Skip to main content

Full text of "Hundert Jahre deutscher Dichtung in Steiermark 1785 bis 1885: Mit 10 Abbildungen"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commcrcial parties, including placing technical restrictions on automatcd qucrying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send aulomated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogX'S "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct andhclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http : //books . google . com/| 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .corül durchsuchen. 








ARTES SCIENTIA VERITAS 




ii 

■ 

'I 



»-'»r«» ' ■«■T'Wk 






t' 



ÖSTERREICHISCHE BIBLIOTHEK. 



herausgeber: 
Dr. albert ILG. 



Mf». 



II. BAND: 



HUNDERT JAHRE 



DEUTSCHER DICHTUNG 



IN STEIERMARK 



1785 BIS 1885. 



VON 



Dr. Anton Schlossar. 



h)-M^ 



WIEN. 

Verlag von Carl Graeser. 

1893. 



HUNDERT JAHRE 



Deutscher Dichtung 



IN STEIERMARK 



1785 BIS 1885. 



VON 



Dr. ANTON SCHLOSSAR 



MIT 10 ABBILDUNGEN. 



WIEN. 

Verlag von Carl Graeser. 

1893. 






K. u. k. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen. 



1 






) 






DEM 



»^i DICHTER DER STEIERMARK 



P. K. ROSEGGER 



ZUR JUBELFEIER 



SEINES FÜNFZIGSTEN GEBURTSTAGES 



HERZLICHST GEWIDMET. 



1 



VORREDE. 



Auf den nachfolgenden Blättern habe ich ver- 
sucht, das dichterische Leben eines Landes, 
welches unserem schönen Osterreich angehört, zu 
entwerfen und zu zeigen, wie sich dieses Leben 
im Laufe des letzten Jahrhundertes entwickelt hat, 
welche Beziehungen es zu den poetischen Strömun- 
gen aufweist, die seitdem auf dem Gebiete der deut- 
schen Literatur hervorgetreten sind. Ungefähr das 
Jahr 1785 ist es, von dem an wirkliche bemerkens- 
werthe dichterische Äusserungen in Steiermark zu- 
tage traten. Für Deutschland war um jene Zeit die 
glänzende Periode der classischen Dichtkunst an- 
gebrochen, Goethe und Schiller hatten schon durch 
unvergängliche Dichtungen ihren Ruhm verkündet 
und verhießen dem deutschen nationalen Schrift- 
thum eine herrliche Zukunft. Ein Strahl des Schim- 
mers, welcher sich über die deutschen Lande aus- 
gebreitet, war auch in das schöne, aber damals 
noch wenig beachtete Alpenland Steiermark ge- 
drungen und das einmal entzündete Licht sollte 
nicht mehr verlöschen. Wie sich langsam und 
allmählig seit jener Zeit die deutsche Poesie auf 
steiermärkischem Boden entfaltete, wie sie in ver- 
schiedenen Vertretern und Pflegern Geltung im 
Innern des Landes und nach Außen gewann, sol- 
len die folgenden Blätter nachweisen. 



VIII 



Es war mir durchaus nicht darum zu thun — 
schon der gebotene Raum hätte dies nicht gestat- 
tet — aller dichterischen Schöpfungen und aller 
Poeten ohne Ausnahme, die mitunter ganz unbe- 
deutend im Lande auf- und wieder abgetreten 
sind, zu gedenken. Ich wollte nur in einzelnen 
Skizzen die Wichtigsten und Bedeutendsten, kurz 
jene Talente vorführen, welche für die Entwicklung 
des deutschen dichterischen Lebens überhaupt be- 
achtenswert erscheinen oder die wenigstens im 
Lande seinerzeit eine hervorragende literarische 
Rolle gespielt haben, wenn sie auch vom Stand- 
punkte der heutigen Zeit betrachtet, keine glän- 
zenden Namen aufweisen. Es gilt dies Letztere 
insbesondere von einer Zahl verschiedener Poeten 
aus der vormärzlichen Zeit, die vielleicht selbst in 
eingehenderen deutschen Literaturgeschichten ver- 
gebens gesucht werden, die aber für das zeitgenös- 
sische literarische Leben im Lande immerhin Bedeu- 
tung erlangt haben und jedenfalls der Vergessenheit 
entrissen zu werden verdienen. Nicht von Allen, 
welche hier besprochen sind, lagen geschlossene 
Sammlungen ihrer Dichtungen vor, Freiherr von 
Hammer-Purgstall, Schröckinger, Kollmann, Dirn- 
böck und Andere haben dieselben an den verschie- 
densten Stellen zerstreut veröffentlicht. Diese 
Dichter älterer Zeit habe ich deshalb von der 
Behandlung nicht ausgeschlossen, da sie mir 
beachtenswert erschienen, ein Name wie etwa 
derjenige Hammer-Purgstalls durfte ja schon an 
sich nicht übergangen werden. Auf dem Gebiete 
der neueren Zeit wurde allerdings etwas strenger 



IX 

vorgegangen. Es war meine Absicht von den 
Bedeutendsten kleine Literaturbilder zu ent- 
werfen und dieselben durch einzelne bezeichnende 
dichterische Proben, die freilich nur knapp aus- 
fallen durften, zu ergänzen. Eigentliche Biogra- 
phien zu bieten, lag nicht in meinem Plane, doch 
sind die wichtigsten biographischen Daten ange- 
führt, ausführlicher spreche ich über Lebensum- 
stände, wo es die Darstellung erfordert. Es dürfte 
von besonderem literargeschichtlichen Interesse 
sein, dass verschiedene bisher ungedruckte Ge- 
dichte, Briefe und Briefstellen hier zum erstenmale 
veröffentlicht erscheinen. So stand mir aus dem 
Nachlasse C. G. R. von Leitners und Faust Pachlers 
Manches zu Gebote und ich konnte einige schöne 
poetische Gaben derselben hier zuerst vor die 
Öffentlichkeit bringen. Auch aus Briefen des 
Dichtergrafen Anastasius Grün, die bis nun un- 
bekannt geblieben, finden sich verschiedene be- 
zeichnende Stellen. 

Um irrigen Auffassungen vorzubeugen, sei 
noch bemerkt, dass es sich in dem Buche nicht 
um steiermärkische Dichter allein, d. h..um solche, 
die in Steiermark geboren sind, handelt, sondern 
auch um diejenigen, welche lange Zeit im Lande 
gewirkt und der Literatur daselbst ein charakteri- 
stisches Gepräge verliehen haben. 

Zu meiner innigen Freude verlassen diese 
Blätter die Presse gerade zu einer Zeit, da der 
Jubel zum 50-jährigen Geburtsfeste meines hoch- 
verehrten Freundes, des edlen Dichters P. K. 
Rosegger durch ganz Österreich und Deutschland 



noch nicht ganz verhallt ist und ich will diesem herr- 
lichen Sohne der Steiermark, als eine wenn auch 
etwas verspätete Festgabe, die aber doch in dem 
Jubeljahre hervortritt, meine Arbeit darbieten. 
Bildet doch die Darstellung seiner reichen und 
glänzenden poetischen Wirksamkeit so ziemlich 
den Abschluss des Buches. Viele der Jüngeren 
und Jjingsten wären darin noch zu erwähnen und 
hervorzuheben gewesen, aber die Darstellung der 
letzten Jahre dieses Jahrhundertes möge der 
Zukunft überlassen bleiben. Es sind alle Anzeichen 
dazu vorhanden, dass man, wenn das ganze Jahr- 
hundert verrauscht ist, auf ein schönes und 
reiches poetisches Leben der letzten 25 Jahre in 
Steiermark wird zurückblicken können. 

Graz, im August 1893. 



Dr. Anton Schlossar. 



Inhalts -Verzeichnis. 



Seite 

Einleitung. Die Cultur- und Literaturverhältnisse 

der Steiermark in den früheren Zeiten ... i 

1. Capitel. Die Musen-Almanache. Johann Ritter von 

Kalchberg und seine Zeitgenossen in Steier- 
mark. Classische Anklänge 12 

2. Capitel. In das neue Jahrhundert. Josef Freiherr von 

Hammer-Purgstall. Julius Schneller. Carl 
Sehr öc kinger 29 

3. Capitel. Johann Georg Fellinger. Ignaz Kollmann 

und »Der Aufmerksame« 47 

4. Capitel. Anton Graf von Prokesch-Osten ... 61 

5. Capitel. Rudolf Gustav Puif. J. A. Suppantschitsch. 

Johann Gabriel Seidl in Steiermark . . 74 

6. Capitel. Carl Gottfried Ritter von Leitner. Seine 

Beziehungen zu Anastasius Grün. Aus 
Leitners ungedrucktem Nachlasse ... 98 

7. Capitel. Jacob Dimböck. Vincenz Zusner. Faust 

Pachler und dessen poetischer Nachlass . 116 

8. Capitel. Carl von Holtei und Anastasius Grün in 

Steiermark. Robert Hamerling . . . 132 

9. Capitel. Von den noch Lebenden, die in Steiermark 

geboren sind oder daselbst gewirkt haben 151 

10. Capitel. Hans Grasberger und P. K Rosegger . 167 

11. Capitel. Carl Morre. Beschluss 189 



EINLEITUNG. 



Die Cultur- und Literaturverhältnisse der 
Steiermark in den früheren Zeiten. 

Das Land Steiermark, inmitten der übrigen Provin- 
zen und Gebiete des heutigen österreichisch-unga- 
rischen Reiches gelegen, zeichnet sich, was seine äußere 
Gestaltung betrifft, durch schöne Gebirgsgruppen im 
nördlichen und westlichen, durch fruchtbare Thäler, 
reiche Obst- und Weinpflanzungen im südlichen und 
südöstlichen Theile aus und wird immer mehr von 
Freunden der Natur und Verehrern anmuthiger Land- 
schaftsbilder, welche in den höher gelegenen Gegenden 
auch wohl einen großartigen Charakter annehmeUj 
gerne aufgesucht. Die erwähnte Lage dieses Landes 
aber ließ dasselbe in früheren Zeiten, da noch die Ver- 
kehrsmittel der Neuzeit fehlten, eine ziemlich vereinzelte 
Stellung einnehmen und den Bewohnern, welche aller- 
dings großentheils dem ' bildungsfähigen Bajuvaren- 
stamme angehören, war es damals schwer, in der 
culturellen Entwicklung gleichen Schritt zu halten mit 
der Bevölkerung anderer österreichischer Länder, die 
den Hochstätten des deutschen Geisteslebens näher 
gelegen erschienen. 

Allerdings haben Kunst und Wissenschaft liebende 
Fürsten, als Pflegestätten aller geistigen Bestrebungen 

Schlossar, icx> Jahre deutscher Dichtung. I 



rühmlich bekannte Klöster und auch einzelne hervor- 
ragende Männer schon Jahrhunderte hindurch viel dazu 
beigetragen, um auf dem Gebiete der Steiermark Edles 
und Schönes zu fördern und dem Lande eine auch 
culturell beachtenswerte Stellung zu verschaffen. 

Die Regenten des Hauses Habsburg insbesondere 
seit Erzherzog Karl, dem berühmten Fürsten von 
Innerösterreich, waren bestrebt, nach allen Richtungen 
in dieser Beziehung ihren Eihfluss geltend zu machen. 
Freilich standen der Pflege aller schönen Künste wie 
nicht minder der Entwicklung des geistigen Lebens 
vielfache Hindernisse entgegen, und letzteres fand trotz 
der durch den genannten Erzherzog Karl im Jahre 1 586 
bewirkten Gründung der Grazer Universität, welche mit 
Hilfe der Jesuiten zustande kam und den Händen 
derselben übergeben wurde, noch immer manches Hemm- 
nis. Die Wirren der Reformation und der Gegenrefor- 
mation ließen ein ruhiges ersprießliches Wirken noch 
immer nicht aufkommen und das vielfache Gezänk 
zwischen den Anhängern dieser oder jener Richtung 
klärte kaum gewisse theologische Fragen, davon zu 
schweigen, dass es für andere Wissenschaften frucht- 
bringend gewesen wäre oder gar der heimischen Dichtung 
zur Entwicklung die Wege geebnet hätte. 

Trotzdem war es möglich schon in vergangenen 
Jahrhunderten wenigstens den Künsten zu einem ge- 
wissen Aufschwünge zu verhelfen. Durch geistliche Ein- 
wirkung ist schon in frühester Zeit manches schöne kirch- 
liche Bauwerk entstanden, wie etwa der uralte roma- 
nische Bau der Stiftskirche in Seckau, die Kirche Maria 
Straßengel mit dem prächtigen gothischen Thurme 
(1355 vollendet), die gothischen Kirchenbauten von 
St. Lambrecht und Maria-Zeil, die St. Agidiusdom- 



kirche in Graz (1456 vollendet), die großartige Kirche 
auf dem Pöllauberge, die Pöllauer Stiftskirche selbst 
und andere ähnliche Bauten, unter denen der Barok- 
bau des Mausoleums Ferdinands IL zu Graz von Gio- 
vanni Pietro de Pomis (16 14 — 1633) besondere hohe 
Beachtung verdient. Schöne Burg- und Schlossbauten 
reihen sich daran, welche von reichen Adeligen des 
Landes aufgeführt wurden, freilich auch meistens zu- 
gleich den Zwecken der Vertheidigung bei Angriffen 
gewidmet waren ; zu diesen gehört die so gewaltig an- 
gelegte Riegersburg bei Feldbach in der östlichen Steier- 
mark, welche verschiedene Bauperioden aufweist imd 
heute noch als eine der merkwürdigsten Burganlagen 
Österreichs bewundert wird. Ein prächtiges Stück Renais- 
sance-Architektur errichtete der italienische Meister de 
Lalio in dem 1558 begonnenen und erst nach seinem 
Tode vollendeten Neubau des Landhauses zu Graz, das 
insbesondere durch die an venetianische Bauten er- 
innernden Arkadengänge des Hofes einen mächtigen 
Eindruck hervorbringt. Verschiedene Palastbauten 
steierischer Adeliger in Graz wurden ebenfalls von 
italienischen Meistern hergestellt, die ja selbst bei den 
Kirchenbauten in- und außerhalb der Landeshauptstadt 
im Lande vielfach thätig waren, wenn man auch nicht 
die Namen aller dieser Baumeister kennt, wie jenen 
Dömenico Sciassia's, welcher um die Mitte des 17. Jahr- 
hundertes das Stiftsgebäude von St. L ambrecht und 
die Wallfahrtskirche zu Maria Zell neu herstellte. 

Auch die Malerkunst hat aus älterer Zeit manch 
schönes Werk aufzuweisen, zunächst an einigen Ge- 
mälden der gothischen Kunst, zumeist Fresken in der 
Landeshauptstadt selbst, dann an verschiedenen Altar- 
bildern aus der Renaissancezeit, später an mehreren 

I* 



Bildern italienischer Meister, insbesondere ist hier wieder 
Peter de Pomis zu nennen, dessen Vielseitigkeit ebenso 
Bewunderung verdient als die geniale Ausfuhrung seiner 
Werke auf dem Gebiete der Architektur und Malerei. 
In Kirchen und Schlössern findet sich aus der späteren 
Zeit noch manch schönes Stück und zumeist sind es 
wieder italienische Maler, welche diese Bilder ange- 
fertigt haben. Später, im i8. Jahrhundert, beginnt mit 
dem Maler der großartigen Fresken zu Voran und 
Festenburg : Johann Cyriak Hackhofer eine Zahl deut- 
scher heimischer Künstler aufzutreten. Schon die Namen 
Hauck und Flurer weisen auf die deutsche Abstammung 
dieser Künstler hin, die Freskenmaler J. G. Ritt, von 
Molk und Mathias Schiffer zu Ende des vorigen Jahr- 
hundertes sowie Johann Mayer, dem die Stadt Graz 
den genialen malerischen Schmuck der Fa9ade des sog. 
»gemalten Hauses« verdankt, seien hier auch noch er- 
wähnt. Wie die Architektur und die Malerei jener 
Zeit, da man im Lande der Entwicklung künstlerischen 
Sinnes mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden begann, das 
italienische Gepräge aufwies, so auch die Bildhauer- 
kunst, deren Werke von damals wie etwa die stolzen 
Figuren von Mars und Bellona an dem Portal des land- 
schaftlichen Zeughauses in Graz, übrigens zumeist nur 
den architektonischen Werken zum Schmucke dienten. 
Plastische Einzelwerke der späteren Zeit, im achtzehnten 
Jahrhundert, haben allerdings wieder heimische Künstler 
geschaffen, so etwa Joh. Jakob Schoy, dem mehrere 
Gruppen und Figuren von Heiligen in vortrefflicher 
Ausführung zu verdanken sind, femer der Admonter 
Thaddäus Stammel, dessen »vier letzte Dinge« im 
Bibliothekssaal des Admonter-Stiftes bis heute den Be- 
schauer fesseln. 



Es könnte hier noch erwähnt werden, dass auf 
dem Gebiete des Kunstgewerbes sich der fremd- 
ländische Einfluss am wenigsten zeigt und dass die 
verschiedenen derartigen Arbeiten älterer Zeit nicht nur 
das Gepräge des deutschen Kunsthandwerkes an sich 
tragen, sondern auch thatsächlich heimischen tüchtigen 
Meistern zu verdanken sind wie etwa die Guss- imd 
Schmiedearbeiten, die künstlichen Holzarbeiten und 
schönen Vertäfelungen, die Thonarbeiten u. dgl. mehr. 
Die Absicht dieser Blätter, welche sich der Darstellung 
eines anderen Gebietes zuwenden, ist es jedoch nicht, 
des Näheren auf die künstlerischen Zustände imd Ver- 
hältnisse im Lande Steiermark einzugehen. Dafür erschien 
es dennoch wichtig, von einzelnen bestimmten Beispielen 
der hervorragendsten Werke auf künstlerischem Ge- 
biete nachzuweisen, dass sich erst später deutscher Ein- 
fluss in dieser Richtung geltend machte, dass vielmehr 
die cultur eilen Einwirkungen in dieser Beziehung 
aus dem Süden, aus den italienischen Landen kamen, 
mit einem Worte, dass sich Steiermark von den übrigen 
deutschen Gebieten zu sehr abgeschlossen befand, um 
von denselben auf geistigem Felde rasch beeinflusst 
werden zu können. Dies machte sich aber insbesondere 
auf den eigentlichen geistigen Gebieten, auf jenen der 
Wissenschaft und des Literatnrlebens überaus 
bemerkbar. Hatten schon die Folgezustände der Refor- 
mation und der dreißigjährige Krieg in ganz Deutsch- 
land selbst lähmend auf das literarische Leben ge- 
wirkt, so konnte von einem solchen überhaupt kaum 
die Rede sein in einem Lande, das wohl zumeist 
deutsche Bewohner aufwies, aber im Aufstreben auf 
dem Felde der Kunst anderen Einflüssen naturgemäß 
ausgesetzt war, Einflüssen, die in Folge der Verschieden- 



heit fremder Denkweise und insbesondere der fremden 
Sprache auf sprachliche Kunst, auf Poesie und Schrift- 
thum sich nicht nur nicht geltend machen konnten, 
sondern hier thatsächlich im Wege standen. Die Ge- 
lehrtensprache war imd blieb überdies in Vorträgen 
und Schriftwerken die lateinische und auch die etwa 
beachtenswerteren Stücke der Poesie im Lande aus 
jener Zeit waren daher bis in das achtzehnte Jahr- 
hundert herein in dieser Sprache abgefasst, zudem 
ganz nach den theologisch-aesthetischen Grundsätzen 
welche auf der geistlichen Universität galten, gestaltet, 
diesen Grundsätzen nach aber musste ein Poem sich inner- 
halb bestimmter vorgeschriebener Grenzen bewegen und 
der geistigen Spannkraft, dem dichterischen Schwünge, 
blieb fast gar kein Raum zu weiterer Ausdehnung. 

In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhundertes 
gewannen die Dinge leise und allmählig eine andere 
Gestaltung. Es war wie ein geistiger Lichtblick aus 
dem deutschen Norden gekommen, der zunächst in 
Wien eine gewisse literarische Regsamkeit hervor- 
gerufen, dann aber auch einen Schimmer auf die Steier- 
mark geworfen hatte. Die Verkehrsverhältnisse waren 
inzwischen bessere geworden, insbesondere wurden 
regelmäßige Verbindungen mit der Residenz imd von 
da aus mit den nunmehr wichtigen Literaturstätten in 
Deutschland eingeführt. Dazu kam das wichtige Er- 
starken der periodischen Literatur, der Presse. 

Nachdem in Wien ein »Posttäglicher Mercurius« 
und das bekannte »Diarium« schon zu Anfang des 
Jahrhundertes erschienen waren, folgte auch in Graz 
bald in den ersten Decennien des Jahrhimdertes ein 
»Posttäglich Grätzerisch ausfliegender Mer- 
curius«, der freilich seine Nachrichten nur aus dem 



Wiener Blatte abdruckte und ebensowenig wie jenes 
sich mit literarischen Dingen befasste. Aber derartige 
dürftige Blätter genügten den Lesern in der Residenz- 
stadt bald nicht mehr, nachdem diese schon mit ver- 
schiedenen »gelehrten Zeitungen« Deutschlands bekannt 
geworden; es erschienen denn nicht lange darauf auch in 
Wien: ein »gelehrter Anzeiger« (1759), »die Welt« von 
Klemm (1762), ihnen folgten die verschiedenen von 
Sonnenfels herausgegebenen periodischen Schriften: 
»der Vertraute« (1764), »der Mann ohne Vorurtheil« 
(1765) etc., Klemm' s »Briefe über die neuere öster- 
reichische Literatur« (1768) und seit 1770 Borns »Real- 
zeitung«, welche sich längere Zeit erhielt. Diese Blätter 
fanden natürlich auch in Steiermark nun leicht Eingang, 
sie hatten zur Erweckung literarischen Lebens in Öster- 
reich nicht wenig beigetragen und lenkten daselbst die be- 
sondere Aufmerksamkeit auch weiterer Kreise auf deut- 
sche Dichtkunst, welche ja seit Klopstock's »Messias« 
(1747 — 1773) sich kühn der Poesie Englands und Frank- 
reichs zu Seite stellen konnte. Man wurde bald auch auf 
Lessings große Bedeutung geführt und auf die Wichig- 
keit des geistigen Wirkens seiner Zeitgenossen. Es 
wagte nun auch in der Steiermark mancher bescheidene 
Poet seine Stimme zu erheben, zumal auch hier und 
zwar in Graz ähnliche literarische Zeitschriften wie in 
Wien auftauchten. 

Eine solche und wohl die erste ähnliche Zeitschrift 
war das »Wochenblatt für die inneröster- 
reichischen Staaten«, welches 1775 in Graz zu 
erscheinen begann und dessen Herausgeber, einer 
neuen Untersuchung zufolge der 1794 als Professor in 
Lemberg verstorbene Lehrer der Theresianischen Militär- 
Academie in Wiener-Neustadt, Gottfried Uhlich war. 



8 



Er strebte darnach, dem deutschen literarischen Leben 
darin gerecht zu werden und die auftauchenden 
großen deutschen Dichter als Vorbilder aufzustellen. 
Uhlich selbst hat sich in einem größeren Gedichte 
»Agatha oder die junge Mart)nin«, das zweifellos von 
ihm herrührt (obgleich der Verfasser nicht genannt ist) 
und mit dem dieses Wochenblatt eröffnet wird, Klop- 
stock zum Vorbilde genommen; natürlich muss man 
mit dem Versuche zufrieden sein und die Ausführung 
nicht allzusehr mit der kritischen Sonde untersuchen. 
In der Ankündigung konnte der Herausgeber dieses 
Wochenblattes schon von Innerösterreich, zu dem ja 
Steiermark mit gehörte, sagen: »der Zeitpunkt einer 
allgemeinen Aufklärung ist vorhanden. Unter dem 
sanften Zepter Theresiens haben die Wissenschaften in 
ihren gesammten Erblanden einen ungemeinen Fort- 
gang gemacht. Wir können bereits Gelehrte aufweisen, 
die selbst von Auswärtigen mit Ehrfurcht genannt 
werden, und der aufblühende Keim junger Schrift- 
steller lässt uns vermuthen : dass wir ihnen bald gleich 
kommen werden. Und diese zu ermimtem; auch die 
Talente unserer Gegend zur Arbeit für die Ehre des 
Vaterlandes zu befeuren, ist der erste Endzweck des 
Wochenblattes«. So war die Bestrebung dieser Zeit- 
schrift eine höchst anerkennenswerte ; sie enthielt Lieder, 
Oden, Fabeln und andere Gedichte sowie Prosaaufsätze 
und zwar sowohl von den hervorragendsten zeitge- 
nössischen deutschen Poeten, welche Stücke in diesem 
Falle natürlich verschiedenen anderen Blättern und 
Büchern entnommen und keine Originalarbeiten waren, 
als auch von einheimischen Talenten, die jedoch leider 
niemals genannt sind. Obgleich dieses literarische 
Unternehmen sich kaum zwei Jahre hindurch erhalten 



hat und lange Zeit kein ähnliches * periodisches Blatt 
in Steiermark oder in einem Orte Innerösterreichs auf- 
tauchte, so gewährt es doch Einblick in die sich bessern- 
den literarischen Verhältnisse, in das erstehende poe- 
tische Leben des Landes. Der früher erwähnten Zu- 
stände und eben dieses Wochenblattes gedenkt auch 
der ungenannte Verfasser der 1792 erschienenen »Skitze 
von Grätz«, eines in zwei Heften erschienenen Werkchens, 
das sich Pezzls bekannte »Skitze von Wien« zum 
Muster genommen hatte und mit großem Freimuthe, 
oft auch mit Witz und Humor die Verhältnisse jener 
Zeit im Lande und insbesondere in der Stadt beleuchtet 
und manche treffende Charakteristik, manche derbe aber 
wohlverdiente Kritik derselben enthält. Es sei gestattet, 
einige Sätze aus den Capitel XXI dieses Buches, 
welches »Literatur« überschrieben ist, hier anzuführen : 
» Grätz war, wie überhaupt alle österreichischen Länder 
so unglücklich, dass es bis auf Marien Theresiens Re- 
gierung kaum wusste, was Literatur sei. — Ein für 
Innerösterreich erschienenes Wochenblatt erweckte end- 
lich — obschon es sich nicht lang erhielt, den Geist 
der Grätzer auch zur Liebe der schönen Wissen- 
schaften. Man fieng an Deutsch zu lehren und Geschmack 
daran zu finden. Das Theater wurde gereinigt. Die 
Fragmente eines Schink, der sich durch eine kurze Zeit 
in Grätz aufgehalten hatte, *) lehrten das Publicum das 
Schöne der Kunst kennen. — Zu Anfang der Regierung 
Josephs war man schon ziemlich weit gekommen. Man 
fieng schon an die Voltaire, Wieland, Lessing, Rousseau 
u. a. m. zu lesen. Die Literaturzeitungen wurden etwas 



*) Joh. Friedr. Schink's dramaturgische Fragmente 4 Bde. 
waren 178 1 und 1782 bei Widmanstetter in Graz erschienen. 



10 

gemeiner, und kaum erschien ein neues vortreffliches 
Werk, so sah man es auch schon in den Händen des 
Publicums; freilich nicht allgemein; aber — in einer 
lange Zeit stockfinster gewesenen Stube macht jeder 
Funke großes Aufsehen«. Diese Bemerkung ist etwas 
derb, aber die vorhergegangenen Zeilen dieser Dar- 
stellung zeigen, dass dieselbe durchaus nicht ungerecht- 
fertigt erscheint. Schon das nächste Capitel der »Skitze« 
über die »Schriftsteller« weist verschiedene Namen auf, 
welche zur Zeit des Erscheinens dieses Werkchens von Be- 
deutung waren, und über Steiermark hinaus bekannt ge- 
worden sind, wir finden unter denselben insbesondere 
auch zwei Dichter, deren noch zu gedenken ist, den 
jungen steirischen Edelmann Johann Ritter von Kalch- 
berg und den Advocaten Joseph Eustach König. Ersterer 
hat sich in der Folge zu besonderer literarischer Be- 
deutung aufgeschwungen und mit seinem Auftreten erst 
kann von einem eigentlichen poetischen Leben im Lande 
'die Rede sein. 

Eines Umstandes ist noch besonders Erwähnung zu 
thun, der für die Verallgemeinerung und Verbreitung 
des Wissens und der Kenntnis der bedeutendsten Schrift- 
und Dichtwerke der Zeit in der Hauptstadt der Steier- 
mark von hoher Bedeutung erscheint. Es ist dies 
die vollzogene Eröffnung der »öffentlichen Bi- 
bliothek« an der Grazer Universität. Die Eröffnungs- 
feier fand am 19. März 1781 unter großem Gepränge statt. 
Es war von da an jedem nach Bildung Strebenden Ge- 
legenheit geboten, die Schätze unserer Literatur auf 
leichte und bequeme Art kennen zu lernen und sich 
mit denselben vertraut zu machen, während bisher nur 
den Universitätslehrern selbst die Bücher zugänglich 
gemacht waren und das größere Publicum von der 



II 



Benützung derselben ausgeschlossen erschien. Der Pro- 
fessor der schönen Wissenschaften Josef Werneking hat 
damals ein Gedicht: >Bey Eröffnung des Büchersaales 
von der hohen Schule zu Grätz« veröffentlicht, welches 
im Klopstockschen Odenstyle gehalten, die schon von 
Maria Theresia bewilligte und nunmehr zustande ge- 
kommene allgemeine Zugänglichkeit dieser Bücher- 
sammlung feiert, aus welchem, wenn auch nicht gerade 
sehr bedeutenden, so doch bezeichnenden Poem einige 
Strophen zur Probe hier ihre Stelle finden sollen: 

Verweile Fremdling! wenn die Mure dich 
Noch einmal ans Taurisker Ufer bringt, 

Und frohnst du ja der Musen einer; 

So wag den Schritt, und huldige 
Der Göttin hier in ihrer neuen Halle. — — 

Hier such sie Musensohn, und jauchze Dank 
Den Sphären zu, wo nun Theresien's 

Verklärter Geist mit seePgen Blicken 

Das goldene Gepräge der 
Wohlthätigkeit auf Ihres Denkmals Zinnen 

Froh liest; so lange Josephs Vateraug 
Für Künste wacht, und Seines Namens Ruf 

In der Unsterblichkeit Geleite 

Zur grauen Nachwelt überzeuht 
Auch spät'rer Enkeln Segnungen zusammen. 



m 



I. CAPITEL. 



Die Musen- Almanache. Johann Ritter von 
Kalchberg und seine Zeitgenossen in Steier- 
mark. Classische Anklänge. 

Es ist allbekannt, dass kurz nachdem unsere deutsche 
Dichtung im letzten Drittel des i8. Jahrhundertes 
ihre Wiedererstehung feierte, auch das in Bezug auf 
Entwicklung poetischen Lebens noch bescheiden im 
Hintergrunde stehende Österreich bald seinen Antheil 
zur deutschen Poesie bot. In Wien führte Denis, der 
»Barde Sined« den Reigen an und erregte insbesondere 
durch Oden nach dem Vorbilde Klopstocks wohlver- 
diente Aufmerksamkeit, welche ihm selbst ausser Öster- 
reich zu theil wurde, Mastalier, Retzer, Ratschky, 
Haschka ragten ebenfalls durch ihre lyrischen Poesien 
hervor, während Alois Bluntauer zunächst auf dem 
Gebiete der ernsten Dichtung, später aber auf jenem der 
Burleske eine bedeutende literarische Persönlichkeit 
genannt werden muss, an welcher gewisse frivole Be- 
strebungen allerdings auch zu tadeln sind. Übrigens 
herrschte ja im Liebeslied an der Pleiße und an der 
Elbe wie am Donaustrand der leichtfertige Ton über- 
haupt vor. Die anakreontische Dichtung war in jene 
lockere Darstellungsweise übergangen, welche uns 
in der deutschen Lyrik jener Zeit bei aller Hochschätzung 
vor derselben bald da, bald dort entgegentritt. Außer 



13 

Denis und Mastalier hatten auch die Wiener und die 
übrigen Dichter Österreichs diesem Zeitgeschmacke ge- 
huldigt. Den Spuren Wielands folgte von den Wie- 
nern J, B. Alxtnger, der Verfasser einiger großer 
Rittergedichte, dem Vorbilde Lessings^ wenigstens in 
den Fabeln, welche die zahlreichen Sammlungen der 
einst vielgelesenen »Skizzen« enthalten, A, G. Meissner, 
auf dramatischem Gebiete hatte Ayrenhoff seinerzeit 
große Anerkennung gefunden, ward aber in dem jetzt 
ins Auge gefassten Zeitabschnitte schon als veraltet 
angesehen. 

Eine besondere Wichtigkeit für die Entwicklung 
der poetischen Bestrebungen erlangten seit 1870 die 
nach dem Muster des Pariser »Almanach des muses« 
auch in Deutschland erschienenen Musenalmanache*). 
Dass Schiller selbst von 1796 bis 1800 einen solchen 
»Musen- AI manach« herausgegeben hat, ist bekannt. 
Der Gedanke, auch für Österreieh einen derartigen 
Sammelplatz der Dichter zu schaffen, lag nahe und in 
der That gab J. F. Ratschky den ersten »Wieneri- 
schen Musenalmanach für 1777« heraus, welcher 
über zwanzig Jahre lang fortgesetzt und zuletzt von 
Blumauer und G. Leon geleitet wurde. Der Wiener 
Almanach nahm sich die deutschen Almanache zum 
Muster, er war wirklich auch in Österreich rasch be- 
liebt geworden und keiner der auch nur halbwegs be- 
achtenswerten Namen der deutschen Dichter Öster- 
reichs fehlt in der Reihe dieser Bändchen ; von 



♦) Über die Musenalmanachliteratur liegt nunmehr die 
ausgezeichnete Arbeit in der 2. Auflage von »Goedeke's 
Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung« IV. Bd. 
I. Abthlg. (1891) S. 359—372 vor. Vgl. etwa auch meine 
»Österr. ,Cultur- und Literaturbilder« (Wien 1879) S. 6 ff. 



14 

Steiermärkem, auf welche noch zurückzukommen ist, 
sind J. V. Kalchberg, J. E. König, J. J. Scheiger und 
F. Schräm in verschiedenen Jahrgängen mit Beiträgen 
vertreten. Durch die Wiener aufmerksam gemacht, 
entstanden in den österreichischen Provinzen ebenfalls 
einzelne Almanache, die es freilich gewöhnlich nicht 
über den ersten Jahrgang brachten, Tekusch gab einen 
Preßburger (1785), Hübner einen Salzburger (1787 
und 1788), Bretschneider einen Lemberger Almanach 
heraus und J. D. John bot 1787: »Blumen, Blümchen 
und Blätter statt eines Prager Musenalmanachs.« Die 
Zahl der deutschen Almanache war bald kaum mehr 
zu übersehen. 

Für den Zweck der vorliegenden Darstellung ist 
insbesondere jenes 1789 in Graz erschienene Bändchen 
ins Auge zu fassen, das unter dem Titel »Früchte 
vaterländischer Musen, herausgegeben zum Be- 
sten der leidenden Menschheit« J. N. Ritt, v, Kalchherg 
herausgab, welchem im Jahre 1790 eine zweite Samm- 
lung folgte. In dem an die Erzherzogin Marianne 
von Österreich gerichteten Widmungsgedichte des Al- 
manachs findet sich die bescheiden klingende Strophe : 

Wir fühlen es! Zu schwach sind unsere Töne 
Um in dem heiligen Bardenhain, 
Im Kreise ruhmgeschmückter Musensöhne 
Des Lorbeerkranzes werth zu sein. 

Immerhin sind aber viele Gedichte dieser Bänd- 
chen den besseren Stücken der Wiener Almanache und 
so manchen Reimereien der übrigen deutschen Musen- 
almanache gleichzustellen. Noch waren es Wenige, 
welche in Steiermark Kalchbergs Rufe folgten, aber 
unter diesen Wenigen hatten Geist und Witz manchen 
wackeren Vertreter. Wie eine Prophezeiung und weh- 



15 

müthig klingt in der ersten Sammlung die Ode : »An 
Steiermark« aus, welche den Herausgeber Kalchberg 
zum Verfasser hat und die hier als eines der ältesten 
Gedichte Kalchbergs auszugsweise mitgetheilt sei. 

An Steiermark. 

O du! in dessen waldigem Schoß mein Aug 
Den ersten Strahl der wärmenden Sonne trank, 
Du, dess forellenreiche Ströme 
Einst um die Wiege des Dichters sausten. 

Dir holdes, schönes Vaterland tönt mein Lied! 
Dir, das ich liebe, glühend und innig, wie 
Der gute Sohn den Vater, wie die 
Zärtliche Tochter liebt ihre Mutter! 

Zwar horcht dein dumpfes Ohr dem Gesänge nicht. 
Der deiner Söhne Leier entströmet, nur 
Der Fremdlinge Geklimper hat noch 
Reize für Wenige deiner Kinder. 

Doch Mutter! Nein ich zürne dir nicht! Noch schläfst 
Du fort den tiefen Schlummer des Geistes, noch 
Ist das Jahrhundert nicht gekommen. 
Welches bestimmt ist, dich einst zu wecken. 

Einst, wenn vom Meer der Zeiten das Geisteslicht 
Auch über dich, mein Vaterland, aufgeht, wird 
Der späte Enkel mich erkennen, 
Segnen die Asche des frühen Dichters 

In der 1816 und 17 erschienenen Gesammtaus- 
gabe der Werke Kalchbergs erscheint das obige Gedicht 
vom Verfasser vollständig umgearbeitet, und hat eine 
andere Gestalt erhalten*) ; der Dichter selbst hat damit 



*j Die vollständige neuere Fassung des Gedichtes findet 
sich auch in der von mir veranstalteten Ausgabe. J. R. v. 
Kalchbergs gesammelte Schriften. Wien. 1878, Bd. L S. 5. 
Es ist ein Verdienst des verstorbenen Hofbuchhändlers R. 
v. Braumüller, Kalchbergs Werke in dieser neuen Ausgabe 
dem Publicum wieder zugänglich gemacht zu haben. 



i6 

zugestanden, dass die literarischen Verhältnisse im 
Lande besser geworden, dass die Pflege der Dicht- 
kunst sich verbreitet, dass man derselben schon auf- 
merksame Beachtung schenkte, dass der »Schlummer 
des Geistes« geweckt erschien. Jedenfalls trug zu dieser 
erfreulichen Wirkimg Niemand mehr und besser bei 
als Kalchberg selbst, zunächst im Vereine mit seinen 
gleichgesinnten Freunden in dem Almanache: »Früchte 
. vaterländischer Musen. « 

Obgleich die vorliegende Darstellung sich durchaus 
nicht eingehender biographischer Behandlung zuwenden 
soll, so erscheint es doch nothwendig, einige der wich- 
tigsten Punkte aus Kalchbergs Leben hier zu berühren. 
Joh, Ritt V, Kalchberg, 1765 in dem Schlosse Pichl 
im Mürzthale der Steiermark geboren und im Convicte 
zu Graz erzogen, wo er sich schon frühzeitig mit der 
damals zeitgenössischen Literatur der deutschen Klas- 
siker bekannt machte, betrieb das Studium der Rechte, 
trat 1785 in den Bankaldienst, wurde 1791 zum Aus- 
schussrath der steiermärkischen Stände gewählt und 
lebte einige Zeit zurückgezogen, sodann aber wieder 
als ständischer Ausschussrath. Als Erzherzog Johann 
das wissenschaftliche Institut, welches unter dem Namen 
des »Joanneums« weithin bekannt und berühmt gewor- 
den ist, in Graz begründete, war es Kalchberg, dessen 
Vorschläge zur Einrichtung und Fortführung dieser 
Anstalt Wesentliches beitrugen. Er wurde vom Erz- 
herzog zu einem der drei Curatoren des Joanneums be- 
stimmt und leistete 16 Jahre lang als solcher die vor- 
trefflichsten Dienste. Kalchberg rechtfertigte also das 
Vertrauen, welches der Erzherzog in sein Wirken ge- 
setzt, in glänzender Weise und wie sehr dieses Ver- 
trauen dem Steiermärker zugekehrt war, zeigt der Brief- 



i8 



Wechsel, welcher zwischen ihm und dem Erzherzoge 
von 1810 — 1825 geführt wurde*) und welcher eine 
ganze Reihe der für das Land wichtigsten culturellen 
Fragen behandelt. Kalchberg wurde 18 10 und später 
18 16 zum Verordneten der steiermärkischen Stände 
gewählt. Viele Leiden hatten zuletzt den eifrigen und 
für alles Schöne und Edle in seinem Vaterlande so be- 
geisterten Mann heimgesucht, denen er endlich im 
Jahre 1827 auch erlag. Sein in einem Gedichte ausge- 
sprochener Wunsch, an der geschichtlich merkwürdigen 
Leechkirche seiner Vaterstadt, dem ältesten kirchlichen 
Bauwerke derselben, begraben zu werden, wurde erfüllt. 
An dieser Stelle haben wir es nun allerdings nur 
mit dem Dichter Kalchberg zu thun, vorwiegend mit 
dem lyrischen Dichter. Als solcher ist Kalchberg wie 
erwähnt schon in den »Früchten vaterländischer Musen« 
aufgetreten. Im Jahre 1793 erschien eine Sammlung 
seiner eigenen Gedichte.**) Vollständig umgearbeitet, 
vermehrt und verbessert wurde die Sammlung dieser 
Gedichte in der später veranstalteten Ausgabe von 
Kalchbergs »Sämmtlichen Werken« (Wien 1816 — 17, 
9 Bände) und dasselbe gilt von den im Jahre 1878 
durch den Verfasser dieser Zeilen herausgegebenen »Ge- 
sammelten Schriften« des Dichters, deren i. Band die Ge- 
dichte aus dem Nachlasse vermehrt enthält, doch wurde 
manches Unbedeutende auch zugleich ausgeschieden. 



*) Vom Verfasser dieser Zeilen sind die Originalbriefe 
Erzherzog Johanns an Kalchberg herausgegeben worden 
in dem Werke: »Erzherzog Johann von Österreich und sein 
Einfluss auf das Culturleben der Steiermark« (Wien 1878). 

♦*) Schon 1788 soll eine solche Sammlung erschienen 
sein, doch ist sie mir trotz eifrigen Nachforschens nie vor- 
gekommen. 



19 

Eine allgemeine Charakteristik des Dichters ge- 
statten alle diese Ausgaben. Klopstock, Lessing, Geliert, 
Hölty, Pfeifel, später Schiller, von den Wienern vor 
Allem Denis sind es vorzüglich, an deren Schöpfungen 
sich die Lyrik des Steiermärkers anlehnt, gerne wendet 
er antike Strophen an in der beliebten Odenform, auch 
die gereimte Fabel findet sich öfter vertreten, insbe- 
sondere aber dürfte Kalchberg der erste sein, welcher 
heimische, geschichtliche Stoffe in Balladenform behan- 
delte imd in dieser Beziehung etwa Bürgern folgte. 
Solche Balladen sind »Heinz von Plasman,« »Hans 
von Stein,« »Andreas Eberhard von Rauber,« »Die 
Tempelherren zu Mainz« u. A. Sowohl in der Dar- 
stellung als auch in der Anwendung der Reimform folgt 
der Dichter seinen erwähnten berühmten Vorbildern. Es 
ist nicht zu verwundem, dass auch manche Geschmack- 
losigkeit, mancher unreine und unschöne Reim mit 
unterlaufen, deshalb ist aber das Streben des Poeten, 
seiner Dichtung einen weiteren Kreis zu eröffnen und 
dieselbe in Bezug auf die behandelten Gegenstände 
mannigfaltig zu gestalten, immerhin anzuerkennen. 
Liebliche zarte, kleine Lieder finden sich dazwischen, 
welche zu den schönsten poetischen Blüten jener Zeit 
m Osterreich gehören. 

Den Einfluss Schillers auf den Dichter können 
Gedichte wie »An Marianne« nicht verläugnen. Als 
Beispiel hier die erste Strophe: 

Holde Schöpferin geheimer Triebe, 
Die mich mit den Fesseln heißer Liebe 

Schnell an ihren Siegeswagen band. 
Gute, traute, sanfte Marianne, 
Heil mir, dass auf meinem Lebenskahne 

Ich im Ocean der Welt dich fand. 

