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an Berk BE Il Kran
Human,
der Lehrer
einer niederen und höheren Bolföfchule in
feinem Weſen und Wirken.
Don
Johann Jacob Ewich.
I. Theil,
Der Zehrer und vie Zuch.
1829,
In Commiſſion bei 3. Bagel in Wefel
Zum VBeften des Wailfenbanfres In Weſel.
nen
|THE NEW YORK
FUTLICLIBRARY
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ı 163142
' TO NTENIX AND
..4 N JATIGUNS.
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4 — 2* . u. -.
Durch Humanität zur Yumanität,
Meiner
inniggeliebten Vaterſtadt
WESEL
mit
herzliher Danfbarfeit
und
hoher Berebrung
gewidmet.
a *
Du
tbeure Vaterstadt!
— —
Mıs ſchredlich einſt des Schickſals harter Schlag
Die Eltern mir ded Gluͤckes Schooß entriß,
Da nahmft Du Did, Du hochgeliebte Stadt,
Der Hartbebrängten freundlich, Tiebreich an;
Und fonderlich haft Du auf mic, gehäuft
Die thät’ge Lebe, — auf den jungen Knaben,
Bis er, ein Süngling, feinen theuern Lehrern
Entwachſen war, zum Manne vorbereitet,
Zu thun die Werfe deß, der ihn berief
In feinen Weinberg nah und ferner Orte
Biel taufendmal im Stillen fann ich nach,
Für Deine mütterliche Lieb’ und Treue,
An und erwiefen, würdig Dank zu bringen:
Und nimmer fchien mir würdig g’nug der Danf,
Nicht würdig g’nug der treuen Sorgfalt, der
Dein Pflegefind im reichiten Maaß genoß.
Erft jest, nach drei und zwanzig langen Sahren,
Erft jetzo wag' ichs, nochmals Dir zu fagen,
Daß da, wo einft zuerft ein Menfchenauge
Mir Liebeftrahlend in die Wiege ſchaute;
Daß da, wo uns die Treue nicht verließ,
Als Vater, ach, und Mutter ihre Habe,
Die reichgewohnte, hingefunfen fahn,
Daß ewig Da auch wohnet meine Kiebe:
Und das ift meine theure Baterfiadt !
Und habe ich mit jenen Kräften, bie
Mit Sorgfalt Du almählig mir entwickelt,
Dem Vaterland, ber Menfchheit engerm Kreife
Getreu gedient, fo hab? ich ‚Deinen Willen;
Gehorfam ausgeübt, ein Kind ber thenern Mutter!
Und meine fchöne Freude wird es werben,
Ein nicht unwürb’ger Sohn ber Vaterfiabt,
Aud in der Fern’ der Menfchheit fort zu Dienen,
Denn ewig bleibt bied Herz voll Dank Dir nah.
Was biet ich aber endlich Die zur Weihe?
Was bring ih Dir für Deine Muttertreue ?.
Sieh, geiftig if. Dein Sohn ein Vater heut
Zum Erftenmal geworben vor ber Welt;
Er bringt den Erfigebornen froh Dir dar
Auf Baterarmen unter Danfesthränen. |
Das Kindlein hebt die Hand empor zum Danf
Und Preife Dir; und nicht, ald ob der Vater.
An hoher Gabe feltener Vollendung |
Die Fülle habe, und das Kind fich blähe
Sn eitler Weife; nein ed dankt und preift
Für einen Bater, ber Dir Alles dankt,
Was Menfchenhufd in Gottes Reich ihm bet.
Befcheiden kommt es; alfo trag ichs auch
Dir heut entgegen, Dir zum fehuld’gen Opfer !
Es ift ein Säugling erft, wol weiß ich dies;
Drum will ich auch die Hand nicht won ihm laſſen,
Er werde denn ein ftarfer Süngling einft,
Ein fräft’ger Mann, zu nuͤtzen Welt und Himmel, -
Wenn nur von oben mir ber Segen wird
Zu längerm Leben und des Wirkens Kraft
Und Edler Rath, ven Knaben fortzubilden!
vo
So nimm ihn auf in feinem jungen Leben,
Aus feiner Hand die Weihegabe an, .
Dem Bildungsorte danfend hingegeben
Wo ich das innre Leben einft empfahn. u
Wird einft der Sohn ſich wuͤrdig felbft erheben,
Mag er dann felbft fich dienend froh Dir nahn:
Huch dazu wird er fernerhin "erzogen,
Bleibſt Du mir nur in ftäter Lieb gewogen!
Barmen im Sept. 1829.
Joh. Jac. Ewich.
Beurtheilern dieſer Schrift.
Meine Abſicht geht dahin im Laufe der... Zeit
einen Lehrer Darzuftellen, wie er fein foll und fein
fann — ein zweckmaͤßiges Syſtem ver Schulzudit zu
gründen, das in allen feinen Theilen Menfchenadel
auöfpricht und durchaus ausgeführt werden fann —
und eine niedere und höhere Volksſchule einzurichten,
wie Diefelben einzeln. und- in. Verbindung mit einans
der, wie mit einem Eymnaſio, dem hoͤchſten Ziele
würdig zuftreben Fünnen,
Durch gegenwärtige Vorarbeit habe ich nun den
Anfang gemacht, babe außer den Humanitätsbriefen
von Herder, außer den allenthalben angegebenen we⸗
nigen Stellen Anderer, und außer einigen niederges
fohriebenen Bemerkungen meiner frühen Lektüre einiger
Theile des Campeſchen Reviſionswerkes, alle paͤdagogiſche
Bücher forgfältig bis jet noch entfernt gehalten, um
meinen eigenen Erfahrungen im Schulfache, um dem
Ideale deſto näher zu bleiben, das fi durch mid)
und Andere feit einer Reihe von Jahren in mir ge
ftaltet hat,
Sch bin Feinesweged darauf ausgegangen, um
Neues zu fuchen — wenn glei) manche eigene For;
ſchung mwenigftend mir neue Refultate gab — fondern
ich habe mid, nur bemüht, Nüsliches und Wahres,
und zwar Diefes fo verftändlih,, als es mir möglich
war, aufzuftellen. Das Neue thut jeßt nicht fo fehr
Noth; aber es ıft gewiß an der Zeit, aus der unend-
lichen Maſſe des Gedachten und nicht Gedachten das
Erprobte hervorzuheben, diefes felbftvenfend für ven
naͤchſten Zweck fo einfah, Flar überzeugend und aufs
regend ald möglich darzuftellen, und jeden Grund:
fag moͤglichſt klar an das zu binden, was
berfelbe regeln ſoll. Es ift, deucht mir, hoch an
der Zeit, den Lehrer darauf aufmerffam zu machen,
daß die Pofaunerei, und das ewige Räfonniren' über
alle Unterrichtömittel der Möglichfeit, nicht das Ziel
feiner Beftrebungen fei; fondern vielmehr die Anwen:
dung der einfachften Mittel wahrhaft reiner Grunds
Tate eines erziehenden Unterrichte und die Einuͤbung
des beiten Moateriald, Dann aber ift e8 auch hoch an
der Zeit zu zeigen, daß ein großer Theil der Anfo-
derungen, die man an die Lehrer macht, vielmehr an
die Schriftfteller für Schulen gemacht werden müffen,
wenn man dem Ziele mit größerm Erfolge zuſchrei⸗
ten will, und daß man, um mit mehr Nachdruck an
der Jugend arbeiten zu koͤnnen, das wieder angefan⸗
gene Formen: und Buchftabenmwefen, fo wie in ven
Leftionsplanen die Hahnemannerei aufgeben und viel:
x
mehr die Gegenftände befimöglichft in ganzen Maffen,
demnach in möglichjt vielen Stunden für einen Ge
genftand, neben einander ftellen muͤſſe.
Um den verfchievdenen Confeflionen und andern
Glaubensſchulen nicht zu nahe zu treten, und ben
Wirkungskreis diefer Schrift Dadurch nicht ohne Noth
zu verengen, babe ich mich bloß an das allgemein
Religioͤſe zu halten gefucht, und habe diefes auch um
fo eher gekonnt, weil dieſe Schrift an fih nur eine
allgemein paͤdagogiſche fein fol, |
Wenn gleich ich feit Bearbeitung dieſer Särift
alle andere paͤdagogiſche Schriften, fo viel mir mögs
lich, entfernt gehalten habe, um mir felber treu zu
bleiben: fo werde ich bei der Erfcheinung. diefer
Schrift wieder damit anfangen unfre größten Meifter,
unfre wichtigften paͤdagogiſchen Zeitfchriften noch eins
mal und zwar für meinen Zweck durchzugehen, Das
Bortreffliche derſelben meinen aufgeftellten Ideen beir
zugejellen, over doch nad) ihnen alles Mangelhafte aus⸗
zumerzen. Auf diefe Weife fol aus diefer Vorarbeit
eine gedrängte Zufammenftellung des von Andern und
mir Gedachten und Erprobten für den naͤchſten Zweck,
nämlich befonders für Lehrer und Schule, erwachſen.
Berfauft der Berfaffer Feine fremde Waare für
feine eigene, und hat er den Zweck, ohne Beeintraͤch⸗
tigung Anderer, bis ins Kleinfte hinein zu nüßen: fo
fommt es nicht darauf an, ob die Schrift nur ſoge⸗
nannte eigene Ideen gibt, over ob ſie auch pruͤ⸗
XII
fend zuſammenſtellt. Erſteres gibt freilich mehr Ehre,
und wäre auch das geſtohlene Gut erbaͤrmlicherweiſe
abfihtlih nur mit andern Worten gefagt; letzteres iſt
aber da, wo der Berfafler genannt. nur in einigen
Ideen auszuͤglich benußt wird, nicht unedel — und
nicht felten wohlthatiget, foͤrderlicher fuͤr die Menſchheit.
In dem echten Theile, den Lehrer und bie Zucht
betreffend, habe ich noch manche Luͤcke gelaſſen, die ich
mit der Zeit ſchon ausfüllen werde; . in dem zweiten
Theile, ven Lehrplan angehend, habe ich wenigftend
den Grunpriß eines Ganzen geliefert, deſſen einzelne
Theile aber noch lange nicht fo bearbeitet find, wie
mir diefelben im Innerſten meiner Seele vorſchweben.
Auch hier werden Zeit und fortgefeßtes Nachdenken,
fo wie Andere helfen. Daß aber diefe Schrift nur
Ausführbares enthalte, getraue ich mir darthun zu
koͤnnen.
Wenn ich das Sein und Denken des Lehrers bis
and Ideale zu ſteigern ſuche, fo geſchieht das abſicht⸗
lich, um den Probirſtein des Wahren zu haben und
zu geben. Das Leben in Ideen, das Streben nach
einem Ideale iſt, bei der groͤßten Werthſchaͤtzung des
Wirklichen, jedem Manne von Bildung, und beſon⸗
ders dem Volkslehrer nothwendig, und darum mag
es erſprießlich ſin, dem jungen Manne vom Fach,
fuͤr den ich ſchreibe, nur das Edelſte aufzuſtellen,
damit er ſich ſelbſt ein wirkliches Ideal ſchaffe.
Bin.
xm
Moͤchte diefe Vorarbeit Männern vom Fach und
hoher Bildung nicht unwuͤrdig erfcheinen, fondern
ihnen als ein Beitrag zur Menfchenbildung gelten!
Die Menfhheit muß vorwärts; ob-in
irgend einem Theile dur dich, oder Dur
mih, oder durch unfer gemeinfhaftliches
Streben; das gilt ihr gleich!
Diefer Gedanken hat mid) bei der Arbeit geleitet,
geftärkt, gehoben, hat meinem Auge fo manche Thräne
entlodt, und meine Bruft fo oft geſchwellt und beengt;
diefer laͤßt mich mit Vertrauen dasjenige Öffentlich hins
ftellen, was ich in mehr als drei und zwanzigjähris
gem Wirken ald Lehrer überhaupt, und in mehr als
zwölfiähriger Leitung einer nicht unbedeutenden Lehr;
und Erziehungdanftalt in Barmen, erprobt, ſchoͤn, gut
und edel gefunden habe; diefer wird mir Muth und
Kraft geben, das Aufgeftellte durch eigenes Forſchen
und durch Benußung der Hülfe Anderer Niet n wuͤrdi⸗
ger auszupraͤgen.
Wenn ich das Urtheil beſchraͤnkter Selbſtlinge und
gemeiner, einſeitiger Brotmenſchen, die nur tadeln,
um bei ihrer Armſeligkeit wichtig zu erſcheinen, unbe⸗
achtet laſſen muß; wenn ich kalten Buchſtaͤblern,
die da Muͤcken ſeigen und Kameele verſchlucken, nicht
beipflichten werde; wenn ich ven übergelahrten For:
fhern — die fih auf die: Folter fpannen , um Neues
zu erfinden, die vor Feinheit der Deduktionen ſich
fhier felbft nicht verftehen, in ihrer vermeintlichen
XIV
Tiefe dad Gras machfen hören, und ung alles Pofitive
der Paͤdagogik mwegdemonftriren, weil fie nirgends
mathematifche Haltbarkeit finden — weder verftchen
kann, noch verfiehen will; wenn ich endlich fol-
hen Pädagogen, die vor Geheimnißfrämeret und
Aengftlichfeit faum die Augen auffchlagen, oder ſich
doch nicht frei zu drehen und zu menden ver:
mögen, weil fie an ihr Gtudirpult, oder ihre
Pygmaͤenideen gefeflelt find, nicht Hand und
Herz, ın Sachen, wo es die Menfchheit gilt, bieten
fann; — kurz', wenn ich an dem Heer diefer Anti:
Paͤdagogen vorbeifehen werde, um mich nicht irre
machen zu laffen: fo werde ich mit wahrbafter Sorg⸗
falt auf jeden Wink einfichtövoller, fehlichter , freier,
praftifcher humanen Männer fohauen, und venfelben
entweder ganz, oder in mir zweifelhaften Fällen doc
als Anmerfung benuten.
Möchten folhe Männer das Fehlerhafte meines
erften Verſuches ausmerzen, mit fcharfen Zügen, mit
fhlagenden Gründen, mit treffenden Bildern, mit auf:
regenden Schilderungen, mit wahrhaft großen Gedan⸗
Ten meine Arbeit bereichern; nicht ich allein — viele
ftrebende Lehrer würden es ihnen herzlich danken.
Der Berfaffer.
— 0⏑ —
X
Bormwort
dem
jungen aufftrebenden Lehrer.
— ge
Kr Dich, hochtheurer Süngling! der Du beginnft
durch Lehre und Beifpiel eine blühende Jugend für
Gott, König und Vaterland zu erziehen; der Du ein
warmes, liebendes Herz in der Bruſt trägft, ein hei⸗
ßes Begehren in Dir fühlt, die Jugend würdig zu
leiten, und die Mühe nicht feheueft in jeglicher Hin⸗
fiht Dich mehr und mehr mit Kraft zu erheben: haupt:
fachlich für Dich habe ich diefes Bild eines würdigen
Lehrers, Human, fo rein, ald ich es vermod)te, ge:
zeichnet. —
Das ftille Sein und Leben der Eltern Humand
fol Dir den Endzweck Deiner Wirkfamkeit zeigen, Dir
andeuten, aus welhem Samilienfhooße Du Söhne zu
Fünftigen Lehrern vorfchlagen Fönnteft; Hunians Vor:
bildung zum Lehrer Dir darthun, welchen gerechten
Anfoderungen an einen Veredler der jugend Du, in
Ruͤckſicht auf Kenntnig und Gewoͤhnung, noch nicht
zu entfprechen vermagft.
O, möchte der gütige Gott Humans Weihe zum
Menfhen, Chriften und Lehrer auch auf Di aus—
gießen, zu einem Lehrer edelfter. Art, zum mürdigen
Nachfolger Jeſu Dich bilden! möcteft Du an Human
Dein wahres Verhältnig zu Deinem wichtigen Amte
und Deinen Vorgefebten erkennen, feine Grundfäge
über Behandlung ber jugend ald richtig und wahr:
haft zweckmaͤßig, ald nothwendig erachten; in feinem
Geiſte diefelben in allen allen anwenden, um die
Jugend für Gott, für König und Baterland zu er:
ziehen; Deine Schule nad feiner Weife einrichten,
und dann mit Eifer einer höheren Bervollfommnung
in dem Gefühle Pauli: „Nicht daß ichs ſchon ergrif-
fen habe ac, entgegenftreben ! — dann, o dann würde
ih die Jahre feguen, in welchen dieſes Bild in mei:
ner Seele entftand, und die Stunden zu den glüdlichs
ften meined Lebend zählen, ich welchen ich daſſelbe
aufzuftellen verfuchte! —
Lied denn dies Folgende in einfamen , ruhigen
Stunden, beherzige Jedes, komme ver Schwadhheit
meiner Zeichnung mit der Wärme Deines jugendlichen Le:
bens, mit offnem Herzen und begehrendem Sinne entge;
gen, und ziehe — mie die Biene aus der Blume nur
Honig ſaugt — aus dieſer Darſteliung nur das, was
fuͤr Dein Werden, und Sein, und Wirken Dir ewig
zu nuͤtzen vermag!
Der Verfaſſer.
Subfjceribenten
—s
24
vr Alberti, Lehrer n Schwelm . . . . .
urn
Andrae, ©., Buchhändler in keipig . - »
Asbeck, P., Kaufmann in Barmen . . «
Afchenberg, J., Kaufm. in Barmen .
Auffermann, J. D., Kaufm. in Barmen . .
Anffermann, 5. H., Kaufm. in Barmen . .
B
Baesler, Fr., Kaufm. in Elberfeld .
Bagel, Buchhaͤndler in Weſel...
De Bary, J. J., Kaufm. in Barmen...
Banmer, Lehrer in Wa . . .» .
Baͤumer, Lehrer zu Kohlfuhrt b. Gronenberg .
Beedmann‘, A., Kaufm. im Elberfeld . -
Beedmann, F., Kauf. in Barmen .
Becher, ©. C., Smödireftor ber Weſindiſchen
Compp......
Behrend, Superintendent in Dieröfort .
Behrens, C., Gaftwirth in Barmen .
Behrens, W., Kaufın. in Barmen .
Bender, L., Rektor und Gand. d. Predigtamts
in Yangendrg . .. ER
Benninghang , Lehrer in Solingen .
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Dein wahres Verhältnig zu Deinem wichtigen Amte
und Deinen Borgefebten erfennen, feine Grundfäße
über Behandlung der Jugend ald richtig und wahr:
haft zwedimäßig, als nothwendig erachten; in feinem
Geifte diefelben in allen Fallen anwenden, um bie
Jugend für Gott, für König und Baterland zu er:
ziehen; Deine Säule nach feiner Weiſe einrichten,
und dann mit Eifer einer höheren Bervollfommnung
in dem Gefühle Pauli: „Richt daß ichs fchon ergrifs
fen babe ıc, entgegenftreben ! — dann, o dann würde
ih die Jahre fegnen, in welchen diefes Bild in mei
ner Seele entfland, und die Stunden zu den glüdlichs
ſten meines Lebens zählen, ich welchen ich daſſelbe
aufzuftellen verfuchte! —.
Lied denn Dies Kolgende in einſamen, ruhigen
Stunden, beherzige Jedes, komme der Schwachheit
meiner Zeichnung mit der Waͤrme Deines jugendlichen Le⸗
bens, mit offnem Herzen und begehrendem Sinne entge⸗
gen, und ziehe — wie die Biene aus der Blume nur
Honig ſauet — aus dieſer Darftellung nur dad, was
für Dein Werden, und Sein, und Wirken Dir ewig
zu nüßen vermag! oo.
Der Berfaffer.
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Andrae, E., Buchhändler in keipig . - .
Asbeck, P., Kaufmann in Barmen . . » .»
Afchenberg, 5., Kaufm. in Barmen. . . -
Auffermann, J. D., Kaufm. in Barmen . .
Anffermann, 5. H., Kaufm. in Barmen . .
23
Dr. Baesler, Fr., Kauf. in Elberfeld
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Bagel, Buchhändler in Well. . - .
De Bary, J. J., Kaufm. in Barmen . . »
Baumer,, Lehrer in Wald . . 2: 2 0.0.
Bäumer, Lehrer zu Kohlfuhrt b. Eronenberg .
Beeckmann', A., Kaufm. im Elberfeld . . »-
Beeckmann, F., Kauf. in Barmen. . . »
Becher, C. C., Subdirektor der Weltindifchen
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Behrend, Superintendent in Diersfort .
Behrens, C., Gaftwirth in Barmen .
Behrens, W., Kaufın. in Barmen . . »
Bender, L., Rektor und Cand. d. Preigtamts
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Benninghaus, Lehrer in Solingen.
Berger, Kaufm. in Barmen
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Hr. Better A., Lehrer in Elberfeld
⸗Blank⸗Hauptmann, Kaufmann in Elberfeld ..
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»Blank ©, Kaufmann in Elberfeld ... 2...
Sr. Blank, geb. Ofterroth in Barmen ven.
Hr. Blaß SG. ©., Kaufmann in Elberfeld en
s Bledmann, 3. E., Kaufm. in Ronsdorf . . ..
⸗ en Lehrer an d. höh. Buͤrgerſch. in Barmen
Bohres, Dr., Rektor in Schwelm. ... . 0...
». Boing, Pfarrer zu Men 2 en. R
s Bolenius, Kaufm. in Barmen 2 een
⸗ Boͤckmann, Lehrer zu Arrenberg, b. Elbeifeld .
Brauer, A., Lehrer in Weſel. Ku ur .
» Brauer, Lehrer zu Jakobshaͤuschen, b. Solingen ..
⸗ Braus, Abr. P. Sohn, Kaufm. in Barmen . .
s Bredt, C. L., Kaufm. in Barmen . 2...
s. Bredt-Rübel, Kaufm. in Barmen . — oc.
s Bredt, Friedr., Kaufm. in Barmen. . » . .
s Bredt, Pet., Kaufm. in Barmen. : 2. 2...
Fr. Wittwe Bredt in Barmen » . .
Hr. Brendow, F. Lehrer in Kettwig..
s Brüning, Oberbürgermeifter und Ritter:d. r.
AD. in Elberfeld .. 2 2 2 2 nr en
⸗Bruͤnninghauſen, Bürgermeifter in Barmen . .
» Budde, A. W., Sattlermeiiter in Barmen
s Bush, F. J., Möbelfabrifant in Elberfeld . ©.
s. Bufchmann, Pfarrer in Camen . .. 0.
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Hr. von Carnap, J. Adolph, Kaufm. in Elberfeld.
s' Char, F., Buchhändler in Cleve © - 2 2.
s: Glanberg, W., Kaufm. -in Barnen . . . 7 £
Clever, W., Kaufm. in Barmen . .
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Exempl.
Hr. Dallmeier, Lehrer in Barmen. .... FR |
s Dannheimer, Tob., Buchhändler in Kempten u J
⸗Deegen, Pfarrer in Ronsdorf.. - 2 2 2 een,
s Dego, J., Seminariſt in Mrd . . 2... 1
s Dellmam, $r., Seminarift in Moͤrs m 1.
⸗Denninghoff, Pfarrer in Haldern . . u Fa 1
s Dide, Fr., Kaufın. in Barmen . 2 2.22.
» Diekmann, J., Lehrer zu Tuͤſchen b. Velbert ae u
- Diefterweg, Dr., Direct, d. Schullehrer⸗Semin.
in Moͤrs.... ...
⸗ Doͤring, Pfarrer in Elberfeld on ..
⸗Dreisbach, Kaufm. in Elberfeld.....
s Drinfmann, Jac., Gymnaſ. Lehrer in Elberfeld .
⸗Duͤnnweg, I. J., Kaufmann in Barmen oo...
Fr. Wittwe Diekmann in Barmen 220.
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Hr. Eck, Pfarrer in Herdikſie. cr 1
s Ehrlich, Director d. Schullehrer s Semin, und
Ritter d. V. O. in Soeſt..
⸗von Eynern, Friedr., Kaufm. in Barmen .. .
⸗von Eynern, W., Senior, Kaufm. in Barmen .
⸗von Eynern, W., Junior, Kaufm. in Barmen .
⸗Eller, W., Rentner in Barmen ... ..
⸗Engelhard, Muſiklehrer d. Semin. it Soeft .
se Engeld, Fr., Kaufm. in Barmen . 2...
s Engeld, Aug., Kaufm. in Barmen ... 2...
e Eversberg, ©. , Lehrer zu Siepen..& Remfcheid. .
⸗Ewich, Buchbinber in. Duisburg © 2:2 200
Fr. Wittwe Eykelskamp, Ahr., in Barmen ......
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nis Exempl.
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&. Faßbender, „Lehrer. in. 1 Rondberf. RE ER
⸗Feldhoff, Pfarrer in Barmen .. ee
Feldhoff, C., Kaufm. in Elberfelb . 2» »
« Finfing, P. C., Kaufm. in Barmen . . .»
„Fiſcher, 3. W. Kaufm. in Barmee
Fiſcher, Pfarrer in Iſſelburg.....
Frilinghaus, Lehrer in Wetter..
Foͤrſtemann, Gymnaſial⸗Lehrer in ei .
⸗ Frühe, F., Kaufmann in Elberfeld ..
Frowein, Lehrer bei Lüttringhaufen .,. + -
⸗ Fuchs, Lehrer in Elberfeld. 2... ne.
Sr. Gallhoff, Lehrer in Soeſt. . .
⸗Gauhe, J., Kaufmann in Barmen . . . + .
+ Gebhard, F., Kaufmann in Elberfeld... . . .
» Gelderblom, Lehrer in Miltrath bei Mettmann .
‚» Gelderblom, Lehrer zu Nümmen. bei Wald...
;s von Goͤrzke, Könige. Preuß. Premier: Lientenant
⸗Greeff, Sunior, Kaufmann in Barmen .... + .
.r Greeff, Seminariſt Mid... 2 2a,“
:s Grothaus, F., Kaufmann in. Barmen . . . .
⸗Guerard, Dr. Med., in Elberfeld
2
Hr. Hammader, K., Lehrer zu Hingenberg b. Sotingen 1
"s Herinnterfchnridt Lehrer in Barmen . "007. 1
"Fräulein Hanf, Lehrerin in Erefld . . : cr „1
"Hr: Hankel, Herm. , Kaufmann in Bielefeld - © .: .- 1
1
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u db hei, eb de u BE a
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’ Hantſchke, Dr., Oberlehrer am Gymn. zu ein
’s SHaverlamp, Scheer in Soft . 2... 0 wrh
s Heding, A., Kaufmann in- Elberfelb FE EBK
gr. Wittwe van Heed in Barman "2.35%
aalrse
Hr. Heilenbet, Kaufmann mBarmen . . . .
”
6.
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9
⸗
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Heilmann, Conſiſtorial⸗Praͤſident in Sreet
Heilmann, Kaufmann in Elberfeld - FOR
Heyermann, Lehrer in Batmen .' .
Herold, Buchhändler in Hamburg . .
Herlitſchka, Lehrer im Rheinberg . 2. br
Heufer, Pfarrer in Barmar 2 2°. ee
Heufer, Lehrer in Elberfeld . . 20m”
Hofmann, Pfarrer und Schulinfp. in Unna’;
Hofmeiiter, Dr., Director d. höh: Bürgerfshule
in Mid *8*
Holthaus, Lehrer in Lättringhaufen . 2.
Holthaufen, Th., Lehrer in Hückeswagen .
Holthaufen, J., Lehrer in Hahn... 2:
Holthaufen, W., Lehrer in Barmen : < .
Holthaufen, Lehrer in Hingenberg b. Solingen |
Horn, Lehrer in Herbie . oe
Höfterey, „P., Kaufmann in Barmen . . .“
Huͤlſenbeck, Kaufmann in Schwelm. .'. =.
Huͤlsmann, Pfarrer in Elberfeld . 2. u di
Hürrthal, LXehrer in Rabe vorm Walde. ı°.
Huftadt, H., Lehrer in Elberfeln :. dv .
Hr. Kampermann, Kaufmann in. Barmen... =. »
⸗Kamphoff,Lehrer. in Moͤllenkotten b. Schwalm F
.⸗ Kamphaufery, Lehrer in Solingen. sure eur;
s Kappe, Lehrer an d. hoͤh⸗ Bürger in armen.
s Kayfer,. PyKaufm. in SSEMER erie us. ns
Fräulein Kern, Lehrerin, in Duisburg u.
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. >» . . 6-0.
.
%
Hr. Keuhen, P, Kaufm. in Barmen u nun. +
Kirchberg, Echrer in Werben . een wur
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Ray
rn Erempl;
Ar. Klingholz, F., Kaufmann in Barmen . . » »
⸗Klier, F. W., Kaufm. in Elberfld . . .
» Knotte, Tr N., Lehrer zu Brühl. 2 2 0 ne
= König, Fehrer zu Re . . . - .
Korn, W. Gotth., Buchhaͤndler in Breslau .
Koͤrner, W., Raufın. in Barmen. . 2 le...
Schr. Koft, Kaufleute in Elberfeld -. - 2.2.»
Frau Wittwe. Kraushaar in Elberfeld . . 0:0
Hr. Kremling, 8., Kaufm. in Barmen. . . 2...
e Krengel, J., Lehrer in Barmen . . 2.2...%
s Krieger, J., Th., Lehrer zu Schäller . .. . »
⸗Kuhlmey, 5. F., Buchhdlr. in Lieguik . ..:»
⸗Kuͤller, J. P., Lehrer bei Elberfeld . . .-.
s Küfter, Lehrer . an der höheren Bürgerfchule zu
. Barmen - ! vr er 0.
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Hr.-Langenbacdı;, Rektor zu Brederfeld . . . . .
'; Langenbef, F., Raufm: in Barmen . x. . .»
:s Langenfispen, Eollaborgtor a. Gymnaſ. zu Elberfelo
: Langmann, Lehrer zu Bever bei Hädeswagen . .
iz Geb. Lehmbach, Kaufl. in Barmen . - » .
s Vehnemann , Lehrer in Volmarftein . . 0. «
⸗von Leslie, E., Maler und Gymnaſ. Zeichenl. in
Greuzhath . .
Lieth, Borfteher dv Dichterſouie tn"Eiberftid -
Lindenberg; S > üchrer Mm Eoerfaht . En
Linder, 3.9, , akıfın. in Barmen . nn
Loens, 8. Peer] HH Etkel b. Boch. .
Lohmeyer, C., Kallfn-ik Barden . . R * *6
Loͤbbecke, u idwetherer ei‘ eben ar
Luͤhdorff, J Kan rickserfeld . ' \
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13 [4 .
Fräulein Merlin, Lehrerin in Su . : 5 25
Hr.
M
. Mad, Buchbinder in Breckerfeld..*. vi
Martin, Lehrer in Kervenheim: 2: il
Matthät, Kaufm. in Barmen . "su.
Mengerſen, Lehrer in Soeft -. ” . .. ey
Minding, GytimafialsLchrer in Elberfelb :.
Mint, Lehrer a. d. hoͤh. Bürgerfchule in Barmen
Molineus, W., Kaufmann in Barmen, . "co
Moͤrſchner und Jaspar, Buchhändler in Wien .
Mund, L., Chirurg und Geburishelfer ir Elberfeld
Müller, Hauptmann im 17. Inf.⸗Reg., Ritter ꝛc.
Muͤhlinghaus, P. €, Kaufmann in Barmen.
Müller, Rektor in Benmen nee
Müller, Seminariſt in Mird . . N 2 2 2.
Mumm , Elias, Weinhändler in Sin . . .
Müntwann, Lehrer in Barmen . 2: 0 0.
N
Hr. Nenny, Gymnaſial⸗Lehrer in Greuznad) we .
Fräulein Niggemeyer, Lehrern in Soeſt 0 -.
Hr.
Nourney, Pfarrer in Efberfeld . 2... «
Hr. Obrig, Lehrer in Ronsdorf .
Deben, Lehrer in Uedem ..
Oehmigke, P., Buch und Muſi te Sndie in n Ren
Ruppin 2... . .
Ohlinger, Lehrer in rigen bei Sofingen ..
Oſiander, C. F., Buchhaͤndlergi in Tübingen, &
Oſteroth, W., Kaͤufpgini iu Barmen os:
N +
er Fe <
Overmann, P. E., Kaufmayu au Barnten nr
ma ei
ſetinoX/ Exempl.
211 —XR rei: neh le rt
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Hr. Peil, P. €. ‚ Kaufmann in Elberfeld": ILS, 4
| Pelzer, WE Lehre ee ng
s’ Peterfen, Pfarrer und- Schulpfleger a =:
⸗Platzhoff, J., Kaufmann in Elberfeld Be |
’ Meuferi:59, , Kuufmann in Bariien url 1»
⸗Pohlhaus, Lehrer Zu Holy bei Wald - — 1:
+" Preffler, Lehrer in Muͤhlheim am men Fe:
⸗ Pusftef, 5 Buihhähbler in Paſſan DEF I
4 1, NEIN UIERENLTIZ
Hr. vom Rath, Kaufmann in Eis" ET
s Rayermann, Kehrer in Herdicke . IR 7
Rabeneck Fr, Kaufmann in Eiberfeld
Rehmann, J. H., kehrer in Elberfeld nn
Reinarz, Dechant und Pfarrer in Erefelb: :
? Richter, koͤnigl. preuß. Attikl. —— in —*
Ridder, Goldarbeiter in Eiberfelb ne
s Nitter, Lehrer in Soeft . in Be
Rittershaus, Fr., Kauftnam in Barmen‘ en
Rittershalis, A., Kaufmann in Varmen wen,
Mäder, Lehrer in Erefeld' . rat
Rosbach, ©: B., Kaufmann in Barmen ...
s Roß, General ;Superintenbent, Probſt und Ritter
d .r. Adl.⸗Ord. in Berlin ..
« Rumpeus, ‚Sonrektor in Sof . . . N".
Sräufein M. hamna, in Barmen . . 2.0
gr Rüttgers, kehrer bei eüttringhanfen La.
r | 3 E
Hr. Suxtvits ,Lehrer in Barmen" el
4 Schäfer, Lehrer in Samen‘ © u x ET.
In I; Scher, Lehrer Tr: Weſel Par R: |
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werd Erempi.
Hr. Schifflin, Lehrer an der hoͤhern —— in
.Barmene neo euch: Art he
s ; Schlieger und Heder, Ranfleute, in. Sibefefi.. ig 1
⸗Schleheg, Kehren. in: Eidnpeile. . 2... 5 mans 1.
⸗1 Sale, Lebrex in Hilden -, mn ee Pine 1.
J . Sähluptoten, — * in Elberfeld .. —8R ei Da
s. Schoor, Lehrer: in- Dabringhanfen ine a
s. Schniewind, H. E., Kaufmann in Elberfeld .. *
⸗Schoͤnian, Buchhaͤndler in Elberfeld .
s Schoppmann, W., ‚Lehrer zu Schüttenbelle bei .
Remfhed . . .... 0. *.
⸗Schuchard, Pfarrer zu Berchum ' bei giimburg, ”
Schuchard, Jr Kaufm. und Landt.Dep. in Barmen.
s. Schumadier, Oberlehrer des Gymnaſf yind i in City
⸗Schricver, Superintendent in Duisburg —8
s. Schiller, S., Kaufmann in Ronsdorf . . »..
. Schürmann, Lehrer in Orfoy a J
⸗Schuͤrmaun, Lohrer in Uedem . . won
Seelbach, Gymuaſial⸗Direktor in Ebberfelb
⸗Seidenſtuͤcker, Dr., Rektor. in CT 1
s» Gichel, Abr., Kaufmann in Barmen .. u. 5 „
⸗Simon, Gymnaſial⸗Lehrer in Elberfeld .. + ..
s Sombardt, A., Kaufmann in Elberfeld u 1
« Sonberland, S., Dr. Medizin in Barmen un
⸗Simons, Winand, Kaufmann in Elberfeld. st,
« Spannagel, Kaufmann in"Boerde . . ., Aare ,
s Stapelmann, Pfarrer in Limburg . . 0.
⸗ESpypitzbarth, Rektor insferdife-. - 2 0.
« Eteined, Pi, Lehrer zu —— bei Selingen .
⸗Studinger, Lehrer in brfle u: ee α. :
s Scheide, J. W., Lehrer im: —8 uly uchi- 4
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ren:
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—*82 Sp dub Sp "pi ep Tb sh. Dach Pit _ punde „ Dub fans . ji We
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ia | Erempt.
Hr. Streng, J. Pb, Buchhändler in Fronlfurt a, M- h
» Gtabf’fche Buchhandlung in Duͤſſ ſeldorf, a |
« Erettin’fche Buchhandlnug in Um. -.... 2. =...
MM... Ranihe
Hr. Teſchemacher, F. W., Kaufmann in Varmen Ad
Fr. Wittwe — in Barmen . .. TE
Hr. Trooft, ‚Kaufmann in Barnen . . . . 1
Hr. Uellenderg, P. E., Rentner in Elberfeld... . 1
‘s Unger, Vehrer zu Fingſcheid bei Revigeh,..... + 1
V
Hr. Vogel, Dr., Dir. der hoͤh. Buͤrgerſchule in J |
s Bogelfang, Xehrer in Ereflld . - » . 1
s Bollmann, Vorſteher einer Lehr⸗ und Etzieh.
Anſtalt in Solingen. ee. dl
| aa
Hr. Waver, P., Gaftwirth in Elberfld . . . .
s Meber, Lehrer in Barmen - » 2 2 2 0 0
s Wemhöner, Kaufmanı in Barmen . . . .
s Wefenfeld, C. L., Apothefer in Barmen
s Weltbaus, Kehrer n Soft - 2: 2: 2 2 0a
s Weierftraß, Kehrer in Hamm . . : 2...
s Werniughaus, P. E., Kaufmanı in Barmen
s de Weerth, Rentner in Elberfeld .
⸗Weiſe, Buchhändler in. Ebberfeld . 1er,
s .Wegel, Director d. hoͤh. Bürgerfch. in armen. u
⸗-Wicht, Kaufmann in Elberfeld 1... .1
is Wilckhaus, A., Kaufmann in Barmen 5 1
\
-Wilberg, 3. F., Dr., Vorſteher einer Xehrs m
Erziehungsanſtalt in Elberfeld . » a. . 1
Hr.
Exempl
Willich in Unna 1
Wilms, J. R., Kaufmann in Barmen 1
Wuͤlfing, J., Sohn, Rentner in Elberfeld 1
Wuͤlfing, ee in Barmen. 1
Wuͤlfing, J. J. Sohn, Kaufm. in Barmen 1
Willemfen, —e der vaterl. Feuers ⸗
Verficherung in Elberfeld .. . . Er
Müfter, E., Kaufmann in Barmen. .
. Wittwe Wortmann, geb. Siebel in Elberfeld
. Wittenftin; W., Kaufmann in Barmen .- .
Wuppermann, Kaufmann in Barmen .
Windfuhr, Lehrer in Wetter ..
Wintgens, Kaufmann in Moͤrs. ..
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3:
— iii 5 DO men
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‚Die Zueignung. . . Kr 2
‚Den Beurtheilern diefer Scrift. on . ER
Vorwort, tem jungen ſtrebenden Lehrer. 0. ..
„Qumans Eltern , feine erfte Erziehung. . . . .
„Humans Vorbildung zum Lehrer, ober Grundzüge der Einri⸗
„tung eines Schullehrerſeminars.
Humans Weihe.
Humans Charakter. ..
BVon der Zucht im Allgemeinen, insbefonbere bes Menſchen
Von ber Zucht, welche die Natur dem Menſchen angedeihen laͤßt.
‚Kon ber Zucht, welche bie Kunft dem jungen Menſchen ange:
„„beihen 1 1: V
„Begriff von Schulzuht. . . . .. |
„Bon ben Prinzipen, auf weldye man eine Schulzucht gebaut hat.
„Weitere unzulänglichkeit und Verberbfichkeit diefer Prinzipe. .
„‚Quffteltung diefes Prinzips. ..
„. Nothwendigge Erforderniß von Seiten des Lehrers, Hauptſtuͤtz⸗
kraft dieſes Prinzips. en
unterftügende Kräfte in den Shtlern.. . 2...
Noch andere unterftügende Kräfte. rn
Die Humanität ehret den Menfchen in dem Schüler. .
Die Humanität fucht das Böfe in dem Schuler auszurotten. .
Die Humanität wedt fröhliche Thätigkeit. oo.
Die Humanität überladet nicht mit Arbeit. . . . .
Die Humanität beugt den Uebeln Or. 2: 2020.
Die Humanität regiert nach dem Gefeg der Rothwendigkeit. .
Die Humanität wirkt mit Kraft und Nachdruuk. . .
Ein Wort für Eltern und Schulvorſtaͤde. .
Ein Wort dem jungen Lehrer. . . . . .
Bon den Strafen. oo. 0.0. . .
4 ‘
x Inhaltsverzeichniß des erften "Xheileb:
ee er EN
Die Erziehungsbehoͤrde bes Staates und deren Wirkform. . 112
Die Erziehungsbehörden der Schule und deren Wirkform. . 1
Berbältniß der Schule zu den Erziehungsbehörden bes Stuates,
befonders zur Kirche. .
Regeln und’Sebotefammiung einer yumanen Shut: “18
Aufmerkſamkeit und Fleiß. a
Drbnung und Rufe. 0. .
Lug und Zrug. . . .
Angehorfam, Eigenfinn, Biberfpenfigkeit,
«
‘
Reinheit des Gemüthes, der inneren und äußeren Sitten. 19
Froͤmmigkeit. eg
Gebetbetrachtungen.
Bei Eroͤffnung der Schule nach den Ferien.
Ruͤtzliche Thaͤtigkeit. ee.
Gottesfurcht.
Wahrhaftigkeit. .. .
Der goͤttlich Namen.
Reinheit der Seele. ..
Gott iſt die Liebbe.
Elternverehrung agag.. 000.
Elternverehrung h.. .
Eiternverehrung c.. . ... .
Am Geburtstage unfers geliebten Königs.
Am Zage der Freiheit für das erlöfete Deutfchland.,
. 17
0.0.16
0.01%
. . 442
148
as
.. 189
. 1170
. 13
. 175
. . 17
. .. 18
2.380
. .. 189
.. 16865
0.038
(7
. 194
Die Schule muß ächte Liebe zu König und Vaterland weden. . 197
one
ι nν 2777
Inhaltsverzeichniß' des’ zweiten Theiles.
Einige Grundzüge von ber Einwirkung des Staates auf das
innere Leben des Unterrichtsmefene.” . " . .
Nilgemeine Unfoderungen an einen Lehrplan. =
Soll die höhere Bürgerfchule ba, wo fie nicht als Hrogymnaftam “
auftritt, in den alten Sprachen unterrihten? . . .
Ueber die Trennung ber Gefchlechter in niederen und höheren
WVolksſchulen. ..
neber den Unterricht in der Mutierſprache. Seite 86, 126, 134,
146, 196, 20%, 210, 304, 10, 950, 352
10te Claſſe. . . . .
Befen. Seite 120, 133; 157, 208, 209; 265, 309, 349, 351.
Vorleſen. Seite 128, 136, 150, 199.
Gedichtlernen. Seite 129, 137, 151, 203, 850.
g9r Claſſe. . ® . " . .
Geſang. Seite 141, 154, 20%, 008, 213, 308, 319, 2 351, 353.
Ste Claſſe. . een
Bibliſche Gefchichte und Befen re.
Schreiben. Seite 151, 201, 203, 210, 266, 311, 349, 352.
7te Glaffe. . . . . . .
Begriffserklärungen. Seite 160, 203, 350
Ueber den Unterricht in der Mathematik. Seite 163, 262, 303,
316, 325, 327, 328.
Das Kopfrechnen. Seite 190, 206, 350, 353.
6te Claſeee.
Tafelrechnen. Seite 206, 212, 300, 312, 350, 353.
5te Claſſe. . . . . . . . . .
Religionsunterricht. Seite 213, 303, 315, 351, 353,
Sranzöfifche Sprache. Seite 218, 300, 313, 3:10, 326.
Ueber den Unterricht in der Geographic. Seite 221, 307, 316,
326, 330, 354,
Naturbefchreibung. Seite 265, 353,
Seite
202
ste Claſſe . . . . . . .
Ueber den Unterricht in der uUniderſaigeſchichte. Seite 267, 317,
321, 327, 342.
Mathematifche. und. Pe, ‚Geographie. .r.
3te Glaffe. . . * e
Naturlehre.
Lateiniſche Syrache. en ey
Dte Claſſe, oder untere Fachklafſe.. le. .
Engliſche Spradye. Seite 320, 397. . a
Buchhalten. Seite 321, 327.
Bucjftabenreinen. . _. een
Mechanit. Seite 324, 328. |
iſte Me sn
Cheme..
Zeichnen. ....
Ae und 1fte Claſſe der jungen Frauenzimmer. ..
Claſſikerleſen.. a .. . 0.
Religiöfe Betrachtungen. ee.
Clavierſpielenn. en
Handarbeiten. . . . . . . eo.
Die beiden Fachklaſſen ber niederen Volksſchule. . . .
Bemerkungen über die Ueberfihten. - 2 2.
Rachwort, dem jungen flerbenben Lehrer. . .. —.
Drudfehler des erften Theiles.
—
Erite 4 Zelle 9 von oben lied: beſucht;
— 68 — 2 vonuntn — der Anmuth
— u — — — bedauerns würdiger
— 74 — 1 don eben — Geſpenſt
— 3 — — — um ſtatt nun
— 142 — 6 von unten — glauben
— 10 von oben — meinen Fuß
— 3 ven unten — auch Did lieben
— 116 — 15 — — — bringt ſtatt bringen
— 7 von eben — Schaman
Druckfehler des zweiten Theiles.
Seite 62 Seile 20 von oben lied: Italier
— 54 — 13 — — — italifchen
— 104 — 3 von unten — das ſtatt dies
— 116 — 10 von oben — ſolle
— 119 — 12 von unten — Bauern .
— 295 — 3 von oben — ber den
— 8 — 3 — — — den Gef.
— — — 11 von unten — Sätzee.
— 360 — 11 von oben — Dunkeln
— 350 — 2 von unten — im ſtatt am
Erste Abtheilung.
Der humane Lehrer.
—— iii
Erstes Tapitel.
1) Humans Eltern — feine erfte
Erziehung.
Hamans Vater, ein Lohgerber, war ein kraͤftiger, ruͤ
ſtiger Mann, der von Kindheit an ſeinen Leib, als den
Tempel eines heiligen Geiſtes, rein, in jeglicher Hits
fiht rein erhalten hatte. Er flammte von gefunden,
xechtfchaffenen Eltern ab, hatte das Gluͤck gehabt eine
Schule zu befuchen, die, im fchönften Verein mit feinen
Eltern, auf die Bereblung feines Weſens nachdruͤcklich
gewirkt, und ihm, jedoch ohne Mittheilung anderer als
der gemwöähnlichften Kenntniffe und Fertigkeiten, Gottes,
furcht und Menfchenliebe eingeprägt, fo wie feinen Ders
Rand geweckt hatte,
Als Süngling war er, gewöhnt an firenge Thaͤtig⸗
feit, froh aufgeblüht, hatte jeglichen ſchlechten Umgang
gemieden, vielmehr nur folche Menfchen gefucht, die ihn
im Guten befeftigen, und für fein Gewerbe tüchtiger
machen konnten.
Nachdem er in feinen Wänderjahren viele Städte
Deutſchlands, Hollande, Daͤnemarks und der Schweiz
gefehen, und in mancher vorzüglichen Werkftatt, mit dem
regften Eifer fich bis ins Kleinfte hin zu vervollkommnen,
trenlicy gearbeitet hatte, fehrte er, fromm, rein, und in
1 *
— 4 —
einem hohen Grade tuͤchtig in feinem Gewerbe, nach feiner
Vaterſtadt W.... zurüd, wählte eine ber Töchter feines
Nachbarn zur Gattin, und Ließ fich, nachdem er zu Aller
Zufriedenheit genügende Proben feiner erlangten Geſchick⸗
Tichfeit abgelegt hatte, in der Nähe feiner väterlichen
Wohnung ald Lohgerber nieder.
Seine Ehefrau, die Tochter gefunder, braver Eltern,
war nicht minder gefund als er, und als Weib rüftig und
ſtark. Sie hatte mit ihm biefelbe Schule befucht, und von
jeher angehalten zu jeber Hausarbeit, die den Frauen
diefed Standes geziemt, fo wie zur Gottesfurht, Mens
fchenliebe und Sinnigkeit, befaß fie Eigenfchaften, die
einen reinen, tüchtigen, rechtfchaffenen Mann beglüden
koͤnnen. Mit Höchfter. Lebensfrifche, vol Nührigfeit und
Sinnigkeit begannen Gewerbe und. Haushalt, und Gott
fegnete fichtbar beides, dba Verſtand, Thaͤtigkeit, Ord⸗
nung, NReinlichfeit, ein burchaus rechtfchaffenes und from⸗
mes Wefen, ja, die Krone aller fittlichen Eigenfchaften,
die Gewiffenhaftigfeit, das Ganze leiteten.
Das junge Ehepaar liebte ſich gegenfeitig mit reiner
Liebe, und die gleichgeflimmten, treuen Seelen fchloffen
fih, durch die heiligen Bande einer glüdlichen Ehe ums
ſchlungen, immer inniger und fefter an einander, fo daß
fie nur ein Weſen auszumachen fchienen. Er war, bei
feiner Kraft, zärtlich, gütig, nachſichtsvoll und ſchonend;
fie aufmerffam auf feinen Willen, feinen Gefchmad, feine
Anordnungen, und ſuchte jede Gelegenheit zum Mißver⸗
gnügen aus dem Wege zu räumen; — und fo fchlug
hausliches Gluͤck, Die Liebe zu allem Guten, Wahren und
fittlich Schönen in ihnen immer tiefere, unaustilgbarere
Wurzeln. Ganz von aller Lefefucht entfergt,. die Muͤßig⸗
gang und Erfchlaffung des Geiſtes, Verunreinigung ber
Einbildungsfraft und Vernacdhläßigung ber vorzuͤglichſten
— 5 —
Pflichten in ihrem Gefolge hat, laſen ſie das Krebsbuͤch⸗
lein, den Konrad Kiefer ꝛc. die ihnen ber wuͤrdige Pfarr
herr gleich bei ihrer Verheirathung mit den Worten ge
lichen hatte: „Leſet, Liebe Leute, diefe Büchlein zur Ber
meibung fo vieler Fehler in der Erziehung der Kinder,
die Gott euch geben mag; und beeifert euch dann diefelben
ganz zu feiner Ehre zu erziehen. ”
Sie laſen jeden Abend nad) vollendeter Arbeit darang,
unterhielten fich verftändig darüber, und vergaßen dennoch
ihren Abendfegen nicht.
Dem fchlechten Beiſpiel, das fo viele Leute ihres
Standes in ber Liebe zum elenden Modetand und: zu
den Modevergnuͤgungen einer Appigen Welt ihnen gaben,
folgten fie nit. Im ihrem Haufe war alles, ihrem:
Stande gemäß, hoͤchſt einfach. Hausgeraͤthe, und Kleis
bung, und Koft waren von ber Art, daß fie damit in
den Augen verftändiger Menfchen beftehen konnten; und
fie meinten, was denen ald gut erfchiene, fei beffer, ale
was benen geftele, die, in den Tag hineinlebend, bald
Haus und Gewerbe den Rüden kehren müßten. Mit
dem größten Bergnügen fchauten die Berftändbigern bes
Ortes auf dieſes Ehepaar hin, und hielten ed für ein gro
ßes Gluͤck, wenn Menfhen von fo gefunden, frifchem
Leibe, von folcher Reinheit und Frömmigkeit zum Tram
altar gingen: „Ja,“ pflegte der würdige Pfarrherr zu
fagen, wenn er biefes Paares gedachte, „ans folder
Berbindung feimt Heil und Segen für die Gemeine, für
Stadt und Land! Ich möchte die Sünglinge alle und
Die Jungfranuen, die ich zum Bunde mit Gott führe,
hinweiſen, mit Chränen ber herzlichiten Bitte hinweiſen,
anf das glädlihe Paar, damit fie in den Wegen biefer
Lente wanbelten, und fo wie fie auch einſt die Gemeine
beglädten!”
— 6 —
Gott ſegnete dieſes Ehepaar mit Kindern beiderlei
Geſchlechts und mit reichlichem Brote.
Die Kinder wurden geſund, kraͤftig, thaͤtig und
fromm. Die Mutter hatte ſie in keuſcher, zarter Liebe
empfangen, in liebender Sinnigkeit unter ihrem Herzen
getragen, und mit Wohlgefallen ruhete ihr Blick auf die⸗
ſen Gegenſtaͤnden ihrer zarteſten Sorgfalt und froͤhlichſten
Hoffnung. Es ſchien, als wenn die Mutterſchaft ihrem
Gemuͤthe eine noch reinere Gottergebenheit und dabei eine
gewiſſe Hoheit aufgedruͤckt haͤtte; und darum gelang es
ihr, ihre Liebe zu Gott und Menſchen, ihr herzliches
Wohlwollen ihren Kindern ins Herz zu pflanzen. Vater
und Mutter verwahrten die jungen Gemuͤther beſtmoͤg⸗
licht vor aller Verfuchung von Außen, und ihr wahrhaft
gutes Beifpiel konnte nicht anders ald wohlthätig wirken.
Die Kleinen waren unter beftändiger Aufficht der
Mutter, die Größern wurden zur Schule gehalten, und
mußten außer der Schulzeit allerlei Hausarbeiten ver
richten, ober im Garten helfen, oder burften im Gaͤrt⸗
chen hinter dem Haufe, oder auf ben Flur fpielen, wenn
. nicht nöthige Schularbeiten, deren wenige vorfie
len, zu beforgen waren.
. An den Freinachmittagen durften gewöhnlich bie groͤ⸗
Bern Knaben den allgemeinen Spielplag des Stabtviertels
befuchen, da hier, auf Koften der Stadt, Käfter (Knaben⸗
führer) die Tugend beaufſichtigten. Diefe gingen wol
öfter mit den Knaben auf entlegene Weiden ımb m Bü
fche, fuchten Zanf und jede Unart zu verbinden, gaben
Lehrern und Eltern von dem Betragen der Beaufſichtigten
Nachricht, und fanden in ihrer Wirkfamkeit unter beſon⸗
derer Leitung ber Lehrer und Prediger. _
Des Abends, wann der Väter nad) vollenbeter Ar⸗
beit fein Pfeifchen ranchte, verfammelten fich die Kinder
— 1 —
um ihn, entweder im Bärtchen ober auf dem Flur, und
jebed Kind mußte Nechenichaft von feinem Betragen zu
Haufe und in der Schule ablegen, und ohne alle Cuts
fhuldigung die Fehler geftehen. Die Kinder konnten das -
bei nichts verhehlen; benn die Mutter und Die woͤchent⸗
liche Schulmarke als Zeugniß fagten am Ende doch ſtren⸗
ge die Wahrheit. Dann wurde zum Guten ermahnt und
erummtert, und war nichts Sträfliches vorgefallen, etwas
erzählt, was der Bater in fremben Landen gefehen oder
erfahren hatte. Während deſſen verzehrten die Kleinern
ihr Abenbbrot. Nach dem Abendeffen wurde der Abends
fegen gelefen, an welcher Gotteöverehrung Die größeren
Kinder und alle erwachſene Hausgenoffen Theil nahmen.
Sonntags früh wurde nad dem gewöhnlichen Mor⸗
gengebete eins der ausgewählten Sonntagslieber gefungen,
und ber Vater las dann ein Stüd aus Krummachers
Feſtbuͤchlein ıc. ber ganzen Hausgenoffenfchaft vor. In
der Kirche mußten bie erwachſenern Soͤhne und Töchter
sah Kräften bie Predigt auffchreiben, unb nad dem
Gottesdienſte ſprach der Vater einige Worte zur Beherzis
gung ber gehörten Lehre, |
Der Nachmittag nach, dem Gottesdienſte war den
Raturfrenden oder andern flillen Vergnuͤgungen ber gan⸗
zen Familie gewidmet. An verfchiedenen feftgefehten Tas
gen im jeder angenehmen Sahreszeit vergnügte fich bie
ganze Familie anf einem nicht entfernt gelegenen Bauer⸗
hofe. Im Haufe fielen einige Familienfefte, nämlich bie
Geburtötage der Eltern und einer vor, an bem bie Ges
burtstage ſaͤmmtlicher Kinder gefeiert wurden. Auf diefe
Bergungungstage freute ſich die ganze Familie ſchon lange
im voraus, and lange nachher war noch die Nebe davon.
Die chriſtlichen, wie die vaterlänbifchen Feſte wurden
Goch gehalten, und an diefen Tagen wurde auch bie
Küche. etwas beffer ald gewöhnlich beftellt. Der. heilige
Ehrift und die Dftern brachten in ber Regel die Kleider
fürs Jahr. Die Knaben wurden im Winter in Wolle,
im Sommer in ungebleichter Leinwanb gefleidet, und in
ber fühlern Sahreszeit wurden bie abgetragenften wollenen
Kleider untergezogen.
Auf Diefe Art wurde Aufwand vermieden und. Jeg⸗
liches im Haushalte benutzt; jedoch zeigte ſich in Allem
die gehoͤrige Reinlichkeit. Durch alles dieſes, wie durch
die ganze Erziehung, wurden die Kinder auf jede haͤus⸗
lihe und hriftlihe Tugend in Aufmerkfamfeit erw
halten; es wurde dadurch ein enges, gluͤckliches
TSamilienleben begründet, an welchem auch zus
weilen Berwandbte, und Freunde der Familie Theil nahs
men. Die Kinder liebten einander eben darum fo herzs
lich, und Eonnten ſich nicht entbehren, und alle waren
den Eltern mit ber zärtlichiten Liebe und ber emigſten
Verehrung ergeben.
Die beiden aͤlteſten Soͤhne ſtanden dem Vater ſchon
thaͤtig in der Werkſtatt bei, die beiden aͤlteſten Toͤchter
halfen der Mutter die Wirthſchaft fuͤhren, und beſorgten,
was durch weibliche Hand zu beſorgen war.
Unter den juͤngern Geſchwiſtern war ein Sohn, Ras
- mens Human, der fih zwar nicht burd befom
‚dere Zalente, aber dod durch Lebhaftigfeit
and Sinnigkeit vor den übrigen Gefchwiftern ans
zeichnete. Er faßte nicht Segliches ſchnell, aber- er
erfaßte das Schöne und Gute mit Imigkeit, und wußte
dieſes leicht - anzuwenden. Hauptzüge feines Charakters,
bie. fi fchon in dem Knaben unzweideutig zu erkennen
gaben, waren Offenheit, Gutmuͤthigkeit und eine hinge⸗
bende Liebe .und. Treue; und dieſe traten auf eine Art
hervor, wie ſich ſolche in gefunden, fröhlichen, kraͤftigen
— 9 —
und babei fehr gewandten Knaben zu Außern pflegen.
Für Menſchen, die ihm lieb und theuer waren, Konnte
er Alles hingeben, für fle befchwerliche Handarbeiten
übernehmen; — einem guten orte folgte er leicht und
gern; ber Barfchheit aber, der Lauheit, Verachtung und
Kälte in ber Behandlung trat er, fo viel er es ver
modte, mit gleicher Münze besahlend entgegen. Er hatte
ein feined Gefühl für das Anftändige, ohne ſich deſſelben
abfichtlich zu befleißigen. Nichts machte ihm . größere
Freude, ald wenn ibm Wunder» und Räubergefchichten
erzählt wurden. Dadurd gewann aber feine Phantafle
einen bedeutenden Vorſprung vor den übrigen Seelen»
kraͤften, und bie mangelhafte Schule erfchien ihm deshalb
anfreunblich und troden. Er mochte bereits das vierzehnte
Lebensjahr zurüd gelegt haben, und der Bater wollte
ihn jetzt der Schule entziehen und einem Gewerbe wids
men, bas er erwählen follte Allein ber Knabe hatte
ſchon Iängft im Stillen den Wunfch gehegt, ein Lehrer
der Jugend zu werden, und mit heißen Thränen bat er
um Erfüllung bes fehnlichen Wunfches., Seine Eltern
gewährten diefen Wunfch um feiner Innigkeit willen,
und ſchickten Human, da berfelbe für das Seminar noch
zu jung war, zwei Sahre hindurch in die Schnle bes
dortigen Rektors, wo er hauptſaͤchlich mit Erlernung der
lateiniſchen und franzoͤſiſchen Sprache ſich befchäftigte.
Da dieſe Gegenſtaͤnde ihm ſchwer wurden, und dieſer Leh⸗
rer in der Regel vier bis fuͤnf Claſſen zu beſorgen hatte,
fo konnte Human ſich bier nicht weit über bie Anfangs⸗
gränbe biefer Sprachen erheben. Es kam nun die Zeit,
daß er ind Schullehrers Seminar aufgenommen werben
tonnte. Sein Vater brachte ihn bahin, und übergab ihr
mit allem Bertrauen den Lehrern der Anftalt.
— 10 —
Zweites Gapitel.
Humans Borbildung zum Lehrer.
In diefem Seminar, welches mit fürftlicher Milde aus⸗
geftattet worden war, wurben brave aufftrebende Sünglinge,
bie nicht ohne Gefühl waren, nad Verlauf ihres beſtan⸗
denen Probejahrs zur Hälfte unentgeltlich bekoͤſtigt, und
im Ganzen vier Sahre lang unterrichtet. Es lag in ber
Naͤhe einer nicht unbebeutenden Stadt, auf einer großen
fürftlihen Domaine: die Hoffnung genannt; und ein
Defonom, weldyer ben größten Theil diefer Domaine ger
pachtet hatte, mußte jährlich ein Gewiſſes an Feldfruͤchten,
Fleiſch, Butter, Holz ıc. an bie Anſtalt liefern. |
Das Seminargebaͤude beftand aus einem Hauptge⸗
baͤude und zwei Flügeln. Sn dem erftern, in welchem ber
Direftor wohnte, waren die gewöhnlichen Lehrzimmer , Die
PMufiffäle, der Betfaal und der Saal für Bücher und
das Zeichnen; in den letztern hatten die übrigen Lehrer
der Anftalt ihre geräumigen, gehörig getrennten, aber
durch ben obern Stod cin weldhem die Schlaf » unb
Studierzimmer der Lehrer und Seminariften waren) mit
einander verbundenen Wohnungen. Es wurden hier mehr
ald Hundert Seminariften in vier verfchiedenen Claſſen
durch acht Lehrer gebildet; und bamit in diefer großen
Anftalt ein fo wohlthätiges Familienverhältnig nicht fehlte,
hatte jeder Lehrer etwa 14 Seminariften in feiner Woh—⸗
nung, welche bei ihm, wie feine Kinber, aßen, unter
feiner ſpeciellen Leitung ftanden, neben feinem Studterzim⸗
mer und unter feiner Aufſicht ihre Privatarbeiten beforgten,
in feiner Nähe. fchliefen, und Aber deren fittliche Aufführung
zu wachen zu feinen wichtigften Pflichten gehörte.
— 1 —
Um dem Lehrer die Auffiht in Etwa zu erleid"
tern, hatte diefer wo möglich aus jeder Elaffe gleich viel
Schüler — und ed konnten darım Die Geförberten deu
Ungeäbtern wo nöthig beiftehen, und aus den diteften und
bravften Seminariften die Senioren gewählt werben, denen
die Aufſicht im Einzelnen aufgetragen wurde. Es galten
aber auch hier wie im Allgemeinen die Wahlſpruͤche: „Durch
Humanität zur Humanität — Halte Leib und Seele rein —
Halte Gott und dein Ziel täglih vor Augen — Glaube
nie Die Höhe fchon erftiegen zu haben.” sc. Senioren,
Lehrer und Direktor waren bei Vernachlaͤßigung biefer
Grundfäte, die als die Hauptflüßpunfte der ganzen Ans
flalt angefehen wurden, ihren naͤchſten Obern verantwort;
ich; Alle aber, Lehrer und Auffeher, ermunterten ſich
gegenfeitig zur Xchätigfeit und zum Eifer in Erfüllung
ihrer Pflichten. Für den Hausbebarf hatte jeder Lehrer
einige Kühe und das dazu erforderliche Land, welches
nach den bewährteften Anfichten von dem Oekonomen be
arbeitet - werden mußte. Die Anſtalt wurde von einem
fehr großen Garten umfchloffen, der nad allen Regeln
der Gartenfunft von dem fürftlichen Hofgärtner entwors
fen worden war, und von den Seminariften unter Ans
Seitung eines geſchickten Gärtnerd ausgeführt und bears
beitet wurde. Die Seminariften, von benen jeber nad
Anleitung des Gärtnerd mehr ald ein Zehntel Morgen
koͤlniſch zu beforgen hatte, hatten demnach die befte Ges
legenheit den Gartenbau in feiner ganzen Ausdehnung,
den Obfibau und die Anlegung fchöner Gruppen von Baus
men und anderer Parthien fennen zu lernen; und was
den Geiden » und Feldbau und das Vorzäglichite des Forſt⸗
weſens betraf, fo war ber.Defonom gehalten, auch darin
den Seminariiten nadı Kräften zu nuͤtzen. Daß übrigens
bei der Anleguug dieſes Gartens jedes Koſtſpielige ver
— 12 —
mieden wurde, bedarf feiner weitern Erwähnung. An
dieſen Garten ſchloß ſich eine große Baumſchnle fuͤr Frucht⸗
und Forſtbaͤume ıc. an. Hier wurden bie Juͤnglinge im
Beredlen der Bäume geuͤbt, ernten die Erbarten, welche
jeder inländifche Baum liebt, fo wie bie Pflanzung, Wars
tung, Pflege und Benutzung deſſelben genau kennen ıc
Durch den Verkauf junger Bäume zog bie Anftalt jährlich
eine nicht unbedeutende Summe Geldes.
Ein Baumhof der Anftalt, der von den Geminariften
auf das zwedmäßigfie angelegt, in Ordnung erhalten
wurde, und auf lange Zeit hin vergrößert werden Fonnte,
fieferte, fo wie der Garten, über ben eigenen Berbraud;
Früchte zum Verkauf, zum Beſten der Anftalt — und bie
Seminariften mußten fi mit Obftbdrren, mit Bereitung
des Apfelweines *) und Obſtkrautes befaflen, zu welchen
‚, Befchäftigungen Zeit überblieb, damit fie nicht wie die
Treibpflanzen gezogen und von geiftigen Arbeiten niebers
gedruͤckt wurben.
Die Hauptarbeiten diefer Art fielen jedody in ben
Tangen Herbftferien vor. Bei der Beforgung der Arbeiten
im Garten und Baumhof herrfchte die größte Ordnung
und Pünktlichkeit. j
Der wuͤrdige Direktor dieſer Anftalt, der nicht die Abwege
feiner Zeit Tiebte, fragte nad; dem, was dem Volle in
Mahrheit Noth thue, achtete mit aller Aufmerkſamkeit auf
den einfachen geraben Weg zum Ziele, und ftatt Beibringung
aller fünftelnden Methoden und andern pädagogifchen Kuͤn⸗
ftefeien erhielt er der Sünglinge Augenmerk ſtets auf fein
eigenes, naturgemäßes Verfahren beim Unterrichte gerichtet.
*) Zu biefem Zwecke hatte man eine Sorte großer, herbeſchmeckender
Aepfel, aus benen die Bewohner der Normandie ihren vortreff:
lichen Apfelwein bereiten.
— 13 —
Es iſt freilich, ſprach er, eine große beachtenswerthe
Runft, die Wahrheit von dem Schüler finden zu laſſen,
wenn folche nicht bis zur Spielerei und Pebanterie ges
trieben wird; aber die höchite bildende Kraft liegt dennoch
im Material, und diefes muß daher mit Auswahl ges
geben und finnig verarbeitet werden. Eine Bildung ohne
tuͤchtiges Material gleicht einer Pflanze ohne fräftige
Wurzel, ber obendrein der gnte Boden fehlt. Da aber,
wo bad Wie die Zeit ausfült, kann das Was nicht
gebeihen; ber Geift geht über ber Form verloren.
Zwei Strebepunfte, die überall feftgehalten wurden,
waren gründliche Kenntniß der Sprache, und Weisheit,
Würde und Frömmigkeit der Geffinnung und des Lebens.
Mit jener, fagte er, theilen wir jeden Begriff, jede Ems
pfindung, theilen wir Geift und Charakter, die hoͤchſten
Ideen unfrem Zöglinge mit. Darum fei ihre Uebung Ies
benbig an jedem Material, und befchränfe ſich nicht auf
die Einlernung dürrer grammatifcher Formen, durch welche
nur gelehrte Pebanten und hochmüthige Halbwiffer erzeugt
werben. Diefe lettere aber und ihre Tochter,. bie Humas
nität, find die Beftimmung der Menfchheit: fie follen den
ganzen Menfchen durchweben, alfo find fie auch das letzte
Ziel alled Unterrichts und aller Erziehung; wiederum geben
fie allein der Wirkfamfeit des Lehrers würdige Ermuntes
sung, fräftige Triebfedern und gedeihlihe Kraft. Darum
muͤſſen fie vielfeitig in jeder Stunde erwachfen, die ber
Bildung Kinftiger Führer der Jugend gewidmet ift — fei
ed durch den Lehrſtoff, oder Durch ben Geift der Männer,
von denen biefe Bildung ausgeht.
Er hielt ed für ein großes Gluͤck, daß der Staat
Mittel gefunden habe, um bie jungen Leute vier Sahre
fang in ber Anftalt zu laſſen, und diefem Umftande, wie
der Bereinigung ber Kräfte mehrerer Seminare zu einem
— 14 —
vollftändigern Ganzen fchrieb er bie Möglichkeit der zwed«
mäßigern und humanen Bilbung der fünftigen Schulleh⸗
rer in der ganzen Provinz zu. |
Leider hatte audy er früher die jungen Leute in moͤg⸗
lichſter Eile nur vollſtopfen und abtreiben mäffen.
O, wie gluͤcklich fühle ich mich, pflegte er zu ſagen,
jet ein Bater fo vielen trefflihen Juͤnglingen fein zu
fönnen, flatt daß ich fonft nur ihr Treiber fein mußte!
Wie gluͤcklich find die Sünglinge ‚ nmd wie gluͤcklich wird
durch ſie der Staat werden!
Ein junger Lehrer muß von einer gewiſſen Lebens⸗
friſche durchdrungen ſich fuͤhlen, oder er ſinkt bald muth⸗
los zuſammen und verkruͤppelt. Wie koͤnnen aber die
Seminariſten jugendliche Lebensfriſche behalten, wenn ihre
Freiſtunden nur auf dem Schulplane verzeichnet ſtehen,
ſie ſelbſt aber von fruͤh Morgens bis an den Abend ent⸗
weder unterrichtet, oder ans Studierpult gefeſſelt werden,
um jedem fodernden Lehrer, der doch etwas zu Stande
bringen ſoll, zu genuͤgen, und der ſie treiben muß, wie
weiland die Frohnvoͤgte die Kinder Iſrael trieben. Frei⸗
Nlich mag mancher Lehrer es verſtehen, bie Jugend zur Ars
beit zu begeiftern und zu fpornen; mancher treffliche
Süngling aber wird erliegen, aufbunfen, von der Bol
pfropfung feinen Magen zu Grunde richten: der Mund
wird mechanifh Fauen, und bie Eingeweide werben Tom
oulftvifch Die alte Thätigfeit dem Scheine nach fortfeßen
— der junge Mann ift für bie Menfchheit, die er mit
jugenblicher Freudigfeit und Kraft erfaſſen, die er erheben
fo, verloren, wenn gleich Inſpektion über Jaſpektivn
eine Zeitlang ihn noch durch Weckung des Ehrgeized oder
der Kurcht ſpannt, und ihn noch einige Känfte machen
laͤßt. Und wird ein folches 2008 nicht .gerabe bie feinſten
Natusen, bie tief und innig faſſen und empfinden, und
darum fich nicht fo leicht vollitopfen laſſen, am gefaͤhr⸗
lichſten treffen? — D, bed leidigen Xreibend williger
Jugend! ed macht das muthige Roß zum fänmenden
Garl!
Alſo der wuͤrdige Direktor dieſer Anſtalt, und faſt
alle ſeine Mitlehrer waren von derſelben Anſicht beſeelt,
und wirkten, wie er, dem richtig erkannten Ziele muthig
entgegen.
Sn diefe Anftalt wurde Human nach mittelmäßig bes
ſtandener Prüfung nun aufgenommen, unb wir wollen
un kurz angeben, was er bafelbit gelernt und getriee
ben hat. |
Im Sommer and Winter ftanden ſaͤmmtliche Semis
nariſten, geweckt durch den Pedell, fräh vor fünf Uhr
anf, und no vor dem Glockenſchlage waren alle im
Betfanle verfammelt. Mit dem Glodenfchlage ertönte die
Degel, und es wurden, unter ber Leitung eined Schülers,
eines fogenannten Singpräfeften, zwei Berfe eines geiſt⸗
fichen Liedes mehrftimmig gefungen, das zu einer Samms
Eung gehörte, in welcher zu jeder Kirchenmelodie ein 10%
treffliches Lieb gewählt war.
Nach dem Gefange trat der Direltor auf und hielt
eis Morgengebet, nicht etwa aus dem Stegreif, fondern
eins von denen, deflen ganze Sammlung, beftehend aus
dreißig und einigen, außer dem Morgendanf, den guten
Geiſt der Anftalt, das mufterhafte Sein unb
Leben des Seminarifken und Fünftigen Lehrers
mit hoher Salbung in den fchönften vortrefflichiten Ge
Banken und gewaͤhlteſten Ausdruͤcken darſtellt. Er fprach
dieſes Gebet jedesmal mit Inbrunft in hoher Gottesfurcht,
bie ihm durchaus eigen war, unb der Gegenftand bes
Gebetes mußte darım um fo lebendiger, heiliger und ei,
beinglicher vor die Seele empfänglicher Juͤnglinge treten.
— 16 —
Dieſes war denn auch beſonders bei unfrem Human ber
Fall. Die natürliche, hohe Würde dieſes Lehrers machte
einen unbefchreiblichen Einbrud auf den Tüngling, fo
daß das Bild diefes Mannes, wie biefe ſich oft wieder⸗
holenden Gebete, ſich auf immer.feiner Seele einprägten.
Dadurch wurde Human vor aller Pebanterie unb vor
allem gefühlverläugnenden Klügeln in Religionsſachen
zeitlebens bewahrt.
Nach dem Gebete ließen ſich fämmtliche Seminariften
an ihren Pulten, die im Halbyoligon amphitheatralifch
fanden, nieder, und ergriffen die Feder. Der Direftor
hatte aus Engels Philofophen, aus den Stunden ber
Andacht ıc. die herzerhebendften und gelungenften Stüde,
fo wie aus ben vorzäglichiten Canzelreden, in denen mehr
Dogmatifches Element herrſcht, die wichtigften Momente,
die Eräftigften und Harften Stellen, in allem etwa brei
Bande betragend, ausgewählt, die von der hohen kirch⸗
lichen Behörde als vortrefflich erfannt worden waren.
Aus einem dieſer Stüde las er Satz für Sab deutlich
vor, die Seminariften fchrieben deutlich nach 9, und nun
fagte und fragte er das Noͤthige zur Erklärung in Hin⸗
. fiht anf Begriff, Anfiht und Beherzigung, auf Plan
und Sprache. Human mußte in den vier Sahren fi eis
nen außerordentlihen Schatz vorzüglicher Gedanken fans
meln, die feine ganze Seele ermwärmten und durchdran⸗
gen; und da in diefen Andachten ıc. eine fo edle Sprache,
fo reine Darftelung und überhaupt ein fo hohes religiäfes
Gefuͤhl und geiftvolle Beredtfamkeit herrfcht, auf welches
alles er fo vielfach aufmerffam gemacht -worben war: fo
mußte er fi, zumal da diefer Stil auch˖ in den Gebeten
*) Man verwechfele diefe -Uebung nicht mit den getabelten elenben
Diktiruͤbengen.
— 171 —
und überhaupt in dem Bortrag des Direktors herrfchend
. war, ganz diefelben aneignen. In den beiden obern Claffen
mußte er monatlid, einmal verfuchen, irgend eine Andacht,
oder einen Theil derſelben aus dem Kopfe niederzufchreiben,
‚und er fühlte fi dazu mehr und mehr fähig, Human
. meinte, nichtö habe fein Inneres fo edel, fo kraͤftig, nach⸗
drucksvoll ergriffen, nichts habe feinen Stil_fo gebildet,
als diefe kunftlofe Hebung, und durch nichts fei ihm mehr
der Mund gesffnet worden, um mit Kindern über religiöfe
. Gegenftände zu fprechen, als burch dieſe Bearbeitung ber
Andachten ıc. , durch diefe Gebete ıc.
Mit dem ſechſten Stundenſchlage ging. Seber in feine
Claſſe. Bier diefer Stunden wurden wöchentlich dem Lefen,
und zwei den Naturwiffenfchaften gewidmet. Beim Lefeun,
terricht hatte jeder Seminarift ein Heft vor fich, in welchem
. er. die Bemerkungen des Lehrers über Behandlung ded Buches
. x. niederfchrieb. Die Lehrer gingen hierbei von dem Grund»
ſatze aus, daß ber kuͤnftige Volkslehrer die Bücher im
Seminar felbft Iefen und behandeln lernen muͤſſe, die er
. einft in der niederen oder höheren Volksſchnle zu behandeln
habe *).
Der Lehrer der unterften Claſſe arbeitete n mit den Ser
minariften Tillichs Lefebücher in Hinficht aufs Lefenlernen,
. auf Begriff, Sprache, Sadje und Gang mit aller Genauig-
Zeit durch. Dann wurden Lieths Kindergedichte, mehrere
Kinderfchriften von Lohr und Campe zum Theil durchge⸗
. nommen, nnd die Behandlungsart verfelben mit aller Sorg-
falt gezeigt. In der folgenden Claſſe las Human vier eine
. Bändchen Briefe, die in einem fehr edlen und leichten Stil
*) Diefe Bücher und ihre Behandlungsart will ich Hier nur
im Allgemeinen angeben, da ich in dem zweiten Theile diefer Schrift
ein Mehres von denfelben fagen muß.
2
‚gefchrieben waren, und Belehrungen über den menfchlichen
Körper und Geift, eine Gefundheitslchre, dad Gemein
nuͤtzigſte aus der Naturlehre zur Dämpfung bed Aberglaus
-bens, fo wie Gelegenheitsbricfe enthielten. Der Lehrer
machte vielfach auf die brieflichen Ausdruͤcke und Wendungen,
fo wie überhaupt auf die Schönheit des Stils aufmerkſam,
and jeder Brief mußte von der Clafie fo lange zuſammen
- gelefen werden, bis derſelbe in natürlicher Deklamation
gelefen wurde, und die Seminariften fid, im Stanbe. fühl
ten, bdenfelben aus dem Kopfe niederzufchreiben. Dann
wurden auf biefelbe Art Krummachers Parabeln gelefen und
-niedergefchrieben. In der zweiten und -erften Claſſe Iafen
Lehrer und Schüler Schillers Abfall der Niederlande und
feinen breißigjährigen Krieg, wobei auf jedes Vorzuͤgliche,
in Rüdficht auf Urtheil, Ausdruck ıc. aufmerffam gemadıt
wurde. Auch blieb in der eriten Claſſe noch Zeit, einige
dramatifche Werke Diefes Dichters zu lefen. Human meinte,
die Leſung diefer, wie auch der folgenden Schriften, habe
ihm eine befondere Gewanbdtheit in der fpätern Behandlung
derſelben mitgetheilt; denn alfenthalben feien ihm bie frühe
ren Bemerkungen feiner Lehrer wicder eingefallen, die er
dann auf das forgfältigite in feinem Wirfungsfreife zu bes
nutzen gefucht habe.
Tas die Naturwiffenfchaften angeht, fo Fernte Human
in ben eriten anderthalb Jahren Naturgefchichte,. in dem
“ folgenden Jahre mathematifche und phofifche Geographie,
und in den lebten anderthalb Jahren Naturlehre. In Diefen
Fächern wurden diejenigen Lehrbücher durchgearbeitet, wels
che die Seminaniften dann gebrauchen follten, went fie
fih dem höheren Bolköfchulunterrichte widmeten. Auch
wurden ihnen einige Bücher in die Hände gegeben, die
ihnen noch außer dem Unterrichte eine erhabene, religiäfe
Anficht von der Natur aneiguen fonnten, wie 3. B. biefe
— 19 —
Schriften ven Sander. In der Stunde von 7 bie 8 Uhr
wurde gefrühftädt, und die jungen Leute konnten fich in
freier Zuft bewegen.
Die Stunde von 8 bis 9 Uhr war der Mathematik
gewibmet. Der Seminarift wurde in jedem heile auch auf
die Behandlungsart derfelben aufmerffam gemacht, fo wie
im Entwideln der Lehrſaͤtze geübt.
In der vierten Claſſe wurde mit Human das Kopfs
rechenbuch von Tillich und der erſte Theil des Rechenbuches
von Diefterweg und Heufer durchgearbeitet; in der dritten
Claffe wurde der zweite Theil dieſes Rechenbuches, in ber.
zweiten Claſſe die Geometrie nad) Diefterweg beendigt, und
in ber erſten Claſſe wurde Buchſtabenrechnen und Algebra
getrieben, wo fo viele Aufgaben aus Meier Hirfch aufge
Iöfet wurden, als es die Zeit geftattete *).
Bon 9 bis 10 Uhr waren wöchentlich der Geſchichte
drei Stunden, ber Geographie zwei Stunden, und dem
Unterridyt im Schönfchreiben eine Stunde gewidmet.
Bon der Gefchichte lernte Human in jeber Claſſe etwa brei
Baͤndchen von Beckers Werke cherausgegeben von Loebell,
und verbeffert von Woltmann und Menzel Fennen, die ber
Lehrer mit feinen Anmerkungen begleitete. Jeder Semina-
rift merkte fich den Gang der Thatfachen furz an, hob Die
wichtigften Zahlen zur gemeinfchaftlichen Einuͤbung aus,
und mußte am Schluß einer Periode, einen ihm aufgegebenen
Theil derfelben ald Probearbeit fchriftlich darſtellen.
*) Es muß bemerkt werben, daß jeder Seminarift jährlih in ben
dad Jahr hindurch erlernten Gegenftänden geprüft wurde, und
daß der Direktor hauptſaͤchlich nach diefen vier Zeugniffen dem Ab⸗
gehenden das Hauptzeugniß ſchrieb. Es geſchah diefes, damit ber
Züngling zur Zeit feines Haupteramens von Arbeit nicht niederge⸗
drückt werden Tonnte. Hatte ee bann auch manches vergeſſen, ſo
konnte er daſſelbe leicht nachholen.
9 *
._
— 20 —
Bei der Geographie lernte Human nebſt einer allge⸗
meinen Ueberſicht in der vierten Claſſe, Deutſchland, in der
dritten, Europa, in der zweiten, Amerika, Afrika und Au⸗
ſtralien, und in der erſten Claſſe, Aſien gleich in feinen eins
zelnen Theilen Fennen. Sn der erften Elaffe blieb nun noch
- Zeit, das aus der Geographie Gelernte zu wieberholen.
Der Unterriht im Schönfchreiben wurde nach ben Bors
fhriften von. Heinrichs ertheilt; und wer im Schreiben
zuruͤck war, mußte in den Freiftunden fich. üben, in welchen
Außerſt wenig Privatarbeiten vorfielen, da in der Schule
geforgt werden mußte.
Won 10 bis 2 Uhr waren Freiſtunden, in welchen alle
bei nicht zu unguͤnſtigem Wetter im Garten arbeiten, oder
ſich Doch bewegen mußten — es wäre denn, daß einige,
für eine Stunde, Unterricht oder Privatäbung in der Muſik
gehabt Hätten. Clavikorde für die Privatübung flanden in
: mehreren Zimmern jedes Lehrers.
Nachmittags von 2 bis 3 Uhr fiel wöchentlich. in 2
- Stunden der Unterricht in der beutfchen Sprache, und in
- ben beiden andern Stunden fielen Begriffdentwictelungen vor.
In ber vierten &laffe wurde die Grammatik von Bauer
- oder Härling, mit Ausnahme ber feinern Regeln durchgear⸗
beitetz in Rüdficht auf Claſſiſikation der Nedetheile, ber
Zuſammenſetzung und Deklination der Haupt s und Beiwoͤrter
hielt ſich der Lehrer au die bemundernswürbig klare Anficht
von Seibdenſtuͤcker.
In der dritten Claffe lernten die Seminariften Die vers
ſchiedenen Satz⸗ und Periodenarten, fo wie die Hauptre⸗
geln eines guten Stils Fennen; in der zweiten Claffe wurs
den die feiern grammatifchen Regeln nach Bauer ıc., nänts
lich die von Vater, GSeidenftüder, Grotefend, Härling,
Schmitthenner ve. vorgenommen, unb ber Schüler wurde
im Anordnen CDifponiren) verfchiedenartiger Auffäge geübt,
und’ in der erften Claſſe wurden, wöchentlich in A Stunden,
Unterhaltungen über pädagogifche Gegenftänbe gepflogen,
die dann Material zu Auffäben hergaben. |
Die wichtigern Iogifchen, moralifchen ıc. Begriffe wur⸗
den in Den drei untern Claſſen entwidelt, und die Semi⸗
nariften mußten es verſuchen, fobald fie den Begriff mit
Klarheit gefaßt hatten, auf kuͤrzeſtem Wege denfelben durch
Schriftliche Aufftelung der nöthigen Kragen zu entwideln. -
Diefe gemeinfchaftliche Hebung gab vielen Anlaß zur Auf
führung fefter Regeln in der Entwicklungskunſt. In Dies
fen Stunden wurde auc das Noͤthige aus ber Logik, wel⸗
ches für bie drei Glaffen vertheilt war, durchgearbeitet.
Bon 3 bis A Uhr wurde, wöchentlich in 3 Stunden, ,
Unterricht in der Bibel ertheilt, und in einer Stunde wur⸗
den beflamatorifche Uebungen angeftellt.
Beim Unterricht in ber biblifchen Gefchichte, der in
den beiden untern Glaffen erteilt wurde , erzählte ber Leh⸗
rer jedes Stuͤck aus dem Anleit von Kohlraufch mit. ftäter-
Benutung ber Charafteriftif von Niemeier ıc., malte jeden
Gegenfiand mit Iebhaften, edlen, der Sache wärbigen
Karben aus, ftellte alfo daffelbe wie ein Gemälde his,
und las dann das Stud aus Kohlrauſch erflärend vor.
Monatlich mußten die Seminariften es verſuchen, ein
ſolches Stud ſchriftlich nachguerzählen ; einzelne Theile, die
dem Lehrer befonders gut barzuftellen gelungen waren,
wurden indeß von den Seminariften in ber leßten Hälfte
der Stunde ſchriftlich dargeſtellt.
In den beiden obern Elaffen wurde mit Auswahl bie Biber
gelefen und erklaͤrt; und damit, der Lehrer in ſchwierigen
Källen feinen Anftoß geben mochte, war eine Hermeneutik
und ein Erflärungswert von her; geiftlichen Behörde ihm
zur Richtſchnur anempfohlen worden. Der forgfältige Uns
terricht in den beiben letztern Gegenftänben erzeugte in Hu⸗
— 22 —
man eine aunßerordentliche Werthſchaͤtzung der heiligen
Schrift, umd dieſe erhöhete fih in dem Maaße, als feine
Einfichten in diefelbe immer tiefer wurden.
Mas die Deflamationshbungen betraf, fo wurden in
der vierten Claſſe viele Kindergebichte von Lieth, und viele:
Fabeln aus der Wagnerfchen Sammlung erffärt, gemein
Ichaftfich auswendig gelernt, und beflamatorifh, d. h.
durchaus natuͤrlich hergefagt.
In der dritten Claſſe wurden außer kleinern Proben
dentfcher Beredtfamfeit, wie wir deren in Heinſius und
Reinbecks Rhetorik ıc. finden, ferner und befonderd bie
leihtern und in der zweiten Glaffe die ſchwerern Stücke
and Engels Philofophen, fo wie Lobreden auf Friedrich
den Großen von Engel und Bohannes von Muͤller erklaͤrt
und auswendig gelernt.
Mittwochs und Sonnabends Morgens von 11 bis 12
Uhr wurde Religionsunterricht nach dem Catechismus von
Dräfefe ertheilt, der von der hohen geiftlichen Behörde
burchgefehen worden war.
Die Zeit von A Uhr, wann das Veſperbrot verzehrt
wurde, bis halb 8 Uhr, war wieder ımter benfelben Bes
fhräanfungen, wie in den Mittagsfreifimden, der Gartens
arbeit gewidmet. — Um halb 8 Hhr. verfammelten ſich
fämmtliche Seminariften, um das Theoretifce der Muſik
näher fennen, und um unter Anleitung der Mufifichrer eine
Motette und den mehrftiimmigen Choral fingen zu lernen,
der zur Zeit in den Morgenandachten gefungen werben
mußte. Damm wurde von den jurigen: Leiten ein einfaches
Abendbrot eingenommen, und um halb 10 Uhr legten ſich
alle zur Ruhe. I
Mittwochs und Sonnabends Naikmittags mußten die
Hauptarbeiten im Garten beſorgt werden,’ oder die Semi⸗
nariften machten fich mit der Korftfultur- oder mit Dem
— 23 —
Feldbau bekannt, oder fie machten unter Aufſicht der Leh⸗
ver Wanderungen in die Umgegend, oder fie arbeiteten,
befonders bei fehr unguͤnſtigem Better, ihre wenigen fchrifts
lichen Auffäte aus, oder beforgten die nöthigen Hausars
beiten, oder laſen etwas Ruͤtzliches. In jedem Kalle
mußten fie aber ihre fünf Minuten lange Orgelübung und.
' die Zeichenftunde abwarten, in welcher Ießtern fie befons
ders Körper zeichnen und die Regeln der Perfpeftive Tens
nen lernten... Diefe Uebungen fielen fir Seben an: jedem
Freinachmittage anders, fo daß fie nur zu Zeiten ihm.
weitere ‚Entfernung vom Seminar unmdglich machten. Der
Muſikunterricht wurde von zwei Lehrern nad) der Logier⸗
fhen Methode ertheilt; nur wurde dabei der Grundſatz
befolgt, daß die Seminariften außer der Glavierfchule
nichts anderes fpielten, ald was fie in der Zukunft
auf der Orgel würdig gebrauchen konnten. Saͤmmtliche
mufitalische Uebungen waren in vier Gurfe getheilt, und
zwar fo angeordnet, daß der Lehrer zur Noth mit den
untern beiden Gurfen ausreicht. Obſchon man beine Ges
fang den Grundſatz für den naͤchſten Zweck zu bilden nicht
ganz fefthalten Fonnte, fo blieb man bdeimfelben doch fo.
viel als möglich treu. Human hatte vorzägliche Neigung
zur Muſik, und durch die treuefte Mebung in berfelben
brachte er e8 dahin, daß er hierin zu den beften Schülern.
der Anftalt gehörte, die mit Fertigkeit und Geſchmack Fur
gen von Bach, Kittel ꝛc. ıc. vortragen konnten. Des
Sonntage Morgens währte die. Morgenandacht, die dann
erft um 6 Uhr anfleng, etwas länger als eine Stunde,
da das in der Woche Durchgearbeitete noch einmal, dem Ges
müthe eingeprägt und dann zufammengelefen wurde,
Gegen 10 Uhr ging es in ordentlichen Zuge unter Beglei⸗
tung einiger Lehrer zur Kirche. Die Seminariften. mußten
Die Prebigt auffchreiben, und nach dem Gottesdienſte, wenn
— 24 —
das Aufgeſchriebene gezeigt wurde, wurden von dem Lehrer
noch einige Worte zur Beherzigung geſagt. — Rechnet man
die erſten und letzten Unterrichtsſtunden jedes Tages, den
Muſikunterricht, der ſich groͤßtentheils im Religioͤſen be-
wegte, und überhaupt ben ſittlichen und religioͤſen Sinn
der Anftalt, der ſich allenthalben, wie in einer wahrhaft
hriftlichen Familie, ausſprach, zu diefen Uebungen, und
bedenft man, daß man auch in den vortrefflichften Uebun⸗
gen Maaß halten mäffe: fo mag es Far fein, daß Religio⸗
fität in diefer Anftalt mit zarter Sorgfalt gepflegt ward.
Der Sonntag Nachmittag war, außer an den chrifts‘
lichen Fefttagen, wann auch ded Nachmittags Gottesdienft
gehalten wurbe, den Wanderungen oder den Bergnägungen:
im Garten, oder: auf dem Felde gewidmet. -
Faſt jeden Sonntag Abend war eine -mufikalifche Uns’
terhaltung, oder eine Wiederholung des Gelernten, an wel⸗
cher in der Regel ſaͤmmtliche Familien der Lehrer Theif:
nahmen. Zu Zeiten wurben ganze Theile von geiftlichen
Dratörien, wie folhe von Haiden, Graun, Schneider ıc.
fo wie auch die Bantaten von Glaͤſer, welche leßtern man’
im Manuffript befaß , aufgeführt.
Nehmen wir nun die Freiſtunden des Mittwochs und
Sonnabends mit deren Befchränfungen aus, fo blieben den
Seminariften an den gewöhnlichen Tagen viertehalb Stun⸗
den Zeit zur Bewegung und Arbeit im Garten übrig, im
Fall fie nämlic gar nichts für die Schule zu arbeiten hats
ten. Diefe Erholungszeit war ihnen, zumal bei gutem
Wetter, gar- wol zu gönnen. In den langen Winterabens
den aber, ober bei ftürmifchem- Wetter. befchäftigten fich Die
jungen Leute mit verfchiedenen Handarbeiten im Haufe,
oder es wurden in den verfchiedenen Claſſen Campes, Hums
bolds ꝛc. Reifebefchreibungen, Charaftergemälde der Völker,
Geſchichte, Selbfibiographien ausgezeichneter Männer, wie
— 25 —
die von Franklin, Nettelbeck ꝛc. oder andere leichte Schrif⸗
ten vorgeleſen, die nicht bei ihrem angenehmen Inhalte
den Muͤßiggang des Geiſtes befoͤrdern, und Ekel an wiſſen⸗
ſchaftlichem Streben erzeugen. |
Für. folhe Tage ziehen wir nun noch ein Drittel von.
der Bewegung oder Arbeit in freier Luft ab, und jeder Ju⸗
gendfremib wird Die übrig bleibende Bewegunggzeit für eis :
nen jungen Menfchen, der von 5 Uhr Morgens bis Abends -
9 Uhr thätig ift, nicht übertrieben finden. )
Sp pflegte der. Direftor vorzurechnen, wenn- Andere, -
welche: fammtliche Nebenftunden und Nebenbefchäftigungen
bes Geiftes nicht mit einrechnen, die Zahl der Freiftunden
für zu bedeutend hielten. Es geht folchen Menfchen, pflegte -
er zu fagen, in dieſem Stuͤcke, wie es benjenigen Haus⸗
vaͤtern geht, bie nur auf ihre Hauptausgaben rechnen, -
und ſich verwundern, daß der Beutel fo früh leer wirb,.
Sp geht auch: bei jungen Leuten, die bloß geiftig befchäftigt
find, das wahre Geiftesleben verloren, fie verfrippeln den⸗
noch am. Ende.
In diefer Anftalt lebte nun Human vier volle Jahre
fehr vergnügt, und ging darauf mit guten Zeugniffen vers
fehen, gefegnet von feinen Lehrern, und innig befreundet
mit vielen jungen Leuten, in aller Lebensfrifche von bannen,
nach einer vereinigten niederen und höheren Volksſchule der
nahe gelegenen Stadt. Diefe Anftalt war von dem Semis
narbdireftor eingerichtet worden, und wurde von einem bras
ven ehemaligen Seminariften geleitet. Hier leiftete Human
ſaͤmmtlichen Lehrern. der Anftalt untergeordnete Dienfte als
Ordnungsbeamter ꝛc. durfte. bem Unterricht in allen Klafe
J
*) In der letztern Zeit wurben die nöthigen Geräthe für Lelbesübung
in einer Halle aufgeftellt, damit die Sünglinge bei anhaltend
ſchlechtem Wetter dort ſich bewegen Tonnten.
— 960 —
ſen zuhoͤren und mußte zu Zeiten auch unterrichten. Nach
Verlauf eines Jahres wurde ihm eine Stelle als Huͤlfsleh⸗
rer an dieſe Schule angetragen; er nahm dieſelbe an, ob⸗
gleich dieſe Anſtellung ihm nur ein ſehr ſpaͤrliches Unter
fommen verfchaffte, arbeitete dort einige Jahre zur befons
dern Zufriedenheit des Direftord, und hatte dann das
Bergnügen eine ordentliche Xehrerftele auf dem Lande zu
erhalten.
Die Schule, in der er freilich allein unterrichten mußte,
richtete er nach der allgemeinen Vorſchrift ein, lehrte dort
mit dem groͤßten Vergnuͤgen; und die Gemeine, welche
das Streben dieſes jungen. Mannes erkannte, ſchaͤtzte ſich
gluͤcklich, ihn zu beſitzen. In ſeinen Mußeſtunden bearbei⸗
tete er ſeinen Garten und ſeine Baumſchule, und ſorgte
nicht minder für feine geiſtige Vervollfommmung durch eige⸗
ned Nachdenken und Lefen.
An diefem Drte errichtete er auch einen bedeutenden
Saͤngerchor, durch welchen er nicht nur den Kirchengefang
bald fehr verbeflerte, fondern auch an chriftlichen ꝛc. Feften
die Feier des Tages zu heben fuchte.
u
Drittes Capitel.
Humans Weiße
Hier, entfernt non allem Geraͤuſche der Welt, konnte
er aun in der ihm fo nöthigen ſtillen, Befhauung
leben. Es fhien, als wenn die empfangene
Ausſaat erft jetzt, Da fie Ruhe um fi hatte,
feimen und hbervorfprießen fonnte Darum er
fchien ihm nun. fo mancher Umſtand, der erziehend auf: ihn
— 9 —
gewirkt hatte, von ihm aber bisher mit gleichgültigen Aus
gen angefchen worden war, ſo hoͤchſt wichtig, fo ſegens⸗
vol. Wie viele Urfachen fand er nun, feine Eltern und.
das Seminar mit innigftem Danke zu verehren! Jetzt erft
erfannte er bie Wichtigkeit feines Amtes mit Iebendigem
Gefähl, und er beſchloß alles das. zu thun, was ihn als
Menfhen, Chriften und Lehrer würdiger machen
fonnte.
hm fielen gerade Jetzt Herberd Humanitäte» Briefe im
die Hänbe, und mußten auf einen Süngling von reis
nem Sinne und mi: Herzen, wie Human war, mädy
tig wirfen. Er Surchdadıte jeden Gedanken, und bildete
fih Grundſaͤtze nad) driiſelben, die er ohne firenge Ord⸗
nung in ein Buch ſchrieb, finnend mit fich herumtrug, und
auf Diefe Art mit feinem Innerſten verfchmelzte,
Möchteft auch Du, o theurer Süngling! dieſe in das
Innerſte Deines warmen Herzens aufnehmen, und bort
wie ein Kleinod verwahren! — Höre denn! —
Sch bin ein Menfh! — O Gott, daß ichs immer im
edelſten Sinne bed Wortes werden möchte! Ein Menſch
möchte ich hier auf Erden werden, fein Engel und fein
bdfer Damon — ein Menfch, das liegt in meiner Be
flimmung. Alles fodert mich auf ein Menfc zu werden:
alle Kräfte in mir auszubilden, die der allgütige Schöpfer
in meine Bruft gelegt hat. Schrift und Natur rufen es
mie zu, befonders aber erheifcht es der Kreis meines Wir⸗
Send! Wie kann ich meinen Schülern zum Menſchthum
verhelfen, wenn ich mich felbft nicht bemühe ein Menſch
zu werden! Daum will ich nad) Erfenntniß der Wahrs
heit fireben; die Ehrfurcht vor Gott, allem Heiligen und
Guten in meinem Herzen nähren! Zarte Empfindung für
— 28 —
das Wohl und Weh meines Mitmenſchen, wer er auch ſei,
fol in meinem Herzen Raum gewinnen — das lehrt mir
Chriftus, mein Borbild!.
Es iſt Gottes Abficht, Daß die Menfchheit voranfchreite, -
und Menfchen find dazu feine Diener. Auch mich würdigt.
er, in feiner Hand ein Werkzeug zu fein! DO, daß ih es.
in That und Wahrheit fo- ganz würde! daß ich in dem Ge
danken, die Menfchheit an meinem Theile zu heben, Cigen-
nutz, Selbftfucht und jede niedrige Leidenfchaft in. mir vers.
drängen könnte, um ganz meinem Zwecke zu leben!
Sch weiß, daß Gott die Menfchen hebt durch Freud.
und Leid. — Darum will. ich beides benugen: bie Freude
dankbar und weife genießen, das Leid ohne Murren ertragen, .
und mich und Andere in bemfelben tröften und. ermuntern..
Sa, fühle dich ermannt, Human, bei den Unaunehmlichfei-
ten, die auch du zur ertragen haben wirft, durch den troſtvol⸗
len Glauben, daß die Menfchheit rings um dich vorans
fehreitet. Gaben dir hierin nicht bie Edeliten der Menſch⸗
heit bewundernewürdiges Beifpiel? und — nimmft du noch.
Anftand das zu thun, was du an den Beften bewunderft?
Oder Iebe ich. wirklich fchon groß, in Wahrheit ein
edles Leben? — fo daß ich mich über die Unannehmlichkeis
ten des Lebens, im Blick auf den Fortfchritt der Menfchheit
hinwegzufegen im Stande bin? Lebe ich frei, fo innig mit
Gott und Jeſu verbunden, daß ich alle Pflichten aufs Beſte
zu erfüllen trachte? Lebt bein Geſetz, o Hoͤchſter, fo ganz
in meiner. Bruft, daß ich mir felbft das Geſetz bin? —
Ach Gott, dus weißelt es, wie weit der Süngling vom
Ziele nody entfernt ift! Hilf mir diefem Ziele entgegenftres
ben! Smmer näher, immer näher! Das fei bis
in den Tob mein heißeſtes Begehren!
Sch will nicht gleich muthlos werben, wenn ich glaube,
die Menſchheit um mich rückwärts gehen zu fehen. Könnte
der Rüdfhritt nicht der Menfchheit das wers
den, was der rädbiegende Aufak dem Sprin
ger ift? — Thue das beine mit forgfältiger Weberlegung,
Human, und vertraue Gott.
Warum follte ich nicht dahin gelangen Tonnen, daß
meine Gedanfen täglich reiner, und übereinftimmend mit des
nen der Beten bes Landes werben? Warum nicht? Gott
ſteht mir bei, wie ihnen, deß bin ich gewiß! Herr er
halte mir das Vertrauen zu deiner Liebe.
Schaffe du in mir Gott ein reines Herz, und
gib mir einen neuen gewiffen Geiſt! —
Habe ich denn in jeglicher Stunde das rege Beſtreben,
der Menfchheit nach allen Kräften zu nuͤtzen? — Ad} nein,
ich bin nicht immer, wie geftern und vorgeftern; oft bin
ih lau, oft kalt; oft ftrebe ich Doch weniger dem Ziele
entgegen, als ich es wol koͤnnte.
Schweine noch nicht von Herzen, wenn ich einen Tag
verloren habe. D, daß ich diefe Gleichgültigkeit fo ganz
aus meiner Seele entfernte! daß jede verlorne Stunde, bie
ich der Menfchheit hätte widmen follen‘, Trauer in mir ers
wedte! —
— 30 —
O, eilt Gottes und der Menſchheit, wede
mich freundlich jeden Morgen von meinem La
ger,Teite mih an Deiner Hand; und wo ich Dich
verlaffen will und ermatten, ba fhaue du mit
holdfeligem Auge ermunternd mid an, und
zeige mir das hohe Ziel, zu dem du fo gerne
mich geleiten möchte. an daß ih daun nie
dich betrübte!
Sollte ich meines Gleichen nicht Iieben? Haben: fie
nicht gleiche Gebrechlichkeit und gleiches Bebärfniß mit wir ?
Muͤſſen wir nicht gemeinfchaftlich zur Befriedigung deſſelben
hinarbeiten? Haben wir nicht ein gleiches Loos? Zeigt
uns Gott nicht deutlich in Freud und Leid, daß wir bie
Menfchen ſuchen mäflen?
Pie geringe ift die Freude, bie ich allein genieße, wie
herbe der Schmerz, wenn fein. Bruder: liebreich mich troͤſtet!
Sollte Diefe natürliche Zuneigung, die ich zn meinem Mit⸗
menfchen fühle, nicht in jedem Menfchen liegen? Koͤnnen
wir wirffich ohne Andere Teben? Nein, geliebte Menſch⸗
heit, ohne dich kann ich nicht leben; in beinem Angeft ichte
will ich mich freuen, damit ich dich erheitere, in deinen
‚Bufen weinen, damit du mich troͤſteſt! Herz, präge.es bir
ein, bie ganze menfchliche Gefellfchaft ift von dem. Welten⸗
ſchoͤpfer eingerichtet, daß fie Liebe einflöße, Liebe gebe und
empfange. Und dieſe Liebe ſoll Unwiſſenheit, Unverſtand,
Rohheit, ja ſelbſt Bosheit, einzelner Glieder in meinem Her⸗
zen nicht ſtoͤreu! Stärke mich Urquell ber Liebe!
Iſt die Menſchheit in meinem Kreiſe nicht, wie ich ſie
wuͤnſchen ſoll; warum nehme ich Anſtand das Meinige zu
in
f
— 1 —
shun, damit es beiler werde? Wirte, Human, und ver
derbe nicht Zeit und Welt durch laͤſſiges Klagen, durch
feindliches Zuͤrnen, durch bitteres Berachten. Wurzle Die
Borurtheile aus in beinem Kreife, aber bewahre dir und
der Sugend den Chriftenglauben, der allen Menſchen, ohne
Anterfchted Der Kirdye und des Stanbes wohl will, den
Glauben an die Menfchheit; übe den Verſtand deiner Schuͤ⸗
fer, aber lehre fie nicht kluͤgeln uber ihren Glauben und
Aber Dinge, die und Menfchen zu hoch find; ſtaͤrke ihren
Willen, aber evhalte denfelben Gott und der Obrigkeit ges
horfam. Wecke und hebe durch meifen Unterricht and dur
eigenes Beifpiel den Sinn für das allgemeine Belte: für
Schule und Kirche, für alles, was wahr und nuͤtzlich,
gut und ſchoͤn iſt, und — ed wirb befler merdes mit der
Menfchheit in Deinem Kreiſe. |
erde iches jein meiner Schule zu einem gewiffen Grabe
von Bollfommenheit bringen? — Das Thun des Menfchen
iſt Stuͤckwerk; Bolllommenheit liegt in der ‚ganzen Einrich⸗
tung feines Weſens und Thund hier auf Erden nicht; im⸗
mer werde ich mic) mit dem Streben nach dem Vollkomm⸗
nen begnügen müflen; aber diefes Streben werde mir Be
dürfniß, werde mir Leidenfchaft. Wenn ich merfe, daß ich
wicht zu Stande bringe, was ich mir vorgenommen habe, fo
will ich nicht muthlos werden, und die Hände nicht ſinken
laſſen, um mid, nicht felbft des.Erfolges zu berauben. Im
Vertrauen auf Gott will ich auch Das Letzte verfuchen.
Penn gleich die Menfchheit nicht auf einmal zur Hu⸗
manität gelangt, fo kommt fie derfelben Doch immer näher.
Die Beſſern und Weiſern unſrer Vorfahren haben für. die
— 32 —
: Hebung der Menfchheit geforgt; wir follen treulich ihnen
nachſtreben. Und wenn einft wir aus dem Wirkfreife tres
ten, jo werben Andere nad) uns kommen, die das Werk
da angreifen, wo unfre Hände erfchäpft abließen.
Wir gleichen den Gewäflern eines Sahres, welche die
Höhe als Flüffe fegenfpendend in die Ebene ſeudet; das
Waſſer vieler Fahre aber vermag erit den Wohlftand des
Landes fichtbar zu heben.
D Gott, möchte der Fluß meines Wirkens ein. fegens-
reiches Sahr in diefer Gemeine bereiten, und eine dauernde
- Wohlfahrt gründen helfen!
Gott bewahre mich, daß ich der Menfchheit,, und ins
befondere den mir anvertrauten Kindern, irgend ein Unrecht
zufügen follte. Jedes Boͤſe, das einem einzelnen Menfchen
gethan wird, beftraft ſich; Boͤſes aber, das der Menfchheit
geſchieht, rächt füch fürchterlich. ‘Die Gefchichte lehrt dieſes
vielfaͤltig; — und doc, glauben Kurzfichtige, ihr, ber
Menfchheit zugefügtes Unrecht würde mit den fchredfichen
Folgen verfchont bleiben. — Ich will die Menfchheit in
: jedem einzelnen Gliede berfelben ehren.
Sollte ih Rachſucht in meiner Seele dulden, wenn
ich etwa von den Eltern meiner Schüler oder von meinen
Nachbaren ıc. beleidigt würde? O, meine Seele, fieh .
Sefum an, wie er noch fierbend für feine Feinde betet!
Wohlwollen, reines Wohlwollen muͤſſeſt du athmen gegen
jeden Menfchen; Feindfchaft dulde nicht an dir, befchönige
fie nicht. Freilich iſt es ſchwer, Die Rachſucht auszurotten;
aber halte nicht fuͤr unmoͤglich, das zu thun, was vielen
Edlen gelungen iſt. Biſt du nicht. eben. fo, gut Menſch, als
— 33 —
fie? Hatten fie etwa einen ſtaͤrkern Gott, der da hilft,
einen Tiebreichern Bater, der huldvoll ermuntert? Leitet
nicht derfelbe Gotteögeift mich, wie fie zum Guten, went.
ich zu ihm flehe? —
Warum follte ich einen Menfchen verachten? Weil er
anders denkt, als ih? Kann denn der Menfch in einer
andern Lage, von andern Fähigfeiten und Kräften ale
ich, immer, oder in allem mit mir gleich denfen und fuͤh⸗
len? Bin ich etwa im Beſitz des Steines der Weifen?
Oder fol nur ich allein das Recht haben, irren zu Finnen,
Zehler zu machen, ohne verachtet zu werden? Nein, ich
will duldfam fein gegen Die Ueberzgeugungen Anderer; —
amd wenn die mir anvertraute Jugend nicht fo fchnelle
Kortfchritte im Guten macht, als ich es wuͤnſche, fo will
ich an das langſame Fortfchreiten meines eigenen Wefeng
denfen, und es mit dankbarer NRührung erfennen, wie
Liebe und Nachficht die Sorgfalt meiner Erzieher in der
Hoffnung auf mein Befjerwerden leiteten. Nein, nein, ich
will feinen Menfchen darum verachten, daß er in feinem
Streben hinter mir zuruͤckzubleiben fcheint! Ach Gott, wie
viele meiner Ruͤckſchritte mag die Eigenliebe an mir für
Sortfchritte halten! Sollte ich nicht ſchon mich über das
nnverftändige Handeln, über die Fehler irgend eined Ne-
benmenfchen gefreut haben, um mid; über denfelben ftellen
zu Können? Warum machte ich ihm nicht in aller Liebe
auf feinen Srrthum aufmerffam? Warum fuchte ich nicht
im Stilfen feinen Fehler für die Welt weniger ſchaͤdlich zu
machen?
Pfui der Niedertracht! die fchadenfroh da verachtet,
wo fie-zurecht führen Eonnte; die einen Menfchen im ben
3
— 34 —
Koth fallen laͤßt, um uͤber denſelben triumphiren zu
koͤnnen.
Gott, du Herzenskuͤndiger! ſtaͤrke mich in der Stunde
der Verſuchung, daß ich keinen der Geringſten verachte!
Bewahre mich vor aller Liebloſigkeit und Tuͤcke!
Trau, ſchaue wem. — Den Verſtaͤndigen achte
ich wegen ſeiner Einſicht, den Edelmuͤthigen liebe ich wegen
‚feiner Reinheit; wer aber Verſtand und Edelmuth beſitzt,
der iſt human, der hat meine ganze Hochachtung und Liebe,
dem gebe ich mit Vertrauen mich hin. Achte ich dieſe Ei⸗
genſchaften aber im Innerſten meiner Seele als die hoͤch⸗
ften; was hält mid, dann ab, felbft verfländig und edel⸗
müthig zu werben? was frage ich dann noch viel nad
dem höchften Zweck der Schule?
Bewahre mich, o Gott, vor allem Eigenduͤnkel und
aller Selbftzufriedenheit, Selbftgefälligkeit und Selbftfucht,
und erhalte mich felbft da befcheiden, wo mein Streben zu
fehr oder nicht gehörig gewürdigt wird. Gtets will ich
den Ausfpruch Herders in Gedanfen und im Herzen bewahs
ren: „Auch Menſchen, die in ber Sugend fehr befcheiben
„waren, Eönnen im feinen Neg der Selbftliebe fo weit ges
‚führt werben, daß man in wenigen Jahren über ihre
„vermeſſene Demuth erflaunt; und durch nichts wurben fie
„ſo weit geführt, ald daß andere ein vermeffenes Zutrauen
„auf fie festen, und fie durch dies Zutrauen zuleßt uns
„verfchämt machten.” u
‚ie Liebe ſich mittheilt, theilen fich alle Affekten,
‚Anfondberheit der fromme Wahnſinn und die gläubige Phan⸗
— 353 —
„tafterei mit: man glaubt endlich zu fein, was der andere
„lange geglaubt, und uns überredet hat, daß wir wol
„fein koͤnnten, und fo wird man mit beftochenem eigenen
„Gewiſſen vor Gott und Menfchen ein eitler, fcheinheiliger
„Popanz.“ —
Wie leicht kann ein Volkslehrer, der gefällt, dahin
fommen! Wie leicht mag ein Lehrer, der immer. mit Kins
dern umgeht, die auf die Worte ihres unfehlbaren Meifters
ſchwoͤren muͤſſen, nach und nach auf den blinden Glauben
fommen, er fei über alle Mängel erhaben, und aus Mans
gel an Welt + und Menfchenfenntniß von feinem Borges
fegten , feinem Menfchen mehr Erinnerung annimmt! Gott
der Güte, bewahre mich! Dem Stolzen bift du feind, aber
dem Demüthigen gibft du Gnade! Holde Befcheidenheit!
‚bu laͤſſeſt in deinen Juͤngern Feine Ueberfchägung des eiges
nen Werthes entitehen; denn du Ienfeft den Blick des fire-
benden Edeln auf ein Ideal, das immer fich reiner in ihm
geftaltet, je fehärfer er fieht; das darum nach und nad)
in die Unenblichfeit tritt und des Strebenden Schwäche bes
urkundet, indem es die That deſſelben als Stuͤckwerk zurück
laßt. Holbe Befcheidenheit, erhalte du meine Augen wader,
daß Fein blendender Nebel mir je das wahre Ziel meines
Streben und die reine Schönheit des Ideals verhülle!
Habe ich dadurch eine immer höhere Regel zur Beurtheilung
meiner felbft und meines Wirkens gewonnen, fo werde id -
mir auf die bereits erworbenen Vorzüge nichts einbilden,
mich nicht für zu vornehm oder zu wichtig halten, Die
geringfien Dienfte, die mein Amt mir auflegt,
mit aller Pünktlichkeit willig zu leiften, und
mit Freuden das Berhältniß zu meinen Bor
gefeuten zu ehren, das der Dünfel jo gerne zerreißt
und verläugnet. Dann ift der Fortgang meines Strebens
3 *
_ 36 —
ind Unendliche verbürgt, indem das Beſte, welches ich
Teifte, mich ſtets ein noch Beſſeres wahrnehmen läßt und
zu leiften drängt; dann, erft dann nimmt meine wahre
Wirkſamkeit ihren Anfang. — |
Alfo merfe e8 dir, Human, — fo befcheiden du wirk⸗
Tich im Innerſten deiner Seele bijt, fo rein ift dein Ideal,
fo fähig bift du ein Hohes und Würdiges zu denfen, und
in deinem Wirken barzuftellen.
Schmeichelei ift der Menfchheit verderblich; denn fie
erfchlafft das Streben nach dem DBeffern, bringt unreine
Triebfedern ind Herz und wiegt den Menfchen in ben Suͤn⸗
denfchlaf. Ein Schmeichler will ich nie werben; will meine '
Beduͤrfniſſe Lieber einfchränfen, damit diefelben mich nicht |
verführen, gegen meine Ueberzeugung etwas zu Ioben; aber -
das Verdienft will ich allenthalben ehren, wo, und an
wem es fich findet.
Es fümmert mich nicht, wie lange ich hier für das
Wohl der Menfchheit wirken werde, das fteht in Gottes
Hand; das aber kuͤmmert mich, daß ich Die Zeit benuße,
die mir zum Wirken offen ſteht. Dazu erflche ich Stärfe
von dem Gott der Stärfe.
Alles, was ich denfe, wünfche, hoffe, will und thne,
muß und foll dem MWohlfein der Menfchheit förderlich, oder
mwenigftend doch nicht hinderlich fein; ich muß und fol
meine eigene Glückfeligfeit darin finden, daß ich bie ber
Menfchheit firdere. Wäre ein Vortheil, den ich für mid
he: ler: m [nn
— 37 —
felbft erlangen könnte, noch fo groß und reizend, und er wäre
der Menfchheit ſchaͤdlich: fo müßte ich denfelben augfchlas
gen, oder meinen Wünfchen fehlte die Redlichkeit, und
meinem Wollen und Streben Nachorud und Erfolg „Schoͤn⸗
heit und Adel.
Liebe ich die Menſchen, fo werde ich auch Kuͤnſte
und Wiffenfchaften hochachten und aufrichtig ehren; denn
auch Diefe bilden die edelſten Kräfte des Meenfchen zu
bewunbernswürdiger Höhe und fchaffen ihm Genüffe hoͤhe⸗
rer Art.
Ehren will ich deswegen jeden griindlichen Wiffenfchafts
ner und Künftfer, befonders in dem Kalle, wenn er ein
guter Menſch if. Ach, wie wenige Fortfchritte habe ich in
dem ganzen Reich des Willens und Könnens gemacht! In⸗
deſſen als Lehrer einer Volföfchule brauche ich Das ganze
Gebiet der Wiffenfchaften und Künfte nicht durchmeflen zu
haben. Das Streben nad) Bielwiffen würde weine Zeit
zerfplitteen, meine Kraft durch Theilung fchwächen, würde
ganz gewiß mich aufblähen, und die Liebe zu meinem Des
rufe möchte in mir erfalten. Dagegen will ich mid; in dem
Kenutniffen und Fertigkeiten, deren ich zur Bildung des
Volkes bedarf, immer vervollfommmen; ich will vorzüglich
dahin fehen, daß ich alle meine Borftellungen befonders für
eine fräftige, vernünftige, religisfe Bildung der Jugend
zur höchften Deutlichkeit, Beſtimmtheit und Richtigkeit brins
ge, und was ich überhaupt zu lehren habe, fo lebendig
und Tieblich als möglich vor Die Augen meiner Sugend ftelle.
Mufter follen mir hierin, außer der Bibel, die auch in Dies
fer Hinfiht von unſchaͤtzbarer Vortrefflichfeit iſt, Diejenigen
Schriftſteller unfres Volkes fein, die fi) durch Einfalt,
Klarheit und lebendige Darftellung, wie durch Reinheit und
— 38 —
Gemeinnuͤtzigkeit des Inhaltes auszeichnen. Nur wenige
kann ich, aber dieſe will ich mit deſto groͤßerer Sorgfalt
leſen; ſie werden den Schatz meiner Erkenntniß vermehren,
berichtigen, ordnen, mein Herz fuͤr das, was wahr, gut,
recht, wahrhaft ruͤhmlich und nuͤtzlich iſt, erwaͤrmen, und
die Art, wie ſie darſtellen, wird mir am beſten den Weg
zu dem Verſtande und Herzen meiner Jugend zeigen.
Viele Menfchen ordnen die Religion unter ihren Wil⸗
fen, oder beflimmter gefagt: fie ordnen diefelbe ihrer eitlen,
verblendeten, begehrlichen Sinnlichkeit unter, anftatt daß
fie der Religion untergeordnet fein follten. Iſt aber das
Edelſte, die Religion, einer fremden, niederen Kraft, ber
Sinnlichkeit, untergeordnet : fo Tann fie und da, wo Diefe
Kraft des Beiftandes bedarf, gerade Da, wo uns die Re
ligion von unausfprechlich großem Werthe ift, nichts, ger
nichts helfen.
Betrachten wir den wahren Chriften, ſo finden wir,
daß berfelbe in einem fo innigen Berbande mit Gott und
Jeſu Tebt, daß ſich keinesweges fein Thun und Denfen nach
einem fleifchlichen Willen ändern kann, ohne feine höhere
geiſtige Gluͤckſeligkeit auſzuopfern. Der Ehrift erfennt ſich
feinem ganzen Chriſtenthum untergeordnet, wenn gleich Dies
ſes oft Unterwerfung und Ergebung fodert, die mitunter
harte Kämpfe mit ſich bringen; er fühlt fich feit mit Gott
und Jeſu verbunden. D, daß ich das Bild eines wahren
Shriften ſtets in mir trüge, daß mich der Blick auf meinen
Herrn und Meiiter ſtets befeligte, mich beſſerte, liebevoller,
mneigennägiger, gewilfenhafter, muthiger zu allem Guten,
mich gottähnlicher machte! O, daß ich zu einer innigen
‚Gemeinfhaft mit Gott und Jeſu gelangte, daß ich nur in
dieſer innigen zarten Verbindung leben, mich gluͤcklich fuͤh⸗
— 39 —
len Eönnte, und jede Abweichung von dem Wege des Chris
fien mir Reue und Quaal verurfachte! Ä
Großer Gottesgeiſt, erfülle Du mein Herz, geleite Du
wich auf diefen Weg, erwede und feſtige Du in mir den:
zweifellofen Glauben meiner Väter, Tindliche Einfalt und
wahre Demuth, und fchaffe aus mir einen Chriften in That.
und Wahrheit! Amen! Amen!
Ich muß und ſoll ald Lehrer der Jugend ein wahrhaft:
gottesfürdtiger, frommer Menfch, aber ich darf fein Seh
tirer fein. — Durch erfteres hauche ich der Jugend leben
Dige Religiofität ein, das Hoͤchſte, was ich veranlaffen
kann; durch leßteres würde ich Wahnwig, geiftlichen Hoch⸗
muth und ein unverftändiges, aberwigiges Klügeln anbil-
den, meine Schüler unduldfam, verfchroben und yphari-
ſaͤiſch machen.
Die Toleranz (oder die Duldung fremder Glaubensge⸗
noffen) , fo verhaßt diefes Wort unvernünftigen Giferern
auch. fein mag, fol ich auf feine Weife in der Schule un
tergraben,, fondern diefelbe befördern, zumal da biefes ohne
Schwächung des eigenen Glaubens gefchehen kann. — So
verfchieden die chriftlichen Slaubengfchulen auch fein mögen,
fo muͤſſen doch alle in dem Punkte der Humanität zuſam⸗
mentreffen. „Das ift ber Einigungspunft aller Religionen,
„Die, wie Herder fagt, „nicht für das Tollhaus erdacht
„ſind; denn fein Vernünftiger verwirft die Anfoderung,
„saß der Menfch feine Beitimmung als Menſch erreichen,
‚amd daß er gegen Andere fich Tiebevoll betragen muͤſſe
„ab Tolle.”
— 40 —
Mein Baterland enthält denjenigen Theil der Menfch-
beit, mit welchem ich durch Sprache, Eitte, Bildung und
Religion verbunden bin. Alle Liebe, die ich demnach zu der
Menfchheit in meinem Herzen empfinde, verdient auch das
Vaterland. Shm gehöre ich zunaͤchſt an, da ich vielleicht
nie in den Fall fomme, an irgend einem Menfchen aus einem
fremden Volke die Pflichten der Menfchheit erfüllen zu koͤn⸗
nen. Die heilige Schrift, die Stimme Gottes in mir, das
- Beifpiel der ebelften Voͤlker, der beften Menfchen, und die
Natur der Sache felbft fagen mir deutlich, daß ich dem
Baterlande mit zarter Liebe, mit unmwandelbarer Treue
anhangen, ihm alfe meine Kräfte widmen, ja, daß ich ſtets
bereit mich fühlen müfje, alles, felbft mein Leben, für das⸗
felbe zu wagen. Alles, was nun von der Menfchheit und
dem Baterlande gefagt werden kann, gilt von dem Orte,
in welchem ich geboren bin, oder in welchem ich Iebe. Des
Ortes Befte fol ich demnach nad, allen Kräften fördern.
D Gott, flärfe Du meinen Vorſatz, meine Kraft, be-
fonders durch meinen Beruf für den Ort wohlthätig
zu wirfen.
Der Landesvater ift der Gentralpunft des Landes: fein
Wohl fol das Wohl feines Landes, feine Freunde die.
Freude des Landes beurfunden. Alle Liebe und Treue dem
Landesvater erwiefen, genießet das Land, zu deffen Wohl
er Liebe und Treue empfängt. Die Begriffe Menfchheit,
Vaterland, König hangen innig zufammen, und nur ein
Menfchenverachter kann mit Freuden Trennung und Em⸗
poͤrung verurſachen.
Darum will ich der Jugend ungeheuchelte Liebe, un⸗
wandelbare Treue und aufrichtige Hochachtung vor Koͤnig
und Vaterland einzupraͤgen ſtreben, will einen feſten Sinn
— 1 —
für Ehre und Gerechtigkeit, Pflicht und Weisheit im Nar
tionalgeifte zu erfchaffen und zu erhalten tracdhten ‚Yund! das
durch die Kraft der Religion; denn auch ihr entftammt der
ächte Baterlandöfinn. Kann ich dann dem Ort, Land,
König und der Welt ald Vaterlands⸗ und Menfchenfreund
feine glänzende Dienfte erweifen: fo wird mein Wirfen
Darım nicht weniger wohlthätig fein.
Ad, hielte nur die Kraft mit meinem Willen gleichen
Schritt! Doc, treue Hebung fegnet der Höchfte!
Viertes Capitel.
Humans Charakter.
Human beſchreibt in ſeinem beſchaulichen Leben von
Neuem den Kreislauf, den er ſchon einmal durchlaufen.
Der Hauptzweck aller Erziehung, die er genoſſen, war
zunaͤchſt Ausbildung des edlern Menſchen in ihm, und ſpaͤ⸗
terhin kam erft die Bildung im engern Sinne ald Lehrer
hinzu. Zuerft tritt nun der Hauptzwed mit aller Klarheit
und Innigkeit in ihm hervor, und blühet einer reichen
Frucht entgegen, während deſſen die Ausfaat, im engern
Sinmnmne dem Lehrthum geftreut, im Stillen Teimet und
ſproſſet.
Die Zahl der nunmehr von ihm mit Verſtand und Ge⸗
muth klar angeſchauten Grundſaͤtze iſt zwar nicht groß,
| zumal, wenn man diefelben fcharf fcheiden, und die Ges
danken, bie fich wiederholen, ausmärzen wollte; aber bie
— 42 —
meiſten derſelben ſind groß und ehrwuͤrdig; er hat ſie mit
den edelſten Geiſtern, welche die Menſchheit geziert und
begluͤckt haben, gemein, und fuͤr ihn ſind ſie wichtig, da
ſie ſein ganzes Innere ergriffen und geſtaltet haben, und
er ſein Handeln, oder noch mehr, ſein inneres und aͤußeres
Leben darnach einrichtet. — Dieſe Ideale, obgleich nicht
von ihm erfunden, aber doch klar von ihm gedacht, beneh⸗
men ihm nicht, ſondern geben ihm erſt die wahre Geiſtes⸗
freiheit. Er nennt Zuͤgelloſigkeit, die keinem Geſetz Got⸗
tes und der Welt ſich willig unterordnet, ſondern nur
nach Launen und Geluͤſten handeln will, nicht Freiheit.
Der Menſch iſt frei, ſagt Human, wenn das Geſetz in ſei⸗
ner Bruſt, ihn Gott und der Menſchheit naͤher bringt; ohne
dieſes Geſetz iſt der Menſch ein Sclave der Suͤnde und
Thorheit. Die Muͤhe, welche dieſes Beſtreben nach Wahr⸗
heit und Tugend ihm koſtet, iſt ſeine Freundin. Die Luſt
zu dem Hoͤheren ließ ihn die Hand dieſer Freundin mit
Innigkeit erfaſſen und feſt halten, und mit dankendem Ge⸗
muͤthe erkennt er ihre Huͤlfe. Und wie das ſauer erwor⸗
bene Brot am beſten ſchmeckt, ſo wurde auch ihm die Frucht
der Muͤhe und Anſtrengung die ſuͤßeſte. Da dieſe aber von
ihm mit Muͤhe erworben iſt, ſo hat er den Weg kennen
gelernt, der zu ihr fuͤhrt; und indem er die Jugend zum
koͤſtlichen Baume hinfuͤhrt und Anſtrengung verlangt, weiß
er viel zu erzaͤhlen von der Anmuth des Baumes und der
Suͤßigkeit der Frucht, belebt dadurch die Hoffnung der Jugend
und verdoppelt ihre Schritte, ohne daß ſie es merkt.
Mit raſtloſer Thaͤtigkeit iſt er bemuͤht, jeden fruͤher ehe
dargereichten Gedanken aufs Neue fcharf zu überbenfen,
amd neue zu ſammeln; und mit warmer Liebe bildet er
dieſe zu Entwürfen für ein beſſeres Sein und Wirken in
feiner Seele aus.
— 43 —
Daher achtet er gelehrte und weiſe Maͤnner ſo hoch;
daher ſitzt er zu ihren Fuͤßen, wie einſt Paulus zu Gama⸗
liels Fuͤßen geſeſſen; lebt in großen Geiſtern und Seelen,
und kanu nicht begreifen, daß ſolche Schaͤtze der Menſch—
beit nicht allgemeiner erfannt und verehrt werden.
Seine Muße, die er nicht für einigefÖrofchen verfauft,
erlaubt ihm vwielfache Vefchäftigung; er wendet fie näglich
an, für ſich, und darum auch für die Menfchheit. Die
Natur ift nebft dem göttlichen Worte feine Lehrerin, und
darum ftudiert er fleißig ihre Tiefen. Er fucht die Geſell⸗
ſchaft gebildeter Menfchen auch von niederen Ständen und
Bewerben, um in der Welts und Menfchenfenntniß weiter
zu fommen, und nicht ein einfeitiger Pedant zu werden,
der die Welt nur aus Büchern anfieht und fennt. Erlefene
Schriften über fein Fach, Dichter und Gefchichtfchreiber
Tieft er mit größtem Vergnügen, und vergleicht das Erfernte
mit feiner Einficht und Erfahrung. |
Darum ift er ein Mann von gefunden, hellem Ber;
ftande und fchönem Geifte; darum ift feine Sprache fo rein,
fo verſtaͤndlich und natürlich; darım genügt ihm nicht der
Blick auf Das Einzelne: er fucht einen ftets höheren Stand-
punft zu gewinnen, von wo er das Allgemeine zu gewahs
ren vermag, und darum gewinnt fein Geift immer mehr
Strebfraft, immer mehr Lebendigkeit, Stärfe und Sicher⸗
beit in Anfichten, die allenthalben fich zeige. Dabei ift
feine Phantafie Iebhaft, aber er fucht fie ſtets unter ber
Herrſchaft der Bernunft zu halten. Ein heiterer Scherz
begleitet feinen unbefangenen Geiftz es ift ihm klar, daß
er der Zugend gerade durch dieſe Eigenfchaften recht
nüßlich werden könne, indem er burch diefelben zu willi⸗
gem Selbjidenfen aufinuntert, ja auf eine angenehme
Art zwingt. Ä
— 44 —
Er legt einen hohen Werth auf fammtliche Gegenftänbe,
durch bie er bilden, unterrichten will; fucht Diefelben immer
mehr zu durchfchauen, und Tieblich Cjedoch nicht tändelnd)
einfach und klar, nicht ſpitzfindig, vor die Augen zu ftels
Ien, oder rührig und finnig mit den Schülern einzuäben.
Nichts in feinem Face ift ihm gleichgültig. Mit regfas
mem Geiſte faßt er jegliches Beflere auf, und fucht e8 in
feinem Kreiſe zu benugen.
Die ganze Welt ift feine Schule, aus der er für die
Seinige lernt. Daher fommt es, daß fein Unterricht fo
überzeugend, fo vielfeitig bildend ift, daß er Segliches in
der Schule fo richtig zu würdigen weiß, daß er, vorzügs
lich da mit Ueberlegung zu Werfe geht, wo er gegen Ges
wohnheit und Sitte reden und handeln muß. Gein Stres
ben geht dahin, ſich ſtets von feinem Verfahren die richtigen
Haren Gründe anzugeben, zur rechten Zeit firenge, zur
rechten Zeit nachgebend zu fein, damit er nicht als Teibens
- fchaftlicher, flürmifcher Mann, oder ald Falter Eonfequen-
zenmacher (Vernünftler) erfcheine., Er hat wenig zu flrafen,
weil er durch die beiten Einrichtungen den Fehlern vors
beugt, durch die forgfältigfte Belehrung einen allgemeinen
Widerwillen gegen jede Unart aufregt, und dort mit väter
ficher Liebe und hohem männlichen Ernfte zurecht weifet
und flraft, wo der Schüler gegen das, was nothwendig
gefchehen oder unterlaffen werden mußte, gefehlt hat.
Hat er irgend eine Einrichtung zu machen, fo fucht er
den Geift derfelben firenge und ganz aufjufaflen, und in
dieſem Geifte, in allen, felbft den kleinſten Theilen zu hans
bein, woburd) eine gewiffe Einheit, ohne aͤngſtliche Berech⸗
nung in feinem Handeln erzeugt wird.
Jede feiner Obliegenheiten, die fein untergeorbnetes
Verhaͤltniß fodert, erfüllt er mit gewiflenhafter Treue, mit
— 5 —
willigem Herzen; und gerabe durch diefe Treue und Willigs
keit, die jeden Hochmuth zuruͤckweiſet, gibt er den gering.
fien feiner Handlungen eine gewiffe Würde.
Diefe Treue und Gewiffenhaftigfeit offenbaret er in
allem feinem Thun; aber dennoch urtheilt er nicht lieblos
über die fehlerhaften Handlungen Anderer: er geht vielmehr
firenge mit fich zu Rathe, ob er in derfelben Lage, in dem⸗
ſelben Verhältniß nicht eben fo fehlerhaft gehandelt haben
würde. Wie aber, denkt er, vermag ich mich ganz in bie
Lage dieſes oder jenes Menfchen zu feßen, da er anders
organiſirt, und vielleicht ſich weniger felbft verſteht, weni⸗
ger zum Guten gewöhnt worden ift, als ich. Fehler aber,
welche die Bosheit verübt, Fehler folcher Lehrer, durch
welche die um fie aufblühende Jugend, befonders in fittli-
cher Hinficht rüdwärts fchreitet — zumal wenn ſolche Mens
fchen mit Elephantenfüßen die frifchen, aufftrebenden Kräfte
eines muthigen Sugendlebeng zerftampfen, die zarte Blume
der jugendlichen Gemüther zerknicken, mit groben Fäuften
ein Sclavenjoch auflegen, das Muthlofigkeit, Murrfinn,
Troß und Empörung in den zarten, jungen Seelen fchafft,
und mit ungefchlachten Starrfinn und flegelhafter Grobheit
der Sugend den Fuß auf den Naden ſetzt ıc. — Fehler der
Art mag er nicht entfchuldigen und gut heißen, indem
Gleichgältigkeit gegen folches Verfahren, oder ein Dulden
deſſelben aus allerlei Nücfichten große Sünde, eine Sünde
gegen den heiligen Geift der Menfchheit fein würde. In⸗
defien leitet auch hierbei ihn weder Haß noch Zorn; er
will nur unfchäblich machen, wo er nicht beffern Fann.
Dabei fchlägt er fein Verdienſt nicht mit bloß befcheidenen
Morten (wie bag fo oft gefchieht), fondern in Wahrheit
nicht zu hoch anz denn er weiß am beften, wie weit bie
MWirklicyleit feines Wirkend von dem Ideale entfernt ift,
Das er in treuer Bruft trägt; weiß, wie viel er noch fehlet,
— 46 —
und wie er beim beſten Willen nicht alle Tage derſelbe iſt;
aber ſeinen guten Willen, ſeine Achtung vor Religion, vor
Wiſſenſchaft und Kunſt, und vor Menſchen, die hierin über
ihm ſtehen, achtet er an ſich ſelbſt.
Ein vortreffliches Herz, ein feines Gemuͤth achtet er
an jedem Menſchen mehr als glaͤnzenden Verſtand; doch
fteigt feine Hochachtung vor dem bedeutend höher, in wel⸗
chem er beides verpaart fieht, und die Beharrlichfeit, mit
welcher er diefe Hochachtung fefthält, wird nicht durch eins
zelne Fehler des Verehrten, oder durch ſolche Verhaͤlt⸗
niſſe erſchuͤttert, die den Verehrten an ſich nicht weniger
ehrenwerth machen; er erkennt die Vorzuͤge, wie ein
Pyrrhus ſelbſt da an, wo es zum eigenen Schaden ge⸗
reichen koͤnnte. |
Ein Freund ber Wahrhaftigkeit und bes argloſens Wer
ſens, fchmeichelt er Niemandem, hoffet er. das Beſte; ale
Menfchenfreund zuͤrnet er feinem Menfchen, duldet Ummwifs
fende und vom Wahn Geleitete. Er ift empfindlich über
das Unrecht, das er erleidet, aber er kann auch leicht ver
zeihen. Wo feine Rechte mit der Billigkeit flreiten, da han⸗
delt er als edler Menſch nachgebend und fanft.
Er kann Gefälligfeiten annehmen, weil er felbit ges
fällig ift; aber die Annahme derfelben wird ihn nie zu uns
gerechter Behandlung und zum Borziehen einzelner Schüler
verleiten.
Er Tiebt König und Vaterland, Freunde und feine
ſtrebenden Schüler mit befonderer Innigfeit, fagt Jedem
Har, was er will, und läßt dieſes befonders feine Umge⸗
‚bung nicht erft aͤngſtlich errathen. |
Wohlwollen belebt fein Inneres: er ft ein liebreicher
Bater zu Haufe und in der Schule, theilnehmend gegen
Menfh und Thier, und lebt glüdlich in dem Gedanken,
— 1 —
daß auch durch ihn bie Menſchheit in einem Theile vor⸗
anſchreite.
Darum iſt Deſpotismus und Satyre, die doch das Herz
nicht beſſert, ſeinem Gemuͤthe fremd, ja demſelben von jeher
verabſcheuungswuͤrdig geweſen; darum erkennt er bei ſeinem
Erziehen das Geſetz der Vernunft an, und handelt in ſei⸗
nem Wirkungskreiſe beſtmoͤglichſt auf eine Art, wie er
wuͤnſcht, daß das ganze Menſchengeſchlecht behandelt wer⸗
den moͤchte; darum iſt ſein Gemuͤth unbefangen und froͤh⸗
lich, ſein Umgang herzlich, ſeine Foderung Billigkeit, Nuͤtz⸗
lichkeit, Gutes, als erſte Pflicht der Vernunft, der Humani⸗
taͤt, der geſellſchaftlichen Rechte; aber auch darum tritt er
dem Geiſte der Unduldſamkeit, der Haͤrte und Traͤgheit
beherzt entgegen.
Er handelt mit Maͤßigung und Enthaltſamkeit, und nur
hoͤchſt ſelten mag ihn ſein lebhaftes Temperament uͤberra⸗
ſchen. Schwer wird es ihm, ſich uͤber abſichtliche Verken⸗
nung ſeines Strebens und uͤber Gemeinheit, welche die em⸗
pfindlichſte Seite ſeines Herzens kraͤnken, das ſich doch nim⸗
mer genug thun kann, hinwegzuſetzen; aber er iſt ſehr
bemuͤht, auch darin ſich zu erheben.
O, moͤchteſt du, edle Seele, nicht zu ſehr gekraͤnkt wer⸗
den, damit der Schmelz deiner Empfindungen nicht, wie bei
ſo manchen Edlen, abgeſtreift werde von der zarten Blume
deines Herzens; damit deine klare offene Stirne der Thron
der Heiterkeit und Freude, dein ruhiges, ſanftes Auge die
Wohnung des ungeheuchelten Wohlwollens und der Spiegel
tiefer, ſchoͤner Gedanken, dein freundlicher Mund, der Ver⸗
kuͤndiger lieblicher Lehren, des Scherzes und der Mannes⸗
beredtſamkeit, deine reine Wange der Sitz der Sittſamkeit
und Reinheit, kurz, deine Geberde die Traͤgerin reiner
Manneswuͤrde bleibe, und deine ganze Weſenheit ferner
Ehrfurcht und Liebe einfloͤße; damit du immer ungeſtoͤrter
— 48 —
dem hohen Geifte Wohnung in dir bereiten mögeft, der ba
ift: heilig, einig, mannigfaltig, fcharf und behende, rein
und Far, ernft und frei, wohlthätig, leutfelig, feſt, ge
wiß, fiher, — ber ba alles vermag, alles fiehet, durch
alle Geifter gehet, wie verftändig, lauter und ſcharf
fie find *)!
*) Der Berfaffer will nun im Allgemeinen das folgende als Humans
Anfichten über Lehrertfum und Schuleinrichtung jedoch mit dem
Borfage folgen Laffen, diefe im Laufe der Zeit mit aller Anftrengung
und Liebe zur Sache zu reinigen und gu vervollftändigen, bamit
diefelben mehr und mehr ald Grundfäge eines humanen Lehrers wuͤr⸗
dig: erfcheinen, |
Zweite Abtbeilung.
Geift der humanen Schulzucht.
Bon dem Geiſte der Schulzucht.
Erftes Bud,
Bon der Zucht im Allgemeinen.
Erstes Tapitel.
Bon der Zucht im Allgemeinen, insbefon
dere Des Menſchen.
Unter Zucht im weiteften Sinne verftehen wir die pofitive
und negative, abfichtliche und nicht abfichtliche Einwirfung
aller Berhältniffe auf die innere und dußere Geftaltung
eined gefchäffenen Weſens. Das Ergebniß diefer Einwir⸗
fung ift für das Weſen von größter Wichtigkeit. Man
laſſe 3. B. einen Menfchen, ein Thier, oder auch eine
Pflanze unter andern Berhältniffen, nämlich unter einem
andern Elima, in einer andern lebendigen oder Teblofen
Umgebung, die direft oder indireft, poſitiv oder negativ,
gut oder fchlecht auf Diefelben einwirft, entftehen oder auf:
wachen, und dieſes Wefen wird fich in der Regel, aud)
anders geftalten. Daraus folgt nicht, daß Menfchen und
Thiere unter gleichen dußeren Verhältniffen ganz Diefelben
werben ; denn die Macht diefer Einwirkung wird auch von
der ihnen von Natur inwohnenden Cigenthümlichfeit des
Weſens beſtimmt Cmobificirt), fo daß ein und daflelbe
Berhältniß auf verfchiedene Individualitaͤten verſchieden
4 *
— 52 —
wirkt — wie denn uͤberhaupt verſchiedene Faktoren in der
Regel auch verſchiedene Produkte geben muͤſſen. Dieſe In⸗
dividualitaͤt tritt bei den Pflanzen weniger, bei den Thie⸗
ren ſchon mehr, bei dem Menſchen aber, als einem freien
Weſen, am meiſten und deutlichſten hervor, ſo daß jeder
Menſch von Natur ſchon ein anderer iſt. So ungleich der
Koͤrperbau der Menſchen iſt, ſo ungleich mag auch die
Seele, der Geiſt der Menſchen fein: und wie wir vom .
haͤßlichſten Pefcheräh bis zum fchönften Eircaffier eine Stu⸗
fenfolge in der dußern Geftalt gewahren, fo möchten wir
auch wol eine eben ſo fanft ſich anfitufende Neihe in den
Geiftern vom Gretin bis zu unfren Kanten, Schillfern und
Kepplern finden, felbft wenn wir biefelben gleich nach ihrer
Entftehung, von allen fernern Außeren Berhältniffen noch
unberührt, genau genug betrachten koͤnnten. —
Bei der verfchiedenartigften Einwirfung der Verhaͤlt⸗
niffe auf Wefen, und bei deren verfchiedenartigfter Indi⸗
vidualitaͤt, geht aber feines berfelben aus feiner Gattung
heraus. Seder Gattung ift von dem Allmächtigen eine eis
genthimliche nothwendige Vefchaffenheit gegeben, die durch
nichts aufgehoben werden kann. Es ſcheint mir dieſes wich⸗
tige Geſetz ſich in dem Umſtande auszuſprechen, daß Ba⸗
ſtarde ſich nicht fortpflanzen. Hier mag vielleicht das Eigen⸗
thuͤmliche in Gefahr ſtehen aufgehoben zu werden; hier
ſtehen vielleicht eutgegengeſetzte Pole zweier Gattungen ſchon
zu nackt, zu nahe an einander. Vielleicht darum kann durch
alle Einwirkung von Verhaͤltniſſen der Menſch nie ein Thier,
aber auch eben fo wenig hier auf Erben ein Engel werben:
er wird in jedem Falle ein Menſch bleiben. —
Der Menfch gehört der Erbe und dem Himmel an: er
ift ein Wefen für finnliche Anfchauungen, Empfindungen
und Begriffe gefchaffen, aber auch ein Geift für erhabene
Ideen berufen, die im Kreife feiner firmlichen Anfchauung ıc.
— 53 —
nicht liegen. Ihn nur fuͤr die Erde erziehen — heißt den
ihm eingehauchten Odem des Allmaͤchtigen nicht beachten;
ihn den Kreis ſinnlicher Begriffe und irdiſcher Verhaͤltniſſe
uͤberſpringen laſſen, nur durch Ideen fuͤr den Himmel bil⸗
den, und nur Himmelsfrucht von ihm verlangen; — heißt
ihn nothreifen, ihn gegen Gottes Ordnung uͤber ſeine Sphaͤre
erheben, ihn verkruͤppeln. Er kann das werden, was er
nach dem Willen Gottes werden ſoll — ein Menſch. Daß
er dieſes werden koͤnne, dafuͤr hat Gott durch die eigene
Geſtaltung des menſchlichen Weſens an ſich, naͤmlich der
Beſchaffenheit der Vermoͤgen und Anlagen, und durch Hin⸗
ſtellung von allerlei Verhaͤltniſſen geſorgt, welche letztere
theils die Natur, theils die Kunſt darbietet.
Zweites Capitel.
Bon der Zucht, welche die Natur dem Men
fhen angedeihen laͤßt.
Jede Einwirkung lebendiger Weſen und lebloſer Gegen⸗
ſtaͤnde der Umgebung auf den Menſchen, in ſo fern ſie nicht
der Erfolg unſrer eigenen Abſicht und Freiheit iſt, wollen
wir Zucht der Natur nennen. Dieſe geht freilich oͤfter
. nach dem Gefeß ber Nothmwendigfeit gebietend, fordernd,
aber meift nur anbietend zu Werfe, und die Natur bes
Menfchen zwingt entweder zur Annahme des Dargebotenen,
oder erlaubt diefelbe, oder ftößt Das Dargebotene zurüd.
Sie thut demmach der Natur des Menfchen Feinen willfürs
lichen Zwang an, und will ihn nicht aus feiner Gattung
heraustreiben. Dennoch hat fie den wichtigften Einfluß auf
feine äußere und innere Geftaltung. Bilder fich der Menſch
— 54 —
doch am beſten zum Menſchen, wenn er, als geborner Chriſt,
von Jugend auf das Schöne, welches Natur Cin gewoͤhn⸗
licher Bedeutung) und Kunft ihm darbieten, rings um ſich
gewahrt; wenn er in feierlichen Augenblicken ben Geift der
Glieder der Familie, der Schule, der Gemeinde, welcher
er angehört, in Andacht zu dem höchften Weſen fich erhes
ben ſieht; wenn er den Ausdruck ſchoͤner Gefühle in fchde
ner und beftimmter Sprache hört; wenn Frieden und Eins-
tracht bei ihm wohnen; wenn er die Qugend geliebt und
das Lafter verabfchent weiß; wenn er rings um fich Thaͤ⸗
tigfeit und Aufmerkſamkeit, Ordnung und Neinlichfeit als
etwas Nothwendiges erkennt; wenn er bie Folgen guter
und fchlechter Handlungen der Menfchen deutlich wahrnimmt ;-
wenn nur Anftändiges um ihn vorgeht, und jedes Gute
und Liebliche ihm nahe tritt. Findet das Gegentheil von
Diefen Einwirfungen Statt, fo wird bei aller angebornen
Freiheit des Menfchen, der Erfahrung gemäß, gewöhnlich
das Gegentheil einer wünfchenswerthen Geftaltung erfolgen.
Da aber das Gute, Große und Schöne in feiner Vorzuͤg⸗
lichkeit auch durch feine Gegenfäte erfannt wird, fo fchadet
das Gemifch von Gutem und Boͤſem, Schönem und Haͤß⸗
Kent, Erhabenem und Gemeinem nicht immer, wenn nur
bie Eindruͤcke für das Achtungswerthe fich erſt gefeſtigt
Haben. Die Hanptforge des Erziehers ift darum Abwen⸗
dung fehlechter Einwirkungen für das zarte Alter, und Deis
tung manches Dunkeln und Näthfelhaften in der Umge⸗
biitg des Kindes, damit die Natur edel erzichend ein»
wirken koͤnne.
— 55 —
Drittes Capitel.
ı Bon der Zucht, weldhe die Kunft bem jun⸗
gen Menſchen angedeihen laäßt.
Hier iſt abſichtliche Einwirkung anf den jungen Mens
ſchen zu feiner Erziehung, hier ift Unterricht. Auch jene
Abwendung fchlechter Einwirkungen und jene Deutung des
Dunkeln und Räthfelhaften gehört darum hicher. Das
Hauptgefchäft des Erzichers ift aber hier, Einwirkungen zu
fhaffen, abfichtlich durch eigene Mittel und Vorkehrungen .
in dem Zöglinge, einem edlen Zwede gemäße , Berändes
rungen hervorzubringen. Wohl ihm und der Sugend!
wenn biefelben den natürlichen ähnlich find. Auch hier muß
nichts ohne Roth aufgedrungen werden; aber ber Zoͤgling
muß auch in biefen Verhältnifien, unter dieſen Einwirkun⸗
gen leben und weben. Hier kann ſich biefe Einwirkung
dann um fo leichter edel geftalten, wenn biefed von dem
Beftreben wahrhaft weifer dazu erwählten Perfonen abs
hängt. Die Kunft in ihrer Vollendung gleicht der Natur.
Wuͤnſchenswerth wäre es darum, daß fie in allen Theilen
ald eine vollendete aufträtes der junge Menſch würde
dann in feinem Wachsthume nicht gehemmt: er ginge auf
feinem Wege nur an der Hand ber Natur, undeiner zweiten
Ratur, der Kunft fort. Wie die Natur in der Negel Feine
übertriebene Anfoderungen an ihn macht, alſo verfahre
auch die Kunft: fle ermweitere ſtets bie Sphäre feines Wiſſens,
vereble das Sein. : "
Indem aber der Menfch feine Einwirkung gerne zum
Syſtem erhebt, weicht er nicht felten ganz von dem Wege
der Ratur ab; er will frei, ungebunden fein, femme Ideen
ohne Ruͤckſicht verfolgen, und geräth dann ind Ueberfchweng-
— 56 —
liche, (in Extreme) ins Unnatuͤrliche, und wirkt ſchaͤdlich
auf die Jugend, das Produkt der Natur. Der Erzieher
muß darum ſtets die natuͤrlichen Verhaͤltniſſe, fo wie die
Natur des jungen Menſchen vor Augen haben, und ſeiner
Einwirkung muß ein Prinzip zum Grunde liegen, das aus
der Natur und Beſtimmung des Menſchen geſchoͤpft iſt, und
bei deſſen Anwendung man nie die leitende Hand der Natur
vermiſſet. Wenn dieſes Prinzip aus der Natur des ganzen
Menſchen und aus ſeiner Beſtimmung geſchoͤpft iſt: ſo muß
es fuͤr jeden Menſchen ohne Ruͤckſicht auf Klima, Beſchaf⸗
fenheit des Bodens, auf Lebensart, Stand, Verfaſſung,
Religion, Alter und Geſchlecht natuͤrlich, alſo ganz allge⸗
mein guͤltig ſein.
Zweites Bud, |
Den dem Princip der Schulzucht.
Brstes Capitel.
Begriff von Schulzucht.
In jeder Schule muͤſſen Aufmerkſamkeit und Fleiß,
Drbnung, Vertraͤglichkeit und Ruhe herrſchen; Lug und
Trug, Ungehorfam und Eigenfinn,, Trog und Widerfpens
ftigleit muͤſſen in berfelben als abſcheuliche Laſter gehaßt
und geflohen, unb dagegen Reinheit bes, Gemuͤthes, der
inneren und dußeren Sitten, Zugend und Froͤmmigkeit ges
liebt, und mit Sorgfalt gepflegt werben ıc. Gehören Sehler
gegen diefe Anfoderung nur zu den Ausnahmen, fo herrfcht
ein guter Geift in der Schule. Die Art und Weiße,
— 57 —
nach welcher Diefer gute Geiſt in der Schule db. h.
in ben Schülern erfhaffen, erhalten und 96
feftigt wird, nenne ich Schulzudt.
Zweites Capitel.
Von den Prinzipen, auf welche man eine
Sqchulzucht gebaut hat.
Der Geiſt des Zeitalters und der Staatsverfaſſung
druͤckt ſein Gepraͤge auch der Schule auf. Als der katego⸗
ng Imperativ der Wilffür im Staate herrfchte, und bei
der Behandlung der Unterthanen das Vernunftgefeß gefans
gen Ing, da war auch die Schule eine Defpotie, der Lehr
zer ein Deſpot, und der Schuͤler ein gemeiner Knecht, der
aur durch Scheltworte und Bafel regiert wurde. Obgleich
ber Geift ber Berfaffung manches Staates in feinen edel
ſten Pflegern ſchon Iängft der Stimme ber Vernunft ges
horchte, und bie Edlen bes Zeitalterd bemüht waren, biefe
befiern Anfichten und Gefühle zu verbreiten, fo blieben doc
Dad Zeitalter und befonders die Schulen im Allgemeinen
noch lange Defpstien, weil eingefogene Borurtheile ſich nicht
fo Leicht wegfchaffen Laffen, und weil nicht jeder Lehrer Kopf
und Herz genug hatte, fein gewohntes, fichered Prinzip mit
einem neuen, unerprobten zu vertaufchen. Sa, bie Schule
blieb fogar an vielen Orten hinter ihrem Zeitalter zuruͤck —
wie. ed denn überhaupt Leichter ift, fich in einem neuen
Geifte behandeln zu laſſen, als felbit in demfelben folge,
recht und ficher Andere zu behandeln — fie gerieth mit dem
felben in Zwiefpalt, und mit Ungeftäm wurde ihr ein ans
bered und darum ein entgegengefeßtes Prinzip aufgedrungen.
— 58 —
Die Schule ſollte nun dem Geiſte des Zeitalters vorſchrei⸗
ten, und an die Stelle des Bakels trat eine ſchwaͤchliche
Liebe; — ein aͤngſtliches Ueberzengen ſollte die Stelle ber
Scheltworte vertreten.
Es hielt ſchwer den ſchmalen richtigen Pfad zu wan⸗
deln: die Deſpotie wandelte ſich, beſonders zur Zeit eines
allgemeinern republikaniſchen Sinnes der Staatsbuͤrger in
gar vielen Schulen auf einmal in eine Republik um. Viele
Lehrer folgten dieſer Geſtaltung abſichtlich und willig, weil
ſie dieſelbe fuͤr natuͤrlich hielten, machten Schuͤler zu Ar⸗
chonten und Prytanen, und ſetzten einen Areopag ꝛc. Aber
die Glieder des Areopag waren nicht weiſer, als die ge⸗
meine freien Schulbuͤrger; dieſe und jene erhielten aber
dafuͤr deſto mehr Dreiſtigkeit, Mundwerk und Buchſtaben⸗
weſen — und die Ehrfurcht vor dem Lehrer, wie vor allem
hoͤhern Geiſtigen ging verloren: der Lehrer war ein Tyrann
im edlern Sinne des Wortes, und im beſten Falle ein
kleiner, ſehr kleiner Piſiſtratus. |
Mit dem Anfehen des Lehrerd war es aus; er hatte
Mühe den frechwerbenden Haufen der mit einem Zaubers
ſchlag Bernünftiggewordenen und der eben fo ſchnell erftans
denen jungen Menfchenfreunde und freien Republikaner in
Zaum zu halten — er wurbe überwältigt, und griff in ber
Verzweiflung wieder nach dem in Bufch und Bergen wach⸗
fenden Prinzip. Indeſſen war diefes geächtet. —
Man geftaltete num bei der allgemeinern Ueberzeugung
von der Bortrefflichfeit einer monarchiſchen Regierungsform
bie Schule zu einer Monardjie um, und erfannte ald Grund»
fraft die Ehre an. Nun fchien das Mittel auf eine deni
Zeitalter paſſende Art die Jugend zu baͤndigen und zu lei⸗
ten gefunden zu fein. Die Weifen: wandten es mit Vorſicht
an; im Allgemeinen aber ward die Ehre nun der Zauber⸗
ſtab, durch welchen man Woͤlfe und Baͤren in weidende
— 59 —
Laͤmmlein verwandelte. Aber Die Ordensbaͤnder und Sterne
mußte der aufwachfende Bauer, Handwerker ıc. feinem kuͤnf⸗
tigen ®eneral ıc, Üüberlaffen, er mußte aus dem Ritterſtande
zurücktreten und ein gemeiner Mann werden. Das warf ihm
einen Pfeil ind Herz, Das darum fo fchwer verwundet wurs
de, weil ed nur für eitle Ehre zeither gefchlagen hatte.
Drittes Gapitel.
Weitere Unzulänglichleit und Verderblich—
keit diefer Principe
Wird der junge Menfch in der Schule befpotifch ber
handelt, und erfreut er fich dagegen einer eblern Behand»
Iung zu Haufe oder im Leben, fo wird diefer unterbrochene
Deſpotismus feinen Raden zwar nicht ficher gänzlic, beu⸗
gen, feinen Willen nicht durchaus brechen, aber die zarte
Blume feines Gemäthes doch zerfnicken. Der junge Menfch
wirb in feinem Lehrer einen abfchenlichen Defpoten erblis
den, er wirb mit Unluft lernen, und die beften Lehren wer⸗
ben feinen Eindrud auf ihn machen. Er wird dem Orte
fluchen, an welchem er fich mit abſcheulicher Willfür bes
handelt fieht, und wird alles anwenden, wodurch er fi
feiner Feſſeln entledigen Tann.
Lebt er dagegen zugleich in einem befpotifchen Staate
and im Defpotismus zu Haufe: fo wird entweder des Schuͤ⸗
lers ganze Menſchenwuͤrde vernichtet, oder er wird ber
Nothwendigkeit nachgeben, und für die Zukunft wiederum
ein Defpot für feine Lintergebenen werden — und dann
wird die Welt voller Defpoten, denen nur der Zügel los⸗
gelaffen und Gelegenheit gegeben werden muß, um Tyrans
nen im üblen Sinne des Wortes zu werben, wie wir biefee
— 60 —
am Drient und Occident durch Beiſpiele aus der Geſchichte
hinlaͤnglich belegt finden. Der Menſch von Humanitaͤt, wie
er fein fol und ſein kann, geht demnach aus der Anwen⸗
dung diefes Prinzips nicht hervor. —
Daß die Schule gänzlich, einer Republik gleichen folle,
iſt wol nie im Ernfte von Vernünftigen folgerecht behaups
tet und durchgeführt worden. Wie follte auch ein junger
Menfch, ein Knabe, allenthalben willen, was zu feinem
Frieden dient? Er wäre dann Fein Schüler mehr; das
Lehrgeſchaͤft wäre dann das elendefte und jaͤmmerlichſte
der Welt, und die Begriffe, unwuͤrdigſter Menſch und Leh⸗
rer wuͤrden dann, wenigftens im Allgemeinen, gleiche Bes
deutung haben. Aber man hat doch in allem Ernſte bar
durch ein Aehnliches aufgeftellt, daß man fchmächliche Liebe
und vermoralifirende (man erlaube mir den Ausdruck) Les
berzeugung, ohne Die gehörigen Stüßen beizugeben, als ein
ficheres Prinzip der Schulzucht anerfannte Mag man ims
merhin bei zarten Naturen und Schwächlingen mit ben
angenehmen Erweifungen ber Liebe, oder mit einem betruͤb⸗
ten Gefichte, oder mit einem ernften Liebesworte ausrei⸗
chen; fo kommt man doc nicht mit einem Haufen frifcher, mus
thiger und Fräftiger Knaben dur. Diefe Liebe erfcheint
ihnen mit der Zeit in ihrer wahren Geftalt, als weibifche
Schwäche; das Magdalenengeficht eines Mannes ift ihnen
eine eckelhafte Fratze, und das ernite Wort defielben dann
ein matter ober umgelehrt geladener Schuß. Mag ferner
das Ueberzeugen immerhin bei gutmüthigen, bedachtfamen
und finnigen Naturen feiner Wirfung nicht verfehlen; bei
einem Haufen feuriger, unbedachtſamer, thatkräftiger Bu⸗
ben werden bie fo weit entfernt liegenden Folgen nichts
helfen; ber Lehrer wird verlacht amd verfpottet werben,
und erft das Unglüf mag den jungen Menfchen, und dann
denfelben vielleicht zu fpät zur Beſinnung bringen. ‘Dem
— 614 —
Leichtfinn und dem Muthwillen werden dadurch Thor und
Thür geöffnet; denn dem eigentlichen Strafen gehen hun-
dert Ermahnungen, Berweife und Drohungen voraus, und
der Schüler merkt fi, wann er nachgeben müffe, um bald
wieder um fo ungeftrafter fehlen zu dürfen. Der Lehrer -
erfcheint ihm als ein Menfch, den man an der Nafe herum
führen koͤnne, der fich erft von ihm die Erlaubniß zum .
‚Strafen ausbitten muͤſſe, und der dann ſich wol in Adht .
zu nehmen habe, daß er nicht unfänberlich mit bem Kna⸗
ben Abfalon verfahre. In dem Mädchen werden durch
diefe Behandlungsart noch nebenbei der fogenannt prätidfe
Sinn und auch die Empfindelei ‚tiefe Wurzel fallen, fo
baß ber Lehrer biefelbe nicht ohne Nachtheil betruͤbt anfehen .
darf. Mit den Eitern feiner Schüler wird ein folcher Leh-
rer in befländiger Spannung leben, da er diefe in ben
Kindern beleidigt: furz, er wird ein Gegenfland der Ber
achtung und bes Bebauerns fein müflen — und aus ber
Schule wird der frifche Sinn, das thatfräftige Xeben vers
ſcheucht bleiben. —
Einige werden mir einwerfen: „Iſt der Schliler tugend⸗
haft, religids, fo wird ber Geift der Schule gut fein.”
Sa wol, der Schüler tugenphaft, der Schüler religids!
