.  Das  Mosaikbild  geht  also  auf  ein  anderes  Ori- 
ginal zurück  wie  die  Büste  und  das  Relief.  Ueberraschen  kann 
das  nicht  Von  der  gewiss  noch  kaum  individualisirten  Hesiod- 
Statue  im  grossen  Weihgeschenk  des  Smik3fthos  an  (Paus.  V  26,  2) 
wird  es  viele  Bildsäulen  und  Büsten  des  Hesiod  gegeben  haben, 
obgleich  wir  aus  litterarischen  Quellen  nur  noch  die  Erzstatue  auf 
dem  Helikon  kennen  (Paus.  IX  27,  5).  Aehnlich  brauchen  sie 
einander  so   wenig  gewesen   zu   ^ein,   wie   die  HomerkOpfe,   von 

1)  Die  ùbrigeD  «of  Hesiod  bezogenen  Bildweike  lasse  ich  als  ta  oosicher 
liier  giDi  ans  dem  Spiel. 

2»  S.  ADtike  Denkmäler  I  Tif.  49. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  653 

deDeo  68  bekanot  ist,  dass  der  mit  Recht  gepriesene  io  mehreren 
leichten  Varianten  erhaltene  Typus  weder  mit  den  Münzen  ?on 
los,  Smyrna  und  Amastris')  noch  mit  den  sonstigen  Darstellungen 
des  Homer  auf  dem  Relief  des  Archelaos,  der  Berliner  homerischen 
Tafel,*)  dem  pompejanischen  Bild')  und  dem  pompejanischen  Silber- 
becher ^)  übereinstimmt,  um  von  den  problematischen  übrigen  Dar- 
stellungen ganz  zu  schweigen. 

An  diese  oft  hervorgehobene  Thalsache  erlaube  ich  mir  eine 
Bemerkung  zu  knüpfen.  Wer  von  Idealporträts  und  insbesondere 
von  denen  des  Homer  spricht,  der  pflegt  nicht  zu  unterlassen, 
die  berühmten  Worte  des  Plinius  aus  dem  ProOmium  des  35.  Buches 
zu  ciliren  :  (9)  quin  imtno  etiatn  guae  non  sunt  finguntur,  pariunt- 
que  dtsideria  non  tradiios  vuUus,  sicut  in  Bomero  evenit.  Aber  der 
Zusammenhang,  in  dem  diese  Stelle  steht,  pflegt  selten  erwogen  zu 
werden.  Plinius  klagt  zunächst,  dass  die  Porträtmalerei  ausgestorben 
sei;  aus  kostbarem  Material  werden  jetzt  die  Porträts  hergestellt 
aerii  dipei,  argenteae  faciès,  wie  sie  uns  der  Silberfund  von  Bosco 
reale  kennen  gelehrt  hat.^)  Die  Ahnenbilder  aus  Wachs  und  die 
gemalten  Stammbäume  verschwinden.  Nachdem  er  dann  von  dem 
Einschmuggeln  fremder  nicht  aber  etwa  fingirter  Porträts  in  die 
Ahneureihe  gesprochen  und  sich  dafür  auf  zwei  Reden  des  Messala 
berufen  hat,  fährt  er  fort:  non  est  praetereundutn  et  novieium  in- 
ventum,  siquidem  ieones^)  ex  aura  argentove  aut  certe  ex  aere  in 
bibliotheeis  dieantur  Ulis  quorum  itntnortales  animae  in  locis  isdem 
locuntur,  quin  imtno  etiam  quae  non  sunt  finguntur,  pariuntque  de- 
sideria  non  traditos  vuüus,  sicut  in  Homero  evenit.  quo  maius,  ut 
equidem  arhitror,  nullum  est  felieitatis  specimen  quam  semper  omnes 
scire  cupere,  qualis  fuerit  aliquis.  Dann  berichtet  er,  dass  dieses 
novieium  inventum  in  Rom  von  Asinius  Pollio  eingeführt  worden 
sei.  Ob  dieser  etwa  hierin  an  den  Plolemaeern  und  Attaliden  Vor- 
gänger gehabt  habe,  bekennt  der  Schriftsteller  nicht  zu  wissen. 


1)  Imhoof- Blâmer  Porträtköpfe  auf  Münzen  hellenischer  und  hellenisti- 
scher Völker  Taf.  VIII  25,  vgl.  auch  Heibig  Führer^  I  329  Nr.  503. 

2)  0.  Jahn  Bilderchroniken  G  (Titelvignelte)  u.  S.  6. 

3)  Mon.  d.  Inst,  X  35. 

4)  Millingen  Ancuned.  Monum,  II  13,  darnach  Wiener  Vorlegebl.  Ser.  VIII 
Taf.  X  1. 

5)  S.  MonumenU  Piot  V  pL  2  und  p.  46. 

6)  So  Detlefsen,  vortrefllich;  non  Hdschr. 


654  C.  ROBERT 

NiemaDd  wird    bezweifeln,   das»  dieser  gaoze  AbachDltt  des 
Plinius  geistiges  Eigenthum  und  Dicht  etwa  eioem  anderen  Autor 
entnommen  ist     Aber  selbst  wenn  dies  der  Fall  w8re,  so  mQsste 
dieser  Autor  ein   ROmer   und  jünger  als  Asinius   Pollio  gewesen 
sein  ;  für  das,  was  ich  beweisen  will,  würde  das  auf  dasselbe  hioauB- 
laufen.     Plinius  bezeichnet  also  hier  die  Aufstellung  von  Porträt* 
büsten   berühmter  Schriftsteller  in  den  Bibliotheksraumen  als  eine 
Neuerung  und  bringt  mit  dieser  neu  aufgekommenen  Sitte  die  Ent- 
stehung der  Idealporträts  in  Zusammenhang.    Auch  diese  sind  also 
in   seinen  Augen   ein   novicium  invmtum.     Selbstverständlich  im 
er  hierin;   schon  das  5.  Jahrhundert  hat  bekanntlich  Idealportritts 
geschaffen,  wie  die  des  Homer  und  Hesiod,  die  natürlich  für  jene 
Zeit  mit  dem  zu  derselben  Gruppe  gehörigen  Orpheus  durchaus  auf 
derselben  Stufe  standen.')    Aber  wer  dem  Plinius  einen  solchen  Irr- 
thum  nicht  zutrauen  will,  der  überschätzt  die  Monumentenkenntniss 
und  den  kunsthistorischen  Sinn  dieses  Schriftstellers  ganz  gewaltig. 
Wie  kalt  er  innerlich  den  grossen  Schöpfungen  der  älteren  grie- 
chischen Kunst  gegenüber  stand,  wie  er  in  dieser  Beziehung  noch 
ganz  Römer  war,  das  verräth  er  gerade  in  diesem  Abschnitt,  wenn 
er  über  seine  Zeitgenossen  klagt:  et  inter  haec  pinocothecas  veteri- 
bus  tabulis  consuunt  alienasgue  effigies  colunt.    Als  Beispiel  der  nach 
seiner  Ansicht  erst  kürzlich  aufgekommenen  Idealporträts  führt  er 
nun  den  Homer  an.     Damit  bezeugt  er  doch  klipp  und  klar,  dass 
zu   seiner  Zeit  oder  nicht  allzulange  vorher  ein  Bildhauer  ein  be- 
rühmtes Idealporträt  des  Homer  geschaffen   habe.     Nun   gebe  ich 
folgendes  zu  bedenken:  alle  älteren  Homerdarslellungen,  die  ich  obeo 
aufgezählt  habe,  zeigen    mit  dem   berühmten  Typus  des   blinden 


1)  Paus.  V  26,  2—4.  Das  älteste  erhaltene  Beispiel  ist  wohl  der  Ana- 
kreon,  der  trotz  allem,  was  man  dagegen  gesagt  hat,  schon  wegen  der  Haar- 
und  Barttracht  ein  Idealporträt  sein  muss.  Denn  der  historische  Anakreoo 
trug  natürlich  Krobylos  und  Spitzbart,  wie  ihn  auch  die  bekannte  MemooD- 
vase  darstellt  (bei  0.  Jahn  Dichter  auf  Vasen  in  den  Abh.  d.  sächs.  Ges.  VUl 
(III)  1861  Taf.  III).  Der  Gedanke,  dass  Perikles,  sei  es  aus  eigener  Kindheits- 
erinnerung sei  es  aus  den  Erzählungen  seines  Vaters  Xanthippos,  eine  Vor- 
stellung von  den  Zügen  des  Dichters  gehabt  und  diese  dem  ausfûhrendeo 
Künstler  suggerirt  hätte,  imputirt  dem  5.  Jahrhundert  eine  Neigung  tur  lodi- 
vidualisirung,  die  ihm  gänzlich  ferne  lag.  Und  dann  —  zwar  die  Züge  geoao 
wiedergeben,  aber  die  Haar-  und  Baritracht  ändern,  das  wäre  ja  ganz  das- 
selbe, wie  wenn  ein  Künstler  des  18.  Jahrhunderts  Molière  mit  einem  Zopf 
hätte  darstellen  wollen. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  655 

Homer  nicht  die  geringste  Aehnlichkeit;  man  vergleiche  nameotlich 
den  Homer  auf  dem  pompejanischen  Bild  aus  Casa  délit  epigram- 
mate  uod  deo  auf  dem  Silberbecher.  So  verschieden  sie  auch 
uoter  sich  sein  mOgen,  so  haben  sie  doch  mit  einander  immer 
noch  grössere  Verwandtschaft  als  mit  deu  Marmorbüsten.  Vor  allem 
stellt  ja  auch  keine  von  ihnen  den  Homer  als  Blinden  dar.  Wäre 
nun  der  Typus  des  blinden  Homer  in  der  Blüthezeit  der  grie- 
chischen Kunst  oder  zur  Zeit  der  hellenistischen  Nachblülhe  ge- 
schaffen, ginge  er  gar,  wie  Six  auf  Grund  einer  wirklich  recht 
oberflächlichen  und  wenig  beweisenden  Aehnlichkeit  in  der  Be- 
handlung des  Nackenhaares  mit  GreisenkOpfen  auf  Vasen  des  Eu- 
phronios  und  seiner  Zeitgenossen  annimmt,^)  in  letzter  Linie  auf 
die  von  Smiky thos  in .  Olympia  geweihte  Statue  des  Dionysios 
zurück,  so  müsste  man  annehmen,  dass  diese  wundervolle  Schöpfung 
Jahrhundertelang  unbeachtet  geblieben  und  erst  in  der  Kaiser- 
zeit plötzlich  Mode  geworden  sei;  mit  welcher  schon  an  sich 
höchst  unwahrscheinlichen  Annahme  sich  aber  wiederum  nicht  ver- 
trägt, dass  der  Typus  einmal  in  nachlysippische  Formen  um- 
gesetzt worden  sein  müsste.  Andererseits  giebt  es  unter  allen  an- 
tiken Köpfen,  die  uns  erhalten  sind,  keinen,  der  dem  Homer  so  nahe 
stünde,  wie  der  des  Laokoon.  Nicht  allein  in  der  Formengebung 
und  der  Technik,  sondern  auch  in  der  ganzen  Auffassung,  nament- 
lich in  der  starken  Betonung  des  Pathologischen,  wie  sie  für  den 
Homerkopf  Hugo  Magnus  sehr  schön  dargelegt  hat.')  Die  Ueber- 
einstimmung  ist  so  gross,  dass  beide  Werke  nicht  nur  derselben 
Zeit,  sondern  auch  derselben  Kunstrichtung  angehören  müssen,  also 
auch  der  Homer  der  rhodischen  Bilderhauerschule  zuzuweisen  ist. 
Wer  nun  mit  mir  die  Ueberzeugung  theilt,  dass  der  Laokoon  aus 
oft  entwickelten  und  hier  nicht  zu  wiederholenden  Gründen  nur 
unter  den  Flaviern  entstanden  sein  kann,')  der  wird  es  ganz  natür- 
lich finden,  dass  ein  Homerporträt  aus  der  Zeit  des  Plinius  gerade 
mit  dem  Laokoon  die  grösste  Verwandtschaft  zeigt.  Wer  anderer 
Meinung  ist,  der  unterzieht  vielleicht  von  diesem  neuen  Gesichts- 
punkte aus  die  Laokoonfrage  noch  einmal  einer  unbefangenen 
Prüfung.     Damit  man   mir  aber  nicht  Schuld  gebe,  dass  ich  die 


1)  Rom.  Mittb.  a.  0.  S.  61  ff. 