2* 



20 



Aber auch manches ernste gedankenreiche Gedicht, 
manche von einem schönen Patriotismus, von Begei- 
sterung für Kaiser und Vaterland zeugende Strophe 
treten dem Leser neben kleinen scherzhaften Liedchen 
entgegen. Der Dichter wollte später eine Sammlung 
von Gedichten herausgeben, die in den vor 1820 er- 
schienenen Ausgaben nicht enthalten waren, aber der 
Schrecken aller damahgen Poeten und Schriftsteller, 
die Censur, gab die Druckerlaubnis selbst diesem durch 
seine glänzende Loyalität hervorragenden Dichter nicht. 
Einige dieser in Distichen abgefassten kurzen Gedichte, 
welche die Censurbehörde auf diese Weise von der 
Öffentlichkeit ausschloss, mögen noch folgen. 

Der Zeitgeist 

Wie in der Vorzeit regiert noch jetzt das eiserne Fatum, 
Beugt mit gewaltiger Faust mächtiger Sterblichen Trotz, 
Zeitgeist nennt sich sein Sohn und wenn ihm trotzen die 

Herrscher, 
Wanken die Throne, es weicht von den Beherrschten das 

Glück. 

Warnung. 

Völkergebieter, vertraut nicht heuchelnden Schranzen das 

Scepter, 
Nichts ist empörender als Sclaven von Sclaven zu sein. 

Macht der Liehe, 

Völkergebieter, vertraut nicht Bajonetten die Throne, 
Fest bestehen sie nur, treu von der Liebe bewacht. 

Einen Beitrag zur Geschichte unserer Censur bietet 
es, dass solche Gedanken in edler poetischer Form 
ausgedrückt vor der Veröffentlichung ängstlich gehütet 
wurden. Diese und ähnliche Stücke aus Kalchbergs 
Nachlasse sind wirklich erst etwa fünfzig Jahre nach 
des Dichters Tode gedruckt worden. 



21 



Es war jedoch nicht so sehr das lyrische Gebiet, 
auf welchem der Dichter Kalchberg hauptsächlich dich- 
terisch thätig war, sondern vorwiegend das dramatische. 
Eine Reihe von Dramen liegt vor, welche zum großen 
Theile auch die Feuerprobe der Darstellung durchge- 
macht, haben und in denen der Dichter zumeist ge- 
schichtliche Persönlichkeiten in den Vordergrund der 
Handlung treten lässt. Besonderes Interesse unter diesen 
dramatischen Stücken verdienen insbesondere »Die 
Tempelherren« (1788), »Die deutschen Ritter in Accon« 
(1796) und »Die Ritterempörüng« (1792), welch' letztere 
der Dichter später nicht eben zum Vortheile der dra- 
matischen Wirksamkeit in Versen umgearbeitet hat. 
In den »Tempelherren« war Lessing des Dichters Vor- 
bild, wie auch aus Kalchbergs eigenen Worten in einer 
Anzeige »An die Freunde meiner Muse« (1816) hervor- 
geht, welche Worte lauten: »Nathan der Weise und 
der Mönch von Carmel giengen als Vorbilder meinen 
Tempelherren voraus in dieser Gattung dramatischer 
Dichtung, die nun so viele Meisterstücke besitzt.« Die 
Fabel der »Tempelherren« bildet das Geschick des 
Großmeisters Jakob von Molay. Beide dieser Dramen 
durchweht ein wahrhaft classischer Geist und sie blei- 
ben jedenfalls die bemerkenswertesten dramatischen 
deutschösterreichischen Dichtungen jener Zeit. Mehrere 
Stücke aus der Geschichte der engeren Heimat Kalchbergs 
so »Die Grafen von Cilli« (1791 und 1793) sowie das 
Jugenddrama »Agnes Gräfin von Habsburg« (1786) 
weisen manche poetische Schönheit auf, doch ist das 
letzterwähnte Stück minder bedeutsam, »Die Grafen 
von Cilli« sind wieder durch die scharfe Charakteriesirung 
einzelner Gestalten von Wert. Auch die oben genannte 
»Ritterempörung« (Andreas Baumkircher) nimmt eine 



22 

Episode aus der Geschichte Steiermarks üum Vorwurfe 
und bleibt wohl das Wirksamste, was Kalchberg auf 
dem Gebiete des Drama's geschaffen, zudem Baum- 
kircher als ein ritterlicher Held erscheint, den heute 
noch das Publicum mit Begeisterung auf die Bühne 
treten sieht, denn Kalchbergs »Baumkircher« wird in 
Steiermark noch bis auf unsere Tage von Zeit zu Zeit 
zur Darstellung gebracht, ein Umstand, welcher die 
Lebensfähigkeit dieser Dichtung gewiss aufs Beste er- 
weist. 

Schon aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass 
sich Kalchberg mit dem Studium der Geschichte und 
besonders der Geschichte seiner Heimat eingehend be- 
fasst hat, er war auch der erste, welcher in seinen »histo- 
rischen Skizzen« (i8oo) Erzählungen zumeist aus 
der Heimatsgeschichte in einer Form vor das Publicum 
brachte, die allgemein ansprach, er war es, der die 
Geschichte des Vaterlandes damit in weiteren und 
weitesten Kreisen bekannt machte und zur Kenntnis 
derselben daher so unendlich viel beitrug. Mit den 
geistigen Größen unserer deutschen Literatur trat der 
Dichter vielfach in Verbindung. »Ich hoffe« schrieb 
er am 12. Januar 1793 an Schiller »dass Ihr Edelmuth 
mir diesen kühnen Schritt (an Schiller zu schreiben) 
vergeben wird, zu dem mich nur allein die hohe Ach- 
tung und Bewunderung Ihrer erhabenen Verdienste 
verleitete, von der nicht ich allein, sondern Tausende 
meiner Landsleute erfüllet sind : obschon in diesen Ge- 
filden das heilige Licht der Weisheit nur noch mit 
blässen Strahlen flimmert.« Dem Briefe, welchem diese 
Stelle entnommen ist, lag eiii Manuscript für die von 
Schiller redigierte »Neue Thalia« bei: »Eine Scene aus 
deiii Leben Kaiser Heinrich's IV. « welche in der 



23 

That in der erwähnten Zeitschrift (IV. i.) von Schiller 
zum Abdruck gebracht wurde. Schon frühzeitig wurde 
dem steiermärkischen Dichter die Ehre zu theil, dass 
ihn, »dessen Eifer für die Ehre unseres Vaterlandes den 
würdigsten Beifall der Kenner und den Ruhm eines 
edelmüthigen und geschickten Beförderers der deutschen 
Literatur ihm längst erworben hat«, die herzoglich 
deutsche Gesellschaft in Jena zu ihrem vornehmen Mit- 
gliede ernannte. Kalchberg stand im Verkehre mit 
den Hauptstätten des literarischen Lebens in Deutsch- 
land, bis ihn seine amtliche Thätigkeit von der Dichtling 
rrfehr abgezogen hatte. Er veröffentlichte zuletzt fast 
nur historische Abhandlungen. Zum Schlüsse folge 
noch der Anfang eines Gedichtes, das der steiermärkische 
Dichter an Goethe gerichtet hat und das bisher nir- 
gends abgedruckt wurde. 

An Herrn geheimen Rath von Goethe, 

Stolz der Deutschen, dem die Hippokrene 
Von Achaias Lorbeerhöhen quillt, 
Stets Natur, wie keinem ihrer Söhne, 
Neuer Reize Heiligt hum enthüllt. 

Sieh, es bringt ein Freund aus fernem Lande, 
Dem dein Lied oft Seelenlabung war. 
Von der Mur noch schwach erhelltem Strande 
Dir dies Merkmal der Verehrung dar. 

Über die Lebensumstände der zeitgenössischen Poe- 
ten Steiermarks aus jener Periode, in der Kalchbergs 
Poesie die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, ist wenig 
bekannt geworden, selbst manche Namen derselben 
sind nur aus den »Früchten vaterländischer Musen« 
und aus einigen in späteren Zeitschriften abgedruckten 
Gedichten in weitere Kreise gedrungen, so Xav, Adolf 



24 

V» Unruhe, ein sinniger Dichter (1770 geboren), welcher 
mit Kalchberg befreundet gewesen wie die meisten 
Mitarbeiter des angeführten steirischen Almanachs. Er 
scheint frühzeitig gestorben zu sein* Einem witzreichen 
Poeten Josef Eustach König begegnen wir außer .in 
den »Früchten« auch im »Wiener Musenalmanach«; er 
war 1758 zu Graz geboren, Advocat in seiner Vater- 
stadt und starb 1795. König besaß die größte Privat- 
bibliothek daselbst und zeichnete sich als Dichter durch 
feinen Humor in seinen zugespitzten Epigrammen aus. 
Leider sind viele, wohl auch größere Gedichte dieses 
geistvollen Mannes niemals der Öffentlichkeit übergeben 
worden und Niemand weiß, ob und wo deren Hand- 
schriften sich erhalten haben. 

Ein Dichter Sigismund Theodor Grafv. Auersperg 
(1757 — 1803) war ein Schüler des »Barden« Denis in 
der Theresianischen Academie zu Wien, an welchen 
gefeierten Lehrer auch ein Gedicht Auerspergs in den 
»Früchten v. M.« gerichtet erscheint. Doch wurden 
nur einzelne Poesien des in den besten Jahren verstor- 
benen Grafen bekannt, der etwa hundert Jahre früher 
in Graz weilte, als der weitberühmte Dichtergraf Ana- 
stasius Grün. 

An Kraft des poetischen Ausdrucks überragt der 
geborene Steiermärker Franz Schräm^ von dem ver- 
schiedene Gedichte in den »Früchten v. M « und in 
Zeitschriften bis in das zweite Decennium des 19. Jahr- 
hundertes erhalten sind, viele der gleichzeitigen Dichter 
Innerösterreichs. Schräm starb im Jahre 1834, achtzig 
Jahre alt. Er pflegte die Ode, das leichtere Liebeslied, 
und bot auch manches humoristische Stück. Eine 
Sammlung der Gedichte Schrams ist in Wien erschienen. 



25 

ich konnte aber trotz eifrigsten Nachforschens nie ein 
Exemplar derselben erhalten.*) 

So manche, besonders spätere Poesieen Schrams, 
zeugen von trüber beinahe verbitterter Lebensanschau- 
ung, schlägt er doch schon in dem Gedichte »An das 
Schicksal« (Früchte v. M. I. Bd.) jenen elegischen Ton an: 

Auch ich dein Sclave, strenge Gebieterin! 
Soll nimmer mir die Fahne der Freiheit nahn ? 
Und soll und muss ich ewig deine 
Ketten an blutigen Fersen schleppen? 

Im Jahre 1785 schon begegnen wir im Wiener 
Musenalmanache kleinen poetischen Erzählungen von 
/. /. Scheiger^ wie aus diesen Stücken und den später 
in dem steirischen Almanach veröffentlichten Fabeln und 
anderen Dichtungen hervorgeht, einem geschickten 
Nachahmer Gellerts, Pfeffels und anderer guter Fabel- 
dichter jener Zeit. Weniger beachtenswerth erscheinen 
die vereinzelten übrigen lyrischen Poesien dieses 
Steiermärkers, dessen Lebensumstände ebenfalls in 
Dunkel gehüllt sind. 

Der in Graz 1763 geborene Wenzel Haan verließ 
seine Heimat bald und wurde Professor in Lemberg, 
später in Krakau, wo er (etwa zwischen 1806 und 1810) 
starb. Er hat schon 1782 und 1783 zwei Bändchen 
»Versuche in der Dichtkunst« veröffentlicht und in 
einer größeren Dichtung »Xenokrat« (1787). Wielands 



*) In meinen Händen befindet sich ein in Kupfer ge- 
stochenes Titelblatt mit einer von Blaschke gestochenen 
Vignette, welches lautet: Gedichte von Franz Schräm; Zwei- 
ter Theil. Wien und Leipzig. 1797. Wo mag ein Exemplar 
dieser Gedichte, von denen also 2 Theile erschienen sind, 
zu finden sein? In Grazer Bibliotheken und in der Wiener 
Hofbibliothek existirt keins. 



26 



Einfluss auf seine Dichtweise nachgewiesen. Allerdings 
sind wohl beinahe alle Gedichte Haans außerhalb seiner 
Heimat entstanden. Hier ist derselben aber dennoch 
zu erwähnen, da sie ein ganz besonderes Talent des 
in Steiermark geborenen Dichters verrathen. Geläufig- 
keit im Ausdruck und Gewandtheit in der Darstellungs- 
weise heben diese Lieder über viele der gleichzeitigen 
Poesien empor. 

Auch Josef Edler von Högen gehört nur seiner 
Geburt nach (er wurde 1767 in Graz geboren) und 
wegen seiner daselbst erhaltenen Ausbildung der Steier- 
mark an. Schon während der rechtswissenschaftlichen 
Studien verließ er das Land und starb wahrscheinlich 
in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts als Land- 
rechtsralh zu Linz. Högens Gedichte erschienen separat 
1793 in 2 Bändchen zu Graz. Ernste Gedanken in 
poetischer Form, leichte ja selbst lockere Lieder wechseln 
hier miteinander ab, in letzteren hat sich Högen mit- 
unter den einst allbeliebten Blumauer zum Vorbild er- 
koren, wie dies ja sogar die Bezeichnung: »nach 
Blumauer« bei dem Gedichte »An den Schnee« ganz 
ausdrücklich nachweist. Auch hübsche Naturbilder 
weiß der Dichter in Versen zu entwerfen. 

Seiner ernsten Klänge und des großen edlen 
Schlusspoems wegen, das »Über die Regierungsformen« 
betitelt ist und bedeutende Gedanken so wie reiches 
historisches Wissen des begabten Dichters verräth, kann 
man demselben manchen derben Scherz und manches 
allzu gewagte Liebeslied, womit er freilich dem Zeit- 
geschmacke zu entsprechen glaubte, verzeihen. 

Zum Schlüsse sei bei dieser Dichtergruppe eines 
Mannes gedacht, der wie sein Bruder, der ebenfalls lite- 
rarisch thätige Cajetan Franz von Lettner^ Beachtung 



27 

verdient. Es ist dies Alois Vinzenz v. Lettner, welcher 
ebenfalls unter den Steiermärkem jener Zeit eine lite- 
rarische Bedeutung erlangt hat, wenn auch nicht eine 
so hohe wie sein Neffe Carl Gottfried R. v. Leitner, 
der hervorragende Lieder- und Balladensänger unseres 
Jahrhunderts. Alois v, Leittier, 1767 geboren, starb 181 8 
zu Graz. Er hat neben verschiedenen Aufsätzen in 
dem literarisch-belletristischen »Sonnabends- Anhang zur 
Gräzer Zeitung,« welcher 1796 zu erscheinen begann 
und von dem oben erwähnten Cajetan v. Leitner, 
(f 1805) dem Vater Carl Gottfrieds redigiert wurde, 
manches beachtenswerte Gedicht, sowohl in den 
»Früchten v. M.« als auch anderwärts veröffentlicht, 
darin die Natur und die Liebe besungen, sich in 
Epigrammen versucht und auch hier und da warme 
und schöne patriotische Klänge angeschlagen, wie 
etwa in den Versen, welche er zur Vermählung Maria 
Louisens mit Napoleon L in einer 1810 zu Graz er- 
schienenen Sammlung abdrucken Hess. 

So naht denn auch für das geistige und poetische 
Leben der dem deutschen Norden fem gelegenen Steier- 
mark eine neue bessere Zeit mit dem Beginne des 
19. Jahrhundertes und geebnet erscheinen die Bahnen 
durch jene Männer, über deren Wirken auf dem Ge- 
biete der Dichtung oben Erwähnung geschehen ist. 
Die Thätigkeit Einzelner derselben erstreckt sich noch 
bis in die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhundertes, 
in der Hauptsache fallt dieselbe aber in das letzte 
Drittel des 18. Jahrhundertes, in welchem jene bahn- 
brechende Geister geworden sind oder doch wenigstens 
nach bestem Können und Wissen den Sinn für Schönes 
und Edles geweckt haben. Mit Recht konnte daher 
Kalchberg 1 816 in der Grazer Zeitschrift: »Der Auf- 



28 



merksame« die Worte veröfFentlichen : »Indessen ver- 
wandelte sich die Morgenröthe der GeistescuJtur, der 
ich als Jüngling mit Begeisterung opferte, in einen herr- 
lichen Frühlingsmorgen. Die Musentempel vermehrten 
sich mit der Zahl ihrer Priester und Verehrer. Der 
deutsche Genius erzeugte imsterbliche Werke der Kirnst 
und des Geschmackes; des Vaterlandes späterer Sohn 
genießt nun schwelgend in Fülle, was uns Altem so 
karg zugemessen war und wir nur in schwerem Kampfe 
mit Hindernissen jeder Art erringen konnten. Nahend 
dem Herbste des Lebens sah ich mit Wonne diese 
schöne Verwandlung, dieses Fortschreiten des Geistes 
in allen Kenntnissen und Wissenschaften.« 

Kaum ein dutzend Jahre, nachdem der steiermär- 
kische gemüthvolle Poet diese schönen Worte seinen 
Heimatsgenossen zugerufen, hatte man auch ihn einge- 
senkt in die kühle Erde an der Stelle bei der Leechkirche 
in Graz, die er sich als Grabstätte erbeten. 



^ 



IL CAPITEL. 



In das neue Jahrhundert. Joseph Freiherr von 
Hammer-PurgstalL Julius Schneller. Carl 

Schröckinger. 

Zur Besprechung des neuen Jahrhundertes erscheint 
es nothwendig, nochmals zurückzugreifen in das alte, 
um die Verbindungsglieder zu finden. Im »Neuen 
teutschen Merkur« Wielands ^ November 1796. 1 1. Stück, 
erschien ein Gedicht, dem Hofrathe v. Jenisch, dem Vor- 
steher der k. Academie der morgenländischen Sprachen 
in Wien, gewidmet, überschrieben »An die Freunde der 
Literatur,« es war in schwungvollen antiken Strophen 
abgefasst, der Dichter hieß Josef Hammer und war 
damals 22 Jahre alt. Das Gedicht beginnt: 

Ha, wie es blühet, wie es in herrlichem 
VoUendungsglanze neuer Entdeckungen 
Empor und stets empor sich hebt, das 
Reich der erhellenden Wissenschaften. 

Ein Götterfunke strebender Thätigkeit 
Und ein Gemeingeist hat mit elektrischem 
Erschütt'rungsstoße seine Bürger 
Bis zu dem Letzten entflammt mit Muthe. 

In dieser begeisterten Weise setzt der Poet seine 
Strophen fort, Deutschland auffordernd »mit kühner 
Faust das Sonnenthor des Ostens« zu zersprengen imd 
gold'ne Beute zu erobern, er preist den Mann, an den 
die Verse gerichtet sind und der »die verschlossenen 
geheimen Quellen östlicher Kenntnisse den Durstigen 



30 

entsiegelte.« Josef Hammer starb, wie ganz Deutsch- 
land weiß im Jahre 1856 als Josef Freiherr von 
Hamtner-Purgstall und als einer der berühmtesten 
Orientalisten jener Zeit, ein Bahnbrecher für die For- 
schungen auf dem Gebiete morgenländischer Sprache 
und Dichtung. Hammer- Purgst all war 1774 zu Graz 
geboren, er verbrachte in der Folge die Zeit seiner 
Müsse häufig auf dem später ihm gehörigen Schlosse 
Hainfeld in Steiermark, aber er ist nicht nur als Forscher 
imd Übersetzer weltberühmt geworden, sondern er hat 
auch das Feld der Poesie gepflegt in seiner Jugend wie 
in späteren Tagen und dieser berühmte Mann sei es, 
auf dessen dichterisches Wirken, welches so vielfach 
gerade auch das schöne Heimatland verherrlichte, hier 
zunächst ein Blick zu werfen ist. In Hammer-Purgstall 
vereinigte sich der Dichter und der Gelehrte in harmo- 
nischer, sich ergänzender Weise, wenn auch der letztere 
den ersteren in der Folge weit überflügelte. Als er, 
beinahe noch ein Jüngling, mit Wieland in Verbindung 
getreten war, hatte dieser rasch die poetische Be- 
gabung so wie den Forschungseifer des für den Orient 
so begeisterten Jünglings erkannt und schon im 6. Stück 
des »Merkur« vom Juni 1797 war auch eine Probe ge- 
lehrter Arbeit Hammers, die »Orientalischen Sagen« 
erschienen. Von den Gedichten, die Hammer seitdem 
zu veröfl^entlichen begann, weisen viele auf die Be- 
deutung der morgenländischen Dichtung und Forschung 
hin, welche ja Hammer fest zu begründen berufen sein 
sollte. So preist der junge Poet »Asia« (»Merkur« 1797 
December) in einer Ode, von welcher Wieland selbst die 
Bemerkung macht, dass sie »viel Enthusiasmus für orien- 
talische Dichtkunst und teutschen Ruhm« athmet. In die- 
ser Ode ruft der Dichter dem östlichen Erdtheile zu: 



31 

Du bist die Heimat, göttliche AsiaJ 
Du unser wahres Vaterland, Asia! 
Erzeugerin der ganzen Thierwelt, 
Sämmtlicher Menschengeschlechter Mutter! 

Willkommen denn, du theuerer Erdetheil, 
Mit allen tausendfältigen Reizungen 
Der Schönheit, Jugend und der ew'gen 
Zärtlichkeit wonniglich ausgestattet. 

Aber nicht minder ist es das schöne heimische 
Land, welchem Hammer die begeisterten Verse gewidmet 
hat. In der Ode: »Die Steiermark« schildert er in 
prächtigen Strophen die Schönheiten dieses Landes: 
»Stürz hinab mein Gesang« ruft er Eingangs: 

Stürz hinab mein Gesang wie der erbrausende 
Waldstrom schäumend sich stürzt über den Felsenhang, 
Donnernd dass die Gebirge 
Ringsum murren vom Wiederhall! 

Bist nicht du mein Gesang, Land der Vortrefflichkeit ! 
Land der Fülle, der Kraft! Herrliche Steiermark! 
Land des Glückes, des Segens! 
Du mein herzliches Vaterland! 

In gewaltigem Tone fährt der Sänger fort, ein- 
zelne der schönsten Punkte seines Heimatlandes hervor- 
hebend und auch »der noch schlafenden Keime mensch- 
licher Geisteskraft« in demselben gedenkend. Ähnliche 
Verse ruft der Dichter der Riegersburg (1806) zu, 
welche er öfter besuchte und deren Eigenthümer, der 
mit den hervorragendsten Männern der deutschen Li- 
teratur in Verbindung stehende Graf von Purgstall, den 
jungen poesievollen Gelehrten gerne bei sich aufnahm. 
Der Name Purgstalls sollte später mit demjenigen 
Hammers in der ehrenvollsten Weise für immer ver- 
einigt bleiben. 



32 

Die Natur ist es insbesonders, welche den Dichter 
immer wieder anregt, ihre Schönheiten im Liede zu 
verherrlichen, schon 1797 besingt er das lieblich ge- 
legene Weidling bei Klosterneuburg: 

Pomonens, Libers Stolz! du Neid der Flur 
Elysiums und seiner Götterhaine! 
Verklärter Schönheitstempel der Natur, 
Vergoldet von der Anmuth Sonnenscheine! 

O Weidling! wo ich fem von Städtertross, 
Und reicher als mit Jasons goldnem Vließe, 
Des Lebens schönsten Blütenmond genoss, 
Und, wohl mir Glücklichem, noch jetzt genieße. 

Man erinnert sich daran, dass Hammer-Purgstall 
37 Jahre vor seinem Tode sich jenen mit orientalischen 
Inschriften versehenen Grabstein herstellen imd auf dem 
Friedhofe in Weidling aufstellen ließ, wo schon eine 
theure Jugendfreundin ruhte, wo aber auch später neben 
dieser Grabstätte der ihm ebenfalls befreundete Nikolaus 
Lenau beerdigt wurde. Dort ruht der berühmte Orient- 
forscher und Dichter neben dem liedergewaltigen ele- 
gischen Sänger seit dem Jahre 1856. 

Was die poetische Thätigkeit Hammers weiter be- 
trifft, so hat er eine Reihe von Gedichten in Sartori's 
»Malerischem Taschenbuche,« in Hormayr's »Archiv«, im 
»Aufmerksamen« und an anderen Orten veröffentlicht. 

Oft ist es eine Sage, welche der Sänger im Ge- 
wände des Liedes erzählt, wie etwa die Sagen vom 
»Jungfernsprung« bei Graz, »vom schwarzen Kreuz bei 
Weidling«, von »Klosterneuburgs Stiftung« vom »Lean- 
der von der Traun«, von der »Mazzocha in Mähren« 
oder er schildert die Schönheiten Admonts und seiner 
Umgebung, den gewaltigen Wasserfall von Golling, 
die Empfindungen bei dem Besuche des alten Stiftes 



34 

zu Klosterneuburg und andere durch ihre Lage und 
Landschaftsreize ausgezeichnete Gegenden. Ein län- 
geres Gedicht von 1799 besingt »Wiens Gärten und 
Umgebungen« in schöngeformten Hexametern. Hammer- 
Purgstalls eigene Gedichte sind übrigens nie gesammelt 
erschienen. Es ist an dieser Stelle nicht auf die Be- 
deutung Hammers als Orientforscher einzugehen, wie- 
wohl seine Übersetzungen des Divans von Hafis, 
Baki's und anderer orientalischer Dichter, selbst die 
Übertragungen der Sonette Spencers neben dem poeti- 
schen Wert von der Übertragungskunst Hammers be- 
redtes Zeugnis ablegen. Der außerordentlichen geistigen 
Thätigkeit Hammer-Purgstalls hat zuletzt Ottokar von 
Schlechta -Wschehrd in der »Allgemeinen Deutschen 
Biographie« X. Band, 1879, gedacht und überhaupt in 
dem bezüglichen Artikel die Persönlichkeit und die 
Bedeutung des Dichters und Orientalisten in schöner 
pietätvoller Weise geschildert. 

Eines großen Prosa- Werkes aber muss hier noch 
gedacht werden, das Hammer-Purgstall zum Verfasser 
hat. Es ist dies der historische Roman: »Die Gallerin auf 
der Riegersburg«, welcher im Jahre 1845 in 3 Bänden, 
(ohne Angabe des Verfassers) erschienen ist. Hammer 
hat darin ein großes Zeitgemälde aus Steiermark ent- 
worfen, das allerdings von der Art der heutigen histo- 
rischen Romane sehr weit abweicht imd mit Ur- 
kunden, Actenstücken u. dgl. belegt erscheint. Die 
Riegersburg ist es hier auch wieder, welche der Dichter 
und Gelehrte sich zum Vorwurfe seines Stoffes ge- 
wählt und die »Gallerin«, die Vollenderin dieses 
großartigen Baues als Festung wider die Türken im 
17. Jahrhunderte, bildet die Hauptperson, welche in den 
Vordergrund des Interesses tritt. Von der historischen 



35 

Wahrheit ist der Verfasser übrigens hier nirgends abge- 
wichen, insbesondere schildert er darin auch einen der 
merkwürdigsten Hexenprocesse jener Gegend, in welcher 
die Handlung vor sich geht, ist es doch das Gebiet 
um die Riegersburg, in dem, wie noch viele er- 
haltene Processacten nachwiesen, der traurige Hexen- 
wahn so zahlreiche Opfer forderte. 

Hammer-Purgstall hat auch die nähere Kenntnis 
eines hoch begabten jungen Dichters vermittelt, der leider 
in den herrlichsten Jugendjahren dahinschied, nämlich 
des Grafen Wenzel Gottfried Raphael von PurgstalL 
Es war dies der 1798 geborene Sohn jenes Grafen 
Wenzel Johann Gottfried von Purgstall, dessen oben 
Erwähnung geschah und welcher mit Hammer im freund- 
schaftlichen Verkehre stand. Des geistig hochstehenden 
Vaters ebenfalls mit geistigen, insbesondere dichterischen 
Anlagen ausgestatteter Sohn hatte das Gebiet der Poesie 
schon frühzeitig gepflegt. Kaum 20 Jahre alt, im 
Jahre 181 7 starb der so vielversprechende junge Edel- 
mann. Ihm wie seinem vortrefflichen Vater hat 1821 
Joseph von Hammer ein Denkmal in dem nur für 
Freunde herausgegebenen Buche »Denkmal auf das 
Grab der beiden letzten Grafen von Purgstall« gesetzt, 
welches auch die bis dahin theils gedruckten, theils 
noch ungedruckten Dichtungen des dahingeschiedenen 
Jünglings enthält. Man ersieht daraus ein zwar noch 
in der Ausbildung begriffenes, aber ganz bedeutendes 
poetisches Talent, das sich wohl schön entfaltet haben 
würde, wenn nicht der Tod den aufstrebenden jungen 
Mann plötzlich seinem Schaffen und Wirken entrissen 
hätte. Die zurückgelassenen Gedichte weisen den 
Einfluss Schillers in manchen Strophen nach, es wechseln 
in demselben heitere Klänge mit patriotischem Sänge 

3* 



36 

ab, auch einige Sagen der Heimat hat der Dichter 
in poetischer Form gestaltet. Dass der jugendliche Poet 
auch ernste und sinnige Lebensanschauung in Verse 
gefasst hat, möge das nachfolgende Gedicht zeigen. 

Das Leben. 

Die Stunden des Lebens, sie fließen vorbei, 
Bald bringen sie Schmerzen, bald Freude; 
Vergangen sind sie doch einerlei. 
Leer hinterlassen uns Beide, 
Wenn nicht des Gemüthes strebende Kraft 
Mit dem Höchsten ringet nach Einung, 
Eine höhere Welt auf der Erd' uns schafft 
Und verherrlicht die todte Erscheinung. 

An dem Lyceum der Stadt Graz, in welches die 
frühere Universität umgewandelt war, wirkte von 1806 
an der Historiker yw/zw5 Schneller ^ der im Jahre 1777 zu 
Straßburg geboren war. Schneller erschien nicht bloß 
als eine ausgezeichnete Lehrkraft und als philosophisch 
angelegter trefflicher Geschichtsschreiber, sondern auch 
als ein Mann von glänzender allgemeiner Bildung, 
welcher in der Landeshauptstadt der Steiermark die 
hervorragendsten Geister um sich versammelte und in 
dem Mittelpunkte des geistigen und geselligen Lebens 
daselbst stand. Von seinen Zuhörern und Schülern 
wurde Schneller außerordentlich hoch gehalten, unter 
den Namen derselben finden wir diejenigen von zwei 
hier noch zu besprechenden Persönlichkeiten: C. A. 
Schröckinger und Anton Prokesch. Schneller selbst aber 
war ein reich begabtes Talent, feinsinnig behandelte er 
seine Wissenschaft, die Geschichte, ft-eisinnig aber auch 
Musik und Poesie und während seines Aufenthaltes in 
Steiermark hatte er eine Zahl schöner Dichtungen ver- 
fasst, welche ihm eine hervorragende Stelle unter den 
gleichzeitig im Lande wirkenden Poeten einräumen. 



37 

Als vom Jahre 1810 an der begabte Bruder Napoleons, 
Ludwig ßonaparte^ der einstige König von Holland, 
unter dem Namen eines Grafen von St. Leu in der 
Stadt weilte, woselbst er auch einen zweibändigen 
Roman: 1 Marie ou les peines de l'amour«, welcher 
m Jahre 181 2 erschien, verfasst hatte, machte Schneller 
in dem Hause des einstigen Königs diesen mit der 
deutschen Sprache und Literatur bekannt. Ein feiner 
Zirkel erlesener Geister war damals um den Grafen 
von St. Leu versammelt, und ein schönes, heute noch 
im Original und Übersetzung geläufiges Gedicht des 
letzteren auf Maria Grün bei Graz zeigt, dass auch dem 
Exkönige Sinn und Begabung für Poesie nicht fremd 
geblieben sind. Der bekannte Schriftsteller imd Buch- 
händler Franz GräfFer, damals bei dem Grafen von 
St. Leu als Bibliothekar angestellt, entwirft eine Skizze 
von den geistigen Vorzügen des Fürsten, der einige 
Jahre in Graz zubrachte. Professor Schneller blieb bis 
1823 in der Stadt, widrige Verhältnisse veranlassten 
ihn dieselbe zu verlassen, er erhielt eine Professur zu 
Freiburg ifti Breisgau, wo er im Jahre 1 823 starb. Als 
Gattin führte Schneller Gabriele Prokesch heim, die 
Stiefmutter des später berühmt gewordenen obenge- 
nannten Anton Prokesch, späteren Grafen von Prokesch- 
Osten, dessen glänzende Begabung der Stiefvater schon 
frühzeitig erkannt hatte. Fast alle Dichtungen Schnellers 
— hier kann nur von diesen die Rede sein — wurden 
in Graz veröffentlicht, nachdem schon im Jahre 1804 
sein Trauerspiel »Vitellia« im Wiener Burgtheater mit 
großem Beifall zur Aufführung gelangt war. Unter 
den Dichtungen Schnellers erscheint der zuerst im 
1 Aufmerksamen« von 1821 veröffentlichte Sonetten- 
cyclus: »Weiblichkeit«, welchen der Dichter seiner ge- 



38 

liebten Gattin und seiner einzigen Tochter gewidmet 
hatte, als eine sinnige poetische Verherrlichung des 
Weibes als Jungfrau und Frau in wohlgeformten Versen, 
welche in jeder Strophe das tiefangelegte Dichtergemüth 
erkennen lassen. Diese Verherrlichung in der erwähnten 
zierlichen Strophenart durchgeführt, lässt uns manchen 
tiefen Blick thun in das weibliche Seelenleben, dessen 
Wandlung von dem ersten Sinnen und Walten der 
Jungfrau, bis zum Freudengefühle inniger Mutterliebe, 
welche die Gattin des Geliebten dem Kinde entgegen- 
bringt, in diesen Versen dargestellt erscheint. 

Das Gedicht beginnt mit dem »Selbstbekenntnisse 
der Jungfrau«, die als Sinnbild der Reinheit uns ent- 
gegentritt, der Leser folgt der Siebzehnjährigen bei 
ihrem Eintritt in die Welt und lernt bald die Wandlung 
des Herzens kennen, in das die Liebe eingezogen ist: 

In Lieb' und Lust will mir die Welt vergehen, 
Ich fühle mich erröthen und erblassen, 
Da treulich seine Arme mich umfassen. 
Und seine Augen in die meinen sehen. 

Und nachdem die Jungfrau dem Geliebten die 
Hand gereicht, macht sie in stiller Stunde sich selbst 
das Bekenntnis: 

Was hör ich leis die stille Seele sagen? — 
Du bist bestimmt zu dulden und zu tragen! 
Da dunkelt es in mir, es schwand mein Frieden, 
Des Lebens Lust war welkend hingeschieden. 
Zu klein erblickt ich mich und musste klagen. 
Doch als in Ihm das Licht mir angeglommen, 
Verschwebt die Nacht, erblüht ein neues Leben, 
Und stolz hab' ich den stolzen Ruf vernommen: 
Des Mannes unbestimmt und friedlich Streben 
Sollst liebend du in enge Kreise binden. 
Der Welt entflohn — wird Er in dir sie finden. 



39 

In zarten Strophen ist die bald folgende Ahnung 

der Mutterfreude entworfen und da die Glückliche zum 

erstenmale ihr Kind an die Brust drückt, ruft sie aus : 

In dir nur lebend will ich mich erfreuen ; 
Dein Dasein kann mir ja zur Lust genügen, 
Dein Lächeln lässt mich keine Mühe scheuen; 
In dir erblüht mir himmlisches Vergnügen. 

In solcher Weise erscheint der ganze stille Lebens- 
lauf des edlen Weibes poetisch durchgeführt bis zu 
dem Momente, in welchem dieses als Mutter der Braut 
des Sohnes den Segen ertheilt. Böttiger, ein kritischer 
Beurtheiler dieses Gedichtes, nennt es eine Art Haus- 
und Votiv-Tafel, welche er auf den Lesetischen aller 
unserer Jungfrauen, Gattinnen und Mütter liegen zu 
sehen wünschte, einen »auf dem heiligen Boden der 
Häuslichkeit erblühten Sonettenkranz.« In der That 
ist die tiefe Poesie darin von einer für das weibliche 
Gemüth geradezu erhebenden Wirkung. Unter den 
kleineren Gedichten Schnellers sind es insbesondere 
die »Grabschriften und Distichen« (Xenien), welche durch 
manchen tiefsinnigen Gedanken die Aufmerksamkeit 
des denkenden Lesers verdienen, so ruft er in einem 
Distichon Kant zu: 

Scharf bestimmtest du, Forscher, dem menschlichen Geiste 

die Gränzmark, 
Wo der Verstand sich versteigt, rufst du mit Weisheit: 

Zurück ! 

und preist Schiller: 

Dreifach sei du bekränzt mit Lorbeer, Myrthe und Eichblatt. 
Freiheit, Liebe und Ruhm sang dein unsterblich Gedicht. 

oder zeichnet mit Worten Ha3^dn's Tonschöpfung: 

Schöpfers Stimme erklang: es werde Licht! und es ward 

Licht. 
Tausendstimmig erschoUs also in deinem Accord. 



40 

Also hat Schneller auf poetischem Gebiete Edles 
und Schönes geschaffen ; aber nicht allein durch eigenes 
Schaffen ist er bedeutend geworden, unter seiner An- 
leitung hat sich manches Talent entwickelt, das mit 
und neben ihm wirkte und nicht minder eine ehren- 
volle Stelle in der Geschichte der deutschen Dichtung 
verdient. Schneller verstand es in geistvoller geschickter 
Weise den Begabten anzuregen und sein scharfer Blick 
erschaute schon im Keime das Bedeutende. Er war 
es auch, welcher auf Marie Koschak und deren gei- 
stige und musikalische Ausbildung Einfiuss nahm imd 
die Aufmerksamkeit Beethovens auf diese junge Dame 
in Graz lenkte, welche durch ihr virtuoses Spiel den 
großen Meister der Töne in einem Briefe zu den 
Worten veranlasste: »Ich habe noch niemand gefunden, 
der meine Compositionen so gut vorträgt als Sie. — 
Sie sind die wahre Pflegerin meiner Geisteskinder.« 
Marie Koschak aber, welche später den Advokaten 
Karl Pachler heiratete, wurde selbst die Mutter eines 
später in der Steiermark geborenen geistvollen Dichters, 
nämlich Faust Pachters, auf den noch zurückzukom- 
men ist. 

Schneller erhielt im December 1819 durch Anselm 
Hüttenbrenner aus Wien die Nachricht von dem 
Tode Karl Schröckingers, welcher daselbst in dem 
herrlichsten Jugendalter mit 21 Jahren einer tückischen 
Krankheit erlegen war. 

Auch auf Schröckinger, den sein Lehrer Schneller 
so überaus liebte, hatte dieser seinen geistigen hoch 
bedeutenden Einfluss ausgeübt. Eine mehr als ge- 
wöhnliche poetische Begabung trat schon in der früheren 
Jünglingszeit bei dem Schüler zu Tage und selbst die 
kurze dichterische Thätigkeit dieses Jünglings stellt ihn 



41 

den Besten im Lande und Reiche zur Seite, welche 
sich der Dichtung zugewendet. 

Karl Schröckinger war in Graz geboren, kaum 
i8 Jahre alt hatte er mehrere Trauerspiele vollendet, 
welche die Aufmerksamkeit umsomehr auf ihn lenkten, 
als diese Stücke zu derselben Zeit auf der Bühne zu 
Graz — wohl durch Schnellers Vermittlung — zur 
Darstellung gelangten und in dem jugendlichen Dra- 
matiker eine genial angelegte Natiu: erkennen ließen, 
die freilich noch so mancher Klärung bedurfte. Immer- 
hin erregten diese Dramen: >Alix Gräfin von Toulouse,« 
»Gilles, Prinz von Bretagne,« >Der Hirtenknabe« und 
insbesondere die füntactige Schicksals-Tragödie »Der 
Fluch« von 1816 bis 1819 den Beifall des Publikums ; 
sie wiesen eine kräftige, echt dichterische Sprache, eine 
gelungene Zeichnung der Personen, eine fesselnde 
Handlung auf und die kleineren Schwächen, welche 
ihnen hier und da anhafteten, konnten daher wohl über- 
sehen werden. Um dieselbe Zeit erschienen zunächst 
wieder in dem steiermärkischen literarischen Blatte 
»Der Aufmerksame«, doch auch in Wiener Blättern, 
Taschenbüchern etc. Gedichte Schröckingers, welche 
dem Grazer Blatte zur wahren Zierde gereichten und 
in Wien hohe Beachtung fanden, den Namen des jungen 
Poeten daher rasch nicht nur in seinem Heimatslande, 
sondern darüber hinaus bestens bekannt machten. Nach 
dem leider so rasch erfolgten Tode des Dichters war 
es wieder Schneller, welcher die Einleitung traf, dass 
diesem ein Denkmal in seiner Vaterstadt gesetzt werde; 
dasselbe wurde an der alten Leechkirche aufgerichtet, 
nahe der Stelle, an welcher J. R. v. Kalchberg später 
begraben wiurde. Schröckingers irdische Überreste 
selbst sind auf dem Friedhofe zu Währing beigesetzt. 



42 

»Wir haben ihn gekannt, geschätzt, geliebt,« sprach 
Schneller bei einer in Graz veranstalteten Todtenfeier. 
»Seine Dichtergaben erfreuten uns. Die Knospe ver- 
sprach Frucht. Das höchste Ziel seines Lebens war, 
unter den Sängern Steiermarks und Deutschlands zu 
stehen.« Der Tod hat dem Hochstrebenden leider die 
weitere Poetenbahn verschlossen. Aber noch immer 
bietet sein Nachlass, der sich gesammelt zuletzt hand- 
schriftlich in den Händen C. G. R. v. Leitners befand, 
insbesondere auf lyrischem Gebiete viel des Schönen, 
wenn auch bisher keine gedruckte Sammlung an die 
Öffentlichkeit gelangt ist. Wenn man die vorhandenen 
lyrischen und epischen Dichtungen Schröckingers einer 
Prüfung unterzieht, so muss man die Bemerkung machen, 
dass er auf classischen Bahnen wandelt, dass er den 
großen Vorbildern unserer deutschen Dichtung nachzu- 
kommen strebte. Insbesondere ist es die Ballade und 
epische Erzählung, welche in Schröckinger trotz der 
Jugend des Autors einen der besten Vertreter unter 
den gleichzeitigen Österreichern aufweist. Der Raum 
gestattet hier nur, eine gekürzte Probe der poetischen 
Bearbeitung einer Volkssage zu bieten, .die sich an eine 
»Das Hufeisenkreuz« genannte Kreuzsäule iii der Nähe 
von Leoben knüpft, man ersieht aber daraus die Kraft 
des poetischen Ausdrucks, welche dem Dichter zu Ge- 
bote stand. 

Das Hufeisenkreuz, 

1514. 
Es lauschet die Nacht so finster und grau 

Wie dunkelndes Rabengefieder, 

Die Elfen weben hoch über dem Gau 

Und säuseln in Träumen hernieder. 

Horch! Hohl und hohler bergauf und ab 

Erdonnert 's wie brausender Pferde Getrab, 

Hinab, wo mit himmelküssenden Thürmen 

Die schwarzen Mauern das Kloster schirmen. 



43 



»Hinunter, hinunter, erzhufiges Ross! 
Zermalme die Steine zu Funken! 
Musst heimwärts wieder in's Hochzeitsschloss, 
Eh* die Sichel zu Berg gesunken; 
Denn eh' die rosichte Pforte graut. 
Bereiten muss ich der holden ßraut, 
Damit sie geborgen auf heiliger Schwelle 
Ein Obdach still in der ruhigen Zelle.« 

Und leuchtend erscheinen der Ritter zwei 
Und stehen eisern im Bügel, 
Sie treiben die Renner mit Sporn und Geschrei 
Und peitschen mit schwellendem Zügel. 
»Wohlauf, mein Genosse, bald sind wir dort 
Der Braut zu erflehen den Friedensort, 
Sonst wird sie gezwungen ihr holdes Leben 
Dem feindlich gesinnten hinzugeben.« — 

»Hurrah! Hurrah! frisch drauf und dran, 

Wo 's weiß aus dem Nebel zücket!« 

So grollt er den schnaubenden Streitgaul an, 

Hoch über die Mähne gebücket; 

Da thut das Ross einen jähen Fall 

Und wiehert zusammen mit donnerndem Schall ; 

Der Ritter rasselt mit strebenden Händen 

Tief unter die Hufe und zuckenden Lenden. 

Dem Freund wohl schaudert's im weichen Sinn, 
Doch es treibt ihn das Werk zu vollführen. 
Schaut weinend auf den Zerschmetterten hin 
Und trabt zu den Kirchenthüren, 
Und wie er der Jungfrau die heilige Statt 
Im sicheren Zwinger erbeten hat. 
Da sputet er sich die Braut zu holen. 
Wie ihm der gefallene Freund befohlen. 

