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HOMERISCHE PALÄSTE
EINE STUDIE
ZU DEN DENKMÄLERN UND ZUM EPOS
FERDINAND NOACK
MIT ZWEI TAKELN UND 14 ABBILDUNGEN IM TEXT
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LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
■903
ALLE RECHTE,
EINSCHLIESZUCH DES ÜBERSETZUNGSKECHIS , VORBEHALTEN
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DEN GLÜCKXICHEN ENTDECKERN
ARTHUR J. EVANS
UND
FEDERIGO HALBHERR
ZUGEEIGNET
1 85^73^
Verzeichnis der Abbildungen.
Tafel I und II, nach eigenen Aufiiahmeni mit freundlicher Erlaubnis
der Herren Evans und Halbherr hier publiziert.
I I. Freitreppe und großer Saal von Phaistos, von der Terrasse M gesehen.
2. Blick auf den Westhof und den Palast von Phaistos, von M gesehen.
II I. Burgberg von Phaistos, von Osten, von der Ebene aus, gesehen.
2. Ansicht des Palastes von Knossos nach der 2. Kampagne, von Osten
gesehen. Seit.
Textbilder: i. Phaistos, Plan, nach Rendiconti X bearbeitet 4
2. Knossos, Plan, nach Annual VII bearbeitet 5
3. Tiryns, Plan des Palastes, nach v. Sybel, Weltg. d. Kst.* 7
4. Mykenä, Plan des Palastes, nach Praktika 1886 8
5. Schnitt zur Veranschaulichung der wichtigsten Niveaus im Palast von Phaistos 1 1
6. Knossos, Plan des Pfeilersaales 12
7. Der Hauptsaal und der große Nebenraum in den kretischen Palästen (Re-
konstruktionsvorschläge) 14
8. Vergleichende Zusammenstellung der Haupträume von Troia II, Tiryns
und Phaistos 16
9. Arne, Plan des Palastes, nach Bull. corr. hell. XVIII bearbeitet. Mykenä,
Haus s.-ö. vom Gräberrund, nach Praktika 1886 19
10. Sendschirli, Plan von Stadttor und Hilani I 28
11. Ägyptische Häuser in Kahun 29
12. Der Kultbau des knossischen Freskobildes, rekonstruiert 79
13. Planschema zu dem knossischen Kultbau 80
Titelvignette, Mosaikplättchen aus Knossos, die Fassade eines Hauses darstellend.
(Dem Wunsche des Herrn Verlegers, das Titelblatt mit einer geeigneten
Vignette zu schmücken, glaube ich nicht besser entsprechen zu können,
als durch die Wiedergabe dieser Hausansicht nach Abbildung 9 des
gerade beim Abschluß des Druckes dieser Studie erschienenen 8. Bandes
des Annual of the British School).
L
DIE PALÄSTE IN KRETA
UND GRIECHENLAND.
IHR VERHÄLTNIS ZU EINANDER.
Noack, Homerische Paliste.
Es ist zu erwarten, daß die neuentdeckten Paläste von
Knossos und Phaistos außer anderen Fragen, für die sie ent-
scheidend sind, auch diejenige nach dem Verhältnis der ho-
merischen zu den „mykenischen" Palästen aufs neue anregen
werden. Ja, es ist bereits ausgesprochen worden, die kre-
tischen Palastkomplexe bewiesen, daß die seitherigen Ver-
suche, ausschließlich nach den Herrscherwohnungen der Ar-
golis das Haus der Odyssee zu beurteilen, unbedingt scheitern
mußten 1). Man glaubt also schon, daß unsere Kenntnis des
homerischen Hauses durch die neuen großartigen Famde eine
wichtige Bereichenmg erfahre amd in diesem Sinne zu revi-
dieren sei. Ich glaube aber, daß diese Fimde zu einem ganz
anderen Ergebnis führen werden, sobald wir es uns nur zur
Pflicht machen, auch die andere Frage wieder aufzuwerfen,
wie denn das homerische Haus, das die Dichter meinen, aus-
gesehen habe, imd alsdann das Bild, wie es uns lediglich aus
den homerischen Epen selbst entgegentritt, mit den Denk-
mälern vergleichen. Aber auch diese Vergleichung wird nicht
ohne eine wichtige Voruntersuchung möglich sein. Denn
welche Paläste sollen wir vergleichen? Was sich mir schon
bei einem Besuche Klretas im Herbst 1901 angesichts der
Ruinen aufdrängte, und was jetzt, wo dank der schnellen Ver-
öffentlichimg der Pläne die Grundlinien der neuen Paläste klar
genug vor uns liegen (Abb. i imd 2)^, die vergleichende Be-
trachtung jeden lehren kann, ist ein tiefgehender Unterschied,
der zwischen diesen kretischen Herrschersitzen und den Anak-
tenhäusem in Grriechenlajid besteht Es wird also notwendig
sein, sich erst einmal diese Verschiedenheiten mit allen ihren
Konsequenzen klar zu machen. Erst dann wird sich ent-
scheiden lassen, bei welcher von beiden Gruppen zwar nicht
von einem ammittelbaren Zusammenhange, — denn auch diese
4 l. Die Paläste in Kreta und Griecheulanil.
Unmöglichkeit wird sich ergeben — , aber doch von einer ge-
wissen Verwandtschaft mit dem Hause der homerischen Epen
die Rede sein kann.
Wir dürfen ohne Umwege direkt an die Vergleichung
der Ruinen herangehen. Denn wenn sich auch nicht über-
sehen läßt, daB die beiden kretischen Paläste selbst nicht in
Abb. t. Fbftistos.
allen Punkten einander gleichen, so treffen diese Unterschiede
nur das äußere Bild, das so gut, wie bei den „raykenischen"
Ruinen Griechenlands, völlig gleich sich nicht wiederholt, sie
treffen aber nicht das Wesen dieser Gebäude, die doch im
ganzen ab Werke derselben Baukunst erscheinen, und dürfen
daher vorerst außer acht gelassen werden. Entscheidend ist.
Verbindniig der Räume. e
daß diese kretische Baukunst beidemale mit ganz gleichen
Mitteln, vor allem mit denselben Raumformen, arbeitet, und
auch das Prinzip, nach dem sie diese verbindet, hier wie dort
das gleiche ist Beginnen wir mit diesem letzteren.
Luigi Pemier, dem wir die gute Aufnahme des Planes
von Phaistos (Abb. i) verdanken, hat schon auf die Grund-
linien hingewiesen, die für die Disposition des Palastes be-
stimmend waren (Rendiconti X 284). So liegen z. B. Anten
und Säule der Vorhalle des Saales (68), die dickeren Wände
zwischen den Magazinen 30/31 und 36/37, der große Stein-
5 I* Die Paläste in Kreta und Griechenland.
pf eiler im Korridor, sowie ein wichtiger Mauerzug der Süd-
gemächer in einer Flucht (CD). Ebenso läßt sich die Linie
der Türwand des Saales nach Süden verfolgen: diesmal ist es
der Stützpfeiler im Korridor zum Binnenhof (7), der in diese
Flucht (ich nenne sie a) fällt Ebenso die Linien der Säulen-
stellimg amd der Rückwand des Saales: in die Verlängerung
der ersteren {ß) fällt der zweigeteilte Abschluß des Magazin-
korridors, in die letztere (y) die eine Innensäule der Halle 25
imd die Front der kleineren Zimmer 2^ amd 24. Sämtliche
Linien durchziehen parallel zu den Längsachsen des Hofes
(EF, dem „cardo massimo" Pemiers und d) von Norden nach
Süden trennend imd ordnend nahezu den ganzen Palast. Unter
den entsprechenden Ost-Westlinien ist die längste, in der Süd-
wand des Saales, zugleich Nordgrenze des Hofes, GK, als
„decumano massimo" bezeichnet Die südlicheren Linien sind
kürzer, da der Hof sie koupiert
Die Beobachtung dieser Linien ist für imsere Unter-
suchimg von großem Wert. Sie liefern einen entscheidenden
Beitrag zur Charakteristik des Palastes: derselbe entsteht nicht
durch eine äußerliche Addition einzelner, in sich fertiger ge-
schlossener Elemente, sondern ein Netz von rechtwinklig sich
schneidenden Geraden, das sich höchstens an einen Haupt-
raum imd dessen Teillinien anlehnt, bestimmt die Anordnimg
imd Verbindimg der wichtigsten Räume. So werden Höfe
begrenzt, Zugänge und Korridore festgelegt und Wand an
Wand schließen sich die Gemächer. Man glaubt zu erkennen,
wie der Architekt mit ausgiebiger Benutzung von Lineal und
rechtem Winkel den Gesamtgrundriß des Palastes entworfen hat
Auch auf dem vorliegenden Plane von Knossos (Abb. 2)
lassen sich derartige Linien, wie ich glaube, unzweideutig be-
stimmen. Es ist gewiß nicht Zufall, daß in die Geraden
XjX, ff., y^Yj ff. markante Punkte imd teilweise weit von ein-
ander entfernte wichtige Teilungslinien und Wände des Palastes
fallen. Vor allem aber teilt er mit demjenigen von Phaistos
ein Merkmal, das sich ja auch in einem solchen Liniensystem
ausspricht, nämlich die gemeinsamen Zwischenwände. Ver-
bindende Korridore fehlen natürlich nicht vollständig, aber
kaum einer der Räume steht ganz für sich; in größeren und
kleineren Gruppen stoßen sie unmittelbar aneinander, und man
Verbindmig der Räume. 7
schreitet aus dem einen Gemach direkt durch die Tür zu den
Nachbarzimmem. Gerade dieser beiden Palästen eigentüm-
liche Zug bezeichnet aber den ersten starken Gegensatz zu
den griechischen Anaktenhäusem.
Abb. 3, Tiryns.
Es braucht nur an die Tatsache erinnert zu werden, daß
die Propyläen und Säle in Tiryns (Abb. 3) und Mykenä (Abb. 4)
isoliert stehen, daß die Megara in Tiryns und Arne (Abb. g)
durch Korridore wie durch eine neutrale Zone von den übrigen
L Die PsUate in Kreta und Giiechenlsnil.
Gestaltung des einzelnen Raumes. n
Räiimen geschieden sind**) Der Unterschied läßt sich kurz so
bezeichnen, daß die großen Säle und bevorzugten Räume in
Knossos und Phaistos nicht aus der Umgebung auszulösen
wären, ohne angrenzende Zimmer aufzubrechen imd deren an-
stoßende Wände zu durchschneiden. Haupt- und Nebenräume
haben hier eben gemeinsame Zwischenwände, in den griechi-
schen Palästen scheint das Gegenteil geradezu Gesetz zu sein.
Keine durchgehenden Linien, wie in Phaistos, bestimmen hier
a priori das Verhältnis der Räume, und bei der Anlage ein-
zelner Elemente des Palastes liegt der Gedanke fem, die
Fluchtlinien der anderen Teile einzuhalten.
Der andere Gegensatz, der noch schwerer wiegt, bietet
sich in der Behandlimg des einzelnen Raumes.
Ich gehe aus von der Front des entwickelten Saalbaues,
in der die Säule bereits ihre feste Position hat. In Tiryns
(vgl. Abb. 8) und Mykenae finden wir zwei Säulen zwischen
den beiden Anten, drei Interkolumnien, also eine Dreiteilung
der Front. Dahinter liegt die Türwand des Vorsaales. Für
deren Teilimg ist entweder, wie in Tiryns, die dreiteilige
Front, oder, wie in Mykenä, die einfachere Türwand des
Saales selbst bestimmend. Denn der Eingang zum Haupt-
raume ist immer, auch da, wo die Säulen in der Vorhalle
fehlen, wie im kleineren Tirynther Megaron, einfach imd un-
geteilt Und endlich stimmt auch die Dreischiffigkeit des In-
nern zu jener Disposition von Halle und Türwand.
Die gleiche Disposition, dreigeteilte Halle bei einfacher
Tür, zeigen die Propyläen.
In den kretischen Palästen herrscht dagegen die Zwei-
teilung der Front. Fast ausnahmslos steht hier eine Säule
oder ein Pfeiler in der Mitte. Entweder läßt man es dann
bei dieser Scheidung in zwei Interkolumnien bewenden, oder
jedes von diesen wird noch einmal halbiert, so daß die ganze
Front sich in vier Durchgänge auflöst So zeigt die Zwei-
teilimg in Phaistos der g^roße Saal und das kleine Zimmer
mit den Bänken (2^), in Knossos der Treppenaufgang neben
dem Thronraum (Plan, c), sowie die Portikus des Westhofes.
Dagegen hat der Pfeilersaal am Ostabhang imd der Vorraimi
zimi Thronzimmer (e) und in Phaistos die Halle vor den Maga-
zinen (25) die viergeteilte Front Als Ausnahme steht diesen
lO I* Die Paläste in Kreta und Griechenland.
Beispielen in Knossos nur das eine Südpropylon gegenüber,
und auch nur in seinem jetzigen Zustande, bei dem man sich
fragt, ob er der ursprüngliche sei. Die beiden Säulen sind
derart zur Seite gerückt, daß man sich woM noch eine dritte
dazwischen denken könnte, die vielleicht später, der mittleren
Tür zuliebe, entfernt worden wäre. Denn die Basensteine der
Türpfeiler sitzen so imglücklich vor der einen Säule, daß man
zweifelt, ob die Türanlage schon zum ursprünglichen Bau ge-
hört habe. Endlich ist das im Innern zweimal durch je zwei
Säulen geteilte „megaron delle donne" in Phaistos {50) nicht
einmal eine vollgiiltige Ausnahme. Denn es ist lediglich als
Binnenraum gedacht imd steht nur durch unregelmäßig ver-
teilte Seitentüren mit den anschließenden Korridoren in Ver-
bindung. Seine Innenteilimg ist mithin nicht im Zusammen-
hange mit irgendwelcher Anordnung einer Front entstanden
und zu erklären.
In den vollgiiltigen Beispielen dagegen ist der Innen-
raum ebenso wie die Front imd offenbar in Beziehung zu ihr
behandelt Im Saale von Phaistos entspricht jedem der beiden
Interkolumnien der Vorhalle eine Tür, und folgerichtig ist
auch das Innere von drei Säulen in der Breite durchsetzt
Die Halle 25 stellt die beiden Innensäulen achsial hinter die
Mittelsäule der Front. Im Thronraum zu Knossos entspricht
der zweigeteilte Eingang den beiden mittleren Interkolumnien
der Vorhalle. Im Pfeilersaal ist im Innern an Stelle der Tür-
wand einfach die Pfeilerreihe wiederholt Und diese Art der
Teilimg beschränkt sich nicht auf „frontierte" Räume, sondern
wird auch bei Zwischentüren und Durchgängen angewendet
Der „room of the column bases" (Plan, f), die nördliche Porti-
cus und, in Phaistos, die Korridore 7, 26 und 75 sowie das
Zimmer nördlich vom Bad 21 sind Beispiele dafür. Auch die
Doppeltür in der Rückwand des knossischen Hauptsaales
(Abb. 7, b) darf für bezeugt gelten (Annual Vn, 22. 25).
Es muß an dieser Stelle kurz erörtert werden, wie weit
wir berechtigt sind, von diesem Hauptsaal, der im Ober-
geschoß lag, zu sprechen. Dieses Obergeschoß ist ja nicht
mehr erhalten. Nur wenige Spuren hatten erkennen lassen,
daß es überhaupt vorhanden gewesen war (Annual VI, 20. 34 f.);
aber über seine Einteilung, besonders über die Existenz eines
;• •: ••: ••• : :
••••• ••: ; • •
I • • • ••• • •
Kretische Ratimform.
II
größeren Saales, hatten sie nicht aufklären können. Erst seit-
dem der Hauptsaal in Phaistos freigelegt war, war auch in
Knossos weiter zu kommen.
In Phaistos liegen die meisten Räume in einem Niveau
mit dem Binnenhof („livello principale" Rendiconti X 283) —
ausgenonunen nur die kleinen in den Boden eingetieften Kam-
mern 19 und 21, sowie der dreieckige Westhof, der 1,2 m
tiefer liegt Außerdem kann nur noch von einem und zwar
höher gelegenen Geschoß die Rede sein, auch wenn dasselbe
nicht überall das gleiche Niveau einhält. Dieses Geschoß
zeigt sich auch nicht überall als ein oberes Stockwerk, son-
dern erhebt sich z. T. nur auf höherer Terrasse neben den
Anlagen des imteren Niveaus. So sind die Räume nördlich
vom Hauptsaal (M, 72 — 74) lediglich durch diese Terrasse in
das Niveau eines Obergeschosses gehoben. Über den Maga^
zinen imd wohl auch über den südlichen Kammern lag da-
gegen ein richtiges oberes Stockwerk, und als solches kann
sich auch das Geschoß der nördlichen Terrasse über dem
„megaron delle donne" {50) und den östlichen Zimmern fort-
gesetzt haben.
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,,V.t.,i.
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2^tr
Treppe 6
Freitreppe
Abb. 5.
Magazin Pfeiler Magazin Korridor 7
im zum
Korridor Binnenhof
Zwischen der Nordterrasse des Palastes und den Maga-
zinen im Süden ist der Hauptsaal wie auf einem etwas
niedereren Podium gleichsam eingeschoben (Abb. 5). Denn sein
Fußboden, nur 1,8 m über dem imteren Niveau des Palastes
gelegen (Rendiconti X 270), erreicht nicht ganz die Deckenhöhe
der Magazine, die etwa bei 2,6 m liegt ^, und bleibt hinter
der Terrasse auf seiner Nordseite (;j2 — 75) sogar um 1,2 m
zurück.*) Auf beiden Seiten müssen daher Treppen zwischen
dem Saal und den höheren Nachbarräumen vermitteln. Am
12
I. Die Paläste in Kreta und Griechenland.
wichtigsten aber, und entscheidend für die 'Ergänzung des
knossischen Palastes, ist die stolze Freitreppe (66), die die Ver-
bindung zwischen der breiten Zugangsterrasse 5 und dem
Saalbau herstellt. In Knossos hatte das Südpropylon zwar
auch deutlich auf einen ausgezeichneten Teil des Palastes hin-
gewiesen, aber in seinem Niveau hatte man, hinter einem
kleinen Vorhofe („court of the altar" g) nur eine dichte Reihe
schwer zu erklärender Mauerzüge gefunden. Nun konnte der
Palast von Phaistos eine Vermutimg von Dörpfeld (Annual
Vn, 21), daß der Hauptsaal im Obergeschoß zu suchen wäre,
bestätigen. Von dem Hofe hinter dem Propylon aus mußte,
über jenen Souterrammauem hinweg, eme ähnliche Freitreppe
emporgeführt haben. Die beiden Doppelaxtpfeiler der Sou-
terrainkammem (aa) und eine in deren Mitte von Süden her
eingreifende kurze Zungenmauer boten die Unterlage für drei
Säulen, die, wie in Phaistos, das Innere des Saales der Breite
nach durchsetzt haben konnten (Abb. 7, a). Die übrigen Mauern
des Souterrains standen einer Rekonstruktion nach jenem
Muster nicht im Wege, und so fanden auch die Treppen-
reste (c), die vom Binnenhofe aufwärts wiesen (Abb. 7, c; vgl.
Annual VI, 34), durch die Analogie zur Hintertreppe 39 in
Phaistos eine befriedigende Erklärung.
Zu jener augenfälligen Vorliebe
für die Teilung von der Mitte aus
tritt die weitere Eigenschaft der Räume,
daß sie stets breiter sind als tief, daß
ihre Frontseite die größere Aus-
dehnung besitzt Dieses Verhältnis
von Breite zu Tiefe zeigt der Hauptsaal
in Phaistos innerhalb der Türwand, die
Halle 25, die Zimmer 2^, 24 und 49, in
Knossos der Raum, in dem der Thron
steht ^), und der eigentliche Innenraum
des Pfeilersaales. Denn es scheint mir,
als ob der ungewöhnliche Grundriß dieses
Saales (Abb. 6) sich am ehesten so ver-
stehen läßt, daß man den Oberlichtraum
als ein besonderes, hinter dem eigentlichen Saalraimi ein-
geschobenes Element auffaßt. Dieser letztere ist dann nur bis
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Abb. 6. Pfeilersaal in Knossos.
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Kretische Raumform. I^
zum Stylobat der beiden Säulen (a) zu rechnen, die die Stelle
seiner Rückwand einnehmen. Des angefugten Oberlichtschach-
tes wegen hat man auf diese Wand verzichtet und hat sie
nur gerade durch so viele Stützen ersetzt, als erforderlich
schienen, das hier endende Deckengebälk zu tragen. •) Der
innere Saal ohne Oberlichtraum ist dann aber in der Tat auch
breiter als tief {7, 8 m : 5, 6 m).
Unter diesem Gesichtspunkt wird es dann nicht belanglos
sein, daß auch einige nur hypothetisch ergänzte Räume das-
selbe Verhältnis von Breite zu Tiefe zeigen. Es sei deshalb
gestattet, auf diese Ergänzungen kurz einzugehen.
Neben dem von Evans ergänzten Hauptsaale in Knossos
(Abb. 7) — auch er ist um breit bei 7,5 m Tiefe — bleibt
bis zur Fluchtlinie des Hofes ein c£u 9 m breiter Raum, der
nur von angrenzenden Zunmem eingenommen sein konnte.
Die Basen der Türpfosten (d) zu dem vordersten dieser Ge-
mächer waren noch in ihrer Lage gefunden worden (Annual
Vn, 25). Ist sonach an der Existenz dieses Raumes nicht zu
zweifeln, so darf er seinerseits zur Bekräftigimg einer Ver-
mutung über das Obergeschoß in Phaistos dienen. Daß sich
auch dort ein solches über den Magazinen und ihrem Kor-
ridor (26) ausgebreitet habe, steht außer Zweifel Es wird nicht
etwa allein durch den hochgelegenen Boden des kleinen Rau-
mes 70 unmittelbar südlich vom Saale bezeugt, der auf einem
wohl erst nachträglich verschütteten Magazine ruht Der mäch-
tige viereckige Pfeiler (1) in der Mitte des Korridors der Magazine
hat, ebenso wie die schnell berühmt gewordenen knossischen
Pfeiler mit dem Doppelaxtzeichen, schwerlich nur als Unter-
stützung eines Dachgebälkes gedient Nicht zufällig steht er
gerade in der Flucht der beiden einzigen dickeren Zwischen-
wände zwischen den Magazinen 30/31 und 36/37. Erscheint
doch deren außergewöhnliche Stärke — sie übertreffen die
Dicke der übrigen Zwischenwände der Magazine {0,8 — 0,9 m)
lun etwa im — nur dann erklärlich, wenn sie bestimmt waren,
einer aufgehenden Wand des Obergeschosses als Träger zu
dienen.*») Und der Pfeiler im Souterrain erfüllt erst dann richtig
seinen Zweck, wenn er einen gleichartigen Pfeiler des Ober-
geschosses trug, durch welchen eine Tür daselbst ebenso
zweigeteilt wurde, wie der Durchgang im Korridor darunter
I. Di« Pklisl« in Kreta nnd Griecheiilsiid.
\ rr i Ä- V
Entwickelung des Megaron. je
(Abb. 5, e'). So würde sich über den Magazinen 27 — 30 und
33 — 36 ii^ir ein größeres Gemach ausgebreitet haben, das sich
auf 15 m Breite und 10,5 m Tiefe berechnen läßt. Die Über-
einstimmung mit dem entsprechenden Gemach in Knossos
würde noch größer sein, wenn in diesem die östliche Wand
bis an den Hof gerückt würde — wie es in Abb. 7 geschehen
ist: die Substruktionen dürften es wohl erlauben, und dann
wäre auch dieses Gemach, wie das in Phaistos gewonnene,
breiter als tief (c£u 8,3 m : j,2 m). Man wird zugeben, daß sich
hier ungezwungen Verhältnisse ergeben, die nach den tatsäch-
lichen Analogien sich gerade für einen kretischen Palast em-
pfehlen.
Angesichts solcher Beobachtungen kann ich mich der Über-
zeugung nicht entziehen, daß dieser Gestaltung des Innenraumes
in der kretischen Architektur eine prinzipielle Bedeutung zu-
komme, und das um so mehr, als sich auch darin ein Gegen-
satz zur griechischen Raumbildung ausspricht Ein Blick auf
die Innenräimie der griechischen Paläste lehrt, daß bei ihnen
stets die Tiefenausdehnung überwiegt und daß ihre
Schmalseite Front ist Dafiir können wir nicht nur Tiryns
und Mykenä und das einfachere Arne, sondern auch das ältere
Troia 11 anfuhren (Dörpfeld, Troia und Hion S. 80 ff,). Die
dritte Periode der zweiten Stadt steht baugeschichtlich ja in
engster Beziehung zu den „my kenischen" Gebäuden Griechen-
lands und vertritt dieselbe Bauweise, nur noch auf einer pri-
mitiveren Stufe (Jahrbuch des arch. Inst. XI 211 ff,). Und schon
da ist der Saal ein langgestrecktes Rechteck, dessen kürzere
Seite die Front bildet
Die Stätte, von der die ganze forschende Arbeit, die wir
hier weiter zu führen suchen, ausgegangen ist, spricht trotz
dem vielen Vollendeteren, was ims seitdem bescheert worden
ist, in der historischen Betrachtimg ein entscheidendes Wort
Denn erst das alttroische Einzelmegaron erschließt uns die
Vorgeschichte der griechischen Anaktenhäuser, bezeugt eine
Entwickelimg, die so elementar und verhältnismäßig kurz sie
auch scheinen mag, doch für unsere Frage zu wichtig ist, um
hier übergangen zu werden. Wieder knüpfen wir dabei an
die Gestaltung der Front an (Abb. 8).
Die Front wird bestimmt durch Vorhalle und Tür. Aber
i6
I. Die Paläste in Kreta und Griechenland.
auch die Vorhalle war einmal nicht vorhanden gewesen^ und
wiurde dem einräimiigen Hause erst hinzugefugt, und zwar
eben an der Seite, wo sich die Tür befindet Denn den Schutz,
den ein Vordach gewähren soll, sucht man doch wohl ver-
nünftigerweise zunächst für den Platz vor der Haustür selbst^
Tiryna
"^ ^ ^^-*
Phaiatoa
Abb. 8.
Hier läßt man es darum stärker ausladen imd gewinnt, indem
man es erst durch einfache Pfosten, später durch die ver-
längerten Seitenwände stützt, einen wertvollen Vorraum, der
von nun an zu jedem Hause notwendig zu gehören scheint
Sonach ist im letzten Grunde die Tür des Innenraumes,
d. h. des ursprünglich einzigen Raumes, ausschlaggebend für
die Front Sie ist es, die entscheidet, ob der Vorraum, der
alsdann das eigentlich frontbildende Element wird, an die
Schmalseite oder an die Breitseite des Hauses tritt Und ihre
Wirkung geht noch weiter.
Die Säule kommt auf und tritt auch zwischen die Anten
der Vorhalle. Damit ist die von nun an dauernd maßgebende
Grundform auch schon fertig. Denn schon die ersten griechi-
schen Beispiele, die wir kennen, Tiryns und Mykenae, zeigen
sie an dieser Stelle in der ZweizaM. Weshalb? Die Spannung
von Ante zu Ante — 9,65 m in Tiryns — forderte nicht ein-
mal notwendig eine einfache, geschweige denn eine doppelte
Entwickelung des Megaron. ij
Unterstützung des Architravs. Sonst hätte man in dem pri-
mitiveren Troia II den Balken nicht bei 10,15 m lichter
Weite ganz ohne Zwischenstütze gelassen (Megaron A,
Dörpfeld, Troia und Uion 88), und auch in der Vorhalle des
kleineren Saales in Tiryns (Abb. 3, O) mit 5,69 m Spannung
würde die Säule nicht fehlen. Wenn man also die Säule auch
ohne diesen konstruktiven Zwang gleich in der Zweizahl auf-
nahm, so vermag ich nur einen Grund dafiir zu finden: weil
die Tür in der Wandmitte lag. Diese Auffassung wird durch
die gegenteilige Anordnung in der kretischen Saalanlage
unterstützt. Deren Vorhalle zeigt nur eine Säule in der Mitte,
dafiir aber auch den Eingang dahinter zweigeteilt. Die Mittel-
stütze der Vorhalle entspricht dem Pfeiler, der die Türen
trennt Beidemale wird also die Säule so gesetzt, daß sie
nicht in den Bereich der Türöffnung fällt, sondern so, daß
Türöffnung und Interkolumnium auf einander treffen.
Man fragt sich nach dem Grunde einer solchen Anord-
nung, die ja keine zufällige sein wird. Wenigstens der Ver-
such einer Erklärung sei dem Urteil der Architekten imter-
breitet. Das entscheidende Wort dürfte weniger der Wunsch,
eine überflüssige Unterbrechung und Störung der Lichtzu-
fuhr zu vermeiden, als vielmehr die Konstruktion gesprochen
haben. An sich hätte doch näher gelegen, in der der Breit-
seite vorgelegten Halle zwei Stützen zu errichten, während
die Halle an der Schmalseite sich mit einer Stütze begnügen
konnte. Dann aber wären — wenn, wie in unseren Beispielen,
die Schmalseite eintürig, die Breitseite doppeltürig war — die
Querbalken der Vorhallendecke, die in den Achsen der Säulen
zur Türwand gehen, auf dieser in beiden Fällen über die
lichte Türweite zu liegen gekommen. Das mußte man aber
vermeiden, um nicht den Türsturz unnötig zu belasten, — eine
Rücksicht, die im reinen Steinbau schon das Entlastungs-
dreieck der Kuppelgräber und des Löwentores zeigt. Wären
die Stützen der Vorhalle das bestimmende Element gewesen,
so hätte eben jene Rücksicht doch wohl in beiden Fällen zu
einer anderen Einteilung der Türwand gefuhrt. Daß das nicht
geschah, spricht für die führende Rolle der Tür. Die Säule
wird genau da eingegliedert, wo die Disposition des vorhan-
denen einfachen Raumes es als zweckmäßig erscheinen läßt
Noack, Homerische Paläste. 2
lg I. Die Paläste in Kreta nnd Griechenland.
Es besteht mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
Türanlage des Innenraumes imd Einteilimg der frontalen Halle.
Die Wirkung ist verschieden, je nachdem der Eingang dop-
pelt, in der Mitte geteilt, oder einfach und ungeteilt ist. Wir
finden diesen an der schmalen, jenen an der breiten Seite des
Innenraumes. Einfache Tür an der Schmalseite: Dreiteilung
der Front, doppelte Tür an der Breitseite: Zweiteilimg der
Front Also liegt in der verschiedenartigen Anlage der Ur-
form die letzte Ursache der Verschiedenheit kretischer und
griechischer Raimibildung. Dort entschied das breitstimige,
hier das schmalstimige Haus.
Dieser Unterschied erscheint mir fundamental. Er macht
es ebenso unmöglich, die den Architekten von Tiryns, My-
kenä imd Arne geläufige Ordnung des Saalbaues aus den
kretischen Anlagen abzuleiten, wie umgekehrt die kretischen
Paläste nur als eine reichere Ausgestaltung der griechischen zu
erklären. Das alttroische Megaronschema war auf Kreta nicht
fremd; wir sehen es, wenn auch ganz vereinzelt, in Goulas
(Annual 11 1895/96 S. 169 f. und Tafel V). Aber es ist durch
dieselbe Kluft, wie jenes, von den Sälen von Knossos und
Phaistos getrennt. Das Vorkommen der beiden Formen auf
der Insel kann den Gegensatz nur noch auffallender erscheinen
lassen, und um so mehr möchte man ihn nicht nur als Tat-
sache hinnehmen, sondern auch seine Ursache begreifen. Die-
sem Ziele kommen wir näher, wenn wir die Genesis der
Paläste zu verstehen suchen. Das ist für die griechischen
Anaktenhäuser am ersten möglich.
2.
Einst war es schon ein wichtiger Fortschritt gewesen,
als zu der einräimiigen Urform des Hauses die Halle an der
Türseite trat Aber auch diese beiden Räume reichten einmal
für das Herrenhaus nicht mehr aus. Schon in Troia 11 liegt
neben dem Megaron A noch ein kleineres Haus.^) Einerlei,
welches seine Bedeutung war, es gehört dazu, wenn auch
seine Zugehörigkeit lediglich dadurch ausgedrückt wird, daß
man es auf denselben Hof münden läßt. Diesem primitiven
Verfahren gegenüber ist es ein bedeutender Fortschritt, wenn
Hauptbau und Nebenräume zu einem geschlossenen Ganzen ver-
Das mehnämnige Haus.
