Skip to main content

Full text of "Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 


It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 


Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 


We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google "watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can't offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 





About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 











atlhttp: //books.google.com/] 





Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 


Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 


Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 


+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 


Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter['http: //books.google. con|durchsuchen. 











Hiftorisch-politifche Slätter 
für va6 
Eatholifhe Deutfhland. 
Des Jahrgangs 1883 
Erher Sans. 





Hiftorifch-politifche 


Blätter 


für bas 


Eatholifche Deutfchland 


herausgegeben 
von 


Edmund Förg um Frauz Binder. 


(Eigentyum der Familie Görres.) 


Einundneunzigfter Band. 


— BE — 


München 1883. 
Zn Gommiffion ber Xiterarifch artiftifchen Anftalt. 





BTANFORD UNIVERSITY 
LIBRARIES 
STACKS 


pec 111969 





Suhaltsverzeichniß. 


1. 1882 und 1883 PIE 2) 
U. Die Meffias:Crwartungen im Jslamismus 


II. Vilder aus den Alpenländern. 
1. Aus Nordtyrol 


IV, Dreißig Jahre itifcer ee 
(Sarbinal Eulen) . Hi 


V. Zeitläufe. 
Randgloffen zu neueren Berfautbarungen in ber 
fociatpolitifgen Discuffion. IM. Die focialspolis 
tifhe Schnigeljagd. — „Bis bieder und nicht 
weiter.” — Die Arbeiter:, Handwerlss und Bauern- 
Frage in ihren Unterfhieben . 


VL Zur Naturwifienfchaft des Mittelalters . . 


VII. Reifeltteratun >» 00 0 0 


Exite 


17 


46 


60 


78 





STANFORD UNIVERSITY 
LIBRARIES 
STACKS 


DEC 111969 





Suhaltsverzeichniß. 


1. 1882 unb 1883 or. . 
IL Die Meffias:Grwartungen im J6lamismus 


II. Bilder aus den Alpenländern. 
II. Aus Nordtyrol 


IV. Dreißig Jahre irifcher re 
(Sarbinal Gullen) 


V. Zeitfäufe. 





Randgloffen zu neueren Berlautbarungen in der 
fociatpofitifgen Discuffion. II. Die focialspolis 


tifhe Schnipeljagd. — „Bis Hieher und nicht 
weiter.” — Die Arbeiter«, Handwerle: und Bauern- 


Frage in ihren Unterfieden 


v. 


Zur Naturwifienjhaft des Mittelalters 


VIE Reifeltteratuv 0 0 00 


@eite 


17 


46 


78 





vI 
Seite 
VID. Zur Regtfertigung ber Philofophie ber Gefdichte 
als einer befonderen Wiffenfchaft. 
II. Die realen Probleme ber Gefgigte . 89 
IK. Die Haus:Kommunionen ber Sübflaven, nament- 
til) in Deflerreigelingarn Be RO 
X. Das nene italienifhe Parlament . “ > 141 
XL Zeitläufe, 
Der Anfang bes Jahres 1883 in Paris, Berlin 
und Bien u Re see 154 


XIT. Nochmals zur Inquifttionsfnge 2. 165 


XII. Dionyfius der Areopagite und fein Brief an ben 
Apoftel Johannes auf Patmos Fun 173 


XIV. Bilder aus den Alpenländern. 
III. Rice und Bildung in Tyrol . 185 


XV. Zur Marie-Stuart:Frage 
(Gädefe. Belfer. Opik. Marcour. Breflau. 
Cardauns. Eepp. Forft.) . . Ce) 208 


XVL Der Anarhiften = Proceß und bie tepublifanifce 
Partei . ED . . . . . 231 


XVII. Beitfäufe, 
Das liegt in der U? 2 


XVII. Umfhau auf bem Gebiete ber fchweizerifen 
Gefictsforfgung . te . . . a7 


XIX. Diondfins ber Areopagite und fein Brief an ben 
Apoftel Johannes auf Patmos (Schluß) . . 257 


XX, Zur Rechtfertigung ber Philofophie der Gefhichte 
als einer befonderen Wiffenfcaft. 
IL. Die realen Probleme ber Gefgicte (Fort) 271 





XXL 


XXIL 


XXI 


XIV. 


XXVL 


XXVIL 


XXVIIL 


XXIX. 


XXX. 


XXAL 


XXX. 


XXXI 


Die deutfchen Bollandiften % e 


Socialwiffenfgaftlihe Literatur. 
(Litienjeld. Bärenbadh. Cathrein.) . 


Zeitläufe. 
Die franzöifche Republik in taufend Aengften . 
Nachwort über Hermann Kuhn’s Bud. . . 


Umfgau auf dem Gebiete ber fehrweizerifchen 
Geihigtsforfgung (Fortfegung) - . 


Der Raifer im Vorarlberg ir 


Zur Rechtfertigung der Rhilojophie der Gefhichte 
als einer befonderen Wiffenfhaft (Schluß) . 


Das erjte Lufirum im Pontififat Leo’s XIIT. 
Zum Anbenfen bes 20. Gebruar unb 3. März 1878 


Zur handelspolitiigen Lage Frankriihs . . 


Gambetta, Heer und Repubtit in Franfreih . 


Aus bem jüngiten Ztalien. 
Natur: und Eittenbilder von Sebajtian Qrunner 


Der teligions + philofophifgge Rüdtak des ar 
teften Leo don Klenze Na . 


Zur Miffionsgefgichte Afrikas Pe 


Zur Agrarfrage Pr a EX . . 


VL 


Seite 
292 


301 


313 
326 


327 


333 


337 


363 


387 


398 


415 


425 


als 


461 


vum 


XXKXIV. 


KXXV. 


XXXVI. 


AXXVIL 


XXXVII. 


XXKXIK, 


XLI 


XLII. 


XL, 


XLIV. 


Siztus IV. und die Republif Zlorenz 


Aus dem jüngften Italien. 
Naturs und Sittenbilder von Sebaflian Brunner 


Su.» 


Zeitläufe. 
Die irenifhe Monatsfgrift „Ut omnes unum“ 
und bie Anderen 2. 2 2 


Umfgau auf bem Gebiete ber jweizerifhen Ges 
Ihitsforfgung (Schluß) . 


Die franzöfifhe Revolution in As aaa 
gen zur Gegenwart . . . 


Ueber Episcopus vocatus 


Breußifge Rirhenpolitit von 1747 bis 1757 


Die Folgen der MRS Sumaueiling in 
Franfreih . a 


Zeitläufe, 


Die Qudget:Berhandlungen im Beuelaen Sands 
tag: 1. Der Gulturfampf . . 


Neue Beiträge zur Urkundenlehre. 
(8. d. Buchwald) 


Eins und Ausfihten. 
Parlamentarifes aus Defterreih 





Seite 
468 


476 


487 


502% 


529 


542 


565 


581 


585 


XLV. 


XLVI. 


XLVII. 


XLVIIL 


XLIX. 


LI 


LI. 


LIN. 


LIV. 


LV. 


LVI. 


LVII. 


Preußifge Kirhenpolitit von 1747 bis 1757 
SH een 


Peter Reichenfperger’s Barlaments-Erfebniffe von 
1848 . . . . . . . . 
Studien aus dem Benebiktiners- Orden . . 
Bibliothek der Linder und Völkerkunde. 

1. Raulen’s Affyrien und Babylonien . . 
Marquis von Favras . & . . . 
Beitläufe, 

Die Bubget-Verhandfungen im preußifchen Land: 
tag: IL Der „Staatsfocialismug" . B 
Haffner’s phifofopgifge Grundlinien. . - 
Von Rom nad Ajfifi und Portiunculae .  . 
Micelangelo’s jüngites Gericht Per Ta } 
Der Sieg des Freipanbels in der norbamerifas 


nifgen Union ee 


Das Beden des Mittelmeeres 


Gejtändniffe Laveleye's, des Nationalölononen 
Berge ha Re ae Kan 


Voetifes. 
I. Gebigte von . I.B.Diel . . . 


IX 


608 


622 


630 


641 


649 


651 


663 


684 


707 


Tr 


729 


733 





Seite 
LVII. Die Heiftlige Grau re 738 


LIX. Micelangelo's jüngfes Geriht (Schluß) . . TA 
LX. Bon Rom nad Affifi und Portinncula (Fortf,) 736 


LXI. Zwei neue Converfionsfäriften. 
(5. Evers. 2. v. Hammerflein.) du p 778 


LXI. Dr. Rapinger über das Banernprogramm Weir 
land des Grafen Ludwig von ArcosBinneberg . 788 


LXIM. eitläufe. 
Innerhalb und außerhalb bes Deutjhen Reiches 


tags. I. Die faiferliche VBotfpaft vom 14, April. 
— Die Acbeiter-Benfione-Berforgung . 7% 


LKIV. Sehn ‘Jahre nad dem Wiener Kradı . . 809 


LAY. Zur “zpridwärterkiteratur, 
{Be Ba 1) 7 VE 7:3 


LAVI. Bun hrifcen Arage. 
Zutans von IOR0- IE 2 Bi 


LXVIL, Bei neue Gonverfionsfhriften (Schluß) 2.839 
UXVIIL Gröberzog Ludwig Salvator als Schriftfleller . 851 
LXIX Aus der Schweiz. 
Lifhof Mermillod. — Der Scullampf. — Die 


GifenbapneVerlaatlihung 2 = 2.880 


LXX. Das Ende des Winterfeldzuges bes Bilerreichis 
fen Parlaments . . oo. . 876 


LXXI. 


LXXIL 


LAXXIII. 


LXXIV. 


LXXVI. 


LXXVII. 


LXXVIIL 


Beltverfehr und BWeltpoliti. 
(Bon einem beutfgen Berfehröpolitifer) . . 


Zur neueren beutfhen Gejdicte. 
($. dv. Langwerti«Simmern) DIL dei ig 


Bon Rom nad Afjifi und Portiuneula (Schluß) 


Die Stelung des Opportunismus zum Gor 
dalismus in Frantid . > 2 020. 


Goeihe'8 Lehr: und Wanberjahre in Weimar 
und Stalien ER ee en ie 


Ueber neuere Schriften in ber Literatur ber Ames 
tifaner. 
(Die Brüder Seton) . . . . Peer) 


Beitläufe. 

Innerhalb und außerhalb des beutfchen Reids- 
tage. II. Die Tripel-Mllianz, was fie feyn jol? 
— Die Noli me tangere ber beutfhen Reprä- 
fentation ne 


P. Angelo Sch . = 


Eeite 


931 


46 


967 


y84 




































































Blider 


Durd; alle Mbern der Natur; 

68 ringt umd fewfzt nad ber Berflärung, 
Gntgegenjchmachtenb der Gewährung, 
In Liebesangft die Greatur. 

Das ift c8 wohl, was aud) ben rofenumkrängten Hele 
Ienen wie ben maturfeligen modernen Menfchen nicht recht 
zur Ruhe fommen läßt. 

Drum fcherzten fie jo gern und nannten 
Des Schmerzes tiefften Abgrund nicht. 

Auguftinus und Petrarca hatten Mecht, In interiore 
homine habitat veritas, Et si tuamı naturam mutabilem 
inveneris, transcende et teipsum, fügt er bei; bie wandel- 
bare Wahrheit, Schönheit und Güte weist bin auf die uns 
wanbelbare. Yänber und Deere, Berge und Thäler, und das 
Heer ber Geftirne, und aller Zauber der Natur und alle 
Schönheit ihrer taufendfachen Formen und Geftalten, und aud 
ber Liebreiz einer edlen Menfchenjeele ift nichts Anderes als 
der Wiberfchein, den bie ewige, unwandelbare Schönheit hinein» 
wirft in den Staub der Schöpfung. Da gehen die Menfchen 
Yin, und bewundern und verlieren fih in der Schöpfung, 
wie der Wahnfinnige, der im ben See fidh ftürzt, aus deffen 
Harer Fluth die Himmelsbläue ihm entgegen winkt. Der 
Himmel ift e&, dem er fucht, aber der See ift es nicht, nur 
fein Spiegel. Das ift die ewige Gefcichte der Menfchheit; 
mac dem Unendlichen und Emwigen zieht «8 uns hin, aber 
dort ift e8 nicht, wo wir es fuchen. Quaerite quod quae- 
ritis ruft barım St. Unguftin, sed non est, ubi quaeritis. 
Den Himmel fuchen fie, den Tod finden fie. — 

Gedanfen folcher Art zogen durch meinen Geift, als id) 
„auf dem Eben” angelommen war, &8 war ein Harer, jonn« 
iger Tag, fo recht ein ftiller Sonntagsnadhmittag, der eine 
Weihe über das Gemüth bringt, Schen eine viertel Stunde 
vorher hatte ich den fejtlich vollen Eon der Glode gehört; 
als ich näher Fam, fhien das ganze Dorf ausgeftorben. 

34 war allein auf weiter Alur 
Und eine Sonntagsglode nur, 














34 Vüder 


Gejtern fah ich eine Mutter, ärmlich gekleidet, mit ihrer 
beramvachfenden Tochter lange, lange da beten. Dielleicht 
muß ihr Kind jept Hinaus in harten und fchweren Dienft, 
„Du mußt dienen geben”, Hat ihr die Mutter gefagt; wohl 
fürseine Mutter ein bitteres Wort. Nun, ibr Herren und 
Fräulein ausden modernen Päbagogien, welche die Regierung 
in die Dörfer nad; Tyrol fendet als Lehrer und Lehrerinen, 
hut euch einmal zufammen und haltet Rath, was für Tröft: 
ung und Stärkung ihr wohl diefem armen stinde mitgeben 
fönnt auf feinen Weg, jo voller Mühen, Entbehrungen und 
Gefahren. Welche Garantie nimmt 69 aus euren Schulen 
mit, baf es wieder heimkehrt gejund an Leib und Seele, 
wie 28 von ber Mutter weggegangen? Ihr lehrt es 
Manderlei aus dem Minerals, Pflanzen und Thierreich, 
babt ihr es auch unterrichtet in den Geheimnifjen des Himmel- 
reiches? Vielleicht habtihr es jogar belehrt über die Bahnen 
der Planeten; Habt ihr auch Sorge getragen, daß es nicht 
abiret von jeiner Bahn, dev Bahn der Tugend ? Dieje arme 
ungebildete Mutter weiß ein befjeres Mittel; fie hat ihr 
Kind gelehrt, vor dem Bilde der hi. Dienftmagd täglich, das 
Ichöne&ehet zu jpredhen: DO Gott! In deiner unendlichen 
Weisheit haft du die Berfchiedenheit ber Stände angeorbnet, 
und mich bazu beftimmt, baß ich Anderen diene. Ich, bitte 
dich, gib mir die Gnade, daf ich mit meinem Stande täglic) 
zufriebener werde, und erinnere mich vecht oft daran, dal; 
jelbft dein Sohn nicht in, die Welt faın, um bebient zu. werde, 
jondern um Anderen zu bienen. Gib mir ein gehorjames und 
demüthiges Herz, damit ich meiner Herrichaft, ‚als beiner 
Stellvertveterin, jhmell und pünktlich gehorde, und mag es 
mir manchmal auch mod; jo jwer vorkommen, Ylöße mir 
eine ehrfurdtsvolle Liebe gegen fie ein und wahre Treue, 
damit ich ihren guten Namen und ihr Befigthum gewijfenhaft 
wahre und befhüge u. [. f. 

Mit diefem Gebete geht das Kind hinaus in bie frembe 
Welt; in ihm befigt c8 einen unfichtbaven, ftarten Schild 








36 Vüber 


hoben wir ja, aus bem Dolte herausgemashjen und mit vielen 
Verftändniffe aufgeführt, die hiftorifchen Weftzüge, bie mar 
anderswo mit vielen Koften veranftaltet, nicht bloß als 
Augenweibe für die Zufhauer, fondern als mit veligidfen 
Ar für bie Mitwirkenden jelbft, Wenn dann am fpäten 
Nachmittage die bunten Gruppen über bie Sluren hin und 
in bie Berge hinein fich wieder zerftrenen, und hie und da 
ein Sodler zu uns herüber tönt, jo wird es uns redit Mar, 
daß unfere religiöjen Syefte auch recht eigentlich Volksfefte find. 
Ein gemeinfamer Gebanfe, ein Gefühl der Erhebung und 
Freude durchdringt Alle. Alles Uebrige der Art, was man 
jonjt Volksfeft nennt, artet jo häufig aus, da ihm meiftens 
der ideale Mittelpunkt fehlt, ein geift: und finnlofes, nicht 
jelten zohes Gelage, wobei der Unterfcied in Stellung und 
Bildung, der große Nik, der durch unfere heutige Gefellfchaft 
geht, erft vecht empfindlich fich geltend macht, Der religiöfe 
Gedanke dagegen vereinigt. Alle in dem Gemeinfamften und 
Höcften, und läßt Alle, Gebildete und Ungebildete, Neiche 
und Arme, Herren und Knechte, Klerus und Bolt als Brüder 
fi, erkennen. 

Ihr Magt, daß ber Selerus von ben Volksfeiten fich mehr 
und mehr zurüdzieht, Aber das muß ja jeyn, und zwar in 
bemfelben Maße, als die religisfe Fee mehr und mehr aus 
Ähnen fÄwindet. Bei Spiel und Zanz hat der Klerus nichts 
zu fuchen. Helfet darum Ulle dazu, denen das Wohl des 
Boltes am Herzen liegt, bak wieber eine höhere Weihe feine 
Fefte durKöringe; dann wird, aud der Slerus im cerfter 
Meihe dabei feyn. 

Uebrigens, wie forte «3 denn anders kommen? Hat 
man bodh jo häufig gerade diefe fefte benügt zu tenbenziöfen 
Ausfällen auf den Selerus, Wer mag es ihm dann verübeln, 
wenn er, der Polemik müde, fih zurüczieht? War das od 
ein wahres Bollsfeft bei der Einweihung des Denkmals von 
Spinges 1, Mai 1882, ein patriotifches Feft, bei dem Wolf 
und Klerus in der Liebe zum Vaterland fi einig wußten. 








Biber 


fe augenblidlich eine Stätte gefunden, hatten fie eine Wall- 
fahrt zur HL Nothburga gemacht. Am Abend fuhren wir 
zurüd; rubig lag der See da; mehr und mehr traten bie 
Sterne hervor, über uns gen Norben leuchtete der große Bär, 
nicht weit davon glängte ber Polarjtern herab; ftill glitt das 
Schiff dahin, man hörte nichts ala das Plätjehern der Wellen 
am Kiel und den leifen Nuderfchlag. Da intonirte Einer 
aus der Schaar mit jeelenvoller Stimme: Ultima in mortis 
hora und Alle fielen ein: 

Filium pro nobis ora, 

Bonam mortem impetra, 

Virgo, mater, domina! 


Unilltixlic hatten bie Schiffer ihre Ruder gehoben; 
Alle waren bewegt von erniten Gebanfen, und weich 
geftiumt, 


si doleemente 
Che la doleezza ancor dentro mi suona. 