Der Schüler fol nad) feſten Grundfägen handeln, foll ein
vernünftiger , fefter Mann fein! Halter ihr Tugend und
Religiofität für etwas fo Geringes, fo leicht allgemein zu
Erfirebendes ? Shr ftüßet euch auf einen Stab, ber noch
meilenweit von euch entfernt in guter Ruhe Tiegt:- ihr
wollet euch und die Eurigen auf Metalfflumpen über das
Meer ſetzen. Schule und Kirche follen den Menfchen dahin
veranlaflen ,; daß verfelbe in Religion und Tugend ein fiches
res Geleit durchs Leben finde ꝛc. Kann man nun das,
was erft erfirebt werben fol, und was bei jo Vielen fi
nie ober erſt fpät zeigt, als einziges und ficheres Mittel
— 612 —
ſchon in der Schule gebrauchen? Richtig ift dagegen ber
Sat: Wenn der Geift der Schule gut ift, fo kann der junge
Menſch um fo leichter zur Tugend und Religion geleitet
werden. — Sept man aber Tugend und Seligiofität bei
den Schülern voraus, fo erjcheinen ihnen biefelben nicht
erftrebungswärdig, erfcheinen ihnen geringe, da fie e8 Dann
mit dem Aeußern fchon abgethan zu haben glauben. In
Schulen der Art wird ber Pharifäismus gepflegt, aber ber
Schüler wird nicht veredelt. —
Iſt es dem Lehrer aber nur um Fleiß und Aufmerk
famfeit zu thun, fo lobe ich mir, wenigftens in Rüdficht
auf feine Zwedimäßigfeit, die Grundfraft der Monarchie,
Die Ehre; jedoch muß man bier nicht firenge zwifchen wah⸗
rer und falfcher Ehre unterfcheiden. Das Saamenforn ber
Tugend und Neligion wil Weile, will lang anhal⸗
tend forgfame Wartung und Pflege haben; benn es findet
im Herzen mitunter Feld, harten Boden, Dornen, Difteln
and Duͤrre; aber wenigftens ein Theil der Ehre hat mit
jener zarten Pflanze nichtd gemein: fie dringet wie ein Pfeil
ind Herz und der fchlechtefte Boden ift ihr gut. Sie kann
gar bald die Triebfeder zu allerlei Handlungen, warum
nicht auch zu Anfirengungen werben; das kann man an ſo
manchen verähtlichen Menfchen deutlich genug fehen.
Die wahre Ehre aber, das Kind der Vernunft und des
richtigen Gefühle, will, wie jedes edle Saamenkorn
Meile haben, und will nicht von einer Laft gedruͤckt fein,
bevor fie die gehörige Stärke hat, viefelbe auch tragen zu
koͤnnen. Dan braucht doch Feine Reifer ald Säulen eines
großen erhabenen Tempels, man nimmt Stämme der him⸗
melanjtrebenden Geber, Granit oder Marmor dazu; Wie
will man denn das zarte, wachfende Pflänzchen der wah⸗
ren Ehre, der Zugend und Religioſitaͤt ſchon in der Ju⸗
gend zur leitenden Grundfraft gebrauchen! —
— 63 —
Freilich äußern biefe Grundkraͤfte ſchon in ihrer Zart-
heit eine gewifle Kraft; denn fie find und heißen auch in
ihrem erfien Wirken fchon Kräfte. Man nehme die jugend;
lichen freiwilligen Aeußerungen ihres Weſens mit Zartheit
und Dankbarkeit an; aber man frümme und verfrüppele
diefelben nicht durch Auflegung zu fchwerer Laſten. Der
verftändige Gärtner gibt dem zarten Stämmchen eine Stübe
‚zum Halt, und fchneidet nicht gleich auf Frucht; der ver
ſtaͤndige Stallmeifter gibt dem jungen Araber in zarter
Sugend nicht die Laſt eines erwachfenen Pferdes; der vers
ſtaͤndige Baumeiſter gibt dem Fundament eines Tempels
verhältnigmäßige Stärke, und der weife Erzieher follte bie
fchönften Grundfräfte bes Menfchen alfo treiben unb vers
kraͤppeln, follte den Menfchen im Menſchen auf eine Grille
bauen? Nein, keines dieſer zeither aufgeftellten Prinzipe
der Schulzucht kann der ficher leitende Grundſatz des Lehr
zer fein. Wir wollen ein Prinzip fuchen, das von dem
Lehrer aus ſtets edel wirft, an das ber Schüler ſich
halten und gewöhnen kann, an dem er ſich empor zu heben
vermag, und das nicht zu viel von ihm fodert. Es muß
vom ganzen Menfchen ausgehen und den ganzen Menſchen
ind Auge faflen; es muß, fobald es richtig und rein aufs
gefaßt ift, in allen vorkommenden Fällen ficher leiten.
Darum muß ed aus ber Natur bed Menfchen hervorgehen,
jeden eblern Menſchen ganz natürlich erfcheinen, unb fo
nahe liegen, daß die bloße Nennung deflelben feine Richtigs
Seit gleich verbürgt.
— 64 —
Viertes Capitel.
Aufftellung dieſes Prinzips.
Dieſes Prinzip, oder noch näher: „der regierende Bein
der Schulzucht“ ift dem Lehrer demnach ber leitende Stern
am päbagogifchen Himmel, ber dem Schiffenden die Grabe
feines Ortes angibt. Wohl ihm, wenn bie Magnetnadel
feines Innern die nöthige Empfindlichkeit hat, und ihn
ſelbſt dann. ficher leitet, wann dichte Wolken den Hortzont
bedecken.
Wir wollen dieſes Prinzip nicht weiter in dem Unter
fchiede einzelner Grundfräfte fuchen, nach welchen Die ver
fchiedenen Staatöverfaffungen verfchieden wirfend auftreten;
denn die Schule kümmert fich weniger um eine Staatsver⸗
faffung, ald um den Menfchen. Wir wollen unfer Prinzip
aus der Menfchenregierung entnehmen , und wiederum nicht
ans der bier und dort beftehenden, fonbern aus der, wie
fie fem fol. Wir werben dann nicht bloß das Prinzip
der Schulzucht , fondern überhaupt auch das der” ganzen
Erziehung, Regierung und Behandlung ded Menfchen finden.
Jedes Ding der Natur fol dad werben, was es nach
feiner Natur werden kann; der Menfh folk ein
Menſch, im ebelften Sinne des Wortes, ein Menſch
werben, und alle Erziehung des Menfchen muß bahin, und
nur bahin abzweden, wenn fie nicht zur Unnatur werben fol.
Wodurch wird aber der Menfch ein Menfh?.-
Der Menfch wird ein Menfch, wenn er, um mich zus
erft ganz menfchlich auszudruͤcken, der Eindlichen Froͤmmig⸗
keit Gellertö, der Tugend und dem Scharfblide Kante,
der Weisheit des Sokrates, dem Hochfinne und Gefchmade
Schillerd, der Feinheit und dem Anmuthe Wielands, der
Zartheit Petrarfas, der Kenntniffe Leibniges, der Willens
— 65 —
kraft Hannibals, der Koͤnigs⸗ und Vaterlandsliebe Bluͤchers,
der Kraft Caͤſars, der’ Staͤrke, Behendigkeit, Ausdauer,
Gewandtheit Achills sc. mit Erfolg in Harmonie zuſtrebt, ja,
jeden. Einzelnen zu übertreffen fucht; oder höher: wenn er
ben Charakter Jeſu nach deſſen Menfchheit in moralifcher. und
religidfer Hinficht, verbunden mit demjenigen, was wir an
den ebelften Menſchen der Erde, in Hinficht auf Wiffenfchaft,
Kunf und Körper, bewundern, in fich zu vereinigen fucht;
ober allgemein: wenn er die Ausgebilvetheit des ganzen
Menſchen im Menfchen, alfo Humanität im weiteften
Sinne des Wortes zu erfireben ſucht. Humanität ift
Das Ganze und das Höchite, was der Menſch erftreben
kaun; in ihr liegt das Richtmaaß für alles menfchliche Sein
und Leben. . Dean verwechfele diefen Begriff, wie ich den⸗
felben bier aufitelle, nicht mit der weniger umfaffenden
Idee der Humanität oder des Neinmenfchlichen, aber noch
viel weniger mit der ihr entgegengefeßten erbärmlichen Vers
drehung, nach; welcher Lafter und Sünden menfchlich ges
nanmt werben. Wer die Hoheit dieſes Begriffs und fein
Alles Umfafiende nicht ahnet, vielmehr diefen Dem, aus ges
meiner Thierheit gefchöpften, Begriff zur Seite ftellt, ber
lege mein Buch zur Seite — er ift einer höheren Anficht
unfähig — der will Himmlifches in den Schlamm treten. '
Kinbeft du irgend, mein ebeldenfender Lefer, etwas
Bertreffliches, das du in deinem hohen Ideal von Ehrifto
und feinen Apofteln nicht geradezu findeft — weil dieſe
kauptfächlich dir nur das Ideal geiftiges Menſchthums im
Hinſicht auf Religion und Zugend fein follen —: fo vers
binde dieſes mit demfelben. zu einem umfaſſenden Ideale,
das für deinen ganzen Menfchen eine Richtſchnur wird:
Nichts darf bir fehlen im Körperlichen und Geifligen, was
dich in den Augen. Gottes und der Menfchheit liebenswuͤr⸗
diger und thatträftiger macht, wenn du glauben follteft,
5
— 6 —
Viertes Capitel.
Aufftellung dieſes Prinzips.
Dieſes Prinzip, oder noch näher: „der regierende Bei
der Schulzucht“ ift dem Lehrer demnach ber leitende Stern
am päbagogifchen Himmel, der dem Schiffenden die Grade
feines Ortes angibt. Wohl ihm, wenn die Magnetnabel
ſeines Innern die nöthige Empfindlichkeit hat, und ihn
ſelbſt dann. ficher leitet, wann dichte Wolfen den Dora
bedecken.
Wir wollen dieſes Prinzip nicht weiter in dem Unter
fchiede einzelner Grundfräfte fuchen, nach welchen bie ver
fchiedenen Staatöverfaffungen verfchieden wirfend ‚anftreten;
denn bie Schule kümmert fich weniger um eine Staatsver⸗
faflung, als um den Menfchen. Wir wollen unſer Prinzip
aus der Menfchenregierung entnehmen , und wiederum nicht
aus der hier und dort beftehenden, fondern aus der, wie
fie ſein fol. Wir werden dann nicht bloß das Prinzip
der Schulzucht , fondern überhaupt auch das ber’ ganzen
Erziehung, Regierung und Behandlung des Menfchen finden.
Jedes Ding der Natur foll dad werben, was es nach
feiner Natur werden kann; der Menſch ſoll ein
Menſch, im ebelften Sinne des MWortes, ein Menſch
werben, und alle Erziehung des Menfchen muß dahin, und
nur dahin abzweden, wenn fie nicht zur Unnatur werben fol.
Wodurch wird aber der Menfch ein Men ht:
Der Menfch wird ein Menſch, wenn er, um mid; ‚zus
erft ganz menfchlich auszudruͤcken, ber tinblichen Froͤmmig⸗
feit Gellerts, der Tugend und dem Scharfblide Kants,
der Weisheit des Sokrates, dem Hochfinne und Geſchmacke
Schillers, der Feinheit und dem Anmuthe Wielands, der
Zartheit Petrarfas, der Kenntniffe Leibniges, der Willend«
— 65 —
kraft Hannibals, der. Koͤnigs⸗ und Vaterlandsliebe Bluͤchers,
der Kraft Caͤſars, ber’ Staͤrke, Behendigkeit, Ausdauer,
Gewandtheit Achills ıc. mit Erfolg in Harmonie zuftrebt,, ja,
jeden Einzelnen zu übertreffen fucht; oder höher: wenn er
ben Charakter Jeſu nach deſſen Menfchheit in moralifcher und
‚religidfer Hinficht, verbunden mit bemjenigen, was wir an
den ebelften Menfchen ver Erde, in Hinficht auf Wiffenfchaft,
Kunft und Körper, bewundern, in ſich zu vereinigen ſucht;
ober allgemein: wenn er bie Ausgebildetheit des ganzen
Menfchen im Menfchen, alfo Humanität im weiteften
Sinne des Wortes zu erfireben ſucht. Humanität ift
das Banze und das Hoͤchſte, was der Menfch erfireben
kann; in ihr liegt das Richtmaaß für alles menfchliche Seit
und Leben. . Dean verwechfele diefen Begriff, wie ich dens
felden bier aufitelle, nicht mit ber weniger umfaffenben
Idee der Humanität oder des Reinmenſchlichen, aber noch
viel weniger mit ber ihr entgegengefetten erbärmlichen Vers
drehung, nach welcher Lafter und Sünden menfchlich ges
naunt werben. Wer die Hoheit dieſes Begriffs und fein
Alles Umfafiende nicht ahnet, vielmehr diefen Dem, ans ges
meiner Thierheit gefchöpften, Begriff zur Seite ftellt, der
lege mein Buch zur Seite — er ift einer höheren Anficht
unfähig. — der will Hinmlifches in den Schlamm treten. )
Findeſt du irgend, mein edeldenfender Lefer, etwas
Bortreffliches, das du in deinem hohen Ideal von Ehrifto
und feinen Apoiteln nicht geradezu findeft — weil dieſe
bauptfächlich dir nur das Ideal geiftiged Menfchthums im
Hinſicht auf Religion und Zugend fein follen —: fo vers
binde dieſes mit demfelben. zu einem umfaflenden Ideale,
das .für deinen ganzen Menfchen eine Richtſchnur wird:
Nichts darf bir fehlen im Körperlichen und Geiftigen, was
Dich in den Augen. Öottes und der Menfchheit liebenswuͤr⸗
diger und thatkräftiger macht, wenn du glauben follteft,
5
— 66 —
ein Menfch im wahren Sinne bes Worted zu fein. Du
wirft aber nie ein vollkommner Menfch werben, da du bei
allen deinen errungenen Eigenfchaften nicht zur Allbeit ber,
felben, und wenn died wäre, nicht zur moͤglichſten Höhe
und zur vollkommnen Harmonie ber Wirkung fämmtlicher
guten Eigenfchaften des Menfchen gelangen kannſt, inbem
diefes fchon zur Idee gehört. Der Stern aber, der bir in
diefer Idee aufgeſteckt ift, wird dich allenthalben ficher
feiten — der Richter in demfelben dich gerecht richten, der
Erzieher und Regierer in bemfelben Dich richtig erziehen und
gut regieren. —
Das Produkt Humanität entwickelt ſich aus allem Gu⸗
ten, Wahren und Schönen ald dem einen, und aus ber
Beichaffenheit unfrer Fähigkeiten und Anlagen ıc. als bem
andern Faktor; fie ift demnach die Tochter der Religion,
der Wiffenfchaft und Kunft und der Uebung fämmtlicher
Kräfte: Indem wir alfo zur Humanität erziehen, beabſich⸗
tigen wir warme Religiofität, wahrhafte - Tüchtigfeit in
Wiffenfhaft und Kunft, und ein freies und leichtes Ans
- fprechen und Wirfen fämmtlicher Kräfte des Menfchen.
Nicht einer diefer einzelnen Zwede kann
alleiniger Zwed der Erziehung fein, ohne baß
Einfeitigfeit in der Ausbildung erfolgen mäßte. Ein wahrs
haft frommer, religidfer Menfch kann fehr ungefchickt und
aͤußerſt ungewandt in Ruͤckſicht auf den Gebrauch feiner
Abrigen Kräfte, und felbit bei der Ausbildung der letztern,
doch in vieler Rüdficht unbrauchbar für die menfchliche Ges
fellfchaft fein. Ein Menjch aber ohne Religion, mag er
Kants und Nentond Intelligenz, Leibnites Gelehrſamkeit,
Rubens und Canovas Kunft befiben, ift ein bewunderns⸗
wuͤrdiger, unglücfeliger Menſch. — Dann ift in der Schoͤ⸗
pfung nichts fchlecht, nichts ohne Zweck. Hat der Menfch
die Kräfte, fo müffen diefelben in ihm entwidelt, geſtaͤrkt
— 67 —
und mit Ruͤckſicht auf ſeinen Stand und Beruf, wie auf
ſeine ganze Beſtimmung ausgebildet werden, ſo muß er
alfo zur Humanität gelangen —
Alle Prinzipe der Erziehung, die man zeither aufge
ftellt hat, vereinigen fich in biefem Prinzip faft ganz, und
ſind mit ihm auf das imnigfte verwandt, wenn gleich nicht
alle den ganzen Menfchen umfaffen, ober auch nicht allge:
meinverftändlich beftimmt ausgedrückt worden: find. .
Die drei Prinzipe „Bilde den Schäler zur Gott
aͤhnlichkeit“ — „Erziehe ihn zu Gottes Ehre,
d. h. erhebe das Höchite in ihm zum Höchiten, und „Bil
de den Schüler für das Ideale,“ find hoch und
erhaben; aber beide erftere begreifen nicht das Phnfifche,
nicht nothwendig Wiffenfchaft und Kunft als folche, alfo
nicht Durchaus den ganzen Menfchen in ſich, wenn gleich
eine gefchickte Dialektik diefe vielleicht wol herausfinden
möchte — in welchem Falle fie dann in foweit mit der
Humanität zufammenfielen — und alle haben den Fehler,
daß der Maaßſtab derfelben nicht ganz von der Art des ges
mefjenen Gegenftanbes ift. . Der Maaßftab des Göttlichen
und Idealen ift ein Maaßſtab des Unendlichen, mit wel
chem man das Enbdliche nicht meflen kann. Was würbe
man fagen, wenn ein neuer Profruftes die Länge aller
Füße durchs Foltern oder Abfchneiden nach dem vollfoms
menften Maaßſtabe dem Parifer Fuß ausgleichen wollte?
Wollte ich meine Schüler als Engel oder Gstter, oder
auch ald Kinder des Teufels oder Teufel anfehen und bes
bandeln, fo würde. unftreitig die größte Unzufriedenheit in
mir mit der Jugend entfichen, und ich würde als zu wiel.
fodernder Murrkopf oder ald Menfchenverachter nicht gut.
auf meine Schüler ‚wirken. Können wir ferner den Mens
fehen nicht hinauf zu Gott, zu dem Idealen ziehen: fo zies
ben wir endlich Gott und das Ideal zu dem Menfchen
5 *
nieder, Woher fonft das Anthropomorphifiren? Wie Länge
nur durch Länge, Fläche nur durch Fläche und Körper nur
durch Körper gemeſſen werben kann, wenn nämlicd, richtige,
verftändliche Schätung des Inhaltes entſtehen fol: fo muß
auch jedes Weſen mit einem Maaßſtabe gemeflen werden,
der mit ihm won einer Art it, Zur Beurtheilung des Mens
ſchen an fih, kann ich demnach, ohne ungerecht zu fein,
feinen andern, als einen menfchlichen Maaßſtab annehmen.
Das Princip aber, das den zu erziehenden Schäler an ſich
falfch beurtheilen laͤßt, kann nicht das durchaus richtige
Princip fein. Mag diefe dee nicht dem Mährchen vom
Prokruſtes, dem Ausdehner und Abkuͤrzer zu Grunde gele
gen haben, fo daß Prokruftes von allen die ihm eigene
Individualitaͤt forderte? Nur ein bifer Willen wird mir
hier andichten, daß ich aus dem Menfchen mit feinen Las
ftern und Thorheiten den Maaßſtab entnehmen wolle; ich
will denſelben vielmehr bloß 'zu feiner Beurtheilung aus
allem an Menfchen ſich findenden höchften Guten annehmen
— und: wer bas wirklich nicht thut — beurtheilt - feine
Schüler — durdaus falſch. - Sollen aber Gottähnlichs
keit, das Hoͤchſte und das Ideale zum Hoͤchſten (oder wie
der Mathematifer ſich ausbrücen würde, ‚zum Fontrollirens
den) Leitſtern dienen, fo iſt diefer in jedem Falle ber befte,
wenn ber Charakter des Menfchthums dabei nicht außer
Acht gelaflen wird. Dann aber ift es Humanität die lei⸗
tet, und dann fallen alle brei Principe mit. dem der Hus
manität ganz zufammen; denn indem ich diefe und jene Eis
genfchaft des Menfchen mit Schärfe und Innigkeit auffafle,
komme ich auch zur dee, werbe aber in der Anforberung
an vollflommme Erweifung derfelben befcheiden bleiben.
- Die beiden Prinzipe: „Bilde deinen Zoͤgling zu hoͤchſt
möglicher Vollfommenheit” und „Entwickele alle dem Mens
fchen eigenthuͤmliche Anlagen und Fähigkeiten zu möglicher
— 69 —
Vollkommenheit,“ fallen, um des Ausdrucks „moͤglicher“
willen, ganz mit dem Prinzip ber Humanität zufammen ;
nur ift hier die Vollkommenheit des Menſchen, das nur immer
ein Streben nach der abfoluten Bollfommenheit bleibt, nicht
genan beftimmt kann aber freilich beftimmt werden.
Die Prinzipe: ‚‚ Bilde den Menſchen zur Tugend‘ und
„Bilde das Reinmenfchliche im Menfchen” — wenn man
unter letzterm ben gewöhnlichen Begriff Hnmanität meint —
amifaflen wieder nicht den ganzen Menfchen. Die Prinzipe:
„vernänftig” — „naturgemäß” — „zur Freiheit” — „zur
Würde erziehen,’ mögen, durchaus vollitändig und richtig
gebacht, mit meinem Princip wirklich zufammenfallen , und
möäflen es, wenn fie erfchöpfend find; es ift aber fürs Allge⸗
meine zu fchwer, diefelben fich in ihrer Ganzheit zu benfen.
Sollte man mit mir nicht Gleiches über dieſe erwähns
ten Prinzipe auöfprechen, fo wirb man Doch zugeben, baß
alle nichts mehr verlangen koͤnnen, ald den ganzen Mens
fchen zur höchfimdglichen Vollkommenheit feines Weſens zu
erheben, und das will das an fich jedem Edleren fo ver:
flänbfiche Prinzip der Humanität im weiteren Sinne audı.
Bon diefer dee ging ganz befonders Schiller in feinen
Merten aus, und biefe wurden dadurch das, was jcbes
Dichters, ja jedes Schriftftellere Werke fein follten — Bol
erziehungsfchriften.. So fehr Schiller nad) dem Idealen
geſtrebt hat, fo hat er das abfolut Speale ſich doch nur
zum Leititern dienen laſſen, daſſelbe aber nicht in einer
Perſon als verwirklicht dargeſtellt. Selbit die Sungfran
von Orleans, die als Gottbegeifterte dieſem abſoluten
Peale ſich am meiſten nähern mußte, bleibt noch immer
menfchlich, und man ficht des Dichters Beftreben, auch
dieſes Menſchliche deutlich hervortreten zu laſſen. Schiller
mußte es ald Dichter doppelt fühlen, daß die reine Ders.
wirfiichung des Ideals an dem Menfchen nur einer Ehis
— 0 —
maire gleicht; denn er hatte bei ſeiner Kenntniß des Men⸗
ſchen auf die Anfoderung an das Natuͤrliche zu ſehen. Dieſe
Anfoderung aber zeigt ſchon, daß man die Idee der Hu⸗
manitaͤt in jedem gebildeten Menſchen vorausſetzt. Schiller
nahm bei Schilderung edler Charaktere nicht die Wirklich⸗
keit, weil dieſe nur Bruchſtuͤck iſt, ſondern das Ideale, in
ſofern ſolches in ſeinen Einzelnheiten ſich wirklich an edlen
Menſchen finden kann. Indem er viefes-that, führte er.
den edlen Charakter folgerecht durch, und blieb boch natuͤr⸗
lich; denn natürlich heißt nicht bloß das, was man. alfents
halben findet, fondern das, was mar in der Natur fin-
Det, ober der Ratur nah finden koͤnnte. Bon berfel-
ben Idee ging Herber, und ich möchte fagen, gingen alle
große Männer mehr oder weniger -ans, je nachdem ihre
Anficht von dem Spealen und ihre Menfchentenntniß bes
fhaffen war: Der Bollderzieher muß demnach voranfchaus
en, aber darf nicht vergeffen, daß. er auf der Erbe ift,
wenn ed ihm mit feinen Ideen nicht wie jenem Mops, ber
den Mond anfah und dabei in die Grube fiel, mit feinem
Beine gehen fol. Kant, der gewiß in ber idealen Welt
zn Haufe war, macht in feiner Pädagogik darauf aufmerk⸗
fam, daß man ben moͤglich beffern Zuftand des menſch⸗
lichen Gefchlechtes vor Augen haben müffe, alſo nicht bie
ideale Welt allein, fondern die Welt, wie fie möglichers:
weiſe werden kann. Wollte ich das Erziehungsprinzip Hs:
manität mit einem andern Worte charakterifiven, fo wuͤrde
ih fagen: Wolle bei der Erziehung nicht das Ideale, nicht.
das MWirkliche, fonbern das Ide alwirkliche erreichen.
Um den Begriff Humanität nach meinen Kräften alffeitig
hervortreten zu laffen, Habe ich in der vorigen Abtheilung
zum voraus die Humanität im der Perſon eines Lehrers:
aufgeftellt. Hier foll fie in ihrer Wefenheit noch näher. chas:
ratterifirt werden, unb im zweiten Theile werde ich. mich
— 1 —
zu zeigen bemühen, wie fie allen Unterricht, alle Anfichten
in bemfelben. ftetd begleiten, erwärmen und beleben muͤſſe;
jedoch wird hier noch viel zu thun übrig bleiben, damit
die Humanität in allen ihren Theilen, in ihrer Ganzheit
und Reinheit hervortrete. Das Troöftendfte bei der Sadıe
ift Das jedem Menſchen inwohnende Gefühl für Analogie,
unb auf biefes hoffe denn einftweilen auch ich. Ä
O! möchte der Grundfaß richtig fein! und
möchten dann Philofophen denfelben ausführen, und auf alle
Zweige ber Menfchenbehandlung anwenden. Läge noch ir
gendwo Unbeftimmtes in dieſer Idee, fo mögen diejenigen
näher beſtimmen, denen das Ideal von Gott und Jeſu am
reinften vorfchwebt, und die zugleich den Menfchen auch in
Hinſicht anf Wiffenfchaft, Kunft und Körper am reinften
erfaffen. Ganz unbeftimmt und leer kann diefe Idee fchon
um beswillen nicht fein, da fie dem edelſten Menſchen immer
vor Augen gefchwebt hat, und bei den fchiefiten philofophis
fen Syſtemen ſtets der oberfte Leiter, wenn gleich nicht
allemal ganz deutlich erkannt, gewefen if. Sie liegt tief
im menfchlichen Gemüthe begründet, und, wenigftens ihrem
Sanptwefen nach, klar vor dem Verſtande. Sie führet
nit von Gott, fondern zu Gott, zu Jeſu, zu allem Hei
ligen und Wahren, zu aller Gerechtigkeit und Weisheit.
Obgleich diefe Idee umfaflend ift, fo umfaßt fie doch
nichts mehr, als fie nothwendig umfaffen fol, und läßt bei
dem jebigen Stand der Religion, der MWiffenfchaft und
Kunft auch nicht das Mindefte unerdrtert. Daß inihrnicht
ein :Eriterinm "von mathematifcher Gewißheit für jeden ein,
zelnen Fall Liegt, Liegt nicht an der Idee felbft, fondern
mag an der Eingefchränktheit unfrer. Vernunft Liegen. Phi:
loſophen mögen aber auch hier noch viel beftimmen Tonnen;
wenn fie biefem Prinzipe ihre Aufmerkffamfeit leihen wol⸗
In. Wir gehen zur Anwendung des Geſagten, auf die
— 72 —
Schulzucht über. Das zarte Saamenkorn bringt nur un
dem von Natur guten ober durch Kunſt forgfältig gepfleg-
ten Boden vielfältige gute Frucht. Die Pflanze eines
Gefhlehts erwädhft nur ausdem Saamenforu
oder dem Stedling feines Geſchlechts. Da nun
auch aller Erfahrung nad) in der Regel nichts flärfer wirft,
als das Beifpiel, und die Behandlungsart großen Einfluß
auf den fich bildenden Charakter des Menfchen Außert:
fo.muß der junge Menfh durh Humanität zur
Humanität gebildet werden; das Prinzip ber
Schulzuht muß alſo auch Humanität fein —
. Sa, Humanität ift dad Behandlungsprinzip des Lehr
rers, des Erzieher, und des Staates. Es iſt durchaus
falſch und verkehrt, wenn man den zu erziehenden, zu be
handelnden, zu regierenden Menfchen erft human (wie vor
her bemerkt, religioͤs, tugenbhaft) willen, und dann hu⸗
man. behandeln will; denn Beifpiel, Behandlung und Ges
ſetz der Humanität muͤſſen bumanifiren, und koͤnnen den
frechſten Haufen zaͤhmen, und den größten Boͤſewicht uns
fhädlich machen, „wenn man ſich unter Humanität nicht
-weibifche Empfindelei und Weichheit , fondern ben Charaks
ter eines vollfommmen Mannes denkt. Humanität ift dem⸗
nad fowol in Hinficht auf den hoͤchſten Zwei, ald auf
immerwährende Behandlung und Regierung das feite und
hoͤchſte Prinzip der Staaten, ihre gemeinfame Grundkraft;
und die Kräfte, welche in ber Berfchiebenheit: der Staates
verfaflungen liegen, als Furcht, Patriotismus, Fürftenliebe
und Ehre, find diefer Grundfraft untergeordnet. Steben
diefe. Kräfte aber im. Dienfte der Humanität, fo werben
ſie nur ebelwirkend auftreten, :undb werben in bem.. beften
Staate alle neben einander. beftehen koͤnnen und beſtehen
müſen. t
—
— 13 —
Fünttes Capitel.
Nothwendiges Erfordernig von Seiten bes
Lehrers. Hauptſtuͤtzkraft diefes
Prinzips.
Die Schulzucht muß alfo in allen ihren Theilen Hu⸗
manität athmen. Dann muß aber auch. der Lehrer felbft,
von dem diefelbe ausgehen muß, ein wahrhaft humaner,
d. 5. ein wirklich chriftlicher, frommer Mann fein, dem es
nicht an dem nöthigen Wiffen und Können mangelt, und
deſſen Kräfte Leicht und fchnell anfprechen und wirken.
Ohne das immigfte Streben nach diefen Eigenfchaften
ziehet der Lehrer, fo viel an ihm ift, nur Heuchler und
feichte Köpfe, da er bei allen religisfen Floskeln und paͤda⸗
gugifchen Kunftgriffen doch nichts mehr geben Tann, ale
wahrhaft in ihm iſt; und darum verfündigt er fich durch
feine Bleichgültigkeit in der Vervollkommnung feines Wefens
an der Menfchheit auf eine grobe Art.
Das innige Streben aber nah Humanität fchafft dem
Lehrer, ohne daß er ſolches merft, einen gewiflen
Adel der Mienen und Geberden, gießt eine befondere Klar⸗
beit über fein Antlig, eine fenrige, zarte Liebe in feine
Augen, macht feine Rede Tieblich, und öffnet die Herzen
zum fröhlichen Empfange des in Weisheit Dargebotenen.
Sie prägt ſich dem Schüler noch näher aus in bes Lehrers
fromm chriftlihen Wandel, in feiner Hochachtung und
Liebe für Wiffenfchaft und Kunft, und yrägt fich ein in
das Herz, in die ganze Sndivibnalität des begehrenden,
d. h. nach Wahrheit, Kenntniß ‚und Adel ftrebenden Zoͤg⸗
liags. D, nur das lebendige Streben bed Lehrers, Das
wirklich zu: werben, was er fein foll, kann diefe edle Frucht
erzeugen, und ihm wahre Würde verleihen. Wie auffal-
— 74 —
lend unterſcheidet ſich dieſe Wuͤrde von dem ekelhaften Ge⸗
ſpennſt, das aus kluger, ehrgeiziger Berechnung, aus Duͤn⸗
kel, Großthuerei, Aefferei und Pedanterie hervorgeht, mit
welchem Heuchler, Narren und Unwiſſende ſich bruͤſten, und
durch welche ſie die Jugend verkruͤppeln, und die Menſch⸗
heit um ſich entarten! Dagegen wirft die unerkuͤnſtelte,
wahre Würde ihre ſanften Strahlen in das. Herz des begeh-
renben Zöglings, und weder und treibet dort Ehrfurcht und
Liebe, die denfelben dem Höheren: ficher entgegen führen.
Es wird heut zu Tage fo vielfach über Mangel an
Ehrfurcht dev Schüler vor ihren Lehrern geflagt. Abge-
fehen davon, daß fo manche andere Umſtaͤnde die Ehrfurcht
ber Schüler vor ihren Lehrern untergraben, hat man denn
Urfache, die Schüler anzuflagen, wenn es bem Lehrer an
Diefer Würde fehlt?
Wem die Würde fehlt, ver fchafft durch die Kunft
feine Ehrfurcht. Der Nimbus, den ein unwuͤrdiger Lehrer
um fich zu zaubern fucht, macht ihm zum Zerrbilde. Der
wiürbige Lehrer bebarf weder ber Larve noch des Fünftlichen
Heiligenfcheined. Darum weg mit dieſen antipädagogifchen
Gaukeleien! Nur die Iebendige Gottesfurdt und Froͤm⸗
migkeit fchaffen Neligiofität; nur Diejenigen Minen, Ges
berden und Kehren, die aus reiner Seele und klarem Geifte
ftammen, geben in das Herz, in den Kopf des Schälers
ficher und kräftig über, um Gutes einzuprägen. Weg bar
um mit aller Künftelei! Die reine Natur, die eigene Tu⸗
gend, die eigene Neligiofität, der eigene Scharfblid! des
Lehrers in Wiffenfchaft und Kunft, die eigene DBegeifterung
für alles Gute, Schöne und Hohe, für König und Bater-
land ꝛc. follen den Schüler heraufjicehen. Wenn dann ver
edle Lehrer, eben wegen. feiner Unvollfommenheit nicht ide⸗
aliſch erfcheint, fo wird er dadurch dem’ Schäler um fo
näher, aber dennoch würbig nahe ftehen.
— 75 —
Das Idealiſche an einem Menſchen druͤckt gewiſſerma⸗
Ben ; wenigſtens hat ed mich gedruͤckt, wenn einige meiner
Lehrer ſo idealiſch thaten: ich konnte kein Zutrauen faſſen,
vielleicht weil ich das Erkuͤnſtelte in ihrem Betragen ahnete.
Ich habe immer diejenigen am meiſten geliebt, die mir ihren
Menſchen mit ſeinen Schwaͤchen zeigen durften. Wenn die
Beſcheidenheit mir verbietet, meine lebende wuͤrdigen Lehrer
hier zu ruͤhmen, fo mag es mir vergoͤnnt fein, des hoch⸗
wuͤrdigen, gelehrten, begeifterten Doktors Eichelberg, weis
land Direltörd des Gymmafiums zu Wefel dankbarlichſt hier
zu erwähnen. Dieſer allgemein geliebte Lehrer: prägte wol
jedem begehrenden Schüler tiefe Ehrfurcht vor feiner Pers
fon, vor Kunft und Wiffenfchaft, vor Tugend und Reli-
gion, wie vor allem Wahren und Guten ein, und ganz
gewiß bleibt deffen ehemaligen Schülern fein Andenfen- in
hohem Segen. Sa, in bem befeligenden Olauben, daß ben
Geiftern der höheren Welt ein Umfchweben ber fie Lieben⸗
den auf Erben erlaubt fein möchte, rufe ih aus: DO, Geift
meines hochgelichten Eichelbergs, wehe meine:
Seele oft, recht oft an mit Deiner Klarheit
und Begeifterung, mit der Einfalt Deines Her
zens und Deiner feltenen Menfhenfreund
lichkeit, mit Deinem fharfen Forſcherblick —
Deiner hohen Wuͤrde!
Sechstes Capitel.
Unterſtuͤtzen de Kräfte in den Schülern.
Iſt der Schrer ein wahrhaft humaner Mann, ſo wer⸗
den in dem Schuͤler, wegen der Bildungsfaͤhigkeit deſſelben,
eine Menge die Zucht unterſtuͤtzender Kraͤfte ſich aͤußern.
— 10 — .-
Ein Mann wie Human wird den Schülern wuͤrdig ers
fcheinen. Er wird ihnen Ehrfurcht vor Gott und Sefus,
wie vor allem Heiligen und Guten — Ehrfurcht vor ihren
Eltern, vor bem Alter, vor Kunſt und Wiffenfchaft und
darum auch vor ihm felbft, alfo überhaupt Ehrfurcht ein-
flößen. Als wuͤrdiger Mann erfcheint er ihnen liebenswuͤr⸗
dig, und weiß er feinen Anordnungen, Befehlen und Stra-
fen Nahdrud zu verſchaffen. Es keimt darum auch Die
Ehrfurdt vor ihm in den jungen Gemüthern aus Eindlicher-
Liebe, wirklicher Furcht 9 und aus inniger Verehrung —
und aus dieſen Quellen läßt er die Ehrfurcht vor Allem
- hervorgehen. -
Diefe aus Liebe, Furcht und Verehrung er—⸗
wachſene Ehrfurcht iſt die bleibende, mit der
die Jugend nicht nach Gefallen wechſeln kann,
da ſie in den verſchiedenartigſten Gemuͤthsſtimmungen nicht
alle Antriebe zugleich unbeachtet laſſen wird.
Durch den vielſeitigen Unterricht waͤchſt des Schuͤlers
Verſtand, erhoͤht ſich ſein Gefuͤhl, in Abſicht auf goͤttliche
und menſchliche Dinge. Er ſieht mehr und mehr ein, wie
Weisheit, Tugend und Froͤmmigkeit ihm nur Gutes aura⸗
‚then, wie der Lehrer nur fein Gluͤck befördern will; er
fängt felbft an, das Heilige, das Gute, das Nüßliche zu
fuchen, und kommt den Anordnungen und Befehlen feines
Lehrers immer mehr mit Willigfeit entgegen.
Er freut fich die Zufriedenheit eined würdigen Mannes -
burch fein Streben nad) dem Guten zu erwerben, freut fich
zu den befferen Schülern zu gehören, ſchaͤmt fich feines
+) Man bebente hier den Ausfpruch jenes Gymnofophiften vor Aleran-
der dem Großen: „Derjenige kann ſich bie größte Liebe erwerben,
der der Mächtigfte und doch nicht furchtbar iſt,“ und man wird:
die Furcht nicht. ganz verbannt wiſſen wollen.
Lehrers unwuͤrdig zu werden, und hofft dem Staate auch
einft gute Dienfte leiten zu können: — er ftrebt alfo nad
wahrer Ehre.
- Die Schule erfcheint ihm ferner ald ein Lieblingsort ;
er hält fie hoch, möchte gerne das Seinige zur Erhaltung
des guten Geiſtes als des hoͤchſten Gluͤckes derfelben beitras
gen; er hält auf Befolgung aller Anordnungen, geht den
jüngern Schülern mit gutem Beifpiele in jeder Ruͤckſicht
vor, und — es waͤchſt jene forgende Liebe zur Schule in
ihm auf, die Montesquieu in der Republik die Tugend
nennt.
Der Schüler ftrebt im Allgemeinen dem Manne nad),
der ihm fo fehr verehrungs » und Tiebenswärbig erfcheint,
und firebt dadurd der Humanität entgegen. Auf diefe Art
wirken alle Srunbfräfte ber verfchiedenen Staatöverfaffuns
gen auch in der Schule auf das Kriedlichfte neben einander.
Sp wenig dem Schüler nun jedes Einzelne an fich eine
Stäge fein kann, fo viel werben diefe Kräfte in ihrer Ges
fammtheit auf ihn wirken koͤnnen; denn viele ſchwache Stuͤ⸗
Gen, vereinigt und. gehalten durch eine vernünftige Hand,
koͤnnen immerhin bedeutenden Wiberftand leiften und räftig
mittragen. Gie erleichtern dem Lehrer das. Gefchäft unends
fih, und zwar mit ihrem Wachsthum immer mehr, fo daß
zulegt dem Süngling in der Fremde ein Brief, ober auch
nur das Andenken an den Verehrten den nöthigen Antrieb
zum Guten gibt.
Der Knabe fucht in der Regel feine Stüße, fie muß
ihm gegeben werben; ber Juͤngling ſucht fie größtentheils
noch außer ſich, und dem ftrebenden Manne ift es anfbes
halten, feine Stüße in fich felbft. zu finden.
Dadurch aber, daß das Prinzip der Humanität in Hins
fidyt auf Zwec und Behandlung in der Schule waltet,
wird der ganze- Menfch ftetd ins Ange gefaßt und ber
— 78 —
Schüler vor Einſeitigkeit in feiner Erhebung: geſichert. So
wie der junge Menfch ‚im Gebiete der Sittlichkeit in allen
Laftern nur ein Lafter, in allen Tugenden nur eine Tugend
erfennt, fo ertennt er in-dem Gebiete des Menfchthume
nur eine Menfchheitlichfeit, Humanität.
Siebentes GCapitel.
Noch andere unterſtuͤtzen de Kräfte
Noch eine Menge unterftügender Kräfte Tiegen in der
guten Einrichtung der Schule, insbefondere in ben weiter
anzuwendenden Grundſaͤtzen des Unterrichtes und der Erzie⸗
hung, und in dem humanen Beiltande von Seiten der Res
gierung, des Schulvorflandes und der Eltern. Doch fol
von diefen Stüßfräften hier nicht weiter gefprochen werben,
da dad Folgende ber ganzen Schrift diefelben näher dar⸗
ftellen wird. |
_—_
| Dritted Bud.
Allgemeine Folgerungen aud diefem
Prinzip,
. Erstes Capitel,
Die Humanität ehret den Menfchen in
- dem Sbuͤler.
It k Sumanität das leitende Prinzip in der Eculzucht,
ſo erkennt der Lehrer in jedem Schuͤler den Menſchen, ja,
— 9 —
den einft vielleicht wichtigen Menſchen. Weg darım mit
alten Beichimpfungen, mit aller Verachtung eines fogenanns
ten Dummkopfes oder Boͤſewichtes ꝛc.! Du weißt noch nicht
wie ein liebevoller allmächtiger Gott diefen Berachteten em,
yor heben kann — kannſt nicht fagen, daß aus dieſem, bei
befierer Behandlung von Deiner Seite nicht etwas Achtungs⸗
wertheres ſchon jeßt geworden wäre; weißt noch nicht, wie
viel er in ber Zukunft beiner vermeintlichen Weisheit und
Sorgfalt zu Gute halten muß. Der Stein, den bu vers
wirfft,, ftatt ihn mühfam mit Treue zu verarbeiten, kann
noch zum Eckſtein werden.
Eben fo wenig verträgt ſich Satyre mit Humanität.
Iſt fie, da fie hier Doch yerfönlich werben muß, etwas
anderes als Hohn. Ein edles Herz kann aber nicht hoͤh⸗
nen. Der Lehrer, welcher fchimpft und toll drein fchlägt,
handelt inhuman; wer aber fatyrifirt, wer höhnt, wirkt
anf eine boshafte Weife, der reizet feine Schüler zum Zorn,
und wect, wenn er am wenigften fchäblich wirft, tiefe
Berachtung gegen fi) in dem jugendlichen Gemuͤthe auf.
Durch Hohn darf man nicht beffern wollen; denn man foll
nicht Boͤſes thun, daß Gutes daraus werbe.
zweites Gapitel.
Die Humanität fuhrt das Böfe in dem
Schüler auszurotten,
Die Humanität in der Schulzucht will das Fehlerhafte
and Böfe nicht unterbrüden, wie man einen Feuerbrand
mit Afche zudeckt; fie firebt es auszurotten, und ruhet nicht
eher , bis ihr bafjelbe gelungen ift, oder der Schüler ihrer
Einwirkung entzogen wird.
— 80 —
Biele Lehrer thun fich etwas darauf zu Gute, daß ihr
diebifcher, oder betrügerifcher, oder Tügenhafter ıc. Schüler
nach der letztern Erecution nicht mehr ftehle, betrüge, Tüge,
und halten ihn für gebeflert. Wie aber, wenn er Hug ges
nug wäre, dieſe fchlechten Eigenfchaften vor feinem Erzie
her um fo forgfältiger zu verbergen? Diefe hätten dann
durch ihre oberflächige Behandlung noch obendrein Heuches
lei in die junge Seele gepflanzt! Es will viel fagen, eins
gewurzelte Fehler ausrotten, und junge Menfchen von uns
reiner Natur beflern; aber es. ift auch eine fchöne That,
und fchafft ein befeligendes Gefühl, wenn liebevolle vers
nünftige Vorftellungen, ein weifes Verhuͤten und Strafen,
ein zärtliches Nachgehen in aller Xreue, wie das eines
Schutzengels endlich helfen, jo daß Ausrottung des Fehlers
wirklich gehofft werdeit Tann. Freilich kann auch die Hus
manität nicht immer ind Herz fehen; aber darum laͤßt fie
in ihrer Sorgfalt auch nie nach, und glaubt nie beſchraͤnk⸗
terweife fait mehr als genug gethan zu haben. O Lehrer,
denke an das verlorne Schäflein im Evangelium, denke an
Gellerts Grabfchrift: „Du haft die Seele mir gerettet, du!
O Gott! wie muß das Gluͤck erfreun, ber Retter einer
Seele fein!” — Sollte der Lehrer aber troß aller treuen
Bemühung nichts gewinnen, fo muß er dennoch nicht vers
zagen, er muß in Geduld fortfahren, muß von ber Zukunft
Früchte feiner Liebe und Sorgfalt erwarten, und ſich mit dem
Gebanfen beruhigen: Habe ich den ſchlechten Schuͤler nicht
gebeffert, fo mag er durch mich doch weniger finfen, als
er ohne meine Einwirkung auf ihn vieleicht gefunfen wäre.
Darum, o Lehrer, lege wader die Hand an ben Pflug,
und fchaue nicht zurück; halte bie Furche im Auge, bie Da
das Tagewerf vollendet hafl. So faflet die Humanität den
Schüler ganz ind Auge, und fucht Mittel auf, die für die
Individualitaͤt beffelben geeignet find. Stimmen biefe nicht
— 91 —
mit der allgemeinen Behandlungsart der Schüler überein,
jo feßt fie den zu DBeflernden, um auch den Schein der Un-
gerechtigfeit oder Partheilichfeit zu meiden, fo viel-als nd-
thig und thunlich aus dem Berhältniß mit dem Ganzen ber
Scyule heraus, gibt ihm einen abgefonberten Plab, und
erflärt ihn für einen Schüler, der der allgemeinen Leitung
nicht willig folge, dem fie aber befonders behilflich fein
wolle, daß er ald braver Mitfchüler möglich bald wieder
aufgenommen werben koͤnne.
Drittes Tapitel.
Die Humanität wedt fröhlihe Thaͤtigkeit.
Die Humanität verlangt, daß das Mittel zur Beſſe⸗
zung dem Schüler das Gute wirklich angenehm, und das
Böfe wirklich. verhaßt mache.
Dem Faulen helfe man außer der Schule liebreich nach
und ſuche ihm uͤberhaupt durch freundliche Ermahnung,
Vorſtellung ꝛe. Luſt zur Arbeit einzufloͤßen. Sollte man ihn
auf dieſe Art nicht beſſern, ſo haͤufe man, jedoch nicht in⸗
human eine Menge Unannehmlichkeiten auf ſein Haupt,
und die Huͤlfe wird bald dankbar angenommen werden.
Dabei moͤchte der Lehrer zu Zeiten einige Stunden mehr
arbeiten muͤſſen; er wird jedoch kein Miethling ſein wollen.
Ueberhaupt muß der Lehrer alles anwenden die Schuͤ⸗
ler frohes Muthes, thaͤtig und frei zu erhalten, und muß
darum doch die Neigungen derſelben beherrſchen. Die Noth⸗
wendigkeit dieſer Forderung ſpringt dem braven Manne deut⸗
lich genug in die Augen, wenn er bedenkt, daß er als nicht
unwuͤrdiger, freier Mann, im Kal er ſich ſelbſt mit hoch⸗
möäthiger, dummdreiſter Barjchheit behandelt fehen muß,
6
— 82 —
nicht ſelten von Muthloſigkeit ergriffen wird, oder daß in
ſeinem Gemuͤthe ſich eine Empfindung feſtſetzt, die wie ein
giftiger Wurm an feinem Leben, an feinen Berhältniffen
und an feiner Wirkfamkeit dauernd nagt. Es ift wahr,
Daß hohe Wuͤrde des Geiftes ſolche Zuftände nicht zulaͤßt;
aber wie felten wird diefe in dem Grade in dem Menfchen
gefunden! Wenn gleich der Knabe nun noch Fein achtunge-
-werther Mann ift, fo foll er doch ein folcher werden, und
das kann er nicht, wenn Mittel an ihm angewendet werben,
welche die Würde aus dem Menſchen treiben. Die Sache ift von
großer Wichtigkeit und der forgfältigften Beachtung werth,
wenn man zur Humanität erziehen will; benn es liegt ganz
in der Erfahrung begründet, daß eine durch Freude erweckte
Begierde unter gleichen Umftänden ftärfer wirft, als eine,
die aus Traurigfeit entfteht, weswegen es auch rathfam
ift, um einen Menfchen auf die Bahn der Tugend zu lei-
ten, ihn verftändigerweife die angenehmen Folgen bes Gu⸗
ten empfinden zu laffen.
Menn aber die Humanität verlangt, daß ein fröhlicher
Muth in der Schule gebildet und gepflegt werde, fo will
fie keinesweges, daß der Schuͤler, in angenehmen Gefühlen
ſchwelgend, der Sinnlichkeit hingegeben werbe. Wenn gleidy
der große Leibnit bewiefen hat, daß bie Sinnlichkeit mit
den fchönften Gefühlen des Menfchen im innigften Verhaͤlt⸗
niſſe ſtehe, und daß diefelbe deswegen fehr achtungswerth
ſei: fo häte fi Doch der Lehrer Das jugendliche Feuer ſei⸗
nen Lauf durch Die Sinne nehmen zu laffen, ober auch
diefes, burch fein DBeftreben, ftetS angenehme Gefühle zu
“erregen, nur zu veranlaffen. „Predigten eines Pebanten,
ſagt Campe, helfen da, wo dieſes gefchehen iſt, nichts;
ſie tilgen die Begierde nicht aus dem Herzen, daͤmpfen bie
Hitze bed Temperamentes nicht, beffen Anwendung 2er
junge Menfch kennt; er entruͤſtet fich vielmehr ‚gegen bie
— 83 —
Hinderniſſe, die man zu ſeiner vermeinten Gluͤckſeligkeit ihm
in den Weg legt; er wird ſich wider uns auflehnen und
uns haſſen. — Nachſicht iſt da am unrechten Ort, da er
in ſein Verderben rennt. Stelle dich ihm vielmehr muthig
in den Weg, und erſt dann, wenn er anfaͤngt zu hoͤren,
mache ihn auf ſein Verderben aufmerkſam; zeige ihm dann
deine Liebe, aber auch deine Kraft und Weisheit.“
Warum wollte man durch ein uͤbertriebenes Beſtreben,
der Jugend Freude zu machen, erſt die Sinnlichkeit wecken?
Daß dieſe nicht verſaͤumt werde, dafuͤr ſorgen oft die haͤus⸗
lichen Verhaͤltniſſe des Kindes nur gar zu ſehr. Darum
muß Die Schule die Sinnlichkeit zwar nicht veraͤchtlich bes
handeln, aber dahin trachten dem Geiſtigen — bei dem fros
ben, frifhen Muthe, der in der Schule herrfchen fol —
bei weiten bie Oberhand zu verfchaffen.
Viertes Capitel.
Die Humanität überladet niht mit Arbeit.
Soll aber diefe jugendliche Friſche, dieſe Froͤhlichkeit
des Geiſtes und aus. der Schule entgegen lachen: fo darf
die Schulzucht den jungen Menſchen nicht nothreifen, nicht
die feltenen Krüchte reifer Tugend, warmer Religiofität und
sollendeter Weisheit von demfelben ſchon jebt verlangen;
fonbern fie fol neben dem vernünftigen Streben nadı Aus⸗
bildung deffelben für die Gefundheit feines Leibes ſorgen
und dem MWachäthum des ‚Geiftes Zeit gönnen. Wie vers
traͤgt ſich diefer natürliche Grundſatz mit dem fo allgemei,
nen Einpfropfungsſyſtem Bieler, nach welchem die Schüler
sicht genug lernen können? — wie mit der Arbeitslaft, die
Diefe anf fie wälgen? Nach ben Foderungen diefer Leute
6 *
— 84 —
fol ein Knabe, ber täglih, mit Einfchluß feiner Privats
ſtunden, 7 bis 8 Stunden angeftrengt in der Schule ar
beiten muß, noch täglich 2 bis A Stunden zu Haufe fich
‚plagen, um feinen Lehrern Genüge zu leiften, und das zu
lernen, was in der Schule gemeinfchaftlich eingeibt werben
ſollte. Wie kann ein junger Menfdy feines Lebens froh
werden, wenn er den ganzen Tag arbeiten muß, um feinen
‚Zehrer zu befriedigen, und dabet feine Ferien noch als faule
Zeit befchneiben, oder mit Arbeiten anfüllen fieht! Sind
das die Tage der Jugend, die mancher Dichter fo glücklich
preift® Oder foll der junge Menfch ſchon, wie ein Ers
wachfener, feine Freude bloß in der Arbeit finden, und feine
Erholungsftunden ald Mittel anfehen, die leidige Hypo⸗
chondrie zu verfcheuchen? Mir bangt, Deutichland wird
bald mit jungen Greifen angefült fein, wenn das. Streben
zum Bollftopfen fich noch einige Jahrzehende erhält, oder
wol gar fleigert; und derjenige, der endlich ein Amt er-
langt, wird feine muͤden Glieder ruhen Iaffen, und ſich
freuten, endlich einmal aus ber felavifchen Sugend herauss
gealtert zu fein. Sind diefe überfpannten Anfoderungen
nicht die wirkffamften Mittel die Sugend träge und ver
droffen, Frank und hypochondriſch zu machen ?
O, Salzmann! Dein Krebsbüchlein müßte umfaſſen⸗
ber fein, und deine Weisheit von Hohen und Niederen mehr
erfannt werden. Ein vortrefflicher Guts⸗Muths, ein ges
ſchickter Blaſche ꝛc. füllten die Ruheſtunden bei dir mit Koͤr⸗
peruͤbungen und Fünftlichen Arbeiten zum Vergnügen der
Sugend aus. Solcher Männer bedarf Deutfchland mit der
Zeit nicht mehr; Die nothwendigen Ruheflunden verfchafft
jeßt das Bette, der faft tägliche Zufluchtsort des ermüs
Deten Geiftes!
Biele Lehrer und Eltern Magen heut zu Tage: über Un⸗
baͤndigkeit der Jugend. Sollte dieſe Klage. gegruͤndeter als
— 85 —
ehemals ſein, ſo halte ich dieſelbe fuͤr einen Fieberrauſch,
eine Folge ihrer Ueberſpannung. Der jugendliche Muths
willen und ber Leichtfinn gefellen fich dann zu dem zu früh
geweckten männlichen Weſen, und dieſer unnatärliche Zus
kand verzehrt den jungen Menfchen. Oder die Unbändig-
feit ift die Kolge der farg zugemeffenen Spielzeit, und —
wie ein Menſch, der nächtlich mur vier Stunden ruht, um
fo fefter fchläft, fo will ein forgenfreier Schüler, in einer
Stunde ſich zwei bis drei Stunden bewegen.
Doc überlaffe ich die völlige Entfcheibung diefer Sache
menfchenfreundlichen,, pfuchologifchen Aerzten. Ich wänfche
nichts fehnlicher,, ald daß nach einer Generation, die. Er⸗
wachſenen unjer Treiben nicht verwänfchen und ihre Trei⸗
ber nicht verachten, fondern ihre Erzieher zu fegnen Urfache
haben mögen.
‚Sollte man aber durch fortgefetten Drud bie Jugenb
zaͤhmen wollen, und wirklich zu zaͤhmen im Stande ſein:
ſo haͤtte man etwas Schreckliches erzielt und erreicht, und
ſich ſchwer an der Menſchheit verſuͤndigt; denn man haͤtte
die Jugend niedergeſchlagen, furchtſam gemacht, ihr Ge⸗
muͤth eingeſchuͤchtert, ihren Muth und ihre Lebhaftigkeit ge⸗
laͤhmt, ihr ganzes Weſen erſchlafft, und ſie traͤge und ſela⸗
viſch gemacht.
Und dann, glaube ich, haͤtte man ſich doch noch verrech⸗
net, da eine freie lebhafte Jugend unendlich leichter zu re⸗
gieren iſt, als eine trotzige, ſelaviſche, die ein beſſeres
Schickſal zu verdienen glaubt.
Hat das Einpfropfungsſyſtem aber in der Kuͤrze der
Schulzeit ſeinen Grund: ſo gebe man der Jugend, da dieſe
mehr lernen ſoll als ehemals, auch mehr Zeit dazu, oder
man ſtehe won ber deutſchen Polyhiſtorei wenigſtens in
Etwa ab.
—_ 86 —
Fiinktes Capitel.
Die Humanität beugt den Uebeln vor.
Wie wir nach Jeſu Vorfchrift beten: „und führe uns
nicht in Verſuchung, fondern ꝛc.“ fo verlangt die Humani⸗
tät der Schulzucht, daß der Lehrer durch die nöthigen Ans
orbnungen, die unter feinen Augen puͤnktlich beobachtet
werben muͤſſen, Allem vorbeuge, was der Wirkfamfeit des
guten Schulgeiftes hinderlich ift, und daß er mit größter
Sorgfalt, bie Jugend für das Gute zu gewinnen und die
Fehler auszurotten firebe. Je umfaflender und vollfomms
ner feine VBorbeugungsmittel find; je tiefer feine Sorgfalt
geht, das Herz feiner Schüler von Fehlern wirklich zu reis
nigen; je einfacher, Elarer. und eindringlicher feine liebevol⸗
len Vorftellungen und Ermahnungen find: deſto mehr wird
er die Sugend au das Gute gewöhnen, befto mehr wirb
dieſe daſſelbe lieben und verehren lernen. In einer Schule,
in welcher dieſe Sorgfalt herrfcht, kann das Schlechte nicht
allgemein auffommen, und ber Lehrer hat dann Zeit und
Gelegenheit, ganz fein Augenmerf auf die Abweichungen
zu sichten, und diefe mit Kraft und Nachbrud zu regeln,
Sechstes Capitel.
Die Humanität regiert nad dem Geſetze
der Nothwendigkeit.
Sol aber die Schule keine eigenfinnigen Trotzkoͤpfe
oder willenlofen Sclaven, und für die Zukunft Feine. Tyran⸗
nen in ihrem einfligen Wirffreife ziehen: fo muß fie den
— 87 —
Schüler frei erziehen, denſelben frei laſſen, wie des Pla
neten Schwung , und demnach nicht nach Willkür, fondern
nach Dem Gefeße der Nothwendigfeit, welches Ordnung und
Gutes ift, anordnen, befehlen und verbieten. Dem Geſetze
der Nothwendigkeit ift der Planet in feiner großen Bahn
antergeordnet; ihm muß jeder Menſch, alfo auch der junge
Menſch fidy beugen.
Hierburd; Tann er der gehurfamfte und befte Schüler
werben; benn dad Geſetz der Nothwendigkeit liegt in allen
Geboten Gottes, in allen weifen Anordnungen bes Staates,
des Familienlebens und der Schule begründet.
Wo das Gefet der Nothwendigkeit gebietet, da wird
Der Lehrer taufend Unannehmlichfeiten von Seiten der Schuͤ⸗
[er und Eltern ausweichen; da lernt der junge Menfch gar
bald, was er zu thun und zu laflen habe, weil in dem
Ganzen eine unverfennbare Einheit liegt. Ein Zögling ber
Nothwendigkeit trägt das Geſetz in fih, wenn ein Sclave
Der Willkür fich Angftlich nach den taufend Geboten umfieht.
Wozu darım eine Litanei von Schulgefegen? Das Schul
gefeß heißt: Du ſollſt dich fo betragen, daß der Zwed ber
Schule an Dir und an Andern erreicht werden Tann; bu
ſollſt darum den guten Geift der Schule in dich aufnehs
men, und der Regierung deflelben in Feiner Hinficht hinder- .
ich, in jeder Hinficht aber förderlich fein.
Darum table man andy nicht zu geringfügige Dinge,
die mit dem Geifte der Schule nichts gemein haben *: der
Schuͤler fieht Feine Rothwenbigfeit davon ein, wird dadurch
irre ober gleichgültig, indem er feinen Lehrer als einen
°) (Sin einziged Plauderwort ift 3. B., zumal in gefüllten Glaffen,
nicht geringfügig, da volllommene Ruhe nothwendig ift, wenn bie
Scqhale mit Erfolg voranfchreiten fo,
— 88 —
Schulpedanten erkennen lernt, oder er wird eingeſchuͤchtert
und eben darum altklug und unnatuͤrlich.
Nach dem Geſetze der Nothwendigkeit kann der Lehrer
aber, auch in den Augen des Schuͤlers, mit allem Recht
auf Gehorſam dringen, und durch die hohe Kraft, welche
in dieſem Geſetze liegt, wird er kraͤftige Maͤnner, ſinnige
Frauen und dem Staate die beſten Glieder erziehen.
Siebentes Capitel.
Die Humanität wirket mit Kraft und
Nachdruck.
Man wuͤrde ſich von der Humanitaͤt der Schulzucht
eine durchaus verkehrte Vorſtellung machen, wenn man
glauben wollte, dieſe wirke nur in aller Zartheit empfindſam
und weibiſch. Nein, wie Chriſtus auch da die reine Wahr⸗
heit gerade heraus ſagte, wo ſie wehe thun konnte, und mit
der Geißel in der Hand, Kaͤufer und Verkaͤufer zum Tempel
hinaus trieb, ſo verlangt auch die Humanitaͤt der Schulzucht
oͤfter eine aͤhnliche Behandlung des Schuͤlers. Eine gute
Schulzucht muß kraͤftig ſein. Der junge Menſch
muß einſehen und fuͤhlen lernen, daß Maͤnner
ihn erziehen, und daß er kein Mittel in ſeiner
Gewalt habe, den Zügel, den eine Träftige
Hand führt, zu fhlaffen, oder wol gar zu gen»
reißen.
Der Lehrer muß ald vernünftiger Mann den Schulzweck
und bie Mittel kennen, durch welche berfelbe am ficherften |
erreicht wird. Wäre e8 nun in feiner. .Art nicht eben fo
verberblich und erbärmlih, den Einfällen des Schülers zu
folgen, als wenn ein Kutfcher dahin fahren wollte, wohin
es den Pferden beliebte?
Eine fefte, fträftige, humane Behandlungsart macht
den Schäler nicht felavifch, fondern vernünftig gehorfam ,
macht den Knaben in der Zukunft männlich, und fichert dag
Mädchen vor Empfindfamkeit und Eigenfinn. Wer vernünfs
tigen Gehorfan gelernt hat, ift einft aud; zum vernünftigen:
Befehlen geſchickt.
Fehlte denn auch der Lehrer in einzelnen Fällen in dies
fem Streben (und wer ift frei von folchen Fehlern), fo
wirb er barım den Schüler nicht verderben, wenn nur
von Seiten der Eltern oder anderer Erwachfenen, dem
Schüler fein Borfchub geleiftet, und dem Lehrer das Zus
trauen und die Achtung nicht benommen wird. Gefchieht
dieſes unvernünftiger Weife, fo fehe fich der Lehrer wol
vor, daß ſolche Schüler nicht den ganzen Geift der Schule
berunterftiimmen, und feße fich Lieber anderweitigen Unannehms
lichkeiten aus, als daß er den Grund zum Ruin feiner Wirk
ſamkeit lege. Hat er gefehlt, fo mögen immerhin unvers
fländige Eltern, die von ihm Vollkommenheit verlangen,
ihn Unannehmlichkeiten dafür empfinden laſſen; aber er
muß nicht ans Schwäche, um des fogenannten lieben Fries
dens willen von feinem vernünftig gewählten Wege weichen,
muß fich lieber von einzelnen, ſich weife dünfenden, ſtolzen
Selbſtlingen verwerfen laſſen. St irgend einem Manne
Feftigkeit noͤthig, fo bedarf fie der Lehrer, der oft in dem⸗
felben Maaße, daß ſeine Sorgfalt waͤchſt, mit der An⸗
maßung ſtolzer und ſich weiſe duͤnkender Eltern zu kaͤmpfen
hat, die ihre Anfoderungen bis ins Unmoͤgliche ſteigern.
Mancher Vater, feine eigene Kurzſichtigkeit und Fehlerhaf⸗
tigkeit nicht bedenkend, will einen großen Mann aus ſeinem
beſchraͤnkten Sohne gemacht haben, oder verlangt in den
ſchwierigſten Faͤllen die ſchaͤrfſte aber unmoͤgliche Abwaͤgung
— 0 —
der Behandlung. Nachdem er tagelang den einzelnen Fall
einſeitig angeſchaut, ſein Mißtrauen, oder ſein gekraͤnkter
Stolz noch ein mehreres dazu geſellt hat, und ein feſtes
Urtheil gewonnen zu haben glaubt, haͤlt er den Lehrer, der
im Drange der Geſchaͤfte und oft in groͤßter Eile den Fehler
ruͤgen mußte, fuͤr einen leidenſchaftlichen Ignoranten, der
der Achtung ſeines Sohnes nicht ferner wuͤrdig ſei. Hier
weiß ich einem Lehrer nichts anderes zu ſagen, als: Gehe
getroſt deines Weges fort, ſuche ſtets weiſer, ſtets beſſer
zu werden, und laß dich nicht, wie ein Rohr durch jedes
Menſchen Unzufriedenheit hin und her bewegen.
Mancher Lehrer, uͤberzeugt von der Wahrheit des Satzes,
daß reine Kraft nur durch reine Kraft erzeugt werde, hat
dieſen Weg eingeſchlagen; aber die Unannehmlichkeiten, die
er zuweilen auch von Solchen erfahren mußte, die doch durch⸗
gaͤngig als vernuͤnftige Eltern angeſehen wurden, brachten
ihn zu einer Behandlungsart, der er als Mann ſich ſchaͤ⸗
men ſollte — zu jenem weibiſchen Unding von Erziehungs⸗
maxim, nach welchem Eltern und Lehrer ſchier vor Kindern
ſich fuͤrchten, und dieſelben wegen des ewigen Moraliſirens,
(man erlaube mir den Ausdruck:) vermoraliſiren: zu jenem
feigen Weſen, das um die Gunſt des Zoͤglings buhlt, ſtatt
daß ber brave Lehrer als Vater, Meiſter und Herr, mit
eine Säule daftehen foll, an welche das junge Baͤumleis
ſich hält, oder an der das zarte Epheu empor ranft.
eg mit diefem Leib und Seele verberbenden Geſpenſt!
das die Kinder zu eigenfinnigen, verweichelten, alttfugen
Menfchen macht; es ift Die Geburt der empfinbeinden Schaͤ⸗
ferwelt, und kann fürber nicht beitehen, wenn Männer uud
tüchtige Krauen erzogen werben follen. Ich .rebe hier keines⸗
weges jener barbarifchen Erziehung bad Wort, beun ich
mag der Jugend ohne .Roth feine Freude verkuͤmmern; aber
dem weibifchen, laffen Weſen bin ich von ganzer Seele
— 1 —
gram, und habe dabei die tüchtigften, deufendften und hu⸗
manften Erzieher auf meiner Seite: Männer, die ihr Sys.
ſtem nidht hinter den weidenden Schäflen, oder auf ver
Studierftube,, fondern in thatträftiger Hebung gebaut haben.
Lefen wir nicht im Sirach: „Blaͤue ihm den Rüden, beuge
ihm den Nacken,“ — und Klagl. Ser. 3, „Es ift dem Mens
ſchen ein Töftlichh Ding, daß er das Soc in ber Jugend
trage ?“ Und bier follte Gottes Wort irren, weil es mit
unfren überfeinerten Anfichten nicht übereinftimmt ?
Es ift aber Teinesmeges meine Meinung, ben Lehrer
zum allgemeinen Rüdenbläuer zu machen. Da mag jeder
SDansvater bei feinem Heerde forgen, idy meine die ftrens
gere Zuͤchtigung hauptfächlich felber übernehmen. Damit
er aber forge, weiß ich ein anderes Mittel, ald das ewige
vergebliche Bitten an fo manche Eltern um Eräftigere Eins
wirfung Wil ein Schüler fih, troß aller Mühe von
Seiten des Lehrers nicht beffern, ſo moͤgen die Eltern Die
Umannehmlichteit erleiden, daß ihr Sohn vor den Vors
Rand gezogen, und bei Öfterer Wiederholung diefes Mittels
ans der Schule gewiefen werde, im Fall er für biefelbe
verderblich ift.
Diefer Borftand mag, um Partheilichfeit und Schwäche
auszuweichen, wenigitens aus fieben, und zwar rechtlichen
verfländigen Männern beftehen, die in einem unabhängigen
Berhältnifie Ieben.
Nach diefer Anficht, nach welder Feine empfindfamen
Schwaͤrmer und laſſen Schattenbilder, fondern fräftige
Menſchen, ſtark an Geift und Leib erzogen werden follen,
befehle ber Lehrer moͤglichſt nach dem Geſetz der Nothwens
Bigkeit,, d. h. nicht nach Willkür, und der Schüler gehorche
vhne Widerſpruch. Wo der Schäler ungehorfam erfcheint,
ud fich nicht auf eine fanfte Art zurück führen läßt, laſſe
der Lehrer ihn den Zwang fühlen, und häufe bie unanges
— 92 —
nehmen Folgen der verachteten Nothwendigkeit auf ſein
Haupt, ſtehe ihm aber liebreich und vaͤterlich bei, wo dieſe
fuͤr denſelben verderblich werden koͤnnen. Darum walte
wahre, reine Liebe in des Lehrers Bruſt, und den Schuͤler
betrachte er als ſeinen Sohn, ganz als ſeinen Sohn. Fehlt
dieſe Liebe dem Lehrer, dann wird er gar leicht
ein Tyrann, den feine Schüler verfluchen,
oder er wird denfelben bei weniger Einwir
fung, ein Gegenftand ber Sleidhgältigfeit.
Wie unvernänftig, wie lieblod wäre es, Kinder koͤr⸗
perlich zu zuͤchtigen, bei denen ein liebendes Wort, eine
ruhige Zurechtweiſung, ein ernſter Tadel, eine weiſe Ermun⸗
terung zum Beſſern, oder ein anderes gelindes Strafmittel
helfen koͤnnte. Das Kind wuͤrde dadurch an ſeiner Liebe ge⸗
kraͤnkt, muͤrriſch und trotzig ſeinen Zuchtmeiſter fliehen und
haſſen lernen, und ſo wuͤrde vielleicht eine Seele verderbt,
"die für alles Hohe und Schöne fo ſehr empfaͤnglich war.
Sirach kann demnach nicht der Meinung gewefen fein, daß
der Bater ıc. nur toll drein fchlagen ſolle.
Es fann dem einen Kinde etwas eine empfinbfiche Strafe
fein, worüber das andere leichtfinnig hinwegvenft. Warum
wollte man beide denn auf die nämliche Art empfindlich
ſtrafen? |
Oft wird ein Kind von unvernünftigen Erziehern über
begangene Fehler beftraft, wo es flatt der Strafe Troft
und Beruhigung verdiente; Fälle, die hauptſaͤchlich dann
eintreffen, wenn das Kind feine Fehler anhaltend bitter bes
rent. Diefe Beruhigung Tann dann unter dem Namen der
Berzeihung gegeben werden; denn Fehler muß Fehler. bleis
ben, widrigenfalld das Kind in feinen Begriffen von recht
und unrecht, von guf und böfe irrig werben. würde. — Wie
empfindlich, und auf welche Art.man ftrafen müfle, kann
einem vernünftigen Erzieher nicht entgehen, wenn diefer nur
— 93 —
darauf achtet, ob das Kind ſich durch dieſe Strafe beſſere,
und ob dieſelbe uͤberhaupt fuͤr eine ſolche Individualitaͤt paſſe.
Da aber der Lehrer, wie ſchon geſagt, ſo oft mitten
im Drange der Geſchaͤfte, und mit Schnelligkeit die Strafe
an einem fehlenden Schuͤler vollziehen muß, er dabei nicht
immer aͤngſtlich auf eine gewiſſe Individualitaͤt Ruͤckſicht
nehmen kann: ſo muß er Strafen erſinnen, die fuͤr keine
Individualitaͤt verderblich ſein koͤnnen, und deren Empfind⸗
lichkeit doch in dem Maaße ſteigt, als des Schuͤlers Leicht⸗
ſinn und Unart ſich erhebt; ſo muͤſſen aber auch die Eltern
den Lehrer, der ihnen gefehlt zu haben ſcheint, nur deſto
ſchonender beurtheilen.
Bevor ich dieſe Strafen angebe, muß ich mich noch
einmal uͤber den ſchon beruͤhrten Gegenſtand ausſchließlich
an Eltern und Schulvorſtaͤnde wenden.
Achtes Capitel.
Ein Wort fuͤr Eltern und Schulvorſtaͤnde.
Es iſt in den meiſten Faͤllen unvernuͤnftig von Eltern
gehandelt, wenn ſie die Klage der Kinder uͤber Unrecht,
das denſelben in einer guten Schule angethan ſein ſoll, von
den Kindern anzuhoͤren ſcheinen, oder ihnen gar beiſtehen;
denn dadurch beſtaͤrken ſie die Kinder in ihrer Unart, ma⸗
chen dieſelben trotzig, und bringen den Lehrer um alle Ach⸗
tung und Liebe, alſo die Schule um ihre Wirkſamkeit, und
ſomit den Schuͤler um ſeine Veredlung, um ſein wahres
Beſte.
Jeder Lehrer, der den innern Menſchen ſeiner Schuͤler
mit trenem Fleiße bearbeitet, wird die Erfahrung machen,
— 94 —
daß die Ehrfurcht — der heilige leitende Engel der Jugend
— aus der Seele ‚dedjenigen Kindes weicht, bas in der
Schule, wenn gleich nur im Stillen, auf feine Eltern tro-
gen kann. Und — wenn biefe Ehrfurcht nun aus dem Kinde
‚getrieben ift — was bleibt dann den Eltern ſelbſt Äbrig, um
ihre Kinder wärbig zu erziehen? — Diefe Sache ift des
Nachdenkens werth, fle ift von der größten Wichtigkeit, —
ich wenigftend kenne nichts Wichtigered in dem ganzen Er
ziehungsſyſtem, ald Erregung und Erhaltung der Ehrfurcht
in der Seele des Kindes; und jeder Erzieher, der den fitt-
Tichen Menfchen in feinen Schuͤlern zu heben fucht, wird
meiner Meinung fein.
Wie viele Eltern gibt es, welche meinen, dieſer Vor⸗
wurf treffe ſie nicht, da ſie zwar die Klagen entweder
ſelbſt, oder nur durch eine Mittelsperſon, die oft klatſch⸗
haft, oder den Kindern treuer als den Eltern iſt, den Leh⸗
rer bitter tadeln. O, Eltern! haltet einen ſolchen Tadel
doch unter euch geheim, und wendet euch mit euern Klagen
an den rechten Mann.
Bei vielen Eltern geht dieſer Tadel aus unzeitigem
Mitleid, aus Stolz und Affenliebe hervor, und dieſe ver⸗
ſchlucken uͤber dem Muͤckenſeigen die Kameele. Denen trete
die Schule kraͤftig entgegen, und biete maͤnnlich die Spitze.
Und angenommen, der Lehrer haͤtte einem Kinde wirklich
Unrecht gethan: ſo muß man das dem Lehrer aus obigem
Grunde nicht ſo hoch anrechnen, und uͤberhaupt die Kinder
nicht daran gewoͤhnen, daß ihnen Jegliches mit der Gold⸗
wage zugewaͤgt werde. Ein Kind, das ſo aͤngſtlich erzo⸗
gen wird, wird in der Zukunft mit der Menſchheit, die es
uͤberhaupt nicht genau nimmt, ſtets in Unfrieden leben.
Darum ſoll der junge Menſch wenigſtens da Unrecht ſchwei⸗
gend ertragen lernen, wo ihm daſſelbe gegen Wiſſen und
Willen, und zwar von fülchen Menfchen zugefügt wirb,
— 95 —
die feine wahre Wohlfahrt gründen wollen und gründen.
Uebrigens weiß ich aus vielfacher Erfahrung, daß foldhe
Klagen der Eltern über die Lehrer, welche durch das Be⸗
Hagen der Kinder erzeugt werben, felten guten Grund ha-
ben. In fchlinmern Fällen ftieß ich bei Unterſuchung ber-
felben gewöhnlich auf die Wahrheit: Auch ein Lehrer, zu-
mal ein junger Mann, kann ſich irren und übereilen, und
— empfindlich und wieberholt von ſolchen Schülern geſtoͤrt,
die ihn zu flören pflegen, feine Erinnerungen nicht beachten,
und ihn gleichgültig anhören, hat er die Unart höher aufs
genommen, als Dies bei ruhiger Befonnenheit gefchehen
wäre. Diejenigen Väter, und diejenigen Mütter, welche
frei von ſolchen Fehlern find, mögen den erften Stein auf
ven Lehrer werfen, ber ihnen dieſes Fehlers wegen fo ftrafs
bar erfcheint. Und — was wäre denn am Ende mit
diefer aͤngſtlichen, yphlegmatifchen Befonnenheit ausge
richtet?
Ich rede hier keinesweges dem Leichtfinn und der Lei⸗
denfchaftlichkeit plumper Lehrer, oder dem Murrfinne milz
füchtiger Starrkoͤpfe das Wort; ſolche Menfchen follte man
aus Pflicht gegen die Menfchheit ihres Amtes entfegen, und
ihnen einen Drefchflegel in die Hand geben; ich fpreche
son Lehrern, Die zur Humanität aufftreben, von folchen,
die Achtung und Vertrauen verdienen. Manche Eltern aber
haben fein Vertrauen, und darum koͤnnen fie auch dem Leh⸗
rer und Wohlthäter ihrer Kinder nicht vertrauen, und ver:
achten alle Beweife Anderer. Glücdlich ift ber brave Leh⸗
ver , ber ſich des reinen Bertrauend der meiften Eltern
erfreut: er bat nicht nöthig jeden Meenfchen immer und
ewig aufs Neue bei jeder etwas räthjelhaften Gelegenheit
von feinem ernften Streben nad) dem Beffern zu überzeugen ;
feine Wirkfamkfeit wird nicht auf das Spiel geſetzt, das
Zarte feiner Seele nicht zerrüttet, und erfelbft nicht endlich
ein abgeſtumpfter Murrfopf!l Wohl ihm! er Tann bie Kin
-der zur Humanität, zum fröhlichen Denfen und Wirken
: erziehen.
Wenn ich eben fagte, die Strafmittel der Schule müß-
:ten für feine Sndividualität verberblich fein, fo verftehe ich
Darunter Feine ſchuͤchterne Zärtelei, eben weil dieſe fir jebe
individualität verderblich ift. Viele Eltern und Lehrer hals
ten aber ein folches weibifches Weſen für human, und
‚glauben zugleich darin das Mittel zu finden, um den gegen-
:feitigen Unannehmlichfeiten ausbiegen zu koͤnnen. Abgefehen
von ber Verderblichkeit dieſes Mittels, erreichen fie auch
den gewünfchten Zweck nicht. Mir ift es durch hinlängliche
"Erfahrung, wie ſchon an fi klar, daß mit jener Angftlie
chen, zärtelnden VBorficht des Lehrers, die Anfoderungen
der Schüler und Eltern an feine Abwägung jeder Kleinige
feit in gleichem BVerhältniffe fleigen, fo daß es endlich
dem Lehrer nicht mehr erlaubt bleibt, fein Mißfallen. über
Unarten an den Tag zu legen, indem er fürchten muß,
feine Schüler und deren Eltern zu beleidigen. In der
-That, wenn der Lehrer denn nun wirklich einen unvernuͤnf⸗
tigen. Weg einfchlagen foll, fo rathe ich .eher zu dem alten,
auf welchem er ohne Unterſchied eine ganze Claſſe, aus
‚welcher Einige gefehlt haben, ohne Barmherzigkeit durch⸗
‚prügelt, denn da empört er die Schüler nur gegen ſich;
nad) dem Abwägungsfyften aber verberbt er die Sugenb
für die Welt. Mögen wir das Gute aus dem Alten mit
Dankbarkeit anerfennen. Darum muß der alte, Fräftige,
vertrauende Sinn wieber in die Eltern zurücdfehren, nad
welchem fie dem fich beflagenden Kinde antworteten: „Es
ift dir recht gefchehen ; du follft dir die Zufriedenheit deines
Lehrers erwerben; fehle nicht fo wiederholt, dann wirft bu
auch in zweifelhaften Fällen nicht mißverflanden werben;
die Beftrafung, fehen wir, hat feinen Eindrud auf did
— 97 —
gemacht” ıc. — und dann mit diefen Worten ben Stock
ergriffen, um ben Geift der Fehlerbemäntlung auszutreis
ben, das Berfäumte nachzuholen, und der Schulftrafe Ein:
druck zu verfchaffen. Auf diefe Art, oder Doch in dieſem
Geifte gehandelt, würde man dem Kinde wahrhaft nuͤtzlich
werden.
Oder haͤttet ihr Eltern gern, daß eure Kinder ſich
über euch beim Lehrer beklagten, (ein Kal, der gar nicht
zu den unerhörten gehört), und daß die Lehrer fi dann
anf Seiten der Kinder ftellten, und ench um Liebe, Achtung
und Vertrauen brächten? — Shr ftuget, daß ich eine folche
Trage euch ftelle? Zerglievert das VBerhältniß zwifchen El⸗
teen umd Kindern, und zwifchen Lehrern und Kindern, wier
derholt dann die Frage noch Öfter, und ihr werdet, wenn
ihe das Gluͤck gehabt habt, von würdigen Lehrern unters
richtet zu werden, die euern innern Menfchen erzogen, Dies
ſelbe nicht unnatuͤrlich finden. Die vernünftige Erziehung
muß aber den Eltern anrathen, in dieſem Stüde durchaus
feinen Unterfchied zu machen. Darum tabelt Die Lehrer
nicht in Gegenwart eurer Kinder, deren Gefreundten oder
anverftändiger Menfchen, weil diefelben auch euch auf biefe
Art nicht tadeln dürfen. Der Knabe fol ven Mann nicht
richten,
Zur Zurechtweifung der Lehrer Laffen fich Mittel genug
finden, wenn übrigens biefelben zurecht zu weifen find. Da
indeſſen der Lehrer gar zu leicht einfeitig beurtheilt wird,
and dem braven Lehrer Mißtrauen, oder eine fchroffe Beur⸗
theifung feiner Handlungsweife befonders von folchen Eltern
fehr empfindlic, fein muß, deren Kinder ihm ohnehin eine
unendliche Laſt machen *): fo wäre ed Doch nicht mehr als
*) Die Eltern ungezogener Kinder find in der Regel mit dem Lehrer
nicht zufrieden, follten es aber, in der Regel wenigſtens, mit ſich
ſelbſt nicht ſein.
— 9098 —
billig, wenn die Eltern, vor Aeußerungen ihrer Unzufrie
denheit gegen Andere, ein Mehreres bedächten.
Sind denn die Klagen, die ihr Eltern vorbringen wol
Iet, wirflich gegründet? Kennet ihr alle Verhältniffe? Habt
ihr bedacht, daß euer Kind vielleicht durch feine oft wieder
holten Unarten dem Lehrer fchon vor der euch zu hart fcheis
nenden Beftrafung in einem fehr nachtheiligen Lichte erſchie⸗
nen ift, und baß die Beſtrafung vielleicht deswegen härter
ausfiel, als ber letztere Kal ed verdiente? Oder gehört
euer Kind vielleicht gerade durch eure Schuld, zu denen, Die
den guten Geift der Schule verfcheuchen, und hat dieſes
vielleicht des Lehrers Mißtrauen erwedt, und ihn vieleicht,
ohne Wiffen und Willen partbeiifch gemacht? Oder hat
der Lehrer dieſesmal vieleicht nicht Gewalt genug über fich
gehabt, um das unangenehme Verhältniß, in welchem ihr
früher fehon mit ihm geftanden habt, an euern Kindern zu
verleugnen? Habt ihr die Miene, die Geberde eurer Kin-
der, in denen vielleicht Trotz, oder gar euer feindliches
Verhältniß zu dem Lehrer lag, fo wie den Augenblick bes
dacht, in welchem ber Lehrer die Unart eures Kindes ber
Rrafte? Wie, wenn ber Lehrer gerabe in dem fchönften
Augenblick geftört wurde, in welchem er fein Herz in das
der Kinder überzutragen bemüht war? Ihr koͤnnt da einen
Mann leicht Fränfen, bloß durch eure Empfinblichfeit, Die
ihr ihn merken laßt 9; aber in der Zukunft wirb er fi
vielleicht hüten, fo warm, fo treu aus ber Seele zu Ichren,
damit eben dieſe ftille Begeifterung ihm nicht werführe, ſich
im Geringften zu übereilen.
*) Daß treue Lehrer ſich oft nur zu leicht gekraͤnkt fühlen, mag das
her kommen, daß fie fafi den. ganzen Tag hinduxch ihr Herz in
Anfprud nehmen müflen, wodurch biefeg ſehr zart geflimmt
wird,
Pas ift natürlicher, ald daß ber Lehrer gerade die
Unart eines Kindes höher anrechnet, bie ihm für die Sum
de, ja vielleicht für mehrere Tage die Weihe genommen
hat? Wollt ihr nun ihm dieſe Weihe durch unverdiente
Kraͤnkungen auf Jahre, oder vielleicht für fein ganzes Leben
uchmen? — Freilich fol der Lehrer nicht weibifch eine
überfeine Behandlung verlangen; er fol ein Mann, ein
fräftiget, weifer Mann fein; aber mit der Weihe ift es ein
fonderbares Ding, und an Unannehmlichkeiten überhaupt
werben wenige Lehrer eines ganzen Landes Mangel haben.
— Lebt ferner der Lehrer eurer Kinder im Drud, und häts
tet ihre durch einige Aufmerkſamkeit gegen ihn benfelben
heben koͤnnen?
O, wie oft haben brave Lehrer mir im Stillen ge |
Magt, daß fie nicht die Früchte ihrer Werke äßen, daß
man, vielleicht ohne Arg, ihrer zu wenig gebächte!
In der That, nähme der Lehrer nicht daher Beruhigung
unb Ermunterung, wo die Welt diefelben nicht zu fuchen
pflegt: fein Eifer wuͤrde nur gar zu früh erfalten! Wie
Bieles ließe fich hier noch erwägen! Ginget ihr Eltern vor
enern Anlagen auf diefe Art mit euch fragenb und uͤber⸗
Legend zu Werke: ihr würbet vielleicht einen Mann lieben,
den ihr num verachtet; ihr wuͤrdet vielleicht, ungeachtet eis
mes won ihm gemachten Fehlers, feine Wirkſamkeit preifer,
Die ihr jetzt für fo elenb haltet. Eltern, bebenfet biefes
um Das zarte Verhältniß unter euch, Lehrern und Kindern
sicht fo ohne Noth zu zerreißen; bedenfet, daß ihre ben
Lehrer dadurch wol mafchienenmäßiger, und darum abger
meſſener, aber nicht würdiger und wirkffamer für die Seele
enrer Kinder macht! Suchet vielmehr in ihm Die Freudigfeit
zu erhalten, bie euern eigenen Kindern fo nothwenbig iſt,
auf daß er mit SSreuben arbeite und nicht mit Geufzen, und
7 %*
— 100 —
feine Haare nicht vor der Zeit ergranen. — Wahrlich, ein
treuer Lehrer verdient mehr, als ihr ihm je vergelten
koͤnnt! —
Verſetzet euch einmal auf einen Augenblid in die Lage
manches braven ergranten Lehrers. — Er hat feit vielen
Sahren, wenn gleich nicht vollfommen, aber nadı feinen
Kräften treu gewirft, euch feine ſchoͤnſte Sugendfraft fo
willig in Begeifterung geopfert, und hat viel gethan, mehr
gethan, als ihr wiffen und fühlen koͤnnt, da euch die größs
ten Befchwerden dieſes Faches unbekannt find, naͤmlich Be-
“fchwerden, die nur treue Lehrer empfinden. Er hat manche
Nacht aus Sorge für euch und eure Kinder durchwacht, fo
oft im Stillen getrauert, und Gott um Aufrechthaltung feines
Eifers gebeten, wenn fein in aller Liebe dargebotenes Herz
fo verächtlich mit Füßen getreten wurde, ober hat fich in
ſchwachen Stunden muthlos wie verzweifelt in feinem Bette
gewälzt; er hat fo viel tauſendmal feine Begeifterung für
das Gute und Edle in die Herzen der Jugend ausgegoffen,
ſich fo glüdlich, fo belohnt. gefühlt, und die fchönften Hoff-
nungen für die Zukunft gefchöpft, wenn er feine Bemühuns
gen gejegnet ſah; er hat fo anhaltend nach Klarheit. in Wifs
fenfhaft und Kunft geftrebt, und fich täglich fo viele Stuns
den bemüht, diefe Klarheit in eure Kinder überzutragen. Er
hofft endlich die Früchte feiner. Werke zu effen, und —
wird am Ende durch fein Alter laͤſtig, oder in Bergeffenheit
begraben, weil er dem Orte nicht ganz das mehr. ift, was
er gewefen! — Saget nicht, folche Lehrer feien. felten. Ders
gleichen gibt es viele;. es find nur Leute, nicht, bie fich
rühmlich ausgezeichnet, nein,: die tren ihre Pflicht nach ihren
Kräften zu erfüllen gefucht haben — und Pflichtreue iſt in
ben Augen Vieler eine fo gemeine Eigenfchaft, daß man
ihrer felten mit Wärme erwähnt. Wollen wir" aber nur
den wirklich großen Mann verehren: fo werben. wir
— 101 —
undanfbar an dem treuen Willen handlen, der oft mehr
Gutes für die Welt hervor bringt, ald Größe bes Geiſtes.
Neuntes Capitel.
Ein Wort dem jungen Lehrer.
D junger, aufwaͤrtsſtrebender Lehrer! laß dieſes trau⸗
rige Bild dich nicht niederdruͤcken. Schaue aufwaͤrts, und
erflehe dir Kraft, einen hohen Standpunkt zu erſteigen!
Dann wird das Streben nach einem hohen Ziele dich uͤber
manche Erbaͤrmlichkeit des Lebens erheben, und das Be⸗
wußtſein in treuer Bruſt, fuͤr das Wohlſein der Menſchheit
gelebt zu haben, wird dann da dich beſeligen, wo du des
Dankes, der Anerkennung der Menſchen ermangelſt! Sage,
freueſt du dich etwa in dieſem Augenblicke ſo ſehr uͤber das
Sinnliche, das du zeither genoſſen haſt? Fuͤhlſt du dich
darum gluͤcklich? Und doch haftet die Freude laͤnger in der
Seele, als das Leid. Wirſt du einſt an dem Graͤnzſtein
deines Lebensweges dich fragen, was dich ſtets wahrhaft
beglüdt hat und dich noch begluͤckt; was bir Das ſchwere
Sterbeftündlein unendlich viel erleichtert, dich zur näheren
Gemeinfchaft mit den edelften Geiftern der unbekannten Welt
erhebt, deinen Namen hier in fegensreichem Andenken zuruͤck⸗
laͤßt, ja dich vielleicht zur Unſterblichkeit auch hier auf
Erden kroͤnt: ſo wirſt du mit tauſenden alternden Weiſen
and der innigſten Ueberzeugung antworten: Es iſt das innige
Streben das zu werden, mas ich werben fonnte, ein
Menſch — ein bumaner Lehrer! — Schwinge did
denn unter Gottes Beiftand zu der Stufe von Seelenabel
empor, baß Wohlleben, Ehre und Dank nicht die Trieb
— 10 —
federn deiner Wirkſamkeit fen müffen. O, möchte der guͤ⸗
tige Gott dich dazu flärfen, unb dein eifriges Streben in
jeglicher Hinficht dann feguen! — Sei aber auch gerecht
gegen deine Mitmenfchen bei Ertragung dir zugefügter Uns
annehmlichkeiten, und bedenke, daß du diefelben nicht felten
Dir zugezogen habeft, und daß bu die Zahl derſelben durch
etwas mehr Vorficht, Klugheit und edle Gefchmeibigfeit um
ein Bedeutendes hätteft verringern Finnen. Bedenke, daß
ber verdienſtvollſte Mann an feinem Werthe verliert, wenn
ihm diefe Eigenfchaften fehlen. Sei ftrenge gegen dich felbft,
und beurtheile deinen Nebenmenfchen fehonend; es werben
dann auch umnverfchuldete Leiden dich beflern, warnen,
dich erheben, alfo dich im Guten feftigen, dich achtungs⸗
und Fiebenswärbiger machen. Bedenke, daß Stolz; und
Eigendüntel fic Leichter und empfindlicher gekraͤnkt fühlen,
als wahres Verdienſt, denn Iehteres hat Weisheit, Mens
fchenfiebe und Gerechtigkeit in feinem Gefolge.
zeuntes Capitel.
Von den Strafen.
Nach dieſen Eroͤrterungen ſchreite ich nun zur allge
meinen Beantwortung der Frage: Woher entlehnen wir die
Strafmittel, und welche von dieſen eignen ſich fuͤr eine
Schnule am beften?
Die beiten Strafen find die natürlichen Folgen eines Bers
gehend, Diefe Folgen, Die der Menſch jederzeit ertragen muß,
fließen unmittelbar aus ber meufchlichen Naturund den menſchli⸗
chen 2erhältniffen; und darum Finnen: fie nicht verberblich für
irgend eine menfchliche Sndivibualität fein — wie es denn nicht
— 103 —
als verberblich für eine Individualität angefehen werben
kann, daß das Feuer brennt, das Waſſer näßt, die ftrenge
Arbeit ermübet, die Unart Unzufriedenheit erregt. Der
Menſch muß vielmehr feine Individualität diefen Folgen
umterorbnen, und Das muß der junge Menfch lernen.
Gebietet das Geſetz der Nothwendigfeit, und nicht die
Willkuͤr, fo wird es an folchen Strafmitteln nicht fehlen;
fie ergeben fich dann von felbit.
Die natürliche Folge irgend eines begangenen Fehlers
von Seiten des Schälers, ift die Unzufriedenheit des Leh-
rers. Diefe merke der Lehrer mit aller Conſequenz puͤnkt⸗
lich uud unpartheilfch, im Stillen oder oͤffentlich, mit oder
ohne Ermahnung durch einen Strich an. Er habe zu dem
Eube eine Tabelle, in welcher ſaͤmmtliche Namen der Schuͤ⸗
ler feiner Elafje verzeichnet, und bie Eigenfchaften des gu-
ten Geiſtes der Schule rubricirt find, und bie danıı für
ein Vierteljahr ausreicht. Im diefer Tabelle merfe er m
jedes, felbft den geringften Fehler, mit aller Sorgfalt an.
Je forgfältiger er hierin zu Werte geht, deſto weniger Feh⸗
ler wird er anzumerfen haben; onfequenz und Sorgfalt
than hier weit mehr, als Größe der Strafe. Die geringfle
Nachlaͤßigkeit hierin, durch welche dem Kinde zuweilen
Fehler durchgehen, laͤßt daſſelbe verſuchen durchzuſchluͤpfen,
macht es nicht ſelten leichtſinnig und gleichguͤltig, hebt
alſo die Wirkſamkeit des Mittels auf. Dabei ſieht ſich der
Schuͤler dann nicht mehr nach dem Geſetz der Nothwendig⸗
keit, das ſtrenge Ruhe, Ordnung, Aufmerkſamleit ıc. vers
langt, ſondern nach Willkuͤr behandelt, und faͤngt an, in⸗
dem er ſich mit durchgeſchluͤpften Schuͤlern vergleicht, ſich
zu beklagen, und dem Lehrer zu trotzen. — Hat ber Schuͤ⸗
ler am Ende der Woche feinen, ober höchftens einen
Strich von geringer Bedeutung, fo wird ihm alddann das
Zeugniß Nr. 1, das der Zufriedenheit, ertheilt; bat er
— 104 —
zwei, drei oder vier Striche wegen gewöhnlicher , jugenbli-
cher Fehler, fo erhält er das Zeugniß Nr.2, welches Mans
gel an Zufriedenheit mit feinem Betragen bezeichnet; hat
er fünf oder mehr Striche, oder ſich grober Fehler zu
Schulden fommen laſſen, fo erhält er das Zeugniß Nr. 3,
das Zeichen befonderer Unzufriedenheit mit ihm, wobei
dann feine begangenen Fehler mit wenig Worten angege-
ben werden.
Zur Ausftellung dieſer wöchentlichen Zeugniffe verfam-
meln ſich alle Freitag Nachmittag ſaͤmmtliche Lehrer der
Anſtalt, auf eine Stunde unter Vorſitz des Direktors. Je⸗
der Lehrer, mit Ausnahme des Direftord, ber im Namen
fammtlicher Xehrer unterfchreibt, nimmt eins ber vorliegen-
den Zeugnißbücher der Schüler, fragt die übrigen Lehrer
nach den gemachten Fehlern: des Schülers, und merkt diefe
an, aus welchen Dann die Nummer bed Zeugnifles fich ers
gibt. Jede Claſſe kann auch ihr gemeinfchaftliches Fehlers
buch haben, das dann zugleich als Notizbuch für das Aufs
gegebene dienen kann, und nad; welchem einer der Lehrer
die gemachten Fehler der Schüler den fchreibenden Lehrern.
angibt. Der Direktor hat dabei Gelegenheit, die Schul
zucht ıc. jedes Lehrers näher Tennen zu lernen, ! und. fan.
auf denfelben im Stillen wirken, — und fämmtliche Lehrer
haben bie befte Gelegenheit, uͤber die einzelnen Schüler zur.
fprechen. Des andern Morgens werben im Beifein fammt
licher Lehrer gleich nach ber Morgenandacht bie Zeugniffe
den Schilern einzeln mit den nöthigen. Bemerkungen ges
geben *).
Um mit dem..Direftor der Anftalt bei der Erziehung
der Kinder Hand in Hand zu gehen,s geben auch die Eltern
*) In niederen gefüllten Voiteſchulen 4 kann eine Marke die Stelle der
Zeugniſſe vertreten.
wöchentlich ihre Zeugniß über das häusliche Betragen ıc.
ihres Kindes in beftimmten oder unbeftimmten Ausdruͤcken
ab, und diejenigen, welche ein ſchlechtes Zeugniß von
Hauſe haben, kommen einzeln in einem beſondern
Zimmer vor ben Direktor, der fie ermahntıc. zu Haufe ſich
gut zu betragen. Sch habe diefe Einrichtung, auch nad
dem Zeugnifle fehr vieler Eltern, als fehr heilfam, in
meiner Anftalt bewährt befunden.
Zu Ende des Halbjahres werden Hauptzeugniffe aus,
getheilt, bei Deren Anfertigung befonders auf die Fortfchritte
der Schüler gemerkt wird. Die Schüler fommen dann in
fech8 verfchiedenen Haufen nach ihren erhaltenen Nummern
Mr. 1a, 1b, 2a, 2b, 3a, 3b vor die Lehrerfonferenz, wer
den dort zum Guten, zum Streben ermahnt ıc., und nad
dieſen Zeugniffen wird ihnen die Stelle, bie fie in der
Schule einzunehmen haben, angewiefen. Auf biejenigen
Schüler, welche fchlechte Hauptzeugniffe oder oͤfter fchlechte
Wochenzeugnifle erhalten, richten die Lehrer ihr befonderes
Augenmerk, ermahnen biefelben, befonderd in der Lehrer
Wohnung, zum Beflern, machen ihnen dort vernünftige Bors
ftellungen, helfen ihnen Tiebevoll nach, und ſuchen diefelben
durch anderweitige Strafen, die ſpaͤter angegeben werben
ſollen, zurecht zu führen. Hilft die Einwirfung der Claſſen⸗
Ichrer nicht, fo tritt der Direktor mit Borftellungen und
gefhärften Strafen auf. Hilft diefes nicht, fo wird ber
Schuͤler vor die Lehrerfonferenz, und endlich vor den Schuls
vorftand geladen, wo das Nähere über denfelben befchloffen
wird. Sit der Schüler für die Claſſe verderblih, oder
. wirfen die Eltern der Wirkfamteit diefer Mittel entgegen,
fo wird der Schüler endlich aus der Schule entfernt.
Zu biefen Einwirkungen gefellt ſich noch Die bei dem
Kachunterricht vortreffliche im Preußiſchen allgemein an ben
— 100 —
höheren Anſtalten eingeführte Einrichtung, daß ein Haupt⸗
claffenlehrer die befondere Sorge für eine Claſſe übernimmt,
und daß dieſer mit befonderm Eifer dahin fireben muß,
feine Claſſe hinter Feiner der übrigen, vornehmlich in Hins
fiht auf das Betragen zurüchzulaffen. Diefer Lehrer wird
demnach mit allem Eifer dahin ftreben, jeden fehlenden
Schüler zu befiern. Da ein fo oftmaliged Vornehmen und
Strafen des Claſſenlehrers, des Direktors, der Lehrerkonfe⸗
renz unb des Schulvorflandes ven Eltern des Schülers ans
gezeigt wirb: fo läßt ſich auf Gleichgältigfeit der Eltern
ſchließen, wenn dieſe nicht thätig bei jedem fchlechten Zeug-
niffe, bei jeder Schulftrafe nachhelfen, und fie müffen dann
leider die bittere Frucht ihrer Nachläßigfeit Arnten, daß
ihr Kind aus der Schule verwiefen wird. Nach obis
gem Grundfate werde ferner der Zänfer und Plauberer
an einen einfamen Ort gewiefen, oder in die Nähe des
Lehrers gefebt; dem Lügner traue man nicht, er belege jes
desmal die Wahrheit feiner Ausfage; der Kaule entbehre
Effen und Vergnügen, da dieſe natürliche Folgen des Fleis
Bes find; er hole gezwungen das Verfäumte nad. Auf dem
Anbringer höre man nicht, fuche aber geflifientlich feine
Zehler auf; der Eigenfinnige werbe gezwungen das ihm
Unangenehme um fo anhaltender zu thun, oder dem Anges
nehmen zu entfagen, nach der Anficht, daß der Menſch
feine Pflicht erfüllen müfle, und zwar aus Zwang, wenn
er biefelbe aus Eigenfinn vernachlaͤßigt. Den freche ents
ferne man auf der Stelle als einen Unwuͤrdigen, unb bem
MWiderfpenftigen febe man Körperftrafe entgegen. 0.
Das Gute belohnt fich durch füch felbft, und, ohne jeg⸗
liche Lobeserhebung, durch die Zufriedenheit des Lehrers.
Außer jenen, der Natur gleichſam abgelichenen, Strafs
und Reizmitteln müflen nun auch einige, wie gefagt, aus
der Furcht, dem mächtigen Beweggrunde, gefchöpft wer
— 107 —
den, nach welchem koͤrperliche Strafen, Entbehrungen und
Beſchaͤmungen ıc, anzuwenden find.
Zwingt und Cbefonders uns Eltern) das Kind zu Fürs
perlicher Züchtigung,, fo wollen wir vernünftiger Weife darauf
ſehen, daß wir auch hierbei nicht leidenfchaftlich erfcheinen,
und wir in feiner Hinficht ung rächen, fondern beſſern wol
len; daß wir dem Körper nicht fchaden, als durch Ohrs
feigen ıc., und daß wir und der erlaubten Strafmittel nur
ald Ausnahmen bedienen muͤſſen. Um aber die Züchtigung
sicht fo oft wiederholen zu müffen, folge man dem Sirach,
und züchtige empfindlich, um zu erfchättern. Dabei muͤſſen
wir forgfältig auf die Wirkung diefer Strafart merfen, und
uns nicht durch eigene Empfindlichkeit abfchreden laſſen,
eine orbentliche Seelentur, durch oͤftere koͤrperliche Züchtis
gung uadjeinander, bis der Fehler weicht, anzuwenden.
Das geht, ich weiß ed aus Erfahrung, oft hart an bie
Seele; aber barum foll auch der Vater koͤrperlich zuͤchti⸗
gen, und biefes nicht ber Mutter überlaffen, die dadurch
ans der Sphäre der Weiblichkeit treten muß. — Die Muts
ter verwalte überhaupt mehr das Amt der Polizei und der
Kirche, der Vater hauptfächlich,, wenigitens bei den firens
gern Witten, dad Amt eineö vernünftigen, gerechten Rich⸗
terd. Nehme ic; boͤſen Zroß und Widerfeglichkeit aus, in’
weichen Fällen ein vernünftiges Durcheinanderrätteln, ober
auch eine Tracht Schläge mit dem Hinausführen aus der
Gaſſe verbunden werben kann: fo halte ich die Körperliche .
Züchtigung nicht zwedmäßig, da Ddiefe zu leicht einreißt,.
und hier die Individualitaͤt der Lehrer und Eltern befonders
viele Colliſionen herbei führen kann, die auf Lehrer und
Schäler ſehr nachtheilig wirken Können; indeß muß der Leh⸗
rer hierin nicht ſclaviſch befchränft werben.
Bei dem Gebrauch der Befchämungsmittel, die neben
Den Strihen, da wo noͤthig angewendet werden koͤnnen,
, — 18 —
muß der Lehrer eine gewilfe Stufenfolge beobachten; muß,
furz gefagt, nicht gleich alle Munition verfchießen, und
zarten Gemuͤthern zeigen, daß er denfelben gerne eine Be-
fhämung größerer Art erfpare. Ein warnender Blick, ein
Öeradeaufftellen in der Bank, um beffer beobachtet werden zu
fönnen, ein Austretenlaffen aus der Bank, um andere nicht mehr
zu fiören, ein Entfernen in den Winkel, um den ftörenden Schuͤ⸗
Ier für den Theil der Stunde von den Uebrigen gänzlich zu
trennen, und deffen Unmwürdigfeit an ber Theilnahme des
Unterrichts auch Außerlich zu zeigen, ein Heraustretenlaffen
aus ber Claſſe ıc. mögen eine fiufenweife Reihe von Beſchaͤ⸗
mungsmitteln geringerer Art abgeben. Bei vorſetzlichem Un⸗
gehorfam und nicht zu auffallendem Troße koͤnnte der Schuͤ⸗
er, für den Tag aus der Klaffe entfernt, und des an-
bern Morgens, nach der gewöhnlichen Morgenandacht,
Öffentlich vor der Schule von dem Direftor, dem der Vor⸗
fall mitgetheilt worden, oder von dem gefränften Lehrer
felbft vorgenommen, und den Tag über im Arreft gehalten
werden. Kurz, wer oͤffentlich auf eine grobe Art fehlt,
werde Öffentlich mit Kraft und Strenge, jedoch nie inhu⸗
man, beſtraft.
Anhaltende boͤſe Gewohnheiten, als Luͤgen, Plaudern ꝛc.
mögen wo noͤthig durch abgeſondertes Sitzen, wozu
mehrere Baͤnke in der Naͤhe des Lehrpultes angebracht ſein
muͤſſen, noch naͤher nach dem Grundſatze beſtraft werden,
daß derjenige, der den guten Geiſt der Schule verſcheuchen,
oder Andere verleiten wolle, feine Gemeinſchaft mit‘ ben
Uebrigen haben dürfe. Wer zu lange dort fißen bleibt,
und zu viele fchlechte Zeugniffe erhält, wird nicht mehr
mit Strichen und fchlechten Zeugniffen, fondern für jeden
Fehler mit Arreft, ober mit einer Strafe, die für feine Ins
dividualität fich beffer eignet, zurecht gewiefen, und die
Eltern werden dann mit Förperlichen Züchtigungen, ꝛc. ohne
— 100 —
Annahnre von Entfchuldigungen, im Bertrauen auf die Aus⸗
fagen der Lehrer firenge nachhelfen, wenn fie anders den groͤ⸗
Bern vorher erwähnten Unannehmlichkeiten ausbiegen wollen.
Für die unfchuldigften Reizmittel zur Lenkung der
Willenskraft halt man in ber Regel diejenigen, welche aus
der Hoffnung gefchöpft werben, nämlich Lob, Auszeichnung,
Belohnung ıc.; aber. Diefe find im Durchfchnitt die verderb⸗
lichſten. Es ift erbärmlich, daß noch immer Lehrer auf
eine fo verderbliche Grundlage ein Syftem der Schulzucht
bauen! Was ift gerechter und unfchuldiger, als über ein
gutes Betragen ohne weiteres Lob feine Zufriedenheit zu ers
fennen zu geben; aber was lächerlicher und. bedenflicher,
ald die Handlungsweife, Kindern Eigenfchaften und Wär
den beizulegen, nach welchen der Erwachfene erſt ftreben
fol. Kinder fommen dadurch leicht auf den Gedanken, fie
feien in vieler Hinficht ſchon vollkommen, ja hätten einen
Veberfluß an guten Werken, Andern zum Nu und From⸗
men, und duͤnken fich weifer, denn die fieben Weifen. Lehr
rer, die einer folchen Schulzucht huldigen können, und ihre
Kinder zu. Polizeibeamten, Juͤris und Richtern machen,
fönnen feine reine Begriffe von den Eigenfchaften humaner
Menſchen haben; fie haben ein jämmerliches Scheinideal
vor Augen, und freilich mag es ihnen leicht werden, ihre
Kinder zu diefem Idol zu erheben, d. h. dieſelben zu vers
derben. Solchen Menfchen ift das Befenntniß des Sokrates,
„ex wife nun, daß er nichts wifle,” und das des Paulus:
„Richt , Daß ichs fchon ergriffen habe ıc.” eine leere For⸗
mel, oder wol gar ein Ausdruck ftolger Demuth, Mir
fommt e8 vor, daß das Ideal in eben dem Maaße fidh
son und entferne, als wir dafjelbe reiner erfennen. Se
gemeiner unfre Anficht von einem deal ift, deſto näher
fieht es und. Fangen wir an, daffelbe mit Ernft und. reiner,
ebler . vorzuftellen: ſo mögen: .unfere Werke Teicht zuruͤck
— 110 —
bleiben; endlich mögen wir gewahren, daß baflelbe wie eine
Progreffion einer unendlichen Größe fortfchreitet, und ung
in dem Anfange der Endlichkeit zuruͤcklaͤßt.
Das mochten Paulus und Sokrates Iebendig an fich
erfennen,, wenn fie in Demuth das ewige Borfchreiten bes
Ideals, und ihre Schwäche bemfelben nachzukommen mit
einander vergleichen. Darum bringe man die Kinder, bei
ver häuslichen Erziehung auch nicht in die Gefellfchaften
ver Erwachſenen, um diefelben dort zu loben, aufmerk⸗
fam auf fie zu machen, ober fie wol gar glänzen zu laffen.
Ein zarted Gemüth wird fich auch deffen fohämen, denn es
ift natuͤrlich, und darum nothwendig, ein Kind, bie in das
Alter des Ssünglings oder ber Jungfrau, in feiner befcheis
denen Stille leben zu laſſen, durch welche die Ehrfurcht
gegen Erwachſenen ec. um fo leichter gebeihet; hoͤchſt unna⸗
türlich aber, Kinder zu Viſiten, Eonzerten, Bällen, Schau⸗
fpielen, und zu den fo abgefchmadten Kinderviftten zu zies
hen. Die Humanität muß eine folche Erziehungsmeife vers
achten, da fie jegliches Frühreifen für die Menfchheit vers
derblich findet. Was iſt auch efelhafter, als ein folcher Bas
ftardzuftand ? |
Man kann in der Erziehung nicht forgfältig genug jebe
Aufregung von Eitelfeit und Ehrgeiz vermeiden.
Die Eitelleit ift eine gefährliche Eigenfchaft, ba fie des
Menſchen Blick zu fehr auf das Kleinliche und Leere zieht,
und da fie dem Menfchen nicht gewöhnlich, ſondern immer
co, das ift erfchätternd!) immer bleiben, unter allen Um⸗
ftänden mit ihm begraben werben fol. Der Ehrgeiz aber,
fo Großes er immerhin in der Welt hervorgebracht hat, ıf
eine unlautere Triebfeder, die jene edleren Motive gar
bald ganz unterdrädt. Eine vernünftige Ehrliebe ik. ſchoͤn
menfchlich, aber Ehrgeiz, Eitelfeit und Eigennutz, bie durch
Belohnung angeregt werben, find Eigenfchaften, bie ben
— 11 —
Menſchen von Gott und Tugend abwenden. Ein vernuͤnf⸗
tiger Lehrer wird aber auch hierin fein Muͤckenſeiger fein,
und ein unfchuldiged, aufregendes Gertiren, das bloß für
eine Stunde gilt, ein ſparſam ausgefprochenes ‚, Brav!
Schön!” ıc. ein Haͤndedruck, kurz ein Snanfpruchnehmen der
Ehrliebe nicht ald Ehrgeiz erregend anfehen. Derjenige
Schüler, der hierdurch ehrgeizig wird, ift bet der forgfäls
tigften Behandlung für die reine Tugend wie verloren; feine
Ehrliebe muß auf einem andern Wege ald auf bem einer
vernünftigen Schulzucht verborben fein.
Ss empfehlungswerth, ja fo nothwendig Vorficht im
Erziehen ift, fo jämmerlich ift die Aengftlichfeit, Durch welche
der Lehrer zum fchenen Reh, oder zum Lächerlichen Pedan⸗
ten, alfo nicht zum Erzieher wird. —
Wenn gleich Eltern und Lehrer fich bemühen müffen,
oft auf weiten Wege und von verfchiebenen Seiten her eis
nen vernünftigen Standpunkt zu gewinnen, von welchem fie
beſtmoͤglichſt alle VBerhäftniffe, in welche fie mit den Kindern
kommen, überfehen, und für Diefelben wohlthätig benuten
innen: fo muß doch ihre Einwirkung auf diefelben von
möglichit wenigen Principen geleitet werden, ba fonft im
Drange der Gefchäfte nur zu leicht etwas fehr Heilfames
vergeflen und vernachläßigt werben kann, und um fo Teich
ter Inkonſequenzen entſtehen muͤſſen.
Ich bin hier wenigſtens bemuͤht geweſen, die Schul⸗
zus von einem einfachen und verſtaͤndlichen Prinzip,
ven bem der Humanität, ausgehen zu laſſen; und ich hoffe,
daß Die anfgeftellten Auſichten Aber bie einzelnen Einwir⸗
Iungen and ber Hauptfache natürlich abgeleitet fein werben.
Wenn gleich dann auch die Sache hier nicht ala erſchoͤpfend
dargeſtellt ift: fo wird der Lehrer, im Falle er nad, diefem
Grundſatze die Humanität in feiner Perfon der Sugenb vor
Angen zu ſtellen ſucht, Diefer ein gutes Beifpiel geben, in
— 12 —
ihr den Menfchen achten, das Boͤſe aus berfelben auszu⸗
rotten ftreben, fie anregen, aber "nicht abtreiben, fie an
das Gute gewöhnen, und es fie lieben lehren. Er wird
nach dem Geſetze der Nothwendigkeit befehlen und verbie-
ten, mit Strenge auf die Erfüllung der Pflichten achten,
mit Nachdruck und Baterliebe ftrafen, und Ehrfurcht vor
dem Baterhaufe und der Schule, vor allem Guten und
Heiligen einflößen, und dadurch der Jugend auf .einem
zwedmäßigen und fichern Wege nüßlich werden.
Bierte8 Bud.
Berhältnig der Schulzucht zur Staatszucht —
Wirfform der Schulzudt,
Erstes Capitel.
Die Erziehungsbehörden des Staates,
und deren Wirkform.
Der Staat bezwedt die hoͤchſt mögliche Außere und
innere Wohlfahrt feiner Glieder, fucht diefelben mit Sorg⸗
falt zu allem Guten, Wahren, Nüslichen und Schönen zu
lenken, alfo das Wohl jedes Einzelnen zu gründen, und,
indem er biefen für Die allgemeinen und befondern Zwede
emyfänglich und. willig macht, dem großen Ganzen Hals
tung und Stoß zu geben.
Der Staat ift demnach eine Erziehungsanftalt. Zur
Zucht oder Lenkung. feiner Glieder. benußt- er. drei Erzies
hungsbehörden: das Richtamt, die. Polizei. und die Kirche:
— 113 —
Die eritere Behörde foll den Menfchen dahin bringen,
daß berfelbe dem heiligen Zwed des Staates nicht entger
gen zu handeln, nichts Boͤſes zu thun wage; die andere,
daß derfelbe nichts Boͤſes thun koͤnne; und die dritte, daß
derſelbe nichts Boͤſes thun wolle *).
Im beſten Einklange und mit gehoͤrigem Erfolg koͤnnen
dieſe Behoͤrden nur dann wirken, wenn ihnen feſte Graͤnzen
abgeſteckt ſind. Deswegen verhuͤte der Richter nie, noch
belehre er; der unvernuͤnftige Bruder moͤchte des Richters
Arm als gelaͤhmt anſehen: weiſe und gerechtigkeitsliebend
ſei er, wie ein Minos, Aeakus und Rhadamantus, und
Milde ihm ein ungekanntes Wort. Der Verhuͤter (die Po⸗
lizei) ſtrafe nie; er ſchiebe dem Boͤſen Riegel vor, betrachte
den Menſchen als einen leichtſinnigen Bruder, als ein un⸗
vernuͤnftiges Kind, dem man die Scheere nehmen muͤſſe,
damit es ſich nicht ſchneide. Die Kirche aber umfaſſe das
Innere des Menſchen; ſie lehre ihn eigene und allgemeine
Wohlfahrt ſchaͤtzen und lieben, und warm und wirkſam er⸗
ſtreben; ſie heilige ſeinen Willen und befrömmige feinen
Sinn.
Mit Beredtheit gewinne fie ihn für alles Heilige,
Wahre, Gute, Edle, Heilfame, was ben Einzelnen wie
das Ganze ficher und dauerhaft erfreut; mit treuen Farben
male fie ihm das Unwuͤrdige und Schäbliche der Unwiſſen⸗
heit und Thorheit, der Sünde und des Lafters, Die Vaters
fiebe und Gerechtigkeit Gottes — und helfe ihm nadı Kraͤf⸗
ten auf die Bahn einer erleuchteten und tugendhaften Froͤm⸗
migkeit; den Abtruͤnnigen aber,“ den Widerſpenſtigen kann
ſie nicht beſtrafen, ſie kann ihn nur beweinen.
*) Eine Idee meines verſtorbenen, mir ewig unvergeßlichen Freundes
Dr. Seidenſtuͤcker. Siehe Gutsmuths Bibliothek 1814.
8
— 4114 —
Obgleich das Streben jeder dieſer Behoͤrden dahin ges
richtet fein muß, ohne Beihülfe der übrigen Die Glieder des
Staates zu Ienfen, da der Fall hier und dort eintreten
tann, daß die beiden andern Behörden nicht thätig oder
nicht weife wirfen: fo wähne dennoch Feine Diefer Erzies
hungsbehoͤrden, eine ihrer Mitwirkerinnen für überfläffig.
Der Kirche gelingt ed felten, dem Bruder Die Unver⸗
nunft und das Laſter, Die Widerfeglichkeit gegen Die eigene
und allgemeine Wohlfahrt gänzlich abzuftreifen, fo daß
diefer ftets, ohne Verhätung und Strafe, allen Verführuns
gen audgefegt, bloß der fanften Leitung der Religiofität
und der Vernunft folgen follte; ver Polizei möchte es uns
möglich werden, den Handlungen des irreligisfen Bruders
hinlängliche Hinderniffe in den Weg zu legen: und im Ge-
fühl ihres Kraftmangels mochte fie endlich inhuman, eine
unedle Dienerin der rächenden Gewalt werden, wie wir
dieſes an dem niederträchtigen Laufchamte in den Sahren des
Drudes fattfam erfannt haben; und das Richtamt endlich
möchte feine erhabene Stellung als göttliche Nemeſis, vers
laffen von den andern Behsrden, in die der rächenden Fu:
rien verwandelt fehen. — Die Berfchiedenheit des Charak-
terd der Menfchen verlangt auch Berfchiebenheit in der Bes
handlung. Ginge dieſe nur von einer diefer Behsrden aus,
fo würbe bald eine gewiſſe Einfeitigfeit derfelben eintreten,
die für manche Individualität nicht wirffam, ober body
nicht wohlthätig fein möchte. Man benfe nur an jene
fchredliche Zeit Frankreichs, in ‚ welcher. ber Kirche und
Polizei ihre Wirffamteit genommen war.
In der Abgefondertheit dieſer verfchiebenen Behörden,
und in dem Beftreben jeder einzelnen‘, ihr Gewicht in der
Wagſchaale des Staates nicht abnehmen zu fehen, liegt
die Wahrfcheinlichteit, daß der allen gemeinfchaftliche Zweck
ſtets und moͤglichſt volftändig erreicht werde; bie eine wird
— 115 —
um fo thätiger werben, wenn Die andere unwirkſamer wird,
und Druf und Gegendrud werden dad große Ganze bes
ſonders dann in der Schwebe halten, wenn Ein Mann an
der Spite — ber allen diefen Behdrden angehört, ohne
deren Einfeitigfeit zu theilen, die ein untergeorbneter Stand
mit fich bringe — von den höchften allgemeinen Anfichten
geleitet, einem Staatöverderblichen Berluft des Gleichse⸗
wichts mit kraͤftiger Hand begegnet. —
Zweites Capitel.
Die Erziehungsbehorden der Schule
und deren Wirkform.
Die Schule nun arbeitet für denfelben Zweck, wie ber
Staat: die höchfimdgliche äußere und innere Wohlfahrt
feiner Fünftigen Glieder. Indem fie zu Diefem Ende auf
ber einen Seite ihre Zoͤglinge mit den Dazu erfoderlichen
Kenntniffen und Einfichten ausftattet, ftrebt fie auf der ans
dern dahin, diefelben für den erwähnten Zwed zu beftim-
men, und Da fie hierzu den jungen Menfchen von allen
Seiten erfafien muß , fo fann man die Schule einen Staat
im Kleinen, ober der Kleinen, und einen Borbereitungsftaat
für den großen nennen. Auch fie Abt darum durch die Pers
fon der Lehrer ein Richtamt, ein Verhätungsamt und ein
Amt ber Kirche.
Als Richter muß der Lehrer, wie im Staate, mit Uns
erbittlichleit die.Strafe folgen Laffen, da gerade in der Uns
abwendbarfeit, felbit der geringen Strafen, das Mittel zur
Beflerung liegt; als Verhuͤter Polized- beauffichtige er die
Sugend, und lafle diefelbe nicht in zu ſchwere Berfuchung
gerathen; und als Kirche wirfe er durch Ueberzengung :mit
8 %
— 16 —
Berebtheit. Wie dieſen Staatderziehungsbehörden fefte
Graͤnzen abgefteckt fein muͤſſen, fo muß auc der Lehrer mit
fchneller Befonnenheit jedesmal erwägen, in welcher Eigens
fchaft er in einem beftimmten Falle zu wirken habe. Bon
einem erlangten feinen Takt im Unterfcheiden dieſer Wirk
form muß nothwendig viel, fehr viel abhangen, da Die
Natur ded Menfchen bald dieſe, bald jene Einwirkung auf
denfelben erheifcht, und insbefondere der Lehrer ſich da nicht
felten als Verhuͤter und Ermahner laͤcherlich oder verächts
lich machen würde, wo er als firenger Richter handeln,
und da als Richter fich den Haß zuziehen muß, wo er ale
Kirche oder Berhäter wirken follte,
Die Lehrer ein und derfelben Schule haben aber dieſe
Aemter nur in der Idee zur genauern Ueberficht ihrer vers
fchiedenartigen Einwirkungen, nicht aber dergeftalt zu trens
nen, baß einer das Amt der Polizei, der andere das Amt
der Kirche, und ein dritter das Amt des Richters uͤbernaͤh⸗
‚me, wie biefed im Staate gefchehen muß. Der Schüler
kann, wegen ber Stätigfeit, mit welcher er durchaus ganz
erfaßt werden muß, nur dann ficher für das Gefeb der
Wohlfahrt gewonnen werden, wenn er daflelbe in der Per⸗
fon ein und befjelben Lehrers, ber es zu vertreten hat, zu
gleicher Zeit fürchten und lieben lernt. Sind dieſe Aemter
getrennt, fo wird er ben Richter, ber ihn ſtraft, haſſen,
die Polizei, die ihn befchräntt, Kiftig zu umgehen fuchen,
und die Kirche, bie nur ermahnt, warnt und: bittet, in'ber
Pegel nur verachten. Das Kind ift nicht gereift genug,
dieſe drei Autoritäten zufammen als ein Ganzes zu betradh-
ten. Da übrigens ber junge Menich faſt in jebem Augen⸗
blicke der Einwirkung ſaͤmmtlicher Behörden bedarf, fo fragte
ſichs ſonſt, wie diefe andy bei einer Trennung berfelben
moͤglich wäre? Sol ber Lehrer darum als Erzieher auf
den Zögling mit Erfolg wirken, und nicht wie eine Mafchis
— 17 —
ne-bloß Ichren: fo muß er diefe Drei Aemter in ſich vereis
nen. Er muß aber im Geifte jener drei Erziehungsbehdrs-
den verfahren, und dem Staate Bürger zu liefern ſtreben,
die Ehrfurcht und Lenkſamkeit gegen feine Aemter beweifen,
und an denen dieſer feine Zwede erreichen kann.
Drittes Gapitel.
Verhältniß der Schule zu den Erziehungs
behörden des Staates, befonders
zur Kirche.
Die Schule fol nämlich den jungen Menfchen durch
ihr eigenes Beifpiel Die erhabene Nemefis in Ehrfurcht lies
ben und vertrauen Ichrenz fie fol denfelben auf einen Stand»
punkt zu ſtellen ſuchen, von wannen ihm alles das, was
zum Wohlfein des Staates gehört, als unbebingte Noths
wenbigfeit erſcheint; fol ihm jeder Staatseinrichtung, als
von ber Nothwendigfeit einer guten Ordnung und der Men-
ſchenveredlung erfchaffen, ſich beugen lehren, wie der Menſch
ſich dem Schieffal beugen muß: fol ihm alfo Ehrfurcht ges
gen das Geſetz, und willigen Gehorfam einzuflößen ſuchen.
Die Schule ſoll der Polizei durch die Gewoͤhnung der Ju⸗
genb auf ben Weg des Rechtes, ber Ehrbarfeit, der bürs
gerlichen Ordnung ıc. vorarbeiten, damit jene Behörde um
fo leichter und freudiger ihr hohes Ziel erftreben könne.
Die Schule fol an der zarten Hand der treuen Kirche die
Jugend zu befrömmigen trachten; ihr tiefe Ehrfurcht vor
Gott und Jeſu, wie vor allem Heiligen einprägen, fie
mit den Erweifungen der Tugend und Gottfeligkeit gleich
ſam umlagern, und fo diefelbe durch das eigene Beifpiel
und die Beifpiele edler Männer der Bor » und Mitwelt
— 118 —
für alles Gute und Edle, für wahres Chriſtenthum zu ge
winnen trachten. .
Kurz — die Schule pflege die zarte Pflanze, entwickele
die göttlichen Keime, übe die Anlagen, erhöhe die Kräfte;
fie umfaffe den ganzen jungen Menfchen und ziehe im her⸗
auf. Bielfeitig bilde fie ihn für Gott, für die Welt, für
König und Staat, für die Gemeine, für ihn felbft. Wohl:
gehbt und gewöhnt für die Schule des Lebens, ausgeruͤ⸗
ftet mit den Erforberniffen zu feinem Fache, und vorzüglich
mit demjenigen, was ihm als Menfc und Chrift nicht feh-
len darf, übergibt er feinen Zoͤgling an die treue irdifche
Geleiterin auf der Lebensbahn, an die Kirche, damit Diefe
das reine Herz erhalte, die Religionskenntniß erweitere, die
Liebe zu Gott.und Sefu zu wahrer, lebendiger. Froͤmmig⸗
keit feigere und erhalte; damit ihm biefe gewähre Troft
und Rath, fo viel fie vermag; übergibt denfelbn dem Ber-
huͤtungs⸗ und Richtamte, damit Diefe das Werk volführen,
was er in ihrem Geifte fo fchdn begonnen hat. Wer fieht
bier nicht, daß die Schule mit ſaͤmmtlichen Staatserzie⸗
hungsbehörben , befonders aber mit der Kirche in dem ſchoͤn⸗
ften, fegensreichiten Berhältniffe ftehtz; und. welder Men-
ſchenfreund follte nicht innigit wuͤnſchen, baß befonders dieſe
beiden mehr und mehr in Freundfchaft und Liebe zuſammen⸗
treten! Pfarrer und Schullehrer im ſchoͤnen Verein koͤnnen
unendlich viel wirken! Welch einen ſegensreichen Erfolg
haben die Bemuͤhungen der Pfarrer um die niederen Schu⸗
len von Baſedows Schulſchrift an bis auf die Peſtalozzi⸗
ſchen Maaßs und Zahlenverhältniffe gehabt! Fuͤhrte jene
ſchoͤne Zeit nicht taufende Pfarrer in diefe Schulen? Raͤum⸗
ten fie nicht in benfelben und in ben Köpfen ber Lehrer
ihrer Gemeindefchulen auf? Unterftügten fie die Lehrer
nicht mit ihrem birtlichen Anfehen, und haben wir. ihnen
sicht die Verbeſſerung von taufenden Lehrerſtellen zu vers
— 119 —
banfen? Haben fie nicht für das Anfehen der Lehrer ges
firitten, und fich biefelben in Liebe zur Seite gefett?. Sit
durch fie nicht auf fo vielen Dörfern der Kuͤſter zu einem
Bildner der Tugend umgefchaffen? Das Alles muß der
Schuliehrer mit innigem Dante erfennen, und ich halte es
für ſchaͤndlich, wenn Lehrer, die von dem geiftlichen Stande
ſolches Gute genoſſen haben, jenes Danfgefühl deswegen
unferdräcden, weil ihr Anfehen an Das der Geiſtlichkeit ge⸗
knuͤpft bleiben ſoll.
Betrachten wir beide als Volkslehrer, was ſie doch
ſind, hat dann der Pfarrer gleichſam nicht die obere, und
ber Schullehrer nicht die untere Claſſe? Wem kaͤme nun,
wenn Subordination ftatt finden foll, der Charakter eines
Direktors zu? Oder wollte man lieber auch an nieberen
Schulen hier ein koordinirtes Berhältniß? Lehrt uns denn
nicht die Erfahrung, daß ein koordinirtes Verhaͤltniß, in ber
Regel die nothwendige Einheit dem Ganzen raubet? Einer im
Orte muß an ber Spike der Bolföbildung fiehen, und hierzu
eignet fich fchon wegen feines höheren Grades von Bildung
der. Pfarrer, und dort, wo mehrere niebere Schulen, find,
berjenige Pfarrer, ber am meilten Pädagoge und vielfeitig
gebilbeter,, humaner Menfch ift. An höheren Schulen, wo
die Wiſſenſchaft fchun als Wiſſenſchaft auftritt, mag der
Neligionsunterricht von dem Superintendenten bed Kreiſes
beaufſichtigt werden. Jene Suborbination muß aber. eine
Unterorbuung im eblern Sinne des Wortes fein; der Pfars
rer muß nicht das Recht haben den Schullehrer zu beftras
fen, oder ihn vor den Augen der Kinder und der Gemeinde
herabzufegen; er muß feine wohlbegründeten Klagen über
den Lehrer, dem Schulinfpeftor vorbringen, und von biefem
gerechte Unterfuchung und Abftellung des Uebels erwarten;
denn in diefem Berhältniffe fteht jeder Schuldireftor zu fer
nen Mitlehrern. Eine firengere Subordination müßte, bei
— 10 —
dem Limgange, den Pfarrer und Lehrer miteinander haben
follten, nothwendig auf die Wefenheit des Lehrers nachthei-
fig wirken. Um nun dem Lehrer nicht ohne Noth zu viel
Obern zu feßen, müßte der Superintendent ald Kircheninfpeltor
ſich nur um den Religiondunterricht der Schule zu bekuͤmmern
haben, und die etwaigen Mängel durc den Schulinfpeftor
und Pfarrer abftellen laffen. Daß auch hier eine Inſpek⸗
tion von zwei verfchiedenen Behörden für Die Schule nach⸗
theilig fein müfle, ift leicht einzufehen, da der Schulinſpek⸗
tor nach feiner Eigenfchaft ſaͤmmtliche Zwede, der Super⸗
intendent aber nach feiner Eigenfchaft hauptfächlich nur das
Religioͤſe ind Auge fallen würde; und es würde dann bei der
doppelten oft ſich entgegenftchenden Aufficht, entweder der
Pfarrer mit Dem Superintendenten, oder der Lehrer mit Dem
Schulinfpettor in ein unangenehmes Verhältniß gefeßt werben.
Sehen wir auf das Verhaͤltniß der Schule zu fämmts
lichen Erziehungsbehörden des Staates, fo leuchtet es von
felöft ein, daß eine Schule, die irgend einer StaatssErzie-
hungsbehoͤrde entgegenarbeitet, nicht beſtehen koͤnne und
duͤrfe, da foldye Schulen den Staat in Berwirrung brins
gen, und die Sugend aus ihrer Sphäre. drängen würbe,
und da Verbeflerungen des Staatsſyſtems von Staatsmaͤn⸗
nern und von den Behörden der Staatszucht, nicht aber von
den Schulen ausgehen müffen. DBielmehr muß jebe Schule
fich den einzelnen Behörden in fo weit anfchließen, als es
eine weife Einwirkung auf den jungen Menfchen geflattet.
Nachdem wir nun ben Geift und die Form der Einwir-
fung auf den jungen Menfchen aufgeftellt;, und Das Ber
haͤltniß der Schule zu den Erziehungsbehörden des Staated
angegeben haben, wollen wir zur näheren Anwendung der .
aufgeſtellten Anfichten übergehen.
— m —
Dritte Abtheilung,
Körper der Schulzudt,
—
— Vin, 79
Regeln und Gebotefammlung einer
humanen Schulzudt.
Sau die Regel: und Gebotefammlung einer Schule nur
Richtiges, Zweckmaͤßiges und Gutes enthalten: fo mäffen
die Geſetze und deren Prinzip, aus welchen bie Gebote und
Regeln hergeleitet find, richtig und Har fein. Es komme
bier demnach alles darauf an, ob die fämmtlichen Einwirs
ungen auf den Schüler nad; der dreifachen Beamtung ei-
ned Lehrers ald Berhüter, Kirche und Richter, die Lenkung
der Willenskraft erfchöpfen, ob Humanität ber Zweck alles
Erziehens ift, ob dieſelbe durch Humanität bes Erzichers
erreicht werben kann, ob die ausgefprochenen Anfichten
über die Wirkart der Humanität, Diefelbe wirklich charakte⸗
rifiren, ganz im Geifte der Humanität auftreten, und ob,
was ic, jehr zu bezweifeln Urfache habe, jede einwir
fende, erziehende Seite der Humanität klar darge
fielt worden ift.
Alle leitenden Anfichten, die wir ung nicht als Grund⸗
ſaͤtze der edelſten Glieder der Menfchheit denken koͤnnen,
müffen anusgemärzt werben, bamit die Einzelnen Einwir⸗
fungen nicht auf fchlechten Baſen ruhen, wodurch, fie felbft
fchlecht fein wuͤrden; es darf Feine nothwendige Anficht fehs
Ien, damit der junge Menſch allfeitig erfaßt werde, und
es müffen endlich alle Gebote und Regeln richtig und na⸗
türlich aus den einzelnen Anfichten abgeleitet werden und
in feinem Stüde fich wiberfprechen oder entgegenmirken.
— 14 —
Wenn gleich ich glaube noch eine Menge leitender Anfidy
ten, und um fo mehr Regeln und Gebote, auffinden zu
Können , wenn die aufgeftellten nur erft einmal gepräft fein
werben; fo lebe ich Doch der Ueberzeugung, daß nicht
fämmtliche Anfichten und Regeln ald allgemeine Norm für
Andere aus Dem Geifte eines einzelnen Menfchen hervorgehen
Dürfen, da die Sndividualitäten verfchieden find. Indeſſen
gibt es hier doc einen Einigungspunft im Allgemeinen: dies
fes ift die Humanität und muß es fein. An ihrer zarten
Hand geleitet mag Jeder Anfichten und Regeln folgerecht
anfftellen, Diefe der Prüfung und Sichtung ber denkendſten
und humanften Menfchen unterwerfen, und auf: diefe Art
mag ein Schulgeſetzbuch und eine Sammlung von. Geboten
und. Regeln entftehen,, die ich fammeln, oder auch nur vers
anlaffen möchte. Ein folched Buch koͤnnte dann durch bie
yereinte Kraft, feiner Vollkommenheit immer näher geführt
werden, und im Allgemeinen eine Norm für die Behand
Yumg.der Schüler abgeben. Wie Vieles ift uns dazu nicht
fchon gegeben! Diefes werde ich fpäterhin forgfältig. zu
benugen fuchen.
Diefes Buch fol nun ſaͤmmtliche einzelne Einwirkungen
des Lehrers auf den Schüler zur Wedung, Feſtigung und
Erhaltung des guten Geifles der Schule angeben. Es ges
hört demnach jede gute und fchlechte Eigenfchaft des Schuͤ⸗
Ierö, welche ſich für das edle Schulleben förderlich oder
hinderlich Außert, in feine Sphäre.
Man tadele ed nicht, daß ich nur das Schulleben hier
zu beabfichtigen fcheine, und glaube: nicht, daß ich darum
den. Schüler nur für die Schule ergiehen wolle. Ich denke
darin nach Haug, „wie Hudibras der Reiter; der bat nur
eisen Sporn und ſprach: Bring id) nur erft die eine Seite
weiter , fo folgt von felbft die andre nad.”
— 195 —
Wird der Schüler zuerft in demjenigen gut gewöhnt
und gezogen, worin er Iebt und webt, fo wird er, bei
forgfältigem Unterricht in der Religion, in Wiffenfchaft
und Kunſt auch den Chriften, den Wiffenfchaftner und Kuͤnſt⸗
ler , den Menfchen in fich zu heben veranlaßt, und um fo
fiherer ein guter Staatsbürger werben. |
Sol der Schulzwed erreicht werben, fo ift Fleiß und
Aufmerkfamfeit des Schülers nothwendige Bedingung; und
damit diefe Eigenfchaften erregt und feftgehalten werden
koͤnnen, ift Drdnung und Ruhe erforderlich.
Dabei muß der Lehrer zu obigem Zwed auf die Sitt⸗
lichkeit der Kinder achten, und zu dem Ende Lug und Trug,
Ungehorfam, Eigenfinn und Widerfpenftigfeit, Neid und
Duͤnkel, Leichtfinn und Muthwillen ıc. aus der Schule ents
fernen; aber Reinheit des Gemüthed und Des Leibes,
Schamhaftigfeit, Lebensfrifche und Fröhlichfeit, Ehrfurcht
und Liebe zu Gott, König und Baterland, wie zu allem,
was gut und edel ift, zu erfchaffen, und in ben Schülern |
su erhalten ftreben.
Hierbei wirft nun der Lehrer ald Verhuͤter, Kirche und
Richter. Als Verhüter fol er, wie gefagt, jede Veranlaſ⸗
fung wegräumen, die einen übeln Geiſt herbeiführen koͤnnte;
fol den Schüler ſcharf beobachten, und folche Einrichtungen
treffen, die ihn das Gute Tiebgewinnen laffen. Er foll den
Schüler an das Gute gewöhnen, da gerade von der Ges
wohnheit unendlich viel abhängt. Als Kirche fol er ihm
Ehrfurcht vor Gott und allem Heiligen einzuflößen ftreben,
auf feinen Sinn fürd Gute wirken; foll er den Willen des
jurngen Menſchen durch Liebreiche und ernfte Ermahnungen
und Borftellungen Ienfen, dem Schüler, wie ein warnender
Schutzengel zur. Seite bleiben, die Bemühung mag Früchte .
zu tragen fcheinen oder nicht; und als Richter fol er das
Schlechte ftrafen, und unabläffig auf wahre Befferung
— 16 —
dringen. — In dem Folgenden werden wir felten, nur in
befondern Fällen, von der Wirkſamkeit des Lehrers ale
Kirche und Richter fprechen, da biefe der in ben Teitenden
Anfichten audgefprochenen Form mehr folgen, ald das Ver⸗
huͤtungsamt.
Ich laſſe abſichtlich Aufmerkſamkeit und Fleiß ꝛc. den
ſittlichen Eigenſchaften vorangehen, da ich der Ueberzeugung
lebe, daß fleißige und aufmerkſame ꝛc. Schuͤler leichter fuͤr
reine Sittlichkeit gewonnen werden, als träge und unanf-
merffame. |
Aufmerffamfeit und Fleiß.
Wir Menfchen find zum Arbeiten beitimmt, und müf-
fen ung, in jedem thätigen Stande, oft wider Willen ein-
ſpannen. Das muß die jugend lernen, wenn ſich Diefelbe
in der Zukunft eben wegen des Arbeitens nicht unglüdlich
fühlen foll.
Fehlt es einer ganzen Claſſe an Aufmerkſamkeit und
Fleiß, fo ift nothwendig der Lehrer hiervon die Hauptur⸗
fache; ja in den meiiten Fällen möchte felbft bei einzelnen
Schülern die Urfache hiervon mehr in Lehrern und Eltern,
als in ben Rindern zu fuchen fein. -Die Eltern müflen zu
Haufe darauf fehen, bag ihre Kinder das Nothwendige für
die Schule arbeiten, und die Klagen ber Lehrer über Un⸗
aufmerkſamkeit und Faulheit ihrer Kinder nicht gleichgültig
anhören. Eltern, denen Diefe Erweifung von Sorgfalt zu
befchwerlich ift, verdienen keine Kinder zu haben. Xräge
Kinder follten fie zu Hofe zu anftrengenden Törperlichen
— 17 —
Arbeiten anhalten, bis das träge Blut rafcher. wird. Der
Lehrer hat unter andern hierbei nun etwa Folgendes zu
beobachten: -
1) Der junge Menſch muß von Kind an zur geifligen
Thätigfeit angehalten'werbden. Das Kind muß an konkre⸗
ten Gegenftänden benfen Iernen, und allmählig zu abſtrak⸗
tern Begriffen über geführt werden. Der Lehrer gehe darum
auch fpäterhin bei Entwidelung abftrafter Begriffe fo viel
als möglic, vom Eonfreten, von der Anfchauung aus. Mit
diefem allgemein anerkannten Grundfaße fteht die erbärms-
The Meinung Vieler, man muͤſſe mit Kindern alles mechas
nifch treiben, und fpäterhin das Material. in ihnen aufs
helfen, gerade zu im Widerſpruch. Es iſt inhuman den
Menfchen in dem Kinde zu verläugnen, und unfinnig das
Kind durch einen todten Mechanismus erft einzufchläfern,
um es fpäterhin zu wecken. Ein vernünftig gewecktes Kind
macht dem Lehrer nicht halb ſo viel Arbeit, als das, in
welchem ein traͤger Mechanismus eingeroſtet iſt.
V Findet der Lehrer, daß feine Claſſe in irgend einem
Gegenftande noch zuräd ift, fo muß er, nach Abſteckung
eines ftufenweife gehenden Eurfus, auf dem Punkte anfan-
gen, auf welchem er fämmtliche Schüler feftftehend findet,
und dann mit Sicherheit und Sorgfalt voranfchreiten.
3) Er muß fid beim Fortfchreiten hauptfächlich nach
denjenigen richten, denen das fcharfe Auffaffen die meifte
Scwierigfeit macht, und die nicht fo ſchnell zu einer nds
thigen Geübtheit, Kertigkeit gelangen. Um für bie Schwäs
dern Zeit zu gewinnen, muß er ben Geförderten anders
weitige Fragen zur Ausarbeitung vorlegen, und während
deſſen den Ungeuͤbtern nachhelfen, oder, wenn biefed nicht
thunlich iſt, indem er Die Gefoͤrdertern vernachläßigen wuͤr⸗
de, die Ungeuͤbtern um eine Claſſe zuruͤckſetzen. Scheidet
der Lehrer hier nicht forgfältig, oder .befchäftigt er die Ges .
— 13 —
forderten nicht gehörig: fo kann der. eine Theil ihm nicht
folgen, weil es demfelben an Begriff und Uebung fehlt,
und der andere Theil findet Feine angenehme Nahrung; beis
de Theile werben dann unaufmerffam und faul.
4) Derehrer muß bei feinem Unterrichte bei ber Sache
bleiben, weder felbft auf Nebendinge kommen, nocd ſich
durch neugierige Frager, die ohnehin nicht denfen, von der
Sache ablenken laſſen. Steht die Hauptfache erft feft, fo
mögen auch die erforderlichen Nebenfachen erörtert werben.
.5) Soll etwas Spyftematifches gelehrt werben, fo gebe
der Lehrer gleich anfangs ein fcharfes, gebrängtes Ganze,
oder einen nicht zu Fleinen Abfchnitt deſſelben, und zerftreue
oder zerfplittere Den Geift des Schülers nicht durch einen
Wuſt von Beifpielen. Will man 3.3. einen Hauptabfchnitt
der dbeutfchen Srammatif, oder die Lehre vom Stil, oder
die ber Gleichungen ıc. mit einer dazu geeigneten Claffe
durcharbeiten, : fo ftelle man jede Negel bed Ganzen, mit
möglichit wenig Beifpielen fharf hin, entwidle jeden Be⸗
griff mit Sorgfalt, und übe dann fämmtliche Regeln mit
der ganzen Claſſe fo lange ein, bis jeder Schüler im Stande
ift, das Ganze Har herzuzählen, und baffelbe mit Beritand
wieberzugeben. Auf diefe Weife wirb der Geift, der bag
Ganze durchdringen fol, zufammengehalten, umfichtig, frei,
und wird dann fpäterhin die nöthigen DBeifpiele mit großer
Leichtigfeit fuchen, oder auflöfen koͤnnen. Was das Sehuens
wert und Knochengebäude dem menfchlichen Leibe, was ein
Berg in ber Ebene, dem Ueberſchauer derfelben, was ein
Brennglas den Sommenftrahlen if, das ift, eine, fcharfe,
gebrängte Zufammenftellung eined SHaupttheiled im einer
Miffenfchaft. Zu viele Beifpiele ein und deſſelben Falles
fchläfern ben Geiſt ein, und machen felbft da mechanifch,
wo diefelben aufgefucht werden.
— 19 —
Wo aber mechanifche Fertigkeit nöthig it, da darf es
an Beifpielen nicht fehlen, wie 3. B. im Ziffern. und
Bucyftabenrechnen; jedoch muͤſſen auch dort die einzelnen
Fälle einer oder mehrer Kegeln Durcheinander geworfen wers
den. Befonders gilt diefes auch bei Erlernung. fremder
Sprachen.
6) Der Schuͤler muß ſelbſtthaͤtig voranſchreiten:
muß die noͤthigen Fragen mit Klarheit beantworten
alſo die Sache einſehen, nicht das Gehoͤrte bloß nachſpre⸗
chen. Iſt Uebung noͤthig, ſo muß ſie zur gehoͤrigen Zeit,
aber hauptſaͤchlich in Gegenwart, und unter Beihuͤlfe des
Lehrers angeſtellt werden. Laͤßt er zweckmaͤßig z. B. unter
ſeiner Aufſicht das Schwerere ſchriftlich uͤberfetzen, ſo hat
er oft Gelegenheit uͤber die Anwendung jeder Regel zu ſpre⸗
chen, und ſieht dann um ſo eher, welche Woͤrter und Re⸗
geln er mit den Schuͤlern noch einuͤben muß. Viele Lehrer
verſchwenden die Zeit in der Schule durch allerlei den Schuͤ⸗
lern zu gelehrte Anmerkungen, und fodern, daß der Schuͤ⸗
ler das zu Hauſe thue, was dieſer unter vernuͤnftiger Bei⸗
huͤlfe des Lehrers in der Schule thun ſollte. Ein Schuͤler
arbeitet in der Regel nur das zu Haufe gern, was ihm
leicht wird. Beachtet ein Lehrer diefen Umſtand nicht, fo
macht er den Schüler zum Lernen unluſtig; und muß er
Dann durch Strafe treiben, fo hat fih die Trägheit ſchon
entwidelt. Ein vernänftiger Stallmeifter hält. die Kraft
eines edlen Roſſes zufammen, übt diefelbe in Anftrengung,
aber nicht bis zur Erſchoͤpfung; ein unvernünftiger. Reiter
aber erfchöpft die Kraft diefes Thieres, treibt dann burdh
Sporn und Peitfihe, und möchte demfelben wol endlich eis
nen Strick um ben Hals Iegen, um bafjelbe voran zu
ziehen. Ein vernünftiger Lehrer ftärkt des Schuͤlers Kraft,
und veranlaßt ihn zur eigenen Hebung; ein unvernänftiger
möchte Mafchinen erfinnen und ben Schüler in die Höhe
9
— 130 —
winden. Wie foll der Schuler dort oben fich halten, wenn
frembe Kraft ihn in den Gipfel geſetzt hat? Viele Lehrer
ehilofophiren und Tritiffren lieber, ftatt daß fie Regeln und
Woͤrier ıc. einüben ſollten, drängen die Jugend aus ihrer
Sphäre, und wollen höhere Schulen oder . Liniverfitäten
fchier überbieten. Man. frage doch nur die Erfahrung nadı
den Früchten dev Krühreife.
Der Lehrer muß finnig vworanfchreiten, und ben
Schuͤler in: feiner Ruͤckſicht, bei feinem einzelnen Begriff ıc.
übereilen,, weil dieſer fonft höchitene nur das Mechaniſche
zu leiften gedenkt, um oberflächtg beftehen zu können. So
wie Das. Saamenkorn nur in ruhiger Erbe feimt, und über-
haupt der junge Menſch nur im feiner befcheibenen Stille
gebeils, fo will auch die geiftige Kraft nicht. viel gerüttelt
und geſchuͤttelt fein; ber Lehrer muß diefelbe nicht. mit
Schreien und Drängen, fondern. leife, rubig anfprechen
und ihr Zeit Iaffen, um fich zn fammeln, und mnß fo von
Begriff zu Begriff vorfichtig voranfchreiten. Um deſto ſiche⸗
zer zu Werde zu gehen, prüfe er die Schwächern der Claſſe,
folge er deren Faſſungskraft, und er wird Unaufmerkſam⸗
keit allgemein verhäten.
8) Der Lehrer muß die Sache zwar mit Eruſt, nach
der Wuͤrde des Gegenſtandes, aber auch mit Freundlichkeit,
und zwar recht anziehend mit den Schülern durcharbeiten.
Er muß mit ernften Dingen nicht fpielen, diefelben dadurch
nicht entwärbigen und ihrer höchften bildenden Kraft nicht
— aber er muß doch die Luft zu der Sache zu weis
ten ſuchen durch Einfachheit, Deutlichleit des Unterrich⸗
tes, durch weiſes Zögern und durch eigene rRuhrigkeit des
Geiſtes.
M Er muß den Schwaͤchem nicht durch Ungeduld und
Beſchaͤmung verzagt machen, ſondern gerade dieſen muthig
zu erhalten ſuchen, und vorzugsweiſe dieſen zu dem folgen⸗
— 131 —
den forgfältig überleiten. Geht der Lehrer mit einem fol
hen Schüler nicht ganz fufenweife und ficher: fo wirb
derfelbe unaufmerffam, und nicht felten. der Lehrer, ber
‚alles fo meifterhaft ausgeführt zu haben glaubt, verbrießs
lich. — Dort, dort fcheitert die Beionnenheit vieler Lehrer!
Diefe wollen, nachdem fie doch den Punkt nicht gefunden
haben, wo des Schülers Geift erfaßt werben mußte, ihre
Kunft und ihre Geduld von ben übrigen Schuͤlern bewuns
dert fehen, ‚die freilich alle Fragen ihres Lehrers fehr vers
Kändlich gefunden haben, ba fie den ganzen Satz vorher
fchon verſtanden, oder die Fragen für fie fich eigneten, und
— der Zurüdbleibende ‚fühlt fich, feiner vermeintlichen
Dummheit wegen, recht befchämt, und dabei zu verwirrt,
als daß er nun noch das Geringſte verftchen koͤmte. Am
Ende wird ein folcher Schüler muthlos und verdroffen, als
fo auch unaufmerkffam und faul. Man denfe dabei nur an
ſolche Schüler, denen bei der geringften Verlegenheit das
Blut zu Kopfe fteigt. Solche muß man beruhigen. Ein
„arte nur, ich will bir Die Sache von einigen andern
Seiten vorſtellen,“ hilft da zur Ruhe und zum finnigen
Nachdenken. Köpfe der Art faflen oft fehr ſchwer, ſelbſt
bei vielem Talent, halten aber das Erlernte auch um ſo
mehr feft, und verarbeiten es um fo beffer in ſich.
10) Der Lehrer muß bei feinem Unterrichte den einfach
ften und natürlichften Weg einzufchlagen bemüht fein. In
Diefer NRüdfiht muß ich Tillichs und Seidenftäders Ele
mentarbuͤcher, Löhrs und Campes Kinderfchriften, Diefters
wegs und Heuferd, fo wie Tillichs Arithmetit, & G. Fi⸗
fchers und Diefterwegs Geometrie, Eulers Algebra ıc. bes
wundern.
11) Der Lehrer muß dem Gegenftande feines Unter⸗
richtes gewachfen fein, fonft kann er denfelben nicht zweck⸗
mäßig zergliedert in der beiten Reihenfolge des Einzelnen
9 *
— 131 —
vor die geiftige Anfchauung bes. Schülers bringen. Er
muß mit den Schülern gemeinfchaftlich die Wahrheiten aufs
zufuchen fcheinen. Der Unterricht muß eine Unterhaltung
fein, in welcher nicht allein ber Lehrer fragt, foudern in
welcher auch die Schüler Fragen ftellen. Sol aber ver
Schäler ſelbſt mit Offenheit fragen, fo darf feine einfältig
fcheinende oder wirklich einfältige Frage auf Feine Weiſe
:nerlacht ober belächelt werben; denn fo lange noch Fragen
der Art geftellt werden, hat der Schäler die Sache nicht
Mar begriffen. In einer Schule, in welcher Lehrer oder
Schüler fich Über Fragen der Schüler unartig aufhalten
Können, und gefchähe folches auch nur verftohlen durch
Mienen, da Tann die Offenheit und das allgemeine Beſtre⸗
den mit Klarheit zu denken, nicht auflommen,
1D Der Lehrer muß eine anftändige Munterfeit und
Sröhlichfeit in der Schule zu erhalten fuchen, damit ber
Geiſt der Schüler rührig werde. — Mit Sinnigfeit und Fe
fligfeit fange ber Lehrer bei Entwidelung eines Begriffe,
einer Wahrheit, bei Ersrterung einer Sache, auf einem
allgemein klaren, feften Punkt an, gehe finnig mit Sorgfalt
und Fefligfeit weiter, und ruhe nicht eher, bis der Gegen;
fand allgemein Far angefchaut wird. Auf diefe Art
trägt der Lehrer die Regſamkeit feines Geiſtes, feinen fchar-
fen Bli und feinen frifchen Muth auf feine Schüler über.
Nach beendeter Sache mag er immerhin, ohne ben Anefdo-
tenfrämer oder Wigling abzugeben, da wo es fich ſchickt,
etwas vorbringen, Das bie gute Laune erhält, und bie
jungen Gemüther willig macht, einen folgenden Begriff ıc.
zu erforfchen. |
13) Der Lehrer fehe Die fchriftlichen Arbeiten fo viel
als mögficd nach, damit Fein Schüler glaube, unbemerkt
unaufmerffam, nachlaͤßig und faul fein zu koͤnnen.
— 133 —
14) Der Lehrer muthe den Kindern keinesweges mehr
Arbeit zu, als diefe bei mäßiger Anftrengung leiſten koͤnnen.
Er helfe, wo noͤthig, einem fchwachen Schüler auch außer
der Schule nah, da diefes gewöhnlich, im Fall er denſel⸗
ben nicht vernachläßigt,, oder zu früh herauf. gezogen: hat,
in wenig Minuten gefchehen Tann. Werden dem Schüler:
zu fchwere Arbeiten aufgebürdet, fo wirb er verbroflen;
find die Arbeiten aber zu leicht für ihn, fo wird er. nach⸗
laͤßig, faul und unaufmerffam.
15) Nach dem Spruͤchworte: „Des Herrn. Augen mas:
chen die Pferde fett‘ habe der Lehrer wadere Augen, und
frage fleißig beſonders diejenigen, Denen das Aufmerten
ſchwer faͤllt.
16) Fuͤhlt er, daß ein nicht unbedeutender Theil der-
Elaffe in der Aufmerkſamkeit nachläffet; fo fuche er der
Sade eine andere Wendung zu geben, werde einfacher,
deutlicher, finniger, anziehender, auffallender,. ſuche ben.
feften Punkt wieder , von welchem aus er fämmtliche Schüler
ficher weiter führen fanır,. oder verwechfele, wenn es bloß
eine Stunde betrifft, den Unterricht mit einer mehr mechas'
nifchen Uebung.
17) Der Unterricht in ein und demfelben Gegenſtande,
ſo wie hauptſaͤchlich die Form des Unterrichtes muß nicht
zu lange anhalten. Jeder Lehrer kann hier, bei einiger
Aufmerkſamkeit, ſehr leicht die Dauer deſſelben beſtimmen.
18) Der Stundenwechſel in den Gegenſtaͤnden erhaͤlt
die Aufmerkſamkeit beſonders dann, wenn bie letztern Stun⸗
den weniger Anſtrengung des Geiſtes verlangen. Jedoch
kommt hierbei vieles auf den Lehrer an. |
19) Fallen drei oder vier Unterrichtöftundben nach eitts
ander, fo mögen: die Schäler in ber. Zwifchenzeit einmal
herunter gehen, um ihre Nothdurft zu. verrichten, frifche
Luft zu fchöpfen und fi zu bewegen. Die Jugend nimmt
— 134 —
dann mit deſto größerer Lebengfrifche an bem folgenden Lin;
terrichte Theil, und lernt die Schule um fo mehr lieben.
20) Während des Linterrichtes müflen Die Schüler,
groß und Flein, wo ed angeht, die Hände gefalten auf das
Pult legen, den Lehrer. anfehen, und dürfen überhaupt
nichts Störendes vor ſich haben.
21) Am Ende der Stunde muß jeder Schüler etwas
angeben, oder auch befier das Behaltene aufichreiben.
22) Die Schüler dürfen nicht zu nahe zufammen fiten,
und der Lehrer darf richt die geringfte Störung dulden.
23) Sind mehrere Abtheilungen in einer Clafie, fo
muͤſſen bie Schuͤler, bie für den Augenblid nicht unterrich⸗
tet werben, zweckmaͤßig befchäftigt fein, db. h. Uebungen
machen, bie ihren Kräften durchaus angemeffen find.
24) Diejenigen, denen der Lehrer die wenigſte Aufs
merkſamkeit zutraut, feße er dahin, wo er ihnen am leich⸗
teften beilommen faun,
25) Dad Lehrpult muß fo hoch geftellt fein, und Die
Pulte der Schüler muͤſſen eine folche Stellung haben, daß
der Lehrer alles uͤberſehen kann, was auf denſelben Liegt;
auch müffen diefe Pulte nicht fo nahe aneinanderftehen, daß
ein Schüler fich gegen. die Ruͤckwand des. hinter ihm: ftehen-
den Pultes fitend anlehnen tannz denn dieſes erzeugt Ber
quemlichkeit. —
20) Gewauͤhren die; genſter eine ſtorende Auaficht auf
eine belebte Swraße ſo muß viefe, derq Blenden gewehrt
werben.
27) Bon dem hanlichen gieiße fodere der Lehrer in
der Regel nur Ausarbeitung des freien Aufſatzes, leichte
ſchriftliche Ueberſetzungen ıc. und vollkommneres Einuͤben
manches in der Schule im Allgemeinen ſchon Eingeuͤbten.
28) Iſt ein Schäler wirklich unanfmerkſam und faul,
fo muß er bei der gewoͤhnlichen Strafe und dem abgeſon⸗
— 133 —
dberten Sigen dad Berfänmte nach ber Schule unter den
Augen des Lehrers, der ihm liebreich beigufteheu Sucht, nach⸗
holen. Da er den Unterricht nicht benutzt, fo lege man ihm
Privatſtunden zu, in benen das Verſaͤumte nachzuholen ges
ſucht wird, und biefes fo lange, bis er den Schulunterricht
gehörig benugt. Nach dem Spruͤchwort: „Wer nit ars
beitet,, fol auch nicht efien,‘ fege man ihn auf fchmale
Koft; und da er beim linterricht ruhet, fo flelle man ihn.
nach. demfelben an befchwerliche Handarbeiten. Er macht
Andern Feine Freude; Darum muß fie auch ihm entzogen
werben, damit er fühlen lerne, wie unentbehrlich diefe der
Menfchheit ſei. Wenn feine ganze Umgebung zu Haufe ihn
unfreundlich behandelt, und ihn täglich bei jeder Ge
Tegenbheit feine Trägheit ꝛc. vorräcdt, er dort Allen nadıs
gefegt und mit Kälte behandelt wird: fo nehme fich der
Lehrer feiner befonders an, werbe im fo verſtaͤndlich als
möglich, und mache ihm die Arbeit lieb. Da nun übeyall
fein Herz zurädgeftoßen wirb, nur nicht da, wo er feine
Befleinng beweifen muß, fo wirb er dem. Lehrer fein ‚Herz:
zumenben, ımb ben zu :befriedigen ſuchen. Dieſe unfreund⸗
liche Behandlung zu Haufe muß in Der Regel erit baus
aufhören, wann der Lehrer ihn für aufmerffam und fleißig
erflärt. Dann mag er feierlich in: den Familienfreis aufs
genommen werden; nur huͤte man fi, ihn durch Heberhäus
fung von finnlichen Vergnuͤgungen zu fehr zu zexſtrenen.
Während ber Sur. ſuche ber Lehrer ıc. die wahre Ur⸗
fache der Faulheit und Unaufmerffamteit auf, und ſuche
dieſelbe beſtmoͤglichſt aus dem Wege zu raͤumen. Durch
bloßes Strafen, durch Murren und Knurren und Ungeduld
des Lehrers wird ſelten ein Fauler gebeſſert; das Uebel muß
an der Wurzel angefaßt werden. Liegt die Urſache jenes
Fehlers in der Conſtitution des Schülers, fo mögen Eltern
und Lehrer mit einem vernünftigen Arzte Raths pflegen;
— 136 —
liegt fie in der Schwächung feines Körpers durch Onanie,
fo muß die größte Sorgfalt ihn leiten; liegt fie in der Ar-
beitsfchen, in der Bequemlichkeitsliebe, oder im Leichtfinn
des Schülers: fo wird bas Nacharbeiten in aller Eonfequenz,
fo wird ſchmale Koft, Zwang zu förperlichen Arbeiten, jene
unfreundliche Behandlung und die gewöhnliche Schulftrafe,
oder es werben andere der vorgefchlagenen Mittel helfen.
Liegt die Urfache aber in Geringfchäbung des Gegenftandes
ober bes Lehrers: fo mögen Eltern und Lehrer vernünftiger
. handeln, und das einem jungen Menfchen nicht zur Laſt le⸗
gen, was fie felbft verfchulden.
Ordnung und Ruhe.
Sof die fo nothwendige Ordnung und Ruhe, zumal
in einer gefüllten Claſſe, Statt finden, fo darf ſich der Leh⸗
rer nicht mit Halbheiten begnügen; d.h. es muß dann nicht
erlaubt fein, baß ein Schüler in etwa von feinem P aberüde,
ober zu einem andern Schhler ja oder nein fage. Muß ein
Schüler aber fprechen, fo mag .er fih an den Lehrer wenden.
Sp wie in einem Staate, in welchem Ordnung und
Ruhe fehlen, bas Gluͤck der Unterthanen nicht ‘gefördert wers
den kann; wie dort die Erziehungsbehörden, von unfrucht⸗
barer Arbeit niebergedrädt, muthlos und dann leicht inhus
man werden: fo. kann auch der Zweck der Schule ohne Ord⸗
nung und Ruhe unmöglich erreicht werden; fo wird auch
dort die Willkuͤr herrfchen und Muthlofigkeit ıc. in Lehrern
und Schülern erzeugen. .
Beide Eigenfchaften der Schule . bangen . lediglich vom
Lehrer ab. Er beobachte zu. dem Ende Folgendes:
1) Der Lehrer erfcheine felbft eine. Viertelftunde vor
Anfang der Schule in derfelben, und fehe ſtrenge darauf,
— 137 —
daß jeder Schüler Diefen Ort mit Anftand betrete, fich ruhig auf
feinen beftimmten Platz feße, und fein Wort fpreche. Auf
Diefe Art wedt er eine gewifle Ehrfurcht vor der Schule im
des Schülers Seele.