Und als sie reiten dem Ort vorbei. 
Wo der Bräutigam schmählich vollendet. 
Mit thränenden Blicken alle zwei 
Sich betend zu Gott gewendet. 



44 

Er steigt vom triefenden Ross herab, 
Und gräbt dem Ritter ein kühles Grab, 
Drauf weist er sie still zu den Klosterzinnen 
Und grüßet sie fromm und sprengt von hinnen. 

Sie aber wohl ziehet den Schleier an 

Und wandelt im schwarzen Gewände, 

Und wo er den tödtlichen Fall gethan, 

Erhöht sie das Kreuz am Strande, 

Und schauet bei Tag und nächtlicher Weil' 

Gar oft hinüber zum Hügel steil, 

Und betet beim Chor für ihn und Altare 

Bis sie lächelnd ihn grüßt' von der Todtenbahre. 

In ähnlicher Weise findet sich manche Romanze, 
Ballade, manche dichterische Bearbeitung eines Mythen- 
stofFes oder einer historischen Begebenheit unter den 
zurückgelassenen Gedichten dieses Sängers, so die 
klangvolle Ballade von dem Helden Szapary und seiner 
edlen Rache an dem gefangenen Türken, welchem der 
Held die Freiheit schenkt, das sinnige Märchen 
»Weibertreue«, die romantische Erzählung von »Des 
Sängers Gaben« oder jene von »Herzog Albrecht«, der 
dem Mörder seines Vaters Verzeihung angedeihen lässt» 
die ergreifenden Gedichte: »Der Ring von Savoyen,« 
»Der Minnesänger und sein Sohn,« »Erminia vor dem 
Frankenlager« u. a. m. Mancher Ausdruck, manche 
Wendung in diesen Dichtungen werden vor dem Rich- 
terstuhl strenger Kritik vielleicht nicht bestehen können, 
aber das Talent des Dichters offenbart sich im Großen 
und Ganzen in jeder Strophe. Dass ihm auch der 
warme lyrische Ton zu Gebote steht, ersehen wir eben- 
falls aus einzelnen Poesien dieser Art, welche tief zu 
Herzen sprechen. Wie sinnig und herzergreifend be- 
singt er »Die Thräne« 



45 

Du süßer Trost im Leben, 
O Thräne sonnenklar, 
Bist uns zum Pfand gegeben. 
Das uns die Huld gebar. 

Blinkst bei dem Mondgeiiimmer, 
Wo Sarggebilde steh'n, 
Und in dem trauten Zimmer 
Beim frohen Wiedersehen. 

Es tritt zu jedem Herzen 
Ein andres gern und nah, 
Wo es den fremden Schmerzen 
Dich leise zittern sah; 

Denn schön im dunkelhellen 
Liegt feucht der reine Thau, 
Wie sich die Kelche schwellen 
Auf morgenheller Au u. s. w. 

Und überall findet der Dichter reichlich seinen 
StoiF, die Natur begeistert ihn zu ihrem Preise, die 
alte Ritterburg zaubert ihm jene Zeit vors Auge, da 
der Ritter für seine Dame focht, der Sänger für sie 
seine Harfe schlug. Beim Anblicke der Ruine von 
Pfannberg und des Felsenschlosses Rabenstein in seiner 
schönen Heimat ruft er den altersgrauen, hier zerfallenen, 
dort schon bald dem Untergange geweihten Mauern zu: 

Was starrst du, Burg, in finstern Schutt gefallen 

Den Pilger mit der Schwermuth Grauen an? 

Der Thurm allein im Staube deiner Hallen 

Steht riesengroß wie deiner Sassen Ahn; 

Der hörte oft die Sturmtrompete schallen. 

Und lugte nieder auf die Lanzenbahn, 

Doch die den Speer getragen und gehalten, 

Sie sind dahin, die hohen Mannesgestalten u. s. w. 

Also sang der steiermärkische Poet zu Anfang des 
Jahrhundertes und der Wunsch an seine Freunde, 



46 

welchen er auf dem Sterbelager äußerte: die Poesien 
gesammelt dem Drucke zu übergeben, war gewiss ein 
auch im Geiste aller Verehrer wahrer Dichtung gerecht- 
fertigter. Leider ist er bis heute nicht in Erfüllung 
gegangen. Der greise Dichter Leitner, welcher den 
wertvollen Nachlass geborgen, ist ebenfalls dahin- 
geschieden und die Gedichte Schröckingers harren noch 
immer der Veröffentlichung. Möge dieselbe, — sie ist 
für die heutige Zeit noch von Wert — doch einmal 
erfolgen, schon der berühmte Literarhistoriker Goedeke 
sprach sich für die Herausgabe von Schröckingers 
Nachlass aus »im psychologischen Interesse, mehr noch 
literargeschichtlichen«. Selbst das Gebiet der Erzählung 
in Prosa hat der junge, so vielseitige Dichter betreten, 
in der »Wiener Zeitschrift«, in der »Theater-Zeitung« 
und an anderen Orten sind mehrere Stücke in dieser 
Richtung von ihm abgedruckt und auch sie fanden 
den Beifall des weitesten Leserkreises und gereichen dem 
Verfasser zur Ehre. 



M 



m. CAPITEL. 



Johann Georg Fellinger, Ignaz Kollmann 
und >>Der Aufmerksame ^<. 

In der romantisch von hochgethürmten Felswänden 
überragten und an den rauschenden Wellen der Mur 
gelegenen steierischen Ortschaft Peggau steht bei der 
Straße ein einfaches Denkmal, das zur Erinnerung an 
den Dichter Johann Georg Fellinger errichtet worden 
ist. Fellinger, welcher 1781 daselbst geboren schon 
im Jahre 1866 starb und somit als ein Zeitgenosse 
des hochbegabten Schröckinger erscheint, gehört zu 
jenen Poeten Steiermarks, deren Name ebenfalls stets 
mit großer Achtung genannt werden wird. Er hatte sich 
schon frühzeitig dichterischem Schaffen zugewendet; 
nachdem er seine Studinn vollendet, trat er beim steier- 
märkischen Landwehrbataillon ein und wurde 1809 
Ofßcier. Im Felde hatte Fellinger ein Auge verloren, 
dessenungeachtet blieb er Soldat, bis 1814 war er zu 
Klagenfurt in Garnison, später in Judenburg und Adels- 
berg. Trübsinnig und missmuthig wegen seiner ge- 
schwächten Sehkraft und wegen der schwindenden 
Hoffnimg, durch eine ruhigere Anstellung gesichert 
sich mit der Dichtkunst eifriger beschäftigen zu können, 
starb er an einem Nervenfieber. 



48 

Fellinger hat mehrere dramatische Arbeiten ver- 
fasst, unter denen das Schauspiel: »Die Grafen von 
Sella« und das Trauerspiel »Inguo« besonders zu 
nennen sind. Beide Stücke weisen eine edle poetische 
Sprache auf und fesseln auch durch ihre Handlung den 
Zuhörer, insbesondere errang > Inguo«, welches Drama 
einen Stoff aus Kärntens ältester Geschichte behandelt 
und später in Klagenfurt (1817) zur Aufführung ge- 
langte, reichen Beifall von Seite des Publikums. Dass 
Fellinger überhaupt für dramatische Behandlung be- 
gabt, solcher besondere Aufmerksamkeit zuwandte, zeigt 
schon seine erste Veröffentlichung: »Abgerissene Sce- 
nen aus der Geschichte der Menschheit«, welche im 
Jahre 1808 erschien und in dramatischer Form ge- 
dichtete Episoden aus dem Leben hervorragender histo- 
rischer Persönlichkeiten enthält; trotz der heutzutage 
ungewohnten, zu jener Zeit aber sehr beliebten dialo- 
gischen Anlage, finden sich reichlich echt poetische 
Stellen in diesen eigenartigen Dichtimgen Fellingers, 
durch welche er seinen eigenen Worten nach wünschte, 
»die geistlose Leetüre eines Moderomans«, wenn auch 
»nur auf ein Stündchen« zu verdrängen und »den 
Funken edleren Gefühls« zu wecken. Hohe Beachtung 
aber fanden die zunächst in Taschenbüchern und Zeit- 
schriften insbesondere in der »Carinthia« erschienenen, 
später 18 19 — 1821 in 2 Bänden von J. G. Kumpf ge- 
sammelt herausgegebenen Gedichte Fellingers; durch 
die feuerigen begeisterten poetischen Gesänge in den- 
selben ward dem Dichter der Beinamen des »öster- 
reichischen Kömer« zu Theil. Wie sehr er diesen 
ehrenden Beinamen verdient, mögen einige Strophen aus 
dem 1813 gedichteten Poem: »Der Kampf des Rechtes« 
erweisen : 



49 

Die Telyn klingt durch Wälder hin, 
Die deutsche Telyn klingt, 
Zum Kampfe muss der Jüngling zieh'n, 
Der Tod die Sense schwingt; — 
Was Kampf und Tod? Die Ehre ruft. 
Dem Feigen folget in die Gruft 
Die Märe seiner Schmach 
Vom fernen Enkel nach. 

Die Telyn klingt, die Harfe tönt 
Zum Tosen wilder Schlacht, 
Der Feind, er hat ims aufgehöhnt, 
Und Deutschland ist erwacht; 
Herab die Waffen von der Wand ! 
Was uns erhob, was uns verband, 
Ist jedem Zeitgeschlecht 
Ein angeborenes Recht, 

Was willst du, Feind, mit Heergewalt? 
Was trotzest du so kühn? 
Die Zeit ist jung, das Recht ist alt, 
Und Glück und Stolz verblühen; 
Das Gute nur sei allgemein! 
Du konntest frei der Erste sein. 
Doch nur wer Gutes will. 
Erreicht das höchste Ziel. 

So schlug Fellinger wie der edle Freiheitssänger 
Körner im deutschen Befreiungskampfe beinahe zu 
derselben Zeit im österreichischen Alpenlande Klänge 
an, welche in kräftigen Strophen zum Kampfe gegen 
den Feind Deutschlands und Österreichs riefen. Es liegt 
eine außerordentliche Gewalt in vielen dieser Lieder, 
mag der Dichter die »Kampflust« preisen, oder ein 
stolzes »Marschlied für die steiermärkische Landwehr« 
entwerfen, welcher er selbst angehört, mag er die 
Deutschen aufrufen, »den alten Ruhm zu retten« oder 
einen »Schlachtgesang für Österreicher« anstimmen 

Schlossar, xoo Jahre deutscher Dichtung. 4 



50 

oder ein > Siegeslied nach der Schlacht bei Leipzig«. 
Aber es sind nicht bloß kriegerische, auch andere einem 
echt deutschen Gemüthe entspringende Klänge, welche 
die Harfe des Sängers anschlägt, er preist »das deutsche 
Wort«, * demselben zurufend : 

Wie lieblich säuselt es in deinen Klängen, 

Wie donnert es in deinem Wogenfall, 

Wie rauscht es auf, wenn sich die Sylben drängen, 

Und rieselt wieder fort im leisen Schall! 

Du hast die Töne der Natur entrissen. 

Als in der Urzeit wirren Finsternissen 

Das Wort aus Lust und Schmerzen sich entwand, 

Und den Begriff zuerst an Laute band. 

Er besingt die deutsche Treue und Freundschaft und 
widmet sogar dem »deutschen Tanz« ein sinniges Ge- 
dicht. Auch sanfte Töne bietet der Dichter in leicht 
dahinfließenden schönen Versen, so erhebt er die Natur- 
schönheiten des Alpenlandes in zahlreichen prächtigen 
Strophen wie beispielsweise in dem längeren Gedichte : 
»Die Berge«. 

Er zeichnet im gedankenreichen Verse das Natur- 
bild des Morgens, und apostrophiert seine engere Heimat, 
»Die Steiermark« : 

Mein Vaterland! wie schön bist du vor Allen! 
In dir verschmilzt Italien und Nord, 

schildert bewundernd die unheimliche Pracht der Felsen- 
grotte (bei Adelsberg) und weiß die Landschaft, welche 
er im Worte verherrlicht, vor das Auge des Lesers zu 
zaubern. Einen hohen Flug nehmen des Dichters Ge* 
danken in Gedichten wie »Die Zeiträume«, »Menschen- 
kraft«, »Der Forscher«: 



51 

Fessellos steht der menschliche Geist 
An des Lebens gebrechlichen Schranken, 
Und was den Kühnen hinüber reißt, 
Stammt von höchsten schönsten Gedanken; 
Fort muss er, fort, hinaus und von hinnen, 
Und eilend will er den Vorsprung gewinnen. 

Dass er selbst dem alten Thema von der Liebe 
neue poetische Seiten abzugewinnen weiß, davon zeugt 
manches tiefempfundene Lied. 

Auch auf dem Gebiete des erzählenden Gedichtes 
hat sich Fellinger mit Geschick erprobt und insbesondere 
ist in dieser Bezfehung die schön bearbeitete kämtnerische 
Volkssage: >Der Kampf mit dem Lindwurm« hervor- 
zuheben. Man muss es besonders betonen, dass in 
der äußeren Form der Verse und Strophen dieses 
Poeten besondere Reinheit und Correctheit vorwaltet 
und jedes Gedicht wie aus einem Gusse geformt er- 
scheint, Vorzüge, welche so zahlreiche Dichtungen ent- 
behren, die zu jener Zeit auf unserem österreichischem 
Boden entstanden sind. 

Verschiedene der bisher angeführten Namen von 
hervorragenden oder doch beachtenswerten Dichtern 
wurden im Zusammenhange mit einer Zeitschrift ge- 
nannt, in welcher dieselben ihre ersten oder auch späteren 
Poesien zum Abdrucke brachten. Es ist dies das lite- 
rarische Blatt »der Aufmerksame«, welches in Ver- 
bindung mit der »Gräzer Zeitung« an Stelle des früher 
herausgegebenen »Sonnabends- Anhanges« zuerst im 
Jahre 1812 zu erscheinen begann und ununterbrochen 
bis zum Jahre 1 842 fortgeführt wurde. Der Herausgeber 
oder besser gesagt Gründer und Leiter dieses Blattes, 
welches durch 30 Jahre das einzige Blatt der Steier- 
mark blieb, in dem der schönen Literatur und Kunst 

4* 



52 

neben anderen landwirtschaftlichen, geschichtlichen 
u. dgl. Arbeiten Aufmerksamkeit zugewendet wurde, 
war Ignaz Kollmann, Kollmann hat aber auch selbst 
eine so reiche poetische Thätigkeit entfaltet, dass er 
billig den meist gelesenen Dichtern und Schriftstellern 
jener Zeit in Österreich und insbesondere in Steiermark 
beigezählt werden muss. Zunächst noch einige Worte 
über den »Aufmerksamen« selbst. Die Poeten der inner- 
österreichischen Länder fanden in diesem wenn auch 
bescheidenen, mehrmals wöchentlich erscheinenden Blatte 
endlich ein Organ, in welchem ihre ^Dichtungen der 
Öffentlichkeit vorgeführt werden konnten. Durch die 
schwierigen Verkehrsverhältnisse, durch die beengende 
Censur oder aus Mangel von Verbindungen der Ver- 
fasser mit anderen maßgebenden Leitern ähnlicher Blätter 
im Reiche, wären diese Poesien sonst wohl kaum be- 
kannt geworden und manches schlummernde Talent, er- 
muntert durch den Beifall am ersten Versuche, der an die 
Öffentlichkeit gelangte, ist durch den »Aufmerksamen« 
zu weiterem Schaffen angeregt worden. Selbstverständlich 
finden wir darin auch Namen vertreten, die schon einen 
literarischen Ruf besaßen und deren Beiträge dem »Auf- 
merksamen« zur besonderen Zierde gereichten. So hat 
dieses Blatt im Laufe seines Bestehens, wenn wir das 
poetische Element ins Auge fassen, zahlreiche Gedichte 
von Hammer-Purgstall, Kalchberg, Schneller, Schräm, 
Fellinger, Schröckinger, später von Castelli, Carl G. 
R. von Leitner, V. Zusner, Zacharias Werner, J. G. Seidl, 
M. G. Saphir theils zum erstenmale, theils als Wieder- 
abdruck dem heimischen Leserkreise vermittelt. Histo- 
rische und erzählende Aufsätze aus der Feder der 
besten heimischen und auswärtigen Kräfte schlössen sich 
daran und Ignaz Kollmann selbst ist in jedem Jahrgange 



53 

durch Gedichte, Erzählungen, Sagenbearbeitungen und 
andere poetische Arbeiten häufig vertreten. 

Erzherzog Johann schenkte, seitdem er die För- 
derung alles Guten und Schönen im Lande so kräftig 
in die Hand genommen hatte, dem Blatte und dem 
Leiter desselben besondere Beachtung.*) Diesem edlen 
Fürsten war es zunächst darum zu thun, Aufklärung 
und Bildung und zwar insbesondere auf den praktischen 
Wissenschaftsgebieten in dem Lande Steiermark zu ver- 
breiten, das er so sehr durch seine Gunst auszeichnete. 
Die Begründung des »Aufmerksamen« begrüßte der 
Erzherzog daher mit großer Freude und war darauf 
bedacht, dass ökonomische und historische belehrende 
Aufsätze möglichst häufig in demselben vertreten seien, 
wozu er Kollmann selbst anregte, ja der Fürst wählte 
wohl auch persönlich die bezüglichen Arbeiten, zumeist 
aus hervorragenden Fachzeitschriften aus, übersandte sie 
an den Redacteur und gab dem Wunsche nach deren 
Erscheinen im »Aufmerksamen« Ausdruck. Der Erzherzog 
war es auch, welcher die Anstellung Kollmanns als 
»Scriptor« im Joanneum bewirkte, woselbst der in vielen 
Richtungen gebildete Schriftsteller neben der redac- 
tionellen Thätigkeit Tüchtiges leisten konnte. Das Haupt- 
blatt der Stadt, die >Gräzer Zeitung«, hatte übrigens 
Kollmann ebenfalls zu leiten und gewissermaßen dessen 
literarische Ergänzung bildete eben der »Aufmerksame«, 
der nach dem Wunsche Erzherzog Johanns ein gutes 
Volksblatt bilden sollte und in der That im Lande 
außerordentlich und auch außerhalb desselben ver- 
breitet war. Auf Erzählungen und oberflächliche Reime- 



*) Vgl. des Erzherzogs diesbezügliche Bemerkungen in 
der von mir herausgegebenen Sammlung von Originalbriefe 
Erzherzog Johanns, welche früher citiert ist. 



54 

reien legte der Erzherzog wenig Wert, wie er zumal 
anfangs Kollmann und Anderen gegenüber oft be- 
tonte, dafür wusste er die Bedeutung eines guten, ins- 
besondere den Patriotismus und die Begeisterung für 
das Vaterland hebenden Gedichtes wohl zu würdigen, 
er schreibt selbst am 4. December 1813 an Kalchberg, 
dass solche Gedichte von Bedeutung sind, »um früh 
die Jugend zur Nachahmung der Thaten der Väter 
zu stimmen, um geschehene Dinge der Nachwelt zu 
überliefern, weit besser als alle die Gassenhauer und 
erotischen Lieder, die man leider nur zu oft hört«. Es 
ist daher ein Irrthum, wenn man glaubt, Erzherzog 
Johann habe der Poesie keine Beachtung geschenkt; 
die Gesammtausgabe seiner Schriften vom Jahre 1816 
durfte Joh. R. von Kalchberg dem allem Edlen und 
Schönen ergebenen Fürsten widmen und in der Folge 
fanden sich noch zahlreiche Schriftsteller und Dichter, 
von denen der Erzherzog Widmungen ihrer Schriften 
und Dichtungen in freundlichster Weise annahm. Es 
ist auch wohl selten noch ein Fürst in Liedern so 
hoch gefeiert worden als dieser, vom Anfang des Jahr- 
hundertes an bis auf die spätere, ja bis auf die jüngste 
Zeit herab. Dass sich in reiferen Jahren Erzherzog 
Johann Mühe gab die Volkslieder der Steiermark in 
Wort und Weise sammeln zu lassen und eine reiche 
Zahl derselben wirklich schon erhalten hatte, ist eine 
Thatsache, welche einem Kreise näher Eingeweihter 
und insbesondere dem Verfasser dieser Zeilen, der die 
bezüglichen Sammlungen benützt hat, genau bekannt ist. 
Es ist nun wieder auf den Dichter Ignaz Kollmann 
überzugehen. Aus seinem Leben, welches darzustellen 
nicht die Aufgabe dieser Zeilen ist, sei nur erwähnt, 
dass der im Jahre 1775 zu Graz geborene und daselbst 



55 

ausgebildete begabte Mann Secretär des Fürsten Seraphin 
Porcia in Italien war und 1811 nach Graz kam, wo er 
die früher erwähnte Anstellung erhielt und seine redac- 
tionelle Thätigkeit begann. Er war nicht bloß als Be- 
amter, Schriftsteller und Redacteur, sondern auch als 
Maler thätig und heute noch finden sich gute Gemälde 
von ihm in verschiedenen Kirchen Steiermarks. Als 
Kollmann im Jahre 1837 starb, lauteten die Schluss- 
worte des Nekrologes in demselben Blatte, das er eine 
so lange Reihe von Jahren geleitet hatte, ganz richtig : 
»Kollmann ist sowohl in literarischer als artistischer 
Beziehung wert, dass sein Name und sein Andenken 
in den Jahrbüchern des Vaterlandes aufbewahrt und 
mit Achtung genannt werde. « Der vortreflFliche Johann 
Gabriel Seidl aber, welcher selbst in Steiermark durch 
Jahre die Poesie thätig pflegte, widmete dem Dahin- 
geschiedenen eine »Grabesinschrift«, in der er ihm die 
Worte nachrief: »Warm schlug sein Herz fürs Wahre, 
Gute, Schöne«. 

Und jene Kränze, die der Musen Hand 

Ihm oft erheiternd in sein Leben wand ; 

Sie sind ihm auch im Tode treu geblieben 

Zum Schmuck für ihn, zum Trost für seine Lieben. 

Was die größeren Dichtungen Kollmanns anbelangt, 
so seien die wichtigsten erwähnt. In dem dramatischen 
Gedichte »Maximilian« (1819) hat er die Einführung 
des Christenthums in Celeja (Cilli) durch Maximilian 
den Bischof von Lauraceum in poetischer Weise zum 
Ausdrucke gebracht und ein dramatisches Bild aus der 
Zeit des niedersinkenden Römerthums und des auf- 
strebenden Christenthums entworfen. Als Probe nur 
einige Verse aus dem Schlussmonologe der Dichtimg, 
welchen der Bischof, bevor er zum Tode abgeführt 
wird, spricht: 



56 

So leb denn wohl, du liebliches Celeja! 

Ich schau dein Schicksal in dem Schutz des Kreuzes 

Der Prüfung Düsternisse zieh'n vorüber 

An deinem Himmel. Doch dir bleibt ein Gott. 

Begehr' es nicht, Celeja groß zu werden 

In Macht und Pracht, du alte Römerstadt! 

Es stiegen durch Verbrechen stolze Städte 

Und fielen durch die Hand des ew'gen Rechts, 

Und ihre Namen sind der Völker Trauer. 

So steigen wirst du nicht, und so nicht fallen. 

In Demuth und in Frieden wirst du blüh'n 

Als Römerin und erstes Kind der Kirche. — — 

Zum Leben ruft es von des Himmels Höh'n, 

Im Kreuz ist Auferstehen und Wiedersehen. 

Ich ruf es sagend auch in Gottes Namen, 

Und liebend spricht der Herr sein ewig Amen. 

Man ersieht schon daraus den Zug echter Frömmig- 
keit, welcher durch diese dramatische Dichtung weht. 
In ähnlicher poetischer Form durchgeführt erscheint 
das dramatische Gedicht Kollmanns: >Dante« (1826), 
welches die Folge eifriger Beschäftigung des Dichters 
mit der italienischen Literatur war und ebenfalls dich- 
terischen Wert besitzt. Das vaterländische Schauspiel 
»Carl von Österreich oder der Wundertag im Erz- 
gebirge« (1833) ist wieder der Heimatsgeschichte ent- 
nommen und behandelt in der Hauptsache des Re- 
genten Erzherzog Carl von Innerösterreich Aufenthalt in 
Eisenerz, womit eine fesselnde Handlung verbunden 
wird. Das Stück ist dramatisch außerordentlich wirk- 
sam und wurde im Theater an der Wien vom 29. Fe- 
bruar 1832 an, für die damalige Zeit geradezu groß- 
artig ausgestattet, 14 Tage nacheinander anlässlich der 
Jubelfeier des Kaisers Franz aufgeführt. Auch in Graz 
selbst fand die Aufführung die beifälligste Aufnahme. 



57 

Die zahlreichen lyrischen und epischen Gedichte, 
die Novellen, Skizzen, Erzählungen und Bearbeitungen 
von Sagen aus der Heimat, welche Kollmann verfasste 
und veröffentlichte, wurden nie gesammelt herausgegeben. 
Dieselben sind in verschiedenen österreichischen Zeit- 
schriften, insbesondere aber in den Jahrgängen des 
»Aufmerksamen« von 1 812 bis 1837 ^Iso in jenem 
Zeitabschnitte, durch welchen er das Blatt leitete, ver- 
streut enthalten. Kollmann ist kein hinreißender lyrischer, 
kein glänzender formgewandter epischer Dichter, aber 
er hat es verstanden, rasch und für die zeitgenössischen 
Leser seines Blattes in lesbarer Weise romantische oder 
Sagenstoffe poetisch zu bearbeiten; so manche der heimat- 
lichen Sagen ist nur durch ihn, der sie auf seinen Reisen 
im Lande auffand und dichterisch formte, auf diese Weise 
bekannt geworden. Die Bearbeitungen seiner erzählenden 
Gedichte tragen alle den Charakter einer gewissen 
Flüchtigkeit an sich, doch weiß er immerhin selbst den 
spröden Stoff mundgerecht zu machen, wenn man von 
Reimfehlem, kleinen Sprachunrichtigkeiten u. dgl. ab- 
sieht. In der That waren seine Beiträge überaus gern 
gelesen. Bei patriotischen Gelegenheiten und festlichen 
Anlässen unterließ es Kollmann nie, seinen Gefühlen in 
Versen Ausdruck zu geben und die meisten dieser Dich- 
tungen sind von einer gewissen Begeisterung getragen, 
wie ja dieselbe häufig in seinen erwähnten dramatischen 
Gedichten hervortritt. Gern wählte Kollmann als Vor- 
wurf seiner längeren Dichtungen auch wohl Legenden, 
Märchen oder Episoden aus dem Leben großer Männer. 
Eine solche Episode aus dem Leben Raphaels sei 
hier in des Dichters Bearbeitung auszugsweise mit- 
getheilt. 



58 

Raphad und der hölzerne Teller, 

Als Ra{)hael auf seiner Bahn 
Das Wunder und Entzücken 
Gerufen ward, den Vatican 
In Roma auszuschmücken, 
Verließ er schnell Florentia, 
Und sieh, Romagna's Grenzen nah 
Lud ihn ein sanfter Schatten 
Zur Ruh' auf grüne Matten. 

Er schlief, da schwebte sanft und mild 
Ein Himmelstraum hernieder, 
Vom Morgenroth umreift, ein Bild. 
Der Ruf: so schaff es wieder! 
Ertönte in des Malers Brust» 
Er schaut das Bild mit süßer Lust, 
Und rief: Ich seh' es strahlen. 
Will's Gott, so will ich's malen. — — 

Und als er um sich blickte, fand 
Er nahe eine Hütte, 
Ein heilig Bildlein an der Wand 
Nach christlich frommer Sitte. 
Ein alter Bauer kniet davor. 
Der hob bekreuzend sich empor, 
Und sah den Meister liegen 
Ins weiche Gras sich schmiegen. 

Ist euch nicht wohl? fragt ihn der Greis, 

Ich bring', um euch zu laben. 

Von frischer Milch, der Tag ist heiß. 

Wir geben, was wir haben. 

Ja bringt mir Milch, der Meister bat; 

Der Alte bracht' der Hilfe That, 

Die Milch, nur um so schneller 

Und Brot auf hölzernem Teller. 

Zum Danke verlangt Raphael, da der Alte kein 
Geld nehmen will, den Holzteller und malt die Gottes- 
mutter mit dem Kinde, wie er sie im Traume gesehen, 



59 

darauf, er ruft den Mann, der ihn gelabt, und über- 
gibt ihm den Teller mit dem Bilde. Dieser nimmt 
überrascht und entzückt den Teller mit dem herrlichen 
Gemälde entgegen. 

Ihr Herr, mögt wohl ein Engel sein! 
Rief er, um das zu malen 
Mit diesen Himmelsstrahlen. 

Ich bin ein Mensch mit Fleisch und Bein, 

Und glaube, was ich male, 

Dass es im Himmel licht und rein 

Den SeePgen widerstrahle, 

Der Gottesfurcht dient meine Kunst, 

Und weckt sie die, ist's höchste Gunst, 

Die mir mein Gott gewähret. 

Was Menschenkunst hier ehret. 

In solcher Weise hat der versgewandte Poet auch 
Mythen- und Sagenstoife aus dem steirischen Ober- 
und Unterlande, vorzüglich aus der Umgebung von 
Graz und aus der Stadt selbst, historische Anekdoten 
und Scenen in allen möglichen Strophenformen für 
seine Leser bearbeitet und es war erstaunlich, wie rasch 
er diese von den verschiedensten Seiten hergeholten 
Stoffe in die gewählte poetische Form zu bringen 
wusste. Kollmann glänzte überhaupt damals in der 
Stadt als Reimkünstler und Improvisator, es war ihm 
ein Leichtes auf bestimmt gegebene Endreime ein Ge- 
dicht, dessen Titel ebenfalls bestimmt wurde, sofort ab- 
zufassen. Ein ausgezeichnetes seltenes Gedächtnis 
unterstützte ihn hierbei. Der Abdruck auch verschie- 
dener derartiger Gedichte in seiner Zeitschrift gibt von 
solchen Improvisationen ganz überraschende Proben. 

Wenige Anthologien und Literaturgeschichten haben 
Kollmanns bisher gedacht, von dessen nicht zum 
Drucke gelangten Dramen Karl Goedeke im 3. Bande 



6o 



seines »Grundrisses« uns noch mehrere aufzählt, die 
in Graz wie in Wien zur Aufführung gelangten. Wenn 
auch große gewaltige Schöpferkunst diesem Manne 
nicht gegeben war, so ist doch sein Fleiß und sein 
Talent in den angedeuteten Richtungen anzuerkennen. 
Die poetische Strömung in Steiermark, welche sich in 
den ersten Decennien des 19. Jahrhunderts, wie wir ge- 
sehen, schon im Lande bemerkbar machte, hat in ihm 
einen Förderer gefunden, der durch sein Orgaö, den 
»Aufmerksamen«, in der That nicht nur heimische, 
sondern die weitesten Kreise auf Talente hinwies, die 
später auf dem Gebiete der Dichtung in Steiermark 
glänzende Rollen zu spielen berufen waren; hat doch 
Karl Gottfr. v. Leitner seine ersten Gedichte ebenfalls 
von 1819 an in dem bescheidenen steiermärkischen Li- 
teraturblättchen, das lange auf dem üblichen Lösch- 
papier gedruckt erschien, veröffentlicht und mancher 
Wiener Poet, der viel umworben in der Residenzstadt 
thätig war und dem die Blätter desselben zur Verfü- 
gung standen, sandte dem »Aufmerksamen« die Ein- 
gebungen seiner Muse in Vers und Prosa ein. Was 
Kollmanns Blatt weiterhin zur Hebung des Geistes 
unter den Augen des edlen Erzherzogs Johann gethan, 
gehört zwar nicht ins Gebiet der Poesie, muss aber 
doch nochmals betont werden. 




IV. CAPITEL. 



Anton Graf von Prokesch-Osten. 

Bei der Besprechung der Dichtungen und der Bedeu- 
tung Julius Schnellers wurde schon der Name seines 
Stiefsohnes Anton Prokesch erwähnt, der später eine 
so hervorragende Rolle im diplomatischen Leben spielte. 
Schneller führte nach seiner Verehelichung mit Marie 
Prokesch, der Mutter des Helden und Diplomaten 
mit diesem einen eifrigen Briefwechsel, aus welchem 
schon die Anerkennung der hohen geistigen Anlagen 
des noch im Jünglingsalter Stehenden hervorgeht, dem 
Schneller eine außerordentliche Zuneigung schenkte. 
Prokesch im Jahre 1795 zu Graz geboren, bewahrte 
seiner engeren Heimat, der er so bald entführt werden 
sollte, stets eine innige und herzliche Liebe. Nachdem 
am 26. August 1813 zwischen Gadebusch und Schwerin 
einer der edelsten und herrlichsten Freiheitssänger un- 
seres Volkes: Theodor Kömer, in jugendlichem Alter 
gefallen war, erschien im Grazer »Aufmerksamen« bald 
darauf (Nr. 93 vom 5. October 1813) ein schwung- 
volles, von dem herrlichsten Patriotismus und glühender 
Vaterlandsliebe zeugendes Gedicht:. »An Theodor 
Kömer«, mit dem einfachen Buchstaben P. unterzeichnet. 
Der Verfasser dieses Gedichtes war ein junger Rechts- 
hörer, welcher im Jahre 1813 begeistert zu den Fahnen 
geeilt, mit Theodor Körner selbst befreundet gewesen 
und nun eine Fähnrichstelle in der österreichischen 



62 

Armee bekleidete, er hieß Anton Prokesch. Mit dieser 
schönen Dichtung hat sich Prokesch auf dem Gebiete 
der Poesie allerdings zunächst, ohne genannt zu sein, 
in die Öffentlichkeit eingeführt und es erscheint gewiss 
passend und vom Interesse, einige der tief empfundenen 
Strophen hier anzuführen, zumal das Gedicht später, 
so viel dem Verfasser dieser Zeilen bekannt ist, nirgends 
mehr zum Abdrucke gelangte, jener Jahrgang der er- 
wähnten Zeitschrift aber zu den Seltenheiten gehört. 

An Kömer. 

Du sankst dahin! — Ein heilig leises Wehen 
Aus hohem Welten brach die Blume ab. 
Die sehnsuchtsvoll nach oben oft gesehen! — 
Es fasst dich einsam nun das stille Grab. 
Du hörst nicht mehr des fernen Freundes Flehen, 
Der Thränen dir zum Abschied ahnend gab — 
Du giengst dahin -- sieh mich verlassen weilen. 
O könnte ich in deine Arme eilen. 

Geschiedener Jüngling ! Nein, ich kann nicht trauern! 

Für Freiheit fechtend sankst du edel hin! 

Es ist zu groß für kleinliches Bedauern; 

Wohl ihm, dem dort die Grabcypressen blüh'n! 

Es riss dich fort mit himmlisch holdem Schauem, 

Du fühltest heiß ein Bess'res in dir glüh'n: 

Ob du es Freiheit, ob du's Liebe nanntest. 

Es riss dich hin, ob du es schon nicht kanntest. — 

O ruhet wohl, gesunkene Gebeine 

Des deutschen Jünglings, der für Freiheit fiel! 

Ihr Brüder holt an seinem Leichensteine 

Euch Stolz und Muth und hohes Siegsgefühl! — 

Wer waget es zu rauben mir das meine? 

Ist Menschenweh des Fremdlings leichtes Spiel? 

Sein kühner Schritt soll selber ihn verderben! 

Und fallen wir, lasst uns in Freiheit sterben. 



63 

Die schönen markigen Strophen zeigen schon in 
dem jugendlichen Sänger und Helden eine gewaltige 
poetische Kraft. Prokesch war, wie oben erwähnt, zu 
einer hohen Lauibahn berufen, er hatte als hoher Mi- 
litär mid in diplomatischen Sendungen Großes geleistet 
und durch seine Tapferkeit schon in jener Zeit seiner 
Jugend ebenso wie durch sein ausgezeichnetes Wissen 
und seine hohen geistigen Anlagen geglänzt, so dass 
im Jahre 1870 Graf Adolf Friedrich von Schack nach 
dem Abschiede, den er von dem damals greisen geist- 
vollen Freunde Grafen Prokesch-Osten genommen, die 
Worte niederschrieb: »ich schied von ihm, mit dem 
wehmüthigen Gefühl, einen Mann zu verlassen, der an 
mannigfaltiger geistiger Bildung und lebhafter Theil- 
nahme für höhere Bestrebungen fast Alle, die ich ge- 
kannt, überragte.« — Prokesch hatte auf seinen zahl- 
reichen militärischen und diplomatischen Zügen nach 
Griechenland, nach Ägypten und in so viele Gebiete 
des Orientes nicht nur sein glänzendes Diplomatentalent 
bewährt, über das sich selbst Gentz und Mettemich 
bewundernd aussprachen, sondern er hatte auch den 
Schatz seiner poetischen Anschauungen vermehrt und 
dieser vielseitig hochbegabte Mann zählt zu den her- 
vorragenden Vertretern der Dichtung in seinem Heimat- 
lande, das er freilich viele Jahre lang gar nicht oder 
nur vorübergehend betreten, in dessen Erde aber der 
Vielerfahrene, nachdem er im Jahre 1876 seine müden 
Augen geschlossen, für immer zur Ruhe gebettet wurde. 
Es soll und kann hier kein auch noch so kurzes Lebens- 
bild des Grafen Prokesch-Osten seine Stelle finden, 
zuletzt hat Hofralh H. v. Zeißberg im 26. Bande der 
»Allgemeinen deutschen Biographie« (Leipzig 1888) 
eine schöne eingehende Schilderung dieses reichen 



64 

Lebens entworfen, nachdem schon Wurzbachs »Biographi- 
sches Lexikon« im 23. Bande noch bei Lebzeiten 
des Grafen, dessen Wirken nach allen Richtungen hin 
entworfen und ausführlich dargelegt hat und wer das- 
selbe genau kennen lernen will, kann daher aus diesen 
Darstellungen die beste und eingehendste Auskunft er- 
halten. Doch sei darauf hingewiesen, dass schon in 
der frühen Jugend beim Knaben sich eine außerordent- 
liche geistige Regsamkeit zeigte, dass eine glühende 
Phantasie den Jüngling beseelte, dass eine tiefe 
innige Poesie sein ganzes Sein verklärte bei aller Haupt- 
wirksamkeit auf anderen jedoch nicht allzu weit 
abseits liegenden Gebieten. Schon frühzeitig der Leetüre 
unserer herrlichsten Dichter hingegeben, stand er mit 
diesen in steter enger Verbindung, ja auch in per- 
sönliche Berührung war er mit so manchem derselben 
gekommen. Es wurde schon Körners erwähnt, dessen 
Tod dem jungen selbst heldenmüthigen Freunde An- 
lass zu dem mitgetheilten Gedichte gab, aber er war 
auch mit dem gewaltigen Dichter in Weimar persönlich 
zusammengetroffen, mit dem großen Goethe, den er 
bewunderte und liebte und welcher dem genialen jungen 
Mann selbst die wärmsten Sympathien entgegenbrachte. 
Man höre, was Prokesch selbst am 27. August 1820 von 
Weimar an seinen Stiefvater Schneller schreibt: »Er- 
rathen Sie, dass ich von Goethe rede? Nicht hier, 
sondern schon vorgestern, in Jena traf ich ihn. Mit 
ihm durchfuhr ich die Gegend; an seiher Seite be- 
suchte ich die Cabinete und Büchersammlungen; in 
seinem Garten lebt' ich mit ihm, theilte Mittags imd 
Abends seine ländliche Tafel. Mit kindlicher Heiterkeit 
zeigte er mir einige Versuche, die auf den dritten 
Theil der Morphologie Bezug haben; wir sprachen 




SobIo*iar, loa Jahre dcutichcT Diel 



66 



über seine Tugend, seine Schöpfungen, seine Verhält- 
nisse. Bis gegen Mittemacht las er mir aus seinem 
Divan, dann schloss er mich in seine Arme, und ich 
schied. Von diesem Manne umarmt! — Ich gebe die 
seligste Umarmung der Liebe dafür.« Noch sei der 
Schluss dieses merkwürdigen Schreibens aus der Heim- 
stätte imserer classischen Dichtung hierhergesetzt. »Am 
25. war es eben, dass ich Goethen in Jena besuchte. 
Am 26. traf ich zu Weimar ein und heute in der 
Nacht kehrte ich nach Leipzig zurück. Kammerrath 
von Goethe (der Sohn) an den der Vater mich wies, 
wurde mein Führer durch den schönsten Park Deutsch- 
lands; ich besah jede heilige Stelle, Goethe's, Herder's, 
Wieland's Wohnungen und Grabstellen. Können Sie 
zweifeln, dass ich bei Schillers Witwe war ? Mit freu- 
digem Zittern trat ich in sein bescheidenes Haus.« 
Einige Jahre darauf veröffentlichte Prokesch im »Hes- 
perus« jenes Schreiben an den Grafen von Paar, in 
dem er als Vertheidiger des großen Dichters gegen 
eine hämische Flugschrift auftrat, die Glover imter dem 
Titel: > Goethe als Mensch und Schriftsteller« heraus- 
gab und deren »Unverschämtheit, Halbheit, Roheit und 
Anmaßung« Goethe's Bewunderer mit Worten geisselte, 
welche ihm die Verachtung jenes Machwerkes imd die 
hohe Verehrung des größten deutschen Dichters eingab, 
welche; aber auch den tiefen Sinn für wahre Poesie 
bekunden, der den Steiermärker beseelte. Die meisten 
von Prokesch bis etwa in das Jahr 1834 verfassten 
Gedichte sind im 6. Bande der »Kleinen Schriften von 
Ritter Anton vpn Prokesch-Osten« (Stuttgart 1844, 
7 Bände) enthalten. Aus den jüngeren Jahren findet 
sich hier allerdings nur eine knappe Auswahl, manches 
schöne Gedicht dürfte heute noch in einer oder der 



67 

anderen Zeitschrift zu finden sein, aber auch freilich, 
wenn es anonym erschienen ist, als dessen Verfasser 
Graf Prokesch unbekannt bleiben. Neben bemerkens- 
werten, lebendigen, geistvollen Darstellungen aus den 
Gebieten der Kunst und Literatur hat Prokesch eine 
Erzählung »Gegensätze« verfasst, welche im Jahrgange 
1840 von Witthauers »Wiener Zeitschrift« erschien 
und in der er die Anhänglichkeit und Liebe eines abessy- 
nischen Mädchens einem jungen Manne gegenüber schil- 
dert, welche Zuneigung dieser jedoch nicht, ahnt, da ihn 
eine andere Neigung beseelt. Wie tief das Gefühl der 
Abessynierin aber ist, zeigt deren freiwilliger Tod, 
nachdem der Geliebte im Duell verwundet verschieden 
ist. Die kleine Erzählung ist einfach und schlicht, 
aber zu Herzen sprechend und von bedeutender Wir- 
kung. 

In den Gedichten von Prokesch ist gewisser- 
maßen ein poetisches Tagebuch enthalten, wir finden 
hier aus den frühesten Jahren einige Strophen — das 
älteste Gedicht: »An eine Quelle bei Bärneck« hat Pro- 
kesch mit 16 Jahren verfasst — diesen reihen sich 
patriotische Lieder aus der Zeit der Freiheitskämpfe 
an. Der Ton derselben gemahnt an jenen Rückerts, 
M. V. Schenckendorfis, Körners und des Landsmanns 
Fellinger, so das »Lied nach dem Rheinübergange:« 

So stehn wir denn an deinem Strand, 
Du edler deutscher Rhein! 
Erkämpft ist unser Vaterland 
Und du bist wieder sein! — 

. Was jagst du vor, Dragonerschar, 
So schweigsam und so kühn ? 
Was streifst du, muthiger Husar, 
Durch Feld und Fluren hin? 

5* 



68 

Vertraut auf unsem festen Schritt, 
Wir sind euch Schutz und Halt. 
Musik voran! Kanonen mit! 
Der Todesruf erschallt. 

