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Full text of "Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland"

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Hiftorifch-politifche Blätter 
für das 
Eatholifhe Deutſchland. 

Des Jahrgangs 1884 


Zweiter Band 





Hiftorifd-politifche 


Blätten 


für das 
katholiſche Deutſchland 


herausgegeben 


von 


Edmund Jörg und Franz Binder. 


(Eigenthum der Familie Görres.) 
Vierundnennzigfter Band. 


— En — 


Münden 1884. 
In Commiſſion der Literarifch » artiftifchen Anftalt. 





a a8 


Juhalteverzeichniß. 


Die Sprachenfrage in Oeſterreich 

Nenaiſſance und Dominikaner-Lunft (Schluß) . 
Zur römiſchen Frage 

Was zieht und nad) Rom? 

deitlaufe. 

Weltmachte und Continentalmächte! (Bu dem 
verſchriecnen G.-Mrtifelder „Zortnigätlg-ebiem“) 
Der dramatiſche Dichter 8. F. Weikum 

Die Sprachenfrage in Defterreih (Schluß) 
Bur dandwerter · Frage 

Das Beitalter der aufgeklarten Selbſtherrſchaft 


107 





XXI. 


XXI. 


XXIV. 


ANVIL 


xxviii. 


XxXxix. 


Zwei Schrifthen, welche man ſelbſt leſen muß 
1) Eugen Jäger: da8 Genoſſenſchaftsweſen. 


2) Julius Bachem: über den — Cul⸗ 
turkampf 


Ein Bild aus dem proteſtantiſch-kirchlichen Leben 
(Aus dem Großherzogthum DOfdenburg) 


Herder's Juuftrirte Bibliothek der Lünder- und 
Volkerkunde. 


(8 Kayfer'3 Yegpten.) II. (Schluß) 


Die Tage von Tribur und Canojia . 


. Natur und Uebernatur 


Der hi. Altjrid, vierter Vifdof von PEaRIR 
und Gründer der Stadt Eſſen 


Beiträge zur Geſchichte des 3Ojährigen Krieges 1. 


Zeitldufe. 


Die Mächte wegen Aegyptens auf der Londoner 
Gonferenz. — Der „Eoupon“ . “ A 


. Ein Buch für Gebildete 


. Die Tage von Tribur und Canoſſa (Chluf) . 


. Das tatholiſche deutſche Kirchenlied . 


Beiträge zur —— des ine arie⸗ 
ges IL 


vu 


Seite 


286 


296 


304 
309 


331 
Kir} 


30 


365 


376 


VIII 


XxXxxuiv. 


Xxxxv. 


XXXVI. 


xxxvu. 


Xxxxvui. 


ANUN. 


\ 


XLi. 





SL. 


XLIV. 








Ter franzöfiihe Berjafiungs-Nevifions-Tengreh 


‚Beitläufe. 
Das geiprengte „Concert“; das Haberfeldtreiben 
gegen England; die deutſche Eolonialpolitit 


Neuere Eriheinungen auf dem Gebiete der Phi⸗ 

loſophie. 

Tr. Paul Haffner, Grundlinien der Geſchichte 
der Philofophie © 2 ne 


Reitebilder aus Schottland ER var 


Die Reiffogung des jeligen Bruders Hermann 
von Senin Be . 


Veimäge zur Geibihre des jährigen Krie— 
SE 2 0 oe ce . 





Ausihmüdung deö Kaijer-Toms 





aoehrt, 





m Troseitanien: et 


„Alzereine Zeitung“ über die 


L. Ei: Vdileioddie der Narr 


Bar Si!derm IL von England cin Ratholifens 
ver 


Bon Cuno Klopp. 


eelie 
40 


126 


416 


453 


471 


493 


509 


333 


XLYV. 


XLVL 


XLVII. 


XLVII. 


LI. 


LIII. 


LIV. 


LV, 


LYL 


Die Weiſſagung des jeligen Bruders Hermann 
von Lenin (Schluß) Are ap 


Gorrefpondenz König Ludwig's L von — 
mit Eduard von Schenk . h 


Beitläufe, 
Bor den neuen Wahlen zum Reichstag 


Eine deutſche Literaturgeſchichte 
Grugier.) 


. Haſar's literarhiſtoriſches „Bergikmeinnicht” 


Ludwig Richter . 


. Eorrefpondenz König Ludwig's I. von Bayern 


mit Eduard von Schent (Schluß) 


Der Entſcheidungsktampf gegen deu Libera— 
lismus. 1. — er . . 


Die — der — in 
Frankreich .. De er 


Beitläufe. 

Die neuejten Streiter gegen den Staatsſocialis- 
mus: Wilhelm Maier. Dr. Albert Maria Weiß 
O. Pr. Freiherr von Hertling . 


Bon meinem Novitätentiſch 
(Thaufing. Hettner. 2. Kaufmann. Safner) 


Bom Vatitaniſchen Archiv. 
I. Der deutſche Gampo Santo in Rom 


IX 


Erite 


576 


394 


605 
611 
613 
638 


658 


073 


687 


200 


705 


LVII. 


WYIIL 


LIX. 


LX. 


LXL 


LXIL 


LXII. 


LXIV. 


LXV. 


LXVI. 


LXVIL 





Die Neſtauration des Eichſtädter Doms . 


Der Entigeidungslampf gegen den Liberalis- 
mus. IL Echluß.) ah e) 


Die Großfinanz und der Heine Mann, 
(Bon jenſeits der Grenze) : 


Albrecht Dürer’s — der Reiſe in die 
Niederlande . . 4 


Vom Vatikaniſchen Archiv. 


II. Neuere Publikationen aus dem Vatikaniſchen 
Arhiv (Schluß) en 


NRapinger's Geſchichte der kirchlichen Armenpflege 


Rüdblick auf die Verhandlungen der ohenenn 
ungariſchen Delegationen. I. . . 


Kionardo da Vinci. 
1. Biographiſches 


Zeitläufe. 
Der neue Reichstag; Rüdblid auf die Wahlen 


Alban Stolz 


Ein alter Bildereyklus über das Leben ber Er 
ligen Eliſabeth a 


Sſelie 
726 


737 


756 


775 


805 


813 


827 


838 


89 


861 


LAVIIL Lionardo da Vinci. 


LXIX. 


LIU 


LXXL 


LXXIL 


LAN. 


LXXIV. 


LXXV. 


II. Aũnſtleriſches Streben — 


IIL Literariſches Wirlen 


Das Zeugniß des heiligen Irenäus für den 
Primat des römischen Biſchofs B 


(Die ftreitige Wort-Interpretation.) 


Italien feit dem Schluß des — im 
Monat Juli 1884 Pr r — 


Rüdblid auf die ee der — 
ungariſchen Delegationen. II. 


Geſchichtslũgen 

Zeitläufe. 

Congo⸗Conferenz in Berlin; Dampfer-Subven⸗ 
tion und ſociale Beziehungen . a 


Zur Naturphiloſophie 


Poetiſches. 
6. P. Norbert Stod . 


90 


927 


933 


96 


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Die Tage von Tribur und Canoſſa. 317 


a) vor allem muß Worms dem Bijchef zurückgeſtellt 
werden; 

b) die Geijelu der Sachfen müſſen freigelajjen werden; 

€) der König trennt jih von den gebaunten Räthen; 

d) dem Papit ſoll er unverzüglich fchriftlich ſchuldigen 
Gehorſam, Genugthuung und geziemende Buße verſprechen 
(debitam oboedientiam yatisfactionem et dignam poe- 
nitentiaın se servaturun); 

e) der König jelbit ſoll ſich bis zur Ankunft der päpſt— 
lichen Antwort und Reconeiliation nach dem Rathe der Fürs 
ſten verhalten. 

Das Schreiben an den Papjt wurde jofort zwijchen 
Heinrich und den Fürjten vereinbart und in Gegenwart der 
letzteren gejiegelt (Abhinc litteras, juxta quod condixerant 
inter se compositas et in praesentia eorum sigillatas), 
und durch den Biſchof von Trier nah Nom geſandt. Nach 
Schluß dieſer Verhandlung verpflichteten ſich die Fürften, 
ehe jie auseinandergingen, noch gegenjeitig eidlich, daR, falle 
Heinrich) durch cigene Schuld über ein Jahr im Banne 
bleibe, jie ihn ferner nicht mehr als König anerkennen wer 
den. (Insuper ut regem ad apostolicae sedis oboedien- 
tiam perfectius constringerent, ante quam ab invicem 
discederent, conjurabant, ut si culpa sua ultra aunum 
excommunicatus perduraret, ipsi eum ulterius regem 
non haberent.) Außerdem verſprachen jie ſich gegenfeitig 
Hülfe, falls der König wegen des Vorgefallenen an einem 
aus ihnen künftig Race nehmen wollte. 

Weit unglaublicher lautet Bruno's Bericht über unfere 
Verhandlungen. Nach ihn wollten ſich die Fürſten mit dem 
König nur unter der Bedingung in Unterhandlungen eins 
lajjen, wenn ev verjpreche, alles thun zu wollen, was jie von 
ihm verlangen würden (. . . ea conditione, si vellet im- 
plere cuncta, quae ei nostrates facienda proponunt). ') 


1) Pertz I. c. p. 368. 