Mir trat jene Vifton vor die Seele, welche ber Dichter 
der Göttlichen Komödie bei feiner Ankunft am Fegfenerberg 
Ähildert. Ex fieht auf der See ein Schiff in jchnellem Lauf 
berantommen, ohne Segel no Nuber; am Stener fteht ein 
Engel mit ansgebreiteten Flügeln, dev es lenkt. Es find bie 
Seelen, die von der Welt abgefhieden, nun vom Engel hinüber 
geleitet werden; ihr Blid ift dankbar nad Oben gerichtet, 
Palmengefänge entfteigen ihren Lippen, Im Ferdinandeim 
zu Innsbrud jah ich eine Handzeihnung von Meifter Koch, 
ber diefes liebliche Bild glüdlich darzuftellen wußte. 

Bonam mörtem impetra Virgo, mater, domina! fang 
8 lange in mir nad. Die dunklen Bergeshäupter blidten 
ernft auf uns nieder, und werden, wie heute noch im Sce fth 
fplegeln, wenn längft die Generation, die an feinen Ufern 
Tcbt und weht, babiı gegangen ift, Wic hat der Tod gerabe 
bier unter ben Freunden und Belammten am Ichenjee in 
wenigen Jahren Ernte gehalten! Ich Habe noch bie alte 
Sholajtifa gelannt, die dem vielbefuchten Soemmerfrijchort 








40 Ziler 


Jahren von Bad Kreuth her, wo der berühmte Siwerg die 
Säfte zu beluftigen pflegte, bie Straße hinzog ben Ser ents 
lang über Bucan, Maurad) hinab nad Jenbah und Juns« 
brud, dann über den Brenner und hinein in das Land Stalien, 
deifen hoher, aber von jener ber deutjhen Natur jo ganz 
verfchiebener landjcaftliger Schönheit id, damals noch; feinen 
Reiz abgewinnen tonnte, fo bap ih mit ftarfen Heimweh 
an bie raufcenden Bäche, die bunklen Wälder und bie grünen 
Matten des Speffarts und der bayerifcen und Tyrofer Alpen 
zurüdpachte. Die Vegetation Jtaliens bietet nicht die weichen, 
anbejtimmten Wusriffe unferer beutihen Wälder, welche Ges 
miüth und Phantafie gleich jehr anregen, Alles ift beftinmt, 
jcharf umgrängt, bie Karben des iumergränen Lorbeer, ber 
Orange, der Eiche von metalliihen Slanze und dunffer als 
unfere nörhlide Flpra. Enpreffe und Pinie bilden ftrenge 
architeftonifche Formen, Kuppel und Säule; das feingefenittene 
jülbergraue Blatt der Dlive exjchgint dem Deutjcen traurig 

il enbüfche an jumpfigem Bade. Erft ni das Auge 
ii bilden, um deren Schönheit zu erkennen, banı aber, 
wenn e& bie edel gelgmwungenen Linien der, Albauerberge ers 
blickt, ganz von Licht und Sounenglanz gefättigt, und bie 
Abendjchatten die Spigen ber Gebirge in rofige, dann violette 
Tinten tauchen, die allmählig in tiefes Blau und Schwarz 
übergeben, über weldhe die füplihen Sternbilder in jtiller 
Klarheit ftchen, dann begreifen wir die Sehnfucht des Norb- 
länders nad Jtalien. 

Bon Rainer’s, „Seehof*, wo bekanntlich, für ausreichens 
des. Amjement der Gäfte geforgt ift, die mit gefüllten 
Pa borthin tommen, war. damals noch, keine Epur. 

rüben in der Pertisau ftand noch das alte Fürftenhaus, 
das jeitbem (1851) unter der, Uegide ber Acbte von Fiecht 
nen aufgebaut und mieberholt erweitert, zu einer der |chön- 
sten Semmerfrifchen Nordigrols herangebläpt if. Wenn je 
das Sprihwort: „Unter dem Krummjtab ift gut wohnen” 
Tih, bewährt Hat, jo gilt es gewiß hier, And, die „Seejpig” 




































































4 Neiefe wife Rirdiengefdiihtt, 


jolten. Won foldyen Pächtern, deren Land zu weniger ald 
dreißig Pfund Gterling eingefhätt ift, gingen indep mur 
150,000 Pfund ein, während man die Deponirung einer 
etwa zehnmal gröferen Summe erwartet hatte‘). Ein pres 
Gender Beweis dafür, daf vice Meine Pächter nicht einmal 
in der Lage find, von dem Pachtrüdftandsgefeg Gebraud 
zu machen, Und do muß, wie alle einfichtigen Männer 
behaupten, gerade an ber Unfruchtbarkeit diefer Glaufel das 
ganze Bodengefeh Mäglih feitern. Jr der That: fchon 
wehren fi die Anzeichen, dak die geheimen GSejellfchaften, 
das Krebsübel der grünen Infel, ihre grumbftürzende Thäs 
tigkeit mit erneuten Eifer zum Schäden von Kirche, Staat 
und Gefelljhaft entfalten, und gerade aus der angebeuteten 
Ealamität möglichft großen Nuten zw ziehen fuchen. One 
uns unfruchtbaren Spefulationen über ben Erfolg des Agrar: 
gejepes hinzugeben, jo bierorts bloß auf offenfundige Thats 
jachen der Vergangenheit bingeriejen werben, vweldje den 
Schlüffel zum Verftändnig der troftlofen Zuftände Irlands 
darbieten. Dazu leiftet und eine foeben in Dublin ans Licht 
getretene Sammlung Eoftbarer Uftenftücde vorzügliche Dienfte. 

Bon 1850 bis zu feinem 1878 erfolgten Hinfceiden 
ftand der CardinalsErzbifhof Paulus Eullen ar 
der Spige der irifchen Hierarchie. Zn ber Propaganda zu 
Nom gebildet, mit fehr umfaffenden Kenmtniffen auf dem 
Gebiet der Theologie, Philofophie und Kirchengefhichte auss 
gerüftet, zog er ala junger Priefter die Aufmerkfänfeit des 
irifchen Epiflopates auf fich, welder ihn alsbald zum Wices 
retor des irifchen College im’ Nom berief. Im Lauf ber 
Zeit zum Vorfteher der Anftalt befördert, gewann er durch 
Klugheit, Umficht und apoftelifchen Eifer wie die Herzen der 
Studenten, jo nantentlih das Vertrauen von zwei Päpften. 
Bon Gregor XVI. in Sadıen ber irijen Schulfrage wieders 
holt zu Beratungen herangezogen, verbiente er fich bie 


1) Tablee 1982. IT, 843, 





so Neuefte ärifcge Mirhengefiglcte. 


lautet bie gang und gäbe Foratel, in ‚welcher die engliihe 
Gefhhäfts: und Kaufmannswelt ben Sren weit‘ won fich jabe 
Yilt. Ste’gelten Afs eine andere Species. Und doch fällt 
die Schuld an bem’Elend, weldjes auf den Iren laftet, micht 
gung gerintgften Theil der Herrfchenden Klafje Englands zur 
Loft. Den ummwiberfprechlichen Beweis für diefe Behauptung, 
fünden wir in der obengenannten werthvollen Dokrmenten 
Fatnmnkung, noelche man als irijche Kirchengejchichte der legten 
'breigig Jahre mit Yug und Mecht bezeichnen darf. 

‚Hierorts Fan nur auf bie hervorragendften Neden mb 
Schriften aufmerfam gemacht werben. "Gleich; an den Spige 
bes erften Bandes begegnen wir dem von der Nationalfynode 
ans dem Städtchen Thurles  erlaffenen Hirtenbrief Aber das 
Komite zun Errichtung einer fatholifhen Univerfität, 
Die Frage nad) der Schöpfung diefer' Unftalt fteht im ünnigs 
fen Zufammenkang mit der Errichtung "der jogenannten 
teifchen Queen's Colleges. Um den unaufhörlichen Klagen 
der irifchen  Stathotiten Abhilfe zu verihaffen, Kefchloh das 
Rarlantent 1845 die Errichtung von brei Eollegien für Unis 
‚verfilätsunterricht: zu Galway, Eork und Belfaft. Obwohl 
‚glänzend botirt, fommten fie den Katholiten auch nicht: ben 
geringften Nugen gewähren, ‘Sie waren  confeflionslos und 
dem’ Erinity-Colleg, oder deribamals'nod; ganz erclnfio.pros 
teftanfifchen Staatsumiverftät von Dublin incorporict, welde 
\gemäß  Beftimmung "der 'Gefete die "Unduldfamfeit joweit 
“treiben mußten, daß nur Schüler der Königin-Collegien: zur 
Prüfung und) Gepinnung deriakademifchen Grade zugelaffen, 
die’ Eleven ans Freien Schulen, wie der fatholifchen Univer- 
fität im Dublin aber jansgefchloffen blieben. Daß bie Bi- 
fchöfe, indem fie den katholifchen Eltern unterfägten, ihre 
Sihne den genammnten confejfionslejen Anftalten anzuvers 
tranen, in keiner Täufhung befangen waren, zeigten bie 
Früchte, welhe Hier gegeitigt wurden. Profeffor Vericour 
am Golleg, bemerft der Garbinal, jchrieb feine „Historical 
Analysis of christian Civilisation“‘, welche von Jrrthümern 








52 Reuefie iifße Ricgengefgigte, 


Prüfungs-Commiffion fungivenden Hodfhule der Königin 
(Queen’s University) getreten, {ft die neue Univerfität für 
Mitglieder aller Delenntniffe geöffnet. Allerdings bes 
fabt au fie zunächft fih mur mit ber Abhaltung der Prüs 
fungen, aber zwifchen ihr und ihrer Vorgängerin walten 
zwei hinumelweite Unterjchiebe ob, Während jene nur Gtus 
denten ber obengenannten brei confefiionslojen Collegien zu 
ben Staatspräfungen zuließ, ertheilt die neue Unftalt afades 
mifche Grade mit jiaatlicher Unerfenming an alle und jede 
Schüler, wo immer fie ihre Vorbildung genofjen haben, wo: 
ferne fie nur die vorgefchriebene Staatsprüfung beftehen, 
Der Bann proteftantifcher und confeffionslofer Erclufivität 
ift gebrochen. Zweitens handelt bie neue Anftalt nach bem 
Grundfag: Payment by Result. Wer in der Prüfung her: 
vorragt, wird honorirt. Außerdem hat das Gefep eine Reihe 
von Fellswihips geftiftet, welche reich botirt find und von 
den Eraminatoren befleivet werben. m die Zahl ber Ice 
teren wurden auch; Katholiken berufen, aber bei weiten nicht 
im Berhältniß zur Zahl der überwiegend fatholijchen Benöls 
terung des Landes. Ganz im Gegentgeil beging man ben uns 
glaußlihen Mifgriff, einige Fellowfhips den ohnehin fon 
zeich botirten Profefforen ber annod; bejtehenden confefjtonss 
Tofen Gollegien zuzumeifen. Einen Nugenblid jchwankte in 
Folge deffen der irifche Epifkopat zwijchen Anmahıne oder 
Verwerfung ber neuen Hocdiähule, Exit die Intervention 
des Garbinalpräfeften ber Propaganda hielt die Prälaten 
von weiteren Schritten ab, An 8. November 1882 wurden 
durch ben Kanzler Herzog von Abereorn und im Beijeyn 
des Vicelönigs Earl Spencer in Dublin die Preije zum 
erften Dinle unter großer eier vertheilt.") In feiner Nede 
wies der Kanzler darauf hin, daß Irland zu allen Zeiten 
bebeutende Männer auf allen Gebieten der höheren Gultur 
hervorgebracht. Bis in die jüngfte Zeit in den Hintergrund 


1) Tablet 1882, II, 776-777, 








56 Reuefte trifhe Kirhengeihichtt. 


int Heidenthum gechelichten Frauen felbft nach Annahme 
des Ehriftentfums geftatten zu bürfen glaubten. Ihnen 
stellt Ergbifhof Eulen den feligen Johannes von Britto 
8. I. entgegen, welcher eher jein Leben hingab, als einem 
befehrten Hinbu ein folches Zugeftändnig zu machen”); 

Bevor wir vom erjten Bande Abchied nehmen, fei noch 
ein vom bamaligen Wbvokaten, nachmals unter Glabjtone 
zum Lorbfangler von Irland beförberten Thomas O’Hagan 
ausgearbeitetes juriftijcges Gutachten über den erften Ent 
wurf der 1851 dem Parlament vorliegenden Bil betreffs 
Führung HiTHOFLI Her Titel erwähnt, cine Bill, die 
alferbings Gefeg wurde, aber dann todtes Gefeg blieb, mm 
nad zwanzig Jahren wieder von der Bildfläche des englis 
chen Statutenbuchs zu verfchwinden?). 

Ebenfo unbefriedigend wie der Zuftend bes trifchen 
Untverfitätswejens war und ift bie Lage der dortigen Ele 
mentarfäulen. In England rubte das Elementarfchuls 
wefen bis 1870 ausfchließlich anf religiöfer Grundlage. Das 
Unterrichtsgefeg vom Jahre 1870 hat diefes Fundament er= 
chättert, aber die Elementarfchulen der einzelnen Religionss 
befenntniffe bejtehen fortwährend und erhalten, wenn fie ben 
Anforderungen des Staates genügen, ftaatliche Unterjtügung 
in Gel®). Irland, bejfen Bevölkerung überwiegend Fatholifch 
ift, mußte zu Gunften einer Minorität fih confejjion 
Tofe Elementarfhulen gefallen lafjen, Es war am 
31. DOftober 1831 als Mr. Stanley, der nachmalige Lord 
Derby, jenen berühmten Brief fhhrieb, in welchen die Grunde 
züge des für Irland beftinmten confeflionslofen Elementars 
unterrichtsfuftems dargelegt wurden. Das Gefe fiel denn 
auch, religionslos aus, war allen Denominationen angepaßt 


1) Cullen I. 553, 

2) Cullen I. 122. 

3) The Nineteenth Century, December 1882, Is the Education 
of 1870 a just Law? By His Eminence Cardinal Manning. 








Neuete iifge Kirengefgihte, 


bar); Die Ausfagen des Garbinals über die irifhen Eles 
ierttarfchulen vor einem Eomite des Unterhaufes Tegem für 
feirte Kermtniffe und Seeleneifer bas fchönfte Zeugnig ab. 
„Schon der englifhe Philofoph Stuart Mill", bemerkte 
Entinenz Eullen zum Schluß, „findet «6 unerträglich, daft 
Ane Regierung vehtlih oder ihatfächlih eine vollftänbige 
Gontrole über die Bildung eines Volkes befigt. Sie Befigen 
und in ber That ausüben ift: Defpotismus“*). 

Alles was zum Wohl und Wehe des irifchen Woltes 
in Beziehung fteht, findet in diefer vorzäglihen Santmlung 
feinen Wicderhall. Hierher gehören namentlich die ges 
bheimen Gejellfhaften, der Krebsfhaden der grünen 
Infel, gegen welde der Hirtenbrief vom Monat Mai 1862 
du Felde zieht, Wie ftreng der Cardinal in diefer Beziehung 
verfuhr, zeigt fein Verfahren gegen einen in Amerika vers 
jGiedenen enter, deffen Leiche nach Dublin gebracht wurde, 
wo aber jebe Mrcliche Feier auf Befehl des Erzbifgofs 
unterbleiben mußte. Ein jenes Dokument von der Gelehr: 
fainteit und dem Hirteneifer des irifchen Epiffopats bildet 
das berühmte Paftorafjihreiben aller irischen Erzbijchäfe und 
Biföfe vom 14. Dftober 1874°). Dasfelbe richtet fi 


4) Tablet 189%, IL. 124. 
Säüler 
Schulen Lehrer Kutboltiche |Proteftantifhe] Total 

2921 Blof fat. 441,325 Keine 441,325 
2776 bloß kath. 363,887 22,838 386,725 
564 Bioß proteft. Reine 64,293 64,293 
1308 bloß proteft. 25,370 127,065 152,435 
8 farb. u. proteft.) 10,539 10,444 20,983 


7550 SiL,121 224640 | 1'005,761 


2) Cullen I, 799. It is not endurable that a Government should 
either in law or in fact, have a complete control over the 
education of the people. To possess such a control and 
actually to exert it, is to bo despotic. 

3) Cullen Ill. 387615. 
































74 Randglojfen 


läuft und nichts Rechtes werben wird, barf man bereits als 
ertwiefen annehmen. 

Wir haben in diefem Punkte ganze andere Sorgen als 
bie Furcht vor ber gejellicaftlic übergreifenden Staats: 
macht; und unfere Sorge geht dahin, ob es wohl jelbft ber 
obligatoriichen Innung gelingen wird, dem Strome Einhalt 
zu thun, welder bas Hanbwerk in ben Großbetrieh hineinzus 
ihwenmen und alfo den gewerblichen Mittelftand gänzlich 
aufzulöfen im Begriffe ift. Diefe frage ift feit Jahren 
bin und her erwogen worden, Uber frappirt hat es ung 
doc, als wir in einem Organ, das zu der in Wien einge: 
tretenen Wendung zu Gunften obligaterifcher Inmungen 
fammt Befähigungsnachweis ficher felbft jehr viel beigetragen 
bat, der irenbenbotjchaft folgenden hinkenden Boten auf 
bem Fuße nachgejchict jahen: „Aber aud die obligatorische 
Ammung genügt allein micht, vielmehr erfhwert fie deu 
Handiwerk ned; bie Goncurrenz mitbem capitaliftifchen Großs 
betrieb, Um nur Ein Moment hervorzuheben: die Innungen 
übernehmen zugleih aud für den Grofbetrieh die Ausbil: 
bung ber Arbeitöfräfte; aber während nun ber Innungse 
meifter nur gelernte, alfo theure Arbeitskräfte bejhäftigen 
barf, vejp. fan, nimmt der Grofbetrieb das Gros feiner 
Arbeitskräfte von der Straffe, jugendliche, weibliche, Kurz 
jeder Art und Unart, Das Handwerk binden und dem con= 
cerirenben Großbetrieb freie Hanb lafjen, heißt den Nuin 
des Hanbwerts noch bejdleunigen” ?). 

Endlich fteht die Agrars frage auch wieder auf 
einem andern Blatt, Dan kann fogar Bedenken tragen, fie 
als jociale frage im ftrengen Sinne des Wortes zu bes 
zeichnen. Sie würde das werden, und zwar im hödhften 
Grabe, wenn der Bauernftand auf der jchiefen Ebene, die 
bereits betreten ift, fortfahren würde, im das nomabifivende 


4) Aus ber Wiener „Monatsfhrift" im ber „Augsburger 
Poftzeitumg.* 1882, „Soclalspolitiihe Bellage,” Nr. 20, 


























8 Reifeliteretur. 


ift Hier befonders Nüdfiht genommen. Wir glauben aber aud,, 
baf Nichtkatholiken zur biefem Neifeführer greifen werden; bemm 
er Äft gewifienhaft, forgfäftig, ehrlich durchgeführt umb weiche 
Haltig am Karten, Stadtplänen, Banoramem. Drud und Huss 
Rattung find allen übrigen belichten Werfen ber Urt ebenbirtig"t), 

Diefes Urtheil unterfchreibe ic mit beftem Gewwifen, und 
ich Eenne das betvefiende Werk ziemlich genau. Nur eine Bemers 
kung möchte ih, mir mit Bezug auf die „Neifeführer" in Allges 
meinen bier al8 Wunfd erlauben: 1) Da wo «8 am Plab ift 
nicht nur bie fpeziell Yathelifhen Bereine zu erwähnen, fonbern 
aud) andere Gefellfpaftslofsle und Vereine anzuführen, zu denen 
ber Reifende Zutritt haben Fan, infofern fie nicht ausgefproden 
Lirchenfeinblich find. 2) Neben Hiftorifchen aber fhon geftorbenen 
Verfönlichkeiten auch hervorragende Lebende nicht zu vergeffen, 
fonberit berfelben an Ort und Stelle Emwähnung zu thum, wie 
3 B. Biiöfe, Künftler, Gelehrte u, |. w. 3) Bielleiht noch 
etwas mehr Sorgfalt auf bie richtige Schreibweife der Namen 
zit verwenden, \wiewohl hier Differirungen nicht zu vermeiben 
find, weil die Nomenklatur ber Mlpenmwelt ned lange nicht 
fefteht. 

