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Illustrierte
TU
5o3
Aeronautische Mitteilungen.
Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt.
Organ des Deutschen Luftschiffer-Verbands
und des Wiener Flugtechnischen Vereins.
Monatshefte
für
alle Interessen der Flugtechnik mit ihren Hilfswissenschaften,
für aeronautische Industrie und Unternehmungen.
Redigiert von Dr. A. de Quervain,
Privatdozent an der Universität Straßburg.
Neunter Jahrgang 1905
Mit drei Lichtdrucktafeln.
Straßburg i. E.
Kommissionsverlag von Karl J. Trübner.
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Buchdruckerei M. DuMont-Schauberg, Strassburg.
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Inhalts-Verzeichnis.
Seite
Abbildung von Gewässern in Wolkendecken 9
Abzeichen und Schmucksachen, aero¬
nautische . 147
Aero-Automobll-Wettfahrt zu Madrid . 371
A6ronautique-Club de France .... 30, 409
Aeronautischen Observatoriums Lin¬
denberg, Einweihung des —.404
Aeronautischen Observatoriums, Die
Tätigkeit des —. 40
Aeronautischen Observatoriums, Über
die Schaffung eines —.102
Aeronautischer Preis für die Ballonfahrt
von Bordeaux nach Pau.371
Aeronaut, photogr. Wettbewerb, Be¬
stimmung für den —, Mailand 1906 .... 400
Aktiengesellschaft, Gründung einer ame¬
rikanischen —.. 51
Atlantischen Ozean, Erforschung der
freien Atmosphäre über dem —.331
Augsburger Verein für Luftschiffahrt . . 25
Automobil und Motorrad.104
„Aviatik, Wie der Vogel fliegt und wie der
Mensch fliegen wird*. 297, 361
Ballonet, Das —, von Meusnier.353
Ballon ovoide cerf-volant. 96
Ballon-sonde, Der — des Aero-Club de Beige 20
Bamler, Niederrheinischer Verein für Luft¬
schiffahrt . 98, 231, 261, 292, 332
Basöus, v., Über die Abbildungen von Ge¬
wässern in Wolkendecken. 9
-Bestimmungen für den Aeronaut, phot.
Wettbewerb Mailand 1906 . 400
Berliner Verein für Luftschiffahrt 20, 55,
57, 127, 190, 230, 260, 365, 404
Bibliographie und Literaturbericht 103,
135, 136, 166, 201, 202, 267, 268, 296, 371
Bjdy, Aeronautisches vom Mandschurischen
Kriegschauplatz.144
Bisiiopsehen Bings, Eine merkwürdige
Störung in der Erscheinung des — .... 227
Boenisch, Oblt., Mukden (Übersetzung) . . 146
Canvettis Luftwiderstandsversuche.127
Cerfs-volants, sur les ascensions de Bef. 136
C oblenz er Vereins für Luftschiffahrt, Grün¬
dung eines —.266
Concours de Ballons de l’Aäro-Club du
Sud-Ouest, le —.227
Concours, premierd’appareilsd’aviation non
montäs k Paris.123
Congres d’Aerostation etc. de 1904, Bef. 136
Deutsche Frauen und die Luftschiffahrt . 105
Dienstbach, K., Die Luftschiffahrt auf der
Weltausstellung zu St. Louis 1904 ... 1, 33
-Das erste Lebensjahr d. praktischen Flug¬
maschine . 91
- — Ein Flug von 20 Minuten mit dem Gleit¬
apparat von Montgomery.254
Drachen, Zur Stabilitätstheorie der — ... 327
Drachen, Beiträge zur Theorie des — . • 244
Seite
Drachenstation der deutschen Seewarte . . 89
Drachenverwendung zur See, Über —,
Bef. .166
Elias, Die Tätigkeit des aeronautischen Ob¬
servatoriums des Kaiserl. meteorologischen
Instituts im Jahre 1904 .. 40
-Beiträge zur Physik der freien Atmo¬
sphäre, Bef..201
Episoden, Lustige und traurige, aus den
ersten Jahren der Ballou-Aera (1783) . . . 108
-(.1784). 304
-(1784). 387
Espitallier, G., Les femmes aeronautes . . 71
-La Campagne du „Lebaudy“ en 1904 . . 84
-Premier concours d’appareils d’aviation
non-montäs ä Paris . . . * .123
-Über das Lebenswerk von Oberst Benard
(übersetzt von H. Moedebeck).170
-Le „Lebaudy* ä Töul.363
Faure, Jacqhe*, Von London nach Paris . . 164
Femmes aäronautes. 71.
Fesselballons, Bekämpfung des — durch
Artillerieieüer.396
Finsternismeteorologie und die künftige
Sonnenfinsternis vom 30. August 1905 . . 172
FinSterwalder, S., Konstruktion zur Er¬
möglichung der „intermittierenden Kraft¬
ausnützung“, Bef..102
Flug, Ein — von 20 Minuten.254
Flugmaschine, Das erste Lebensjahr der
praktischen —. 91
-Das Prinzip und die Zukunft der — . . 318
Flugmaschinenmodellen, Die erste Aus¬
stellung mit Preisbewerb von —. 93
Flugversuche der Gebrüder Wright. • . . 162
Foerster, A., Berliner Verein für Luftschiff¬
fahrt .... 20, 55, 127, 190, 230, 260, 365, 404
„Fränkischen Vereins für Luftschiffahrt“,
Gründung eines —.266
Funkentelegraphieversuche zwischen
Paria und Beifort. 365
G., C. v., Ein Luftschiff für die japanische
Armee. 94
-Montgolöeren-Aufstiege in Kolumbien . 115
-Japanische Militärluftschiffahrt während
der Belagerung von Port-Arthur.301
Gärtner, Paul, Beschreibung seiner am 13.
April 1803 unternommenen Luftreise . . . 237
Gas-Zentenarfeier in Paris.19, 95
Geschichte, Zur — der Luftschiffahrt ... 137
Gießen, Oberingenieur, über Winddruck und
Winddruckmesser.269
Haenlein, Paul +. 65
-Verteidigung.103
Herring, A. M., Das Prinzip und die Zu¬
kunft der Flugmaschine.318
Hinterstoisser, Im Beich der Lüfte. Von
A. Santos-Dumont (Referat).103
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>»»» VI #«**
Seite
Ritter, Friedrich, Winddruck auf unrunde
und vertiefte Flächen. 73
RosentbaJ, E., Über den vertikalen Tem¬
peraturgradienten in Zyklonen.117
-Der Kusnetzowsche Drache.325
Russische Militärluftschiffahrt.205
Santos Dumont. 49
-Im Reiche der Lütte . ..103
-Lenkbarer Nr. 14 . . ..259
Scheimpflüg, Th., Zur Stabilitätstheorie
der Drachen .327
Schraubenflieger derBrüder Dufaux,Der— 226
Schraubenflieger von Ingenieur M. Leger 331
Schwebe fl ug,Über den,Vortrag von E. Arch-
deacon . 342
Schweden, Mitteilungen aus — . . .60, 133, 234
Segel- und Ruderflug-Apparat .... 41
Simultanaufstiege, Wissenschaftliche—. 88
Spanien, Berichte aus —.63, 135
Spanischer Aero-Klub, Königlich — . . 199
Spelterinis Ballonfahrt über die Berner
Alpen. 17
Stahlballon von „Stubenring“. 50
Stoib erg, A., Oberrheinischer Verein für
Xuftschiffahrt. 99
Tauber, Tonie, Meine Luftreise.312
Temperaturgradienten in Zyklonen, Über
den vertikalen —.117
Temperatur, Die tiefste — der Atmosphäre 153
Totenschau . ..168
Seite
Überquerung des Atlantischen Ozeans im
Ballon, Die -.221
Vaulx, de La, Uber die Notwendigkeit eines
internat. Verbandes zur Förderung u. Ver¬
breitung d. wissenschaftl. u. sportl. Luft¬
schiffahrt .219
Vogelflug und Kunstflug.180
Vollmer-Flögel, Der Fall —.266
Voyer, Zur Geschichte der Luftschiffahrt . . 137
-Das Ballonet von Meusnier.353
-General Meusnier u. die lenkbaren Ballons 373
Wasserstofferzeugung, Kriegsmäßige —
beim Ostsibir. Feldluftschiffer-Bat., Ref. 135
Weltausstellung zu St. Louis 1904, Die
Luftschiffahrt auf der —.1, 33
Weltausstellung in Lüttich, Die Luftschiff¬
fahrt auf der —.225
Wettbewerbe des A6ronautique - Club de
France.184
Wettbewerb für ballonfreie Flugapparate,
Mailand 1906 . 402
Wiener Aeroklub, Jahresbericht 1904 , . 63
Wiener Flugtechnischer Verein ... 29, 196, 264
Wiener Flugtechnischen Vereins, Bücherei
des —.296
Winddruck auf unrunde u. vertiefte Flächen 73
Wind druck und Winddruckmesser, Über — 269
Wrightschen Flugmaschine, Zur —.183
Zeppelin,..411
Berichtigung.236
Aufstieg ..412
Kunstbeilagen.
Spelterini, Aufnahme über Trachsel-
lauenen aus 6000 m Höhe.Heft 1
Das Offizierkorps des Ostsibiri¬
schen Luftschifferbataillons in
Warschau vor der Abfahrt.Heft 7
S. M. der Czar Nikolaus II. besichtigt
die Wasserstoffdarstellung für das Ost¬
sibirische Luftschifferbatailion .... Heft 7
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,druck verboten. Reproduktion interdile.
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illustrierte Aeronautische jUTitteilungen.
IX. Jahrgang. ^ Januar 1905. ** 1. Heft.
Aeronautik.
Die Luftschiffahrt auf der Weltausstellung
zu St. Louis 1904.
Nachstehender Bericht unseres geschätzten New-Yorker Mitarbeiters enthält zwar
einzelne Angaben, die auch im Bericht des Berliner Vereins für Luftschiffahrt vom
21. November erwähnt sind, doch dürften beide Artikel, weil nicht vom gleichen Stand¬
punkt aus bearbeitet, sich gegenseitig günstig ergänzen. Gleiches gilt für die in Aus¬
sicht gestellte Fortsetzung. Die Redaktion.
I.
Bereits über zwei Jahre ist es her, seit es bekannt wurde, daß die
Verwaltung der jüngsten und umfangreichsten aller Weltausstellungen be¬
schlossen hatte, aeronautische Unternehmungen, nicht nur wie bisher zur
bloßen Befriedigung der Schaulust der Menge, sondern auch um zu folgen¬
schweren praktischen und wissenschaftlichen Resultaten zu gelangen, auf
noch nie dagewesene Weise zu ermutigen. Als dann die genauere Prüfung
der mit den glänzenden Preisangeboten verknüpften Bedingungen es klar
machte, daß Fachleute, die auf der Höhe ihrer Zeit stehen, dabei die Hand
im Spiele hatten, wurde es begreiflich, warum bei so vielen (besonders
solchen, die selber «up to date» waren) die Ansicht Wurzel faßte, daß die
Ausstellung zu St. Louis einen Wendepunkt in der Geschichte der Luft¬
schiffahrt bezeichnen würde. Doch leider vergißt es sich leicht, daß nicht
alles Gold ist, was glänzt, besonders wenn unvertraute Verhältnisse und
Riesenentfernungen ihre Rolle spielen ....
Die Ausstellung hat soeben ihre Tore geschlossen. Über ihren aero¬
nautischen Teil genügt es zu sagen, daß, außer einigen unbedeutenden für
Drachenaufstiege, überhaupt keine Preise zuerkannt wurden. Wenn nun
aber auch die Idee dieses aeronautischen Wettbewerbs sich praktisch als
viel zu ausgedehnt und großartig für eine nur einigermaßen entsprechende
Verwirklichung im Detail mit den vorhandenen Mitteln erwies, so besteht
dennoch eine gewisse Veranlassung, auf ihre Urheber jenes Wort aus Faust II
anzuwenden: «Den lieb’ ich, der unmögliches begehrt». Sie hat trotz alledem
Früchte getragen, eben weil sie an sich so schön war. Es war eben so neu wie
lehrreich, die Werke verschiedener Erfinder an dem gleichen Ort versammelt
zu sehen, und stände das wirklich Geleistete nicht so außer allem Verhältnis zu
dem Erwarteten und träte man ganz unbefangen an diese Ergebnisse heran,
so müßte man sie sicherlich als eine ebenso interessante wie bedeutsame
Erscheinung auf dem Gebiete der Flugtechnik bezeichnen, besonders im
Zusammenhang mit dem gleichzeitigen internationalen aeronautischen Kon-
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 1
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greß und mit mancherlei, was dank den weiten Wellenkreisen, die der Anstoß
der Preisausschreiben um sich zog, hinter den Kulissen der aeronautischen
Welt vor sich ging. St. Louis mit all seinem Mangel an Organisation und
Planmäßigkeit, seinen wunderlichen Begebenheiten usw. und — seiner Be¬
deutsamkeit bildet ein hervorragendes Kapitel in der «Sturm- und Drang¬
periode» der Flugtechnik. Seine Anfangsgeschichte wird durch die seltsame
Beschädigung des Ballons von Santos Dumont markiert. Von den vielen
unverbürgten Gerüchten, welche diese in Umlauf brachte, ließe sich nur
vielleicht das eine berühren, daß die Kosten für Santos Dumont hoch, die
Bedingungen unbequem und die Aussicht auf tatsächliche finanzielle Ent¬
schädigung auch bei Zusprechung des «grand prix» so unsicher gewesen
seien, daß die Enttäuschung des Aeronauten, der allerdings tatsächlich kein
leidenschaftliches Reparaturbedürfnis an den Tag legte und sein Material
möglichst schnell nach Europa in Sicherheit brachte, sich ertragen ließ.
Amerikanische FlugschifTerfinder hatten sich in Menge angemeldet. Hier
wäre zu erwähnen, daß eine Kombination von Gründen Leo Stevens, der
seinerseits fachmännische Befähigung in hervorragendem Grad besitzt, von
dem Bewerb fernhielten: der Verlust seiner Halle, unbefriedigendes Funk¬
tionieren seines kostspieligen Pariser Motors und pessimistische Ansichten
über die Realität der angebotenen Preise. Jene Halle wurde damals von
einem Gönner für ihn erbaut und ihm kostenlos zur Verfügung gestellt;
das Grundstück, auf dem sie steht, hat aber seitdem den Besitzer gewechselt,
da es für andere Zwecke benötigt wurde.
Der starke und leichte Motor leidet an solch heftiger Vibration, daß
er noch nicht befriedigend montiert werden konnte. Stevens setzt indessen
seine Versuche, ihn besser zu adjustieren, fort. — Als der Schreiber dieser
Zeilen, einer Einladung zum fünften internationalen aeronautischen Kongreß
folgend, nach St. Louis kam, fand er im «airshipbuilding» der Ausstellung vier
Motorballons und eine Gleitmaschine. Dieses Gebäude besteht aus zwei hohen
und geräumigen aneinanderstoßenden Hallen; die Wände sind zumeist aus
gestreiftem Tuch, das über hölzernes Fachwerk (Fig. L) gespannt ist. Es
liegt in der Mitte der «aeronautischen enclosure», einem großen Platz, der
auf eigenartige Weise uinzäunt ist. Zuerst kommen ungefähr zehn Fuß Bretter¬
wand und darüber erhebt sich eine weitere Art von Lattenzaun, 15—20 Fuß
hoch, dem die Eigenschaft zugeschrieben wird, die Gewalt des Windes, besser
als eine solide Wand, zu brechen (windbreak). Der Nutzen dieser Ein¬
richtung für irgend ein Objekt, das sich mehr nach der Mitte des riesigen
Areals zu befindet, scheint problematisch. Er erstreckte sich jedenfalls nicht
auf den Hut des Verfassers. Für eine stärkere Beteiligung am Bewerb
hätten auch die Hallen, die von den vorhandenen Apparaten (einschließlich
zweier kleiner Kaptivballons) ziemlich ausgefüllt wurden, kaum ausgereicht. An
einer Stelle des Saums der «enclosure» liegt der Gaserzeuger, welcher durch
unterirdische Röhren mit den Hallen in Verbindung steht. Es ist dies ein
aus England bezogener großer moderner Apparat, in welchem durch Zer-
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Setzung erhitzten Wasserdampfs der Wasserstoff wohlfeil in großer Quan¬
tität erzeugt — «werden könnte». Es hat aber trotzdem öfter an Gas
gefehlt. Bei der Aufstellung einer solchen Maschine zugleich unter allen
Umständen für entsprechende Bedienung zu sorgen, gehört eben auch zu
den zahllosen praktischen Details eines solchen Wettbewerbs, deren Berück¬
sichtigung einen im vorliegenden Fall unerschwinglichen Arbeits- und Kosten¬
aufwand erfordern würde. — Flugbereit sah Verfasser nur den interessanten
Schaufelradballon von Benbow. Derselbe krankte indessen zu jener Zeit
stark am Motor (10 P. S., zwei Paar luftgekühlte Zylinder), welcher absolut
nicht die volle Kraft entwickeln wollte und bald, stundenlangem Arbeiten
zum Trotz, obstinat versagte.
Fig. l. — „Airshipbuilding“ Im Bau.
Die Konstruktion der Schaufelräder ist tüchtig und praktisch. Jede
der vier Schaufeln besteht aus einer zwischen zwei dirigierenden Armen
ausgespannten Tuchfläche. Um eine Schaufel wirkungslos zu machen, ist
da weiter nichts erforderlich, als daß die beiden Arme sich dicht aneinander
legen und aus der quer gestellten Fläche eine lose flatternde Fahne machen,
senkrecht zur vorherigen Flächenebene. Die Einfachheit dieses mechani¬
schen Prozesses gestattet es, den Exzenter, welcher ihn hervorbringt,
momentan nach Belieben so zu verstellen, daß die Wirkungssphäre der
Schaufeln auf irgend eine gewünschte Stelle des Radumkreises verlegt
werden kann. Das heißt, aus diesem verstellbaren Schaufelrad kann in
schnellster Folge ein hebender, treibender, hemmender oder senkender
Propeller gemacht werden. Die Versteifungen etc. des Rades scheinen
gleichfalls einfach und wirkungsvoll. Dabei ist sein Bau sehr leicht. Dieses
sind alles Eigenschaften, welche auch dieser problematischen Propellerform
ausnahmsweise Freunde zu gewinnen geeignet wären. Wie aus der Illustra-
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4
tion (Fig. 2) ersichtlich ist, hat aber ihr Erfinder einen charakteristischen
Fehlgriff begangen: Als ob seine Maschine ein Raddampfer wäre, hat er
die Treibwirkung seiner Schaufeln nach unten, also so weit wie möglich
vom Widerstandszentrum des Ballons weg, verlegt, während der Angriffs¬
punkt der Schaufeln oben bei entgegengesetzter Drehung so viel günstiger
für die Stabilität wäre. So wirkt die Macht des Gewohnten! Leider hat
Benbow nie einen freien Flug gewagt. Er zeigte nur einige Male seinen
Ballon innerhalb der «enclosure» mit laufenden Rädern am Schlepptau ge¬
führt. Sein Kollege Baldwin ließ sich dagegen nicht durch das gleichfalls
gefürchtete Versagen des Motors (das denn auch wirklich eintrat) vom freien,
fröhlichen Fliegen abhalten. Sein kleiner Ballon ist einfach eine Kopie Santos
Dumonts, nur mit der Schraube am Vorderende. Das Traggestell ist ziemlich
Fig. 2. — Benbow’» Schaufelradballon.
schwer und massiv, die Schraube ebenso und klein. Sein Motor bleibt ein
gutes Stück unter den gerade noch «schicklichen» 10 P. S. So entwickelte
sein Ballon bei den unter der Führung des jüngeren Mr. Knabenshue mit
schätzenswerter Ungeniertheit unternommenen Flügen eine gelinde Fahrrad¬
geschwindigkeit und rettete so immerhin einigermaßen das Ansehen der
Weltausstellungsaeronautik beim Publikum. Die üblichen kleinen Unfälle,
mehrfaches Versagen des Motors, sogar variiert durch Durchgehen der ganzen
unbemannten Maschine, traten pünktlich ein. Im ganzen ging aber alles
gut. — Schade ist es, daß ein dritter amerikanischer Motorballon nicht zum
Flug gelangte. Dieser hatte nur zwei oder drei P. S., die sein Erfinder für
genügend zu halten schien, weil die neuartige Ballonform die Luft so leicht
durchschneiden sollte. Er hatte einfach einen gewöhnlichen Kugelballon so
zusammengedrückt, daß er sich einer flachen Scheibe mit scharfer Kante
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ringsum in der Form näherte. Ein längerer Mast aus Messingrohr, der auch
die wie eine Windmühle um ihn drehbare Schraube trug, stellte die Ver¬
bindung mit der Gondel her. Alles Steuern sollte so durch Wenden der
Schraube geschehen, weil eine Wendung des von jeder Seite gleichen Ballon¬
körpers dazu nicht erforderlich war. Selbst eine so exzentrische Kon¬
struktion hat indessen ihren instruktiven Wert, wenn man sie mit andern
daneben vergleichen kann. Denn auch ihre praktische Ausführung bedingt
immerhin die Lösung vieler nicht leichter Detailprobleme, die an anderer
Stelle vielleicht mit dankbarerem Effekt benutzt werden kann. — Das Ansehen
des ganzen Wettbewerbs hätte aber völlig rehabilitiert und vielleicht sogar
der «grand prix» zugesprochen werden können, wenn das Flugschiff von
Hyppolite Francois (membre fondateur des Aeroklub) (Fig. 3) zur Fahrt
Fig. 3. — Ballon Frankls in Fahrt.
gekommen wäre. Das war wirklich ein Bewerber von der Sorte, von
welcher einige 6 oder 7 dem Bewerb einen glänzenden Erfolg gesichert
hätten. Da war zunächst die Seele der Maschine, der Motor, von wirklich
wohltuender Zuverlässigkeit. Mit der sicheren Wasserkühlung durch Radia¬
toren und guter Montierung schnurrte er im vollsten Lauf so ruhig wie ein
Spinnrad und machte weder Lärm noch Vibration. Die scheinbar so neben¬
sächlichen und wirklich so ausschlaggebenden Probleme der Transmission,
Montierung der Schrauben etc., waren aufs beste gelöst. Mochte sich das
Gerüst des Schiffes noch so sehr deformieren, das konnte die über Scheiben
mit seitlichen Führungsflanschen laufenden und durch besondere Spanner
stets straff gehaltenen Treibriemen kaum beeinflussen. (Fig. 4).
Es gab vier zweiflügelige Schrauben, je zwei hintereinander und ge¬
kreuzt an einer Welle, eine erfreulich große Gesamtpropellerfläche, die beim
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Laufen denn auch eine frische Brise erzeugte und der immerhin etwas knapp
bemessenen Motorenkraft (25 P. S.) besonders bei der etwas stumpfen Ballon¬
form sehr zugute kam. Der Gondel hätte Verfasser allerdings eine etwas
einfachere Ausführung gewünscht, diese ausgedehnten Massen von offenem
Gitterwerk schleppen die Luft zu sehr mit sich, analog der Wirkung des
oben beschriebenen «windbreaks». Das innere Arrangement der Gondel
mit dem Motor in der Mitte unter dem Boden war wiederum zweckmäßig
und bequem. Als Führer hatte der Ballon einen sehr erfahrenen Aeronauten,
einen tüchtigen Mechaniker als Maschinisten, und so war für alles gesorgt.
Und doch hatte gerade er besondern Unstern. Auf dem Transport wurde
Fig. 4 Frar^ots’ Gondel, Rückseite.
die Hülle naß und klebte vom Firnis aneinander, das gab eine langwierige
Reparatur. Dann, nach der Füllung, erwiesen sich (sic!) die Tore der
Hallen als zu niedrig. Um den recht großen Ballon ins Freie zu trans¬
portieren, mußte eine Ausgrabung unter dem einen Tor gemacht werden.
Das gab natürlich wieder eine provisorische hastige Geschichte, der Graben
füllte sich mit Wasser und eines Tages gab es einen Erdrutsch und das
Gondelgerüst wurde getroffen und zerbrochen. Reparatur schien sich dann,
so kurz vor Torschluß, nicht mehr zu lohnen. Die für den Wettbewerb
ursprünglich gesetzte Frist war schon längst abgelaufen, als, nach spezieller
Verlängerung, durch Knabenshue der erste Flugversuch gemacht wurde. —
Im Regierungsgebäude der Vereinigten Staaten waren die beiden erfolgreichen
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Modellflugmaschinen Professor Langleys, jene von 30 Pfd. Gewicht mit
Dampfmaschine von 1896 und die nahezu doppelt so schwere und dreimal
so starke, aber nicht viel größere mit Benzinmotor von 1902, aufgehängt.
Verfasser sah auf der Rückreise von St. Louis in Washington in der Smith-
sonian Institution, dank dem sehr freundlichen Entgegenkommen von Mr.
C. M. Manly, Prof. Langleys tüchtigem Ingenieur, so viel Photographien beider
Maschinen auf verschiedenen Stellen ihrer Flugbahnen, daß dies einem per¬
sönlich gesehenen Flug fast gleich kommt. Warum sie nicht für den Be¬
werb um den Modellpreis angemeldet wurde, darüber kann man wiederum
nur raten. Der wirklich wunderbare Manlysche Motor des großen Aerodroms,
den alle Flugschifferfinder mit neidischen Blicken betrachten müßten (er
wiegt nur 3V2 Pfund per Pferd und lief unter Entwicklung von 50 wohl¬
gemessenen P. S. mit prachtvoller Ruhe und Gleichmäßigheit ohne alle
Vibration im Beisein des Ver¬
fassers), wurde allerdings für
den Bewerb um den Motor¬
preis angemeldet. Das Re¬
sultat war, daß zunächst auf
wiederholte offizielle Briefe
monatelang keine Antwort
erfolgte. Als sie endlich ein¬
traf und dank der Geduld Mr.
Manlys und auch entsprechend
dem dringenden Anraten des
Verfassers, diese Gelegenheit,
den weitesten Kreisen die
großartige Entwicklung des
Flugmotors auf das nach¬
drücklichste zu Bewußtsein
zu bringen, nicht unbenutzt
zu lassen, es bei einigen
nun nötig gewordenen Ände¬
rungen der Bedingungen zu einer Einigung gekommen war, und als die
Verpackung etc. der Maschine bereits Umstände und Kosten verursacht hatte,
da traf im letzten Moment ein Telegramm ein: «Es findet kein Motor¬
bewerb statt». — So wäre die Aviatik in St. Louis überhaupt nicht zu
finden gewesen, wenn nicht Mr. 0. Chanute sich in die Bresche geworfen
hätte. (Für die Gebrüder Wright steht gegenwärtig noch zu viel auf dem
Spiel, als daß sie es hätten wagen können, ihre Maschine in St. Louis
forschenden Blicken auszusetzen. Die Beteiligung Herrings ward, da er auf
keine Verlängerung des Termins rechnete, durch ein Mißgeschick bei dem
Bau seines Motors — ein Zylinder wurde verdorben — ausgeschlossen. Das
Geheimnis des Erfolgs ließe sich bei seiner Maschine, soweit sie dem Ver¬
fasser bekannt ist, allerdings nicht leicht durch bloßes Anschauen entdecken.)
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>»»» 8 «4«
Mr. Chanute hatte also Mr. Aresy, seinen einstigen Assistenten von Dune
Park, zur Stelle, mit. einer Gleitmasehine, die genau gleich der Zweidecker-
maschine von 1896 war, mit der einzigen Ausnahme, daß der Querschnitt
der Trageflächen wie auf Fig. 5 ersichtlich, vorn sehr steil anstieg, um dann
nach hinten ganz sanft zu verlaufen, und daß die Pfosten, welche die beiden
Flächen verbinden, auf eigentümliche Art zugeschärft sind. Ihr Querschnitt
ist annähernd wie der einer dicken zweischneidigen Klinge.
Beide Änderungen sind augenscheinlich auf eigentlichen Segelflug be¬
rechnet, den Chanute bekanntlich aus dem anscheinend analogen Flügelprofil
der segelnden Vögel erklärt.
ln Ermanglung von Hügeln mußte die Maschine als Drache in die
Höhe gebracht werden. Ein Stück schmalspurigen Geleises wurde auf dem
großen «Studian» (Turn- und Spielplatz) im Ausstellungsgelände in der Wind¬
richtung niedergelegt, eine kleine Plattform auf Rollen darauf gesetzt, auf
diese stellte sich Aresy mit der flugbereiten Maschine, ein dünnes Drahtkabel
ging von der Maschine nach einer auf einem Wagen montierten elektrischen
Winde, auf ein Zeichen fängt diese an langsam und dann schneller zu
laufen, das Kabel wickelt sich auf, zieht Maschine, Mann und Plattform
nach sich, im rechten Augenblick ändert der Mann den Neigungswinkel der
Tragflächen, macht einen kleinen Sprung und ist in der Luft. Bei den vom
Verfasser gesehenen Flügen war erstens der Wind sehr gering, zweitens
die Schnelligkeit, mit welcher die Maschine vorwärts gezogen wurde, so
unbedeutend, daß man bequem nebenher hätte laufen können. Trotzdem
trug jene Flügelwölbung ihren Mann, bei den ersten Flügen allerdings unter
einem ziemlich steilen Drachenwinkel, bei jenen vom Tage drauf dagegen
auch bei flachem Flugwinkel.
In der Luft wurde das Kabel detachiert, Verfasser sah an den ersten
beiden Versuchs tagen jedoch kein gutes Gleiten zustande kommen, es fehlte
an Schwung und lebendiger Kraft und es machte den Eindruck, als würde,
wie damals bei Herrings Kuppeltragefläche, die vorzügliche Tragwirkung
jenes Flächenprofils bei langsamem Gleiten mit einem zu großen «Drift> er¬
kauft. Bei den ersten Versuchen vermochte Aresy garnicht aus dem steilen
Drachen — in einen flachen Gleitwinkel zu gelangen und kam fast unmittelbar
nach Detachierung des Kabels wie mit einem Fallschirm nicht allzu sanft,
fast senkrecht herunter. Wie später verlautete, verletzte er sich, noch ehe
er mit der neuen Maschine und der neuen Operationsmethode genügend
vertraut geworden war, auf dem harten Boden am Knöchel und der not¬
gedrungene Aufschub seiner Experimente wurde bei der vorgerückten Zeit
leider zu einem «Aufhub». — Verfasser erhielt von dem Trageflächenprofil
als ersten Eindruck jenen einer gewissen Gewaltsamkeit und es scheint, daß
die Handhabnng einer solchen Fläche und die Ausnutzung ihrer Vorteile
keine einfache Sache ist. Der Bau der Maschine war von der elegantesten
sorgsamsten Art. Die Trageflächen hatten nur die übliche Größe.
(Fortsetzung folgt.)
<K
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Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Über die Abbildung von Gewässern in Wolkendecken.
Von K. v. Bassns.
Die Abbildung von Gewässern in Wolkendecken als Wolkentäler und
Wolkenlücken ist gewiß schon oft von LuftschifTern beobachtet worden; Ver¬
öffentlichungen über diese interessante Erscheinung sind mir jedoch nur zwei
bekannt, nämlich eine Arbeit des Direktors der k. b. meteorologischen Zentral¬
station München Prof. Dr. Erk in «Illustrierte aeronautische Mitteilungen»
1897/2-3 und eine Notiz ebenda 1903/3, während ich in «Wissenschaftliche
Luftfahrten» III und «Ergebnisse der Arbeiten am aeronautischen Obser¬
vatorium (zu Berlin)» 1900—02 über diesen Gegenstand nichts finden konnte.
Bei einer wissenschaftlichen Ballonfahrt, welche am 1. Oktober des
heurigen Jahres von München aus stattfand, ist es mir nun gelungen, die
Abbildung mehrerer Gewässer in der Wolkendecke photographisch festzu¬
halten, und möchte ich aus diesem Anlaß nunmehr meine diesbezüglichen,
mehrere Jahre zurückweichenden Beobachtungen veröffentlichen.
Die bisherigen Beobachtungen über die Abbildung von Gewässern in
Wolkendecken lassen sich in zwei Gruppen zerlegen, in direkte und indirekte.
Was unter den letzteren zu verstehen ist, wird später gesagt werden.
I. Direkte Beobachtungen. An solchen liegen außer den eingangs
angeführten leider nur meine eigenen Beobachtungen vor, die hier folgen
und in welche die erwähnten, von anderer Seite gemachten Beobachtungen
der Vollständigkeit halber eingefügt sind. Die meteorologischen Daten zu den
Fahrten Nr. 1, 2, 3, 6, 7 und 10 sind in den unter Klammern angegebenen
Veröffentlichungen zu finden.
1. 31. Oktober 1896 (Erk, Illustrierte aeronautische Mitteilungen
1897/2-3), München—Neukirchen nördlich Augsburg. Von der Glonn bis zur
Landung über geschlossener Cu-Decke, von 40—220 m rel. reichend. Lan¬
dung bei Windstille. Bodentemperatur -f- 5°. Inversion über der Wolken¬
decke. Abbildungen von Glonn, Ecknach, Paar, Lech.
2. 14. November 1896 (Erk, Illustrierte aeronautische Mitteilungen
1897/2-3), München—Lungitz südlich Budweis. Ganze Fahrt über geschlossener
Wolkendecke, von 460—660 m rel. reichend. Landung bei schwachem
Wind. Bodentemperatur -{-2°. Inversion über der Wolkendecke. Ab¬
bildungen von Inn und Salzach.
3. 10. Juni 1899 (Finsterwalder und Bassus, Jahresbericht des Münchener
Vereins für Luftschiffahrt 1899), München—Mitterndorf in Steiermark. Über
lückenhafter Cu-Decke, von ca. 1000—1100 m. rel. reichend. Landung bei
böigem, starkem Wind. Bodentemperatur -[-10°. Keine Inversion. Keine
Abbildungen festgestellt.
4. 28. September 1901, München—Schwendi in Württemberg. Von
München bis zum Lech über geschlossener Str-Cu-Decke, von ca. 100—700 m
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 2
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rel. reichend. Landung bei ca. 6 m/sec. Bodenwind. Bodentemperatur 18 °.
Keine Inversion über der Wolkendecke. Keine Abbildungen.
5. 13. November 1902, Augsburg—Zusamzell. Ganze Fahrt über ge¬
schlossener Str-Cu-Decke, vom Boden bis ca. 1100 m rel. reichend. Abfahrt
und Landung bei Windstille. Bodentemperatur -f- 2°. Inversion über der
Wolkendecke. Abbildungen von Schmutter und Laugna. Über der
Zusam schon in der Wolkendecke.
6. 15. November 1902 (N. N., Illustrierte aeronautische Mitteilungen
1903/3), Berlin—Klötze i. Altmark. Nebel vom Boden bis ca. 120 m rel.
Wind am Boden 1—2 m/sec. Bodentemperatur — 2°. Abbildung der
Elbe-Havel-Mündung.
7. 6. Dezember 1902 (Veröffentlichungen der internationalen Kommission
für wissenschaftliche Luftschiffahrt, Dezember 1902), München—Isny in
Württemberg. Vom Lech bis zur Landung über geschlossener Str-Decke, bei
der Landung vom Boden bis ca. 900 m rel. reichend. Landung bei
ca. 5 mlsec. Bodenwind. Bodentemperatur — 14 °. Inversion überder Wolken¬
decke. Nur Iller bei Kempten (Überfallwehr?) schwach abgebildet.
8. 27. September 1904, München—Kaufbeuren. Über lückenhafter
Cu-Decke, von ca. 300—600 m rel. reichend. Landung bei ca. 4 m/sec.
Bodenwind. Bodentemperatur 13°. Keine Inversion. Decke zu lückenhaft,
um Abbildungen zu zeigen; über dem Ammersee jedoch N-S-Richtung
der Luftwogenachsen, sonst E-W-Richtung derselben.
9. 1. Oktober 1904, München—Donauwörth. Von Altomünster bis zur
Landung über lockerer, über einigen Flußläufen schwach durchsichtiger
Cu-Decke, von ca. 600—700 m rel. reichend. Landung bei ca. 3 m/sec.
Bodenwind. Bodentemperatur -f- 12°. Inversion über der Wolkendecke.
Abbildungen von Ecknach, Paar, Weilach, Glonn, Ilm, Gerols-
bach, Kl.Paar, Schönefelder Moos, Donaumoos, Donau, Lech,
Wörnitz (siehe die Bilder).
10. 3. November 1904 (Veröffentlichungen der internationalen Kom¬
mission für wissenschaftliche Luftschiffahrt, November 1904), München—
Pullach. Ganze Fahrt über dichter Wolkendecke, deren unterer Teil (360
bis 700 m rel.) aus Cu, deren oberer Teil (700—900 m rel.) aus dichten Str
besteht. Landung bei ca. 2 m/sec. Bodenwind. Bodentemperatur + 4°.
Inversion über der Wolkendecke. Schwache Abbildungen der Weiher
bei Ludwigsfeld, der Würm, der Isar und des Überfallwehrs des
Elektrizitätswerks Pullach.
11. Indirekte Beobachtungen. Unter indirekten Beobachtungen der
Abbildungen von Gewässern in Wolkendecken sind gelegentlich bemannter
Fahrten festgestellte Auflösungen und Lückenbildungen der Wolkendecke
verstanden, die der Beobachter selbst nicht als die Abbildung bezw. den
Einfluß von Gewässern bezeichnet hat, die aber mit großer Wahrscheinlich¬
keit auf den Einfluß von Gewässern zurückzuführen sind. Derartige Be¬
obachtungen finden sich zahlreich in den Fahrtbeschreibungen des zweiten
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Bandes der «Wissenschaftliche Luftfahrten», der bisher veröffentlichten
«Ergebnisse der Arbeiten am aeronautischen Observatorium (zu Berlin)» und
zum Teil auch in meinen eigenen Aufzeichnungen über frühere Ballonfahrten.
Einige derselben führe ich kurz an und bitte diejenigen meiner geehrten
Leser, welche die Behauptung, es seien dies indirekte Beobachtungen des
Einflusses von Gewässern auf Wolkendecken, für unwahrscheinlich halten,
die diesbezüglichen ausführlichen Fahrtenberichte aufmerksam nachzulesen.
1. 19. Oktober 1893 (Wissenschaftliche Luftfahrten II. S. 183—184):
Die Fahrt geht über eine geschlossene Wolkendecke. «Um 12 Uhr erblickten
wir durch eine Lücke in den Wolken eine Stadt, in der wir Senftenberg
(an der Elster) erkannten.»
2. 9. Juni 1894 (Wissenschaftliche Luftfahrten II. S. 316): Die
Fahrt geht sechs Stunden lang ohne Orientierung über eine geschlossene
Wolkendecke. «Nachdem durch eine Wolkenlücke eine größere Stadt
— Liegnitz am Zusammenfluß von Deichsel und Katzbach — ge¬
sichtet worden.»
3. 12. Oktober 1894 (Wissenschaftliche Luftfahrten II. S. 403):
«Die ganze siebenstündige Fahrt fand hierauf über dem geschlossenen
Wolkenmeer statt; gegen 11 und 12 Uhr wurden jedoch kleine Stückchen
der Erde durch Lücken sichtbar und das erste Mal mit einiger Wahrschein¬
lichkeit Stadt und See von Teltow rekognosziert».
4. 21. Mai 1898: Die Fahrt ging über eine lückenhafte Cu-Decke, die
nur vereinzelte Ausblicke auf die Erde bot. Wolkenfrei waren nur die Lech-
Donau-Mündung und das Altmühltal.
5. 22. Dezember 1900 (Ergebnisse der Arbeiten am aeronautischen
Observatorium 1900—01 S. 142): «Hinter der Küstrin-Reppener Bahn schloß
sich jedoch die Wolkenmasse unter uns völlig zusammen und von hier bis
in die Nähe der russischen Grenze hinter Posen gewahrten wir die Erde
nur zweimal auf kurze Zeit.nämlich bei Dürlettel (an der
Obra) und an der Warthe südlich der Stadt Posen.»
6. 9. bis 10. Januar 1902 (Ergebnisse der Arbeiten am aeronautischen
Observatorium 1901—02 S. 55): «Das letzte, was wir noch bei Tageslicht
durch eine vorübergehend sich in den Wolken bildende Lücke von der
Erde gewahrten, war gegen V 2 5 Uhr der breite Weichselstrom mit
langgestreckten Auen in der Gegend von Wloclawec und Nieszawa».
7. 22. März 1902: Die Fahrt ging über eine lückenhafte Cu-Decke.
Wolkenfrei, sodaß orientiert werden konnte, war nur das Donautal
von Kelheim bis Donaustauf und das Regen- und Naabtal bis in die
Höhe von Burglengenfeld.
8. 3. Juli 1902 (Ergebnisse der Arbeiten am aeronautischen Observa¬
torium 1901—02 S. 108): «Die Orientierung war schon längst verloren
gegangen.der Ballon war einer großen Wolkenlücke nahegekommen,
ich sah Königgrätz (Elbe-Adler-Mündung)».
u. s. w. u. s. w.
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Erstes Bild: Abbildung der Paar, Ecknaoh und Glonn In der Wolkendecke.
Karten bezeichnen identische Punkte
der Gewässer in der Wolkendecke,
Wie in der Einleitung er¬
wähnt, konnte ich bei einer Frei¬
fahrt des heurigen Jahres die Ab¬
bildung von Gewissem in einer
Wolkendecke achtmal erfolgreich
photographieren. Zwei dieser Auf¬
nahmen sind hier reproduziert, da¬
runter sind die betreffenden Aus¬
schnitte aus den Karten wieder¬
gegeben, in die auch die Ballon¬
orte eingetragen sind, von denen
aus photographiert wurde. Der
Ballonort für das erste Bild konnte
dadurch ziemlich genau bestimmt
werden, daß wir kurz vor dieser
Aufnahme eine Orientierung unserer
Bahn noch hatten machen können,
der Ballonort für das zweite Bild
ist durch zeitliche Interpolation an¬
nähernd ermittelt worden. Die
Zahlen auf den Photographien und
der Photographien, d. i. der Abbildung
und der Karten, d. i. der Gewässer
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13 «««
Zweites Bild: Abbildung der Kleinen Paar und dea Schönefelder Mooses In der Wolkendeoke.
selbst, und kann der Leser ohne Mühe
noch zahlreiche andere Punkte zwischen
den Abbildungen und den dieselben ver¬
ursachenden Gewässern identifizieren,
wobei aber zu beachten ist, daß die
Bilder infolge eines Aufnahmewinkels
von etwa 70° zur Lotrichtung gegen
die Karte perspektivisch stark verzerrt
sind. —
Im folgenden soll nun erörtert wer¬
den, was auf Grund der bisherigen
direkten Beobachtungen, die aller¬
dings hier nur auszugsweise wiederge¬
geben werden konnten, über die Um¬
stände gesagt werden kann, unter denen
sich Gewässer in Wolkendecken ab¬
bilden, bei absichtlicher Vermeidung
jeglicher Hypothese.
Die Vorbedingung für die Abbildung
der Gewässer in der Wolkendecke ist das
Vorhandensein einer geeigneten Wolken¬
decke. Als «geeignetste Wolkendecke» erscheint eine ruhig liegende, lockere,
von Luftwogen durchzogene, nicht regnende Cu-Decke, die nach oben scharf,
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nach unten beliebig abgegrenzt ist, wie sie auf den beiden Bildern deut¬
lich zum Ausdruck kommt. Je weniger Struktur dieselbe aufweist, je dichter
sie ist, je größere Geschwindigkeit sie gegen die Erde hat, desto schwächer
sind die Abbildungen. Inwieweit ihre Dicke und Höhe in Betracht kommt,
kann noch nicht gesagt werden.
Die meteorologischen Verhältnisse über dieser Wolkendecke scheinen
keinen direkten Einfluß auf die Abbildungen zu haben. Allerdings wurde
bei den meisten der angeführten Ballonfahrten über der Wolkendecke
Sonnenschein bezw. nur leichte Bewölkung und geringe Windgeschwindig¬
keiten, also ruhige Wetterlage angetroflen, aber diese Umstände scheinen
nur zur Ausbildung der «geeigneten Wolkendecke» beizutragen, sonst ohne
Einfluß zu sein. Ebenso dürfte es sich mit den Vorgefundenen Temperatur-
Inversionen verhalten, die bei derartigen Wetterlagen ja wohl stets
vorhanden sind, oft freilich nur in einer wenige Meter hohen Schicht, die
gewöhnlich der Wolkendecke dicht aufgelagert ist.
Über den Einfluß der meteorologischen Verhältnisse unter der Wol¬
kendecke steht nur fest, daß die dort herrschende Windstärke von Bedeu¬
tung ist: bei Windstille bilden sich auch die kleinsten Gewässer deutlich
ab, bei starkem Wind nur größere Flüsse. Über einen eventuellen Einfluß
der dort vorhandenen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse
kann noch nichts, über die Rolle, welche der Wassertemperatur zu¬
kommt, nur so viel bemerkt werden, daß Abbildungen auch dann be¬
obachtet wurden, wenn das abbildende Gewässer wärmer als die Luft auf
der Erdoberfläche oder ungefähr ebenso warm wie diese war (I. 2, 5, 6, 7,10).
Über die meteorologischen Verhältnisse in den Abbildungen selbst
und zwischen diesen und den abbildenden Gewässern ist vorerst
noch gar nichts bekannt.
In einer «geeigneten Wolkendecke» bilden sich nach meinen Erfah¬
rungen bei Windstille so ziemlich alle überhaupt vorhandenen Gewässer ab,
vom kleinsten Bächlein bis zum Strom, vom Tümpel bis zum ausgedehnten
Moos, und zwar scheint das Vorhandensein von Abbildungen in diesem Fall
die Regel zu bilden. Nur über die Abbildung von größeren Seen vermag
ich nichts anzugeben, da keine meiner Fahrten, bei denen eine «geeignete
Wolkendecke» vorhanden war, nahe genug an einem solchen vorbeiführte.
Weht zwischen der Erde und Wolkendecke stärkerer Wind, so bilden
sich, wie schon erwähnt, von den fließenden Gewässern nur die größeren
ab. Die gleiche hemmende Ein Wirkung wie dem Winde kommt derStr-Bildung zu.
Den Charakter der Abbildungen in der «geeignetsten Wolkendecke»
geben die beiden Bilder an: Kleine Bäche — Ecknach auf dem ersten,
Kl. Paar auf dem zweiten Bild — sehen wie Furchen in der Wolkendecke
aus, die dem Lufschiffer dadurch auflallen, daß sie die ebenfalls als Furchen
erscheinenden Luftwogen (siehe besonders die rechte Seite des zweiten
Bildes), jeder, auch der kleinsten Bachkrümmung getreu folgend, kreuzen.
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Da, wo der Lauf des Bächleins ungefähr parallel zu den Luftwogen geht
(erstes Bild 6—8), und beim Zusammenfluß von zwei Bächen (erstes Bild
VI) ist die Furche tiefer, da, wo er die Luftwogen kreuzt (erstes Bild I—5),
seichter, oft kaum erkennbar. Die Abbildungen größerer Bäche und
Flüsse — Paar auf dem ersten Bilde I bis V — erwecken den Eindruck
eines Wolkentales, in welchem die Bewölkung aus feinem Dunst besteht,
der oft so dünn ist, daß die Erde durchschimmert. Besonders auffallend
werden diese Täler bei schrägem Sonnenstand, wo, wie das erste Bild zeigt,
der eine Talhang im Schatten liegt. Auch diese Täler geben jede Flußkrüm¬
mung deutlich wieder (erstes Bild z. B. bei III); beim Zusammenfluß größerer
Gewässer bilden sich oft vollständige Wolkenlücken. Wassertümpel
erscheinen als trichterförmige Löcher, Moose (zweites Bild) als dunkle,
mit feinem Dunst ausgefüllte Flächen, die genau den Konturen des
erzeugenden Objekts entsprechend begrenzt sind (zweites Bild bei 6, 7, 8).
Je dichter die Wolkendecke ist und je mehr sie sich zu einer Str-Decke
ausgebildet hat, desto schwächer sind die Abbildungen: kleine Gewässer
sind dann überhaupt nicht zu
erkennen und auch die großen
Flüsse zeichnen sich nur als
seichte Furchen ab. Diese
Erscheinung konnte ich bei
der Fahrt I. 10 deutlich be¬
obachten. Da die Mitnahme
eines umfangreichen Instru¬
mentariums für andere wis¬
senschaftliche Untersuchun¬
gen nötig war, ließ ich den
Photographenapparat zu Haus, was ich nachträglich sehr bedauert habe;
denn es wurde bei dieser Fahrt noch eine andere höchst interessante Ge¬
wässerabbildung beobachtet: Unsere Fahrt, die über 4000 m Höhe
geführt hatte, näherte sich ihrem Ende und es fiel der Ballon bereits
gegen die von 400 —900 m rel. reichende, dichte und von der Mittags¬
sonne grell beleuchtete Str-Cu-Decke mit ziemlicher Geschwindigkeit, als
ich in derselben die Abbildung eines Flußlaufs als seichte Furche
erkannte. Auf dieser Wolkenfurche lag ein Cu-Ballen, ähnlich
einem großen Pilze. (Die Erscheinung ist hier schematisch wieder¬
zugeben versucht worden.) Wenige Minuten darauf erfolgte bei Wind¬
stille die Landung am Nordrande von Pullaeh dicht an der Isar, wo
sich ein Elektrizitätswerk mit einem etwa zehn Meter breiten
Überfallwehr befindet, über welches das Wasser als rauschender
Wasserfall herabfloß, und es besteht daher kein Zweifel, daß die Wolken¬
furche von der Isar und der pilzartige Cu-Ballen von dem Wasserfall herrührte.
Endlich ist festzustellen, daß bei raschem Zug einer nicht zu dichten
Wolkendecke gegen die Erde ebenfalls nur große Flüsse und diese gewöhnlich
Jsar>WolkenlaJ in einer Sir «Decke, mit Abbildung d« Überfidlwehrs Pullaeh.
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16 €««*
nur als Wolkenlücken abgebildet werden, Gestalt und Richtung des Fluß-
laüfes nur annähernd wiedergebend und in der Windrichtung verschoben.
Es ist zu erwarten, daß, wenn auch die untere Fläche einer «geeig¬
neten Wolkendecke* scharf abgegrenzt ist, Abbildungen wie die der Paar
(erstes Bild) auch von der Erdoberfläche aus zu beobachten sind. Dies
ist auch tatsächlich der Fall. Am 15. November d. J. vormittags war
ich in Riedenburg a. Altmühl. Den Himmel bedeckte eine dichte Str-Decke
bei fast völliger Windstille. Über dem Altmühltal erschien die Wol¬
kendecke heller und von ausgeprägter Cu-Struktur und beschrieb
diese Erscheinung, deutlich einen Bogen, der der großen Altmühlschleife
zwischen Riedenburg und Eggersberg entsprach. Am 18. November nach¬
mittags fuhr ich mit der Eisenbahn von München nach Lochhausen. Eine
lockere Cu-Decke ließ das Himmelsblau zwischen den einzelnen, wogenförmig
gruppierten Cu-Ballen überall hindurehscheinen; in dieser Wolkendecke
war deutlich eine die Luftwogen kreuzende Furche zu sehen, die
bei Pasing vom Zenit aus nördlich, dann in scharfer Biegung nordöstlich,
und nach einer weiteren Biegung südöstlich führend in einer Wolkenlücke
endigte. Es muß dies die Abbildung der Würm und ihrer Fortsetzung, des
Würmkanals, mit seinen Biegungen bei Allach und Schleißheim gewesen sein.
Nördlich dieser Wolkenfurche, nach ihrer ersten Biegung, erschien die
Wolkendecke strukturlos; es ist mehr als wahrscheinlich, daß diese Änderung
auf das Schleißheimer Moos zurückzuführen war. Fleißige Himmelsbeobachter
werden derartige Fälle gewiß oft verzeichnen können.
Es war mein Bestreben, die Verhältnisse, welche die Abbildungen von
Gewässern in Wolkendecken hervorbringen, nur auf Grund der bisher ein¬
wandfrei beobachteten Umstände aufzustellen. Daß hierbei so wenig fest¬
gestellt werden konnte, rührt daher, daß zu diesen Feststellungen eigene
Ballonfahrten unerläßlich sind, die bis heute fehlen. Wenn der Ballon¬
führer die Abbildung eines Baches entdeckt hat, muß er, womöglich mit
einem Thermo-Hygrograph ausgerüstet, Höhe und Dauer seiner Fahrt
opfernd, in eine derartige Abbildung einzutauchen und zwischen
diese und den Bach selbst bis in die nächste Nähe des Erdbodens
zu gelangen suchen, wobei er, wenn möglich, den Ballon am Schleppseil
von Leuten mehreremal über den Bach in verschiedenen Höhen hin- und
herziehen lassen soll; denn die Abbildungen sind in der Regel nicht viel
breiter als der Bach selbst. Außerdem muß er die Temperatur des Wassers
und die meteorologischen Verhältnisse neben dieser vertikalen Luftzone
vom Erdboden bis zur oberen Grenze der Wolkendecke bestimmen.
Derartige Untersuchungen werden selten vollständig gelingen und wäre
es daher wünschenswert, wenn schon jetzt eine berufene Feder sich fände,
welche die Ursachen dieser höchst merkwürdigen Erscheinungen auf Grund
des verfügbaren Materiales theoretisch erörtern würde.
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Herr Dir. Erk bezeichnet als Ursache der Abbildungen von Gewässern
in der Wolkendecke in der eingangs angeführten Veröffentlichung eine durch
das Fließen des Wassers der darüber befindlichen Luft mitgeteilte Hori¬
zontalbewegung: «Das fließende Wasser veranlaßt in der darüber befind¬
lichen Luft eine Strömung, welche sich im gleichen Sinne bewegt wie das
Gewässer.» Wenn auch über größeren Flüssen eine derartige Horizontal¬
bewegung als möglich bezeichnet werden muß, so dürfte dieselbe über
einem kaum einen halben Meter breiten Bächlein, wie z.B. den Seitenbächen
der Ecknach und Kl. Paar, recht unwahrscheinlich, über Tümpeln und
Moosen (zweites Bild) aber sicher nicht vorhanden sein. —
Der Einfluß von Gewässern auf Wolkendecken ist mit den geschilderten
Erscheinungen nicht erledigt. Vielmehr liegen auch Beobachtungen vor, die
jenen Erscheinungen direkt widersprechen. So haben andere Luftschiffer
und ich oft bei sonst wolkenfreiem Himmel über Flußläufen zusammen¬
hängende Cu-Ketten, über Sümpfen und Moosen Wolkeninseln gesehen. Auch
die Ursachen dieser Erscheinungen sind noch nicht gefunden, indem direkte
Messungen für dieselben nicht ausreichend gegeben sind.
Es wäre zu wünschen, daß die vorliegende Arbeit die Anregung zu
exakten Untersuchungen aller einschlägigen Erscheinungen geben würde, die,
wie erwähnt, bei günstigen Vorbedingungen nicht ausnahmsweise, sondern
regelmäßig aufzutreten pflegen.
München, November 1904.
<K
Kleinere Mitteilungen.
Spelterinis Ballonfahrt über die Berner Alpen wurde schon in Heft 11 (1904) Seite
360 kurz besprochen; doch gestattet ein Artikel der « Neuen Zürcher Zeitung» 4 ), noch
einige Ergänzungen hierzu zu geben. Der von mancher Seite als zu spät gewählt be-
zeichnete Zeitpunkt des beabsichtigten Aufstieges um Mitte September, von welchem ab
erst noch günstige Windrichtung abgewartet werden mußte, war durch besondere Ver¬
hältnisse der Schweizer Bergbahnen bedingt, da das Ballonmaterial, das Füllgas etc.
mit der Wengernalpbahn und von Scheidegg aus mit der elektrisch betriebenen Jungfrau¬
bahn nach dem Füll- und Aufstiegsplatz zu befördern war. Dieser liegt auf dem west¬
lichen Ausläufer des Rotstock nahe den Wohnhäusern der Tunnelarbeiter. Er war durch
die Betriebsleiter der Jungfraubahn in sehr praktischer Weise für den Sonderzweck
hergerichtet worden. Auf dem Berghange war eine Reihe von Zuschauerbänken an¬
gebracht, von denen aus ein durch Aufschüttungen erweitertes Plateau überblickt werden
konnte, auf dem die Hülle des 1600 cbm fassenden Ballons «Stella» auf Decken aus¬
gebreitet lag, während noch weiter abwärts die Wasserstoff-Stahlflaschen, 200 an Zahl
in drei parallelen Reihen aufeinander geschichtet lagen. Auf dem 2330 m über Meeres¬
höhe gelegenen Füllplatz waren nur 1400 cbm Wasserstoff zur Füllung erforderlich. Je
zehn Gasflaschen waren mittels Gummischläuchen mit einem eisernen Rohr verbunden
und bildeten eine Batterie. Je drei solcher Batterien wurden mit den Enden ihrer
Eisenrohre an Schläuche angeschlossen, die in einen Schlauch von größerem Durchmesser
mündeten, der das Gas in den Füllansatz des Ballons führte. Die ununterbrochene
*) Von Kap. Spelterini der Red. übersendet.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 3
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18 €«44
Füllung wurde dadurch erreicht, daß durch richtig bemessene Umschaltung die drei
zusammengefaßten Batterien eines Anschlußrohres derart nach einander in Tätigkeit
traten, daß immer zwei derselben arbeiteten, während die dritte bereits geleerte aus¬
gewechselt wurde. Während Spelterini mit Überwachung der Füllung und Ausrüstung
des Korbes mit Apparaten, Proviant etc. beschäftigt war, wurden wiederholt Versuchs¬
ballons zum Steigen gebracht, welche alle, hoch oben von Ostwind erfaßt, längs der
Jungfraukette gegen das Schildhorn zogen. Der Himmel fing gegen Mittag an, sich mit
Wolken vom Lauberhorn her zu umziehen, war oben und über der Jungfraugruppe
am längsten frei, trug jedoch zur Zeit der Auffahrt 12 Uhr 50 auch hier eine Wolken¬
schicht, in welcher der Ballon schon nach kaum 2 Minuten verschwand. Über die Fahrt
äußert sich Spelterini wie folgt: Unmittelbar nach ihrem Aufstiege hatte die «Stella* ein
etwa 800 m dickes Nebelmeer zu überwinden; oben lag heller Sonnenglanz. Das Aus¬
werfen von etwas Ballast brachte den Ballon um weitere 800—900 m höher, hinauf bis
über die Eigerspitze; dann flog er vor dem Ostwinde den ganzen Grat der Jungfraukette
entlang hoch über das Tal zwischen der Jungfraunordwand und den Silberhörnern hinweg
nach Westen über Breithorn, Blümlisalp-Wildstrubel ins Wallis hinein. Hunderte von
Hochgipfeln, Tausende von Gletschern grüßten zu den Luftschiffern hinauf, bis weithin
nach dem fernen Süden lag die herrliche Welt klar vor ihnen und unter ihnen
und ein unendliches Gleißen und Glänzen blendete ihre Augen, die «von dem goldenen
Überfluß der Welt* tranken, «was die Wimper hält». Von der westlichen Flugrichtung
lenkte die «Stella* plötzlich nach Süden ab, dem deutlich erkennbaren Montblanc zu.
Während die Nebelmassen dichter wurden und höher kamen, schlug der Wind wieder
um und trieb den Ballon nordwärts. Ein Aufsteigen bis 6000 m brachte ihn in keine
andere Strömung und so ging es über den Wildstrubel wieder in das Berner Gebiet.
Die Wolkendecke war geschlossen, so daß bei der Zwecklosigkeit weiterer Fahrt der
Abstieg beschlossen wurde. Nach Durchdringung der Wolkenschicht zeigte sich im
Felsgewirr kein passender Landungsplatz, sodaß nochmals Ballast ausgegeben wurde.
Ein zweiter Versuch war ohne Ergebnis und erst beim dritten, als nur noch 4 Säcke
Ballast vorhanden waren, wurde die grüne Fläche bei der Gilbi Alp bei Adelboden
erblickt, erwählt und erreicht. Hilfe war rasch ausreichend zur Hand. Der durch Kälte
(—50 C. Minimal-Temp.), Feuchtigkeit und Gasausgabe ein wenig zusammengeschrumpfte
Ballon hatte sich kopfüber die steile Halde hinabgelegt, sodaß das Ventil nicht geöffnet
werden konnte und die Entleerung durch einen 30 cm langen Schnitt in den Ballon
bewirkt wurde. Um 8 Uhr war das Entleeren, um 10 Uhr das Verpacken erledigt, und
um 11 Uhr kamen Spelterini und sein Begleiter Ingenieur Stoeffler nach Adelboden
herab. Sie nahmen die Instrumente und die photographischen Apparate mit sich,
während der über Nacht bewachte Ballon am nächsten Morgen auf Schlitten zu Tal kam.
Trotz der sehr ungünstigen Verhältnisse ist es doch gelungen, eine Reihe unvergleichlich
schöner Gebirgsaufnahmen zu gewinnen, von denen wir eine, auch in der «Leipziger
Illustr. Zeitung» erschienene, unsem Lesern mit diesem Hefte vorführen. Diese und die
Beobachtungsergebnisse, welchen nach Lage der Fahrt wissenschaftlicher Wert zu¬
kommen muß, mögen darüber trösten, daß das eigentliche Ziel, die Fahrt nach Süden,
unerreicht blieb. K. N.
Die Ausstellung ln Lüttich 1905 wird mit großem Eifer vorbereitet. M. F. Jacobs,
der Präsident des belgischen Aeroklubs, hat sich mit den hervorragenden Persönlichkeiten
auf dem Gebiet der Luftfahrtbestrebungen in Verbindung gesetzt, deren Zahl ja nicht
gering ist. «La conquöte de Fair» gibt einige vorläufige Mitteilungen, welche die Notiz
der «I. A. M. > 1904, S. 29 ergänzen. Die Bewerbung für Luftfahrzeuge soll 15. Mai
bis 15. Oktober 1905 offen sein. Als Abgangspunkt ist die Biegung der Maas, wo die
Ourthe einmündet (Parc A6rostatique de Cointe), in Aussicht genommen, von wo aus
die Fahrzeuge, ohne die Erde zu berühren und nur mit Bordmitteln zweimal in unmittel¬
barer Folge ihre Bahn derart zu beschreiben haben, daß der Glockenturm von Spa und
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der Turm des Observatoriums von Cointe innerhalb der Bahnlinie liegen. Der Landungs¬
platz darf beliebig gewählt werden, nachdem der Turm von Cointe zum zweitenmal
passiert ist. Diese Fahrt ist dreimal in drei Auffahrten an verschiedenen, übrigens frei
zu wählenden Tagen, auszuführen. Die Entfernung der beiden genannten Türme beträgt
ca. 26 kra. Es können sich am Wettbewerb nur Fahrzeuge beteiligen, die nicht in ihrem
Bau schon ersichtliche Gefahren bergen. Anmeldungen zum Wettbewerb sind an den
Präsidenten des A6ro-Club de Belgique, place Royale 5 ä Bruxelles, zu richten und soll
der Briefumschlag die Bezeichnung tragen: «Concours de locomotion aärienne de Li£ge».
Bewerbern, welche vor 1. Januar 1905 sich eingezeichnet haben und nach weisen konnten,
daß sie bis zu jenem Zeitpunkt mit ihrem Apparat eine Luftfahrt von mindestens 10 km
geleistet haben, wird unentgeltlicher Unterbringungsraum in den auf dem Plateau von
Cointe errichteten Bauten angeboten. Der Wettbewerb ist Erfindern aller Länder offen.
Von Interesse dürfte sein, daß Lebaudy und Santos Dumont schon ihre Beteiligung in
Aussicht gestellt haben.
Zur Ausstellung soll unter anderen großen Lenkbaren, die über dem Tal der Maas
und dem benachbarten Gelände ihre Kreise ziehen werden (?), auch ein auf 6 m Länge
verkleinerter auftreten, erbaut von Ingenieur Ledere Mary von Louvain. Den Langballon
durchzieht eine röhrenartige Höhlung von vorn bis hinten, also von einem Ende zum
andern, wodurch nach des Erfinders Anschauung große Stetigkeit in der Längsbewegung
erzielt werden soll.
Auf d er Ausstellung bildet Klasse 34 des Programms «Navigation» aörienne».
Diese Programmklasse umfaßt — Bau von Ballons: Stoff, Firnis, Gondeln, Ventile,
Netze, Tauwerk, Haltevorrichtungen, Anker, Zacken, Wasserstofferzeugung und leichte
Gase, Fesselballons, dann — Luftreisen: Anwendung des Ballons zur Erforschung
der Atmosphäre: Luftströmungen, Wolken, Temperatur hoher Schichten, optische Erschei¬
nungen, Zeichnungen, Karten, Diagramme, Photographien. — Militär-Luftschiffahrt:
Militär-Fesselballons mit Zubehör, Aufstiegwinden, Transportwagen, Falleinrichtungen. —
Luftschiffahrt : Lenkbare Ballons und Flugvorrichtungen, Apparate zum Kunstflug,
Schraubenflieger, Flächenflieger, Fallschirme. K. N.
Eine Gas-feeutenarfeier haben in Paris die verschiedenen mit Gasanwendung
in Beziehung stehenden Industriebetriebe am 4. Dezember 1. Js. veranstaltet Die Wahl
des Zeitpunktes hängt damit zusammen, daß der Chemiker Lebon, der Vater des Gedankens
der Gasbereitung aus Kohle, 1804 (genauer am 2. Dezember) durch Mörderhand fiel.
Das Patent für Gasbereitung hatte er 1799 erworben, während die gewerbsmäßige Aus¬
nutzung zunächst in England durch einen Deutschen, Winsor, erfolgte. Französische
Blätter knüpfen Betrachtungen an den Umstand, daß der Todestag Lebons auch der
Tag war, an dem Napoleon I. in theatralischem Aufzug mit seiner Gattin Josephine sich
zur Kirche begab, um vom Papste gesalbt zu werden. Sie ziehen Vergleiche auf Grund
der Frage, welchem der beiden Männer die Welt gelegentlich dieses Zentenariums auf¬
richtigere Gefühle des Dankes weihe. Die Luftschiffahrt neigt sich natürlich zunächst
Lebon zu und am 2. Dezember veranlaßte der Aeroklub die Ausgabe von Postkarten
mit dem Bilde seines von A. M. PSchine hergestellten Monuments. Das Ersuchen um
kostenlose Gasabgabe zu Festaufstiegen hatte guten Erfolg und die im «A6rophile»
(Novemberheft) enthielten ziemlich ausgedehnte Anordnungen: 3 Preise, dann eine
bronzene Erinnerungsmedaille für alle beteiligten Ballonführer. Bedingungen: Keine
durch die Bewerber vorherbestimmte Landung, Preiserteilung an jene Bewerber, welche
zunächst an einem von ihnen bestimmten Punkt landen, Zurücklegung von mindestens
20 km* Flugweg etc., Verweilen von mindestens 1 Stunde in der Luft, keine Zwischen¬
landung pp., dann Verteilung der Aufstiegsplätze: die beim A6roclub de France an¬
gemeldeten von dessen Park, Coteaux de St. Cloud, jene der Acad^mie a£ronautique de
France von der Gasanstalt von Nanterre, jene des A6ronautique-Club de France von
der Gasanstalt Rueil, jene der SociStö fran^aise de Navigation von der Gasanstalt von
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Landy. Die Zahl der Bewerber war nur beschränkt durch die lokal gegebenen
Füllungsmöglichkeiten, wofür jede Gesellschaft Bestimmungen zu treffen hatte. Den
Gesellschaften war kostenlose Füllung verfügbar und zwar dem A6roclub 625 cbm,
in der Anstalt Nanterre, in Reuil und in Landy je 500 ccm. Die Kommissäre bestimmten
durch Los jene Bewerber, welche hiervon profitieren durften, die übrigen hatten die
Füllung zu bezahlen. Eine Jury aus drei Mitgliedern das A6roclub und je ein Mitglied
der andern Gesellschaften hatte die im allgemeinen Reglement vorgesehenen Funktionen
auszuüben.
Es waren z. Z. vom Aeronatique-Club zwei sportliche Veranstaltungen vorgesehen:
Zielfahrt, zwei Ballons mit der Aufgabe, zunächst eines von den Bewerbern angegebenen
Punktes zu landen, dann eine Ballonverfolgung durch Automobile und Fahrräder,
außerdem Aufstieg des 650 cbm-Ballons «Radium», Führer Schatzmeister de la Vaulx
des belgischen Klubs, wobei dem ersten, unter den reglementären Bestimmungen, den
gelandeten Ballon erreichenden Verfolger ein Bronze-Kunstwerk als Preis winkte (gestiftet
vom Journal «La Conquöte de l’air»). Auch hier waren, ähnlich wie im Septemberheft
beschrieben, Fallschirme, die nach 10—15 km Fahrt abzulassen waren, für die Radfahrer
als Verfolgungsziel eingeschaltet. K. N.
Der Ballon sonde des Aero-Klub de Beige, so meldet «La conquete de l’Air»,
welcher am 6. Oktober 1904 vom Park des Klubs, chaussee de Waterloo ä Bruxelles,
aufgestiegen ist, war nach dem Riedingerschen Muster gefertigt, hielt 2 cbm, hatte 1,5 m
Durchmesser, wog 1300 g und hatte, mit Wasserstoffgas gefüllt, 523 g Auftrieb. Kräftiger
Südwest faßte ihn und in geringer Höhe schien er wieder fallen zu wollen, erhob sich
dann aber stetig und verschwand. Erst Sonntag den 9. Oktober kam Nachricht, daß
ihn zwei Waldaufseher beim Rundgang in Elpersheim, nahe Markolsheim in Württemberg
gefunden hatten. Der Ballon trug einen Mousselinfallschirm von 50 g Gewicht, so daß
er mit den 440 g wiegenden Instrumenten noch einen Auftrieb von 34 g behielt. Der
Barothermograph war von M. F. Hooremann vom Observatoire royal konstruiert. Die
Aufzeichnungen der Temperatur geschehen durch Übertragung der Bewegungen eines
Metallthermometers auf einen Zylinder; doch soll die Drehung des Zylinders durch Über¬
tragung ohne Uhrwerk mittels Excenterscheibe und Bügel vom Aneroid aus erfolgen,
so daß also ein Stift beide Aufzeichnungen macht. Die Zylinderfläche ist mit licht¬
empfindlichem Papier überzogen, das eine Rußschichte trägt, so daß die bloßgelegten
Striche sich selbst photographieren. Das Ganze wiegt, aus Aluminium hergestellt, 320 g.