Trotz der vielen Züge in fremde Länder bewahrte 
Prokesch seiner Heimat Steiermark, wie schon erwähnt 
wurde, eine treue innige Liebe. Dieselbe tritt nirgends 
so schön hervor als in dem Gedichte, welches »Wieder- 
kehr« tiberschrieben ist. Hier einige Strophen aus 
der tiefempfundenen Dichtung: 

Sei mir gegrüßt, du Land der schönen Auen, 
Du theures Vaterland, sei mir gegrüßt I 
Ich fasse dich, ich darf dich wieder schauen — 
Es ist dein Hauch, der meine Stime küsst! 
Nacht liegt auf dir, doch aus dem Schleier blicken 
Mit mildem Aug mich Thal und Höhen an — 
Und sicher, mit errathendem Entzücken 
Verfolg' ich die bekannte Bahn. — 

Und wenn es rauscht' in euren heil'gen Zweigen, 
Erhab'ne Tannen, die der Sturm nicht bricht 
Fühlt' ich das Schicksal sich heruntemeigen. 
War's wie Musik, aus der die Zukunft spricht — 
Mein Herz schwoll auf in Thatkraft und Verlangen, 
Mein Auge schwamm in ungeahnter Lust, 
Die Welt war mein, Entschluss und Ernst durchdrangen 
Die hoffnungsstarke Knabenbrust. 

Willkommen mir, du wohlbekannte Quelle, 
Auch deine Perlen waren einstens mein — 
Ein Wandrer kehr' ich an die Weihestelle, 
Und Sprech bei ihr zu kurzer Labung ein; 
Willkommen, Bach, der aus den Felsen schäumet, 
Willkommen, Pfad, den hoch Gebüsch umflicht, 
Ob auch mein Fuß bald zögernd bebt, bald säumet. 
Er kennt dich wohl, das Dunkel birgt dich nicht. 



6g 

Aber auch die süßen Klänge der Liebe sind dem 
Dichter nicht fremd, Liebesgesänge von großer Zart- 
heit wechseln mit solchen von wilder Glut und Lei- 
denschaftlichkeit ab. Ein Lied, gedichtet im Jahre 
1823, beginnt mit der Strophe; 

Es brennt ein Licht im Dunkel deiner Augen, 
Das mich verlockt mit zaubervollem Schein; 
Es reisst mich nach, sieh, alle Pfade taugen, 
Durch Moor und Wald, Gebirg und Wüstenein. 
GewafFnet keck und jedem Kampf gerecht 
So folg' ich dir, ein treu ergebener Knecht. 

Ein anderes, edel gedachtes, schönes Gedichtkann 
ich mich nicht enthalten, hier ganz wiederzugeben: 

Treue Liebe. 

Treue Liebe gilt für's Leben, 
Treue Liebe endet nicht ; 
Was dem Wechsel sich ergeben, 
Treue Liebe ist es nicht. 

Was durch Leiden kann vergehen. 
Was der Freude Hand zerbricht. 
Ähnlich mag's der Liebe sehen, 
Treue Liebe ist es nicht. 

Was des Wort's bedarf hienieden. 
Was nicht zittert, wenn es spricht, 
Bringen mag es tiefem Frieden, 
Aber Liebe ist es nicht. 

Liebe, Liebe birgt die Thränen, 
Liebe flieht Besitz und Licht, 
Liebe schwelgt in Angst und Sehnen, 
Treue Liebe endet nicht. 

Eine stille tiefinnige Sehnsucht tönt aus einem 
kurzen Gedichte entgegen, in welchem uns der Dichter 
an das Gestade der See führt: 



70 

VeHangen. 

Es schläft die See in dunkler Nacht, 
Kein Sternchen ist heut aufgewacht, 
Kein Lüftchen ist gekommen; 
So schläft ein Herz von Leid erfüllt, 
In Schweigen dicht und tief verhüllt, 
Und jedem Wunsch entnommen. 

Es tönt von ferne Schiffersang 
Voll Wehmuth und voll sanftem Klang 
Und singt sich selbst den Frieden; 
O Hoffnung komm' o Lebenslust, 
Zieht ein in die bewegte Brust! 
Wo find' ich euch hienieden? — 

Derartige Stimmungsbilder des Poeten in kurzen 
Strophen fesseln den Leser oft durch ihren Wohlklang, 
mit wenigen Worten zeichnet Prokesch oft ein Bild 
schön und klar z. B. die Ruhe der Nacht: 

Rückt die stille Nacht heran 
Wird's auch still im Herzen, 
Tagesqual ist abgethan, 
Müde sind die Schmerzen — 

oder die Schönheit des Abends: 

Herrlich steigt der Abend nieder, 
Weiche Weste wehen wieder, 
Säuseln süß wie Liebesflöten 
Und ein wundersam Erröthen 
Wacht am ganzen Himmel auf, 
Herz, o Herz, jetzt schließ dich auf! 

In der Mehrzahl seiner Gedichte* aber macht uns 
der Dichter mit der farbenreichen Welt des Orients be- 
kannt, welche er so genau kennen gelernt und mit dem 
Blicke des Poeten in sich aufnahm. Wir folgen ihm 
von der Fahrt aus dem »Hafen von Pola« (1824) zu 
den hervorragendsten und merkwürdigsten Stellen, 



71 

welche er berührt und denen er theils in der getragenen 
Form des Hexameters, theils in kunstvollen Reim- 
strophen von tiefem Verständnis für Kunst- und Natur- 
schönheiten zeugende Verse gewidmet hat. So auf 
der >Höhe von Antivari« oder beim >Gap Linguetta«, 
wo er auf hohem Meere dem Nordwind noch den Dank 
für die Grüße aus der Heimat entgegenruft: 

Dank dir, emsiger Nord! Dich sendet die schwimmende 

Heimat 
Ihrem Geborenen nach auf dass sich beeUe die Meerfahrt. 
Grüße bringest du mir, wie der Mann vom gesegneten Mürz- 

thal 
Gibt dem Mann vom Gebirg und dem, der wandelt zur 

Hauptstadt. 
Fordere mir wacker mein Schiff, das die heilige Salzflut 

durchschneidet. 

Und wieder auf der »Höhe von Panormus«, in 
>Corfu«, am > Leucadischen Fels«, in «Ithaka« und 
>Delos« sind classische Erinnerungen geweckt, welche 
die edlen Verse des Dichters durchziehen. Orien- 
talische Klänge hat der Poet in der Levante ange- 
schlagen und in den Lauten seiner Heimat gebannt, 
es finden sich Wanderbilder und Seestücke, ernste Be- 
trachtungen, wohl auch Erinnerungen an die ferne Ge- 
liebte, wie in dem Gedichte »In der See« (1825). 

Leb' wohl, leb' wohl! Um Mitternacht 
Ist dir der letzte Gruß gebracht. 
Viel hundert Meilen trennen mich 
Und thürmen zu Gebirgen sich. 
Leb' wohl, leb' wohl und denke mein ! 
Durch tausend Leiden bin ich dein. 

Ein culturgeschichtliches und ethnographisches In- 
teresse erhalten diese verschiedenen Gesänge, durch 
die im Liede ausgeprägte Schilderung des Volks- 



72 

Charakters und der besonderen Eigenart jener Völker, 
deren Gebiete der Dichter betreten hat, so in dem 
» Messenischen Wechselgesang « , im > Cretischen Wechsel- 
gesang«, in dem >Jonischen Liede« aus Smyma, in 
dem >Chiotischen«, im > Türkischen Lied« und in anderen 
dieser Gesänge aus den Gebieten des Morgenlemdes mehr. 

Selten hat sich ein so tief poetisches Gemüth in 
einem Namen mit der Klugheit und Geistesschärfe des 
Staatsmannes gepaart als bei Prokesch', dessen aus- 
gezeichnetes Talent auf so verschiedenen Gebieten ihn 
allein schon als eine merkwürdige Persönlichkeit hervor- 
treten lässt. Was diesen hochbegabten Mann als Dichter 
betrifft, so sehen wir in seinem poetischen Schaffen 
gewissermaßen die Verbindung des letzten begeisterten 
Sanges aus der Zeit der Literatiurperiode deutscher 
Classik mit dem Epigonenthum, welches darauf ge- 
folgt oder besser mit der modernen Poesie, zu deren 
Vertretern Prokesch gerechnet werden muss. 

Wie ahnungsvoll hat Julius Schneller in einem 
Briefe von 1817 an Karoline Pichler nach Wien über 
Prokesch geschrieben: »Der Überbringer dieses Schrei- 
bens ist der Stiefsohn meiner Frau, ein Jüngling von 
außerordentlichen Anlagen. Da ich nur das Dichterische 
für außerordentlich halte, so habe ich ihn zugleich als 
ein poetisches Gemüth bezeichnet. Sie haben Kömer'n 
imd Chorinski persönlich gekannt und Ihres Umgangs 
gewürdigt. Sie fielen beide für eine heilig geglaubte 
Sache. Mein Antonio entgieng durch einen Zufall einem 
ähnlichen Schicksal, welches er aufsuchte. Vergebens 
suchte ich ihn abzuhalten, vergebens suchte er den 
Tod für Deutschlands Freiheit im Gefolge der Könige, — 
imser lieber Gott bewahrte ihn, vielleicht, damit er 
dichterisch vollende, was jene beiden Edlen andeuteten.« 



73 

Ernst Münch, der Biograph Schnellers, macht im 
Jahre 1834 schon auf die Bedeutung des poesieerfuUten 
Helden Prokesch aufmerksam, welcher sich nach den 
Worten Münch's: »mit sinnvollem Ernste und kraft- 
voller Entschlossenheit, mit poetischer Begeisterung 
imd kritisch forschendem Blicke dem falschen Elemente 
imd dem noch falscheren Leben anvertraute, imd Meere 
imd Wüsten, Herrlichkeiten imd Trümmer vieler Länder 
imd Städte durchwanderte«. Als Dichter selbst war Pro- 
kesch damals noch nicht bekannt, die 1 844 erschienene 
Gedichtsammlung bestätigt diese Aussprüche seines ihn so 
hochverehrenden Stiefvaters und macht die Zeichnung 
Münch's von der Anlage dieses seltenen Mannes noch 
klarer und deutlicher. 




V. CAPITEL. 



Rudolf Gustav Puff. J. A. Suppantschitsch. 
Johann Gabriel Seidl in Steiermark. 

Zu Anfang der zwanziger Jahre wohnte Schnellers geist- 
reichen Vorträgen über Weltgeschichte in Graz ein 
junger Mann »im bescheidenen Incognito« bei, welcher 
sich durch seine tüchtige Geschichtskenntnis schon in 
den Gymnasialclassen ausgezeichnet hatte. Es war 
dies Rudolf Gustav Puff; etwa zehn Jahre später 
finden wir ihn als Verfasser von Gedichten, Erzählungen, 
Sagenbearbeitungen und historischer Skizzen in den 
meisten literarischen Blättern Wiens und der übrigen 
Kronländer Österreichs vertreten, selbst in hervorragenden 
deutschen Zeitschriften begegnen wir seinem Namen. 
Bald erschienen auch Sammlungen von Gedichten und 
Erzählungen Puffs, welche sich grosser Beliebtheit bei 
der Lesewelt in Steiermark und ausserhalb des Landes 
erfreuten. Puff — geboren 1808 zu Holzbaueregg in 
Steiermark — starb 1865 in Marburg. Er hat manches 
Trübe in seiner Jugend durchgemacht, war in Graz 
ausgebildet worden und schon aus seinem dreizehnten 
Jahre rühren Gedichte von ihm her, kaum achtzehn 
Jahre alt erscheinen poetische Beiträge aus Puffs Feder 
im »Aufmerksamen«, später wie erwähnt, auch ander- 
wärts abgedruckt. In Wien, wohin PufTs Mutter nach 
des Vaters Tode übersiedelt war, betrieb der eifrige 
junge Mann philosophische und juridische Studien, imd 



75 

eifrig die Leetüre unserer Dichter, er verkehrte aber 
daselbst auch mit literarisch bedeutenden Persönlich- 
keiten, so insbesondere mit Karoline Pichler, deren 
Haus ja der Sammelplatz hervorragender Geister der 
Residenz bis zu ihrem Tode geblieben. Hier war es 
auch, wo er mit Kaltenbrunner, W. Schleifer, Frau v. 
Chezy, mit Franz Schubert imd «mderen bedeutenden 
Männern in Verbindung trat. Obgleich Puff das Doc- 
torat der Jurisprudenz erworben hatte, (neben welchem 
er sich allerdings auch den philosophischen Doctorgrad 
errungen) finden wir ihn doch, da ihm dieser Beruf 
besonders zusagte, 1831 als Gymnasialprofessor und 
zuletzt in Marburg angestellt, woselbst er auch sein an 
literarischer Thätigkeit überaus reiches Leben beschloss. 
Puff hat seit seinen Jünglingsjahren zahlreiche Reisen, 
insbesondere durch die deutschen Alpenländer zumeist 
zu Fuss, aber auch weiter hinaus nach Italien und in 
die deutschen Reichs-Gebiete unternommen und die 
literarischen Früchte dieser Reisen in seinen Schriften 
sowohl in Poesie als in Prosa niedergelegt. In Steier- 
mark hat er viel mit J. G. Sei dl, der damals in Cilli 
weilte, verkehrt und Beiträge für dessen bekannten 
Taschenbücher (»Aurora« etc.) geliefert. 

Es erscheint nöthig, diese Andeutungen über die 
Hauptpunkte im Leben des strebsamen Mannes zu 
geben, der in der Geschichte der Dichtung in Steiermark 
beinahe ein halbes Jahrhundert lang eine Rolle spielt 
und wohl als der fruchtbarste aller steiermärkischen 
Schriftsteller jener Zeit bezeichnet werden kann, anderer- 
seits aber heutzutage trotz seines einst überall in öster- 
reichischen Literaturkreisen gekannten Namens außer 
Landes fast gar nicht mehr genannt ist. Allerdings 
nimmt Puff als Poet überhaupt keineswegs einen Rang 



76 

ein wie etwa J. G. Seidl oder K. G. R. v. Leitner, 
deren Zeitgenosse und Freund er war, aber der Reich- 
thum und die Fülle seines dichterischen Schaffens 
müssen ihm heute noch Beachtung verschaffen. Puff 
besass eine überaus rege Phantasie, ausserordentlichen 
Fleiss und reiche, insbesondere sprachliche und ge*- 
schichtliche Kenntnisse. Auch in seinen »Gedichten«, 
von denen 1835 und 1836 zwei Sammlungen zu Mar- 
burg erschienen sind, tritt der historische Sinn kräftig 
hervor. Sagen und geschichtliche Begebenheiten, dazu 
freundliche Naturbilder zumal aus dem Alpengebiete 
sind es zumeist, welche ihm den Stoff zu diesen Ge- 
dichten geboten. Wie Kollmann, in dessen Zeitschrift 
er so Vieles veröffentlichte, nahm er es aber mit der 
Form nicht sehr genau und Versehen in dieser Richtung, 
welche leicht hätten vermieden werden können, treten 
uns daher nicht selten aus seinen Versen entgegen und 
wirken störend. Dessenungeachtet sind ihm zahlreiche 
zarte und innige Lieder gelungen, insbesondere jene, 
welche er zum Preise seiner steirischen Heimat verfasste, 
die in so vielen seiner Gedichte verherrlicht ist. So 
besingt er die Farben des Landes »Weiß und Grün« 

Wie Alpen weiß ist reiner Sinn, 
Wie Tannen fest und stark. 
Drum wählte sich wohl weiß und grün 
Mein liebes Steiermark u. s. w. 

oder er widmet einzelnen romantischen Stellen seines 
Vaterlandes gefühlvolle Lieder, ruft er diesem doch 
selbst »In der Fremde« die sehnsuchtsvollen Strophen zu: 

Thäler flohen, Thäler fanden 
Blühend sich vor meinem Blick. 
Berge kamen, Berge schwanden 
Feme hinter mir zurück. 



77 

Kahle Felsen, sanfte Fluren 
Kränzten meinen Wanderpfad, 
Freundlich grüßt mich und azuren 
Tritons Fluth nun am Gestad. 

Heimwärts fühl' ich mich gezogen. 
Wie von magischer Gewalt; 
In des fremden Volkes Wogen 
Bleib' ich ewig fremd und kalt. 

Noch schöner ist diese Sehnsucht nach der theuem 
Heimat in einem späteren Gedichte ausgedrückt, welches 
Puff seinem Buche : »Frühlingsgruß« (von 1843) unter 
dem Titel »Heimweh« vorgesetzt hat: 

Heimat, heil'ges Lustgefilde I 
Heimat, süßer Zauberklang! 
Deiner Hoifnung treuem Bilde 
Folgt der Wandrer froh und bang. 

An den Mond möcht' er sich schwingen. 

Mit den Wolken möcht' er flieh'n. 

Mit den Schwänen möcht er fliegen, 

Mit den Schwalben heimwärts zieh'n u. s. w. 

Von den verschiedenen Romanzen, Balladen und 
epischen Gedichten Puffs seien, um nur die Stoffe der- 
selben anzudeuten, hier einige Titel angeführt: Der 
Siedler am Michaels-Berge (magyarische Sage), der 
Veilchenstein (vorarlbergische Sage), Frau Jutha (vor- 
arlbergische Sage), Titus Dugovich (Ballade), Krains 
Leonidas, der Templer, der Schwan und der Sänger, 
Österreichs Thermopylen, der Blutbecher (magyarische 
Sage), Karl der Große und Wittekind, die Bräute von 
Elsenstein, das Kreuz am Wasserfall, die Todtenver- 
mählung, des Pelikaren Wunsch, die Brüder von Plan- 
kenwart. Da diese erzählenden Gedichte zumeist von 
bedeutenderem Umfange sind, muss von der Anfuhrung 



78 

eines vollständigen Stückes an dieser Stelle abgesehen 
werden. Viele derselben zeichnen sich durch das in 
ihnen zum Ausdrucke gebrachte warme patriotische 
Gefühl aus, welches den Dichter durchdrang. 

Von 1841 an erschien aus der Feder R. G. Puffs 
bis 1846 alljährlich ein Bändchen mit dem Titel: 
»Frühlingsgruß,« welches Novellen und Erzählungen 
bot, deren Stoff zumeist der Geschichte und Sage des 
steirischen Unterlandes entnommen war oder deren 
landschaftlicher Hintergrund aus jenem eigenartig- 
schönen Gebiete der Steiermark gewählt erschien. Die 
eigentlichen Sammlungen von Novellen und Erzählungen 
Puffs liegen in fünf, schon seit 1838 herausgegebenen 
Bändchen vor, ihr Inhalt ist em reicher und mannig- 
faltiger. Manches dieser erzählenden Stücke verdiente 
der Vergessenheit entrissen zu werden, in die es ver- 
sunken ist, Puff weiß fesselnd und fließend zu erzählen, 
er besitzt die Gabe, anschaulich zu schildern. Auch in 
dem »Frühlingsgruss« sind einzelne Gedichte ent- 
halten, manche derselben scheinen die Einwirkung J. 
G. SeidPs, mit dem Puff in Steiermark befreundet 
wurde, und dessen »Bifolien« 1836 erschienen waren, 
nachzuweisen. Ein auffallendes hübsches Beispiel von 
dieser Einwirkung bietet das gemüthreiche Gedicht; 

Stammbuchblätter. 

So manche herzliche Zeile 
Aus fernem, fernem Land, 
So manches Bild, wohl gezeichnet 
Von lieber, von zärtlicher Hand, 
So mancher Wunsch für die Zukunft, 
So mancher Vergangenheit Traum, 
Sie bilden in flüchtigen Blättern 
Eine Welt hier im engen Raum 



79 

Oft zaubern sie schönere Tage 

Wie Frühlingshauch mir zurück, 

Oft treiben sie unwillkürlich 

Die Thränen mir in den Blick, 

Die Blätter sind friedlich beisammen, 

Die Freunde längst zerstreut. 

Und mancher schläft müßig im Grabe, 

Der sich thätig des Lebens gefreut. 

Die das Kränzchen glühender Rosen, 

Ihr Ebenbild schüchtern gemalt, 

Ist längst als ewige Rose 

In's ewige Tempe gewallt. 

Der Freund, der die Zeilen geschrieben 

Von ehelicher Harmonie, 

Ist seinen eigenen Zeilen 

Geworden zur Parodie. 

Der von Herz und ewiger Freundschaft 
Von treuem Brudersinn sprach, 
Der könnt es nicht leicht überleben 
Müsst' die That seinen Worten nach. 
Nur manche in schlichten Versen 
Versprachen das Wiederseh'n, 
Die wollen als gute Geister 
Mich freundlich noch jetzt umweh'n. 

Eine der letzten poetischen Gaben PuiFs waren 
die >FrQhlingsknospen von der Sann, Skizzen, Sagen, 
Erzählungen und Gedichte« (1850), eine ähnliche bunte 
Reihe wie die >Frühlingsgrüsse« enthaltend. Wie außer- 
ordentlich schafFensfreudig dieser Dichter gewesen, zeigt 
sein reicher Nachlass. Der verschiedenen historischen 
und topographischen Arbeiten dieses unermüdlichen 
Mannes kann hier nicht gedacht werden, aber es ist 
doch darauf hinzuweisen, dass der erwähnte Nachlass 
in dieser Richtung ebenso wie an Erzählungen und 
Gedichten beinahe noch mehr Arbeiten Puffs enthält 



8o 

als dieser überhaupt schon an die Öffentlichkeit gebracht 
hat. Man wird heutzutage unter den Österreichern dem 
Dichter Rudolf Gustav Puff keine große Bedeutung 
beimessen, aber es wäre im höchsten Grade unbillig, 
seiner ganz zu vergessen. Dass er in den weiteren 
Kreisen des deutschen Publicums nicht mehr bekannt 
geworden — selbst Goedeke's eingehender »Grund- 
riss« erwähnt seiner nicht — liegt wohl in den Ver- 
hältnissen des damaligen Buchhandels, der, was den 
Verlag in österreichischen Provinzstädten betrifft, so 
sehr im Argen lag, dass sogar die großen Bücher- 
lexica, in dieser Hinsicht die bedeutendsten Lücken 
aufweisen. Wenn wir Alles zusammenfassen, was Puff 
in poetischen Werken der Öffentlichkeit übergeben, so 
können wir ihn als Novellisten und Erzähler ganz wohl 
den besseren Talenten beizählen, wie sie uns in den her- 
vorragenderen unserer Almanache und Taschenbücher 
entgegentreten, zu denen er ja selbst so lange Zeit 
Beiträge geliefert; dass er dabei sich zumeist auf den 
Boden seiner von ihm so gern geschilderten Heimat 
bewegt, kann diesen novellistischen Skizzen nur zur 
Ehre gereichen, wenn ihnen auch öfter die innere Ver- 
tiefung fehlt. Als erzählender und lyrischer Dichter 
hat Puff zwar die gewohnten Pfade betreten wie so 
manche seiner zeitgenössischen Landsleute, die ihrer 
Geringfügigkeit wegen hier nicht in Betracht kommen, 
allein der große Stoffreichthum in diesen Dichtungen 
hebt ihn über die Andern empor. Eine strenge Aus- 
wahl der Gedichte PufTs, etwa durch Überarbeitung 
hier und da besser gestaltet, hätte die Bedeutung dieses 
Poeten in das beste Licht gestellt. Es ist sehr zu be- 
dauern, dass die Verhältnisse für derartige Unter- 
nehmungen so ungünstig erschienen. 



8i 

Als im Jahre 1831 R. G. Puif zum Professor in 
Capodistria ernannt wurde, vertauschte er nach einge- 
holter Genehmigung der Behörden seinen Lehrplatz mit 
dem als Humanitätsprofessor in Marburg wirkenden 
J, A. Suppantschitsch (1788 zu Laibach geboren), 
welcher jedoch schon 1833 sein Leben beschloss. 
Suppantschitsch war eine in ähnlicher Weise wie PufF 
dichterisch angelegte Natur und obgleich er sich vor- 
wiegend mit dem Studium der Geschichte und Alter- 
thumskunde beschäftigte, verdient er doch auch seiner 
dichterischen Veröffentlichungen wegen heute noch Be- 
achtung und sein Name neben denjenigen Puffs ge- 
stellt zu werden, dessen kleine Fehler er übrigens eben- 
so theilt wie die in den Dichtungen beider zu Tage 
tretende Liebe zum Vaterlande. Suppantschitsch war 
früher als Professor zu Cilli in Untersteiermark ange- 
stellt und es entfaltete sich schon damals der für alles 
Schöne und Edle rege Sinn dieses kenntnisreichen und 
gebildeten Mannes. Dort schon verfasste er manches 
Gedicht, das seiner patriotischen Begeisterung Aus- 
druck gab und von warmem poetischen Gefühle zeugte. 
Im Jahre 1859 erschien eine dramatische Erzählung: 
»Der Türkensturm auf Marburg im Jahre 1559«, welche 
zwar kein eigentliches Drama genannt werden kann, 
aber in schöner poesievoller Sprache Dichtung und Wahr- 
heit verschmolz und nicht gewöhnliche dichterische Kraft 
bekundete. Andere kleine Dichtungen von Suppemtschitsch 
sind in Zeitschriften erschienen und behandelten ver- 
schiedene historische Ereignisse aus der Stadt, in 
welcher er so lange geweilt hatte, oder aus deren Umge- 
bung, so die erzählenden Gedichte >Carl VL in Marburg«, 
»Die Pfarrthiutnglocke zu Marburg«, »Die Malteser in 
Melling«, »Die Stiftung von Großsonntag« u. a. m. 

Schlossar, zoo Jahre deutscher Dichtung. O 



82 



In einem dieser Gedichte: »Kuradi's Kogel«, in dem 
er die Schönheiten schildert, welche sich dem Blicke 
von jener Höhe bieten, schloss er, wie von einer Ahnung 
ergriffen, mit der diesen seirffen Lieblingsplatz behan- 
delnden Strophe: 

Hört ihr in feierlicher Abendstunde 
Die Zweige rauschen durch den stillen Hain, 
Dann mög' euch eine stille Geisterkunde, 
Ihr lieben Freunde, jenes Rauschen sein, 
Dass in dem Glas der Sand mir abgeflossen, 
Und ich den müden Pilgerlauf beschlossen. 

Es war in der That nicht lange nach der Ab- 
fassung dieses Gedichtes, dass er diese Welt im schönsten 
Mannesalter, betrauert von zahlreichen Freunden, ver- 
lassen musste. Eine Sammlung seiner kürzeren Gedichte 
ist nicht erschienen, sein poetischer Nachlass verloren ge- 
gangen. Suppantschitsch sei es, der den Übergang zu 
einem Dichter bilden soll, welchem bald darauf in Steier- 
mark auf dem Gebiete der Poesie hervorragend zu 
wirken bestimmt war. 

Es ist dies Johann Gabriel Seidl. Allerdings war 
Seidl (1804) zu Wien geboren und hatte schon in 
jungen Jahren in der Residenzstadt durch seine Ver- 
öffentlichungen in Vers und Prosa die Aufmerksamkeit 
der literarischen Kreise daselbst erweckt, mit denen er 
bald in reger Verbindung stand, mit Lenau, Gastelli, 
Bauernfeld, Anastasius Grün, Grillparzer und anderen 
poetisch und literarisch bedeutenden Persönlichkeiten 
verbanden ihn zum Theile feste freundschaftliche Bande. 
Im Jahre 1824 schon war im Theater an der Wien 
eine dramatische Arbeit von Seidl aufgeführt worden. 
Der warme Gemüthston, welcher die zierlichen Lieder, 



.83 

die vortrefflichen erzählenden Gedichte Seidl's aus- 
zeichnete, konnte ihn bald daran denken lassen, eine 
Sammlung derselben zu veranstalten, welche denn auch 
im Jahre 1826 bei SoUinger in Wien in 3 Bändchen 
erschien. Und diese Gesammtausgabe der Dichtungen 
eines österreichischen Poeten von 22 Jahren fand die 
Anerkennung nicht nur in Österreich, sondern weit 
darüber hinaus und ragt in der That durch ihren dich- 
terischen Wert über die meisten der zu jener Z^it im 
Lande veröffentlichten Poesieen weit empor. Gerne 
hätte der Dichter in seiner geliebten Heimatstadt weiter 
gewirkt, aber das Schicksal hatte es anders bestimmt. 
Zu Anfang des Jahres 1829 erhielt er eine feste An- 
stellung durch Verleihung der Gymnasialprofessur in 
dem Städtchen Cilli in Untersteiermark und seitdem 
war er durch eine Reihe von Jahren in der Steiermark 
wissenschaftlich und poetisch so rege thätig, dass Seidls 
Name seitdem mit dem poetischen Leben dieses Landes 
untrennbar verknüpft erscheint ; freilich kehrte er auch 
im Jahre 1840 wieder nach Wien zurück, wo er 
eine Custosstelle in der kaiserlichen Schatzkammer 
angeboten erhielt und im Jahre 1875 als Hofrath starb. 
Auch auf Seidls Lebensgeschichte ist hier nicht 
weiter Rücksicht zu nehmen. Außer Wurzbach (ßd. 33) 
hat dieselbe Hofrath W. Hartel in der Zeitschr. f. 
österr. Gymnasien (1875), Hans Max im 6. Bande von 
Seidls »Ges. Schriften« (Wien 1881) ausführlich, der 
Verfasser dieser Zeilen in der >Allg. deutschen Bio- 
graphie« (33. Bd.) etwas knapper entwickelt. Aber 
auf die Bedeutung, welche Seidl als Dichter für 
Steiermark gewann, wo er seine schönsten Poesien 
geschaffen, muss hier ausführlicher hingewiesen wer- 
den. Hatte doch schon der edle K. G. R. von Leit- 

6* 



84 

ner, welcher sich selbst um jene Stelle am Gymnasium 
zu Cilli beworben, dem Freunde Seidl, als dieser nach 
Steiermark einwanderte, ein herzliches Gedicht gewid- 
met, selbstlos und unbekümmert um den Vorzug, wel- 
cher dem Freunde durch jene Verleihung eingeräumt 
worden war. In diesem Gedichte ruft er dem Sänger, 
der aus Österreich gekommen, zu: 

O sieh, in welch' ein Land du eingezogen! 

Und fühlst du nicht von Liedern schon es wogen 

In sangvertrauter reicher Dichterbrust? 

Beim Himmel! wert unsterblicher Gesänge 

Sind diese Thäler, Alpen, Rebgehänge, 

Sich ihrer Schönheit Reiz kaiun selbst bewusst. 

Seidl hatte die Steiermark und ihre Schönheit denn 
auch bald in sein Herz geschlossen und eine reiche 
Zahl von poetischen und prosaischen, daneben auch von 
wertvollen wissenschaftlichen Werken seiner Feder, ist 
im Lande entstanden. Die kleine Stadt, in der er sich 
seine Häuslichkeit gegründet, war ihm rasch herzlich 
lieb geworden, so dass er darin gerne lebte und nach 
seinen eigenen Worten, »zuletzt beinahe vergaß, wie 
man in einer großen Stadt leben könne«. Seine Be- 
grüßung des neuen Heimatslandes hat er im »Auf- 
merksamen« in einem Gedichte >Die Landesfarben« 
als »Gruß an Steiermark« in schöne Verse gefasst, von 
denen einige hier ebenfalls ihren Platz finden mögen. 

Farben meines Vaterlandes, 
Glühend Roth und blendend Weiß, 
Noch macht ihr mein Auge funkeln, 
Macht mir noch den Busen heiß. 
Und wie sich der Saum der Wolken 
Golden färbt im Abendschein, 
Fasst ihr noch mir alle Träume 
Meines Jugendglückes ein. — 



85 

Aber Roth, du blut'ge Farbe, 
Die der Muth im Wappen trägt, 
Du magst wohl das Grün vertragen, 
Das den Strahl gebiert und hegt 
Roth, du Lichtsymbol des Sieges, 
Grün, du Friedenskleid der Flur, 
Ja ihr malt im heirgen Bunde, 
Mir des Segens sich're Spur, 

Also sei mir denn gesegnet, 
Vaterland an Vaterland, 
Lass' die Liebe meinem Herzen, 
Lass' die Leier meiner Hand ; 
Und vergib, wenn doch bisweilen 
Zwischen deinem Segens-Grün 
Mir des lieben Heimat-Roth es 
Heil'ge Purpurstreifen glühn. 

Und wir wollen gleich an dieser Stelle dessen geden- 
ken, mit welchen Gefühlen im Jahre 1840 der Dichter 
die ihm so lieb gewordene Heimat verlassen, indem einige 
Strophen aus dem Gedichte »Abschied von Steiermark« 
angeführt seien. Beide Gedichte sind in keinem Sammel- 
bande von des Dichters Werken aufgenommen und 
daher wohl in weiteren Kreisen beinahe ganz unbe- 
kannt. 

O sage mir, o Steiermark, o sage 
Wie kommt es nur, dass du so lieb mir bist? 
Mich dünkt, du lächelst über meine Frage, 
. Worauf dein Reiz die beste Antwort ist! 
Mit deinen Alpen, Thälern, Au'n und Flüssen, 
Wer kann dich seh'n — und dich nicht lieben müssen. 

Von deiner Tliäler lieblichstem- umfangen, 

Hab' ich des Lebens schönste Zeit verlebt; 

Hab' heiter und betrübt, in Lust und Bangen 

Gehofft, geliebt, gerungen und gestrebt; 

Hab' aufgenommen msmchen gold'nen Faden, 

Der mich noch leiten wird auf späten Pfaden. — — 



86 

So leb' denn wohl, Gott lächle deinem Sterne^ 

Gott nehme meines Dankes Flehen an! 

Vergiss auf mich so wenig in der Feme, 

Als jemals ich auch dein vergessen kann! 

Und lass' mich, wenn gleich AlpenhÖh'n uns trennen 

Noch immer gerne deinen Bürger nennen. 

In der Einleitung zu dem Werke August Mandl's 
»Die Staatsbahn von Wien bis Triest« (1856), dessen 
prosaischer Titel nicht vermuthen lässt, dass es zahl- 
reiche Poesien Seidls enthält, welcher zahlreiche auch 
stei ermärkische Sagen, historische Begebenheiten u. dgl. 
in Verse gefasst diesem Buche beigab, erklärt der 
Dichter, dass er in der schönen Steiermark »die zwölf 
glücklichsten Jahre seines Lebens zugebracht habe.« 
Thatsächlich sind auch die schönsten und gehaltvollsten 
seiner Lieder in der kleinen Sannstadt und in dem 
Lande entstanden, welches er gerne seine zweite Hei- 
mat nennt. Die vier Hefte: »Flinserln, Öst'reichische 
G' stanzin, G'sangln und G'schicht'ln,« jene zierlichen, 
dem Volke des Alpenlandes abgelauschten mundart- 
lichen Liedchen, welche so ganz dessen gemüthliches 
Leben und Treiben widerspiegeln, sind in den Jahren 
1828 bis 1838 zum großen Theile in Steiermark yer- 
fasst und von dort aus herausgegeben worden, und als 
der Dichter, nachdem er schon seit Jahren das Land 
verlassen, die »Almer, Tnnerösterreichische Volksweisen,« 
(1850) vor die Öffentlichkeit brachte^ waren es wieder 
volksthümliche Klänge, deren beste er unmittelbar nach 
dem Volksmunde in den Alpen gesammelt und durch 
seine Ausgabe der Vergessenheit entrissen hat. Bevor 
wir der eigentlichen weiteren lyrischen Thätigkeit des 
Dichters erwähnen, sei noch angedeutet, dass die ver- 
schiedenen Sammlungen seiner Novellen: »Georginen« 



8? 

(1836), »Episoden« (1836), »Novelletten« (1839), »Pen* 
tameron« (1843) und andere manche kleine und be- 
merkenswerte Erzählung enthalten, im Übrigen aber, 
da sie zunächst meistens für die von dem Dichter 
herausgegebenen Taschenbücher abgefasst wurden, mehr 
bestimmt waren, die Leselust eines großen Publicums 
zu befriedigen. Eine größere Vertiefung fehlt diesen 
Geschichten und Geschichtchen zumeist, hübsche land- 
schaftliche Schilderungen, phantastische Skizzen und 
Ähnliches entschädigen den Leser von heute für verschie- 
dene dem einstigen Zeitgeschmacke angepasste dieser 
Novellen und Novelletten, welche auch wohl historische 
Stoffe behandeln. Manche solcher erzählenden Stücke 
sind ebenfalls in Steiermark verfasst, sie enthalten 
nicht selten Erinnerungen des Dichters an eigene 
Erlebnisse und Zeichnungen von Örtlichkeiten im 
Lande. Hat er diesem Lande doch sogar jenes eigen- 
artige Wanderbuch, die »Wanderungen durch Tirol und 
Steiermark« (als Theil des großen Werkes: »Das 
malerische und romantische Deutschland«) gewidmet, 
das 1840 in erster Auflage erschien und in seiner 
schönen, mit mancher dichterischen Beigabe geschmück- 
ten Darstellung die Arbeit des Poeten nicht verläugnet. 
Das eigentliche Schaffen Seidl's auf lyrischem Ge- 
biete hat, wie wir gesehen, frühzeitig schon in Wien 
begonnen. Sein 1825 herausgegebener Cyclus »Schillers 
Manen« zeugt von poetischer Kraft, Gewandtheit und 
Begeisterung. Die »Lieder der Nacht« sind formschöne 
schwermüthige Gesänge, seine Balladen und Romanzen 
weisen epische Gestaltungskraft auf, die man bei jungen 
Talenten — S.eidl war nach der Veröffentlichung von 
»Hans Euler,« »Die feste Mauer« und andern ähnlichen 
Gedichten kaum 22 Jahre alt — selten antrifft. Leichte 



88 



Liebeslieder und andere kleine lyrische Stücke sind ihm 
ebenfalls schon in so jugendlichem Alter wohl gelungen. 
Nicht lange nachdem sich Seidl in Cilli ansässig ge- 
macht, waren Anastasius Grün's, seines ausgezeichneten 
Freundes, »Spaziergänge eines Wiener Poeten« erschienen 
und der Sturm, welchen diese gewaltigen Dichtungen 
in Deutschland und Österreich erregten, deren Ver- 
fasser in das Dunkel tiefer Anonymität gehüllt erschien, 
theilte sich allen literarischen Kreisen mit. Es ist in- 
teressant zu ersehen, dass selbst dem treuen Freunde 
Seidl gegenüber Anastasius Grün die Anonymität der 
genannten Dichtungen nicht aufgab. Ein laimiger ge- 
reimter Brief des »Spaziergängers« an den Dichter in 
Cilli*), welch' letzterer wohl eine Auskimft über den 
Verfasser des solches Aufsehen erregenden Buches ver- 
langt hatte, enthält geradezu die Stelle: 

»Spaziergang* eines wienerischen Poeten« 
Kenn ich wohl manche, theilend den Genuss 
' Sowohl zu Wagen, als — und meist — zu Fußl 
Jedoch ein Buch des Namens kenne ich nicht. 
Ein solches aber meint wohl Eu'r Bericht? — 

Seidl in Steiermark hatte allerdings auf dem Felde 
der Poesie andere Wege eingeschlagen; »Natiu* und 
Herz« waren es, an die sich seine Lieder knüpften, 
keine leidenschaftliche Bewegung ist in denselben zu 
finden, aber eine innige, in die Seele des Lesers drin- 
gende Gemüthstiefe, welche vom Herzen kommt und 
zum Herzen geht. Vor Allem ausgeprägt zeigt sich 
dieselbe in den »Bifolien«. 



•) Vollständig mitgetheilt von Hans Max in »Seidl's 
Gesammelten Schriften« VI. Band. (Wien i88l) in der bio- 
graphischen Einleitung S. XVII. . 



90 

Die >Bifolien« sind zuerst im Jahre 1836 zu 
Wien erschienen und seitdem noch fünfmal aufgelegt 
worden, sie wurden dem y^ Erzherzog Johann,t mit 
dem der Dichter bald nach seinem Einzüge in Steier- 
mark verkehren durfte, gewidmet. 

Es sind zarte duftige Blumen, >zwei Blätter an 
einem Stiele,« wie der Dichter den Namen erklärt, mit 
einem epischen Blättchen je ein lyrisches vereinigt und 
was die Blüte dieser Blättchen sein soll, weist die 
Schlussstrophe der poetischen Erklärung: 

»Gut! — Aber wo ist die Blüte?« 
Wirft wohl ein Kenner mir ein; 
Die Blüte soll die Empfindung, 
Die draus Euch anspricht, sein. 

Als die fünfte Auflage des Buches erschien, weilte 
Seidl schon lange wieder in Wien, eingesponnen zwi- 
schen wissenschaftlichen archaeologischen Arbeiten, aber 
das neue Widmungsgedicht (1855) wandte sich doch 
wieder an den unvergesslichen Fürsten in der grünen 
Steiermark, welchem das Liederbuch >als treuer Hul- 
digung schüchtern Zeichen in seinem Lenz ein Dichter 
dargebracht«. »Es ist an ihm«, am Dichter, fährt dieser 
in sein,fer Apostrophe an den Erzherzog fort: 

Auch viel vorbeigegangen, 

Viel, wie an Allen, die mit ihm gelebt; 

Doch fest an seinem Ideal zu hangen, 

Erhob ihn einst, — ist's, was ihn noch erhebt! 

Drum, wenn er jetzt dir seinen Strauß, vom Strahle 
Des Herbstes matter gleich vergoldet, schickt, 
Blick' ihn iso freundlich an ziim fünftenmale. 
Wie du zum erstenmal ihn angeblickt! 

Als die jüngste Ausgabe der »Bifolien« im 2. Bande 
der > Gesammelten Schriften« Seidls 1877 erschien, war 



91 

der Schöpfer dieser Lieder schon heimgegangen zu 
den Sangesgenossen seiner Jugend, welche ihm voraus 
geschieden in die Ewigkeit, auch der edle Erzherzog 
Johann ruhte schon lange von seinem thatenreichen 
Leben aus in der Familiengruft zu Schönna in Tirol. 
Die >Bifolien« sind unbedingt die bedeutendste von 
den Sammlungen der Poesien J. G. Seidls, sie zeigen 
uns ganz den Charakter des Dichters in seinem mensch- 
lichen Streben und Wollen, in seinem poetischen Fühlen 
und Können. Nur . ein kleiner Kreis des Empfindens 
tritt uns aus den Liedern dieses Buches entgegen, der 
Segen der Häuslichkeit, das Glück der Familie, die 
Gefühle der Liebe imd Freundschaft besingt der 
Dichter in schlichten wohllautenden Strophen, welche 
zu Herzen dringen und durch ihre innige Gemüthstiefe 
ergreifen. Man hat die Einfachheit der Stoffe, welcj^e 
sich der Sänger zum Vorwurfe gewählt, auch wohl 
getadelt, mit Unrecht, wie uns dünkt, auch die ein- 
fachen Klänge sind so schön und einschmeichelnd vor- 
getragen, dass sie von großer Kunst des Dichters und 
von seltener Innigkeit Zeugnis ablegen, die in jeder 
Strophe zum Ausdrucke gelangt. In den epischen 
Stücken' dagegen ' liegt' eine biesondere Klarheit der 
Darstellung und gerade auf diesem Gebiete ist 
ja die Einfachheit nur dem Meister eigen, welcher 
uns in Dichtungen wie: »Das Glücksglöcklein, « >Der 
König und der Landmann«, »Die Pestjungfrau,« >Der 
todte Soldat«, »Das gerettete Kind« und in ähnlichen 
erzählenden Gedichten entgegentritt. Dadurch sind 
diese poetischen Erzählungen selbst dem Verständnisse 
des einfachen Gemüthes nahe gerückt imd es ist wahr- 
haftig für den Dichter eine Auszeichnung, wenn sich 
in Schul- und Lesebüchern für die Jugend so viele seiner 



92 

epischen Gedichte als die passendsten eingereiht finden. 
Wie musterhaft klar und schön sind z. B. die Gegen- 
sätze behandelt in dem nachstehenden eben erwähnten 
Gedichte, das hier seine Stelle finde, obwohl es in 
vielen Büchern und Blumenlesen unserer Dichtung zu 

finden ist. 

Der König und der Landmann, 

Der Landmann lehnt in der Hütt' allein, 
Und blickt hinaus in den Mondenschein, 
Und schaut empor zu des Königs Palast, 
Er weiß nicht, welch' ein Gefühl ihn fasst. 

»Ach war' ich ein König nur eine Nacht, 
Wie wollt' ich schalten mit meiner Macht, 
Wie gieng ich umher von Haus zu Haus, 
Und theilte den Schlummernden Segen aus! 

Wie strahlte dann morgens so mancher Blick 
Die Sonne zum erstenmal hell zurück: 
Wie staunten einander die Glücklichen an. 
Und meinten: das hat ein Engel gethan!« — 

Der König lehnt im Palast allein. 
Und blickt hinaus in den Mondenschein, 
Und schaut hinab auf des Landmanns Haus, 
Und seufzt in das weite Schweigen hinaus: 

»Ach, war' ich ein Landmaxin nur eine Nacht, 
Wie gern entrieth ich der drückenden Macht, 
Wie lehrt' ich mich selber die schwere Kunst, 
Nicht irr' zu gehen mit meiner Gunst! 