Nitachtung, Gleicgültigkeit: biefe beiden gefährlichen 
Keinde jo mandes achtungswerthen Strebend, welche unter Ums 
fänden fhäblicher wirken Fönnen als offene Angriffe, Könnte 
dem Würzburger Unternehmen von zwei Seiten broßen, bon 
alatholifcher und von Tatholifcer. ICh glaube kaum, baß ber 
Verleger, als er den Plan zu feiner Reifeliteratur . faßte, auf 
alatholiiche Kundfcaft redinete; bafür find bie gegenwärtigen 
Zeitverhäftniffe leider weniger wie je amgethan. Und body ift 
auch Hier con Brefche gelegt. IH habe oben mehrere Urtheile 
proteftantifher Zeitfhriften über Wörl’s „Reifeführer" angeführt, 
Aber auch die „Reifebibliothel" hat ich Anerkennung zu ver 


N Die jhen oben angeführte Recenfion der Kölnishen Volkszeitung 
fagt: „Noch weit günfliger fönnen wie uns über ben Text aud« 
Ipregen. Mejerent hat einen großen Theil ber beutfchen Alpen: 
Kinder burchwanbert und ann viele Gapitel bes Buches faft von 
Zeite zu Zeile controlliren,, hat aber faft nirgendwo Anlaf zu 
erheblichen Musftellungen entbeiit,* 



































Ku Ueber Ppilofoppie 


Menfchheit irgendwie eingegangen it und fo durch einen 
fittlichen Akt fi erhob umd zu höherer Eultur fortgefchritten 
ft, während der andere anftatt der Mufgabe jener Zeit 
fh unterzuorbnen, im leeren, ungebunbenen jjreiheitstrieh 
den eigenen Gelüften folgend von den Entrilungs-Eentren 
fi entfernte. Die Folge Fonnte mar feyn, da nach dem 
Sage: „non progredi est regredi,“ diefer Theil nicht bloß 
nicht mehr auf dem Ausgangspunkt ftchen geblieben, fons 
dern unter biefen gefunten ift und jo verwifberte umb ver« 
ihierte. Dafr Sprechen, wie wir fpäter jehen werben, alle 
Thatfachen ver Eufturentiwiciung, wie benm jo auch bie Zur 
ftände der Wilden einheitlich fich viel leichter erklären laflen, 
als durch alle jene Hnpothefen, welche die Menjchheit mit 
ober ohne Darwin von einem Zuftand ber Thierheit, ja 
der Beitialität ausgehen zu laffen'). 


N) Für bem gemelnfamen Musgang nad ben beiben Richtungen 
(delmt gerade aud bie Thatfache zu fpreden, bafı fo Häufig 
wilde Stämme, fobald fie irgendroie mit Gulturoölfern in Ber 
rührung tommen, extranten, worauf [den Sheurer in feiner 
„Ghronit ber Eruchen“ aufmertfam gemacht, — ja dafı 
fie Im welteren felen frieblihen Gontalt fogar ausiterhen. Wäre 
der Zufand ber Wibheit ber matliriihe Ausgangapuntt auch 
für die Eulturuöffer, Liehe fi biefe Thatfachhe nicht wohl erklären, 
keohl aber bei der Unmahme eines gemeinfanen Musgangs, 
mweiher als eine Mrt-der Ambiffereng gelaht werden fan, von 

bem and bie Menfchhelt nach zwei Nichtungen ih bifferene 
sirte, Inden die eine durch eine fittlihe That ih erhoben 
bat, bie andere aber Im Ährem leeren Mreiheitätrieb unter ben 
Ausgangspuntt herabgefunfen At mund degemerirte. Diele Dikferens 
weg mar un fo mehr eine phnfiihe und pfuchiläe zugtelh, 
als eben die Menfaphelt im exftem enticeibensen Entwidlunger 
flablsm fd) befand, Nur well diefelbe (0 mad) entgegengejehter 
Mictung auselnander gegangen, fans ein unmittelbarer Gontatt 
Noten Orämme mit Wbltern höherer Gulme phyfiih und pfye 
Hd Werberben bringen und mise elm Serangichen berfelben 
durch fentie Hebung mÄtcht Deo Spriitenthums Mönmte diefe 
Grfeinungen paralgfiren (Paraguay). Wäre bapegen ber tler 











„ter Geiihte, 101 


Ausbildung und in Einheit mit dem Ganzen.gelangt, fo daß 
trägt und jene biefes Ieheubig wieberfpiegeln. 
num bie Gefejicite mir, ein biehfeitiges Ziel, fo 
Lnnte man vielleicit bie gleichmäßige Verbreitung der Civili« 
fation unter allen Böltern al8 das Ziel ber Gefchichte au: 
fehen; aber dann wird es fich immer fragen, zu welchen 
‚Ende diefe Eivilifation da fenn wird, ob, werm alle möglichen 
Erfindungen gemacht find, die Bedirfniffe des Menfchen zu 
Befriebigen, dann der Genuß des menjglichen Nimmerjatt fo 
Ans Umenbliche fortgeht, oder ob nicht auch dieß wieder fein 
Ziel Haben muß? Es ift etwas Troftlofes um ein foldes 
Bloß diehjeitiges Ziel, das weder die Gefammtheit nad) Zeit 
und Raum, noch weniger ben Gingelnen befriebigen. fann, 
der im großen Ganzen des politifchen und focialen Bebens 
gerabezu verjchwindet. Anders wird bie ganze Gefhichte 
angefhauf, wenn dem Menfchen ein transcendentales Ziel 
‚gefegt it, dann wird die Dafeyn mit all’ feinen Formen 
and Geftaltungen bad immer als Stufe, als Baugerijte 
‚einer Fünftigen Weltzeit angefehen werben können, in ber bie 
‚Sejchlehter aller Länder und Zeiten erjt ihr Ziel finden 
würden, Dann wird aber bie Frage, worin der Fortfchritt 
ber Menfchheit Keftche, eine ganz andere Zöfung. fordern. 
Aber auch noch eine andere Kolgerung ergibt fich 
aus ber bisherigen Betrachtung. Hatten wir oben den 
Menjchen als den Thäter ber Gejdhichte und Ährer Ent» 
woidfung bezeichnet, jo ergibt fich jet, daß er aud das 
Subjekt diefer Entwwillung if. Hängt au. das Eingehen 
in bie Eultur wie das Fortfchreiten im ihr von der freien 
That bes Menjhen ab und ift diefes in erfter Linie aller: 
bings am fein Thun gekrüpft: jo ift doch dicjes jelbt in 
feinem Erfolg und in feinem Ziele von anderen Momenten, 
von Bedingungen abhängig, dur; bie fein Thun erft Wirk: 
ange herborbringen, Bildungen erzeugen kann, und mittelft 
welcher er jeine Anlagen und Kräfte erft zur Entwicklung 
Bringen mag. So wenig nım der Denfch fich felot erzeugt 








104 Meder Phltofophte 


war aud) der-erfte Staat." „Der Staat ift jo alt als bie 
Menfchheit”), Ebenfo Walter, wenn auch vorfichtiger: 
„Der Staat eriftirte im Keime jhon in der erften Kamilie“?), 
Aber ehenfo ang Dahlmann: „Der Staat It nranfänglic; 
bie Urfamifie ift Urftaat, jede Zamilie unabhängig bargeftellt 
ift Staat’), Der Grund ift, weil fon in ber erften Yas 
milie die Begriffe von Necht, Sitte, Ordnung und Autorität 
geweckt werben); weil ftels das Berhältniß von Obrigkeit 
und Unterthanen vorhanden gewejen?). 


Somit wäre der Staat wejentlich mit der Menfchheit, 
weil mit der Familie und jo naturnoihiwenbig gefegt. Und 
boch würde es id) fragen, ob er benn fo jchlehthin noths 
wendig ift, ob er nicht erft nur unter gewifjen gejchichtfichen 
Bebingungen und Vorausfeßungen ein nothwendiges Moment 
in der Entwidlung der Menjchheit jei und wie und unter 
welchen Verhältniffen er überhaupt evt in bie Erjcheinung 
treten Fan? Wenn wir näher zufchauen, jo ift der Staat 
in der That und Wirklichkeit evt ein jehr fpätes Produkt 
ber Gejchichte. Jahrtaufende berfelben Fennen keinen eigents 
lichen Staat, und wenn wir nur darauf hinweifen, daß bie 
eigentlich hiftorifche Zeit erft mit ber Geltendmachung des 
Staates eintritt, fo haben wir ungefähr auch den Zeitpunkt 
feines Entftchens nicht weiter hinter ung, wenn auch feine 
Entftehung, wie die der Euftur, jelbjt außerhalb der hijtos 
rischen Erinnerung fällt. Fragen wir mur einmal, wie 
Staaten entjtchen? Man macht fi die Antwort jehrleicht, 
Man jagt: „Aus der Familie," Allerbings, aber ficher nicht, 
wie die Familie aus dem Connubium von Mann und Frau ente 
fteht, fondern infofern bie Familien das Material find, In der 


1) Kingenreht IN. 340 u. 453, 

2) Naturredht. 59, 

3) Borkit $. 3. 

4) Walter Le, 5) Philipps 1. c. 














108 Ueber Phifofophie 


ift ihre Luft, das unftäte Leben ihr Element. Debhalb aber 
löfen fie fich ebenfo Leicht wieder auf, fie theilen fh; denm 
8 verbindet fie feine innere organische Einheit, Selbft in 
ihren Sprachen zeigt fich dieß, die fich, wie wir jehen werben, 
entjeglich fehnell verändern, Anders bie „Völker“. Dieje 
find wefentli von einander unterfchieben durch ein eigenz 
thümliches Selbft-Bewußtfeyn, durch eine eigenthümliche, 
vor Allem religiös verfchiebene Lebens: und Weltanfhauung. 
An fie ift die Eultur und die Gefgichte genüpft. Sie find 
gegliedert; fie treiben Aderbau und Gewerke; fie nehmen 
fefte Wohnfige ein. Uber troß der fortfchreitenden Cultur 
entwidlung haben fie etwas Beharrlices in fi, und gerade 
darauf hin erft eine Entwidlung, So find fie aud eines 
viel größeren Wiberftandes fähig und jelbjt unterworfen 
werben fie oft Sieger über ihre uncultivivten mb rohen 
Belleger. 

Im gleicher Weife hat das Bewuftfeyn ber Völter einen 
ganz bejtiummten Typus, 68 ift nicht mehr bloß die Gemeine 
famfeit ber Abkunft, die einem Volke bie innere Einheit gibt, 
noch weniger das bes bloßen Bebürfniffes, jondern das Des 
wußtjegn der Zufanmengehörigkeit tft beftimmter,. eigens 
thümlicher, als das blof patriarchalifche, indent es auf einer, 
wie fhon gejagt, bejonderen und zwar zunäcft religiöfer 
Weltanfhauung beruht, Ihre verfchiedenartigen Ginricht- 
ungen, Sitten, Gewohnheiten und jelbjt Bejhäftigungen find 
nur der Ausbruct diefes bejtimmten geiftigen, gemeinfamen 
Bewuhtjeyns, woburd fich jedes Volk von bem andern unters 
iheidet. Nur Völker Haben daher auch eine Gefchichte und 
fomtit ‚eine mehr oder weniger reiche Grinterung, Bei ihnen 
allein findet fih auch eine Entwicklung der Eultur, Sie 
find. «8, bie da geihatet in der Welt und etwas Bleibendes 
gegründet haben, fie find bie Träger der Gejcdichte, 

Aber wie find die Völker entftanden? Wenn die „Wölter* 
ft in diefer Welfe fo durdhgreifend von den Stämmen 
unferfceiden, jo Mnnen unmöglih — dieh dürfte von vorne 




















114 Ueber PHilofophie 


Feyn, weldje inmer mehr m Fortfchreiten feiner Entwictung 
bie Völker Igeiftig mb fittlich Heben würde, Aber gerade das 
Gegentheil ift die welthiftorifce Thatfahe. Je mehr der 
‚Staat als folder aus dem Voltsthum zum Staatsthume 
fich entwickelt und fi geltend macht, um fo äuferficher 
mb fremder wird er bem Cinzelnen erben, und wähs 
zend das bisherige enger verbundene Volksthum  fich 
immer mehr in die Atome zerfegt, wird der Staat bloß 
Außeres Gerüfte, äußere Schugwehr, wie bie die Staatens 
geihichte alter Zeiten beweist, die römifche nicht minder als 
die moderne, Je mehr alfo der Staat als folder zur 
Geltung kommt, um fo mehr wachen die Nectsformen und 
Gefepe'), die an die Stelle der Bolfsfitte treten und mur 
gu oft im Widerfpruch mit ihr ftehen. Uber um fo mehr 
wird auch fein Druck gefühlt, von dem befreit zu werben die 
in Utome zerfallenen Bölter verlangen. 

Im Voltstyum hertfcht bie Sitte, die mit Ähm vers 
wachen if. Se mehr nun diefe (zuräcgebrängt ift und 
jhwindet mb fo aufhört den Leidenfchaften ein Zügel zu 
jan, um jo mehr geht das Gemeinbewuftfeyn zu Grunde 
and. das Gemeimvefen feinem Zerfall entgegen. An feine 
Stelle aber tritt nme das herz: und verjtandslofe, weil un: 
perjönliche Sefeg. "Wenn aber and; der Staat als yeiftig 
fittliche Macht das Volfsbemäßtfein neir erzeugen oder ums 
geftalten will, tie gegenwärtig durch das Unterrichtsmonopot, 
ober tem er gan als die eigentlich göttliche Macht oder dad, 
als Träger berfelben ich ausjpielt, fo Tamm dieh chen bei 
ber Wandelbarteit‘ derideale, bie zu verwirklichen er beitrebt 
ilyınmroauf ihn Sfelbit gorfegend zurächwirken, und ba bieh 
mr onrch bie Matio ber Gewalt gejchehen Könnte, "fo ruft‘ er 
jeldft damit zulegt nur Gewalt heraus und die Schule wird 
zur Brutjtätte aller zerfegenden) Lelvenfhaften imd aller 
Verbrechen. 


1) Pessimae reipublicae plurimae loges, jagt bekanntlich Tacitus, 











118 Ueber Bhileforhie 


8. jo finnig barlegt, mehr nur eine Frage ber MWiffenjchaft 
als der Gejhichte jeym, da diefe und in ihr die Individien 
über ihn hinausftreben und. dieje Idee dev Einigung nur im 
eineny Reiche anderer Drbnung realifirbav ift, tie ja audy 
Platon in feiner Politeia nicht: einen bießfeits realifirbaren, 
fondern einen Hbealftaat: dargeftellt!). Richt mit Unverht 
jagt der jüngere Fichte: „Der wejentliche-Eharakter der Aufs 
faffung ber Gefhichte won Seite der Philofophie jeit Herder 
bis, Hegel fei antiindividuatiftiich und mißfenne ben abjos 
Iuten Werth bes Einzelgeiftes. Da liege dann die Bedentung 
der, Gejchichte Lediglich. in ver fortichreitenden Vollkonmnenheit 
des Ganzen, Das Biel jei mmr ein dießfeitiges: die höchfte 
Vollendung bes menjchlichen Gefammtzuftandes auf Exden’)*. 

Und in ber That, injoferne von der perjönlichen That 
bie Gefchichte ausgeht, hat and die Perjönlichkeit ein Necht 
darauf, ein Ziel zu finden Das Inbividuum jelsit ift 
„eine in der Erfcheinung wurzelnde Kdee), von der man 
nicht anmehmenLaun, daß ihre Bedeutung blos darin beftche, 
eine Stufe?für ein folgendes Gefchledt zu jeyn, um banıt 
zu vergehen Das Individuum jelbft jucht etwas über 
dem Staat und den Dieffeits der Sefhichte. 

Die, Kunft, die höhere Sittlichkeit und die Philofophte 
find‘ die. iyormen, in welden ber Einzelne Über diefe dich» 
feitige Welt und ihre, Außeres Getriebe und Thun binans 
nad Jdenlem, Ewigem ftrebt. Auch das Indiviouum will 
im der Sefchichte zu feinem Mechte d. b. zu feinem Ziele 
foımmen. Aber gerade bie Weltreiche, der Univerfalftant hat 
hatfächlich die befondere Beftimmung, die Völferorganismen 
anfzulöfen, Die Völkergeifter zu zerfegen und fo in den ifos 
lirten Inbivisuen das Gefühl der Innern Leere wie des 
Mangels einer inneren Gemeinjchajt hervorzurufen und damit 


1) Wir kommen baranf tod) zurüich, 
2) Anthropolegie I, Up, 598. 
3) Humbeldt 1, c,. 2% 














1 Die faotigen 


durch mehr oder weriger enge, hauptjächlicd verwandtichaft- 
liche Bande aneinander genüpfte, aber zuweilen aud ganz 
fremde Individuen und Yamilien in fi faßte; in welchem 
BVerbande bas gefammte Vermögen gemeinjchaftlic; verwaltet 
wurde und bie Arbeit und der Erwerb der einzelnen Mits 
glieder das Wohl der Kommunion beförberte und deren Ver: 
mögensftand vermehrte. Gemeinfaftlih waren aber au 
die Erhaltungstoften biefes Verbandes, ja jämmtliche Genoffen 
einer Sadruga wohnten in demjelben Haufe beifanmen. 

Die Angelegenheiten der Sadruga leitete mit fajt unbe 
jchränkter Gewalt einer der Männer, den bie übrigen zu 
diefem Aınte frei erwählten. Die Wahl konnte auf ein bes 
liebiges Mitglied, auch auf das jüngfte, fallen; aber es lag 
in der Natur der Sadje, nachdem das Haupt ber Familie 
die meifte Erfahrung befigen muß, daß in ber Negel der 
Aeltejte gewählt wurde. Die war der „Starjejhina®, 
ds i. der Ulte, mit welchem Worte man auch heutzutage bei 
den Slaven überhaupt dem Befiger einer größeren Macht 
bezeichnet. Trob der Gemeinjchaftlichfeit unb ber großen 
Gewalt bes Starjefhina gingen bie Mitglieder der Sabruga 
niemals weber ihrer perjönlichen Selbftftändigkeit no ihrer 
Befipfähigkeit verluftig. Un dem gemeinfamen Vermögen 
bejah jedes Mitglied gleichen Antheil, überbieß konnte es 
aber aud mod; Privatvermögen erwerben und darüber frei 
verfügen, Die Sadruga war auch keine ftreng abgejchloffene 
Gefellfhaft: der Austritt aus berfelben war ebenjo geftattet 
wie der Eintritt neuer Mitgliever. 