Wenn die erwähnten gleichzeitigen Aufzeichnungen auch während des Steigens wegen
Drehung des Zylinders in einem Sinne gewiß einleuchtend sind, so wird beim Sinken
wohl eine Unklarheit entstehen können. Auch ist das Moment der Zeitangabe aus¬
geschaltet. K. N.
je
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Berliner Verein fUr Luftschiffahrt.
In der 241. Versammlung des «Berliner Vereins für Luftschiffahrt» am
21. November wurden 8 neu angemeldete Mitglieder aufgenommen, und durch den Vor¬
sitzenden des Fahrtenausschusses, Hauptmann v. Kehler, über fünf Ballonfahrten be¬
richtet, die seit dem 25. Oktober stattgefunden haben. Die erste, an welcher teilnahmen
die Herren Hauptmann v. Abercron, Gottschalk und Oberleutnant Schiemann begegnete
am 25. Oktober strömendem Regen, der nach einer Stunde schon zum Abstieg in der
Nähe von Fürstenwalde nötigte. Bei der Schleppfahrt blieb das Seil hängen; es dauerte
wohl eine */ 4 Stunde, bis der Ballon wieder loskam. Bei den Bemühungen, ihn flott zu
machen, wurde das Gas herausgedrückt, sodaß die Landung zur Notwendigkeit wurde.
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Gleichfalls bei trübem Himmel erfolgte am 29. Oktober eine Auffahrt mit dem 600 cbm-
Wasserstoflballon vom Übungsplatz des Luftschifferbataillons aus. Es nahmen außer
dem Führer, Hauptmann v. Kehler, daran teil Geheim rat Busley und Hauptmann Klotz.
Die Wolkendecke erwies sich als so dicht, daß nicht darüber hinauszukommen war. Um
die Erde wieder zu sehen, mußte bis auf 150 m hinabgegangen werden. Die Landung
geschah auf dem Schießplatz bei Alten Grabow. Ein am 3. November aufgestiegener
Ballon, mit den Herren Oberleutnant Ribbentrop, Dr. Freitag, Ramdohr und Peters an
Bord, flog bei gutem Winde über die russische Grenze. Die Bergung und Verladung des
Ballons ging nicht ohne Schwierigkeiten vor sich. Am 8. November stieg ein Ballon
unter Führung von Oberleutnant Schoof, dem sich Hauptmann Engel und Miß Rypinski
angeschlossen hatten, bis 800 m in dichten Wolken. Erst bei dieser Höhe wurde die
obere Wolkengrenze erreicht. Leider war der Ballon sehr naß geworden, sodaß, nach
Überfliegen von Bernau, bei Angermünde gelandet werden mußte. Eine flotte Fahrt über
die russische Grenze machte ein am 10. November mit den drei Herren Graf Zech, Graf
Die deutsche Ausstellung In 8t. Louis.
Koenigsmark und v. Riedel, unter Führung des Herrn Dunst, aufgestiegener Ballon. Die
Fahrt endete bei Kalisch, Bergung und Rücksendung des Ballons begegneten keinerlei
Schwierigkeiten. Die Balloninsassen wurden in Kalisch vom Gouverneur zum Frühstück
geladen und erfreuten sich später noch der Gastfreundschaft des in Kalisch stehenden
Kavallerieregimentes, sodaß sie erst am späten Abend die Rückreise antreten konnten.
Noch konnte mitgeteilt werden, daß die Einrichtung für Füllung von Ballons mit Wasser¬
stoff in Bitterfeld nunmehr fertiggestellt sei. Meldungen sind an den Vorsitzenden des
Fahrtenausschusses zu richten.
Den Vortrag des Abends hielt Hauptmann v. Tschudi, seit kurzem aus den Ver¬
einigten Staaten zurückgekehrt, über «Die Luftschiffart auf der Weltausstellung zu
St. Louis». Nach den von dem Vortragenden gewonnenen Eindrücken befindet sich in
Amerika die Luftschiffahrt keineswegs in einem vorgeschritteneren Stadium als in Europa.
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Nur auf dem Gebiet der Flugtechnik ist von einem Vorsprung zu reden. Die deutsche
Ausstellung, der Ballon-Jubilar «Berson», der 79 Fahrten hinter sich hatte, und der
Korb des Ballons «Preußen», worin die Herren Berson und Süring den Rekord von
10000. m Höhe erreicht, imponierten den sachkundigen Beschauern., ersterer, der
dauernd aufgeblasen erhalten wurde, wohl auch allgemein durch seine stattliche Er¬
scheinung. Er gehörte ohne Zweifel zu den populärsten Objekten der deutschen Aus¬
stellung. Die von München, Augsburg, Nürnberg etc. gesandten Pläne und die karto¬
graphischen Aufnahmen von Professor Finsterwalder waren anfangs ungünstig ausgestellt.
Hauptmann v. Tschudi holte, sie heraus und brachte sie so an, daß sie fortan gesehen
wurden. An zwei Obelisken fanden die Pläne und photographischen Aufnahmen des
Herrn v. Bassus einen guten Platz. Von den mit hinübergesandten Büchern hatte
leider schon manches Liebhaber gefunden, es fehlte das Moedebeck’sche Handbuch
und die diesseitige Führer-Instruktion. Soweit es möglich, wurde dies Material wieder
ergänzt. Von Auszeichnungen erhielten der Berliner Verein, Major Moedebeck und Pro¬
fessor Finsterwalder die silberne, Herr v. Bassus die bronzene Medaille. Von anderen
Ausstellungen sei des lenkbaren Ballons von Deutsch de la Meurthe, dann zweier Flug¬
apparatmodelle von Langley, deren einer Motor bei 10 Pfund Gewicht 3 7* PS. leistet, und
des Drachens mit dreieckigen Zellen gedacht, der im Oktoberheft unserer Zeitschrift ab¬
gebildet ist. (Erwähnt sei hier sogleich, daß der ausgeschriebene Drachenwettbewerb
erst nach der Abreise des Berichterstatters stattfand.) Über den Fesselballon der Aus¬
stellung und die erstaunliche Unvorsichtigkeit, seinen Füllansatz zugebunden zu halten,
die auch zu den vorauszusehenden Folgen führte, ist früher bereits an dieser Stelle be¬
richtet worden. Der Vortragende hatte später zu beobachten Gelegenheit, daß Aus¬
stellungsbesucher ohne Führer aufstiegen, einmal sah er sogar zwei junge Damen sich
allein in die Luft erheben. Daß in den letzten Monaten kein Unfall mehr vorgekommen,
ist wesentlich dem herrlichen Wetter zuzuschreiben, das unausgesetzt der Ausstellung
lachte; auch konnte man unfreiwillig aus dem Korbe nicht herausfallen. Bemerkenswert
war die ausgezeichnete Dichtigkeit der Ballonhülle; es wurde nur nachgefüllt.
Von den zum Wettbewerb angemeldeten lenkbaren Ballons sah Hauptmann
von Tschudi drei zum Aufstieg ziemlich fertige in der Halle. Der Ballon von Benbow-
Montana, 500 cbm fassend, benutzte Schaufelräder, deren Flügel zur Beseitigung des
prinzipiellen Fehlers solcher Antriebsvorrichtung, daß sie an den um 180° von einander
entfernten Punkten entgegengesetzt wirkt, mit einer Einrichtung versehen waren, die sie
im Moment, wo die Wagerechte überschritten wurde, zusammenklappte. Die Propeller
konnten auch für Auftrieb und Abtrieb eingestellt werden. Da sich dieser Ballon, aus
der Halle gebracht, als zu schwer erwies, wurden von den vier Schaufelrädern zwei ab¬
genommen. Der vier Pferdekräfte effektuierende Motor lag in der Mitte, Ein zweiter
Ballon von ^aldwin — San Francisco — hatte die lächerliche Größe von nur 265 cbm.
Seine Einrichtung erschien nicht mustergültig. Es befanden sich unter dem Ballon nach
Art der von Santos Dumont getroffenen Einrichtung lange Träger von dreieckigem Quer¬
schnitt, die Korb oder Gondel ersetzten, und auf denen zu kriechen war, um an den
Motor heranzukommen. Bei einem ersten Aufflug blieb der Motor in der Luft stehen
und kam nicht mehr in Gang. Wesentlich interessanter war der dritte Ballon, von
1800 cbm Inhalt, in seinem Gerippe gleich dem von Baldwin ganz aus Holz gearbeitet.
Sein Konstrukteur, der Franzose Francois, hatte nur den Motor erheblich zu schwach
gewählt. Er sah das selbst ein und teilte Hauptmann von Tschudi mit, daß er in Frank¬
reich einen wesentlich stärkeren Motor von 100 PS. in Arbeit gegeben habe und beab¬
sichtige, damit nach Berlin zu kommen (wo seit dem verunglückten Schwarz'schen kein
«lenkbares» Luftschiff mehr gesehen worden ist). Der Fran^ois’sche Ballon besitzt kein
Netz, trägt vielmehr seine Last an einem Gurt, der um den zigarrenförmigen 7— 7 l /t m
im Durchmesser langen Ballon herumgeht. Francois hatte in der Persoh von Mouchanaud
einen Luftschiffer mitgebracht, der als Angestellter Godards im Gegensatz zu Amerika,
wo bisher wenige Aufstiege lenkbarer Luftschiffe stattgefunden, Erfahrungen darin besitzt.
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Ob diese drei Luftschiffe einem ernsthaften Wettbewerb sich gewachsen zeigen werden,
erschien fraglich.
Der erste Versuchsflug mit gewöhnlichen Freiballons hatte ein klägliches Schicksal.
Es war ein ganz windstiller Tag, und die für den Wettbewerb gestellte Bedingung,
möglichste Annäherung an die Bundeshauptstadt Washington, fand die halbwegs komische
Erfüllung, daß sich nach 12 Stunden alle Ballons noch ganz in der Nähe von St. Louis
befanden. Es war natürlich ohne Interesse, festzustellen, welcher von ihnen Washington
am nächsten gekommen sein mochte. In den Zeitungen stand damals, der «Deutsche
Kriegsballon» sei am weitesten in der Richtung geflogen. Gemeint war unser «Berson»,
der aber seinen Platz in der Ausstellung nicht verlassen hat und nicht verließ, so
dringend auch wiederholt die Aufforderung erging, ihn an den Wettfahrten teilnehmen
zu lassen. Zu einer weiteren Konkurrenz von Freiballons war mit Ausnahme einiger Berufs-
luftschiffer, die aber die Anzahlung nicht geleistet hatten, keine Anmeldung eingegangen.
Unter allen im Voranstehenden erörterten Umständen wurde schließlich durch
einen aus den anwesenden Sachverständigen gebildeten «Kriegsrat» beschlossen, die
angesagten Wettbewerbe für Freiballons überhaupt aufzugeben. Man hatte über vieles
noch nicht gehörig nachgedacht, z. B. über die bei ernsthaftem Bewerb um Geldpreise
beizubringenden Beweise der wirklichen, aut einer Dauerfahrt verwandten Zeit usw. Es
gingen aber die unglaublichsten Vorschläge zahlreicher Berufsluftschiffer ein. So wollte
eine Dame auf einer Kugel sitzend aufsteigen, und ein Herr versprach, sich in einem
Kanonenrohr hinaufnehmen zu lassen. In großer Höhe sollte dann das Kanonenrohr,
an einem Fallschirm hängend, vom Ballon losgelöst werden, worauf der Herr sich
selbst aus dem Kanonenrohr herausschießen, und an einem besonderen Fallschirm
hängend, zur Erde gelangen wollte.
Recht interessant war der Anfang September stattfindende Kongreß. Unter den
Vortragenden seien erwähnt Professor Woodward von der St. Louis-Universität, Professor
Zahn von der katholischen Universität in Washington und Fabrikbesitzer Ried aus Eng¬
land, welcher über das für uns kein Interesse mehr bietende Thema des Firnissens der
Ballonhüllen sprach. An dem von Frankreich herübergekommenen, oben erwähnten Francjois-
schen Ballon waren mit Leinölfirnis schlechte Erfahrungen gemacht worden; denn beim
Auspacken erwies sich der Ballonstoff, vermutlich infolge des langen Eisenbahntransportes,
anscheinend in offener Lowry, teilweise zerstört, in der Kiste stand das Wasser. Um
den Ballon wieder tauglich herzustellen, mußte der alte Firnis herausgewaschen und
neu gefirnißt werden. Professor Nipher führte ein interessantes, von ihm erfundenes
Instrument zum Messen des Winddruckes vor. Die Messung erfolgt mit Zuverlässigkeit durch
das Instrument, sobald es vor eine vom Winde getroffene Fläche gebracht wird, dagegen
mißt das Instrument in freiströmender Luft, z. B. neben einem fahrenden Zuge, keinerlei
Druck. Über den Flug der Vögel und Insekten wurde viel gesprochen. Oberst Capper, Kom¬
mandeur der englischen Luftschiffer, berichtete über die neuesten englischen Versuche.
Major Baden-Powell machte Mitteilungen über Luftschraubenversuche, u. a. über die
günstigen mit einer Schraube, die nur einen einzigen Flügel trägt, gemachten Er¬
fahrungen.
Der Vortragende berichtete hierauf noch über eine Reihe interessanter Beobach¬
tungen und Erfahrungen auf seiner Amerikareise und während seines Aufenthaltes in
St. Louis. Erstaunlich erschien auch ihm das für Wetterberichte sich kundgebende
öffentliche Interesse. Die Prognose wird stets für das begrenzte Gebiet eines Staates
oder eines noch engeren Bezirkes gegeben und erweist sich fast immer als richtig. — Für
die Europäer neu ist die Anwendung der Drachen zu Reklamezwecken. Über der Aus¬
stellung sah man beständig eine Anzahl Drachen in solcher Höhe schweben, daß. man
die auf ihren geschickt angebrachten, fast immer horizontal liegenden Flaggen befind¬
lichen Inschriften bequem lesen konnte. Der hierfür benutzte Drachen ist meist der
Eddydrachen. — Über den für Anfang November angesagten Wettbewerb von Drachen hofft
Hauptmann von Tschudi noch auf Grund ihm versprochener Nachrichten später berichten
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zu können. — Auch zu dem Wettbewerb zwischen Flugmaschinen waren nur ganz
wenige An meldungen eingegangen und Anfang September erst einer dieser Apparate, der
von Cha z, der Besichtigung zugänglich. Demselben wird auf einem ansteigenden
Schienengt eise durch ein Kupferseil, das ihn zieht, die Geschwindigkeit eines galoppie¬
renden Pferdes gegeben. Dicht vor dem Ende des Schienengleises stößt sich der
Fliegende ab. Nach Erreichung von Haushöhe wird die Verbindung mit dem Kabel
gelöst, worauf der Apparat eine Strecke weit fliegt und schwebend langsam zu Boden
sinkt, stets ohne bei der Rückkehr zur mütterlichen Erde Schaden zu nehmen. Es
ist geplant, den Apparat mit einem Motor auszurüsten. Für Flugmaschinenmotoren war
auch ein Wettbewerb ausgeschrieben. Dazu hatten Professor Langley, Major Baden-
Powell (der auch beim Drachenwettbewerb mit einem Drachen hervorgetreten sein
dürfte) und einige Andere Apparate angemeldet. Leider vrar ein von Langley ange¬
sagter 50pferdiger Motor, der nur 200 Pfund wiegen sollte, also 4 Pfund pro Pferdekraft,
Anfang September noch nicht zur Stelle. Mit einem Motor, der bei einer Leistung von
2 PS nur 12 Pfund wog, will Baden-Pow’ell sich am Wettbewerb beteiligen. Einen
minimalen Motor sah der Vortragende auf seiner Rückkehr bei dem Ingenieur Herring
in New-York, mit dem er durch den deutschen Berichterstatter Dienstbach bekannt ge¬
macht worden war. Es handelt sich bei der Erfindung dieses ausgezeichneten Flug¬
technikers um einen Benzinmotor, der bei einem Gewicht von nur 2 Pfund die Arbeit von
V* PS leistet. Seines leichten Gewichtes halber kann der Motor in der Tasche mitge¬
führt werden. Herring geht hiermit ebenso wie Prof. Langley und die Gebrüder Wright
in Ohio in bewußter Weise auf den Einzelflug aus. Es wird auf dem Gebiet in Amerika
viel gearbeitet, und es werden bedeutende Hoffnungen auf diese Versuche gesetzt. Herring
will mit seinem kleinen Motor schon unbemannte Flüge von einer englischen Meile
ausgeführt haben.
Eine interessante Beobachtung machte Hauptmann von Tschudi an den bei der süd¬
lichen Lage von St. Louis dort häufig vorkommenden Kolibris, die er anfänglich in ihrem
zitternden Schwebeflug von Blume zu Blume nicht für Vögel, sondern für Schmetterlinge
hielt. Mit dem Flug der Schwärmer hat dieses Naschen an dem Blütenhonig im Fluge
in der Tat auffallende Ähnlichkeit. Das Merkwürdigste aber liegt in der hierbei gezeigten
Fähigkeit des Kolibris, rückwärts zu fliegen, eine Eigenschaft, die allen andern Vögeln
abgehen soll. Auch an einer Art großer Schmetterlinge beobachtete der Vortragende
eigentümliche Flugfähigkeiten, die sie vor andern Insekten auszeichnen, nämlich ohne
eigenen Flügelschlag unter Benutzung der Windströmung in der Luft zu schweben. Die
Winkelstellung der Flügel beträgt dabei etwa 120°. — An den mit größtem Beifall auf¬
genommenen Vortrag reihte sich die Vorführung einer großen Zahl besonders anschau¬
licher Bilder von der St. Louis-Ausstellung. In der sich anschließenden Diskussion nahm
Hauptmann von Tschudi noch Anlaß, sich der großen Förderung dankend zu erinnern,
welche die Ausstellung der deutschen Luftschiffahrt durch den Herrn Ausstellungskommissar,
Geheimen Oberregierungsrat Lewald, erfahren hat. A. F.
Münchener Verein für Luftschiffahrt.
In der letzten Sitzung dieses Jahres, am Dienstag den 13. Dezember 1904, hielt
Herr Professor Dr. C. 0. Harz einen interessanten Vortrag «über die bisherigen
Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchung der freien Atmosphäre*.
Der Vortragende besprach zuerst kurz die wichtige Rolle der Spaltpilze in der Natur,
indem er besonders hervorhob ihre Mitwirkung beim Abbau hochmolekularer Substanzen
(z. B. der Eiweißstoffe); hierher gehören die allgemein bekannten Vorgänge der Fäulnis,
Vermoderung und Gärung. Auch die Wichtigkeit der Bakterien für die Selbstreinigung
der Flüsse wurde betont. Nach Angabe einiger Zahlen, die zeigten, in welch großen
Mengen die Bakterien an der Erdoberfläche in Luft- und Wasserproben gefunden wurden,
wies der Redner darauf hin, daß die Spaltpilze wegen ihrer glatten Formen nicht be-
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sonders geeignet sind zum Schweben in der Luft. Sie finden aber in den ebenfalls
massenhaft vorhandenen feinen Staubteilchen, die ziemlich von der gleicl Größen^
Ordnung sind, geeignete Träger, an denen haftend die Keime nun auch . höhere
Schichten der Atmosphäre empor dringen können.
Zum Fang und zur Zahlbestimmung der Bakterien in der freien Atmosphäre schlug
der Vortragende folgenden Weg ein: Ein bestimmtes Volumen der zu untersuchenden
Luft wird durch eine bei 170° sterilisierte Glasröhre gesaugt, in der sich als Filter eine
Schicht gepulverten trockenen Natriumsulfates befindet, welche die in der durchgesaugten
Luftmenge enthaltenen Bakterien zurückhält. Dieser Fangapparat hängt ziemlich tief
unter der Gondel an einem etwa 15 m langen Gummischlauch, der gleichzeitig zur
Verbindung der Glasröhre mit der Luftpumpe dient. Nach der Fahrt wurde dann das
die Bakterien enthaltende Natriumsulfat in sterilem Wasser gelöst und bestimmte Bruch¬
teile dieses Wassers, in dem sich nun die eingefangenen Spaltpilze befanden, mit sterili¬
sierter Nährgelatine angesetzt. Es konnte dann die Zahl der anschießenden Kulturen
makroskopisch bestimmt und daraus die Zahl der in der untersuchten Luftprobe
vorhanden gewesenen Keime berechnet werden. Herr Prof. Harz hat bisher vier zu
Bakterienmessungen dienende Ballonfahrten ausgeführt, davon zwei im Frühjahr und
zwei im Herbst. Von den dabei erzielten Resultaten soll hier nur das Wesentlichste
mitgeteilt werden, da der Vortragende demnächst einen eingehenden Aufsatz über das
Thema in dieser Zeitschrift veröffentlichen will.
Bei der ersten Fahrt (24. März 1903, Führer K. v. Bassus) wurden noch in
Höhen von 1500—2000 m erhebliche Mengen von Spaltpilzen gefundep; zu bemerken
ist, daß zur Zeit dieser Fahrt eine Periode trockener Witterung herrschte. Bei den
folgenden drei Fahrten (22. März 1904, Führer Prof. Heinke; 1. Oktober und 3. No¬
vember 1904, Führer K. v. Bassus) wurden dagegen bedeutend weniger Bakterien
beobachtet. Der Satz, daß die Zahl der Bakterien mit der Höhe abnimmt, läßt sich in
der strikten Form danach kaum mehr aufrecht erhalten. Es scheint vielmehr, daß je
nach Art ihrer Herkunft bakterienbeladene und bakterienfreie Luftmassen in der Atmo¬
sphäre verteilt sind, entsprechend den herrschenden Gleichgewichtsverhältnissen. An den
Vortrag schloß sich eine Diskussion, in der namentlich Herr Prof. Finsterwalder nach¬
drücklich auf die Bedeutung der Bakterienmessungen in der Atmosphäre hinwies und
den Verein zur Fortsetzung dieser wichtigen Untersuchungen aufforderte. Denselben
Wunsch sprach auch Herr Privatdozent Dr. Emden aus, der an der Hand von Berech¬
nungen zeigte, wie die bisher zur Charakterisierung verschiedener Luftmassen dienenden
Konstanten, nämlich potentielle Temperatur und absolute Feuchtigkeit, zum Teil eine
auffallende Bestätigung und Erweiterung erfahren durch den Gehalt der betreffenden
Luftmassen an Spaltpilzen. Also auch in meteorologischer Beziehung ist diese bakte¬
riologische Untersuchung der freien Atmosphäre von Wichtigkeit.
Darauf schloß der Vorsitzende, Herr Generalmajor Neureuther, diese letzte und
interessante Sitzung des Jahres 1904. Dr. Otto Rabe.
Augsburger Verein für Luftschiffahrt.
Der Augsburger Verein für Luftschiffahrt hat vom 1. Dezember 1904 ab eine
«Abteilung München» seines Vereins gebildet. Der Verein hatte früher bereits die Abteil¬
ungen Regensburg und Kempten gegründet; doch handelt es sich diesen gegenüber
hier nur um eine Veranstaltung, welche für die in München wohnenden Mitglieder des
Augsburger Vereins Vereinfachung durch Zusammenfassen für einzelne geschäftliche
Zwecke schaffen soll. Der Obmann der neuen «Abteilung» hat diese Erklärung gegeben.
Ostdeutscher Verein fUr Luftschiffahrt.
Die 6. Vereinsversammlung fand am Mittwoch den 23. November 8 Uhr abends
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 4
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im Saale des Hotels «Königlicher Hof* statt. Der Vorsitzende teilte mit, daß sich 8 Herren
und eine Dame zum Eintritt in den Verein gemeldet hätten und daß ferner der eigene
Ballon des Vereins von der Firma Riedinger in Augsburg am 22. November in Graudenz
eingetroffen sei. Der Ballon habe 1400 cbm Inhalt und könne 4, unter Umstanden 5 Per¬
sonen tragen.
Darauf erhielt Hauptmann Wehrle das Wort zu seinem Vortrage «Das Freiballon¬
fahren und die dabei gewonnenen Eindrücke, vorgeführt an zahlreichen Lichtbildern*.
Der Vortragende schilderte in beredten, launigen Worten die Herzbeklemmungen, die
mancher vor der ersten Fahrt habe und ging über auf die angenehmen Enttäuschungen,
welche die herrlichen Eindrücke einer Freifahrt hervorrufen. Letztere wurden durch eine
wohlgelungene Reihe schöner Wolken- und Geländeaufnahmen illustriert. Der Vortrag
wurde mit wohlverdientem Beifall reichlich belohnt.
Der Vorsitzende teilte sodann mit, daß die Absicht bestände, den neuen Ballon
demnächst mit flüssiger Luft zu taufen. Er solle, weil hauptsächlich die Opferwilligkeit
der Graudenzer Bürger seine Anschaffung ermöglicht hätte, den Namen «Graudenz*
erhalten in der Hoffnung, daß andere Städte Ostdeutschlands diesem Beispiele folgen und
das Ballonmaterial des Vereins vermehren. Die Taufe mit flüssiger Luft gehe in der
Weise von statten, daß eine Dewar-Flasche, die doppelwandig ist, mit */* Liter Luft
gefüllt an den kleinen Gänsefüßen mittels einer langen Schnur angehängt werde, derart,
daß sie in Höhe der Mitte des Korbes hänge. Diese Flasche werde mittels einer zweiten
Schnur abseits gezogen und losgelassen, worauf sie gegen den Korb pendelt, bricht und
ihren Inhalt auf. die Erde ergießt, von wo die Luft, große Wolken bildend, aufsteigt.
Die eingangs zum Eintritt in den Verein angemeldeten Herren: Se. Exzellenz General¬
leutnant Kohlhoff, Rittergutspächter Temme, Frau Moedebeck, Leutnant Neumann, Leutnant
Rohde, Leutnant Goebel, Leutnant Westphal, Major Schwierz und Kreisarzt Dr. med.
Koßmann wurden als neue Mitglieder aufgenommen. Die Zahl der Vereinsmitglieder
beträgt demnach 107 Personen. U
Die städtische Gasdirektion hat in dankenswerter Weise den Hof neben den
Gasometern von Bäumen und Gartenzäunen frei gemacht, sodaß ein Ballonaufstieg von
dort aus gefahrloser als bisher erfolgen kann. Immerhin hielt der Vorstand des Vereins
es für dringend nötig, sicher zu gehen, und er suchte und fand einen geeigneteren Füll¬
platz in der Nähe der Gasanstalt auf dem Gelände der Güterstadtbahn A. G., deren
Direktion in sehr entgegenkommender Weise die Erlaubnis gab, daß das Gasrohr dahin
verlegt und Aufstiege von dort stattfinden dürften.
Der Vereinsvorstand stellte darauf einen Antrag an die Stadt Graudenz, worin er
um die Leitungslegung bat. Die Stadt hat die Rohre von 120 mm nach einem Beschluß
der Gaskommission dem Verein leihweise zur Verfügung gestellt. Die Rohrlegungs¬
arbeiten von 140 m Länge hat sich der Verein bereit erklärt zu erstatten. Der eigene Vereins¬
ballon von 1400 cbm Größe war Ende Oktober irrtümlicherweise nach Posen anstatt
nach Graudenz gesandt worden. Erst auf mehrfache Reklamationen bei der Firma
gelang es, diesen Irrtum festzustellen und eine Weiterbeförderung zu veranlassen. So
verzögerte sich das Eintreffen des Ballons bis in die letzte Hälfte des November und konnte
erst Anfang Dezember daran gedacht werden, die erste Ballonfahrt zu veranstalten.
Bei der Bedeutung, welche der Sitz der Zentrale des Ostdeutschen Vereins für
Luftschiffahrt für eine Mittelstadt von nur 33 000 Einwohnern wie Graudenz hat, lag es
auf der Hand, diese Auffahrt mit einer gewissen Feierlickkeit von statten gehen zu
lassen. Ursprünglich war es geplant, den Ballon mit flüssiger Luft zu taufen. Da aber
die Markt- und Lufthallengesellschaft in Berlin, an die der Vereins Vorstand sich wegen
flüssiger Luft gewandt hatte, das Verlangen stellte, daß ihm die Versandgefäße zu einem
sehr hohen Preise abgekauft werden müßten, wurde von diesem zeitgemäßen Experiment
aus Sparsamkeitsrücksichten Abstand genommen und der Taufakt mit Champagner
vollzogen.
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Als Tauftag wurde der 11. Dezember bestimmt. Die Vorbereitung zur Fahrt und
die Leitung der Füllung hatten Herr Hauptmann Wehrle und Herr Leutnant Stelling über¬
nommen. Der Füllplatz hat für den Verein die Annehmlichkeit, vollkommen abgeschlossen
zu sein. Nur die Vereinsmitglieder und Eingeladenen hatten freien Eintritt. Eingeladen
waren der Kommandant von Graudenz, Herr Generalmajor Frhr. v. Falkenstein, sowie
der Magistrat und die Stadtverordneten von Graudenz.
An den Fenstern der den Güterstadtbahnhof einfassenden Häuser, auf den Mauern
und Zäunen desselben hatte sich ein zahlreiches Zuschauerpublikum zusammengefunden.
Auf dem Gelände selbst, beim Ballon, waren etwa 300—400 Personen versammelt. Eine
Militärmusik konzertierte. Als der Ballon gefüllt war und bei dem ruhig -sonnigen
Morgen in seiner ganzen Formenschönheit mit großen Lettern den Namen « Graudenz >
allen Eingeladenen plötzlich zukehrte, trat der Vereinsvorsitzende, Major Moedebeck, an das
Fahrzeug heran und sprach folgende Worte:
„Hochverehrte Anwesende! Ein bedeutungsvoller und daher denkwürdiger
Tag für unseren Ostdeutschen Verein für Luftschiffahrt und für Graudenz hat uns
heute hier versammelt! Unser junger Verein hat die Freude, heute, nach einem
Bestehen von 6 Monaten, hier seinen schönen eigenen Ballon vor sich zu
sehen. Das ist eine Leistung, die uns bisher kein anderer Luftschifferverein vor¬
gemacht hat. Wir verdanken sie nicht allein der Hingabe und Opferwilligkeit
unserer Vereinsmitglieder, sondern auch dem wahrhaft wohlwollenden Entgegen¬
kommen, welches unser Verein bei den militärischen und städtischen Behörden
jederzeit gefunden hat.
Für die Stadt Graudenz ist unsere heutige Feier ein Ereignis! Graudenz
wird damit eingereiht in die Knotenpunkte des aeronautischen Netzes, welches
über Deutschland ausgespannt ist. Unsere Stadt hier stellt sich heute bescheiden,
aber würdig an die Seite von Berlin, München, Augsburg, Straßburg i. Eis.,
Barmen-Elberfeld und Posen.
Unser Luftsport ist zwar in erster Linie ein friedlicher und ein wissen¬
schaftlicher, aber wir dürfen trotzdem nicht vergessen, daß Graudenz auch eine
Festung ist. Wenn ich daran erinnere, von welchem Wert die Luftballons ehe¬
mals für das belagerte Paris gewesen sind, so tue ich das, um die Bedeutung
hervorzuheben, welche eine solche Pflanzstätte aeronautischen Wissens und
Könnens, wie unser Verein sie bildet, in ernsten Zeiten dereinst für Graudenz
erlangen kann. Unser Verein ist daher auch ein patriotischer Verein, und
Sie werden mir zustimmen, daß wir unser heutiges Fest nicht passender, schöner
und würdiger einleiten können, als daß wir dabei zu allererst unseres erhabenen
Herrschers gedenken, in dessen Allerhöchster Person wir alle Gefühle der Er¬
gebenheit und Liebe für unser deutsches Vaterland vereinigen.“
Nafch einem kräftigen rauschenden «Hurrah» auf S. Majestät den Kaiser forderte
der Vorsitzende darauf die erste Dame, die den Mut gehabt hatte, dem Verein als Mit¬
glied beizutreten, Frau Rittmeister Wolf-Graudenz, auf, den Taufakt zu vollziehen.
Frau Wolf sagte:
„Im Namen des «Ostdeutschen Vereins für Luftschiffahrt» taufe ich Dich
«Graudenz». Ich wünsche Dir allezeit und immerdar: Frei Luft, viel Sand,
gut Land.“
Hell klang das Brechen der an der Gondel zerschellten Champagnerflasche.
Während nunmehr Herr Hauptmann Wehrle mit Herrn Bankdirektor Strohmann und
den Herren Leutnants Dyes und Haase den Korb bestieg und alles zur Abfahrt fertig ge¬
macht wurde, trug Herr Thilo Kieser folgende an den Ballon gerichtete Ode laut vor:
Stolz schwimmt auf dem Strom, Doch Dich trägt die Luft,
Auf dem schimmernden Meer Dich trägt der Wind
Manch Riese und Gnom Über Berg und Kluft
Von Schiffen einher; Wie ein Pfeil geschwind.
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So hebe Dich frei
Wie Adlersflug,
Schweb’ wie der Weih
Überm Vogelszug.
Aus der Städte Qualm,
Aus der Nebel Flor
Wie mit klingendem Psalm
Trag’ sie empor,
Und die sich kühn
Dir anvertraun:
Belohne ihre Mühn,
Halte fern das Graun.
Dorthin, wo jäh
Es dunkelt und flammt,
In der Sonne Näh,
Der die Seele entstammt.
Aus der Wolken Schoß
Weit führe sie, weit,
Wo hehr und groß
Thront Erhabenheit.
Nach frohem Verlauf
Steig’ wieder herab-
Jetzt kling’ es: «Glück auf!»
Dann kling’ es: «Glück ab!»
Ein lebhaftes Bravorufen lohnte den Dichter. Kurz darauf stieg der Ballon
«Graudenz» zum erstenmal majestätisch langsam in die Lüfte. Ein brausendes
Hurrah der Zuschauer begleitete ihn.
Die Fahrt ging ruhig und glatt vonstatten. Die Luftschiffer erreichten eine Durch¬
schnittshöhe von 900 Metern. Da die Flugrichtung direkt auf das Frische Haff führte,
wurde in der Nähe von Elbing die Landung beschlossen, welche auch etwa 4 km vom Haff
entfernt bei dem Dorfe Ellerswalde in stark coupiertem Terrain um 1220 mittags vor¬
genommen wurde. Das außerordentlich klare Wetter hatte den Luftschiffern eine
vorzügliche Fernsicht ermöglicht.
Am 19. Dezember, abends 8 Uhr, fand die 7. Vereinsversammlung im «Königlichen
Hofe» zu Graudenz statt. Der Saal war voll besetzt. Zunächst lagen 18 Neuanmeldungen
zum Eintritt in den Verein vor, während andererseits 4 Herren wegen Versetzung um
ihren Austritt gebeten hatten. Bankdirektor Strohmann fesselte sodann die Anwesenden
durch die frisch und interessant vorgetragenen Eindrücke seiner ersten Ballonfahrt von
Graudenz nach Ellerswalde am 11. Dezember d. Js. Er hob hervor, welchen wunder¬
baren Einblick man in die Kultur- und Verwaltungsverhältnisse der Heimat gewänne;
er betonte, wie mancher viel Geld ausgäbe, um nach mühseligem Klettern im Gebirge
eine einzige schöne Aussicht zu sehen, während der Ballonsport ohne Mühe und An¬
strengung ein fortdauernd wechselndes, vielseitiges und großartiges Panorama biete.
Die Fahrt endete im Nogatdelta nicht weit vom frischen Haff. Die Bauern der Gegend
waren sehr hilfsbereit und bescheiden.
Bei der anschließenden öffentlichen Verlosung zu 2 Freifahrten wurden folgende
Herren gezogen: Herr Hauptmann Raila, Herr Hauptmann Fel dt, Herr Leutnant
Bä eher, Herr Leutnant v. Alten, Herr Oberlehrer Riebold, Herr Leutnant Schule-
mann, Herr I. Bürgermeister Kühnast.
Herr Kieser schenkte dem Verein die von ihm gedichtete Ballon-Ode in geschmack¬
voller Umrahmung. Herr v. Svmonowicz schenkte 4 Bilder, die er von der Taufe des
Vereinsballons aufgenommen hatte. Beiden Herren sprach der Vorsitzende, Major
Moedebeck, den Dank des Vereins aus. Im geschäftlichen Teil stellte Herr Strohmann
den Antrag, bei der Stadt Graudenz, die an dem Aufblühen und Gedeihen ein besonderes
Interesse haben müsse, um eine Subvention in Höhe von 1000 Mark einzukommen. Der
Vorschlag wurde angenommen. Der Vorsitzende berichtete über den im Reichsgesetzblatt
Nr. 50 verordneten Zusatz zur Militäreisenbahnordnung und teilte mit, daß der Vorstand
mit Erfolg Schritte getan habe, um die daraus für den Verein sich ergebenden Prärogative
auszunutzen. Es sei dies der erste Vorteil, der dem Verein aus seiner Zugehörigkeit
zum Deutschen Luftschifferverbande erwachse. Sodann besprach der Vorsitzende die in
Leipzig am 4. Dezember stattgefundene Beratung des Vorstandes des Deutschen Luft-
schifl'erverbandes. Die Beschaffung von 150 Exemplaren des Jahrbuches wurde einstimmig
genehmigt.
Als neue Mitglieder wurden aufgenommen: Frau Hauptmann Bensig, Herr Ober-
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leutnant Bönisch, Herr Schroeder, Direktor der Danziger Privataktien-Bank, Herr
Kaufmann Gericke, Herr Stabsarzt Dr. Härtel, Frl. Prusse, Herr Leutnant Zundaris,
Herr Administrator Neu mann in Sarnau, Herr Direktor Sterz, Herr Gutsbesitzer Duck¬
stein-Nitzwalde, Herr Leutnant Fliegei (Ernst), Herr Leutnant Konrad, Herr Leut¬
nant Kühns, Herr Rechtsanwalt Rosenkranz in Mewe, Herr Fabrikbesitzer Falk,
Herr Leutnant Ribbentrop, Frl. Renkhoff, Herr Kaufmann Liebert (Gotthilf.) #
Wiener Flugtechnischer Verein.
Im Wiener Flugtechnischen Verein wurde die Bildung eines «Wissenschaftlichen
Studienkomitees* beschlossen und in der letzten Generalversammlung widmete der Verein
einen Beitrag von 500 Kronen, welche zunächst als tatsächliche Anerkennung der Be¬
strebungen des Komitees moralische Wirkung äußern sollen. Als ersten Punkt seines
Programms beschloß das Komitee, die Schaffung einer Versuchsanstalt für Drachen in
ihrer Anwendung für wissenschaftliche und praktische Zwecke ins Auge zu fassen.
Neben diesen Drachenforschungen soll auch an den Bau und die Erprobung von rein
flugtechnischen Apparaten gegangen werden. Bis jetzt soll sich in den Fachkreisen
schon reges Interesse für die Bestrebungen des Studienkomitees gezeigt haben und darf
dieses wie jede auf praktische Erprobungen gerichtete Tätigkeit auf flugtechnischem
Gebiet gewiß aufs wärmste begrüßt werden.
Ist durch diese Schöpfung Gelegenheit geboten, die verschiedenen, allerorts auf¬
tauchenden einschlägigen Ideen und Projekte auf ihren Wert zu prüfen, was ja meist
an dem Fehlen materieller Mittel und nicht zum geringsten Teil auch an dem Mangel
wissenschaftlich-technischer Vorbildung der Erfinder und ihres nächsten Verkehrskreises
zu scheitern pflegt, so ist damit schon bedeutendes erreicht. Das nachstehende Pro¬
gramm bewegt sich in dieser Richtung.
Programm des wissenschaftlichen Studienkomitees. Der Ausschuß des Wiener
Flugtechnischen Vereines hat gemäß § 3 al. c der Statuten ein wissenschaftliches Studien¬
komitee eingesetzt, dessen Zweck die Durchführung von grundlegenden flugtechnischen
Forschungsarbeiten ist.
Das Komitee stellt sich zunächst die Aufgabe, durch möglichst eingehende und
sorgfältige experimentelle Prüfung von geeigneten Entwürfen eine sichere Basis zu
schaffen für die rationelle Wertung der Leistungsfähigkeit verschiedener dynamischer
Flugschiffe. .
Ganz unabhängig davon, ob eine der geprüften speziellen Konstruktionen sich
sofort als völlig flugfähig erweisen sollte oder nicht, werden die erhaltenen quantitativen
Daten dennoch einen außerordentlich hohen Wert besitzen, falls die Flugfähigkeit (wie
dies stets geschehen soll) als Funktion der charakteristischen Dimensionen des Apparates
(Gesamtgewicht; Größe, Gewicht, Form und Beschaffenheit der Tragfläche; Leistungs¬
fähigkeit, Betriebsdauer und Gewicht des Motors; Stirnwiderstand der Tragflächen und
des Rumpfes; Wirkungsgrad des Propellers usw.) angegeben wird; denn man gewinnt
dadurch eben einen rationellen Maßstab für die Vergleichung der Leistungsfähigkeit ver¬
schiedener Fliegertypen.
Die Prüfung der durchgeführten Entwürfe soll sich jedoch nicht bloß auf die Be¬
stimmung der Flugfähigkeit erstrecken, sondern auch auf die Untersuchung der Stabilität
in longitudinaler und transversaler Richtung und der entsprechenden Steuervorrichtungen,
und zwar sowohl in ruhiger wie auch in bewegter Luft; ferner sollen die Gewichts¬
und Festigkeitsverhältnisse der einzelnen Konstruktionselemente jedes Entwurfes eingehend
untersucht werden, ebenso die Eigenschaften des in Verwendung kommenden Motors.
Neben der Prüfung von vollständigen dynamischen Apparaten, welche die gefahr¬
lose und zielsichere Fortbewegung wenigstens eines Menschen durch die Luft ermöglichen
sollen, fallen in das Arbeitsprogramm des wissenschaftlichen Studienkomitees auch alle
Detailuntersuchungen über den Wirkungsgrad verschiedener Tragflächenkonstruktionen
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(Druckrichtung und Druckgröße bei ebenen und gewölbten Flächen), den Nutzeffekt von
Propellern, die Leistungsfähigkeit verschiedener dynamischer Auftriebsapparate und
Motore; ferner experimentelle Studien über das Gleitvermögen, die Stabilitätsverhältnisse
und Steuervorrichtungen konkreter Gleitapparate und den Wirkungsgrad verschiedener
Drachentypen in ihrer Anwendung für praktische und wissenschaftliche Zwecke.
Auch bei diesen Untersuchungen soll es sich in erster Linie stets darum handeln,
möglichst zuverlässige quantitative Daten zu erhalten, welche eine sichere Grundlage
für weitere theoretische und praktische Forschungen bilden können.
Behufs Realisierung der gestellten Aufgabe ist das Komitee bestrebt, einen Experi¬
mentierfond zu beschaffen. Für denselben ist zunächst eine Summe von K. 20000 in
Aussicht genommen,
Zur Aufbringung dieses Betrages soll ein entsprechender Aufruf ergehen, der sich
zunächst an die intimeren Freunde der Luftschiffahrt richtet, dann aber auch an alle
Schätzer der Wissenschaft und des Fortschrittes.
Abgesehen von der Frage nach der praktischen Verwertbarkeit müßte ja die
endliche Realisierung des dynamischen Fluges den größten Triumphen des Menschen¬
geistes zugezählt werden. Wie bei anderen wissenschaftlichen Problemen sollte man
deshalb auch bei dem Problem des Fluges mittels eines dynamischen Flugschiffes
eigentlich in erster Linie gar nicht nach dem praktischen Erfindungswert fragen, da es
sich doch vor allen um den ideellen Wert handelt, den die Schaffung eines Flugschiffes
in Hinsicht auf die kulturelle Entwicklung der Menschheit besitzen würde. Dieser
Kulturwert des Flugproblems ist nun ohne Zweifel ein außerordentlich hoher; denn die
praktische Lösung der Flugfrage bedeutet ja doch die endliche völlige Eroberung unseres
Planeten.
Die Gründung des wissenschaftlichen Studienkornitees soll den Wiener Flug¬
technischen Verein, der seit seiner Gründung sich stets in hervorragender Weise gerade
mit der dynamischen Luftschiffahrt befaßt und darin auch viel Wertvolles bereits ge¬
schaffen hat, in die Lage versetzen, sich in Zukunft in noch höherem Maße, als dies
bisher der Fall sein konnte, auch an der experimentellen Weiterentwicklung der Flug¬
technik aktiv zu beteiligen.
Ein Lebenszeichen hat das Komitee bereits durch Herausgabe einer kleinen Schrift
über Schaffung eines aeronautischen Observatoriums gegeben (s. Bibliographie).
Aöronautique-Club de France.
(Communique ofpciel.)
Le Comite de Direction de l’«A6ronautique-Club de France» s’est röuni Ie 7 novembre
soir au siöge rue J.-J.Rousseau ä Paris sous la prösidence de M. Sauniere. II a prononcö les
admissions de Madame Sauniere et de Madame Surcouf, prösentees par M. Cailletet
membre de l’Institut et M. le commandant Renard, comme membres associöes, et le
Comitö adresse ses respectueuses fölicitations ä ces dames, qui sont les premiöres ä
profiter de la döcision prise par la derniere assemblöe gönörale, il espöre que leur
exemple sera suivi et que bientöt V «Aöronautique-Club de France» groupera toutes les
gracieuses ferventes de l’aörostation. Sont aussi acceptöes les admissions comme mem¬
bres associös de M. Garanger et de M. Jacques Balsan, prösentöes par M. le commandant
Hirschauer et M. Surcouf.
Des remerciements sont adresses ä la Compagnie du Gaz de Rueil qui offre au
Club 500 mötres de gaz pour la föte du gaz fix6e au 4 döcembre, ä cette occasion le
Club organisera plusieurs döparts de ballons avec rallie cycliste et automobile.
Le prösident communique le Programme du concours organisö par l’Aöro-Club le
4 dScembre et l’offre faite par cette sociötö de 500 metres de gaz. Les 500 metres accor-
dös par la C ie de Rueil sont donn£s ä TAero-Club pour forganisation de son concours.
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Le Programme des causeries pour 1905 est arrötS et des remerciements sont
adressSs aux professeurs.
Le Comite de Direction a constituä ainsi son bureau:
President: M. Sauniere; Vice-pr6sidents: MM. Bacon, Piätri, Lachambre;
Secrätaire g6n6ral: M. Selber; Secr6taire adjoint: M. Ribeyre; Tr6sorier
g6n6ral: M. Gritte; Tr6sorier adjoint: M. Cormier; Membres: MM. Maison
Mottart, Brett.
Les 616ves de l’Ecole prSparatoire aux aSrostiers militaire fond6e par l’«A6ronau-
tique-Club de France», dont les noms suivent, ont 6t6 affectäs au Bataillon d’aSrostiers
k Versailles: MM. Dieu, V6nard, Sacerdote, Cruppi, Fourreau, Levindrey, Drouelle, Hum-
bert, Guillard, Picot M., Pinon, Lemoine, Masson, Perrot, Farge de la Section de Paris et
Tonni, Manent, Carre et Th6olier de la Section de Lyon.
Le 21 octobre dernier a eu lieu k la mairie du X e arrondisseraent l’assembläe
g6n6rale de l’A.-C. F. sous la presidence de M. le commandant P. Renard.
Les soixante-quatorze admissions de l’ann£e ont 6t6 ratifiees: leür grand nombre
indique suffisamment le succfcs obtenu pendant l’ann6e 6coul6e.
Sur proposition du Comite, l’assembl6e a adopt6 un article additionnel aux Sta¬
tuts admettant les dames k tous les titres de membres du club. C’est la premtere föis
en France qu’une soci6t6 aSronautique accepte les dames; leur präsence encouragera
cerlainement les h6sitants et servira considSrablement les interßts de l’aärostation au
point de vue de la vulgarisation de ce sport.
M. Gritte, tr^sorier, a donn6 lecture de son rapport qui lui a valu les fölicitations
de l’assembl6e. Les chiffres indiqu£s ont constatö la progression constante des recettes
et la Situation prospfcre de la caisse, en effet les recettes qui Gtaient de 6000 fr. en
1903 ont 6t6 de 8600 fr. en 1904.
M. Sauniere a ensuite pr6sent6 les progr&s du club pendant l’annäe 6coul6e. Ils
concernent notamment:
L’organisation du siege social; la crGation d’une bibliot^que avec salles de lecture,
les diners trimestriels; le perfectionnement de l’enseignement a6ronautique; le choix des
professeurs; l’augmentation du nombre d’ascensions auxquelies tous les membres sont
admis ä prendre part gratuitement; l’achat d’un nouveau matSriel mis k la disposition
des membres et la rdduction k 0 fr. 12 du prix du gaz; la creation d’un parc, etc.
Le prösident a ensuite remis les m6dailles accord6es par le Comit6 k l’occasion
du rallie-ballon et du concours de photographies.
M. le commandant Renard prenant alors la parole, a rappelt combien l’a£rostation
devenait de plus en plus scientifique et a f61icit6 la soci6te des efTorts qu’elle tentait en
ce sens. II a terminä en assurant qu’il se proposait de prendre une part active aux
travaux du club.
M. Sauniere, prSsident de l’A.-C. F., a remerci£ M. le commandant Renard de sa
bienveillante sollicitude que la socidt4 s’efforcera de märiter.
Aprös ölection de MM. V. Lachambre, Ribey, Selber, Mottart et Brett comme
membres du Comite, la s6ance est levee k onze heures.
Der «A6ronautique-Club de France», Soci6t6 de vulgarisation scientifique, fond6e
en 1897, hat sein «Programm des causeries» für 1905 herausgegeben. Vom 7. De¬
zember 1904 ab bis 21. Juni 1905 folgen an 9 Abenden (stets Mittwoch 8 1 /* Uhr)
gemeinschaftliche Vorträge und Besprechungen über den Ballon: technische Ausdrücke,
Auftrieb, Vertikalbewegung, Aufhebung des Gleichgewichts, Ballastverwendung, Ballonet-
wirkung — Luftschiffahrt — Ballonbau, Füllung, Aufstieg und Landung — Mili¬
tär-Luftschiffahrt in Frankreich und auswärts — Gase, die in der Luftschiffahrt
angewendet werden — Ballonphotographie — Allgemeine und in der Luft¬
schiffahrt angewendete Meteorologie. — Hieran schließen sich im Juli bis Sep¬
tember noch 3 Abende für verschiedenes.
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32
Zu diesen Belehrungsveranstaltungen haben nur Klubmitglieder Zutritt. Für die
Schüler der Vorbereitungsanstalt, welche der Klub gegründet hat, ist ein besonderer
Kurs eingerichtet. Außerdem ist noch für Unterweisung in Handfertigkeit (Knüpfungen
im Tauwerk), Anwohnung bei Füllungen, gesorgt.
Die Lehrkräfte sind Ingenieure Surcouf, Renard, Pi6tri, Espitallier, Boulade, Dau-
bert, lauter praktisch erprobte Kräfte.
Durch einen Zusatz zu den Satzungen des Klubs wird den mit Klubmitgliedern
verwandten Damen gleiches Recht und gleiche Obliegenheit mit diesen zugesprochen.
Dem Vorstand können sie jedoch nicht angehören. Sie reihen sich in die Aufstiegs¬
liste wie andere Mitglieder ein, dürfen aber nur in Begleitung eines der vorgeschlagenen
Mitglieder fahren. Ihre Reihenfolge wird nach vor- oder rückwärts so versetzt, daß
dieser Bedingung entsprochen ist.
Interessant ist die Mitteilung, daß der Leuchtgaspreis für Füllungen im Luft-
schifferpark zu Rueil auf 0,12 fr. gesetzt ist, unter der Bedingung, daß die Ballons nur
Mitglieder tragen, welche mindestens ein Jahr dem Klub angehören und von einem
geprüften Führer des Klubs geleitet werden. Zwei Tage vor der Fahrt meldet der
Führer den Inhalt des zu benutzenden Ballons und die Namen der Mitfahrer beim
Präsidenten an, zahlt im Park 0,15 fr. per metre. Die Differenz von 0,03 fr. wird durch
den Schatzmeister ihm gegen Vorweis der Gas-Kompagnie, gezeichnet durch das Komitee,
rückvergütet. K. N.
An unsere Leser und Leserinnen.
Zu meinem großen Bedauern hat sich mit der Zeit ergeben, daß die
Handhabung der Leitung der «Illustr. Aer. Mitteilungen» gegenwärtig An¬
forderungen an den Chef-Redakteur stellt, wie sie sich meiner persönlichen
Veranlagung nach nicht mit der Pflege meiner Gesundheit in Einklang
bringen lassen. Nachdem es gelungen ist, in Herrn Dr. A. de Quervain,
Sekretär der Internat. Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt in Stra߬
burg i. E., einen Ersatz zu finden, wodurch eine elastische jüngere Kraft die
Leitung der Zeitschrift antritt, so glaube ich, daß auch für fernerhin das Blühen
und Gedeihen der Illustr. Aer. Mitteilungen, wie ich es von Herzen wünsche,
nach Möglichkeit und menschlichem Ermessen auf sichern Boden gestellt ist.
Indem ich allen Mitarbeitern, ständigen wie gelegentlich tätigen im Namen
der Redaktion für ihre sachgemäße Unterstützung bestens danke, trete ich
selbst wieder in ihre Reihen ein und verabschiede mich nur in meiner
Eigenschaft als Chef-Redakteur von ihnen wie auch von den geehrten Lesern
und Leserinnen mit bestem Segenswunsch für das neu angebrochene Jahr
und für die folgenden Zeiten. K. Neureuther.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
jßlle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Sie Redaktion.
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illustrierte Aeronautische Jtfitteilungen.
IX. Jahrgang. *f Februar 1905. x* 2. Heft.
-** »««v» *“*0 -ar« ■*■ st
An die Leser.
Mit dieser Monatsnummer geht die Chefredaktion der «Illustrierten
Aeronautischen Mitteilungen», die bisher in so umfassender und erfolgreicher
Weise von Herrn Generalmajor K. Neureuther versehen worden ist, an
den Unterzeichneten über. Erfreulicherweise verbleibt der bisherige Chef¬
redakteur auch fernerhin in der weiteren Redaktion. Es geschieht gewiß
im Namen aller Leser, wenn ich ihm für seine großen Bemühungen um das
Gedeihen der Zeitschrift hier den besten Dank ausspreche.
Mit dem Wechsel in der Chefredaktion ist keinerlei Änderung prinzipieller
Art verbunden. Die Redaktion wird es sich nach wie vor angelegen sein
lassen, den verschiedenartigen Aufgaben der Zeitschrift zur Befriedigung
der Leser gerecht zu werden. Ich spreche die zuversichtliche Erwartung
aus, mich hierin von alten und neuen, ständigen oder gelegentlichen Mit¬
arbeitern kräftig unterstützt zu sehen.
Straßburg i. E., Januar 1905.
A. de Quervain.
an
Aeronautik.
Die Luftschiffahrt auf der Weltausstellung
in St. Louis 1904.
ll.
Das wichtigste aeronautische Ereignis der Ausstellung war unter den
vorher geschilderten Umständen der fünfte internationale aeronautische Kon¬
greß. Zwar fiel derselbe gleichfalls sehr verschieden aus von der zeitweilig
erhofften triumphierenden wissenschaftlichen Ausbeutung glänzender prak¬
tischer Wettbewerberesultate; doch indem er einigen Forschern ersten
Ranges Gelegenheit bot, mit den Resultaten neuartiger Arbeiten gerade jetzt
an die weitere Öffentlichkeit zu treten, wurde er zu einem Ereignis von histo¬
rischer Bedeutung. Als gewissermaßen erster Vertreter der ausschließlich
wissenschaftlichen aeronautischen Forschung erschien Professor Dr. Albert
Francis Zahm von der physikalischen Fakultät der katholischen Universität
der Vereinigten Staaten zu Washington mit einer epochemachenden Ent¬
deckung. Günstige Umstände setzten ihn vor Jahren in den Besitz eines
speziell für ihn erbauten und mit allem Nötigen aufs beste versehenen
aeronautischen Laboratoriums. Schon als Student hatte er sich der Er-
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 5
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34
forschung des Luftwiderstandes zugewandt, zunächst in bezug auf einen
praktischen Zweck: zur Bestimmung der Hemmung abgeschossener Projektile.
Mit ungewöhnlicher geistiger Schärfe
hatte er eine Methode ersonnen, die auf
photographischem Wege eine früher un¬
erreichte Genauigkeit der Messung ge¬
stattete. Diese Untersuchungen wurden
seine «Doktorarbeit». Nun geschah es,
daß ein energischer Erfinder mit großen
Plänen eine kapitalkräftige Gesellschaft
zusammen brachte, um eine Riesenflug¬
maschine, die auf eine ganz unerhörte
Geschwindigkeit berechnet war, zu bauen.
Dieselbe war mit fast völliger Vermei¬
dung des < Stirnwiderstands» so ent¬
worfen, daß den Tragflächen eine ge¬
wisse Dicke erteilt wurde, die es* ge¬
stattete, nicht nur die meisten stützenden
und versteifenden Konstruktionsteile,
sondern auch einen guten Teil des Me¬
chanismus in ihnen selber unterzubringen.
Die Pfosten, welche die übereinander geordneten Riesentragflächen verbinden
sollten, waren äußerst schmal und scharf, aber von einer reichliche Festig¬
keit sichernden Tiefenausdehnung geplant. Äußerst originell waren die
Propeller, keine Schrauben, sondern horizontale Schaufelräder, die einfach
einen kreisförmigen drehbaren Abschnitt der Tragfläche selber vorstellten,
der auf seinem ganzen Umfang mit senkrecht stehenden Schaufelflächen
besetzt war. Die Schaufeln wurden durch im Innern des erwähnten Kreises
befindliche Maschinerie abwechselnd umgelegt und wieder aufgestellt und
so kam die Propellerwirkung zustande. Verfasser sah in Professor Zahms
Laboratorium Modelle von dieser Anordnung, bei denen auch die eigenartige,
aus einem engen Gitterwerk dünnster Holzleistehen bestehende innere
Struktur der Tragflächen gut zu erkennen war. Mit dem Plan dieser
Maschine im Kopf und einer Einführung von Ingenieur 0. Chanute in der
Hand kam dieser Erfinder, Mr. Hugo Mattulath, zu Professor Zahm. Nun
wurde baldigst mit den fast unbegrenzten Mitteln der Gesellschaft ein
Laboratorium gebaut und Professor Zahm stellte sein Geschick und seinen
Scharfsinn in den Dienst der eingehendsten Untersuchungen über die Richtig¬
keit der Mattulathschen Berechnungen. Bei diesem war die Beseitigung des
Stirnwiderstands (die, wie auch seine Neutralisierung durch Anwendung
zweckmäßig gewölbter Flächen, Verfasser schon lange als das eigentliche
«Geheimnis des Erfolges» in der Flugtechnik bezeichnete) mit einem enormen
Betrag an Luftreibung bezahlt worden, weil Mattulath, wie bisher alle Flug¬
techniker ohne jede Ausnahme, glaubte, der Effekt der Luftreibung sei zu
Professor Dr. A- F. Zahm.
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gering, um in Betracht zu kommen. Professor Zahm fand es immerhin von
Wert, zunächst einmal einige wirkliche Experimente über die Größe dieses
Effekts anzustellen. Im Laboratorium erbaute er einen «Windtunnel», einen
langen viereckigen Korridor, in welchem ein Mann aufrecht stehen kann,
und versah ihn am einen Ende mit einem großen Schraubenventilator,
kräftigem Elektromotor und der delikatesten Meß- und Kontrollvorrichtung
für dessen Leistungen. Sodann entwarf er einen neuen Meßapparat für die
Windgeschwindigkeit und den Winddruck, verwandte die besten bekannten
Anemometer zum Vergleich und prüfte deren Angaben wiederum an der
Geschwindigkeit, mit welcher ein Kinderballon vor dem vom Ventilator
Laboratorium von Professor Zahm.
eingesaugten Luftstrom durch den Tunnel geführt wurde. Das eigentüm¬
liche Geschick Professor Zahms (welcher den Verfasser in vieler Hinsicht
an Mr. A. M. Her ring erinnert) wird gut durch die Art charakterisiert, auf
welche er diese letztere Methode einwandfrei machte: Er warf diesen
Kinderballon mit der Hand mit aller Gewalt gegen ruhige Luft und maß
die Entfernung, in welcher deren Widerstand denselben zu völliger Ruhe
gebracht hatte. Dann begann er seine Messung im Windtunnel erst von
dem Punkte an, wo der Wind den Ballon schon um die gleiche Strecke
mit sich geführt hatte, und es mehr als anzunehmen war, daß er von da
ab die genaue Windgeschwindigkeit angenommen habe. Als alle Apparate
fertiggestellt und wohlerprobt waren, wurden größere Flächen dem Luft¬
strom im Tunnel in der Weise ausgesetzt, daß nur die Luftreibung parallel
zu ihrer Ebene auf dieselben wirken konnte. Und siehe da — es stellte
sich heraus, daß selbst bei der denkbar glattesten Fläche die Wirkung dieser
Reibung außer allem Verhältnis größer war, als man je geahnt hatte. Um¬
gekehrt war eine sehr merkliche Rauheit erforderlich, um ihn meßbar zu
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vergrößern, woraus hervorgeht, daß die Reibung nicht sowohl zwischen
Fläche und Luft, als zwischen Luft und Luft statt hat, nämlich zwischen
der freien Luft und jener, die an der Fläche bei ihrer Bewegung mehr oder
weniger hängen bleibt und mitgenommen wird. Also selbst bei der Reibung
kommt eine gewisse «Wirkung in die Ferne» in Betracht. (Vergl. Herrings
Schraubentheorie.)
Wie gewöhnlich in solchen Fällen muß man sich angesichts der be¬
wiesenen Tatsache nur wundern, warum die nur allzu merkliche Reibung
von Gasen an den Wänden von Leitungsröhren nicht schon längst solche
Untersuchungen veranlaßt hat. Verfasser hörte seitdem eine beherzigens¬
werte Ansicht eines geschickten Experimentators. Mr. A.M. Herring stellte vor
zwei Jahren seinerseits nochmals Privatuntersuchungen über Luftwiderstand
an. Deren originelle feine Art zu beschreiben, würde hier zu weit führen
und gut den Gegenstand eines besonderen Artikels bilden. Herring erklärte
jedoch, es sei ihm nach Professor Zahms Mitteilungen klar geworden, daß
das dabei beobachtete Zurückfallen der Richtung des Luftwiderstands hinter
die Normale bei ebenen Flächen von Reibung herrühre. (Vergl. Lilienthal.)
Er gestattete sich dann eine unbedeutende Kritik von Zahms Methode: In¬
folge des Einsaugens der Luft sei diese im Windtunnel um ein sehr geringes
verdünnt. Auf die Reibung habe dies insofern einen merklichen Einfluß, als
die Dichtigkeit der Luft in erster Linie deren «Zähigkeit» beeinflusst und
von jener Zähigkeit das Maß der Reibung ganz besonders abhänge. So
wachse im natürlichen Wind die Reibung wahrscheinlich nicht, wie Zahm
fand, im Verhältnis von v 185 , sondern von v 2 , während der eigentliche
Flächenwiderstand dann schneller wachse als mit v 2 (v = Geschwindigkeit),
was sich daraus erkläre, daß der Wind seine Geschwindigkeit so rastlos
ändere, daß das Mittel aus dem Effekt der einzelnen Geschwindigkeiten
beträchtlich größer ausfalle, als der Effekt des Mittels der Geschwindig¬
keiten. — Es ist hier nicht möglich, auf alle die feinen Abtönungen der
Methode einzugehen, mit welchen Professor Zahm bestrebt war, alle er¬
denklichen Fehlerquellen zu beseitigen, zum Beispiel auf die geschickte Art,
auf welche die Flächen nahezu mathematisch eben erhalten wurden etc.
Er fand auch, daß mit der zunehmenden Länge der reibenden Flächen die
Reibung auf dem einzelnen Flächenelement abnehme.
Die Formel für die Reibung (für deren Ableitung es hier an Raum
fehlt) lautete schließlich:
R = 0,0000158 l- 0 ’ 07 v 1 - 85 .
R = Mittel der Reibung auf je einen Quadratfuß Oberfläche in Pfund.
1 = Länge der Oberfläche in der Windrichtung in Fuß.
v = Geschwindigkeit in Meilen per Stunde.
(Alles amerikanische Maße.)
Ist die Fläche von variabler Länge, so kann sie, sagt Professor Zahm,
in Längsstreifen zerlegt werden, wo dann der Reibungseffekt auf einen jeden
Streifen gleich ist dem Produkt aus der Oberfläche des Streifens mit dem
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Google
Reibungsmittel seiner individuellen Länge multipliziert. — Es ist leicht'zu
verstehen, daß bei entsprechender Berücksichtigung der Reibung alle bis¬
herigen Widerstandsdefinitionen eine Korrektion erfordern, weil sie in
Wirklichkeit ja keinen einheitlichen Vorgang ausdrücken, sondern die Kom¬
bination von zwei Vorgängen, von denen ein jeder seinen eignen Gesetzen
folgt.
Das überraschendste praktische Resultat der Zahmschen Forschungen
ist schließlich die Erklärung, warum fischförmige Körper, wie damals der
erste lenkbare Ballon «La France», günstigere Luftwiderstandsverhältnisse
aufweisen, als symmetrische: weil beim selben Querschnitt und Reduktions¬
koeffizienten soviel Reibung wegfällt. Professor Zahm hat im Windtunnel
den Widerstand von vielerlei auto-ballonförmigen, aus Holz gearbeiteten
Spindeln direkt gemessen, desgleichen jenen von Flugmaschinenteilen von
verschiedenen Querschnitten.
Prof. Zahms fesselnder Vortrag über alle diese Forschungen und
Resultate war da freilich die Sensation des aeronautischen Kongresses. Er
wirkte umsomehr, als er durch einen andern Vortrag von Professor Francis
E. Nipher von St. Louis aufs glücklichste ergänzt wurde.
Dieser letztere drehte sich allerdings hauptsächlich nur um einen Wind¬
druckmesser, aber um einen Winddruckmesser von erstaunlichen Konsequenzen.
Im Prinzip ist dieser so einfach wie denkbar: eine offene Röhre nimmt an irgend
einem gewünschten Punkt den infolge des Windanpralls dort herrschenden Luft¬
druck auf und leitet ihn zu einem sensitiven Manometer. Jedoch durch eine sehr
geschickte Methode, durch Münden dieser Röhre in den Spalt zwischen zwei
dicht beisammen befindlichen parallelen kreisrunden, dünnen Scheiben mit
scharfer Schneide, der wiederum durch verschiedene gleichfalls kreisrunde
Lagen von Drahtgewebe, die noch über die Scheiben hinausreichen, völlig
ausgefüllt ist, jede Art von dynamischer Windwirkung völlig zu eliminieren
und lediglich dem resultierenden statischen Druck den Eintritt zu gestatten,
wird dieser Apparat geeignet, die Druck Verteilung auf den Rumpf eines
Autoballons oder einer Tragefläche bezw. den auf jedem einzelnen Punkt
der Oberfläche herrschenden Druck genau zu messen. Wenn einst diese
Methode auf eine Langleysche oder v. Lösslsche Versuchsfläche angewandt
und zugleich der mit der Druckverteilung wechselnde Reibungseffekt genau
bestimmt und definiert wurde, dann dürfen wir endlich sagen: die Aero¬
dynamik ist eine exakte Wissenschaft. Professor Nipher fand bisher
durch seinen Apparat, daß der Winddruck auf irgend eine Oberfläche alles
andere als gleichmäßig verteilt ist. Bei normal exponierter Fläche nimmt
derselbe sehr merklich nach den Rändern zu ab, in geringerem Grad aber
auch gerade im Mittelpunkt.
Auf der Rückseite herrscht der größte Druck jedoch im Mittelpunkt,
was alles in interessanter Beziehung zu der Alilbornsehen Sichtbarmachung
der Stromlinien (auf deren Bedeutung Verfasser bei dem Kongreß Gelegen¬
heit hatte, hinzuweisen) zu stehen scheint. Professor Nipher machte seine
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Untersuchungen für bautechnische Zwecke. Er fand unter anderem, daß ein
schiefes Dach (vergl. die Analogie einer gewölbten Tragefläche) durch den Wind,
statt nach unten gedrückt zu werden, nach oben abgehoben zu werden
strebt. Im Hohlraum unter dem Dach sammelt sich der Maximaldruck des
ankommenden Windes, wie er sich auf das ihm zunächst liegende untere
Dachende allerdings stark bemerklich macht. Gegen die First zu nimmt
aber nach den von Samuelsohn so nachdrücklich betonten Regeln der
Druckverteilung dieser Druck rapide ab und über der First herrscht eine
intensive Saugwirkung, die, mit dem starken Sammeldruck im Hohlraum
verbunden, schon manches Dach
im Sturm glatt weggetragen hat.
Man wird hier an die eingangs
erwähnte Chanutesche neueste
Trageflächenform erinnert.
Alles, was sonst auf dem
Kongreß vorging, kann in aller
Kürze berührt werden. Colonel
Cap per, vom englischen Ballon¬
korps, Major Baden-Powell, Prä¬
sident der Aeronautical Society,
und Hauptmann v. Tschudi er¬
zählten je in interessanter Weise
über aeronautische Vorgänge in
England und Deutschland. Mr.