19
einigt werden, in dem das gegenseitige Verhältnis der Räume
zu klarem Ausdruck gelangt
Ich glaube hierfür auf kein besseres Beispiel hinweisen
zu können, als auf den Palast von Arne, der Stadtburg im
Kopaissee.'") Die Kunstgeschichte hat diese imposantesten
Palast von Arne
(die wirkliclie Lage des Ostflügds Abb. 9.
ist dvrch ptmktietie Linien angegeben)
Reste, die Mittelgriechenland aus der „mykenischen" Zeit auf-
zuweisen hat, bis jetzt so gut wie nicht berücksichtigt, —
vielleicht weil der auffallende Gnmdriß des Palastes noch
keine genügende Erklärung gefunden hat. Für das Ver-
ständnis seines Gesamtplanes ist die Beobachtung Brückners
(Arch, Anzeiger 1895, 119) grundlegend, daß jeder Palast-
flügel als eine in sich geschlossene Wohnungsanlage zu be-
trachten ist In Abbildung 9 ist, um dies zu veranschau-
20 I* I^ic Paläste in Kreta und Griechenland.
liehen, der Ostflügel, der im Plan des Palastes nur punktiert
ist, neben dem Nordflügel wiederholt. Nun wird man aber
die Frage nicht umgehen können, ob eine solche Kombi-
nation der einzelnen Elemente — Megara, Kammern, Korri-
dore — in so völlig gleicher Wiederholung, wie sie beide
Flügel zeigen, gerade erst für diesen Palast gemacht worden
sei. Und man wird daran zweifeln müssen. Die Boden-
verhältnisse haben nicht zu dieser Gestaltimg gezwungen.
Denn der Terrasse, die man aus mächtigen Blöcken eigens
für den Palast aufbaute, — die nebenbei bemerkt auch für
die Vollständigkeit des wieder freigelegten Grundrisses spricht,
— hätte ebensogut eine andere, breitere Grundform gegeben
werden können, und dann wäre gewiß das Ergebnis, so sollte
man denken, eine etwas einheitlichere Anlage gewesen. Es
ist erst diese mechanische Wiederholung des gleichen Sche-
mas, die den Palast so merkwürdig imd imeinheitlich erscheinen
läßt Jeder einzelne Flügel für sich betrachtet, zeigt dagegen
eine so logische und übersichtliche Anordnung der Elemente,
ist in sich so abgeschlossen und fertig, daß er als der Ver-
treter einer typischen Hausform erscheint Man möchte sich
den Palast etwa so entstanden denken, daß der Architekt
einer Forderung nach mehr Räumliclikeiten, als im Hause
seiner Zeit sonst üblich, nur dadurch zu entsprechen wußte,
daß er zwei Exemplare desselben Typus, den er nicht durch-
brechen wollte oder konnte, im rechten Winkel verband.
Nur die Vorhalle der Megara hatte er der dadurch geschaffe-
nen Situation anzupassen, indem er sie an der Front ab-
schloß imd den Eingang an ihre Seite legte. Lediglich hier-
durch erhielten diese Vorräume ihre individuelle, von der
normalen Form abweichende Gestalt ^^); sie dürfen daher nicht
etwa als Vertreter eines besonderen Haustypus mit antenloser,
allseitig umbauter Vorhalle in der Art des Megaron von Gar-
gara angesehen werden. Wir brauchen ims zu jedem Flügel
nur den Hof vor dem Megaron hinzuzudenken, um das Bild
einer zwar sehr einfachen, aber immerhin vollständigen, mehr-
räumigen Hausanlage zu erhalten.
Dieses Haus hat, obwohl der Zeit vollentwickelter „my-
kenischer*' Kultur angehörend, doch offenbar in manchen
Zügen von der Einfachheit älterer Anlagen mehr bewahrt als
Korridorsystem. 2 1
Tiryns und Mykenä. So ist die Planbildung des Saales über
das alttroische Schema noch nicht hinausgekommen. Der
Hauptraum ist zwar nicht mehr ganz so gestreckt, aber der
Vorsaal bildet einmal (Q) noch ein volles Quadrat (6,3 m : 6,35 m),
das andere Mal (B) steht er diesem wenigstens näher (5 m : 7 m)
als dem flachen Rechteck, das noch am Ausgange derselben
Periode auftritt Die rechteckigen Vorräume der Hauptmegara
in Tiryns und Mykenä sind nur durch die Halbierung der
fast quadraten Vorhalle durch die eingeschobene Türwand
gewonnen; die ungeteilte Vorhalle des kleineren tirynther Me-
garon ist noch nahezu quadrat.^ Erst die einfachen Vor-
räume der Megara von Troia VI sind gcinz auf die schmale
rechteckige Grundform reduziert**) — Ebenso ist die Säule,
wenn sie auch auf der Stadtinsel des Kopaissees, wie die
langen Hallen (Jahrb. d. arch. Inst XI 220, Anm.)^) beweisen,
nicht unbekannt ist, doch in dem Palast selbst nicht nach-
weisbar. Und wir haben keinen Anlaß für die Annahme, das
Megaron des Hauses, das der Architekt, als er es in seine
Palastanlage aufnahm, an der Front verschloß, habe zwei
Säulen zwischen den Anten gehabt Das ist um so bemerkens-
werter, als die Säule im damaligen Palastbau des Peloponnes
schon ausgiebig verwendet wiu-de.
Andrerseits aber ist in dem Haustjrpus von Arne schon
das Mittel gefunden, das den oben erwähnten Fortschritt über
die alttroischen Anlagen hinaus ermöglicht hat Es ist das
System der Korridore, das alle Nebenräume zwar unabhängig
von einander, soweit sie verschiedenen Zwecken dienen, aber
als gleichwertig gegenüber dem Hauptbau, zusammenfaßt imd
sie als Einheit diesem imterordnet Erst durch den Korridor,
auf den sie alle münden (W), sind sie mit dem Saale ver-
bunden, und auch das nur in dem einen Fall. In dem Nord-
flügel stellt erst ein zweiter, äußerer Korridor (SU) daneben
diese Verbindung her. Gleichzeitig verbindet er (wie V im
Ostflügel) sie auch direkt mit dem Hofe bezw. der Straße,
damit der Saal nicht zum Durchgangsraume degradiert werde.
In Tiryns wäre es ein leichtes gewesen, durch ein paar
Türen eine direkte, kürzere Verbindung des großen Megaron
(Abb. 3, M) mit den Nebenräumen herzustellen. Die imiständliche
Führung der Korridore um die Megara herum (««) muß also
22 !• I^ic Paläste in Kreta und Griechenland.
einem ähnlichen Streben, wie es die Anlagen in Arne verraten,
entsprungen sein: der Saal soll auch hier isoliert bleiben;
ebenso ist er es in Mykenä im Palast, und selbst in dem ein-
fachen Privathause hinter dem Gräberrund (Abb. 9) steht das
Megaron für sich.**) War diese überall festgehaltene Isolie-
rung unbedingt notwendig? Nein. Die kretischen Paläste
zeigen uns den Saal in enger Verbindung mit der Gesamt-
anlage. Er fügt sich mehr in diese, als daß er sie bestimmt.
Anstatt ihn zu isolieren, besteht im Gegenteil das ganz aus-
geprägte Bestreben nach möglichst direkter bequemer Kom-
munikation, das die Räume unmittelbar aneinander schließt:
der Hauptsaal in Phaistos hat allein drei Nebentüren! Wenn
man also im Gegensatz dazu im griechischeji Anaktenhause
mittels des Korridorsystems die Selbständigkeit und Ab-
geschlossenheit des Megaron so konsequent zu wahren suchte,
so vermag ich das nur als die Folge der geschichtlichen Ent-
wickelimg zu verstehen. Das alte Vorrecht des Saales, von
dem dieselbe hier ausgegangen war, der einmal allein das
Haus gebildet hatte, sollte erhalten bleiben. Und irre ich
nicht, so hat er auch noch in anderer Weise auf den Gang
der Entwickelung eingewirkt.
In dem in Arne verwendeten Haustypus liegen die unter-
geordneten Gemächer hinter dem Saale. Die Korridore, an
denen sie sich aufreihen, halten nicht nur die Richtimg der
Längsachse des Saales fest, sondern setzen diese auch fort
und bestimmen dadurch die Ausdehmmg des erweiterten Hauses
nach hinten. Man kann freilich nicht sagen, daß nur dies die
ursprünglichere oder die einzige normale Anordnung sein
könne, weil wir in Tiryns und in dem kleinen mykenischen
Privathause die Nebenräimie an der Seite der Megara finden.
Aber die sie verbindenden Korridore folgen doch auch hier —
imd darin schließt sich ein Hauptkorridor in Mykenä an — der
Längsrichtimg des Saales. Das ist aber keineswegs selbst-
verständlich imd scheint mir z. B. in Tiryns um so mehr Be-
achtung zu verdienen, als dort das straffe unmittelbare Ver-
hältnis von Hauptraum und Nebenräumen, wie ich glaube
und sogleich erklären werde, bereits dadurch gelockert ist,
daß zwischen beide das kleinere Megaron eingeschoben ist
Ich glaube also diesen Parallelismus der Korridore zur Längs-
Korridorsystem. 2 3
achse des Saales nicht zu überschätzen, wenn ich ihn für
einen gesetzmäßigen Zug dieser Baukunst halte. Und wenn
ich bedenke, daß schon bei dem Saale allein, und vollends
erst als die Vorhalle an seine Schmalseite trat, die Tiefen-
ausdehnung dieser grundlegenden Hausform ein fiir allemal
entschieden worden war, daß dieser Saal femer auch in der
erweiterten Hausanlage eine bevorrechtete Rolle behielt, so
möchte ich ihn auch darin als leitenden Faktor erkennen, daß
er die Richtung der Korridore, durch die ihm die Neben-
räume angegliedert wurden, beeinflußt habe. Einerlei ob man
diese hinter dem Saale oder an seiner Seite anlegte, der sie
verbindende Korridor mußte, so mochte die Lehre lauten, die
Richtung der Hauptachse des Hauptraumes innehalten. Es
wäre nicht das erste Mal, daß die grundlegende Bauform ihre
zähe, lang nachwirkende Kraft bewiesen habe, imd von einer
bezeichnenden Eigentümlichkeit dieser Herrenhäuser wäre
der Charakter des Zufälligen oder Willkürlichen hinweg-
genommen.
In der kretischen Anlage ist von einer derartigen nach-
haltigen Wirkimg der Grnmdform des Saales nichts zu bemerken.
Wenn ich diesen richtig auf die breitstimige Urform zurück-
geführt habe, so muß ich bekennen, daß ihr Einfluß noch
innerhalb der Disposition des Saalbaues versagt Sie hat
wohl die Kraft, sich bei der Frontbildimg der Vorhalle noch
durchzusetzen; aber sie kann es nicht verhindern, daß durch
die Zufugimg dieser Vorhalle, auch wenn in dieser selbst die
Breite überwiegt, das ursprüngliche Verhältnis von Breite zu
Tiefe sich verschiebt: die Tiefenausdehnung des ganzen Saal-
baues erhält das größere Maß imd die Front befindet sich
nxm mit einem Male doch an der schmaleren Seite. Eine
Beziehung zwischen der charakteristischen Grundform des
Saales und der Gesamtanlage des Palastes ist erst recht
nicht zu erkennen. Mit einer Formel, in der gleichsam der
Gang der folgenden Weiterbildung schon vorgezeichnet ge-
wesen wäre, wie ich es beim troisch-griechischen Typus zu er-
kennen glaube, kommen wir in Kreta nicht aus. Die dortigen
Paläste müssen eine andere Geschichte haben, als die griechi-
schen Anaktenhäuser. Diese letzteren erkennen wir als das
Ergebnis einer eigenen baugeschichtlichen Entwickelung, in
24
I. Die Paläste in Kreta und Griechenland.
der sich kein Stadium zeigt, das als eine beiden Gruppen
gemeinsame Vorstufe zu bezeichnen wäre. Innerhalb dieser
Entwickelimg haben sich die maßgebenden Grrundzüge aus-
gebildet, die sich uns freilich nur noch in dem letzten Sta-
dium, in den Palästen der „mykenischen" Blütezeit, offenbaren.
Aber schon diese Paläste fallen, als Ganzes betrachtet, aus
dem Bereiche der einfachen, geradlinigen Entwickelung heraus.
Aus dieser erklärt sich weder die Verdoppelung der einfachen
Hausanlage in Arne noch das zweite Megaron in Tiryns. Und
hierfür glaube ich allerdings die Erklärung nur in einem ge-
wissen fremden Einflüsse zu finden, dessen Verständnis uns
erst die kretischen Paläste erschließen. Daß in diesem ver-
hältnismäßig späten Stadium ein solcher Einfluß nur noch
ein beschränkter sein konnte, wird man begreiflich finden.
Es ist zunächst Tatsache, daß alle diese Paläste in Griechen-
land wie auf Kreta im Dienste derselben Kultur stehen. In
der Dekorationsweise, in allen Kunstformen, die hier wie dort
verwendet werden, besteht kein Unterschied im Stil, sondern
höchstens in der Qualität. Und auch da mag es z. T. nur die
Ungunst des Schicksals sein, die uns vom Schmuck der Wände
in Tiryns und Mykenä nur Geringwertigeres übrig gelassen
hat; die skulpierten Friese von Porphyr und Alabaster standen
denen von Kjiossos nicht nach. Gleichwohl scheint es mit
jeder neuen Nachricht aus Kreta immer deutlicher und selbst-
verständlicher zu werden, daß diese Kultur nur mit den kre-
tischen Bauten wirklich eng verwachsen, daß sie in ihnen,
ihren reichsten und, täusche ich mich nicht, auch kongenialen
Vertretern wirklich heimisch ist und in organischem Zusammen-
hange mit ihnen entstanden sein muß. In Griechenland finden
wir sie in Gebäuden, deren grundsätzliche Verschiedenheit in
der Architektonik durch die imposante, den kretischen Palästen
fremde Betonung des Festungscharakters nur noch stärker
markiert wird. In diesen Gebäuden kann sie strenggenommen
nur ein Fremdling gewesen sein. Das schließt nicht aus, daß
die Vorfahren ihrer Schöpfer und Träger selbst einmal von
Norden, von Griechenland her, nach Kreta gekommen waren.
Nur konnten sie erst auf dieser Insel, die sie in einer be-
stinunten, abgeschlossenen Selbständigkeit erhielt, die ihnen
gewiß auch Elemente einer älteren einheimischen Kultur ver-
Begrenzung des kretischen Einflusses. 25
mittelte und überdies die Schwelle zum alten Orient bildete,
eine Kultur und eine Kunst von der Eigenart, aber auch mit
so vielen Merkmalen enger Berühnmg mit dem Orient ent-
wickeln, wie es die ist, die wir bis jetzt „mykenische" genannt
haben. Und als nun diese kretische Kultur — r so möchte ich
es mir vorstellen — in ihrer Blüte, glanzvoll und gebietend
in Griechenland einsetzte^*), fand sie die feste Tradition einer
alten Bauweise vor, in der das Einzelhaus alles bestimmte.
Sie verlangte für die Ansprüche eines verfeinerten, prunkvollen
Lebens, einer komplizierten Hofhaltung der Herrscher eine
Vermehrung der Räumlichkeiten. Und die Paläste, die nun
entstehen, suchen solche Anforderungen auch zu erfüllen, aber
sie tun es auf ihre Weise, anders in Mykenä als in Tiryns,
und wieder anders in Arne, immer aber den Grundgedanken
treu, nach denen die Hausanlage sich bis dahin entwickelt
hatte. So wiederholt man in Tiryns den Hauptsaal nur in
kleinerem Maßstabe und mit noch imgeteilter Vorhalle ^^) an
gesondertem Hofe (ON), imd vermehrt wohl auch die Zahl
der sonst üblichen Nebenräimie; in Arne verdoppelt man
sogar das vollständige Haus, nicht ohne durch die Lage des
Einganges die eine Abteilung, den Nordflügel, als die bevor-
zugtere und von außen eher zu erreichende zu charakterisieren.
Ob demselben Zwecke in Mykenä schon durch die Räume
gegenüber dem Megaron genügt werden sollte ^^, oder ob der
griechische Tempel diese Räume zerstört hat, ist nicht mehr
auszumachen. Die oberste Terrasse von Troia VI ist verloren.
Ob aber hier überhaupt eine geschlossene Palastanlage nach
Art der griechischen Herrenhäuser lag, darf man schon im
Hinblick auf die Ruinen der übrigen Terrassen bezweifeln.
Wenn Brückner jetzt in dem Buche Dörpfelds, Troia und
Ilion, 554 für den Hof des Königs an dieser Stelle „einen
beträchtlich reicheren Grundriß" annehmen möchte und sich
dabei mehr für „eine Nebeneinanderreihung großer Räume",
„mehr dem Plane des Kernes der IL Burg als dem Plane von
Knossos verwandt", entscheidet, so werden wir dieser Ent-
scheidung um so eher zustimmen können, als die zweite
Möglichkeit sich durch das Ergebnis dieser Studie überhaupt
erledigt hat
Weiter aber reicht der kretische Einfluß nicht Er kann
20 !• ^ic Paläste in Kreta und Griechenland.
die griechischen Häuser den kretischen Palästen doch nicht
ähnlicher machen, denn er kann die Macht des alten Einzel-
hauses nicht überwinden, das in dieser Zeit wohl um die
Säule bereichert wird, aber in seinen Grundzügen darum doch
unverändert bleibt. So ist auch die Frage, wie man sich das
Aufkommen der Säule im Bereiche dieser frühgriechischen
Baukimst erklären will (Jahrb. XI 218 f.), an dieser Stelle be-
langlos. Es ist nur zu konstatieren, daß sie in Troia II (imd VI,
mit einer einzigen Ausnahme) und im geschlossenen Haustypus
von Arne fehlt, dagegen in Tiryns und Mykenä wie auf Kreta
vom Hausbilde bereits untrennbar ist, und daß sie in der
Typik der bildenden Kunst, die für Kreta und Griechenland
die Einheit einer bestimmten, d. h. eben der kretischen Kultur
beweisen, allgemeine Voraussetzung ist. So mögen sich viel-
leicht manche denken, daß die Säule mit dieser Kultur nach
Griechenland gekommen wäre. Aber auch einmal zugegeben,
daß sie als konstruktives Element dort wirklich fremd und
neu zugleich gewesen wäre (wovon ich mich nicht überzeugen
kann), so wäre sie eben doch nur als ein solches einzelnes
Element aufgenommen worden und hätte die Entwickelung
nicht aus der lange festgelegten Bahn geworfen: wir sehen
weder, daß sie die Breitstimigkeit des Saales nach sich ge-
zogen, noch daß sie die Zweiteilung der Front eingeführt
hätte. Im Gegenteil hat auch sie sich, wie wir sahen, den
Verhältnissen gefügt, die durch den vorhandenen Haustypus
gegeben waren.^^
Am stärksten aber hat dieser seine Überlegenheit da-
durch bewiesen, daß er diese ganze Kultur überdauert hat.
Nicht allein in der Tempelcella lebt er weiter. Wir werden
ihn, in der alten einfacheren Verbindung mit den am Korridor
gereihten Gemächern, auch als das profane Wohnhaus der
nachmykenischen Zeit noch zu erkennen haben. Die kretischen
Paläste dagegen, die wir von den griechischen haben scheiden
müssen, sind, soweit wir sehen können, ohne Nachwirkung auf
die spätere Baukunst untergegangeQ.**)
Ehe wir die Funde von Kreta hatten, durften wir eine
andere Erwartung hegen. Die Megara und Propyläentore
waren auch in Troia II einmal als etwas Fremdes eingeführt
worden.*^) Es war, bei ihrem bestimmten Verhältnis zu My-
Die Analogien im Orient und in Ägypten. 27
kenä und Tiryns, nur folgerichtig, ihre ursprüngliche Heimat
dort zu suchen, wohin die Forschungen über die Herkunft der
„mykenischen" Kultur uns führen würden.*^ Denn die ganze
Bauart dieser Paläste durfte man noch als eine spezifische
Schöpftmg dieser selben Kultur betrachten. Knossos und
Phaistos haben uns eines anderen belehrt. Und wenn die
Megara und Propyläentore darum auch nicht heimischer wer-
den aiif Hissarlik, so bleiben sie, als primitivere Vorstufe, mit
den Herrenhäusern in Griechenland nun um so fester ver-
bunden.
Es erübrigt noch die Frage, ob die kretischen Paläste
mit den Eigenschaften, durch die sie sich von den griechischen
Anlagen entscheidend lösen, ganz isoliert dastehen oder nicht
Bis jetzt hat sich uns wenigstens ergeben, daß auch die
kretische Saalform das Endergebnis einer gewissen Entwicke-
limg ist, also bereits ihre Geschichte hat Hieran knüpfen
wir noch einmal an.
Es ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die wir tatsäch-
lich erst den kretischen Funden verdanken, daß die klassische
Form der Propyläen und der Tempelcella, das templum in
antis, mit dreigeteilter Front, wirklich in Griechenland selbst
ausgebildet worden ist Noch heute stehen ihnen keine Formen
näher als die der „mykenischen" Ruinen in der Argolis.**) Es
ist das Prinzip der „schmalstimigen Gebäudefront", das in
diesen Typen entwickelt worden war imd von da an im Be-
reiche des ägäischen Meeres**) und im Westen so nachhaltig
gewirkt hat
Dagegen ist für das Verständnis der kretischen Paläste
die Beobachtung bedeutsam, daß im Osten, wie es scheint,
seit früher Zeit, die „br eitstimige Front " in Geltung gestanden
hat. Für Syrien ist sie gegen Ende des zweiten Jahrtausends
durch Sendschirli bezeugt. Das älteste Hilani setzt bereits
das Prinzip der Breitstimigkeit voraus. Die durch die jüngsten
Ausgrabungen aufgedeckten Ruinen, die in der Raumbildung
von den früher geftmdenen Bauten abweichen, gehören erst
dem neimten Jahrhundert an (Verhandl. d. Berl. Anthrop. Ges.
1902 S. 385, Arch. Anzeiger 1903 S. 50) imd können schon
28
I. Die Palaste in Kreta und Griechenland.
darum in unserer Frage keine selbständige Bedeutung be-
anspruchen. Hier kommen nur jene älteren Anlagen in Betracht.
Allerdings nimmt Koldewey (Sendschirli S. 139 f., 183 f.)
an, daß schon das „Hilani" I ein modifiziertes Festimgfstor
wäre, seine breitstimige Anlage sonach erst dem Torbau zu
verdanken habe (Abb. 10). Diese Auffassung als richtig voraus-
gesetzt, käme es als selbständiges Zeugnis also nicht in Betracht
Stadttor von Sendschirli, ergänzt (i : 300)
Abb. 10.
777777777777,
^mMM^
Das alte Hilani, ergänzt (i : 600)
Aber ist denn für das Festungstor die Breitstimigkeit so
selbstverständlich? Selbst wenn das Tor von Türmen flankiert
war, brauchte sich trotzdem nicht der ganze Torbau imbedingt
in die Breite zu dehnen. Allermindestens für den Torhof dahinter
wäre die Tiefenentwickelung nicht ausgeschlossen gewesen.
Ich meine daher, daß die Gestalt der Festungstore in Send-
schirli doch wohl ein schon bestehendes Prinzip der Breit-
stimigkeit der Front zur Voraussetzimg haben muß, das
dann kaum anderswoher als vom Hause stammen kann. Jetzt
wird die Existenz dieses Prinzips im östlichen Mittelmeergebiet
für viel ältere Zeit durch die Raimibildung der kretischen
Paläste bewiesen.
Aber noch wichtiger ist, daß dasselbe schon in vor-
mykenischer Zeit offenbar auch in Ägypten bei der Raimi-
disposition eine Rolle gespielt hat Konrad Lange hat (Haus
und Halle S. 8 ff.) an die ägyptischen Hausmodelle erinnert,
die an der einen Seite des viereckigen Hofes das Haus zeigen,
das mehr breit als tief ist (Perrot-Chipiez, Hist. de l'Art I 485
Wilkinson, Manners and customs II 108 ff.). Das gleiche Schema
bietet jetzt der einfache Haustypus von Kahim (Abb. 1 1 a).
In Kahun hat man aber auch zum ersten Male richtige Herren-
häuser aus dem Ende des dritten Jahrtausends kennen gelernt
Die Analogien Im Orient und in Ägypten
29
(Abb. IIb, Zentralblatt der ßauverwaltung XIII (1893) 517.
521). Sie zeigen an der Breitseite des Hofes die „Säulen-
halle", dahinter in gleicher Richtung, d. h, mit der Lang-
seite angrenzend, den langgestreckten Saal, die „breite Halle",
und hinter dieser das kürzere „tiefe Gremach", also die drei
Hauptteile, die aus den Inschriften bekannt waren und die
schon Lange auch „aus den mit religiösen Zutaten ver-
setzten Tempelgrundrissen herauszuschälen" versucht hatte.
■ Ägyptische Hänset in Kabuc
Im Tempel kehren in der Tat dieselben drei Elemente des
Hauses wieder (Steindorff, Zeitschr. f. äg. Sprache 34 (1897)
107 f.). Nur ist hier das einfache Schema durch die Wieder-
holung einzelner Teile nicht selten gestört Zwischen dem
„tiefen" Hauptraum, dem Sanktuarium, und der „breiten Halle"
werden Zwischensäle eingeschaltet, und zwar werden nicht
nur die breiten Säle, sondern gelegentlich auch die tiefen
Gemächer multipliziert**) Aber es verdient Beachtung, daß
erst durch diese, die originalen Räume als solche nicht
verändernde „Multiplikation" die überwiegende Tiefenaus-
dehnung geschaffen wird. Erst die wiederholte Hintereinander-
reihung der Gemächer macht den ägyptischen Tempel zu
dem langgestreckten Gebäude, als das er uns erscheint Es
war also ganz richtig, wenn Lange in dem „Hangel einer
scharfen Betonung der Längsrichtung" einen wesentlichen
30 I* ^ic Paläste in Kreta und Griechenland.
Unterschied zwischen griechischer und ägyptischer Raum-
disposition erblickte. Nur erklärt sich dieser „Mangel" viel-
mehr als eine wohlberechtigte Eigenschaft des ägyptischen
Tempels, wenn nämlich auch schon in dessen Urbild, dem
ägyptischen Hause, eine überwiegende Tendenz zur Tiefen-
entwickelimg des Raumes nicht vorhanden war. Und das
scheint, wie wir sahen, in der Tat der Fall zu sein. Der
„tiefe" Saal verdient seinen Namen lediglich im Gegensatz zu
der ausgesprochenen Breitenausdehnimg der beiden vorderen
Teile, denn er selbst ist entweder quadrat oder doch so gut
wie quadrat Den Wechsel in der Grundform bei diesen un-
mittelbar verbundenen Räumen, fiir den es noch keine Er-
klärung zu geben scheint, muß man als Tatsache hinnehmen.
Wenn aber möglicherweise noch dem Architekten des Tempels
Amenophis' HI. in Luqsor Vorhalle und breiter Saal, d. h. die
beiden vorderen Teile des Hauses, als „ein untrennbares
Ganzes" erscheinen, — mit dieser Voraussetzimg sucht Borchardt
Zschr. f. äg. Spr. 34, 130 die Wiederholung der Räume in
diesem Tempel zu erklären, — so sei wenigstens die Frage
aufgeworfen, ob nicht etwa schon der „tiefe Saal" eine sekim-
däre Zutat war, und das älteste ägyptische Haus einmal auch
nur aus dem breiten Saal und der davorliegenden Halle be-
standen habe. Aber wie die Antwort darauf auch lauten mag,
Tatsache ist, daß, selbst wenn wir die drei Hauptteile des
ägyptischen Hauses zusammennehmen, ihre Tiefe die Breiten-
ausdehnung noch nicht erreicht, und femer, daß diese in den
beiden vorderen, auf jeden Fall ursprünglichen und originalen
Räumen bedeutend überwiegt. Ich kann daher die Annahme
nicht für unbegründet halten, daß die Breitstimigkeit für das
altägyptische Haus oder zum mindesten für seine frontbilden-
den Teile schon im dritten Jahrtausend von prinzipieller Be-
deutung gewesen sei.
Zum Schlüsse sei noch auf die altchaldäischen Bauten
hingewiesen. Es handelt sich hier um die Etagentürme, auf
deren oberster Terrasse das Haus des Gottes lag. Man nimmt
an^, daß sowohl die Grundform der übrigen Terrassen wie
die Lage des Aufgangs durch die Gestalt dieses Hauses be-
stimmt wurde, und schließt daher von jenen auf dieses, das
nirgends mehr erhalten ist, zurück. Nun hatte der Turm in
Die Analogien im Orient und in Ägypten. ox
Borsippa, nach Rawlinsons Rekonstruktion den Aufgang an
der Breitseite*^); ebenso derjenige von Sin (Ur) und vor allem
auch der von Nippur, das klassische Vorbild aller Zigurate.
Und hier kommt hinzu, daß die an der Südostseite des Zigu-
rats gelegene Tempelterrasse nach Hilprechts neuesten Auf-
nahmen, die ich einsehen konnte, die Eingänge gleichfalls
an der Breitseite hat, obwohl diese so nahe an den Etagen-
turm herangerückt ist, daß sie eigentlich nicht mehr als Front
wiricen konnte und man den Eingang eher an der Schmal-
seite erwarten sollte (s. jetzt Hilprecht, die Ausgrabungen im
BM-Tempel zu Nippur 1903 S. 44, Abb. 27).^ Mit allem Vor-
behalt möchte man daher schließen, daß auch in dieser Bau-
kunst die breitstimige Anlage bevorzugt war.
Solche Analogien können der oben durchgeführten Analyse
der kretischen Paläste als willkommene Bestätigung dienen.
Da sie gerade im Süden und Osten erscheinen, so wird man
es nicht für Zufall halten können, daß die breitstimige Ge-
bäudefront im Westen von Kreta und nördlich im Bereiche
des ägäischen Meeres nicht vorkommt, sondern nur in der-
jenigen Gruppe „mykenischer" Paläste gilt, in der auch
andere charakteristische Züge für Einfluß von Osten oder
vom Nile her sprechen. Dahin gehört, daß weder in chal-
däischer noch ägyptischer Baukunst der Korridor auch nur
annähernd die gleiche Rolle spielt wie in den griechischen
Anaktenhäusem, und der Hauptsaal nirgends so isoliert wird
wie in Tiryns, Mykenä und Arne, sondern daß die direkte
Verbindung von Haupt- und Nebenräumen ebenso allgemein
üblich ist, wie auf Kreta.*^ Femer das System der Magazine.
Streng von einander getrennt und an dem gemeinsamen
Korridor gleichförmig nebeneinander gereiht, sind sie um so
beachtenswerter, weil man in Knossos auch Vorratsräume
gefunden hat, die ohne Korridor direkt mit einander verbunden
sind (Annual VII 7 4 f.). Nun kann man wohl sagen, eine der-
artige Anordnung sei so selbstverständlich, daß sie sich überall
selbständig gebildet haben könne. Das wird man auch z. B.
für die griechische Parallele der kretischen Magazine, die
tirynther „Kasematten", gerne annehmen, zumal man sich bei
diesen jetzt darauf bemfen kann, daß gerade in der griechischen
Baugruppe die Reihung von Nebengemächem an Korridoren
7 2 I* Die Paläste in Kreta und Griechenland.
ak originaler Baugedanke zur Planbildung gehörte. Außerdem
hatte man die im Mauermassiv ausgesparten Hohlräume schon
in Troia II gekannt (Dörpfeld, Troia und Ilion 77), und in
beschränktem Maße waren sie auch in Mykenä vorhanden
(Steffen, Karten v. Myk. 25). Für Kreta kommt dagegen wohl
das Vorbild der ägyptischen Magazinanlagen in Betracht.
Der Palast von El Amarna ist allerdings zu jung, um als ent-
scheidender Zeuge angeführt werden zu können*^, aber solche
Anlagen sind im Niltal schon für die Zeit der 5. Dynastie
(um 2500) belegt*^), und im Hinblick auf den starken Kontakt
mit Ägypten, den die Einzelfunde und die Dekoration beweisen,
mag man daher auch die kretischen Magazine von dort
herleiten.
Und endlich sei hier auch ein Wort über die Technik
gestattet, das uns noch einmal zu einem Vergleich der kreti-
schen mit den griechischen Palästen führt Wir durften
Troia II (3. Periode) und andrerseits Tiryns, Mykenä und Arne
als ältere und jüngere Etappen einer, wenn auch sehr ein-
fachen, Entwickelungsreihe ansehen. Eine dritte und jüngste
Etappe erkennen wir in der Cella des Heraion von Olympia
mit ihrem vorzüglichen Steinsockel und dessen sorgfaltigen
Aufnahmevorrichtungen für hölzerne Leibung und Anten.*^
Die Bauweise bleibt dieselbe durch mehr als ein Jahrtausend:
sie tritt uns nur in technisch immer mehr vervollkommneter
Gestalt entgegen. Auch in Kreta hat die Bautechnik einmal
auf demselben Boden gestanden. Hölzerne Anker in der
Wand, Pfosten- und Bohlensicherung der Anten kommen ge-
legentlich auch in Phaistos und Knossos vor. Aber anstatt
der Lehmwand auf Steinsockel führt man hochaufgehende
Bruchsteinwände imd Quaderwerk ein. Orthostatenbau findet
sich nur selten, z. B. da, wo eine längere geschlossene
Außenwand an den Hof grenzt, wie an der Westseite des
Palastes von Knossos und an der Terrasse 5 in Phaistos.