Das gemeinfhaftliche Stammgut der Sadruga galt als 
das unangreifbare, unveränßerliche Eigenthum ber einzelnen 
Familien und wurde im Gefeßbuche Dufhans als „Bafıh: 
tim "Cut bezeichnet. Mit diefenm war für die betreffende 
Familie ein volles unantaftibares Befigrecht verbunden, Das 
neben gab «8 im alten Serbien noch Lehensgüter, jogenannte 
„Pronia” Güter, an denen bie Belchnten nur das Nubs 
alchungsrecht befaken, 





De Soden 


Haufes und die gleiche Obliegenheit, für bas Haus nady 
Mafgabe ihrer Kräfte zu arbeiten und zu dienen. Was in 
der Haus Kommunion mit gemeinjamen Kräften erworben 
wird, ift gemeinfames Hausgut, von welchen bie Unterhals 
tung der im Militärbienfte jtehenden Mitglieder und ihrer 
Familien, fowie bie übrigen Auslagen des Haufes beftritten 
werben, Der Hausvater bewahrt die Vorräthe des Haufes, 
er beforgt ihren Verkauf und den Einkauf der Hausbebürfs 
niffe. Wenn bie Hausgenoffen Mißtrauen in die Einficht 
über Meblichkeit des Hausvaters hegen, jo Können fie vor 
dem Hausvater über fein Sehahren Mechenichaft fordern und 
einem aus ihrer Mitte die Mitjperre der Vorräthe und ber 
Kaffe übertragen. 

Bel dem Ankauf ober Verkauf von Liegenjchaften, bei 
beven Bertaufhung, Verpfändung, Verpachtung oder Bejchwer 
rung mit einem Servitut, fowie bei der Aufnahme eines 

. Darlehens oder bei der Anlage eines Capitals für das Haus 
mußte der Hausvater immer die Zuftinmung der großjährts 
gen Männer des Haufes Haben. Ungegründeten Widerfprud 
derfelben befeitigte die Oberbehörde. Außer dem Hausvater 
und ohne defjen Einwilligung fonnte kein Hausgenoffe eine 
Verbindlichkeit für das Haus übernehmen oder Schulden auf 
bafjelbe contrahiren, 

Der nach Hinterlegung ber nöthigen Borräthe und nady 
Abzug der Auslagen oder Schulden verbliebene reine Webers 
Fuß des Einkommens konnte nach freiem Ermeffen der Hause 
genoffen, doch mit befonberer Berüdfictigung des Hangvaters 
und ber Hausmukter, getheilt werben, Die Lepteren erhiels 
ten in der Regel doppelte Untheile. Nachläffige Hausgenoffen 
waren von diefer Betheiligung ausgejchloffen. 

Kein Hausgenoffe darf für fih und feine Familie eine 
befondere Wirthjcaft betreiben, eigene Grundftüde antaufen, 
‚auf feine Nechimng Pachtungen aufnehmen, befonderes Vieh 
halten oder fonft einen eigenen Erwerböjweig betreiben, ber 
Äbn vom der gemeinjchaftlichen Hausarbeit abhält. Fällt ihm: 





130 Die flavijgen 


Zu einer foldhen Theilung war bie einflimmige Eins 
willigung aller großjährigen Männer des Haufes nothwens 
dig; das Grundgejep vom Jahre 1850 erleichtert bieje Bes 

- bingung infoferne, als es bloß die Zuftimmung der Mehr: 
zahl der Hausgenoffen verlangt, dabei aber den Familien 
mitgliebern beiderlei Gefchlechts, die das 18. Lebensjahr zus 
rücgelegt Haben, das Stimmrecht einräumt. Cine zwangs- 
weife Theilung lonnte von ber Negierung im Interefje der 
Ruhe und Orbung anbefohlen werden. Gelbftverftändlic 
unterlag auch der freiwillige Theilungsakt der Ueberprüfung 
und Gutheißung ber vorgefegten Behörde, Wegen blofer 
Familienzwifte und wenn bie gejeßlichen Erforberniffe nicht 
vorhanden waren, burfte feine Theilung ftattfinden. Unruhes 
ftifter und riebensftörer waren mit Strenge zur Orbnung 
zu weifen, und falls es Männer waren, nad wieberholter 
fruchtlofer Ermahnung in ein Linien» Regiment oder zum 
Fubrwefen der Armee einzureihen. 

Trogdem Tamen zu allen Zeiten jelbft in dev Militärs 
Hränge zahlreiche ungejeliche ‚ insbejondere geheime Theilun- 
gen von Haus-Fommunienen vor, und 8 konnten biefe auch 
durch bie jhärfiten Verordnungen nicht verhindert werben, 
vielmehr jah die Negierung ji durd) den Zwang ber Thats 
jachen genöthigt, jelänger jemehr von dem ftarren Fejthalten 
au dem Princip der Untheilbarkeit des Hausbefiges abzulaffen. 

Die Aufnahme einzelner Perfonen durch Adoption ober 
ganzer Familien durch „Einfommunirung“ in eine beftehende 
Haus:Kommunion war ftets erlaubt, jobald bie Aufgenommenen 
alle gefeglichen Obliegenheiten wie die übrigen Hausgenofjen 
übernehmen wollten. Die Aufnahme neuer Familienmitglies 
der bedurfte ebenfalls der behördlichen Beftätigung. Brachten 
felhe Perjonen oder Familien einen Antheil an Grundftüden 
mit, jo entitand eine „Einverleibung.* Der Austritt aus 
dem Verbande der Haus:Kommunion war im Allgemeinen 
von der Erfüllung ber Mititärpflicht und dadurch bedingt, 
daß der Nustretenbe die Erfordernifje zur Gründung eines neuen 











Die jlaniidhen 


zur Vertreibung ober Abwehr ber „allgemeinen Yänderplage", 
des Pauperismus und bes Proletariats, dienen inne Das 
Zujammenwohnen und die Gefelligteit mit Verwandten fürbere 
bei der Jugend weit mehr deren Bilbung ala der Umgang 
mit fremden Leuten; auch bie Begründung von Schul: und 
Grziehungsanftalten fei dur; die Haus Kommunion leichter 
zu beiwerkftelligen. Die Anzahl ber Gefepesübertretungen 
fel in ben Familtengenoffenfhaften geringer, weil niemals 
alle Hausgenoffen fehlecht feien, einander vielmehr von 
üblen Thaten zurüchalten und fich gegenfeitig beauffichtigen. 
Der Verbruß und bie Nachtheile mit ungetreuen und nade 
täffigen Dienftboten bleiben dem Hausvater einer Kommunion 
gleihfalls erfpart. Der Vorwurf größerer Unfittlichteit wirb 
mit dem Hinweife abgelehnt, daß gerade in ben Haussfoms 
munionen in der Megel beffere Moralität Herriche, weil hier 
der ftete Verkehr der Kamilienmitglieber geheime Lafter auss 
ihliege, aud bie Eheichliehungen nicht exfehtwert werden, 
Dajjelbe gelte von dem iFamilientugenden der Eltern und 
Kindesliebe, der Pietät gegen das Alter, dem Fein ungeduls 
diger Habfüchtiger Erbe bie Tegten Tage bes Lebens vers 
bittere, da ja ber Einzelne nichts erben Lönne, 

Mit Nüdfiht auf die allgemeinen focialpolitifchen Vers 
bältniffe fei 69 aber zum Vortheil und der Menfchenwürbe 
angemejfen, wenn das egoiftifche Cinzelintereffe fich zu bes 
fheiben und dem Wamiliens Intereffe unterzuorbien wife, 
Die Hauss Kommunion bilde ein erwünjdtes Mittelglied 
zwifchen Individuum und Gemeinde; fie fei eine Schule zur 
Erziehung und Erhaltung eines tüchtigen, conferbativer. 
Bauernftandes nnd die befte Schugwehr gegen bie Hus- 
wüchfe des Jubividualismus, bie auf eine Atomifirung ber 
Gefellfägaft abzielen, fowie gegen bie ebenfo gefährlichen 
conmuniftifchen und focialiftifchen Tendenzen, denen gegenüber 
fie als ein wohlgeglieberter Organismus erfcheine. So lange 
bie Haus-Kommunion eriftire, gehören alle ihre Mitglieder 
dem Bauernflande an, wogegen bei der Muftheilung ber 














144 Sratlen, 


Intereffant ift 8, die Aufnahme zu verfolgen, welde 
dieje begeichnenden Stellen des minifteriellen Programms 
unb der Thronrebe feitens der Mitglieder der neuen Kammer 
fanden. Das Verjprechen, die waterländifcgen Jnftitutioren, 
die Ruhe des Landes fammt der Freiheit der Einzelnen 
Hräftig ftügen zu wollen, wurde mit frenetifchem Beifall won 
dem weitaus größten Theil der Deputirten entgegengenommen. 
Bei der Aufforderung des Königs, den Hader dev Parteien 
zu erftiden und am WUusbau der Staatsverwaltung mit 
heißem Bemühen zu arbeiten, ermannte dagegen nur bie 
Nechte fih zu einer Dankesäußerung. Und zwar mit Recht, 
Die Herren von ber Rechten haben geopfert, fie wollen aber 
aud wifjen, wofür. „Will Jemand“, rief Depretis zur 
Strabella, „in unjere Neipen eintreten, mein befcheidenes 
Programm annehmen, fich einer Verwandlung unterziehen 
und zum Progreffiiten werben: wie könnte ich ihn abweifen? 
Auch dem Arbeiter der legten Stunde hat ber göttliche Meifter 
ben ganzen Lohn verheißen, Nachdem Depretis mit Sirenenz 
ftimme den Mitgliedern ber Mechten gefungen umb bdiefe den 
verlodenden Tönen gefolgt find, wollen fie an ber großen 
Beute auch ihrerjeits gebührenden Antheil haben. Die Auf: 
forberung des Monarchen und jeines Minifters an das Pars 
lament, fi, dem Ausbau des Organisnus der vaterländifchen 
Iuftitutionen zu widmen, beziehen die Mitglieder der Nechten 
in erfter Linie auf fi. Um jo richaltlofer glaubte die 
Rechte fi biefer Hoffnung bingeben zu dürfen, als Depretis 
es gerade den Bemühungen ihrer Partei zu danken hat, daß 
er heute als Sieger auf dem Plan fteht. 

Nicht mit Unredht haben unabhängige Blätter die 
Stellung, welche der Minifterpräfident Depretis heute eins 
nimmt, mit derjenigen eines Diktators verglichen. Bon ber 
Kammer wurde feine Diktatur twieberholt anerfannt. Solange 
das Minifterium echt republifanifche Elemente, wie Zanarbellt 
und Baccarini, fammt dem chamäleomartigen Unterrichtss 
minifter Baccelli in feinem Schooße befigt, kann Depretis 








146 Zialien, 


riums, Mardiori und SonninosSiöney, zur Befriebigung 
Depretis' die nötige Stimmenzapl. 

Ju ber Hand bes Herm Depretis ruhen mithin gegens 
wärtig die Gefhide Italiens. Das Panier, mit welchem 
er feinen Getreuen vorangeht, trägt bie Devife: Unvergüg« 
licher Ausbau der ftaatlichen Injtitutionen, Schub ber reis 
heit und des Nechtes. Man ftaunt ob der Wandlung, die 
NH in dem alten Nevolutionär vollzogen hat. Der nämliche 
Dann, ben Garibaldi in der Zahl derjenigen aufführt, welche 
dem Eid Teifteten, nicht ruhen zu wollen, bis Jtalien einig, 
unabhängig und Nepublik fei, übernimmt, jegt das Amt des 
Beihügers alles beffen, was confervativ ift, Seitens aller 
am Ruber befindlichen Parteien fühlt man es tief, dag man 
auf bem betretenen Wege nur zum Nuin des Landes ver: 
harren Fönnte, Aber umlehren auf ber fchiefen Bahn ift 
unmöglich. Mit diabolifcger Luft wurde mehr denn vierzig 
Jahre am Sturz der alten Orbnung gearbeitet, Erft ein 
Vierteljahrhundert beftcht die neue Schöpfung und mit vers 
einten Kräften fol nunmehr das Werk des Ausbaues der 
Iuftitutionen in Angriff genommen werden. Man Lönnte 
den Berfigerungen bes Deinifters Glauben fhenten, wenn 
nicht gewijfe Gerüchte in ber Luft umberfhwirrten, als ob 
bebeutende auswärtige Staatsmänner ihrem Ekel an bem 
Treiben der Parteien in Italien unverholen Ausdrud ver: 
lichen hätten, Aber bie wirfjanfte Widerlegung einer Umzs 
wanblung des Her Depretis zum Beffern enthält jene 
Stelle der Thronvede, in welder der Entftchung des neuen 
Reiches feierlich ein Loblied gefungen wir. „Niemand, 
läßt Depretis den König fprechen, „fol vergefien, von wels 
em Punkte die Erhebung Jtaliens ihren Ausgang nahm. 
Zu einer Zeit, in welder es Thorbeit dien, die Macht 
anzurufen und zur Eroberung des Rechts der Nation auf 
die Waffen zu vertrauen, ba hat ber wunderbare Zuftinkt 
des ums voraufgegangenen Gejchlechts, befjen legte Mcherreite 
ich mit Verehrung erblice, bie Gefchichte ber nationalen Ers 








148 Yalien. 


die Schulgefege haben, namentlich diejenigen, weldhe das 
Volksfhulwefen betreffen, wenn bie neuen Beftimmungen 
nicht allein die Kräftigung des Körpers anftreben, fondern 
au der Seele eine geiftige Nichtung verleihen: denn ohne 
eiöile Difeiplin (senza diseiplina eivile) Kann es unmöglich 
einen nüglichen Gebrauch der Freiheit geben." Wenn au 
der Senat welt Höhere Anforderungen an bie Volksfchule 
machst als die Krone jammt Minifterium: fein Jdeal einer 
blos „eivilen“ ober humanitären „Bildung“ ift noch immer 
himmelweit entfernt von der Kuffafjung des; Christianus 
alter Christus, 

Mit dem allertiefften Bedauern Tiest man denjenigen 
Pafjus der Thronrede, welcher fi mit den milden Stifs 
tumgen befaßt, Wenige hriftliche Länder befapen bis auf 
die jüngfte Zeit herab einen jo immenjen Reichtum aus 
Fundationen zue Linderung aller Formen bes Elends wie 
Ztalien. Vor allen übrigen Städten der Halbinfel zeichnete 
fi die Hauptftadt der chriftlichen Welt aus. Nachdem das 
Patrimontum ber Armen feit 1860 in Folge des gemalt: 
famen Umfturzes der alten Ordnung ungehenere VBerkufte 
erlitten, vernimmt das erjtaunte Stalten ans Königlichen 
Munde folgende Worte: „Neue Vorfchläge bezüglich der 
Woptthätigkeitsanftalten werben Ihren zugehen, um auf 
Grund einer nüchternen und jtrengen Verwaltung die Wege 
au bezeichnen, am bas zur Linderung des Unglüds von uns 
feren Vorfahren Hinterlafjene reihe Erbe den wahrhaft Bes 
bürftigen zuguwenben und an Stelle der erfchlafften und 
bisweilen erniedrigenben Nächftenliebe eine väterliche Untere 
ftägung treten zu Taffen, welche ftärkend und ermuthigend 
wirkt." Die fatholijche Nächitenliebe fol ermiedrigen und 
würdelos machen; aber das offizielle Staatsunterftügungs: 
Wefen ermuthigen und ftärken! Gtüdllichermeife haben wir 
biefjeits ber Berge für biefe Auffaffung der focialen Fragen 
fein Berftändniß, 

Auch bier verbient der Senat eine lobenbe Erwähnung, 

















156 Anfangs 1889. 


Können: ex fei „der größte ber hervorragenden Staatsmänner 
‚Eiropa’s geweien, weil ihm die Zukunft gehört Habe. So 
aber ift bloß ein Fühner Abenteurer geftorben, von bem 
Niemand fagen kann, was ihm bie Zukunft gebracht hätte; 
vielleicht eine abermalige yluht nad San Sebaftian, nicht 
vor einem Invafionsheere, fondern vor dem Bollszorn, Als 
während des für frankreich tief bejhämenden Verlaufs ber 
ägyptifchen Krifis der damalige Minifter frepcinet in der 
Kammer fagte: „Von ihm feien Feine Abenteuer zu bejors 
gen“, ba wußte Jebermann, wen ev vor bem Lande benuncire, 
yür den Fall ver Noth aber hat Frankreich nicht am bem 
parlamentarijchen Intrigauten, fonbern an bem faft gleiche 
zeitig Hingefchtevenen General Chanzy, einem braven Soldas 
ten und begabten Staatsmann, einen fehweren Berluft erlitten, 

In dem Schwarm ber liberalen Leichenbitter treten for 
gar Gratulanten auf, welche das deutjche Reich heglücwüns 
fchen, daß es des Fahnenträgers der. franzöfifchen Nevande 
nunmehr ledig fei, und bie Zondoner „Times“ jagen gerade 
zu, daß durd) den Tod Gambetta's das europäische Gleiche 
gewicht gejtört jei. Offenbar wohl darum, tweil mım Niemand, 
mehr bem Fürften Bismarek bie Wage halten könne, Aber 
die traurige Wahrheit ift die, daß nicht eine Partei, fondern 
alles Bott in Frankreich die Fahne der Nevande trägt, 
mern auch dicht verhüllt nach dent Nathe des Erfinders der 
„Dpportunität“ und gemäß feiner Bertröftung:: „Nur Geduld, 
«8 kommt jchen!" Inzwiichen unterhielt er die Nation mit 
einem andern Kampfz gegen bie Kirche, Aber nicht ein 
diplomatifger Schlautopf wir das Signal zur Nevande 
geben, fondern die Thatjachen werben 8 thun mit Sturmes« 
gebraus; möglich fogar, daß Gambetta bis dahin burch 
irgendeine parlamentariiche Verfentung in's alte Eifen ges 
fallen wäre, 

US am Anfang des vergangenen Jahres das Auftreten 
Stobelefjs in St. Petersburg und Paris eine ähnliche Auf: 
zegung hervorrief, wie fie in wergrößertem Maßftabe anı 
Ende des Jahres von Berlin aus wicber in Scene gefegt 








Anlongs 1883, 


lich nur eine Stparatvereinigung der zwei Kaifer innerhalb 
bes mweitern Rahmens, der das ältere „Verhältuiß" der drei 
Kaifer zu einander umfpannt. Aber wozu dann der Lärm? 
Natürlich fagte fih das Publikum’: e8 fei eben wieder das 
bekannte Spiel, durch welches jedesmal dann der „Krieg in 
Sicht" gegeret werde, wenn ber umerfättliche Moloh des 
Militärärare wieder mit neuen Mehrforberungen umgebhe; 
weiter habe e8 feinen Zwed, Diepmal jollte e8 jih um eine 
bedeutende Vermehrung der Artillerie handeln, weil Franfrei 
und Rußland im biefer Waffe überlegen jeien, Aber wenn 
das Alles jo ift, und e8 wird fo fenn: werräth fid, nicht auch 
darin wieber das gefteigerte Miftrauen in bie Erhaltung 
des Friebens? Und kann es denn, wenn in folder Weife 
Änmer wieder der Teufel an die Wand gemalt und mit dem 
Weuer gejpielt wird, enblich ausbleiben, daß der Stachel ber 
Verbitierung in ben Gemüthern weiter eindringt und fchlich- 
lich Jedermann den offenen Krieg einem foldhen Überfaulen 
Brieben worzicht? 