Willard Smith gab von seinem
(als Präsident des Wettbewerbes be¬
greiflicherweise parteiischen) Stand¬
punkt einen Überblick der ent¬
täuschenden Schicksale dieses Un¬
ternehmens und versprach besseres
in der nächsten Zukunft. Ingenieur
0. Chanute führte seine in den
M Ä .. Aeronautical Annuals von 1896 und
Hauptmann Korrespondent der „III. A. M.“
v. Tschudi. k. Dienstbach. 1897 enthaltenen Abhandlungen
über den Segelflug der Vögel weiter aus. Ein Mr. Reid aus England hielt einen
sorgfältig vorbereiteten und wertvollen Vortrag über die verschiedenen Me¬
thoden, Ballons zu firnissen oder anderweitig zu dichten, von dem sehr bedauert
werden muß, daß er nicht veröflentlicht ist. Es wurde eine Abhandlung
über den Vorzug gewölbter Flächen verlesen. Verfasser war in der Lage,
eine der Ahlbornschen Photographien, jene, welche zeigt, wie sich zwei
übereinander geordnete gewölbte Flächen gegenseitig beeinflussen, als
frappierendes Beispiel für den Nutzen der Flächenwölbung zu bezeichnen,
was jedenfalls die Aufmerksamkeit sehr auf diese Photographien, die in
Zirkulation gesetzt wurden, hinlenkte.
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Dies wären im ganzen die wichtigsten aeronautischen Vorgänge in
St. Louis.
Es erübrigt sich noch, einiges nachzuholen. Eine Beschreibung der sehr
ins Auge fallenden und fraglos Deutschland als erstes Luftschifferland der
Welt hinstellenden Ausstellung unserer Vereine im Transportationsgebäude
wurde schon von anderer Seite gegeben; so braucht Verfasser nur auf die
treffende photographische Aufnahme hinzuweisen, die es ihm gelang, noch
in letzter Stunde, als leider der «Zahn der Zeit» bereits z. B. an Professor
Finsterwalders hübschen Ballonmodellen zu nagen begann, zu erhalten.
Von Professor C. M. Woodward von St. Louis, den er kürzlich auf den
Kongreß der «American Association fer the advancement of science» zu
Philadelphia (einer freundlichen Einladung, vor dessen Ingenieursektion einen
Vortrag über «the lines of progress in Aeronautics» zu halten, folgend)
traf (wobei die an anderer Stelle unserer Zeitschrift folgenden Nachrichten
über «das erste Lebensjahr der Flugmaschine» freudiges Aufsehen erregten,
sowie Mitteilungen über unsere Vereine und unsere Zeitschrift sehr inter¬
essierten), sowie auch von anderer Seite erhielt dann Verfasser noch einige
ergänzende Nachrichten über die letzten Schicksale des «Wettbewerbs».
(Professor Woodward hatte dem Kongreß in St. Louis in ebenso gewinnender
wie tüchtiger Weise präsidiert.) Danach wagte Benber doch zuletzt einen
freien Flug, ward jedoch vom Wind fortgetrieben, weil nach kurzer Zeit sein
Motor völlig versagte. Der Wirkungsgrad seiner Schaufelräder läßt sich
unter diesen Umständen nicht feststellen. Interessanter sind die Details über
Francois. Dessen Traggerüst wurde durch die Suspension so deformiert,
daß die Schrauben anstreiften und es stark beschädigten. Daß sie unter
solchen Umständen überhaupt laufen konnten, spricht sehr gut für den
allgemeinen Entwurf. Nach verschiedenen Beschädigungen endlich hinreichend
repariert, zeigte sich der Ballon, ob wohl geschwind, doch unlenkbar;
Steuern durch die Schraube versagte ganz und ein zugefügtes Steuerruder
erwies sich als viel zu klein. Beim Bestreben, sich innerhalb der «aero-
nautical enclosure» zu halten, trieb der Wind den Ballon gegen die hohe
Umzäunung und beschädigte ihn wiederum beträchlich. «The last straw»
ward indessen durch einen tragikomischen Unfall zugefügt. Als der Ballon zum
letztenmal seinen unbequemen Einzug durch das zu niedrige Tor in die Halle
hielt, fing sich die Hülle oben an einem Nagel oder dergleichen so unglücklich,
daß sich eine reguläre «Reißbahn» entwickelte — jedenfalls «verduftete»
das Gas mit unheimlicher Schnelligkeit und hat sich der Ballon seitdem
nicht mehr sehen lassen. Und welch schöne Leistungen hätte er bei
richtiger, umsichtiger Leitung aufweisen können! — So ist die Geschichte
der Luftschiffahrt zu St. Louis im Jahre 1904 jedenfalls eine solche mit
einer Moral. Das nächste Mal machen wirs besser? Hoffentlich!
Dienstbach.
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Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Die Tätigkeit des aeronautischen Observatoriums des
Kgl. meteorologischen Instituts im Jahre 1904.
Wie bereits im Vorjahre war auch im Jahre 1904 die Hauptarbeit
des aeronautischen Observatoriums der Fortführung der kontinuierlichen
Beobachtungsreihe aus den höheren Luftschichten gewidmet, die weiter in
der Wetterkarte der Seewarte und in verschiedenen Tageszeiten veröffent¬
licht wurde. Die Resultate sind durchaus befriedigend, insofern nämlich,
als die mittleren Höhen der Aufstiege gegen das Vorjahr bedeutend ge¬
wachsen sind. Während die Drachenaufstiege 1903 in 6 Monaten im Mittel
unter 2000 m blieben, ist 1904 kein Monat unter 2100 m, das niedrigste
Mittel hat der Februar mit 2178 m. Im Juli ergab sich sogar ein Mittel¬
wert von 3044 m. Ebenso sind die Höhen des Drachenballons im all¬
gemeinen etwas größer geworden, was in der Verwendung eines Kugel¬
ballons von 20 cbm, der als Hilfsballon am Kabel angebracht wurde, seine
Erklärung findet. Bei der folgenden Tabelle ist von den an einem Tage ausge¬
führten Aufstiegen nur der höchste zur Mittelberechnung herangezogen worden.
Aufstiege am aeronautischen Observatorium 1904.
Januar
Febr.
| März
r
April
Mai
1 —
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Kot.
Dez.
Anzahl der Tage
21
23
19
22
16
17
6
14
17
22
21
24
222
Drohen |
Mittlere Höhe
2184
2178
2363
2628
2497
2603
3044
2510
2715
2240
2258
2640
mm
Größte Höhe
3210
3400
5080
3520
3600
4100
3880
3250
3830
3790
3860
4900
Drachon-Ballon]
[
Anzahl der Tage
10
6
12
8
15
13
25
17
13
9
9
7
144
\
| Mittlere Höhe
1055
1397
1295
1274
1416
1395
1437
1313
1457
1554
1480
1327
1373
Mittel überhaupt
1820
2020
1
1947
2266
1972
l
2080
1743
1852
2172 |
2040
2026^2373
2021
Die Höhe von 2000 m wurde erreicht oder überschritten an 171 (122)
Tagen (Vorjahr in Klammern), von 3000 an 57 (32), 4000 an 5 (4),
5000 an 1 (0) Tag, der die am Observatorium überhaupt bisher erreichte
Maximalhöhe von 5080 m darstellt. Interessant ist die bedeutende Zunahme
der Aufstiege über 3000 m, wogegen die Aufstiege über 4000 m sich nur
um 1 vermehrt haben. Das erstere hat darin seinen Grund, daß einerseits
leichtere Drachen und dünnere, aber festere Drähte verwendet wurden, anderer¬
seits aber das Personal immer geübter wurde und sowohl Wetterlagen wie
Material besser auszunützen verstand, das zweite läßt sich unschwer aus der
Verkürzung der Zeit erklären, die für den Aufstieg zur Verfügung steht.
Während nämlich im Vorjahre die Mitteilung an die Seewarte und das
Berliner Wetterbureau erst um lMaühr erfolgen brauchte, muß jetzt wegen
früherer Ausgabe der Wetterkarten dies schon um 12 l k geschehen, sodaß
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die ohnehin knappe Zeit noch um eine volle Stunde, also um Vs, im Winter
sogar um Vs verkürzt wird.
Die mittleren Höhen aller Aufstiege bieten weniger Interesse, im wesent¬
lichen sind sie in den Monaten, wo sehr viel mit Drachenballons gearbeitet
wurde, niedriger als an den anderen, wie ja zu erwarten ist. Der Drachen¬
ballon steht eben an Brauchbarkeit dem Drachen bedeutend nach, seine
Verwendung ist jedoch bei einer festen Station zur Vermeidung von Unter¬
brechungen unbedingt nötig.
Weniger Gewicht wurde in diesem Jahre auf die Erreichung großer
Höhen im Freiballon gelegt. Wie mehrfache Vergleichungen zeigen, bieten
die Registrierungen der Ballons-sondes in großen Höhen fast dieselbe Sicher¬
heit wie der bemannte Ballon, sodaß wir von der teueren Wasserstoffüllung
verschiedentlich Abstand nahmen und nur mit Leuchtgas fuhren. Dagegen
wurde das Beobachtungsprogramm der Freifahrten durch luftelektrische
Messungen, sowie durch Bestimmung der Vertikal-Komponente des Windes
vermehrt. Die höchste Fahrt mit 7044 m fand am 2. September statt.
Die Ballons-sondes wurden im vorliegenden Jahre von einem merk¬
würdigen Mißgeschick heimgesucht. Von den 16 Aufstiegen versagte 5 mal
die Registrierung. Die mittlere Höhe der übrigen war 9246 m, wobei berück¬
sichtigt werden muß, daß mehrfach die Ballons mit Ventilen versehen
waren, die sich bei einem gewissen Druck öffneten und den Ballon zum
Fallen veranlaßten. Diese Anordnung wurde getroffen, um ein Platzen oder
sogar ein übermäßiges Ausdehnen des Gummis zu verhindern, sodaß der
Ballon mehrfach gebraucht werden konnte. Die Versuche hiermit sind jedoch
noch nicht abgeschlossen. E.
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Segel- und Ruderflug-Apparat.
Von Clemens Opitz, Dresden.
Schon vor Otto Lilienthals Gleitflugversuchen und durch diese wieder
angeregt, ließ ich nach eigenen Ideen und Angaben eine Reihe sowohl dem
Segel- als auch Ruderfluge dienende Apparate bauen. Die mit diesen Flug¬
apparaten zuerst in der Nähe von Eger, dann bei Pillnitz lange Zeit hin¬
durch gemachten Versuche und besonders jene mit dem zuletzt gebauten
entsprachen allen an sie gestellten Erwartungen. Leider erkrankte ich aber
schwer, verlor dabei die zu solchen Versuchen unentbehrliche Rüstigkeit
und da ich andere für meine Bestrebungen nicht zu interessieren versucht
hatte, so verstockten und verfielen die Apparate, die Baubude wurde abge¬
tragen, für mich war damit das, was mich viele Jahre beschäftigte und gerade
da, wo ich gegründete Hoffnung hatte, zum Ziele zu kommen, abgetan.
Nun las ich neulich, daß gelehrte und unternehmende Männer jenseits
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. ß
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42
«des großen Teiches» das, was unser Lilienthal soviel verheißend begonnen,
mit bekannter Energie fortzusetzen und Früchte wieder einmal zu ernten
beginnen, welche im alten Europa gesäet wurden. Ich halte es daher für
meine Pflicht, das nachzuholen, was ich seinerzeit versäumt habe, und will
im folgenden nähere Mitteilungen machen über den letzten von mir erbauten
Segel- und Ruderflug-Apparat. Vielleicht findet sich der eine oder andere
Flugtechniker bewogen, an der Hand dieser Beschreibung einen solchen
Apparat nachbauen zu lassen, zumal die Kosten nicht sehr beträchtlich und
die Bauschwierigkeiten sehr gering sind. Mit Rat und Tat bin ich, soweit
meine Kräfte und Mittel ausreichen, jederzeit gern bereit, beizuspringen.
Figur I läßt den Aufbau des Rumpfskeletts seitlich von vorn gesehen
erkennen: a a' und b b', sind zwei 0,035 m starke, 2,5 m lange Bambusstangen,
welche 0,5 m von oben gemessen überkreuz zusammengeschnürt an ihren unteren
Enden a. b. 3 m auseinanderstehen. An diese beiden Stangen festgebunden
sitzt 0,4 m von den Enden a b aufwärts ein 0,015 m starker Bambusstab p p 4 .
Von der Mitte dieses Stabes p p' und an diesen geschnürt führen lotrecht
nach oben in einem Abstande von 0,5 m zwei gleichfalls 0,015 m starke
Stäbe c b' und c' a', erreichen bei b' a' die Enden der beiden Diagonal¬
stangen a a' und b b' und werden ebenfalls fest angeschnürt. Annähernd 0,1 m
unter dem Kreuzungspunkte genannter Diagonalstangen ist ein 0,04 m im
Durchmesser starkes, 0,6 m langes Stück Holz d d 4 an erstere sowohl als
auch an die Stäbe c b' und & a 4 festgebunden. Die Enden dieses Holzes
laufen in je 0,05 m lange Zapfen aus. Zwischen dem Holze d d 4 und dem
Kreuzungspunkte der Diagonalstangen wird nun eine 0,05 m starke, 3 m
lange Bambusstange r r 4 bis zur Hälfte ihrer Länge so durchgesteckt, daß
sie zu den Diagonalen stumpfwinklig etwa 105°, zu dem Holze d d 4 aber
rechtwinklig zu liegen kommt. In dieser Lage wird sie sowohl an d d 4
als auch an die Diagonalen möglichst festgeschnürt. Weiter führen an c c 4
festgebunden zwei 0,02 m starke Stäbe an dem hinteren Ende r r 4 0,25 m
von r aufwärts gerechnet sich dort kreuzend und daselbst festgebunden
vorüber und noch 0,5 m über r r 4 , das wir Rückgrat nennen wollen, hinaus.
Die Enden aller dieser genannten Stangen und Stäbe werden nun, um ihre
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Lage zu einander unverrückbar zu machen, wechselseitig mit entsprechend
starken Klaviersaitendrähten verbunden und zwar r r / sowohl über b' a' als
auch über a b und r mit c c\ *) Auf diese Weise ist zunächst ein im Druck
und Zug sehr widerstandsfähiges und doch sehr leichtes (7 kg) Gestell
(Rumpfskelett) entstanden, an welches sich Flügel und Steuer in mannigfal¬
tiger und zwanglosester Art anbringen lassen. Wenn nötig, läßt sich das¬
selbe, ohne es wesentlich zu belasten, durch Einziehen von Drähten noch
mehr versteifen. An den Zapfen des Querholzes d d* sitzen die Flügelarme
d f und d' f, zwei Bambusstangen von 0,05 m Durchmesser und 3,50 m
Länge, getragen und gehalten durch Drähte a' m und b' m von oben, durch
r f und r f von vorn, durch r' f und r' f' von rückwärts und von unten
durch a f und b f'. An diesen Flügelarmen sitzen in gleichen Zwischen¬
räumen nach rückwärts und in geschlossenen Gelenken die noch eingehender
zu beschreibenden Flügelrippen n 1 — n 4 und n' 1—n' 4. Wie schon erwähnt,
gehen die Stäbe c e' und c'e noch 0,5 m über das Rückgrat r r' hinaus,
sie sind die Träger des Steuers: Ein an ihren oberen Enden querüber liegender
0,02 m starker, 2 m langer Bambusstab, an dessen Mitte und rechtwinklig
zu ihm stehend im Scharnier beweglich eine 3 m lange spitz auslaufende
Bambusstange angebracht ist, dient ihm als Hauptstütze (Steuerstab). Am
Drehpunkte dieser Stange und rechtwinklig nach oben an ihr festgebunden
sitzt schließlich noch ein 0,5 m langes, 0,015 m starkes Stäbchen, dessen
oberes Ende durch Draht an die Steuerstange bei m versteift und durch zwei
weitere Drähte von a' b' her Richtung und Halt erhält. Weiter gehen von
diesem Stabende Versteifungsdrähte nach s s', den Endpunkten des Steuer¬
querstabes.
Während die Flügelarme unbeweglich und etwas nach rückwärts fest¬
gelegt sind, lassen die Flügelrippen sich bewegen. Der Bewegungsmecha¬
nismus und Vorgang ist, wie die Figur zur Anschauung bringt, folgender:
Bei t und t' der Stäbe c e' und c' e sind an Scharnieren zwei Hebelarme
v und v', Rohrstangen von 0,03 m Durchmesser und 1,20 m Länge. Diese
Arme gehen 0,2 m über die rechtwinklig vorliegenden Stäbe b' c und
a' c' hinaus und werden dort von an ihnen und dem Rückgrate fest¬
sitzenden Spiralfedern w und w' nach oben gezogen und festgehalten. Von
da, wo diese Spiralen an die Hebelarme befestigt sind, laufen Schnüre über
die bei c und c', dann bei a und b angebrachten Wirbel. An diese Schnüre
sind hinter den letzten Wirbeln je drei Drähte eingehängt, welche ihrerseits
je an eine Flügelrippe, und zwar an den äußeren näher nach den Flug¬
armen zu als an den inneren festgehängt sind. Die beiden dem Rückgrate
zunächstliegenden Rippen werden von p p' aus durch Spiralen und Drähte
festgehalten. Die Spiralen w und w' sowie bei p und p' haben eine solche Stärke,
daß sie erst dann, wenn der Luftdruck auf die untere Seite der Segel oder
Tragflächen gleich dem Gewichte des gesamten Flugkörpers ist, zu spielen
beginnen. Beim Fliegen genügt dann der geringste Druck auf die Hebel-
i) Alle Verspannungsdrähte sind in der Figur weggelassen, um diese nicht zu überladen. D. Red.
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arme, den Apparat, je nachdem er auf der einen oder anderen Seite oder
auf beide Hebel zugleich erfolgt, in horizontaler oder vertikaler Richtung
zu steuern. Da bei den äußeren Rippen die Führungsdrähte näher an deren
Drehpunkt als bei den inneren sitzen, werden auch die äußeren Segelflächen
merklicher als die inneren gehoben und damit auch die Tragkraft dieser
Flächen von außen nach innen, je nach der Stärke des Druckes, stufenweise
verringert. Durch diese einfache Vorrichtung kann der Flieger jedem noch
so heftigen Windstoß begegnen, ein Druck auf die Hebelarme genügt, die
Tragflächen bis auf ein Minimum dem Winddrucke
zu entziehen. Die ausgeschalteten Partien der Segel¬
flächen werden nicht flatternd nachgeschleppt, son¬
dern liegen, eine Folge ihrer Wölbung, immer noch
unter einem geringen Drucke auf der Luft, erzeugen
wohl in dieser Lage einen Stromwiderstand in der
Richtung des Fluges, doch ohne diesen wesentlich
zu hemmen. Wenn diese Ausschaltungsweise auch
keine ideale, wie jene des Vogelflügels, so ist sie
doch eine brauchbare, und da letztere schwerlich
nachzubilden, ein guter Ersatz. Die Trag- und
Sitzvorrichtung des Fliegers stellt Figur 2 dar.
An dem Querholz d d' hängt in geschlossenem
Haken die 0,04 m im Durchmesser starke, 1 m
lange Tragstange 1. Das untere Ende derselben
trägt an einem Gurt befestigt einen Fahrradsattel
mit langer Schnauze. Von dem oberen Drittel der Tragstange aus laufen
zwei breite Traggurten h h' bis zur Schnauze des Sattels, an welchen sie
mittels Ring und Haken eingehängt werden. Etwas unter der Mitte werden
diese Traggurte von dem Gurte m, der gleichfalls an der Tragstange einen
Halt findet, in der Weise umfaßt, daß die beiden Traggurten nach rück¬
wärts scharf angezogen werden können. Schließlich werden diese Trag¬
gurten oberhalb des Gurtes m von einem anderen Gurt n umfaßt und durch
diesen mehr oder weniger aneinander gezogen.
Der Flieger besitzt zwei Mittel, das Fahrzeug in vertikaler Richtung
zu steuern. Verlegung seines Schwerpunktes durch Druck in horizontaler
Richtung auf die Hebelarme und Ausschalten einer bestimmten Partie der
Tragflächen durch vertikalen Druck auf die Hebel. Die seitliche Steuerung
erfolgt durch vertikalen Druck auf den einen oder anderen Hebelarm und
die durch diesen Druck an der betreffenden Seite bewirkte Ausschaltung
der äußeren Flügelpartien. Da der auf die Hebelarme in horizontaler
Richtung auszuübende Druck ein dauernder und bedeutender ist, so würden
die Arme sehr bald ermüden und die Gefühle sich darin abstumpfen, wenn
ihnen nicht die zwischen der Tragstange 1 1 und dem Rückgrate einge¬
schaltete Spiralfeder z einen Teil der Last abnehmen würde. Durch den
wagerechten Druck auf die Hebel und diese Feder z ist die Lage des
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Fliegers keine aufrecht stehende mehr, sondern eine nach vorn geneigte (Fig. 3).
Wird hierdurch sein Stirnwiderstand gegen die Luft ein vorteilhafter, so
wird dieser noch mehr abgemindert durch ein an der Rückgratspitze und
den Flügelansatzstellen eingehängtes dreieckiges Segel, das in der Mitte
durch einen Spanndraht, welcher gleichfalls von der Rückgratspitze aus¬
geht, sich dann gabelt und bei c c' (Fig. 1) endet, nach unten versteift wird.
Der Winddruck wirkt dann mehr hebend wie hemmend und der Flieger
ist hinter diesem Segel wenigstens in seiner oberen Hälfte vor jedem Winde
geschützt. Auch dieses Segel muß dort, wo es an Flügelansätzen festliegt,
an Spiralfedern hängen. Das Steuer kann je nach seiner Richtung zu dem
Rückgrate tragend oder niederdrückend wirken. In unserem Falle soll es nur
dazu dienen, dem Apparat das Umkippen nach vorn und ein unbeabsichtigtes
seitliches Abschwenken von der Flugrichtung unmöglich zu machen. Es
ist daher nach oben und in einem sehr stumpfen Winkel zu dem Rückgrate
festgelegt, während es von unten von dem Rückgratende nur durch die
Spiralfeder z gehalten wird. Beim Abspringen und beim Landen gibt letztere
nach, sodaß das sonst aufschlagende Steuer nicht hindert und beschädigt
wird. Beim Fliegen baucht sich das Steuersegel nach unten beiderseitig
aus, die Steuerstange wirkt dann ähnlich wie der Kiel des Schiffes und
verhindert, da sie weit hinter den Tragflächenmittelpunkt zu liegen kommt,
daß der Apparat bei einseitigem Winddruck auf die Peripherie der Flügel
aus dem Striche kommt. Ein anderer Vorteil dieser Anordnung des Steuers
ist die federnde Elastizität seines Endes nach allen Seiten hin und die
durch seine steile Lage zu den Flügelsegelflächen hervorgerufene nieder¬
drückende Wirkung auf die Rückkante der letzteren, wodurch die vortreibende
Federkraft dieser gestärkt wird. Wie schon bemerkt, sind die die Flügel-
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46 €«««
Wölbung bildenden Rippen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Flügel¬
rippen sind sämtlich parabelähnlich gewölbt, ihre größte Wölbungshöhe liegt
im ersten Drittel ihrer Länge, den Flügelarmdurchmesser mit eingeschlossen,
und soll Vio der Sehnenlänge nicht überschreiten. Um der Wölbung Stand
zu verleihen, sind die ersten zwei Drittel der Rippen mit Spanndrähten zu¬
sammengezogen, das letzte freigelassene konisch verlaufende Rippende hat
nun die Funktion, sich bei Druck zu strecken und bei Überdruck in seinem
letzten Teile nach oben auszubiegen. Als Stoff zu den Segeln genügt im
Schüsse und Kette dichter Perkal, sogenannter Ballonperkal, er ist außer¬
ordentlich haltbar und sehr leicht. Der Stoff wurde für jeden einzelnen
Flügel zugeschnitten, an besonders dem Zuge ausgesetzten Stellen doppelt
genommen, auf das Flügelskelett gelegt und dort an die Rippen unter
beiderseitigem Aus- und Einstich und jedesmaliger Umschlingung des Fadens
um die Rippen angenäht. Vorteilhaft waren auch besondere für die Rippen
an den Stoff genähte Taschen, nur mußten dann die Spanndrähte der
Rippen erst nachträglich eingezogen werden. Die Befestigung des Stoffes
an den Flügelarmen wurde bewerkstelligt, nachdem er über diese gezogen
war, durch in der Nähe der Rippen an ihn genähte Bänder, welche ihrer¬
seits um die Rippenhaken geschlungen, dort fest angezogen und gebunden
wurden. Die beiden Flügelsegel werden schließlich in der Nähe des Rück¬
grates entweder an dieses oder über dieses hinweg unter sich durch Schnur¬
naht scharf angezogen. Den Segelstoff luftdicht und glatt zu machen, ohne
sein Gewicht wesentlich zu erhöhen, ist mir nicht gelungen. Kollodium,
welches ich hierzu benutzte, hat sich nicht bewährt, auch Firnis eignete
sich der Schwere und der Klebrigkeit halber nicht dazu. Die von mir ge¬
bauten Flugapparate wogen im Durchschnitt 21 kg; der hier beschriebene
nach Abzug der Tragvorrichtung kaum 19 kg, die Tragvorrichtung noch
nicht ganz 4 kg, zusammen mit meinem Körpergewicht 79 kg. Die Gewichts¬
verhältnisse der Flügel zum Körper waren daher so wie bei den großen
Segelfliegern annähernd wie 1 :4. Rechnet man noch das Gewicht aller
der Teile ab, die unter den Tragflächen zu liegen kommen, so bleibt für
die eigentlichen Flügel alles in allem kaum 10 kg an Gewicht. Bei aller
dieser Leichtigkeit hat der Apparat eine genügende Festigkeit. Ich habe
ihn lotrecht gegen den Wind eingestellt und einem Druck ausgesetzt, der
das Vierfache meines Körpergewichtes betrug, ohne daß der Bruch irgend
eines Teiles desselben erfolgte. Ein Zerreißen der Drähte ist nur durch
allzuscharfes Zusammendrehen, also bei den Befestigungsstellen zu be¬
fürchten, es sind daher dort besondere Vorrichtungen zu treffen.
Irish’s aerial sailing craft.
While Major Baden-Powell, President of the Aeronautical Society of Great Britain,
was recently engaged in carrying out experiments on aeroplane machines in London,
Mr. W. E. Irish, an electrical and meehanical engineer, was similarly engaged on the
slope of Little Mountain, near Cleveland, Ohio.
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In a paper recently read before the British Association in London on «The Deve¬
lopment of the Aeroplane», Major Baden-Powell, the author, said: — «The day is
undoubtedly drawing near when we shall utilize the highway of the air for traveU.
The soundness of Major Powell’s views has been established by the experiments of
Mr. Irish, which although far from complete and made under very unfavourable
conditions. clearly demonstrated, among other things, that the simple expedient of
shifting the centre of gravity of his aerial sailing craft, by the body movement of the
operator, altered the angle of the wing surfaces and so changed the lateral and
vertically inclined course accordingly, thus practically solving the problem of automatic
equilibrium and control.
It was found that with little practice the requisite movements to maintain equi¬
librium would be made by the operator as promptly as those of a cyclist, and that no
valuable time need be lost in acting or thinking how to act as all the movements
necessary, to meet the constantly varying conditions and maintain control, are made
as instinctively and as naturally as those
of a trick skater. The craft is automatically
balanced and otherwise controlled by the
weight, intelligent will power and animal
instinct of the operator, who, as an integral
part of the craft, and its bailast, simply
moves his body to attain his object.
Mr. Irish has for many years been
engaged in the study of mechanical flight,
during which time he has constructed and
experimented with numberless models, based
on the lines of Nature’s most practical
flying machines, the birds. Starting with
models employing two wing feathers he has
gradually and systeimatically progressed
until his experimental models, with natural
and artificial wings, developed into practical
machines and finallv into one of two men
capacity, which has already given very
encouraging results. A wing feather is a
perfect aero-curve and a pair taken from
the same position in a right and left wing
of a good flyer, will, if properly arranged Seitenansicht des FahrieuQs.
and operated, sail on the air as the living bird.
Experimenters, particularly those of limited means, would do well to make this
their starting point and while carefully studying natural laws follow closely her best
examples.
One of the primary objects in the first series of experiments with the practical
aerial sailing craft of two men capacity, illustrated and described below, was to compare
behaviour with the smaller ones previously experimented with and further to enable
the experimenter to safely and practically test it while he acquired the necessary skill
and confidence to control it in free flight. In these trials the operators body, as the
animated centre of gravity, moved about as necessity required to obtain the desired
results and maintain stability.
The experiments were made while the machine hung supported from a wheel-
carriage which ran on a 700 ft. span of wire cable, stretched and inclined from a lofty
tree on a hill to a low derrick in the valley below. By means of a cord the operator,
while on the craft, could release the grip when the machine would travel down the
inclined cable and obtain impetus to lift it on the atmosphere, or it could be arrested
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and held at any point of its course. The craft had a total sustaining surface of over
500 sq. ft. divided among 26 pairs of wings which contained 7,000 large, long and
carefully selected, right and left wing feathers, properly arranged and fitted to overlap
and well cemented in elliptically shaped white pine slats, measuring 10 ft. long, 1 */*
in. wide and l /* in* thick, which formed the wings which were 15 in. deep.
These wings, at dihedral angles, were arranged in pairs, on a diamond shaped
frame, in step-like Order, receding from the centre and front where they were 1 ft.
apart, behind, as well as above and below each other and while all had a normal
angle of incidence the tips of the upper series inclined downward and inward whereas
the tips of the lower series of wings inclined upward and inward so that all the wing
tips on each side were brought to within six inches of each other, while their centres
were 1 ft apart. Thus the greatest support was at the centre of gravity which was low
down near the vertical axis of the System.
The wings, which
were a sort of compromise
between those of soaring
and sailingbirds, presented
their thin cutting and stiff
front edges so as to cleave
and utilize a stratum o
air for lift, support and
progressive motion, without
disturbing the air required
by the other wings.
The mach ine which
is very light, strong and
somewhat flexible proved
to be an ideal parachute,
weighing complete on
wheels as shown in the
figures 65 lbs., measured at
its axis 22 ft. spread, 8 ft.
from stem to stern and
14 ft. high.
The boat previouslv used was, for the sake of economy, replaced by a Kite-shaped
railed in platorm, which was supported, from the central, elliptical, pine wood frame
spars, by four 3 j* in steel tubes, the whole being counter-stayed in every direction with
steel wire. On this 2 ft. platform the operator could sit or stand and freely move within
its limited boundary, but he could not, by design or accident, seriously aflect the
equipoise of the craft, or cause it when free to fall, otherwise than down a long sloping
course to the earth on which it would smoothly alight and run forward until arrested
by its own tractive resistance. The operator could, however, as the animated bailast
and intelligent centre of gravity, move instinctively or with intent and effectively control
the craft by changing the inclination of the wings, fore and aft or laterally, and so use
the force of the wind for lift, the force of gravity for descent and advancement, the
upward pressure of the air for sustainment and the accumulated force of gravity, the
components of the forces, and the reaction of the compressed air, as it escapes from
under the wings and acts upon the turned up feather tips, for horizontal forward motion.
On shifting the centre of gravity fore and aft the machine tacked vertically
forward across the horizon and swept to the right or left when the centre of gravity
was moved sideways, and when the angle of incidence was changed at the end of a fall
to lift, the momentum carried the machine forward on the upward tack. With the
accelerated force of gravity and an angle of incidence above the horizon the craft will
Vorderansicht.
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rise against the wind to a greater elevation than that from which it previously feil and
it will rise and often advance against a wind of 15 miles an hour.
It is well to note that before the air can give under the pressure the wings travel
on to other columns of air which furnish additional support, therefor as the velocity
increases so with the support and as the angle decreases with the velocity so will the
horizontal resistance decrease and the area of supporting surface and the vertical
resistance against the force of gravity, increase. The wind which strikes under the
wings to impart lift and forward motion, acts as it would on the sails of a boat but
vertically instead of horizontally. The sail boat however has to sail in two vastly unequal
mediums, one being 800 times more dense than the other, and therefor requires a
rudder to keep her course, but this aerial sailing craft, which will travel at vastly greater
speed in one and the lighter element requires no rudder as it is always under the perfect
control of its intelligent baliast, its operator.
A 10 ft. wing, taken from the craft, held horizontally at its inward end with
slight upward inclination and made to describe a circle around the experimenter’s body,
will be lifted on the air with considerable force and in a strong wind it becomes too
powerful for the operator to control without altering the angle of lift. At no angle it
appears to be relieved of its weight and all horizontal resistance.
It may be well to repeat that the hovering and sailing flight of man is
not dependent on mechanical power, and also to point out that Nature öfters the
required forces free, and makes them everywhere available and always ready to act on
the properly built contrivances of man so that he may travel the air as a bird, in spite
of the power and direction of the wind.
The intelligent centre of gravity to maintain its own equilibrium naturally shifts
so as always to be in correct relation with the component forces and the centre of
support, therefore the stability of the machine is never seriously endangered.
The only power that need be expended in individual sailing flight is that required
to alter the position of the centre of gravity, but for direct horizontal and very rapid
flight, and for larger machines starting from level ground, mechanical power is required,
and to meet this needMr. Irish is now engaged in building a novel, gradual combustion^
constant pressure, reactive hydro-carbon motor of 10 H. P. which he Claims
will weigh only 5 Ibs. per H. P. With this motor he expects to drive at great velocity
het new aerial craft he has just commenced for war purposes.
The photographs from which the illustrations are made were not developed until after
the machine was taken to pieces and shipped from the testing ground, so that others
could not be taken to replace these very bad ones; however it is hoped thay will be
found distinct enough to make the machine understood. W. E. Irish.
«e
Kleinere Mitteilungen.
Santos Dumont hat auf der Generalversammlung des «A6ro-Club de France*
angekündigt, daß der von ihm gestiftete Preis von 4000 frcs. für die erste 48 ständige
Freifahrt im Ballon oder einem anderen Luftfahrzeug bestimmt sei. Der Preis kann nur
von einem Mitglied des Clubs gewonnen werden, dessen Aufstieg durch zwei Klubmit¬
glieder überwacht wird. K. N.
Die Reißbahn wird in Frankreich zuweilen dem Beispiel deutscher Luftschiffer
folgend benutzt, doch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg, was sich in einfacher
Weise erklärt: Das Kautsehukklebemittel, mit dem in Deutschland die Kautschukbahn
mit ca. 12 cm breitem Rand aufgeklebt wird, hält gut auf Kautschukstoff. Wird aber der
Kautschukstoff der Bahn auf gefirnißten Stoff aufgeklebt, so ist es erforderlich, an
Illustr. Aßronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 7
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den Rändern des geklebten Randstreifens noch eine leichte Stichnaht anzubringen, um
ein Selbstloslösen. zu verhüten. K. N.
Photographie der Luftschiffersonne. Herr Victor Mottart, Ballonführer im L'A£ro-
nautique Club de France, war so freundlich, uns seine interessante Aufnahme der
Aureole vom Ballon aus zur Ansicht vorzulegen. Die Aufnahme ist recht geschickt
gemacht und gut gelungen. Herr Mottart hat als Vordergrund zusammengerolltes Anker¬
tau auf dem Korbrande genommen. Rechts davon erkennt man auf einer weißen
Wolkenwand ein ziemlich scharfes Schattenbild des Ballons, umgeben von einem lichten
Kreise, dessen Mittelpunkt der Gondelschatten ist. Der Aureolenkreis wird durch den
Ballonschatten oben unterbrochen. Nach Angabe von Herrn Mottart ist er in Frankreich
der erste Luftschiffer, dem es gelungen ist, dieses optische Phänomen zu photographieren.
«L\A£ronaute> (November 1904) bestätigt diese Angabe im Sitzungsbericht vom 27. Okto¬
ber 1904 der Soci6t6 fran^aise de navigation a6rienne.
Die Montgolfteren. Schon seit längerer Zeit macht sich in den Luftschifferkreisen,
die ihr Augenmerk auf praktische Betätigung richten, eine Bewegung bemerklich, welche
sich mit einem Zurückgreifen auf die Montgolfi&ren beschäftigt. M. Louis Godard, welcher
diese Idee auch schon in der Fachpresse vertreten hat, soll den Bau eines 1200 cbm
großen Ballons planen, für dessen Erprobung der Park des belgischen Aeroklubs in
Aussicht genommen ist. Der wesentliche Vorteil der Heißluftballons, die Unabhängigkeit
von Gaserzeugung, bezw. -Transport würde sich besonders für militärische Verwendung
fühlbar machen. Die früher hindernde Feuersgefahr zu beseitigen, hat die jetzige Technik
Mittel genug, wie auch die hier anwendbaren Heizapparate, z. B. Petroleum-Röhren-
brenner, große Vervollkommnung erfahren haben. Dauerfahrten würden besonders gegen¬
über jenen mit Gasballons günstigen Umständen begegnen, ln «l'Aßronautique» (Revue
technique) beschäftigt sich M. de Graffigny mit der Sache, den Arbeiten von L. Godard
und Sßbillot folgend: Im Innern einer Ballonhülle kann eine um 80° höhere Temperatur
als jene der Außenluft unter schwachem Strahlungsverlust erhalten werden. Diese
Differenz entspricht einem Auftrieb von 300° pro Kubikmeter. Ein Ballon von 1300 cbm
Inhalt würde 28 Kilo Petroleum (das rund 9000 Kalorien pro Kilo liefert) bedürfen, um
die Temperatur im Innenraum um 80° zu erhöhen, und die Erhaltung des Temperatur¬
unterschiedes gegen außen würde 3 Kilo pro Stunde erfordern. Das Gewicht der Hülle
ist beim Heißluftballon, weil Firnis etc. entbehrlich wird, geringer und kann zu 60—80 gr
pro Quadratmeter angesetzt werden statt 300— 350 gr, wodurch ein Teil der Auftriebs¬
differenz gegenüber dem Gasballon sich ausgleicht. Da naturgemäß nicht Hochfahrten,
sondern der sportmäßige Weitfahrbetrieb zunächst als Ziel vorschwebt, so kann die
Absicht der Begründung einer «Association sportive des Chauffeurs d’a^rostats» immerhin
als sachdienlich begrüßt werden, i) K. N.
Die Firma Riedinger in Augsburg hat auf der Weltausstellung in St. Louis 1904
für das ausgestellte Modell des Drachenballons Parseval-Sigsfeld die goldene Medaille
erhalten. Zu dieser wohlverdienten Auszeichung darf die Firma der teilnehmenden
Freude aller deutschen Luftschiffer versichert sein. $
Der Bau des Staklballons von «Stubenring > in Wien wurde eingestellt und soll
an anderem Ort weitergeführt werden. Wo, ist noch nicht bekannt. K. N.
Briefe vom mandschurischen Kriegsschauplatz. Der Redaktion des *Warsch. Dn.>
sind Auszüge aus Briefen zugegangen, die Hauptmann Estifjejew erhalten hat, und zwar
von Unteroffizieren der sibirischen Luftschifferkompagnie. Ihre Mitteilung wird
eines gewissen Interesses auch jetzt nicht ermangeln :
') Wir behalten uns vor, etwas eingehender auf die Sache zurückzukommen. D. R.
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«14. August. Ganz gehorsamst danke ich Ew. Hochw., daß Sie uns auch hier
nicht vergessen haben. Ich melde, daß wir noch bei Liaojang stehen, daß wir am 12.8.
den Apparat fertig machten und die Füllung ausführen wollten, aber der Regen ver¬
hinderte es, und wir blieben. Zuerst war befohlen, daß wir auf 2 Stationen arbeiten
sollten, doch auch dieses wurde abgeändert, und der Kampf ist im Gange von Ost und
Süd, etwa 30 Werst von Liaojang entfernt. Von Morgen bis Abend ist Geschützfeuer
zu hören. In Liaojang waren verwundete japanische Offiziere und Soldaten. Sie be¬
ginnen sich zurückzuziehen.
15. August. Heute füllten wir den Ballon, und morgen gehen wir in Stellung, wo wir
jedenfalls ins Gefecht geraten, denn die Japaner sind gegenwärtig seitwärts bis auf 12,
ostwärts bis auf 15 Werst heran. Morgen oder übermorgen erwartet man sie bei
Liaojang. Die letzten 3 Tage gab’s erbitterten Kampf. Von allen Seiten kommen Ver¬
wundete in großer Menge. Man will uns eine Kompagnie Infanterie geben und mit 2
Ballons arbeiten.
16. August. Heute gingen wir in eine Stellung südwärts Liaojang, etwa 8 Werst,
wir kamen an und machten Auffahrten, darauf gingen wir weiter vor, bis in die Artil¬
leriestellung selbst.
Um 2 Uhr begann der Artilleriekampf, die Geschosse kreuzten in verschiedenen
Richtungen die Luft, einige schlugen in auch unserer Nähe ein, aber es war keine Gefahr
dabei. Wir erhielten Befehl, noch näher in den Bereich des Artilleriefeuers zu gehen.
Die Stimmung ist gegenwärtig bei uns sehr gut.
23. August. Ich melde Ew. Hochwohlgeboren, daß wir am 18. August in eine
ganz nahegelegene Stellung gingen. Der Ballon wurde aufgelassen; im Korbe waren
Stabskapitän Poguljai und Oberleutnant Metz. Sie waren 250 m hoch; man sagte uns,
daß in geringer Entfernung eine japanische Kavalleriepatrouille gesehen sei, und wir
machten uns fertig, ihr zu begegnen. Plötzlich wurden wir mit einer Shrapnellsalve
überschüttet, aber es wurde kein Schaden verursacht, denn die Geschosse platzten unter
dem Ballon und gingen zu weit. Wir zogen uns zurück. (Feldwebel Denissow).* de Q.
Gründung einer amerikanischen Aktiengesellschaft für Luftschiffbau. Wir erhalten
von unserm New-Yorker Korrespondenten folgende Nachricht: Eben sind die Inkorporations¬
papiere der Baldwin Airship Co. bei dem Staatssekretär deponiert worden. Die
Gesellschaft ist ein New-Yorker Unternehmen mit Aktienkapital von 3 Millionen Dollars
und Anteilpapieren zu 5 Dollars. Es heißt, daß die Fabrik nahe Elizabet (New-Yersey)
erbaut werden wird. Die Inkorporatoren sind J. H. Carpenter und Arthur English von
New-York und S. L. Fairbanks von Augusta, weicher der Kassierer ist. Als Zweck der
Gesellschaft wird angegeben: to manufacture, equip and operate airships, balloons, flying
machines and all other machines or devices for aerial navigation or transportation and
to carry or aerial navigation business. (Luftschiffe, Ballons, Flugmaschinen herzu¬
stellen, auszurüsten und in Betrieb zu stellen wie auch alle anderen Maschinen oder
Vorrichtungen für Luftschiffahrt oder Lufttransport zu fabrizieren und aus der Luft¬
schiffahrt «ein Geschäft zu machen*.) Ein vielversprechendes Geschäftsprogramm!
Oui vivra, verra. de Q.
je
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Der Luftschiffertag in Leipzig am 4. Dezember 1904.
Auf Einladung des Herrn Geh. Regierungsrats Busley ist am 4. Dezember 1904 im
Hotel Hauffe der Vorstand des Deutschen Luftschiffer-Verbandes zu einer Beratung
zusammengetreten. Es hatte sich im Verlauf der Zeit als notwendig herausgestellt, daß
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W 52
die Vereins Vorstände sich über verschiedene Fragen, die das Wohl und Wehe unserer
LuftschifTervereine betreffen, sowohl Wünsche wie dringende Lebensbedürfnisse für die
Weiterentwickelung unseres Sportes einmal mündlich verständigen.
Die von verschiedenen Stellen dem Verbandsvorsitzenden zugegangenen Anregungen
sind vom Vorsitzenden im Umdruck in nachfolgender Tagesordnung an die ver¬
schiedenen Vorstände versandt worden:
TAGESORDNUNG.
I. Angeregt vom Vorstande:
1. Änderung von § 3 des Grundgesetzes, an dessen Schluß hinzuzufügen wäre: «und
mindestens 2 Beisitzer».
2. Das Jahrbuch des Verbandes.
a) Feststellung des Zeitpunktes seines Erscheinens,
b) Bestimmung über die Verteilung der Kosten.
3. Die Verbreitung unseres Verbandsorgans (Illustrierte Aeronautische Mitteilungen).
4. Frachtermäßigung für das Ballonmaterial auf den Eisenbahnen.
5. Verwaltungsangelegenheiten.
6. Antrag Hänlein betr. Bau eines lenkbaren LuftschifTes.
II. Angeregt vom Posener Verein:
7. Erleichterung der Zollformalitäten für im Auslande gelandete Ballons.
III. Angeregt vom Oberrheinischen Verein:
8. Festsetzung eines noch in die Universitätsferien fallenden Termines für die späteren
Luftschiffer tage.
IV. Angeregt vom Niederrheinischen Verein:
9. Stellungnahme zu dem Vorschläge des Grafen de la Vaulx betr. Internationale Ver¬
einigung der Luftschiffervereine.
V. Angeregt vom Ostdeutschen Verein.
10. Kostenlose Prüfung unserer Instrumente durch die nächstgelegenen aeronautischen
Observatorien.
11. Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen Unfallversicherung.
12. Veranstaltung von Sport-Lufschiffahrten nach französischem Muster.
13. Kartell mit den Automobilklubs.
14. Gemeinsames Verbandsabzeichen.
15. Verbandsmedaille für hervorragende Leistungen.
Der Vorstand des Verbandes war bis auf den entschuldigten Herrn Major v. Par¬
seval, für den als Stellvertreter Herr Heinz Ziegler gekommen war, vollzählig erschienen.
Aus Graudenz war außerdem aus persönlichem Interesse an der Sache der Oberbürger¬
meister Kühnast der freundlichen Einladung gefolgt. Die Versammlung begann 11 */* Uhr
vormittags.
Als Vertreter waren anwesend:
Vom Berliner V. f. L. Herr Geh. Regierungsrat Prof. Busley.
» » » » Gradenwitz.
» » » » Hptm. v. Kehler.
» Münchener > » General Neureuther.
» Oberrheinischen » » Univers.-Prof. Dr. Hergesell.
» Augsburger » » Ziegler.
» Niederrheinischen » > Dr. Bamler.
» Posener > » Hptm. Harck.
» Graudenzer * » Major Moedebeck.
Es wurde zunächst die Stimmenzahl der einzelnen Vereine festgestellt: Darnach hatte
der Berliner Verein 7 Stimmen, der Münchener Verein 4 Stimmen,
» Oberrhein. > 2 » » Augsburger » 2 *
> Niederrheinische » 3 » » Posener » 1 »
» Ostdeutsche »1 »
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Im ganzen 20 Stimmen, jedoch mußte nach den Satzungen 1 Stimme dem Berliner
Vereine gestrichen werden.
Geh. Reg.-Rat Busley verlas zunächst den Jahresbericht für das Jahrbuch 1904.
Derselbe wurde genehmigt.
Die Beratung von Nr. 1 der Tagesordnung wurde fallen gelassen, weil die Satzungen
mit den neuen Verhältnissen durch den Hinzutritt des Ostdeutschen Vereins für Luft¬
schiffahrt durchaus in Einklang zu bringen waren. Die Zahl der Beisitzer bleibt besser
eine unbeschränkte gemäß dem wünschenswerten weiteren Zuwachs zum Deutschen Luft¬
schiffe r-Verbande. Herr Prof. Hergesell bat sodann, ihn von seinem Amt als Schrift¬
führer zu entbinden und ihn zu den Beisitzern zu überführen. Gleichzeitig schlug er
vor, den Major Moedebeck als Schriftführer zu wählen, was durch Akklamation geschah.
Der Vorsitzende dankte Herrn Prof. Hergesell für seinen entgegenkommenden Vorschlag.
Zu Punkt 2 a wurde das Erscheinen des Jahrbuches auf den 27. Januar 1905
angesetzt und Herr Major Moedebeck als Redakteur gewählt. Herr Major Moedebeck
bat darum, daß ihm das Manuskript rechtzeitig zugesandt werde, und bat sich die Voll¬
macht aus, zu spät kommende Korrekturen nicht mehr berücksichtigen zu brauchen.
Fernerhin sollte er nach eingezogenen Offerten über die Druckerei endgültig entscheiden,
welcher der Druck in Auftrag gegeben werden sollte.
Um die Auflage des Jahrbuches zu bestimmen, wurden die Vertreter um Angabe
der Zahl der Exemplare ersucht, die sie bestellen.
Da der Preis hierbei eine große Rolle spielt, wurden folgende 2 Besteilisten
aufgestellt:
Bestellte Exemplare bei einem
Vereine.
Preis von 4t. 1,50
Preis von 4L 1,00
pro Exemplar
pro Exemplar
Berliner Verein für Luftschiff.
1000
1000
Münchener *
5
10
Oberrheinischer »
5
200 vi“,,
Augsburger >
820
320
Niederrheinischer »
70
600
Posener *
50
100
Ostdeutscher »
20
150
Summa. . .
1470
2380
Es würde demnach eine Auflage von 1500 bezw. 2400 Exemplaren nötig werden.
Herr Major Moedebeck versprach, dahin wirken zu wollen, daß der billige Herstellungs¬
preis erreicht werde, damit das Jahrbuch im Luftschifferverbande möglichste Verbreitung
fände.
Zu 2 b wurde beschlossen, daß dem Verein, welcher die wissenschaftliche Beilage
liefere, keine besonderen Kosten daraus entstehen sollten.
Zu 3 wurde die Berechtigung dem Redakteur des Verbandsorgans zuerkannt, die
Vereinsberichte über Vereinsversammlungen zu kürzen bezw. zu redigieren.
Zu 4. Betreffs der Verhandlungen über die Beförderung des gesamten Luftschiffer¬
geräts der Verbandsvereine hatte der Herr Vorsitzende am 17. Mai 1904 eine Audienz
beim preußischen Kriegsminister gehabt. Einer der Audienz folgenden Eingabe vom
20. Mai wurde am 5. Juli der Bescheid, daß seitens des Kriegsministeriums beim Ministe¬
rium der öffentlichen Arbeiten die erforderlichen Schritte getan seien.
Daraufhin ist die Militär-Eisenbahn-Fahrordnung nach Zustimmung des Bundesrats
durch S. M. den Kaiser (s. Reichsgesetzblatt Nr. 50) am 21. Nov. 1904 in nachfolgender
Weise ergänzt worden:
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§ 56 a.
1. Als «Militärluftballons im Sinne dieser Vorschriften gelten Luftballons mit
Zubehör, die der Militärverwaltung gehören oder ihr nach einer Bescheinigung
der Militärbehörde (Kommando des Luftschiffer-Bataillons) für den Mobilmachungs¬
fall vom Deutschen Luftschiffer-Verbande zur Verfügung gestellt sind.
Militärluftballons, die von Militärbehörden oder von Vereinen des Deutschen
Luftscbiffer-Verbandes als Eilstückgut aufgegeben werden, sind, soweit nicht
besondere Gründe oder Betriebsrücksichten den Ausschluß einzelner bestimmter
Personenzüge bedingen, mit Personenzügen oder mit Eilgüterzügen, wenn durch
solche eine gleich günstige Beförderungsgelegenheit gegeben wird, zu befördern.
2. Die Frachtbriefe sind mit dem Stempel der Militärbehörde oder mit dem des
Deutschen Luftschiffer-Verbandes zu versehen. Bei Aufgabe von Luftballons,
die nicht der Militärverwaltung gehören, .ist die unter 1 erwähnte, von der
Militärbehörde ausgestellte Bescheinigung vorzulegen.
3. Die Beförderung hat in einem bedeckten Wagen zu erfolgen. Auf den Luft¬
ballon dürfen andere Gegenstände nicht geladen werden. Nötigenfalls ist ein
besonderer gedeckt gebauter Wagen einzustellen.
Im Militärtarif für Eisenbahnen ist ferner durch Beschluß des Bundesrats folgende
Tarifnummer aufgenommen worden:
26 a.
Militärluftballons sind bei Aufgabe gemäß § 56 a der M. Tr. 0. zu den Sätzen der
allgemeinen Stückgutklasse des gewöhnlichen Verkehrs zu befördern.
Zu 5 wurde der Vorschlag von Herrn Gradenwitz, daß jeder Verein zur Begleichung
der allgemeinen Unkosten des Verbandsvorstandes pro Stimme jährlich 2 Jl zusteuern
soll, einstimmig angenommen.
Zu 6 wurde beschlossen, Herrn Hänlein, der sich anerkanntermaßen um das lenk¬
bare Luftschiff sehr verdient gemacht hat, zu schreiben, daß der Verband seinem Vor¬
schläge sehr sympathisch gegenüberstände, zur Zeit aber nicht die Mittel besäße, seine
Bestrebungen zu unterstützen, da noch nicht einmal alle Vereine des Verbandes einen
eigenen Ballon besäßen.
Zu 7 gingen die Erfahrungen der Vereine dahin, daß bei Grenzüberschreitungen
bei Ballonfahrten bisher keine großen Schwierigkeiten seitens der Zollbehörden ent¬
standen sind. Es wurde deshalb davon abgesehen, Schritte in der Sache zu tun ohne
dringlichen Vorwand.
Zu 8 wurde beschlossen, spätere LuftschifTertage in die Zeit gegen den 15. Oktober
zu legen.
Zu 9. Der internationalen Vereinigung der anerkannten Luftschiffervereine zu
einem großen internationalen Klub standen die Vertreter im Prinzip wohlwollend gegen¬
über. Bevor jedoch in der Sache weitere Schritte gemacht werden könnten, müssen
erst Unterlagen dafür von dem Anreger dieses Vorschlages, dem Grafen de La Vaulx in
Paris, und von Dr. Helbig in Rom dem Verbände zugestellt und in den einzelnen Vereinen
beraten werden.
Zu 10 sprach sich Herr Prof. Dr. Hergesell dahin aus, daß es ihm sehr erwünscht sei,
wenn alle Vereine ihn an den internationalen Auffahrtstagen unterstützen möchten. Das
Instrumentarium der Vereine soll von den wissenschaftlichen Instituten kostenlos geprüft
werden. Zugleich bat er, daß die Beobachter sich an bestimmte Vorschriften bezüglich des
Ablesens der Instrumente halten möchten. Besonders müssen Barometerdrucke und
nicht Höhenangaben notiert werden.
Prof. Hergesell wurde gebeten, eine diesbezügliche Instruktion auszuarbeiten, und
es wurde beschlossen, letztere im Verbandsjahrbuche aufzunehmen.
Der Punkt 11 führte zu einer längeren Auseinandersetzung, besonders da in einem
jüngst geschlossenen Kartellverbande die Unfall- und Haftpflicht-Versicherungs-Gesell-
schaften Selbstfahrer mit in ihre Versicherungen aufgenommen, Luf tschiffer dahin-
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gegen vollständig ausgeschlossen haben. Es wurde beschlossen, daß die Vereine diese
wichtigen Fragen mit Hilfe ihrer Juristen weiter verfolgen möchten.
Es soll ferner in den Vereinen eine Statistik über sämtliche vorgekommenen Un¬
fälle aufgestellt werden und es soll auch das Luftschiffer-Bataillon in Berlin und die
Luftschiffer-Abteilung in München um Herausgabe bezüglichen Materials, wenn angängig,
gebeten iverden.
Das gesamte Material soll Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Busley eingesandt
werden, der beim Deutschen Versicherungs-Verbände betreffs seines die Luftschiffahrt aus¬
schließenden Beschlusses vorstellig werden wird.
Gleichzeitig wurde Herr Gradenwitz gebeten, sich nach der englischen Gesellschaft,
die den Grafen Zeppelin und seine Mitfahrer versichert hatte, Hr. Dr. Bamler, sich nach
einer französischen Gesellschaft, die Luftschiffer versichert, zu erkundigen und das Resultat
dem Verbandsvorsitzenden mitzuteilen.
Zu 12 stimmten alle Vertreter dem Vorschläge zu, dahin zu wirken, daß beim
25 jährigen Stiftungsfest des Berliner Vereins f. L. eine allgemeine Sportfahrt von Berlin
aus veranstaltet werde, wozu sie ihr Material dorthin schaffen wollten.
Zu 13. Ein Kartell mit Automobilklubs wird im Auge behalten bleiben, soll aber
zunächst den einzelnen Vereinen überlassen werden.
Zu 14. Ein Verbandsabzeichen für den Verband einzuführen, wird vorläufig noch
nicht für tunlich gehalten. Es soll vorerst den einzelnen Vereinen überlassen werden,
sich ein solches zu beschaffen. Das gemeinsame Zeichen soll später im Verein mit den
Punkten unter 9 und 12 beraten werden.
Zu 15. Eine Verbandsmedaille soll gleichfalls im Zusammenhang mit Nr. 9 und 12
später zur Beratung gelangen.
Als nächste Zusammenkunft wurde das 25jährige Stiftungsfest des Berliner Vereins
im Oktober 1906 in Berlin bestimmt.
Moedebeck,
Schriftführer des Verbandsvorstandes.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
ln der 242. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt am
19. Dezember wurden 20 neu angemeldete Mitglieder aufgenommen. Über im Dezember
ausgeführte zwei Freifahrten berichtete Hauptmann v. Kehler. Die erste fand am
12. Dezember unter Leitung von Oberleutnant ßoisseree statt. Seine Begleiter waren
zwei Reserveoffiziere der Feld-Artillerie, Herr Dr. Vering und Herr Dr. Jerschke. Der
um *1*10 Uhr aufgestiegene Ballon landete nach 6 Stunden bei Crossen. Das Wetter war
wunderschön, der Wind nur so schwach, daß die Fahrt sehr langsam vor sich ging.
Die Mitfahrenden erklärten sich sehr befriedigt. Weniger von klarer Luft begünstigt war
die am 17. Dezember unter Leitung von Hauptmann v. Kehler von der Charlotten¬
burger Gasanstalt aus unternommene Ballonfahrt, aber in ihrem Verlauf sehr zufrieden¬
stellend. Als Begleiter waren 2 Herren aus Shanghai an Bord, Herr Dr. Vorwerck und
Herr Krieg, die sich besonders vorgesetzt hatten, in Berlin an einer Ballonfahrt teil¬
zunehmen. Im Beginn der Fahrt hielt sich der Ballon in 5—600 m nach Osten treibend
unterhalb der Wolkendecke und kreuzte bei Lebus die Oder. Oberhalb Schwiebus wurde
beschlossen, die Wolkendecke zu durchbrechen, die sich indessen mächtiger erwies, als
man gerechnet, sodaß 7 Sack Ballast geopfert werden mußten, um die 300 m mächtige
Schicht bei 1650 m zu passieren. Oberhalb hatte man sich bis zu erreichten 2050 m
aller Reize des von der Sonne beleuchteten Wolkenmeeres einschließlich der Erscheinung
des Brockengespenstes zu erfreuen. Nachdem der Ballon 1V* Stunden in dieser Höhe
geblieben, wurde um 3 / 4 *J Uhr durch die Wolkendecke abwärts zu gehen beschlossen.
Bekanntlich geht ein Ballon auch ungern abwärts durch die Wolken, sodaß es vier
kräftiger Züge am Ventil bedurfte, um bei 1300 m die Erde wiederzusehen. Anfangs war
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es schwierig, sich zu orientieren; doch wurde bald ein großer Strom, den man erblickte,
als die Oder bei Glogau erkannt. Der Ballon war also in der erreichten Höhe
über den Wolken stark nach rechts abgetrieben worden. Nach einer kurzen Schlepp¬
fahrt wurde vor Sonnenuntergang bei Dombrowka nahe Rawitsch gelandet und zwar so
glücklich mitten in eine die Fasanenjagd soeben beendende fröhliche Jagdgesellschaft
hinein, daß eine Einladung des Jagdherrn, an dem bevorstehenden Schüsseltreiben teil¬
zunehmen, nicht abgeschlagen werden konnte und auch gern angenommen wurde, nach¬
dem der Ballon verpackt und zur Eisenbahn auf den Weg gebracht war. Die beiden
Herren aus Shanghai waren über diesen angenehmen Schluß der überaus glücklich ver¬
laufenen Fahrt natürlich ganz besonders erfreut, die Jagdgesellschaft nicht minder über
die vom Himmel gefallenen interessanten Gäste.
Eine Mitteilung von Belang für die Finanzen des Vereins konnte der Vorsitzende
Geheimrat Busley machen: Die preußische Staatseisenbahnverwaltung hat auf Antrag des
Vereins demselben für die Beförderung seines Ballongerätes den gleichen ermäßigten
Tarifsatz gewährt, den die Militärverwaltung genießt. Die Tarifermäßigung ist wesentlich
der Befürwortung des Kriegsministers zuzuschreiben, an den der Vorstand ein Dank¬
schreiben gerichtet hat.
Der § 11 der Vereinssatzungen soll nach Erwägung und auf Empfehlung des Vor¬
standes eine Änderung in dem Sinne erfahren, daß an Stelle eines stellvertretenden Schrift¬
führers bezw. Schatzmeisters künftig zwei Beisitzer gewählt werden. Die Versammlung
erklärt sich ohne Widerspruch damit einverstanden, daß satzungsgemäß diese Statuten¬
änderung behufs endgültiger Annahme auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung ge¬
stellt werde.
Der von vielen Fahrten in seiner oberen Hälfte bereits stark mitgenommene Ballon
«Süring* soll, da seine untere Hälfte noch allen Ansprüchen an Festigkeit und Dichtigkeit
genügt, der Firma Riedinger in Augsburg für den Preis von 50°/o eines neuen Ballons
zur Reparatur durch Erneuerung der oberen Ballonhälfte übergeben werden. Es darf
gehofft werden, daß der so verjüngte Ballon noch 30—40 Fahrten wird machen können.
— Als Rechnungsprüfer werden die Herren Dielitz und Gumprecht erwählt. — Die im
neuen Jahre etatsmäßig anzuschaffenden bezw. schon beschafften 3 Ballons sollen, der
1400 cbm haltende den Namen «Helmholtz*, der 800 cbm große Wasserstoffballon den
Namen «Assmann* und ein erst noch zu bestellender 1400 cbm-Ballon den Namen
«Bezold» erhalten. — Herr Rentier Müller, mehrfach als Donator dankenswert betätigt,
soll in die Reihe der stiftenden Mitglieder aufgenommen werden. — Der Etat für die
Ausstellung des Vereins in St. Louis hat aus den mehrfach erörterten Gründen über¬
schritten werden müssen. Die Mehrkosten w T erden zwischen 800—1000 Mark betragen.
Der Vorstand beantragt, diese Überschreitung zu genehmigen; die Versammlung stimmt bei.
Hierauf erhielt Hauptmann von Tschudi das Wort, um seinen in letzter Sitzung
erstatteten Bericht über die Luftschiffahrt auf der Weltausstellung in St. Louis, der nur
selbst Gesehenes und Beobachtetes enthielt, durch die erst nach seiner Abreise von
St. Louis zum Abschluß gelangten Versuche mit lenkbaren Ballons auf Grund von aus
St. Louis eingegangenen Mitteilungen zu ergänzen. Danach hat von den 3 Ballons, die
anfangs September zum Aufstieg bereit und teilweise gefüllt waren, keiner ernsthaft bei
der Bewerbung um den 100000 Doll.-Preis in Frage kommen können, obgleich der Termin
für den Wettbewerb bis zum 1. Dezember verlängert worden war, zumal die Gaserzeugungs¬
anlage mehrfach versagt hatte. Von den früher beschriebenen 3 Ballons hat der kleine
Baldwinsche Ballon von nur 265 cbm, abgesehen von kleineren Havarien, schließlich
noch das Beste geleistet. Man sah ihn wiederholt über die Ausstellung, auch über die
Stadt hinweg fliegen und stets landete er ganz sanft und geschickt. Er entflog nach
seiner letzten Fahrt, wo den gelandeten Ballon zwei Automobile ins Schlepptau nahmen,
beim Überschreiten einer elektrischen Drahtleitung. Der Ballon «Benbow-Montana», welcher
anfangs September fertig war, aber von der Last zweier Flügelräder befreit werden
mußte, war Ende Oktober endlich bereit; doch erwies er sich noch zu schwer,
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vielleicht infolge zu schweren Gases, sodaß er sich nicht höher als 10 Fuß vom Boden
zu erheben vermochte und sich in dieser geringen Höhe auf eine Rundfahrt in dem
betreffenden Hofe der Ausstellung beschränken mußte. Bedauerlich war auch das Ende
des Francjoisschen Ballons. Er wurde bei seinem ersten Aufstieg zunächst an Seilen
gehalten, um die Leistungsfähigkeit des Motors zu probieren. Da sich alles gut anließ,
gab der französische Luftschiffer auf dem Ballon den die Seile haltenden Leuten den
Befehl, den Ballon freizulassen. Die Leute verstanden aber falsch, der Franzose, der kein
Wort Englisch sprach, wußte sich mit ihnen nicht zu verständigen, so geriet der Ballon statt
ins Freie in unangenehme Berührung mit der hohen Einfriedigung und verlor durch ein
Leck sein Gas. Hiermit war leider das Ende dieser Konkurrenz lenkbarer Ballons be¬
siegelt. Besser war das Ergebnis des Drachen Wettbewerbes, wovon 18 Drachen (ver¬
schiedener Systeme, aber sämtlich ohne Schwanz!) teilnahmen. Den Preis erhielt ein
Drachen, der als Einzeldrachen ohne Vorspann 2505 Fuß Höhe erreichte. Bei dem Wett¬
bewerb «um den steilsten Winkel» wäre wohl Major Baden-Powells Drachen Sieger
geblieben. Doch war die Bedingung gestellt, der Drachen müsse 2 Stunden in der Luft
bleiben, und dieser Bedingung konnte nicht entsprochen werden, weil vorher das Kabel brach.
Ein ähnliches Mißgeschick hatte der Gleitflieger Chanute, von dessen System früher
berichtet worden ist. Das Kabel riß, nachdem eine gewisse Höhe erreicht war, und der
Apparat landete früher, als beabsichtigt war, auf dem Asphalt, wobei sich der Fahrer das
Bein verstauchte. Nach allem muß gesagt werden, daß das Ergebnis eines mit großen
Hoffnungen angekündigten Wettbewerbes ein bedauerlich recht geringes war.
Geheimrat Busley berichtete zum Schluß ausführlich über den Luftschiffertag,
der am 4. Dezember 1904 in Leipzig stattgefunden hat und von allen 7 deutschen Luft¬
schiffahrtvereinen beschickt war. Da an anderer Stelle dieser Zeitschrift ein ausführ¬
licher Bericht über diese Versammlung erscheint, unterbleibt hier die Berichterstattung
darüber. A. F.
In der 243. Sitzung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt, die zugleich
Hauptversammlung und für die Erneuerungswahl des Vorstandes bestimmt war, wurden
16 neue Mitglieder, darunter eine Dame, aufgenommen. Erster Punkt der Tagesordnung
war ein Vortrag von Hauptmann Härtel über eine Ballonfahrt von Berlin nach dem
Riesengebirge. Der Vortragende, Hauptmann beim 68. Sächs. Feld.-Art.-Rgt., ist
eifriger Amateurphotograph und hat die Ballonfahrt, der er sich nicht als Luftschiffer
von Beruf, sondern aus einem tiefen Interesse an der LuftschifTahrt am 19. Juli v. Js.
anschloß, zu zahlreichen photographischen Aufnahmen der überflogenen Landschaften
aus verschiedenen Höhen benutzt. Diesen durch den Projektions-Apparat vorgeführten y
diskret kolorierten und zumeist trefflich gelungenen Lichtbildern diente der
anschaulich und lehrreich schildernde, von frischem Humor durchwehte Vortrag als
Erläuterung. Ein Vortrag solcher Art darf als ein wohlgelungener Versuch gelten, die
Hörer durch die Schilderung gleichsam mitreisen und an den reizvollen Wandelbildern
von Ballonfahrten teilnehmen zu lassen. Bisher schien dies nur nach Reisen zu Lande
oder zu Wasser möglich, wenn die Reisenden fleißig im Photographieren gewesen waren.
Die. Möglichkeit ist fortan nicht mehr auf letztere beiden Formen des Reisens beschränkt.
Man sage nicht, die Aufnahmen aus dem Ballon seien minderwertig, mehr Kuriosa als
Bilder, weil sie uns die Dinge ganz anders zeigen, als diese uns vertraut sind, und die
Einzelheiten häufig in ungenügender Klarheit. Letzteres ist höchstens bei imgünstigen
Beleuchtungsverhältnissen oder bei Aufnahmen aus großen Höhen der Fall und an dem
ersteren Urteil ist nur soviel Wahres, daß die Dinge uns, bevor wir sie auf solchen
Bildern richtig sehen lernen, eigenartig und fremdartig anmuten. Dagegen besitzen, wie
die Härtelschen Bilder überzeugend dartun, Ballonphotographien den großen und in
ihrer Art einzigen Vorzug, überall weite Fernsichten zu zeigen und dem Beschauer einen
Abglanz der Freude zu vermitteln, welche für die meisten Menschen mit der Betrachtung
der Welt von hohen Punkten aus verbunden ist. Man behauptet nicht mit Unrecht, dab
Illustr. Aeronaut. Mittei]. IX. Jahrg. 8
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weite Aussichten auch die Herzen weiten, und man versteht den Vortragenden daher
und wird zur Mitempfindung bei Vorführung seiner Bilder hingerissen, wenn er von der
nicht endenden Freude an den wechselnden Bildern da unten während seiner langen
Fahrt spricht und meint, er habe nur schauen, immer wieder nur schauen können.
Freilich traf er's auch besonders günstig mit einem der .vielen sonnigen Tage des letzten
Julimonats, der ihm mit ganz wenigen Unterbrechungen die sommerliche Erde unaus¬
gesetzt zu sehen erlaubte, und selbst Unterbrechungen durch vorübergehende Bewölkung
gaben Gelegenheit, neue Reize der Ballonfahrt kennen zu lernen und auf die Platte zu
bannen, das wogende Wolkenmeer unter dem Ballon, die zierlichen Bildungen der Wind¬
wolken darüber, das Spiegelbild des Ballons auf der Wolkenwand und die schönste das¬
selbe einrahmende Aureole. Als Hauptmann Härtel sich am Morgen des 19. Juli nach
der Charlottenburger Gasanstalt begab, wo Füllung und Abfahrt des Ballons stattfinden
sollte, sah es nicht so aus, als werde man die Fahrt antreten können. Es hatte über
Nacht geregnet und ein dichter Nebel lag über der Erde. Doch der Führer des Ballons ?