2)  Die  antiken  Büsten  des  Homer  S.  27  f. 

3)  Zuletzt  in   meinem  Artikel  ,Athenodoros*  in  Wissowas   Real-Ency- 
klopädie  II  2  S.  2047. 


656  C.  ROBERT 

DaliruDg  des  blindeD  Homer  auf  eine  nicht  allgemeÎD  gebilligte 
Hypothese  aufhaue,  so  bitte  ich  sich  folgeode  Thatsaeheo  lu  ver- 
gegeowartigeu.  Noch  zur  Zeit  Caesars  —  denn  in  diese,  die  des 
von  Mau  so  geDauoteo  Architekturstils,  gebort  das  Bild  aus  Ctua 
delle  epigramnuUe  —  stellt  eio  pompejanischer  Maler,  noch  zur  Zeit 
des  Augustus  —  denn  in  diese  gehört  nach  Ausweis  der  Schwäne 
und  des  Rankenwerkes  der  Becher,  nach  Ausweis  der  Inschrift  und 
nach  der  Monumentengattung  die  Berliner  tabula  —  stellen  ein 
Toreut  und  ein  Marmorarbeiter  den  Homer  in  gänzlich  anderem 
Typus  dar,  als  er  uns  Yon  den  Basten  des  blinden  Homer  her  ge- 
läufig ist.  Aus  der  Kaiserzeit  besitzen  wir  eine  stattliche  Anzahl 
von  Büsten  des  blinden  Homer.  Plinius  sagt,  dass  zu  seiner  Zeit 
oder  kurz  vorher  ein  Idealbild  des  Homer  geschaffen  worden  sei. 
Kann  man  da  ernstlich  bezweifeln,  dass  wir  in  den  BOslen  des 
blinden  Homer  eben  jenes  Idealporträt  besitzen,  das  Plinios  ge- 
meint hat? 

Und  doch  war  jener  unbekannte  rhodische  Künstler  nicht  der 
erste,  der  den  Homer  blind  gebildet  bat.  Die  auf  dem  Apollon- 
hymnos  basirende,  nattlrlich  vor  allem  in  Chios  gepfiegte  Legende 
von  der  Blindheit  Homers  hat  schon  einen  Künstler  des  4.  Jahr- 
hunderts, vielleicht  Silanion,  zu  der  bedeutenden  Schöpfung  an- 
geregt, die  uns  in  den  sogenannten  Epimenidesköpfen  vorliegt.') 
Ich  halte  nämlich  diese  Entdeckung  F.  Winters')  fOr  ebenso  schön 
wie  schlagend.  Freilich  hat  es  ihr  nicht  an  Widerspruch  gefehlt*) 
Am  schwerwiegendsten  sind  wohl  die  Bedenken,  die  Magnus  vom 
medizinischen  Standpunkt  aus  erhoben  hat,  indem  er  die  gesunde 
Wölbung  der  Augäpfel  und  die  Stellung  der  Lider  für  unverträg- 
lich mit  der  Annahme  der  Erblindung  erklärte.  Indessen  ent- 
scheidend sind  auch  sie  nicht;  sie  stellen  Ansprtlche  an  die 
medizinische  Beobachtung  des  4.  Jahrhunderts,  die  erst  für  eine 
weit  spätere  Periode  berechtigt  sein  würden,  und  sie  werden  auf- 
gewogen durch  die  Erwägung,  dass  einen  Schlafenden,  sei  es  als 
Statue,  sei  es  als  BOste,  mit  aufrechter  Kopfhaltung  darzustellen  eine 
Unnatttrlichkeit  und  Geschmacklosigkeit  sein  würde,  der  gegenüber 

n  Arodl  Porträts  Tif.  421-424. 

2)  Arch.  Jahrb.  V  1S90  S.  163. 

3)  BruDD  Siti.  Ber.  d.  Mûocfa.  Acad.  1S92  S.  669.  HeU>ig  Fâtirei*  I  177 
Nr.  2S3.  MigDQs  a.  0.  S.  14.  Bemoolli  Arch.  Jahrb.  XI  1S96  S.  169.  Auch 
Arndt  zu  den  bclreffcodco  Tafeln  des  Portritnetkcs. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  657 

die  von  Magous  gerOgteo  Fehler  zu  nichts  zusammenschrumpfen. 
Wenn  aher  nicht  ein  Schlafender,  so  kann  nur  ein  Blinder  gemeint 
sein.  Dass  die  Darstellung  des  Blinden  mit  geschlossenen  Augen 
wenigstens  dem  5.  Jahrhundert  ganz  gelflufig  war,  hat  mittlerweile 
auch  Six  unter  Hinweis  auf  die  bekannten  Phineusdarstelfungen 
ausgesprochen.*)  Dass  im  4.  Jahrhundert  mit  dieser  Tradition  ge- 
brochen worden  sei,  würde  man  doch  nur  dann  behaupten  können, 
wenn  wir  aus  dieser  Epoche  die  Darstellung  eines  Blinden  mit  ge- 
öffneten Augenlidern  besässen,  was  meines  Wissens  nicht  der  Fall 
ist«  Entscheidend  aber  würde  auch  das  noch  nicht  sein,  da  Si- 
lanion  ganz  gut  an  der  älteren  conventionellen  Darstellungsweise 
festhalten  konnte.  Giebt  man  aber  die  Blindheit  zu,  so  hat  aller- 
dings die  Benennung  Homer  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  für  sich, 
weit  grössere  jedenfalls  als  die  von  Six  beispielsweise  vorgeschla- 
gene: Stesichoros;  denn  dieser  wird  sich  gerade  im  4.  Jahrhundert 
kaum  besonderer  Popularität  erfreut  haben. 

Welch  ein  Gegensatz  zwischen  diesem  Kopf  mit  dem  Ausdruck 
stillen  Friedens  und  einer  nur  ganz  leisen  Andeutung  des  Leidens 
und  dem  Homer  der  Kaiserzeit,  in  dessen  Zügen  eine  lange  Leidens- 
geschichte ausgeprägt  ist  und  der  auch  in  der  Ruhe  etwas  Auf- 
geregtes hat.  Wie  zu  diesem  rhodischen  Homer  der  des  Silanion, 
so  mag  sich  zu  dem  Hesiod  des  Capitols  jenes  Hesiodideal  verhalten 
haben,  von  dem  uns  auf  dem  Mosaik  des  Monnus  eine  verblasste 
Nachbildung  vorliegt;  denn  auch  den  capitolinischen  Hesiod  wird 
man  nach  seinem  ganzen  Charakter  derselben  Zeit  zuschreiben 
müssen  wie  den  Laokoon  und  jene  Homerköpfe,  wenn  auch  wegen 
mancher  formeller  Verschiedenheiten  vielleicht  einer  anderen  Kunst- 
schule. 

XU.  DIE  ALDOBRAisDiMscHE  HOCHZEIT.  Dicscs  vielgenannte  Wand- 
gemälde gehört  zu  den  Bildwerken,  an  den  man  heutiges  Tages 
meist  mit  einer  respectvoUen  Verbeugung  vorbeizugehen  pflegt.  Nicht 
einmal  die  Deutung  hat  in  den  300  Jahren,  seit  denen  das  Bild 
dem  Tageslicht  wieder  geschenkt  ist,  einen  wesentlichen  Fort- 
schritt gemacht.  Selbst  in  Helbigs  ausgezeichnetem  Führer  U'  169  ff. 
D.  1002  begegnen  wir  noch  derselben  Auffassung  des  Vorganges 
und  derselben  Deutung  der  einzelnen  Figuren,  wie  sie  schon  in 
den  Unterschriften   zu   Bartolis  Stich   in   den  Admiranda  Taf.  58. 


1)  Rom.  Mitth.  a.  0.  S.  66. 


658  C.  ROBERT 

59  ausgesprocbeo  ist.  Danach  spielt  die  Hittelscene  im  Braot- 
gemach,  wo  Aphrodite  der  Braut  ermuthigeod  zuredet,  wahrend 
Charis  aus  eioem  kleinen  Alabastron  ParfOm  in  eine  Muschel  giesst; 
an  der  Schwelle  des  Thalamos  sitzt,  der  Erlaubniss  zum  Eintrill 
harredd,  der  Bräutigam.  Die  linke  Eckscene  stellt  die  BereitoDg 
des  Brautbades,  die  rechte  die  Freundinnen  der  Braut,  die  dai 
Epithalamium  anstimmen,  dar. 

Gegen  diese  Interpretation  hege  ich  seit  langem  schwere  Be- 
denken. Nach  griechischer  Sitte  —  und  Ober  den  griechischeo 
Ursprung  der  Composition  ist  man  sicti  ja  allgemein  einig  —  nimmt 
die  Braut  das  Bad  in  ihrem  Elternhaus.  Dass  die  Braut  den  Tha- 
lamos allein  betritt  und  dem  Bräutigam  erst  später  Einlass  gewahrt, 
wäre  ein  Brauch,  fdr  den  ich  vergeblich  nach  einem  Beleg  gesucht 
habe.  Wenn  die  Braut  von  ihrer  Schwiegermutter  mit  Fackeln  Id 
den  Thalamos  geleitet  wird  (Schol.  Eur.  Phoen.  344),  so  schliesst  das 
die  Anwesenheit  des  Bräutigams  nicht  aus,  was  zum  Ueberfluss  durch 
die  Berliner  Hochzeitsschale')  bestätigt  wird,  wo  gerade  in  diesem 
Moment  der  Bräutigam -die  Braut  an  der  Hand  führt.  Am  meisten  aber 
befremdet  die  Erscheinung  des  angeblichen  Bräutigams.  Während 
die  Braut  und  alle  Obrigen  menschlichen  Figuren  des  Bildes  geoio 
in  der  Gewandung  des  täglichen  Lebens  gebildet  sind,  und  bei  der 
Braut  die  Tracht  der  Hochzeiterin  sogar  mit  einer  Genauigkeit  dar- 
gestellt ist,  wie  kaum  auf  einem  anderen  antiken  Bildwerk,  soll 
allein  der  Bräutigam  in  heroischer  Nacktheit,  nur  mit  einem  nach- 
lässig über  die  Oberschenkel  geworfenen  Gewand  dargestellt  seio? 
Diese  Erscheinungsweise  ist  für  einen  Bräutigam  ebenso  unmöglich 
wie  die  Situation,  in  der  er  dargestellt  ist. 

Nur  die  falsche  Voraussetzung,  dass  auf  dem  Bild  neben  der 
Braut  der  Bräutigam  nicht  fehlen  dürfe,  bat  die  augenscheinliche 
Thatsache  verkennen  lassen,  dass  dieser  nackte  gebräunte  Jüngliog, 
der  dem  Knabenalter  noch  sehr  nahe  steht,  zu  demselben  Kren 
göltlicber  rigurcn  gehOrl  wie  Aphrodite  uud  Cliaris.  leb  bflDCte 
es  kaum  auszusprecbe^gllasi  e«  Uyait^najoa*)  ist,  für  den  auch  der 

1)  PurtWHDfïter  ÏVf.lVQ,  it:  (jral)«r  der  üejlenen  \t 

darnach  Wienp[ 

DasB  der  •  ^nut^n  Nimru  it) 

Lnrt  L  VÎ  '  ^  icJi  rb*ii  J* 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  659 

Kranz  aus  Epheu  uod  Blumen  besonders  passt.  Er  harrt  an  der 
Schwelle  des  Gemaches  auf  die  noch  zögernde  Braut. 

