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Hiftorifch-politifche Blätter
für das
Eatholifhe Deutſchland.
Des Jahrgangs 1884
Zweiter Band
Hiftorifd-politifche
Blätten
für das
katholiſche Deutſchland
herausgegeben
von
Edmund Jörg und Franz Binder.
(Eigenthum der Familie Görres.)
Vierundnennzigfter Band.
— En —
Münden 1884.
In Commiſſion der Literarifch » artiftifchen Anftalt.
a a8
Juhalteverzeichniß.
Die Sprachenfrage in Oeſterreich
Nenaiſſance und Dominikaner-Lunft (Schluß) .
Zur römiſchen Frage
Was zieht und nad) Rom?
deitlaufe.
Weltmachte und Continentalmächte! (Bu dem
verſchriecnen G.-Mrtifelder „Zortnigätlg-ebiem“)
Der dramatiſche Dichter 8. F. Weikum
Die Sprachenfrage in Defterreih (Schluß)
Bur dandwerter · Frage
Das Beitalter der aufgeklarten Selbſtherrſchaft
107
XXI.
XXI.
XXIV.
ANVIL
xxviii.
XxXxix.
Zwei Schrifthen, welche man ſelbſt leſen muß
1) Eugen Jäger: da8 Genoſſenſchaftsweſen.
2) Julius Bachem: über den — Cul⸗
turkampf
Ein Bild aus dem proteſtantiſch-kirchlichen Leben
(Aus dem Großherzogthum DOfdenburg)
Herder's Juuftrirte Bibliothek der Lünder- und
Volkerkunde.
(8 Kayfer'3 Yegpten.) II. (Schluß)
Die Tage von Tribur und Canojia .
. Natur und Uebernatur
Der hi. Altjrid, vierter Vifdof von PEaRIR
und Gründer der Stadt Eſſen
Beiträge zur Geſchichte des 3Ojährigen Krieges 1.
Zeitldufe.
Die Mächte wegen Aegyptens auf der Londoner
Gonferenz. — Der „Eoupon“ . “ A
. Ein Buch für Gebildete
. Die Tage von Tribur und Canoſſa (Chluf) .
. Das tatholiſche deutſche Kirchenlied .
Beiträge zur —— des ine arie⸗
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XLIV.
Ter franzöfiihe Berjafiungs-Nevifions-Tengreh
‚Beitläufe.
Das geiprengte „Concert“; das Haberfeldtreiben
gegen England; die deutſche Eolonialpolitit
Neuere Eriheinungen auf dem Gebiete der Phi⸗
loſophie.
Tr. Paul Haffner, Grundlinien der Geſchichte
der Philofophie © 2 ne
Reitebilder aus Schottland ER var
Die Reiffogung des jeligen Bruders Hermann
von Senin Be .
Veimäge zur Geibihre des jährigen Krie—
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Ausihmüdung deö Kaijer-Toms
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m Troseitanien: et
„Alzereine Zeitung“ über die
L. Ei: Vdileioddie der Narr
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Die Weiſſagung des jeligen Bruders Hermann
von Lenin (Schluß) Are ap
Gorrefpondenz König Ludwig's L von —
mit Eduard von Schenk . h
Beitläufe,
Bor den neuen Wahlen zum Reichstag
Eine deutſche Literaturgeſchichte
Grugier.)
. Haſar's literarhiſtoriſches „Bergikmeinnicht”
Ludwig Richter .
. Eorrefpondenz König Ludwig's I. von Bayern
mit Eduard von Schent (Schluß)
Der Entſcheidungsktampf gegen deu Libera—
lismus. 1. — er . .
Die — der — in
Frankreich .. De er
Beitläufe.
Die neuejten Streiter gegen den Staatsſocialis-
mus: Wilhelm Maier. Dr. Albert Maria Weiß
O. Pr. Freiherr von Hertling .
Bon meinem Novitätentiſch
(Thaufing. Hettner. 2. Kaufmann. Safner)
Bom Vatitaniſchen Archiv.
I. Der deutſche Gampo Santo in Rom
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394
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LIX.
LX.
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LXII.
LXIV.
LXV.
LXVI.
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Die Neſtauration des Eichſtädter Doms .
Der Entigeidungslampf gegen den Liberalis-
mus. IL Echluß.) ah e)
Die Großfinanz und der Heine Mann,
(Bon jenſeits der Grenze) :
Albrecht Dürer’s — der Reiſe in die
Niederlande . . 4
Vom Vatikaniſchen Archiv.
II. Neuere Publikationen aus dem Vatikaniſchen
Arhiv (Schluß) en
NRapinger's Geſchichte der kirchlichen Armenpflege
Rüdblick auf die Verhandlungen der ohenenn
ungariſchen Delegationen. I. . .
Kionardo da Vinci.
1. Biographiſches
Zeitläufe.
Der neue Reichstag; Rüdblid auf die Wahlen
Alban Stolz
Ein alter Bildereyklus über das Leben ber Er
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737
756
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LAVIIL Lionardo da Vinci.
LXIX.
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LAN.
LXXIV.
LXXV.
II. Aũnſtleriſches Streben —
IIL Literariſches Wirlen
Das Zeugniß des heiligen Irenäus für den
Primat des römischen Biſchofs B
(Die ftreitige Wort-Interpretation.)
Italien feit dem Schluß des — im
Monat Juli 1884 Pr r —
Rüdblid auf die ee der —
ungariſchen Delegationen. II.
Geſchichtslũgen
Zeitläufe.
Congo⸗Conferenz in Berlin; Dampfer-Subven⸗
tion und ſociale Beziehungen . a
Zur Naturphiloſophie
Poetiſches.
6. P. Norbert Stod .
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Die Tage von Tribur und Canoſſa. 317
a) vor allem muß Worms dem Bijchef zurückgeſtellt
werden;
b) die Geijelu der Sachfen müſſen freigelajjen werden;
€) der König trennt jih von den gebaunten Räthen;
d) dem Papit ſoll er unverzüglich fchriftlich ſchuldigen
Gehorſam, Genugthuung und geziemende Buße verſprechen
(debitam oboedientiam yatisfactionem et dignam poe-
nitentiaın se servaturun);
e) der König jelbit ſoll ſich bis zur Ankunft der päpſt—
lichen Antwort und Reconeiliation nach dem Rathe der Fürs
ſten verhalten.
Das Schreiben an den Papjt wurde jofort zwijchen
Heinrich und den Fürjten vereinbart und in Gegenwart der
letzteren gejiegelt (Abhinc litteras, juxta quod condixerant
inter se compositas et in praesentia eorum sigillatas),
und durch den Biſchof von Trier nah Nom geſandt. Nach
Schluß dieſer Verhandlung verpflichteten ſich die Fürften,
ehe jie auseinandergingen, noch gegenjeitig eidlich, daR, falle
Heinrich) durch cigene Schuld über ein Jahr im Banne
bleibe, jie ihn ferner nicht mehr als König anerkennen wer
den. (Insuper ut regem ad apostolicae sedis oboedien-
tiam perfectius constringerent, ante quam ab invicem
discederent, conjurabant, ut si culpa sua ultra aunum
excommunicatus perduraret, ipsi eum ulterius regem
non haberent.) Außerdem verſprachen jie ſich gegenfeitig
Hülfe, falls der König wegen des Vorgefallenen an einem
aus ihnen künftig Race nehmen wollte.
Weit unglaublicher lautet Bruno's Bericht über unfere
Verhandlungen. Nach ihn wollten ſich die Fürſten mit dem
König nur unter der Bedingung in Unterhandlungen eins
lajjen, wenn ev verjpreche, alles thun zu wollen, was jie von
ihm verlangen würden (. . . ea conditione, si vellet im-
plere cuncta, quae ei nostrates facienda proponunt). ')
1) Pertz I. c. p. 368.
Die Tage von Tribur und Canofja. 321
Deum, ut det vobis virtutem corroborari per Spiritum
sanctum in nomine ejus; et convertat cor regis
ad poenitentiam, ut et ipse aliquando coguoscat,
nos et vos multo verius amare eum, quam qui nunc suis
iniquitatibus obsequuntur et favent.’) Hier ift nirgends
von Entjegung die Rebe, jondern überall nur von Buße;
und ber Papſt wünjcht jehnlichft, daß es ihm möglich werben
möchte, auf Grund berjelben den König möglichjt bald wie-
der mit der Kirche auszujöhnen. Ja unter dem 3. Septem=
ber jieht ſich Gregor geradezu veranlapt, die Thronrechte des
Königs gegenüber ben Fürften in verhüllter Weiſe in Schug
zu nehmen. Wie anders wollte font folgender Erguß ver-
ftanden werben: monemus vos in domino Jesu et rogamus
sieut carissimos fratres: ut eum benigne, si ex toto corde
ad Deum conversus fuerit, suseipiatis et circa eum non
tantum justitiam, quae illum regnare prohibet, sed mise-
ricordiam. quae multa delet scelera, ostendatis. Estote,
quaeso, memores humanae conditionis et communis fra-
gilitatis: nec vos praetereat pia et nobilis memoria pa-
tris eius et matris, quibus non possunt nostra aetate ad
imperii gubernacula inveniri aequales?) Id Tann mir
diejes Schreiben überhaupt nur als Antwort denken auf die
auf dem Ulmer Gonvent verlautbarten Abjichten der deutjchen
Züriten, und glaubte daher genannten Convent in den Anz
fang des Monats Auguſt verlegen zu müſſen.“) Dort war
zum cerjtenmal offen die Abjicht ausgefprochen werden, den
König zu entjegen und eine Newmvahl vorzunehmen und zwar
ſollte dieß jehon am 16. Oktober zu Tribur gejchehen. Hievon
war auch der Papft unterrichtet und zu genannten Fürſten—
tag eingeladen werden; nun mahnt eraber mit obigen Wor—
1) Jaffö 1. c. p. 540.