Dr. Bröckelmann, war besserer Hoffnung und begründete diese durch den blauen, zwischen
den Nebelschleiern durchschimmernden Himmel. Dr. B. behielt Recht und der Regen
der Nacht erwies sich für die Absichten von Hauptmann Härtel und des zweiten Be¬
gleiters, Professor Poeschel aus Grimma, insofern als segensreich, als ohne ihn es keine
malerischen Haufenwolken und später über dem Queistal keinen aufbrauenden Nebel und
keinen Blick auf ein wogendes Wolkenmeer zu Füßen gegeben hätte. Hauptmann Härtel
war schon während der Vorbereitungen zur Füllung und Abfahrt mit seiner vorzüglichen
Ernemann-Camera eifrig an der Arbeit. Die aufgenommenen Bilder gestatteten ihm
eine für die aus Damen und Herren, nicht bloß aus erfahrenen LuftschifTern, zusammen¬
gesetzten Zuhörerschaft sehr anschauliche Darstellung dieser für die Ungeduld der Warten¬
den stets etwas langwierigen Vorgänge. Endlich erhob sich der Ballon, und ein erstes
Bild aus mäßiger Höhe porträtierte die nachschauende, bunt zusammengesetzte Gesell¬
schaft. Oberhalb der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gab es eine zweite, über dem
Lützowplatz eine dritte, über dem alten botanischen Garten eine vierte, über den Gleisen
der Anhalter Bahn eine fünfte Aufnahme. Dann war der Ballon im Freien, oberhalb
des Tempelhofer Feldes und schon so hoch, daß man nordwestlich den Spiegel des
Tegeler Sees erblickte. Man hatte auf eine mehr südliche Richtung des Ballons gehofft,
auf eine Landung etwa in der sächsischen Schweiz, der Ballon aber schlug genau süd¬
östliche Richtung ein. Die Höhe der Fahrt wechselte zwischen 180 m, die bei Muskau,
und 3100 m, die in der Nähe von Görlitz erreicht wurde. Der Vortragende ist auf der
ganzen Strecke mit Photographieren außerordentlich fleißig gewesen. Von seinen zahl¬
reichen Aufnahmen seien erwähnt die Gegend,um Königswusterhausen, der Spreewald,
Cottbus, das senkrecht unter dem Ballon lag und bei der mäßigen Geschwindigkeit des
Fluges von nur 30 km die Stunde mehrfach abkonterfeit werden konnte, dann Muskau
mit dem Schloß, Rothenburg in der Lausitz aus 2700 m Höhe u. s. f. Görlitz blieb weit
rechts, Lauban wenig links liegen; doch gelang von letzterem aus 2700m Höhe eine gute
Aufnahme und vor allem glückte die treue Wiedergabe eines mächtigen Waldbrandes,
der — wie man später erfuhr — gerade in seiner stärksten Entwickelung auf die Platte
gefesselt worden war. Gebirgsgegenden enttäuschen auf Ballonphotographien insofern,
als die Berge plattgedrückt erscheinen. Vielleicht hatte es deshalb für die Zwecke des
Vortragenden auch nicht viel auf sich, daß jetzt die oben schon gedachte Wolken¬
bedeckung eintrat, doch nicht für lange; denn bei Erreichung des Hirschberger Tales
zerriß der Wolkenschleier und es gelangen wieder zahlreiche Aufnahmen, wovon leider
acht bei der Landung zugrunde gegangen sind. Eins der interessantesten Bilder von
diesem Teil der Reise aber konnte gezeigt werden: Der Gipfel des hohen Rades und die
Prinz-Heinrichbaude aus einer den Kamm beträchtlich überragenden Höhe. Bei Giers-
dorf in der Nähe von Warmbrunn erfolgte die Landung, nicht ohne das Ungefähr, daß
der fallende Korb eine Baumkrone mitnahm und mit der Telegraphenleitung in Berührung
kam. Hauptmann Härtel hat auch diese letzten Momente der Fahrt besonders ausgiebig
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photographiert, sie wirken als Genrebilder; von Kultivierung dieser Kunstgattung hatten
übrigens vorher schon einige Interieurs aus dem Ballon, «Die Luftschiffer beim Früh¬
stück», Zeugnis abgelegt. Der Vortragende bewies hierdurch, daß er allen Seiten einer
glücklichen Ballonfahrt gerecht zu werden verstand. Die gleiche Gründlichkeit bewährte
auch sein Vortrag (der im allgemeinen an die anregende Schilderung der
Fahrt vom Prof. Poeschel in Nr. 2 und 3 der «Grenzboten* 05 angelehnt war)
in der Beschreibung des Gebrauchs der Instrumente, der Ballast Verwaltung, der
Anwendung der Zugleine und des Schleppseils u. s. f. Besonders anschaulich gestaltete
sich im Gegensatz zu dem sanften Schwimmen des Ballons nach erreichter
Gleichgewichtslage die Schilderung des Wechsels von Aufstieg und Fall des Ballons
wie man beim schnellen Fall die Bäume und Häuser sich entgegenkommen und den
vom Ballon auf die Erde geworfenen Schatten immer schärfer und bestimmter werden
sieht, und wie man den Wiederaufstieg merkt am Zurückbleiben ausgeworfener Papier¬
schnitzel und erleichtert aufatmet, daß es wieder aufwärts geht. Hauptmann Härtel
empfing am Schluß seines Vortrages lebhafte Beifallsbezeugungen, die ihm bewiesen
haben werden, daß seine Zuhörerschaft diese erste erfolgreiche Betätigung eines frucht¬
baren Gedankens wohl zu schätzen wußte.
Der Bericht des Vorstandes über das abgelaufene Geschäftsjahr gab Kunde
von dem erfreulichen Anwachsen des Vereins. Anfang 1904 betrug seine Mitgliederzahl
662, jetzt 708, darunter 18 Damen. Freifahrten wurden 66 veranstaltet, 17 Sonder-,
1 wissenschaftliche, 38 Normal- und 10 Fahrten, zu denen Vereinsballons nach außer¬
halb verliehen waren. Von diesen 66 Fahrten nahmen ihren Ausgang in Berlin 47, in
Posen 7, in Paderborn 4, in Graudenz 2 und je eine in Neumünster, Thorn, Salzwedel,
Bitterfeld, Weimar und Breslau. Die durchschnittliche Länge der Ballonfahrten war
ziemlich genau wie im Vorjahr, nämlich 160 km. Die Führer-Qualifikation wurde an
4 Herren erteilt, nämlich an die Herren: Frhr. v. Hewald, Ltnt. d. Res. Plaß, Ltnt. v. Neu¬
mann und Geh. Reg.-Rat Busley. Unter den Vereinsmitgliedern besitzen jetzt 118 diese
Qualifikation, während im ganzen 398 bereits aufgestiegen sind. Das Ballon-Inventar
besteht z. Z. aus den 4 Ballons «Süring*, «Sigsfeld*, «Helmholtz» und «Aßmann», von
denen die ersten beiden je 69, die beiden letzten 10, resp. 8 Fahrten hinter sich haben.
Die Vermögensverhältnisse des Vereins sind befriedigend. Zur Zeit verfügt derselbe außer
dem Inventar über einen Vermögensbestand von ca. 7900 Mk. Nach dem Bericht der
zur Prüfung eingesetzten Rechnungskommission wurde dem Vorstande Entlastung erteilt.
Bei der hierauf folgenden Vorstands wähl wurde durch Zuruf der bisherige
Vorstand wieder gewählt, mit der Abänderung, daß an Stelle von Rittmeister Broecking,
der von Berlin verzieht, Professor Dr. Miethe gewählt wurde. Rechtsanwalt Eschenbach
sprach dem Vorstand den Dank der Versammlung für seine erfolgreiche Tätigkeit aus.
Die Beschlußfassung über die in der letzten Vereinsversammlung beratene Aen-
derung des § 11 der Satzungen ergab einstimmige Annahme dieser Aenderung.
Seit letzter Sitzung haben zwei Ballonfahrten stattgefunden, über welche Haupt¬
mann v. Kehler berichtete. Die Ballonfahrt am 20. Dezember w T ar die erste Fahrt von
Bitterfeld aus mit Wasserstoffgasfüllung. Als Führer des 600 cbm großen Ballons
«Aßmann» fungierte Hauptmann v. Kehler, seine Begleiter waren die Herren Geheimrat
Busley und Bolte. Die Füllung dauerte etwa 3 Stunden, wird sich künftig aber auf
2 Stunden verkürzen lassen. Die interessante, 3*/* Stunden dauernde Fahrt ging in
ostnordöstlicher Richtung und endete nach Zurücklegung von 214 km in der Nähe von
Schwiebus, in Malkendorf bei Lagow. Die Geschwindigkeit war durchschnittlich 75 km
in der Stunde, in der letzten halben Stunde wurden indessen 45 km zurückgelegt. Die
Hohe der Fahrt war zwischen 250 und 400 m. Trotz ziemlich starken Unterwindes im
Augenblick der Landung ging letztere glatt vor sich. Nachdem man im wahren Sinne des
Wortes aus dem Korb herausgekrochen und bei fürchterlichem Regenwetter sehr naß geworden
war, hatte man not, den Ballon zu bergen, weil in Malkendorf niemand fahren wollte.
Endlich konnte man wenigstens einen Wagen bis Lagow bekommen und von hier einen
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neuen Wagen nach der nächsten Bahnstation. In Lagow wurde gute Beköstigung ge¬
funden. Die zweite Ballonfahrt erfolgte am 4. Januar unter Führung von Ltnt. Ribben-
tropp von Magdeburg aus, unter großer Beteiligung der Einwohnerschaft. Sie endete
bei sehr unsichtigem Wetter nach 2 l /* Stunden in der Nähe von Wittenberg. Die 3 mit¬
fahrenden Herren waren: Ltnt. v. Schröder, Ltnt. Hirsch und Ltnt. Struve. Die Geschwin¬
digkeit betrug 30 km in der Stunde, die erreichte Höhe 1100 m. A. F.
Münchener Verein für Luftschiffahrt.
In der ersten Sitzung des Jahres 1905, die am Dienstag den 10. Januar, abends
8 Uhr, im Vereinslokal «Hotel Stachus» begann, hielt zunächst Herr K. v. Bassus einen
Vortrag «über die Abbildung von Gewässern in Wolkendecken». 1 ) Diese Er¬
scheinung ist schon mehrfach von verschiedenen LuftschitTern beobachtet worden. Der
Vortragende hat nun bei zwei im Herbst des Jahres 1904 unternommenen Ballonfahrten,
bei denen das Phänomen besonders deutlich auftrat, eine Reihe trefflich gelungener
photographischer Aufnahmen davon gemacht, die er der Versammlung zusammen mit
den zugehörigen Karten und Fahrtendiagrammen vorlegte. Bäche erscheinen in der
Wolkendecke als Furchen, größere Wasserläufe und Moose als förmliche Täler bezw.
strukturlose Flächen, die von feinem durchsichtigen Dunst erfüllt sind. Auch von
unten ist die Erscheinung in günstigen Fällen sichtbar. Eine ruhige zusammenhängende
und nach oben scharf und cumulusartig begrenzte lose Wolkendecke ist be¬
sonders geeignet für diese Abbildungen; einen je glatter geschichteten Charakter die
Wolkendecke annimmt, desto schwächer werden die Abbildungen. Für diese scharfe obere
Begrenzung des Wolkenmeeres ist die Temperaturinversion ein wichtiger meteorologischer
Faktor. Eine einwurfsfreie Erklärung dieser interessanten Abbildungen steht noch aus.
Nach dem beifällig aufgenommenen Vortrag, an den sich noch eine kurze Diskussion schloß,
eröffnete der erste Vorstand, Herr Generalmajor Neureuther, die für diesen Abend
ordnungsmäßig einberufene Generalversammlung. Nachdem die Abteilungsvorstände
und der Schatzmeister ihre Berichte erstattet hatten, wurde die Vorstandschaft für das
Jahr 1905 gewählt. Sie setzt sich aus folgenden Herren zusammen:
I. Vorstand: Generalmajor K. Neureuther
II. Vorstand: Prof. Dr. K. Heinke
Schriftführer: Oberleutnant A. Vogel
Schatzmeister: E. Stahl, Revisor: H. Russ.
Vorstand der Abteilung I: Dr. R. Emden
» » » II: Hauptmann K. Weber
» » » III: Dr. 0. Rabe.
Beisitzer: Prof. Dr. P. Vogel; Hauptmann E. Dietel; Prof. Dr» M. Hahn;
F. Fehr.
Nach lebhafter Debatte schloß der I. Vorstand die Sitzung um 11 Uhr abends.
Dr. Otto Rabe.
Mitteilungen aus Schweden.
Nachdem die schwedische Aeronautische Gesellschaft, zufolge des Verlustes ihres
einzigen Ballons «Svenske» und ermangelnder Mittel zum Einkauf eines neuen Ballons,
zu einem jahrelangen Abbruch ihrer Wirksamkeit gezwungen war, ist sie nun wieder,
durch die in den <111. Aeron. Mitt.» vom Mai 1904 erwähnte Sammlung, instand
gesetzt, einen neuen Ballon anzuschaffen und dadurch eine lebhafte und hoffentlich auch
nützliche Arbeit zu entwickeln.
Der Ballon, welcher von A. Riedinger in Augsburg um einen Preis von 6 500 Mk.
geliefert wurde, ist ein Kugelballon des preußischen Militär-Modells. Er wurde dem Vereine
*) Siehe den ausführlichen Aufsatz im Januarheft 1905 dieser Zeitschrift. Red.
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am 20. August v. J. versandt und nachdem er den Namen «Andr6e» zum Andenken
an den schwedischen Polarfahrer erhalten, machte er seine erste Auffahrt am 27. Sep¬
tember. Führer dieser Fahrt war Ingenieur Fränkel, welcher für die Förderung der
Aöronautik in Schweden ein lobenswertes und selbstaufopfemdes Interesse an den Tag
gelegt hat. Als Passagiere nahmen teil der Meleorologe Herr Doktor J. Westman und
der Journalist Herr S. P. Sigurdh.
Anfangs hatte man die Absicht, nur zwei Personen mitzunehmen, da der Netto-
Auftrieb mit Leuchtgasfüllung nur zu 375 kg angegeben war. Da sich aber beim
Abwägen zeigte, daß man außer drei Passagieren mit Ausrüstung dennoch 325 kg Ballast
mitnehmen konnte, wurde beschlossen, drei Personen auffahren zu lassen. Außerdem
entschloß man sich, eine Dauerfahrt zu wagen, obwohl das Wetter und die Windver¬
hältnisse gar nicht lockend, ja sogar riskant waren, da es heftig regnete und der starke
südliche Wind den Ballon nach einer Stunde über die Ostsee hinaus führen und den¬
selben der damit verbundenen Gefahr aussetzte, besonders da die Abfahrt nicht
vor Dämmerung stattfinden konnte.
Um V* 5 Uhr nachmittags ging die Auffahrt von dem «Idrottspark* in Stockholm
von statten und der «AndrGe» war in einigen Augenblicken in den niedrig gehenden
Regenwolken verschwunden.
Betreffs der Fahrt überlasse ich das Wort dem Ingenieur Fränkel, welcher nach
der Landung nachfolgendes Telegramm an «Stockholns-Tidningen* absandte:
«Fünf Minuten nach der Auffahrt befanden wir uns schon in den Wolken. Der
Ballon stieg in kurzer Zeit über dieselben. Wir sahen den Boden nicht mehr, aber wir
hörten zwischen 5 18 —5 66 Uhr das Rasseln des Schnellzuges, Hundebellen und andere
Landlaute und von fern das Brausen des Meeres. Um 6 11 Uhr passierten wir einen
kleineren See und da eine Landung zufolge der großen Geschwindigkeit nicht ausführbar
war, mußten wir um 620 Uhr über die tönenden Brandungen auf das Meer hinaus¬
fahren. Die verfügbare Ballastmenge betrug noch 225 kg.
Die Fahrt wurde durch dichten Nebel fortgesetzt, immerfort mit dem Brausen der
Wellen unter uns. Gegen 8 Uhr schien letzteres abzunehmen, aber um */* H Uhr nahm
es wieder zu. Um 11 37 Uhr begann der Nebel sich auf dem Ballon zu kondensiren, so daß
das Wasser über uns herabströmte, was bis zum Ende der Fahrt fortging.
Um Mitternacht befanden wir uns auf einer Höhe von 1075 m. Die Temperatur
war -f- 7,4 0 C. Wir waren uns nicht bewußt, weder wo wir waren, noch welchen Kurs
wir hielten, aber wir hatten Ursache, zu vermuten, daß die Fahrt gegen Finland oder
längs «Bottniska viken» ging.
Als der Ballon sich um l 38 Uhr senkte, fanden wir, daß ausgeworfene Papier¬
streifen auf einer größeren Höhe gegen Südost flogen — unsere Fahrt ging also in nord¬
westlicher Richtung —, was uns veranlaßte, anzunehmen, daß der Ballon auf ein
höheres Niveau gegen schwedisches Land trieb. Um l 68 Uhr hörten wir ein gewal¬
tiges Wellenbrausen im Westen, welches bis um 2 30 Uhr fortdauerte, da wir die Bran¬
dungen unter uns hörten und bemerkten, daß wir die Küste passierten.
Um 2 # * Uhr sahen wir den Mond eine kurze Weile und um 3 Uhr gelang es uns,
eine Mondhöhe zu messen. Als wir um 3 17 Uhr das Brausen der Brandungen wieder
deutlich hörten, senkten wir uns, um sicheren Kurs zu nehmen. Da dieser sich östlich
zeigte, senkten wir uns weiter und fuhren bisweilen dicht über die Gipfel der Bäume,
um den Ballon zu jeder Stunde aufreißen zu können und einer neuen Fahrt über das
Meer zu entgehen.
Um 3 37 Uhr passierten wir einen Wasserfall, wahrscheinlich «Gidebackaforssen»»
und gleich darauf hörten wir wieder das Brausen des Meeres.
Nun senkten wir uns wieder bis zu den Gipfeln der Bäume und, in der Lee einer
Höhe angekommen, trieben wir sehr langsam über eine Waldlandschaft hervor. Der
Nebel war so intensiv, daß wir von einer Höhe von 10 m nicht unterscheiden konnten,
ob wir festen Boden oder einen Sumpf unter uns hatten.
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Um 4 15 Uhr machten wir den Ballon an einer Tanne fest, aber wir hatten die
Absicht, den Sonnenaufgang zu erwarten, um, nachdem wir neuen Ballast eingeschossen,
wenn es möglich sei, die Reise foftzusetzen. Der Ballon wurde heruntergeholt, worauf
ein Mann aus der Gondel herausstieg, um denselbeu fester anzubinden. Um 4 35 Uhr
standen wir alle auf dem festen Boden.
Als unterdessen der südwestliche Wind stärker wurde und es zu befürchten
stand, daß der Ballon gegen die Bäume geschleudert und beschädigt werden konnte,
wurde die Reißbahn um 5 t0 Uhr vormittags geöffnet.
Nachdem der Ballon eingepackt war, fanden wir, daß wir ungefähr 1 km von dem
Meerufer, 1 km von dem Dorf «Saluböle» und 2 Meilen nördlich von Husum gelandet
waren.
Die größte erreichte Höhe während der Fahrt war ca. 1350 m, die Temperatur
wechselte zwischen 6,4° und 9,9° C.
Ballon, Instrumente und Passagiere befinden sich in bester Kondition.»
Aus diesem Telegramm geht hervor, daß der Ballon in den höheren Luftschichten
in westlichen Wind gelangt ist, der mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km in der
Stunde ihn um ungefähr V* ' Uhr nachmittags über die Ostsee gegen das (inländische
Land trieb. In eine neue Windrichtung gekommen, trieb er gegen die schwedische
Küste zurück, welche er um */* 3 Uhr am folgenden Morgen passierte, um nachher 60 km
nördlich von Ömsköidsvik nach einer ca. 500 km langen Fahrt zu landen. Im Vortrag,
den Ingenieur Fränkel bei der Versammlung des schwedischen Luftschiffer-Vereins am
8. Oktober hielt, erwähnte er außerdem u. a., daß während der ganzen Fahrt wissen¬
schaftliche Beobachtungen von Herrn Dr. Westman unternommen wurden und daß der
Ballon die ganze Reise hindurch sich auf einer Höhe von 1000—1350 m gehalten hat
mit einem Temperaturwechsel zwischen 6,5 bis -f- 90 C. In derselben Versammlung
beschloß der Verein, daß der «Andree» am ersten Donnerstag jeden Monats an den
internationalen Aufstiegen teilnehmen solle, die, wie bekannt, an diesen Tagen an
verschiedenen Orten stattfinden. Am Donnerstag den 3. d. Mts. war auch ein solcher
Aufstieg bestimmt, welcher von Eskilstuna vorgenommen werden sollte, aber infolge des
starken Windes mußte man den Ballon im letzten Augenblick reißen und aus der
Auffahrt wurde also diesmal nichts.
Da mehrere Meteorologen von wissenschaftlichem Ruf, Mitglieder der Physischen
Gesellschaft, in den Luftschiffer-Verein eingetreten sind in der Absicht, als wissenschaft¬
liche Beobachter an den Ballonfahrten teilzunehmen (die Resultate dieser Fahrten
werden u. a. von Professor Bjerknes und Amanuens Sandström bearbeitet), ist zu
hoffen, daß Schweden, wenn auch bis auf weiteres nur in geringem Grade, zur Lösung
der vielen dunklen Probleme in Betreff der Atmosphäre mitwirken kann.
Außer der Wirksamkeit der schwedischen Aeronautischen Gesellschaft mit dem Ballon
« Andree » haben im Laufe des letzten Jahrs auch Aufstiege mit einem Ballon «Svenske II >
stattgefunden, welcher durch private Tätigkeit beschafft worden ist und dessen Fahrten,
mit wenigen Worten zu erwähnen, vielleicht von Interesse sein möchte.
Der «Svenske II», der dem Leutnant Hamilton gehört, ist von derselben Konstruk¬
tion wie der Ballon «Svenske» und wurde beim Ballonfabrikanten Malle in Paris, unter
der Aufsicht des Herrn Hauptmann Unge, verfertigt. Der Kubikinhalt ist 1000 cbm, also
ist der «Svenske II» 550 cbm kleiner als sein Namensgenosse.
Ehe der Ballon natch Schweden gesandt wurde, wurde er den Mitgliedern des
Aeroklubs in Paris vorgeführt, wo er eine schmeichelhafte Aufmerksamkeit auf sich zog.
Mit demselben wurde sodann auch eine Probereise von Paris aus vorgenommen mit
Herrn Hauptmann Unge als Führer. Passagiere waren der schwedisch-norwegische
Militär-Attache in Paris, Freiherr Adelsvärd, und Leutnant Ljungman, der bekannte
Erfinder des neuen Militär-Feld-Fernsprechers. Der Ballon landete nach einer Reise
von 4 Stunden bei der Stadt Joigny, 140 km S. S. O. von Paris.
Seit dem der «Svenske II» Mitte Dezember 1903 in Schweden angekommen
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ist, sind mit demselben drei kürzere Freifahrten mit dem Herrn Leutnant Hamilton als
Führer unternommen worden. Bei der zweiten von diesen Fahrten stieg zum erstenmal in
Schweden eine Dame (Frau Norinder) mit auf.
Beim dritten Aufstieg war eine Ballonjagd veranstaltet worden, welche durch Reiter
und Automobilfahrer ausgeführt wurde. R. J. — d.
Bericht aus Spanien.
Erfreulicherweise scheint sich auch bei uns in Spanien die Luftschiffahrt nunmehr
als Sport in zivilen Kreisen zu entwickeln. Am 18. Dezember 1904 wurde von Don J6sus
Fernandez-Duro, einem hervorragenden spanischen Sportsmann, in Begleitung von Don
Guisasola von der Gasanstalt zu Madrid aus die erste Freifahrt gemacht. Herr Fernandez-
Duro ist Mitglied des Aeroklubs in Paris und hat daselbst bereits mehrere Freifahrten ge¬
macht. Zur Einbürgerung des Luftsports in Spanien hat er sich von Mailet in Paris
einen eigenen Ballon «Aleotan» von 1000 cbm Inhalt aus gefirnißtem Perkale anfertigen
lassen. Die erste Fahrt ging in südwestliche Richtung. Die Landung vollzog sich gegen
5 80 abends bei Oropesa, in der Provinz Toledo, unter Hilfeleistung seitens einiger Hirten
in glatter Weise. Er erreichte 1650 m Höhe und legte eine Strecke von 160 km, in
gerader Linie gemessen, zurück.
Am 20. Dezember fuhr der «Aleotan» von neuem unter Führung seines Besitzers
auf, begleitet von den Herren Mazas und Liniers.
In den spanischen Manövern sind in diesem Jahre die Militärluftschiffer leider
nicht zur Verwendung gekommen. Der Tod Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin von
Asturien hat eine frühzeitige Beendigung derselben vor dem Einsetzen der Luftschiffer¬
abteilung zur Folge gehabt.
Gelegentlich des Besuchs des Chefs, der Lehrer und Schüler der Infanterie-
Akademie von Guadalajara im Luftschifferpark am 26. Oktober 1904 wurde indes neben
Drachenballon-Aufstiegen von Oberst Vivös y Vieh auch eine Freifahrt befohlen im Kugel¬
ballon «Mercuria» von 640 cbm, erbaut aus französischer Seide von Godard. Der Ballon
stieg gegen 10 Uhr 50 Minuten vormittags auf mit den Luftschiffer-Offizieren Leutnants
Kindelän und Durän. Der Ballon, sehr gut geführt, blieb 21 Stunden 30 Minuten in der
Luft. Die Landung erfolgte am 27. Oktober gegen 8 Uhr 20 Minuten in der Gegend von
Lugo (im nordwestlichen Spanien), von wo aus das kantabrische Meer bereits gesichtet
wurde. Die Flugweite beträgt 360 km, als Maximalhöhe wurden 2540 m erreicht. Ob¬
gleich man auf Mondhelle rechnete, blieb der Himmel ziemlich bedeckt und die Gebirgs¬
kette der Sierra de la Estrella nach Portugal hin mußte in tiefster Dunkelheit über¬
flogen werden, weil man bei der Abfahrt nicht an Vorbereitungen für eine Nachtfahrt
gedacht hatte. Aber bei der geringen Fahrgeschwindigkeit des Ballons und bei dem großen
Ballastvorrat, den die Fahrer beim Sonnenuntergang noch hatten, beschlossen sie, trotz
der Kälte in der Nacht, oben zu bleiben. Auch hofften sie, daß der Mond ihnen den
Weg beleuchten würde. Jedenfalls haben sie sich bei dieser Fahrt als gute Luftschiff¬
führer erwiesen. de P. R.
js
Bibliographie und Literaturbericht.
Jahresbericht des Wiener Aeroklub Uber das Vereinsjahr 1904. Wien. Verlag des
Aeroklub 1905, 59 Seiten 12X20 cm, 5 Bilder.
Der Wiener Aeroklub, der unter Protektion S. K. u. K. Hoheit des Erzherzogs
Franz Ferdinand steht, kann auch in seinem 4. Vereinsjahr auf eine recht rührige,
diesmal allerdings mehr wissenschaftliche als sportliche Tätigkeit zurückblicken. Die
Folge davon ist denn auch, daß sich die Mitgliederzahl des Klubs auf der alten Höhe
von 71 Personen erhalten konnte. Mit Hinzurechnung des hohen Protektors, der Ehren-
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und Stiftenden Mitglieder erhöht sich die Zahl auf 77 Personen. Im Jahre 1904 hat der
Klub in der Zeit vom 13. April bis 6. November im ganzen 16 Ballonfahrten veran¬
staltet, von denen die Hälfte wissenschaftliche waren. An letzteren beteiligten sich
besonders die Meteorologen Dr. Schiein und Dr. Valentin. Erfreulich war, daß der nieder-
österreichische Landtag in Anerkennung dieser Unterstützung der Wissenschaft dem
Klub offiziell seine Anerkennung aussprach und ihm außerdem für 1905 eine materielle
Unterstützung von 1000 Kronen zuwandte. Auch der Vereinsvorsitzende Herr
V. Silberer hat der Vereinskasse eine Spende von 800 K. zu wissenschaftlichen Fahrten
überwiesen. Der Präsident hat ferner den Wiener Gemeinderat, dem er persönlich ange¬
hört, um eine Subvention von 1000 K. gebeten, deren Bewilligung zu erwarten steht.
Ferner hat der Aeroklub im letzten Vereinsjahr eine aeronautische Klub-Bibliothek
gegründet, die sich eines großen Beifalles erfreut.
Bei den 16 Vereinsfahrten im Jahre 1904 wurden 987,5 km zurückgelegt, also
durchschnittlich 61,7 km pro Fahrt. An diesen Fahrten nahmen 10 verschiedene Herren
Mitglieder und 2 Gäste (Damen) teil. Von den Vereinsmitgliedern sind 7 Ballonführer;
der Verein hat also gegen früher auch hierin Fortschritte zu verzeichnen.
Das Buch enthält sodann eine kurze Beschreibung der Führer mit Abbildungen
derselben, sowie einen anregenden Artikel über die Klubfahrten 1904, die Hochfahrten
des Wiener Aeroklubs 1901—1904, die Hochfahrt auf 7066 Meter am 9. November 1904
und aus der Feder von Dr. Schiein nochmals die Wiener Novemberhochfahrt. Bemerkenswert
ist bei dieser Hochfahrt, daß Dr. Schiein sie ohne Sauerstoffatmung ausgeführt hat.
Die Fahrtbestimmungen des Klubs enthalten Eigentümlichkeiten, die teils auf
die doktrinären Ansichten der Klubleitung teils auf das subtile Ballongerät zurückzuführen
sind. Der Hauptgrundsatz des Klubs ist nämlich der, « daß die Reißbahn des Ballons
nur für ganz außerordentliche Notfälle bestimmt sei, und daß es unsportlich ist,
dieselbe unter anderen Umständen als bei tatsächlicher Lebensgefahr zu reißen.»
Dementsprechend w r ird denn auch jeder Ballonführer, der die Reißleine gezogen,
vor den Ausschuß, eine Art Kriegsgericht, gestellt, das ihn, sobald die Gefahr nicht als
dringend nachzuweisen ist, zu 100 Kronen Strafe verurteilt.
Danach fahren wir in Deutschland, die wir doch ausschließlich ohne Anker und
nur mit Reißlinie landen, in den Augen des Wiener Aeroklubs unsportlich. Ich glaube,
daß nicht mehr viele Jahre dazu nötig sein werden, um auch den Wiener Aeroklub von
der Wohltat des Landens mit Reißleine zu überzeugen, welche kluge Leute bei uns in
Deutschland eingeführt haben, nachdem sie die in unseren Augen veraltete Methode mit
Anker, Schleppseil und Ventil vorher genugsam persönlich kennen gelernt hatten.
Ebenso kann natürlich das Material des Klubs, gefirnißte Seide, nicht die Bequemlich¬
keiten bieten, welche unsere gummierten Perkale-Ballons aufweisen. Man bedenke, daß der
Wiener Ballonführer bezw. die Eisenbahnverwaltung sich mit 7 bezw. 6 einzelnen Kollis
bei der Rückfahrt herumquälen muß. Es sind dies: 1. Korb mit Ballonhülle, 2. Sack
mit Netz, 3. Schlepptau, 4. Ankerseil, 5. Anker, 6. Reisetasche, 7. Sitzbank des Korbes.
Erwägt man, wie einfach bei uns alles im Baiionkorbe zusammen verpackt
wird und wie der Führer nach Abgabe dieses einen einzigen oben mit Plan überspannten
Korbes an die Eisenbahn nur den Instrumentenkorb behüten braucht, so bedarf es dazu
keiner weiteren Erläuterung, welche Art praktischer ist.
Moedebeck.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel .
j&Ue Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet.
Sie Redaktion .
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. März 1905. x* 3. Heft.
•*c ygr^m- 'Ar*Ks -v, «-.»r. 4 »•»* ***b.o*,-*»{ »jb. st.-tt*'**-
Paul Haenlein f.
Das älteste Mitglied des deutschen LuftschifTerverbandes, der letzte
Gründer des deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt, Ober¬
ingenieur Paul Haenlein, ist am 27. Januar d. Js. in Mainz nach kurzem
Krankenlager im 70. Lebensjahre verschieden.
Sein ganzes Leben war der Förderung des Luftschiffes gewidmet und die
seinen Projekten zu-
Nachdruck verboten!
gründe liegenden Ge¬
danken überragten
sämtliche andere seiner
Zeitgenossen ganz be¬
deutend. Man kann be¬
haupten, daß alle die¬
jenigen Luftschiffer,
welche bei ihren Ver¬
suchen Erfolge zu ver¬
zeichnen hatten, sich
stützen auf die von
Haenlein erfundenen
Konstruktions¬
prinzipien.
Paul Haenlein
wurde am 17. Oktober
1835 zu Mainz geboren.
Sein Vater war Kapitän
eines Rheindampfers.
Er besuchte die tech¬
nische Hochschule in
Karlsruhe und war dann
als Ingenieur an ver¬
schiedenen Orten in Paul Haenlein, Erfinder und Erbauer des ersten deutschen Luftschiffs.
^ , , . —, . Nach einer photogr. Aufnahme von H. W. L. Moedebeck.
Schweden, m England,
in Wien und zuletzt 25 Jahre als Oberingenieur an einer Nähmaschinenfabrik
in Frauenfeld, Kanton Thurgau (Schweiz), tätig. Erst vor wenigen Jahren
war es dem rührigen Manne möglich, sich in seine Heimat nach Mainz
zurückzuziehen, um von Pensionen und Renten seiner Erfindungen seine
alten Tage in wohlverdienter Ruhe zu beschließen.
Leider ist er uns früher entrissen worden, als wir erwarten und
wünschen konnten.
Paul Haenlein, Erfinder und Erbauer des ersten deutschen Luftschiffs.
Nach einer photogr. Aufnahme von H. W. L. Moedebeck.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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66
Als junger Ingenieur in England trat Haenlein im Jahre 1865 mit
seinem ersten Patent für ein Luftschiff in die Öffentlichkeit. Die Charakteri¬
stik des Projektes lag in der Verwertung der Lenoirschen Gasmaschine als
Luftschiffmotor, damals ganz entschieden die einzig mögliche und geniale
Lösung des Problems. Das Gas zum Betriebe dieses Gasmotors entnahm
Haenlein dem Ballonkörper und da nun letzterer hierdurch schlaff werden
und seine Form verlieren mußte, die den Grundgesetzen der Lenkbarkeit
gemäß stets prall erhalten werden muß, so erfand er das Luftballonet im
Innern des Ballons, welches mittels Ventilators, der Gasentnahme entsprechend,
mit Luft nachgefüllt wurde.
Wir sind heute gewohnt, vom Meusnierschen Ballonet zu sprechen.
Im Jahre 1865 kannte man diese Meusniersche Erfindung nicht und ich
halte mich daher für berechtigt, zu behaupten, daß dieses Luftballonet
eine Erfindung von Haenlein war, die sich logisch aus dem Zusammen¬
hänge der Kombination einer Gasmaschine mit dem Ballon und der Entnahme
des Betriebsgases aus dem Ballon als etwas ganz Natürliches ergibt. Im Projekt
(s. Fig.) war ferner eine Versteifung
des Ballonkörpers derart vorge¬
sehen, daß 2 seitliche Rahmen in
der horizontalen Schnittfläche des
spindelförmigen Körpers gedacht
waren, die vorn der Schraube,
hinten dem Steuer als Stütze
dienten. Die Gondel, in welcher
der Gasmotor untergebracht war,
übertrug durch starke Treibgestelle, die sich bekanntlich jetzt bei Lebaudvs
Luftschiff so gut bewährt haben, die Bewegung auf den Ballonkörper.
Unter der Gondel war noch eine Hubschraube angebracht.
Aber Haenlein mußte noch jahrelang warten, bis es ihm gelang, nach
Vorführung eines betriebsfähigen Modells in Mainz ein Konsortium in Wien
zu finden, das ihm im Januar 1872 den Auftrag erteilte, sein Luftschiff zu
bauen. 1 )
Der Präsident dieses aus etwa 25 Herren bestehenden Konsortiums
w r ar ein Herr Ofenheim. Haenlein baute nunmehr ein für damalige Zeit
sehr vollkommenes Luftschiff (s. d. Figuren) von 50,4 m Länge, 9,2 m
Durchmesser in Wien. Daß dieses Luftschiff dieses Lob verdient, ergibt
sich für jeden Unpar teiischen aus dem einfachen Vergleich mit dem um die
gleiche Zeit 1872 erprobten Luftschiffe von Dupuy de Lome. Die Aus¬
führung des Haenleinschen Baues besaß zunächst das Charakteristische der
langgestreckten Form, welches alle heutigen Luftschiffe besitzen; das Luft¬
schiff hatte ferner unter dem Ballonkörper einen langen elastischen Rahmen
als Vermittler aller starren Verbindungen zwischen Motor, Propeller, Steuer
Haenlein» englische» Patent eine» LuftsohlfTe»
aus dem Jahre 1865.
*) Vgl. Zeitschrift f. LuftschifTahrt 1882, S. 46 usw.
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Grundrifs.
Querschnitt der
Gondel.
Haenlelns Luftschiff, erbaut 1872.
und Ballonkörper. Auch hier finden wir die Treibgestelle, von Haenlein als
Streben bezeichnet (VV), in der Gondel. Äußerst einfach ist die Anbringung
der Gasmaschine (Fig. 5 und 7) und sehr geschickt ist die Propellerschraube
dicht am Motor derart angebracht, daß eine lange Welle mit Lagern ver¬
mieden wurde, die bekanntlich durch Verziehung und durch Reibungen leicht
zu Störungen Veranlassung geben können. Wir finden hier auch zum ersten
Male die Wasserkühlung (Fig. 6) vorgesehen. Das Takelwerk ist derart
geschickt angeordnet (Fig. 1 bis 4), daß es die Lasten gleichmäßig verteilt,
jeder Verschiebung durch Kreuzverbindung entgegenwirkt und der Propeller¬
schraube freien Spielraum läßt.
Die 4zylindrische Gasmaschine war so konstruiert, daß die Massen¬
bewegungen sich gegenseitig aufhoben und das Luftschiff nur ganz geringen
Vibrationen ausgesetzt war.
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Für den Versuch mußte das fertiggestellte Luftschiff von Wien nach
Brünn geschafft werden. Der Versuch daselbst (s. Bild) erwies «die völlige
Lenkbarkeit des Luftschiffes, aber das Brünner Leuchtgas war zu schwer,
um ohne Entlastung das Luftschiff heben zu können. Es mußten die Kühler
und Teile des Geländers der Gondel abgenommen werden, um 2 Personen
tragen zu können.
Nach Haenleins Schätzung erreichte das an losen Tauen gehaltene
Luftschiff eine Eigengeschwindigkeit von 5,2 m in der Sekunde. Der Vor¬
sitzende des Konsortiums verlangte nunmehr von Haenlein, daß er in der
teils geländerlosen Gondel mit einem ihm verwandten jungen Monteur auf
Nachdruck verboten.
Versuoh mit Haenleins LuftschlfT In Brünn Im Dezember 1872.
Nach einer Photographie.
100 m auffahren und in der Luft Manöver machen sollte. Als Haenlein
sich diesem Ansinnen widersetzte und die persönlichen Versuche Ofen¬
heims, mit dem Apparate allein fertig zu werden, ergebnislos verliefen
und den Spott der Zuschauer herausforderten, entstand hieraus eine derartige
Verstimmung zwischen dem Erbauer und den Kapitalisten, daß weitere
Versuche nicht mehr stattfanden. Dieser Ausgang war im höchsten Grade
bedauerlich.
Haenlein verbesserte sodann die Konstruktion seines Luftschiffes und
nahm ein Patent auf neue Projekte im Jahre 1874, welche äußerlich von
dem bekannten Luftschiffe von Renard Krebs sich nur durch Verwendung
der Gasmaschine und durch Verteilung der Last auf mehrere untereinander
versteifte Gondeln, eine Einrichtung, die später Graf v. Zeppelin und Santos
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Dumont praktisch verwerteten, unterschieden. Es kommt hier auch die
von Graf Zeppelin zuerst ausgeführte Verteilung der Treibkraft auf mehrere
in verschiedenen Gondeln montierte Motoren zum ersten Male zum Ausdruck.
Paul Haenlein war eben ein gottbegnadeter aeronautischer Erfinder,
der, ohne praktisch der LuftschifTahrt jemals gehuldigt zu haben, in seinen
Konstruktionsgedanken stets das Richtige traf. Wie sehr auch die Lehrer
unserer technischen Hochschulen seine Ideen anerkannten, mögen folgende
drei Gutachten darlegen:
1. Gutachten des Herrn Dr. Nell, Professor an der polytechnischen
Schule in Darmstadt.
Über ein von Herrn Paul Haenlein ausgearbeitetes Projekt eines
lenkbaren Luftschiffes.
Nachdem der Unterzeichnete obiges Projekt einer eingehenden Prüfung unterworfen,
kann derselbe seine Überzeugung dahin aussprechen, daß solches in jeder Be¬
ziehung sehr wohl ausführbar ist und vollständig allen gemachten Voraus¬
setzungen entsprechen wird.
Die Mechanismen zur Fortbewegung in horizontaler Richtung, zur Steuerung,
sowie zur Hebung und Senkung des Ballons sind so zweckentsprechend ausgedacht, daß
durch die Ausführung des Projekts sicherlich ein großer Fortschritt in der
Luftschiffahrt begründet würde. Mit tiefem Verständnis und vollständiger
Sachkenntnis sind die neueren Fortschritte der Technik benützt, um vorliegende Auf¬
gabe in wirklich praktischer Weise zu lösen.
Während frühere Projekte stets an dem zu großen Gewichte der mitzuführenden
Apparate und Stoffe zur Aufnahme und Unterhaltung der Triebkraft scheiterten, ist
diese Klippe hier in so glücklicher Weise vermieden, daß an der erfolg¬
reichen Ausführbarkeit kein Zweifel bestehen kann.
2. Gutachten des Herrn Hofrat Grashof, Professor des Maschinenbaues
an der polytechnischen Schule in Karlsruhe.
Indem ich anbei das mir vorgelegte Projekt des Herrn Paul Haenlein, ein lenk¬
bares Luftschiff betreffend, wieder zurücksende, bin ich gern bereit, meine Meinung
darüber zu sagen. Ohne Zweifel ist das Projekt sehr wohl durchdacht und im einzelnen
zweckmäßig durchgearbeitet, insbesondere erscheint die Idee, die Füllung des
Ballons selbst als motorische Substanz zu benützen, als eine sehr gute
und fruchtbare.
3. Gutachten des Herrn Teichmann, Professor des Maschinenbaues an der
Baugewerkschule in Stuttgart.
Von Ihrem Projekte eines lenkbaren Ballons oder Ballonlokomotive habe ich mit
dem Interesse Kenntnis genommen, das jede ernste Studie über diese kühne Aufgabe
verdient, zumal wenn sie mit richtiger Kenntnis der Naturgesetze, mit so umsichtiger
Benützung der Hilfsmittel, welche Physik und Mechanik bieten, und ohne allzu sanguinische
Hoffnungen über das erreichbare Ziel angestellt wird.
Trotz alledem gelang es Haenlein nicht mehr, seine Projekte zu
finanzieren und zu bauen. Wehmütigen Herzens mußte er erfahren, wie
seine Ideen in geringerer technischer Durchführung von besser unterstützten
Konstrukteuren praktisch erprobt wurden. War es einerseits eine Freude für
ihn, daß seine Gedanken zutrafen, so mußte es ihn andererseits schmerzlich
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berühren, daß er selbst als Schöpfer derselben vollständig vergessen und
beiseite geschoben wurde. Immer von neuem versuchte er wieder in seinem
Vaterlande, bei uns in Deutschland, für seine Projekte Propaganda zu machen,
aber immer von neuem blieb sein Bemühen leider vergeblich.
Armer Haenlein, deine Kämpfe, deine Seelenschmerzen und Enttäu¬
schungen, wir werden sie nimmer vergessen! Aber du hättest wissen müssen,
in Deutschland gibt es nur einen einzigen Allerhöchsten Mäcen der Luft-
schiffahrt, der dich sicherlich unterstützt hätte, wenn du rechtzeitig darum
zu bitten verstanden hättest.
Es ist charakteristisch für Haenlein, daß er, sanguinisch, niemals seine
Hoffnungen aufgab. Im Jahre 1904 noch veröffentlichte er im Verlage von
Grethlein in Leipzig die lehrreiche Broschüre: «Über das jetzige Stadium
des lenkbaren Luftschiffes», und an den Vorstand unseres deutschen
LuftschifTerverbandes stellte er den Antrag, ihm die Mittel zu beschaffen,
um sein Luftschiff erbauen zu können.
Er ruht nun, aber seine Gedanken bleiben leben und machen ihn un¬
vergessen. Wir hatten gehofft, ihn zum 25jährigen Bestehen des Berliner
Vereins für Luftschiffahrt im Jahre 1906 besonders ehren zu können. Der
Allmächtige oben hatte es anders beschlossen!
Ehre seinem Andenken!
Moedebeck.
Anmerkung der Redaktion:
Wenige Tage vor seinem Tode, ohne Zweifel schon von seinem Krankenlager aus,
hat Paul Haenlein an unsere Redaktion noch folgendes Schreiben gerichtet, das nun
wie ein Vermächtnis klingt, und das wiederzugeben wir uns darum dem Verstorbenen
und unseren Lesern schuldig halten:
«Im Besitz Ihrer geehrten Zuschrift vom 10. er. gestatte ich mir, Ihnen einliegend
1 Kopie des Antrages l ) zu überreichen, welchen ich am 22. September v. Js. dem «Ober¬
rheinischen Verein» gesandt habe.
Indem ich nun meinen Antrag angelegentlich Ihrer Befürwortung empfehle, wollte
ich nicht unterlassen, auf folgende Punkte aufmerksam zu machen:
1. Ein brauchbares, lenkbares Luftschiff würde von ganz außerordent¬
licher Wichtigkeit sein.
2. Wir sind imstande, ein solches zu bauen, und wenn man auf die in
meiner Broschüre angegebene Art vorgeht, und zwar systematisch, so
*) Es wolle der Vorstand des deutschen LuftschifTerverbandes nach Kräften bestrebt sein, den Bau
eines lenkbaren Luftschiffes zu veranlassen und, im Falle ihm Kapital zur Verfügung steht, dasselbe nicht
zum Bau eines unlenkbaren Ballons, sondern nur dazu anwenden, um die in meiner Broschüre*
pag. 23, angegebenen Experimente anzustellen, deren Kosten sich etwa auf 7—8000 Mark belaufen und,
graduell als dieselben gelingen, weiter vorzugehen, ein funktionierendes Modell, und dann ein großes Luft¬
schiff auszuführen. Bei der ungeheuren Wichtigkeit, welche das lenkbare Luftschiff für verschiedene
Zwecke hat, wage ich zu hoffen, daß der Verband seine Bestrebungen der Vervollkommnung desselben
zuwenden wird und bin überzeugt, wenn ein Verein, dessen Mitgliederanzahl 1700 beträgt (1700 der upper ten
thousand) ernstlich dieses Ziel ins Auge faßt, daß es ihm dann auch möglich sein wird, Mittel und Wege
zur Erreichung desselben ausfindig zu machen, um so eher, da es sich vorerst nur um eine geringe Summe
handelt.
Meinen Antrag Ihrer geneigten Erwägung empfehlend, wollen Sie mir gestatten, zu bemerken, daü
ich nicht «pro domo» spreche, nicht selbst auf die Ausführung eines lenkbaren Luftschiffes reflektiere,
sondern mich einzig und allein der Wunsch leitet, dies so überaus wichtige und interessante Objekt seiner
Etablierung zugeführt zu sehen.
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kann, ohne großen Zeit- und Geldaufwand, ein vollkommen brauchbares,
lenkbares Luftschiff hergestellt werden.
3. Unsere Nachbarländer studieren eifrig die Frage des lenkbaren Luft¬
schiffes und dieselben dürfen uns nicht überkommen.
Die Lösung der Frage wird nicht in einem kolossalen Aluminium-Ballon mit
innerer Versteifung liegen, sondern in einem Stoffballon, von noch ausführ¬
baren Dimensionen, ohne innere Versteifung, dafür einem gelinden Überdruck der
Füllgase.
Die Frage ist spruchreif und wenn man, ohne Notiz davon zu nehmen, zur Tages¬
ordnung übergeht, so dürfte doch der Verband es einst zu beklagen haben, einen solch
einfachen und urgesunden Vorschlag nicht berücksichtigt zu haben; wie bereits
gesagt, ich spreche nicht aus persönlichem Interesse, sondern nur für die Sache.
Ich erlaube mir die höfliche Bitte um gefällige Benachrichtigung, ob Sie glauben,
daß Chancen für die Ausführung meines Antrages vorhanden sind. Gerne Ihrer ge¬
fälligen Antwort entgegensehend, zeichne Hochachtungsvoll
Paul Haenlein.»
<K
Aeronautik.
Les fernmes aironautes.
A la suite de Tarticle que nous avons publie, dans cette Revue ! ), sur
«les femmes aeronautes», M. Boulade, l'aimable President de la section
lyonnaise de l’Aeronautique Club de France, a bien voulu nous donner
quelques renseignements puises ä bonne source et qui nous permettent de
rectifier deux erreurs dont nous prions le lecteur de nous excuser. Ces ren¬
seignements fixent d’ailleurs des points assez interessants de Thistoire aero-
nautique pour que nous ne craignions pas d’y revenir.
I.
Le premier concerne l’ascension de M me Tible, le 4 juin 1784.
Je ne sais ä quoi se rapportait la lettre du comte de Laurencin que
nous avons citee; mais, en tout cas, ce n’etait pas lui qui se trouvait dans
la nacelle avec M me Tible.
Voilä les faits tels qu’ils resultent du recit insere au «Journal de Lyon»
de Tepoque.
Un peintre lyonnais, du reste assez obscur, nomme Fleurant, ayant
tente une premiere experience qui avait echoue, par la faute d’une force
ascensionnelle mal calculee et insuffisante, s’etait decide ä construire une
nouvelle Montgolfiere de 71 pieds de haut et 58 pieds de diametre sous
laquelle il voulait essayer un rechaud de son invention.
Le comte de Laurencin, ami de Montgolfier et membre de l’Academie
de Lyon, Paida de ses conseils et de ses deniers. La somme necessaire
düt etre completee au moyen d’une souscription publique, ä raison de
6 livres par personne.
l) Octobre 1904 ä la page 309 et suivantes.
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^ 72
Ces preliminaires n’allerent pas sans perte de temps. L'ascension
devait avoir lieu en presence du roi de Suede, Gustave 111, voyageant alors
sous le nom de comte Haga, et en Phonneur duquel Paerostat avait re<;*u le
nom de « Gustave »; mais rien n’etait pret lorsqu’on annonga Parrivee
inopinee de Pauguste voyageur.
Les promoteurs de Pentreprise se desesperaient; ils allaient tout aban¬
donner, lorsque la femme d’un industriel lyonnais, M me Tible, sut relever
leur ardeur, par son entrain et sa verve.
On se remit ä l ouvrage et, en une nuit, la Monlgolfiere se trouva
prete, tant bien que mal. A 5 heures 3 U, par un temps superbe, Gustave III
arrivait dans les pr6s des Brotteaux oü, dans une vaste enceinte qu’entourait
la foule, le comte de Laurencin presidait au gonflement. Dejä Fleurant et
M me Tible etaient dans la galerie et le signal du depärt fut donne ä
6 heures Vs. L’aerostat s’eleva rapidement ä une grande hauteur et resta
45 minutes en Pair. Apres avoir franchi le Rhone et la Saöne, il prenait
terre sur le plateau de la Duchere, pres de Baimont, dans la propriete du
directeur des postes et des loteries du Gouvernement de Lyon, nomme
Tabareau. L atterrissage se fit sans difficulle; pourtant M me Tible se foula
la cheville en sautant de la naeelle. A defaut du carrosse de Tabareau qui
venait de partir pour la ville, les paysans accourus ä Paide, voulurent placer
les aeronautes sur des fauteuils et les porter ainsi en triomphe de Baimont
a Vaise, faubourg de Lyon, puis de Vaise ä PArcheveche, ä la lueur des
torches et aux acclamations de la foule.
II.
Notre seconde erreur est plus difficile ä avouer, car, sur la foi d une
legende, nous avons pris le Piree pour un homme, et la Ciamarella , qui est
une montagne, pour une femme.
H sagit du voyage efTectue le dimanche 8 octobre 1893, ä bord de
Paerostat Stella , par M. et M me Charbonnet, dont les noces avaient ete celebrees
le matin meme ä Turin. La jeune epouse, en toilette de mariee, s'installa
aupres de son epoux dans la naeelle, et le ballon prit son vol vers Pempyree,
ä 3 heures de Papres-midi. Apres 2 heures V 2 d’ascension, on prit terre
paisiblement pres de Piobesi, ä peu de distance de Turin, oü les autorites
feterent le jeune couple dans un banquet. Le temps etait beau et, le premier
voyage avait ofTert tant d’agrement que Pon resolut de garder Paerostat
tout gonfle pendant la nuit pour repartir le lendemain matin.
Deux passagers se joignirent alors aux maries: un beau-frere nomme
Giuseppe Botto, äge de 31 ans et qui avait dejä, sous le nom de Wolff,
execute plusieurs ascensions a Milan, et un gar^on de l’usine de chaudronnerie
de Charbonnet, Constantino Durando, dit «le nügre», äge de 18 ans.
Le ballon passa au-dessus de Barge, fut pousse vers Cumiana, puis,
apres avoir atteint une altitude de 4000 m, descendit tres rapidement et
tres pres du sol, aux environs du Saluggia. Une forte projection de lest le
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lit remonter jusqu’ä 6000 metres. A ce moment, un vent violent s’etait
eleve, le temps s’assombrissait et la deseente definitive commen(,*a au milieu
d’une tourmente de neige et de pluie.
Le «Stella» se trouvait alors au-dessus du pic de la Bessanese
(3.632 m) qui est ä cheval sur la frontiere frangaise et non loin de la
Ciamarella. Le ballon vint heurter les rochers qui forment la muraille
orientale de cette montagne. Un coup de vent entraina faerostat qui se
dechira aux pointes du roc, tandis que la nacelle restait couchee sur le glacier.
II etait alors 2 heures et demie. Charbonnet etait blesse ä Tceil et sa
femme ä la tempe. Un ouragan de neige et de pluie s’abattit sur la mon¬
tagne; les voyageurs durent s’abriter tant bien que mal sous 1‘enveloppe
du ballon, pour passer la nuit. Au lever du jour, on tenta la deseente du
glacier. Au cours de cette Operation delicate, Charbonnet glissa et tomba;
Botto et la mariee reussirent ä le retenir ; mais plus loin, une nouvelle
chute Tentraina dans l’abime. Le reste de la caravane reprit tristement la
deseente, inquiets de la route ä suivre. Dans l’apres-midi, le son de la cloche
(Tun troupeau vint leur apporter un peu d espoir; mais se trompant de route, les
inalheureux, au lieu de descendre vers le Pinn della Mussa , s'eloignerent en
remontant le vallon de la Stura. 11 fallut passer une seconde nuit sur le
glacier. Les voyageurs souffraient de la faim; la mariee n’avait plus de
chaussure et se trainait avec peine.
Enfin le matin du mercredi, redescendant un des trois torrents qui
forment les sources de la Stura , ils trouverent un sentier qui les conduisit
a un refuge de bergers. 11 etait temps, car ceux-ci se preparaient ä quitter
la montagne et ä ramener leurs troupeaux dans les basses vallees. Cinquante
heures s’etaient ecoulees depuis le depart quand les malheureux arriverent
au Pian della Mussa. Les autoriles de Ceres , auxquelles se joignit le
D r Bioletti, se mirent en route aussitöt, pour aller rechercher la victime dont
le corps, apres de difficiles tentatives, fut retrouve au fond d’une crevasse.
G. EspUallier.
Winddruck auf unrunde und vertiefte Flächen
von Friedrich Ritter.
(Vortrag, gehalten im Wiener flugtechnischen Verein am 26. April 1901.)
Nachdem die Größe des Winddrucks auf ebene, erhöht kantige, spitze
und runde Flächen schon mannigfach untersucht worden ist, lohnt es sich
vielleicht der Mühe, auch einmal den Winddruck auf unrunde und vertiefte
Flächen der Beobachtung und Rechnung zu unterziehen.
I. Winddruck auf unrunde Flächen.
Die mit leichtem Gas gefüllten Ballons, mit welchen unsere Kinder
spielen, sind gewöhnlich unvollkommen rund. Wie steigen sie, losgelassen,
in die Höhe, mit dem spitzen oder dem stumpfen Ende voran?
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 10
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74 €*««
Man vermutet wohl mit dem spitzen Ende, weil in dieser Lage der
Ballon die Luft am leichtesten spaltet. Der Ballon, dessen Schwerpunkt
man vorher durch Auflegen eines kleinen Gewichts in die Volummitte ge¬
bracht hat, hebt sich aber, wie der Versuch zeigt, mit dem stumpfen Ende
voran aufwärts.
Messungen des dem Ballon, je nachdem er sich selbst überlassen
steigt oder am spitzen Ende belastet fällt, begegnenden Luftwiderstandes
Y* Y
haben auch in Teilen von -- 1 ) und der Ballonquerschnittsfläche
Ballon steigend.n = 0,35 bis 0,40
» fallend.n = 0,27 » 0,31,
das erste Mal mehr, das zweite Mal weniger als den Widerstand der reinen
Kugelform n = 0,3309 2 ) ergeben.
Warum sucht der sich selbst überlassene Ballon just den großen
Widerstand auf?
Ein schief gehaltenes Blatt Papier, in der Luft fallen gelassen, sinkt
nicht in einer dieser Schiefe entsprechenden geraden Linie zu Boden. Die
Vorderkante des Blattes, von stärkerem Winddruck als die hinteren Blatt¬
teile getrofTen, weicht vielmehr aufwärts aus, die Linie des Falls erscheint
nach oben zurückgebogen; ja, wenn das Blatt schmal ist, kann es geschehen,
daß der von der Luft auf die Vorderseite geübte größere Druck eine volle
Drehung bewirkt und das Blättchen in wirbelnder Bewegung 3 ) zu Boden geht.
Aus diesbezüglich vorgenommenen Messungen 4 ) hat sich ergeben, daß
sich auf einer ebenen Fläche der Mittelpunkt des
AufTallswinkel des Windes
Winddrucks bei einem
qp = 0° um das ca. 0,00
fache
» = 15° * > > 0,26
»
» — 30° » * » 0,35
> = 45° » » » 0,34
>
» = 60° * » > 0,28
»
* = 75° » » » 0,15
»
„ — qno (senkrecht ge- q
— JU troffeneFläche) u ’ uu
>
der halben Flächenbreite nach vorn aus der Flächenmitte verschiebt.
Ein um ihre Mitte bewegliche Windfahne wird deshalb, vom Winde
schief getroffen, sich durch Zurückwerfen ihres Vorderrandes senkrecht zum
Winde stellen wollen. Geht hierbei das Vorderende bis hinter die senk¬
rechte Stellung zurück, gelangt das andere Ende in die vordere Lage und
nun weicht dieses unter dem größeren Winddruck zurück. So wechselt das
Spiel in der Weise, daß eine derartige Fahne, wie man an einem um einen
i) v = Geschwindigkeit, f = Gewicht der Raumeinheit Luft, g = die Beschleunigung der Schwere.
*) F. Ritter. Winddruck auf Zylinder und Kugelflächen, Zeitschr. f. Luftschiffahrt u. Physik d.
Atmosphäre 1896.
*) Vergl. Jarolimck, Flugmaschinen, Zeitschr. d. österr. Ing.- u. Archit.-Ver. 1893.
4 ) F. Ritter, «Zur Aufklärung einiger besonderen Erscheinungen des Winddrucks» in Zeitschr. f.
Luftsch. u. Ph. d. A. 1897.
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Stift drehbaren Blatt Papier beobachten kann, um eine zur Windrichtung
senkrecht stehende Mittellage hin und her pendelt.
Bekanntlich hat auch v. Lößl, 1 ) indem er in einer gegen den Wind
geführten ebenen Platte ein um eine Mittelachse drehbares Fensterchen
anbrachte, beobachtet, daß sich dieses Fensterchen senkrecht zur Wind¬
richtung stellte. Man würde aber nach dem Angeführten zu weit gehen r
wenn man aus dieser Stellung auf die Größe des von der Platte empfangenen
Winddrucks, wie versucht worden ist, schließen wollte.
Tritt an die Stelle der ebenen eine mehr oder weniger vorwärts ge¬
wölbte Fläche, so vermindert sich wohl bei deren Schiefstellung der Unter¬
schied im Winddrucke vor und hinter der Flächenmitte; er bleibt aber so
lange bestehen, als nicht die Rundung der Fläche in die volle der Kugel
übergeht. Aus diesem Grunde mußte sich der unrunde Kinderballon, wie
der Versuch zeigte, mit der flachen und nicht mit der spitzen Seite dem
Winde entgegenstellen.
Nehmen wir an, daß eine unrunde Kugel in der Luft schwebend vom
Winde fortbewegt werde, so wird sie, da ein natürlicher Wind bald stärker,
bald schwächer bläst,*) wohl wegen der Trägheit ihrer Masse nach dem
Durchschnitt der Windgeschwindigkeit weiter ziehen, dabei jedoch bald
hinten, bald vorn von einem Unterschiede der Windstärke getroffen werden.
Ihre flache Seite wird sie deshalb bald nach hinten, bald nach vorn zu
wenden suchen. Vielleicht ist, da ein Ballon kaum je vollkommen rund
gemacht werden kann, die dem Luftschiffer lästige drehende Bewegung des
schwebenden Ballons 8 ) auf diese Ursache zurückzuführen.
Auch in bewegtem Wasser, für welches 4 ) ähnliche Gesetze gelten,
lassen sich Erscheinungen dieser Art verfolgen. Eine schwimmende unrunde
Eisscholle dreht sich mehr oder weniger häufig um ihre Achse. Ein vom
Hochwasser mitgenommener Balken schwimmt nicht immer nach seiner
Länge durch die Öffnung unserer Brücke, sondern legt sich sehr gegen unseren
Wunsch quer vor ihre Joche. Bei dem Hochwasser der Donau im Herbste
1899, welches einige Uferstraßen in Wien überschwemmte, konnte man
einen Balken sich quer vor einen Laternenpfahl legen und eine Viertelstunde
dort verweilen sehen; erst als sich nach und nach Balkenmitte und Stütz¬
punkt gegeneinander verschoben hatten, löste sich der Balken, auf einer
Seite das Übergewicht erlangend, vom Pfahle weiter schwimmend ab.
Ein fahrendes Schiff kann, wenn nicht die Schiffsspitze abbiegen und
dadurch die Fahrrichtung gefährdet werden soll, der Hand am Steuer nicht
entbehren. Fliegenden Langgeschossen verleihen wir, damit sie nicht durch
seitlichen Winddruck vom Ziele abgelenkt werden, eine drehende Bewegung.
Überall, in Luft und Wasser, läßt sich die Neigung der unrunden
*) Aerodynamische Gnmdformeln, Zeitschr. des österr. Ing.- u. Archil-Ver. 1881.
>) Langley, Internal work of the wind (1893) und F. Ritter «die hebende Kraft des Windes* (Zeitschr.
f. Luftschiff, u. Phys. d. Atm. 1899).
*) J. Popper, Flugtechnik 1890.
4 ) Gerlach, Widerstand in einer gleichförmig strömenden Flüssigkeit. (Zivilingenieur 1885.)
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♦fr*» 76
Fläche, sich möglichst flach der Bewegungsrichtung entgegenzustellen, bei
näherer Betrachtung erkennen.
II Winddruck auf vertiefte Flächen.
Vertiefte Flächen in Becherform, welche, sich um eine Achse drehend,
bald ihre hohle, bald ihre erhöhte Seite dem Winde entgegenstellen, werden
als Windmesser (Anemometer) verwendet.
Soweit die erhöhte Seite in Betracht kommt, ist der Winddruck aus
der an die Form des Lufthügels anknüpfenden Rechnung übereinstimmend
mit der Erfahrung bekannt und beträgt für die Einheit senkrecht zur Wind-
v 8 Y
richtung gemessener Fläche und in Teilen von — ! )
bei einer Zylinderfläche.n = 0,4513
> » Kugelfläche. = 0,3309.
Über den Winddruck auf die hohle Halbkugelfläche liegt eine Messung
v. Lößls am Rundlaufapparate 2 ) vor, welche n = 1,0 ergeben hat. Eine
Berechnung dieses Drucks und des Winddrucks auf vertiefte Flächen über¬
haupt liegt jedoch, soweit es # mir bekannt ist, nicht vor. Sollte es nicht
möglich sein, aus der Form des entstehenden Lufthügels auch hier auf die
Größe des Winddrucks durch Rechnung schließen zu können?
Versuche mit Fallkörpern aus Papier, welche Verfasser angestellt
(die Versuchsstücke waren zur Verhinderung des seitlichen Ausweichens mit
papierenem Aufsatz versehen und durch angehängte Gewichte unten belastet),
haben aus dem Verhältnis zwischen Fallkörpergewicht und beobachteter
Fallzeit 3 ) an Winddruck ergeben:
a) für einen hohlen Halbkreiszylinder n = 1,46 bis 1,56
Durchschnitt.n = 1,51
b) für eine sich bis auf 22°30' Zentriwinkel der Halb¬
kugel nähernde hohle Kugelschale (Randneigung
gegen den Wind qp 0 = 137°30') . n = 1,21
c) für einen vertieften Keil
d. i. eine Rinne mit <p = 135°
Neigung gegen den Wind .... n = 0,94
d) für einen vertieften Kegel
und zwar
von qp = 120°. n = 0,85
= 135°. = 0,86
= 150°. = 0,86
e) für einen vertieften Kegel von qp = 170° und
zwar, da ein geschlossener so spitzer Kegel schwer
dem Versuch zu unterziehen ist, aus der Messung
an abgestumpften d. i. ringförmigen Kegeln dieses
i) F. Ritter, Windrock auf Zylinder- und Kugelflächcn.
*) v. Lößl, Die Luftwiderstandsgesetze usw. 18%.
*) Vergl. die Einzelheiten solcher Versuche in F. Ritter, Zur Aufklärung einiger besonderen Er¬
scheinungen des Winddrucks, Zeitschr. f. Luftsch. u. Ph. d. Atm. 1897.
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Winkels bei verschiedenem
Ringfläche
Ringfläche + ÖfTnungsfläche
wurde:
für K = 0,00 n = 0,00,
= 0,27 = 1,41
= 0,49 = 0,85
= 0,69 = 0,81
Verhältnis von
= K, wobei beobachtet
Kn =
0,00
0,38
0,42
0,55,
so daß sich annähernd für K = 1,00 (voller vertiefter
Kegel) berechnete.n = 0,56.
Faßt man von diesen Messungs¬
ergebnissen zunächst die auf Zylin¬
der- und Kugelflächen bezüglichen
Versuche a) und b) ins Auge, so
baut sich nach früherer Untersuch¬
ung 1 ) über einer solchen Fläche
AFB, vom Rande A beginnend, ein
Lufthügel von der Begrenzung AHC
derart auf, daß jeder Punkt H der¬
selben gleich weit von der Fläche
bei J und von dem den Rand berührenden Windfaden DEA entfernt liegt
HJ = HE.
Bei einer Neigung des Flächenelements J zur Windrichtung = qp übt
nach derselben Untersuchung der im Punkte H auf den Lufthügel treffende
Windfaden GH vom Querschnitt Eins, wenn von dem bei vertieften Flächen
geringen Rauheitswinddruck abgesehen wird, im Punkt J der AFB-Fläche
einen zur Windrichtung parallelen Druck JL d. i. einen Winddruck
n 0 = sin 2 qp • sin ~ aus.
Für die unter b) untersuchte Kugelschale würde hiernach, da bei der¬
selben die Winkel qp zwischen 157° 30' am Rande A und 90° in der Mitte F
schwanken, der Winddruck zwischen n = 0,14 und n = 0,71, und für den
Halbkreiszylinder a), wo qp sich zwischen 180° und 90° ändert, zwischen
n = 0 und n = 0,71 liegen. Da im Versuche n = 1,21 und 1,53
gefunden wurden, würde die Rechnung viel zu wenig ergeben; worin liegt
der Unterschied begründet?
Der in J nach der Richtung des Windes wirkende Druck n 0 = sin 2 qp • sin|
stellt nach der angeführten Untersuchung die Seitenkraft eines in J senk¬
recht zur Fläche AFB wirkenden Druckes HJ dar, dessen andere, quer zur
Windrichtung wirkende Seitenkraft bei der angenommenen Symmetrie der
Fläche durch eine entgegengesetzt wirkende gleich große Kraft auf der Gegen-
') F. Ritter. Winddruck, auf Zylinder- und Kugclflächen. Zeitschr. f. Luftsch. u. Ph. d. Atm.
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seite aufgehoben wird. Die Kraft HJ ist aus dem in H senkrecht zur Luft¬
hutfläche vom Windfaden ausgeübten Stoßdrucke HM hervorgegangen, welcher
im ganzen (n) = 2 sin 2 y betragen und als zweite Seitenkraft in zum
Flächenelement J paralleler Richtung HN die Kraft n' = (n) siny = 2 sin 3 ^
entsendet hat.
Bei ebenen und erhöhten Flächen ging diese zweite Seitenkraft ins
Leere d. h. in die Umgebung über und dadurch für den Winddruck auf die
Fläche verloren. Bei der vertieften Fläche jedoch trifft sie in N auf die
Fläche und ruft dort, wenn ihre Neigung zur Flächensenkrechten daselbst 9
und deshalb die senkrechte zur Fläche gerichtete Schwingungsgeschwindigkeit
von derjenigen der die Kraft n' nach N übertragenden Luftwelle das cos 9 -fache
beträgt, einen senkrecht zur Fläche gerichteten Druck NO = n'cos 2 9 =
2 sin 3 -|- • cos 2 9 hervor. Aus diesem entsteht, wenn die Fläche in N um
u
den Winkel <pi zur Windrichtung geneigt ist, als zur Windrichtung parallele
Seitenkraft ein Winddruck NQ = NO-sin <pi = m = 2 sin 3 — • cos 2 9 • sin cpt,
welcher sich dem früheren Winddruck n 0 = sin 2 qp-siny hinzufügt, während
die zur Windrichtung senkrechte andere Seitenkraft ähnlich wie in J durch
eine gleich große entgegengesetzte auf der symmetrisch gegenüberliegenden
Seite der Fläche aufgehoben wird.