Die Tage von Tribur und Canofja. 321 


Deum, ut det vobis virtutem corroborari per Spiritum 
sanctum in nomine ejus; et convertat cor regis 
ad poenitentiam, ut et ipse aliquando coguoscat, 
nos et vos multo verius amare eum, quam qui nunc suis 
iniquitatibus obsequuntur et favent.’) Hier ift nirgends 
von Entjegung die Rebe, jondern überall nur von Buße; 
und ber Papſt wünjcht jehnlichft, daß es ihm möglich werben 
möchte, auf Grund berjelben den König möglichjt bald wie- 
der mit der Kirche auszujöhnen. Ja unter dem 3. Septem= 
ber jieht ſich Gregor geradezu veranlapt, die Thronrechte des 
Königs gegenüber ben Fürften in verhüllter Weiſe in Schug 
zu nehmen. Wie anders wollte font folgender Erguß ver- 
ftanden werben: monemus vos in domino Jesu et rogamus 
sieut carissimos fratres: ut eum benigne, si ex toto corde 
ad Deum conversus fuerit, suseipiatis et circa eum non 
tantum justitiam, quae illum regnare prohibet, sed mise- 
ricordiam. quae multa delet scelera, ostendatis. Estote, 
quaeso, memores humanae conditionis et communis fra- 
gilitatis: nec vos praetereat pia et nobilis memoria pa- 
tris eius et matris, quibus non possunt nostra aetate ad 
imperii gubernacula inveniri aequales?) Id Tann mir 
diejes Schreiben überhaupt nur als Antwort denken auf die 
auf dem Ulmer Gonvent verlautbarten Abjichten der deutjchen 
Züriten, und glaubte daher genannten Convent in den Anz 
fang des Monats Auguſt verlegen zu müſſen.“) Dort war 
zum cerjtenmal offen die Abjicht ausgefprochen werden, den 
König zu entjegen und eine Newmvahl vorzunehmen und zwar 
ſollte dieß jehon am 16. Oktober zu Tribur gejchehen. Hievon 
war auch der Papft unterrichtet und zu genannten Fürſten— 
tag eingeladen werden; nun mahnt eraber mit obigen Wor— 


1) Jaffö 1. c. p. 540. 
2) Jafe 1. c. p. 243. 
3) Ofr. oben ©. 311. 
























































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508 Die Malereien im Frankfurter Dom. 


und Symbolen dargeftellt, blicken aus ben Bogen bes Längs— 
ſchiffes herüber. Sonne, Mond und Sterne erleuchten den 
Schauplatz der weltbewegenben eier, die fih ba unten im 
Dome abfpielte. Es ift nicht möglich, ohne Situationsplan 
den Reichthum ber Hier zum Ausbrude gebrachten Ideen zu 
bejchreiben. Und doch hat Linnemann es verftanden, in das 
Ganze eine Harmonie und großartig wirkende Ruhe zu bringen, 
die den Eindruck eines prächtigen überwältigenden Schmuckes 
hervorruft, über deſſen Einzelheiten man fich erſt Rechenfchaft 
giebt, wenn man — Kunſtſchreiber ift. Linneman hat bier 
einen Schmuck hingezaubert, der uns Tebhaft an die Alten 
erinnert, vor deren Bildern wir heute ftehen und uns die 
Zähne ausfnaden, wenn wir fragen, was Jedes ba bedeute. 
Das Ganze wirkt ald Schmud. Das Einzelne hat feine 
Bebeutung. Daß fie nicht verloren gehe, dafür forgt hoffent- 
lich eine gute Beſchreibung, die jedem Dombejucher in die 
Hand gegeben werden mag. 

Nun hätten wir noch über die Glasfenfter des Quer— 
ſchiffes zu berichten. Allein fie find noch nicht, mit Ausnahme 
dreier, vollendet. Wir erfparen ung daher dieſe Beichreitung, 
bis wir auch von der eben in Arbeit befindlichen Ausmalung 
des hohen Chores als res facti berichten Fönnen. Wenn wir 
noch einen Wunfh für das Querſchiff haben, jo wäre es 
der, daß des ganzen Uebrigen würbige Altäre in demſelben 
Platz fänden. 











Vreußiſche Kirchenpolitik. 513 


zwiſchen Staatsminifterium und Oberfirchenrath im Wefent- 
lichen ein Ende gemacht. Nicht fo in den übrigen Provinzen, 
namentlich in Hannover, Kurheſſen, Schleswig-Holftein und 
Naſſau. In Betreff ver evangeliſchen Kirchen dieſer Provinzen 
hat vielmehr das Falk'ſche Regiment, trog aller vom 
Minifter im Herrenhauſe gemachten Erfärungen, jedes 
Titelden von Gewalt forgjam feftgehalten. Als 
dann vor einigen Jahren bie Hannover'ſche Synode Anträge 
auf Befeitigung biefes Mißjtandes und Gewährung größerer 
Selbftftändigfeit ftellte, wurde als Vorbedingung eines Ein= 
tretens in bie Erwägung derartiger Anträge bie Zuftimmung 
der Synode zu einer Abänderung der Hannover'ſchen Synobals 
Ordnung im mobernsliberalen Sinne geftellt. 

Im Uebrigen ſtellt fich das Fall'ſche Syſtem, deffen Faden 
man fortzufpinnen bemüht ift, lediglich als die vollbemußte 
Ausbildung der preußiſchen Kirchenpolitit auch auf evangelifch- 
Tirclichem Gebiete dar. Allerdings hat, wie Hr. Bachem be 
merft, auf biefem Gebiet die Begünftigung der kirchlichen 
Or thodoxie mit der Begünſtigung des kirchlichen Liberalis- 
mus und Ratienalismus gewechſelt; aber auch in dem 
Wechſel ift das unwanbelbare Princip feftgehalten worden, 
daß die firchliche Lehre und Verfaffung dem Staatsintereffe, 
wie das jeweilige Regiment daſſelbe verfteht, untergeordnet 
fei und nöthigenfalls, wie bei der Unirung in Schlefien, die 
Kirche mit Hilfe der Bajonette zur Etaatsraifon zu be— 
kehren fei, fobald fie diefer, fei e8 auch auf Grund Firchlicher 
Glaubenstehre, ſich nicht unterwerfen will. 





XLI. 
Zeitlänfe. 


Die Mündener „Allgemeine Zeitung“ über bie 
Freimaurer ei. 


Den 24. September 1884. 


Die große Encyklika des heiligen Vaters humanum 
genus vom 20. April d. Is. über die „Freimaurer-Sekte“1) 
und bie Nebe des hochwürdigſten Herrn Fürſt-Erzbiſchofs 
von Salzburg bei der Katholifen-Verfammlung in Amberg 
haben die Diskujjion für und wider die Loge neuerdings 
wachgerufen. Unter Anderm bat das obengenannte Organ 
in einem Leitartikel?) die Rede des Herrn Erzbiſchofs in 
einem höhniſchen und geifernden Tone angegriffen, der aller 
dings nicht mehr verdient, als daß wir ihm zum Anlaß 
nehmen, einige Bemerkungen daran anzufnüpfen. Zu gleicher 
Zeit, und alfo zu rechter Stunde, ift auch ein neues Werk 
‚über die Freimaurerei erjehienen ) das fehr geeignet ift, als 
Leitfaden durch das Labyrinth der unerfhöpflichen Freimaurer— 
Controverſe zu dienen. 

1) Die Enecyklika ift im Urtert mit deutſcher Ueberjepung bei Das— 
bad) in Trier (Baulinus-Druderei) erichienen. 
2) „Der Amberger Katholiken-Congreß“ I. j. Münchener „ALIg- 

Zeitung“ vom 15. Gept. 1881. 

3) Dr. Otto Beuren: „Die innere Unwahrheit der Freimaurerei.” 

Mainz, Kirchheim 1884. Stn. 179. 








Bogen der Freimianrereh, 51T 


ea teilnahmen, ſolgendes Ations: 
anf: „Was in Frankreich und im Norden zu 

Ahun: «6 ift mit allen Mitteln auf die Enichriſtlichung bin« 
—— namentlich aber iſt der Katholicismus allmählig 
alle Jahre durch neue Gejege gegen den Klerus zu feileln. 
Im act Jahren wird man mittelft des Laienunierrichts ohne 

Gott eine atheiftifche Generation befigen. Aus derſelben 
laßt ſich ein Heer bilden, das man nad) allen Theilen Europa's 
ausſenden Tann. Das Hauptaugenmerk der Bewegung ift 
auf den Norben zu Ienfen, demn die bortigen Souveräne 
figen noch am fejteften und jtügen ſich auf ftarfe militärtjchen 
Inftiintionen. Wan muß den militärifchen Geift im diefen 
Ländern zu ſchwächen fuchen. Man wird jedes Jahr und 
überall Aitentate auf Könige machen, Wenn im Laufe von 
acht Jahren die Könige noch nicht alle verſchwunden find, 
jo werden doch die Monarchien vermindert ſehn.“ Auch 
Spanien teird diefen Verfahren dringend empfohlen; insbes 
jeubere joll der Klerus, weil er dort populär jei, „mit allen 
Mitteln diserebitirt werben.” ) 

Bon Jialien heißt es in dem Programm; „dort wird 
Bold die Nepublit entftehen, dafür braucht man Feine Sorge 
3u Hragen.“ Uber gerade in Stalien find und waren die 
Garbortari, und wie alle dieſe politijchen Geheimfekten heißen 
mögen, nie etwas Anderes als Unsläufer des Freimaurer 
Drdens, der das Regiment darüber in der Hand hielt. Wir 
Tonnen uns dafür auf das Zeugniß der Münchener, früher 
Augsburger, „Allgemeinen Zeitung“ felbft berufen. Unter 
dem 21. December 1862 ließ fih das Blatt aus Zurin 

färeiben”); „Die Zahl der italtenifchen Freimanrer kann 
gegenwärtig ficherlich auf 60,000 Brüder gejhägt werben, 

velche ihre Befehle von bier, der Hauptſtadt der italieniſchen 


1) Ans der Schrift des Biihefs von Grenoble: „Le secret de In 
Frane-Magonnerie® f. Berliner „Bermania* de 18. April 1884. 
H) Augsburger „Allg. Zeitung“ vom 25. Dec. 1882. 








einerecht .. Die unterirbifce Tpätigfeit der Rabitafen findet 
erbingd worzugsweife im den freimaurerlogen une mitteljt 
berfelben ftatt. Die Freimaurerei hat allerdings in deſpotiſchen 
Staaten, zumal den tathelifhen und romaniſchen, Häufig zu 
m und religiöfen Zweden gedient. Dah fie aber in 
dem neuen Italien alsbald wieder einen politiiden Charakter 
annahm, daran trägt merfwürbigerweife ein Mann, welder ſich 
gerade in der Bekämpfung Mazzini's, in der Agitation für die 
Monsrie beſonders hervorgethan Hatte, einen guten Theil der 
Su‘)... Im den leiten Jahren ift die Freimanrerei volle 
Mändig im bie Hände der Nabdifafen gefallen, und man darf die 
Loge Heute gerabezu als einen über das ganze Yand ausgebreis 
feten raditalen Club betrachten. Die Oppofition ſpricht im 
Barlantent und im dem Theil der Preffe, wozu fie fih offen, 
fozufagen officiel, Selennt, nur ihre eroterifhen Gedanken aus z 
‚aber bie efoteriichen Lehren äußern fih im Innern der Loge, 
im füllen Berfehr der Bundesbrüber, und auch da gibt es vers 
iiebene Grabe der ‚Wilfenden‘. Zu der Weisheit ber am tief 
fen Eingeweihten gehört jedenfalls nicht die Ueberzeugung von 
ber Güte der conftitutionellen Dionardie”.?) 