Wie wollt' ich in's eigene Herz mir seh'n. 
Um wieder es offen mir selbst zu gesteh 'nl 
Was tausend Hände mir nicht vollbracht. 
Das wollt' ich gewinnen in einer Nacht 1« — 

So schau'n sie sinnend beim Stemenlauf 
Der König hinunter, der Landmann hinauf; 
Dann schließen beide den müden Blick, 
Und träumen beide vom fremden Glück. 



93 

Der Dichter liebt es überhaupt, ähnliche poetische 
Gegensätze in seinen Gedichten gegenüberzustellen und 
weiß hiedurch große dichterische Wirkungen zu er- 
zielen, »das wunde Herz« der Königstochter, welches 
sie im Tode nicht mehr quält, >die Spielkarten«, welche 
den Verurtheilten an die Verbrechen seines Lebens ge- 
mahnen, »der Bettlerknabe, € welcher in der Winter- 
kälte die fühllosen Menschen um ein Almosen anspricht, 
und vor Frost erstarrt in den Tod sinkt, die »Legende« 
von dem kunstvollen Liede und dem einfachen Volks- 
gesange, welcher dem Herrn so wohl gefällt, diese 
imd viele andere Stücke zeigen, in welcher Weise im- 
ser Poet das Herz des Lesers durch die vorgeführten 
Gegenüberstellungen zu ergreifen versteht. Die letzt- 
genannte Legende klingt im Schlüsse beinahe wie eine 
Vertheidigung des Dichters selbst, wenn man ihm die 
große Einfachheit des einen oder des anderen Liedes 
zum Vorwurfe gemacht: 

Darauf der Herr mit Lächeln spricht: 

»Mein Petrus, das verstehst du nicht. 

Dort sangen sie geistliche Lieder zwar, 

Voll Kunst, doch aller Andacht bar; 

Hier singen sie zwar Volkslieder nur, 

Ganz ohne Kunst, doch voll Natur, 

Und mitten unter Lust und Scherzen 

Mit aller Andacht frommer Herzen. 

Und sieh, mein Petrus, das merke dir. 

Ein echtes Volkslied hat viel von mir. 

Man sieht ihm keine Frommheit an. 

Und doch erbaut es seinen Mann! 

Manch' Lied mag in der Luft verschwimmen. 

Es wendet und windet sich allzu schräg: 

Volkslieder aber, wie Kinderstimmen, 

Die finden zum Himmel den graden Weg.« 



94 

Und damit kommen wir auf einen Vorzug der 
eigentlichen lyrischen > Blättchen« der Bifolien. Viele 
derselben treffen den Ton des Volksliedes, des ein- 
fachen Sanges, welcher doch so unmittelbar aus der 
Seele des Volkes stammt und auf den mit fühlendem 
Gemüth begabten Hörer viel nachhaltiger wirkt, als die 
tiefsinnigste Kunststrophe. Eine ernste gereifte Welt- 
anschauung ist es, welche uns aus den Strophen so 
manchen Gedichtes der > Bifolien« entgegentritt und 
uns den Dichter als wackeren poetischen Mahner weist, 
der kernige Lehren in. klangvollen Versen dem Leser 
einprägt; »Nie ohne Waflfe sei der Mann!« ruft er in 
den >Männerwaifen«. 

Ich meine nicht das Schwert, 

So sehr es ihn auch ehren kann. 

Wenn er es selber ehrt. 

Doch andere Waffen gibt es noch. 

Die Gott ihm umgeschnallt. 

Die leih'n ihm selbst im Sclavenjoch 

Beherrschende Gewalt. 

Und solche Waffen sind des Mannes > Geist, der 
ruhig klare Sinn«, des Mannes »Gefühl, sein edles, 
warmes Herz,« des Mannes »Wort, das Echo seines 
Sinn's. « 

Die leg er im Gefecht der Welt 
Nie eingeschüchtert ab, 
Die nehm er, als ein echter Held 
Einst mit sich in das GrabI 

»Selbst ist der Mann« lautet die Überschrift eines 
anderen Gedichtes, in dem der Poet darauf hinweist, 
wie so wenig auf das Urtheil der Welt Gewicht zu 
legen ist, die nimmer nach dem Herzen fragt und nach 
dem Wohl und Wehe der Einzelnen. 



95 

In deinem tiefsten Herzen 
Bestelle dir dein Haus, 
Dort breite deine Schmerzen 
Und deine Freuden aus. 

Mit gläubigem Sinne und echter Frömmigkeit 
schließt er sein Lied: 

Thu Alles Gott zu Liebe, 
Nicht um den Dank der Welt, 
Und wenn dir nichts auch bliebe 
So bist du wohl bestellt! 
Und geht es meinst zu Ende, 
So falte fromm die Hände. 
Nicht aller Trost erblich, 
Denn sollt' auch keiner klagen. 
Und Niemand nach dir fragen, 
Dein Gott fragt doch um dich! 

So mahnt er im schönen Dichterworte das za- 
gende Menschenherz. In den >Bifolien« bietet Johann 
Gabriel Seidl die duftigsten Blüten seiner Kunst, die 
innigsten Töne seines Herzens dar und viele dieser 
Töne werden immer erklingen, so lange der Sinn für 
Schönes und Edles im deutschen Gemüthe ruht. 

Es sei, was Seidl's poetische Thätigkeit in der 
Steiermark anbelangt, endlich auch auf die patriotische 
Richtung derselben hingewiesen, sein großes Vaterland 
und seinen Kaiser hat er geliebt und in's Herz ge- 
schlossen, selten fehlte bei festlichen Gelegenheiten in 
Cilli ein dichterischer Gruß oder ein poetisches Fest- 
Spiel, in dem er nicht seinem patriotischen Gefühle 
Ausdruck gegeben hätte. Zumal verherrlicht er den 
unvergesslichen Erzherzog Johann^ den Fürsten, dessen 
segensreiches Wirken für das Land, in dem nun Seidl 
weilte, der Poet ja von Monat zu Monat und von Jahr 
zu Jahr verfolgen konnte, desselben Fürsten, bei dem 



96 

er selbst zu Gaste sein und dessen Häuslichkeit er kennen 
lernen durfte. Aber selbst nach Wien zurückgekehrt, 
gedachte Seidl des segenspendenden Prinzen und als 
dieser seinen 60. Geburtstag feierte, schrieb er noch 
das schöne Glückwunsch-Gedicht >In der Hofburg zu 
Wien,« welches, so weit uns erinnerlich, in keiner 
Samnilung von Seidls Werken aufgenommen erscheint 
imd das hier im Auszuge noch den Abschluss dieses 
Capitels bilden möge. 

In der Hofburg zu Wien. 
Am 20. Jänner 1842. 

An einem der hphen Fenster 
Im Hofe der Burg zu Wien, 
Lässt heute wohl einen Sänger 
Sein Herz nicht vorüber ziehn. 
Er war in den Alpen heimisch, 
Sang dort manch' Liedchen schlicht, 
Drum gehn ihm die lieben Berge 
Noch jetzt aus dem Sinne nicht. 

Vielleicht, dass hinter den Scheiben 
Der hohe Herr sich ihm zeigt. 
Für welchen heut aus den Alpen 
Viel Segen zum Himmel steigt. 
Dem heute des sechzigsten Jahres 
Vorsichtig schonende Hand 
Noch freundlich die sinnende Stime 
Mit frischen Blumen umwand. — 

Und sieh! es ist derselbe, 
So wie er ihn oft gesehn 
Inmitten des Landes Steier 
Begleitet von Liebe stehn; 
So kräftig in seinem Wirken 
In seiner Muße so groß, 
Die edle Gemahlin zur Seite, 
Das liebliche Söhnlein im Schoß. 



97 



Und heute, so fem dem Lande! 
Sie wünschen umsonst ihn zu sehn ; 
Er kann nicht schaun ihr Frohlocken, 
Er kann nicht hören ihr Flehn! — 
Das geht dem Sänger zu Herzen, 
Er maßt sich die Botschaft an, 
Die heut er unter dem Fenster 
Für Tausende künden kann: 

Die Segenswünsche des Landes, 
In dessen Herz er geblickt. 
Er sendet sie leise für Alle 
Empor an das Fenster entzückt, 
Damit sie wie Tauben umflattern 
Des Fürstengemaches Wand, 
Und laut durch die Scheiben girren : 
Glück auf, aus dem Steirerland! 



^ 



Schlossar, loo Jahre deutscher Dichtung. 



VI. CAPITEL. 



Carl Gottfried Ritter von Leitner. Seine Be- 
ziehungen zu Anastasius Grün. Aus Leitners 
ungedrucktem Nachlasse. 

Der Mann, dessen an dieser Stelle gedacht werden soll, 
ist eine der hervorragendsten österreichischen 
Poetengestalten, er nimmt einen Ehrenplatz ein unter 
den Dichtem Deutschlands überhaupt und nur die 
außerordentliche Bescheidenheit, ja Schüchternheit seiner 
Persönlichkeit blieben wohl Schuld daran, dass Leitners 
Name lange Jahre hindurch außerhalb der Grenzen 
Österreichs nicht mit unter ' den Besten des deutschen 
Parnasses genannt erschien. Spät erst wurde ihm, dem 
so klangvolle Liedergabe geschenkt war, die allgemeine 
Anerkennung auch der weitesten Kreise zu Theil, frei- 
lich im engeren Kreise hatte man ihn schon lange hoch- 
gehalten und nach dem Erscheinen der ersten Auflage 
seiner Gedichte im Jahre 1825 galt C G. R. v. Leitner 
in Österreich als eines jener Talente, welche hoch über 
alle neben ihm aufgetretenen Sänger und Dichter empor- 
ragen. 

Der Familie Leitner wurde durch Erwähnung des 
Vaters Cajetan Franz und des Oheims Alois Vinzenz 
schon früher im L Capitel dieser Darstellung ge- 
dacht. Carl Gottfried Ritt, von Leitner (geb. 1800 zu 
Graz) war kaum in das sechste Lebensjahr getreten. 



99 

als sein Vater starb, auch sein Oheim erlebte nur die 
ersten Versuche des poetisch so bedeutend veranlagten 
Jünglings, dessen Lebenslauf ein stiller und einfacher 
gewesen; in Kehrein's »Biographisch-literarischem 
Lexikon« (Bd. L 1868) ist derselbe nach des Dichters 
eigener Mittheilung dargestellt. Leitner hat in Graz 
die philosophischen und juridischen Studien betrieben, 
wollte sich dem Lehrfache zuwenden und hatte wirklich 
auch schon 1826 am Gymnasium zu Cilli imd nachher 
in Graz Vorträge gehalten, konnte jedoch keine feste 
Anstellung erlangen ; sein bereits begründeter literarischer 
Ruf trug wohl auch mit dazu bei, dass er im Jahre 1836 
zum Secretär der steiermärkischen Stände erwählt wurde, 
als solcher trat er im Jahre 1854 in den Ruhestand. 
Seine 1846 mit der an Geist und Gemüth reich begabten 
Caroline Beyer eingegangene Ehe trennte schon im 
Jahre 1855 der Tod. Die geliebte Gattin wurde ihm 
auf einer Reise in Pisa entrissen. Er begleitete die 
Leiche der unvergesslichen Lebensgefährtin bis nach 
Graz zurück, wo er sie in der heimatlichen Erde be- 
statten liess; mit inniger Rührung wird jeder die poesie- 
Vollen Strophen lesen, welche Leitner in seinen Ge- 
•dichten nachher an die Verklärte gerichtet hat. Seitdem 
lebte er womöglich noch stiller in der steiermärkischen 
Hauptstadt ; er hatte sich vielfach auch mit historischen 
Studien beschäftigt und manche tüchtige kleinere Ar- 
beit auf diesem Gebiete veröffentlicht, die vortreffliche 
»steiermärkische Zeitschrift«, welche auch dichterischen 
Schöpfungen Eingang gewährte, hat er eine Zeitlang 
mit mehreren anderen sachkundigen Männern geleitet, 
für das Joanneum und dessen geistigen Aufschwung 
viel gethan und war im Jahre 1858 vom Erzherzog 
Johann selbst zu einem der drei Curatoren dieser An- 



lOO 

stalt ernannt worden. Im Jahre 1863 wurde Leitner 
zum Vorsitzenden der deutschen Schiller-Zweigstiftimg 
in Graz erwählt. Aber noch lange sollte der ins 
Greisenalter Getretene dieser Welt zur Freude seiner 
stetig immer mehr anwachsenden Freundeszahl erhalten 
bleiben, er starb, nachdem ihn ein Schlagfluss ge- 
troffen, 90 Jahre alt am 26. Juni 1890 in Graz. 

Diese kurzen Andeutungen über das Leben des 
steiermärkischen Dichtemestors mögen genügen, sie sind 
nur zum etwaigen Verständnisse einiger Angaben die 
hier folgen sollen, angeführt. Die Stammtafel der Fa- 
milie Leitner und viele andere Daten über den Dichter 
hatjosef Goldscheiderin einer 1880 dem Achtzigjährigen 
gewidmeten zu Graz erschienenen Festschrift zusammen- 
gestellt. Schlicht und still wie das Leben des be- 
scheidenen Dichters, dem die Muse doch ihre herr- 
lichsten Gaben verliehen, war auch sein poetischer Ent- 
wicklungsgang. Nachdem Leitner mit 19 Jahren sein 
erstes Gedicht veröffentlicht, folgten bald Gedichte und 
Novellen aus seiner Feder in den hervorragendsten lite- 
rarischen Zeitschriften Wien's, in Taschenbüchern und 
Sammelwerken. Erst im Jahre 1857, also mehr als 
30 Jahre nach der ersten erschien die zweite Auflage 
der »Gedichte« (Hannover), allerdings vielfach ver- 
mehrt und verbessert. Selten hat wohl ein Poet seine 
Arbeiten so eingehend geprüft und gebessert wie Leitner, 
dessen bis in die letzten Lebenstage reichenden dichteri- 
schen Schöpfungen, deren viele noch nicht bekannt ge- 
worden sind, dem Verfasser dieser Zeilen vorliegen und 
hievon Zeugnis ablegen. »Herbstblumen« benannte Leit- 
ner die 1870 in Stuttgart erschienene neue Sammlung 
von Gedichten, »Novellen und Gedichte«, ein spärliches» 
aber reines Gold der Dichtkunst bietendes Bändchen, das 



lOI 

er als letzte Gabe im Jahre 1880 herausgab. In diesen 
wenigen Büchern hat der steierische Dichter die Summe 
seines poetischen Schaffens der Öffentlichkeit vorgelegt, 
aber er hat Viel des Herrlichen dieser Öffentlichkeit 
vorbehalten, wie sein reicher Nachlass zeigt. Alle 
Poeten beinahe, welche in dem vorliegenden Buche 
behandelt erscheinen, 'hat er persönlich gekannt oder 
ist ihnen sonst näher getreten, J, R, v, Kalchherg 
hat den jungen Mann geschätzt und ermuntert, Rosegger 
und seine Zeitgenossen haben dem Greise Hochachtung 
und Verehrung dargebracht. 

Leitners Poesien bieten nach den beiden Haupt- 
richtungen, nach der lyrischen und nach der epischen 
Richtung Hervorragendes und Bedeutendes, die Form 
derselben ist stets musterhaft, ein edler Gedankenschwung 
zeigt sich im Liede jeder Gattung, dessen lieblichste 
Töne ihm zu Gebote stehen ; Klarheit der Bilder, welche 
nie gesucht sind und doch überraschend wirken, bietet 
der Dichter im Liebesliede wie in der Verherrlichung 
der Natur, für welche ihm ja sein schönes Steirerland 
so prächtige Vorwürfe gegeben, meisterhaft beherrscht 
er die Strophenform des Sonetts, nicht minder aber auch 
die Nibelungenstrophe und den Hexameter. Auf dem 
Gebiete der Ballade und Romanze, der poetischen Er- 
zählung ist Leitner ausgezeichnet, Stücke wie > Herzog 
Inguo's Mahl«, »König Hackon's letzte Meerfahrt« oder 
>Der Herr des Meeres« reihen sich den besten Poesien 
Uhlands und anderer Großen im Reiche der Dichtkimst 
würdig an. >Der Herr des Meeres« mit dem gewaltig 
wirkenden Refrain: >Und laut erbrausen die Wogen« 
gehört zu den Meisterwerken deutscher Balladendichtung. 
Der Verfasser dieser Zeilen ist in der Lage auf gar 



102 

gewichtige Zeugnisse hinzuweisen, welche schon in 
früher Zeit die Bedeutung imseres Dichters hervorheben. 
Kurze Zeit nach Vollendung seiner Studien wurde 
Leitner mit dem damals noch jugendlichen Ant Alex, 
Graf Auersperg, mit dem künftigen Dichter Anastasius 
Grün befreundet. Letzterer hatte zwar Steiermark bald 
verlassen und erst später ab imd zu wieder besucht, 
bis er sich das Land zum dauernden Aufenthalte er- 
wählte. Aber ein Briefwechsel verband inzwischen die 
beiden Poeten, den in kühnen glänzenden Strophen die 
Geistesfreiheit herbeirufenden Dichtergrafen und den 
in schönen, sanften, formvollendeten und von wohl- 
thuender Wärme durchwehten Versen ihm begegnenden 
Steiermärker. Aus den Briefen Auerspergs an Leitner 
seien hier einige Stellen aus früherer und späterer Zeit 
angeführt.*); >Ich hoffe mit der Zeit« schreibt im 
Juli 1826 der noch unberühmte > Wiener Poet« »wenn 
es mir höher hinanzuklimmen gelingen sollte, mit Ihnen 
im freundlichen Bunde dem schönen Ziele entgegen- 
zuwandeln, da keiner unserer neueren Dichter, ich darf 
es offen bekennen, meiner Individualität so sehr zusagt, 
wie Sie«. Schon 1829 wendet sich Auersperg gar ver- 
traulich an Freund Leitner und ersucht ihn in scherz- 
haften Reimen aus Wien um poetische Beiträge im 
Auftrage der Herausgeber verschiedener Zeitschriften 
und Taschenbücher. Aus der für den heiteren Brief 
gewählten Strophenform wird man wohl unschwer ent- 
nehmen, dass Anastasius Grün damals an den Nibe- 
lungenstrophen seines »Letzten Ritters« beschäftigt war. 
Hier einige Verse des interessanten Briefpoems: 

*) Mehrere dieser Briefe hat vollständig L. A. Frankl 
im Feuilleton der »Neuen Freien Presse« vom ll. April 1881 
Nr. 9563 zum Abdrucke gebracht. 



103 

Gott grüß' dich, braver Dichter und schlechter Corre- 

spondent ! 
Es macht dein langes Schweigen bald meiner Geduld ein 

End', 
Zerschlugst dein Tintenfass du, so fülle eine Nuss 
Und ist dein Arm erfroren, so schreibe mit dem Fuß. 

Ja oder hast vergessen du ganz des Freundes schon? 
Und kanntest, als er pochte, nicht den bekannten Ton? 
Ja oder kam sein Pochen zu rechter Zeit dir nicht? 
Wohlan, so murr' und fluche — nur aber schweige nicht ! — 

Mancher vertrauliche Brief wurde seitdem zwischen 
den beiden Dichtem gewechselt und Anastasius Grün 
hat den Freund über seine literarischen Pläne manche 
interessante Mittheilung gemacht. Besonders wichtig 
aber, erscheint es, dass Leitner, welcher zu Anfang der 
fünfziger Jahre an die endliche zweite Auflage seiner 
Gedichte dachte, sich das unpartheiische Urtheil des 
bereits in ganz Deutschland und Österreich gefeierten 
hochberühmten Freundes Grün erbat und diesem das 
Manuscript der erwähnten zweiten Auflage mit der 
Bitte zustellte, fireimüthig über jedes einzelne Gedicht 
seine Ansichten und Ausstellungen mitzutheilen. That- 
sächlich unterzog Anastasius Grün damals im Jahre 
1855 zu Thum am Hart das Manuscript der genau- 
esten Prüfung und verzeichnete den Erfolg derselben 
auf eigenen Blättern, welche er dem steirischen Poeten 
offenherzig zusandte. Die daselbst angeführten Be- 
merkungen Auerspergs hat Leitner auch genau beob- 
achtet und so manches in Reim und Wort nach Ana- 
stasius Grün's Vorschlag geändert. Letzterer nahm 
aber dabei Gelegenheit, dem Poeten in Graz trotz der 
kritischen Bemerkungen seine Verehrung auszudrücken. 
> Meine kritischen Bedenken« schreibt er in dem be- 
züglichen Briefe vom 21. October 1855 > wollen Sie, 



I04 

insofern sie Ihnen hie und da unbegründet scheinen 
sollten, immerhin unberücksichtigt fallen lassen; ich 
glaubte es dem innigen Antheile und der hohen Ach- 
tung, die ich Ihren dichterischen Leistungen zolle, so 
wie diesen selbst schuldig zu sein, auch die kleinsten 
Bedenken nicht zu verschweigen und so mitzuwirken, 
dass der Glanz und Erfolg Ihrer Schöpfungen auch 
nicht durch an imd fiir sich geringfügige Mängel be- 
einträchtigt werde. Ein wahrer Dichter wie Sie, hat 
dann immer noch Selbständigkeit und Selbsterkenntnis 
genug, um derlei kritische Bedenken zu sichten und 
zu reducieren« — > Obwohl ich Ihrem Wunsche . . . 
nachzukommen bestrebt war« lautet eine andere Stelle 
dieses Schreibens, >so ficht es mich doch fast unan- 
genehm an, wenn ich jetzt die lange Liste meiner Be- 
denken anblicke, ohne dass ich ihr in den Aussprüchen 
meiner Bewunderung imd Freude, in den Ausdrücken 
meiner Rührung und Erhebung das richtige Gegen- 
gewicht an die Seite stellen darf. Doch statt zwei Halb- 
bogen müsst' ich deren wohl zehn und mehr mit Lob 
und Preis anfüllen ... im Übrigen wissen Sie ja seit 
Jahren, wie ich, der ich kein Schmeichler und Schön- 
färber bin, von Ihrem herrlichen Talente denke. Und 
so brauche ich Ihnen nur kurz anzudeuten, dass die 
Tiefe und Wahrheit, die Reinheit und Wärme Ihrer 
poetischen Empfindung, die edle Einfachheit und Ge- 
diegenheit der Formen, die von echt künstlerischer 
Bildung zeugt, die schwung- und zugleich maßvolle 
Beweglichkeit Ihrer Phantasie, die markige Gestal- 
tungsfahigkeit und volksthümliche Ausdrucksweise (ins- 
besondere in den Balladen) mich neuerdings entzückt 
und hingerissen haben«. — 



^, 



Ci^^^^^^^'^^ZS*--'.^-/ 



io6 

Und auch Freund Leitner hat an den Neuauflagen 
von > Schutt« und von den »Gedichten« Anastasius 
Grünes über dessen Wunsch gebessert, wofür ihm der 
»Wiener Spaziergänger« in einem anderen Briefe den 
Dank ausspricht. Als Leitner's Gedichte im Jahre 1857 
in der Neuauflage endlich erschienen waren, beglück- 
wünschte Auersperg neuerlich den poetischen Freund 
und Gesinnungsgenossen (Brief vom 21. November 
1857) und tröstete ihn zugleich, herzlich bedauernd, 
»dass das Wiedererscheinen Ihrer anmuthvoUen Muse 
auf dem Marke der Öffentlichkeit Ihnen mitunter An- 
lässe zu kleinen Verstimmungen gibt.« Er fügt die 
schönen Sätze betreffend des Steiiermärkers poetische 
Bedeutung bei: »Lassen Sie sich . . . nicht im sichern 
Glauben und Vertrauen auf sich selbst irre machen; 
Sie sind und bleiben nicht nvir ein edler, harmonien- 
reicher und tüchtiger Poet, sondern Sie sind auch in 
der That eine eigenthümliche und ursprüngliche Dichter- 
natur, zu deren Erkenntnis imd Würdigung es aller- 
dings auch auf der anderen Seite einer feineren Or- 
ganisation bedarf. Die grobsinnliche Alltäglichkeit wird 
freilich in den ruhigen Schönheitsliniien des vollendeten 
Ebenmaßes schwer die Originalität entdecken und ihr 
wird der flötenspielende Faun immer eine auffallendere 
und eigenthümlichere Erscheinung sein als der belve- 
derische Apoll in seiner olympischen Ruhe.« 

Soll der Verfasser der vorliegenden Zeilen diesen 
gewichtigen Urtheilen des Dichtergrafen noch Etwas 
beifügen ? Es scheint wohl kaum nöthig. Manches Lied 
K. G. R. V. Leitners hätte feurig geklungen im Tone 
der stolzen Verse Anastasius Grün's, der so gewaltige 
Klänge anschlagen konnte, freilich im Auslande, ohne 
seinen wahren Namen zu nennen, aber der Dichter Leitner 



107 

durfte nicht jeden Sang anstimmen, wie es ihn wohl 
in der Seele drängte. 

Es ist dem Verfasser gegönnt aus dem schönen 
und reichen dichterischen Nachlasse dieses Poeten, 
welcher bisher noch nicht zum Drucke gelangte, einige 
Proben, welche sich auf die Gebiete verschiedener Dich- 
tungsgattungen erstrecken, anzuführen. Die schönen zu- 
rückgebliebenen Gedichte liefern den merkwürdigen 
Beweis, dass selbst der Greis kein Nachlassen der poe- 
tischen Kraft zeigt, vielmehr finden wir hier Strophen von 
erhabener Gewalt und treiflicher Durchführung, Gedichte, 
welche alle fiüheren Vorzüge des Dichters, aufweisen. 

Seinem unvergessenen todten Freunde, dem ge- 
nialen Grafen Auersperg, der ja in der letzten Zeit 
seines Lebens auch als Staatsredner so gewaltige Siege 
emmgen, wie einst als Dichter, widmet im Jahre 1 884 
Leitner die begeisterten Strophen: 

An Anastasius Grün, 

Seit, Held des Gesangs, am erbleichenden Mund' 
Erstorben das Lied dir, wie haben sich rund 
Verändert die Lande und Leute! 
Der Deutsche, der Reich gegründet und Thron, 
Steht abseits gedrängt, missachtet zum Lohn' 
Beinahe den Andern zur Beute. 

Wie lauschten sie jubelnd, bewunderungsvoll. 
Als mächtig dein deutsches Lied einst scholl 
In's dumpfe Schweigen und Brüten. 
Jetzt grüßen den Laut sie, in dem du gewagt 
Die Freiheit zu feiern, noch eh' sie getagt. 
Mit Hohn, mit Johlen und Wüthen. 

O kehre zurück aus dem Geisterreich 

Im Faltengewande, den Barden gleich, 

Bekränzt, die Harfe zur Seite. 

Lass' brausen sie kühn mit der alten Macht, 

Dass drüber der letzte der Schläfer erwacht, 

Du gewaltiger Rufer im Streite. 



io8 

Nimm wieder im Rathe der Herren, du Graf, 
Das Wort, das immer die Herzen traf 
Mit zündenden Feuergedanken. 
Erfülle die Treuen noch einmal mit Lust 
Und ströme von Neuem Muth in die Brust 
Den Zagen, die schwanken und wanken. 

Dort oben ist Frieden, ist Freiheit und Licht, 
Dort oben bedürfen sie deiner nicht, 
Hier unten ist Streit und Bedrängnis. 
Hier stimme begeistert das Schlachtlied an. 
Siegfreudig schreiten zum Kampfe wir dann 
Mit Übermacht imd Verhängnis. 

Kein Wunder, dass dem Greise, welcher so mar- 
kig im Gesänge den Dahingeschiedenen feierte imd 
herbeirief, auch die poetische Erzählung, die Ballade imd 
Romanze, welche Leitner ja seit dem ersten Auftreten 
als Dichter mit so großen Erfolgen gepflegt hatte, 
sich schön wie früher gestaltete. Man lese das nach- 
folgende Gedicht dieser Gattung, welches aus dem 
Jahre 1887 stammt. 

T>er Delinquent 

Als mit dem Tage die Nacht noch stritt, 
Noch einzeln blinkten die Sterne, 
Marschierte bereits mit langsamem Schritt 
Ein Zug aus der Kaserne. 

Inmitten kam gebeugt einher. 

Gar bleich die Lippen und Wangen, 

An Händen imd Füßen mit Ketten schwer 

Ein Delinquent gegangen. 

Jüngst hatte der Lieutenant vom Stab 
Kurzweil mit Grete getrieben. 
Den schmiss er gleich die Treppe hinab. 
Dort ist der todt geblieben. 



109 ' 



Das Kriegsgericht, zumal im Feld 
Muss strenge Mamiszucht pflegen. 
Da nützt kein Bitten, kein Lösegeld, 
Jetzt geht er dem Tod entgegen. 

Er trägt einen schönen Strauß in der Hand, 
Den ihm sein Schatz gegeben, 
Der Feldkappelan im Chorgewand 
Geht leise betend daneben. 

Sie kommen in einen Wiesengrimd, 
Den allerlei Blümelein färben. 
Jetzt thut der Herr Auditor ihm kund, 
Dass er sogleich muss sterben 

Verbunden sind schon die Augen ihm itzt. 
Vier Mann sind vorgetreten. 
Des Hauptmanns Degen im Frühroth blitzt. 
Da krachen vier Musketen. 

Sie legen den Todten still ins Grab, 
Das hinter ihm stand schon ofifen. 
Die Mannschaft rückt jetzt wieder ab. 
Das Volk verschleicht sich betrofifen. 

Jetzt liegt er dort zur Ruhe gebracht. 
Nicht mehr so wild aufbrausend; 
Und morgen geht es in die Schlacht, 
Da folgt ihm manches Tausend. 

Wie frisch und munter der Greis noch wenige 
Jahre vor seinem Tode der Freude gedachte, welche 
ihm die Dichtkunst bereitet, zeigt der freilich schon 
tief wehmüthig ausklingende, aber doch im Ganzen von 
Humor durchwehte: 

Poetenritt. 

Da ich noch war ein kleiner Knab' 
In meinen ersten Höschen, 
Da galt der nächste beste Stab 
Mir schon als Lieblingsrösschen. 



HO 



Ich tummelte darauf wie toll 
Mich rings durch alle Stuben; ' 
Und wuchs heran bald Zoll für Zoll 
Zum lehrbedürft'gen Buben. 

Jetzt trabt' ich, überall bepackt 
Mit Büchern und mit Mappen 
Zur Schule im bescheidnen Takt 
Auf Meister Schusters Rappen. 

Dort hört' ich bei der Lection 
Von einem Flügelpferde, 
Das heimisch auf dem Helikon 
Betrete nie die Erde. 

Und plötzlich stand das Wunderthier 
Leibhaftig vor dem Hause, 
Und schnob mir zu, einladend schier 
Mit muthigem Gebrause. 

Sein Leib war schlank, von schnee'gem Glanz 
Perlmuttern Schweif imd Mähne, 
Es hob die Hufe wie zum Tanz, 
Beflügelt war's wie Schwäne. 

Und schnell entschlossen schwang ich leicht 
Mich stolz auf seine Kruppe, 
Und flugs hat es mit mir erreicht 
Des Musenberges Kuppe. 

Als wüsst's, dass ich mich, von Natur 
Nervös, nach Heilung sehne. 
Setzt' ab es mich zur Wasserkur 
Am Rand der Hippokrene. 

War das ein köstlich Nass ! — berauscht 
Von der Begeisterungsquelle 
Schien mir die Welt ganz ausgetauscht, 
So schön, so rosig helle. 

Nur scholl's im Dunkel unter mir 
Wie wild Gesurr von Hummeln, 
Da war vor Neid und Streit und Gier 
Ein wüst Gewirr imd Bummeln. 



III 



Oftmals lürwahr ergriflf mich Scheu 
Vor dieser. Tollhausmenge, 
Doch musst' ich bald hinimter neu 
In ihr verwirrt Gedränge. 

Ich musste mir mit PuflF und Stoß 
Weg bahnen durch die Gassen 
Und oft auch selbst von Klein und Groß 
Mich puften, stoßen lassen. 

Musst bücken mich vor dem und dem, 
Mir oft den Mund verkleiben, 
Mich fügen, war's gleich unbequem, 
In's leere Alltagstreiben. 

Doch kam bisweilen Feierzeit, 
Ein Tag nur, eine Stunde, 
So war ich freudig gleich bereit 
Zur Lustreis' in der Runde. 

Da war für mich kein Ziel zu fem. 
Mich trug mein Zauberschimmel 
Von Land zu Land, von Stern zu Stern 
Fast in den dritten Himmel. 

Jetzt freilich geht's in andrer Weis' 
Mit Flügelross und Reiter, 
Der Reiter ward ein müder Greis, 
Sein Gaul kommt nicht mehr weiter. 

Der hinkt zu aller Leute Hohn 
Nur sacht noch an der Leine, 
Gemaust hat jetzt sein Fittig schon 
Und steif sind seine Beine. 

Bald bringt trotz Huf und Flügelpaar 
Ein Hüglein ihm Gefährde, 
Und stolpernd wirft für immerdar 
Den Alten er zur Erde. 

Wie sich aber der Dichter K. G. R. v. Leitner 
das warmfühlende echte deutsche Herz bewahrt hat, 



112 



davon könnten viele Strophen Zeugni$ ablegen, die er 
schon am Rande des Grabes verfasst. Als ein Bei- 
spiel stehe hier das 1888 entstandene: 

Erstes Eigenthuni, 

Das Erste, was uns wird zu eigen 

Im Schaukelbett der Wiege schon, 

Das deutsche Wort ist's und nie schweigen 

Soll fürder sein geliebter Ton. 

Schon, wenn das Kind nach Müh'n und Drängen 
Nun endlich Vater, Mutter! lallt, 
Gewinnt mit diesen süßen Klängen 
In ihm das deutsche Wort Gewalt. 

Fortan durchs ganze Leben kleidet 
In dieses sich der Schmerz, die Lust, 
Sein Wehe klagt mit ihm, verleidet, 
Mit ihm jauchzt auf des Frohen Brust. 

Es tönt in Demuth auf zum Himmel 
Als frommes Lied im Gotteshaus, 
Und kühn erschallt's im Schlachtgewimmel 
Durch Wafifenlärm und Sturmgebraus. 

Jedwedes deutsche Fühlen, Denken 
Ist durch das deutsche Wort bedingt. 
Bewahrt es treu, trotzt allen Ränken, 
Wie's seit der Vorzeit stolz erklingt. 

Lasst das, was fremd, nicht vorwärts dringen 
Und schritt es gleich nur Schritt für Schritt; 
Ja könnt es irgend ihm gelingen 
So sei zur Schmach es dem, der's litt. 

Auf bleicher Lippe noch im Sterben 
Soll schweben uns das deutsche Wort, 
Und noch die fernste Nachwelt erben 
Soll unversehrt den goldnen Hort. 

Immer wehmüthiger werden Leitner's Verse in den 
letzten Jahren, in den letzten Monaten seines Lebens, 



"3 

aber der trotz seines Alters stets geistesfrische Greis führt 
sie fort und kein Jahr vergeht, das nicht dem Hoch- 
betagten schöne poetische Früchte trägt. Er gedenkt 
aher Freunde, die mit ihm gestrebt imd gerungen und 
die ihm längst vorangegangen, er gedenkt der Jugend- 
zeit und selbst so manchen Strahles, den ihm vor langen, 
langen Jahren die Liebe ins Herz gesendet und er ge- 
denkt seiner schönen Heimat, die er nie dauernd ver- 
lassen hat. Dann aber naht die Krankheit, die böse 
poesiefeindliche, wohl die letzte, wie er meint. Aber 
es ist wieder besser geworden, er kann wieder zum 
Stifte und zur Feder greifen und aus den Phantasien 
des Fiebers, die ihn umgaukelt, entsteht ein schönes 
Gedicht, das er am 3. März 1890 mit seiner etwas 
zitternden, aber doch noch nicht kraftlosen Hand 
niedergeschrieben : 

Krankenbesuch. 

Als ich stumpf im Fieber 
Lag um Mitternacht, 
Nahtest du, Geliebte, 
Meinem Bette sacht. 

Ganz war mir entfallen, 
Dass vor langer Zeit 
Du vorangegangen 
In die Ewigkeit. 

Doch du bist's gewesen! 
Goldblond war dein Haar, 
Blau wie reiner Äther 
Kleid und Augenpaar. 

Und du hast dich schweigend 
Über mich gebückt, 
Auf die Stirn mir leise 
Einen Kuss gedrückt. 

Schlossar, xoo Jahre deutscher Dichtung. 8 



114 

Auf die Knie gesenket 
Hobst den Blick du dann, 
Faltend fromm die Hände 
Brünstig himmelan. 

Mehr und mehr ward ruhig 
Blut und Nerv dabei 
Und die Augen schlug ich 
Wieder auf nim frei. 

Doch du warst verschwunden, 
Als ich aufgewacht, 
Nur mein Herz war trunken 
Noch vom Glück der Nacht. 

Es ist eine seltsame Thatsache, dass Menschen im 
hohen Alter eigenthümliche Träume und Visionen haben, 
die sich besonders kurz vor dem Tode mehren. Diese 
führen den Geist in die frühere Jugend zurück, sie 
spiegeln ihm Bilder aus der weiten, weiten Vergangenheit 
vor, sie lassen ihn geliebte Gestalten erschauen, die 
ihm einst nahe gestanden und welche ihm nun wieder 
nahen, gleichsam Willkomm und Gruß bietend zum 
Empfange in einer unbekannten Welt. Leitner hat dies 
in seinem nachfolgenden letzten Gedichte bestätigt, das 
am 15. Juni 1890 niedergeschrieben ist. Am 20. Juni 
desselben Jahres ist er für immer entschlummert.*) 

Traumleben. 

Wenn nächtlich am Himmel der Sternenschein blinkt. 
Und sanft auf das Haupt der Schlummer mir sinkt 



*) Leitner nimmt unter den deutschen Poeten eine höchst 
angesehene Stelle ein, er gereicht der österreichischen Literatur 
zur besonderen Zierde. Eine Neuausgabe seiner Werke (die er 
zum Theile vorbereitet \ in welche die zahlreichen schönen 
Stücke des Nachlasses aufzunehmen sein würden, wäre eine 
Ehrenpflicht und würde erst ein Gesammtbild vom Wirken 
des nicht sehr productiven, dafür aber überaus edlen form- 
gewandten Dichters gewähren. 



"5 



Dann wird eine andere seltsame Welt 

Im Innern von magischem Licht mir erhellt. 

Ein Weben und Leben beginnt darin kraus, 
Bekannte Gestalten entwickeln sich draus, 
Sie kommen und gehen, und stellen sich an 
Im Thun und im Lassen, wie sonst sie gethan. 

Des Nachbars Kathrinchen, das muntere Blut, 

Das längst in den Blumen des Friedhofes ruht. 

Hüpft wieder umher, wirft zu mir den Ball, 

Und fängt ihn und lacht, wenn er kommt doch zum Fall. 

Der Vater, der wiedererstandene hält 
Mir lehrreiche Reden zum Schutz in der Welt, 
Die Mutter macht auf sich aus ewiger Ruh' 
Und stecket dem Liebling den Kuchen noch zu. 

Die Corpsburschen grüßen zum flotten Empfang 
Den Fuchs in der Kneipe mit Prosit und Sang. 
Und schwingen die Gläser und singen so froh. 
Und sind doch schon Alle, der Himmel weiß wo. 

Und Vettern und Muhmen und Freund und Genoss 
Die lange die Pforte des Grabes verschloss. 
Und wen ich sonst nannte im Leben noch mein, 
Sie stellen mit freundlichen Mienen sich ein. 

Ich spreche mit ihnen so harmlos als wär^ 
Es kurz erst seit unserem letzten Verkehr; 
Und Alles dies ist nur ein täuschender Traum, 
An den der Erwachte erinnert sich kaum. 

Einst aber wird kommen ein ewiger Tag, 
Der mehr als die irdischen Nächte vermag. 
Der wieder mir alles verlorene Glück 
Wird bringen in Wahrheit für immer zurück. 




8* 



Vn. CAPITEL. 



Jakob Dimböck. Vincenz Zusner. 
Faust Pachter und dessen poetischer Nachlass. 

Es ist kein großer Dichter, auf den wir nun zu 
sprechen kommen, aber als Verfasser jenes Liedes, 
welches die Steiermark weit über die Grenzen des Lan- 
des hinaus verherrlicht hat, in dem es entstanden ist, ver- 
dient der Poet Jakob Dirnhöck in ähnlicher Weise 
Aufmerksamkeit wie etwa Max Schneckenburger, 
welcher durch seine »Wacht am Rhein« so viele Hun- 
derttausende zur Begeisterung entflammte. Haben wir 
es in unserem Falle nun freilich nur mit einem schlichten 
steirischen Sänge zu thun, der mit dem Erfolge jenes 
weltberühmten Rheinliedes wohl nur einen bescheidenen 
Vergleich aushält, so sind einige Vergleichungspunkte 
denn doch gegeben. Gerade an dieser Stelle ver- 
dient der Verfasser des zum Volksliede gewordenen, 
in allen Alpenländem und selbst in allen deutschen 
Landen ertönenden Sanges »Hoch vom Dachstein« 
umso mehr unsere Aufmerksamkeit als er auch im 
Übrigen nicht bedeutungslos poetisch thätig und ins- 
besondere einer der ersten war, welcher gewissermaßen 
als Vorgänger P. K. Roseggers im heimischen Dialecte 
eine Zahl sinniger und ansprechender Gedichte ver- 
öffentlicht hat. Dieselben sind freilich niemals gesammelt 
erschienen und nur in verschiedenen literatur- und 
poesiefreundlichen Blättern zum Abdrucke gekommen. 



117 

Keine Literaturgeschichte, kein Sammelwerk hat 
bisher dieses Poeten gedacht, obgleich dessen »Dach- 
steinlied« in zahllosen Sängerkreisen ertönt und Viele 
aus diesen Kreisen wissen es wohl -selbst nicht, wem 
sie die zum Preise ihres schönen Alpenlandes gedich- 
teten Strophen verdanken, Jakob DimbÖck hat auch 
nicht den Lebenslauf eines Dichters aufzuweisen, dessen 
Wege mit Blumen und Kränzen geschmückt sind. Er 
war im Jahre 1809 zu Graz geboren, trat nach den 
Gymnasialstudien in die Müller'sche Buchhandlung 
seiner Vaterstadt ein, kam 1831 als Buchhändler nach 
Wien und Prag, später nach Breslau, Augsburg und 
in einige andere deutsche Städte, weiterhin auch riiach 
Luzem und eröffnete im Jahre 1844 eine Buch- 
handlung zu Graz. Daneben aber lernte er, mit offenem 
Blicke und feinem Sinne begabt, Land imd Leute seiner 
Heimat genau kennen, der Heimat, welche er mit 
der ganzen Wärme seines Herzens liebte und in der 
er auch schon im Jahre 1861 (ebenfalls zu Graz) starb, 
nachdem er sich als Geschäftsmann einen ehrenvollen 
Ruf erworben. Im Jahre 1844 feierte die steiermär- 
kische Landwirtschaftsgesellschaft, deren Bestrebungen 
der hochverehrte Erzherzog Johann so mächtig för- 
derte, ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Zu dieser 
festlichen Gelegenheit hat Dimböck das Lied, welches 
zunächst den Titel: »Der Steirer Land. Hoch vom 
Dachstein« '^) führte, gedichtet und dasselbe wurde von 
L. Seydler in Musik gesetzt. Damals ertönte zuerst 
der kräftige Sang: 

♦) Von mir nach der ersten Originalausgabe nebst der 
ausführlicheren Biographie Dimböcks vollständig mitgetheüt 
in meinen iCultur- und Sittenbüdem aus Steiermark« 
(Graz 1885) S. 190 ff. 



Ii8 

Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, 

Bis zum Wendenland am Bett der Sav', 

Und vom Alpthal an, das die Mürz durchbraust 

Bis ins Rebenland im Thal der Drav': 

Dieses schöne Land 

Ist der Steirer Land, 

Ist mein liebes, theures Heimatland. 

Wo die Gemse keck von der Felswand springt 
Und der Jäger kühn sein Leben wagt. 
Wo die Sennerin frohe Jodler singt 
Am Gebirg, das hoch in Wolken ragt. 
Dieses schöne Land etc. 