2) Jafe 1. c. p. 243.
3) Ofr. oben ©. 311.
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— ERFEAREL
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508 Die Malereien im Frankfurter Dom.
und Symbolen dargeftellt, blicken aus ben Bogen bes Längs—
ſchiffes herüber. Sonne, Mond und Sterne erleuchten den
Schauplatz der weltbewegenben eier, die fih ba unten im
Dome abfpielte. Es ift nicht möglich, ohne Situationsplan
den Reichthum ber Hier zum Ausbrude gebrachten Ideen zu
bejchreiben. Und doch hat Linnemann es verftanden, in das
Ganze eine Harmonie und großartig wirkende Ruhe zu bringen,
die den Eindruck eines prächtigen überwältigenden Schmuckes
hervorruft, über deſſen Einzelheiten man fich erſt Rechenfchaft
giebt, wenn man — Kunſtſchreiber ift. Linneman hat bier
einen Schmuck hingezaubert, der uns Tebhaft an die Alten
erinnert, vor deren Bildern wir heute ftehen und uns die
Zähne ausfnaden, wenn wir fragen, was Jedes ba bedeute.
Das Ganze wirkt ald Schmud. Das Einzelne hat feine
Bebeutung. Daß fie nicht verloren gehe, dafür forgt hoffent-
lich eine gute Beſchreibung, die jedem Dombejucher in die
Hand gegeben werden mag.
Nun hätten wir noch über die Glasfenfter des Quer—
ſchiffes zu berichten. Allein fie find noch nicht, mit Ausnahme
dreier, vollendet. Wir erfparen ung daher dieſe Beichreitung,
bis wir auch von der eben in Arbeit befindlichen Ausmalung
des hohen Chores als res facti berichten Fönnen. Wenn wir
noch einen Wunfh für das Querſchiff haben, jo wäre es
der, daß des ganzen Uebrigen würbige Altäre in demſelben
Platz fänden.
Vreußiſche Kirchenpolitik. 513
zwiſchen Staatsminifterium und Oberfirchenrath im Wefent-
lichen ein Ende gemacht. Nicht fo in den übrigen Provinzen,
namentlich in Hannover, Kurheſſen, Schleswig-Holftein und
Naſſau. In Betreff ver evangeliſchen Kirchen dieſer Provinzen
hat vielmehr das Falk'ſche Regiment, trog aller vom
Minifter im Herrenhauſe gemachten Erfärungen, jedes
Titelden von Gewalt forgjam feftgehalten. Als
dann vor einigen Jahren bie Hannover'ſche Synode Anträge
auf Befeitigung biefes Mißjtandes und Gewährung größerer
Selbftftändigfeit ftellte, wurde als Vorbedingung eines Ein=
tretens in bie Erwägung derartiger Anträge bie Zuftimmung
der Synode zu einer Abänderung der Hannover'ſchen Synobals
Ordnung im mobernsliberalen Sinne geftellt.
Im Uebrigen ſtellt fich das Fall'ſche Syſtem, deffen Faden
man fortzufpinnen bemüht ift, lediglich als die vollbemußte
Ausbildung der preußiſchen Kirchenpolitit auch auf evangelifch-
Tirclichem Gebiete dar. Allerdings hat, wie Hr. Bachem be
merft, auf biefem Gebiet die Begünftigung der kirchlichen
Or thodoxie mit der Begünſtigung des kirchlichen Liberalis-
mus und Ratienalismus gewechſelt; aber auch in dem
Wechſel ift das unwanbelbare Princip feftgehalten worden,
daß die firchliche Lehre und Verfaffung dem Staatsintereffe,
wie das jeweilige Regiment daſſelbe verfteht, untergeordnet
fei und nöthigenfalls, wie bei der Unirung in Schlefien, die
Kirche mit Hilfe der Bajonette zur Etaatsraifon zu be—
kehren fei, fobald fie diefer, fei e8 auch auf Grund Firchlicher
Glaubenstehre, ſich nicht unterwerfen will.
XLI.
Zeitlänfe.
Die Mündener „Allgemeine Zeitung“ über bie
Freimaurer ei.
Den 24. September 1884.
Die große Encyklika des heiligen Vaters humanum
genus vom 20. April d. Is. über die „Freimaurer-Sekte“1)
und bie Nebe des hochwürdigſten Herrn Fürſt-Erzbiſchofs
von Salzburg bei der Katholifen-Verfammlung in Amberg
haben die Diskujjion für und wider die Loge neuerdings
wachgerufen. Unter Anderm bat das obengenannte Organ
in einem Leitartikel?) die Rede des Herrn Erzbiſchofs in
einem höhniſchen und geifernden Tone angegriffen, der aller
dings nicht mehr verdient, als daß wir ihm zum Anlaß
nehmen, einige Bemerkungen daran anzufnüpfen. Zu gleicher
Zeit, und alfo zu rechter Stunde, ift auch ein neues Werk
‚über die Freimaurerei erjehienen ) das fehr geeignet ift, als
Leitfaden durch das Labyrinth der unerfhöpflichen Freimaurer—
Controverſe zu dienen.
1) Die Enecyklika ift im Urtert mit deutſcher Ueberjepung bei Das—
bad) in Trier (Baulinus-Druderei) erichienen.
2) „Der Amberger Katholiken-Congreß“ I. j. Münchener „ALIg-
Zeitung“ vom 15. Gept. 1881.
3) Dr. Otto Beuren: „Die innere Unwahrheit der Freimaurerei.”
Mainz, Kirchheim 1884. Stn. 179.
Bogen der Freimianrereh, 51T
ea teilnahmen, ſolgendes Ations:
anf: „Was in Frankreich und im Norden zu
Ahun: «6 ift mit allen Mitteln auf die Enichriſtlichung bin«
—— namentlich aber iſt der Katholicismus allmählig
alle Jahre durch neue Gejege gegen den Klerus zu feileln.
Im act Jahren wird man mittelft des Laienunierrichts ohne
Gott eine atheiftifche Generation befigen. Aus derſelben
laßt ſich ein Heer bilden, das man nad) allen Theilen Europa's
ausſenden Tann. Das Hauptaugenmerk der Bewegung ift
auf den Norben zu Ienfen, demn die bortigen Souveräne
figen noch am fejteften und jtügen ſich auf ftarfe militärtjchen
Inftiintionen. Wan muß den militärifchen Geift im diefen
Ländern zu ſchwächen fuchen. Man wird jedes Jahr und
überall Aitentate auf Könige machen, Wenn im Laufe von
acht Jahren die Könige noch nicht alle verſchwunden find,
jo werden doch die Monarchien vermindert ſehn.“ Auch
Spanien teird diefen Verfahren dringend empfohlen; insbes
jeubere joll der Klerus, weil er dort populär jei, „mit allen
Mitteln diserebitirt werben.” )
Bon Jialien heißt es in dem Programm; „dort wird
Bold die Nepublit entftehen, dafür braucht man Feine Sorge
3u Hragen.“ Uber gerade in Stalien find und waren die
Garbortari, und wie alle dieſe politijchen Geheimfekten heißen
mögen, nie etwas Anderes als Unsläufer des Freimaurer
Drdens, der das Regiment darüber in der Hand hielt. Wir
Tonnen uns dafür auf das Zeugniß der Münchener, früher
Augsburger, „Allgemeinen Zeitung“ felbft berufen. Unter
dem 21. December 1862 ließ fih das Blatt aus Zurin
färeiben”); „Die Zahl der italtenifchen Freimanrer kann
gegenwärtig ficherlich auf 60,000 Brüder gejhägt werben,
velche ihre Befehle von bier, der Hauptſtadt der italieniſchen
1) Ans der Schrift des Biihefs von Grenoble: „Le secret de In
Frane-Magonnerie® f. Berliner „Bermania* de 18. April 1884.
H) Augsburger „Allg. Zeitung“ vom 25. Dec. 1882.
einerecht .. Die unterirbifce Tpätigfeit der Rabitafen findet
erbingd worzugsweife im den freimaurerlogen une mitteljt
berfelben ftatt. Die Freimaurerei hat allerdings in deſpotiſchen
Staaten, zumal den tathelifhen und romaniſchen, Häufig zu
m und religiöfen Zweden gedient. Dah fie aber in
dem neuen Italien alsbald wieder einen politiiden Charakter
annahm, daran trägt merfwürbigerweife ein Mann, welder ſich
gerade in der Bekämpfung Mazzini's, in der Agitation für die
Monsrie beſonders hervorgethan Hatte, einen guten Theil der
Su‘)... Im den leiten Jahren ift die Freimanrerei volle
Mändig im bie Hände der Nabdifafen gefallen, und man darf die
Loge Heute gerabezu als einen über das ganze Yand ausgebreis
feten raditalen Club betrachten. Die Oppofition ſpricht im
Barlantent und im dem Theil der Preffe, wozu fie fih offen,
fozufagen officiel, Selennt, nur ihre eroterifhen Gedanken aus z
‚aber bie efoteriichen Lehren äußern fih im Innern der Loge,
im füllen Berfehr der Bundesbrüber, und auch da gibt es vers
iiebene Grabe der ‚Wilfenden‘. Zu der Weisheit ber am tief
fen Eingeweihten gehört jedenfalls nicht die Ueberzeugung von
ber Güte der conftitutionellen Dionardie”.?)