Darum mögen auch Aber dem Eingange die Worte fies
ben: „Die Schule fol ein Tempel fein’ — „Gedenke des
Zieleg. ıc,
Diefed erwähnte doppelte Biertelftündchen mag der Leh—
rer zum Federſchneiden ıc. anwenden, und in höheren Schu⸗
Ien mag der Famulus dieſes gehörig beſorgen; wenigſtens
kann Diefes des Morgens von bemfelben gefchehen, da dann
alle Claſſen in dem Betfaale, oder in ber größten Claſſe ſich
verfammeln. Beiläufig hier erwähnt, wird jeder gutbenfende
Lehrer, der für feine Schule nicht wie ein Miethling lebt,
Diefes die ganze Schule zum Guten ſtimmende, höchft nöthige
und würdige Gefchäft bes Betens felbft gerne übernehmen.
2) Zu ein und derfelben Dinute, nadı einer beftimmten
Thurmuhr fange der Xehrer mit dem Morgengebete an, und
finge mit den Kindern einen Vers oder mehre, Wer wähs
rend der Gottesverehrung das Schulgebäude betritt, muß
fi) auf dem Hausflur fo Tange ftille verhalten, bis ſaͤmmt⸗
liche Schüler in ihre verſchiedene Claſſen gehen.
Wer bei der Morgenandacht fehlt, wird angemerft
wer noch fpäter fommt, muß, um nicht zu fiören, ander Thür
in der Claffe, wenn ed der Lehrgegenftand erlaubt, ftehen bleiben,
und wird ald unorbentlich angemerkt. Wer fpäter zu kom⸗
men pflegt, muß die Doppelte Zeit der Berfäunmiß in der
Schule nachbleiben, und dann mit Abfchreiben ıc. beſchaͤftigt
werden.
3) Die Schüler muͤſſen nicht gedraͤngt ſitzen, und- der
Lehrer follte in Feinem Falle mehr Schüler aufzunehmen
gezwungen werben, als er orbentlich überfehen, und als fein
Lokal faſſen fan.
— 1383 —
4) Sobald die Schäler ruhig anf ihrem Platze fiben,
werden ihre Namen verlefen. Zu dem Ende hat ber
Lehrer eine große Lifte, in welcher jeder Schüler eine Zeile
einnimmt, und bie für ſtark ein Bierteljahr ausreicht. Die
Colonne für die nicht anmefenden Schüler wird ohne Zei:
chen gelaflen, ihre Gegenwart bezeichnet ein Strich und
ihr fpäteres Kommen ein Punkt. Bei Berfpätung von vers
fchiedenen Zeitabfchnitten kann man verfchiebene Zeichen an⸗
wenden. Hierin mag ein größerer braver Schüler dem Lehs
rer beifteben. Eine folche Lifte laͤßt fich leicht fo einrichten,
Daß zwei gegenüberliegende Seiten fehr großes Papiers für
die Zeit von einem Hauptzeugniß zum andern ausreichen,
and daß am Ende die verfäumte Zeit angemerft werben
kann. Auch laſſen fich immerhin nach einige Rubriken für
Schuls Feder s Dintengeld ıc. anbringen.
Uebrigens nimmt bie Führung diefer Lifte dein Lehrer,
bei gehöriger Geuͤbtheit, jedesmal kaum einige Minuten,
felöft in fehr gefuͤllten Elaſſen, weg.
Ich babe mich ſelbſt oft in einer Schule von 150 — 180
Schülern, nämlich in der meines’ snniggefiebten Freundes,
bes forgfältigen , treuen, braven katholiſchen Lehrers, Heren
Herlitfchfa in Weſel, der jetzt zu Rheinberg als Lehner fteht,
son der Wahrheit des Gefagten in diefer feiner Einrich⸗
tung, wie von vielem andern Vortrefflichen Dort überzeugt.
..- 5) Außerdem kann der Lehrer eine Hauptlifte führen,
in welches ber Namen jedes Schülers, wann derfelbe eintritt,
mit Bemerkung feines Alters ıc. eingetragen wird. In biefe
Liſten werden ferner: Die Nummern feiner Hauptzeugniſſe, und
Die Vorladungen vor die Lehrerfonferenz oder den Schul⸗
vorftand, fo wie bei feiner Entlaffang deſſen Aufführung im
Durchfchnitt angemerkt. — Diefe Lifte möchte ben Lehrer
zur vichtigern Benrtheilung der ſpaͤter zu unterrichtenden
Kinder fehr förderlich fein.
— 139 —
Iſt dieſe Lifte fehr breit, fo reichen einige Zeilen für
jeden Schüler vollfommen hin. Diefe, wie auch jene vor⸗
her angeführte Liſte follten Eigenthum ber Schule fein, und
beide follten jaͤhrlich, etwa vor ber Prüfung, dem Schul-
vorſtande vorgelegt werden.
- 6) Diejenigen Bücher, welche in ber Schule benutzt
werden, ſollten Eigenthum der Schule ſein, und muͤſſen
nebſt den Schreibheften, Tafeln ıc. der Kinder von dem
Lehrer in Gemahrfam genommen werben, der biefelben von
ordentlichen Schülern umtheilen und einfammeln Täßt.
7) Für Federn und Dinte müßte der Schreiblehrer oder
der Famulus der Schule forgen, und bei diefem müßten
die Kinder Papier, Hefte ıc. für die gewöhnlichen Preife
kaufen koͤnnen. Um diefen jedoch eines unangenehmen Rech⸗
nungführens zu überheben, müßten die verlangten Gegens
ftände gleich baar bezahlt werben.
8 Sobald der Lehrer nicht Ruhe und Ordnung in
feiner Claſſe hat, mag er auf das angeſtrengteſte aufmerken,
und eine zeitlang mehr auf Herſtellung dieſer Eigenſchaften,
als auf beſondere Fortſchritte ſeiner Schuͤler ſehen. Hier
iſt uͤberhaupt ein ſcharfes Auge, ein geuͤbtes Ohr, und vor
allem Conſequenz in Humanitaͤt noͤthig. Achtet der Lehrer
auf geringe Stoͤrung und Abweichung, ſo wird er uͤber
auffallende Vergehungen ſeiner Schuͤler nie, oder ſelten zu
Hagen haben.
9) Der Lehrer gewoͤhne ſich zwar baran recht rein,
deutlich und vernehmlich zu fprechen, und fodere dies and
von jedem Schüler; aber er häte ſich vor allem Schreien
oder überlauten Sprechen; er zeigt ſonſt nur zn deutlich,
Daß er den gewohnten. Lärm durch feine Stimme uͤberwaͤl⸗
tigen wolle. Uebrigend will ber Geiſt des Menſchen auch
nicht angefchrieen, fondern in Sinnigfeit angefprochen fein.
— 10 —
10 Die geftellten Kragen muß der Lehrer nicht von
der ganzen Schule, fondern von einem aufgefoderten Schr
Ver beantworten laſſen. Bei gemeinfchaftlicher Einuͤbung
muß freilich die ganze Schule uud zwar nicht fingend und
nicht ſyllabiſch, fondern im edlen, natürlichen Tone fprechen.
11) Wer dem Lehrer etwas zu fagen hat,. muß vorher
den Finger aufheben, oder ſich fonft nicht ſtoͤrend demſelben
bemerkbar machen. Nothſachen find natürlich auszunehmen..
1D Die Federn müffen außer der Schulzeit gefchnitten,
und die Dintenfäfler ebenfalls außer dieſer Zeit gereinigt
und gefüllt werben.
13) Haben die Hände während bes LUnterrichtes Feine
Beſchaͤftigung, fo müffen fie gefalten auf dem Pulte liegen,
damit jede Stoͤrung durch biefelbe fortfalle.
14) Beim Rechenunterricht mögen die Schüler abwech⸗
felnd das Facit der ausgerechneten Aufgaben ihrer Mitſchuͤ⸗
Ver nachfehen. Der nachſehende Schüler geht zu demjenigen
bin, welcher ſteht; dieſer fagt leife das Facit des bezeich-
neten Exempels, und ber Nachſeher hat nur „Ja ober
Nein’ zu winken. Der Lehrer befchäftigt fih dann nur
mit dem Erflären; und da jeder Schüler oͤfter aufgefodert
wird, ausgerechnete Erempel zu erklären: fo werben auch
felten Unterfchleife ungeahndet gemacht werben koͤnnen.
Veberhaupt kommt es hier wieder darauf an, Daß bes
Schuͤlers Luft zum Lernen geweckt fei.
Hat der Kehrer nur eine oder zwei Rechentlaffen, fo
mag er auch Feicht das Nachfehen des Refultates übers
. nehmen. “
' 15) Wird frifche Luft gefchöpft, fo duͤrfen die. Schhler
zwar feine Spiele wild treiben, Lärm aber kann dabei
nicht wohl vermieden werben; denn Lärm ift Die Folge ber
rende Bieler. Wer nicht unpäßlich iſt, barf bei gutem
Wetter nicht in ber Schule bleiben.
— 441 —
16) Nehmen Knaben und Maͤdchen an dem Unterrichte
Theil, ſo werden dieſe abgeſondert geſetzt, und beim Schluſſe
der Schulſtunden moͤgen dieſe einige Minuten fruͤher ent⸗
laſſen werden.
17) Bei Beendigung der Schule wird den Schuͤlern
vorher eine Minute Zeit gegeben, um ihre Bücher ıc. zur
fammenzubinden, werben bann einzeln entlaflen, und bir,
fen auf der Straße fein Geräufch erregen.
18) Wer die Schule nicht anftändig betritt oder vers
laͤßt, muß zuruͤckkehren ‚ und dann geziemend eins ober abe
treten.
19) Wer von feinen Eltern eine fchriftliche Beſcheini⸗
gung feiner Unfchuld an der Verfpätung mitbringt, wirb
nicht geftraft. Kommen aber folche Befcheinigungen zu oft,
fo wird der Vorſtand den Eltern Vorftellungen machen,
20) Fallen Unordnungen auf der Straße vor, fo muͤſ⸗
fen auch bier die Strafen als natürliche Folgen ausfallen.
Ein Beleidigter muß um Berzeihung gebeten werden. Hat
der Schüler etwas befchädigt, fo muß er dazu den Schas
den erfegen,, und der Kläger wird dann an die Eltern des
Beichädigerd gewieſen. Folgt feine Befferung, fo weife der
Lehrer den Kläger an die Lehrerfonferenz, und fpäter an
den Schulvorftand.
Iſt ein Schäler bei der Polizei angeflagt worden, fo.
darf er, bevor die Sache wieder in Ordnung ift, als ein
dem Staatögefeß Anheimgefallener, die Schule nidyt eher
wieder betreten, big er eine Befcheinigung von ber Polizei
mit in Die Schule bringt, daß er der Schule wieber ger
geben fei.
21) Wer die Ehrerbietung bei einer religidfen Hand
fung aus den Augen fest, muß ſich außer der Ahndung
feines Fehlers , eine Zeitlang beim Beten und Singen ıc. in
— 11 —
die Naͤhe des Lehrers ſtellen, und wuͤrdig wird der Lehrer
dort auch als Kirche eingreifen.
20) Auffallend anhaltende Schulverfaͤumniſſe wird ber
Borftand durch Erinnerungen, an den Eltern ahnden.
23) Nimmt Unordnung und Unruhe in einer Claſſe
überhand, fo erhält diefelbe zur Schande in der Perfon bes
Famulus einen Polizeiauffeher während des Uinterrichtes, der
jede der geringften Bergehungen auffchreibt. In diefem Falle
wird Claffenarreft ıc. vielfach gegeben. Aus dieſem Zuftande
fommt die Claſſe nicht eher heraus, bis fämmtliche Lehrer
‚biefelbe für gebefjert halten. Eine folche Staffe könnte mit
den übrigen Claſſen fo viel als möglich außer Verbindung
gebracht werben. Kurz, dann muß ber Lehrer nichts anges
Vegentlicher betreiben, als die Verbannung dieſes verberbli-
chen Geiftes.
24) Mitleiden mit folchen Schülern, die nur mit Einem
Worte gefehlt haben, it überhaupt in gefüllten Claſſen
ganz am unrechten Ort; denn gibt man dort Ein Wort
zu, fo ift der Plauderei Thor und Thuͤr geöffnet.
Lug und Trug.
Diefe Handlungsweife ver Schüler findet man in fol
chen Schulen allgemein, deren Lehrer zu nachlaͤßig find,
auf die Sittlichfeit der Schüler gehörig zu achten, und
welche glauben hierin genug gethan zu haben, wenn fie
oberflächlich nach dem Gefehlten fragen, und fid) dann mit
jeder Antwort begnügen.
Der brave Lehrer kamn hier viel wirfen.
1) Der Lehrer fehe felbft, was vorgeht. Ohne die ges
heime Polizei zu machen, und durch Kniffe zu agiren —
— 13 —
eine Handlungsweife, die. dem Manne von Würde nicht
anfteht — kann er doch vieles bemerfen und in fich weife
den Ausfagen eines Schülerd mißtrauen, den er noch nicht
kennt, ohne jedody demfelben fein Mißtrauen gerade zu an
den Tag zu legen, indem er dadurch den Unſchuldigen nicht
allein fchmerzen, fondern auch empoͤren koͤnnte.
2) Er fuche feine Schüler da fennen zu lernen, wo er
den Hergang ber Sache genau weiß, und wo biefe feine.
Kenntniß von der Sache nicht vermuthen. Er fahre dann
nicht gleich heraus , fondern frage einigemal daffelbe, laſſe
ahnen, daß er vielleicht etwas wiſſe. Beffer, die Schliler
geſtehen auf dieſe Art, ohne zu wiffen, baß der Lehrer mit
dem ganzen Hergang der Sache befannt fei, als daß fie
Durch Beweife gegen fie nberführt werden; denn fie werben
alsdann fpäterhin da, wo der Lehrer nichts weiß, zu leug⸗
nen ſcheuen, und zarter bleiben.
3) Entehre der Lehrer aber keinesweges ſeine Lehrer⸗
wuͤrde durch Kniffe und durch Verſprechungen, die er zu
halten nicht Willens iſt. Ja, es iſt mir aͤußerſt empfind⸗
lich zu hoͤren, daß die Staatspolizei oͤfter einen Verbrecher
treuherzig mache, um das Geſtaͤndniß deſſelben herauszu⸗
locken. Wenn gleich mein Verſtand dieſe Sache in Etwa
entſchuldigen moͤchte, ſo empoͤrt ſich mein Gemuͤth dagegen.
Bei dem Schuͤler glaube ich aber in dieſem Falle meinem
Gemuͤthe mehr, als dem zweifelnden Verſtande folgen zu
muͤſſen, da ich denſelben durch ein edles Verfahren noch
beſſern kann. Habe ich aber ſein Vertrauen mißbraucht, ſo
wird er mich verachten, und ſi ch nicht durch mich beſſern
laſſen.
4) Der Lehrer huͤte ſich beſtmoͤglichſt vor allen Unterſu⸗
chungen, bei welchen er im Voraus einſehen kann, daß
dieſe zu keinem ſichern Reſultate fuͤhren koͤnnen; denn der
Schuͤler ſoll zu der Ueberzeugung gelangen, nicht, daß der
— 144 —
Lehrer fo Hug und allwiffend fei, fondern daß es ſchwer
halte, einen Mann, der fo fcharf ind Gewiflen fragt, zu
befügen; ja, daß es faft unmdglich fei, vor einem folchen
Manne von Würbe zu leugnen.
5) Man gewöhne die Kinder daran, daß der Schul:
dige auf die Frage bed Lehrers, wer dieſes oder jened ge
than habe, gleich auftrete und fich. als ſchuldig anzeige,
eine Foderung, die keinesweges chimärifch ift. Der Lehrer
muß nur die Borficht beobachten, im Anfang nur nach Din-
gen zu fragen, bie er leicht herausbringen kann, oder Die
er wol gar ſchon weiß.
Liegt diefe Offenheit, die dann. auch von dem Lehrer
nicht mißbraucht werben muß, einmal in dem Geifte der
Schule: fo wagt ed nicht Teicht ein Schuͤler zu ſchweigen,
und — wollte er ſchweigen, fo würden die Mitwiffer dieſes
nicht zugeben, oder doch durch ihre Aengftlichkeit den Schuls
digen verrathen. Wird dieſes Mittel mit Vorficht und Um⸗
ficht angewendet : fo fann gerade dadurch das Gewiflen in
feiner Zartheit erhalten werden, wodurch bie moralifche
Bildung um fo mehr erleichtert wird, Diefe Gewoͤhnung
feßt dem frechen Leugnen einen feiten Damm entgegen.
6) Da der Lehrer beffern will, fo mag er wol auf
eine wuͤrdige Art die Mitwiffer der Schuld irgend eines
Leugners auffodern,, zu deſſen Helle die Wahrheit, frei und
ohne Hehl, auszufagen. Dabei hat fich ein Xehrer aber
wol zu hüten, ein gewiffes Nachegefühl oder Uebelwollen
manches Schülerö, gegen einen Angeklagten, außer Acht
zu laffen. Diefes Mißtrauen darf aber nicht ohne hinrei⸗
chenden Grund geäußert werden.
7 Der Lehrer muß die goldene Mittelftraße zwifchen
blindem Vertrauen und Mißtrauen zu gehen fuchen. Jenes
laͤßt Gefahr laufen, Lügner und Betrüger zu’ bilden; Diefes
zieht Troß und Haß in dem Menfchen-auf. Denken wir
— 115 —
nur an und felbft, wie verächtlich ung die Menfchen ers
fcheinen, die unfre Ausfagen mit Mißtrauen anhören. —
Der Lehrer fol deswegen felten mit den Worten heraus⸗
fahren: „Du lügft,” er müßte denn ganz überzeugt fein,
daß er fich unmöglich felbft irre. Lieber beobachte man Re-
gel 2. In der That, der Lehrer muß darin Borficht bes
obachten, denn er kann fich felbft verhoͤrt und verſehen has
benz; er kann felbft da irren, wo er biefes Öfter für un-
möglich hält. In folchen zweifelhaften Fällen rathe ich
Deswegen, das Befte anzunehmen. Iſt der Schiler dann
ein Lügner oder Betrüger, fo wird fich, bei Aufmerffamfeit
des Lehrers, bald eine Gelegenheit finden, ihn als einen
ſolchen zu überführen, und auf feine Beflerung zu wirken.
8) Den vermeintlichen Dieb und Lügner bringe man
vielfach in Verfuchung, und Tafle ihn kurz nad) einander
mehrmale ftehlen und lügen. Dann nehme man denfelben
in der Stille vor, und ruhe nicht eher, bis man feinem
vorigen Vergehen auf die Spur gefommen if. Seine Be
fenntniffe mögen dem Lehrer ald Polizei neue Verhuͤtungs⸗
regeln lehren.
9) Kein Schüler darf Sachen in der Schule laſen,
die ein anderer zu ſtehlen verleitet werden koͤnnte. Deswe⸗
gen möchten Papiertafeln, Rechenbuͤcher, Schreibhefte ıc.
am beſten vom Lehrer in Verwahrſam genommen werden.
10) Alles Spielen um Geld muß ſtrenge unterſagt
werden, ſo wie alle Spiele um Knicker (Spielſteine) Knoͤ⸗
pfe ıc., da dieſes zum Stehlen veranlaſſen kann, und den
Eigennutz naͤhrt. Sollen Lug und Trug aber verhuͤtet
werden, ſo muß der Eigennutz, als die Quelle jener kaſter,
keine Nahrung finden.
11) Jeder Tauſchhandel muß unterſagt werden; ſelbſt
Sefchente dürfen ohne Eraubniß von Seiten der Eltern
nicht vorfallen.
10
— 1406 —
1D Wer Sachen von Werth, oder fonft auffallende
Dinge, die zum Tauſchen verführen könnten, mit in Die
Schule bringt, muß diefe dem Lehrer zur Beforgung an die
Eltern abgeben. Ein Kind darf überhaupt nichts mit brin-
gen, was die Lüfternheit anderer rege macht. Vernuͤnftige
Eltern, die ihre Kinder in allen Stüden einfach halten,
werben Kindern feine koſtbare Sachen, und am wenigften
mit in Die Schule geben, ba auch die fo fehr gefährliche
Eitelkeit dadurch geweckt werden fann.
13) Willſt du hierbei ald Kirche wirken, fo fei feldft
ohne Zug und Trug. Iſt der Lehrer felbit ein uneigennüßis
ger Mann: — und nur dDiefer vollendete Edle kann ohne
Lug und Trug fein — fo wird dieſe Eigenfchaft, der er
durch fein Streben doch näher gefommen ift, ihn begeiftern,
Alles, Alles zu thun, um Die Keime dieſes Lafters in der
jungen Bruft zu ertöbten, und die Pflanze der Wahrhaftig-
Seit und der firengen Ehrlichkeit in berfelben groß zu ziehen.
Sein signed Leben, ohne Pfiff und Kniff, einfach, ohne
Düntel und Falſchheit, wie das eines Nathanael gibt täg-
lich ein gutes Beifpiel. Die Leberzeugung von der Wich⸗
tigkeit der Sache veranlaßt ihn ſtets die Religion und Ge-
fhichte, ja jeden Umftand wo möglich zur Einprägung
biefer Handlungweife natürlich zu benutzen. Sie läßt ihn
gar leiblich und wuͤrdevoll von einer Tugend reden, Die
leider fo viele Menfchen nicht in ihrer Ganzheit beobachten;
und feine Fräftige Ermunterung ftets ein Freund der Wahr
haftigfeit und der Ehrlichkeit zu fein, wird ge Bielen ein
tiefes Gepräge in ber Geele zurüdfaffen.
Lehrer, hier gilt es zu wirken; bie Reime, die Du
ausrotten willft, Liegen in dem Innerſten des. menfchlichen
Herzend. Die Liebe oͤffnet Dir Diefes Herz, dein gefchärftes
Auge zeiget deiner Freundeshand die fchlechten Keime, und
bein begeiftertes Wort wecket den guten Keim auf, der nun
nicht mehr erbrücdt wird. Ermuͤde nicht, denn du haft viel
zu weden, aber noch mehr auszurotten, wenn du eine
gute Erndte einft hoffen willft!
14) Wie ein warnender Engel, wie ein zweites Ges
wiſſen, das fich nicht verftoden läßt, ftehe Der Lehrer dem
Schlenden zur Seite. Ein ermunterndes Wort zu rechter
Zeit, eine reine Thräne im Auge, ein Hänbebrud, der dag
Herz mitgibt, wirken oft Wunder.
725) Wer ſich Lug oder Trug zu Schulden kommen
laͤßt, verdient auf lange Zeit Mißtrauen, und barf, damit
diefe Sottlofigkeit nicht anftede, nicht bei den übrigen Schuͤ⸗
fern fißen ıc.
Wer Hoffnung auf Beflerung gibt, und fi zu dem
Ende bis dahin nichts Schlechtes hat zu Schulden kommen
laſſen, mag erft nach drei ober vier Wochen feinen P lag
wieder einnehmen; aber dad Mißtrauen wird feinen Aus
fagen noch lange begegnen. Ob er dieſes zu verfcheuchen
vermag, hängt von feinem Streben ab.
46) ‚Bei abermaligem Lügen ober Beträgen wirb - ber
Scüler vor die Lehrerfonferenz, bei Wieberholung biefes -
Lafters vor den Borftand gezogen, der, wie Die Lehrerkon⸗
ferenz, ihn erſt im Stillen, dann oͤffentlich vornimmt, ‚and
über ihn entfcheibet. ’
17) Dieberei fängt bei erwachfenern Schülern gleich
mit der vorlegten Inſtanz an. Bei Kleinern muß man
langmuͤthiger verfahren und zuͤchtigen.
410 *
— 18 —
Ungehorfam, Eigenfinn — Biden
ſpenſtigkeit.
So zart die ganze Schulzucht fein muß, ſo kraͤftig
muß ſie dennoch gegen den ungehorſamen, eigenſinnigen
oder widerſpenſtigen Schuͤler auftreten. Ein ſolcher Schuͤ⸗
ler will der Kraft, die ihn leiten, die ihn regieren ſoll,
widerſtreben; und wie ein Reiter dieſes an ſeinem Pferde
gefaͤhrlich findet, eben ſo gefaͤhrlich iſt dieſe unzeitige Kraft⸗
aͤußerung, die alle Schranken durchbrechen und in Zuͤgel⸗
loſigkeit ausarten wuͤrde, an dem jungen Menſchen. Wie
in Staaten aus dieſen Eigenſchaften die ſchrecklichſten Revo⸗
lutionen entſtanden ſind, die tanſendfach das Anfangs uner⸗
traͤglich ſcheinende Uebel vergroͤßerten, und eine Welt von
Verwirrung brachten: ſo muͤſſen dieſelben auch in der Schule
verderblich ſein.
Der Kraft muß alſo hier eine uͤberwiegende Kraft ent⸗
gegengeſetzt werden, damit dem Ungehorſamen ꝛc. der Muth
entfalle, etwas Weiteres zu verſuchen. Iſt die Kraft ge⸗
beugt, fo kann ſpaͤterhin die Liebe ihr Amt verwalten, und
gu befiern trachten, . Erſt muß das Rothwendige. gefchehen ,
damit der junge Dienfch fich nicht aufreibe, und. dann muß
dafür geforgt werden, daß er im Guten. wacfe. Wie aber
ein Pferd, das einmal durchgegangen tft, feine rohe Kraft
kennen gelernt bat ‚ und in vielen Fällen gefährlich bleibt:
alfo hält es auch fchwer, ben vormals widerfpenftigen
Schüler zu beffern. Der Schüler muß demnach vor Diefem
Fehler bewahrt bleiben, und ber Lehrer hat Deswegen haupt-
fächlich hier ald Polizei zu wirten. -
1) Das Geſetz der Nothwendigfeit muß gebieten, nicht
die Willkuͤr. Wie koͤnnte es einem jungen Menfchen ein:
fallen, fich der Nothwendigkeit zu widerfegen, der der Er:
— 19 —
wachjene in Demuth fich beugen muß. An ben Geſetzen
" ber Nothwendigfeit fol der junge Menſch gehorchen Iernen,
und er wird alsdann auch bloß dem Worte, dem Befehle‘
eines vernünftigen Obern willig folgen, felbft wenn er
feine andere Rothwenbigfeit einfieht, als bie in feinem Ver⸗
haͤltniß zu dem Befehlenden liegt.
2) Nach dieſem Geſetze befehle ber gchrer unbebingt
mit mildem Ernfte, und beftehe dann auf pünktliche Vefol.
gung des Befohlenen.
3) Er bitte ſich, durch vieles Vordemonſtriren, von
ſeinem Schuͤler nicht erſt die Erlaubniß zum Befehlen aus;
ſetze ſich vielmehr bei dem jungen Menſchen in einen ſolchen
Grad von Achtung, daß dieſer ihm weder Unvernunft noch
Eigenſinn zutrauen kann. Der Schuͤler mag oͤfter das Ver⸗
nuͤnftige und Nothwendige jenes Befehles erſt ſpaͤter durch
Huͤlfe ſeines Lehrers einſehen. Selten muß dieſes der Leh⸗
rer zu ſeiner Rechtfertigung thun; er muß den jungen
Menſchen nur dahin leiten, daß dieſer in aͤhnlichen Faͤllen
ſelbſt ſo handeln lerne.
4) Der Lehrer befehle darum nicht zu: viel; der Schuͤ⸗
fer mag fchon wiffen, was er in vielen Fällen zu thun
habe, und mag fchon feine Freude an dem Handeln aus
eigenen vernünftigen Antrieben finden. Fehlt er hier in uns
wichtigeren Fällen, fo muß er nur auf das Fehlerhafte
ſeiner Handlung aufmerkſam gemacht werden. |
5) Der Schüler muß wiffen, daß es bem vehrer nicht
an Kraft und Mitteln fehle, denſelben da zu zwingen, wo
er Ungehorfam oder Eigenfinn zeigen follte; und darum iſt
es verderblich, ben Lehrer zu fehr einzufchränfen, und ihm
eine Härte, die er in der Aufwallung fich erlaubt hat, vor:
den Augen des Schülers zu verübeln.
Ein vernünftiger Vater follte eine folche Unbill nicht
einmal in Gegenwart feiner ſchwachen Gattin rügen,
da diefe nun durch gutgemeinte, aber unverfländige Tro-
flungen. den unartigen Sohn in feinem Fehler, vielleicht
anf die unfchuldigfte Art beftärfen möchte. Der Bater mag
bei wirklichen Unbillen der Art an ſich felbft denfen, und
von dem Lehrer nichts Sdeelles verlangen, wenn gleich dies
fer nach dem Speellen ftreben muß.
6) Mit diefer Macht vereine der Lehrer wahre Men⸗
fchen » und Lehrerwürbe, denn die bloße Kraft laͤßt Murs
ren, Eigenfinn und Trotz im Stillen auffeimen; Die wahre
Würde aber unterbrüdt dieſe böfen Keime.
7) Eben deswegen lege fich der Lehrer nicht aufs Kla⸗
gen und Sammern über die Fehler der Kinder; fondern er
denke im Stillen nach, wie er ven Ungezogenheiten wirffam
entgegenarbeiten koͤnne. Wie erbärmlich erfcheint es in den
meiſten Fällen, einen Lehrer fagen zu hören: Kinder, ich
werde trank, befonme eine Blutftärzung ꝛc. wenn ihr fo
ungezogen- feid. Ach, wer aus Mangel an Würde an das
Mitleiden rüftiger Knaben appelliren muß, der ift in ber
Regel verloren! — Tritt dem Unartigen ald Mann friſch
gegen, und beine Schüler werben in bie fein fchwaches
Weib erbliden, das ſich hätfcheln laͤßt — endlich aber,
wenn dad Maaß vol, ift, wie eine Furie aufflisst, und
dann in Erfchlaffung dahin finkt.
8) Der Lehrer Liebe und achte in feinen Schuͤlern ben
Menfchen, und zwar von ganzer Seele. Sein Wohlwollen
muß in allen Stücken hervorleuchten, fa daß der Schüler
ihn wieder lieben und achten muß. Daun wird; diefer um
fo eher das Gute und Edle Lieben lernen, und ein. erlittes
nes ‚Unrecht um fo leichter ertragen. Es kann fein, mag
er bei guter Gelegenheit zu feinen Schauͤlern fprechen, daß
Eltern, Lehrer und andere Vorgeſetzte, die alle euer Gluͤck
gründen wollen und gründen, euch einmal Unrecht thun;
fie find Menfchen, und darum nicht volllommen; ihr aber
— 151 —
ſollt alsdann ohne Murren dieſes ertragen, weil ihr es
lernen müßt, in einer unvollfommenen Welt zufrieden zu
leben; nur der Thor verlangt Volllommenheit von Unvoll⸗
kommnen. Wuͤrdet ihr felbft eine angenehme Stunde haben,
wenn Eltern und Lehrer von euch VBollfommenheit vers
langten?
Der Lehrer mache feine Schüler vielfach auf das Gefek
ber Nothwendigfeit aufmerffam, und zeige ihnen, wie Die
weifeften und beiten Menfchen fich dieſem Geſetze fo willig
unterworfen haben, wie. aber die felavifche Natur, ber ver
dorbene und niederträchtige Menfch, auch biefem Öefeße
zu troßen fucht.
9) Der Ungehorfame, Eigenfinnige werde gezwungen,
wo es angeht, Das Doppelt zu leiften, dem er fich ent
ziehen wollte.
10). Er nehme einen abgefonderten: Map ein, Damit er,
durch fein Murren in der Stille, nicht verfuͤhre.
11) Er ſtehe unter firenger Aufficht ſaͤmmtlicher Lehrer,
felöft bei denen, bie dieſen Fehler an ihm noch nicht ge-
merft haben. Der allgemeine Unwillen gegen ihn fuche iht
zu erſchuͤttern.
12) Bei Widerſetzlichkeit helfe ſich der Lehrer durch aus
genblickliche koͤrperliche Zuͤchtigung, freilich mit Vernunft,
wie dieſes einem wuͤrdigen Lehrer anſteht; und dazu moͤchte
ich beſonders eine Reitpeitſche anempfehlen, wenn dieſe zu
holen Zeit und Umſtand erlauben. Der zuͤgelloſen Kraft
muß eine ſtaͤrkere Kraft entgegengeſetzt werden, und da,
wo die geiſtige Kraft nicht ausreicht, muß Die Körperfraft
aushelfen.
13) Iſt der Schüler erwachfen, fo bringe man ihn ohne
weiteres vor bie letzte Inſtanz, und ber Lehrer weife ihn
vorher gleich aus der Schule, damit derfelbe nicht weiteres.
Aergerniß gebe. Der Borftand entfcheide dann Aber den⸗
— 152 —
felben, und zwar in Verbindung mit ben Tchrern, damit
erfterer Diefen nicht zu nahe trete. In folchen Fällen muß
der Schuͤler in der Regel die Schule verlaffen.
Reinheit des Gemüthes, der inneren
und Außeren Gitten.
Die Reinheit offenbaret fi in Mienen, Geberden,
Morten und Werfen, und ift ein heiliger Schußengel des
Menfchen. Darum muß der Lehrer alle Sorgfalt anwen-
den, diefelbe in den jungen Gemüthern zu erfchaffen und
zu erhalten. Er beobachte unter andern Folgendes :
1) Er überlaffe die Sugend nicht fich felbft,, fondern beauf-
fichtige diefelbe pflichtmäßig, fo daß es unreinen Kindern nicht
wohl möglich wird, die Schule mit ihrem Gifte anzufteden.
DD Diejenigen, welche ſich Unanftändigfeiten zu erlau-
ben pflegen, muͤſſen von den Uebrigen abgefondert werden,
amit auf jene um fo mehr gewirkt werben Fünne.
3) Selbſt in dem Glaffenarreft müfjen die Schüler une
ter Aufſicht ftehen, und.es muß dort immerwährende Thätigs
feit von ihnen verlangt werben.
4) An höheren Schulen muß der Famulus gehalten
fein, den Lehrern jede vorgefallene Unanftändigfeit eines
Schülers, von welcher er Zenge war, treu anzuzeigen.
Beiler iftö, der Lehrer nimmt den Arreflanten mit auf fein
Zimmer, |
5) Die Schüler müflen auch aus dieſem Grunde nicht
gedrängt fißen, die Bänke dürfen Feine fcharfe Kanten ha
ben, die Hände müffen, wenn fie micht thätig fein ſollen,
gefalten auf das Pult gelegt werden, und die Pulte felbft,
die nicht zu dicht aneinander ſtehen dürfen, müflen vorne
— 153 —
offen fein, damit hinter denfelben Feine Unanftändigfeiten
ungefehen verübt werden koͤnnen; das Lehrpult muß fo.
hoch geftellt, und die Pulte der Schüler müffen fo flach
angelegt werden, daß der Lehrer die Hände jedes Schülers
gut bemerken, und im Durchfchnitt auch unter die Pulte
durchfehen koͤnne. Zu dem Ende möchte es zweckmaͤßig fein,
die hintern Reihen Pulte etwas höher anzulegen.
6) Sind Mädchen und Knaben in einer Schule, fo
wäre beiden Gefchlechtern befondere geheime Gemächer zum
Berrichten ihrer Naturbedürfniffe anzuweiſen, die nicht ver⸗
fchloffen, ſondern vielmehr noch mit einer Fleinen Deffnung
in ber Thüre verfehen fein müßten. Am beften gefchähe
diefe Befriedigung, wenn Alle auf dem Hofe fich erholen,
und alles Herausgehen aus der Claffe müßte als Unord⸗
nung möglichft, aber vernünftig eingefchränft werben.
Die geheimen Gemächer müßten in keinem Winfel vers
ſteckt Tiegen. |
DD Der Lehrer muß nie leiden, daß die Knaben Die
Hände in den Hofen haben, eine Unanftändigfeit, die durch
einen zwecmäßigen Schnitt der Hofen, und durch den Ab⸗
gang der Tafchen in denfelben, verhütet wird; und bei den
Mädchen muß er hauptfächlich darauf fehen, daß diefe nicht
unruhig auf der Banf, nicht auf den Eden und Kanten,
fondern auf der ganzen Fläche ihres Platzes figen.
8) Alles Branteweintrinken und Tabakrauchen, fo wie.
das Befuchen der Wirthshäufer, der Schaufpiele*), ber
Bälle rc, muß fchlechterdings unterfagt werden, und jeder
hierin fehlende Schuͤler müßte ohne weiteres vor die Leh⸗
rerfonferenz gezogen werden.
+) Sreilich koͤnnte man hierin bei Stüden ganz reiner Art, und in
denen nichts von Liebelei vorfommt, einige Ausnahmen machen.
— 153 —
9) Das ungeftüme Zufammenrotten auf Öffentlicher
Straße, fo wie jede Störung der Bürger muß nicht Statt
finden bürfen.
10) Der Schäler muß beim Kommen und Gehen den
Lehrer höflich grüßen, ihm ehrerbietig begegnen , und übers
haupt zur Artigkeit gegen jeben Menfchen, und zur Chrers
bietung gegen das Alter angehalten werden.
11) Beim Schluffe der Schule koͤnnen auch um diefer
Urfache willen Die Mädchen einige Minuten eher entlaffen
werben, als die Knaben.
12) Der Lehrer ftrebe felbft mit allem Ernite dahin
ein reined Gemuͤth zu haben, und beobachte natürlichen Ans
ftand in feinem Aeußern.
13) Er gewinne den Schüler von Kind an für alles
Gute, und umgebe denfelben mit Beifpielen des Reinen,
Guten und Schönen.
14) Er warne den Fehlenden, und fuche durch Vor⸗
ftelungen auf ihn zu wirfen. Hier wirfe die Würde des
treuen liebreichen Lehrers, daß Fein unanfländiger Gedan⸗
fen in der Seele ded Kindes Raum gewinne,
15) Ganz befonderd nehme er fich der abgefonderten
Schüler mit aller Liebe und Sorgſamkeit an, Wenigſtens
wöchentlich eine Unterrebung mit jedem biefer Strafichüler
möchte erfoderlich fein, um einige Ermunterung zu geben.
16) Um das fchredliche Lafter der Selbſtbefleckung ver-
häten nud baffelbe heilen zu fernen, Iefe der Lehrer Die ges
frönte Preisfchrift von Deft, und befolge beffen Rathfchläge.
17) Man nehme Fehler gegen bie Reinheit des Ges
müthes hoch auf. Wo es bie Schamhaftigfeit gebietet,, ar-
beite man im Stillen an dem Schuͤler.
18) Groͤbere Vergehungen, die nicht leßterer Art, und
Öffentlich vorgefallen find, muͤſſen oͤffentlich, und zwar vor
fänımtlichen Lehrern und Schülern beftraft werben.
— 155 —
19) Fehlt ein Schuͤler öfter, fo muß er abgefondert
werden, und barf dann gar nicht mit andern als ben bes
ften und fefteiten Schülern umgehen, bie dann beſſernd auf
ihn mitzuwirken ſuchen. VBernünftige Eltern werden als dann
gewiß thätig mitzuwirken ſuchen. Hier hilft Fein Geduld
haben; in kurzer Zeit muß er von Suftanz zu. Sukang- ges
führt werden. |
Froͤmmigkeit.
Eine chriſtliche Schule, in welcher nicht hohe Ehrfurcht
vor Gott und Jeſu, vor allem Heiligen und Guten herrſcht,
iſt ſchlecht, und wenn ſie in Hinſicht auf Wiſſenſchaft und
Kunſt auch noch ſo viel leiſtete. Ein frommer Sinn gibt
unfren ſittlichen Beſtrebungen einen mächtigen: Halt, zieht
und wit Macht nach oben, heiligt unfer Thun, ift ums
fer beiter Troͤſter im Unglüd, und unfer Friedensengel an
der Pforte der Ewigkeit.
Ein frommer Sinn iſt das kindlich Schoͤnſte, das Be⸗
ſeligendſte im Leben, und darum muß er in dem jungen
Menſchen mit hoͤchſter Sorgfalt gewert, und mit Weisheit
genährt werden. |
Es laſſen ſich bier nur. wenige Regeln geben, aber
dDiefelben find um ſo wichtiger. ’
1) Entheifige nie das Heilige durch Frevel, unnuͤtzen
Zweifel oder Vernuͤnftelei.
2) Schaffe Ehrfurcht ins kindliche Gemuͤth.
3) Suche ſelbſt ein wahrhaft kindlich frommer. Menfch
zu werben.
4) Schene dich nicht Diefen Sinn allenthafben, wo «8
ſich fchicft, vor den Augen und Ohren deiner Schüler zu
offenbaren.
— 156 —
5) Gib. ihnen einen guten Unterricht im Chriſtenthum.
Siehe den 2ten Theil in allen Claſſen.
6) Bete inbrünflig mit deinen Kindern, und ſinge mit
ihnen erhebende, geiftliche Lieder.
D Made diefes alles zum Element deiner Schule, in
weldyem alles Uebrige lebt unb webt, und von welchem
Dafjelbe Durchdrungen wird *).
*) Mit inniger Rührung gedenke ich noch eines Umſtandes, ber im
Jahr 1810 In meiner Schule zu Nieder: Bubberg ſich ereignete, —
Saͤmmtliche Schüler waren auf dem Spielplage, und ich allein in
der Schule, wo ich in dem Augenblick etwas zu beſorgen hatte.
Auf einmal ſtroͤmte die Schuͤlerzahl tumultuariſch herein, wie von
einem wüthenden Hunde getrieben. Auf allen Geſichtern ſah ic
Verftörung, (noch fehe ich im Geifte das verftörte Geficht eines
"Weinen, wie mir beucht, ganz podennarbigen Scnaben) und mit
aͤngſtlicher Geberde und erſchrockenem Tone fließen fie bie Worte
- aus, indem fie auf. einen zuruͤckgebliebenen Knaben zeigten: N, hat _
geflucht! —
Das Ganze überrafchte mich — es war mir zu Muthe ‚als
‚gehörte ich zur heiligen Vehme. Ich holte den erfchrodinen Knaben
herein, der wie ein armer Sünder im Angefichte Aller nun baftand
als Gegenftand des Abfcheues, Ich wandelte das Gefühl zum Mit:
leiden, und bald barauf führte ich jeben Schüler an dem Reuevollen
vorbei, um biefem die Hand ber Verföhnung zu bieten. Was ich
geſagt, weiß ich nicht mehr: nur diefe Momente find mir in Erin-
nerung geblieben, und werben es bleiben; und find mir zeither der
Probierftein des fittlih frommen. Lebens ber Schule geweſen; —
und darum erzähl ichs nun dir, o theurer Lehrer! —
Leicht iſts in jeglichen Claffen, niebrer und höherer Schulen,
ein folches Gefühl zu erfchaffen, wenn nur die Lehrer in Eintracht
dem Ziele entgegen fie führen. Noch einmal fag ichs mit Salz:
mann: das Herz bes Kind's iſt wie Wachs, wie fehe auch ber
. Grübler dies haßt.
— ⏑ —
Vierte Abtheilung.
Audführlihere Erdrterungen einzel:
ner Moaterien.
Wahrhaftige Liebe
om
Gott und dem Menfdhen,
| n
König und Vaterland,
zur
Wiffenfhaft und Kunft
prägt die Schulzucht zur höchften Reinheit aus.
Gebetbetrahtungen.
Wenn nun aber der Geift der Schulzucht auch in dem
Schüler in möglichfter Reinheit auftreten fol: fo muß bies
felbe von ihm in Beziehung auf Gott, alfo ald Haupttheil
feiner Religion aufgefaßt werben. Jeder Theil der Schuls
zucht wird dann mit Ehrfurcht aufgenommen, erfcheint dem
Schüler in feiner Nothwenbigfeit, und jeder Fehler gegen
diefelbe als fündlih. Er faßt dann mit dem Innerſten feis
ner Seele jedes Einzelne, wie das Ganze, ald etwas Heis
liges auf, das er nicht verleßen darf, ohne der Forderung
feiner Sthücfeligfeit in ven Weg zn treten. Um aber dieſen
Theil feiner Religion in deſſen hoͤchſter Würbe und Noth⸗
swendigfeit ihm erfcheinen zu Laffen, muß berfelbe als Ges
genfland des Gebetes auftreten. — Diefes Gebet erfcheint
aber als wefentlic, verfchieden von dem Gebete eines eins
zelnen Menfchen, welches aus bem felbftgefühlten Bebürfs
niß hervorgeht. Ein inbrünftiges Beten febt bei biefem ab
lemal eine gewiffe Gemüthöverfaffung voraus. Der Anrıs
fende hat etwas zu bitten, nach welchem er fehnlichit vers
langt; ber Danffagende ift burchbrungen von der Güte und
Gnade des Urhebers alles Guten; der Xobpreifende findet
an Gott etwas mit ganzer Seele zu bewundern; ber Aus
betende erfenut in Demuth feine Schwäche und feine Sins
den, und die Erhabenheit und Vollkommenheit bes himmlis
ſchen Baters. Iſt diefe Ueberzeugung und diefes Gefühl
nicht vorhanden, fo fehlt es dem Gebete an Innigkeit und
— 1600 —
Wahrheit. Diefes laͤßt fi) bei Schülern aber nur felten
voraußfegenz; denn ihnen fehlt noch zu fehr lebendige Er⸗
fahrung, und darum das Leben in Gott, nämlich Alles,
Alles im Leben auf Gott den Bater und Negierer, und
anf Chriftus den DVerfühner auf das innigfte zu beziehen.
Das Gebet des Lehrers in der Schule muß demnach fo ein-
gerichtet werben, daß fih in dem Schüler zugleich Webers
zeugung und Bedürfniß findet. Wenn das Gebet des er-
ftern ganz einfach ift, indem diefer nur Worte wählt, bie
ungefähr fein Gefühl bezeichnen, und dadurch nur fich felbft
ein Genüge thut, indem der Herzendfündiger ohnehin bas
Gefühl deſſelben für feine Worte nimmt: fo fann bag Ges
bet des Lehrers durchaus nicht immer von Diefer Art fein;
benn nur hauptfächlich durch feine Worte kann er dieſes
Gefühl übertragen. In vielen Schulgebeten.ift demnach ver
Lehrer auf feine Schüler thätig, und hierbei hat er, wenn
nicht eine Betrachtung vorhergegangen ift, die fowol ihn
als auch feine Schüler in die rechte Gemuͤthsverfaſſung ge-
feßt hat, oder wenn ber Gegenſtand des Gebetes überhaupt
noch nicht mit Weberzeugung und mit Innigkeit allgemein
aufgefaßt worden ift, zu viel zu beobachten, als daß er
nur im wirklicher Gebetsform und zugleich frei vorbeten
koͤnnte. Er muß nämlich das einzig richtige Wort für fein
Gefühl nehmen, und der Schüler. muß beides, Wort. und
Gefühl kennen; denn font fucht die Seele des Schuͤlers
vergeblich das .Gemeinte, oder das verftandene Wort laͤßt
ihn doch kalt. Diefes Wort muß aber auch behaltlich fein,
and das wird es befonders dadurch, Daß die Phantafie mit
einwirft. Das Wort muß. darım ein Bild geben ,. durch
welches es in. feiner .Ganzbeit und mit Innigkeit erfaßt
"werden. kann: ed muß darum, wie wir Tagen, ein.fehönes
Wort fein. Nun muß aber auch der. Gedanken noch eindring-
Kich für Verſtand und Herz. gemacht werden, und das ge
— 11 —
fchieht, wenn gleich durch kurze, Doch durch nähere Betrach⸗
tung des Gegenftandes, und biefed wiederum durch glücklich
gewählte Ausdrüde, welche die Nothwendigfeit und Hoheit
des erregten Gedankens baritellen, demnach beruhigend übers
zeugen und anfpornend empfinden laſſen.
Auf diefe Art bleibt es aber nicht ein gewoͤhnliches eins
faches Gebet, es wirb eine Betrachtung und zugleich ein
Produkt hoher pſychologiſcher Redekunſt, das Verſtand und
Herz bed Mitbetenden weife nad; einem Punkte hinleiter.
Es tritt hier nicht mehr bloß das Verhältniß des Betenden
zu Gott, fondern auch zum Erkennen und Fühlen des Ger
genftandes auf, welches Teßtere beim GSelbftbetenden fchon
voransgegangen tft.
Da aber zugleich der Gegenftand durch Anrede und
auch ohne dieſelbe beftmäglichit noch näher als bei einer
bloßen Betrachtung auf Gott bezogen wirb, fo bleibt es
auch feine bloß fromme Betrachtung an fih: es wird eine
Gebetbetrachtung, d. h. ein Gebet und eine Betrachtung
in eins verbunden, fo viel diefes angeht. Diefe nun halte
ich für fehr zweckmaͤßig in Schulen, wenn nicht, wie ge
fagt, die Betrachtung vorhergegangen, oder der Schiller
von der Wichtigkeit des Gegenſtandes fchon vorher durch⸗
Drungen if. Wollte man aber allem Beten jedesmal eine
Betrachtung oder ein Seelenftimmen vorhergehen laffen, fo
würde oft Unnoͤthiges und Unzweckmaͤßiges vorfallen, wenn
Diefe Betrachtung nicht vorher mit aller Vorficht und Um⸗
ſicht ausgearbeitet wäre, undfekbft dann möchten beide
vielleicht noch weniger als in diefer innigen Verbindung
wirken: Man muß übrigens den. Umſtand nicht unbeach⸗
tet laſſen, daB das bloß Betrachtende und Erläuternde in
dem Maaße mehr und mehr zurädtritt, als das Gefühl des
Schülers für. den Gegenftand ſchon innig und bie Leber
11
— 102 —
zengung von. ber Wahrheit beffelben ſchon lebhaft erfolgt
it. Darum wird er felbft in ber Zukunft fchon anders
beten. Ä
Freilich kann ich mich in dieſer Anficht viele Jahre lang
getäufcht haben; deun fehr lange habe ich, jedoch nur bun-
kel, derfelben praftifch gehuldigt; aber ich meine doch, in
Ruͤckſicht auf die Sache, nicht unnatuͤrlich gehandelt, und
auch gute Früchte von biefem Beginnen erfahren zu haben ;
— und haben die Gebete von Witfchel, Spieker, Eckarts⸗
haufen u. m. a. nicht eine ähnliche Tendenz? Ohne nun
Jemandem meine Anficht aufbringen zu wollen, will id)
meine Ueberzeugung von der Beichaffenheit folcher Gebetbe⸗
trachtungen in aller Kürze näher folgen laſſen, und zugleich
einige Gebetbetrachtungen, wie ic; ſelbſt diefelben gebraucht
habe, beigeben. Man nehme dann vorurtheilsfrei das Gute
aus denfelben hin, und märze bie Mängel, welche fich in
ihnen finden, and.
1) Diefe Gehetbetrachtungen muͤſſen in edler Sprache
abgefaßt fein, um bie Empfindungen ver Schüler defto Ieb-
hafter anzufprechen, den hohen Wahrheiten feibft durch Die
Dhantafie in der Seele mehr Leben, und durch bie Weckung
des Gefuͤhls mehr Kraft und angenehme Haltpunkte zu
geben, und überhaupt dadurch die Augend in mehr als ei-
ner Rücficht zu heben. Mandje Menfchen haffen mit Spars
tanifcheme Borurtheil jedes neue ſchoͤne Wort, ich möchte
faft fagen, um ‚feiner Schönheit willen. Diefe möchte ich
fragen: Enthält denn das Gebet bes Herrn nicht eine Menge
der gewichtigften und ſchoͤnſten Ansbrüde, die durch die
Phantafie in ihrer hoͤchſten Schönheit erfcheinen? Maren
diefe. Ausdrücke denn immer ale? Einfach iſt, bänfermir;,
jeder Ausdruck, ber durch fein Vernommenwerden das Ges
fühl und den Begriff; welche er bezeichnet, ‚in ſeinet Ganz⸗
beit hervorruft. Wortſchwall dagegen verdunkelt Das Be
— 103 —
zeichnete, und iſt jedem Menfchen von Geſchmack ‚zuwider.
Dabei mhflen die Gebete einer Woche fo lange erlärt wer
den, bis dieſe den Schälern in allen Punkten verftändfich
und eindringlich geworden find. Dann aber ſchadet auch
Die Menge von Gedanken nicht, die oft in eine, jedoch ver
ſtaͤndliche Periode, der Kürze halben, zufammen ge
drängt find. |
2) Sämmtliche Gebetbetrachtungen muͤſſen eine Menge
vorzüglicher,, ausgeſuchter, ja wo möglich großer Gedanken
enthalten, die denjenigen Geift ganz und barım ausführlich
genug barftellen, der den Schüler als Schüler beleben,
und überhaupt die Schule regieren fol. In dieſen großen
Gedanken fol der Schüler Leben und weben; fle follen fich
mit feinem Sinn verfchmelzen, und darum müffen fie ihm
ganz eingebürgert, eingewähnt werden. Da- fie: göttliches
Urfprunges find, und zu Gott führen, fo mag man fie wol
in näherem Verhältniffe mit Gott ausfprechen. - Die Ehr⸗
furdt, mit weldyer dann diefe Gedanfen ausgeſprochen und
erfaßt werben, gibt benfelben im Gemuͤthe des jungen
Menſchen einen unverrüdbaren Halt, fo daß ihm diefelben
fpäterhin als ficher leitende Grundfäße zur Seite fliehen.
3) Sämmtliche Gedanken einer Gebetbetrachtung müffen
behaltlich fein, und darum auch neben dem Bilde Wahres
unb Wichtiges in einer gewiffen in fich abgerundeten Eins
heit, demnach den Stoff in natärlihem Zufammenhange
enthalten, und mit Beftimmtheit und Klarheit rein und
ganz ausgefprochen werden.
Man muß demnach auch alles Parabore, zu fehr Ab⸗
firafte und das Myſtiſche vermeiden, wenn man den Schuͤ⸗
Ier nicht verwirren, einfchläfern und verfchrauben will.
4 Man darf’ nach meiner Meinung nicht viel mehr
Gebetbetrachtungen, als etwa für einen Monat, und nes
benbei für die Borfeter der. chriftfichen, für bie Zeier ber
11 *
— 164 —
vaterländifchen Feite und für andere befondere Gelegenheis
ten haben, da fonft die wichtigen Gebanfen ſich nicht genng
oder nur immer in anderer Form wieberholen; denn bie
Erfahrung hat mir gelehrt, daß gerabe durch Beibehaltung
der Form die Summe der wichtigen und fchönen Gebanfen
ſich um fo eher dem Geifte und Gemüthe des Schülers eins
verleibt, indem da Gedanken, Bild und Folge unzertrenns
lich immer ein und baffelbe Gefühl, wenn gleich in allerlei
Graden und Schattirungen, hervorrufen — und das gerade
darum in der Seele des jungen Menfchen ſich fo ganz feſt⸗
ftelt und mit ber Zeit als leitender Schutzengel fich bewährt.
Mag ein folched Verfahren Mechanismus nennen, wer
da will; ich halte viel auf Stätigfeit der Einwir
fung überhaupt, und insbefondere auch bei
Srregung und Feftigung der Gefühle In dreißig
und einigen Gebetbetrachtungen,, in denen die größte Ehrs
furcht vor Gott und Jeſu, wie vor allem Goͤttlichen herrfcht,
und in denen das Leben des Schülers und bad Hauptleben
des Ehriften würdig ausgefprochen wird, Tann ein großer
Schaß der vortrefflichiten Gedanfen niedergelegt fein; und
wenn diefe monatlich von dem Lehrer felbft auf eine wir;
dige, ja feierliche Art dem Geifte und Gemüthe des Schuͤ⸗
lers, Sahre hindurch vorgeführt werben: fo müffen Diefe
auf ihn die befte Wirkung haben. Man fürchte nicht Er-
weckung des Ueberdruſſes; denn follte es in dem Schuler
Ueberdruß erweden, wenn er monatlich einmal bas Ges
bet des Herrn beten muͤßte? Kann man diefes nicht ſelbſt
täglich ohne Weberdruß beten? Angenommen, ber Schüler
lernte dieſe Gebetbetrachtungen mit ber Zeit auswendig,
wie das Gebet ded Herrn; (das auch in ber Schule gebetet
werben muß,) follte das schaden? Wird er daflelbe aber
ganz auswendig lernen, -wenn. er monatlich ‚es nur einmal
hört? Daß aber befannte Gedanken und Gefühle in
— 165 —
der Seele oft wiederholt wärdig angefprochen, erwärmend
vergegenwärtigt werben, ift der Zweck diefer Gebetbetrady
tungen, wie überhaupt alles Vorbetens. Und — kann denn
wirklich bas Gefühl bei einer Maffe aufeinanderfolgender
Gedanken mit einer gewiſſen Stätigfeit thätig fein, wenn
der Berftand ſtets prüfend Neues aufnimmt? |
Bildet denn nur das Neue, und immer das Neue?
Sch daͤchte Neues von Reflektionen in Gebet und Poeſie
ftörte darum anfänglich wenigftens denjenigen, deffen Ver⸗
flandesfraft zur bloßen Auffaffung deſſelben noch zu thätig
fein muß, oder berührte nur, wie eine Tangente. Es muß
aber dahin kommen, daß jeder Gedanfen zum Gefühl wird,
daß er feine erwärmenden GStralen nad) dem Innerſten
fendet, und das erlaubt nicht viel Rüttelnd und Schüttelng,
fondern erfodert ftäte Einwirfung in Sinnigkeit. Die gros
Ben oder doch ſchoͤnen, vortrefflichen Gedanken fpannen Ans
fangs nur Denkkraft und Phantafie: da wirken fie wie
Tangentenz fie follen aber, wenn fie einmal verftanden
find, und das Bild Mar vorliegt, ruhig und auf eine höchft
angenehme Art ind Gemüth übergehen, und dort fid) ewige
Wohnung bereiten.
5) Um jedoch das Gebet im eigentlichen Sinne des
Wortes anch zur Belebung bes guten Schulgeiftes zu bes
nugen, mag immer an.bem nämlichen Tage, oder des
Tages nachher der Hauptgebanfen ber zuletzt gebeteten
Betrachtung in einem eigentlichen Gebete mit wahrer Ins
brunft und hoher Salbung ausgefprochen werden,
6) Damit wir zu ber nöthigen Zahl von Schulgebeten
und Gebetbetrachtungen kommen, bitte ich Lehrer, Pfarrer
und anbere Schulfreunde, biefe aufgeftellten Grundſaͤtze
fharf aber vorurtheilsfrei zu prüfen, dabei aber mehr an
den zu erreichenden Zweck, als an die Aechtheit einer ges
wöhnlichen Gebetöform zu denken, indem dieſe doch nur
— 1066 —
Mittel und nicht Zweck ift; in dieſem Geifte die Anficht zu
reinigen und zu vervollfommnen, und banı an dem anges
fangenen Werte des Beiſpielſammelns fortzufahren. Es ift
sad, in Rüdficht auf Die Sache nichts daran gelegen zu
wiffen, von wem die großen, ſchoͤnen Gebanfen, Die fal-
bungsvollen Ausdruͤcke herrühren; Das mag ung gleich fein,
wenn fie.nur wirfen, in dem Junerſten der Seele des Schuͤ⸗
lers feſte Haltpunfte zuruͤcklaſſen — und mit Danf wollen
wir Bortreffliches annehmen, wenn gleich es nur gefammelt
fein mag, denn hier gilt es den Nuten und nicht die Ehre.
Diefe Anficht hat mich bei Hingabe der folgenden Gebetbe-
trachtungen geleitet. Sin der Weberzeugung, daß ich den
außgefprochenen wichtigen Anfoderungen felten Genüge leis
ften konnte, habe ich das Wenigfte derfelben aus mir ge-
ſchoͤpft, und abſichtlich bei den meiften vorzügliche Gedan⸗
fen fehr beredter Männer benugt, fo wie einige faft wort:
lich abgefchrieben.
Wichtig aber muß es uns bleiben, bei diefen Gebeten
und Gebetbetrachtungen, nicht zu fehr aus dem Schulleben
herauszutreten — das bleibe ber Religionslehre indbefondere
mit den dahin gehörigen Gebeten überlaffen. In diefen Bes
trachtungen handelt es fich, wie gefagt, um bas Sein, um
das Leben und Weben bes Schülers, um den ganzen Geift,
ber, im engern Sinne des Wortes in der Schule herrfchen
fol. Durch diefe Gebete und Gebetbetracdhtungen follen alle
Anfoderungen der Schule an den Schuͤler ihm immer body
heiliger und nothwendiger erfcheinen.
Und iſt es nicht beffer, fchon in der Schule mit einem
veredelten Sein anzufangen, ald nur Alles auf ein kuͤnfti⸗
ged Werben :zu beziehen ? Das Ganze wird ohnehin gehd-
rig ind Auge gefaßt.
7) Haken. mir endlich: die nöthige Zahl von Gebeten
und Gehetbetrachtungen , fo mögen die vorhandenen verbef-
— 197 —
fert werden, wobei man dann, alles Vortreffliche ehrend,
jeden matten, Äberfihffigen, unllaren Gedanken ausmaͤrzt,
und mit befieren vertauſcht — oder zur Auswahl nene Mu⸗
ſter hinzugibt. Auf diefe Art möchten wir endlich zu a
beten Haflifcher Art Tommen.
8) Um der allgemeinen Aufnahme folder Gebete ıc.
jedes Hinderniß in Frieden aus dem Wege zu räumen,
möchte ich, wenn biefelden nicht hoͤhere Sanktion erhalten.
haben , jebem Lehrer anrathen, dieſe in Ruͤckſicht ber darin
ausgefprochenen religisfen Anfichten mit feinem Pfarrer ober
Supyerintendenten der Schule zuerſt durchgugehen, um das
Noͤthige umzuaͤndern. Ein foldyed Berfahren it um fo
wünfchenswerther, da diefe Gebete bei allem Beſtreben dies
felben allgemein zu halten, nicht allen Glaubensſchulen zus
gleich genügen koͤnnen, und jede Gemeindefchule doch im
Geifte ihrer Kirche wirfen muß.
9) Sollten Manche dieſen Gebetbetrachtungen ıc. freie
Herzendergießungen vorziehen, fo gebe ich Diefen zu beden⸗
fen, daß es wenige denkende Lehrer geben möchte, wen
fie anders befcheiden dabei find, welche nicht in Diefen ihrem
Ergießungen große Mängel erfennen werben; daß aber Pie
fogenannten Meifter in dieſer Kunft gewoͤhnlich fih nur
um einzelne Lieblingsgedanten herumdrehen , und dabei nicht
felten viel Wafler, ja oft recht trübes Waſſer and dem
Herzen gießen, — und daß dieſe Gebete ze. ftetd von ein
und demfelben Lehrer vorgetragen, der fich am beiten dazu
eignet, durch die innige Bekanntſchaft dieſes Lehrers mit
denfelben, allen Wirkungen freier trefflichen Herzensergie-
Bungen zum mindeften in ihrer Wirkſamkeit auf die Schäler
gleich kommen.
11) Wenn nun Lehrer, Pfarrer und andere Schulfreunde
und ans ihrem oder fremdem Schate mit folchen Gebetbe⸗
trachtungen und Gebeten bereicherten, die entweder den ats
— 168 —
gegebenen Foderungen möglichit Genüge thun, ober noch
nach richtigerer pſychologiſch begründeten Anficht verfaßt
find: fo wäre zu wünfchen, daß recht viele Lehrer, bei An;
erfennung der Bortrefflichfeit. dieſer Gebete ꝛc. nur. Die
Wirkſamkeit verfelben ins Auge faffend, fich Aber die eitle
Ehre, Verfaſſer ihrer Gebete ıc. fein zu müflen, erhöben,
und von dem vorhandenen Beſten willig ‚ja von Herzen
gern Gebrauch machten.
Solche aber, denen aus Duntel nichts gut iR ‚ was
fie nicht felbft gefchaffen haben, oder was nicht, wie fie
fagen, aus ihrer Sndivibualität hervorgegangen iſt — als
wäre dieſe die befte, und als gäbe es feine hoͤchſte Indivi⸗
dualität, die fie anbilden follten — und die e8 daher unter
ihrer Würde halten, Fremdes zum affgemeinen Beften zu
benugen: — ſolche mögen fich immerhin hochmüthig auf
ihren Kothurnen herumdrehen; wir wollen ihnen nichts aufs
dringen, und verlangen nichts von ihnen, wollen an ihnen
vorbei fehen, und die vereinte Kraft Solcher benutzen, die
des mücdenfeigenden Streitend um Nicht müde find, und
gerne das Shrige zum Aufbau eines wirklichen Gebäudes
beitragen, bad dem Zwede ded Ganzen zu entfprechen vers
mag. Diejenigen nun, welche nur Einzelnes Tiefern und
nicht fammeln wollen, mögen mir diefes zur Öffentlichen
Mittheilung zufommen laffen.
Shulgebete.
1) Bei Eröffnung ver Schule nah den Ferien.
Herr Gott! nad langer Unterbrechung haben wir ung
an dieſem Morgen bier in unfrem Sugendtempel wieder
— 169 —
verfammelt, um Dich zu preifen, Dir zu danfen, von Dir
unfer Heil zu erflehen und Dir ähnlicher zu werden.
Deine Güte und Liebe, die alle Morgen nen ift, bat
uns die Tage unfrer Erholung zur Belebung unfres Geiftes
und zur Stärkfung unfres Leibes dienen laffen. O! möchte
ung Allen diefe Erholungszeit auch dazu gedient haben, mit
richtendem Blicke die vorige Zeit unfres Lebens zu durchlaus
fen; möchten wir bei Gemwahrung unfrer Zehler reuevoll
gute Borfübe gefaßt haben, deren Ausführung und biefer
Schule würdiger und deinem heiligen Auge angenehmer mas
hen. Senfe Du, 9 Herr, in und Deinen Geift, damit
wir Lehrer und unfre Schüler mehr und mehr den Zwed
erreichen, den Du unfrer Schule vorgefteckt haft: die Erbes
bung des ganzen Menfchen im Menfchen zu Deiner Ehre.
Sende Du, o Heiliger, darum den Geift ber Reinheit in
unfre Schule, der unfre Gedanfen heiliget, ber vor boͤſer
Geberbe, vor boͤſem Wort, vor bifer That uns behütet.
Laß und Dein heiliges Auge in Allem erfennen, auf
Daß es unfer Auge Iäutere, alles Unedle von uns verfcheuche,
auf daß wir reined Herzens werden vor Dir, dem Reinen
und Heiligen. Laß uns dem Geifte der Wahrhaftigfeit dies
nen, ber vor Lug und Trug und jeglicher Bemäntelung der
Fehler und fihert. Wie kann Lug und Trug vor Dir dem
Heiligen beftehen! wie koͤnnte unfer Suneres bei folchem
Thun Dir näher geführt werden!
Sende in unfre Schule den Geift wahrer nüßlicher
Ruͤhrigkeit und Sinnigfeit, daß jede Lehre, ſcheine fie noch
fo geringe, mit denfendem Geifte in Liebe ausgefprochen,
mit denkendem Geifte in Gegenliebe 'aufgefaßt, und mit
Treue beherzigt werde.
Diefer Geift fcheuche Trägheit und Bequemlichkeit, die
da Leib und Seele verderben, aus unfrer Mitte; er fchaffe
Ruhe, Ordnung und Pünktlichkeit in unfrem Verein. Gieße
Du den Geift der Weisheit und Liebe über une Lehrer, und
den Geift der Kolgfamkeit und des willigen Gehorſams über
jeden unfrer Schüler aus. Lege Du jeden Schüler an die
Bruft feiner wohlwollenden Lehrer; Laß diefelben Die zu
erfreuen ftreben, die da mit Sorgſamkeit ſich mähen, bie
Tugend zu veredlen, Die näher gu bringen. Senfe Du, o
Herr, den Geift lebendiger Frömmigkeit in unfer Imeres:
den Geift der innigften Liebe zu Dir und Deinem Sohne, den
Geift der Zuverficht, nach beffen Willen wir uns Dir fo
ganz ergeben; den Geiſt der Demuth, nach welchem wir
Deine Größe und Herrlichkeit und unfre Niedrigfeit vor Dir,
und unfres Wiſſens Stuͤckwerk erfennen.
D Herr, wenn dein Geift auch unfre Schule beleben
und regieren wird : fo find wir getroft, vol fröhlicher Hoffs
nung! D dann wirb Reinheit des Herzens uns abdeln,
Wahrhaftigkeit und beglaubigen, Aufmerkfamleit und Fleiß
und verftändiger machen, Fröhlichkeit und Rührigkeit uns
ftärfen, Verträglichkeit und Gehorfam uns zieren, und
Frömmigkeit und befeligen!
Das verleihe und Allen nad) Deiner Gnade und um
Deines Sohnes Jeſu willen, Amen, Amen!
nennen
2) Nüplihe Thaͤtigkeit.
(Gebet am Montag.)
Mir danken Dir, Allgütiger! daß Du uns neugeftärtt
hier wieder zufammentreten Läffeft, am unfrem Ziele näher
zu fommen. Hilf Du, o ©ott, ung Kehren, daß ed und
gelinge, unfre Jugend zur ftrengen Aufmerkſamkeit und zu
— 11 —
fröblichens Zleiße zu führen. Laß das Beifpiel von der uns
rings umgebenden Thätigfeit auch auf unfre Jugend anfpors
nend wirken, und laß fie dann die. Heiterfeit der Ruhe
empfinden, die auf angeftrengte Thätigfeit folgt. Du Läffer
fietö, ach Herr! wir erfennen es, das Blut Durch unfre
Adern reifen; das Herz raftet und ruhet erfi im Grabe;
ja jedes Gefäß, jede Faſer an und verrichten unanfhörlich
ihre Dienſte; die Welten fchweben in ihren Kreifen, uns
aufhoͤrlich wechfeln Tag und Nacht, Regen und Sonnen
ſchein; der Ader veicht dankbar Korn und Wein — und wir
Menfchen , mit deinem Odem begabt, wir follten in Traͤg⸗
heit (Laßheit) verfinten? Sollte die rafilofe Biene, bie bes
hende, emfige Ameife, der tummelnde Vogel uns befchämen?
D nein, fo darf, fo kann der Menfch, den Du fo hoch bear
gabt haft, feine Kräfte nicht verfchergen. WIN unfre Schule
ermatten, fo fchaue fie hin auf den Landmann, der, von
der Sonne gebräunt, der drüdenden Hiße nicht achtend,
fein Tagewerk vollendet, auf den Haudwerksmann, deſſen
Hammer den Tag durch ertönt, und deffen Weberfchiff von
der Frühe des Morgend bis zur daͤmmernden Feierflunde
rauſchet, auf den einfamen Denker, den Gelehrten, den
obrigkeitlichen Beamten, den Künftler, wie fte alle mit Sors
gen ihres Berufes für die Wohlfahrt, Sicherheit, Belehrung
ihrer Mitmenſchen befchäftigt find. Wie follten wir da ale
müßige Zufchauer am Wege ftehen! Sollten die Läffigen
unter und nicht umwillführlic; von einem geheimen Scham⸗
gefühl ergriffen werden? D, daß fein Müßiggänger unter
ung wäre, daß Keiner e8 bliebe, daß jede That, jeder
Blick des Fleißigen ihn befchämte, ihn zu verachten ſchiene!
Wie könnten wir auch, o Gott, ald träge ober gefchäftige
Muͤßiggaͤnger — welche die hohen. Kräfte, die du ung zu
großen Zwecken gegeben haft, fo fündlicdy gering fchäten
— aufbliden zu Dir, dem ſtets wohlthuenden Gott, der
— 1712 —
Du eine raftlofe Thätigkeit ringe um und in die ganze
Natur gelegt haft!
Wecke Du, o Herr, den Unaufmerffamen und Kaufen,
daß er nicht länger das Pfund, welches deine Güte ihm
zur Förderung feines und Anderer Wohlſeyns verlieh, fo
fündlich undanfbar vergrabe, und laß der Lchrer Worte
Eingang in feinen fehlafenden Geift finden. Laß ihn beherzis
gen, daß nuͤtzliche Thärigkeit ihn vor der Quelle des Mißs
muths und fo vieler Suͤnde, vor der verberblichen Lange⸗
weile verwahre; daß nüßliche Chätigfeit fo vielfach vor
fhädlichen Zerftreuungen, gefährlichen Ergoͤtzungen, vor
verführerifchen Gefellfchaften, vor thörichten Beichäftiguns
gen, vor Armuth und Noth, und Ergreifung nieberträchtis
ger Mittel ſchuͤtzen koͤnne.
Laß ihn beherzigen,, daß Aufmerffamfeit und Fleiß die
Kräfte der Seele ftärfen und vermehren, baß fie Ruhe und
Zufriedenheit feined Gewiffens befördern; daß er durch fie
fein Gluͤck gründen müfle, daß er ohne fie fich nicht Deines
Beifalls und der Achtung und Liebe feiner Mitmenfchen, fich
feines ruhigen und ehrenvollen Alters erfreuen koͤnne.
O, möchte das Alles die hier anmwefende Jugend beden⸗
fen, möchte fie es beherzigen; möchte fie hier vor Deinen
Augen, o Allgegenwärtiger, den Vorſatz faſſen, diefe neue
Woche mit neuem Muthe. zu nüßlicher Thaͤtigkeit anzufans
gen, und mit Beharrlichfeit nach deinem heiligen Willen zu
beenden; damit unfre ganze Schule eine Schule des Fleißes
werde, nach deinem Wohlgefallen. Amen.
— 173 —
3) Gottesfurcht.
Gott, Du bift groß, und Dein Name ift groß! Wenn
ich zurüdfchaue auf Die große Vergangenheit der Zeiten hins
ter mir, auf die Ewigfeiten, ald noch fein Erbball war,
und feine Sonne fchien, Fein Mondftrahl in unfre Nacht
fiel, fo rufe ich aus: LUnbegreiflicher, Du bift groß! Blide
ich auf die feit Sahrtaufenden nicht mehr vorhandenen. Reiche
und Voͤlker, und fehe ich, wie diefe Erde gleichſam ein uns
geheures Grab alles Gebornen ift, und wie ber Staub,
der einen Fuß umweht, der Staub der Verweſung einer
lebendigen Vorwelt ift, fo rufe ich: Unveraͤnderlicher, gros
fer Gott, wie vergänglih, wie geringe bin ich vor Dir!
— Dente ich an meine Vorfahren, von denen mir noch bie
Gefchichten meiner Heimath erzählen; und dann, daß Dies
Alles war und gefchah, und daß ich nicht war, und frage:
wo war ich? was war ich? wie fonnte ich werben aus dem
Nichts und Deine Welt fehen? dann ftehe ich fchaudernd
vor dem Raͤthſel meined Daſeyns; dann möchte ich empor
zu Dir meinem Schöpfer beten, der mich rief, Aber meine
Zunge wagt faum alfo zu ftammeln vor der Majeftät Dei⸗
ner unendlichen Allmacht: Herr, wie foll ich mich nnters
winden, mit Div zu reden, da ich Staub und Afche bin!
Richte ich meinen Blick abwärts auf den Gränzftein meines
Lebens, auf die lette meiner Stunden, wo liebende Vers
wandte um mich weinen, wie ich geweint habe um die früs
her Heimgegangenen; denke ich, wie der Leib, den ich heute
noch gegen alles Ungemach ſchuͤtze, von Erbe verſchuͤttet,
ſich in Erde aufloͤſet, verweſend aus einander gehet, und
wie meine Seele dann, durch deine Macht geleitet, neue
Welten, neue Verhaͤltniſſe, neue Bruͤdergeiſter finden ſoll;
ſo bin ich voll banges Entſetzens; das alles iſt mehr, als
— 1714 —
ich begreifen kann! Sch flarre in die Gefilde des Todes
hinab , in die Nacht der Ewigfeiten über — und Gott, Du
lebſt über den Gefilden bed Todes, und der Thron deiner
Herrlichkeit ftehet aufgerichtet in der Nacht der Ewigkeit !
Sch möchte zu Dir mich wenden, denn ich fühle mich
einfam. Ich möchte zu Dir mich wenden, denn du bift Bas
ter meines Lebens und meiner Ewigkeit. Aber ich erbebe
in Gedanken vor Dir, dem Hohen, Ewigen, Berborgenen,
und im kindlichen Verlangen der Liebe nach Dir fühlt meine
Seele fih in Furcht und Grauen vergangen. |
Heilig, heilig, heilig bift Du, o Gott, der Herr Ze⸗
baoth! Licht, Bollfommenheiten und Bollendung Du! —
Ad, und wir, zu den Emwigfeiten Berufene, zur Kindfchaft
des Allerheifigften Auserkohrne; wir find voller Fehler und
Sünden, und find fanın wärbig, daß du unfrer gedenfeft.
Aber Du bift Die ewige Liebe und das ewige Erbarmen.
Durch Sefum Chriftum wurdeſt du unfer gnadenvoller Bas
ter; durch ihn vetteteft Du ung vom Untergange, und willft
uns nicht verftoßen. Wir dürfen auf Dich hoffen, wir duͤr⸗
fen zu Dir beten. Du bift unfer Gott im Tobe, unfer
Gott jenfeit des Grabes, unſer gnädiger Richter, Wir
wollen zu Div dem Richter beten; aber bie Verborbenheit
unfres Herzend, die Menge unfrer Sünden tritt zwifchen
ung und Did. Doch — Tefus lebt, die ewige Liebe lebt!
Wir dürfen zu Dir dem Richter empor blicken in den Thrä-
nen ber Reue; wir find nicht verloren, Du liebeft und noch.
Herr, Herr! wir wollen auch lieben und fürchten von nun
an bis in Ewigfeit! Herr Gott, hilf uns day! "Amen!
Amen!
— 175 —
4) Wahrhaftigkeit.
Hier ſtehen wir wiederum verſammelt durch Deine Guͤ⸗
te; Du warf unſer Schutz und Schirm in dieſer Nacht.
Habe Dank, o Allgütiger, für Deine väterliche Obhut!
Ach, wenn wir nur reiner und wahrhaftiger Dir dankten!
O, tämen wir endlich dahin, daß unfer Sein, unfer
Thun mit unferm frommen Wort fo ganz übereinflimmte!
— Dazn Herr, fördere die Wahrhaftigkeit in uns, damit
Lug und Trug gänzlich aus umfrer Seele weiche, und das
durch eine fo ftarfe Quelle unzähliger Lafter und Sünden
auf immer in und verfiege. D Gott, laß und wahrhaftig
werben in Gebanfen, Wort und jeglicher That. Ad, daß
wir alle es einfähen, wie wir unfre fünblichen Gedanfen fo
gern entfchuldigen, wie wir dieſelben für beffer halten, als
fie wirffich find, und wie wir dadurch dem Gemeinen und
Niedrigen in und Nahrung geben, und unfrer wahren Vers
eblung dadurch Thor und Thür verfchließen.
Erwede Du Herr Verachtung gegen ſolch' thörichtes
Beginnen in und; gib, daß wir uns deſſen vor uns felbft
und vor Dir, dem Reinen und Wahrhaftigen, in Wahrs
heit fchämen.
Wenn glei wir aus Schonung gegen Andere oft nicht
alles fagen dürfen, was wir benfen: o, fo bewahre ung,
daß nie ein Wort über unfre Zunge gleite, das unfrem
Herzen fremd if; damit Herz und Mund ſtets einig feien,
Damit wir den Glauben bei Andern uns erhalten, und
wir in, Unfhuld zu bie, dem Heiligen und Gerechten empor
blicken Können.
Präge Du ed andy unfrer Tugend ind Herz, daß fie
nie, um einer Unannehmlichleit zu entgehen, ihr Herz durch
— 17106 —
eine Lüge beflecke; ſchaffe Du in ihr Verachtung gegen jegs
liches Bemaͤnteln der Kehler; denn bu weißelt ed, wie al
unfer Mühen um ihre Veredlung vergeblich ift, fo lange
fie Knechte der Lüge find, Laß fie ſtets bedenken, baß der
Tenfel der Vater ber Füge ift, und daß wir nach dem Aus;
fpruche deines Sohnes nicht ihm und Dir dienen Tonnen!
O Herr, laß uns das fein, was wir fcheinen; bemwahre
uns vor dem unfaubern, höllifchen Geifte der Heuchelei,
laß und wahr fein in Geberde, Wort und That; wahr fein
da, wo ed gegen den Bortheil geht. - Laß und bebenfen,
wenn die Wahrhaftigkeit uns um ein Gut: bringt, daß wir
dann ein unendlich größeres erhalten: ein unbefledttes Ge⸗
wiffen vor dir dem Herzenskuͤndiger; baß die Wahrhaftig-
teit uns ftarf, und offen, und frei, und edel, und deinem
heiligen Auge angenehm mache.
Hilf du und darum, daß wir nur Gutes denken, wol⸗
Ten und wuͤnſchen; Hilf und allen Leichtfint aus unfrer
Seele rotten, da diefer und leider nur zu leicht in den Fall
bringen, in welchem wir verfucht werben, der Wahrheit
nicht die Ehre zu geben. Huf du unfre falfchen Begriffe
von Ehre entfernen, daß wir beherzigen, bas nur bringe
wahrhaftige Ehre, woburd wir felbft in Wahrheit beffer,
und unfren Mitmenſchen nüglicher werden. Hilf, daß wir
alfe fündlichen Begierden nach irdifchen Vortheilen: Eigenr
nutz, Habſucht und Geiz an uns verabfchenen und bedens
fen, daß diefe Later nicht mit dem Streben nach Wahrhaf:
tigfeit beftehen koͤnnen. Gib ung Kraft und Muth, daß
wir und erheben zu Dir dem Allgegenwärtigen und Wahr:
haftigen, erheben‘ über alle Anfechtungen niedriger Lafter
und Sünden. Herr Gott, feße die Wahrhaftigfeit wie eine
Säule neben und, an ber wir und aufrichten, fefthäften,
empor heben. Die Opferflamme ihres Hauptes zeige und
den Weg zu Dir dem Reinen und Wahrhaftigen. Herr
— 1171 —
Bott! wir möchten die Wahrhaftigkeit. lieben von ganzer
Seele, von ganzem Gemüthe und aus allen Kräften! Hilf
und dazu in Gnaden. Amen!
5) Der göttlihe Namen,
Mer ift größer, herrlicher, wunderbarer und ‚gnädiger,
als Du, o Ewiger, vor dem Die Mächte der Erde verfchwins
den, wie einNichts, und die Pracht der Sterblichen Staub
it! Kann der Gewaltigfte hienieden einen Grashalm bauen,
oder einen Regentropfen vom Gewoͤlk des Himmels ziehen?
Kann der Furchtbarſte auf Erden feinem Leben einen Aus
genblick zulegen, wenn dad Maaß feiner Stunden voll ift?
Warım rühmen fich die Thoren ihrer Groͤße, von bes
nen man nad; wenigen Sahren nichts mehr weiß? — Warum
dünfen fie ſich allgewaltig? — Weil fie ihres Gleichen,
Menfchen aus Staub gefchaffen, unterbrüden innen? Kies
len nicht die Gewaltigften unter den Streichen ihrer Feinde,
oder mit dem aͤrmſten Bewohner ber Erde ind gleiche Grab?
Nur Einer ift groß und allgewaltig: das bift Du, und
vor Deinem Namen demüthigen ſich die Völker!
Warum erftaunen wir über Die Kunft des menfchlichen
Geiſtes? — Was find feine Werfe, auch die Eöftlichften ? —
Er hängt Staub mit Staub zufammen, um fi Hütten zu
bauen, Gemwänder zu weben, ober von ben Werfen der
Natur, dem äußern Scheine nach, Ebenbilder zu machen.
Bauet nicht auch der thierifche Verftand finnreich feine Woh⸗
nung, wie ber Menfch, und oft zwedmäßiger, als er?
Biene und Ameife muͤſſen wir auch bewundern, bewundern,
wie die Vögel des Himmeld ihre Nefter wählen und aufs
richten , oder ihre Reifen von Welttheil zu Welttheil.
12 u
eine Lüge beflede; ſchaffe Du in ihr Verachtung gegen jeg⸗
liches Bemänteln ber Fehler; denn bu weißelt e8, wie all
unfer Mühen um ihre Veredlung vergeblich ift, fo lange
fie Knechte der Lüge find. Laß fie ſtets bedenken, baß ber
Teufel der Vater der Lüge ift, und daß wir nach dem Aus-
fpruche deines Sohnes nicht ihm und dir dienen koͤnnen!
O Herr, laß uns das fein, was wir fcheinen; bewahre
uns vor dem unfaubern, hoͤlliſchen Geifte der Heuchelei,
laß und wahr fein in Geberde, Wort und That; wahr fein
da, wo es gegen den Vortheil geht. - Laß und bebenfen,
wenn die Wahrhaftigfeit ung um ein Gut bringt, daß wir
dann ein unendlich größeres erhalten: ein unbeflecktes Ge⸗
wiffen vor bir dem SHerzensfündiger; daß die Wahrhaftigs
teit uns ſtark, und offen, und frei, und edel, und deinem
heiligen Auge angenehm mache.
Hilf du uns darum, daß wir nur Gutes denten, wol⸗
len und wuͤnſchen; hilf uns allen Leichtſinn aus unſrer
Seele rotten, da dieſer uns leider nur zu leicht in den Fall
bringen, in welchem wir verſucht werden, der Wahrheit
nicht die Ehre zu geben. Hilf du unſre falſchen Begriffe
von Ehre entfernen, daß wir beherzigen, das nur bringe
wahrhaftige Ehre, wodurch wir ſelbſt in Wahrheit beſſer,
und unſren Mitmenſchen nuͤtzlicher werden. Hilf, daß wir
alle ſuͤndlichen Begierden nach irdiſchen Vortheilen: Eigen⸗
nutz, Habſucht und Geiz an uns verabſcheuen und beden⸗
fen, daß dieſe Laſter nicht mit dem Streben nach Wahrhaf-
tigfeit beftehen Finnen. Gib und Kraft und Muth, daß
wir und erheben zu Dir dem Allgegenwärtigen und Wahrs
haftigen, erheben‘ über alle Anfechtungen niedriger Lafter
und Sünden. Herr Gott, fege die Wahrhaftigfeit wie eine
Säule neben und, an ber wir und aufrichten,' fefthäften,
empor heben. Die Opferflamme ihres Hauptes zeige und
den Weg zu Dir dem Reinen und Wahrhaftigen. Herr
— 11 —
Bott! wir möchten die Wahrhaftigkeit. lieben von ganzer
Seele, von ganzem Gemüthe und aus allen Kräften! Hilf
‚und dazu in Gnaden. Amen!
5) Der göttlihe Namen.
Mer ift größer, herrlicher, wunderbarer und ‚gnädiger,
als Du, o Ewiger, vor dem Die Mächte der Erde verfchwins
den., wie ein Nichts, und die Pracht der Sterblichen Staub
ist! Kann der Gewaltigfte bienieben einen Grashalm bauen,
ober .einen Regentropfen vom Gewoͤlk des Himmels ziehen?
Kann der Furchtbarfte auf Erden feinem Leben einen Aus
genblict zulegen, wenn das Maaß feiner Stunden voll it?
Warım rühmen ſich die. Thoren ihrer Größe, von bes
nen man nach. wenigen Ssahren nichts mehr weiß? — Warum
dünken fie ſich allgewaltig? — Weil fie ihres Gleichen,
Menfchen aus Staub gefchaffen, unterbrüden innen? Fie⸗
len. nicht :die Gewaltigften unter den Streichen ihrer Feinde,
oder mit dem Armiten Bewohner der Erde ins gleiche Grab?
Nur Einer ift groß und allgewaltig: das bift Du, und
vor Deinem Namen demüthigen ſich bie Voͤlker! E
Warum erftaunen wir über die Kunft des menfchlichen
Geiſtes? — Was find feine Werke, auch die Eöftlichften ? —
Er hängt Staub mit Staub zufammen, um fi Hütten zu
bauen, Gemwänder zu weben, oder von den Werfen ber
Natur, dem Außern Scheine nad, Ehbenbilder zu machen.
Bauet nicht auch der thierifche Verſtand finnreich feine Woh⸗
nung, wie der Menfch, unb oft zwedinäßiger, als er?
Biene und Ameife muͤſſen wir auch bewundern, bewundern,
wie Die Bögel des Himmels ihre Nefter wählen und aufs
richten, oder ihre Reifen von Welttheil zu Welttheil.
12 u
— 118 —
Kein, wie erkennen ed, mir Du bift unendlich weife,
anbegreiflicy wunderbar in Deinen Werfen. Da fügft nicht
Staub zu Staube, wie das Thier, oder der Züuftliche
Menfch, fondern Du durchdringeft den Staub mit verborges
nen Kräften und Seelen, daß Alles lebt in Deiner wunder
baren Schöpfung! Was preifen wir, das nicht Dein Werk
wäre? Was lieben wir, bas Du nicht gebildet? Was
entzüct uns hienieden, das nicht eine Wundergabe Deiner
Huld wäre? Was fürchten. wir „ das nicht Deinem Scepter
unteribänig wäre? Was haffen wir, das nicht Du allein
verleihen Bunte Je Finger wie Dich im Deinen uner⸗
meßlichen, Schoͤpfengen beiuadgten, uber im Wechfel Des
Lichts. und ber. Finſterniß unſrer Schickſale: deſto tiefere
Ehrfurcht empfindet unſen gauzes Weſen vor Dir dem Gro⸗
Ben, dem. Unnennbar⸗Erhabenen, dem Heiligen! Wir ru⸗
fen anbetend wie. Paulus: „„D: welch eine Tiefe des Reich⸗
thums, beibed,. der Weisheit: und Erkenutniß Gottes! Wie
‚gar. unbegreiflich find. Deine Gerichte und unexforſchlich
Deine. Wege! Denn wer hef. Deinen Sim erkannt, ober
wer iſt Dein Rathgeber geweſen? Oder wer hat Dir etmas
zuvorgegeben, das Dir werde wieder vergolten ? Denn
von Dir, und durch Dich, und in Dir ſind alle Dinge;
Dir ſei Ehre in Ewigkeit! Amen!
6) Reinheit der Seele,
(Gebet am Kreitag.)
Heute an. Deinem Leibendtage., theuver Heiland, tveten
wis im Geiſte an Dein Kreuz, und rufen und eine Deiner
göttlichen Lehren ind Gedaͤchtniß zuruͤck. D möchte das
Herz dieſelbe warm. erfaflen und treulich bewahren.
— 19 —
„Selig find, bie reines Herzens find, denn fle werben
Gott ſchanen,“ ſprach einſt Dein göttficher Mund, und
Dein Leben, ja Dein bitteres Leiden bewahrheitete Deine
Lehte. Reines Herzens ſollen wir ſein, um des hoͤchſten
Gutes theilhaftig zu werden. Nun kennen wir das hoͤchfte
Gut der Seelen, nach weichen unſre Seele ſich ſehnen foll:
Gott ſchauen. Sind wir reines Herzens, wie Du unfer
Heiland? Haben wir unſer Herz und unfrem Willen gerei⸗
nigt von Allen fünbfichen Vorfäten und Entſchluͤſſen ? Has
ben wir alle Keindfchaften, ale Mißhelligkeiten, allen Netb
and uns entfemt? Haben wir unfre fündlihen Begierben,
anfre Fafterhaften Wuͤnſche, unfre beleidigenden, ung ſelbſt
entehrenden Gewohnheiten andgerottet? Stehen wir wie
nengeſchaffene, beffere Menfchen da? : Cheurer Heiland,
wir wollen in die Einfamfeit gehen, wollen dort unſer Herz
prüfen, wollen unterfuchen, welche Fehler uns verunreinis
gen, welche Begierden, ‚welche Leidenſchaften uns von bir
Erlangung bes höchfter Gutes trennen; wollen prüfer, an
welcher Tugend ed uns noch gebricht, bie uns bei Gott
und Menfchen Tiebenswärdiger machen könnte; pruͤfen, ob
wir die Tugend wirflich Äben, die wir preifen; ob alfe
unſre Bemühungen dahin gerichtet find, in unfrem Wirk
freife wahre Wohlthäter zw fein. Wir wollen uns jeden
Abend fragen, ob wir irgend einem Menfchen am Tage
einen Dienft geleiftet, -eine Freude gemacht haben, wäre es
auch von unfrer Seite mit Aufopferung gefchehen. D dann
werben wir täglich mehr Herzensreinheit erlangen; dann
werben wir Dir unfrem erhabenen Borbilde ähnlicher, und
mit Div werben wir dann den ewigen Bater fchauen, mit
unfrem ganzen Wefen Gott fühlen. Das Bewußtfein der
Reinheit wird und dann, gleich Dir, einen Himmel in die
Bruft ſenken, der durch gewoͤhnliches Ungemach ded Lebens
nicht getrübt wird, : Wir werben dann in Deinen Fuß
| 12 *
— 180 —
fiapfen. vor. Gott wandeln, in ihm leben und weben, in
allen .wunbernollen. Erfcheinungen Seines Weltalls nur Ihn
fehen; Ihn fchauen,. wo Finfterniß das Auge ber Sterbli-
hen umhuͤllt, in allen Scidfalen, (ſeltſamen VBerwideluns
gen). unfres Lebens; Seine Liebe und Güte ſchauen in allen
angenehmen und unangenehmen. Begegnifien. Bereinigt
mit Ihm durch Dich wird unfre Seele dem Allgegenwärtis
gen überall begeguen. Er wird Sid, unfrem Gemüthe of
fenbaren, wenn wir im Gebet voller Inbrunſt vor Ihm nie⸗
berfinten, ober wenn wir hingehen, einen unglädfeligen
Bruder: zu erretten. So. haft. Du, theurer Heiland, ihn ger
ſchaut, als Du in Gethfemane weinteft, ald Du am Kreuze
noch fierbend für. das Heil ber Welt beteteft, und. als Du,
ein Sieger Aber Tob und Grab, wieber der erfiaunten Welt
Und wenn einft unfer gebrochenes Auge im Tode die
Melt nicht mehr erfennen mag, und bas Göttliche in ung
ganz: entbunden fein wird, indem das Menfchliche zum
todten Staub zufsmmenfinft: dann wirb bie. fchönere Ges
burtsftunde fchlagen, bie.auf Erden Tod, im Himmel aber
Erwaden heißt, und die Reinen werden dann mit unend-
licher Wonne Gott ſchauen, wie Du. D Du reiner Heis
land, mache Du unfer Herz rein! Amen!
7) Gott iſt die Liebe.
O Gott, durch Deinen eingebornen Sohn erkennen wir
Dich, als die reinſte Liebe; erkennen, daß kein Boͤſes in
Dir denkbar iſt, und keine menſchliche Schwachheit, als:
Zorn und Rache, Haß: und. Neue; erkennen, daß im gan⸗
zen Weltall nichts Boͤſes iſt, als die Suͤnde, das Werk
— 181 —
mißbrauchter Freiheit des Menfchen. Schmerz dient zur
Beflerung und Belehrung, dient zu Deinen Orbnungen, o
Altweifer, und gehört fowol den Geſetzen der todten Natur,
als auch der Iebendigen in nnd an. Wir erkennen es, daß
wir die Urheber unfrer meiften Leiden find, indem wie in
der Leidenfchaft, gleich Blinden; gegen die cherne, ewige
Verfaffung der Schöpfung handeln, gleich dem Kinde, das
mit der Hand ind Feuer greift. Das aber find Deine weis
fen Ordnungen auf Erden, daß wir weifer, daß wir taͤg⸗
lich einſichtsvoller, daß wir tugenbhafter und Dir ergebener
werben follen. Roth und Schmerz find unfre Lehrer und
Wegweiſer zum Vollkommnen; das lehrt und felbft die ſtum⸗
me Natur. Ja, ach präge ed unfrem fchwachen Herzen
tief ein: Du bift der Gott der reinften Liebe, auch in: den
zerftörendften, furchtbarften Werfen der Natur. Du ware
delft ja nur den Staub um, den Leib des Menfchen, Du
zerftdreft ja nicht den Menfchen ſelbſt, ben ewigen Geift.
Wer will aber das Ende alles irdifchen Uebels ein Uebel
nennen? In Noth und Tod laß und beten: „Herr, wenn
ich nur Dich habe, was frage ich viel nady Simmel und
Erde!” Wie ſollten wir thöricht genug fein, Deine reine
Liebe zu verfennen, weil Du Menfchen, auf und unange
nehmen Wegen, dem Ziele ihrer Bellimmung entgegen
führeft! O Herr, laß und Deine Liebe nicht hinwegzwei⸗
fein; denn fonft ftehen wir verlaflen in der Welt da, und
troſtlos, und Alles ift uns ein finfteres Räthfel. Du ſchu⸗
feft Liebe für das Schöne, Wahre, Gute, Heilige, Bolls
fommene im ganzen Geiſterreiche; — Deine liebende Weiss
heit verfündigt fich in allen Wundern der Erde und des
Himmels. Du bift, o Gott, die hoͤchſte Liebe! Du gabft
ung diefes heilige Gefühl nicht vergebend. Auch diefed Ges
fühl, welches Seelen an Seelen innig kettet, und lebende
an Berflärte fchließt,, auch dies ift einer von den Strahlen
— 192 —
Deiner unbegrängten Bollfommenheit, bie fich treu im In⸗
nern des menfchlishen Geiſtes abſpiegelt. Du bift die reinſte
Lehe! Sagt es nicht Deine ganze Schöpfung, ein Tag
dem auberen, eine Radıt der anderen? Sagt es nicht unfer
ganzer Lebenslauf, fagt 23 nicht Jeſus Chriſtus, Der goͤtt⸗
liche Heilaud ber Menichheit ?
Du bift Die ewige. Riebe! Du treunefl nie, was Du
unter guten Seiftern verbandeſt; Du trenneft, Bater, uns
Deine Kinder, wicht wieder non Dir, — Du ſandteſt Je⸗
fu, daß er uns eridiete, uns gu Dir führe. Du trenneft,
Bater, wicht wieder die Liebenden Geiſter, welche Du auf
Erden sufaummenführtefl, wenn eigene Unwuͤrdigkeit nicht
dieſe ſelbt ſcheidet. Sie bleiben einander verbunden, wie
im Staube, fo über deu Stanbe; fie finden fh einan⸗
der wieder in Der, Du Bitte aller Seligkeit und «alles
Geiſtigen!
O, eutzuͤckender Gebanken, begeiſternde Ausſicht! Du
biſt die Liebe, und was in der Liebe wohnt, kann nicht
eſend fein, kann nicht vergehen.
Darnm Herr, hilf, daß auch wir in Deiner Bicbe blei⸗
Gen. Wecke Du in und reine Liche gu Dir, zu Deines
Menſchen, unſren Bröpeen, auf Daß wir Dein Augeſicht fushen,
and. täglich unfren Mitmenſchen ungeheucheltes Wohlwollen
exweiſen, fie zu erfreuen fireben, Herr, Jaß uns eifrig
Geben ales Gute, und Wahre, uud Schöne. Laß Deinen
Geik per Liebe aus durchdringen, Daß er im Gedanken,
Wort' und jeglicher That uns heilige. Amen!
PR m
8) Elternverehrung a, u
Gerechter Gott, durch deſſen Guͤte wir wiederum nen
geſtaͤrkt hier verſammelt find, Du geboteſt einſt dem Men⸗
— 183 —
fchen für ewige Zeiten feinen Eltern Liebe und Ehrfurcht
zu erweifen, ihnen ſtill und froh zu gehorchen, usb ver
hießeſt den Elternliebenden Kindern dauerndes Wohlergehen,
Doch, wie kaun der Menſch Deine Gebote halten, wet
Du Selbft ihm nicht beifieheftl Gieße Du darum in das
Kinderherz mehr und mehr reine Liebe, gib Du. ben Trieb
zum freubigfien Gehorſam, und fei Du bemfelben mahe in
den Eltern.
Laß Du die hier verſammelte Jugend einfehen, def Pr
uf Erben Leim feſteres, innigered Band gibt, als jenes
heilige, welches das Herz ber Kinder, au bas Herz derer
feſſelt, denen fie naͤchſt Dir ihr Daſein, ihr Gluͤck ſchuldig
ſind. Haben wir ſelbſt fuͤr Dich, erhabener Schoͤpfer des
Weltalls! einen ſuͤßeren Namen erfinden koͤnnen, ber mus
frem Herzen wohlthuenber wäre, ald ber. Rawien „Bater”’?
Der Batersund Mutternamen war das erfte, was wir. auf
Erden kammeln lernten; Dad weite, was mus Haminbigen
einft Freude unb Troft gab. Laß fie alte es einsehen, daß
es fein fefteres , kein innigeres Band auf Erben gibt, : als
jenes Heilige, durch welches Die Hand ber Natur, Dame
Baterhand, das Herz ded Kindes an das Herz der Eltern
bindet. Ja, o möchten fie es erkennen, ſchoͤn find auf Er⸗
den bie Verbindungen der Freundſchaft und Liebe; ſuͤß iſt
ed dem Freunde feine Freuden mit einem Freunde zu thei⸗
len, ber innig vertrauten Seele feine Klagen eroͤffnen gu.
Können; aber Sabre, Umſtaͤnde, Sitten, Ungleichheit ber
Scidfale unb Meinungen haben unterm. Monde fchen. fo
manchen Freundfchaftsbund gebrochen! Nur bie Neigung
und Ehrfurcht bes Kindes zu ben Eltern, die haſt Du,
ghtiger Schöpfer, fo tief in ber Seele Imnerſtes gelegt;
darum laͤßt diefe fich nie ganz brechen. Und wenn der Ers
wachfene bie Gefpielen feiner Jugendtage, die Genoflen
feiner männlichen Leiden, in den Zerfireuungen und fremden
— 184 —
Berhältnifien vergeffen mag: feiner Eltern kann doch auch
das ungerathenfte der Kinder nie vergeflen. Es muß nad
Deiner Einrichtung ihrer gebenten, fei es mit zärtlichem
Entzüden, mit liebender Wehmuth, oder mit der Bangig-
keit eines zitternden Gewiſſens. O, wie oft ift auf Erden
das fchönfte Band der Freundfchaft und Liebe zerriffen;
aber das Herz des Kindes fcheidet Feine Leidenfchaft,, Fein
Veberdruß, fein Mißtrauen, keine fpätere Zeit vom Hers
zen ber Eltern. Auch das lingerathenfte der Kinder ficht
mit bem Schmerz eines vorwurfoollen Bewußtfeind auf die
Tage ber Sugend zuräd, da es harmlos. im Arm bed Bas
ters ruhen, . und ſich der unveränderlichen Muttertreue ers
freuen fonnte, und erröthet, wenn es fich von denen ents
fernt und derer fich unwuͤrdig gemacht hat, welchen es
nebft Dir, o Gott, fein Dafein, feine Erziehung, die erite
- Grundlage feines Wohlfeine fchuldig ifl. —
Manche Tugend ift untergegangen, mandhe ſchoͤne Em⸗
pfindung ſtarb unter dem Gifthauch der Verfuͤhrung; aber
die Elternverehrung kann, auch in dem vollendetſten Boͤſe⸗
wicht, nicht ganz vertilgt werden. Noch heute, wie in dem
grauen Alterthum der Menſchheit ſprichſt Du in jedem
menſchlichen Gefuͤhle: „Ein Auge, das den Vater verſpot⸗
tet, und verachtet der Mutter zu gehorchen, das muͤſſen
die Naben am Bache aushacken, und die jungen Adler freſ⸗
fen. O, möchten wir alle es erkennen: bie Ehrfurcht vor
den Eltern ift unter allen Tugenden bed Menfchen bie
erſte, welde er empfindet, kennen lernt und übt. Gie
treibt ihre Wurzel am früheften in bie Tiefe bes- findlichen
Semüthes hinab, und daher ift fie nie ganz auszurotten.
Sie ift ver heilige und ewige Funken, ber in unſrer Bruſt
glimmt, wenn fcdhon andere Gefühle des Wahren, des
Edlen und bes Rechts in uns ausgeftorben fein mögen,
und an welchem fich fchon oft wieber andere Tugenden ents
— 185 —
zänbet haben, wenn diefe laͤngſt verlofchen gewefen find.
D Gott, Laß diefed die hier verfammelte Jugend ganz ers
fennen, damit die Eiternliebe mehr und mehr klar hervor⸗
trete in ihren Gedanken, Worten und Thaten! Amen! %
9) Elternverehrung b.
Ehre Vater und Mutter, ſpricht Dein heiliges Gebot,
und Deine Güte und Liebe prägte biefelbe jedem Menfchens
herzen: fo tief ein. Aber, wenn mn bie Eiternverehrung
nie ganz verfchwinden kann, Tann fie in uns doch vermin⸗
dert werden? Sollte dann doch in Einem unter uns biefe
von Dir angezündete Flamme zum ſchwach glimmenden
Zunten werden innen? Wehe dem Menfchen, in welchem
diefes möglich ift! Wehe dem Ungeheuer, das die Mutter
vergeffen, an deren Bruft es Leben fog, das ben Vater
verfchmähen kann, ber ihm Nahrung, und Freude, und Schutz
gab, oft mit feines eigenen Lebens Gefahr, oft mit dem
Opfer feiner Ruhe und feines eigenen Friedens! Wehe dem
Ungehjener; denn für feine Undankbarkeit hat felbft Die menſch⸗
liche Zunge noch feinen Namen erfunden; feine Abſcheulich⸗
keit fpricht nur der Mund der Hölle aus! O Herr, bewahre
jeden unter ums vor: Undank gegen Vater und Mutter!
9 Dieſe Gebete a, b, e, enthalten zu viele Darſtelung, das fühle
ich ſehr wohl, Die Rothwendigkeit und Natürlichkeit der Giteruliche
werden aber um fo ehrfurchtsvoller von bem Herzen ber Jugend
erfaßt, wenn biefelben in. der Form eines Gebetes dargeftellt wers
den. Man Tann biefe Darftellung aber auch anderwärts, als in
einem Gebete gebrauchen, ober Tann bie Zorm ändern. Ich wollte
diefe Liebe als eine Saupteigenfchaft der Schulzucht nur nicht über:
gehen, und auch über diefen Gegenſtand nicht zu viele Gebete liefern.
— 186 —
Laß Keinen von uns fo undankbar fein, daß er, durch
Gluͤck und Zufall emporgehoben, fich feiner geringeren Her⸗
kunft fchämte, und vor dem Kamen feiner Eltern erröthen
möchte. Laß Keinen unter und fo unbantbar fein, der bem
betagten Vater, der alten kraͤnklichen Mutter nur mit Un-
willen und Härte das lebte Brot reichen, und mit Berlans
gen auf deren Tod warten follte! Bewahre in Gnaben
Jeden unter und vor der Gewiffenlofigfeit, die da Fein Bes
denken trägt, die gutmüthigen, ach oft zu fchwachen Eitern
um das wohlerworbene Ihrige zu betrügen! Bewahre Se
ben unter uns vor der Unempfindlichkeit, Die da gleichgültig
{ft bei der Mutter Leiden, die doch fo manche Schmerzens⸗
nadıt für ihn am Krankenbette gewacht hat; Die da gleich
gültig ift bei ded Vaters Noch, der ehemals nicht Sorge,
nicht Mühe, nicht Froſt, nicht Hitze fcheute, um ihm ein
ehrenvolles Auskommen zu erwerben! Bewahre in Gnaben
Jeden von und, Daß er fh — den Kaftern fich ergebend:
ber Wolluft, der Spielfucht, ber Verſchwendung, der Traͤg⸗
heit froͤhnend — in Schimpf und Schande ftürzen Sollte,
uneingebenf der heißen Mutterthraͤnen, gleichgältig gegen
des Vaters gerechten Zorn, ober feine Seufzer; gleichgültig
ob auch unter Schmerz und getäufchten Hoffnungen das
Haar der Ehrwärdigen ergraut; gleichgültig, ob auch ber
Kummer fie ind Grab drüdt. O, mit welchem Gefühl
wollte diefer Elende zu Dir, dem ewigen Vater im Himmel
beten, da er bed Baterd und der Mutter nicht achtet, bie
auf Erden Deine, der Gottheit Stelle, vertreten!
Wie mag der Elende Jeſum Chriſtum lieben, und fid)
bes durch Ihn erworbenen Heild erfreuen, da er nicht die⸗
jenigen mit Ehrfurcht und Innigkeit Tiebet, die zuerfl in
fein Herz das Gefühl der Religion zu fenken ftrebten, und
ihn mit Liebe umfingen, ehe er fie kannte? Mit welchem
Blick fchauet Diefer Elende zum Himmel empor, auf zur
— 187° —
Ewigfeit, wo biejenigen feine erften Anfläger fein mäffen,
bie feine erſten Fürfprecher fein follten? mo diejenigen einft
ſtehen, die nicht zu Dir, dem Weltenrichter, ſprechen koͤn⸗
sen: Herr, hiee find fie wieder, bie Du und gegeben! D,
guäbiger Bott, bewahre eben, baß er nidyt mit verkehr⸗
tem, gefühllofen Herzen bie heilige Liebe und Ehrfurcht vers
Käugue, die er den Schöpfern feiner Tage, den Erhalten,
Deu Erziehern feiner Tugend ſchuldig if; auf daß er nicht
ein Batermörder, in Muttermoͤrder werde, und mit Hart
Berzigfeit bie mit Undank Belohnten ins Grab ftoße.
Besyahre in Gnaden, Jeden unter und, daß er bes
Segens feiner Eltern uicht fpotte, und nit ungehorfam
ihren Lehren, dahin eile, mit Laſtern befledt, ſich in Ver⸗
geben und Schulden flürze, mit Schande und Schmach
Dornentronen für das graue Haupt bed Vaters und ber
Mutter Hechte, und es nicht ſein Werk fei, daß Vater und
Mutter wit Leid in bie Grube fahren. Amen!
10) Elternverehrung c.
Deu Wort, o fter! Ichrt uns: „Ihr Kinder feid
gehorſam euern Eltern in dem Herrn, denn das ift billig;
es lehrt uns: „Ehre Bater und Mutter; das ift das erfle
Gebot, das Verbeißung hat, auf baß dirs wohlgehe, und
bu Iange lebeſt auf Erden.” Präge Du biefe Deine Worte
tief ig das Innerſte auch unſrer Jugend, damit Seder
unter uns feine Eltern verehre und ihnen ſtill gehorche, als
ſolchen, die bei ihm fliehen an Gottes Statt, Bedaͤchte doch
jebes Kind, Daß: es feinen Eltern naͤchſt Dir, Leben, Nabe
zung und Freude ſchon zu einer Zeit verdanfte, in welcher
es ihnen noch nichts geben konnte, ale Sorge und Angſt;
— 188 —
daß fie damals ſchon für fein zeitfiches Wohl, fär feine
Gefundheit, für feine Ehre wachten; daß fie ftets für bie
Bildimg feines Herzens forgten, und es fchon für die Ewig⸗
feit erzogen, als es noch kaum das irbifche Leben recht
kannte. Ach ja, in unfrer Liebe zu Bater und Mutter: Abet
und entwidelt ſich auch unfre Liebe zu Dir, o großer
Schöpfer! Die Liebe zu ben Eltern ift ja die erfte Religion
des Kindes. Aus diefer Liebe quellen, ober mit ihr vers
Binden fich nachher alle Äbrigen Tugenden des Menfchen.
Wer feinen Vater von Herzen ehrt, wer feine Mutter von
Herzen liebt, der ift zu allem Guten und Großen fähig.
Diefe Ehrfurcht ift der ftarfe Schutzengel der kindlichen Un⸗
ſchuld, und ber eiferne Stab, an welchem ſich auch ber
Gefallene wieder aufrichte. Laß das unfre Ingend mit
Klarheit ertennen!
Gib, daß Jeder Vater und Mutter gehorche mit freu⸗
diger Seele und ohne Murrenz; denn was ihm zum Beſten
dDienet, das willen fie am beiten. Ihre Erfahrung ift ihm
zur Weisheit. Sie mögen ihn kuͤſſen oder ftrafen, immer
ifts ihre Liebe, die ihn belohnt, ihre Liebe, die ihn ftraft.
Dein Willen, o Allerhoͤchſter! ift es, Vater und Mutter
nicht nur durch die Unterwärftgfeit des Willens fo lange
das Kind unmändig und ihrer Fürforge überlaffen ift, ſon⸗
dern auch Durch Außerliches Betragen, durch liebevolle Ehrer⸗
bietung in Worten, Geberden und Handlungen auch dann
zu ehren, wenn ed nicht mehr unter ihrer unmittelbaren
Obhut fiehet. Du fprichft durch die Stimme bed Gemüthes
zu und: Ehre deine Eltern, auch wenn‘ du nicht mehr ihrer
Leitung unterworfen bift, und vergiß nie, nie, was fie dir
Gutes gethan haben. Ehre ben Bater, der um beinetwillen
manche forgenvolle Nacht durchmachte, wenn du kummerlos
einfchliefeft; der fir dich zum Höchiten betete, wenn du
freudig deinen Spielen nachjagteft; der bir manche Freude
— 189 —
verfagte, um bir diejelbe aufzufparen; ber manchen Tropfen
Scweißed vergoß, um dir in der Welt ein angenehmes
Loos zu verfchaffen. Ach, er hat fo lange, und nur für
Dich gelebt, o Süngling, 9 Tochter, lebe nun dankbar auch
für ihn, — Ehre die Mutter, bie fchon über deiner Wiege
Thraͤnen der Liebe und des Kummer weint. Ach, womit
willſt du dieſe Liebe, biefe Thränen vergelten, wenn nicht
mit ber zärtlichiten Aufmerkfamfeit für ihre fpätern Tage?
Wenn wir einen froben Säugling an feiner Mutter Buſen
erblicken, fo wollen wir denken: fo lag auch ich einft huͤlflos
an der Bruft der meinigen, und von Niemandem fo heiß
geliebt, ald von ihr. Wenn wir eine Mutter voll Ents
zuͤckens mit ihrem Kinde tänbeln, ober fie mit bleichgehärns
ter Wange am Kranfenlager ihres Lieblings fehen, fo wol
len wir denfen: fo empfand auch beine Mutter für Dich das
gleiche Entzäden, den gleichen Schmerz. Ach, wie koͤnnte
ich aufhören, die zu lieben, bie aus Liebe für mich fo
- gern oft in den Tod gegangen wäre? Wie Eönnte ich ihr
die zärtlichfle Ehrerbietung verweigern, welcher, unter
allen Menſchen auf Erben, ich das Hoͤchſte fchulbig bin!
Wem nicht Vater, nicht Mutter ehrwuͤrdig find, dem ift
unter dem Himmel nichts ehrwuͤrdig, ber hat ein Herz zu
allen Verbrechen reif! Darum, o Gott, gib Elternliebe ins
Herz diefer Tugend, und ein heißes Beſtreben, bereinft ber
Pfleger, Verforger und Beichüger ber alten Eltern zu wers
den! Hilf ung, o Gott, daß wir diefelben durch ein ruͤhm⸗
liches Leben felbit nad) ihrem Tode noch ehren! Ad, wir
waren auf ihrem Sterbebette vielleicht ihre letzte Sorge, ihr
legter Kummer, ihre legte Freube, ihr Iebted Gebet! So
fei ihr Grab uns noch ein Heiligtum! So fei ihr Namen
und bie Erinnerung an ihr Liebevolles Leben noch unſer
Stolz, unfre Freude! So fei der Blick auf fie, auf bie
Ewigkeit, wo tiefer Frieden wohnt, noch unfre Hoffnung.
— 190 —
D, daß Geber von und dann ſprechen Tinte: Vater! Mut⸗
ter! Verflärte! Ihr nun höhere Weſen. Sehnſucht und
Wehmuth beffemmen mein Herz. Shr ftarbet mit der Liebe
für mic im Herzen, nachdem Ihr wie Engel Gottes um
mich wanbeltet, und für mich wachtet. Einft an meinem
neuen Lebensmorgen werbe ich hermfehren zu Euch, Dort
wo ihr mein harret, und wo Eure umfterbliche Liebe ſchoͤner
für mich blüht, als anf Erben.
Gott, Gott, gib mir Kraft, daß ich auf Erben würs
dig wandle, um Die Heißgeliebten dort wieber zu finden;
daß ich ihr Andenfen durch Feine fchlechte That entweihe;
daß ich in der Heiligkeit und Tugend meines Erldferd vol
Iende, in welcher fie vollendeten! Und wenn bie Sünde
ſich fchmeichelnd meinem Herzen naht, wenn die Verführung
ihre Nee wider mich ausfpannt; wenn ich ſchwach werbe,
und am Rande eines lafterhaften Entfchluffes wanfe; wenn
ich von wilden Wünfchen und Begierben faft übermannt,
meiner felbft unwürdig zu werben in Gefahr fchwebe: —
o Gott, gib, daß dann VBatertreue, dann Mutterliebe, dann
Elternehre, dem Wankenden ald Schußgeifter feiner Seele
erfcheinen! Wie ihre Hand mich einft zum Bunde mit dir,
o Sott, geführt, fo führe mich die Erinnerung an fie wies
ber in die Arme der Tugend und Religion, zu Dir dem
höchften Gut! Sa, ja, wir wollen Vater und Mutter
ehren, fo lange wir leben! Dazu verhelfe und allen all
mächtiger Gott! Amen!
— 191 —
11) Am Geburtstage unfres geliebten
Könige.
(Am 3 Auguſt.)
Großer Gott! Urquell der Gnade und Weisheit! wir
Danfen Dir aus dem Sinnerften bed Herzens, daß Du uns
Diefen feierlichen Morgen, an welchem wir wiebernm das
Geburtsfeſt unfres theuren Königs begehen, in Gefundheit
haft erleben laſſen; daß Du ihn, unſren geliebten Lanbeös
vater, und zum Heile und zur Freude, im beften Wohlſein
erhalten haft, Du, gnadenreicher Gott, haft ihn, den une
hochtheuren Mann, ach jet erfennen wir ed, ganz mit
hoͤchſter Liebe und Weisheit von dem Augenblicke an .geleis
set, wo er das freundliche Licht des Erdentages begrüßte,
bis in die Sahre der Reife, bis an dieſen Tag, deſſen
Cfreunblicyer) Morgen die Zahl feiner Getreuen jnbelnd bes
grüßt. Als er noch ſchwach und zart, ein hinfälliges Kind,
von taufend Gefahren umgeben war, die er nicht kannte,
nicht ahnete, Pa führtefi Da ihn an Deiner Hand, und
Ieiteteft ihn nad) Deinem Rath. Als er in den Jahren re
fer Jugend taufendfachen Zauber der Verführung Preis
gegeben war, ba haft Du ihn vor verberblicher Berirrung
behätet, vor Stunde bewahrt. Als er zum Manne herauf
geblühet war, führteft Du eine eble, zarte Gattin an feine
Seite, — unſres Landes Muſter der Weiblichkeit und des
Gottvertrauens, — und machteſt ihn zum hochbegluͤckten
Vater. Du gabſt ihm das Scepter in die Hand, darauf
ihm die Worte bald lesbar wurden: „in Leid und rend
ein Bater, ein Hort dem treuen, zartliebenden Wolfe. “
Bald lag er, ja, wir vergeffen ed nie, in ſchweren, be
denklichen Leiden, gebrüdt von der eifernen Zeit, darnieder,
ohne Hoffnung auf baldige Rettung, dag Herz vol Trau⸗
— 192 —
rigfeit und. Wehmuth, und feine getreuen Unterthanen jam⸗
merten und zagten.
Da flärkteft Du, Allgütiger! fein und feines Bolfes
erfchöpfte Kraft; da erheiterteft Du das trübe Auge, und
gofleft einen neuen Lebensquell in den ermatteten Körper.
Du gabft ihm trene Raͤthe, und Tießeft feinen Geift und
fein Herz in Erkenntniß und Zugend wachen; ja Du, Du
führteft ihn zum Quell der Weisheit, und lehrteſt ihn mit
ämmer: größerer Reinheit das Gute kennen und lieben. Je
größer die Noth, deſto näher Du und, o Gott! Da fam
Hie Zeit der Mühen und Sorgen, des Kampfes und jeglicher
Anftrengung noch näher und näher; Du aber, o Herr, gabft
ihm, unfrem Schiem und Hort, männliche Beharrlichkeit, hobeft
ihn uͤber ruͤchhaltende Sorgen hinweg, bepanzerteft ihn mit
hohem Muthe, und gürteteft ihm das Schwert der Gerech⸗
tigkeit um feine Lenden; Du ließeft Die Treue feines Volkes
iebend um ihn fiehen — und madhteft ihn herrlich und
groß! — ihn und fein Volk!
‚Aber der wahren Ruhe des Innern fchritten noch ſchmerz⸗
hafte Erfahrungen voraus: da follte der Drud in Zügello-
figleit, dumpfes Schweigen, in uͤbermuͤthigen Tadel aus⸗
arten, bad Uebermaaß von Kraft fuchte nicht immer weife
den Ableiter; Biele wollten Erfab für die erlittenen Ver⸗
Eufte, DBelohmung für geleiftete Dienfte, und Keiner follte
dennoch verlieren. Da wollte fo mancher nach eigener An⸗
fiht rathen und helfen, da doch nur Einheit am beiten ra-
thet und hilft. Da mochte oft ber, dem Du das Stepter
vertraut, rathlos baftehen und huͤlflos, und in die Zukunft
fchauen mit einem Herzen voll banger Beforgniß; aber Du,
o Höchfter, ſtandeſt ihm hülfreich zur Seite, und führteft
durch ihn alles herrlich hinaus,
Geläutert durch Trübfal, befeftigt im Buten, weifer
durch vielfache Erfahrungen, : voll Vertrauen und. Muth
— 193 —
begrüßt gewiß: unfer Vater bes Landes ben ‚heutigen Mor⸗
gen. Freundlich kommen mit ihren - herzlichen -Wünfchen
die Großen des Reiches, und aufrichtig bringen heute Tau⸗
fende Dir, Gott der Güte, den Dank des warmen Herzens.
Auch wir Fonnen nicht zuruͤckbleiben, Urquell der Gnade
Wie aber follen wir Dir danfen, o Gott! für fo viel Se
gen? Wie follen wir Deine Güte würdiglich preiſen?
Herr, Gott! wir wollen: fireben,. des Vaters wuͤrdig zu wers
den, den Deine Gnade und gegeben; wir wollen im haͤus⸗
lichen Kreife und in unfrem Berufe Gluͤck und Wohlſein
nach Kraͤften verbreiten, wie unſer Koͤnig, geſtaͤrkt durch
Dich, und fernerhin vorgehen mag! Wir wollen wie er,
treu und gewiffenhaft fein in Erfüllung der Pflichten; wol -
len wie er Thraͤnen trodnen, Wunden heilen, unſer fluͤch⸗
tiges Leben mit guten Thaten bezeichnen, auf. daß auch un⸗
fer Leben, wie das unfres theuern Königs „nicht ſpurlos
umntergehe, und unfer Gebächtniß lange nach uns im Segen
verbleibe. O Herr, ftärfe Du dieſen Entfchluß in - uns;
‚gib und dazu die Kraft, daß wird vermögen, bie Beharrs
lichkeit, daß wirs durchführen unfer Lebenlang; — auch
diefe gute Gabe kommt ja von Dir dem Bater des Lichte
und der Stärfe!
Erhalte audy in unfrem geliebten Rönige das Streben
nach dem Hoͤchſten und Beften, und fegne-ihn mit Deinem
beften Segen! Erhalte uns ihn und die Seinen noch Lang?
im ungeträbteften Wohlfein, und laß ihn: ein heiteres Alter
erreichen, nach fo viel Sorge und Kummer! Laß ihm mehr
und mehr; an allen "Enden feines ' Reiches die Herzen feiner
Unterthanen entgegenfchlagen; führe Du die Sugend unſres
Landes, und befonders dieſer Schule fchon früh an fein
Vaterherz, damit ihm immer mehr Eine ungehenchelte Liebe,
immer mehr treue Anhänglichfeit in den Herzen feiner Uns
terthanen für die Zukunft ſich gruͤnde; bamit immer enger
13
— 194 —
Asd dichter die Lieb? ihn umringe, je Eofer bad Band wird,
das an die Erde ihn bindet, — und endlich in aller Herzen
mur Lin Herz ihm nachichauet, in Wehmuth und Danf
‚nach dem Lande vollendeter Edlen! Amen!
19) am Tage der Freiheit für das erläfete
Deutfhland.
Du Mlmäctiger haft und aus Noth und Trübfal ge-
pettet, und unſrem Lande ift großes Heil wiederfahren durch
MDeine Gnade. Du haft uns erhoben von ber Knechtſchaft
‚gur Zreibeit, von der Schmach zur Ehre, von der Trau⸗
rigkeit zur Freude, und wir athmen freudig und wohlge-
‚muth in der Heitern Luft der Freiheit, und Leben ficher
unter dem Schuge weifer Gefege und eines frommen Koͤ⸗
nigs. Ach, wie war unfer Vaterland von dem lieber-
muͤthigen und Stolzen fo tief gebemüthigt! wie waren feine
‚heiten Kräfte fo gelähmt, und feine Wohlfahrt fo grauſam
vernichtet! Bis zu einer furchtbaren entfeßlichen Höhe war
:Der Gewaltige geftiegen, und mit ehernem Herzen leitete er
das Schiffal der Völker nach feinem Gefüften. Das Recht
bengte fich unser feiner Gewalt, und Die Geſetze der Tu⸗
gend wurhen mit Füßen getreten. Schon gedachte er in
feinem Herzen: ‚Ach will in den Himmel fleigen, unb mei
gen Stuhl Aber die Sterne Bottgd erhöhen!” Schon meinte
ꝓx, was er redete, müßte vom Himmel- herab gerebet ſein,
ud was er fagte, das ‚müffe gelten auf Erden. So trieb
er, als wolle ex bes: Himmel ſtuͤrmen, . eine unabfehbere
HSchaar non Streitern in ihr umabfehbares, granfenvolles
Seichenfeld, wo. Au, 9 Gott! vor ihm aufſtandeſt als Ruͤ⸗
— 15 —
cher des Boͤſen, als der mächtige Beſchuͤtzer der Bedraͤng⸗
ten, als der Netter der unterdruͤckten Unſchuld. Da bradhft
Die Bahn der Freiheit, vertilgteft die Uebelthaͤter, und of-
fenbarteft die große Macht und GStärfe vor aller Welt.
Hell, wie Moskaus Brand, und der Fenerfchlünde: Zorn
‚bei Leipzig und Schönbund erfchien Deine Gnabe, und
fenfte heilige Begeifterung in die deutfche Seele, Much in
deutfche Adern, und Kraft in ben beutfchen Arm; Deine
Gnade gab dem Deutfchen die Waffen der Gerechtigkeit in
die Hand, damit er, feit entfchloffen, für der Menfchheit
erhabene Güter, ven Blick nach oben, mit freubigem Muthe
einfete das Leben. Und Du haft geholfen, o Herr, durch
die Macht Deiner Stärfe. Du ließeft Dein Antlitz gnädig
uber und leuchten, und gabft uns Freiheit und Frieden.
Du warfeft den Stolzen in den Staub, und gabit den Des
müthigen Gnade. Bon Dir fam Sieg auf Sieg, ein Wun⸗
der vor unfren Augen!
Daß das Baterland gerettet ift aus drohenben Gefah⸗
ren; daß wir frei und froͤhlich athmen die reine, erquicken⸗
de Himmelsluft; daß der Thron unſrer alten, theuren Fuͤr⸗
ſten wieder aufgerichtet und feſtbegruͤndet daſteht; daß Ge⸗
rechtigkeit, Freiheit, Frieden und die heilige Sitte des Rechts
im Vaterlande waltet — das dauken wir Deiner Güte,
Allmächtiger! Erhalte denn auch in unfrem Volke die her
Lige Liebe für König und Vaterland, und den tapfer. muͤnn
lichen Sinn, den Diefe große Zeit entwidelt hat. Laß wies
in Frömmigfeit und Tugend, in Lauterfeit unb Einfalt ber
Sitten, in Wahrheit und Aufrichtigfeit vor Deinen Augen
wandeln. Wir Dentfche waren in ber Zeit des Friedens
und des. äußern Gluͤcks herabgefunfen zur Schlaffheit und
Weichlichkeit, hatten uns au die Genüffe eines behaglichen
Lebens gewöhnt, und unfre Seele erfüllt mit mancher Thors
heit und viel eitlem Tande. Die fteigende Herrfchaft der
13 *
— 196, —
Sinnlichkeit. erftichte die Keime großer Tugenden, und in
allen Bezirken des Lebens zeigte fich eine furchtbare Leerheit
des Gemäthe. Der Glauben an Dich, und Dein Gefeß,
‚und an den Menfchen war erfchüttert; an die Stelle eines
edlen Gemeingeifted war eine fchnöbe Seldftfucht getreten,
and jeder fuchte mır feine eigene armfelige Habe zu retten
aus dem Schiffbruche der Zeit.
Aber Du haſt und durch bie Tage der Trübfal und
Noth geläutert, und im Gebiet bes Glaubens ift ein neues
fehönes Leben erwacht. DO, baß wir das verwüftete Land
des Herzens wieber aufrichteten und das verftörte Erbe bes
Glaubens unfrer Väter wieder einnähmen! baß wir flarf
‚bleiben möchten durch feite Eintracht, durch treue Anhaͤng⸗
lichkeit an König und Vaterland, durch einen ſtarken Eifer
für Gerechtigfeit und Freiheit! Laß es alle und erfennen,
baß wir nur dadurch die theuer erworbenen Güter bewahren
und ſchuͤtzen, und jede drohende Gefahr von den Gränzen
ded Baterlandes abwehren Tonnen.
Vater im Himmel! fieh gnaͤdig herab auch auf unfre
Schule, und gib, baß wir alle von Herzen gern in unfrem
Verein das Bild der alten Einfalt der Sitten, der frommen
Zucht und Ehrbarfeit, und des Fleißes barftellen; daß wir
alle nach allen Kräften Ordnung und Treue befördern,
Unſchuld und Tugend verehren, Recht und Gerechtigkeit bes
wahren. Laß in unfrer Schule das Schlechte und Eigens
natzige nicht auffommen; laß und das Gemeine und Falfche
in den Staub treten, dem Boͤſen ung muthig in ben Weg
ftellen, und das freimüthige Wort, und die entichloffene
That nicht fchenen. Dann wirb ein reicher Segen aus unfs
rer Schule Über Stadt und Land fich ergießen, der da uns
wärbiger macht bed vergoffenen Blutes unfrer Brüder, und
Deiner errettenden Gnade und Liebe. Amen!
— 197 —
Die Schule muß Adte Liebe zu Koͤnig und
Vaterland weden.
Seße dich ber zu mir, mein theurer Süngling, für den
ich dies Alles gefchrieben ; fee dich her zu mir, wenn bu
es wuͤnſcheſt mit mir unfrem gemeinfchaftlichen Ziele entges
genzuftreben; wenn bein Herz mir entgegenfchlägt und meine
Liebe zu bir erwiebert; gib mir beine Rechte und fchaue
mich an: ich habe dir zwei Wortezu fagen, die muͤſſen won
Herzen zn Herzen gehen, wenn fie nicht fpurlos enteilen,
sicht wirkungslos verhallen follen. Nein, fie werben es
nicht, dein warmer Händebrud verheißt mir Vertrauen,
Dein Auge voll Liebe, und Keuer, und Reinheit begeiſtert
mich würdig zu reden. Höre denn, prüfe und fühle! -
Nicht wahr? Du erkennft die Erregung, ber Liebe und
Ehrfurcht in dem Findlichen Gemüthe als einen wichtigen Ger
genftand bei der Ausbildung des Gefühles an. Je reiner
dieſe erfte Liebe und Ehrfurcht des Kindes ift, deſto ‚wirt
famer wird fie auf die Vereblung des Kindes fein. Um.
nun gleih aus dem Keime die edelite, reinſte Liebe und
Ehrfurcht hervortreten zu laffen, die, von hoher Würbe
umgeben, vor ben Einfläffen gemeiner. Einwirkungen ger
fichert bleiben, werde das Kind, nachdem das Innere. def
felben durch Freundlichkeit, Sorgfalt und vernünftige Zärts
lichkeit feiner Eltern, und feiner ganzen Umgebung vorbe⸗
reitet worben, alfo die Liebe, und befonders die Eiternliche,
Wurzel gefchlagen hat, durch die zarte unkünftliche Mutter
über Gott und Sefus unterrichtet. Dahin firebe die Mut⸗
ter, und fpäterhin auch Water und Lehrer, die Idee von
einem Gott, ber groß und erhaben, aber auch unfer .gätis
ger Vater, von feinem Sohn, der unfer göttlicheg Porbild,
unfer liebevoller Erlöfer it, in dem Innerſten der Seele
— 198 —
recht erwärmend, ja die ganze Seele erfüllend, auftreten
zu laſſen. Iſt des Kindes Gefühl für Wohlwollen durch
Wohlwollen mit Sorgfalt vorbereitet; find die fchädlichen
Einfluffe, die das Boͤſe im Menfchen aufregen, moͤglichſt
entfernt gehalten, und die vorfommenden Unarten auf eine
natürliche Art, ohne Schredung durch Popanzen, ohne
Bitterkeit, alfo würdig vaͤterlich verſcheucht: fo bildet ſich,
durch den erwähnten Unterricht der große wichtige Anfanges
punkt in dem Sinnerften des Kindes von dem, der der An⸗
fang und das Ende aller Dinge ift. Sein Gott ift dann
gleichfam in dem Kinde, und erfüllet fein Herz. Alle Ems
yfindungen, welche bie Liebe feiner Eltern, das herzliche
Wohlwollen ſeiner Lehrer, ja feiner Umgebung in dem Kinde
ertegen, knuͤpfen fich an Diefen Punkt, und geben deſſen
Keime ein fröhliches Gedeihen. Darum muͤſſen Eftern und
Lehrer die Erweifüngen der Liebe und Dankbarkeit des Kin-
ded, wo natuͤrlich, auf diefen Punkt abzuleiten ſuchen; das
mit die Pflanze der Gottesfurcht und fomit die reinfte Liebe
und Ehrfurcht Fräftig Wurzel falle, in dem Innerſten bes
Herzend. Da heißt ed denn: Gott und Jeſu, ben Urhebern
deines Glüc gehören deine Hauptdankopfer; in deren Hand
find wir Die Mittel, wir aber freuen und auserfehen zu
fein, um dich begluͤcken zu helfen. Jene Wurzel werde
nun fortwährend durch Ynterweifung und Uebung im Chris
ftenthum genährt und geftärkt, fo daß diefelbe den ganzen
jungen Menfchen durchwebe, und als Pflanze überall ſchoͤn
hervortrete in die Außenwelt, wo fie Nahrung empfangen
und geben muß ©.
*) Die Eigenfchaften bes Lehrers, durch welche ex wahres Ghriften-
thum in feinen Schülern weden und nähren Tann, find bereits ans
gegeben; von dem Material aber, und ber vielfeitigen Erfaſſung
des jungen Menfchen zur Religion wird der nachfolgende Schulplan
in jeber Claſſe umftändlich handeln.
— 19 —
So geht dann auch bei der Weckung ber Liebe und.
Ehrfurdyt aus dem Mifrofosmus der Makrokosmus hervar.
Denn das Kind fühlt dann, wenn gleichfam Fein Raum.
mehr in feinem Innern iſt, dafelbft ein Drängen nach Aus
Ben; es kann fich nicht mehr mit den Gefühlen der Dank:
barfeit, Liebe und Ehrfurcht begnügen; es will diefelbe in
That übergehen laſſen: es will wiedergeben, wo es empfati«-
gen. hat, und — je nachdem fein Gefichtöfreis fich erwei⸗
tert, und es die taufenden von Einrichtungen und Veran⸗
ftaltungen gewahrt, die zur Beförderung. feines Gluͤcks und
feiner Glüidfeligfeit getroffen find: je nachdem fuͤhlt es gegen:
Das Baterhaus, gegen feine Umgebung, gegen. ben: Wohnort
und endlich gegen König und Vaterland herzliche Dankbar⸗
teit, zarte Liebe, und das Beftreben in ſich aufmachen.
Beweiſe feiner Gefühle an den Tag zu legen -..
Ueber dieſe Liebe, die ein erweiterter Geſichtskreis in
dem Herzen des jungen Menſchen entſtehen laͤßt, uͤber die
Liebe zu Koͤnig und Vaterland til ich denn meine Anſich⸗
ten folgen laſſen.
Zu dem Ende ſtelle ich die Behauptung auf, daß die
Schule aͤchte Liebe zu Koͤnig und Vaterland wecken und
naͤhren muͤſſe. Hoͤre und pruͤfe denn die Auseinanderſetzung
dieſer Liebe und die eingeflochtene Begruͤndung meiner An⸗
ſicht, und traue mir kein Wort zu, das aus gemeiner Ab⸗
ſicht geſagt waͤre. Meine Umgebung, meine Bekannten und
Freunde moͤgen da uͤber mich richten.
Zwar fuͤhle ich lebendig die Schwierigkeiten einer cie⸗
fern allgemeinen Begruͤndung dieſer Anſicht; aber die Rich⸗
tigkeit und Natuͤrlichkeit derſelben wird mich uͤberzeugend
ſprechen laſſen.
„Die Liebe zu Koͤnig und Vaterland iſt die dankbare,
„herzliche Zuneigung des Staatsbuͤrgers zu dieſen Objelten,
— 20. —
„und das ernftliche, unabläffige Beftreben, burch Foͤrderung
„zer Wohlfahrt des Staates, oder des Könige, das Wohl⸗
‚sein des Einzelnen herbeizuführen.”
Diefe- Liebe. fteht nach dem Vorigen ber Liebe zu Gott
nicht entgegen, wie irdiſcher und himmlifcher Sinn; fie
haben: beide gleiche Wurzel; und je ftärfer jene Gotteswurs.
zel in dem Innerſten des Menfchen ift, defto. Eräftiger koͤn⸗
nen auch ihre Schößlinge nad Außen ſich dehnen. Die
Liebe zu König und Land ift wegen Erreichung der Hars
monie ber Menfchenträfte erforderlich; denn. Diefe Liebe
fhüget vor Verzärtlung: fie ftärket das Mark, gießet Kraft
in den Muöfelbau, erwecket den Muth, treibet zur Abhärs-
tung, entwicdelt die Mannkraft, und Iäffet den Bürger das:
Beſitzthum behaupten, das Gott ihm zum Wohnplatz anges
wiefen hat. Wenn gleich biefe Liebe nicht das einzige Mite
tel zur Erreichung biefer Zwecke ift, fo ift fie doch eins ber
bewährteften, wie ſolches die Bölfergefchichte genugfam
und lehret. Entſtammt der Patriotismus aber ber fanften
Keligion Sefu, ober der Liebe und Ehrfurcht: fo wird fie
um fo mehr allenthalben chriftlich edel aufblühen, und lo⸗
benswerthe Frucht bringen; fo wird felbft der MWehrhaftige
in Schlacht und Feldlager vor Barbarei gefichert, und es
nicht wagen, ſich freventlich über die Religion hinwegzus
feßen.
Eine fofche Frucht foll min bie Schule zu erzielen ſtreben.
Der junge Menſch ſoll die Scholle lieben lernen, auf
der Gottes Sonne ihm zuerſt ſchien, und deſſen ſuͤße Him⸗
melsluft er athmete; damit er um ſo treuer das Land be⸗
ſchuͤtze, das Gott ihm zum Eigenthum angewieſen hat, und
damit er daſſelbe nicht ohne Grund verlaſſe, um nur frem⸗
den Sitten und fremden Goͤttern anzuhangen.
Und — bildet ſich dieſe Liebe nicht ſo natuͤrlich in einem
kiebenden Gemuͤthe? Sage — hat der Ort nicht etwas
— DI —
Süßes fir ung, wo das erſte Menfchenauge fich liebend
über unfre Wiege neigte; wo der zarte Arm uns an Vaters.
und Mutterbruft drüdte, wo Lieb und Sorgfalt ung auf:
den Händen trug, und wir die erften Töne der Liebe hörs
ten und lernten? der Ort, wo wir ale Kinder mit Ges:
fchwiftern und Nachbars⸗Kindern hier unter einem Apfel⸗
baum, dort auf grünem Raſenplan fpielten; wo ber Mies’
fen Pracht unfer Herz erweiterte, und wir am Bache Biolen
md Bergißmeinnicht pflädten, ber Mutter zum Strauß,
oder dem Bater zum Kranz? — der Ort, wo der Wechfel‘
der gleich fchönen Sahreszeiten und in Florend Gebiet, oder
an den Fifchteich, in den Iabenden Schatten, ober den ers
quidenden Fluß, in den mit Segen beladenen Baumhof,
oder zum emfigen Bienenhand, in den blendenden Schnee,
oder aufs glatte Eis rief! '
Liegt nicht wie ein Zauberbilb die Gegenb vor unfrer
Seele, wo der Fabelmund fich allenthalben fo Tieblich ung
öffnete, und unfre Seele mit hoher Ahnung erfüllte; die
Gegend, in ber wir die jungen Glieder bei Wanderungen
durch Saatfeld und Haide, durch Bufch und Feldmark,
von Hof zu Hof, von Dorf zu Dorf ftärkten? |
O, wie viele tanfend füße Erinnerungen fchafft dort’
ſich der Knabe für eine herbe Zukunft, wenn dann ſchon
Kiebe und Dankbarkeit in feinem Herzen tiefe Wurzel ge
fchlagen haben!
Sage — follte er dem Lande nicht mit banfbarer höhe
rer Liebe anhangen;, in deffen Sprache ihm, von Liebenden‘
Eltern und wohlwollenden. Lehrern die Lehren der Weisheit
ins Herz gegraben : wurden? bas fo treulich ihn pflegte,
in. welchem er Kunft und Wiffenfchaft lieben und achten
gelernt hat?
Nein, das Land, das folche Vorzüge ihm darbot, das
in der Weife der Väter ihn Ieben Lehrte, welche die Freis
— 21202 —
heit und das Recht mit ihrem Blute befiegelt, in deſſen
heiligem Schooße feine Vorfahren ruhen, zu denen audı
er mit feinen Kreunden einft geſammelt zu werden erwar-
tet — das kann ein fühlender Menfch, ein Kind des Vater
landes, nicht vergeffen, das muß er mit Liebe, mit zarter
Liebe umfangen. Ad, wie Mancher, den fein Schidfal
vom Baterlande trennte, mag auch wie jene troftlofe Koͤ⸗
nigin ſeufzen: „Eilende Wolfen! — Segler der Lüfte! —
Wer mit euch wanderte, mit euch ſchiffte! — Gruͤßet mir
freundlich mein Jugendland!“
Noch höherer Art wird diefe Liebe werben, wenn ber
junge Menfch die vortrefflichen Einrichtungen ded Staates,
in welchem er lebt, und fein Verhaͤltniß zu denſelben näher
fennen und ſchaͤtzen lernt.
Sieht er, wie der Staat auf bie beite Art gegen in-
nere und äußere Feinde ficher geftellt, ehrenmerth in die
Reihe der geachtetiten Staaten tritt; wie Gerechtigkeit im
Lande thront, das Eigenthum , felbft des Geringſten geady
tet wird; wie Känfte und Wiffenfchaften ſich immermehr
einer vollen Blüthe nähern, wie die allgemeine Beredlung
immer weiter fchreitet 5 wie perfönliche und GewiſſenscFrei⸗
heit des forgfältigften Schußes ſich erfreuen; wie die Foͤr⸗
derung des Wohlftandes ſo ficheres Schrittes geht, wie taus
fendfache Einrichtungen zum Nuten und zur Annehmlichkeit
des Lebens entitehens kurz, wie alles dahin firebt den Eins
zelnen, wie das Ganze zu begläden; und wie fein Gluͤck
von Bater, Mutter, Bruder, Freund durch den Staat, ja
durch den Staat bedingt, d. h. möglich gemacht und er
halten wird: fo kann er feinem Vaterlande eine Liebe nicht
verfagen, die auf Dankbarkeit und Hochachtung, ja auf
Bewunderung gegründet ift, und mit edlem Gelbitgefühle
wird er ſich ganz feinem Staate ergeben, wirb er die Vor⸗
— 203 —
ſehung preifen, die ihn in einem fo thenern Lande geboren
werben ließ! "
Wird ein fo denkender und fühlender junger Menfch,
wenn von Andern fpäterhin Einrichtungen bes Staates als
Mängel und Gebredyen angefehen werden, fich nicht bemuͤ⸗
hen, den Standpunkt zu erfteigen, von wo er das Nöthige
zur Beurtheilung bes Getadelten überfehen kann? Wird er
in jegliches Klagelied derer einftimmen, die da Vollkommen⸗
heit und Befriedigung aller Anfoderungen verlangen? Wirb
er nicht vielmehr auf die Durchfreugung ber Wünfche vers
fchiedener Provinzen, Stände und ber Einzelnen, auf die
daraus folgende Unmöglichkeit einer gänzlichen Zufriedens
ftellung des Ganzen aufmerkffam mahen? Wird er nicht da,
wo er felbft im Zweifel ift, auf die Ermangelung einer his.
heren Anficht, oder auf die Unvollkommenheit jeder menſch⸗
Iichen Einrichtung hinweifen, und auf diefe Art jeden Keim -
zur Unzufiedenheit zu erſticken ftreben ?
Diefe höhere Vaterlandsliebe, welche anf Dankbarkeit,
Hochachtung und Einficht gegründet ift, wird den jungen
Menfchen antreiben, einft feinem Lande Ehre zu machen,
und den Wohlftand defielben auf jede rechtliche Art in der
Zukunft zu befördern. Ä
Wie der brave Mann für die Ehre feiner Perfon und
feiner Kamilie forgt, fo wird er fich bemühen auch die Ehre.
feiner Baterftadt, ja feines Landes zu erhalten und zu ers
hoͤhen; und dieſes muß ihm an feinem Theile gelingen,
wenn er ein wahrer Chrift, ein tüchtiger Mann für fein
Fach zu fein ftrebt, wenn er eben fo weit von Auslänberei,
als von Einfeitigkeit gegen fremde Voͤlker fich entfernt hält
und bie eigenthämlichen Vorzuͤge feines Vaterlandes kennen
gelernt bat. Er wird alsdann auf der einen Seite nicht
gegen Fremde über feine eigene Nation fpstteln, fondern bie
etwaigen Mängel feines Volkes und feines Staates mit
— 22 —
Wehmuth erkennen, und denfelben im Stillen absuhelfen
trachten, und auf der andern Seite wird feine Ungefaͤllig⸗
feit und Gewaltthatliebe, Tein dummer Stolz und eitler
Hochmuth gegen fremde Voͤlker in feiner Perfon fich aus⸗
prägen.
Gluͤcklich ſind wir Deutfhe, daß es uns nicht ſchwer
fallen kann, die Ehre unſrer Nation zu erhalten.
Hat es je ein großes Land in der Welt gegeben, in
welchem eine tüchtige allgemeine und befonvere Bildung fo
lange und Eräftig vorherrfchend war: fo ift es das Unfrige!
— Iſt in irgend einem Lande der Erbe die ganze Maffe von
Gelehrſamkeit und Kunft hochgeftiegen und vielfeitig in aufs
firebender Bruft verwahrt worden: fo gebührt unferm Lande
die Ehre! — Steht irgend ein Staat der Erde allfeitig mit
Kraft und Weisheit befhügt, in bewunderungswärbiger
Mannkraft da: fo iſt's der Unfrige! — Gibt es vigle Stans
ten, in denen Recht und Gerechtigfeit gehandhabt+werben:
fo gefchieht diefes auch in dem Lande, beflen Ruhn von
jeher Treu' und Redlichkeit war!
Nein, wir haben uns unſres Volkes und unſres Staa⸗
tes nicht zu ſchaͤmen; wir koͤnnen mit edlem Stolze uns
Deutſche und Preußen nennen; nur muͤſſen wir dabei nicht
mäßig auf unſren Lorbeeren ruhen, ſondern mit Gottes
Huͤlfe, mit feſtem Vertrauen auf den, der da das Voll⸗
bringen gibt, weiter ſtreben, damit Stadt und Land nach
ſeinem Wohlgefallen ſich ferner erhebe. Waͤchſt der junge
Menſch in jener religioͤſen Liebe, und in dieſer Anerkennung
der wirklichen Segnungen ſeines Vaterlandes auf: ſo wird
er einſt als obrigkeitliche Perſon, mit angeſtrengter Kraft
fuͤr das Beſte des Ganzen, als Volkslehrer fuͤr die Unter⸗
weiſung und Belehrung ſeiner Bruͤder, als Buͤrger uͤber⸗
haupt fuͤr die Vertheidigung ſeines Vaterlandes, und fuͤr
— 120 —
die Befriedigung gemeinnuͤtziger Bebärfniffe zu forgen ber
muͤht fein.
Wie gluͤcklich ift aber ein Land, das fo viele taufend
Glieder zählt, die mit Sinnigfeit und Eifer ihres Landes
Beſte in ihrem Kreife zu fördern trachten! Diefe Sorge
wird fchon dem jungen Menfchen ganz natürlich erſcheinen;
Denn wie ein Familienglied vorzugsweife für den Wohlſtand
feiner Familte forgen muß: eben fo billig, recht und noths
wendig ift das Beftreben des Stantsbürgers, für die Erhe⸗
bung feines Staates zu forgen, da der Genuß aller Güter
und Vorzüge durch ben Staat, wie durch die Familie ber
Dingt ift. Unrecht kann diefe vorzugsweife Sorgfalt nicht
fein, da dadurch das Geſetz ber. allgemeinen Rädhitenliebe
nicht aufgehoben wird. Wie koͤnnte auch die Baterlandsliebe
folche Früchte bringen, wenn fie Liebe zu Gott, ein wahs
red Ehriftenthum zur Wurzel hat? — Und eben fo wenig,
als es einem Bater erlaubt ift, zu betrügen, zu ftehlen, zu
rauben, um dadurch den Wohlftand feiner Kinder zu grüns
den, eben fo wenig darf die Baterlandsliebe eines Bürgers
anf Koften anderer Staaten das Gluͤck ded eigenen zu
gründen trachten.
Der junge Menfch, in welchem eine fo begründete Bas
terlandsliebe wohnt, wird nie in falfchem Eifer für die ges
meine Wohlfahrt in der Zukunft fo weit gehen, baß er
Mißtrauen gegen die Regierung des Landes unter feinen
Mitbürgern erwecken, daß er diefe gegen die Obrigkeit follte
aufwiegeln, Aufruhr und Empsrung zu erregen fuchen.
Sollte er nicht wiederum erfennen, daß er felbft nicht
auf dem hoͤchſten Standpunkte fich befinde, von wo
ihm die Staatseinrichtungen alle in gehdrigem Lichte ers
feheinen, und daß er, falls er das Ganze Har überfehen
follte, vielleicht eine bewunderungswürbige Harmonie ges
wahren, mandyes Uebel ald unvermeidlich, ja als not
— 206 —
wendig erfennen, und daß das Ganze, durch kurzſichtige,
einfeitige Eiferer in Unordnung gebracht, unendlich mehr
leiden würde, ald wenn der Staat in feinen Mängeln der
Ruhe fich. erfreute? Muß er als Ehrift ein Beftreben durch
Empoͤrung gegen feine rechtmäßige Obrigkeit nicht durchaus
‚für unerlaubt, ja für findlich halten, und vor ſolchem
- Gedanken nicht zurüdichaudern.?
Die Schule fol nämlich nicht bloß aus paͤdagogiſchem
Grunde, und wegen der Natürlichkeit diefer Liebe, den jun-
gen Menfchen zu veranlaffen fuchen, baß berfelbe nach al.
len Kräften, in ftillem Fleiße feines Landes Befte zu fürs
dern tradhte, und vorzugsweiſe Gottes Segen auf baflelbe
-erflehe; fle foll es auch, und hauptfächlich darum thun,
-weil die Erweiſung der Vaterlands⸗ und Koͤnigsliebe eine
heilige und fchöne Pflicht if. Daß der Chrift zu Diefer
Liebe verpflichtet fei, geht aus dem göttlichen Befehl, ven
König zu ehren, der Obrigfeit als von Gott gefeßet zu ge
horchen, den Nächten zu lieben und aus dem Beifpiel uns
fre8 Heilandes deutlich hervor. Will die Schule demnach
eine. chriftliche fein, fo darf fie dieſes Gebot keinesweges
außer Acht Laffen, und zwar aus dem triftigen Grunde,
daß eben in dem jungen Menfchen dieſe Liebe aufwachien
muß, wenn er dereinſt dieſes Gottesgebot tren und aus
reinem Antriebe erfüllen fol.
Willſt du das Zeugniß großer Männer hören? „Eine
„Semeinheit ohne Gemeingeift, fagt Leibnig, kranket und
„erſtirbt; ein Vaterland, ohne Einwohner, die es lieben,
„wird zur Wüfle, und ein Haus, an Meeres Ufer, auf
„Sand gebauet: als ein Plabregen fiel und ein Gewäfler
„kam, und ‚weheten die Winde und fließen an das Haug,
„da fiel es und that einen großen Fall, fagt Ehrifius.’’ı..
Herder fagt: „Woher fam ed, daß: manche einft hoch
„verehrte Stände allmählig in Verachtung, in Schmach
— 207 —
„verſanken und noch verfinten? Weil keiner berfelben fich
„der gemeinen Sache annahm, weil jeder als ein beguͤn⸗
„ſtigter Eigenthums⸗ oder Ehrenftand Iebte; fie fchliefen
„im Ungewitter ruhig wie Sonas, und das Loos traf fie
„wie Jonas. D, daß die Menfchen bei fehenden Augen
„on Teine Nemefis glauben! An jeder verlegten ober
„sernachläßigten Pflicht hängt nicht eben eine willtührliche,
„ſondern die nothwendige Strafe, die fich von Gefchlecht
„zu Geſchlecht haͤufet. St die Sache des Baterlandes
heilig und ewig: fo büßet fich feiner Ratur nad) jedes
„Verſaͤumniß derfelben, und häufet die Rache mit jedem
„verdorbeneren Gefchäft oder Gefchlecht. Nicht zu grübeln
„haft bu Über dein Vaterland: denn du wareſt nicht fein
„Schöpfer; aber mithelfen mußt du ihm, wo und wie du
„kannſt, ermuntern, retten, beſſern, und wenn du die Gans
„des Capitoliums waͤreſt.“
Sage — muß das Vaterland in dieſer Liebe ſeiner
Buͤrger nicht ſeine ſtaͤrkſte Schutzwehr gegen innere und
aͤußere Feinde, muß es in ihr nicht das wirkſamſte Mittel
zur Erhebung jedes Dorfes, jeder Stadt, ja des großen
Ganzen finden? und iſt nicht Leben, Beſitzthum, Freiheit,
Ehre, Bildung, ja ſelbſt großentheils Religion der Buͤrger
durch den Staat bedingt?
Und — ſollte der Menſch Schutz, Freiheit, Bildung
und alle die tauſend Annehmlichkeiten des Lebens in einem
Lande genießen, ohne dieſes dankbar anzuerkennen, ohne
das Beftreben zu haben, bes Landes Wohlfahrt nach allen
Kräften zu fördern, und in der Noth demfelben mit Gut
und Blut beizuftchen? Rein, das muß die emporftrebenbe
Sugend als fchwarzen Undank erfennen. Die Gefchichte
lehrt ihr ein anderes: in ihr findet fie bei den edelften
Voͤlkern dieſe Liebe, zur Zeit ihrer lieblichſten Blüthe am
innigſten und zarteſten.
— 108 —
„Griechen und Römern , fagt Herder, war dad Wort
„Vaterland ein ehrwärdig füßer Namen. Wen find nicht
„Stellen ans ihren Dichtern und Nebnern bekannt, in denen
„Söhne des Baterlandes ihm ald einer Mutter kindliche
„ziebe und Dankbarkeit, Lobpreifungen, Wünfche und
„Seufzer leihen? Der Entfernte fehnte fich darnach zuruͤck,
„hoffnungsvoll oder Hagend fchauet er zur Gegend hin,
„empfängt bie Lüfte, die baher wehen, als Boten feiner
„Geliebten. Wiebergegeben dem Vaterlande, umfängt er
„es, und ftäflet feinen Boden mit Thränen. Der in ber
„Entfernung Sterbende vermacht ihm feine Aſche; anch nur
„ein Ieeres Grabmahl des Andenkens wünfchet er fich bei
„den Seinen. Fürs Vaterland zu Ieben hieß ihnen der
„hoͤchſte Ruhm; fürs Vaterland zu fterben ber fAßefte Tod.
„Wer mit Rath und That dem Vaterlande aushalf, wer
„es rettete und mit Kraͤnzen des Ruhms ſchmuͤckte, erwarb
„ſich einen Sit unter den Göttern; Himmels s und Erden
‚„uniterblichleit war ihm gewiß. Dagegen, wer das Baters
„land beleidigte, es durch feine Thaten entehrte, wer es
„verrieth ober befriegte; in den Bufen feiner Mutter hatte
„er das Schwert geftoßenz er war ein Vaters, ein Kinder,
„ein Sreundess und Brudermörber.’
Werfen wir nur einen Blick auf eble Menſchen, wir
ſinden allenthalben dieſe Liebe. Die Vaterlandsliebe ver⸗
kleidete einen Codrus als Bauer, ſchuf in dem Miltiabes
die feurige, ermuthigende Rede; fle ließ den Leonidas und
feine Getreuen den Helbentod zur Ehre des Baterlandes
fuchen; fie vollbrachte in einem Pelopidas und Epaminondas
die Befreiung ber Baterfiadt von fremdem Joche, ließ einen
Ariftides die herzlichſten Wuͤnſche für eine Stadt: ausſpre⸗
hen, bie ihn fo fehr verfannt, die ihn verbannt hatte; ffe
erhob das Haupt ber Griechen und ‚Römer und Äbergoß
deren Antlig mit männlihem Adel; fie half dem König
David fein Reich auf ben Blüthenpunkt erheben, machte
ihn und die Makabaͤer zu Herven, begeifterte - einen Hora⸗
tind und Mutius zu unglaublichen Thaten, erhob. einen
Hannibal zum König, der Schlachten, fiempelte einen Fa⸗
bins zum Zauberer, einen Fabricius zur Öerechtigfeit, und
veranlaßte einen Negulus ſich der qualooliiten Marter bloß⸗
zuftellen; fie ließ den Winkelried die Hellebarde in feine
Bruft rennen, und diefelbe mit Wolluſt umfangen; fie gab
dem Schwerin. die Fahne in die Hand und bem Kleift Das
Schwert in den Mund; fie lehrte den. Luͤtzow, den Fürften
ber Wahlſtadt, einen Herzog von Braunfchweig dad Schladys
tengewähl fuchen, ließ unfrem ritterlichen Könige nur die
Wahl, fih unter den Trümmern des Reiches zu begraben,
oder Deutfchland unter dem göttlichen Beiftande zu retten;
fie weckte Boruffia, wedte eigen Scharnhorft, Gueiſe⸗
nau, Stein, und begeifterte liebbrennende Sänger zu Lies
bern, die Fünftige, ferne Gefchlechter mit Hochgefühl, wie
Hermanns⸗Lieder anftimmen werden! Kaben aber diefe und
noch viel Taufende der edelften Männer, Deren Ramen die
Sefchichte mit dankbarer Anerfennung, wenigſtens in Diefer
Ruͤckſicht zu Muftern für kommende Geſchlechter aufftellt,
ihr Vaterland geliebt, fo daß fie gern alle ihre Kräfte
demfelben dahin gaben: fo kann der fühlenden Sugend bie
Baterlandsliebe ſchon um des willen nicht als ein Phantom
erfcheinen, fondern fie wird ſich gezwungen fühlen, dem
Adel diefer Wohlthäter nachzuſtreben; fchon das muß fie
als Sünglinge und einft ald Männer begeiftern, der Vaters
ftadt, dem Baterlande mit ganzer Seele ſich zuzumenden! —
Hat die Kraft der Wahrheit, o theurer Juͤngling! deinen
Geiſt überzeugt und bein Herz getroffen, ‚wie bein Ange
und deine Wange mir zeugen: fo fiehe auf mit. mir, lege
Die Linke anf dein Herz und hebe deine Rechte dem Allwif-
fenden entgegen, und ſprich vereint mit mix; Sei du, o Gott,
14 |
— 110 —
mein Zeuge, daß ich mein: Vaterland: lieben will als Chrift,
bis. in den Tod! Gib mix Weisheit und Kraft, daß ich
der mir aupertrauten Jugend innige zarte, chriſtliche Das
terlandsliebe einhauche! Auwiſender! Du biſt Pets Zeuge
meiner That!
Nun wohl! Höre denn num mein n pweites Wort mit
gleicher Aufmerkfamleit an: yrüfe unb wähle. Derjenige,
der feinem - Baterlande. mit: zarter Liebe zugethan if, muß
ſich beglädt fühlen, wenn daflelbe von Außen und Innen
gegen feindliche Angriffe befimöglichit fücher geftellt iſt, da⸗
wit die koſtbare Frucht des Friedens gebeihen koͤnne; muß
fi, freuen, wenn die noͤthige Ordnung und Regelmäßigkeit
is allen Zweigen ber Berwaltung erihaffen und feitgehal-
ten wirb; wenn. Künfte, Wilfenfchaften und Gewerbe in
ihrer Bluͤthe fich mehr und mehr entfalten, Diefe begluͤ⸗
ckenden Früchte der gefellichaftlichen Verbindung zu Staaten
finden wir, nach den Ausſpruͤchen der denkendſten Staats
männer, am cheften unb zugleich gefichertfien in. einer Mo⸗
narchie, und zwar in-einer folchen, in welcher der Bater
des Landes nicht durch zu viele Obfervanzen und andere
befchränfenden Hinderniffe zur freien Förderung bes Gans
‚zen beengt ift. Der Staatsbürger felbft aber, und vorzuͤg⸗
Tich der, der nicht denkender Staatsmann ift, Tann das
große Ganze des Staates nicht überfehen, und fein Urtheil
wird fchon Deswegen einfeitig fein, ‚weil er irgend einem
Stande angehört, den er am meiften gehoben wünfcht, ober
weil er Lieblingsideen nachjagt.
Ah, was wollten wir antworten, wenn ber Staat
und folgende Fragen von Engel zu beantworten gäbe:
„Bas für innere Volllommenheiten jeder Art, (ſollen erfchafs
„fen werden?) und in welchen Grade find diefelben in uns
„ſrem Staate möglich? auf welchen Wegen? welche nadı
„den Umftänden die wichtigften.? wie ‚jede andere nach ihnen
— 11 —
„abzumeſſen, daß keine zum Ruin des Ganzen übertrieben
„werde, und doch auch Feine ermangle? wie Jedes burch
„Jedes unterflügen, bie zahllofen Räder der großen Mafchine
„in einander eingreifen zu laffen? wie die Gefeßgebung,
„die Difeiplin, die Staatsoͤkonomie, jedes für ſich and jebes
„in der Verbindung, auf die höchfte Vollkommenheit hins
„sichten? wie das größte fremde Intereſſe, mit weldjer Bor
„ficht in das eigene zu verweben? wie bei Bündniffen ımb
„Freundſchaften das Anſehen mit ber Nothwendigfeit, bie
Klugheit mit der Redlichkeit zu verbruͤdern I —
Ah, wir würden in Demuth erkennen: wir wiſſen
nicht, was zu thun! Da helfe Einer and, der fein Le⸗
ben der Löfung folcher Kragen gewidmet hat, dem tan
fende der beften Köpfe auf den erfien Wink zu Gebote fles
ben, der mit feiner Geburt die bewährteften Regeln, von
den denkendſten und beiten Borfahren gefchaffen, erbt und
in ihnen fich empor bildet. ‚Nur Einer‘ würden wir bei
klarer Anficht mit Johannes von Müller fagen, ‚wenn er
auch über die Gebühr hinandginge‘ ; nur Einer, ber allent⸗
halben mit Rath und That unterſtuͤtzt wird und unterſtuͤtzt,
aber nicht ohne Roth befchräntt wird, inbem baburd; wies
der neue Schwierigkeiten erwachfen.
Wollte nun jeder Vaterlandsfreund feine Wünfche für
das allgemeine Befte zu verwirklichen fuchen: fo würbe ums
fehlbar ein Produft fich ergeben, das gewöhnlich die Aus
geburt vieler durcheinander rathender Köpfe ift, die Diagos
nale von tanfenderlei Kräften, bie größte Schlaffheit und
PM lanlofigfeit, oder die fchredlichite Unordnung und Unruhe;
und da, wo Eintracht und Liebe fich kuͤſſen follten, wärs
den Neid, Stolz, Herrfchfucht, Eigenfinn und Unmuth über
gefränfte Xiebe und Treue das Ganze aufreiben, Wie ber
Maler, Baumeifter und Bildhauer das Urtheil bed denken⸗
den Laien wol beachten, aber daſſelbe nicht als vollgältig
14 *
— 212 —
anſehen kann, ja oͤfter mitleidig belaͤcheln wird: fo muß
auch der erfahrene Staatsmann das Urtheil der Staats⸗
buͤrger anſehen, unter denen es ſo viele gibt, die alle ſich
durchkreuzenden Intereſſen der verſchiedenen Staͤnde und
Provinzen, bei etwas mehr Einſicht, mit einem Male alle
Bedenklichkeiten, zu heben ſich getrauen.