Das Lied wurde nach den ersten Vorführungen 
zurückgelegt und beinahe vergessen, aber wenige Jahre 
darauf fanden Dichtung und Composition immer mehr 
Aufnahme und heute ertönt er bei jeder patriotischen 
Feier im Lande von vielen Stimmen gesungen und in 
zahllosen der Fröhlichkeit gewidmeten Kreisen durch 
ganz Österreich und Deutschland. Und weil es auf 
diese Weise zum Nationalliede, zum Volksliede ge- 
worden, ist auch des Dichters nicht zu vergessen, der 
es ^um Preise seiner Heimat geschaffen. Wir haben 
demselben, wie erwähnt, noch manche Dichtung zu 
verdanken, die sinnig und wohlgeformt dem Leser 
entgegentritt, wie trefflich ist etwa der Vergleich der 
Natur mit einem Buche gelungen, welchen der Poet in 
dem Gedichte »Das größte Buch« so schön durchführt: 

Ein großes Buch liegt vor dir aufgeschlagen, 
O sieh' hinein mit wissbegier'gem Blick, 
Erheben wird*s den Geist, nach Oben tragen. 
Sanft trösten dich, beugt dich ein herb' Geschick. 
Ein Finger Gottes hat das Buch geschrieben, 
Das schönste Werk wie's irgend einer sah. 
Und ewig her ist's neu bis heut geblieben 
Und klar vom Alpha bis zum Omega. — — 



119 



Und in dir selbst, in deinem eigenen Wesen, 
Im Kunstbau, der dein geistig Ich umschließt, 
Kannst du des Buches Wahrheit, Weisheit lesen 
Und nimmer zweifeln wer sein Autor ist. 
Willst du dies Buch, das größte lernen kennen? 
Erräth es nicht des Geistes eigne Spur? 
Wohlan, ich will das Wunderwerk dir nennen; 
Es ist die göttlich herrliche Natur. 



Zumeist verherrlichen auch wirklich die hoch- 
deutschen Lieder und Gedichte Dirnböck's die Schön- 
heiten der Natur: die Pracht des Lenzes, die Ruhe 
des Sommerabends u. dgl. in anmuthig malerischer 
Weise, aber auch mancher andere Sang, welcher von 
der Innigkeit und Herrlichkeit des Dichters Zeugnis 
ablegt, findet sich daneben. Die Lieder in der Steirer 
Mundart sind ihm besonders gelungen, ein schalkhafter 
Humor steckt in vielen derselben, mag nun der Dichter 
»Die Beargla und d'Öbna« (Die Berg- und Thalbe- 
wohner) oder ein paar Verliebte lustige Wettgespräche 
führen, oder den »so armselingen Buam« seine Klage 
anstimmen lassen mit dem steten Refrain »'s gschicht 
oamal net, i kum halt nia dazua,« mag er die zwei 
Brücken, nämlich die Prager »Bruggen von Stoan« mit 
der »Weinzödlbruggn von Hulz« bei Graz vergleichen, 
welche ihn an seine herrliche Heimat erinnert, der 
er ferne sein muss, oder den Tageslauf des zufriedenen 
Landmannes schildern oder gar »Tanzliadln und Stichla- 
reim« in echt volksthümlicher Weise anstimmen: 



A gamsaugats Deamdl 
Und a lustiger Bua, 
Dö kinan net stean bleibn, 
Dö tanzen glei zua. 



120 

immer dringt der wahre echte Ton seines Heimats- 
volkes durch und man wird dem Sänger gerne zuhören, 
der so heitere Weisen vorzutragen versteht. Jedes 
dieser Liedchen und Gedichte im Dialect trägt den 
Charakter steirischer Fröhlichkeit oder Gemüthlichkeit 
und es ist dem Dichter gelungen, wie später freilich 
in weit höherem Grade dem Poeten P. K. Rosegger, den 
richtigen Ausdruck in diesen Liedern imd Versen zu 
finden, welcher dem Volke der engeren Heimat eigen- 
thümlich ist. Deshalb und wegen seines unverklungenen 
»Dachsteinliedes« darf Dimböck imter den bedeuten- 
deren Namen von Dichtem, die in Steiermark oder als 
Steiermärker poetisch gewirkt haben, nicht fehlen. Auf 
dem mundartlichem Gebiete ist er in der vormärzlichen 
Zeit — wenn dieser politische Ausdruck hier ange- 
wendet werden darf — der Einzige gewesen, der Nen- 
nenswertes geleistet hat. 

Eine gewisse Bedeutung erlangte auch der 1815 zu 
Graz geborene und 1875 zu Klagenfurt als Ge- 
richtspräsident verstorbene Hiazinth von Schulheint 
unter den heimischen Talenten und Zeitgenossen. 
Verschiedene Poesieen, welche er zunächst in litera- 
rischen Blättern der österreichischen Alpenländer ver- 
öffentlichte, hat er unter dem Titel »Gedichte« 
(Graz, 1836) veröffentlicht und damit freundliche An- 
erkennung gefunden. Wenn man von gewissen Reim- 
versehen, welche zu jener Zeit leider Gottes bei so 
Vielen fast imvermeidlich erscheinen, absieht, so ent- 
halten die Gedichte Schulheims manch sinniges Stück, 
manchen schönen poetischen Vergleich und manches 
hübsche Naturbild, auch einige Liebeslieder sind von 
ihm hervorzuheben; als patriotischer Liederdichter ist 
er auch noch später öfter bei verschiedenen Gelegen- 



121 



heiten hervorgetreten. Einige erzählende Gedichte der 
angeführten Sammlung (z. B. »Der Freimann,« »Donna 
Laura,« »Die Mutter« etc.) scheinen unter dem Ein- 
flüsse von Leitners Dichtweise entstanden zu sein. Im 
Allgemeinen fehlt es freilich manchen Stücken an der 
nöthigen Glätte und Feile. Schulheim hat auch als 
einer der ersten mehrere Volkslieder aus dem Sloveni- 
schen metrisch ins Deutsche übersetzt. 

Wichtiger und jedenfalls innerhalb des poetischen 
Gedankenkreises, den er sich selbst gezogen, hervor- 
ragend erscheint der liebenswürdige Sänger Vincenz 
Zusner. Ähnlich wie Dimböck hatte auch Zusnei* 
einen Lebensgang, welcher nicht auf den Poeten hin- 
weist. Zu Bischoflack in Krain 1803 geboren, musste 
Zusner misslicher Verhältnisse wegen sich frühzeitig 
dem Handelsstande widmen, obgleich er schon als 
Knabe poetisches Talent zeigte. Es gelang ihm, durch 
seine tüchtige Geschäftskenntnis ein Vermögen zu er- 
werben und von 1825 an lebte er in immer besserer 
Vermögenslage zu Graz, wo er 1874 starb. Bei diesem 
prosaischen Lebenslaufe ist es um so mehr zu ver- 
wundem, dass ihm die Muse der Poesie stets hold ge- 
blieben. Als im Jahre 1842 seine »Gedichte« erschienen, 
wurden sie ihrer Originalität, Klarheit und Natürlich- 
keit wegen allgemein auf das beifalligste begrüßt, so- 
gar der auch lyrischen Gedichten gegenüber stets hä- 
mische Saphir sprach dieser Sammlung seine unver-^ 
holene Anerkennung aus. Die neueste vermehrte dritte 
Auflage der Gedichte Zusners ist 1871 erschienen, sie 
gibt ein vollständiges charakteristisches Bild von dem 
Leben imd Weben dieses Dichters, welcher in ihr das 
Beste niedergelegt, was er an dichterischem Gefühl 
besaß. Ein ausgezeichneter Gelehrter und zugleich 



122 



Kenner der Dichtung aller Zeiten und Völker, der 
treffliche Historiker Hofrath Johann Weiß vergleicht 
Zusner's Muse »mit einem durch frühlingshelle Auen 
dahinrieselnden Wiesenbache, der jetzt die Blüten- 
fiocken eines duftenden Lindenbaumes neckisch ent- 
führt, gleich darauf die friedliche Hütte eines Land- 
manns mit melodischem Wohllaut begrüßt und dann 
wieder mit bimt gefärbten Wiesenblumen kost und 
schäkert.« Dieses hübsche ländliche Bild bezeichnet 
uns die Art der Dichtung Zusner's aufs Beste. Das 
Naturbild, die Stimmung der Landschaft weiß er in 
knappen Strophen und Versen zierlich zu malen und 
dem Leser in anmuthiger Weise vorzuführen. Oft gibt 
ihm eine Blume, ein Baum, ein Thierchen im Walde 
Gelegenheit zur sinnigen Betrachtung. Im Walde ruft 
er dem Eichhörnchen zu: 

Sei nicht so furchtsam, kleines Thier! 
Ich flucht' ja auch ins Waldrevier; 
Wir fühlen ganz den gleichen Drang, 
Mir wird's ja auch vor Menschen bang. 

Im lauten, tollen Weltgewühl, 
Da wird das Leben oft zu schwül. 
Mich freut, wie dich, die Waldesruh', 
Mein Herz ist auch so scheu wie du. 

Wie schönen Trost bietet der Dichter in dem 
kurzen poetischen Vergleiche: 

Itn Dickicht 

Erscheint ein Wald auch noch so dicht. 
Dem Strahl des Himmels wehrt er nicht, 
Dass er die schwarze Nacht durchdringt 
Und mildes Licht in's Dunkel bringt. 



123 

Und wird's im schweren Lebensdrang 
Dem armen Herzen noch so bang, 
So schimmert doch durch jede Qual 
Des Himmels milder Hof&iungsstrahl. 

Tiefempfundenes religiöses Gefühl weht durch 
viele der Lieder Zusners, wie er dasselbe mit dem 
Naturbilde zu vereinigen versteht, davon noch ein Bei- 
spiel (im Auszuge): 

Unterm Baume. 

Am schmalen Gartensaume 
Im grünen Dämmerschein, 
Da sitz' ich unterm Baume 
Mit meinem Gram allein. 

Und blick' ich stumm und düster 
Zum grünen Blätter dach, 
Da macht mir sein Geflüster 
Die Hoffnung wieder wach. 

Der Baum erfasst vom Winde, 
Bewegt sich rasch dabei. 
Und theilt darauf geschwinde 
Sein breites Dach entzwei. 

Da schimmert zwischen Zweigen 
Der Himmel hoffnungsvoll. 
Als wollt' der Baum mir zeigen, 
Auf wen ich bauen soll. 

Auch einige epische Stücke finden sich in der 
Sammlung und manche derselben wie etwa »Die beiden 
Wanderer« sind von packender, wenn auch etwas 
grauenhafter Wirkung. Aber Zusners beste Kraft liegt 
in der Schilderung der Natur und in der harmonischen 
Vereinigung derselben mit der Seelenstimmung. Er 
ist ein Naturmaler dem keiner der Dichter auf steier- 



124 

märkischem Boden gleichkommt und deshalb werden 
seine zierlichen, von innigstem Gefühl durchdrun- 
genen, schlichten und doch so sinnigen Verse stets 
dem Freunde echter Poesie dichterische Labung bieten. 
Es dürfte passend erscheinen, noch der schönen, von 
dem Dichter selbst verfassten zwei Strophen zu ge- 
denken, welche Zusner's mix dessen wohlgetroifener, 
von Karl Lacher ausgeführter Broncebüste geziertes 
Grabdenkmal auf dem St. Peters-Friedhofe in Graz 
enthält; dieselben lauten: 

Als Jüngling zog's mit heiter'm Sinn 
Mich nach den höchsten Alpen hin; 
Jetzt pfleg' ich, da die Kräfte fliehen. 
Schon niedere Berge vorzuziehen. 

Es währt indessen lange nicht, 
Dass mir's auch hier an Kraft gebricht. 
Und mir auf meinen Wanderzügen 
Ein kleiner Hügel wird genügen. 

Wir gehen nun zu einem Poeten über, der leider 
in seinem Heimatland Steiermark viel zu wenig be- 
kannt geworden, und dessen mit philosophischer Tiefe 
angelegtes poetisches Talent auch in den literarischen 
Kreisen überhaupt nicht ganz nach Gebür gewürdigt 
wurde, es ist dies Fatist Pachter, Freilich hatte das 
größere Publikum erst in den letzten Jahren Gelegen- 
heit, die lyrische Seite Pachlers in zwei größeren 
Sammlungen kennen zu lernen, von seinen trefflichen 
Novellen, welche in Taschenbüchern und Zeitschriften 
der fünfziger Jahre erschienen und fast vergessen 
wurden, ist leider nie eine Sammlung erschienen. 
Pachler wurde 1819 zu Graz geboren, seiner Mutter, 



125 

der trefflichen musikalischen Interpoetin Beethovens, ist 
schon auf S. 40 dieses Buches gedacht worden. Er 
erhielt eine strenge, aber vortreffliche Erziehung, stu- 
dierte die Rechte und hatte sich, trotzdem seine Eltern 
das poetische Streben durchaus nicht aufmunterten, in 
früher Jugend schon mit dichterischen, insbesondere 
dramatischen Arbeiten beschäftigt, ja als Jüngling schon 
konnte er auf eine ganze Reihe selbstverfasster Schau- 
spielversuche zurückblicken, die freilich Wenige zu 
Gesicht bekommen haben. Seit 1843 war Pachler in 
der Wiener k. k. Hofbibliothek angestellt, seitdem hat 
er seine Vaterstadt, in welcher übrigens die Familie 
Pachler in der ersten Hafte unseres Jahrhundertes eine 
hervorragende Rolle spielte, nur ab und zu besucht. 
Kurze Zeit vor seinem Tode jedoch, als er in den 
Ruhestand getreten war, zog er sich wieder in die 
heimische Murstadt zurück. . Hier starb er denn im 
September des Jahres 1891, von einer edlen Gattin und 
den literarischen Freunden, die ihn zu würdigen ver- 
standen und wussten, was er gelitten hatte, allerorts 
tief betrauert. Pachler hatte von 1850 an die Leitung 
des »Illustrierten Familienbuches des österreichischen 
Lloyd« übernommen und diese Zeitschrift unter ihm 
jene Bedeutung erlangt, welche sie bald als eine der 
besten deutschen Monatsschriften erscheinen ließ. Fried- 
rich Halm hat Pachlers tiefes Verständnis für Poesie 
erkannt und ihn, mit dem er schon als dessen Amts- 
vorstand, aber auch als warm fühlender Freund ver- 
kehrte, testamentarisch mit der Herausgabe seines Nach- 
lasses betraut, welchen Pachler auch in der That auf 
das Pietätvollste besorgte. Die Nachlassbände 9— -12 
von Halms Werken (1872) legen hievon schönes Zeug- 
nis ab. 



126 

Dass der Dichter Pachler bedeutendes dramatisches 
Talent hatte, unterliegt keinem Zweifel; das 1849 er- 
schienene Trauerspiel »Begum Sumro«, mehrere vor- 
liegende Bruchstücke von Dramen, selbst einige heitere 
Lustspiele zeugen dafür. Den Stoff zu »Begum« hatte 
er in der Folge trotz der eigenen Bearbeitung desselben 
an Halm ausdrücklich abgetreten, welcher in der That 
auch sein gleichnamiges Stück verfasste, das 1867 auf 
der Bühne des ßurgtheaters zur Aufführung kam.*) 
Noch mehr aber verdient die novellistische Thätigkeit 
Pachlers Beachtung, schon seine Novelle : »Der Beruf« 
im Jahrgang 1852 des »Familienbuchs« zeigt eine 
feine Charakterzeichnung und eine schöne, klare Sprache, 
in noch höherem Grade gilt dies von der historischen 
Novelle »das Begnadigungsgesuch« im österr. Frühlings- 
album für 1854, ^ie ^^^ ein kleines Meisterstück 
nennen kann. Cabinetsstücke der Erzählungskunst sind 
die Erzählungen; »Ein spanischer Grande«, »Die Frau 
von Bouisseur,« und »Das Armband« in Seidl's Ta- 
schenbuch »Aurora.« Im Jahre 1877 erschien Pachlers 
Roman »Die erste Frau«, welcher besonders durch 
seine feine psychologische Durchführung hervorragt. 

Die vorliegende Schrift hat es vorwiegend mit 
der lyrischen und epischen Dichtung im engeren Sinne 
zu thun und Pachler ist erst merkwürdig spät mit 
Schöpfimgen auf diesem Gebiete hervorgetreten, aber 
es sind dafür auch Schöpfungen voll Reife imd Tiefe. 
1885 erschien »Das Geheimnis des Dichtens. Eine 
lyrische Symphonie,« einige Jahre später aus der Feder 
des Poeten, dessen Leiden ihn öfter zum Aufenthalte 



*) Vgl. Halms Werke. 7. Bd. (Wien, 1872) Seite V. 
»Vorwort von Faust Pachler zu Halm 's Begum Somru.« 



^r£**.y^^*y^^« 



128 

in dem steirischen Badeorte Rohitsch-Sauerbrunn zwan- 
gen, die Gedichtsammlung: »Rohitscher Sonnendienst«, 
nachdem schon früher 1879 der kleine l)nrische Cyclus 
»Rohitscher Brunnenkur« vorangegangen war. Das 
»Geheimnis« ist ein Werk, reich an poetischen Schön- 
heiten, eine anatomisch genaue Zergliederung des dich- 
terischen Geisteslebens, ein Buch voll hoher Gedanken, 
eine reiche Zahl aneinandergereihter poesievoller Bilder 
und wieder ein Schatzkästlein für jeden, der es mit der 
Dichtkunst Ernst nimmt, mögen sich unsere berufenen 
Sänger die schönen Schlussverse, welche die scheidende 
Muse jiem Dichter zuruft, in dessen Händen sie als 
Gastgeschenk die Leier zurücklässt, zu Herzen nehmen : 

I Du darfst sie nie zu Tönen zwingen, 
Sie wird, dies glaube mir,^ von selbst erklingen, 
So oft ein Hauch des Lebens sie berührt; 
Ipu brauchst dann nichts als nach- und mitzusingen. 
Und wiss' auch das: ihr Ton ist immer rein, 
t>Qr deine muss damit im Einklang sein. 
l^Tur dann wird's dir in Dur wie Moll gelingen, 

Ip jedes Herz mit deinem Sang zu dringen. 

> 

. Es vereinigen sich hier der Poesie- und der Musik- 
verständige der uns auf jeder Seite dieses Buches ent- 
gegentritt, in harmonischer Weise. In der > Brunnenkur« 
wie ink > Sonnendienst« sind es zumeist anmuthige Na- 
turbilder, welche der Poet bei Betrachtung der 
herrlichen Landschaft in seine Seele aufgenommen 
und nun in zierlichen Strophen und Versen von man- 
cher ernsten philosophischen Betrachtung begleitet, 
wiedergibt. Im »Sonnendienst« hat der Dichter eine 
unendlich reiche Zahl solcher schöner Bilder vorgeführt, 
die Abtheilung »Libellen« zeigt uns in kurzer Xenien- 
form das reiche Gedankenleben des Poeten. 



129 

Eine weitere Sammlung von Gedichten Faust 
Pachlers ist bisher nicht erschienen, aber der Verfasser 
dieser Zeilen war*) in die Lage gesetzt, den handschrift- 
lichen poetischen Nachlass auch dieses edel angelegten 
Dichtertalentes zum großen Theile kennen zu lernen 
Diese Nachlassgedichte dürften wohl bald der Öffent- 
lichkeit übergeben werden und noch manche bisher 
nicht bekannte Seite der poetischen Begabung Pachlers 
hervortreten lassen. Tief empfundene Klänge wie etwa 
das Gedicht »An meine Mutter» : 

Es war im Herbst ein schöner Morgen, 

Da kam mein Mütterchen zu mir; 

Ich hatt' mein Herz voll Gram imd Sorgen, 

O Mutter, meine Mutter, 

Für diese Stunde dank ich dir. etc. 

sind es, denen wir in diesen formschönen Dichtungen 
begegnen. 

Der Raum gestattet leider nicht mehrere ähnlicher 
Gedichte hier anzuführen. Ein wehmüthiger Zug geht 
durch die meisten derselben, alle aber sprechen zum 
Herzen des Lesers. Ein durch die Gegenüberstellung 
besonders wirksames Poöm sei hier noch wenigstens 
auszugsweise mitgetheilt: 

Auf dem Friedhofe. 

' Es ist der Weg zum Friedhof, den wir geh'n. 
Beliebt es dir, so bleiben wir hier steh'n. 

Das Thor ist offen, gib mir deine Hand 
Und lass uns schau'n in dies gelobte Land. 



*) Durch das liebenswürdige Entgegenkommen der 
Witwe des Verewigten Frau Johanna Pachler. 

Schlossar, xoo Jahre deuUcher Dichtung. 9 



130 



Der dir im Lockenhaare spielt so lind. 
Weht durch Cypressen dort, der Abendwind. 

Der dir die Wangen färbt, der Sonnenschein 
Strahlt goldig dort auf Kreuz und Leichenstein. 

Das Röslein, das dir meine Liebe gab 

Hat schöne Schwestern dort auf manchem Grab 

Wie? Schauert's dich, du süßes, holdes Mein? 
O zittre nicht I Komm, tritt mit mir hinein. 

Für einen von den Schläfern lege hier 
Die duft'ge Blume hin, als Gruß von mir. 

Dereinst in Zeiten, wo ich nicht mehr bin, 
Thut so ein Fremder mir, in gleichem Sinn. 

O weine nicht! Noch steh'n wir Hand in Hand, 
Und — schauen nur in dies gelobte Land. 

Noch lehnt in holder Glut dein Angesicht 
An meinem — Theure, Theurel Weine nicht! 

Noch schlägt mein Herz, und dankt dir tiefbewegt,. 
Dir, für den Frieden, den es in sich trägt! 

Noch ruft mein Blick dir liebeselig zu: 
»Ich lebe! Und mein Leben — das bist du!« 

Ach, lass' doch ab vom Weinen, hast du Grund? 
Ward' nicht dir eben jetzt mein Jubel kund ? 

Der ganze Himmel strahlt von Glanz und Licht 
Gleich einem Dichter, der von Liebe spricht. 

Die würz'ge Luft weht jedes Wölkchen fort, 
Wie oft von meiner Stirn dein trautes Wort. 

Und Stille rings! So heilig süße Ruh! 

O liebstes Herz! Entzückt wie ich, sei du! 

Du mein, ich dein! Voll Glück und voller Lust! 
Wird's nicht bei Gräbern dir erst recht bewusst? 



131 

So ist dem Poeten die Leier erklungen, zumeist 
in elegischen milden Tönen. Möchte ihm, wenigstens 
nach dem Tode, noch die hohe Beachtung werden, 
welche er verdient und welche, wenn die noch übrigen 
schönen Stücke seiner Kunst ans Licht treten, gewiss 
von Seite jedes Feinsinnigen ihm zugewendet wird. 




9* 



VIIi: CAPITEL. 



Karl von Holtei und Anastastus Grün 
in Steiermark. Robert Hamerling. 

Die Naturschönheiten des steirischen Alpenlandes 
und die friedliche Ruhe, deren sich — wenigstens 
in früherer halbvergangener Zeit — der Sammlung lie- 
bende sinnende Poet daselbst erfreute, haben manche 
unserer Dichter veranlasst, in diesem Lande insbeson- 
dere in der Hauptstadt desselben Aufenthalt zu nehmen, 
und selten hat wohl ein Sänger daselbst wenn auch 
nur vorübergehend verweilt, ohne ein dichterisches 
Erinnerungsblatt zurückzulassen, das in einem warm 
empfundenen Gruß an die Schönheiten der Landschaft 
oder an die Stadt bestand, wo er freundliche schöne 
Tage, umgeben von den Reizen einer gesegneten Natur 
verlebte. Solche Dichtergrüße haben schon in früherer 
Zeit Castelli und Saphir, Stelzhamer und Kaltenbrunner 
Freiherr v. Kiesheim und Andere in den Zeitschriften 
des Landes oder sonst an passenden Stellen veröffentlicht 
und Viele sind immer gern wiedergekommen in den Bann 
der steirischen Bergketten und des klaren Gebirgswassers, 
wo sie ja immer auch gleichstrebende poetische Freunde 
zu finden wussten, die sie freundlich aufgenommen 
haben. 

Einige aber wählten sich die Stadt an der 
Mur zum ständigen Aufenthalte und lebten manche 



133 

Reihe von Jahren in ihren Mauern, haben auch wohl ihre 
letzte Ruhestätte daselbst gefunden. Unbillig wäre es 
in ein^ Werke, welches der deutschen Dichtung in 
Steiermark gewidmet ist, ihrer nicht zu gedenken, un- 
billig insbesondere jenen Männern gegenüber, welche 
auf dem deutschen Parnass einst gar gewichtige Stim- 
men erhoben und die zu den Zierden und Größen 
unserer deutschen Literatur gehören. Es kann nicht 
die Aufgabe dieser Blätter sein von solchen wenn auch 
bedeutenden Dichtem eine ausführlichere Darstellung 
ihres Lebens oder auch nur ihres literarischen Ent- 
wicklungsganges an dieser Stelle zu bieten, zumal der 
Schwerpunkt dieser Entwicklung in Zeiten fällt, da sie 
außerhalb des Landes geweilt. Doch ist es immerhin 
angemessen ihrer 2:u gedenken, zumal sie im regen 
Verkehre mit den heimischen Dichtern gestanden und 
wohl auf so manches von diesen Geschaffene bestim- 
mend gewirkt, der Literatur jeher Zeitperiode aber im 
Lande, während welcher sie daselbst geweilt, manchen 
bedeutimgsvollen Zug verliehen haben. 

Eine dieser Persönlichkeiten ist der schlesische 
Dichter Karl v. Holtet (1797- 1880), der Verfasser 
des längst zum Volksliede gewordenen > Mantelliedes« 
(»Schier dreißig Jahre bist du alt«) und anderer Ge- 
sänge, welche wohl in keinem der Geselligkeit und 
Fröhlichkeit gewidmeten Liederbuche fehlen. Nachdem 
Holtei als Theaterdichter, Schauspieler, Regisseur und 
Redacteur, Reisebegleiter des Grafen Herberstein imd 
Vorleser, kurz in den verschiedensten Stellungen sein 
Wanderleben, welches er selbst so vortrefflich in den 
Bänden der »Vierzig Jahre« (1843 — 1850 f!.) schildert, 
zum vorläufigen Abschlüsse gebracht hatte, ließ er 
sich im Jahre 1847 ^^ Graz, wo seine Tochter ver- 



134 

heiratet war, zum bleibenden Aufenthalte nieder. 
Wohl hat er ab und zu längere Fahrten in seine 
schlesische Heimat unternommen, aber nicht weniger 
als 23 Jahr-e gehörte er der Stadt an, in welcher er 
nun seinen Wohnsitz aufgeschlagen. Hier verkehrte 
er mit C G. v, Lettner, später mit Anastasius Grün 
mit dem Germanisten Carl Weinhold imd mit allen 
die Dichtung pflegenden Geistern der Stadt, deren Jour- 
nale imd Zeitschriften manches seiner Gedichte aus jener 
Zeit, manchen Aufsatz aus seiner Feder veröffent- 
lichten. In den späteren Auflagen von Holtei's mannig- 
faltigen »Gedichten« (4. Auflage 1856) von so verschie- 
denartigem poetischen Werte sind die Spuren seines 
Aufenthaltes in Graz in vielen Gelegenheitspoesieen, 
Naturbildem etc., die in Graz entstanden, zu finden. 
Er hat so manchen sinnigen Prolog — so einen be- 
geisterten zur Genesungsfeier des Kaisers 15. März 
1853 — manches Gelegenheitsgedicht für größere 
Kreise oder für die Bühne in der Murstadt verfasst 
und der Öffentlichkeit übergeben. Nachdem Holtei 
schon vor 1845 durch seine Schauspiele dem deut- 
schen Bühnenrepertoire zahlreiche wirkungsvolle Stücke 
geboten, waren es die großen Romane: »Die Vaga- 
bunden« (1851), »Christian Lammfell« (1853), »Ein 
Schneider« (1854), »Die Eselsfresser« (1860) u. a. m., 
welche zum größten Theile in Steiermark verfasst, 
eine neue Seite des vielseitig begabten Poeten 
hervorkehrten und seinem rühmlichen Namen noch 
weitere Bewunderung verschafften; hat er doch in 
diesen Romanen die Poesie des Vagabundenlebens, des 
fahrenden Künstlerthums in einer Weise geschildert, 
die bisher geradezu unerreicht geblieben ist. Auch 
eine Art Blumenlese verschiedener Beiträge in Poesie 



135 

und Prosa, von denen manche Verfasser wie Leitner, 
Schulheim, Anastasius Grün, Karl Weinhold und An- 
dere dem Herausgeber in Steiermark selbst persönlich 
nahe gestanden sind, hat Holtei in dem 1857 erschie- 
nenen Album »Für den Friedhof der evangelischen 
Gemeinde in Gratz« zusammengestellt und damit ge- 
wissermaßen ein Erinnerungsbuch an seinen Aufenthalt 
im Lande, geschaffen. Noch sind einzelne Flugblätter 
in Versen enthalten, welche der schlesische Poet diesem 
oder jenem festlichen Anlasse gewidmet und noch leben 
Manche in der Steiermark, denen er in literarischen 
und poetischen Dingen mit' Rath und That an die 
Hand gegangen ist, darauf hinzudeuten ist die Aufgabe 
dieser Blätter und deshalb verdient der nunmehr auch 
schon seit Jahren in seiner Heimat zu Breslau dahin- 
geschiedene/ Dichter eine besondere Erwähnung an 
dieser Stelle unter den deutschen Dichtern, die in 
Steiermark gewirkt haben. 

Im Stadtparke der steirischen Hauptstadt mitten 
zwischen prächtigen grünen Büschen erhebt sich ein 
plastisches Meisterwerk Kundmanns, die überlebensgroße 
Figur des »Dichters Anastasttts Griln^^ des »Staats- 
mannes Anton Alexander Grafen Auersperg,<^ Das 
schöne Bildwerk erinnert daran, dass auch der be- 
rühmte Freiheitspoet und Dichtergraf eine Reihe von 
Jahren in Graz zugebracht, dass er der Landesvertre- 
tung Steiermark's (als Landtagsabgeordneter von 1861 
bis 1 869) angehört hat, Graf Auersperg trat sogar in 
die Zahl der Grazer Bürger, er besaß seine eigene 
Villa am Rosenberge in idyllischer Lage und hatte sich 
in den fünfziger Jahren ein Palais in der Elisabeth- 
straße erbaut, dasselbe, aus dessen Halle man den 
todten Dichter, nachdem er siebzig Jahre alt geworden 



136 

war, am 15, September 1876 hinaustrug, um ihn fort- 
zuführen in die Familiengruft zu Thum am Hart in 
seinem Heimatlande. Schon in seiner Jugend- und 
Studienzeit hatte Graf Auersperg in der steirischen 
Hauptstadt ge\yeilt ; dass er mit Leitner in schriftlichem, 
später ganz intimen Verkehre stand, wurde bereits 
früher angedeutet, später fand wieder ein persönliches 
Zusammentreffen der beider Dichter statt. Leitner 
theilt in Aufzeichnungen, die er nach dem Tode des 
Grafen Auersperg abgefasst, mit, dass er den damals 
noch Unberühmten, als dieser 1827 in Graz die Rechte 
studierte, persönlich kennen gelernt und insbesondere 
bei dem zu jener Zeit als jugendlicher Held an der 
Grazer Bühne engagierten * Schauspieler Carl Rettich 
oft mit dem dichterischen Freunde zusammengetroffen 
war. Bei Rettich wurde Shakespeare mit vertheilten 
Rollen gelesen und viel und vielerlei über dramatische 
Literatur dabei gesprochen. Sonst lebte Auersperg 
sehr ziuückgezogen, und schloss sich gerne an Männer 
an, die ihm an Jahren und Erfahrung voraus waren. 
Die Vorstudien zum »letzten Ritter« betrieb er schon 
zu jener Zeit, sein Schreibtisch war stets — nach 
Leitners Bericht — mit alten historischen Folianten 
bedeckt, welche Quellenwerke er eifrig durcharbeitete. 
Damals stellte er auch schon seine »Blätter der Liebe«, 
sein erstes Liederbuch zusammen. Hatte Anastasius 
Grün doch bereits im Jahre 1826 dem älteren von ihm 
so hochverehrten Dichtergenossen mitgetheilt, dass 
»er selbst die Bahn der Literatur betreten habe.« 
Manche andere Anknüpfung an Steiermark und dessen 
Landeshauptstadt vollzog sich also bereits damals und 
in der Folge, ab und zu besuchte der Dichtergraf die- 
selbe und weilte gern in dem Alpenlande, das ja un- 
mittelbar an sein heimatliches Krain grenzte. 



138 

Nachdem im Jahre 1857 das erwähnte Wohnge- 
bäude des Grafen in Graz vollendet war, übersiedelte 
er und verblieb daselbst fast zwanzig Jahre wie er- 
wähnt, bis zu seinem Tode. Wie die Universität 
Wien, so hatte auch die Universität Graz den genialen 
Dichter und Staatsmann durch die Verleihung des 
Ehrendoctordiploms ausgezeichnet, nachdem er schon 
früher zum Ehrenmitgliede der kaiserlichen Akademie 
der Wissenschaften in Wien gewählt worden war. 

Der Name Anastasius Grün ist schon öfter auf 
diesen Blättern genannt, manche Beziehung desselben 
zu den Poeten des Landes Steiermark, das man wohl 
die zweite Heimat des Dichters nennen kann, hervor- 
gehoben worden. Sein Lebenslauf als derjenige eines 
der bedeutendsten und berühmtesten Männer Österreichs 
kann wohl als bekannt vorausgesetzt werden, ebenso 
die Thatsache wie er im Parlamente und als Staats- 
mann imentwegt für die deutsche Sache und für jene 
der Freiheit als Redner aufgetreten war und als solcher 
große Siege feierte, Anastasius Grün's poetische Thä- 
tigkeit ist allerdings später, als er in der Steiermark 
weilte, wenig mehr zutage getreten. Nachdem seine 
erste Gedichtsammlung die »Blätter der Liebe« (1830) 
erschienen war und wenig Beachtung gefunden, wusste 
er durch den Romanzenkranz »Der letzte Ritter« (1830) 
der in so herrlichen kräftigen Strophen abgefasst ist, 
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. 
Dieselbe aber wurde zur stürmischen Bewunderung als 
die »Spaziergänge eines Wiener Poeten« erschienen, 
jene dem Volke Österreichs ^us dem Herzen geschrie- 
benen glutdurchströmten Verse, welche in so markiger 
Weise den Ruf nach Freiheit des Geistes in Österreich 
hinausriefen durch das ganze deutsche Land und jenen 



139 

Geist zu wecken berufen waren, welcher später wirklich 
die gewaltigen Erfolge bewirkte, denen die freiheitliche 
Neugestaltung Österreichs zu verdanken ist. Eine ähn- 
liche stolze Gesinnung, doch mehr den freiheitlichen 
Idealen der Menschheit im Allgemeinen zugewendet, 
trat auch in dem nächsten Werke des Dichters : »Schutt« 
(1836) hervor imd als ein Jahr später zum erstenmale 
die Sammlung seiner »Gedichte« erschienen, da fanden 
sich wahre Perlen l3rrischer imd epischer Poesie unter 
denselben. In den »Gedichten«, wie auch in dem 
späteren epischen Gedichte »Der Pf äff vom Kahlenberg« 
(1850) hat Anastasius Grün an so mancher Stelle der 
Alpen des schönen steirischen Berglandes gedacht und 
auch wohl manche bestimmte Gegend desselben im 
Liede verherrlicht. Man denke etwa an die prächtige 
Schilderung der Gegend von Neuberg im Mürzthale 
(»Pfaff vom Kahlenberg«: >Eine Gebirgsreise. Neuberg«), 
an die noch aus der Jugendperiode des Dichters her- 
rührende Bearbeitung der steirischen Sage von den 
Brüdern in Reichenburg*), an die schalkhaft ausklin- 
gende Darstellung der Sage von der Gründung des 
idyllisch gelegenen Wallfahrtskirchleins Maria-Grün bei 
Graz, an die noch in die letzte von Graz ausgesandte 
Gedichtsammlung Anastasius Grüns aufgenommenen 
Apostrophe: »Dem neuen Burgherrn von Rabenstein,« 
worin er des romantischgelegenen Schlosses und seities 
kunstsinnigen Eigenthümers Rudolf Freiherm von 
MandelPs gedenkt. In der steiermärkischen Hauptstadt 
war es, wo Anastasius Grün die erwähnte Sammlung: 

»In der Veranda« ordnete, sichtete imd als eine Art 

' I » 

♦) Mitgetheüt von P. v. Radics in dessen Buche : »Ana- 
stasius Grün. Verschollenes und Vergilbtes.« Leipzig. 1879. 
S. 40. 



140 

literarischen Vermächtnisses dem deutschen Volke vor- 
legte* Man wird beim Durchlesen der »Lieder aus 
dem Gebirge« in der ersten Sammlung der »Gedichte« 
unschwer entnehmen, dass Anastasius Grün auch hier 
Naturbilder aus den Alpen der Steiermark entworfen 
hat, wohin er ja noch vor seinem ständigen Aufent^ 
halte daselbst, gerne seine Schritte gelenkt hatte. Hier 
in Graz war es auch, wo Josef Fellner lebte, mit 
welchem den Dichter nahezu ein halbes Jahrhundert 
hindurch innige Freundschaft verband, mit dem zu- 
sammen er schon in der Jugend die Vorstudien zum 
»letzten Ritter« betrieb, welches Werk er ihm, dem 
Freunde, dann auch gewidmet hat, denn der Freund 
»Emfall« auf dem Widmimgsblatte der ersten Auflage 
ist kein Anderer als Josef Fellner, dessen wahrer Namen 
aus Censurrücksichten nicht genannt wurde. Als Fellner 
im Jahre 1873 zu Graz gestorben war, sandte ihm 
noch Anastasius Grün, welcher für öffentliche Blätter 
ungern die Feder zur Hand nahm, ein herzliches »Ge- 
denkblatt« in einem Journal nach, das als das ange- 
sehenste der Hauptstadt galt.*) 

Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, 
dass Graf Auersperg, der noch Gelegenheit gehabt 
mit dem Erzherzoge Johann in Graz persönlich zu 
verkehren, diesem dieselbe hohe Verehrung entgegen- 
trug, wie jeder Einzelne in Steiermark. Hatte er doch 
schon im Juli 1848 »dem Erzherzog Reichsverweser« 
jenes schöne Gedicht (»In der Veranda« zuerst abge- 
druckt) gewidmet, das den edlen Fürsten mit Beziehung 
auf das bekannte Bild des Erzherzogs von Peter Krafft 
so prächtig schildert. 



*) Radios. Eben daselbst S. 149 Näheres. 



141 

Die Verehrung des Erzherzogs bewahrte Ana- 
stasius Grün in seinem Herzen bis zum Ende seines 
Lebens, er sah in ihm eine jener idealen Ftirsten- 
gestalten verkörpert, wie sie dem Poeten schon zur 
Zeit seiner brausenden Jugend als glänzende Sterne 
vorschwebten. Ihm, dem Dichter Anastasius Grün, ent- 
stammen auch die Worte, welche auf des Erzherzogs 
großem Brunnenstandbilde zu Graz in Erz geschrieben 
stehen : 

Unvergessen lebt im Volke, 
Der des Volkes nie vergaß. 

Es sei hier endlich auch noch angeführt, dass 
die Neuauflagen der Werke Anastasius Grüns in der 
Hauptstadt der Steiermark durch den Dichter ihre 
Verbesserung erfuhren, der sich mit gleichstrebenden 
Geistern über manche Änderung und Umformung in 
diesen neuen Auflagen berieth. Insbesondere hielt er, 
wie schon erwähnt wurde, auf das Urtheil Leitners 
außerordentlich viel und dem, wenn auch nicht zu 
solcher geradezu europäischer Berühmtheit gelangten 
steiermärkischen Poeten war der gräfliche Dichter stets 
für Verbesserungen und kritische Bemerkungen dank- 
bar. Freund Leitner hätte wohl kaum gedacht, dass 
er den Sänger Anastasius Grün überleben würde. 

Neben den eben genannten Poeten, welche in der 
Hauptstadt der Steiermark, ohne gerade Söhne des 
Landes zu sein, lange Zeit geweilt haben, tritt uns 
noch eine gewaltige Gestalt entgegen, ein Dichter, der 
auch nicht in Steiermark geboren ist, aber durch Jahre 
seine reiche glänzende dichterische Thätigkeit daselbst 
» entwickelte und schließlich in den Boden jenes Landes, 
auf dem St. Leonhardfriedhofe in Graz zur ewigen 



142 

Ruhe gebettet wurde. Es ist dies Robert Hafnerling, 
Hamerling am 24. März 1830 zu Kirchberg am Walde 
in Niederösterreich geboren, hat als Gymnasialprofessor 
im Jahre 1854 vorübergehend in Graz geweilt und 
auch später im Jahre 1862 die Stadt, da er einen 
Kuraufenthalt in dem derselben nahe gelegenen Tobel- 
bade nahm, besucht und liebgewonnen. Als er von 
seinem Lehramte, welches er wegen damals schon 
auftretender Leiden nicht weiter pflegen konnte, im 
Jahre 1866 zurückgetreten war, wählte er sich Graz 
zum bleibenden Aufenthalte, der schönen Murstadt 
rief er beim Einzüge die Worte entgegen : 

Sei gegrüßt von meinem Psalter, 

Du reizende Grazienstadt: 

Du ruhst wie ein prangender Falter 

Auf einem Lorbeerblatt. 

Hold ruhst du auf grünenden Auen, 

Du Perle der Steiermark: 

Voll Seele deine Frauen, 

Und deine Söhne voll Mark. 

Und dort hat denn der edle Dichter auch gelebt 
und gedichtet durch 23 Jahre, bis ihn am 13. Juli 1889 
der Tod von langjährigen Leiden erlöste. Hamerlings 
poetische Werke sind zum großen Theile in Graz 
entworfen und ausgeführt, dieser Stadt bleibt der Ruhm, 
däss die bedeutendsten Schöpfungen eines der genialsten 
deutschen Dichter daselbst geschaffen und in alle Welt 
hinausgeschickt wurden. Der Poet selbst erzählt in den 
»Stationen meiner Lebenspilgerschaft c, welche 1889 er- 
schienen sind: »So war ich denn seit meiner Über- 
siedlung nach Graz im Laufe von zwei Jahrzehnten 
mit dreizehn neuen Werken hervorgetreten: mit der 
Leopardi-Übersetzung, dem König von Sion, Danton 



144 

und Robespierre, Teut, den sieben Todsünden, der 
durch das Doppelte des Umfangs vermehrten zweiten 
Auflage von Sinnen und Minnen, mit Aspasia, Lord 
Lucifer, Amor und Psyche, Prosa, den Hesperischen 
Früchten, den Blättern im Winde und Homunculus,« 
die herrlichste Entfaltung von Hamerlings Dichter- 
genius hat sich also auf dem Boden der Steiermark 
vollzogen. Auch hat er sich sein eigenes stilles Som- 
merheim daselbst gegründet, das »Stiftinghaus«, welches 
er selbst poetisch verherrlichte und wo er abseits von 
dem Getriebe der Welt gedichtet : 

Einsam bin ich, und ich singe 
In des Waldes Grün versteckt. 
Doch das Lied hat eine Schwinge 
Und der Klang ein Echo weckt. 

Und an's andere Gestade 
Sendend mein beschwingtes Lied, 
Bin ich ähnlich der Cicade, 
Die man hörtj- doch niemals sieht. 

So scheu und zurückhaltend auch die Persönlich- 
keit Hamerlings anderen Personen gegenüber erschien, 
so wusste er doch das wahre Talent zu schätzen und 
entzog sich nicht dem Verkehre mit seinen poetischen 
und schriftstellerischen Zeitgenossen. Er verkehrte 
»nicht sehr häufig« wie des Dichters eigene Worte 
lauten »aber immer in anregender für mich wohlthuen- 
der Weise« mit AnasJtasius Grün > desgleichen mit 
dem seither zum zweifach jubilierten Dichtergreise 
gewordenen C. G. v, Leitner^ (der ein Jahr spä- 
ter als Hamerling starb). Beiden hat der Poet in 
sinnigen Dichtungen unvergängliche Gedenkblätter 
zurückgelassen. Als Anastasius Grün in Graz (1876) 



145 

SQipen 70. Geburtstag feierte, wurde diesem von dem 
jüngeren gleichstrebenden Sänger als Glückwunsch 
»Ein Frühlingslied« dargebracht und dem mannhaften 
»Wiener Poeten« klangen daraus die Worte entgegen: 

Von allen Jubelgreisen 
Der jugendlichste du, 
Noch grün wie deine Weisen, 
Frisch — kräftig immer zu. 