Eine umfassendere Entwickelung desselben ist durch das
feste Zusammenhängen der meisten Räume verhindert: es
fehlen eben die isolierten Megara! Überhaupt wird dem
Stein eine andere Rolle zugeteilt. Nicht etwa, daß eine
Beherrschung der Steintechnik, wie wir sie in Kreta be-
wundem, den griechischen Architekten der Zeit fremd ge-
Technisches. — Der zweigeteilte Eingang. ^x
wesen wäre. Eine solche Annahme verböte allein schon die
Technik an den Kuppelgräbem. Wohl aber gesteht man
dem Steine, — von dem durch Ornament ausgezeichneten ab-
gesehen, — in der aufgehenden Wand der Wohngebäude kein
Recht auf eigene Wirkung zu. Die eine Hofwand und die
wenigen Orthostaten der Vorhalle des Megaron in Mykenä
sowie die Antensockel in Tiryns bestätigen als sehr bescheidene
Ausnahmen nur die Regel. Der Stein bleibt hauptsächlich
der Befestigimg imd dem Sakralbau vorbehalten. Ihn in
Massen aufzubauen, versteht man sich eben nur da, wo all-
gemeinere Interessen es verlangen. Diese Interessen heißen:
Sicherung des Lebens und Schutz der Gräber. In Kreta
liegen die Verhältnisse anders. Zwar die kretischen Fürsten-
gräber kennen wir noch nicht; aber wir sehen, daß der Be-
festigimg sehr viel geringere oder keine Bedeutung zukam.
Die Vorzüge des Steinbaues kommen hier den Palästen selbst
umfassend zu gute. Und hierbei, angesichts der z. T. hoch-
aufgehenden Quaderwände im großen Nordzugang, im Pfeiler-
saal und seinem Nachbarraum in Knossos, im Binnenhofe und
im Raum 49 in Phaistos, glaubt man wieder ägyptischen Ein-
fluß, die Nähe der vortrefflichen ägyptischen Steintechnik
zu spüren.
Nur in einem Punkte bietet, soweit ich sehe, weder die
aitchaldäische noch die ägyptische Baukimst eine Parallele.
Man scheint weder hier noch dort den zweigeteilten Eingang
zu kennen. Die frühesten mir bekannten Beispiele finden sich
außer in Kreta nur noch im südlichen Kleinasien. Unter den
lykischen Felsengräbern nämlich bieten gerade diejenigen, in
denen sich nach Benndorf (Jahreshefte des öst. arch. Inst II 23 f.)
„das stilistisch älteste Bild des lykischen Gesamthauses" er-
halten hat, — in der Westnekropole von Myra, — eine vor-
hallenlose Fassade, die nicht in allen Beispielen die Dreiteilung
der Front mit der Tür in der Mitte zeigt, sondern häufig ganz
von zwei, durch einen Mittelpfeiler geschiedenen Türen ein-
genommen wird (Perrot-Chipiez V 364, 373f. Springer-Michaelis,
Handb. I *, 63). Auch betont Benndorf noch in seiner neuesten
Behandlung dieser Grabmäler (a. a. O. 27) „die Breite der Ver-
hältnisse" und erklärt „den zunehmenden Schwund der Breiten-
masse" überzeugend aus der „sacralen Fortverwendung des
Noack, Homerische Paläste. 3
34
I. Die Paläste in Kreta und Griechenland.
Gebäudebildes", wobei sich jedoch nicht mehr ausmachen
läßt, ob die originalen Haustypen sich ebenso, wie in der
Fassaden teilxmg, nun auch in dem Verhältnis von Breite zur
Tiefe von einander unterschieden haben. Feststellen läßt sich
somit nur, daß die dem kretischen Saale eignende Zweiteilimg-
der Front auch in Kleinasien nur im Süden imd nur in Lykien
nachzuweisen ist. Höchstens könnte man sich dabei noch
einer Überlieferung bei Herodot I 173 erinnern, wonach gerade
die Vorfahren der Lykier einst auf Kreta gewohnt hätten und
erst durch Minos vertrieben worden wären. Daß hierin mög*-
licherweise ein geschichtlicher Kern enthalten sei, ist noch
neuerdings ausgesprochen worden**), und vielleicht wäre damit
auch die Frage zu beantworten, wie die lykischen Grabfassaden
zu ihrer Zweiteilung gekommen wären. Jedenfalls liefert für
die Verbindung von zweigeteilter Front mit breitstimiger
Raumform bis jetzt Kreta allein die einzigen wirklich sicheren
Beispiele. Nur die eine Vermutung dürfen wir noch hinzu-
fügen, daß derart gestaltete, einfachere Räume den Palästen,
für die sie charakteristisch sind, ebenso voraufgegangen sein
werden, wie das einfache, alleinstehende „Megaron" den viel-
räumigen Herrenhäusern Griechenlands.
Sehen wir aber jene Paläste entscheidende Eigentümlich-
keiten mit altorientalischer und ägyptischer Baukunst teilen,
und dürfen wir demnach bei ihrer Anlage fremdem Einflüsse
einen bedeutenden Anteil zuerkennen, so treten sie damit
nicht allein aus ihrer Isolierung heraus, sondern auch der
Gegensatz, in dem zu ihnen die griechischen Anaktenhäuser
stehen, vertieft sich und gewinnt noch schärfere Form. Denn
diese letzteren müssen uns nun, von Dekoration und Zierformen
abgesehen, als architektonische Gebilde um so selbständiger,
von solchen Einflüssen unberührt, kurz durchaus unorientalisch
erscheinen.
Dieses Resultat kommt einer Vermutung von Evans ent-
gegen, die dieser aus ganz anderem Anlaß ausgesprochen hat
Angesichts der Tatsache, daß in den kretischen Sälen die
Herdstelle fehlt, glaubt er in ihnen einen südlicheren Typus zu
erkennen, in dem der Herd nicht länger das feste Zentrum
des Saales zu bilden brauchte (Annual VII 24). In den griechi-
schen Megara ist der Herd in der Tat auch als Wärmequelle
Nördlicher und südlicher Haustypus. ^e
ZU betrachten, — das Klima wird ein halbes oder ganzes
Jahrtausend früher nicht anders gewesen sein, als es im r und
g der Odyssee **) erscheint, — imd es wäre daher, wenn auch
mit allem Vorbehalt, die Frage aufzuwerfen, ob sich die
Unterschiede der troisch-griechischen imd der kretischen Säle
oder richtiger der ihnen zu Grnmde liegenden Urformen etwa
auf verschiedenes Klima zurückfuhren ließen.
Die Zweiteilung der Front ist jedenfalls ungewöhnlicher,
einerlei, ob die eine Hälfte verschlossen imd nur die andere
als Eingang gedacht wurde, wie allein bei den Grabanlagen, —
wo es begreiflich ist: das Grab, das dauernd verschlossen
werden sollte, hatte an einem Eingang genug, — oder ob
das einräumige Haus wirklich zwei Eingänge nebeneinander
besaß, wie bei der Hausanlage in Kreta. Will man dafür
eine Erklärung versuchen, so wäre es etwa die, daß man
da, wo der Herd nicht ständig war, der natürlichen Wärme
um so weiter den Raum habe öffnen wollen. Bei dem ein-
räumigen Hause, wie wir es aus den kretischen Palästen
erschlossen haben, war das nur zu erreichen, indem man
die Türöffnung möglichst breit machte imd sie, vermutlich
nur der besseren Abschlußmöglichkeit zuliebe, durch einen
Mittelpfosten teilte.
Bei dem nördlicheren, troisch-griechischen Typus hätte
man sich vorzustellen, daß die Tür, die die Kälte herein und
die Wärme hinaus ließ, innerhalb eines unbedingt notwendigen
Maßes gehalten worden wäre, wobei freilich immer noch im-
erklärt bliebe, weshalb man sie gerade an die Schmalseite
gelegt habe. Wir müßten, um hier vielleicht zu einer Antwort,
die befriedigte, zu gelangen, die Grenzen dieser Studie über-
schreiten. Nur soviel sei bemerkt, daß die angedeutete Mög-
lichkeit, den einen der beiden hier unterschiedenen Haustypen
aus einer nördlicheren Heimat herzuleiten, darin wohl eine
Stütze finden dürfte, daß die neueste Forschung immer häufiger
die Obereinstimmung zwischen alttroischer und jüngerer neo-
lithischer Keramik der Balkan- und Donauländer beobachtet
und im Sinne einer Kulturströmung in nord-südlicher Richtung
zu deuten geneigt ist Und damit wäre zu verbinden, daß
man in neuerer Zeit auch Beziehungen des nordischen, und zwar
des ostgermanischen, im Hausbau Skandinaviens fortlebenden
3*
ß5 I* ^^6 Palaste in Kreta und Griechenland.
Haustypus ziun altgriechischen Hause, und da gerade zur
Form des „templum in antis", also unseres nordlicheren, troisch-
griechischen Typus, hat finden wollen,**) Das wichtige Problem
kamn in diesem Zusammenhange nicht weiter behandelt werden;
es sei aber wenigstens einmal zur Diskussion gestellt. Vielleicht,
daß andere dadurch veranlaßt werden, sich mit weiterem
Wissen zu äußern.
n.
DAS HOMERISCHE HAUS
AUS DEM HOMERISCHEN EPOS ERKLART.
I.
Der Glaube, daß uns in den „mykenischen" Palästen das
beste Bild eines homerischen Anaktenhauses gegeben sei, ist
bis in die neueste Zeit wohl immer allgemeiner geteilt worden.
Angesichts der fundamentalen Unterschiede griechischer und
kretischer Palastanlagen müßte sich nun, wie schon gesagt,
wenigstens die Frage erheben, zu welcher dieser beiden Grup-
pen die Vorstellung, welche die homerischen Gedichte uns
vom Anaktenhause geben, stimme. Aber auch diese Frage-
stellung wäre noch nicht richtig. Denn sie macht zwei Vor-
aussetzimgen, einmal, daß diese Vorstellung vom homerischen
Hause eine einheitliche gewesen, und sodann, daß die Über-
einstimmung mit einer jener beiden Gruppen zweifellos, eine
andere Möglichkeit aber ausgeschlossen wäre. Beides muß
ich, unter Berufimg auf das Epos selbst, bestreiten. Denn es
läßt sich, wie ich glaube, beweisen, daß, noch während die
uns erhaltenen Epen sich bildeten, Veränderungen der Haus-
anlage sich vollzogen haben müssen, so daß z. B. jüngere Par-
tieen des Epos mit einem Hausteile rechneten, den der weit-
aus größte Bestand der Dichtung nicht kannte, vor allem
aber, daß auch schon der ältere homerische Palast auf Gmind
genereller Unterschiede von jenen Palästen der „mykenischen"
Zeit zu trennen ist.
Die Beweisführung ist dadurch erschwert, daß es sich
gerade in diesem Falle vielfach um Angaben handelt, die in
formelhaften Wendungen und Versen sich wiederholen. Der
Charakter der epischen, von Generation zu Generation weiter-
gegebenen Kimstsprache brachte es ja mit sich, daß man bei
der Wiederkehr bestimmter Schilderungen und Vorgänge sich
immer wieder derselben Worte bediente, die früher einmal
für eine einzelne bestimmte Schilderung, einen einzelnen Vor-
gang geprägt worden waren. Entweder verband der solche
40
n. Das Homerische Hans.
Verse wiederholende Rhapsode noch eine gleich lebendige
Vorstellung damit, wie ihr Dichter selbst, oder, mindestens
ebenso oft, waren sie für ihn eine abgeschliffene Formel, die
er anwandte, ohne sie auf ihre tatsächliche, ursprüngliche Be-
deutung hin geprüft zu haben, die er also möglicherweise
auch da gebrauchte, wo sie strenggenommen nicht am Platze
war. Er sah in ihr nur den im allgemeinen übereinstimmenden
Gedanken imd achtete nicht der einst einer andersartigen
Situation entsprechenden Details. Erklärlich ist das, da er
solche Formelverse oft gar nicht mehr aus dem Zusammen-
hange, für den sie gedichtet waren, entnahm, sondern sie schon
als Formeln in dem eisernen Bestände seiner Kimstsprache
vorfand, mit dem er umdichtend und weiterdichtend zu ope-
rieren pflegte. Wenn es aber vorkommen konnte, daß durch
mißverständliche oder unbedachte Verwertung einer Formel
ein Begriff eine schiefe oder geradezu falsche Bedeutui^ er-
hielt, so muß man auch mit der weiteren Möglichkeit rechnen,
daß er von da an in dieser neuen, veränderten Bedeutung'
auch wiederholt und weitergegeben werden konnte.
Für uns erwächst daraus die Lehre, daQ wir ein solches
Beispiel stets für sich zu behandeln und zu versuchen haben,
der Fehlerquelle, d. h. der Ursache und der Gelegenheit des
Bedeutungs wechseis nachzuspüren, — aber auch die andere
Lehre, daß jene Formelverse nicht in allen ihren Wieder-
holungen als selbständige Belege für ihren sachlichen Inhalt
gelten dürfen, sondern nur da, wo sie entweder original oder
wenigstens in der uns überlieferten Fassung der Epen zuerst
verwendet worden sind — sofern das überhaupt noch auszu-
machen ist. Damit sind wir aber notwendig auf die Hilfe der
philologischen Kritik hingewiesen. Ihre Erwägungen haben
wir zu prüfen und zu nützen, wenn wir nun, unbeeinflußt durch
die Monumente, uns fragen, was für Vorstellungen von Palast
und Haus den Angaben der Dichter zu Grunde liegen.
Zum Ausgangspunkt der Untersuchung wähle ich jedoch
nicht das Haus des Odysseus oder einen anderen Palast, son-
dern die Schilderung des AchiUeuszeltes im fl.
Der Dichter des £1 hat für die Darstellungsform die älteren
Partieen der Ilias — sie 1^ ihm fast vollständig vor — stark
ausgenutzt Besonders greifbar ist die Benutzung der Presbeia,
Das Zelt des Achilleus.
41
die er wörtlich oder mit leichter Veränderung „ausschreibt"**);
und zwar liegt sie ihm schon mit der Erweiterung durch die
Phoinixscenen vor, wie ß 643 und 675 (= J 658 und 675) be-
zeugen. Zu solchen einfachen Entlehnimgen, deren Herkunft
außer Zweifel steht, treten aber auch formelhafte Verse, die
sich in der Ilias nicht wiederholen. Ein gutes Beispiel bietet
dafür gerade die Zeltbeschreibung.
Im I und sonst werden die xhöiai. der Grriechen stets nur
beiläufig erwähnt. Kein Wort verlautet über ihre Bauart; nur
einmal heißt die xkiöiri Achills i'ÖTtrpcrog I 286. Auf Geheiß
des Patroklos wird I 658 ff. fiir Phoinix ein Lager bereitet:
ai d* ixLxeid'öiievai ötögsöav kixog &s ixdXevösv,
xasd XB ^^y6g xb Xivoiö x€ XsTtxbv 6(otov,
ivd'^ 6 yiQfov xaxikexxo Tcal ^Höa dtav Ifiiiivev.
Wo? wird nicht gesagt; natürlich im Zelt, in dessen iivx6g
auch Achilleus und Patroklos schlafen. Ganz anders im ß.
Da ist die. xXiöCri Achills ein schilfgedecktes Blockhaus, das,
wie die Hütte des Eumaios 5 ii> von einem Pallisadenzaun
umschlossen ist. Die in der Schilderung des Torverschlusses
gebrauchten Worte ixißXijg und ixiQQiij66o sind axa^ Xsyö^eva.
Man hat ganz den Eindruck, daß der Dichter die xkiöCr^ ivxi]-
xxog der Presbeia mit einem gewissen Behagen mit eigenen
Worten ausmalt ^^) Die Übereinstimmung mit dem Hause
wird noch verstärkt durch die später . folgende Schilderung,
wie Achilleus, als Hektors Leiche auf dem Wagen ruht und
das Mahl vorüber ist, die Anweisimg gibt, dem greisen Gast
das Nachtlager zu richten. Ich setze die wohlbekannten Verse
hierher:
ß 643 fj q\ ^Ax^ktvg d' ixaQoiöiv Idh dfimfii tUXbvöbv
ös(ivi v7t atd'ovöf] %'iiLBvai xal ^liysa xakd
TCOQfpvQB i^ßaksBiv^ öxogeöccv r' ig)vxBQd'6 xdxrjrag,
%kaCvag x* iv%'i\uvai, oZkag xccd^SQ^s eöaöd'ai.
a£ d' üöav ix (isyäQOio ddog (isxä xsgölv sxovöai,
altl^a d' &Q* iötÖQBöav doiü kixB iyxoveovöui.
Achilleus selbst geleitet Priamos zum Lager. Dann heißt es
673 6t iilv &Q* iv XQoäöiic) S6110V avTÖd'i, xoiiiijöavxo
xilifv^ xal TlQCafiog^ nvxivä g>Q€6l fnijds* ixovxeg,
airäQ ^Ax^kkBvg aide (ivxp xkiöCrig ivjci^xtov'
x& d\ BQiörjlg ^tageki^axo xakkixdQyog.
42
II. Das Homerische Haus.
Spricht der Dichter auch hier mit eigenen Worten?
Gewiß ist es nicht von vornherein abzuweisen, daß er
sich ein solches solide gebautes Lagerzelt, das er selbst als
olxog bezeichnet (471), auch mit einem vom über der Tür weit
vorragenden imd von Pfosten (oder den verlängerten Seiten-
wänden) gestützten Dache, also mit einer richtigen atd'ovöcc
versehen, ausgedacht haben könnte. Aber man weiß ja, daß
die atd'ovöa (= XQÖdofiog) hier in einer Versgruppe auftritt,
die an anderen Stellen für das Schlafengehen des Gastes im
Königshause verwendet wird. Es handelt sich also um Formel-
verse, und man hat zu untersuchen, an welcher Stelle die-
selben auf Ursprünglichkeit den meisten Anspruch machen
dürfen.
Die gleiche Scene findet sich an drei Stellen der Odyssee,
im y (Telemachos bei Nestor), im ä (T. bei Menelaos) und im
rj (Odysseus bei Alkinoos); y, das sich mit ß nicht berührt,
setze ich in der folgenden Tabelle nur der Vollständigkeit
wegen ein.
ij 220
— y 395
ri 22g
= y 396
a 643^
= * 296^
£1 644
— * 297
= n 33^
ß 645
— * 298
— n 337
a 646
= d ^99
— n 33^
ß 647
— * 300
— n 339
a 648
-{d 301)
00 12 340
a 673
— * 302
n 345
— y 399
(» 304^)
— n 346^>
— y 402
{»305*)
— n 347^*^
= y 403
(a 676)
00 * 305»»
* 306
— * I
= y 404
*307*
— * 2»
— y 405
*6»>
— y 406^
Stehen also diese Verse, mit Ausnahme des ß, stets mit
Bezug auf das wirkliche Haus, zu dessen integrierenden Be-
standteilen die al%'ov6a (= ngdöo^og) nachweislich gehört, so
erscheint die Vermutung berechtigt, daß die xUöiri Achills zu
dieser Vorhalle nur dadurch gekommen sei, daß der Dichter
Der Platz des Gastbettes. a^
die für eine andere Situation geprägte Formel wiederholte*^;
die Dichter von Irrfahrten und Telemachie hätten die Verse
entsprechend dem ursprünglichen Sinne an rechter Stelle ver-
wendet, nicht so der Dichter des ß: mithin wären sie im ß
auf keinen Fall original.
Dieser Auffassung kommt folgende Beobachtung zu Hilfe.
Inmitten der Formelverse steht das kurze Zwiegespräch zwi-
schen Achill und Priamos, worin jener sagt: schlafe draußen,
damit nicht etwa einer der Achäer, die häufig bei Nacht zur
Beratung hierher kommen, dich erblicke. Leicht könnte sonst,
wenn Agamemnon es erführe, die Auslieferung der Leiche
Aufschub erleiden. Also eine regelrechte Entschuldigung da-
für, daß das Lager nicht an einem respektableren Platze, im
Hauptraum der xkiöcrj^ aufgestellt worden sei, und eine recht
ungeschickte dazu. Denn hat das, was Achilleus da sagt, wirk-
lich Sinn? Ist die Gefahr einer Erkennxmg nicht ebensogut
vorhanden, wenn der Greis mit seinem Begleiter draußen
neben der Tür liegt, die jeder Ankommende passieren muß?
Ich kann für diese Erklärung nur den Dichter verantwortlich
machen, der angesichts der Formelverse offenbar stutzig wird
und denkt, daß die atd'ovöa eigentlich kein Raum sei für den
königlichen Gast. Kann sich aber der Epigone deutlicher
verraten, der eine alte Sitte nicht mehr versteht?*^
Denn es war doch einmal wirklich Sitte gewesen, die
keiner Entschuldigung bedurfte, daß dem Gaste das Lager in
der atd'ovöcc angewiesen wurde. Das wußten auch noch die
Dichter der Telemachie imd der Phäakis; sie fügten den
Versen keine Erklärung oder Entschuldigung bei, obwohl es
sich um keine geringeren Gäste handelte, als im ß. Denn
einmal ist es der Sohn eines teuren Freundes und ein könig-
licher Erbe, dem, um ihn zu ehren, Nestor den eigenen Sohn
zum Schlafgenossen gibt, das andere Mal zwar ein noch un-
erkannter, vom Unglück verfolgter Fremdling, der aber doch
auch mit allen Ehren bewirtet wird und nicht unwürdig er-
scheint, der Schwiegersohn des Phäakenkönigs zu werden.
Daß zwischen Telemachie und ri wiederum ein qualitativer
Unterschied besteht, derart, daß rj ursprüngliche Verhältnisse
treuer wiedergibt, als jene, werden wir bei anderer Gelegen-
heit noch sehen. Bis dahin muß es unentschieden bleiben, ob
44
II. Das Homerische Haus.
die Verse auch noch in der Telemachie, da sie mit gewissem
Verständnis wiederholt werden, den Wert eines selbständigen
Zeugnisses besitzen oder nicht. Soviel aber läßt sich jeden-
falls schon jetzt behaupten, daß die Möglichkeit, als Quelle
für diese Verse in d und ri das ß anzusehen*^, ausgeschlossen
ist. Dann bleibt nur zwischen zwei Erklärungen die Wahl.
Entweder das Ä hat die Verse aus der Odyssee entnommen.
Es würde damit unter die Vereinigimg von Irrfahrten imd
Telemachie hinabdatiert; denn nicht S oder i^*^) könnte die
Vorlage abgegeben haben, sondern nur beide zusammen:
Ä 648 fehlt in S (vgl. 301), ist dagegen rj 340 engverwandt,
während andrerseits Ä 673 nicht mit ri 344, 345, wohl aber mit
d 302 wörtlich übereinstimmt. Oder aber wir haben es mit einer
Versgruppe zu tun, die in unserer Überlieferung der epischen
Dichtung bereits überall als Formel kursiert und demnach
an keiner Stelle als original angesprochen werden darf; die
Quelle, in der sie original war, ist fiir uns verschollen.*^ Auch
in diesem Falle stünde ß, das den Inhalt der Formel zu ent-
schuldigen sucht, dieser Quelle femer als rj, das sie, ohne An-
stoß zu nehmen, wiedergibt. Wir brauchen, für unsere Frage,
zwischen beiden Möglichkeiten nicht zu entscheiden. In bei-
den Fällen bleibt rj doch (für uns) der ursprünglichste und
reinste Repräsentant einer Sitte, die, — das ist der wichtigste
Gewinn dieser Erwägungen, — auch wirklich in den Palästen
gegolten hat und für die der älteste Beleg nicht von einer
Lagerhütte stammt.
Bedenken wir nun weiter, daß eine solche Sitte auch
nicht vom Dichter einfach erfunden wird, sondern schon einige
Zeit fest ausgebildet imd allgemein anerkannt gewesen sein
muß, bevor die Verse, die sie schildern, in den uns erhaltenen
Epen auftreten, so müssen wir uns doch fragen, unter welchen
Voraussetzungen sie sich gebildet habe. Denn es ist nichts
weniger als selbstverständlich, — dafür ist der Dichter des ü
der erste Zeuge, — daß der Gast gerade in der Vorhalle
untergebracht wurde. Und es ist klar, daß diese Sitte nur
unter bestimmten räumlichen Verhältnissen entstanden sein
kann. Sie setzt, kurz gesagt, eine Anaktenwohnung voraus,
der es nicht nur an einem Raimie, der als Gastzimmer hätte
dienen können, gebrach, sondern in der auch das vornehmste
Gemach, das Megaron, das doch beim Herde den geeignetsten
Platz geboten hätte, nachtsüber nicht frei gewesen sein kann.
In dem Hause, in dem diese Sitte erwuchs, muß das Megaron
den Hausbewohnern selbst als ständiger Schlafraimi gedient
haben.
2.
Diese Möglichkeit ist, bis vor kurzem, niemals erwogen
worden. Und doch ist die Antwort auf die Frage, wo denn
die Hausleute selbst geschlafen hatten, in derselben Formel
enthalten, die uns das Gastbett in der Vorhalle zeigt: Haus-
herr und Hausfrau schlafen ^vxp Söfiov ig)rjXoto. Das steht da
gleichsam zur Erklärung für den sonderbaren Platz des Gast-
bettes. Aber was ist dieser fivx6g} Ein besonderer Teil des
Palastes, in dem auch das eheliche Schlafgemach lag, oder
eben dieses letztere selbst — so lautet die Vulgata. Als glän-
zendstes Beispiel bot sich ihr stets der Ehethalamos des
Odysseus.
Dieser Auffassung ist kürzlich Münsterberg mit vollstem
Recht entgegengetreten (Jahreshefte des österr. arch. Instit. II
1901). Seiner Beweisführung hat er nur sehr durch die
Tendenz geschadet, eine Entwickelung vom [ivxög bis zum
Opisthodom des Tempels aufzuzeigen, deren einzelne Etappen
sich sogar noch in den Epen erkennen ließen. Er hat dabei
der Genesis der homerischen Dichtungen nicht genügend
Rechnung getragen. Ich glaube demgegenüber noch heute
an einer früher gewonnenen Auffassung festhalten zu dürfen.
Mit Recht hat Münsterberg betritten, daß der fivxög von
vornherein als ein eigener, abgesonderter Raimi anzusehen
wäre. Aber wir müssen weitergehen und sagen, daß der fivxig
bei Homer nie und nirgends ein gesondertes Gemach be-
zeichne. Weder im Saale des Alkinoos (iy 87. 96) oder des
Odysseus (x 270), noch im Zelt Achills {/ 663) oder in der
Grotte der Kalypso (s 226) wäre er als solcher zu verstehen.
Ist er aber in diesen imd anderen Fällen immer nur ein Teil,
und zwar der entlegenste, hinterste eines Raumes, und kann
sich im fLvx6g des Megaron das Leben des Tages abspielen,
warum sollte er ein anderer Raum sein für die Nacht? Dort
wo der Herr des Hauses am Tage sitzt, wo die Herrin spinnt
Af> !!■ Das Homerische Hans.
und webt, am Herde an die Säule gelehnt (5 305 — 307), im
Megaron, legen sie sich des Nachts nieder zum Schlafe.**)
Keine Andeutung, daß Alkinoos und Arete das Megaron ver-
ließen, um sich in einen besonderen Ehetbalamos zu begebenl
Keine Andeutung auch, daß am andern Morgen der König
aus einem solchen herkomme (d i £F.). Und man sage nicht,
das Leben auf Scheria bilde eine Ausnahme, als das Leben
eines Märchenlandes. Es gibt uns nur das schöne Bild des
Lebens, wenn es ohne Schicksale glücklich verläuft. Damach
sehnen sich die Menschen, den wenigsten wird es gewährt.
So ist das Fhäakenleben freilich den meisten ein fernes Ideal.
Aber es ist nicht mit unerreichbaren, außermenschlichen Be-
griffen ausgeschmückt; am allerwenigsten in seinem äußeren
Gewände. Und wenn sich der Dichter alles reicher und üppi-
ger, als es ihm seine wirkliche Welt zeigte, gedacht hätte,
weshalb den Ehrengast denn auch im Märchenpalaste auf die
Vorhalle beschränken, wo es doch leicht gewesen wäre, ihm
ein eigenes Gemach herzuzaubern — weshalb, wenn es im
Leben nicht so gewesen wäre?
Aber man weist auf den Dichter der Telemachie, der
ausdrücklich sage, daß Menelaos, nachdem er nvx^ S6nov ^^
loto zur Ruhe gegangen war (d 304). am andern Morgen von
seinem Lager ^x &aid(ioio {8 310) sich zu Telemach begeben
habe. Ja, Münsterberg sieht in dieser Stelle sogar den Be-
weis dafür, daß der (tu^rfg) indem er durch eine Scheidewand
vom Megaron getrennt worden sei, sich zu einem eigenen
Gemach entwickelt habe. Aber diese Hypothese gründet sich
auf kein einwandfreies Zeugnis. Denn die ganze Stelle {d 307'
— 310) kehrt wörtlich ß 2' — 5 wieder. Wir müssen annehmen,
daß es derselbe Dichter ist, der sich hier wiederholt Prüfen
wir aber, welches die Wiederholung sei, so besteht kein
Zweifel, daß es die Menelaosstelle ist: in der andern handelt
es sich um Telemachos, der aber kommt natürlich aus seinem
Thalamos. Das ist ebenso in der Ordnung, wie wenn y 413
die Söhne Nestors aus ihren Thalamoi kommen, während die
vorhergehenden Verse von Nestor selbst nicht sagen, daß
auch er einen Thalamos verlassen habe {404. 405)
agvvz' Sg i^ tvvii<pt riEptjrtog [«aöia Niercog,
begreiflich genug, da sie '9' i, 2 voraussetzen. Weshalb bringt
der Dichter nicht auch hier seine Weisheit vom Thalamos an
und übertrumpft nicht damit seine Vorlage, die Phäakendich-
timg? Doch wohl, weil der Ehethalamos für ihn kein fester,
gebräuchlicher Begriff war. Ist er ihm doch auch an einer
zweiten Stelle erst durch eine Entlehnimg gegeben worden.
ä 121 tritt Helena auf ix d'aXd^ioio dvfhSeog {^oprf^oto
'Agrafiidt xQvörikaxdixci iixvla. Man sollte meinen, der Ehethala-
mos wäre dadurch deutlich genug bezeugt Aber ich muß es
bestreiten; auch diese Verse sind hier nicht original. Wes-
halb hat Helena bis jetzt bei dem frohen Feste gefehlt und
erscheint erst am Abend, als die Fremden schon da sind? Ich
sehe nur die eine Erklärung, daß der Dichter damit eine (recht
äußerliche) Steigerung der Handlung erstrebte. Menelaos hatte
des Odysseus trauernd gedacht und war nahe daran, Tele-
machos, der sich bereits durch seine Tränen verriet, zu be-
fragen, da kommt seine klügere Frau, die auf den ersten Blick
den Sohn des Odysseus schon an der äußeren Ähnlichkeit
mit dem Vater erkennt. Jetzt erst fällt diese auch Menelaos
auf, Peisistratos gibt sich und den Freund zu erkennen, und
die Teilnahme des Hausherrn für Odysseus rührt nun sie alle
zu Tränen. Man sieht, das Motiv ist einfach verdoppelt.
Hauptzweck war dem Dichter das Auftreten der sagen-
berühmten Frau. Ihr Erscheinen war für die Hörer ein Effekt,
auch wenn der Dichter ihn nicht ganz aus eigenen Mitteln
bestritt. Denn man vergleiche r 51 ff., wo es von Penelope
heißt: ij d' hv ix d^aXdiioio . . . 'Agtifiidi CxiXrij und frage sich,
wenn es noch nötig ist, auf welcher Seite die Priorität sei, —
ob bei Helena oder in jener sicher sehr alten Partie der
Odyssee (s. u.) und in einem Momente von tietinnerlicher Be-
deutung: denn er inauguriert das erste Wiedersehen (und
Wiedererkennen) der beiden Gatten. Dann stammt aber der
Thalamos") der Helena von demjenigen Penelopes, und auch
d 121 verliert seinen Wert als selbständiges Zeugnis. Aber
es erscheint nun auch verständlicher, um nicht zu sagen ver-
zeihlicher, daß der Dichter, nachdem ihm die Verse des r
einen Thalamos für seine Helena geliefert haben, etwas später
auch seinen Vers ß 5 wiederholt, so daß Menelaos nun gleicher-
maßen aus dem Thalamos auftritt. Andrerseits muß man dann
^3 ^I* ^^s Homerische Haus.
aber auch das volle Verständnis für die Formel vom (ivxbg
drfftov iiniXoto bei diesem Dichter in Zweifel ziehen. Wenn er
mit diesem noch die klare Vorstellung vom hinteren Teile
des Megaron verbunden hätte, hätte er nicht im Königshause
von Sparta den Ehethalamos des Herrscherpaares einfuhren
können. Die mißverständliche Verwertung von r 53 und ß 5
ist nur imter dieser Voraussetzung ganz erklärlicK Als eine
andere Folge dieses Entlehnungsprozesses kann man es nun
auch verstehen, daß der Dichter Helena selbst bereuen läßt
(d 263) d-dka^öv re xööiv rs verlassen zu haben, — sofern man
nicht vorzieht, dabei an einen Einfluß von T 174 (s. u.) zu
denken.