Was joll es nun heißen, wenn ber Angeiferer des Herrn 
Erzbijheis behauptet: jeitvem bie franzöfjche Nevofution ben 
Bolksrehten zur Anerkennung verholfen habe, jei „das Kreis 


1) € ift Lajarina gemeint, der Gründer umd Vorſtand des 
„ftatienifhien Nationafvereins*, welchet dieſen Verein, „amftatt 
Uhe, nad) der Erreiung ded Zwedes, nämlich der Heritellung 
eines Königreiches Italien unter der ſavoyiſchen Diymaftie, aufs 
zuldfen, in eine Freimauter · Loge umwandeln zu follen glaubte,“ 
Man ficht, wie einfach ſich derfei Metamorphojen vollziehen! 

2) Augeb. „Allg. Zeitung“ vom 22. Auguſt 1869. — Der ins 
tereffanten Correjpondenz entnimmt Hr. Dr. Beuren bie Er- 
aöhlung dom er Verkegung eines wichtigen Antsgeheimniffes 
durdı einen Beamten der Kanzlel des inanzminifteriums: „Als 
der Diinifter dem Beamten eine Erklärung des jeltjamen Bom 
Tas abverfangte, warf fich ihm diefer zu Füßen und bat if 
‚weinend um Nachjicht: er ſei Freimanrer, und dürfe vor feinen 
‚Dbern fein Geheimnik haben.” 





Begen der Areimnurerei, 521 


der „Ag. Zeitung“ indirett zu.) Er brüdt das mit den 
Worten aus: „in Belgien Habe die Maurerei das Gegenges 
wicht im bie leere Schale legen müfjen, damit nicht unter 
ber Schuße der freieften Verfaſſung ein Kirchenſtgat mit 
ugminellem König (1) an Schelde und Maas entſtehe.“ Als 
vor 21 Jahren der mächtige Großmeifter aller belgiſchen 
Logen Theodor Verhargen, Bürgermeifter von Brüfjel und 
Gurator der dortigen Univerfität, ftarb, Hat fein intimer 
Freund Karl Grün in der Berliner „Deutfhen Wochenſchrift 
Nr. 3 dem „liberalen Volfstribunen und bürgerlichen Demagos 
gen“ einen warnen Nachruf gewidmet. Hier ſpricht fih Hr. 
Grün über das Verhäliniß zwiſchen der Freimaurerei und 
ben Kiberalen Parteien präcifer und den heutigen Vorgängen 
enijpredhend dahin aus: daß „der Liberalismus des aufge ⸗ 
Härten Bürgertfums, perfontftcirt in den Logen, 
nach Regierung und Herrfcaft ſtrebe.“ 

Das ift die Wahrheit. Die Loge will neben dem nonis 
mellen König auf bem Throne ſitzen, das Bolk foll die misera 
contrihuens plebs und ihre Gegner, bie Katholiken, jollen 
Heloten jegn. Darum hatte ſich auch bie Loge, und insbefondere 
‚Hr. Berhargen, um ben belgiſchen Unabhängigfeitsfanpf kein 
Berbienft erworben. Hr, Grün findet das leicht erklärlich, 
indem er weiter erzäßlt: „Als Belgien feine Befreiung von 
denn Holländijchen Joch erftritt, war Verhaegens Pathos (das 
er nämlich in jeinen Univerfitätsreden vol „glühenden Haffes 
gegen bie Kirche" entwidelte) durchaus nicht im Spiele. Er 


4) Mit etwas anderen Worten bat die Wiener „Nene freieBreffe" 
vom 7. Auguſt 1874 das Verhältnig bezeichnet: „Die Richt⸗ 
geftattung de$ Freimanver-Ordens in Defterreich hat Gier in 
liberalen Sreiien ſaunerzliches Staunen erregt, Wie Sie willen, 

fest die Freimaurerei noch immer in Hoher Achtung. Die Logen 

Bilden eigentlich eine politifche Borſchule, da falle Tages · 

fragen in den Sihusgen eimgehend berathen und beiprodien 

Der Zufuß ber Jugend ift daher mod; intmer ber 

‚Bentend, und es gibt feine Mittelftadt iu Belgien, die nicht wer 
migftens Eine Lege befipt.” 





Wegen der Äpreimaurerel, 523 
u Rechenſchaſt zu ziehen und unerbittlich zu 


Ueber dieje kecke Bloßſtellung erfchraden mehrere fremde 
Löndifchen Groflogen, und eine Anzahl derjelben im Dewifche 
Tanb brach ihre Verbindung mit ben belgiſchen Logen ab. 
Die Berflimmung dauerte bis zum Jahre 1874; in biefem 
Jahre beſchloß der beutjche Großlogen-Bund ſich ber Aufs 
hebung des Verbois gegen die Erörterung poliliſcher und 
zeligiöfer Fragen in ber Loge, vorbehaltlich, obengedachter 
Glaufel, nicht weiter zu wiberfeßen. Das oppofitionelle Ors 
‚gan ber Johannis:Manrerei in Leipzig, die „Baubütte” ju ⸗ 
belie, daß nun wenigftens dieſes Stüct maureriſcher „Heuchelei* 
gefallen fei. Andererfeits bewog die eigene Erklärung der 
Bogen, daß jie men den Charakter einer politifchen Vereinigung 
angenommen hätten, den Verein ber Gentrumspartei in Ber: 
fr in einer Petition an das preußiſche Abgeordnetenhaus 
auf die rechtlichen Conſequenzen der Nenerung aufmerkſam zu 
maden.?) Die Beweisführung ift unwiderleglich, daß die 
Brieilegirie Stellung ber Freimaurerei ſich überhaupt und ins⸗ 
bejonbere von da an mit der beftehenden Rechtsordnung nicht 
vertrage. 

$.128 des Reicheſtrafgeſetzbuches müßten die Logen 
genöiligt Werben, alle Gelübde des Gchorſams, foferne fie 
unbedingt ſind cber auf unbefannte Oberen fich beziehen, fos 
nie ihre Heimlichteit fallen zu laſſen, und „in Anbetracht 
Ähres Yolitifchen Charakters müßten die Beftimmungen des 
Bereinsgejehes in Beireff ber Ueberiwahung ber eine Eins 
oirking auf öffentliche Angelegenheiten oder bie Erörterung 

peter Gegenftände bezwedenden Vereine, ſowie der, Bes 


1) Berliner „Bermania” vom 13. und 14. Oftober 1874. — Das 
befreumdete Ylatt hat damals eine Reihe von Artitein unter 
* „Die Kreimaurerei und die preutiſchen efepe“ 


2) Daß intereffante Dokument ift im Anhange zu der Scheift des 
ie Beuren abgedrudi. 











Bifofople der Natur. 529 


Nothwendigleit involdirt, mämlih erſtens bie 
+, DE unter gewiſſen Bedingungen etwwas Ber 
ige, und zieeitend die Nothwendigkeit einer bes 
Form des Geſchehend. Die Gefege ber chemuſchen 
em j. B. enthalten erſtens bie Nothwendigleit, daß 
Br Stoffe unter beftimmten Bedingungen fi chemiſch vers 
"binden, und zweitens bie Nothwendigkeit, daß die Verbindungen 
it geisiffen und conftanten Proportionen. ſich bilden. Ebenſo 
venthäft das Lichtbrechuugogeſeh ſowohl bie Nothivendigkeit, bakı 
ber Lichtfirapl, wenn gewiſſe Bedingungen gegeben find, gebrochen 
wird, als auch bie Nothwendigkeit, daß ber Quotient aus dem 
Sinus des Einfals: und Predungswintels conflant Heißt, fo 
fange die in Betracht Lommenden Medien biefelben find, Es 
dürfte fi empjeßfen, dieſe zisei Momente ber Naturgefehe, 
nämlich die bebingte Notwendigkeit, dak etwas gefchehe, und 
bie Nothwendigleit, daß dieſes Geſchehen im einer beftimmten 
Form ſich vollziehe, mit befonderen Ausbrüden zu bezeichnen. 
Man könnte etwa das erftere das materiale, und das letztere 
ba formale Montent nennen. Bei der wifenfhaftligen Kormu: 
Hirung der Naturgefehe wird häufig mur das formelle Moment 
ausbrüdlich hervorgehoben. Die matgematifhe Formulirung entz 
Hält immer nur das formelle Element. 

Auch P. Peſch Hat nur das formelle Element des Natur: 
gefehes hervorgehoben, indem er Do, I S. 255 von demfelben 
jagt: „Es ift ein beſtimmendes Princip, eine Urſache, vermöge 
welger bie Ausführung jo und nicht anders if.” Daß «s 
aber mothiwendig fei, jene zwei Momente im Geſetze zu unter: 
fchelden und anzuerkennen, zeigt ſich befonders deutlich bei ethi— 
fen und politiihen Gefehen; denn einige davon enthalten beide 
"Elemente, andere nur das formelle. Die Strafgefeke 3. B. 
isreiben vor, fowohl daß, als auch wie gefeßwibrige Hands 
Tüngen beftraft werden follen. Die Ehegeſehe dagegen fhreiben 
nice vor, daß, ſondern bloß wieder Chebund geſchloſſen werben 

folle, Wenn etwa gefragt wird, ob es and) in ber phyſiſchen Welt 
‚Tale: Gehege gebe, welche bloß die Form eines Geſchehens, 
aber nı = das Reue ſelbſt Geftinmen, fo muß nad unferer 


















































554 Wilhelm IIL von England und die Katholifen. 


in Ryswyck ſich ſchuldig gemacht, ſank hinab auf den Etand- 
punft eines gewöhnlichen Engländers der damaligen Zeit. 
Wilhelm III. fanktionirte die Beſchlüſſe des proteftantifchen 
Parlamentes von Jrland. ?) 