Was joll es nun heißen, wenn ber Angeiferer des Herrn
Erzbijheis behauptet: jeitvem bie franzöfjche Nevofution ben
Bolksrehten zur Anerkennung verholfen habe, jei „das Kreis
1) € ift Lajarina gemeint, der Gründer umd Vorſtand des
„ftatienifhien Nationafvereins*, welchet dieſen Verein, „amftatt
Uhe, nad) der Erreiung ded Zwedes, nämlich der Heritellung
eines Königreiches Italien unter der ſavoyiſchen Diymaftie, aufs
zuldfen, in eine Freimauter · Loge umwandeln zu follen glaubte,“
Man ficht, wie einfach ſich derfei Metamorphojen vollziehen!
2) Augeb. „Allg. Zeitung“ vom 22. Auguſt 1869. — Der ins
tereffanten Correjpondenz entnimmt Hr. Dr. Beuren bie Er-
aöhlung dom er Verkegung eines wichtigen Antsgeheimniffes
durdı einen Beamten der Kanzlel des inanzminifteriums: „Als
der Diinifter dem Beamten eine Erklärung des jeltjamen Bom
Tas abverfangte, warf fich ihm diefer zu Füßen und bat if
‚weinend um Nachjicht: er ſei Freimanrer, und dürfe vor feinen
‚Dbern fein Geheimnik haben.”
Begen der Areimnurerei, 521
der „Ag. Zeitung“ indirett zu.) Er brüdt das mit den
Worten aus: „in Belgien Habe die Maurerei das Gegenges
wicht im bie leere Schale legen müfjen, damit nicht unter
ber Schuße der freieften Verfaſſung ein Kirchenſtgat mit
ugminellem König (1) an Schelde und Maas entſtehe.“ Als
vor 21 Jahren der mächtige Großmeifter aller belgiſchen
Logen Theodor Verhargen, Bürgermeifter von Brüfjel und
Gurator der dortigen Univerfität, ftarb, Hat fein intimer
Freund Karl Grün in der Berliner „Deutfhen Wochenſchrift
Nr. 3 dem „liberalen Volfstribunen und bürgerlichen Demagos
gen“ einen warnen Nachruf gewidmet. Hier ſpricht fih Hr.
Grün über das Verhäliniß zwiſchen der Freimaurerei und
ben Kiberalen Parteien präcifer und den heutigen Vorgängen
enijpredhend dahin aus: daß „der Liberalismus des aufge ⸗
Härten Bürgertfums, perfontftcirt in den Logen,
nach Regierung und Herrfcaft ſtrebe.“
Das ift die Wahrheit. Die Loge will neben dem nonis
mellen König auf bem Throne ſitzen, das Bolk foll die misera
contrihuens plebs und ihre Gegner, bie Katholiken, jollen
Heloten jegn. Darum hatte ſich auch bie Loge, und insbefondere
‚Hr. Berhargen, um ben belgiſchen Unabhängigfeitsfanpf kein
Berbienft erworben. Hr, Grün findet das leicht erklärlich,
indem er weiter erzäßlt: „Als Belgien feine Befreiung von
denn Holländijchen Joch erftritt, war Verhaegens Pathos (das
er nämlich in jeinen Univerfitätsreden vol „glühenden Haffes
gegen bie Kirche" entwidelte) durchaus nicht im Spiele. Er
4) Mit etwas anderen Worten bat die Wiener „Nene freieBreffe"
vom 7. Auguſt 1874 das Verhältnig bezeichnet: „Die Richt⸗
geftattung de$ Freimanver-Ordens in Defterreich hat Gier in
liberalen Sreiien ſaunerzliches Staunen erregt, Wie Sie willen,
fest die Freimaurerei noch immer in Hoher Achtung. Die Logen
Bilden eigentlich eine politifche Borſchule, da falle Tages ·
fragen in den Sihusgen eimgehend berathen und beiprodien
Der Zufuß ber Jugend ift daher mod; intmer ber
‚Bentend, und es gibt feine Mittelftadt iu Belgien, die nicht wer
migftens Eine Lege befipt.”
Wegen der Äpreimaurerel, 523
u Rechenſchaſt zu ziehen und unerbittlich zu
Ueber dieje kecke Bloßſtellung erfchraden mehrere fremde
Löndifchen Groflogen, und eine Anzahl derjelben im Dewifche
Tanb brach ihre Verbindung mit ben belgiſchen Logen ab.
Die Berflimmung dauerte bis zum Jahre 1874; in biefem
Jahre beſchloß der beutjche Großlogen-Bund ſich ber Aufs
hebung des Verbois gegen die Erörterung poliliſcher und
zeligiöfer Fragen in ber Loge, vorbehaltlich, obengedachter
Glaufel, nicht weiter zu wiberfeßen. Das oppofitionelle Ors
‚gan ber Johannis:Manrerei in Leipzig, die „Baubütte” ju ⸗
belie, daß nun wenigftens dieſes Stüct maureriſcher „Heuchelei*
gefallen fei. Andererfeits bewog die eigene Erklärung der
Bogen, daß jie men den Charakter einer politifchen Vereinigung
angenommen hätten, den Verein ber Gentrumspartei in Ber:
fr in einer Petition an das preußiſche Abgeordnetenhaus
auf die rechtlichen Conſequenzen der Nenerung aufmerkſam zu
maden.?) Die Beweisführung ift unwiderleglich, daß die
Brieilegirie Stellung ber Freimaurerei ſich überhaupt und ins⸗
bejonbere von da an mit der beftehenden Rechtsordnung nicht
vertrage.
$.128 des Reicheſtrafgeſetzbuches müßten die Logen
genöiligt Werben, alle Gelübde des Gchorſams, foferne fie
unbedingt ſind cber auf unbefannte Oberen fich beziehen, fos
nie ihre Heimlichteit fallen zu laſſen, und „in Anbetracht
Ähres Yolitifchen Charakters müßten die Beftimmungen des
Bereinsgejehes in Beireff ber Ueberiwahung ber eine Eins
oirking auf öffentliche Angelegenheiten oder bie Erörterung
peter Gegenftände bezwedenden Vereine, ſowie der, Bes
1) Berliner „Bermania” vom 13. und 14. Oftober 1874. — Das
befreumdete Ylatt hat damals eine Reihe von Artitein unter
* „Die Kreimaurerei und die preutiſchen efepe“
2) Daß intereffante Dokument ift im Anhange zu der Scheift des
ie Beuren abgedrudi.
Bifofople der Natur. 529
Nothwendigleit involdirt, mämlih erſtens bie
+, DE unter gewiſſen Bedingungen etwwas Ber
ige, und zieeitend die Nothwendigkeit einer bes
Form des Geſchehend. Die Gefege ber chemuſchen
em j. B. enthalten erſtens bie Nothwendigleit, daß
Br Stoffe unter beftimmten Bedingungen fi chemiſch vers
"binden, und zweitens bie Nothwendigkeit, daß die Verbindungen
it geisiffen und conftanten Proportionen. ſich bilden. Ebenſo
venthäft das Lichtbrechuugogeſeh ſowohl bie Nothivendigkeit, bakı
ber Lichtfirapl, wenn gewiſſe Bedingungen gegeben find, gebrochen
wird, als auch bie Nothwendigkeit, daß ber Quotient aus dem
Sinus des Einfals: und Predungswintels conflant Heißt, fo
fange die in Betracht Lommenden Medien biefelben find, Es
dürfte fi empjeßfen, dieſe zisei Momente ber Naturgefehe,
nämlich die bebingte Notwendigkeit, dak etwas gefchehe, und
bie Nothwendigleit, daß dieſes Geſchehen im einer beftimmten
Form ſich vollziehe, mit befonderen Ausbrüden zu bezeichnen.
Man könnte etwa das erftere das materiale, und das letztere
ba formale Montent nennen. Bei der wifenfhaftligen Kormu:
Hirung der Naturgefehe wird häufig mur das formelle Moment
ausbrüdlich hervorgehoben. Die matgematifhe Formulirung entz
Hält immer nur das formelle Element.
Auch P. Peſch Hat nur das formelle Element des Natur:
gefehes hervorgehoben, indem er Do, I S. 255 von demfelben
jagt: „Es ift ein beſtimmendes Princip, eine Urſache, vermöge
welger bie Ausführung jo und nicht anders if.” Daß «s
aber mothiwendig fei, jene zwei Momente im Geſetze zu unter:
fchelden und anzuerkennen, zeigt ſich befonders deutlich bei ethi—
fen und politiihen Gefehen; denn einige davon enthalten beide
"Elemente, andere nur das formelle. Die Strafgefeke 3. B.
isreiben vor, fowohl daß, als auch wie gefeßwibrige Hands
Tüngen beftraft werden follen. Die Ehegeſehe dagegen fhreiben
nice vor, daß, ſondern bloß wieder Chebund geſchloſſen werben
folle, Wenn etwa gefragt wird, ob es and) in ber phyſiſchen Welt
‚Tale: Gehege gebe, welche bloß die Form eines Geſchehens,
aber nı = das Reue ſelbſt Geftinmen, fo muß nad unferer
554 Wilhelm IIL von England und die Katholifen.
in Ryswyck ſich ſchuldig gemacht, ſank hinab auf den Etand-
punft eines gewöhnlichen Engländers der damaligen Zeit.
Wilhelm III. fanktionirte die Beſchlüſſe des proteftantifchen
Parlamentes von Jrland. ?)
Die Nachrichten der Sanktion ber irifchen Bill und des
Friedensſchluſſes zwiſchen Kaifer und Reich einerfeits, dem
Könige von Frankreich ambererjeits, trafen mit derſelben Poſt,
in den erften Tagen des Monats November, vom Haag her
in London ein.
Bereit8 am 5. November redete der König im Schlojje
Loo zu dem Faijerlichen Gefandten Auersperg wieder in einer
Weije, die feinen Boden übrig ließ für einen Vorwurf irgend
welcher Art wider den Kaifer. Er erwähnte der Ryswycker
Elaufel nicht mehr. Aus dem ganzen Verhalten jchloß der
Graf Auersperg, daß der König feinen unbegründeten Arg=
wohn habe fallen Lafjen.