Ob Rußland wirklich einen Angriffstrieg gegen den 
„germanifchen Weiten" yorbereitet, haben wir nicht zu unters 
fuhen. Daß der Nagenhai innerhalb der flavifchen Welt 
dem Siebepuntt nahe ift, verrathen auch wieder verichiedene 
Symptome, die der Tod Gambetta's zu Tage gefördert bat. 
Dah der Zufammenftoh fozufagen naturgejehlich erfolgen 
muß, und daf dann frankreich, auch ohne Gambetta, die 
günftige Gelegenheit nicht verpaffen wird, das bezweifelt 
eigentlich Niemand, ürft Bismard hat diefs auch gemeint, 
wenn er im Meihstag fagte: die Bajonette der Nachbarn 
hätten eine" polare Richtung gegen die Bruft Deutjchlands, 
Wann umd wie? darüber wird ber Verlauf bes türkifchen 
Marasmus entfcheiben. Das Alles konnte alfo einen Grund 
au neuer Beunruhigung nicht abgeben. Unders aber fteht 
es mit ber Thatfache, dak jchlieflich auch nod die Haltbar: 
keit des Bündniffes mit Defterreich, nicht von Wien, fonbern 
von Berlin aus, in die öffentliche Discnffion gezogen worden 

Hl. Wenn die deutfchen Neihsbürger in dem Glauben, daß 









































174 Dionyfins 


1, Bon ber himmlijhen Hierardie (mepi zig 
obgariag legergyiag — de coelesti hierarchia) oder von den 
Namen, Ordnungen und Dienften der Engel in 15 Kapiteln, 
Die Grundgedanken ber Schrift find folgende: Die Engel 
bilden neun Chöre und drei Hierarchien. Die oberfte Hiers 
arhie faßt die Seraphim, Cherubim und Throne in ich, 
Die Serapbim betrachten unaufhörlih bas göttliche Wefen, 
das ganz Licht umd Liebe ift, und jinb jelbft von ber glühr 
endften Liebe ganz entzündet, Die Cherubim verjenken 
Äh im Unblicde Gottes in feine Nathichlüffe, die Throne 
in bie Betrachtung feiner geheimnißvollen, preiswürdigen 
Gerichte. Die mittlere Hierarchie begreift im jich die Herre 
Ihaften, welde das anordnen, was nad) Gottes Willen 
zu gefhehen hat, datın die Kräfte, welde das Beichloffene 
ins Werk fegen, und die Gewalten, welche biefes in feinem 
Kortbeftande leiten, Die dritte Hierarchie befaßt fi mit 
dem Menjchen, indem die Mächte das allgemeine Wohl 
der ganzen Menjchheit wahrnehmen, die Erzengel bie eins 
zelnen Völker zum Heite lenken und die Engel der perjün« 
lichen Heilsführung der einzelnen Menfchen fich annehmen. 
Die oberfte Hierarchie dient jomit ausfchlieflid Gott und 
feiner Verherrlihung, die mittere der ganzen Schöpfung, die 
unterfte ben irdifchen Vorgängen, bem einzelnen Völkern ıumd 
Menfhen. Die Thätigkeiten diefer drei Hierarchien ente 
foredien den drei Stufen des miftifchen Lebens, Einigung, 
Erlendtung und Reinigung. Das reinigende, erleuchtende 
und einigende göttliche Gnadenlicht jtrömt von den höheren 
Ordnungen auf die niederen über, 


Höymmen; bayın 7) wach einigen Anbentungen ein Bud über 
bie Hherardie bes Befehes, d, L über bie altteflament« 
liche Hierarchie. — Diefe fieben Schriften bilden, mit ben uns 
nos erhaltenen vier gröheren Werten yufammen, ein vollftändigeo, 
organish zufammengehöriges Syfiem ber gelammten 
theolsgifhen Dogmatik, 








176 Dionyfius 


3. Von den göttlichen Namen (mel Ielar dro- 
Karov — de divinis nominibus) in 13 Kapiteln. Die an 
fh ganz unerfaßbare, weil unendliche Wejenheit Gottes, 
bemerkt der Verfaffer einleitend, ift mr aus dem erfenubar, 
was Gott felbjt über fi in der hi. Schrift geoffenbart und 
zwar in den Namen, die er fihgegeben hat, da er zugleich 
hamenlos und allnamig ift. Daher werben bier bie in ber 
Schrift vorkommenden Namen und Bezeichnungen und bamit 
das Wejen umb die Eigenfchaften Gottes in fehr eingehender, 
Hiefs und feharffinniger Weife erläutert, Außerdent koınmt 
Dionyfius auf das Böfe, deffen Urfprung und Wejen, auf 
die Trinität und Erlöfung zu fprechen. Diefe Schrift ift 
fein Hanptwert und enthält feine theologiihen Grundans 
Ihauungen. 

4. Bon der mpftifhen Theologie (meei zig 
uvorızis Yeokoyiag — de mystica theologia), eine furze 
Betrachtung über das göttliche Wefen, das, an fidh unerfaßbar, 
unergrändlih, wunausfprechlich, weder mit bejahenben noch 
verneinenden Präbdikaten erfdhöpfend und adäquat bezeichnet 
werben Kanıt, 

Diefe vier Schriften find dem „Mitpresbyter” Timo 
thens gewidmet. 

5. Was die 10 Briefe betrifft, jo find die erften vier, 
an ben Therapeuten Eajus gerichtet, jehr Furze Excurfe über 
verfchiedene theologische Lehrfähe, über die Umwifjenheit in 
Bezug auf Gott, das Urprincip der Gottheit, über die 
Menfhwerbung Gottes, Der fünfte an den Liturgen Doz 
rotheus erflärt in einigen Sägen die göttliche Finfternif, 
von welcher in der „miftifchen Theologie” die Nede ift; der 
ebenfo Kurze fehste an den Presbyter Sofipater mahnt 
diefen, nicht fo fehr polemifch gegen die falfche Lehre aufs 
zutreten als Ihre vielmehr eifrig, Fräftig und lichtvoll die 
Wahrheit entgegen zu ftellen. Der fiebente an ben Hiers 
arden Polyfarp führt bie nämliche Mahnung etwas weiter 
aus Der achte am ben Therapeuten Demophilus ift eine 








178 Dionyfius 


Sofipater und Doroiheus, am welde er Briefe richtete, die 
Bekannten Apoftelfchüfer mit biefen Namen; c) ex berichte, 
daß er mit Petrus und Jakobus „ven Ichendigmacenden 
und gottaufnehmenden Leib,” d. i. die heilige Jungfrau 
Maria befucht und gefehen habe; d) es jet von ihm zugleich 
mit dem heibnifchen Philofophen Apollophanes die Finfterniß;, 
welche bei dem Tode des Herrn eingetreten, zu Seliopolis 
beobachtet worden. Dazu kommt dann €) der Brief an den 
Apoftel und Evangeliften Johannes auf Patınos, woraus, 
wie es den Anfchein hat, unzweifelhaft erhelle, daß der Ver 
faffer ein Zeitgenoffe diefes Apoftels gewefen fei und unter 
Kaifer Dontitian gelebt und gefehrichen habe. 

Von diefen Meinungen geleitet, bielt man unbebentlih 
ben apoftolifchen Dionyflus und Areopagiten für den Autor, 
eine Meinung, weldie ben Schriften jelbft großes Anjehen 
verlieh, Deffen erfreuten fte fich denn auch unbejtritten das 
ganze Mittelalter hindurch in der morgenländifchen und abends 
Tänbifchen Kirche; in diefer feit ber grichijche Keaijer Michael 
Balbus ein Eremplar verfelben Ludwig dem Yrommen zum 
Gefchente gemacht (827), und Scotus Erigena e8 dann ing 
Lateinifche überfept Hatte). Berühmte griechifche Gottes: 
gelehrte, wie Johannes Schthopolis, Marimus ber 
Belenner, Undreas, Erzbifchof von Sreta, und die ange: 
fehenften feholaftiihen Theologen, ein Hugo von St, 
Victor, Alberins Magnus, Thomas von Ayuin, 
Dionyfius der Carthäufer (7 1471) fhrieben Com: 
mentare zu einzelnen diefer Schriften. 

Nah Erfindung ber Buchdruderkunft und mit dem Ers 
wachen der Srltif erhoben fih indeh bald Bedenken gegen 
deren Uechihelt. Zuerit that dick Baratier, dann Laus 
rentius Dalla, Erasmus von Rotterdam, Morinns, 


1) Ber Ecoins Grigena hatte ber Abt Hildwin von St, Denys 
‚eine Iateinifhe Meberfehung gefertigt, 





und Deutung der fraglichen Stellen. Dem nichtszufagen 
davon, baß er fich nirgends den Areopagiten nennt oder nur 
infinuirt, er wolle für benfelben gehalten werden, fagt er 
audı: a. mit feiner Silbe, daß er ein Schüler des Paulus 
fe, d. i. feinen perfönlichen, münbligen Unterricht genoffen 
babe, Er nennt vielmehr einen gerijfen Hierotheus feinen 
hocverehrten Lehrer, welchen, wie ihm felbft, „der jelige 
Paulus eine gemeinfame Sonne gewefer jel/’*), durch defjen 
Schriften fie beide alfo mit der Kenntnif der göttlichen Dinge 
erfüllt worden feien. b. Ucherbieß beruft er fich für feine 
Lehre von der Kinbertaufe auf dasjenige, was „bie gott» 
geftaltigen Lehrer, burd alte Neberlieferung bes 
lehrt, auf ihm fortgepflangt haben?) Mithin gehörten 
nicht einmal feine Lehrer, gejchweige denn er felbft, ber apoe 
ftofifchen Zeit an, da ja diefe jhon burdh eine alte Webers 
Kieferung über bie Erlaubtheit und Giltigkeit der Kindertaufe 
belehrt worden find. c. Läßt fich nicht beweifen, daß mit 
den fraglichen Namen die betreffenden Apoftel und Apoftele 
Ihäler gemeint feien; ja e8 ergibt fich im Gegentheil aus 
den Schriften felbft mit vollftändiger Sicherheit, baß z. DB. 
Timothens, dem fie gewidmet find, unmöglich der Pauluss 
fehüler jeyn könne. Denn der Berfaffer nennt ihn wiebers 
holt feinen Mitpresbyter, fogar feinen Sohn’) und 
ertheilt ihm Belchrungen, wie einem Schüler, was ninmers 
mehr auf den berühmten Apofteljchäfer und Bijdof von 
Ephefus fich beziehen Kann, auch wenn Dionyfius älter war 
als er‘). .d, Ferner wird darin die Stelle aus dem Briefe 


1) De div, nominib. 1.8.1503. 2 

2) Do eccl. hierarcbia, «. 7.n. 3. $. 11. 

Y)L.ecatsheo3 1. etc 

4) ©o ermabnt er ihn einmals „ber hüte dich, das Allerheitigiie 
auszuplaubern, fernberm achte umd ehre bie Geheimmniffe bes vers 
borgenen Bottes.”" a, Timetkeus fennt nicht einmal ben Sinn 
und bie @nabenträfte ber Ihrgifchen Weihegebete und muß fle 























Bilder 


Damit möge man bie Gaffenhauer vergleihen, wie fie 
im Jahre 1849 von dem rabifalen Gefindel in Baden und 
der Pfalz gebrüllt wurden. 

Unbegreiflich ift «8 uns, daß Profeffor Dr. Egger bie 
Verarmung des Landes Tprol zum Theil dem Klerus zur 
Laft legt. Wie die? Leben die Geiftlichen vielleicht ber 
fonders üppig, verpraffen fie den Schweiß; des Bolfes an 
wohlbefegten Tafeln? Die einfache, ja ärmlice Lebensweife 
der Tyroler Euraten ift männiglih befannt, und aud Dr. 
Egger hat beffen Fein Hehl; fie haben in der Megel Mrum 
den britten Theil ber Einkünfte, wie le in Deutfchland eine 
proteftantiiche Duchjchnittspfarrei ihrem Inhaber bietet. Jeder 
andere Stanb in Dejterreicdh ift weit beifer befolbet, feit 
nenefter Zeit aud das Schmerzensfind des aufgellärten Phis 
Tifters, der Schullehrer, namentlich wenn er „Schulleiter” ift, 
wie man in Defterreih den Oberlehrer nennt. Auf einer 
Reife durch das Salzkammergut fraf ich in den leßten Jahren 
einen Guraten in der dritten Wagenklaffe; fein Lehrer das 
gegen fuhr in der zweiten, 

Defsiwegen, fagt man und, mehren die Geiftlihen die 
Armuth, weil fie den Bauern verleiten, fhöne Kirchen zu 
bauen, ımb unermübet für den Schmud bes Gotteshaufes 
forgen. Das erinnert ja umwillfürlih an bie Pharifäer, 
welche Maria Magdalena anflagten wegen Berjhwenbung, 
als fie die Füße des Herrn mit Foftbaren Narben falbie. 
Wen dieß ärgert, ber gehe eimmal mad, Thüringen oder 
anderswohin, jo recht in das Herz bes Proteftantismus; da 
wird er ben Pfarrer in jchönem Haufe mit wohlgepflegtem 
Garten wohnen fehen, während das Haus Gottes ein Mufter 
von Gejchmadlofigkeit ift, häufig verwahrlost und voll Schmuß. 
Das ift mun freili, wie no gar mandhes Andere, nicht 
ewangelifh, wiervohl fie fih die Evangelifhen nennen. Und 
wer bie Briefe des hl. Hieronymus nachlefen wollte, ber 
würde finden, bafı man es jchon damals, gerade fo wie ned) 
Heute in Tyrol, als die [Gönfte Aufgabe des Geiftlicen ber 























200 Ziler 


Soll fie denn überall erniebrigt werben zur Hetäre im Dienfte 
flügtigen Sinnenreiges, oder im beiten Falle über das Genre 
fich nicht erheben dürfen? Hat do die Mündener Aus- 
ftellung vom Jahre 1876 im geradezu erfchredender Weife 
den Verfall der Malerei vor aller Welt fund gethan. Und 
felbjt da, wo Einer oder ber Andere in der religiöjen Malerei 
fi verfucht, liefert er doch nicht felten mur ein ungefundes 
Probuft, feine Arbeit ift gemacht, jerlenlos, manierirt, weil 
ohne tieferes Berftändnig und wahre Empfindung, und kann 
dann nur dazu bienen, bie Kunft ber „Nagarener*, wie fie 
geiholten wird, nicht ohne Grund in Mikachtung zu bringen. 

Weil nod) wahrhaft veligiöfe Künftler, hat Tprof auch 
noch ädte religiöfe Malerei. Flag Hat in feinem Studio 
viel gebetet, wie einft Fra Angelico; darum muthen ums 
feine Meuttergottesbilder jo fremm am. Platiner hat fich 
mit Liebe im die Katholifhe Liturgie verfentt; darum find 
feine Bilder auf dem Frievhofe zu Iunsbrud, und befonders 
feine legte Arbeit, das Te Deum laudamus zu Jenefien fo 
gedanfenvoll und tiefjinnig componirt, ausgeführt mit Bes 
rüdjihtigung aller Fortfchritte der modernen Technit, ohne 
doch dur Farbenglanz beftechen zu wollen, Kirchlich aufge 
faßt, aber frei von archaiftifcher Manier. Als ih einmal 
einen Tyroler Künftler in eine banerifche Kirche führte, 
welche nach ihren arshitektonifchen Berhältniffen nicht unfhön, 
feibjt originell ift, aber mit gelber Kirhenfarbe im Innern 
angeftrichen nichts das Gemüth Erhebendes bot, fagte mir 
diefer: „gm eine folche Kirche wirb Fein Tyroler gehen.“ 
Mas aber aus einem Volke wird, das der Kirche entfrembet 
ift, beweist die Erfahrung. 