Die Nachrichten der Sanktion ber irifchen Bill und des 
Friedensſchluſſes zwiſchen Kaifer und Reich einerfeits, dem 
Könige von Frankreich ambererjeits, trafen mit derſelben Poſt, 
in den erften Tagen des Monats November, vom Haag her 
in London ein. 

Bereit8 am 5. November redete der König im Schlojje 
Loo zu dem Faijerlichen Gefandten Auersperg wieder in einer 
Weije, die feinen Boden übrig ließ für einen Vorwurf irgend 
welcher Art wider den Kaifer. Er erwähnte der Ryswycker 
Elaufel nicht mehr. Aus dem ganzen Verhalten jchloß der 
Graf Auersperg, daß der König feinen unbegründeten Arg= 
wohn habe fallen Lafjen. 

Allein jene Sanktion in Betreff der unglücklichen Ir— 
länder war gegeben. 


Onno Klopp. 


1) Ich Habe den Hergang ausführlich dargeſtellt im Fall des Hau— 
ſes Stwart u. ſ. w. Bd. VIL 3.470 u. f. 











* Die Lenin iche Beiflegung. 561 


bie Zeitangabe der Emtfiehung des Vatic. in ihren Webers 
füriften, die andere (wahricheinlich ältere) durch ihre eine 
füchen Ueberſchriften und die Auslaſſung der Entftehungszeit, 
ausgezeichnet und unterſchieden find, Die Unterjheidung von 
angeblich Tatholifhen und angeblich proteftantijchen Abſchrif- 
ten und die Behauptung, daß die letzteren durch Auslafjung 
des Jahres 1300 und der 40Ojährigen Haudſchrift einen 
Unglanben au bie Echtheit des Vatic. ausprücen, ift in das 
Gebiet der Erfindungen und der Willkür zu verweilen. Dar 
gegen müfjen wir daran jeithalten, dab die erſte Berbreitung 
des Vatic. Leninense von Berlin ausgegangen ift, und 
ba man dort die 100 Verſe jchon beiläufig 1641 nicht bloß 
dem feligen Bruder Hermann von Lenin zugeſchrieben hat, 
ſondern theilweife mit Seidel ſchon vor 1693 überzeugt war, 
daß man die Biſion einem Manufcriptenbande ent 
nommen hatte, welcher 1705 ſchon ein mehr als 400jähriges 
Alter beanfpruchen konnte. 

Wenn gejagt wird, Binterim habe ein Manufcript der 
Seiſſagung gejehen, welches 400 Jahre alt war, fo wird 
ſich diefes nicht näher beglaubigte Faltum darauf rebuciren, 
daß das von ihm eingejchene Exemplar. ebenfalls die Seidel ſche 
Meberfchrift geführt hat, wie jene Abſchrift, die von einem 
Prälaten der Bursfelder Gongregation in der zweiten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts angefertigt worden jeyn foll. 

Auf die beiden Behauptungen, M. G. David Mener 
habe ein im Jahre 1431 vom Mönche Burghard in Lenin 
auf acht Pergamentblätter geſchriedenes Manuſeript beſeſſen, 
eldies ihm ein guter Freund entwendet, und Albert von 
Brandenburg, Erzbiſchef von Mainz und Magdeburg (+ 1545), 
Habe der Dombiblioigel in Mainz ein Manufcript des Vat. 
geſchentt, ift beim Verdachte der Moftifitation auf Seite 
Meyers und beim Mangel jeglichen pofitiven Nachweiſes 
auf Seite des Cardinals entweder Fein oder doch nur ein 
Äehr geringes Gewicht zu Legen. 

Das angebliche Plagiat des Benediktimerpaters 





foäter Profeffor in Thorn) bemerft im I. Theile Liefer 
Schrift S. 2389 fi. „Bon biefem Großmächtigen Haufe 
Brandenburg) joll in Lehnin, vormaligen Maͤrkiſchen Slor 
fter, nunmehr Churfürſtl. Ambt, eine Prophezeiung gefunden 
worden, welche mir, da ich in Berlin war, ein vornehmer 
Freund?) abjchreiben laſſen. Ich will diefelbe aus dem Mas 
nuſeripte, welhes nad meinem Wiffen bisher nicht ges 
druckt geivejen, dem geneigten Leſer mitiheilen und denſelben 
zur Branbenburgiichen Hiftorie verweilen, wenn er alles 
deutlich zu erklären begierig it, unterdeſſen aber durch einige 
dazu gejeßte Noten zur befjeren Berjtändigkeit Anlap geben.“ 
Es folgt mun mach dem Titel; „Vaticinium B. fratris Her- 
manni, Monachi in Lehnin® — in 96 Berseilen bie 
Weiffagung; die damals bevenflichen Verſe 51, 58, 80 und 
83 find jedoch, wie jhon bemerkt, ausgelafjen werben. 

Schulz behauptet zwar, er wolle die Prophezeiung aus 
dem Manufcripte mittheilen, verfteht darunter aber ſicher wur 
die von ihm im Berlin genommene Abjchrift, welche ſich 
übrigens fchon im der Ueberſchrift durch ihre Einfachheit 
auszeichnet. 

Bon den Eommentatoren bat ſich unter ben Proteftanten 
der teformirte Prediger Joh. Kafpar Weift in Lehnin (Schweiz 
zer) mit feiner Schrift: Vat. metricum D. F. Hermanni, 
Monachi in Lenyn, Berlin 1746, die meifte Anerkennung 
erworben; er wird auch won Gieſebrecht gelobt und von Hils 
genfeld Häufig etirt. Gegen ihn (pen „Erforjcher der Wahre 
heit”) üft im Jahre 1808 der jegenannte Geſchichtsfreund“ ) 
aufgetreten, welchen die moderne proteftautifche Kritit mit Bes 
Hagen, jebo mit Unrecht und ohne tiefere Begründung 


1) Der vornehme Freund war wahr ſcheinlich Oberft Nathanael von 
"Stapf, Neltor der Ritterafademie in Berlin, welder auch dem 
Alph. des Bignofes eime Abfchrift mitgeteilt Hatte. 
Sabell &. 69 und 70, 
2) Ueber den Titel der Schrift vergl. weiter unten A. 





Die Lenin’iche Weiflagung- 565 


dem 17, Jahrhundert und die Widmung des Autors im 
feinem erften Verſe: 

„uume tibi cum cura, Lenin, cano fata futural'‘ 
Können wir jelbftwerftänblich nicht beibringen. Man hat ja 
unter dem Kurfürſten Joachim IL, 1542 diejes alte, ehrwüre 
dige und um die Gultivirung Brandenburgs jo verdiente 
Gifterzienferftift nicht bloß aufgehoben, fondern auch deſſen 
Titerarifche Schäge verſchleudert und verworfen‘) Hätte 
Joachim II. (1535—1571) diefes Klofter, das nicht einmal 
feine Ahnen, fondern die Asfanier geftiftet hatten, aus Pietät 
beftehen laſſen, dann würde man fih um ben Autor, den 
Drt der Abfaffung und die Authentie der 100 Verſe nicht 
ſtreiten. Gerade durch die Klofteraufhebung hat man ſich 
am bie vielgefuchten Beweismittel der Echtheit oder Unecht⸗ 
‚beit berjelben gebracht. 

Die Tradition war niemals im Zweifel barüber, aus 
welchen märkijcen Klofter das Geſicht und Gedicht hervor⸗ 
gegangen fei, denn faft alle Manuferipte, nicht bloß die 
fogenannten Seidel ſchen, fondern auch die Nathanael Stapf: 
ſchen (mern man fie jo nennen will), bezeichnen den feligen 
Bruder oder Mönd Hermann von Lenin als den Verfaſſer. 
Hermanme aber, denen man bie Abfaffung einer ſolchen 
Schrift zutrauen kann, bat es, wie wir gefehen haben, im 
ber 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in Lenin nachweisbar 
wenigftens zivei gegeben, 

Mit der conftanten Tradition jeit der 2. Hälfte des 17. 
Zahrhunderts ſteht auch die Sache volllommen im Einkfange, 
benm mach ihr ift im Jahre 1617, oder etwas fpäter bie 
Weiffagung, um Die es ſich handelt, in einer Maueröffnung 
des Kloſters Lenin aufgefunden worden. So ift zB. zu 
‚Mser. Nr. 2483 im geheimen Staatsarhive zu Berlin mit 


1) Ext (1. c. ©. 102) beflagt mit Leuthinget: si quid traditum 
aut depositum fuit eraditum et seitu dignum, id una cum 
bibliotheeis misere spoliatis omne interüt, 


axxiv. 4 





f 


dieſelben am ben Kurfürften ein, welder fie 
der gkeitorirche, der jegigen Domfirche übergab, 
Aner dieſen Büdern und Dohmenten, zweiunds 
ach tzig au der Zahl, befand ſich auch eine Handſchrift, 
welche überfchrichen war; 
„Vaticinium beati fratris Hermanni 
Monächi quondam Lehninensis ordinis Cister- 
ciensis qui circa 
Anpum 1300 floruit et in monasterio Lehnin- 
ensi vixit“ 
d. 8. in deutjcher Meberfepung:: 
„Die Welſſagung des jeligen Bruder Hermann 
Beilond Monch zu Lehnin vom Eifterzienfers 
orden, welchet um 
das Jahr 1300 geblüht und im Kloſter Lehnin 
‚gelebt hat.“ 

Dieß Dofument enthielt in hundert Inteinifchen Berfen, 
welche gereinite Herameter bilbeten, wie dieß im alten Sixchens 
datein vielfach gebräuchlich war, eine ausführliche Prophes 
zeitung fiber bie Bünftigen Schidjale dev Mark Brandenburg, 
Dar Kurfürft Hatte fich über die aufgefunbenen Handichriften 
durch feinen Kanzler Prudmann, einen jehr gelehrten 
Mann, Bericht erftatten Taffen und ſchon diefer machte auf 
bie merkwürdige Prophezeiung aufmerkfam, welche ſich bis 
babin in eigenthämlicher Weiſe erfüllt hatte,“ ') 

So genau nun, als man fie wünfhen muß, find alle 
dieſe Nachrichten noch keincowegs; wir finden darin noch viel 
Unvoahejcheinliches, ja geradezu manches Unmöglige. Um 
ame bie Yauptfache jofort Mar zu ftellen, jo ftehen wir feinen 
Angenbtid an, das ganze Vaticinium als Faͤlſchung dann zu 


bezeichnen, wenn nachgewieſen werben fann, daß die in Lenin 


1617 ober ehwas fpäter aufgefundene angebliche Originals 


N) Rad; dem Bonifacinässtalender 1880 S. 38 bepab ſich der Kang - 
der Dr. Friedrich Brudmann perſonlich nah Sehnim und 
Berichtete über den Befanb an den Kurfürſten. 