Durch  diese  Erkenntniss  verschiebt  sich  mit  einem  Mal  sowohl 
die  Oertlichkeit  als  der  Zeitpunkt  des  Vorganges.  Nicht  der  Tha- 
lamos  ist  es,  in  dem  wir .  die  Braut  von  aller  menschlichen  Gesell- 
schaft verlassen,  dafür  aber  von  freundlichen  Göttern  umgeben  er- 
blicken, sondern  ihr  Mädchenzimmer,  ihr  Parthenon.  Der  Vorgang 
spielt  in  ihrem  Elternhaus,  nicht  in  dem  ihres  jungen  Gatten.  Sie 
harrt  des  Momentes,  in  dem  sie  zum  Hochzeitszuge  abgeholt  werden 
soU,  träumerisch  sinnend,  da  sie  von  ihrer  Kindheit  Abschied  nehmen 
muss.  latn  véniel  virgo,  iam  dieetur  hymenaeus.  Allerdings  scheint 
ja  nach  Lucian  conviv.  8  die  Braut  am  Hochzeitsmahl  theilgenommen 
zu  haben;  aber  allgemein  war  diese  Sitte  nicht,  wie  die  eben  ci- 
tirte  SapphoObersetzung  des  CatuU  lehrt.  Nach  dieser  sind  zwar 
die  Brautfohrerinnen  beim  Mahle  zugegen,  die  Braut  aber  zeigt  sich 
erst,  wenn  der  Abendstern  am  Himmel  steht.  Wenn  also  in  der 
^^va%aXvnto(jiévri  des  Komikers  Euangelos  (Athen.  XIV  644  D)  der 
Brautvater  vier  Tische  für  die  Frauen  herrichten  lässt,  so  ist  hieraus 
die  Theilnahme  der  Braut  am  Hochzeitsmahl  keineswegs  mit  Sicher- 
heil zu  erschliessen.  Sollte  sie  aber  wirklich  in  Athen  allgemeine 
Sitte  gewesen  sein,  was  ich  stark  bezweifele,  so  würde  auch  das 
gegen  die  vorgeschlagene  Deutung  nicht  das  Geringste  beweisen, 
da  es  ja  gar  nicht  gesagt  ist,  dass  das  Original  der  Aldobran- 
dinischen  Hochzeit  gerade  für  Athen  bestimmt  gewesen  sei  und 
die  attischen  Hochzeitsbräuche  wiedergebe. 

Die  rechte  Seitenscene  zeigt  die  Vorbereitung  zum  Hochzeits- 
zug. Die  Citherspielerin  ist  mit  nichten  eine  Freundin  der  Braut, 
sondern  wie  der  Mangel  des  Mantels,  der  Aermelchiton ,  wie  er 
dem  professionellen  Musiker  als  Tracht  seines  Standes  zukommt, 
und  der  etwas  kecke  Gesichtsausdruck  erkennen  lassen ,  eine  ge- 
miethete  Musikantin,  die  den  Hochzeitszug  begleiten  soll.  Eine 
gaos  entsprechende  Figur  finden  wir  auch  auf  der  Berliner  Hoch- 
leitssebale.  Auch  das  Mädchen,  das  von  dem  Broncebecken  — 
doeh  wohl  einem  ^(luxrriQiov  —  den  Deckel  abhebt,  ist,  obwohl 

fcbiliel,  wofjkr  die  Endymion-  und  Hochzeitssarkophagen  zahlreiche  Belege 
bleteo,  i.  Sarkophagrel.  Ill  Taf.  XYIII  ff.  und  dazu  S.  90.  Aber  auf  dem 
des  Aetion  scheint  Hymenaios  ähnlich  ausgesehen  zu  haben  wie 
'  AMohiBiidinischen  Hochzeit,  da  ihn  Lucian  {üerod.  5)  ein  ftte^dxtor 
^eSm^  nennt,  vgl.  auch  das  pompejanische  Bild  Heibig  Nr.  855. 


660  C.  ROBERT 

seine  Tracht,  Peplos  mit  Ueberschlag  und  befranztes  MäotelcheD, 
vorDehmer  ist  als  die  der  Citherspielerin,  als  eine  Dieneria  auf- 
zufassen. Dagegen  ist  die  majestätische  Gestalt  in  violetteoi  Mantel 
und  Blatterkronc ,  die  zwischen  der  Sclavin  und  der  Monkantin 
mit  der  Miene  der  Ordnerin  in  der  Mitte  steht,  ganz  gewi»  die 
Nympheutria. 

Schwieriger  ist  es  Ober  die  linke  Seitenscene  ins  Uare  zu 
kommen.  Zwar,  dass  der  Vorgang  im  Innern  des  Hasses  spielt 
und  dass  die  Frau  mit  Blaltßlcher  und  schleierartig  Ober  des  &opf 
gezogenem  weissem  Mantel  die  Brautmutter  ist,  lehrt  schoa  der  erste 
Blick.  Aber  ganz  unklar  ist  ihre  Handlung.  Man  sagt,  das»  sie 
mit  ihrer  Hand  die  Temperatur  des  in  einem  Becken  rmr  ihr 
stehenden,  zum  Brautbad  bestimmten  Wassers  prflfe,  aber  das  Braut- 
bad muss  ja  langst  vorüber  sein.  •  Ob  es  sich  nicht  eher  ■■  ein 
Bespritzen  mit  Weihwasser  handelt?  Dass  man  ein  Badebeckeo 
auf  einen  säulenförmigen  Untersatz  stellt,  ist  jedenfalls  nngewOhsücfa; 
aber  das  Perirrhanterion  auf  Polygnots  Uiupersis,  das  Fassiaias 
X  26,  9  als  vnoaxavfjç  tb  Xi&ov  xai  lavTTjçiov  irri  w^  rno- 
axtttf]  x<>^xot}y  beschreibt,  muss  ganz  ähnlich  ausgesehen  Inbeo. 
Dass  die  Braut  Tor  dem  Verlassen  ihres  Mädchengcancbcs  siit 
Weihwasser  besprengt  worden  sei,  wäre  ja  sehr  wohl  denkbar; 
bezeugt  ist  es  freilich  nicht,  wie  wir  ja  Oberhaupt  Ober  die  Hocb- 
zeitsgebräuche  ausserordentlich  mangelhaft  unterrichtet  sind.  Ob 
von  den  beiden  Dienerinnen,  die  der  Hausfrau  assistiren,  die  eise 
wirklich  Wasser  in  das  Becken  nachgiesst,  ist  mir  anck  moch 
zweifelhaft. 

Die  Art,  wie  wir  auf  diesem  Bilde  vom  Vorraum  in  das  Midcbet- 
gemach  und  von  diesem  in  das  Innerste  des  Hauses  geführt  w«rde&. 
also  gewissermaassen  von  der  Strasse  aus  die  Wohnung  der  Irast 
durchschreiten,  erinnert  noch  ganz  an  das  ähnliche  VerfiAnvn,  das 
Polygnot  bei  seinen  grossen  Wandgemälden  befolgt  haL*)  >tfartich 
aber  war  das  Origiual  der  Aldobrandinischen  Hochzeit  hetifciiithdi 
jünger.  Die  Stellung  der  Charis  hat  offenbar  den  Sauroktnaw  d» 
Praxiteles  ziu*  Voraussetzung.  Auf  die  vielfachen  BerOfamnMi  nut 
Terrakoiieu  haben  Reinach  Nécropole  de  Myrina  zu  pl.  3lL  j».  446"« 
und  F.  Winter  Archäol.  Auzeig.  1S95  S.  121  aufmerksam  xreaDaclii. 

li  S.  Iiiuper>i#  S.  45. 

2)  Die  Richtigkeit  der  Beaeooaog  der  tfeb«D  der  Bnat  ss^ttaam  F-^c 

ihrodiie  hätte  Keinach  uicht  bezweifeln  sollen. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  661 

Der  Qbliche  Ansatz  um  die  Zeit  Alexanders  des  Grossen  wird  wohl 
das  richtige  treffen.  Damals  scheint  das  liegende  Rechteck  ein  für 
Tafelbilder  besonders  beliebtes  Format  gewesen  zu  sein.  Wir  finden 
es  auch  bei  dem  auf  ein  Gemälde  des  Philozenos  von  Eretria  zurück- 
gehenden Alexandermosaik,  und  von  den  Rildern  des  Apelles  müssen 
mindestens  drei,  die  Verläumdung,  die  pompa  des  Megabyzos  und  der 
durch  Herondas  (IV  60)  bekannt  gewordene  Opferzug  im  Asklepieion 
von  Kos  dasselbe  Format  gehabt  haben.  Die  Aldobrandinische 
Hochzeit  stammt  also  aus  derselben  Zeit,  wie  das  Gemälde  des 
Aetion,  das  Plinius  35,  78  als  anus  lampadas  praeferens  et  nova 
nupta  vereeundia  nobilis  bezeichnet.  Sie  ist  zwar  nicht^  wie  ge- 
legentlich behauptet  worden  ist,  mit  ihm  identisch,  aber  sie  bildet 
inhaltlich  zu  ihm  das  denkbar  passendste  Gegenstück.  Dort  der 
Eintritt  der  Rraut  in  ihr  neues  Haus,')  hier  die  letzten  Augenblicke 
der  Rraut  in  ihrer  Madchenkammer. 

XIII.  ZUR  MBiDiAsvASB.  Für  die  Deutung  des  Schulterstreifens 
der  Meidiasvase  hat  sich  die  Grundlage  verschoben,  seit  der  treff- 
liche Cecil  Smith  den  Namen  des  sitzenden  Königs,  den  ich  zu 
Ititlag  ergänzen  wollte,*)  mit  absoluter  Sicherheit  als  l^xafiaç 
gelesen  hat.')  Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  dargestellten  Helden 
nicht,  wie  ich  früher  annahm,  als  Argonauten  zu  denken  sind, 
und  das  Fehlen  des  lason  macht  keine  Schwierigkeit  mehr.  Wenn 
aber  nun  C.  Smith  zwei  getrennte  Scenen  statuiren  will,  von  denen 
die  eine  Herakles  im  Hesperidengarten ,  die  andere  eine  Auswahl 
athenischer  Phylenheroen  darstellen  soll,  so  widerstreitet  eine  solche 
Auffassung  den  Gesetzen  der  attischen  Vasenmalerei,  die  niemals 
zeitlich  auseinanderliegende  oder  gar  ganzlich  disparate  Vorgänge 
im  Rahmen  desselben  Rildes  zusammenstellt,  am  wenigsten  auf  einem 
Schulterfries.  Sie  widerstreiter  aber  auch  dem  Augenschein;  denn 
wie  lolaos,  den  Smith  zur  ersten  Scene  zählt,  sich  zum  Fortgehen 
wendet,  um  hinter  den  von  Smith  zur  zweiten  Scene  gerechneten 
Heroinnen  her  auf  Akamas  zuzuschreiten,  so  correspondirt  der 
Gestus  des  Oineus  aus  der  angeblich  zweiten  Scene  mit  dem 
des  Klytios   aus  der  angeblich  ersten.     Er  und  der  hinter  ihm 

1)  Vgl.  R.  Förster  in  der  Arch.  Zeit.  XXXU  1874  S.  89. 

2)  Bild  und  Lied  S.  40  A.  50. 

3)  laum,  of  heU.  stud.  XllI  119,  CataL  of  the  Fasei  in  the  Brit  Mus. 
ill  176  (E  224). 