Um nun nicht uͤber Staatskunſt, wie jener große Alex⸗
‚ander in der Werfitätte des Apelles, über Malerei zu urs
theilen; um deſto ficherer bag Wohl des Staated gefördert
zu fehen, nnd Zwietracht und Eigennuß derer am Ruder,
fo wie Unzufriedenheit und hartes Urtheil der Regierten
entfernt zu halten, muß der Unterthan vertrauungsvoll das
Schickſal des Stänted in bie Hand feines Landesvaters
legen, an defien Ehre und Ruhm, die Ehre und der Ruhm
feines Landes, an befien aͤußeres Gluͤck, das Gluͤck des
Landes, an beffen inneres Wohlfein, das innere Wohlfein
des Landes geknuͤpft iſt. Ä
In der That, ein: eben fo erhabener, als nothwendi⸗
ger Staudpunkt! Die Blicke von Millionen auf ſich zu
ziehen, den Beruf zu haben, die gerechten Wuͤnſche von
Millionen zu erfuͤllen, Millionen zu begluͤcken! Welch ein
Haushalt! welch eine Schwindel erregende Höhe! Wahr⸗
Th, wenn den Mann dort oben nicht Vertrauen, Liebe und
Ehrfurcht halten: dann mag er wanfen; bann mag fein
Sinn verdüftert werden, daß er das Wahre nicht erfpäher!
Diefe Ehrfurcht find wir ihm aber als Chriften fchuls
big, und wenn das Chriftenthum und gebietet den König
zu ehren , fo ftellt es und bie Verpflichtung zu biefem Er⸗
weife von Ehrfurcht nicht etwa mit dem Bebing auf, daß
wir jedoch von ber perfönlichen Vortrefflichkeit dieſes Mans
ned überzeugt fein müßten.
Lautete demnach das Gebot: „Ehret den guten Rs
nig“: ſo wäre es eben fo überfläflig als das, „liebet Den
— 213 —
Freund” fein würde. Der Unterthan wuͤrde alsdann . den’
König ehren, wenn dieſes gerade feiner Neigung zufagte,
unb bei jeder Gelegenheit glauben, wo ber Staat dem In⸗
terefie oder dem Wunfche veffelben nicht gemäß handelte,
diefer nothwendigen Pflicht entbunden zu fein. Ä
Da außerben ein. Untertban nie auf dem richtigen
Standpunkte fteht, feinen König in allen ben fehwierigen
Lagen beurtheilen zu koͤnnen; won Diefer Verehrung aber gros
Bentheild der innere Frieden. bes Landes abhängt: fo mußte
das Chriftenthum diefe Korderung unbedingt aufſtellen.
Die Liebe zum. Baterlande ſtellt ſich auch am ficherfien
and gebeihlichften in der Liebe zum Könige bar; denn indem
der Unterthan dem Könige, ald dem Centralpunkt des gan⸗
zen Staates, Liebe, Ehrfurcht und Vertrauen erweiſet,
ftört er die Ordnung nice, und biefe Bafid bed ganzen
wird er zertrüämmern, wenn er mit Feder Hand, und wie
natürlich ohne weife Wahl in die Zügel des Staates grei⸗
fen wollte, die wie die Radien aus dem. Mittelpunfte
nach allen Punkten der Peripherie gehen, und Die Kreiöläche
in den meiften Punkten berühren. -
Die Sorge für dad Vaterland erfobert tanfenbe der
feinften Eombinationen von dem höchiten Standpunkte aus:
die Sorge für den König ift ein Gedanken, ein lebhaftes
Gefühl. Nur der Eigendänfel. eines Unterthanen glaubt bei
jener feinen Berechnung fo ficher, als bei diefem Iebhaften
Gefühle zu Werke zu gehen, das er. doch nur zu befolgen
und > nicht ängftlich zu berechnen bracht.
* Darum lerne ber junge Menfch in Ehrfurcht und Wera
trauen auf den Sentralpuntt feines Vaterlandes, auf feinen
Koͤnig ſehen: /Der Zuftand- feines Königs fei ihm der Grad»
meffer des Landeswohles. ‚Seinen Koͤnig'liebe er, denn er
liebt dadurch Fein vand; feinen König erfrese-er, er erfrent
dadurch das Land; feinem Könige: fei er mit Tinblicem Ge⸗
— 9 —
horſam ergeben, denn er begluͤckt dadurch das Land; feinem
Könige zum Schutz bringe:er Gut und Blut, er opfert es.
dem Lande! Kurz — feines Königs Sache fei feine Sache,
denn fie ift die Sache des Vaterlandes; — und fo fchmilzt
in dem verteawenben Gemüthe Vaterland und. König in
eins zuſammen, und jene zarte, füße Liebe, jene vernuͤnftige
Begeifterung für das Land vereinigt fih in der Perſon fei⸗
nes Landesvaters!
Heil dem Volke, das in fo innigem zarten Verhaͤlt⸗
nife mit feinem Könige: fteht!
©. Wie ganz anders werden dann feitte Einrichtungen aufs
genommen und erfannt werben; wie ſehr wird diefer Zur
fand die Zufriedenheit und ftille Weisheit im Lande näh-
zen! . Die Königsliebe verbindet das ganze Volk auf das
innigſte mit feinem Landesvater; macht ed einträchtig, ſtark,
ja unuͤberwindlich, daß beide zum Schutz und Trutz gegen
Außere Feinde beharrenz fie Läffet den König mit Freuden
Die Sorge um das Ganze, und das Bolt boͤſe und brü-
dende Zeiten ohne Murren tragen; fie fchaffet Wohlwollen,
Liebe, Vertrauen, Freiheit, Zufriedenheit, und verhindert
Unordnung und Unruhe im ganzen Lande; fie einet Aller
Streben nadı Erhebung bed Landeswohles in einen Punkt,
and bringt Harmonie in die taufendfachen individuellen Ans
fihten und Wänfche ber verfchiedenen Provinzen unb ber
einjelnen linterthanen.
Wie ſchoͤn ift Diefe Liebe zum Landesfürften, wenn wir
in dem beutfchen Volke jene Treue bewahren ſehen, die un⸗
fre Vorfahren ihrem Herzog bewiefen; wenn das Bolt um
feinen König ſich ſammelt, wie liebende Kinder um den
gütigen Vater; wenn ber Unwillen jedes Einzeinen Aber
Staatsbeträgereien und andere- Schlechtigfeit auf eble Art
die Stelle einer geheimen Polizei vertritt; wenn bei mißs
verftandener oder wirklich ungwechmäßiger Anordnung von
— 15 —
oben, Fein freien: Murrkopf noch viel weniger. ein Fremd⸗
fing die Anordnung hoͤhnen detadeln ‘Darf; vhne den Zorn,
den geſchaͤndere Treue erregt‘, auf ſich zu laden; wie ſchoͤn
jene reine Ehrerbietung, Die dem’ Vater des Landes as
feierlich: entbloͤßte Haupt, und daB hingebende Luge zeigt,
and. in ihm ben liebenden Vater in Ehrfurcht jauchzend an⸗
erfennt ; wie fhön bie Sorge um ihn und die Vorſicht jedes
Einzelnen, der in feiner Bruft eine fchhgende: Aegide für
feinen König. trägt; wie ſchoͤn der eble Stolz, der aus
dem Glauben an feinen Landesfürften hervorgeht! : -.-
Und dieſes fchöne, zarte, begluͤckende Verhaͤltniß geht
wahrlich nicht allein von dem Fuͤrſten aus: Hein haupt⸗
fächlich in dem Volke muß es begründet Liegen ‚ und fo maͤch⸗
tig wirken, daß felbft ein nicht wohlwollender Fuͤrſt, durch
die Liebe und Treue: feiner Unterthanen befiegt, fein Herz
dem Volke zuwendet; denn Mangel an Ehrfurcht und offen,
bare Gleichgältigfeit des Unterthanen gegen ben Kürten
werben des Landes Beſte in Feinem Kalle fördern, und die
Natur des menfchlichen Herzens, fo wie die Bibel verlans
gen Hochachtung, ‚Ehrfurcht des Volkes vor dem Fürften.
. Steht babei der Unterthan zu feinem Landesvater nicht
in demfelben Verhaͤltniß, wie der junge Menſch zu feinen
Eltern? Haben nicht beide Die Foͤrderung ihres Lebens⸗
gluͤckes, nächft Gott, von diefem Vorgeſetzten zu erwarten ?
Man werfe mir nicht ein, daß der Unterthan fein Gluͤck
im Staate ſelbſt zu. fördern trachten muͤſſe, und ſich nicht
bloß auf feinen König , oder was baffelbe fagen will; auf
fein: Land. verlaffen duͤrfe. Darf dein ein Rind ſich ſtets
auf feine Eltern verlaſſen, ohne. thärtg für ſich zu form ?
Und Finnen denn die Eltern ohne den Staat wirklich etwas
barbieten? Da BR rennen
‚ Run: nehme man aus biefem Werhalimiſſe die Ehrfurcht
hinweg; wie ganz ‚andere wird da fi das menſchliche Herz
— 106 —
geſtalten! DO, wir Alagen:-fchon heut zu Tage über. das
menfchliche Treiben; dann aber, wenn allgemein biefer lei⸗
tende Engel aus den Hauptverhaͤltniſſen des Meunſchen vers
wieſen wuͤrde, dann wuͤrden alle Bande, die zarteſten und
heiligfien, zerreißen⸗ und der Renſch wuͤrde ein Ungeheuer
werben. : vn”
Nein, Ehefars und Glauben, dieſe Rinder bed Sims
mei, muͤſſen unter und. mehr and mehr f ch Wahnnugt be⸗
reiten. in
Aber mit dem Glauben an ben randesfürſten ir ei in
den letztern vierzig Jahren felbit in Deutfchland vielfach fo
ergangen, wie mit dem Glauben au das Höchfte und Hei⸗
ligſte. Der Verſtand hat angefangen unehrerbietig. zu. klau⸗
ben, das Geheimſte in des Menſchen Herzen, als ganz
entraͤthſelt darzuſtellen, und hat leider, wenigſtens fuͤr das
Allgemeine, zu wenig den Schillerſchen Wink: „Doch eine
Wuͤrde, eine Hoͤhe, entfernte die Vertraulichkeit“ gar nicht,
oder Doch zu wenig benutzt. Das Geheimſte ſollte in Jedem
zur klarſten Einſicht ſich geſtalten; der Kern ſollte von Allen
ohne Schaale erkannt werden; aber die Einſicht iſt in jedem
Menſchen anders, wenn gleich in Allen Ein Glauben, Eine
Ehrfurcht und Eine Liebe eher moͤglich iſt. Was nun
vollends die kalte, freche Verſtandesaufklaͤrung betrifft, ſo
ſtieß fie alles Heilige um, trieb alle ‚Ehrfurcht aus, und
zerfnickte Das menfchlidhe Gemuͤth. Sie wollte den Allmächs
tigen vom Himmeldthrone ftoßen und die Unzucht auf den,
felben erheben; fie wollte dem Mienfchen feinen einzigen
Troſt im Leben und Sterben rauben, und bot ihm prahlend
bafür thierifches Leben; fie verachtete Die Leitende Hand der
Vorſicht, und glaubte ohne Diefelbe durch eigene Kraft. fich
jeden Weg eröffnen zu Tonnen. Darum wuchſen Selbfifucht
mit allen ihren Lafer in .biefen Talten: Berriünftlern. auf,
und die. Menfchenliche,, . die Humauitaͤt waren ihnen ein
— 17 —
laͤcherliches Hirngeſpinnſt; darum galt ihnen Klugheit mehr
als Treue und: Glanben, und thieriſche Luſt mehr ald Rein⸗
heit ber Seele. Das edle, liebende Verhuͤtungsamt war
ein niedertraͤchtiges haſſendes Schleichamt, die heilige Ne⸗
meſis nur ein racheſchnaubendes Ungeheuer ; die Kirche ein
Haus ber Schande, der Seelenhirt ihnen ein beträgerifcher
Schaman geworben. Sie hatten mit kerker Hand bie Zügel
des Reichs zerriffen und ſtuͤrzten fich in namenlofes Elendf
Muß ſelbſt ſchon darum zur Forderung der nöthigen Ha
monie des Ganzen, nicht: der Glauben an Gott, König
und Baterland auch in den Deutfchen wieder zuräckfehren!
In unfrer Befreiungszeit leitete und biefe Idee, die fich-
in den Worten: ‚Mit Gott, fir König und Vaterland”,
rein ausfpradh.
Diefed Lofungswort erwärmte dad gen bed Deutfchen
wieber mehr für Gott, König und Vaterland, verfchmelzte
dieſe Tdeen in eine vielnmfaffende Empfindung, die zu eis
nem Auffchwung drängte, dem Deutſchland fein erneuertes
politifches und religisfes Leben zu danken hat.
Ein ſolches Loſungswort aber, das in Zeit der Angft
und Noth unter dem göttlichen Beiftande ung half, bie
Feuerprobe beftand, dürfen wir auch in Feiner feiner Eins
zelheiten vergeffen; ed muß uns fort und fort beleben, und
uns und unfere Nachlommen zur Erhebung einer ehren
werthen Nationalität veranlaffen.
Sin diefer Verbindung bed Staated mit dem Himmli⸗
fchen liegt der wahre Standpunkt zur Erhebung und Bes
nrtheilung des Menfchen; in ihr liegt ein Damm, der
Menfchen gegen politifche Frivolität ımd gegen den Strom
unvernuͤuftiger Begeiſterung und Zärtelei zu: fichern.
: „Darum muß es auch: bei unfrer Tugend dahin kommen,
daß fie. mit unerfchütterlichem Glauben auch demjenigen ber
Religion anhange, was der Verftand nicht würdig genug
— 187° —
Allgemein Klar: barlegen, und wo bexfekbe: nicht 'eben ſo
wirkſam innere reine Motive geben kann, wemnn gleich klare
Einſicht in dad, was dem Heiligſten unbeſchadet klar aufge⸗
faßt uud eroͤrtert werden darf, vor aberglaͤubiſcher Dunwf⸗
beit und Berisvung ſchuͤren muß. Ä
Eben fo. muß. :ed.:abee auch dahin kommen ‚ daß ein
Greiffich- patritifcher Sim in. unfrer Jugend fich feſtige;
daß fie at den Bater bed Landes ungezweifelt glaube, ihm
ihr ganzes Vertrauen fchente, und mit ihm in einem Ver⸗
bande ſtehe, der des Volkes Sache als die feinige, feine
Sache als. die des Volkes betrachtet!
“ Kühlen wir und nun als Vaterlandsfreunde und Chris
flen verpflichtet, den Koͤnig zu ehren, und ihm bie in den
Tod treu zu fein: fo werben wir Diefes um fo bereitwilliger
thun, wenn wir und von feiner perfönlichen Vortrefflichkeit
Überzeugen; ja wir werben ihm alsdann mitfindlicher, zärte
Ticher Liebe und Treue bis in ben Tod anhangen.
Folge mir nun noch wenige Augenblicke mit Aufmerk⸗
ſamkeit, und Du wirſt inne werden, wie viele Urſachen wir
zu dieſer Liebe und Treue gegen ſeine Perſon haben.
Den Charakter unſres verehrten Koͤnigs in feinen Eins
zelheiten zu entwickeln, ift mir auf meinem niedrigen Stand»
punkte, iſt dem Maaße meiner -Geifteöfräfte eben fo un⸗
möglich, ald ed anmaßend unb ungeziemend von mir fein
würde, folches zu verfuchen; aber Dich, fo. viel in meinen
Kräften. ſteht, von. der Bortrefflichfeit eines Mannes zu übers
zeugen, ber von ſo viel Tanfenden auf bas innigfte ver⸗
ehrt. wird: das halte ich in meinem Verhaͤltniß zu Dir für
Pflicht; denn wie koͤnnteſt Du Deiner Jugend Lieberzu ber
Perſon Deines Königs einhauchen, wenn Dir nähere Kennt»
niß von den Vortrefflichteit Seiner Perſon abginge f. vore
denn!
Als unfer. König nach Jenem traurigen ‚Zriebensfchluß
zu Tilſit die Hälfte Seined Königreichs verloren: hatte, und
Sein Reich entkraͤftet darwieber :Iag, ſuchte Er ‚baffelde
durch.Erfparniß, wie jeber gute König: thun wuͤrde, wieber
anfzurichten. Als aber Seine getreuen Unterthanen fahen,
daß ihr geliehter. Fuͤrſt fait allem aͤußern Glanze entfagte,
daß. er, welcher königlich, ich fage koͤniglich zu leben berech⸗
tigt war.,. fich felbft auf das Aeußerſte einfchräufte, und
wie ein Privatmann lebte, ja fogar, um Seine Untertha⸗
nen nicht zu drüden, von Seinem koſtbaren Geräthe ver⸗
pfändete; da brach ihnen das. Herz, da konnte Docdy.-auc
die Gleichgültigfeit und die Kälte an der Liebe des Monare
chen zu Seinen Unterthanen nicht zweifeln! ba gründete fich
der Glauben an Seine Liebe vollkommen; und allgemein —
und feit fteht er, und unerfchätterlich in den Herzen biefer
Unterthanen. Wo hätten wir in der Gefchichte ein Beifpiel,
das dieſen Beweis von Liebe des Fürften zu feinem Volke
überträfe?.. Eine Großthat, in augenbliclicher Begeifterung
gethban, fteht einem jahrelangen Leben in ungewohnter Eins
gezogenheit, unter Entbehrungen aller Art, bei weitem nach.
Stellen wir felbft und nur in eine Rage, in der wir Sahres
lang, um Andern nicht befchwerlicher fallen zu müffen, ung
täglich befondere, gewohnte Annehmlichkeiten verfagten, bie
wir. mit vollem Recht und aller Billigfeit fordern duͤrften,
und fragen und dann, ob Jene, für die wir das thaten,
an unſrer Liebe zu: ihnen zweifeln koͤnnten? Ä
In wahrhafter Jugendfuͤlle, an der Hand eines hodhedr
len Beifen, eines tiefen, zarten Engel, unter den Augen ber
denkendſten und edelften Männer zum Manne heraugereift, bes
gluͤckte Ihn die gütige Borficht mit einer Gemahlin von engels
xeiner. Ratur, von hoher Kraft, hellem Verſtande, erbabener
Tugend und warmer-Religiofttät. War irgendein Weſen Dazu
gefhaffen, in dem .Fräftigen Geifte zarte Meenfchenliebe zu
entwickeln und zu feſtigen: ſo war es biefe eble Kran. Sie
erheiterte Seine träben Stunden, Sie floͤßte dem Maͤnner⸗
herzen Zartheit ein, und ſchuf eine Harmonie: in Seiner
kächften Umgebung , die Ihn zu einem der gluͤcklichſten Gat⸗
ten machte. Die Hauptfiadt ferdmte von jeher von Lobes⸗
erhebungen uͤber Bein VBerhältniß als eines edlen Gatten
und Vaters uͤber. Wo finden wir nach Aller Ansfage in
einer Familie des Landes mehr gegenfeitige Liebe, als in
unfrer Rönigds Familiel O, glüdliches Koͤnigshaus! o
glüdliches Land ; das folche Fürften befitt! -
Nur der Unverftand achtet auf dieſes Verhältniß bes
Königs nicht. - Sol Zartheit in dem Herzen eines Fräftigen
Mannes keimen und bleiben: fo muß er ber Liebe entſtam⸗
men, fo muß Liebe ihn erziehen, Liebe ihn umgeben, fo
muß Liebe feine Nahrung fein. In der Liebe wird ber
Menſch erſt Menſch. Sie erhebt ihn über die Erbaͤrmlich⸗
feiten des Lebens, und führt ihn dem höheren Ziele ficher
entgegen. Daher Sein Gottvertrauen in ben bifen Tagen;
vielleicht daher Seine ungeheuchelte Liebe zu feinen Unter⸗
thanen; daher Seine feite Tugend, in welcher Er jedem
Seiner Unterthanen mit dem beften Beifpiele vorangeht,
und — großentheild daher Sein fefter Entſchluß, Deutich-
land wieder zu befreien, oder Sich unter den Trümmern
Seines Reiches zu begraben; Sa, wenn nadı Sahrhunderten
unfrer großen Zeit gedacht wird, wie wir der Zeit bes
Hermann gedenfen; dann wird man vielleicht allgemeiner
wiflen und anerfennen, wie er Ssahrelang vorher Sich und
den Seinen die Mittel zur Befreiung abgebarbt; wie Er
Bol Gottvertrauens einer beflern Zeit entgegengefehen; wie
Er mit kluger Vorficht die Erſten Seined Landes, jedoch
ohne alle Unredlichkeit, für Seinen edlen Zwed gewann;
wie Er- im Stillen: ſeine Unterthanen wehrhaft:machte, Seine
Magazine, feine Zeughäufer füllte; wie Er die Eiche für
— m —
die Befreiung Deutichlauds aufachte, und wie Er endlich
mit einer Entfchiedenheit und Feſtigkeit in- dew.-Ziille maͤnn⸗
licher Kraft auftrat, DaB ganz Europa ben Fühnen, ritterli⸗
chen König und Sein Träftiges,. begeifterteö, treue Volk
bewundern mußte!
Mer mit folcher Entfagung , mit ſolcher Borficht, unit
folcher Kraft und mit einem fo innigen-Gottvertrauen ein ent⸗
fräftetes Reich, mitten unter den Beftrebungen ber ſtaͤrkſten
Feinde, bie e8 ganz zu erbrüden ſuchten, gleich einem Phoͤ⸗
nir ans der Afche mächtig hervor fleigen läßt, was Jahres
Yang vorher berechnet war: wahrlich, der verdient es zu
beherrfchen,, der verdient Bewunderung; anf einen folchen
Schirmherr und Helden kann der Unterthan ſich zuverſicht⸗
lich verlaſſen; feine Habe, feine Freiheit und feine Ehre
bleiben geſichert!
Mir wollen aus ben vielen wichtigen Einrichtungen,
die unfer theurer Landesvater mitten in den Sahren trüber
Zeit gemacht hat, nur einige anführen, und ed wird hin⸗
länglich fein, Dich und jeden Borurtheilöfreien von der aus
Berordentlichen Sorgfalt und von ber Weisheit unſres ge⸗
liebten Koͤnigs zu uͤberzeugen.
Der Unverſtaͤndige und der Traͤge ſteigern ihre Forde
rungen an einen Koͤnig bis ins Unmoͤgliche; ſie moͤchten
ſelbſt die nothwendigen, natürlichen Folgen ihrer Mängel
durch denfelben abgewendet wifjen, und verlangen Aufhes
bung folcher Webel von ihm, ‚die nur durch ein ‚allgemeines,
Streben der Staatsbürger fortgefchafft werden koͤnnen. Der
verftändige Unterthan fieht dagegen in dem vortrefflichiten
Regenten doch immer noch den Menfchen. Er erfeunt, wie
wenig er oft dba, wo er für das allgemeine Beſte wirken
fol, bei der redlichiten Abficht und treuſten Auſtrengung z zu
Stande bringt. an.
Muß der Staat gegen alle Anfeinbungen von Außen
fo ſicher geftellt werben, daß er männlich zum Schub und
Tentz da ſteht; iſt es weiſe, die Kraft des Volkes in An⸗
ſpruch zu nehmen, dieſelbe thaͤtig zu uͤben, ohne den Buͤr⸗
ger zu druͤcken, und ohne daß die Hab⸗ und Ruhmſucht
bie Unterthanen zu Geißeln anderer Länder macht; iſt es
meife, die Liebe zum Vaterlande unb zu deſſen Central⸗
pꝓunkte, dem Könige, zu werden und zu erhalten, allgemeine
Srjiehungsmittel der jängern Unterthanen zum Gehorfam,
zur Reinlichleit und einem anftändigen Betragen in Auwen⸗
bung zu bringen: fo ift: mie fein Mittel denkbar, das leich⸗
ter und durchgreifender alle dieſe Zwede und auf humanere
Art erreichen koͤnnte, als die Einrichtung der Landwehr.
Sa, mit der vollſten Uebergeugung preife ich dieſe Einrich-
tung, welche dem Preußifchen Staate Millionen erfpart,
bie ein flehendes Heer, eine zweifelhafte Sicherung des Bes
ſitzthums, erfordern möchte. Wer möchte es wagen, Preus
Ben anzugreifen, das faft in jedem räftigen Bürger einen
gefchichten Vertheibiger feines Heerdes befigt! Eben dieſe
Einrichtung fichert den Staat aber auch, wie leicht zu ers
meffen, vor den innern Feinden: Unruhe, Ueberfeinerung,
Laßheit und Gleichgültigkeit.
Nach der völligen Sicherheit von Außen amd Innen
erfennen wir bie Beförderung der Bildung des Bolfs als
das Borzüglichfte, und da haben wir wiederum alle Urſache
die. andgezeichnetften Maßregeln unfred Landesvaters anzu
erkennen. — Es gibt wol fein Land der Welt, in welchem
von Seiten ber Regierung in allen Zweigen ber Gefchäfte
tuͤchtigere Männer verlangt werben, als im beutfchen Lande,
und befonders noch im-preußifchen Staates; es werden die
Forderungen an einen Menfchen in Hinficht auffeine Kenntniffe
und feine moraliſche Aufführung Bis zu einem gewiſſen
Grade von Vollkommenheit für jeden einzelnen auch noch fo
— 13 —
geringfügigen Zweig gefteigert. Dadurch. zwingt/ der Btaat
den Unterthanen, die. Vorbereitungszeit auf das befte zu
benuben, wenn es ihm anders in. ber Zukunft ehe an Ehre
und Brot. fehlen foll, : we rn
- Sf es denfhar, daß feldft in’ bebrängter geit mehr
Mittel herbeigefchafft werden konnten, daß dieſen Foberuns
gen von Seiten ber Unterthanen Genuͤge geleitet werde?
Haben wir nicht unter unfren Augen zwei Univerfttäten ent⸗
ſtehen und ganz Königlich ansftatten fehen? find wicht ſeit
Kurzem eine Menge Gymnaſlen entflanden, und 'befeelt
nicht die meiften ber alten ein newer, Träftiger Geift? ift
die alte Schlaffheit im Ganzen nicht verfcheucht und eine
bewundernswuͤrdige Regſamkeit an ihre Stelle getreten?
Sind in andern Städten feit der Preußifchen Regierung
nicht eine Menge höherer Stadt» und Gewerbichulen ent⸗
ftanden ?
Daß die Regierung hauptſaͤchlich die ‚eigene Anftrengung
ber Städte benußte, liegt wol in ihrer weifen Sparfamfeit;
welche Anzahl Millionen möchte die Einrichtung fammtlicher
Anftalten im Staate erfordern, wenn nur der Staat hier
helfen follte!
Es ift ferner. ein ganz Außerordentliches fuͤr den Volks⸗
unterricht dadurch geſchehen, daß die Zahl der Seminarien
ſich unter dieſem Koͤnige verdoppelt hat, und daß fuͤr Schul⸗
gebäude und Lehrerbeſoldung beſtmoͤglichſt von oben geſorgt
wird. Wenn die gewöhnlichen Mittel in diefer Gegend ben
fchlechter befoldeten Lehrern. großentheild nur eine Annehm⸗
lichkeit verfchaffen: fo retten Diefelben in Preußen, Pom⸗—
mern, Brandenburg ıc. eine Menge Lehrer aus dem Schlamm
der Erbärmlichfeit, und geben ihnen das Gefühl von Men⸗
fchen = und Lehrerwuͤrde, ohne welches ber. star ein. tönen
des Erz und eine. klingende Schelle iſt.
— 1 —
.In druͤckenden Zeiten, nach ſchweren Kriegen, in wels
‚hen fo mancher Theil bes Stantsgebäudes aus feinen Fugen
geriſſen und das Land erfchöpft ift, thut der Staat ſchon
ein Großes, wenn er bad Gebäude nur vor dem Falle
fichert: die Zundamente befiert und Stügen anbringt; eine
beffere .Zeit kann dann an Verſchoͤneruug und Ausſchmuͤckung
denken.
J Erſcheinen dir aber hier und dort Mängel im Staate ‚
ſo magſt du bedenken, daß kein Staat frei von denſelben
iſt —; und wenn gleich der Unterthan in der jetzigen Zeit
mehr über Staatsverhäftnifle nachzudenken gewohnt iſt, als
ſonſt: ſo iſt ex darum doch noch kein weiſer, ruhiger Staats⸗
mann, den man ſeiner Vortrefflichkeit wegen auf den Hoͤchſt,
punkt des Staates ſtellt, und dem man die Gruͤnde und
Gegengruͤnde fuͤr das, was er ſiehet, auseinander geſetzt
vor Augen legt. Nein, nein; da wo unſre Einſicht auf:
hört, muß unfer Vertrauen ſich bewähren, wenn wirklich
Vertrauen, Dankbarkeit und Liebe in unfren Herzen für
ben Landesvater glüht. Darum laß und in ber Liebe zu
Ihm nie wanken, wenn und Mängel in ber Staatseinrich-
fung erfcheinen. Unfer König kann die Mittel zur Abhülfe
fo vieles Elendes, zur Hebung fo vieles Guten nicht aus
leerer. Hand nehmen. Wir wuͤnſchen Hülfe, geben aber nicht
gern; Er fieht auf endliche Abhülfe des Schädlichen, wir
münfchen augenblidliches Er denkt an diefe Zeit und an
ein folgendes Sahrhundert, an die Menfchheit, wir in ber
Megel am die.wenigen Sahre, die wir nod) zu leben has
ben, an und; Ex. fieht auf ein allgemeines anftändiges Aus⸗
kommen feiner. Unterthanen, wir fireben nach Reichthum;
Er: wünfcht eine regfame Thätigkeit des Einzelnen, wir wuͤn⸗
schen nicht felten auf eine bequeme Art zu Ehre und Brot
zu fommen; Er wänfcht, daß das große Ganze in einer
gewiffen Harmonie füch bewege, „wir wünfchen Bewegung
— 2125 —
nach eigenem Triebe, wollen ſelbſt gern ein Mittelpunft ſich
bewegender Kraͤfte ſein; Er ſieht große, allgemein gefuhite
Beduͤrfniſſe, wir wollen nicht ſelten gerne nur unſrem per⸗
ſoͤnlichen Beduͤrfniß abgeholfen ſehen, das wir durch An⸗
ſtrengung vielleicht ſelbſt hätten beftiedigen koͤnnen. Greife
da in den eigenen Buſen, und ſuche dieſer Gegenſaͤtze noch
mehre auf, ſo wirſt du Grund genug finden, Dich und
die Jugend zu überzeugen, daß ein großer Theil der Unzu⸗
friedenheit irgend eines Unterthanen aus feinen feldftifcher
Wünfchen hervorgeht. Welcher brave Bürger mag aber.
nun ohne Bedenken das feinen Landesvater entgelten laſſen,
was er vielleicht felbft, oder was die Zeit verſchuldet hat!
Werfen wir nun noch einen Blick auf einige Einzelhei⸗
ten, fo finden wir auch hier allenthalben Segensreiches,
das unfer König ins Leben gerufen hat. Hat er micht für
ein großes Tandwirthfchaftliches Inſtitut zu Moͤgelin geforgt?
Wird die Seiden s und Obſtkultur nicht auf die zweckmaͤ⸗
Bigite Art allgemeiner gemacht? Iſt eine Art Fendalwefen
nicht felbft an den Föniglichen Domainen aufgehoben und
dadurch dem Bauer der sftlichen "Provinzen zum Gefühl
feiner Menfchenwärde und zum frohen Erwerb geholfen ?
Sind die rundftenern nicht regelmäßiger felbft auf die ades
figen und fürftlichen Guͤter geſchlagen? Verdankt ber ges
meine Soldat Ihm nicht die humanfte Behandlung von
Seiten feiner Obern? Kann nicht auch der talentvolle Buͤr⸗
ger zu den höchften Stantsämtern gelangen? Iſt Er den
verlaffenen Wittwen, bie ihr MWittwengehalt aus Pohlen
bezogen, und unter ber fremden Regierung dieſes Landes
fchmachteten,, nicht als ein -rettender Engel erfchienen, und
hat er ihnen nicht mehr gethan, als diefe winfchen konn⸗
ten? Sind nicht im Staate eine Menge Knnſt⸗ und Ges
werbfchufen angelegt, vortreffliche Wege gemacht; ‘die bes
ften Poſten eingerichtet? Foͤrdert Die Regierung nicht: jebe
15
— 226 —
nuͤtzliche Erfindung zum Wohl des Landes, und ſteht nicht
jede Maſchine bes Laudes dem Wißbegierigen zur Anſicht bereit?
Hat Preußen nicht die möglichen Repreſſalien gegen die
Beichränfung des Welthandels ergriffen, und fleht denn
wirklich mehr in feiner Macht? Hat unfer König nicht
eine Menge der Anftalten wieder ind Leben gerufen, bie in
pen Jahren bed Druded ganz ober. zum Theil au Grunde
geaangen waren? Herrſcht nicht Die größte Ordnung in
allen Zweigen der Verwaltung? Sit unfer Gefegbuch nicht
um eine Menge der weifelten Gefeße vermehrt worden? ja,
wird nicht gerabe jegt ein neues Geſetzbuch für das ganze
Land .qugefertigt? Erwarten wir nicht jetzt eine neue Gtädtes
ordnung, nad) welcher. bie Bürger ihre Bürgermeifter und
Vorſteher ſelbſt waͤhlen ſollen, und ſelber anordnen helfen,
was der Stadt und dem Umfyeife dienlich iſt? Werden die
Wünfche her verfchiebenen Provinzen nicht angehört, und
bürfen wir nicht ſo viel auf. hie Erfüllung derſelben vers
trauen, als es fich im Intexeffe bes großen Ganzen als
förderlich darſtellt? O gewiß! Laß uns dankhar dasjenige
erkennen, was für unfer Wehl geſchehen iſt, und im Ver⸗
trauen ein Mehres von Dem erwarten, Dex bisher unter Got⸗
tes Beiſtande dieſts und noch unendlich mehr für und that,
als wir auf unſrem niedrigen Standyunkte erfeugen koͤnnen!
Faſſen wir nun kurz dasjenige, was ich uͤber bie Pers
ſoͤnlichkeit unſres theuren Koͤniges geſagt habe, kurz zuſaur⸗
men: fo erſcheint ung derſelbe als: zaͤrtlich liebender Vater
Seines Volls und Seiner Familie, als Menſchenfreund,
als heldenmuͤthiger und kraͤftiger Beſchuͤtzer und. als weifer
Regent, Dem wir Die wichtigſten Einrichtungen verdanken,
und Der in allen Zweigen eize hewunderungswuͤrdige Reg⸗
famfeit zu erihaffen und zu. erhalten, weiß.
Vereinigen wir. nun. biefe glorreichen Eigenſchaften mit
ben an Ihm allgemein. erfannten: mit Seiner firengen Tu⸗
— 17 —
gend und Seiner ungeheuchelten Religiofitdt, mit Seiner
Gerechtigkeit, mit Seiner Liebe zu Känften unb Wiſſenſchaf⸗
ten, mit Seiner ſtrengen Mäßigfeit, Ordnungsliebe und
Sparfamteit: fo kann ich, im Gefuͤhl meiner eigenen Schwäche;
nicht anders, als diefen vortrefflichen Kandesvater bewun⸗
bern, und ung, bie wir unter Seinem milden Scepter ſte⸗
hen, hochbegluͤckt preiſen!
O, theurer Juͤngling! in der lebhafteſten Ueberzeugung
bete ich mit aufgehobenen Haͤnden zu dem Allguͤtigen: Herr
Gott, ich danke Dir, daß du und dieſen König gegeben;
ich preiſe Dich, daß. Du und ihn bis jekt fo gnaͤdig behuͤ⸗
tef, und ihn an Deiner Hand fo väterlic, geleitet haft! ich
bitte Dih, Du wolleft Deine fegnende und fihätende Va⸗
terhand auf ihm ruhen laſſen, wolleft fein edfed Haupt mit
reinem Silberhaar zieren, fein Tiebended Auge mehr und
mehr erheitern, feine feguenden Hände unterftüßen, fein
edles Baterherz fo ganz den Danf feiner ihm danfbar treu
ergebenen, ihn zärtlich liebenden Unterthanen empfinden
laſſen! Herr fegne ihn, fo begluͤckeſt Du mich und alle,
fo ihn lieben! ihn Tieben bis in den Tod! Amen! Amen!
Wir wollen aber diefen hochtheuern Mann nicht allein
Lieben und verchren; wir wollen Ihm nachftreben, wollen
die Herzen unfrer Jugend Ihm darbringen, und Unterthas'
nen Ihm ziehen, die Seiner werth find. Willſt Du das,
fo ftreben wir vereint einem Ziele entgegen! Durch unfer reines
Wohlwollen Taf ung Wohlwollen in der Sugend erzeugen;
durch unfre reine Liebe zu allem Guten, durch unfre ungeheuchelte
Ehrfurcht vor Gott, Koͤnig und Vaterland laß und der Tugend
diefe Schönen Eigenfchaften einpflanzen; durch Wanderungen
in Umgegend und Kerne, durch vaterländifche Gefchichte und
Beibehaltung vaterländifcher Feſte laß und der jungen Bruſt
warme Liebe und treue Anhaͤnglichkeit an Koͤnig und Vater⸗
land einpraͤgen. "Durch ſinniges Unterhälten über weiſe
— 118 —
Einrichtungen in Stadt und Land, inſofern dieſe fuͤr die
Sphaͤre der Jugend ſich eignen, laß uns dieſelbe beſtmoͤg⸗
lichſt in die große Angelegenheit dergeſtalt hineinfuͤhren, daß
ſie in Beſcheidenheit und Ehrfurcht daruͤber urtheilen lerne.
König und Vaterland müffe in ihnen ein und
derfelbe Gegenſtand ihrer Liebe und Treue
fein!
Dieſes wird fie gefchickt machen, ſtets fegensreich im
engern Kreife zu wirfen, und dem Keinde, der und Land
and Freiheit rauben will, im innigſten Dereine mit dem
Zandesvater, die muthige Bruft entgegen zu ftellen. Dann
werden unfere Schüler um fo mehr treue Preußen, Achte
Dentfche, humane Menfchen werben!
re fstptn,
3 17. Are"
. © .
Gedrudt bei Sam. Lucas in Elberfeld.
muman,
Der Lehrer
einer niederen und höheren : Volksſchule in
ſeinem Weſen und Wirken.
Bon
Sodann Sacob Ewich.
— 0⏑ö1O —
Il, Theil.
Der Lehrplan.
een. — —
1829.
Sa Sommilfion bei J. I Bageh In Deſel.
[ "TELICLIBRARY
: 163143
ASTOR, LENOX AND
TILDEN FOUNBATIONG,
Auf Türzeftem Wege zum würdigen Biele,
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Einige Grundzüge von der Einwirfung des
Staates auf Das innere Leben des
Unterrichtsweſens.
Pepe Einrichtung im Dienfte der Staatszucht muß mit
diefer beſtmoͤglichſt von gleichen Anfichten ausgehen, und Dies
fer gemäß wirken, damit fie Feine Verwirrung im großen
Ganzen errege, ſondern vielmehr als getreue Dienerüt in
einem Geiſte mit dem Staatsregimente, dem gemeinfamen,
erhabenen Ziele, nämlich ‚‚Beförberung der Humanität‘
zuftrebe. |
Der Erfolg diefes Zuftrebens von Seiten des Staates
hängt natürlich von der Vervollfommmung diefer ald Mits
tel zu gebrauchenden Einrichtungen ab. Der Dienftfreis
dieſes Meitteld darf aber, wenn dafjelbe geiftiger Art ift,
nicht bloß auf Erreichung einzelner Staatszwede befchränft
werden, da er font einen andern Mittelpunft erhalten
koͤnnte, als in der Natur deſſelben liegt; und es Eönnte
dann dieſes Mittel, das als geiftige Einrichtung feinen eis
genen Zwed hat, fich nicht in feinem eigenen Geifle vers
vollfommnen. Diefe Einrichtungen müffen vielmehr eben fo-
gut, als der Staat die Beförderung der Humanität zum
Zwed haben, müflen darum frei fid) bewegen können, und
der Staat hat nur darauf zu fehen, daß Diefes Ziel wirklich
erreicht, und nicht aus den Augen geriidt werde. Indem
die Einrichtung dann ihren. eigenen Zwei zu erreichen
a *
— 4 —
ſtrebt, hilft ſie dem Staate das gemeinſame Ziel erſtreben.
Je geiſtiger die Natur einer ſolchen Einrichtung iſt, deſto
mehr Freiheit erfodert ſie in ihrer Ausbildung. Will der
Staat dabei nicht laͤhmend zu Werke gehen, ſo muß er
die freie Ausbildung derſelben zu befoͤrdern ſuchen, und
dennoch ſich dieſelbe gehorſam erhalten.
Ich will hier einige Grundzuͤge zu einer ſolchen Einrich—
tung, naͤmlich dem Unterrichtsweſen, aufſtellen, wie mir die⸗
ſelbe als muſterhaft erſcheint. Dabei ſehe ich aber von der
Wirklichkeit eines Beſtehenden ganz ab; denn mir iſt keine
ſolche Einrichtung in irgend einem Staate in ſoweit bekannt,
daß ich Darüber auch nur etwas Zuſammenhangendes ſagen
koͤnnte. Vergleicht ber Kenner dann meine Idee mit ber
Wirklichkeit, und findet jene in ihrer Berwirklichungsfähigs
feit hinter dieſer zurück: fo werde ich um fo mehr Urfache
zu Freude und Dank haben, als ein Staat in der Einrichs
tung des Unterrichtsweſens uͤber meine Idee fegensvoll zum
Wohl der Menfchheit ſchon weggefchritten iſt; und mit ber
Srößten Bereitwilligfeit werde ich dann meine Idee gegen
eine beffere vertaufchen, um alsdann befto ficherer den juͤn⸗
geren Lehrer auf einen höheren Standpunkt erheben zu koͤn⸗
nen, von wo er bie Staatseinrichtungen im Unterrichtsfache
anfehen muß. Eine folche, wenn gleich nur in ber dee
beftehende, Anficht ift aber dem Lehrer nöthig, wenn er den
Anordnungen des Staates mit aller Willigfeit und mit voͤl⸗
ligem Bertrauen folgen fol. Dean feße mir da nicht den
Zwang entgegen; Aeußeres läßt fich erzwingen, aber hier
wahrlich nicht Inneres; das hängt von ber Reinheit der
Erfenntniß und dem guten Willen der Lehrer ab.
Da das Unterrichtöwefen Yon oben herab und von
unten hinauf in Gang geſetzt und erhalten werben muß,
wie ſich weiter unten von felbft ergeben wird: fo muß auch
ih in der Darftellung diefer Einrichtung diefen doppelten
— 5 —
Weg gehen; und ich muß darum den Leſer bitten, ſein
Urtheil über das Ganze bis zum Schluffe dieſer Darſtellung
zurücdzuhalten.
Zunächft unter dem Landesfürften — ber auf dem
hoͤchſten Standpunkt des Staates ſteht, und von dort aus
alle Vorſchlaͤge und Einrichtungen als mit den höchften,
geheimen oder offenbar ausgefprochenen Ssntereffen des Stans
tes vereinbar, oder denfelben zuwider, als annehmbar oter.
verwerflich erfennt — ſteht der Eultusminifter, in welchem
wir, für unfren Zweck betrachtet, einen Mann verehren,
der die Menfchheit ehrt und liebt, und der tiefe Einficht in.
das Gefchäft der Menfchenbildung hat. Er braucht darum.
nicht Lehrer gewefen zu fein; denn dieſe hohen Anfichten
gehen nicht fowol aus dem Lehrthum, als vielmehr aus:
dem Menfchthum hervor, und finden hier ihre Begründung.
Ga, gehört diefem Manne gewiffermaßen die höchfte Ent
fheidung von Seiten des Staated an, fo koͤnnte es offen,
bar fchädlich erfcheinen, wenn er dem Stande felbit anges
hörte, über den er nach höchften allgemeinen Anſich—
ten richten ſollte. Sede andere Stellung abwärts, ber Die
Entfcheidung über das Berhältniß des Lehrfaches zu andern.
Fächern nicht kennt, trifft dieſe Beforgniß nicht, fondern:
fchafft vielmehr die entgegengefegte Befürchtung, da jede.
Einrichtung der Staatszucht in fich felbjt, in ihrem Geifte,
ſich entwiceln und fortfchreiten muß. Es muß aber einen
Punkt geben, in welchem diefes Fortfchreiten der einen Eins
richtung mit dem Fortfchreiten anderer Einrichtungen gehoͤ⸗
rig abgemeffen werden fann, Damit die nöthige Harmonie
der Strebfräfte erhalten werde, und eine die andere nicht
zerftöre. Diefer Punkt liegt nun freilich in dem Meinifterio,
nämlich, in dem Ansgleichen der Anfichten und Beftrebungen.
der einzelnen Glieder deſſelben; aber es wuͤrde hier zu große
Berfchiedenheit in den Anfichten ſtatt finden, wenn Seder
— 6 —
mit ganzer Seele nur ſeiner einen Einrichtung angehoͤrte,
und nicht am meiſten von den allgemeinen und hoͤchſten
Anſichten ausginge; — und der allerhoͤchſten Entſcheidung, dem
Landesfuͤrſten wuͤrden die Vorſchlaͤge nicht von allen Bei⸗
miſchungen weniger hohen Anſichten gereinigt dargelegt,
und dieſem im Durchſchnitt zu viel zugemuthet werden, in⸗
dem dieſer erſt reinigen muͤßte, bevor er feinen Maaßſtab
anlegen, alfo fein eigentliches Gefchäft verrichten dürfte.
Diefem Gultusminifter Täge demnach unter anderem Die
Sorge für Univerfitäten, Akademien, Gymnaſien, Semi⸗
nare und für höhere und niedere Volksſchulen, ober für
Gelehrten⸗ — Künftlers — und Bolfsbildung ob.
Da aber diefe Fürforge ohne Die genauefte Kenntniß
diefer Einzelheiten und ohne lebendiges Intereſſe für dieſel⸗
ben der ficheren Leitung entbehrt: fo muß diefer Staats
mann von Männern unterftüßt werben, welche dieſe Ans
ftalten auf das genauefte kennen, auf das innigfte lieben,
und tüchtige praktifche Kehrer in demjenigen Theile des Uns
terrichtsfaches gewefen find, welchem fie vorſtehen folleı.
Es kann demnach biefe Stelle nicht eine einzelne Berfon
ausfüllen, zumal da für drei, doch immer fehr verfchiedene
Fächer fi in einem Menfchen faft nicht gleich tiefe Kennt:
niß bis in das geringfte Einzelne, nicht gleiches Intereſſe
und gleich innige Liebe denken laͤßt.
Um aber dieſes Perſonale nicht ohne Noth zu haͤufen,
faͤnde ſich wol ein vorzuͤglicher Univerſitaͤtslehrer, der vor⸗
her einem Gymnaſio vorgeſtanden, ein Akademiſt, der viel⸗
ſeitige tieſe Kenntniß in der Kunſt und die innigſte Vereh⸗
rung vor derſelben in ſich vereinigte, und ein tuͤchtiger Se⸗
minardirektor, der vorher niederer und höherer Volkslehrer
geweſen waͤre. Dieſe drei Maͤnner ſichteten nun die von
unten auf gemachten Vorſchlaͤge, erſt Jeder fuͤr ſich, dann
im gemeinſchaftlichen Rath, und endlich unter Vorſitz des
— 71 —
Cultusminiſters, durch den fie Die Wirbigung® hir
hberer Anfichten fennen lernten.
In dieſem Rathe, den ich den Oberfchulcath nennen
will, ‚vereinigte fich nun das Hoͤchſte und Niedrigfte, das
Allgemeinfte und Einzelne, und hier wäre demnach, wie
fich weiter unten .ergeben wird, das Refultat aller Vor⸗
ſchlaͤge, Unterfuchungen ıc., die im Staate ind Leben tres
ten follten, zu finden. Was. Diefe Männer nun im Inte⸗
reffe des. Staates als wortheilhaft und erfprießlich- fanden,
das koͤnnte dem Druck übergeben werden, Jeder dieſer
Männer würde nun wieder burch andere unterftüßt. Der
Gelehrten » Oberrath.. fände mit den . vorzüglichften Unis
verfitätslchrern der verfchiedenen Fakultäten und mit ben
tüchtigften Direktoren der Gymnaſien des Landes, der Künfts -
ler⸗Oberrath mit den tächtigften Lehrern ...der. verfchiedenen
Akademien, und der BolköfchulsOberrath. mit.den tüchtigften
Lehrern von Seminaren und höheren und niederen Volks⸗
fchulen in mündlicher und befonders in ſchriftlicher Ver⸗
bindung. Alle drei Oberräthe aber würden in. ihrer ‚Ges
fammtheit son den Provimzial: Schulräthen unterftüßt.
Jeder Provinzial-Schulrath beftande aus brei Mitglies
dern. Zu dieſen Hemtern müßte man einen Gymnaſiendi⸗
reftor für den Gymnafialunterricht, einen Direktor einer
höheren Volksſchule und einen Seminarbireftor für den hoͤ⸗
heren und niederen Bolfsunterricht wählen. Diefen Mäns
nern, welche zu den tüchtigften Lehrern des Landes. gehoͤren
müßten, läge, außer den natirfich auch im Oberrath vors
tommenden Gefchäftsfachen, beſonders die Einrichtung Der
Lehrerfonferenzen und die Beauffichtigung und oberfte Lei⸗
tung ber Schulen ob. Der Gymnoſienrath ftände num wit
ben vorzüglichften Gymnaſiallehrern, und die beiden Volk
*) Beffer: über höhere,
— s —
ſchulraͤthe ſtaͤnden mit den Seminarlehrern, mit den tuͤch⸗
tigſten Volksſchullehrern und den Predigern; der Rath in
ſeiner Geſammtheit aber mit dem Generalſuperintendenten,
den Schulvorſtaͤnden, den Direktoren der Gymnaſien, Se⸗
minare, der hoͤheren Volksſchulen und mit den Schulpfle⸗
gern der niederen Volksſchulen in Verbindung.
Was nun den beſondern geiſtigen Impuls betrifft, der den
Lehrern der Provinz durch dieſen Schulrath gegeben werden
ſoll, ſo beſteht dieſer zunaͤchſt in Einrichtung der Lehrerkon⸗
ferenzen fuͤr Lehrer der niederen Volksſchulen.
So lange es vielen dieſer Lehrer noch an Kenntniß in
den einzelnen Theilen ihres Faches mangelt, koͤnnte man
folgenden Weg einſchlagen. In jeder Provinz moͤchten
ſich immerhin einige Maͤnner von tiefer Kenntniß in ein⸗
zelnen Schulgegenſtaͤnden finden, die zugleich in denſelben
geſchickt zu. unterrichten verſtaͤnden. Dieſe Männer müßten
zur Mittheilung ihrer Anfichten. ıc. über die Gegenftände
ermuntert werben; und fände der Schulrath dieſe Anfichten
ꝛc. mufterhaft, fo möchte ‚jeder diefer Männer fich wol dazu
verfichen, in einem Gegenfiande zwei ber in dieſem Fache
faͤhigſten Lehrer jeder Lehrers Conferenz der Provinz, einen
Monat lang in den Langen Hexbftferien zu unterrichten, und
. ihnen jede Uebung ꝛc. fchriftlich mitzutheilen. Die auf Diefe
Art Unterrichteten würden nun in biefem Gegenſtande die
Lehrer ihrer Conferenz, andere zwei Lehrer wiederum in
einem andern Gegenflande u. f. w. Auf diefe.Art und das
durch, daß mehrere Glieder die Grundfäße des Cerziehenden)
Unterrichtes kennten, ftellte Die Gonferenz in der Gefammts
heit ihrer Glieder den Fenntuißreichen tüchtigen Lehrer dar.
Ferner möchte fich® ein von ber Lehrerkonferenz dazu ers
wählter Prediger wol gefallen laffen, am Gonferenztage
eine Stunde lang fich mit Erklärung und Behandlung ber
Bibel zu befaflen, und einer der gewandteften Lehrer möchte
— 9 —
dann auch muͤndlich und ſchriftlich einen Begriff entwickeln
und eine bibliſche Erzaͤhlung auf die Art vortragen, wie
dieſelbe vorgetragen werden muß. (Siehe Claſſe 8) Die
uͤbrige Zeit koͤnnte mit Vorleſen, Erklaͤren und Beſprechen
der vom Rath oder Oberrath zum Druck veranlaßten Ab⸗
handlungen, oder mit Unterredungen uͤber andere paͤdago⸗
giſche Gegenſtaͤnde ausgefuͤllt werden. Eine ſolche Confe⸗
renz muͤßte jedem Lehrer nuͤtzlich ſein; denn er wuͤrde da⸗
durch mit den Fortſchritten in ſeinem Fache bekannt, haͤtte
Gelegenheit viel Nuͤtzliches zu lernen, oder ſeinem ſchwaͤchern
Amtsbruder, ſei es durch wirklichen Unterricht, oder auch
nur durch Verdeutlichung des Einzelnen, beizuſtehen. Der
Schulpfleger koͤnnte dabei die Ordnung des Tages lei⸗
ten, damit der Zweck der Unterhaltung erfuͤllt wuͤrde,
und koͤnnte Einzelne, die in einer Sache wichtiges leiſten,
zur ſchriftlichen Mittheilung für. Conferenz und Rath er⸗
muntern. Solche Conferenzen koͤnnten im Winter jeden Mo⸗
nat, und im Sommer alle vierzehn Tage auf einen ganzen
Tag Statt finden. Sobald eine praktiſche Betreibung der
Gegenſtaͤnde weniger Noth thun ſollte, koͤnnte man ſich um
ſo mehr um das Fortſchreiten der paͤdagogiſchen Literatur
bekuͤmmern, ja daſſelbe zu beſchleunigen ſuchen.
Fuͤr Lehrer an Gymnaſien, hoͤheren Volksſchulen und
fuͤr die tuͤchtigſten Lehrer der niederen Volksſchulen moͤchte
folgendes Geiſtaufregungsmittel, welches ich hier nur als
Idee aufſtellen will, nicht ſo ganz als unzweckmaͤhig
erſcheinen.
Beſonders ſeit den lettvergangenen fünfzig Jahren iſt;
wie bekannt, außerordentlich viel Gutes und Schlechtes Aber
den Unterricht gefchrieben worden; und es wäre wol an ber
Zeit, endlich einmal eine paͤdagogiſche Aehrenlefe zu veran⸗
ftalten, um dadurch das ausgefuchtefte- Material für Fünfs
— 10 —
tige Nebeneinanderftellung zu erlangen. Man Fönnte dazu
etwa folgenden: Weg einſchlagen. |
: 4) der Provinzialrath koͤnnte neben einem Ermunte⸗
rüngsfchreiben zu Diefem Ideenaustauſch eine Bibliographie ber
befjern paͤdagogiſchen Schriften unter ben Gliedern des
Bereines zirkuliren lafien, Damit Jeder von ihnen fich zum
treueften Durchſtudiren einer diefer Schriften, oder auch wur
eines Theiles derfelben verpflichtete. Werke von befonderer
Wichtigkeit koͤnnten jedoch Doppelt bis dreifach beſetzt wer⸗
den. Es iſt bier aber Feineäweges bloß von neuen und
beutjchen , fondern auch von alten und fremdfprachigen paͤda⸗
gogijchen Schriften die Rede; nur verdient bemerkt zu wer:
ven, daß zur allgemeinen Verftändlichung alle Anführungen
aus Büchern fremder Voͤlker in forgfältiger Ueberfeßung
gegeben werben müßten.
2) Seder einzelne Bezirk der Provinz koͤnnte nun für
jede Schulart einen, alfo im Ganzen drei Männer zu einem
Ausſchuß wählen, der für die Ordnung des Einzelnen
forgte ıc. Diefer Ausſchuß müßte keinesweges eine befchrän-
tende Kraft haben, fjondern nur dag Organ des Heinern
Ganzen fein; dabei aber auf Erfüllung ber allgemeinen
Verpflichtungen halten. Die Glieder der Bezirksausſchuͤſſe
der Provinz wählten unter ſich einen Provinzials Ausfchuß,
und die Glieder der fänmtlichen Provinzials Ausfchäffe
wählten einen Landesaugfchuß, Der mit einem von bem
Dberrath gewählten befondern Landesausſchuß in faft gleis
chem Verhaͤltniſſe ſtaͤnde. Zu Mitgliedern dieſer Ausſchuͤſſe
muͤßte man denkende Maͤnner vom Fach zu waͤhlen ſuchen,
die da wiſſen, was ſie wollen, und das Poſitive des Unter⸗
eichtsweſens nicht in ſubtilen Deduktionen verlieren: — Maͤn⸗
ner, welche auch mit den Forſchungen eines Salzmann,
Campe, Reſewitz ⁊c. bekannt find, und die nicht den paͤda⸗
gogiſchen Schwulſt lieben, um nur ihren Scharfſinn zeigen,
—_ 1 —
und einen Nimbus um fich fehaffen zu. koͤnnen, fonbern bie
mit nüchternem Sinne und warmem Herzen Die zerſtreuten
Goldkoͤrner ber Altern und neuern Zeit zufammen fuchten,
um für Menfchenbildung wahrhaft Nübliches zu geben. Alle
drei Jahre könnte man eine neue Wahl der Glieder dieſer
AYusfchüfle treffen, bei welcher jedoch die bewährteften Maͤn⸗
ner vielleicht im Ausfchuffe bleiben koͤnnten. Sämmtliche
Ausſchuͤſſe müßten nun das Vorhandene prüfen und zuſam⸗
menſtellen oder zuſammenſtellen laſſen.
3) Von den Mitgliedern jedes Bezirks wuͤrden nun die
Bedingungen und Grundſaͤtze angegeben, nach welchen dieſe
Buͤcher benutzt werden ſollten, und wie ſich jedes Mitglied
bei Darlegung fremder oder eigener Anſichten, bei Bekaͤm⸗
pfung entgegengefebter Meinungen verhalten müßte Der
Ausſchuß hätte Diesmal nun die ausgefprochenen Anſichten
in gebrängter Kürze neben einander zu flellen, und biefe
Darftellung an den Provinzial s Ausfchuß zu fenden, damit
diefer das Gemeinfame ordnete; und der Landes s Ausfhuß
müßte endlich die Anftchten aus den verfchiedenen Provinzen
prüfend zufammenftellen, und das Refultat dem Oberrathe
vorlegen. Diefer Ichtere müßte dann mit feinem Ausfchuffe
die Sache beratben, dasjenige, was darin dem Staatsinte⸗
seffe zuwider wäre, ausmärzen, und dieſe Gefeße der Ges
fellfchaft dem Druck übergeben. Jedes Mitglied der Geſell⸗
fchaft erhielte nun gegen eine fehr geringe Vergütung zur
Beftreitung der Drudkoften ein Exemplar diefer Geſetze.
Diefe Geſetze könnten jedoch mit der Zeit mehr und mehr
vervollkommnet werden.
Als nothwendige Bedingungen berühre ich bier nur fols
gende: Wer an dieſem Berrine Theil nehmen will, muß fidh
moͤglichſt kurz, edel, beftimmt und allgemein verftändlich
ausdräden, allen übergelehrten Schwulft vermeiden, fich
nicht in ſubtile Deduktionen verlieren, vielmehr beſtmoͤglichſt
— 12 —
andy alles an ber Erfahrung nachweifen, darf nicht ftreiten
um Recht zu behalten, muß jeberzeit mit Befcheidenheit aufs
treten, bie ausgefprochenen Anfichten, fo gut er kann, zu be
gründen oder zu reinigen, aber nicht zu verwideln fuchen,
and muß in feiner übernommenen Schrift allenthalben zu
Hauſe ſein.
4) Um bie Theorie auf das innigfte mit der Praris
zu verbinden und leeren Spekulationen auszuweichen, mögen
zuerſt Die einzelnen Gegenftänbe bes Unterrichts‘, und zwar
vielleicht am beften auf die Art vorgenommen werden, baß
man ſich jedesmal zuerft.über den ganzen Zweck, bann über
die allgemeine Fefkitelung der Methode, dann Aber den Uns
terrichtsgang für alle Claſſen aller Schularten, dann Tiber
die einzelnen Uebungen des Gegenftandes, und endlich über
die Einrichtung und fpecielle Bearbeitung der dazu nöthigen
Schul⸗ und Lehrbücher -verftändigt.
Angenommen, es fühlten ſich in jeder Provinz num
Mehrere berufen, über den Zweck einiger Unterrichtögegens
ftände zu fchreiben, fo müßten fie diefe ihre Abhandlung,
durchaus deutlich gefchrieben, dem. nächften Ausſchuſſe zur
Anficht vorlegen. Diefer fände diefelbe entweder brauchbar
oder nicht. Im letztern Falle ſchickte er dDiefelbe an ihren
Verfaſſer zuruͤck; im erftern Falle ließe er dieſelbe zirkuliren,
und machte im Amtsblatte die Mitglieder feines Bezirks
auf das zu Empfangende aufmerffam. Nun fähe jebes Mits
glied nach, was in feiner übernommenen Schrift über dieſen
Gegenitand ſelbſt, oder über allgemeine Grundfäße, die hier
ihre Anwendung finden, enthalten wäre, und läfe vielleicht
noch anderwaͤrts etwas dazu. Erhielte er nun die Abhands
fung, fo fügte er, wenn die Anfichten feines Schriftſtellers
fehlten, biefe al8 Anmerkungen bei, und theilte dann -feine
eigenen Anfichten über den Gegenftand,- unter Nennung feis
ned Namens, mit. Auf: diefe Art erhielte der Ausſchuß
— 13 —
diefe Abhandlung mit ſehr vielen Anſichten ber Mitglieder,
und alter und neuer Schriftſteller bereichert zuruͤk. Dieſer
pruͤfte vielleicht das Vorhandene nochmals, und ließe
es dem Verfaſſer zur naͤheren Bearbeitung des nun
Vorhandenen zukommen. Der Verfaſſer faͤnde nun dort
Vieles für. und gegen ſeine ausgeſprochenen Anſichten,
ſuchte alles zur Vervollſtaͤndigung, tiefern Begruͤndung,
eindringlichern Darſtellung ſeines abgehandelten Gegen
ſtandes zu benutzen, ſtellte diejenigen Anſichten, welche
er ſeiner Arbeit nicht unmittelbar einverleiben wollte, mit
Gegengruͤnden verſehen, zur Seite, und ſchickte dieſelbe
wiederum an den Ausſchuß. Enthielte die Abhandlung Vor⸗
treſſliches, fo wuͤrde fie dem Rathe zur Anſicht vorgelegt,
und wenn biefer in derſelben nichts Anſtoͤßiges fände: ſo
würde die Erlaubniß zum Druck ertheilt. Sobald Diefe Uns
terfuchungen ein Heft füllten, würde gegen Verguͤtung der
Drudfoften ein Eremplar an jebes Provinzial» Mitglied
und eins an den Ausfchuß jedes Bezirks der Provinzen zum
Zirkulirenlaffen gefendet, und ed begäanne nun eine allgemeine
Pruͤfung, Begründung und Feftitellung des Abgehanbelten,
Entweber bearbeitete nun der erftere Verfaſſer, deſſen Ras
men bis jet noch nicht befannt zu fein, brauchte, die Ab⸗
handlung aufs Neue, oder ein Anderer uͤbernaͤhme diefe
nun fchwierigere Arbeit ganz oder zum Theil, und führte.
dabei die Namen der Berfafier wichtiger Anmerkungen ꝛc.
in einer Note an. Bon bem letztern Berfaffer gelangte bie
Arbeit an den LandesAusfchuß, von diefem an den Obex« .
rath; und fände dieſer nichts in ihr, was dem Jutereſſe
des Staates zuwider wäre: fo wuͤrde fie dem Ausſchuſſe
des Oberrathes zugefenbet, der diefe dann für ben ganzen:
Staat zum Beten ber einzelnen Berfafler drufen ließe, nnb .
vielleicht noch mit feinen Anmerfungen bereicheste. Ueber
Bertheilung bed Honorars an den Hanpts und bie Neben⸗
— 14 —
verfafſer koͤnnten die nöthigen Beſtimmungen feſtgeſetzt wer;
den. Jedes Mitglied der großen Verbindung erhielte nun
ein: Exemplar gegen Verguͤtung, und koͤnnte ſelbſt das Re⸗
ſultat allgemeiner Unterſuchungen noch zu vervollkommnen
ſtreben. Der Oberrath aber benutzte ſolche Unterſuchungen
zu ſeinen Anordnungen in dem Unterrichtsweſen. Arbeiten,
welche fuͤr dieſen Zweck zu ausfuͤhrlich waͤren, muͤßte der
Schriftſteller ſelbſt drucken laſſen, und ſich dann mit Recen⸗
firen einzelner Glieder bed Vereins ıc. begnuͤgen. Auf dieſelbe
oder anf vorige Art koͤnnten auch. die Schulprogramme bes-
wust werden. Es wäre nicht nothwendig, Daß einer ber
Mitglieder, der Berfafler einer zu prüfenden Abhandlung
wäre, bad wäre ganz gleichgältig, und wäre diefelbe aus
dinen: Werte eines längft verftorbenen Schriftſtellers woͤrt⸗
fich abgefchricben; denn der Zweck des Bereind geht nur
babin, Altes und Neues prüfend zufammenzuftellen und das
durch, wie auch burch eigene Forſchung, den Unterricht zu
verbeſſern, und wo uröglich jeden Gegenftand der Vollkom⸗
menheit näher zu bringen.
Die Einwirkung von Seiten ber Regierung wäre hier
fa ohne ale Mühe und nur negativ; fie hälfe war den
Berein bilden, ihn durch das ganze Land ausdehnen, dem⸗
felben Halt und Würde geben, und beichränfte . feine Kors
fihung auf irgend cine Weife. Daß fie aber dasjenige nicht
öffentlich gut heißen bürfe, was dem Staatsintereſſe zuwider
üt, verfteht fich von felbft. Uebrigens müßte es jedem Mit⸗
gliede frei fichen, felbit allgemein. getadelte und von den
Ausſchuͤſſen verworfene Sdeen näher auszuarbeiten, und auf
aigene Hand druden zu laſſen. n
: Sobald dad Refultat ſaͤmmtlicher Unterſuchungen aufs
Rene anfgelegt werden müßte, Binute wiemal das fortwähs
rend Gereinigtere die Stelle des Vorigen einnehmen, and
auf diefe Art. gelangte man endlich zu Anfichten ıc. vom
— 15 —
Unterrichtsweſen, bie. in alfen Theilen von ſaͤmmtlichen Paͤ⸗
dagogen eined Staates aufgeftellt oder doch gepräft worden
wären. Daß die verfchiedenen Meinungen ſich zum heit
einander fchroff entgegenftellen wärben, koͤnnte dem Ganzen
sticht : fehäblich fein. Wenn Jeder verpflichtet wäre, allgemein
verftändlich zu fchreiben, bie Richtigkeit ſeiner Aufſtellungen
und Entgegnungen. auch in ber Erfahrung nachzuweiſen, und
überhaupt fich al& einen Mann zu zeigen, der wicht mi
Recht zu. erhalten, fondern zum allgemeinen Beten befcheis
den auftreten müßte, und der, als Eigenfinniger, ale
Grübler oder Klaffer und Schreier erkannt, feine Stimme
verlöre: fo wärbe ‚die Zahl ber entgegenftehenden Anſich⸗
ten doch dadurch um vieles geringer werben; - Bo: Dies
felben fich aber dennoch vorfänden, ba müßten auch ent⸗
gegengejeßte Anfichten mit allen ihren Begrünbungen fo fange
friedfich neben einander ftehen, bis nach dem allgemeinen
Urtheile die eine Anficht als grundlos und falfch,. und. Pie
andere um fo vielfeitiger begründet, ald wahr und richtig
erfdjiene. Um der Sache noch mehr Eurfachheit zu geben;
fönnten fich auch die Mitglieder eines Bezirks zu verſchiede⸗
nen Zeiten bes Jahres, und bie abgeordneten Glieder ſaͤmmt⸗
licher Bezirke einer Provinz jährlich einmal zur Berathung
in fchwierigen Punkten verfammeln,, und die Refnitate. der
Berathung den übrigen Provinzen mittheilen. ni
Der vielleicht außerordentlich vwerfchiedene Grad von
Gelehrſamkeit der ‚einzelnen Glieder diefes Vereins wird dem
Ganzen firderlich fein, ba gerade daburd für alle Theile
uud. Stufen Des Gegenſtandes, fo wie für alle Slaifen, im
weichen derfelbe von feinen:erftien Anfängen bis zur hoͤchſten
Hoͤhe gelehrt wird, bis. ind Kleinfte hinein geforgt werden
fann, wodurch denn @infeitigfeiten, bie ſich felbR tm tan
Werken berühmtefter Männer finden, verhätet werden! De:
nebenbei, wie fich in der Felge ergeben wird, alle. weyfcgies:
— 1 —
denen Schulanftalten in ihrer Gefammtheit nur. ald Eine An⸗
ftalt erfcheinen follen, jeder Lehrer des. Staates demnach
als Elaffenlehrer ein und derfelben Schule erfcheint, und ihm
die Reinigung des von ihm zu verarbeitenden Materials ıc.
allermeift am Herzen liegt: fo wird nur durch gemeinfchafts
liche Bearbeitung eines Gegenftandes berfelbe in feiner Ganz»
heit dargefiellt — und dieſe bringt Einheit und Heinheit in
Anficht und Darftellung.
Durch diefe ganze Einrichtung tönnte der Staat ſeine
denkendſten .ıc. Lehrer kennen lernen; und indem er bei Be⸗
forderungen befonderd auf dieſe Nückficht nähme, Preisfra-
gen-ftellete, tüchtigen Maͤnnern Ehrenbezeugungen ertheilte ꝛc.
fönnte er dem Ganzen um fo mehr Antrieb und Halt geben.
Sollte diefe Idee ihrem Wefentlicdyen nach ausführbar fein,
fo koͤnnte fie ſich über ganz Deutfchland, ja über Die ganze
gebildete Welt erſtrecken. Sollte fie aber in ihrer Ausbehmung
nicht als ausführbar erfcheinen: fo mag fie e8 für einen
Ober s und Provinzialrath, ober unter der Beichränkung
auf eine Provinz oder auf folche Mitglieder fein, die in
ihrer Darftellungsweife, in ihren Anfichten und geiftigen
Beftrebungen Bieleö gemein haben. Uebrigens muß ich hier
erinnern, daß ich nur. eine Idee von einer Verbindung an⸗
geben wollte, deren erſtes Gefchäft die Organifation ihrer
Wirkform wäre, und daß ich darum das Speelle weniger
aus den Augen zu verlieren hatte.
Was nun die Snfpektion ber Schulen betrifft, fo vers
fpricht man ſich dort von ihr, wo man felbit in ber Praxis
eine fcharfe Gränzlinie zwifchen Erziehung und Unterricht
zieht, und wo fie ein Zreibers und Herrenwerk iſt, ‘bei weis
tem mehr als fie leiften fann.. Dan fcheibet hoffentlich
Erziehung und Unterricht nicht ange mehr auf eine fo ſchaͤd⸗
liche Art, wie man bis hierher gethan. Erziehung und Un⸗
terricht. Saffen ſich in ber Praxis durchaus nicht trennen,
— 11. —
wenn beide richtig gebacht und in ihrer Ganzheit aufgefaßt
werden. Was nübt und ein Trennen von Begriffen, wo
die Trennung für bie Praris fchädlich ift, wo fie auf Abs
wege leitet, ein ſchoͤnes Ganze zerreißt und Irrthuͤmer her⸗
beiführt! Beide, Erziehung und Unterricht beabfüchtigen eine
vernünftige Einwirkung auf den jungen Menfchen, und in⸗
fonderheit auf den jugendlichen Geiſt; man will durch beide
denfelben der Humanität zuführen. Dazu gebrauchen beide
ein. Material. Diefed Material: liegt eben ſowol in eis
nem „Pfui! ſchaͤme Dich!’ in ber Ruthe, in der negativ
fcheinenden Lenkung, in der Gewinnung für alles Gute und
Schöne, ald in der Sprache, der Mathematik, den Natur⸗
wiſſenſchaften, der Gefchichte und Religionslehre; denn im
Grunde wird. vernünftigerweife Doch nicht der todte Buchs
ftaben des Wortes, fondern die Reinigung‘ des Urtheild, die
Lenkung des Willens und überhaupt die Entwidelung der
Kräfte beabfichtigt. Durch beide laſſe ich das Unanftändige;
Boͤſe, Gefährliche, Nothwenbdige erfennen, durch beide wecke
ich Liebe zum Anftändigen, Guten, Wahren, Schönen, Nuͤtz⸗
lichen, wecke id; Verehrung vor Göttlichem und Menfchlis
chem. Ob ich nun diefe inneren Anfchauungen, biefe Empfin⸗
dungen in der Seele des jungen Menfchen zu Haufe, oder.
in der Schule, durch einen Lehrſatz der Mathematik, der Nee
ligiondlehre xc. oder durch meine Mienen, Geberben, meinen
feften Willen, meine Liebe zum Guten, meinen Abfchen ges
gen das Boͤſe und Gemeine in der Seele des jungen Mens
fchen zu wecken und feftzuftellen fuche; ob ich bazu Linien;
oder Das in der Natur und Menfchenmelt Beſtehende, oben
Das abftraft räfonnirende. Wort ,.oder bloß man Ich ges
brauche, das mag vollig gleich ſein; ich will Durch alled, wie
es fommt, anf die Lenkung, Hebung und Fefligung. ber jugenb«
lichen Seele einwirken ,.umb dann muß ich zugleich unterrichten
und erziehen. — Seitdem man angefangen hat, Unterricht und
b
— 18 —
Erziehung als zwei verfchiebene Dinge auch nur in dem
Gefühl zu trennen, feitdem ift dem Unterricht größtentheilg
die Weihe genommen, ſeitdem haben ſich lockende, überres
bende, überzeugende, alfo erziehende moralifche Borlefuns
gen eined Altern Gellert in kalt räfonnirende, unters
ſuchende Vorträge ber neueren Lehrer verwandelt. Py⸗
thagoras unterrichtete und erzog. Seitdem man vollends den
Begriff mit fcholaftifchem Secirmeffer fpaltete, feitbem ift der
Lehrer ein Doppelmenfch geworben, der bald diefen, bald
jenen Körper vorfehrt, nicht aber ein einiges Herz oͤffnen,
ein einiges Antliß zeigen, einen einigen Geift offenbaren,
und darum nicht Einheit fchaffen, nicht Einheit lieben und
biefelbe verehren lehren kann.
In der Trennung des Unterrichts. und ber Erziehung
hat die Verwirrung der Snfpeftion ihren Grund.
Bon der finnigen, nicht übergelehrten Zeit ber hat man
den goldenen Spruch allgemein wenigftend noch im Munde,
„der Lehrer muͤſſe feinen Schülern ein Vater fein‘; fehr
Viele wollen aber etwas ganz anderes. |
Man müßte im Sinne diefer Lehrer fagen: „Der Leh⸗
rer ift ein Künftler, ein Wiflenfchaftner, er fteht nur als
Mittheiler feiner Künfte und Wiffenfchaften da.’ Das Bas
terverhaͤltniß ift Durch die Haubenden Scholaftifer aus vies
fen Schulen vertrieben, und ein herzlofes Meittheilen, ein
Stundengeben und Künftenachen hat die Stelle des Erzies
hend eingenommen. Man ficht im Allgemeinen jett mehr
daranf, wie viel ein junger Menſch weiß, ald was er ift,
und beobachtet es nicht genug, baß alles Willen nur das
Sein begränden, mit:ihm eins fein folle. Wan befördert
das Willen, und erwartet bas edle Sein. Gene Trennung
hat großes. Unheil gebracht; ſie kaͤßt den Schüles vom Leh⸗
rer los, wie der Böfe von Gott los if. Oder herrfcht
dieſes innige Verhaͤltniß allgemein, beſonders in hoͤheren
— 19 —
Schulen? Rebe ich die Unmwahrheit, fo firafe man mid
Lügen; rede ich aber die Wahrheit, fo gehe man von die
fem Wege ab, und bemäntle das Srrige und Berderbliche
sicht durch Herzählung folcher Schulen,. in deren Lehrer
Hand jened Secirmefler nicht gekommen ift.
Man Iefe Campes Robinfon, feine Entdedung von
Amerika, feinen Theophron, Loſſius Gumal und Lina, feine
Bilderbibel, Auacharſis Reifen, Kinderfchriften unfres ehrs
würdigen Salzmann, unfres trefflichen Loͤhr ıc. Bücher, in
denen Erziehung und Unterricht nicht getrennt worden find;
man denke ſich die Religion, die Gefchichte, die Naturs
wiffenfchaft, die Sprachen, die Mathematik, die Kunft
in Einer Perfon ald Humanität von erhabener Geftalt
und als Lehrer, denfe ſich den Schüler beffelben, wie
diefer fich einem folchen Lehrer mit einer Innigkeit an⸗
ſchließt, welche die Aufnahme des dargebotenen Geiſtigen
in ſeiner Ganzheit verbuͤrgt, wie dieſer den Adel der Seele
in ſeiner jugendlichen Schoͤne darſtellt — gehe dann in unſre
Schulen, und — man wird in ſehr vielen kaum eine leiſe
Ahnung von dieſem ſchoͤnen Geiſte finden.
O, du arme Jugend! wie herzlos wirſt du an man⸗
chen Orten jetzt vollgeſtopft! Der Unterricht iſt in ſo man⸗
chen ſogenannt guten Schulen nur eine Kunſt, die Weisheit
ein kalter Verſtand, der Verſtand ein Erdenwurm, und die
Vernunft ein myſtiſches Irrlicht geworden!
So ſpaltet, ſo ſecirt man, bis alle Kraͤfte, die in der
wohlthaͤtigen Verbindung liegen, erkranken, oder, beleidigt
im Zorn uͤber das Ungethuͤm, entgegenwirken! Darum
ſjeht ſo mancher Schuͤler feinen ehemaligen Lehrer über die
Achſeln an; darum findet ſich auch in ſolchen Schulen fo
viel Muthwillen und Troß, fo viel Zwieſpalt und d Egois⸗
mus! (Selbſtthum?) 7
b * |
— 18 —
Erziehung als zwei verfchiedene Dinge auch nur in dem
Gefühl zu trennen, feitdem ift dem Unterricht größtentheils
die Weihe genommen, feitdem haben fich lockende, überres
bende, überzeugende, alfo erziehende moralifche Vorlefuns
gen eined Altern Gellert in kalt raͤſonnirende, unters
fuchende Vorträge ber neueren Lehrer verwandelt. Py⸗
thagoras unterrichtete und erzog. Seitdem man vollends den
Begriff mit fcholaftifchem Secirmeſſer fpaltete, feitdem ift der
Lehrer ein Doppelmenfch geworben, der bald diefen, bald
jenen Körper vorfehrt, nicht aber ein einiges Herz oͤffnen,
ein einiges Antliß zeigen, einen einigen Geift offenbaren,
und darum nicht Einheit fchaffen, nicht Einheit Lieben und
diefelbe verehren lehren kann.
Sn ber Trennung bed Unterrichts: und ber Erziehung
hat die Verwirrung der Inſpektion ihren Grund.
Bon der finnigen, nicht Üübergelehrten Zeit her hat man
den goldenen Sprud) allgemein wenigftend noch im Munde,
„der Lehrer müfje feinen Schhlern ein Bater fein‘; fehr
Biele wollen aber etwas ganz anderes. |
Man müßte im Sinne Diefer Lehrer fagen: „Der Leh⸗
rer ift ein Künftler, ein Wiflenfchaftner, er fteht nur als
Mittheiler feiner Künfte und Wiffenfchaften da.’ Das Bas
terverhaͤltniß ift durch die Haubenden Scholaftifer aus vies
fen Schulen vertrieben, und ein herzlofes Meittheilen, ein
Stundengeben und Künftemachen hat die Stelle des Erzie-
hend eingenommen. Man ficht im Allgemeinen jet mehr
daranf, wie viel ein junger Menfch weiß, ald was er ift,
und beobachtet es nicht genug, daß alles Wiflen nur das
Sein begränden, mit:ihm eins fein ſolle. Wan befördert
das Willen, und erwartet bas edle Sein. Jene Treumung
hat großes Unheil gebracht; fie-kaßt den Schüles vom Leh⸗
rer los, wie ber Boͤſe von Gott los ift. Oder herrſcht
dieſes innige Verhaͤltniß allgemein, beſonders in hoͤheren
— 19 —
Schulen? Rede ich die Unwahrheit, fo flrafe man mid
Lügen; rede ich aber die Wahrheit, fo gehe man von die
fem Wege ab, und bemäntle das Srrige und Verderbliche
sicht Durch Herzählung folcher Schulen, . in deren Lehrer
Hand jened Secirmefjer nicht gekommen ift.
Man Iefe Campes Robinfon, feine Entdeckung von
Amerika, feinen Theophron, Loſſius Gumal und Lina, feine
Bilderbibel, Auacharfis Reifen, Kinderfchriften unfres ehrs
würdigen Salzmann, unfres trefflichen Loͤhr ıc. Bücher, in
denen Erziehung und Unterricht nicht getrennt worden find:
man denfe ſich die Religion, die Gefchichte, die Naturs
wiffenfchaft, die Sprachen, die Mathematif, die Kunft
in Einer Perfon ald Humanität von erhabener Geſtalt
und als Lehrer, denke ſich den Schuͤler deſſelben, wie
dieſer ſich einem ſolchen Lehrer mit einer Innigkeit an⸗
ſchließt, welche die Aufnahme des dargebotenen Geiſtigen
in ſeiner Ganzheit verbuͤrgt, wie dieſer den Adel der Seele
in ſeiner jugendlichen Schoͤne darſtellt — gehe dann in unſre
Schulen, und — man wird in ſehr vielen kaum eine leiſe
Ahnung von dieſem ſchoͤnen Geiſte finden.
O, du arme Jugend! wie herzlos wirſt du an man⸗
chen Orten jetzt vollgeſtopft! Der Unterricht iſt in ſo man⸗
chen ſogenannt guten Schulen nur eine Kunſt, die Weisheit
ein kalter Verſtand, der Verſtand ein Erdenwurm, und die
Vernunft ein myſtiſches Irrlicht geworden!
So ſpaltet, ſo ſecirt man, bis alle Kraͤfte, die in der
wohlthaͤtigen Verbindung liegen, erkranken, oder, beleidigt
im Zorn über das Ungethuͤm, entgegenwirken! Darum
fjeht ſo mancher Schüler feinen ehemaligen Lehrer über die
Achſeln an; darum findet ſich auch in ſolchen Schuten fo
viel Muthwillen und. Trotz, ro viel Zwieſpalt und d Egoie⸗
mus! (Selbſtthum?)
b *
— 90 —
Diefe Hindeutungen mögen hinreichend. fein, um das
Irrthuͤmliche dieſer Trennung darzuthun.
Ich ſage nun aus voller Ueberzeugung: der Lehrer
muß ſeinen Schuͤlern ein Vater ſein; er muß denſelben in
jeder Ruͤckſicht als eine verehrungswuͤrdige Perſon erſchei⸗
nen, und kein Fremdling darf es wagen, dieſes Verhaͤltniß
zu beleidigen, das kein Koͤnig der Erden erzwingen kann,
das vielmehr aus einem Vatergemuͤth frei hervorgehen muß.
Der Seelenadel, die Menſchenliebe, die Verehrung vor
Kunſt und Wiſſenſchaft muͤſſen das in dem Lehrer hervor⸗
bringen, was die Natur in dem Vater ſchafft. Das kann
geſchehen; die Erfahrung ſagt uns, daß das Kind von dem
humanen Lehrer oft edler und beſſer behandelt wird, als
von dem eigenen Vater, das bedarf keines ſpekulativen Er⸗
weiſes.
Kann dieſes Verhaͤltniß aber in der Schule obwalten,
ſo muß der Lehrer in der Schule eben ſo geehrt und behan⸗
delt werden, als der Vater in der Familie. Worin koͤnnte
man nun, o theurer Pfleger der Schulen! Antriebe
zur Erfchaffung und Erhaltung diefes BVerhältniffes finden ?
Worin hauptfächlicher, als in der Verehrung dieſes Ber:
hältniffes von Seiten fämmtlicher Obern? In ber Furcht
liegt Diefer Antrieb nicht; nein, biefe treibet hier,
da der Lehrer gar leicht fein untergeorbnetes Verhaͤltniß zu
feinen Borgefetten Tennen Iernt, die Liebe aus, Kiebe
aber erzeugt Liebe, Helfen erzeugt Können, Rathen erzeugt
Nachdenken, Ehre, Anerfennung erzeugen Streben, Hus
manität erzeugt Humanität. Alfo trete die Inſpektion lies
bend, und helfend, und rathend, und ehrend in aller Hus
manität auf. Sie behanble dagegen bie- Lehrer nicht ‚wie
eme faule, träge, wiberfpenftige Brut, der man den Stachel
ins Fleifch ftoßen muͤſſe, umt fie jagen zu ‚können. Man
kann den Lehrer wol in Rüdficht auf fein Rechenfchaftges
— 1 —
ben, aber nicht im klaren Erweis ſeiner Leiſtungen mit ei⸗
nem Beamten vergleichen, deſſen Ordnung und Treue auf
ben eriten Augenblid in Buch und Kaffe fichtbar find. Ein
Lehrer kann wenig zu leiften ſcheinen, und babei mehr wirs
fen, als ein anderer, ber zehnmal fo viel zu Teiften fcheint.
Welcher Lehrer möchte nicht gern von feinen Schülern
geliebt und geachtet, und von der Gemeine und feinen
Dbern ‚geehrt und gefchäbt werden? Wer möchte dazu
nicht Die. beften Mittel ergreifen, wenn er biefelben nur
kennete und anzuwenden wüßte? Wo bu biefes Verlangen
nicht vorausſetzen kannſt, da hilft auch die ſtrengſte Snfpels
tion nicht, da ift Nieberträchtigfeit oder voͤlliges Unvermds
gen. Fehlt e8 dem Lehrer an Kenntniß, fo zeige ihm einen
richtigen Weg, den er aber auch zu gehen im Stanbe ift,
um das Fehlende ſich zu erwerben; fei ihm dazu durch bie
That, nicht bloß Durch Deinen frommen Wunfch behüfflich.
Fehlt e8 an Eifer, fo firche die Urfachen feiner Erfaltung
auf. Liegen biefe in feinem Unvermoͤgen; warum bat man
ihm auf einen höheren Standpunkt geftellt, als er es vers
diente? Hilf da, fo viel e8 gefchehen kann, aber brücde
nicht nieders denn dadurch förderft du nichts. als Unheil.
Liegt ed an einer Schwäche, fo rathe, hiff in Geduld und
ermunteresz liegt e8 am guten Willen, fo fuche die Urfachen
näher auf. Vielleicht erfcheinen ihm Deine Anordnungen unvers
ftändig, ſchaͤdlich ꝛc. Suche ihn dann eined Beſſern zu
überzeugen; halte dich bei bem größeren Maaße von Vers
ftandesfraft nicht für unfehlbar, und bedenfe den Sinn bes
fchönen Spruches: ‚Was oft der Berftand der Verſtaͤnd'⸗
gen nicht fieht, Erblicket in Einfalt ein kindlich Gemuͤth.“
Berachtet er aber gegen beffere Ueberzeugung das Bes
fte , fo feße ihn-ab! Wie fchlecht müßte jedoch ein Menfch
fein, wenn diefer FaH eintreten ſollte! — und, wie ‚oft
mag er wol in- deinen Augen eintreten?! Unverftändiges
— 9 —
Eifern ſchadet oft fuͤrchterlich! Liebſt du den Lehrſtand,
ſo ſiehe, wo es mangelt, und hilf. Hilf, daß der nicht
verhungere, der taͤglich ſo viele ſaͤttigen muß; raͤume ihm
die Unannehmlichkeiten hinweg, ſo viel du immerhin ver⸗
magſt. Mache ihn begierig nach dem Guten, welches er
noch nicht kennt, zeige ihm daſſelbe von ſeiner ſchoͤnen,
nuͤtzlichen Seite; gib ihm Gelegenheit, daß er ſich daſſelbe
erwerben koͤnne, ohne daß ſeine Achtung dadurch in den
Augen ſelbſt unvernuͤnftiger Menſchen und ſeiner Schuͤler
auch nur das Geringſte verliert; raͤume ihm die Hinderniſſe
hinweg, und ermuntere ihn. Laß ihn nicht ahnen, daß du
an ſeinem guten Willen zweifeln koͤnnteſt, denn du belei⸗
digſt dadurch das Innerſte feiner Seele. Gott bewahre
dich, daß du bei deiner Arbeit an irgend einem Lehrer, ob
deiner Ungefchicklichkeit im Menſchenbehandeln, oder ob
ber Menge von Schwächen, die du allenthalben finveft,
nicht menfchenfeindlich, Ichrerverachtend werdeſt. Mir has
ben fo oft Schulinfpeltoren aber die Erbärmlichfeit der Leh⸗
rer, über deren Mangel an gutem Willen ıc. geflagt; ich
aber habe darin nur gar zu oft Unempfindlichkeit derfelben
gegen die Menfchen oder ihre Ungeſchicklichkeit im Menfchens
behandeln erfannt. Solche glauben am Ende nicht viele
Umftände mehr machen zu müffen, ihren Pfleglingen den
Vorgefebten ohne alle Schonung zeigen zu Dürfen, und —
follten über fich, ftatt über bie Lehrer feufzen und klagen.
— Rathe, wo Rath Noth thut. Aber du mußt als Pfles
ger der Schule auch Rath in dir haben, mußt bie Sache
fennen, durch und durch kennen; mußt nicht einen Theil
für das Ganze halten, wie dieſes nur zu oft gefchieht —
mußt nicht alles verwerfen, wo ein Wefentliches fehlt.
Mancher Lehrer, der wenig weiß, und in vielen Gegenftäts
den fchlecht unterrichtet, wirft oft fehr viel durch fein Find-
liches Gemuͤth, Durch feinen freudigen Ölauben, durch feine
— 23 —
Menſchenliebe, ſeine Offenheit, ſeine ſtrenge Tugend, ſeine
Sinnigkeit, durch irgend einen Gegenſtand, den er dir mit⸗
telmaͤßig zu betreiben ſcheint ꝛc. Rathe da in ſeinem Geiſte
und hilf, das iſt deines Amts. Durch ein herriſches We⸗
ſen, durch Grobheit und Verachten wuͤrdeſt du alles Gute,
das in ihm iſt, unterdruͤcken, wuͤrdeſt du ihm und der gan⸗
zen Gemeine ein Deſpot werden, der ſchonungslos alles
unter die Fuͤße tritt. O, ein armer Lehrer iſt leicht zu
zertreten, und das um ſo leichter, je zarter er iſt, jemehr
er Seele iſt, je heilbringender er auf die jungen Menſchen
wirkt. Fehlt es dir an Humanitaͤt, ſo glaube ich nicht,
daß du bei aller deiner Geſchicklichkeit auf den jugendlichen
Geiſt mehr wirken moͤchteſt, als mancher dieſer von dir
verachteten Lehrer; denn du laͤſſeſt alddann den Hauptzweck
alles (erziehenden) Unterrichtes aus den Augen.
Ehre ferner, was Ehre verdient. Der brave Lehrer
verdient Ehre, denn er hat Verdienſt um den Staat, oft
mehr als ein Schriftfteler, Schulinfpeftor und ein hoher
beehrter Beamte. Möchte ihm diefelbe nad dem
Maaße feines Berdienftes, und nicht nach der
Groͤße feiner Befoldung und der äußeren Stel
lung feines Standes zu Theil. werden!
Suche an jedem deiner. Pfleglinge gute Seiten auf,
bebe diefe hervor, ermuntere ihn, und knuͤpfe das naͤchſt⸗
liegende Mangelhafte an dafjelbe, damit das eine von dem
andern in die Höhe gezogen werde, Zeige das Gute, das
du findeft, Iffentlich, ftelle e& zur Nachahmung auf. Bilde
dir ein Ideal aus der Geſammtheit der guten Eigenfchaften
deiner Dfleglinge, weife den Einen auf alle Andere, und
fchaffe ein Streben, in welchen Jeder das des Andern. zu
befigen verlangt. Befdrdere Die Strebenden, fo viel bu
fannft; nur fordere nicht Hochmuth und Eigendänfel. Gei
deinen. Pfleglingen cin Bater, ein Freund, fo treten fie
| — 24 —
durch dich nicht ansnihrem ſchoͤnen· Verhaͤltniß. D, es iſt
viel beſeligender ein Vater, ein Freund, als ein Herr, ein
gefuͤrchteter Deſpot zu ſein! Auch der geiſtesarme Lehrer
komme dir freumblich entgegen, ſchaue vertrauungsvoll bir
ins milde Auge, ſetze ſich begierig zu deinen Fuͤßen, klage
dir ſein Leid, wie man es dem theilnehmenden Freunde kla⸗
get, und erwarte Huͤlfe von dir. Zeige ihm dein Freundes⸗
herz, reiche ihm deine Rechte. Seine Schuͤler muͤſſen in
dir nicht ſeinen Herrn, nein, ſeinen und ihren Freund er⸗
kennen, der nur aus Liebe und Achtung die Schule beſucht.
Wer dieſer Freundſchaft durchaus unwerth iſt, den ſetze ab!
Du verlangſt Humanitaͤt in den Schulen deiner Pfleg⸗
linge? Durch deine Humanitaͤt foͤrderſt du dieſelbe. Das
iſt dein Amt: Schulrath, Schulpfleger, Prediger der Ge⸗
meine! Du-mußt lieben, helfen, rathen, ehren — und wo
diefes alles in.der That nicht hilft, da mußt du auf Abs
fegung dringen, ſchonungslos Mann, Weib und Kinder
am Ehre, und Anfehn, und Brot bringen. Ein foldher
Menſch muß fallen, ald Opfer für die Deenfchheit!
Aber. die Menfchheit fodert nicht unmenfchliches Opfern.
Zertrümmere mit deiner Rechten fein Wirken, nm ihn uns
ſchaͤdlich zu machen; aber mit ber Einen, die an bein Herz
gränzt, hilf, daß er ald Glied der menfchlichen Gefellfchaft
nicht untergehe, nicht gänzlich verderbe! — Der Lehrer in
ihm muß fallen — ber Menſch in ihm muß auf den Armen
der. Liebe getragen werben! Iſt er ald Lehrer unbrauchbar
und verberblih — er ift es darum noch nicht als Menſch!
Die Schande muß der Abſetzung nicht vorgehen — bie
Achtung von Seiten der Kinder muß durch dich nicht eher
fallen, :ald feine Beamtung. Bringft bu ihn früher durch
ein herriſches Weſen, durch Auhsren faules Gefchwäßes ,
Dusch ungerechte Behandlung um feine Lehrerwuͤrde: fo ‚Las
ſten Mangel und Schaude von Mann, Weib und. Kindern
— 45 —
* deiner Seele, unb wo du: der Menſchheit glaubeſt ge
dient zu haben, da haft du als unfinniger Eiferer beine:
Seele belaftet, —
“ Nach diefen Anbeutungen über das Weſen der Schul⸗
Inſpektion kehre ich zum Schulrathe zuruͤck.
Von dem Schulrathe gehen der Lektions⸗ und Lehrplan,
die Lehrs und andere Schulbücher aus. Alles ift bis aufs
Kleinfte für jede Schulart, und jedesmal nad, ber Zahl
der Claſſen, Lehrer und Schüler genau vorgefchrieben. Alle
diefe Einrichtungen werben ald Norm fo lange feft gehalten,
bis ein Mangel in ber Einrichtung entdecft wird. Was die
Bibel und die fanonifchen Bücher dem Theologen find, das
find dem Lehrer die ans der allgemeinen Prüfung, Unter
fuchung und Bearbeitung hervorgegangenen Grundſaͤtze, Eins
richtungen und Lehrbuͤcher ıc., jedoch mit dem Unterfchiebe,
daß diefe nicht als heilig angefehen werben, und für ewige
Zeiten bindend find, fondern Gegenftänbe freier Unterfns
chungen bleiben, und als einer immerwährenden Vervolls
fommnung bensthigt erfcheinen muͤſſen; benn des Menfchen
Thun und Denken ift und bleibet Stüdwerf, und trägt
nicht das Gepräge ber Bollfommenheit an ſich. Jede Zeit
fuche darum zu beffern ; aber jede Zeit arbeite auch wader
an der Yusführung des ald gut und richtig Erfannten.
Soll aber jede Verbefferung bis ins Kleinfte hinein felbft
in jede der geringften niederen Volksſchulen dringen und in
derfeiben wohlthätig wirken, fo muß auf Befolgung bed
Vorgeſchriebenen von allen Seiten genau und feſt gehalten
werden.
Der Gymnaſien⸗ und Hoͤher⸗Volksſchulrath haben we⸗
gen geringerer "Anzahl ihrer Schulen weniger mit dem
Schulbeſuch zu thun, und mäffen darum deſto mehr fchrifts
liche Beforgung der Gefchäfte übernehmen, ald ber Nieder⸗
volksſchulrath, wenn ‚glei der Rath mur in feiner Boll
— 46 —
ſtaͤndigkeit Beſchluͤſſe faſſen, und dieſelben entweder von dem
Oberrath begutachten laſſen, oder in ſeiner Provinz zur
Ausuͤbung bringen will.
Jeder der Raͤthe beſuche nun zu beſtimmten Zeiten
ſeine Schulen und Bezirksausſchuͤſſe, ſo wie der Nieder⸗
Volksſchulrath auch die Schulpfleger und Prediger. In
Perbindung mit dem Schulpfleger des Bezirks und mit dem
Prediger des Ortes werde die Schule beſucht, und zwar
nicht auf einen Augenblick, ſondern wenigſtens auf einige
Stunden, in welchen der Lehrer eine kleine Pruͤfung vor⸗
nimmt. Dann gehen dieſe drei Maͤnner zu Rathe, wie dem
Lehrer und der Schule noch weiter geholfen werden koͤnne,
und endlich nehme auch der Lehrer ſelbſt an dieſer Bera⸗
thung Theil. In dieſer muß er allemal, wenn es ihm nicht
an gutem Willen gebricht, Ermunterung finden. Bevor ber
Schulrath den Ort verläßt, befuche er ſowol den Lehrer
als den Prediger, um mit jedem diefer Männer im Ber
trauen fprechen zu koͤnnen, und die etwaigen gegenfeitigen
Klagen anzuhören. Zu Schyulpflegern des Bezirks werden
Diejenigen Prediger, Schul» und Seminardireftoren oder
anderweitige Schulfreunde gewählt, die ſich durch Huma⸗
nität und Kenntniffe im Schulfach vor Andern ruͤhmlich
auszeichnen. Sie flehen den Lehrern fchon näher, als der
Sculrath, uud find gehalten wenigftend vier mal jährlich
in Verbindung mit dem Ortsprediger die Schule zu befuchen,
beu Lehrer unterrichten und eine Feine Prüfung anftellen zu
hören. Es möchte nicht unzweckmaͤßig fein, wenn diefe Pruͤ⸗
fungen regelmäßig vorfielen.
- Nach der Prüfung müßten ſich Schulpfleger, Prediger
und Lehrer berathen, wie dem Ganzen noch mehr aufzus
helfen .wäre, und zuleßt müßte der Schulpfleger , wie vors
ber der Schulrath , fich ſowol mit dem Lehrer ald auch mir
— 1 —
dem Prebiger allein unterhalten. An der allgemeinen Be
rathung müßte audy der Orts⸗Schulrath Theil‘ nehmen.
Der Schulpfleger wäre nun ber wahre Vater der Schule,
der Mann, der mit dem Prediger und Lehrer in Verbindung:
für das Aeußere und Innere der Schule forgen müßte, der
alle Vorfchläge zur Verbeflerung an den Rath brächte, und
bie etwa entftandenen Mißhelligfeiten zwifchen Lehrer, Pres
Diger und Gemeine, wie der Schulrath zu befeitigen fuchen:
müßte. 1
Der Ortöprebiger hätte auch darauf zu fehen, daß ber
Lehrer den Berordnungen der Regierung in allen Stüden
Kolge leiftete, und daß ber Neligionsunterricht im Geifte
ber Kirche ertheilt wärde. Wäre der Lehrer in irgend eis
nem Gegenftande zuruͤck, und. der Prediger könnte ihm felbft
helfen oder auf anderm Wege Hülfe verfchaffen: fo wäre
es Pflicht des Predigers, diefes nach Kräften zu thun, und
dem Schulpfleger darin dag Amt zu erleichtern. Webers
haupt müßte der Prediger für feinen Gemeinelehrer in fo
vieler Ruͤckſicht ſorgen, als es ihm nur immerhin möglid)
wäre. Der Schulpfleger, der wie der Schulrath mit dem
Gemeine» und DOrtsfchulrath, mit dem Prediger und Lehrer
in Verbindung ftände, könnte uͤber diefes Verhältniß höheres
Ortes berichten, und dadurch viel Gutes ftiften. Der Pres
Diger nun, der wöchentlich die Schule als Pfleger und ale
Schulfreuud befuchte, würde, was das Acußere der Schule
betrifft, durch den Gemeine sund Orts⸗Schulrath unterftüßt,
und hätte demnach die befte Gelegenheit für das Beſte der
Schule zu wirken. Was den Religionsunterricht insbefons
dere betrifft, fo hätte der Prediger, im Fall feiner Unzus
friedenheit mit dem Lehrer, nad) vergeblichen Erinnerungen
ſich an den Schulpfleger, und wenn diefed nichts fruchten
follte, fi an den Superintendenten zu wenden, der bie
Klage durdy den Generalfuperintendenten an den Rath
— 28 —
braͤchte. Ueber das Verhaͤltniß zwiſchen Predigern und Leh⸗
rern iſt im erſten Theile noch naͤher geſprochen.
Bei den Gymnaſien und hoͤheren Buͤrgerſchulen haͤtte
neben dem Schulrath der Superintendent auf die gute Be⸗
handlung des Religionsunterrichtes zu ſehen, und daruͤber
feine Anfichten dem General⸗Superintendenten mitzutheilen.
Die Lehr» und Schulbücher für ſaͤmmtliche Schulen
müßten zum moͤglichſt billigen Preiſe den Schulen erlaffen
werben; jedoch müßten diejenigen Schriftſteller, welche dieſe
Bücher verbefferten, für ihre Mühe ein anfehnliche® Honorar
beziehen.
Auf diefe Art fände das innere Unterrichtsweſen eines
Staates in Harmonie, und, wie mir deucht, würde dadurch
son Seiten des Staates auf das innere Leben bed Inter
richtsweſens zweckmaͤßig eingewirkt.
Allgemeine Anfoderungen an einen
Lehrplan. |
Nachdem wir nun das Lnterrichtswefen eines Landes
in ‚feiner . Außeren Einheit betrachtet haben, fommen wir
auf die innere Einrichtung der Schulen, auf ben Lehrplan.
Hter drängen ſich und zuerft allgemeine Anfoberungen auf,
denen ein Genüge gefchehen muß, wenn auch das innere
ber Schule ſich dem hohen Zwecke gemäß geftalten und eine
gewiſſe Einheit ausfprechen fol. Bon dieſen Anfoderungen
ſoll nun hier die Rede ſein.
>. 4) Jede Schule, Die niedere, wie die höhere, beabſich⸗
tigt die Erhebung des Menſchen zur Humanitaͤt, oder die
Ausbildung des ganzen Menfchen im Menſchen. Dazu ges
— 29 —
braucht ‚fie einen Theil dee Maſſe des menfchlichen Wiſſens
und Koͤnnens, nach Maaßgabe der Nothwenpdigfeit deffelben
für das innere und Äußere Leben des Menfchen. Areilich
wird fich der Bilbungszuftand des Schälerd nach ber Art
und Menge des dargereichten Stoffes jedesmal anders ge
ftalten (modificiren); aber die Bildung zur Humanität muß
nothwendig dennoch in der ſchlechtſtbeſuchten Bauern⸗ und
zeitbeſchnittenſten Fabrikſchule, wenigſtens nach ihrer hoͤch⸗
ſten Bedentung als Religioſitaͤt und Angeregtheit ſaͤmmt⸗
licher Kräfte erfolgen, wo dann nur diejenigen Gegenftänbe
betrieben werden, die ben ganzen Menfchen erfaffen, und
auf Fürzeftem Wege der Humanität näher führen: Sprache
und Chriftenthum. Je weniger Zeit einer Schule zu
Gebote fteht, defto fichtbarer, unummundener muß biefer
Hauptzwed fein, fo daß im aͤußerſten Kalle felbft bie
Sprahbildung nur im Dienfte des Ghriftenthums auftreten
muß. Co lange man bei den zeitbefchnittenften Fabrikſchu⸗
fen diefe Einfchränfungen nicht macht, wird man feinen
Zwed, am wenigften den Hauptzwec erreichen. Ob aber
eine religidfe Bildung, die den ganzen Menfchen fo viel
als möglich bearbeitet, durch einige wochentlihe Stunden
erzielt werben könne, mag ber nachfolgende Lehrplan dem
aufmerffamen Leſer näher barthun. Da das Chriftenthum
den größten Antheil an der Bildung zur Humanität hat,
ja, Humanität ohne wahrhafte Verfittlichung des Menfchen
gar nicht gedacht werben kann: fo darf in einer Schule,
Die, gegen eine andere verglichen, nur ben vierten Theil
ber Lerngeit darbietet, nicht etwa auch nur der vierte Theil
von religidfer Bildung gegeben werden, indem halb’ ober
vierteßrefigidg nicht befrdmmigen und. humanifiren Tank:
Dagegen muß dennoch in: einer. Schule son großem Eyflus
die Religiofität um fo vielfeitiger eingemöhnt und behruͤm⸗
det werden, damit der wachſende Geifb: nicht etwa eine Jtei⸗
— 30 —
heit fuche, in.welcher bie NReligiofität ihm als Feſſel, oder
nur ald wichtige Rebenfache oder wol gar ald unnöthig
erfcheine.
„Die Bildung zur Religiofität muß darum
für jede Schule moͤglichſt vollftändig fein; fie
foll den Schüler zu einem Menſchen edler Art,
zu einem wahrbaften Chriften zu erheben fu
hen, und zwar auf eine Weife, bie.mit der übris
gen Öeiftesbildung deffelben in wahrhaft rich
tigem Verhaͤltniſſe ſteht.“
MSetzen wir für den kuͤnftigen Gelehrten einen vier⸗
jährigen Unterricht in der niederen, eben fo lange Zeit in
der höheren Volksſchule, einen vierjährigen Unterricht im
Gymnaſium, und eine eben fo lange Zeit auf der Uni
verfität feit: fo fol er, wenn er auch wirffich vier vers
fchiedene Anſtalten befucht hätte, in jeder das Nöthige
und ihn für die höhere Anftalt VBorbereitende gefunden
haben, ohne daß er auch nur etwas Ueberfluͤſſiges fich
bätte aneignen müflen: fämmtliche Schulen follten und
koͤnnten in ihrer Verbindung ein völlig in ſich abgerunbetes
Ganze bilden, damit der Studierende nicht aufgehalten, und
in der Menfchenbildung eine gewiffe Einheit erzielt würde.
Auf diefelbe Art aber foll derjenige, welcher vom Gymna⸗
fium , oder von der höheren und niederen Volksſchule aus
ins bürgerliche Leben tritt, ein völlig in fich abgerundetes
Ganze mit hinübernehmen, wenn gleich diefes Ganze von
immer nieberer Art if. .
Letzteres koͤnnte nun nid ‚erfolgen, wenn nur jene
ſechszehn Bildengjahre erft ein Ganzed ausmachten; denn
ed wäre aledann die Gymnaſialbildung etwa nur Drei Bierw
tel, die Bildung der höheren Volksſchale nur ein Halb, und
die der niederen Volksſchule ſogar wur ein. Viertel der
ganzen Bildung, und es gäbe dam, wenn Bildung ben
— 1 —
Menſchen macht, auch Dreiviertels Halbs und Viertelmen⸗
ſchen. So ſehr dieſes nun auch in der Erfahrung begruͤn⸗
det fein mag, fo fol eine Schuleinrichtung doch dieſen bes
jammernswerthen Zuftand nicht bezwecken wollen; fie kann
fih alfo für ihren Gefammtzwed nicht mit demjenigen ber
gnuͤgen, was fie einer höheren Anftalt leiften foll — ober,
die Wirkſamkeit einer ‚niederen Volksſchule kam nicht mit
Beendigung des vierten, die der höheren Volksſchule nicht
mit Beendigung des achten, und die des Gymnaſiums, wenn
Ießteres nicht bloß als Vorbereitungsanftalt für die Univer⸗
fität angefehen wird, nicht mit Beendigung des zwölften
Jahres auf den ins biirgerliche "Leben Hbertretenden Schüs
fer aufhören. Jede diefer Anftalten muß zur Erfüllung
ihres Geſammtzweckes ein in fid) abgerundetes Ganze fchafs
fen, und zu dem Ende ald befonderes Wirken das Noths
wendige in Hinficht auf Neligiofität ıc. und Beruf hinzufüs
gen, fo daß wahre Humanitätsbildung erfolgen könne. Dies
fes kann fehr wohl gefchehen, da die Bildung zur Humas
nität nicht fowol in der großen Mafle des Willens und
Koͤnnens, ald vielmehr in der reinen, klaren Auffaffung des
allgemein Nothwendigen, in der harmonifchen Ausbildung
fämmtlicher Anlagen, und in der Beherzigung des Guten,
Edlen und Wahren liegt, und da nicht jeder Stand und
Beruf gleich viel geiftige Vorbereitung erfordert, um frei: und
Leicht in demfelben. wirken zu fünnen. -
Jede Schulart hat demnach eine oder mehre Slaffen
ansfchließlich für fi, und zwar die oberften, welche wir
die Seitenflaffen nemen wollen, und in welchen: das
noch Uebrige im Rüdficht anf Mienfchenbildung und. auf d den
künftigen Stand vorkommt.
„Der Lehrceyklus einer Säule muß barım
„in Hinficht auf daß große Gange. und die Bw
„rufsbildung aufgeſtellt werden, Sn ıhm.wich
— 32 —
seann kein Gegenſtand vorkommen, ben die
„folgende Anftalt ausſchließlich zu bearber
sten hat, damit der ſteigende Schüler dort
„michts Meberfläffiges finde Sn ibm wird
„dann ebenfalls fein vorbereitender Gegen
stand: fehlen, und jeder Schüler wird für fer
„en künftigen Beruf reihlide Ausſtattung
„finden.“
9 „Sämmtlihe Gegenftände muͤſſen der
„geſtalt mit einander wirfen und aufeinander
„folgen, daß eine harmonifhe Bildung zur
„Humanitätmöglichft vielfeitig und tät vor fidh
„sehe, und daß der eine Öegenfandpberan
„dern vorbereite, und, wo möglid, unterftüße.
H „Auch die Eurfe mäffen im Hinblid auf
„das große Ganze und auf die Berufsbildung
„abgeftedt, und es muß eine zwedmäßige Be
„handlung jedes Gegenftandesim Lehrplane
„angegeben werden.’
Man halte das Letztere nicht etwa deswegen für unnd-
thig, daß ohnehin jeder Lehrer eine für feine Individuali⸗
tät paffende Methode auswählen würde,
Die Behandlungsweife eines Gegenftandes hängt nicht
fowol von ber Individualität des Lehrerd, als vielmehr
von der Wefenheit des Gegenſtandes ab, und es kann für
jeden Gegenftand, wenigftens in Nückficht auf ein und ben;
felben Zwed nur Eine durchaus. richtige Methode geben.
Statt des Beitrebens fo fehr viele, Methoden jur befiebigen
Auswahl anzugeben, folte man ſich allgemein bemühen,
bie einzig wahre, die befte Methode für jeden Gegenftanb
anufzufinden, und auf Anwendung derjelben halten. Die
Auffindung der richtigen Methode fcheint mir nicht fo fehr
fhwierig, wenn man die Weſenheit, die Wurde des Gegens
ſtandes, den naͤchſten und den allgemeinen hohen Zweck
deſſelben im Auge behaͤlt, dabei; nur den allgemeinſten,
unbezweifelſten Grundſaͤtzen über Einwirkung auf den jur
gendlichen Geiſt folgt und ſich dann vor allen Ertremen
zu bewahren ſucht. 63
Der Menſch kann ſich cher bequemen, als einenmähfan
zuſammengeſetzte und zart ‘gegliederte Sache, : bie nur ben
lebendig macht, der mit Ehrfurcht ihre Gaben empfängt,
und mit. Siunigfeit. dieſelben gebraucht.
Es zeigt überhaupt wenig Achtung vor Befenfihaft
und Kunft, wenn man die Behandlung berfelben allen. Ss
bividualitäten unterordnnen will, wenn man durch Hunderte
von. Uebungen nur an der Schaale Faubt, und. felbit. ba
von wiffenfchaftlicher Bildung ſpricht, wo nur Brocken, wie
die Brofaamen, die von. des reichen Mannes Tiſche fallen,
zur beliebigen Anfchauung vorgefeßt werden. *
Abgeſehen von dem hohen Namen „wiſſenſch af tlich“
koͤnnen übrigens: wahrhaft ausgeſuchte Brocken .fehr
wohlſchmeckend und naͤhrend ſein, und Achtung vor Koch
und Keller, ſo wie Dankbarkeit gegen den Geber einfloͤßen;
und dieſe Brocken ſind dann oͤfter bei weitem beſſer und
empfehlungswuͤrdiger, als der trockene Teig in ſhhoner
(ſyſtematiſcher) Form.
5) „Der Lehrplan muß ferner auf. die Art
„angelegt werden, daß, wo möglich, jeder
„Schüler zur Roth für jeden Hauptgegenftand
„feine Slaffe finden kann.” Diefes kann nur dann
geſchehen, wenn biefe Gegenftände zu- ein. and berfelben
Stunde durch die ganze Anftalt gelehrt werden ,- ober: wenn
nach Beendung eines Gegenſtandes in .einer- Elaſſe, ein ans
derer Gegenſtand in der nächfifolgenden Elaſſe auftritt,, Der
füch dem beendeten natürlich anſchließt. Dieſes muß wenigſtens
in denjenigen Slaffen, der Fall fein „. die dem großen: Ganzen
c
— 3 —
angehören, ba gerade unter biefen. Schülern die meifte
Berfchiedenheit der Bildung obwalten kann.
Kann ber Lehrer einer oberen Elaffe in irgend einem.
Gegenitande dafelbft nicht unterrichten, oder wünfcht der
Lehrer einer niederen Claſſe diefen Gegenftand in jener Elaffe
zu übernehmen: fo kann ber Wunfch des Lebtern erfüllt
werden, wenn der Eritere um dieſe Zeit in dem Gegenftande
eine untere. Claffe übernimmt. Das Claſſenſyſtem hat in
Hinficht auf die Schulzucht gar zu viel für fih, und das
Fachſyſtem mag wol nur an den obern Elaffen der Gymna⸗
fien, an Univerfiäten und fonft noch in einigen befondern
Fällen vorzuziehen fein. Da aber, wo srtliche Hinderniffe
der Einführung des Glaffenfpftems entgegentreten, muß
jeder Eurfus fo angelegt werden, daß ein Schüler nur
. fehr felten in einem Gegenftande zurücbleiben kann.
9 „Sp nachdruͤcklich Der Lehrplan eine tücdy
„tige Leiſtung verlangen muß, fo Darf derſelbe
„doch weder Lehrer noch Schüler überla
„den; er muß vielmehr beiden Theilen die
„Arbeit möglihft leiht und angenehm mas
„Ken, und dennoch würdig und fiher zumziele
„binweifen.”
Die Anfoderung an gelbte Lehrer, daß diefelben ſich
auf jede Lektion ftundenlang vorbereiten, iſt, in der Regel
genommen, nicht zwedmäßig. Der Lehrer muß fo viel
als nöthig feiner Gegenfiände und deren Bes
handlung Herr fein; eine jedesmalige Angitliche Vor⸗
bereitung fest ihn der Gefahr aus, Vieles zu lehren, was
nicht in die Sphäre feiner Schäler gehört, und was nicht
behaltlich und bildensfähig ift. Man denfe nur an bie feine
Gritifen, die heut zu Tage fchon einem 13jährigen Knaben
vorgefeßt werben. Verlangt man nebenbei zu viel, jo wird
nichts ordentlich geleiftet.
— 35. —
Ich will hier keinesweges dem Fortſtudiren geuͤbter
Lehrer und dem treuen Eifer junger Maͤnner, jeden Gegen⸗
ſtand mit Klarheit und Beſtimmtheit vorzubringen und zu
behandeln, in den Weg treten. Das fei ferne; ich möchte
nur das Vollſtopfen und Klauben verhüten,. bad. nur gar
zu leicht bei Angftlichen Borbereitungen -auf jede einzelne
Stunde erfolgt. Gibt man dasjenige, was man bei treu⸗
em Studium einer Wiffenfchaft gut behält, fo gibt man,
bei nicht vorherrfchender Gedaͤchtnißkraft, das Behaltliche
— und gerade in diefem liegt das wahrhaft Bildende,
Hier fol nun der Lehrplan einer verbundenen niederen
und höheren Volksſchule aufgeftellt werben. Um jedoch auch
hier zwei Gange neben einander zu ftellen, follen zum Schluß
des Ganzen die beiden Seitenflaffen der niederen Volksſchule
angehängt werden. Nach Unterfuchung des Dargelegten und
Ausmärzung der Mängel deffelben werde ich; ben Lektions⸗
plan in feinen Abänderungen nach Maaßgabe ber Zahl der
Slaffen, der Lehrer und Schüler jeder niederen Bolfsfchnle
beigeben.
Der Zweck einer höheren Volksſchule geht bei der Er⸗
hebung zur Humanitaͤt, und bei der Vorbereitung zum Gym⸗
naſium auf die Berufs» und Vorbildung des einſtigen Kauf
mannes , Buraliften, Meß- und Baufünftlers, Mechanifers
Chemikers, Mufifers, Zeichners, Malers ıc. und auf bie
Bildung der Mädchen höherer Stände; — und die Schule
muß darum bemüht fein, allen diefen Zwecken moͤglichſt
nahe zu kommen, ohne irgend einem Schiller etwas Ueber⸗
flüffiges aufzubringen. .
Wenn in diefem. Plane für die zehn verfchiedenen 'BiL
densjahre zehn ſich aufftufende Glaffen angeorbnet, find: fo
ift doch Die Zahl diefer Claͤſſen, mei die Menge der Shi
fer nicht zu bedeutend ift, nicht nothwendig, da jede Claſſe
ihre Schüler zwei bis drei Jahre behalten kanmn.
C vᷣ
_ 36 —
Um aber Verwirrung zu verhäten, darf die Aufnahme
von kleinern Schülern alle Sahr nur einmal Statt finden;
die unterfte Claſſe muß doppelt oder breifach beftehen, wenn
die Schüler zwei oder drei Sahre in einer Claſſe bleiben
follen, und der Namen jeder Elaffe muß bei jedem Wechfel
fih um ein oder zwei Sahre ändern, d. h. es wird nicht
immer baffelbe in ein und derfelben Glaffe gelehrt, — ein Um⸗
fand, der den Schülern ganz gleichgültig, ben Claſſenleh⸗
rern aber angenehm fein fann, indem dieſe ihren Eyflus
dadurch öfter in Etwa verändert fehen. Cine allgemeine
Borfchule thut hingegen hier auch in Etwa gute Dienfte; benn
ein Uebelſtand bleibt e8 allemal, wenn der Schhler nicht mit
jedem Sahre in eine höhere Glaffe ruͤcken kann.
Senen Anforderungen habe ich nun im folgenden Lehr⸗
plane zu genügen gefucht.
Bevor ich aber nun zur Aufitellung dieſes Lehrplanes
übergehe, muß ich noch einige Unterfuchungen von Wichtigs
keit vorbergehen laſſen.
Soll die hoͤhere Buͤrgerſchule da, wo ſie
nicht als Progymnaſium auftritt, in
den alten Sprachen unterrichten?
Bei der Erziehung eines Schuͤlers beabſichtigen wir
feine Menſchen⸗ und Standesbildung ). Sobald der Schuͤ⸗
ler fuͤr einen Stand erzogen werben ſoll, hat er einen
Zwed vor Augen, den nicht Jeder eines andern Standes
mit ihm gemein hat. Diefer Zweck ift mit einem Haupt⸗
produkt, und die aͤußern Mittel, welche zur Erreichung
*) Siehe vorläufig: Ueber den unterricht in der Mathematik.
— 37 —
dieſes Zweckes anzuwenden find, find mit Faktoren dieſes
Produktes zu vergleichen. Das Hauptprodukt iſt als ſol⸗
ches die Summe mehrerer Produkte. Dieſe integrirenden
Produkte koͤnnen dem Hauptprodukte entweder ausſchließlich
angehoͤren, oder ſie koͤnnen auch zugleich integrirende Theile
eines andern Hauptproduktes ſein, wo ſie dann fuͤr beide
Hauptzwecke gemeinſchaftlich ſind. Gleiche Produkte koͤnnen
gleiche Faktoren haben; Ba aber, wo die Produkte ungleich
find, muß wenigftens ein Faktor von anderer Art fein. Je
mehr das zweite Produft aber von dem erften verfchieben
fein ſoll, befto mehr muß fich dieſer eine Faktor ändern.
Diefelbe Bewandtniß hat e8 mit dem Parallefogramm der
Kräfte. Bringen nämlicd, fchon mehrere Kräfte, die Divers
girend wirken, ben fich beivegenden Körper auf ben Weg
einer gewiffen Diagonale: fo muß die folgende Kraft von
einem gegebenen Standpunfte aus verbältnißmäßig ſtark
wirfen, wenn der Weg, ben ein Körper befchreiben foll,
ein von diefem Wege fehr verfchiedener fein muß. Im Alle
gemeinen geht daraus hervor, daß nicht jedes Mittel, nicht
jeder Faktor, nicht jede Stoßfraft, und diefe nicht nad) wills
fürlihem Maße angewendet werden dürfen, um irgend eis
nen Zwec zu erreichen. Daraus geht ferner hervor, daß
man nicht folcye Produfte zu erzieleu trachten dürfe, die
nicht eigentlich integrirende Theile des Hauptprodufteg find,
indem biefe von dem Zwede eher abs als demfelben zufühs
ren. Dente ih mir nun auc, der Menfchenbildung bie
Standesbildung untergeordnet: fo ftehen beide fih doch nies
mals entgegen, ba die letztere tmmer ein Material für die
Menfchenbildung geben muß. Sobald diefes Material für
die, nach Maßgabe der Bildenszeit zu erreichen mögliche,
allgemeine Menſchenbildung nicht ausreicht, wird die Stans
desbildung zu früh, oder doch zu ftarf ind Auge gefaßt. Da,
wo aber Menfchenbildung und Standesbildung gleich zweck⸗
— 38 —
maͤßige Mittel darbieten, ſind dieſe beſondern natuͤrlich den
allgemeinern vorzuziehen, wenn man die Jugendzeit weiſe
benutzen will. Es iſt nicht genug, daß irgend ein Weg
auch zum Ziele fuͤhre, ſondern er muß auf kuͤrzeſtem, aber
dennoch gutem, Wege zum wuͤrdigen Ziele fuͤhren, und das
um ſo mehr, da dieſes Ziel in einer beſtimmten Zeit erreicht
werden muß. Wer lange ausſchließlich einem allgemeinen
Ziele entgegengeht, und dann, wann das Ende ſeiner ab⸗
gemeſſenen Zeit bald da iſt, erſt an ſein beſonderes Ziel
denkt, und dieſes nun in ſtuͤchtiger Eile zu erreichen ſtreben
muß, handelt nicht ſo verſtaͤndig, als derjenige, der das
allgemeine und das beſondere Ziel unverruͤckt vor Augen
haͤlt, und beide moͤglichſt vereint zu erreichen trachtet. Kaͤme
es bloß auf Erreichung eines allgemeinen Zweckes an, und
laͤge nicht in jedem Punkte des Weges dahin ein Theil eines
zu erreichenden beſondern Zweckes: ſo moͤchte es gleich ſein,
auf welchem Wege man zu dieſem allgemeinen Zwecke ge⸗
langte. In dem Schuͤler ſoll aber nicht bloß der Menſch
gebildet werden; er ſoll auch zugleich eine gewiſſe Tuͤchtig⸗
keit zum Eintreten in einen gewiſſen Stand beſitzen, und
zwar eine ſolche, die man ſich beſonders in der Jugend an⸗
eignen muß, um dann als hoffnungsvoller Anfaͤnger in ei⸗
nem Fache ꝛc. dazuſtehen. Dieſe Tuͤchtigkeit hilft fuͤr das
ganze Leben: ſie laͤßt die naͤchſten Zwecke mit Leichtigkeit
erreichen; und der Blick auf ein Hoͤheres und Allgemeineres
wird gerade dadurch freier, daß das Zunaͤchſtliegende nicht
zu aͤngſtlich beſchaͤftigt. |
Wir mollen annehmen, ber Weg zur Gelehrfamteit
führe allen Zielen des menfchlichen Strebens und Thuns
entgegen, fo daß aus einem Gelehrten alles werden koͤnne,
was die menfchliche Gefelfchaft nur immerhin von dem
Menfchen fodern kann: — fo ift der Weg bis zu diefer wirfs
lichen Gelehrſamkeit, und zu biefer Biegſamkeit, nach wels
— 39 —
cher ber Menſch fich in alle Formen fchmiegen Könnte, doch
fehr weit und Eoftfpielig, und wir würden durchgängig nur
ältere und wohlhabendere Leute in jedem Fache anftellen
Sonnen, Ob dieſes rathfam und zu winfchen wäre, wollen
wir ganz übergehen; denn wir fehen fchon, daß biefes
Thun im Allgemeinen für jetzt noch unausfuͤhrbar ift. Darf
man diefen Weg nun nicht immer verfolgen, fo muß man
Doc; irgendwo von demfelben abgehen, und zwar natürlis
cherweife bort, wo zu beiden Zielen, ‚dem allgemeinern
und befondern nicht mehr gleiche Wege binführen, wo bie
Wege anfangen zu divergiren. Diefe divergiren aber nicht
immer; denn auf beiden. Wegen muß ber Schüler feine
Mutterfprache, die Verhältniffe von Maaß und Zahl, ein
edleres Menfchthum, fein Verhältniß zu Gott ıc. kennen
lernen; auf beiden Wegen müffen feine menfchlichen Anlagen
geweckt, feine Menfchenkräfte geuͤbt werben ıc.
Kerner widmet der Spradgelehrte fein ganzes. Leben
ben Sprachen; der Kaufmann, Buralift und Künftler hört
etwa, mit feinem vollendeten 16ten Sahre, oder Doc, dann
mit feiner Spracherlernung auf, wann er für feinen Ge
brauch ein NHinreichendes gefammelt hat. Die Sprade
fann ihm fpäterhin nicht Zweck, fie muß ihm ein Mittef
zu feinem Fortfommen fein. Das ift fie dem Sprachge⸗
lehrten zwar auch, nur mit dem Unterfchiebe, daß diefem
bie Feinheiten der Grammatif, der Rhetorik und Poetik, die
Kenntniß des Charakters eines fremden Volkes c., jenem
aber die Gewandtheit im Verkehr mit Nationen — Ehre, Ver⸗
gnuͤgen und aͤußeres Wohlfein bringen. Freilich fehen wir
auch junge Leute diefer letztern Art um der innern Schdn«
heit dieſer Sprachen willen ein Mehres thun; aber dieſe
find hier, wie in andern wiffenfchaftlichen Segenftänden
nr Ausnahmen, worauf fich Feine alfgemeine Regel bauen
läßt. Selbft diefe jungen Leute behalten dieſes Streben
— 10 —
ſehr felten lange, da es ihrem täglichen Gefdjäfte zu fremd⸗
artig iſt; und faft nie möchte ich fagen, findet man unter
ihnen wirkliche Korfcher , die fich einer Sprache mit Unters
ziehung fonderlicher Meühfeligfeiten hingeben. Diefe Aufs
opferung kann man billigerweife nur von Denen erwarten,
die ihr Leben einem folchen Zweige des menſchlichen Wifs
ſens hauptfächlich widmen.
- Diefe allgemeinen Säge bitte ich nun bei dem Folgens
den ftetö im Auge zu behalten, und gehe denn nun zur
Unterfuchung ber Sache felbft über.
Es ift eine anerkannte Wahrheit, daß fih der Geift
und Charakter eines Bolfes am reinften und unzweideutig⸗
fen in feiner Sprache darftcht; und wer darum ein Bolt
bis in die tiefften Falten feines geiftigen Seins kennen
fernen will, muß auch Die Sprache beilelben genau Fennen
lernen, und dann die Stufe geiftiger Bildung dieſes Volkes
erftiegen haben, weil ihm fonft noch immer Begriffe und
Ideen deſſelben fremd bleiben würden. Ein Mann, ber
nun die Bildung eines ganzen fremden Volkes in fich trüge,
und dennoch, mas nicht allein wünfchenswerth, fondern
nothwendig wäre, feinem eigenen Volke um deswillen nicht
weniger angehörte, demnach 3. B. als Deutfcher bei feinem
Griechen⸗ und Roͤmerthum dennoch ein Achter Deutfcher
wäre, befäße eine fo hohe Bildung, daß man von ihm mit
Recht fagen könnte, er ftände Griechen und Römern auf
den Schultern. Berftände diefer Mann nun den Ariftoteles
und Plato, wie den Kant und Sacobi, den Pythagoras
und Archimedes, wie den Wolf und Keppler, den Tucydides
und Tacitus, wie den Luden, Heeren und Joh. von Müller,
den Demofthened und Cicero, wie den Engel und Reinhard,
den Homer, Sophöfles und NHoraz, wie Schiller, Goͤthe
und Klopftoc sc.: ſo müßte ein ſolcher Mann eine Welt von
Ideen und Gefühlen: feiner Seele tragen; — und bächte er
— 1 —
dabei in der Sprache feiner Nation: fo müßte gerade dieſer
Mann am fähigiten dazu fein, der Sprache feines Volkes
das zugeben, was ihr mangelte, um die vorzuͤglichſte Spras
che zu werden. Da, wo bie deutfchen Geifter ihm zu arm
an Ssdeen und Gefühlen erfchienen, würbe er das Plus bee
Geiſtigen der Alten in feine Sprache bringen, und das
fremde Wort für dieſes Mangelnde übertragen, dazu viels
leicht nur deutfchendig machen, oder ein neues deutſches
Wort dafür bilden, und dieſes der Sprache. zugegebene
Wort fo umftändlich befchreiben, bis daſſelbe dem Lefer
feines Volkes Har und rein vor der Geele ftände. Demod
möchte immerhin ihm Manches eigen bleiben, was er nicht
auszudrücden im Stande wäre. Diefes aber würde num
entweder ganz individuell ihm bleiben, oder er koͤnnte eg,
in fo fern es feine Seele erfüllte, und feinem Handeln und
Darftellen gewiffe Schattirungen gäbe, in feinen Wirkun⸗
gen ahnen laſſen, und auf dieſe Art zum Erftreben dieſes
Vorzugs ermuntern. Ein beutfcher Dichter, oder Philofoph,
oder Mathematiker ıc. wird ſich wenigftens felten über die
Armuth feiner fonft fchon reichen Sprache beflagen; er wirb
vielmehr feinen Vorgängern folgen, und da, wo er ein zeit
ber nie empfundenes Gefühl, oder eine fremde Idee ent
deckt, die er ausdrüden will, dafür ein Wort bilden, und
fich feiner Entvedung und Schöpfung freuen. Dabei wird
er das Bezeichnende doch nicht fo hoch, ald das Bezeichnete
ftellen; denn ift diefes da, ;fo wird jenes leicht gefunden,
und follte er das Zeichen bloß nach dem Gefühle aus der
Luft greifen müffen. Wer würde mein aus der Luft ges
griffenes „Boi“ verachten, wenn ich mit demfelben ihm ein
noch nie empfundenes Gefühl, oder eine zeither ihm noch ganz
unbefannte Idee mittheilte? Hätte ich dieſes Gefühl, diefe Idee
zuerft, und darım gewiß lebhaft und fcharf, fo wuͤrde ich
auch einen möglichft bezeichnenden Ausdrud wählen; und
— 42 —
wäre diefer Ausdrud ein Stammwort, fo wärbe auch in
dem einfachen Worte fchon dieſes Gefühl oder diefe. Idee
anflingen. Hätte ich aber dieſes Gefühl ıc. aus einer an⸗
dern Sprache gefchöpft, und ließe fich daffelbe nicht ges
woͤhnlich deutſch ausdruͤcken, fo würbe ic; das baffelbe
bezeichnende Wort auch aus dieſer Sprache Übertragen. Sich
finde auch dieſes nicht mangelhaft, fondern finde die Achnlich
feit der Sprachen untereinander vielmehr wahrhaft ſchoͤn und
zweckmaͤßig. Wenn die Menfchen doch alle zur Humanität
beftimmt find, und dieſe bei aller Mopifticirung nad) Clima,
Boden und andern Berhältniffen doch auch einen eigenen
Charakter hat: fo erfcheint ed mir fonderbar, warum bie
Sprachen der verfchiedenften Voͤlker nicht wenigſtens auf
einer. höheren Eulturftufe auch viel Gleiches oder Aehnliches
haben koͤnnten. Es gibt demnach Wege genug, dasjenige
feinem Volke mitzutheilen, was ein ausgezeichneter Kopf
ſelbſt klar denkt, und was ein feines Gemüth rein fühlt,
und gefchähe diefes auch auf bedeutenden Lmmegen. Haben
diefes unter andern nicht auch Kant und Schelling gethan ?
Die Behauptung Vieler, daß Ueberfeßungen immer Stuͤm⸗
pereien bleiben, wie wir folches nicht an den Ueberſetzun⸗
gen von Garve und Schiller fehen, mag demnach wol zu
gewagt fein, ba die Anfoderung an die Wortlichkeit einer
Ueberfeßung unnatürlich fein mag. Wenn die deutlichen
Gedanken und Empfindungen eines vorzüglichen Originals
möglichft deutlich wiedergegeben werben: fo hat die Ueber⸗
feßung ſchon Werth; und wenn dabei die Außere Form
edel, und der Schönheit und dem Geifte der Sprache anges
meflen erfcheint, fo gehört fie ſchon nicht zu den fchlecdhten
Produften. Man macht im Allgemeinen fo große Lobeser⸗
hebungen von ben Borzägen alter Sprachen in Ruͤckſicht
auf den Lant der Wörter und auf die Gonftruftion der
Perioden; — und wenn nun ein Johannes von Müller den
— 13. —
Tacitus, und ein Boß den Homer nachahmt, und dieſe hohen
Borzüge verfelben auch unfrer Sprache anbiegen wollen, fo
fpricht man von gerabebrechtem Deutfch, von Vernachlaͤßi⸗
gung gewohnter Regeln. Auf biefe Art werden die größten
Männer, die den Alten und Neuen auf den Schultern tes
hen, freilich wenig Luft haben, fich dem hoͤchſt undanfbaren
mühfeligen Gefchäft zu unterziehen, um unfre Sprache zu
vervollkommnen, ihnen Die Vorzüge ber Alten weiterhin
mehr und mehr anzueignen, und ein eblered Griechens und
Roͤmerthum mit dem edlern Deutfchthbum zur hoͤchſten Hus
manität zu vereinen. Die deutfchen Philologen erheben im
Allgemeinen die vofalreihern alten Sprachen wegen ihrer
Bolltönigfeit, Zartheit und Feinheit bis zum Speal, und
vielen derfelben erfcheint unfre Sprache als ein Webers
bleibfel der Barbarei. Abgefehen davon, daß man mit
unfrer Sprache auch unfre Sndivibnalität verachtet, muß
ich doch fragen, worin denn ein wirkliches Griterium Des
Sates liege, daß eine volfalreichere Sprache ſchoͤner ift,
ald eine foldye, die mehr Confonanten gebraudht? Das
Barbarifche unfrer Eonfonanten finde ich wirflid; weder in
Schiller, Wieland, Goͤthe und Tiedge, nod in Engel,
Garve, Lefling und vielen andern Deutfchen. er ents
fcheidet, ob ein gebildetes Volk eines künftigen Sahrtaufende,
unfre Sprache, denen der Alten auch dem Laute nach nadys
feßen wird? Sollten die ſchoͤnen und großen Gedanken, bie
erhabenen Gefühle von Hoheit, Gemwandtheit und Kraft ıc.
die ein gelehrter Philologe doch hauptſaͤchlich an unſrer
Quelle in den alten Sprachen fucht, nicht auch in Hinficht
auf den Laut um Bieles beſtechen und beftochen haben? Und
— wenn wir ed zugeben, daß eine vofalreichere Sprache
vielleicht eine höhere Stufe von Humanität verräth; warum
nehmen unfre Dichter, Philofophen und Künftler Anftand,
unfrer Sprache da Flangreichere , volalreichere Grundwoͤrter
— 44 —
zu. geben, wo und noch Ideen und Empfindungen gebilbeter
Bölfer, oder die eines höheren Zuftandes ber Cultur fehlen?
Warum greift: denn der Schwindel, jedes wahrhaft fchöne,
volltönende und -oofalreichere fremde Wort aus unfrer
Sprache zu verbannen, immer noch fo fehr um ſich? Warum
fprechen da nicht Männer von hohem geiftigen Anfehen
duch? Stehen denn die Säulen der Eultur eined Volkes
da, um fich nur felbft zu tragen? Sollen Diejenigen Mäns
ner, die das edlere Griechensund Roͤmerland nad) Deutfch-
land verfegen könnten, in Deutfchland .nur über bie Abwes
fenheit des fremden Elimas Hagen und ſeufzen, ober vors
nehm höhnen, da fie mit den Fittigen des Fregatten bald
dieſem, bald jenem Lande, zueilen koͤnnen, um in allen Cli⸗
maten die fchönften Tage zu genießen? Dover follen fie bes
müht fein, auch hier ein fchöneres Clima zu erfchaffen,
Damit Andere mit immer größerer Leichtigkeit auch dieſes
empfinden koͤnnen? So lange ed noc heißt: Komme mit
nad; Rom und Athen, um dort zu genießen, ich will
dir nach und nach dazu Flügel größerer Art fchaffen, fo
fange Tann der Genuß nur bei Einzelnen ftatt finden, und
zwar hauptfächlich nur bei Solchen, die ihr Leben dem An⸗
bilden folcher Flügel widmen; und indem ihnen einzelne
Neugierige und Wißbegierige Mühe und Zeitverfaumniß
vergüten, haben fie felbft Gelegenheit in jenen Glimaten zu
fchwelgen. Bringt und das Clima her, und ihr
nüßt Jedem im Volke, und ſchaffet dadurch ets
was Bleibenderes, das und nicht Durch eine
einmal eintretende unwiffenfhaftlidhe Zeit
genommen werden fann. Was einmal in unf
rer Sprache liegt, rottet ein barbarifches Sahr:
tauſend niht gänzlih aus; was aber jedem
Einzelnenfremdesangebildetwerdenmuß, fann
für das. Allgemeine in einigen Benerationen
— 45 —
ausgehen! — Griechenland und Rom bauten ihre Spra⸗
chen fuͤr die Ewigkeit, und wenn ihnen das weſtliche Europa
und Aſien Vieles verdankt, ſo waren ſie gewiß weiſe genug,
auch von dieſen Laͤndern Manches anzunehmen, was ſich
jetzt nicht mehr nachweiſen laͤßt; denn ein Weiſer gibt nicht
nur, ſondern ſammelt auch, wo er kann, zu neuen Gaben.
Der aͤchte Stamm mag immer den alten Namen behalten,
damit man das Land wiſſen und ehren koͤnne, wo derſelbe
heimiſch war; ein anderes Clima wird denſelben in Etwa
veraͤndern; und pfropft man dieſen, um ihn mit andern
edlen heimiſchen Fruchtarten zu verfchwiftern, fo mag das
immerhin geſchehen; ein ſolcher Nachkommen wird um ſo
leichter dem ganzen Charakter des Climas ſich anſchließen.
Trotz aller Behauptung Vieler, man koͤnne den Geiſt eines
Claſſikers in einer Ueberſetzung, die doch ſtets jaͤmmerlich
bliebe, nicht in eine andere Sprache uͤbertragen, hat unſer
Volk den Griechen und Roͤmern gewiß unendlich viel zu
verdanken. Mag es immerhin ſein, daß gewiſſe Toͤne,
Silben, grammatiſche Regeln ıc. nicht geradezu in unfre
Sprache übergetragen werben fünnen; aber die reineren,
höheren Anfichten, die fchönen, fchärfer begränzten Ideen,
die jugendliche Frifche, infofern ſolche ausgefprochen und
deutlich nachempfunden werden Tann, dieſes und noch mans
ches andere kann der geiftoolle Ueberfeßer wiedergeben, und
den höchiten Zweck der Sprache, die Humanität befördern.
So lange wir nun noch fortwährend für. das Allgemeine
aus dem alten edlen Griechen» und Roͤmerthum zu fchöpfen
haben, fo lange müffen auch immerhin noch Sünglinge zu dieſem
Born geführt werden, damit diefe ald vielleicht ausgezeich⸗
nete Männer einſt unfer Land mit unbefanntem Schönen
bereichern: Wie foll aber diefed mit fchnellem Erfolge bes
werfftelligt werden,. wenn nur einer engen Kafte das Bors
recht zugeftanden, und uur ihr Gelegenheit gegeben werden
— 46 —
jollte, an! diefen Born zu treten. Ausgezeichnete Talente find
allenthalben zerſtreut, und diefe laſſen fich nicht immer mit
Sicherheit auswählen. Es muß auch diefem Talente Gele
genheit und Wirkſamkeit gegeben werben, um dieſem For⸗
fen obzuliegen; und da nun auch biefes Hinführen zu dem
Born ſchon außerordentlich bildend für Seben fein muß, fo
darf der Unterricht in den alten Sprachen nicht zu fehr be
fchräntt werden, wenn man den angegebenen hohen Zweck,
der anf feine andere Art zu erreichen ift, nicht fiindlichers
weife aufgeben will..
Bei folchen Menfchen aber, die fich von vorne herein zur
Erlernung eines Gefchäfts beftimmen, das aller Erfahrung nach
feine weitere Gultur der alten Sprachen in dem Individuum
geftattet, und dieſe nicht zu dem Geifte der Sprache zuläffet,
wäre ed unzweckmaͤßig zu verlangen, daß auch diefe ſich mit
Erlernung der alten Sprachen befaffen follten. Hier find
meine näheren Gründe,
Wie bereits erwähnt, hat der Gefchäftsmann bei der
Sprachenerlernung einen ganz andern Zweck, ald ber
Sprachgelehrte. Sener beabfichtigt nur, ſich Nationen vers
ftändfich machen zu können, und wenn er zugleich Gefühl
für die innere Schönheit einer Sprache hat, fo fucht er ſich
richtig, beftimmt und mit Anftand in derfelben auszudruͤcken.
Dabei ift ihm der Ban der Sprache an fi, die Feinheit
ihrer Grammatif, die geiftige und törperliche Berwandfchaft
mit andern Sprachen ıc., alfo ihre innere Schönheit in ber
Regel mehr gleichgültig. Wenn er es nur fo weit bringt,
daß man in dem heimigen oder fremden Volke ihn für eis
nen gebildeten Mann diefes Volkes halten Tann, fo hat er
feinen ganzen Zwed erreicht; er will nicht mehr, ‘weil er
nicht mehr nöthig hat, um fich.auf. eine angenehme Art: vers
ftändlich zu machen. Diefes ift, an fich betrachtet, auch
durchaus nicht zu tadeln, denn nicht jeder Menfih Tann
— 1 —
und fol den Zweck beö eigentlichen Sprachgelehrten haben,
Wie könnte es nun einem folchen Menfchen auch nur auf
das Entferntefte einfallen, eine ſolche Sprache zu lernen,
die er in ber Zukunft nicht gebrauchen kann; und wie fehr
wird er fpäterhin die Zeit bebauern, bie er zur Erlernung
derfelben, verwenden mußte. Findet man dieſes unbillig und
gemein, fo tadelt man ben angeführten Zwed, den man
aber durch alle philofophifchen Erclamationen nicht ändern
wird, eben weil er ein natürlicher if; man würde. dann
etwas Natürliche unbillig und gemein nennen, und Demnach
in eine lingereimtheit verfallen. Der Gefchäftsmann wird
es demnach vorziehen, ftatt der alten, lieber neue Sprachen
zu lernen, und wir wollen unterfuchen, ob er darin aud),
in Ruͤckſicht auf die zu erzielende Menfchenbildung, unrecht
hat.
Betrachten wir die Hebel: des Geiftes, welche in der
Erlernung einer Sprache liegen, und vergleichen wir diefe
der alten und neuen Sprachen miteinander: fo werden wir
darüber ein fhärferes Urtheil zu fällen im Stande fein,
ale wenn wir die ganzen Maffen gegen einander halten.
Die vorzüglichften Hebel des Geiftes liegen in dem Woͤrter⸗
fhaß der Sprachen, in den grammatifchen Regeln, in dem
Aefthetifchen, das fich fchon in diefem anbietet, und in dem
Material, in dem Inhalte felbfl. Diefer Inhalt ift wies
derum ein befonderer, der dem Volke eigenthuͤmlich ift, oder
er ift ein allgemeiner, den jedes Volk fich aneignen kann,
ohne feine geiftige Selbftftändigfeit zu verlieren. Betrachten
wir nun zunächft den Wörterfchab der alten und ber neuen
Sprachen mit einander, fo bieten fich zunächft in beiden —
Laut, Bildung und Bedeutung derfelben unfrem Blicke dar.
Bei diefer Vergleihung wird man mir doch ohne Weiteres
den Erfahrungsfag zugeftehen, daß man vier neue Sprachen
in der Zeit lernen koͤnne, in welcher man die beiden alten
— BB —
lernt. — Man rühmt an den alten Sprachen die Schönheit
des Vokalreichthums und die wunderfame Stellung der Sons
fonanten ihrer Woͤrter. Hat denn etwa die fpanifche und
ttalifche Sprache weniger Vokale; und klingt die erftere, wie
mir deucht nach Arndts Verficherung, nicht eben fo fchän oder
noch fchöner, als das Lateinifche und Griehifche? Wenn
Schmitthenner fagt, er möchte in der griechifchen Sprache
philofophiren, in der lateinifchen reden und in der fpanifchen
beten: fo findet er offenbar in den Lauten, um die es fich
hier doch hauptfächlich handelt muß, mehr Erhabenes und
Inniges, als in den alten Sprachen. Das Erhabene und
Imnige bildet natürlich am meiften, weil «8 mehr ergreift,
und dann wären die Laute der fpanifchen Sprache noch bil-
dender, zumal da man mit 16jährigen Knaben nody nicht
viel philofophiren kann. MUebrigens kann der Sinn für
Schönheit der Laute in jeder Sprache geweckt und genährt
_ werden, und wir wärben felbft in unfrer Sprache neben
den fogenannt häßlichen Zifchlauten eine große Menge der
volltönendften Worter finden, wenn wir diefelben nur mit
ber Begeifterung, wie in den alten Sprachen fuchten. Selbft
in der Zufammenftellung diefer Wörter gibt es zahlfofe Bei-
fpiele, die man dem Boffifchen Ausdrud: „Hurtig, mit Dons
nergepolter entrolfte der tücdifche Marmor‘ nicht unwuͤrdig
zur Seite ftellen koͤnnte. Die Bildung der Wörter, nämlich
die Auffindung der Wortfamilie durd; Ableitung und Zus
fammenjeßung, fo wie der Synonimen finden wir in der
griehifchen Sprache nach dem Urtheile der gründlichften
Kenner bis zum Bewundern fchönz aber fteht denn etwa bie
deutfche Sprache hierin nach? und ift es denn wirklich zur
Bildung des Geiftes nothwendig, dieſe allenthalben in dem
Maaße zu finden? Ich denke, fchon eine Sprache, weldje
diefe bewundernswuͤrdige Eigenfchaft im hohen Grade 'hat,
Tann mehr Material zur Bildung diefes Gefühle und biefer
— 49 —
Idee geben, ald man nöthig hat, um biefelbe mit aller
Fälle des Gemuͤthes und. des Verſtandes aufzufaflen ; und
wenn wir diefe Eigenfchaft nicht allenthalben in ben neuern
Spracen finden, fo finden wir ſie doch hier und bort, und
finden zugleich andere Mittel, wodurch diefer Mangel wes
nigftens in Ruͤckſicht auf Bildung des Geiſtes gewiſſermaßen
erſetzt wird.
Die Bedeutung der Woͤrter bietet in jeder Sprade
eine fo große Maffe von Material dar, daß man gewiß
nicht bei 16jährigen Schülern in Berlegenheit geräth, um
Bedentung der Wörter und ihre Unterfchiede auffuchen zu
Jaffen, wenn man nur immer fohwerere. Bücher auswählt.
Wo für die Bildung des Scharffinnes unfre Maſſe von
Synonimen ‚nicht ausreichen follte, da koͤnnen die Franzoſen,
Engländer, Spanier ıc. noch nachhelfen! — Sch glaube der
Lehrer wird fich über den Mangel diefes Materials nie zu
beflagen Urſache haben; und wenn jedes Wort als vorzügs
lich doch nur eine beftimmte Empfindung, oder Idee, ober
einen beflimmten Begriff bezeichnen darf, fo fehe ich ‚wies
derum nicht ein, warum berfelbe Begriff ıc. in den alten
Sprachen bildender, als in den neuern fein fol. . Was nun
übrigens noch die Bildung des Gedächtniffes, der Phantas
fie, des Gefühle und des ſchon berührten Scharffinnes ans
geht: fo muß Jeder ohne Widerrede mir beipflichten, daß
hier fein Unterfchied obwalten inne, weil alte und neue
Sprachen darin eine fo große Mafle von Material aufbies
ten, daß folches mit dem Schüler unmoͤglich verarbeitet
werden fan. Nehmen wir die ärmfte Sprache einer Fultis
virten Nation, fo würde ein: denfender, für diefe Sprache
begeifterter, Kopf Mittel ‚genug in Händen haben, einen
Schüler bis zum vollendeten fechszehnten Jahre zur Bildung
dieſer Geiftesfräfte Nahrung genug zu geben. Wir braudyen
überhaupt bei.der Maffe von. Material wirklich. nicht. um
d
Gelegenheit zur formellen Bildung. des Geiſtes beſorgt zu
fein, wenn nur jeberzeit das Dorzügliche dazn benfend bes
nubt wird,
Wir kommen mim zur Vergleichung der Grammatik
alter und neuer Sprachen. Dieſe theilen wir zunaͤchſt in
die allgemeine und beſondere. Was die allgemeine Gram⸗
matik betrifft, fo liegt dieſe ſowol den neuen, als ben after
Sprachen zum Grunde; und alle Borzäge, welche diefelbe
Barbieter,, kontmen demnach auch der Erlerummg jeder Spra⸗
we zu Gunſten. Die beſondere Grammatik ift wiederum
gewiſſermaßen philoſophiſch: es find Negeln aus dent Geifte
der Sprache, oder file find nur nady der Analogie des Koͤr⸗
perlichen: es ſind Außere Regeln des Sprachkoͤrpers. Was
die philoſophiſchen Regeln betrifft, fo leiſtet umfre Gram⸗
matik hierin ſchon ein Ueberſchwengliches, und für fechszehn⸗
jaͤhrige Knaben wird ſich nebenbei ti den andern zu erler⸗
nenden Sprachen ſchon Mittel gemig finden, diefe anf das
vollkommenſte zu uͤberfaͤttigen. Die Regeln des Sprachkoͤr⸗
pers aber ſind nur fuͤr das Gedaͤchtniß, und koͤnnen keine
Vorzuͤge darbieten, indem wir doch erſt dann eine Regel
ats beſonderes Bildungsmittel ſchaͤtzen kͤnnen, went fie in
dern Sprachgeiſte ihre Begruͤndung findet. Es iſt demnach
über die Vorzuͤge der Grammatik alter und neuer Sprachen
in Ruͤckſicht auf Bildung naͤmlich, nicht zu ſtreiten, wenn
gleich dieſes wol der Fall fein koͤnnte, wenn man Den alten
Sprachen bloß die franzoͤſiſche oder hollaͤndiſche entgegen⸗
ſtellen wollte. Die deutfche Sprache aber in Verbindung
mit einer anderen der neueren, oder mit zweien derſelben,
laͤßt den Vergleich, wenigſtens .in Benutzung derſelben für
15 bis 16jaͤhrige Schuͤler, ſchon aushalten.
Daß die Grammatik der alten Sprachen abgeſchloſſen
iſt, wird man hoffentlich nicht fuͤr einen Vorzug erklaͤren
wollen, wie freilich Viele ſolches thun; aber der groͤßte
— 541 —
Vorzug einer Grammatik beſteht im feiner Sprachphiloſophie,
und dieſe laͤßt ſich nicht abſchließen. Freilich haben dieſes
bie Franzoſen verſucht; aber, was haben fie dadurch ges
wonten? Eleln und die Regeln der. franzsfifchen: Sprache
nicht im Durchfchnitt an. Verhält ſich ber befondere gramm
matiſche Theil der Franzoſen zu ber unfrigen nicht etwa wie
der Gruß, den. Kod, und Keller bereiten, zu Dem, ber
uns der Gemeinfchaft mit geiſtigen Herden hervorgeht?
Pollen die Franzofen eine geiftigere Grammatik haben, fo
muͤſſen fie ihre Sprach⸗Akademie verabſchieden, ober bie
Glieder derfelben muͤſſen ald Sprachphiloſophen auftreten.
Es iſt freilich fchwer, mit Beſtimmtheit zu fagen, was aus
den alten Sprachen geworben wäre, wenn beide noch Ichten,
ba die Fortbildung ꝛc. einer Sprache von zu. vielen Um⸗
ftänden abhängt, um anf biefelbe von andern. Sprachen
analog fihließen zu koͤnnen. Dft kann ein einziger Mamn,
der Auf Irrthuͤmer in der Weiterbildung aufmerffam macht,
wieled Ueble verhindern und viel Gutes fördern. Uber es
laͤßt füch doch benten, daß vortreffliche Köpfe, .wie foiche,
die die zeither mit Feinheit und Schärfe aufgeftellten Regel
gefunden haben, beim Fortfchreiten ber Sprache noch ide
dergleichen aufgefunden hätten, und daß die Grammatik
ungleich viel gewonnen haben könnte, wenn die Alten nämlich
nicht auch eime Academie francaise anfgefteht haben moͤch⸗
ten. Uns Deutfcyen thäte es aber mit ber Zeit fchier Roth
eine fihtende Akademie aufzuftellen, um zu. Athem zu
fommen, und ben Spreu yon dem Waizen zu fondern. Wäre
es doch beſſer, man flritte ſich einmal über die Principe;
nad) welchen eine Sprache wirklich verbefiert wisd, als
baß Jeder nach eigengewählten Principen gleich Regeln aufs
ſtellt. Freilich gehen unſre Sprachforſcher feit Vater und
Seidenſtuͤcker phitofophifcher zu Werke, als vor dem Auf⸗
tritt dieſer Seilter, wo man 3. B. das o.in Kopf aus
d *
— 52 —
ſprechen wollte wie in Hof, wo der Laut ſogar dem Buch⸗
ſtaben untergeordnet ſein ſollte.
Was weiter das (Aeſthetiſche) Schöne, Edle und Er⸗
habene in Anſicht und Darſtellung der Alten und Neuen
angeht, ſo gebe ich gern zu, daß in den alten Sprachen
ſich eine beſondere Friſche des jugendlichen Geiſtes, ein An⸗
tikes ausſpricht, welches keine neue Sprache zu geben im
Stande ſein mag; aber man wird doch auch nicht ungerecht
gegen die Claſſiker der Deutſchen, Englaͤnder, Spanier,
Italiener und Franzoſen ſein wollen. Dieſen in ihrer Ge⸗
ſammtheit das Schoͤne, Edle und Erhabene abſprechen,
wuͤrde ungereimt ſein. Da die meiſten dieſer Claſſiker, wenn
nicht alle, ſich an Rom und Athen gebildet haben, ſo muß
man doch ſchon von vorne herein glauben, daß ſie viel
Vorzuͤgliches von dem Geiſte der Alten in ihre Sprache
uͤbertragen mußten. Wenn nun noch die Erfahrung genug⸗
ſam lehrt, daß die Gelehrten, die ſich einem buͤrgerlichen
Fache widmen, ſchon ſeltener von den ausſchließlichen Vor⸗
zuͤgen der Alten angeweht werden, und ſpaͤterhin, der an⸗
derwaͤrtigen Geſchaͤfte wegen nicht weiter ſtreben: ſo mag
es leicht abzunehmen ſein, daß fuͤr Erſtrebung dieſes Hohen
von ſolchen Schuͤlern noch weniger gewonnen wird, die
ſchon mit dem 15. bis 16. Jahre die alten Sprachen ganz
bei Seite legen wuͤrden. Der Knabe faßt den Geiſt und
Charakter eines Volkes noch nicht in ſeinen Feinheiten auf:
ihm muß noch zu viel von dem verſchwiegen werden, was
einem Menſchen, der noch nicht fuͤr eine moraliſch, religioͤs
ideale Welt lebt, Antrieb zu Handlungen wird; ein Knabe
weiß noch nicht, was ſich alles in eines Mannes Bruſt
bewegt; er faßt den Menſchen in dieſen Feinheiten nur
noch theilweiſe auf, und das Feinſte deſſelben muß ihm
entgehen, da es ihm dazu.noc- an Gemuͤth fehlt. Dieſe
hohe Eigenfchaft der Seele entwickelt fich in einem gefunden,
— 53 —
fräftigen Menfchen am Tangfamften , zeigt fich erft in bem
Juͤngling, und erft in dem Manne geht fie ihrer Bollendung
entgegen, wenigſtens follte fie ed. Wir achten den Mann
von Berftand, wir verehren den, ber in ber Welt ber
Ideen mit Erfolg und Sicherheit Daherfchreitet; aber es
geſellt fich Diefer guten Meinung unfre Liebe bei, menn wir
finden, daß er auch zugleich ein zarted, feines Gemuͤth
hat, das von der Manneskraft gehalten wird. In dem
Knaben fchlummern diefe Kräfte: der gute Unterricht wecket
ihm den Berftand und gibt ihm eine Ahnung von der Ideen⸗
und Gemuͤthswelt; bei dem Juͤngling ift der Berftand- this
tig, die Vernunft erwacht, und die Ahnung von einer Ges
müthswelt tritt näher; bei dem jungen Manne find beide
erftere Kräfte in voller Thätigfeit, und das Gemuͤth tritt
wie eine erwärmende Sonne hervor, die ihre milben Gtrabs
fen allenthalben umherſendet — und fo nähert ſich der reifende
Mann feiner Bollendung. Dem Weibe wird das Gemüth
fhon in der Jugend ein Leitſtern, wie eine zweite Vernunft.
Nur derjenige vermag ein Volk in feiner Ganzheit aufzus
faffen, in welchem Berftand, Vernunft, Phantafie und Ges
müth einen hoben Grad von Ausbildung erlangt haben,
und das ift bei dem Knaben von 15 Sahren noch nicht zu
erwarten. Freilich gibt es hier Ausnahmen; aber auf Aud«
nahmen kann und darf man feine Regel bauen.
Sehen wir nun noch das Material an, Das und in
den Haffifchen Schriften, befonders in Ruͤckſicht auf Philos
fophie,. Theologie, auf Wiſſenſchaft und Kunft, Furz auf
Humanität dargeboten wird: fo ift Doch wicht zu leugnen,
daß die. Welt in diefen Stüden den Alten 'größtentheils auf
den Schultern fteht, und daß um deswillen Fein allgemeines
Studium der alten Sprachen verlangt werden Tann, wes
nigftend nicht non folchen, Die‘ doch nur im ben Anfängen
derfelben ftehen bleiben müßten.
— 54 —
Die lateiniſche Sprache iſt ferner die allgemeine Ge⸗
lehrtenſprache, und darum für jeden Gelehrten von großer
Withtigfeitz denn fie umſchliugt Bas ganze gelehrte Europa
und Amerika zu einer großen geiftigen Gemeinfchaft. Zu
biefer Gemeinfchaft kann fih aber der Kaufmann als ein
folcher nicht erheben: und eben fo wenig, als ein deutſcher
Kaufmann um feiner Sprache 'wilfen in die Gemeinfchaft
Beuticher Gelehrten aufgenommen wird, eben fo wenig
würbe bie Kenntniß ber Gelehrtenſprache ihn sum Gelehrten
ſtempeln. Der Kaufmann will dem Raufmanne und dem
Bolfe uͤberhaupt verftändfich fein, und dazu kann ihm die
lateiniſche Sprache nichts helfen. Freilich ift Die Tateinifche
Sprache Die Mutter der franzöflfchen, italiänifchen, fpanifchen
ned zum Theil auch der englifchen, und wer es auf Die
Erlernung diefer vier Sprachen abgeſehen hätte,. würbe
jene zum Grunde legen koͤnnen; aber dann möchte es auch
mehr auf die Exlermung der allgememern Grammatik und
befonder® auf die Maſſe yon gemeimbrauchliden Woͤrtern,
als auf die Eigenheiten der lateiniſchen Sprache in Hinſicht
auf Fonſtruktion, Feinheit ber beſondern Regeln un
Wendungen, und den Geiſt und Charakter des roͤmiſchen
Molkes ankommen. |
>88 märe ſehr zu wänfchen, daß dasjenige Element ber
deutfchen und lateiniſchen Sprache ala Wentterfprachen in
aller Kürze im Woͤrterbuch : und “allgemeinen Grammatik
zuſammengeſtellt würbe, welches die Erlernung ber neuern
Sprachen erleichterte. ‚In. aller Kürze, fage ich, da Diefe
Bufammenftellung nichts weiter, als rin Huͤlfsmittel zu eis
gem zu erftrebenden Ganzen werden foll. Alles, was ber
Iateinifchen und dentſchen Sprache ausfchließlich gehörte,
kaͤme hier nicht in Betracht, und wäre es noch fo ſchoͤn
und bildend; denn Dann traten fie nicht mehr als bloße
Mittel auf, und über der Schönheit des Weges wärbe
— 55 —
dann wieder das Ziel vergeſſen. Dieſes Sprachelement
koͤnnte dann in der unterften Claſſe unſrer hoͤheren· Schulen,
ſowohl von denjenigen, die ſich den alten, als die ſich den
neuem Sprachen in ‚ber Zukunft widmen wallten, wit Deut
noͤthigen Aufwande von Zeit zweckmaͤßig seingeubt werden,
und es wuͤrde gewiß beiden ſehr nuͤtzlich ſein. Mer
aber nur Eine fremde neue Sprache oder hoͤchſtens zwei
erlernen :wullte, wuͤrde thöricht Handeln, wenn er ‚einen
großen Theil feiner Schulzeit zur Erlernung der lateiniſchen
und griechiſchen Sprache gebraudıte, um fnäterhin Sprachen
zu lernen, die er in. dieſer Zeit fich ſchon hätte ‚aneignen
koͤnnen. Ein Knabe muß, wenigftend im Allgemeinen, 5.6
Ssahr gegen 6 Stunben wöchentlich ſich der Iateinifchen Sprache
widmen, wenn .er nur. etwas Mittelmaͤßiges .in derfelben zu
Stande bringen mil. In dieſer Zeit kann er es ‚aber in
zwei neuen Sprachen fihon fo weit bringen, Daß er ſich
ſelbſt zu helfen im Stande it. Manche, die gleicher Meinung
mit mir gewefen find, haben, wie fie jagen, den Unterricht
in alten Sprachen für eine höhere. Bürgerfchule ‚ausgefchlofs
fen, und verfichern ,. fie :hätten. nach .angeitellter Probe Mar
eingefehben, daß fie. die ‚gewöhnliche Schulzeit ‚nicht hätten
ausfüllen Finnen, oder, daß bie an den alten Sprachen
nicht theilnehmenden Schüler, in: den andern Gegenftänden
nicht ‚weiter :gefammen wären, als diejenigen, welche zus
gleich ‚griechisch und. Latein gelernt hätten. Wie wenig man
fich auf ein ſo obesflächiges Erproben verlaſſen dürfe, ‚geht
Heim erſten Blicke auf die ‚mit Ehre beſtandenen Philantro⸗
pine hervor. Man:hat zwar die Abneigung dieſer Schulen
wor den alten Sprachen. aus dem Grunde anit Recht geta⸗
Det, daß dieſe die alten Elafliter von den neuem ſchon
zrreicht glaubten; aber fein. vielſeitiger Phdagoge: wird Ihnen
den Vorwurf machen, daß fie die Jugendzeit Dr Schäfer
wertaͤndelt hätten. Dabei hat der. wiffenfihaftliche Unterricht
ſeit Entftehung ber Philanthropine außerordentlich gewonnen,
und ich..begreife nicht, wie ein denkender Pädagoge, ohne zu
erröthen, allen übrigen Gegenftänden des wöchentlichen Uns
terrichts in ihrer Geſammtheit nicht 3bis A, oder auch 10 —
12 Stunden zutheilen könnte, ohne im mindeften auf den
Gedanken an Zeitverfchwendung zu gerathen. Wer von
allen wiflenfchaftlichen Gegenftänden nur einen Ueberblick
geben wollte, wuͤrde freilich für diefelben fehr wenig Zeit
gebrauchen; ber aber zähle fi) doch den Pädagogen nicht
bei. Ein anderer Grund der Falichheit dieſer Probe mag darin
Siegen, daß jene Erprober entweder feine neue Sprachen an
die Stelle der alten treten ließen, oder baß fie Diejenigen Schits
Ser, welche nicht Latein und Griechifch Ternten, nur für diefe
Zeit befchäftigten, und daß dieſe alfo in der Zeit falt
nichts thaten, in welcher Die übrigen Mitfchüler die alten
Sprachen lernten. Eine Einrichtung der letztern Art aber
ift an ſich verderblih, und macht feine vernünftige Probe
and. Auf folche Art wird fich nie etwas Gutes erproben.