Auch auf eine Frage, die wir oben noch offen lassen
mußten, läßt sich jetzt wohl eine bestimmtere Antwort geben.
Der Dichter des d, der den fivxög so wenig mehr verstand, hat
gewiß den Gast nur deshalb noch in der atd'ovöcc schlafen lassen,
weil er die ganze Formel ohne weitere Bedenken, aber auch
ohne Nachdenken wiederholte. Daß er sie aus t^ schöpfte
imd nicht etwa aus ß, wird jetzt wohl noch mehr einleuchten,
ganz abgesehen davon, daß auch seine entsprechenden Verse
im y (s. die Tabelle oben) nur im rj wiederkehren. Somit er-
gibt sich in diesem Punkte ein qualitativer Unterschied zwi-
schen Telemachie und Irrfahrtendichtung, den aus anderen
Gründen die Homerkritik längst festgestellt hat.
Für unsere Frage aber bleibt, wenn sich die selbständige
Beweiskraft der Stellen des ä in dieser Weise erledigt, nur
die Odysseuswohnung übrig. Sie erfordert nach anderer Seite
noch eine eigene Untersuchung. Hier kann sie den Gang im-
serer Erwägungen weder fördern noch hemmen; denn gerade
ihr Beispiel kann in der Frage nach dem ehelichen Thalamos
keine allgemeine Verbindlichkeit haben. Allerdings ist einzig
für diesen Palast der Ehethalamos wirklich imanfechtbar be-
zeugt Aber er ist es in so singulärer Form, daß es sich ver-
bietet, daraus auf die Existenz eines solchen Raumes in jedem
Anaktenhause zu schließen. Denn nur so lange diese letztere
Ansicht unangefochten war, durfte man denken, daß die Ori-
ginalität des von ,Odysseus erbauten d-dkafiog allein in seiner
imgewöhnlichen Konstruktion (^188 ff.) gelegen habe und
nicht vielmehr auch darin, daß er überhaupt ein besonderes
Tkalamos der erwachsenen Kinder. kg
Schlafgemach war. Ist dagegen jene Ansicht erschüttert oder
gar widerlegt, so kann dieser Thalamos auch als gesonderter
Schlafraum ein Unicum gewesen sein, das der vielgewändte
Herr des Hauses sich gegen die allgemeine Sitte seiner Zeit
erbaut hatte, — wenn auch nicht in der von Münsterberg ver-
muteten Form. Denn nichts spricht dafür, daß man ihn sich
wie einen vom Megaron gleichsam abgelösten (ivxög opistho-
domartig hinten am Megaron angebaut denken sollte. Was
der Dichter ^ 190 — 192 andeutet, fuhrt im Gegenteil viel eher
zur Vorstellimg eines frei im Hofe stehenden Gebäudes, und
als Eurykleia darin das Lager hergerichtet hat, kehrt sie ins
Haus zurück, xdXiv olxövde ßsßilxei ^ 292.**)
Die Untersuchungen über das homerische Haus haben, so
will es mir scheinen, bislang nicht zimi wenigsten gerade
darum zu so angreifbaren Resultaten geführt, weil man darin
dem Thalamos des Odysseus stets die Ehre eines allgemeinen
Argumentes gab. Das eine Exemplar hat das Urteil, ohne
daß man sich dessen bewußt wurde, gebunden. Nehmen wir
es, wie es sich gibt, als eine Ausnahme in jedem Sinne, so
Werden wir die noch übrigen Zeugnisse vorurteilsloser be-
trachten können.
3.
So finde ich eine weitere Bestätigung dafür, daß das ehe-
liche Schlafgemach mit dem Megaron identisch war, in dem
besonderen Thalamos der erwachsenen Kinder. Diese
Wachsen wohl auf im Megaron bei den Eltern (van Leeuwen
Mnemosyne XXDC [1901] 239 f.), großjährig geworden aber
erhalten sie ihre eigene Wohnimg. So heischte es notwendig
die Sitte, da die Eltern im Megaron schliefen. Daher der
Thalamos des jungen Phoinix / 475 und derjenige der Nau-
sikaa mit eigenem Herd rj 7 *•), sowie die Thalamoi der vv^tpat
auf dem Achilleusschild S 492. Und so fest ist die Tradition,
daß es auch dem Dichter der Telemachie selbstverständlich
scheint, daß Telemachos, obwohl das Megaron des ithakesischen
Herrenhauses nachtsüber frei ist, doch den eigenen Thalamos
besitzt.*'')
Mit noch größerem Rechte gebührt den verheirateten
Kindern des Hauses der gesonderte Thalamos. So finden wir
Noack, Homerische Paläste. 4
50
II. Das Homerische Haus.
noch in der verhältnismäßig jungen Schilderung des Priamos-
palastes*®) die 62 d'dXafioi, istSroto IC^oio nebeneinander am
Hofe des Hauses Z 243 — 250 (erwähnt schon X63); nur ihre
Zahl ist vom Dichter übertrieben; so gehören die ^oikai»,oi
y 413 den verheirateten Nestoriden, denn nur Peirithoos ist
noch ledig {401)*^. Iphidamas hat den Thalamos im Hause
des Schwiegervaters verlassen {A 226, 22^). Dem von Mene-
laos erschlagenen Panthoiden Hyperenor trauert die junge
Wittwe nach, und zwar iiv%a ^ald(ioLO vioio : denn auch seine
Eltern leben noch (P 28. 36). Meleagros verbringt grollend
seine Tage im d-dkai^og (J 582. 588), und ebendort sucht Hektor
den zürnenden Bruder auf Z 321 f. Von den beiden allein-
stehenden Nymphen hat Kirke einen Thalamos allerdings noch
außer dem Megaron (x 340). Aber ich vermag in ihm keinen ein-
wandfreien Zeugen für die Kenntnis eines selbständigen Schlaf-
gemaches zu erblicken, das Kirke als Hausherrin besessen
haben müsse. Sein Vorbild kann ebensogut der Thalamos der
erwachsenen unverheirateten Tochter des Hauses gewesen sein.
Hat doch Kalypso auch kein besonderes SchlafgemacK Viel-
mehr steht, in völligem Einklang zu der von mir behaupteten
Regel, das Lager, das Odysseus mit der Nymphe teilt, ilv%&
öTtisog (s 226), d. h. in derselben Grotte, die als Megaron auch
Herd und Webstuhl enthält {s 59. 62): hier lebt die Haus-
herrin, der Odysseus als (pilog ixoitrig gesellt ist.
Dieser Thalamos aber ist nicht lediglich Schlafgemach.
Er ist vielmehr für die erwachsenen und verheirateten Kinder
dasselbe, was das Megaron für die Eltern, für das Königspaar
ist. Folgende Erwägungen geben den Beweis für diese These.
Die dreigeteilte Wohnxmg des Paris in der den älteren
Kulturzustand vertretenden Partie des Z^ iv n6kBi Sxqtj —
d^dXa^og xal d&(ia xal avXii (316) — ist immer ^^) so verstanden
worden, daß d-dXa^og das Schlafgemach, d&fia das Megaron
bedeute. Was fangt man dann aber mit ^ 494 an, wo Odys-
seus ausschwefelt (leyaQov xal dQ[ia xal avXrIv} Mit der Er-
klärung, daß d&fia xal avXijv als formelhafter Versschluß ein-
mal mißverstanden verwendet worden sei, oder gar, daß dcbfuc
einmal Megaron, das andere Mal Frauengemach bedeute,
kommt man nicht aus. Man hat sich sogar auf diejenigen
Stellen berufen, in denen (liyaQov in allgemeiner Bedeutung
Thalamos der erwachsenen Kinder.
51
auch von der Gesindewohnung gesagt wird, und es daraufhin
hier mit Frauengemach übersetzt, gleichwertig dem d-dka^og
Z 316**), imd hat damit wohl so ziemlich das Verkehrteste
getan, was möglich ist. Das ganze Mißverständnis wird in
diese Stelle doch erst durch die Auffassung, daß Paris außer
dem Thalamos noch ein Megaron besessen haben müsse, hin-
eingetragen; es wird dagegen sofort beseitigt, wenn wir in
diesem d'dXa^og eben dieses „Megaron" des verheirateten
Sohnes erkennen. Er lebt in dem Thalamos auch am Tage,
so gut wie der Hausherr selbst im Megaron, in dem er des
Nachts auch schläft. Dazu kommt, wie Münsterberg sehr
hübsch dargelegt hat, daß «s keine Waffenkammer gab, daß
vielmehr die Waffen in Friedenszeiten die Wände des Me-
garon schmückten (a, a, O. S. 138). Dem entspricht es aber
vorzüglich, daß (321) Paris die Waffen in seinem „Thalamos**
putzt. Und sollen wir uns femer die Mägde mit ihrer Arbeit
(Z 32;^) im ehelichen Schlafgemach denken, wenn es außerdem
noch ein Megaron gegeben hätte? Und der Sohn hätte be-
sessen, was wir aus anderen triftigen Gründen seinem Vater,
dem Hausherrn und König, absprechen mußten? Ich ziehe
die einfachere Erklärung vor, daß (jisyaQov an jener Stelle im
Odysseushause ebenso untadelig steht, wie ^dXafiog im Hause
des Königssohnes, und daß es nur an \ms liegt, letzteren
richtig zu verstehen. Man mißversteht den Dichter, wenn
man wähnt, er habe hier den schönen Priamiden als Weich-
ling, als ywaifLavi}g '^TtSQoaoitijg^ absichtlich im Thalamos beim
Weibe sitzend vorfuhren wollen. Mit nichten! Er sitzt in
seinem eigenen Gemach, das ihm Herd und Ehebett zusammen
enthält. Und unter döfia ist in dieser Verbindung dann beide-
male auch wieder ganz richtig dasselbe verstanden, die Ge-
samtheit der Nebenräume, Korridore, Gesinde- und Vorrats-
kammern. Sie sind dem Thalamos des verheirateten Sohnes
so imentbehrlich, wie dem Megaron des Vaters.
Die Dichtung vom Zweikampf des Menelaos mit Paris
trägt einen ganz anderen Charakter; sie ist ohne Zweifel
jünger, auch wenn in der jetzigen Bearbeitxmg des Z ein Hin-
weis auf den Zweikampf (339) sich nicht ableugnen läßt.^)
Aber sie hat dieselben räumlichen Voraussetzungen. Sobald
Helena vom Turme zum Hause zurückgekehrt ist, trennen sich
4»
C2 II. Bas Homerische Haus.
ihre Begleiterinnen von ihr und begeben sich ^o&g iitl iQya
(r 422), d. h. sie gehen, wenn ich den Begriff aus dem Z hier
einsetzen darf, in das dä>^a, während ihre Herrin sich allein
zu Paris eis vifÖQOtpov d'älafiov begibt, — diesmal allein, denn
Aphrodite selbst hatte sie zu dem Gemahl gerufen. Im An-
fang desselben Gesanges finden wir die Identität von Thala^
mos imd Megaron bestätigt Iris-Laodike trifft Helena iv
lisyaQm' 4j dh [liyav Cörbv vtpaivev dixXaxa noQffVQiriv (125), —
^ber auf die Nachricht der Göttin eilt sie sofort ix d'aXdpLoiö
zum Skäischen Tor (142). Auch von Andromache heißt es
X 44ofL XfSxov vfpaivB [ivxp dö^ov itlfriXoto ÖCnkaxa noQqwQiriv;
sie ruft den Mägden xatä d&iia zu], das Bad fiir Hektor zu
rüsten, und als sie die Klagen vom Turm her vernimmt, stürzt
sie von schlimmsten Ahnungen erfüllt aus dem Megaron
(460) hinaus. Haben dem Dichter der ersten Helenascene des
r diese Verse etwa vorgeschwebt, — das Umgekehrte ist nicht
denkbar, — so hat er sie jedesfalls richtig verstanden.
Aber man wird auf eine andere Stelle desselben Gesanges
weisen, auf Helenas Klage in der Teichoskopie {174 f.), daß
sie, um Paris zu folgen, d'dXafwv yvazovg ts verlassen habe.
Nach der hier vertretenen These hätte sie strenggenommen
nur vom fiiyagov reden dürfen — also, wird man wieder fol-
gern wollen, ist 'hier die Sonderexistenz des ehelichen Ge-
maches direkt bezeugt Doch ist auch dafür eine andere Er-
klärung möglich und, wie ich glaube, berechtigt. Der Dichter
wollte einen bestimmten Gedanken, den des Ehebruchs, mar-
kieren. Dazu ist der Begriff des Megaron, in dem das ganze
Leben sich abspielte, nicht prägnant genug. Zu matt wäre
es gewesen, Menelaos selbst zu nennen. Sie hätte vom Ehe-
bett sprechen können — aber wird man es dem Dichter ver-
argen, der eben erst Helena (mit ganz richtiger Terminologie)
aus dem Thalamos eilen ließ, um sie bald darauf ebendahin
zurück zum Lager des Paris zu führen, wenn er sie selbst
nun auch eines „Thalamos" in Sparta gedenken läßt? Die
Bedenken sind bekannt, die über das Verhältnis der einzelnen
Teile des F zu einander bestehen. Aber einerlei, ob derselbe
Dichter beide Helenaszenen mitsamt dem Zweikampf gedichtet
habe, oder ob ihm nur die erste, sowie Teichoskopie und
SQxta gehören"), oder ob endlich auch Helenas Gang zur
Thalamos der erwachsenen Kinder.
53
Mauer ihm bereits vorlag und er durch seine Teichoskopie
und die ÖQxicjv 6vy%v6Lg das Parislied erst mit dem Übrigen
verbinden wollte**), — in jedem Falle wird v. 174 eine solche
Erklärung allein aus dem unmittelbaren Zusammenhange heraus
erlauben, zumal kein anderer einwandsfreier Zeuge für einen
Ehethalamos ihm zu Hilfe kommt.
Wir hätten, um vollständig zu sein, noch der Einleitung
zu Hektors Begegnung mit Andromache zu gedenken. Sie
bietet, uns Z 377 die Frage Hektors an die Mägde: nri ißrj
^AvdQoyLdiri kevxihXsvog ix ^syccQoio. Von der Schwelle aus hat
sein Auge das eine Gemach überflogen: wenn sie hier nicht
ist, kann sie nur ausgegangen sein — zu den Schwägerinnen,
oder zimi Heiligtume Athenas. Für den Verfasser dieser viel-
leicht sehr jungen Partie **) besteht also kein Zweifel, daß es
für Andromache keinen zweiten Raum gegeben habe. Mög-
lich, daß er diese Vorstellimg nur aus der älteren Dichtung
(X460?) entnimmt. Wir dürfen dieses Megaron doch getrost
mit seinem offiziellen Namen &dlafiog "ExtoQog nennen.
Nun läßt sich für solche Thalamoi der erwachsenen Kin-
der — wenigstens in einem Falle — auch die Grundform er-
weisen. Der junge Phoinix sucht heimlich das Haus seines
Vaters Amyntor zu verlassen. Seine Angehörigen schöpfen
Verdacht imd internieren ihn in seinem d'dXa^og {I 462 ff.).
Damit er auf keine Weise entrinnen könne, bewachen sie
ihn Tag imd Nacht; sie wechseln ab, die Wachtfeuer gehen
nicht aus,
. . . oväi n6x iöß'q
472 xvQ^ BXBQOV ikkv ixii ul^ovöTi (ieQxiog aik^g,
&IX0 d* ivl nQoäönpj ngöö^ev d'aXdfioio ^gdav.
Aber in der zehnten Nacht bricht er die feste Tür des Tha-
lamos, springt über die Mauer des Hofes und entkommt (472
—476).
Deutlich genug steht hier, daß mao die beiden einzig
möglichen Ausgänge bewachte: das eine Feuer brannte im
nQÖdofLog vor der Tür des Thalamos, das andere doch ohne
Zweifel bei derjenigen Tür, die außer der des eigenen Ge-
machs dem Flüchtling allein noch den Weg verschloß, näm-
lich in der attovöa des Hoftors. ^^ Diese Unterscheidung wird
gleich darauf bei der Schilderung der Flucht wieder auf-
54
rr. Das Homerische Haus.
genommen: die Thalatnostür bricht Phoinix auf, das Hoftor
vermeidet er, indem er an anderer Stelle die Hofmauer über-
springt. Folg-lich hatte der Thalamos das Schema des Me-
garon — Vorhalle und G-emach — , war diesem also auch
äußerlich, nicht nur in der Bedeutung, gleich und öfihete sich
mit der Halle und der einzigen Tür nach dem Hofinnem.
Eine andere Erklärung läßt die Stelle nicht zu. Gleichwohl
haben gerade die neuesten Bearbeiter des homerischen Hauses
an zwei unmittelbar voreinander liegende Vorräume gedacht,
in deren jedem ein Wachtfeuer gebrannt habe.'*) Da hätte
wohl eines genügt! Aber man interpretierte eben diese recht
junge Dichtung einfach nach den dreiteiligen Megara von
Tiryns und Mykenä. Das waren ja doch reale „homerische"
Paläste 1 Die Dichtung mußte sich fügen.
Doch haben nicht auch die Götter ihre Thalamoi? Ge-
wiß, aber auch von diesen droht unserer These keine Gefahr.
Es ist keine alte Poesie, die, die menschlichen Verhältnisse
auch da übertragend, von den göttlichen Wohnungen mit erz-
beschlagener Schwelle, von np69vQov, Krippen und Hallen redet.
Noch die Einleitung zur 6RA(»iai/a: beschränkt sich darauf (27 374.
412. 468), zu sagen, daß das Feuer und die Blasebälge des
Hephaestos im Megaron bewacht werden, und daß Charis ihn
aus diesem hervorrufe, Thetis zu begrüßen (39z). Erst im
Liede des Demodokos ist daraus die besondere Schmiede,
xalxsävy geworden (d 273) und davon der Thalamos unter-
schieden, o*t oC giiXa Sly.vi' ixeito (277), in dessen nif69v(fa der
betrogene Schmiedegott die anderen Götter versammelt
(304 f.). Aber wie wollte man diesem Stück, das nahezu die
ganze homerische Dichtung und mehr noch voraussetzt, das
Recht eines selbständigen Zeugnisses gewähren? Kann man
das doch nicht einmal für die respektablere ^lög iaiitr), die,
konkreter als A 606, vom Thalamos von Zeus und Hera zu
erzählen weiß {S 166, 167 = 338, 339 und 188). Hephaistos, der
beiden Sohn, hat ihn verfertigt Wohin diese Genealogie ge-
hört, hat Wilamowitz gezeigt; wie jung ihre Beachtung in
der Ilias ist, hat jetzt Robert einleuchtend dargelegt.**) Wenn
mm aber die Möglichkeit besteht, daß diese Episode des 3,
Thalamos der Götter. ee
als sie in die Ilias eingefugt wird, bereits das F vorfindet, so
sehen wir auch schon einen Weg, auf dem, aus der Dichtung
selbst, dem Dichter der Ehethalamos zugekommen sein kann.
Aber es wäre doch auch nicht ganz unmöglich, daß die Verse
Ä i66 ßf\ d' t(iav ig d'äka(iov^ x6v ot q>CXog vCbg itsv^sv
'^Hq>at6tos, Ttvxtväg di &vQag 6rad'(iot6cv iTtfjQöBv
xlritÖL XQtmt^, tag d' ov d'ebg &XXog avoiyev.
ivQ"^ ij y elöekd'ovöaj ^vgag ijcs&rjxs^^) (pasLvdg
sich mit q> nicht nur zufallig berühren, wo Penelope (6 f., 43 f.)
siXexo Sh xAi^rd' . , . . ßfj d' t^vai, ^dka^övds . . . xöv tcots rixtcov
^iööBv iTttötaiiivcDg xal inl 6td&(ii^v X^vev^
45 iv dl 6ta&(iovg agöSj d"üQag d' iitid'rixe fpasivdg.
Das wäre natürlich nicht das 9 unserer Odyssee, die wohl
jünger ist, als alle Götterscenen der Ilias, sondern das im 9
verarbeitete alte Gedicht, in dem der Ehethalamos des Odys-
seus schon seine Rolle spielte. Im ersteren Falle hätte der
Dichter den Fehler von P 174 (s. o.) weitergegeben, im andern
hätte er eine Ausnahme, den Odysseusthalamos, ebenso irr-
tümlich verallgemeinert, wie die modernen Interpreten. Dafür
aber, daß er aus eigener lebendiger Vorstellung heraus von
dem besonderen ehelichen Schlafgemach gesprochen habe,
bleibt jede Bestätigung aus. —
Der Ehethalamos hat unserer Prüfung (mit der einen Aus-
nahme im Odysseushause) nirgends Stand gehalten. Seine
Aufgabe wird vielmehr von dem Megaron erfüllt — fast bis
zum Ende der Blütezeit epischer Dichtung. Nur in dessen
Vorhalle bleibt Raum, den fremden Besucher zu betten. Nun,
da diese Sitte sich durch sehr einfache tatsächliche Verhält-
nisse erklärt, sei zum Beweise für ihre allgemeine Gültigkeit
daran erinnert, daß auch der Fremdling Odysseus die erste
Nacht im eigenen Hause iv TtQoSöfiG) (u i) verbrachte, obwohl
kein Mensch ihm den Schlaf beim Herd im Megaron verwehrt
hätte. *^) Einzig und allein bei Eumaios schläft der Gast
drinnen beim Herd (§ 518, 420). Und doch hatte ihm einst
Odysseus zu olxog und xk^gog auch jiokv^vr^6xriv yvvatxa gegeben
(I 64). Allein da ihrer sonst nirgends Erwähnung geschieht,
imd mit Odysseus zusammen in der Hütte nur noch die
jüngeren Hirten schlafen*^, während sich Eumaios bewaffnet
c6 n. Das Homerische Haus.
hinaus zu den Herden begibt, so denkt sich der Dichter
diesen wohl als Witwer, wenn er überhaupt noch an jene
Verse denkt, und die Scene dürfte, sofern die Sitte, von der
wir hier sprechen, nicht eine rein-höfische war, die das Volk
nicht übte, als bezeichnende und erklärliche Ausnahme die
Regel nur bestätigen.
5.
So harrt nur noch eine Frage der Antwort.
Im homerischen Hause hat ein Frauensaal, als besonderes
Departement der Hausherrin, nicht existiert. Das hat für die
Odyssee schon vor Jahren Puchstein (Arch. Anz. 1891, 43)
behauptet und jetzt ganz allgemein, auch für die Ilias, van
Leeuwen (Mnemosyne a. a. O.) dargelegt. Die vorstehenden
Erörterungen treten bekräftigend hinzu. Der Saal, wo die
Hausfrau mit den Mägden am Tage weilt, — derselbe, wo sie
nachts mit dem Gatten schläft, — ist das Megaron. Damit
fällt die Annahme, daß Penelope von vornherein noch ein
Gemach für sich gehabt hätte, wenn nicht das Hyperoon den
Anspruch erhöbe, dieses Gemach zu sein, dessen allgemeine
Verbreitung für die homerische Zeit „außer allem Zweifel"
sein soll.
Daß das H3rperoon einmal einen allgemein bekannten und
verbreiteten Bestandteil des Hauses gebildet habe, wird gewiß
nicht bestritten werden können. Wie steht es aber mit seiner
Verwendung im Epos? Da das Urteil hierüber von größter
Bedeutung für die vorliegende These ist, dürfen wir der Mühe
einer genauen Prüfimg der einschlägigen Stellen nicht aus-
weichen.
Von den beiden Iliasstellen J5 514, 77 184 dürfen wir ab-
sehen. Es handelt sich um Liebesszenen, in denen das Hype-
roon als Schlafgemach der Haustochter ftmgiert, beide Male
in anerkannt jungen Einlagen.**) Hiervon abgesehen spielt
der Raum nur im Hause des Odysseus und nur in Ver-
bindung mit Penelope eine Rolle. Aber gerade deshalb
muß man sich über diese Rolle billig wimdem. Bedenken
wir die wohlbekannte Situation. Penelope ist aufs empfind-
lichste auch dadurch verletzt, daß das wüste Treiben der Freier es
ihr unmöglich macht, ihren Platz im Megaron gleich Arete und,
Hyperoon. c j
wie wir jetzt sagen dürfen, gleich Helena und Andromache,
einzunehmen. Nicht etwa ihr „Thalamos", d. h. der Frauensaal
als offizieller Raum der Hausfrau (so meint man) ist zur Ge-
sindestube degradiert, nein sie selbst ist degradiert und von
der rechtmäßigen Stelle der Hausherrin im Megaron ver-
scheucht^) Das hatte Konrad Lange (Haus und Halle 40)
vollkommen richtig erkannt, aber der Glaube an das Hype-
roon und die irrige Meinung, der Ehethalamos des Odysseus
sei in dessen Abwesenheit als Vorratskammer benutzt worden
(S. 42. 44, Anm, 2)^), haben jene evidente Erkenntnis ver-
dunkelt Penelope bleibt unter solchen Umständen nichts
übrig, als sich in das Gesindezimmer zurückzuziehen. Zu
diesem Schlüsse müssen wir schon kommen, wenn wir uns
allein an die anerkannt alten Teile der Odyssee halten.**) Das
^Q&tov ifsvdog liegt- darin, eine homerische Frauenwohnung,
wie es immer wieder geschieht, gerade aus den Verhältnissen
des Odysseuspalastes herzuleiten. Diese Verhältnisse sind ja
abnorm 1 Die Herrin des Hauses befindet sich in einer ganz
ungewöhnlichen Zwangslage und muß entbehren, v^as in jedem
anderen Falle das gute Recht der Hausfrau ist. Wenn wir
sie also in einem Gemache zusammen mit den Mägden finden,
wie dürfen wir denn (selbst wenn diese Stellen alle selbstän-
dige Beweiskraft besäßen) daraus gerade fiir sie einen privi-
legierten, dem Männersaal ebenbürtigen Frauensaal herleiten
und diesen noch obendrein als Zeugnis für eine allgemein
gültige Einrichtung homerischer Zeit anführen!
Damit ist aber die Ausnahmestellung des Odysseushauses
nicht erschöpft. Denn es ist wiederum eine besondere Eigen-
tümlichkeit gerade ihres Hauses, durch die Penelope anderen
Frauen gegenüber, wenn diese in eine gleiche Lage kommen
würden, doch im Vorteil ist. Jene Einschränkung, imter der
sie leidet, trifft nicht zu für die Nacht. Wäre, wie in jedem
anderen Anaktenhause, der nvx6g des Megaron einst auch die
Schlafstätte für die Gemahlin des Odysseus gewesen, so wäre
sie durch die Freier allerdings auch dieser beraubt. Das ist
aber nicht der Fall. Gerade sie besaß ja den festen Thalamos,
den Odysseus erbaut hatte. Weshalb schläft sie mm dennoch
im Hyperoon? Etwa, weil sie dort allein nicht schlafen will?
Deshalb sollte sie das im eigentlichsten Sinne ihr gehörige
lg II. Das HoTnerische Haus.
Gemach aiifgeben und es vorziehen, in einem qualitativ viel
geringeren Räume, wieder allein, zu schlafen? Jeder Versuch
einer Erklärung betont nur den Widerspruch stärker, in dem
Penelopes Aufenthalt im Hyperoon zum Thalamos des Odysseus
steht Eins schließt das andere notwendig a\is. Und zwar ist
ohne Zweifel der Ehethalamos das ältere Element. Das Hype-
roon ist erst spat*'), in einer ganz bestimmten Schicht, in die
Odyssee eingedrungen. Von dieser Schicht sind die übrigen
Erwähnungen abhängig, und sie stehen denn auch in solchen
Partien der Dichtung, die von der Homerkritik bereits aus
ganz anderen Gründen für jung erklärt worden sind.
Ich nehme die Telemachie voraus. Hier findet sich das
Hyperoon als Aufenthalt Penelopes, wo sie schläft (ß 358) und
webt (0 517)*^), in nicht formelhaften Versen, und also, wie
wir vorerst jmnehmen müssen, origfinal:
03) itax6ze xbv 3^
fiiJTij^ eis vstgä' ivaßT/ xoitov tc ftiSTirai.
(0) .... oi ftiv yäg rt ^a/iä (ivtjQtiJQO^ ivl otxip
(paivetai, ili.' ixb t&v vxsgmim tevov ixpaivst.
Dagegen steht es d 787 in einer von der Kritik mit über-
zeugenden Gründen als späte Erweiterung erwiesenen Partie.
In derselben Scene lesen wir auch, daß Penelope zum Hype-
roon ging, um zu schlafen,
äXX' i>dQijvttiiivT], xa&apti: jP"' tiftccO' sXovtla,
ei; iist£Q^^ avaßäaa avv &(iqii7t6i.oiai ywai^lv xtA.
{751. 760), d. h. in Versen, die formelhaft und entlehnt sein
können, vgl. ip 356,*^ Vorher war sie mit den Mägden (682)
unten im d'aAafiog (7 1 8. 7 1 9), und der Dichter zeigt eine gewisse
Unsicherheit, wenn er das Traumbild, das ihren Jammer
lindem soll (796 ff.), dann oben im Hyperoon auch wieder ^5
^dXttftov (802) eintreten läßt. Eine Gleichsetzung von &dXtt(to$
und ^sgäiov findet sich sonst überhaupt nicht. Wir kommen
auf jene Verse später zurück.
Außerdem erscheint das Hyperoon in Versen und Vers-
gruppen, die als Formeln mehrfach wiederkehren und immer
von Penelopes Kommen und Gehen handeln. Sie stehen
axpaz und ip {it}- In axgr geben sie die Vorstellung, daß
die Königin im Hyperoon unter Klagen und Tränen einschläft:
Hyperoon. ^ q
ig d' ijtSQp* ävaßäöa ei)v &fiq>i7t6Xot6i yvvai^lv
xXat€v i%an ÖdvWija fpCkov tcöölv^ Zg>Qa ot VTtvov
fldi)v ijtl ßksqxxQOLöv ßdka ykavx&^cg *Ad^vrj^
im Q spricht sie nur davon, um Telemach zur Aussprache zu
veranlassen — a, tc und t tut sie es wirklich. Von diesen
Stellen dürfen wir r 602 — 604 nach Kirchhoffs Bemerkungen
(Hom. Od.* 176) als Interpolation streichen. Und auch a 328 ff.
hat, wie nach dem ganzen Charakter dieses Gesanges zu er-
warten ist, keine selbständige Bedeutung.''^ Also bliebe nur
;r, wo aber, wie bei «, die Abhängigkeit von g> offenkimdig
ist.''^) Das Hyperoon wird lediglich durch die Formel ;r 449
ij (ilv &Q* Biöavaßae* iütsgma övyaköevta (= 6 206) xkatev btcblx
xtX, eingeführt; vorher {x 413) war der Raum, aus dem Pene-
lope kam, imbestimmt gelassen. Und auch diese Formel teilt
wenigstens die zweite Vershälfte mit dem Verse einer Partie
(2 428), die mit dem jetzigen g> auf das Engste zusammenhängt.
Etwas anders liegt die Sache im g. Da sitzt v. 505, 506
Penelope mit den Mägden im Thalamos (wie ä 682 f.). Von
da aus hört sie ebenso, daß Odysseus im Megaron getroffen
wird (493), wie später das Niesen des Telemachos (542). Denn
daß mit 506^ (0 d' idaCxvBB dtog Vdvöösvg) kein Scenenwechsel
angedeutet ist, wie Puchstein a. a. O. gemeint hat''^, und daß
sie nicht etwa von da ab, wie Odysseus, im Megaron sitzend
zu denken ist, beweist doch wohl v. 575 (vgl. d 680) zur Ge-
nüge: da vollzieht sich allerdings ein Scenenwechsel, aber
Odysseus sitzt im Megaron, und von ihm geht Eumaios zu
Penelope zurück, vnlg ovdov^ also in ein anderes Gemach.
Man muß zugeben, daß mit dieser Situation Penelopes erste
Anrede an Eumaios (507), ohne daß gesagt wird, wie dieser
so plötzlich in den Thalamos käme, sowie des Odysseus Rat,
Penelope solle im Megaron bis zum Abend bleiben (570)'''),
schlecht vereinbar sind. Dieser Widerspruch ist aber nicht
durch Interpretation zu beseitigen, vielmehr bestätigt er nur
das Urteil, das Kirchhoff (Hom. Od.* 512 f.) und Wilamowitz
(a. a. O. 44 f.) über die „Flickpoesie" im g gefallt haben. Auch
ist es klar, woher die Situation stammt: r 53, also im alten
Liede, kommt Penelope zu dem sie im Megaron erwartenden
Odysseus aus dem Thalamos'*) — also muß sie vorher in
diesem sitzen — daher der ^dlafiog im g.
6o n* ^äs Homerische Haus.