Hermes  XXXV.  43 


662  C.  ROBERT 

stehende  Klymeoos,   der  in  Haltung  und  Bewegung  das  genaue 
Gegenstock  zu  lolaos  bildet,  wollen  sich  an  der  Gruppe  von  De- 
mophon  und  Chrysis  vorüber  zu  dem  Baume  begeben,  also  aus  der 
zweiten  von  Smith  supponirten  Scene  in  die  erste  hineinschreiten» 
Der  Maler  hat  also  sein  Möglichstes  gethan,  um  dem  Beschauer^ 
die  Einheitlichkeit  der  Composition  zum  Bewussisein   zu  bringen. 
Auch  die  attischen  Heroen,  Akamas,  Demophon,  Hippothoon,  Oineus 
und  Antiochos,  zu  denen  Philoktet,  Klymenos  und  Kljtios  gesell/ 
sind,  haben  wir  uns  mithin  als  im  Hesperidengarten  anwesend  zu 
denken.   Wie  ist  das  zu  erklären?  Offenbar  nicht  so,  dass  sie  etwa 
auf  irgend  einem  abenteuerlichen  Zug  wie  der  Argofahrt,  dortbio 
gelangt  sind,  sondern  so,  dass  er  ihr  dauernder  Aufenthalt  ist,  den 
sie  als  verklärte  Heroen  bewohnen,  eine  Vorstellung,  die  ja  der 
ursprOnglichen  Idee  des  Hesperidengartens  durchaus  entspricht,   lo 
dieser  Beziehung  ist  also  diese  Scene  der  Meidiasvase  nur  die  zeit- 
gemässe  Umbildung  des  Kyrenaeischen  Schalenbildes,')  auf  dem  ge- 
flügelte Seelen   männlichen  und  weiblichen  Geschlechts  einen  von 
der  Nymphe  Kyrene  gehaltenen  Zweig  des  Hesperidenbaumes  um- 
schweben.   Man  nennt  diese  Flügelwesen  jetzt  meist  nach  M.  Mayen 
Vorgang   unter  Berufung  auf  Akusilaos  (bei  Philodem  n.  eia.  43 
Gomp.).     Harpyien,')   was  im  Grunde  auf  dasselbe  hinauskommt, 
da   die  Seelennatur  der  Harpyien   durch  E.  Rohde  erwiesen  ist') 
Um  die  mythische  Chronologie  hat  sich  natürlich  Meidias  nicht 
im  geringsten  gekümmert;  er  mag  sich  ruhig  gedacht  haben,  dass 
Philoktet  schon   unter  den  Heroen  weih,  während  Herakles  noch 
auf  Erden  wandelt,  obgleich  es  allerdings  nicht  ganz  ausgeschlosseo 
wäre,  sich  den  Philoktet  wie  den  lolaos  als  Begleiter  des  Herakles 
bei  seinem  Zuge  zu  den  Hesperiden  vorzustellen.   Neben  den  Heroen 


1)  Flinders  Pétrie  jNaukratU  pl.  8.  9;  genauer  bei  Stndniczka  Kyrene 
S.  18  Fig.  10. 

2)  Diese  Bezeichnung  kann  auch  den  bärtigen  unter  diesen  Gestalten  ge- 
geben werden,  da  die  j4nn,  d.  Inst  1882  iav.  d^agg,  0  publicirte  Jattasche  Vase 
lehrt,  dass  es  auch  Harpyien  männlichen  Geschlechts  gab^  also  a^jtvês^  wie 
nach  Hesych  s.  v.  die  Âeoler  den  Eros  nannten,  vgl.  auch  Parthenios  im  EU 
Magn,  148,  33.  Keinesfalls  ist  die  Bezeichnung  Boreaden  aufrecht  zu  erhalten. 
Arn  einfachsten  aber  wird  man  die  Flugelwesen  der  Kyrenäischen  Vase  yv^oi 
nennen,  zumal  sie  hier  nicht  als  Hüter  des  Baumes  erscheinen,  welches  be- 
sondere Amt  Akusilaos  den  Harpyien  zuschreibt. 

3)  Rhein.  Mus.  L  1895  S.  Iff.;  namentlich  S.  3  A.  1;  vgl.  auch  Stengel 
iben  S.  634  f. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  663 

finden  wir  die  verklärten  Heroinnen,  die  anderweitig  nicht  bekannten 
Arniope  und  Chrysis,  Elera,  die  man  gewöhnlich  und  Tieüeicht 
mit  Recht  als  die  Lenkippide  Hilaeira  zu  betrachten  pflegt^  und 
vor  allem  Medeia,  deren  Einführung  zu  der  irrthOmlichen  Vorstel- 
lung Anlass  gegeben  bat,  als  ob  der  Vorgang  zu  dem  Argonauten- 
zug in  Beziehung  stünde.  Wenn  nun  Medeia  mit  ihrem  Zauber- 
kasten und  mit  bedeutsam  erhobener  rechten  Hand  dargestellt  ist, 
so  muss  sie  in  irgend  einer  Handlung  gedacht  sein»  Und  damit 
hellt  sich  der  einzige  Punkt  auf,  der  bisher  in  der  Darstellung  des 
Vorganges  am  Hesperidenbaum  noch  dunkel  geblieben  war.  Während 
nämlich  auf  der  Assteasvase  und  anderen  verwandten  Bilderwerken') 
eine  Hesperide  dem  Drachen  in  einer  Schale  den  Zaubertrunk  reicht, 
damit  ihre  Schwestern  die  Aepfel  pfiflcken  können,  erscheint  auf 
der  Meidiasvase  der  Drache  bereits  eingeschläfert  mit  herabhängendem 
Haupt,  ohne  dass  in  der  Hand  einer  der  Hesperiden  eine  Schale 
zu  bemerken  wäre.  Hier  ist  es  also  die  vom  Baum  wegschreitende 
Medeia,  die  das  Wunder  vollfahrt  hat,  nicht  als  eine  der  Hesperiden, 
aber  doch  als  ein  diesen  nunmehr  gleichstehendes  Wesen,  das  mit 
ihnen  zusammen  die  Gärten  der  Seligen  bewohnt.  So  übt  sie  jetzt 
als  Gottin  dieselben  Künste,  wie  früher  als  Sterbliche,  indem  sie 
den  Ladon  mittelst  ihres  Zauberkastens  in  Schlaf  versenkt,  wie 
einst  auf  Erden  den  kolchischen  Drachen. 

XIV.  DER  KAMBO  DB  LA  SAINTB  CHAPELLE.  Nachdem  FuFtwäugler 
in  seinem  nach  jeder  Hinsicht  musterhaften  Werk  über  die  antiken 
Gemmen  für  das  Studium  dieser  Monumentenclasse  zum  ersten 
Mal  eine  solide  wissenschaftliche  Basis  geschaffen  hat,  wird  auch 
der  Pariser  Stein  mit  der  Aussendung  des  Germanicus,  von  dem 
Taf.  LX  des  genannten  Werkes  eine  neue  vorzügliche  Reproduction  *) 
bringt,  sich  wieder  grosserer  Aufmerksamkeit  erfreuen,  als  ihm 
in  den  letzten  Jahren  zu  Theil  geworden  ist.  Ich  mochte  daher 
nicht  unterlassen  auf  einen  alten  Interpretationsfehler  hinzuweisen, 
den  auch  Furtwängler  in  seiner  im  übrigen  vortrefflichen  Be- 
sprechung H  268  wiederholt:')     Der  orientalisch  gekleidete,   bart- 

1)  S.  die  ZusaiDmenstellang  bei  Gerhard  Akademische  Abbandlnngen 
Taf.  XIX-XXI. 

2)  Von  früheren  Abbildungen  ist  die  beste  die  bei  Bernoulli  Rom.  Iko- 
nogr.  11  1  Taf.  XXX,  die  verbreitetste  Müller- Wieseier  1  69,  378. 

3)  Dass  der  Kameo  Hawkins  (Wieseler  Gölt.  Nachr.  1882  S.  709  ff.,  auch 
bei  Bernoulli  Rom.  Ikonogr.  11  1  S.  277)  eine  plumpe  Fälschung  sei,  ist  auch 

43  ♦ 


664  C.  ROBERT 

lose  HaDD,  der  in  dem  oberen  Abschnitt  einem  auf  einem  FlQgelross 
reitenden  Prinzen  des  iulisch-claudiscben  Hauses  die  Weltkugel 
entgegentrilgt,  als  ob  er  sie  ihm  zu  Füssen  legen  wolle,  wird 
ziemlich  allgemein  fQr  einen  der  mythischen  Stammyater  der  lulier 
gehalten,  meist  für  Aeneas,  von  Furtwflngler,  nach  dem  Vorgang 
von  Peiresc  dem  übrigens  auch  schon  Ch.  Lenormant  zugestinunl 
hatte,  für  Ascanius-Julus.  Die  Benennung  Aeneas  ist  ganz  un- 
möglich, nicht  nur  wegen  der  für  ihn  nicht  passenden  Unbartig- 
keit,  sondern  weil  Aeneas  nach  einem  offenbar  ganz  feststehenden 
Princip  niemals  in  phrygischer  Tracht  dargestellt  wird.  Das  gilt 
ebenso  für  die  römische  Kunst,  wie  für  die  griechische.  Besonders 
lehrreich  sind  dafür  die  in  einer  früheren  Nachlese  (in  dies.  Ztschr. 
XXil  454)  besprochenen  Sibyllenbilder,  auf  denen  zwar  Ancbises 
und  Ascanius  in  asiatischer  Gewandung  dargestellt  sind,  Aeneas 
aber  nackt  bis  auf  die  Chlamys,  also  ganz  griechisch  erscheint.  For 
Ascanius  also  würde,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  die  phrygiscbe 
Tracht  allerdings  passen.  Aber  wie  sollte  dieser,  den  die  Sage 
schon  als  Knaben  sterben  Iflsst,  als  Erwachsener  und,  wie  mir 
wenigstens  scheint,  mit  ältlichen  Zügen  dargestellt  werden  können? 
Wie  passt  es  ferner,  dass  ein  solcher  Vertreter  der  mythischen 
Vorzeit  einem  seiner  späteren  Enkel  die  Weltkugel  zu  Füssen  legen 
will?  Dass  er  vollends,  wie  Furtwangler  annimmt,  den  Divus  Au- 
gustus auf  dem  Rücken  trage,  scheint  mir  durch  die  ganze  Stellung 
dieser  Figur,  vor  allem  durch  das  hochgezogene  rechte  Knie  aus- 
geschlossen. Man  vergleiche,  um  sich  des  Unterschieds  recht  be- 
wusst  zu  werden,  den  vom  Adler  getragenen  Homer  auf  dem  oben 
S.  653  A.  4  erwähnten  pompejanischen  Silberbecher  oder  die  von 
der  Morgenwolke')  getragene  Aurora  auf  dem  Panzer  der  Augustus- 

stets  meine  Ueberzeuguog  gewesen.  Uebrigens  wird  der  Fälscher  schwerlich 
das  Original  oder  einen  Gipsabguss,  sondern  lediglich  eine  Abbildung  Tor  sich 
gehabt  haben,  wie  ich  vermuthe  den  Vostermanschen  Stich  nach  der  Rabeos- 
Bchen  Zeichnung,  wiederholt  bei  Montfaucon  Ânl,  Y  pi.  127.  Auch  den  Text 
des  Montfaucon  scheint  der  Fälscher  gekannt  und  unter  seinem  Eiofloss  den 
(Aeneas'  in  eine  deutliche  Roma  (Peirescs  von  M.  bekämpfte  Deutung),  deo 
Augustus  in  eine  Venus  (M.s  eigene  Deutung)  verwandelt  zu  haben.  Köstlich 
ist,  wie  er  aus  dem  Panzer,  den  der  jüngere  Drusus  als  Tropaion  sb  daer 
Lanze  tragt,  eine  Victoria  gemacht  hat.  Uebrigens  ist  das  Stuck  für  archäo- 
logische Uebungen  vorzüglich  geeignet,  und  Benndorf  sollte  nicht  versiumen, 
es  einmal  in  den  Wiener  Vorlegeblältern  zu  bringen. 

1)  So,   nicht   als  Morgentiiau   wie  Jahn   wollte  and   auch  noch  Heibig 
'^  I  6  Nr.  5  annimmt,  scheint  mir  die  Figur  mit  dem  Wassergefäss  so 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  665 

Statue  Yon  Prima  Porta.  Der  Divus  Augustus  ist  vielmehr  als  Zu- 
schauer im  Hiotergrund  sitzeod  gedacht. 

Asiatisch  gekleidete  Figuren  finden  wir  nun  auch  im  mittleren 
und  unteren  Streifen  des  Kameo;  hier  neben  den  vonGermanicus 
besiegten  Germanen  auch  trauernde  Orientalen,  dort  am  Throne  des 
Tiberius  und  der  Livia,  und  zwar  die^^r  zunächst  und  deutlich  als 
Schutzflehenden  charakterisirt ,  den  PartherkOoig  Vonones.  Diese 
Benennung  scheint  mir  evident.*)  Bedeutet  doch  die  Vertreibung 
dieses  in  Rom  aufgewachsenen  und  von  Augustus  zum  KOnig  ein- 
gesetzten Prinzen  den  Anfang  der  Verwicklungen,  die  zu  lösen 
Germanicus  ausgesendet  wird.  Nach  künstlerischem  Sprachgebrauch 
stellt  der  Steinschneider  denVonones  als  einen  persönlich  am  Kaiser- 
thron Hilfe  Suchenden  dar,  obgleich  er  nach  seiner  Vertreibung 
nicht  in  Rom  war,  sondern  zunächst  in  Armenien,  dann  in  Syrien. 
Jedenfalls  ist  es  mir  ganz  unmöglich  diese  Figur  mit  A.  Rubens, 
Le  Roy  und  Furtwäogler  für  weiblich  zu  halten  Und  in  ihr  die 
trauernde  Armenia  oder  Parthia  zu  sehen,  zumal  Personificationen 
sonst  auf  diesem  Kameo  ganzlich  fehlen.  Da  nun  die  Gewandung 
dieses  Vonones  mit  der  des  angeblichen  Aeneas  entschiedene  Aebn- 
lithkeit  zeigt,  scheint  es  mir  einfach  methodisch  geboten,  auch  in 
diesem  einen  Parther  zu  sehen.  Die  demüthige  Geberde,  mit  der 
er  dem  kaiserlichen  Prinzen  entgegenschwebt,  kann  diese  Auf- 
fassung nur  bestätigen.  Natürlich  muss  es  sich  um  einen  Verstor- 
benen und  einen  König  handeln. 