Liegen die Punkte H, J und N im Verhältnis zur Ausdehnung der
Fläche AFB nicht weit auseinander, so kann die in N unter einem dem Ein¬
fallswinkel ip gleichen Winkel zurückgeworfene Winddruckwelle in N«, Nz
ein zweites, drittes usw. Mal auf die Fläche treffen und daselbst bei Neigungs¬
winkeln 92 , qps weitere Winddrucke 112 , nz hervorrufen. Bei kreisförmiger
Krümmung der Fläche AFB sind alle Einfalls- bezw. Zurückwerfungswinkel 9
gleich groß. Wenn für den ersten Auffallpunkt N die Differenz 9—91 = t
und die Neigung am Flächenrande = 9 0 gesetzt wird, so beträgt bei
cos 2 ^
Kreisform der Linie AFB nach früherer Untersuchung 1 ) cos t =-•;
cos
der Winkel 9 wird durch die Beziehung 9 = y — ( 9 — 91 ) - t bestimmt,
so daß, da sich die späteren Neigungswinkel durch 92 = 9 — 3t, 93 = 9 — 5t
usw. ausdrücken lassen, zur Berechnung der Winddrucke, welche in ihrer
Gesamtheit den Winddruck auf die Fläche AFB darstellen, alles Nötige
gegeben ist.
Führt man die Rechnung für die hohle Halbzylinderfläche a durch,
so ergibt sich als durchschnittlicher Gesamtwinddruck . ... n = 1,45
desgl. für die Kugelschale b von 9 0 = 157° 30' Randwinkel . n = 1,21
und für die volle Halbhohlkugel.n = 1,22
•) F. Ritter, Winddruck auf Zylinder- und Kugelflächen.
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Für die beiden ersten hat der Fallversuch, wie angeführt, n = 1,51
und 1,21, also ziemlich genau soviel wie die Rechnungen finden lassen.
Der vom dritten etwas abweichende Messungswert v. Lößls von rund
n = 1,0 steht im Hinblick auf die etwas geringere Genauigkeit von Rund¬
laufmessungen 1 ) mit dem Rechnungsergebnisse wenigstens nicht im Wider¬
spruch. Die angestellte Berechnung und die derselben zugrunde liegende
Annahme, daß Winddrucke strahlenartig durch Luftwellen übertragen und
als solche zurückgeworfen werden, dürfte sonach als bestätigt angesehen
werden können.
Indem dieses Prinzip auf die anderen vertieften Flächen, wie Keil und
Kegel, Versuche c bis e, angewendet wird, berechnen sich als Werte des
Winddrucks n =
vertiefter Keil vertiefter Kegel
beobachtet berechnet beobachtet berechnet
für q> = 120°.* — — 0,85 1,49
> . = 135°. 0,93 1,58 0,87 1,58
» » = 150°. — — 0,86 1,59
» > = 170°. — — 0,56 1,58
Die berechneten Werte wären hiernach zu groß. Woher diese Nicht¬
übereinstimmung ?
Hätte sich beim
auf den Schüsselrand
Eine papierene runde Schüssel mit ebenem Boden
und an Höhe der halben Weite gleichkommendem
Rande AA, B, B zeigt, in der Luft fallen gelassen, einen
auf die Flächeneinheit Boden bezogenen Winddruck
n = 0,74, welcher Druck dem Winddruck auf eine
senkrecht getroffene ebene Fläche ohne Rand von
n = 0,73 bis 0,78*) gleichkommt.
Fallen der Schüssel die Luft, um seitlich auszuweichen,
AA, bezw. BB, gestützt, so müßte sich, da in diesem
Fall <p = 180° = n beträgt, ein Winddruck n = sin*Tr • sin i = 0, wäre
die Luft von dem Schüsselboden zurückgeworfen worden, müßte sich ein
Winddruck n = 2 ergeben haben. Weder das eine noch das andere fand
statt; die Zurückwerfung ging, nach dem Beobachtungswerte n = 0,74
zu schließen, vielmehr in der Weise vor sich, als wenn der Schüsselboden
vorn in AB an der Schüsselmündung säße und sich darüber wie über einer
freistehenden, senkrecht getroffenen ebenen Fläche ein Lufthügel ABC mit
Winkeln von 4" • = 45° gebildet hätte.
d d
Die auf eine vertiefte Fläche treffende Luft eines Windes vermag sich
sonach auch auf eine hinter deren Rand A oder demselben gegenüber
liegende Fläche für den seitlichen Abfluß zu stützen.
*) v. Lößl, Die Luftwiderstandsgesetze usw. 1896.
*) F. Ritter, «Zur Aufklärung usw.» in Zeitschr. f. Luftschiff, u. Ph. d. Atm. 1897.
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80 €*««
Die untersuchten, aus zwei symmetrisch liegenden
Hälften AF und FB bestehenden Keile und Kegelflächen
besitzen nun je in der Gegenfläche eine solche hinten
und gegenüber liegende Fläche, und eine Stützung der
Luft auf die Gegenfläche FB ist deshalb für den Flächen¬
teil AF nach dem angeführten zweiten Prinzipe denkbar.
Aus einer solchen Stülzung geht jedoch, wenn sie
stattfindet, neben dem um den Winkel ~ zur Wind¬
richtung geneigten Lufthügel AGB ein in A mit der
Neigung 90°—^ beginnender zweiter Lufthügel AC'B hervor, welcher, wenn
die Rechnung für ihn durchgeführt wird, einen Winddruck auf die vertiefte
Keil- oder Kegelfläche n zur Folge hat
Keil Kegel
bei <p = 120° von .. — 0,37
135° ». 0,25 0,21
150° >. — 0,18
170° > ". ..... — 0,17
Diese Winddrucke sind, während die zuerst berechneten zu groß waren,
gegen die beobachteten Werte zu klein.
Wenn man aber aus den beiden Gattungen berechneter Werte den
ungefähren Durchschnitt zieht, nämlich
vertiefter Keil vertiefter Kegel
beobachtet berechnet beobachtet berechnet
<p 120°. — — 0,85 0,9
= 135°. 0,93 0,9 0,87 0,9
= 150°. — — 0,86 0,8
= 170°. — — 0,56 0,6
so stimmen Beobachtung und Rechnung überein. Man wird sonach zu der
Folgerung geführt, daß die beiden möglichen Lufthügel ACB und AC'B
tatsächlich über den Vertieften Flächen entstehen und ungefähr gleichviel
Luft nach dem einen und dem andern Lufthügel seitwärts abfließt.
Wenn man die Richtungen des Abflusses ver¬
folgt, so fließt von dem ersten Lufthügel ACB die
Luft in zur Fläche AF paralleler Richtung L'M',
von dem zweiten AC'B ungefähr in zur Fläche BF
paralleler Richtung L"M" ab. Der ungefähre
Durchschnitt beider Abflußrichtungen L"'M'" liegt,
wie sich zeigt, zur Mündungsebene AB der ver¬
tieften Fläche parallel.
Als ähnliche Abflußrichtungen bei der unter¬
suchten Schüssel erscheinen möglich:
I f
%•-
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Abflußrichtung
zugehöriger
Winddruck n
bei Stützung der Luft auf den Schüssel¬
rand AAi . fl cm Winde ent- 0
gegen
bei Zurückwerfung durch den Schüssel¬
boden . do. 2
bei Stützung auf den Schüsselboden mit
Lufthut von 45° über der Mündungs¬
ebene . der Mündungsebene 0,73—0,78
parallel ’ ’
Nachdem ein Winddruck n = 0,74 beobachtet wurde, floß keine Luft
nach den beiden ersten Richtungen ab; der Abfluß ist vielmehr auch hier
parallel zur Mündungsebene erfolgt.
Übereinstimmend ergibt sich aus dem Angeführten sonach, daß, wenn
über einer symmetrisch zur Windrichtung vertieften Fläche sich mehrere
Lufthügel bilden können und bilden, der Abfluß der Luft sich in der Weise
auf die einzelnen Lufthügel verteilt, daß im Gesamtdurchschnitte die Luft,
ähnlich wie bei einer senkrecht getroffenen ebenen Fläche, in zum Winde
senkrechter Richtung, d. i. in diesem Fall parallel zur Mündungsebene,
die Fläche verläßt.
Unter Zuhilfenahme nun auch dieses, dritten Prinzips berechnen sich
für die vertiefte Keil- oder Kegelfläche folgende Winddrucke:
Neigung der Fläche
Flächen¬
Winddruck n
zur Windrichtung
gattung
beobachtet
berechnet
Unterschied
<p = 120°
Kegel
0,85
0,94
-0,09
» = 135°
Keil
0,93
0,86
+ 0,07
» = 135°
Kegel
0,85
0,88
-0,03
» = 150°
»
0,86
0,79
+ 0,07
» = 170°
»
0,56
0,55
+ 0,01
Durchschnittlicher Unterschied ....
~h 0,05
dessen angesichts der Schwierigkeit der Messungen geringer Betrag wohl
die Richtigkeit der obigen Ausführungen bestätigen dürfte.
Behufs Vergleichung der sich nach vorstehendem für die verschiedenen
Gattungen vertiefter Flächen ergebenden Winddrucke mit den aus früherer
Untersuchung 1 ) bekannten Winddrucken auf erhöhte und ebene Flächen
erscheinen nachstehend die sich in Teilen von —- und auf die Einheit
senkrecht zur Windrichtung gemessener Fläche berechnenden Winddrucke n
für einige zwischen 180° Und 0° liegende Winkel cp bezw. <p 0 zusammen¬
gestellt. Bei Winkeln unter 90° wurden hierbei, um den Einfluß der Flächen¬
rauheit ersichtlich zu machen, je der einer absoluten Glätte zugehörige
kleinste und der bei entsprechender Rauheit entstehende größte Winddruck
in Bruchform über einander gesetzt. Nebenwinddrucke wie Abwind, Auf¬
trieb, Vortrieb u. dergl. sind nicht berücksichtigt.
i) F. Kitter, «Zur Aufklärung einiger usw.* in Zeitschr. f. Luftsch. u. Phys. d. Atm. 1897.
IUuatr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 11
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82 €*«♦
Neigungswinkel • Ebene,
<p bezw. qpo
Keil
Kegel
Abschnitt von
nach der
(Neigung am Rande)
Zylinder
1,45
Kugel
1,22
Quere schief
a) vertiefte Flüchen
180° (ideelle flreniwerte, Hohl-
hklbxylioder, Hohlhalbkngel)
0,27
0,18
getroffen.
165°
0,69
0,61
1,41
1,22
—
150°
0,80
0,79
1,26
1,20
—
135° »
0,86
0,88
1,08
1,09
—
120°
0,94
0,94
0,94
0,96
—
105°
0,78
0,80
0,80
0,83
—
90° (Kbene, irnbeeht getroffen)
0,77
0,77
0,77
0,77
—
b) erhöhte Flächen
90°
0,71/0,79
0,71/0,79
0,71/0,79
0,71/0,79
0,71/0,79
75°
0,65/0,75
0,57/0,73
0,65/0,75
0,63/0,75
0,65/0,75
60°
0,45/0,66
0,39/0,62
0,59/0,67
0,53/0,65
0,51/0,63
45°
0,33/0,56
0,23/0,51
0,53/0,58
0,44/0,53
0,33/0,45
30°
0,26/0,47
0,13/0,39
0,48/0,50
0,38/0,42
0,1510,28
15°
0,23/0,36
0,09/0,29
0,46/0,47
0,34/0,34
0,04/0,16
5°
0,23/0,33
0,08/0,22
0,45/0,46
0,33/0,33
0,01/0,09
0° (ideelle Oninreri«, erhöhter
Hilfcijtinder, erhöhte Halb*
k»pl).
0,23
0,08
0,45
0,33
0
Wie die nachstehende Gegenüberstellung einiger anderer Messungen,
nämlich
Beobachter
beobachteter
Winddruck n
n nach obiger
Übersicht
qpo = 124 bis 127° Hohlzylinder
Thiebault
0,94— 1 , 05 »;
) 0,98—1,02
u.
Kugelschale
Borda 2 )
0,70—0,82'
Hutton 2 )
0,69
■e
II
8
o
Ebene
Lößl
0,83—0,94
0,71—0,79
Marvin (Mount
Washington) 3 )
0,75
Keil
Borda
0,50
0,33—0,56
<p bez. <po = 45°
Kegel
>
0,48
0,23-0,51
Ebene
Hutton
0,37
0,33—0,45
Keil
Borda
0,36
0,26—0,47
<p bez. qpo = 30°
Kegel
*
0,38
0,13—0,39
Ebene
Hutton
0,22
0,15—0,28
q» = 26°
Kegel
»
0,32
0,12—0,36
qp = 15°
Ebene
>
0,10
0,04—0,16
cp = 10°
»
0,07
0,03—0,12
qp = 5°
»
»
0,03
0,01—0,08
i) nämlich l*/* des Winddrucks auf senkrecht getroffenen Ebenen nach Prechtl, Flug der Vögel,
1846, d. i. y (0,71 bis 0,79).
1) Samuelson, Widerstand der Luft, «Zivilingenieur* 1867.
i) Zeitschr. f. Luftschiffahrt 1891, Heft 7—8.
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**»> 83 «44«
zeigt, stimmen die Werte der Übersicht mit den von anderen Beobachtern
gefundenen überein.
Nach den berechneten Werten empfängt eine vertiefte Keil- oder Kegel¬
fläche bei einer Neigung bezw. Randneigung von ungefähr 120° den größten
Winddruck.
Der Winddruck auf stärker geneigte vertiefte Flächen wird durch deren
Ausrundung erhöht.
Ein vom Winde geschwelltes Segel kann einen Winddruck bis zu
n = 1,45 d. i. ungefähr dem Doppelten des Winddrucks auf eine senkrecht
getroffene ebene Fläche (n = 0,71—0,79) empfangen. Ein Fallschirm von
Kugelschalen form und <po = 135° Randneigungswinkel wird einem Luft¬
widerstand von n = 1,09, d. i. ungefähr dem l'lt fachen des Winddrucks
auf eine ebene Fläche begegnen.
Von zwei Halbkugelbechern eines sich drehenden Windmessers wird
bei der Windgeschwindigkeit v die vor dem Wind mit der Geschwindigkeit
v. zurückweichende Hohlseite des einen Bechers in Teilen von — und senk-
1 g
recht zur Windrichtung gemessener Fläche einen Winddruck von
n' (v—vi)* == 1,22 (v—vi) 2 ,
die erhabene Seite des gegenüberliegenden Bechers, wenn die Metalldicke
der Becher außer Acht gelassen wird, von
n" (v+vi)* = 0.33 (v + vt)*
empfangen. Sind bei reibungsloser Drehung beide Drucke gleich groß,
so folgt
1,22 (v-vi)* = 0,33 (v + vi) 2 ,
V L22 , _
_ = j33 + 1 = + = 3 lg
vi _ 1 J/n' — \ n" ’ ’
K 0,33 1
<1. h. die zu messende Windgeschwindigkeit beträgt rund das Dreifache der
Geschwindigkeit, mit welcher sich die Becher bewegen, welche Regel be¬
kanntlich 1 ) bereits in Geltung steht.
Wären die Becher, statt kugelig, zylindrisch geformt, so würde das
n' 122
Verhältnis —, welches ihre Brauchbarkeit bestimmt, statt = 3,65 nur
n u,oö
= 3,21, also weniger betragen. Spitze Kegel von beispielsweise
<p = 15° bezw. 165° Neigungswinkel besäßen, wenn sie sehr glatt sind,
wohl ein Verhältnis = jwJr^rü = 3 bis 6; sie müßten aber weiter,
n" 0,09—0,21 ’
länger und damit schwerer als Kugelbecher gemacht werden. Die übliche
Kugelform der Becher erweist sich sonach als zweckmäßig.
Da sich die Kräfte des Winddrucks, wie beobachtet wurde,
durch Wellenbewegungen der Luft fortpflanzen und als solche, wenn sie
zurückgeworfen werden, mehrmals als Winddruck zur Geltung gelangen
>) v. Bebber, Meteorologie 1890.
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können, ist anzunehmen, daß eine Gruppe von Stangen, Stricken usw.,
welche etwa als Netz einen Ballon mit seiner Gondel verbinden, von einer
Luftströmung einen verhältnismäßig großen Winddruck empfangen kann.
In der Tat hat der durch seine Zuspitzung vorn und hinten für die Durch¬
schneidung der Luft vorzüglich geeignete Krebs-Renardsche Ballon, wie
Popper 1 ) nachgewiesen hat, einen verhältnismäßig großen Luftwiderstands¬
koeffizienten, n = bei seiner Bewegung erkennen lassen.
Nach den vorstehenden Ausführungen, wenn man sie schließlich über¬
blickt, hätte die Untersuchung des Winddrucks auf unrunde und vertiefte
Flächen vielleicht einige in der Praxis verwendbare Koeffizienten des Wind¬
drucks geliefert und zugleich in der einen oder anderen Hinsicht Gelegenheit
geboten, an uns herantretende Erscheinungen zu erklären oder für die
Windmessung oder den künstlichen Flug dienende Einrichtungen auf ihre
Brauchbarkeit zu prüfen.
La Campagne du „Lebaudy“ en 1904.
Les lecteurs de cette Revue ont pu suivre, pour ainsi dire au jour le
jour, les prouesses accomplies par le ballon «Lebaudy> au cours de
Pannee 1904. II n’est pourtant pas inutile d’en tracer un tableau d’ensemble,
mettant en evidence les resultats acquis gräce aux derniers perfectionnements
apportes ä ce dirigeable par son inventeur M. Julliot.
Nous avons d6jä decrit les principaux parmi ces perfectionnements
(111. Aeron. Mitt., November 1904), et rendu compte en meme temps de la
premiere Serie d’experiences et d'ascensions efieetuees dans une trös courte
periode de 24 jours, du 4 au 28 aoüt, pendant laquelle le ballon a fait
12 ascensions plus particulierement destin6es ä l’essai technique et pratique
des nouvelles dispositions adoptees. Ces experiences ne comportaient donc
pas de longs voyages. Ceux du 16 et du 17 aoüt cependant, oü le ballon
s’est assez eloigne de son hangar pour le perdre de vue, ont permis de
constater que les changements n’avaient point reduit la vitesse maxima, et
que Pon avait plutot un peu gagne ä cet egard.
C’est egalement pendant cette periode que Mesdames Paul et Pierre
Lebaudy monterent dans la nacelle du ballon: pour la premiere fois un
dirigeable enlevait des dames.
On se rappelle qu’une avarie survenue ä Penveloppe, par suite d’un
vent violent, le 28 aoüt, apres Patterrissage, for<;*a d’interrompre les ex¬
periences.
Ce n’est.que le 20 octobre que, les reparations terminees, le «Jaune»
se trouvait pret ä afTronter Patmosphere de nouveau et ä entamer une
Campagne d’hiver. On avait mis ce repit ä profit pour rapprocher le ventilateur
du poste de Paeronaute et pour achever de mettre au point la manoeuvre
des plans dßroulables le long du cadre de poussee.
1 ) J. Popper, Flugtechnik 1890.
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Nachdruck verboten!
Lebatidy’t Luftschiff 1904. Photogr. von M. Duchesne.
Gräce ä l’emploi de ces plans deroulables qui oll’rent ä la resistance
de l’air des surfaces obliques et variables, gräce aussi ä la manceuvre
adroite du ventilateur dont la puissance etait augmentee, on a pu — et
c'est ce qui caracterise cette serie d’experiences — reduire dans une large
mesure la depense de lest, qui n a guere ete en moyenne que de 30 kilos
par heure (16 kilos en 34 minutes par legere plüie).
Dans toutes les ascensions de cette periode, la depense de lest a ete
assez faible pour permettre, si on reut voulu, de prolonger chaque voyage
pendant 4 ou 5 heures.
Au cours de cette Campagne ont ete realisees notamment: une ascension
libre avec 6 personnes ä bord; des sorties de l h 30 m et l ll 32 m , cette
dernifere par un vent de 9 metres au sol; des sorties par la neige et la
gelee, etc.
Voici d’ailleurs un detail complet des ascensions.
24 octobre. — Ascension nocturne — (entre l h et 2 h du matin) —
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Nachdruck verboten!
Gondel von Lebaudy’s LuftschifT 1904. Photogr. von M. Duchcsnc.
(ä bord: MM. Juchmes, Rey, H. Farman, Wimille, redacteur au Petit
Patisien). Vent leger du S.S.O. Altitude constante et basse de 40 h
50 metres. Depense de lest: 10 kilos en 17 minutes. — Le brouillard abrege
l’ascension; au dernier Circuit au dessus de Lavacourt, le ballon n’appa-
raissait plus, vu du hangar, que comme une masse blanchätre et lumineuse;
de son cöte, le pilote, M. Juchmes, n’apercevait que quelques tetes d’arbres
emergeant d’une mer de nuees molles et calmes, et la masse indecise du
garage qui avait ete poiirtant vivement eclaire pour servir de phare.
L’atterrissage nocturne s’est efTectue sans difficulte.
27 octobre. — Deux ascensions ä midi 20 m et 2 h 45 m . — Temps
froid, brumeux d’abord, soleil intermittent ensuite. — Essais comparatifs du
ventilateur ä petite et ä grande vitesse*. Dans la seconde ascension, d’une
duree de 31 minutes, Pemploi methodique du ventilateur ä grande vitesse
a permis de se maintenir exactement entre 75 et 90 metres avec une depense
de 28 kilos de lest sur 344 kilos empörtes au depart.
31 octobre. — Vent E.-N.E. faible au sol, plus fort dans les couches
superieures; temps brumeux et couvert. Duree du voyage l h 32 m . — Lest
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empörte: 324 kilos; lest depense: 8 kilos au depart, 16 kilos dans la premiere
partie du voyage, 12 kilos au retour, zero ä Patterrissage.
3 novembre. — Voyage ä Mantes> aller et retour. Depart ä 4 h 39 m
du soir, vent N.O. de 5 m 50. Apres avoir decrit des circuits de reglage
pendant une dizaine de minutes, M. Juchmes passe ä 4 h 50 m au zenith du
hangar, le cap sur Mantes, traverse la Seine sur Pile de Mousseaux, s’engage
sur les bois de Saint-Martin et Dennemont, traverse un second coude de la
Seine, oü la sirfcne d’un remorqueur salue son passage, franchit Gassicourt
et se dirige sur la gare de Mantes-embranchement ; puis, laissant ä sa gauche
le Palais de Justice, va planer sur la eathedrale oü s’effectue le virage ä
5 h 8 m au-dessus des rues noires de monde. Le retour s’effectue rapidement
et ä 5 h 30 m la nacelle prend terre sans incident. Duree de Paller 18 minutes —
Duree du retour 20 ra . — Duree totale 38 minutes. La distance du hangar ä la
eathedrale est de 9520 m en ligne droite ce qui, avec les 1000 m de par-
cours au-dessus de Mantes et les divers circuits, represente un parcours reel
de 2105 km, pointe sur la carte. La vitesse moyenne par rapport au sol a
donc ete de 9,23 m par seconde, ou 33 200 m ä Pheure. C’est certainement
le record de la vitesse des ballons automobiles. La vitesse moyenne des
helices a ete de 1058 tours par minute.
18 novembre . — Ascension avec 6 personnes ä bord. — 4 h apres-midi.
Brouillard intense. Vent N.-N.E. assez fort ä 150 m d’altitude. Duree
25 minutes, atterrissage k la nuit tombante. Lest empörte: 140 kilos; lest
depense: 48 kilos. Altitude moyenne: 85 m, alt. max.: 90 m.
20 novembre. — L’ascension, dont la date avait ete fixee d’avance pour
la reception des membres de PAcademie franpaise d’Aerostation, a eu lieu
malgre la pluie. Depart ä 3 h 22 m . Duree 34 minutes.
Depense de lest 16 kilos (moins de 30 kilos ä Pheure).
24 novembre — Apres Papparition de la neige. — Temps froid, vent
en rafales. Depart ä 2 h 5 m , duree l h 32 m .
1 er et 2 dicembre. — Trois ascensions en 26 heures, pendant lequelles
sont prises des photographies.
16 dicembre. — Ascension de Pamiral portugais Capello. — Lors de
son premier passage k Paris, le roi de Portugal avait fait exprimer k
MM. Lebaudy son desir de voir leur "dirigeable et meme d’y monier. La
visite avait ete fixee au 16 decembre; mais par suite de la maladie de la
duchesse d’Aoste, les projets du roi furent modifies et il delegua pour le
remplacer dans la visite ä Moisson Pamiral Capello, son chambellan, qui
monta dans la nacelle avec Pequipage ordinaire du dirigeable.
L’altitude maxima atteinte dans ce voyage a ete de 320 metres.
Bien qu’il regnät un vent assez violent ä terre, aussi bien que dans
les zones elevöes, Patterrissage se fit sans incident devant le hangar et les
engins d’arret se comporterent bien.
18 dicembre . — M. G. Bans, chef du secretariat de PAero-Club, chrono-
mfetre la vitesse.
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22 cttcembre . — Derniere sortie. — M. G. Besangon, secretaire general
de PAero-Club, est pris comme passager. Cette sortie est la 63 6rae du
dirigeable, la 30* me de Pannee 1904, et la 18* me de la Campagne d’hiver,
pendant laquelle le ballon etait reste gonfle 78 jours et possedait encore
une force ascensionnelle considerable. Dans cette ascension, outre 4 per-
sonnes, le ballon emportait 288 kilos de lest; la depense de lest a ete de
136 kilos en 56 minutes.
Le degonflement a ete opere le 24 decembre.
En resume, le «Lebaudy» a montre pendant cette nouvelle Campagne
toutes ses qualites de solidite et de securite. Entre les mains d’un pilote
habile, il est maniable et obeit facilement ä la direction.
L’Aero-Club a tenu ä donner ä PIngenieur qui Ta construit et ä ses
collaborateurs un temoignage des Services rendues ä Paeronautique: il a
decerne sa medaille d’Or ä M. Henri Julliot, une medaille de vermeil ä
M. Juchmes, Phabile pilote, et une medaille d’argent au mecanicien Rey.
G. Espitallier.
■M
Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Die Ausdehnung der internationalen wissenschaftlichen
Simultanaufstiege.
Seit dem Petersburger Kongreß, über dessen Resultate die Leser seiner Zeit genau
unterrichtet worden sind, hat die Ausdehnung der Aufstiege der internationalen Kommission
schon wieder in erfreulicher Weise zugenommen. In Amerika ist am internationalen Termin
des Dezember 1904 von Herrn Rotch der erste Registrierballon von St. Louis
aus hochgesandt worden. An diesen Aufstieg hat sich eine Serie von weiteren 14 Auf¬
stiegen angeschlossen; die Ballons (Aßmannsche Gummiballons mit Instrumenten von
Teisserenc de Bort) sind alle wiedergefunden worden und haben interessante Resultate
gebracht. Die Maximalhöhe betrug 15000 m; die tiefste dabei erreichte Temperatur
— 55° (die sich aber vermutlich auf eine Höhe von 10—12 km bezieht). Eine weitere
Aufstiegserie war für den Januar dieses Jahres beabsichtigt. Diese Aufstiege werden
uns wertvolles Material liefern über die winterlichen Temperaturverhältnisse in großen
Höhen über dem nordamerikanischen Kontinent.
Weiter ist mit Befriedigung der Entschluß der portugiesischen Regierung zu
verzeichnen, nunmehr durch Einrichtung einer Drachenstation unter der Leitung des
Direktors A. de Vidal in Lissabon an den internationalen Aufstiegen teilzunehmen. Es
sind zunächst Aufstiege vom Lande aus beabsichtigt; doch sollen in Zukunft auch Ver¬
suche von Schiffen in der Nähe der Küste unternommen werden. Das Zustandekommen
der Drachenstation ist mit dem Einfluß des Fürsten von Monaco zuzuschreiben, der
in Begleitung von Professor Her gesell im Sommer vorigen Jahres mit seiner Jacht
Lissabon besuchte und dabei Gelegenheit fand, die Drachenausrüstung des Schiffes Seiner
Majestät dem König von Portugal vorzuführen. Die Aufstiege beginnen voraussichtlich im
Monat März. — Endlich sei erwähnt, daß nunmehr auch in England, in Aldershot,
durch die Militärluftschiffer an den internationalen Tagen bemannte wissenschaftliche
Fahrten begonnen worden sind und daß auch der Aeroklub von Paris an solchen
Fahrten teilnehmen wird. de Q.
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Die Drachenstation der Deutschen Seewarte.
Die Drachenstation der deutschen Seewarte, die, in kleinerem Umfange,
eine gleiche Aufgabe hat, wie das Aeronautische Observatorium in Berlin,
nämlich die Erforschung und die dazu notwendige möglichst regelmäßige
Beobachtung der meteorologischen Elemente der höheren Atmosphäre, ist
vor 1 3 /4 Jahren, Ostern 1903, in Großborstel bei Hamburg errichtet worden.
Das Personal besteht, unter der Leitung des Meteorologen der Seewarte,
Prof. Dr. Koppen, aus dem Hilfsarbeiter Dr. Perlewitz und 3 Arbeitern. Für
die Beobachtungen sind bisher nur Drachen verwendet worden, sodaß an
den zu windschwachen Tagen keine Aufstiege gemacht und also auch keine
Messungen aus den höheren Luftschichten erhalten werden konnten. Immerhin
ist es, wie wir aus der Übersicht über das Jahr 1904 ersehen werden, an
75°/o aller Tage des Jahres in Hamburg möglich, Beobachtungen aus der
Atmosphäre allein mittels Drachen zu erhalten.
Ein Bericht über die Einrichtungen und die Arbeit der Drachenstation
im Jahre 1903 findet sich im 26. Jahresbericht der Deutschen Seewarte.
Es soll hier nur folgende Tabelle über die Aufstiege wiedergegeben werden:
Drachenaufstiege in Hamburg 1903.
April
Mai
Juni
Juli
Au¬
gust
Sep¬
tember
Ok¬
tober
No¬
vem¬
ber
i De¬
zem¬
ber
Mittel
Mai b.
Dez.
Anzahl der Aufstiege . . .
7
17
16
16
16
20
24
1
| 22
18
19
Tage ohne Aufstiege in °/o .
62
42
42
41
46
26
22
28
32
35
Mittlere Höhe in m . . . .
1234
1034
1108
913
1038
1284
1316
1242
1463
1191
Größte Höhe.
2350
1730
1
2000
1670
1580
2615
2300
2850
1
2660
2176
Regelmäßig wurden die Aufstiege seit dem 1. Mai an allen Wochentagen,
an denen es der Wind gestattete, gemacht. Bis August geschah dies von
einer Handwinde aus, später von einer einpferdigen Motorwinde, die aber
zunächst auch nur Züge bis zu 50 kg überwinden konnte. Erst im Jahre 1904
wurde sie durch Umbau dahin gebracht, Züge bis zu 100 kg zu überwinden
und damit dem hiesigen Bedürfnis zu genügen.
Für das Jahr 1904 ergibt sich folgende Übersicht:
Ja¬
nuar
Fe-
bruarj
März
April
Mai
Juni
Juli
Au¬
gust
Sep¬
tem¬
ber
Ok¬
tober
No¬
vem¬
ber
De¬
zem¬
ber
Zahl der Tage mit Aufstiegen
16
21
20
21
19
20
15
19
18
20
20
22
Tage ohne Aufstieg in °/o . .
36
16
26
13
21
23
42
30
31
23
20
15
Mittlere Höhe im m ....
1144
1504
1466! 1452
1433
1410
1306
1603
2110
2080
1496
1630
Größte Höhe.
2410
2700
35-10
2900
2730
2500
2690
2180
3570
3740
3050
4500
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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90 «*€44
Von den Aufstiegen des Jahres 1904 gingen im ganzen 72 über 2000 m,
32 über 2500 m, 16 über 3000 m, 7 über 3500 m, endlich 1 über 4000 m.
Man sieht aus der Tabelle, daß an 231 von den 366 Tagen des Jahres
1904 Drachenaufstiege gemacht worden sind. An 59 Sonn- und Festtagen
wurde überhaupt kein Aufstieg versucht; an 6 Tagen wurde aus Vorsicht
wegen zu stürmischen Windes kein Aufstieg gemacht oder der Drache schoß
nach dem Auflassen gleich wieder herab: an 70 Tagen war der Wind zu
schwach, um den Drachen überhaupt zu heben. Es kam also an
~ = ~~ = 24.8 0 Io der Arbeitstage kein Aufstieg zustande. An
obo — oU oU/
drei Vierteln aller Tage sind also Drachenaufstiege in Hamburg möglich.
Im Jahre 1903, wo noch weniger Hilfsmittel an Drachen, Motor usw. zur
Verfügung standen, waren es 65°/o, also zwei Drittel. Die relativ meisten
Aufstiege brachte der April mit nur 13°/o unbrauchbarer Tage, während
der Juli mit 42°/o solcher am ungünstigsten dasteht.
Wenn auch die mittlere Höhe der Aufstiege in den einzelnen Monaten
größer ist, als die des vorigen Jahres, so steht sie in den meisten Monaten
doch noch erheblich unter der bei regelmäßigerem Gange zu erwartenden;
denn erstens mußten in den ersten Monaten, bis 5. März, sobald der Zug
im Drachendraht 40 kg betrug, die Drachen eingeholt werden, da der
Motor nicht ausreichte, größere Züge als 50 kg mit der damals konstanten
Geschwindigkeit von 1,5 m p. S. einzuholen, und ferner mußten in den
Zeiträumen vom 5.—15. März, vom 10. Mai bis 3. Juni und vom 9. bis
31. Dezember die Drachenaufstiege von der Handwinde aus gemacht werden.
Es sind dies im ganzen 36, also fast Ve aller Aufstiege, und diese haben
natürlich nur eine geringere mittlere Höhe, nämlich 1157 m, während die
mittlere Höhe aus allen Aufstiegen 1561 in beträgt. Der höchste Aufstieg,
der mit der Handwinde gemacht wurde, war am 3. Juni 2500 m hoch. Die
größte Höhe überhaupt wurde mit 8740 m Draht und 7 Drachen von
zusammen 29 qm Fläche, die etwa 65 kg zogen, am 9. Dezember erreicht
und betrug 4500 m.
Da es für den Fortschritt der Meteorologie dringend zu wünschen ist,
daß solche täglichen Drachenaufstiege an einer größeren Zahl von Punkten
in Gang gesetzt werden, so dürften einige Angaben über die Kosten von
Interesse sein. Das allmähliche Entstehen der Station aus kleinen Anfängen,
ihre teilweise Ausrüstung aus Beständen der Deutschen Seewarte, sowie
mancherlei Eehrgeld, das bei der Neuheit der Sache zu zahlen war, machen
eine genaue Berechnung der Summen, für die der jetzige Zustand bei einer
Neuschaffung sich herstellen ließe, schwierig, doch dürften folgende Zahlen
zutreffende Anhaltspunkte gewähren: Stationsgebäude nebst innerer Ein¬
richtung und Einfriedigung 4400 Mk., drehbares Windenhaus auf künstlichem
Hügel 1000 Mk., Motorwinde nebst Motor und Aufstellung 2100 Mk., 2 Hand¬
winden 500 Mk., jetziger Bestand an Drachen 900 Mk., desgl. an Draht und
Schnüren 400 Mk., meteorologische Instrumente 2800 Mk., sonstiges Werk-
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zeug usw. 400 Mk.; im ganzen 12 500 Mk. Die laufenden Ausgaben be¬
stehen großenteils aus Gehältern und Löhnen, weil so viel als möglich die
Arbeiten mit dem eigenen Personal bewerkstelligt werden. Verteilt man auch
den Lohn der drei Arbeiter annähernd nach der den verschiedenen Aufgaben
zufallenden Zeit, so sind im Jahre 1904 ausgegeben in runden Zahlen: Für
Bau und Reparatur von Drachen (Material, Werkzeug und Arbeit) 2400 Mk.,
für Draht 400 Mk. r für Bergelöhne 250 Mk., für die Aufstiege im übrigen
(Motorbetrieb und Arbeitslohn) 1500 Mk., für die Station (Platzmiete, Heizung,
Feuerversicherung und Arbeiten) 1250 Mk. Verglichen mit den Ausgaben
des Aeronautischen Observatoriums zu Berlin im Jahre 1903 (diese Zeitschr.,
April 1904, S. 140) erweist sich die Ausgabe für Drachen als dieselbe, die
für Draht geringer, wegen des Wegfalls der Drachenballonkabel, die für
Bergelöhne geringer, wegen Wegfalls der Registrierballons. Die Posten
Ballons und Gas aus jener Übersicht im Gesamtbeträge von 8645 Mk. (un¬
gerechnet den neuen großen Ballon und die Ausgaben für Instrumente,
sowie das Mehr an Personal) kommen bei dem einfacheren Programm der
Drachenstation der Deutschen Seewarte überhaupt nicht in Betracht. K.
JC
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Das erste Lebensjahr der praktischen Flugmaschine.
Ein Zeuge des unbeschreiblichen Enthusiasmus, mit dem einst im
heiteren Frankreich die ersten Fahrten von Menschen durch die Luft be¬
grüßt wurden, war Benjamin Franklin. Als man da die große Frage an
ihn richtete: «Was werden die Folgen der Erfindung dieses Luftballons
sein, der so unglaubliches zuWege bringt», gab er die damals schon echt
amerikanisch schlagfertige Antwort: «Es ist ein neugeborenes Kind*. Heute
sind wir so glücklich, ein anderes Kind unter uns zu haben, dessen ersten
Geburtstag wir am 17. Dezember 1904 bereits feiern konnten: Die wirk¬
liche, vogelgleiche, pfeilgeschwinde, lenksame, gewaltige Motor¬
flugmaschine, welche schon vor einem Jahr gleichfalls Menschen eine
weite Strecke im freien Flug durch die Luft trug, aber nicht, wie damals
in Frankreich, mit dem sanften Sommerwinde, sondern gegen einen grimmigen
eisigen Wintersturm. Und doppelt glücklich sind wir, wenn wir uns heute
sagen dürfen, daß dieses «Kind» seitdem nicht nur an Alter, sondern auch
in mehr als entsprechendem Grade an «Weisheit» zugenommen hat. Sie
verspricht sogar in kaum mehr als einem weiteren Jahr als bereits ziemlich
ausgereiftes Produkt, als ein «gehorsamer Vogel Rock», mit all ihren noch
so ungewohnten und ungeahnten Konsequenzen vor uns zu stehen. Dies
sind gewiß überraschende Nachrichten. Doch auch für den Ungläubigsten
ist weiter nichts erforderlich, als die Erfinder (die Gebrüder Wright) selbst
reden zu hören, deren bescheidener sachlicher Bericht in solchem Grad
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92 «««♦
den Stempel der Tüchtigkeit und Wahrheit an sich trägt, daß er unbedingt
in wörtlicher Übersetzung folgen soll:
«Durch die Diskretion unserer lokalen Zeitungsberichterstalter wurde
es uns ermöglicht, unsere Versuche dieses Jahr in geringer Entfernung von
unserer Heimatstadt anzustellen, ohne daß dies allgemein bekannt wurde.
Wir haben in jedem Monat seit Juni verschiedene Flüge gemacht, ausge¬
nommen im Juli. Unsere ersten Flüge wurden durch die Tatsache begrenzt,
daß wir nicht außerhalb der Lokalität, in welcher wir uns etabliert hatten,
gehen wollten und daß wir nicht Übung genug besaßen, um es wagen zu
können, eine Kreiswendung zu machen. Erst am 15. September konnten
wir unseren Kurs von einer graden Linie zu einer Kurve ändern, was uns
befähigte, eine Strecke von ungefähr einer halben Meile zurückzulegen. Am
20. September machten wir unsern ersten kompleten Kreisflug und kehrten
Mutmassliches Aussehen der Flugmaschine der 6ebr. Wright.
zum Abflugsort zurück, nachdem wir eine Strecke von 4300 Fuß über dem
Boden und 4900 Fuß durch die Luft zurückgelegt hatten, welch letzteres
durch ein Kiehardsches Anemometer, das am «Flyer» angebracht war, auf¬
gezeichnet wurde. Die größere Angabe des Anemometers rührt von dem
Wind her, der bei diesem Versuch blies (der größere Teil der Zeit, die
erforderlich, um eine Kreisbahn zu durchmessen, wird vom Flug gegen den
Wind in Anspruch genommen). Die Angaben des Anemometers bei Flügen,
die in ruhiger Luft stattfanden, haben stets beinahe vollkommen mit der
über den Boden hin gemessenen Distanz übereingestimmt. Die beiden
längsten Flüge der Saison wurden gemacht am 9. November und am 1. De¬
zember. Bei einem jeden dieser Flüge beschrieben wir beinahe vier kom-
plete Kreise und legten eine Strecke von etwas über vier und einen halben
Kilometer zurück, mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 Meilen die Stunde.
Beim Flug vom 9. November wurde eine Last von 50 Pfund (Eisenstangen)
und bei jenem vom 1. Dezember eine solche von 70 Pfund getragen, zu¬
sammen mit dem Gewicht des Operators.
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Manche unsrer Flüge wurden mit einer Geschwindigkeit von 40 Meilen
die Stunde durch die Luft und 50 Meilen die Stunde über dem Boden
(wenn mit dem Wind) gemacht. Einige Landungen wurden bewerkstelligt,
während die Maschine sich mit über 40 Meilen die Stunde hewegte. Der
Flug vom 9. November hatte eine Dauer von 5 Minuten und 4 Sekunden,
jener vom 1. Dezember eine solche von vier Minuten 52 Sekunden.
Wir strebten nicht nach aufregend aussehenden Flügen (spectacular
flights) und erhoben uns selten höher als 30 oder 35 Fuß über den Boden.
Obgleich während der Versuche in dieser Saison 105 Landungen aus¬
geführt wurden, hat die Maschine nur einige wenige Male ernstliche Beschä¬
digungen erlitten und zwar bei Flügen, bei welchen die Landung zufällig
und unbeabsichtigt war. Flug nach Flug wurde ausgeführt ohne irgend
eine Beschädigung an der Maschine.
Mr. A. M. Herring sagte bei diesen Nachrichten in tiefer Bewegung:
Ein großartiger Erfolg! Und kein Wunder, sind dies doch weit glänzendere
Resultate, als Maxim, Langley oder Hargrave sie fürs erste zu erwarten
wagten. Dennoch sind sie nur die natürlichste Konsequenz der Resultate
aller grundlegenden Experimente. Welch ein Vorteil ein Flug von 5 Minuten
Länge für die Übung des Operators ist, statt der kurzen fortwährend unter¬
brochenen Gleitereien, läßt sich denken. Vivant sequentes!
Dienstbach.
Kleinere Mitteilungen.
Von London nach Paris im Ballon. In der Nacht vom 11. zum 12. Februar hat
ein Mitglied des Aeroklubs von Paris, Jacques Faure, in Begleitung seines Cousins
H. Latham einen Aufstieg von London aus unternommen, in der Absicht, den Kanal zu
überfliegen. Faure hatte die Anwendung einer Kapferer’schen Hubschraube mit 7pfer-
digem Motor vorgesehen; der Motor mußte aber wegen Zollschwierigkeiten zurückge¬
lassen werden. Die Luftschiffer stiegen abends 6 45 Uhr ein vom Kristallpalast auf. Nach
der damals herrschenden Luftdruckverteilung war eine Fahrt in der Richtung auf Paris
ziemlich sicher; jedenfalls war das Gelingen des Vorhabens garantiert. Die Fahrt ging in
800 m Höhe in südöstlicher Richtung. Um 8 10 Uhr wurde bei Hastings das Meer
erreicht. Der Führer ließ nun für die Dauer der Traversierung des Kanals den Ballon
auf 30 m niedergehen, so daß das Herrsche Schleppseil im Wasser nachgezogen wurde.
Das Tau war durch Wachstuchumhüllung gegen die Aufnahme von Wasser geschützt.
Über dem Kanal war die Fahrrichtung südöstlich. Nach zwei Stunden war das fran¬
zösische Ufer bei Dieppe erreicht. Von hier aus ging die Fahrt (wohl in größerer Höhe)
wieder nach Südost. Um Mitternacht tauchte das Lichtermeer von Paris auf, und um
12 4 & Uhr nachts erfolgte die Landung bei St. Denis. Die bemerkenswerte, etwa 350 km
weite Fahrt hatte also 6 Stunden gedauert. Die mittlere Fahrtgeschwindigkeit betrug
ca. 16 m per Sekunde; diese Geschwindigkeit ist auch beim Überfliegen des Kanals (110 km)
dieselbe geblieben. Die schnellste Verbindung zwischen London und Paris über Folke-
stone-Boulogne braucht nahezu 7 Stunden. de Q.
Die erste Ausstellung mit Preisbewerb von Flugmaschinenmodellen in Paris ist
vom 11.—13. Februar vom dortigen Aeroklub veranstaltet worden. Die Ausstel-
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lung befand sich in der Maschinengalerie. Diese erste Ausstellung sollte vor allem
anregend wirken und die Ideen und Interessen der französischen Flugtechniker in Be¬
wegung bringen. Eine nähere Besprechung der Ausstellung und der Resultate des Wett¬
bewerbs wird in Kürze erfolgen. de Q.
Ein Luftschiff für die japanische Armee. Aus San Francisco kommt eine merk¬
würdige Nachricht: Wie die «Japan Daily Mail» vor einiger Zeit meldete, hat ein
Amerikaner Dr. August Greth, wohnhaft in San Francisco, ein lenkbares Luftschiff er¬
funden, das schon wiederholt erfolgreiche Aufstiege gemacht hat. Er hat daher von der
Japanischen Regierung ein sehr günstiges Angebot erhalten, um sein Luftschiff zu ver¬
kaufen. Wenn die Abmachungen zwischen ihm und der japanischen Regierung wegen des
Ankaufes zustande kommen, so soll das Luftschiff sogleich nach Japan versandt werden,
damit es über den Kriegsschiffen der russischen Flotte sowohl als auch über belagerten
Festungen Sprenggeschosse warfen kann. — Wie in Deutschland allgemein bekannt, sind
in der Haager Friedenskonferenz internationale Abkommen darüber getroffen w r orden,
daß das Werfen von Sprengstoffen aus dem Ballon als nicht kriegsgemäß zu unterbleiben
habe. Übrigens wird jetzt nach dem Fall von Port Arthur der Besitz eines Luftschiffes
für die Japaner kein so unmittelbares Interesse mehr haben. G. v. G,
Die Lieblmberpliotographie in LuftschilTerkrciseii dürfte wesentlich gefördert werden,
weil ermuntert durch Wettbewerbe, w r ie einen solchen der belgische Aeroklub in
Brüssel veranstaltet hat. Vom 14. bis 26. Januar waren jene Photographien, welche im
Lauf der Aufstiege und Luftschifferfeste des vergangenen Jahres hergestellt wurden, im
«Palais du Cinquentenaire» ausgestellt, wobei Medaillen ausgesetzt waren: 1. für den
Aussteller der vollständigsten Sammlung, 2. für die künstlerisch besten Aufnahmen, 3. für
die besten Stereoskopaufnahmen. Als besonderen Preis für die größte Ausstellung hatte
«La conquöte de l’air» noch Le Cornus Werk «La navigation aerienne» gestiftet. K. N.
Im Zusammenhang mit vorstehender Mitteilung sei der Premier conconrs inter¬
national de Photographie a£rienne genannt, den der A£ronautique Club de France
veranstaltet. Bei der Preisverteilung werden zwei Kategorien gemacht werden: 1. Vom
Ballon aus aufgenommene Bilder der Erdoberfläche, 2. vom Ballon oder von der Erde
aus aufgenommene Bilder von Wolken oder optischen Erscheinungen in der Atmosphäre
(Luftspiegelungen, Regenbogen, Aureolen, Höfe, kleiner und Halo (Sonnen- resp. Mond¬
ring), Nebensonnenring, Nebensonnen, Gegensonne, Zirkumzenitalring, Tangentialring und
Horizontalring usw.). Das Format der Bilder ist beliebig; sie sind bis zum 30. Okto¬
ber 1905 an die Geschäftsstelle des Aöronautique Club de France, 58 rue J. J. Rousseau
zu senden. Die genauen Bestimmungen der Konkurrenz sollen noch in der «Revue
d’AGronautique» erscheinen. de Q.
Die Maximalhöhe eines unbemannten Ballons kann nachträglich experimentell
bei Anwendung eines einfachen, durch Oberst Renard angegebenen Instruments bestimmt
werden. Eine oben geschlossene Glasröhre ist von oben in einen weiteren Glaszylinder
eingeschmolzen, in dem sie nahe an dessen unteres Ende reicht. Die weitere Röhre
hat eine seitliche Öffnung im oberen Teil und trägt eine eingeritzte Marke. Bringt man eine
gegen Luft unempfindliche Flüssigkeit in die weite Röhre, so wird die in der engen Röhre
enthaltene Luft, indem sie bei Abnahme des äußeren Druckes sich ausdehnt, durch die Flüssig¬
keit in den Zylinder sprudeln, so lange die Druckabnahme dauert. Wird das aus größeren
Höhen wieder herabgelangte Instrument unter die Luftpumpe gebracht und die Verdünnung
soweit fortgesetzt, bis sich ein Luftbläschen aus der Flüssigkeit erhebt, so hat man in
der Differenz der Luftdrucke die Elemente zu annähernder Berechnung der erreichten
Maximalhöhe. Das kaum handhohe Instrument ist also ein Minimumbarometer. Voraus¬
gesetzt muß natürlich sein, daß beim Landen nicht ein Umstürzen mit Störung des
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Ausgangsniveaus statt findet und daß man auf die Temperaturkorrektion verzichten
will.i) ___ K. N.
Zur Gaszentenarfeier in Farin* Nachdem das Andenken des Chemikers Lebon wegen
seiner Verdienste um die Ausbreitung der Gasverwendung durch sein 1786 angegebenes
Verfahren feierlich am 4. Dezember v. J. zu Paris geehrt wurde, macht man ihm jetzt
den Erstlingsruhm streitig. Der Redakteur des «Petit Bleu», A. Boghaert-Vach6, tritt in
einem Artikel des «Soir» dafür ein, daß es sich um eine Erfindung belgischen Ursprungs
handle, weil Prof. Minkeier in Löwen 1703 zuerst das aus Öl hergestellte Leuchtgas
zum Füllen von Ballons verwendet habe. «Le Soir» hat schon am 11. Juli v. J. die
Mitteilung gebracht, daß in Mastricht mit durch Sammlung aufgebrachten Mitteln dem
Erfinder der Beleuchtung mit Gas, Minkeier, ein Monument errichtet worden sei. Einige
Jahre nach Minkelers Ballonversuchen und ungefähr gleichzeitig mit Lebon machte sich
auch Prof. Pickel (Deutschland) und Lord Dundonald (England) an Versuche mit Leucht¬
gas und von 1792 ab breitete sich zunächst die Verwendung desselben zu Beleuchtungs¬
zwecken in größeren industriellen Anlagen aus, während die allgemeine praktische An¬
wendung von 1807 an gerechnet werden kann. Der nach London übergesiedelte Deutsche
Winzer (nicht Winsor wie «Conq. de l’air» meldete, conf. «I. A.M.» 1905, p. 19) tat sich
zu diesem Zweck mit dem Engländer Murdoch zusammen und allmählich gewann sich
die Leuchtgasverwendung immer mehr Terrain. So kann die Gasbeleuchtung in Paris
von 1815, in Brüssel von 1819, in Berlin von 1826, Wien 1833 an usw. verzeichnet
werden. In Amerika ging die rasche Verbreitung von Baltimore 1801 aus. «Le Soir»
bringt durch seinen Redakteur A. Boghaert-Vache in Erinnerung, daß Minkelers Verdienst
durch eine Schrift des Akademikers Charles Morren 1835 festgestellt worden war. 1898
hatten die Stadtväter von Mastricht, wo Minkeier 1748 geboren war, eine Erinnerungs¬
tafel an dessen Geburtshaus anbringen lassen. 1890 waren Schriften von ihm auf der
allgemeinen Ausstellung zu Paris aufgelegt. 1901 ließ Leone Mariani, Direktor der
«Societa italiana per il gaz* in Turin, ein Marmor-Medaillon mit Minkelers Porträtrelief und
Namen am Direktionsgebäude anbringen.
An die Montgoltieren (1783) hatte sich unmittelbar im gleichen Jahr die Füllung
des ersten Ballons mit Wasserstoff durch den Physiker Charles angeschlossen, ein
Experiment, das wegen des hohen Preises des reinen Wasserstoffs es nahelegte, die
Verwendung billigerer leichter Gase ins Auge zu fassen, und es war ein Belgier, Herzog
von Arenberg, der sich schon sehr werktätig in Förderung der Zwecke des physikalischen
Kabinets der Universität Löwen erwiesen hatte, der auch für den hier vorliegenden
Zweck außer Minkeier auch die Professoren van Bochaute und Thysbaert in Anspruch
nahm, worauf ersterer mit Verwendung des aus 01 erzeugten Luftgases hervortrat.
Weiter zurückzugreifen auf die unfruchtbar gebliebenen Versuche des 17. Jahrhunderts
(Jean Tardin, John Cleyton, Becher), würde praktisch nicht sachgemäß erscheinen, auch
hätte es sich damals noch nicht um Verwendung zur Ballonfüllung handeln können.
Im Park des Schlosses Arenberg in H6verl6 (nahe südlich Löwen) wurde der erste Ver¬
such mit einem kleinen Ballon aus Goldschlägerhaut gemacht (November 1783\ der mit
kräftigem Auftrieb die Halteleine zerriß und verschwand. Versuche mit größeren Ballons
folgten sowohl hier als zu Brüssel, Löwen und Antwerpen. Daß man vor einigen Jahren
die Entdeckung des Leuchtgases durch William Murdoch zentenarisch feierte, dabei aber
nur bis 1792 zurückging, tut der Sache wenig Eintrag. Während Minkeier hauptsächlich
mit aus Öl hergestelltem Gas arbeitete, wendete Lebon aus Holz destilliertes an und es
dürfte noch von Interesse sein, daß er 1801 ein Zusatzpatent für Maschinen, getrieben
durch die Expansionskraft des Gases, erwarb.
l) Da die den Registrierballons mitgegobenen Registrierinstrumente die größte Höhe schon selbst
in viel sicherer Weise erkennen lassen, wäre der von Renard vorgeschlagene Apparat höchstens dann von
Vorteil, wo man dem vielleicht bloß zur Bestimmung der Luftströmungen bestimmten Pilotballon kein kost¬
spieliges Instrument mitgeben will. D. Red.
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96 ««««
Die Gaszentenarfeier vom 4. Dez. war in ganz Frankreich mit viel Erfolg be¬
gangen worden. Eine freudig angeregte Menge versammelte sich sowohl an den verschie¬
denen Aufstiegsplätzen von Paris, als auch in Lyon, Bordeaux, Rouen, Nantes, Amiens
usw. Zwischen 2 und 2 l /* Uhr stiegen in Paris von St. Cloud, Rueil, Nanterre undLandy
9 Ballons («Le Radium > war auch dabei) auf und nahmen gleichmäßig Richtung nach
NNO. Der außergewöhnliche Anblick wurde leider durch plötzlich aufsteigenden dichten
Nebel beeinträchtigt, der die Automobilverfolgung unmöglich machte. Die Ballons lan¬
deten in Entfernungen von 30—90 km (Dammartin—Noyon). K. N.
Internationales Luftschiffahrtsfest des belgischen Aeroklubs. Gelegentlich der
Feier des 75jährigen Bestehens der Unabhängigkeit Belgiens wird der Aero-Club de
Belgique auch zur Erinnerung an die für die Luftschiffahrt so bedeutsame Erfindung des
Leuchtgases, an dessen Verwendung und Verbreitung Belgien von Anfang an einen leb¬
haften Anteil hatte, ein internationales Gas- und Luftschiffahrtsfest veranstalten, für
welches der Herzog von Arenberg das Ehrenpräsidium übernommen hat.
Wie schon bei Besprechung des in Paris stattgehabten Gasjubiläumsfestes erwähnt,
wird von belgischer Seite Wert darauf gelegt, hervorzuheben, daß der erste mit Leucht¬
gas gefüllte Ballon am 21. November 1783 in H6verle aufstieg und daß dies das Ergebnis
der auf Anregung des Herzogs von Arenberg durch die Gelehrten Minkeler, de Thys-
baert und van Bocbaute angeslellten Versuche war. Die Denkschrift Minkelers vom
1. Oktober 1783 sagt im wesentlichen, daß er durch Erhitzung von Öl in Flintenläufen
das Leuchtgas leicht und in solcher Menge erhalten habe, daß «4 Unzen einen Kubikfuß»
dieses Gases lieferten, welches er in Übereinstimmung mit seinen Mitarbeitern als das
geeignetste zur Füllung von Luftballons erachte, da es viermal leichter als die atmosphärische
Luft sei.
Das Programm des geplanten Festes ist vom Verwaltungsrat des Aero-Club de
Belgique in Beratung genommen worden. Die Teilnahme zahlreicher französischer und
italienischer Luftschilfer soll gesichert, jene der deutschen in Aussicht gestellt sein, so
daß auch auf Beteiligung anderer Nationen gerechnet wird. Herzog von Arenberg, ein
für Kunst und Wissenschaft sich lebhaft interessierender Mann, hat nicht nur mit großer
Bereitwilligkeit das Ehrenpräsidium übernommen, sondern auch von seinem herrlichen
Park in Höverlö einen Hektar zur Herstellung eines Aerodroms zur Verfügung gestellt.
K. N.
Ballon ovolde cerf-volant benennt sich der Fesselballon, den Louis Godard nach
längeren Versuchen als denjenigen Fesselballon erachtet, bei dem die Unzuträglichkeiten
anderer Systeme vermieden sind und bei dem stetige Ruhelage am meisten sichergestellt
ist. Versuche mit einem 300 cbm Lang-Ballon im Längenverhältnis 1:5 gingen schon
1889, dann mit einem solchen zu 400 cbm mit dem Verhältnis 1:3V* im Jahr 1899
voraus, um Anhaltspunkte über Widerstand und ruhige Lage zu gewinnen, bis Godard
zum jetzigen eiförmigen Ballon gelangte. Sein Verhältnis ist 1: 27*, nämlich Länge 20 m,
Durchmesser 8 m. Unten schärft sich der Ballonkörper zu einer von vorn nach rück¬
wärts laufenden Kante, */« des Durchmessers über den Querschnittskreis hinabreichend,
zu. Unter dieser Kante liegt eine steife, leichte, hohle Kielstange, parallel zur Längs¬
achse des Ballons und s /? so lang wie diese. Der Ballon ist mit dieser Stange nicht
durch Netzwerk, sondern durch einen ihn umfassenden Mantel verbunden. Im kantigen
Unterteil des Ballons ist durch eine von vorn nach rückwärts gezogene gewölbte Bahn
von Ballonstoff ein Luftsack abgeteilt von 80 cbm Inhalt, der als Ballonet zur Erhaltung
der Ballonform dient, das vorn ein weites Einlaßventil mit selbsttätiger Klappe gegen Wieder¬
austritt der eingeströmten Luft, rückwärts ein selbsttätiges nach dem erforderlichen
Innendruck geregeltes Auslaßventil und für den Gebrauch des Ballons bei Windstille
noch ein Einlaßventil mit Klappe besitzt, durch welches die Füllung mit Luft von der
Gondel aus durch einen Schlauch erfolgen kann. Gegen Gasüberdruck beim Steigen
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97 <$<44
und bei Erwärmung ist noch am Rückende des Ballons ein Klappenventil angebracht.
Die Gondel oder der Korb ist nicht nur an der Kielstange durch Tragtaue angehängt,
die auf die Länge der Stange verteilt mittels Gänsefüßen an dieser befestigt sind, son¬
dern es laufen auch gegen die beiden Flanken des Ballonkörpers Tragtaue hinauf, die
dort an je einem in halber Ballonhöhe angebrachten Verstärkungsband mit Gänsefüßen
endigen. Durch eingeschobene, der Ballonform angepaßte Alurniniumröhren sind diese
beiden Aufhängebänder noch versteift. Vom vorderen Teil der Kielstange geht, mit
einem Gänsefuß beginnend, das Haltekabel aus, während am rückwärtigen Ende noch
eine viereckige aus Aluminiumröhren mit Seidenüberspannung gebildete Steuerfläche an¬
gebracht ist, welche, je nach Windstärke, auch die Steigung des Ballons zu regeln gestattet.
Ein gute Zeichnung steht leider noch nicht zur Verfügung. K. N.
<K
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Aus dem Kabinet Seiner Majestät ist dem Vorstand des Deut¬
schen Luftschifferverbandes auf dessen Glückwunschschreiben und die damit
verknüpfte Überreichung des Jahrbuches zum Allerhöchsten Geburtstag
unterm 2. Februar folgendes Antwortschreiben zugegangen:
Dem Vorstande teile ich im Allerhöchsten Aufträge aut die
Immediateingabe vom 26. v. Mts. ergebenst mit, daß Seine Majestät
der Kaiser und König für die freundlichen Glückwünsche der Vereine
des Deutschen Luftschifferverbandes zu Allerhöchst ihrem Geburts¬
tage sowie für die Einreichung des neuen Jahrbuches vielmals danken
lassen. Der Geheime Kabinetsrat,
Wirkliche Geheime Rat, gez. Lucanus.
Ostdeutscher Verein für Luftschiffahrt.
Die Hauptversammlung fand am 18. Januar, 8 Uhr abends, im Hotel «Königlicher
Hof* zu Graudenz statt. Zunächst berichtete der Vorstand über das verflossene Geschäfts¬
jahr. Dem Schatzmeister wurde Decharge erteilt. Der Vorschlag des Herrn Strohmann,
daß auch bei ausgelosten rährten jedes ausgeloste Mitglied 20 Mark zahlen solle,
wurde einstimmig angenommen. Dieser Beitrag zusammen mit dem früher bereits fest¬
gesetzten Reugelde von 20 Mark verfällt zugunsten der Fahrtenkasse, wenn der Betref¬
fende ohne triftigen Grund nicht erscheint oder bei anerkannter Begründung nicht
rechtzeitig absagt. Der Vorstand wurde für 1905 wiedergewählt. Für die ausgeschiedenen
Herren wurden gewählt: Herr Baurat Fromm als Bücherwart, Herr Hauptmann Wehrle
als Vorsitzender des Fahrtenausschusses, Herr Hauptmann Fel dt als Stellvertreter des
letzteren. Anschließend daran hielt Herr Hauptmann Raila einen Vortrag über die
letzte Vereinsfahrt am 8. Januar von Graudenz nach Muschaken. Eine Reihe gut ge¬
lungener Winterbilder, die Herr Hauptmann Wehrle während dieser Fahrt aufgenommen
hatte, wurden in Umlauf gesetzt. Besonders fesselnd schilderte der Vortragende den Flug über
einen Teil russischen Gebietes und die Landung, bei welcher die Ballonfahrer von einem
Geistlichen in Ornat empfangen wurden, dessen entgegenkommende, liebenswürdige
Hilfeleistung ihnen von großem Vorteil gewesen ist. Als Mitglieder wurden neu aufge¬
nommen: Herr Reg.-Assessor Beermann, Herr Kreisbaumeister Leybold, Herr
lllustr. Aeronaut Mitteil. IX. Jahrg. 13
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98 €*««
Leutnant Schräder Feldart.-Rgt. 71, Herr Gutsbesitzer Reinhard Duckstein-Nitz¬
walde, Herr Leutnant Friebe Inf.-Rgt. 129, Herr Leutnant Zech Inf.-Rgt. 175. $
Am 8. Februar, abends 8 Uhr, fand im Hotel «Kgl. Hof» in Graudenz eine Ver¬
sammlung statt. Der Vereinsvorsitzende gedachte zunächst des am 27. Januar ver¬
storbenen ältesten Mitgliedes des deutschen LuftschifTerverbandes, des Ingenieurs Paul
Haenlein, dessen Andenken durch Erheben von den Plätzen geehrt wurde. Darauf
sprach Major Moedebeck über die Versuche und über das neueste Projekt von Santos
Dumont, dessen Bedeutung für die Luftschiffahrt ins rechte Licht gestellt wurde. Daran
anschließend schilderte Oberbürgermeister Kühnast seine am 5. Februar unternommene
Ballonfahrt im Ballon «Graudenz» in launiger Weise. «Gott sei Dank, nun wird er
endlich «Graudenz» in die Höhe bringen!» sollen etliche Graudenzer gesagt haben.
Bei verschiedenen Windströmungen ging die Reise anfangs nach Norden die Weichsel
entlang, brach dann plötzlich rechtwinklig nach Osten ab, um nach Südost, auf Straßburg
hin zu gehen. In Sorge vor Überschreitung der russischen Grenze ging der Ballonführer
Hauptmann Wehrle wieder in die tiefere Luftströmung, die nach Norden führte. Noch
einmal stieg der Ballon infolge der Besonnung in die höhere Schicht zurück, aber der
Führer landete alsdann bald bei Neumark. Die Strahlungswärme ging oben bis auf
24° C. Es fuhren noch mit: Herr Fabrikbesitzer E. Schulz und Herr Oberlehrer Riebold,
letzterer aus Dirschau. Herr Hauptmann Wehrle machte wiederum eine Reihe gut
gelungener Winterlandschaften vom Ballon aus.
Als neue Mitglieder wurden im Verein aufgenommen Herr Domherr Kuhnert und
Herr Zahnarzt Schwanke. #
Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt.
Die Dezember-Vereinsversammlung des Niederrheinischen Vereins für Luft¬
schiffahrt, die am 19. d. Mts. in den Räumen der Gesellschaft Union zu Barmen statt¬
fand, und zu welcher sich zahlreiche Damen und Herren eingefunden hatten, gestaltete
sich besonders feierlich, galt es doch, die 50. Vereinsfahrt festlich zu begehen. Von
besonderem Reiz, aber nichts für ängstliche Gemüter sind die Fahrten bei Nacht im
Ballon, über welche Herr Heinz Ziegler bei der genannten Gelegenheit berichtete. Er
war in liebenswürdigster Weise eigens zu diesem Zwecke von Augsburg gekommen und
wußte die Zuhörer durch anschauliche Schilderung so zu fesseln, daß sie teilzunehmen
glaubten. Man blickte mit ihm viele hundert Meter tief hinab auf die immer stiller und
dunkler werdende Mutter Erde, auf die im Mondschein silbern glänzenden Flüsse, auf
die in elektrisches Licht getauchten Städte und die kaum bemerkbaren Dörfer und Flecken.
Man konnte ihm nachfühlen, daß es ihm nicht immer ganz behaglich zu Mute war, denn
er war der einzige Insasse des Korbes. Doch blieb ihm keine Zeit, viel nachzudenken,
die Orientierung mittels der Karte, das Ablesen der Instrumente, die Feststellung der
Zeit, Notizen machen, Ballast geben, Ballonposten besorgen usw., das alles nahm ihn so
in Anspruch, daß er erst nach 12 Uhr an seinen inneren Menschen denken und — etwas
zu sich nehmen konnte. Da, gegen 3 Uhr, beginnt es zu dämmern, der elektrische
Zündstab wird außer Tätigkeit gesetzt, man kann schon ganz gut ohne künstliche Be¬
leuchtung arbeiten. Und nun begrüßt man mit einer kleinen Erleichterung die Sonne,
sie hebt den Ballon immer höher, 4400 m werden erreicht und fort geht es, einigemal
schneller als der schnellste Eilzug, immer weiter nach Osten. Doch wir verzichten hier
auf die weitere Schilderung der herrlichen Fahrt, hat sie doch Herr Herr Ziegler selbst
in dem Jahrbuch für Luftschiffahrt 1904 aufs eingehendste beschrieben. Sie gehört zu
den denkwürdigsten Luftballonfahrten, denn sie endete «glatt» erst am Nachmittag in
Stefanesti in Rumänien, 1250 km waren in 20 1 /* Stunden zurückgelegt. Für einen Ballon
von 1300 cbm mit Leuchtgasfüllung will das etwas heißen, ln Rumänien war noch nie
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ein Ballon gelandet, und so dürfen wir uns nicht wundern, daß der kühne Luftschiffer
gewaltig angestaunt, viel ausgefragt und auch ein wenig belästigt wurde. Die Heim¬
reise war beschwerlich, zuerst eine lange Fahrt zur Eisenbahn, dann 43 Stunden in
Schnellzügen — wenn doch endlich einmal der «Lenkbare» fertig erfunden wäre! Nach
dem Vortrag gab es Lichtbilder, Herr Ziegler hatte eine große Zahl vortrefflicher zum
Teil hervorragend schöner Ballonphotographien mitgebracht.
Auch die Mitglieder des Niederrheinischen Vereins für Luftschiffahrt hatten eifrig
photographiert und gemalt, sodaß die allerdings noch recht kurze, aber durchaus nicht
inhaltsarme Geschichte des Vereins noch einmal Revue passieren konnte. Viele schöne
Erinnerungen wurden da wieder wach, denn die meisten Anwesenden hatten schon eine
Luftfahrt mitgemacht. Begleitet wurden die Bilder in lustiger Weise von Versen ä la
Busch des Herrn S. Traine-Barmen. Besonders hatte er sich die Landungen aufs Korn
genommen, die ja auch nicht selten das Bemerkenswerteste bei einer Fahrt sind, und
die einigeraal,
Man erlaube die Verbasserung
Wurden eine Wasserung.
Dem genaueren, fachmännischen Bericht des rührigen Vorsitzenden des Fahrtenausschusses,
Herrn Oberlehrer Dr. Bamler, über die Fahrten der beiden ersten Vereinsjahre ist
folgendes in summarischer Weise zu entnehmen: Bei den 50 Fahrten, die der Verein
im Laufe von 2 Jahren veranstaltet hat, sind mitgefahren 6 Damen und 179 Herren.