Können. denn fammtliche Schüler nicht in Alts und Neu⸗
ſprachſchuͤler getheilt, und zu ein und derfelben Zeit nicht in
ihren Sprachen unterrichtet werben? Wenn die Lateinifche
Spracde ein fo außerordentliches Huͤlfsmittel zur Erlernung
mancher neuern ift: fo muß es dem Altfprachfchäler nicht
fchwer fallen, eine folche neuere Sprache, wie etwa die
franzöfifche, fpäterhin. zu Iernen. Und koͤnnte man zur
Noth die franzsfifche Sprache nicht gemeinfchaftlicy betreis
ben? - In beifolgendem Plane ift das eritere aus leicht zu
erachtendem Grunde vorgezogen worden.
Aus dem bisher. Gefagten will und kann ich feine ans
dere Folgerung ziehen, ald daß die alten Spradyen von
Solchen nicht weiter gelernt werben müffen, bie fidy nicht
laͤnger, ale bis zu ihrem 16ten Lebensjahre mit denjelben
befchäftigen wollen, da die Möglichkeit bei denen nicht am
— 17 —
Tage liegt, daß fie und Sprach» und Charakterſchaͤtze der Alten:
holen follten; daß: fie Über dem Streben nach einem von
ihnen nicht zu erreichenden, nicht zu beabfichtigenden Ziele,
nicht ihren wahren Zweck aus den Augen verlieren dürfen;
da alddann die allgemein wiffenfchaftliche Bildung im en⸗
gern Sinne tüchtiger zugeftrebt werden fann, und die Mens
fchenbildung darunter nicht leidet, Den befondern Nuten,
den das Studium ber alten Sprachen als folcher gewährt,
muß die höhere Bürgerfchule den oberften Elaffen der Gym⸗
naften, denen fie ald Progymnaſium vorarbeiten foll, muß
das Gymnaſium großentheils der Univerſitaͤt, und felbit diefe
dem miühevollen Privatſtudium des reifenden Mannes, und
zwar wiederum großentheils überlaffen — im Falle nämlich
Diefer Nuben in feiner bedeutenden Größe erfolgen foll, Je⸗
der Philologe wird mir das Lebtere zugeben, wirb aber
dann mir auch darin beipflichten mäffen, daß ein Studium
der Alten bloß in den Knabenjahren, und zwar für emen
befondern Zweck, der gar nicht erreicht werben fann, als
durchaus unwuͤrdig abgerathen werden müffe. Sollte ich aber
dennoch Gegner finden, fo bitte ich diefelben mit: Haren
Gründen und nicht mit myftifchen Deflamationen für ihre
Meinung gegen die meinige aufzutreten. Das Schwanfen
in folchen Anfichten führt zw nichts, ald zum Verderben
der Schulen.
I _ oo U
Ueber die Trennung der Gefhledter in nie—
deren und höheren Vulfsfhulen —
Pruͤfet Alles, und behaltet das Gute
Seit einigen Sahren fängt man auch | in hieſigen Pros
vinzen an, die Trennung ber Kinder. in ben niederen und
+) Im 2ten Maiheft des Hersmann 1829 mitgetheitt.
— 58 -
baherer Bollsſvlen für heiſſam, ja für nethwendig u halten,
ur den Zuſammenunterricht beider Geſchlechter als ein
Weberbleibiel einer unpaͤdagogiſchen Zeit arzuſeher.
In der Vorausſetzung, daß das ſogenannte Neue doch
nicht um deswillen gut fein muß, weil es Vielen nen, oder
nur neu aufgewärmt iſt, fondern weil «8, ale etwas Beſſe⸗
red betrachtet, much mehr und wichtigere Gründe für ſich
haben muß, als das Alte, unternehme ich es, eine Unter
fuchung zu eröffnen, durch welche. vielleicht, bei +hätiger
Theilnahme Anderer, das zeitherige Verfahren des Zuſam⸗
menunterrichtd entweder ald etwas Gutes durchaus gerechts
fertigt wird, oder durch welche die Trennungsfeinde von
der Unrichtigkeit ihrer Anficht und der Verderblichkeit ihres
jeitherigen Thuns klar überzeugt werben.
Einem Manne, ber lange nach einer ‚gewiffen Anficht
unterrichtet hat, kann es nicht gleichguͤltig ſein, ob
feine ihn zeither Jeitende Anſicht xichtig und heilſam, oder
unrichtig und perderblich iſt, oder im Allgemeinen auch nur
dafuͤr gehalten wird.
. . Ich will nun mit aller Offenheit und Treue die Sache,
ud nur die Sache ins Auge faflen, und mit dem Glauben
au. bie. Maugelhaftigfeit meiner Forfchung und Erfahrung
das Ergebniß derfelben dem denkenden und erfahrenen
Manne vom Fach zur. näheren Begruͤndung oder Klaren
Zurechtweifung vorlegen, um wenigftens eine nähere Unters
fadyang jenes wichtigen Satzes zu veranlafien. Sollte das
Ergebniß dieſer Unterſuchung gegen meine jetzige Anſicht
ausfallen, und mich von der Nichtigkeit meiner Gruͤnde und
meines zeitherigens Thuns uͤberzeugen: ſo wuͤrde ich demje⸗
nigen dankbar freundlich die Hand druͤcken, der mich von
einem der Menſchheit ſchaͤdlichen Irrthume befreit haͤtte.
Dagegen aber wuͤnſche ich ‚mir auch Lofer, denen es um
— 59 —
Eroͤrterung des Wahren und Guten zu thun WE, sub Geg⸗
wer, die hoch genug ſtehen, um Perſonlichkeiten unb abſicht⸗
Lich gefuchte Scheingrünbe für gemein zn haften.
Sch will nicht zu viel beweiſen , fondern gebe folgende
Site zn:
1) Es iſt eine andere Natur in dem Manne, und eine
andere in dem Weibe, und dieſe äußern fich ſchon in dem
jungen Menſchen verſchieden.
D Es gibt gute Schulen, in welchen nur Knaben
oder nur Mädchen, und gute Schulen, in welchen beide
Gefchlechter zufammen unterrichtet werben ; das Jehrt dem
unbefangenen Forfcher die tägliche Erfahrung.
3) It die Schhlerzahl einer Glaffe ober einer ganzen
Schule fo groß, das der Lehrer derſelben eine Theilung
ber Schüler wünfchen muß: fo kann dieſe Theilung eben fo
aut mach ben Geſchlechtern, ald nach andern außerwefents
licheren Ruͤckſichten gefchehen, wenn naͤmlich Teine weſent⸗
licheren darunter leiden.
4) Dort, we nicht mehr die allgemeine Menſchenbil⸗
Dung affein, fondern auch die Berufsbildung insbeſondere
beabftchtigt wird, ift die Trennung der Gefchlechter eben
fo nothwendig, als die der Unterrichtsmaſſe nach ven Haupt⸗
fächern für Juͤnglinge fehr verfchiedener Stände,
5) Die Maͤdchen beduͤrfen weder des Unterrichtes ig
den fremden Sprachen, noch in der hoͤheren ——
und ben augewandten wathematifchen Wiſſenſchaften, u
koͤnnen in Diefer Zeit ſich mit Erlernung welcher — *
arbeiten ‚befaflen, ie
8) Die vorherrſchende In moralicũt eines Ortes Pr
unter gewiſſon Umſtaͤnden Die acenaus ber Geſciech
fer wuͤuſcherswerth machen.
Bevor ich nun zur Sache felbft übergehe, erlaube mir
ber geneigte Lefer einige Vorbemerkungen, die zwar an fich
rioch wenig ;beweifen, aber in die Sache einführen follen.
.. Sm Allgemeinen wird, in nicht burchweg unmoralifchen
Städten, dem jungen Menfchen erft dann die Individuali⸗
firung feined Geſchlechts, wie die feines Standes, feines
fünftigen Berufs, und endlich die feined Ichs nach. und
nach Harer hervortreten ‚ want bie allgemeine Menfchenbil-
dung vielfeitig hervorgerufen fein kann, etwa nad} dem volls
endeten vierzehnten Lebensjahre des Zoͤglings. Wie das
fprechenlernende Kind, Kants fchöner Bemerkung zufolge,
erft zuletzt das Wörtlein Ich erfaffen lernt, fo tritt auch
der Menfch auf dem Wege der näheren Selbfterfennung in
einen immer engeren Kreis, von welchen der innerfte die
eigene Individualität enthält, — Wohl ihm, (beilaͤufig ges
fagt,) wenn er nicht vergiffet, daß diefer engſte Kreis, mit
denjenigen von taufend Andern,. ein und verfelben Fläche
immer größerer Kreife angehört, von welchen der Außerfte
die Menfchheit in fich faſſet; wohl ihm, menn er nun,
nachdem er ſich felbft erfannt hat, nicht bloß fein Ich ſchaͤtzt
und liebt, fondern auch feine Liebe und Achtung moͤglichſt
weit umherfendet — eingeben? der goldenen Lehre: Alle für
Einen, Einer für Ale! — So geht der denfende und lies
bende Menfch bei feinem Wirken und Menfchenbeurtheilen
auch ficherer den Weg einer geometrifchen Analyfis, als
den einer Syntheſis: oder, er geht ficherer vom großen
Ganzen aus auf fich felbft, um fo den Weg zum großen
Ganzen für feine Wirkfamfeit zu finden, als daß er von
fich felbft, einem nur zu oft unbefannten Etwas
gleich den Gang in die Menfchheit hineinwagt. Nur dann
it der Weg’ ans dem Mikrokosmus in den Makrokosmus
ficherer ;- wenn jene innere Welt klar durchſchaut wird; aber
diefes ift am Ende doch das Ziel alles Erfennend. Bon
— 61 —
Natur tritt der Menſch nicht ſo ſchnell in die engeren Kreiſe
uͤber, da in dem bereits von ihm betretenen viel Verſtaͤnd⸗
liches und darum Bildendes fuͤr ihn liegt, und vorzuͤglich
hier das Beſondere des engern Kreiſes aus dem Allgemei⸗
nern der vorigen Kreiſe erkannt werden muß. Oder anders
geſagt: der junge Menſch kann eher lernen, was menſch⸗
lich, ald was männlich oder weiblich ift und fein fol.
Lernt nicht der Menfch nur dadurch fich rein beurtheilen,
wenn fein Blick nach Außen Har und fharf it? Warım
wollte man den jungen Menfchen denn ohne Roth in ben
engern Kreis treiben, bevor er bad gefehen. hat, was Gus
tes und Nübliches für ihn in dem weitern Kreife liegt?
Ihn in dem weitern Kreife erhalten, heißt nicht, ihm den
Blick in die engern verfchließen, und ihn nicht auf feinen
fünftigen Stand und Beruf, wie auf fein Sch aufmerkfam
machen, fondern ihn nur nicht aus feiner natürlichen Stel
Iung verdrängen. Was ihm von bem Inhalte engerer Kreife
fon deutlich wird, mag er gewahren, wenn es feiner Ju⸗
gend nicht ſchadet. Es wird ihm aber nicht fchaben, wenn
er nur das fiehet, was ihm von verftändigen Menſchen vor
Augen geführt wird, in fo fern foldyes bewerfftelligt werben
fann. Hieraus folgere ich nur noch einfeitig, daß die Nas
tur das Zufammenhalten der verfchiedenen Gefchlechter in
Hinfiht auf den Geſchlechtskeim nicht erfchwert, ſondern
vielmehr erleichtert, und folgere, daß die Beurtheiler dieſes
Gegenftandes nicht bloß von fi ſelbſt, fondern vor«
her von dem Allgemeinen, von der Außenwelt ‚von der,
Erfahrung ausgehen müffen.
Wollte man die Nothwendigkeit ber Trennung
beider Geſchlechter in Deutſchland vor etwa dem vollendeten
vierzehnten Lebensjahre der Schuͤler aus der Verſchiedenheit
beider Naturen derſelben herleiten: ſo wuͤrde man ſchon um.
deswillen ein ſehr gewagtes Urtheil ausſprechen, daß man
alsvann allen Gegnern der Trennung bie Beachtung ber
Berfihiebenheit : männlicher und weiblicher Raturen abfpres
‚sen wuͤrde, obſchon ſehr viele dieſer Männer mit großem
Erfolge bemuͤht geweſen find, in beiden Geſchlechtern den
edlen Menſchen herauszubilden. Wagniſſe ber Art, nad
welchem man der ganzen Welt klar vorliegende Erfahrungen
abſpricht, um aur eine gutgemeinte Anſicht zu behaupten,
fallen freilich nur zu leicht bei Unterſuchungen vor, die ſich
auf gewagte Hypotheſen gründen; aber ber ruhige Prüfer
ſolcher Aufichten kann doch beit fo lange fid; bewährten
Grundfägen von tauſend Menfchenbildnern nicht fe obenhin
Den Stab brechen; Freilich find denkende und redliche Mäns
er in vorliegender Sache anf die Andere Seite getreten;
aber finden. nicht , ich möchte faft fägen, alle Anſichten ihre
denkende redlichen Anhänger? gibt es unter Biefen nicht
diele, die nicht ſelbſt untesfucht haben, weil man doch nicht
alles felbft unterfitchen kann und mag, ſondern die ben
nenen Anfichten, um Bertrauen auf den Geiſt Anderer, hul⸗
digen? Eine Sache muß für uns ſchon ein lebendiges Ins
tereffe Haben, went wir bei unfren täglichen Geſchaͤften
uns die Mühe geben wollen, Die trifftigen. wahren Gründe
son den Scheingründen zu fichten, alled bis ind Kleinfte zu
verfolgen, zu unterfuchen,, und dem wahren Werth ber, oft
mit einem großen Aufwande von Gelehrſamkeit und Scharf
finn aufgeftelkten und durchgeführten Hppothefe zu finden.
Sch gebe nun zur Sache felbft über. — — —
Der Iwed aller Erziehung, alles Unterrichts für beibe
Gefchlechter, ift Humanität im weiteften Sinne, oder ebies
Menſchthum. Sie ift der Strebepunft für das Kind,
für den Juͤngling und bie Jungfran, für den Mann tind
Das Weib, den fie iſt an fih ‚weder männlich noch weib⸗
fich.. Zu ihr. erhebt Religion, Wiſſenſchaft und Kunft ı€.,
furz alles, was gut. fie Keib und Seele, was ſchoͤn und
— 8 —
Übel it, gleichviel don wen es herfommt, vom Maune ober
dem Weibe. Eine humane Mutter kann einen eben fo gr
Gen Einfinß anf die Seelenrichtung des Knaben haben, «46
ein humianer Bater den wohlthaͤtigſten Einfluß auf. die Toch⸗
ter Außern kann. Humanität ift und bleibt Sumamität, wo
und an went fie. fi finden mag;
Das Prodirkt Huntanität entwidekt ſich aus zwei Fettoren,
von weichen ber eine in, und ber andere außer dem ſich
bitdenden Menſchen liegt. Wir können annehmen, ohne iA
unſre Schlaßreihe ein Falſum zu legen, daß dieſer aͤußere
Faktor ein guͤnſtiger ſei; ſind aber gezwungen, uns den in⸗
neren Faktor, der in der Individualitaͤt des ſich bilbenden
Menſchen, in der Natur eines Knaben oder eines Maͤdchens
Tiegt, und als guͤnſtig oder unguͤnſtig zu denken. Die Gunſt
des Faktors haͤngt aber nicht von dem Geſchlechte, ſondern
von. der Art der Menfchennatur in dem Individunm ab;
aan müßte font beweifen fönnen, daß eines der beiden Ge
fchlechter sorzugsmeife zur Humanität gelangen könnte, weh
ches vorurtheilöfrei zu erweifen wol unmöglich fein möchte,
wenn man fich nicht mit Halbheiten begnügen will,
Die Natur nimmt, bei ihrer Einwirfung auf ven Merk
fcheri, feine Ruͤckſicht auf das Gefchleht — und Religion,
Wiſſenſchaft und Kunft ahmen ihr hierin nad), - Diefe gehen
alle allgemein anbietend hier zu Werte, und nur ber Faktor
in dem Individuum nimmt an oder. ftößt zuruͤckk. Wenden
wir dieſen Sag auf den Schulunterricht an, fo glauben: Die
Trennungsfreunde eben in diefem Aunehmen und Zuruͤckſto⸗
Ben von Seiten einzelner Sefchlechter einen Grund für Ihre
Anficht zu finden Wer muͤſſen bisfen Hauptgegengrund
darum naͤher betrachten.
Jede Wiffenfchaft, jede Kunſt hat ihren eigenen Zweck,
ihren eigenthuͤmlichen Charakter, ihren eigenen Geiſt, der
nicht verzerrt werden Darf, Alles Veraͤndern an dem Eha⸗
rakteriffiichen berfelben nimmt ihr die Einheit, folglich auch
die Wirkſamkeit auf den ſich bildenden Menfchen. Die Uns
serrichtömethode id”einem Gegenftande hängt ferner nicht
von ber Individualität ded Lehrers, fondern von ber Wes
fenheit des Gegenftandes ab. Die einzig richtige Methode
muß für Teben Lehrer, für jede Lehrerin, wie für jeben
Schuͤler und für jede Schülerin paſſen; denn fie muß beide
Charaktere, ben ber Wiffenfchaft, und den des menfchlichen
Geiſtes auf das. genauefte zufammenhalten, und ihre Regeln
aus der Natur beider entnehmen. Dann iſt noch zu bes
werfen, "wie bereit zugegeben worden ift, daß, da die Maͤd⸗
hen Doch Handarbeiten lernen müffen, fie in einigen Stuns
‚ben ded Tages an. foldhen Zweigen des Unterrichts nicht
Theil nehmen, die ihnen entbehrlich find, ald: an fremden
Sprachen, Geometrie und höherer Arithmetik.
Sch ftelle nun einen Lehrer auf, ber an beiden, an
einer Knaben⸗ und an einer Maͤdchenſchule unterrichtet,
und dabei.vorher an einer gemifchten Schule gearbeitet hat.
Des Intereffed wegen übernimm Du, lieber Leſer, aufeinige
Augenblicke diefe Rolle, und wo Deine Erfahrung nicht aus⸗
seichen follte, da wende Did, an denfende partheilofe Lehrer.
Solft Du nun in der erftern Schule männlich, kräftig,
und in der andern weiblich, zart fein? — ch denfe, wenn
du nicht den Mantel nach dem Winde hängft, alle pädagos
gifche Kniffe verachteft, deine Individualität heraus kehreſt,
die, wie ſichs von felbft veriteht, humanifirt fein muß: fo
bildeft du durch Die Einheit, Die in dir felbit liegt, am
zeinften für beide Gefchlechter. Beiden thut die reine, ges
rade, offene Sprache des Lehrers North, wie ihnen die
Wahrheit Noth-thut. Du Fannft ald Mann von einem
Guß nicht hier fo, und dort anders auftreten, ohne did)
bafd hier bald dort zu verzerren. Gibts denn auch eine
andere Natur für die Männer,. und eine andere für die
— 65 —
Weiber? — Strebe dahin, ein fo vollkommener Mann zu
werben, als es dir nur immerhin möglich iſt, und dam
gib dich in aller Liebe und Einfalt, fo wie du’ biſt, und
enge bich nicht in fteife, pfiffige Schulmeifterformen. Dann
aber wirft du finden, daß du für die Behandlung deiner
Schüler kein zweites Prinzip haben kannſt, und fein zweites
Vorbild in dir trägft, da das eine noch nicht ausreichen wirb.
Was die Strafe betrifft, welche der Lehrer uͤber ben
Fehlenden verhängt, fo muß diefelbe human, d. h. aber
darum nicht unmärnfich, unfräftig fen. Diefe richtet fich
dann wiederum, wie die Humanität, nicht nach dem Ges
fchlecht,, fondern nach dem Fehler, und mitunter nad) ber
Sndividualität des Einzelnen. Es ift mir mit taufend an⸗
dern Eltern und Lehrern nie eingefälen eine beſondere
Strafreihe für Gefchlechter feftzufegen; und wenn man ſich
eine Reihe natürlicher humanen Strafen fir ben jungen
Menfchen denft, die fich nach der Größe und Rohheit ber
Fehler richten, fo fehe ich nicht ein, wie man fid in ber
Kindesnatur noch eine zweite Natur als ficher leitendes
Prinzip denfen kann. Wenn ich bei Mädchen nie den Stod
nöthig hatte, fondern mit den weniger derben Mitteln aus⸗
reichte, fo lag das an ihnen, am natärlichen Gebrauch
diefer Mittel, nicht an mir, der ich ohnehin mit dem Prin
zip, das in Büfchen wächlt, nicht fehr befreundet bi.
Dennoch ift ed wol gefchehen, daß flarre, troßige ungen,
feldft in Gegenwart zarter Mädchen von meiner Hand ges
zlichtigt worden find; und die Mädchen, die ich nicht zu
zurüchweichenden Srrlichtern und empfindelnden Schäfertit
nen, wol aber zu tüchtigen, finnigen, zarten Sungfrauen
erziehen wollte, fahen mit Furcht die Kraft und den Ernft
des Mannes, und — lernten Refpect, den fie als Wei—⸗
ber haben muͤſſen, wenn fie fich wicht ſelbſt und den Din
ungluͤcklich machen folen
e
— 66 —
Finde, lieber Leſer, hierin nicht einen Beleg für meine
Barjchheit und Nichtachtung der Weiblichkeit. Lies unfres,
mir befonders hochtheuren, Arndts Pſychidion, und du wirft
dich überzeugen, daß felbit diefer Kraft» und Kernmann
auch fehr zart und finnig if. Du wirft mich dann nicht
weiter verfennen, wenn ich dir fage, daß mid; fein Pfychis
dion, wie feine Fragmente oft bis zu Thränen rühren —
und weinen ift eben meine Sache nicht. Mir der weichlis
chen Erziehung wird nichts als Unheil ausgefäet, und Efel-
haftes geärntet; aber freilich, muß die Kraft mit ber Zarts
heit in der Humanität ſich paaren.
. Die Humanität ftellt ſich am fchönften und herrlichiten
in einem natürlichen und Eräftigen Manne dar, dem
auch die äußere Würde nicht fehlt. In ihm tritt aber bie
Männlichkeit ganz hervor, die in dem Knaben noch fchlums
mert. Sollte nun die Männlicjfeit ſchaͤdlich auf das Ge
muͤth des zarten Mädchens wirken, fo müßte fie am ſchaͤd⸗
lichften in dem vollendeten Manne, der fie vollfommen re
präfentirt, zu finden fein, unendlich mehr, als in dem ſchwa⸗
den Abbild des Knaben — und wir kaͤmen dann zu der
höchft ungereimten Behauptung, daß Mädchen nicht won
Männern erzogen werben.bärften. Rohe, inhum an e Mäns
ner dürfen freilich Das Mädchen nicht erziehen; aber folche fols
Ien und. dürfen auch Feine Knaben leiten; denn Rohheit und
Juhumanität erzeugen nur zu leicht Rohheit und Inhumas
nität im menfchlichen Wefen, d. h. im Mädchen, wie im
Knaben. — Gehen wir nun zunädft zu den einzelnen Lehr⸗
gegenſtaͤnden uͤber.
Waͤreſt du, lieber Leſer, der Lehrer in beiden angefuͤhr⸗
ten Schulen: wuͤrdeſt du in der einen anders im Leſen,
Schreiben und Rechnen unterrichten koͤnnen, als in der an⸗
dern? Du antworteſt mir, wenn du der Wahrheit eines
voraus geſchickten Satzes huldigeſt: „Die Regeln und Ge⸗
— 171 —
feße diefer dreien Künfte darf ich zwar nicht nadı dem Winde
drehen, denn diefe gehören nicht mir, fondern den Kuͤnſten
an— ic kann aus ihnen nicht herausgehen, ohne dem Geifte
und Charakter diefer Künfte zu nahe zu treten und ein Uns
grändliches und BVerzerrtes zu geben; aber ich kann dad
Vebungs- Material für die Gefchlechter wählen. Das Mäds
chen leſe Gefchichten von Frauen, die fi in ber großen
Welt, oder im Kindererziehen, im Haushalte oder in ans
dern Verhältniffen ausgezeichnet haben, fehreibe Briefe von
jungen Frauenzimmern an junge Frauenzimmer, Regeln und
Denffprüde für Frauen, Mütter und Gattinnen, rechne
Aufgaben, die für den Haushalt fi; eignen ıc.’” Sn ber
That, deine Anſicht hat den Schein ber Zweckmaͤßigkeit.
Aber fage mir, wen wilft du eher bilden, den Menfchen
oder das Weib? Willſt du eher die reine Anfchauung der
Berhältniffe oder die Praris aneignen? Oder meineft du,
das erftere ergäbe fich zur Genuͤge aus dem Ießteren? Wird
die Humanität fidy reiner herausftellen, wenn man dieſelbe
nur in einem Gefchlechte, oder in beiden, ja in allem ans
ſchaut? — Der Charakter des Weibes und der des Mannes
ift eben wegen feiner Befonderheit fchwerer aufzufaffen, als
der des Menfchen. Für den allgemeinen MenfchensCharak
ter liegen fchon alle Anklänge in dem Kinde; für den bes
fondern nicht allemal; denn würde es nicht efelhaft ers
fcheinen, wenn man dem 14jährigen Knaben und Mädchen
viel von den befondern Eigenfchaften des männlichen
und weiblichen Gemüthes vorfagen wollte? Kennt denn
ein Kind die befondern Gefühle, die fich in der Bruſt eis
ned Mannes oder eines Weibes regen? Diefe Gefühle
ftehen mit ber Gefchlechtstiebe, mit dem Gefühle von Selbft-
fiändigfeit, Kraft, oder Zartheit, mit Leidenfchaften ꝛc. in
Verbindung, feten fo viele Erfahrung, fo viele erlittene
Einwirfungen, fo vieles Gelingen oder Mißlingen eigener
e *
— 68 —
Thaͤtigkeit ꝛc. voraus. Koͤnnte wirklich irgendein verſtaͤndiger
Menſch wuͤnſchen, daß Gefuͤhle der Art in dem 13jaͤhrigen Kinde
aufwachten? Alles dieſes Beſondere tritt in der allgemeinen
Humanität weit mehr in den Hintergrund. Der junge Menfch
Son Adel ſetzt fich nach den Gefeken des Guten, Schönen
and Nüplichen fein Sdeal zufammen, und erft fpäter wird er
gewahr, daß er einen Pfahl bier und dort im Fleifche hat.
Hält man es doc mit Recht für gut, der Standesbil⸗
Yung die allgemeine Menfchenbildung vorgehen zu laflen;
wie follte man dem Unterfcheidungsmerfmal im Gemüthe
der Kinder folche Gewalt anthun! Ober kann etwa die allge-
‚meine Menfchenbildung mit dem 12. Lebensjahre der Kinder
im Allgemeinen fchon beendet fein? Der Erfahrung zufolge
flempelt ſich das Kind erft nad, dem 14ten Lebensjahre zum
werdenden Juͤngling oder zur Jungfrau. Bis dahin fchläft
der Unterfchieböfeim, wenigftend der, der hier ftörend in
den Zufammenunterricht eingreifen Tann, und wir follten
ihn durch unfre übertriebene Vorficht und durch die Kunft
des verfchtedenartigen Unterrichts nicht eher wecken. Wirft
denn überhaupt das Gleichartige das Beſte? Bilde nicht
gerade der Umgang mit Hohen und Niedern, mit Reichen
und Armen, mit Alten und Sungen, Männern und Frauen,
Edlen und Schurfen am meiften? Sch habe fchon zugegeben,
daß in dem Mädchen eine andere Natur liegt, ald in bem
Knaben. Wollte man dieſe nun wegen diefer Verfchiedenheit
trennen, fo müßte es auch als zweckmaͤßig erfcheinen, wenn
man die Knaben nnd Mädchen wieder unter einander nad)
ihrer Temperamente-Berfchiebenheit ıc. trennen, und getrennt
unterrichten wollte. In welch eine Ungereimtheit würde man
dadurch verfallen! Sch für meine Perfon möchte mir dann
die Zutheilung der phlegmatiſchen Claſſe hoͤchlich verbeten
haben, und vollends eine Glaffe von Stumpffinnigen wuͤrde
mich tödten an Leib und Seele!
— 90 —
Die Anfichten über Menfchthum find allgemeiner ind
Licht geftellt und erfannt, als die über Männlichkeit und
Weiblichkeit, und um wie viel leichter Finnen wir bei Dem.
letztern nicht verfchrauben und verörehen? Man fehe nur-
weichliche Männer, die den Mann, und Fräftige, welche bie.
bezaubernde Zartheit des Weibes, fo wie Weiber, welche,
die natürliche Majeftät des Mannes affectiren wollen — und
man wird mit Demfelben Eifel fich von folchen Larven ab⸗
wenden, wie man plumpen und gefühllofen oder ausgetrock⸗
neten Gemüthern den Rüden wendet, weldye mit Kindern.
zart freundlich (neu paͤdagogiſch) thun wollen. Sa, rechnen.
wir bie äußere befondere Artigfeit ab, Die wir den Frauen
erweifen — behandeln wir dann nicht jeden Menfchen gleih®.
Und, gäbe ed anderweitige befondere Regeln für den Um⸗
gang mit Frauen, ich koͤnnte diefelben nicht benußen ; deumn
ich Fönnte nicht wegen allerlei Nebenrüdfichten aus meiner
Individualitaͤt heraustreten, weil ich ein folches Automaten⸗
wefen, das nach der Zeit geftellt wird, für unmännlich, ja
für inhuman halte, obfchon ich dem Umgange mit Frauen.
viel zu verdanken habe, Ich erachte dafür, dag man fidy.
gegen jeden Menfchen fo vollfommen gut betrage, wie man
ift, und daß man dafür fletö der Vollkommenheit nachftrebe,
um nicht veranlaßt zu werben, als unehrlicher, verftedter.
Menſch aufzutreten, und aus dergleichen Gründen mehr.:
Und fühlt fich das weibliche Gemäth etwa bei. dem Ums
gange mit ſolchen Männern verlegt? Nach den Erfahruns.
gen, bie ich an dem weiblichen Gemüthe gemacht habe,
haft das wahre Weib die Zwitternatur an dem Manne,
und verehrt die Einheit deſſelben, befonders auch in den Ras
turverfchiedenheiten des Gefchlechts.
Sorgt auch etwa der Gärtner für den weiblichen Ka⸗
ftanienbaum anders, als für den männlichen? O, ver leis
digen Menfchenkünftelei! Laffet nur den Gefchlechtöfeim in
— 70 —
Ruhe, forget nur für einen guten Boden, in welchem er ger
deihen Tann, für einen Boden der Humanität, und er wirb
ohne eure tägliche und ftündliche Sorgfalt ſchon gedeihen,
emporwachfen und Früchte tragen. Und, wie viel und wie
lange fol denn ber Xehrer über Weiblichkeit fprechen? Kann
das Mädchenhafte füch nicht hinlänglich genug dann entwis
deln, wann das Mädchen an der Gränze des Sungfrauens
alters fteht, den Keim erft gewahr werbend, nun mit Maͤd⸗
chen zuſammen unterrichtet wird, und der Mutter befonders.
angehört, mit der fie Heimlichfeiten theilt? Man fpreche
nicht von Frühreife; fie ift Unnatur, und muß eher gezüs
gelt werben, ald daß man ihr Vorfchub leiften follte. Der
Kern der Weiblichkeit tritt, wie mir e8 vorfommt, in dem
Augenblick heller hervor, wann das Weib ſich zum erftenmale
Mutter zu fein glaubt. —
Ziegenbeins, in vieler Hinficht ganz wortreffliches, Leſe⸗
febuch für Töchterfchulen eignet fich ganz außerorbentlich
für angehende Jungfrauen, aber darum wäre es doch auch
ein ſehr gutes Lefebuch für Sünglinge. Das Bortreffliche
biefes Buches liegt nicht in der Auswahl für das Gefchlecht,
fondern in der Auswahl für den fich veredeinden Menfchen.
Warum follte aber in diefem Buche nicht die Unbeftechlichfeit
eines Phocion neben der Zartheit und ber Frömmigkeit
unfrer innigft verehrten verflärten Königin ftehen können ?
Sch fehe Feinen Unterfchied, und denfe hoch, fehr Hoch von
dem humanen weiblichen Charakter!
Knaben und Mädchen follen Briefe fchreiben fernen.
Sa wol; aber etwa männliche und weibliche Briefe? Sch
daͤchte, Briefe, um die brieflichen Ausdrüde und Wendungen
zu lernen, nicht aber folche, durch welche fie Männlichkeit
oder Weiblichkeit lernen follen. Das find Tiefen, in bie
fein gefundes Kind von 10 bis 13 Sahren hinabfteigen kann.
Briefe koͤnnen dieſe Kinder ſchreiben — und regt ſich der
— 1 —
Keim, fo wird der Brief denfelben ſchon verrathen, und na⸗
tärlich und ohne Anftoß erfcheinen. Der Lehrer wird ihn
erfennen Tönnen, aber der Knabe und das Mädchen werben
faum eine Ahnung bavon haben. Und ahneten fie wirklich
den Unterfchied; was follte e8? Sind Rod und Kleid,
Dferb und Puppe ıc. nicht noch auffallender? Sieht man
das nicht am wenigften, was man täglich fieht? nr
Mit dem Rechnen, meinft du, Tieber Lefer, brauchte man
bei Mädchen nicht fo weit zu gehen, als bei Knaben? If
denn das Denfen etwa für das Mädchen nicht nöthig, fo
wie eine reine Einficht in die Verhältniffe der Zahl? unb
wird denn der Knabe bis zum vollendeten 14. Lebensjahre
ein fo gewaltiger Arithmetifus, daß er mehr davon träge,
ald das Leben bes gewöhnlich Gebildeten bedarf? Zum
Rechnenlernen gehört Zeit, und befürchte nur nicht, daß
etwa tiefere Einficdyt in ein Paar Regeln die Weiblichkeit
verjage. Wie follte es fonft um die fähigften Mädchen in
der Mädchenfchule ftehen? Muͤßte man fonft nicht für diefe
und vor einem guten Nechenunterricht in der Mädchenfchufe
zittern? Das Rechnen an fich kann, wie dur fiehft, nicht
weiblich ober männlich, fondern e8 muß rechenlich getrie
ben werben.
Tillichs Xefebücher, Hebels biblifche Erzählungen, Kohl⸗
rauſch's biblifche Gefchichte, Krummachers Parabeln, Schils
lers Gefchichte des 30jährigen Krieges und der Niederlande,
Engels Philofoph für die Welt und feine Lobrede find Les
febücher für Knaben und Mädchen, Sünglinge und Junge
frauen, und laffen nichts zu wänfchen Abrig; und Heinrige
Borfchriften, eine Auswahl von Rumpfs Briefen paflen für
beide Gefchlechter. Sch habe, wie zugegeben, nichtd dagegen,
daß fpäterhin bei dem Unterricht im Stil das Gefchlecht näher
ind Auge gefaßt werde; biefes halte ich dann, wann der
Keim fich regt, fogar für zwedimäßig, um dem natürlich ers
wachenden Gefühl eine Vorbereitung zu geben, und demſel⸗
ben nur durch eine nicht zu pofitive Einwirkung die Bahn
fo ganz unvermerft zu zeichnen.
- Bei dem Unterrichte in der Religion, den Naturwilfens
fchaften und in der Gefchichte nebft der Geographie, wird
aber, nad) deiner Anficht, in beiden Schulen anders verfahs
ren werben muͤſſen? Bei den Knaben wirft du Träftiger,.
umftändlicher, tiefer ıc. bei den Mädchen zarter, finniger,
kurzer oder oberflächlicher ıc. zu Werke gehen wollen?
Bedenke zunächit den Zwed der Religion. Sie will
unfre ganze Natur adeln, will und befrdmmigen, will ung
Ruhe der Seele geben, unfren freien Willen in Liebe, nur
in Liebe leiten, will unfre Anfichten über das Heilige und
Gute reinigen und befeftigen, indem fie alle Popanzerei als
hoͤchſt unwuͤrdig verachtet. Wie willſt du nun in beiden
Schulen diefes bezwecken? Daß du dort fo, und bier ans
ders fprichit? Bilde dir Diefes nicht ein. Du fprichit als
reblicher Mann in beiden, wie e8 bir ums Herz und um
ben Berftand if. Du haft in beiden Schulen zartere und
rohere, willigere und unwilligere, offnere und verfchloßnere,
leichtfinnigere und finnigere, fühlendere und denfendere, und
gefühllofere und nicht denfendere Naturen. Du willft aber
Allen und in Allem ind Herz und in den Berftand dringen,
und da fühlft du wol, fommft du noch nicht aus, wenn bu
alles thuft, was in deinen Kräften fieht. Du wirft alle
beine Borftellungen, Ermahnungen, Bitten, alle Mittel, bie
in Deinem ganzen Herzen, Gemüthe und in allen beinen
Kräften vorhanden find, anwenden, und — nichts für eine
andere Claſſe befonders Abrig behalten. Wie bläheft du Dich
denn mit einen Ueberfluſſe, den du nicht haft? Geiſt⸗ und
gemüthlofe Pedanten, welche die Sonnenroffe des Bildungs⸗
wagens mit dem kleinen Finger leicht zu regieren wähnen,
horchen mit geneigtem Ohr auf die fchwerften Anforderuns
— 13 —
gen zum Lenfen, fchrauben den leitenden Finger auf und
nieder, wähnen haarfein zu Ienfen und zu fahren, und — ſehen
in der Hite der Arbeit ihren elenden Miethklepper für ein
Sonnenroß, und ihren Karrentrumm für einen Himmeldwas
gen an, der jedoch ziellos fertgefchleppt wird. Solche Leute
haben beftändig Ueberfluß, nicht aber du, mein benfender,
fühlender, vedlicher Leſer. Oper wollteft du doch mit Maͤd⸗
chen wenigitend weicher fprechen, um in Das zarte Herz dev
felben tiefer einzubringen? Da verftehft ou dich fchlecht auf
den gefunden weiblichen Charakter. Ein weicher Mann macht
fein Gluͤck nicht bei gefunden weiblichen Charafteren; bie
Zwitternatur ift folchen Weibern zuwider, und für angehende
weibliche Ssrrlichter, Die ftetö weichen, wenn man fie erfaffen
will, wollen wir, Gott fei bei uns! Doch wol feine Schule
errichten, es müßte denn eine zur Warnung für junge Mäns
ner fein. Das Weib ift für den Himmel erfohren, aber
auch für die Erde: für den Dann und die Kinder, und
für den Haushalt gefchaffen. Da reicht fie mit aller
Empfindelei nicht aus; wenn dagegen ein gefunder Verftand,
ein gefunder, Fräftiger Leib, ein warmes Herz, und ein fefter,
frommer, reiner, Eindlicher Sinn fie alle Pflichten für Erbe
und Himmel um fo eher erfüllen läßt. Ein tüchtiger Mann
verlangt in feinem Eheweibe feine Sinnpflanze, und nur
für tuͤchtige Männer, die wie die Sieger bei Leipzig und
Schoͤnbund auftreten koͤnnen, müffen wir Sungfrauen erzies
hen; denn Schwäclinge an Seel und Leib follten ſich we⸗
nigftend in unfrem fpartanifchen Staate nicht fortpflanzen.
Gibt es auch etwa eine männliche und weibliche Religion,
und wäre es vielleicht beffer, daß die Gefchlechter auch in der
Kirche, wie dann auch noch zwedmäßiger allenthalben zu
Haufe getrennt würden? Verzeihe mir, lieber Leſer, diefen
ironifchen Ausfall: es trat mich fo nahe an, daß viele
Männer das weibliche Gefchlecht zu Elfen machen wollen,
— 74 —
weil fie felbft dem Driadengefchlechte anzugehoͤren ſcheinen.
Sch aber möchte gern ung zu Rittern, und unfre Mädchen
zu frommen aber tüchtigen Ritterjiungfrauen des Mittelal-
ter machen, und in beiden nur das Untüchtige und Ins
humane fortfchaffen.
Wenn du aber der Ruhe wegen bei deinem Lnterrichte
in der Religion Knaben und Mädchen trennen wollteft: fo
gäbeft du nur deine Schwäche zu erfennen, die, daß du
nicht im Stande feieft, über alle zu herrſchen. Was dir
ba wünfchenswerth erfcheint, "Tann aber nicht zur allgemeis
‚ nen Regel dienen. Daſſelbe Uebel wird dir erfolgen, went
beine Knabenſchule wieder eben fo viele Glieder zählt, als
vorher. Ein anderes wäre e8, wenn du deine Schüler
nicht nach ihrer geiftigen Kraft fo forgfältig geſondert häts
teft, als diefes gefchehen Fan. Die Nothwendigkeit diefer
Sonderung ift allgemeines Gefeb, und kann ein folches
fein. Umftände, die nur deine Perfon und beined Gleichen
treffen, mußt du aber nicht mit dem Unterrichte in einem
Begenftande felbft verwechfeln, und etwas dem Zufammen-
halten der Gefchlechter zufchreiben, was nur deiner Schwä-
che zugefchrieben werden Tann, die du aber an bir weg⸗
fhaffen mußt, wenn du es mit dir und deiner Pflicht red⸗
lich meinft.
Was die Tiefe deines Unterrichts angeht, fo gehft du
wol fo tief in die Sache ein, als beine Schüler dir folgen
koͤnnen, und, geftehe ed nur, oft tiefer als dur follteft. Das
bei werben dir aber bie zum 14. Lebensjahre, die Mädchen
fo leicht, und wer weiß, ob nicht leichter folgen, als die
Knaben. Bis dahin wird aus dem Knaben Fein Philoſoph,
wenn es mit rechten Dingen zugeht, d. h. wenn ber Lehrer
ein wirklicher Pädagoge iſt; und dem Mäbchen wird es vor
der Tiefe und Höhe ihres geiftigen Standpunktes nicht ſchwin⸗
dein. Glaubit du aber dennoch eine Verfchiedenheit in dem
Religions⸗Unterrichte bei beiden Gefchlechtern zu fühlen: fo
ſuche den Grund dazu in deiner Sndivibualität, die aber
der Wefenheit deiner Pflicht, ohne mangelhaft zu fein, nicht
in den Weg treten darf. Gibft du deiner Individualität
aber ftets nach; wo willft du dann für bein Modeln der
Umftände und der Gegenftände ein Ziel finden? — Ange
nommen, du unterrichteteft wahrhaft gut bei den Mädchen,
fo wirft du, nach Ueberwindung der erften Schwierigfeiten,
auch die Knaben, und endlich beide zufammen gut untew
richten koͤnnen. Daß dieſes Andern möglich ift, wirft du
nicht leugnen wollen. Was aber Andern möglich ift, muß
auch dir möglich fein, oder die Urfache der Unmoͤglichkeit
ift in deiner Schwäche zu fuchen, und um deren Befchönts
gung willen verlangft du doch nicht eine allgemeine Veräns
derung der Form für alle Zeiten und Individualitaͤten.
Was die Naturwiffenfchaften und die Geographie ins⸗
befondere betrifft, fo fehe ich nicht ein, wie du dieſe für
Mädchen und Knaben anders behandeln, ober auch für
diefe Sahre nur einen andern Curſus ſtecken mwollteft. Freie
lich haben manche Bücher auf dem Titel ein ſolches Aus⸗
hängefchild ; aber mit der ‚Haltbarkeit der Prinzipien, nad
welchen dieſe Bücher wirflich verfchieden für 10 — 12jähs
rige Knaben und Mädchen gefchrieben find, möchte es bei
gehdriger Unterfuchung fehr mißlich ausfehen. Es mag
immerhin fein, daß Das Mädchen wegen Mangel an mas
thematifcher Kenntniß den Unterricht in der Phyfif nie
mit anhören kann; kann und muß man aber diefen Gegens
ftand,, fo wie die meiften mathematifchen Säbe aus der
Naturwiffenfchaften nicht auch bei den Knaben über das
14te Lebensjahr derfelben hinausfchieben, da dieſe bis bas
hin noch nicht fo viele mathematifche Borfenntniffe haben
werden? Muß denn das Mädchen gebilbeter Stände mit
dem 14ten Lebensjahre die Schule verlafien? Man richte
— 76 —
eine Claſſe fuͤr Maͤdchen dieſes Alters ein, treibe in dieſer
auch vorzuͤglich Phyſik ohne mathematiſche Formeln, und
erſpare den Eltern auf die zweckmaͤßigſte Art die große
und dann unnoͤthige Ausgabe für auswärtige Penſionen.
Soden die Mädchen aber dann doc, auswärts gefchickt
werben, um die Fremde zu fehen, und den Haushalt zu
lernen: fo wüßte ich feine beffere Gelegenheit, als die, Dies
felben auf ein Jahr etwa zu einem braven Prediger auf
dem Lande zu ſchicken, der dann nebenbei noch, Religion,
Glaffiferlefen und Gefchichte mit ihnen treiben koͤnnte.
. Bei der Gefchichte hat man zeither den größten Anftoß
genommen, Knaben und Mädchen zufammen zu unterrichten,
ſeitdem ein denfender Mann ſich dahin gedußert hat, daß
Die ewige Wiederholung von Schlachten und Morbbrenne-
reien nicht für Mädchen fich eigene ꝛc. Du bift vielleicht
auch der Meinung , lieber Lefer! Laß dichs nicht wundern,
wenn ich es großentheild auch bin, und doch von meiner
angeführten Anficht nicht abweiche — Die Gefchichte fol,
wo fie gelehrt wird, die Menfchheit mit ihren guten und
böfen Eigenfchaften , in ihrem Culturgange darftellen. Der
Menſch hat, abgefehen von der Religion, nichts Höheres
fennen zu lernen, als fein Gefchlecht, damit er fich felbft
fennen, und fi) und Andere lieben lerne. Um dieſes Bild
aber genau aufzufaflen, muß er die Völker der verfchiebes
nen Zonen und Welttheile nad) ihren eigenthämlichen Chas
rakter, ihren Sitten, Anfichten und Lebensweiſen, muß er
die Voͤlker aller Zeiten um fidy gelagert fehen, wie er in
feiner eigenen Schule junge Menfchen von den verfchiedens
ften Stufen geiftiger Erfenntniß um den Lehrer verfammelt
fieht. Sol der Schüler mun ein Volk kennen lernen, und
deſſen Kulturgang; fol er die Urfachen und Wirkungen der
Begebenheiten, die Hand Gottes, (wo fie. nänlich dem
wirflichen Gefchichtsforfcher als folche erfcheint) und vieles
andere fennen lernen, was ber Geſchichts⸗ Unterricht noch
bezwedt: fo muß er jedes merfwürbige Wolf oder doch den
Menfchen überhaupt durch alle wichtige Veränderungen bes
gleiten; fo muß. er den Menfchen im Krieg und Frieben
beobachten, muß die Männer und Umftände fennen lernen,
Die Einfluß auf den Volks⸗ oder Menfchen- Charakter, auf
Gluͤck und Unglüd ıc. haben; fo muß er Menfchen verfchies
dener Zeiten, Zonen und Nebenländer mit einander vergleis
chen. Auf diefe Art gelangt er zu der Idee des Rein⸗
‚menfchlichen und des Ichs. Auf diefe Art ift ihm die Ges
ſchichte eine Schule der Weisheit und Erfenntniß, in welcher
er unzählige Muſter für jede menfchliche gute Eigenfchaft,
mächtigen Antrieb für jede gute Handlung, und überzeugende
Warnung vor jedem Abmweichen von der Bahn des Guten,
Schönen und Nüslichen erblikct. — Wollte man nun die
Geſchichte der Schlachten weglaffen, um die zarten Ohren
der Mädchen mit den herben Wörtern: „Schlacht und
Tod, Kampf und Verzweiflung, Ungerechtigfeit und Härte
zu verfchonen: fo würde es dem Darfteller ver Gefchichte
unmoͤglich werden, die Menfchheit in ihrem Bilbungsgange
zu charafterifiren, und bie Irrſale darzuftellen, durch welche
die Menfchheit bis zu dieſem Punkte ſich burchwinden
mußte; fo würde die Hand Gottes nicht erfannt werden,
oder die Neflerionen über Gefchichte würden fich viels
leicht fogar nur in eine weiche Moral auflöfen, und viel
feicht die Data nur zu Belegen einfeitiger Anfichten Dies
nen, wie folches, leider! nur zu oft von Scholaftifern
aller Art gefchieht, die aus ihrer Kleinlichen An» und Ein
fiht die. großen Weltbeurtheilungsformeln entlehnen! —
Eine Geſchichte, die aber nur von Schlachten, nur von
Namen und Zahlen fpricht, nicht durch Anführung von
Thaten erzählt und nachweifet, ift allerdings troden und
unheimlich für jeden Menfchen, und darum auch für Maͤd⸗
— 78 —
den. Man ſchreibe eine Geſchichte für den Menſchen von
allgemeiner Bildung, wie fie demfelben zur Menfchen» und
Selbſterkennung, zur Hebung, zur Humanität foͤrderlich ift,
und die nicht hauptfächlich den Zweck des Wiffens, fondern
den des Seins, des Lebens und Wirfend hat — und man
wird mir beiftimmen, daß dann von diefer Gefchichte, die
ihren ganzen Zweck möglichit vollfommen in fich ausprägt,
auch für die Mädchen nichts ausgelafien werben Darf.
Sp lange man aber in den untern Geſchichtsklaſſen fich
nur mit einer Nomenklatur befaßt, und diefe erft ſpaͤterhin
mit Auseinanderfeßungen bereichern und umkleiden will, oder
fo lange der Gefchichtsunterricht auf eine für den Menſchen
von allgemeiner Bildung fo unverantwortliche Weife ertheilt
wird, ftimme ich gegen diefe Unterrichtsart für Mädchen, weil
ich auch gegen biefe für Knaben flimme. Der obige Eins
wurf zerfällt demnach in fich felbft, fobald wir ein durchaus
gutes Gefchichtsbuch für höhere Volksfchulen haben, welches
alle Zwede der Gefchichte, mit befonderer Rüdficht auf all
gemeine Bildung und auf das Alter ver Schüler, in ihrer
Darftellung zu erreichen trachtet. Freilich wird das Gym⸗
naſium ſich mit einer Gefchichte für Volksſchulen von etwa
8 bis 12 Bändchen nicht begnügen; aber ich glaube Doch,
daß durch eine Vorarbeit der Art ein befjerer Grund gelegt
wird, als durch das Einüben einer zahlenreichern Weltge⸗
fchichte von etwa 2 Bändchen. Es muß allerdings eine
Menge feiter Haltpunfte, ein Typus Cwie ich ſolches in der
Darlegung meiner Anfichten Yber den Geographie Unterricht
bewiefen habe,) gegeben werden; aber man kann hierin
auch zu viel thun, und thut zu viel, wenn viele Schüler,
wie Har am Tage liegt, nur Diefen Typus mit ind
Leben nehmen. Diefe haben dann zwar dad Fachwerk im
Kopfe, aber diefe einzelnen Kächer find leer, wie eine wohl
aufgeftellte Bibliothek von Holz. —
— 79 —
Eine Trennung der Geſchlechter mußte man beſonders
in denjenigen Gegenden ganz natuͤrlich und wuͤnſchenswerth
finden, wo man vor dem 14. Lebensjahre der Schüler woͤ⸗
chentlich mehr ald 5 bis 8 Stunden auf Erlernung einer
fremden Sprache verwandte, und insbefondere dort, wo
man die Elemente folcher Gegenftände, die erft in oberen
Slaffen ordentlich gelehrt werben koͤnnen, in die niederen
Elafien brachte. Der erftere Umftand ift Leicht zu heben:
man braucht nur im fchlimmften Kalle den Knaben mwöchent-
lich einige Unterrichtsftunden mehr ald die gewöhnliche Zahl
30 zuzutheilen; der andere Umftand verdient nähere Beach⸗
tung.
Es liegt freilich etwas DVortreffliches in der dee, daß
in den vorhergehenden Glaffen die Elemente zu den folgens
den verarbeitet werben müffen, und die Weſenheit diefer
Idee darf wirklich in feinem Schulplane fehlen; aber man
bedenfe, daß man nur in folchen Gymnafien, die ausſchließ⸗
lich für den Gelehrten forgen, ganz eine folche Einrichtung
treffen dürfe, und daß an gemifchten Schulen fehr viele
Schüler dann zu vielen Dingen ein Fundament legen, das
fpäterhin zu feinem ordentlichen Gebäude dienen wird.
Hätte man denn diefe Zeit für folche Schüler wirklich nicht
weifer benugen koͤnnen? — Freilich kann man bie Unter
richtömafle eines Gegenftandes nach Maaßgabe ihrer wady
fenden Schwierigfeiten in viele Claſſen vertheilen, und fo
ein allmähliged Steigen des Schülers in demfelben veran⸗
laſſen; aber, was bier genau zu bemerfen ift, „man kann
auch ganze Gegenftände. ald die Elemente zu andern Gegens
fländen betrachten, und eine fichere Reihenfolge zu einem
großen Ganzen feftitellen. ’ Kür die Mathematik wäre eine
ſolche: Kopfrechnen, Zifferrechnen, Buchſtabenrechnen, Geos
metrie, Trigoniometrie und Mechanik; für die Naturwiffens
fchaften: Naturbefchreibung, mathematifche, phufifche Geo⸗
— 80° —
graphie, Phyſik und Chemie; für den Unterricht in. der (Sits
tenlehre und) Religion: Gefchichtchen, Gedichte, Fabeln,
biblifche Gefchichte, geiftliche Lieder und Pfalmen, Parabeln,
Worrterklaͤrungen, fyftematifche Religionslehre, Bibellefen ꝛc.
Mer wollte bier und bei ähnlichen Zufammenftellungen in
dent Vorhergehenden nicht ein fehr vortreffliches Element zu
dem Nachfolgenden finden, das ſchon wegen feiner Einheit,
Ganzheit und inneren Schönheit noch zweckmaͤßiger und ans
ziehender fein muß, als wenn die Theile der einzelnen Wif-
fenfchaft zu weit aus einander gezogen find! Wie oft Flas
gen nicht Lehrer über Mangel an Stunden, und geftehen,
daß fie mit den vorhandenen wenig ausrichten koͤnnen —
‚und wie wenig denft man an Abfchaffung dieſes Zerfpleis
Gens? Man fchafft lieber Die Außeren Hinderniffe fort, als
"dag man an die inneren denfen follte. Da man bei diefem
Zerfpleißen für den Fünftigen Gelehrten gerade nicht fchlecht
forgt, fo gibt man die anderen Schüler, welche fich dem
‚gelehrten Fache nicht widmen wollen, in den Kauf, und ver-
langt von ihnen Theilnahme an einem Eyclus, den fie der
Größe wegen nicht durchgehen Finnen. Da nun dadurch
Die Unterrichtögegenftände bis etwa zum 14ten Lebensjahre Der
Schüler mit Ausnahme der oben erwähnten8 Stunden, in wels
‚hen die Mädchen Handarbeiten, die Knaben aber eine frembe
Sprache und fpäterhin Buchitabenrechnen lernen: fo koͤnnen
die Mädchen an allen Übrigen Gegenftänden Theil nehmen.
Sch denke, Lieber Lefer, du wirft mir eine größere Weits
laͤuftigkeit über die Unterrichtögegenftänbe für jest erlaflen,
and mit mir dahin übereinftimmen, Daß der Unterricht an
ſich nicht weiblich und nicht männlich fein kann, fondern
vielmehr dem Charakter des menfdylichen Geiftes, der Kuls
turſtufe des Schülers und dem der Wiffenfchaft angemeflen
fein muͤſſe. Ich habe jetzt nur noch einige Einwuͤrfe zu bes
antworten, in wie fern folche mir erinnerlich find.
- 1 —
11) Man fagt, die Moralität der Schüler leide durch
dieſen Zufammenunterricht. |
Haft du, lieber Lefer, oder, verehrte Leſerin, das große
Gluͤck gehabt, von einem würdigen Lehrer unterrichtet und
erzogen worben zu fein? Nur bei Bejahung von deiner
©eite Tann ih mid an dein Herz und beinen Berftand
wenden; denn unwuͤrdige Lehrer follen nicht. lehren und ers
ziehen, weil-fie immerhin Schlechtes zulaffen oder thun, fie
mögen nur Knaben oder nur Mädchen oder beide Geſchlech⸗
ter zuſammen unterrichten. Nun denn; hatten Knaben und
Mädchen in der Schule, die du befucht haft, ihre abgefonders
ten Site ? Wußte der Lehrer unter den verfchiedenen Geſchlech⸗
tern eine gewifle, jedoch nicht unangenehme Spannung zu uns
terhalten? Waret ihr bei euren Spielen unvermerft von eins
ander getrennt worden? Alle diefe Fragen mußt du mit „Ja“
beantworten koͤnnen, wenn du hier urtheilen darfſt; denn je
dem verftändigen Lehrer ift die Loͤſung folcher Aufgaben, in
nicht ganz verdorbenen Städten, leicht, fehr Leicht. - So fage
denn, ob diefes Zufammenleben mit dem andern Gefchlecht
dir verderblich geweſen ift? Es ift mit dir vielleicht in dieſem
Zufanmenleben einmal etwas Unfittliches oder Ungefittetes
vorgefallen, dad du an deinen Kindern gern vermieden hätteft.
Iſt denn nicht auch anderwärts mit bir ein Aehnliches vorges
fallen, mit foldyen des andern Geſchlechts, die dir täglich nicht
fo nahe waren? und — fuchteft du diefe nicht. fo dargebotene
Gelegenheit nicht mehr auf, als die tägliche? Sage nun, mo
wollteſt du eine Schule finden, in welcher nicht folche junge
Menſchen wären, die irgend einmal einen Gedanfen auf ein
Sndividuum eines andern Geſchlechts hätten? Und, wenn bu
ben Menfchen kenneſt, was mir-fehr Tieb wäre, jo fage doch
ob du denn dieſes allemal fuͤr verderblich und zugleich fuͤr
abwendbar haͤltſt? Du biſt vielleicht, lieber Leſer, auch
auf einem Gymnaſio geweſen, auf welchem nur Knaben
f
— 82 —
unterrichtet wurden; ſage, ging es denn dort um deswillen
moraliſcher her? Hat denn das Zuſammenleben mit dem
andern Gefchlecht, und zwar unter den Augen bes Lehrers,
an fich etwas Unreines? Kann die Gemeinfchaft auf dem
Wege nach Haufe nicht leicht vermieden werden? Und —
follte denn wirklich der Gedanken an das andere Geſchlecht
unter den Augen eines würdigen Lehrers nicht um fo eher
veiner, um fo geheiligter werben? Erhaͤlt nicht oft ein Dem
Kinde vorfommendes Wort in dem Munde des Lehrers eine
einere, geheiligtere Bedeutung? Wer aber hier allenthalben,
wenn gleich nur aus Abertriebener Sorgfalt, durch eine uns
seine Brille fieht, der wolle diefe Doch nicht Jedem auffeßen.
Fehlt es aber wirklicdy in einer gemifchten Schule an Mo;
ealität, fo Laflet und die Mittel anwenden, biefelbe zu ers
ſchaffen, zu heben; und dieſes erreicht man nicht durch
MWegräumung eines Aeußern, ſondern durch eine Seelen
Eur, durch ein Gewinnen fiir alles Gute, Anftändige, Schöne
und Edle. Wie willſt du denn der Berführung in den bereits
getrennten Schulen entgegentreten ? Willſt du etwa mit. einer
Trennung noch fortfahren? Kann man hier, wie uͤberhaupt,
den einzelnen Berführer zum Unfittlichen oder Unanftänbigen
nicht bis zu feiner Beflerung von allen Andern trennen?
2. Man fagt ferner, die Mädchen würden durch ben
Zufammenanterricht mit Knaben roh und Enabenhaft.
Da kann ich mit vielen taufend Tehrern fagen: „Komm
und ſieh.“ Ein Mädchen, das ſich zu den Mädchen hält
und halten muß, nicht Knabenſpiele treibt und treiben darf,
Lad einem würdigen Lehrer und verftändige Eltern bat,
ur nuter den Augen bes Lehrers mit Knaben in einem
Lehrzimmer fit, kann darım.: nicht roh und Inabenhaft
werden; aber ed bleibt darum doch deſto ficherer vor aller
Enipfinbelei verwahrt. Das Gute und Schöne, das in
edler Einfalt in der Schule vorkommen muß, kann das Herz
des jungen Menfchen zarter und feiner machen; aber ber
junge Menſch muß aud) nicht beftändig in diefer Zartheit
bleiben, fonft artet diefelbe in Empftndelei aus. Empfindes
lei ift der Natur des Knaben, Nohheit der des Mädchens
zuwider; darum findet eine gemifchte Schule fo leicht dem
Mittelweg, und mit ihr felbft auch der Lehrer, ein Um⸗
ſtand, der alle Beachtung verdient. Derjenige, welcher ben
nicht fchlechten Ton einer gemifchten Schule beobachtet hat,
wird bemerft haben, daß gerade dort geheim getriebene Un⸗
anftändigfeiten oder Unfittlichleiten eher an Tageslicht kom⸗
men, als in einer getrennten Schule, und daß in jener im
Allgemeinen mehr Anftand herrfcht, ald in biefer, wenigs
ftend als in Knabenfchulen. Muß der Lehrer in den ger
mifchten Schulen nicht um fo forgfältiger auf die geringite
Verlegung der Sitten halten, und ift diefes nicht nothwens
dig, wenn der gute Geift nicht unvermerft ſich dem Unrei⸗
nern nähern fol? — Ein wuͤrdiger Lehrer wird mehr von
feinen Schülern. geleitet, als man dieſes, oberflächlich ans
gefehen, denken follte. Er will von dem zarten, finnigen
Mädchen und von den Fräftigen, freien Knaben geachtet
und geliebt fein, weil er nur dadurch fehr wirkſam wers
den kann; und darum muß er weder bie eine, noch die ans
dere Natur durch fein Betragen kraͤnken. Der Knabe bes
wundert an ihm befonders feinen Berftand, feine Kraft,
feine gründlichen Kenntniffe; das Mädchen liebt fein vortreffs
liches Herz, feine Zartheit, feine ftille Weisheit. Beiden
fann er nur in der Humanität genügen, und eg
bleibt ihm alfo vernünftigerweife nur biefe
zu erfireben äbrig. Ein Umftand aber, ber in
jedem Angenblide fo mädhtig und fowohlthätig
auf das Triebrad Des Ganzen einwirft, muß
nicht ohne alle Noth fo freiwillig und ſorglos
der Bernihtung hingegeben werben.
f *
— 84 —
Du zeigft mir, Tieber Lefer, noch zwei gemifchte Schus
Ien braver Lehrer, in welcher erftern Die Mädchen zu berb,
und in welcher leßtern die Knaben zu weich werben. Sage
mir, find denn nicht etwa in jener auch die Knaben zu
berbe, und in diefer die Mädchen zu weih? Wie willft
du dem Uebel abhelfen? Rathe. Willſt du etwa nur für
Eins der Gefchlechter einen beffern Lehrer wählen? Und —
wird biefer die andern Vorzüge des vorigen Lehrers alle in
ſich vereinigen? Schafft du nicht etwa ein größeres Uns
heil, wenn du dem einen Fehler ausweichen willſt? Uebri⸗
gend mag ed wol möglich fein, hier in einem Falle richtig
zu handeln; aber kann das im Allgemeinen etwas für die
allgemeine Trennung entfcheiden? Was wegen einer Pers
fon zu wgend einer Zeit wünfchenswerth fein mag, ift es
darum noch nicht für jede Perfon und für alle Zeiten.
Sorget für humane Lehrer und für humane Schuleinrichs
tungen, und biefe werben gut und müslich fein, fo Tange
der Menfch dahin fireben wird, ein Menfch zu fein.
Ich komme nun zur Nutzanwendung des Gefagten, und
frage: Iſt es rathfam, die Kräfte ber Lehrer zu zerfpleis
Ben, und felbft dort beide Gefchlechter zur trennen, wo we⸗
der die Zahl der Schüler, noch bie Unfi ttlichfeit des Ortes
dazu Veranlaffung geben?
Im Allgemeinen bleibt es wänfchenswerth die Zahl ber
Glaffen fo lange zu vermehren, bis jeder Schäler von mits
telmäßigen Anlagen den Kurfus jeder Claſſe in einem Sabre
abſolviren kann; denn der Lehrer hat dann nicht nöthig
Abtheilungen zu machen, und ber zuruͤckbleibende Schuͤler
einer Claſſe bäßt dann nur den Verluſt Eines Jahres ein,
wogegen bei mehrjährigen Kurfen einer Claſſe mehrere Jahre
eingebüßt werben mäffen, wenn der Kehrer Feine Abtheiluns
gen macht, die dem rafchen Fortfchreiten noch mehr fchaben.
Ich denfe mir eine gemifchte höhere Schule von A Claſſen.
— 5 —
Zrennt man nun die Schüler nach den Gefchlechtern, fo
entfiehen ohne Zuſatz von Lehrern nur zwei Claſſen, mithin
werden die Lehrfräfte gefpleißt, und die Schuleinrichtung
wird armfeliger. Sekt man aber vier neue Lehrer an, fo
richten diefe acht Lehrer, wenn jene Claffen nicht überfüllt
waren, nicht mehr aus, ald vorher jene vier Lehrer ausge
richtet haben, und die Schuleinrichtung hat nichts gewon⸗
nen. Hat man aber die nöthigen Fonds dazu: fo trenne
man die obere Claſſe, hänge die 3 neuen Glaflen den 4
alten an, und vertheile fammtliche Schüler in 7 fich aufs
fiufende Claſſen. Dadurch ift der Meberfüllung in
manchen Claſſen abgeholfen, und die Schuleinrichtung hat
gewonnen. Reicht der Fond nicht hin, fo richte man nur
5 oder 6 fich aufftufende Claſſen ein, und auch dadurch
hat die Schuleinrichtung fchon ein Bedeutended gewonnen.
An vielen Orten mangelt aber diefer Fond, und man fucht
Das Lehrerperfonal dadurch zu verboppeln, daß man Ges
minariften diefe Stelle gibt, die dann das Färglichfte Ein
Eommen haben. Eine folche Einrichtung hier und. dort mag
im Allgemeinen nicht ſchaͤdlich fein. Erftehen aber diefe Ans
ftalten in Menge, fo entftehen dadurch nothwendig eine große
Menge fehr fchlecht fundirter Schulftellen, deren Inhaber
nur gar zu häufig Zeitlebend Bettler bleiben müflen. Man
hat erft feit Kurzem die Schulftelen beffer zu fundiren ger
ſucht; der Grundfaß einer Trennung macht aber jede Hoffe
nung auf Gehaltsverbefferung und zwar auf eine, wie mir
deucht, unverantwortliche Art zu Nichte. Befler wäre es
demnach , jenes Ruinirungsprinzip wo mögkichzaufzugeben;,
oder hierin nur der Noth zu folgen; dagegen follte man bie
neu hinzufommenbden Stellen ganz gehörig fundiren. Erkennt
ein Ort diefe Noth , fo mag der Bürgerfinn in Anſpruch
genommen werben. Der Staat aber hat, deucht mir, Das
für zu forgen, baß fein Stand durch unnoͤthige Einrichtung
— 86 —
in den Bettlerorden gerathe, und hat darum dem Trennungs⸗
weſen, wenn es ein Unweſen iſt, Einhalt zu thun, und
eine zweckmaͤßigere Einrichtung zu veranſtalten. Waͤre es
aber wirklich ein Unweſen, ſo werden verſtaͤndige Maͤnner
Herz und Hand bieten, eine beſſere Schuleinrichtung zu
treffen, und ſich um das Wohlſein kuͤnftiger Generationen
verdient zu machen. — Es iſt demnach wol der Muͤhe
werth, obigen Satz und meine Gruͤnde, ſo wie die Gruͤnde
der Gegner zu unterſuchen, und ich bitte darum die Freunde
und Feinde meiner Anſicht, die Sache naͤher ins Auge zu
faſſen, und mit mir dahin zu ſtreben, daß wir zu einem
reinen Ergebniß der Unterſuchung gelangen.
Der Kampf um Feſtſtellung einer der Menſch⸗
heit wihtigen Anficht, und zwar dieſes ohne
alle gemeine Nebenrädfichten, ift ein edler
Kampf — und der in diefem Dienfte erfodte
ne Sieg, ein der Menſchheit errungener fh
ner Sieg, an weldem Sieger und Befiegte
gleichen fegensreihen Antheil haben!
Ueber den Unterriht in der Mutter:
ſprache.
Wenn Herder in ſeinen Humanitaͤtsbriefen irgendwo
ſagt: „Die Sprache iſt der Verkuͤndiger des imw
neren Werthes und Unwerthes des Menſchen“:
ſo verſteht dieſer tiefe Forſcher unter Sprache etwas ganz
anderes, als was in ſehr vielen niederen und hoͤheren
Volksſchulen durch den Unterricht in der Mutterſprache be⸗
zweckt wird. |
— 897 —
Ich will es darum verfuchen, auf einen befferen Un⸗
terricht in dieſem Gegenftande aufmerkffam zu machen, und
zu dem Ende Anfichten aufftellen, die ſich mir in Hinſicht
anf den wahren Werth der Sprache in vieljähriger Erfah⸗
rung als bewährt gezeigt haben.
VBortrefflihleit und Zweck der Sprade.
Dee Menfch befitt die Fähigkeit, feine Borftellungen,
Begriffe und Empfindungen Andern hörbar mitzutheilen: er
ift einer -Wortfprache fähig. Se fchärfer er die einzelnen
Theile und. ihre Verbindung auffaßt, deito wirkfamer if
- das gehörte oder gelefene Wort auf ihn ſelbſt, deito ber
ftiimmter , einfacher und ſchoͤner, unb darum deſto wirkſa⸗
mer kann er die eigenen Borftellungen, Begriffe und Ener
pfindungen Andern mittheilen. Zwifchen dem Worte einer
feits, und der Borftellung, dem Begriffe und der Empfin⸗
dung anderſeits befteht eine gewiffe Bergefellfhaftung (Aſſo⸗
ciation); jenes erinnert an dieſe, ruft diefe in. die Seele
zurüd, und feßt den innern Menfchen in Bewegung. Diefes
ift befonders bei einer hinreißenden Rede fichtbar. Wie ber
Sturm taufend verfchiedenartige Wogen erzeugt, alſo ers
wect die verftändige, gewaltige Rede jene Einzelheiten des
inneren würdiger Hörer; wie Die Wogen in ihrer. Geſammt⸗
heit ein und derfelben Weltgegend zuzueilen fcheinen., alſo
führet. die Rede, in welcher Einheit und Stätigfeit herrſcht,
‚den vielfach erregten Geift ber Hörer einem Punkte entges
gen; wie jede einzelne Woge das Recht zur Ausdehnung
und Richtung in hartem Kampfe mit andern fiegreich oder
— g8 —
ſſeglos, gültig zu machen. ſtrebt, und Sturm und Meer in
dieſem Kampfe um fo thatkräftiger erfcheinen, alſo kaͤmpfen
in dem Inneren bes bewegten Hörerd Vorftellungen, Bes
griffe und Empfindungen untereinander, fo daß bei begeiſtern⸗
der Nede das Herz des Hörerd immer ‚lauter pocht, bag
Auge immer lebhafter ftrahlet, die erregte Kraft den Bufen
oder auch den Arm ſchwellet, und der Menſch im Gewuͤhl
diefer Empfindungen nur die Richtung behalten mag, in
welcher ihn ein Meer von Gefühlen mit aller Macht einem
Ziele entgegen treibt!
So trug ein Perifled den Donner und den Bli auf
feiner Zunge, fo thronte ihm die Göttin der Beredtſamkeit
anf feinen Lippen, daß er lieben Ichrte, was man haßte,
und haffen Ichrte, was man liebte! So entflammte ein
Miltindes den Muth des verzagten Griechenheeres, daß
dieſes mit Entichloffenheit und Mannkraft dem Tode fidy
fiegreich entgegen warf! fo facht ein Homer die Thatkraft,
ein Schiller den Menfchenadel, ein Kloppſtock die Andacht,
ein Kant die Ehrfurcht vor dem Weltenfchöpfer. und Die
Ehrerbietung vor dem Menfchengeift an! fo lehrt ein Geß⸗
ner lieben, ein Gellert fromm wandeln, ein Herder in Ehr⸗
fürdyt forfchen, ein Sohannes von Müller, ein Luden, ein
Heeren refleftiren, das Gewuͤhl der Weltbegebenheiten Ies
bendig empfinden ! ein Arndt das Vaterland mit hoch bes
geifterter Liebe und treuen Armen umfaffen! fo Ichren hun⸗
dert große Geifter der Alten und Neuen durch die Kraft
"und Feinheit ihrer Sprache und ben Reichthum ihrer Dars
ftellung denfen, fühlen und wollen! O, dreimal Heil dem
Menfhen, der Diefen großen Lehrern nicht unwuͤrdig zu
Füßen fiten fann, um aus ihrem Munde Die Lehren ber
Meisheit, die Hoheit und Erhabenheit des unendlichen Geis
fies, die Göttlichkeit der Religion, die Würde der Wiffens
fchaft und Kunſt zu vernehmen, dann das Erhebende mit
— 89 —
feinem Weſen zu verſchmelzen, und dadurch das goͤttliche
Ebenbild in ſich zu erneuern, zur Humanitaͤt zu gelangen!
Auf dieſe Art iſt die Sprache das Mittel, den Men⸗
ſchen zur Humanitaͤt zu erheben, und dieſer wichtigſte aller
menſchlichen Zwecke iſt ihr erhabener Zweck!
Die Erhabenheit des Zweckes zeugt hier von der Vor⸗
trefflichkeit des Mittels, da Mittel und Zweck fo innig
verwandt ſind. Je gebildeter naͤmlich ein Volk, deſto ge⸗
bildeter iſt ſeine Sprache; je reiner, je edler, je beſtimm⸗
ter, kraͤftiger und zarter die Sprache, deſto reiner, edler
beſtimmter, kraͤftiger und zarter das Volk, das dieſer Spra⸗
che ſich erfreut. So innig ſind Mittel und Zweck hier ver⸗
wandt, daß beide als eines erſcheinen. Daher iſt humaniora
oder Sprachenlernen nur ein und daſſelbe. Greift aber
Erlernung der Sprache ſo tief in die Saiten der Humani⸗
taͤt: fo wird dieſe himmliſche Lyra an allen Enden der Erde
ſtets wuͤrdig ertoͤnen, wo jeder Lehrer des Volks ſich ernſt⸗
lich bemuͤht, ein wahrer Amphion im ſchonen Hellaslande
der Jugend zu werden.
Allgemeine Feſtſtellung der Methode Des
Unterrihtes in der Mutterfprade.
Die Sprahefelbfi muß gelernt werden, und
nicht bloß ihre Korm.
Sehe ich den Spradunterricht in fo vielen niederen
und höheren Volksſchulen an, fo verdient berfelbe nur ben
Namen Sprachform » Unterricht; denn nicht die Sprade in
ihrem Umfange, fondern nur ein Theil derfelben, die Gran
matif wird gelehrt, und felbft das in nicht wenigen foges
— 0 —
nannt guten Schulen auf eine todte Art- Was ſoll aber
die Korm, wenn man die Sache nicht verfteht? Freilich
hofft man auf Bildung von Seiten ded Lebens, und. will
‚nur den Schuͤler vor ben Fehlern im Gebrauch der Prä-
pofitionen und Verben ıc, fichern, damit er nicht gar zu
Teicht in der Zukunft die Mangelhaftigfeit des Unterrichtes
feiner Schule verrathe; die eigentliche Sprachbildung aber
bat in der Schule gute Ruhe. Dieſes geht einftweilen fchon
aus der Steifheit der gefoberten Heinen Auffäte 12 bis
14fähriger Schüler hervor. Wenn einzelne Schhler darin
. eine Ausnahme machen: fo fchreibe man das nicht mit
Selbitzufriedenheit der Schule, fondern den befondern Ans
lagen oder dem. Streben des Schülers zu, die Sprache
felbft, in und außer der Schule zu erlernen. —
Sol der Menſch jenen aufgeltellten Zwed die Humas
nität feft zu begründen, erreichen: fo muß die Sprache
ſelbſt, in ihm fo weit ſich erheben.
Die Sprache an fich ift ber Inbegriff von Bezeichnungss
mitteln für die Vorftellungen, Begriffe und Empfindungen
des Menfchen. Sol nun die Sprache in ihren einzelnen
Woͤrtern, Säben und ganzen Gedanfenreihen das Innere
des Menfchen zweckmaͤßig in Bewegung feßen: fo muß je
des Wort ıc. die Borftellung, den Begriff, die Empfindung
felbft in dem Menfchen aufweden und leiten. Se reiner,
und klarer, und. abgegränzter das in des Hoͤrers Seele
Erwecte dem Worte ꝛc. fich anfchließt und folgt, deſto
fiherer geht Die Bewegung feined Inneren durch Die Kraft
und Schönheit der Rede dem Ziele entgegen. Den unge
bildeten Menſchen, dem oft die nöthigften Borftellungen und
Begriffe mangeln, und in welchem. fo viele einzelne Begriffe
and Empfindungen, ftatt abgefondert, wie in. einem: Chaos
fi) verfchwimmen, dieſen kann die begeifterndfte weife Rede
sicht ergreifen, nicht Ienfen und erheben. Die Sprachbils
— 1 —
dung verlangt demnach für den Bauern, wie fär den Ge
Ichrten eine, jeboch nach der Bildungsftufe beftimmte Maffe
von Borftellungen ‚ Begriffen und Empfindungen, die Durch
Das äußere Wort leicht, fchnell und beſtimmt hervorgerus
fen werden können. Man kann in Hinfiht auf niebere
und höhere Bildung ein beftimmtes Maaß von Bildensmas
terial feftfeßen, und darum läßt fich anch für jede einzelne
Stufe der beabfichtigten Bildung die Mafle diefer Vorftels
Inngen, Begriffe und Empfindungen angeben. Auf dieſe
Art erhielte man eine Reihenfolge von Wörtern und Res
densarten, deren Bedeutung man in dem Inneren des juns
gen Menfchen aufregen, und mit diefen verknüpfen müßte,
So wie alfo die Bildungsftufe höher ift, nimmt auch die
Anzahl der Wörter in dem zu Bildenden zu, woraus dem⸗
nach hervor geht, daß das Reich der Woͤrter nicht etwa
fon auf der untern Stufe der Bildung durchgearbeitet
werden könne. Iſt in dem Reiche der Vorftellungen ꝛc. eine
Stufenfolge, fo daß die Seele des Schülers nicht für jede
Diefer Art reif ift, fo herrfcht auch Diefelbe Stufenfolge im
den Wörtern, und der Schüler ift dann auch für den Ges
brauch diefer Wörter, welche die Vorftellungen einer höhe
ren Stufe bezeichnen, noch nicht reife. Gibt man aber viefe
Wörter ohne Wahl, fo führt das ein Verſchwimmen der
Begriffe und Empfindungen, ein Bermengen Elarer uud
dunfler Vorftellungen herbei, und macht Dadurch die eigene
Sprache auf den jugendlichen Geift unwirkſam. Sn der
Aufftelung des Unterrichtsganges werde ich Die nöthige
Stufenfolge Diefer nöthigen Borftellungen, Begriffe umb
Empfindungen im Allgemeinen aber beſtimmt genug anges
ben, nämlich auf Schulbücher hinweifen, Die Diefe vers
arbeiten.
Sp einfady und leicht, und, ich denfe, allgemein ges
fannt jene gefolgerte Wahrheit auch ift, fo vielfach wird
— 92 —
in vielen Schulen gegen biefelbe von Männern gefehlt, die,
wie es heut zu Tage Mode ift, eine Fülle von Erziehungss
lehren im Munde haben.
Die Sprache als Sinbegriff biefer Bezeichungsmittel ent-
balt aber mehr, als diefe einzelnen Wörter; fie fchließt
auch die Regeln in ſich, nach welchen dieſe Wörter unter
einander, und zu Säben und Perioden verbunden werden ;
und endlich erfodert fie noch Kenntniß und Uebung in nas
tärlicher Verbindung dieſer Säge und Perioden zum münds
Fichen und fchriftlichen Vortrag einer geordneten Gedanken⸗
reihe. Was die Regeln der Grammatik angeht, fo machen
biefe bei weitem nicht Die Schwierigkeiten, die man ihnen
in der Regel beilegt. Man muß nur die Sprache mit Geift
behandeln, und diefe Regeln folgen von felbft, befonders in
der deutfchen Sprache, in welcher die meiften Regeln aus
dem Geifte derfelben gefchöpft find. — Das Innere Diefer
Verbindungen, der Sprachgeift, waͤchſt nur mit dem Auffteis
gen auf eine höhere Bildungsſtufe. Mag der Schüler im⸗
merhin fchon große Perioden bilden koͤnnen, fo würde er
natürlich bei manchem einfachen Sab aus Kants Naturges
fchichte des Himmels ftille ftehen muͤſſen.
Man geht von einer ganz verkehrten Anficht aus, wenn
man fich ftetd über die Außern Schwierigfeiten beflagt, die
der Schüler bei Darftellung feiner Gedanken zu befeitigen
habe. — Ad, freilich mag es fehwer.fein, ein anderes Schloß
in der-blauen Luft zu bauen, als ein Luftfchloß! Nein, die
bloß trockene Sprachform der Darftellung ift es in einer
ſelbſt mittelmäßig guten Schule nicht, in welcher die Schwies
rigfeit liegt; es ift Die Unflarheit des Gedankens, es ift das
Berfhwimmen der Gedanfen und Empfindungen in einem
Worterfhwal, der Mangel an Sprachgeiſt. Man fchreite
nur einfach und ficher in derBearbeitung der Materie voran,
stelle jeden Begriff, jede Empfindung durch das richtige
Wort und durch abwedzfelnde zweckmaͤßige Redensarten feft,
übe das Sprachgefühl, und man wird bei gehöriger Hebung
über das fchriftliche Darftellen der Schüler zu Magen nicht
Urſache haben. "
Das Innere muß dem Aeußern deshalb vorgehen, es
muß die Grundlage fein, die Form darf die Materie nur
begleiten, hier, wie bei ber Vorſtellung ıc. und dem Worte,
Weiterhin werde ich zeigen, wie Satz, Periode und Auffag
ſtets mit dem Worte verarbeitet werben müffen, wenn ber
Inbegriff aller diefer Bezeichnungsmittel, welche die Sprache
ausmachen, mit der Bildungsftufe des Schülers in gleichem
. Berhältniffe ftehen fol und kann. |
Man fürchte von mir, einem praftifchen Lehrer, feine
zu hoch gefpannten Anfoderungen, wie diefe leider an der
Tagesordnung find, weswegen man auch, man verzeihe mir
den Ausdrud, in unfrem Fache jest fo viel. Mauffechterei
findet; ich will e& Lehrern und Schälern leicht machen, fo
fehr mir diefes möglich ift, will die meifte Arbeit auf Die
Schriftiteller wälzen, und den Lehrern einfache Mittel ans
geben, die fie Längit gekannt, die aber vielleicht nicht fo viele
ordentlich angewendet haben.
Man fagt ganz richtig: der Sprahunterricht
muͤſſe intenfiv fein, innere Kraft haben; aber
wirklich, Diefer intenfive Unterricht wird in fo vielen Schus
len ertenfiv, und verfchwendet die Zeit mit ganzen Reihen
von Formen.
Sch will darum die Sache ein wenig zu beleuchten füs
chen. Der Menſch, das Thier, die Pflanze wachen von
Sinnen heraus, der Stein wächlt aber, indem er von Außen
anſetzt; erftere wachfen intenfiv, letzterer wächlt extenſiv.
Extenſiv waͤchſt der Menfch in geiftiger NHinficht, wenn er
die Unterrichtömaffe nur durch das Gedaͤchtniß aufnimmt,
diefelbe aber nicht in fidy verarbeitet. Diefer ertenfive Uns
— 4 —
terricht wäre in vielen Schulen noch viel befier, als der
fchlechte nur fogenannte intenfive ; denn der ertenfive Unters
richt gibt Material; und eine: beffere glückliche Zeit,. in wels
her das Nachdenfen in dem jungen Menfchen eintritt, kann
doch das tüchtige Material noch verarbeiten; der aber nur
fogenannte intenſive Unterricht verſchwendet viele Zeit mit
allerlei Kuͤnſtelei, und laͤßt es nicht zu einem tuͤchtigen Ma⸗
terial kommen; und bald wird es ſich auch ergeben, - daß
Diefer fogenannte intenfive Unterricht nur zu oft noch obens
brein ertenfio, alfo dann der fchlechtefte ertenfive Unterricht
von der Welt ift.
Der infenfive Unterricht muß aber, wenn er rediter
Art ift, eben fo viel Material geben, als der ertenfive, nur
anf beffere Art. | |
Jede Wiffenfchaft hat einen Geift und einen Körper.
In jenem. liegt der Hauptzweck berfelben für das innere
und Außere Leben des Menſchen; in diefem bie Form, uns
tee welcher fie auftritt oder dargeitellt wird. 3. B. Die
einzelnen Thatfachen der Gefchichte machen den Körper, aber
die Zufammenftellung derfelben zu Reflexionen machen den
Geift der Gefchichte aus; — die Namen in der Geographie
find der Körper, bie innere Anfchauung der Provinzen ıc. aber
ift der Geift diefer Wiſſenſchaft; — die Namen der Begriffe,
die Regeln über Zufammenftellung berfelben zu Säten, in
fo fern nur der Gebrauch beftimmt, gehören zum Körper;
aber die Bedeutung diefer Namen, fobald fie zur Borftels
fung zum Begriff werden, und die Regeln, welche eine tie
fere Begründung als im Gebrauch an ſich Halt haben, ge⸗
hoͤren zum Geiſt der Sprache. Man ſieht, daß man des
Koͤrpers bedarf, um zum Geiſte zu gelangen; indeſſen liegt
die hoͤchſte bildende Kraft nicht in dem Koͤrper, ſondern in
dem Geiſte der Wiſſenſchaft. Det Körper. derſelben muß
man daher nicht ald Hauptzwed betrachten. und verehren,
und vielmehr alle Uebungen weglafien, deren Zweck nicht
über den Körper hinausreicht.
Man muß ferner bemerken, daß nicht jeder einzelne
Lehrgegenftand auf jeder Bildungsftufe für fich allein den
Menſchen vielfeitig bilden müffe; die ganze Maſſe des Uns
terrichts und das Leben müflen den jungen Menſchen erbes
ben und vielfeitig behandeln. Was darum nidht in dem
Geifte des einen liegt, liegt in dem Geifte des andern, und
es erfcheint mir als irrig, den Beift des Ganzen durch den
Körper des Linzelnen erfegen zu wollen. Es liegt in jes
der Wiffenfebaft und KRunft wenigftens Ein hoher Zweck
für die Ausbildung des Menſchen. Diefer, den ih den
Geift genannt habe, muß fcharf ins Auge gefaßt, und in
allen Theilen im Auge behalten werden.
Warum will man nun alle mögliche Nebenzwecke und
Außendinge der Wiſſenſchaft aufſuchen, aus ihnen Bils
densmittel entlehbnen und den großen Zweck bintanfegen.
Der wahre. Zweck des Banzen umfaßt das Ganze, und die
Mittel, weldye aus ihnen gefchöpft find, führen zum Gan⸗
zen, fonft find fie nicht die aus ihm geſchoͤpften richtigen.
Diefer Anficht muß, wie es mir. vorfommt, jeder ins
tenfive Unterricht untergeordnet fein, bamit alle Spielerei
in der Methode unterbleibe.
Intenſiv waͤchſt nun der Menfch, wenn er dabjenige
was er in ſich aufnimmt, dem Zweck der Wiſſenſchaft und
Kunſt gemaͤß wuͤrdig aufnimmt; jedes Einzelne muß ihn
dem wahren Zweck der Wiſſenſchaft ꝛc. naͤher fuͤhren. Theile
der Wiſſenſchaft, die dieſes nicht thun, find unwuͤrdig als
Bildensmittel, indem ſie Zeit rauben, und nur extenſiv ge⸗
geben werden koͤnnen. Um mich ganz zu verſtehen, ſehe man
nur beſonders die erſtern Lehrbuͤcher der Maaß und Zahl‘
nach Peſtalozziſchen Grundſaͤtzen (die Buͤcher von Tillich
ausgenommen) das Analiſirbuch der Betti Gleim ꝛc. nach,
— 96 —
"und man wirb eine Menge Uebungen finden, bie entweber
durch ihr ewiges Einerlei Cletteres) einfchläfern, oder, nur
als Verſtandesuͤbungen dienend, ben: höchften Zweck, oder
Asch den nächften Weg zu demſelben aus den Augen laffen.
Man könnte aus ihnen eine Menge Uebungen fortlaffen
und fie blieben noch ftufenweis bildende Lehrbuͤcher.
Ich wuͤnſche fehnlichlt, daß diefe meine Anficht von
Denfendben Männern geprüft, und nicht olme weiteres
serworfen werde. Habe ich recht, fo decke ich hierdurch
-sielleicht die Abwege auf, welche die. Schüler Peſtalozzis
in allen Gegenftänden fich zu gehen erlaubt haben. Der
edle Meifter felbft mußte in Diefen Fehler verfallen,
‚2a er den Begriff der Intenfivität durch das Ganze jedes
„ Gegenftandes, alfo auch auf deu Körper defielben in allen
feinen Theilen ausbehnte; und er fonnte um fo eher auf
fölche Abwege gerathen, da feine begefiterte denkenden Schüs
fer jeden Grundſatz deffelben noch feiner auszufpinnen bes
müht waren, und von ber Nichtigkeit des Arioms der Luͤ⸗
renloigkeit ausgingen,
Habe ich recht, ſo muß jeder Unterrichtsgegenſtand ſehr
eiefacı behandelt werden. Der Zweck deſſelben offenbaret
ſich in jedem Theile des Ganzen, bleibt immer berfelbe,
and fo aud das Mittel. Man braucht dann nur den alls
gemeinen Grundſaͤtzen der Unterrichtsmethobe überhaupt zu
folgen, und den Geift der Wiffenfchaft mit dem nöthigen
Material in ſich aufzunehmen. Habe ich recht, fo müffen
ſich die meiften Lehrbücher anders geftalten: muͤſſen allents
halben den Geift der Wiffenfchaft hervortreten laſſen, den
Körper nur in Ruͤckſicht des Zweckes beachten, bei kleineren
Curſen nicht den Geift verfümmern, aus dem vorzuͤglichſten
Material das Fruchtbarfte auswählen, und basjenige wes
nigſtens im Allgemeinen hinftellen , was Zeit und Raum
nicht als ‚ausführlich (fpeeieiD geſtatten.
— 17 —
Sc kehre jet zum Sprachunterricht zuruͤck. Ä
Sntenfiv wird das Wort gelehrt, wenn ber. Schüler
mit jebem Worte, die Vorftellung, den. Begriff und bie
Empfindung verbindet, bie das Wort bezeichnet. Diefe Lies
bung macht den größten und wichtigften Theil des Sprach⸗
unterrichts and. Hier hilft Anfchauung des Gegenftandes
felbft, des Models ober der Zeichnung befielben; ferner
‚ Befchreibung zuerft befannter, dann unbefannter. Dinge,
Ueberleitung vom Conkreten ind Abftrafte, beſonders durch
Adjective, welche Förperliche Eigenichaften, und erben,
welche förperliche Handlungen bezeichnen, und zugleich ab⸗
ſtrakt gebraucht werden.
Bei Erklaͤrung der Abſtrakte hilft Ableitung aus dem.
. &onfreten, helfen Auffuchen der ganzen Wortfamilie und .
Erklaͤrung jedes einzelnen Gliedes derſelben, heifen Ge
fhichthen, Fabeln, Gedichte, VBefchreibungen, Gebrauch
Derfelben in Redensarten, Definitionen ‚ Unterfcheiben ber
Synonimen ı.
Extenſiv ift diefer Unterricht, wenn Wörter aufgeſucht
werden, die mit einem gewiſſen Buchſtaben anfangen oder
enden, wo dieſes nicht zur Erklärung einer Regel. gehört;
ertenfiv, wenn das Aufjuchen und Lagebeflimmen ber Merk
male fein Ende nimmt, da endlich hieraus ein Mechanide
mus entfteht, der fich in dem Ableiern einer gewiflen Kor
mel ausfpricht; extenſiv alles Angftliche und weitfchweifige
Catechifiren, zumal über Begriffe und Empfindungen, bie
noch über der Sphäre des Kindes liegen; extenſiv wirft
jede Erzählung, jede Fabel ıc., wenn diefe nicht gehdrig
verftanden werben; .ertenfiv jede Erklärung, Die zu weit
ausgefponnen wird, fo wie überhaupt jedes ‚Berfahren,
durch welches man eine Menge Zwede auf Koften des
Hauptzwecks erreichen will. Sa, es wäre fogar. ein Bläd, -
wenn alle diefe und noch viele andere Luͤnſte nur erteafiv
8
— 8 —
wirkten; ſie feßen in ber Regel nichts an, fondern fchläs
fern den Geift ein.
' Intenſlv ift der Unterricht bei einer Regel, wenn man
den Geift derfelben ind Ange faflen, und darnach einige
Beifpiele auffuchen läßt. Man Tann immerhin mit dem
Auffuchen bed Unterſchiedes richtiger und unrichtiger Beis
ſpiele anfangen, aber man muß doch bald anf die Regel
felbſt zu kommen fuchen; denn dad Berftehen der Regel
bildet im Allgemeinen mehr, ald ein gar zu oft mir fpielen-
des Aufſuchen. Gefchieht bad Aufſuchen foftematifch, fo tft
der Lehrer mehr thätig, als ber Schüler; und es fommt
mir in vielen Källen fo vor, als wollte der Reiter zum
erde ſprechen: Liebes Thier, du haft biefen Weg felbit
- gefunden; ich habe wer zuweilen burch einen Kleinen Schen;
keldruck nachgehoffen. Gefchieht das Anffuchen aber frei,
fo zeichnen ſich im der Negel nur bie beften Schäler aud,
und wie ſteht es denn wirffich mit bem Aufiuchen des größs
ten Theiled der ganzen Klaſſe?
| Ich fage dieſes nicht, um das allgemeine zwedimäßige
Aufſuchen als uͤberſtuͤſſig darzuſtellen; ich möchte der Ein;
biſdung vieler Lehrer nur etwas entgegenfiellen, was beher⸗
zigenswerth ift, Damit diefe nicht zu viele Zeit durch ihre
‚vermeintliche Kunft verfchwenden. Die wahre vortrefffidje
"Methode, alle Schäfer ins Intereffe zu ziehen, dann frei
urtheifen zu laſſen, eine Geiſteshebamme zu fein, bei mm
"richtigen Urtheilen anf kuͤrzeſten Wege ad abmırdem zu
führen, ift eine hohe Kunſt, die mit jener breiartigen Gates
cheſe, mit dem von mir gemeinten Tangweiligen Aufſuchen
nichts, als etwas von der Äußeren Form gemein hat.
Möchte man in Nädficht auf Urtheillenkung die Beifpiele
"son Sofrates feldft, und mit Anmerkungen begleitet, unter
bie Lehrer bringen, und in biefem Geifte vorzägliche Bei⸗
ſpiele beigeben.
— 99 —
Geiſteinſchlaͤfernd wirkt das viele Aufſuchen der Vei⸗
ſpiele. Man hält nicht ſelten die Lebhaftigkeit bed Kinded,
‘die daffelbe bei gluͤcklicher Auffindung feiner koͤrperlichen
Formel geigt, für Belftesthätigkeit; der Muth entfpringt
‚aber nicht felten ans ber Leichtigkeit, mit welcher es feine
Formel herbuchftabiren Tann. Beiſpiele muͤſſen die Neger
erflären, nnd zwar jeden einzelten Fall derſelben: ber
‚Schüler muß einige Beifpiele für jeden Fall fuchen, und da
ift das hinreichend, wo nur ber Berftand leiten fl.
Intenſiv wirkt das Elaffifieiren der Wörter, wenn bie
Unterfcheidungsbegriffe der Haupt s und Unterarten fcharf
aufgefaßt, und bis zur gänzlichen Einprägung in gebrängter
Rebeneinanderftellung eingeibt werden; extenſtv aber wirkt
das übertriebene fo fehr beliebte Analyſiren, wirken alle u
anhaltende und ind Kleinlicye gehende Uebungen, bie in
dieſes Capitel einſchlagen.
Intenſiv wirkt die ſcharfe Erkennung der Satztheile:
Subjekt, Copula, Prädikat, Objekt, Terminativ, Adjekt,
und deren naͤhere Beſtimmungen durch Adjektive, Artikel
Numerale, Pronomen, Genitive, Appoſtitionen, Awiſchen⸗
ſaͤtze, Adverbe, und das Auffuchen einzelner Beiſpiele; geiſt⸗
einſchlaͤfernd aber das Beſtreben mit Kindern eine philoſo⸗
phiſche Analyſe der verſchiedenartigſten Wendungen in ben
Perioden nach einer Theorie und als Thevrie vorzunehmen
und die nöthige Theorie mit Beifpielen zu. überfülfen , da bie
Uebermenge berfelben nachtheilig auf die Selbſtthaͤtigkeit des
Verftandes wirft. Das zu viel ift hier kein relativer Begriff,
wenn man auf den Zweck ſieht. Der Schüler fol nämlich dieſe
Theile durchs Sagen und Fragen des Lehrers kennen Ternen, da⸗
mit er für jebe Beſtimmung den Plab erfahre, und wiſſe, mark
ein Sat zu Ende iftıc.;3 was drüber iſt, tft vom Uebel; dem
Die Anwendung und Eintibung muß in feinen Anffägen, und
durch etwas ganz anderes beabfihtigt werben, als Durch dieſes
trockne Auffuchen. g *
— 100 —
Intenſiv wirft die innere Bebeutung ber Bindewoͤrter,
ihre Slaflification, und die Benennung der Periodenarten
sach benfelben; intenfio eine gebrängte Zufammenftellung
ber Regeln des Stild, der Anorbnung eined Aufſatzes,
‚wenn dieſes alles gehörig verflanden wird; extenſiv weit-
Läuftige Auseinanderfegung , da hier ber Ueberblick verloren
geht, und ohnehin anderwärtd Uebung gegeben werden
muß... Es kommt demnach nicht fo fehr darauf an, wie
der Schüler zum Begriff, oder in ben Geift der Sache
kommt, fondern ‚vielmehr darauf, daß er dahin gelange ;
und dazu wähle der Lehrer jedesmal ben kuͤrzern Weg.
Soll dieſes aber gefchehen, und fol der intenfive Un⸗
-serricht guten Fortgang haben: fo muß demfelben ein Grund
.gelegt werben, aus dem diefer jchöne Baum ſtets die beſte
Nahrung zur Genüge ziehen Tann, und ber wird gelegt,
wenn das Sprachgefühl des Schülers von allen
‚Seiten befimöglihft gebildet wird. Diefes ge
fhieht in der erftern Zeit durch das Ableiten und Zuſam⸗
menfeßen ber Wörter, durch das Auffuchen der ganzen Worts
familie, befonders aber durch eine wichtige, Iängft befannte,
„aber in Volksſchulen fehr vernachlaͤßigte Uebung, über die
ich mich umftänblic, ausfprechen muß.
Wenn der geförderte Schüler eines Gymnaſiums die
‚Schilderungen eines Homer, die Neden eines Demofthenes
ober Cicero, die Reflerionen eined Thucydides und Tacitus
fieft, und fein Lehrer ihm diefe Schriften erklärt Cinterpres
tirt): fo macht der Lehrer dem Schüler dieſen Geift ges
‚nießbar, indem er denfelben bei ſchwierigen Fällen auf den
Standpunkt zu heben fucht, von welchem ber Schriftfteller
bie Sache anfah. Der Lehrer ift hier alfo das Mittel, daß
‚jener erhabene Geift auf den Schüler feine volle Wirkfams
keit äußere, und es ift wol nicht in Abrede zu fiellen, daß
ber Schriftfteller hier mehr lehre und bilde, als ber Lehrer,
— 101 —
der in fchwierigen Punkten doc; nur der Dolmetfcher jenes’
erhabenen Geiftes if. Se mehr aber ber Lehrer den Geiſt
dieſes Claſſikers erfaßt hat, deſto mehr wird jener Geiſt
durch den Lehrer in dem Schuͤler wirken. So wie beim
Religionsunterricht der beſte Exeget und Lehrer ſich niedri⸗
ger ſtellt, als die Ausſpruͤche der Bibel, und als ſein Ideal
von Chriſto, und dieſe hauptſaͤchlich wirken laſſen will —
fo auch der Erklaͤrer (Interpret) wahrer Claſſiker.
Da ein ſolcher Geiſt wirklich erhaben und groß iſt, ſo
iſt es auch beſſer, daß dieſe Individualitaͤt von dem Schuͤ⸗
ler zur Nachahmung aufgefaßt werde, als die Individualitaͤt
eines Lehrers, der nicht ſo hoch ſteht; man muͤßte denn
beweiſen koͤnnen, daß ein gewoͤhnlicher Lehrer, wegen ſeiner
Gewoͤhnlichkeit mehr zu leiſten im Stande ſei, als ein
großer, wirklich erhabener Lehrer. *)
Das Hauptmittel zu hoher Bildung iſt dem⸗
nad der Genuß des Unterrichtes diefer großen
Geifter, und der Lehrer muß dem Schüler dazu
behuͤlflich fein,
Dieſes gefchieht, wenn er bei feinen Einwirkungen eine
Reihe von Schriften wählt, die in einer zweckmaͤßigen Stus
fenfolge den Schüler dem Ziele näher führt. Se forgfältis
*) Man hört heut zu Zage fo oft, „ber Lehrer folle und koͤnne feine
Sndivibualität dem Schüler einpraͤgen.“ Dir aber fcheint dies im
Allgemeinen ein gefährlicher Rath; denn gerade diejenigen, welche
abſichtlich darauf hinwirken, flellen nicht felten in ihrer Perſon
einen fteifen Schulpedanten auf, und prägen ber Kindesfeele einen
engherzigen, aufgeblähten Popanz ein. Wählt aber der Lehrer zum
" Schulgebraud die Schriften anerkannt großer Männer, ſucht er
feine Schüler in den Geift diefer Edlen zu führen, fo wird ex weit
mehr wirken, und feine eigene Individualität wird in dem Maaße
teiner und unverfchrobener erfcheinen, als er nur an den edlen
Geiſt des Gchriftftellers , und nicht an feinen eigenen denkt.
— 102 —
gerer nun übrigens den Schüler durch die andern Gegenftände
bearbeitet hat, deſto mehr wird auch das mit Umſicht ges
wählte Buch nerftändlich und wirffam werben, —
Da dieſe Reihe von Buͤchern aber aus klaſſiſchen
Schriften beſtehen muß, in denen ſich eine wahrhaft edle,
erhabene Sinnesart, und ein hoher Verſtand ausſpricht:
fo tritt bei dieſen Schriften, (die in Hinſicht ihrer
Faßlichkeit der Darftellung und des Inhaltes fich aufftufen)
felbft dann das Berhältniß des Buches zum
. Lehrer nnd Schüler wie bei oben erwähnten
fremden Claſſikern ein, wenn diefelben in ber
Mutterfpracde gefchrieben fein. ſollten; — und
man Eönnte hier eben fo gut fagen, daß die
Schrift mehr bilde, als der Lehrer.
Diefe Wahrheit wird fi) noch näher aus Kolgendem.
ergeben, |
Bei dem Sprachunterrichte fol ber Schüler ſich moͤg⸗
licht viel klare Begriffe fammeln; er fol diefe in Säten
und Perioden nach allen Regeln eined guten Stifed gebraus
hen, ſoll reflektiren lernen, feine übrigen Seelenträfte ber
fhäftigen, und zugleich feine Kenntniffe erweitern.
In allen diefen Stücken Teiftet das klaſſiſche Buch mehr,
als ber Lehrer, aber freilich durch ben Lehrer. Wenn gleich
ein gefchicter Lehrer Durch, Sagen und. Fragen den Begriff
vein darſtellt und auffaflen laͤßt, fo Flebt diefer Erklärung
dach in. der Regel hie fleife Schulform an. Unfre mei
ften Begriffe find nit fo rein abgefchloffen,
als Die in der Mathematik: fie haben Schattis
rungen um fih, und biefe Schattirungen fann
feine Erflärung (Definition) geben. Ein Schüs
Ier, der alle Definitionen der Zerrennerfchen Sammlung im
Kopfe hätte, würbe fich in diefen Begriffen nur fchulmäßig
ſteif bewegen; feinem Geile mürde es an Freiheit, an Ges
— 1093 —
wanbtheit in den zarten Uebergängen fehlen. Das. gute.
Bud, aber foll den Begriff durch vielfeitigen Gebrauch ini
allen feinen Schattirungen dem jungen Menfchen nach und,
nach vor Augen führen, und der Lehrer foll die einzelne Seite
des Begriffs jedesmal ſcharf anffaffen Iaffen, und wo der
thig, durch eine allgemeine Erklärung (Definition) nachhelfen, ;
Auf diefe Art wird derfelbe ſcharf, aber:
auch zart erfaßt, und zum ielfeitigen Gebrauch.
gefhidt gemacht.
Lernt der Schüler ferner ſaͤmmtliche Kegeln eines guten⸗
Stiles bloß durch des Lehrers Regeln kennen, fo wirb:er;
gedrechfelte Arbeit liefern; übt er aber bie fchönften Perioe:
den von mancherlei Gattung, die fchönften Wendungen. am,
einer eblen, erhebenden Sache dergeftalt ein, daß erſters
nur als Nebenfache erfcheinen, ja faſt gar nicht bie Aufs
merffamfeit auf ſich ziehen: fo wird Diefe Korm unvermerft>
aber darum um fo tiefer, wie die Analogie ei
ner Sprache, dem ganzen Weſen des jungen Menſchen—
ſich mittheilen. —
Iſt dieſes Sprachgefuͤhl nun durch die edelſte Schreib.
art unvermerkt gebildet und bereichert, dann trete ber Lehe
rer mit Auffuchung der Sinuverwandtfchafl (Synonimitaͤt)
der Wörter, mit feinen Regeln über Verknuͤpfung ben
Wörter, und mit ſeinen Regeln des Stiles auf,. und. laffeı
den Berftand des Schülers das Har einſehen, was im dem
Geifte deifelben Umfang gewonnen, tiefe und ansgebyeitete:
Wurzeln gefchlagen bat. Hat der Schüler baum nur Bien
danfen, fo wird es ihm leicht, Diefe in. fchönen Formen
felöft dann darzuftellen, wenn er weder an redneriſche Fir
guren, noch an Eunftreiche Perioden. oder Schlußarten denkt.
Das Ganze ift ald Sache mit feinem Weſen verſchmolzen
and darum ift ihm. die Regel der Form, wenn. gleich Der.
Gewißheit wegen nicht überflüfig, Doch weniger wichtig
— 104 —
umd fchwer. Daher kommt ed, daß auf unfren Gymnaſien
die geförderten: Schüler fid fo beftimmt und ſchoͤn ausdruͤ⸗
den lernen: ihnen -ift zu den taufend todten grammatifchen -
Hebungen , wie folche in unfren niedern und höheren Volkes
faulen fo fehr beliebt find, glücklicherweife nicht Zeit geblies
ben; der Symnafiallchrer ift zufrieden, wenn die verftandene
Pegel: beim Ueberſetzen richtig angewendet wird, es fällt
ihm nicht: ein, mit berfelben noch andere Künfte zu treiben.
Freilich kann weiter ber Schüler durch den Lehrer felbft-
denken (refleftiren) und fühlen Iernen, — und er wird es
nach feiner Individualität in dem Maaße lernen, als der
Lehrer. verftändlich, flät cd. 5. in gleichmäßiger Bewegung,
ohne Sprung) refleftirt und fühlt. Liegen aber dem Lehrer die
in allen ihren Gliedern fo begründeten und in ihrem Gange fo
ftäten Reflektionen eines Haren, tiefen, erhabenen Geiftes
vor: fo wird er felbft mit dem größten Vergnügen folgen, das
Ganze mit würdigen Anmerfungen zu begleiten fuchen, bie
Gründe ıc. dem Verſtande feines Schülers faßlicher und übers
zeugend darftellen; und indem die Anerfennung der
Bortrefflichleit des Schriftftellers im Lehrer
und Schüler waͤchſt, erhöht ſich das Sntereffe
an den Wahrheiten in ihnen; beider Geiſt geht eine
gewiffe Bereinigung mit dem großen Geifte befonders dann
ein, wenn biefer nicht aus Chreftomathien, fondern aus gans
zen Werken in einer gewiffen Stätigfeit kennen gelernt wird.
Sch gebe gerne zu, daß eine Leſe (Auswahl) folcher
Geifteshlüthen für den denkenden, finnigen Lefer, der mit
ber Aemfigfeit der Biene Segliches der Blüthe benutzt, und
zur Vergleichung der Geifter ihre herrlichiten Erzeugnifle
Produkte) nebeneinander ftelt, zumal dann von großem
Nutzen und .Interefle fein kann, wenn diefer fich dies Vor⸗
trefflichfte befannter Schriften in aller Kürze wieder vor
die naturgemäß gefräftigte, geiitige Anfchauung bringen
— 105 —
will; aber daß der Schmetterlingsnatur. ev
Schüler eine folche Sammlung der koſtbarſten Ledereius
für Gegenwart und Zukunft erfprießlicher fein follte, ald
wenn fie gleich einem Demofthenes die Werke des Thucidi⸗
des ohne Auswahl fiebenmal abfchreiben, um wie dieſer
Geiſt reflektiren, fühlen und vortragen zu lernen, und dem
Mufter in allen Lagen und Berhältniffen zu folgen: — das
fann ich bis jeßt noch eben fo wenig glauben, als daß
ein mit Zuderbrot und Marzipan gefütterter Sardanapal
die Kraft erlangen Tünnte, die bad Korn, das Mark der
Männer, gefunde, Fräftige Hausmannskoft, und mitunter
ein Glaͤslein Cyperweins dem Göttergleichen Achil ven
fchafften. — Endlich wird auch ein Schriftfteller, eben wer
gen feiner Glaflicität, in feinen Werfen feine Individuali⸗
tät niederlegen , und darum den Schüler von allen Seiten
erfaffen und bilden. Sind es Kenntniffe , die er mittheilen
will, fo wird er diefe auf Das anziehendfte vortragen, und
den Lefer mit Leichtigfeit in den Gegenftand hinein, nnd
in demſelben mit ſich erhöhendem Intereſſe herumführen,
Dabei kann der Lehrer immer noch das Seinige thun, umd
es fo lange mit feinen Schülern leſend wiederholen, bis
jeglicher Zweck des Buches voͤllig erreicht iſt.
Wie ganz anders verhält es ſich da mit dem bloß
muͤndlichen Vortrag des Lehrers, der wenigſtens bei vielen
ſo holperig oder ſo matt, ſo gemein, oder ſo uͤbergelehrt,
ſo unnatuͤrlich, pedantiſch zuſammengeflickt, oder ſo nach⸗
laͤßig abgeriffen if. Man werfe mir nicht ein, daß: ich
den Lehrer bloß zu Lefer, und das ganze Lehrgefchäft zum
Lefegefchäft machen wolle. Sch will Kopf⸗ und Tafelrech⸗
nen, Algebra , Geometrie, die Regeln einer fremden und
ber Mutterfprache, Begriffgerflärungen und andere Regeln
und Lehrfäge, die ein Ergebniß CProduft) freier --Unters
haltung fein müffen ıc. nicht gelefen und wiebergelefen has
— 106 —
bau; es ſoll dem Lehrer Gelegenheit genug bleiben, ſich
durchaus frei zu bewegen; — und ein tuͤchtiger Lehrer wird
dieſes ſelbſt bei Bearbeitung eines Schriftſtellers koͤnnen,
wenn er anders in den Geiſt deſſelben eingedrungen iſt, in
demſelben denkt und lebt und ſich gluͤcklich fuͤhlt. Jemehr
aber der Lehrer ſich der durch zuarbeitenden klaſſiſchen Schrift
mit ſeiner ganzen Weſenheit anſchließt; jemehr er mit dem
Verfaſſerein Geiſt wird: deſto mehr Harmonie wird die Ein⸗
wirkung haben, deſto edler, ſchaͤrfer und zarter wird der Un⸗
texricht fein, alſo auch deſto ſtaͤrker und umfaſſender wirken.
Freilich mag nicht jede fremde klaſſiſche Schrift, und
noch weniger jede ſelbſt gute Ueberſetzung derſelben in allen
einzelnen Theilen genuͤgen und heben; aber ſollten nicht
edle, große Geiſter unſres Volkes im Stande ſeyn, uns das
wahrhaft Nuͤtzliche und Schoͤne, das erhabene Maͤnner der
Vorzeit uns hinterlaſſen haben, in eben ſo ſchoͤner Form
und in noch gereinigteren Anſichten uns aufzuftellen ? Wuͤrde
noch etwas zu wänfchen übrig bleiben, wenn 3. B. in den
drei Büchern über die menfchlichen Pflichten. ein Garve und
ein Cicero zuſammenſchmoͤlzen, und in jedem Jahrhundert,
wo nöthig, ein wahrhaft großer edle Geift unfres Volkes
ſich mit dieſen Vorgängern geiftig vermählte, und das Dar
geftelte der Vollkommenheit näher zu bringen fuchte?
Moͤgen Gelehrte von Profeffion Zeit und Geift genug
haben, das Vortrefflichite jeder Art aus Hunderten Schrife
ten zufammenzufuchen; für den Gefchäftsmann, und ins
befondere für ben aufftrebenden jungen Menfchen möchte es
rathfamer fein, Schriften zu finden, die in jeder Hinficht
mmumfchränktes Vertrauen verdienen, und an beuen er,
wie das Epheu um eine Eiche emporwuͤchſe, oder wie ein
freier Baum im Schutze eines Eichwaldes emporftrebte. Hat
der junge Menjch erit Wahrheit und Adel, dann kann er
fpäterhin den Charakter und die Anfichten einzelner großen
— 107. —
- Geifter auffuchen, und: diefelben wie auch ben Geift ihres
Bolfes kennen lernen. get,
Wird nun durch das Glaffiferlefen der Hauptzweck aller‘
Erziehung, naͤmlich die Erhebung des Schülers zur Hnmanis.
tät um fo leichter und ficherer erreicht; wird in Wahrheit‘
dadurch das Sprachgefühl auf die befte Art gebildet, dem’
intenfiven Unterricht der fruchtbarfte Grund gelegt, und haupt⸗
fachlich dadurd die Sprache felbft mit ihrer Form gelehrt:
fo folgt daraus, was ſich mir in der Erfahrung unwider⸗
Iegbar bewährt hat, daß man and in niederen unb
höheren Volksſchulen Haffifhe Schriften ge
brauden, ober, daß man audh hier tlaſſiſche
Bildung geben muͤſſe.
Man ſtoße ſich hier nur nicht an den Ausdruck, ſon⸗
dern bedenke die Sache. Klaſſiſch iſt eine Schrift,
wenn ſie in der Darſtellung, in Ruͤckſicht auf
Form und Sache dem gebildeten, dem edlen,
denkenden Menſchen vollfommen Genügethut.
Diefe klaſſiſchen Schriften muͤſſen für jedes Bildensjahr
dermaßen gewählt werben, baß der Schüler nicht genoth⸗
reift, nicht über feine Sphäre erhoben mwerbe, und ihre
Berarbeitung muß auf eine folche Art gefchehen, daß der
Schuͤler mit Leichtigkeit folgen koͤnne.
Hierdurch erhalten wir demnach eine fuͤr alle Caſſen
ſtehende Sprachuͤbung von groͤßter Wichtigkeit. Eine zweite
Uebung der Art beſtaͤnde in dem gemeinſchaftlichen Auswen⸗
diglernen auserleſener Gedichte, Fabeln, geiſtlicher Lieder,
Pſalmen, Beſchreibungen und Reden, von jeder Art na,
ein Bändchen, |
Da der Sprachunterricht aber zugleich Leichtigkeit eigen:
ner Darftellung bezweden muß: fo darf diefe dritte ſtehende
— 108 —
Uebung bes Schülers nicht fehlen. Diefelebung im eigenen
Darftellen befteht theils im Nachbilden, theils im Schaffen,
und in beiden gibt es ein flufenmäßiges Fortfchreiten:
Sa, erit muß der Schüler nachbilden, und fpäterbin,
wenn er Fond, d. h. Kraft und Material hat, mag er fchafr
fen. Wir tehren nicht fo gar felten die Sache um: der
Schüler foll zuerft fchaffen, und den Fond muß er vielleicht
erft als Süngling oder Mann fich fammeln. Freilich koͤnnte
man mir einwerfen: „der Schhler follte den Fond muͤhſam
durch Nachdenken fidy fammeln”. Sch antworte: „ja den⸗
tend und fühlend, aber auf Fürzeftem Wege, wie ich das
vorher gezeigt habe’. Ueberhaupt aber fehe ich nicht ein,
warum ein reicher Vater, der feinem Sohne ein guted Ges
fchäft zu gründen vermag, benfelben wie einen Bettler die
befte Zeit feines Lebens nach jedem Grofchen hafchen Laffen
fol, damit dieſer ſich felbft erft einen Fond ſammle; er
gründe vielmehr ihm ein ordentliches Gefchäft, und ſtehe
demfelben fo Tange ald nöthig zur Seite.
Wie jener Schachergeift in der Regel einem ebleren groͤ⸗
Beren Handel ſchadet, alfo, glaube ich, ſchadet auch jenes
Heinigfeitsfrämerifche Auffuchen von Begriffen und Gedans
fen, die der Schüler aus Armuth des Geiftes noch nicht
bat, dem tüchtigen Denfen. Dort geht es nicht um Feins
heit, fondern um Kleinheit. Geiftiger Reichthum muß in
der Schule ‚berrfchen und nicht Geiſtesarmuth; Berfchwens
dung aber ift in feinem Stüde gut. An Stoff zum Nady
bilden und Schaffen kann ed nun bei den vorher angegebes
nen Uebungen durchaus nicht fehlen. Uebrigens bietet hier
der Unterricht in der Naturbefchreibung, der Gefchichte, der
Peligionslehre, der Geometrie, der Phyfif ıc. Material in
Menge dar. Damit der Schüler aber fich beim Sprechen
und fchriftlichen Darftellen ‚nicht bloß auf fein Gefühl in
Hinficht auf Sprachrichtigkeit und Schdnheit verlaffen muͤſſe,
— 19 —
fommt nun noch eine vierte ſtehende Uebung, naͤmlich Gram⸗
matik und Rhetorik hinzu.
In Gemeinſchaft mit den vorigen drei fehenben Uebun⸗
gen waͤre es unnoͤthig, ja unzweckmaͤßig, eine praktiſch theo⸗
retiſche Grammatik mit den Schuͤlern durchzuarbeiten, da
die Anwendung der Theorie beim Leſen, beim Auswendig⸗
lernen und beim fchriftlichen Darftellen des Gedachten als
Ienthalben vorkommt. Eine praftifch theoretifche Gramma⸗
tif erfcheint ohnehin weniger in einer fo nothwendigen Eins
heit; die Menge von Beifpielen zerreißen das Ganze und
zerfpfittern Die Ueberficht für den Geift. Jede Wiffenfchaft
hat eine Propädeutif, eine Terminologie, d. h. ein Etwas,
welches erforderlich ift, um fich in der Wiffenfchaft mit feis
nem Geifte freier bewegen zu Finnen. Diefes Etwas ift in
ber Sprache die bereits erwähnte Bildung des Sprachges
fühle und die Terminologie der Grammatif. Mit Diefer
Terminologie kann man fo bald anfangen, ald der Schhler
fähig wird, abitrafte Begriffe der Art fcharf aufzufaffen. An
ein oberflächtliches Unterfcheiden der Wortarten muß man ben
Schüler, den man in die Grammatik einzuführen gedenkt,
gar richt gewöhnen ; berfelbe muß vom Anfange an den
Begriff möglichft in feiner Reinheit auffaflen, damit diefer zu
‚jenem erwähnten Etwas durchaus gefchicft werde. Iſt eine
Wortart mit der ndthigen Schärfe aufgefaßt, fo mögen bie
leichtern Regeln berfelben folgen, und ift fie einer Abaͤnde⸗
rung fähig, fo muß dieſe gemeinfchaftlich eingeuͤbt werden.
Erft dann, wann die ganze Terminologie dem Schüler
klar vor Augen fteht, ftelle der Lehrer die Regeln der Gram⸗
matik in aller Kürze und mit Geiſt zufammen, bringe bie
oberften Gefete oben an, und fuche die Einzelnheiten ang
denfelben abzuleiten. Die Grammatik wird dann nicht: abs
geriffen und buchitabenmäßig erfaßt, fondern fie erfcheint
— 110 —
als abgerundeted Ganze, das eine gewifie Einheit, Folge:
richtigfeit und einen Ehrfurcht einflößenden Geift in fich
trägt. Auf diefe Art wird die deutiche Grammatik zugleich
eine allgemeine, und eine Propaͤdeutik für die Erlernung
aller Sprachen. Erft dadurch erhält jedes Kleine und Ein⸗
gelne Intereſſe, Geift und Leben, wenn es in enger Verbin
bung mit einem großen Ganzen ericheint, das Ehrfurdt
einflößt. Steht z B. in der Lehre von der Rektion der
Begriff von Objekt und Zerminativ, und überhaupt ber
Charakter der Objektivität nnd Subjeftivität feft: fo muß
man alle richtige Regeln unfrer Rektion der Zeitwörter in
Hinfiht auf den Dativ und Accufativ von felbft finden koͤn⸗
nen, und im Stande fein, die fehler, felbit der Grammatiken
‚su finden. Bei den fohwierigeren 9 Präpofitionen gebe man
die Regel über den figirlichen Gebrauch berfelben Hinzu,
und die Schwierigkeit wird fi) mit wenigen Ausnahmen
beben. Iſt das einfache im Körper und Geift der Sprache
begründete Geſetz über Deklination aller Subflantive der
deutſchen Sprache, das man auf einen Pfenning fchreiben
könnte, gegeben: fo kann jeder Schüler e8 jedem Worte an
der Stirne anfehen, wie es in ber deutfchen Sprache defli-
nirt werben muß. Ferner hat ber Schüler nur das eben fo
leichte und einfache Gefeß einer reinen und unreinen Beſtim⸗
mung in den Bellimmern zu fennen, und er weiß jeben Bes
ſtimmer bes Subftantivs, und wären derſelben eine Menge,
bewundernswärbig genau im tiefen Geiſte ber Sache zu beus
gen; ja, weiß dann zugleich, ohne jede Ausnahme, dag Ad-
jektiv im Lateinifchen richtig vor oder nach dem Subftantiv
in ſetzen. Hat er den richtigen Begriff von Gubjeltivität
and Objeftivität eines Zeitworted gefaßt, fo weiß er, welche
Zeitwörter der beutfchen Sprache ſo genannt regelmäßig
fonjugirt werden dürften, und hat den richtigen einfachften
Begriff von aktiv und paſſiv. Solche Hauptpunkte muß
— 11 —
man an die Spitze ftellen, und man führt den deukenden Schuͤ⸗
Ier ficher durch ein zufammenhangendes Ganze, und zwar in
- einer gewiffen Einheit. Bevor aber der Schüler mit feinem
Geiſte dem Lehrer nicht folgen kann, muͤſſen ihm bergleichen
Abftraftionen nicht zugemuthet werben. Darum führe man
den Schüler nicht eher in Die Gefeße der Sprade, bis bag
Spradigefühl deffefben tüchtig gebildet ift, und bemfelben bie
Terminologie rein bafteht; denn will man ben Zwed erreis
- chen, fo muß man die Mittel in feiner Gewalt haben. Eben
fo halte ich es für gut, Die Regeln des Stild oder der Rheto⸗
rik kurz zufammenzudrängen und einzuprägen, und dann anf
Die Einzelnheiten in der Praris aufmerffam zu machen.
Bevor ich nun mit den einzelnen Claſſen anfange, muß ich
zur Rechtfertigung meined Verfahrens zwei den Sprachun⸗
terricht betreffende Punlte zu eroͤrtern ſuchen.
Muß man den unterricht mit der Sprache,
oder mit der Mathematik anfangen? und darf
man in der Schule die fremde Terminologie
sernachläßigen?
Zuvoͤrderſt bleibt mir alfo die keinesweges überfläffige
Beantwortung der Frage übrig, ob man den Unterricht mit
der Sprache, oder mit der Mathematik beginnen mäfle?
Hier find die Meinungen entſchiedener gegen einander ges
ftellt, als man glauben follte; und ich darf zumal Deswegen
die Beantwortung biefer Frage nicht ald Nebenfadye behan⸗
dein, weil ich in dem folgenden Lehrplane für die erſten
Sabre nur ben Unterricht in ber Mutterfprache auftreten
laſſe. Hier find meine Gründe.
Es ift allgemein anerfannt, daß bie Gegenftände, welche
das Kind umgeben, der wuͤrdigſte erfte Bildungsftoff für
daffelbe find. Se mehr Gegenftände, nnd je genauer dieſel⸗
ben von dem Kinde angefchaut werben, befto mehr Begriffe
— 11 —
erhält eö, defto mehr Namen, Wörter feiner Sprache lernt
es kennen. *) oo.
Werden diefe Gegenftände nicht. b[oß dem Namen, fons
dern der ganzen Familie nach beftmöglichit vor Die Anfchaus
ung gebracht, und wird die Verfchiedenheit jedes einzelnen
Kamiliengliedes ſcharf aufgefaßt: fo muß der Stammbegriff
dadurch vielfeitiger und feiter der jungen Seele ſich einpräs
gen, und die Erfenntniß des Kindes, eben durch dieſe Vers
gefellfchaftung der Ideen, mit Leichtigkeit zunehmen. Umge⸗
fehrt, muß das Kind viele Gegenftände, und Diefe genau
angefchaut haben, wenn es viele Wörter feiner Sprache mit
Berftand aufgefaßt hat. Um aber diefen Begriffen in der
Seele des Kindes Umfang zu verfchaffen, muß an denfelben
viel wahrhaft Bemerfenswerthes gegeben und wiedergegeben
werden: das Kind muß urtheilen, der Lehrer muß ihm aus
dem Conkreten ins Abftrafte hinuͤber helfen, und fo jeden
‚Begriff in vielen Beziehungen füch denken Ichren. Bei dies .
fem Urtheilen werden fich gewiffe Formen einprägen, bie
nichts anderes, ald unfre Säte und Perioden find. Eine
zwedmäßige Behandlung diefer Gegenfländbe
‚führt demnach ganz auf den Sprahunterricht,
oder ift vielmehr der Sprahunterricht felbft.
Wenn man nun zugibt, daß das Kind die Gegenftänbe
feiner Umgebung fennen lernen müffe, und zwar in ihren
: verfehiedenen Gliedern und Beziehungen, und man fins
bet den Sprachunterricht für den Anfang zugleich unzweck⸗
*) Sch meine hier keinesweges das ſich hundertfach wieberholende Hers
fagen der Sage von verfchiedenen Gegenftänden, das am Ende nur
zu einem mechanifchen Geleier führt, oder das ſich Aufhalten bei
Kleinigkeiten, deren Kenntniß Eeinen andern Zwed hat, als Plap⸗
permäuler zu bilden; ich meine das Anfchauen wahrhaft
bildender Gegenftände, das Kenntniffe gibt, und gefchickt
madıt, das Wejentliche der Gattung ſchnell zu unterſcheiden.
— 113 —
‚mäßig: fo denkt man fich unter dem Sprachunterricht etwas
anderes, als er fein fol. Sagt man: „die Sprache folle
- wicht als’ Objeft behandelt werben”, fo ift hier einerfeits
ein Widerfpruch ,- da Sprache und Kenntniß der Dinge in
Wechſelwirkung ftehen, ja beinahe gleich find, und das eine
it. dem andern in gleichem Berhältniffe fortfchreitet; anders
feitö gebe ich gerne zu, daß feine Sprachregeln in den ers
fien Unterricht gehören, da diefe mit den Gegenftänden
felbft fo wenig, als die Mathematif gemein haben, und da
erſt ein Material vorhanden fein muß, ehe man’ Regeln
zum Gebrauch. diefes Materials ſich denken kann N.
Da die Sprache ein unumgängliches Mittel zu aller
Bildung ift, und die Sprache eines Menfchen größtentheils
den Grab feiner Eultur anzeigt: fo muß auch deswegen ber
Unterricht mit der Sprachbildung des Kindes anfangen,
und ed muß alles gefchehen, was dieſes Mittel wirkffam
auf den jugendlichen Geift werben laͤßt. Unftreitig wirb
ung dieſes leichter, wenn wir das Kind fehr bald zum
Sprechen und Lefen bringen, da dann Bücher und Lehrer
weiter helfen. Der Einwurf, daB ein frühes Lefenlernen
das Kind austrodene, mechanifch und fchläfrig made, hät
gar Feine. Haltbarkeit, wenn biefer Unterricht zweckmäßig
betrieben wird; ein unzweckmaͤßiger Unterricht macht aber
den Gegenſtand an fich nicht unzwedmäßig.
5) Viele, Lehrer geben freilich, bei Erlernung fremder Sprachen,
_ Material und Regel zugleich. Dieſes gelingt ihnen aber nur darum,
daß in den erwachſenern Schülern ſchan ein. anderweitiges Material,
wenn gleich in einer anderen Sprache vorhanden ift. Befler. gibt
man auch hier erft ein Material in der zu erlernenden Sprache;
(fiehe über den Unterricht in der franz. Sprache) bei Kindern würbe
Regelwerk ohne früher verarbeitetes Material vollends Unfinn fein.
h
— 114 —
Es ift rathfamer mit der Sprache, ald mit der Mathe
matik den Unterricht zu beginnen.
Es if ein anderer Geift, der in der Sprache, als in
ber. Mathematik Liegt. Sener gefiattet Freiheit im geifliger
Bewegung, leitet bie Aufmerkſamkeit auf Alles, führt die
Linder unmittelbar in die vor ihnen liegende Sinnenwelt
ein, und fpricht alfe Seelenfräfte au; die Mathematif, ber
fonders die niedere, legt Feſſeln an, laͤßt nur mit Bow
fiht voran fchreiten, und Abt nur wenige Kräfte. Die
Sprache wandelt in ihren Anfängen lange im Conkreten,
läßt darum, was beim Unterricht ganzer Claſſen hoͤchſt bes
merkenswerth ift, feinen Schüler leicht zuruͤck, führt all
mählig ind Abftrofte über, und erfcheint felbft auf ihrer
Höhe als ein Gemifh vom Eyufreten und Abftraften; die
Mathematit wandelt. mehr im Abſtraktkonkreten oder Abs
ftraften, und unfre Verfinnlichungsmittel find, mit Aus⸗
nahme der erften Uebungen im Zählen, des erften Auffaſſens
der Groͤßenunterſchiede in Maaß und. Zahl, Zeit und
Raum, welches ohne viele Uehung gefchehen kann, nur
Mittel, nicht Zwei. Es iſt aber unnatuͤrlich mit Abſtrak⸗
tem anzufangen, da die ganze Natur mit der Einwirkung
des Conkreteu auf den Menſchen vorgeht. Der Einwurf,
daß man bei jeder Regel vom Conkreten ausgehe, verdient
keine weitere Autwort.
Gleich wie die Menſchheit anfänglich ſich nur durch
das Conkrete bildete, alfo auch jedes Individuum. Die
Mathematik fchreitet im Abftrakten fort, und fodert dann
zu viel von dem Kinde, reißt es aus feiner Sphäre, ober
das. Kind. fucht fich zu retten, loͤſet die Aufgaben nur fehr
unvollfommen , ober nach der Aehnlichkeit (Analogie), und
biefe ift in der Mathematit Mechanismus. Beides aber
wirft ſchaͤdlich an ſich, und nachtheilig auf die Sprachbil⸗
dung, indem zwei entgegengefeßte Pole Cich berufe mid)
— 115 — =
bier auf das Gefühl der Mathematiker und der Sprachkun⸗
digen, fo mie auf die tägliche Erfahrung) ſich fchon in ber
jungen Seele befreunden follen.
Wäre frühe Einigung diefer Pole nothwendig, fo daß.
ſich beweifen ließe, es fiele demt reiferen Alter ſchwer Maͤ⸗
thematik zu lernen, was der Erfahrung geradezu wider⸗
ſpricht; fo möchte ich fchon, wegen meiner Ueberzeugung
von der VBortrefflicjfeit der Mathematif auf Menfchenbils
dung, rathen, beide Pole in dem Kleinften Schuͤler zu bes
freunden. Dan wende mir nicht ein, daß die Mathematik
fo leicht zu Iernen, und wegen ihrer wenigen und fcharfen
Begriffe die erfte Logik des Kindes fei. Hat man nicht ein
Aehnliches von der Philofophie gefagt, und mit berfelben
gethan? Hat denn der Satz wirklich Haltbarkeit, daß
ein Kind alles das lernen müffe, was man ihm
durd Kunft muͤhe voll anſchaulich machen Fann?
Und iſt es denn wirklich gut, daß alle Wiſſenſchaften als
ſolche in Catechismen und Unterhaltungsſchriftchen gerade⸗
brecht hineingeſchoben werden? Hier heißt es gewiß mit
Recht: „Gewaͤchs ſieht aus, wie Wein. “
Ich halte jedes Erheben des Kindes diber ſeine Syhan
für eckelhaft und verderblich; darum wäre ed mir auch im
Ruͤckſicht auf Sprachbildung unmoͤglich, mit einem zehnjaͤh⸗
rigen Knaben Schillers Schriften zu leſen. In ſolch einem
Nothreifen, das leider nur zu allgemein entſchuldigt wird,
muß es mit dem Unterricht in der Mutterfprache nicht kom⸗
men; und es wird nach meinen aufgeſtellten Anſichten auch
nicht vahin kommen, wenn bie Lefebächer ic. ſorgfaͤltig nach
einer natärlichen Stufenfolge in Ruͤckſicht auf Form bet
Darftellung und auf Inhalt gewählt ſind, und jedes Buch
fo lange durdhgearbeitet wird, bis daſſelbe feinen ganzen
Zweck befimöglichft erreicht hat.
h *
— 1106 —
Dem Kinde aber Mund und Verftändnifß zu
öffnen, ohne daffelbe zum Plappermaul und
Zwergpbilofophen zu machen, das ift der Zwed
in ber Mutterfprade. Dadurd wird es fähig,
das lehrende Wort fharf aufzufaffen; dadurd
wird Aufmerffamfeit möglih und Luft an
jeder nüglihen Sade. |
Es bleibt nun noch die Beantwortung der Frage übrig,
ob die Terminologie der Grammatik in der beutfchen oder
Iateinifchen Sprache gegeben werben follen?
Das Beftreben vieler unfrer trefflichen Gelehrten, unfre
Sprache von unnügen fremden Wörtern zu reinigen, follte
von jedem gebildeten Deutfchen mit Dank ald ein vorzüg-
Tiches anerkannt werden, und es zeigt wol wenig eigenes
Urtheil, und wenig Achtung vor der Mutterfprache an,
wenn ein Deutfcher die Geißel des Witzes — durch welche
nur ein pebantifches Ueberſetzen und ein unfinniges Wörter:
verfchweißen geftraft werben follte — mit Freuden ſcho⸗
nungslos über das Beftreben fchwingen fieht, einer Urfprache
die ihr mit Recht als folcher angehoͤrende Selbftftändigfeit
zu geben; aber ven Terminus technifus der allen Spracden
angehören follte, weil verfelbe in der Gelehrtenrepublif
aller gebildeten Völker angenommen worden, und darum
für ‚alle diefe Bölfer gemeinverftändlich ift — follte man
fchon um deswillen achten, weil fonft die Erlernung frems
ber Sprachen in den fchwierigften Punften ohne
Roth mit der fleigenden Bildung ber Voͤlker mehr und mehr
erfchwert werden würde. _
Da die lateinifche Sprache einmal die Gelehrtenfpradje
aller gebildeten Voͤlker ift, und jede fremde Zunge an Die
Ausfprache derfelben ſich gewöhnt hat: fo mögen die Runfts
— 117 —
ansdrüde um fo zweckmaͤßiger aus diefer, und der Eins
fahheit wegen, wo möglich aus dieſer allein, und
nicht aus der griechifchen,, gewählt und allen Voͤlkern gleich
gegeben werden. Wenn die Sprache — dem inneren des’
Menfchen entquolfen — die Bildungsftufe der Voͤlker beurs
fundet; warum will man dann, bei gleicher Bildungsſtufe
und gleicher Idee der Völker, felbft da nicht gleiche Woͤr⸗
ter, wo ber Individualität der Voͤlker nicht Eintrag ger
fchieht? Wäre e8 nicht zu wünfchen, daß die Schwierig.
feit der Sprachenerlernung nicht ohne Noth gefteigert wuͤr⸗
de, und daß jede Sprache, befonders jede Urfpradhe, m
ihren Regeln fomol, als in der Bildung ihrer Wörter all⸗
gemeinen Gefeßen folgten, fo daß bei treuem Studium der
alfgemeinen Grammatif viefer Hebel um fo wirffamer für
die Erlernung der einzelnen Sprachen wäre? Koͤnnten
die Gelehrten ſich nicht dahin vereinen, bie allgemeine
Grammatik immermehr zu. vervollkommnen, und nach biefen -
allgemeinen Gefeßen, die in dem Mienfchengeifte ihren Grund
haben, jebe einzefne Sprache nach ihrer Sndividmalttät zu
vervollfommnen, ihr aber in der Weiterbildung fo viel Ges
meinfames mit allen Sprachen zu geben, als ihre Indivi⸗
Dualität folches geftattet? Ich maße mir hierm fein ent⸗
fchiedenes Urtheil an, dächte aber, einer Gelehrtenrepublik,
in welcher Gründe das herrfchende Prinzip: find, möchte es,
wenn dieſe Anficht richtig iſt, bei gutem Willen nicht uns
möglich fein, dieſes zu bewerfftelligen.
Um aber der Kortbildung befonderd der Urſprachen
nicht in den Weg zu treten, mögen diefe immerhin für ihre
Kunſtausdruͤcke eigene Wörter fuchen, und es wird für jeden:
Wiffenfchaftner eines Stammvolfes dann nicht former hal⸗
ten, beide Wörter, das fremde, allgemeine und das heimige,
befondere , zu erlernen, und den allgemeinen Kunftausbrud,
der doch wertiger Rebenbebeutung erweckt, unb mehr ald Eis
— 18 —
gennamen erfcheint, in allen Schriften zu gebrauchen, Die
auf Ueberfeßung in andere Sprachen Anſpruch wachen.
Wuͤrde dadurch nicht eine große Schwierigfeit beim Ueber
fegen vortrefflicher Schriften gehoben, und würde dadurch
nicht das Vortreffliche einzelner Voͤlker um fo eher benutz⸗
bares Gemeingut?
Was nun die Ueberfegung unfrer Sprachtermen an
geht, fo herrſcht in derfelben noch gar zu viel Wilfür, und
wir müßten bei deutfcher Benennung erft den Grammatifer
angeben, nach weldyem wir viefelben benennen; ja, es
würde der Deutfche den Deutfchen nicht verfichen. Weiß
denn jeder Deutfche, was ein Beinamen, ein Deutewort,
Sondernamen, ein Werbendwort ıc. iſt? Aus dieſen Na⸗
men wird man ſchwerlich den beabfichtigten Begriff hers
ausfiuden. Diefe Aenderung, welche wir feit einigen Jah⸗
ren in der Berbeutfchung dieſer Kunſtausdruͤcke erfahren
haben, kann noch oft wiederkehren, da der Gebrauch diefer
Ausdruͤcke hauptfächlich in der Gewalt der Lehrer if. Sft
es denn rathſam die fremde Terminologie fo ganz zu ver
Iaffen? Man wird mir noch einwerfen , daß dieſes wenig-
ftens in Bauernfchulen gefchehen Tonne. Ach, man fei nur
nicht fo fparfam mit dem Namen; der Ramen keſtet wenig
Zeit, (wie wollte man fonft in der Geographie mit taufens
ben Namen fertig werden?) der. Begriff: iſt es, der Die
Mühe macht, und diefer wird am beften durch ein fremdes
Wort individualifirt. Sch habe von jeher den allgemeinen
und den deutſchen Namen gegeben, habe wich fehr gut das
bei befunden, weil ich mich. um. fo. laͤnger bei her Feſtſtel⸗
lung des. Begriffe aufhalten Tonnte , und das freuske Wort
an fich hat mir. niemals, fo viel ich weiß, Mühe gemacht.
War dieſes wergeflen, fp war in ber Regel der Begriff
auch dahin. Des Einmurf aber, daß ˖in der Bauernſchule
Ausdruͤcke der Art. nicht: yjoͤthig feien, weil der Bauerknabe
— 119 —
doch nicht weiter in der Sprache, als Wiffenfchaft betrachtet,
fortfchreite, iſ unwürdig; denn der Deutfche foll nicht
faftenmäßig, wie es der alte Aegypter that, die
Bildung einzelner Stände hemmen: er foll viel
mehr die Bildung allfeitig fördern; und wo.er
einem Stande das Nöthige zufließen Läßt, da
ſoll diefes als ein würdiger Theil des Ganzen
feine Schranfen der Art erleiden. Iſt aber das
Wort in dem Munde eines Bauern efelhaft, wie Einige meis
nen: fo muß es auch vernünftigerweife der Begriff fein;
denn das Wort ift der Berfündiger des Begriffs. Oder fann
etwa der Bauer mit dem vieldeutigern und veränderlichern
deutfchen Worte zufrieden fein? Es fcheint, Mancher denfe
noch immer: „das ift für einen Bauer gut genug”. CVielleicht
darum follen aud) die Ziffern beim Gefangunterricht ihn noch
immer faftenmäßig befchränfen, und unter dem laͤcherlichen
gehaltloſen Vorwande, es fei das Singen nach einer Ziffer
wirklich leichter, als das nach einer Note’, gibt man ihm
einen Theil, der von der holder Muftka werigften® in einem
Hauptſtuͤcke abgefondert daſteht. Wie tief und klar hat ver
verftorbette Prof. Maaß darüber geredet Und — kann denn
nicht aus einem Bauer ein Edelmann werben?! Ganz etwas
anderes ift es, wenn in einzelnen Bauerſchulen feine Gram⸗
matik abſtrakt getrieben werden kann. Dort folk freilidy das
Wort micht vorfommen, weif der Begriff nicht gegeben
werden fol. Ich glaube uͤbrigens den Satz allgemein aufs
fteffen zw koͤnnen, Baß jede Methode in ihren Ev
leichterrngsmittelnſchkechterbings ben wahren
Zweck der Wiſſenſchaft and Kunſt viht aus ven
Angen verlieren, und daß in keinem dieſer
Mittel eine Hemmung für den Fortſchritt in der
Kunſt oder Wiſfenſchaft enthalten fein dürfe
Wir gehen denn num zu den einzelnen Elaffen Aber.
— 120 —
10te EC laffe.
Kinder von 6 bis 7 Sahr.
Dieſe Claſſe erhält keinen andern Unterricht, als den
in der Mutterfprache. Derfelbe zerfällt in vier Hauptuͤbun⸗
gen: in Lefenlernen, Vorleſen, Sprachuͤbung im engern
Sinne und in Auswendiglernen verftändlicher Gedichte.
1. 2Zefenlernen
Täglich 2 Stunden.
| a) Buchſt abenkenntniß.
Die Schuͤler lernen die Buchſtaben an ihren Merkmalen
kennen. Jeder Buchſtaben wird mit den uͤbrigen verglichen,
und von ihnen unterſchieden. Da hier nur wenige Begriffe,
als von einer geraden und krummen, feinen und groben Linie,
einem Punkt und einem Haken erforderlich ſind: ſo moͤgen
dieſe Uebungen am geeignetſten ſein, ben Mund ber Kinds
lein zu Sffnen. Sch bin überzeugt, daß das Wefen ber
Laut methode am meiften rafch und naturgemäß zum Ziele
führt; aber eben darum lernen die Kinder Laut und Namen
der Buchftaben, und nichts von der mücenfeigenden Analyfe:
„BZungenlauter, Kadeler, Knaller ꝛc.“ einer ins Unvernuͤnf⸗
tige audgearteten Laut ier methode. Ausdrüde der Art moͤ⸗
gen in eine didleibige philofophifche Grammatik gehoͤ⸗
ren; hier find fie unnäß, fo fehr auch Mancher mit dies
fem Kehrricht prahlt. Die Kinder Iernen jeden Buchftaben,
der ihnen rein vorgefprochen wird, rein und Deutlich nach⸗
fprechen, und werden angehalten, das Ergebniß ihrer Bers
— 121 —
gleichung richtig und deutlich, und darum nicht fchreiend
vorzubringen. — |
Einzelne fcherzhafte Vergleichungen werben ber Sache
das Trocene benehmen. Da macht man aus einem Schä«
ler ein i, r, r, aus mehren ein n, m, u, uͤ ec., macht auf
das Daͤchlein des a, auf das Krauskoͤpfchen des k, auf das
Aeuglein des e, auf das Sträußchen des f ıc., aufmerkſam.
Bald muͤſſen die Merkmale gezeigt, oder mit weggewanbtem
Gefichte angegeben werden; bald muß ber Schhler die Buchs
ftaben in ihrer gewöhnlichen Reihenfolge, oder wie diefelben
gerade jett an der Lefemafchine ftehen, ober wie fie in Sils
ben und Wörtern im Buche vorkommen, möglichft ſchnell hins
ter einander herfagen; bald mögen Einzelne, bald ganze
Reihen ihr Probeftüct ablegen; bald mögen fie aus einem
Buchftabenfchächtelchen, das jedes Kind vor ſich hat, bie
angegebenen Buchftaben hervorlangen; bald mag der Lehrer,
bald ein Schüler die Claſſe auffodern, irgend einen Buchſta⸗
ben auszufuchen oder anzuzeigen — weswegen ein Gelb
ter alfemal einen Ungeuͤbtern neben ſich ftehen haben kann;
bald muß der Buchftaben gezeigt werben, von welchem bloß
die Merkmale angegeben worden find ıc.
Uebungen der Art, jedoch ohne bie mindeſte Unordnung
und bei gehoͤriger Stille angeſtellt, ſchaffen Abwechſelung,
verkuͤrzen die Zeit, Öffnen die Sinne, geben Muth, und mas:
chen den Schüler rührig. |
Täglich drei bis vier Uebungen ber Art von etwa 40
oder 30 Minuten Länge angeftellt, werben auch dem Unge⸗
wectern bafd zur Kenntniß der Buchftaben verhelfen, und
einen guten Anfang im Vergleichen und im beftimmten Aus⸗
drüden des Erfannten machen. Jedoch hängt alles hier,
wie überall, von der Präcifion, (Genauigkeit), Ordnung
und Ruhe, die der Lehrer fodert, und von feiner Sinnigfeit,
— 122 —
Bie nicht uͤbertreibt, wie von feiner Würde, Kindlichfeit,
Nührigfeit, und von feinem eigenen frohen Gemüthe ab.
Sp geringfügig Uebungen der Art ſcheinen, fo find fie
doch für das Kind von der größten Wichtigkeit, da der gan⸗
zen Seele des Kindes durch dieſe Uebungen die Richtung
gegeben wird. Wird das Kind in den erftien Schuljahren
‚mit würdigem Ernfte und väterlicher Liebe an ftrenge Aufs
merkſamkeit, an Fleiß, Rährigfeit, an beftimmten Ausbruch
des Gedachten, an Stille, Ordnung und Artigfeit in Fried
und Freude gewöhnt; ſchmeckt es die Früchte des Wohlwols
lens, einer väterlichen Liebe des Lehrers: fo ift der Weg zu
des Kindes einftigem Gluͤcke und zu feiner Gluͤckſeligkeit
Doch fchon gut angefangen.
D Lehrer, gib deinen Kindlein Hand und
Herz! | Ä
b) Verbindung der Buchftaben.
1) Der Lehrer feße einen Sonfonauten mit einem Vokale
zufammen, mache befonders auf den Laut der einzelnen
Buchſtaben aufmerffam, feße den Confonanten bald vor, bald
nach jedem fämmtlicher angefetten Vokale, und gehe nicht
eher von diefem Sonfonanten ab, bis die Kinder jede Zus
fammenfeßung fchnell an der Lefemafchine, dann in einer
andern Ordnung im Buche Iefen und aus dem Kopfe bucdhs
ftakiren Finnen. Diefer Hebung geht aber allemal das Sil-
Iabiren voraus, d. h. der Lehrer gibt nacheinander Die Nas
men aufeinander folgender Buchflaben einer Silbe an, und
ber Schüler verbindet dieſelbe.
Es laffen ſich auch hier mehrere dev vorher angegebes
nen Abwechfelangen vornehmen; nur adıte der Lehrer dar
auf; welche von denfelden den Schülern angenehm und
darum nüblich find.
— 13 —
2) Sobald die Kinder ohne Ausnahme im Stande find,
jebe zwei zufammengefeßten Buchftaben ſchnell herzulefen,
und aus dem Kopfe zu buchftabiren, feße er nadı dem erften
Theile von Tillichs Elementarbuch, das unuͤbertrefflich zweck⸗
mäßig ift, mehre Buchftaben zufammen, fuche bei jeder Ue⸗
bung, erft an der Lefemafchine, dann in dem Buche, wie
auch mit dem Kopfbuchftabiren ganz feinen Zweck zu erreis
chen, und arbeite auf diefe Art jene Voruͤbung im Lefen mit
Nührigfeit und Liebe zur Sache durch. Will der Lehrer
ſich lieber firenge an die Regeln der Lautmethode, als an
meine VBorfchläge halten, fo mag diefes geſchehen; nur vers
nachlaͤßige er fpäter dann das Kopfbuchflabiren nit.
Sn einer gefüllten Elaffe mögen leicht einige zuruͤckblei⸗
ben. Diefe ftelle er ſich zunächft, wende auf diefe befondere
Sorgfalt, oder unterrichte diefe allein, indem die Geuͤbtern
ſich mit Zeichnen ꝛc. befchäftigen. Seine Abſicht fei, nicht
ein einziges Kind zurüdzulaflen, es fei demfelben denn durch
die größte Sorgfalt nicht nachzuhelfen, in welchem ganz bes
fonderen Falle das Kind befler noch ein Sahr mit dem:
Schulunterrichte wartet; denn fihreitet das Kind nicht. mit
fort, fo finfen in demſelben ‚nicht felten Luft, Muth, Fleiß,
Ruͤhrigkeit, Artigfeit, Sinn für das Gute, Edle und Schöne,
und Gott weiß, was alles zufammen, und der es zum
Verderben des Kindes iſt gelegt.
O Lehrer, ſei ein Vater, ein leitender En—
gel deiner dir anvertrauten Unſchuld! Alles
durch dich mit Gottes Huͤlfe! Du kannſt ein.
Mittel in Gottes Hand fein! Bewahre, rette
die junge Seele; führe fie dem erhabenen Geir
fte entgegen!
— 14 —
ce) Woörterlefen
Die Lefemafchine hat größtentheild ihren Zweck erreicht;
nur die großen Buchflaben werben an berfelben ein wenig
eingeuͤbt, und ein fchweres Wort wird durch allmähliges
Hinzufügen und Ausiprechen der Buchftaben dieſes Wortes,
zergliebert, wie dieſes die Lautmethode einfach angibt.
Jedes Stüd wird fo lange eingeuͤbt, bis es nicht allein
der Reihe nach, fondern mit Ueberfchlagung einiger Wörter,
- wie 3.8. das erfle, vierte — das erſte, das lebte ıc. von jedem
Schuler ohne Anftoß gelefen, und aus dem Kopfe buchftabirt
werden kann. Diefe Hebung wird im Allgemeinen feine Schwies
rigfeit machen, wenn der Unterricht im Geifte der Lautme⸗
thode voranfchreitet. Die Geuͤbtern feßten die Wörter aus
ihrer Buchſtabenſchachtel zufammen, oder zeichnen, bis die
Ungehbteren die gehörige Fertigkeit erlangt haben. Man
. fheue dabei die Wiederholung nicht; das Kind muß die
Wörter endlich auswendig wiſſen; denn es foll Die Namen
für die in der Spracftunde aufgefaßten Begriffe fertig
herſagen und Iefen können. Ein ordentliches Zufammenlefen,
ein Wetteifern mehrerer Reihen oder Cinzelner, ein Zus
fammenbuchftabiren aus dem Kopfe, ein Wetteifern Einzel-
ner im Kopfbuchitabiren, ein Verändern des Wortes durch
Borfekung, Auslaffung oder Hinzufügung eines einzelnen
Buchſtabens, ein Aufmerffammachen auf den Begriff des
Wortes, ein Angeben ähnlich lautender Wörter ꝛc. find auch
hierbei Mittel, die Nührigkeit zu fördern. Kann jeder Schuͤ⸗
ler das Stüc fertig lefen, fo wird nachgefragt, ob die ges
hörigen Begriffe, die in der Sprachuͤbungsſtunde vorgefoms
men find, mit ben Wörtern verbunden werden, und es wirb
da nachgeholfen, wo es fehlen follte; denn das Kind muß
son feinem Stücde abgehen, ohne den Sinn beffelben moͤg⸗
lichſt klar erfaßt zu haben, indem es fonft den eigentlichen
Zwed bes Lefenlernend aus den Augen verliert, und fih an
— 135 —
einen geifttöbtenden Mechanismus gewöhnt; es foll fich viels
mehr freuen, ein Wort Iefen zu koͤnnen, das ihm durch ben
erfaßten Begriff lieb geworden ift. Man verftehe mich recht:
erſt das Mechanifche des Stuͤcks, und bei gehdriger Fertigs
feit Leben hineingebracht, nicht dDiellebung todt gelaffen, um
den Mechanismus beffer verfolgen zu Finnen. So fchwer
halt das Lefenlernen micht, und fo viel ift nicht an dem
baldigen Können gelegen, daß das Kind immer nur den
Mechanismus vor Augen haben müßte.
Iſt die Claſſe fehr groß, fo daß fie von dem Lehrer
nicht überfehen werden kann: fo theile derfelbe die Schüler
nach ihren Fähigkeiten in mehrere Abtheilungen, und laſſe
das Mechanifche des Lefenlernens an Tafeln wie die Stes
phanifche durch Munitore handhaben.
| d) Erftes Saßlefen.
Wir find jeßt in dem erften Theile von Tillichs vortreffli⸗
chem Lefebuche bis zu Nro. V gefommen, und rechnen dars
auf, daß jeder Schäler fi im Stande fühlt, jedes Wort
zu lefen, aus dem Kopfe zu buchflabiren, und den Begriff
für das Wort zu finden. Mit dem Mechanismus des Les
fenlernens find wir nun größtentheild fertig; der Schhler
bedarf von nun an nur Uebung im fchnellen Erfaffen bes
ganzen Worted. Diefe aber erfolgt hinreichend, wenn jeder
kleine Abfchnitt fo lange zufammen und von Einzelnen aus
dem Kopfe buchftabirt wird, bis derfelbe zur Fertigfeit ges
bracht if. Die Hauptſache ift neben dem Lefenlernen bas
Berftehen und Behalten der Säße; ftrenge Definitionen koͤn⸗
nen indeß von biefem Alter, das erft Material fammeln
foll, nicht erwartet werben. — In diefem Buche fchreite der
Lehrer nun fo weit voran, als es Zeit und gehörige Gruͤnd⸗
lichkeit geflatten.
— 1% —
2) Spradübung.
Täglich eine Stunde
Zu dieſem Zwede weiß ich feinen beffern Anleit, als
das erwähnte Lefebuch des theuern, mir unvergeßlichen
Tillich. Das Kind muß Begriffe. fammeln, und zu dem
Ende Wörter lernen; ed muß mittelft diefer Begriffe ur⸗
theilen, alfo Säge bilden; ed muß Urtheile verbinden, alfo,
wenn gleich nur Eleine, Perioden bilden Lernen.
Zu biefen drei Zweden, die für diefes Alter unendlich
mehr werth find, als die dürftige Kenntniß der Wortarten ıc.
(die man jedoch in foweit, als fie zur Nechtfchreibung noͤ⸗
thig ift, vornehmen kann) ift das Tillichſche Leſebuch zum
Bewundern zwedimäßig. 9
Den Bang des Ganzen fann man leicht aus dem Buche
erfehen: darum mache ich hier nur einige Bemerkungen,
a) Saͤmmtliche Wörter, die in dem Buche vorkommen,
müffen von den Kindern beftmöglichft begriffen werben. Be⸗
zeichnet das Wort ein Conkretum, fo muß dem Kinde der
Gegenftand als Körper oder ald Zeichnung gezeigt werden,
ober der Lehrer muß denfelben einfach befchreiben, und wo
thunlich, auf den Ort hinvermeifen, wo der Gegenfland von
dem Kinde befehen werben fann. Bezeichnet aber das Wort
einen abftraften Gegenftand, fo muß der Begriff wo möglich
aus dem Eonfreten hergeleitet, mit dieſem verglichen, und
endlih in Redensarten oder andern Säten vielfady
angewendet werden.
*) Diefes Buch ift zwölf Jahr lang in’meiner ehemaligen Erziehungs:
anftalt gebraucht worden, und ich habe mich in der Zeit vollkommen
von feiner ganz vorzüglichen Zweckmaͤßigkeit, befonbers in Hinficht
auf intenfive Sprahbildung , überzeugt.
— 13 —
b) Sedes Wort fol Gelegenheit an die Hand geben,
dem Kinde Kenntniffe von Dingen beizubringen, jeboch nur
fo viel, als für das Alter deſſelben geeignet ift. Kennt ;.
B. das Kind den Fifch, fo erzähle man ein Mehreres von
den Fifchen, deren Nugen, von der Art, diefelben zu. fangen,
vom Fifcher, Fifchneg, der Fifchangel, dem Fifcherfahn,
Fiſchreuſe ıc. Das Kind fol von jedem Worte viel zu fas
gen wiffen; es fol in diefer Stunde, ohne alle Ordnung,
wie es fommt, fich eine Menge Sachfenntnifle fammeln.
c) Das Kind Ierne wo möglich erft einige Wörter abs
feiten, und der Lehrer ftelle feine Fragen auf die Art, daß
der Schüler das verwandte Wort angeben muͤſſe. 3.2. Wer
fängt die Fiſche? Womit fängt man Fiſche? Wodurd
fommt der Fifcher nach einem Fifchreus, das weit vom Ufer
entfernt liegt? ꝛc. Auch kehre er die Frage um, fo daß bie
Erklärung gegeben werden muͤſſe. 3.8. Was ift ein Fiſch⸗
reus, ein Fifcher, ein Fiſch?
d) Der Lehrer fuche mit feinen Schülern, wo thunlich,
die ganze Wortfamilie auf. Zu dem Ende wiederhole er
die Abfchnitte II bis V, und gebrauche jedes Wort dazu.
Im Anfang wird das Verſtehen der Partifeln Mühe mas
chen; indeffen hilft das Buch fehr zweckmaͤßig; und find
diefe Silben einmal begriffen, fo fällt das Ableiten nicht
mehr ſchwer, und wird .eine befonder& angenehme und fehr
fruchtbare Uebung. |
e) Bei der Zufammmenfeßung richte fih der Lehrer
nach den vortrefflichen Regeln, die Seidenftüder in feiner
Vorarbeit zu einer kritifchen Grammatif und in feinem
Nachlaß unter der Rubrif: „Ueber einige fontaftifche Duns
kelheiten“ und „Ueber die breitheilige Zufammenfegung”’ ges
geben hat. Webrigens rathe ich jedem Lehrer, ein treues
Studium des Naclaffes von diefem tiefen Sprachforſchen
— 1383 —
an. Geibenftüder hat es verftanden,: die vortrefflichiten Re⸗
geln aus dem Geift und Körper ber Sprache herauszufinden.
f) Macht der Lehrer die Kinder beildufig mit ben vors
züglichften Wortarten befannt, fo laffe er vor Allem die En
dungen derfelben und beren Bedeutung mit Aufmerkſamkeit
auffaflen. |
8) Der. Sabbau kann noch nicht grammatifch Durchges
nommen werben. Das Kind fol die Säge aus Tillich nur
oft hören, verftehen lernen, und fpäterhin oft leſen, um fein
Spracgefühl zu bilden: es muß Säte bilden, ohne ſich der
Regel bewußt zu fein. Sind aber die Saͤtze verftanden und
eingehbt, fo mag der Schüler aufgefodert werden, nach Ans
gabe einiger vorzäglichen Woͤrter, Säte zu bilden. 3.8.
Löwe, Pfoten — Der Löwe hat Pfoten; oder: Der Löwe
ann mit feinen Pfoten Tagen) große Thiere todt fchlagen ;
oder: Ohren, Efel, lang — Die Ohren des Efeld find lang;
oder durch Frage, welche vollftändig beantwortet werben
muß: Wie find die Ohren des Eſels? Welche Ohren find
lang? Welche Körpertheile des Eſels find lang?
h) Zum Schluß fängt der Tehrer noch einmal auf Seite
20 an, und läßt von jedem Worte Saͤtze bilden, wobei ſich
zeigen wird, ob die Schüler durch feine Erflärungen ſich
viele Sachkenntniffe gefammelt haben.
3) Borlefen.
Taͤglich 1 Stunde
Hierzu wähle ber Lehrer die Taͤndeleien von Loͤhr, welche
für dieſes Alter zur Entwidelung bed Verſtandes, des Ges
muͤthes, und insbefondere auch der Sprache von unausſprech⸗
— 129 —
lich großem Werthe find. Der Lehrer Kaffe ſich nur nicht
durch den Titel: „Taͤndeleien“ abfehreden; biefen Namen
hat die .‚Befcheidenheit dem Buche eines vortrefflichen Paͤda⸗
gogen gegeben. Der kindliche Lehrer wird etwas anderes’
als Tändelei, er wird in demfelben eine Menge konkreter
Bilder finden, die ein Abftraftes ahnen laſſen, oder auch
ſchon ins Abſtrakte führen... Es gibt von dieſem Buche eine
ſehr wohlfeile und eine ſehr theure Ausgabe.