Um  nun  die  symbolische  Ueberreichung  der  Wellkugel  zu  ver- 
stehen, müssen  wir  uns  in  die  Athmosphäre  der  kaiserlichen  Hof- 
kunst ersetzen,  die  ihre  Ausdrucksweise  seit  dem  Tod  des  Augustus 
noch  gewaltig  gesteigert  hat.  Eine  wirkliche  Unterwerfung  des 
Partherreiches  würde  ja  in  der  That  für  Rom  die  Herrschaft  über 
die  Oikumene  bedeutet  haben;  dies  Hess  sich  also  durchaus  correct 
so  darstellen,  dass  der  Herrscher  des  einzigen  bisher  noch  nicht 
römischen  Grossstaats  dem  Vertreter  Roms  die  Erdkugel  zu  Füssen 
legt.     Die  höfische  Hyperbel  liegt  nur  darin,  dass  das  freundliche 


beoenneD  zu  sein.  Es  genügt  wohl  an  die  Nepbelai  zu  erinnern^  die  aof  der 
Pythonvase  und  Ihrer  Replik  den  Scheiterhaufen  der  Alkmene  ausgiessen  {Jnn, 
d.  Intt  1872  tav,  d*agg,  A,  vgl.  Engelmann  Alkmene,  Berlin  1882  Progr.  d. 
Friedrichsgyron.;  ders.  Archäologische  Studien  zu  den  Tragikern  52  0'.). 

1)  An  einen  arsacidischen  Prinzen  halte  sthon  E.  Q.  Visconti  gedacht, 
dem  Bernoulli  u.  A.  beistimmen. 


666  C.  ROBERT 

VerhäUoiss  mit  dem  Partberreich,  das  uoter  Augustus  eioe  ZeidaDg 
bestand,  als  directe  Unterwerfung  aufgefasst  wird. 

Welcher  bisloriscbe  Act  hier  in  die  höheren  Sphären  projicirt 
dargestellt  ist,  kann  kaum  zweifelhaft  sein.  Da  Yon  dem  im  mitt- 
leren Streifen  angebrachten,  noch  lebenden  Vonones  natürlich  ab* 
zusehen  ist,  kommt  als  der  Jetzte  PartherkOnig,  mit  dem  Rom  leid- 
liche Beziehungen  hatte,  nur  Phraatakes  in  Betracht.  Und  das  hier 
symbolisch  angedeutete  oder  besser  sich  im  Jenseits  wiederholende 
Ereigniss  ist  sein  Zusammentreffen  mit  Gajus  Caesar,  durch  das  die 
politischen  Verwicklungen  gelost  wurden.*)  Gedacht  ist  die  Hand- 
lung so,  dass  der  früher  verstorbene  Phraatakes  dem  Gajus  Caesar 
bei  seinem  Eintritt  in  das  Jenseits  entgegcnschwebt,  wie  der  Vasall 
seinem  Herren.  Und  auch  im  Himmel  spielt  sich  dieser  Vorgang, 
wie  einst  auf  Erden  die  Zusammenkunft  am  Euphrat,  unter  den 
Auspicien  des  Augustus  ab.  Der  junge  Mann  auf  dem  Flttgelpferd 
ist  also  Gajus  Caesar,  und  hier  treffe  ich  insofern  mit  FurtwSngler 
zusammen,  als  dieser  in  dem  Gesicht  dieses  Reiters  den  rein  iu- 
lischen  Typus,  nicht  den  der  Claudier,  erkennt.  Er  selbst  deutet 
ihn  aber  nach  Peirescs  Vorgang  als  Harcellus.  Indessen  scheint 
mir  die  Aehnlichkeit  mit  diesem,  dessen  Züge  wir  ja  jetzt  dureb 
Haus  schone  Entdeckung')  genau  kennen,  nicht  so  gross  wie  mit 
dem  allerdings  bis  jetzt  nur  von  Münzen  her  bekannten  Kopf  des 
Gajus  Caesar.') 

Es  leuchtet  ein,  wie  bei  dieser  Auffassung  der  obere  Abschnitt 
zu  dem  mittleren  in  weit  engere  Beziehung  tritt  als  bisher.  Nicht 
einzelne  hervorragende  Hitglieder  des  iulischen  Hauses  sind  hier 
zusammengestellt,  sondern  wir  haben  eine  völlige  Parallelscene  zo 
dem  Vorgang  auf  Erden  vor  uns,  die  symbolische  Verherrlichung 
einer  früheren  Expedition  gegen  die  Parther,  die  gleichfalls  von 
einem  kaiserlichen  Prinzen  unternommen  war.  Der  Gedanke,  der 
dieser  Zusammenstellung  und  überhaupt  dem  ganzen  Stein  zu  Grunde 
liegt,  ist  :  mOge  Germanicus  im  Orient  denselben  politischen  Erfolg 


1)  S.  Dio  Gassius  LV  10  a  und  namentlich  Velleius  11  101,  der  diese 
Zusammenkunft  ein  spectaculum  perquam  darum  et  memorabiie  nennt.  Vgl. 
Mommsen  Rom.  Gesch.  V  374,  Res  gestae  divi  Augusti  143. 

2)  Statua  di  Marcello  in  den  Alti  delta  R.  Aceademia  di  NapoU  XV 
1890,  vgl.  dazu  Rom.  Mittli.  VI  1891  S.  268. 

Bernoulli  Rom.  Ikonogr.  II  1  Taf.  32,  16;   Tgl.  auch  die  Gemmen  bei 
r  Taf.  XLVII  51  und  dazu  Tcxlband  II  227. 


ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE  667 

haben,  wie  einst  Gajus  Caesar.  Dass  sie  daniit  den  Prinzen  zugleich 
ein  bOses  Omen  mit  auf  den  Weg  gaben,  daran  dachten  der  Künstler 
und  sein  höfischer  Auftraggeber  oder  Berather  natOrlich  nicht  Noch 
weniger  konnten  sie  sich  träumen  lassen,  dass  es  sich  erfOUen 
sollte.  Und  so  entbehrt  dieser  Act  höfischer  Schmeichelei  auch 
nicht  einer  gewissen  Tragik. 

In  dem  schwebenden  Krieger,  der  an  der  linken  Seite  das 
Pendant  zu  Gajus  Caesar  bildet,  habe  ich  eine  Zeitlang  dessen  Bruder 
Lucius  vermuthet.  Die  Entsprechung  mit  dem  mittleren  Streifen 
würde  dadurch  noch  grösser  werden,  dass  oben  die  beiden  ehe- 
maligen, unten  die  beiden  gegenwärtigen  Kronprinzen,  Germanicus 
und  der  jüngere  Drusus,  einander  gegenübergestellt  wären.  loh 
muss  aber  Furtwängler  zugeben,  dass  der  Kopf  ausgesprochen  den 
claudischen  Typus  hat,  und  so  wird  die  übliche  Deutung  auf  den 
älteren  Drusus,  der  als  Vater  des  ausziehenden  Feldherrn  hier  min- 
destens so  gut  am  Platz  ist,  wie  Lucius  Caesar,  wohl  das  Richtige 
treffen. 

Zugegeben  muss  werden,  dass  mit  der  Chronologie  sehr  ver- 
wegen gespielt  wird.  Der  Tod  des  Gajus  Caesar  fällt  lange  vor 
den  Orientzug  des  Germanicus  und  doch  sind  beide  hier  in  einen 
Moment  zusammengedrängt;  der  Beschauer  soll  sie  sich  als  gleich- 
zeitig denken.  Das  ist  eine  Freiheit  des  Künstlers,  die  man  nur 
constatiren  kann  und  eben  hinnehmen  muss.  Als  rein  künstle- 
risches Motiv,  wie  Furtwängler  will,  kann  man  dies  Heransprengen 
und  die  Grussbewegung  des  Gajus  Caesar  schwerlich  verstehen. 
Das  FlOgelross,  das  ihn  der  Künstler  reiten  lässt,  hat  ihn  doch 
offenbar  erst  eben  zu  den  Seligen  emporgetragen,  wie  der  Adler 
den  Homer  auf  dem  Silberbecher  und  der  Genius  den  Antoninus 
Pius  und  seine  Gemahlin  auf  der  Basis  des  Giardino  délia  Pigna.*) 
Hätte  das  Ross  nicht  diese  bestimmte  Function,  [sondern  bezeich- 
nete allgemein  den  Verklärten,  wie  käme  es  dann,  dass  nicht  auch 
Augustus  und  der  ältere  Drusus  beritten  erscheinen? 

Vielleicht  darf  bei  dieser  Gelegenheit  auch  eine  Vermuthung 
geäussert  werden,  die  ein  sehr  verwandtes  Monument,  das  Braun- 
schweiger Onyxgefäss,  betrifft.  Auch  dieses  hat  Furtwängler  HI  338  f. 
besprochen  und  sehr  mit  Recht  in  den  beiden  als  Triptolemos  und 
Ceres  gebildeten  Persönlichkeiten  ein  kaiserliches  oder  prinzliches 


1)  BraoD-BruckmanD  Taf.  210. 


668     C.  ROBERT,  ARCHÄOLOGISCHE  NACHLESE 

Paar  vermuthet.  Hit  der  AnDahme,  das«  dieses  in  die  eleusinischen 
Mysterien  eingeweiht  gewesen  sei,  ist  indessen  der  Inhalt  der  Dar^ 
Stellung  schwerlich  erschöpft.  Erinnern  wir  uns,  dass  auch  Ger^ 
manicus  auf  der  Silberschale  von  Aquileja  als  neuer  Triptolemos 
dargestellt  ist,  gewiss  nicht  weil  er  in  die  eleusinischen  Mysterien 
eingeweiht  war,  sondern  weil  seine  Expedition  nach  dem  Orient 
als  Cultunnission  aufgefasst  und  als  solche  zu  dem  Zug  des  Trip- 
tolemos in  Parallele  geseilt  wurde,  so  darf  vielleicht  der  Gedanke 
laut  werden,  dass  es  sich  auch  hier  um  einen  nach  dem  Orient 
liehenden  Prinzen  handelt,  und  da  die  Ztlge  dieser  Figur,  soweit 
die  stQmperhafte  Ausführung  ein  Urtheil  gestattet,  den  Typus  der 
lulier  zeigen,  liegt  der.  Gedanke  an  Gaius  Caesar  wirklich  sehr 
nahe.  In  diesem  Falle  wSre  das  Braunschweiger  Onyxgefte  das 
directe  Pendant  zu  dem  Camée  de  la  Sainte  Chofdle.  Allerdings 
verweist  es  FurtwSngler  in  die  Zeit  des  Claudius;  aber  es  fragt 
sich,  ob  die,  wie  Furtwängler  selbst  sagt,  «sehr  geringe,  ungeschickte, 
unsichere,  man  mochte  sagen  stotternde'  Arbeit  eine  so  bestimmte 
Datirung  nach  rein  stilistischen  Kriterien  gestattet. 

Halle.  C.  ROBERT. 


MISCELLEN. 


NENNOS. 