Hiervon fuhren mit aus Barmen-Elberfeld 6 Damen und 71 Herren, aus Essen 36 Herren,
aus Düsseldorf 32 Herren und aus Köln 25 Herren. In kleineren Zahlen waren beteiligt
die Städte: Krefeld, Münster i. W., Berlin, Hagen, Duisburg, Koblenz, Mainz, Wesel, Altona
und Kulmbach. Von diesen Fahrten erfolgten aus Barmen 24, aus Essen 12, aus Düssel¬
dorf 9, aus Krefeld 2, aus Köln, Münster und Altona je eine. 12 der Fahrten waren
Gratisfahrten, 35 Normalfahrten und 3 Sonderfahrten.
Zurückgelegt sind bei den Fahrten 8510 km. Die mittlere Fahrtlänge beträgt
somit 170 km. Die mittlere Zeitdauer einer Fahrt ist 5,6 Stunden, und zwar erreicht
diese Zeitdauer im zweiten Jahre 5,9 Stunden gegen 5,3 Stunden im ersten Jahre, ein
Beweis für die Güte des Ballons.
Die längste und weiteste Fahrt ist die vom 20. August 1904, sie dauerte 14 Stunden
10 Minuten und führte die Luftfahrer 596 km weit von Altona bis Bromberg. Die mittlere
Höhe aller Fahrten beträgt 2300 m, die größte absolute Höhe 4400 m am 4. März 1904.
Die mittlere Geschwindigkeit aller Fahrten ist 32 km, die größte mittlere Geschwindigkeit
bei einer Fahrt ist 88 km pro Stunde, die größte absolute Geschwindigkeit 100 km.
Bei allen Fahrten wurden meteorologische Beobachtungen gemacht. Auch beteiligte
sich der Verein, wenn es irgend möglich war, an den Untersuchungen der höheren
Regionen der Atmosphäre, an den sogenannten internationalen Tagen (1. Donnerstag in
jedem Monat).
Oberrheinischer Verein fUr Luftschiffahrt.
Die Hauptversammlung des Oberrheinischen Vereins fand am 23. Januar
im «Union-Hotel» statt — Aus dem Bericht des Kassenwartes ist zu entnehmen, daß
die Kassenverhältnisse günstig sind und auf das begonnene Jahr mit Zuversicht zu
blicken gestatten. Sämtliche 8 Ballonfahrten sind ohne größere Sonderkosten verlaufen. —
Die Versammlung erwählte den bisherigen Vorstand einstimmig für das neue Vereinsjahr
wieder; für die Stelle des durch Versetzung nach Neufahrwasser ausgeschiedenen bisherigen
zweiten Vorsitzenden, Herrn Major Schwierz, wurde Herr Hauptmann v. Hauteville
bestimmt. Herr v. Hauteville nahm die Wahl an. Der weitere Vorstand kooptierte sich
noch durch die Herren Oberleutnant Rebentisch und Oberleutnant Stoltz. — Der Bau
einer neuen Hülle wird in Aussicht genommen. Ferner wurde beschlossen, den Jahres¬
beitrag von 1906 ah um eine Mark zu erhöhen und für den Mehrbetrag künftig jedem Mit¬
glied das Verbandsjahrbuch zu liefern.
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100 €444
Auf Vorschlag des Vorstandes wurde folgende Abänderung der Fahrordnung
angenommen: «Alle Mitglieder, die in dem laufenden Kalenderjahr an einer Auslosung
zu einer Vereinsfahrt teilnehmen wollen, müssen sich unter Angabe der Zahl ihrer
Anteilscheine (2 Scheine über zusammen 30 Mark gelten als ein Schein) beim Schrift¬
wart schriftlich möglichst frühzeitig melden. Eine Benachrichtigung von der Auslosung
findet nicht mehr statt. Die 3 Ausgelosten erhalten sofort Nachricht vom Resultat der
Verlosung. Die Meldung gilt für das ganze Jahr.» Dazu stellte Professor Dr. Thiele
folgenden Zusatzantrag, welcher ebenfalls angenommen wurde: «Wer sich außer mit
eigenen auch mit geliehenen Anteilscheinen an der Verlosung beteiligt, hat den Eigen¬
tümer derselben dem Kassierer anzugeben und zugleich für jeden geliehenen Schein
eine Gebühr von 5 Mark an die Vereinskasse zu zahlen. Eigentumsübertragung von
Scheinen muß durch Anmeldung bei dem Kassierer geschehen. Übertragene Scheine
gelten für die Verlosung bis Ablauf eines Jahres als fremde Scheine.» Ein weiterer,
von Regierungsrat Schlössingk gestellter, gleichfalls angenommener Zusatzantrag lautet:
«Verzichtet der Erstgeloste auf sein Anrecht, so ist der Zweitgeloste gegen eine Gebühr
von 5 Mark, nach ihm der Drittgeloste gegen eine Gebühr von 10 Mark berufen. Ver¬
zichten auch diese beiden, so kann der Erstgeloste sein Anrecht auf einen der übrigen
bei der Verlosung beteiligten Anteilzeigner, welcher dafür eine Gebühr von 20 Mark zu
entrichten hat, übertragen. Außerdem verfällt ein Anteilschein desjenigen Mitglieds,
welches auf Grund der Losung auffährt.» Weiter wurde beschlossen, nach jeder Ballon¬
fahrt sofort den hiesigen Zeitungen kurze Berichte darüber zuzustellen.
Nach Schluß des geschäftlichen Teils, 9 Uhr abends, folgte eine Erholungspause,
worauf die Schilderungen der jüngsten Fahrten, «Im Ballon bis vor Paris» und
«Die Fahrt am 17. Dezember», stattfanden. Über die Vorträge der Herren Leutnant Siebert
und Dr. A. de Quervain lassen wir hier einen Bericht, wie solcher bereits in der « Stra߬
burger Post» veröffentlicht war, folgen. Die Fahrt vom 22. Oktober, Führer Leutnant
Siebert vom Feldartillerieregiment Nr. 31 (Hagenau), führte bis Meaux, dicht vor den
Toren von Paris. Im Ballon befanden sich außer ihm, dem Führer, noch die Leutnants
Donnevert vom gleichen Regiment und Perkühn vom Dragonerregiment Nr. 15; letzterer
hat sich mittlerweile nach Südwestafrika begeben. Die Auffahrt ging vormittags bei
stürmischer Witterung vor sich, die Fahrt verlief glatt bei schönem Ausblick bis etwa
Molsheim, dann kam eine dicke Wolkenschicht, durch die der Führer den Ballon unter
Ballastauswerfen steigen ließ. Von 11 Uhr 20 Minuten an ging die Fahrt 4 Stunden
lang über ’der Wolkenschicht bei sehr gut ausbalanziertem Ballon ohne Ballastwerfen vor
sich, während welcher Zeit die Fahrer stets einen Ballonschatten mit wundervoller Aureole
vor Augen hatten. Die höchste Höhe war um 2 Uhr 35 Minuten mit 2500 Meter erreicht
worden. Die Landung erfolgte um 4 Uhr glatt an einem Baum bei der Ferme de Charmy
bei Quincy-Segy, unweit Meaux, etwa 40 Kilometer von Paris entfernt. Die Bewohner
halfen in liebenswürdigster Weise den Ballon bergen. Die Insassen fuhren im Wagen
nach Quincy-Segy, wo sie zwar ebenfalls sehr freundliche Aufnahme fanden, aber
doch einige Stunden festgehalten wurden. Alsdann wurden sie nach Meaux geleitet und
von dem dortigen Garnisonältesten, General Baudens, und dem Unterpräfekten nach
kurzem Verhör, in dem sie erklärten, daß sie zwar preußische Offiziere seien, aber die
Fahrt nicht in militärischer Eigenschaft, sondern nur als Mitglieder eines Luftschiffer-
vereins als Spazierfahrt unternommen hätten, wieder freigelassen. Sie übernachteten
dann in einem Hotel, dessen Wirt ein Elsässer war, sahen sich am anderen Morgen noch
die Stadt an, überall sehr höflich von den Leuten behandelt, obwohl ihre preußische
Offiziereigenschaft bereits in der ganzen Stadt und Umgebung bekannt war, verfrachteten
ihren Ballon und fuhren schließlich mit dem Zuge wieder nach Straßburg zurück. Die
Fahrtgeschwindigkeit des Ballons hatte bis Molsheim 30 Kilometer in der Stunde, bis
Rosenweiler 28,2, nachher andauernd 66 Kilometer, also durchschnittlich 60 in der
Stunde betragen. Die ganze Strecke war etwa 360 Kilometer lang. (Beifall.) Der Vor¬
sitzende Professor Dr. Hergesell dankte dem Vortragenden und erwähnte, daß er auch
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einmal bereits in Frankreich gemeinsam mit dem Grafen Zeppelin mit dem Ballon ge¬
landet und ebenfalls freundlich aufgenommen worden sei. Über die letzte Vereinsfahrt am
17. Dezember 1904 berichtete dann Dr. A. de Quervain, der diese Fahrt mit Professor
Dr. Thiele und Oberleutnant Rebentisch (Pionierbataillon Nr. 19), letzterem als Führer,
gemacht hat. Die Erlebnisse auf dieser Fahrt waren zwar nicht so interessant, wie auf
der vorstehend geschilderten, dafür entschädigte der Vortragende aber durch humorvolle
Schilderung einer Fülle von Einzelheiten. Der Ballon fuhr über den Rhein bis Karlsruhe in
einer Höhe von 1600 Meter. Die Fahrer befanden sich über einer Wolkenschicht in herr¬
lichem Sonnenschein und bewunderten eine prachtvolle Ballonaureole. Die Landung erfolgte
schließlich bei Gundolsheim am Neckar in eigenartiger Weise, indem man den Ballon am
Schleppseil von einigen Männern über eine Wiese und dann auf einer Fähre über den
Neckar und bis zum Bahnhof ziehen ließ. Auch diesem Vortragenden wurde herzlicher
Dank und Beifall der Versammlung zuteil. Dr. St.
Bericht aus Italien.
1. Lenkbare Luftschiffe: 1 . Aerovado Pacini. Hier liegt eine Konstruktion
vor, welche die Vorteile der Luftschiffe und der Drachenflieger vereinigen soll. Die
Hülle, die aus drei Teilen, deren größte die mittlere ist, besteht, hat ungefähr die Form
eines dreiachsigen Ellipsoides, dessen längste Achse parallel der Fahrtrichtung, die mittlere
horizontal, die kürzeste vertikal ist. Durch die Hülle gehen zwei weite vertikale Röhren,
in denen zwei horizontale an eine geeignete stählerne Armatur befestigte Hebschrauben
sich bewegen; dieselben sollen dazu dienen, sowohl vertikale Bewegungen als beliebige
Neigungen der Luftschiffsachse zu ermöglichen. Unter der Hülle ist eine ebenfalls
stählerne Einfassung, wie im Lebaudys Luftschiff, die ein vertikales, drehbares, von der
Gondel aus manövrierendes Steuer trägt. Die Vorwärtsbewegung erhält man durch eine
an dem hinteren Teile der Gondel befestigte Schraube. Die Abmessungen der Hülle sind
folgende: 32X12X5,5 m. Inhalt: 800 cbm. Der Motor soll 25 HP-Kraft entwickeln,
von denen vier auf den Hubschrauben wirken sollen.
2. Aerodromo Pezzi. Die spindelförmige Hülle ist von zwei senkrechten Ge¬
stellen aus leichterem Material durchkreuzt, deren erstes längs der größten Achse der
Hülle läuft und am vorderen Ende eine Propulsionsschraube, am hinteren dagegen ein
Steuer trägt, die zweite trägt an seinen Enden zwei andere Propulsionsschrauben, die
unabhängig sind, um die Drehung des Luftschiffes zu ermöglichen. Längs dem Äquator
der Hülle und gestützt auf den zwei Gestellen steht eine horizontale Randebene, die
dazu dienen soll, die störenden Rollenbewegungen des ganzen Systems zu beseitigen.
Dieses Luftschiff erinnert an jenes des unglücklichen Severo und auch hier bemerkt
man den Übelstand, daß die Widerstandsachse nicht mit der geometrischen und Pro¬
pulsionsachse des Luftschiffes zusammenfällt.
3. Aeronave Favata. Besteht aus zwei parallelen fischförmigen Hüllen, die
nach ihrer gemeinsamen horizontalen Durchschnittebene durch ein starkes aus Aluminium¬
röhren und Stahldrähten zusammengesetztes Gerüst verbunden sind. Zwischen beiden
Ballons ist die Gondel aufgehängt und eine große und starke Leinwand gespannt; so
besitzt das System die Eigenschaften des Luftschiffes und des Aeroplans.
Herr Favata hofft durch diese Disposition, die die Koinzidenz der Resi¬
stenzachse mit der Propulsionsachse erlaubt, und durch eine besondere, noch nicht ver¬
öffentlichte Modifikation der Befestigung der Propulsionsschrauben, die deren Leistungs¬
fähigkeit erheblich steigern soll, eine größere Stabilität seines Systems und dessen voll¬
ständige* Steuerung zu erhalten.
4. Aeronave Giuliani. Die Hülle ist spindelförmig, mit Ballonet, ihre Abmes¬
sungen sind: Länge 26 m; größter Radius: 6 m; Inhalt 950 cbm. Diese Hülle ist längs
ihrer größten Achse von einem Zylinder aus Leinwand durchbohrt, welcher eine leichte
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Aluminiumröhre enthält. Diese Röhre trägt an ihrem hinteren Ende das Steuer und in
ihrem Innern einen elektrischen Motor von 16 HP-Kraft, welcher eine doppelte Schraube
bewegt, die ebenfalls in dem Rohre enthalten ist. Der Motor wird von einer Akkumula¬
torenbatterie betrieben, die in der Gondel sich befindet. 1 )
II. Italienische Aeronautische Gesellschaft (Societä aeronautica Italiana). Unser
LuftschifTahrtverein hat nun sein erstes Lebensjahr hinter sich. Die Mitglieder sind
gegenwärtig 150, von denen schon 10 zu Führern ernannt worden sind. Das Vereins¬
vermögen (Patrimonio Sociale) ist so zusammengesetzt: (natürlich am 1. Januar 1905)
1. Kassa. <£ 815,60
2. Material (Hüllen, Netze usw.) . ..> 9 746,50
3. Instrumente...> 374,60
4. Ein vom Major Moris geschenktes Ventil ..> 500,00
5. Weiteres Material.» 175.00
Total £ 11611,70
Unsere Entwickelung ist noch sehr, zu sehr, bescheiden, aber wir hoffen in diesem
zweiten Lebensjahre unseres Vereins größere Fortschritte zu machen, besonders nach
der Teilnahme S. M. des Königs Viktor Emanuel III., der 1000 Lire für unseren Verein
geschenkt hat. A. Pochettino.
X
Bibliographie und Literaturberieht.
Konstruktion zur Ermöglichung der „intermittierenden KraftausnUtzung“ bei Fort¬
bewegung von Massen in elastischen Mitteln unter spezieller Berücksichtigung
des dynamischen Fluges. Vortrag, gehalten in der Versammlung der Fach¬
gruppe der Maschinen-Ingenieure am 19. Januar 1904 von Ingenieur Viktor
Hänisch. S.-A. aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Archi¬
tektenvereins, 1904, Nr. 38.
Mittels eines sinnreichen, aus Kurbeln, Kegelrädern und Balancen bestehenden
Mechanismus erteilt der Verfasser zwei symmetrisch gelagerten ebenen Flächen gleich¬
förmige Drehbewegung um parallele Achsen, während sich dabei die Flächen in ihren
Ebenen senkrecht zu diesen Achsen schwingend bewegen. Er hofft auf diese Weise
flügelschlagähnliche Wirkungen auf das umgebende Medium zu erzielen und damit Vor¬
teile für die Luftschiffahrt zu erreichen. Die hübsch ausgeführten Modelle hüpfen in der
Tat bei jeder Umdrehung einige Zentimeter auf und ab, wie es jede entsprechend ge¬
lagerte Maschine tut, bei welcher unausgeglichene Massenbewegungen Vorkommen.
S. Finsterwalder.
Über die Schaffung eines Aeronautischen Observatoriums für die Erforschung der höheren
Schichten der freien Atmosphäre in Verbindung mit einer aerodynamischen
Versuchsanstalt. 1904, Verlag des Wissenschaftlichen Komitees des
Wiener Flugtechnischen Vereins.
Die Schrift faßt auf 14 Seiten in Kürze die Bedeutung der aeronautischen
Meteorologie für Erkenntnis der Luftströmungen, ihre Ursachen und Wirkungen, somit
Wetterprognose, die Entwicklung der Drachentechnik in ihrer Anwendung für diese
Zwecke, den gegenwärtigen Stand der Höhendurchforschungen in den verschiedenen
Staaten zusammen und zieht hieraus den Schluß, daß die Schaffung einer Drachenstation
*) Von diesen Luftschiffen sind die zwei ersten im Bau; die beiden letztgenannten sind nur als
Entwurf bekannt. D. R.
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in Verbindung mit einer aerodynamischen Versuchsanstalt in Österreich sich als höchst
erstrebenswert ergibt. Das Heftchen ist in gemeinfaßlicher und überzeugender Haltung
gegeben und dürfte das Interesse aller Freunde der Forschungen auf aeronautischem
Gebiet erregen. K. N.
Eine Verteidigung des Herrn Ingenieurs Paul Haenleinf in Mainz gegenüber
dem Schluß der Besprechung seiner Broschüre im Oktoberheft 1904 war seiner Zeit der
Redaktion zugegangen. Im wesentlichen ist hervorzuheben, daß H. einen Ballon ins Auge
gefaßt hatte, der in geringer Höhe (40—50 m sagt die Broschüre) schwebt und daß für
die Anfangsversuche, um die es sich handelt, bei Fahrtdauer von einigen Stunden ganz
gut das Ballonnet entbehrt werden kann, dessen Anwendung für diese Zwecke unnötige
Kosten verursachen würde, während später, wenn die Großindustrie für die Sache arbeitet
und weitere Reisen in großen Höhen in Aussicht genommen werden können, die Zeit
für Anwendung des Ballonnets gekommen sein wird. Verschiedenen besonderen Maßnahmen
bezüglich Anbringung und Bedienung des oder der Baiionnets, wie sie H. hierfür in
Aussicht stellte, wird dann näher zu treten sein. K. N.
Im Reich der Lüfte. Von A. Santos-Dumont. Mit zahlreichen Abbildungen
nach photographischen Aufnahmen und Skizzen seiner Fahrzeuge. Stuttgart
und Leipzig 1905, Deutsche Verlagsanstalt.
Es ist dies eine autorisierte, fast wortgetreue Übersetzung desselben Werkes, das
im Vorjahre in französischer Sprache erschienen ist. Da «Im Reich der Lüfte» den
IU. Band des Sammelwerkes der deutschen Verlagsanstalt «Naturwissenschaft und
Technik » bildet, so finden wir im vorliegenden Falle wieder eine aeronautische Arbeit
in einer sehr schön ausgestatteten und überaus billigen Volksbibliothek, die dazu be¬
stimmt ist, im großen Publikum die weiteste Verbreitung zu finden.
Wenn ich heute daran gehe, die Übersetzung aus dem Französischen vom Werke
Dumonts «Im Reiche der Lüfte» in aller Form zu besprechen, so geschieht es darum,
weil dies Buch nicht von einem Fachmann, sondern von einem Laien auf dem Gebiete
der Aeronautik — einem Herrn Ludwig Holthof — übersetzt wurde. Dadurch ist es
gekommen, daß viele technische Ausdrücke nicht in der richtigen Weise übertragen
wurden. So fällt sofort ins Auge, daß z. B. guide rope mit «Leitseil», statt mit «Schleif¬
leine» übersetzt wurde; auch ist es nicht Sprachgebrauch, zu sagen «der Ballon wird vom
Stapel gelassen», und man sagt einfach der Appendix, der Freiballon ist offen, ohne diese
Tatsache mit vielen Worten zu umschreiben. Und so folgen viele andere Worte, die
wir — vornehmlich durch Moedebecks Taschenbuch veranlaßt — anders übersetzen als
Herr Holthof.
Die Schicksale Santos-Dumonts und seiner «Lenkbaren» werden dem deutschen
Leser in einer Einleitung, in 24 Kapiteln und mit einem Nachwort in Form einer Fabel
vorgeführt.
Da das Buch Selbsterlebtes schildert, so wirkt es auch durch seine Natürlichkeit.
Einmal angefangen, zu lesen, legt man ungern das Buch zur Seite. Es erzählt unge¬
zwungen und interessant von all den so reichlichen Zwischenfällen und vom Unglück,
das oft das Leben des mutigen und rastlosen Erfinders in höchste Gefahr brachte. So
schildert Santos-Dumont, als er mit seinem «1» abstürzte: «Ich erinnere mich, daß mir
folgendes als gewiß erschien: Wenn der Zylinder des Ballons fortfährt, sich zu drehen,
werden die Stricke, die mich tragen, weil sie mit ungleicher Kraft arbeiten, alle der
Reihe nach reißen, während ich noch im Abstieg begriffen bin.
Ich zweifelte in diesem Augenblicke nicht daran, daß ich mich dem Tode gegen¬
über befinde. Und nun muß ich offen gestehen: die Gefühle, die mich beherrschten,
waren lediglich die der Spannung und Neugierde.
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»»»» 104 €<«
Was wird sich sogleich begeben? dachte ich. Was werde ich binnen wenigen
Minuten sehen und erfahren? Was werde ich sehen, wenn ich tot bin? Ich zitterte
bei dem Gedanken, daß ich binnen wenigen Minuten meinem Vater wieder begegnen
würde. In der Tat, ich glaube, daß es in derartigen Augenblicken weder für die Gefühle
des Bedauerns, noch für die Furcht Raum gibt. — Der Geist ist zu sehr angespannt, als
daß er vor sich blicken könnte. Man hat nur Furcht, solange man noch Aussicht auf
Rettung hat. Ich gestehe aufrichtig: nachdem ich meinen ersten Versuch mit einem
Luftschiff gemacht, hatte ich keine Angst vor Feuersgefahr mehr. Was ich befürchtete,
war, ob der innere Druck nicht so stark würde, daß er die Hülle sprengen könnte.
Diese Furcht habe ich noch».
Sehr lehrreich ist die Erzählung der allmählichen Entwickelung der einzelnen
Ballons — vom kleinen 114 cbm-Kugelballon «Brasil» bis zum «Santos-Dumont 9», den
er «Luft-BalladeuseD» benannte und mit dessen Fahrten die Abhandlung schließt.
Ich möchte noch einige Tatsachen richtigstellen. So schreibt Santos-Dumont am
Schlüsse seiner ersten Fahrt: «Vor mir hatte noch niemand etwas derartiges geleistet».
Ferner: «Das Wasser als Ballast zu verwenden, hat niemand vor mir unternommen»
oder « die Verwendung von Klavierseiten zum Festmachen der Gondel war ganz und
gar neu; ich führte diese Neuerung ein». Auch im Kapitel 17, wo das Tor der nach den
Angaben Santos-Dumonts neuerbauten Ballonhalle zu Monaco, welches 15 m hoch und
10 m (zweiflügelig) breit war, beschrieben wird, ist zu lesen: «Die Touristen hoben mit
Recht hervor, daß man weder in alter noch in neuer Zeit gleich große gebaut habe».
Dies sind Unwahrheiten, vielleicht unbewußt, aber es wäre sehr anständig ge¬
wesen, wenn der Arbeiten der Hauptleute Renard und Krebs vom Jahre 1884 und den
folgenden Jahren gedacht worden wäre.
Da dachte noch niemand an den Automobilismus und an leichte Motore! Oder
bedeuten die Experimente des Ballons «La France» nicht etwa mehr als die Umseglung
des Eiffelturmes durch Santos-Dumont?
Übrigens Unwahrheiten — bewußt und unbewußt — werden auch anderswm un¬
verfroren in die Welt posaunt. Hinterstoisser, Hauptmann.
Automobil und Motorrad, deren Technik, Industrie und Verwendung zu Verkehrs-,
Sport- und Kriegszwecken. Verzeichnis aller bedeutenderen bisher erschienenen
Bücher und Abhandlungen. 16 S., 8°. Gratis zu beziehen von W. H. Kühl, Berlin W.,
Jägerstraße 73.
•) Se ballader ist ein sehr familiärer Ausdruck, der unserem Bummeln entspricht. Red.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel .
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Die Redaktion.
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Illustrierte Aeronautische jUTitteilungen.
IX. Jahrgang.
April 1905. »« 4. Heft.
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Aeronautik.
Nochmals die deutschen Frauen und die Luftschiffahrt.
Wie ich ahnte und wie ich am Schluß meiner Abhandlung in Nr. 12
1904 dieser Zeitschrift befürchtend aussprach, ist es gekommen: Ich habe
einige unserer Gebieterinnen übersehen und leider nicht aufgeführt.
Der Zorn der Götter kann nicht schlimmer sein, ja er ist gewiß leichter
zu ertragen, als der unbedingt gerechte Zorn unserer vergessenen Frauen*.
Indem ich hiermit denjenigen danke, die mir meine Unterlassungssünden
vorgehalten haben, will ich reumütig das Versäumte nachholen und der
Verzeihung harren.
Zunächst war es im .lahr 1900 Frau Fiedler, die Gattin des ehe¬
maligen sehr verdienten Schatzmeisters des Berliner Vereins, welche mit
Fräulein v. Kleist und Herrn Fiedler unter Führung des Oberleutnants
v. Kleist, der gegenwärtig auf dem Kriegsschauplätze in Süd west afrika
weilt, am 9. Oktober eine Freifahrt unter¬
nahm. Die Fahrt dauerte über 2 Stunden
und endete bei Wriezen, 68 Kilometer von ? -7 ^
Berlin. Diese Fahrt ist für den Berliner Luft¬
schifferverein noch insofern von besonderem
Interesse gewesen, als bei ihr zum ersten
Male eine Begleitung durch Hauptmann v.
Tschudi im Selbstfahrer stattfand.
Das Ehepaar Fiedler hatte solchen Ge¬
schmack an der schönen Fahrt gefunden, daß
es am 11. Juni 1901 unter demselben Führer
und unter Mitnahme von Frl. v. Cramer zum
zweiten Male aufstieg. Diesmal führte der ^
Frau Fiedler und Frl. v. Cramer vor der
Flug nach 4 72 ständiger Fahrt bis nach Abfahrt.
Schneidemühl, 235 Kilometer von Berlin. Die Fahrt erreichte eine Höhe
von 2750 m und endete mit einer glücklichen Landung nach einer 50 Mi¬
nuten langen Schleppfahrt.
Fernerhin machte im Jahre 1902 am 27. März Ihre Hoheit die Frau
Prinzessin Adelheid von Sachsen-Altenburg mit S. H. dem Prinz-
Gemahl unter Hauptmann v. Tschudis Führung ihre zweite Ballonfahrt nach
Dölzig bei Königsberg i. d. M., 80 Kilometer von Berlin.
Herr Professor Palazzo in Rom war so freundlich, mir auch mitzuteilen,
daß die Frau de Filippi eine Engländerin sei, und daß die Berlinerin,
welche in der Societä Aeronautica Italiana neben der erstgenannten und
Illuetr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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außer Miss Grace Fielder den Damenluftsport eingeführt habe, Frau
Mengarini wäre.
Hiermit wäre meine Abhandlung ergänzt und richtig gestellt.
Im Jahre 1904 haben sich innerhalb des deutschen LuftschilTerverbandes
nur 12 Damen an Ballonfahrten beteiligt, die sich auf die einzelnen Vereine
wie folgt verteilen: Im Berliner Verein fuhren 3 Damen
» Augsburger * » 6 »
> Niederrheinischen > » 3 *
Im allgemeinen muß ich es als sehr bedauerlich bezeichnen, daß meine
-Bemühungen, in Erfahrung zu bringen, ob die betreffenden Damen besondere
Erlebnisse und Eindrücke bei diesen Fahrten aufzuzeichnen hatten, erfolg¬
los waren. Ich zweifle nicht daran, daß solche bei jeder Einzelnen wohl
Vorgelegen haben werden, bedauerlich bleibt es nur für uns, daß wir durch
Mitfuhlen die Freuden an diesen Damenfahrten nicht mit teilen und ver¬
doppeln können. Ich vermag daher in nachfolgendem nur eine Aufzählung
von Namen und Daten zu geben, ein Skelett, das ganz ohne Fleisch und
-Blut sein würde, wenn nicht in liebenswürdiger Weise von verschiedenen Seiten
zum Teil recht gut gelungene Bilder zur Verfügung gestellt worden wären.
Im Berliner Verein für LuftschifTahrt begann Freifrau v. Hewald
mit ihrem Gatten unter Hauptmann v. Kroghs Führung am 29. Januar.
Es war diese die 3. Ballonfahrt dieser Dame, welche
nach 6 Stunden 20 Minuten bei Posen, 220 Kilometer
von Berlin, endete. Man darf wohl bald die Frage
stellen, wird Freifrau v. Hewald ihrem Gatten 1905
auch als Ballonführer nachfolgen? Qui vivra verra!
Eine nicht weniger eigenartige Fahrt war am
24. September 1904 die «Brautfahrt durch die Luft»
von Herrn Dr. Elias mit Fräulein Radetzki. An Stelle
der Frau Schwiegermutter war der Herr Schwieger¬
vater mitgefahren und ein englischer Freund
M r J. N. Field aus Ostindien. An dem großen
Müritzsee bei Waren in Mecklenburg endete
nach beinahe dreistündiger Dauer die Braut¬
fahrt in glücklichster Weise. Fräulein Ra¬
detzki hatte sich in jeder Beziehung als «luft¬
fest» erwiesen, was für das zukünftige Fami¬
lienglück eines LuftschifTers, wie Dr. Elias,
gewiß nicht ohne Bedeutung sein wird. Tat¬
sache ist, daß hier in der Luft Herr Dr. Elias
Fri. Rypinski die Führung hatte.
Weither von New-York kam Fräulein Rypinski, um unter Führung
von Oberleutnant Schoof mit Hauptmann Engel in Deutschland eine Frei¬
fahrt zu machen. Die Fahrt ging nach Nordnordost bei einer ganz frischen
Brise. Nach einstündiger Fahrt wurde bei Angermünde gelandet.
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107 €«««
Eine regere Beteiligung der Damen war 1904 beim Augsburger Verein
für Luftschiffahrt. Zunächst machte Frau Thessa Oehler am 25. Mar
unter Herrn Zieglers bewährter Leitung mit Herrn A. Probst eine zweite
Ballonfahrt nach Munderfing in Oberösterreich. Sie blieb 9 1 /« Stunden in
der Luft, erreichte 2000 m Höhe und legte 173 Kilometer zurück.
Am 15. Juni fuhr wie¬
derum, nunmehr zum dritten
Male,FrauBerthaRiedinger
mit Fräulein Hoen und mit
Ingenieur Winawer aus Pe¬
tersburg. Die Führung hatte
Ingenieur Scherle der Ballon¬
fabrik von Riedinger. Nach
2 1 /s Stunden landeten die
Fahrer gegen 1 Uhr bei
Dörnbach bei Petershausen,
45 Kilometer von Augsburg.
Unser Bild stellt die Fahrt¬
gemeinschaft mitsamt dem
verpackten Ballon auf dem
anscheinend weniger beque¬
men Landgefährt dar.
Am 24. Juni fuhr Herr
Ziegler mit Frau Dr. Pflau-
mer nebst deren Gatten,
beide aus Buenos-Aires, und
mit Frau Professor Slu-
nicko in 6 1 /* Stunden nach
Stadelhof bei Wolnzach, 60
Kilometer von Augsburg.
Die Fahrt erreichte 2400 m
Höhe. Die Fahrt endete mit
einer Damenlandung.
Am 30. August brachte
Herr Ingenieur Scherle Frau
Bolscheff mit Gatten und
Herrn BeljaefT, alle aus St.
Petersburg stammend, von
Augsburg in 7»/« Stunden F ™ Dr. Pflaumer, Fra« Prof, Slunlcko nach „.ehr glatter Landung“.
nach Winnenden bei Stuttgart.
Es ist auffallend, daß im Jahre 1904 verhältnismäßig viele Aus¬
länderinnen sich den deutschen Ballons und deutscher Führung anvertraut
haben, sodaß ich beinahe in Verlegenheit wäre, sie unter den Titel
dieses Aufsatzes zu bringen. Indessen dürfte die Annahme gerechtfertigt
Frau B. Riedinger und Frl. Hoen naoh der Fahrt
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sein, daß die meisten auch dieser Luftfahrerinnen deutscher Abstammung
waren.
Im Niederrheinischen Vereine finden wir erfreulicherweise die uns
schon bekannten Walküren ihren Flug von neuem durch die Luft nehmend.
So fuhren Frau Dr. Sieburg und Fräulein G. Troost unter Hauptmann
v. Rappard mit Oberleutnant Schilling am 16. März in 7 3 /* Stunden von
Barmen nach Grevenbroich und am 12. Juli Frau Dr. Ostertag mit den
Herren Mengel und Toelle unter der bewährten Führung von Herrn Dr. Bamler
in 6 V* Stunden nach Venvay in Holland.
Auf jeden Fall dürfen wir die Bedeutung aller dieser Walkürenfahrten
für die sportliche Entwickelung unserer Luftschiflervereine nicht gering an¬
schlagen, und wir können es daher nur mit vielem Beifall begrüßen, wenn
noch recht viele derartige Fahrten in weiterer Folge gemacht werden.
Moedebeck.
Lustige und traurige Episoden aus den ersten Jahren
der Ballon-Aera (1783).
Nach authentischen Berichten gesammelt von Max Leher-Augsburg.
Nachdruck verboten.
Es ist das Los erfinderischer Genies, daß bei ihrem Auftreten ihre
geistigen Produkte von der neidischen Mitwelt in den Staub heruntergezogen
werden. Die einen behaupten, es seien allbekannte Sachen, die vor so und so
viel Jahren schon irgend ein Schlaukopf zum besten gegeben habe; andere werfen
sich gleich aufs hohe Roß und kritisieren von oben herab die Mängel der
neuen Erfindung, haben aber selbst nicht das Zeug, durch eigenen Scharf¬
sinn die angeblichen Nachteile zu beseitigen.
So erging es auch dem berühmten Bruderpaar Etienne und Joseph
Montgolfier, den Erfindern der aerostatischen Kugeln. Man erzählte sich
damals, sie hätten ein Manuskript, das bald in der kgl. Bibliothek zu Paris,
bald zu Turin befindlich gewesen sein sollte, und überhaupt auch ältere Schrift¬
steller, insonderheit den Jesuiten Lana, ferner Leibniz, Borelli und den
Dominikaner Gaben geplündert. Letzterer soll, sei es aus Scherz oder
Ernst, den Vorschlag gemacht haben, einen ungeheuren breiten Ball aus starker
Leinwand, größer denn die gute Stadt Avignon, zu verfertigen, mit Wachs
oder Teer zu bestreichen und mit verdünnter Luft zu füllen. Ergo — war
der Dominikaner der eigentliche Erfinder des Luftballs. Zwar konnte man
den beiden Brüdern Montgolfier das Verdienst nicht absprechen, «daß sie
Personen von beobachtendem Geiste und Liebhaber der Naturkunde waren,
sich schon längst mit dem Aufsteigen der Dünste beschäftigten und
Wolken suchten, welche, in Säcke gebunden, Lasten aufzuheben vermochten».
Aber man gönnte ihnen das Verdienst nicht, die allerdings schon bekannte
Idee praktisch verwertet zu haben.
Doch sie arbeiteten unverdrossen weiter und schon am 5. Brach- .
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monat 1783 produzierten sie sich angesichts der versammelten Stände zu
Annonay mit großem Erfolg. Die Pariser Blätter schrieben darüber m.t
Begeisterung. Demnach hatte die wunderbare Maschine, welche aus Tuch
und Papier bestand, die Gestalt eines Hauses von 36 Schuh in der Länge
und 26 in der Breite und wurde durch die Kraft des Feuers und des elektri¬
schen Rauches fast bis zur Unsichtbarkeit in die Höhe getrieben. Wenigstens
war sie in der Luft kaum von der Größe einer kleinen Figur zu erblicken
gewesen. Als diese Maschine wieder herunterkam, wurden ihrer die be¬
nachbarten Bauern ansichtig, welche in die größte Bestürzung gerieten,
da sie meinten, der Mond neige sich herab, und das Ende der Welt sei
ganz nahe.
Die beiden Erfinder ihrerseits waren auch noch nicht ganz im klaren
über den physikalischen Grund ihres elektrischen Rauches, den sie durch
Verbrennung eines Gemisches von Stroh und Wolle erzeugt hatten; sie
glaubten ein Gas von besonderer Eigenschaft entdeckt zu haben, während
tatsächlich der heiße Rauch, der leichter als wirkliche Luft war, das Empor¬
steigen des gefüllten Körpers bewirkte.
Die Nachricht von dem Ereignisse zu Annonay am 5. Juni veranlaßte
die Academie des Sciences, zur Prüfung der Erfindung eine eigene Kommission
einzusetzen, und bald waren zur Wiederholung des Experiments 10000 ls.
zusammengebracht, was für die beiden Brüder um so angenehmer war,
als sie beim ersten Versuch 100 Pistolen verwendet hatten. Die Herstel¬
lung des Ballons wurde dem berühmten Physiker Jacques Alexander Cesar
Charles (geb. 12. Nov. 1746 zu Beaugency, gest. 7. April 1823) übertragen.
Es entstanden nun, wie man sich damals ausdrückte, zwei Sekten und
verschiedene Arten von aerostatischen Maschinen, die sich den Rang streitig
machten, indem Charles auf «inflammable Luft», d. h. auf Wasserstoffgas
riet, anstatt der heißen Luft, welche die beiden Montgolfier zur Füllung des
Balls verwendet wissen wollten. So entstanden die Montgolfieres einerseits
und die Charliferes andererseits.
Am 27. August 1783 stieg der angekündigte, mit Wasserstoffgas ge¬
füllte Ballon zu Paris vor einer ungeheuren Volksmenge auf, trotzdem
niemand ohne Billett, ä 3 ls. zur Bestreitung der Unkosten dieses wunder¬
baren Experiments Zutritt hatte.
Nach damaligen Berichten soll sich der Globus 6000 Fuß hoch empor¬
geschwungen haben und 4 Stunden von Paris, in der Nähe von Gossfcne,
auf die Wohnung eines ehemaligen Lehrers der Kriegsschule niedergefallen
sein, wodurch er eine starke Öffnung bekam. «Zwei Bauern sahen die
Maschine ganz langsam auf die Erde niedersinken. Sie hielten dieselbe um
so eher für ein Ungeheuer, da sie, als sie schon den Erdboden berührt
hatte, noch aufhüpfte, was eine Wirkung des darin noch vorhandenen
elastischen Gases war. Sie trauten sich nicht, dem Ungeheuer näher zu
kommen, warfen aber gleichwohl mit Steinen darnach, hielten es endlich,
da es sich nicht mehr bewegte, für tot, und wagten sich Schritt für Schritt
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näher, um es zu begucken und betasten. Der Dreisteste von ihnen sah
endlich zur obersten Tür hinein, wo er sich aber wegen des stinkenden
Dampfes nicht lange halten konnte. Zuletzt kamen die beiden Freunde
überein, daß das Ungeheuer mausetot sei, und schleppten es mit Hilfe ihrer
Maulesel ins Dorf zum Pfarrer, der dann, als des Lesens kundig, aus dem
darauf geklebten Zettel ersah, was für eine Maschine das eigentlich sei,
und wem man Nachricht geben müsse. * Gegen Ende September veran¬
stalteten die beiden Montgolfier in Paris in Gegenwart der Kommissarien
der Akademie der Wissenschaften ein Experiment mit ihrer größeren aero-
statischen Kugel, die nur halbvoll von brauchbarer Luft war und mit einer
Last von 600 Pfund beschwert war. «Sobald man der Maschine ihren
Willen ließ, wollte sie partout mit Gewalt weiter, und 30 starke Männer,
die sie an den Stricken festhielten, vermochten sie kaum zu bändigen.
Endlich bekam man sie nach unsäglicher Mühe wieder herunter. Man
gewahrte, daß sie durch das Kämpfen gegen die Leute und durch ihre
innere Gewalt so hart mitgenommen sei, daß man sie wieder auszu¬
bessern, für nicht rätlich hielt.» Man beschloß daher, sofort eine neue zu
verfertigen und damit in Bälde ein Experiment im Park zu Versailles
anzustellen.
Am 24*. September fand dasselbe auch dort in Gegenwart des Königs
und der Königin statt. Man hatte zum ersten Male versucht, lebende
Wesen auflahren zu lassen, und zu diesem Endzweck an die Luftkugel einen
aus Weiden geflochtenen Korb befestigt, worin man einen Hammel, eine
Ente und einen Hahn sperrte. Letzterem wurde durch den Fall der Maschine
oder durch die Hörner seines Reisegenossen der Kopf eingeschlagen, während
die anderen Tiere unbeschädigt blieben und sich alsbald auf dem Landungs¬
plätze, auf einer Wiese nahe beim Walde von Vaucreston, munter herum¬
tummelten.
Die Luftkugeln bildeten nun den Gegenstand des Tagesgespräches.
Der bekannte Erfinder des Blitzableiters, Benjamin Franklin, der damals in
Paris weilte, soll, über die neue Erfindung befragt, sich also geäußert haben:
«Wir haben ein neugeborenes Kindlein vor uns; vielleicht wird es ein
Wunderkind sein. Laßt uns abwarten, was die Erziehung mit ihm fertig
bringen wird!» — Bei den vielen von Laien angestellten Versuchen kam es
zu allerlei Auftritten. So wurde am 30. September in einer Pariser Vor¬
stadt eine Luftfahrt angekündigt. In wenigen Augenblicken war eine Menge
Volkes versammelt. Die Zuschauer mußten anfänglich 10 sous bezahlen,
aber der Preis fiel zuletzt auf 3 herab; gleichwohl war die Einnahme noch
beträchtlich genug. In dem Augenblick, wo die Kugel die Himmelfahrt
antreten sollte, präsentierte man dem Publikum eine aufgetriebene, mit
gewöhnlicher Luft gefüllte Blase, die den Erdboden nicht verlassen wollte.
Ein jeder, höchst unwillig, so hintergangen worden zu sein, wollte sein
Geld wieder herausbekommen. Es enstand ein furchtbarer Lärm mit unver¬
meidlicher Schlägerei. Seitdem verbot der Generalleutnant der Polizei
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durch eine Ordonnanz ausdrücklich und bei harter Strafe derartige Schau¬
spiele.
Von Paris aus wurde mit Luftkugeln ein schwungvoller Handel nach
den Provinzen betrieben. Die Zollwächter dortselbst waren anfangs, wie
leicht denkbar, noch im unklaren, unter welcher Rubrik sie diese Globen
für den Staatssäckel nutzbringend behandeln sollten, oder sie wollten die
Ware gleich gar nicht passieren lassen, wie es die biederen Douaniers von
Peronne anfangs Oktober 1783 bei einer mit solchen Ballons gefüllten Kiste
versuchten. Vergebens warnte der Eigentümer, dieselbe zu öffnen. Aber
der Deckel wurde aufgerissen, und plötzlich flogen die Kugeln unaufhaltsam
zum großen Entsetzen der Zollwächter dem Himmel zu: vergebens riefen
diese: «Arrete, arrete de la part du Roi!»
Der erste Luftschiffer, der Hammel, der am 24. September von Ver¬
sailles aus auffahren mußte und wieder glücklich auf festen Boden gelangte,
stieg nun so in Ehren, daß er in den königlichen Tiergarten unter dem
Namen «Monte au Ciel» aufgenommen und dort verpflegt wurde.
Montgolfier suchte nun seine Luftmaschine zu vergrößern und solche
wenigstens noch einmal so hoch zu machen. Auch wollte er sie von einem
Menschen besteigen lassen, «der vermittels gewisser Einrichtungen ihr im
Steigen noch weiter zurecht helfen könnte». Am 17. Oktober, um 5 Uhr
nachmittags, ward auch in Gegenwart einer ungeheuren Menge eine Probe
mit dieser neuen Luftkugel angestellt. Sie stieg 15 Fuß hoch. Auf einem
an derselben angebrachten Geländer befand sich Pilätre de Rozier (bekannt
durch seinen tragischen Tod am 15. Juni 1785), welcher beständig feuchtes
Stroh in einen am unteren Teil der Maschine hängenden Ofen warf.
Pilätre kam nach einer halben Stunde herunter, und von der Last befreit,
stieg der mit Stricken gehaltene Ballon noch 50—60 Fuß und wurde dann
wieder an seine Stelle zurückgebracht.
Die neue Erfindung mußte nebenbei auch zu allerlei Kurzweil dienen.
So ließ der Herzog von Chartres bei einem Souper eine große verdeckte
Schüssel auf die Tafel stellen. Sie war sogar versiegelt, was die Neugier
der Damen und Herren noch steigerte. Man befragte sich, aber niemand
wußte Bescheid. Der Herzog sagte lächelnd, der Koch müsse es wissen,
doch dieser war nirgends zu finden. Einige Damen wurden nun so unge¬
duldig, daß sie den Deckel mit Gewalt abrissen. Da waren es Würste mit
brennbarer Luft angefüllt, welche eine gute Weile zum allgemeinen Gelächter
im Saal herumflogen und bei Punsch und Sorbet zu allerlei witzigen Ein¬
fällen Anlaß gaben.
Am Freitag den 21. November wurde in Paris ein neuer Versuch mit
-einer Montgolfiere gemacht. Dieselbe hatte 70' in der Höhe und 46' im Durch¬
schnitt und erhob sich mit einer Last von 1600—1700 Pfund. Auf der
Galerie derselben befanden sich der Marquis d’Arlandes und Pilätre de Rozier.
Der Ballon erhob sich bis zu einer Höhe von 3000', flog mit den Insassen
über die breite Seine zur Ecole militaire und dem Hotel des Invalides weiter.
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So glatt ging übrigens der Aufstieg, wenigstens im Anfänge, nicht von statten.
Der Ballon wurde das erste Mal um 12 Uhr in die Höhe gelassen, allein er
neigte sich bald auf die Seite und fiel auf einige Bäume in der benachbarten
Allee. Die 6 Schuh langen Risse, die er bekam, waren in einer Stunde wieder
geflickt. Zum zweiten Male erhob sich der Ballon aufs prächtigste. «Bei
diesem ganz ungewöhnlichen Schauspiel waren an 160000 Zuschauer zu¬
gegen, die alle ihre neugierigen Augen zum Teil mit offenem Munde gen
Himmel gerichtet hatten. Alle waren von Bewunderung, aber auch von einem
starken Herzklopfen erfüllt, ja einigen Frauen wurde sogar übel. Der Dauphin
(nicht zu verwechseln mit dem nachmaligen unglücklichen Ludwig XVII.)
ließ eine große Freude erkennen, als er die große Maschine in die Höhe
steigen sah, und mit Händeklatschen und Springen stimmte er in den lauten
Beifall der Zuschauer ein. In einer Höhe von 300' schwenkten die kühnen
Luftschiffer die Hüte und nahmen von den Zuschauern Abschied. Die Fahrt
dauerte bei 25 Minuten. Die beiden Insassen hätten einen noch dreimal
längeren Weg zurücklegen können, wenn es ihnen beliebt hätte, da
sie noch zwei Dritteile ihrer brennbaren Luft bei sich hatten (?), die sie
oben in der Höhe durch am Ballon befindliche Öffnungen hätten hineinlassen
können. Sie befanden sich während und nach der Reise ganz wohl
und konnten die herrliche Szenerie, die sie in einer Höhe von 3000' vor
ihren Augen in einem unabsehbaren Umfange liegen hatten, mit Worten
nicht herrlich genug beschreiben. Sie waren nicht ermüdet, aber sehr erhitzt,
da sie sich die ganze Zeit über nahe dem heißen Ofen befunden hatten,
der nur durch dünnen Taffet von ihnen abgesondert war. Der Herzog von
Chartres war dem Ballon auf seinem anderthalb Meilen dangen Zuge im
vollen Galopp gefolgt und kam nur einige Minuten später, als die Luft¬
schiffer wieder gelandet waren, an und bewillkommte sie aufs herzlichste.
Es geschah auch eine Menge größerer und kleinerer Wetten für und wider
den Erfolg der Luftmaschine, und seit diesen Tagen — so besagt der
Bericht — redet man beinahe von nichts anderem als von dieser Erfin¬
dung. Es haben sich bereits mehrere Personen gemeldet und Geld ange-
boten, um die nächste Luftreise mitmachen zu dürfen, so daß diese Art zu
reisen nächstens Mode werden dürfte».
Das Ausland blieb nicht zurück, die neue Erfindung in allerlei Ver¬
suchen zu erproben. So ließ, einem Auszug aus einem Privatschreiben
zufolge, in Brüssel ein Herr Saint-Amant, «der in der Physik vorzügliche
Kenntnisse hatte und das ansehnlichste Kabinet von physikalischen und
mathematischen Gerätschaften besitzt», auf seine Kosten eine Montgolfiere
verfertigen, die am 23. Oktober in Gegenwart Sr. Durchlaucht des Herrn
Statthalters prächtig in die Luft stieg und erst am folgenden Tage in einer
Entfernung von 4 Meilen, unfern der Stadt Löwen, zu Boden fiel. «Seitdem»,
fügt der Bericht hinzu, «wurden diese Versuche mit bestem Erfolge wiederholt».
Aus Mailand wird de dato 17. November 1783 folgendes berichtet:
«Nachdem der rühmlichst bekannte Physiker Mr. Saussure zu Genf einen
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Versuch mit Montgolfier-Luftkugeln gemacht, wobei er sich statt des mit
elastischem Gummi überstrichenen TafTets der feinen Häutchen bediente,
welche den großen Sack in den Eingeweiden des Ochsen decken, und davon
am 28. vorigen Monats den besten Erfolg sah, so erteilte er noch am
nämlichen Tage seinem hiesigen Freunde, dem mit vorzüglichen Kennt¬
nissen versehenen Herrn Ritter Marsilio Landriani, davon Nachricht, welcher
sich hierauf allsogleich daran machte, eine Luftkugel zu verfertigen. Nach¬
dem er vorher einige Versuche damit angestellt, hatte er am 14. hujus die
Ehre, dieselben in Monza in Gegenwart Ihrer königl. Hohheiten und einer
zahlreichen Menge von Zuschauern zu wiederholen. Die Luftkugel hatte
nur 11 Zoll im Durchmesser; gleichwohl stieg sie zur allgemeinen Bewun¬
derung auf eine sehr ansehnliche Höhe und fiel bei Mirabello seitwärts
nieder. Bald darauf wurde die gleiche Kugel wieder mit erwärmter Luft
gefüllt und in Freiheit gesetzt. Desselbigen Abends ließ man eine ungleich
größere Kugel in die Höhe steigen, an der man ein Licht angebracht hatte,
welches noch aus der höchsten Entfernung schimmerte, ein Stern erster
Größe zu sein schien und Ihren königl. Hohheiten und der übrigen Zu¬
schauerschaft Vergnügen bereitete. Seitdem hat Herr Landriani, von Sr.
königh Hohheit dem Erzherzog unterstützt und begünstigt, diese Versuche
in der neuen Erfindung fortgesetzt, auch mehreren Personen in der Zube¬
reitung derselben Unterricht erteilt, wodurch seitdem allerlei Versuche von
verschiedenen allhier häufig wiederholt werden.» ! )
Zu Lyon ließ man am 18. November eine Montgolfiere in die Höhe
steigen, in welcher ein Feuerwerk angebracht war. «Der Ball flog in
Gegenwart von 30 OCX) Zuschauern unter dem Schalle einer fürtrefflichen
Musik und vielem Freudengeschrei. Er glänzte wie ein schöner Stern in
der Nacht, gleich darauf platzte eine Bombe, die eine Menge Sternlein aus¬
streute. Eben als sich der Ball in den Wolken verlor, sprang eine noch
stärkere Bombe als die erstere heraus, welche die ganze Stadt erleuchtete.
Hierauf verschwand er, und man konnte nicht erfahren, welchen Weg er
genommen und wo er niedergefallen.»
Am 3. Dezember machten die Herren Charles und Robert mit ihrem
selbst verfertigten Ballon eine sehr glückliche Reise. Derselbe war viel
besser ausgerüstet und mit einem Ventil zum Auslassen des Gases ver¬
sehen, das durch eine Schnur von unten her geöffnet und geschlossen
werden konnte. Ein starkes seidenes Netzwerk umgab die obere Ballon¬
hälfte und wurde in einen Ring zusammengefaßt, der den Ballon in der
Mitte umspannte und mittels Schnüre eine Gondel mit Sitzen für 2 Personen
*) Graf Marsiglio Landriani, geb. zu Mailand in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundorts, gest. zu Wien
wahrscheinlich 1827, gehörte dem alten, hochadeligen lombardischen Gcschlechtc der Landriani an, welches
mütterlicher Seite mit dem H. Carolus Borromäus verwandt war. Über Erziehung, Bildungsgang usw. dieses
Galehrten ist nichts zu ermitteln gewesen; so viel ist übrigens bekannt, daß er Hofmarschall des Herzogs
Albert von Sachsen-Teschen war und als solcher abwechselnd in Wien und in Italien lebte. Seine physi¬
kalischen Forschungen veranlagten die Pariser Akademie, ihn zu ihrem korrespondierenden Mitgliede zu
ernennen. Vergl. Poggendorff: Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten
Wissenschaften (Leipzig 1859).
Illnstr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. lö
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114 €«««
im Gleichgewicht hielt. Der Aufstieg erfolgte aus dem Tuileriengarten 40
Minuten auf 2 Uhr. «Zuerst ließen die beiden Luftschiffer eine kleine mit
grünem Taflet überzogene Luftkugel in die Höhe steigen. Montgolfier, als
der erste Erfinder, hatte die Ehre, dieselbe aus seinen Händen steigen zu
lassen. Sie verschwand in wenigen Augenblicken aus den Augen und
wurde nicht mehr gefunden. Der große Ballon erhob sich prächtig und
sank erst um 3 /i4 Uhr bei Hedouville, 9 Meilen von Paris, mit Willen der
Insassen. Gerade vorher war die Sonne untergegangen. 4 l U Uhr bestieg
Charles noch einmal den Ballon und bei der erneuten großen Erhebung von über
3000 Meter erlebte er an diesem Abend scheinbar einen zweiten Sonnen¬
untergang. Charles fuhr noch anderthalb Meilen in weniger als einer
halben Stunde.
Die Menge der Zuschauer war ungeheuer. Der Herzog von Cumber-
land lief Gefahr, erdrückt zu werden. «Ich bin», schrie er, «des Königs
von England Bruder; schonet meines Lebens». Ein Soldat kam ihm hierauf
zu Hilfe und zog ihn glücklich aus dem Gedränge heraus. Der Herzog bot
ihm seine Börse an. «Sire», entgegnete der Krieger, «ich bin Franzose,
ich schätze mich glücklich, die Ehre gehabt zu haben, dem Bruder des
Königs von England das Leben gerettet zu haben.» Der Aufstieg erfolgte
frei, ohne alle Stricke. Als das Frohlocken aufhörte, fing das Händeklatschen
und Schwenken der Hüte an, das so lange fortgesetzt wurde, als der Ballon
zu sehen war. Selbst die Schweizer, welche an den Gartentüren die
Wache hatten, schwenkten ihre Säbel in die Luft. Die Herzoge von
Chartres und Fitzjames jagten zu Pferde dem Ballon nach, um bei der
Landung zugegen zu sein, aber wegen der vielen Umwege erreichten sie
ihr Ziel nicht, wiewohl sie in 2 Va Stunden beinahe 6 deutsche Meilen
zurücklegten.»
Dieser so glänzend abgelaufene Versuch ließ nun auch den alten,
nicht sehr leichtgläubigen Doktor Franklin seinen Freunden gegenüber über
die Erfindung milder urteilen. «Das neugeborene Kindlein», so nannte er
die Luftmaschine, «sei kein Tölpel mehr, sondern scheine sich zu einem
Genie auszuwachsen. Diese Entdeckung werde in ihrer Art ebenso wichtige
Folgen haben, als diejenige des Magnets, des Pulvers, ja sogar der Neuen
Welt für die Menschheit gehabt.»
Berichten zufolge wurden im Dezember in Bern, Mailand, Darmstadt
und Berlin Versuche mit Luftkugeln veranstaltet. «Viele Fremde von
Straßburg und Lyon hatten die Winterreise nicht gescheut und sich in Bern
zu diesem ungewöhnlichen Schauspiel eingefunden. Eine große Volksmenge
wartete geduldig drei Stunden bei strenger Kälte, aber die ungeheure
Luftkugel wollte nicht in die Höhe steigen; endlich platzte sie auf einmal
zusammen und machte dem Spiel ein Ende. Die Kugel war zu groß. Die
Zuschauer hatten jeder einen Gulden berappt, den sie wieder zurückhaben
wollten.»
Besser gelangen die Versuche in den anderen Städten. «So ließ am
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>»»» 115 €4«
19. Dezember der Kanonikus Dr. Giacomo Veneziani auf dem Kastellplatz
zu Mailand eine Luftkugel in Gegenwart des gesamten Adels und einer
unermeßlichen Volksmenge mit Erfolg steigen.»
«In Darmstadt ließen am 23. Dezember um 10 Uhr morgens einige
Freunde der Physik und Naturgeschichte einen Luftball in die Höhe steigen,
der aus Goldschlägerhäutchen zusammengesetzt, mit Hausenblase verleimt
und mit gewöhnlicher aus Eisenfeilspänen und Vitriolöl entwickelter brenn¬
barer Luft gefüllt war. Seine Gestalt, die eines länglichen Vierecks, bewies,
daß die Kugelgestalt hiezu nicht schlechterdings erforderlich sei. Er stieg
sogleich in der Stadt, wo er losgelassen wurde, zweimal so hoch als der
Stadtturm, setzte seinen Flug über den vor der Stadt liegenden Exerzierplatz
fort gegen den Rhein zu.»
«Am 27. Dezember, vormittags 11 Uhr ließ in Berlin der berühmte
Chemiker Achard 1 ) im Lustgarten am königlichen Schlosse vor einer unge¬
heuren Menge von Zuschauern seinen Luftball steigen. Die Operation ging
ungemein rasch von statten. Die Kugel stieg ziemlich hoch. Sie flog über
das königliche Schloß nach der Königsstraße hin, stieg abwechselnd in die
Höhe und sank wieder, bis sie sich den Nachsehenden aus dem Gesichte
verlor. Sie hatte ungefähr 3' im Durchmesser.»
Mit dem Jahre 1784 erschien Blanchard auf dem Plan, der durch seine
kühnen Luftfahrten alles in Staunen setzte und bald jede Konkurrenz aus
dem Felde schlug.
Montgolfi&ren-Aufstiege in Columbien.
In Bogota (Columbien), das auf einer Hochebene von 2658 Meter ge¬
legen ist, hatte ich wiederholt Gelegenheit, dem Aufstieg von Montgolfieren
beizuwohnen. Da diese Art Aufstiege in Europa sehr selten sind, dort
vielmehr bei den Aufstiegen der Berufsluftschiffer in den Vergnügungsparks
die mit Gas gefüllten Kugelballons zur Anwendung kommen, so hatte für
mich als Ballonführer diese Art Aufstiege einen großen Reiz. Sie bieten
manches Lehrreiche, zumal, wie man es nicht machen soll.
Ein höchst mangelhafter Ballon, in der Form eines Eis, war zwischen
zwei Stangen über einem sich nach oben zuspitzenden l l h Meter hohen
Ofen aufgehängt. In diesem Ofen wurde durch Strohfeuer, das noch durch
Petroleum verstärkt wurde, die heiße Luft zur Füllung hergestellt. (Bild 1.)
Der Ballon mochte nach meiner Schätzung etwa 1000-1500 Kubikmeter
fassen, er füllte sich im Augenblick und zeigte nun die schadhaften Stellen
seiner Hülle.
i) Achard Franz Karl, Chemiker, berühmt als Begründer der fabrikmäßigen Gewinnung von Zucker
aus Runkelrüben, wurde am 28. April 1753 zu Berlin geboren und starb auf Cunem 20. April 1821. Schon
mit 20 Jahren begann er seine schriftstellerische Tätigkeit, welche eine große Anzahl von Aufsätzen
besonders in den Memoiren der Berliner Akademie geliefert bat, deren physikalische Klasse ihn 1782 zu
ihrem Direktor erwählte. Er behandelte höchst verschiedenartige Gegenstände, Elektrizität, Verdunstungs¬
kälte, Adhäsion, Meteorologie, aber auch die Natur der fixen Luft, des Sauerstoffes usw. Die Bedeutung
dieser Arbeiten steht hinter den praktischen Leistungen Achards zurück.
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116 €44*
Der Ballonstoff war ein einfacher nicht gefirnißter Baumwollstoff. Ein
sehr dünnes Netz, das aus einzelnen stärkeren Bindfäden notdürftig zu¬
sammengesetzt war, sollte auf einem Trapez den Akrobaten tragen. Die
Füllung war in wenigen Minuten bewerkstelligt. Die den Ballon über die
beiden Stangen haltenden Taue wurden gelöst, und schnell hob sich der
Ballon mit starkem Auftrieb auf etwa 300 Meter.
Da bei den Aufstiegen immer nur sehr ruhiges windstilles Wetter
herrschte, so stieg der Ballon kerzengerade in die Höhe. Der interessanteste
Teil war entschieden das Verhalten des Ballons in der Luft sowie die Lan¬
dung. Ballast war keiner
mitgenommen. Kaum hatte
der Ballon die größte Höhe
erreicht, als er auch schon
rapid zu sinken begann,
natürlich steigerte sich mit
der Annäherung an die
Erde die Fallgeschwindig¬
keit.
Der Ballon nahm
beim Abstieg eine fall¬
schirmartige Form an, da
die Füllansatztaue fehlten,
zugleich schwankte die
Hülle über dem Luft-
schiffer in pendelförmiger
Bewegung hin und her, die
gewiß durch das schnelle
Fallen hervorgerufen war.
Die Bewegung der Luft
war immer so ruhig, daß
der Ballon beinahe auf
seinem Aufstiegplatze lan¬
dete. Der ganze Abstieg
Füllung der «ontgoififere. sowie die Landung war
das Werk einiger Minuten. Ich dachte, der kühne junge Mann habe sich
beim Anprall alle Knochen im Leibe gebrochen, da dieser mit einem hör¬
baren Stoß erfolgte.
Von dem Moment des Fallens an bis zur Landung war das Verhalten
des Ballons wie das eines Fallschirms; der Ballon war kaum noch zum
Drittel mit heißer Luft gefüllt, die immer mehr durch den sich nach der
Seite streckenden Füllansatz herausgedrückt wurde. Der Ballon lag jetzt
wagrecht über dem Luftschiffer. Ich habe mir den Ballon nach der Landung
angesehen. Das Netz hatte sich nach dem Äquator hin verschoben, leicht
hätte es nach der anderen Seite herabgleiten können, da keine Vorrichtung
Photogr. v. C. v. G. Nachdruck verboten.
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C. v. G.» photogr. Nachdruck verboten.
Oie Hontgolfiöre Im Augenbllok des Aufstiegs.
getroffen war, das Netz vor dem Verschieben zu schützen. Etwa 100 Meter
vor dem Aufprall an der Erde ließ sich der Luftschiffer an einem herab¬
hängenden Tau heruntergleiten, um nicht unter der nachfolgenden mit Rauch
gefüllten Hülle begraben zu werden. • C. v. G.
<*£
Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Über den vertikalen Temperaturgradienten in Zyklonen.
Von grundlegender Bedeutung für die Physik der freien Atmosphäre
ist die Bestimmung der Temperaturabnahme mit der Höhe und diese Auf¬
gabe ist daher auch die erste und wichtigste, welche die wissenschaftliche
Erforschung der höheren Luftschichten mit Hilfe von Ballon und Drachen zu
lösen hat. Die internationalen Ballonaufstiege haben bereits ein so reich¬
haltiges Material zur Lösung dieser Frage zusammengetragen, daß kein ge¬
ringerer als Hann es kürzlich für nützlich gefunden hat, einige Resultate
aus den so erhaltenen Zahlen zu ziehen. In seiner Arbeit 1 ) bespricht er
zunächst die Temperaturverteilung nach den Jahreszeiten und widmet dann
ein Kapitel der Frage nach dem Temperaturgradienten in Hoch- und Tief¬
druckgebieten. Er kommt zu dem bemerkenswerten Resultate, daß in Hoch¬
druckgebieten die Temperaturabnahme anfangs sehr langsam, in großer Höhe
aber sehr rasch ist, während sie in Niederdruckgebieten sehr gleichmäßig
nahe 5,7° per Kilometer beträgt. An dieses letztere Resultat möchte ich hier
*) Über die Temperaturabnahme mit der Höhe bis zu 10 km Höhe, nach den Ergebnissen der inter¬
nationalen Ballonaufstiege. Sitzungsber. d. Wiener Akad., Bd. CXIU, S. 571—005, Abt. II a.
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118 €4«
anknüpfen und gleich bemerken, daß das von Hann benutzte Material bis zum
Mai 1903 reicht. Hann klagt, daß Ballonaufstiege in Niederdruckgebieten
verhältnismäßig selten sind, und speziell für die Zentren der letzteren hat er
keine Beobachtungen finden können. Man sollte nun meinen, daß nach dem
Erscheinen von Aßmanns bis jetzt einzigartiger Publikation ^Die Temperatur
der Luft über Berlin etc.» diese Lücke leicht auszufüllen sei. Ich durch¬
musterte daher die synoptischen Karten, um die Fälle zu finden, in denen
ein Zyklonenzentrum Berlin passiert hat. Die Ausbeute war aber auffallend
gering. Es zeigt sich, daß Berlin von Zyklonen entschieden gemieden wird,
und wenn eine Depression Berlin passiert, so geschieht es natürlich oft zu
einer Stunde, in der keine Beobachtungen vorliegen. Die Interpolation mit
Hilfe der von Aßmann gezogenen Höhenisothermen wird aber nur für Fälle
von genügend langsamer Fortbewegung der Zyklonen als hinreichend ein¬
wandfrei gelten können. Ich habe nur 5 Fälle für den Sommer 1903 finden
können, die ich daher etwas näher besprechen möchte. Es sind folgende:
1. 24. April 1903, 7 h a., tiefe Depression bei Hamburg (741 mm); Berlin
kann noch als zur zentralen Area gehörig angesehen werden. 2. 2. Juni, 7 h a %
eine flache Depression (754 mm) erscheint um l h p. etwas südlich von
Berlin auf den Karten; sie hat sich offenbar in den Morgenstunden über
Berlin ausgebildet. 3. 10. Juni, eine flache Depression passiert um 4 h p.
Berlin; die Temperaturabnahme läßt sich, wie es scheint, ohne Willkür aus
den Höhenisothermen entnehmen. 4. 15. Juni, 7 h a., schwache Depression
etwas SW. von Berlin (Münster 753,5 mm). 5. 20. Juni, 7 h a., eine weite
flache Depression bedeckt Deutschland und West-Frankreich, das Minimum
(752) befindet sich etwas SW. von Berlin.
Aus den angeführten Fällen ergeben sich folgende Werte der Tempe¬
raturabnahme, wobei ich zum Vergleich die von Homma 1 ) aus sämtlichen
Aßmannschen Beobachtungen erhaltenen Mittelwerte hinzusetze.
Temperaturabnahme per km über Berlin im Sommer 1903
im zentralen Teil von Depressionen.
Höhenschicht
km
24. April
2. Juni
10. Juni
15. Juni
20. Juni
nach Homma
(Sommer)
0-0,5
— 10,f) ,)
(-8,0°)
— 11,1°
—10,3°
— 11.1°
— 10,9“
0,5—1,0
— 0,0°
— 10,0°
— 6,6°
— 1,7°
— 6, 2 °
— 4.5°
1, 0-1,6
— 5,4°
—
— 3,7°
-4,8®
- 5,3°
-5,4»
1,5—2,0
— 2,8 Ü
—
i
c
©
— 5,0°
— 8,3°
— 5,3°
2,0—2,5
- 4,3°
—
—
— 5,0°
—
— 5,4°
2,5—3,0
— 3,8°
—
—
— 6,4°
—
— 5,1°
3,0—3,5
— 5,0°
—
—
—
—
— 7,0°
0-1,0
— 8,3°
— 9,0°
— 8,8°
— 4,3°
-8,6°
-7,7°
1,0—2,0
-4,1°
—
— 4,8°
— 4,9°
— 6,8°
— 5.4°
2,0—3,0
— 4,0°
—
—
— 5,7°
/
— 5,2°
*) Beiträge zur Kenntnis der Temperaturverteilung in der Atmosphäre und ihrer Beziehung zur
Witterung. Meteor. Zeitschr., Bd. XXXIX Xr. 10, 1901 Oktober.
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Ein weiterer Fall, 30. November 1903, 9 h p. (sehr tiefe Depression
735 mm genau über Berlin), ergibt für die unterste Schicht —3°, dann
gleichfalls —5° bis 2 km Höhe. Man ersieht aus dem angeführten, daß die
Temperaturabnahme auch für die Zentren der Zyklonen im ganzen ziemlich
gleichmäßig rund 5° per Kilometer beträgt und sich von den allgemeinen Durch¬
schnittswerten für den Sommer fast gar nicht entfernt. Sehr bemerkenswert
ist die starke, mehr als adiabatische Abnahme in der alleruntersten Schicht
im Sommer, welche, wie Hommas Zahlen zeigen, überhaupt dieser Jahreszeit
eigentümlich ist, während sie im Winter in derselben Schicht besonders
klein ist. Man sieht auch hier wieder, daß die unterste Luftschicht bis zu
etwa 1 km Höhe «gestörte» Verhältnisse aufweist; am 15. Juni findet sich
sogar eine Inversion. Erst über 1 km hinaus wird die Temperaturabnahme
gleichmäßig.
Leider reichen die Drachenbeobachtungen nicht sehr hoch, so daß man
zur Feststellung der Verhältnisse in den höheren Schichten doch wieder
auf die Resultate der internationalen Registrierballons angewiesen ist. Unter
diesen sind natürlich die Fälle, wo genau im zentralen Raume einer
Depression beobachtet werden konnte, noch seltener. Zunächst ist hier der
Fall vom 13. Juni 1901 interessant. Berlin befand sich damals im Zentrum
einer soeben entstandenen Teildepression, während die Hauptdepression über
der Nordsee lagerte. Ich setze die Resultate des in Berlin hochgelassenen
Registrierballons zusammen mit den Schlußwerten von Hann hierher.