Allein jene Sanktion in Betreff der unglücklichen Ir—
länder war gegeben.
Onno Klopp.
1) Ich Habe den Hergang ausführlich dargeſtellt im Fall des Hau—
ſes Stwart u. ſ. w. Bd. VIL 3.470 u. f.
* Die Lenin iche Beiflegung. 561
bie Zeitangabe der Emtfiehung des Vatic. in ihren Webers
füriften, die andere (wahricheinlich ältere) durch ihre eine
füchen Ueberſchriften und die Auslaſſung der Entftehungszeit,
ausgezeichnet und unterſchieden find, Die Unterjheidung von
angeblich Tatholifhen und angeblich proteftantijchen Abſchrif-
ten und die Behauptung, daß die letzteren durch Auslafjung
des Jahres 1300 und der 40Ojährigen Haudſchrift einen
Unglanben au bie Echtheit des Vatic. ausprücen, ift in das
Gebiet der Erfindungen und der Willkür zu verweilen. Dar
gegen müfjen wir daran jeithalten, dab die erſte Berbreitung
des Vatic. Leninense von Berlin ausgegangen ift, und
ba man dort die 100 Verſe jchon beiläufig 1641 nicht bloß
dem feligen Bruder Hermann von Lenin zugeſchrieben hat,
ſondern theilweife mit Seidel ſchon vor 1693 überzeugt war,
daß man die Biſion einem Manufcriptenbande ent
nommen hatte, welcher 1705 ſchon ein mehr als 400jähriges
Alter beanfpruchen konnte.
Wenn gejagt wird, Binterim habe ein Manufcript der
Seiſſagung gejehen, welches 400 Jahre alt war, fo wird
ſich diefes nicht näher beglaubigte Faltum darauf rebuciren,
daß das von ihm eingejchene Exemplar. ebenfalls die Seidel ſche
Meberfchrift geführt hat, wie jene Abſchrift, die von einem
Prälaten der Bursfelder Gongregation in der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts angefertigt worden jeyn foll.
Auf die beiden Behauptungen, M. G. David Mener
habe ein im Jahre 1431 vom Mönche Burghard in Lenin
auf acht Pergamentblätter geſchriedenes Manuſeript beſeſſen,
eldies ihm ein guter Freund entwendet, und Albert von
Brandenburg, Erzbiſchef von Mainz und Magdeburg (+ 1545),
Habe der Dombiblioigel in Mainz ein Manufcript des Vat.
geſchentt, ift beim Verdachte der Moftifitation auf Seite
Meyers und beim Mangel jeglichen pofitiven Nachweiſes
auf Seite des Cardinals entweder Fein oder doch nur ein
Äehr geringes Gewicht zu Legen.
Das angebliche Plagiat des Benediktimerpaters
foäter Profeffor in Thorn) bemerft im I. Theile Liefer
Schrift S. 2389 fi. „Bon biefem Großmächtigen Haufe
Brandenburg) joll in Lehnin, vormaligen Maͤrkiſchen Slor
fter, nunmehr Churfürſtl. Ambt, eine Prophezeiung gefunden
worden, welche mir, da ich in Berlin war, ein vornehmer
Freund?) abjchreiben laſſen. Ich will diefelbe aus dem Mas
nuſeripte, welhes nad meinem Wiffen bisher nicht ges
druckt geivejen, dem geneigten Leſer mitiheilen und denſelben
zur Branbenburgiichen Hiftorie verweilen, wenn er alles
deutlich zu erklären begierig it, unterdeſſen aber durch einige
dazu gejeßte Noten zur befjeren Berjtändigkeit Anlap geben.“
Es folgt mun mach dem Titel; „Vaticinium B. fratris Her-
manni, Monachi in Lehnin® — in 96 Berseilen bie
Weiffagung; die damals bevenflichen Verſe 51, 58, 80 und
83 find jedoch, wie jhon bemerkt, ausgelafjen werben.
Schulz behauptet zwar, er wolle die Prophezeiung aus
dem Manufcripte mittheilen, verfteht darunter aber ſicher wur
die von ihm im Berlin genommene Abjchrift, welche ſich
übrigens fchon im der Ueberſchrift durch ihre Einfachheit
auszeichnet.
Bon den Eommentatoren bat ſich unter ben Proteftanten
der teformirte Prediger Joh. Kafpar Weift in Lehnin (Schweiz
zer) mit feiner Schrift: Vat. metricum D. F. Hermanni,
Monachi in Lenyn, Berlin 1746, die meifte Anerkennung
erworben; er wird auch won Gieſebrecht gelobt und von Hils
genfeld Häufig etirt. Gegen ihn (pen „Erforjcher der Wahre
heit”) üft im Jahre 1808 der jegenannte Geſchichtsfreund“ )
aufgetreten, welchen die moderne proteftautifche Kritit mit Bes
Hagen, jebo mit Unrecht und ohne tiefere Begründung
1) Der vornehme Freund war wahr ſcheinlich Oberft Nathanael von
"Stapf, Neltor der Ritterafademie in Berlin, welder auch dem
Alph. des Bignofes eime Abfchrift mitgeteilt Hatte.
Sabell &. 69 und 70,
2) Ueber den Titel der Schrift vergl. weiter unten A.
Die Lenin’iche Weiflagung- 565
dem 17, Jahrhundert und die Widmung des Autors im
feinem erften Verſe:
„uume tibi cum cura, Lenin, cano fata futural'‘
Können wir jelbftwerftänblich nicht beibringen. Man hat ja
unter dem Kurfürſten Joachim IL, 1542 diejes alte, ehrwüre
dige und um die Gultivirung Brandenburgs jo verdiente
Gifterzienferftift nicht bloß aufgehoben, fondern auch deſſen
Titerarifche Schäge verſchleudert und verworfen‘) Hätte
Joachim II. (1535—1571) diefes Klofter, das nicht einmal
feine Ahnen, fondern die Asfanier geftiftet hatten, aus Pietät
beftehen laſſen, dann würde man fih um ben Autor, den
Drt der Abfaffung und die Authentie der 100 Verſe nicht
ſtreiten. Gerade durch die Klofteraufhebung hat man ſich
am bie vielgefuchten Beweismittel der Echtheit oder Unecht⸗
‚beit berjelben gebracht.
Die Tradition war niemals im Zweifel barüber, aus
welchen märkijcen Klofter das Geſicht und Gedicht hervor⸗
gegangen fei, denn faft alle Manuferipte, nicht bloß die
fogenannten Seidel ſchen, fondern auch die Nathanael Stapf:
ſchen (mern man fie jo nennen will), bezeichnen den feligen
Bruder oder Mönd Hermann von Lenin als den Verfaſſer.
Hermanme aber, denen man bie Abfaffung einer ſolchen
Schrift zutrauen kann, bat es, wie wir gefehen haben, im
ber 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in Lenin nachweisbar
wenigftens zivei gegeben,
Mit der conftanten Tradition jeit der 2. Hälfte des 17.
Zahrhunderts ſteht auch die Sache volllommen im Einkfange,
benm mach ihr ift im Jahre 1617, oder etwas fpäter bie
Weiffagung, um Die es ſich handelt, in einer Maueröffnung
des Kloſters Lenin aufgefunden worden. So ift zB. zu
‚Mser. Nr. 2483 im geheimen Staatsarhive zu Berlin mit
1) Ext (1. c. ©. 102) beflagt mit Leuthinget: si quid traditum
aut depositum fuit eraditum et seitu dignum, id una cum
bibliotheeis misere spoliatis omne interüt,
axxiv. 4
f
dieſelben am ben Kurfürften ein, welder fie
der gkeitorirche, der jegigen Domfirche übergab,
Aner dieſen Büdern und Dohmenten, zweiunds
ach tzig au der Zahl, befand ſich auch eine Handſchrift,
welche überfchrichen war;
„Vaticinium beati fratris Hermanni
Monächi quondam Lehninensis ordinis Cister-
ciensis qui circa
Anpum 1300 floruit et in monasterio Lehnin-
ensi vixit“
d. 8. in deutjcher Meberfepung::
„Die Welſſagung des jeligen Bruder Hermann
Beilond Monch zu Lehnin vom Eifterzienfers
orden, welchet um
das Jahr 1300 geblüht und im Kloſter Lehnin
‚gelebt hat.“
Dieß Dofument enthielt in hundert Inteinifchen Berfen,
welche gereinite Herameter bilbeten, wie dieß im alten Sixchens
datein vielfach gebräuchlich war, eine ausführliche Prophes
zeitung fiber bie Bünftigen Schidjale dev Mark Brandenburg,
Dar Kurfürft Hatte fich über die aufgefunbenen Handichriften
durch feinen Kanzler Prudmann, einen jehr gelehrten
Mann, Bericht erftatten Taffen und ſchon diefer machte auf
bie merkwürdige Prophezeiung aufmerkfam, welche ſich bis
babin in eigenthämlicher Weiſe erfüllt hatte,“ ')
So genau nun, als man fie wünfhen muß, find alle
dieſe Nachrichten noch keincowegs; wir finden darin noch viel
Unvoahejcheinliches, ja geradezu manches Unmöglige. Um
ame bie Yauptfache jofort Mar zu ftellen, jo ftehen wir feinen
Angenbtid an, das ganze Vaticinium als Faͤlſchung dann zu
bezeichnen, wenn nachgewieſen werben fann, daß die in Lenin
1617 ober ehwas fpäter aufgefundene angebliche Originals
N) Rad; dem Bonifacinässtalender 1880 S. 38 bepab ſich der Kang -
der Dr. Friedrich Brudmann perſonlich nah Sehnim und
Berichtete über den Befanb an den Kurfürſten.