Denn die Schule Fanın die Kirche nimmmermehr erjegen. 
Wirft man einen Blit auf die Thätigfeit der liberalen Aera 
in Saden der Schule, fo wird man nmeillfürlih an jenen 
italienifhen Bauern erinnert, ber bes fühen Weines etwas 
zu viel genoffen batte, Als er fein Thier befteigen wollte, 
um nad Haufe zu reiten, fiel ex immer wieder herab; ein 








gehen, um Aufklärung umter das Landvolt zu bringen. VBoll- 
gepfropit mit allem möglichen Wifjenstram, das fie ohne Ver= 
Händniß, nur halb und oberflächlich aufgenommen, fehiet man. 
diefe arınen Gejchöpfe hinaus, wo fie einfam ftehend, oft 
ohne Kenntnig des Allernoihwenbigften, was zur Führung 
eines Haushaltes gehört, vielfach enttäufcht bald fi unglüds 
Tich fühlen müfjen. Da denfe ich denn oft an eine Lehrerin 
in einem Heinen Orte Norbigrols, die ich Tennen lernte; fie 
war eine Fräftige Perfon in den mittleren Jahren, gefund 
und frifh am Leib md Seele. Als Lohn für das ganze 
Jahr empfängt fie dreifig Gulden, und ift nebenbei mit 
Handarbeit befhäftigt. Der Eurat lobte fie anferordentlichz 
im Katehismus, erzählte er, feien die Kinder vortrefflih 
unterrichtet; 2efen, Schreiben und Rechnen verfiche fie au 
ihnen gut beizubringen. Wer noch mehr lernen wolle, bes 
merkte er, habe Gelegenheit, im benachbarten Städtchen 
höhere Keuntniffe fich zu erwerben; künftigen Studenten gebe 
der Gooperator bereitwillig Unterricht im ber fateinijchen 
Grammatif. Ein ädhtes, praktifches Ehriftentkum, fegte er 
binzu, fei die Hauptfahe in der Erziehung. Naturkunde, 
Himmelskunde und der übrige Firlefanz pafle micht für das 
Ihwahe Weibergehirn; es jei ohnehin nichts Nechts, was 
fie lernen, und bei der Arbeit im Felde, auf der Weide, im 
Walde, im Kubhftall gewännen fie mehr praftifche Kenntniffe 
in der Kränters umdb Thierfunde als aus ihren Büchern. 
Ich fonnte dem Leinen Tebhaften Männchen nicht gang uns 
vet geben; .er wird das aus Erfahrung wohl am beiten 
wifjen. Se breiter der Strom der Bildung, defte: jeichter 
wird er; mb halte Bildung Üt nicht biok ein wibers 
wärtiges, jondern ein Hödhit gefährliches Ding. Nur wenige. 
beurtheilen fi chen wie Sofrates, bem darum bas Orakel 
für den Weifeften unter den Griechen erklärte, weil erwußte, 
daß er nichts wußte, „Thoren und ‚gejceibte Leute”, fügt 
einmal Göthe, „find. beibe unfchädlic, aber Halbthoren und- 
Halbweife find die gefährlichften.“ 








Bernbo nicht gerne bie Bulgata Ins, und Erasmus nie mit 
dem Bolfe in befjen Sprache redete, um feinen lafeinijhen 
Stil nicht zu verderben, wenn überall au an proteftane 
üfhen Höfen frangöifge Sprage, Eitten, Yauten, Gärten 
gepflegt wurden, italienifche Baumeifter im Herzen von Deutfchr 
Ianb ihre Ehätigfeit entfalteten zu einer Zeit, als bie Mefor- 
mationsperiode längft abgelaufen war, und jelbft die Pauls: 
Kirche zu London im Renaiffanceftil, das Theater zu Bayreuth, 
diefes Kabinetftü des Nococo, von dem taliener Bibiena 
im vorigen Jahrhundert gebaut wurde, jo beweist bieh, 
daß eben ber in ber Menaiffance zur Geltung gelonmene 
Gebanfe, ob mit Mecht oder Unrecht, unterfuchen wir nicht, 
einen: umwiberjtehlichen Neiz. für diefe Jahrhumberte Hatte, ber 
in Politi, Literatur, der bildenden Kunft und im gejelle 
iHaftlihen Leben feine mächtigen Wirkungen äußerte, für 
Deutjhland nicht ohne Schädigung feiner Sprache, volfs= 
thümlichen Kunft und Sitte. Auf Jahrhunderte hinaus hat 
fie die Anfchauung ‚der Völker beftimmt, und es war das 
Werk langer Zeit, vieler Kämpfe md großer Männer, bis 
für deutfce Kunft in Bild und Schrift wieber ein Vers 
ftändniß gewonnen ward. Wenn darum ber Tnroler Sklerus 
durch eine faljche Gefhmadsrihtung vor Zeiten gefündigt 
bat, jo Mage man nicht ihn allein an, alle Stände, alle 
Länder find in gleicher Schul, und damals gerade jene, bie 
das Monopol des guten Gejchmades zu befigen wähnten. 
Sellte Einer daher den Tyroler Klerus als bildungs- 
feinplich anlagen, daun werbe id; als Gegenbeiweis hindeuten 
auf die Gejhichte der Bildungsanftalten ımd Literatur Tyrols, 
Man zeige und anderswo ein Öyımnafinm, an dem zu gleicher 
Zeit drei Männer wirkten vom Rufe eines Albert Jäger, 
Beda Weber und Pius Zingerfe. Und aud) in der Gegens 
wart find Männer wie der jüngft verftorbene P. Mar Heols 
Taus in Hall, 6 Scufrath, Ps Flavian eben afelkft, 
P. Göteftin Stampfer zu Meran, P. Bincenz Grebler, Ans 
aoleti, P. Marcus zu Bogen, Direftor Milterrußner zu 






















































































234 Die Anarhiften 


Theil der Anarhiften umfaßt, lehrt in feinen Hanptfägen 
die Drganifation der Arbeit, das Gollektiveigenthum ber 
Produktionsmittel, die Vertbeilung des Reingemwinnes auf 
das Arbeitsquantum mit Berüefichtigung ungleich Ichaffender 
Arbeiter und eine Staatsverfaffung, in welder die Repräs 
fentanten des arbeitenden Volkes die unbeftrittene Autorität 
ausüben, Das allgemeine Stimmredt wird aufgehoben, 
weil fidh diefes als Handhabe der Bonrgeoifie und bes Cäs 
farismus erwiefen habe, auch weil c8 der Gormuption die 
Thüre öffne. Da die Anhänger diefer Gruppe aljo ben 
Staat beibehalten wollen, nennen fie ji Gtatijten, ober in 
den Untergruppen, im welde fie ji fpalten: Marriften, 
Roffibiliften, autoritäre oder liberale Unarchiiten. Ihr poli: 
tijches Kampfesmittel ift die Gewalt, ‘Sie prebigen offen 
die Nevolution und die Vernichtung dev VBourgeoifie, ziehen 
aber den Strafenfampf mit Barrifaden und den Sturmfhritt 
der Arbeiterbataillone dem Dynamit vor. 

Noch; weiter vorgefchritten ımd vadikaler als biefe rev: 
Autionäre Partei der Gtatiften it bie an Anhängerzahl fehr 
geringe Gruppe der eigentlichen Anarchiften. Dieje beftehen 
mit Ausnahme der catilinarifhen Eriftengen, welde fih in 
alle derartigen verzweifelten Semeinfchaften drängen, fajt nur 
aus fanatifgen Schwärmern. Ihre Afpirationen wirben 
dem gefunden Menjchenverftand unerflärbar bleiben, wenn 
fie nicht auf piochologiihe Urfachen zurücgeführt werden 
Könnten, Das wirthichaftliche Syitem diefer Partei ift neben- 
aglih und nimmt ihre geiftige Schaffungstraft wenig in 
Anfprud, Ihr ganzes Streben und Denfen tjt allein auf 
die Zerftörung des Beftehenven gerichtet. Michael Bakınin, 
der Stifter diefer Schule, hatte den ruffiihen Nipilismns 
auf den dur; Nevolutionen gut vorbereiteten Boden Jtaliens 
und Frankreichs verpflanzt. Nicht mur das augenbliclic, 
Beitchende, Staat und Gefelljchaft, zu zerftören, damit fid) 
aus den Trümmern deffelben eine neue Welt erhebe, fehrt 
diefe Schule; mein, auch tern in der Zukunft fh irgendwo 


























































































































e 
ueber. Ppllojophie 

Hang zum Polytheismm®, von berfelben Krankheit des Be- 
wußtfenns ergriffen wie die übrigen Völker, daher mußte ihr 
Monotheismus. jelbft erit grundgelegt, fortwährend gepflegt 
und gehütet mb barum es jelbit gegen die übrigen Völker 
ftreng abgefperrt werden, damit es dem Polytheismus nicht 
erliege, Uber ed warb erhalten, damit, wen die Fülle der 
Zeit gekommen, bon ihm aus ber Glaube an den Einen 
Gott Und At ben Einen Erlöfer, der aud die Erwartung 
ber Heiden war, allen Bölfern verfündet werde, fie alle zur 
Einen ‚ Gemeinjchaft unter fi mit dem Einen Gott ges 
einiget werben. 

Wenn num bie Univerfalmonarien ber alten Welt die 
BVölfergeifter und ie conkretes Bewußtjeyn zerjegten, fo 
diente bieß gerade dazu, dem Chriftenthum ben Meg zu 
Bahnen und jie für eine höhere inmere Einheit empfänglich 
zu machen, nachdem jedes Volk für jich feine befondere vers 
foren hatte, 

Hatten mun die Völfer des Alterthuns feine Ahnung 
von der Einheit des Menjchengeflechtes, gejchweige von 
dem Einen Beruf derfelben zu Einem Ziele — fo bat 
gerade das Chriftenthum diefe Jdee in die Welt gebracht, 
indem e8 ben Böllern den Einen Gott verkündete, alle bes 
zufen zu Einem Ziele und fo durd den Einen Glauben und 
den Ginen Chrijtus, durch bie Eine Taufe und die Eine 
Kirche zu Einer Gemeinfchaft im innerften Bewußtfeyn fie 
zu verbinden gejucht. Damit hat die Kirche ihre Sendung 
begonnen. und fortgefegt His zur Stunde, Die Joee ber 
Katholicität in der Menfhheit durchzuführen ift ihr Beruf, 
Und nicht fubjettive Jdeen, nicht eine bloße Doktrin it «6, 
wobur fie diefem machzulommen fucht, fonbern es find 
hödt reale Potenzen geiftiger Natur, durch; welde fie bie 
Völker zur Ginheit bindet, Mögen auch die criftliden 
Välter politifh und focial einander gegenüberftchen, als 
Hriftliche Völter find fie nicht getrennt und ifolirt, fonbern 
fie bilden bie Eine hriftliche Gottesfomilie, die Eine Fathos 





















































































































































im Bontififat Leo's XII 365 
‚die lehten Worte ein gewifjes Mißtrauen in die 
Sue römifgen Verhältniffe in den Tagen der Papit« 
en dann enthält die Depefce andere Stellen, 
welchen dafjelbe einen Eräftigen Ausdrud gewinnt. Mit 
nr Partei, betont der Botjchafter, jet nicht zu 
zehinen. As Nepräfentant derjelben wird Garibaldi bezeiche 
nel, mit dem Beifügen, 68 könnten fogar Deputirte ben Arts 
dag auf Yusantwortung der Mufeen des Vatikan als 
Nationaleigenihum in der Kammer einbringen. Auch curfirte 
das allerdings vom Gabinetschef im Minifterium ber aus 
wärtigen Angelegenheiten, Melegari, als wahrheitswibrig 
bezeichnete Gerücht, „dahı die italienifce Negierung beabfidhs 
fige, bei dem Tode des Papftes den Hintritt durch eine 
Commifjion conftatiren zu lafjen, welhe Gommifjion nach ers 
folgtem Augenfein fi wieder zurüdzuzichen hätte.” Weit 
ftärtere Gründe zur Beruhigung übrigens boten bem Baron 
Haymerle diejenigen Erwägungen, welde jeiner Anfiht nad) 
dem Eardinalscollegium ein Ausharren in ber Papftftadt felbft 
unter den jhwierigften Verhältniffen empfehlen mußten. Jhnen 
Tegt ex eine fo weit gehende Bedeutung bei, baf feiner Meinung 
nadı die Beftrebungen der „Wegzugspartei” auch nicht die 
mindefte Ausficht auf Erfolg hätten. In ihrer Zufammen: 
Faffung glaubte ex diefe Momente als ebenjo viele Beruhig: 
ungsgrände Binfichtlich ber Freiheit der nächiten Papftwahl 
feiner Regierung mitiheilen zu follen. Wber er thut es 
nicht gerabe aus BVerfrauen zur italienifchen Regierung, 
jondern in objetiver Erwägung ber Thatfachen und mafe 
‚gebenden Perfönlichteiten.” 

Wenn diefe Befürchtungen binficgtlich neuer Vergewals 
Higungen des hf. Stuhles im jenen dunklen Febrwartagen nicht 
in Erfüllung gingen, dann ift das dem gläubigen Katholiken 
ein verflärfter Beweis für den Schuß, welden Ehrijtus 

Kirdie gerade in den gefahrmollften Augenblien zus 
* Der tiefe Schmerz um den Hemgang des neunten 
mifchte fi bald mit der Freude Über die Berufung 





Im Bontifitar Leo's KIT, 367 
‚Beiraut?), Delegat in Benevent, Titnlar-Erzbifhef von Da: 


‚miette und Nuntius in Brüfjel 1843—1846, Erzbifhof von 
Perugia 19. Januar 1846, wurde Gionchino Pecci am 
10. Dezember 1853 mit dem Purpur betleidet und 1876- 
zum Kämmerer ber römijchen Kirche berufen. In ber hodhe 
‚ragenben uralten Bijchofsftabt Perugia, wo der große In= 
moceng III jeine Seele aushandte und fein Nachfolger Hos 
norins LIT. gewäßlt wurbe, wo nnocenz IV. wor dem une 
zubigen Römervoif Schub und Nuhe juchte, wo Urban IV, 
Martin IV. und der heiligmäßige Venebift XL. ftarben, ente 
faltete Pecci 25 Jahre eine ebenfo ftille wie fraftvolle und- 
gejegnete Wirkjamfeit. Bon feinem Seeleneifer, gepaart mit 
hoher Begeifterung für Kirchliche Wiffenfhaft und tiefem 
Berftändniß für die Aufgaben des Katholicismus gegenüber 
ben Denkrichtungen und Strömungen der Zeit legt die 1879 
zu Rom an's Licht getretene Sammlung von Atenftüden 
der Bifhöfichen Amtsführung des Earvinal:Erzbifchofs Gio- 
aching Pecci vollgültiges Zeugnih ab.) In diefem Wirt 
ungsteeife reiften in dem hoben Prälaten jene hervorragenden 
Eigenjhaften heran, welche die Welt an dem Nachfolger 
Pius IX. jeit nunmehr fünf Jahren bewundert. Denn in 
ber That bat der heilige Vater Leo XI. im erften Luftraum 
feines Pontifitates durch feine unfterblichen Rundjchreiben 
am die Ehriftenheit, die herrlichen Anreven an die aus der 
ganzen Welt nad dem Batifan geeilten Schaaren frommer 
Pilger, zeitgemäße Reformen auf dem Gebiete der Difeiplin, 
und bie mürdevolle Haltung gegenüber gefrönten Häuptern 
fi die Herzen der Kinder der Kirche, aber auch die Hochs 
abtung und Bewunderung atatholijger Kreife in hohem 
1) Don Pasquale de Franeiscis, Discorsi del Sommo Pontefice 
Leone XIII. Roma 1832, p. 226: Adjutores stadiorum audi» 
‚toribas philosophiae in Germanorum et Hungarorum collegio 
‚degentibus dati sumus. 
2) Sal. darüßer m. Befprehung im Katholit 1879. II, 302-320. 













































































410 Aus Franfreig, 


auf Chanzy als Nagfolger Greuy's ihre Hoffnungen gefeht; 
das gefammte Heer, alle Frangofen fahen in ihm den allein 
möglichen Oberfelöheren im Falle eines neuen Krieges. Seite 
ber bliet man auf den Herzog von Aumale als den künftigen 
Oberfelbheren, und felbft Grevy Hat einmal darauf hingebeutet, 
baf biefer Prinz fein Nachfolger in der Präfibentjchaft werben 
Lönne, Huherdem ift der Herzog von Ehartres ein tüchtiger 
Dffizier und auf bem Punkte, zum Generaf befördert zu 
werben. Der Prinz von Joinville ift noch immer einer der 
tüchtigften Admirale Franfreihe; dev Herzog von Nemours 
ift General außer Dienft; der Herzog von Alengon ift Ars 
tifferiehanptmann; ber Herzog von Penthitvre Seeoffizier; ber 
Graf von Paris Oberft der Landwehr. Dem Heere kann 28 
nicht gleichgiltig jenn, ihres beften Generals beraubt zu werben. 
Was man bei den Orleans'jhen Prinzen fürdtet, ift 
aber gerabe ihre Stellung in der Armee, wo fie um fo bes 
Tiebter und geachteter jind, als bie Republik fi jo viele 
Berftöße gegen bie bewaffnete Macht zu Schulden kommen 
läßt. Ueberbieß bürften die monardhifch, alfe Legitimiftifch, 
und orleaniftifch gefinnten Offiziere jeßt die Mehrheit bilden, 
defhalb war bei der ganzen Prätenbenten = frage ftets nur 
von den Drleans’fchen Prinzen die Sprade, an bie Familie 
Bonaparte date man Faum, obwohl eines ihrer Mitglieber 
die Beranlaffung zu der ganzen Bewegung gegeben. Uebrigens 
dient nur ein untergeorbnetes Mitglied der Bonapartejchen 
Famifie als Lieutenant im Here, . 
Beim Bolfe erregte die Sache viel mehr Aufmerffamfeit 
und Theilnahme als die meiften Vorgänge des legten Jahres. 
Einesiheils wurden durdy bie Prätendentensifrage wieberum 
die ruhigen gejicherten Zuftände in Erinnerung gebracht, 
welde mit monardijcer Regierung verbunden zu feyn pflegen 
und von ber jehigen ‚politijchen Serfahrenheit und twirt 
fSaftlien Zerrättung gar jehr abftehen. Man 
gemein, daf es mit ber Republik zu Ende geht, ı 
denkt man im Geheimen fon an ben Herzog we 
























































436 2ro 6. Alenzes 


Seite fteht. Denn es tft nicht denkbar, daß eine Jnftitutton, 
die nur don Menfchen ausgegangen, oder mern au won 
Gott gegründet, von Menfchen geändert und verborden worden, 
Nihh gegen den Andrang fo ungeheurer feindficher Beftrebs 
ungen von Auen und gegen die Einflüffe menfchliger Un 
vollfommenheiten, welche ihr von innen entgegenmirkten, aufs 
recht umd Ichensträftig erhalten haben Lönnte. Nein! Diefe 
Kirche beftand, beftcht umb wird nur beftehen, weil fie von 
dem Grlöfer des Menjeengefehlechtes felbft eingefeht, weil. 
fie apoftoliich, fathofifch und Heilig it. Selbft dns 
nur auf eine Dertlichfeit jich beziehende Epiütheion ‚Römifg* 
hat eine tiefe gejhichtliche Bedeutung und man darf es nik 
als einen bloßen Zufall betrachten, daß bie Fatholifche Kirche 
und ibr Dberhaupt gerade in Rom ihren Sig wählten. 
Denn wäre bie hriftliche Stiftung an fi) aud an einem 
anderen Orte unvermüftlich geblieben, fo war doc gerade 
der Unftand, da fie dem Sige der heidnifchen Weltmacht 
und jelbft ihrer biutigen Verfolgung fo nahe ftand, ihrem 
Gebeihen förderlich, denn er gewährte den Chriften die mächjte 
BVeranlaffung und Gelegenheit, ihr Blut zu vergiehen umd 
dadurch dem neuen Glauben Anerkennung und Anhänger zu 
gewinnen. 