Dy 








Die Lenin fe Welſſagung 569 


zu enktöißen und der Nachwelt zu überliefern, dadurch näns 
lich, daß fie die neue Abſchrift (nicht das Original) mit 
andern Büchern und Handjchrifien für eine beffere Zeit vers 
fiedien und verbargen: fo pricht hiegegen ſchon die unges 
ſchite und unbeholfene Kafjung ber erweiterten Weberjchrift, 
welche einem Mönche aus dem Klofter Lenin nicht zugemuihet 
werben Fan, da bie echten Leniner doch wohl den Todestag 
ihres jeligen, mit ber Babe der Weifjaguug begnadigten Mit 
bruders Hermann aus ihren Nefrologien genau gekannt und 
deßhalb nicht mit „Weiland Mönch, welder um das Jahr 
1300 geblüßt und in Lenin gelebt Hat,” zu operiren gebraucht 
hätten. Es ſpricht dagegen auch die Tradition, welche ſeit 
1705 wenigftens übereinftimmend dabin geht, daß das Vat, 
Len. aus einem Manufceriptenbande (ex libro Msto) 
genommen ift, aus welchem (Manufcriptenbande) hervorging, 
dab daſſelbe ſchon 400 bezichungsiweife 409 bis 410 Jahre 
Bor dem Anfange des 18, Jabrbunderts aufgezeichnet worden 
oder aufgezeichnet gewejen ſei. 

Die Bauern von Lenin jollen 1617 in dem Gewölbe 
der stlofterfirche nad Schägen gefucht und Bücher uud Hands 
jhriften gefunden habe; allein Selle redet uur von 
Büchern, welde damals aufgefunden wurden. „Nuferdem, 
erzählt derjelbe (S. 88), wurden im Jahre 1617 in einer 
Miauerhöhlung des Klofters 32 Bücher entdedt ... . ſpäter 
no weldie „+. ; Kanzler Prudmann jagt in feinem 
Berichte hierüber an ben Kurfürſten, ‚jämmtliche Bücher jeien 
feinen von großen Nußen, da jie noch in den alten Literen 
jeien, ber ſich die Drucker bei ihrer angehenden Kunft wor 
100 und 1% hundert Jahren bedient,‘ er bittet deßhalb wegen 
‚feiner 13jährigen treuen Dienfte ihm diefelben zu überlaffen 
Diefem Wuuſche ſcheint micht ftattgegeben‘) worden zu fenn, 


1) Im Berliner Bontfariussskafender 1880 ©. 39 (nad Sello) heit 
8: „der Bitte des Hanzlers um Ueberkaffung der Bücher muß 
‚gewillfahrt worden jeim, denn im Immi 1617 jendeit v. Nochow 
dieielben au ihn ab.“ 





Die Leninhe Weiffogung, 5m 

am intereffanteften aber ift der von Selle gar 

ete Umftand , daß der Jenenfer Inder ber 

Zeniner Bibliothek einen Manuferiptenband (Sammels 

werte) mit der Ucberfehrift; „Prenosticon futuri se- 
euli et quedam alia® tHatfählih enthält.) 

Wenn man bedenkt, daß die älteften Abjchriften des 
Vat, in jene Zeit zurüdreihen, da man in Lenin 1617 und 
eiioas fpäter wieder Bücher und andere Werihgegenftände 
aufgefunden bat, welche aus der alten Kloſterzeit herrüßrten, 
Und wenn mar ſich baran erinnert, daß das Vat. Len. mit 
der Auffindung von Büchern zu Lenin ſchon frübzeitig im 
Verbindung gebracht wurde, jo wird man bie Trabition, wo ⸗ 
nach die Weiffagung einem (Brandenburger) Manufcripiens 
bande aus dem 13. Jahıkunderte entnommen wurde, jo leicht 
Hier nicht mehr abweiſen Können und wenigſtens ſoviel zus 
geben nüijen, daß biefelbe wahrjheintih in dem Ma« 
Auferiptenbande Nr, 86 der Leniner Bibliothet mit der obigen 
Meberjchrift enthalten geweſen und beziehungweife noch ents 
Halten iſi. 

Ob dieſer Mauuferiptenband und damit das Original 
bes Vat. Lenin, jemals wieder aufgefunden werden wird, ift 
zu bezweifeln. Bon allen im Jenenſer Kataloge verzeichneten 
Leninifchen Büchern hat ſich kein einziges Eremplar nachweis⸗ 
bar bis auf unjere Zeit erhalten, „die Bermuthung ift aber 
doch nicht ganz von der, Hand zu weiſen, fagt Selle (S. 89), 
dab eines ober das andere noch in irgend einer Bibliothek 
verſtect Tiege. Es fällt einen wenigftens ſchwer, anzunehmen, 
Da ein Bücerfhap von wenigſtens 980 (richtiger 986) 
Nummern in einer Zeit, welche Bücher zu jdäen mußte, 
Höllig vom der Erde verſchwunden ſeyn jollie.* 

Wenn Heffter im „Serapeum*) bemerkte: „von einem 

— — 

1) Sl ©, 226 N. 86 des Jenenfer Bucherkatalogs. 
2) XL Die Bibliothet des ehemaligen Gifterzienkerflofterd Lehnin 
8,266 am Schluſſe 





e iMinerabtei Werden eintrat und als Abt von 

ing am 24. Dftober 1704 geftorben iſt — hat das 

D —— der Leuiniſchen Weiſſagung nicht angefertigt 

und ber Ichte Bibliotbefar der Benedittinerabtei Huysburg 

eine Abſchrift hievon in der Frankfurt uud Reipziger 
Ausgabe von 1808 nicht in den Druck gegeben. 

Der Titel dieſes Drucwerkes lautet: „Hermann von 
Lebnin, der durch die alte und neueſte Gefchichte bewährt 
geſundene Propbel des Haus Brandenburgs. Bearbeitet 
durch einen Gefhichtsfrennd in dem biefem Haufe fo 
falalen Jahre 1807, Frankfurt und Leipzig 1808. Das 
Vaticmium felbft ift überfehrieben: „Vaticinium B. F. Her- 
'manni monachi quondam Lehninensis Ord. Cistere. quo 
circa annum 1300 floruit et in Monasterio Lehninensi 
visit. Ex libro Mspto., ex quo constat hoc Vaticinium 
jam ante anno (7) 400 consignatum esse. Ex Copia 
authentica in ultima medietate saeculi de- 
eimi septimi confecta.* Die deutſche Meberjegung 
ft nach der Ausgabe des veformirten Predigers J. C. Weiß 
gegeben. „Daß der Herausgeber der Lehniniſchen Weiffagung 
von 1808 wirklich ein Benediftiner Mönch war, welcher nach 
ber Aufhebung feines Klofters vereinzelt Iebte (wo denn?), 
baran läht Ton und Inhalt der ganzen Schrift nicht zwei⸗ 
feln,* jagt Giejeler. Allein aus Ton und Inhalt der Schrift 
‚geht etwas ganz Anderes hervor als die Unterfiellung Gieſe- 
Ins. So beruft fi der angebliche Benebiktiner!) für ben 
Ruhm und die hohe Stellung feines Ordens gegenüber den 
Eifterzienfern und anderen Nachwüͤchſen auf das Zeugniß 
ie Bollaire, von den Menbilantenorben jagt er, bak man 

fie irrig auch Mönde nannte und zum Theil noch jo nennt, 


e ſich ſelbſt behaupiet er, daß er nicht veformirt, wicht 


Bates & arı m ix 








‚I won Barern und Eduard vun Schent. 577 


wenig Etwas von einem liberalen Katholiken an ſich hatte. 
Es gibt jedoch unter den am Schenk gerichteten Schreiben 
des Königs in nicht geringer Zahl auch ſolche, welche dieſen 
Schein nicht an ſich haben oder ihm wenigftens abſchwächen. 
Das ganze Verhaältuiß Ludwig's zu Schenk muß wohl jene 
Vorausfegung als unzuläfjig erfcheinen laſſen. Niemand hat 
Bisher noch zu behaupten ſich erlaubt, bak Eduard v. Schenk, 
fjei es ale Staatsmann, je es als Katholit, einen Anflug 
son Liberalismus gehabt und gezeigt babe. Wer nur je 
Scen!'s Beiträge zur Biographie Sailer's und Witlmann's 
‚ober bie Jahrgänge feiner Charitas oder fein wackeres Gedicht 
bie Kirche” gelejen Hat, wird innigſt überzengt ſeyn, daß 
der Berfaffer im jeder Beziehung auf dem feiten und reinen 
Boden des Chriſtenthums und der Fatholifchen Kirche taub, 
Dafür gibt auch Zeugniß fein ganzes Leben und Wirken, 
wie es 5. B. in eimem Mefrolog ber Verhandlungen des 
hiftorijhen Vereins ber Oberpfalz (Bo. VI, S.272 a. 1841) 
geſchildert ift, und worin e8 unter Anderm beißt: „Siheut 
‚gewährte durch feine eminenten Geiftesgaben, ben Umfang 
jener SKenntniffe, durch jeine gediegenen Anjichten 
über Kirde und Staat Bürgichaft, daß er ber Löfung 
der großen Aufgabe, die ihm der König übertragen hatte, 
auch gewachſen fei.* 

Schenk ſelbſt erzäßft in den erwähnten Beiträgen, er 
babe im Jahre 1811 zu Landshut bei feiner Promotion zur 
juriftifchen Doforwürbe die Theſis aufgeftellt und vertheidigt, 
daß bie Kirche dem Staate nicht untergeorönet jei, und habe 
Badurd; bei Profefforen und bei dee Poligeibehörde einen 
‚gewaltigen Lärm, ja jelbit in München Bevenken erregt, weil 
Samals obiger Sat mod; verpönt war.?) Die Auszüge aus 
der Gorrefpondenz Ludwig's I. mit Schenk werben unwider- 
leglich darthun, welch inniges und feftes Freundſchaftsband 
beibe Bis zum Tode Schent's umfchlang, wie diefer ftets in 
— 


1) Eharitas 1838, ©. 276. 