Sind doch auch die Verse, die ihr Auftreten im t schil-
dern, wenig passend q 36, 37 verwendet Im r sieht Odysseus
sie nach zwanzig Jahren zum ersten Male wieder, da er-
scheint sie wie Artemis oder Aphrodite, — was soll der
Vergleich, wenn sie den nach kurzer Reise heimgekehrten
Telemach begrüßt? Wir wollen hier noch nicht fragen, was
für ein Thalamos im r tatsächlich gemeint gewesen sei. Der
Verfertiger jener Teile des q hat sich dabei keinen anderen
Raum gedacht als in ä 682 f.: das Gesindezimmer. An das
eheliche Schlafgemach Penelopes konnte er schon darum
nicht mehr denken, weil, wie ich vorgreifend bemerke, seine
Vorlage (9)) ihm bereits die feste Vorstellung überliefert hatte,
daß Penelope im Hyperoon schlief. Überdies hätte er die
Mägde auch wegen ^ 225/26 (s. u.) nicht in den Ehethalamos
bringen dürfen. — Wenn sich endlich dieser späte Homeride
die Lage seines Thalamos so vorstellte, daß Penelope von
ihm aus hören konnte, was im Megaron vorging, so ist daraus
noch kein Schluß auf die Raumdisposition im Hause der
älteren Dichtung oder gar eine Nutzanwendung auf einen
„mykenischen" Palast (Myres, Joum. of hell. stud. XX (1900)
136) gestattet.
Q 166 bricht die Unterredung mit Telemachos ab, imd
als Penelope nach einigen Zwischenscenen wieder eingeführt
wird [p 492 f. 505 £, um die Unterredung mit Odysseus vor-
zubereiten], sitzt sie eben wieder im Thalamos. Das v. 10 1
— 103 eingeführte Motiv konnte der Verfasser ruhig fallen
lassen, da Telemachos ja der Mutter den Reisebericht nicht
versagte. Aber glücklich ist dieser sentimentale Vorwurf
Penelopes gewiß nicht, und es ist längst gesagt, daß die
Verse, — durch die allein das Hyperoon im q emgeführt
wird, — nicht für diese Stelle, sondern für das r gedichtet sind,
wo Penelope ihre Absicht auch ausführt und wirklich ins
H3rperoon geht (594 — 596. 600, 601), imd wo es überdies auch
die rechte Zeit ist, zu Bett zu gehen. Freilich legt sich die
bekümmerte Frau auch im Schluß des d und im :r am hellen
Tag zu Bett und wird bald von Athena in Schlaf versenkt.
Aber es verrät sich doch, zumal in der dafür verwendeten
Formel it 450, 45 1, die Abhängigkeit von einer berühmten Scene,
in der Penelopes Einschlafen bei Tage tiefer begriindet ist.
Hyperoon. 5 1
Bevor wir diese Scene suchen, werfen wir noch einen
kurzen Blick auf die merkwürdige Partie im cy, in der Pene-
lope, von Athena mit höheren Reizen geschmückt, sich zu
den Freiem begibt und ihnen Geschenke entlockt. Dem Ur-
teil, das Wilamowitz a. a. O. 28!'*^) dieser Episode gesprochen,
hat Cauer die Berücksichtigung der alten Sitte, die Braut
gegen edva zu kaufen, entgegengehalten.'*) Aber dieser
scheinbar wohlbegründete Einwand ist der uns vorliegenden
Darstellung gegenüber doch wirkungslos. Cauer selbst muß
zugeben, daß die Frage des Brautkaufes hier schon vom
Standpunkte einer späteren Zeit behandelt wird, die über die
ältere Sitte, von „der nur noch eine Erinnerung im Volks-
bewußtsein lebendig war", bereits fortgeschritten ist. Vollends
aber die Teile, auf die es hier ankommt, „die ungeschickte
Einleitung und der anstößige Schluß"''^, bleiben von jenem
Einwand überhaupt imberührt, für sie bleibt der von Wilamo-
witz charakterisierte, epigonenhafte Eindruck jedenfalls gültig.
Glaubt der Verfasser doch auch in v. 182 — 184 motivieren zu
müssen, daß die Königin von zwei Dienerinnen begleitet wird.
So wenig bedachte er das feste homerische Zeremoniell
(Z 399. Ä' 461), obwohl er selbst dafür den Formelvers 207
(= r 501. r 143) verwendet. Es genügt daher, auf die Parallelen
zu <y 208 — 210 imd 303 in 963 — 65 und 9)61 hinzuweisen.
Penelope kommt auch in dieser jungen Partie aus dem Hype-
roon und kehrt dahin zurück {ö 302). Diesmal aber lassen die
vielen Geschenke sie weder zu den obligaten Tränen, noch
zimi Schlafe kommen, und die Scene endet entsprechend dem
iXQstog yiXog des Anfangs.
So bliebe zunächst noch das r, in dem Penelope aus dem
Thalamos kommt (53) und sich ins Hyperoon zurückzieht Sie
selbst sagt, daß sie dort um Odysseus zu klagen pflege:
594 — 59^« Diese Verse sind an keiner älteren Stelle nach-
zuweisen, sind sie also für diesen jetzigen Platz gedichtet?
Eine Antwort darauf müssen wir uns bei den letzten Scenen
in ipxi^ holen.
Penelope hat den Freiem den Bogen gebracht. Sie
haben vergebens versucht, ihn zu spannen, und ihn bei Seite
gelegt. Da bittet der Fremde um die Waffe. Die Freier
wehren es, Penelope tritt für ihn ein, dann verläßt sie auf
62 II. Das Hotnenscbe Haus.
Telemachs Geheiß den Saal. Seeck hat, — gerade hierin auf
der Erkenntnis von Niese '^ und Wilamowitz glücklich weiter-
bauend, — diese ganze Scene der alten Odyssee des i zugewiesen.^*)
Der Bogen wettkampf ist in der alten echten Dichtung nur
möglich als eine Verabredung der beiden Gatten, die sich,
wie es im t noch zu erkennen ist, vorher wiedergefunden
haben. Jetzt freilich ist von jenem Einverständnis zwischen
Odysseus und Penelope, von dem noch der Dichter des m (i66f.)
weiß, nur soviel noch zu merken, daß, wie Seeck richtig
hervorhebt, Penelope im y genau so spricht, wie sie in solchem
Falle sprechen müßte. Zum jetzigen Zusammenhang paßt das
aber nicht mehr. Nach Wilamowitz' grundlegender Erklärung
des ävayvagiafiös im ijr (Hom. ünt, 82 — 85) ist hier eine Version
der Sage verarbeitet, in der zwar ein Freiermord, wie jetzt,
der Wiedererkennung voranging, dafür aber, was noch
wichtiger ist, der Bogenwettkampf fehlte. Penelope weiß hier
weder von dem Fremden, noch erfährt sie etwas vom Freier-
mord, bis alles vorüber ist. Das Wettschießen, haltbar nur
als eine zwischen den Gatten vereinbarte List, stammt also
notwendig aus anderer Quelle. Jetzt ist Penelopes Verweilen
nach dem vorläufigen Ende des Bogenschießens und sodann
ihr Eintreten für den Fremden in der Tat unverständlich,
wenn es von demjenigen erfunden sein sollte, der vor allem
^ I — 296 damit verbunden hat, da hier Penelope weder vom
Fremden noch von Bogenkampf weiß. Ganz iuiders liegt die
Sache, wenn im (p gleichfalls ein altes Gedicht benutzt ist,
wo Penelope deshalb im Saale bleibt, weil sie schon weiß,
worauf es ankommt, nämlich daß der Bogen schließlich dem
Fremden in die Hände gespielt werden muß. Erst als das
eingeleitet ist, verläßt sie — ebenso bewußt — den Saal,
Ob auch da schon auf Geheiß des Telemachos, ist nicht mehr
zu s^en.
Jedenfalls aber gehört die „prahlerische Rede", mit der
jetzt Telemach die Mutter sich entfernen heißt (mit Benutzujig
der Verse 490 — 493 des Z^), sowie die Schilderung ihrer
Rückkehr ins Hyperooa erst der Bearbeitung an, die ja gar
manches abzuändern hatte, um Teile zweier so konträrer
Versionen zu vereinigen. Die Verbindung des dem Morde
voraufgehenden Wettschießens mit der anderen von Wilamo-
Hyperoon. 53
witz in V und ^ nachgewiesenen Version forderte für jenes
eine neue Begründung. Pallas Athene selbst mußte nun
Penelope den Gedanken dazu eingeben, — damit beginnt jetzt
das 9, — imd Penelope veranstaltet den Wettkampf, damit er
über ihre Hand entscheide, — mm aber ist es keine List, es
ist ihr voller Ernst, denn sie weiß nichts von Odysseus' Nähe.
Und deshalb klagt und weint sie auch, als sie dann allein ist,
wie sie geweint hat, als sie den Bogen hervorholte. Denn
sie geht jetzt ja hinweg, ohne zu ahnen, was kommen wird,
genau so, wie es das im ^ verwertete Gedicht verlangte.
Die rdSov &d6cg wird also erst dadurch widerspruchsvoll, daß
sie in den jetzigen Zusammenhang gebracht und mit einer
Version verbimden wird, der sie gänzlich fremd war. Bleibt
demnach bestehen, daß sie doch nur auf der Verabredung
der beiden Gatten beruht und haltbar ist, so setzt sie selbst-
verständlich den ävayvfOQiö^ög voraus und bildete einst die
Fortsetzung des alten r, für das die Wiedererkennung Niese
(a, a. O. 164) bereits vermutet, aber erst Wilamowitz (a. a. O.
53 ff.) als original und zugehörig erwiesen hat Die Badescene,
in der sie dort herbeigeführt wurde, ist jetzt entstellt Aber
die ursprüngliche richtige Tageszeit ist noch in der späten Be-
arbeitung gewahrt: der Abend war für die Erkennung durch
das Ehebett notwendige Voraussetzung. Jetzt ist sie im t[f
keineswegs immer berücksichtigt (Wilamowitz a. a. O. 68), —
auch das fällt dem zur Last, der in (p — ^ alte, aber disparate
Elemente vereinigt hat.
Nim kehren wir zu der Schilderung von Penelopes Ab-
gang im (p zurück. Sie begibt sich ins Hyperoon und weint
um Odysseus, bis wiederum Athena eingreift und sie in Schlaf
versenkt 356 f.
ig d' vnsQä* avaß&öa övv a^q>t7t6koc6t yvvai^lv
xkatev ÄTftr' 'OdvcJcy^a (piXov nöötv, Stpga ot vxvov
fldvv inl ßXetpaQoiöi ßdXa yXavx&TCtg ^A^if^vq —
Verse, die, wie schon gesagt, im r interpoliert, im a sicher,
im Tt höchstwahrscheinlich formelhaft wiederholt sind. Wirk-
lich am Platze sind sie nur hier im 9), wie es jetzt ist
Weil Penelope den Odysseus erst nach dem Mord erkennen
wird, kann sie in diesem Moment noch um ihn als um einen
Verlorenen klagen. Und eben darum darf sie von dem Kampf-
64 ^^* ^äs Homerische Haus.
getose, das nun folgt, nichts hören, — daher der tiefe Schlaf
um diese Stunde. Kann man noch zweifeln, daß wir hier
originale Verse vor uns haben? Wären ältere Verse aus
einem uns nicht mehr bekannten Zusammenhange hier schon
formelhaft wiederholt, so wäre wohl auch Athena nicht die
Helferin. Schon Kayser und Niese haben beobachtet, daß
erst die jüngere Dichtung sie in dieser Eigenschaft kennt.®^)
Sind aber die Verse hier im q> original, so folgt daraus, daß
ihrem Verfasser das Hyperoon als notwendiger Bestandteil
des Hauses seiner Zeit gegolten hat. Dafür spricht weiter,
daß diese durch tp 356 — 358 geschaffene Situation auch im
Folgenden durchaus festgehalten wird: Eurykleia sucht Pene-
lope im Hyperoon auf, diese kommt von dort herab, % 428,
429 ^ I, 80, 85, 384. Aber auch der jetzige Schluß des t, zu
dem wir nun zurückkehren dürfen, ist unter derselben Voraus-
setzung, wie die Hyperoonverse in 9x^9 gedichtet. Penelope
soll von Odysseus nichts ahnen, bis der Freiermord vorüber
ist Darum bemüht sich der Dichter dieser Schlußpartie, so
gut oder schlecht es geht, die Wiedererkennung zu retardieren,
damit die Haupthandlimg sich so vollziehen kann, wie es jetit
dort geschieht, und bereitet den Bogenwettkampf so vor, wie
er jetzt im tp beginnt. Und damit entscheidet sich auch die
Frage über r 594 — 596. Ist das ein Rest von dem echten
alten r®^, oder was ist ursprünglicher: Penelopes Gerede von
ihren Tränen und Klagen um Odysseus oder diese Klage
selbst in einer entscheidenden Stunde? Ich kann nicht zweifeln,
daß der Stelle im tp die Priorität gebührt Und mm erinnere
man sich, daß der Verfasser dieses ganzen Schlusses des r
nach Wilamowitz identisch ist mit dem letzten Bearbeiter
unserer Odyssee, dem auch fpi^il) schon im jetzigen Zustande
vorlag. Für ihn paßt es, daß er die Anregung zu seinen ver-
allgemeinernden Worten r 594 — 596 aus der Situation im
9 356 — 358 und dazu den Vers r 597 aus dem alten r 260,
sowie r 600, 601 aus 6 206, 207 entnahm. Nun ist es auch ganz
ersichtlich, wie es kommt, daß die Verse des 9, auf die es
uns ankommt, gerade in a und im Schluß des d wiederkehren.
Denn diese Partien hat Wilamowitz eben demselben letzten
Bearbeiter zugewiesen, dem auch der Schluß des r gehört
Von ihm stammen femer die oben bezeichneten Unklarheiten
Hyperoon. 65
im Q^ und er ist es auch, der q ioi — 103 seine eigenen Verse
^ 2Q4 — 5q6 wiederholt Der „Thalamos im H3rperoon" läßt
sich sonach über seine Tätigkeit {d 802) nicht weiter zurück
verfolgen. Man sieht, wie die Grundlage beschaffen ist, auf
der ein wichtiges Kapitel der modernen Angaben über das
homerische Haus beruht®*)
Jener Bearbeiter hat, wie a beweist (s. Anm. 70), auch die
Penelopeepisode im 6 gekannt und benutzt Mithin tritt dieses
als Vorlage für ihn zu q> hinzu. Für die uns interessierenden
Verse des 6 selbst (208 — 210. 303) kommt aber genau ebenso,
wie für die entsprechenden Verse im jc (413 — 416. 450, 451),
wieder nur g> als Quelle in Betracht
Vielleicht dürfen wir jetzt auch über die oben erwähnten
Verse der Telemachie ß 358 imd 517, die sich noch nicht un-
mittelbar in Abhängigkeit von 9 bringen ließen, ein bestimm-
teres Urteil fällen. Über die Jugend der Telemachie besteht
kein Zweifel. Nur ob sie einmal als selbständiges Lied be-
standen habe, oder ob sie gleich für den Zusammenhang mit
einer schon bestehenden Odyssee gedichtet worden sei, darüber
streitet man. Wenn, wie Cauer meint, Telemachie und die in
^Xif vorliegende, durch Verschmelzimg älterer Stücke ent-
standene Dichtung von einem imd demselben Verfasser
wären,®*), so wäre es kaum verständlich, daß dann derselbe
Dichter, der in q)xif das Hyperoon so bewußt verwendet,
für die Scenen in Sparta und Pylos so ganz darauf ver-
zichtet und sich auf die älteren Vorstellungen vom Hause be-
schränkt haben sollte. Nehmen wir dagegen mit Wilamowitz
an, daß die Dichtung von g>xif zwar etwas jünger als die
Telemachie sei und aus ihr zahlreiche Verse übernommen
habe"), daß beide aber erst von dem letzten Bearbeiter mit
den übrigen Stücken zu unserer Odyssee zusammengeschweißt
worden seien, dann ist es durchaus möglich, daß dieser, der
schon in seiner Vorlage fand, daß Penelope am hellen Tage
vom Hyperoon kam und dahin zurückkehrte (cj), und der
diese Vorstellung für seine eigenen Zusätze in adx acceptierte,
auch für das Hyperoon in /3 358 und 0517 verantwortlich ist
Seine dichterische Tätigkeit hat im Wesentlichen nur die
Scenen auf Ithaka getroffen: es war nur konsequent, wenn er,
wo er konnte, für Penelope das Hyperoon einführte.
Noack, Homerische Palaste. 5
^5 ^^' ^^s Homerische Haus.
Somit Steht der Annahme nichts im Wege, daß die sämt-
lichen Hyperoon-Stellen in aöngöt das jetzige 9 (itli) voraus-
setzen, daß also nur in der uns vorliegenden Bearbeitung von
q)^ilf das Hyperoon fest und ursprünglich ist. Zugleich aber
ist es hier auch zum ersten Male nachweisbar und läßt sich
nicht darüber hinaus in ältere Schichten verfolgen. Noch in
dem, für den Zusammenhang mit dem jetzigen g>xilf ver-
arbeiteten alten Stücke von r, v. 53 ff., sehen wir Penelope
nicht pompös, wie im (j, mit den beiden Trabantinnen vom
Hyperoon niedersteigen, sondern allein aus dem Thalamos
kommen. Und was für ein Raum unter diesem im alten
Liede verstanden gewesen sei, dafür haben wir, außer den
schon gegebenen Erwägungen, noch folgenden Fingerzeig.
Abgesehen vom Odysseusthalamos im ^ ist dies die älteste
Erwähnung des Thalamos der Penelope in unserer Odyssee,
und die einzige originale. Die beiden anderen Stellen
in d und q sind, wie wir sahen, erst im Hinblick auf diesen,
aber dort mißverstandenen, Vers des r verfaßt Für die Deu-
timg des Thalamos des r bietet sich also nur die Beobachtung,
daß Penelope offenbar allein aus ihm heraustritt. Die Be-
dienung ist dann einfach da, die ihr den Sessel ans Feuer
setzt Unwillkürlich gedenkt man da Penelopes eigener Worte
vom Thalamos,
sivilg '^^erigrig, ti)v oi ßgotbg äXXog dxAxsi^
^AxxoQig {^ 226 f.).
Dieser, der Ehethalamos, ist, so denke ich, auch im x
gemeint. Er gehört als Erkennimgszeichen zweifellos zum
ältesten Bestände der Sage. Wie Eurykleia den heimgekehrten
Herrn an der Narbe, so erkennt die treue Gattin den Gatten
an dem intimeren Zeichen. Darauf hat gewiß keine Dar-
stellimg der Erkennung verzichtet Und dann hat, in der
alten Dichtung, Penelope die langen Jahre über auch in dem-
selben ehelichen Thalamos geschlafen.
Unter solchen Umständen gewinnt auch eine Kleinigkeit
Bedeutung. Im Anfange des q> nimmt Penelope den Schlüssel
und begibt sich mit den Dienerinnen, die ihr die schweren
Beile tragen sollen, zum ^dka(iog i6%axog^ der wohlgebauten
und -verwahrten Schatz- und Vorratskammer. Genauer wird
Hyperoon. 5?
beschrieben, wie sie die feste Tür desselben öffnet und den
Bogen vom Pflock herablangt. Von da geht sie geradewegs
in das Megaron zu den Freiem. Alles in einfachen, klaren
Worten: eXlsto dl xAi^rd' svxannaa xetgl ^cuxbCti (6) . . . /JiJ d'
tfuvai d'dXa^övds 6vv ifKpmöXotöi yvvai^lv iöxaxov (8) . . . jj d'
0X6 Sil d'dkafLOv rbv itpCxszo (42) . . . /3^ d' tyLBvai (isyagövds
furä ^vriötijQag &yavoi)g (58), — genau soviel als nötig ist, die
Handlung zu verstehen. Nur v. 5 bringt eine gewisse Unklar-
heit: xlifiaxa d' i&^Ai)v ngoöeßi^öeto olo do^oto^ — sie geht die
Treppe hinauf, bloß um den Schlüssel zu holen: da haben
wir das Hyperoon! Aber wann geht sie wieder herunter?
Erst als sie zu den Freiem geht, oder lag schon der Vorrats-
thalamos zu ebener Erde? Doch wohl letzteres, da auch die
anderen Thalamoi im Erdgeschoß liegen, imd dieser der
äußerste, hinterste von ihnen war. Also wäre sie mit dem
Schlüssel sofort wieder herabgestiegen. Das steht aber nicht
da, und man fragt sich, ob die xXtfia^ nicht eher ein Eindring-
ling in eine ohne sie ganz tadellose und völlig ausreichend
beschriebene Aktion ist. Man möchte denken, daß gerade
wer soeben der hohen Stiege des Hauses einen Vers gewidmet
hatte, den immittelbar folgenden Niveau Wechsel nicht still-
schweigend übergangen hätte, — wenigstens, wenn er die ganze
Scene in einem Zuge gedichtet hätte. Nun hat man gerade
die vier ersten Verse des tp als Zutat des Bearbeiters erkannt,
der später Penelope auch ins H)rperoon geleitet.®*) Ich sollte
meinen, der Schnitt, hinter dem fünften Verse gemacht, würde
noch nicht ins Fleisch der alten Dichtung treffen. Das Hype-
roon, hier zuerst nur angedeutet, spielt dann in der Handlung,
wie sie sich nach dem Plane des Bearbeiters vollzieht, zimi ersten
Male wirklich eine Rolle. Dieser Dichter braucht ein derartiges
Lokal. Nur dort wähnt er Penelope dem wilden Getöse, von
dem sie erst in seiner Bearbeitung des g> nichts ahnen darf,
völlig entrückt Und so fest und lebendig ist ihm die Vor-
stellung, daß er Penelope nicht nur ^20 das xaxißri^v sagen,
sondern auch Odysseus am folgenden Morgen ihr raten läßt,
sie solle sich ruhig im Hause halten, aig vnsQa ävaß&öa (^ 364)!
Weshalb? Ist das Megaron jetzt nicht wieder frei für die
Hausfrau wie in alter Zeit, und bietet der Thalamos des
Odysseus nicht auch genügenden Schutz? Empfindet man
5*
gg II. Dis Homerische Haus.
hier nicht wieder den Widerspruch zwischen dem alten und
dem neuen Motiv?
So wag-e ich jetzt auszusprechen, daß die Einrichtung,
daß ein Obergeschoß des Hauses als besondere Frauenwohnut^
bestand, ziu* Zeit des Dichters und Redaktors von tpxi' ebenso
neu wie auch bereits selbstverständlich war. Als einen inte-
grierenden Bestandteil des Hauses seiner Zeit hat er das
Hyperoon als etwas Neues in die Handlung des Epos ein-
geführt. Erst für die Entstehungszeit unseres ipxi> läßt sich
fo^lich die Existenz des Hyperoon im griechischen Hause
behaupten."^ Das wäre, wenn wir Wilaraowitz folgen, frühestens
das 8. Jahrhundert v. Chr. Vorher also existierte es zum aller-
mindesten nicht im Epos, nicht für die homerischen Dichter.
So hätten sie es etwa nur nicht erwähnt, weil sie es nicht
brauchten? Aber man schlief nicht darin, man arbeitete nicht
darin, man bewahrte seine Vorräte nicht darin auf, für all
dies und manches andere nennen diese Dichter andere
Räume, — ja wozu sonst hätte es denn noch dienen sollen?
Es existierte also wirklich nicht in ihrer Zeit. Und es ist,
wie wir gesehen haben, nicht das einzige, worauf wir ver-
zichten müssen. Es gab auch keine besondere Frauenwohnung,
die, dem Männersaale ebenbürtig, der Hausfrau zum regel-
mäßigen Aufenthalt gedient hätte. Es gab nur noch Neben-
räume (Odlaftoi), wie Gesiadezimmer und Vorratskammer. Als
einz^er Familienraum und zugleich dem Herrscherpaare selbst
auch als Schlafgemach diente das Megaron. Einen eigenen Ehe-
thalamos besaß als Ausnahme nur die Herrenwohnung des
Odysseus. Nur die erwachsenen tmd verheirateten Kinder,
die keine eigene Herrschaft haben, erhalten eine besondere
Wohnung, ein Megaron im kleinen, die, weil sie dem Haupt-
megaron der Eltern gegenüber auch nur als Nebenraum er-
scheint, gleichfalls &(f.lafio? heißt Sie konnte ihrerseits eben-
sogut Nebenräume (Gesindezimmer, d&iia) besitzen, wie die
Hauptwohnung, ev. auch eine eigene aöAij erhalten. Für das
Nachtlager des Gastes aber war bei diesen Raumverhältnissen
kein anderer gedeckter Raum verfiigbar, als die Vorhalle des
großen Megaron.
Der weite Weg, den, um diese letztere Sitte zu verstehen,
die Untersuchung machen mußte, hat den Schluß, den wir
SchluBfolgeningen. • 6o
aus jener Sitte allein gezogen hatten, nur bestätigt Man wird
die Tatsache zugeben müssen, daß wir aus Homer das Bild
einer überraschend einfachen, auf das Notwendige beschränkten
Hausanlage gewinnen. Wohl sagt man, daß die Dichter nur
die Räimie nennen, die sie für die Handlung bedürfen. Aber
die vielgestaltige Handlung des Epos berührt so sehr alle
Seiten des Lebens, daß man sich vergeblich fragt, was sie
wohl verschwiegen haben könnten. Wohl bewundert Tele-
machos bei Menelaos den ihm ungewohnten Schmuck des
Megaron aus edlem Metall \md Elfenbein, und Odysseus
blenden bei Alkinoos xdkxeot ror^ot, xQvösiai dvQat und der
berühmte ^QtyKog xvävoto. Aber die Räume bleiben darum
doch überall dieselben. Der Unterschied ist nur ein qualita-
tiver. Außer dem Hofe mit Hoftor und Halle nur der große
Saal mit seinem Vorraum \md ein paar Kammern (für Gesinde,
Vorräte imd Kleinodien, in einer das Bad): ccvXii eisQxi^g^ tcqo-
dvpov, aCd'ovöa igidovücog {attov6a avkfig)^, ^dyaQOVj dessen
at^ovöa oder ngödo^og (seltener auch tcqMvqov genannt)®^,
^dXafiOL ivnr^xxoi {%, i6%otxog^ 0". mit äöa^iiv^og), — das ist der
feste Bestand. Die Anzahl der Thalsimoi der Kinder hängt
ab von deren Zahl. Was die ^ökog war und ob sie schon zu
diesem alten Bestände gehörte, weiß ich nicht zu sagen.
Schluß folgerungen .
Verträgt sich aber mit dieser Vorstellung vom homerischen
Hause das Bild der Paläste, das uns die Ruinen der „mykeni-
schen" Zeit gegeben haben? Die Antwort kann nicht zweifel-
haft sein. Weder die kretischen noch die griechischen Paläste
entsprechen der Voraussetzung, unter der wir das homerische
Haus allein verstehen, — sie enthalten zu viele imd zu
vielerlei Räume. Gewiß hat man nicht mit Unrecht die Züge
hervorgehoben, in denen diese Monumente sich mit der Dich-
tung berühren. Es sind einzelne Elemente: das Propylaeon
des Hofes, dieser selbst mit der Opferstätte ^, das Großgemach
mit der Vorhalle, die Kammern an den Korridoren, die
sie, unabhängig von jenem, mit dem Hofe verbinden. Aber
schon das zweite Megaron stört. Es gilt^ seit man es kennt,
70
II. Das Homerische Haus.
für die Frauenwohnung, und gewiß mit Recht. Aber es ver-
dankt diese Deutung Homer, und das ist falsch. Denn sie
fehlt bei Homer. Im Hinblick auf diesen könnte man nur an
die Wohnung des erwachsenen Sohnes denken, wogegen aber
z. B. in Tiryns die Lage, die absichtliche Trennung vom
großen Megaron und dessen Hofe, spricht. Erinnern wir uns
lieber an das, was gleichzeitige Zeugen, die kretischen Paläste,
uns jetzt gelehrt haben. In ihnen scheiden sich die offiziellen
Räume für Empfang und Verkehr deutlich von den intimeren
Wohn- und Familiengemächem, die sich um den besonderen
Binnenhof gruppieren, und wir haben geglaubt, die Ver-
doppelung oder Vervielfältigung der Räume in Tiryns, Mykenä
und Arne im gleichen Sinne verstehen zu sollen (oben S. 25).
Was ist aber die Konsequenz einer «olchen, überall in diesen
Palästen vorhandenen, besonderen 'yvvacx(ovtTig} Da lebt die
Hausfrau am Tage, erzieht sie die Kinder, arbeitet sie mit den
Mägden, das ganze eheliche und das Familienleben muß sich
da abgespielt haben.^^) Und es denkt in der Tat niemand
daran, daß etwa in Tiryns oder Mykenä das Ehebett im großen
Megaron gestanden habe! Man sucht ja im Gegenteil den Ehe-
thalamos imter den kleineren Nebengemächem.^*) Und in einem
von diesen, wenn nicht in dem nachtsüber unbenutzten großen
Megaron, wäre auch Platz genug für das Gastbett gewesen.
Also Raumüberfluß — die schlechteste Vorbedingimg für die
homerische Sitte! Man überbrückt nun einmal diese Kluft
nicht, indem man das Anaktenhaus auf Ithaka beschränkter
und einfacher hinstellt und andere Paläste für stattlicher und
den bis jetzt bekannten „mykenischen" gleichwertiger hält.
Dann hätte wohl bei Odysseus, — wo es aber gerade nicht
notwendig ist!, — der Gast in der Halle geschlafen, aber
nimmermehr hätte sich die Sitte gebildet, daß er da schlafen
mußte, auch bei Alkinoos und bei Menelaos. Nicht im Männer-
saal hätte der Webstuhl der Hausfrau gestanden, nicht der
fivxog döfiov v^i^Aofo wäre zum formelhaften Ausdruck für die
Schlafstätte des Ehepaares geworden, — die Terminologie
wiese eine andere Rollenverteilimg auf.
Die „mykenischen" Paläste entbehren sämtlich der Raum-
beschränkimg, die für die homerischen Anaktenhäuser, —
mögen sie auch in den Einzelheiten der Raumdisposition von
Schlußfolgerungen. y I
einander verschieden gewesen sein, wie jene, — typisch ge-
wesen sein muß. Wenn also schon die Sitten und Lebens-
einrichtungen, welche die homerischen Dichter voraussetzten,
nicht zu jenen Palästen stimmen, so können sie selbst noch
viel weniger mehr derartige umfangreiche Residenzen myke-
nischer Zeit gekannt haben.
Woher käme dann aber jene soeben doch noch zugegebene
Berührung zwischen homerischen und „mykenischen" Woh-
nungen? Ich habe ausdrücklich betont, daß sie sich auf
einzelne Elemente beschränkt, und zwar auf Elemente, wie sie
wohl die griechischen, nicht aber die kretischen Pa-
läste deutlich zeigen. Da tritt nun die oben gewonnene Er-
kenntnis in Kraft. Indem sie uns hier zu einer, wie ich hoffe,
befriedigenden Erklärung verhilft, machen wir zugleich die
Probe auf ihre Richtigkeit.
Das spezifisch „Mykenische", was die Paläste von Tiryns
und Mykenä von den homerischen trennt, waren ja nicht
diese einzelnen Elemente, sondern es war im Wesentlichen
die durch die komplizierteren Ansprüche der „mykenischen"
oder kretischen Kultur veranlaßte Raumvermehnmg. Die-
jenigen Elemente, in denen sie sich mit dem homerischen
Hause berühren, waren dagegen gerade auch die Bestandteile
des älteren einfachen Hauses gewesen, die, wenn ich den Gang
der Entwickelung oben richtig gezeichnet habe, jene Kultur
in Griechenland bereits vorgefunden hatte. Darum kann z. B.
der in Arne am reinsten verwendete, einfache Haustypus uns
homerische Verhältnisse auffallend gut veranschaulichen^^,
während ihnen der vielräumige Palast als Ganzes widerspricht
Diese Übereinstimmung wäre also nicht denkbar, wenn der Kultur-
kreis der homerischen Dichtung ein ausschließlich „my kenischer"
wäre. Sie wäre ebensowenig denkbar, wenn es sich um jene
älteren, einfacheren Hausanlagen handelte, von denen das aus-
gebildete ionische Epos bereits um die Jahrhunderte lange
Dauer „mykenisch" - kretischer Kultur, der diese Anlagen
vorangegangen waren, entfernt gewesen ist. Denn man kann
sich ja nicht zu der Annahme versteigen, daß das Epos hierin
vormykenische Zustände wiederspiegele. Sonach bleibt nur
der Schluß übrig, daß jene alte Hausanlage mit einem Mega-
ron am Hofe und den notwendigsten Nebenräumen am Korridor
72
IT. Das Homerische Haus.
als fester Typus die „mykenische" Zeit überdauert habe. Wie
das einzelne, schon vormy kenische „Megaron" im Tempel, so
lebte das vormykenische Haus im Hause der Zeit der home-
rischen Dichter fort Wenn ich früher glaubte, die Entwicke*
lung des Tempels aus dem Megaron durch die Annahme
erklären zu sollen, daß einzelne Megara der „mykenischen"
Paläste die gewaltsame Katastrophe, die während der dorischen
Wanderung offenbar alle diese Paläste in Trümmer legte,
lange überlebt haben könnten^), so wird jetzt der unleugbar
innige Zusammenhang zwischen Tempel \md Megaron noch
verständlicher, wenn wir uns vorstellen dürfen, daß letzteres
in dem damaligen Herrenhause noch existierte.