„Dehhalb auch Inkpft fih der Name ‚Römifche Kirche, 
lange bevor der hriftliche Glaube im römifchen Reiche zur 
freien politifhen Eriften; gelangt war, an ben Begriff des 
Shriftentbums und war im 3. Jahrhundert don in diefem 
Sinne allgemeiner Spradgebraud. Als feierlich anerkannt 
Toımmt biefe Benennung dann zumächft in einem Dekzete des 
Kaijers THeodojins I, vor. Uebrigens wirb biejes religiöfe 
Epithet von ben Katholiten ee 





















































474 Dr. Erih Fang: 


fgaden, wo die Perganente ber Kaifer die Gewaltzuftände fante 
tieniren, wo Unterbrädung und Gewaltthat bie Stelle bes Rets 
vertritt, und. bie Idee des Abjolutismus, wie fie bie arabifhe 
Hertiaft des zweiten (Friedrid; verwirklidte, in all’den Tyrannem 
vervielfältigt erfheint, die, Iegitim ober ilegitim, ihren mit be. 
Schwert eroberten oder burn BVerbrehen gegen ihr eigenes: 
Fleif und Blut erworbenen Befik mit dem Berußtfenm fejls 
alten, da; fein moralifhes Band fie mit ihren Unterworfenen- 
verknüpft und Furt allein fie gegen die Madje der zertretemen: 
Menfcenregte fhügen Fan: worauf, fo fragen wir, follen die 
BVäpfte igre Nedtspflege im dem ihmen zugehörigen Dominium 
fügen, werm nicht auf Nepoten? Die Beitverhäftniffe möthigen 
fie bazu; die gemißhandelten Gemeinden, die geplünberten Pilger, 
das verwürtete Land flehen um Schub und Made gegen ihre 
Unterdrüder; bie Staaten ber Kirche find dur das Schitma 
im Berfall; Stadt für Stadt muß zurüderobert werden, To 
Äft ber Felbherr, dem fie ihre Armeen geben Lönnen, der mit 
mit dem Feinde paftirte, währenb bie Heere fimpfen, wo ber 
Diplomat, der nit, in ber Schule Mabiavelli’s geübt, bem 
Zanker des Golbes zugänglid) wäre, wo. der Lehnöträger, ber 
nit unter dem Scheine des Rechtes Gewalt übt? Die Zeits 
verbältnifie drängen Sirtus IV. feinen Nepoten zu: ce jendet 
ben thatkräftigen Ginliano della Rovere in die Romagna, um 
den Parteifämpfen ein Ende zu maden, ben Klagen bes Boltch 
geredht zu werben; er gibt Girolamo bas Schwert in die Hand, 
bie Golonna niederzuwerfen, unb läßt ifn Imola und Forli 
erwerben, um Bollwerte gegen bie ehrgeisigen. Uebergriffe der 
Republik lovenz zu faffen, deren Lenter alle Ungrönungen in dem 
Staaten der Kirche fördern; er verleiht bie Präfeftur der Stabt am 
Leonardo bella Rovere und das Bifariat von Senigallie und 
Mondavio an den Bruder Giuliano’s, weil er glaubt, fih auf 
ihre Irene ftühen zu Können. Wir wiederholen an biefer Stelle, 
daß wir damit den Nepotiomus nicht retfertigen, fonderm mur- 
erflären wollen; denn 28 erfheint ung unglaublih, daß eim 
Mann wie Sirtus IV., ber als Drdensmann die höchfte Me 
tung genießt, feines tadellofen Wandels wegen bas 2 

von Perugia erält und in ganz Italien als Gelehrter 
Konzelsebner geachtet üft, des Vertrauens feiner Ort 





























„Ut omnes unum.“ 489 


‚Schon vor Ablauf bes Jahres 1880 Hat das Organ 
des Profefjors Beyfchlag in Halle, des befannten Rufers 
int Streit, Haben nämli die „Deutfheevangelifchen Blätter* 
erklärt: „Sagen wir getroft: der Eulturfampf, wie wir ihn 
‚verftchen, war, ift und wirb fenn ein heiliger Kampf, Woher 
der Name ftammt ift gleichgültig; daf wir unter ‚Gultur‘ 
eitmas Unberes verftehen als Birdew, ift felbfiverftändlic. 
Ein Heiliger Kampf! a, blieb nicht im breifigjäßrigen 
Kriege die evangelifcge Sage eine Heilige, troß der wenig 
‚eoangelifc gearteten Schweben-Schanren, bie für fie fochten?“ 1) 

Derfelbe Mann, der biefe Worte fehrieb, beforgte aber 
damals noch felber, daß fie für gemiffe Ohren wie eine 
Xäfterung lingen würden. Denn, jo jagte er, „es gehört 
zu den traurigften Symptomen ber Firdlichen Lage, daß in 
weiten Kreifen des evangelijgen Paftorats die Sympathien 
Für Rom zu Haufe find, wie bei Gelegenheit des Eulturs 
Tampfs jo vielfach Hervorirat." Das jollte anders werben; 
und es hat wirklich nicht zwei Jahre gebauert, bis man auf 
einer freien ober Pafteral:Gonferenz mit ber Läjterung mehr 
Hinter dem Berge zu halten brauchte. Schon am 13, April 
1882 wurbe in einem auf der Paftoral= Eonferenz zu Neus 
wieb gehaltenen und fpäter auf Verlangen der Gonferenz 
gedruchten Vortrage erflärt: „Wir unfererfeits jcheuen uns 
aud) Heute no night, fußend auf der Heiligen Schrift, die 
Meffe, diefen Fımdamentalirrifum der römifchen Kirche, auf 
welden das ganze ftolge und vielfach imponirende Gebäude 
der bierarehifch gegliederten Kirde fteht, mit dem Heibel« 
Herger Katechismus eine vermalebeite Abgötterei, eine Ber- 
Tengnung des einigen Opfers Jefu Chrifti, und mit den 
Schmaltalbif—en Artiteln ben größten fegredlichften Gräuel 
„zu nennen.” 


1) „Ut omnes unum“ vom 1. Januar 1881. 


Lxxxx1. 




















„Üt omnes unum,'“ 497 


‚SL Geift bie ganze Chriftenpeit auf Erden im regten Glauben 
ergält. Wahr ift vielmehr, daß Lutger's Reätfertigungsichre 
in ber Kirche mit vergeffen, fondern mie gelehrt worden ift. 
Damit wird bie weitere Behauptung de8 Berfaffers Hinfällig, 
daß aus dem gerügten Jertfum „zahllofe weitere Irrtfünmer er: 
wuchjen, bie Urfüdhe großer Schäben.? Wie der Berfaffer diefe 
‚zahllefen Irrtümer mit dem Verfeigungen des Herrn begüglid 
der Kiche und mit der Bezeichnung derfelben als bes Leibes, 
ber Braut Eprifti, als ber Säule und Grumdvefte der Wahrheit 
Aeitens der Apoftel vereinigen könnte, muß ihm überlaffen bleiben. 
Die Kirde,. beutet berfelbe weiter an, gab auf die Frage: 
Bas muß id tun, daß ich felig werde? „die Antwort: the 
bieß und das!" „Damit wurbe ber Ghrift abermals inter ein 
Gefeb geftellt ; bie Kine war mit mehr eine Gemeinde ber 
Glaubenden, fonbern eine Gefeßesanftalt, melde ihren Ange- 
hörigen das meue Gebot vorhielt und beffen Erfüllung über 
male.” Umüberlegte Worte, die einem Peofeflor der Theologie 
nit in den Mund fommen jollten! Wenn bie Kirche Gchote 
norhält und überwadht, fo thut fie cd nur mad dem Borbilde 
isred Hauptes und Meifters, welder jprah: Wer meine Gebote 
‚hält, ber ift 6, der mich liebt; forie ber Mpoftel, welche fi 
unterfingen, ben Gemeinden Gebote nd Borigriften zu geben. 
Paulus z.B. gebietet den Theffalonigerm, 1, 11: ftille zu fern 
und mit eigenen Händen zu arbeiten; 2, 6: dem Umgang derer 
zu meiben, bie unorbentli wandeln. Wenn die Kirde gebietet, 
ie 5l. Saframente: zu empfangen, den Gottesbienft zu befudhen, 
an beftinmmten Tagen zu faften, fo ift fie damit mod feine Ges 
feßesanftalt, denm fie fordert zugleih die bem Gehorfam zu 
Grunde Tiegende Liche, AS eime fichtbare Gemeinfhaft kann fie 
gefehlicher Normen nit entbehren. Sobald bie Anhänger ber 
‚Reform zu begrängten Sandesfirgen fi confolidirten, nahmen 
‚fie biefelbe Geftalt am, wie die von ihnen befämpfte Kirche. 
E much der Glaube wurde zu einem Thun gemadt; glauben 
heißt dann foviel als geborgen, gewifle Lchrjäge für wahr ans 
Und: zu biefem Glaube muß no. ein mannichjaches 
Thum kommen, Handelt «6 fid aber mur mm ein 
jo Hat e6 der Leichtfinnige bequem, Ohne Sinnesänders 











„Üt omnes unum.“ 


walterrfgaft der Kirde, ofme fie bregen zu Rönnen, Dieje 
Seßielt immer wieder den Sieg, und mußte die ale eine gött- 
Ge Anerkennung ifter Gewalt geltend zu machen.” Daran 
dat fie dog woßl rehtl Eine Jnftitution, die weder dur, innere 
noch burd äußere Feinde, micht durd wiffenfhaftlihe nod burg 
gewaltfome Mittel zu all gebracht werden Fonnte, durfte ihre 
Eriftenz wohl dem Schuß des Almähtigen zufhreisen ; fie er: 
probte darin mur bie Wahrfaftigteit ihres Stifters, der ihr foldhe 


fünfzehmten.“ So ift’s allerdings; aber es it ganz unrebfid 
geifan, wenn ber Berfaffer feinen Lefern glauben maden will, 
Bei jener forberung habe aud mur Eine Seele an die Refonm 
der Lehre, bes Gultus, ja au mur ber Berfafjung der Kirche 
gebadt. Die Alles galt für umantaftbar. Der Reform wollte 
man nur bie Sitten unterzogen, Mifbräude und Uchelftände 
Bezüglich Befegung geiftliger Stellen, Ausbeutung der Gläu: 
bigen dur die päpftlihe Kammer befeitigt wiffen. 

„Dod nahdem anf den Goncilien zu Koftnig und Bafel 
die Berfuce fo jümmerlih mißlungen waren, hatte man troß 
alles Sehnens bie Hoffnung auf eine Reformation faft verloren“, 
Das gerade Gegentheil ift wahr; die genannten Eoncilien Hatten 
den größten Teil ihrer Aufgabe gelöst; durch die Eoncorbate 
waren bie Regenten zufriebengeftellt und ein Zuftanb der Bes 
friebigung in ber Rice eingetreten ; Theologie und die Maffifchen 
Studien, wie fie von ben älteren Humaniften aufgefaßt und 
betrieben wurden, vertrugen fih auf bas Schönfte, ja arbeiteten 
fih in die Hände, E8 war eine meue Blüthezeit der hriftlicgen 
Völker zu Hofe. Daß fie nidt eintrat, bewirkte Luthers 
Blinder Eifer und Hodhmuth. 

Der Verfaffer meint freilich: „Iener Drud und das Mif- 
Tingen de8 Gegendrudts hätten bie Eprifteneit vorbereiten und 
empfänglich machen follen für die grünblide Reformation, die 
Gott felbft in der Kirge wirken wollte.“ Gründlis war fie 
fißerli, fo grünblig, daß der ganze Bau abgetragen umd zers 
teümmert und ein mewer aufgeführt wurde, der mit dem alten 




















Habe und Gut des Volkes vertrödelt wird. Nicht ber Meifts 
bietenbe führt die Braut heim, nidt ihm wirb die Waare 
zugeflagen, fondern dem Wingerfertigeren, beim gejchiekteren 
Tafchenfpieler. 


Wohin die Jatobiner von ihrer wilden Natur voll Blut- 
durft unb Verbrechen getrieben wurben, bahin wirb bie gegen» 
wärtige Generation dur) Kunft und Muge Berechnung geführt. 
Das Dlendwerk ber Selbfts und Menfchenvergötterung mochte 
das zur Zeit ber großen Umwälzung lebende Gefchlecht 
fhrittweife von Gott ablenken und dem Abgrund zubrängenz; 
die politifchen Gaufler unferer Tage find weder fo eitef 
und fiegesberaufcht, noch fo unffug, aber tiefer gefunfen, 
jmagvoller und Tafterhafter als ihre revolutionären Bors 
fahren. Sie können fid nicht damit entfhulbigen, da ein 
Slutrother Flor über ihren Mugen liegt und bie Gehfraft 
verbunkelt, daß fie der Blutgeruh betäubt und beraufcht, 
daß bie Begeifterung für die Speale edlen Menjchenthums 
die Sicherheit ihres Trittes beeinträchtigt, bafı das fremde, 
Unerwartete und Plögliche fie ftrauceln läßt. Der äußere 
Menfd, wie in Gambetta, Spuller, Elemencenu, Paul Bert 
und Jules Ferry, mag ja nod; in der Vollkraft prangen, ihr 
ausgetrocnetes Herz ift dagegen alt genug geworben, um 
jeber Ueberrafcgung, namentlich der eigenhändig fich jelbjt bes 
reiteten, Stand zu halten und die Stien zu bieten. Titanen 
und Riefenföhne der uralten Nacht find jene Herren, welhe 
fh aus dem Nationalvermögen bas Gaftnahl rüfteten, voll: 
ends nicht. Die Danton, Nobespierre u. f. w. fpielten um 
ihre Zeben, die heutigen Parteien Frankreichs jpielen mar um 
die volle Scüffel, deren Inhalt ihnen entgegen dampft, 

Profeffor Weit wirft zu Eingang feines monumentalen 
Werkes einen erläuternden Nücblik auf das feudale Franke 
reich vor der Nevolution. Die alte Orbnung war burg bie 

















die frangöfge Reoslution. sa 


dem Feind zu: „So mag ich denn aud; nicht länger Ichen, 
weil fo viele meiner tapferen Brüder ben Top gefunden”. 
Sprads und ftärzte fi in das bictefte Gemühl, bis er, die 
Tobesiwunde in der Bruft, zu Boden fant. „Wir find 
Schweiger" lautete die Antwort, welche die Tapfern eriheilten, 
als man fie zur Gapitulation aufforberte. Wie Kinder weinten 
die grambärtigen Männer, als ihnen der König im Gonvent 
die Nieberlegung der Waffen. anbefahl, fie weinten, zerbraden 
ihre Degen, aber fie gehorgten. Wie reißene Thiere ver: 
folgt, wurden bie frommen Schweizer aller Bertragstreie 
zum Hohn niebergemepelt, Diefes Verbredien allein, an uns 
fGuldigen Männern verübt, mußte alle Welt mit Abfhen 
vor einer Revolution, deren erftes Blatt mit Blut geträntt 
ift, während ihr Tehtes das Zeichen der Säbelherrigaft an 
Sid trägt, erfüllen. 

Nicht beffer als die Schweizer waren bie eibweigernven 
Priefter daran. Unter dem Vorwande, fie ber Bolkswuih zu 
entziehen, wurben fie eingeferkert, während andere auf offenen 
Markte mißhandelt, verwundet, ja auch getödtet wurden, 
An jHlimmften erging 8 den gefangenen Prieftern während 
der verhängnigvollen Septembertage. Die Morde wurden, 
wie Weiß unmiderleglih barihut, von den Männern der 
Orbmung, d.h. von. denjenigen, welden die Erhaltung der 
Sicherheit oblag, angeftiftet. Das Geheimniß wurde durch 
die Vorwürfe, die man fi im. Eonvent gegenfeitig zus 
fhleuberte, gelüftet, Bifgöfe und einfade Priefter gingen 
mit dem gleichen Muthe, mit derfelben bewunderungswürbigen 
Standhaftigkeit in den Tod. Kein Einziger erkaufte fein 
Leben mit dem Berrath an feinen religiöfen. Ucherzeugungen, 
Wie man fh zur Zeit der CHriftenverfolgungen burd ein 
auf dem Altar der Götter ober bes Genius eines Jmperators 
geftrentes Weihraugförnlein von der Todesftrafe befreien 
mochte, jo hätten die Eidweigerer th durd ein Wort das 
Leben erfaufen Können, Ebenbürtig ben erhabenften Bluts 
zeugen verfhmähten die Edfen jede Transaktion, jeden Schein 


























. er EN FR 1.2 














50 Ueber Episcopus vocatus. 


umfchriebener Weife, — all diefe Fragen werben ebenjowenig 
für jeden Einzelnfalf beftimmt und entjdieben zu beant= 
worten jeyn, als wenn jemand frägt: Warum nennt fich 
Paulus einmal vocatus Ap., dann vocat. Ap. per volun- 
tatem Dei, bann bloß Apost. per volunt. Dei u. drol; 
oder warum nennt fi Jakobus nur Dei et Domini nostri 
Jesu Christi servus, dagegen Petrus einmal Apostolus Jesu 
Christi und ein andermal servus et Apostolus Jesu Christi? 

Zulegt fei nur noch erwähnt, daß, wie die Bedeutung 
jedes Wortes fih im Gebraude allmählich verfeieht und 
abjeleift, fo auch die von vocatus. ft auch diefer Aus 
druct Foum je gebraucht worden als bloßes Mlangwort, wie 
das bei manden Titeln eintrat, jo erhielt der Begriff dod 
einige Nebenbeziehungen. Deutlich und nahreisbar bemerkt 
man bief zuerft bei Webten. So heißt Ellanod urkundlich 


am 13. Jan. 808 no archipresbyter der reif. Didcefe, 
dagegen am 2. Sept. 805 bereits vocitatus abbas (und 
ebenjo licet indignus vocatus ab.) von Schlehberf, als 
Bild. Aito der bis dahin von ihm geleiteten Abtei jenen 
zum Abte feßte oder wählen Kieß. Hundt, Agilolf. Urk.Le, 
©. 219. 220. cf. Meihelb. Ib, 66. So wird fih voeatus. 
bisweilen ergeben als: eben erft redhtmäßig berufent). 


1) Hieher Ift wohl fon zu regnen der Titel Aın’s v. Salzburg, 
wenn er (ML. B. 14, 351) fdreißt: ego Arn exiguns et quasi 
abortirus servus serrorum Dei indignus rocatus abba et 
episcopus successor religiosissimi et famosissimi Virgilil — 
ter. (L ©. 320 N.) meint, die Formel fei zu unbeflmmt 
und voc. beziehe ih wahriheinlig nur auf abba, Allein dazu 
iR fGmerli ein Grand vorhanden, obgleih ber Empfehlungser 
brief für einen Mönd ausgeflellt war. a 


























überfandte Baftiani eine Gopie der befreffenden Bulle nad 
Berlin: 


Der Fürft Hatte mn, nad Ueberwindung einer Merge 
von Schwierigkeiten, fein heißerfehntes Ziel erreicht; er Hatte 
den Stuhl von Breslau beftiegen. War fein Glüd und die 
Ruhe feines Gewifjens damit gefihert? König Friedrich) II. 
Hatte kaum von ber Erpebition der Bullen vernommen, als 
ex ben neuen Fürftbifhof feine herzlidgen, aber inhaltfchweren 
Glüdtwänfce darbragte. „Entjüdt über diefes Ereigniß,” 
fGrieb er ihm am 28. März 1748, „gebe ich mich der Hoff» 
nung bin, daß Sie niemals vergeffen werden, daß id es bin, 
dem Sie diefen Erfolg verdanfen, und daf Ste mich nie in 
die Nothiwenbigkeit verfegen werden, Ihnen diefes in das 
Gebächtnig zurüczurufen. Der vom Papft an Sie gerichtete 
Brief ift bewunderungsioürbig; wollftändig billige ic; ihn.” 
Nachdem der Momnardy feinem Günftling die heilige Pflicht, 
bem Klerus mit dem Beifpiel des Anftandes, des Eifers 
voranzugehen, ans Herz gelegt, forderte er von ihm „die 
getoiffenhaftefte Aufmertfamfeit (la plas scrupuleuse atten- 
tion), daß verbädtige und meinem Dienft wenig. ergebene 
Perfönlichkeiten (in das: Domlapitel) nie aufgensntinen: wer 
den" (5; 142). 