=. 





"und Eduard von Schent. Er 


‚ bamaligem Miniſter bes Innern übergeben, errichtete 
dann im Minifterium des Innern eine eigene Seltion mit 
dem Titel: „Dberfter Kirchen» und Schulrath“ und machte 
mod im Dezember 1825 Scene zum Vorſtande deſſelben. 

Im Laufe des nächſten Jahres arbeitete Schenk eine 
meue Deutſchrift über Herftellung der Klöfter, Reform der 
Univerfitäten und Achnlihes aus, worüber der König am 
27. Juli 1826 von Brũdenau aus jein Urtheil abgab und 
folgende Aumweifungen erteilte: 

1) „Arbeiten Sie Alles jo vor, was die von mir ber 
ſchloſſene Fortdauer der bezeichneten Klöfter, männliche wie 
weibliche, betrifft, daß gleich bei feiner Nüdkehr Minifter 
Graf Armannsperg nur zu unterjchreiben braucht, unverzügs 
ih endlich denn diefe Verfügung ins Leben trete, fonft 
Bricht mir die Geduld... Dak Tehteres (Benchiktinerinenz 
Hofter in Eichſtädi) ſich auch dem weiblichen Unterrichte mit 
Aoibınel, dahin ift zu trachten; haben Fulda's (noch fort: 
während aufuchmend, deßgleichen die dortigen Franziskaner) 
Benebiktinerinen doch eine von mehr denn 300 Mädchen bes 
fuhle Schule. Wo Franzisfaner-, Eapuziners, Carwieliten⸗, 
Auguftiner-Novizen, Aufgenommene junge, die theologijchen 
Studien balten können, vielleicht ein Kloſter jebes biejer 
Drben im Königreich, dazu beftimmenden , umfajjender Ars 
trag ebenfalls.) .... 3. „Nimmt Herr von Hormayer 
die Kehrftelle nicht an, gehe an Görres der Antrag zum 
Lehrſthl ber allgemeinen Geſchichte, (conditio) sine qua non. 
jebod), daß er von Preußen beibringe die Verſicherung (amts 
Tiche), daß jeine Austieferung nicht begehrt wird, wenn er 
in Münden Profefjorsftelle erhielt.“ ... 5. „Beffer ale 
in Würzburg, Dken zu Münden; braucht er Auffiht, ift fie 


Er Befannilich mar ber Styl des Könige elm Hödft eigenthlimlider. 
Mit diefer Thatſache unbefamnte Lejer möchten fih an dem 
Fr der wörtlich wiedergegebenen Stellen —* 





































































































und Eduard von Echent. 648 


freiheit als Schutz dienen ſollte. Beide Mapregeln ſcheinen 
ganz. den Intentionen des Königs entfprochen zu habenz 
denn am 8, Jäner 1881 interpellirte er den Minifter Schent 
mit folgenden Worten: „Am Ende des verwichenen Jahres 
den Entwurf einer Inftruftion zur ver faffungsmäßigen 
Genfur der innere Politik behandelnden Zeitblätter war mir 
zu bekommen verheißen , und heute ift der Kte Jäner, und 
noch habe ich fie nicht, Un welchen Tage werde ich felbe 
betommen?“ Zwei Wochen fpäter (21. Jäner 1881) kan 
der Befehl: „Mit Heutiger aim 11 W. nach Regensburg abs 
gehender Poſt fordern Sie Rudhart auf, bei feiner Anhäng- 
Fichkeit an mich fich zu Außen, ob er die Ueberzeugung hege, 
daß Hornthal in der nächiten Ständeverſammlung, Talls ich 
ihm den Eintritt geftatte, nicht Gegner meines Regierungss 
Toftems, ob er für das Budget, mamentlih günftig der @is 
villifte für Lebenszeit ohne Schmälerung ihres Betrages 
ſeyn würde,‘ Endlich ſchrieb der König am 27. Füner-1831: 
„Der Entwürfe Reinſchriften können Sie auffegen laſſen, 
aber ver Ausfertigungstag muß offen bleiben; denn an benz 
ſelben ſoll auch der I. Kammer Zufammenberufung und 
(die Ernennung) ihres Iten Präfidenten, des Fürften Wrede, 
dund geiban werden. Wenigftens einen Tag früher muß 
in Würzburg, Ansbach, als die Ausſchließung der bewußten 
5 befannt werden Fan, darımter auch mittelbare Bekannt 
nuß verftehend (deffen muß ich jiher ſey n), die Cenſur⸗ 
inftruftion eintreffen, und ſicher muh ich gleichfalls 
feyn, daß nichts bemerkt werde von dieſer Maßregel, bevor 
fie in Ausführung kommt, bamit wicht über diefelbe ie den 
verruchten Blätterm gejchrieben werde. Meines herzlich 
mir anbänglichen Scheuts Werth zu ſchãtzen wiffender Lubinig.* 

Das volle Einverftändnift des Königs gebt aud) aus 
ben Kanımerverhandlungen hervor, während welder ber Mis 
wifter durch Königliche Zufchriften zu Muth nd Ausdauer 
angefeueri wurde, Der Fürft verſichert, dap fein Mintjter 
durchaus auf dem Boden des Mechies, mithin die Liberalen 












































gegen den Liberafismus. 671 


unerlaubt find, und das Alles unter dem Schein, die Nelis 
giefität zu fördern und zur Ehre Gottes beizutragen. 

Sollten wir bie Anhänger dieſes Syſtems darıım als 
eine Verbrecherbande bezeichnen? Das wäre eine Verläumb- 
ung, die höchſtens mit Unkenntniß entfchuldigt werden bürfte. 
Der Liberalismus beruht auf Irrthümern, aber dieſe find 
vonviegend Irrtümer des BVerftandes, und wir begreifen, 
daß die beiten Köpfe einer Täufhung unterliegen konnten; 
wir begreifen, daß es unter den DVorkämpfern der modernen 
Weltanfhauung Taufende wahrhaft Weberzeugter gibt; wir 
begreifen das um fo mehr, als wir das Verlockende des liberalen 
Syſtems genau Fennen und mit den Empfänglichfeiten der 
Volksſeele vertraut find. Nicht alle Veränderungen in ber 
Pſyche treten als Krankheiten und feuchenartig auf. Der 
Goldhunger, die Luft nach Abenteuern jind zu verjchicdenen 
Zeiten mit ſolcher Heftigfeit aufgetreten, daß ſie die Aufmerk— 
ſamkeit der Zeitgenofjen auf ſich gelenkt haben; man hat aber 
diefe erhöhten piychiichen Triebe degungeachtet nicht zu den 
Erkrankungen gerechnet. Die Ausbreitung des Liberalismus 
beruht auf dem gleichen Princip; er theilte ſich, wie ein Uebel, 
ten Vielen mit, deren Dispofition nur eines geringen An— 
ftoßes bedurfte, um eine geiftige Neaktion hervorzubringen. 

Tas Verlockende des Syſtems Tiegt aber darin, daß es 
der menichlichen Eitelkeit fchmeichelt und im den Augen der 
Mehrzahl, namentlich aber der Jugend, mit dem Nimbus 
der ebeljten menjchlichen Negungen umgibt, was im Grunde 
doch nur plumper Egoismus ift. Welche zauberifche Wirt: 
ung hat nicht feit jeher der Klang des Wortes „Freiheit“ 
auf jugendliche Gemüther hervorgebracht ! 

Wie bläht ſich der menjchliche Stolz bei dem Gedanken 
auf, die ſelbſterrungenen Reſultate individueller Forſchung 
dem Ueberkommenen, der Entwiclung, dem Autoritätsglauben, 
veralteter Vorſchrift und Hiftorifch Gewordenem entgegenzus 
ſtellen! Daß aber der Menſch für ji in Anſpruch nimmt, 
was nicht er, fondern bie Mitlebenden gefchaffen, erkundet 


- 111x8 
672 Der Entſcheidungstampf gegen den Liberalismus. 


und aufgefunden Haben, (ehrt die tägliche Erfahrung. Tritt 
dazu noch das entſcheidende Moment des Eigennuges, die 
Hoffnung, daß die Woge der Empörung den Neugläubigen 
auf ihrem Kamm zu Ehren, Anfehen und Reichthum empor— 
tragen werde, dann übt ein derart ausgejtattetes Syſtem un— 
widerjtehliche Anziehungskraft auf unfertige Charaktere und 
ſchwache Menſchen aus. Wo aber ein gewiſſer Adel ber 
Scele bei bedenklicher Schwäche des Gehirns vworberricht, 
wird das Beijpiel erlauchter Geifter, welche der liberalen 
Doktrin anhingen, dem gleichen Erlöſungswerke der Menſch— 
heit — jo lautet wohl, wenn wir nicht irren, die Hafjiiche 
Redensart — ihr ruhmreiches Peben widmeten, das Vorbild 
der großen Staatsmänner, Dichter und Philoſophen, der 
Könige und Kaifer, die zur Fahne des menjchlichen Forte 
ſchrittes geſchworen, ermunternd und zur Naceiferung anz 
jpornend wirken. 

Daß der Sieg von 1848 in den Augen Vieler auch die 
Güte der Sache erwies, die Schwankenden fortriß und die 
Lauen anfeuerte, liegt, wie ber uralte Cultus des Erfolges 
lehrt, in der Natur der Menſchen und Dinge. Es iſt dem— 
nah wohl aud nichts Näthfelhaftes und Unerflärliches in 
dem raſchen Aufiteigen der liberalen Ideen; jie mußten viele 
mehr unter Begünſtigung der außerordentlichen Umſtände die 
alte Weltanſchauung zeitweilig verdrängen und ſich an die 
Stelle der chriſtlichen Weltorpnung fegen. Ob der Zenith 
bereits erreicht ift oder noch ein Fortſchritt in der Zerfegung 
und Auflöfung des hiftorijch Geworbenen und aus ber natür— 
lichen Entwidlung Hervorgegangenen bevorftcht, wer vers 
möchte jich darüber ein enbgültiges Urtheil anzumaßen ? 