Vorm Schwärm der Zeitgenossen 
Stehst du im Tagesstrahl, 
Wie schon in Erz gegossen 
Dein eig'nes Ehrenmal! — — 

Dein Lied, es war' verklungen, 
Wär's nicht ein goldener Klang: 
Es lebt, was du gesungen, 
Weil es ein Meistersang! 

Aber in demselben Jahre auch tönte ein ernstes 
Trauerlied, welches Hamerling am Todestage Anastasius 
Grün's in dem herrlichen Gedichte »Der letzte Kranz« 
dem am 12. September Dahingeschiedenen gewidmet. 
Als später im Jahre 1880 Leitner zum achzigstenmale 
das Wiegenfest begieng, bot auch ihm der Dichter 
des »Ahasverus« edel und schön gefügte Verse und 
pries den. Greis, wie er's erreicht, 

dass seine Lebenssonne 
In Glanz und nicht in Wolken niedergeht. 

Alle diese Gedichte sind später in Hamerlings 
letzter Gedichtsammlung: »Blätter im Winde« (1887) 
veröffentlicht worden. Mit dem Numismatiker und 
Poeten Fritz Pichler, mit Friedrich Marx, mit Sacher 
Masoch und vielen anderen der jüngeren Generation 

Schlossar, xoo Jahre deutscher Dichtung. 10 



146 

stand Hamerling zu Graz in Verbindung und viele auf- 
strebende Talente haben ihm Aufmunterung imd man- 
che bedeutende Winke zu verdanken, welche ihrem 
späteren literarischen Wirken zugute gekommen sind. 
Sowohl diese als auch andere auf den verschiedensten 
Gebieten des Kunstlebens hervorragende Männer, die 
sich an Hamerlings stillem aber anregendem Verkehre 
in Graz erfreuten, erwähnt derselbe am Schlüsse seiner 
früher genannten Selbstbiographie. Auch der Verfasser 
dieser Blätter gedenkt mit stiller Wehmuth so mancher 
Anregung, die ihm durch den liebenswürdigen geist- und 
gemüthreichen Poeten geworden imd so mancher ge- 
haltvollen Worte desselben. Eine warme stille Freund- 
schaft verband insbesondere Hamerling mit dem aus 
seinen Bergen nach Graz gekommenen und hier ebenfalls 
berühmt gewordenen P. K, Rosegger. Die erste Samm- 
lung mundartlicher Dichtungen desselben : »Zither und 
Hackbrett« hat ja doch Hamerling selbst mit einem 
empfehlenden Vorworte versehen und dem » Steirerpoeten « 
die Bahn beim ersten Eintritt in das Gebiet der Lite- 
ratur geebnet. Später war Hamerling bis zu seinem 
Tode ein eifriger Mitarbeiter an Roseggers »Heimgarten« . 
Er fühlte sich glücklich in den »erhebenden und er- 
frischenden Gedanken«, dass ihn mit »diesem jüngeren 
Genossen seit vielen Jahren eine, nie auch nur einen 
Augenblick getrübte Freundschaft verknüpft« hat, mit 
ihm, den »der Geniusfunke, der den Dichter in ihm 
weckte, auch zu einem der taktvollsten und zartfühlend- 
sten Menschen gemacht, die ich kenne, und mit einem 
solchen zu verkehren, thut mir wohl.« (Stationen m. 
Lebenspilgerschaft. S. 421). Solche Worte eines solchen 
weit über Deutschlands Grenzen hinaus gefeierten 
großen Dichters werden den zartfühlenden steirischen 



147 

Poeten manche Kränkung vergessen lassen, die ja 
auch ihm zu theil geworden, wie so vielen Andern, 
welche Gutes und Edles erstrebt und dafür von un- 
berufener Seite fiir das reinste Streben Undank ge- 
emtet haben. »Wie er mir ohne Stolz, so stehe ich 
ihm ohne Neid gegenüber« schreibt Hamerling in ei- 
gener tiefer Bescheidenheit über sein Verhältnis zu 
Rosegger. Diese Worte zählen zu den schönsten, 
welche ein berühmter Dichter dem andern je gewidmet 
und zeigen uns auch das Herz des Menschen im hell- 
strahlenden Glänze. Viele, viele der minder Bedeuten- 
den unserer Tage könnten solchen Ausspruch sich tief 
in die Seele schreiben. Rosegger selbst hat später 
nach dem Tode des edlen Freundes manche Seite dieses 
herrlichen Charakters dargelegt in dem fesselnden 
Buche: »Persönliche Erinnerungen an Robert Hamer- 
ling« (1891), aus dem wir das Gemüth beider Poeten 
und ihren innigen Verkehr in der besten Weise kennen 
lernen. — Wie sehr der Dichter an der ihm zur zweiten 
Heimat gewordenen Miu-stadt hieng, davon gibt so 
manches schöne Gelegenheitsgedicht Zeugnis, wel- 
ches er zu irgend einem bedeutungsvollen Zwecke ab- 
gefasst. In den »Blättern im Winde« ist eine Zahl 
solcher Dichtungen enthalten, jede derselben erhebt 
sich durch die Schönheit und Gewalt der Sprache und 
durch den Schwung des Geistes weit über die Gewöhn- 
lichkeit der üblichen Gelegenheitsdichtung. Es ist 
vielleicht in weiteren Kreisen noch wenig bekannt, dass 
Hamerling auch Vorstand des Schriftsteller- Vereines 
»Grazer-Concordia« war, dessen Bestreben er nach 
allen Kräften förderte. Eine von der Genauigkeit 
nnd Gewissenhaftigkeit des Dichters zeugende Bestim- 
mung, welche den gebildeten Bewohnern der Steier- 

10* 



148 

mark insbesondere zugute kommt, ist jenes Vermächt- 
nis Hamerlings, wonach er den beiden in Graz be- 
stehenden Bibliotheken je ein Exemplar aller seiner 
Werke in allen erschienenen Auflagen zuwendete. 
Dass den Dichter auch manches Herzensbündnis mit 
der Stadt verknüpfte, in welcher er seine Augen für 
immer schloss, davon erzählt er in den »Stationen 
meiner Lebenspilgerschaft« und in dem »Pauline« 
überschriebenen Capitel seines Buches: »Lehrjahre der 
Liebe« mit offener Unbefangenheit und macht seine 
Tausende von Freunden damit bekannt, dass auch ihm 
der Frühling und der Sommer des Lebens nicht ganz 
ohne duftige Blüten geblieben war. 

Nur wenige Worte über Hamerlings Dichtungen, 
über welche an dieser Stelle allerdings kaum in Um- 
rissen, geschweige denn erschöpfend gesprochen werden 
kann. Sein Leben und Wirken hat Aurelius Polzer 
in dem Buche: »Robert Hamerling« (1890) geschildert. 
Eine kleinere Arbeit über den Dichter von K. E. 
Kleinert ist überschrieben: »Robert Hamerling. Ein 
Dichter der Schönheit« (1889). In der That, mit dieser 
Bezeichnung ist das Streben und Wirken des Poeten 
ausgeprägt bezeichnet. Ihm war die Schönheit das 
Ideal, nach dem er sein Leben hindurch gestrebt und 
das er besungen in herrlichen Strophen und Versen, 
das Ideal, welches er hoch gehalten und dem er seine beste 
Dichterkraft gewidmet hat. Als er im Jahre 1866 
dauernd sich in Graz ansässig machte, war die damals 
noch kleine lyrische Sammlung »Sinnen und Minnen« 
(1859) sowie auch das »Schwanenlied der Romantik« 
(1861) mit seinen begeisterten Strophen schon erschienen, 
zunächst aber wurde durch das gewaltige Epos »Ahasver 
in Rom« (1865) die hohe Aufmerksamkeit auf den 
Poeten gelenkt, jene 



149 

Epopöe 
Des Sinnentaumels, des Genusses — 
Der Sättigung und — Übersättigung, 
Des Lasters — nah' dem Punkt, wo sich 's erbricht... 

Dieses großartige Werk mit seinen gewaltigen 
Schilderungen und Bildern, zu denen der Dichter gleich- 
sam den Pinsel in die sattesten Farben getaucht hat, 
mit seinen so wunderbar plastisch hervortretenden 
Gestalten Nero's, Agrippina's und des düstern Ahasver 
selbst war ohne Gleichen in der Geschichte unserer 
Dichtkunst, dazu fesselte die edle Schönheit der Form 
ebenso den Leser wie der historische Stoff, den der 
Dichter in solcher Weise zu bearbeiten verstanden. 
Der Ruhm Hamerlings war damit begründet. Als die 
nächste epische Dichtung: »Der König von Sion« (1867) 
herausgegeben wurde, welche auch zum größten Theile 
in Graz abgefasst ist, blickte die gebildete Welt mit 
begreiflicher Spannung dem neuen Werke entgegen. 
Der »König von Sionc übertraf noch die Erwartung, 
obgleich der Dichter den »Pinsel getaucht in die käl- 
teren Farben des Nordens«. Jan von Leyden, der 
Held des Gedichtes, ist eine fast übernatürliche Gestalt, 
er und die übrigen Personen des Gedichtes sind wieder 
mit Meisterzügen entworfen, das Treiben der Wieder- 
täufer, deren Umgebung und die ganze Landschaft 
bieten dem Dichter Gelegenheit zu Schilderungen, 
deren Gewalt und Anschaulichkeit jene im »Ahasverus« 
womöglich noch übertrifft. Nur angeführt sei, dass 
im Jahre 1870 das Drama »Danton und Robespierre«, 
ein Schauspiel, reich an kräftigen fesselnden Scenen 
erschien, das die Gestaltungskraft des Dichters auch 
auf dramatischem Gebiete nicht verläugnete. Im Jahre 
1875 folgte der culturhistorische Roman »Aspasia«, 



t50 

welcher von den Studien des Poeten auf dem Gebiete 
des Griechenthums so beredtes Zeugnis ablegte, 1881 
die liebliche Dichtimg »Amor und Psyche« und 1887 
das moderne Epos »Homunculus«, ein Werk so reich 
an Witz, Sat3Te imd Phantasie wie wohl kaum eines 
von einem modernen Poeten geschaffen worden. Wie 
in allen Werken des Dichters ist auch hier die Voll- 
endtmg in Form imd Inhalt mit hohem dichterischen 
Schwünge gepaart. »Homunculus« ist das einzige 
Werk Hamerlings, in dem er moderne Zustände und 
Verhältnisse in poetischer Form der Beurtheilung unter* 
zieht imd mit der schärfsten Satyre gegen die un- 
gesunden Richtungen dieser Verhältnisse vorgeht. — 
Inzwischen war man längst auf den lyrischen Dichter 
Hamerling aufmerksam geworden, sein »Sinnen und 
Minnen« war in neuer verstärkter Auflage erschienen, 
das »Schwanenlied der Romantik«, der »Germanenzug«, 
die »Venus im Exil« hatten dieselbe bezeichnete An- 
erkennung gefimden wie die kleinen l)rrischen Gedichte 
in »Sinnen und Minnen« ebenso später die 1886 heraus- 
gegebenen »Blätter im Winde«. Beide Sammltmgen 
enthalten wahre Edelsteine der deutschen Poesie, die 
allein des Dichters Namen unvergängUch machen könn- 
ten, wenn er auch nicht seine gewaltigen Epen ge- 
schaffen hätte. Und doch sind diese letzteren seine 
Hauptwerke zu nennen imd bewahren Hamerlings 
Namen ruhmvoll und unvergessen durch die Folge 
der Zeiten. Zur genaueren Übersicht über Hamer- 
lings Thätigkeit muss hier auf die über sein Leben 
und Dichten vorliegenden Arbeiten verwiesen werden. 



IX. CAPITEL. 



Von den noch Lebenden, die in der 
Steiermark geboren sind oder daselbst ge- 
wirkt haben. 

In dem für Österreich historisch so bedeutsamen 
Jahre 1866 war ein Kreis von Poeten in der Stadt 
Graz vereinigt, unter welchen wir hervorragende 
Vertreter deutsch-österreichischer Dichtkimst finden ; 
neben Anastasius Grün, welcher, wie schon früher er- 
wähnt, sein Heim in der Murstadt aufgeschlagen, dich- 
tete der überaus geistesfrische K. G. JR» v. Leitnery 
wenn er auch selten an die Öffentlichkeit trat, so 
manches schöne Lied, auch Robert Hamerling kam 
dazu und Leopold v» Sacher^Masoch schrieb seine 
prickelnden an französischen Geist gemahnenden Novellen. 
Unter den damals Jüngeren finden wir insbesondere 
Friedrich Marx und Fritz Pichler, welche schon durch 
bemerkenswerte dichterische Werke auf lyrischem und 
dramatischem Gebiete die Aufmerksamkeit weiterer 
Kreise auf sich gelenkt und manchem anderen hier nicht 
Genannten ist manch schöne Dichtung gelungen, wenn 
auch sein Name nur der engeren Heimat bekannt ge- 
worden. 

Zu jener Zeit war es auch, dass in der Steiermark 
ein belletristisches Blatt gegründet wurde, welches 
für die Geschichte des literarischen Lebens von Oster- 



152 

reich beachtenswert erscheint und deshalb nicht ver- 
gessen bleiben darf. Es ist dies die » Gartenlaube für 
Österreichs^ welche 1866 zu erscheinen begann und 
die von Heinrich Penn und L, v, Sacher-Masoch 
später von Heinrich Hügel herausgegeben, viele der 
besten Schriftsteller und Dichter Österreichs vereinigte. 
Vier Jahre hindurch hatte dieses Blatt Bestand, unter 
dessen Redacteuren auch Carl Pröll und Hans von 
Südenhorst zu nennen sind. Eis bot gute Original- 
Novellen und Erzählungen, Skizzen und Aufsätze, Ge- 
dichte und literarische Berichte aus bewährten Federn 
und wenn auch die Verhältnisse das Forterscheinen 
dieser Zeitschrift nach dem Jahre 1869 nicht mehr ge- 
statteten, so gewähren doch die vier Jahrgänge ein 
ansprechendes Bild des geistigen insbesondere dichte- 
rischen Lebens nicht etwa der Steiermark allein, sondern 
des deutschen Gesammt-Österreich überhaupt. Neben 
den oben angeführten Namen waren unter den Mit- 
arbeitern Männer wie H, Laube, K, E, Ebert, H. Mo- 
senthal, O. Prechtler, Adolf Pichler. C, v. Wurzbach, 
auch F. Bodenstedt und F, Hebbel (durch Stücke aus 
seinem Nachlasse) vertreten, selbst Adalbert Stifter 
bot freundlich der österreichischen Gartenlaube manchen 
Beitrag, liebte doch der herrliche Böhmerwaldpoet 
sein schönes österreichisches Vaterland wie kaum Einer. 
Leider hatte er wohl seine letzten Stücke hier ver- 
öffentlicht, denn schon zu Anfang 1868 verließ er 
diese Welt. 

Nunmehr sei zweier Dichter aus dem Eingangs 
dieses Capitels erwähnten Kreise gedacht, welche zwar 
in dem Kärntner Nachbarlande geboren sind, deren 
poetische Hauptthätigkeit jedoch auf steirischem Gebiete 
sich entfaltet hat und deren Namen schon oben ge- 



153 

nannt wurden, es sind dies : Friedrich Marx und Fritz 
Pichler, F Marx, 1 830 zu Steinfeld geboren, hatte eine 
militärische Laufbahn eingeschlagen, er weilte infolge 
dessen in verschiedenen Gamisonsorten zu Mailand, 
Gmunden, Ischl, Wien, von 1861 an lebte er in Graz, 
wo er noch 1870 — 72 Vorstand des steiermärkischen 
Schriftstellervereins war. Eine Zeitlang hatte er den 
activen Militärdienst verlassen und sich zurückgezogen 
seinen literarischen Beschäftigungen hingegeben, von 
1878 an aber trat er neuerlich in die militärische Stellung 
ein und dieser Beruf zwang ihn wieder seine Aufent- 
haltsorte oft zu wechseln. Gegenwärtig lebt er als 
k. k. Oberst des Ruhestandes in der Murstadt. Marx 
ist zumeist von Steiermark aus mit dramatischen 
und lyrischen Gedichten hervorgetreten, sein geschicht- 
liches Trauerspiel »Olympias« (1863) und sein Schau- 
spiel »Jacobäa von Bayern« (1865) weisen edle poe- 
tische Sprache und fesselnde Handlungen auf, ein wahr- 
haft classischer Zug weht durch die wohllautenden 
Verse dieser dramatischen Gedichte. Dass Marx die 
Sprache zu beherrschen versteht, zeigen auch seine 
schöngeformten Übersetzungen des italienischen Dichters 
Alessandro Poerio, die er 1868 mit einem Lebensbilde 
dieses Autors versehen herausgegeben. Besonders aber 
tritt die Begabung des warmfühlenden und formge- 
wandten Poeten in seinen Gedichten: »Gemüth und 
Welt« (1862) hervor, welche, im Jahre 1877 in dritter 
reichvermehrter Auflage erschienen sind. Ein Reich- 
thum dichterischer Gedanken thut sich vor dem Leser 
dieser Poesien auf, sei es dass der Sänger Klänge 
der Liebe anstimmt, sei es dass er in erzählen- 
der Form manches schöne Bild vorführt oder in 
Sonetten seinem poetischen Denken Ausdruck gibt. 



154 

Überaus zu Herzen sprechend erscheinen die Gedichte 
in der Abtheilungj: »Junge Liebe,« in denen die Stim- 
mung des Herzens nicht selten mit der Stimmung der 
den Dichter umgebenden Natur in schönen Einklang 
gebracht ist. Der Dichter spricht sein tiefangelegtes 
Gemüth aus, wenn er, als er von der Geliebten für immer 
scheiden musste, die Weihe des Schmerzes von ihrer 
Hand empfangen hat und dabei doch noch mannhaft 

ausruft : 

Ein Idol hab' ich gerettet 
Aus der Liebe Tempelbrand, — 
An das Frauenherz den Glauben 
Trag' ich über Meer und Land. 

Was Wunder, dass er, der Sohn der Alpen in so 
manchem Gedichte der heimischen Berge und ihrer 
Herrlichkeit gedenkt, die Schönheiten der steirischen 
Felsenschlucht »Im Sunk« imd die Begegnung der 
»drei holden Mädchenrosen« preist, auch wohl an den po- 
chenden Eisenhammer im heimatlichen Thale sich er- 
innert und der braunen Gesellen darin im Lederschiu-z, 
die wie »Hünen anzuschau'n« gewesen. Von den er- 
zählenden Gedichten wirkt die hübsche Sage vom 
»Posthaus zu Aussee,« welche den erhabenen Gönner 
der Steiermark Erzherzog Johann behandelt und dessen 
spätere Gemahlin die Gräfin von Meran überaus 
schalkhaft, anmuthig und zu Herzen dringend, während 
die düstere Erzählung »Wilde Schwäne« das erschüt- 
ternde Bild unglücklicher Liebe entwirft, welche einem 
edlen Jüngling die Pistole in die Hand drückt. Wie 
reich und üppig die Phantasie des Dichters aufstrebt 
weisen die prächtigen orientalischen Bilder: »Kairo« 
oder »die Mumienhand«. Im ersteren gemahnt der 
Dichter geradezu an Freiligrath, wenn er den Zauber 



155 

des Orients schildert, welcher über der Stadt Kairo 
schwebt und des Lebens und Treibens in der märchen- 
haften gedenkt: 

Araber im weißen Burnus schreiten schweigend durch den 

Chan, 
Enkel des Propheten mustern Teppiche von Ispahan, — 
Haremsfrauen, dicht verschleiert, nah'n mit buntem Mohren- 

tross, 
Wiehemd auf der Schwelle draußen stampft des Aga's 

Berberross, 

So manches Lied und so manches Gedicht zeugt 
vom warmen patriotischen Fühlen des ritterlichen Dich- 
ters und von seiner Begeisterung für das schöne öster- 
reichische Vaterland, tief wehmüthig wirkt unter diesen 
Stücken: »Ein deutscher General« dessen zwei Söhne 
»am Po und am Ticino« den Heldentod starben. 

Auch der in Kärnten geborene Fritz Pichler ist 
eigentlich jenem Poetenkreise der Steiermark beizu- 
zählen, dessen vorhin Erwähnung geschehen. Pichler 
hat 1834 zu Klagenfurt das Licht der Welt erblickt 
und in Wien historische und germanistische Studien be- 
trieben. Er wurde, nachdem die Aufmerksamkeit des 
Erzherzogs Johann durch mehrere wissenschaftliche 
Arbeiten auf ihn gelenkt war, 1856 im Münz- imd An- 
tikencabinet des Joanneums zu Graz angestellt, be- 
schäftigte sich auf wissenschaftlichem Gebiete insbe- 
sondere mit Heraldik, Sphragistik und Numismatik 
und gab ein vortreffliches »Repertorium der st einsehen 
Münzkunde« (1865 — 1875) 3 Bde. heraus; 1868 wurde 
Pichler Universitätsprofessor und ein Jahr später Vor- 
stand des eben genannten Cabinets in Graz, als solcher 
trat er im Jahre I892 in den Ruhestand. An dieser 
Stelle, an welcher nur der Bedeutung Pichlers als 



156 

Dichter zu gedenken ist, verdienen seine »Balladen« 
(1857) Erwähnung, so wie die culturhistorische Novelle 
»Christian und Else« (1857), welche zur Zeit des 
westphälischen Friedens spielt, ferner die Novelle in 
Versen: »Margaretha von Schweden« (1880). Auch 
auf dramatischem Gebiete hat sich Pichler versucht 
und den berühmten Steiermärker Brockmann, dessen 
großes Schauspielertalent gegen Ende des vorigen 
Jahrhundertes durch ganz Deutschland Bewunderung 
erweckte, zum Helden eines wirksamen Schauspieles 
geschaffen, welches 1890 im Drucke erschienen ist. 
Eine in wohllautenden Versen abgefasste freie Bear- 
beitimg der Tragödie »Aias« von Sophokles (1887) 
zeigt des Dichters Begeisterung für die Dichtung un- 
serer antiken Classiker. Pichler's bedeutendstes poe- 
tisches Werk jedoch, das epische Liederbuch > Runen 
und Reime« erschien 1875 und enthält umgearbeitet 
auch manches Stück aus den früher herausgegebenen 
Balladen. Schon diese Aufzählung der poetischen 
Werke Pichlers erweist, dass sich derselbe mit Vorliebe 
der epischen Poesie zugewendet hat. In der That 
ersieht man auch aus dem Inhalte der »Runen und 
Reime«, welche Mannigfaltigkeit er in dieser Richtung 
zu entfalten, wie plastisch er oft seine Stoffe zu formen 
versteht. Die Ballade und die poetische Erzählung 
sind, wie bekannt, jene Gebiete, auf welchen die Kraft 
und Gewalt jedes Dichters am besten zutage tritt, sie 
erfordern Reife und Überlegung im Denken, Gewandt- 
heit in der Sprache, Knappheit in der Ausdrucksweise ; 
manchem der besten Sänger auf lyrischem Felde ge- 
lingt es kaum in epischer Darstellungsweise Leser und 
Hörer zu fesseln. Die von Pichler gewählten Stoffe 
weisen auf den weit ausblickenden Historiker, neben 



157 

erzählenden Gedichten, welche die Glut des Orients durch- 
weht wie »Des Emirs Braut«, oder die uns bewegte Scenen 
aus dem antiken Leben vorführen, wendet er sich gerne 
dem deutschen und nordischen Alterthum zu, so in den 
Stücken: »Die Gebannte« (Kudrun), »Helgi und Thor- 
stein,« »Harald Blauzahn« oder er führt berühmte 
Geisteshelden, Künstler und Dichter vergangener Zeiten 
vor wie in den Gedichten: »Paul Rembrandt,« »Rafael 
Sanzio,« in der sinnigen Dichtung »Zum Löwen,« 
welche in begeisterter Weise vom Leben und Dichten 
Schillers erzählt, in der erschütternden Erzählung: 
»Der Bettler von Lissabon,« welche uns von dem 
Hungertode des Weltpoeten Camoens ergreifende Kunde 
gibt. Zumeist sind es düstere Stoffe, die Pichler 
sich zum Vorwurfe seiner poetischen Erzählungen er- 
sehen, mit großer Begabung weiß er oft grauenhafte 
Begebenheiten in Verse zu fassen, in dieser Beziehung 
geht der Dichter mitunter vielleicht sogar zu weit wie 
etwa in dem unheimlichen Sänge »von des Scharf- 
richters Beile,« welches beim Henker nachts zu klirren 
beginnt, weil es sich schon freut »aufs warme Blut«, 
und nach dem Tage, da Lord Capell in Tower damit 
enthauptet worden, wieder schwieg »wie nach dem 
heißen Kuss erschöpft die Jungfrau ruht.« Trotzdem 
aber blickt das bedeutende Talent aus den Strophen 
dieser markigen Poesien, welche zusammen gleichsam 
ein culturhistorisches poetisches Bilderbuch dem Leser 
entrollen. Auch der Geschichte Steiermarks hat Pichler 
so manchen seiner Stoffe entlehnt \vie etwa in den 
Dichtungen von »Herrn Ulrich« (von Liechtenstein) 
oder in »Abt Johann von Admont in der Karthause« 
etc. Dass übrigens hier und da des Schalkes Lächeln 
die Lippe unseres Dichters umspielt, davon zeugt imter 



158 

Anderem die schlichte hübsch durchgeführte Erzählung 
von dem Gespräche zwischen Laudon und Geliert in 
Karlsbad. 

Aus dem mächtig wirkenden Gedichte »die Kart- 
hause«, welches die anbefohlene Verbrennung der prote- 
stantischen Bücher anlässlich der Gegenreformation in 
Steiermark zum Gegenstande hat und Gestalten jener 
Tage in visionenhafter Darstellung heraufbeschwört, 
sei ein Bruchstück als Probe hier angeführt: 

Der grätzer Holzstoß ist's, den Alle kennen, 
Der wie Herakles' Kraft des Öta Berg, 
In spielend kurzen Stunden soll verbrennen 
Das Erbe jenes Tag's von Wittenberg. 

Da fällt so manchen Pergaments Gebinde, 
Manch' vollbeschrieben, reichbedrucktes Buch, 
Beschwert mit der Gedankenfreiheit Sünde, 
Anheim dem unerhörten Flammenfluch. 

Was schwer den stillen Nächten abzuringen 
Der bannbelegte Prädikant gewusst, 
Die Kunde von der Menschheit höchsten Dingen, 
All- alles ist verfehmt zum Aschen wüst. — ~ 

Zuletzt von Tausenden verkohlter Bücher 
Verbleibt als Rest ein Flöckchen Asche nur. 
O spreitet aus noch eure Purpurtücher 
Und rettet uns des Kleinod's kleinste Spur. — 

Eine größere historische Episode hat Pichler in 
der poetischen Novelle »Margaretha von Schweden« 
bearbeitet, er liefert ein dichterisches Zeitgemälde 
aus der Vorzeit Schwedens darin, das reich ist an 
schönen poetischen Einzelheiten und kräftigen Zügen, 
an lebendig geschilderten Volksscenen und kühn 
entworfenen Gestalten aus jenen bewegten Tagen 



159 

des alten Schwedenreiches, wobei die Hauptfiguren 
des Königs, Swante Sture's und der lieblichen 
Königin besonders hervortreten. Es ist sehr zu be- 
klagen, dass in der neuen Zeit Pichler das Gebiet 
der erzählenden Poesie verlassen hat, wenigstens 
ist nichts davon in die Öffentlichkeit gedrungen. Unter 
den erzählenden Dichtem Deutsch-Österreichs nimmt 
er jedenfalls schon durch seine vorliegenden Veröffent- 
lichungen einen bemerkenswerten Rang ein. 

Ein Name, welcher an dieser Stelle nicht über- 
gangen werden soll, obgleich er seit Jahren nicht mehr 
auf dem Gebiete der Poesie genannt wird, ist Joseph 
Mayr^Tüchler, von dem die »österreichische Garten- 
laube« ebenfalls hübsche dichterische Beiträge der 
Allgemeinheit vermittelte. Mayr-Tüchler hat zu Ende 
der Sechziger Jahre manches Gedicht so wie 
auch wohlgeformte Übersetzungen aus dem Französi- 
schen und Südslavischen daselbst, ebenso manche hu- 
morreiche Strophe in der Mundart seiner Heimat seiner- 
zeit in den Münchener »Fliegenden Blättern« veröffent- 
licht. Der 1840 zu Graz geborene Dichter, welcher 
eine höhere bergmännische Ausbildung erhielt, lebt 
gegenwärtig als Fabriksdirector zu Felixdorf. Wenn 
er auch längst von der sinnigen Dichtung, die er ge- 
pflegt, sich abgewendet, so verdient doch die 1869 von 
ihm herausgegebene poetische Sammlung »Wolken«- 
volle Beachtung. Friedrich Marx hat diese Gedichte 
nach ihrem Erscheinen eingehendster Besprechung 
gewürdigt und denselben die wärmste Anerkennung ge- 
spendet, er erkannte anlässlich dieses »frohen Sänger- 
grußes aus den steirischen Bergen« Ma3rr-Tüchlers 
Talent als ein solches, in dem sich »neben manchen 
Anklängen an Lenau, Freüigrath, Rückert und Heine 



i6o 

doch so viel des Eigenartigen, Charakteristischen, 
Selbsterlebten und nicht bloß anderen Dichtem Nach- 
empfundenen«, findet, »dass uns die Mehrzahl seiner 
Gedichte mit dem vollen Reize der Neuheit und der 
Ursprünglichkeit anmuthet.« In der That überrascht 
Mayr-Tüchler durch Form und Inhalt seiner wohl- 
lautenden Verse, die bei all' den kleinen Mängeln, 
welche jüngeren Poeten zumeist anhaften, ein nicht 
geringes Talent hervortreten lassen, mag der Dich- 
ter ein zartes Liebeslied anstimmen, seinem warmen 
Vaterlandsgeftihle und der deutschen Mannesgesinnung 
Ausdruck geben, sinnige Betrachtungen anstellen oder 
begeistert die Schönheiten der Natur preisen wie in 
dem prächtigen Sänge: »An die Alpen«: 

Wie lieb ich euch, wie lieb ich euch, 
Ihr blauen Zacken und Zinken, 
Die mir am fernen Horizont, 
So zaubermächtig winken! 

Ihr schroffen Höh'n, wo die Gemse springt, 
Ihr Hörner mit schneeigen Hängen, 
Ihr grünen Alpen, wo alles klingt 
Von Herdenglocken und Sängen, etc. 

Tiefpoetische Anlage zeigen Gedichte wie: »Ein 
Engel geht durch's Zimmer«, »Heimweh«, »Das Kerz- 
lein», »Zu früh«, »Ade mein Herz« und manches er- 
zählende Stück gibt uns kund, dass auch auf diesem 
Gebiete der Dichter richtige Töne zu treffen weiß. 

Eine vornehme Poetengestalt tritt uns in dem 
hochbegabten Grafen Albrecht Capello von Wickenburg 
entgegen, welcher im Jahre 1838 als Sohn des viel- 
gefeierten und beliebten Gouverneurs der Steiermark 
Mathias Constantin Graf von Wickenburg zu Graz 



i6i 



geboren wurde. Hat auch Graf Albrecht sein aller- 
dings hauptsächlich auf dem Gebiete der poetischen 
Übersetzung von Dramen aus verschiedenen Sprachen 
meisterhaft bewährtes Talent insbesondere außerhalb 
der engeren Heimat bethätigt, so verdient der 
einem edlen Adelsgeschlechte der Steiermark Entstam- 
mende, welcher daselbst auch seine erste Ausbildung 
genoss, doch schon als begabter Poet dieses Geschlech- 
tes hier Beachtung. Graf Albrecht Wickenburg hatte 
in Wien die Rechte studiert, war in den Staatsdienst ein- 
getreten, verließ denselben aber bald wieder und wid- 
mete sich später ganz literarischen Arbeiten. Im 
Jahre 1868 vermählte er sich mit Wilheltnine geb. 
Gräfin Almasy, welche den Ruhm ihrer eigenen Dichter- 
begabung mit der seinen vereinigte. Leider wurde 
die edle Dichterin vor wenigen Jahren (l 890) allzufrüh 
durch den Tod ihrem Gatten entrissen, welcher noch 
pietätvoll die Gedichte ihres Nachlasses herausgegeben 
hat. Von der feinsinnigen Anlage Graf Albrecht 
Wickenburg's als Übersetzer und Bearbeiter dramatischer 
Werke legen beredtes Zeugnis ab : die metrische Bear- 
beitung des peruanischen Dramas »Ollonta« (1876), 
die Übertragungen vonShelley's »Der entfesselte Prome- 
theus« (1876) von Swinburne's Tragödie »Atalanta in 
Calydon« (1878), von Tennyson's Drama >Harald 
{1880), von Augier's Schauspiel: »Die Abenteurerin,« 
so wie von dem altfranzösischen Schwanke »Meister 
Pathelin« (1884.) Aber auch selbständig Geschaffenes 
hat Graf Albrecht Wickenburg in der Sammlung: 
»Eigenes und Fremdes« (1874) veröffentlicht und darin 
sich als begeisterter formgewandter Dichter gezeigt. 
Er besingt in schönen klangvollen Strophen die Natur- 
und Herzensstimmung, zeigt in den schönen Gedichten : 

Schi ossär, xoo Jahre deutscher Dichtung. II 



l62 

»Meinem Kinde« und >An meine Mutter« das innigste 
Familiengefühl und manches sinnige Liebesgedicht 
lässt uns in die Tiefe seines Herzens blicken. Wie 
schöne Strophen hat er der Residenzstadt gewidmet 
in dem >Wien« überschriebenen Gedichte: 

Wie liegst du da im Sonnenglanz 

Am blauen Stromes Bette, 

Umwogt von Saat, umrauscht vom Kranz 

Der grünen Wälderkette! 

Kommt jemals Einer Donau wärts 

Um dir ins Aug' zu schauen, 

Und wäre noch so starr sein Herz, 

Die Rinde müsste thauen. etc. 

Formvollendet und inhaltstief hat er auch 
Sonette und Ghaselen geboten und in dem erzählenden 
Gedichte: >Die Madonna des Filippo Lippi« die farben- 
reiche poetische Bearbeitung eines in Prosa vorliegen- 
den Stoffes. Auch die kunstvollen Übertragungen von 
Dichtungen englischer Poeten, die in dem Bande ent- 
halten sind, verdienen hohe Beachtung jedes Kunst- 
freundes. 

Im Jahre 1884 erschien ein Band »Lieder und 
Romanzen« von Wilhelm Fischer, der schon fiüher 
mit einer Zahl eigenartiger Werke hervorgetreten war. 
Fischer, geboren 1846 zu Csakathum, gehört der 
Geburt nach nicht der Steiermark an, aber von seiner 
Studienzeit an (1865) hat er im Lande geweilt und ist 
heute in der steiermärkischen Landesbibliothek zu 
Graz angestellt. Der classische Hauch, welcher seine 
poetischen Schriften durchweht, die gedankentiefe Anlage 
seiner größeren Werke räumen ihm nicht nur in der 
Reihe der Dichter Steiermarks, sondern unter den 
Österreichern überhaupt eine bemerkenswerte Stelle 



163 

ein. Schön das Epos »Atlantis« (1880) zeugt von 
seiner Begeisterung für die Welt des classischen Alter- 
thums, ein phantastisches Werk, jedoch reich an glän- 
zenden Bildern, an bewegten oft berauschenden Scenen. 
Hamerling nennt das Buch »eine philosophische Dich- 
tung in des Wortes kühnster, und allgemeinster Be- 
deutung.« Der große Dichter hat ihm die wärmsten 
Worte der Anerkennung gespendet und auf »die Kraft 
und Farbenglut seiner Schildenmgen« insbesondere 
hingewiesen. Einen leichteren Ton hat. Fischer in dem 
Frühlings-Idyll »Anakreon« (1882) eingeschlagen, wel- 
ches des griechischen Poeten frische heitere Lebens- 
anschauung durchzieht. Zwei Novellensammlungen: 
»Sommemachtserzählungen« (1882) und »Unter altem 
Himmel« (1891) machen uns mit der Erzählungskunst 
des Dichters bekannt. Auch diese ist keine gewöhn- 
liche, sei es, dass der Erzähler einen getreu entworfenen 
historischen Hintergrund wählt oder wohl auch in das 
Gebiet des Märchenhaften übergreift. Ein warmer 
Herzenston liegt auf diesen zierlichen Novellen, die 
fein durchgearbeitet mit der gewöhnlichen Marktware 
unserer heutigen Novellistik wenig gemein haben. 
Echte Poesie blinkt uns aus diesen duftigen Ge- 
schichten entgegen. Da jedoch hier. die Lyrik imsere 
besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, so 
sind Fischer's oben erwähnte »Lieder und Ro- 
manzen« insbesondere ins Auge zu fassen. Die eigent- 
liche Lyrik des Sängers bewegt sich auf den nie aus- 
gesungenen Gebieten, die Natur und die Liebe bieten 
ihm den alten, in schöne neue Formen gebrachten 
Stoff, ernste sinnige Betrachtung ündet sich dazwischen. 
Insbesondere versteht es der Dichter, in wenigen Strophen 
ein Naturbild zu entwerfen und wenn auch wohl An- 

II* 



164 

klänge aii- cKe Meister unserer Dichtung nicht überall 
vermieden sind, so sprechen doch die wohltönenden 
Verse oft ergreifend, zum Herzen des Lesers. Die 
Schönheit der Nacht, die Pracht des Frühlings, die 
Herrlichkeit des Sommers, die zarte duftige Landschaft 
führen diese Lieder in einschmeichelnden Strophen vor's 
geistige Auge. Man wird oft an die kiurzen anmuthigen 
schönen Naturbilder gemahnt, wie sie etwa der Schwabe 
Karl Mayer entworfen. Hier eine kurze Probe: 

Mondesweben, 

Der Mond spinnt über das Wasser 
Seine Strahlen silbern bleich; 
Nun liegt die Welt im Schlafe 
Wie ein verzaubert Reich. 

Was mag den Zauber brechen 
Von diesem seligen Traum! 
Ich lass mich still umwehen, 
Und wage zu athmen kaum. 

Aber auch die erzählenden, »Romanzen« über- 
schriebenen Dichtungen, enthalten manche sinnige 
Sage oder manches märchenhafte Bild in voller poeti- 
scher Verklärung. In der That ünden wir hier roman- 
tische Stoffe im Gewände der schöngefügten Verse 
vorwiegend vertreten, bekannte Gestalten aus alten 
Mären ziehen an uns vorüber, wir sehen die Helden 
im goldenen Saal, und den geheimnisvollen Zauber- 
brunnen, es ersteht das stolze Marmorschloss vor un- 
seren Augen mit der schönsten Maid auf dem Söller 
und der junge Mönch findet die' blaue Blume, die ihm 
Trost in seiner Einsamkeit spendet. Die gedankenvolle 
Allegorie: »Der Kampf mit dem Schicksal« in klang- 



i65 

vollen Nibelungenstrophen sei aus der bunten Zahl 
dieser farbenfrischen Romanzen besonders hervorgehoben. 
Von einem Dichter, welcher das Pseudonym 
^ Adolf Hagen« gewählt hat, ist im Jahre 1883 ^^^ 
Band »volksthümlicher Dichtungen« unter dem Titel 
»Sagen und Singen nach Volkes Weise« erschienen. 
Der Verfasser desselben wurde im Jahre 1857 zu Graz 
geboren, hat sich mit dem Studium verschiedener 
Fächer insbesondere mit jenem der Philosophie ein- 
gehend beschäftigt und weilt heute noch, nachdem 
er vielfach die Welt durchwandert, publicistisch thätig 
in der Steiermark. In dem erwähnten Liederbuche 
hat er den glücklichen Gedanken durchgeführt, die 
Mythen und Sagengestalten verschiedener deutscher 
Gebiete dichterisch gestaltet dem Leser in ihrem ge- 
heimnisvollen Wirken und Treiben zu zeigen und 
manche kluge Nutzanwendung knüpft er in den zierlich 
gefügten Strophen an die Erzählung. Es sind die 
»Sagen der Spinnstube«, welche auf diese Weise der 
Dichter, der sie >in der Schenk' am Berge zu 
nächtlicherweile« vernommen, dem Leser wiedererzählt, 
und die lebendige Darstellung wirkt überall fesselnd 
und oft ergreifend. In den Liedern, welche den zweiten 
Theil der Sammlung bilden, sind frische Klänge des 
»Fahrenden von Steier« enthalten, die bald die wech- 
selnde Schönheit der Natur preisen, bald wieder den 
Wein und die Liebe, insbesondere aber tritt die frohe 
Wanderlust des Poeten daselbst zu Tage, denn noch 
im »Scheidegruß« ruft er's aus: 

Allein der freie fahrende Mann 
Beherrscht die weite Welt, 
Weil Alles er erkunden kann 
Und thun, wie ihm gefällt. 



i66 

Auch in Adolf Hagens Buche herrscht eine bunte 
Abwechslung, die in Verbindung mit dem heitern 
poetischen Tone des begabten Sängers wohlthuend 
und erfrischend auf den Leser wirkt. Nach dieser 
zierlichen Gabe hat der Dichter in seinem Büchlein: 
»Aus der deutschen Ostmark« (1883) kraftvolle natio- 
nale Töne angeschlagen, von denen die prächtige Apo- 
strophe »Mein Steier« 

Dich lieb' ich über Alles, du meiner Thäler Klang, 
Du Widerhall der Berge zu meines Volkes Sang! etc. 

oder auch wohl »Das Lied der deutschen Ostmärker« 
besonders hervorgehoben zu werden verdienen. 

Im Vereine mit Erich Fels wurde von Adolf 
Hagen noch eine Sammlung: »Wehr und Waffen. 
Deutsche Dichtungen des jungen Österreich« im Jahre 
1885 herausgegeben. Es sind noch markigere Stro- 
phen als in dem eben erwähnten Liederbuche, die 
uns hier entgegentönen und mancher nationale Kampf- 
gesang, mancher kräftige Spruch mahnt Österreichs 
Deutsche daran festzuhalten an ihrem alten Stamme 
und ihre Gesinnung nie zu verleugnen. Jedenfalls 
zählen die letzten zwei Bücher zu den besten und 
klangvollsten Sammlungen politischer-deutschnationaler 
Lyrik, welche Österreich aufzuweisen hat. 




X. CAPITEL. 



Hans Grasberger und P. K. Rosegger. 

Die zwei Dichter Steiermarks, welchen dieses Capitel 
gewidmet sein soll, sind warmfiihlende Söhne 
ihrer Heimat, manche Ähnlichkeit weist ihr äußeres 
Leben auf, manche Vergleichungspunkte lassen sich 
über ihre literarische Thätigkeit aufstellen, beide haben 
insbesondere auch das Gebiet heimischer mundartlicher 
Poesie gepflegt und zählen in dieser Beziehimg wohl zu 
den hervorragendsten Vertretern, welche dem steier- 
märkischen Boden entsprungen sind, dabei entwickelt 
freilich der mitten in den Bergen aufgewachsene Ro- 
segger eine Ursprünglichkeit und Naturanlage, wie sie 
selten einem dichterisch angelegten Gemüthe beschieden 
ist. Darauf ist noch weiter unten ausführlich zurück- 
zukommen und zunächst sei es Grasberger, dem wir 
unsere Aufmerksamkeit zuwenden. 

Hans GrashergeTy 1836 zu Obdach in Steiermark 
nahe der Kärntner Grenze geboren, erhielt seine Er- 
ziehung im Hause und später im Stifte St. Lambrecht, 
studierte die Rechte in Wien und wandte sich hierauf 
dem Gebiete der Tagesliteratur zu, er hatte Gelegen- 
heit das heilige Land zu betreten, von wo aus er be- 
merkenswerte Berichte in Wiener Journalen veröffent- 
lichte, vom Jahre 1867 an verbrachte er eine Reihe 
von Jahren in Italien insbesondere in Rom und be- 



i68 

nützte seine Anwesenheit in dem Vaterlande der großen 
Meister der Kunst nicht nur zu Berichten für die po- 
litischen Journale, sondern auch zu eingehenden Stu- 
dien auf dem Gebiete der Künste ; die Resultate dieser 
Studien liegen in zahlreichen vortrefflichen Aufsätzen 
der genannten Richtung vor, welche Grasberger seit- 
dem an verschiedenen Orten veröffentlicht hat. Aber 
nicht nur die Kunstanschauungen auf dem Gebiete der 
Bilderei, der Malerei und Architektur läuterten sich 
bei Grasberger durch den Aufenthalt auf dem clas- 
sischen Boden, auch seine Poesie wurde in eine be- 
sondere Bahn gelenkt und nachdem er den Orient und 
Italien besucht hatte, gab er seine ersten poetischen 
Werke heraus, welche mit den üblichen Jugendarbeiten 
so mancher unserer Dichter nicht zu vergleichen sind. 
Eine ausführlichere Selbstbiographie hat der Dichter in 
Roseggers »Heimgarten« (XV. Jahrg. 1891.) ver- 
öffentlicht. 