Zur Bestätigung dieser Annahme ist es mir verstattet,
zum Schlüsse noch eine glückliche Beobachtung Studniczkas
zu nützen. Die Verbindung des Propyläentores mit dem
Megaron, seine Lage in der Hofmauer diesem gegenüber ist
ja uralt und über Tiryns hinaus durch Troia II auch als vor-
mykenisch bezeugt, andrerseits als Vorbild für die späteren
Tempelbezirke bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, daß
dasselbe Verhältnis auch für das Wohnhaus noch am Ende
des siebenten Jahrhimderts zu belegen ist: auf der Amphia-
raosvase*^) steht die Familie des Königs vor dem Hause,
das, ebenso wie noch dasjenige des Peleus auf der Klitias-
vase^, sich in der richtigen Vorderansicht eines Megaron
darstellt, ^- das Gebäude davor kann nur das Propylon sein!
Um es in breiter, ganzer Frontansicht deutlich zu machen,
konnte es der Maler nur hinter das Gefährt setzen. Danmi
werden wir uns doch vorstellen, daß im nächsten Augenblick
Baton Rosse und Wagen durch das mittlere Interkolumnium
lenken wird, und wir gedenken der homerischen Verse
(z. B. 0, 145):
&v(i d^ &Qiiata notxik^ ißatvovy
ix d* ika6(xv tiqo^vqoio xal al^oiiörig igidovicov.
Wenn diese Anlage noch zur Zeit der ältesten Steintempel
möglich war, darf es uns nicht wimdem, daß sich das Mega-
ron in der Tempelcella erhielt —
Schlußfolgerungen. y^
Das Resultat dieser zwiefachen Untersuchung ist einmal,
nach den Denkmälern, die Unterscheidung vormykenischer
und „mykenischer" Herrenwohnungen — die originale Gestalt
der letzteren bieten die kretischen Paläste — , sodann, nach
der Analyse des Epos, diejenige nachmykenischer, d. h* home-
rischer Paläste. Und bei diesen trennen wir wieder vom
eigentlichen althomerischen das um das Hyperoon vermehrte,
möglicherweise auch sonstwie veränderte, späthomerische Haus.
Bewährt sich dieses Ergebnis, so schneidet es an seinem Teile
tief in einen bisher von vielen festgehaltenen Zusammenhang
homerischer Dichtimg und ,,mykenisch"-kretischer Kultur.
Exkurs I.
Zu den kretiscben Palästen.
Bei der Neuheit der kretischen Ruinen ist es nicht un-
berechtigt, noch einen Augenblick bei ihnen zu verweilen
und sie auch untereinander in einigen Punkten zu vergleichen.
Für ihre Flanbildung sind in erster Linie die großen Höfe
bestimmend. Beide Male steht der westliche in besonderer
Beziehung zu den offiziellen Räumen; wir finden ihn an der
einen Außenseite des Palastes. Den östlichen umschließt als
langgestreckten Binnenhof*') allseitig das Gebäude.
Zu den Höfen treten die Säle. Für diese ist die Lage
unmittelbar an einem der beiden großen Höfe nicht obli-
gatorisch. Knossos lehrt es. Der in der zweiten Kampagne
freigelegte Pfeilersaal im Osten („the hall of the double axes")
ist der einzige in diesem Palast erhaltene derartige Raum.
Er steht zu den Höfen in gar keiner Beziehung. Auch hat
er schwerlich einen eigenen größeren Vorhof besessen. Der
Abhang fällt hier alsbald ab, und es schien mir an Ort und
Stelle auch nicht möglich, den derzeitigen Zustand durch den
Absturz einer künstlichen Plattform zu erklären, die sich davor
hofartig ausgebreitet hätte. Auch kein anderer Saal, sondern
nur kleinere Zimmer und Verbindungsräume von z. T. aus-
gesprochenem Souterraincharakter, darunter auch der Raum
mit dem steinernen Thronsessel und die Kammern mit den
Doppelaxtpfeilem, — ihre lichte Höhe bleibt durchgängig unter
,1 m, — münden auf den Binnenhof und zwar, ebenso wie in
Phaistos, an dessen Westseite. Der offizielle Teil des Palastes
aber, der Repräsentationssaal, war schon durch seine Lage im
Obergeschoß {s. oben S. 12) von den großen Höfen getrennt.
Zumal dem Außenhofe im Westen war er viel weiter entrückt
als der Saal in Phaistos dem dreieckigen Platze. Der Besucher
mußte erst einen langen Korridor {h) durchschreiten, bis er
Knossos und Phaistos miteinander verglichen. ye
vom Hofe zum Propylon des Saales gelangte, und erst nach-
dem er noch einen weiteren kleinen Vorhof (g) passiert hatte,
stand er vor der Freitreppe selbst
Umständlicher war in Knossos auch die Verbindung
zwischen Binnenhof und Magazinen. Während in Phaistos ein
nach dem Hofe zu offener Hallenraum, — dem ich darum
auch nicht den Rang eines „Megaron** (Rendiconti X 276)
zugestehen möchte, — unmittelbar zu den Vorratsräimien
führte, schiebt sich dort zwischen diese und den Wirtschafts-
hof der ganze Komplex der Souterrainräume ein. Dafür ent^
behrt Phaistos wieder einen anderen Vorteil. Ein eigener,
imabhängiger Zugang, wie er in Knossos zwischen den nörd-
lichen Palastteilen zum Binnenhofe emporführt (i), war dort
durch das Terrain ausgeschlossen. Im Süden und Osten fällt
die Palasthöhe steil und tief zur Messaraebene ab (vgl. im-
sere Abbildung des Burgberges und Mon. dei Lincei XII Taf. I),
so daß ich einen Aufgang, — und dazu die Hauptstraße zum
Palast, wie jetzt Pemier für die Südseite vermutet (ebenda
S. 59), — hier kaum für möglich halte. Im Norden aber
schließt sich unmittelbar an den Hof der Eingang zu den
intimeren Wohn- und Familiengemächem {41). Das unter diesen
verhältnismäßig am besten erhaltene Gemach 50, das noch in
den Ruinen einen traulichen Eindruck macht, hat man alsbald
mit dem „megaron delle donne" identifiziert (Rendiconti X 272,
276, jetzt Mon. dei Line. XII S. 67 Fig. 19), und wir dürfen
diese Deutung, auch ohne dabei an Homer zu denken, gewiß
festhalten.
Diesem Räume soll nun freilich das „Megaron" des fürst-
lichen Landhauses bei Haghia Triada ähnlich sein (Rendiconti
XI 437); aber die „residenza campestre" wird keinen eigent-
lichen offiziellen Raum in dem üblichen kretischen Saal-
schema gehabt haben. So bestimmt sich in Phaistos nach
diesem „Gemach der Frauen" der intimere Charakter dieses
ganzen Palastteiles, und der Binnenhof bleibt dem fremden
Besucher nur durch den Verbindungskorridor 7 (corridoio cen-
trale, Mon. dei Line. XII S. 39 Fig. 11) von Westen her und
weiterhin durch den allgemeinen Palasteingang erreichbar.
Denn ich vermag mir diesen „ingresso principale", im Gegen-
satze zu Pemiers Auffassung (ebenda S. 38), nur auf der West-
^6 Exkurs I.
Seite vorzustellen. Hat man doch auch in Knossos offenbar
absichtlich den Hauptsaal unabhängig vom Binnenhofe erhalten.
Man kann in Phaistos die Stufen (4) an der Nordseite des
Westhofes, so merkwürdig ihre Lage auch sein mag, doch auch
als Aufgang zur Terrasse 5 ansehen, da an deren Nordende ein
Durchgang von 4 m Weite nach den Stufen zu vorhanden ist;
außerdem aber bliebe immer noch die stattliche Trej^e 6, die
möglicherweise einen Zugang von außen her vermittelt haben
könnte.
Auch die Verbindung von Terrassen- und Stockwerkbau
ergibt jedesmal ein anderes GesamtbUd. Für die Verhältnisse
in Phaistos darf auf das oben (S. 11) Gesagte verwiesen
werden. Wenn wir in Knossos doppelt so viele Höhenlagen
unterscheiden können, so erklärt sich das dadurcln daß man,
anders als in Phaistos, den Ostabhang des Hügels bis zu
beträchtlicher Tiefe zur Bebauung herangezogen hat (vgl. die
Ansicht der Ausgrabungen von Osten). Die bautechnisch
interessantesten und stattlichsten Gebäudereste sind erst hier
zu Tage gekommen. Der größere westliche Teil des Palastes
breitet sich in einer teilweise auch erst durch ausgedehnte
Substruktionen gewonnenen Ebene aus. In ihr liegen vor
allen Dingen die beiden großen Höfe. Ein großer Teil der
dazwischen liegenden Räume, die Magazine mit ihrem Korri-
dor und die Gemächer ostwärts bis zum Binnenhof, liegt um
die Höhe der vier Stufen tiefer, die man von diesem Hofe
z. B. zum Niveau des Thronraumes (Plan, e) hinuntergehen
muß (Annual VI 35, 39. Arch. Anzeiger 1900, 143 Abb.). Da-
gegen haben die südlichen Teile bis zu den Resten des Pro-
pylon (g, „central clay area", „court of the altar") wieder das
Niveau der Höfe. Die Existenz eines zweiten Stockwerkes
ist wenigstens, wie wir gesehen haben, über den Magazinen
imd den südlich vom Thronraum gelegenen Gelassen ge-
sichert.
Ob an der Ostseite des Binnenhofes der Palast sich zur
gleichen Höhe erhob, ist ungewiß. Dort führt das nach Er-
haltung und Konstruktion gleichermaßen zu bewundernde
Treppenhaus (K) zu den tieferen Stockwerken hinab. Zwei
Stockwerke übereinander sind hier noch heute in den Resten
nachweisbar. Erst ein drittes Geschoß darüber würde im
Zweischiffige griechische Tempel. nn
Niveau des Hofes gelegen haben. Ein solches aber wenigstens
in größerer Ausdehnung anzunehmen verbietet sich vielleicht
durch die für die beiden unteren Geschosse erforderlichen
Oberlichtanlagen, die für den Pfeilersaal und seinen Nachbar-
raum, die doppelgeschoßige Halle, nachgewiesen sind.
Dann wäre aber ein viertes Geschoß, das dem Obergeschoß
der Westhälfte entsprochen hätte, erst recht imwahrscheinlich.
So stellen auch die neuerdings in Knossos gefundenen Mosaik-
plättchen, nach dem was bis jetzt darüber bekannt geworden ist
(Revue arch^ologique 1903 S. 72), dreistöckige Häuser dar.
Immerhin scheint der Palast viel mehr Stockwerkbau ge-
wesen zu sein als der zu Phaistos, und von der Feme, von
Osten oder Nordosten gesehen, mochte er, da das Obergeschoß
des Westteiles die Etagen des Ostabhanges überragte, wohl
den Eindruck eines vielstöckigen Gebäudes machen, was man
von Phaistos kaum wird sagen können.
Exkurs n.
Zum Kultbau des knossischen Freskobildes.
Bei der in den kretischen Palästen geltenden Zweiteilimg
der Front wird man sich erinnern, daß etwas Ahnliches auch
dem griechischen Tempelbau nicht völlig fremd gewesen ist.
Nur beschränkt es sich bis jetzt auf wenige Beispiele inner-
halb einer kleinen Gruppe von Tempeln, die in Einzelheiten
wieder von einander verschieden sind.
Zweischiffig sind sie alle. Von dem Grundriß des dori-
schen Tempels in Eretria (Athen. Mitteil. 25, 311) und dem
Apollontempel in Metapont (Puchstein-Koldewey, die griech.
Tempel, S. 39) ist einstweilen mehr überhaupt nicht bekannt.
Die Tempelcella in Neandria (Koldewey, 51. Winkelmanns-
pgr. 22ti. Perrot Chipiez VII 608) hat trotz dieser Teilung
nur eine Tür in der Mitte der Schmalwand. Ebenso der Tem-
pel in Lokri in seiner ältesten Gestalt (Puchstein-Koldewey,
S. 3); aber die Front der Vorhalle setzt hier die Zweiteilung
des Innern fort, indem ein Mittelpfeiler ^zwischen die nach der
Front umgebogenen Seitenwände tritt. Nur im Apollontempel
von Thermos (Ephemeris archäol. 1900 S. 174 ff.) und ähnlich
in der ,3asilica" zu Pästum (Puchstein-Koldewey S. 17) öffnet
yS Exkurs 11.
sich die Cella mit zwei Türen, und die davorliegende Säulen-
stellung — dort des Pteron, hier des Pronaos — zeigt folge-
richtig eine ungerade Säulenzahl.
Wir haben in diesen Beispielen verschiedene Lösungen
für die Frontbildung vor uns, die alle offenbar durch dieselbe
Ursache, die Zweischiffigkeit der Cella, veranlaßt sind.*^ Aber
es würde sehr gewagt sein, in dieser Zweiteilung die Spur zu
erkennen, die der kretische Saal hinterlassen hätte. Auf das
Megaron C in Troia VI darf man sich hierfür nicht berufen.
Durch dieses kommen wir mit einer solchen Disposition des
Innenraumes allerdings bis in die jüngere „mykenische" Zeit
hinauf. Aber sie ist hier, wie es im Bereiche des troisch-
griechischen Typus nicht anders zu erwarten ist, mit über-
wiegender Tiefenausdehnung und Schmalstimigkeit verbunden.
Daß femer zu dieser zweischiffigen Cella nicht notwendig
die doppelte Tür gehörte, können auch Neandria und Lokri
lehren; und endlich war ihre Vorhalle so wenig wie diejenige
der beiden anderen Megara VI A und VI B durch Freistützen
geteilt (Dörpfeld, Troia und Ilion S. 153). Es fehlt mithin so
ziemlich alles, was die spezifisch kretische Saalform ausmacht.
Die Mittelteilung des Innenraumes allein ist noch kein Argu-
ment für kretischen Einfluß; das zeigen zum Überfluß die
langgestreckten zweischiffigen Hallen in Arne (s. oben S. 21),
dessen Baukunst so unkretisch wie möglich ist.
Ich muß daher auch die Beziehung zwischen diesem
troischen Megaron imd dem Kultbau des knossischen Fresko-
bildes, wie sie R. Zahn kürzlich hat herstellen wollen, ab-
lehnen.^
Nach Zahns Ansicht wäre das Freskobildchen, das in
Abb. 12 in der Rekonstruktion nach Journal of hell, studies
XXI S. 193 (die Frauenfigur nach Tafel V ebenda) wieder-
gegeben ist, so zu erklären, daß der Maler in einer „Art
künstlicher Perspektive", für die sich auf ägyptischen Wand-
gemälden Parallelen fanden, das Innere eines „Tempels", um
es darstellbar zu machen, über die seitliche Außenwand des
Mittelraumes hinaufgeschoben hätte; die seitlich dargestellten
Räume böten dagegen die Frontansicht von Vor- und Hinter-
halle, die man sich um 90*^ herausgedreht zu denken habe.
Das Original habe aus einer oblongen Cella mit Pronaos und
Der Knltbau von Knossos. 7g
Opisthodom bestanden, die durch eine Säulenstellung^ in der
Längsrichtung zweigeteilt gewesen wären.
Dieser Erklärung scheint durch den Nachweis der prin-
zipiellen Mittelfeilung der Front in der kretischen Baukunst
allerdings eine überraschende Unterstützung zu erwachsen, und
Abb. u.
ich gestehe, daß sie mir zuerst manches für sich zu haben
schien. Aber bei genauer Prüfung erregt schon der Opis-
thodom, der nicht einmal in der griechischeti Tempelcella von
vornherein nachzuweisen ist, starke Bedenken; und selbst
wenn das Fresko wirklich einen ausgebildeten Tempel mit
Vor- und Hinterhalle und durchgehender Zweischiffigkeit hätte
darstellen sollen, so gibt es doch in Troia VI weder einen
Opisthodom noch einen Pronaos mit zweigeteilter Front, ganz
abgesehen davon, daß wir bei dem kretischen Kultbau nach
Analogie des Profanbaues gewiß auch Breitstimigkeit voraus-
zusetzen haben.
Aber jene Rekonstruktion des kretischen „Tempels" ist
zunächst ja nur eine Hypothese, der sich auch wohl eine
andere, die mehr auf die Fundtatsachen hinauskäme, en^egen-
stellen ließe. Das Prinzip einer solchen künstlichen Per-
spektive für das knossische Miniaturbild einmal als richtig
8o
Exkurs II.
angenommen, so brauchten die beiden seitlichen Partien mit
der einen Mittelstütze noch nicht unbedingt gesonderte Räume
zu bezeichnen; sie könnten auch nur die vordere und die
hintere Ansicht desselben einfachen Kultbaues wiedergeben,
der in der Mitte in Seitenansicht dargestellt ist, und die
Säulen links \md rechts wären in Wahrheit mit denen des
Innenraumes identisch. Abbildung 13 veranschaulicht den
.--WSS8§8Sägg8S8ßä --.
/
/
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t ...
/ ^ '
1 1
L . - . . . . _A. . . -m-
\ »
1 ;:::-. CO ::-.ta8?^8g888Sä^c:.:0:::-i i
Abb. 13.
Prozeß, den in diesem Falle der Maler vollzogen hätte. Ge-
geben gewesen wäre nur ein einräumiges Sanktuarium mit zwei
Säulen hintereinander, diese von den Fronten nach innen ab-
gerückt, wie es die Opferplatte aus der diktäischen Höhle zeigt
(Arch. Anz. 1900, 148. J. hell. stud. 1897, 351, 1901, 114), also
eine Adicula, die in dieser seitlich geschlossenen, vom und
hinten in gleicher Weise geöffneten Gestalt unwillkürlich an
das Allerheiligste einiger ägyptischer Tempel ^^ erinnert; über
einen solchen Anklang an eine ägyptische Raumform würden
wir \ms ja nicht mehr wundem. Die beiden Hörnersymbole
aber, die in der Adicula zu beiden Seiten der Säulen standen,
hätte der Maler, als er den Innenraum in der Seitenansicht
dem Beschauer öffnete, gedreht und, um über ihre Gestalt
keinen Zweifel zu lassen, in Vorderansicht gezeichnet, nur
nicht vor den Säulen (Arch. Anz. 1900, 147. J. hell. stud. 1901,
196), sondern hinter diesen.
Dagegen die verschiedene Färbung des Hintergrundes
(blau oben, gelb rechts, rotbraun links) als Zeichen einer be-
absichtigten Differenzierung der drei Räume anzuführen, würde
ich nicht für unbedingt berechtigt halten. Denn offenbar hat
der Maler nach Buntheit gestrebt und es mit der Verteilung
der Farben nicht so genau genommen. Dasselbe Braunrot
nimmt er als Grundton für die Versammlung der Männer, die
Der Knltbau von Knossos. gl
unterhalb des Gebäudes dargestellt ist Die Säulen links und
rechts zeigen schwarzen Schaft und teilweise schwarzen Ka-
pitellwulst, obwohl wir sie uns doch gewiß nicht aus Stein —
wie die schwarz gemalten Basen der beiden oberen Säulen —
sondern wie diese letzteren, die braun gemalt sind, aus Holz
denken werden, wie sie es in den Palästen ja auch waren
(J. hell. stud. 1901, 195. Mon. d. Line. XII 78). Blau ist der
der Kyanoseinlage des tirynther Alabasterfrieses entsprechende
Rand des Rosettenomamentes, ebenso aber auch der Hinter-
grund des Raumes darüber und der Abakus des Kapitells der
Säule rechts. Endlich ist, wenigstens auf Gilli^rons farbiger
Skizze (J. hell. stud. 1901, Taf. V), noch ein Stückchen des Grun-
des oberhalb der rechten Abteilung (a) gelb getönt, während
man hier schwerlich einen zweiten Innenraum, sondern ledig-
lich freie Luft annehmen dürfte. Denn es scheint doch zweifel-
los richtig zu sein, daß zwischen dieser Darstellung und den
bekannten Goldplättchen aus den mykenischen Schachtgräbem,
den sogenannten Astarte- oder Aphroditetempelchen **^^), ein
enger Zusammenhang besteht, mögen wir uns diesen nun so
erklären, daß (nach Zahns verlockender Hypothese) hier wie
dort ein bestimmtes, berühmtes Heiligtum dargestellt wäre,
oder daß es sich um die Wiedergabe gleichartiger Kultbauten
handelte. Jedenfalls schließt ein solcher Zusammenhang aus,
daß auf dem Fresko mehr als die drei noch erkennbaren
Räume anzunehmen wären.
Aber er erweckt auch Bedenken gegen die Zahnsche These
einer Perspektiven Zeichnung überhaupt. Denn es ist mir doch
sehr fraglich, ob Maler \md Toreut notwendigerweise zu einer so
auffallend gleichartigen Wiedergabe, sei es nun des gemeinsamen
Originales oder des gleichen Typus, gelangt wären, wenn ihnen
beiden ihr Vorbild nicht von vornherein eine solche dreiteilige
Hauptansicht dargeboten hätte. Die Goldplättchen etwa in
unmittelbare Abhängigkeit von unserem Miniaturbildchen zu
bringen, liegt ja kein irgendwie stichhaltiger Grund vor. So
scheint mir doch die nächstliegende und einfachste Auffassung
immer noch die zu sein, daß wir die Abbildung eines sacralen
Gebäudes vor uns haben, das aus drei, auf einem einfachen
Sockel von Quadern nebeneinander gereihten Cellen*^ besteht.
Dessen Höhe lediglich nach dem Maßstab der daneben sitzen-
Noack, Homerische Paläste. 6
$2 EikuTB n.
den Frau zu berechnen und sonach einen niederen Altarbau
zu erkennen (Arch. Anz. 1900, 147. J. hell. stud. igoi, 196), sind
wir, wie ich angesichts der ausgeprägten architektonischen
Durchbildung glaube, nicht verpflichtet Daß es Altartische
gab, die außer den vier Beinen an den Ecken noch eine
säulenähnliche Mittelstütze zeigten, und über die man sich
betend herabneigte, ist durch die Denkmäler bewiesen (J. hell,
stud. 1901, 114 F^. 7, 177 Fig. 53). Aber auch das sacrale
Gebäude mit einer Säule in der Mitte ist nicht zu verkennen
(ebenda 170 Fig. 48), und es ist durchaus möglich, daß die
eigentümliche Form der Altäre dem architektonischen Vorbilde
entlehnt wurde, das dann allerdings sehr wahrscheinlich ein
ganz bestimmtes, einzigartiges Heiligtum gewesen wäre. Aber
auch ohne dies hier entscheiden zu wollen, möchte ich mir jene
drei Cellen als größere, betretbare Räume vorstellen, die durch
die Säule, die das Crebälk trug, zweigeteilt waren, wie so
manche Gemächer der Paläste. Nur bei dem mittleren Teile
blieben einige, kaum endgültig zu beantwortende Fragen.
Sollen wir z. B. die Meinung von Wolters (Arch. Anz.
a. a. O.) u. A. teilen, daß die Mittelcella sich einfach auf einem
beträchtlich höheren und reich verzierten Unterbau erhebe?
Bei dem „Altar' würde das unbedenklich erscheinen; war es
aber ein Gebäude (dessen Mitte emporragte, wie etwa der
Saal von Phaistos über die anstoßenden Magazine), — wie
soll man sich diesen Raum dann zugänglich denken? £s fallt
freilich schwer, in der flüchtigen, andeutenden Darstellung der
Goldplättchen die in der Anordnung der Teile treuere Wieder-
gabe des Originales zu erblicken, und doch muß die Fr^e
aufgeworfen werden, ob dem nicht so seL Auf diesen ruht
bekanntlich das Rosettenomament über der mittleren Cellji,
während deren Boden höchstens um eine Stufe höher als das
Niveau der Seitencellen liegt. Jenes Ornament aber ist durch
das Beispiel des tirynther Alabasterfrieses, der in der Vorhalle
des Megaron am Fuße der Seitenwand gefiwden wurde, doch
noch nicht ausschließlich an den Sockel der Wände überhaupt
verwiesen'**), auch wenn es für diesen einen Fries durch die
sehr ähnlich konstruierten (und gleichfalls auffallend an
die Komposition des dorischen Frieses erinnernden) Bänke im
Zimmer 23 zu Phaistos (Mon. d. Line. XII S, 47 Fig. 13 und
Der Kultbau von Knossos. 83
Taf. VII i) gesichert sein dürfte, daß er für die Stelle be-
stimmt war, wo er sich vorfand.
Aber einmal zeigen schon jene Bänke ein ganz anderes
Ornament Außerdem dürfte es schwer halten, die zahl-
reichen Bruchstücke steinerner Friese aus Mykenä und Knossos,
auf denen es gleichfalls erscheint ^^), auch für Sockel Ver-
kleidungen auszugeben. Und spricht endlich das hölzerne
Rahmenwerk der Rosettenmetopen auf dem Fresko, zusammen
mit dem Schachbrettstreifen darunter, der doch bei den Seiten^
räumen oben im Gebälk erscheint, nicht eher dafür, daß der
Rosettenstreif eigentlich auch in das Gebälk gehört? Ich muß
es einstweilen für möglich halten, daß die Goldplättchen uns
hier zuverlässiger belehren. Denkt man sich doch auch nach
deren Muster den oberen Abschluß der Mittelcella des Freskos
mit einer Bekrönung durch Hömersymbole.^®'^)
Eine andere Frage trifft die Zweizahl der Säulen in der
Mittelcella. Man würde sie auch hier anstandslos hinnehmen,
wenn nicht gerade für die kretischen Räume eine andere
Teilung charakteristisch wäre, und man bei einem Gebäude
von der Bedeutimg, wie es ein selcher Sakralbau gewesen
sein muß, das gleiche Prinzip in allen Teilen voraussetzen
möchte. Sind sie etwa ähnlich zu erklären wie die beiden
Säulen im knossischen Pfeilersaal (oben S. 13)? Oder haben
wieder die Goldplättchen Recht, die auch in dem Mittelraume
nur eine Säule zeigen? So lange derartige Fragen noch offen
bleiben, wird sich eine allseitig befriedigende Interpretation
des merkwürdigen und wichtigen Kultgebäudes nicht finden
lassen.
Auf jeden Fall aber müssen jene griechischen Tempel
mit zweigeteilter Cella sowie das troische Megaron^®*) un-
abhängig von dem kretischen Heiligtum und der kretischen
Raimidisposition überhaupt ihre Erklärung finden, am richtig-
sten wohl aus der Konstruktion. — ^®^)
Die unzweifelhafte Bedeutsamkeit des Kultgebäudes recht-
fertigt es wohl, wenn wir zum Schlüsse den Versuch machen,
nach einer ganz anderen als der konstruktiven Seite hin,
nämlich über seine besondere sacrale Bestimmung zu einer
Entscheidung zu gelangen oder uns einer solchen wenigstens
zu nähern. Ein derartiger Versuch erscheint heute nicht
6»
3d Exkurs II.
aussichtslos, nachdem wir angefangen haben, etwas von den
Göttern zu erfahren, denen die Tänze, Gebete und Opfer der
Bewohner jener Paläste galten. Wir nehmen damit zugleich
die Frage noch einmal auf, ob die Goldplättchen und das
Fresko nur allgemein einen bestimmten Typus sacraler An-
lagen oder alle ein und dasselbe Heiligtum, eine berühmte
Kultstätte vorstellen sollten.
Den Weg weisen uns zunächst die Geräte bei den Säulen,
an deren Deutung als Hömersymbole und ihrer Verwendung
zu kultlichen Zwecken nach den neuesten Funden und Er-
örterungen^^ wir wohl nicht zu zweifeln brauchen. Dazu
tritt ihre enge und unverkennbar bedeutsame Verbindung mit
dem Bilde der Doppelaxt auf mykenischen Denkmälern (Gold-
plättchen aus den Schachtgräbem, Schliemann Myk. 252. 412,
Vase aus Cypem J. hell. stud. 1901, 112) und die Rolle, die
diese letztere gerade auf Kreta spielt
Der Gedanke, nun auch den Namen des kretischen Laby-
rinths von kdßgvg^ der Doppelaxt, nach der der alte karische
Gott (Zeus) jiaßQavväög genemnt war^®^, herzuleiten, hat durch
die kretischen Monumente eine glückliche Unterstützung
erfahren. War das Labyrinth aber hiemach als das ,JEIaus
der Doppelaxt" zu verstehen oder genauer als das Haus des
Gottes, dem die Doppelaxt als Symbol eignete, so war es nur
folgerichtig, mit diesem göttlichen Wesen auch den Herrn des
knossischen Labyrinthes, den die spätere Sage kannte und
nannte, den stierköpfigen und gewiß einmal auch stierleibigen
Minotauros dieser Sage, der ja mm auch auf kretischen Gem-
men erschienen ist (Annual VII 18 f.), zu identifizieren. Eine
Schwierigkeit scheint nur darin zu liegen, daß wir einerseits
von einer theriomorphen Vorstellung des karischen „Götzen"
nichts wissen, — denn es ist lediglich Hypothese, den Gott,
„der der karischen Urbevölkerung entstammte", bereits für
stiergestaltig auszugeben, — und andrerseits darin, daß, wenn
wir jene Gleichung billigen, die Herren der „mykenischen"
Paläste auf ICreta einen karischen Gott verehrt hätten. Diese
Schwierigkeit erledigt sich aber durch die Annahme, daß hier
früh zwei Gottes Vorstellungen, zwei Religionen zusammen-
geflossen seien.
Es ist oben schon die Meinung vertreten worden, daß die
Das Labyrinth. 85
Begründer der „mykenisch"-kretischen Kultur griechische Ein-
wanderer und Eroberer waren. In ihrer alten, griechischen
Heimat treten uns heute die Reste uralter, theriomorpher
Gottesverehrung immer zahlreicher und deutlicher entgegen."^
Von da mögen sie also auch den stiergestaltigen Gott mit-
gebracht imd, wie es in so vielen anderen Fällen geschehen
ist, mit dem älteren — karischen — Gott, den sie vorfanden,
verschmolzen haben.
Die Stellung, die die historische Forschung jetzt in der
Karerfrage einnimmt, würde dem nicht widersprechen. Man
ist geneigt, die Angaben bei Herodot (I 171) und Thukydides
(I 4, i) in dem Sinne zu interpretieren und zu verbinden,
daß die Karer^ die sich über die Inseln des ägäischen Meeres,
darunter auch Kreta, verbreitet hatten, einmal gezwungen
worden seien, in ihre ursprüngliche Heimat nach dem klein-
asiatischen Festlande zurückzuweichen.^^*) Es ist nur natürlich,
daß das nicht geschehen ist, ohne daß sie vorher, auch als
Unterworfene, von ihrer Kultur und ihren Kulten mehr oder
weniger an die Sieger abgegeben haben.
Durch einen solchen Prozeß also, denke ich, wurde dem
stierköpfigen Gotte auch die karische Doppelaxt heilig und
wiu-de das Labyrinth sein Heiligtum. Ist das aber richtig, so
gehörten auch die Hömersymbole in seinen Kult Wir ver-
danken R. Zahn (a. a, O. 22) den Nachweis, daß es kretischer
Kultgebrauch war, die Homer der Opfertiere abzuschneiden
und dem Gott zu weihen.
Dann drängt sich aber die Frage unvermeidlich auf:
stellte der durch diese Symbole so auffällig ausgezeichnete
Kultbau des Freskobildes imd der Goldplättchen nicht etwa
ein Heiligtum dieses selben Gottes vor? Und welches Heilig-
tum hätte man gerade in Knossos eher abbilden sollen, um
welches hätten die Männer und Frauen"^ von Knossos sich
eher zum Feste vereinigen sollen, als um das eine hoch-
berühmte, das dem Symbol dieses Gottes den Namen dankte,
das Labyrinth? Oder ist seine Urgestalt so sicher, daß jene
Darstellungen nicht mit ihm verbunden werden könnten? Ich
glaube nicht Die Vorstellung, die man in historischer Zeit
vom Labyrinth hatte, geht auf die komplizierten Figiu-en von
Kulttänzen zurück, und wenn fiir dieselben auch gewiß einmal
36 Exkurs II.
eine architektonische Anlage hergerichtet wurde, deren Existenz
schon durch 2 591 ff. bezeugt sein dürfte ^^*), so fehlt doch eine
sichere Gewähr, daß diese schon in „mykenische" Zeit hinauf-
reichte oder gar für das ursprüngliche Labyrinth zu halten sei.