Temperaturabnahme per km in Zyklonen.
Höhenschicht
Berlin
Hann, Zyklonen im :
km
13. Juni 1901
Sommer
Winter
0—1
— 5,9°
— 3,8»
— 2,9»
1-2
- 5,5°
- 5,8»
-5,7»
2—a
- 5,2°
— 5,4»
QO
•>*
1
3-4
— 4,8°
- 5,5»
— 5,9»
4—5
- 5,2°
— 6,5»
— 6,7»
5-6
-5,1»
— 6,6»
— 6,1°
6—7
— 6,8»
— 7,4°
— 6.7»
7—8
— 8,3»
-7,4»
— 5,3»
8—9
— 9,0
-7,5»
-5,1»
0—6
— 5,3»
— 5,6°
— 5,4»
6-9
— 8,0°
— 7,4»
— 5,7»
Die Übereinstimmung ist, wie man bemerkt, vortrefflich. Auch die
bei Hann, allerdings nur für den Sommer, bemerkbare Zunahme des Tempe¬
raturgradienten zwischen 6 und 9 km zeigt sich deutlich. Freilich liegt im
vorliegenden Falle die Erklärung nahe, daß die Teildepression bei Berlin
nur in dem unteren Teile der Atmosphäre bestand, ln der Tat zeigt die
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120 ««««
Isobarenkarte für 4 km Höhe keine Andeutung einer solchen mehr, sondern
nur den regelmäßigen Rand der Hauptdepression. Vielleicht machten sich
in größerer Höhe schon Übergangsverhältnisse zum angrenzenden Hoch¬
druckgebiet geltend.
Einen zweiten Fall bietet der 4. Juni 1903. Am Morgen des Aufstiegtages
erschien auf den Karten eine wohlausgebildete Depression in der Nähe von
Petersburg und hielt sich mit geringen Ortsveränderungen mehrere Tage in
derselben Gegend. Die Drachen und Ballons ergaben für diese Depression:
Temperaturabnahme per km Petersburg, 4 Juni 1903.
Höhenschicht
km
4. Juni 7 h a.
Registr.-Ballon
4. Juni 3h p.
Bemannt. Ballon
4. Juni 6h p.
Bemannt. Ballon
5. Juni 6*/ 2 h p.
Drachen
Mittel
0-1
©
L>*
1
1 - 6,3«
— 5,1°
— 7,6°
-5,9°
1-2
— 6,8°
1
-5,4°
— 5,4°
— 6,0°
2—3
i
ü«
cn
©
—
— 6,0°
— 5,8°
3—4
— 5,2°
—
—
— 5,2°
4-4 ‘/*
— 5,0°
—
—
—
— 5,0°
2—4 >/*
— ö ? 7°
—
—
—
-5,6°
Auch diese Zahlen befinden sich in bester Übereinstimmung mit den
vorhin angeführten.
Soweit es das immerhin ziemlich dürftige Material erlaubt, wird man
also folgende Schlüsse ziehen können:
1. Die Verhältnisse in der untersten «gestörten* Schicht bis zu etwa
1 km Höhe sind wenig regelmäßig, und daher fallen die von verschiedenen
Autoren berechneten Temperaturgradienten recht verschieden aus. So findet
Hann für die Sommermonate überhaupt höchstens 6—7°, Homma dagegen
für Berlin 11°. Die von mir berechneten Fälle von Depressionszentren
ergeben für die Berliner Drachenaufstiege ebenfalls 11°, Für 2 internationale
Fahrten nur 6°, für einen Fall im Winter 3°, während Hann für Depressionen
überhaupt im Sommer fast 4°, im Winter 3° findet. Es spielen hier mög¬
licherweise außer der regelmäßigen Erwärmung oder Abkühlung des Bodens
durch Strahlung noch andere Ursachen mit. Bei einer allgemeinen Charak¬
teristik der großen atmosphärischen Störungen wird man also die unterste
Schicht unberücksichtigt lassen müssen.
2. Für das Höhenintervall von 1 bis 5 oder 6 km beträgt in Zyklonen
die Temperaturabnahme sehr gleichmäßig 5Vs 0 rund per Kilometer sowohl im
zentralen Teile der Minima als auch in ihren Randgebieten. Die Abweichungen
von diesem Mittelwerte sind in der Regel kleiner als 1°.
3. Höher als 5—6 km scheint die Temperaturabnahme in Zyklonen,
wenigstens im Sommer, etwas größer zu werden und etwa 7° zu betragen.
Das geringere zur Zeit vorliegende Material gestattet aber flicht, diese Be¬
hauptung sicher zu begründen.
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4. Ein merklicher Unterschied zwischen inneren und äußeren Gebieten
einer Zyklone scheint nicht zu bestehen.
In bezug auf die Methode, nach der die oben angeführten Zahlen ge¬
wonnen wurden, muß ich noch bemerken, daß ich zunächst nach den direkt
beobachteten Zahlen Zustandskurven zeichnete, eventuell für Aufstieg und
Abstieg besonders. Durch die so erhaltenen, meist noch etwas unregel¬
mäßigen Linien wurden dann möglichst kontinuierliche Kurven gezogen und
den letzteren dann die hier publizierten Zahlen entnommen.
Ich möchte zum Schluß der Hoffnung Ausdruck geben, daß das bisher
so spärlich vorliegende Material zur Beurteilung der Temperaturänderung
mit der Höhe in Zyklonen baldmöglichst eine reichliche Vermehrung erfahren
möge. Das Studium der Zyklonen ist ja eine wohlcharakterisierte und sehr
interessante Aufgabe der Meteorologie und hat zugleich eine eminente
praktische Bedeutung. Bei dem raschen Wandern dieser Luftgebilde wird
aber der Zufall nur selten eine Sondierung in ihrem inneren Gebiete ergeben,
wie das die vorhin angestellte Enquete beweist, und es müßte also eigens
nach ihnen gefahndet werden. Mit Hilfe der synoptischen Karten kann man
aber mit ziemlicher Sicherheit beurteilen, ob in den nächsten, sagen wir
10—12, Stunden eine Zyklone den Beobachtungsort passieren wird, und
daraufhin die nötigen Vorbereitungen für das Auflassen eines Registrier¬
ballons treffen. Die Kurve des Stationsbarographen würde dann weiter den
Moment bestimmen, in dem der Aufstieg zu erfolgen hat. Besonders geeignet
scheinen für den besprochenen Zweck Hamburg und Petersburg (Pawlowsk),
auch Mittel-Schweden, zu sein, da diese Orte verhältnismäßig oft von
Zyklonen passiert werden. Läßt man dort die Ballons im Zentrum der
Depressionen steigen, so würden sie beim Abstieg von den auf der Rück¬
seite herrschenden nördlichen Winden in Gegenden getrieben werden, wo
ihre Wiederauffindung wahrscheinlich ist. So könnten dann unsere namentlich
für Höhen über 5 km noch recht lückenhaften Kenntnisse schon durch wenige
Versuche beträchtlich erweitert werden.
Elmar Rosenthal, St.-Petersburg.
Internationale Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt.
fbersieht über die Beteiligung an den internationalen Aufstiegen im Juli, August
und September 1901.
7. Juli.
Trappes. Papierballon 14 280 m. — Itteville. Papierballon 10 780 m. — Crinai»
Drachenaufstiege 2270 in. — Guadalajara. Papierballon 6970 m. — ' Rom. Bemannter
Ballon 2200 m. — Zürich. Gummiballon; noch nicht gefunden. — Straßburg. Gummi¬
ballon 1. 14 630 m. Gummiballon II. Instrument registrierte nicht. — Barmen. Bemannter
Ballon 1940 m. — Hamburg. Drachenaufstiege 1520 m. — München. (Meteor. Zentr.-Anst.)
Gummiballon; noch nicht gefunden. — München. (Baron v. Bassus.) Gummiballon;
Instrument registrierte nicht. — Berlin. (Aeronaut. Obs.) Drachenaufstiege 1545 m.
Gummiballon 13 800 m. — Berlin. (Luftsch.-Bat.) Kein Aufstieg. — Wien. (Milit. aeron.
Anst.) Gummiballon 11000 m. Bemannter Ballon 2100 m. — Wien. (Aeroklub.) Bemannter
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 1^
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122 €«««
Ballon 4930 m. — Pawlowsk. Drachenaufstiege 4330 m. Registrierballon 15 800 m. —
Vilua. Drachenaufstiege 830 m. — Blue Hill. (ü. S. A.) Drachenaufstiege .9. Juli' 760 m.
Wetterlage. Eine Zone höheren Luftdrucks (über 765) zieht sich von Westeuropa
über Mitteleuropa bis ins Innere von Rußland. Depressionen liegen an der Westküste
Skandinaviens (Bodö 750), über dem Weissen Meer (755). Auch über dem südlichen
Mittelmeer und den Kaukasusländern ist der Druck unter 760 mm.
4. August.
Trappes. Papierballon 13 430 m. — Itteville. Papierballon 7430 m. — Oxshott. Kein
Aufstieg. — Guadalajara. Papierballon. Instrument registrierte nicht. Bemannter Ballon
3150 m. — Rom. Bemannter Ballon; wegen Sturm vor Auffahrt aufgerissen. — Zürich.
Gummiballon; noch nicht gefunden. — Straßburg. Gummiballon 18190 m. — Hamburg:.
Drachenaufstiege 2000 m. — München. (M. Z. A.) Gummiballon 1180 m. — München.
(Baron v. Bassus) Gummiballon: wurde ohne Instrument aufgefunden. — Berlin. (Aeron.
Obs.) Drachenaufstiege 1693 m. Gummiballon 13 650 m, — Berlin. (Luftsch.-Bat.) Kein
Aufstieg. — Wien. (Mil.-aer. Anst.) Bemannter Ballon 3180 m. Registrierballon nicht
aufgefunden. — Wien. (Aeroklub.) (3. Aug.) Bemannter Ballon 5065 m. — Przemysl
(Festungsballonabteilung.) Bemannter Ballon 1900 m. — Pawlowsk. Drachenaufstiege
2290 m. Registrierballon 6400 m. — Blue Hill. Drachenaufstiege 2110 m. — Atlantischer
Ozean. Südlich der Kanarischen Inseln (auf der Jacht des Fürsten von Monaco). Drachen¬
aufstiege 2400 m.
Wetterlage. Von Mitteleuropa erstreckt sicli ein Hochdruckgebiet (Maximum 770
über Dänemark) bis über das südliche Skandinavien. Eine flache Depression (757) nähert
sich von Irland her. Die Luftdruckunterschiede nach Süden und Osten zu sind klein.
Nördlich des Kaspischen Meeres liegt eine Depression (755).
1. September.
Trappes. Papierballon 11 970 m. — Itteville. Papierballon 9590 m. — Oxshott.
Kein Aufstieg. — Guadalajara. Papierballon. Instrument registrierte nicht. — Rom.
Drachenballon 800 m. — Zürich. Gummiballon 12 930 m. — Straßburg. Gummiballon;
10 600 m. — Hamburg. Drachenaufstiege 1570 m. — München. (M. Z. A.) Kein
Aufstieg. — München. (Baron v. Bassus.) Kein Aufstieg. — Berlin. (A. 0.) Drachen¬
aufstiege 2157 m. Gummiballon 17 750 m. Bemannter Ballon 7044 m. — Berliu. (L. B.)
Kein Aufstieg. — Wien. (Mil.-aer. Anst.) Gummiballon 4155 m. Bemannter Ballon 4550 m.
— Wien. (Aeroklub) (31. Aug. ) Bemannter Ballon 5695 m. — Pawlowsk. Drachenaufstiege
1280 m. Registrierballon 19 750 m. — Südlich der Azoren. (Jacht des Fürsten von Monaco.)
Drachenaufstiege. (28. Aug.) 4300. Am 31. August Drachenaufstiege zwischen den Inseln
Fayal und Pico 800 m. — Blue llill. Drachenaufstiege 1110 m.
Wetterlage. Über Mitteleuropa ist der Druck etwas über 700 mm, über dem
Nordseegebiet und der Poebene etwas tiefer. Von Südwesten naht ein Hochdruck¬
gebiet (765). Die Depression (755), die über der Gegend des Finnischen Busens lag, ent¬
fernt sich ostwärts, über dem äußersten Südosten Rußlands liegt ein Hochdruckgebiet (770).
<K
Aeronautische Photographie, Hilfswissenschaften
und Instrumente.
Lehrreiche aeronautische Photographien.
Unter diesem Titel beabsichtigen wir in fortlaufender zwangsloser
Folge ganz besonders interessante und lehrreiche Bilder, die uns in freundlicher
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123
Weise zur Verfügung gestellt worden sind, einem weiteren Kreise bekannt
zu geben. Wir dürfen daran die Bitte knüpfen, daß weitere derartige Zu¬
sendungen erfolgen möchten. Besonders bitten wir die Vorsitzenden der
Fahrtenausschüsse, uns entsprechendes Material zur Verfügung stellen zu
wollen, wie es von seiten des Berliner Vereins für LuftschifTahrt bereits
geschehen ist.
Für die nächste Folge bitten wir um Landungsbilder, Wolkenaufnahmen
und seltene Gelegenheitsaufnahmen. Die näher bezeichneten Bilder, mit
Namen des Autors versehen, stehen unter gesetzlichem Schutz.
je
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Premier concours d’appareils d’aviation non *mont6s,
ä Paris.
Les concours ont ete la source vive oü rautomobilisme a puise les
legons, les encouragements qui lui ont fait parcourir si brillamment les etapes
du progres. Pourquoi les memes epreuves n auraient-elles pas un aussi
heureux resultat, lorsqu’il s’agit des appareils necessaires ä la navigation
aerienne? D’autre part, les experiences effectuees en Amerique, depuis
quelques annees, par M. 0. Chanute et ses emules, les freres Wright, ont
attire fattention sur les aeroplanes montees et Ton peut esperer faire avancer
la question de l'aviation et des appareils plus lourds que l’air, en poursuivant
methodiquement les recherches dans la meme voie.
Duchesne, photogr. Nachdruck verboten.
Aäropiane Burdin.
Ces considerations ont decide rAero-Club, ä Paris, sous la chaude
initiative de M. E. Archdeacon, ä instituer dans son sein une Commission
d'aviation, pour rechercher les meilleurs moyens de favoriser les progres
des appareils plus lourds que fair. Cette eommission a pense que des con¬
cours bien organises atteindraient ce but; il faut un commencement ä tout
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124 €«««
et le premier de ces concours pour appareils non montes, avec ou sans
moteur, s’est tenu les 11, 12 et 13 fevrier, dans la Galerie des Machines,
au Champ-de-Mars.
Ce n’etait lä qu un debut, une tentative preliminaire, en quelque sorte,
ä laquelle on ne pouvait esperer donner beaucoup d’ampleur, car peu nom-
breux sont encore les constructeurs d’appareils d’aviation. II convenait d’etre
tres-large sur le chapitre des conditions imposees et I on s’est contente de
prescrire que les appareils devaient presenter une surface de 1 metre carre
au minimum et porter au raoins 2 kilogr. par metre carre. Les appareils
plus petits pouvaient bien etre exposes et experimentes, mais sans prendre
part au concours.
Beau, photo^r. Nachdruck verboten.
Aeroplane Henrlon-Kapferer.
Le mode d'appreciation de machines tres distinctes ne pouvait pas
davantage etre fixe avec une bien grande precision: on sait en effet que la
qualite d’un appareil planeur depend d’un grand nombre d elements com-
plexes dont 1‘exacte determination exige d'assez longues recherches: ce sera
1’afTaire des manifestations analogues qui auront lieu par la suite, de s’orga-
niser sur un Programme plus completement defini. A l’heure actuelle, Tessen-
tiel etait de n'ecarter aucune bonne volonte, et c’est ä quoi l’on est parvenu,
puisqu'on a reussi ä grouper 29 exposants ou concurrents, presentant presque
tous plusieurs appareils.
A la verite, les plus nombreux exposaient uniquement des modeles non
susceptibles d ? etre experimentes; mais les appareils reellement destines ä
Pepreuve etaient encore en nombre süffisant pour donner lieu ä un concours
interessant. Ils etaient lances du haut d un pylone de 38 metres construit au-
dessus de la tribune qui garnit le fond de la Galerie des Machines. Les
elements d’appreciation etaient: la duree de la descente jusqu'au sol, et le
chemin parcouru horizontalement, ainsi (|ue le rapport du poids total ä la
surface sustentatrice. On doit enfin, pour asseoir un jugement complet, faire
entrer en ligne de compte, la regularite de marche et la stabilite.
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>»»» 125 «4«
Le jury etait ainsi compose: President: M. le colonel Ch. Renard;
Vice-Prisidents: MM. le commandant P. Renard et Victor Tatin; Secrtiaire-
Rapporteur: M. le capitaine Ferber; Chronomtireur: M. Paul Rousseau;
Membres: MM. Georges Besan<;on, Henry Deutsch de la Meurthe, Drzewiecki,
Gustave Eiffel, Louis Godard, Huet, Henry Kapferer, Rodolphe Soreau,
Edouard Surcouf.
11 avait ete admis qu’on n’etablirait pas de classemenl propreinent dit
entre les appareils experimentes, les elements de comparaison n'etant pas
assez precis et le temps manquant pour des epreuves multipliees et rigou-
reuses. On devait donc se contenter d’attribuer des medailles d’argent et de
bronze aux appareils reconnus les plus interessants.
Ont obtenu des medailles d’argent (par ordre alphabetique): MM. Burdin,
Dargent, Henrion, Peyret.
Beau, photogr. Naihdruck verboten.
Aeroplane avec moteur du sergent Paulhan.
En outre, et bien que MM. Mouren et Jose Weiss aient presente des
appareils qui, par leurs petites dimensions et leur poids, ne rentraient pas
dans les categories du regiement, le jury, en raison de la bonne marche de
leurs planeurs et de Pinteret qu ils presentaient, leur a aceorde ä chacun
une medaille de bronze.
Les appareils primes se recommandent tous par des dispositions judi-
* cieuses de leurs surfaces de sustentation et par une construction adroite.
Voici quelques donnees sur ces appareils:
Poids Surface
Aeroplane Peyret 3,5 kilogr. 1,05 m 2
» Dargent 1,8 » 1,43 >
» Henrion (Kapferer) 5,0 » 2,5
Duree de la descente
15 3 /o et 16 s /s secondes
22 — 22
12- f> et 15 4 /ö
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*»»» .126 44 ««
Les petits planeurs Weiss, tres legers, mettent 42 et 45 secondes ä
atteindre le sol.
Nous avons tout parliculierement remarque les trois premieres de ces
aeroplanes. Le modele Henrion (Kapferer) est du ä un ingenieur de la
maison Deutsch. II se compose esseniiellement: d une surface inferieure en
arc, relevee aux extremites, surmontee et entretoisce par une seconde surface
ayant la forme d’un accent circonflexe. Son empennage allonge et son
gouvernail lui assurent une grande stabilite de marche. Son mode de con-
struction est robuste et se preterait bien ä l’etablissement d'un grand modele:
c'est lä le but que Ton doit toujours avoir devant les yeux et cette conside-
ration, s'il s’agissait d'un veritable classement, nous le ferait peut-etre
preferer ä ses emules.
L'aeroplane Peyret a ete imaginee et tres-habilement construite par un
jeune sergent du bataillon d'aerostiers.
Un autre sergent d’aerostiers, M. Paulhan, exposait un appareil non
susceptible de concourir, mais tres-recommandable par ses details de con-
struction. C’etait un modele de navire-aeroplane, ä surfaces multiples couvrant
au total 5 metres carres et muni de deux helices laterales mues par un
moteur de 1 cheval 3 4. Cet appareil qui pesait 20 kilogr., etait suspendu
ä la voute et, sous l'impulsion de ses helices, tournait sur un cercle de 3 a
4 metres de rayon.
En dehors des modeles de poids reduit qui furent experimentes, M. Seux
avait presente une aeroplane sans moteur dont la surface est de 34 metres
carres et qui pese ä vide 60 kilogr.; ä ce poids furent ajoutes 90 kilogr. de
lest representant le poids d'un moteur prevu pour l'execution definitive, soit
150 kilogr. au total. Cet appareil a la forme d une carapace de tortue flanquee
lateralement de plans horizontaux. Apres Tavoir hisse avec quelque difficulte
.jusqu’ä la plateforme, ou l’a lance dans l’espace; mais il est tombe presque
verticalement, dementant des essais anterieurs plus favorables, paralt-il.
Parmi les appareils exposes, on voyait encore: la nacelle Deltour ä
helices laterales de 5 metres carres, qu’on avait egalement suspendue ä la
voute et qu'on mettait en mouvement en pedalant energiquement; la nacelle
tournait alors autour de son axe de Suspension; mais ce Systeme n'a pas,
ä vrai dire, une grande valeur pratique. Les aeroplanes a ressorts de
caoutchouc ne peuvent etre non plus consideres que comme des jouets inge-
nieux. Ouant aux turbines a air et aux propulseurs divers, etc., ils temoignent
pour la plupart de plus d’imagination que d’une veritable connaissance des
elements du probleme. Mettons ä part les helices reversibles de MM. Robert
et Pillet qui sont fort ingenieuses et construites par des mecaniciens de
grand merite.
Teiles sont, rapidement exposees, les grandes lignes de cette premiere
manilestation aeronautique. Elle aura ouvert les yeux des inventeurs, il faut
Vesperer, sur les diflicultes essentielles que presente la realisation d'un
appareil d’aviation et fecondera leurs efTorts.
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On peut donc esperer que le concours de l’annee prochaine marquera
un progres reel; mais on doit desirer qu'on y puisse faire figurer des
appareils montes de grande taille tels que ceux du capitaine Ferber et de
M. Archdeacon, et quun emplacement favorable permettra de les experi-
menter en plein air.
Conclusions du concours d’aviation.
Rappeions que le rfeglement definit la qualiU d un appareil d’aviation,
par comparaison avec le parachute plan de meme poids et de meine surface.
La U(ßreU specifiqm est le rapport du poids utile soutenu au poids de
la carcasse, ailes comprises.
Cela pose, voici comment se sont ranges les concurrents aux differents
points de vue:
QualiU sustentatrice: Dargent 8; Peyret 6,7; Henrion 2,8; Burdin 2,2;
Weiss 2,1.
LigtreUs specifiques: Burdin 2,1; Peyret 1,8; Weiss 0,8; Dargent 0,4;
Henrion 0,3.
La distance maxima a ete obtenue par un des appareils de M. Peyret,
sergent du genie, qui a atteint 131 metres. G. Espitallier .
je
Kleinere Mitteilungen.
Canovettls Luftwiderstaiidsversuehe. Der durch seine Luftwiderstandsversuche mit
verschiedenen Körpern bekannte Ingenieur Ganovetti teilt uns mit, daß er die Fort¬
setzung derselben in diesem Jahre wieder aufnehmen wird.
Er hat zu dem Zweck einen Draht von 650 m Länge ausgespannt zwischen Brunate
und Como am Comersee. Der Höhenunterschied beider Punkte beträgt 440 m. Das Ver¬
suchsfeld ist vor Winden ausgezeichnet geschützt. Die Registrierung der Geschwindig¬
keiten der Versuchsmodelle geschieht durch elektrische Auslösung automatisch durch die
Versuchskörper selbst.
Die Kosten decken außer dem Ingenieur Canovetti die Banca Popolare, vertreten
durch Ingenieur Gavazzi, und ein Preis Cagnola vom Instituto Lombardo. #
cK
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
Die 244. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt am 20. Fe¬
bruar wurde mit Verlesung der Namen von 39 neu angemeldeten Mitgliedern eröffnet.
Es sprach sodann Hauptmann v. Kehler über «Die Verwendung des Luftballons bei
Polarexpeditionen». Der Vortrag war von zahlreichen, zumteil während der Südpolar¬
expedition mit der «Gauß» aufgenommenen Lichtbildern begleitet. Es gibt, so führte
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der Redner aus, bisher nur wenige Fälle, in denen der Luftballon für die Zwecke
der Polarforschung Verwendung gefunden hat, im Grunde nur zwei, nämlich bei der
Andreeschen Nord- und bei der Deutschen Südpolar-Expedition. Das englische Süd-
polarsehifT «Discovery» soll auch Ballongerät mitgeführt haben; ob und mit welchem
Erfolge dies verwandt worden ist, darüber ist leider nichts bekannt geworden.
Theoretisch dagegen hat man sich schon lange vor dem ersten praktischen Ver¬
such mit dem Ballon in Beziehung zur Polarforschung beschäftigt.
Redner zählt eine Reihe von mehr oder weniger praktisch brauchbaren Vor¬
schlägen auf, die seit Erfindung des Luftballons für seine Verwendung bei Polarexpedi¬
tionen gemacht worden sind und zwar sowohl in Frankreich als auch in Deutschland.
England und andern Ländern und zitiert schließlich einen Brief von Nansen an den
Hauptmann Groß, in welchem Nansen seiner Überzeugung Ausdruck gibt, daß ein
Fesselballon seiner Expedition gute Dienste hätte leisten können, und bedauert, durch
Platzmangel gezwungen worden zu sein, auf dies Hilfsmittel zu verzichten.
Photopr. St ehr. Nachdruck verboten.
Fesseiballonaufstleg auf der „Qau8e“expeditlon.
Ganz abweichend hiervon, so fährt Hauptmann v. Kehler fort, war das von dem
unglücklichen Andree 1897 zur Ausführung gebrachte Projekt. Es gründete sich auf die
Anwendung eines Wasserstoff-Freiballons, groß genug — 5000 cbm —, um sich tagelang
in der Luft zu halten und eine reichliche Menge Ballast zu tragen, und ausgerüstet mit
einem Hilfsmittel, das bis zu einem gewissen Grade den Ballon vom Winde unabhängig
machen sollte. Dies Mittel bestand in einem am Schlepptau angebrachten, schräg ge¬
stellten Segel, mit dem Andree seitliche Abweichungen von der Windrichtung bis zu 450
zu erreichen hoffte.. (Mehrere Lichtbilder zeigten Andrees Vorbereitungen, seinen Ballon
während Füllung und Fahrt, die Segel-Schlepptau-Einrichtung und deren Wirkung.) Die
letzte von Andree empfangene Nachricht ist bekanntlich eine Brieftaubenpost vom 13. Juli,
wo er bei guter Fahrt nach 0. 820 2' erreicht hatte. In welcher Aufregung sich damals
die Welt befand, das wird am besten durch die Worte charakterisiert, die Berson in
diesen Tagen sprach: «Mit atemloser Spannung schaut die Welt nach Norden, auf diese
Tat von unerhörter Kühnheit! Wo mögen Andree und seine tapferen Genossen jetzt
weilen auf dieser einzig dastehenden Luftballonfahrt V Möchte Andree doch Recht be¬
halten gegen die, welche seinem Unternehmen geringe Aussicht auf Erfolg zusprachen.
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Doch wie immer das Ende sein möge, die höchste Achtung bleibt ihm, der sein Leben
für ideale Werte eingesetzt hat!»
Die zweite Anwendung auf einer der Polarforschung dienenden Expedition fand
der Luftballon als Fesselballon. Es wurde an Bord der «Gauß» ein Fesselballon von
mäßigen Abmessungen, von 300 cbm Inhalt, groß genug, um eine Person zu tragen, mit¬
genommen und soviel Wasserstoffgas in zusammen 450 Gasbehältern von je 5 cbm In¬
halt, daß die Tmalige Füllung des Ballons möglich gewesen wäre. Die erste Anwendung
des Ballons geschah, nachdem man lange einen geeigneten Tag abgewartet, am 29. März
1902, als das Schiff schon längere Zeit vom Eise eingeschlossen war. Der Aufstieg er¬
folgte etwa 100 m vom Schiffe entfernt vom Eise aus, nachdem eine Handwinde her¬
gestellt und nach Möglichkeit durch Einfrierenlassen im Eise befestigt war. Es wurden
im ganzen drei Aufstiege gemacht, jeder mit einer andern Person im Ballonkorbe. Einer
der Aufgestiegenen war der Leiter der Expedition Professor von Drygalski. Erreicht
wurde die Höhe von 500 m. Vom höchsten Punkte schweifte der Blick über den Gau߬
berg hinweg auf das feste Land, das sich durch einige eisfreie Punkte und durch eigen¬
artige Anschwellungen als solches markierte. Durch zwei der Aufgestiegenen wurden
ausgezeichnete Photographien von verschiedenen Höhen aufgenommen, während gleich¬
zeitig vom Eise aus der
Ballon photographiert
wurde. Auch wurden me¬
teorologische Beobachtun¬
gen angestellt. Das Wetter
gestattete ein Verweilen in
der Höhe von je 2 Stunden.
(Die interessanten Bilder
waren dem Vortragenden
durch den Obermaschi¬
nisten der «Gauß», Herrn
Stehr. zur Verfügung ge¬
stellt worden. Sie fanden,
durch den Bildwerfer vor¬
geführt, bei der Versamm¬
lung den größten Beifall.)
Mehr als an diesem freund¬
lichen Märztage ist der
Fesselballon der «Gauß»
nicht benutzt worden. Es
waren zur Füllung 65 Gasbehälter entleert worden, den Rest von 385 brachte die
«Gauß» vollkommen intakt nach Kiel zurück, ein Zeichen für die Vorzüglichkeit der
Gradenwitzschen Ventile. Die aus dem ersten Versuch sich ergebende Erfahrung besagt,
daß in künftigen Fällen die Einrichtung so zu treffen ist, daß man den Fesselballon
leicht und schnell von Bord des Schiffes selbst aus aufsteigen lassen kann, um ihn als
Erkundungs- und Wege-Aufklärungsmittel zu benutzen. Vielleicht, so schließt der Vor¬
tragende, hilft der in aussichtsvoller Fortentwickelung begriffene Motorballon auch, diese
Hilfsaktion des Ballons bei Polarfahrten noch wesentlich zu verbessern.
In der sich anschließenden Diskussion sprach Hauptmann von Tschudi die Meinung
aus, es werde künftig möglich sein, die umständliche Mitführung von Gas zu ersetzen
durch die Bereitung des Gases an Bord mittels eines neu erfundenen Herstellungsverfahrens
von Wasserstoff mittels Ätznatron und Aluminium, das den Preis des Gases etwa um die
Hälfte zu reduzieren verspreche. Eine zukünftige, überaus wichtige Anwendung des vom
Bord des Schiffes hochgelassenen Fesselballons sei auch seine Verwertung für die
Zwecke der drahtlosen Telegraphie, um die Verbindung mit rückwärtigen Stationen an der
Ausgangsbasis oder auch mit an Land neuangelegten Stationen aufrechtzuerhalten.
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
Photogr. Stehr. Nachdruck verboten.
Die „Dause" vom Ballon gesehen.
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130 €«««
Cher die seit letzter Versammlung stattgehabten Vereinsfahrten berichtete Haupt¬
mann v. Kehler: Es fanden im ganzen 5 solcher Fahrten statt, 2 von Bitterfeld, 3 von
Berlin resp. Charlottenburg aus. Die erste am 18. Januar wurde geleitet durch Herrn
Leutnant Geerdtz, Mitfahrende waren: Herr Oberleutnant Höhne und Herr Finke. Die
Fahrt ging während der ersten 2—3 Stunden bei klarem Wetter in etwa 600 m Höhe
vor sich. Es wurden Neuruppin, Schwerin, die Lübecker Bucht überflogen, viel über¬
schwemmtes Land und die Ostsee schon auf 50 km Entfernung gesehen. Die Geschwindig¬
keit war etwa 70 km in der Stunde. Nachdem Kiel gesichtet und mit dem Wachtschiff
vergeblich Verständigung versucht worden war, ging der Ballon bis auf 150 m herab
und landete sehr glatt mit noch 3 Sack Ballast von mitgenommenen 15 in der Nähe
von Eckernförde, ganz nahe der Heimat des Ballonführers. Die zweite Fahrt, unter¬
nommen am 4 . Februar. Führer Herr Dr. Flemming, Mitfahrende: Stabsarzt v. Bueltzings-
löwen und Oberarzt Dr. Steyrer, war bei sehr ungünstigem Wetter, heftigem Schnee¬
gestöber, nach SO. gerichtet. Schon in den ersten 20 Minuten mußten 5 Sack Ballast
geopfert werden mit dem Erfolge, daß sich der Ballon über die Wolkendecke bis 1800 m
Photogr. Htehr. Nachdruck verboten.
Expedition der „Gaues“. — Ausbliok über das Eie vom Ballon aus.
erhob. Die Landung erfolgte gegen 2 Uhr bei Guhrau i. Schlesien. — Die dritte Fahrt
am 13. Februar leitete Hauptmann Sperling, Mitfahrende waren die Oberleutnants v. Müller.
Hopfe und v. Massow. Der Ballon hielt sich merkwürdig lange über Berlin; erst bei
Opferung von viel Ballast gelangte er über den dünnen Wolken bei 2000 m Höhe in
eine stärkere Windströmung. Die Wolkenbildung war besonders reizvoll. Bald wurde
durch Wolkenrisse die Elbe, später Dresden gesehen, bald erschien in schönster Voll¬
endung das Brockengespenst mit prächtiger Aureole auf der Wolkenwand. Die Landung
geschah nach kurzer Schleppfahrt in der Nähe von Dresden ganz glatt.
Von den beiden Bilterfelder Fahrten fand die erste am 18. Januar statt, Führer
Hauptmann v. Kehler, Mitfahrende: Oberleutnant WollT und Dr. Ladenburg. Die Fahrt
dauerte 5 Stunden, war sehr genußreich und gestattete den Mitfahrenden, interessante
photographische Aufnahmen, u. a. vom Eisgang auf der Elbe zu machen.
Die zweite Bitterfelder, mit dem Ballon Assmann unternommene Fahrt ging unter
Leitung von Haupt mann v. Krogh am 10. Februar vorm. 11 */* vor sich. Einziger Be¬
gleiter war Herr Boas. Es wehte, bei meist klarem Wetter, ein starker Wind, der sieb
im Laufe der Fahrt noch steigerte. Von Ballast waren 11 ‘/4 Sack an Bord. Um 1 Uhr
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131
18 Min. wurde die Elbe nordwärts Torgau überllogen. Der bisher wehende Südwind
drehte aber bald entschieden nach Westen, sodaß der Ballon in 500—750 m Höhe an¬
fänglich in nordöstlicher, dann in südöstlicher und endlich in ausgesprochen östlicher
Richtung entführt wurde. Um 5 Uhr 40 Min. wurde bei Sommerfeld der Bober über¬
flogen und, da es zu dunkeln anfing, mit dem Begleiter Rat gepflogen, ob man landen
oder die Nacht hindurch vermutlich weit nach Rußland hinein weiterfahren wolle. Es
wurde letzteres beschlossen. Gegen 9 Uhr wurde beim Schein des inzwischen aufge¬
gangenen Mondes Glogau gesichtet. Als gegen 11 Uhr 40 Min. etwa 40 km von Kalisch die
russische Grenze passiert wurde, hörte man unten viel schießen, doch galten die Schüsse
keineswegs dem Ballon. Mächtiges Sausen aus der Tiefe ließ erkennen, daß der Ballon
ausgedehnte Wälder überflog und der Wind an Stärke zugenommen hatte. Kurz nach
12 Uhr verkündete ein heller Schein im Osten, daß man sich Warschau nähere, und der
Ballonführer weckte seinen Begleiter, um ihm das Lichtermeer aus 500 m Höhe zu zeigen.
Es war *1*1 Uhr, als man mitten über die Stadt flog; aber es berührte unheimlich, daß
die Stadt zwar hell erleuchtet war, indessen sich nichts von dem so charakteristischen
Lärm der Großstadt vernehmen ließ. Warschau lag wie ausgestorben da. Es ergab
sich später, daß es eine der Nächte gewesen, in der nach heftigem Straßenkampfe
niemand auf die Straße gelassen wurde. Weiter flog der Ballon über tief beschneites
Land mit großer Geschwindigkeit nach Osten, hatte man doch auch zuletzt schon die
200 km von der Grenze bis Warschau in l 3 /* Stunden zurückgelegt. Noch einmal sah
man einen hell erleuchteten größeren Ort, Brest-Litowski, sonst absolut kein Zeichen
einer bewohnten Gegend, kein einziges von unten freundlich grüßendes Licht aus einem
Dorf oder Gehöft. Die Erklärung geben die Sümpfe, die hier in ungeheurer Ausdehnung
das Quellgebiet des Dniepr markieren. Als es hell wurde und zugleich gegen Morgen
empfindlich kalt, faßte man die Landung ins Auge und besann sich keinen Augenblick,
sie auszuführen, als gegen 6 Uhr die Lichter eines Örtchens am Sumpfrande erschienen
und Wasser rauschen in der Tiefe davor warnte, diese Oase zur Landung unbenutzt zu
lassen. Es wurde an das Schleppseil gegangen und in kurzer Zeit mit einiger Schwierig¬
keit. aber schließlich doch glücklich, dicht am Dorfrande gelandet. Es war Punkt 6 Uhr,
die Fahrt hatte 19 Stunden gedauert. Bald war Hilfe zur Bergung des Ballons zur Hand.
Mit den Leuten verständigte man sich leidlich, obgleich die russischen Phrasen des
Fahrbuchs zur Verständigung leider nichts beitrugen. Ein eleganter Schlitten erschien
und mit ihm der Gutsherr des Gutes Moroczho, 70 km von der Kreisstadt Pinsk im
Gouvernement Minsk. Die in liebenswürdigster Weise angebotene Gastfreundschaft wurde
dankend angenommen und nach kurzer Rast und erquickendem Schlaf mit dem wold¬
verstauten Ballon zu Schlitten nach Pinsk gefahren. Hier bei Dunkelwerden angelangt,
mußte die sogenannte Befreiungsdepesche abgewartet werden. Die Zeit wurde den Luft-
schiflfern aber nicht lang, weil sowohl der Polizeichef, als ein als Dolmetscher herbei¬
geholter Lehrer aus den baltischen Provinzen herzliche Gastfreundschaft erwiesen.
Schließlich mußte noch in Pinsk, einem Orte von 32000 Einwohnern, übernachtet werden.
Die Rückkehr nach Berlin erfolgte am nächsten (Sonntag-) Morgen über Warschau, wo
die Reisenden um l J%2 Uhr nachm, eintrafen. Während der Eisenbahnfahrt nach Warschau
machten die Herren eine angenehme Erfahrung: ein polnischer Gutsbesitzer, dem sie schon
im Hotel in Pinsk begegnet, bat sie auf der Fahrt nach Brest-Litowski, bis wohin er
mitfuhr, dringend, von ihm Geld anzunehmen, da er vermute, sie würden knapp bei
Kasse sein. Er würde sich reich belohnt linden, wenn so «hochgestiegene» Herren ihn
bei Rücksendung des Geldes aus Berlin durch einige Zeilen erfreuten. In Warschau
ebnete das deutsche Konsulat alle Schwierigkeiten, sodaß der programmäßigen Heimkehr
nichts mehr im Wege stand. Verbraucht an Ballast waren während der Ballonfahrt im
ganzen 7 1 /* Sack. Die vom Ballon innegehaltene Höhe war bis auf einen kurzen Moment,
wo er bis zu 1100 m emporschnellte, andauernd 500 m gewesen.
Nach einigen geschäftlichen Eröffnungen des Vorsitzenden des Fahrtenausschusses,
Hauptmanns v. Kehler, teilte der stellvertretende Vereinsvorsitzende Hauptmann v. Tschudi
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noch mit. daß die Firma Carl Zeiß-Jena stiftendes Mitglied des Vereins zu werden
wünsche. Diesem Wunsche wurde bereitwilligst entsprochen. A. F.
Münchener Verein für Luftschiffahrt.
Der Münchener Verein für Luftschiffahrt veranstaltete am Montag den 27. Februar,
abends 8 Uhr, im Festsaal des Kunstgewerbehauses zusammen mit dem polytech¬
nischen Verein und dem Bayrischen Bezirksverein des Vereins deutscher
Ingenieure eine gemeinsame Sitzung, der auch S. Kgl. Hoheit Prinz Ludwig und
S. Kgl. Hoheit Prinz Alfons die Ehre Ihres Besuches erwiesen.
Herr K. v. Bassus hielt an diesem Abend einen zusammenfassenden Vortrag
«über die gegenwärtigen Mittel zur wissenschaftlichen Erforschung der
freien Atmosphäre», den er durch Vorführung von Apparaten, Modellen und Licht¬
bildern aufs beste unterstützte. Der Vortragende erläuterte in den einleitenden Worten
kurz die wissenschaftliche und praktische Bedeutung eines tieferen Einblickes in die
Physik der Atmosphäre und wies auf die erfreuliche Entwicklung hin, in der die plan¬
mäßige Erforschung der freien Atmosphäre namentlich seit Begründung und Tätigkeit der
internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt begriffen ist. Während
früher unsere Kenntnis der Atmosphäre vorwiegend aus Beobachtungen auf und
von der Erdoberfläche aus entstammte, und die vereinzelten Ballonfahrten nur eine
geringe wissenschaftliche Ausbeute liefern konnten, ist man jetzt zur Erkenntnis ge¬
kommen, daß der Forscher für das Studium der Atmosphäre seine Haupttätigkeit
in die freie Atmosphäre selbst verlegen muß.
Der Vortragende kennzeichnete hierauf das Arbeitsgebiet in seinen
Umrissen. Wichtig sind die in verschiedenen Höhen durchgeführten Unter¬
suchungen von Temperatur, Feuchtigkeit, Wolkenbildung, Richtung und
Geschwindigkeit des Windes, Strahlungsintensität. Ferner ist erwünscht
das Studium der elektrischen, magnetischen und optischen Erscheinungen,
sowie die Ausführung weiterer chemischer Luftanalysen, und die Bestim¬
mung des Staub- und Bakteriengehaltes.
Darnach ging der Redner zur Besprechung der Mittel über, die dazu dienen, den
Luftschiffer und seine Instrumente oder auch letztere allein (selbstregistrierende) in die
Atmosphäre emporzutragen, indem er an der Hand von Modellen und Projektionsbildern
die prinzipielle Konstruktion und Wirkungsweise der gewöhnlichen bemannten kugel¬
förmigen Freiballons, der unbemannten Registrierballons, der Drachenfessel¬
ballons (System v. Parseval - v. Sigsfeld) und der viel verwendeten Hargrave-
Drachen erläuterte. Es folgte die Beschreibung der Instrumente zur Bestimmung
der Höhe, nämlich der Quecksilberbarometer, der Anero'ide und des Theodo¬
liten. Daran schloß sich die Vorführung der verschiedenen Apparate, die zur Messung
von Temperatur und Strahlungsintensität dienen, also von Aspirations¬
thermometer, Metallthermometer und Schwarzkugelthermometer. Ferner
demonstrierte der Vortragende das Aspirationspsychrometer und Haarhygro¬
meter, mit deren Hilfe wir den Feuchtigkeitsgehalt der Luft ermitteln, und wandte
sich hierauf den Apparaten zur Untersuchung der elektrischen und magnetischen Ver¬
hältnisse zu. Es wurden vorgeführt der Potentialmeßapparat (Ebert), mit dem die
Spannungsdifferenzen in Punkten verschiedener Höhe bestimmt werden, der Elektronen¬
aspirationsapparat (Ebert) und das magnetische Doppelnadel Variometer
(Ebert). kindlich folgte die Beschreibung des Aitkenschen Staubzählers und des
Apparates von Harz zur Bestimmung des Bakteriengehaltes.
Der Vortragende schilderte dann noch kurz die Ausgestaltung des neuen kgl.
preußischen aeronautischen Observatoriums, das gegenwärtig 30 km südwestlich
Frankfurt a. 0. bei Lindenberg gebaut wird und mit allen modernen Hilfsmitteln ver¬
sehen werden soll.
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Nach einigen Mitteilungen über den Umfang und die Bedeutung der von der «Inter¬
nationalen Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt» geleiteten und
geförderten Arbeiten schloß der Redner seinen inhaltreichen Überblick mit dem Wunsche,
daß die Zukunft diese Wissenschaft weiter entwickeln und durch ihre praktische An¬
wendung auch zu einer sicheren Wetterprognose führen möge, die ja von weit-
tragender wirtschaftlicher Bedeutung sein würde. Lebhafter Beifall belohnte
die sachgemäßen Darlegungen.
Um der Versammlung auch eine Vorstellung von den Eindrücken bei einer Ballon¬
fahrt zu geben, führte Herr v. Bassus im Anschluß an seinen Vortrag noch eine Reihe
Projektionsbilder von Photographien vor, die er bei Ballonfahrten aufgenommen hatte.
Dr. Otto Rabe.
Mitteilungen aus Schweden.
Im Schneesturm über die Ostsee. Am Sonntag, den 18. Dezember vorigen
Jahres unternahmen Ingenieur 11. Frcenkel und Leutnant Arne Garlson eine Freifahrt
von <Idrottsparken» in Stockholm. Der Ballon stieg fortgesetzt; in kurzem zeigte das
Barometer, daß man eine Höhe von 1450 m erreicht hatte. Die Luft war klar und man
konnte die unten liegenden Landschaften ganz genau erkennen. Die Fahrt ging über die
Schären auf das Meer hinaus, dessen mäch¬
tiges Brausen immer deutlicher vernommen
wurde. Da nur 180 kg Ballast mitgeführt
wurde, waren die Ballonfahrer im Zweifel, ob
man eine Fahrt über das Meer wagen könnte
oder ob man sogleich landen sollte. Da der
Ballon aber mit großer Schnelligkeit llog,
wurde beschlossen, die Ostsee zu passieren,
wozu man, wie man meinte, eine Zeit von
vier Stunden gebrauchen w r ürde. In wenigen
Minuten schon war man am Ufer des Meeres.
Die Uhr zeigte jetzt 4 */'* nachmittags und der
Mond wurde im Dunkel des Winterabends
schwach sichtbar. In einer Höhe von 1500 m
begann es zu schneien, infolgedessen sank der
Ballon schnell auf 650 m, zumal da man
keinen Ballast opfern wollte. Der Nebel war
jetzt so dicht, daß man die Wellenkämme des „
, Ingenieur H. Franke!.
Meeres nicht sehen konnte, um nach diesen
den Kurs zu bestimmen. Gegen 6 Uhr fing man glücklicherweise wieder an zu steigen,
ohne Ballast geopfert zu haben, und man erreichte bald eine Höhe von 1650 m, die
größte während der Fahrt. Das Thermometer zeigte —1°. Jetzt begann es wieder
heftig zu schneien und ein großes Scheitelkäppchen von Schnee deckte bald den Ballon.
Unter dem Druck desselben senkte er sich während zwei Stunden immerfort, obwohl
unaufhörlich Ballast geworfen wurde, und bald hatte der Ballon sich auf eine Höhe von
nur 600 m gesenkt. Von hier sahen die Ballonfahrer das brausende Meer und aus der
Richtung der Wellen konnten sie schließen, daß der Kurs andauernd südöstlich war.
Gegen 8 Uhr stiegen sie aus unbekannter Ursache auf einmal zu einer Höhe von 1500 m,
W'o sie von dem sie belastenden Schneetreiben wieder überfallen wurden, das sie diesmal
in kurzer Zeit bis auf 200 m herabdrückte. Sie mußten jetzt, um sich schwebend zu
halten, nicht weniger als 50 kg Ballast opfern.
Um 8 Uhr 10 Minuten sahen sie die Laternen eines Lastdampfers, der sie wahr¬
scheinlich beobachtete. Auf dem Schiffe schien man vorauszusetzen, daß sie Hilfe
brauchten und machte sich fertig, ihnen Beistand zu leisten, aber der Dampfer
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verschwand bald im Nebel. Um diese Zeit begann es heftig zu regnen, das Scheitel¬
käppchen von Schnee schmolz und ganze Wasserkaskaden stürzten auf die Luftfahrer
herab. Vom Schnee befreit, stieg der Ballon, aber fürchtend, wieder in die höheren
Schneewolken hinaufzukommen, öffnete man das Ventil. Der ganze Ballast war jetzt
fast verbraucht und man spähte und lauschte vergeblich, um Land zu entdecken oder
das Getöse der Brandungen zu hören. Nur das eintönige Brausen eines empörten Meeres
wurde vernommen.
Endlich um 8 Uhr 50 Minuten wurde der eifrig ersehnte Laut von Brandungen
gehört, die man 25 Minuten später passierte, und gleichzeitig wurde das feste Land
sichtbar. Der Ballon senkte sich rasch und die Situation wurde äußerst kritisch, als man
nach wenigen Minuten wieder hinaus über die Brandungen kam. Aber glücklicherweise
war das zuerst erblickte Land eine nahe der Küste liegende kleine Insel, auf welcher
das Leuchtfeuer Filsands erbaut ist, und bald befand man sich über einem größeren
Lande; die Luftschiffer beschlossen daher, gleich zu landen. Die Instrumente wurden
mit größter Schnelligkeit eingepackt, denn man wurde mit großer Geschwindigkeit
aufwärts getrieben und fürchtete, wieder auf das Meer hinauszukommen. Die Reißbahn
wurde geöffnet und die Gondel stieß mit großer Heftigkeit auf den Boden. Sie wurde
vollständig herumgeschleudert und die Insassen wurden unter derselben über einen Sumpf
geschleppt, bis der Ballon endlich wenige Meter vom Meere stehen blieb, sodaß die
Luftschiffer keinen Augenblick zu früh heruntergestiegen waren. Die Uhr zeigte jetzt
9 2S> abends. Man befand sich, wie sich nachher zeigte, auf der Insel Oesel, etwa
8 1 /« Meilen Westnordwest von der kleinen Stadt Arensburg. Nachdem man sich ein
wenig orientiert hatte, mußte man den Versuch, einen Wohnplatz zu erreichen, aufgeben.
Die Gegend war vollständig öde und kein lebendes Wesen war zu entdecken. Die Luft¬
schiffer verließen sich daher auf sich selbst und richteten ihr Nachtquartier in der Gondel
ein. Ein brausender Sturm strich während der Nacht über die Ebene. Erst am Montag
abends fanden sich Leute, die ihnen beim Transport des Ballons helfen konnten, und am
Dienstag morgens begaben sie sich mit dem Ballon nach Arensburg, wo sie spät des
Abends eintrafen.
Der Ballon war vollständig wohlbehalten und die Instrumente beinahe unbeschädigt.
Die kühnen Luftschiffer waren, trotz mehrerer Quetschwunden, die sie sich bei der
Landung zugezogen hatten, in guter Verfassung.
Wie aus diesem Bericht hervorgeht, hatte man mit Mühe und Not die russische
Küste erreicht. Hauptsächlich schien das daran zu liegen, daß der Ballon mit zu wenig
Gas und Ballast aufgestiegen war. Es ist bekannt, daß während der Winterfahrten sich
der Schnee auf dem Ballon sammelt und hiergegen nur eine große Masse Ballast
schützen kann.
Die Reise von Stockholm bis zur Landungsstelle dauerte 6 Stunden, der Ballon
ilog also mit einer Mittelgeschwindigkeit von 4,2 Meilen in der Stunde. Die Luftlinie
beträgt nämlich 860 km.
Die Schwedische Aeronautische Gesellschaft ist am 19. Januar d. Js. zu
einer Beratung zusammengetreten, ln dieser Sitzung wurde die Erneuerungswahl des
Vorstands für das Jahr 1905 vorgenommen. Er setzt sich aus folgenden Herren zu¬
sammen: I. Vorstand Hauptmann W. Swedenborg, II. Vorstand: Ingenieur Hans
Froenkel, I. Zeugmeister: Graf H. Hamilton, II. Zeugmeister: Leutnant A. Garlson,
I. Schriftführer: Hauptmann K. A. Amundson, II. Schriftführer: Leutnant E. J. Fogman,
1. Schatzmeister: Ingenieur G. Holmberger, II. Schatzmeister: Leutnant R. Lindblad,
Bibliothekar: Dr. N. Ekholm, Revisoren: Hauptmann A. Wibom und Ingenieur Dahlen.
Als neue Mitglieder wurden Leutnant Tillberg, Leutnant Hagman und Ingenieur
Per Tamm aufgenommen. In der Sitzung wurde weiter beschlossen, daß, wenn sich
kompetente Führer melden, der Ballon «Andrö» an dem internationalen Aufstieg am
2. Februar sowie auch an dem Aufstieg bei den «Nordiska Speien» (Nordischen Spielen)
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>»»» 135 ««
in Stockholm teilnehmen sollte. Nachher folgte ein interessanter und mit vielen Licht¬
bildern erläuterter Vortrag von Ingenieur H. Froenkel über seine letzte Ballonfahrt
nach OeseL
R. J-d.
Bericht aus Spanien.
Mitte Februar hatte Don Fernandez Duro in Madrid bereits 10 Freifahrten
mit seinem Ballon «Alcotan» gemacht, und es war ihm gelungen, bereits mehrere
Persönlichkeiten für die Luft sch iffahrt derart zu gewinnen, däß die Bildung eines Luft-
schiffahrtvereins nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte.
In Barcelona machte am 20. Februar der Akrobat Sunö eine Freifahrt vom
place des Taureaux aus. Beim Fall in die Straße Las cortes berührte der Ballon gleich¬
zeitig eine Telegraphendrahtleitung und die elektrische Leitung der Tramway. Der
Akrobat sprang in der Befürchtung, daß eine elektrische Entladung folgen möchte, aus
dem Korbe und brach sich auf dem Staßenpflaster ein Bein. F. de P. R.
Personalia.
Vom LuftschifTer-Bataillon in Reinikendorf-West ist die «Funker-Abteilung»
als besondere Truppe abgeschieden und dem Telegraphen-Bataillon Nr. £ in Berlin an¬
gegliedert worden. Das, Offizierkorps der Funker-Abteilung ist aus folgenden Offizieren
gebildet worden: Hauptmann v. Tschudi, Führer der Abteilung, Oberleutnant v. Milczewski,
Leutnant Ribbentrop, Leutnant v. Brandeiistein, Leutnant Stelling, Leutnant Zinken
und Leutnant Joelimann.
Bibliographie und Literaturbericht.
Bibliographie.
Jahrbuch 1905 des Deutschen LuftschilTer-Verbaudes, Graudenz 1905, gr. 8°. 310 S.
Mit überraschender Promptheit ist auch diesmal das Jahrbuch im Druck erschienen.
Es enthält zunächst Verbandsnachrichten und im weitern die Jahresberichte, Mitglieder¬
verzeichnisse, Vereinsvorschriften, Bücherverzeichnisse etc. der sieben Vereine des Ver¬
bandes. Der Münchener Verein hat als Beilage zwei wissenschaftliche Aufsätze von
Herrn Prof. Harz und Herrn K. v. Bassus beigegeben. — Einige kleinere Unrichtigkeiten,
die uns beim Bericht des Oberrhein. Vereins auffallen, dürften mit Berücksichtigung
der schnellen Drucklegung durch die extreme Lage des Berichts- und Druckortes zu
erklären sein. Q.
Kriegsmäßige Wasserstofferzeuguiig beim Ostsibirischen Feldluftschifter-Bataillon, von
Major H. W. L. Moedebeck, 8°, 4 S., S.-A. d. Chemiker-Zeitg. Göthen 1905.
Es handelt sich um die Darstellung von Wasserstoff aus Aluminium und Natron¬
lauge. Die Umstände der Herstellung, die Konstruktion der Gaserzeuger und die Trans¬
porteinrichtungen werden auf Grund eigenen Augenscheins genau beschrieben. Die Ein¬
führung dieses Verfahrens bringt den Vorteil, daß die Luftschifferabteilung im Felde un¬
abhängiger und damit beweglicher wird. Es muß aber für die Kühlapparate reichlich
Wasser zur Verfügung stehen. Q.
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136 « 44 *
Hur les ascensious de cerfs-volants executees sur la Mediterranee et sur POc£an Atlan-
tique it bord du yacht de S. A. H. le Priuce de Monaco en 1904, par M. H.
Hergesell, C. R. de l’Acad. des Sciences. Paris, 1905. 4°, 3 S.
Diese Mitteilung enthält den ersten auf genauer Bearbeitung des Materials fußen¬
den Bericht namentlich über die Drachenaufstiege im Gebiet des Passatwindes. Es hat
sich ergeben, daß der Passat nur einige hundert Meter hoch reicht; diese Passatschicht
besitzt nach oben zunehmende Feuchtigkeit und abnehmende Temperatur. Sie ist nach
oben scharf begrenzt durch eine bis 1500 m mächtige Schicht großer Trockenheit und
höherer Temperierung, die ihrerseits mit der Höhe in eine Zone mit starker Temperatur¬
abnahme übergeht, die mindestens bis 4500 m reicht. An Stelle des theoretisch zu er¬
wartenden S W-Antipassats wurden ganz schwache Winde verschiedener Richtungen
gefunden. — Diese letzte Tatsache muß übrigens, wie beiläufig bemerkt werden möge,
wohl in unmittelbaren Zusammenhang mit der unerwartet geringen Mächtigkeit des
Passats selbst gebracht werden. Denn da Passat und Antipassat derselben Zirkulation
angehören, muß eine so seichte Passatströmung notwendig einen schwachen Antipassat¬
strom zur Voraussetzung haben, und zwar einen um so langsamem, in je größere Höhen
er sich erstreckt.
Auf die wichtigen Resultate dieser Aufstiege soll bei der Besprechung der zu er¬
wartenden ausführlichen Publikation noch näher eingegangen werden. Q.
Le Congres d*Aerostation scientlfique de 1904, etc., par M. Paul Bord6. Paris 1905.
8° 81 S.
Der Präsident der Societe fran^aise de Navigation a6rienne gibt in dieser glatt ab¬
gefaßten Broschüre einen Bericht über die Konferenz der internationalen Kommission
für wissenschaftliche LuftschifTahrt. Die Schnelligkeit der Veröffentlichung ist lobens¬
wert. Vielleicht ist es dieser Eile zuzuschreiben, zum Teil auch wohl ungenügenden
Grundlagen, wenn eine große Zahl der Namen falsch, zum Teil unkenntlich wiedergegeben
ist, und wenn sich in der Broschüre leider eine zu große Anzahl von Unrichtigkeiten
und Entstellungen findet, als daß sie als zuverlässige Quelle benutzt werden dürfte. Daß
die Broschüre mit dem großen Titel: « Acad4mie Imperiale des Sciences de St-Peters-
bourg > prangt, der doch wohl dem offiziellen von der Akademie zu veröffentlichenden
Protokoll allein zukommen sollte, muß befremden. — Als Einleitung ist ein Überblick über
die Geschichte der früheren Konferenzen aus der Feder von W. de Fonvielle bei¬
gegeben. Q.
Druckberichtigung.
Im Febniarlieft Seite 63, Bericht ans Spanien, muß es heißen anstatt «360 km.
»die Flugweite beträgt 450 km*.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Die Redaktion .
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. ** Hai 1905. ««(> 5. Heft.
'*• -ar -ae^g- *r-m- s*“*k, «e.*? j»,** -a*-*, «.-** »-»ae-». .»■» »««« »«^a>
Aeronautik.
Zur Geschichte der Luftschiffahrt.
I. Die aeronautischen Arbeiten des Generals Meusnier,
Von Yoyer, Capitaine du Genie.
übersetzt durch H. W. L. Moedebeck mit Genehmigung des Verfassers.
Die Gesetze von Meusnier.
Die Arbeiten des Generals Meusnier über die LuftschifTahrt bilden ein
bedeutendes, leider zu wenig bekanntes Werk. Nur ein Teil von ihnen ist
veröffentlicht worden; was man ganz besonders bisher zurückgehalten hat,
das ist der Entwurf eines lenkbaren Ballons. Aber der General Meusnier
hat, bevor er daran dachte, die Ballons zu lenken, sich eingehend mit ihrem
Gleichgewicht in vertikaler Richtung beschäftigt und in bemerkenswerter
Weise die betreffenden Gesetze geklärt.
Sechs Monate nach dem aufsehenerregenden Versuch der Gebrüder
Montgolfier, am 3. Dezember 1783, reichte der Leutnant Meusnier der Aka¬
demie eine « Denkschrift über das Gleichgewicht der aerostatischen Maschinen»
ein. Diese Denkschrift wurde 1784 im «Journal de Physique de l’abbe
Rozier» 1 ) veröffentlicht, zusammen mit einem «Anhang enthaltend eine
Anwendung auf ein bestimmtes Beispiel». 2 )
Andere Arbeiten folgten, aber die Mehrzahl wurde nicht veröffentlicht:
Man findet die Aufzählung einer Anzahl von ihnen in einer Arbeit des
Hauptmanns Letonne, betitelt: «Le general Meusnier et ses idees sur la
navigation aerienne» (Revue du Genie 1888, t. II, p. 247).
Wir haben hier nicht die Absicht, die Arbeiten von Meusnier zu ana¬
lysieren, noch seine Entwürfe von aerostatischen Maschinen zu prüfen, wir
wollen lediglich die Gesamtheit der allgemeinen Gesetze, die er von
1783—1784 aufgestellt hat und die noch heutzutage die Grundlage des
Freiballon-Fahrens bilden, in das rechte Licht setzen.
I. Das Gleichgewicht des schlaffen Ballons.
Die der Akademie am 3. Dezember 1783 eingereichte Denkschrift be¬
ginnt mit der Theorie des Gleichgewichts des schlaffen Ballons (d. h. des
unvollständig gefüllten). Dieser wichtige Anfang sei im Wortlaut hier wieder¬
gegeben :
*) Die Denkschrift ist neu gedruckt 1851 in der Schrift «Le Conservatoire* und im Jahre 185t in
«l’Histoire des principales decouvertes de L. Figuier» (t. III).
*) Die Mitteilung dieser Denkschriften verdanken wir Herrn Herve, dem gelehrtem Ingenieur-Aero¬
nauten und Redakteur der «Revue de I’Aeronautique», welcher zuerst auf die Bedeutung der Arbeiten des
Generals Meusnier aufmerksam gemacht hat.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. IN
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138
« Da man die brennbare Luft, 1 ) welche eine aerostatische Maschine
enthält, herauslassen muß, um sie zum Sinken zu bringen, so macht man
nichts anderes, als daß man ihr Volumen vermindert auf Kosten des Flui¬
dums, welches ihren Aufstieg bewirkt hatte; sie verdrängt von da ab nicht
mehr in der Atmosphäre ein Luftgewicht, das seinem eigenen Gewichte
gleich ist, und der Überschuß an Schwere, den sie damit erlangt, veranlaßt
sie, sich herabzusenken. Aber wenn man erwägt, daß in gleichem Maße,
wie sie tiefere Luftschichten erreicht, von dem Punkte ab, wo sie mit dem
Niedersinken begonnen hat, der dort herrschende größere Luftdruck mehr
und mehr das Volumen der entzündlichen Luft, das dort vorhanden gewesen
war, vermindert und das genau in demselben Verhältnis, als die spezifische
Schwere der sie umgebenden Luft zunimmt, so wird man zugeben, daß das
Gewicht der durch den Ballon verdrängten Luft genau dasselbe
bleibt, bis er die Erdoberfläche erreicht, und daß der Ausfall an
Schwere, welcher das anfängliche Niedergehen veranlaßt hatte, somit in
allen Höhenlagen vorhanden ist; es ist also unmöglich, daß die
Maschine jemals ihr Gleichgewicht wieder erlangt. Man kann nicht
mehr anhalten, sobald man begonnen hat, niederzugehen, und dieses bis jetzt
allein angewendete Mittel kann wohl dazu dienen, wieder zur Erde zurück¬
zukehren, aber es kann nicht dazu beitragen, in der Luft sich eine Höhen¬
lage auszuwählen, welche die Umstände als die geeignetste erscheinen lassen.
Man wird das Ziel, eine bestimmte Fahrhöhe zu halten, auch nicht
besser erreichen können, wenn man den Ballastabwurf vereinigt mit dem
Verlust brennbarer Luft. Sobald die Maschine nur zum Teil gefüllt ist, wie
solches bei der Voraussetzung vorliegt, daß man einen Teil der entzünd¬
lichen Luft, die sie einschloß, herausgelassen habe, so wird das Gleich¬
gewicht, das sie nunmehr erhalten hat, sie nicht zwingen, eine einzelne
Stellung festzuhallen (bestimmte Höhenlage). Man leitet im Gegenteil aus
den hier dargelegten Prinzipien ab, daß die Gleichheit zwischen dem
Gewicht jeder Maschine und dem der verdrängten Luft erst vor¬
handen sein wird, ganz unabhängig von allen Höhen, vom Niveau
des Horizontes ab bis hinauf an den Punkt, wo die Verminderung
-der Dichte der umgebenden Luft der entzündlichen Luft die Mög¬
lichkeit gewähren wird, den Fassungsraum des Ballons voll¬
ständig auszufüllen. Man wird also einen sehr großen Breitengürtel
haben, in dem eine aerostatische Maschine unter den angenommenen Ver¬
hältnissen nur eine zufällige und von den von ihr getragenen Luftschiffern
ganz unabhängige Höhenlage einnehmen wird.
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, daß die bisher übliche Methode,
um die aerostatische Maschine fallen und steigen zu lassen, nicht nur die
ihr bereits vorgeworfenen Unannehmlichkeiten hat, daß sie in kurzer Zeit
den Aerostaten in den Zustand versetzt, nicht weiter fahren zu können durch
den allmählichen Verbrauch von entzündlicher Luft und Ballast, von denen
>) Brennbare Luft = l’air inllammable nannte man damals den Wasserstoff.
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seine ganze Manövrierfähigkeit abhängt; sie macht überdies seine Höhen¬
lage ununterbrochen veränderlich und wechselnd; und auch wenn
man insbesondere den gegenwärtigen Zustand dieser Maschinen prüft, wird
man sehen, daß selbst ohne die Frage des Steigens und Fallens ihre Kon¬
struktion an sich sie fortgesetzt diesem Hauptfehler unterwirft; der an der
untern Seite angebrachte Füllansatz des Ballons ist ein Grund mehr, der
ihn unvermeidlich macht. Diese zwischen der inneren Luft und der Atmo¬
sphäre bestehende Verbindung ruft in der Tat eine vollkommene Gleichheit
zwischen der Elastizität der beiden Luftarten hervor; die Maschine gelangt
nicht zum höchsten Punkt ihrer Fahrt, bevor sie nicht alle über
ihren Gleichgewichtszustand hinaus über schieß ende brennbare
Luft ausgestoßen hat. Alsdann genügt die geringste Veranlassung zum
Beginn des Niedersinkens, und der Verlust brennbarer Luft, dem die ange¬
wandten Ballonstoffe stets unterliegen, gibt dem Aerostaten bald ein kleines
Übergewicht von Schwere, das, trotz der Luftschiffer, sie selbst dann bis
zur Erdoberfläche zurückbringen würde, wenn der Verlust sich nicht
beständig fort und fort vermehren würde. Nur um diesen aufgezwungenen
Fall zu verhindern, wird es notwendig, der Maschine einen gewissen Über¬
schuß an Leichtigkeit zu geben, indem man eine Ballastmasse aus¬
wirft, die ein wenig den Überschuß an Schwere überwiegt, den
man erlangt hatte; dann steigt er, um sich um ein entsprechendes
Maß höher, je nach der Masse des abgeworfenen Ballastes, über
jenen Punkt, bis wohin er sich anfangs erhoben hatte, ins Gleich¬
gewicht zu setzen. Durch den Füllansatz entweicht dann eine neue
Quantität brennbarer Luft gemäß dieses Höhenzuwachses, und das Gleich¬
gewicht, bald von neuem gestört, ruft einen zweiten Fall hervor, dessen
Fortsetzung bis zur Erde man nur verhindern kann, wenn man noch einmal
vorher Ballast abwirft. So ist der Zustand der aerostatischen Maschinen,
die man bis jetzt gesehen hat, ein wechselndes Steigen und Fallen,
indem sie große Wellenbewegungen machen, deren Ausdehnung
fortgesetzt zunimmt, bis sie nach Abwurf alles unnützlichen Gewichtes
(Ballast) vor die Unmöglichkeit gesetzt sind, neue Aufstiege zu versuchen.»
Welchen Kommentar soll man einer so klaren Auseinandersetzung über
die Instabilität des schlaffen Ballons und alle daraus sich ergebenden Folgen
hinzusetzen? Und wird man nicht von Bewunderung erfüllt bei dem Ge¬
danken, daß diese Gesetze niedergeschrieben waren in der Zeit selbst, wo
Charles und Robert die erste Luftreise in einem mit Wasserstoff gefüllten
Aerostaten ausführten? 1 )
II. Das Gleichgewicht des Prallballons (ballon plein).
Vom schlaffen Ballon gehen wir über zum Prallballon. Die Theorie
desselben finden wir nicht mehr in der Denkschrift vom 3. Dezember 1783,
«) Die Auffahrt von Charles und Robert war am 1. Dezember 1783 und am 3. Dezember 1783 über¬
reichte Meusnier seine Denkschrift der Akademie.
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140 «««
wohl aber in dem Anhang, der nachträglch veröffentlicht wurde im Jahre
1784. ln Wirklichkeit behandelt dieser Anhang, wie es auch der Titel
besagt, eine «Anwendung an einem bestimmten Beispiel» und dieses Beispiel
ist das eines mit Luftballonet 1 ) ausgestatteten Ballons, ein von Meusnier
erfundenes System, um dem Luftschiffer zu ermöglichen, in einer bestimmten
Höhe zu fahren. 2 ) Das Vorhandensein dieses Ballonets kompliziert ein wenig
die Theorie des Gleichgewichts; indessen ist es doch möglich, von der be¬
sonderen Studie des Generals Meusnier die für gewöhnliche Ballons ohne
Ballonet anwendbaren Gesetze abzuleiten.
Das, was wir heute Gleichgewichtslage des Prallballons nennen, be¬
zeichnet Meusnier mit dem Namen »obere Gleichgewichtsgrenze».