In  der  Abhandlung  neçl  Svwïxwv  havviwfiàviov  2  (p.  1033  e 
R.)  theilt  Plutarch  die  Aufschrift  eines  Standbildes  mit,  das  Aristo- 
kreon  seinem  Oheim,  dem  Philosophen  Chrysippos,  gesetzt  hatte. 
Das  Distichon  lautet  nach  den  Handschriften  und  Ausgaben  folgen- 
dermaassen: 

%6v6b  viov  Xçvamnov  'AQiatoxQéwv  ave&rjxB 
%wv  *Aiiadrjf4€ïxwv*)  a%QayyaXl6wv  xonlöa. 
Wieso  Chrysippos  véoç  heisst,  ist  unerfindlich;  jeder  Versuch  der 
Erklärung  führt  auf  Widersinn.  Von  einem  ,neuen*  Chrysippos  — 
wie  etwa  Spätlinge  von  einem  neuen  Homer  u.  s.  w.  —  kann  ge- 
rade sein  Neffe  nicht  reden,  zumal  es  sich  um  den  ersten  und  ein- 
zigen berühmten  Träger  des  Namens  handelt.  Für  Th.  Preger  ist 
fdieser  Chrysippos  ,neu*  ak  Standbild;  diese  merkwürdige  Auffassung 
setzt  sein  nachdrücklicher  Verweis  {Imcr.  gr*  metr.  160)  auf  den 
Vers  (Kaibel  JSjpt^.  gr,  311)  vlg  â'  fj  h  jfj  arrikk]]  eixwv  vbo- 
revxTog  vnaQxei  augenscheinlich  voraus.  Auch  als  gung*  kann 
der  Philosoph  weder  an  sich  noch  Aristokreon  gegenüber  be- 
zeichnet sein.  Selten  genug  berechtigt  ein  besonderes  Altersver- 
hältniss  einen  Neffen  die  Jugend  seines  Oheimes  zu  betonen.  Aber 
so  wie  es  überliefert  ist,  bringt  das  Epigramm  die  verwandtschaft- 
liche Beziehung  zwischen  Chrysippos  und  Aristokreon  überhaupt 
nicht  zum  Ausdruck,  und  der  Neffe  war  jünger  ak  sein  Onkel, 
und  der  Onkel,  als  er  das  Standbild  erhielt,  nicht  mehr  jung.  Ein 
Beschluss  der  Athener,  den  ich  in  dem  nächsten  Hefte  der  '£çpi}- 
fÀSQtç  aQXCtioXoyi^xri  veröffentliche,  zeigt,  dass  Aristokreon  aus 
Seleukeia  in  Pierien,  seiner  Vaterstadt,  und  Antiocheia  kurz  vor 
dem  Jahre  des  Arcbon  Charikles,  vielleicht  239/8  v.  Chr.,  zu 
Studien  {kni  axoXriv)  nach  Athen  gekommen  war.     Damals  stand 

1)  So  T.  Wilamowitz  Coniectanea  (ind,  led.  Gott.  1884)  15 


670  MISCELLEN 

Chrysippos,  zwischen  281  uod  277  geboren,  im  Alter  von  ungefähr 
40  Jahren;  so  konnte  ihn  sein  sicher  jQngerer  Neffe  doch  nicht 
wohl  véoç  nennen.  Auch  verbürgt  nichts,  dass  sich  Aristokreon 
so  beeilt  hat,  dem  Oheim  eine  Bildsaule  zu  setzen.  Sehr  wohl 
kann  er  diese  Chrysippos  erst  in  höherem  Alter  gewidmet  haben; 
lebte  er  doch,  wie  der  Beschluss  CIA.  IV  2,  407 e  (Dittenberger 
Sylh*  481)  lehrt,  durch  den  ihm  die  Athener  nach  froheren  Be- 
krflnzungen  die  Proxenie  verleihen,  auch  in  spateren  Jahren,  um 
die  Zeit  der  Befreiung  von  der  makedonischen  Herrschaft  (229  v. 
Chr.)  und  vermuthlich  auch  forthin  in  Athen.  Wie  immer  véoç 
aufgefasst  werden  mag,  es  bleibt  unverständlich.  Wohl  mancher 
Leser  hat  Anstoss  genommen,  aber  die  Heilung  ist  noch  nicht  ge- 
funden. Denn  Reiskes  Einfall  %6vô*  heov  XQvaucnov  thun  die 
Herausgeber  zu  viel  Ehre  an,  wenn  sie  ihn  in  ihren  Bemerkungen 
erwähnen;  was  soll  der  ,8tumme*  Chrysippos?  Ist  ein  Eigenschafts- 
wort an  der  Stelle  überhaupt  zu  erwarten?  Dem  Sinne  nach  einzig 
richtig  ist  v.  Wilamowitz'  Vermuthung  %ov  &eîov;  sie  hat  nur  das 
Wort  nicht  getroffen.  Ich  bin  tiberzeugt,  dass  %6v  A6N60N 
aus  tov  Ne N NON  enUtellt  ist: 

Tov  vivvov  Xçvamnov  'AQiaroxQiwv  avéd^xB. 
Wie  üblich  kennzeichnet  die  Verwandtschaftsbezeichnung  den  Anlass 
der  Stiftung.  'Ot'^ç  fÀTjTQoç  àÔBXq>bç  d-uogiQ  ^ri%Qadi,hf>oç 
i]  fÂijrçwç  fj  vévvoç  giebt  Pollux  111  22  an;  und  Aristokreon 
war  tbatsächlich  der  Schwestersohn  des  Philosophen  :  nezaTtBfÂtpà" 
jnevoç  %ovç  Ttjç  àâ€lq>rjç  vUîç  l/iQiatoxQéovra  xal  0û.oxçtt%fjv 
avv€XQo%rjae  berichtet  Diogenes  Laertios  in  dem  Leben  des  Chry- 
sippos VU  185.  Das  Wort  kehrt  wieder  in  der  Inschrift  eines 
rohen  späten  Todtenmahles  unbekannter  Herkunft  (ähnlich  den  kürz- 
lich von  Hiller  von  Gärtringen  Thera  I  178  besprochenen),  die 
ich  demnächst  ebenfalls  in  der  'Eçrjfieçlç  veröffentliche. 

Der  vertrauliche  Lallname  für  Oheim,  zu  den  Zusammen- 
stellungen, die  P.  Kretschmer  in  seiner  Einleitung  in  die  Geschichte 
der  griechischen  Sprache  341  ff.  354  gegeben  hat,  nachzutragen,*) 
entspricht  dem  Tone  des  Gedichtes.  Aehnlich  beginnt  das  Epigramm 
Anthol  Palat.  \ll  456:  ^17^  %lT&rjv  "Uqwv  SsiXrjvlâa. 

Athen.  ADOLF  WILHELM. 


1)  tJeber  lat.  und  romaD.  nonntu,  neagr.  vavwos  a.  8.  w.  (Pate),  Doaer 
,NoDne*  8.  G.  Meyer  Neugriechische  Studien  III  (Wiener  Sitzungsberichte  ph. 
h.  Gl.  Bd.  132  III)  48,  


HISCELLEN  671 

EIN  FRAGMENT  DES  KOMIKERS  PHILIPPIDES. 

Id  der  Lebeosbeschreibuog  des  Demetrios  erwähnt  Plutarch 
mehrfach  (vgl.  c.  11.  12.  24,  3.  26,  2)  den  Redner  Stratokies,  der 
gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderts  in  der  Politik  Athens  eine  fahrende 
Rolle  spielte  und  sich  durch  Kriecherei  gegen  Antigonos  und  De- 
metrios Poliorketes  hervorthat.  Im  c.  12  heisst  es  daselbst:  ^y 
ôi  xal  taXla  nacatoXfiog  6  StQaToxXrjg  xal  ߀ßi(ox(Ac  èaelywç 
xaï  t^  %ov  TtaXaiov  Kkitovog  ànofiifiBîad'ai  ôoxwv  ßwfioXoxlff 
xal  ßOBXvQlcc  tfjv  nçoç  %6v  ôfjfiov  BvxéçBiav.  Îoxb  dk  ttjv  étal" 
çav  OvXàxiov  àveiXrjqxoç  *  xal  tcotb  airvfp  nçoç  ôeînvov  i^  àyo- 
çSç  TtQiafiévTjç  lyxBqxxXovg  xal  VQaxf}Xovg,  rtartal,  bItcb^  voiavrà 
y'  fitljwvrjxag  olg  oq>aiQiÇo/iÂBV   ol  noXiXBvàfABvoi.     Die  Worte 

nanal, 

Toiavra  y^  wil^civrixag  olg  aq>aiQl^of€v 
entstammen  offenbar  einer  KomOdie  und  lassen  sich  auch  mit  ziem- 
licher Gewissheit  einem  bestimmten  Dichter  zuweisen,  dem  Philip- 
pides, den  Plutarch  in  derselben  Schrift  c.  12,  3  einen  Freund  des 
Königs  Lysimachus  nennt  und  als  Muster  von  Rechtschaflfenbeit 
dem  Stratokies  gegenüberstellL  Dass  Philippides  in  seinen  Komödien 
den  Stratokies  scharf  angriff,  berichtet  Plutarch  c.  26  und  12  (vgl. 
Kock  III  p.  308  fr.  25),  und  dass  er  ihn  auch  selbst  auf  die  Bühne 
brachte,  zeigt  die  Stelle  in  den  Moral.  750  f.,  wo  es  heisst:  tov- 
%ov  yèiQ  ovôév  iativ  èçwTixwtêQog  o  iayi  dià  xéçdog  ail'  àtpço» 
dialwv  ïvexa  xal  avvovalag  vno^évwv  yvvaîxa  fiox&riQàv  xal 
aatOQyov  âansQ  StQaTOxXëî  %(p  ^rjfOQi  OiXinrtlôrjg  6  xoi- 
fiixog  ineyyeXùiv  èftolrjoev  (Kock  fr.  31) 

anooTQeçofÀévrjg  %^v  xoqvç>^v  q>iXeîg  jnôXig. 
Die  Dame,  die  danach  die  Zärtlichkeiten  des  Stratokles  mit  Wider- 
willen aufgenommen  zu  haben  scheint,  ist  wohl  jene  Phylakion, 
von  der  Plutarch  in  der  angeführten  Stelle  spricht.  Auf  sie  bezieht 
sich  wohl  auch  die  Angabe  des  Atbenaeus  XIll  596  f.;  vgl.  dazu 
die  Bemerkung  von  Kaibel.  Und  demselben  Stück  wie  dieser  Vers 
gehört  wahrscheinlich  auch  das  Bruchstück: 

nanal, 

TOiavTa  y   wtpwvrjxag  olg  acpaiqit^oiABv 
an,    das   einem   Dialog   zwischen  Stratokies   und  Phylakion    ent- 
nommen ist. 

Strassburg  i.  Eis.  WILHELM  FRANTZ. 


REGISTER. 


Âchier,  tod  den  OlyropieD  aasgeschlos- 
seD  173.  Acb.  Bond,  Geschichte  UDd 
Verfassung  54  ff.   Strategen  64  f. 

Acies,  römische  241  ff. 

Adaios,  Dynast  in  Thraltiéti  69  ff. 

Aegypten,  Bevôtkerungszahl  545. 

Aeneas,  sein  Typus  in  d.  alt.  Kunst  664. 

Agis,  spartanische  Könige  dieses  Na- 
mens 259  ff. 

Aiolos  in  der  Odyssee  627. 

Akusilaos,  Olympionike  171. 

Aldobrandinische  Hochzeit  657. 

Alkainetos,  Olympionike  170. 

Alkidamas  {Odyss.  17)  534.  (21. 24)  535. 

Ameinias,  Pytbagoreer  197. 

amiUere  138. 

Ammonios,  Scholien  zu  Ilias  0(162)  566. 

Anakreon,  Porträt  654  A.  1. 

Anaxandros,  Olympionike,  Zeit  176. 

Anon.  n.  v%vavç,  Zeit  49  A.  2. 

Anthropos,  Eigenname  170. 

Antigonos  Dosoo,  sein  Tod  61  f. 

Antiochos  IV.  Epiphanes,  ägyptische 
Feldzüge  502;  sein  Philhellenismus 
296  f.  483;  sein  Tod  270.  286.  303. 
474  f.  488  f.  497  f.  —  VU.  Sideles, 
Parlherfeldzug  und  Tod  286  f. 

Antonius,  der  Triumvir  210  ff. 

Apelleas,  Sohn  des  Kallikles  s.  Kallikles. 