Echluß⸗Artikel im nächſten Heft.) 


























































































































































































































































































































Der meiigemählte Reichätog. 839 


Wie der neue Reichstag im Uebrigen bem Neichäfanzler 
gefällt, wird man bald erfahren. Daß er dem Abgeoröneten 
Dr. Windthorſt womöglich noch beffer gefällt als der vorige, 
fleht ſeſt. Ju den Leitenden Kreiſen zerbricht man ſich nicht 
erſt jeßt den Kopf, und bedurfte es nichteimmal der neuteften 
Erfahrungen, um Bedenken zu erwecken bezüglich bes Wahls 
rechts, aus dem die Reichsverfanmlungen hervorgehen. Als 
der Reichstanzler am 9, April 1866 bei dem alten Bunde 
die Berufung einer allgemeinen deutſchen Verfammlung von 
gewählten Vertretern behufs der Reform des Bundes beats 
fragte, empfabl er die Annahme ber bireften Wahl und bes 
allgemeinen Stinmrechis mit der Bemerkung: „die Königliche 
Regierung nehme um jo weniger Anftand, diefe Form der 
Wahl in Vorſchlag zu bringen, als fie diefelbe für dns 
confernative Princip förderlicher erachte als irgend einen ans 
bern, auf Fünftlichen Combinationen beruhenden Wahlmodus.” 
Diefe Ueberzengung, dab er auf die Maffen veriranen duͤrfe, 
gegenüber ber Herrjhjüchtigen Bourgeoiſie, ſtand Bei dem 
Reichöfangler von ber Eonfliltszeit her jo jeft, daß er ſich 
unbedenklich fogar noch den Antrag des conftituirenden Reichs- 
tags gefallen ließ, wodurch der geheime Wahlmodus in 
das Gejeh am. Richt erft feit geftern ift der Irrihum ers 
tannt, und die jüngften Wahlen haben ihn für Jedermann 
erfennbar (gemacht: 

Schon ſeit Ende des vorigen Jahres waren von Seite 
bes Reichstanzlers, des Minifters des Junern und der Finanr 
zen in den beiden Parlamenten Neußerungen gefallen, welche 
die Beſorgniß erweitten, dafı es auf bie Befeitigung der ger 
heimen Abftimmung im Reiche abgeſehen jei, und daß die 
erfte günftige Gelegenheit benüßt werden würde, um dieſe 
Wahlrefermꝰ durchzuſchen, dann aber auch den gleichen 
Wahlmedus bezüglich des allgemeinen Stimmrechts und der 
direkten Wahl für den preußiſchen Landtag einzuführen. Das 
mahejtchende Drgan in Berlin hatte wiederholt aus ber Schule 
gefgwägt, und noch am dem jüngften Hauphoahltage hat cs 
























































867 


lichen  Erjcheinungen und Bewegungen durch die Anatomie 
tlar zu achen. Jm neunten Kapitel bes Malerbuches hebt 
er ſelbſt die Nothwendigkeit dieſes Studiums hervor: „Zuerft 
muß der angehende Künftler die Gliedmaßen bes menjchlichen 
Körpers und ihre Funktionen genau fennen lernen. Danach 
muß er-anf bie Wirkung ihrer Tätigfeitsäuferung acht haben, 
darftellen, was und-iwie er etwas geſehen, mit den naturges 
mäßen, noibiwendigen und zufälligen Folgen.” Er empfiehlt, 
wie ev es ſelbſt ſteis that, immer ein Skizzenbuch bei ſich zu 
fihren und auf ber Strafe darin jegliches Auffallende zu 
notiren, um zu Haufe darüber nachzudenlen und es in richtiger 
Korm zu zeichnen. Das vielfach empfohlene Copiren erjcheint 
ihm nicht rathſam für Schüler, da gute Gompofitionen und ein ⸗ 
ſichevolle Meifter, welche fets das Richtige auswählen, ſelten 
find, Deßhalb ift «8 ficherer, an die Natur jelbit zu gehen, 
als zu denen, die vom ihr kommen und ihr vielleicht ver⸗ 
fälfchtes Gut darbielen. Denm wer an die Quelle gehen 
Tann, teinft nicht ans dem Topf! Welchen Reichthum min 
die Natur jelbft in fich birgt, und wie viel der Künftler aus 
dieſer Tantern Quelle zu jchöpfen im Stanve üft, bringen beute 
lich Lionarde's eigene Schöpfungen zum Auedruc. Seine 
Skiggenbücher zeigen, wie der Meifter nie ruhte oder raftete, 
fondern immer war fein unermüblicher Geift mit Entwürfen 
beſchaͤftigt. Er konnte kein Werk leſen, ohne fich nicht auf 
dent Rande defjelben den Inhalt zu illuſtriren. Selbjt beim 
Geſpraͤche im trauten Kreundesfreife ſcheint er dieſe ober jene 
Skizze entworfen zu Haben. Seine Kunftiverke waren fics 
die Frucht, reiflihen Studiums. Wie er z. B. zum Abends 
wahl ſtudirte, zeigen bie photographiſchen Gopien der Ente 
würfe und Naturftubien, welche Nichter den zweiten Bande 
feines Werkes zugefügt hat. 

In der Technit der Delmaerei ſtrebte er ſtets nach Vers 
‚nolltommnung und war raftlos mit Verſuchen bejchäftigt. Nicht 
gleich gelang ed dem Meifter, die ictige Behandlung der 
mod; «tions. zähen und ſchweren Delfarben zu finden. Die 


sr 
































DIV Srenäus 


welchem Rechte alle dieſe Berufungen geſchehen, werden wir 
weiter unten unterſuchen. Allein diefe Grabe'ſche Webers 
jebung ift eine — wir fagen nicht zu viel — jo grundfalſche, 
je durchaus aegwungene, daß ſelbſt Proteftanten und Eirchen: 
feindliche Schriftfteller diefelbe völlig verwerfen. So Sal: 
maſius, Thierſch, Stieren, Friedrich, Döllinger ;') und der 
edenſo bejonnene wie gelehrte Hefele fteht nicht an zu fagen, 
„daR nur größte confeſſionelle Beſchränktheit“ und „pietiftifche 
Blindbeit“ anf eine folhe Auslegung Tommen konnte. Wir 
tönen nichts Beſſeres thun, als die berühmt gewordene Wider⸗ 
legung Maffuets?) wiederzugeben , und benügen mit Freuden 
die Worte Hagemanns,?) mit benen er die etwas weitläufige 
Argumentation des gelehrten Benebiktiners aljo zufammenfaßt: 
„Maſſuet bat gegen dieſe Deutung eingewendet: Erftens, 
die vorausgeſetzte Thatjache, die Sendung zahlreicher chrift: 
ücher Deputationen zum Kaifer, ift gefchichtlich gar nicht zu 
erweiſen; auch nicht ein Fall läßt fih aus der Zeit vor 
Irenaͤus dafür anführen. Zweitens, dem Terte des Ire— 
näus wird offenbar Gewalt angethan, wenn man ihn jagen 
laſſe, daß die Gläubigen aus ber ganzen Welt nad) der Stabt 
Rom und zum Kaiſer geftrömt feien; es fei bei ihm nur 
von der Kirche in Nom die Rede; die römifche Kirche aber 
und die Stadt Nom feien himmelweit verfhiedene Dinge. End» 
lich paßt die Deutung Grabes auf Feine Weife in den Gedan— 
Tengang. Irenäus will zeigen, daß wir in dem Glauben und 
der Tradition der römifchen Kirche den Glauben und die 
Tradition der ganzen Kirche haben. Wie müßte nun nach 
Grabe der Beweis dafür lauten? Offenbar muß er den 
Irenäus fagen laſſen: die behauptete Uebereinftimmung findet 


1) Salmasius, de primat. Papae c. 2 p. 63; Thierfch, Studien und 
Krititen, 1852 ©. 527: Stieren, a. a. ©. I. ©. 429; Friedrich, 
a. a. O; Dilinger 8-®. I ©. 356; Hefele, Beiträge I S. 48. 

2) Massuet, dissert. III de Trenaei doctrina n. 33 sqg- 

3° Hagemann, Die römiſche Kirche ©. 615. 


über ben Primat. 881 


ftatt, weil jede Kirche an den Kaifer Deputationen um Schuß 
und Duldung jenden muß. Das Unfehen, welches Irenäus 
der römischen Kirche ohne Zweifel zufchreibt, würde alsdann 
auf dem zufälligen Umftande beruhen, daß Nom zugleich ber 
Sig des Kaifers ift. Wäre bieß der Gedanke des Jrenäus, 
fo müßte er alle Grundfäge, nad) welchen er das Anfehen 
einer Kirche beurtheilt, rein vergeffen haben; er hätte einen 
neuen Grundjaß aufgeftellt, von dem er auch nicht im ent— 
fernteften bewieſen hätte, wie aus ihm ber eminent apoftolifche 
Charakter der römijchen Kirche gefolgert werden könne. Welch 
eine Logik wäre es, wollte man fchließen: Nom ift bie Haupte 
ftadt des Reichs und der Sig des Kaiſers; nad) Nom kommen 
aus allen Kirchen Deputationen zum Kaifer; alfo ift Rom 
die vorzüglichfte apoftolifche Kirche und ihre Tradition die 
Tradition der Kirche überhaupt! Der Zufammenhang ift 
vielmehr diefer: Irenäus will zeigen, daß es zur Widerlegung 
der Häretifer genüge, eine einzige Kirche Zeugniß von der 
apoſtoliſchen Lehre ablegen zu laſſen. Zu diefem Zwede muß 
er die apoftolichen Kirchen unter einander vergleichen, um 
eine ausfindig zu machen, welche ein alle andern weit über— 
vagendes Anjehen hat und als die Repräfentantin aller übrigen 
gelten Kann. Diefe eine Kirche ijt ihm bie römiſche; mit 
ihr jtimmen alle andern Kirchen überein.” 