Dy
Die Lenin fe Welſſagung 569
zu enktöißen und der Nachwelt zu überliefern, dadurch näns
lich, daß fie die neue Abſchrift (nicht das Original) mit
andern Büchern und Handjchrifien für eine beffere Zeit vers
fiedien und verbargen: fo pricht hiegegen ſchon die unges
ſchite und unbeholfene Kafjung ber erweiterten Weberjchrift,
welche einem Mönche aus dem Klofter Lenin nicht zugemuihet
werben Fan, da bie echten Leniner doch wohl den Todestag
ihres jeligen, mit ber Babe der Weifjaguug begnadigten Mit
bruders Hermann aus ihren Nefrologien genau gekannt und
deßhalb nicht mit „Weiland Mönch, welder um das Jahr
1300 geblüßt und in Lenin gelebt Hat,” zu operiren gebraucht
hätten. Es ſpricht dagegen auch die Tradition, welche ſeit
1705 wenigftens übereinftimmend dabin geht, daß das Vat,
Len. aus einem Manufceriptenbande (ex libro Msto)
genommen ift, aus welchem (Manufcriptenbande) hervorging,
dab daſſelbe ſchon 400 bezichungsiweife 409 bis 410 Jahre
Bor dem Anfange des 18, Jabrbunderts aufgezeichnet worden
oder aufgezeichnet gewejen ſei.
Die Bauern von Lenin jollen 1617 in dem Gewölbe
der stlofterfirche nad Schägen gefucht und Bücher uud Hands
jhriften gefunden habe; allein Selle redet uur von
Büchern, welde damals aufgefunden wurden. „Nuferdem,
erzählt derjelbe (S. 88), wurden im Jahre 1617 in einer
Miauerhöhlung des Klofters 32 Bücher entdedt ... . ſpäter
no weldie „+. ; Kanzler Prudmann jagt in feinem
Berichte hierüber an ben Kurfürſten, ‚jämmtliche Bücher jeien
feinen von großen Nußen, da jie noch in den alten Literen
jeien, ber ſich die Drucker bei ihrer angehenden Kunft wor
100 und 1% hundert Jahren bedient,‘ er bittet deßhalb wegen
‚feiner 13jährigen treuen Dienfte ihm diefelben zu überlaffen
Diefem Wuuſche ſcheint micht ftattgegeben‘) worden zu fenn,
1) Im Berliner Bontfariussskafender 1880 ©. 39 (nad Sello) heit
8: „der Bitte des Hanzlers um Ueberkaffung der Bücher muß
‚gewillfahrt worden jeim, denn im Immi 1617 jendeit v. Nochow
dieielben au ihn ab.“
Die Leninhe Weiffogung, 5m
am intereffanteften aber ift der von Selle gar
ete Umftand , daß der Jenenfer Inder ber
Zeniner Bibliothek einen Manuferiptenband (Sammels
werte) mit der Ucberfehrift; „Prenosticon futuri se-
euli et quedam alia® tHatfählih enthält.)
Wenn man bedenkt, daß die älteften Abjchriften des
Vat, in jene Zeit zurüdreihen, da man in Lenin 1617 und
eiioas fpäter wieder Bücher und andere Werihgegenftände
aufgefunden bat, welche aus der alten Kloſterzeit herrüßrten,
Und wenn mar ſich baran erinnert, daß das Vat. Len. mit
der Auffindung von Büchern zu Lenin ſchon frübzeitig im
Verbindung gebracht wurde, jo wird man bie Trabition, wo ⸗
nach die Weiffagung einem (Brandenburger) Manufcripiens
bande aus dem 13. Jahıkunderte entnommen wurde, jo leicht
Hier nicht mehr abweiſen Können und wenigſtens ſoviel zus
geben nüijen, daß biefelbe wahrjheintih in dem Ma«
Auferiptenbande Nr, 86 der Leniner Bibliothet mit der obigen
Meberjchrift enthalten geweſen und beziehungweife noch ents
Halten iſi.
Ob dieſer Mauuferiptenband und damit das Original
bes Vat. Lenin, jemals wieder aufgefunden werden wird, ift
zu bezweifeln. Bon allen im Jenenſer Kataloge verzeichneten
Leninifchen Büchern hat ſich kein einziges Eremplar nachweis⸗
bar bis auf unjere Zeit erhalten, „die Bermuthung ift aber
doch nicht ganz von der, Hand zu weiſen, fagt Selle (S. 89),
dab eines ober das andere noch in irgend einer Bibliothek
verſtect Tiege. Es fällt einen wenigftens ſchwer, anzunehmen,
Da ein Bücerfhap von wenigſtens 980 (richtiger 986)
Nummern in einer Zeit, welche Bücher zu jdäen mußte,
Höllig vom der Erde verſchwunden ſeyn jollie.*
Wenn Heffter im „Serapeum*) bemerkte: „von einem
— —
1) Sl ©, 226 N. 86 des Jenenfer Bucherkatalogs.
2) XL Die Bibliothet des ehemaligen Gifterzienkerflofterd Lehnin
8,266 am Schluſſe
e iMinerabtei Werden eintrat und als Abt von
ing am 24. Dftober 1704 geftorben iſt — hat das
D —— der Leuiniſchen Weiſſagung nicht angefertigt
und ber Ichte Bibliotbefar der Benedittinerabtei Huysburg
eine Abſchrift hievon in der Frankfurt uud Reipziger
Ausgabe von 1808 nicht in den Druck gegeben.
Der Titel dieſes Drucwerkes lautet: „Hermann von
Lebnin, der durch die alte und neueſte Gefchichte bewährt
geſundene Propbel des Haus Brandenburgs. Bearbeitet
durch einen Gefhichtsfrennd in dem biefem Haufe fo
falalen Jahre 1807, Frankfurt und Leipzig 1808. Das
Vaticmium felbft ift überfehrieben: „Vaticinium B. F. Her-
'manni monachi quondam Lehninensis Ord. Cistere. quo
circa annum 1300 floruit et in Monasterio Lehninensi
visit. Ex libro Mspto., ex quo constat hoc Vaticinium
jam ante anno (7) 400 consignatum esse. Ex Copia
authentica in ultima medietate saeculi de-
eimi septimi confecta.* Die deutſche Meberjegung
ft nach der Ausgabe des veformirten Predigers J. C. Weiß
gegeben. „Daß der Herausgeber der Lehniniſchen Weiffagung
von 1808 wirklich ein Benediftiner Mönch war, welcher nach
ber Aufhebung feines Klofters vereinzelt Iebte (wo denn?),
baran läht Ton und Inhalt der ganzen Schrift nicht zwei⸗
feln,* jagt Giejeler. Allein aus Ton und Inhalt der Schrift
‚geht etwas ganz Anderes hervor als die Unterfiellung Gieſe-
Ins. So beruft fi der angebliche Benebiktiner!) für ben
Ruhm und die hohe Stellung feines Ordens gegenüber den
Eifterzienfern und anderen Nachwüͤchſen auf das Zeugniß
ie Bollaire, von den Menbilantenorben jagt er, bak man
fie irrig auch Mönde nannte und zum Theil noch jo nennt,
e ſich ſelbſt behaupiet er, daß er nicht veformirt, wicht
Bates & arı m ix
‚I won Barern und Eduard vun Schent. 577
wenig Etwas von einem liberalen Katholiken an ſich hatte.
Es gibt jedoch unter den am Schenk gerichteten Schreiben
des Königs in nicht geringer Zahl auch ſolche, welche dieſen
Schein nicht an ſich haben oder ihm wenigftens abſchwächen.
Das ganze Verhaältuiß Ludwig's zu Schenk muß wohl jene
Vorausfegung als unzuläfjig erfcheinen laſſen. Niemand hat
Bisher noch zu behaupten ſich erlaubt, bak Eduard v. Schenk,
fjei es ale Staatsmann, je es als Katholit, einen Anflug
son Liberalismus gehabt und gezeigt babe. Wer nur je
Scen!'s Beiträge zur Biographie Sailer's und Witlmann's
‚ober bie Jahrgänge feiner Charitas oder fein wackeres Gedicht
bie Kirche” gelejen Hat, wird innigſt überzengt ſeyn, daß
der Berfaffer im jeder Beziehung auf dem feiten und reinen
Boden des Chriſtenthums und der Fatholifchen Kirche taub,
Dafür gibt auch Zeugniß fein ganzes Leben und Wirken,
wie es 5. B. in eimem Mefrolog ber Verhandlungen des
hiftorijhen Vereins ber Oberpfalz (Bo. VI, S.272 a. 1841)
geſchildert ift, und worin e8 unter Anderm beißt: „Siheut
‚gewährte durch feine eminenten Geiftesgaben, ben Umfang
jener SKenntniffe, durch jeine gediegenen Anjichten
über Kirde und Staat Bürgichaft, daß er ber Löfung
der großen Aufgabe, die ihm der König übertragen hatte,
auch gewachſen fei.*
Schenk ſelbſt erzäßft in den erwähnten Beiträgen, er
babe im Jahre 1811 zu Landshut bei feiner Promotion zur
juriftifchen Doforwürbe die Theſis aufgeftellt und vertheidigt,
daß bie Kirche dem Staate nicht untergeorönet jei, und habe
Badurd; bei Profefforen und bei dee Poligeibehörde einen
‚gewaltigen Lärm, ja jelbit in München Bevenken erregt, weil
Samals obiger Sat mod; verpönt war.?) Die Auszüge aus
der Gorrefpondenz Ludwig's I. mit Schenk werben unwider-
leglich darthun, welch inniges und feftes Freundſchaftsband
beibe Bis zum Tode Schent's umfchlang, wie diefer ftets in
—
1) Eharitas 1838, ©. 276.