Apollodoros  der  Rhetor,  s.  Pergamon; 
—  der  Mythogr.  {bibl.  ep.  9)  535  A.  1. 

Apollonios  Argon,  Ueberlieferung  606  f. 
(in  145—161.  173—191)  605  ff.  (IV 
790)  75  ff. 

Appian  (Syr,  50)  546. 

Apuleius  Metam.  (XI  5. 10.  24.  29)202ff. 

Arat,  Strateg  des  achäischen  Bundes  67. 

Ara tcommen tare  (p.  318,  15  M)  200. 

Archidamos,  spartanische  Könige  dieses 
Namens  265  ff. 

Archilochos,  Sirassb.  Fragm.  621  A.  2. 

Archonten,  attische,  ihre  Gompetenz  548. 

Aristeus,  Sohn  des  Cheimon,  Olympio- 
nike 179. 

Aristeides,  als  Redoer  11. 


Aristion  ▼.  Epidaaros,  Olympionike  171. 
Aristokreon,  Neffe  des  Gbrysipp  669. 
Aristoteles  [pol,  IV  3  p.  1289  b  36)  331, 

(A&.  noL  10)  636  ff.  (13,  4)  547. 
Aristophanes,  Deberlieferang  604;  {nub, 

1371^1391.  1407^1428)  602  01 
Aristoxenos,  über  Thesis  a.  Arsis  316 

A.  1.  318  ff. 
Arkadischer  Bund  260  ff. 
Arrian  {taet.  12, 6  Herch.)  222  A.  1.  223. 
Arsis  and  Thesis  316  ff.  334. 
Artemidorosy  d.  Aristopbaneer  543  ff. 
Asianismus  Iff.  536 ff.;  As.  ond  Atti- 

cismas,  Sprache  38  ff. 
Asien,  Provinz,  ihr  Kalender  332  ff. 
L.  Asinias,  Gons.  81  n.  Chr.  443. 
Asklepiades  n.  oXvov  96üe»Q  359  ff. 
Asklepiodotos,  {taet  V  1)  222  A.  1.  5. 
Aspasia  551  f. 
Asteropaios  566. 

Astylos  von  Kroton,  Olympionike  163. 
Athenaeus,  medicinische  Quellen  350. 

(XIV  643  f.)  566.  (XV  665  a)  565. 
Atticismus,    Ursprung  29, ff.   41  ff.,  s. 

Asianismus. 
auxilla  207. 

Baetica^  Alter  des  Namens  215. 
ßaitfj,  Bedeutung  540  A.  2. 
ßoQßaCfioi  629. 
brevia  Soldatenverzeicbnisse  443  ff. 

Caesar,  Kolonien  210  ff.  —  Gaios  G., 

der  Enkel  des  Augustus,  auf  dem 

Pariser  Kameo  666. 
Catull,  Epithal,  Pelei,  Quelle  85  ff. 
xaXaufia,  takt  Terminus  243  ff. 
Cheimon,  Olympionike  179. 
XPovot  avm  u.  «eaTitf  343. 
Chrysippos  v.  Knidos  371  ;  verschieden 

vom  Lehrer  des  Erasislratos  371  ff. 
Chrysippos  von  Soloi,  Statue  669. 
Cicero  {ad  Att,  1  14)  131.  (de  leg,  I  23, 

61)  136.  (U  26,  66)  135.  (Orot.  230. 

31)  2  ff  {de  orat.  3,43)  1  A.  2. 


REGISTER 


673 


Clemens  Alexander,  Komikercitate340  ff. 
(Paed.  II  c.  2  s.  28)  342.  (lU  c.  3  8.  20) 
341.  (c.  5  8.  32.  c.  6  s.  34)  342.  (c.  1 1 
8.  15.  8.69)  341.  (c.  12  8.92.  93) 
340  f.  [Protr.  X  105)  340. 

CoUatio  legum  Motaiearmn  et  Roma- 
narum^  dem  Hieronymus  zageachrie- 
beo  345;  Abfas8ung8zeit  346. 

Colonia  geneiiva  luUa  205  ff. 

Daidalos,  v.  Sikyon  Büdbaoer  191  ff. 
Damoxenos  (IV  529  Mein.)  69. 
Dandis,  Olympionike  164  f. 
Declamationen  des  Herodes,  Polemon 

o.  a.;  Sammlung  11. 
Demetrios  I.  a.  II  v.  Syrien  284  ff. 
Denar  und  Drachme  449  f. 
Btetlafeßwuv  für  vnohiftßavuv  298 

A.4. 
Dialectik  bei  Piaton  406  ff. 
duiaraciç,   ^iàcxfifia^   tikt.   Termini 

243  ff.  246. 
Didymosscholien  zu  Ilias  612.  619  ff. 
/Êêoxalxffi,  Eigenname  197. 
Diogenes  Laert.  (IX  21)  196. 
Dionysios  v.  Olynth,  Homeriker  129. 
Dionysosfest  auf  Naxos  339  f. 
DiosKorides  von  Tarsos,  Grammatiker 

542. 
Dioskorinthios,  syrischer  JMonat(?)  482  f. 

Eigennamen,  griech.,  326  ff. 
Enation,  Olympionike  170. 
Enkomion,  Alter  der  Litteraturgattong 

533. 
Epameinondas,  Apophtbegma  608  ff. 
Ephippoe  T.  Olynth  127. 
Epigramm  auf  d.  Sieg  am  Eurymedon 

117  ff. 
Epikles  T.  Kreta,  Arzt  383  f. 
Epitimiadas  (?),  Olympionike  168. 
Erasistratos,  Zeit  380. 
Eretria,  Personennamen  von  326  ff. 
Ergoteles,  Olympionike  173. 
Ernte  in  Griechenland  573  ff. 
Eubôisches  Gewicht  644  ff. 
Eophantos  v.  Olynth  128. 
Euphrosynos  v.  Mantinea  537  ff. 
Euripides,  über  die  aofia  der  Frauen 

549.  {Med.  410  ff.)  549  f  (/r.899)  565. 
Eurymenes  v.  Samos  166. 
Eurypontiden  254 ff.;  Stammbaum  255. 

265. 
Eusebius,  syrische  Königsliste  491  ff. 

faenaria  ,6ettung*  451. 
Favorinus,  neues  Bruchstück  609  f. 


Florilegium  in  einem  Strassburger  Pa- 

pyros  608  ff. 
Fraoenemancipation  in  Athen  548  f. 
Fo88,  Polybianischer  220  A.  2. 

Galen  (XVII  1,  22  Kühn)  333. 
Gellius  (N.  A.  I  9,  3)  137.  (IV  U,  14) 

139.   (XVII  15,  5)  137.   (XIX  10,  6) 

138.  (XX  1,  28)  139. 
Gemüse,  Lehre  der  Mediciner  365. 
Gewicht,  attisches  636  ff.;  euböisches 

644  ff.;  Gewichtsrednction  645  A.  2. 
Gliederabstand  in  d.  makedon.  Phalanx 

219;  in  d.  röm.  Acies  249  ff. 
Gregorius  Nazianz.  Carm.  mor,  1.  2  (III 

522  M)  91  f. 

Handschriften:  Cod.  Laur.  73,  1  (Kata- 
log von  Aerzten)  367 ff.;  Cod.  Ven. 
der  MakkabSerböcber  484  f.  521  ;  Cod. 
Mediceus  des  Tacitus  530  ff.  ;  8.  auch 
Papyri.    - 

Harypien  634  f.  662. 

Hegesias,  Rhythmik  36. 

Hegesippos  ▼.  Mekyberna  129. 

Herakleides  von  Tarent,  ^finaüiov, 
Quelle  des  Athenaeos  349  ff.  363  ff. 

Herodotos  (VIII  131)  254. 

Herodotos  t.  Olophyxos  129. 

Heroenreliefs  635  A.  1. 

Hesiod,  Hochzeit  d.  Pelens  79  ff.  ("E^a 
383)  579;  Büste  und  Relief  650  f. 

Hesperidengarten  661  f. 

ficvxitl  BS  ipthüfo^ia  198. 

Hiatus  34. 

Hieronymos,  Schrift  ad  iurit  eonsuUos 
(»  coli.  hg.  Mo*,  et  Rom)  344  f. 

Hippokrates,  Gitate  bei  Athenaeus  349  ff. 

Hippolochos,  Thessaler  533  f. 

În7i0£  in  erelrischen  Eigennamen  326  ff. 

Hochzeitolitteratur  90  ff.,  Bildwerke  657. 

Homer  (//.  1275 ff.)  561  ;SchoUen  611ff.; 
Glossen  zu  ^  151— 365: 611  ff.;  Por- 
trät 652  ff. 

Hund  auf  Hcroenreliefs  635  A.  1. 

Hymenaios  658. 

Hyrkanos,  Johannes,  Hohepriester  287. 

lason  von  Kyrene  269.  299  ff. 

Ictus,  metrischer  315  ff.;  durch  Punkte 
bezeichnet  342  f. 

Ikkos  ▼.  Tarent,  Olympionike  165. 

Inschriften,  griechische:  attische  (CIA. 
IV  179  A)  579  ff.;  Olympia  (147. 148) 
181.  (150)  168.  (152)  181.  (154)  181. 
(155)  180.  (162.  115)  181.  (169)  187; 
Tegea,  Phylarchinschrift  (Bitten- 
berger  SylL  P  106)  260  ;  Mantinea 


674 


REGISTER 


(BGH.  XX  124)  536 ff.;  Larisa  (A&rfw 
VII 449)  557;  Eretria  (Ef.  a^x>  1895, 
131)  326  ff.;  Delos  (BGH.  IV  325) 
542  ff.;  Naxos  (BGH.  XXI  20,  2)  339; 
PrieDe  (Âth.  Mitth.  XXIV  275)  332  f. 
537  ;  Ephesos  {Gr,  inter.  Brii.  âtus, 
481)  334. 

lateinische  :  Osana  (Brooceiafel 
GIL.  II  Suppl.  5439)  205  ff.;  Alexan- 
dria (GIL.  111  Soppl.  14137)  528;  me- 
trische Grabschriften  {Carm.  ep, 
Buecb.  877)  572.  (970.  971)  568  ff. 
(982)  568.  (991)  567. 

lohannes  Ghrysostomus,  Ps.-,  Osterrede 
335  ff.;  Dalirung  338. 

losephus,  Benutzung  von  Makk.  I  o.  II: 
293  ff;  {belL  /tid.  II  385)  545. 

Isokrates,  Sophistenrede,  Zeit  390 ff.; 
Euagoras  533;  (noos  JijfioréMov  Ab) 
607  ff. 

lodas  Makkabaeus  268.  306.  456.  466; 
Krieg  roitÂntiochos  Epiphanes466ff.; 
von  Nikanor  besiegt  498  fif.;  Bûndniss 
mit  Rom  501  f.  —  anderer  Judas  283. 

xmtéirjlos  s.  irjlaç, 

Kalender  der  Provinz  Asien  332  ff. 

Kallias,  Olympische  Wagensiege  177. 

Kalliasfriede  111. 

Kallikles  v.  JMegara,  Bildhauer  194  f. 

Kallimachos  {ep.  26  in  röm.  Grabschrif- 
ten nachgeahmt)  567.  —  der  Hero- 
phileer,  Zeit  382. 

Kallisthenes,  Hellenika  106  ff. 

o  xaXX^aroiy  x^naros^  <piXiaroSy  Pre- 
dicate <ier  Olympioniken  142. 

Kameo,  Pariser  663  ff. 

Katalog  griechischer  Aerzte  (Cod.  Laur. 
73,  1)  367  ff. 

Kimons  Persersiege  112  ff. 

Kinyras  535. 

Kleombrotos ,  Vater  des  Erasistratos 
380  f. 

Kleophantos,  Bruder  de8Erasistratos382. 

Knossos,  Volksbeschlnss  542  ff. 

xdXov  33  A.  3. 

Komikerfragmente:  Menander  340  ff.; 
Philippides  671;  Strassburger  Prolog 
622  ff. 

Königslisten,  syrische  491  ff. 

6  xocLTtaroi  s.  xâ)J.i<TTOS. 

Krison  v.  Himera,  Olympionike  171. 

Kronion,  Monat  auf  Naxos  340. 