Geht der Lehrer dieſe Stuͤcke Satz fuͤr Satz auf die
Art durch, daß er in jedem Satze, ja in jedem Worte ver⸗
ſtanden wird; ergreift ihn die reine Unſchuld, die in dieſen
Erzaͤhlungen herrſcht; ermuntert ihn die Entfaltung des ju⸗
gendlichen Geiſtes, ſo daß er Jegliches hervorſucht, um das
Herz, den Verſtand ſeiner Schuͤler auf eine gemuͤthliche, ſin⸗
nige Art zu bilden, und das Ganze dem Gedaͤchtniſſe und
der Einbildungskraft ſeiner Schuͤler einzuverleiben, wozu
auch ein Wiedererzaͤhlen, oder ein umſtaͤndliches Angeben
der Einzelheiten erforderlich ſein moͤchte; wird das ganze
Buch auf dieſe Art durchgearbeitet: ſo kann es nicht anders
ſein, der Schuͤler muß eine große Anzahl ſchon abſtrakter
Begriffe ſich ſammeln, und in denſelben ſich ausdruͤcken lernen;
der Lehrer wird das Gefuͤhl der Liebe, Dankbarkeit und Ehr⸗
furcht durch dieſe Erzaͤhlungen und durch ſeine Unterhaltun⸗
gen daruͤber in dem Kinde aufregen, und daſſelbe dadurch fuͤr
einen ordentlichen Religionsunterricht empfaͤnglicher machen.
| — ⸗ lſssw8ſſſ ⸗—⸗—
4) Gedichtlernen.
Taͤglich 1 Stunde.
Hierzu wüßte ich fein befferes Buch, als die Kinderge⸗
dichte von Lieth (Baͤdeker in Eſſen). Die Gefühle der Liebe,
i
— 130 —
des Danfes und der Ehrfurcht werben in diefen Gedichten
im einfachen, fchönen, edlen Gewande vor die Einbildungs⸗
kraft des Kindes gebracht, und dadurch in feinem innerften
Herzen aufgeregt. Wenn in den Erzählungen von Löhr
biefe Gefühle an anderen Kindern als liebenswuͤrdig erfcheis
nen, fo liegt in diefen Gedichten fchon eine höhere Anficht:
ed ift die Gemeinfchaft mit höheren Geiftern, mit reinen
Engeln, die Alles, was unebel und unrein ift, weit von fich
zuruͤckſcheucht. Nicht zu früh kann man dieſes Gefühl in
dem ihm verwandten unfchuldigen Herzen entwideln und
nähren, damit die Seele des Kindes ganz von demſelben
erfüllt, ja durchdrungen werde. Gar Leicht koͤnnte man,
diefen Sat ohne Einfchränfung genommen, in den Fehler
der Empfindelei und ber Phantafterei verfallen; indeflen
find dieſe Gedichte. wicht son der Art, daß mit Gefühlen
gefpielt würde; es herrfcht: reine Manneswuͤrde und Find»
liche Einfalt in denſelben; — und fucht nur der Lehrer nicht
aus dieſen Schranfen zu treten, fo werben dieſe Gedichte
unftreitig nur das Beſte wirken Eönnen.
Der Lehrer fange mit den verftändlichiten Gedichten an,
und erläutere jeden Vers berfelben, fei e8 durch Sagen oder
Fragen, und zwar um nichts mehr, als es der Zweck des
Verſes verlangt. Wird der Vers verftanden, fo fage er
denfelben einigemal deutlich und mit natürlichem Ausdruck
vor, und fodere die Elaffe auf, den Vers mit eben bemfels
ben Ausdrud zachzufprechen. Im Anfange wird dieſes von
den Kindern mit einer gewiffen Schüchternheit und Unbe⸗
holfenheit gefchehen ; allein die muthigeren werden bald nady
fprechen und die zaghafteren folgen. Der Vers werde nun
fo oft gemeinfchaftlich wiederholt, bis er von allen behalten
iſt, und mit natürlichen Ausdruck hergefagt werden kann.
Es folge dann der naͤchſte Vers, und ift das Gedicht nicht
zu lang, fo mögen die Kinder es ganz lernen. In naͤchſter
er
— 131 —
Stunde des andern Tages wird das Gedicht wiederholt,
und jedes Kind mag dann ein Verschen ſchoͤn herzufagen
ſich bemühen, worauf denn ein anderes Gedicht eingelernt
wird. Können die Kinder deren mehrere, fo werden Diefe
von Zeit zu Zeit wiederholt, damit Feines derfelben vergef-
fen und die Deflamation der Kinder freier werbe. Der Leh—⸗
rer wird dann, wenn er dad Ganze gut behandelt, gar bald
befondere Liebe zu diefen Gedichten und den wachfenden
Muth gewahren, mit welchem viefelben von ben Kindern -
auswendig hergefagt werben. Ich felbit habe dieſe Gedichte
mit der unterften Claſſe meiner vormaligen Anftalt durchgear-
beitet, und darf fagen, daß fie mir felige Stunden bereitet
haben. - '
Hundertmal find’ mir bei Entwicelung dieſer Gedichte
und bei Einuͤbung derfelben die Thränen in die Augen ge
fommen: ed war mir oft, als wäre ich das verftändigfte
Kind unter den Kindern, oft, ald wäre ich ein hoher Geift, -
der ihnen ind Herz zu reden vermochte. Sa, warım follte
ich mich fchämen, es zu fagen? es war mir oft wunderfam
zu Muthe. Das that die reine, kindliche Einfalt, die allent
halben in dieſen Gedichten fich ausfpricht, und mir den Mund
öffnete; das that Die außerordentliche Aufmerkſamkeit ſaͤmmt⸗
licher Kinder, und die ganz befondere Liebe derfelben zu den
Gedichten. O, fühlender Lehrer, nimm diefe Gedichte mit
einfältigem Herzen auf, arbeite diefelben finnig durch, und
fage mir, ob ich falfch geurtheilt, wenn ich behaupte, daß
fie in das Innerſte des Kindes gehen und arbeiten: feine
Sprache bereichern, reinigen, verebeln, feine Phantafie mit
lieblichen, nicht uͤberſpannten Bildern erfüllen, und fein Ge⸗
dächtniß auf eine fruchtbare Weife üben. Gelangt das Kind
mit der Zeit zum Lefen, fo läßt ſichs leicht denken, was auch
Erfahrung mir ſchon zur Genuͤge bewiefen hat, daß fie das
felbft ſchoͤn zu Tefen, für fech zu wiederholen wuͤnſchen, was
ı*
— 132 —
fie in der Schule auf eine fo leichte und angenehme Art ge-
lernt haben.
Da nun nadı Verlauf eines Sahres diefe Claſſe einen
großen Theil des erften Leſebuches durchgeleſen haben wird,
dieſes alled vorher in ben Sprachuͤbungsſtunden vielfältig
befprochen ift, das Kind eine Menge Erzählungen angehört
und verftanden, eine Menge Sacherklaͤrungen aufgefaßt hat,
und eine bedeutende Anzahl Gedichte auswendig herzufagen
weiß: fo ift in dem erften Schuliahre, in Hinficht auf feine
Spradbildung, auf die Entwidelung feined Berftandes, An⸗
regung feiner Phantafie, Anklang der edelften Gefühle, Lies
bung feines Gebädhtniffes, und, wenn übrigens eine humane
Schulzucht geherrfcht hat, auf Gewähnung an alles Gute
ein Hinreichendes gefchehen. Hierzu iſt nun die Schulzeit von
fünf Stunden täglich, mit Ausſchluß des Mittwochs und
Sonnabends Rachmittag benugt worden. An dem Morgen
befagter Tage werben die vier Gegenftände in fünf gleichen
Zeittheilen gelehrt, fo daß mit dem Lefeunterricht angefans
gen und gefchloffen wird. Daffelbe gilt von den naͤchſt fol⸗
genden Elaffen. Kür Lehrer, welche glauben, das Kind
mäffe in dieſem Alter ſchon eine Handfertigfeit in der Schule _
treiben, bleiben noch vier Stunden i woͤchentlich zum Gebrauch
dazu uͤbrig.
gte&laffe
Kinder von 7 bis 8 Sahr.
Auch in dieſer Elaffe wird nur der Unterricht in der
Mutterfprache betrieben, wobei jebocdh, wie in der untern
Elaſſe, manche andere Zwede erreicht werben. Diefer Um
— 133° —
terricht zerfällt, wie in ber unterften Claſſe, in Lefenlernen,
in Sprachäbung im engern Sinne, in Borlefen und in
Auswendiglernen zwedmäßiger Gedichte.
1. 8Xefenlernen
Täglih 2 Stunden.
Die Lefehbungen in Tillich werden fortgefegt, und zwar.
bie zu Ende des zweiten Theiles. Zuerft Lieft jeder von dem
Lehrer aufgerufene Schüler einen Satz; dann wird das Stüd
gemeinfchaftlich gelefen, aber nicht in einem fingenden, fons
dern natürlichen Tone, und zwar wie in der unterften Elaffe
erft folabifch und Dann mit natürlichem Ausdruck, und die,
fe8 wiederum erft langfam und bann mit gewöhnlicher
Schnelligkeit, etwa fo, wie deutlich gefprochen wird. Dabei
wird jeder Schüler fortwährend angehalten, jedes Wort
recht deutlich, aber nicht überlaut auszufprechen. Dann
wird ein. großer Theil des Gelefenen abwechfelnd bald zu⸗
fammen, bald von Einzelnen, aus dem Kopfe buchitabirt,
das Ganze noch einmal zufammen, und zum Schluffe von
Einzelnen theilweife moͤglichſt ſchoͤn gelefen.
Finden fich ſchwache Schüler, fo fchreiben im Anfange
der folgenden Lefeflunde die Geuͤbtern auf Schiefertafeln,
und die Ungeäbtern arbeiten bas folgende Stüd, nicht das
vorher durchgearbeitete‘, fhon zum voraus durch, wo dann
die einzelnen Woͤrter befonders burchgenommen werden, Das
mit fie mit Nutzen der:folgenden Hebung der ganzen Claffe
beiwohnen koͤnnen. Diefe Bemerkung gilt auch. für Die ums
terfte, wie für die noch folgende Elaffe. Iſt ein. ganzer Abs
ſchnitt durchgelefen, fo wird er wiederholt, die Schüler müfs
fen, wie bei den einzelnen Stücken, die behaltenen Säge an⸗
— 134 —
geben, das Ganze wird wiederum, jedoch nur kurz beſprochen,
und die Schuͤler muͤſſen die geleſenen Saͤtze entweder auf
eine Frage, oder nach Angabe einiger Woͤrter nochmals alle
herſagen.
Schreitet jeder Schuͤler auf dieſe Weiſe mit Sicherheit
voran; macht der Lehrer ihn zu Zeiten auf ſeine Fortſchritte
im Leſen beſonders dadurch aufmerkſam, daß er das in der
Vorleſeſtunde vorgeleſene Stuͤck von Einzelnen leſen laͤßt;
ſtellt er die Sache, die geleſen wird, nicht in den Hinter⸗
grund, ſondern erinnert er vielmehr hier und dort an ſeine
Auseinanderſetzungen dieſer Gegenſtaͤnde in der ſtets dem
Lefen vorſchreitenden Sprachuͤbungsſtunde; dringt er auf
ein. natürliches Zufammenlefen, und erhält er einen Wetteis
fer ganzer Reihen und Einzelner; iſt er auf eine finnige
Art rührig und munter: fo muß eine folche Handhabung
des Lefeunterrichtes den Schüler mit Freuden fördern. Man
glaube nicht, daß die Öftere Wiederholung dem Kinde lang-
weilig werde; das Kind vergißt vieles nur zu bald, und
eine oͤftere Wiederholung wird darum natuͤrlich.
—
2) Sprachübunng.
Taͤglich 1 Stunde.
Der Lehrer nehme nun den ganzen Tillich durch, ſehe
darauf, daß jedes Wort, jeder Satz verſtanden werde, und
mache, wo es angeht, auf die leichteſten Synonimen auf⸗
merkſam. Bei den Fuͤrwoͤrtern insbeſondere frage er ſehr
ſorgfaͤltig nach, ob die Kinder ſtets dasjenige Hauptwort
anzugeben wiſſen, deſſen Stellvertreter es iſt. Vorzuͤglichen
Fleiß wende er auf die Bindewoͤrter im Abſchnitt IX, und
— 135 —
merfe ficy die mufterhafte Anordnung der Gebanfen, um
die Bindeworter anfchaulich zu machen. Dabes fann der
Lehrer verfuchen, ob der Schüler fchon im Stande ift,
Säte nach Angabe eined Bindewortes zu bilden. Sm Gans
zen aber wird diefe Hebung noch nicht gefodert, da die erfte
Durcharbeitung des Buches nur Material geben, das
Sprachgefühl bilden und Sachfenntniffe verſchaffen fol,
welche Dinge nothwendig fi nd, wenn der Schüler Säße
bilden Ternen fol.
Zweckmaͤßig aber wird es fein, wenn der Lehrer bei
jedem Worte, das er erflären muß, die ganze Wortfamilie
angibt oder auffuchen läßt; denn das Kind foll bei diefer
Sprachuͤbung fo viel Wörter unfrer Sprache lernen, als
es möglich iſt.
Auf dieſelbe Art arbeite er den zweiten Theil durch;
jedoch muß ich uͤber denſelben noch einiges ſagen.
In dieſem Theile finden ſich drei Hauptuͤbungen; naͤm⸗
lich die mit dem Artikel, der Praͤpoſition und dem Fuͤrwort.
Die Uebungen mit.dem Artikel find ſehr zweckmaͤßig; das
Kind lernt dadurch manchen Begriff in die naͤchſte hoͤhere
Ordnung bringen, eine Uebung, die allem Definiren vorher⸗
gehen muß, und die einer Schule nicht genug anempfohlen
werden kann. Dieſe Claſſe ſoll das Vorgeleſene verſtehen
und etwa nach Einuͤbung eines Stuͤcks unkuͤnſtliche Fragen
beantworten lernen. 3. B. Was iſt der Trunk dem Dur⸗
ftigen? Wem ift der Trunk ein Labfal? Was ıfl dem
Durftigen ein Labfal? — Diefe Fragen find hier beftimmt
genug,:wo dieſe Site eingehbt. und ‚bereits verftändlich ges
macht worden ſind. Dad Kind antwortet in vollftändigen
Saͤtzen.
Die 100 Seiten Beifpiefe über Präpofitionen, und
die 58 Seiten Beifpiele über Fuͤrwoͤrter find ganz vortreff⸗
lich. . Die Fehler, welche hier und dort gegen den feinern.
— 136 —
Gebrauch des Artifeld, der Vor⸗ und Fuͤrwoͤrter gemacht
worden find, koͤnnen leicht ausgemaͤrzt werden,
Lernt das Kind alle dieſe Site über Artikel, Praͤpo⸗
ſitionen und Pronomen nur verftehen; Lieft es dieſelben fo
oft, daß es die Beifpiele faft auswendig herfagen kann: fo
muß es fchon dadurch den Geift diefer Wortarten, ohne
denfelben jedoch ausfprechen zu koͤnnen, ziemlich tief er:
fafien, und fein Sprachgefuͤhl, das jeßt ſchon taufende Fehr
fer vermeiden laͤßt, fo wie das zweckmaͤßige Material, das
ed gefammelt hat, machen e8 für einen ordentlichen Linters
richt in der Grammatik empfaͤnglich.
sid
3) Borlefen.
Täglih eine Stunde
Für diefe Elaffe eignen fich die gemüthlichen, finnigen
Plaudereien von Loͤhr. Das Kind fammelt durch aufmerf-
fames Anhören diefer Erzählungen eine Menge anziehender
Bilder, die ganz befonders zwedmäßig auf das fittliche Ge;
fühl deffelben wirken; da das Kind in diefen Bildern gleich-
fam Iebt, ein Umftand, der, ich möchte wol fagen, noth⸗
wendig ift, wenn es mit der fittlihen Erziehung zu einem
ordentlichen Ergebniß fommen fol.
Wie in der vorigen Claffe lefe der Lehrer die Erzähr
Iung langſam, deutlich und mit natürlichem Ausdrude vor,
(das Kind muß faft nicht merken, daß der Lehrer lieſt) ers
Eläre jedes neu hinzugefommene Wort durch Sagen, Fras
gen und Uebung im Gebrauch , jedoch möglichft kurz , gehe
nicht eher von dem Gabe ab, bis derfelbe von Allen Klar
verflanden ift, Kaffe. die Lehren aus jeglichem Stüd aufſu⸗
hen, präge diefelben dem Herzen. tief ein nur fein Worts
— 137 —
ſchwall, fein langes Moralifiren) laſſe fich das Borgelefene,
nach gehörigem Durchfragen,, von Einzelnen theilweife,, in
moͤglichſt richtiger und beftimmter Sprache erzählen ‚ und
laſſe Einige das vorgelefene Stück leſen. |
Befleißigt fich der Lehrer in allem fo einfach und na⸗
türlich mit den Kindern zu fprechen, wie dieſe Bücher ihm
bewundernswerth mufterhaft den Weg zeigen: fo Tann ee
nicht fehlen, das Kind muß in NRücdficht auf Ausbildung
feiner Sprache, feines fittlichen Gefühls, feines Berftandes
fihere Fortfchritte machen, und die größte Zuneigung zu
dieſem Gegenftande fallen , die doch nothwendig ift, wenn
des Kindes Seele gehoben werden fol.
4) Gedichtlernen.
Taäͤglich 1 Stunde.
In diefer Elaffe werden die Fabeln und Erzählungen
der Sammlung von Wagener gemeinfchaftlich eingelernt;
jedoch kann das Kind, das bereits fertig Iefen kann, fid)
zu Haufe fchon ein wenig nachhelfen. Der Lehrer laſſe die
leichtern Stüde vorangehen und die fchwerern folgen , und
wähle überhaupt fein Stud, das er nicht in feinen einzel:
nen Theilen verftändlich machen kann.
Aengftlichkeit in diefem Stüde iſt zwar, wie Aengftlichs
feit überhaupt, nicht heilfam; aber ber Lehrer bedenfe nur,
wie bei ber forgfältigften Behandlung Vielen mehr unvers
ftändlich bleibt, als er ed in der Negel glaubt, und dei
wegen würbe Geringfchäßung dieſer Gruͤndlichkeit unver
merkt zu einem todten Mechanismus führen. Diefe Erklaͤ⸗
rungen nehmen im Durchfchnitt wenig Zeit fort, wenn ber
Lehrer das Kind fchon in der unterften Claſſe alles mit Bes
— 138 —
ſtimmtheit und Klarheit hat auffallen laſſen, und auf diefe Art
mit jedem neuen Begriff ftät fortgefchritten ift. Dabei achte
man nur darauf, daß man nicht mehr über den Gegenftand
« fprechen muß, als es der Sinn dieſes zu erflärenden Ver⸗
fes verlangt; denn ich bin überzeugt, ein Mehres davon,
eine übertriebene Gründlichfeit, verdunfelt den Sinn in
der Regel, und aud darum muß die allfeitige Anficht von
Einzeldingen nach und nad in dem Kinde wachfen. Tritt
3. B. bei jedem Begriff immer nur die Definition auf, fo
wird das Kind die feinern Schattierungen- deffelben weniger
fühlen. | |
Ganz anders aber verhält es fich mit dem Hauptbe⸗
griff, welcher der Fabel zum Grunde liegt; dieſer ſoll viel
feitig aufgefaßt werden.
Diefe Gedichte reichen dem Kinde nun wieder einige
hundert Hauptbilder zur Bildung des Herzens und Ver⸗
ftandes, und zwar in poetifchem Gewande; fie eignen fich
vorzüglich dazu, abftracte Begriffe ganz vor Die innere Ans
ſchauung zu bringen, und diefe würdig von Verſtand, Ge
muͤth und Phantafle auffaffen zu laffen. Die Biene und
die Hummel ftellen dort Fleiß und Traͤgheit var: Phylar
— den Geiz; Srin — den Tugendhaften; Sohann der Sei⸗
fenfiedeer — die Genuͤgſamkeit; der fterbende Greis, ber
brave Mann — den Edeln; Kiefun — den zärtlich Lie
benden Sohn; der Freund, und Leander und Selin — den
Freund; die Schildfrdte und der Skorpion — Arglofigfeit
und Tüde; der Phoͤnir — den zarten Geber; Zuta Zaraf
— den Tyrannen; der arme Greis — Hartherzigkeit und
Mitleid; Ibrahim — die Großmuth; Amint — den Wahrs
heitöfreund; der Adler , das Schwein und die Kate — die
Falſchheit; der Hecht und die Betſchweſter — den Schein-
heiligen: die Schlange — den Berläumber; der arme Mann
und fein Kind — die Ehrlichkeit; die treue Dogge — den
Prahler und die Treue; Mylord — die Mißgunft ıc.; Der
Schwan und die Krähen — Neid und Schabenfreude; das
Schickſal — die Vorfehung ꝛc. O, weld ein reicdyer Stoff
in diefer Sammlung! Wie oft habe ich in meinem Herzen
den edlen Berfaflern und dem Sammler innig gedankt! Es
möchte wol nicht möglich fein, auf irgend einem andern
Wege dieſe abftraften Begriffe klarer und angenehmer vors
zuftellen, und zugleich fo behaltlich zu machen. Wenn Der
finitionen, auf die befte Art entwidelt, oft wieder dem Ges
dächtniffe entfchwinden, fo müffen biefe Begriffe bleiben,
da ihr ſchoͤnes Kleid der ganzen Seele des Kindes
mit eingeprägt wurde. Der Sammler folcher Bil
der. hat darum fir jeden abftraften Begriffic. das ſchoͤnſte,
verftändlichfte, fcharf bezeichnendfte und im gefälligften
Rhythmus dargeftellte, alfo das vollfommenfte auszuwählen,
und nur dann mehre neben einander zu ftellen,, wenn diefe
ſich ergänzen, in welchem leßtern Falle diefe durch die Bes
zeichnung a, b, ce, ıc. verbunden werben müßten, damit
des Lehrers Aufmerkſamkeit darauf gelenkt würde. Statt der
geroohnlichen Verbefferungen jener Gedichte gäbe der den⸗
fende Sammler beffer eine tüchtige Abhandlung über den
Gebrauch, viele einzelne Bemerkungen, Definitionen als
Zugabe für den Lehrer.
Möchten unfre Dichter dem unfterblichen Gellert ıc.
folgen, und unfre Schulen mit einfachen, aber umfaſſenden
Darftellungen einzelner Begriffe oder Wahrheiten in anzies
henden Bildern bereichern. Sch erinnere hier nur an bie
Betſchweſter, an ben Schwan. und die Krähen, an bie
Tabaföpfeife, an den Adler, das Schwein und die Kabexc.
Wie Homer feine Helden durch Thaten ſchildert; alfo
auch der Fabeldichter”
Gerade durch diefe Bilder foll der Grund für Fünftige
fcharfe Definitionen gelegt werben; der Schüler erhält das
— 1410 —
durch ein Material, aus welchem er beim Definiren bie
Data künftig hernehmen fol.
Ueber dad Auswendiglernen dieſer Stuͤcke noch fol⸗
gendes:
1) Man verlange nicht von dem Kinde, daß es zu
Hauſe viel auswendig lerne; nur der Nachlaͤßige und Traͤge
muß das zu Hauſe nachholen, was er in der Schule ver⸗
ſaͤumt; nicht aber allemal der, dem das Auswendiglernen
ſchwer faͤllt. Thut Letzterer zu Hauſe ſein Beſtes, ſo iſt das
um ſo angenehmer.
D Laßt ein nicht unbedeutender Theil der Claſſe in
Luft und Eifer zu diefem Answendigfernen nach, fo hat ber
Lehrer die Schuld: er. treibt den Gegenftand dann vielleicht
mechanifch,, oder er Äbertreibt ıc. Dann Ienfe er bei Zeiten
ein, betreibe die Sache mit mehr Sntereffe, oder bleibe
im lestern Falle fo lange an dem Stuͤck bis ganz mit-
telmäßige Köpfe baffelbe verftehen und auswendig wiſſen,
nnd Die fähigeren ed dagegen fchön herfagen koͤnnen.
3) Um die Luft zu erhalten, Lafje er zuweilen einzelne
Bänke wetteifernd abwechjeln, fage ed von Zeit zu Zeit
felbft her, und fodere dann Einzelne auf, Theile des Stüßs
kes herzufagen.
4) Iſt das Städ hinreichend eingeht, fo fodere der
Lehrer Einige auf, den Inhalt deffelben mit eigenen Wor⸗
ten zu erzählen, wobei der Lehrer auf Bildung ordentlicher
Säge und Überhaupt auf Beſtimmtheit des Ausdrucks ach⸗
ten muß.
5) In der letztern Stunde der Woche werden die ge⸗
lernten Stuͤcke wiederholt, und zum Schluſſe des Monats
und des Vierteljahres wird eine aͤhnliche Wiederholung an⸗
— 11 —
geftellt. Da diefe Wiederholungen als deflamatorifche Ue⸗
bungen behandelt werben, fo fürdte man feinen Efel au
der Wiederholung,
ho ——— }
5) Sefang
Zu Anfang der meiften Lehrftunden werbe von biefer,
wie auch von ber vorigen Claſſe ein Liedchen nach dem
Gehoͤr gefungen. Ganz befonders eignen fich die voräbens
den Lieber von Carl Gläfer (Lieths Kindergedichterc.) dazu.
Der Lehrer muß dieſen Gefang mit der Orgel, wenn dies
felbe auch nur ein gutes, durchdringended Regifter halten
follte, ober noch beffer mit der Violine begleiten. Wie ift
es möglich, an der Zwechmäßigfeit des Gebrauchs der Bios
line beim Gefangunterricht zu zweifeln! Welcher vernünfs
tige Lehrer wird denn ſtets worfgielen, wie vorfingen, wenn
feine Schüler treffen und ſchoͤn fingen Iernen folen! Wenn
vom Gebrauch der Violine gefprochen wird, fo denkt man
fich diefelbe nicht in der Hand eined Automaten, fondern
in der eines verftändigen Lehrers. Gegen den fchlechten
Gebrauch der Violine laͤßt fich etwas Bernänftiges fagen,
aber darum muß man ben Gebrauch diefes Inſtrumentes
nicht geradezu verwerfen. Der Lehrer halte auf Abgewoͤh⸗
nung der Fehler, als des Schreiend, Fiſtulirens, des
Ziehend der Töne, und gewähne- dagegen die Kinder mit
gedämpfter Bruftftimme möglichit rein und ſchoͤn zu fingen.
Auch wird es nüblich fein, von den Kindern felbft den Takt
mit der Hand anftändig und richtig fchlagen zu Taflen.
— 142 —
ste Elaffe
Kinder von 8 big 9 Sahr.
In den beiden untern Claſſen find die Empfindungen
der Liebe, des Danfes und der Ehrfurcht gewedt, und
überhaupt ift dort das fittliche Gefühl täglich in mehr als
zwei Stunden in Anfpruch genommen; das Kind hat die
fchönften für fein Alter paflenden Bilder in ſich aufgenoms
men, und zwei Sahre hindurch, fo zu fagen, in Diefen Bil;
dern gelebt; es find bie erften religisfen Wahrheiten bei
hundert Beranlaffungen ſchon oͤfter befprochen, und Ber-
ftand und Sprache des Kindes haben die befte Voruͤbung
erhalten. Sept ift das Kind fähig, einen ordentlichen Relis
gionsunterricht zu empfangen , der aber darum noch keines⸗
weges einen abftraften Bang nehmen barf, fondern in leid’
ten, Bildern gegeben werden muß. Dazu diene die biblifche
Gefchichte. Da der Schüler nun fo weit im Lefen gefom-
men ift, daß er fich durch baffelbe belehren kann, fo ift der
Lefennterricht mit dieſem Gegenftande in Verbindung zu brins
gen. — Diefe Schüler Finnen täglich ſechs Stunden Unter;
richt erhalten, und dafür werde den vorigen Gegenſtaͤnden
noch das Schreibenlernen hinzugefuͤgt.
me
1. Biblifche Geſchichte und Leſen.
Taͤglich 2 Stunden.
Lehrer! dieſer Gegenſtand erfodert die ganze Kraft
deiner Seele; hier gilt es hohe Wuͤrde mit Einfalt des
ganzen Weſens in Harmonie zu bringen; hier wird Leben⸗
digkeit der Darſtellung, Praͤciſion des Vortrags im einfach⸗
— 13 —
ften Stil gefodert. Haft du die durchgearbeiteten Muſter
der angeführten Schulbücher deinem Gemüthe eingeprägt,
und fehlt e8 dir dann nicht an Kenntniß der Sadıe, an
Phantafie, Darftelungsgabe und Ernft in dem hohen Ger
genftande: fo wirft du mit Segen arbeiten. — Mein Bor
fchlag ift ber:
Der Lehrer wähle die vortreffliche biblifche Geſchichte
von Kohlrauſch, da diefe einen fehr zwedmäßigen Auszug
der Bilder des heiligen Buches enthält, und ver Verfaſſer
die Sprache der Bibel ganz beibehalten hat. Nachdem ver
Lehrer das Stüd forgfältig durchgelefen und durchdacht hat,
fchildere er daflelbe, und zwar fo, daß ein möglichit voll⸗
ftändiges Bild vor den geiftigen Augen bes Kindes entitehe,
Zu dem Ende lafle der Lehrer manchen an fi) unwichtigen
Segenftand, der jedoch der Sache Leben gibt, nidyt aber
gegen die Würde und Wahrheit der Bibel :fein muß, mit
einfließen, führe das Kind bei jedem lehrreichen
Punkte recht nahe vorbei, verweile dort mit dem
felben, ohne gerade bie Lehre-immer auszufprechen; Furz,
er ftefe aus dem. oft nur fragmentariſch Angegebenen ein
Ganzes auf im Geifte der Bibel. Freilich ift dieſes ſchwer,
allein ein treued Studium der Charakteriftif von Niemeyer,
des Geiſtes der Bibel für Schule und Haus von Erbmann
Engel, der biblifchen Gefchichte von Hebel, von Ewald,
ein inniges Auffaffen biblifcher Spyllen, wie etwa der Tod
Abels von Geßner, der biblifchen Idyllen ber Baroline Pick
Ser, des Feitbüchleins von Krummacher , der biblifchen Er;
zählung von Nonne, (Nenjahrbüchlein. für das Sahr 1824.-
Schwelm) — vortrefflicher Gemälde biblifcher Stuͤcke; le⸗
bendiges Gefühl für diefen Gegenftand und eigene Phantas
fie Eönnen wol den Lehrer auf einen Standpunkt heben,
von welchem er mächtig auf die Sugend wirfen Tann.
— 144 —
Man glaube nicht, daß mein Wunſch dahin ginge, writ
der Jugend zu empfinden ober zu ſchwaͤrmen. Nein, das
bieße fi) an dem Geifte der Jugend ſchwer verfündigen;
die Sache fol nur auf eine anziehende Art vor Die geiftige
Anſchauung gebracht, fol dem Gemäthe, der Phantafie und
dem Gedächtniffe eingeprägt, und da wo thunlich, dem Bew
ftande Elar werden. Eben fo wenig, als ein ſchoͤnes, finn»
reiches Gemälde einer biblifchen Begebenheit, eine biblifche
Idylle Schwärmerei weden foll, eben fo wenig darf bie
Schilderung des Lehrerd zur Phantafterei und zur Empfins
delei führen; fondern beide follen vielmehr wohlthätig ers
wärmen und den Gegenftand als unaunsloͤſchlich in die Seele
tragen. Spräche aus dem Lehrer etwa ein Geift, wie aus
Krummachers Parabeln, fo möchte nach meiner Anſicht am
meiften gewirkt werben.
Möchte es kindlich denkenden und fühlenden Theologen
doch gefallen, uns mit Muſtern der Art, die aber eben des⸗
wegen ſcharf gezeichnet und nicht zu aͤngſtlich und weitlaͤuf⸗
tig ausgemalt fein müßten, zu bereichern. |
Welch einen erhabenen, fchönen Stoff bietet die biblifche
Geſchichte nicht dar! Ach, eine einfache lieblidye Schilderung
der Unſchuld der erften Menfchen — des guten Sohnes Abel
— be böfen Kain — des erftern Todes — des letztern Elendes
und nahe Verzweiflung — bed Falles ber Menfchen — des zus
nehmenden Verderbens der Menfchheit — des frommen Noah
— ber Sünbdfluth; ach, hundert und aber hundert Gegen
Rände aus dem alten und neuen Teſtamente bieten unend⸗
lichen Stoff zur kurzen Zeichnung der herzerhebendften, bes
lehrendſten Wahrheiten! Bei Erzählung der Parabeln Jeſu
benute man Eilerts und Ewalde Parabeln Jeſu, gehe von je⸗
dem Eonfreten Punkte wo möglich auf einen abfraften über,
und fchaffe im Geiſte der Parabel ähnliche Punkte hinzu. Bei
der Parabel vom Saͤemanne würde ich 3. B. noch folgende
— 145 —
Punkte benugen: Der Saͤemann fchreitet feft, ficher
voran, fein Blick iſt ſtaͤt — fein Wurf gefchieht mit fefter
Hand — er theilt gleichmäßig and — der Saamen ift
ausgeſucht — ber beite Boden ift durch und durch
fruchtbar, der fchlechte Boden kann burch augenblidlichen
Dungftoff gute Frucht treiben: er hängt zu fehr von frems
der Beimifchung ab — in dem harten Boden, ber auf der
Oberfläche gelodert ift, taucht der Regen aufwärts
— in dem zu lodern Boden hat die Pflanze feinen Haltıc.
(Einzelheiten koͤnnen auch fchon in den untern Glaffen vor
fommen.) Nachdem nun die Schilderung bes Stüdes ausge,
führt und das Kehrreiche deffelben von den Kindern angegeben
worben ift, lefe der Lehrer das Städ aus Kohlrauſch bibs
liſcher Gefchichte mit Sinnigfeit und Wärme vor, erfläre
jeden biblifchen Ausdruck — am beften kommen dieſe fchon
in der freien Schilderung mit LUmfchreibung vor, ja nicht
felten Tann gerade biefer Ausbrud ein merkwuͤrdiger Punkt
werden — und trachte jedes Einzelne verftändlich zu machen.
Diefed gefchehe nun etwa des Morgens; bed Nach
mittags werde das biblifche Stuͤck zuerft oft zufammen und
zwar moͤglichſt ausdrucksvoll, Dann von einzelnen Bänten,
dann von einzelnen Schuͤlern theilweife, und zum Schluß
noch ein oder mehrmal zufammengelefen. Dabei müffen bie
hergehoͤrenden Bibelfprüche und Liederverſe gemeinfchaftlich
auswendig gelernt werben.
Zum Schluffe jedes Monats und jedes Bierteljahres
wird eine Wiederholung bes Gelernten, jedoch nur durch
Zufammenlefen mit einigen Abänberungen angeftellt; ber
Lehrer aber kann feine Schilderung wiederholen, wenn gleich
hier und dort an manches Einzelne erinnert wirb, um bie
Luft zur Uebung zu erhalten. Auch muͤſſen Einzelne vers
fuchen, Theile eines Stuͤckes zu erzählen. Der Lehrer ge
wahrt dadurch am beiten, ob ber. Schäfer auch über der
k
— 1106 —
Mebenfache das Wahre und Beſte vernachläßigt, ob er alfo
den Hauptfachen. bei feiner ‚Schilderung das helfte Licht
gegeben habes Auf dieſe Art werden die Kinder feine
firengften Richter fein. Das profaifche Gemuͤth, das übers
al Schwärmerei, ober der einfeitige Zelote, ber überall
Keberei ahnet, welche mit Sorgfalt Müden feigen, mögen
allerlei Einwendungen gegen diefe Lehrart machen; ich habe
aber in zehnjähriger Prüfung dieſes Ganges nur das Beſte
erfahren, und meine erwachfene ehemaligen Schüler mögen
barüber urtheilen.
Sa, wird die biblifhe Gefchichte auf dieſe oder Doch
eine Ahuliche Art Hurchgearbeitet, fo haben Herz, Phantas
fie, Gedaͤchtniß und Berftand gewiß viel gewonnen: das
Kind bat fait ausfchließlid das Sahr hindurch in Diefen
Bildern gelebt, die Bibelſprache wird ihm verſtaͤndlich ges
worden fein; und da jedes Stuͤck wenigſtens zwölfmal ges
meinfchaftlich, und, wie fidy unten beim Schreiben zeigen
wird, von jedem Einzelnen mehrmal mit Ausdrud gelefen
worden it: fo muß Das Ganze dem Geifte der Schüler
Hleichfam einverleibt fein, und der Schüler fteht.bereitd auf
dem Standpunkte, dem abſtraktern Unterricht in der Religion
entgegeugeführt werden zu koͤnnen.
DSpradhunterridt,
Taͤglich 1 Stunde.
a) Nothdürftige Kenntniß der Wortarten.
Es werden zu dem Ende die Merkmale jeder Wortart
aufgefucht und von einander unterfchieven. Dabei laͤßt fich
ber Lehrer noch auf Feine, oder doch nur wenige Unterab⸗
theilungen ein. Diefe Hebung wird für ſich allein fehr wer
nig Zeit erfordern, da dieſelbe fchon in den untern Claffen
1
— 117 —
als Nebenfarhe vorgekommen iſt, md in bein folgenden
wenigftend zum Theil ganz erfchöpfend Vorkommen wird.
b) Kenntniß der Deflination.
Unfre Sprache bat nur zwei Deflinationen der Subft.,
und die Ehre, dieſe aufgefunden zu haben, gebührt dem ver-
ewigten Seidenftäder. Im Sahr 1810 gab er zwei Abhanb⸗
Iungen, die eine über die Rebetheile, und die andere Aber die
Deflination unfrer Sprache heraus; und ich begreife nicht,
wie man etwas Weberzeugendered und Grändlicheres hier
über leſen könnte. Allmählig folgen ihm unſre Grammati⸗
fer, wie in allem, fo auch in diefem nach; nur muͤſſen bie
Kegeln zu Zeiten noch nach Ballherns Art Veränderungen
erleiden. sch verweife darum auf die beiden Abhandlungen
dieſes Sprachforſchers, oder auf feinen Nachlaß.
Beim Defliniren werben am vernuͤuftigſten Die gewoͤhn⸗
lichen Namen der Gafus: Nom. Gen. Dat, und Act., und
nicht die unbeſtimmten deutſchen Ramen gebraiicht. Daſſelbe
gilt überhaupt von den Namen der Begriffe in der allge
meinen Grammatik. St die Deklination des Artikels und
der Fürwörter in der Schule vollkommen eingeäbt; weiß
der Schäfer den Nom. Plur. yon unfren Hauptwoͤrtern anziu⸗
geben — eine Uebung, die natürlich in der unterften Claſſe
fhon vorfommt —: fo kann er die Deklination fänmtlicher
Gattungss und Gigehnamen in 3 bis A Stunden dergeſtalt
defliniren lernen, daß er — mit Ausjchluß von etwa 12
Gattungs⸗ und etwa der Hälfte ber Eigennamen, die wie
Leibnitz deflinirt werden — es jedem Worte unfrer Sprache
ohne alle Schwierigkeit an der Stirne anfehen, wie daſſelbe
deklinirt werden muͤſſe.
Dieſer Regel habe ich ſeit etwa 13 Jahren in meiner
Schule das Regelchen beigefuͤgt, daß diejenigen Woͤrter im
Gen. es ſtatt 8 hätten, an denen man entweder das bloße
k *
— 18 —
8. des Genitiys nicht ausfprechen kann, wie in: des Lachs
(Lachſes), des Fleiſchs CHleifches), des Scherzs (Scher⸗
zes) ıc. oder an denen das bloße s Zweideutigkeit, Unbe⸗
ſtimmtheit in Rechtſchreibung und Ausſprache verurſacht,
wie bes Kammes (Kams, Kamz, Kamß ıc. ſtatt Kammes,
wo man beide m und Das s hoͤrt), des Tods (Tots, Tohz
rc. ſtatt Todes), Reichs GReils ſtatt Reiches). Bekommt
nun ber Gen. es, fo bleibt dem Worte im Dativ das e,
das übrigens allemal, wo es der Rhythmus gebietet, weg⸗
fallen darf. Ich weiß nicht, ob man allgemein Diefe Regel
‚wird gelten laſſen; mich und meine Schüler bat fie aber
ſtets ficher geführt. Eine Beitimmung ift bier aber nöthig
um das vage oft in der Schule zu vermeiden.
c) Uebung im Gebrand des Artikels.
Hierzu dient wiederum. der zweite Theil von Tillich.
Das Kind⸗mag dazu auch die ihm befannten Saͤtze waͤh⸗
Ien, wenn es nur die Bedingungen, welche jeder Uebung
bort zur Aufichrift dienen, ohne Ablefen der Beifpiele ers
füllt; denn ‚ver Zweck ift hier nicht fowol Uebung des
‚Scharffinnes (der durch beſſere Mittel gehbt werben muß),
als vielmehr Uebung im Gebrauch des Artifels und Eine
ficht in. die ‚Bedeutung der Caſus. Selbſtgeſuchte Beifpiele
find aber darum nicht weniger zweckmaͤßig; ja, fie ſind noch
vorzuziehen, wenn das Auffuchen- nicht zu viel Zeit koſtet.
d) Anwendung ber ‚Präpofitionen.
Es werden dann bie Präpofitionen gelernt, die ein
und denfelben Caſus regieren. Die befannten hundert Geis
ten werben nun in Rüdfiht auf die grammatifche Regel
burchgenommen. Dabei kann ber Lehrer die befannten Saͤtze
mit Auslaffung der regierten Cafus angeben, wie: dur —
Bach kann man ohne Gefahr gehen; — Naͤchſt — Bau —
— 19 —
Kirche find auch die Lieferungen für — Dorf fehr druͤckend;
— Willen — Herr gemäß übergab ‘der Diener dem Bau⸗
meifter” das Geld ıc. Zum Schluß jeder Hebung müffen
jedoch mehrere Beifpiele von dem Schüler felbft aufgefucht
werden, damit man fid) überzeuge, Daß die Negel mit
Nachdenken aufgefaßt worden fei. Sobald dad Auffuchen
ſchwer fallt, muß es flark geübt werben; denn fonft ges
winnt der Mechanismus die Oberhand. Zu den Präpofis
tionen, bie den Dativ und Afkufatio regieren, merke ich
mir noch die Regel an, daß, wenn diefe Präpofiticnen fis
gürlich gebraucht werden, (d. h. ihre urfprüngliche Bedeu⸗
tung ald Ortverhältniffe nicht haben, und man die Frage
wörter „wo und wohin‘ nicht gebrauchen kann, alfoan
feinen Ort und fein Ziel, nicht an Ruhe und Bewegung,
an feinen Zuftand, in welchem etwas ift, ober worein
etwas kommt, zu denken ift), die Präpofitionen an, in,
unter, vor den Dativ, auf und Aber den Afkufativ
regieren. Hinter, neben und zwiſchen werden in
diefem Sinne nicht figuͤrlich gebraucht. Man übe jene
Wörter deshalb in jener Reihenfolge ein. DBeifptele: Ich
ärgere, vergreife, verfehe mich an Dir, verzweifle an ber
Sahe — auf den Sommer — über mic; ärgern — unter
ihnen auftreten — Achtung vor ihm. Heißt Aber fo
viel al8 während, fo regiert ed den Dativ: über dem
Lefen einfchlafen u |
e) Hebung im Gebrauch der Fuͤrwoͤrter.
Die Fuͤrwoͤrter werden auf ahnliche Art, wie die Praͤ⸗
pofitionen behandelt *). nn
*) Um biefem zweiten Theile: noch mehr Zveemöͤßigeit zu melget
fen, moͤchte ich dem Herausgeber anrathen, die Bedeutung des Ar⸗
tikels ſchaͤrfer aufzufaſſen, die gleichguͤltigern Beifpiele aus den ph:
pofitionen zu entfernen, ſtatt deren den vortrefflichen Kraufe über
Die Befchreibungen ,„ welche bes zweite Theik enthält,
muͤſſen auswendig gelernt, und von dem Lehrer auf bas
forgfältigfte durchgearbeitet werben, Ä
3. Borlefen,
Taͤglich 1 Stunde.
Kür diefe Bildungsftufe möchte Campes Robinfon, Jo⸗
ſeyh Schwargmantel von Salzmann, und Campes Entdek
fung von Amerifa am beiten fich eignen. Sieber Pädagoge
tft gewiß mit mir einverftanden, daß ber. Robinfon ein bes
wundernswuͤrdiges Probuft eines weifen Erziehers ift; mir
erfcheing diefe Schrift idealifch ſchoͤn, wenn ich an hundert
andern Kinderfchriften oft ſehr viel Tadelnswerthes finde. .
Sie ftelt einen Menfchen in feinen verfchiedenen Lebensvers
hältniflen fo belchrend auf, erwärmt das Herz für Tugend
und Religiofität, befchäftigt die Einbildungsfraft und den
Verſtand auf eine meifterhafte Art, und macht zugleich mit
vielem Nüglichen, mit den Anfängen der Naturwiflenfchafs
ten befannt ; ihr Zweck ift Belehrung, und ihr Kleid Ans
nehmlichkeit. Verſteht es- der Lehrer, den Zweck biefes
Buches ganz ind Auge zu fallen, felbft von dem Schüler
denfelben verfolgen zu laſſen: ach, wie himmelweit verfchies
den ift eine folche Unterhaltung von dem trodnen Borlefen
fo vieler Lehrer! Das Borlefen muß der freien Unterhals
tung gleichen, ja größtentheils eine freie Unterhaltung fein;
mir und mich in den fchwierigern Redensarten zu benugen, (in
weichen Balle den Sägen aus Kraufe aber mehr Gehalt gegeben
werden müßte,) einen Abfchnitt über ben Gebrauch ber Beitwörter
anzubhängen, und bei ben Zürwörtern die Wörter er, berfelbe,
ſich, diefer nad Geidenftüder reiner anzuwenden.
— 151 — —
nur Stoff und Leitfaden gibt das Buch, ber Leiter verar⸗
beite den Stoff, und paſſe denfelben der Bildungsſtufe feines
Schülers an, ohne jedoch Fremdes eimjumifchen und zu
langweilen. Auf diefe Art benute der Lehrer auch die beis
den andern vortrefflihen Schriften.
I
4. Sedihtlernen
Taglich 1 Stunde.
Die vorige Claſſe mag etwa zwei Drittel der Wagner⸗
ſchen Sammlung auswendig gelernt haben; dieſe Claſſe
mag denn nun bei oͤfterer Wiederholung des Ganzen das
Buch abſolviren. Iſt der Schuͤler dieſer Claſſe ſo weit ge⸗
kommen, daß er jedes Stuͤck mit reinem Ausdruck herſagen,
und auf eine ertraͤgliche Art erzählen kann: fo mögen bie
fchönen Liederverſe und Bibelfprüche aus Kohlraufch bibli⸗
ſcher Geſchichte wiederholt erflärt, und mit bem Sqhůler
vollig eingelernt werben. J
IIICCCCCCT
5. Schreiben.
Taͤglich 1 Stunde,
Ich halte bie Vorſchriften von Heinrigs und Jaͤck er
die ſchoͤnſten, bie mir je zu Gefichte gekommen find; ja ich
finde beide unuͤbertrefflich: indeſſen iſt Schönfchrift Ge⸗
ſchmacksſache, und über dieſe laͤßt ſich, wie das alte Sprich⸗
wort ſagt, nicht ſtreiten. Ob es noͤthig iſt, mit Schuͤlern
dieſer Claſſe, in Hinſicht auf Anordnung der Vorſchriften
eine aͤngſtliche Stufenfolge zu beobachten, will ich auch
— 192 —
dahin geſtellt fein laſſen, da ein Durchſchreiten dieſer Stu⸗
fen nicht ſo ſehr viel Zeit erfodert; nur mache ich beſonders
darauf aufmerkſam, daß Kindern, welche die untern Stu⸗
fen uͤberſchritten haben, Vorſchriften vorgelegt werden, auf
denen das ganze Alphabet in Kleinſchrift zuſammenhangend
geſchrieben ſteht, und daß das oftmalige Abſchreiben derſel⸗
ben eine Hauptuͤbung ſei.
Beſonders achte der Lehrer beim Schreibeunterricht auf
Haltung des Koͤrpers, der Feder, auf die Lage des Papiers
und ein ſcharfes Auffaſſen ſaͤmmtlicher Merkmale einer ſchoͤ⸗
nen Schrift.
Am beſten ſitzt der Schůler ſchraͤge auf der Bank, und
kehrt die linke Seite dem Pulte fo weit zu, daß er
den: ganzen: linken linterarm bequem auf bad
Pult legen, und mit der Iinfen Hand das Papier halten
kann. Der. Rüden bleibt gerade, ber Kopf wirb etwas
unterwärt® gebogen, die Bruft tritt vor, ber rechte Ober-
arın lehnt ſich fanft an die Seite, die Hand ruht auf dem
unterften Knochen der Handwurzel (der in der Verlängerung
des Fleinen Fingers liegt), und auf der Nagelfeite des eins
gezogenen vierten und fünften Fingers, die feft neben ein-
ander liegen; ber oberfte Knoͤchel des Zeigefingers zeigt
fenfrecht nach oben, der Nagel des Daumens und des drits
ten Fingers berühren beinahe die Feder Chleiben etwa
am eine Strohbreite davon entferndd. Die Feder — welche
ziemlich lang, jedoch nur fo weit vorfteht, daß die drei
erften Finger bequem um eine Buchftabenlänge eingezogen
werben koͤnnen, ohne bie Stägpunfte au bewegen — geht
bei.dem oberiten Knoͤchel des Zeigefingers, der ſanft auf
die Feder gelegt wird, vorbei, und zwar in der Richtung
pad) der Schulter hin. Das Papier muß gerabe vorliegen,
fo daß die obere Graͤnze beffelben, und dadurch auch die zu
— 163 —
ſchreibenden Zeilen mit der vorliegenden Gränzlinie: des
Pultes, mit der Wand. ıc. parallel laufen.
Woͤchentlich einmal kommen dieſe Regeln allgemein zur
Sprache, und dann ſpricht der Lehrer auch uͤber die Form
und Verbindung der Buchſtaben; er beruͤhrt da die Fehler,
welche gegen die Schoͤnheit der Form gemacht werden,
indem er dieſelben an der Wandtafel mit Kreide zeigt, und
verweiſet die Schuͤler zugleich auf die Schoͤnheit der Buch⸗
ſtaben ihrer Vorſchrift. |
Daß er übrigens beim Schreibeunterricht auf jeden Eins
zelnen fieht,, ihn wo nöthig ermuntert, laut die Regel ans
gibt, gegen welche Einzelne fehlen, nicht. eher mit einer
Borfchrift wechſeln Laßt, bis Diefelbe gut nachgefchrieben.
wird (und zwar am beften zu Anfang der Stunde, um
Störung zuvermeiden); daß er eine. vollfommen hinreichende
Menge gefchnittener Federn mit in die Schule bringt, die
ſchon vorher Liniirten Schreibebächer in Berwahrfam hat:
das alles verſteht fich in einer guten Schule von felbfi 9.
Nur mit den Vorſchriften wünfchte ich noch eine Eins-
richtung , wie bei denen von Jaͤck. Diefe waren alle etwa
9 Zoll lang, und 11% Zoll breit,. waren fchön auf Pappe
geffebt, numerirt, und konnten ganz bequem ohne alle
Störung ihrer Ordnung, aus ihrer Lage auf einer langen
Kante, herausgenommen, und am Ende der Stunde unter
ihr Numero geſteckt werben. |
Da diefe Elaffe täglich; eine Stunde lang fchreibt, bie:
befte Aufficht hat, und der Lehrer ſichs angelegen fein laſ⸗
fen wird, durch eigenes Intereſſe an der Schönheit der
Schrift das Sutereffe ber Kinder zu wecken: fo werben bies
fe Kinder eben fo jenen ſchön ſchreiben lernen, als under
n Am beften wäre 6, wenn der Papierfabrikant die nen fü
fen £inien in das Papier machte,
— 154 —
weniger günftigen limftänben, wenn fie and) zwei Sahre
früher angefangen hätten; denn Hebung. im Schreiben ift
ihnen jettt ein Beduͤrfniß.
» Sobald ber Lehrer dieſe Elaſſe im tächtigen Fortfchreis
ten hat, Fans. er zugleich das gelefene Stuͤck der Biblifchen
GSefchichte von einzelnen Schälern leſen Laffen.
|
6. Gefangunterridt.
Täglih Y, Stunde, und zu Zeiten einige Minuten.
Der ganze Gefangunterricht zerfällt nad meiner Meis
nung in drei Hauptübungen, und in Abfingen mehrftimmiger
Weder, Motetten ꝛc. Die erfte Hauptübung, Reinigung
ber Stimme, ift fchon in den untern Claffen angefangen;
ed wird nun hier von der zweiten die Rede fein.
In gehörigem Lichte hängt eine fünf Fuß lange und
zwei Fuß breite ſchwarze Tafel, auf welcher mit Oelfarbe
fünf rothe Linien in der Entfernung eines ftarfen Zolfed ges
zogen find. Auf und zwifchen die Linien find Biertelnoten,
zwei Zoll von einander entfernt, mit weißer Delfarbe gemalt,
und zwar vom eingeflrichenen c, oder einige Noten tiefer,
bis zum Dreigeftrichenen c. Diefe Noten ftehen deswegen
fo. weit von einander, Damit man, ohne der Deutlichkeit
zu nahe zu treten, Erhoͤhungs⸗ und Erniedrigungszeichen
mit: Kreide dazwifchen fchreiben koͤnne. Der Lehrer hat
eine. Bioline, und verfteht es diefelbe nad) einer Stimmgabel
rein zu flimmen, und die Töne ſcharf und rein anzugeben.
Der Zweck diefer Uebung iſt Geuͤbtheit im Treffen jeder
einzelnen. Note dieſes Syſtems, oder vollkommne Einpräs
gung von 8 oder 12 dieſer aufgezeichneten Tine. Dazu
ſchlage ich nun folgende zwei Wege vor, die man auch mit
einander verbinden Tann.
— 155 —
a) Diejenigen Töne dieſer Tonleiter, welche die Kin
der bereits in ihrer Kehle haben, werden taͤglich zu ver⸗
ſchiedenen Zeiten, etwa beim Stundenwechſel eine oder hoͤch⸗
ſtens zwei Minuten lang, und dann zur feſtgeſetzten Zeit
eine Viertelſtunde lang, aufs und abwaͤrts geſungen. Dabei
vermeide ber Lehrer irgend einen Akkord fingen zu: laſſen,
indem Die Feftlegung eines folchen Die Aufmerkſamkeit auf
die zwifchenliegenden Noten vielleicht abzieht. Es wäre
wenigftens auf Diefe Art am beiten zu unterfuchen, ob bie
Feſtlegung der gewöhnlichen Akkorde förderlich oder hinbers
lich feien N).
Da die Stimme der Kinder durd) jenes Liederſingen
in den untern Claſſen ſchon aus dem roheſten herausgebil⸗
det iſt, ſo koͤnnen hier in der Regel die Noten nach ihren
Namen ordentlich benannt werden; dies uͤbt auch die Na⸗
men der Noten ein. Von Zeit zu Zeit verſuche der Lehrer,
ob die Toͤne ſchon feſt ſitzen, und ob die Schuͤler im Stande
ſind, Noten außer der Reihe zu treffen. Nach meiner Ver⸗
muthung muͤſſen ſich naͤmlich die 8 bis 12 Toͤne, welche
dieſe Claſſe rein hervorzubringen im Stande ſein mag, um
ſo eher nach ihrem Verhaͤltniß feſt einpraͤgen, da die Kin⸗
der ſaͤmmtliche Toͤne nur an einen Theil dieſer ei—
zigen Zeile zu binden haben. Haben fich dieſe Töne
einzeln. eingeprägt,, fo uͤbe ber Lehrer die Schäler im Lieber:
ſpringen, ober, richtiger. gefagt, im Angeben einzelner Töne:
außer dem Zuſammenhang. Iſt der Ton von den Schuͤlern
—
*) Man verfuche ef, und urtheile dann; mir ſind die anderen Metho⸗
den mit ihren Leiſtungen gar wohl bekannt, da die Schuͤler meiner
Anſtalt von dem verewigten Heren Muſiker Glaͤſer, und zum Theil
"auch von mir in fünf verſchiedenen, ſich aufflufenden Singklaſſen
mehrere Jahre erſt nach Ziffern, dann aber nach: Noten unterrich
tet worben.find:, und. es fo weit gebracht hatten, daß es durchaud
nicht ſchwer hielt, große Singftüde mit ihnen einzuuͤben. .:
— 156 —
gefunden, fo gebe auch er benfelben mis ber Vibline ſcharf
an. Nach taufendfäichem Abſingen muͤſſen fich dieſe Ton⸗
verhaͤltniſſe doch einzeln, ganz ohne Zuſammenhang dem
Schuͤler einpraͤgen. Sollten ſich die Kinder aber auf dieſe
Art nach Verlauf eines ſtarken halben Jahres, und nach eif⸗
riger Hebung nicht jeden Ton merfen lernen, fo lege. er
Akkorde fet, und Abe wie gewöhnlich die Oktaven, Terzen,
Duarten, Quinten, Serten und Septimen aufs und abwärts -
ein; Sollte ſich aber die erftere Meinung bewähren, fo wäre
das einfachfte und Teichtefte Mittel zum Treffenlernen ges
funden, das bei allen vorhandenen Methoden, außer bei -
der italifchen Schule, in unerwarteten Quarten und Serten
fo ſchwer hält, ja vielleicht nur an einzelnen Schhlern zu -
erzielen ift. Diefe Einzelnen Teiten in fchwierlgen Fällen
oft eine ganze Schule, und taͤuſchen den Lehrer fo weit,
daß diefer der ganzen Schule dieſes Talent im Treffen zus
fhreibt. Man muß es nur erfahren haben, wie Taufchend
das Gehoͤr eines Singenden ift, der die Note vor fich fieht,
und es nicht wagt, Diefelbe aut werben zu laſſen.
Um einige Abänderung in dieſes Einerfei zu Bringen,
läffe der: Lehrer bald langſam, bald ſchnell, bald leiſe, bald
ſtark, bald den Ton kurz, bald benfelben ſchwellend fingen;
bald laſſe er den befannten Theil der Touleiter ganz fingen,
bald gebe er irgend ein Zeichen zur Umfehr oder zum Ueber⸗
ſchlagen; bald fage er den Namen der Note, die gefungen
werben foll, oder er finge mit den Schülern ein befanntes
Liedchen nach dem Gehoͤr. Kine Biertelftunde erfobert je
doch wenig Abwechſelinng. \
b) Der Lehrer fange bei einem Tone an, den die Sins
der am beften fingen koͤnnen, etwa bei g, fee anfangs jeden
Monat, nachher alle zwei Monate ıc. einen. Ton über und
unter g zu, übe dieſe Töne mit den zwifchenliegenden hal
ben Tönen mit Fleiß und Nachdenfen ein, und ich glaube,
— 157 —
er wird nach einer Friſt von etwa. ‚zwei ‚Sahren dadurch
weiter, als auf dem gewöhnlichen Wege kommen ©),
Ich wuͤnſche, das Singlehrer den Verſuch mit dieſen
beiden Wegen machen möchten. Sollten ſich dieſelben viel
leicht darum noch nicht bewaͤhren, daß ſie nicht rein in dem
Geiſte ihrer Schule aufgeſtellt ſeien, ſo waͤre dennoch durch
den Verſuch wenig verloren; denn in jedem: Falle iſt die
Stimme der Schuͤler dadurch zweckmaͤßig gebildet, und das
Verhaͤltniß der Toͤne in vieler Ruͤckſicht aufgefaßt worden.
Wer Muth und Kraft hat, verſuche und foͤrdere!
| | u
Tte Cla ff ®.
Kiuder von 9 bis 10 Iahr,
1. Zefen.
Taͤglich 1 Stunde
Dieſe Stunde beabſichtigt, außer dem Leſenlernen, Ein⸗
uͤbung eines leichten ſchoͤnen Briefſtils, und Aneignung nuͤtzlicher
Kenntniſſe. Zu dem Ende wuͤnſchte ich für dieſe Claſſe ein
Briefbuch von etwa 20 Bogen, im edlen, leichten Stile ge⸗
ſchrieben. Dieſe Schrift koͤnnte etwa in vier Baͤndchen zer⸗
fallen, von denen das erſte Bändchen (Cetwa vier Bogen
ſtark) das Behaltlichſte und Willenswärdigfte von. dem
menfchlichen Körper unb der menfchlichen Seele, das zweite
Ceben ſo ſtark) eine Furzgefaßte Gefundheitslchre, das dritte.
*) In dem Beftreben die einfachfte und leichtefte Singlehrmethobe aufs
zufinden, durch welche der Lehrer felbft gründlich treffen lernen
tönnte, kam ich auf diefe beiden Wege, und finde nun, daß ber
erftere unfrer alten, unb dee zweite ber italifchen Schule anger
hört, Iſt das aber wahr, fo find beide Wege genugſam erprobt,
und verdienen Empfehlung. nn
— 45658 —
Cetwa fünf. Bogen ſtark) einiges: aus der Naturlehre zum
Daͤmpfung des Aberglaubens, und das vierte (etwa ſieben
Baogen ſtark) Gelegenheitsbriefe und buͤrgerliche Aufſaͤtze ent⸗
hielte. Ich wuͤnſchte von ganzer Seele, daß Maͤnner, die
auf der Hoͤhe ſtehen, den Adel und die bewundernswuͤrdige
Leichtigkeit der Schreibart eines Goͤthe, Engel und Krum⸗
macher, und die Gemuͤthlichkeit eines Asmus, Hebel und
Krummacher in leicht verſtaͤndlichen Briefen darſtellen zu
koönnen, unſre Schulen. mit ſolchen Werken beſchenkten.
Freilich iſt es eine ſchwere Aufgabe, etwa zweihundert Briefe
in edlem leichten Briefſtil zu ſchreiben, eine gewiſſe Einheit
aus jedem Einzelnen und aus dem Ganzen hervorleuchten
zu laſſen, damit die Schreibart um ſo eher ſich einpraͤge;
die Menge brieflicher Ausdruͤcke und feiner Wendungen ſelbſt
in belehrenden Briefen anzuwenden; anziehend zu ſprechen,
und doch nicht um nichts zu plaudern, wie wir das in vielen
freundſchaftlichen Briefen ſehen, die eben darum kein Gepraͤge
zuruͤcklaſſen; aus dem Wiſſenswerthen das Wiſſenswertheſte
und Behaltlichſte auszuwaͤhlen, und dieſes hoͤchſt anziehend fuͤr
Lehrer und Schuͤler darzuſtellen; freilich iſt dieſes eine
ſchwere Aufgabe; aber wir beduͤrfen auch in unſren Schu⸗
len Schriften ausgezeichneter Maͤnner, denn an biefen Gei⸗
ſtern ſoll die Jugend emporwachſen.
Es fehlt uns nicht an Maͤnnern, die unſre Sehilen
mit ſolchen Werfen begluͤcken koͤnnten Verehrungswuͤr⸗
diger Mann! der du die Kraft in Dir fuͤhleſt
ſolches zu leiſten, was Du den Schulen thuſt,
das erweiſeſt Du der Menſchheit! Wie willſt
Du ſegens voller wirken, als wenn Hundert
tauſende mit fröhlihem Eifer bemüht find,
in Deinem Geifte zu denken und zu leben! Auf!
fäumenicht, wir bedürfen Deines Beiftandes;
dDiefes Bedpürfniß wird allgemein gefühlt!
— 19 —
Jeder Brief muͤßte dann von einzelnen Schuͤlern gele⸗
fen. und vom Lehrer kurz erklaͤrt, dann von der ganzen
Claſſe oft gemeinſchaftlich und ˖mit richtigem Ausdruck gele
ſen, und bei der Wiederholung des ganzen Baͤndchens auf
der Schiefertafel von den Kindern nachgebildet werden.
Von dem Zuſammenleſen habe ich noch zu bemerken,
daß jeder Schüler deutlich und rein, aber nicht laut durch⸗
fprechen müffe; denn den Lehrer, der auch nicht zu Laut ſpre—
chen darf, wenn er das Feine der Modulation feiner Stimme
nicht einbüßen will, muß jeder Schüler gut verftehen koͤn⸗
nen, um feine Stimme nach der des Lehrers. zu biegen,
Viele Lehrer halten ein ſchoͤnes Zuſammenleſen für fehr
ſchwierig; allein ed wird denen, die ſelbſt natürlich zu le⸗
fen im Stande find, bald gelingen, wenn fie zuerſt die Schuͤ⸗
ler von feinerem Gefühl und Takt einüben, und die Zahl
der Zufammenlefenden nach und nach vermehren. In diefer
Slaffe kann das Zuſammenleſen gar Feine Schwierigkeit.
mehr haben, ba die Kinder fchon fo viel zufammen herges
fagt und gelefen haben. Das Zufammenlefen ift aber in
Hinficht feines Nugens, wenn Feine zu Schwache Schüler das
bei find, gar nicht mit dem gewöhnlichen Nacheinanderlefen,
das jedoch zur Prüfung mit dem Zufammenlefen abwechfele:
muß, und am beiten während des .Schreibunterrichtes ge⸗
fchieht, gar nicht zu vergleichen. Anftrengend ift es freilich,
aber bei gehörigem Paufiren, um Einzelne leſen zn Laflen,
auch bruftftärfend und förderlich für die Verbannung:
Mancher Lehrer möchte mir einwenden, daß es nicht
fortbildend genug fei, wenn der Stil biefer vier Bändchen‘
gleich einfach und verftändlid, bliebe. Darauf ermwiedere ich,.
daß gerade der Verftändlichkeit wegen das Kließende der
Schreibart und die Einheit des Ausdrudd den Weg zum
Innerſten des Geiftes finden möchte, und daß der Stil ba
nicht hindernd in ben Weg treten bürfe, wo ſchon bie Sache :
— 160 —
Schwierigkeiten zu überwinden fodert. Bei ber biblifchen
Geſchichte verführen wir darum umgelehrt: der Stil war
snverftänblich, und wir räumten baher erft die Sache auf.
Auf .diefelde Art ging der Lefeäbung ſtets die Sprachuͤbung
als Sach⸗ und Worterflärerin voraus. Da nun endlich
jene vier Bändchen, zuſammen von 20 Bogen, nicht für ein
ganzes Jahr ausreichen, fo mag der Lehrer Zeit ausgewins
sen, viele von biefen Briefen, wie vorher die Gedichte, eins
zuuͤben, und dazu möchte ich benn befonderd das vierte
Bändchen anempfehlen. Es bleibt darum auch das Einäben
der Gedichte. in dieſem Sahre weg, da fonft das Gedächtniß
zu fehr in Anſpruch genommen werben würde. Zuerft darum
jetzt zwei Uebungen, die dem Verſtande einen VBorfprung
verfchaffen follen: Begriffderflärungen und Kopfrechnen.
2, Begriffserflärungen.
Taͤglich 1 Stunde.
Der Schüler hat nun zeither eine große Menge Bes
griffe fennen gelernt, allein die abftraftern wurden felten
mit philofophifcher Strenge deftnirt. Diefes aber ift dann
nöthig, wenn ein abſtrakterer Unterricht in der Religion
fpäterhin ertheilt werden ſoll, um diefe und die folgende Glaffe
Darauf vorzubereiten. Auf diefen Gegenftand aber ift der
Schüler vorbereitet worden durch die vielfeitige Anwenbung
fo vieler Woͤrter, durch die Menge von Bildern, die er in
fi trägt, und darum auch durch ben Öftern Anklang feiner
feinern Empfindungen. Diefe Uebungen mußten vorherges
hen, damit der Schüler ein Material, einen Fond habe,
durch welches er die Begriffe rein auffaffen lerne und zu
Ideen fteigern könne. Das Material. muß in allen Gegen
— 11 —
ftänden vorausgeſchickt werden; der Schüfer kann' li ſonft
nicht aus eigener Kraft Helfen, und wo ihmi:’der Meiſten
fehlt, fehlt ihm dann alles; er gleicht einer Pflanze; deren
Wurzel feine nährende "Unterlage hat, und die mr von*
der Feuchtigkeit leben muß, welche von oben kommt.
Hierzu haben wir nun einen Anleit, der nach meiner
Anſicht unter der Menge von Anleiten der Art, der Voll⸗
kommenheit am naͤchſten ſteht: es ſind die Begriffsentwicke⸗
lungen von Graͤff, die es in mancher Ruͤckſicht verdienen⸗
der Vergeſſenheit entzogen zu werden *).
Der Lehrer gehe nun mit dieſer Claſſe die leichtern
Begriffe durch, und helfe dem Schuͤler fein Gelerntes ges
brauchen, um den Begriff in ſich zur. Klarheit und Deut⸗
lichfeit zu erheben. Da werden nun jene Bilder an bie
Definitionen gehalten und der Lehrer fieht, wo es noch fehlt.
Trug ber Lehrer felbft alle diefe Begriffe bei dem Vorigen
far in fich, fo wird er damals fchon nachgehnlfen und dem
Bilde e8 an Feinem Punkte haben fehlen Laffen. Wo ſolche
Bilder dem Kinde fehlen, zeichne er mit fcharfen Zügen
*) Es wäre in der That ber Mühe werth, wenn tüchtige Begriffes
entwidler zufammenträten, um ſaͤmmtliche vorhandene Grundfäge.
ber Entwidelungstunft zu prüfen, ganz einfach aufzuftellen, allge:
meine Normen zu entwerfen, um auf Türzeftem Wege alle nöthigen
Begriffe zu entwideln. Ich Tage auf kuͤrzeſten Wege, denn die
breite Gatechefe fchläfert ein, und ift da vollends unndthig‘, wo der’
Schüler die gehörige Vorbildung hat. Gewiß mit Recht fagte ber
verftorbene, große, eble Schweizer: „Man kann kein Ei aus dem Reſte
nehmen, in welchem keins liegt.‘ Welch einen Aufwand von Mühe,
und Zeit ließ man ſichs Eoften, die leichteften Wahrheiten Eunftgge,
mäß zu entwideln! In der That, ich glaube Zeit und Kunſt ſtan⸗
den mit dem Nugen in gar keinem Verhältniß. Darum aber bleiben
Begriffsentwickelungen auf kuͤrzeſtem Wege und überhaupt vernünftige
Unterhaltungen, in welchen die Anfichten des Schülers gereinigt
werden , von dem größten Nußen,
l
— 162 —
Diefelben ver der Definition. Hier ift ber Grundriß eined
ſolchen Bildes, wie ich daſſelbe wor zwer Stunden (1824)
einer untern Glaffe gezeichnet habe. „Ihr verlangt zu
wiften,, was Tugend. fe. — Wohl! denkt euch eine weiße,
erhabene. Geſtalt — ihre Bewegung ift ebel — ihr Schritt
ist fer — ihr Weg fchmat — ihr Antlitz floͤßt Ehrfurcht
ein, es leuchtet — ihr Auge tft milde, Tiebevoll und doch
durchdringend — fie Fägt nie, fehändbet und fehimpft nie —
fühlt feine Race in fid — fie neigt fich liebevoll der
Menfchheit und zürmet dem Fehlenden nie; von der Bos⸗
heit aber wendet fie ſich; fie liebt und übt das Gute, das
Edle und Schöne.” Diefe Züge, die das Kind mm mit
Sponmung anffaßt, werben dann ausgemalt, befprochen
and zur Definition vereinigt. Am beften Finnen folche Bil
ber gefmgen, in welchen man eine Situatiow Chriſti ober
sdler Männer darſtellen kann; 3.8 Chriſtus ber Dulder:
Siehe wie Judas den Meifter kuͤſſet, und biefer mır fpricht:
Berräthft du deinen Meifter durdy einen Kuß? — Siehe,
wie er Petrus befiehlt das Schwert einzuſtecken — wie fie
ihn von Pontius nach Pilatus führen, ohne daß er murs
rer — wie fie ihn geißeln, ohne Baß er Flaget — wie fie
ihn and Kreuz heften, ohne daß er fich über Unrecht beflagt
— wie er die Berfpottung erträgt, ohne zu verfluchen —
nein, fiehe, wie er fterbend noch fegnet und für feine Mir;
ber bittet. Fuͤhleſt du Dies alles lebendig, fo hafk bu einen
Begriff vom Dulder. — |
Man wird mir ed nun zugeben, daß Vorausſchickung
eines folchen Materiald nothwendig wars in dem Mate
tiale Liegen die Typen, welhe man bei der De
finition zufammenzufegen hat. Se reiner und
klarer diefe Typen find, defto fchöner wird die Schrift..
nn
— 18 —
J Kopfrechnen.
— 0. DE.
Taͤglich 1 Stunde.
Hier wird ed nöthig fein, meine Anfichten über den Uns
terricht in der Mathematif näher aufzuftellen, damif das
Kopfrechnen um fo gründlicher erfaßt werbe.
Ueber den Unterricht in der Mathematik *%
A, Bortrefflihkeit und Zwed der Mathemarit,
Es find eine Menge von Anfchauungen, Begriffen und
Combinationen erfoderlih, um nur. die Wefenheit der vier
Species in ganzen und gebrochenen Zahlen, fo wie das Im
nere der Lehre von den Proportionen zu durchſchauen; und
es muß dem menſchlichen Geiſte zur Ehre gereichen, dieſe
Reihe von unumſtoͤßlichen Wahrheiten entdeckt zu haben,
und dieſe auch fuͤr das praktiſche Leben mit Leichtigkeit ge⸗
brauchen zu koͤnnen. Mit einem Schieferſtifte in der Hand,
loͤſt jetzt ein Knabe mit Leichtigkeit Aufgaben, vor denen
einſt große Geiſter, wie ein Euklides, Pythagoras und Ar⸗
chimedes zuruͤcktraten. Noch mehr Achtung vor dem menſch⸗
lichen Geiſte noͤthigt ung bie vollkommen allgemeine Auf
ſtellung dieſer und anderer Groͤßenverhaͤltniſſe in der Buch
ſtabenrechnung und Algebra ab. Man denke nur an die ſo
einfache und doch fo tiefe Lehre von den Potenzen, Wur⸗
zen, Logarifhmen, und an die Gleichungen nur von den
niederen Graben. Ebenfo einfady und tief liegen und die
Wahrheiten der, Geometrie, Stereometrie und Trigonomes
trie vor Augen. Sehen wir aber vollends diefe Erfenntnig
*, Diefe Abhandlung ift im Februarhefte der allgem. Darmſtadter
Schulzeitung 1829 mitgetheilt worden, und dem Andenken bed vers
florbenen Profeſſors Tillich in Liebe und Hochachtung gewidmet
(*
— 104 —
fo wohlthätig, fo mächtig. in das praftifche Leben des Mens
fhen: in den Handel und jedes Gewerbe eingreifen, Küns
fte und Wiffenfchaften fo vielfeitig und nachdrucksvoll unters
flügen, daß bei fehr vielen, wie 5. B. bei dem Handel,
der Baufunft, der Mechanif, den Naturwiflenfchaften übers
haupt u. f. w. die Erlernung berfelben und ihr feſter Forts
fchritt durch die Mathematik bedingt wird; fehen wir, wie
der Mathematifer durch die höhere Mathematik mit uns
glaublicher Leichtigkeit die verwiceltften Aufgaben loͤſt, um
deren Loͤſung die, geiftreichiten Männer Sahrhunderte, ja,
Sahrtaufende lang bemüht waren; daß hundert Linien mit
bewunderungswuͤrdiger Genauigkeit gemeſſen werden, ohne
irgend ein Laͤngenmaaß, als nur an einer einzigen, zu ge⸗
brauchen; daß der Menſch im Stande iſt, Entfernungen
und Bahnen von naͤheren und entfernteren Planeten und
Kometen genau zu beſtimmen: ſo muͤſſen wir eben ſo ſehr
mit herzlicher Dankbarkeit den- außerordentlich ausgebreite⸗
ten Nutzen, den hohen Zweck und die erhabene innere
Schoͤnheit dieſer Wiſſenſchaft, als auch die Groͤße des menſch⸗
lichen Geiſtes bewundern, dem es gelang, mit ſolcher Sis
cherheit in dieſe Tiefen der Größenverhäftniffe hinabzufteigen
und Dinge an das Licht zu fördern, vor denen die Den
Fendften der" Mit - und Nachwelt mit Erftaunen und Aner-
kennung verweilen müffen. Auch das Studium der Ma:
thematif gibt dem Geifte des Menfchen eine Richtung, wuͤr⸗
Dig des eingehauchten Odems des Allmächtigen! Hier ift
allenthalben Wahrheit, nur Wahrheit und Halt! Auch in
ihr liegt eine Leiter zum ficheren Weiterfteigen in die Höhe
und Tiefe der menfchlichen Verftandesangelegenheiten, und
fie ift darum eine der trefffichften Erzieherinnen des Vers
ftandes, wie folches Die leitenden Alten auch erkannten. Sie
führt ja vom gedachten Eleinften, aber unbezweifelbarften
Etwas, in vollkommenſter Luͤckenloſigkeit, einfach und ſcharf
— 165 —
fchließend voran, überzeugt ſtets auf das Flarfte, indem fie
von der Anfchauung ausgeht, und ihre Abftraktionen allent
halben das Leben begleiten; fie erfennt und vermeidet, gleich
dem befonnenften Weifen, jedes Ertrem, und: wird: dem.
Menfchen in feinem Thun und Treiben foviel taufendmal
Haltpunkt und Nichtfchnur. Auf ihrer Höhe angelangt,
führt fie den Geift des bis dahin mit Beharrlichfeit Stress
benden, wie auf den Fittichen bes Lichts der Sonne ent
gegen, verleiht ihm Augen, das Sonnengebiet wie vom
Mittelpunfte aus zu durchfchauen, begluͤckt ihn mit der
Kraft, jene unendlichen Räume meffend zu durchſchweben/
und befeligt ihm mit dem erhabenen Gedanken, den Geis
ftern höherer Wefen fchon: in Sonnenfernen forfchend. zu
begegnen. — Freilich erhebt fie den Geift nicht in die höhere
und innigere Ideen⸗ und Gemüthswelt hinauf; aber fie grüns
det demfelben auf der Erde, und fern von diefer, im Reiche
der Abftraftion, taufende Ruhe⸗ und Haltpunkte, von welchen
der forfchende Geift ausgehend, nm fo leichter und ficherer jene
höhere Welten zn erreichen und zu durchſchweben vermag!
B. Allgemeine Feftftellung der Unterrihtsmes
thode in der Mathematik,
Zunächft muß ich; mich mit meinem geneigten Leſer über
einige allgemeine Gefichtspunfte verftändigen.
4) Eine Wiffenfchaft fann um ihrer Cinneren) Schön
heit, um ihrer Nuͤtzlichkeit, und um ihrer Nuͤtzlichkeit und
Schönheit willen erlernt werden. — Die Schönheit ders
felben kann nicht der einzige Zwed der Schule fein, da
diefe den Schönheitsfinn nicht in allen Schülern in - dem
Maaße vorausfegen kann, daß derfelbe zur .beharrlichen Ans
ftrengung Antrieb gäbe. Wie leicht Eönnte fonft bei der uns
verftändigen Jugend, die in dem Schwierigen nur zu leicht
die Schönheit der Wilfenfchaft nicht finden möchte, der
— 166 —
Zweck des zu Erlernenden in feiner Ganzheit pernachlaͤßigt
werben, indem ber Lernende nur das Leichte und Ange⸗
nehme woͤnſchen möchte, Sit der Blick des Schuͤlers da⸗
gegen nur auf das Nuͤtzliche gerichtet, ſo ſinkt er nur zu
leicht bloß auf das Aeußere hinab; es fehlt dann ber edelſte
Antrieb zum Lernen, und Wiſſenſchaft und Kunſt werben
nur inſoweit geſchaͤtzt, als eine Geldquelle in ihnen liegt —
und Gemeinheit der Seele des Schuͤlers gewinnt die Ober⸗
hand. — Die Schule muß deswegen das Gute von bei—
den im Auge behalten, und das Mangelhafte vermeiden,
und muß um bes Schönen und Nüblichen willen die Wiſ⸗
fenfchaft betreiben, bamit in ihrer Gefammtheit dieſes Durch
jenes verebelt wird. — Zragte fichs aber, ob man für den
Schulunterricht das Schöne ober das Nügliche auswählen
falle, fo wuͤrde ich durchaus für Das letztere mic, entfcheis
den, da es des Nuͤtzlichen, das erlernt werden muß, fo
Bieled gibt, und Zeit und Material zurathe gehalten wers
den müffen, und da gewöhnlich in dem Nüßlichen auch bie
hoͤchſte Schönheit her. Wiflenfchaft verborgen liegt, Erins
nert nicht 3. B. in der Mathematif die Eleganz, mit wel-
cher eine Gleichung gelöft wird, an die Leichtigkeit, mit
welcher eine praftifche Arbeit zu Stande gebracht werben
konn? Nennen wir nicht eine Formel um deswillen ſchoͤn,
wenn wir Diefelbe zu Beweis und Arbeit pielfach gebraus
hen koͤnnen? Iſt die Kettenregel nicht eine fchöne Regel,
weil fie mit Leichtigkeit zu ſchnellem Reſultate führt und
ip vielfach angewendet werben Tann? Der Lehrer frage
demnach in der Mathematit nur nadı dem Nüslichen, und
fuche dann in diefem das Schoͤne hervorzuheben. Die Nas
eur Der Sache zwingt dann zur Anftrengung und der Sinn
für das. Schöne macht Die Arbeit angenehmer, Auf dieſe
Weiſe Scheint mir der Schoͤnheitsſinn feiner Natur nach fic
au entwideln und zu ftärfen.
— 167 —
2) Betrachten wer num das Nübliche näher, fo Tann
dies bloß in der Bildung für das praftifche äußere Leben
des Menſchen, ferner in der Ausbildung des Geiftes am fich,
und dans in beiden zugleich gefunden werden. Erſteres
wäre der linterricht für. ein Fach, für das fünftige Brot,
das andere wäre das, was wir umter reiner, formaler
Beiftesbildung verfiehen, und letzteres beabficktigte beides
in friedlichem Vereine, — Die Bildung bloß für ein Fach,
bloß für etwas Praftifches verfäumt nur zu leicht die
Ausbildung des Menfchen im Menfchen, das fo nothwen
dige Beachten der harmenifchen Ausbildung ſaͤmmtlicher
Seelenfräfte. Es artet. dieſes Streben nur zu leicht in
Einfeitigfeit und Gemeinheit aus, nach welcher nur dasje⸗
nige achtuugswärbig erfcheint, was Fünftig Geld und Aus
fehen bringen kann, und nach welcher der eble Sinn: für
das höhere Seiftige, für Religion und Tugend, Wiſſen⸗
[haft and Kunft mit, ſelbſtgenuͤgender Befchränttheit ver
aͤchtlich unter die Füße getreten wird. Eine Schule, die
eine wahre Ergieherin des Menfchen fein will, kann fich
demnach nicht mit bloßer Ausftaffirung für ein Zach begmis
gen, darf mithin nicht bloß in ihr das Nuͤtzliche finden. —
Die reine formale Geiftesbildung beabfichtigt ein freied und
leichtes Anfprecyen und Wirken ſaͤmmtlicher Seelenfräfte
des Menfchen. Hier wird der Menſch im Menfchen geachs
tet und herauggebildet,, fo daß. jede Kraft des Geiftes und
des Gemuͤths, nur leife angefprochen, wie das Auge des
beobachtenden Korfchers wirkt. — Aber es fehlt doch noch
viel, daß diefer beabfichtigte Zuftand des Zoͤglings der als
leinige Zweck des Erziehens oder der Schule fei; das Leben
unter cultivirten Bölfern fördert auch eine nicht unbedeu⸗
tende Maffe von Kenntniffen, Einfichten und Kertigfeiten,
die eine formale Geiftesbildung nicht nothwendig geben
muß. Jede Anlage des Geiftes und bes Gemuͤths laͤßt ſich
— 168 —
durch wenig und großentheild auch Durch ein dem Leben
weriger nüßliches Material entwiceln, und zu einer bebeus
tenden Höhe ausbilden. Das Gedaͤchtniß Tieße ſich 3. B.
allein an Gegenftänden einer einzigen Stube, die Denk
kraft an den täglichen Erfahrungen, ich möchte fagen, viel:
feitig üben und ftärfen, und in dem gewoͤhnlich Vorkom⸗
menden oder in erdichteten Hiftsrchen koͤnnte man fehr nady
druͤcklich auf das Gemuͤth und den Willen einwirken. Ein
auf diefe Art gebildeter Menſch gliche einem Wilden, deſ—⸗
fen vielfache Thätigfeit der Seele und zwar eine hohe Adhs
tung vor demfelben abnöthigt, der aber dennoch in der Ges
ſellſchaft cultivirter Völker noch in fehr vieler Hinficht zus
ruͤckſtehen müßte; er gliche, in Hinſicht auf ein verarbeis
tetes Material, einem Baume, deffen Wurzel ed an einer
durchaus nährenden Unterlage fehlte. Man fieht demnach
ein, daß das Nübfiche der Schule auch nicht allein in ber
formalen Geiftesbildung des Schülers zu fuchen fei, und
daß ein nöthiges Material beigegeben werben muͤſſe. Fers
ner wird man mir zugeben, daß diefe formale Geiftesbil-
dung ficherer durch Erlernung der in ihrer Materie fo eng
zufammenhängenden, in ihrem Gange fo ftäten, und dar⸗
um fo behaltlichen Sprachen und Wiffenfchaften erfolgen
müffe, als wenn man ein: zerriffenes Allerlei dazu gebrau-
chen wollte, daß ein und diefelbe Seelenfraft nur in Aus
genblicken, nicht Lange anhaltend , befchäftige. Welche Ge-
genftände fol man aber im Allgemeinen auswählen? Da
man Menfchenbildung beabfichtigt, fo wähle man nad Maaßs
gabe der Zeit, welche der Schüler in der Schule zubringen
Tann, ſolche Gegenftände, die in ihrer Oefammtheit alle
Anlagen und Geiftesfräfte des Menfchen entwiceln und
üben koͤnuen. Die Maffe biefer Gegenftände ift aber fehr
‚groß, und es bleibt demnach eine große Auswahl, befonderg
für eine höhere Bürgerfchule, die in ihren beiden oberen
— 19 —
oder Seitenflaffen Feine Gelehrſamkeit mehr beakfichtigt.
Durch diefe Auswahl wird es aber möglich, zugleich noch
einen anderen Zweck ins Auge zu faffen, nämlich die Bil
bung des Staatsbürgers, und noch einen. anderen, nämlich
die Standesbildung. So - lange die Erreichung der leßteren
Zwede dem erſteren, dem Hauptzwede, feinen‘ Eintrag
thut, fo lange muß es erlaubt fein, die Nebenzwede im
Auge zu behalten. Denkt man fich nun niemals die Stans
de8 = oder Staatsbürgerbildung ohne Menfchenbildung, fo
daß. jene ohne diefe nicht beftehen koͤnne, und daß Alles,
was den Bürger oder ihn für den Stand bildet, im Diens
fte für Menfchenbildung gefchieht: fo kann der Hauptzweck
nicht leiden, es müßte denn beffere Mittel zur Erreichung
der Menfchenbildung geben, als diejenigen find, durch wels
che man für einen Stand bildet. Die Standesbildung darf
demnach nur infoweit in der Schule beabfichtigt werden,
als fie mit der Menfchenbildung diefelben Mittel erfodert.
Dadurch aber, daß die Schule für einen Stand bilder,
nimmt der Schüler ein Material mit ins Leben, das er
fortwährend gebrauchen und vervollfommnen kann; und its
bem er dies thut, bildet er den Menfchen um fo leichter
und ficherer immer weiter in fih aus. Wenn nun der
Mittel für Erreichung der Menfchenbildung fo viele find,
daß dieſe nicht alle in einer höheren Bürgerfchule angewen⸗
bet werden Finnen: fo müßte dieſe Schule unter ihnen
gerade diejenigen auswählen, Die der Schüler in der Zus
funft zu gebrauchen am meiften gezwungen wäre, indem
er dann um fo leichter und lieber den Meenfchen in fich- forts
bilden würde. Dann muß aber die Schule das Praftifche-
im Auge haben, und das Nüßliche Der Schule läge dann.
nicht in der formalen Geiſtesbildung allein, fondern haupt
fächlich in demjenigen, was der Schuͤler in der Zufunft
anwenden und demnach in fid) erhalten und erhöhen kann.
Damit aber diefe Sorge für das Praftifche nicht in ein
bloßes Ausftaffiren für ein Fach ausarte, muß die Sdee der
formalen Geiftesbildung ftetd die Bearbeitung Teiten, und
Die zum Praftifchen führende Theorie ihren Zufammenhang
und ihre Stätigfeit behalten, fo daß die Wiffenfchaft nicht
ald eine verſtuͤmmelte erfcheint und eine wifjenfchaftliche
Bildung begründet werden kann. — Iſt das Gefagte nun
rein und wahr, fo ergibt fich Der mathematifche Cyklus eis
ser Schule mit den einzelnen Curſen in ben verfchiedenen
Zweigen, wenigitens im Allgemeinen, von felbft. Die Mas
shematif, zweckmaͤßig gelehrt, oder auch nur mit Klarheit
aufgefaßt, ift in ‚allen ihren Theilen eine Verftandeshild-
nerin, fördert alfo in jedem Falle die formale Geiftesbil-
dung. Man darf und muß demnach dasjenige aus ihrer
Maſſe nehmen, was der Schäler in der Zukunft am meis
ften gebrauchen faun, um fich Brot und Ehre zu verichaf-
fen, und um ſich In den angewandten mathematifchen Wil
fenfchaften mit Leichter Mühe und mit Luft und Liebe weis
ter bilden zu koͤnnen. Dazu bedarf.es nun, nah Maaßs
gabe feines Finftigen Standes und Berufes nicht allemal
Das ganze Feld der theoretifchen Mathematik, fondern viel⸗
feicht nur einen geringen Theil deflelben. Das Maaß bes
theoretifchen Materials hängt doch großentheild wol von
den Anfoderungen an die Praris ab, wenn man nicht ein
großes Fundament legen, und am Ende gar fein Gebäude,
oder nur eine Hütte darauf fegen will. Dabei muß bie
Theorie doch ihren inneren Zufammenhang behalten, weil
fie fonft die Stätigkeit ihrer bildenden Kraft und ihre Bes
haltlichkeit verlieren, und nur ale ein zerriffenes Etwas auf-
gefaßt werden würde. Mean fehe demnach auf den fünfti-
gen Bedarf des Schülers, itelle diefen als Ziel hin, und
arbeite demfelben auf dem fürzeften, aber der Wiflenfchaft
nicht unmwürbigem Wege entgegen. Der Bauer muß fertig
aus dem Kopfe rechnen koͤnnen, die vier Species, die Pros
portionen zu gebrauchen willen und ben Mechanismus der
Geräthe für den höheren Aderbau kennen; der Handwerfer
muß anßer diefem vieles der Phyfif, Chemie und der Mes
chanik lernen; die höhere Bürgerfchule führt dann fchon in
die angewandte Mathematif und in die Naturwiſſenſchaften
tiefer ein; das Gymnaſium vervollftändigt das ftreng Wifs
fenfehaftliche dDiefes Curſus, und die Univerfität oder befons
dere Anftglten für Mathematit faflen die Theorie der Wiſ—⸗
ſenſchaft in ihrer Ganzheit auf, und führen in ein großes
graftifches Fach hinein. —
3) Es ift ein großer Unterfchied in ber gewöhnlichen
foftematifchen Aufftellung einer Wiffenfchaft und in der für
den erften Unterricht dienenden Anordnung dieſes Materialg.
Wenn jene hauptfählich nur anf den inneren Zufammens
bang mit einem oberften Geſetze achtet, und fich damit bes
gnügen mag, das Weitere aus dem Borigen herzuleiten
und dann näher zu erörtern, um wieder für ein Folgendes
zu ſorgen; fo muß biefe näher daran denfen, die Kraft des
Schülers flufenmweife anf eine Art zu üben, daß der Schuͤ⸗
ler felbftthätig lerne, oder daß ein nicht bloßes Geben und
Nehmen, fondern ein freies Auffuchen, Darftellen, Folgern
und Zufammenfeßen ftattfinde. Der Spftematifer fängt
bei feinem .oberften Befete an, ver Paͤdagog, welcher ein
Lehrbuch für eine noch ungebildetere Sugend ſchreibt, - hört
mit dieſem pberften Gefeße auf, Sagt nicht erfterer von
vorn herein, was Rechnen, Addiren heißt, was man unter
Summe und Summand zu verftehen habe, und läßt ber
Paͤdagog nicht erſt vollitänbig abdiren, bevor er von Diefen
Kamen fpriht? Muß er der Definiton nicht bie Sache
vorgehen laffen, um diefe für jene als Material zu gebrams
chen? Der: Spftematifer fegt nämlich eine Menge allges
meiner Begriffe voraus; der Paͤdagog muß Diefe erft fchaf
— 172 —
fen, oder doch erſt wieder lebendig und geſchickt zum wei⸗
tern Gebrauche machen. Wenn jener gern abſtrakt ver⸗
faͤhrt, fo ſchreitet dieſer lieber auf concretem Wege voran,
indem er allenthalben von der Anſchauung ausgeht, und
durch dieſelbe ſo lange ſich erhebt, bis der Geiſt des Schuͤ⸗
lers in den Stand geſetzt wird, zur Abſtraktion uͤberzuge⸗
hen; wenn jener ein gewiſſes Maaß von Denkkraft voraus⸗
ſetzt, ſo will dieſer erſt denken lehren. Der Syſtematiker
ſucht Alles aus Einem zu entwickeln oder in Eins zu ver⸗
einen; der Paͤdagog vereinzelt nicht ſelten erſt das Ganze,
um dieſes fuͤr ſich deſto ungeſtoͤrter betrachten zu koͤnnen;
wenigſtens verfaͤhrt der erſtere darin ſelten ſo vorſichtig, als
der letztere dies muß. Erſterer ſtellt die Sache auf, wie
ſich dieſelbe in der Zeit oder in der Idee nach und nach
geſtaltet hat, letzterer greift zuerſt nach den ſich findenden
Mitteln, durch deren Verarbeitung der Schuͤler in den
Stand geſetzt wird, ſelbſt zu gehen und zu arbeiten. Frei⸗
lich ſchafft der Paͤdagog endlich auch ein Syſtem; aber ich
ſpreche ja darum nur von dem gewoͤhnlichen ſyſtematiſchen
Gange. Wir gehen nun zur Sache ſelbſt uͤber.
- Sieht der Paͤdagog nur den Stoff der einzelnen Zweige
der Mathematit an, fo fragt er ſich, unter welchen Bes
dingungen, nicht etwa der Schüler ihm leicht folgen, fons
dern frei arbeiten lerne. Er findet, daß er das Zuſammen⸗
gefettte zergliedern, erft das gefundene Einfache verarbeiten,
dann Daffelbe verbinden, zufammenfegen und ordnen müfle,
und dies Alles in ftäter Achtung der Wiffenfchaft und zum
Dienfte für daB Leben. Er unterfcheidet dann ein Ele⸗
ment, ferner eine Kombination der einzelnen Elemente zu
Lehrfäßen der Theorie, und dann eine Anwendung für Das
— 173 —
Leben, eine Prarie. Dient die Anwendung nur zur Vers
deutlichung der Theorie. und als Uebergangsmittel zur Pras
xis, fo wird fie eine praftifche Theorie; dient fie aber dem
aͤußeren, praftifchen Leben des Menfchen, fo wird fie wahs
re, reine Praxis. — Wollen wir nun die richtige Unters
richtömethode fuchen, fo. müffen wir von jedem diefer Theile
‚befonders reden.
2) Die Mathematit hat nun zuvoͤrderſt , wie jede ra⸗
tionale Wiſſenſchaft, ihre Elemente. Dieſe Elemente lie⸗
gen nicht immer in dem bloß Leichteren einer Wiſſenſchaft;
ſie liegen vielmehr zunaͤchſt in dem einfachen Etwas, das
durch Anſchauung erkannt, durch Darſtellung und Anwen⸗
dung zur Abſtraktion erhoben, in ſeiner Richtigkeit als all⸗
gemein dargethan werden kann, und das in Verbindung mit
anderen Elementen Jegliches der Wiſſenſchaft gebiert. Ich
ſpreche hier zunaͤchſt nicht von Euklids Elementen, ſondern
von den Elementen dieſer Elemente, nicht von den ſchon zus
fammengefegten vier Species , fondern von dem Einfachen
in denfelben, das unmittelbar angefchaut werden kann —
von demjenigen, das zur Auffindung der erfteren Zufammens
fegung geſchickt macht.
Daß der Erfennung der Elemente die Sombination nicht
vorausgehen inne, das erkennt Jeder als natürlich; daß
aber nad) dürftiger Erfennung einiger Elemente nicht gleich
möglichft viele Sombinationen folgen follten, darin ift mar
wol noch nicht einig, fonft wäre Dies nicht in fo vielen
gepriefenen Lehrbüchern und Schulen zu finden. Dies führt
freilich wol in der Wiffenfchaft vorwärts; aber bier muß
der Lehrer in der Regel am Geben bleiben, und eigenes
Suchen, Schließen und Zufammenfegen von Seiten des
Schülers ift nur zu oft unmöglich, da ihm die Mittel zur
eigenen freien Bewegung fehlen. Unfer Geift gelangt naͤm⸗
lid, felten zu einem Reſultate, zu deſſen Auffinbung die
nöthigen Bedingungen nur fpärlich in une liegen; ed murß
em Ueberfluß, eine gewiffe Vielſeitigkeit da fen, durch
welche, ich möchte fagen, das Noͤthige eine gewiſſe Elaſti⸗
eitaͤt bekommt, oder durch welche man einfieht, was nicht
refultiren kann. Columbus entdeckte Amerika, Porhagoras
den befannten Lehrſatz, Newton die Sphaͤroidie ver Erde,
Keppler die Eliypfenbahn der Planeten u. ſ. w., und An⸗
dere, Die mit dieſen großen Geiftern das nächft erfoderliche
Element zu diefem Nefultate inte haben mochten, ahneren
eine folche Entdeckung nit, fanden ſich aber fpäterhim auch
{m Stande, dieſe Entdeckung gemacht haben zu koͤnnen,
oder das Ei des Columbus auf die Spitze zu ftellen.
Die Elemente müften den Geift des Schülers erft: los,
erft frei machen, ihm die noͤthige Elafticität geben, ihn
mathematifch denfen lehren, und ihm fefte Bafen und Um⸗
ficht in denfelben verfchaffen. Ein tüchtiger Kopf hat bes
ſonders auch viele Elemente angefchaut, zur Abſtraktion et
hoben; darum ftehen ihm diefelben zur freien Verfügung,
und darum ift feine Hebung im Zufammenſetzen Berfelben
fo frachtbar und ihm ein fo angenehmes Beduͤrfniß. Da
ihm nun auch die einzelnen Gombinationen, wie die Efes
mente gegenwärtig find, fo findet er darch mannichfache
Berbindung der Elemente und Site neue Wahrheiten.
Er gleicht dem Schachfpieler, der den Werth der einzelnen
Figuren, wie im Allgemeinen die Wirkſamkeit der Ber
fegung einer jeden unter allen Berbältniffen kennt, feine
Lage, fowie die Möglichkeit des Reſultats won jedem Zuge
bedenkt und endlich zieht. Se vollitändiger der Spieler daB
Gebiet der Wirkſamkeit einer Figur überhaupt Tonne, je
genauer er feine Lage zu: benrtheilen weiß, je klarer er ein
-fieht, was der Gegner will und fönnte, und was er felbft
will; mit Befts größerem Erfolge wird er dem Gegner ent
gegentreten können. Ebenfo hängt Alles won der genauen
— 15 —
Kenntniß des Elementes, den Formeln ihrer Eombination
md von der reinen Erfennung ber Sage ab, in welchen
man diefes Element zur Erreichung eines Zwedes gebram
chen fol. |
Das (einfache) Efement wird anfänglich am beiten
dur Anfchauung an Körpern erfannt. Die bloße A
ſchauung ift aber nicht felten zu wenigen Kombinationen
geſchickt; Bas Element muß darum zur Abftraftion erhoben
werden. Dies gefchrieht, indem man daſſelbe darſtellen,
unter allerlei veränderten Lagen darſtellen, und vielfeitig im
der Erfahrung und in der dee nachweifen muß. Die
Abſtraktion führt auf die Allgemeinheit, ift oft felbit vie
Allgemeinheit, und hierin liegt der Endpunkt des Elements
als Element. Bor der Erfennung der Allgemeinheit herrfche
noch einfeitige Erkenntniß und Mangel deffelben an: freier
Benutzung zu glüdlichen Combmationen mit anderen Ele⸗
menten.
Anſchauung und Abſtraktion liegen oft ſehr nahe bei
einander, beſonders in der Arithmetik. Indem der Schuͤler
hier an ein und denſelben Cuben und Parallelepipeden ver⸗
ſchiedenartige Verhaͤltniſſe der Zahl kennen lernt, abſtra⸗
hirt er von den Koͤrpern ſelbſt, und ſeine Anſicht wird all⸗
gemein; denn Die Zahl 7 iſt ebenſogut abſtrakt, und ges
wiffermaßen, wenigftens im Ninficht auf die Namen ber
Dinge, welche man zählt, allgemein, wie der Buchſtaben &,
wenn gleich die Allgemeinheit des Ießteren umfaſſender, oder
vielmehr ganz ift. Laßt man darum in ben Anfängen bei
Artthmetif nur die Benermungen 3. B. Thaler, Pfunde,
Aepfel u. f. w. weg, und zeigt an ein und denſelben Koͤr⸗
pern die reine Zahl, fo ffehen Anſchauung und Abſtraktion
gläclichermeife fo nahe beiſammen, daß beite faſt nicht zu
trennen find. Hierin hat die Arithmetik großentheils vor
der Geometrie einen großen Vorzug im Unterridte, und
— 1706 —
hierin ift der volgäftigfte Grund zu fucen, warum jene
auch diefer vorausgehen, und warum man in den Anfäns
gen der Arithmetif, oder im Kopfrechnen, die Denennungen
Thaler, Groſchen, Tage u. f. w. fortlaffen muß.
Es ift aber nicht hinreichend, daß der Schüler jedes
nöthige Element ganz kennen lerne, er muß auch darin
geübt werden, dieſe ſchnell von einander unterfcheiden und
durch einander mit. Fertigfeit darftellen zu Können. Nach
jedem Elemente follten demnad) einige Uebungen für alfe
vorhergehende, und zwar Durcheinander, vorkommen. Hiers
durch entwickelt fich Hebung im freien und leichten Gebrau⸗
che derfelben für eine fehnelle Ueberficht nachfolgender Com⸗
binationen, da ein guter Erfolg hierin durch fchnelle Ver⸗
gegenwärtigung der Elemente bedingt wird.
Soll man denn nun die Elemente der ganzen Wiſſen⸗
ſchaft vorausſchicken? Zur Beantwortung dieſer Frage müfs
fen wir die Elemente in folche abfondern, die einem Haupts
zweige der Wiffenfchaft, wie z. B. der Arithmetif oder der
Geometrie u. ſ. w., durchgängig zum Grunde liegen, fer-
ner in folche, welche nur einzelnen Abfchnitten derfelben ans
gehören, und in foldhe, Die irgend einmal in einer befons
deren Heinen Abtheilung eines Abfchnittes vorfommen. Was
die erfteren Elemente, welche man die allgemeinen nennen
fönnte, anbetrifft, fo müfjen dieſe von vorn herein verars
beitet werden, weil ohne fie feine freie Bewegung möglich
ift, und es mag in zweifelhaften Fällen beffer fein, darin
etwas zu viel, als zu wenig zu thun. Clemente von noch
fern liegenden Abfchnitten, Die der Schüler vielleicht nie
gebrauchen lernt, mögen bis dahin aufgefpart werden, wein
man fieht, daß fie zu gebrauchen. find; denn man würde
fonft ein Fundament bauen, ohne daffelbe zum Bau eines
Haufes zu benugen. Elemente aber von einzelnen Fleinen
Abtheilungen oder Regeln werden, befonders wenn fie noch
entfernt liegen, erft vor ber Gombination vorgeführt. Das
befondere Element ber Zins-, Tara⸗, Nabats, ber Pari-
und Arbitragenrechnung, der Potenzen, Wurzeln und Glei⸗
Hungen kann dort vorkommen, wo es gebraucht wird. Auf
ähnliche Art verhält es fich mit Einzelheiten in der Geomes
trie. Wollte man diefe Elemente mit den allgemeinen ver-
arbeiten, fo möchte dad Maaß der Elemente überhaupt fich
zu fehr haufen und den Ueberblick derfelben für den An
fang erfchweren. Ueberhaupt achte man bei der Auswahl
der Elemente auf das Geſetz der Schuldfonomie, nach wel-
chem man alles Unndthige, das nicht zum Hauptzwede,
„Aneignung der Wiſſenſchaft,“ führt, und alles noch zu
fern Liegende wegläßt, und faffe dann die Bildungsfähig-
feit und die umfichtige Anwendung des Nöthigen fcharf
ins Auge, um dieſes ganz zum Cigenthume des Schülers
zu machen, auf das Klarfte in ihm zur Abftraftion zu er-
heben.
b) Das Element ift zwar an fich in der Anfchauung
einfach; wird e8 aber, befonderd in der Geometrie, zur
Abſtraktion erhoben, in feiner Allgemeinheit aufgeftellt, fo
bedarf es hierzu fchon mancher Combination. Auf Diefe
erfteren Combinationen achte man nun mit größtem Fleiße,
und weife diefe fo lange ald möglich in der Anſchauung
nad. Nun fange man an, einige Elemente zu combiniren,
fuche die einfachften Säte, in denen das Combinationsver⸗
fahren anfänglich gleich ift, hervor, und achte dabei faft
mehr auf den Gang, wie die Wahrheit gefunden wird,
als auf die Wahrheit ſelbſt. Diefe einfachen Site dienen
nun weiterhin wieder ald Elemente zur Findung fchwererer
Säße, und fo wird nun das Wort Element ein relativer
Begriffe Indem man nun mit Diefen Säten, wie vorher
mit den Ceinfachen) Elementen verfährt, gewinnt ber Schh-
ler immer mehr an innerer Kraft: Damit er aber das
m
Sombinationsverfahren recht kennen ferne, behandle man
jede Eombinationsart für fih ale ein Ganzes, das man
möglichft in ber Anfchauung nachweiſt und einubt, und
fchlage fpäterhin mit dem Schuler in der Geometrie, wo
thunlich,, bei jedem Satze zwei Wege, den fonthetifchen und
den analytifchen Weg ein, wenigftens verfuche der Schüler
auf beiden Wegen die Wahrheit, den Sa zu finden. Ber-
fucht e8 der Schüler durch Zufammenftellung ihm gegebener
Elemente u. f. w. einen neuen Sa zu finden, fo verfährt
er fonthetifch oder geht vorwärts in feinen Schluͤſſen; ſtellt
er aber den bereitd noch unerwiefenen Sab als ein Problem
bin, indem er fich das zu Suchende als gefunden, wenig»
ſtens vergegenwärtigt, dann auf ein Nächitoorhergehendeg
fchließt und auf Diefe Art verfucht, den Anfang und fo das
Ganze zu finden, fo verfährt er analgtifch, oder er geht in
feinen Schlüffen anfänglich rüdwärts, um nachher wieder
vorwärts zu gehen. — Bon diefem Erfindenlaffen hat mans
cher Lehrer prahlend gefprochen, wenn er durch Katechefe
(mit gütiger Erlaubniß) die Naſe des Schülers von einer
Sache auf die naͤchſtfolgende ſtieß; allein weder diefes, noch
das Deutlichmachen, liegt in ber Wefenheit diefer angedeu-
teten Methode. — Ein ficheres und fröhliches Fortfchreiten
anf dem Wege der Syntheſis und Analyfis wird nicht nur
durch die genaue Kenntniß der Elemente, ber einfachen
Gombinationen, der bis dahin angefchauten Säte, fondern -
auch durch manche yraftifche Kenntniffe, mit denen bie
Mathematik in Verbindung tritt, und vorzüglich noch durch
‚die genaue Kenntniß der Mittel bedingt, welche man in
den verfchiedenen Fällen, befonders in der geometrifchen
Analyfis, anzuwenden hat, um nicht mit jedem Augenblide
wieder feft zu fahren. Diefe einzelnen Mittel müffen fo viel
Als moͤglich in den erfieren Sägen angefchaut werden, und
vielleicht Taflen biefe fich, wie die einfachen Gombinationen,
— 179 —
nach der Reihe aufftellen und nachweifen. Weiß der Schur-
ler nicht, wie man dazu kommt, diefe oder jene Winkel zu
benugen,, Linien und Kreife zu ziehen, Dreiecfe zu machen
u. ſ. w., um durch diefe Etwas aufzufinden; weiß er nicht,
wenigftend im Allgemeinen, welche Hälfsmittel ihm aus
dergfeichen Operationen erwachfen: fo tappt er im Dunfeln
und wird ſtets der Nachhülfe von Seiten des Lehrers nd-
thig haben. Wie fehr verdient würde fich derjenige philo⸗
fophifche Analytifer um die Wiffenfchaft und um das Un
terrichtswefen machen, der das innere Weſen ber geometris
fchen Analyfis nad) ihren einfachen und zufammengefeteren
Elementen und Combinationen aufftellte! Wer weiß, ob
durch Zufammenftelung folcher Säbe, und auch befonders
folcher Aufgaben, deren Wahrheit und Loͤſung auf ähnliche
Art gefunden werden, nicht irgend ein tüchtiger, fcharffins
niger Analytifer das Gluͤck hat, ſich unfterblic zu machen.
Warum follte es einem folhen Kopfe nicht gelingen, bie
feinen Merkmale, die nur der Scharffinnige zeither fühlt,
zur Wedung des Scharffinnes mehr zu verkörpern und an
Beifpielen ein und derfelben Art nachzumweifen? Einficht in
die geometrifche Analyfis muß auch für die Wilfenfchaft
förderlich fein, da der große Newton es bedauert hat, in
diefer trefflichen Kunſt nicht geübt genug geweien zu fein. —
Sc erinnere mich recht gut, vor etwa zwanzig Ssahren
zuerft in einer Schrift, ich meine gegen den würdigen Pe
ftalozzi, einen ausführlichen Tadel über den Gebrauch, der
Buchftabenformeln, der Analytif, gelefen zu haben, mo denn
behauptet wurbe, daß der Gebrauch der Formeln für die
formale Geiftesbildung wenig oder gar Feine Ausbeute ge
währe. So viel ich weiß, ift diefe Idee in der paͤdagogi⸗
ſchen Welt zeither die herrfchende geblieben. Wenn ich aber
die Sicherheit und größere Selbitthätigfeit des Schülers
im Erzeugen, Berändern und Gebrauchen der Formeln ges
m *
— 180° —
gen den gewöhnlichen Liniengebrauch halte; wenn ich ber
denfe, daß der Schüler durch erfteres rafcher in die Wiffens
fchaft hineingeführt wird, als durch letzteres (man denke
nur an einige Hauptformeln der Trigonometrie), und daß
felbft obiger Tadel die geometrifche Analyfis treffen koͤnnte,
im Falle. ihr innerftes Wefen Klar und einfach vor Augen
gelegt würde: fo kann ich bis jet noch in Diefen Tadel
nicht ganz einflimmen, — ich müßte denn zugeben, daß
ein Umhertappen im Dunkeln zur Weckung des Scharffins
nes im Allgemeinen beffer wäre, als ein klares, ficheres
Kortfchreiten. Es mag fein, daß ein foldyes Umbertappen
zur Wedung oder Uebung des Scharffinnes feinen Nutzen
habe; dieſe Gelegenheit wird aber nothwendig jedem for-
fchenden Schüler bei jeder Sache fo lange bleiben, bis er
diefelbe Elar verftanden hat, und zwar um fo länger, je
fchlechter und erbärmlicher der Lehrer if. Mir deucht, der
Schüler muͤſſe fo ſchnell ald möglich in die Wiffenfchaft
fich hineinarbeiten, damit diefe ihre, ihr felbft inwohnende,
-Bildensfraft auf den Schüler dußern koͤnne. Sch fürchte
demnach durch Flare Darlegung des Inneren der geometri⸗
fchen Analyſis ebenfowenig Erſchaffung eines neuen fchäd-
lichen Mechanismus, als ich denfelben in der gewöhnlichen
Analytit finden kann, und es möchte wol gut fein, wenn
beide Berfahrungsarten foviel als möglich im Dienfte für
die Wiflenfchaft fich näherten.
Sol nun die bereitd angegebene Methode von ftreben-
den Lehrern allgemeiner und mit gutem Erfolge angewendet
werben: fo muͤſſen nothwendig Lehrbiicher da fein, die die⸗
fen Weg genau vorzeichnen, und an Büchern der Art find
wir wenigftens nicht ganz arm. Tillich hat in feinem Kopf⸗
zechenbuche die ‚allgemeineren Elemente und Eombinationen
der Zahl auf eine wahrhaft wunderbar fohöne Art neben
sinander ‚geftelt. Er ift dabei allenthalben von ber As
— 181 —
fhanung ansgegangen, und hat jedesmal den Weg zur
Abftraftion fo ange ald möglich durch die Anfchauung be-
gleitet. Dadurch hat er unwiderfprechlich einen vorzüglich
guten Grund zur Erlernung der Arithmetik, des Zifferrech⸗
nens fowol, ald des Buchftabenrechnens gelegt. : Unter ben
mir befannten Zifferrechenbüchern find dieſer Anficht das
von Schumacher und das von Diefterweg und Heuſer fehr
würdig gefolgt. Im ähnlichem Geifte ift die Geometrie
oder fogenannte Raumlehre von Diefterweg verfaßt. Möchte
es meinem verehrten Freunde, dem Herrn Seminarbireftor
Diefterweg, gefallen, in einer befonderen Schrift für den
Lehrer die Behandlung jedes Satzes, der in feinem dritten
Abfchnitte vorfommt, auf dem Wege der gewöhnlichen Anas
lytik, oder der geometrifchen Analyſis, oder der Syntheftg,
oder wo nöthig und thunlich auf verfchiedenen Wegen zus
gleich zu zeigen, und wenn die ausgefprochene Anficht die
richtige fein follte, dazu fowol den Euklid, als die analy
tifche Geometrie von den Franzofen dazu ganz zu benutzen.
Es ift zur Erlernung einer fo wichtigen Methode nicht
genug, die erfteren Elemente behandeln zu können und an
einigen Beifpielen ben Geift des Ganzen in etwa fennen
zu lernen; die Lehrer müflen allenthalben Hälfe finden,
wenn man dem größten Theile berfelben auf: fürzeftem Wege
nüten, und fie nicht am Ende doch wieder von bem beften
Wege ab und in die Irre gerathen Iaffen will. Gin Lehr-
buch ift noch nicht vollfommen, fobald ich noch, um das
Nothwendige zu finden, andere Buͤcher nachfchlagen und
diefelben mit Aufopferung vieler Zeit ſtudiren muß. Ich
weiß nur gar zu ſehr, daß ich hier um etwas fehr Schwie-
riges bitte; aber darum follem auch nur folche Meifter ung
Lehrbücher fchreibeit, ‘welche zugleich Lehrer und Pädagogen
find und das ganze Beduͤrfniß folcher Lehrer kennen, bie
ohne anderweitige Studium der Miffenfchaft doch grimb-
— 182 —
lich in derfelben unterrichten wollen. Man mißdeute diefen
Ausdrud nicht, und bedenfe vielmehr, daß ein Lehrer oft
in zu vielen Gegenftänden unterrichten mülfe, als daß er
fi, jeder Wiffenfchaft, die er Iehren fol, ganz hingeben
fönne und dürfe.
In der Arithmetif leiſten bereits wenigftens zwei Bücher
fait vollfommen dasjenige, was ich bis jebt noch an Schrifs
ten der Art zu fodern habe, Diefe find dad Rechenbuch
von Diefterweg und Heufer (Elberfeld bei Büfchler) und
die Arithmetif von Tillich für Sedermann (leipzig bei Ördff).
Wie oft aber werben ganz vorzügliche Schriften der Art '
überfehen! Zu diefen gehört auch befonders Tillichs Arith-
metif, Wie Viele haben feit der Erfcheinung diefes Buches
Kopfrechenbücher gefchrieben! aber Niemand, von Türk bis
Gawerau, ich fage Niemand hat, nach meiner Anficht,
Tillichs Arithmetif erreicht, und den Geift diefer Wiſſen⸗
fchaft fo zweckmaͤßig dargeftellt, als Tillich. Selbit Herr
Prof. Lindner, der diefe Schrift aufs Neue herausgegeben
hat, fcheint in Tillichs Geift nicht eingedrungen zu fein;
‚ wenigitens bringt die widrige Einflidung der Decimalrech⸗
nung und Die Beilage des Praftifchen auf diefe Bermuthung.
Obgleich nun auch die Fehler der alten Auflage großentheilg
fiehen geblieben find, fo muß man ed dem Herrn Profeflor
Lindner doch herzlich Dank wiflen, daß er für eine neue
Auflage diefes Buches Sorge getragen, und vielleicht auch
dafir, daß er die Methodenlehre Tiliiche zwiſchen die
Uebungen geſtellt hat.
c) Wir kommen nun zu dem prattiſchen Theile der
Mathematik, und zwar zuerſt zu dem praktiſch⸗ theoretiſchen
Theile. Es iſt in der Geometrie und Trigonometrie die
Darſtellung und Ausmeſſung desjenigen auf‘ dem Papiere,
was in der Theorie klar angeſchaut worden iſt; und in der
Arithmetik iſt es die Uebung im Behandeln der reinen
— 183 —
Größe. Sch finde es meifterhaft,, wie die allgemeinen Ele⸗
mente und viele Combinationen in Diefterwegs Anleitung
zur Geometrie (Naumlehre) und in dem Theile von E,
©. Fifchers Geometrie, der von der Ausmeffung handelt,
fowie in dem Kopfrechenbuche von Tillich und in dem Res
chenbuche von Diefterweg und Heuſer praftifch-theoretifch
durchgeführt find. Sn der Geometrie würde fich die Zahl
dDiefer Uebungen noch vermehren, wenn man die Praris
mehr beabfichtigte.
Es fragt ſich nun: Sol man.mit diefem Darftellen und
Ausmeffen, mit der Uebung im Behandeln der Zahl war;
ten, bis fämmtliche Elemente und Combinationen der Theos
rie durchgearbeitet find, oder fol man diefe mit denfelben
verbinden, und wie fol diefe Verbindung ftattfinden ?
Wollte man bei der Theorie der Geometrie nicht dar-
ftellen und ausmeflen, oder bei der Arithmetif nicht gleich
bie Größe praftifch= theoretifch behandeln: fo würde ed dem
Erlernten an dem gültigften Erweife des Erkennens, bed
Haren Auffaffens, und auch dadurch nicht felten an der
Ueberzeugung von der inneren Schönheit der Sache fehlen,
und Die gewonnene Anficht würde ſich bald verwifchen, da
es ihr an Material fehlte, oder da diefer Baum dann nicht
Erdreich genug hätte, um tiefe und ſtarke Wurzeln zu faf
fen. Diefe Uebung muß demnach jede gewonnene Anficht
fo lange begleiten, bis fich lettere, durchaus eingeprägt, zur
Fertigkeit erhoben hat. Eben darum find reine Theorieen
in Gegenftänden, wo alle Uebung im Praftifchen fehlt, ſel⸗
ten nuͤtze. Jedoch ift Dies ganz etwas Anderes, wenn das
Theoretifche eines Gegenitandes nur wenig ift und dermaßen
zufammenhängt, daß die Einzelheiten entweder für fich wer
nig Bedeutung haben, oder doch immer als zufammtenge-
hörig gedacht werden müffen. Darım halte ic, ed für bef-
fer, bei der Kehre von den Gleichungen ein amd deſſelben
— 18541 —
Grades die ganze Theorie in gebrängter Kürze vorauszu⸗
ſchicken, und diefelbe auf das feftefte einzuprägen, bevor
man zur Aufldfung der Aufgaben übergeht. Bei der Lehre
von jeder der Species, von den Proportionen, Potenzen ,
Wurzeln u. f. w. ift diefes Verfahren, wie auch bei ber
Intereſſen⸗, Kettenrechnung, Miſchungsregel und bei allen
diefen einzeln ftehenden Regeln aus demfelben Grunde anzu-
rathen. In diefen Theorieen, die gewiffermaßen abgeruns
det für fich daftehen, find befondere Elemente, befondere
Sombinationen enthalten, in welche der Schüler Hare Ein-
ficht haben muß, ehe er fich an die Arbeit fest. Wird diefe
Borarbeit von Seiten des Lehrers verfäumt, fo fühlt der
Schüler feine Kraft zur zugemutheten Arbeit und wird ver-
drießlich, da er Nichts zu Stande zu bringen weiß. Wollte
man hier die Einzelheiten nach einander praktiſch einüben,
wie dies fo vielfach fchon um deswillen gefchieht, da der
Menfc auf dieſe Art nad und nad) auf die Einzelheiten
gekommen fein mag: fo würde der freie Ueberblick über das
Ganze dem Schuͤler fehlen, und er würde dasjenige, was
er als ein zufammengehdriges Ganze anfehen fol, als eine
Menge Fleinerer Ganzen betrachten, den wahren Geift des
Ganzen zerriffen auffaflen, und bdenfelben darum um fo
leichter vergeflen. Es ift diefes Verfahren mit den faſt al-
lein ftehenden Einzelheiten mit dem großen Ganzen faft
ganz gleich, und wenn erftered zweckmaͤßig ift, fo muß es
auch dies fein. Bei folchen einzelnen Regeln muß denn nıın
auch die Klarheit der Einficht durch Darftellung und Uebung
gleich hinterher erfolgen. Diefes praftifch-theoretifche finden
wir in Diefterwegd Geometrie in dem erften und zweiten
Abfchnitte unter dem Namen Darfielungen, und im brit-
ten Abfchnitte oft mit den Säben fehr zweckmaͤßig verbun⸗
den; in Tillichs Kopfrechenbuch finden wir daffelbe unter
der Rubrik „Aufgaben,“ und im Rechenbuche von Die-
— 185 —
ſterweg und Heuſer ſind dieſe Uebungen den rein praktiſchen
Aufgaben ſtets vorgeſtellt.
d) Was nun die Anwendung des vorhergegangenen zu
einem rein praftifchen Zmwede angeht, fo muß nach meiner
Meinung der Curfus gerade dafür fein Material enthalten,
oder der Curſus muß, jedoch ohne unwuͤrdige Verſtuͤmme⸗
lung der Wiffenfchaft, nur fo viel theoretifche Saͤtze ent-
halten, als zum yraftifchen Zwecke der Schule nöthig. if.
Mar ed richtig, dieſe Defonomie mit den Elementen zu
beobachten, warum nicht auch mit den einzelnen Säben und
ihrer Anwendung für das praftifche Leben? um beffentwillen
der Schüler die Mathematik doch lernen follte Sn den
Geometrieen fieht es hierin noch leer aus. Im Allgemeinen
beobachten unfre Tafelrechenbiicher aber dieſes Geſetz fehr
genau; nur einige, und zwar die beiten derfelben, gehen
hier und dort ind Speculativere über. Ohne diefes Beſtre⸗
ben durchaus zu tadeln, weife ich nur auf nüßlichere Dinge
hin, die dem Schüler in der Zufunft brauchbar find. Die
formale Bildung des Geifted wird auch dadurch gefördert
und haltbarer, als in Syeculationen: der praftifche Kopf
wird dadurch gebildet, und eben diefer ift, wenigſtens im
Allgemeinen, für die menfchliche Gefellfchaft der förderlichfte,
da ohnehin Praris die Speculation nicht ausfchließt, ſon⸗
dern nur um fo ficherer leitet. Die Idee, nach welcher der
in unferen Provinzen um die Arithmetif verdiente Veteran,
Daniel Schuͤrmann 9, in feinem Rechenbuche geometrifche
*) Man denke nur an ben gewaltigen Schritt von Schlieper bis
Schürmann, und verachte die Aufgaben nicht um beswillen, weil
venfelben die Rechenformel vorgefest ifl. Ein Rechnen nach Peſta⸗
lozzi war damals hier noch nicht oder doch zu wenig bekannt. Das
größte Verdienſt in diefem lesteren Rechnen hat unftreitig der treff:
liche Schumacher um diefe Provinzen ſich erworben. Diefes Rechen:
— 186 -—
Aufgaben ftellte, war fehr gut und Idblich; er hätte Die
Theorie nur nichtfo dürftig darſtellen müffen, um noch allges
meinere Anerfennung zu finden — und dennoch hat er durch
diefe Arbeit ganz gewiß fehr viel genuͤtzt.
Penn Einige beim Rechnen zu früh und zu auffallend
die Speculation lieben, fo wollen Andere zu fehnell in die
Praris fahren, und tadeln fogar die praftifchstheoretifchen
Aufgaben der beften Kopfrechenbücher, 3. B. der von Türf
und Tillich. Ohne zu behaupten, daß Feine diefer Uebun⸗
gen und Aufgaben diefer Bücher fortfallen dürften, erin-
nere ich nur daran, daß die Zahl erft vielfeitig und rein
angefchaut werden muß, bevor man diefe auf Fälle für das
gemeine Leben anwenden darf; daß manche lebung zugleich
den Zwed hat, das beim Rechnen fo nothwendige Borftel-
Ten verfchiedener Zahlen zu üben, die fich durch allerlei
Combinationen verfchieden geftalten; und daß ein und das⸗
ſelbe Material, von verfchiedenen Seiten angefehen, wahr:
hafte Tüchtigkeit gibt. Wie oft kommt nicht z. B. in Die
fterwegs Geometrie auf eine recht zwedmäßige Art die Fors
mel: (= " vor. Die zu frühe praftifche Anwendung‘
würde, wie friiher gefagt, die Aufmerkſamkeit des Schülers
zu fehr von dem Geifte der Sache abwenden, und was der
Schüler im Aeußeren gewoͤnne, verldre er Doppelt am In⸗
neren. Außerdem gibt e8 der bloß praftifchen Regeln und
Anfichten für das Kopfrechnen zu wenige, und dDiefe liegen
den praftifch=theoretifchen Aufgaben zu nahe, als daß man
nöthig hätte, darüber viele Zeit zu verlieren, wie ſolches
mir die Erfahrung gelehrt hat. Die bloß praftifchen Auf-
gaben hierin find auch fchon um deswillen weniger nöthig,
ba diefe beim Tafelrechnen hinlänglic; genug vorkommen,
buch von Schuhmacher und das von Diefterweg und Heuſer befoͤr⸗
dern ein verfländiges, rein mathematifches Rechnen.
der Schüler alfo volle Gelegenheit hat, die Anwendung zu
erfennen, oder auch, wenn man will, die Fleineren Exem⸗
yel aus dem Kopfe zu rechnen. Das Streben nadı Praris
muß der dahin führenden freien und der Sache felbft ans
gemeflenen Verarbeitung des Theoretifchen nicht hemmend
in den Weg treten, wenn gleich die Theorie nichs für den
Zwed Unnöthiges enthalten barf.
Woher nehmen wir nun die weitere Maffe des zu ers
ftrebenden Praftifchen für die höhere Bürgerfchule und für
Gymnaſien? |
Man ftelle die nöthigen praktifchmathematifchen Saͤtze aus
Maltebruͤns mathematifcher Geographie, aus Andreas Baum:
gartmers oder C. ©. Fiſchers Naturlehre, aus Dupins Me-
hanif, aus Schubartd oder Berzelius Chemie, und Die ges
meinnüßigften Site aus Schulz Montanıs Meßkunde ır.
zufammen und beilimme darnach die Theorie, das Man
von Elementen und Combinationen. Auf diefe Weife wuͤrde
man für das Leben des gelehrten oder auch nur allgemein
gebildeten Nichtmathematikers auf das zweckmaͤßigſte forgen,
und dem Studium der Naturwiflenfchaften, der Mechanit,
u. f. w. allgemeiner den Weg bahnen, als dies bis jest
gefchieht, da man die Theorie zu fehr haͤuft, als daß dies
felbe fpäterhin von Nidhtmathematifern weiter benutzt wer⸗
den könnte. Für die oberften Claffen der Gymnaſien, wie
für kuͤnftige Mathematiker, Tönnte ein Nachtrag dienen,
welcher die bis dahin fehlenden Site der Wiflenfchaft ents
hielte.
Ich will das Verfahren der Franzofen in Behandlung
der Mathematif und Deutichen nicht als Die einzige Nichts
ſchnur aufftelenz; aber ich glaube doch, daß zwifchen ihrer
Lehrart und der unfrigen derfelbe Unterfchieb obwalten möchte,
wie unter den Theologen, die auf der Kanzel ins Haus
dringen, und denjenigen, weldye nur den ſpekulirenden Phis
— 188 —
Iofophen oder den fcholaftifchen Dogmatifer in ihrer Wirk
famfeit darftellen. Es muß für allgemeine Bildung der
fürzefte Weg zur Erlernung einer praftifchen Wiſſenſchaft
‚eingefchlagen werden. Was dann an Theorie zur Bildung
des Geiftes fehlt, Das erfeht die Praris oder eine andere
Wiffenfchaft, die dem Lernenden nöthig if. .Wer ſich dann
in der Zukunft. der einen Wiffenfchaft ganz hingeben will,
mag das Fehlende in dem Borigen leicht nachholen.
Die erwähnte Beforgniß kann freilich nicht von folchen
Profefjoren der Mathematif ausgehen, die mit ihren Schuͤ⸗
lern das ganze Keld der Theorie diefer Wiffenfchaft durdy-
meffen, und denen nun noch Zeit genug übrig bleibt, auch
‚die Anwendung berfelben zu Iehren; diefe Männer fühlen
vielmehr die große Freude des Geiftes, nun allenthalben
frei in jede praftifche Anwendung zu ſchauen und die Gründe
zu Allem in fi zu tragen. Diefe Beforgniß und Klage
kann auch weniger von den Gymnaſiallehrern ausgehen, da
dieſe von der Univerfität dasjenige erwarten, was fie un-
vollendet den Schülern hingaben ; aber wer tröftet den Lehrer
an höheren Bürgerfchulen, der nur mit großer Anftrengung
feinen Schülern zwar einen breiten Weg zu dem fchöniten
Tempel der Wiffenfchaften bereitet hat, ihnen aber nun bas
Thor zu demfelben nicht zu oͤffnen im Stande ift, und der
nun von den meilten Pfleglingen erwarten muß, daß fie
nur die VBorhöfe dort betrachten, und dann verdrießlich wie-
der umkehren werden. Die. erlangte formale Geiftesbildung
fol doch wol bier nicht tröften, wo man bei etwas’ mehr
Ueberlegung zugleich taufend Mittel zur Gewinnung für die
Raturwiflenfchaft u. f. mw. geben Fonnte; auch fann Die
vereitelte Hoffnung der Gymnaſiallehrer, die ihre meilten
Pleglinge auf der Univerfität der Mathematif den Rüden
— 189 —
wenden jehen, den Lehrern an Bürgerfchulen feine neue
Hoffnungen einflößen. Man arbeite darum wenigftens für
niedere und höhere Bärgerfchulen einen Cyclus der Mathe
matit aus, den die Schule gang durchgehen kann, der auch
zugleich wahrhaften Nutzen für das bürgerliche und wiffen-
fchaftliche Leben hat und ſich nicht mit bloßen Hoffnungen
begnügt.
Faflen wir das Gefagte Furz zufammen, und ftellen
wir daſſelbe in der etwaigen Anordnung eines Lehrbuches
für Geometrie oder Trigonometrie u. ſ. w. unter einander,
fo möchte fich dafielbe folgendermaßen geftalten:
1) Die allgemeinen Elemente. Anfchauung und Dar-
ftellung.
2) Die einfachften Eombinationen derfelben. Anfchaus
ung und Darftellung. |
3) Nähere Regeln, welche zu einem fröhlichen und ficher
ven Fortfchreiten, befonders in der (geometrifchen) Analyfis
erfordelich find. Anfchauung und Darftellung.
4) Die Eombinationen der Ceinfachen und zufammen-
gefeßten) Elemente zu Lehrfäßen u. f. w. der Theorie. Ans
wendung der Saͤtze.
5) Praktiſche Anwendung vieler Saͤtze, inſofern ſolche
wegen ihres eigenen Zuſammenhanges unter ſich, oder an⸗
derer Umſtaͤnde wegen, den einzelnen Lehrſaͤtzen oder Ab⸗
ſchnitten der Theorie nicht beigefuͤgt werden koͤnnen.
Was die Arithmetik insbeſondere betrifft, ſo wird Nr.
1 und 2 dur Tillich erledigt; im Zifferrechnen leiſtet das
Rechenbuch von Diefterweg und Heufer Alles, was gefos
dert werben kann. In ber Buchflabenrechnung und Alge
bra können die einzelnen Regeln da, wo genaue Kenntniß
und Fertigkeit nöthig ift, nach Egens Handbuch und den
Aufgaben von Meier Hirfh, und wo nur eine klare Webers
ficht nöthig fein follte, nad) Euler durchgearbeitet werden.
— 10 —
Uebrigens bleibt nun auch hierin ein Lehrbuch zu winfchen
übrig. Ein Lehrbuch der Mathematik für eine diefer Schu:
len bildete dann gleichjam ein vollftändiges, auf Säulen
ruhendes Gebäude von mehr oder weniger Bedeutung und
Schönheit. Die Bearbeitung der allgemeinen Elemente des
Theoretifchen und Praftifchen machten dazu das Fundament
aus; die verfchiedenen ‚neben einander geftellten Uebungen
im Sombiniren wären die Säulen, deren Piebeftale die hier
zur Sombination erforderlichen Säte, und deren Capitäler
die neu gefundenen Saͤtze bildeten. Das Uebrige der Theo-
rie ftellte dann den Architrav, und das Praktiſche den noch
fehlenden Theil des Kunſtgebaͤudes vor.
Das KRopfredhnen.
Bor dem neunten Lebensjahre des Schülers kann der
Unterricht in der Arithmetik felten mit Erfolg betrieben
werben. Zu früh mit diefem Gegenftande anfangen, heißt
mit demfelben fpielen oder ihn mechanifch treiben, denn Der
Schüler muß Borbildung haben, er muß im Stande fein,
das lehrende Wort ſcharf zu erfaffen, das Gefehene vor Die
innere Anfchauung zu bringen, um daſſelbe deutlich und
beftimmt wieder zu geben. Das Kopfrechnen wird am be⸗
ften nicht mit dem Tafelrechnen verbunden, Hier ift meine
Begründung für diefe Behauptung.
Das Kopfrechnen fol, wenn es rechter Art ift, Die all
gemeinen Elemente und Combinationen der reinen Zahl, ein⸗
zeln für fich betrachtet, anfchauen laſſen, und auf dieſe Art
fowol dem Ziffer» als Buchſtabenrechnen vorarbeiten. Die
reine Zahl kann aber leichter und fchärfer. ins Auge gefaßt
werben, wenn zugleich weber von Ziffern, noch Buchſtaben,
noch von andern Namen, ald: Thalern, Groſchen, Pfuns
den, Tagen u. fe w. die Rebe if. Wer ein rein mathes
— 191 —
matifches Kopfrechnen kennt und zu fchäten weiß, fieht es
ein, daß der Schüler fich bei Bearbeitung der Zahl nie
die Ziffer vorftellen darf, wenn er mit dem beiten Erfolge
die Zahl rein auffaffen fol. Sch rede hier nicht von ber
Möglichkeit, — was ift einem gefchickten Lehrer nicht Alles
möglih! — fondern ich rede von der Natürlichkeit und
Leichtigkeit, durch welche ein geſchickter Lehrer noch. mehr
hervorbringt. Die Ziffer hat ihre befonderen Regeln ver
Bearbeitung, woher es denn fommt, daß die Berfahrunge-
art des Kopfrechnens bei Loͤſung -einer Aufgabe anders ift,
als die beim ‚Zifferrechnen. Nehme ich 3. B. im Kopf
rechnen 4. von 97, fo nehme ich erft 4, von 30, dann
von 90 und endlich von 75; multiplicire ich 34 mit 23, fo
nehme ich erft 2 ><34, dann 20 ><34, dann 3 X 34 und
abdire die beiden leßteren Producte; beim Tafelrechnen . ver-
fahre ich aber noch firenger, oder vielmehr Fürger nad) dem
decadifchen Syſteme. Die Ziffer ift das Zeichen der Zahl,
folglih muß die Zahl eher verftanden fein, ald man bie
Ziffer gebrauchen kann. Ferner muß es an ſich fchon Teich
ter fein, die Zahl, und dann die Ziffer, als beides zuſam⸗
men zu behandeln. Wollte man mit der Zahläbung nur
um einige Schritte der Zifferäbung vorausbleiben: fo wärs
den beide Uebungen ſich zu fehr affociren und darum ſtoͤ⸗
rend auf einander einwirten. Die Berfinnlichungsmittel,
welche man beim Kopfredinen gebraucht, muß man beim
Tafelrechnen wicht mehr nöthig haben. Beim leßteren muß
das Element fchon zur Abftraftion erhoben fein; wie will
der Schüler fonft die Anwendung aufs Leben machen — er
hätte fi) dann gleichſam mit zwei Keinden zu fchlagen, die
ſich ftetd gegenfeitig verbänden, um ihm Schwierigfeiten in
den Weg zu legen. Aus ähnlichem Grunde geht die Bes
handlung der unbenannten Zahl der der benannten ganz
swedmäßig voraus u. f. w. Will man mir Erfahrung ent⸗
— 192 —
gegenfegen, jo itehe ich mit einer 23jährigen derfelben ent
gegen, und habe Männer, wie Peftalozzi, Tillich, Tuͤrk und
Schmidt auf meiner Seite. — —
Sind die allgemeinen Elemente und Kombinationen, Die
allgemeinen Zahlenverhältniffe erft verftanden und au der
reinen Zahl eingeübt; iſt eine freie und allgemeine Ueber⸗
ficht möglidy geworben: fo kann man mit dem Beſondern,
dem Abftrafteren, dem Tafelrechnen anfangen, und die Ne
geln und Abänderungen hinzufügen, welche aus dem Ge⸗
‚brauche der Ziffer entfpringen.
Es ift erbärmlich, wenn man heutzutage, wo dieſes
Feld fo vielfach bearbeitet, und der Ruf zur weitern Theil⸗
yahme faft in jede Hütte gedrungen ift, noch immer junge
Lehrer findet, Die fich beim Kopfrechenunterrichte mit den
mechanifchen Regeln der vier Specied in ganzen Zahlen
und Brüchen, und mit dem gewöhnlichen Dreifaße in ber
Schule umhertreiben. Ein folcdyes Verfahren erregt Efel,
und mit Unwillen möchte man fich von einem Manne wegr
wenden, dem alle Forſchungen hierin, und die laute Aner-
fennung eines PBierteljahrhunderts gänzlich unbefannt zu
fein fcheinen. Indeſſen, wie in allen Fächern, gibt es auch
hierin eine Menge armfeliger Anleite, die von vielen Leh⸗
rern obendrein noch armfeliger, oder felbft nur in ihren
Anfängen gehandhabt werden.
Mich umftändlicher über Methode des Kopfrechnens
einzulaſſen, balte ich für überfläflig, da ich den denfenden
eifrigen Lehrer auf einen Anleit näher aufmerffam machen
will, in weldyem er Alles, was ihm nöthig ift, auf Das
Befte finden wird. Es ift der bereits als Mufter erwähnte
Anleit von eben dem Tillich, dem wir ein ganz vorzügliches
erſtes Leſebuch und eine ſehr beachtenswerthe Geometrie
verdanken. Diefe Schrift von Tillich ftudire der Lehrer mit
Fleiß, und er wird,. wenn.er bas Ganze burchgearbeitet,
— 13 —
und eine foͤrmliche Meberficht gewonnen hat, die Erbaͤrm⸗
lichkeit jener armfeligen Uebungen vieler Scribenten eins
ſehen, und der Reinheit der gewonnenen Anficht mit der
innigften Weberzeugung huldigen. sch habe dieſes Buch
feit 1808 felbft gebraucht, habe ed, mit Ausfchluß einiger
Fahre, mit einer Elaffe jährlich ganz durchgerechnet, und
fann jagen, daß Fein Anleit, und deren kenne ich eine
Menge von Biermann und Peſtalozzi bis Cawerau, mir
den Tillich hätte erfeßen koͤnnen. Tillich hat etwas Aus
gezeichneted in Diefer Art gefchrieben, und verdient ben
Danf der Nachwelt. Die beften erfchienenen Anleite find
aus ihm gefchöpft, ja, oft undanfbarerweife, ohne feiner
auch nur zu erwähnen; und das Entliehene ift dann ge
wohnlich in fchlechterer Form, mit weniger pſychologiſcher
Einficht aufgeftellt. Sch denfe, man halte fich an ben Meis
ſter aller unfrer sopfrechenbücher (die Zahlenverhältniffe
von Peftalozzi ausgenommen); und eifrige Lehrer, die ihn
nicht verftehen, mögen in Lehrerconferenzen ihn verftehen Iernen.
Aber warum wird Diefer Anleit noch immer von den
Lehrern fo wenig gebraucht? Erſtlich, weil er, wenigftens
in ben hiefigen Provinzen, nicht gehörig öffentlich gewürs
digt wurde. Es iſt auch wirklich zu viel Aufmerkſamkeit
und Fleiß nöthig, um den Verfaffer in feinem pſychologi⸗
fhen Gange zu folgen, ihn allenthalben als hohen |Berehrer
der Wiffenfchaft und als tiefen Pädagogen zu erfennen,
als daß ein Mann, ber diefes Buch nicht wirklich Durchges
arbeitet hat, barüber allenthalben richtig urtheilen koͤnnte.
Zum andern iſt er Vielen wirklich nicht leicht zu ſtudiren.
Demjenigen Lehrer, der an ein abſtractes Denken nicht ge⸗
woͤhnt iſt, und dabei nicht denkend rechnen kann, wird es
ſchwer, dem Verfaſſer bis ins Kleinſte hinein zu folgen; in⸗
deſſen iſt es durchaus nicht ſchwer, denſelben verſtaͤndlich zu
machen, wenn man ihn ſelbſt nur gehoͤrig verſtanden hat.
n
— 194 —
. Der Empfehlung diefes Buches habe ich nur noch eis
nige Bemerkungen beizufügen, da die Auseinanderfegung
Des Einzelnen unnsthigerweife ein Buch füllen würde.
1) Sch habe in den erften Sahren, in weldyen ich die
fen Anleit gebrauchte, oft geglaubt, hier und dort beffere
Uebungen gefunden zu haben, bin allenthalben von Tillich
abgewichen; aber immer, id; fage immer, bin ich wieder
zu ihm zurücdgefehrt, und das jedesmal aus voller Ueber⸗
zeugung und mit befonderer Hochachtung vor dieſem pſy⸗
chologifchen Pädagogen. Dies war auch befonders bei Bes
handlung ber Brüche der Fall.
D) Befonderd in den erften Sahren habe ich eine zus
große Menge Beifpiele zu dieſem Anleite gefucht; aber ich
habe gefunden, daß man fehr wol darin zu viel thun fann.
Zu viele Beifpiele führen zum Mechanismus. Ueberall
gebe man nach den auf das forgfältigfte durchgearbeiteten
Uebungen nur fo viele Aufgaben, daß der Schüler die Vers
fahrungsart beftimmt und Deutlich angeben lerne und zu
einiger Fertigfeit gelange, und dann gebe man Beifpiele
son verfchiedenen Uebungen durcheinander auf. Solche
Uebungen aber, weldje große mechanifche Fertigfeit verlans
gen, müffen, vor aller Bermifchung mit anderen, fo Lange
angeftellt werden, bis die Aufgaben mit Schnelligkeit geläft
merden Tonnen. Mir fcheint es nicht gut, wenn dem Leh⸗
wer ein großes Maaß von Beifpielen beigegeben wird; ich
glaube, der Lehrer bemegt ſich freier, denfender, wenn er
die Beifpiele nach dem DBedürfniffe der Schüler im Geifte
des Anleites gibt. Je forgfältiger aber die Uebungen durch⸗
gearbeitet werben, deſto weniger Aufgaben find erfoderlich.
3) Anfänglich war ich damit zufrieden, nur die noth⸗
wendigften Uebungen anzuftelen, und dann die Aufgaben
Ron Tillich Idfen zu laſſen, und glaubte, nicht jeder Hebung
und deren Behandlungsart zu bedürfen; ja, ich fam auf
— 15 —
den Gedanken, jeder gute Anleit gur Arithmetif hätte mich
eben fo ficher geführt; allein ich fühlte mich nach forgfältis
gem Durchfiudiren des Buches auf einen viel höheren paͤda⸗
gogifchen Standpunkt geftellt, und wurde dadurch auch ben
Schülern viel deutlicher.
4) Defter wurde es mir Käfig, jede Uebung ſo lange
in der Anſchauung nachzuweiſen, und jede Loͤſung der Auf⸗
gaben des Buches in Gemeinſchaft mit den Schuͤlern an
der Rechenmaſchine noch einmal den Sinnen vorzufuͤhren;
indeſſen habe ich mich von der Zweckmaͤßigkeit dieſes Ver⸗
fahrens uͤberzeugt. Das Denken im Kopfrechnen muß ſtets
von dem Koͤrperlichen, nicht von der Ziffer begleitet werden.
5) Wo ich auf Maͤngel des Buches geſtoßen bin, da
habe ich dieſelben nicht weſentlich gefunden, und in dem
Geiſte meines Tillichs zu vermeiden geſucht. Moͤchten Anz
dere durch dieſe Geſtaͤndniſſe veranlaßt werden, dieſe Irr⸗
wege nicht zu gehen‘, vielmehr mit einem gruͤndlichen Stu⸗
dium dieſes Buches und mit Vertrauen auf die reine Ans
ficht diefes Mannes das Werk zu beginnen.
Sch fchließe die durchaus nicht uͤbertriebene Anpreifung
diefer Schrift mit Tilliche eigenen Worten: „Lehrer, von
Kraft und Muth befeelt, ergreift den Faden,
der Euch gegeben wird! Bon dem Haude aus
lebendigen Seelen erwartet der todte Buchſt a⸗
ben Geift und Leben. Durch Euh und durd
diefes natürlihe Kunftmittel wird aud ber
Geift in dem Zöglinge fi regen.’ —
‚Lehrer und Erzieher, ohne Euch ift mein Thun Nichte,
durch Euch kann es Alles werden!‘ —
DU U —— 2
n *
— 1096 —
1) . SGrammatit,
Taͤglich 1 Stunde
Ein Drittel diefer Zeit mag für bie Etymologie, und
zwei Drittel mögen für den Satzbau und für die Orthogras
phie angewendet werben.
Zu dem Ende bebürften wir einer recht zweckmaͤßigen
Grammatif, die in zwei Curſe getheilt wäre. Der erfte
Curſus müßte für die niebere und der zweite für die höhere
Volksſchule beftimmt fein. Der erſte Curſus müßte nad)
meiner Anficht eine fcharfe, vollitändige intheilung ber
Wortarten (ſiehe Seidenſtuͤckers einfache Darftellung der
felben) nebft den gewöhnlichen Regeln derſelben, fo wie bie
Regeln der Syntar *), dann fämmtliche Regeln der deut⸗
ſchen Orthographie ganz kurz neben einandergeftellt, fo wie
zur Cinübung des letztern Gegenftandes und zu eigenem
Zwecke eine Menge gewählter Säge und Kleiner Perioden
enthalten, in welchen die einzelnen Beftimmungen der Satz⸗
und Periodentheile durch einander vorkaͤmen. Diefer Curſus
diene fuͤr dieſe und die folgende Claſſe. Der Lehrer arbeite
nun dieſen Anleit auf folgende Art durch.
a) Die Etymologie.
| Er laffe ſichs angelegen fein, jeden Begriff derfelben
ſcharf zu entwideln und dem Schüler einen vollftändigen
Ueberblick fiber das Ganze zu verfchaffen. Die Uebungen
in der Grammatik beabfichtigen nun Feine Sprachbereiches
rung, fonbern nur die Erfennung der Spracform. Sie
Können demnach einfach fein, und an dem bearbeiteten, fo
wie au dem noch zu bearbeitenden Material koͤnnen Die eins
. #). Diefe Grammatik koͤnnte ſich dem zweiten Theile von Tillich ans
Ichließen. u
— 197 —
zelnen Unterfcheidungen und Negeln nachgewiefen werben.
Zu Anfang mag ed gut fein, die Merkmale der einzelnen
Wortarten firenge aufzufuchen; dann kann man bei einem
zweiten Gange die nach den Wortarten zufammengehörigen
Merkmale zu einzelnen Definitionen zufammenziehen, und bei
einem dritten Gange die allgemeinern und leichtern Regeln
ber Etymologie. beifügen. Auf dieſe Art wird das Ganze
im Auge behalten, der Schüler erhält einen Ueberblick über
die Sprachformen, und ed wird ihm dann leicht. Diefelben
allenthalben in bem Material zu finden. und nachzuweiſen.
b) Der Sapb au.
1) Der Schuͤler lerne ſaͤmmtliche Satztheile: Subjekt,
Eopula , Prädikat, Objekt, Terminativ und Adjeft genau
fennen. Freilich kann mam die drei: Ießtern Satztheile als
Befchränfer der erftern aufſtellen; indeffen glaube ich, we
gen der nachherigen Befchränfungen für den Schüler deut
licher und einfacher zu verfahren, wenn man biefe als eir
gene Saptheile aufftellt. Objekt, Terminativ und Adjekt
find für die Rektion zu wichtige Begriffe, ald daß fie nicht
fo ſtark, ald nur immerhin möglich hervorgehoben werben
müßten. Die Iogifche Eintheilung des Satzes leidet dadurch
nichts, indem dieſe Theile anfänglich immerhin als Befchräns
fer erfannt werden Finnen, benen man aber umiihrer Bid
tigfeit willen eine fefte Stellung anweifet.
2) Der Lehrer laſſe Säbe bilden, in welchen jeder dieſer
Satztheile wo moͤglich durch einen Artikel, durch ein Ad⸗
jektiv, Pronomen beſchraͤnkt, durch einen Genitiv, eine
Appoſition oder Zwiſchenſatz beſtimmt werden, und uͤbe
außerdem die verſchiedenen Satzformen an den Beiſpielen
der Grammatik und beſonders dadurch ein, daß er ein und
denſelben Gedanken mit Abänderung in verſchiedene vor⸗
men bringen läßt:
— 198 —
e) Orthograpbie. '
Saͤmmtliche Hauptregeln der Orthographie, wie Die
felben in der Grammatif vorfommen, werben deutlich ers
Härt und gemeinfchaftlich auswendig gelernt. Dann biftire
ber Lehrer. zuerft jene Säbe der Grammatif über den Satz⸗
bau und dann die feinern Regeln über die Scheidezeichenze;
fchreibe das Diktirte felbft an eine große Wanbtafel, laſſe
‚alle Scheibegeichen weg, fchreibe jebes Wort mit, kleinen
Anfangsbuchſtaben, fehle gegen jede beſtimmte Regel der
Orthographie, ohne jedoch das Wort zu entſtellen, laſſe
daſſelbe der Reihe nach von den Schuͤlern mit beſtimmter
Angabe der nicht beobachteten Regel verbeſſern, laſſe jeden
Schuͤler zugleich ſeine eigenen Fehler bemerken, laſſe ſaͤmmt⸗
liche Schuͤler zum ſtrengen Durchſehen die Schriften wech⸗
ſeln und mache ihnen endlich, wie ſchon während des Dik⸗
tirend die feineren Regel deutlich; Diejenigen, welche
viele Fehler machen und nicht deutlich fchreiben, muͤſſen
fpäterhin das Diftirte in ein ordentliches Buch tragen,
Die verftandenen Regeln muß der Schüler fortwährend
dem Gedächtniffe einprägen, damit er ohne den geringften
Sehler auf der Stelle jede Regel im vorkommenden Falle
herfagen koͤnne.
Sobald der Schüler die Hauptregeln der Orthographie
kennt, muß er wöchentlich mehrmal irgend eine Kabel, den
Suhalt eines Gedichted oder eine biblifche ‚Erzählung ıc.
mit eigenen Worten fchriftlich auffegen, und diefen Auffat
gut gefchrieben dem Lehrer zur Gorreftur übergeben.
Dem Gefagten über Orthographie muß ich noch zwei
Bemerkungen hinzufuͤgen:
1) Das Entftellen der Woͤrter durch die ſinnloſeſten
Fehler hat Ekel an dem fehlerhaften Anſchreiben erregt und
zu der Anſicht gebracht, daß jedes fehlerhafte Anſchreiben
nichts tauge. Ich huldige dieſen beiden Extremen keines⸗
— 190 —
weged. Hätte das richtige Schreiben ben gewaltigen Eins
fluß, der ihm jeßt gegeben wird, fo müßte bloßes Lefen
ohne Regel fihon ficher führen. Der Lehrer muß aber ges
rade die Sicherheit des Schülers beabfichtigen, unb darum
wird durch ein vernünftiges Fehlen auf jede Regel aufmerk⸗
fam gemacht. — Muß man denn, felbft bei den geringiten
Dingen, immer ind Ertrem fallen!
2) Sch halte das Abtheilen der Silben nach ber Ab⸗
ſtammung, das uns Manche aufdringen wollen, für falſch.
Hier iſt mein Grund. Die Schrift iſt der Stellvertreter des
hoͤrbaren Wortes; das Auge vertritt demnach die Stelle
des Ohres. Sollen beide nicht in Zwieſpalt kommen, ſo
muß die Schreibform mit der Sprechform uͤbereinſtimmen:
wir muͤßten dann Schneid⸗er ſprechen, wie ſchreiben. Da⸗
durch aber kaͤmen wir zu einer Ausſprache, die die ruſſiſche
an Härte uͤbertreffen möchte. Wenn der Herr von Humbold
erzählt, daß ihm nad) langem Verweilen im fpanifchen
Amerifa, beim Eintritt in Deutfchland in der erſten Zeit
wegen der Härte der beutfchen Mundart die Kinnbaden
wehe gethan hätten: fo mag ed wol überfläflig fein, ums
frer Sprache noch mehr Härte zu geben. Zur Milderung
der Härte und im Dienfte der holden Mufica, die Feine
weges Scherz — es fingen kann, theilt unfre Sprache
nicht ftrenge nach der Abftammung. Sch daͤchte, man ginge
nur dann vom Alten ab, wenn das Neue in jeder Rückficht
beſſer ift.
5) Borlefen
Täglih Y% Stunde
Für dieſe Elaffe eignen ſich Krummachers Parabein,
eine kleine Welt ſtiller Weisheit. Gleichviel, wie viel Bände
— 20 —
chen her Lehrer durcharbeitet; er fehe nur darauf, daß je
des Wort gefaßt, jeder Satz begriffen, jeder Gedanken beher⸗
zigt werde; er fuche den Geift der Parabeln in den Schuͤ⸗
Ier überzutragen, durch Sagen und Fragen, wie er ed für:
den Augenblid am zwedmäßigften hält, und vertraue Dans
dem Geifte der Weisheit in diefen Parabeln, fein eigenes
Werk zu volführen. |
Wie der jüngere Schüler in Lieths Gedichten, Loͤhrs
Erzaͤhlungen, in Wagners Sammlung, im Robinſon,
Schwarzmantel,. Columbus oder in der biblifchen Geſchichte
lebte, fo fol der Schüler biefer und der nädhitfolgenden
Claffe in den. edlen, einfachen Bildern dieſer Parabeln le⸗
ben; fein Sinn für Natur, für Poefie, für alles Gute und
Schöne fol geweckt, er fol mit Menfchenadel gleihfam uns
lagert werben; alles, alles fol ihm das Wahrhaft Gute
ald das Beſte vor Augen fielen, dem er fi nothwendig
und natürlich ganz hingeben müffe. Die Einheit der Sprache
und Empfindung, welche in diefem Buche herrfcht, wirb den
Geift ftiller Weisheit und Frömmigkeit, wird ben befjern
Menfchen in dem Schüler aufregen, gewöhnen und fefligen,
und dabei des Schülers Sprache in einem hohen Grade
verebeln.
Welch ein anderes Lehen wird in der Schule ſich res
gen, wo Bücher der Art dburchgearbeitet werben, flatt fols
her, in denen ber trodene Polyhiftor und der fleife Schuls
meifter wohnt!
Noch einmal frage ich: Warum läßt jener Lehrer ſo
begeiſtert ſeinen Homer, Plato, Demoſthenes, ſeinen Vir⸗
gil, Tacitus und Cicero leſen? Die Schrift begeiſtert ihn,
er erkennt immer mehr die Hoheit jener Geiſter und lernt
noch beim zwanzigmaligen Durchleſen immer mehr Schoͤnes
und Großes; ſein Geiſt naͤhert ſich mehr und mehr den
erhabenen Geiſtern, und mit Wonne ſucht er auch ſeine
— 01 —
Schüler für diefe erhabenen Genieen, nicht für fich zu ger
winnen. Aehnliche Schulbücher dem jingern Alter, und
dann, nur dann wird der Egoift auch aus den niederen
Schulen um fo eher verfcheucht werben Finnen, und es
werben mehr und mehr Männer erwachfen, die einen hoͤ⸗
heren und edlern Geift fennen und verehrt wiffen wollen,
als den ihrigen. : Dann wird auch der Namen Elementars
ſchule, Elementarlehrer in feiner Nichtigkeit erfcheinen, in⸗
dem man fi fchämen wird, allen Gegenftänden an
der Schaale zu zerren und die Schule mit eitlem Winde
aufzublähen. |
—
6 Schreiben.
Taͤglich 1Stunde.
Der Schreibeunterricht wird wie in der vorigen Claſſe
ertheilt. Da indeß ſaͤmmtliche Schreibregeln im Allgemei⸗
nen den Schülern eingepraͤgt fein koͤnnen, fo hat der Leh—⸗
rer hauptfächlich nur jeden einzelnen Schüler auf die Mäne
gel deffelben aufmerffam zu machen, und die Schüler koͤn—
nen nun um fo ungeflörter während der Zeit abwechfelnd
ber Reihe nach jene Briefe Cfiche Leſeuͤbung) einzeln leſen.
Dem Lehrer mag es hier gar nicht ſchwer fallen, auf die
richtige und fchöne Betonung des Lefenden und zugleich
auf die Mängel zu achten, die feine Schuͤler im Schreiben
machen und jeder Schüler verliert durch dieſe Leſeuͤbung
nur einige Minuten von der Schreibftunde; im Ganzen
aber wird dem Lefeunterricht dadurch ein nicht unbedenten«
der Vorſchub verfchafft.
D®Sefang.
Taͤglich Y Stunde
Die Vebungen der untern Claſſe werden zu Anfang
jeder Stunde in einigen Minuten fortgefegt. In der zum
Singen angefeßten Biertelftunde aber werden die Glaͤſerſchen
Singtafeln, die fehr zwedmäßig eingerichtet find, nad
Glaͤſers Anleit durchgenommen. Will es irgend mit einer
diefer Tafeln nicht voran, fo wird das Abfingen der Tons
feiter zu Hülfe genommen.
6te SC laffe
Kinder von 10 bis 11 Jahr.
Täglich 1 Stunde,
Durch dad Borlefen der Krummacherfchen Parabel
hat der Schüler diefe Schrift verftehen gelernt; indeſſen
fehlt noch viel, daß er fih ganz in diefelbe gewöhnt, dies
felbe mit feiner Wefenheit möglichft verfchmelzt hätte. Das
zu fol nun das. oftmalige Leſen, Ueberdenken und Beherzis
gen berfelben verhelfen. In diefer Stunde werbe jede Pa
zabel von der ganzen Glaffe und dem Lehrer fo oft gelefen,
bis an dem Ausdru nichts fonderliches mehr zu tadeln ift.
Die Paufen werden dazu benubt, das noch Unverftändlicdhe
deutlich zu machen, um heile der Parabel von Einzehten
erzählen zu laffen. Viele diefer Parabeln werden theilmeife
nder ganz zu Haufe oder in der Schule aus dem Kopfe
niedergefchrieben, und der Schüler muß dann feine fchrifts
liche Arbeit nach dem Buche verbeflern.
——
— 203 —
9, Schreiben.
Taͤglich 1 Stunde.
Der Schreibeunterricht wird ganz wie vorher gegeben,
nur daß flatt der Briefe jegt die Parabeln von einzelnen
Schülern gelefen werben. Auch kann diefe Stunde ‚zum
beflamatorifchen Herfagen des Auswendiggelernten dienen. .
I | in
3. Liedlernen und Begriffsentwidelungen,
Taͤglich 1 Stunde,
In Ddiefer Stunde werden die religisfen Lieder von
Gellert, einige feiner Schilderungen, wie der Ehrift, der
Menfchenfreund und andere Lieder aus dem Geſangbuche,
wie auch erhebende Pfalmen, gemeinfchaftlich mit den Schuͤ⸗
lern eingelernt. Bei dem, dem: Auswendiglernen ſtets vor
fchreitenden Erflären jedes Verſes hat der Lehrer die befte
Gelegenheit, die entwickelten Begriffe anzuwenden, ſich zu
überzeugen, ob die Definitionen wiedergegeben werben koͤn⸗
nen und unbefannte zu entwideln. Ordentliches Catechiſtren
über vergleichen Lieber würde dem Auswenbdiglernen zu viel
Zeit rauben; auch ift es hier nicht Zweck, ja ich möchte
fagen, daß es unndthig fei, da der Schhler in den unterk
Glaffen fo zwedmäßig vorgebildet worden ift, daß nur wes
nige Begriffe fehlen mögen, auf deren Entwidelung und
Beherzigung der Lehrer bedacht fein muͤſſe.
Was die Wahl der andern Fieber aus dem Gefang-
buche betrifft, fo nehme man folche,, die nicht dieſem Alter
zu unverftändliche Wahrheiten enthalten, fouft erftirbt dag
Intereſſe und das Nachdenken, wenn gleich oft der Schüler
aus Zartgefühl für den Lehrer ſich anftrengt oder anzuftrens
— 0 —
gen ſcheint; auch wähle man Lieder von wirklich poetifchem
Werthe, damit ber zeither gepflegte Gefchmad nicht in feis
ner zarteften Blüte zerfnickt werde. Manche Lehrer wählen
abfichtlich Lieder, durch welche fie mit dem Schüler fchwärs
men Tonnen. Es ift aber eine Sünde gegen den menſchli⸗
chen Geift, wenn der Xehrer von einem Knaben Begeiftes
rung verlangt; dieſe gebührt dem reifern Juͤngling und
dem Marme; die Begeifterung des Knaben ficht der Paͤda⸗
goge faft in allen Fällen ald Unnatur, und darum als ets
was Abfcheuliches an. Wo Begeifterung ift, da muß auch
Kraft fein, die jene in Schranfen hält, font wird fie efels
hafte Empfindelei. Wie unnatürlich ein folched Beftreben
unvernünftiger Lehrer fein müffe, geht fchon aus der Ver⸗
geblichkeit ihres Bemühens hervor eine Claſſe in Begeifte-
rung zu.feßen, wenn gleich es ihnen bei Schwächlingen und
Ueberreifen gelingen wird. Der Lehrer nothreife aber um
Gotteswillen nicht. die menfchliche Natur, und bebenfe, daß
begeifterte Knaben entweder Phanatifer, oder matte Juͤng⸗
linge, ober ausgetrocknete Männer und ftumpfe Greife
werden. Was früh gefättigte Wolluft des Knaben auf feis
nen reifern Körper wirft, das mag früh gefättigte Begeis
fterung auf die Seele deſſelben wirken.
Aus dem Grunde habe ic, Krummachers ftille Weisheit
und Gellertö warme Frömmigkeit mir für biefes Alter zu
leitenden Engeln erwählt.
4. Srammatil
Zaglih 1 Stunde
In diefer Elaffe wird nun der zweite Theil der deut⸗
ſchen Grammatit, nämlich die Syntar, burchgearbeitet.