"Was dem durch Kuiglie Ginft‘ met der Bifchöfliden 
Mitra gefmbckten Grafen: bevorfiche, lief der erfte Brief 
Friebriche nad ber Beförberung auf dem Stuhl von Bresfaw 
ahnen. Scaffgotiä Hatte, ohne beim Monarchen anzufragen, 
ben Papft um Verleihung des durch feine Promotion vatant 
gewordenen Gamontkats am feinen Bruder erjuht. Friedrich 
bezeugt ihn: fein Mipfallen darüber, weil er die Pfrände 
dem Baftiani zugebagit (S, 149). Ja bereits am 2. April 
























































Aus uns über Defernih. 387 


Gomitl'8 dazu gehörte, um ben Sieg ber Liberalen vollftändig 
ı machen. Dehungenhtet gelang «8, die Bisherige Viinerität 
Neicherath zur Majorität umzugeftalten. Die Mehrheit 
war allerdings undebeutenb, aber doc für die Aöfung ber 
parlamentarifchen Aufgaben entjcheidend. Diefes Refultat 
‚Hatte Graf Taaffe nicht vorausgefehen; er und feine Minifters 
Gollegen wurden damit überrnfcht umd auf andere Bahnen 
gebrängt, als fie hatten einfchlagen wollen. Die Sade ftand 
nun fo die ziffermäßige Mojorität hatten die Nationalen 
und Gonjervativen für jid, das moralifche Uebergewicht in 
den Augen der Minifter die einige Stimmen weniger zählende 
Mingrität. Diefes BVerhälinig blieb lange Zeit hindurch 
der Ausgangspunkt: für die Schaufelpofitit des Minifter- 
Präfibenten, die uns auch heute noch nicht als völlig über= 
wunden gelten Tann, 

‚Graf Taaffe jhten nur zu Eoncefjionen an die Nationa- 
iitäten jlavijcher Zunge entjchlojfen. ° Infoferne ji foldhe 
ice machen fliehen, ohne daß die confervativen Deutfchen 
daran Iheilnahmen, hatte er natürfich aud; gegen ben Mit: 
genuß Nichts einzuwenden. Im Principe des leitenden Staats: 
Mannes waren aber Zugeftänbniffe an den Gonfervatismus 
der deutjchen Bevölferung Defterreihs nicht gelegen. Hier 
üft vielleicht der Ort auf eine jeltjume Anomalie aufmerfam 
zu machen, bie im öfterreichifchen Parteitreiben keine geringe 
Rolle jpielte. Wir Haben, wieder Lejer vielleicht jhon er: 
raihen hat — das religiöje Droment im Auge, 

Es ift vieleicht ein Unglüd und eine‘ Ungerechtigkeit, 
dag die wahrhaft Fathelifche Gejinnung denjenigen, welde 
fie hegen, Angefihts ber Verftänbigen, der fogenammten Js 
telfigenz eine nota levis, eine feine Mafel aufbrüdt; an der 
Thatfache felbft ijt nichts zu ändern. Nicht blof der vulgäre 
‚Liberalismus wendet jid, in Defterreich achjelzudend von ber 

 Hatholifchen Gläubigfeit ab; fondern aud jene Elemente, 

‚bie confervatio zu feyn Ba fi aber andererfeits zur 

 Sutelligenz zeihnen, wollen mit den Kirengläubigen nichts 
aa 












































2. Reienfperger's „alter Parfamentarier.* 623 
Dr Peler Reienfperger, der ‚ältere ber berfihinten 


eonftitnirenden preufsifchen Nationslverfanumlung. Hier Hat 
er alabald als feljenfejter Iurift, fchlagfertiger Rebner) und 
unerjgrodener Kämpfer für Net und freiheit eine fehr 
bebeitende Stellung eingenommen. Auch die preufifchen 
Minifterien, wie fle fih damals in rathlofer Schwäche liei- 
sando' ablösten, Haben mehr als einmal zudem patrtotifchen 
Malt md Beiftand des fenrigen Mheinländers ihre Zuflucht 
genommen. Er jtanb im der worderften Neihe unter ben 
Führen ber „Reaktion der Rechten". Später freitih, ale 
bie Roth vorüber war, und als die Umftände,die Gründung 
einer „toiholichen Fraktion“, joiste im weiteren Verlauf der 
‚Entwiellung bie des „Gentrums* beim preußifhen Landtag, 
beides unter wejentlicfter Mitwirkung P. Neitheniperger's, 
»eranlaften: da war ber nummehrige „Oppofitionsmann* 
über die Uchfel angefehen, Er hat als Obertribunalrath, 
Diele Jahre Tang feine Unciennetät bei dem jährlichen Ordens: 
regen troden bleiben fehen. 

Anderen iftes auf der alleräußerften Gegenjeite beifer 
gelingen, zu Hohen Ehren zw gelangen, wie z. B. Herrn 
‚Heinrih von Sybel, der beim Frankfurter Vorparlanente 
gu den Ertremften zählte, ‚Ein anderes Beifpiel yolitifchen 
Kharakters Hat Herr Meichenfperger in der Landtagsfigung 
Som 7. Februar 1856 jelber aufzuführen, Anlaß gehabt. 
Der Regierungspräftbent zu Aachen hatte in einem Wahl 
erlaffebie bisherigen oppojitionellen Abgeoröneten als „Staats: 
‚feinde und Zakobiner® bezeichnet: Der Ag. Neichenfperger 
warf baranf in der Kanıner die Frage auf: „Waren eine 
‚Freunde umbidy auch im Jahre 1848 antigonvernemental 
ober Feitbe des Staates, als id; dem Umpillen der reihten 

eite des Haufes gegen den damaligen Minifter des Sumern 

it gab, welcher ein Vertrauensvotun von der Ber: 
9 forderte, weil er — die Nevolution anerkannt 


















































































































































Das Boden des Mittelmeeres, 


jelöft für höhere Eultur empfänglih, wurden Förderer dere 
felben und Pfleger von Kunft und Wiflenfgaft. Und wie 
Spanien unter ihrer Hereichaft eine Periode höhfter, mie 
wieder erreichter Blüthe durchlebt hat, fo find auch, in diefer 
‚Zeit die Länder der afrifantfchen Hüfte ne reich und üppig 
geblieben, 

Dem Türken aber verbortt das Gras unter ben Füßen; 
feit ibrer Herrfchaft in Aften und Afrika, jeitbem fie nad 
langem und hartem Kampfe aud bie Hauptitabt des zwar 
erftarrien aber immer ehrwärbigen oftrömifchen Meiches ge: 
nommen, janfen die Sübs und Oftküfte bes Mittelmeeres im 
die tiefe Barbarei, bie fie heute noch gefangen hält. Nur 
mäbfam wehrten mach den ehlichlagen der Grpebitionen 
Karls V. gegen Tunis und Algier fpanifche und itafienijche 
Flotten dem Sceraube, deffen Sig von nun am die Nordtüfte 
Afrita/s wurde, 

In den von ns noch zu berührenden abenbländiichen 
Küften ‚des Mittelmeeres erhielt fih wie im ben morgens 
ländifchen Gebieten während des Mittelalters ebenfalls reiches 
Leben. Befonders entfaltete diefes feinen Glanz im fübe 
lichen Frankreich, in der fonnenheigen, fangesreichen Provence. 
Nidt weniger in Jtalien, wo der durch bie Kreuzzüge ere 
öffnete Verkehr mit dem Driente die Handelsblüthe von 
Genua, Pifa, vor Allem aber der «ftolzen Wenetia, ber 
Königin der Adria, groß 309, deren HOfähriger Doge Dan- 
dolo den Lateinischen Kreuzzug führte und Gonjtantinopel 
einnahm. Nur das oftrönifge Neid, ficchte unter Kraftlofen 
Sclbjtherrfchern feinem endlichen Schidjale entgegen; von 
ihn erfchell nichts als die Erzählungen dev Kreuzfahrer 
und Pilger nad dem heiligen Lande von der überjchweng- 
lichen Pracht feiner Hauptftadt, die in ir, v. Hurters 
quellenmäßiger Schilderung im Leben Junocenz IH. aud, 
unjerm. erftaunten Auge märcenhaft ericheint. 

Wir gelangen nunmehr zu den Begebenheiten, bie ben 
entfcheidenden. Wendepunkt in der Bedeutung und Welt» 
ftellung der Mittelmeerländer bezeichnen, die Entbetung bes 














Das Beden den Mitehmeered, 71 


muß über Stleinafien hinaus reichen und bort die Berbindungs- 
ftrafje mit jenen Gegenden fuchen, die ohne Zweifel noch 
berufen find, mady der Nieberwerfung bes Fslam eine bes 
deutende Nolle in ber Gefchichte zu fpielen®. (Polit, Bes 
trachtungen 0) Wie in dem bezeichneten Gonflift das fers 
mächtige Großbritannien fich ftellen wird, mag einftweilen das 
Halt, das es im lepten Kriege auf der Balkanhalbinfel dem 
Vorbringen ber Ruffen gegen Gonftantinopel geboten, ferwie 
die Befegung von Enpern erläulern. Das Folgende führt 
uns unmittelbar hierauf zur, wobei wir vorgrelfend bes 
merten wollen, dab es nicht jhheint, als werde England Lord 
Berconsfield's Politik im Orient wieder verleugnen. 

Wir müffen nad der Sübfüfte des Mittelmeeres, nach 
Norrafrikn zurüdtchren. Barbaret und im Verein mit ihr 
der Müftenfand haben nad Norden zu die alte Eultur vers 
nichtet und zurücgedrängt; Sige des blühenditen Uderbaues 
und Handelslebens, wie die ftolze Pentapotis, find heute öde 
und verlaffen. Allein noch befigt die afrifanijche Norpküjte 
in ihrer ganzen Breite, wie namentich Algier und neuere 
dings Tunis zeigen, ausgedehnte Candftriche unerfchöpflicher 
Fruchtbarkeit, alfo die wefentlichfte Bedingung einer Wieders 
belebung der früheren Eultur. Dafür zeugen au die freis 
lich Bis jegt theuer genug erfauften Fortfchritte in Algerien, 
deren natürliche Folge Icon ein weiteres Gindringen ber 
Europäer in Norbafrifa ift, mag dafjelbe bislang auch ned; 
durch die früheren politiichen Verhäftniffe aufgehalten feyn, 

Die Franzofen feldjt haben folden Vorbringen das 
Thor geöffnet. Die von ihnen zum Staunen der Welt durd= 
geführte Durhftechung der Randenge von Sucz hat mit einem 
Schlage die Situation am Mittelmeere verändert, weil fie 
den uralten Handelsweg mad Si» und Dftaflen von bem 
Hinderniß, das die Landenge der großen und direkten Schiffs 
fahrt entgegenfegte, befreiten, Db Napoleon IIT., der mit 
Vorliche allen großen Joeen der franzöfifchen Sefchichte nache 
ging, an diefes Ereignig weit ausfehende Pläne gefnüpft hat, 



































































































































mad die Kaiferbokfehäft, 791 


Bulle unt fo bebeutjamer, als bei ben bisherigen foctalen 
Projekten die Form noch gewahrt wurbe, und überbief bie 
in der Botjchaft im nächfte Ausficht geftellte Alters= und 
InvalivensBerfiderung unmittelbar in das Nejerwatreht ver 
bayerifhen Socialgejege eingreift. Allerdings wäre es Faum 
mehr der Mühe werth, von derlei Mechten ber Eingelftanten, 
über welche die Logik der Thatfahen nun einmal mit Siebene 
meilensStiefeln hinwegfchreitet, vwiel Uufgebens zu machen, 
wenn nicht ein anderer in ber Sache felber liegender Ummftand 
fehr ernftlich zu beten gäbe, 
Die Botjchaft bezeichnet gleich in den erften Zeilen die 
zum Wohle ber Arbeiter einzubringenden Gefepvorfchläge als 
etwas fpecififch Preußifces, nämlich als „Nortbildung ber 
An Preußen im Unfange diefes Jahrhunderts begründeten 
Reformen.” Es Aft das biefelbe Jdee, welche, um nicht 
abermals den Abg. Profefjor Wagner bier vorzuführen, im 
 preußifchen Ubgeorbnetenhanfe von bem anerfannien Führer 
der Eonfervativen, Herm von Nauchhaupt, mit ben Worten 
 ausgefprochen worden ift: „daß vor Allem das Königthum 
der Hohenzollern unter der [hwarzsweißen Fahne den Beruf 
habe, im großen Kampfe der Parteien und ber Jutereffen 
zur Löfung der jocialen Frage die Initiative zu ergreifen.“ 
Au; das vornehmfte Organ der Nedhten verfteht bie Bots 
Ichaft nicht nur als „eine machtvolle Kundgebung des pers 
fönfichen Königthums“, jondern auch als eine Verlautbarung 
des „jocialen Königthums“, und fie fpricht zugleich aus, 
dab diefes fociale Köntgthum mar in Preußen recht eigents 
li vorhanden fei. „Diefes jociale Königthum“, fagt fie, 
„tan überall jeyn, wo ein Herrfchergefchleht feine übers 
Tonnnene Stellung unbeftritten behauptet”, aber fie fügt bei: 
„Die Bedingungen der Leiftungsfähigkeit find bei uns in 















































Aitfpanifge Sprihiätter, 819 


Aademic, Im vorliegenden Falle reiht fi fogleih bie Stelle 
ans dem erften Buche von Cicero’s Tufeulanen an: „Und es 
wird niemals dem Guten etwas Schlimmes begegnen Können, 
weder im Leben mod mad) dem Tode, und niemals werben deffen 
Angelegenheiten von Gott bintangefeßt.“ Im Tanger Meihe fols 
gen num bie Parallelfprigwörter ber werjchiebeniten Nationen; 
ben Anfang madjen bie Spanier mit 8, von denen: „Wem Gott 
wohl voilk, dem wirft bie Hündin Werken“ ermähnt fe; bie alten 
Griechen: jagen: „Immer fallen die Würfel des Zeus glitklich“, 
Plinius: „Die Gltidlihen Haben auch Dreinonatstinder.” Von 
den Neulateineru werden B, von ben Deutfhen 31, ben Schwes 
den 8, ben Isländern 5, bem Dänen 4, den Holländern 10, 
den Tlamändern 1, ben Engländern 4, ben Branzofen 14, ben 
Graubünbnern 1, den Jtalieneen 29, ben NensEatalanen 1, 
den Valencianern 2, den Portugiefen 2 und von ben Basten 1 
Paraleliprihwort aufgeführt: Man fieht aus dem einen Veie 
fpiele, welches. aber noch lamge nicht das am reichftem mit gleiche 
bebeutenben: Spriwörterm belegte ift, welche Arbeit cs fi der 
emfige Berfaffer koften ließ, um aus ber Literatur aller europäi= 
{hen Nationen das Gleidartige des vorhandenen Sprihmwörter- 
vorrathes zufammenzubringen. Der urfprünglihe Plan bes 
‚Herrn Verfaffers war, bie fämmtlihen 4300 von Valles in 
feinem. „Libro de Refränes“ aufgeführten Sprigwörter in 
gleiger Welfe zu behandeln, tie die 555 in biefem erften Theile 
bearbeitet find, Wllein bie Zeit, welde [om bie Ausarbeitung 
diefed Bruchtheils in Unfpruch genommen bat (dev Hr. Ver: 
fafier arbeitete mit voller Müftigfeit am biefem erften Bande 
1223 Tage und viele Stunden der Nächte), zeigte ihm, ba 
die DurKführung des urfprünglichen Planes im 78. Lebensjahre 
ein Ding der Unmögligkeit it. Wenn nun aud die gleiche 
mäßige Bearbeitung der mod übrigen 3745 Sprichwörter bes 
„Libro de Refränes“ weniger Naum und Zeit beanfprucht 
hätte, ba bei gleichbebeutenden Sprichwörter immer au auf 
das fon früher behandelte Spridiwort Hätte 

können, wie ja fon in biefem Bande, 4.8, 

wejenbeit ift Feindin der Liebe: fo ferne v 





























Zur irlichen frage. 


im Juli 1800 gegeben wurde und mit dem 1. Januar 1801 
in Kraft trat, den irifchen Handel mit dem englifen auf 
gleichen Fuß au ftellen. 
 - Empähnen müffen wir noch, wie mutpvoll der geiftreiche 
Sonathan Swift für die Jrländer im ihrer äußerften Bes 
drängniß eintrat: Im Z. 1720 warf er eine Flngjchrift 
unter die Maffen mit bem Titel: „A proposal for the uni- 
versal use of irish manufacture in clothing and furniture 
of houses, utterly rejecting and renouneing everything 
wearable, that comes from England“, &s war das eine 
heftige Anklagefprift gegen England, eine glühende Ber- 
theibigungsfgrift für die Iren, mit praktifchen Borfhlägen, 
die fegteren zu jhügen. Die Schrift erfhien anonym, ber 
Oberrichter Wiitfed z0g ben Drudter vor Gericht, er ging 
mit der Äußerften Parteilicgkeit vor, 11 Stunden lang war 
die Jury eingefperrt, «3 wurde Fein Verbift auf „Schuldig" 
erzielt; endlich gab der Statthalter angefichts der fteigenden 
Erbitterung die Verfolgung auf. 
Was die hohen bürgerlichen Freiheiten betrifft, deven 
England fi erfreute, jo Hatte Jrland auch daran feinen 
Theil, Die Alte Wilpelm’s IU., wornadh die vom Könige 
angeftellten Richter während dejjen Lebzeiten unabjepbar 
waren, hatte in Zrland keine Geltung und aud; die Habens- 
Gorpus: Akte Karls IL, das große Palladium bürgerlicher 
Freipeit, war in Jrland nicht im Kraft getreten. Wohl 
hatte Irland fein eigenes Parlament, aber jo zufammen- 
‚gefeht, daß «8 weit mehr die Interefien Englands als die 
ber eigenen Heimath vertrat. Int Oberhaus beherrfchten 
die zum größten Theile aus England herübergerufenen Bi: 
ihöfe der Hockirde die Majoritkt. Das Haus der Ge- 
meinen bejtand blos aus Anglifanern; den Katholiten war 
bag pafjive, umd jeit 1727 auch das aktive Wahlredit ent« 
30gc, und auch bie Diffenters waren feit 1704 vom Pars 
Tamente ausgejälofien. Eine wirkliche Vertretung der irifchen 
Bevölferung im Parlamente gab es bemmach nicht, ente 






































































































































































































































































































































966 Zur ameritanifhen Literatur. 


Familiengefhichte der jüdijhen reihen Familie der Pin 
welde fogar einen ihrer Sprößlinge, dem Neopänten Bu 
als Anaklet IL. (dem Gegenpapft) mit ber Ziara zu | 
verfügte, Weld; eine Madt au damals fon das Geh 
lernen wir am biefer Epifobe des römijhen Lebens I 
Champagny's fhöne Schilderung bes antiten Aubenthur 
Rom feint dem Berfaffer entgangen zu feun. 

Erfreulicer ift e8, zu fehen, wie viel des Human 
einer oft fo rohen und graufamen Zeit won Seite ber | 
geihehen ift, am die Juben, vor ihren PBeinigern zu jö 
wie gerade bebeutende jüdijhe Gelehrte, ein Benjamin T 
Rabbi Nathan, der Vorgänger Burtorfs u. W,, in der ni 
Nähe des Vaticand ein jhügendes Dad fanden, wo fir 
Studien Ieben Fonnten. Auf Grund von Thatjaden v 
es Migr. Seton, eine Neihe faljher und erfundener & 
über ben angeblichen „Samatismus* ber Hierarchie zu corı 
welsbe von gehäffigen Kirdenfeinden immer auf's 
breitet werden. 





















































us einher. Jh meine, fi 
freunde mäßten zu den Din 
fgüttem. 














®