Kykladen,  Begriff  bei  Thukydides  556 
A.  1. 

Kyniskos  v.  iMantineia,  Olympionike, 
Zeil   174. 

Kypria,  von  Apolionios  benutzt  76. 


Laidas,  Olympionike  165. 
Xaoyga^ia  545. 

Laotychidas,  spart,  Könige  dieses  Na- 
mens 254  ff. 
Leontiskos,  Olympionike  169. 
LivÜ,  Gnit  in  Mantlnea  537. 
Longaens  Rnfns,  ptvef«  praet  529. 
Longinos  Gasaias,  ober  Aristeides  11. 
Avytov,  Spitzname  326  A.  1. 
Lykinos  ▼.  Sparta,  Olympionike  172. 
Lykos,  d.  Thessaler,  (Olympionike  171. 
Lykos,  Sohn  des  Pelops,  Anatom  383. 
Lykos  ▼.  Neapel,  Zeit  383  ff. 
Lykurg  Leoer.  (72)  111.  115. 
Lysias  (32,  5.  7.  20)  536. 

Macellnm  in  Manfineia  537. 

Makkabäer  B.  I  n.  II  Titel  268;  Ten- 
denz 271  ff.;  Abfassnngszeit  276; 
Vergleichang  27  t  ff.  465.  468.  —  B.  I, 
Gomposition  453  ff.;  Quellen  463. 
506;  Ghronologie  468  ff.  506  ff.;  Stil 
460  ff.  (c.  14,25)  463  f.  —  B.  II, 
Charakteristik  294;  Proômiom277ff.; 
SUl  298  ff.;  Echtheit  und  Text  der 
Urkunden  297 f.  476 ff.;  Godex  Ve- 
netus  484  f.  521;  Textkritik  521  ff. 
~  B.  Ill  und  IV  293. 

Matris  V.  Theben  13  A.  4. 

Mantineia,  Schlachtbei,  nach  250:2590. 
264 f.;  in  der  Kaiserzeit  539 f. 

Mattathias  (Makkab.  1  2)  Abkunft  und 
Söhne  270.  456  ff. 

Medeia  auf  der  Meidiasvase  663. 

Megabyzos  31  A.  2. 

Meidiasvase  661. 

JMenandros,  neue  Fragmente  341.  (fr.786 
und  993)  340  ff. 

Messenische  Kriege  254  ff. 

Metrik,  antike  308  ff. 

Metrologisches  220  A.  2.  636  ff. 

fiiptjaiQ  29  ff. 

Mine,  attische  637  ff. 

Mnaseas,  Olympionike  170. 

Morgenwolke,  personificirt  664. 

Münzen,  arkadische  260. 

Myrinos  aus  Amisos,  Dichter  542. 

Myron,  Zeit  184. 

fAvaaqxn^  296. 

Naukydes,  Bruder  des  älteren  Polyklet 

190. 
Nemeen,  Zeit  63. 
rêvvos  669. 

Nikanor,  Feldherr  des  Antiochos  498  f. 
Nikomedes  v.  Akanthos  130. 

Oibotas  d.  Achäer,  Olympionike  173. 
Oinopion  535. 


REGISTER 


675 


Olympia,  Kampfarteo  und  ihre  Reiben- 
folge 143 ff.  t47ff.  160 ff.;  SpielUge 
155  f.  161. 

Olympioniken  141  ff. 

Opfer  für  die  Winde  627  ff. 

Otiriaea  veêti*  202. 

Osterfest,  Lage  am  Ende  des  4.  Jabr- 
hnnderla  336  ff. 

oihU  340. 

Pampbilos,  Quelle  des  Atbenaeus  350. 

Panatbenäen,  Spielordnung  152. 

Pantias  V.  Ghioa,  Bildhauer  170.  103. 

Papyri:  London  (Olympioniken)  141  ff.; 
Genf  (Nicole-Morel  Areh.  miUt  1000) 
443 ff.;  Straasborg  (Heslod)  79 ff.; 
(Ârcbilochos)  621  A.;  (Aristopbanea) 
602  ff.;  (Prolog  einer  att.  Komödie) 
622  ff.  ;  (ApoUooioa  Arg.)  605  ff.  ; 
(rhetor.  Scbolgedichte)  103 f.;  (Iso- 
krates)  607 ff.;  (FaTorinos)  608 ff.; 
(Florilegium)  609  ff.;  (Iliasgloaaen) 
61  Iff.  s.  auch  Volum.  Hercul. 

Paris  in  Delphi  534. 

Parmenides,  Biographiacbea  196  ff. 

Pausanias,  Olympionikenliste  147.  (Ill 
7,  6)  254.  (V  9,  3)  155  ff.  (VI  13,  1) 
163.  (VIII  10,  5)  259  ff 

Pelens  u.  Thetis,  Hochzeit  in  der  Ilias 
(^  57)  76;  bei  Hesiod  78  ff.;  in  den 
Kyprien  73  ff.  s.  Gatull. 

Peloponnesiscber  Krieg ,  Chronologie 
573  ff. 

Pentameter,  elegischer  309  ff. 

Perennis,  praef.  praet.  528  f. 

Pergamoo,  rhetorische  Schule  48  ff. 

Periode,  rhetorische  32  f. 

Pferd  auf  Heroenreliefs  635  A.  1. 

Phaidas,  Arzt  565  f. 

Phalanx,  makedonische  218  ff. 

Pheidon  v.  Argos,  Zeit  648;  Maass  n. 
Gewicht  646  f. 

Philippides,  Komiker,  neues  Fragment 

6  fihaxoç  s.  xaXhaTOQ, 

Philodem  (Rhet.  I  150.  151.  157.  164. 

165)  30  A.  4. 
Philonides  v.  Meky berna  129. 
Philolimos  ▼.  Aigina,  Bildbauer  180. 
Phlegoo,  Olympionikenliste  144  ff.  (fr. 

12)   143. 
Phraatakes,  PartherkÖnig,  auf  d.  Pariser 

Kameo  666. 
<Poiyia^  Ort  in  Attika  557  A.  4. 
Pindar  {Olymp.  IV.  V)  149.  182.  (XIV) 

183.   {JSem.  IV  57)  75.  (V  22  f.)  82. 

{Isthm.  VII)  183.  (Vm28ff.)  74  f. 
Piaton,   Dialectik  406 ff.;  Chronologie 


des  Phaidroa  386  01;  Verbältniaa  za 
Isokratea'  Sophistenrede  390  ff.;  zum 
Theaetet  412 ff.;  Zeit  des  Gorgiaa 
401  f.;  Menexenoa  unecht  112.  115. 
124;  sein  Anaatz  des  meaaeniacben 
Aofatandea  257;  (Sopk.  221a)  544. 

Plinius,  nat.  hisl.,  Werthangaben  585  f. 
(XXXV  9)  653.  (XXXVU  30)  558  A.  1. 
(XXXVU  204)  586. 

Plutarch  (Sol.  15)  643  f.  {Demetr.  12) 
671.  iqu,  symp.  II  5)  150  f.  {flpo- 
phth.  Lac.  224)  255  ff.  de  Stoie.  re- 
pugn, 2)  669. 

Podares,  aus  Mantineia,  Strateg  265. 

Polybios,  achäische  ZeitUfel  53  ff.  aber 
Takük  (XVIII  29.  30)  218  ff.  243  ff. 
Stil  38  A.  2. 

Polyklet,  Zeit  und  Kunst  185  ff;  der 
Jüngere  186L  193. 

praetorium  437  ff. 

Prokop  {epüL  116)  12  A. 

Prolog  einer  attischen  Komödie  622  ff. 

Prosa,  ihre  ëtdtj  and  Stiiarten  26. 

Proserpina  auf  Ortygia  203. 

Ptolemaioa  Pindarion  negl  *Aa%9(^ 
naiov  566. 

Ptolichos  V.  Aigina,  Bildbauer  193. 

Punkte  zur  Beziebong  des  metr.  Ictus 
342  ff. 

nvKPwciS,  takt.  Terminus  233  f. 

Pythagoras  v.  Rhegion,  Zeit  184. 

Rhetorik  und  Philosophie  16  ff. 
Rhianos  über  die  messenischen  Kriege 

256. 
Rhythmus,  rhetorischer  32  ff.  540  ff. 
Rom,  Sitz  des  Classicismus  45. 
Rottenabstand  in  der  makedon.  Phalanx 

232  ff.;  in  d.  röm.  Acies  246 ff. 

Sappho,  Hocbzeitslieder,  ihre  Nach- 
ahmer 95  ff. 

Sarissa,  ihre  Länge  222  ff. 

ca^ßfi&  cgißavaUX  269. 

satumaiicium  katlrente  452. 

Schollen:  Arist.  Av.  (1041)  107.  — 
Homer  (//.  A  151-365)  611  ff.  — 
Pindar  {OL  IX  hypoth,)  167.  {Ol, 
XII  hyp.)  173. 

JSaßaorrj,  erster  Monatstag  333  f. 

Seisachtheia  643. 

Sellasia,  Schlacht  bei,  Zeit  60  ff. 

M.'  Sergius,  Gesandter  bei  Antiochos 
Epipbanes  486. 

Sold  der  Legionare  443  f.  448  ff. 

Solon  638  ff. 

Sophistik,  zweite  9  ff.;  Name  14. 

SostratoB  ?.  Pallene,  Olympionike  173. 


676 


REGISTER 


Sostratos,  Vater  des  Pantiaa  t.  Pantias. 
SparUDJsche  Könige  254  ff. 
Sudtrecht  von  Ureo  205  ff. 
^rétfiOj  polit  Körperschaft  557  A.  6. 
SUter,  DoppeimiDe  642  f. 
Stomios  T.  Elis,  Olympionike  169. 
Strattis  t.  Olynth  127. 

rojiroff,  taxo^  330  A.  1. 

Taktik,  griechische  216 ff.;  römische 
241  ff. 

Talent,  attisches  637  ff. 

T)fx*yt^^  Eigenname  330  A.  1. 

rê(fafimv  544. 

&aKO&aXndç  348. 

Theognetos  von  Aigina,  Olympionike 
165  f. 

Theon  Rhetor,  Person  and  Zeit  6  A.  2. 
{progymn.  p.  93)  ebend.  (p.  162)  108 
A.  4. 

Theon  Grammatiker,  Sohn  des  Artemi- 
doros  543  f. 

Theophrast  9f.  iU'$<a»c  27;  n.  vBaroç 
355  f.  358. 

Theopomp,  ^PiXtnnMÛ^  Zeit  der  Pu- 
blication 109  f. 

Thesis  s.  Arsis. 

Thrasybnlos,  elischer  Seher  264. 

Thok^dides,  Zeitrechnung  576;  Com- 
position und  Abfassungsieit  Ton  II 


6—25:  553  ff.  -  (H  6,  2)  553  A.  1. 

(II  10,  3)  556  A.  2.  (II  19,  1)  573  ff. 

(II  25)  558.  aV  52)  577.  (LS  117,  t) 

576.  (V  20.  VIII  44,  4)  577. 
Timaios,  ardiiologische  Stadien  199  f. 
Timodemos  t.  Acharnai,  Olymp.  Sieg 

183. 
Tryphon  n,  xQ6no»v  43  A.  1. 
Tyrtaios,  Zeit  257  ff.  (/>*.  3)  254  01 

Urso,  sudtrecht  205  ff. 

Varro  {Memjjtp  fr.  445  B)  362. 
Versacoent  814  ff. 
vita  iKeronymi  344. 
Volum.  Hercul.  II  (VIII  105)  73  f. 
Vonones,  Partherkönig,  auf  der  Pariser 
Kameo  665. 

Wasser,  Lehre  der  Mediciner  351  Sl 
Wein,  Lehre  der  Medianer  360  ff. 
Winde,  ihr  Gült  627  ff. 

Savd-utoSy  Monat  332  (L 
Xenophon  {HeUen,  VII  4,  29)  159  f. 

S^Aofi  28. 

Zopyros  t.  Klazomenai,  Rhetor  13. 


Irruck  von  J.  B.  Hirse hTe Id  ia  Leipxig. 


^IMH 


SlMTtotd  UnNwiHy  Ubrvk« 


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DATE  DUE 

IIJO  JUL  17  1985 


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STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 

STANFORD,  CALIFORNIA     94305