— 25 —
Die Präpofitionen werben Feine Sichwierigfeiten mehr was
chen; defto fchärfer nehme ber Lehrer nun die Rektion der
Zeitwoͤrter ıc. vor. Schade, daß wir im Deutfchen mit biefen
noch nicht auf dem Reinen find, daß der fcharfe und reine
Begriff ver Subjeftivität und Objeftivität nicht
allenthalben den Ausfchlag gibt, und man noch imnter die
meiften reinen NReciprofa mit dem Afkufativ verbindet.
Kurz, nad) meiner Anficht gibt es hierin noch viel zu ſaͤu⸗
bern, wenn wir nicht troß aller hochgelehrten Terminolo⸗
gieen im Finftern tappen wollen. Sch wollte, tüchtige Gram⸗
- matifer und Dichter führen durch, wie ein Luther und
Klopſtock, damit wir aus der hoͤchſt unangenehmen Lage
des Drehens und Wendens nach dem Winde herausfämen.
Auf die alte Art währt es noch ein Sahrhundert, ehe man
fagt : ich ſchaͤme mir, obgleich ich fchlechterdings nicht wirt
fam auf mich bin, und doch. nur in der Bedeutung bes
Ausdrucks der Sinn liegt: ich empfinde, habe Scham ı€,
So lange in der Rektion noch fo viel Willfür herrfcht, ala
jest, müffen bie einzelnen Woͤrter noch auswendig gelernt
werben. Diefe übe denn ber LXehrer in ber Schule ein,
und verlaffe ſich nicht auf den häuslichen Fleiß. Da nun
die Neftion nicht viele Zeit wegnehmen kann, fo gehe. der
Lehrer noch einmal die ganze Grammatit durch und helfe
da nach, wo ed noch mangeln follte. E
Die Hälfte oder ein Drittel diefer Stundenzahl benutze
der Lehrer für Uebung in fchriftlichen Auffäben. Er Iaffe
bald eine Fabel, bald eine Parabel, bald ein geiftliches
Lied mit des Schülers eigenen Worten auffchreiben, balb
fodere er einen Brief, oder einen Heinen Auffat über irgend
einen Begriff oder eine gut erfannte Wahrheit. Dann Iefe
er ın der Stunde einige Auffäße vor und verbefiere dieſe,
indem er fämmtliche Schuler . auf Die begangenen Fehler,
wie. auf. das. Gelungene aufmerkfam macht: ,. Die andern⸗
— 906 —
Aufſaͤtze leſe er zu Haufe und bemerfe fich die Mängel durch
Beihen, um die Schüler auf jedes. Fehlerhafte aufmerffam
zu machen. Gelungene Auffäße werden abgeſchrieben und
bei der Prüfung vorgezeigt.
u 2 22 27
5. Kopfrechnen.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Diefer Gegenftand wird ftrenge nad) Tillich fortgefeßt,
und der ganze Anleit wo möglich abfolvirt.
6. Zafelredhnen.
Taͤglich 1 Stunde.
Nachdem der Schüler nın im Kopfrechnen bewandert
ift, wird es ihm durchaus leicht werben den Tafelrechenuns
terricht zu fallen. Diefe Claffe befaßt fih nun mit den
vier Syecied in ganzen, gebrochenen und benannten Zahs
fen. Auch hierüber habe ich nicht noͤthig mich umftändlich
auszufprechen, da hierin das Rechenbuch von Schumacher
ce Düfleldorf bei Schreiner) und in mancher Ruͤckſicht noch
mehr das von Diefterweg und Henfer (Elberfeld bei Buͤſch⸗
fer) etwas ganz Außerordentliches leiſten. Die Aufgaben
find hier mit tiefer Einficht in die Arithmetif, in einer ganz
vortrefflichen Stufenfolge und mit einer folchen paͤdagogi⸗
ſchen Borficht geftellt, Daß der Schüler zum Nachdenken
fih gezwungen fieht; daß er, mit einiger Beihälfe von
Seiten des Lehrers, Leicht voranfchreiten ‚. fich - hinlängliche
praftifche Fertigkeit erwerben, und zum fichern Gebrauch
der ganzen Pegel gelangen kann. Die Aufftelung jeber
Hegel wird in dem letztern befonbers Dadurch ‚noch zweck⸗
mäßig, daß fie in ihren Anfängen fi dem Kopfrechenuns
— 207 —
terrichte fo fehr Anfchließt und Fragen ſtellt, die gleich in
das Innere der Regel hineinführen. Zum Bewundern fehde
und zwecmäßig find die Brüche und die Proportionen abs
gehandelt. Außerdem ift der Muͤnzfuß, die Pari, die Wedy
fels und Arbritagenrechnung mit einer tiefen Sachfenntniß,
und mit folcher Vorficht behandelt, daß jeber Schüler, der
ſich dem Taufmännifchen Fade widmet, dadurch vollig
Herr des faufmännifchen Rechnungsweſens werben kann.
Sollte mancher Lefer hier und dort zu kuͤnſtlich geftellte
Aufgaben finden, fo kann er die Loͤſung derſelben auf fpäs
tere Zeit hinausſchieben. Beide Berfafler arbeiten jetzt
an einem Anleite, der den Lehrer ganz in das Innere jeder
Kegel hineinführen fol. Es laͤßt ſich da nur Vortreffliches
erwarten. Jedoch muß ich den Wunfch ausfprechen, daß
es den Herren Berfaflern gefallen möge, jedes ber größern
und fchwerern Erempel, in welchen ver Schüler floden
möchte, praftifch aufzuldfen,, wie Diefes in dem Anleite von
Schumacher auf eine vortreffliche Art gefchehen ift, welchem
Manne wir in den hiefigen Provinzen. wirklich in Rückficht
auf vernünftige Loͤſung der Aufgaben viel, fehr viel zu
verdanken haben, und durch welchen wirklich in vielen Schus
len das mechanifche Rechnen verbrängt worden if. Sch
füge diefem noch einige Bemerkungen hinzu.
a) Fuͤhlt der Lehrer fich gedrungen, mehrere Abtheiluns
gen zu machen, was er zu verhindern ſuchen muß, indem
er den Schwachen befonders nachhilft und die Geuͤhtern
mehre Beifpiele rechnen laͤßt: fo laſſe er einen Schäler, abe
wechfelnd mit den Äbrigen, das von den einzelnen Schüferg
angegebene Facit ihres Erempeld nacfehen, damit er im
feiner Befchäftigung mit der andern Abtheilung oder mit
einem beftimmten Schüler nicht geftört werde. Der nad
fehende Schüler darf inbeffen nur mit einem bejahenden
oder verneinenden Winf antworten. Kann ein Schüler ſich
— 108 —
felbft nicht helfen, fo macht er auf die Huͤlfe des Lehrers
Anſpruch, der dann oft durch einige Fragen zurecht führen
fann, wenn der Anleit die Auflöfung praktiſch hingeſtellt
bat. Daß diefes Außerft zeiterfparend ift, davon hat mich
ber vieljährige Gebrauch des Schumacherfchen Rechenbuches
hinlänglich überzeugt.
b) Der Lehrer arbeite die Theorie der Regel mit den
Schälern durch, bevor er biefe ſeibſt rechnend ſich uͤben laͤßt.
Zu dem Ende entwickele er zuerſt die Hauptanſicht, nehme
dann einen Fall nach dem andern und bringe endlich mehre
Faͤlle in ein Beiſpiel.
c) Die Brüche muͤſſen in dieſer Claſſe fo lange geübt
und beſprochen werden, bis der Schuͤler dieſe eben ſo fer⸗
tig und mit derſelben klaren Einſicht, wie die ganzen Zah⸗
len rechnet.
d) Saͤmmtliche Lehrſaͤtze der vier Species, wie folche
in Tillich vorkommen, muͤſſen dem Gedaͤchtniſſe der Schüler,
nachdem fie Kar begriffen find, feft eingeprägt werben.
I — —
7. Geſangunterricht.
Woͤchentlich 2 Stunden.
In dieſer Claſſe wird der erſte Theil des Schulgeſang⸗
buches von Glaͤſer durchgeſungen. Die außerordentliche Auf
nahme, welcher Diefes Buch fich erfreut, fo wie der vieljährige
Gebrauch deffelben, haben mid von dem Nuben biefer fo
zweckmaͤßig geftellten und ſchoͤnen Lieder uͤberzeugt. Möchte
auch diefes Buch des, leider! früh verftorbenen edlen Mans
nes und vortrefflichen Componiſten für Kirche und Säule
recht erkannt und benußt werben.
Der Lehrer übe nun mit jeder Abtheilung die verſchie⸗
denen Stimmen ein und laſſe erſt dann das Lied mehrſtim⸗
— 200 —
mig zuſammen fingen. Auch mit dieſer Claſſe wird in Zwi⸗
ſchenzeiten die erſte Uebung am ver Skala fortgeſetzt. Daß
der Lehrer bei allem Singen auf Taktſchlagen, Takthalten
und auf Schoͤnheit des Vortrags merken muͤſſe, bedarf kei⸗
ner nähern. Erwähnung ©.
RU 0
ste Elaffe.
Schüler von 11 bi8 12 Fahre,
" ‘ . .
DXefen.
Wöhentlih 4 Stunden.
Was der vorigen Claſſe die Parabeln von Krummas
cher waren, das mögen diefer Claſſe Herders und Liebeskinds
Palmblätter fein. Tendenz und Sprache beider vorzüglichen
Werke find beinahe gleich; darum prägen. fidy beide Schriften
dem Wefen des Schülers um fo. mehr ein. Da ber Schüler
dieſer Claſſe fchon weiter gefördert ift, und dieſe Parabeln
als eine Fortfeßung der vorigen anzufehen find: fo bedürfen
diefe feines vorherigen Durchgehens, der Lehrer kann fie
beim Lefen erflären, denn er .muß ſich ohnehin. auf Das eins
ſchraͤnken, was die Parabel bezweckt. Uebrigens lieſt auch
diefe Claſſe die einzelnen Stüde mit dem Lehrer, ‚gerade
wie in den nntern Claſſen, gemeinſchaftlich **).
+) Mit dieſer Claſſe ſchließt fi ch der Gang, den die niedere Bet
ſchule mit der höheren gemein hat, Am Enbe ber Aufftellung dies
fee Claſſen, wird noch von ben beiden Seitenklaffen der nieberen
Volksſchule die Rebe fein.
”*) Sobald wir einen wirklich verbefferten Becker haben werben‘, ober
eine Geſchichte, wie ich diefelbe für die Jugend fodere (fiehe Ges
ſchichte), ſo können mit dieſer Staff die beiden erſtern Theile derfelben
deleſen werben,
o
— 10 —
2 Schreiben.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Der Unterricht hierin wird wie in den untern Claffen
nach Heinrigs Vorfchriften ertheilt. Schüler, welche fchlecht
fchreiben, muͤſſen fich ein Heft diefer Vorfchriften anfchaffen,
und woͤchentlich zwei bis vier Seiten zu Haufe fchreiben,
die dann in den Schreibftunden jedesmal vorgezeigt werden
müffen, und von dem Lehrer mit einer rothen Linie zur Ber:
hätung der Unterfchleife verfehen. werden. Während des
Schreibeunterrichts leſen einzelne Schüler aus dem Lehrbuche
der Geſchichte.
37 Deutſche Sprade.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Sm diefer Claſſe fängt nun die Benußung bed zweiten
Curſus der erwähnten deutfchen Grammatif an. Was nach
meiner Anficht in Diefem Curſus enthalten fein müffe, wird
unter der Nubrif ‚‚deutfche Sprache‘ in biefer und ben
nächft folgenden Claſſen vorkommen.
Zuerft werde die Bedeutung der Bindewoͤrter möglichft
furz, aber mit nöthiger Schärfe für den Gebrauch derfelben
abgehandelt. Man unterfcheide hier nur forgfältig, was
dem Menfchen von allgemeiner Bildung, und was dem
Sprachforfcher angehören foll. Lebteres mag in einem an⸗
dern Werfe vorkommen. Jene Bedeutung muß nun von
den Schülern ſcharf aufgefaßt und auch durch felbftgefuchte
Beifpiele dargethan werben.
— 11 —
Demnad, enthalte das Buch eine Elaflififation der Pe:
rioden. Auch bier komme es nicht auf Subtilitäten an, die
der Sprachpbilofoph erft bei forgfältiger Scheidung jedes
Einzelnen findet; der Zweck geht nur dahin, den Schüler
auf die Verfchiedenheit der Perioden aufmerffam zu machen,
ihn Perioden der Art bilden und ihn zur Aufnahme ſtili⸗
ftifcher Regeln empfänglich werden zu laffen. Es würde
nicht unzweckmaͤßig fein, wenn etwa bie beiden Reden auf
Friedrich den Großen von Engel und von Johannes von
Müller beigedruct und die Perioden mit einer laufenden
Nummer bezeichnet würden, damit man fich ſowol hier bei
der Slaffififation, als auch bei den übrigen rethorifchen
Regeln bloß durch Nummern auf fämmtliche Beifpiele in
diefen Reden beziehen koͤnnte.
Diefe Reden biftire der Lehrer, buchftabire jedes Wort
während deſſen forgfältig vor, und mache die Schüler
nochmals auf alle orthographifchen Negeln, wo er nur
Gelegenheit dazu findet, aufmerkffam , erfläre das aus den
Reden, was fich Schülern diefes Alters ſchon erflären laͤßt,
und laffe alsdann das Diktat auswendig Iernen. .
Endlich ftelle die Grammatik für Diefe Claſſe noch eine
fleine Anzahl der fchönften Perioden in ihrer allmähligen
Entftehung aus nadten Saͤtzen auf, damit Lehrer und
Schuͤler den Bau der Perioden Fennen lernen und in diefem
Geiſte einüben Finnen. Sch habe die Uebung, Perioden
aus nacten Säben nach und nach entftehen zu laſſen, fehr
förderlich gefunden, und auf diefe Art eine große Anzahl
Briefe aus Rumpfs Sammlung dahin durchgearbeitet, daß
zum Schluß jedesmal die verlangte Perisde, nad) möglichft
freier Zuſammenſetzung, erfolgte.
g *
— 1 —
4) Rechnen.
Woͤchentlich 4 Stunden. |
In diefer Claffe werden bie Proportionen ganz aus⸗
führlich, befonders auch nach dem A1ten Abfchnitt von
Ernft, Gottfried Fifchers Geometrie und nach deſſen Ariths
metik abgehandelt. Was Fifcher jedoch in feiner Geometrie
an Linien bewiefen hat, kann der Lehrer leicht mit Buchitas
ben beweifen, obgleich der Schüler noch feinen Unterricht
in der Buchflabenrechnung erhalten hat. Die Lehre von
den Proportionen muß dem Schüler fchlechterdings ganz
Mar vor Augen fliehen und ihm bleiben, und fo kann der
Lehrer dann von Regel zu Regel fchreiten.
Bei diefen, den fogenannt umgefehrten, und den zus
fammengefegten Berhältniffen habe ich ed immer fehr zweck⸗
mäßig gefunden, mir das befannte und dem Schuler das
unbefannte Verhältniß zuzutheilen, indem dadurch dieſe
Scheidung in Etwa erleichtert wird. — Die Kettenregel
Yaffe man erft ordentlich nach Proportionen rechnen, dann
auf die Art, daß man bie unbekannten Glieder durch Budhs
ftaben ausbrüdt, und aus dieſen Säben entwidele man den
Kettenfab, nach welchem fämmtliche Beifpiele zum drittens
male gerechnet werden.
a __ 5
5) Geſang unterridt,
Waoͤchentlich 2 Stunden.
Bei diefem Gegenftande ift weiter nichts zu bemerken,
als daß die Tonleiteräbung feinesweges vernachläßigt wer
den dürfe, daß ber zweite Theil des vortrefflichen Schuls
geſangbuches von Glaͤſer, ber ebenfalls außerordentlich
— 13 —
zweckmaͤßig und ſchoͤn ift, mit den Schülern erft ein » und
dann mehrftimmig eingeibt werden muͤſſe, und daß Die
Schüler angehalten werden, regelmäßig Takt zu fchlagen,
rein und fehon vorzutragen, und, wie immer, bie Worte
deutlich und fingrichtig auszufprechen. Ä
6 Religiondsunterridt.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Der Schüler ift zeither auf einen foftematifchen Reli⸗
gionsunterricht vielfeitig vorgebildet worden, fo Daß ber
Lehrer den beiten Erfolg feines Bemühend erwarten Tann,
wenn er ſich über Gegenftände ber Art nicht bloß Far und
einfach ausſprechen, fondern vielmehr fi) auch zweckmaͤßig
unterhalten kann. Zufammenhangende Vorträge paſſen für
diefes Alter noch keinesweges; der Knabe fohweift ab, wenn
er nicht durch. Bilder ꝛc. feitgehalten wird, unb biefe find
bei vorftehendem Lehrgange Feinesweges Hanptfache; er fol
hier in Abſtrakto denfen, fol jegt folgern lernen, wenn er
vorher das Conkrete ins Abftrafte tragen, ‚nur anwenden
mußte.
Dabei wird der Lehrer nun immer wohlthun einen Ca⸗
techismus zum Grunde zu legen, der ihm voͤllige Gelegen⸗
heit darbietet uͤber alle chriſtlichen Wahrheiten zu ſprechen,
der feine ſaͤmmtlichen Grundſaͤtze mit Ausſpruͤchen ber Bibel
belegt, der in einer edlen, begeifternden Sprache gefchries
ben ift, und ber, ‚belebt von warmer Religiofität, in reis
ner, Harer Sprache, weder dem: bloßen Berftandeschriftens
thum noch der Schwärmerei huldigt. Unter den vielen mir
befannten Gatechisnten für den Unterricht in dem proteftans
tifchen Glauben hat ber von Dräfefe in Bremen, nämlich
— 14 —
„Ölaube, Liebe, Hoffnung,‘ diefen Anfoderungen nach
meiner Anficht in einem außerordentlichen Grade Genüge
geleiftet. Dank dem vortrefflichen VBerfaffer! er hat mich
oft begeiftert, und zwar in allen Abtheilungen diefes Werk;
chens. Sobald diefes Buch aber allgemein gebraucht werden
ſollte, möchte eine Revifton deffelben von der hohen geiftlichen
Behörde vielleicht Darum erfoderlich fein, Damit der Lehrer
alfenthalben im Vertrauen auf die anerfannte Nichtigkeit
des Snhaltes fich demfelben um fü mehr hingeben koͤnne.
Nach meiner Meinung möchte der Lehrer nicht unzweck⸗
mäßig verfahreit, wenn er bei diefem ‚Unterricht folgenden
Bang nehme; id) wenigftend habe mich dabei fehr gut bes
. funden.
a) Zuerft unterhalte er ſich mit den Schülern über den
durchzuarbeitenden Paragraphen frei, mit Klarheit und In⸗
nigfeit, fodere die Definition jedes vorfommenden religidfen
Begriffs, und entwidele nach Gräff da, wo er nachhelfen
muß; denn das Vorfagen einer Definition hilft nichts. Im
Ganzen fei ber Unterricht eine Unterhaltung, und nur da,
wo die Wahrheit verftanden, gefaßt ift, präge ber Lehrer
diefelbe mit wenig Worten, aber mit Wärme in dag
Innerſte feiner Schüler. Wo der Fluß der Rede anfängt,
hört in der Regel das ftäte Folgen des Schülers auf; wo
der Lehrer in Empfindungen hinfchmilzt, fängt der Schüler
an zu träumen. Mit Kraft, Wärme, Innigfeit Manches
gejagt, Alles befchloflen, thutgute Wirkung: immerwährende
Spannung erfchlafft, oder ‚gewöhnt an ein bloß paſſives
Hören.
b) Die Wahrheit der auf biefem Wege gefundenen Saͤ⸗
tze muß alsdaun durch Ausſpruͤche der heiligen Schrift dar⸗
gethan werden. Der Schuͤler mag demnach jeden von dem
Lehrer angegebenen Spruch nachſchlagen und durch den Teh-
rer denſelben verſtehen und als Beweisftelle gedachter Wahr:
— 15 —
heit erfennen lernen. Diefes fchafft dann eine Wiederholung
des in voriger Neligiongftunde Erkannten und druͤckt bems
felben das Siegel der Wahrheit auf.
c) Diefe Wahrheit wird vielleicht Durch ein von den
Kindern früher auswendig gelerntes Lied, das hier wiederholt,
und im Fall es in Etwa wieder vergeflen worden ift, zum
Wiederlernen aufgegeben wird, „der auch durch einige zu
fammenhangende Worte noch einmal dem Gemüthe des
Schülers eingeprägt. |
d) Sollte der Catechismus nicht in den Händen ber
Schüler fein, fo biftire der Lehrer Die Paragraphen aus
Dräfefe, und wo er von demfelben abweicht, befleißige er
fi vor allem, wie Draͤſeke, der Kürze, Klarheit und ber
febendigen Darſtellung. Daß biefes Diktat von folchen
Schülern, die nicht deutlich und reinlich fchreiben, ordentlich)
in ein Heft abgefchrieben, daß jeder Schüler feine Hefte für
die Prüfung aufbewahren und darum von Zeit zu Zeit zei⸗
gen müffe, bedarf feiner weitern Erwähnung.
e) Solche Wahrheiten aber, die ber Schüler mit feis
nem Berftande faffen fann, mit Klarheit gefaßt hat, und
die fich für einen fchriftlichen Auffas eignen, benube ver
Lehrer, um ihre Empfindungen und ihre Erfenntniß kennen
zu lernen, fo wie auch, um fie im fchriftlichen Vortrage ih-
rer Gedanken zu üben. Gelungene Arbeiten werben dann
für die Schulpräfung abgefchrieben.
Und damit mag dann der Fehrer diefes Saamenforn als
ausgefäet betrachten zum Tage der Erndte.
Da Segliches hier umftändlich durchgearbeitet wird, ſo
mag der Lehrer mit diefer Claſſe kaum zur Hälfte des Buͤch⸗
leind fommen, das in der folgenden Claffe aber abfolvirt
wird.
— 10 —
Schließlich muß ich noch bemerken, daß dieſes Buch
nicht leicht zu bearbeiten ift, und trene Vorbereitung von
Seiten des Lehrers erfoberlich macht.
Mit bdiefem in Verbindung ſteht nun nody folgendes,
was für alle Claſſen gilt.
a) Bor den chriftlichen Feſttagen wird in befonbern
Stunden der Theil der biblifchen Gefchichte wiederholt, der
fi, auf die Feier des Feftes bezieht, und das Ganze wird
zu dem Ende fo eingetheilt, daß die ganze biblifche Gefchichte
des neuen Teſtaments jährlich wiederholt wird. Diefes ges
fchieht in allen Elaffen, weldye die biblifche Gefchichte ken⸗
nen; den unterften Claffen aber wird ein Ueberblick über
die Wefenheit der Feier durch irgend eine zweckmaͤßige Uns
terhaltung gegeben. Bei diefer Wiederholung koͤnnen immer,
hin mehrere Claſſen verbunden werden.
) Eine Biertelftunde vor dem Anfang des gewähnlis
chen Unterrichts verfammeln ſich die Schuler mehrerer oder
fammtlicher Claſſen in einem der größten Schulzimmer zur
Morgenandacht. Jede Elaffe wirb dann von ihrem Glaffen«
Ichrer, der vor berfelben flieht, beauffichtigt. Einer ber
Lehrer fpricht dann mit Wärme und Sinnigfeit ein Gebet
in einfacher aber edler Sprache, welches eine Betrachtung
enthält und mit dreißig und einigen andern Gebeten ab»
wechſelt. Diefe Betrachtungen müffen den reinen, edlen
Geift der Schule darftellen und mit einer folchen Klarheit
und Salbung abgefaßt fein, daß der Schüler ſich bewogen
fühle, diefe nicht ohne Wirkung auf fidy zu beten. Solche
Gegenftände wären unter andern: Gottes Größe, Erhabens
heit, Güte ıc., Die Ehrfurcht vor Gott und Jeſu, die Ers
tennung des Berdienftes ıc. Sefu, die Erfennung bed Sunds
haftigen in eigener Bruft, das Streben nach allem Höhes
ren, ber Fleiß, die Wahrhaftigleit , die Reinheit der Seele,
der Gehorſam, die Liebe zu Eltern und Lehrern, das Mur-
— 117 —
ven, das Bemänteln der Fehler, die Menfchenliche ꝛc.
Jedem diefer Gebete koͤnnte eine fünf Minutenlange Ber
trachtung vorhergehen, in welcher Diejenigen der vorzuͤg⸗
lichften Gedanken des Gebetgegenftandes vorfämen, welche
ſich dem Gebete nicht wol einflechten laſſen, oder welche
doch dem nachfolgenden Gebete um fo mehr Eindringlich⸗
feit in das Innerſte der Seele verfchaffen. In diefem Falle
möchte ein Geber von nicht mehr als Drei Minuten Länge
um fo zwecmäßiger wirken. Will man diefes nicht, fo
fönnte man einen kleinen Abfchnitt aus der Bibel erklaͤ⸗
rend vorleſen.
Nach dem Gebete werden etwa zwei Verſe eines Kir⸗
chenliedes geſungen, und der Geſang wird mit der Orgel
begleitet. Dieſer Geſang kann als fuͤr ſich beſtehend ange⸗
ſehen werden, da der Gebetsgegenſtaͤnde ſo wenige ſind,
und die Schuͤler doch auch die Kirchenmelodieen kennen ler⸗
nen muͤſſen. Darum wähle der Lehrer für jede Kirchenmes
lodie einige Lieber aus, und finge diefe in der Morgenans
bacht mit den Claſſen der Reihe nach durch; nur vor chrift
lichen Feſten wähle der Lehrer yaflende Lieder. Da dem
Iutherifchen Gefangbuche fehr unzweckmaͤßiger Weife keine
Melodieen beigebrudt find, fo wähle man beim etwaigen
Gebrauch deſſelben das Melobieenbuh von Natorp als
Beihuͤlfe.
Uebrigens muß der Schuͤler durch ein ſtaͤt frommes
Verhalten des Lehrers, wie auch durch das Streben befs
felben einen wahrhaft edlen, frommen Geift in der Schule
zu erfchaffen und zu erhalten, zum religidfen Leben ermuns
tert und gewöhnt werden.
Was endlich die Wefenheit Des Fatechetifchen Unterrichts
felbft betrifft, fo weife ich auf die Katechetif von Schwarz
hin, der diefen Gegenftand ganz vortrefflid, abgehandelt hat.
— 218 —
7) Sranzöfıfhe Sprade.
Woͤchentlich 7 Stunden.
Für dieſen Gegenftand in diefer Claſſe ift mir, Klei⸗
nigfeiten abgerechnet, Fein Buch denkbar, daß auf natur
gemäßere Weife den Schüler in biefe fremde Sprache eins
führen koͤnnte, ald das Elementarbud; von dem verewigten
Seidenftüder. Seidenftüder geht von dem Hauptgrundfage
aller Kehrfunft aus, daß dem Schüler zuerjt ein Material
gegeben werden müffe, wenn er Regeln in fidy verarbeiten
und anwenden lernen fol. Ohne nun weiter die Vorzüge
diefes Buches zu rühmen, will ich angeben, wie ich Daffelbe
felbft gebraucht habe, ja wie es zehn Jahre lang in meis
ner Anftalt gebraucht worden ift, und den vorgefeßten
Zweck ganz hat erreichen laſſen.
Borübung.
Der Schüler Iernt den franzöfifhen Artikel und das
Fürmwort defliniren. Schüler, die fo weit vorangefchritten
find, wie diefe Claſſe, kann diefes keinesweges fchwierig fein.
Gewoͤhnliche Uebungen.
Die gewöhnlichen Uebungen, welche durch; das ganze
Buch gelten, ſind folgende.
a) Der Schuͤler lernt die uͤber den Stuͤcken ſtehenden,
oder doch zu den Stuͤcken gehoͤrigen neuen Woͤrter deutlich
und moͤglichſt rein ausſprechen und aus dem Kopfe buch⸗
ſtabiren, und dieſes zwar in der Schule.
) Das Stüd wird mündlich uͤberſetzt, und wo nur
Die geringftie Abweichung von dem Gewöhnlichen, oder Die
Anwendung irgend einer Regel fich findet, da lafle der
Lehrer die Negel ꝛc. auffuchen, oder doch Far einfehen.
— 219 —
Diefer Regeln gibt es aber nach der Tendenz des Buches
möglihft wenige |
c) Nach mehrmaligem Weberfeßen wird das franzoͤſiſche
Stuͤck oft zufammengelefen, mehrmal aus dem Kopfe budjs
ftabirt, und dann auf deutfch gleich fortgelefenz; das deutſche
Stuͤck wird ebenfalld nach mehrmaligem Ueberſetzen auf
franzöfifch gelefen und aus dem Kopfe buchftabirt.
d) Die Schüler muͤſſen das burchgearbeitete Stüd zu
Haufe fehriftlich uͤberſetzen, und müffen in der Schule ihre
gemachten Fehler nach forgfältigem Borbuchftabiren bes
Lehrers verbeflern. Diefer fieht zu Haufe nady, ob alles
forgfältig gearbeitet und verbeffert ift, und läßt das über-
fete und verbefferte Stuͤck abfchreiben.
e) Sp lange ald nöthig laͤßt der Lehrer jedes deklinir⸗
bare Wort mit Nennung der ordentlichen Caſus Nom. ıc.
abändern; auch wird von jedem vorfommenden Zeitworte
fo lange als nöthig die Zeit Fonjugirt, in welcher das
Wort fteht.
f) Bevor der Lehrer von dem Stüte abgeht, mögen bie
Schüler verfuchen, ob fie die meiſten Säte beffelben in
franzsfifcher Sprache aus dem Kopfe herſagen, und aͤhn⸗
liche Saͤtze bilden koͤnnen.
5) Iſt die Claſſe etwa zwoͤlf Seiten weiter geruͤckt, ſo
werden die durchgearbeiteten deutſchen Stuͤcke gleich auf
franzoͤſiſch, die franzoͤſiſchen aber erſt auf franzoͤſiſch und
dann auf deutſch gemeinſchaftlich oder auch zur Pruͤfung,
von einzelnen Schuͤlern geleſen. Auf dieſe Art lernen die
Schuͤler fertig leſen, und bleiben mit allen Stuͤcken in fort⸗
waͤhrender Bekanntſchaft. Sind die Schuͤler weit im Buche
vorangeſchritten, ſo muß eine Stunde woͤchentlich fuͤr dieſe
Wiederholung feſt geſetzt werden.
h) Die ind Deutſch uͤberſetzten Stuͤcke muͤſſen dann auch
wieder ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt werden, wobei der Schuͤ⸗
— 20° —
Ier feine gemachten Fehler aus dem Buche verbeffern kann.
Dadurch wird der Schüler hier und dort gewahr werden,
daß er einige Regeln, wie die von ber Fleftion der Partis
cipe ꝛc. noch nicht kennt; indeffen hat er diefe nad) Dem
Zwed des Buches noch nicht zu wiſſen nöthig, Fälle die fo
viel als möglic vermieden worden find.
ji) Die den Städen vorgedrudten Theile der Conjugas
tionen ıc. fo wie die Formeln der vier Gonjugationen ꝛc.
muß der Schüler, wenn er dahin kommt, fertig Tonjugiren
lernen. Um diefe Formeln dem Gefühle nach in eine zu
verwandeln, übe der Lehrer jede Perfon von allen vier
Formeln zugleich ein, wie: je parle, je finis, je regois, je
vends etc. Es ift hier, wie allenthalben, jedoch mehr von
einer gemeinfchaftlichen Einuͤbung in der Schule, ald von
dem Auswendigleren zu Haufe zu halten. Nur die Uns
aufmerffamen and Trägen müflen das zu Hanfe nachholen,
was fie in der Schule verfäumt haben.
Schreitet der Lehrer mit ſolcher Gruͤndlichkeit und Vor⸗
ſicht weiter; weiß er die Luft zu erhalten, ja.’ zu ſteigern,
welches Leicht erfolgt , wenn der Schüler mit Gruͤndlichkeit
voranſchreitet, zu Hauſe nicht mit vielem Auswendiglernen
geplagt wird, und der Lehrer zu Zeiten certiren laͤßt: ſo
wird er nach Verlauf eines Jahres das Vergnuͤgen haben,
daß ſeine Schuͤler jedes Stuͤck des Buches auf der Stelle
in der andern Sprache fertig wegleſen, und manche Saͤtze
in franzoͤſiſcher Sprache werden bilden koͤnnen. Iſt der
Lehrer im Sprechen geübt, fo wird er dadurch im Stande
fein, feine Schüler das Material noch tüchtiger vorarbeiten
zu laſſen.
— 1 —
8 Geographieyy.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Deutſchland.
Wer unſre Lehr⸗ und Memorienbuͤcher, unſre Charten
und die Unterrichtsmethode der Geographie ſcharf ins Ange
faßt, und diefelben mit dem Zweck diefer Wiffenfchaft ver⸗
gleicht: dem kann das Mangelhafte, das fich faft allent-
halben nur zu deutlich ausfpricht, nicht entgehen. Sch will
es hier verfuchen, auf den Zweck, auf eine beſſere Methode,
und auf eine beſſere Einrichtung der LUnterrichtsmittel ıq.
hinzuweifen, und will zu dem Ende nur folche Ideen aufs
ftellen, deren Richtigfeit ich in vieljähriger Praris als erprobt
gefunden zu haben glaube. Denfende Männer vom Fach
mögen dann beipflichten, oder ein Beſſeres begründen.
A. Zwed des Geographieunterridhts.
Wird der Unterricht in der Geographie zweckmaͤßig bes
trieben, was ich hier vorausfeßen muß: fo ift derfelbe das
vorzüglichite Mittel, das Namens, Orts, Zahlen- und
Sachgedaͤchtniß, in fleter Verbindung diefer Kräfte, zu
üben. Es werden durch diefen Unterricht Taufende Namen
dem Gebädhtniffe eingeprägt, die Lage diefer Gegem
ftände, fo wie die Form ber Länder und Provinzen vor
die Außere und innere Anfchauung geftelt, eine Menge
Zahlen eingehbt, und es wirbein gewiſſes Maaß von Merk
wirdigfeiten behaltlich beigegeben. Der Geographiunterricht
*) Im 2. Bande der Rheiniſchen Blätter 1828 mitgetheilt, und
dem Herrn Hofrath Guts: Muths in größter Hochachtung gewidmet,
— m —
gibt dem Menfchen ein moͤglichſt treues Abbild von Der
Erde, lehrt ihm”) den Menfchen auf den’verfchiedenften
Graben der Eultur deffelben, nach deflen Sitten, Gebräus
chen, Befchäftigungen und anderweitigen Anfichten und Bes
ftrebungen fennen und würdigen, macht ihn mit dem. Nu⸗
ben des Thiereds, der Pflanze und des Minerals befannt,
Laßt ihn mit Ehrfurcht die Wunder der Natur, das Schöne,
Große und Nütliche menfchlicher Kunft, die Weisheit und
Gute Gottes, und die Sorge des Menfchen für den Men⸗
ſchen gewahren. Geographie .nährt darum Liebe und Danf
zu Gott und Menfchen , und bildet den Berftand, der dem
Weſen und den Urfachen der Dinge auf die Spur zu kom⸗
men ftrebt. Sie ift die wichtigfte Naturwifienfchaft, wenn der
mathematiſche, phyfifche und naturgefchichtliche Zweig gehoͤ⸗
tig beachtet wird, und darum von außerordentlichem Nußen.
Die Geographie fteht mit der Gefchichte, der Haupt:
bildnerin der Menfchheit, im engften Bunde, und nur da
wird diefe lebendig, wo jene als treue ©eleiterin und Ers
flärerin ihrer erhabenen Berwandte erfcheint.
Sie ift eine Tochter der Betriebfamfeit und des Han
dels, und danfbar wirft fie wohlthätig auf ihre Erzeuger
zurück. Die Kenntniß mit fremden Ländern fchafft nicht
felten Abfat der eigenen Produkte, laͤßt das entfernte Nuͤtz⸗
liche wünfchen, treibt hin zu bemfelben, und weder Aus⸗
dauer und Muth. |
Der Geographieunterricht wedt in dem jungen Mens
fchen guter Fultivirten *%) Staaten Liebe zum Baterland,
*) Der Alkufativ würde hier zweideutig fein, indem „den Mens
Then” als Appofition, und „ihn“ als Objekt erfcheinen würde,
Ueberhaupt regierte lehren beffer in allen Fällen den Dativ.
**) n nicht v, da das Gompofitum Cultivirtflaat gedacht worden ift.
Siehe die vortreffliche Abhandlung von Geidenftüder, über bie
Beugung der Adjektive.
— 223 —
und Hochachtung vor der Verfafiung und Regierung deilels
ben. Sm Bergleich mit den glücdlichft gelegenen Ländern
der Erde fieht der junge Menſch in der Regel noch immer
Vorzuͤge feines Landes, die er um fo dankbarer erfennen -
wird, je feltener er dieſelben auswärts findet. Mit Trauer
fieht er die ſchoͤnſten Länder der Erde unter tyrannifchem
Drud, in den Feffeln des Aberglaubens , oder in menfchen
entehrender Rohheit; er preifet fich glücklich, nicht dort feufs
zen zu müffen, und möchte doch gern der tiefer ftehenpen
Menfchheit dafelbft als rettender Engel erfcheinen.
Die Kunde über *) Länder und Meere, über Sitten,
Gebräuche, Beitrebungen ıc. des Menfchen ift, wie die Na?
turwiffenfchaft überhaupt, ein wahrhafter Schmud in der
Geſellſchaft, und in ihr liegt eine reiche Quelle nüßlicher
Einrichtungen, an denen daheim es noch fehlt.
B, Methode des Geographieunterrichtes.
Die richtige Unterrichtömethode muß aus der Natur und
dem Zwed des. Öegenftandes, in fteter Nückficht auf die
menfchlichen Kräfte, hervorgehen. Sch will auf diefe Art
zuerft die Methode im allgemeinen feftftelen, und dann den
ang des praftifchen Unterrichtes angeben.
a) Allgemeine Keftfiellung der Methode.
1) Das erfle Erforderniß einer guten Methode iſt Feſt⸗
ftellung eines Curſus, der, vhne übertriebene Foderung an
Lehrer und Schäler, in allen einzelnen Theilen den ganzen
Zweck beftmöglichft erreichen läßt. Die Größe diefes Cur⸗
ſus richtet ſich im Allgemeinen nad) dem Alter der Schüler,
nach ber Zeit, im welcher berfelbe durdhgearbeitet werden
*) „Kunde ber Länder” ift im Grunde die Kunde, welche bie Laͤn⸗
der befigen,, und das Entgegengeſetzte won Laͤnderkunde.
— 224 —
muß, und in ſeinen Einzelheiten nach der Wichtigkeit der
einzelnen zu erreichenden Zwecke. — In unſren Gymnaſien
wird der Geographieunterricht ſehr ſelten in den oberſten
Claſſen betrieben, weswegen derſelbe in der Regel mit dem
eilfjaͤhrigen Knaben angefangen werden muß. Die Zahl
der gewöhnlichen Unterrichtöftunden in dieſem Gegenftande
darf zum wenigften, und zwar auf fünf Sahre hin, nicht
unter wöchentlicdy drei geftellt werden, im Fall man biefe
Biflenfchaft nur noch in Etwa als Wiffenfhaft behandeln
will. Freilich hat man an vielen höheren Bürgerfchulen und
Gymnaſien die Stundenzahl geringer geftellt, und opfert
die Stunden , welche den Wiffenfchaften gewidmet fein folls
ten, lieber in Maffen den fremden Sprachen, als follten
alle Schüler Philologen werden; aber bag Refultat lebens
diger wiffenfchaftlichen Kenntniß iſt an folchen Anftalten
in der Regel auch fehr ungenügend. Sch nehme für ſolche
Anftalten hier das geringfte, alfo einen Curſus von fünf
Sahren zu wöchentlicy drei Stunden an, wozu ich aber einen
befondern Curſus der mathematifchen und phyſiſchen Gens
graphie nicht mit einrechne. Für niebere Schulen wird na⸗
türlich ein geringerer Curſus, der faft allenthalben nur
Allgemeines enthalten muß, ausreichen.
Ueberblickt man nur die vorher angegebenen Zwecke: fo
mag man fich leicht überzeugen, daß das Phyſiſche des
Landes etwa ein Drittel, das Politifche deffelben auch ein
Drittels und der Menfch mit den noch übrigen Merfwir-
Digfeiten das letzte Drittel der angegebenen Zeit ausfüllen
mag. Beſteht nun in vielen unfrer beliebteften Geographieen
für Schulen ein folches Verhältniß? oder werben diefe nicht
vielmehr ein Repertorium alles defien, was die Berfaffer
in diefer Wiffenfchaft von Sahr zu Jahr dazulefen? Wie
groß müßte ber Gurfus fein, wenn bas zahllofe Heer von
Namen, und zwar. oft der unwichtigften, vollkommen einge
— 225 —
prägt werden follte! Und wie fehr wird nun obendrein durch
Papiererfparung die Auswahl der wichtigeren Derter . ers
ſchwert! Wahrlich! das Volumen ift auch hier weniger werth,
als eine weife Auswahl, Kabri hat durch Leberfüllung von
Namen feine Endfhaft erreicht; mehrere Geographieen, die
mit ihm auf gleichem Wege find, werben bafjelbe Loog
haben.
Wenn gleich die Geographie die Geleiterin der Ges
fchichte ‚fein muß, fo darf fie doc nicht zu fehr in das
Gebiet der Gefchichte Abergehen, indem dadurch die Gens
graphie an fich zu viel Leiden, und der Gefchichte zu wer
nig genübt werben wuͤrde. Ueberhaupt darf man natürs
Iichermweife feinen Gegenftand auf die Art bearbeiten, daß
er ein anderer werde. — Grographie ift allerdings Die Hilfe
wiffenfchaft der Gefchichte, aber Gefchichte nicht eine Huͤlfs⸗
wiffenfchaft der Geographie, und das ift genau zu merfen.
Geographie fol dasjenige der Völkerkunde geben, was man
in ber Gefchichte gewöhnlich vermißt, und manches Bolt
hat nody Feine Gefchichte. Geographie fol hierin die Ges
fchichte erfeßen. Wenn der Curſus der Gefchichte für eine
höhere Lehranftalt nicht fo weit ins Einzelne geht, daß er
jeden merfwärdigen Ort der Welt, in Rüdficht auf Zerftd
rung, Belagerung, Friedensfchluß ıc. angibt: fo foll Die
Geographie keineswegs diefen Zweck in der Schule erreichen
wollen; denn in diefem Beginne liegt ein Tadel über Ges
ringfügigfeit eines Eurfus in der Gefchichte, welcher doch
nad Zeit und Umſtaͤnden gehörig abgeftect fein muß; und
es wären dieſe Angaben demnach nur ein Mittel, den Schuͤ⸗
fer mit Einzelheiten vollzuftopfen, die doch feinen Zuſam⸗
menhang haben. Und, wollte man ein folches Verfahren
als Wiederholung des Gelernten in der Gefchichte, oder ale
Vorbereitung bes darin zu Lernenden anfehen: fo müßte der
Curſus der Geographie mit dem der Gefchichte in voͤlligem
p
— Mb —
Zufammenhange ftehen, und erftere müßte darin felten etwas
zur Bereicherung ihrer felbft thun. Es wäre aber eine furze
Angabe folcher Gefchichtsmerfwürbigfeiten,, die in dem Ges
ſchichtskurſus felbft nicht fehlen dürften, nur in dem Falle
von einigem Nuben, wenn die Claſſe die umftändliche Be⸗
fchreibung derfelben ſchon gehabt hätte; denn nur in dieſem
Falle lernte die .Elaffe nichts Todted. Eine kurze Angabe,
eine Zahl aber zu lernen, die noch nicht intereffirt, ift
todtes Beginnen. 9 Ueberhaupt glaube ich hier den Grund»
fa aufftellen zu dürfen: Man gebe ber Tugend in
der Geographie und Gefhihte nidht zu viel
gleihartige Dinge, aud denen fienurein und
dDiefelbe Wahrheit, Lebensregel ıc. ziehen kann,
oder, Die in Diefer oder einer andern widtis
gen Ruͤckſicht gar nichts gelten. Dinge der Art
find für den Wiffenfchafter, für den Forfcher; aber nicht
für denjenigen, der hiernur auf allgemeine Bildung Anfpruch
madht. Hohe Wahrheiten ıc. mögen an vielen Orten die
Beweife ihrer Richtigkeit finden; aber es ift unnuͤtz für den
bloß zu bildenden Menfchen, diefe bi zum Uebermaaß aufs
zufuchen, um nur das Gedächtniß anzufüllen; ja, es ift zeit
verfehwendend, indem es fo viele Dinge gibt, bie Das Urs
*) Es Tann freilich der Ball eintreten, daß eine Gefchichte für eine
höhere Volksſchule fich nicht über manche vorzügliche Merkwuͤrdig⸗
Leiten eines Volkes erfiveden Tann, und daß bie Geographie biefes
bier zu ergänzen ſucht. in folches Verfahren finde ich ganz loͤb⸗
lih. In einem foldyen alle muß man das menfchliche Wiffen und
Können nicht ängftlich rubriciren, fondern man muß baffelbe in feis
ner allumfaffenden Einheit anfehen. Diefe höhere Anficht muß
überhaupt ben Lehrer bei feinem Unterrichte leiten, und fle wird ihn
fiher leiten, wenn ee nicht ein rebfeliger Flattergeiſt iſt, und
wenn er den Cyklus der Schule und den höchften Zweck aller Ers
ziehung ſtets im Auge behält.
— 9 —
theil in andern wichtigen Stuͤcken berichtigen muͤſſen. Was
nüßt ed dem Menfchen von bloß allgemeiner Bildung Die
Tauſende Städte zu kennen, in welchen irgend einmal ein
Aufftand vorgefallen, oder ein Frieden gefchloffen ift ıc.,
zumal wenn er den fpecielen Hergang der Sache nicht
fennt, oder diefe Kenntniß ihm auch Feine neue dee gebeit
kann? Habe ich hierin recht, fo würde ich, als Gefchichts
fchreiber für Die Jugend, einen Luden, einen Heeren, Sohannes
von Müller ıc. nehmen, mir die zu benubenden Urtheile über
Melt und Menfchenıc. merken, dazu die beiten Beweife aus
der Gefhichte, und zwar in gemügender Anzahl heraus
fuchen, diefe nach den gehsrigen Anfoderungen an eine
Gefchichte für die Tugend wohlgeordnet zufammenftellen,
und ich würde dann gewiß‘ Taufende Dinge übergehen, die
für den Menfchen von allgemeiner Bildung feinen andern
Werth, ald den des Willens haben. Ein Gymnaſium, das
Gelehrſamkeit feiner Schüler beabfichtigt, möchte fich hier⸗
mit wol nicht begnügen. Habe ich recht, fo muß der auf
ven feinen Curſus befchränfte Geographieunterricht nicht ſo⸗
wol eine umftändliche Charafteriftif jedes einzelnen Vol⸗
fes, fondern vielmehr eine Charakteriſtik des Menfchen über:
haupt, und zwar nach PVerfchiedenheit feiner erfliegenen
Bildungsftnfe, der Zone, in welcher er lebt ıc. aufftellen,
um den Hauptzweck: Menfhentenntniß. und
Menfhenwärdigung ı. zu erreihen. Habe ih
recht, fo müffen endlich alle Merkwürdigkeiten, die für fich
allein von geringem Intereſſe, in ihrer Gefammtheit aber
von Wichtigkeit find, nicht einzeln, fondern hauptfächlich
im Vergleich mit. dem Ganzen eingeprägt werben. Im All«
gemeinen fommt es 3. B. nicht darauf an, zu willen, wie
viele wichtige Anftalten ıc. jede einzelne Stadt befiße ; aber
daß in dem Lande viele ber Art vorgefunden werden, und
welche Städte des Landes fich' der mehrften erfreuen, das
p *
— 228 —
muß der Schüler ſcharf und mit dankbarem Gemuͤthe aufs
faſſen. Erſteres würde er leicht vergefien, letzteres aber
wird fich ihm einprägen koͤnnen. Das Memorienbuch mag
indeffen die vorzäglichiten folcher Einzelheiten in Fleiner
Schrift zur beliebigen Anfchauung bei den Namen der Der;
ter enthalten.
D Der Geographieunterricht verlangt Einprägung fehr
vieler Namen. Werden diefe Namen, wie Bofabeln, ohne
Zuziehung der Charten gelernt: fo befommt der Schüler ein
Chaos in den Kopf, das ihn nicht gefcheidt machen kann,
da er das Material in ſich nicht gefcheidet Cgefchieden) hat.
Sieht er dagegen die Charte an, ohne die Namen zu behals
ten: fo wird diefes Phantafiebild bald fohwinden, da dem
Schüler die vorzüglichften Haltpunkte des Materials fehlen.
Gedaͤchtniß und Phantafie müffen hier alfo zu—
fammenwirfen Namen - und Sachgedaͤchtniß haben
ihre vorzüglichfte Stüße im Ortgebächtniß , wie dies allge
mein als wahr erfannt wird, und die Phantafte gibt die
Weihe, den Implus zum innigen Empfangen und Auf
nehmen. Daher muß der Schüler die Charte, bas Bild
eines Theiles der Erde, als ein Ganzes in fich aufnehmen,
deffen Theile er, dem Orte nach, eben fo kennt, wie die
Lage der Straßen feines Wohnortes. Er wird dieſes um
fo eher koͤnnen, je einfacher diefes Bild ift, wo denn nicht
gu viele Gegenftände feine Gedächtnißfraft in Anfpruch neh⸗
men, und die Phantafie um fo leichter feite Hauptpunkte
finden kann. Darum hat man ganz richtig viel weniger
Derter auf Schuls, ald auf Hauscharten gezeichnet. Was
rum geht man nicht hintereinander fo weit, nur Das auf
der Schulcharte zu verzeichnen , was der Schüler fchlechters
dings lernen fol? In diefem Falle kann der Schüler das
Nothwendigfte der Wiffenfchaft an und von ber Eharte Iers
nen, und das Memorienbuch hilft ihm nur bei ben nicht
— 19 —
verzeichneten Merfwürbigfeiten und dort aus, wo er in ber
Reihenfolge unficher fein ſollte. Ich ftelle darum die Bes
hauptung auf, „Daß der Schüler die ganze Charte
in fih aufnehmen müffe”, und das Ganze bes Fol
genden wird die Richtigkeit diefer Behauptung noch näher
darthun. —
3) Es fragt fih nım, „ob diefes eher geſchehen
koͤnne, wenn der Schüler mit feinem Blicke die
Kreuz und Quere durchdas Ganze fchweift, oder
wenn er in einer gewiffen Ordnung an einen
feften Punft etwas anfnüpft, und immer auf
gleidhe Art anknuͤpft?“ Daß diefe Ordnung
rathfamer fei, beweifet die Mnemonif, die ihre Bafis in
derfelben gefunden hatz denn felbft Die Affociation hat ihren
Grund in der Ordnung. Den Vorzug der Ordnung hat
mir die Erfahrung feit mehr ald zwanzig Sahren ganz uns
zweideutig bewieſen.
Wer, wie ih, die Namen der Raubſtaaten auf fol
gende Art: Algier, Tunis, Tripolis, Fez und Marofo,
nach Fabri gelernt hat, hat es gewiß fich feft eingeprägt,
daß diefe Staaten nebeneinander liegen; aber er hat doch
mit mir auffallend oder flörend gefunden, daß Fez nicht
rechts neben Tripolis, oder dieſes nicht rechts neben Fez
und dann Algier weiterhin nach der rechten Hand liege.
Wäre dem auch nicht fo, fo lehrt die Erfahrung doch, daß
die Sugend beffer Bei Beobachtung einer Ortsordnung
lernt.
Das hoͤchſte Reſultat der Mnemonik war das Vermoͤ—⸗
gen, die Gegenſtaͤnde in jeder beliebigen Wahl in oder au⸗
ßer einer gewiſſen andern Ordnung herſagen zu koͤnnen; die
Ordnung aber gab ihr dies Vermoͤgen. Diejenigen, welche,
wie mir deucht, vor etwa fuͤnfzehn Jahren, anfingen, ab⸗
ſichtlich dieſes durcheinander zu lehren, wollten gleich auf
— 230 —
dieſes letzte Ergebniß hinarbeitenz; fie mollten bie Frucht,
aber fie forgten nicht für deffen Wurzel; fie lehrten und
Ichren nicht, wie fie lehren, wol aber, wie fie das Ges
lernte uͤberhoͤren muͤſſen. Wie würde ſich die Schilderung
der Leipziger Schlacht von Schiller, wie Fernow's meifters
hafte Befchreibung des fo fehr zufammengefeßten Denkmals,
das Canova der Erzherzogin Chriftina von Deftreich ver:
fertigt hat, ausnehmen, wenn beide Schilderer flatt Beo⸗
bachtung der Ordnung bie ind Kleinfte, lieber Kreuz⸗ und
Dueerzüge gemacht hätten? Was würde uͤberhaupt der
Schriftiteller, der Redner, der Lehrer auf folche Art wirs
fen? Man werfe mir nicht ein, daß diefes bei Gegenftäns
ben, die man zugleich in einer gewiſſen Ordnung fähe, an-
ders fei. Se mehr Sinne diefe Unordnung auffaflen, deſto
mehr entfteht Verwirrung, oder es findet ein Streit der aufs
faffenden Kräfte Statt. Man kann auf dieſe Art wol ein
Bild zerftören, aber man fehafft keins, oder doch nur mühs
fam. Und wenn wirklich auf diefe Art ein treues Bild ges
fchaffen werden fann, fo ift das im Ötreite jener Kräfte
gefchehen; es wirkt bann das Affociationsvermögen, ber
Inſtinkt, der Organifch» Bildungstrieb ftärfer,, als das Res
volutionsverfahren, und es entiteht Dann ein Reſultat, wie
das Plus zweier ungleich ftarf gegeneinander wirkenden
Kräfte. Es bliebe aber auch dann ein thörichtes Beginnen,
wenn man wirklich vorhätte, zur Ausbildung einer Seelen⸗
fraft foldye Mittel zu benutzen, die der freien Uebung ber»
felben gewaltfam in den Weg treten.
Sch glaube hierdurch praftifche Pädagogen überzeugt zu
haben, daß Beobachtung ber Ortsorbuung beim Geogras
phieunterrichte nothwendig ſei. Habe ich hierin aber
recht: fo ift Daß Verfahren Derjenigen Geogras
phiefchreiber, die gefliffentlich oder ungeflif-
fentlich Die Namen ber Provinzen, und in die
— 231 — —
jen die Namen der Städte durcheinanderwer—⸗
fen, durchaus falſch und verderblidh, und in kei—
ner Ruͤckſicht zu rechtfertigen; fo müffen die
Berfaffer Ordnung in ihre Anleite hineinbrin—
gen, oder diefelben find als Memorienbuͤcher zu
verwerfen. Der Schüler fol alfo alle Namen der Pros
vinzen und Städte ıc. in einer gewiffen Ordnung von ber
Charte und and dem Buche lernen, damit um fo eher ſich
ein beftimmtes Bild ihm einpräge. Diefe Ordnung darf
beim Lernen nie geftört werden, weil dadurch das Bild zers
riffen würde, In berfelben Reihenfolge, in welcher ber
Schüler die Namen der Städte zum neun und neunzigiten,
male herfagt,. in derfelben Folge muß er dieſe auch zum hun⸗
dertſtenmale herſagen. —
Auf dieſe Idee brachte mich die Gewohnheit: Kaſan
und Aſtrachan, Cottbus und Peiz, Brixen und Botzen ꝛc.
die ich aus Fabri zuſammengelernt hatte, jederzeit zuſam⸗
menzudenken; ich fuͤhrte dieſen Wink bei meinem Unterrichte
aus, und er hat gute Fruͤchte getragen, und nie werde ich
dieſes Verfahren aufgeben. Muß es dem Schuͤler in der
Zukunft nicht ein angenehmes Erleichterungsmittel ſein, wenn
ihm bei Nennung eines Namens von irgend einer Stabt ꝛc.
fämmtliche Namen der Städte einfallen, Die in einer gewifs
fen Ordnung mit diefer in der Provinz liegen?
4) Das Behalten diefer Reihenfolge wird nun um fo
mehr erleichtert, - wenn die aufeinander folgenden Namen
der Städte in ihrem Zufammenhange einen gewifien Rhoth⸗
mus haben. |
Sch will hier feine Herameter oder Jamben, und eben
fo wenig Poeſie; das würde die Erftrebung des Zweckes
erſchweren; ich will nur auf einen gewiflen Takt beim Her:
fagen der Wörter aufmerffam machen. Wer fühlt nicht
Erleichterung, wenn cr die Stäbte des Traunvierteld auf
— 232 —
folgende Art lernt: Steger, End, Kremsmünfter, Gmuͤnden
— Sichel, Hallftadt, Ebenfee? Freilich wird man zuweilen
um des Rhythums willen eine Stadt verfeßen, ein Flick⸗
wort anbringen, oder eine zwifchenliegende Fleinere Stadt
binzunchmen muͤſſen; indeſſen braucht dieſes Doch nur zuwei⸗
len zu gefchehen, und Aengitlichfeit in der Beobachtung dies
fer Regel ift ohnehin nicht nothwendig.
5) Es dringt fich hier ferner die Frage auf, ob man
mit Anfängern in ber Geographie nad. Einkbung einer
ganz Furzen Vorbereitung erft einen Kleinen Eurfus vorneh⸗
men, und diefen nad) und nach erweitern folle, wie bie
ſes vielfach von bedeutenden Männern vorgefchlagen und
ausgeführt worden iſt; oder ob man, in Rädficht auf Ras
menerlernung ber Provinzen und Städte, gleich fpeciell vers
fahren folle?.
Erfennt man einen feiten Curfus, Ordnung und Rhyth⸗
mus als wefentliche Punkte dieſer Unterrichtömethode an:
fo ergibt fi die Antwort von ſelbſt. Ein erweiternder
Curſus wuͤrde bie einmal eingeprägte Ordnung und ben
Rhythmus des Eingelernten ſtoͤren; das Alte müßte, im
beften Falle, aufs Neue wieder mitgelernt werden, und
ed wuͤrde auch. ba oft ſchwerer halten, Das Eingeprägte zu
zerftören, ald das Ganze, wenn es bisher unbekannt gewefen
wäre, zu erlernen. Diefe Zeit wende men lieber auf Wies
derholung an, und man wird erfrenlichere Refultate erwars
ten dürfen. Hält.man aber die Anfänger für einen fpeciels
len Unterricht noch zu jung: fo warte man, bis Diefelben
das Fanonifche Alter haben, ein Grundfaß, der in aller Welt,
und bei allen Gegenftänden zu beobachten wäre. Seitdem
man die Leute nicht mehr nach Jericho gehen heißet, und den
Bart des Mannes dem der Ziege gleich achtet, Ichrt man Kin;
bern in der Wiege Kritif der Sprachen, Mathematik, Phis
Iofophie zc., damit der Berftand eher fomme, als ber Bart.
— 233 —
6) Auf welche Art follen aber nun die Merkwuͤrdigkei⸗
ten gelehrt und behaltlich gemacht werden? Durch Aſſocia⸗
tion. Gut, den Grundfab haben wir lange; aber haben
fi) unfre Lehrbücher darum geändert? Wird biefelbe denn
wirklich mehr als in einzelnen Kleinigkeiten angewendet,
and gehen diefe denn nicht gewöhnlich mit der Affocirung
wieder verloren ? |
Ich will hierbei etwas in's innere der Sache zu gehen
fuchen, und muß darum den Lefer um Entjchuldigung bit:
ten, wenn ich bier umftändlich werde.
Sch ergriff vor etwa fechdzehn Sahren die Mnemonif
mit befonderem Eifer, weil ich in berfelben ein außerorbent-
liches Erleichterungsmittel für das Erlernen der Wilfen-
fchaften und Sprachen zu finden glaubte; wurde aber bald,
nachdem ich diefelbe auf die Chronologie der Gefchichte ans
gewendet hatte, überzeugt, daß diefelbe zum allgemeinen
Gebrauche wenig Ausbeute bringe, indem die Sachen mit
den augenblidlichen Befeftigungsmitteln an die Haltpunfte
wieder dem Gedächtuiffe entfallen. — Herr Prediger Peters
fen in Wenigern brachte mich durch feine Ausfage, daß er
im Stande fei, taufend Wörter mnemonifch, alfo fehr ſchnell,
zu behalten, auf den Gebanfen, daß es noch ein anderes
Mittel der Mnemonik gäbe, als die mir bereits befannt
waren. Ich fand diefes Mittel gar bald, und Herr Peter
fen war gütig genug, mir fein zeitheriged Geheimniß nun
offen darzulegen. Da ich daffelbe nun zum Wohl des Uns
terrichtes gebrauchen möchte, fo wird Herr Peterfen nichts
gegen die Meittheilung deffelben haben, und zwar um fo
weniger, da ich das Mittel auch felbft aufgefunden. Diefes
Mittel erregt in feiner unfruchtbaren Anwendung Staunen;
in feiner fruchtbaren Benußung ift ed, wenn gleich noch nie,
fo viel ich weiß, mit Klarheit angewendet, doch allgemein
in feinen Grundzügen befannt. Herr Peterſen hatte ſich
— 234 —
naͤmlich die einzelnen Gegenitände feines Dorfes, ald Haͤu,
fer, Ställe, Pfügen ıc. in einem in ſich abgerundeten Bilde,
beffen einzelne Theile er in einer beitimmten Reihenfolge
mit der größten Klarheit und Leichtigkeit Aberfah, vollkom⸗
men eingeprägt, und fnüpfte nun an diefe Gegenftände feine
zu behaltenden Woͤrter, indem er der Affociation Durch ein
aufgegriffenes Bild zu Hälfe Fam. Diefes Dorf war alfo
in der Geſammtheit feiner Einzeldinge die allgemeine Nichts
ſchnur, die allgemeine Difpofition, die Phantafiebuchftabens
formel, an welche die neuen Einzelheiten geknüpft wurden.
jeder, der fi; mit der Mnemonik etwas vertraut gemacht
hat, wirb die Möglichkeit einfehen, auf diefe Weife gar
leicht taufenb Wörter in und außer einer gewiſſen Reihen⸗
folge behalten zu koͤnnen, und wirklich foll Here Peterfen
dieſes Probeſtuͤck ſchon oft abgelegt haben. Ich ſelbſt glaus
be es ſehr leicht dahin bringen zu koͤnnen, wenn ich fuͤr
die Erlernung einer Wiſſenſchaft darin Nutzen ſaͤhe; Oeffent⸗
lichen Rednern, denen ein gutes, natuͤrliches Gedaͤchtniß
fehlt, kann dieſe Formel nuͤtzlich ſein, wenn ſie nur nicht
befuͤrchten, die Weihe daruͤber einzubuͤßen, indem ein ge⸗
wiſſer Zwang in derſelben herrſcht, und ſich dort Hohes und
Gemeines in der Phantaſie vermiſcht. Es ließe ſich freilich
eine ſolche Formel an den Sternen aufſuchen, wobei man
aber dennoch Gefahr liefe, einen geringfügigen Gedanken
an den Sirius, Aldebaran, an den Gürtel des Orion, und
einen erhabenen an die Efelein und die Krippe binden zu
müffen, wodurch nicht felten dad Gleichgültige mit Pathog,
und das Erhabene mit Öleichgältigkeit vorgetragen werden
koͤnnte. Eine an fich todte Sache aber, wie eine Buchitas
benformel, läßt fich dazu nicht gebrauchen, da die Glieder
derfelben gar Feine Bebeutung haben, und alfo Feine Ans
knuͤpfungspunkte zur Affociation darbieten. Man hat fich
nach Käftner freilich durch die Ordnung in Pentaden ıc.
— 235 —
geholfen; aber man knuͤpfte da auch nicht unmittelbar das
zu Behaltende an den Punft in der Pentade, fondern man
hieng es an das Vorhergehende und bildete eine Kette von
verfchiedenen Einfchnitten durch die Pentaden. Dieſes Bers
fahren kann für Erlernung einer Wiffenfchaft feinen bleis
benden Nuten haben, da mit dem Vergeſſen eines Gliedes
auch das Nachfolgende in der Regel nicht wieder angefnüpft.
werden kann. Gebraucht man übrigens ein und biefelbe
Formel diefer und der vorigen Art zu verfchiedenen Gegen-
ftänden, fo wifcht das lebtere allemal das Vorhergehende
faft ganz aus. Sch will Diefes zwar nicht von tüchtigen
Mnemonikern, aber ich kann es Doch von dem Menfchen
überhaupt behaupten. Ich laſſe Die Nuͤtzlichkeit dieſes Mit:
tels nun weiter auf ſich beruhen, und will fehen, ob ich für
den Geographieunterriht nichts Nuͤtzliches herauszichen
kann. Auf jeden Fal?’darf das Künftliche des Mittels
nicht bleiben, da nicht Jeder ſich in folche Schrauben
feßen läßt.
Man übe nun ſaͤmmtliche Namen der Provinzen, Städs
te, Gebirge, Flüffe ıc. eines großen Landes ein, fo daß
jeder Gegenftand, ber zum Gurfus gehört, feit an feiner
Stelle fieht. Um nun dem Geilte des Schülers die Weihe
zum innigen Aufnehmen in ſich zu geben, führe man im
Geijte denfelben, wie in einem Ballon über das Land ſchwe⸗
bend , an die verfchiedenen Punkte, und laſſe ihn den Char
rafter des Landes, in Hinfiht auf Berg, Thal, Ebene,
Flußgebiet, Abdachung, Klima, Fruchtbarkeit, Eultur der
Inwohner ıc. auffaſſen. Welche von diefen beiden Haupts
übungen vorbergeht, mag gleichgültig fein. Weiterhin knuͤpfe
man Einzelnes von diefem Lebtern an bekannte Punkte, und
wiederhole biefes mit den Punkten (Städten ıc.) nur Durch
einzelne Wörter, Auf diefe Weife verbindet fid) der Chas
rafter des Landes mit den verfchiebenen Namen der Städte
— 136 —
sc. und wird behaltlih. Will man nun in der Folge an
diefe fo ſehr lebendige Formel noch mehr einzelne Merkwuͤr⸗
bigfeiten anfnüpfen, fo muß man diefelben mit dieſen Ein-
zelheiten des betreffenden Punktes in Verbindung bringen,
und wenn diefes Folgende dann noch eine gewiffe Einheit
des Gedanfenganges in fich trägt, und zugleich auch Phan⸗
taffe und Denffraft befchäftigt, fo wird auch dieſes behalt-
lich fein.
Praftifhe Pädagogen werben es tauſendmal mit mir
empfunden haben, daß Manches nie von den Schülern ver-
gefien wird, daß hingegen Manches an dem Gedächtniffe
ber Schüler nur wie eine Tangente vorbeigeht. Wir erzähs
len 3. 3. ein und diefelbe Sache zu verfchiedenen Zeiten,
oder in verfchiebenen Claſſen; das eine Mal wird Diefelbe
den Schälern behaltlich, das andere Mal nicht. Woher
fommt das? Mir haben vielleicht Allgemeines und Einzel
nes, zeither Bekanntes und Unbekanntes, nicht gehörig mit
einander verknüpft; wir haben nicht Phantafıe, Denkfraft
und Gedaͤchtniß nad) einem gewiflen Maaße mit einander
befchäftigt; kurz wir find dem Schüler nicht intereflant ge-
wefen. Kämen wir endlich dahin diefe natürlichen Aſſocia⸗
tionsmittel, wie die Conjunktionen für den Periodenbau eins
zutheilen: fo hätten wir die Perioden höherer Ordnung ges
funden. Conjunktionen der Art find nun: Einheit, Folger
richtigfeit, Verbindung des Einzelnen mit dem Ganzen, des
Unbelannten mit dem Bekannten, der Phantafie oder der
Denffraft mit dem Gebächtniß ; wie heißen fie aber
ale? Nur einige Conjunktionen find für die Rede nicht
hinreichend. Am Teichteften und ficherften möchten diefe ſich
in der Praris an ben einzelnen Gegenftänden auffuchen lafs
fen. Vielleicht gehören alle Mittel, durch welche man die
Aufmerffamkeit und das eigene Nachdenfen des Schülers zu
wecen fucht, mit hinein. Sch wünfche, daß fcharffinnige
— 37 —
praftifchen Köpfe diefen Gegenftand ihrer Aufmerkſamkeit
würdig halten möchten, damit wir einfache Regeln erhiel,
ten, durch deren Befolgung ed ung immer möglich würde,
das Wort nicht wie eine Tangente, fondern wie einen vers
längerten Radius nach dem Kreife des menſchlichen Auffaf-
fungsvermögens zu fenden. —
Wollte man nun ein Xehrs oder Memorienbuch fchreis
ben: fo müßte man in erfterm eine lebendige allgemeine Cha⸗
rakteriftif des Hauptlandes vorausfchiden, Dann das Einzel
ne an folche Punkte knuͤpfen, denen diefes befonders innewohnt,
und in dem Memorienbuche würden biefen Punkten (Staͤd⸗
ten ꝛc.) nur einzelne Wörter zur Erinnerung an das Gefagte,
beigegeben. Lehr⸗ und Memorienbuch müßten zu dem Ende
im. innigften Berhältniffe ftehen; und das Finnen fie nur
- Dann, wenn beide für einen beſtimmten Curſus eingerichtet
wären. Wollte man die Auswahl aber dem Lehrer übers
laffen, fo würde diefer, im Allgemeinen genommen, nur zu
leicht fehlgreifen. —
Das Nähere des vorher aufgeftellten Grundfages wird
bei den Anfoderungen an ein Lehrbuch vorkommen.
7) Endlich bleibt nun noch die Frage zu beantworten
übrig, mit welchem Lande man den Geographieunterricht
beginnen müffe. Sch denfe, der Schüler muß ein Grunds
maaß in fi) haben, mit dem er alles Fremde miffet. Dies
ſes Grundmaaß findet er doch in feiner Umgebung am
leichteften. Da nun dem Zwede diefer Wiffenfchaft gemäß,
alles Fremde auf das Heimifche bezogen werben muß: fo
möchte man doch am beiten mit der nächiten Umgebung
anfangen und den Blick des Schülers allmählig in bie Ferne
lenken.
b) Gang bes praktiſchen Unterrichtes.
Man ſtelle die Uebungen nun etwa in folgender Art
und Reihenfolge an:
— 238 —
1) Man lege dem Schuͤler die Gebirgs⸗ und Flußcharte
des Hauptlandes vor Augen, damit er auf diefelbe, wie
von oben herab auf das Land fihaue. Eine kurze Charak
teriſtik des Bodens, die der Lehrer mit Lebendigfeit und
Schärfe nach dem Lehrbuche geben muß, fchaffe der Phan⸗
tafie des Schülers fefte Haltpunfte, und verleihe ihm Die
Weihe zur Beachtung des folgenden Unterrichtes. Dabei
fuche der Schäler den Nords und Sids, den Oft s nnd
Weſtpunkt und die natärlichen Gränzen des Landes auf.
Dann übe der Lehrer den Lauf der nöthigen Fluͤſſe und
Gebirgszäge, fo wie die Namen der bezeichneten und bes
nannten Kuppen rhythmifch und zwar firenge nach Dem
Memprienbuche ein. Zum Schluffe wird der Schäfer im
Stande fein, Die Charte in ihren Hauptpunften aus dem
Kopfe zu zeichnen, und die Merkwürdigkeiten biefer Gebirs
ge, Flüffe, Thäler, Ebenen ıc. anzugeben. Es ift Dem
Schüler, als ob er in einem Ballon Über dem Lande ſchwe⸗
be, ohne auf die Derter ein befonderes Augenmerk zu rich
ten. Der Lehrer hat ihn in diefer Spannung erhalten.
Zur rhythmiſchen Einuͤbung muß jeder Schüler auf fei-
ner Charte die Gegenftände erft aufluchen. Dann fage der
Lehrer diefelben recht deutlich mit gehöriger Betonung
vor, und der Schäler fpreche darauf, indem er jedesmal
bei Nennung. des Namend auf den Gegenftand hinweifer,
die zufammengehörigen Gegenftände, nicht laut, aber doch
verftändlich und fcharf, ja ich möchte fagen, innig, mit
bem Lehrer gemeinfchaftlich fo lange im Rhythmus, bis dies
felben dem Gedaͤchtniſſe ganz eingeprägt find. ' Diefe Berfe
verbinde er nach der natürlichen Lage der Gegenftände mit
andern zu Strophen, und Das ganze Land umfafle dag
ganze Gedicht. Daß diefed nichts weniger ald Poefle ents
halte‘, und fein Gedicht fei, habe ich vorher ſchon bemerkt.
— Der Schüler muß das Gelernte zu Haufe wiederholen ;
das Memorienbuch hilft ihm, wo nöthig, aus.
— 239 —
2) Sft die Gebirgs⸗ und Flußcharte völlig eingeprägt:
fo hefte ver Schüler feinen Blick auf die Wandcharte, und
der Lehrer übe nun hier gemeinfchaftlich ein, was jeder vor-
ber ohne Störung durch Namen von Städten und burd)
Farben gefehen hat: Dabei lerne ber Schüler nun die Nas
men der Länder kennen, in welchen diefe merfwärbigen Ge⸗
birgszüge, Ebenen, Flüffe ꝛc. Liegen. Es werden nun nad)
dem Lehrbuche Vergleichungen des Erlernten angeftellt, und
unter andern folgende Fragen beantwortet: Welches Land
hat unter diefen die meiften, welches die hoͤchſten, merk
würdigften Gebirge? Welches die größten, die meilten,
merkwuͤrdigſten Flüffe? Welche Länder liegen in der Ebes
ne, welche in der Abdachung, auf der Höhe? Welche Län:
der find am fruchtbariten, am fchönften? Welche Seen
am größten, tiefiten, fiſchreichſten ꝰ ꝛc.
3) Der Schüler nehme nun die illuminirte Charte feis
nes Handatlaffes zur Hand, und noch einmal werde dort
Alles mit Vorficht wiederhoft eingeuͤbt. Es muß nämlich
Dort jedes Einzelne erit aufgefucht, und dann mit beftändis
ger Hinweifung auf den Gegenftand deutlich genannt wer⸗
den. Bei Auffuchung diefer Gegenitände fommen noch eins
mal die Hauptcharafterzüge deijelben in Hinficht auf Rage,
Fruchtbarkeit ıc. vor. Diefe drei Uebungen bilden die Ein;
leitung, die bei den fremden Welttheilen in fieben Wochen,
bei Deutfchland aber, fo wie bei Europa in vierzehn Wo⸗
chen abfolvirt werden muß. Der Schüler muß das Ges
lernte zu Haufe noch feiter fich einprägen, und im Stande
fein, jedes Eingelne fchnell hintereinander herzufagen. Das
bei wird das Memorienbuch aushelfen.
4) Jetzt werden bie Namen der Prooinzen und Städte
ber einzelnen Länder an der Wandcharte eingeuͤbt. Der
Lehrer beobachte hierbei die [ehr zu empfehlende Bors
fiht, von feinem Lande eher abzugehen, bis die Namen ders
— 40 —
felben vollfommen eingeubt find, und nicht eher weiter zu
fohreiten, bis Die Namen der vorher eingelernten Länder
fehlerlos hergefagt werden koͤnnen. Befondere Merkwuͤrdig⸗
feiten einzelner Provinzen und Städte, die der Schüler
ohne weitere Vergleichung an den Ort knuͤpfen kann, müflen
gleich beigegeben und mit eingehbt werden. Ob Diefelben
an fich behaltlich find, kann ber Lehrer bald ‚merken.
5) Diefelbe Hebung werde nun bei jedem einzelnen Lande
an dem Handatlas des Schülers fortgefebt. Der Schäler
muß bier bei Nennung der Städtenamen jebesmal auf das
Pünktchen berfelben hinmweifen. Da der Lehrer hierbei das
Lehrbuch zur Hand nehmen kann: fo Tann er fchon um fo
Teichter folche Merkwürdigkeiten einflechten, Die felten vors
tommen, ober mit dem Ganzen in weniger Zufammenhang
ſtehen. Diefe koͤnnten im kehrbuch durch Sperrſchrift aus⸗
gezeichnet werden.
6) Darauf muß der Schüler bie Charte des Haupts
Iandes aus dem Kopfe zeichnen, und der Lehrer wird Das
durch unterfuchen können, ob die Namen und Die Lage der
Gegenftände gehörig aufgefaßt fein, und er nun weiter
fchreiten koͤnne. |
D Endlich folgt die umftändliche Behandlung der Merk⸗
würdigfeiten. Hier werben unter andern folgende Fragen
beantwortet: Welche Volfsftämme wohnen in diefen Laͤn⸗
dern? Was haben- fie in ihrem Körperbau, in ihren Sitten,
Gebräuchen, Anfichten , Beftrebungen mit einander gemein,
und wodurd) unterfcheiden fie ſich auffallend darin? Wo
herrfcht hier die meifte, wo bie geringite Bildung, Kraft,
Baterlandsliebe, Treue ꝛc.? Wo fteht der Kunftfleiß am
höchften, wo am niedrigften? Wo hat der Menfch am meis
ften für den Menfchen in Rüdficht auf Kunſt, Wiffenfchaft,
auf Verhütung oder Linderung der Armuth und des Uns
gluͤcks geſorgt? In welchem Verhaͤltniß fteht die Öröße und
— Al —
die Bewohnerzahl Diefer einzelnen Länder und ihrer Städte?
Was haben diefe Länder vor unfrem Lande voraus? In
welchen Dingen ftehen fie dem unfrigen nach? Welches muͤſ⸗
ſen wir von ihnen nachahmen, vor welchem uns huͤten?
Sind Handelsverbindungen mit ihnen moͤglich; und was
koͤnnten wir bringen, was holen? Wo iſt dieſes und jenes
Produkt am haͤufigſten, am beſten? Wo iſt das Klima am
angenehmſten, wo die Gegend am geſundeſten, am unge⸗
ſundeſten, und welche Schutz mittel gebraucht der Menſch in
der letztern?
Dieſe und alle diejenigen Fragen, welche in der Natur
und in dem Zwecke des Geographieunterrichtes liegen, muß
das Lehrbuch moͤglichſt angenehm und behaltlich zu geben
ſuchen, und der Lehrer kann daſſelbe dann vorleſen, naͤher
anpaſſen und durchfragen.
Ich fuͤge dem Geſagten noch einige Bemerkungen hinzu.
a) Man ſuche baldmoͤglichſt alle Namen dem Gedaͤchtniſſe
der Schuͤler zu erhalten. Dieſes iſt auch nicht ſchwer,
wenn der Curſus feſtbegraͤnzt und nicht zu groß iſt.
Es laſſen ſich dann die Staͤdtenamen ꝛc. eines ganzen
Welttheiles in weniger als einer Viertelſtunde, und
ohne Hinzeigung auf dieſelben in weniger als fuͤnf Mi⸗
nuten wiederholen.
b) Der Lehrer kann mitunter beim Einuͤben der Namen ıc.
die kleineren befannten Affociationsmittel, als folche,
bie von der Figur des Landes, von der Lage ber Dins
ge, den Anfangs » oder Endbuchitaben und anderen
Aehnlichkeiten. der Dinge 2c. herrühren, mit Nuben Ges
brauch machen, wie 3. 3. Stalien ein Stiefel, Alaska
ein Halbftiefel — der Bei in Tunis ſitzt zwifchen
den beiden Dei in Tripolis und Algier, — Si und
G = Sihon oder Sararted und Gihon . ober
Drus ıc.
q
— 219 —
6% Wenn unfer Eurfus auf fünf Jahre feftgefebt: iſt: fo
kann das lebte Sahr zur Wieberholang bed Ganzen
- angewendet werden. Es kann auch dann manche höhere
Anſicht über dad Frühere, die ber: jüngere Knabe nicht
‚gang zu faffer vermochte, um fo umftänblicher vor⸗
kommen.
»Vorzuͤgliche Merkwürdigkeiten geben das beſte Material
zur Bearbeitung ſchriftlicher Auffaͤtze her.
e) Sind die Schüler für Gewinnung einer hoͤheren Anſicht
in der Geographie noch zu jung, und ſollen fie den⸗
=. och in dieſer Wiffenfchaft unterrichtet werden: fo gebe
ich dent Lehrer den Rath, fi in den erſtern Jahren
- bauptfächlic nur an deu einfachen Typus zu halten,
und ſpaͤterhin denfelben weiter auszuarbeiten. Jedoch
darf er nicht bloß Namen mit ihnen auswendig ler⸗
nen, weit die Schüler fich dann an ein todtes Memo⸗
riren und an ein bloßes Angaffen der Charte gewoͤh⸗
nen wuͤrden.
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C) Lehrmittel,
Obgleich; von diefen ſchon im Allgemeinen bereits Mans
ches geſagt werden mußte: ſo verdienen dieſelben doch noch
naͤhere Beruͤckſichtigung. Es wird denn hier noch beſonders
von Buͤchern, Charten und andern Verſinnlichungsmitteln
die Rede ſein.
a) Eigenſchaften des Lehrbuches.
Nimmt man einen fuͤnfjaͤhrigen Curſus zu woͤchentlich
drei Stunden an: ſo muß jeder fremde Welttheil in einem
halben Jahre abſolvirt werden; fuͤr Europa, ſo wie fuͤr das
Vaterland, bliebe dann Ein Jahr, und das letzte Jahr ges
hörte der Wiederholung des Ganzen. Dürfen wir nun auf
Einuͤbung der Städtenamen nur. ein Drittel der Zeit vers
wenden: fo müffen Die Namen der Städte von jedem frems
— 43 —
den Welttheif in fieben, von Europa, fo wie von Deutfchs
land, in vierzehn Wochen gelernt werden koͤnnen, und wir
dürfen deswegen auf jebes Halbjahr nicht mehr als etwa
150 Städtenamen rechnen. Mit 300 Städtenamen von
Deutfchland, und mit einer gleichen Zahl von dem übrigen
Europa kann man auch ausfommen. Manchem wird diefe
Ausbeute von 1000 Städtes und etwa 500 bis 600 Pros
vinzs und Ländernamen, fo wie auch etwa 400 bis 500
Namen von Fläffen und Bergen ald zu geringe erſcheinen;
indeffen koͤnnen dieſe 2000 Licht⸗ und Haltpunfte, wenn fie
dem Gedächtnifje feit eingeprägt find, hinreichend fein, ein
ziemlich treues Gemälde von ber Erde, ihren Hauptgebirgss
zügen, ihren fruchtbaren oder dden Ebenen ,. deren Erzeugs
niffen, Bewohnern ıc. auffaflen zu Faflen, und fo den Haupts
zwed des Geographieunterrichtes zu erreichen. Sa, ich wüßte
nicht, ob bei einem erweiterten Curſus noch mehr Namen
dem Gedächtniffe eingeprägt werben müßten; wol aber
bin ich der Meinung, daß alsdann die. Schilderung des
Einzelnen noch ausführlicher und tiefer werben könnte, Alles
Lernen muß dem Hauptzwed der Erziehung, nämlich der
Humanität, näher bringen; und dann erfcheint eine Nomen
Hatur immer nur als ein Mittel, welches bloß durch forgs
fältige Ausführung und Anwendung Werth erhält. — Da
man ferner an eine Provinz in der Regel mehr Inüpfen
fann, als an eine Stadt: fo häufe man dort, wo Diefes der
Fall ift, Lieber die Namen der Provinzen, als die ber Städte
in denfelben; und es ift darum wol nicht zwedmäßig,
wenn wir in Schweden, Unteritalien, Ungarn rc. auf den
beften Schularten nur Staͤdte, und ſelbſt unbedentende,
ftatt Angabe der Provinzen, finden. Da, wo nur die Haupts
ftädte der Provinzen angegeben werben, uͤbe man lieber bie
Provinzen ſelbſt vhyrhmifch ein, wie 3. 3. bei Boͤhmen,
Rußland, Spanien, den vereinigten Staaten, bei Mexilo,
q © .
Wen, Brafifien ‚ bei Rigritien, Abeſſinien, der Morgolei,
Oſtindien ꝛc.
Um die Wiederholung des Gelernten zu erleichtern
Unni⸗ der Schuͤler ein gedrucktes Heftchen, das dieſe 2000
Namen nach Lage und Rhythums geordnet enthielte, bei
ſich fuͤhren.
Uebrigens gibt die feſte Beſtimmung des Curſes, und
der Gedanken mit gehoͤriger Leichtigkeit das Ganze vollen⸗
den zu koͤnnen, dem Lehrer und dem Schuͤler Sicherheit,
Muth und Kraft; darum muß auch das Lehrbuch nichts ent⸗
halten, was nicht zu dieſem Curſus gehoͤrt. Es iſt dann
auch nicht nothwendig, daß der Lehrer ſelbſt noch mehr aus
der Geographie wiſſe; denn er duͤrfte es dennoch nicht an⸗
bringen. Verlangte man das aber nur in einiger Ruͤckſicht,
ſo laͤge in dieſer Foderung ein Tadel , der das kehrbuch
traͤfe.
D Für jedes Hauptland müůßte der Schůler felbſt eine
Gebirgs⸗ und Flußcharte haben. Das Lehrbuch müßte nun
diefe Charte für einen Zeitraum von 7 oder 14 Wochen ers
Hären: müßte die Namen ber Hauptgebirgszüge, wie Die
der Flüffe und Seen, rhythmifch aufzählen; müßte dann
eine Schilderung ber Berge, Höhlen, Thäler, Seen, Flüffe,
fruchtbarer und oͤder Gegenden ıc., in Leichtem, aber fchds
nem Stile gefchrieben, beifügen, und dadurch überhaupt ber
innern Anfchauung bed Hauptlandes, fo wie ber Erlernung
dieſes Theiles der phyfifchen Geographie, mit Sinnigfeit und
Lebendigkeit, in tiefer Kenntniß ber Sache und fieter Vers
gleichung des Einzelnen, zu Hülfe fommen.
3) Den politifchen Theil müßte das Lehrbuch gerabe fo
abhanbeln, wie bad Memorienbuch. Solche Merkwuͤrdig⸗
feiten der Provinzen und Städte, Die weniger zur allgemeis
nen Bergleichung gehören, oder die fich behaltlich an ben
Namen der Stadt ıc. anknüpfen ließen, müßten mit nöthis
— 2145 —
ger Ausführlichkeit. beigegeben werden. Dadurch entfländen
auch in dem politifchen Theile einzelne befondere Licht- und
Haltpunfte für Phantafle und Atfociation. In dem Memo:
rienbuche müßten nur einzelne Wörter an folche Schildes-
rungen und Erzählungen erinnern. Dadurch, daß man Pors
trait's der Art mit der erftern Charte in Berbindung brädhte,
würde Kunft und Natur, Menfchliches und Göttliches, Phys
fifches und Politifches,: Allgemeines und Einzelnes ſich ans
genehm in der Phantafie des kehrers und des Schůlers ver⸗
maͤhlen.
4) Was nun die Behandlung der Mertwindigkeiten be
trifft ‚ fo ift in dem vorigen fhon manche Andeutung vors
gekommen; ich will denfelben noch einige hinzufügen. Es
darf auch hierin das Lehrbuch nicht mehr geben, als man
für einen halbjaͤhrigen Eurfus in 7. Wochen Iehren und wies
derholen kann. Im Durchfchnitt möchte der Lehrer dieſel⸗
ben am beften vorlefen; er hat dann Gelegenheit, alles
fchön, beftimmt und auf einen Zweck hinzielend zu lehren,
das Gelehrte anzupreifen und anzupaffen, und fich felbft für
eine höhere Anficht zu gewinnen. Mancher wirb hier meine
geringe Anfoderung an den Lehrer tadeln; aber ich denke,
bei Keftftellung einer Methode muß man den Lehrer nehmen,
wie er ift, auch an die beften Feine übertriebene Anfode⸗
rungen machen, und dagegen die Sıhwierigfeiten, fo viel
ald möglich, den Berfaffern der Lehrbücher zu befeitigen ges
ben. Dann werden die Lehrbicher nicht wie Pilze aus der
Erde wachen; fondern wir werden auf die Produfte fol⸗
cher Männer harren müffen, bie den Gegenftand als Wifs
fenfchaft in allen Theilen auffaffen, und die dabei eine Reihe
von Jahren felbft unterrichtet, und alfo felbft viele Erfahs
rungen gemacht haben. Solche Männer gibt es in jedem
Face; man ſuche fie nur auf, und nehme dankbar das Ges
fchent aus ihren Händen. Seitdem aber Geber, der nur
— 246 —
die noͤthigen Derter zu kennen glaubt, ſich im Stande fuͤhlt
für Schulen zu ſchreiben; ſeitdem wird das gute Lehrbuch
nicht allgemein genug geachtet, und dem Manne von tiefs
fter Einficht umd mehrfter Erfahrung fehlt die nöthige Ers
munterung — fehlt die allgemeine Anerkennung feiner Ders
dDienfte. Wer ein Lehrbuch der Geographie fchreiben will,
beherzige alle Zwecke, und lege in feinen Curſus alles hinein,
was er zu erreichen wuͤnſcht. Wer das nicht auf bie rechte
Art verfteht, Taffe feine Hände von einem Werk, Das er
nicht verfteht; der werde Schüler, werfe ſich aber nicht
zum Meifter fo Vieler auf, bie ihn. vieleicht bei weitem
Äberfchen. —_
Der Berfaffer diefes Lehrbuches muß nach meiner Ans
ficht ſtets Beförderung der Naturs und Menfchenfenntniß,
der Naturs und Menfchenwärdigung vor Augen haben. Das
Ganze diefer Merfwürdigfeitsfammlung gebe nicht eine er⸗
bärmliche Nomenklatur, nein, eine innere Anfchauung von
dem Iſop, der an der Wand wählt, bid zur Geber bes Lis
banon, vom Sonnenftäubchen bis zum Dawalagiri, von
ber Milbe bis zum Elephanten, vom Tropfen am Eimer
bis zum Dcean, von dem Päfcheräh, dem Neufeeländer,
dem Gretin bis zum Leibnitz, Kant und Apollo, von dem
Fetifchdienft und der Schamanreligion bis auf ein wahres
Ehriftenthum, vom Hebel bis auf die Dampfmafchine, vom
erften Waarentauſch bis auf den Seehandel, von der Wins
terjurte bis zur Peterskirche und den zerftdrten Pallaͤſten
und Tempeln zu Palmyra und Athen, vom geringften Als
mofen bis zu den vorzäglichften Anftalten zur Pflege, Ber
forgung, Bildung ded Menfchen, vom Zweikampf bis zur
Voͤlkerſchlacht; — alles in feinen Schattirungen nadı dem
ganzen Zwed der Wiſſenſchaft, von der unterften Tiefe,
bis zur hoͤchſten Höhe — bie zum Weltenfchöpfer, zum Wel⸗
tenregenten. Wären ed bie Namen der Cinzeldinge, Die
— 247 —
bier Tennen ‚gelernt werben müßten: fo wäre die Foderung
zu hoch geftelft. Nein, nicht: jede innere -Anfchauung feßt:
eine Nomenklatur, genaue Kenntniß bed Einzelnen: voraus;
das Gemüth, der höchite Verſtand, beharf nur einiger Halte:
und Lichtpunfte, und es wird ficher durch das Univerſum
geführt durch Deutungen ber: Gemuͤthskraft höherer Geiſter!
by») Eigenfhaften des Memorienbuches.
1) Dieſes enthalte ſammtliche Namen der Gegenftände,
die im Lehrbuch vorfommen, und rhythmiſch auswendig ger
fernt werben müffen; übrigens aber fei es ein gedtängter
Auszug des Lehrbuches, und vertrete bie Stelle des Dikta⸗
tes. Will ſich der Schuͤler auch das Lehrbuch anſchaffen,
ſo mag ihm der Gebrauch deſſelben zu Hauſe verſtattet
werden.
2) Die Zahl der Inwohner werbe durch eine runde
Zahl der Taufenden beigegeben, wie Barmen 26 = 26000.
3) Die richtige Ausfprache der Namen muß, wo möge
lich, allenthalben angegeben werden, wie Cairo ( _), Sa⸗
ratow (—). Werden Buchſtaben oder Silben anders wie
gewöhnlich ausgefprochen, fo könnte man ſolches am Rande
bemerken, wie in Spanien x= ch. Man make damit
nur den Anfang, und bald wird es vollftändiger werben,
wenn Seder das beigibt, was er mit Zuverläßigfeit weiß.
4) E8 möchte ebenfalls näglich fein, wenn auch. das
Memorienbuch die einzelnen Aſſociationsmittel beigaͤbe, wie
Aetna in Sicilien = As.
5) Von dem Auszuge diefes Memorienbuches it ſchon
die Rede geweſen.
c) Produktenbuͤchlein.
In dem Lehrbuche koͤnnen die Produkte nicht vollſtaͤu⸗
dig abgehandelt werden; darum bliebe es wuͤnſchenswerth,
dem Schuͤler ein Buͤchlein in die Haͤnde zu geben, das in
— 2148 —
eblem Teichten Stil gefchrieben, die hauptfächlichiten Pros
dukte der Erbe in alphabetifcher Ordnung abhandelte. Dies
ſes Büchlein muͤßte die Produkte befchreiben, Die Breiten⸗
grabe angeben, zwifchen welchen diefelben gefunden werben,
müßte die Landftriche nennen, in denen diefelben am. häus
figften am beften find, von ihrer Pflege, Gewinnung, Vers
arbeitung ıc. ein Mehreres fagen oder nachweifen ıc. Die
Einleitung hierzu könnte die Einzelheiten unter allgemeine
Gefichtöpuntte ftellen, und den Schüler auf einen höheren
Standpunkt erheben, bamit derfelde in dem Ganzen eine
tiefere Deutung erkenne, als dieſes gewöhnlich gefchieht.
Diefed Buch koͤnnte mit dem Eurfus der Naturgefchichte in
Verbindung fichen. Wo die Befchreibung bes Einzelnen
nicht ausreicht, muͤßte durch einfache Zeichnung nachgehols
fen werben.
d) Voͤl kerbuch.
Der Geographieunterricht kann ſich nicht auf umſtaͤnd⸗
liche Beſchreibung der Sitten, Gebraͤuche ꝛc. der verſchiede⸗
nen Voͤlker einlaſſen; er muß die Bekanntmachung mit dem⸗
ſelben dem haͤuslichen Fleiße uͤberlaſſen.
Dieſes Buch koͤnnte die Hauptracen der Menſchen und
ihren verſchiedenen Grad der Cultur in ſcharfer Scheidung
neben einander ſtellen; koͤnnte dann die Aehnlichkeiten und
Verſchiedenheiten der Voͤlker ein und derſelben Zone aufſu⸗
chen, und dieſelben zu dem Ende aus verſchiedenen Geſichts⸗
punkten vergleichend betrachten, wie in Ruͤckſicht auf Nah⸗
rung, Wohnung, Kleidung, Beſchaͤftigung, Vertheidigung,
Verfaſſung, Religion ıc. und dann die Beſchreibung der eins
zelnen Voͤlkerſchaften dieſer Zone folgen. laſſen. Beſſer nody
ginge vielleicht die Befchreibung bes Einzelnenvoraus, und
das Allgemeine, das Refultat der Bergleichung folgte dann
ur Wiederholung und zur Führung auf höhere Anfichten
— UI —
nach. Das Voͤlkerbuch hätte demnach: mit dem gehrbuche
gleichen Zweck, und unterfchiede fich. von biefem nur durch
weitläuftigere Auseinanderfeßung: des Einzelnen. Was die
Form des Vortrags betrifft, fo. möchte hier,. der Anfchaus
Tichfeit wegen, der Briefftil jeder andern Form vorzuzie⸗
hen ſein.
e) Eigenfhaften ber Eharten.
aa, Bon den Wandcharten.
1) Sede Charte muß mit dem Memoriens und kehr⸗
buche, die nach feſten Grundſaͤtzen angefertigt ſind, im ge⸗
naueſten Verhaͤltniſſe ſtehen. Sie muß zum wenigſten ſaͤmmt⸗
liche Namen bekannter Provinzen, Staͤdte ꝛc., die im Me⸗
morienbuche angegeben ſind, alſo einen in ſich abgegraͤnzten
Eurfus enthalten.
2) Da die Länder moͤglichſt wenig verzerrt erſcheinen
muͤſſen, ſo bedarf man von jedem der Laͤnder: Deutſchland,
Europa, Afrika, Aſien, Auſtralien Eine, und von Amerika
zwei beſondere, alſo im Ganzen ſieben Wandcharten.
3) Jede Charte muß ſo groß ſein, daß der Lehrer je⸗
den zum Curſus gehoͤrigen Gegenſtand auf eine Entfernung
von 5 Fuß deutlich erfennen, und daß der Schüler die
Form der Provinzen, die. Punkte. der Städte, die Inſeln,
Seen, Öebirgszüge und Kuppen ıc. in einer Entfernung
von 24 Fuß gehörig. unterfcheiden kann, Die Charte eines
fremden Welttheiles muß fo groß fein, daß .fie, wo möge
lich, alled Bekannte der Länder enthalte; nur muß jeber
Gegenftand, der nicht zum Curſus gehört, durch Kleine
Schrift, die auf einen Fuß Entfernung gelefen werben kann,
oder durch Mattheit der Zeichnung zurücktreten. Auf dieſe
Art erfüllt fie alle Anfoderungen ver. Schule und ber zer
ſenſchaft.
4) Die Namen aller im Curſus vorkommenden. Gegen⸗
flände werden in ftehender Schrift angegeben. Voͤlkerna⸗
— 150 —
men muͤſſen in ſtehen der Sperrichrift bie größte Ausdeh⸗
nung bed Landes berfelben in der Richtung von Weſten nad
Dften oder Norboften einnehmen.
5) Wäre die Bildungsftufe der Voͤlker in bem Lehrs
buche durch Zahlen angegeben und feftgefebt worden: fo
koͤnnte Die Charte diefe durch eine Zahl, fo wie auch andere
befondere Eigenfchaften durch einen, einmal bazu feitgefebten,
Anfangsbuchftaben ausdrücken. Selten vortommende Pros
dukte Fönnte man dort, wo biefelben vorgefunden werben,
angeben, ald edle Metalle ıc., wo man biefelbe nicht vers
muthet, 200° hohe Bäume ıc. Kerner koͤnnte der Kuͤnſtler
eine der wichtigften Seefahrten, den Oſtſtrom, flärmifche
Gegenden, Klarheit ober Farbe des Waflerd, winbftille
Gegenden, die merfwürbigften Sandbaͤnke, Untiefen ıc. ber
Meere, die ausgezeichnete Tiefe mancher Seen, bie Höhe
der höchften Bergfuppen, bie wichtigſten Waflerfälle, Hoͤh⸗
Ien und andere ausgezeichnete Merkwürdigkeiten in Linien,
Umriß, Zeichen, Schrift oder Zahl bemerken. Iſt die Charte
groß genug, fo fürchte man feine Ueberladung, ba weber
Memoriens noch Lehrbuch überladen barf.
6) Die Punkte (nicht Nüllchen) der Städtelage werben
tief gravirt, alfo mit Schwärze ausgefüllt, aber nur fo
groß gemacht Cetwa 2, Linien), daß fie in gehöriger Ent⸗
fernung von den Schülern deutlich gefehen werben koͤnnen.
Zu große ‚Punkte würden, ohne Roth, der Eharte bie
Schönheit benehmen. Die Zahl der Inwohner wird in Tau⸗
fenden beigefchrieben, wie Cairo 250. Für Feſtungen, Häs
fen, Hauptfiädte der Provinz muß man Zeichen wählen,
die dem Lehrer in ber Entfernung von 5 Fuß erfennbar
find. Die Namen der Provinzen müffen, wo möglich, beis
gefchrieben werden, oder die Eharte muß fie durch ein
. Zeichen, das auch das Memorienbuch enthält, verſtaͤndlich
machen. ' a
— 231 —
7) Der Umriß des Hauptlandes muß burdy fcharfe,
alfo auf den Stein tief eingegrabene Begränzung und durch
allmählig fchwächer werdende Berwafchung hervorgehoben
werden; SInfeln an der Küfte muͤſſen dadurch und durch
Ausfparen der VBerwafchung deutlich hervortreten. Ueber⸗
haupt gilt diefes von allen Begränzungen der Snfeln, Inſel⸗
gruppen, Seen, Provinzen und Ländern, die zum Curſus
gehören. |
8) Die Hauptgebirgszäge werben ſtark herworgehoben,
die GSeitenzweige aber und die Verbreitung ber ‚Gebirge
werben fchwach gehalten. Man bleibt dadurd, der Natur
doch ziemlich treu; denn bie hoͤchſten Gebirge find in ber
Pegel auch bie fteilften. Da, wo die Gebirgszeichnung dun⸗
fel wird, mäffen erft die Namen und Zeichen der Gegen
ftände eingefchrieben werden, und man kann dann die Ges
birgszeichnung ausfparen. Da, wo das Gebirge die Fläche
verdunfeln follte, muß der Lehrer die Namen der Städte ıc,
um fo genauer. Tennen. zu lernen ſuchen. Gelbft das Mer
morienbuch kann auf dieſe befonders aufmerffam machen.
Uebrigens richte man fich nach der Beleuchtung der Lchs
mann’fchen Theorie. Daß die Gebirgsnamen eben fo wes
nig, als die Namen der höchiten Kuppen fehlen dürfen,
verfteht fich von felbit, wenn man den Grundfaß feithält:
„Daß der Schüler feine Geographie hauptfäd-
lih an und von der Charte lernen müffe”
9) Die Flüffe werden im Allgemeinen möglichft in nas
turgemaͤßem Berhältniß gezeichnet; jeboch werben die zum
Curſus gehörigen als die wichtigften etwas breiter, und bes
fonders durch Schärfe der Linien und Schwärze ber Aus⸗
füllung hervorgehoben.. Ueberhaupt beachte man den Grund»
faß, Daß alles dasjenige, was nicht zum Eurfus
gehört, möglichft wenig ſtoͤren mäffe; daß der
Schüler aber beim Rahetreten an bie Eharte ein
— 151 —
moͤglichſt vollftändiges Bild des Landes erblis
den, und bie Schönheit und verfländige Eim
richtung derCharteihm Ehrfurcht vor dem Kuͤnſt
ler und vor der Wiſſenſchaft einfloͤßen ſolle.
Die Namen dieſer Hauptfluͤſſe muͤſſen fo oft beigefchries
ben werben, als es erfoderlich ift, die Quellen derfelben
zu finden. Iſt die Länge folcher Fluͤſſe bekaunt, fo wird
diefelbe in geographifchen Meilen demjenigen Namen. des
Kluffes beigefchrieben, der dem Ausfluffe deffelben am naͤch⸗
ften fteht. Ueberhaupt muß der Lehrer felbft dann nicht in
Berlegenheit kommen, wenn ihm der Gurfus noch nicht ganz
In feinen einzelnen Theilen befannt if. Man kann da wol
Anfoderungen an ben Lehrer machen; aber diefelben. wers
den feltener erfüllt, wenn man den. Anfodberungen nicht bie
beiten und bequemftien Mittel zur Seite ftellt; denn man
muß fich nicht immer Lehrer denken, die ein gutes Gedaͤcht⸗
niß, und Weihe, und Kenntniß in der Wiffenfchaft in ſich
mit einander verbinden. Viele Lehrer unterrichten in biefem
Gegenftande, weil fie muͤſſen, und das laͤßt fich fehr oft
nicht ändern. Wird diefer Gegenftand nun folchen Lehrern
feicht, lernen fie, indem file Ichren, fo kann bie Luft Dazu
allmählig fich in ihnen entwideln. Die unwürbigfte ftrengite
Inſpektion Hilft hier weniger, ald das angegebene Mittel.
10) Bei der Eintheilung von Frankreich, England ıc.
wäre es wol gut, zugleich auf die alte Eintheilung Ruͤckſicht
zu nehmen, da diefe gar zu oft in Schriften vorfommt, und
zu dem Enbe die Fleinern neuern Provinzen eines größern
Altern Landes in deutlich werfchiedenen Schattirungen ein
und berfelben Hauptfarbe angeben; z. B. Die Bretagne gelb,
und ihre Deyartementer in auffallend verfchiedenem el.
Bei der Türket könnte man vielleicht ganz die alte Eintheis
- Iung beibehalten.
Hier muͤſſen aber and; Memoriens und Lehrbuch vorgehen.
— 233 —.
11) Die Illumination der Charte muß geſchmackvoll
fein; jedes Land muß ſich aber von den nebenliegenden aufs
fallend, und jebe Provinz von den nebenliegenden auf 24°
deutlich unterfcheiden. Ueberhaupt rathe ich da, wo Schoͤn⸗
heit und Deutlichfeit in Streit fommen, die Deutlichfeit
nicht zu fehr nachzufeßen. Der Künft lermuß dieſem Kunfts
werte wahrhafte Schönheit, Deutlichkeit und Zwecmäßigs
feit zugleich zu geben fuchen, und in Allem feine Achtung
vor Kunft, Wiffenfchaft und Schule an den Zag legen. -.
AD Freilih mag ein tüchtiger Geographielehrer auch
mit gewshnlichen guten harten ausreichen; aber man wirb
mir doch beiftimmen müffen, daß Charten, wie ich dieſelben
verlange, doch bei weitem zweckmaͤßiger find, und daß im
Algemeinen ſolche Charten für Lehrer und Schüler ein aus
Berordentliches Erleichterungsmittel fein müffen. Dann fehe
ich auch nicht ein, warum bie Charten überhaupt nicht
diefe Einrichtung erhalten koͤnnten. Die rothen Flecke, welche
wir ftatt Diefer großgefchriebenen Namen und größern fchwar-
zen Punkte auf den alten Charten finden, waren in der That
nicht unzweckmaͤßig, indem fie ſchnell orientirten, und mit
einemmale fefte Haltpunkte und Baſen gewinnen ließen.
Ehemals konnte fchon ein ungeäbteres Auge fich raſch zus
recht finden; jeßt kommt man oft mit aller Geübtheit zu
furz. Und — liegt denn nicht auch in der Zweckmaͤßigkeit,
Leichtigkeit und Natärlichkeit die hoͤchſte Schönheit? —
hb, Eigenfchaften des Handatlaffes. _
1) Der Handatlad enthalte alles dasjenige, was auf
der Wandcharte zum Curſus gehoͤrt. Es muß demnach nichts
auf diefen Eharten fichen, was der Schüler ſich ſchlechter⸗
Diugs nicht einprägen müßte. : Die. Länder muͤſſen eben fo
iluminirt werben, wie auf der Wandcharte; kurz die Hanke.
harte foll ein Theil der Wandcharte, aber im verjüngten
— 1354 —
Maaßſtabe, fein; fie muß jedoch alled das weglafien, wai
nicht zum Curſus gehört.
2) Bon jedem Welttheile, mit Ausſchluß Auſtraliens,
und Einfchluß Deutfchlande, muß wenigftend eine Fluß⸗ und
Gebirgscharte beigegeben werben. Diefe muß der Kuͤnſtler
mit befonderem Fleiße arbeiten; er muß in berfefben alle
dasjenige, was zum Gurfus gehört, recht deutlich hervor
heben, und die einzelnen Länder durch fcharfe Gränzlinien |
angeben. Das Lehrbuch erhebt diefe Eharte zur inneren
Anfchauung; aber die Charte muß diefes durch Zeichen aller
Art, die das Lehrbuch Fennt, zu erleichtern ſuchen; bemm
dem Schüler wird die Merkwuͤrdigkeit eined Punktes nod
viel angenehmer, wenn er diefen auf feiner Charte ver
zeichnet findet.
3) Eharten von verſchiedenen Projektionen werden nur
zu ſelten gebraucht, und man muͤßte wenigſtens dieſe einzeln
zum Atlas kaufen koͤnnen.
4) Sollte es den Anfichten der höchiten Regierungen
nicht entgegen fein: fo wäre für jeden Schüler eine richtige
fpecielle Charte der Vaterprovinz zu wünfchen.
f) Andere Berfinnlihungsmittel.
1) Höhendarftellung der in bem Curſus vor
fommenden Gebirgsfuppen ber Erde.
In einem Rechte, das nach dem verjüngten Maaßſtabe
etwa 30000’ hoch, und von 10 bis 15 Parallelen durchſchnit⸗
ten ift, Eönnte die Höhe jeder Kuppe in einer gewiflen Reis
henfolge durch eine fehr breite fenfrechte Linie ausgedrückt wer⸗
den, an deren oberftiem Punkte der Namen und die Höhe ders
felben angegeben wäre. Am Fußpunkte ber Linie koͤnnte dann
die geographifche Ortöbeftimmung und ber Namen der Provinz
ftehen, in welcher die Kuppe liegt. Diefe Darftellungsart
{ft freilich nicht ſchoͤn, aber fle iſt deutlich und fehr Leicht
zu überfehen. |
— 1355 —
2) Längendarftellung der Fluͤſſe.
Ganz auf ähnliche Art, wie die vorige, nur mit bem
Unterfchiede, daß die Längenlinien horizontal und fchlangens
förmig fein müßten. Am beften ftänden die Namen, ſon wie
auch die Laͤngenzahlen, unter einander.
3 und 4) Eine Voͤlker⸗ und Produktencharte, wie fote
gewöhnlich eingerichtet find.
Diefe Verſi nnlihungsmittel müßten ein Cigenthum
der Schule und in nicht zu kleinem Maaßſtabe angefers
tigt fein.
D) Bemerfungen.
1) Was die alte Gengraphie betrifft, fo kann das er
wähnte Lehrbuch bei Angabe der Namen von Ländern und
Provinzen auch wo noͤthig die alten Namen: derfelben er-
wähnen, und manche zerftörte, aber berühmte alte Stadt,
welche die Charte mit einem Krenz verfehen kann, mag als
Licht» und Haltpunkt zur Charafterifirung des Landes dienen:
Befonders müßte man die wichtigften alten Provinzen
Deutſchlands nicht vergeffen. Die alte Geographie wird in
der Regel mit der alten Gefchichte und beim Lefen ber Al
ten durchgenommen, und da möchte Die Idee der Laͤnderzu⸗
fammenftellung des Herren Gonfiftorialraths Kohlrauſch und
des Herrn Divifionsprebigers Möller in Münfter, ausge
führt von einem wirflihen Künftler, fehr zu em⸗
pfehlen fein. |
D Die mathematifche und phyfifche Geographie müßte
in einem befonderen Curſus von wenigftens einem Sahre in
wöchentlich, vier Stunden gelehrt werben... Am beften kommt
diefer Gegenftand in einer Claſſe vor, in welcher der ges
wöhnliche Geographieunterricht ſchon abfolvirt if. Dem
Schüler müßte man hierbei ein Büchlein in die Hand geben,
das .die Stelle des Diktates verträte, und für den Lehrer
müßte in einem Lehrbuche jeber der in dem Auszuge kurz
— 10 —
angagebeuen Säte ausführlich dargeſtellt ſein. Wäre irgend
einem. Buche Klarheit und: Zaplichkeit der Darſtellung zu
müpfchen; eignete ſich irgend ein. Buch dazu, den jungen
Menfchen felbitthätig ſtufenweiſe weiter und in. bie Natur
hineinzufähren: fo wäre es dieſes Buch. Der Lehrer koͤnnte
anfänglich jede Hauptabtheilung frei Ichren, und hätte das
bei nur den Auszug als Leitfaden noͤthig. Zur Wiederhos
lung aber und zur Ergaͤnzung ſeines Unterrichtes koͤnnte er
dann das Vorhandene aus dem Lehrbuche langſam und bes
fprechend vorlefen. Wäre er endlich fo weit gefommen, daß
er das ganze Material mit eben der Klarheit und Faßlidy
fest, mit eben der Weckung felbfithätiger Kraft. und Bors
ſtellung frei vortragen koͤnnte: fo koͤnnte dieſer Mann feinen
Schülern das Lehrbuch, flatt des Auszuges, in Die Hände
geben. |
Die noͤthigen geometrifchen Lehrfäge müßten im Lehr,
buche mit einem .Anhange umftändlich erörtert werden; tris
gonometrifche Formeln aber und Gleichungen müßte man,
wo möglich, weglaſſen, und wo diefes nicht wohl anginge,
dieſelben in ausführlichen Anmerkungen beigebenz; denn ich
bin überzeugt, daß wenige Säße der Art, wo der Lehrer
ſelbſt feftfährt, dem Gebrauche eines folchen Buches für ims
mer Die größten Hinderniffe in den Weg legen. Die Säße
mögen beffer, als gemeinnügig, den Lehrbüchern der Mas
thematif beigefellt werben, die ohnehin eine andere Einrich⸗
tung erhalten müffen, wenn das Studium der Mathematik
auch in: feinen Elementen mehr anziehen und näten fol, als
dieſes gewoͤhnlich gefchieht. *)
2) Sch will die Theorie darum nicht zur Praxis machen; aber ich
„glaube doch, daß‘ ber Deutiche ben praktiſchen Kopf nicht fo ſehr
entwickelt, als der Franzoſe. Es ift nämlich noch die große Frage,
ob. fi) das Nachdenken über praftifche Anwendung mehr in dem
— 257 —
Welch ein herrliches Ganze könnte ein tüchtiger umſich⸗
tiger Lehrer liefern, wenn er Maltebruͤn's mathematifche Geos
graphie, Bode's Weltſyſtem, Kant's phyfifhe Geographie
und Froriep’s Zeitfchrift für Naturwiffenfchaft u. ſ. w. Bes
nußte; wenn er aus diefem Allen Das Bortrefflichfte, Bes
Menfchen entwidelt, wenn er nur bier und dort Einzelnes gewahs
ven kann, und gleich auf praftifche Anwendung des Exlernten ger
führt wird, ober da, wo ihm ein ungeheuer großes Feld eröffnet
worben if. — Und, wenn bie Beantwortung biefer Frage gegen
meine Grwartung auöfieles gelangt denn jeder Schüler einer höhes
ren Lehranftalt fo weit, daß er die Theorie beendet, unb ihm das
Feld des Praktiſchen eröffnet wird? — Wer Eönnte der Mathemar
tie die hohe Bildensfähigkeit des Menſchen abfprechen? ber ich
glaube doch, daß fie, bloß als Logifche Formel benugt, bei weis
tem nicht ihre ganze Bilbenskraft auf den menfchlichen Geift aus:
übt, wie wenn fie gleich auch nur in Einzelheiten hier und da ans
gewendet würde. Man verwerfe biefe Anſicht nicht oberflächlich —
betrachte den franzöfifchen praktifchen Mathematiker, und vente mit
nach, auf welche Art unfren Lehrbuͤchern ber Mathematik noch mehr
Bildenskraft gegeben werde. Seit Peftalogzi haben wir angefangen,
unfre Theorie, ich möchte jagen, wie eine Praris zu behandeln,
und haben dadurch große Fortſchritte gemacht; benn es iſt dadurch
mehr Selbftthätigkeit des Geiftes in den Unterricht getreten. Könne
ten wir bas Auffindende in dieſer Methobe nicht beibehalten, ja
recht herausfehren, und flatt mancher Bafeleien nicht Praktiſches
nehmen? Der Schüler hätte dann einen Sag mit aufgefunden,
und die aufgefundene Formel müßte er dann auch weiterhin, wenn
auch nur in etwa, anzuwenden angeleitet werden. Haben wir es
zeither unter anderem nicht eben ſe mit bem Zeichnen gehalten? und
machen wir es größtentheils nicht noch mit der Erlernung der Muts
terſprache fo? — Endlich hat man eingefeben, baß das ewige Rad:
geichnen zu feinem orbentlichen Refultate führt, und dringt nun’auf
Naturzeichnen, auf's freie Handzeichnen! Wie lange wird es noch
waͤhren, bis man die Sprache felbſt, rate! der bloßen Spradivegein
lehrt ? —
— 158 —
haltlichite auswählte, Alles wie im Lehrbuche der Geogras
phiel, iunter Bergleichungen auf das Hoͤchſte zier
lend'‘, unter allgemeinen Gefihtspunften zus
fammenftellte! Wahrlich, bier ift noch Derdienft au
erwerben !
3) Bon wen kann Deutfchland nun ſolche Charten unb
folche Lehrbücher erwarten?
Ohne vielen trefflichen Männern zu nahe zu treten,
nenne ich in Ruͤckſicht auf Chartenzeichnung drei mir befannte
Männer, die durch wahrhaftes Kunfttalent, durch innige
Hochachtung vor diefer Wiffenfchaft und tiefe Einficht in
diefen Gegenftand ſich auszeichnen. Diefe Männer find:
ber Herr General Major Rühle von Lilienftern — der
Herr Profeffor Berghaus, beide in Berlin, und der Herr
Artillerie = Hauptmann Richter in Mainz. Wer kennt den
fchönen Ruͤhle'ſchen Atlas, und erkennt nicht dankbar Die
hohe Gemeinnügigfeit, mit welcher dieſes Kunftproduft fo
wohlfeil den Schulen hingegeben wird! Wer fennt nicht Die
ausgezeichnet fchönen Charten, die Herr Profeflor Berghaus
uns gefchenkt hat! In der That, wir ftehen Frankreich in
Ghartenzeichnung nunmehr nicht nach, wenn ich felbft den
vollendeten Schlieben nicht mit einrechne. |
Herr Hauptmann Richter aber berechtigt und zu berfels
ben Hoffnung. Nicht, weil er uns fchon mit geftochenen
Schularten bereichert hat, fondern weil berfelbe bei ers
mwähnten Eigenfchaften fich bereit fühlt, Muße und Kraft
aufzubieten, um uns mit. den beiten Wandcharten ıc. zu bes
fihenfen. Eine Eharte von Afrifa und eine von Deutfch-
Fand, beide von etwa 7 Fuß Höhe, find bereitd von ihm
angefangen, und ſollen nach den beſten Huͤlfsquellen, die
ihm zu Gebote ſtehen, nach den ‚aufgeftellten oder. noch
nach fefteren und befferen Anfichten fobald vollendet wers
den, als die Feſtſtellung diefer Anficht und die nöthige Ers
— 239 —
munterung von Seiten der Geographielehrer ıc. erfolgt fein
wird. Möchte ed dann. auch den eriteren Männern gefals
Ien, die Schulen fernerhin mit vorzüglichen Eharten zu bes
fchenfen ! | | |
Was nun bie Feftflellung der Anfichten und Die Ans
fertigung ber Lehrbücher betrifft: fo richte ich meine Hoffe
nung auf Geographielehrer, welche ihre Wiffenfchaft in wars
mer Bruft tragen, und, ohne alles niedere Intereffe, ihr Aus
genmerf auf Vervollkommnung bes Unterrichtes lenken — und
darum befonderd auf einen Mann, der feit einer langen
Reihe von Sahren in der Erbfunde rühmlichft unterrichtet,
und als Schriftiteller in diefer Wiflenfchaft zu Denen des ers
ften Ranges gehört; dem feit langen Jahren faſt jede vors
zügliche Charte, jede vorzägliche Anficht von diefer Wiffens
fchaft vor Augen gekommen, und der das Gutfcheinende uns
terfuchen und erproben mußte; ber einem Ritter ben Geift
der Erdfunde einhauchte, und durch deſſen Thätigfeit ein
großer Theil Deutfchlanpg in der Pädagogik fortfchritt —
ich meine — wer wüßte es nicht fhon? — ben ehrwuͤrdi⸗
gen Herrn Hofrath Guts⸗Muths, der noch jett als Greig,
mit jugendlicher Kraft und mit den trefflichiten Werfen bes
fohenft, und dem auch ich bie meiften meiner hier audges
Iprochenen Ideen verdanke.
4) Sch wage und wüßte auch an dem Lehrbuche dieſes
Meifters nichts zu tadeln; aber ich möchte fo gerne den
großen Eurfus, zu welchen wöchentlich wenigftens ſechs
Stunden gehören, auf einen Eurfus von wöchentlich drei
Stunden in leichter, anziehender Darftellung reducirt wiſ⸗
fen, ohne darum zu viel für die Schule zu. verlieren. Uns
fre Gymnaſien und höhere Bürgerfchulen fchenfen biefer
Wiffenfchaft ale Aufmerkfamfeit, wenn fie auffünf bis feche
Sahre hin für Diefelbe wöchentlich drei Stunden ausfeben;
und wären auch mehr Stunden biefem Gegenftande zu wuͤn⸗
r %
— 260 —
ſchen, was ich gerne einraͤume: ſo laͤßt die Menge von Ge⸗
genſtaͤnden, denen leider unſre Schulen genuͤgen muͤſſen,
kein mehres zu.
Daß aber ein Lehrbuch noͤthig ſei, nach welchem ein
Lehrer ſich ſtrenge richte, und das er mit der Zeit ganz in
ſich aufnehme; das geht aus dem mit Namen uͤberfuͤllenden
Unterrichte ſo Vieler, das geht aus dem allgemeinen Bes
ftreben forgfältiger Lehrer, nach welchem diefelben ſich das
Wuͤnſchenswerthe aus größeren Lehrbüchern herausfuchen, wie
auch aus ber Anficht deutlich hervor, daß ein außerordent⸗
licher Geograph und Erzieher eine beffere Auswahl für eis
nen auf die Hälfte der Zeit befchränften Curſus treffen könne,
als ein minder einfichtsvoller Mann.
5) Haben wir erft ein Lehrbuch biefer Art: fo bleibt
und noch eins auf einen Gurfus von zwei Sahren für die
niederen Bolföfchulen zu wünfchen übrig, wo ich wiederum
fein anderes Mittel, ald das der noch allgemeinern Aufſtel⸗
lung des Borhandenen fehe, im Kal man auch einer Ueber;
ficht den Geift nicht rauben will. Uebrigens würden auch
bier biefelben Grundfäße des Unterrichtes gelten muͤſſen.
6) Sch bitte Vater Guts - Muths auf das herzlichfte
und angelegentlichfte ung mit einem folchen Lehrbuche, das
zum Theil noch nach reinern und beffern Grundfägen bear⸗
beitet. wird, als ich diefelben ausfprechen fonnte, zu beglüs
den, und wänfche, Daß warme Freunde eines beffert Gens
graphieunterrichtes meine Bitte unterftägten! Bon biefem
Beteranen muß etwas BVortreffliches kommen; denn wir ers
fennen in ihm einen ausgezeichneten Geographen, einen fehr
glücklichen und gepriefenen Lehrer dieſer Wiffenfchaft, einen
hoͤchſt einfichtsvollen Pädagogen, und einen Mann von ju⸗
gendlihem, höchft edlem Geifte, der gewiß auch des rechten
Zones, durch welchen der Verftand und das Herz ber Tus
gend ergriffen wird, nicht verfehlen kann.
— 261 —
Sch würde nicht fo ſehr an die Nichtigkeit meiner aus⸗
gefprochenen Anfichten glauben, und es nicht wagen einen
Träger der Geographie und des Erzichungsmefens um bie
Ausführung meiner Anfichten zu bitten, wenn ich diefe
nicht großentheild aus den Arbeiten von dieſem Lehrer und
feinem großen Schüler gefchöpft, und wenn Herr Hofrath
Guts⸗-Muths diefe Abhandlung der Nheinifchen Blaͤtter
nicht mit warmer Billigung aufgenommen hätte. Mein hoch
verehrter Freund, der Herr Artillerie - Hauptmann Richter
und noch mehr Männer, die wahre Meifter im Ehartens
zeichnen find, werben es fich gewiß zum befondern Vergnuͤ⸗
gen rechnen, im fchönften Vereine mit einem ſolchen Veteranen
in einem Felde zu arbeiten, Das von demfelben auf Das ges
nauefte gefannt ift, und woburd ihre Mühe und Kunft
nur auf das Zwedmäßigfte und Befte gerichtet, und
darum auch ihre volle Anerkennung auf die Dauer fins '
den wird.
7) Sn Hinſicht auf allgemeinere Unterſuchung uͤber
die Richtigkeit meiner ausgeſprochenen Anſichten muß ich
noch bemerken, daß ich die Vortrefflichkeit einer Methode
nicht in der Vielheit, ſondern in der Einheit der Mittel,
nicht in der Schwierigkeit, ſondern in der Leichtigkeit ihrer
Anwendung, nicht ſo ſehr in der Individualitaͤt des Lehrers,
als vielmehr in der Vollkommenheit des Lehrbuches und der
andern Lehrmittel, nicht in der Menge zum Vollſtopfen, ſon⸗
dern in der Verarbeitung des mit tiefer Einſicht gegebenen
Stoffes ꝛc. geſucht habe.
Wohlan denn! ich bin bereit meine aufgeſtellten Anſich⸗
ten zu vertheidigen; aber auch eben ſo bereitwillig, dieſelben
zu reinigen, oder mit beſſern zu vertauſchen; — denn ich
will nuͤtzen!
— 262 —
9 Geometrie
Woͤchentlich 2 Stunden.
Beabfichtigt der Lehrer wirkliche Geometer zu bilden,
fo wüßte ich hierzu feinen beffern Anleit, als den von
Ernft Gottfried Fifcher. Diefer Mann hat, befonders zur
Geſchicktmachung für die Praxis ein Lehrbuch geliefert, wie
Deutfchland Fein zweites aufzumweifen hat. Bor dem Ge
brand, dieſes Buches möchte ed aber doch rathfam fein,
den Schüler erft in den allgemeineren Elementen herumzu⸗
führen und ihn zuerft im einfachften Combiniren zu üben,
wozu der erfte, und ein Theil des zweiten Curfus von Dies
ftierwegs Geometrie Raumlehred in mancher Hinfiht ganz.
vorzügliches Material darbiete. Dann müßte ber Lehrer.
- weiterhin aus jedem Abfchnitt von Fifcher, wie geſagt,
jedesmal das Element ıc. vorher noch näher ersrtern und
behandeln und Einnte dann bei Durchnahme der Säge auf
fohriftlihe are Darftellung verfelben halten. Sch habe
Diefen Anleit öfter mit einer Claſſe durchgearbeitet und zus
gleich die Geometrie als ein außerordentlichee Mittel im
fchriftlichen Darftellen mit dem beften Erfolge benugt.
Sit es dem Lehrer aber weniger um das fünftige praftifche
Meſſen zu thun, Sondern beabfichtigt er befonders, was ich wuͤn⸗
fche, in die Raturwiflenfchaften einzuführen : fo erfcheint Diefters
wegs Anleit wie gefagt, als fehr empfehlungswerth, befonders
durch die Anordnung deſſelben. Sind meine ausgefprochenen
Anfichten übrigens richtig: fo wird mein hochverehrter Freund .
. Herr Seminar- Direktor Dieftermeg , der e8 nicht gewohnt
ift auf halbem Wege ftehen zu bleiben, in diefem Geifte weiter
arbeiten, diefe Schrift mehr und mehr vervollkommnen und
uns auf Fürzeftem, aber leicht verftändlichen Wege dasje-
nige der Stereometrie, Trigonometrie, Buchftabenrechnung
— 263 —
und Algebra geben, was zur Einführung in die Naturwif-
fenfchaften und in Die Anfänge der Mechanik und Chemie
durchaus erforderlich ift.
10) Naturbefhreibung.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Der Unterricht in der Naturbefchreibung kann Außerft
bildend fein, und ed wäre zu wünfchen, wir koͤnnten bei
diefem , wie bei manchem andern Gegenftande eine dreifache
wie die angegebene Stundenzahl dafür feſtſetzen; allein an
Bildensmitteln fehlt es nicht, und bei den beiden unterften
Claſſen fann, wie der Lektionsplan zeigen wird, ein fehr
guter Grund in der Naturbefchreibung gelegt worden fein.
Ein Lehrbuch für Naturgefchichte müßte in einer einfa-
chen, anziehenden, edlen Sprache gefchrieben fein, ein vers
befierter Raff, müßte fi) bei Auseinanderfegung
der Haupt s und vorzüglidhften Unterordnun
gen am meiften aufhalten, jedoch aud) davon nur Merk⸗
würdiged und Behaltliches angeben, und von dem
Einzelnen nur fo viel fagen, als es für den Schäler in
der Zukunft von Sintereffe fein fann, oder als er dadurch
irgend eine andere Seite der Natur kennen lernt.
Mag der Naturforfcher jeden Gegenftand der Natur
fennen zu lernen ſich bemühen; von einem Menfchen von
allgemeiner Bildung kann man nicht diefe Einzelheiten,
nicht einmal die Kenntniß fämmtlicher Unterabtheilungen
verlangen. Wenn biefer etwa- die Hauptorbnungen, und
von den befanntern die vorzüglichften Gefchlechter anzuges
— 264 —
ben: weiß, dann von ben merkfwärdigiten Einzeldingen das
Merkwuͤrdige kennt, fo dächte ic; müßte man- damit zu⸗
frieden fein.
Vorzüglich müßte Das Buch, wie überhaupt der Unter
richt, auf Erflärung derjenigen Dinge achten, die im ge
meinen Leben und in der Geographie vorkommen,
und, in Rüdficht auf die Pflanzen, von denjenigen am
meiften fprechen, die ihres Nubens wegen für Küche, Kels
ler, Hausapothefe, Erwerb ıc. oder zur Berfchönerung des
Gartens und der Flur bedeutend find. Das Nothwendigfte
und Linerlaßlichfle der Ordnungen und Gefchlechter möge
dann ald Nomenklatur dem Ganzen angehängt werben.
Der Lehrer aber erzähle mit Wärme das Merkwuͤrdige
der Ordnungen, Gefchlechter und des Einzelnen, zeige die
Gegenftände in Natura oder in gut iluminirten Bildern
vor, laſſe die unterfcheidenden Merkmale auffuchen und
präge das Wenige dem Gedächtniffe und der Phantafie feis
ner Schüler ein. Wo er den Schüler in das Innere ber
Natur hineinführen kann, thue er es mit frommem Hinblid
auf den großen Schöpfer, mit Ehrfurcht vor den Wundern
der Allmacht und mit dem Wunſche, die Gegend durch Nuͤtz⸗
liches und Schönes zu bereichern, damit der Hauptzwed dies
ſes Gegenftandes nicht verloren gehe. Mir. ift kein Lehrs
buch der Naturbefchreibung befannt, daß dieſen Anfodcruns
gen mehr entfpräche, ald das von Schubart.
Zum eigenen Studium rathe ich Blumenbachs Compen⸗
diem, Helmuths und Funkes Naturgeſchichte, die beſſeren illu⸗
minirten Steindruͤcke von Arnz und Comp.; ferner Sander
uͤber die Groͤße, Guͤte und Weisheit Gottes in der Natur,
Matthiſſons Gedichte, die das Innerſte einer zarten Seele
mit dem Inuerſten der Natur fo wunderbar vermaͤhlen,
rathe. .ich das innige Anfchauen ſchoͤner Landfchaften und
— 205 —
Kunftgärten: in Bild und Wirklichkeit an. Die Letztern moͤgen
dem Lehrer zeigen, wie er bie Erſtern zu bearbeiten habe,
Auch diefer Gegenftand eignet fich zu fchriftlichen Miss
arbeitungen fehr gut; befonders möchten da Beſchreibungen
vorzüglicher Gärten, entzückender Anlagen, oͤffentlicher Luft⸗
pläße, einzelner Baumgruppen, ſchoͤner Kirchhöfe, merkwuͤr⸗
diger Thiere und Pflanzen nebft ihrer Wartung und pſtege
anzurathen ſein.
ate Claſſe. |
. Schüler von 12 bis 13 Jahn!
1. Leſe n. . .. *
Woͤchentlich 3 oder 4 Stunden.
Fuͤr dieſe Claſſe moͤchte ſich Schillers dreißigjaͤhriger
Krieg eignen, damit der junge Menſch, der zeither noch im⸗
mer in der idealen Welt gelebt hat, auf eine wuͤrdige Art
in die wirkliche Welt eingefuͤhrt werde. Der Schuͤler ſoll
bier Menſchen handeln ſehen, die für ihre Ueberzeugung
alles, alles thun Finnen; er fol jest, gewonnen für alles
Gute und Edle, die Thaten der Welt, eines Volks und das
durch fich felbft prüfen Iernen: Kurz, er fol durch diefes
Buch, fo wie durch noch einen befondern Gefchichtöunterricht
in die Gefchichte geführt werden. Diefed Buch lefe 'der
Lehrer mit feinen Schülern, interpretire jede Periode, beſon⸗
ders im Anfange, und unterhalte fidy über jebe vorkom⸗
mende Wahrheit bis er den Schuͤler beſtmoͤglichſt auf den
richtigen Standpunft geftellt-, oder ihm klar gemacht haty
daß fich große politifche Grumdfäge felten von einem nie
— 1% —
drigen Standpunkte aus beurtheilen laffen. Bor allem ers
halte er hier des Schülers Befcheidenheit im Urtheilen, feße
ihm, da wo nöthig, gleich Fragen entgegen, deren Beants
wartung ihm fchwierig oder unmöglich wird, und präge ihm
da Ehrfurcht vor einer Regierung ein, wo ber Unveritäns
dige nichts als Selbſtſucht, Thorheit und Beſchraͤnltheit
ahnet. |
Iſt Das. Buch mit Sorgfalt dburchgearbeitet; hat der
Lehrer vielfach auf die Vortrefflichfeit des Periodenbaues
und des Gedanfenganges ıc. hingewiefen; hat er mehrere
meifterhafte Befchreibungen nachahmen laſſen: fo Iefe er,
wenn es die Zeit erlaubt, in ben noch übrigen Stunden mit
feinen Schülern das Schänfte zufammen, achte auf Richtig-
feit der Betonung, Iaffe fie einzelne Stellen auswendig ler⸗
nen, und empfehle ihnen zum Privatſtudium Öftere Wieder
holung des Buches und für die Zukunft die Fortfeßung dies
fer Sefchichte von Courth. Es wäre gewiß fehr zwedmäßig,
wenn die erfteren Bücher diefer Schrift mit erflärenden Ans
merfungen verfehen würden; denn mancher Lehrer, der gerade
in der Gefchichte nicht fehr bewandert ift, wird Manches
dunkel Laffen muͤſſen. Auch möchten eingeftreute Bemerkuns
gen über die Schönheit des Schilferfchen Stiles hier am rech⸗
ten Drte ſtehen.
2) Schreiben.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Wie vorher nach Heinrigd Vorfchriften. Wahrend des
Schreiben wird. das .in den Lefeftunden ‘Durchgearbeitete
von den Schülern einzeln gelefen. Dadurch wird befonders
der Theil des Näfonnements dem Gedächtniffe eingeprägt .
werden koͤnnen.
— 17 —
Im letztern Halbjahre mögen deflamatorifche Uebungen
mit dem Leſen abwechfeln, oder ganz deſſen Stelle vertreten,
eine Uebung, die aber zugleich einen befondern Lehrer erfor
dert, da fonft der Schreibeunterricht leiden würde.
3) Univerfalgefhidte
Woͤchentlich 3 oder A Stunden.
Ueber den Unterriht in der Univerfals
geſchichte.
Unter Univerſalgeſchichte verſteht man den Inhalt, das
Wiſſen und die Darſtellung desjenigen, was in der Welt geſche⸗
hen iſt, was der Menſch in derſelben erlebt hat. Der
ſchriftliche und muͤndliche Unterricht in dieſem Gegenſtande
fuͤr 12 bis 16 jaͤhrige Schuͤler laͤßt noch Manches zu wuͤn⸗
ſchen uͤbrig; ſo daß es wol an der Zeit ſein moͤchte, hier
fuͤr ein Mehreres zu ſuchen, was unſre Geſchichtſchreiber
fuͤr Schulen, ſo wie die Lehrer ſelbſt mit Klarheit und In⸗
nigkeit auffaſſen muͤſſen, wenn anders der hohe Zweck der
Geſchichte auch in der Schule, ſo gut als moͤglich, mehr und
mehr erreicht werden ſoll. Obgleich ich uͤber dieſen Gegen⸗
ſtand ernſtlich nachgedacht, mein Urtheil berichtigt und in
der Erfahrung großentheils erprobt zu haben glaube, ſo
habe ich doch bei der Darſtellung keines Gegenſtandes mit
ſolcher Bangigkeit der Seele, wenn gleich nicht ohne ein
Gefühl von Hoffnung, die Feder ergriffen. Möchte ber
Geiſt der Gefchichte mich, feinen fchwachen aber innigen
Berehrer, vor Kleinmuth, aber auch vor Einfeitigkeit bei bem
Auffuchen eines Beffern bewahren!
— 1% —
brigen Standpunkte aus beurtheilen laffen. Bor allem er
halte er hier des Schülers Befcheidenheit im Urtheilen, feße
ihm, da wo nöthig, gleich Kragen entgegen, deren Beants
wartung ihm fchwierig oder unmöglich wird, und präge ihm
da Ehrfurcht vor einer Regierung ein, wo ber linveritäns
dige nichts als Selbſtſucht, Thorheit und Beichränftheit
ahnet.
Iſt das Buch mit Sorgfalt durchgearbeitet; hat der
Lehrer vielfach auf die BVortrefflichfeit des Periodenbaues
und des Gedanfenganges ıc. hingewiefen; hat er mehrere
meifterhafte Befchreibungen nachahmen Iaffen: fo leſe er,
wenn es die Zeit erlaubt, in den noch übrigen Stunden mit
feinen Schülern das Schönfte zufammen, achte auf Richtige
feit der Betonung, laſſe fie einzelne Stellen auswendig ler⸗
nen, und empfehle ihnen zum Privatſtudium oͤftere Wieder
holung des Buches und für die Zukunft die Fortfeßung Dies
fer Gefchichte von Courth. Es wäre gewiß fehr zweckmaͤßig,
wenn die erfteren Buͤcher dieſer Schrift mit erflärenden Ans
merkungen verfehen würden; denn mancher Lehrer, ber gerade
in der Geſchichte nicht fehr bewmandert ift, wird Manches
dunfel Laffen muͤſſen. Auch möchten: eingeftreute Bemerkun⸗
gen über die Schönheit des Schilferfchen Stiles hier am red»
ten Orte ftehen.
2) Schreiben.
Woͤchentlich 2 Stunden.
‚Wie vorher nach Heinrigs Vorfchriften. Wahrend des
Schreibens wird. das .in den Lefeftunden Durchgearbeitete
von den Schülern einzeln gelefen. Dadurch wird beſonders
der Theil des Näfonnements dem Gedächtniffe eingeprägt .
werden Einen.
— %7 —
Im letztern Halbjahre mögen deflamatorifche Uebungen
mit dem Lefen abwechfeln, ober ganz deffen Stelle vertreten,
eine Uebung, die aber zugleich einen befondern Lehrer erfor
dert, da fonft der Schreibennterricht leiden würde.
3) Univerfalgefhidhte,
Wochentlich 3 oder A Stunden.
Ueber den Unterriht in ber Univerfals
| geſchichte.
Unter Univerſalgeſchichte verſteht man den Inhalt, das
Wiſſen und die Darſtellung desjenigen, was in der Welt geſche⸗
ben ift, was ber Menfch in berfelben erlebt hat. Det
ſchriftliche und mündliche Unterricht in biefem Gegenftande
für 12 bis 16 Jährige Schüler laͤßt noch Manches zu wuͤn⸗
fhen uͤbrig; fo daß es wol an der Zeit fein möchte, hier
für ein Mehreres zu fuchen, was unfre- Gefchichtfchreiber
für Schulen, fo wie die Lehrer felbft mit Klarheit und Ins
nigfeit auffaflen mäflen, wenn anberd ber hohe Zweck der
Gefchichte auch in der Schule, fo gut als möglich, mehr und
mehr erreicht werben.foll. Obgleich ich Aber dieſen Gegen⸗
ftand ernftlich nachgedacht, mein Urtheil berichtigt und im
der Erfahrung großentheild erprobt zu haben glaube, fo
habe ich doch bei der Darfiellung keines Gegenitanbes mit
folcher Bangigleit ber Seele, wenn gleich nicht ohne ein
Gefühl von Hoffnung, die Feder ergriffen. Möchte der
Geiſt der Geſchichte mich, feinen ſchwachen aber innigen
Berehrer, vor Kleinmuth, aber auch vor Cinfeitigteit bei dem
Anffuchen eined Beffern bewahren!
— 208 —
Vortrefflichkeit und Zweck der Univerſal—
geſchichte.
Die Geſchichte ſoll uns das Leben der Menſchen, wie
in einem großen, aus vielen Tableaus beſtehenden, Ge⸗
mälde, von den erften Anfängen ihrer Eultur, von ihren
erften einfachften Handlungen, Abfichten, Entichließungen,
Gedanfen und Gefühlen an, bis zu ihrer höchften von ihnen
bisher jemals erreichten Stufe derfelben, durch alle Schats
tirungen hindurch, fo viel als möglich und thunlich, dar⸗
ftellen — und fol uns auf diefe Art den ganzen Menfchen
in. feinem Sein, in feinen verfchiedenften Lagen und anders
weitigen Verhaͤltniſſen kennen lehren. Sie ift dann ein
zweites, höheres Buch der Natur, indem fie ed mit dem
Höchiten der und befannten Natur, mit dem dußern und
innern Sein und Leben des Menfchen zu thun hat. Was
hat der Menſch, außer Gott und fich felbit, näher kennen
zu lernen, als die Menfchheit, der er doch felbft angehört 2
In der Geſchichte der Menfchheit lernt ter Einzelne ſich
felbft finden und verftehen: in ihrem Zwede lernt er den
feinigen, in ihrem Verhältniß zur allwaltenden Borficht,
lernt er das feinige, in ihren Kräften, Neigungen und Ber
firebungen, in ihren Schidfalen, Tugenden und Laftern,
Einfichten und Irrthuͤmern Diejenigen, deren er ald Menſch
fähig ift, m ihrer Hoheit und Niebrigfeit feine eigene Ho
beit und Niedrigfeit kennen und beurtheilen. Die Gefchichte
zeigt ihm die Abhängigkeit des Einzelnen und ganzer Nas
tionen von Luft.und Boden, vom Zeitalter und vom Eulturzus
ftande der Umgebung, von Lagen und Berhältniffen jeder
Art; — und indem er diefes auf fich felbft anwendet und
fein Inneres zu erforfchen fucht, gewahrt er, ummit Engel
zu fprechen, „wie ein gütiger Gott bie höheren, ebleren
Kräfte in feine Seele gefenft, die beffern, fanftern Neigun⸗
get
— 260 —
gen in ſeinem Blute bereitet, die Anlaͤſſe, die Huͤlfen zur
Tugend in ſeine Lage verwebt hat, und wie ihm duͤnkt,
ſein Gutes komme alles von Gott, und ihm bleibe nichts
übrig, als feine Thorheiten und Sünden.” Der Geſchichts⸗
freund gewahrt aber auch, wie Tauſende die von Gott
verliehenen Kräfte, die Lagen und Verhältniffe, in denen fie ſich
befinden, mit aller Anftrengung benutzen, und: wie Eingelne:
und ganze Nationen ſich zu einer bedeutenden Stufe von
Bildung und Wirkfamfeit empor arbeiten; — und indem
er mit den Beiten und Größten der Vor⸗ und Mitwelt in:
inniger geiftigen Gemeinfchaft lebt, fühlt er fich ermuntent;
auch feine ihm verliehenen Kräfte und Mittel anzuwenden;
diefen Edlen der Erde nadjzuftreben, und der: Menfchheit:
in feinem Kreife zu nuͤtzen. Wo gäbe es eine Schule, in.
welcher der Menfch für alle Verhältniffe des Lebens mehr
lernen koͤnnte, ald in der, welche die Geſchichte ihm eröffe
net? Er fieht in derfelben die Urfachen und Beranlaffungen;
durch welche Einzelne, wie ganze Nationen zur hoͤchſtmoͤgli⸗
chen Stufe des innern und äußern Wohlfeins fich erheben,
und durch welche fie allmählig ſinken, oder ploͤtzlich ins
Berderben ſtuͤrzen; ſieht, wie, und auf welche Art der
Menſch in wenigen Sahrtaufenden ſich aus dem Zuſtande
der Wildheit, der Rohheit bis zu der bemunderungswärbig
hohen Stufe von Verfeinerung, von Bildung emporgeſchwun⸗
gen hat; wie fo nach und nach hier weniger, bort mehr
Anftalten und Einrichtungen erftehen, die das Wohlſein
der Menfchen foͤrdern; wie das Nachdenken, von allerlet
Umftänden aufgeregt und auf fo mannigfaltige Art geſchaͤrft,
fo vieles‘ erfindet und entdect, was oft wieder bis ing Un⸗
endliche zu neuen Erfindungen und Entdedungen treibt 5 ſieht,
wie bei zunehmender wahrhaften Eultur der Sinn für Wiffens
fhaft und Kunft, für Tugend und Religisfität, far Barers:'
fand und allgemeines Menfchenwohl immer’ mehr ſich ve?
wigt und erhebt; ſieht, wie Alles, deſſen der Menfch in
Ruͤckſicht auf Eultur fich erfreut, ein Produkt ift, beflen
Maffe von Faktoren und integrirenden Produkten durch alle
Sahrhunderte zerftreut Liegen, und endlich in ein Dunkel
ſich verlieren, das der Philofoph nach der Analogie aufzus
heilen ſtrebt; — und indem er diefe und taufend andere
Verhältniffe und Einzelheiten, welche die Gefchichte ihm
vor Augen führt, gewahrt unb über biefelben nachdenkt,
gewinnt feine Erfahrung immer mehr lebendige Thatfachen,
fein Geift mehr Schärfe, feine Handlungsweife mehr Ans
trieb und Felligfeit und fein Gemüch mehr Inniges und
Zartes. indem der Menſch durch Vergleichung auf Diefem
Wege das Gemeinfame aller Edlen und Großen ber Bers
gangenheit und Gegenwart und. zwar aus allen Breiten
und Längen der Erbe auffucht, gelangt er zu ber Idee ber
Menfchheitlichkeit, der Humanität, die er dann als nicht
gefühlfofer Menſch zu Lieben und zu verehren fich gezwun⸗
gen fühlt, und in der er auch hier fchon feine Unfterblidy
Feit ſucht. Auf dieſe Weife bildet die Gefchichte den ganzen
Menfchen in ihm, da fie den Menfchen, bei Charaktiriſi⸗
rung der einzelnen Bölfer in feinee Ganzheit aufftellt,
und dieſe Bildung erfolgt auf eine Weife, die für den nicht
unedlern Menfchen eine der reichten Quellen bed Vergnuͤ⸗
gens fein muß; denn, außer ihrem höchft anziehenden Mas
teriale, gibt auf taufend Fragen, welche zur Beurtheilung
menfchlicher Handlungen und Berhältniffe geftellt werben,
nur die Gefchichte eine gründliche, genuͤgende Antwort.
Allgemeine Feſtſtellung der Methode des
Unterrihtes in der Univerfalgefhidhte,
Lehrbuch derfelben.
Ein Lehrbuch der Liniverfalgefchichte muß allen allges
meinen Foderungen Genüge leiften, die man an einen Leh⸗
— 71 —
rer dieſes Gegenſtandes zu machen berechtigt iſt. Das
Lehrbuch kann diefen Foderungen auch eher entfprechen,
als, wenigfteng im Allgemeinen, der Lehrer, da diefer oft
bei mittelmäßiger Gefchichtöfenntniß und noch Sfter ohne
Erfennung des wahren Zwedes der Gefchichte, dennoch in
derfelben unterrichten muß; das Lehrbuch hingegen nur von
einem Eingeweiheten dieſes Gegenftandes, von einem Manne
gefchrieben fein follte, der mit fehr großer Einficht in. die
Sadje auch alle andere erforderlichen Eigenfchaften befikt.
Den Lehrbüchern, welche wir in diefem Fache befiten, fehlt
es, in fofern mir Ddiefelben befannt find, bald an dem Eis
nen, bald an dem andern. Einige find fir höhere Volkes
fohulen zu Hein, andere zu groß, einige erzählen in einem
zu weitfchweifigen, andere in einem zu gedrängten Stil, eis
nige troden und faftlos, andere zu philofophifch refleftirend ;
einige verfolgen die Gefchichte nur einfeitig in Namen und
Zahlen, andere geben planlos, was vorfommt ıc. und Die wes
nigften beabfichtigen den wahren Zwed der Gefchichte: Die
Charafterifirung ıc. der Voͤlker und der ganzen Menfchheit.
Hätten wir nun ein durchaus gutes Lehrbuch der Gefchichte,
das alle Zwecke dieſes Gegenftandes, nach dem Urtheile der
größten Hiftorifer und Pädagogen möglichft ganz zu erfüle
len fuchte, und wäre daffelbe in einem folchen Curſus abge
faßt, daß es der höheren Volksſchule möglich würde, denſel⸗
ben durchzuarbeiten : fo müßte felbft ein vorzüglicher: Lehrer
an demfelben ‚nichts Aändern, ohne Die Zuftimmung folcher
Männer zu haben, die mit dem Berfaffer des Lehrbuches
auf gleicher Stufe von Gefchichtsfenntniß und anderweitigen
Umficht ftänden. Der Lehrer hätte dann nur nöthig, dieſes
Lehrbuch: mit den Schülern zu Iefen , ihnen jedes Einzelne
näher zu erläutern, und noch anderweitige Mittel anzuwens
den, um ihnen Das Ganze einzuprägen; denn hier fommt
es Doch wol nicht auf ein Glänzen von Seiten des Lehrers,
— 272 —
ſondern nur darauf an, daß der Schüler etwas lerne und
überhaupt ſich veredele. Wie dieſes Außerweientlichere ges
fchehen könne, wollen wir am Schluffe fehen; jet liegt ed
und ob, die Eigenfchaften eines folchen Lehrbuches und bas
mit die Behandlung der Gefchichte ſelbſt aufzufuchen und
feitzuftellen. |
1) Das Lehrbuch, welches der Schüler Iefen fol, nf
klaſſiſch gefchrieben fein. Es muß überhaupt fein Gegenftand
in der Schule vorfommen, an welchem nicht alle deutlich
hervortretenden Eigenfchaften als durchaus fcharf und ebel
bildenb wirken. Ein Schulbuch, welches ganz feinen Haupt
zweck erreicht, und dann in feinen einzelnen Eigenfchaften
auch alfo auf den Geift und das Herz der Schüler wirkt,
ift für die Schule Haffifh, und muß von allen Lehrern
und in allen feinen Theilen fo Lange gebraucht werden, bis
nach dem allgemeinen Urtheile der umfichtigiten Kenner ein
anderes Ganze oder ein anderer Theil defielben für durch⸗
aus befler gehalten wird.
Ein Lehrbuch der Gefchichte muß nicht durch die Schwers
fälligfeit, Gebrängtheit oder anberweitigen Künftlichkeit
feines Stils das Auffaffen der Sache erfchweren, ba es
fonft einen ganz andern Zweck, als den zu beabfichtigenden
vor Augen haben würde; es muß alſo a) faßlid und ein⸗
fach gefchrieben fein. Es muß ferner eine gewiſſe Einheit,
fowol in der. Sache felbft, als in ihrer Darftellungsweife
berrfchen und den Ueberblick über das Gange erleichtern,
fo wie denn auch nichts Kremdartiges und Zweidentiges
fi) einmifchen darf; es muß demnach Alles b) Har und
rein in bemfelben ausgefprochen werden. Da der Schüler
für Humanität gewonnen werden. fol, und dieſes haupt⸗
ſaͤchlich dadurch gefchehen kann, daß man ihm bad Beſte
und Schönfte auf eine allmählig überzeugende und verftänds
liche Art vor Augen legt: jo muß die Darftellung c) edel
— 1113 —
amd finnig: fein ; und endlich muß. ein gutes Lehrbuch od)
d) behaltlich: und ergreifend erzählen, bamit'e es einen blei⸗
benden Eindruck zuruͤcklaſſe. nd
a) Derjenige, welcher ein ſolches Lehrbuch ſchreiben
wollte, muͤßte ſich zuvor in den leichten, edlen Stil eines
Engel, Goͤthe, Krummacher und Muſaͤus einleſen, dann
mit Sorgfalt darauf ſehen, keine lange Perioden zu bilden
und nicht etwas als Zwiſchenſatz zu gebrauchen, was er
doch erſt erzaͤhlen muͤßte. Ueberhaupt muͤßte er das Ein⸗
ſchachteln von Zwiſchenſaͤtzen, da, mo er ed !vermeiden
tönnte, auch vermeiden; denn im Geifte der Jugend liegt
die zum Auffaffen vieler Zwifchenfäte nöthige Veſonnenheit
noch nicht.
b) Ein Geſchichtſchreiber für die Sugend muß mit ber
fonderer Sorgfalt vom Belannten ausgehen, oder dad Er⸗
foderliche erſt gehörig feftitellen, dann vorfichtig: weiter
bauen und ein Anderes vorbereiten; er muß, wo es ans
geht, und wo es nicht zerftreut, an ein voriges Aehnliche
erinnern , um dadurch eine Folgerung näher zu begründen;
muß, wo thıimlich und nöthig, auch einzelne Blicke vor ſich
in die Zukunft, und noch mehr rechts und Links durch dic
Gegenwart werfen, damit die Sache moͤglichſt in ihrer
Größe ſchon aufgefaßt und ein Folgendes, wenn gleich nur
in der Ahnung des Schülers, vorbereitet werbe. In Dem
Einzelnen muß er, fo gut es geht, Das ganze Volt, das
ganze Zeitalter deſſelben darzuftellen trachten. Durch eine
natürliche Verbindung diefer Einzelheiten erwächft dann bie
Einheit, die dem Schhler einen Haren und reinen Blick
über das. Ganze geftattet. Verwirrende Umſtaͤnde, die felbit
der Geſchichtsforſcher noch nicht enträthfeln Tann, laſſe er
weg, und wo er dad Dunkle nicht Übergehen kann, befenne
er feine Unwiffenheit und fpreche Die seither gewonnene An⸗
ſicht uͤber die Sache aus.
—
— 174 —
.c) Das. Schöne, Gute, Nüblihe, Wahre muß .allent
halben mit Empfindung ausgefprochen und auf eine Art
bargeftellt werden, daß der Schuͤler ſich zur Nacheiferung
veranlaßt fühle. Die ſchoͤne Darftellung bringt ba weit mehr
Frucht, als das ewige Moralifiren und Ermahnen. Der
Schüler muß ſich ald Glied der Menfchheit erfeunen Iernen;
er. fol in der Zukunft hauptſaͤchlich in dieſem Gattungsbe⸗
griff Ieben, wenn er nämlich, was unendlich viel heißt, ein
uneigennäßiger Menfc werben will. Wer in der Menſch⸗
heit zu leben fucht, .hat einen unendlich höheren Begriff von
feinem Sein, Leben und Wirfen, ald der Egoiſt; der hält ſich
auch, hier auf Erden fchon für unfterblich, und fein leiblicher
Tod fcheint ihm natürlich und gut. Der Gefchichtsunterricht
fol bier thun, was er Tann — und er kann hier viel, unends
Lich viel thun, da die Gefchichte voll von den ermunterndften,
lebendigften Beifpielen if. Das Lafter male er von Seiten
feiner Häßlichfeit und Gemeinheit, und fielle es als ben Aus
fluß einer unverftändigen gottlofen und niedrigen Sinnesart
bar. Er fpreche von demfelben nur da, wo er ed zur Chas
rafterifirung bes Volkes ꝛc. nicht übergehen darf; denn bie
edle That wirft ungleich ftärfer und bleibender, als bie
lafterhafte, wenn leßtere nicht zugleich erfchüttert. Was den
Punkt der Sittlichfeit angeht, fo muß es. mit dem Knaben
und dem Sünglinge hierin, wie. mit .einer verfchämten, Teus
fchen . Jungfrau gehalten werden; nirgend werde dad Laſter
beſchoͤnigt, nirgend ſpreche ſich die geringſte Zweideutigkeit
oder Unanſtaͤndigkeit aus.
Wo etwas gefolgert werden ſoll, gehe der Lehrer lang⸗
ſam, ſi cher und ſtille zu Werke. Die Ueberzeugung wird
nicht eingeſchrien; fi fie ift zart, wie die Keuſchheit, und er⸗
waͤchſt in der Regel nur aus klarer täten Einwirkung.
Hierin | wird vielfach in den Lehrbuͤchern gefehlt, und der
Jugend gine Vergegenwaͤrtigung der Praͤmiſſen und ein ſchnel⸗
[ed Erfennen ihrer Verhältniffe zur Kolgerung beigelegt, das
man oft nur einem geübtern Denker zumuthen darf. Hierin
liegt gewiß eine wichtige Urfache, warum Schüler fo felten
gern Reflexionen Iefen oder vorlefen hören.
d) Was nun das Bebaltliche betrifft, fo muß ich hier
etwas weitläuftiger werden. Um eine Sache für das Ges
daͤchtniß behaltlich zu machen, muß man burch natürliche
Affociationdmittel, durch ein gleichzeitiges Befchäftigen der
Denkkraft, der Phantafie und des Gefuͤhls zu Hälfe fommen.
Man vergißt eine Sache nicht fo leicht, wenn das Nachden⸗
fen an ihr etwas Neues aufgefunden, oder wenn eg bie
vorliegende Sache mit einer vorhergehenden in Verbindung
gebracht, und mit diefer näher verglichen hat. Ein Umftand
prägt fih um fo fefter ein, wenn er mit etwas Auffallens
dem, fei es auch an fich eine Kleinigkeit, in Verbindung ges
fett wird. Laßt man z. B. jene Negyptifchen Könige beim
Opfern nur in Reihe und Glied oder in einen Kreis treten,
und gibt unter ihnen dem Pfammittich nur Die unterfte
Stelle; oder hebt man deſſen Helm hervor, oder dieſer Ks
ige Sabirinth, oder des Pfammittichd Elend in der Eindde
des Delta, oder Die Freude deffelben Über die Ankunft ber
geharnifchten Männer, oder die Freundfchaft, in welcher er
vielleicht mit ben Prieftern ftehen mochte ıc.: fo wird Pſam⸗
mittich und die ganze Erzählung nicht vergeſſen. Wer
koͤnnte ben fchnellfüßigen Achill, ber ben Hektor um Ilium
verfolgt, wer Hektors Abfchied von der Andromache, wer
feinen Tod, feine Loͤſung ꝛc. jemals vergeſſen?
Es iſt eine allgemein bekannte paͤdagogiſche Regel von
ber: Anfchauung aus und durch dieſelbe zur Abſtraktion
überzugchen; hiet ſtelle ich dieſe Regel in einer höheren Pos
tenz auf, In diefer Pegel liegt ein wahrer Zauberftab, die
Sugend zur höchften Aufmerkſamkeit und zum Nachdenken zu
reizen. Es bfeibt mir merkwürdig, daß ich feit mehr als
x
!
zwanzig Sahren dem Inhalte diefer Regel dunkel gehuldigt,
die hohe Kraft derfelben taufendmal empfunden habe, und
Doch ift mir dieſe Berfahrungsart erft in vergangener Nacht
(vom 18. auf den 19. Suni 1829) mit mehr Rlarheit vor
die Seele getreten. Wer dad, was ich über biblifche Ge-
fchichte und Geographie Achnliches gefagt habe, mit dem
Folgenden vergleicht, wird finden, baß ich Dort nur noch
andeuten konnte. Sch will es num verfuchen diefe Megel
klarer auszufprechen,, und will diefelbe fpäterhin zum Ge
genftande meiner fernern Unterfuchung - und Erprobung
machen.
Seber Gegenftand, den ich dem Schüler mündlich oder
fchriftlich erzählen will, hat einen Zwed: ich will ihn ent
weder bloß dem Gedächtniffe oder dem Gefühle ꝛc. einpräs
gen, oder ich will ihn zur Auffindung von Kehren, Regeln ıc.
benugen. In beiden Fällen habe ich bei der ganzen Er
sählung einzelne Data, Züge ıc. des Geſchichtskoͤrpers, die
wir Punkte (pointes) nennen wollen, ftetd vor Augen. Es
iſt mir bei der Erzählung dann, als drehete fich viefelbe
um diefe Punkte, als Dachte fich die ganze Fläche der Er⸗
sählung nach dieſen Punkten ab, oder als erftiege ich auf
einem Schneckengange die Spitze eined Kegeld, der mit dem
jedesmaligen Steigen eine fchönere Ausficht gewährt; und
darum wird auch die Aufmerkfamfeit der Schüler auf diefe
Punkte natürlich hingeleitet. — Will ich nun irgend einen
diefer Punkte zur Auffindung, Einprägung ıc. einer Anficht,
Folgerung, Lehre ꝛc. benußen; fo falle. ich. den Zweck der
Sache als den Geift, den. Punkt, als- den Körper deſſelben,
ſcharf ind Auge, woburd dann von felbft jeder Kleinere Um⸗
ftand feinen Weg: nad dem Hanptpunfte ber gleichjamen
Abdachung nimmt ; ſo muß ich ferner den Zweck nach der paͤda⸗
gogifchen Regel, den Schüler etwas jelbft auffinden-zu laſſen,
nicht Har bei dem Punkte ausfprecken, indem ich bei ihm vers
weile und ihn verkörpere, das Element geben, das zur Aufs
findung ıc. der Wahrheit ıc. dient und muß den Zweck hier
mir ahnen laſſen. Erft dann, wann die Erzählung zu Ende
ift, kann ich den Schüler auffodern, die Wahrheiten, Lehren,
Kegeln rc. anzugeben, welche diefer aus dem Erzählten zie-
hen fann. Der Schriftfteller kann dieſes Legtere am beſten
durch Anmerkungen thun.
Zuweilen kann man diefen Punkt, diefe Pointe, vor der
Erzählung anführen, um die eigene Aufmerffamfeit und die
des Schhlerd ganz aufdenfelben zu Ieiten, wie 3.8. bei der
erften Schlacht des Pyrrhus: „das ſchwarze Roß“ — bei
Camill: „das Schwert‘ — bei der Befreiung Thebens:
„die Beſtuͤrzung“ — bei Aleranders Erftürmung des Ortes
der Malfer: „der Keulenfchlag”; — ober geiftiger: bei
Hannibal: „der Adler” — bei Kabricius: — „die Saͤu⸗
le“ — bei Fabius: „der Zauderer‘‘ — bei Tillys Zuſam⸗
mentreffen mit Gustav Adolph: „das bife Gewiſſen“ ıc.
Durch Herftellung folcher Punkte kann man, befonders wenn
fie an fich etwas Großes, Erhabenes darftellen, dem Geifte-
des Schülers einen außerordentlichen Ruck geben, der ihm
heilfam in der Erinnerung bleibt, und weit mehr wirft,
ald ein Moralpülvercdhen.
Was diefe Punkte num fir eine einzelne Erzählung find,
Das find die großen Männer, die merfwürbigften Begeben-
heiten, durch welche oft ein ganzes Zettalter charakterifirt
wird, und die man darım nicht and ihrem Zufammenhange
reißen muß, für bie ganze Gefchichte. An ihnen ift viel
zu lernen, vieles nachzuweifen ; darum müflen die einzelnen
Punkte an ihmen, die ihre Strahlen rings umher werfen,
genan ind Auge gefaßt werden; an ihnen muß doch alles
Element gu Fünftigen Reflexionen vorbereitet werben, wenn
diefe noch nicht fobald gemacht werben koͤnnen. Nur das
durch erhält der wichtige Punkt Bebentung, weniger an fich
— 178 —
ſelbſt. Gegenftände, welche nicht auf bas Ganze wirken,
ober die nicht zur beſondern Charafterifirung eines Volkes
oder des Menfchen nöthig find, follten aus einer Gefchichte
für eine höhere Volksſchule ausgefchloffen bleiben. .
Die alte Gefchichte fpricht mehr von dem Leben und
ben Thaten ber Bölfer, die neuere mehr von den Thaten
ber Könige und Generale; darum ift die erfiere weit ans
ziehender, als die leßtere. Der Geſchichtner muß dieſes all
gemeine Leben möglichit fefthalten, wenn er intereffiren will;
er muß jede wichtige Sache, wo es geht, wie eine Sonne bes.
trachten, in deren belebenden oder verfengenden Strahlen.
Das Volk fich befindet. Hier und dort erfcheint dann wol.
ein Gegenftand, der dem fanften Strahle den Weg hemmt,
ober vor dem verfengenden einen erguidenden Schatten ges
währt.