=.
"und Eduard von Schent. Er
‚ bamaligem Miniſter bes Innern übergeben, errichtete
dann im Minifterium des Innern eine eigene Seltion mit
dem Titel: „Dberfter Kirchen» und Schulrath“ und machte
mod im Dezember 1825 Scene zum Vorſtande deſſelben.
Im Laufe des nächſten Jahres arbeitete Schenk eine
meue Deutſchrift über Herftellung der Klöfter, Reform der
Univerfitäten und Achnlihes aus, worüber der König am
27. Juli 1826 von Brũdenau aus jein Urtheil abgab und
folgende Aumweifungen erteilte:
1) „Arbeiten Sie Alles jo vor, was die von mir ber
ſchloſſene Fortdauer der bezeichneten Klöfter, männliche wie
weibliche, betrifft, daß gleich bei feiner Nüdkehr Minifter
Graf Armannsperg nur zu unterjchreiben braucht, unverzügs
ih endlich denn diefe Verfügung ins Leben trete, fonft
Bricht mir die Geduld... Dak Tehteres (Benchiktinerinenz
Hofter in Eichſtädi) ſich auch dem weiblichen Unterrichte mit
Aoibınel, dahin ift zu trachten; haben Fulda's (noch fort:
während aufuchmend, deßgleichen die dortigen Franziskaner)
Benebiktinerinen doch eine von mehr denn 300 Mädchen bes
fuhle Schule. Wo Franzisfaner-, Eapuziners, Carwieliten⸗,
Auguftiner-Novizen, Aufgenommene junge, die theologijchen
Studien balten können, vielleicht ein Kloſter jebes biejer
Drben im Königreich, dazu beftimmenden , umfajjender Ars
trag ebenfalls.) .... 3. „Nimmt Herr von Hormayer
die Kehrftelle nicht an, gehe an Görres der Antrag zum
Lehrſthl ber allgemeinen Geſchichte, (conditio) sine qua non.
jebod), daß er von Preußen beibringe die Verſicherung (amts
Tiche), daß jeine Austieferung nicht begehrt wird, wenn er
in Münden Profefjorsftelle erhielt.“ ... 5. „Beffer ale
in Würzburg, Dken zu Münden; braucht er Auffiht, ift fie
Er Befannilich mar ber Styl des Könige elm Hödft eigenthlimlider.
Mit diefer Thatſache unbefamnte Lejer möchten fih an dem
Fr der wörtlich wiedergegebenen Stellen —*
und Eduard von Echent. 648
freiheit als Schutz dienen ſollte. Beide Mapregeln ſcheinen
ganz. den Intentionen des Königs entfprochen zu habenz
denn am 8, Jäner 1881 interpellirte er den Minifter Schent
mit folgenden Worten: „Am Ende des verwichenen Jahres
den Entwurf einer Inftruftion zur ver faffungsmäßigen
Genfur der innere Politik behandelnden Zeitblätter war mir
zu bekommen verheißen , und heute ift der Kte Jäner, und
noch habe ich fie nicht, Un welchen Tage werde ich felbe
betommen?“ Zwei Wochen fpäter (21. Jäner 1881) kan
der Befehl: „Mit Heutiger aim 11 W. nach Regensburg abs
gehender Poſt fordern Sie Rudhart auf, bei feiner Anhäng-
Fichkeit an mich fich zu Außen, ob er die Ueberzeugung hege,
daß Hornthal in der nächiten Ständeverſammlung, Talls ich
ihm den Eintritt geftatte, nicht Gegner meines Regierungss
Toftems, ob er für das Budget, mamentlih günftig der @is
villifte für Lebenszeit ohne Schmälerung ihres Betrages
ſeyn würde,‘ Endlich ſchrieb der König am 27. Füner-1831:
„Der Entwürfe Reinſchriften können Sie auffegen laſſen,
aber ver Ausfertigungstag muß offen bleiben; denn an benz
ſelben ſoll auch der I. Kammer Zufammenberufung und
(die Ernennung) ihres Iten Präfidenten, des Fürften Wrede,
dund geiban werden. Wenigftens einen Tag früher muß
in Würzburg, Ansbach, als die Ausſchließung der bewußten
5 befannt werden Fan, darımter auch mittelbare Bekannt
nuß verftehend (deffen muß ich jiher ſey n), die Cenſur⸗
inftruftion eintreffen, und ſicher muh ich gleichfalls
feyn, daß nichts bemerkt werde von dieſer Maßregel, bevor
fie in Ausführung kommt, bamit wicht über diefelbe ie den
verruchten Blätterm gejchrieben werde. Meines herzlich
mir anbänglichen Scheuts Werth zu ſchãtzen wiffender Lubinig.*
Das volle Einverftändnift des Königs gebt aud) aus
ben Kanımerverhandlungen hervor, während welder ber Mis
wifter durch Königliche Zufchriften zu Muth nd Ausdauer
angefeueri wurde, Der Fürft verſichert, dap fein Mintjter
durchaus auf dem Boden des Mechies, mithin die Liberalen
gegen den Liberafismus. 671
unerlaubt find, und das Alles unter dem Schein, die Nelis
giefität zu fördern und zur Ehre Gottes beizutragen.
Sollten wir bie Anhänger dieſes Syſtems darıım als
eine Verbrecherbande bezeichnen? Das wäre eine Verläumb-
ung, die höchſtens mit Unkenntniß entfchuldigt werden bürfte.
Der Liberalismus beruht auf Irrthümern, aber dieſe find
vonviegend Irrtümer des BVerftandes, und wir begreifen,
daß die beiten Köpfe einer Täufhung unterliegen konnten;
wir begreifen, daß es unter den DVorkämpfern der modernen
Weltanfhauung Taufende wahrhaft Weberzeugter gibt; wir
begreifen das um fo mehr, als wir das Verlockende des liberalen
Syſtems genau Fennen und mit den Empfänglichfeiten der
Volksſeele vertraut find. Nicht alle Veränderungen in ber
Pſyche treten als Krankheiten und feuchenartig auf. Der
Goldhunger, die Luft nach Abenteuern jind zu verjchicdenen
Zeiten mit ſolcher Heftigfeit aufgetreten, daß ſie die Aufmerk—
ſamkeit der Zeitgenofjen auf ſich gelenkt haben; man hat aber
diefe erhöhten piychiichen Triebe degungeachtet nicht zu den
Erkrankungen gerechnet. Die Ausbreitung des Liberalismus
beruht auf dem gleichen Princip; er theilte ſich, wie ein Uebel,
ten Vielen mit, deren Dispofition nur eines geringen An—
ftoßes bedurfte, um eine geiftige Neaktion hervorzubringen.
Tas Verlockende des Syſtems Tiegt aber darin, daß es
der menichlichen Eitelkeit fchmeichelt und im den Augen der
Mehrzahl, namentlich aber der Jugend, mit dem Nimbus
der ebeljten menjchlichen Negungen umgibt, was im Grunde
doch nur plumper Egoismus ift. Welche zauberifche Wirt:
ung hat nicht feit jeher der Klang des Wortes „Freiheit“
auf jugendliche Gemüther hervorgebracht !
Wie bläht ſich der menjchliche Stolz bei dem Gedanken
auf, die ſelbſterrungenen Reſultate individueller Forſchung
dem Ueberkommenen, der Entwiclung, dem Autoritätsglauben,
veralteter Vorſchrift und Hiftorifch Gewordenem entgegenzus
ſtellen! Daß aber der Menſch für ji in Anſpruch nimmt,
was nicht er, fondern bie Mitlebenden gefchaffen, erkundet
- 111x8
672 Der Entſcheidungstampf gegen den Liberalismus.
und aufgefunden Haben, (ehrt die tägliche Erfahrung. Tritt
dazu noch das entſcheidende Moment des Eigennuges, die
Hoffnung, daß die Woge der Empörung den Neugläubigen
auf ihrem Kamm zu Ehren, Anfehen und Reichthum empor—
tragen werde, dann übt ein derart ausgejtattetes Syſtem un—
widerjtehliche Anziehungskraft auf unfertige Charaktere und
ſchwache Menſchen aus. Wo aber ein gewiſſer Adel ber
Scele bei bedenklicher Schwäche des Gehirns vworberricht,
wird das Beijpiel erlauchter Geifter, welche der liberalen
Doktrin anhingen, dem gleichen Erlöſungswerke der Menſch—
heit — jo lautet wohl, wenn wir nicht irren, die Hafjiiche
Redensart — ihr ruhmreiches Peben widmeten, das Vorbild
der großen Staatsmänner, Dichter und Philoſophen, der
Könige und Kaifer, die zur Fahne des menjchlichen Forte
ſchrittes geſchworen, ermunternd und zur Naceiferung anz
jpornend wirken.
Daß der Sieg von 1848 in den Augen Vieler auch die
Güte der Sache erwies, die Schwankenden fortriß und die
Lauen anfeuerte, liegt, wie ber uralte Cultus des Erfolges
lehrt, in der Natur der Menſchen und Dinge. Es iſt dem—
nah wohl aud nichts Näthfelhaftes und Unerflärliches in
dem raſchen Aufiteigen der liberalen Ideen; jie mußten viele
mehr unter Begünſtigung der außerordentlichen Umſtände die
alte Weltanſchauung zeitweilig verdrängen und ſich an die
Stelle der chriſtlichen Weltorpnung fegen. Ob der Zenith
bereits erreicht ift oder noch ein Fortſchritt in der Zerfegung
und Auflöfung des hiftorijch Geworbenen und aus ber natür—
lichen Entwidlung Hervorgegangenen bevorftcht, wer vers
möchte jich darüber ein enbgültiges Urtheil anzumaßen ?
Echluß⸗Artikel im nächſten Heft.)