Dagegen ist es durchaus möglich, daß dessen Name auf die
gewiß an den älteren Kultbau angeschlossene Stätte der
heiligen Tänze und Prozessionen übergegsmgen ist In dem
Palast selbst vermag ich trotz Evans' Ausführungen nicht das
Urbild des Labyrinthes zu erkennen, zumal die vielbesproche-
nen Pfeiler im Souterrain sich als notwendige Substruktionen
fiir den Hauptsaal darüber erwiesen haben, die durch die ein-
gehauenen Doppeläxte, die sich überdies auf zahlreichen
Wandquadem in Knossos imd Phaistos finden, noch nicht,
wie D. Litt Ztg. 1902, 1726 sicherlich richtig bemerkt worden
ist, zu Kultobjekten werden. Der Fehler, den man begeht,
liegt darin, daß man den Begriff der Irrgartenanlage mit dem
„Lab3rrinth", mit dessen Name sie nichts zu tun hat, von An-
fang an verbunden glaubt. Das Labyrinth, ein Kultgebäude,
oder sagen wir doch kurz ein Tempel, ist, so muß ich glauben,
auch heute noch zu finden. —
„Minotauros", der Herr des Labyrinthes, zieht Ariadne
nach. Mit Recht glaubt man jetzt in den Szenen einzelner
mykenischer Goldringe die Verehrung einer Göttin zu er-
kennen*^*); neue Funde in Knossos**^) bestätigen das. Aber
es scheint mir nicht genügend begründet, in ihr gleich „die
Schlächterin", "Agiayug^ zu sehen, nur weil ihr die abgeschnitte-
nen Glieder der Opfertiere geweiht worden seien und weil
auch zu ihr die dreiteilige Mohnblüte passe (Arch. Anz. 1901,
22). Auch im Megaron der Despoina in Lykosura herrschte
der in seiner Vereinzelung und dazu in dieser Gegend sehr
altertümlich anmutende Brauch, dem Opfertier, anstatt es
regelrecht abzuschlachten, einzelne Glieder abzuschneiden
(Paus. Vm 37, 8). Ist es darum nicht richtiger, wenn wir
jene Göttin der „mykenisch" - kretischen Bilder überhaupt
benennen wollen, in erster Linie an Ariadne -'^piayvi^, die
hochheilige Göttin von Knossos, zu denken? Nicht nur weil
sie noch als Heroine, als Minostochter, in der Sage neben dem
Minotauros steht Ihre enge kultliche Verbindung mit dem
kretischen Labyrinthtanz ergibt sich deutlich aus der Stiftung^-
Die Götter des Labyrinthes. 37
legende des delischen Geranostanzes, wie sie bei Plutarch
Thes. 2 1 nach Dikäarch, und Kallimachos Hymn. in Del. 307 ff.
steht: ivad'slg (6 Griös'bg) rö &^qoSC6iov (d. h. [qov äyakiia KA^qi-
dog Kall.), 8 xaQä tilg ^AQiadvrig iXaßev^ i%6Qev6B fisrä t&v ii^imv
XOQsiav, i)v ixL vvv ixirskstv Jriklovg Xdyovöt, fiiiiripLa r&v iv rö
AaßvQiv^c} negiööcDv xal Sia^öStov xtL . . . Ursprünglich wird
es nicht der Kult der Aphrodite, die hier noch obendrein den
Beinamen ayvri fuhrt"*), sondern der der 'Agidyvrj selbst ge-
wesen sein, der nach Delos übertragen wurde, und mit ihm
seine wichtigste Zeremonie, eben der yigavog. Und höchst-
wahrscheinlich nicht ihr Kult allein: i%6QBv6B dl nsgl xov Kega-
x&va ßoiiöv^ heißt es bei Plutarch. Der Hömeraltar, um den
der delische Labyrinthtanz aufgeführt wurde, muß doch wohl
aus derselben Heimat stammen wie der Tanz. Er spricht
dafür, daß mit dem Kult der ^Agidyvri auch derjenige des
Gottes, dem die Hömersymbole galten, übertragen worden
war. Das setzt eine Kultgemeinschaft beider Götter schon
auf Kreta voraus, wofür ich ein Zeugnis in jenen kretischen
Kultscenen (z. B. J. hell. stud. 1901, 108) zu sehen glaube, die
neben der Gestalt der Göttin selbst das Symbol des Lab3rrin-
thes und seines gehörnten Gottes, die kdßgvg, zeigen.
Dann sehe ich mich aber auch zu dem letzten Schluß
gezwungen, daß einst auch jene Göttin im Labyrinth Ver-
ehrung gefunden habe, und ich könnte mm an die Zweizahl
der Säulen in der Mittelcella des Kultbaues auf dem Fresko-
bilde erinnern, wenn ich so sicher wie Evans in diesen aniko-
nische Fetische zu erblicken vermöchte. So lange ich dieser
Ansicht jedoch noch mit einigem Zweifel gegenüberstehe, muß
ich mich auf einen anderen Hinweis beschränken. Wenn 'Agidyvrj
der Aphrodite so wesensverwandt erschien, daß diese einmal
mit ihr zu einer Gottheit verschmelzen konnte, — abgesehen
von der delischen Aphrodite Syvri ist so doch auch die
kyprische Tradition von ^ AgiASvri 'Jq>goäitri Plut Thes. 20 zu
verstehen, — so scheint es mir bedeutsam und eine Bestätigung
der hier vorgetragenen Hypothese zu sein, daß auf dem Kult-
bau, oder, wie ich jetzt vielleicht sagen darf, auf dem Labyrinth
der Goldplättchen von Mykenä gerade der aphroditische Vogel,
die Taube, sitzt. Es wäre das zweite Mal, daß wir diese
Goldplättchen mit spezifisch kretischen Zügen in Einklang fänden.
Auch hier haben jüngere Götter, Götter anderer Volks-
Stämme, den Sieg davon getragen. Apollon, der ja auch
einmal von Delos erst Besitz et^ff (WUamowitz, Aristoteles
und Athen II 44, Anm.), wird sich auch den Hömeraltar
(Kallim. a, a. O. 312) erst angeeignet haben: es ist Theseus,
der apollinische Heros, der den Minotauros überwindetl
Das mag für Delos wie für Kreta gelten. Als sich der histo-
rische Prozeß vollzog, dessen spaten Niederschlag diese
Theseussage enthält, war, wenn ich die zu Grunde liegenden
geschichtlichen Verhältnisse richtig verstehe, die Zeit längst
vorüber, wo der Kult der alten kretischen Götter und mit
ihm der Labyrinthtanz noch nach Delos hätte übertragen
werden können. Wir stehen vielmehr schon in der Zeit ihres
Falles und damit bereits beim ersten Ansatz zu ihrer Heroi-
sierung. Wenn gleichwohl in der Sage dem Theseus auch
noch die Übertragung dieses Kultes zugewiesen wird, so wird
man darin nur einen Versuch erkennen dürfen, zu erklären,
wie Apollon zu dem seltsamen Kulttanze gekommen sei, den
er in Wirklichkeit schon als ein Erbe des älteren, besiegten
Gottes übernommen haben dürfte.
Gehört schließlich in diesen Zusammenhang auch jene
vielbesprochene und vielgedeutete Stelle der Odyssee, die
gerade Apollons Schwester in der gleichen Weise der Ariadne
gegenüberstellt? Theseus, so heißt es X 321 ff, vermochte
Ariadne nicht bis nach Athen zu bringen, säpos Si fuv "Aqtb^i^
Ixta. Man hat den folgenden Vers, der diese kurze und dunkle
Angabe mit Dia und Dionysos in Verbindung bringt, schon
früher als Interpolation verdächtigt. Und wenn es richtig
war, in Ariagne und dem Labyrinthgott das alte kretische
Götterpaar zu erkennen, so wäre es auch einleuchtend, daß
wieder ein Paar von Göttern sie überwunden hätte.
Diese letzten Ausführungen können nur hypothetischen
Wert haben. Sie gleichwohl hier vorzulegen, veranlaßt mich
die Überzeugung, daß es methodisch richtig sei, ehe wir
uns in babylonische Weiten wagen oder verlieren, jeden
Weg zu versuchen, der uns von den Griechen her zu den
„mykenisch" - kretischen Denkmälern führen kann. Haben
wir in ihrer Kultur doch nun einmal den Boden zu er-
kennen, in dessen wundersame, gesättigte Tiefe so viele
Vormy kenische Palastreste. 8q
Wurzeln griechischen Wesens, griechischer Kunst herunter-
reichen.
Nachwort.
Inzwischen sind neue überraschende Entdeckungen in und
bei Phaistos in Kürze gemeldet worden (D. Litt Ztg. 1902,
2047 f., 2494 f.). Neben anderen Gräberfunden vor allem zwölf
reichausgestattete Kuppelgräber mit langem Dromos, so daß
also auch diese, bis jetzt nur in Griechenland belegte, Grab-
form sich vielleicht als kretisch erweist. In Mykenä gehören
bekanntlich die Kuppelgräber, ebenso wie der erweiterte
Mauerring mit dem Quaderwerk des Löwen- und Nordost-
tores und auch der Palast auf der Burghöhe der jüngeren
„mykenischen" Zeit an. So möchte man wohl den Höhepunkt
kretischen Einflusses in die Zeit dieser Anlagen setzen. —
Ein „Vestibül mit acht Eingängen" (also wieder mit Mittel-
teilung der Front!) an der Nordseite der Akropolis gehört
vielleicht noch zu dem großen Palast. Wichtiger aber noch
ist die Nachricht, daß sich unter diesem selbst, und zwar
imter der Terrasse („Atrium") ein Raum mit Bänken an den
Wänden etc., und xmter dem „Tronsaal", d. h. wohl unter
Nr. 67, 68, 69 des Planes, Magazine mit zahlreichen Geräten
und Gefäßen (darunter große Pithoi), aber mit Schutt hoch
aufgefüllt, gefunden haben. Dazu nur Vasen der Kamares-
gattung (Arch. Anz. 1901, 2 4 f., J. hell. stud. 1901 Taf. VI, 1903
Taf. VII), keine „mykenische" Keramik! Mit diesem „vor-
mykenischen" Palaste möchte Pemier jetzt auch das Niveau des
Westhofes (s. oben S. 1 1 imd Taf. I unten) und die Orthostaten-
wand der Terrasse 5 in Verbindurtg bringen (Mon. d. Line. XII 37).
Und ebenso luteilt, wie ich nach einem kürzlich empfangenen
Briefe mitteilen darf, Dörpfeld. Er geht aber noch weiter
und rechnet zu dem älteren Palaste auch die Reste des (zwei-
geteilten?) Einganges (3) an der Südecke des Westhofes, dessen
schräglaufende westiiche Begrenzung, die er für einen mit
großen Platten gepflasterten Fußweg erklärt, die Stufen an
der Nordseite des Westhofes, in denen der ältere offizielle
Hauptaufgang zu erkennen sei, sowie die Kammern hinter
der Orthostatenwand, über denen wohl einmal in einer oberen
go Eiknrs U.
Et^e die Haupträume des Palastes gelegen hatten. Endlich
beseitigt er auch den vermeintlichen „Altar" (2 und 2 ' im Plane
Rendiconti X), — der mir an Ort \md Stelle lediglich als später,
ziemlich dürftiger Einbau erschienen war, bei dem gute Bau-
stücke des Palastes verwendet wurden, — und zwar als Er-
weiterung der eben genannten Kamriiem, mit denen sie durch
die in die Orthostatenwand eingebrochenen Türen verbunden
wurden. Als nach der Zerstörung dieses Palastes der jüngere,
d. h. der ,jnykenische" Palast gebaut wurde, sei die ältere
Freitreppe an der Nordseite des Hofes ebenso wie jene
Kammern bis zu dem jetzigen Niveau der Terrasse 5 ver-
schüttet und mit einer dicken Lage von Beton zugedeckt
worden. So sei vor den Treppen des neuen Palastes (6 und
66) ein großer Platz entstanden, der nun mit der Mauer, die
sich jetzt nördlich von den Stufen 4 erhebt und die Terrasse M
stützt, abgeschlossen wurde. In dem neuen Palast verzichtete
man auf den Orthostatenbau und wandte den einfachen Quader-
bau an. Da auch in Knossos diese beiden Bauweisen vor-
kommen, vermutet Dörpfeld, daß ein genaueres Studium an
Ort und Stelle auch dort zu einer Scheidung der verschiede-
nen Epochen führen werde.
Durch diese sehr einleuchtenden Beobachtungen Dörpfelds
wird meine Annahme bestätigt, daß der allgemeine Palast-
eingang nur an der Westseite zu suchen sei, und es erledigt
sich damit auch wohl der oben versuchte Ausweg, in einer
der vorhandenen Treppenanlagen den Hauptzugang zu finden.
Außerdem gewinnen wir aber auch vielleicht die ErWärung
für die auffallende Höhenlage des g^ßen Saales, 1,8 m über
der Terrasse. Denn er liegt dann gerade 3 m über dem
Niveau des älteren Palastes: d. i. aber ungefähr die Höhe der
Magazine und Souterrainräume einschließlich Deckengebälk,
die auch in den erhaltenen jüngeren Palästen üblich war. Es
ist somit denkbar, daß für das Niveau des Neubaus an dieser
Stelle die Reste des älteren Palastes mitbestimmend waren.
Ich fuge hinzu, daß sich Dörpfeld als die Bewohner der
älteren Paläste und die Schöpfer der „Kamares-Kultur" die
Karer denkt, als ihre Besieger tmd Erbauer der jüngeren
Paläste die vom Peloponnes hereinbrechenden „minoischen"
Achäer, Nach dem, was in dieser Studie ausgeführt ist
Vormykenische Palastreste. gi
(vgl. S. 24 f. und 85), erscheint auch das einleuchtend. Nur
möchte ich das noch einmal betonen, daß ich die Ausbildung
der spezifisch „mykenischen" Kultur durch diese Achäer doch
nur auf Kreta selbst für möglich halte.
Nach Dörpfelds Beobachtimgen ist eine weitere Auf-
klärung über die kretischen Paläste durchaus nötig, da wir
davon nicht nur für die Geschichte dieser Anlagen, sondern
auch für die wichtigen allgemeineren Fragen, die in dieser
Studie angeregt werden sollten, wertvolle Bestätigung und
Förderung zu erwarten haben. So sei mit dem Wunsche ge-
schlossen, daß den Männern, denen wir die Entdeckung und
Hebxmg dieser eminenten Schätze verdanken, vergönnt sein
möge, uns auch diese Aufklärung zu bringen.
Anmerkungen.
1) (I) Wide, MitteiloDgen des archiol. loititats in Athen 36 (1901), 156.
Auch Lechat, Le temple grec (Petite Bibliothiqne d'Art et d'Arch^oIogie, Pari« 1902)
S. 8 macht zwischen griechischen, kretiichen imd homerischen PaJästeo k«!sen
Unterschied: les characlires prtnciptiu en sont partout les minies.
2) (1) Rendiconti della reale Academia dei Lincei Ser. V voL X (1901)
260 ff. (Pemier) and in dem mir während des Dmckea (die vorstehende Studie
war bereits vorigen Herbst im wesentlichen abgeschlossen) zugehenden XII. Bande
der Monumenti dei Lincei Taf. II. The Annnal of the British School at Athens
Vn (1900/1901) JEvans).
2 b (9) VergL jetzt aach Pemier Mon. d. Line. XII 86.
3) {11) So hoch liegt der FuGboden des kleinen Gemaches 70 (Rendiconti
X 17S)> nnd ich erinnere mich, daß einer der Pfeiler zirischeri den Türen zweier
Magazine der Nordreihe sich annähernd ebenso hoch erhebt. Vergl. jetzt ancb
Mon. d. Line. XII Taf. II, wo derselbe links vom groBen Korridorpfeiler sichtbar
ist. Nnr wird ebenda S. 74 die Nivcanböhe von Nr. 70 mit bloS 2,40 m an-
gegeben. Doch brauchte das nicht die Deckenhöhe der Magazine gewesen zu
sein, da der jetzige Zastsnd von Nr. 70 vermutlich von einem Umbau berrührtf
bei dem das darunter gelegene Magazin erst zugeschüttet wurde.
4) (II) Diese liegt bei ca. 3 m über dem livello principalc (Rendiconti X
284). An der Nordwand des Saales Inbren 8 Stufen zur Plattform 71. Setzen
wir die Stufenhohe der Freitreppe, 0,15 m, auch hier an, so ergibt sich die Diffe-
renz von 1,20 m zwischen 72 und dem Saalboden. In einer Höhe von 3 m darf
man sich aber schon den Fußboden eines oberen Stockwerkes auch über dem
„Megaron delle donne" und dessen Umgebung denken; waren doch die Magazine
nnd der sog. Throoraam in Knossos niefat sehr viel über 2 m hoch. Die Stufen
der Hintertreppe 39 (vgl, jetzt Mon, d. Lincei xn Taf. V links, S. SO Fig. i«
rechts u. S. 5z) waren etwas steiler, da hier schon 10 Stufen, einschliefilicb der
Stafe vor der Turschwelle des Saales, zu dessen Niveau (i,S m) Tuhren. Die
übrigen 6 Stufen würden hiernach zusammen ca. l,aS m Höhe haben, also bei
ca. 2,9 m enden. Wir kommen also, da wir mit kleinen Ungenanigkeiten hier
rechnen dürfen, auf annähernd die gleiche Höhe für 75 wie für die Plattform 72.
Die 23 stufige Treppe 6 endet dagegen erst bei einer Höhe von ca. 3,5 m über
der Terrasse $ (vgl. jetzt Mon. d. Lincei XII Taf. IV in der Mitte), und nur
wenig höher ragt der Felsboden M unmittelbar nördlich vom dreieckigen Platze
auf. Ob und wie weit sieb der Palast über diesen noch ausgedehnt habe, ist
nicht mehr auszumachen. Ob die Decke des Hauptsaales in etwa gleicher Höhe
Anmerkungen. g^
mit derjenigen der Nachbarräume lag, ob mithin jene NiveaudüTerenz des Fußbodens
seiner Höhenausdehnung zu gute kam, wie man es für diesen stattlichsten Raum
gerne annehmen möchte (vgl. Abb. 5), ist natürlich nicht mehr zu entscheiden.
5) (12) Phaistos Hauptsaal: 13,75 m breit, 10 m tief. Haue 25: 9,7 m:
8,45 m. Zimmer 23: 4,5 m:2,i5 m. Zimmer 24: 3,6 m:3,i m. Der Raum 49:
11,3 m : 5,10 m. Knossos Thronraum 6,5 m : 5,8 m. Nach Pemier, Mon. d.
Line. Xn 73, unterscheidet sich dadurch nur der eine Saal von Phaistos von allen
anderen mykenischen Megara. —
• 6) (13) Vgl. den Aufriß Annual VH S. in, Fig. 33.
6 a) (13) So nun auch Pemier Mon. d. Line. Xu 56. Er will vermutungs-
weise auch die etwas breiteren Steinpfeiler zwischen den Magazinen 28/29 und
34/35 mit Stützen für ein Oberlicht im Obergeschoß in Verbindung bringen.
7) (16) Kommen einräumige vorhallenlose Häuser doch sogar noch in Troia VI
vor. Vgl. auch Anm. 23.
8) (16) Hier ist sie ursprünglicher als am Tor. An diesem, das erst durch
sie zum besonderen Torgebäude wird, ist sie bereits sekundär. Die Deckung,
welche die Oberseite der Lehmmauer (des Hofes) verlangt (Dörpfeld, bist. u. philo!.
Aufsätze, Ernst Curtius gewidmet 1884, S. 145. Schliemann, Tiryns S. 294 fr.
Jahrb. XI 218), begründet ein so starkes Vorkragen der Decke auch über dem
Hoftor allein noch nicht.
9) (18) Vielleicht hatte es ein Gegenstück (E) auf der anderen Seite des
Megaron A (Dörpfeld, Troia und Ilion 81 Fig. 23).
10) (19) Bulletin de corr. hell. XVIH 1894, 271 ff. Taf. XI Athenische Mit-
teilungen XIX 1894, 422 ff. Die Kunstgeschichte hat ihn bis jetzt so gut wie
nicht berücksichtigt.
11) (20) Darin muß ich, meiner früheren Auffassung Neue Jahrbb. f. d.
klass. Altert. 1898, 582 entgegen, Puchstein-Koldewey, Die griechischen Tempel 89
zustimmen.
12) (21) Mykenä, Vorhalle 3,19 m, Vorsaal 4,37 m: 11,50 m. Tiryns,
großes Megaron, Vorhalle 4,98 m und Vorsaal 4,72 : 9,65 m. Denkt man sich die
Zwischenwand hinweg, so bildet der gesamte Vorraum in Tir3ms innerhalb der Säulen
ein volles Quadrat, in Mykenä nahezu ein solches (ca. 9 m: 11,5 m). Die Vor-
halle des kleineren Megaron in Tiryns: 5,05 m : 5,69 m. In Troia II maß der
Vorraum von A 10,15 ™ ^ io»35 ro*
13) (21) Troia VI A: 9,10 m:4,23 m. VI B: 11,85 m : 7 m. VI C: 10,9 m:
2,05 m. Darf man schon aus diesem Grunde die Megara von Troia VI unter die
griechischen Anaktenhäuser herabdatieren (vgl. auch Athenische Mitteilungen 'XIX
430 f.)?
14) (21) Michaelis, M^langes Perrot 240, hat sie unter den zweischifHgen
Bauwerken aus älterer Zeit nicht angefahrt.
15) (22) JTipaxrtxa 1886. Perrot-Chipiez VI 344. Ein Nebenraum neben
dem Megaron ist nur durch eine Tür des noch fast quadraten Vorzimmers zu be-
treten. Kammern und Korridor liegen tiefer und können nur vom Hofe aus
erreicht werden.
16) (25) U. Köhler, Sitzungsberichte der Akademie der Wissensch. Berlin
1897, 261t vertritt schon die Anschauung, daß die unter orientalischem Einflüsse
aiifgeblühte „mykenische^^ Kultur sich von Kreta her nordwärts verbreitet habe,
g^ Anmerkangen.
and weist auf MiooB hiD als den mythischen Ausdinck dieser vorgescbichüichen
Blüte Kretas.
17) (25) AJb ein zweites .rHans" aacb von E. Gardner, Jotirnal of. hell. *tnd.
ZI (1901) 2961 gefallt; was er sonst, bestimmt durch dje AnsfnhniDgen von Myres,
über das homerische Hans sagt, steht und fällt mit dem Urteil über diese (s. n.).
iS) (25) Der gröBte dieser Räume (ij) miBt 5,48 m : 6,10 m — das kleinere
Megsron von Tiryns dagegen 5,64 m ; 7,60 m, wozn anch noch die Vorhalle kommt.
19) (26) Dagegen ist ei sehr wohl möglich, dafi ihre Kunstfonn, die Ver-
jüngimg nach anten, sowie das Kapitell, von Kreta beeinSoBt sind.
20) (16) Vgl. den Exkurs II S. 78.
21) (26) Fucbitein, Archäol. Anzeiger 1890, 67. Noack, Jahrb. X], 212 nnd
Neue Jahrbb. f. d. kl. Altert. 1S9S, 577.
22) (27) Jahrb. XI 215 f.
^3) (37) Vgl. Jahrb. XI 237. Neue Jahrbb. f. d. kl. Altert. 1898, S77 ff. Mit
besonderer Spannung sieht man nun den Ergebnissen der Ausgrabungen entgegen,
die VoUgralT auf der Aspis von Argos und soeben Fnrtwingler nnd Bnlle in
Orchomenos begonnen haben. Nach dem ersten Berichte Vollgraffs (Arcb. Arn.
1903, S. 44) ist wenigstens die schmalstimige Front tnr das Haus anch in Argos
konstatiert. Es sind einräomige, von einander unabhängige Hiuser gefanden, die
noch primitiver als diejenigen von Troia II zu sein scheinen.
24} (27) DaS auch der ionische Tempel vom „mykenitehen" Megaron stammt,
habe ich Jahrb. XI 338 f., 242 nachgewiesen.* Der Vermntnng, die B. Grit, Arch.
Anz. 1900, 203, über die Beziehung zwischen der Volutenform des „iolischen" Kapi-
tells und einem bekannten „mykeniachen' > Ornament vorgetragen hat, kann ich um
so überzeugter beipBichten, als derselbe Gedanke in dem SchluBkapitcl zu meinem
Aufsätze Nene Jahrbb. f. d. kl. Altert. 1898 hatte behandelt werden sollen.
25) {29) Sethostempel in Abydos nnd der Tempelbau Amenophis III. in
Luqsor, das Ramesseum und der T. zu Medinet Hahn (Z. f. äg. Spr. 34, 129 ff.
Borchardl).
36) {30) Nach freundlichen Mitteilungen von Prof. Hilprecht und Prof. Hommel.
27) (30 ^ <^ic Abbildung in Kaulen, Assyrien nnd Babylonien 1899.
28) (31) Allerdings ergeben die Termini der Inschriften, wie ich von Hommel
lerne, eine andere Vorstellung. Sic unterscheiden bei dem länglichen Viereck die
längere Flanke (äiddu, ideogr. ui, oder gidda) und die (kürzere) Breitseite oder
Vorderseite (pdlu, ideogr. sag-ki (Kopfort) oder dagal): Der Berliner Grerusteio
Keilinschr. Bibl. lU 1, p. 1S9 gibt der oi 16600, der sag nur 1200 Ellen. VgL
anch Meiflner and Rost, Bauinschr. Sanheribs S. 20. Jedoch gelten alle diese
Angaben für Flurteilong, und es scheint also, daS die Disposition der archi-
tektonischen Räume nach einem anderen Prinzip erfolgte.
*9) (31) Vgl. die Abbildungen bei Borchatdt und Steindorff, Ceutralbl. f.
Bauverw. ». a. O. und Z. f. äg. Spr. a. a. O., auch Springer- Michaelis, Handb. d.
K.-G. I* S. 17. Ebenso Gudeas Palast in Tello, Wärmann, G. d. Kunst I 146
und die Bibliothek in Nippur, Hilprecht, a. a. O. SS- Abb. 36. Die assyrischen
Beispiele nachmykenischer Zeit sind bereits wieder von Westen her beeinfloBl.
iO) (32) Abb. der Magazine mit ihren dichten Reihen hoher Pithoi bei
Lepsius, Denkmäler Abt. III. Taf. 95. Perrol-Chipiei, Hist. de I'Art I S. 459- Aber
der Palast stammt erst von Amenophis III. (1392 — 1374).
Anmerkungen. ge
31) (32) Borchardt, dem ich auch bei dieser Gelegenheit für manche freund-
liche Auskunft zu danken habe, verweist mich darauf , daß die Anlage „wahr-
scheinlich<< hinter der zweiten Pyramide von Giseh (4. Dyn.), sicher aber im
Tempelmagazin von Abu Gurab vorkommt Jetzt siehe auch das Magazin von
Abusir (5. Dyn.) in Mitteil. d. D. Orient-Ges. 1902 Nr. 14 Blatt 2. Nur sind hier
die einzelnen Magazine nicht verschließbar gewesen.
32) (32) Lechat, der diese Ansicht teilt (Le temple grec S. 6, 14 ff.), behauptet
seltsamerweise (S. 20), daß die hölzernen Anten und Türlaibungen bereits am
Heraion überflüssige Rudimente gewesen seien. Er übersieht dabei, daß oberhalb
des Steinsockels ja auch hier noch die Wände aus Lehmziegeln bestanden, die
noch ebenso sehr an den Stirnseiten eines Schutzes und Widerlagers bedurften
wie die Lehmwände der alttroischen und „mykenischen<< Megara.
33) (34) U. Köhler a. a. O. (Anm. 16) S. 272. (Vgl. auch Ed. Meyer, Gesch.
d. Altert. II* S. 231.
34) (35) S 457 ff- 475- 476- 5^8. 529. 530. x 64. Vgl. Wilamowitz, Hom.
Unters. 87 Seeck, Quellen der Odyssee 53).
35) (36) Außer den Beobachtungen Körtes, Athen. Mitteilungen 24, 43 und
Kretschmers, Einl. in d. Gesch. der griech. Sprache 385 ff. vgl. jetzt Zeitschrift f.
Ethnologie 1901 Verhandl. S. 441 u. 1903, 453 ff. (H. Schmidt), Archiv f. Anthropo-
logie 1902 (Vassits, die neolithische Station Jablanika), Arch. Anz. 1903 S. 46
(H. Schmidt). — Für die zweite Frage sei auf die Zusammenstdlungen bei
A. Meitzen, Wanderungen, Anbau und Agrarrecht der Völker Europas nördlich
der Alpen III 464!. 475 f. 502 f. und die dort genannte Literatur verwiesen.
36) (41) Sl 598. 623—628 = I 219. 210. 215 — 217. 221. 222. Sl 297 ähnl.
I 517 (Christ, Sitzgsber. der Bayr. Ak. d. W. 1880, 259). Vgl. auch Sl 640 : A 774.
Ä 359 : -4 669. Ä 228 : Z 288 (Ambros.)
37) (41) Düntzer, Hom. Abh. 474 Anm. hat es bestritten.
38) (43) Darum können wir auch T 212 nicht hierherziehen. Die Ei wähnung
des nQ6^vQ0v des Zeltes dient dort speziell zur Angabe der Orientierung der
Leiche (Becker-Göll, Charikles m 125). Auch darf daran erinnert werden, daß
die späte Überarbeitung der Reden der iiijvidog &n6QQri(Sis auch von den vor-
sichtigsten Kritikern nicht geleugnet worden ist.
39) (43) ^^^ hat die Seltsamkeit dieser Rede Achills schon im Altertum
bemerkt, wie die Schollen zeigen. Die Erklärungsversuche der Modernen s. bei
Peppmüller, Kommentar z. Sl des Ilias, S. 304. 305. Man bemerkt wohl, daß die
Worte bei der herrschenden Sitte ganz überflüßig sind (Ameis-Hentze Ilias* 1896
z. d. St.), sucht sie aber immer nur vom Standpunkt Achills aus zu erklären.
40) (44) Wie es Düntzer, Hom. Abh. S. 474 Anm. tat.
41) (44) d als Quelle nahm Niese, Entw. d. hom. Poesie 194 an, ri Sittl, die
Wiederholungen bei Homer S. 60; dagegen, aber zu unbestimmt, Gemoll, Hermes
18, 93 ff.
42) (44) So Gemoll a. a. O. 94.
43) (46) So falsch es ist, bei Alkinoos' Worten X 373 o'ödi nco mgri shdiiLsv
iv luyciQip an einen besonderen „SchlafsaaP' zu denken (Dörwald, Neue Jahrbb. f.
Philo!, u. Päd. 1894), so wird man sie doch auch in allgemeinerem Sinne an alle
Anwesende gerichtet verstehen können (= jeder in seinem Hause), und daher
besser nicht als evidentes Zeugnis für die oben vertretene Auffassung benutzen.
q6 Anmerkungen.
44) (47) Ebenso wie ihre xXttftTj v. 123 (die 9 136 xli6n6g heißt) aus t 55.
45) (49) Vgl. auch GremoU, Hermes 18, 53.
46) (49) Die ^alanrin6Xog hat außer ihr (ij 8) nur Penelope als Mädchen
gehabt: Aktoris (vgl. dazu Wilamowitz, S. 84) war ihr vom Vater einst mitgegeben
worden {ip 228).
47) (49) Des Grundes, der für den erwachsenen Sohn ein solches Gemach
verlangte, ist er sich, wie wir sahen, nicht mehr bewußt gewesen, da er auch dem
Hausherrn ein eigenes Schlafjg^emach gibt — Dieser Thalamos gilt noch immer
wegen a 426^ für besonders hoch und weithin sichtbar, trotz KirchhofF (Hom.
Od.« 177) und Wilamowitz (Hom. Unt 8). Vgl. Perrot-Chipiez VTI 83, der hinzu-
fügt: c'est ce qui nous a d6cid6 ä poser un 6tage sur les bätiments de deux c6t6s
de la cour (seine Tafel II). Ebenso Dörwald a. a. O. (Anm. 43), Joseph, Paläste
des hom. Epos* 1895, ^i* I^ouch, Revue des ^tudes anciennes I (1899) 103.
Vorsichtiger drückt sich J. v. Müller, Handb. kl. A-W. IV i, 2 *, 28 aus. Die
Formelhaftigkeit der Worte springt freilich nicht so deutlich heraus, wie bei der
Wohnung der Kirke, x 210, die gleichfalls nBQictiinta) ivl x^9^ liegt. Denn
hier ist die Verkehrtheit durch die Lage des Hauses iv ßi/jccjjci evident Zur Be-
hausung des Eumaios aber fahrt die tgrixsta &taQn6s (£ 5) hinauf. Ihm ist also
wirklich die a{}Xrj hoch gebaut und TreQ^nLinto} ivl X^Q^- ^i^se Worte sind
ganz gewiß hier wenn nicht original, so mindestens im richtigen Sinne verwendet,
bedeutungslos aber wie im x, so auch im a, und wenigstens für letzteres wird
dieses Urteil auch durch die Odysseeanalyse bestätigt.
48) (50) Vgl. Robert, Stud. z. H. S. 196 und meine Anzeige, Gott Gel.
Anz. 1902, S. 386.
49) (50) Richtig sagen die Scholien: ol &XXot yvval%as §x^v6i.v.
50) (50) Vgl. Anm. 48.
51) (50) Noch jetzt von van Leeuwen, Mnemosyne a. a. O. 233.
52) (51) Ameis-Hentze Anh. z. Od. x 494 (4- Heft. S. 83).
53) (51) ^S^' '^as Ameis-Hentze, Anh. z. Ilias II (1882) S. 127 ausgeführt
ist, und jetzt Robert, Stud. z. H. 208 ff. und Noack, Gott Gel. Anz. 1902, 395 ff.
54) (52) Den von Köchly, de Siadis carm. diss. IV (1857) zuerst betonten
Widerspruch zw. F 143 f. und 383 f., 411 und 420 halte ich für sehr beachtenswert.
55) (53) Robert, Studien z. Ilias 207, 434.