Dort, wo eine Begebenheit ıc. tiefe Blicke in bag
menfchliche Herz, oder in die menfchlichen Verhältniffe ges
ftattet, wo aber die Jugend nicht folgen kann, begnüge man
ſich damit, die Punkte des Materials, welche dieſe Ausbeute
liefern, nur ftarf hervor zu heben, und dann die Lehre durch
einfache Darftellung auch nur ahnen zu laflen. Der eigene
Geiſt des Schülers mag dann fpäterhin felbit auf Be
merfungen der Art fommen, oder es bedarf dann vielleicht
nur des Anklanges zur Erfchaffung diefer Einficht.
Ein Lichtpunft der Gefchichte muß mit feiner Umge⸗
bung, wie gefagt, wie eine Sonne mit ihren erleuchteten
Gegenftänden, oder wie ein Strom mit feinem Flußgebiet,
oder wie ein Plateau mit feinen Bergen und Abdachungen —
alfo maffenweife erfcheinen, wenn Geift und Leben in
bie Darftellung fommen fol. Würde und im Allgemeinen
genommen ein Gemälde mehr anfprechen, auf welchem bichte
Gruppen, oder ein folches , auf welchem die Figuren. mehr
vereinzelt ftänden? Angenommen, ein großer Maler wollte
— 279 —
die Gefchichte vom verlornen Sohne darſtellen, hätte aber
feine Zeit oder feine Neigung, jede einzelne Scene - ganz nach
feiner reichen Phantafte vorzuſtellen; wirde er’ nm Tieber'
die einzelnen Scenen mager Hinftellen, oder würbe er bie!
Hauptſcene Tieber nehmen, und dieſe nun mit aller Staͤrke
ſeiner Borftelung und Phantaſie hinzaubern ? Und welche
von beiden Darftellungsweifen würde das Ganze behalt“
licher, einen tiefern Eindrud machen, und der: Phantafkei
die Einzelheiten, felbft die nicht dargeſtellten mehr vorfühe:
ren? Ein trodned Bild vergißt man leicht wieder 5 das
jüngfte Gericht, den Petrus von Rubens und ähnliche Ge⸗
mälde vergeffe ich nie, und fortwährend: verfnüpfe-ich Einzel,‘
nes mit biefen Bildern, an das ich fräher nie gedacht
babe. W *
Hat ein Gegenſtand aber an ſich eine beſondere Schoͤn⸗
heit in ſeiner einfachen Darſtellung, wie z. B. die Ausſage
von Phocions Gemahlin: Mein Schmuck iſt Phocion —
oder die des Pyrrhus: Eher weicht die Sonne aus Ihrer:
Bahn, als diefer Römer von dem Wege des Rechts — oder
die des Hannibal, als er auf die Frage des Scipio, wer”
jet der größte Feldherr fei, antwortete: Ich: fo muß er auch
zunaͤchſt einfach und ganz abgefondert von zu vieler: Umge,
bung: dargeftellt werden, und fpäterhin kann man ihn dann“
mit dem Ganzen in Verbindung feten. Es ift fo, ald went:
man jede Figur eines Gemaͤldes erft an ſich, und dann in
ihrer Verbindung betrachtete. Danneckers Ariabne habe ich
mit den ſchoͤnſten Gefühlen, deren ich fähig bin, drei ⸗Stun⸗
den lang ununterbrochen 'angeftaunt, und dieſes einzige”
Kunftwert hat mich nicht. bloß eine Ariadne und einen Dattst
necker bewundern Laffen ; ich habe in ihr Die edle Goͤtter⸗ and:
Menfchenwelt, die Welt des Künftlers-und Wiſſenſchaftners70
wie'foll ich fagen,, bloß bewundert, — nein/ ich: habe rd”
entyfundenBei ſolchen Meiſterwerlen muß man die Weihe
— 2380 —
holen, um eine Gefchichte für die Jugend zu fehreiben , Die
behaltlich werden fol.
Rubens, Raphael, Cornelius, Sanova, Thorwaldfon und
Danneder, Homer, Klopftod, Goͤthe, Wieland, Schiller
und Ähnliche große Meifter fagen ung, daß man für die
Jugend des Menfchen am beiten einfach Durch Thaten,
‚nicht bloß durch das räfonnirende Wort, dargeftellt; daß
man aber in den Thaten eine Welt von Ideen geben muͤſſe,
die um fo bleibender find, da fie mit einem regen Gefühl
aufgenommen werden, die in der Seele um fo tiefer, um fo.
beiliger und wirffamer eingeprägt ftehen, jemehr der Stem⸗
pel felbft das Gepräge einer wahren Schoͤnheit terug, und
Herz und Phantafie felbit die Tiefe des Eindruded mit In⸗
nigfeit beförderten; fie fagen und, wie man Einzelheiten zu.
einem Ganzen vereint, das mehr fagt, ald die Einzelheiten
felbft. Diefer Gedanfen mußte unfrem Schiller vorſchweben,
als er unter andern feinen Mofes fchrieb. Wer bier Beis
fpiele will, der kann diefelben in den Charakterſchilderungen
unfrer Glaffifer allenthalben finden. Es wäre der Mühe
werth aus den gelungenften Sharafterfchilderungen die Re
geln näher aufzufuchen und dann Far binzuftellen.
Wo hätten wir Maͤnner, die eine folche Gefchichte
fchreiben koͤnnten? O, wir hätten deren wol, wenn es.
vorzäglichen Männern nur nicht gar zu oft an. Zeit man.
gelte, oder wenn fie ed auch nicht felten für zu geringe
hielten, ein Schulbuch mit außerordentlichem Fleiße zu fchreis
ben, und dabei auf fo viele Erforderniffe genau zu achten.
Wer hier etwas Glaffifches Liefern koͤnnte, möchte fich wol
lieber der Gelehrtenwelt, ald den Schulen zuwenden. Sehen.
wir das nicht wieder deutlich an. Herrn Dr. Loͤbell? Haben
fi) aber etwa Tacitus, Virgil, Cicero und Homer zu ſchaͤ⸗
men, daß fie in der Schule dienen und. die Meufchen zu
den Göttern hinanfziehen? Wer in der Schule erhebend
— 281 —
lebt, der lebt in dem Herzen und Sinne der Edelſten! in
dem Kern der Menſchheit! — Wer aber in einem Kreiſe
wahrhaft nachdruͤcklich bei Darſtellung einer ſchwierigen
Sache wirken will, muß dieſem Kreiſe leichtverſtaͤndlich und
anziehend werden, muß ſchwere Sachen durch ſeine meiſter⸗
hafte Darſtellung leicht machen und nicht umgekehrt ver⸗
fahren.
D.Wenn der Zweck der Geſchichte die Charakteriſtik
der Voͤlker und uͤberhaupt des Menſchen iſt: ſo iſt der Re⸗
flexion der Geſchichtskoͤrper untergeordnet; jene, in welcher
auch zugleich die ganze moraliſche Welt liegt, iſt dann der
Zweck, dieſer das Mittel. Dieſer Zweck iſt nun freilich an
Knaben beſonders da, wo von Staatsverhaͤltniſſen die Rede
iſt, nicht in ſeiner Ganzheit und Tiefe zu erreichen.Vieles
wird den oberſten Claſſen der Gymnaſien, Mehres der Unis.
verfität, und noch. Mehres dem eigenen Forſchen in fpäterer
Zeit überlaffen werden muͤſſen. Wo mın fein Zweck für:
die Bürgerfchule zu erreichen ift, da werben auch die Mittel
nichts helfen; denn biefe würden fonft tobt daliegen, und
ihre Erzählung kann wenigftens nicht im höheren Sinne in-
tereſſiren. Sch fehe bier. freilich dem Einwurfe entgegen,
daß Manches der Erzählung dem Schuͤler im reifen Alter’
zu eigenen Neflerionen nütlich fein koͤnne. Sch wilf aber‘
nicht bloß folche Neflerionen, welche der Knabe ſchon in
ihrer Ganzheit aufzufaffen verfteht, beabfichtigt haben; bemt-
dann möchte die Gefchichte allerdings nur bei dem Gewoͤhn⸗
lichſten ſtehen bleiben muͤſſen; fondern ich will felbft dasje⸗
nige mit hineingezogen vwoiffen, was der Schüler ſchon mit
einiger . Lebhaftigkeit ahnen kann. Gr wird dann freilich
Manches noch auf das. Wort des Lehrers glauben. mifien,
der ihm in dem Geſchichtskoͤrper den Geift deſſelben in ein⸗
facher Darftellung fo nahe als moͤglich vor Die Seele rüdt.
Auf dieſe Weife nimmt er für..die Zufunft einen reichen
— 282 —
Born, aus dem er ſchoͤpfen kann, ein Naterial unb eine
Anleitung zur fernern Verarbeitung mit. Auf dieſelbe Art‘
ergeht es doch and dem Studirenden, ber einen Schilfer,'
oder einen Johannes von Müller, Luden oder Heeren auf‘
der Univerfität gehört batz ja, auf diefelbe Art mußte es
diefen großen Männern ergehen: ein Boriges ließ fie erſt
das ahnen, was ihnen bei fortgefeßter Forfchung nach und:
nach deutlich und Flar wurde. Einem Knaben aber 2. B.
den ganzen Heeren oder Luden vordemonftriren wollen, würbe
doch vollends leered Stroh drefchen, und diefe Heroen ber-
Geſchichte verächtlich behandeln heißen. Auf dem Mittels
mege wird aber Vieles zu ersrtern fein. Dagjenige des Ge
ſchichtskoͤrpers aber, das bis jeßt noch nicht zu Refleriorten
benutt worden ift, ‚oder basjenige, was ſich gar zu oft
wiederholt, oder was anderwärts reicher ausgeſtattet vor⸗
fommt, fann in einer hier beabfichtigten Gefchichte,, wo es
nicht zur Eharafterfchilderung nöthig ift, ganz weg Bleiben,
um defto mehr Zeit und Raum var dad Noͤthige zu ben
halten.
- Wollte man eine folche Charafterfchilderung der Menſch⸗
heit möglichft enge für unfre niedere Volksſchulen zufammens
ziehen: ſo müßte man allerdings die Schilderung einzelner
Völker aufgeben, das Gemeinfame aller. in einem Bilde
anfftellen , diefen Geift an das Material der biblifchen und.
an ein Mehres der deutfchen Gefchichte knuͤpfen und nady
weiſen, und ſich daun mit einigen allgemeinen Bemerkungen
über ‚die Berfchiedenheit der Volkscharaktere verfchiedener-
Beiten und Länder ein Genüge fein laſſen. Auf dieſe Art
wärbe zwar vielleicht nur ein Bändchen gegeben; aber ba®
Ganze wäre doch weit geiftiger und -nüglicher, ald wenn
wir heut zu Tage fo manches: Compendinm einen Befchichte
fehjew; im welcher Ramen und Zahlen: die: Danptfachen ſlud.
— 18 —
Bis hieher möchte ed nun als zweckmaͤßig erfcheinenr
wenn ntan die Nteflerion als Lehrfat und ben Geſchichts⸗
Eörper ald Beweis oder ald Nachweiſe der von tüchtigem
Männern gewonnenen Anficht anfühe. Wenn wir das von
der Affociation Gefagte für richtig und wichtig halten: fo-
kann ung dieſes Verfahren, wenigiteng bei Kindern von. 12
bis 16 Jahren nicht als paͤdagogiſch erfcheinen, indem. Das.
Mittel der Affociation dadurch großentheild verloren gehen:
würde. Dem Knaben liegt noch wenig an einem richtigen:
Reſultat feines Nachdenkens; er hat, wenigitend an dem Abs;
firaften als einem folchen, noch nicht fo viel Vergnügen, daß
er bier mit aller Liebe folgen koͤnnte. Das ift noch felten:
von dem angehenden Juͤngling zu erwarten und mehr dem;
Selbftftudium des Mannes zuzumuthen. Der Knabe und-
ber angehende Süngling wollen zwar finden, wollen bie
Fortfchritte ihres Geifted gewahren, wenn fie für das Geis
flige gewonnen worden find; aber fie wollen dieſes Ergeb⸗
niß fehr felten auf mühevollem Wege erreichen. Beſonders
der Knabe wird felten noch weiter fuchen und forfchen, ſo⸗
bald er zu einem Reſultat gefommen iſt; er wird gewoͤhn⸗
lich aufhören, wo ber Lehrer die Sache beenden muß —
es fei benn, daß er noch einen Blick auf das Nächitliegende
werfen möchte. Ordnen, Scheiven, Belegen, Beweifen, Zu⸗
fammenftellen ift nur Sache des reifern Geiftes. - Diefer
mathematifch analgtifche Sang ift demnach mit Kindern nicht |
anzuw mden.
Wegen des Vorigen iſt man auf den Gedanken gekom⸗
men, bloß den Geſchichtskoͤrper in der hoͤheren Volksſchule
vorzunehmen. Da frag ich aber nur: Woran und wie ſoll
dem der Schüler reflektiren lernen? Wird fich dieſelbe
Schwierigkeit nicht allenthalben zeigen? Muß man nicht mit‘ -
geringen Anfäugen zufrieden fein,. und muß wan in dem
Knaben den .reifenben Mann. ſuchen %-::YBazır fol ihm: Day -
— 284 —
der Gefchichtöförper in der Zukunft dienen, wenn er nicht
einmal gelernt hat denfelben für die Weisheit feine® Lebens
zu benugen? Was wird eine Ahnung helfen, wo man biefe
nicht zu verfolgen, zu erhellen gelernt hat? Das find Fra
gen, die meine Gegner ſchwerlich zur Genüge beantworten
werben. 0
Soll man aber vielleicht erft den Gefchichtsförper vor
ausſchicken, und dann die Reflerionen folgen laſſen? Eines
theils möchten diefe Reflerionen, befonders fir Knaben, doch
unter fidy zu wenig Zufammenhang haben, um jedes einzel
ne Volk der Erde bei dem wieder großentheild vergeffenen
Material Eörperlich genng zu charafterifiren; und wäre das
nicht der Fall, fo möchte des Abſtrakten doch noch immerhin
zu viel werden; hauptfächlich wuͤrde man aber baburd ein
außerorbentlices Mittel ganz verabfäumen.
Alles, was vor die Außere Anfchauung gebracht wird,
muß auch von dem Geifte angefchaut werden, wenn bad
Ganze nicht in einent bloßen Angaffen ftehen bleiben foll.
Denfe ich mir nun den Geſchichtskoͤrper als Das, was vor
die Anßere Anfchauung bes Geiſtes gebracht wird, und ben
Tann ich mit vollem Stechte mir als ein folches denten: fo
wärde die Gefchichte bloß angegafft werden. (Exempla sunt
odiose) Die Erzählung des Geſchichtkoͤrpers foll ben Geift
bes jungen Menfchen anföbern, den Sinn oͤffnen, ihn zum
Schacht führen, das Verlangen nach dem wahren Gehalte
bed dortigen Erzed in ihm aufregen, ihn Diefen ahnen und
felbft weiter fuchen Taffen, uber auch das Metall vor feinen
Augen von den Schladen fondern. Muß der Schäler nicht
erft wiflen, wie ſolches gefchieht, oder fol er dieſe Erfin⸗
bung, zu welcher ber Menfch einen großen Zeitraum noͤthig
hatte, in einigen Deinuten felbft machen? O, die mißver
ftandene weife geiftige Hebammenfunft ! — Diefen mächtigen
Hebel des Geiftes müßte man entbehren.,, wenn man anhal⸗
— 1385 —
tend rvefleftiren wollte, und dabei würde man fich.nicht das
rauf verlaffen koͤnnen, daß, wie zum. Theil erwähnt, die
ganze Claſſe jedes nöthige Faktum in allen feinen Theilen
noch in treuem Andenfen bätte,
Beffer mag es darum. fein, bie Erzählung der Geſchichte
hin und wieder mit diefen Neflerionen über den Menfchen ıc.
zu würzen, .und das gerade an den Punkten, wo die
Maſſen fich zu Foncentriren fcheinen, ober die das weilte
Licht erhalten haben. Die Gefchichte würde dann pragmas
tifch. erzählt; aber freilich auf eine natürlichere und nuͤtzli⸗
here Art, als dieſes von Manchen gefchehen if. Man
wörde ‚nämlich einen viel zu niedrigen Begriff von dem
Zwed und Werthe der Gefchichte haben, wenn man ſich
Diefelbe bloß als eine Moral in Beifpielen denken wollte.
Das fol fie nun freilich auch im höheren Stile fein. Eine
Moral in Beifpielen könnte man aber an den Erfahrungen
in einer mittelmäßigen Hauptitadt aufitellen; und wie wollte
denn ein folcher Ale den Charakter der Nationen aller
Zeiten, aller Breiten und Langen der Erde vor Augen le
gen? Diefe einfeitige Benußung der Gefchichte in manchen
pragmatifchen Werken hat wol die Abneigung gegen diefe
Lehrweife hervorgebracht; eine gute Sache wird aber durch
eine fchlechte Behandlung darum an fich noch nicht fchlecdht.
Wer. ein folches Lehrbuch fchreiben wollte, müßte entweber
felbft ein "großer Gefchichtsforfcher, und dann moͤchte er,
leider! ein folches Werk für zu geringfügig halten, oder
er müßte ſich, außer Benugung des moralifchen Princips,
das keinesweges vernachlaͤßigt werden dürfte, nur. .nach
den Anfichten folcher Forſcher richten,.nur in ihren Reflerio-
nen. leben und dieſe gleichfam wieder in dem Geſchichtskoͤr⸗
-per- erft zu verkoͤrpern, um dieſe baun fpäterhin als Geift
aus diefer Metamorphofe hervorgehen au laſſen. Max- füge
nicht , - daß. ich hier nur. in höheren: Lüften einer Chimaͤre
— 16 —
nachjage. Die Idee ift nöthig, wenn man wirffid etwas
Bortreffliches zu Stande bringen will; aber darum ift bas
Vortreffliche felbft für den Nichtforfcher nicht unerreichbar.
Sch habe hier nämlich den Zeitabfchnitt eines Bolfed. Im
biefer find 3. B. nach Luden, Heeren, v. Müller, nad
ben Lehren der Lebensweisheit, der Tugend und Religioſi⸗
tät folgende Schäße für bie Charafterifirung ıc. des Ein⸗
zelnen, des Volkes und des Menfchen überhaupt zu heben.
Dazu wähle ich bad von Luden ıc. angegebene Material,
und fchlage dafielbe in einem Werke nach, das eben wegen
feiner intereffanten Erzählungsart allgemein gefchäßt wirb.
Ich leſe den Abfchnitt nun einigemal mit ſtetem Blick anf
meine vorgefchriebenen Neflerionen und auf meine mir eiw
geprägte Vortragsmethode; und indem mein Geift nun
ſelbſt alles auf Die Neflerionen ableitet, wird meine Dar
ftelung, obgleich dem Gefchichtöförper treu, aus welchem
der Geift bervorgenommen ift, das Auffaffen dieſer Reflerios
nen erleichtern; ich felbft habe den Weg einer geometrifchen
Analyfis, rädmwärts, genommen und mid; orienlirt, um in
meiner Darftellung den Weg der Synthefid, vorwärts, zu
verfuchen. Freilich wird die Schreibung eines folchen Lehrs
buches große Mühe machen; aber ohne große Mühe gelangt
man felten zu etwas Großem. Dabei möchten einige hun⸗
dert Seiten mit gehdrigem Fleiß und Eifer bearbeitet, ein
formelartiged Nefultat geben, das die Mühe weiterhin uns
endlich erleichtern könnte. Wer darum einen Berfich mas
chen will, muß wenigſtens einige Völker des Alterthums
durcharbeiten; — und fehlt es ihm dann nicht an Zeit und
Talent, fo erhalten wir dadurch vielleicht etwas Gutes‘,
das, wenn auch erft die Folgezeit durch Verbefferungen affer
Art, vielleicht zur Glafficität erheben koͤnnte. Sehe aber
ich. die Moͤglichkeit zur Verwirklichung biefer Anfichten ein:
fo muß ein Gefchichtöfenner, der vielleicht irgend einem
— 9897 —
großen Manne in dieſem Kache, wie feinem Gamalieligu
Fuͤßen gefefien, und ber ſich im Gefchichtsfache vielleicht
fchon oͤffentlich mit ‚vielem Beifalle verfucht hat, im der
Yusführang der bereits fchon anfgeitellten Anfichten,, went
dieſelben nämlich. richtig fein follten, weit weniger Schwie⸗
rigfeiten. finden „..ale ich — es fei denn, daß ich bisher
noch nicht alle Schwierigkeiten erwogen hätte.
I Sit Die fonchroniftifche oder. ethnographiſche Eintheis
fung bes. Stoffes vorzuziehen? Ich denke mir die ganze
Univerfalgefchichte auf einer einzigen großen Rolle in lau⸗
tee Gruppen finnbildlich dargeſtellt. Senkrechte Linien
auf berfelben fcheiden die Völker, und horizontale die Sahrs
hunderte von einander, Für die erften Sahrtaufende wären
weder die einen, noch die andern Linien ſcharf zu ziehen;
diefer Raum begriffe die Zeit der Sagen. Da diefe Sagen
ſchon den Charakter fpäterer Voͤlker an fich tragen, mithin
die erſte Zeit wenig oder gar nicht aufhellen, fo ift hier der
- Menfch nur in feiner Ganzheit aufzuftelen, und der Ges
fchichtsforfcher hat nur etwa an der Hand biefer Mythen
und der Analogie .den Zeitraum von den erften Menfchen
bis. zum Anfang der Gefchichte auszufüllen. Sobald aber -
nun. die Gefchichte anfängt, und fich- ſchon vwerfchiedene
Voͤlker in Maſſen fondern, würde von felbft die Frage ent⸗
fiehen, ob mau zunaͤchſt bie Gefchichte des Menſchen im
Allgemeinen oder die der Völker im Beſondern Ichren wolle.
Beabfichtigte man erftered, fo würde ber Charakter ber eim
zelnen. Bölfer nur in ihren Hauptverſchiedenheiten vorkom⸗
men muͤſſen; denn badurch, daß man gleichzeitig (ſynchro⸗
niſtiſch) eine Menge Voͤlker neben einander betrachtete, nub .
bei feinem fo lange verweilte, daß man daffelbe in einer
gewiflen Stätigkeit betrachten koͤnnte, würbe man, wenig⸗
ftens ‚mit 12 bis _46jährigen. Schülern, : ber allmähligen. .
Entwmifelung ; eines: Bolkes. weniger. folgen Können: man .
— 288 —
wuͤrde in feiner Betrachtung Eines Volkes zu oft geſtoͤrt
werben. Dafuͤr würde man aber den allgemeinen Entwide
Iungsgang der Menfchheit um fo leichter beobachten, und,
wie bereitd erwähnt, in einen kleinen Gurfus zufammen
drängen fönnen, wo man denn alles Gemeinſame unb Ber:
fchiedene der Voͤlker in einem Bilde zufammengedrängt auf
fielen müßte, n
Wollte man aber bei einem groͤßern Curſus, in wel
chem der Charakter der einzelnen Bilfer von Wichtigkeit
‘wäre, ethnographifch verfahren, jedes Volk mit Stätigfeit
verfolgen: fo würde man in Noth gerathen, wenn dieſes
eine Volk mit einem ganz fremden Bolfe in Berbindbung
kaͤme, oder fogar von dieſem unterjocht würde. Das be
fannte Bolf würde vielleicht dann feinen Volfscharafter mit
dem des noch unbekannten Volkes vermiichen, und Das Pro
duft diefer Miſchung würde nicht erfanıt werden koͤnnen,
da der andere Faktor ein unbekannter if. Es würde nun
fein anderer Weg übrig bleiben, als dieſes frembe Volk erft
gehörig kennen zu lernen, um auf diefe Weife Die Miſchung
verftehen zu innen. Bei unbedeutendern Beruͤhrungen koͤnnten
freilich wenig erflärende Worte ausreichen. Ein rein ethn«
graphifches Verfahren hat demnach auch feine Scywierigfeit.
Es bleibt nun freilich nichts anderes übrig, als bei einem
größern Curſus fo lange ethnographifch zu verfahren, ale
man fann, dann Das nädfte Volk u. f..w., das mit dem
erftern in ſehr wichtige Berührung tritt, kennen zu lernen,
wie wir diefes unter andern auch in Luden ıc. finden... Der
gegenwärtig zu bearbeitende Stoff kann dann allemal mit
dem bereits bearbeiteten verglichen werden — und der Gang,
den die Menfchheit im Allgemeinen nimmt, tritt auch de&
wegen noch um fo fehärfer auf, da das Einzelne klarer und
fefter bis in feine Schatirungen feftfteht, die einzelnen Falı
toren des Produftes um fo genauer gekannt find.
— 189 —
Dadurch wird nun das Gute von beiden Verfahrungss
arten, fo viel als jetzt noch möglich, mit einanber verbun⸗
den, und das Nachtheilige derſelben beitmäglichft verhuͤtet. —
Sehr wichtige und weit eingreifende Begebenheiten des
Synchronismus wegen zu zerreißen, das. halte ich Dort, wo
es nur einigermaßen vermieden werden fan, für fchädlich,
da durch dieſes Berfahren die Einheit der Auffaflung und
Darftellung leidet.
4) Es muß in jedem Falle nüglich fein, Die Maſſe des
Geſchichtskoͤrpers dem Gedaͤchtniſſe in einer gewiſſen Ord⸗
nung einzupraͤgen, in ſich ein einfaches Gehaͤuſe, (einen
Typus) aufzubauen, das die merkwuͤrdigſten Namen und
Zahlen in einer zweckmaͤßigen Zuſammenſtellung enthaͤlt, und
das dann leicht zum unverlierbaren Eigenthum des Gedaͤcht⸗
niſſes gemacht werden kann. (Siehe Geographie).
Dieſer Typus iſt aber keinesweges Zweck der Geſchichte,
ſondern nur ein Mittel, durch welches man ſich an das
Gelernte, Gedachte und Gefuͤhlte in einer gewiſſen Ord⸗
nung erinnern ſoll. In gar vielen Schulen wird es aber
als Zweck behandelt, und anſtatt an den Zweck und Werth
der Geſchichte zu denken, ſetzt man den Schuͤler nur in den
Stand von jedem Namen deſſelben etwas ſagen zu koͤnnen,
macht demnach das Mittel zum Zweck. Solche Schulen
arbeiten nur fuͤr eine oberflaͤchige Pruͤfung, und tragen
dort Ruhm und Ehre davon, wo die Examinatoren ſelbſt
den wahren Zweck der Geſchichte nicht kennen, oder doch
nicht beachten. Wie kann denn an ſich etwas anderes als
Gedaͤchtnißbildendes in bieſem Namen⸗ und Zahlengehaͤuſe
liegen? Und was wäre: es denn Sonderliches, wenn ber
Schüler von jebem Manne ꝛc. eine "hgtenreite ıc. berfagen
koͤnnte? Noch immer würde ein ſolches Wiffen nichts eis
ter, ald ein Mittel zum Behalten des rechten Wiffens fein.
Denfe ich mir nun ein Lehrbuch der Gefchichte, das den
t
— 0 —
gamzen: und wahren Zweck derſelben au ben Schuͤlern beſt⸗
moͤglichſt zu erveichen ſtrebt, fo koͤnnte daffelbe etwa einen
Typus folgender Art feſtſtellen.
a) Die merkwuͤrdigſten Maͤnner und Begebenheiten,
welche in dem Lehrbuche ihrer Wichtigkeit wegen am um⸗
ſtaͤndlichſten abgehandelt werben, machen bie hellſten Puulte,
die. Sonnen der Gefchichte aus, und fiehen nebſt ihren Zah⸗
len, in einem befondern Memorienbuche, um eisen halben
308 links vor in größerer Schrift, und zwar ganz nad)
chronologiſcher Ordnung, ohne Rüdfiht auf Abfondernng
der verfchtedenen Völker. Diefe Zahlen und Namen werben
un vielleicht ſchon frühes, ale der erſte Geſchichtsunterricht
beginnt , nach ber Reihe auswendig gelernt und dem Ge
duchtniſſe, ohne Die geringite Anwendung von mmemonifchen
Regeln, duraus feſt eingeprägt. Nimmt der Geſchichtfchreiber,
wie gefagt, hier nur die Namen der Geſchichtsſonnen, fo wird
die Zahl dieſer Namen und Zahlen fo groß nicht werben.
b) Wenn denn Schuͤler nın ein Zeitraum, ben eine
fotche Sonne erleuchtet, worgelefen ober nacherzählt würde,
und man foderte ihn vorher auf, das Gehoͤrte nachher and
dem Gedaͤchtniſſe niederzuſchreiben: fo wuͤrde er ſich zu
feinem Zwecke eine Zahl Namen von Männern, Begeben-
heiten rc. merken, die für fick wieberum einen Typus Diefer
gehörten Darftellung ausmachten. Diefen Typus Tann aber
der pfychologiſche Gefchichtfchreiber beffer geben, als ber
Schäfer fich benfelben in der Schnelligkeit machen koͤnnte.
Sa, es tft viel daran gefegen, daß ver Gefcichtfchreiber
felbſt diefen Typus aufftele, da er hierdurch in jedem
Augenblicke vor Keberfällung von Namen in feiner Gefchichte
gewarnt wird‘, indem er doch nicht bloß das Gebaͤcht niß
der Schuͤler vollpfropfen will *)J.
7 Mar komme nur nicht auf ben Gebanken, daß das bloße Auslaſſen
— m —
Dieſer amtergeorbnnete Typus Folge nun jedesmal dem
Hauptnamen, and zwar je Drei Namen zuſammen, und
son den folgenden Drei durch einen Gedantenftsich gefons
dert, fo daß der Schäler diefe Namen gewiffesmaßen ‚ehyth-
milch auswendig lernen kann. Sobald der Lehrer nun bie
Darftellung eines Stuͤckes beenbigt hat, werben von dar
ganzen Elaſſe diefe Worter fo lange rhythmiſch hergeſagt,
bis diefelben van den ‚meiften Schülern auswendig chergeſagt
werben koͤnnen. Zu Haufe kann dann jeber Schuͤler das
ihm Fehlende noch zur Befeftigung des bereits ſchon Ge⸗
fernten nachholen. Monatlich müßte die Schule eine oder
mehre Stunden zum gemeinfchaftlichen Herfagen dieſer bes
zeitd erlernten Fleinen Typen anwenden. Da nun Lehrbuch
und Typus nad) Beendigung eines Hauptabfchnittes :zufam-
menftimmen und unverändert bei jeder Wiederholung die
gewohnte Form behalten: fo muß ſich auch der ganze
Typus in allen feinen Einzelheiten um fo feſter dem Ges
Dächtniffe der Schüler einprägen.
Man wird mir einwerfen, daß der Schüler alsdann
zu viele Namen auswendig lernen muͤſſe; indeflen finde ich
in einem folchen Auswendiglernen der Namen hellerer Punkte,
die der Schüler fidy ohnehin fchon gemerkt hat, fehr wenig
Schwierigkeit. Man verfuche nur mit Luft und Lebhaftigs
feit, und man wird oft über die Stärfe der Gedaͤchtniß⸗
kraft der Schüler zu erftaunen Urſache haben. Berlangt
Doch der Lehrer, daß der Schüler die heilen Punkte, welche
vorgefommen find, behalten ſolle; ift e8 dann nicht beffer,
. der Namen, mie folches einige Schriftfteller verfucht haben, gemeint
ſeiz — nein, bie Stuͤckwerke ſelbſt müffen fortgelaſſen werden,
wenn ſie nicht zur Charakteriſirung eines Großen und Zuſammen⸗
bangenden gehören: das todte Auslaffen der bloßen Namen ift
laͤcherlich oder unheimlich. W
t %
— 1292 —
daß man ben Schüler auch dazu in ben Stand feße, als
daß man unbillige Foderungen macht und verlangt, er
folle biefe Namen alle durch ein eins. ober zweimaliges
Hören behalten? In der That machen diejenigen Lehrer,
welche das Gebächtniß der Schüler am wenigften kultiviren,
‘gerade die übertriebenften Anfoderungen an daſſelbe.
c) Sn diefem Typus Einnten nun zu Ende eines jeben
Hauptabfchnittes eine Menge Fragen geftellt werben, die
der Schüler ſchriftlich müßte beantworten fünnen, wenn
er dem Ganzen mit Aufmerkſamkeit gefolgt if. Die Beant⸗
‘wortung diefer Fragen müßte den Geift der Gefchichte, ihren
eigentlichen Zweck darftellen. Freilich ift es fchwer, gute
Fragen zu ftelen; aber dem Gefchichtfchreiber, ber dieſe
‚Fragen ftetd während der Bearbeitung des Gegenftandes
ſich anmerfte, würde hier feine Schwierigfeit finden. Spk
terhin diefelben zu fielen, wurde gewiß fehr unzweckmaͤßig,
zu allgemem und zu fehwer fragen laſſen. Auch in der
Beantwortung diefer Fragen koͤnnte eine oͤftere Wiederholung
des Geiftes der Gefchichte beabfichtigt werden.
5) Für die oberfte Claſſe einer höheren Volksſchule ſchlage ich
noch den Gebrauch eines Typus höherer, geiftigerer Art vor.
Nachdem die Schüler diefer Claſſe in den vorigen Glafs
fen den ganzen Curſus des Geſchichtsunterrichts angehört, umd
fid) auf die angegebene Art eingeprägt haben, mögen fie fi
durch Anfchauung von fonchroniftifchen ZQabellen dag Be⸗
fannte noch einmal vergegenwärtigen. Hierdurch follen fie
nun das in gleichen Zeitabfchnitten Liegende aller Nationen
noch einmal überfehen, und maflenweife fol vor ihren Aus
gen die Menfchheit von Sahrhundert zu Sahrhundert in bes
dentungsvollen Schritten durch die Zeit eilen. Sol aber
auch dieſes Anfchauen des Menfchengeiftes nicht bei einem
Angaffen ftehen bleiben, fo müffen die Zeitgeifter der ver
fohiedenen Sahrhunderte u. Sahrtanfende, wie deren Voͤlker aller
— 293 —
Längen und Breiten ber Erde mit einander verglichen werben,
Dazu bedürfte ed nun einer Zugabe von dem Berfafler jenes
Lehrbuches, in welchem im Allgemeinen der Synchronismus ver-
folgt würde, der aber auch auf einen Synchronismus geiftiges
rer Art, nad) welchem alles Gleichartige zufammengeftellt
werben kann, Ruͤckſicht nähme, fo daß Männer wie Aleran:
der, Caͤſar, Earl ber Große, Friedrich der Große und Nas
poleon ıc. und Begebenheiten, wie die Voͤlkerwanderung,
Kreuzzuͤge rc. oder ähnliche Urfachen zu ähnlichen Wirkungen,
oder auch minder wichtigere Dinge ähnlicher Art zufammen-
geftellt würden. Durch die Vergleichungen in Kants phy⸗
fifiher Geographie bin ich auf die außerordentliche Kraft
diefer Methode aufmerffam geworden, und an Ritter, und
hier und bort an Andern, fo wie hauptfächlich in der Praris
habe ich mid; mehr und mehr von ber hohen Wirffamteit
diefer Verfahrungsart überzeugt. Hier koͤnnte nun Mans
ches deutlich und Far werden, was vorher von den Schüs
lern nur geahnet wurbe, und hier könnte manche neue Ah⸗
nung zu fünftigen Reflerionen gewedt werben. Das Ganze
aber müßte keinesweges als gelehrt, fondern einfach ans
fchauend, einfach vergleichend, aber um fo mehr für die
Menſchheit erwärmend wie erfennend dargeftelt werden.
Hier, wie allenthalben wäre der Verfaſſer gezwungen fein
eigened Innere herauszufchren. Welch ein Elend wäre es,
wenn der Seelenadel, ber ſich auch befonders hier ausfpres
chen müßte, nur ein gelichener, nur eine Verhällung wäre,
Gebe fich darum Niemand an die Gefchichte, der auch fogar
das Nothwendigfte von dem Charakter eined Lehrbuchfchreis
bers: bie Liebe und das innige Streben zu dem Höchften
und Schönften, nicht in fich fuchen dürfte. Gelehrfamkeit ift
hier eher durch Bücher zu erfeßen, als diefes Gefühl. Nur Hu⸗
manität führt zur Humanität, und der wichtigfte Theil der Hu⸗
manität liegt im Herzen — aber freilich nicht in einem matteıt.
— 294 —
6) Wie werben jest im Stande fein, die Beantwor
tung ber: Frage zu verfuchen: „Ob man den Eurfus allmaͤh⸗
fich erweitern, ober ob man denſelben gleich in feiner gan⸗
zen Groͤße aufſtellen ſolle?“
Da die Geſchichtsſonnen 9 hauptfächlich durch
ihre erleuchteten Gegenftände Bedeutung erhalten und beibe
zufamitten den gedehnten Curſus ausmachen; da es wegen
der Einwirkung auf den Geift des Schülers nicht rathfam
fein möchte, die Vorzüglichleit eined Gegenſtandes zerfplit
tert und zwar Sahre lang aus einander zu zerren: fo fehe
ich nicht ein, warum man fo ftüchweife verfahren fol. Viel⸗
leicht macht man mir den Einwurf, der Schuͤler kann nicht
alled auf einmal faſſen. Wic? den Charakter der Sonnen
Fan er faffen? aber nicht den ihrer Erden, ihrer erleuchtes
ten Gegenftäide? Kann er noch Feind von beiden erfaffen,
fo iff ex für einen Unterricht der Art noch nicht vorgebildet
genug. Sol man ihn num erf weiter vorbilden, oder fol
man den Gegenftand entwürdigen, ihn verzerren? O, der
leidigen Kunft! die alles fir Kinder in der Wiege genieß—
bar macht; fie zieht Die Wiffenfchaft zu den Kindern nies
der, ſtatt daß fie die Kinder zur Wiffenfchaft erheben fol.
Der Einwurf, daß dann doch ſchon etwas von ber Ge
fchichte gelernt werde, und daß der Schüler, wenn er der
Schule zu früh enfnommen würde, doch fchon etwas von der Ge⸗
ſchichte wuͤßte, verdient feine Beachtung; denn hier geht es
um die Hülle, aber nicht um die Fuͤlle.
D Auf Nefuttare fürs Gedächtnis muß man da nicht
zu fehr driugen, wo bie edlern Kräfte Der Seile freier wir⸗
fer mihen. Manche Lehrer ſind beſtaͤndig am Ueberhoͤren
+) Man zuͤrne nicht uͤber bie Beibehaltung eines Bilbes, das hier die
weſentlichſten Dienſte leiſtet.
— 905 —
wo ſie beſſer einler nen und anwenden ſollien. Der Menſch
kann und ſoll feine ganze Seele nicht auf ber Zunge haben.
Der Geift muß einem Borne gleichen, ‚ber Ueberfluß ‚feines
Haren Waſſers in fchlängelndem Laufe fegenfpenbenb Durch
Weiden, Wiefen, Aecker und Haine fendetz jaber er darf
feiner Pumpe ähnlich fein, aus welcher Seber fo viel zicht,
als er mag. Wenn id) eine Kuh melken fehe, die ihr reiche
liches, zartes Futter anf der Weide genoffen hat, fo fittde
ich ſolches, wo nicht fchön, doch angenehm, wenn das ſtrot⸗
zende Euter von ber gefchäftigen Hand der friſchen, ſittigen
Bauerbirne geleert wird; aber der Geift ſoll nicht alſo ‚ges
nöthigt werben; nur vweranlaffen mag man ihn ſich zu ber
wegen, und muß nicht gleich ihn anmaulen, wo feine tier
drigſte Kraft nicht gleich jenem ‚Enter firost. Der Geſchicht⸗
ſchreiber fuͤr Schulen muß darum nicht zu großen Werth
auf das Behalten jenes einzelnen Faktums legen, wenn: gleich
er fich felbft auf das forgfältigfte bemüht, ſehr behaltlich zu
fchreiben, und wenn gleich der Lehrer ſeinen Typus ‚mit
Sorgfalt einzuprägen fucht; er muß darum -fo -Tchreiben,
daß der Geiſt des Schülers doch viel, fehr viel lernt, wein
diefer auch fehr viele Außere Fakta vergeffen follte. Die
Erfahrung lehrt, Daß der Geſchichtskoͤrper ſich nach und nach
verliert; aber die Erfahrung darf nicht lehren, daß dann
der genoſſene Geſchichtsunterricht weiter von Beinem Nutz
ſein ſollte.
Denke ih mir num einen wahrhaft tuͤchtigen Main,
der unfre Schulen mit einem folchen Lehrbuche beſchenken
koͤnnte: fo moͤchte gerade ein ſolcher Mann um feier Tuͤch⸗
tigkeit willen, bie.alle Eitelfeit zuruͤcklaͤßt, und nur auf bie
Wirkſamileit fieht — die Vorarbeiten nicht zu verſchmaͤhen
Hefonnen fein, die ganz vorzügliche Männer bereits in-bies
fem Kache geliefert haben. Bevor er die Schuͤler nun in
ven Tempel ber Gefchichte führte, moͤchte er -Dagjenige, was
— 19 —
12 bis 16: jährigen Schülern von dem Zwed und Werthe
der Gefchichte aus Schiller: „Was heißt, und zu welchem
Zwecke. ꝛc.“ Ear und faßlich darzulegen iſt, aufftellen. Das
durch müßte die Sugend ergriffen werden, und nur: Dann
würde er diefe Einleitung als gelungen anfehen koͤnnen,
wenn die Jugend, die es hörte oder läfe, mit einem heilis
gen Gefühle von Ehrfurcht die Schwelle des Gefchichtsteims
pels beträte. Die Schilderung des eriten Menfchengefchlechts
von Schiller würde dann, noch etwas faßlicher, aber Darum
nicht weniger würdig, dargeftellt ‚darauf folgen, und «es
koͤnnte Dann das Nöthigfte der Sagen vorfommen, und auf
diefe Weife zu den Altefien Staaten der Welt hinführen.
Der Gefchichte eines Volkes müßte. eine, kurze Charakteriftit
des Landes vorhergehen, und damit dieſer Eindrud auch für
das Äußere Auge auf diefelbe Art fich erneuerte, müßte for
wol eine fehr gute Hands ald Wandcharte ber alten Welt
möglichft das getreu darftellen, was der Unterricht Geogras
phifches gelehrt hätte. Dann möchte ſich der Lehrer wol am
beften firenge an Luden oder Heeren halten und fo ferner
bin die berühmteften Darftelungen der vorzuͤglichſten Maͤn⸗
ner und Begebenheiten benuben. Wäre dieſe Gefchichte
wirklich klaſſiſch gefchrieben: fo könnte man wenigſtens in einer
Stunde immerhin diefe ſtatt des 30 jährigen Krieges und
der Gefchichte des Abfalles der Niederlande mit dem Schüs
ler lefen, und in der Zeit von 4 Stunden wöchentlich, Die
dann für Gefchichte ausgewonnen würde, koͤnnte man fehr
bequem eine Gefchichte von 300 bis 400 Bogen einlefen und
einüben.: Dem Ganzen habe ich doch die Bemerkung hinzus
zufügen, daß es durchaus zweckmaͤßig ift, die Länge ober
Kürze der vorleßten Silbe der Namen allenthalben anzuges
ben. Beckers Gefchichte hatte durch diefe Einrichtung vor
andern Gefchichten einen Vorzug, der Vielen außerordentlich
angenehm war, und es ift mir unbegreiflich, warum Herr
— 297° —
Dr. Loͤbell diefen Vorzug fo ganz außer Acht gelaffen har.
Mag er immerhin dort die Betonung weglaffen, wo er ſelbſt
nicht fücher ift, Andere werden dann ſchon nachhelfen 5; aber
Nichts zu geben, weil man nidht Alles geben
ann’ halte ich nicht für ein richtiges Princip. Wie
Viele belehren ſich aus einer guten Geſchichte, die bieſe
Maſſe von Namen nie gehört haben!
Behandlung des Lehrbuches.
So lange Beckers Gefchichte noch nicht übertroffen iſt,
gebrauche der Lehrer diefelbe und merfe ſich bloß: die Vers
befferung der Unrichtigfeiten aus Loͤbell an. Ich gebe gerne
zu, daß die durchaus veränderte Darftelung der Gefchichte
in der fechsten Ausgabe von Loͤbell ihr Vortreffliches, und
ihre großen Vorzüge vor der Beckerſchen hat; aber für die,
fes Alter der Schüler ift eine folche Spracde und Darftelf
Iungsart durchaus unzwedmäßig. Die Bortrefflichfeit der
Darftellungsart Beckers Tiegt keinesweges in dem heut zu
Tage fo beliebten gedrängten Tacitufifchen Geſchichtsſtil;
fondern in feiner Faßlichkeit ıc. fiehe Nro. 1a —d Wenn
ich fage: der Lehrer leſe in dieſer Claſſe die alte Geſchichte
mit den Schuͤlern ein, oder er leſe dieſelbe vor; ſo wird
Mancher dieſe Anfoderung an den Lehrer zu niedrig geſtellt
glauben. Denen habe ich zu antworten:
Erſtlich ſoll dieſes Eins oder Vorleſen Fein mechaniſches
ſein; jeder Gedanken des Schriftſtellers ſoll Stoff zur Be⸗
arbeitung des jugendlichen Geiſtes geben. Wenn ich das
Geſchichtbuch mit Campes Robinſon vergleichen ſoll, ſo ſoll
das Buch den Robinſon und die Verarbeitung, das Anpaſſen
und Anwenden deſſelben für jeden einzelnen Schuͤler, ber
Bemühung des Vaters gleichen, um Gott, Welt, Menfchen
und fich feldft näher Tennen zu lernen. Der Schriftſteller
fpricht für alle, der- Lehrer für jeden Einzelnen, wacht deut⸗
— 198 —
lich, wo es nöthig fein follte. Der Lehrer, der nebenbei feis
nen Sohannes von Müller, Schiller, Luden and Heeren ſtu⸗
bist, foll dahin ftreben, nicht feine Schäfer mit noch mehr
Raifonnements zu überhäufen, fondern dem Lehrbuche als
ein treuer geiftiger Gehülfe fich zur Seite zu fielen. Um
nun gerade ben Geifte der Gefchichte deſto ungeflörter fol⸗
gen zu koͤnnen, und das Material der Bildungsſtufe jedes
Schülers um fo mehr anzupaflen, bat der Lehrer dann nicht
nöthig, feine befondere Aufmerkſamkeit auf den Buchftaben
zu richten. Sein Borlefen foH mehr einer lehrreichen Unter⸗
haltung gleichen. Lieſt er uͤbrigens da, won weiter nichts zu
bemerfen ift, mit natürlichem Tone ganz fo dor, wie er er⸗
zählen wuͤrde: fo ift dieſes Borlefen von dem Erzählen os
aehin wenig gu unterfcheiden.
Zum andern muß ich bemerken, daß der freie Vortrag
der meilten Lehrer dem jener empfohlenen Schrift. bei weis
tem, ſowol im Hinfiht der Sprache, ale in der Einheit des
Gedanfenganges und in Verfolgung emed Hauptzweckes
nachſteht. Was ferner den freien Bortrag vieler Lehrer bis
trifft, fo ift der oft nicht weiter, als ein Ableſen ihrer
Hefte. Da mag benn das eritere Vorlefen, bei weldyem ber
Xehrer noch als befonderer Interpretor auftritt, doch fehr
oft noch vorzuziehen fein.
Da ferner jeder Theil wiederhoit werden muß, fo ge
fehieht folches befier mit denfelben, als mit andern Worten;
es möchte ſonſt mancher Umftand, der Wieden angenehm fein
möchte, vergeflen oder weniger angenehm behandelt werben
— unb endlich möchte, wenn wir einmal ein vorzuͤgliches
Buch der Art haben werben, eine allgemeine Inerfennung
der Vortrefflichkeit eines folchen Werkes und der allgemeine
Gebrauch deſſelben in Schule und Hans den Gefchichts
fehreiber mehr und mehr ermumtern, fich einem folchen
Werte ganz gu wibmen, und demſelben mit ber Zeit Elaſ⸗
BI,
fleität zu geben. Sollte dann ein ſolches Wert nicht: beſſer
fein, als die Zufammenftellung vieler, nicht fo tief in die
. Öefchichte eingedrungenen Lehrer.
Sollten meine ausgefprochenen Anfichten als richtig er⸗
kannt oder berichtigt werden: fo möchte ed wol rathſam
fein, wenn diejenigen Lehrer der Gefchichte — die ſich im
Stande fühlen, wenigftens hier und dort einzelne Theile
nach den als richtig erfannten Grundfäßen felbft zu bearbeis
ten, oder auch nur von Andern zu benußen — Diefe ihre Produkte
in dem Stil von Engel Iffentlich darboͤten. Dieſe einzelnen Ars
beiten würden den Lehrern der Gefchichte gewiß ein brauchbares
Material geben, als eine zwangloſe Zeitfchrift Abſatz fins
Benz; und vielleicht offenbarte fich bier bald ein Talent, Das
faͤmmtliches Material vorzäglich benutzen, zu einem Ganzen
zuſammenſtellen und das Fehlende ſelbſt ſchaffen koͤnnte.
Man verzeihe dieſe kurze Abſchweifung; ſie kann gute
Folgen haben.
Waͤhrend der Unterhafting merke ſich ber Schuͤler, wo
noch noͤthig, in kurzen Saͤtzen die Folgen der Geſchichte und
Zahlen in ſeinem Hefte an. Nachdem ein Hauptabſchnitt
durchgearbeitet und wiederholt, und von ben Schuͤlern zu
Hauſe vielleicht oͤfter nachgeleſen worden iſt, gebe der Leh⸗
ter jedem Schuͤler einen Theil der Periode ſchriftlich zu be
arbeiten auf, welches unter den Augen des Lehrers oder
der Eltern geſchehen kann. Dieſe Arbeiten werden von den
Schuͤlern auf Papier gleicher Art geſchrieben, als eine zus
fammenhängende Gefchichte einer Periode gufammengeheftet
and als Eramerfarbeit benutzt. Periodenhefte Der Art wer
den dann unter den Schülern verloofet, damit allen ein As
denken an die Gefchichtsftunde und an bie Verfafler ber eins
zelnen Arbeiten angeregt wird, wenn der Lehrer babei nut
jede Unterfchiebung fremder Arbeit unmöglich zu machen
ſucht. So lange wir nun noch keine Lehrbücher haben, bie
— 30 —
das vollfommen leiten, was fie nach. richtigen Anfichten
leiften follten, fo Tang muß der Lehrer mit Danfbarer Benu-
gung bes vorhandenen LTehrbuches den Mängeln, fo gut er
Tann, zu Hülfe zu fommen fuchen.
Möchte diefe meine Auffuchung eines beffern Weges
eine gründlichere Feſtſtellung auch nur anregen.
DD) Rechnen.
Wochentlich 3 Stunden.
Das Rechnen wird nach dem angegebenen Rechenbuche
fortgefegt, und es Fann in diefer Claſſe der größte Theil
des Faufmännifchen Nechnens abfolvirt werben.
. HD Franzoͤſiſche Sprade,
Woͤchentlich 5 Stunden.
Zu Anfang diefes Sahres wird die Einübung ber Con⸗
jugation mit allem Fleiße in der Schule fortgefeßt. Der
Schuler lerne ſaͤmmtliche Stammformen und die Ableitungss
regeln zur Bildung der andern Formen ganz genau,. etwa’
nad) Mozins Anordnung, fennen. Alsdann nehme der Leh—⸗
rer alle Zeitwörter vor, bie in diefem Sahre beim Ueberfes
Ben vorfommen werden und arbeite auf diefe Weife dem
Ueberfeben vor.
Nachdem der Schüler nun in voriger Claffe ein ordent;
liches Material empfangen und großentheild in ſich verars
beitet hat, ift er im Stande, Regeln zu verfichen und ans
zuwenden. . Zu dieſem Zwecke eignet fich der zweite Theil
— m —
des Elementarbuches von Seidenflüder in vorzuͤglichen
Grabe, und zwar aus folgenden Gründen: _
1) Seidenftüder Kat die Regeln einer Wortart zufams
mengeftellt, fo daß dieſe in den nachfolgenden Stuͤcken ſammt
und fondersd angewendet und eingeübt werden. Diefes Vers
fahren ift zweckmaͤßiger, als das der Vereinzelung, da bier
dem Verftande und dem Gebächtniß ein in mancher Rück
ficht fehr enges Band zu Hülfe kommt, und da es nicht fo
leicht einen Mechanismus in der Anwendung auffommen [äßt,
ald wenn jede Regel für fich eingeubt wird. Es ift aber
auch zweckmaͤßiger als ein folches, das Die Kenntniß fammts
licher Regeln vorausfeßt, indem da von dem Schüler zu viel
gefodert wird.
2) Hat Seidenftücer die Regeln ber franzdfifchen Gram⸗
matif mit befonderer Klarheit aufgeftellt, und zwar auch fo,
daß diefelben nach klarer Einficht leicht auswendig gelernt
werden koͤnnen.
3) Hat er die feltner vorfonmenden Nebenregeln, auf
. die ber Lehrer während des Durchlefend eines Schriftftellerg
gar leicht aufmerffam machen kann, in diefem Theile außer
Acht gelafien, um den Schüler nicht unnöthigerweife mit
Regelwerk zu überhäufen. Der Schüler wird Regeln ber
Art mit der Zeit unter Anleitung des Lehrers felbft finden,
wenn fein Sprachgefühl durchs Leſen vorzüglicher Schriften
fchon feiner ausgebildet worden ift. Freilich wartet Mozins
Grammatif nicht erft auf eine gewiſſe Feinheit des Sprach
gefühls; aber ich glaube auch, daß diefe Menge der todten
Regeln einer franzöfifchen Grammatif, auch gar zu Teicht
dem. Gebächtuiffe wieder entfchwinden, im Fall Regel für
Pegel eingeubt und vorher eine gewille Bildung des Sprach⸗
gefühls nicht berüdfichtigt worden ift.
4) Führt diefes Buch gar bald fo weit, daß man mit
den Schuͤlern den Telemach oder ein anderes klaſſiſches
— 301 —
Buch .Iefen. kann. Dan kann nun folgenben Weg ein⸗
ſchlagen.
a) Es werden die Regeln des erſten' Drittels fo Lange bes
fprodyen und eingeübt, bis fie dem Schäler durchaus Har
und feinem Gebächtniffe eingeprägt find. Waͤhrend befien
lernt der Schüler die nöthigen Vokabeln ber erften zwölf
Stüde.zu Haufe auswendig.
b) Der Lehrer überfeße mit ben Schülern Das Stüd
fehr forgfältig, laſſe dafjelbe dann fchriftlich Äberfegen, mb
nach feinem Vorbuchſtabiren ftrenge verbeflern. Seber Schaͤ⸗
lee muß beim Verbeſſern den gemachten Fehler angeben, und
Nachlaͤßige muͤſſen die Negel zu Haufe abfchreiben, gegen
welche fie oft gefehlt haben. Gorrigire ein Schüler nad
läßig, fo mußer noch einmal das Stuͤck zu Haufe überfegen.
e) Die franzoͤſiſchen Stücke werden gleich auf deutſch,
und die deutfchen gleich auf franzöfifch umb zwar fo oft zu⸗
fammengelefen, bis alles gut geht. Dabei muß der Lehrer
forgfältig auf jede Schwierigkeit achten und bie Schüler
daran gewöhnen, über nichtd wegzugehen, was fi e nicht voll⸗
kommen verftehen.
d) Sft ein franzöfifches Stuͤck ins Deutfche uͤberſetzt wor⸗
den, fo überfeße es der Schuͤler in Gegenwart bes Lehrers
ins Franzöfifche, wobei der Lehrer jeder Frage gewärtig
if. Gefchieht dieſes mangelhaft, fo wird das Stud aufe
Neue durchgenommen, und aufs Reue lıberfebt.
e) Bon 12 zu 12 Stüden mag die Klaffe eisen Haft
wachen, das Vorige fo Tange wiederholen, zufanmenlefen,
einzelne Säte fchriftlich uͤberſetzen bis alles ganz eingepräst
ift, und ber Schäler, völlig bereichert mit dem Borigen,' mit
neuer Kraft die folgenden 12 Stuͤcke anfanger Tamm,
deren Wörter vorher zu Haufe auswendig gelernt werben.
Arbeitet der Lehrer auf Diefe Art den größten Theil
des Buches durch, fo wird der Schäler nad) Berlauf eines
— 303 —
Sahres im Stande fein, mit Nutzen einen Schriftfteller zu
Iefen und andere beutfche Stuͤcke ind Franzoͤſiſche zu übers
fegen.
Freilich ift der Schüler in dieſem Buche fehr abhängig
vom Lehrer geblieben, da es dem beften Schhler oft unmoͤglich
gewefen ift, ohne Beihuͤlfe des Lehrers zu arbeiten; aber
Dadurch wurde der Schüler um fo rafcher geförbert. Die
eigene Thätigfeit des Schülers brauchte aber nicht das
mindefte zu leiden, wenn der Lehrer bei jeder Sache Klar
heit verlangte und dieſe Durch Fragen anzueignen fuchte.
Daß jedes beflinirs und konjugirbare Wort, wondthig ab⸗
geändert werden mußte, daß der Schüler ermuntert werben
mußte, die durchgearbeiteten Städe zu Haufe oft für ſich
laut zu lefen, das alled bedarf Feiner nähern Erwähnung.
6) Seometrie
Woͤchentlich 2 Stunden. nu
Auf diefelbe Art, wie in der untern Elaffe.
DReligiom
Woͤchentlich 2 Stunden.
Auf diefelbe. Art, wie in ber untern Claſſe. Dräfeles
Catechismus wird abfolvirt.
— 3104 —
8) Deutſche Sprade.
Woͤchentlich 3 Stunden.
In dem erwaͤhnten zweiten Curſus der deutſchen Gram⸗
matik müßte fuͤr dieſe Claſſe nun noch eine gedraͤngte Zus
ſammenſtellung der Regeln uͤber Beſtimmtheit des Ausdrucks,
Schoͤnheit der Perioden, Lebhaftigkeit, Natuͤrlichkeit, Wuͤrde,
Wohlklang der Schreibart und eine Aufſtellung feinerer
Regeln unſrer Sprache vorkommen. Was die erſtern Re⸗
geln betrifft: ſo iſt durch das Einleſen ganzer, vorzuͤglicher
Schriften ein durchaus zweckmaͤßiger Grund gelegt worden,
ein Grund, der bereits ſich dem ganzen Blute des Schuͤlers
mitgetheilt hat, und der gewiß unendlich mehr werth iſt,
als die heut zu Tage ſo laut poſaunende und hochgelahrte
Secirerei von Kleinigkeiten. Dieſe ganz einfach und kurz
zuſammengeſtellten Regeln lerne der Lehrer mit der Claſſe
ein, und gebe die noͤthigen Erklaͤrungen muͤndlich hinzu, die
er etwa in Rumpfs deutſchem Sekretair einfach und ſinnig
ausgefuͤhrt findet. Lehrer und Schuͤler muͤſſen im Stande
ſein, jede Regel nach Angabe derjenigen Zahl, die als Nu
mero ihr vorgeftellt ift, herzufagen. Wenn nun etwa En
geld und Joh. von Müllers Reden auf Friedrich den Gro⸗
Ben, Schillers dreißigjähriger Krieg ıc. hin und wieder mit
diefen Zahlen verfehen wären: fo läge hierin der beite praf
tifche Anleit für Lehrer und Schüler. Sollten dadurch nicht Leh⸗
rer und Schüler ſich gewöhnen, die Schönheiten einer edlen
Screibart auch mehr und mehr mit vemBerftande aufzufaffen?®)
13 '
*), (> Will man bier aber die Form flets mit dem Verſtande ſeciren;
will man mehr , ald daß der Schüler dad verſtehe unb- fühle, was
er lieft: fo wird man den Geift vom Leibe ſchneiden, und nur
diefen geben, indem jener das leidige Formenweſen fliehts fo wird
— 305 —
Schriftliche Verfuche möchten, . befonders mit Schuͤlern
diefes Alters, zu dürftig ausfallen. Beſſer, fie lernen der⸗
gleichen an großen Geiftern bewundern. Wenn dann mit
der Zeit in Manchem von ihnen ber Geift fidy regt und
man bie Zugend durch ein fo unleibliches Buſtabenweſen von der
Empfindung des wahrhaft Schönen abfchredien, und das, was bie
Zugend wahrhaft veredeln und erfreuen follte, wird ihr bie brü-
ckendſte Langeweile machen, ihr efelhaft vorkommen. Dan verſuche
es nur mit den ſo hochgeprieſenen buchſtaͤbelnden Lehrbuͤchern, und
geſtehe ſich aufrichtig, ob man denn wirklich etwas anderes als Buch⸗
ſtaͤbelei und Langeweile erreicht hat. Man ſehe dann zu, ob der
Schuͤler wirklich feſt in der ihm noͤthigen Grammatik iſt, und ob
ſein Stil dadurch nach Verhaͤltniß des Aufwandes von Muͤhe und
Zeit gewonnen hat. Man frage doch unſre Alt- und Großmeiſter
des deutſchen Stiles, frage z. B. unſren großen Goͤthe, ob er, ob
alle dieſe geiſtigen Heroen durch dieſe jaͤmmerliche Schulmeiſterei zu
ihrem edlen Stil, zu ihren bewunderungswuͤrdigen Darſtellungen
gekommen find, und ob fie wirklich bei ihrer tiefſten Kenntniß des
Geiftes unfrer Sprache in einer Prüfung über die heutige Ber:
gliederungstunft als ordentliche Schüler beftehen würden !
In der That, ein elender Scholaſticismus ift in die Paͤdagogik
und befonders jest in die Etymologie und den Sabbau hineingefab:
ren und unterfucht in ber Kinderſchule mit allerhöchft gelahrten
Mienen, ob der Stein des Anftoßes, der Buchflaben feines Namens
wegen, ein Marmor, ein chat, ein gemeiner Kiefel oder ein Quarz
von den und den Beimifchungen gewefen fein müffe, und ob einer
der genannten Steine nad) Maafgabe der Qualität und Quantität
feiner einzelnen Elemente nicht eher den Ramen Anftoßflein, oder
Steinftoßan, oder Steinanftoß verdienen möchte. Die Sprachregeln
häufen fich dadurch für Kinder zu Legionen, und ber arme Junge,
der vor lauter Sprachphilofophie ganz unphilofophifch wirb, mag .
froh fein, wenn er Perioden bilden Iernt, wie: Meiner hochgelieb:
ten Mutter Haus ift von meines haarfein analyfirenden Schulmei:
flerd Vaters Bruder für 1000 preußifche, harte Thaler in des ver:
wichenen Jahres regnigtem Monate April aus freier Hand ehrlich,
u
— 306 —
große Gedanken hervorbringt: fo wird biefen bie Form um
fo weniger Schwierigkeit machen. Sa, ich möchte fagen,
das Beſtreben fchöne eigene Perioden von Schülern bilden
gu laſſen, wäre thöricht, da hauptfächlich ber ſchoͤne Gedan⸗
fen die hoͤchſte Schönheit der Periode ausmacht — und
fchön denfen ift nicht Sache des Knaben; das foll der Juͤng⸗
ling und der Mann noch immerhin Ternen, indem er bie
Meifterwerfe großer Männer ftudirt. Dabei bleibt es aber
gewiß gut, den Knaben für ein ſolches Studium empfaͤng⸗
lich zu machen und zu gewinnen.
Das Erflären und Einüben erft gedachter Segeln mag
nicht fo viele Zeit wegnehmen; der Lehrer mag dann in
dDiefen Stunden und fpäterhin bei befondern Gelegenheiten,
und nicht auf Schleichwegen getauft worden, weil... (...) ..., ins
DEM ... (...) ..., MD. (.. ) ... u. ſ. w. — Ach, welch eine
ſaure Muͤhe koſtet es nicht, bis man einen Knaben auf dieſe Weiſe
zu einem Goͤthe, Schiller, Kant, Fries, Luden ober Hessen xc. dreſ⸗
firt dat! Jedoch nur Muth! ihr Lehrer, das Zi wirb endlich
erreicht; fanget mit euern Schülern nur philoſephiſch reflektirend
und analyfirad, treu in ber Lautirmethode mit deu Lippen= und
Gaymenlautern, mit den Schnalgern und Kakelern %,, aljo mit
den einfachſten Elementen au; feget biefe mit hoͤchſter Vorficht zu
Vor: Haupt> und Rachſilben, dann zu Wörtern wach mathemati-
ſcher Zuſammenſetzung ber 24 Buchftaben zufammen; unterfucht
philoſophiſch ſtrenge Has ganze Reich der Möglichkeit in der Zuſam⸗
wenfesung aller vielfilbigen Wörter; ſchaffet recht viel hochgelehrt
klingende Secir⸗Namen; fahret dann auf gleiche Weile mit dem
Satz⸗ und Periobenbau, wie auch mit ber Stiliſtik im engern Sinne
fort, und — wie Tönnte es fehlen, eure Schüler werben dann jes
ben Buchflaben, ja jeden. einfachen Satz nicht allein Eennen, jondern
auch verfesen lernen, in welcher Fertigkeit die größten Geifter aller
Sabrhunderte, von Zaut an, fich fo bewundernswuͤrdig hervorge⸗
getban, haben! Ach! wären doch diefe Männer alle auf diefe Art
unterrichtet worden!
— 307 —
die feinern, aber and) allgemein näglichen Regeln der Grams
matt vornehmen. Diefe müßten nun in dem erwähnten
Curſus ganz einfach und Klar aufgeftellt werden. Befonders
empfehle ich dem Verfaſſer, die faft alle fehon angenomme-
sen Forfchungen bed verewigten, in jeder Ruͤckſicht vortreffe
lichen, Seidenftäder, ehemaliges Direktors des Archigymna⸗
fiums zu Soeſt. Dieſer Sprachforfcher verſtand es, die Re⸗
geln aus dem Geift und Körper unfrer Sprade wunder
fam fcharffinnig aufzufuchen, und einfah und üben
zeugend darzufiellen. Gewiß viele Freunde der deutſchen
Grammatif bedauern es mit mir, daß Diefer große Mann
über feiner Ausarbeitung ber kritiſchen Grammatik ge
ftorben ift. In feinem Nachlaffe finden wir den größten
Theil feiner Korfchungen, die Mancher fennen wird, ohne
zu willen, baß wir Diefelben gerade ihm verdanken. Mit
welch einem Aufwande von Gelehrfamfeit wird jebt von
Manchem das Kleinfte gefucht und dargeftelt! Der Lehrer
Laffe ſichs überhaupt angelegen fein, den Schüler in dag
wahrhaft Innere unfrer Sprache hineinzuführen, und dazu
dienen auch noch befonders Die Synonymen, deren Inter
fcheidung den Schilern um fo weniger fchwierig werden
wird, als fie ſich an fo fehr vorzäglichen Schriften herauf
gebildet haben. Jedoch warne ich hier vor aller Mlanberei.
Befondere Stunden find hierzu ‚nicht erfoderlich; ber Lehs
rer kann hier viel beim Leſen der Schriftiteller thun. : Wer
ein Synonymiker werden will, muß als Sängling und
Mann fich diefen, Forſchungen hingeben. J
99 Slographie.
J 961 .
tg. Wochent lich 3 Sthuben,
In diefer Elaſſe wird Europa durchgenommen.
u *
— 308 —
10) Geſang.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Diefe Elafie hat der Gefangunterricht mit der britten
Claſſe gemeinfchaftlih. Es werden hier die Lieder der beis
den Gefangbächer von Gläfer fo viel als nöthig wieder
holt, dann die Motetten von Gläfer ıc. und andere vier
ftimmige Sachen gefungen. Bei dem Allen dürfen aber die
Uebungen an der Xonleiter nicht vernachläßigt werben;
denn ganz feft im Treffen ift gewöhnlich nur der Muſiker
und Sänger von Profeffion.
11) Mathbematifhe und phyfifhe Geo;
graphie
Wöhentlih 2 Stunden.
Die mathematifche Geographie von Kries ftellt bag
Köthige in der Kürze fharf auf und eignet fich, mit Aus
ſchluß einiger ausführlicher zu behandelnden mathematifchen
Säben, zum Buch für die Schüler. Nachdem ber Lehrer den
vorftehenden Paragraphen mit aller Deutlichkeit dem Schuͤ⸗
ler vor Auge geftellt hat, Iefe er denfelben aus Kries vor
und unterfuche, ob jeder Gebanfen des Paragraphen von
dem Schüler ganz aufgefaßt worden ift.und mit Beſtimmt⸗
heit in defjen eigenen Worten wiedergegeben werden kann. —
Was die phyfifche Geographie betrifft, fo Liefert und Schelle
zwar einen trefflichen Auszug aus Kants phufifcher Geo⸗
graphie, der auf diefelbe Weiſe wie der von Kries zu behans
deln wäre; aber es wäre Doch zu wünfchen, daß die neuern
Entdeckungen beigefügt ıc., daß vorzuͤgliche Abhandlungen
— 300 —
über Bergleichungen der Volksftämme, der Climate, Pros
bufte, Gebirge ıc. angehängt würden, und daß das Buch
für den Schüler das Nothwendige in aller Kürze enthielte.
Ueberhaupt möchte es fehr zwedimäßig fein, wenn Akade⸗
mieen, in Verbindung mit ausgezeichneten praftifchen Paͤdago⸗
gen, Schriften der Art veranlaßten, das Vortrefflichfte jedes
Einzelnen fammelten, frönten, und wenn die hohe Obrigkeit
dann für Einführung folcher Schriften forgte. Wir kämen
dann gewiß fehr bald zu den wortrefflichften Lehr- und Schuß
büchern. Wäre es dann nicht gut, wenn dem Furzgefäßten
Schulbuche, das dem Schüler in die Hände gegeben wird,
ein Lehrbuch für den Lehrer zur Seite geftellt wuͤrde, das,
um unzwecmäßige Erweiterung des Curſus zu verhindern,
nur das im Lehrbuch gedrängt Angegebene ausführlich durch⸗
aus einfach und deutlich behandelte, und durch eigene Be⸗
handlung jebes Gegenftandes bem Lehrer auch in NRücdficht
auf die Methode ein Wegweifer würde? Der Berfaffer eines
folchen Lehr= oder Schulbuches für beide Gegenftände hätte
aber darauf zu fehen, baß fein aufgeftellter Curſus auch für
Schüler‘ diefes Alters in einem Sahre zu wöchentlich 2
Stunden durchgelehrt und wiederholt werden Eönnte.
I ———
3te Elaffe.
Schüler von 13 bie 14 Jahr.
I ——_———__—_——— 1
9 Leſen.
Woͤchentlich; oder 4 Stunden.
In dieſer Claſſe. werde Schillers Geſchichte des Abfalles
der Niederlande eben ſo durchgearbeitet, als in der vori⸗
gen der dreißigjaͤhrige Krieg.
— 310 —
2) Deutſche Sprache.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Nachdem der Lehrer eine kurze Ueberficht der Metrif
mitgetheilt hat, die auc, in dem erwähnten zweiten Eurfus
enthalten fein follte, benuge er die übrige Zeit zum Unter
richte in fchriftlichen Ausarbeitungen.
Gr wähle babei etwa folgenden Gang.
a) Dem Schüler werde ein vorher befprochened oder
auch nicht befprochenes Thema aufgegeben, über welches er
innerhalb vier oder fünf Tage eine Ausarbeitung liefern
muß, die von dem Lehrer durchgefehen wird.
b) Sn der nächftfolgenden Deutfchfprachftunde wirb bas
Thema gemeinfchaftlich meditirt. Zu dem Ende gibt jeder
Schüler Gedanken an, bie, von dem Lehrer geprüft und gut
befunden, yon allen niedergefchrieben und mit einer fortlans
fenden Nummer bezeichnet werben.
c) Sn den folgenden Stunden wirb damit fortgefahren,
bis endlich Fein nothwendiger. Gedanken mehr fehlt. Dam
möffen die Schüler angeben, nach welchem allgemeinen
Schema, von welchen die nöthigen auch in der Grammatik
mitgetheilt worden find, diefer Gegenſtand difponirt werden
koͤnne, und in wie fern man abweichen müffe. Seder Schi
ler entwirft dann die Difpofltion.
d) In der folgenden Stunde wird eine, oder es wers
den zu Zeiten auch mehrere der beiten Difpofitionen feſtge⸗
feßt. Dann wird jeder Sag gelefen und angegeben, wohin
feine Nummer gehöre, bie dann der Unterabtheilung der
Difpofition Beigefchrieben wird. Dann werden die Säge ber
geordneten Reihenfolge nach abgefchrieben,, ber Schüler ars
beitet den Aufſatz in der nämlichen Woche aus und bringt
denfelben dem Lehrer zur Anſicht.
— 311 —
e) Diefer gibt in der folgenden Stunde fein Urtheil
und lieft über daffelbe Thema einen den Schülern verftänds
lichen Aufſatz eines guten Schriftftellers vor, bei welcher
Gelegenheit er befonders auf Die Uebergänge, auf die Dars
ftelung des Einzelnen ıc. verglichen mit den Arbeiten der
Schüler, anfmerffam macht.
Werben auf diefe Art in dem ganzen Jahr auch nur
wenige Themata doppelt oder dreifach (wenn nämlich gleich
nad; der Meditation ſich der Schüler verfucht) ausgearbeis
tet: fo befommt ber Schüler doch eine richtige Idee von
Anordnung der Gedanken, und mehr kann von einem Knas
ben nicht verlangt werben. Uebrigens muß der Schiler
nod) andere Auffäbe, wie beim Neligionsunterricht, bei der
Geſchichte, Geographie ıc. liefern.
3) Schreiben.
Woͤchent lich 2 Stunden.
Nach Heinrigs Vorfchriften oder Lehmanns Planzeich⸗
nungen. Waͤhrend deſſen uͤbt ein anderer Lehrer die Schuͤler
einzeln im Deklamiren. Hierzu waͤhle der Lehrer nicht viele,
aber ganz ausgezeichnete Sachen aus Heinſius und Rein⸗
becks Rhetorik, aus Engels Philoſophen und die erwaͤhnten
Reden von Engel und Johannes von Muͤller. Durch letz⸗
tere mag ber Lehrer beſondereGelegenheit finden, den Sinn
der Schüler für das preußifche Koͤnigshaus ıc. zu feſtigen.
— 1 —
N) Geſang.
Woͤchentlich 2 Stunden.
. Die Schüler diefer Claffe haben den Gefangunterricht
mit den Schülern der vorigen Claſſe gemeinichaftlich. _
——
5) Rechnen.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Dieſe Claſſe holt das im kaufmaͤnniſchen Rechnen noch
nach, was einem wohlgeuͤbten Rechenſchuͤler, der ſich fuͤr
das Comptoir oder Bureau bildet, noch fehlt. — Iſt aber
dieſe Bedingung ganz erfüllt, fo macht der Lehrer den Ans
fang mit der Buchftabenrechnung.
Zu dem Ende finde ich die Aufgaben von Meier Hirſch
fehr zweckmaͤßig, da diefe hinlängliche Hebung geben, wenn
biefelben einigemal gerechnet werden muͤſſen. Egens Hands
buch führt den Lehrer hier ficher und Euler zeigt im Allge
gemeinen nochnäher, wie er die Säge einfach und klar dar
ftellen müffe. Der Lehrer gehe hierbei nur von feinem
Sage ab, der dem Schüler nicht ganz deutlich geworben iſt
und wiederhole Regeln und Beweiſe fehr oft. Es wäre wol
zwedmäßig, wenn eine ganz zufammengedrängte Zufammen
ftellung der bloßen Regeln in den Händen des Schülers
wäre, damit diefelben, vielleicht ohne alle Beweife, um fo
leichter dem Gedächtniffe der Schüler ganz einverleibt
werden Fönnten.
— 313 —
6) Franzoͤſiſche Sprade.
Woͤchentlich 5 Stunden.
Wenn gleich der Zweck diefes Gegenftandes bei vielen
Schülern Eorrefpondenz ift, fo darf die Hebung darin noch
nicht beginnen; denn diefer Zweck wird um fo leichter und
ficherer .erreicht, wenn der Schüler erft die Sprache von ihs
rer edlern Seite fennen lernt, und das gefchieht durchs Les
fen Elaffifcher Schriften. Dadurch wird des Schülers
Sprachgefühl geichärft und verfeinert, und er wird dann
mit deſto mehr Leichtigkeit Gedanken des gewöhnlichen Le⸗
bens ausbrüden lernen. Damit aber durch Erlernung einer
fremden Sprache nicht auch fremde Wefenheit unfrem Volks⸗
charakter eingeimpft werde, ein Umftand, den ich fehr bes
denklich finde, möchte ich die Schriften eines Mannes vors
ſchlagen, der zu den edelſten Menfchen der Erde gehört hat,
und auf den Frankreich ftolz fein darf: ich meine die Schrife
ten bes weifen Fenelon, und zwar zuerft feinen Telemach.
Man werfe mir nicht ein, der Telemach ſei für einen fünf
tigen Herrfcher gefchrieben. Fenelon wollte aus feinem jun-
gen Dauphin einen Menfchen edelfter Art ziehen, und ihm
zu dem Ende Grundfäge der Humanität einprägen, und
diefe paſſen für jeden Menſchen. .
Man table ferner das prunfende Kleid nicht, in wel-
ches Fenelon diefe Lehren huͤllt. Schmedt denn koͤſtlicher
Wein nicht beſſer aus einer goldenen Schaale, als aus eis
nem hölzernen Napf? Stellt doch unfre ganze Geſchichte,
ſtellen doch unſre groͤßten Dichterwerke mehr Koͤnige und
andere hohe Perſonen, als Leute aus dem Mittelſtande auf.
In den Liebesſcenen der Callypſo wird der unverdorbene
Schuͤler nichts Anſtoͤßiges finden, denn dem Reinen bleibt
ſolches rein; dem verdorbenen Schuͤler aber werden Ideen,
die ihm fchmußig und niedrig in der Seele liegen, durch
diefe Schrift gewiß edler, gereinigter, wenn ber Lehrer nur
würdig ift.
Anftatt daß der Schäler feine Muße auf Vorbereitung
des zu Ueberfegenden wenden follte, welche Hebung aller
dings für ihn fehr nützlich tft, möchte ich dem Schüler rathen,
die Hälfte der Zeit dem fchon Gelefenen zu widmen, und
bag dem Gedächtniffe und dem Gefühl einzuprägen, was
er in der Schule durchgearbeitet hat. Der Schüler möchte
gewiß dadurch an Eifer für Erlernung ber Sprache und
für die Grimdfäße der Humanität gewinnen; denn in frem⸗
der Zunge fich zu belehren mag im Allgemeinen dem Men
ſchen, beſonders zu Anfange, fehr angenehm fein.
Damit der Schüler aber auch ine Ueberſetzen ans dem
Deutfchen ind Franzäfifche nicht zuruͤckbleibe, möchten ihm
Aufgaben am zuträglichften fein, die ihn feinem Zweck, ber
Eorrespondenz, am meiften nähern, und hierzu find Mo
zins Uebungsftäde, die feinen Briefen vorangehen, empfeh⸗
lungswerth. Woͤchentlich müßte der Schhler dann einige
Seiten ſchriftlich uͤberſetzen, und der Lehrer muͤßte diefe
Ueberſetzungen zu Haufe mit feinen Bemerkungen ehe
Hat der Schüler dieſe Uebungen durchgearbeitet, fo wieder⸗
hole er die fehmwierigeren Stüde. |
Damit beide Uebungen diefed Sahre® Hand in Hand
gehen, nehme der Lehrer beim Weberfeßen bed Telemachs
befonders auf diejenigen Regeln Rüdficht, gegen welche Die
Schuͤler im fchriftlichen Weberfeßen fehlen.
Zum Schlufle jeder Stunde muß das durchgearbeitete
Stüf vom Lehrer und von den Schülern zufammen gelefen
werden, Damit jeder noch einmal nachfehen koͤnne, ob alles
begriffen fei, und damit fie ſchoͤn leſen lernen. Auch wird
der Schäfer das zu Haufe gern und mit Fleiß durchgehen,
was ihm leicht und lieb geworden iſt. |
— 315 —
N» Religionsunterridt.
Woͤchentlich 2 Stunden,
Die Bilder der biblifchen Gefchichte find. großentheils
Lange in den Hintergrund getreten; dem Schüler mögen
viele nur noch dunkel vorfchweben, und, ich möchte fagen,
im Geheimen wirfen. Die nämlichen Gefühle ganz auf
biefelbe Art wieder zurück zu rufen möchte fchon um Des
willen nicht zwedmäßig fein, da des Schülers Bildungszus
ftand ein anderer geworden ift, und der Schmelz der Em⸗
yfindung von der zarten Blume der Erinnerung abgewifcht
werben möchte, indem der Lehrer die Phantafie hier ſchwer⸗
fich wieder wie ehemals fo ganz, ich möchte fagen , , Aus
. füllen Tann.
Indeſſen ift dieſes auch Teinesweges noͤthig, m der
Zwei, das Kind für die Schriften des göttlichen Wortes
einzunehmen ıc. erreicht fein muß, und der Schüler die
Ausſpruͤche der heiligen Schrift als das Siegel anfieht,
dad jeder religisfen Wahrheit Teinesweges fehlen darf, wenn
er biefelbe ohne allen Zweifel annehmen fol.
Der Lehrer führe ihn nun au diefen Born der Weisheit,
leſe mit ihm die Bibel, erinnere nur an die, wenn. gleich
nur dunkel vorfchwebenden Bilder und erkläre, nicht ges
lehrt, nein einfach, aber Har und mit Wärme.
Es mag fehr wohl der Fall fein, daß er manchen
hriftlichen Grundſatz, deſſen Wahrheit bis dahin zu ents
wideln ihm zu fchwer wurde, den reifern Schülern erft jeßt
klarer vor die Augen ftellen kanu, und dazu hat er dann auch Die
befte Gelegenheit, wenn er nun ganze Gapitel, ja ganze
Bücher der Bibel mit feinen Schülern Tief. In dieſer Zeit
mag er nun allenthalben das. Verſaͤumte nachholen, das
— 316 —
Misverftandene vom Irrthum reinigen, die Wahrheiten des
Shriftenthums dem Herzen des Schülers nochmals einpr&
gen, damit feinen fyftematifchen Religionsunterricht beenden
“und den Schüler in biefer Rücdficht ganz in die Hände des
Prediger gleicher Eonfeflion übergeben, damit Diefer den
Bau vollführe, zu welchem die Schule das Fundament 96
legt hat.
83) Geometrie,
Woͤchentlich 2 Stunden.
Diefe Claſſe fchreite in Fiſchers oder Dieſterwegs Gens
metrie auf erwähnte Art fort. Gelangt fie zur Lehre von
der Ausmeflung der Flächen, fo mag ihr der Nuben diefer
MWiffenfchaft auch auf dem Felde gezeigt werben. Der Leh—⸗
rer gehe zu dem Ende wöchentlich, wenigftend einen Nady
mittag mit feinen Schhlern aufs Feld. Er zeige ihnen dag,
was ein gewöhnlicher Feldmeffer zu Teiften hat, unb laſſe
fie daher mit Meßſtange, Pikets und Winkelfreuz arbeiten.
Späterhin gebrauche er mit ihnen das Nivellirinftrument,
den Meptifch und Die Bouſſole, und die im Planzeichnen
geuͤbten Schüler müfjen dann eine Eharte der aufgenoinntes
nen Flur zeichnen.
9 Geographie
Woͤchentlich 3 Stunden.
Amerila und Afrika.
a — — — — — — —— —
— 17 —
10) Geſchichte.
Woͤchentlich 3 oder A Stunden.
In diefer Claſſe werde die mittlere Gefchichte Durchge-
arbeitet; es kommen bemnach hier die drei folgenden Bands
chen von Beder vor.
11) Naturlehre,
Woͤchentlich 2 Stunden.
Was das Material angeht, fo möchte hier die Natur-
lehre von Herr hinreichen. Um auch hier des zeitraubenden
Diftirens überhoben zu fein, mag den Schülern Diefe Schrift
in die Hände gegeben werben. Sn durchaus freier Unter
haltung bearbeite der Lehrer jeden Paragraphen diefes gro-
Bern Lehrbuches, und gehe nicht eher von demfelben ab,
bie alles Far eingefehen wird. Zum Schluß Iefe der Teh-
rer dann den Paragraphen vor, erkläre jeden vielleicht Eis
nigen noch unverftändlichen Ausdruck und empfehle benfelben |
dem häuslichen Fleiße.
Bei diefem Gegenftande Eedarf ber Lehrer zwar In⸗
firumente , indeß fchräufe er den Gebraud; derfelben
auf klare Anficht des Grundfabes ein, Damit dadurch nicht
zu viele Zeit verfäumt, und das Ganze ein Inſtrumentiren
werde, wodurch die Grundfäße in den Hintergrund treten.
Her Lehrer handle, wie in ber Naturbefchreibung jeden
Grundfag mit Hinblid "auf den Schöpfer der Natur ab;
aber er hüte fich, folche Bemerkungen zur unrechten Zeit und
ohne Wärme zu machen, damit daffelbe nicht Mechanismus
feined Mundes werde und die Schüler nicht ob der her-
beigezogenen Bemerkung im Geheimen Tachen,
— 318 —
"Sehr zwedimäßig ift es hier Die Grundfäße mit ben
Schülern aufzufuchen und das Gefchichtliche jedes Haupt
grundfaßes mit wenig Worten vorhergehen gu Laffen.
ho 22
12) Lateiniſche Sprade
in der 6., 5., 4 und 3. Claffe.
Wer fi) dem gelehrten Stande widmen will, erhält
in diefen Claſſen entweder täglich eine Stunde Unterricht
mehr, oder nimmt beffer dafuͤr den Unterricht in der fran⸗
zöfifchen Sprache nicht mit, und lernt in biefer Zeit latein.
Diefer Gegenftand kann denn nach den Elementarbüchern
von Seidenftäder auf Ähnliche Art wie die frangzöfifche
Sprade fehr zweckmaͤßig betrieben werden. Für die beiben
obern Glaffen möchte fich dann der Nepos eignen.
Was das Griechifche besrifft, fo bleibt dieſen Schülern,
im Fall diefelben nicht mit Arbeit überladen werden follen,
nicht Zeit dazu und müßte dem Gymnaſio für die letztern
vier oder fünf Sahre aufbehalten bleiben, indem die Schuͤ⸗
ler diefer Claſſe, welche ſich dem Gelehrtenflande widmen
wollen, an das Öymnafium abgegeben werben müffen.
In der Tendenz diefer Anftalt Liegen jedoch noch zwei
Seitensober Fadıklafjen, das find folche, die den Schüler zu
feinem künftigen Fache vorbereiten follen.
|
2te Elaffe, oder untere Fachklaſſe.
Knaben von 14 HS 15. Jahr. -.
Dieſe und die folgende Claſſe beruͤckſichtigen vorzugs⸗
weiſe den kuͤnftigen Kaufmann, Buͤraliſten, Meßkuͤnſtler,
— 39 —
Architekten, Mechaniker, Chemifer, Foͤrſter, Gärtner, Zeich⸗
ner, Maler ꝛc.; indeſſen verfieht es fich von felbft, daß
Knaben von 16 Jahr noch nicht die nöthige Bildung zu
diefen Fächern erlangen können. Die Schüler follen viels
mehr hier nur eine folche Vorbildung erhalten, die fie ges
ſchickt macht das Eomptoir, das Büreau, Die Akademie ıc.
mit den fchönften Hoffnungen zu betreten. Fehlten der Ans
ftalt diefe Claſſen, fo fehlte ihr die Krone. Diefe zwei
Jahre koͤnnen dem : Schüler ganz außerordentlich fürdernd
fein, und es ift fehr zu beflagen, wenn ungünftige Um⸗
flände ihm dieſe ſchoͤne Gelegenheit rauben fich in der beften
Zeit feines Lebens beſondere Tüächtigfeit für fein kuͤnftiges
Fach zu erwerben! Möchten bag alle Schuldireftionen,
möchten das alle Eltern und Bormünder beherzigen, ba hier
Durch weife Vorſorge dem ganzen Leben des jungen Men-
schen hoͤchſt wahrfcheinlich eine andere Richtung gegeben
wird! Man fehe nur in allen Fächern diejenigen jungen
Leute an, die tüchtige Vorbildung genoffen haben, und man
wird Diefelben, wenn ihre fittliche Bildung mit weiter
fchritt, gewiß in der Regel außerordentlich vortheilhaft von
denen unterfcheiden, die Aberall nachzuholen haben, und
die man nicht ins Geſchaͤft einführen konnte, fondern hineins
fchleppen mußte. Indeſſen auch dieſe Fächer erfodern mehrere
verichiedenartige Gegenftände der Vorbereitung, und wir wollen
Darum fämmtliche Schüler in Fünftige Gefchäftsführer und
Mathematiker eintheilen. Schüler, deren fünftiges Fach nicht
einem von diefem firenge angehört, müffen das, was für
fie am zweckmaͤßigſten ift, auswählen oder in Nebenbefchäf-
tigungen fo gut als möglicd, ficy vorbereiten.
.. Sch will nun jeden Gegenſtand, der noch in der Tendenz
der. Schule liegt, durchgehen und die Theilnahme beider Ab⸗
theilungen beftimment. .
—IIIICCMMæ
— 320 —
1) Franzoͤſiſche Sprade.
Woͤchentlich 5 Stunden.
Diefe, Elaffe Eieit nach Abſolvirung der vorigen eine an-
dere Schrift von Fenelon, und fährt fort bie Uebungsſtüuͤcke
von Mozin zu überfeßen oder uͤberſetzt die ſchwerern Aufga⸗
ben von Mozins Sprachlehre ind Fraunzoͤſtſche. Vielleicht
beſſer koͤnnte man auch in der vorigen Claſſe die Stuͤcke
der Grammatik und in dieſer Elaſſe jene Aufgaben Aber
ſetzen laſſen. Es kommt dabei vieles auf Lehrer und Schhs
ler an. Im erfleen Falle ift ed nur eine Wiederholung der
‚Regeln, die der Schüler vom Lehrer befonders beim mänd-
lichen Ueberfeßen gelernt hat; im Iebtern Kalle Iernt ber
Schüler die Regeln befonders aus der Grammatik,
An diefem Gegenſtande nehmen künftige Geichäftöführer
und Mathematiker Theil.
2» Englifde Sprade.
Woͤchentlich 7 Stunden.
Da die englifche Grammatik eben nicht fo viele Schwie
rigfeit macht, fo mag es einem tuͤchtigen Lehrer möglich fein,
die englifche Grammatik in dem erften Halbjahre zu abfol: .
viren und in dem zweiten irgend eine leichte Schrift eines
denfenden, humanen Mannes anzufangen. Freilich könnte
biefe Sprache auch dem fünftigen Mathematifer und unter
diefen dem Fünftigen Mechaniker befonderd nuͤtzlich fein;
allein es gibt fir diefen noch zu viele Gegeirftände, die ihm
nöthiger find. Der Plan. befiimmt die Erlernung dieſer
Sprache daher nur dem Einftigen Gefchäftöführer.
— 321 —
-3) Geſchichte.
Woͤchentlich 3 Stunden.
- Mit dieſer Claſſe werden die erftern brei Bändchen der
neuern Gefchichte von Becker durdhgearbeitet. Der Lehrer
nehme hier befonders Ruͤckſicht auf die wachfende Induſtrie,
auf Erfindungen, Etabliffements in fremden Welttheilen, und
fuche dadurch die Gefchichte für den Fünftigen Kaufmann ıc.
nüglicd zu machen. Anftatt die Gefchichte auszudehnen,
wiederhole der Lehrer, wenn diefe drei Bändchen hinlaͤng⸗
lich burchgearbeitet find, das MWefentlichfte der alten Ges
fchichte, denn diefer Curſus ift für Schiller einer höheren
Volksſchule bedeutend genug, ja fchon etwas zu groß. Freis
lich mag. ber Lehrer dabei weniger Gelegenheit haben, feine
bedeutende Gefchichtsfenntniß zu zeigen, aber das iſt auch
nicht Zweck der Schule,
Ale Schüler nehmen au diefem Gegenftande Theil.
4) Buchhalten.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Der Lehrer, dem dieſer Zweig aufgetragen wird, ar⸗
beite nach einer vorzuͤglichen, jedoch einfachen Schrift ein
Lehrheft aus, und gebe dieſes einigen der geſchickteſten Kauf⸗
leute ſeiner Gegend zur Durchſicht. Mit jedem Einzelnen
ſpreche er alsdann, oder beſſer dieſe berathen ſich gemein-
ſchaftlich, belehren den Lehrer und letzterer verleibt dieſe
Verbeſſerungen oder Localitaͤten ſeinem Hefte ein, und ſtreicht
jedes Unnoͤthige durch. Ich rathe hierbei durchaus dem Ur⸗
theile gefchichter Kaufleute zu folgen; denn dieſe wiſſen am
r —
— 322 —
beften, was fie von Somptoiriften zu fodern haben, und Lehr
rer wollen nur zu gern Ssegliches auf wiflenfchaftlichem
Wege treiben, wodurch hier wol viele hohe Woͤrter und
Anfichten hervorfommen, aber weniger dad, was in dem
Gefchäfte diefer oder jener Gegend nuͤtzt, und letzteres ift
Doch der Zweck des Unterrichts in diefem Gegenftande.
Vielleicht möchte folgender Gang nicht unzweckmaͤ⸗
. Big- fein. Ä
a) Der Lehrer gebe feinen Schülern einen einfachen,
aber Maren’ Begriff von dem Wechfelgefchäft, und laſſe zu
dem Ende das Nöthige im Rechnen: nody nachholen. Da
diefe aber die Muͤnzrechnung, Pari, Wechfelreduktion und
die Arbitrage ſchon mit Verſtande rechnen Finnen, fo wer
den die nöthigen Rechenregeln ıc. keinen großen Zeitauf
wand verurfachen. Er theile zu dem Enbe alles, was Das
Pechfefgefchäft überhaupt, und das feiner Gegend ins bes
fondere betrifft, in Paragraphen ab, und behandle dann je
des Einzelne einfach und mit Klarheit.
b) Er unterhalte ſich auf diefelbe Art mit feinen Schuͤ⸗
fern über den Charakter jedes einzelnen Gefchäftsbuches,
und fage von jedem Alles, was von demfelben vernünftiger
Weiſe zu fagen ift.
ec) Er feße fich durch die erwähnten Kaufleute in ben
Stand, ein Fleines aber ordentliches Gefchäft zu figniren,
und laffe die Schüler von Zeit zu Zeit mit der Buchfühs
rung, Gorrefpondenz ıc. abwechfeln.
d) Er ftelle ihnen das Verhältniß ohne Ueber
treibung klar auf, in welches fie zu treten gedenken.
Mas Waarenkfenntniß betrifft, fo kann ein orbent
licher Unterricht darin dem Schüler weniger nüßen, da. dieſer
von allen Waaren, die er doch nur oberflächig kennen ler⸗
nen würde, vielleicht nur einige in der Zukunft erhandel,
oder fabricirt, und dieſe oberfläcdhige Kenntniß berfelben
— 3233 —
von feinem Ruben fein kann. Das bleibe. daher nach meis
ner Meinung der Fabrik überlaffen, in welcher der: Schüler
feine Kenntniffe als Lehrburfche erweitern. fol, Das Allges
meine aber iſt in ber Geographie und in 1 ber Natargeſchichte
vorgefommen.
Daß an diefem Gegenſtande nur künftige. Befdäns,
- führer Theil nehmen, verſteht fich. von felbft, denn: Mathe
matifer und Kiünftler ıc. mögen ihre Ausgabe und Einuahme
gar leicht im Kopf berechnen und im Beutel annotiren.
Uebrigens haben auch dieſe ſich die noͤthige Keuntniß
vom Wechſelgeſchaͤft beim Rechnen verſchafft, und wiſſen
dabei, daß man nad Umſtaͤnden zwar einen: Wechfel: prv⸗
longiren laſſen Tonne, denſelben a aber am Ende dad) el
fen müffe. lan dt
4) Bu chſtab ⸗ n.re on nehi.
» or ..* r
et.
Wöchentlich 5 Stunden. |
Der künftige Gefchäftsführer muß in dieſen beiden obere
ften Claſſen fo weit gebracht werden, daß er einen nicht
unbedeutenden Eurfus der Mechanik und Chemie mit Nugen
durcharbeiten inne; dem Fänftigen Mathematiker ift diefer
Gegenitand in jeder Ruͤckſicht unerlaßlih. In diefem Falle
muß berfelbe aber ausfuͤhrlich abgehandelt werden, wenn
man dem jungen Menſchen große Hinderniſſ e für die Zu⸗
kunft ans dem, Wege räygmen wis; Zu bem.: Ende: arbeite
ber ‚Zehrer: mit diefer Claſſe die. erſte Hauptabtheilung der
erwaͤhnten Aufgaben von Maier Hirſch durch:
Ich habe dabei folgendes zu erinnern... 0
a) Die Regel muß dergeitalt klar auseinander gefet
werden, daß jeder in. Stande iſt, Diefelbe. mit. ihrem Be⸗
r L
— 124 —
weiſe Ichriftlich wiederzugeben. :.. An der ſchriftlichen Bear⸗
beitung: kann ider Oehrer merken, ob der Schuͤler die Regel
mit dem Verſtande, oder bloß mit dem Gedaͤchtniſſe gefaßt
habe.Darin taͤnſcht ſich mancher Lehrer gerade Bei. dieſen
Gegenſtande; er geht mit Freuden weiter, wenn feine Schuͤ⸗
Ver ten Beweis: mit‘. Fertigkeit ‚liefern koͤnnen, und: wird
vielleicht: am Ende aller Beweife gewahr, daß, zu feinem
größten Derbenß; vielleicht nicht ein einziger Beweis vers
ſtanden iſt. BEE
BD gehen rechne bie: An haben mit. ben Sqhalem
durch; der Schuͤler ſei gehalten, ſaͤmmtliche Beiſpiele ohne
Beihuͤlfe zu rechnen, und zum Schluße vertheile er noch
einmal die ſchwereren Aufgaben unter die Schuͤler, und ſehe
zu, wo noch Fertigkeit mangelt.
Iſt er mit den Beiſpielen fertig, ſo muͤſſen ſaͤmmtliche
Beweiſe noch einmal ſchriftlich geliefert werden, und zwar
in Gegenwart des Lehrers. Schreitet der Lehrer auf dieſe
ſichere Weiſe voran, ſo wird er ſich manchen Verdruß er⸗
ſparen, und der Schuͤler wird ſich um ſo mehr an beſtimm⸗
ten Ausdruck ſeiner Gedanken gewoͤhnen.
6) Mechanik.
Woͤchentlich 6 Stunden. |
An guten Lehrbuͤchern dieſer Art ſind die Framofen rei⸗
cher, als wir. Wie zweckmaͤßig iſt nicht Die Maſchinen⸗
Ichre von Dupin, welche für ben fich erhebenden Hand⸗
werker geichrieben, und bereits in Straßburg überfeßt. wors
ben iſt! wie vordrefflich if die Mechanik. non Chriſtians!
aber fle ift leider für. Schüler einer höheren Volksſchule zu
— 323 —
umfaſſend. Es wäre :zu wuͤnſchen, daß ein tuͤchtiger Dicchas
niker, der zugleich ein vorzuͤglicher Lehrer iſt, daß: B.
Herr Profeſſor Egen in Soeſt uns mit einem Lehrbuch der
Mechanik für den Schuͤler und mit einem Anleite für den
Lehrer beſchenkte. Bis dahin wären bie erwähnten Schrif⸗
ten zu gebrauchen. Daß es hier nicht an Maſchinen im
Kleinen fehlen dürfe und daß der Lehrer alle Arten Mas
fchinen feiner Gegend wo möglich: in Augenfchein nehmen
müffe, verfteht fich von felbft. An diefem Gegenflande .nchs
men fowol Fünftige Geſchaftsführer,c als u künftige Mas
thematifer Theil.
— —
7) Geometrie und Stereometrie. |
Woͤchenthich 6 Stunden .
"Der Anleit von Prof. Fifcher wird abſolvirt. Sollte
die verfprochene Stereometrie diefed Mannes, Bie' mir noch
nicht zu Gefichte gekommen ift, der von Brandes'nicht nach⸗
fiehen: fo wäre dieſelbe vorzugichen, da der Berfaffer fich
auf fein Lehrbuch der Geometrie beziehen wird. Für dieſe
Elaffe wären nun Körper zu jedem Hauptlehrſatze erfober
lich, und ich würde die aus dem Blindeninflitute zu Bred
Tau empfehlen, wenn biefelben ſchoͤner gearbeitet und
wohlfeiler wären. Das Arbeiten auf dem Felde mit
dem Meßtifchtc. wird fortgefeßt, und der Schäfer kann fich
die vorzüglichiten Körper nach den vorgeſchriebenen Regen
reroft aus Pappe verfertigen.
Ueber ben Zeichenunterricht, der in btefer Claſſe von
den Fünftigen Mathematifern ıc. ſtark getrieben wird‘, fon
su Ende der folgenden Eiafe bie Rebe fein.
— 316 —
83) Geographie.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Alien und Auftralien.
ke
| 1te Elaffe
Schüler von 15 big 16 Jahr.
——— — —
1) Franzoͤſiſche Sprache.
Woͤchentlich 7 Stunden für die kuͤnftigen Geſchaͤfts⸗
führer, und 4 Stunden für den Eänftigen Mathematiker.
Diefe Claſſe wende allen Fleiß auf Mozins Faufmännifche
Briefe. Täglich wird wo möglich ein deutfcher Brief ind
Franzoͤſiſche, und zwar in ber Schule mündlich und zu Haufe
ſchriftlich überfeßt, und täglich ſchreibe der Schüler einen
franzoͤſiſchen Brief ab. Wenn erfteres ihn ficher leitet, fo
kann Ießteres ihn Doc eingewähnen. Wird die Sammlung
vor Beendigung des Jahres abfolvirt, fo liefert ver Schuͤ⸗
fer. felbft Briefe, und, die franzöfifchen Briefe werben oft zw
fammengelefen. |
Freilich würbe der Fünftige Mathematiker beffer irgend
eine vorzägliche franz. Schrift leſen; allein auch diefe Briefe
koͤnnen ihm recht näßlich fein, und ohne Noth darf doch
die Zahl der Lehrer nicht vergrößert werben.
a —
— 327 —
9 Englifhe Sprade
Woͤche utlich 7 Stunden.
Es wird fortwährend eine englifche Haffifche Schrift
gelefen. Sn ber Ießtern Zeit wird eine Feine Sammlung
Briefe durchgearbeitet. Daß der Schüler das ganze Sahr
hindurch auch im Ueberſetzen deutfcher Aufgaben ind Eng-
liſche geübt wird, bedarf feiner weitern Erwähnung. Wird
nun auch ber Schüfer bier in diefer Sprache nicht feft, fo
kann er fich Doch ſpaͤterhin Teicht felbft woran arbeiten.
ü⸗ ———— ——
3) 6 efhid te,
Woͤchentlich 3 Stunden.
Hier werden die drei leßten Bändchen der ermähnten
Geſchichte wiederholt.
I
m Buchhalten. ;
Woͤchentlich 4 S tund en.
Das fignirte Geſchaͤft wird fortgeſetzt.
Do —
5) Algebra.
Woͤchentlich 5 Stunden.
In dieſer Claſſe kommen die Gleichungen aus Meier
Hirſch vor.
— 38 —
Bevor aber der Schüler es verfucht dieſe Aufgaben zu
Idfen, muß er fämmtfiche Regeln, welche zur Löfung der
Aufgaben vom 1. und 2. Grade nöthig find, kennen und
feinem Gebächtniffe vollkommen eingeprägt haben. Soll ber
Schüler die Regeln an den Beifpielen kennen lernen, fo
wird ihm die Ueberficht fehlen und er wird nicht frei arbei⸗
ten lernen. Hier glaube ich anfänglich wieder Theorie und
Praxis ſtrenge trennen zu muͤſſen.
Es waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß der verehrungswärs
‚ dige Prof. Herr von Muͤnchow in Bonn und fowol mit feis
nem ganz kurzen Anleit zur Loͤſung ber Gleichungen, als
auch mit feiner analytifchen Trigonometrie befchenfte, die fi
durch eine bewunderswerthe Kürze, Klarheit und dennoch
durch Vollftändigfeit auszeichnet, Es bleibt doch ewig wahr,
daß der wahrhaft tüchtige Mann die Sache am einfachften,
und dabei doch am fchärfiten darzuſtellen verfteht.
6) Mechanik.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Die Mechanik wird abfolvirt und dann das Ganze, fo
viel es die Zeit erlaubt, noch einmal Überblick.
I —
D Trigonometrie
Wöchentlich 2 Stunden.
Sollte die Trigonometrie unfres Verfaſſers ber von
G. 9. Fifcher CKortfeger des .Lehmann’fchen Werkes) nicht
nachitehen, fo wäre dieſe, bis wir jene ganz einfach. darge⸗
— 39 —
ſtellte Trigonometrie von: von Muͤnchow hätten; zu empfeh⸗
len. Mit dieſer Elaſſe koͤnnte man bei Meſſungen den Re⸗
petitionstheodolithen von Breithaupt in Caſſel gebrauchen,
welcher mit den noͤthigen Zuſaͤtzen einen ganz vorzuͤglichen
Meßapparat bildet. Man hat naͤmlich fuͤr 140 Thlr. einen
Theodolithen, einen Meßtiſch, eine ſehr große Bouſſole und
ein Nivellirinſtrument, und zwar Alles von ganz vorzuͤglicher
Güte, Schönheit und Staͤrke. Der Limbus des Theodoli⸗
then iſt in drittel Grade getheilt, und man kann mittelſt des
Ronins (deren zwei an der Alhidade And) bie halbe Minnte |
ablefen.
Mit diefem Inſtrumente läßt PR wirtlich! die ſtehende
Sekunde erreichen. |
jo 2 2 0 —
9) Chemie,
Wenn ich mir den nädften Zwed Fünftiger Fabrikan⸗
ten und Chemifer vor Augen halte, fo fcheint mir die Bers
folgung eines orbentlichen Syſtems für dieſes Alter noch zu
früh zu fein. Nach meiner unvorgreiflichen Meinung möchte
vielleicht folgender Weg nicht unzweckmaͤßig fein.
8) Der Schüler lerne bie dorfonimenben Apparate und
ihren Gebrauch genau kennen.
b) Die Hauptlehrfäße der Chemie, in fo fern folche
praftifch angewendet werden, lerne der Schüler fennen, und
Dad Lehrbuch, müßte diefelben in ‚gedrängter Kürze neben
einander ftellen, ohne mehr als hoͤchſt nöthig zu erperimen-
tiren. Vielleicht ließen ſich diefe Lehrfäge fo einfach neben
einander ftellen, daß der Schüler diefelben feinem Gedacht⸗
niſſe vollkommen einpraͤgen koͤnnte.
c) Dann müßte der Lehrer in Verbindung mit “einem
geſchickten Apothefer vor den Augen feiner Schüfer wirklich‘
ed
— 330 —
arbeiten und Diefelben auf Anwendung jedes Grundſatzes
aufmerffam machen.
d) Ferner müßte der Lehrer mit feinen Schülern fremde
Laboratorien befuchen.
e) Endlich mag dem ‚Schüler eine Chemie angewieſen
werben, die über jeden nöthigen einzelnen Gegenftand in
Nücficht feiner Eigenfchaften und feiner Behandlung volle
ftändige Auskunft gibt. Auf diefe Art gelangt der Schüler
doch zu etwas, worauf er in der Zukunft fortbauen Fann.
Indeſſen fol diefes nur ein Vorfchlag fein, da ich zu wenig
Kenntniffe in der Chemie habe, als daß ich darüber and
ur mit einiger Sicherheit urtheilen koͤnnte.
An diefem Gegenftande nehmen Kaufleute und befons
ders Diejenigen Theil, die ſich den Naturwiflenfchaften wid⸗
men wollen.
8) Geographie.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Eine Wiederholung b des Ganen.
9) 3, eichnen.
Im Durchſchnitt wöchentlich 2 bis 3 Stunden. Für
den fünftigen Mathematifer aber in biefer und ber vorigen
Elaffe 6 Stunden. |
Diefer Gegenftand fchließt fich den gewöhnlichen Elaffen
nicht an; ber Lehrer muß feine eigenen Claffen bilden und
auch fein befonderes Lokal haben.
Hat diefe vereinigte niedere und höhere Volksſchule
wenigftend 160 Schüler, und ift jeder Schüler gehalten,
— 331 —
für zwei. ober "drei Stunden wöchentlich 2 Silbergrofchen
. zu. zahlen, welches Geld jeboch mit Dem gewöhnlichen Schule
gelde eingenommen wird: fo erhält der Zeichenlehrer ein
anftändiges Honorar, ‚und es kann dann neben der Schule
eine ‚ordentliche Zeichenfchule für fich beftehen.
Das Lofal müßte nach Peter Schmidts Spee, und an
der Lichtfeite wenigftend 24 Fuß lang fein, damit der Schuͤ⸗
ler .bei Eopirübungen einzeln gereichter Originale Raum
und gutes Licht hätte. Die ganze Zeichenfchule kann nun
in 8 verfchiedene Glaffen zerfallen.
I ——
Bte Claffe
Umrißfopiren
Diefe Elaffe zeichnet nach den Borlegeblättern von
Peter Schmidt. |
Her Schmidt hat fich wirflich Verdienſt um ben Zei-
chenunterricht erworben, indem er den Schüler auf Fürzes
ftem Wege zur moͤglichſt höchften Stufe der Richtigkeit und
Schönheit, in Hinficht auf ben Umriß, zu erheben fudht.
Manchen Lehrern, und befonders Künftlern von Profeilion,
mag der fcheinbare Ummeg — ben Herr Schmidt mit auss
gezeichneter Sorgfalt in einem eigenen Werkchen CAnleit
zur Zeichenfunft von Peter Schmidt, Berlin 1825. m
Berlage des Verfaffers, Schloßfreiheit No. 9 und in allen
Buchhandlungen zu haben) dem noch ein zweiter Anleit ge
folgt ift, auseinanderfegt, und woburch er den Lehrer, felbit
den Ungeübten, ficher Ieitet — ald Pedanterie erfcheinen;
der Pädagoge aber, der fich nicht auf Das audgezeichnete
Talent einzelner Schüler verläßt, und der diefe Kunft ale
Gemeingut betrachtet, wird gerade in der höchiten Sorg⸗
— 3332 —
falt von. Seiten bed Lehrers und. bes Schülers bad Haupi⸗
mittel finden, dem Schüler Achtung und Sinn für bie Kunfl,
und regfante freie Thätigleit zu einem Zwede von Bebew
tung anzneignen. Beſonders möchte ich anrathen, bie ſeche⸗
eckige Schultafel in Tempelform (der Ramen Schuftenegel
möchte weniger paflend fein) nach Deren Schmidts Anwei⸗
fung anfertigen und gebrauchen zu laſſen. Jedoch mhfte
Har Schmidt und zu den Badretiefs fur: die Vaſen ꝛc. ver⸗
helfen. |
7te Elaffe
Abzeichnen einfader mathematifher Körper
und Schattiren derfelben.
Was ber Schüler größtentheild durch Abzeichnung ber
Mufterblätter gelernt hat, foll er nun in diefer Claſſe au
einzelnen Körpern frei darftellen lernen. Der Lehrer hat zu
dem Ende einen von Birnbaumholz fein gearbeiteten Enbns
von etwa 2 oder 274 Zoll Dimenfion, an weldyem bie Kam
ten fcharf und rein zu fehen find. Bon derfelbigen Art hat
er einige Halbe und Drittellubng und eine Menge Paral⸗
Ielepipida , die in ihrer Länge um einen halben Cubus ſtei⸗
gen, etwa bis zu einem Fuß Läuge, und- die ſaͤmmtlich am
einandergelegt ein einziges Parallelepipidum bilden. Fer⸗
ner dürften die andern mathematifchen Körper, fo wie eine
gut gearbeitete Nifche nicht fehlen. Die Nifche mag immer
bin 1% bis 2 Fuß hoch fein. — Jeder Schüler hat in ev
Inem Heinen Behälter an dem Zeichenpult einen feibenen
Faden, mit einer kleinen Ylintenkugel daran, weldhem er
mit einer Hand bie fenkrechte und mit ‚beiden Händen bie
wagerechte Richtung geben kann, um gu: fehen, wie viel
— 13 —
Theile an einem aufgeſtellten Koͤrper der hintere Punkt zu⸗
ruͤckweicht, wenn er eine ihm parallellaufende Linie des mas
thematifchen Koͤrpers ꝛc. als Eind annimmt. Durch diefen
Haben wird. nun die Lage jedes vors ober ruͤckwaͤrts, ober,
oder unterwärts liegenden Punktes beitimmt, und der Schuͤ⸗
ler, der mit größter Richtigkeit und Schönheit Punfte ver,
binden gelernt hat, kann nun den Umriß der Figur ohne
Schwierigkeit zeichnen , ſobald er die Punkte richtig liegen
hat. Hieruͤber gilt wieder dieſelbe Borficht, berfelbe Eifer
das Borfommende vollflommen, ic) fage vollfommen daritels
Ten zu laffen, wie diefes Herr Schmidt für die vorige Ue⸗
bung fo fehr empfiehlt. Wie übrigens der Lehrer dabei bis
ind Kleinfte hinein verfahren koͤnne, werben wir bald von
Heren Schmidt, der diefe Methode ind Leben gerufen hat,
hören, da derfelbe auch hierüber mittelft einer Drudichrift
ſich noch näher erklären wird, |
. Daß aber diefe Methode zu außerorbentlichen Ntefultas
ten führt, davon hat mich Herr Schmidt überzeugt, das
babe ich an. den Bemühungen des Herrn von Leslie,
eines hochaufftrebeuden Malers und Zeihen
lehrers unfrer Anftalt, der aber jeßt an dem Gymnaſio
in Kreuznach arbeitet, unwiberleglich erfahren. Mit
Diefem meinem geliebten Freunde habe ich mich fehr oft über
den Zeichenunterricht unterhalten, und verdanke ihm hierin
manche Idee, fo wie uͤberhaupt Diefe Darftellung eine Brut
unfrer gemeinfchaftlichen Unterfuchung ıc. ift. Ä
Wenn ber Zeichenfhüler nach der gewöhnlichen - Lehr⸗
art nichts weiter als Muſter kopiren lernt, die doch ſchon
als Zeichnung vorhanden ſind, ſo lernt er auf dieſe Weiſe
jeden Gegenſtand der-Ratur und Kunſt zeichnend darſtellen,
und das ſoll doch der Zweck alles Zeichenlernens ſein.
.. Kann der Schuͤler die Umriſſe der einzelnen. Körper
nadı jeder Lage richtig und mit Präcifion zeichnen: fo-Iernt
— 334 —
er biefelben fchattiren. Zu dieſem Zwecke bebärfen wir
nad) unfrer Meinung einer Anzahl Mufterblätter , auf wel
chen die vorzäglichiten mathematifchen Körper, von den
verfchiedenen Standpunften aus gefehen, im Umriß und
Schatten bargeftellt find. Dergleichen Mufterblätter koͤnnte
jeder Zeichenlehrer, befonderd wenn er fein Zeichenlofal
nach Schmidts vortrefflicher Idee eingerichtet hat, von jedem
mit einer Nummer bezeichneten Plage darſtellen. Waͤhlte
ber Lehrer nur die vorzüglichiten Körper aus und zeichnete
er jeden derfelben von auffallend verfchiedener Standpunk—
ten aus ab: (es Finnen nämlich nach Schmidts Einrichtung
48 Schuͤler zugleich ein und benfelben Körper zeichnen) fo
wäre hinreichend geforgt, den Schüler fchattiren zu Ichren.
Diefer legt nämlich das Mufterblatt, welches durch eine
Kummer auf einen beftimmten Platz hinweiſet, vor fi,
und indem er baffelbe abzeichnet, vergleicht er deſſen Schat
ten mit dem des wirklichen Körpers und arbeitet dann mit
gewohnter Sorgfalt jeden Körper, von mehrern Stand
punkten aus gefehen, fo fange als nöthig durch. Dann
zeichnet er benfelben Körper von andern Standpunkten ans
ohne Mufterblatt frei, und vergleicht feine Arbeit mit der
des Lehrer, wobei fich dann von felbft ergibt, wie lange
mit diefer Uebung im Allgemeinen fortgefahren werden muͤſſe.
Vorzüglich gelungene Arbeiten fönnten mit dem Datum be
zeichnet werben, (da doc genau genommen täglich die
Sonne anders fteht) und ald Mufterblätter dienen 9).
*) Der Zeichenlehrer Tann aud) von ſeinen vorzuͤglichſten Schülern der
oberften Glaffen in allen Jahretjeiten und bei dem verſchiedenften
Wetter zu gleicher Zeit Muſterblaͤtter ir bie Claſſe zeichnen laſſen,
auf welchen dann außer dem Dato moch das Noͤthige ˖ über die Bel
ligkeit des Lichtes gefagt worben iſt. Der Lehrer bemerkt dann in
der Zufunft, ob irgend ein Mufterblatt den Schatten deutlich zeigt,
woraus denn hervorgeht, daß. alle oder doch ſehr viele zu gleicher
Zeit gezeichnete Mufterblätter in derfelben Stunde zu gebrauchen find.
— 335 —
Da dieſes die letzte Uebung der Claſſe iſt, ſo koͤnnen
die fertigeren Schuͤler in eine hoͤhere Claſſe verſetzt wer⸗
den, und dieſe wird dann im Allgemeinen in ihrer Uebung
nicht geſtoͤrt.
——
6te Elaffe
Abzeichnen zuſammengeſetzter mathema—
tiſcher Koͤrper.
Dieſer Claſſe werden mehrere Koͤrper, in verſchiedenen
Lagen zuſammengeſetzt, vor Augen gelegt, welche die Schüs
ler erſt mit Umriß, und wenn derfelbe richtig und fchön bes
funden, mit gehdrigem Schatten barftellen müffen.
Um diefe Elaffe noch mehr im Schattiren und Darftel,
len jchöner Gegenftände zu üben, muß diefelbe zu Zeiten
Ces darf nicht Hauptübung werden) fehr ſchoͤn gearbeitete
Kupferftiche kopiren. Dieſes Tann befonderde zu Haufe
gefchehen.
5te Elaffe.
Freies Handzeihnen.
Jetzt iſt der Schüler fo weit gefördert, daß er Unters
richt im freien Handzeichnen in feiner Ganzheit fürs bür-
gerliche Leben erhalten Fann. Es werden Häufer, Straßen,
Hausgeräthe, Bäume, Blumen und die einfachften Das
fchinen, welche die Schule befigt,. zu gleicher Zeit von ben
verfchiedenften Standpunften gezeichnet, und der Schüler
wird immermehr auf die Regeln der Perfpeftive aufmerf,
fam gemacht. Zu Zeiten werben ihm fchön gearbeitete
— 36 —
Mufter. nebft den Formen zur Vergienung ner € eigenen
Arbeit t wit denſelben zum Copiren gegeben. Zu
hte Claſfe.
Geometriſch es Zeichnen.
Von jetzt an erhaͤlt der Schuͤler einen foͤrmlich ſyſte⸗
matiſchen Unterricht in der Kunſt, durch welche er einſt dem
Staate nuͤtzlich zu werden gedenkt. Wenn der kuͤnftige Ge⸗
ſchaͤftsfuͤhrer ſich freies Handzeichnen zum Ziel erwaͤhlte, ſo
iſt dieſes keinesweges das Ziel des kuͤnftigen Mathematikers
und Zeichners. Zu dem Ende tritt nun zuerſt das geome⸗
trifche Zeichnen auf. Dazu wähle der Lehrer ben erften
Theil des Anleites von Burg. Berlin, Dunker und Huw
blot 1822) Der zweite Theil ift für Artilleriften, und tam |
bier Feine fonderlichen Dienfte leiften.
Mit dem Buche in der Hand gehe der Lehrer, jeden
Paragraphen gehörig befprechend, und mit den Schuͤlern,
die ebenfalld den Text diefes Werkes befißen muͤſſen, leſend
und anwendend durch.
Diefes Werk handelt erftlich in 92 Paragraphen, auf
58 Seiten die Kenutniß der Zeicheninftrumente und Mate
rialien nebft ihrer Anwendung, dann in 121 Paragraphen,
auf 86 Seiten das geometrifche Zeichnen, ferner in 52 Pas
ragraphen, auf 25 Seiten die Beleuchtung der Flächen,
in 210 Paragraphen, auf 198 Seiten die Eonftruftion der
Schlagſchatten ab, und macht endlich in 15 Paragraphen,
auf 14 Seiten, in einem Anhange, Bemerkungen über bad
Zufchen, über den Gebrauch der Karben beim Zeichnen und
über das Abzeichnen der Zeichnungen.
— 37 —
Die Zeichnungen zu diefem Theile von Burg find ganz
‚außerordentlich ſchoͤn und muͤſſen jeden Schuler ermuntern,
alles aufzubieten, um ebenfalls die Körper auf diefe Art
zeichnend barzuftellen.
3te Elaffe
Architektoniſches Zeichnen.
Diejenigen, welche ſich der Baukunſt ꝛc. widmen, nehs
men an dieſem Gegenſtande Antheil. Gerade uͤber dieſen
Gegenſtand haben wir, fo viel mir bekannt iſt, entweder
mur unvollfommene, oder nur gar zu theure Einzelheiten,
die kleinern Sachen von Vignola und Milizia nicht zu ges
denken. Es will uns aber der vortrefflihe Burg, ber
Dentfhland mit dem vorerwähnten Werfe befchentt hat,
auch mit einem Architektonifch » Zeichenwert bereichern, und
‚dann wäre gewiß diefer Claſſe ganz geholfen.
Wahrſcheinlich wird dieſer Kuͤnſtler und auch die ſchoͤn⸗
‚sten Wohngebäude ıc. nach jeder Säulenordnung liefern,
und ich wünfchte dann, daß die Modelle dazu unter feinem
Künftlerange entftänden.
2te Elaffe.
Planzeichnen.
Diejenigen Schuͤler, welche ſich der Meßkunſt, der Gar⸗
tenkunſt, dem Forſtweſen ꝛc. widmen wollen, erhalten dage⸗
gen Unterricht im Planzeichnen.
y
— 3383 —
Welcher praftifche Meßkuͤnſtler Fennt nicht das vorzuͤg⸗
liche Wert zum Situationgzeichnen von Lehmann! Durch
sehn Mufterblätter und einen Text von 55 Quartſeiten führt
diefer ausgezeichnete Mann in das innere der Kunſt ein!
Diefer Anleit möge dann wie der von Burg Durchgearbeitet
werden. Auch kann der Lehrer der Mathematif mit feinen
Schuͤlern mittelft Theobolithen oder Meßtifch eine intereffante
Gegend aufnehmen, und der Zeichenlehrer laͤßt Diefelbe dann
als Plan darftellen.
ıte Claffe
Die Perfpektive nach ihren fämmtlihen Be
weifen.
In diefer Claſſe werden fammtliche Regeln der Perfpel;
tive noch einmal wiederholt und da, wo vorher verfänmt,
mit den mathematifchen Beweiſen begleitet. Es werben
hier zufammengefegte Mafchinen, welche die Anftalt befigt
oder zu leihen fucht, abgezcichnet, und damit wird dann ber
Unterricht im Zeichnen befchloffen.
Man wird mir einwerfen, daß ich den Cyklus für den
Zeichenunterricht zu hoch geftecft, und von dem Zeichenlehrer
zu viel verlangt habe. Was das erftere betrifft, fo gehe
man fo weit, ald man kommen kann; was aber das Ießtere
angeht, fo wähle man Schüler von einem Burg oder wirt
fiche Akademiker, welche die Lehre der Perfpeftive genau
fennen und im freien Handzeichnen geuͤbt find; das andere
ergibt fih dann leicht von felbfl. Kann Eine Schule ein
ordentliches Honorar nicht aufbringen, fo mögen fid) mehrere
Schulen in diefer Rüdficht vereinen.
— 339 —
Man kann doch wirklich den Unterricht nicht billiger
als zu einem Silbergrofchen die Stunde verlangen. Uebri⸗
gend müßte es einem braven und geſchickten Zeichenlchrer,
ber über 200 Schüler wöchentlich unterrichten kann, frei
ftehen, fo viele fremde orbentlicye Zeichenfchüler aufzuneh⸗
men, als er es für gut findet. Nach Schmids Einrichtung
fönnen in ben untern Claſſen ja 48 Schäler zu gleicher
Zeit faft eben fo gut, ald 10 bis 12 unterrichtet werben.
Befier aber ift es, Durch einen durchaus tüchtigen Mann anf
diefe Art unterrichten zu laflen, als durch einen Eopiften
den Unterricht einer Elaffe von dreien Schülern au be
forgen. Schließlich muß ich noch bemerfen, daß ber Zeis
chenlehrer befonders in den untern gefüllten Claſſen wol eis
nes Famulus bedürfte, der mit aller Sorgfalt jede geringfte
Störung zu verhüten fuchte; denn der Lehrer, deffen Augen
in jedem Augenblicke befchäftige fi find, kann nicht wol jeden
Schuͤler beobachten.
Um in der Schule jede Störung zu vermeiden, barf
der Zeichenfaal nicht der Aufbewahrungsort der Zeichenges
raͤthe für den Schäler fein. Die Zeichenbretter iverben nad
einer Angabe von Schmid in einen Lattenfchranf, der vor
dem Saale ſteht, unter ihre beflimmte Nummer eingeſteckt/
und die Abrigen Materialien muß ber Sale “bet fidy
führen.
Sobald in einer folchen Zeichenfchufe nicht die größte: Ord⸗
nung, Ruhe und Aufmerkſamkeit herrſcht, iſt fie ſchlecht, und
wenn der Lehrer ein Raphael waͤre.
Sn Ruͤckſicht auf: das Lokal moͤchto es noch beſer ſein,
wenn fuͤr die Copiruͤbungen einzelner, jedem Schuͤler be⸗
ſonders vorgelegten; Zeichnungen nbdh' ein eigenes Lokal an⸗
-gewiefen würbe, das, wie auch das vorige, feine eichtfeite
nach Norden bin haben muß. 0
y *
— 340 —
2te und 1te Elaffe
der jungen Frauenzimmer.
Nach diefem Plane find zeither Knaben und Maͤdchen
zufammen unterrichtet worben.
Soviel auch gegen ein folches Berfahren beflamirt
‚worben ift, fo habe ich doch weber an meiner Anftalt von
1811 big 1824, noch an ber hiefigen Stabtichule bis jetzt
1829 von dem Zufammenunterricht ber Knaben und Maͤd—⸗
‚chen Nachtheiliges erfahren, obgleich ſowol erftere als letz
‚tere Anftolt an 80 bis 100 Zöglinge zählte und zählt. Sch
‚verweife hier auf die Abhandlung diefer Schrift Aber bie
Trennung ber Gefchlechter.
Doch kaum habe ich dort die Lanze zur Bekämpfung
bes einen Unfinnes aufgehoben, als ein anderer fchon in bie
Schranfen tritt. Was fol unfren Mädchen die franzoͤſiſche
Sprache? Sollen wir biefelben etwa für Franzofen erzie
hen? Sollen wir diefelben durch franzöfifche Elaffifer bik
den, und unfre Claffifer, unfre reinen hohen Geifter, vers
aͤchtlich im Winkel Liegen laſſen? Sagen Sie mir, hochge⸗
ehrte, franzöftfch gebildete, deutfche Frau, wie viele deutſche
‚Elaffiter Ihrer, ja Ihrer Nation haben Sie benn gelefen?
Haben Sie Boltair oder Schiller zu Ihrem Herzensgelieb⸗
ten fich erfohren? Ich und die Meinigen, wir lieben Schil⸗
lers Sungfrau, und wollen zeitlebens den Trauring , den
fie in jungfräulicher Keufchheit uns mit Hoheit gereichet,
tragen, und ihr feines: Bild im . treuen „Herzen wie ein Hei
ligthum einfchließen !- :
Lefer, fraget nicht folche Chöringen, fraget den begei⸗
ſterten Arndt, der mol weiß, was einer Deutfchen Frau zw
kommt, und der fein Pfychideon nicht aus dem Mermel ges
ſchuͤttelt; fragt den großen Sean Paul, der wußte,
— 31 —
was einer deutſchen Kran gebühret; fraget den trefflichen Bes
teranen Guts⸗Muths, dem auch ein Urtheil über Menſchen⸗
bildung zufommt — und ihr werdet, wenn ihr folder Mäns
ner Urtheil zu fchäten wiſſet, nicht weiter euern Töchtern:
den albernen Modetand umhängen. Noch unfinniger tft das
fchon fo oft als verächtlich dargeſtellte franzoͤſſſche Plappern
unter Anleitung einer franzöfifchen Mamſel wieder aufzu⸗
führen. Eine ruhige Zurechtweifung hilft hier nichts; man
kann wirklich, nachdem alle vernünftige Gründe. bereits ſo
oft vergeblich erfchöpft worden find, nur mit Verachtung
von der Sache reden.
Oder fprechet ihr Gegner noch etwa von Fafftfcher Bil
dung? Wohl, hier im Plane ift viermal mehr euch zu Die
fem Zwecke gegeben, ald genommen.
O, Shr Verftändigen des Volkes, die ihr euch Leicht
eines Beſſern belehren Iaffet durch großer Männer Urtheil,
fehet diefem Kampf nicht fo Ian, nicht fo gleichgültig zu,
kommet, helfet uns, und laſſet uns der Sucht zur Nachäffung.
nicht Yänger erliegen ; ftehet uns bei als folche, die da füs
chen das wahre Beſte des Landes, in dem wir geboren!
Was das junge Frauenzimmer in den beiden folgenden
Sahren noch lernen fol, ich will ed kurz zufammenfaflen;
es find: Religion, Gefchichte, Elafftferlefen, Muſik, Geſang
und Handarbeit. Als aufblühende Sungfran mag fie dann
weiter in der Küche dienen und den Haushalt regieren ler⸗
nen, zu welchem erfteren fie fchon als Mädchen in den Mußes
ſtunden angeleitet- werben kann.
Wir haben dann nicht nöthig unſre Mädchen. in koſt⸗
fpielige Penfionen zu ſchicken, und wenn fle dann doch
fremde Luft einathmen follen, fo mögen fie dafür etwa ein
Jahr zu einem braven verftändigen Freunde, deflen Gattin
ein finniges Weib und eine tüchtige Haushäfterin iſt, ‚ober
— 342 —
fonft zu einem Prediger auf dem Lande gefchicht werben.
Hier mögen. fie. freilich wol nicht ben fäbtifchen Firlefanz
und eine hochgelahrte Miene annehmen; aber fie kommen
dafür mit befto reinerm Sinn und mit hold verſchaͤmten
jungfräulichen Wangen zurüd, und ihr zarter Sinn Dringt
in Das Herz des Juͤnglings ohne Wiſſen und Willen.
Was nun hier die beiden Schuljahre noch angeht, fo muß
auf jeden Fall ein Mann von fräftigem und. zartem Sinn,
der fi auf ben Charakter des Weibes verfteht, und dem⸗
felben mit Ernft, Liebe und Würde den Weg zeichnen Fann,
jeden wiffenfchaftähnlichen Unterricht ertheilen.
Sch gehe nun zu dem Einzelnen über.
) Geſchichte.
Taͤglich 1 Stunde.
Auf diefelbe Art, wie bei den Knaben wird die Ge
fchichte von Beer abfolvirt. Dann mag der Lehrer ver
ganzen Curſus von vorne an wiederholen.
2) Elaffiterlefen
Taͤglich 1 Stunde.
Faſt alle Schriften von Schiller, fo wie der größte
Theil der Odyſſee ıc. eignen fich dazu, da befonders erftere
nicht bloß die Phantafie, fondern auch das Denkvermoͤgen
in Anfpruch nehmen und eine durchaus edle Sinnesart ers
zeugen. Unter den. vielen andern nehme man beſonders
ſolche Schriften nicht, welche bloß die Phantafie aufregen.
Solche Schriften find für das weibliche Gefchlecht verderb⸗
lich; denn ein begeiftertes Weib ift etwas Unheimliches und
Unnatürliches. In dem edlen Charafter eined Weibes liegt
Zartheit, Frohfinn, Unbefangenheit, Sinnigfeit, Treue,
Liebe; Begeifterung aber gebührt dem Manne; und befibt
dad Weib dieſe Eigenfchaft, fo serfcheint es als Baftart
efelhaft.
Doch hierüber empfehle ich das in vieler Ruͤckſicht fo
vortrefflihe Werk „Pſychidion“ von Arndt.
3) Religiöfe Betrachtungen.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Hierzu lege der Lehrer entweder einen Vibelvers, eine
Geſchichte der Bibel oder fonft einen biblifchen Abfchnitt
zum Grunde, oder er Iefe eine vortreffliche Predigt oder eine
anbere religiöfe Betrachtung vor. Das Verfahren bei dem⸗
felben ift hinlänglich erörtert worden.
Uebrigens wäre es zweckmaͤßig, wenn dieſe Betrachtuns
gen auch mit den Schuͤlern der oberſten oder der Fachklaſſen
angeſtellt wuͤrden.
4) Clavierſpielen und Geſang.
Taͤglich 1 Stunde. | |
Zählten die obern vier gemifchten Claſſen, nämlich: die.
2te bis 5te, jede 30 Schüler, die im Gefang, bie. beiden
oberften Elaffen für junge Frauenzimmer zufammen nur 32, die
im Elavierfpielen und im Gefang Unterricht erhielten: fo müßte
man für den Unterricht im Elavierfpielen 8, und für den im
— 344 —
Geſange nur einen halben Silbergrofchen die Stunde zahlen,
um dem Muſiklehrer, bei woͤchentlich 32 Stunden, ein Ges
halt von 576 Thlr. zu ertheilen.
Wäre nun eine gute Drganiftenftelle mit diefem Unter
richte verbunden, fo wuͤrde audy eine geringere Stunden
sahl hinreichen , einen recht tüchtigen Muſiker zu beſol⸗
ben. Jedes junge Franenzimmer. erhielte dann täglich
anf folgende Art eine Biertelftunde Unterricht in der
Mufit, und zwar während ber Handarbeit, wofür es denn
wöchentlich nur 10 Silbergrofchen bezahlte. Wäre aber
in den oberften Claffen nicht fo viele junge Frauenzimmer,
die im Clavierſpielen unterrichtet wuͤrden, fo möchten ſich
in einer fo großen Anftalt Mädchen genug aus den untes
ren Slaffen finden. Für den erften Unterricht in der Denfit
fchlage ich die vortreffliche Wiener Elavierfhule von Ezerni
vor. |
Der Lehrer theile feine Schülerinnen in Claffen und
wähle nach Beduͤrfniß wöchentlich einige Stunden aus, in
welchen er ihnen Eaffenweife das Nöthige, das der Uebung
vorhergehen muß, auseinander fest. Zur Einuͤbung bes Er⸗
fannten ftehen nun in einem Nebenfaale der Handarbeits⸗
fehule zwei gute Glaviforbe und an jedem unterrichtet ein
junges im Glavierfpielen nicht ungefchieftes Frauenzimmer,
und zwar bergeftalt unter Anleitung des Mu
fifers, Daß dieſer bald bei der einen, bald bei
der andern Schülerin wäre, um auf Anftand
und Richtigkeit Des Vortrages ıc. zu merken und
um zu prüfen, ob die Schälerin fich auch zu Haufe geübt
hätte. Wäre die Zahl der Elavierfpielenden größer, und
follten fich drei oder mehr Glaviforde in neben einander lies
genden Zimmern nicht ftören: fo ließen ſich Durch Drei oder
mehr Frauenzimmer . auch 48 und mehr Schülerinnen
in 4 Stunden täglidy unterrichten. Für dieſe lehrende
— 315 —
Zeuenzteimier iſt bereits fur bie Stunde 4 Silbergtoſchen
abgerechnet, die alfo nicht ‚von bem Gehalte des Lehrers
abgingen.
Iſt demnach eine Anſtalt ſo bedeutend, als bie hier bes
abfichtigte, die gewiß an fehr vielen Drten ind Dafeyn tres
ten Könnte: fo kann auch der Unterricht im Gefang für eis
nen geringen, aber für immer feſtgeſetzten Beitrag. der El⸗
tern ertheilt werben.
Was nun den Sefangunterricht ber jungen Frauenzim⸗
mer betrifft, ſo koͤnnten dieſe eine große Zahl bloß fuͤr
Frauenſtimmen geſetzter herrlichen Sachen ſingen und neben⸗
bei aus den ſchoͤnſten Oratorien ꝛc. ihre Stimme für einen
künftigen Singverein einſtudiren.
Auf diefe Art wärbe man: am beften der Rauheit gegen
Mufit begegnen, und einen der ebelften Genuͤſſe der gefell-
fchaftlichen Verbindung befördern. — Am’ heiligen Vorabend
chriftlicher Fefte oder an Baterlandsfeften koͤnnten alle im
Singen geförderten Schüler, unter Aufficht und Anordnung
fämmtlicher Lehrer zur Aufführung eines Fleinen Oratoriums
zufammentreten und dadurch bie Feier des Feſtes in n ſi ch
erhöhen,
5) Handarbeit,
Woͤchentlich in dieſen Clafſſen 12. Stunden;
die Maͤdchen der öten bis zur 2ten Claſſe ba:
benaber wödentlih nur 8 Stunden.
In einem einzigen Saale koͤnnen immerhin eine bedeu⸗
tende Anzahl Mädchen von zwei geichicften, rührigen Frauen⸗
zimmern zwedmäßig unterrichtet werden. Wir wollen ſaͤmmt⸗
— 346 —
fihe Mädchen in 5 Claſſen abtheilen und von jeder Glafle
das Nöthige fagen.
I
Ste Elaffe
Die Schülerinnen diefer Elaffe, fo wie alfe übrigen ſitzen
auf bequemen Bänfen, an denen ſaͤmmtliche Kanten
forgfältig abgerundet find. Diefe Elaffe erhält
Unterricht im Stricken. Die Lehrerin fieht auf Beobachtung
der Stridregeln, auf Haltung des Kindes in jedem Theile
des Körpers, auf die größte Ruhe und Aemfigkeit. Das
eigentliche Kunftftriden gehört für biefe Claſſe noch nicht.
Das Kind wird fchnelle Fortfchritte machen, da es fchon
eilf Sahr alt ift, und demnach die gegebenen Regeln fchnell
begreifen und ausüben lernt.
ZZ
htee&laffe
| Diefe Claſſe begreift diejenigen Schülerinnen, welde
nähen lernen. Dieſe fäumen Tücher, nähen Hemde und
Kleider für dad Haus, und bie erwachfenen Gefchwifter
oder andere Mädchen der oberften Glaffen müffen unter Ans
leitung der Lehrerin diefe Gegenftände anmeſſen und ſchnei⸗
den. Auch hier wie allenthalben achtet die Lehrerin auf
Beobachtung fammtlicher Regeln, auf Präcifion in der Aus
führung (nihts Schlechtes wird geduldet, ed muß
fchlechterdings wieder aufgetrennt werden) achtet auf Ans
ftand in Haltung des Körpers und auf Ruhe und Aemfigkeit.
— 3117 —
3te E laffe
Diefe Claffe lernt fliden und zwar die verfchiedenen
Arten diefer Kunft an kleinern Gegenftänden, ale Serviettens.
bändern, Häubchen, Halstüchern, Brieftafchen ıc.
2te Elaffe
Diefer Claſſe wird ein vollftändiger Unterricht im Kleis
bermachen ertheilt. Die Schülerinnen müffen die Kleider ıc.
für ihre jüngeren Gefchwifter fchneiden und zum Theil audh-
ſelbſt nähen; fie follen in dieſer Rücficht fchon für den
Haushalt forgen lernen.
I ——
Afe Elaffe
Die Schülerinnen dieſer Elaffe erlernen alle befannte
Kunftarbeiten, als: Blumenmachen aus Chenille, Seide und
Papier, Fruchtnachahmung, erhabene Chenillenfticlerei, Kunſt⸗
ftricferei, Häfeln, Sticken großer Sachen ıc. Dabei nehmen
fie aber Theil an dem .Zufchneiden der Kleider eben fo wie
die 2te Elaffe, nur mit dem Unterfchiede, daß fie nicht felbft
mehr nähen. Ueber ben Unterricht in weiblichen Handars
beiten mögen noch folgende Bemerfungen Platz finden.
a) Die fünfte Woche ift jedesmal eine fogenannte Stopf⸗
woche, Jedes Kind, das nähen Fann, hat einen fogenannten:
Zeichen: und Stopfftahlen, welche beide mit weniger ober
mehr Fünftlichen Zeichen und Stopfen bereichert werden. -
b) Die Lehrerinnen fiben nicht während der Handar⸗
beit, fondern gehen beftändig durch die Reihen, um nachzu⸗
— 38 —
feben, ob fammtliche Regeln gut beobachtet werben, um Feh⸗
ler zu verhüten, und um vollfommene Stille zu erhalten.
Freilich wird die Lehrerin, welche mit dem Zufchneiden ber
Kleider ıc. befchäftige iſt, für die Zeit der andern Lehrerin
die Aufficht über das Ganze mehr oder weniger überlaffen
muͤſſen.
c) Haben die Lehrerinnen nicht noͤthig, in irgend einer
Stunde viel zu erläutern, fo Iefen die Mädchen abwechfelnd
etwas vor. Dazu könnte man Campes Reifebefchreibungen,
Ziegenbeind Lefebuch für Töchterfehulen, den größten Theil
des Wandsbecker Boten, Hebeld Schagkäftlein und bergleis
chen gewöhnliche Schriften wählen. Auch Tann zu Zeiten
ein fchönes Liedchen, Das zur Arbeit ermuntert unb ben
Frohſinn hebt, gefungen werben.
Nach dem BVorhergehenden wird nun die Anordnung
eines feftflehenden Lehrplanes für fammtliche Claſſen nicht
fhwierig fein. Soll aber der Eurfus einer Claffe zweijähs
rig fein, fo wird in dem Falle an ben Gegenftänden etwas
geändert werden müffen, wenn unter den Lehrern das Fady
ſyſtem eingeführt worden ift.
Wollte man die jegt nur gar zu beliebte Einrichtung
treffen, in befondern Zeiten einige Gegenftände vorzugsweiſe
in vielen Stunden zu behandeln: fo erfodert eine ordentliche
Einrichtung, daß diefes nicht eher angefangen werde, bie _
die vollitändigen Lektionsplane für den ganzen Eyflus der
Schule angeordnet find, die denn nachweifen müffen, ob
man im Allgemeinen feinen Gegenftand vernachläßigt, Dies
felben alle in Rüdficht auf die Bildungsftufe der Schüler
angeordnet und eine gewiffe Harmonie beobachtet habe.
In der Regel werben bei diefer Einrichtung die Lieblinge
gegenftände auf Koften ber übrigen Fächer betrieben.
— 3419 —
Diebeiden Fachklaſſen derniederen
Volksſchule.
Dieſe beiden Claſſen ſtehen ber 6ten und Sten Claſſe
der verbundenen Anſtalt in vieler Ruͤckſi cht gleich, find aber
auch von denfelben verfchieden.
Um hier nicht weitläuftig zu werben, will ich zur Ans
gabe ber einzelnen Gegenftände ſchreiten und mit ber untern
Fachklaſſe beginnen.
Untere Sahflaffe.
9) Leſen.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Es werden hier, wie in der éten Claſſe Krummachers
Parabeln gelefen. Kann diefes Buch in der höhern Buͤr⸗
gerfchule nach gleicher Vorbildung gebraucht werben, fo
wüßte ich nicht, warum baffelbe nicht auch in dieſer Elaffe
gebraucht werden ſollte. Glaubt man etwa durch diefes
Buch das menfchliche, das moralifche Gefühl der untern
Volksklaſſe zu fehr zu verfeinern? Das könnte man glauben,
und doch Bildung zur Humanität als noͤthig erachten?
2) Schreiben
Wöchentlich 3 Stunden.
Wird wie in der éten Claſſe betrieben.
— 350 —
3) Liedlernen und Begriffsentwidelungen.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Wie in der 6ten Claſſe; nur müffen die Lieder von den
Schülern in Profa ſchriftlich uͤberſetzt und von dem Lehrer
verbeſſert werden.
4) Sprachuͤbung.
Woͤchentlich 5 Stunden.
A Stunden Grammatif wie in ber 6ten Claffe, und 1
Stunde wende der Lehrer zum Diftiren fchöner Briefe an,
wobei er zugleih an fämmtliche vorthographifche Regeln
erinnert.
5) Kopfrechnen.
Woͤchentlich 3 Stunden.
Die Uebungen nach Tillich werden fortgefebt.
6) TZafelredhnen.
Woͤchentlich 6 Stunden.
Wie in der 6ten Claffe. a
— 351 —
7) Geſang.
Wöchentlich 2 Stunden.
Wie in der 6ten Elaffe. |
pP |
83) Religion
Woͤchentlich A Stunden.
Der Religionsunterricht wird wöchentlich in 2 Stunden
nach einem Gatechismus ertheilt, der in der Gemeinde eins
geführt worden ift, und kann wie angegeben behandelt
werden.
In den beiden andern Religiongftunden wird die biblifche
Gefchichte wiederhoft, aber dabei zugleich Die Bibel benukt.
Man bemerfe hier, was über das Bibellefen in der Sten
Elaffe gefagt worden ift.
I
Obere Fachklaſſe.
1) Leſen.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Fuͤr (niedere) Buͤrgerſchulen moͤchte ich hierzu Wage⸗
nitz Moral in Beiſpielen ſehr gut finden. Die fuͤr Kin⸗
der anſtoͤßigen Stuͤcke koͤnnten ausgelaſſen oder umgeaͤndert
werden. Dieſes Buch leſe der Lehrer nun wie die Krum⸗
macherſchen Parabeln mit den Schülern ein. Sn Land—⸗
ſchulen, wo der fittlichen Bildung weniger entgegentritt,
möchte eine Schrift wie das Noth- und Huͤlfsbuͤchlein von
— 352 —
Beer zu lefen fein. Es wäre zu wänfchen, daß dieſe vor
treffliche Schrift gehörig durchgefehen, mit Gubisifchen Holzs
ſchnitten reichlich geihmädt und. mit folchen Regeln der
Landwirthichaft ausführlich ausgeflattet würden, die von
wahrhaft praftifchen Sandwirthen in durchaus beſtimmt ans
gegebenen Fällen als unftreitbar vorzüglich erfannt, und
auch für den Bauern als ausführbar angefehen werben.
Da nun nicht Segliche8 diefer Regeln für jede Provinz fich
eignet, fo müßte das Beſondere mit Angabe der Provinzen
verfehen werden, bamit ber Lehrer das Unnoͤthige übers
fehlagen und nur das wahrhaft Erfprießliche mit den Schuͤ⸗
lern durcharbeiten koͤnnte. Auf die Gediegenheit eines fols
chen Buches kommt es hanptfächlich an, ob der Bauer ein
folches Buch mit Vertrauen ober mit Verachtung behandeln
wird. Bisher hat der Bauer zu folchen Büchern fein Vers
trauen verloren, da man ihm in benfelben oft Dinge ange
rathen hat, deren Befolgung ihn zu Grunde gerichtet haben
würde, Man Eanın wirklich mit der Auswahl folder Vor⸗
fchläge nicht zu vorfichtig, und mit der Darftellung derfelben
nicht zu deutlich fein.
) Shreiben
Woͤchentlich 2 Stunden.
Wie in der 5ten Claſſe; nur wird während des Schreis
bend aus dem Lefebuche diefer Elaffe gelefen.
—
3) Deutſche Sprach e.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Der Curſus wird abſolvirt und dann wird Unterricht
im Briefſtil ertheilt.
— 353 —
MD Kopfrechnen.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Tillich wird wo möglid, abfolvirt.
——
5) Tafelrechnen.
Woͤchentlich 6 Stunden.
Wie in der 5ten Claſſe.
Deere nn — nn .—
6) Gefang.
Woͤchentlich 2 Stunden.
Wie in der Sten Glaffe.
I ———
7) Religionsunterricht.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Wie in der vorigen Claſſe.
u
3) Naturbefhreibung.
Woͤchentlich 3 Stunden.
In der (niederen) Bürgerfchule wie in der ten Glaffe.
In der Landſchule muß aber auf die beſte Wartung, Pflege
— 351 —
und Benugung der Hausthiere und ber nüglichiten Pflanzen
befondere Nücficht genommen werden. Hierzu bebürften
wir eines Buches, das ſich dem Noth- und Huͤlfsbuͤchtein
anfchlöffe, und das doch die Kinder nicht ſo ganz unbekannt
mit auslaͤndiſchen Gegenſtaͤnden der Naturbeſchreibung ließe.
Ich verweiſe hier nochmals auf Sanders Naturgeſchichte;
jedoch beduͤrfte dieſe Schrift fuͤr erſtern Zweck viele Zuſaͤtze,
und fuͤr den letztern moͤchte ſie noch zu viel geben.
99 Geographie.
Woͤchentlich 4 Stunden.
Eine dieſer woͤchentlichen Stunden wende der Lehrer auf
Deutſchland, und beſonders auf den preußiſchen Staat. In
den andern 3 Stunden gebe er einen Ueberblick uͤber die
Laͤnder der ganzen Erde, uͤber die vorzuͤglichſten Fluͤſſe, Ge⸗
birge, Staͤdte, Produkte, Menſchenarten ꝛc. und handle in
denſelben auch das Nothwendige aus der mathematiſchen,
und dem noch uͤbrigen Theile der phyſiſchen Geographie ab.
Auch fuͤr dieſen Curſus beduͤrften wir eines Lehrbuches
fuͤr den Schuͤler und eines Anleites fuͤr den Lehrer, in wel⸗
chem Letzterer alles dasjenige finden müßte, was er in Ruͤck⸗
ſicht auf den ganzen geographiſchen Unterricht in jedem
Monat zu lehren und durchaus feſt einzuuͤben haͤtte.
Eine hierzu geeignete Charte von etwa 10 Fuß Laͤnge
nach Merkators Projektion, müßte, Deutſchland ausgeſchloſ⸗
ſen, nur dasjenige enthalten, was beſagtes Lehrbuch vor⸗
ſchriebe. Um deſto ſorgfaͤltiger koͤnnten dann auch die Ge⸗
birge dargeſtellt werden.
Schließlich muß ich hier noch einen Gegenſtand erwaͤh⸗
nen, der alle Beruͤckſichtigung verdient.
— 355 —
Diie Franzoſen haben in den letztern Jahren die jungen
Handiverfer durch Dupins und andere menfchenfreundliche
Mathematiker in der Geometrie, Mechanik ıc. unterrichten
laffen, und diefer Unterricht wird noch an vielen Orten mit
rühmlichem Fleiße und großem Erfolge fortgefegt. Möchte
ed nicht für Deutfchland, wie im Allgemeinen rathfamer
fein, wenn der Lehrer niederer Volksſchulen folche Knaben,
welche Handwerker werden wollen, in demjenigen unterrichs
tete, was Dupins von einem Handwerfer in dieſer Hinficht
fodert? Wenn der Lehrer für folche Schüler Zeit auszuges
winnen fuchte, oder eine Abendfchule einrichtete, fo koͤnnte
fi) der Knabe in diefer Zeit gewiß das Nöthige aneignen,
und dieſe Einrichtung würde außerordentlich viel zur Hebung
des Handwerkitandes beitragen.
———
Bemerfungen
über die unter A, Bund C vorläufig aufge
ftellten Ueberfichten. |
1) A gibt eine Lieberficht für alle 10 Claffen nebft deu
Fach⸗ oder Geitenflaffen der höheren und niederen. Volks⸗
fchule.
DD Wil man in der Tten und bten Claſſe zwei
Stunden taͤglich fuͤr weibliche Handarbeit ausgewin⸗
nen: ſo muß man die Schulzeit des Morgens ent⸗
weder von 8 — 12,-Uhr, ‚oder, wenn dieſes wegen der Gas
techifation nicht geht, zuweilen vpn 7 — 11 Uhr ertheilen.
Men kann dann die Racdmigtagöftunden entweder auf bie
Stunden von 1. — 3, oder van 3. 5.lihr legen, wodurch
den: Maͤbchen die nicht gewählten Stunden für 5 vandarbeit
frei bleiben. ge
3* |
— 356 —
5) Will man in den drei untern Elaſſen der höheren
Volksſchule täglih A Stunden des Morgens unterrichten,
fo muß die GEte Stunde auf die Ate Stunde des Morgend
fallen. Sn dieſem Falle können die Mädchen fat gamlich
des Nachmittags wegbleiben.
4) Der Unterricht im Clavierſpielen nimmt jebem Maͤb⸗
chen täglich von ber Handarbeit nur eine Viertelſtunde weg;
ber Unterricht im Gefang wöchentlidh aber 2 — 3 Stunden.
Ertheilt man aber des Morgens 4 Stunden Unterridht, Das
füglich gefchehen kann, da die Mädchen dieſer Claſſe fonfirmirt
fein werben: fo kann ber Unterricht im Zeichnen und im
Geſang in der Stunde von 11 — 12 Uhr ertheilt
werden.
5) Hat eine Schule 7 Caſſen, fo kann fle dieſen Plan
ganz ausführen. Die untere Elaffe wird in diefem Falle
doppelt befeßt, und die Schüler bleiben dann 2 Jahre lang
in jeder Claſſe. Die untere Claſſe iſt dann die Vorfchule,
und in jeder der übrigen Elaffen wechſeln dann, wie ers
wähnt, die Eurfe, Damit der Schuler regelmäßig weiter
fehreiten kann.
6) Soll der Schüler drei Sahre lang in jeder Elafle
bleiben, fo koͤnnen 3 Elaffen und 2 Vorſchulen, alſo 5 Claſ⸗
fen ausreichen, und an Bielen ganz daffelbe Teiften. Indeſ⸗
fen tritt hier die Möglichkeit ein, daß ein Außerft ſchwacher
Schäler, den man nicht durch befondere Hälfe und auch
nicht durch den grünblichiten Gang mitziehee kann, brei
Jahre laͤnger in einer &laffe fiten bieiben muß. Um ein
Jahr kann der Schuaͤler ſtch mtr Bart‘ werfpäten, wenn jee
Etafie mir für ein Jahr alıöreicht. "- LEE Br re
I Da, wo das Fachfyſtem beibehalten wird Können
nicctuͤrlich vie gleichen Gegenſtaͤnde nicht auf gleiche Stun⸗
den fallen; und man muß ne in bleſen Gate von
Rehrern richten. Be 3 PIEE PETE
— 357 —
. 8) Für die Zeit des Winters, wann ea. um 4 Uhr noch
nicht belle iſt, und auch die Stunbe von 11. bis 12 Uhr
nicht gegeben werben kann, koͤnnte die Tte Unterrichteftunde,
ale bie von 7 — B des Morgens, fo Iange, wegfallen.
9) Die niedere Volksſchule kann hier alles Aufgeſtellte
in 4 Claſſen erreichen, wenn nämlich. die Schüler in jeder
Elafie.2 Jahre fiten bleiben, und die unterfte Claſſe zwei
Abtheilungen macht.
10) Um den Mangel an Lehrern, und Claſſen in Etwa
gu erſetzen, kaunn man, im Fall die Claſſen nicht zahlreich
find, bei dem Unterrichte in der Gefchichte, ber Geographie,
ben übrigen Naturwiffenfchaften, im Nechnen, Schreiben ꝛc.
mehrere Claſſen mit einander verbinden.
11) Wenn die Claſſen bleiben, ſo kann in den beiden
Fachclaſſen fuͤr Knaben Ein Lehrer den Unterricht in der
engl. und franz. Sprache, Ein Lehrer den Unterricht in der
Mathematik mit Ausſchluß in der Chemie uͤbernehmen; wenn
aber die Claſſe zweijaͤhrig wird: ſo muß ein Lehrer mehrere
Gegenſtaͤnde übernehmen. Ich habe hier die Gegeuſtaͤnde
abfichtlich nicht Durcheinander geworfen, bamit ‚die lokale
Anordnung dann um fo Leichter gemacht werden kann.
12) Zur Noth laͤßt fi) das Banze, wie in 6 gefagt,
durch A Claſſen ausführen, aber nicht ganz an allen Schüs
lern erreichen. Die Schuͤler bleiben dann drei Sahre in ein
nad berfelben Claſſe. Sobald ſich dann piele Schüler fir
den, die zuräd bleiben: fo muß der Lehrer hauptſaͤchlich bie
Schwäcern: voranarbeiten und bie Gefoͤrderteren in dieſer
Zeit befchäftigen, ‚ober er muß zwei Abtkeiluugen machen,
durch welches Teßtere aber das Ganze mehr, vder weniger
zerſtoͤrt würbe; im erftern Falle kaͤme die Schule erft fp&-
ter zum Ziele, oder Eönnte daffelbe nicht ganz erreichen.
Auf jeden Fall leiden durch dergleichen Zuſammetzithungen
von Claſſen einzelne Schuͤler. D——
— 358 —
13) B ſtellt ben Lektionsplan einer nieberen Volksſchule
dar, an welcher nur Ein Lehrer unterrichtet; C aber gibt
den Lektionsplan für zwei Lehrer.
14) Sollte die Ate Stunde ded Mittwochs und Sonw
abends, wie allgemein, ausfallen: fo kann flatt der Gegens
ftände der 6ten Stunde von Dienftag und Freitag, Religion
gejegt werden, und dann kann man diefe Stunden mit ber
1ften Stunde diefer Tage vertaufchen.
15) Die geförbertften Schüler im Rechnen, die fich fchon
ſelbſt helfen innen, unterrichten ald Monitore abwechfelnd die
Kleinern im Lefen. Dieſes kann und muß flille zugehen.
16) Manche Rechenftunden in B find nur Uebunges |
ſtunden.
17) Die ſchoͤn abgeſchriebenen Briefe muͤſſen auswen⸗
dig gelernt, und auch ſpaͤterhin aus dem Kopfe niedergeſchrie⸗
ben werden.
18) Kr. Parabeln, die bibliſche Geſchichte, Naturbe⸗
beſchreibung ıc. muͤſſen ebenfalls auf der Schiefertafel in ber
Schule oder zu Haufe aufgefchrieben werben. '
19) Zur Naturbefchreibung wird noch das Wichtigſte
aus der Naturlehre zugezogen.
20) Der Eatechismus wird mit den Fleinern Schülern,
wie die Gedichte auswendig gelernt.
21) Da, wo drei Lehrer an der niederen Volksſchule
unterrichten, muß der Unterricht in ber Geometrie, Mech
nif ıc. noch wegfallen. Die Aufftellung des Leftionsplanes
kann hier Feine Schwierigkeit machen. Wird meine Anſicht
gebilligt, fo werde ich diefe Leftionsplane mit mehr Sorg—⸗
falt ausarbeiten. . , en
pr.
pr,
pr.
3te Claſſe.
Leſen.
Deutſche Spr.
Rechnen.
Franz.u.lat. Spr.
Franz.u. lat.Spr.
Schreiben.
Leſen.
Deutfde Spr.
Rechna.
Franz.ı.lat.Spr.
Sefchigte.
Schreien.
Religim.
jeo.
Naturlhre.
Geogrohie.
Gefang. _
bag hr |
WaIpe 6
gnuspowoel |
wl33 £ |
Fachklaſſen
für Knaben.
2te Claſſe.
Engl.Spr. Zeichn.
Engl.Spr. Zeichn.
Mechanik.
Franz. Spr.
Franz. Spr.
Geometrie.
Buchhalt. Algeb.
Engl.Spr. Zeichn.
Mechanik.
Geometrie.
Franz. Spr.
Geſchichte.
Mechanik.
Buchhalt. Algeb.
Religion.
Engl.Spr. Zeichn.
Geographie.
— Chemie?
ud
uoquaaꝙo
aa alplınag
naulpay;
1te Elaffe.
Engl.Spr. Genom.
Engl.Spr. Algeb.
Mechanik.
Franz. Sprache.
Fr. Spr. Zeichn.
Trigonom.
Buchhalten.
Engl.Spr. Geom.
Mechanik.
Trigonom.
Franz. Spr.
Gefchichte.
Fr. Spr. Zeichn.
Buchhalten.
Religion.
Engl. Spr. Geom.
Geographie.
Chemie.
KG
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uaulpay;
— —
fe.
N
cd
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ech:
fert
dr
HE ni
uf r.:
fen .,
fa.
1te Abtheil.
rachunterricht.
2 hnen.
igion.
een,
fißjireiben,
1. Tag.
n als Privarft.
ſatz.
ht als Privarft.
liſche Geſchicht.
men.
n.
ang.
achunterricht.
Inen.
| he Geſchicht.
iben.
ß.
als Privatit.
chunterricht.
en.
i.
rivatſt.
— 359 —
Nachwort,
dem jungen ſtrebenden Lehrer.
Hier, theurer Juͤngling! der du bis hierher mir treu⸗ “
lid, denfend und fühlend gefolgt bift, hier hätteft du um .
meinen erften Verſuch zur Darftellung des Ideals, das ich
in treuer Bruft trage. MWerfe ich einen präfenden Blick auf
biefelbe, fo finde ich fie noch weit hinter dem zuräd, was
ich fühle. Sch fühle etwas Großes, und kann es noch nicht
wiedergeben; ich fühle etwas Heiliges, und kann es nicht
enträthfeln; ich fühle allenthalben etwas Gewifles, Beſtimm⸗
tes, und doch fehlen mir noch gar zu oft die Gründe, welche.
mit einemmale fo ganz Überzeugen. — —
Fühle, denke, forfche felbft weiter, und Tomme ber Ars u
muth meiner Darftellung mit deiner ganzen Seele und mit
deiner That zu Hülfe. Haft du indeffen bis jetzt fchon alles
Gegebene überdacht? Alles rein zu fühlen geſucht? allents
halben weiter zu forfchen getrachtet — Alles? Allenthals
ben? — Haft du ganz mit deinem Gemüthe und deinem
Berftande in dieſem Buche gelebt? — O, thue es! Wer
fol denn fonft mich Elarer verficehen, wer mir reiner nach⸗
fühlen, ald Du? Ad, auf dich muß ich bauen; edler Süngs
ling! — Das Heer der Dünfelhaften, Gemeinen, Audges
trocneten, Herz» und Kopflofen: ach diefe Brodmenfchen
Tonnen mich zwar nicht nieberbräden, denn ihre Füße ruhen
anf Schlamm; — aber fie vermögen mid) zum weitern
Forſchen und Darftelen auch nicht zu ermuntern, mich nicht ’" "|
zu erheben. Das befeligendfte Gefchäft, das der Menſchen⸗
bildung, ruht nur auf ihren felbftifchen Zwecken, jeder Forts
fohritt unfrer Kunft ift ihnen unbequkm, und darum verhaßt.
Kur der edelftrebende Lehrer forfcht in Wahrheit, prüft das
Pan,
1
— 30 —
Dargebotene vorurtheildfrei, und laͤßt das als gut Erkanute
gleich nach allen Kräften in That übergehen. Alſo Du,
mein Erkorner! — Von den ältern edlen und benfenden
Pädagogen erwarte ich Zurechtweifung und Hülfez von bir
aber — Anregung zur That; von deinen Zweifeln — Aufs
foderung zum vollfommnern Darftelen; von deiner Liebe,
yon deinem reinen Feuer — eine edle, reine Wärme meiner
Sprache; von deiner Ahnung — vielleicht tiefere Ahnung,
vielleicht Enträthjelung des noch dunkeln.
Liebe meinen Human mit deiner ganzen Seele, benn
wahrhaftige Liebe hat ihn geboren; fage mir offen, wo du
fühlft, daß ihm noch Liebenswürbigfeit und Schärfe mans
gelt, und mit Freude und Dank will ich meine Zeichnung
auch vor dem Seelenfpiegel der ebelften Sünglinge vollens
den. Strebe dann diefem Bilde mit deinem ganzen We-
fen nad, und hilf treulich weiter verbreiten das Neid
der Humanität! Du haft dann bie ebelften, denkendſten
Menfchen der Vor⸗ und der Mitwelt zu Brüdern — und
in der Nachwelt wird dann deine That zur Unfterblichkeit
reifen. Nur m mäßigen edlen Befählen liegt der Keim
des Todes; aber den Saamen der Linfterblichfeit fäet der
Ewige in diejenige Furche, bie Herz und Kopf und Hand,
diefe heiligen Drei, als Eins, mit wahrhafter Treue am
wohlgepflegten Aderland ziehen.
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Gedrudt bei Samuel Lucas in Elberfeld
THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY
REFERENCE DEPARTMENT
This book is under no eircumstances to be
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