Der meiigemählte Reichätog. 839
Wie der neue Reichstag im Uebrigen bem Neichäfanzler
gefällt, wird man bald erfahren. Daß er dem Abgeoröneten
Dr. Windthorſt womöglich noch beffer gefällt als der vorige,
fleht ſeſt. Ju den Leitenden Kreiſen zerbricht man ſich nicht
erſt jeßt den Kopf, und bedurfte es nichteimmal der neuteften
Erfahrungen, um Bedenken zu erwecken bezüglich bes Wahls
rechts, aus dem die Reichsverfanmlungen hervorgehen. Als
der Reichstanzler am 9, April 1866 bei dem alten Bunde
die Berufung einer allgemeinen deutſchen Verfammlung von
gewählten Vertretern behufs der Reform des Bundes beats
fragte, empfabl er die Annahme ber bireften Wahl und bes
allgemeinen Stinmrechis mit der Bemerkung: „die Königliche
Regierung nehme um jo weniger Anftand, diefe Form der
Wahl in Vorſchlag zu bringen, als fie diefelbe für dns
confernative Princip förderlicher erachte als irgend einen ans
bern, auf Fünftlichen Combinationen beruhenden Wahlmodus.”
Diefe Ueberzengung, dab er auf die Maffen veriranen duͤrfe,
gegenüber ber Herrjhjüchtigen Bourgeoiſie, ſtand Bei dem
Reichöfangler von ber Eonfliltszeit her jo jeft, daß er ſich
unbedenklich fogar noch den Antrag des conftituirenden Reichs-
tags gefallen ließ, wodurch der geheime Wahlmodus in
das Gejeh am. Richt erft feit geftern ift der Irrihum ers
tannt, und die jüngften Wahlen haben ihn für Jedermann
erfennbar (gemacht:
Schon ſeit Ende des vorigen Jahres waren von Seite
bes Reichstanzlers, des Minifters des Junern und der Finanr
zen in den beiden Parlamenten Neußerungen gefallen, welche
die Beſorgniß erweitten, dafı es auf bie Befeitigung der ger
heimen Abftimmung im Reiche abgeſehen jei, und daß die
erfte günftige Gelegenheit benüßt werden würde, um dieſe
Wahlrefermꝰ durchzuſchen, dann aber auch den gleichen
Wahlmedus bezüglich des allgemeinen Stimmrechts und der
direkten Wahl für den preußiſchen Landtag einzuführen. Das
mahejtchende Drgan in Berlin hatte wiederholt aus ber Schule
gefgwägt, und noch am dem jüngften Hauphoahltage hat cs
867
lichen Erjcheinungen und Bewegungen durch die Anatomie
tlar zu achen. Jm neunten Kapitel bes Malerbuches hebt
er ſelbſt die Nothwendigkeit dieſes Studiums hervor: „Zuerft
muß der angehende Künftler die Gliedmaßen bes menjchlichen
Körpers und ihre Funktionen genau fennen lernen. Danach
muß er-anf bie Wirkung ihrer Tätigfeitsäuferung acht haben,
darftellen, was und-iwie er etwas geſehen, mit den naturges
mäßen, noibiwendigen und zufälligen Folgen.” Er empfiehlt,
wie ev es ſelbſt ſteis that, immer ein Skizzenbuch bei ſich zu
fihren und auf ber Strafe darin jegliches Auffallende zu
notiren, um zu Haufe darüber nachzudenlen und es in richtiger
Korm zu zeichnen. Das vielfach empfohlene Copiren erjcheint
ihm nicht rathſam für Schüler, da gute Gompofitionen und ein ⸗
ſichevolle Meifter, welche fets das Richtige auswählen, ſelten
find, Deßhalb ift «8 ficherer, an die Natur jelbit zu gehen,
als zu denen, die vom ihr kommen und ihr vielleicht ver⸗
fälfchtes Gut darbielen. Denm wer an die Quelle gehen
Tann, teinft nicht ans dem Topf! Welchen Reichthum min
die Natur jelbft in fich birgt, und wie viel der Künftler aus
dieſer Tantern Quelle zu jchöpfen im Stanve üft, bringen beute
lich Lionarde's eigene Schöpfungen zum Auedruc. Seine
Skiggenbücher zeigen, wie der Meifter nie ruhte oder raftete,
fondern immer war fein unermüblicher Geift mit Entwürfen
beſchaͤftigt. Er konnte kein Werk leſen, ohne fich nicht auf
dent Rande defjelben den Inhalt zu illuſtriren. Selbjt beim
Geſpraͤche im trauten Kreundesfreife ſcheint er dieſe ober jene
Skizze entworfen zu Haben. Seine Kunftiverke waren fics
die Frucht, reiflihen Studiums. Wie er z. B. zum Abends
wahl ſtudirte, zeigen bie photographiſchen Gopien der Ente
würfe und Naturftubien, welche Nichter den zweiten Bande
feines Werkes zugefügt hat.
In der Technit der Delmaerei ſtrebte er ſtets nach Vers
‚nolltommnung und war raftlos mit Verſuchen bejchäftigt. Nicht
gleich gelang ed dem Meifter, die ictige Behandlung der
mod; «tions. zähen und ſchweren Delfarben zu finden. Die
sr
DIV Srenäus
welchem Rechte alle dieſe Berufungen geſchehen, werden wir
weiter unten unterſuchen. Allein diefe Grabe'ſche Webers
jebung ift eine — wir fagen nicht zu viel — jo grundfalſche,
je durchaus aegwungene, daß ſelbſt Proteftanten und Eirchen:
feindliche Schriftfteller diefelbe völlig verwerfen. So Sal:
maſius, Thierſch, Stieren, Friedrich, Döllinger ;') und der
edenſo bejonnene wie gelehrte Hefele fteht nicht an zu fagen,
„daR nur größte confeſſionelle Beſchränktheit“ und „pietiftifche
Blindbeit“ anf eine folhe Auslegung Tommen konnte. Wir
tönen nichts Beſſeres thun, als die berühmt gewordene Wider⸗
legung Maffuets?) wiederzugeben , und benügen mit Freuden
die Worte Hagemanns,?) mit benen er die etwas weitläufige
Argumentation des gelehrten Benebiktiners aljo zufammenfaßt:
„Maſſuet bat gegen dieſe Deutung eingewendet: Erftens,
die vorausgeſetzte Thatjache, die Sendung zahlreicher chrift:
ücher Deputationen zum Kaifer, ift gefchichtlich gar nicht zu
erweiſen; auch nicht ein Fall läßt fih aus der Zeit vor
Irenaͤus dafür anführen. Zweitens, dem Terte des Ire—
näus wird offenbar Gewalt angethan, wenn man ihn jagen
laſſe, daß die Gläubigen aus ber ganzen Welt nad) der Stabt
Rom und zum Kaiſer geftrömt feien; es fei bei ihm nur
von der Kirche in Nom die Rede; die römifche Kirche aber
und die Stadt Nom feien himmelweit verfhiedene Dinge. End»
lich paßt die Deutung Grabes auf Feine Weife in den Gedan—
Tengang. Irenäus will zeigen, daß wir in dem Glauben und
der Tradition der römifchen Kirche den Glauben und die
Tradition der ganzen Kirche haben. Wie müßte nun nach
Grabe der Beweis dafür lauten? Offenbar muß er den
Irenäus fagen laſſen: die behauptete Uebereinftimmung findet
1) Salmasius, de primat. Papae c. 2 p. 63; Thierfch, Studien und
Krititen, 1852 ©. 527: Stieren, a. a. ©. I. ©. 429; Friedrich,
a. a. O; Dilinger 8-®. I ©. 356; Hefele, Beiträge I S. 48.
2) Massuet, dissert. III de Trenaei doctrina n. 33 sqg-
3° Hagemann, Die römiſche Kirche ©. 615.
über ben Primat. 881
ftatt, weil jede Kirche an den Kaifer Deputationen um Schuß
und Duldung jenden muß. Das Unfehen, welches Irenäus
der römischen Kirche ohne Zweifel zufchreibt, würde alsdann
auf dem zufälligen Umftande beruhen, daß Nom zugleich ber
Sig des Kaifers ift. Wäre bieß der Gedanke des Jrenäus,
fo müßte er alle Grundfäge, nad) welchen er das Anfehen
einer Kirche beurtheilt, rein vergeffen haben; er hätte einen
neuen Grundjaß aufgeftellt, von dem er auch nicht im ent—
fernteften bewieſen hätte, wie aus ihm ber eminent apoftolifche
Charakter der römijchen Kirche gefolgert werden könne. Welch
eine Logik wäre es, wollte man fchließen: Nom ift bie Haupte
ftadt des Reichs und der Sig des Kaiſers; nad) Nom kommen
aus allen Kirchen Deputationen zum Kaifer; alfo ift Rom
die vorzüglichfte apoftolifche Kirche und ihre Tradition die
Tradition der Kirche überhaupt! Der Zufammenhang ift
vielmehr diefer: Irenäus will zeigen, daß es zur Widerlegung
der Häretifer genüge, eine einzige Kirche Zeugniß von der
apoſtoliſchen Lehre ablegen zu laſſen. Zu diefem Zwede muß
er die apoftolichen Kirchen unter einander vergleichen, um
eine ausfindig zu machen, welche ein alle andern weit über—
vagendes Anjehen hat und als die Repräfentantin aller übrigen
gelten Kann. Diefe eine Kirche ijt ihm bie römiſche; mit
ihr jtimmen alle andern Kirchen überein.”