Aber, jagt man, convenire heikt doch Örtliches Zuſam— 
mentonmen; zumal wenn es mit ber Präpofition ad in 
Verbindung jteht. Ganz recht; biefe Örtliche Bedeutung hat 
convenire auch, aber nicht allein, und ob es diefe Be— 
deutung in einem Satze hat, muß dod wohl der Zujammenz 
hang und Sinn entjcheiden. Zudem finden ſich in demſelben 
Werke des Irenaus mehrere Stellen, wo convenire gleich: 
jalls geiftiges Uebereinſtimmen bezeichnet und dem griechiſchen 
ovgpoweiv entſpricht; ſo l. III. c. 12 n. 14; 1. IV. e. 21 
m. 3. Mas aber die Praͤpoſition ad angeht, jo erzeugt die— 
ſelbe feine Schwierigkeit, indem im Urtept ſowohl anugeveiv 
als auch auuBaiveıw eög rıra geftanden haben kann, was 

uxxxxiv. 2 


























896 Stalien. 


radezu überwältigend wird, wenn man bedenkt, wer der Mann 
war, der e8 abgegeben, und zu welcher Zeit es niedergelegt 
worden ift. Aus ber Urzeit des Chriſtenthums ſchallen dieie 
Worte zu uns herüber und bringen mit fich die troftreihe 
Gewißheit, daß unfere römiſch-katholiſche Kirche, die ben Papfi 
als Oberhaupt anerkennt, die allein wahrhaft chriftliche iſt 
benn ubi Papa, ibi Ecclesia ! n. 


LXX. 


Italien ſeit dem Schluß des Parlaments im Monat 
Juli 1884. 


Kaum hatten die Ehrenwerthen von Montecitorio die 
von einer wahren Glühhitze heimgeſuchte Stadt Nom Anfangs 
Juli diejes Jahres verlaffen, als die italienifche Preffe ſich 
in einer geradezu unerhörten, aber nicht ganz unverbienten 
Kritik über die Herrn Abgeordneten erging, Schon am 
9. Juni hatte die jüdische „Liberta“ geſchrieben: „Unfer 
Mitleiden erregt die Kammer in diejen Tagen. Nur wenige 
Deputirte jind vorhanden und dieſe langweilen ſich und ver: 
geuden die Zeit. Minifter und Nammer beigen das gleiche 
Intereffe daran, aus diefem Meer, oder, um mit Dante zu 
veden, aus biefem Sumpf herauszukommen.“ In der That 
glih die Kammer zeitweilig einem Sumpf. Man erinnere 
fi) nur an die geradezu ffandalöjen Auftritte vom 28. Juni, 














angertoniten. Uber auch die Thalſache ſoll nicht vergeſſen 
werben, daß das neapolitanifche Volk für die Tätigkeit ber 
tatholiſchen Geiftlihfeit einen empfänglichen Sinn an den 
Tag legte, der die Männer des Umſturzes ftaunen machte, 
Nicht weniger denn ſieben Priefter der Stadt Neapel, unter 
ihnen ein Gapitular der Domkirche, Daniel Mafıcct, find 
dem MWürgengel ale Opfer gefallen. Ihre Werte folgen 
ihnen mad. Auch König Humbert machte ſich bei ver Kunde 
vom Ausbruch der Cholera alsbald von feinem Sommerauf 
enthalt in Monza auf und begab fi nad Neapel zum Ber 
fisch der Cholerakranken. Leider iſt za conftatiren, daß der 
Minifter des Auswaͤrtigen, Mancini, bald darauf bie Rolle 
eines Chef de elaque übernahm, wie die „Tribuna* fich 
auszubrücen beliebte. In einer an die italieniſchen Gefandten 
gerichteten Depefche ſchlug der Herr Minifter aus der Cholera 
Capital für bie Einheit des Mönigreiches Italien. „Ein its 
würbiges Dokument,” bemerkte die „Eapitale*, mit dem Bei⸗ 
fügen: „aus efender Gitelfeit und um der Welt Fund zu thun, 
daß Manciniden König in die Eholerabofpitäler begleitet Hat, 
wird das Oberhaupt des Staates beleidigt und das ganze 
Land zum Gejpött Europa’s gemacht.” 

Rom ift glücklicherweife von der Seuche verfchont geblichen, 
nur vereinzelte Faälle famen vor. Daß beim Hereinbrechen 
ber Noth die römifche Geiftlicheit dem Teuchtenden Vorbild 
ber Neapolitaner nachgeeifert haben würde, unterliegt keinem 
Zweifel. Der Generalvifar des Papites, Lucido Cardinal 
Parocchi, Hatte kaum in Erfahrung gebracht, daß ſich im Milie 
tärbofpital ein cholerakranker Soldat Kefinde, als er fich aufs 
machte, den Patienten befuchte und tröftete Gleich darauf 
wollte der Garbinal das ftädtiiche Lazareth in S. Sabina 
ebenfalls zu dem naͤmlichen Zwech betreten. Doch fiche ba, 
er wird mit ausgefuchter Höflichkeit abgewiefen. Selbft die 
Ulberale Preffe hat biefe scortesia der Beamten im römijchen 
Siadilazareih hoͤchlichſt mifbilligt. Aber auch der Hi. Vater 
ſelbſt Bat in dentwürdiger Weile feiner Liebe zu feinen Unter« 





904 Yialiert. 


thanen — denn Nom ift und bleibt bie Stadt des fonveränen 
Papſtes — Ausdrud gelichen, indem er in einem Schreiben 
anıden Cardinalſtaatsſekretãr Jacobini die Summe, von Einer 
Million Lire zum Zweck den Errichtung, eines: Choleralaza- 
veihes in der Umgebung des Vatikaniſchen Palaſtes zur Bers 
fügung ftellie, und fich außerdem vorbehielt, eintretenden Falles 
auch ven altehrwurdigen Palaft des Lateran dem gleichen 
Zweck zu widmen. Es kann feinem Zweifel unterliegen, dab 
der hl. Bater, wen bie Cholera fih in Nom ansgebreitet 
hätte und das Lazareth beim Vatilan in's Daſeyn getrelen 
wäre, feine Wohnung  verlaffen und die Eholerakranfen bes 
ſucht und getröftet haben würde, wie das im Jahre 1837 
erh Gregor XVI. gelhan hat Begreiflicher Weife konnie 
der italienifchen xiberaliomus diefe Gelegenheit nicht vorũber⸗ 
gehen laſſen, ohne dem HI. Bater ein Schnippchen zu ſchlagen. 
Da fahen wir einen ſichern Profeffor Achille Gennarelli auf⸗ 
treten. und im „Popolo Romano“ unter. der Weberjchrift 
„Due Papi e due Re‘ jenen lächerlichen und verläumberie 
ſchen Artikel veröffentlichen, welcher Gregor XVI. und Pius IX, 
mit ſchwarzen Schatten bebeden, ben König Umberto aber 
wie eine Lichtgeftalt erfcheinen laſſen jollte. In Erwiberung 
auf ‚eine boshafte Gorrefpendenz dev weiland „Augsburger 
Allgemeinen Zeitung” meldete das „Diario di Roma‘ unter 
dem 19, September 1837, Gregor, XVI. babe ſich angeſichts 
der Cholera ſowenig in feinen Palaft eingeichloffen, daß er 
ine Gegentheil in furchtloſeſter Weiſe öffentlich ſich gezeigt, 
am. 6. Auguſt in Begleitung des gejanunten Hofftaates ber 
Mebertragung bes Muttergottesbildes von Maria Maggiore 
nach AL Geh, der Hauptlirche der Jefniten, beigewohnt und 
die beiden Lazarethe zu S. Maria in Zrajpontina und bei 
©. Praffeve mit feinem Vefuch beehrt habe. Was Pius IX, 
anlangt, fo lebt noch in aller Andenken, wie der hl. Bater 
bei dem zweimaligen Auftreten. der Cholera wiederholt ‚bie 
an ber Seuche Erkrankten deſucht und getröftet Hat. Man 
brauchte Pins IX. mit feinem „mahrhaft goldenen Herzen“, 














Hatten. 209 


Einen ganz unerwartet glücklichen Ausgang hat die leidige 
Affaire des Erjefuiten Eurct genommen. Als die Inder: 
esmgregation Ende Mat 1884 feinen „Holzwurm* verbot, 
nahm Curci ſich die freiheit, an bie Londoner „Kimes“ cin 
Schreiben zu richten, in welchem er bemerkte, fein Buch ſei 
verboten, aber durchaus nicht wegen Ketzerei verurtheilt, Das 
ging doch zu weit. Deßhalb richtete der Papft am 28. Aus 
guft an den Erabifchof von Flotenz (wo Eurc fi aufhält) 
das mit ben Worten „Cum ad Venerabiles Fratres Nostros" 
anbebende Schreiben, in welchem er das über Curci's Bud) 
ergangene Urteil vollauf beftätigte. Diefer Brief hat jeine 
Wirkung nicht verfehlt. Um 15. September 1884 überfandte 
Curci dem Redakteur der „Unit Cattolica“ eine ErHlärung 
ein, in welder er ſich dem Papft feierlich und rüdhaltslos 
unterwarf. 

Auch anderwärts war der hi, Bater bemüht in die hoch⸗ 
‚gehenden Wogen menfchlicher Leidenſchaften einzugreifen. „Sebt 
die Ehriften, wie fie einander lieben“: fagten vor Alters die 
Heben. Ob fie die nämlihen Worte gegenüber gewiſſen 
Reuten in Frankreich anwenden würden, welche das Intereſſe 
der Religion mit perfönlichen Rückſichten verwechſeln und 
das Andenken eines Mannes wie Dupanloup mit Schmach 
zu bedecken wagen? In einem denkwürdigen Schreiben an 
den Cardinal · Erzbiſchof Buibert von Paris vom 14. Nowember 
gebietel Leo XIII. dieſem traurigen Treiben energiih Halt 
und "fordert Beilegung perjönlicher Streitigkeiten, um bie 
Sache der Neligion deſto energijcher fördern zu können, 

‚Ziehen wir das Facit aus diefen und anberen Erfahre 
ungen ber jüngften Zeit, dann dürfen wir behaupten: Mit 
weit größerer Ruhe als das Königreich Italien kaun der 
Papft der Zukunft enigegenjehen. 

























































































“Stanford University Libraries 
Stanford, California 


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