56) (53) Robert ebenda 437.
57) (53) Vgl. (p 389, 390. X 449. 144 = y 493 = ß 323- Dasselbe ngö-
^Qov ist gemeint a 103, A 777 (Haus des Peleus) und 27 496.
58) (54) Joseph a. a. O. 31. Rouch a. a. O. 104 (s. Anm. 47). Perrot-Chi-
piez Vn 86, Anm. 4. Myres, Journal of hellenic studies 1900, 144 ff.
59) (54) Wilamowitz, Nachr. d. K. Ges. d. Wiss. Gott 1895, 232 f. 239.
Robert, a. a. O. 467 f.
^o) (55) So auch die Handschriften; nur Zenodot, dem Nauck folgt, hat inid'stöa.
61) (55) Das empfiehlt nicht gerade die Annahme von Cauer (Woch. f. kl.
Philol. 1885, 550/551), daß der hier, im Anfang von v, von Wilamowitz entdeckte
Rest alter Poesie von dem Dichter der Telemachie verfaßt sei, dem diese Ver-
hältnisse, wie wir sahen, keineswegs mehr klar waren. — Auch aus Penelopes
Anweisung T 317 f. geht nicht hervor, daß sie einen anderen Platz für das Lager
im Auge gehabt hätte. Eurykleias Antwort an Telemach v 141 — 143 ist jung.
Anmerkungen. gy
62) (55) Ähnlich im Landhaose des Laertes X 190.
63) (56) -B 514» ^so im SchüFskatalog, und il 184 in einer Partie, die schon
die Phoinix-Erweiterung des I kennt (v. 196), vgl. auch Robert, Stud. z. D. 477.
64) (57) Nur das Leichengewand für Laertes webt sie im Megaron (s. Anm. 68),
ein offenbar ganz altes Motiv schon wegen des Zusammenhanges mit Penelopes
Namen (Preller-Robert, Griech. Myth. 745).
65) (57) Infolgedessen sollte nun auch der ^dXcifMg ltf;|raroff 9 8 wieder
ein anderer als die Vorratskammer sein!
66) (57) Höchstens darf man dabei an einen der d'dlanoi ivnrpitoi (t^ 41)
denken, hinter deren verschlossener Tür die Mägde während des Freiermordes
zurückgehalten werden (Puchstein, Arch. Anz. 1891, 43). Unmittelbar darauf
1/) 43 wird der Raum itiyceQov genannt; ebenso 9 236 {=^ 382. 387. t 30). Wie
kann man die Bedeutung von \UyaQov hier so pressen, daß damit ein eigenes
Megaron der Frauenwohnung bezeugt werde (Myres, J. hell. stud. 1900,133). Noch
unerfindlicher freilich ist es, wie Eurykleias Aufforderung an Penelope, sie solle
zu Odysseus fiiyagövSs kommen (if) 20), in demselben Sinne verstanden werden
kann (Müller,. Handb. d. kl. A.-W. IV i, 2« S. 26)!
67) (58) Soviel hatte schon Puchstein a. a^ O. vermutet.
68) (58) Man macht sich unnötige Mühe, wenn man die behauptete Identität
von {UyaQOv und {m€Q^ov in ß 94 und 517 umständlich aus der Auflassung
des Antinoos und des Telemach zu widerlegen sucht (Neue Jahrbb. f. Phil. u.
Päd. 1894, 10), da man dabei den Aorist in ^ iio übersieht: Sag xb fihv i^eti-
Xsaas xal o^x id'ilova'y t>n' &vdY%rig. Das Leichenhemd für Laertes hat sie
nach der Entdeckung def List, wenn auch widerwillig, alsbald vollenden müssen.
Telemachs Worte können sich also gar nicht mehr auf dieses Gewand beziehen;
folglich ist auch beide Male gar nicht dasselbe Gemach gemeint; nach v. Leeuwens
einleuchtender Bemerkung Mnemos. a. a. O. 226 webte sie das Leichenhemd auch
richtig im Männersaal.
^9) (5^) Düntzer, Hom. Abh. 468 irrte nur darin, daß er r 602 das Original
sein ließ, s. S. 59.
70) (59) Hier ist alles entlehnt: 328 s» «r 206 (a von 6 abhängig, s. Wila-
mowitz, Hom. Unt. 8 ff.) 329 == y 2. 330 = 95. 331 — 335 = 6 207 — 2U. 356
— 364 = 9 350 — 358 (Düntzer, Hom. Abh. 466). Die Meinungsverschiedenheit
bez. des Prooemiums (Berl. phil. Wochenschr. 1885, 514 f.) ist hierfür ohne Belang.
71) (59) 413—416 = 958 + 98 + 9 63—65. n 450, 451 = 9 357. 358.
72) (59) Dagegen auch J. v. Müller a. a. O. 26, Anm. 3. Novdk, Listy Filol.
1891 ist mir nicht zugänglich.
73) (59) ^ch verstehe nicht, wie man hierbei an ein Frauenmegaron denken
konnte, dem sogar aus 9 572 der nötige Herd zugewiesen wird (Müller a. a. O. 27).
74) (59) Vgl. Kammer, Einh. d. Od. 634. Niese, Entw. d. h. P. 158 ff.
75) (61) Er hält daran fest: Nachr. d. Ges. d. Wiss. Gott. 1895, 225.
76) (61) Grundfragen der Homerkritik S. 194 ff.
77) (61) Cauer, Berliner philol. Wochenschrift 1885, 547.
78) (62) Entwickelung der hom. Poesie 162 ff.
79) (62) Die QueUen der Odyssee 20 ff.
80) (62) Diese Verse 9 350 — 353 (wiederholt a 356 — 359, Düntzer, Hom.
Abh. 465 f., Kirchhoff, Hom. Od. 175, GemoU, Hermes 18, 53) sind nicht original.
Noack, Homerische Palaste. y
g3 Anmerkungen.
Penelope soll slg oItlov lovaa sich zur Arbeit wenden etc. Hier bereitet ol'Kog
Schwierigkeit, denn es steht im Gegensatze zum Megaron, einem Teil des ol'Kog.
Grelegentlich aber bezeichnet es gerade umgekehrt den Männersaal im Gregensatze
zum Aufenthaltsorte Penelopes (o 516 f.). Ist deshalb aber jene Stelle nur unter
der Annahme verständlich, daß sie erst zu einer Zeit gedichtet worden sei, als
die Bedeutung von oI%oe eine Erweiterung erfahren hätte und, im Gegensatz zu
„den nach außen gelegenen Räumen der Männerwobnung", von den „Wirtschafts-
räumen des Palastes'* oder von der Frauenwohnung gesagt worden wäre (Dörwald,
a. a. O. (Anm. 43), v. Leeuwen Mnemos. 28 (1901) 235). Gewiß sind die Verse
nur die formelhafte und etwas gedankenlose Wiederholung von Z 490— 493 , und
von dem oi)%iti 6Qd'&q %stvrat des Aristonikos, das den Versen im a gilt,
hätte auch etwas auf diejenigen des (p fallen dürfen. In der öfiLlla sind sie
dagegen untadelig, denn Hektor trifft sein Weib auf der Straße (392. 394) und
heißt sie nach Hause gehen, wie Aphrodite Helena, als diese auf dem nvgyog
weilt r 390, oder wie die Phäaken aus dem Königshause ol%6vds gehen ij 229.
Die Verse werden also wohl vom Dichter des Hektorliedes selbst gedichtet sein
(vgl. Gott. Gel. Anz. 1902, 392); zum allermindesten sind sie im Z, wenn sie auch
da nicht original wären, allein im ursprünglichen Sinne richtig verwendet. — Wie
sollte auch diese Anweisung an die Hausfrau ursprünglich im Megaron ausgesprochen
worden sein, da das, was sie tun soll, sich ja gerade im Megaron zu vollziehen pflegte!
81) (64) Niese a. a. O. 175. Seeck a. a. O. 19 ff.
82) (64) Wilamowitz a. a. O. 66, 8.
^3) (65) ^S^* auch noch van Leeuwen, Mnemos. a. a. O. 232.
84) (65) Cauer, Berl. ph. Woch. 1885, 548 ist zu diesem Schlüsse wesentlich
durch die von Wilamowitz selbst (a. a. O. 80. 99) hervorgehobenen Beziehungen zwi-
schen beiden Partien gekommen. Vgl. auch s. Grundfragen 307 f.
85) (65) Wilamowitz a. a. O. 228 f. und S. 80.
86) (67) Seeck a. a. O. 19 f.
87) (68) Die xXfftaf bei Kirke x 558 = x 63 kann an sich kein {fTcegatov
beweisen; denn sie braucht nur zum flachen Dach geführt zu haben. Wer es
dennoch glaubt, lese über die Jugend der Episode bei Wilamowitz 144 f. nach.
88) (69) X 449»* '^^ch ij) 49 ist es diejenige des Hoftores, auch qp 389 (240.
241) und V 176 genannt. Wohl von einer Säule dieser Halle spannte Telemachos
das Seil zur Tholos j^ 466. d'oXog, Xavgri und ögaod'VQri (über diese s. Strena
Helbigiana 215 ff.) kennt nur die jetzige Darstellung des Freiermordes. Die Vor-
stellung von Korridoren, die zu den Thalamoi fuhren, gewinnt man auch sonst.
So wenn Telemachos Eurykleia ruft x 394» sie folgt ihm, er aber ngda^* ^yfftd-
vsvev. evQ^v litBit O&vaatja (400 f. ^ 495- 9> 45)- Oder wenn Menelaos vom
d'TioavQbg TtgotigoD 9ia dmyLaxa geht (0 109), um Telemachos im Hofe zu treffen,
und wenn Penelope zum ^dXctyiOg laxaxog geht.
^9) (69) 10. lOi. Dasselbe ist % 474 gemeint, nicht ein Vorraum der
„Waffenkammer" (J. v. Müller, Handb. * 27). Der Weg von dem Vorrat sthalamos, wo
die Waffen liegen, zum Hofe geht eben durch das 'jtQ69vQ0v «=3 ngoSoiLog des
Megaron. Denselben Weg legt Telemach zurück, als er die Waffen für Odysseus,
sich und die Hirten holt. Auf demselben Wege beobachtet schließlich Eumaios,
der doch auch im Ttgödoiiog stand, den Ziegenhirten. Da haben wir die direkte
Veibindung zwischen Hof und d'dXomoi, unabhängig vom Megaron selbst, das
Anmerkungen. gg
seinerseits durch die ögaod'VQTi mit diesem Gange kommunizierte. — Auch der
Thalamos der Nausikaa war direkt vom Hoftor aus zu erreichen (ri 4 — 7).
90) (69) A 773. 774; übrigens setzt diese Partie die ältere Presbeia voraus:
765, 766 = I 252, 253. A 790 =» / 259. A 777 = I 193 (Christ. Münch. Sitzungs-
ber. 1880, 244. 259).
91) (70) Das Argument hat van Leeuwen a. a. O. 225 richtig gegen das
Frauengemach bei Homer verwertet.
92) (70) Nur als Beispiele aus jüngster Zeit nenne ich Luckenbachs Ab-
bildungen zur alten Geschichte 4. Aufl. 1902 S. 4, v. Sybel, Weltgeschichte der
Kunst* S. 47 (y oben auf Abb. 3).
93) (71) Strena Helbigiana S. 217 f.
94) (72) Neue Jahrbücher f. kl. Altertum I (1898) 580, — in dieser Fassung
wohl nicht mit Unrecht von Lechat a. a. O. S. 25 bestritten.
95) (72) Monumenti d. Inst. X 4, 5, Wiener Vorlegeblätter 1889, X.
96) (72) Furtwängler und Reicholt, Griechische Vasenbilder, Text S. 9.
97) (74) Knossos ca. 65 : 28,7 m. Phaistos 46,5 : 22,3 m. Der Westhof in
Knossos liegt jetzt frei auf 45 : 26 m, in Phaistos mißt die Ostkathete des Drei-
ecks 29,6 m, die Nordkathete 18,7 m.
98) (78) Puchstein-Koldewey a. a. O. 20 1 führen z. B. die doppelten Türen
der Basilika und in Thermos darauf zurück.
99) (78) Arch. Anz. 1901 S. 99. Vgl. J. hell. stud. 1901 S. 193, Taf. V.
Rendiconti X S. 148. Studi e materiali II 62. Der Bericht im Arch. Anz. spricht
doch nur irrtümlich von einem „Gebäude der VU. Schicht''. Es kann nur das
Megaron VI C in Frage kommen.
100) (80) Tempel Thutmosis IH in Medinet Habu Perrot I 388. T. von
Luqsor Perrot I 377. Haupttempel von Kamak Perrot I 373. Chonstempel da-
selbst. Z. f. äg. Spr. 1896, 109. T. V. Elephantine Perrot I 401.
lOi) (81) Schliemann, Mykenä S. 306, Schuchardt, Schliemanns Ausgrabungen
S. 228, zuverlässigste Abbildung bei Reichel, Vorhellenische Götterkulte S. 9.
102) (81) J. hell. stud. a. a. O. 194. Nach R. Delbrück, die drei Tempel
am Forum holitorium, Rom 1903 S. 36, waren es richtige Podien. Dann muß
aber die Frage gestellt werden, ob die einzige Analogie jüngerer Zeit, der etrus-
kische Tempel (Vitruv IV 7, 2), etwas damit zu tun habe. Die Antwort kann
nur die Geschichte des italischen Tempelbaues geben.
103) (82) So Bulle, Berl. phil. Wochenschr. 1902, 1299. Übrigens ist auch
das Ornamen^ der Bänke von Phaistos nicht lediglich auf den Sockel beschränkt.
Am Thron einer sitzenden Frau auf einem neuerdings gefundenen Wandgemälde
der landlichen Residenz bei H. Triada bei Phaistos sollen die Seitenlehnen sowie
die Rücklehne eine gleichartige Dekoration zeigen (Rendiconti XI 1902, 10).
104) (83) Schliemann, Mykenä, 109 Fig. 151, Tiryns Taf. IV, Perrot-Chipiez
VI 627 Fig. 276. Annual VH 55 Fig. 16.
105) (83) Nur scheint mir gerade das jetzt J. hell. stud. 1901, 136 Fig. 18
abgebildete Bruchstück, an das Wolters a. a. O. denkt, in einen anderen Zusammen-
hang zu gehören.
106) (83) Darin einen Tempel zu erblicken, hält jetzt auch Michaelis, M^langes
Perrot 240, Anm. 6, für unrichtig. Dörpfeld, Troia und Ilion 173 hält nur die
Möglichkeit fest, daß der Bau ein Tempel gewesen sein könne.
T
I Qo AnmerkanEen.
107) (83) Pachstein-Koldewey a. a. O. 193, 301. Michaelii a. a. O. 34t.
lOS) (84) J. I1. sind. 1901, 107 ff. Arch. Adz. 1901, 31.
109) (84) M. Mayer, Jahrb. VII 191. KreUchmet, Einieitnng etc. 303f., 404.
HO) (85) Vgl. I. B. Wilamowitz , Orestie des Äschylos 226f., Kern, Ober
die AnfSoge der heUeoischen Religion 190z, Bull, coiresp. licll. 33 (1899) 635 ff.
W. de Visser, Die niclit mensclieiigesulLigeii Götter der GrieclicD, Leydea 1903.
III) {8S) Busolt, Gr. G. I' Ji, 184. Ed. Meyer, G. d. A. n S. 135.
113) (Ss) Ulrich Wilcken macht mich auf die PlnUrch stelle aufmerliwm, die
gerade für Kreta die Sitte (Id'Ov; Si Gvtos if KgTJtTi} hervorbebt: #«äi)ft:i( xni
t&s Yvvalxag (Thes. 19). Haben etwa schon die „mykenischen" Frauen, die im
X.eben ihrer Tage äugen scheinlich sehr hervorlraten. diese Meisterinnen einer
ganten Toilette, denen man eigene, raffinierte Steinsitzc herrichtete, haben sie
bereits den späteren Kreterinnen dieses Vorrecht erkämpftp
113) (S6) Pallat, de £ibuta Ariadnaea 1S93, l FT. Benndorf bei Reichel, Home-
rische Waffen' S. 135 ff.
114) (86) Furtwän^r, Ant. Gemmen III 5. II ff.
115) (86) Annnal Vn 29. Biblis 1902, Juli, 109 ff.
116) (87) PreUer-Robert, Gr. Myth. I 348, 3. Pauly-Wissowa R.-E. n 808.
Sachregister.
(In Klammem sind die Anmerkungen verzeichnet)
Seite
Achillenszelt im Sl 41 ff.
al^ovaa aiflflg 53-69
— <= nQ6&onog 53
Alkinoos' Palast 69
Altartisch aus der Diktäischen Höhle 80
Amphiaraosvase 72
Anten, hölzerne 32
Aphrodite fiyvTj 87
Apollon, sein Verhältnis zum Hömer-
altar 88
Argos, Ausgrabungen auf der Aspis (23)
Ariadne 86 ff.
Arne, zweischifBge Hallen . . 21.78
— Palast 7. 19 ff.
Artemis überwindet Ariadne ... 88
ail^ 68 ff.
— die Opferstätte darin .... 69
Borsippa, Zigurat 31
Doppelaxt 84 f. 87
&&tta 5 1 ff .
£1-Amama 32
Eretria, dorischer Tempel .... 77
Fran9oisvase 72
Frauenwohnung, s. Palastanlage
— fehlt bei Homer 70
Gastbett, sein Platz bei Homer . . 43
Geranostanz auf Delos 87
Goulas auf Kreta 18
Haghia Triada bei Phaistos 75 (103)
Haus, ägyptisches 29
— vormykenisches . . . .18. 20. 71
— nachmykenisches-homerisches . 72
— mehrräumiges 18 ff.
Sehe
Haus, breitstimige und schmalstir-
nige Grundform . . . . 12. 31
— zweigeteilter Eingang . 10. 33. 35
— nördlicher Typus 35 f.
— Rolle der Korridore . . 21. 31
Herd im Megaron 34 f.
Hömersymbole 80. 84
Hyperoon (s. auch Stellenregister)
— im Odysseushause 57 ff»
— sein Aufkommen i.d. Odyssee 66. 68
Kahun, Häuser 29 f.
Karer, auf Kreta 85. 90
Knossos (s. Palastanlage) . . . 6. 74
— Doppelaxtpfeiler .... 12. 86
— Hauptzugang . 74
— Kultbau (Freskobild) .... 78 ff.
— Mosaikblättchen mit Hausdar-
stellungen 77
— Obergeschoß,Rekonstruktion 12. 15
— Pfeilersaal 12. 74
— Propylon im Süden 10
— Souterrainräume 74
— Thronraum 74. 76
Korridor, s. Haus
— bei Homer (88. 89)
Kuppelgräber 89
Labyrinth 84 fr.
Idßgvg 84
XavQTi (88)
Lokri, ältester Tempel 77
Luqsor, Tempel 31
Lykien, Grabmäler 33. 35
Lykosura, Opferritus der Despoina 86
102
Sachregister.
Seite
Magazine, s. Palastanlage
Mauertechnik 32. 90
Megaron, Grundform 9» ^5
- seine Entwickelung . . . 15. 22
— Säulenzahl der Front .... 16 f.
— auf Vasen 72
— Vorhalle 21. 69. (12)
Äletapont, Apollontempel . . . .77
Minotauros 84
^lykenä (s. Palastanlage) . . . 7. 22
— Goldplättchen aus den Schacht-
gräbem 81
— Hohlräume in den Mauern . .32
— Privathaus 22 (15)
— Quaderbau 33
— Skulpierte Friese .... 24. 83
Hvxitg dd^iov vrpriloto . . . 45 ff. 70
Neandria, Tempel 77
Nippur, Zigurat 31
ÖQao^vQri (88)
Orthostatenbau 32. 90
Pästum „Basilika" 77
Palastanlage, alttroische, s. Troia
— kretische, Verhältnis der Säle
zu den Höfen 74
direkte Verbindung der
Räume 5. 22
Grundform der Haupträume 9. 23
Breitstimige Front . . 12. 31
Zweigeteilte Front . . . . 9. 17
Zweigeteilte Durchgänge . . 10
Korridore 6
Familiengemächer 70
Magazine 31
Stockwerkbau 76
Verhältnis zum Orient und
Ägypten 27 ff.
Einfluß auf Griechenld. 24 f. 70. 89
— ,,mykenischc*' in Griechenland 7
Ehethalamos 70
Frauenwohnung 70
Isolierung der Haupträume 9. 22
Korridorsystem . . . . 21. 31
Magazine 31
Megaron s. d.
Phaistos 5-74
Seite
Phaistos, Halle 25 75
Hauptsaal, Höhe (4)
Hauptzugang 75« 90
Höfe 74
Megaron delle donne ... 10. 75
Obergeschoß . . . . 11. 13 (6 a)
Ornamentierte Bänke . . 82 (103)
Reste des älteren Palastes . . 89
Vestibül mit 8 Eingängen ... 89
Westhof, Stufen an der Nord-
seite 76. 90
TTpödoftoff 53-69
Propyläen 9 f. 26
— in nachmy kenischer Zeit ... 72
— auf der Amphiaraosvase ... 72
ngddvQOv 69 (38. 57)
Säule, Aufkommen und Standort
16 f. 26 (19)
Sendschirli 27
Sin, Zigurat 31
Technisches, s. Mauertechnik
Telemachie, Verhältnis zur Phäakis 48
Tempel, äg3rptischer 29
— Allerheiligstes 80
— chaldäischer 30
— etruskischer (102)
— griechischer, Verhältnis zum Me-
garon 26 f.
— ionischer (24)
— mit zweischiffigcr Cella 77. 83
d-dlafiog mit Bad 69
— nicht als besonderes Schla%e-
mach üblich 45 ff«
— iaxcttog 66. 69
— ivTtrixtog 69 (66)
— der Götter 54
— = niyuQOv der (erwachsenen)
Kinder 49
— der Mägde 59
— des Odysscus u. der Penelope
48. 57- 66
— des Paris 5 1 f.
— des Phoinix, Grundriß .... 53
— des Telemachos 46 (47)
— für die Waffen 51
Thermos, Apollontempel . . . .77
Stellenregister.
103
Seite
^6log 69 (88)
Tiryns 7. 21
— Megaron, Vorhalle 21
— das zweite Megaron . . . 24 f. 70
— Magazine in der Mauer ... 31
— Alabasterfries 82 f.
— Wirkung d. kretischen Einflusses 25
Seite
Troia, II. Stadt 18 f. 26
— Hohlräume in der Mauer ... 32
— VI. Stadt (13)
— Megaron C . . . . 78 f. 83 (106)
— Palastanlage 25
— Vorhalle der Megara .... 21
Stellenregister.
(In Klammem sind die Anmerkungen verzeichnet.)
Uias A 606 54
B 514 .... 56 (63)
r 125 52
142 52
143 61
I74f. ... 48. 52.
53- 55
390 (80)
422 52
Z 243 ff. 50
316 50.51
321 50-51
323 51
339 51
377 53
399 61
490/93 . • 62 (80)
/ 286 41
462f. 53
472f. 53
475 49
582 50
588 50
658f. 41
663 45
675 41
A 226f. 50
773^- (90)
777f. (57)
Ä 166 54. 55
188 54
338f. 54
n 184 ... . 56 (63)
P 28 50
36 50
-^374 54
392 54
412 54 d
468 54 j
492 49 ,
496 (57)
590 ff. 86
T 212 (38)
317 (61)
X 63 50
440f. 52
460 52. 53
461 61
Ä 323 57
471 42
643^. 41
648 44
673 41.44^
675 41 f
Odyssee «103. . (57) ;
a 328 f. . . . 59 (70) j
356 f. (80)^
426 f. (47) j
P 2 f. 46
5 47. 48
94 (68)
HO (68)
358 58.651
. . . 42
...50
42.46
46.50
. . (57)
395 f-. ■ .
401 . . .
404f. ..
413 ...
493 ...
121 f. 47
123 (44)
136 (44)
263 48
296 f. 42
302 42. 44
304 46
307f. 46
310 46
680 59
682 . . 58. 59.60
7i8f. 58
751 58
760 58
787 58
802 58. 65
59 50
62 50
226 45. 50
305 f. 46
4f. (89)
7 (49)
8 (46)
86 f. 69
87 45
96 45
228 ff. 42
7} 229 (80)
340 42. 44
344 f- 44
-9- I f. .... 46. 47
273^- 54
304 f. 54
X 63 (87)
210 (47)
X 340 50
558 (87)
X 190 (62)
373 (43)
321 f. 88
S 5 147)
II 41
64 64
420 55
457 f. (34)
475 f. (34)
518 .... 55(34)
529f. (34)
o 109 f. (88)
144 (57)
145 f- 72
517 58.65
(68. 80)
5r 413 59
413/16 .. 65(71)
449 59
450 1 60.65
(71)
36 f. 60
I04
Q loi f. 60.65
492 f. 60
493 59
505 f. 59. 60
507 59
542 59
570 59
572 (73)
575 59
G 10 (89)
loi (89)
182 f. 61
206 59. 64
207 61. 64
208 f. 61. 65
302 f. 61.65
T 30 (66)
51 ff. 47
53 .... 48. 59.
61. 66
55 (44)
Stellenregister.
64 (34)
260 64
317 (61)
501 61
594 f. . . 60. 61.
64. 65
597 64
600 f. 60. 64
602/04 . . 59 (69)
V I ff. . . 55 (61)
141 f. (61)
176 (88)
<p 61 ff.
9>Zt
9>
iff.
5 .
6f
8 .
42 .
45 .
63. 64.
65 f. 68
67 (70)
.... 67
• 55.67
67 (65)
. ... 67
55 m
qp 58 67
61 61
63—65 — 61
236 (66)
240 f. (88)
350ff. .. ..(80)
356 f. ... 58. 63.
64
382 (66)
387 (66)
389 f. ...(57.88)
Z 270 45
394 (88)
400f. (88)
428 59. 64
449 . . . • (57. 88)
466 (88)
474 (89)
494 50
495 (88)
tj) I — 296 62
ip I 64
20 67 (66)
41—43 . ■ . (66)
49 (88)
80 64
85 64
188 f. 48
190—192 ... 49
225 f. 60. 66
228 (46)
292 49
364 67
384 64
00 166 f. 62
Kallimachos, Hymn.
mDel.307ff. . 87
Paasanias VIII 37, 8
86
Plutarch,Theseus 19
(112)
20, 21 .. 87
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Jkjk Verlag von B, G, Teubner in Leipzig. jit,jt
Der Seelenrogel in der alten Litteratnr nnd Knnst« Eino mythoiogisch-
arohftologiiohe Untortaohong Ton Georg Weioker. Mit 103 Abbildungen im Text.
CVI u. 218 S.] gr. 4. geh. JC 28.—
Im ersten Teil werden die dftmonisohen Gestalten der niederen grieohischen
Mythologie, speziell die Sirenen, nach ihren hervorstechendsten Eigenschaften, der Blut-
gier, dem Streben nach Lebensgenuß und dem Gesänge, als Seelenwesen gedeutet und
der Glaube an die Yogelgestalt der Menschenseele an der Hand der von vorhomerischer
bis in sp&trOmische Zeit reichenden literarischen und monumentalen Quellen als grie-
chisch erwiesen. — Nach einer chronologischen Behandlung der S^enensage bi der
Literatur und im Volksglauben wird im sweiten Teil der Kunsttypus des Seelen-
TOgels, derYogel mit b&rtigem oder unb&rtigem Menschenkopf, verfolgt, und auf Grund
des umAnglichen Denkm&lermaterials der Nachweis erbracht, dafl alle „Sirenen** und
„Harpyien** der antiken Kunst sich auf zwei Ägyptische Haupttypen surftckfOhren lassen,
welche sd&on in hocharohaischer Zeit von der ostgrieohischen Kunst aufgenommen und
Ton ihr an die stammhellenischen und italischen Kunstsentren weitergegeben worden
sind. — Über hundert in den Text gedruckte Abbildungen, grOfitenteUs nach unpubli-
zierten Originalen, zum Teil auch nach verbesserten Neuaufhahmen , veransohanllohen
die Entwiokelung und Wanderung des Typus.
Aus den griechischen Fapyrnsurkonden. Ein Vortrag gehalten auf der
VI. Versammlung deutscher Historiker zu Halle a. S. am 5. April 1900 von Prof. Dr.
Ludwig Mitteis. [50 S.] 8. geh. n. JC 1.20.
„Es war ein verdienstvolles Unternehmen von Ludwig Mitteis, in einem Vor-
trage auf dem diesjährigen deutschen Historikertage zu Halle einem weiteren Kreise
von Historikern die neueren Ergebnisse der griechischen Papyrusurkunden vorzu-
führen. . . . Dieser Oberblick fiber die inhaltsreiche Schrift dürfte zum Beweise dessen
genügen, wie viele wichtige Probleme der antiken Geschichte auf Grund der Papyrns-
funde der Lösung näher gebracht werden. Allen Historikern und Altertumsforschern
sei daher die Schrift zur Einführung in die Papyrusknnde aufs dringendste empfohlen."
(Deutsche Litteraturzeitung.)
Die Sieg^eSf^Öttin« Entwurf der Geschichte einer antiken Idealgestalt von Franz
Studniczka. Mit 18 Tafeln. [TVu. 27 S.] gr. 8. Geh. JC 2.—
Dieser Vortrag kann als ein kleines Meisterwerk der archäologischen Betrachtungs-
weise, wie sie heute geübt wird, dienen; er wird deshalb und wegen des dankbaren
Stoffes von dem weiteren Kreis von Freunden der Antike willkommen geheißen werden.
Die antike Idee der Oekumene in ihrer politischen nnd kulturellen
Bedeutung^« von Dr. J. Kaerst, a. o. Professor an der Universität Leipzig.
Akademische Antrittsvorlesung. [34 S.] gr. 8. geh. ^1.20.
Die unter vorstehendem Titel zusammengefaBteu Erörterungen sind ursprünglich
für eine bestimmte Gelegenheit, für die im Dezember 1902 gehaltene akademische Antritts-
vorlesung des Verfassers, niedergeschrieben worden. Es kam vor allem darauf an, die
universalgeschiohtliche Bedeutung der Idee der Ökumene und ihre durch die
Eigenart ihres Ursprunges und ihrer Entwioklang bedingte besondereAusgestaltnng
darzulegen. Der Verfasser suchte zu zeigen, wie die das christliche Mittelalter beherrschende
Idee einer einheitlichen, in bestimmten Organisationsformen ausgeprägten Kulturwelt, aus
dem eigentümlichen Kulturboden der hellenischen Polis hervorgewachsen , sich zu welt-
umfassender und weltbeherrsohender Wirksamkeit entfaltet. Natürlich konnte es aber
nicht Absicht sein, die Vielseitigkeit und den Reichtum der tatsächlichen geschicht-
lichen Entwicklung, die Mannigfaltigkeit der Elemente, die zuletzt in dem organi-
satorischen Verbände der Ökumene lüs ein Ganzes vereinigt erscheinen, auch nur an-
deutungsweise zu zeichnen. Eine solche Aufgabe muB einer umfassenden geschichtlichen
Darstellung vorbehalten bleiben.
Geschichte des hellenistischen Zeitalters von ju uns Kaerst. l Band:
Die GruDdlegting des Hellenismus. [X u. 483 S.] gr. 8. geh. .ML 12.— , geb. ^ 14.—
„Wer vielleicht glaubt, in dem Buche eine mit möglichst viel Einzelheiten,
Polemik und zahllosem gelehrten Citatenbeiwerk ausgestattete Spezialgeschichte nach
altem Stil zu finden, der irrt sich sehr; aber die Enttäuschung ist die denkbar angenehmste;
denn er sieht sich von dem hochgelehrten Verf. auf hohe Warte geführt, von wo aus er
ein gewaltiges Panorama vor seinen Augen ausgebreitet sieht, das er je länger je lieber
und sorgfältiger beschauen wird. Die Lesung des trefflichen Werkes bringt gleich viel
GenuB und Belehrung nicht bloß dem Historiker und Philologen, sondern jedem wirklich
Gebila eten und nach höherer Bildung Strebenden." (Gymuasium 1!H)2 Nr. 9.)
€harakterk9pfe aus der antiken Literatur« von Prof. Dr. h. schwartz
in Göttingen. Fünf Vorträge: 1. Hesiod und Pindar, 2. Thukydides und Euripides,
S. Sokrates und Plato, 4. Polybios und Poseidonlos, 5. Cicero. [VI u. 120 S.] gr. 8.
geh. JC 2.—, geb. JC 2.60.
Die Vorträge wenden sich an ein gröBeres Publikum. In weiten Kreisen richtet
sieh die Beurteilung des Altertums noch immer nach dem Stande, den die Altertums-
wissenschaft vor etwa 60 Jahren einnahm. Dem gegeuttber wird in diesen Vorträgen
der Versuch gemacht, an einz«>lnen Beispielen zu zeigen, wie viel bestimmter und schärfer
das Bild dt^r antiken Literatur durch die wissenschaftliche Arbeit der letzten Generationen
geworden ist. Als Beispiele sind stark ausgeprägte Individualitäten gewikhlt, die sich
mit präzisen Linien zeichnen lassen.