Aber, jagt man, convenire heikt doch Örtliches Zuſam—
mentonmen; zumal wenn es mit ber Präpofition ad in
Verbindung jteht. Ganz recht; biefe Örtliche Bedeutung hat
convenire auch, aber nicht allein, und ob es diefe Be—
deutung in einem Satze hat, muß dod wohl der Zujammenz
hang und Sinn entjcheiden. Zudem finden ſich in demſelben
Werke des Irenaus mehrere Stellen, wo convenire gleich:
jalls geiftiges Uebereinſtimmen bezeichnet und dem griechiſchen
ovgpoweiv entſpricht; ſo l. III. c. 12 n. 14; 1. IV. e. 21
m. 3. Mas aber die Praͤpoſition ad angeht, jo erzeugt die—
ſelbe feine Schwierigkeit, indem im Urtept ſowohl anugeveiv
als auch auuBaiveıw eög rıra geftanden haben kann, was
uxxxxiv. 2
896 Stalien.
radezu überwältigend wird, wenn man bedenkt, wer der Mann
war, der e8 abgegeben, und zu welcher Zeit es niedergelegt
worden ift. Aus ber Urzeit des Chriſtenthums ſchallen dieie
Worte zu uns herüber und bringen mit fich die troftreihe
Gewißheit, daß unfere römiſch-katholiſche Kirche, die ben Papfi
als Oberhaupt anerkennt, die allein wahrhaft chriftliche iſt
benn ubi Papa, ibi Ecclesia ! n.
LXX.
Italien ſeit dem Schluß des Parlaments im Monat
Juli 1884.
Kaum hatten die Ehrenwerthen von Montecitorio die
von einer wahren Glühhitze heimgeſuchte Stadt Nom Anfangs
Juli diejes Jahres verlaffen, als die italienifche Preffe ſich
in einer geradezu unerhörten, aber nicht ganz unverbienten
Kritik über die Herrn Abgeordneten erging, Schon am
9. Juni hatte die jüdische „Liberta“ geſchrieben: „Unfer
Mitleiden erregt die Kammer in diejen Tagen. Nur wenige
Deputirte jind vorhanden und dieſe langweilen ſich und ver:
geuden die Zeit. Minifter und Nammer beigen das gleiche
Intereffe daran, aus diefem Meer, oder, um mit Dante zu
veden, aus biefem Sumpf herauszukommen.“ In der That
glih die Kammer zeitweilig einem Sumpf. Man erinnere
fi) nur an die geradezu ffandalöjen Auftritte vom 28. Juni,
angertoniten. Uber auch die Thalſache ſoll nicht vergeſſen
werben, daß das neapolitanifche Volk für die Tätigkeit ber
tatholiſchen Geiftlihfeit einen empfänglichen Sinn an den
Tag legte, der die Männer des Umſturzes ftaunen machte,
Nicht weniger denn ſieben Priefter der Stadt Neapel, unter
ihnen ein Gapitular der Domkirche, Daniel Mafıcct, find
dem MWürgengel ale Opfer gefallen. Ihre Werte folgen
ihnen mad. Auch König Humbert machte ſich bei ver Kunde
vom Ausbruch der Cholera alsbald von feinem Sommerauf
enthalt in Monza auf und begab fi nad Neapel zum Ber
fisch der Cholerakranken. Leider iſt za conftatiren, daß der
Minifter des Auswaͤrtigen, Mancini, bald darauf bie Rolle
eines Chef de elaque übernahm, wie die „Tribuna* fich
auszubrücen beliebte. In einer an die italieniſchen Gefandten
gerichteten Depefche ſchlug der Herr Minifter aus der Cholera
Capital für bie Einheit des Mönigreiches Italien. „Ein its
würbiges Dokument,” bemerkte die „Eapitale*, mit dem Bei⸗
fügen: „aus efender Gitelfeit und um der Welt Fund zu thun,
daß Manciniden König in die Eholerabofpitäler begleitet Hat,
wird das Oberhaupt des Staates beleidigt und das ganze
Land zum Gejpött Europa’s gemacht.”
Rom ift glücklicherweife von der Seuche verfchont geblichen,
nur vereinzelte Faälle famen vor. Daß beim Hereinbrechen
ber Noth die römifche Geiftlicheit dem Teuchtenden Vorbild
ber Neapolitaner nachgeeifert haben würde, unterliegt keinem
Zweifel. Der Generalvifar des Papites, Lucido Cardinal
Parocchi, Hatte kaum in Erfahrung gebracht, daß ſich im Milie
tärbofpital ein cholerakranker Soldat Kefinde, als er fich aufs
machte, den Patienten befuchte und tröftete Gleich darauf
wollte der Garbinal das ftädtiiche Lazareth in S. Sabina
ebenfalls zu dem naͤmlichen Zwech betreten. Doch fiche ba,
er wird mit ausgefuchter Höflichkeit abgewiefen. Selbft die
Ulberale Preffe hat biefe scortesia der Beamten im römijchen
Siadilazareih hoͤchlichſt mifbilligt. Aber auch der Hi. Vater
ſelbſt Bat in dentwürdiger Weile feiner Liebe zu feinen Unter«
904 Yialiert.
thanen — denn Nom ift und bleibt bie Stadt des fonveränen
Papſtes — Ausdrud gelichen, indem er in einem Schreiben
anıden Cardinalſtaatsſekretãr Jacobini die Summe, von Einer
Million Lire zum Zweck den Errichtung, eines: Choleralaza-
veihes in der Umgebung des Vatikaniſchen Palaſtes zur Bers
fügung ftellie, und fich außerdem vorbehielt, eintretenden Falles
auch ven altehrwurdigen Palaft des Lateran dem gleichen
Zweck zu widmen. Es kann feinem Zweifel unterliegen, dab
der hl. Bater, wen bie Cholera fih in Nom ansgebreitet
hätte und das Lazareth beim Vatilan in's Daſeyn getrelen
wäre, feine Wohnung verlaffen und die Eholerakranfen bes
ſucht und getröftet haben würde, wie das im Jahre 1837
erh Gregor XVI. gelhan hat Begreiflicher Weife konnie
der italienifchen xiberaliomus diefe Gelegenheit nicht vorũber⸗
gehen laſſen, ohne dem HI. Bater ein Schnippchen zu ſchlagen.
Da fahen wir einen ſichern Profeffor Achille Gennarelli auf⸗
treten. und im „Popolo Romano“ unter. der Weberjchrift
„Due Papi e due Re‘ jenen lächerlichen und verläumberie
ſchen Artikel veröffentlichen, welcher Gregor XVI. und Pius IX,
mit ſchwarzen Schatten bebeden, ben König Umberto aber
wie eine Lichtgeftalt erfcheinen laſſen jollte. In Erwiberung
auf ‚eine boshafte Gorrefpendenz dev weiland „Augsburger
Allgemeinen Zeitung” meldete das „Diario di Roma‘ unter
dem 19, September 1837, Gregor, XVI. babe ſich angeſichts
der Cholera ſowenig in feinen Palaft eingeichloffen, daß er
ine Gegentheil in furchtloſeſter Weiſe öffentlich ſich gezeigt,
am. 6. Auguſt in Begleitung des gejanunten Hofftaates ber
Mebertragung bes Muttergottesbildes von Maria Maggiore
nach AL Geh, der Hauptlirche der Jefniten, beigewohnt und
die beiden Lazarethe zu S. Maria in Zrajpontina und bei
©. Praffeve mit feinem Vefuch beehrt habe. Was Pius IX,
anlangt, fo lebt noch in aller Andenken, wie der hl. Bater
bei dem zweimaligen Auftreten. der Cholera wiederholt ‚bie
an ber Seuche Erkrankten deſucht und getröftet Hat. Man
brauchte Pins IX. mit feinem „mahrhaft goldenen Herzen“,
Hatten. 209
Einen ganz unerwartet glücklichen Ausgang hat die leidige
Affaire des Erjefuiten Eurct genommen. Als die Inder:
esmgregation Ende Mat 1884 feinen „Holzwurm* verbot,
nahm Curci ſich die freiheit, an bie Londoner „Kimes“ cin
Schreiben zu richten, in welchem er bemerkte, fein Buch ſei
verboten, aber durchaus nicht wegen Ketzerei verurtheilt, Das
ging doch zu weit. Deßhalb richtete der Papft am 28. Aus
guft an den Erabifchof von Flotenz (wo Eurc fi aufhält)
das mit ben Worten „Cum ad Venerabiles Fratres Nostros"
anbebende Schreiben, in welchem er das über Curci's Bud)
ergangene Urteil vollauf beftätigte. Diefer Brief hat jeine
Wirkung nicht verfehlt. Um 15. September 1884 überfandte
Curci dem Redakteur der „Unit Cattolica“ eine ErHlärung
ein, in welder er ſich dem Papft feierlich und rüdhaltslos
unterwarf.
Auch anderwärts war der hi, Bater bemüht in die hoch⸗
‚gehenden Wogen menfchlicher Leidenſchaften einzugreifen. „Sebt
die Ehriften, wie fie einander lieben“: fagten vor Alters die
Heben. Ob fie die nämlihen Worte gegenüber gewiſſen
Reuten in Frankreich anwenden würden, welche das Intereſſe
der Religion mit perfönlichen Rückſichten verwechſeln und
das Andenken eines Mannes wie Dupanloup mit Schmach
zu bedecken wagen? In einem denkwürdigen Schreiben an
den Cardinal · Erzbiſchof Buibert von Paris vom 14. Nowember
gebietel Leo XIII. dieſem traurigen Treiben energiih Halt
und "fordert Beilegung perjönlicher Streitigkeiten, um bie
Sache der Neligion deſto energijcher fördern zu können,
‚Ziehen wir das Facit aus diefen und anberen Erfahre
ungen ber jüngften Zeit, dann dürfen wir behaupten: Mit
weit größerer Ruhe als das Königreich Italien kaun der
Papft der Zukunft enigegenjehen.
“Stanford University Libraries
Stanford, California
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