Im Jahre 1864 erschienen die »Sonette aus dem 
Orient,« worin Grasberger die schwierige Strophenform 
in gewandter Weise handhabte und in schönen poe- 
tischen gedankentiefen Bildern die Erinnerung an seinen 
Aufenthalt im fernen Osten festhielt. Diese Sonette, 
zuerst unter dem Pseudonym: Carl Birkenbühl 
erschienen, liegen seit 1873 in dritter verbesserter 
(imd gekürzter) Auflage vor. In ernster Stimmung 
führt der Dichter darin den Leser in die Welt des 
Orients ein mit ihren farbigen bunten Bildern und 
großartigen Landschaften : 

Es lacht im Orient auf kleinstem Raiun 

Gar oft der farbenreichste Blumenflor, 

Ein bunterlei von Tönen rauscht an's Ohr. 

Und Blut' und Frucht zugleich bedeckt den Baum. 



169 

See- und Wüstenbilder ziehen nun an unserm 
Auge vorüber, der Dichter hat in Nazareth und 
Bethlehem, am Jordan und in Jerusalem geweilt, er 
widmet diesen geweihten Stätten die Klänge seiner 
kunstvollen Verse und manche Erinnerung an die alte 
biblische Zeit oder an die gewaltigen Tage der Kreuz- 
fahrer ist darin festgehalten. Mannigfaltiger in der 
Form, aber auch, was den stofflichen Theil betrifft, 
abwechslungsreich erscheint die Gedichtsammlung 
»Singen und Sagen« (1869.) Sie enthält nicht nur 
eine Zahl inniger Lieder, welche des Dichters feines 
Naturgefiihl und seine Gabe bekunden, den edlen Ge- 
danken seines Innern echt poetischen Ausdruck zu ver- 
leihen, sondern auch epische Gedichte von kräftiger 
Anlage, deren Stoffe vielfach der älteren Geschichte 
entnommen sind, so die Mär von »König Authari's 
Brautwerbung,« »Chrodihilde«, »König Liutprand,« 
»König Pipin in der Reismühle« «Gundeberga,« die 
heitere Mär von dem zum Edlen erhobenen »Köhler« 
und anderes mehr. Ein starker epischer Zug ist in 
den meisten dieser erzählenden Gedichte enthalten, die 
wohl mitunter an Hermann Lingg's gewaltige historische 
Strophen erinnern. Aber wie lieblich und malerisch 
Grasberger auch oft in wenigen Versen ein einfaches 
Bild zu entwerfen und in zarten Farben ausgeführt 
darzustellen versteht, davon zeuge das Nachfolgende: 

Die Braut. 

Weiß das Kleid und weiß der Schleier, 
Myrthenlaub im goldnen Haar, 
Ihr Geleit ein seliger Freier, 
Schwebt die Maid zum Traualtar. 

Die Gespielen nahn und schauen, 
Schauen all' mit Neubegier, 



170 

Und sie senkt verschämt die Brauen, 
Und sie möchte weinen schier. 

Draußen schweigen Geig' und Flöte, 
Doch ihr Herze pocht so laut, 
Auf den Wangen sanfte Röthe, 
Horcht und träumt die schöne Braut. 

Mädchenträume! Lichte Träume! 
Euch ist die Erfüllung nah. 
In die süß geahnten Räume 
Führt ein leis gehauchtes Ja. 

Durch die Kirchenfenster schräge 
Fällt so bunt der Sonnenschein — 
Säumt der Liebe neue Wege 
Mit den hellsten Farben ein. 

War es bisher weniger das Thema der Liebe, 
welches der Poet in seinen dichterischen Veröffent- 
lichungen behandelte, so brachte er in der 1873 heraus- 
gegebenen Sammlung: »Aus dem Gameval der Liebe« 
ein ganzes Bändchen von Strophen, welche dem Liebes- 
leben geweiht sind, vor die Öffentlichkeit. Aber so 
reich an Gefühl und dichterischem Schwvmge diese 
Poesien erscheinen, so handelt es sich in denselben 
doch nicht allein um das zarte Liebeslied, welches aller- 
dings im ersten Theile des Büchleins oft in der innig- 
sten Weise geboten zutage tritt wie etwa in dem aus 
voller Seele kommenden Gedichte »Mein« ; vielmehr 
hat der Dichter das Herzensleben in den verschiedensten 
Beziehungen aufgefasst und demselben Momente ab- 
gelauscht, die wahrhaft erschütternd wirken; der letzte 
Theil des Büchleins führt uns tief ergreifende sociale 
Bilder vor, in Stücken wie »Lisette,« »Mutter und 
Kind,« »Die Sirene« sind Scenen aus dem Liebesleben 



171 

geschildert, die uns manchen tiefen Blick in die Ver- 
hältnisse unserer Tage gestatten. Der Idealismus des 
Dichters geht hier in den kräftigen Realismus über, 
ohne übrigens die Grenze zu überschreiten, welche 
wahre edle Poesie zu wahren weiß. Bald finden wir 
Grasberger auch auf anderen Gebieten thätig, auf jenem 
der Novelle und auf dem der mundartlichen Dichtimg 
seiner Heimat. »Wie jedem« schreibt er in reiferen Jahren 
>der zu Jahren kommt, ist auch mir Heimat und Jugend 
mit Wesen imd Typen, Lied und Brauch allmälig 
gegenständlich geworden und sie mir von Erinnerung 
imd Gemüth loszuschreiben, um sie desto sicherer und 
inniger zu besitzen, war eine natürliche Anwandlung«. 
So erschienen denn: das zierliche Büchlein »Zan Mit- 
nehm« (1880), »Nix für unguat« (1884) und »Plodersam. 
Geistlin' G'schichtn g'sangsweis dazält« (1885). Gras- 
berger hat in allen diesen Werkchen genaue Kenntnis 
des Dialectes und das überaus feine Gefühl für die 
Dicht- und Denkweise seines Volkes bekundet. Dass 
er die Mundart, auf deren Geltungs-Gebiete er ja die 
erste Jugend verbrachte, später auch theoretisch studiert 
hat, weist sein vortrefflicher Aufsatz: »Dialectund Dia- 
lectdichtung der Deutschen« in dem Bande »Steier- 
mark« des grossartigen Werkes: >Die österreichisch- 
ungarische Monarchie in Wort und Bild« zur Genüge 
nach. Aber auch das Leben und Treiben des Volkes, 
sein Denken und Sinnen, seine Innigkeit wie sein 
Übermuth sind dem Steiermärker, nachdem er den 
heimatlichen Boden später oft besucht hat, wieder zmn 
Bewusstsein gekommen und im Geiste dieses Volks- 
gemüthes hat er den zumeist neckischen Ton ange- 
schlagen, welcher uns aus seinen erwähnten mundart- 
lichen Büchern entgegenklingt und ui» ganz an die 



172 

Volkslieder des Landes gemahnt, welche im ganzen 
Gebiete unserer Alpen, da oder dort mit der einen 
oder andern Abändenmg immer wieder aber zu dem- 
selben Grimdtone zurückkehrend, den heiteren Sinn 
oder das tiefe Gemüth jenes Völkleins bezeichnen, eines 
Gemüths, das freilich oft in derber stets aber gutgemeinter 
Weise zutage tritt. Hauptsächlich ist es die kurze 
allgemein übliche Strophe des »Schnaderhüpfels«, 
welche sich der Dichter zu seinen Liedern gewählt 
und die er in der verschiedenartigsten Abwechslung 
dem Volke selbst abgelauscht^ hat. Echt und voll 
packender Ursprünglichkeit erscheint er, mag er nun 
den Übermuth des Burschen ausrufen lassen: 

Hiet a saggrischi Schneid, 
War ma heint was vagunnt . . . 
Wirtshaus, is Neampt da, 
Dass i 'hn außischmeißn kunnt? 

oder die »Wirtshauspolitik« der Kellnerin schildern: 

Dö Kellnerin is fein, 

Is da Sögn in Haus, 

Dö Manna lacht's an 

Und dö Buabma lacht's aus. 

Oder mag er die Almdirn zufrieden ausrufen 
lassen : 

Mei Schatz is a Hulzknecht 
Weit omad in Wald, 
Dorscht findt 'hn ka neidigi 
Gretl not so bald. 

Auch so manche echte »Bauern- Weisheit« im un- 
verfälschten Naturgewande dieser Vierzeiler wird dem 
Leser und Höper geboten: 



173 

Mit'n Willn, den sd hast, 

Kannst au'm Kopf oder Buckl tragen 

Und, is d'Landstrasse lang, 

An Fuaßsteig einschlagen. 

Hint' an süaßestn Redn 
Steckt oft a falsch Than, 
Grad die giftign Bir 
Sand die scheansta au'm Ran. 

Doch genug. In den zwei letzten Sammlungen 
hat Grasberger auch längeren mundartlichen Bildern 
aus dem Volksleben ihren Platz eingeräumt und manche 
humorvolle Erzählung zum besten gegeben ; eine köst- 
liche Skizze liefert er in dem Gespräch zwischen dem 
>Bandlkramer« und dem > Scharschleifer«, welches 
>Neue Liebesgötter« überschrieben ist und das' sich 
unter den Liedern in dem Bande: >Nix für unguat« 
findet. Demselben Büchlein ist übrigens auch eine sehr 
lesenswerte Einleitung Ȇber Herkunft und Wesen 
des Schnaderhüpfels« vorgesetzt. Harmlose Scherze 
aus geistlichen Kreisen, die aber durchaus nicht be- 
leidigen, sondern nur erheitern wollen, enthält das lu- 
stige Buch »Plodersam,« welches umfangreichere Stücke 
bietet. Mancher der hier behandelten Stoffe ist nicht 
geradezu neu (z. B. dö Kieslsuppn), aber in so ur- 
sprünglicher der localen Färbung angepasster Weise 
und mit so reichem Humor behandelt, dass man der- 
artige Anklänge, die ja stets vorzüglich passend ge- 
wählt sind, gerne vergisst und. sich immer mitten in 
das Reden und Treiben des Alpenvolkes versetzt fühlt, 
welches der Dichter in seinen Versen so prächtig zu 
schildern versteht. 

Als Novellist trat Grasberger in späteren Jahren 
hervor. Es ist an dieser Stelle nicht auf die 



174 

ausführlichere Besprechung seiner Thätigkeit in dieser 
Hinsicht einzugehen, doch müssen die zwei Novellen- 
bücher: »Aus der ewigen Stadt« (1887) und »Aul 
heimatlichem Boden« hervorgehoben werden. Wie Gras- 
bergers Bücher in Versen zwei Seiten seines Wesens, 
zeigen: den von Idealen des Lebens und der Kirnst 
durchwehten Poeten, der in edlen Versen sein Lied 
ertönen lässt und den Sänger, welcher dem einfachen 
Bauemvolke in der gebirgigen Heimat Lied und 
Sang abgelauscht hat und dessen Mundart gewandt 
handhabt, so bietet er auch in diesen Erzählungen 
auf der einen Seite vom Glänze des italienischen Him- 
mels bestrahlte Skizzen und Erzählungen, in denen 
sich das Künstlerleben der prächtigen Römerstadt imd 
das heitere südliche Volksthum widerspiegeln, auf der 
andern Seite einfache, aber zu Herzen sprechende 
Geschichten zumeist aus der Alpenheimat, welche ge- 
rade durch ihre Schlichtheit auf den unbefangenen 
Leser wirken. Man wird den Erzählungen Grasbergers 
jedenfalls eine hervorragende Stelle in der Novellistik 
unserer zeitgenössischen Poesie einräumen müssen. 

Und nun zum letzten derjenigen, welche das vor- 
liegende Büchlein in den Kreis seiner Darstellung ein- 
bezieht, dieser letzte ist aber einer der allerersten 
unter den Männern im ganzen deutschen Lande, welche 
ihr Leben der Dichtung geweiht haben, es ist P, K, 
Rosegger, Von den Poeten, die in Steiermark geboren 
wurden, gelebt und gewirkt haben, ist Rosegger, 
was die geniale Anlage und die Eigenart der Begabimg 
anbelangt, unangefochten der erste und hervorragendste, 
nicht bloß wegen des reichen, vielseitigen Schaffens, 
das er bethätigt, wegen der Unermüdlichkeit, mit 
der er stets den Spuren seiner Heimat folgend, 






Cj/^ f^f'i^ 



;^ 



Rosegger's Geburtshaus in Alpel bei Krieglach 

Facsimile der vom Dichter eigenhändig für den Verfasser des 

vorliegenden Werkes gefertigten Zeichnung. 



176 

diese weit über ihre Grenzen hinaus verherrlicht, ja 
man kann sagen berühmt gemacht hat, sondern auch 
wegen der ganz besonderen Anlage seiner Dichtweise 
in Poesie und Prosa, wegen der bewunderungswürdigen 
Abwechslung, welche er derselben verliehen, obwohl 
er sich stets in so enggezogenen Grenzen bewegt, 
wegen der Macht und Gewalt, die ihm in der Erzählung 
und Schilderung ebenso gegeben ist wie im Verse 
der heimatlichen Sprache und Mundart. Und diese 
Kraft und Poesie hat er wie jener gewaltige Titane 
aus der Vatererde selbst geschöpft und immer wieder 
an dieser Vatererde erneuert; in seiner Jugend, als er 
noch ein schlichter Bauemknabe war, sind ihm, der 
gar ungelenk die Feder oder den Stift handhabte, 
Lieder gelungen, welche er gleichsam unbewusst auf- 
gezeichnet hat und die vom feinsten Naturgefühl, von 
der genauesten Kenntnis der Volksseele Zeugnis ab- 
legen, Lieder, welche andere Poeten in der besten 
Zeit ihres Schaffens zu den trefflichsten Errungen- 
schaften desselben zählen könnten. Wie Adalbert Stifter 
in dem Böhmerwalde, so hat Rosegger in seinem Mürz- 
thale aus diesem und aus dem Gebiete des Hochschwabs 
kurz aus den Alpen und Wäldern seiner Heimat Stätten ge- 
schildert, welche dadurch dem deutschen Volke unvergess- 
lieh bleiben und in der Dichtung für alle Zeiten verherr- 
licht erscheinen werden. Soll man über das Leben 
dieses Poeten viel berichten? Sein dichterisches Schaffen 
ist sein Leben, ein Drittel seiner Prosawerke erzählt 
uns von Roseggers ärmlicher Jugend, seine prächtigen 
Dialectgeschichten und Lieder ergänzen so manches 
Bild oder jedes einzelne Stück vielmehr ist wieder ein 
neues Bild im Rahmen des Waldlandes; in jedem 
seiner Lieder tritt uns das Volksgemüth mit all seiner 




w Jahre deuWcliet DLchluüi. 



178 

Naivität und Ursprünglichkeit entgegen, die beim größ- 
ten Talente nur derjenige wiedergeben kann, der selbst 
ein gut Theil des eigenen Lebens in der gleichen Denk- 
art wie das Volk selbst als ein Sohn desselben zuge- 
bracht hat. Und das ist eben bei Rosegger der Fall 
gewesen. Als Sohn eines kleinen Häuslers, der sich 
und seine zahlreiche Familie schwer genug ernähren 
konnte, war Peter in der Gemeinde Alpel, welche 
einige Stunden von Krieglach zwischen »schwarzen 
Fichtenwäldern« hoch oben in den Bergen liegt, im 
Jahre 1843 geboren, dort wuchs er abgeschlossen von 
der Welt als Hirten- und Bauemknabe auf, von einem 
alten Schulmeister, welcher in die abgelegene Gegend 
verschlagen worden, im Lesen und Schreiben unter- 
richtet. Er lernte bei einer alten Frau in Krieglach 
allerlei Bücherwerk kennen und seine Neigung trieb 
ihn Alles durchzulesen, was er fand. Schon zu jener 
Zeit begann er zu schreiben, freilich nur Dinge, die 
ihm aus seiner Leetüre im Kopfe waren, kleine Ge- 
dichte, Dramen, Kalender u. dgl. JLin Bauer zu werden, 
das ließ seine Körperbeschaffenheit nicht zu und er 
trat im Sommer 1860 bei einem Schneider zu St. 
Kathrein am Hauenstein in die Lehre, mit ihm wan- 
derte er 5 Jahre von Haus zu Haus — »ging auf 
die Stör«, wie es im Volksmunde heißt — um zu 
arbeiten. Daneben entstanden jedoch Geschichten und 
Lieder, die alle sorgfaltig gesammelt, aber freilich keinem 
Schriftkundigen bekannt wurden. So ward Rosegger 
über 20 Jahre alt. Eines Tages im Jahre 1864 sandte 
er muthig eine Zahl von seinen Dichtungen an den 
Schriftleiter der »Tagespost« Dr. A. V. Svoboda in 
Graz, welcher das Talent des jungen Mannes, so un- 
gelenk auch dessen Darstellung noch war, erkannte 



179 

und ihm durch Veröffentlichungen in dem erwähnten 
Journale, aber auch durch persönliche Empfehlung die 
Wege ebnete, um sich in der Landeshauptstadt aus- 
zubilden. Rosegger studierte nun von 1865 bis 1869 
an der Grazer Handelsakademie von verschiedenen 
Gönnern unterstützt. Er erhielt später vom steier- 
märkischen Landesausschusse ein Stipendium und nach- 
dem er im Jahre 1869 seine mundartlichen Gedichte 
»Zither und Hackbrett« veröffentlicht hatte, war er 
ununterbrochen weiter literarisch thätig, suchte dabei 
aber auch durch Selbstudien auf allen Gebieten seine 
Kenntnisse zu erweitem und zu vertiefen; er wählte, 
obgleich er vorübergehend den Versuch gemacht hatte, 
sich andern Lebenstellungen zu widmen, schließlich 
doch den Schriftstellerberuf, unternahm längere Reisen 
durch Deutschland, Italien, Holland, die Schweiz etc. 
und stand bald mit den hervorragendsten Geistern 
unseres deutschen Schriftthums in Verbindung. Seinen 
Aufenthalt nahm Rosegger für immer in Graz und ver- 
ließ die Stadt nur ab und zu zum Zwecke von Reisen, 
die er in verschiedene Gegenden Österreichs und 
Deutschlands unternahm, um seine mundartlichen Lieder 
und Geschichten zum Vortrage zu bringen. Er hatte 
sich nämlich bald auch zum Meister des Vortrages in 
seiner heimatlichen Mundart ausgebildet und steht als 
solcher heute unerreicht da, durch den Vortrag ist er 
selbst der beste mündliche Interpret seiner eigenen 
Dichtungen. Im Jahre 1877 hat sich Rosegger, der 
eine erste geliebte Gattin verloren und zum zweiten- 
male geheiratet hatte, ein Landhaus im Gebiete seiner 
Heimat zu Krieglach gebaut, wo er zunächst seinen 
geliebten Bergen, die er nie missen kann, die schöne 
Zeit des Jahres verbringt. Viele Ehren und Freuden 

12* 



i8o 

sind dem an seinem Heimatslande so innig hängenden 
Dichter zu theil geworden, aber auch manches Leid 
und viel Kümmernis sind an seinem fühlenden Herzen 
vorübergezogen, der Kampf mit dem Leben ward ihm 
nicht leicht gemacht trotz seiner hohen Begabung imd 
unendlichen Schaffensfreudigkeit, auch hat den Dichter 
körperliches Leiden vielfach geschwächt und seine er- 
schütterte Gesundheit konnte sich bis heute nicht recht 
kräftigen; dabei ist aber sein Geist stets kräftig ge- 
blieben und hat die ihm eigene Spannkraft bewahrt. 
Eine eigentliche Biographie zu bieten ist die Absicht 
dieser Blätter in Bezug auf Rosegger ebensowenig 
wie bezüglich der übrigen hier zur Besprechung ge- 
brachten Poeten. In der Gesammtausgabe seiner 
Schriften hat er selbst seine »Lebensbeschreibung« in 
ansprechender und gewissenhafter Weise veröffentlicht. 
Welche Ehren und Anerkennungen dem Dichter im 
Juli des Jahres 1893 zum 50. Geburtsfeste aus allen 
Gauen Deutschlands und Österreichs zu Theil geworden, 
daiüber haben die öffentlichen Blätter berichtet. 

Es ist nun auf das Schaffen und Dichten P. K. 
Roseggers überzugehen. Der Anlage dieser Darstel- 
lung entsprechend, haben wir insbesondere zunächst 
die lyrische Seite ins Auge zu fassen. Selbst in dieser 
Beziehung gestattet der Raum nicht die nöthige Aus- 
führlichkeit, doch sollen wenigstens die Andeutungen 
möglichst das Hauptsächlichste berühren. »Zither und 
Hackbrett. Gedichte in obersteirischer Mundart« war, 
wie oben erwähnt, die erste Sammlung von Liedern 
und Gedichten betitelt, welche Rosegger herausgab. 
Robert Hamerling, wie dies schon im VIIL Capitel 
berichtet wurde, hat dies köstliche Erstlingswerk des 
jungen Poeten mit einer Vorrede versehen und dem 
Publikum empfohlen, er hat darauf hingewiesen, dass 



l8i 

in dem Buche Lieder enthalten sind, die zu den 
»frischesten und lieblichsten Blüten volksthümlicher 
Alpenlandspoesie« gehören, er hat schon damals auch 
in den meist heiteren Klängen das > ernstere, sinnige, 
tiefer angelegte Dichtergemüth« erkannt. Und als 
Rosegger sein Liederbuch an den hochgefeierten Ana^ 
stasius Grün gesendet hatte, da schrieb ihm dem Auf- 
strebenden dieser die schönen Worte in einem (un- 
gedruckten) Briefe vom 21. Jimi 1869: >Der Ent- 
wicklung Ihres schönen Talentes seit dessen erstem 
Auftauchen in der Öflfentlichkeit mit aufrichtiger Theil- 
nahme folgend, begrüße ich heute mit inniger Freude 
die reifere Entfaltung und die künstlerische Klärung, 
welche dasselbe unbeschadet seines frischen und ur- 
sprünglichen Gemüthsbomes, durch Ihren seitherigen 
Bildungsgang erfahren hat und wovon Ihr anziehendes 
Liederbuch ein so sprechendes liebenswürdiges und 
poesievolles Zeugnis abgibt. — Und so begleite ich 
denn Ihre ferneren Pfade . im Leben und Dichten mit 
meinen besten Wünschen und einem herzlichen 
Glückauf!« Es war nicht der letzte Brief, den Graf 
Auersperg an den Steirerpoeten gerichtet hat und im 
Jahre 1 876 noch schrieb er diesem auf die Einladung, an 
dem neubegründeten »Heimgarten« sich als Mitarbeiter 
zu betheiligen, im August die freundlichste Zusage. Im 
September 1876 ist das erste Heft des > Heimgarten« 
erschienen, in demselben Monate hat Anastasius Grün 
in Graz die Augen für immer geschlossen. Doch nun 
zurück zu Roseggers mundartlicher Dichtung. In der 
ersten Auflage von > Zither und Hackbrett« waren 
auch einige dialectische Prosageschichten enthalten, 
die zu den besten und humorvollsten Darstellungen in 
unserer Alpenmundart gehören. 1871 gab Rosegger 



I82 

wieder eine Samrhlung mundartlicher Stücke in Poesie 
und Prosa unter dem Titel »Tannenharz und Fichten- 
nadeln« heraus. Anlässlich späterer Auflagen wurden 
in »Zither und Hackbrett« nur die poetischen, in 
»Tannenharz und Fichtennadeln« nur die prosaischen 
Dialectstücke aufgenommen. Noch folgten zwei ähn- 
liche Bücher: >Stoansteirisch«. (Erste und zweite Folge 
1885 und 1889). 

Die Lieder Roseggers in der Mundart halten die 
Mitte zwischen dem Tone des Volksliedes und jenem 
der Kunstdichtung, überall zeigt sich insbesondere in 
den älteren die echte Unmittelbarkeit der volksthüm- 
lichen Anschauung, die Strophen und Verse erscheinen 
nirgends gemacht, sie sind dem Dichter aus dem Inner- 
sten gedrungen, sei es, dass Humor und Scherz vor- 
walten, wie es in den meisten dieser Lieder der Fall 
ist oder sinniger Ernst, der in späteren Stücken oft 
überaus rührend hervortritt. Es braucht wohl nicht 
erwähnt zu werden, dass in allen Abtheilungen, mögen 
sie nun »Lust und Liab«, »Liab und Load», »Trauer 
und Trüabsal,« »Lehn und Lehr« oder >Lond und 
Leut« mit manchem heiteren Schwanke umfassen, stets 
die treuherzigen Bewohner des heimischen Landes im 
Thun und Treiben geschildert erscheinen, die man im 
heimischen Laute glaubt jubeln und singen, schelten 
und sprechen, auch wohl Herzensgeheimnisse und Er- 
lebnisse erzählen zu hören. Der steirische Bauer des 
-Oberlandes,, den Rosegger unbewusst studiert, da er 
neben ihm aufgewachsen ist, hat in diesen Dichtungen 
eine Wiedergabe seines Redens und Treibens gefunden 
wie sie wohl dem Landbewohner keines zweiten deut- 
schen Gebietes in so genauer und ausdrucksvoller 
Weise durch einen schriftlichen Darsteller poetisch zn 



183 

theil geworden ist. Wie prächtig lässt Rosegger dem 
Steirer berichten über jene Zeit, da er >kaum zur 
Welt gekommen«:*) 

Klewa gruckt auf d' Welt, 

Hon ih guckt und gfrogt: 

Giebts a Steirerland? 

A Dirndl ? — Jo hobn s gsogt. 

Häts ka Steirerlond, 

Kan Garns, ka Dirndl gebn, 

W^r ih gor nit einer in das Lehn. 

Oder welche Lebenskraft und Liebe zum Vater- 
lande liegt darin, wenn der »steirischi Bua« ausruft: 

A Büabl von steirischen Landl, 
Das gibt da ka Rost und ka Rua, 
Und wer nit recht tonzn und rafn kon. 
Der is ka steirischa Bua! 

Und s Büabl von steirischn Londl 

Haut topfa fürs Vodalond.zua; 

Und wer sih in Feind nit vor d Nosn traut, 

Der is ka steirischa Bua! 

Und so ist es immer wieder das innige Heimats- 
gefühl, welches der Dichter aus dem Herzen seiner 
Landsleute heraus in der derben natürlichen Aus- 
drucksweise derselben zum Ausdrucke bringt. Man 
muss diese Landsleute kennen, um die Gewalt zu em- 
pfinden, welche etwa ein Lied wie »Stoansteirisch« 
(etwa »ursteirisch«) in sich trägt. 

Lusti singa, Buabn, 
Mir singa stoansteirisch, 
Oda Zithern schlogn. 



•) Die angeführten Stellen sind nach der Orthographie 
Roseggers in den neuesten Auflagen der betreffenden Werke 
gegeben. 



I&4 

So schlogn ma stoansteirisch, 

Oda tonzn mar Oans, 

So tonzn ma stoansteirisch, 

Recht schon stoansteirisch umareibn. 

Was Wunder, dass solche und ähnliche Liedet 
Roseggers schon ihre heimischen Componisten ge- 
funden haben, ja mitunter längst als echte und rechte 
Volkslieder durch das Land und darüber hinaus er- 
klingen. Dies gilt insbesondere von dem geradezu 
berühmt gewordenen schalkhaften »Darf ih's Dirndl 
liabn?« 

Ih bin jüngst verwichn 
Hin zon Pforra gschlichen: 
»Darf ih s Dirndl liabn ? - « 
»Untasteh dih nit, bei meiner Seel, 
Wonstas Dirndl liabst^ so kirnst in d' Höll!« 

Aber auch einzelnen urwüchsigen Gestalten 
seiner Waldheimat verleiht der Dichter in kernigen 
Strophen, welche von der feinsten Beobachtimgsgabe 
Zeugnis ablegen, pulsierendes Leben, so schildert er 
uns den stets »giftigen« »Kreuztamisch,« den »han- 
tigen Bauer,« welcher heftig gegen den Krieg ei- 
fert, den »Dispadira,« den »Gleichgildi« oder auch 
wohl den »Homaschmied auf der Pariser Weltausstel- 
lung,« welcher mit der Sense aus steirischem Eisen 
die Bleiplatte auseinanderhackt und die »guldeni Me- 
taille datoppt.« Alle diese Gestalten und so manche 
andere Vorgänge aus dem heimatlichen Gebiete sind 
mit dem prächtigsten Humor gezeichnet. Daneben 
erscheinen aber auch innige Klänge voll tiefer ernster 
Poesie angeschlagen wie etwa in dem Liede »'s Pfiiat- 
dihgottnehma« 



185 

Ich thua mi nit fürchta, 
Won s mih einilegn in d' Erd, 
Aba s Aussitrogn furcht ih, 
Von da Muater ihm Herd u. s. w. 

Lieder wie >Unsa Herzerl is a Zithern,« »Sterbn!« 
»Vascherzt« oder die rührende Geschichte >s Pfeiferl,« 
welches dem alten Bauer so trübe Geschichten vom 
Todeseiner Lieben >dazählt«, sind kleine Meisterwerke. 
Es ist wohl selbstverständlich, dass es an Liebesliedem, 
reich an Schalkheit und Humor, ebenfalls nicht fehlt 
und wenn der Poet des Erzherzogs Johann gedenkt oder 
die Geschichte von dessen Gemalin »Anna von Aussee« 
der Gräfin Anna 'Uon Meran erzählt, so weiß er ein- 
dringlicher als der ausführlichste Geschichtsschreiber die 
Anhänglichkeit und Liebe des Volkes zu dem verehrten 
Erzherzog und seiner Familie darzulegen. Und selbst in 
Gelegenheitsgedichten, die er z. B. auch dem greisen 
heimischen Dichter Leitner widmet, versteht es der 
Poet, die Herzen zur tiefsten Bewegung anzuregen. 
Es sei gleich an dieser Stelle angeführt, dass viel 
später (1890) Rosegger auch hochdeutsche »Gedichtet 
gesammelt veröffentlicht hat, welche Einblick in sein 
Gemüthsleben seit seiner frühesten Jünglingszeit ge- 
währen. Hier finden wir bedeutende Gredanken in der 
mannigfaltigsten poetischen Form niedergelegt und 
als Zeichen eines vielseitigen dichterischen Geistes sind 
auch diese Strophen von Wert und Interesse, wenn 
sie auch eine ganz andere Anlage zeigen, als die er- 
wähnten Gedichte in der Mundart. Welch' eine reiche 
Fülle urwüchsigen Humors aber dem Poeten zu Gebote 
steht, weisen die Prosastücke der oben angeführten 
Sammlungen am besten. In »Tannenharz und Fich- 
tennadeln c und in >Stoansteirisch« sind diese kurzen Er- 



186 



Zählungen und Schwanke enthalten, welche letztere 
durch Inhalt und Darstellung den bärbeißigsten Phi- 
lister heiter stimmen müssen, dabei aber stets so getreu 
die heimische Färbung wahren, dass eben hierdurch 
und durch die mundartliche Erzählung die Komik dieser 
Scherze noch erhöht wird. Ob der Dichter nun in 
naiver Weise die Geschichte vom >Pfora sein Fiderl,« 
vom >Steira vor da Himmelsthür,« vom >neidi Baur«, 
vom >Bruggnwirth sei letzta Willn«, vom >Bär«, von 
der »Brautprüafung« oder auch wohl Geschichten, die 
er von Fritz Reuter und Anderen entlehnt und in 
seiner köstlichen Weise bearbeitet hat, erzählt, immer 
weiß er die beabsichtigte komische, übrigens in einigen 
Stücken auch ernsthafte und rührende Wirkimg auf 
den Leser voll auszuüben. 

Noch einer andern Seite von Roseggers Dichtimg 
wäre zu gedenken, nach dem oben das Bezeichnende der 
eigentlichen lyrischen Poesie des Sängers angedeutet 
wurde. Es ist das Gebiet des Romanes»und der klei- 
neren Novelle, auf welchem sich der Dichter später 
einen so ausgezeichneten Namen unter den deutschen 
Erzählern erworben. So reich oft die Erfindungsgabe 
des Erzählers erscheint, so sind es doch fast immer die 
Wälder und Berge der Heimat, welche den Schau- 
platz seiner Handlung bilden. In dieser Beziehimg aber 
erscheint er als wahrhafter Dichter in Prosa, wenn er 
die Schönheit oder das Grauen der Alpenwildnis schil- 
dert oder die Pracht des Hochgebirges, die rauschenden 
Alpenbäche oder die still verborgenen Seen in den 
Bergen, selbst die würzige Luft auf den freien Alpen- 
matten glauben wir mitzuathmen und die Blumen und 
Blüten auf den Wiesen und im Walde zu sehen, wenn 
der Dichter seine Schilderungen entwirft. Gleich wie 



i87 

der herrliche Adalbert Stifter den Zauber der Schönheit, 
welcher auf seinem geliebten Böhmerwalde ruht, dem 
Leser in den »Studien« zum Bewusstsein gebracht und 
auf das Einzelne hingewiesen hat, das auf jedes em- 
pfindende Gemüth wirkt, ist Rosegger in ähnlicher 
Weise der Zauberer geworden, welcher im Worte die 
ganze Pracht des Berglandes entfaltet und durch 
seine Darstellung den Leser zu fesseln versteht. An 
den Schilderungen Stifters, der heute noch zu Roseggers 
verehrten Lieblingsdichtem zählt, hat sich der Steier- 
märker wohl herangebildet, wenn auch von einer Nach- 
ahmimg nicht die Rede sein kann. In seinen Erzäh- 
lungen hat Rosegger dem Böhmerwaldpoeten gegen- 
über, was die auftretenden Personen betrifit, vielleicht 
nicht jene Keuschheit zutage treten lassen wie Stifter, 
dafür aber allen Richtungen der menschlichen Eigen- 
art kräftigsten Ausdruck und seinen Menschen überall 
warmes pulsierendes Leben verliehen. Die »Gestalten 
aus dem Volke der österreichischen Alpenwelt« (1872), 
»Geschichten aus den Alpen« (1873), »Sonderlinge« 
(1875), »Neue Waldgeschichten« (1883) und wie immer 
die zahlreichen Sammlimgen überschrieben sein mögen, 
welche seine Erzählungen und Skizzen umfassen, ent- 
halten so viel Leben und Bewegtmg, dass man über 
der Schilderung der Außenwelt durchaus nicht auf die 
oft reiche Handlung vergisst oder daneben auch nicht 
müde wird, die Geschicke der lebenswahren Gestalten 
zu verfolgen, deren Urbilder der Dichter in den Bergen 
seiner Heimat gefunden. Unter den größeren Erzäh- 
lungen sind die ergreifenden »Schriften des Waldschul- 
meisters« (1875), welche den ganzen Lebensgang eines 
in die Berge verschlagenen edlen Menschen erzählen, 
zu den schönsten und poesievollsten Erzählungen der 



i88 

neuen Literatur zu zählen, die Geschichte »Heidepeters 
Gabriel« (1875), voll fesselnden Reizes, enthält vielfache 
ZiigQ aus des Dichters eigenem Leben und wahre 
Prachtstellen an herrlichen Naturschilderungen, Er- 
zählungen wie »Die Christvesper« oder »Der Höllpart« 
(auf historischem Hintergrunde) wirken mit Kraft und 
Gewalt auf den Leser, welche in dem großartigen Ro- 
mane »Der Gottsucher« (1883) womöglich noch ge- 
steigert erscheinen. Nur beigefügt sei noch, dass 
Rosegger in jüngster Zeit, nachdem er kleinere dra- 
matische Stücke schon früher vor die Öffentlichkeit 
gebracht, auch mit einem Volksschauspiel: »Am Tage 
des Gerichts« hervorgetreten ist und in diesem schon 
vielfach auf deutschen Bühnen beifällig aufgenommenen 
Volksstücke kräftige Charakterzeichnung und lebendige 
Darstellungsweise bekundet. Es scheint, dass auch auf 
diesem Gebiete der Dichtung dem »Waldpoeten« noch 
manches Lorbeerblatt grünen soll. 




XL CAPITEL. 



Carl Morre. Beschluss. 

Vor Abschluss dieser Darstellung soll noch eines 
Mannes Erwähnung geschehen, welcher mit Fug 
und Recht der Reihe jener Poeten in Steiermark angefügt 
werden darf, die auf dem Felde der Dichtung Jahre 
hindurch im Lande thätig waren und zu den bemer- 
kenswertesten Erscheinungen in dieser Beziehung ge- 
hören. Allerdings hat dieser Mann weder das Lied 
noch die erzählende Dichtung gepflegt, auch ist der- 
selbe nicht dem steirischen Boden entsprossen, sondern 
wie mehrere Andere der schon früher Genannten dem 
benachbarten Kämtnerlande. Es ist Karl Morre. Morre 
hat nur auf dramatischem Gebiete gewirkt und zwar 
während seines langjährigen Aufenthaltes in Steiermark. 
Letztere Thatsache allein würde allerdings trotz der 
anerkannten Vortrefflichkeit und hohen Begabung dieses 
Dramatikers für das Volksstück mit österreichischer 
Färbung, trotz des reichen Schatzes an Witz und Hu- 
mor, welchen Morre besitzt, für dessen Anfiihnmg auf 
den vorliegenden Blättern nicht genügen, aber Morre 
hat mit einem seiner Werke »'s Nullerl« ein echtes 
und rechtes steirisches Volksstück mit so ausgeprägter 
Charaktereigenthümlichkeit geschaffen, dass es unbillig 
wäre, dieses hochbegabten Talentes nicht am Schlüsse 



190 

der vorliegenden Ausführungen noch zu gedenken. Karl 
Morre ist im Jahre 1832 zu Klagenfurt geboren, in seinen 
besten Mannesjahren kam der stets mit schlagfertigem 
Witze Begabte nach Steiermark, wo er nach verschie- 
denen Anstellungen als Beamter im Oberlande und in 
Graz infolge seiner warmen Liebe zum Volke, die er 
in jeder Weise zu bethätigen wusste und infolge seines 
unerschrockenen Auftretens, das mit gewandter Redner- 
gabe gepaart erschien, in den Landtag und bald darauf 
in den Reichsrath gewählt wurde, dem er als mann- 
hafter Vertreter seiner zweiten Heimat, der Steiermark, 
noch angehört. Die Politik ist nicht Sache dieser 
Blätter. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Morre's 
Volksstück mit Gesang: »'s NuUerl« die Runde über 
die bedeutendsten deutschen Bühnen gemacht hat, seit- 
dem es 1884 in Graz zur ersten Aufführung gelangte. 
>'s Nullerl« bringt, wie Rosegger richtig bemerkt »eine 
Frage und eine Gestalt auf die Bühne, die bisher dort 
noch nicht gesehen worden ist.« Das Stück mit der 
treuherzigen rührenden Figur des alten Einlegers >Null- 
Anerl«, zeichnet in den kräftigsten Strichen das in 
der Steiermark herrschende Armenwesen auf dem 
Lande in packender herzbewegender Weise und wenn 
es auch ein Stück sociales Elend ist, das Morre uns 
damit aufdeckt, so erscheint doch die Anlage dieses 
Schauspieles mit seinen charakteristischen Haupt- und 
Nebenpersonen so glücklich entworfen, das Ganze so ein- 
heitlich und mit Beherrschung aller dramatischen Mittel 
so poetisch durchgeführt, dass Morre's »Nullerl« das 
beste Volksstück genannt werden kann, welches Steier- 
mark überhaupt aufzuweisen hat. Neben der fesselnden 
Handlung finden wir hier naturwahr gezeichnete volks- 
thümliche Gestalten vom Boden jenes Landes, auf dem 



191 

der Dichter mit so scharfem Blicke seine Studien ge- 
macht, seine Beobachtungen angestellt hat ; in den Vor- 
dergrund des Interesses tritt, dabei die erwähnte Gestalt 
des greisen Einlegers, »Null-Anerl« genannt, der schon 
zu Anfang der ersten Scene durch sein einfaches Lied : 

I bin, i bin der Neamd auf der Welt, 

I hab, i hab ka Feld und ka Geld 

Ka Hütterl, ka Kammerl, ka Fensterl g'hört mir, 

I bin, i bin auf der Weit im Quartier 

in rührender Weise die Aufmerksamkeit des Zuschauers 
und Hörers erweckt, »'s Nullerl« ist 1885 im Druck 
erschienen und mehrfach aufgelegt worden, Rosegger 
hat dem Buche eine schöne, höchst beachtenswerte 
Vorrede mitgegeben. Vor Allem aber muss man die 
Wirkung dieses trefflichen Volksstückes von der Bühne 
herab in's Auge fassen, welche in und außer Landes 
sich immer in derselben Weise bewährt hat. Das in 
dem Stücke vorkommende Lied mit dem Refrain: »Is 
do dö Welt a Narrenhaus« kann zugleich als das 
Muster eines »Couplets«, wie deren heutzutage leider 
so jämmerliche in unseren sogenannten Volksstücken 
üblich sind, erklärt werden. Der Vollständigkeit wegen 
sei übrigens bemerkt, dass Morre noch eine Zahl von 
Volksstücken geschaffen, welche, wenn sie auch nicht 
die Bedeutung des »Nullerl« erreicht haben, doch sich 
weit über die gewöhnliche Art dieser Bühnenerschei- 
nungen erheben und überall eine ehrenvolle Aufnahme 
mit häufigen Wiederholungen gefunden haben, wie 
etwa »Die Familie Schneck« (1881), »Die Frau Räthin« 
(1884), »Der Glückselige« (1886), »Ein Regimentsarzt« 
(1887) u. A. m. Überall zeigt der Dichter die Kunst 
einer kräftigen Charakterzeichnung und gesunden herz- 
erquickenden Humor. 



192 

Damit wäre die Reihe jener hervorragenderen 
dichterischen Talente, welche als Steiermärker oder in 
Steiermark während der ins Auge gefassten hundert 
Jahre hervorragend gewirkt und mit zur Gestaltung 
deutscher Poesie in Österreich beigetragen haben, ge- 
schlossen. Manche überaus beachtenswerte Namen 
sind in späterer Zeit noch aufgetaucht, ja haben An- 
sehen und Bedeutung in der allerjüngsten Zeit erlangt, 
sie fallen aber nicht mehr in den Rahmen, welcher die 
vorliegenden Blätter umfasst. Für denjenigen, welcher 
diese Namen kennen lernen will, liegen in dem >St eier- 
märkischen Dichterbuche,« das 1887 Karl W. 
Gawalowski herausgegeben hat, kurze Lebensskizzen 
und schöne dichterische Beiträge vor, die bis dahin 
noch ungedruckt waren. Der wackere Herausgeber 
des erwähnten Dichterbuches selbst lebt schon 
über zehn Jahre in der Steiermark und seine Lieder 
und Dichtungen, vor Allem das markige vor Kurzem 
in zweiter Auflage erschienene Lied aus der Hussiten- 
zeit: »Ramphold Gorenz« verdienen die volle Aufmerk- 
samkeit aller Freunde mannhafter edler Dichtung. In 
den letzten Jahrgängen des so feinsinnig geleiteten 
literarischen Jahrbuches »Die Dioskuren« sind weiters 
noch manche schöne poetische Klänge zu finden, deren 
Verfasser in der Steiermark weilen und von dem dich- 
terischen Leben, das in dem schönen Lande alle, selbst 
die hohen und höchsten Gesellschaftskreise beseelt, 
beredtes Zeugnis ablegen. 

Rosegger gibt nun siebzehn Jahre lang seine eigen- 
artige, gleichsam von erfrischender Alpenluft durch- 
wehte Monatsschrift »He im garten« heraus. Auch 
hier ist den Strophen und Versen Berufener, so wie 
auch der Prosadarstellung so manches Plätzchen ein- 



193 

geräumt und auch hier tritt aus naheliegenden Gründen 
der heimische Sang in den Vordergrund. Man kann 
es mit Recht frohen Herzens annehmen, dass in we- 
nigen Jahren wieder eine neue Dichtergeneration im 
Lande kräftig und liedergewaltig dasteht, die Worte 
des herrlichen Sängers rechtfertigend, dass es niemals 
»ausgeklungen, das alte ew'ge Lied.« 



5 ••2^'* 




:;* 



Schlossar, loo Jahre deutscher Dichtung. 13 



/ U'i - 



1 

I 






4 



/ 



/ 



f 



I