«Es würde leicht sein, sie (diese Grenze) zu bestimmen für jeden
Zustand der Maschine, indem man zusieht, auf welcher Höhe in der
Atmosphäre ein dem Ballon gleiches Luftvolumen dasselbe aktuelle
Gewicht haben würde, wie die gesamte Maschine mit Einschluß
der in ihr befindlichen brennbaren Luft.
Der Ort der Gleichgewichtsgrenze hängt daher in jedem Augenblick ab
vom Gewicht des Aerostaten und der Menge der eingeschlossenen brenn¬
baren Luft; und da eines wie das andere sich fortgesetzt vermindert, wird
die Grenze, um die es sich handelt, sich während der Dauer der
Luftballonfahrt beständig nach oben verschieben.
Man kann das Gesetz dieser allmählichen Höherbringung sich sehr
klar machen, wenn man bedenkt, daß die brennbare Luft mit der um¬
gebenden Luft fast dasselbe spezifische Schwereverhältnis beibehält, wie
hoch die Maschine auch immer sei, weil diese beiden Lüfte, eine sowohl
wie die andere, sich in demselben Verhältnis ausdehnen; das Gasgewicht,
das im Ballon eingeschlossen ist, wird immer der 6. Teil desjenigen der
verdrängten Luft sein. 3 )
Der Rest der Materialien der Maschine oder der von ihr getragenen
Gewichte wird also die 5 !e des Gewichts der verdrängten Luft bilden oder,
was dasselbe ist, dieses Gewicht wird das Gesamtgewicht, das den Aero¬
staten belastet, um 1 ib übersteigen. Der Ort der oberen Gleichgewichts¬
grenze findet sich daher immer bestimmt durch das derzeitige
Gewicht der Maschine, weil ja die spezifische Schwere der Luft
dieser Region sich in demselben Verhältnis vermindert und die
Barometerhöhen daher demselben Gesetz folgen.
Es ist hiernach leicht, vorher die verschiedenen Höhen zu be¬
rechnen, welche die Gleichgewichtsgrenze allmählich erreichen
kann gemäß den verschiedenen Gewichten, auf welche die Maschine
nach und nach gebracht wird.»
') Es war dies der zu Saint-Cloud von den Gebrüdern Robert und dem Herzog von Chartres am
15. Juli 1784 versuchte Ballon.
8 ) Diese interessante Erfindung des Generals Meusnier beabsichtigen wir besonders zu studieren.
*) Der Autor nimmt hier an, daß im Großen hergestelltes Wasserstoffgas sechs mal leichter ist als Luft.
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Meusnier zeigt darauf eine Tabelle, welche die für einen gegebenen
Ballastabwurf erreichbare Höhe anzeigt.
«Ich habe mich um so lieber entschlossen», setzt er hinzu, «hier
diese Tabelle zu geben, als sie einen klaren Begriff gibt von aller Weiter¬
entwickelung der Luftschiffahrt, die uns beschäftigt, und als sie den Luft-
schiffern im Verlaufe ihrer Reise sehr nützlich sein kann. Es ist in der
Tat sehr leicht, mit Genauigkeit von Anfang an das Gewicht der ver¬
schiedenen Teile, die die aerostatische Maschine zusammensetzen, zu be¬
stimmen, und wenn man außerdem die Vorsicht beachtet hat, den Ballast
in Teilen von bekanntem Gewicht abzugeben, so wird man jeden
Augenblick das einstige Totalgewicht seines Aerostaten kennen und folglich
wissen, welchem Ausdruck der Tabelle sein gegenwärtiger Zustand ent¬
spricht oder zwischen welche es fällt; man kann sogar leicht verschiedene
Methoden des Ballastabwurfes erfinden und die Teile derart markieren, daß
man noch beim Auswurf nach einem bestimmten Plan immer das Ge¬
wicht von dem weiß, was übrig ist; ein weiteres Eingehen hierauf ist
überflüssig.
Diese Tabelle zeigt auch das Gewicht an, das die Maschine haben
müßte, um sich in Regionen zu erheben, welche gegenwärtig außerhalb der
Gleichgewichtsgrenze liegen, und sie dient gleichfalls dazu, richtig zu be¬
stimmen, wieviel Ballast man auswerfen muß, um genau diejenige
Stellung zu erreichen, welche die Umstände als die für die Reisenden
wünschenswerteste machen können. Man kann daher jene Sammlung nume¬
rischer Resultate als eine wahrhaft notwendige nautische Tafel der Luft-
schiffahrt betrachten und auch von diesem Gesichtspunkt aus biete ich sie
hier dar, indem ich bemerke, daß jede Maschine die Konstruktion einer
anderen Tafel erfordern wird».
So war das Problem des Ballastwurfs (delestage) vollständig gelöst
vom General Meusnier.
III. Die Dynamik der vertikalen Bewegungen.
Beiläufig findet der Autor auch das dynamische Gesetz der vertikalen
Bewegungen des Ballons:
<Die Geschwindigkeit wird gleichförmig sein, sobald der der
Aufwärtsbewegung entgegenstehende Luftwiderstand gleich sein
wird dem Übermaß an Leichtigkeit»; und dieser Widerstand ist
«zusammengesetzt aus dem Verhältnis der Oberfläche und dem Quadrat der
Geschwindigkeit». Nach dem auf dem Marsfelde am 27. August 1783 aus¬
geführten Versuch mit dem ersten WasserstofTballon schätzt Meusnier den
Widerstand der einem Kugelballon entgegenstehenden Luft als 2 /ö derjenigen,
die bei gleicher Geschwindigkeit eine ebene Fläche erleiden würde von der
Größe des größten Kugelquerschnitts. 1 )
M Nimmt man, wie es heute allgemein geschieht, 80 Gramm Luftwiderstand auf eine Fläche von
1 qm bei 1 m Geschwindigkeit in der Sekunde, so würde die Regel Meusniers den Wert für den Wider-
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»+& 142 «««♦
IV. Fahrregeln.
Meusnier beschränkte sich nicht allein darauf, allgemeine Gesetze anzu¬
geben, sondern dachte auch nach über die Praxis der Auffahrten. Wir
haben schon seinen Rat kennen gelernt, «den Ballast in Teilen von be¬
kanntem Gewicht abzuwerfen, um immer zu wissen, welches Gewicht noch
verbleibt». Man findet in derselben Denkschrift andere Fahrtregeln, die
nicht weniger rationell sind und noch heute befolgt werden.
Für die Abfahrt muß man, wie er sagt, «die Maschine mit brenn¬
barer Luft ganz voll füllen», die aerostatische Maschine wird alsdann
fähig sein, anfangs ein um so größeres Gewicht zu tragen, und sich möglichst
unserer tiefsten (la plus forte) Gleichgewichtsgrenze nähern.... Das, was daran
fehlen wird, daß das Gesamtgewicht dieser Grenze nicht entspricht, wird den
Überschuß an Leichtigkeit bilden, < bestimmt dazu, der Maschine eine für
die Abfahrt genügende vertikale Geschwindigkeit zu geben».
Schließlich folge hier die Art und Weise, wie General Meusnier das
Ballastmanöver auffaßt:
«Kehren wir zum Hauptobjekt des von uns geprüften Versuches zu¬
rück, welches darin liegt, der Luftschiffahrt die größtmögliche Dauer zu
geben. Denn man sieht, daß die Verminderung des Gewichts der Maschine,
das notwendig wird durch jeden Verlust an brennbarer Luft, dem sie aus¬
gesetzt ist, dasjenige ist, was sie allmählich dem Zeitpunkt entgegenführt,
wo ihre Rückkehr auf die Erde unvermeidlich wird.»
Man muß deshalb den Ballast mit der größten Sparsamkeit auswerfen.
Man kann.sich darauf beschränken, auf einmal nicht
mehr als 5 Pfund (2,5 kg) abzuwerfen. Es würde daher angebracht
sein, den Ballast von vornherein in Portionen von diesem Gewicht
zu teilen, unter dem Vorbehalt, daß man sie häufiger oder in
größerer Anzahl abwirft in Fällen, wo es erforderlich wird.
So begriff bereits Meusnier das Ballastmanöver fast in derselben Weise
wie unsere besten Luftschiffer heutzutage.
Rückblick.
Im allgemeinen finden sich also in den Denkschriften des Generals
Meusnier die nachfolgenden Gesetze und Regeln:
I. Die Statik des schlaffen Ballons.
1. Gesetz. Wenn der Ballon aufsteigt, so setzt er das Steigen fort,
solange bis er prall gefüllt ist und eine Quantität Gas verloren hat, die seinem
Überschuß an Auftrieb entspricht.
2. Gesetz. Wenn ein Ballon fällt, bleibt seine Gleichgewichtsstörung
stand gegen einen Kugelballon ergeben als 11 0,025 D 2 V 2 (Ü ist der Durchmesser des Ballons, V die
Geschwindigkeit in Metern per Sekunde), das heißt, genau den Wert, welchen die Schule von Clhalais aner¬
kennt. ein Wert, den Oberst Henard aus persönlichen Versuchen abgeleitet hat. Aber diese für den Luft¬
widerstand kleiner Flächen zur Zeit Meusnier» zugelassene Ziffer war viel größer als die heutige, derart,
daü in Wahrheit der von ihm den Kugelballons zngedaehte Luftwiderstand ein wenig übertrieben ist.
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in jeder Höhenlage konstant und er sinkt nieder bis zur Erde oder wenig¬
stens bis eine Gegenmaßregel seitens des LuftschifTers eintritt.
3. Gesetz. Wenn ein Niedersinken durch Abwurf von Ballast ver-n
hindert worden ist, steigt der Ballon wieder aufwärts in eine Gleichge¬
wichtslage, die die früher innegehabte an Höhe überlrifft, und zwar um so
viel höher, je mehr Ballast ausgeworfen wurde.
4. Gesetz. Das Gleichgewicht unterhalb der Zone der Prallheit bleibt
vollständig instabil selbst dann, wenn man suchen würde es zu erhalten
durch abwechselnden Ballastwurf und Ventilzug; es würde zur Verschwen¬
dung von Gas und Ballast führen, und würde den Ballon sehr bald unfähig
machen für das Luftfahren.
% II. Die Statik des Prall-Ballons.
5. Gesetz. Die Gleichgewichtslage des Prallballons ist bestimmt durch
den Satz, daß ein Luftvolumen von der gleichen Größe wie das des Ballons
das gleiche Gwicht habe wie der Aerostat mit Einschluß des in ihm ent¬
haltenen Gases.
6. Gesetz. Diese Gleichgewichtslage nimmt während der Dauer der
Fahrt beständig an Höhe zu.
7. Gesetz. Der der Gleichgewichtslage entsprechende Luftdruck ver¬
mindert sich in dem gleichen Verhältnis wie das Gewicht des Aero-
staten; — oder mit anderen Worten: die relative Druckabnahme entspricht
der relativen Entlastung.
III. Die Dynamik des Ballons.
8. Gesetz. Bei den vertikalen Bewegungen des Ballons (Aufstieg und
Abstieg) ist die Geschwindigkeit gleichförmig, sobald der entgegenstehende
Luftwiderstand der Gleichgewichtsstörung gleich ist; dieser Widerstand ist
proportional der Oberfläche des Ballons und dem Quadrat der Geschwindigkeit.
IV. Fahrregeln.
1. Regel. Den Ballast in bestimmten Gewichtsteilen bereit halten,
derart, daß man stets das Gewicht des übrig verbleibenden Ballastes kennt.
2. Regel. Abfähren mit einem vollgefüllten Gasballon, um möglichst
viel Ballast mitnehmen zu können.
3. Regel. Ballastabwurf in kleinen Teilen von bestimmtem Gewicht
und zwar immer demselben; Zahl und Häufigkeit des Abwurfs je nach den
Umständen verschieden.
Obiges ist das bewundernswerte Gesamtergebnis der Gesetze und
Regeln, welche in beiden oben erwähnten Memoiren enthalten sind, Schriften,
die geschrieben und veröffentlicht wurden ganz im Anfänge der Geschichte
der Luftschiffahrt. Wenn diese Gesetze und Regeln lange Zeit hindurch
verkannt worden sind, so liegt es also nicht darart, daß sie noch nicht
entdeckt waren, sondern weil einerseits Meusniers Arbeiten in Vergessenheit
geraten waren und weil andererseits die Luftschiffahrt Empirikern überlassen
worden war.
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Heute hingegen hat die aerostatische Wissenschaft ihren Platz in der
wissenschaftlichen Welt wieder gewonnen; von allen Seiten haben inter¬
essante Versuche ihr die Aufmerksamkeit eines aufgeklärten Publikums zuge¬
wendet. Gleichzeitig haben zahlreiche Werke, die über die LuftschifTahrt
veröffentlicht wwden, deren Prinzipien zum Gemeingut gemacht: die Gesetze,
welche wir soeben aufgezählt haben, sind heute allerseits bekannt.
Aber das, was ganz und gar nicht bekannt ist und was man sehr oft
zu erwähnen vergißt, das ist der Name ihres wirklichen Entdeckers. Es
würde nur der Gerechtigkeit entsprechen, wenn diese grundlegenden Gesetze,
welche die notwendige Basis der Lehre über die Luftschiffahrt bilden, in
den entsprechenden Lehrbüchern dargestellt würden unter der Überschrift
«Die Gesetze von Meusnier».
Aeronautisches vom Mandschurischen Kriegsschauplatz.
1. Über die Übungen der Militärluftschiffer in Wladiwostok.*)
Am Sonntag, den 25. Juli 1901, war das Wetter für Arbeiten mit dem Fessel¬
ballon nicht günstig. Der Gasauftrieb war merklich vermindert. Um nicht an Wasser¬
stoff nutzlos einzubüßen, entschloß man sich, eine Freifahrt auszuführen, die Wirkung
des Meeranker-Kegelankers zu probieren und das kriegsmäßige Verpacken des
Ballons auszuführen.
Zur Durchführung eines geeigneten Manövers wurde zur Verfügung des Hauptmanns
Postnikow das Torpedoboot Nr. 201 unter Leutnant Ignatiew kommandiert. (Hauptmann
Postnikow hat als Militäringenieur den Kursus der Offizierskiasse des militärischen
Unterrichts-Luftschifferparks in St. Petersburg 1897 absolviert.)
Dem Torpedoboot wurde’der Auftrag gestellt, im Schutze der Halbinsel Peßtschany
und der Insel Skrebzow (in der Amur-Bucht) auszulaufen — wo der Ballon, durch den
Kegelanker festgehalten, die Möglichkeit finden sollte, sich zu verfangen —, um, im
Falle einer Abweichung des Baiions auf Kap Peßtschany die Luftschiffer aufzunehmen
und zu landen, und schließlich für den Fall, daß es sich dem Ballon als unmöglich er¬
wiese, sich aufs Meer hinabzulassen, die Richtung seines Fluges bis zur Mündung des
«Sui-phun» zu verfolgen. (Die am meisten wahrscheinliche Richtung, in der letztenfalis
der Abstieg des Ballons anzunehmen war, in Linie der Poststraße, dicht bei der Station
Ißajewa.)
Nach den Beobachtungen vor dem Aufstieg w r ar der Wind in der Bucht «Goldenes
Horn» (Ssolotoj Rogi aus Süd-Ost, Stärke etwas mehr als 5 m pro Sekunde. Das Wetter
war trübe, ln Anbetracht des Gasverlustes am vorigen Tage und der bedeutenden
Leere im Ballon wurde aus dem «Espero > (450 cbm) in den «Jastreb > (400 cbm) Gas
übergeleitet. Das Gewicht der Gesamtbelastung des Ballons wurde auf 11V* Pud*) aus¬
geglichen, was zusammen mit dem Gewicht der Luftschiffer, Hauptmann Postnikow und
«Midshipman» Gudij, 20 Pud ausmachte.
Um 12 Uhr mittags wurde der Ballon mit losgelassenem Schlepptau aufgelassen
unter Mitnahme von 3 Sack Ballast. Die Auffahrt geschah mit nicht ganz gefülltem
Ballon, jedoch stieg er ziemlich rasch aufwärts.
*) Korrospomtenz th-s « Wosduehoplawatel», «Der LuftschifFer»; russ. Fachzeitschrift.
0 1 1*11.1 = nus ktf.
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An Instrumenten befand sich im Korbe des Ballon nur ein Aneroid-Barometer.
Um 120* Uhr schwebte der Ballon in einer Höhe von 270 m über dem Volkshause und
begann bald in die Wolken einzudringen. Ehe die Erde verdeckt wurde, gelang es noch,
zu bemerken, daß 12° 6 Uhr die Luftschiffer sich über der Kaserne des berittenen
Kommandos in einer Höhe von 450 m befanden. Nach einer Minute war es schon un¬
möglich, irgend etwas unten deutlich zu erkennen, ln den Wolken dampfte es stark,
der Ballon erwärmte sich und fuhr fort, rasch zu steigen. Bald begann durch die Wolken
die Sonnenscheibe hindurchzuschimmern. Über die Wolken emporzusteigen, gehörte
nicht in den Plan des Fluges, umsomehr als nur ein begrenzter Vorrat an Ballast vor¬
handen war. Angesichts dessen wurde beschlossen, herunter zu gehen und an der Bucht
am Schlepptau zu fahren. Um 12 08 Uhr in Höhe von 650 m öffnete man das Ventil;
nach dem ersten Öffnen hörte der Ballon nicht auf, zu steigen, und gerade erst nach
dem zweiten «Klaps» begann er zu fallen. Um 1209»/^ Uhr konnte man sehen, daß der
Ballon am Uferrande dahinging in Höhe von 340 m bei den Zisternen von Nobel. Um
1212 berührte das Schleppseil das Wasser und innerhalb 3 Minuten war der Ballon in
Gleichgewichtslage auf 50 m Höhe. Beim Abstieg wurde etwa 1 Sack Ballast verbraucht.
Der Ballon ging rasch nach NW., das gegenüberliegende Ufer war fast nicht zu sehen;
links von der Bahn des Ballons wurde im Nebel die Halbinsel Peßtschany sichtbar.
Bald begann auch hinter den zerrissenen Wolken die Sonne hervorzublicken. Der Ballon
ging am Schleppseil sehr gleichmäßig und forderte durchaus keinen Verbrauch von
Ballast. Einige Zeit, nachdem der Ballon die Uferlinie passiert hatte, wurde das Tor¬
pedoboot entdeckt, welches aus der Meerenge «Bosphor» ausgelaufen war. (Es kam
etwas später heraus, dank dem Umstande, daß, in Anbetracht des heftigen Windes die
Vermutung nahe lag, die Ballonfahrt würde verschoben werden.) Um 12 35 Uhr durch¬
fuhr man das Tor der Halbinsel Peßtschany und der Insel Skrebzow. Das gegenüber¬
liegende Ufer war jetzt gut zu sehen, und der Ballon hielt die Richtung etwas links von
dem Leuchtturm «am Flusse». 12 50 wurde der Meeranker hinabgelassen. (Wegen der
Neuheit des Versuches und der Unvollkommenheit der Verpackung erforderte sein Los¬
lassen 20 Minuten.) Der Ballon war so weit vom Torpedoboot entfernt, daß wenig
Hoffnung auf glückliche Durchführung des Manövers blieb. Der Kegel wirkte aber
momentan und verminderte stark die Schnelligkeit der Bewegung des Ballons; doch
hierbei geriet der Ballon heftig ins Schwanken und seine Schlaffheit vermehrte sich
stark infolge des Entweichens von Gas. Das Torpedoboot begann von diesem Augen¬
blick an, sich rasch zu nähern; bei der Stärke des Windes konnte man glauben, daß
seine Schnelligkeit um etwa 4* bis 4 l /s m pro Sekunde verringert würde. Zeitweise
neigte sich der Ballon derart über, daß der Korb bis zum Wasser reichte und es not¬
wendig wurde, Ballast auszuwerfen. Um 1 Uhr nachmittags neigte sich infolge eines
heftigen Windstoßes der Ballon bis zur Oberfläche des Meeres und der Korb berührte
das Wasser. Um l 10 Uhr kam von der Windseite das Torpedoboot, nahm das Ankertau
auf und begann den Ballon zu schleppen. Hierbei zerrte dieser wegen der Stöße des
Windes, der 7 m in der Sekunde erreichte, heftig, und der Korb berührte 3mal das
Wasser, indem er einmal bis mehr als zur halben Höhe schöpfte. I 15 Uhr wurde der
Korb auf das Torpedoboot gezogen. Infolge der großen Schlaffheit des Ballons und des
frischen Windes zeigte sich keine Möglichkeit, den Ballon zurückzubugsieren, und man
mußte das Gas herauslassen. Das Einholen des Ballons und das Auslassen des Gases
durchzuführen, war äußerst unbequem. Das Reißverfahren ist in solchem Falle unum¬
gänglich. Ebenso unumgänglich ist eine sichere Fertigkeit bei dem Kommandeur und
den Leuten des Schiffes, die das Luftschiff aufnehmen, was man schließlich, bei häufigerer
Ausübung ähnlicher Abstiege, wird erwarten können. Um 1&0 Uhr war alles aufgeräumt
und das Torpedoboot fuhr zurück. Der Ballon wurde im S. der «Flußinsel», in einer
Entfernung von etwa 1 Meile aufgenommen. Die Fluglinie betrug IO 1 /* Meilen. Die
Fluggeschwindigkeit war über dem Ufer etwa 12 Knoten; bei der Fahrt am Schleppseil
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 19
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sank sie auf 10V* bis 11, der Anker aber ließ nicht mehr als 2 1 /* bis 3 Knoten zu.
Nach dem Abstieg blieb 1 Sack Ballast übrig. Während des Fluges zeigte sich die Un¬
bequemlichkeit, mit dem Kegel umzugehen, besonders wenn man ihn während der
Bewegung des Ballons aufnehmen will.
Einige Änderungen im Korbe werden beim nächsten Versuche seine Wirksamkeit
zwar verbessern, aber der Hauptmangel — die Möglichkeit, daß die dünne Trosse, die
vom engen Teile des Kegels ausgeht, sich um das Ankertau wickelt — hat sich bisher
nicht beseitigen lassen, und als beste Art, den Kegelanker aufzunehmen (die schließlich
auch möglich ist, wenn man genügend Ballast zur Hand hat), erwies es sich, den Ballon
bis zur Höhe der vollen Länge des Ankertaus hochgehen zu lassen und dann dieses in
den Korb einzuholen.
Wladiwostok, 30. August 1901. (Üb. 11/12. 1. 05.) Bjdy.
2. Mukden.
(Korrespondenz des „Wosduchoplawatel“.)
19. Dezember 1901.
Am 3. Dezember gingen unsere LuftschifTer das erste Mal an die Arbeit. Ich
spreche vom 1. ostsibirischen Feld-Luftschiffer-Bataillon, das unter dem Kommando des
Obersten Kowanko aus Rußland gekommen war. Der Wasserstoff wurde gewonnen
mit Hilfe der neuen „zweiteiligen“ Feldapparate durch das Lauge-Verfahren. Die Apparate
wurden auf einer Sandbank aufgestellt. Die Kälte war außerordentlich, bis zu — 15° R.;
in der Luft herrschte vollkommene Windstille. Auf dem Eise waren kleine Durchbrüche
gemacht für die Gummischläuche der Pumpen. Nach zweimaliger Ladung der Apparate
füllten die LuftschifTer einen kleinen Gassack und entfernten sich mit ihm in kriegsmäßiger
Ordnung. Die gemeinen Soldaten, welche ihnen begegneten, blickten mit Verwunderung
auf das Luftschiff und viele fragten sogar: „Was, sind das Unsrige oder Japaner“?
Einige Tage übten die Luftschiffer mit ihren Ballons. Die sogenannte „reitende“ Winde ‘)
arbeitet sehr gut in einer Artillerie-Kolonne.
Am 15. Dezember wurde der große Ballon „St. Petersburg Nr. 4“ mit Gas gefüllt.
Er hat einen Inhalt von 640 cbm und nimmt frei 2 Mann auf; wenn das Gas aber aus¬
reichend frisch ist, auch 3. Am 18. Dezember war wundervolles Winterwetter und in
der Luft fast vollkommene Windstille. Es waren sehr viele Offiziere der verschiedenen
Waffengattungen zu den Auffahrten versammelt. Außer den Luftschiffem fuhren auch
Generalstabsoffiziere und Militär-Ingenieure auf. Unter anderen wurde auch der kleine
Kasak Sujew mit hochgenommen, der in diesem Feldzuge mit 3 Georgskreuzen belohnt
worden ist. Nach Angabe der aufgefahrenen Offiziere konnte man gut bis 6 oder 7 Werst
sehen, weiterhin war Nebel, wie es dem hiesigen Klima eigentümlich ist. Bei den Auf¬
fahrten waren auch einige von den ausländischen „Kriegsagenten“ (wörtlich! Anm. d. Ü.)
zugegen.
Es ist zu hoffen, daß bei der ersten ernsthaften Schlacht die Ballons unzweifel¬
haften Nutzen gewähren werden, insonderheit bei Erkundung der bei den Japanern so
beliebten Umgehungen.
1. Januar 1905.
Ich habe Ihnen schon über die ersten Arbeiten mit Luftballons Mitteilung gemacht;
diese waren in der ersten Hälfte des November aus Rußland eingetroffen. Lange brauchten
die Militär-Luftschiffer nicht auf einen Gruß seitens der Japaner zu warten, — diesen
gefielen diese „Schildwachen in der Luft“ nicht und sie beschossen sie heftig mit Schimose¬
granaten. Glücklicherweise veranlaßte diese Beschießung uns keinerlei Verluste.
*) Wegen ihrer Leichtigkeit so genannt. Sie besteht aus zwei Karren. Gewicht erhält sie durch
Beschwerung mittels Sandsäcken. D. Red.
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147
Am 23. Dezember begann das Luftschifier-Bataillon sein Kriegsleben: eine Kompagnie
wurde der 2. und eine der 3. Armee zugeteilt. Die sibirische Luftschiffer-Kompagnie
(mit festungsmäßiger Ausrüstung) wurde bei der Linewitsch’schen Armee gelassen.
Die 2. Kompagnie erhielt den Auftrag, mehr nach Osten vorzugehen zwecks Auf¬
klärung der verschanzten Stellungen der Japaner. Man bewegte sich in Feldformation.
Die ganze Zeit marschierte man parallel der japanischen Stellung auf etwa 7 bis 8 Werst.
Während des ganzen Vorbeimarsches herrschte auf Seiten des Feindes Totenstille. Gegen
5 30 nachmittags waren sie im Dorfe Dan-shuan-ho *) angekommen und machten vom
Platze aus eine Auffahrt. Die Sonne war schon untergegangen; es wurde schnell finster.
Man mußte den Ballon einholen. Zu der Zeit zeigte sich beim Feinde der Strahl eines
Scheinwerfers. Schleunigst wurde der Ballon ins Dorf gebracht, und die Japaner lenkten,
da sie nichts erkundet hatten, den Strahl anders wohin.
Die 1. Kompagnie füllte in der Nacht zum 28. Dezember den Ballon und marschierte
nach dem Dorfe Pandjasy.*) Aber die Japaner zögerten nicht: innerhalb weniger Minuten
hörte man Geschützfeuer und in der Nähe des Ballons begannen Schrapnells zu platzen.
Im ganzen wurden 16 Schrapnells abgefeuert, die jedoch den Luftschiffern keinen Schaden
zufügten. Die Japaner hätten ihr Schießen wohl fortgesetzt, w r enn nicht unsere Artillerie,
nachdem sie die gegnerische entdeckt hatte, das Feuer gegen sie eröffnet hätte. Der
ganze Schaden, den dieses Schießen anrichtete, bestand darin, daß im Dorfe ein nicht
zum Bestände des Bataillons gehörendes Pferd getötet wrurde. Die Luftschiffer-Soldaten,
die zum erstenmal ins Feuer gerieten, sammelten die Schrapnellkugeln und -hülsen. 3 )
Am 31. Dezember wurde der Ballon von neuem mit Schimosegranaten beschossen,
aber die nächsten Geschosse fielen auf 300—400 Schritt vom Ballon. Gelegentlich der
Aufstiege wurden japanische Verschanzungen entdeckt, von denen man früher nichts
wußte. Eines ist schlecht: die Beleuchtung; hat man fortwährend die Sonne in den
Augen, dann ist auch das Beobachten schwtr. Das Arbeiten im Frost ist nicht leicht,
obgleich das Wetter im allgemeinen es gut meint.
Bei den Japanern waren noch gar keine Ballons zu sehen.
Nach telegraphischen Mitteilungen sind der 2. Luftschiffer-Kompagnie für die Auf¬
klärung bei Ssandepu ! ) 11 Ehrenzeichen des Militärordens bewilligt worden. Die Kom¬
pagnie ist 4 mal von den Japanern beschossen worden: am 5., 7., 18. und 19. Januar.
Man schätzt, wie es scheint, die Arbeit des Ballons sehr.
6 Ehrenzeichen erhielten Unteroffiziere und Mannschaften, welche aus dem Lehr-
Luftschiffer-Park abgeteilt waren, unter ihnen der Feldwebel Konstantin Wolkor.
Übersetzt durch:
B o e n i s c h, Oberleutnant.
Aeronautische Abzeichen und Schmucksachen.
(Die abgebildeten Muster sind gesetzlich geschützt bezw. ist der Schutz angemeldet.)
Seitdem unsere LuftschifYervereine in überwiegendem Maße die Tendenz
bekunden, sich als Sportvereine zu entwickeln, ein geschichtlicher Prozeß,
der durch das Selbständigwerden der militärischen und der wissenschaftlichen
Aeronautik zu einer Notwendigkeit für die Existenzberechtigung der Vereine
geworden ist, seitdem drängt sich auch immer mehr die Frage hervor nach
Nach russischer Schreibweise wiedcrge*:ebeii.
») Russ. Schreibweise. (I). f.)
3) « Stakan eigtl. „Bierglas -, wohl mit Bezug auf die Form der Sehrapncllhülsen nach Hatzen des
Geschosses.
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der Einführung eines besonderen Klubabzeichens, dessen Führung ein gesetz¬
lich geschütztes Vorrecht für unsere Mitglieder bilden soll.
Der LuftschifTahrtsport befindet sich bei uns in Deutschland vorläufig
noch in einer elementaren Entwickelung im Vergleich zu der Ausbildung,
welchen er ganz besonders in Frankreich bereits erfahren hat. Aber wir
haben allen andern Nationen das voraus, daß er sich bei uns auf einer
sehr breiten Basis entwickelt und daß diejenigen Kreise, welche sich diese
Entwickelung besonders angedeihen lassen, in gesellschaftlicher Beziehung
gleichartiger Natur sind. Es wird nur einer kleinen Anregung zu gelegenem
Zeitpunkt bedürfen, um auf Grund unserer sorgfältig eingeleiteten Vorschulung
in den verschiedenen Vereinen des deutschen LuftschifTerverbandes wie mit
dem Zauberstabe das deutsche Volk sozusagen «zu einer zielbewußten Luft¬
fahrernation zu machen».
Welche Folgerungen sich daraus ergeben werden, für die Entwickelung
der LuftschilTahrt im allgemeinen, für den friedlichen Wettstreit unter uns
und mit anerkannten Aeroklubs des Auslandes, welchen Nutzen in Zeiten
der Gefahr das Vaterland aus dieser regen Sportstätigkeit dereinst wird ziehen
können, möge dem Nachdenken jedes Einzelnen überlassen bleiben.
Eine nicht zu unterschätzende Vorbereitung hierzu ist die Pflege des
Korpsgeistes. Aber wie anders, wie besser kann der Korpsgeist erzogen
werden als zunächst durch besondere Farben, durch äußerliches Abzeichen?
Jede Leistung gewinnt an Interesse für sämtliche Mitglieder, wenn sie mit
den Farben, mit dem Abzeichen des Klubs nicht mehr dem Privatmanne
allein, sondern zugleich der Gesamtheit zur Ehre gereicht. Ganz von selbst
entsteht hierdurch ein edler sportlicher Wettstreit, welcher das Leben
unserer Vereine sehr wesentlich beeinflussen und ihnen ein neues ansehn¬
liches Relief geben wird.
Auf dem LuftschifTertage zu Leipzig, am 4. Dezember 1904, kamen
verschiedene Anträge vom niederrheinischen und vom ostdeutschen Verein
für Luftschiflahrt, welche die dargelegte sportliche Weiterentwickelung zum
Ziele hatten, zur Sprache. In dem Nachfolgenden möchte ich mich aber
lediglich beschränken auf Klubabzeichen und gewissermaßen als Anhang
dazu auf aeronautische Schmucksachen.
Um eine Unterlage zu haben für ein Verbandsabzeichen, waren ver¬
schiedene bekannte Firmen um Auskunft und um Vorschläge gebeten. Es
waren die nachfolgenden Juweliere aufgefordert worden:
1. Eugen Schröder, Berlin W., Leipzigerstr. 35, W., Friedrichstr. 176 u. 185:
2. J. Godet & Sohn, Berlin W., Friedrichstr. 167;
3. J. H. Werner, Berlin W., Friedrichstr. 173;
4. Edmund Decker Nachf., Berlin SW., Kommandantenstr. 82;
5. Theodor Rudolph, Berlin G., Prenzlauerstr. 38;
6. Alfred Roesner, Dresden-A., Sehloßstr. 3;
7. Fr. Fritzhoff, Breslau, Ohlauerstr. 4;
8. J. II. Heimerdinger, Wiesbaden, Wilhelmstr. 32;
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150 €««♦
9. Hessenberg & Co., Frankfurt a. M., Kaiserstr. 13 u. Homburg;
10. Josef Krischer Nachfolger, Düsseldorf, Königsallee 9/10;
11. M. H. Wilkens & Söhne, Hamburg, Jungfernstieg 27/28;
12. Gebr. Stark, Pforzheim;
13. Ad. Schwerdt, Inh. Wilh. Volk, Stuttgart, Tiibingerstr. 31.
Von diesen Firmen hatten die Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 10, 12 und 13
teils Entwürfe mit Preisangaben, teils bereits fertige Musterstücke von Ab¬
zeichen* eingesandt. Für die Firma 7 hatte der Graveur Karl Scheu aus
Breslau zwei Entwürfe eingesandt. Alle diese Vorlagen wurden auf dem
LuftschifTertage vorgelegt. Der Beschluß ging aber dahin, die Abzeichen¬
frage vorläufig den einzelnen Vereinen zu überlassen.
Für die Ausführung des Abzeichens ist die erste Frage die: legt man
einen Luftballon, ein Flugtier oder einen geflügelten Anker der Zeichnung
zugrunde. Die eingesandten Entwürfe hatten zum größten Teil den ge¬
flügelten Anker, und zwar zumeist in der auf dem Umschläge der I. A. M.
dargestellten Form, in Verbindung mit der Sonne als Symbol, zugrunde
gelegt und mehr oder weniger geschmackvoll stilisiert. Man muß in der
Tat zugestehen, daß der geflügelte Anker das trefflichste Symbol des Luft¬
schiffers darstellt. Der Ballon hat stets etwas Plumpes, er unterscheidet
sich oft kaum von der Seemine und ist nebenbei schon so allgemein bei
den Berufsluftschiffern gebräuchlich, daß es wohl wünschenswert ist, für
unsere Sportvereine eine mehr allegorische Form des Abzeichens anzunehmen.
Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß der Ausgsburger V. f. L. für sich
bereits das Ballonbild mit der Devise «.Gut Land!» als Abzeichen eingeführt
hatte. Die Ausführung des Augsburger Abzeichens ist aber eine immerhin
noch gefällige, weil bei ihm, was man selten antrifTt, die Größenverhältnisse
der einzelnen Ballonteile, besonders der Hülle zum Korbe, richtig gewählt wor¬
den sind. Offenbar hat hier ein Künstler die Linien geschickt wiedergegeben.
Der geflügelte Anker, der sich durch Sonne, Wolken und Bänder ver¬
ziert, unendlich mannigfaltig modellieren läßt, versinnbildlicht die Luftschiff¬
fahrt außerdem viel treffender als der hilflose, vom Winde getriebene Ballon.
Der geflügelte Anker versinnbildlicht eben ein bestimmtes Ziel, und ein
solches soll sich jeder Verein und jeder Einzelne bei Ausführung des Luft¬
sportes setzen.
Einige Firmen haben die Freundlichkeit gehabt, die Publikation ihrer
Entwürfe, die unter gesetzlichem Schutze stehen, in dieser Zeitschrift zu
gestatten. Ich freue mich, infolgedessen weitere Kreise mit den teilweise
recht geschmackvollen Zeichnungen bekannt machen zu können.
Der Hofjuwelier J. H. Werner in Berlin hat sich durch große Ab¬
wechselung der zur Verarbeitung gelangten Gedanken besonders ausgezeichnet.
Sehr zierlich sind die Muster 1 bis 4. Nr. 1 stellt ein goldumrahmtes
weißes Emailleschild vor. Zwei graublaue Flügel verdecken teilweise eine
Sonnenscheibe in Gold. Zwei gekreuzte aeronautische Anker in Silber sind
so angeordnet, daß ihre Ringe in den Fittichen liegen.
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Entwurf Nr. 2 stellt einen goldenen Ballon mit zwei zierlich angesetzten
weißen Emaillefittichen vor. Auf dem Ganzen liegt ein silberner aero¬
nautischer Anker.
Entwurf 3 ist der aeronautische geflügelte Anker in einfachem Golde
und Nr. 5 eine Modifikation von Nr. 1 durch Fortlassung des Schildes.
Beim Muster Nr. 5 hat der Künstler einen goldenen Ballon in blau¬
weiß emaillierte, durch Goldlinien umrandete Wolken hineingesetzt. Es ist
recht schwer, Wolken, falls sie nicht stilisiert werden, auf Schmucksachen
schön darzustellen.
Kraftvoll macht sich der schwarzbeschwingte goldene Anker in Muster 6
mit dem karminroten Bande. Auch hier sind alle Konturen mit Goldlinien
eingefaßt. Im Muster 7 wird mit dem schwarzen Emailleadler auch der
Flugtechniker zufriedengestellt werden. Auch hier ist das Band karminrot,
die Wolke blauweiß, Anker und Schrift sowie Umrandungen in Gold.
Recht geschmackvoll in Medaillonform ist auch das Muster von Hof¬
juwelier Josef Krischer in Düsseldorf. Der Anker in reinem Gold oder
mit weißen Emailleflügeln bildet hier teilweise den unteren Rand der mit
himmelblauer Emaille ausgefüllten Felder, aus dessen Mitte rubinrot, mit
goldener Strahlung eine Sonne hervorleuchtet. Das Ganze erhält nach
oben zum Ringe hin einen dekorativen Abschluß.
Die Firma Edmund Decker Nachf. (Leopold Müller) in Berlin hat
das Motiv des geflügelten Ankers mit dahinter liegender strahlender Sonnen¬
scheibe gleichzeitig für verschiedene Schmucksachen für die ballonfahrenden
Deutschen zu verwerten versucht.
Das Klubabzeichen Nr. 13a ist ein golden eingefaßter Schild mit himmel¬
blauer Emaille. Am Grunde tritt ein Teil der Sonnenscheibe hervor, deren
Goldstrahlen das Feld durchziehen. Darüber liegt der aeronautische Anker mit
ultramarinblauen Flügeln. Kleine weiße Flockenwolken sind rechts und links
eingestreut. Unten setzt sich ein grünes Emailleschild mit goldener Schrift,
umrandet von roten Emailleverzierungen, an. Das Abzeichen ist etwas sehr
bunt ausgefallen. Dasselbe mit silbernen Randverzierungen schlägt er auch
als Gürtelschnalle vor.
Recht hübsch macht sich seine einfache goldene Brosche des aero¬
nautischen Ankers mit anhängenden dunklen Tropfen, nach Muster Nr. 10.
Auch die Kolliers in Silber mit Gold und eingelegten Edelsteinen (Muster
11 und 12) dürften nicht weniger als der Haarkamm (Muster 13) unsere
LuftschifTerdamen reizen, wohingegen für Herren ein recht zierliches Muster
in Manschettenknöpfen eingesandt wurde.
Empfehlen würde ich, daß die Stilisierung der Flügel etwas mehr Ab¬
wechselung erhält.
Die Firma Ad. Schwerdt, Inh. Wilh. Volk in Stuttgart sandte eine
kreisrunde emaillierte Bronzescheibe, in welche mit überstehenden Flügel¬
enden der Anker eingezeichnet war. Den Untergrund bildete die strahlende
Sonne. Um den Kreis herum hob sich die Inschrift in Bronze aus der
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Emaille hervor. In den Farben wurden immer drei verschiedene angewendet.
Besonders gut machten sich Rot im Innern, schwarzer Rand, weiße Flügel.
(Muster 11).
Von den übrigen Firmen hatten der Hofjuwelier Schröder und der
Graveur Scheu noch recht originelle Muster vorgelegt, während sich die
anderen mehr oder weniger engherzig an die Nachbildung der Vorbildung auf
dem Umschläge der Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen gehalten hatten.
Besonders hübsch sind auch die abgebildeten Entwürfe (Muster 15 u. 16)
von Carl Scheu aus Breslau. Der Anker ist bei beiden in roter Emaille mit
Goldliniierung ausgeführt, die Flügel sind schwarz mit Gold, die Sonnen¬
scheibe golden bezw. rot und die Schrift hebt sich in milchweißer Emaille
sehr vornehm von der Goldplatte ab. Die Entwürfe sind in ihren Farben
kernig und national.
Im allgemeinen kann man es wohl noch als wünschenswert bezeichnen,
daß die Stücke mehr im Relief ausgearbeitet werden. Die glatte emaillierte
Fläche bietet selbst bei aller Farbenpracht und bei Ziselierung der Gold¬
konturen doch zu wenig Abwechselung. Der vernehmliche Dekor muß mehr
durch Treiben gehoben werden.
Was die Preise anlangt, so sind die darüber verlangten Angaben
natürlicherweise sehr auseinandergehend, je nach der Art der Ausführung
und der Anzahl der bestellten Stücke.
Die Herstellung in reinem Golde ist von keiner Seite aus zugrunde
gelegt worden, wohl aber eine Herstellung in Silber vergoldet, echt und
unecht, mit Emaille und in Bronze emailliert.
Die Einzelpreise bei Silber mit Vergoldung und Emaille betragen durch¬
schnittlich 15 Mark, bei 25 Stück 7,50 Mark, bei 100 Stück 3,50 bis 6 Mark,
bei 500 Stück 2,75 bis 5 Mark, bei 1000 Stück 2 bis 3 Mark; in unechter
Ausführung, mit Emaille, bei 1000 Stück 0,80 bis 1,25 Mark.
Ich kann meinen Bericht nicht schließen, ohne zugleich den hier an¬
geführten Firmen zu danken für die große Bereitwilligkeit, mit der sie einer
besonderen neuen Geschmacksrichtung, dem Luftschiflersport, durch ihre
zahlreichen Vorschläge aus freien Stücken entgegengekommen sind. Wenn
früher mancher vergeblich gesucht hat, wo er seinen Freunden und Ver¬
wandten ein apartes aeronautisches Angebinde erstehen kann, so wird dieser
Zustand heute überlebt sein. Das Kunstgewerbe wird sich, Schritt haltend
mit der Nachfrage, fortan auch unseres Spezialgebietes bemächtigen, es wird
seinerseits aus der ihm zuteil gewordenen Anregung sicherlich neue Ge¬
danken und neue Formen schöpfen. H. Moedebeck.
<K
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153 € 4 ««
Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Die tiefste Temperatur der Atmosphäre.
Die tiefsten bis jetzt in der Natur beobachteten Temperaturen waren
bis vor einem Jahrzehnt die an dem ostsibirischen sogenannten Kältepol in
Werchonjansk gemessenen Kältegrade bis zu — 69,8°. Diese tiefen Tempe¬
raturen, wie sie im sibirischen Winter am Erdboden durch fortgesetzte Wärme¬
ausstrahlung der Erdoberfläche gegen den klaren Himmel zustande kommen,,
wurden in den letzten Jahren übertoflen von jenen Temperaturen, von denen
die Aufzeichnungen der Registrierballons uns aus den hohen Schichten der
Atmosphäre Kunde bringen. Die tiefste so aufgezeichnete Temperatur war
bis vor kurzem die am internationalen Aufstiegstag des Dezembers 1901 von
den Ballons-sondes von Trappes und Meudon gefundene. Die verschiedenen
Thermographen der Ballons von Trappes zeigten damals die Minimalwerte
— 72,9, —69,0, —73,8, —71,4 an, der gleichzeitig in Chalais-Meudon
aufgestiegene Registrierballon zeigte das Minimum —73,1 (im Mittel in
12 800 m Höhe). Die gute Übereinstimmung der verschiedenen Registrier¬
angaben verdient hervorgehoben zu werden, namentlich wenn man damit
die Tatsache vergleicht, daß der Betrag jener sibirischen, an der Erdober¬
fläche gemessenen Minima bis vor wenigen Jahren wegen der Unsicherheit
der Instrumentalkorrektionen um etwa fünf Grad zweifelhaft war.
Daß bei den Verhältnissen der hohen Atmosphäre, wie sie über Mittel¬
europa bestehen, noch wesentlich tiefere Temperaturen in den Höhen bis 20 km
gefunden werden könnten, ist ziemlich unwahrscheinlich. Denn sobald ein Regi¬
strierballon überhaupt die Höhen von 12 oder 13 km erreicht, ist die tiefste
von ihm aufgezeichnete Temperatur nicht mehr abhängig davon, wie hoch
er weiterhin noch steigt, sondern nur davon, in welcher Höhe er jene neuer¬
dings oft genannte obere Inversionsschicht trifft. In dieser Schicht nimmt
ja die Temperatur zunächst wieder zu, unter Umständen um 10 Grad; und
wenn auch einige Kilometer höher oben öfters eine deutliche Temperatur¬
abnahme zu konstatieren ist, so ist diese doch so gering im Vergleich mit
der Temperaturabnahme unterhalb jener Inversionsschicht, daß der Betrag
der Minimaltemperatur fast immer davon abhängt, wie bald jene starke Ab¬
nahme durch die Inversionsschicht abgeschnitten wird. Nun hat ja L.Teisse-
renc de Bort, an dessen Observatorium in Trappes jene wärmere Inver¬
sionsschicht zum erstenmal mit Sicherheit am 8. Januar 1899 festgestellt
wurde, seither durch eine große Zahl von Aufstiegen nachgewiesen, daß die
seither auch von anderen gefundene Inversionsschicht bedeutenden Höhen¬
schwankungen unterliegt, derart, daß sie in barometrischen Depressionen
schon in 8000 m Höhe getroffen werden kann, während sie in Hochdruck¬
gebieten erst in etwa 12000 m erreicht wird. Demnach werden auch in den
Hochdruckgebieten die tiefsten Temperaturen der höheren Schichten ge¬
troffen werden, weil dort oben bis zu großen Höhen die Temperaturabnahme
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 20
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»»*>& ir>4
fortdauert. Auch das oben angeführte Beispiel der bisher tiefsten Temperatur
gehört einem barometrischen Maximum an.
Da nun jene warme Schicht kaum je höher als in 13 000 m gefunden
worden ist, war damit auch eine gewisse Grenze für die möglichen Minimal¬
temperaturen gegeben. Diese Grenze konnte sich aber nur auf die Ver¬
hältnisse beziehen, wie sie in der Atmosphäre oberhalb des westeuro¬
päischen Kontinents herrschen. In anderen Gebieten des Luftmeeres konnten
andere Bedingungen erwartet werden. Den ersten Versuch in der Richtung
dieses Problems stellen die 25 Registrierballonaufstiege dar, die im Auftrag
von L. Teisserenc de Bort im Winter 1901 in Moskau, also in mög¬
lichst kontinentaler Lage, von mir durchgeführt worden sind. Da bei jenen
Aufstiegen aber nur Leuchtgas zur Verfügung stand, wurden Höhen über
12000 m nicht erreicht und in der vorliegenden Frage nur die negative
Feststellung gemacht, daß an jenem nach dem Inneren des Kontinents vor¬
geschobenen Punkte jedenfalls keine besondere Senkung jenes mysteriösen
Inversionsniveaus stattfand.
Nun sind in den letzten Monaten, wie schon früher mitgeleilt,
wiederum im Innern eines großen Kontinents Teisserencsche Instru¬
mente aufgestiegen, und zwar diesmal von Aßmann sehen Gummi¬
ballons getragen. Bei diesen von L. Rotch in St. Louis veranstalteten
Aufstiegen ist am 25. Januar letzthin in 14800 m eine Temperatur von
— 85,6° registriert worden, und zwar auch diesmal in einem Hochdruckgebiet.
Die Feststellung dieser Minimaltemperatur, die die bisher bekannte
gleich um 12 Grade übertrifft (an der Zuverlässigkeit der von Rotch selbst
gemachten Angabe darf wohl nicht gezweifelt werden), bietet ganz be¬
sonderes Interesse, da in Nordamerika erst wenige Aufstiege gemacht
worden sind und nun gleich einer der ersten aus jenen Schichten Angaben
herunterbringt, die in Europa, so viel das Material bekannt ist, bei Hunderten
von Aufstiegen nicht gefunden worden sind. Dies deutet darauf hin, daß
über dem nordamerikanischen Kontinent tatsächlich Verhältnisse der höheren
Atmosphärenschichten vorliegen, die von den unserigen verschieden sind.
So hebt sich offenbar jene Inversionsschicht dort ebenfalls in der Antizyklone,
aber entschieden bis zu größeren Höhen als bei uns. Das ist der unmittel¬
bare Schluß, der aus jener so tiefen Minimaltemperatur auch ohne die
Höhenangabe mit großer Wahrscheinlichkeit hätte gezogen werden können.
Daß die allgemeinen atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse über den Ver¬
einigten Staaten von den unserigen in wesentlichen Zügen abweichen, daß
z. B. die Strömungen der oberen Luftschichten dort viel weniger in Be¬
ziehung stehen zu der Luftdruckverteilung am Erdboden als bei uns, ist
eine in der Meteorologie schon wohlbekannte Tatsache, deren frühere Ver¬
kennung allerdings schon zu lebhaften Kontroversn zwischen amerikanischen
und europäischen Meteorologen geführt hat. Nachdem gleich eine der ersten
Stichproben der neuen Forschungsmethode ein so bemerkenswertes Resultat
gegeben hat, kann man erwarten, daß die Fortsetzung dieser Versuche,
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155 ««««
die mit Unterstützung der Smithsonian Institution stattfinden wird, weitere
Tatsachen von allgemeiner Bedeutung für die Topographie der freien
Atmosphäre ergeben wird. de Quervain.
Internationale Aufstiege Oktober—Dezember 1904.
6. Oktober.
Trappes. Papierballon 18 050 m. — Itteville. Papierballon 18 710 m. — Oxshott
Drachenaufstiege 1680 m. — Guadalajara. Papierballon 12 320 m. — Rom. Bemannter
Ballon; wegen Sturm Auffahrt verhindert. — Zürich. Gummiballon; keine Höhenangabe.
— Straßburg:. Gummiballon 24970(!)m. Bemannter Ballon; Auffahrt wegen Sturm verhindert.
— Hamburg:. Drachenaufstiege 3200 m. — München. (M. Z. A.) Kein Aufstieg. — München.
(Baron v. Bassus.) Gummiballon 1000 m. — Berlin. (A. 0.) Drachenaufstiege 2*400 m.
Gummiballon 2940 m. — Berlin. (L. B.) Bemannter Ballon 840 m. — Wien. (Mil.-aer.
Anst.) Gummiballon 13 990 m. Bemannter Ballon 2900 m. — Wien. (Aeroklub.) (5. Okt.)
Bemannter Ballon 6018 m. — Pawiowsk. Drachenaufstiege 2760 m. Registrierballon; noch
nicht gefunden. — Kasan. Drachenaufstiege 1500 m. — Dorpat. (Jurjew) (Prof. Dr. Sres-
newsky, Meteorol. Obs.) Drachenaufstieg 1380 m. — Blue Hill. Drachenaufstieg 980 m.
Wetterlage. Über dem Südwesten von Europa liegt relativ hoher Druck (Iberische
Halbinsel 765 mm). Von Westen her ist rasch eine tiefe Depression herangezogen, die sich
am 5. mittags an der Westküste von Irland eben bemerklich machte, und deren Zentrum
am Morgen des 6. südlich Christiansand (725), um 8 h p über der Südspitze Schwedens lag.
3. November.
Trappes. Papierballon. Registrierung verwischt worden. — Itteville. Papierballon
13 270 m. — Oxshott. Drachenaufstiege 1060 m. — Guadalajara. Bemannter Ballon 5100 m.
— Born. Bemannter Ballon 16(K) m. — Zürich. Gummiballon. Platzte unmittelbar nach
dem Aufstieg. — Straßburg. Gummiballon 16 000 m. — Hamburg. Drachenaufstiege
1400 m. — München. (M. Z. A.) Kein Aufstieg. — München. (Baron v\ Bassus.) Bemannter
Ballon 4140 m. — Berlin. (A. Ö.) Drachenaufstiege 22S0 m. Gummiballon 10 200 m.
Bemannter Ballon 1940 m. — Berlin. (L. B.) Bemannter Ballon 970 m. — Wien. (Mil.-
aer. Anst.) Bemannter Ballon 3233 m. — Wien. (Aeroklub.) (4. Nov.) Bemannter Ballon
7066 m. — Pawiowsk. Drachenaufstiege 1730 m. Registrierballon; noch nicht gefunden.
— Stockholm. (Schved. Aeronaut. Gesellsch.) Bemannter Ballon; Auffahrt wegen Sturm
verhindert. — Blne Hill. Drachenaufstiege 3408 m.
Wetterlage. Über den europäischen Kontinent zieht sich von W nach E eine
Zone unverändert hohen Luftdrucks (770). Ein tiefes Minimum (730) ist am Morgen des
3. an der mittleren norwegischen Küste erschienen; es pflanzt sich südöstlich fort; das
Zentrum liegt am 4. früh in der Gegend des Finnischen Busens.
1. Dezember.
Trappes. Papierballon 12 080 m. — Itteville. Papierballon 11280 m. — Oxshott.
Drachenaufstiege 1240 m. — Guadalajara. Papierballon 10 900 m. — Rom. Drachenballon
1200 m. — Pavia. (Geophysik. Obs.) Gummiballon 8500 m. — Zürich. Gummiballon; noch
nicht gefunden. — Straßburg. Gummiballon; noch nicht gefunden. — Hamburg. Drachen¬
aufstiege 2740 m. — München. (M. Z. A.) Gummiballon 11470 m. — München. (Baron
v. Bassus.) Gummiballon; noch nicht gefunden. — Berlin. (A. 0.) Drachenaufstiege 2980 m.
Gummiballon 6291 m. — Berlin. (L. B.) Bemannter Ballon 1200 m. — Wien. (Mil.-aer.
Anst.) (2. Dez.) Bemannter Ballon 2476 m. — Pawiowsk. Drachenaufstiege 3700 m. Ballon¬
sonde noch nicht gefunden. — Blne Hill. Drachenaufstiege 1880 m. — St. Louis U. S. A.
'Durch Herrn L. Rotch, Blue Hill.) Registrierballon 6445 m.
Wetterlage. Ein Hochdruckgebiet bedeckt das südwestliche Europa (Biarritz 769).
Über Xordwest- und Nordosteuropa lagern Depressionen, die eine westlich der Skandinav.
Halbinsel 750, eine andere (750) über Westrußland; letztere verwandelt sich im Laufe
des Tages in ein Hochdruckgebiet (765), erstere vertieft sich.
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156
Aeronautische Photographie, Hilfswissenschaften
und Instrumente.
Lehrreiche aeronautische Photographien.
Leider sind gute Landungsbilder äußerst seltene Erscheinungen. Es
hat dies seinen guten Grund, denn es ist häufig unmöglich, den letzten
Moment der Landung auf der Platte festzuhalten, ohne Gefährdung der im
Korbe verbleibenden Ballonfahrer. Andererseits liegt die Schwierigkeit darin,
daß ein Entschluß dazu gehört, kurz nach der Landung einen Augenblick
Nachdruck verboten.
I. „Sehr glatt gelandet!“ nach einer Photographie de* Herliner Vereins für LuftschitTahrt.
alles stellen und liegen zu lassen, wie es liegt, um mit dem bereit gehaltenen
Apparat herauszuspringen und das Bild aufzunehmen. Zumeist werden
die Aufnahmen viel zu spät gemacht und entbehren alsdann des
Reizes der Natürlichkeit: sie machen dann mehr den Eindruck von Auf¬
räumungsarbeiten. Wir möchten unsere Ballonphotographen wegen der
Schwierigkeiten guter Landungsbilder ganz besonders bitten, diesen wert¬
vollen und interessanten Motiven künftighin eine erhöhte Aufmerksamkeit
zu widmen.
Ich habe natürlich zunächst das Landen von Freiballons im Auge.
Daß ein Zuschauer jemals dieses Bild photographiert haben sollte, ist mir
bisher nicht bekannt geworden. Es wäre gewiß ein seltener Zufall bei der
Landung, einen Amateurphotographen in Tätigkeit anzutrefien, aber es ist
nicht unmöglich.
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157 «44
Auch vom Landungsmanöver von Fesselballons, wenn man die letzten
Momente des Einholens so nennen darf, ein Bild mit viel Bewegung, sind
mir charakteristische gute Bilder bisher nicht zu Gesicht gekommen.
Die mir zur Verfügung stehenden drei Landungsbilder stellen aber
erfreulicherweise drei verschiedene Typen der Landung dar, die Hauptmann
v. Tschudi in seiner trefflichen «Instruktion für den Ballonführer>
im Telegramm unterschieden wissen will als «sehr glatt», «glatt» und
«glücklich» gelandet.
Insofern sind diese Bilder also instruktiv, und das insbesondere für
die Neulinge, die erst ballonfahren wollen und denen bei dem Worte
«Landung* ein kleiner Schauer über den Rücken läuft, der erst durch eigene
Erlebnisse überwunden werden muß.
Nachdruck verboten.
II. „Glatt gelandet !“ nach einer Photographie von Hauptinann Mathes.
Die «sehr glatte Landung» (Fig. I) ist eine Aufnahme des Berliner
Vereins für LuftschifTahrt aus dem Jahre 1903, aufgenommen mit Goerz-
Doppel-Anastigmat und der bequemen Goerz-Anschütz-Klappkamera, die dem
Verein von der Firma geschenkt worden ist.
Der Ballon ist noch nicht völlig entleert, der Korb steht, das Schlepptau
liegt lang, rings umher ist noch keine Menschenseele außer den Luftschiflern
zu sehen. Es ist dies ein ausgezeichnetes Stimmungsbild einer Landung
bei ruhigem Wetter in einer anscheinend märkischen Landschaft.
Die «glatte Landung» (Fig. II) ist eine Aufnahme von Hauptmann
Mathes vom Ostdeutschen Verein für LuftschilTahrt aus dem Jahre 1901.
Der Korb hat sich gelegt und drei der Insassen liegen regelrecht an der
Langseite, wie eine kurze SchleifTahrt ihnen die Lage aufgenötigt hat.
Das Bild der «glücklichen Landung (Fig. III), hoch oben in den
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Fichtenkronen, stellt den jetzt im japanischen Hauptquartier in der Mand¬
schurei befindlichen Oberstleutnant v. Foerster, damals Hauptmann in der
Luftschifferabteilung, vor.
Nachdruck verboten.
III. Eine „glückliche Landung !“ nach einer Photographie der LuftsehifTer-Abteilung.
Offenbar hatte bei dieser Landung den bewährten Ballonführer das
Augenmaß getäuscht, oder es haben ihn, was auch möglich, unerwartete
Windverhältnisse unten in den Hochwald geworfen. Jedenfalls müssen wir
ihm dankbar sein, daß er uns diese Situation, die ja auch manch anderer
schon erlebt hat, bildlich hinterlassen hat. q
jc
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Der „Maikarpfen“ der Japaner.
Ich darf wohl das interessante Drachengebilde, das unter dem Namen
Karpfen des Mai » oder nach M r Patrick Alexander als Aerosac in der
Zeitschrift mehrfach besprochen wurde, nochmal auf der Bildfläche erscheinen
lassen. Mag man sich auch. mit der Erklärung des Majors Moedebeck
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befreunden, oder aus dem schönen Strömungsbild des Professors Ahlborn
Schlüsse ziehen, man kommt immer nicht zu einer einfachen An¬
schauung des Vorgangs. Ich möchte daher auf einen ganz bekannten
analogen Vorgang hinweisen, den ich mit M r Alexander bei Gelegenheit der
Erklärung des Aerosac eingehend
erörtert habe, der bisher aber in
der Zeitschrift nicht erwähnt
wurde.
Wenn jemand Nadeln ver¬
schluckt, sei es durch einen un¬
glücklichen Zufall, sei es aus Ver¬
gnügen, wie der Fall eines jungen
französischen Mädchens im vorigen
Jahre gezeigt hat, so wandern
diese Nadeln oft durch den ganzen
Körper durch und kommen nach
einiger Zeit an die Haut, wo sie
Auslaß suchen. Ihre Stellung ist
aber nicht mit der Spitze,
sondern mit dem Öhr voran.
Wenn jemand sich oder an¬
dern ein Haar vom Haupte reißt
und es an beiden Enden frei lassend
zwischen d. h. mit Daumen und
Zeigefinger in der Längsaxe streicht
oder auch gleichzeitig dreht, so
geht das Haar stets mit dem Wurzelende voran zwischen Daumen und
Zeigefinger durch.
Was haben nun Nadeln und Haare mit dem «Karpfen des Mai» bezw.
dem Aerosac zu tun? Einfach, daß sie die glatte Umkehrung des Vorgangs
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zeigen. Durch die abwechselnde Zusammenziehung und Ausdehnung de
Muskeln, durch abwechselndes Vergrößern oder Verkleinern des Reibungs¬
widerstandes an den Längswänden spindelförmiger Körper wird der Stirn¬
widerstand solcher Körper so weit ausgeschaltet, daß sie mit dem dicken
Ende stoßweise vorangehen. Es ist aber offenbar gleichgültig, ob auf
einen ruhenden Keil senkrecht zu seiner Längsaxe das umgebende Mittel Stöße
ausübt, Fig. 1, oder ob etwa zwei Platten, die unter sich bei a, Fig. 2, ge¬
lenkig verbunden sind, dadurch, daß sie in die Keilform plötzlich gebracht
werden, Fig. 3, Stöße gegen das umgebende Mittel ausüben. Dies letztere
ist nun der Fall des plötzlich durch einen Windstoß aufgeblähten Maikarpfen
oder Aerosacs. Er wird, wenn er mit dem dicken, durch einen Ring aus-
gesteiften Ende an einer Stange gegen den Wind gehalten wird, bei jedem
Windstoße gegen den Wind anspringen, auch über die senkrechte Halt¬
lage hinaus, Fig. 4, oder er wird, falls er an einer senkrechten Stange durch
waagrechte Schnur gehalten wird, zeitweilig unter SchlafTwerden der Schnur,
gegen die Stange hinschwimmen, Fig. f>. Die aus der Keilpressung sich er¬
gebende Bewegung wird noch unterstützt durch die Federwirkung der hal¬
tenden Stange, entsprechend den Schwingungen, die z. B. eine Flaggenstange
im Winde ausführt. S. Fig. 4 punktiert. T lT .
J. Hofmann.
Kleinere Mitteilungen.
Internationale LuftschilTer-Vereinigiiiier. Der A£roclub de France hat am 21. Febr.
d. Js. an die ihm bekannten LuftschifTahrtsvereine ein «Reglement d’affiliation» ge¬
sendet, welches am IG. Febr. von seinem Komitee angenommen worden war. ln dem
Begleitschreiben machte der A. C. Fr. auf die Vorteile einer solchen Vereinigung
aufmerksam und erwartete wegen der im April stattfindenden Wettbewerbe etc. bal¬
digsten Beitritt. Sieht man das «Reglement* genauer an, so findet man, daß beabsich¬
tigt ist, alle jene Vereine oder sonstigen aeronautischen Veranstaltungen, welche nicht
gesonnen sind, der geplanten Vereinigung beizutreten, von allen Wettbewerben auszu¬
schließen, wie auch vom Verkehr mit Beigetretenen und ihnen, soweit erreichbar, die
Berechtigung des Bestehens zu entziehen. Charakteristisch hierfür ist § 10 des Reglements,
dem zufolge ein beigetretener Verein die Satzungen des A. C. Fr. annimmt, keinen anderen
als einen ebenfalls beigetretenen Verein mehr als korrespondierenden Verein anerkennt, nur
beigetretene Vereine zu seinen etwa ins Werk gesetzten Preis- und Wettveranstaltungen
zuläßt, auch für die Erteilung der Fahrereigenschaft an seine eigenen Mitglieder
(also auch Offiziere) die beim A. C. Fr. geltenden Bestimmungen als maßgebend aner¬
kennt und sich ihnen unterwirft. Beigetretene Vereine und deren Mitglieder dürfen
ferner an Veranstaltungen nicht beigetretener sich nicht beteiligen. Das Recht, in dieser
Weise gemeinsam mit dem A. C. Fr. den nicht beigetrefenen Vereinen gegenüber unan¬
genehm und fortschritthemmend aufzutreten, erwirbt ein beitretender Verein gegen
Jahresbeitrag von GO Fr. (Unterabteilungen von Vereinen 50 Fr.) und durch Übernahme
weiterer Verpflichtungen, wie z. B. unentgeltliche Mitteilung aller seiner Veröffentlich¬
ungen. technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften, dann Benach¬
richtigung des A. C. Fr. von allen Änderungen in Vorstandschaft, Mitglieder- und
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161
Fahrerverzeichnis, von jeder Änderung der Satzungen, der Beziehungen zu anderen
Vereinen, der Neugründung von Filialen, vom Zusammenschluß mit anderen Vereinen
etc. Als winkende Vorteile stehen dieser Selbstabtütung gegenüber: Teilnahme an
allen vom A. C. Fr. veranstalteten Wettbewerben, verschiedene Kostenermäßigungen bei
Aufstiegen vom Aufstiegsplatz des A. C. Fr. aus, wie auch beim Eintritt in diesen Platz,
Vertretung durch den A. C. Fr. gegenüber Behörden, Empfang der verschiedenen Schriften
und Bestimmungen des A. C. Fr., Gewährung von Preisen bei besondern Wettveranstal¬
tungen beigetretener Vereine, Vertretung in den Preisgerichten etc. Wäre somit eine über¬
wiegende Zahl von Vereinen dazu zu bewegen, daß sie unter den geschilderten Ver¬
hältnissen sich selbst aufgebend beitreten, dann würde es auch gelingen, auf die nicht
beigetretenen einen solchen Druck durch drohende Benachteiligungen auszuüben, daß sie
ihren Untergang in der «Föderation internationale aeronautique* einer erschwerten
selbständigen Fortarbeit vorziehen. Während man in nichtfranzösischen Vereinen noch
mit Recht über die Unbefangenheit erstaunt war, mit welcher eine schleunige Annahme
dieses Reglements ohne weiteres wegen der winkenden französischen April-Veran-
staltungen angeraten worden war, scheint man sich in Paris nachträglich mit der Frage
beschäftigt zu haben, was man wohl dort gedacht und getan haben würde, wenn etwas ganz
Analoges vom Deutschen LuftschifTer-Verband an den A. C. Fr. gelangt wäre. Als eine Folge
solcher Erwägung kann ein am 28. Febr. nachgesendetes Schreiben des Klubs angesehen
werden, nach welchem nun angenommen wird, das Reglement sei nur für die franzö¬
sischen Vereine als bindend gedacht und sei den deutschen Vereinen (und zwar einzeln)
nur als Anhalt oder Muster für Ähnliches vorgelegt worden. Damit würde die Sache in
sich zusammenfallen, da wir in Deutschland bereits unsern LuftschifTer-Verband haben,
wenn nicht in dem Schreiben auch noch ausgesprochen wäre, daß die affiliierten franzö¬
sischen Vereine an außerfranzösischen Wettbewerben nur unter ihren eigenen heimischen
Bestimmungen sich beteiligen, eine Anordnung, die wohl kaum auf Gegenseitigkeit be¬
ruhen kann.
Wenn nun nach dem dargelegten Verlauf die Form, in welcher die Zusammen¬
fassung der verschiedenen LuftschifTervereine zu einer internationalen Confödöration
angebahnt wurde, auch keine sehr glückliche war, so ist doch der Gedanke eines solchen
Zusammenschlusses an sich, wie er ähnlich auch für andere Betätigungen sportlicher
Natur schon anregend, belebend und fördernd gewirkt hat, gewiß nicht von der Hand
zu weisen, weil solche nutzbringende Wirkungen sich eben auch für den Luftschiffahrt¬
betrieb erwarten lassen, der ja höchst wahrscheinlich ohne Konzessionen in sportlicher
Richtung überhaupt schwer vorwärts kommen kann. Es wird sich also um Stellung¬
nahme zu der vom A. C. Fr. ausgegangenen Anregung handeln und damit um die
richtige Wegfmdung zwischen zwei Extremen, denn man kann sich fragen: 1) Bietet ein
solcher Zusammenschluß derartige Vorteile allgemeiner oder besonderer Art, daß ein
Beitritt sich im Interesse der Sache empfiehlt ? oder 2) Ist das Inslebentreten der
«Föderation internationale aeronautique» etwas an sich so verlockend Schönes, daß man
dem zuliebe Schädigungen und Rechtsverzichte gerne in den Kauf nimmt? — Daß
zwischen diesen zwei Standpunkten richtig erwägende Ausgleichungen nicht in ein paar
Tagen gefunden werden können, dürfte jetzt auch vom A. C. Fr. zugegeben werden.
Das Richtige wird sich wohl Bahn brechen. K. N.
Internationaler Preisbewerb für Wettervorhersage. Bei Gelegenheit des Congres
de TAtmosphöre, der ira September dieses Jahres in Lüttich stattfinden soll, beabsich¬
tigt die «Societö Beige d’Astronomie et de Mötöorologie » einen internationalen Preis¬
bewerb für Wettervorhersage zu veranstalten. Die Bewerber müssen während etwa
2 Wochen auf Grund der täglich von den Zentralanstalten herausgegebenen Wetter¬
karten oder nach irgend einer beliebigen Methode die in den nächsten 24 Stunden ein¬
tretenden Witterungsverhältnisse (Druckänderungen, Bahn der Depressionen, Auftreten
Illustr. Aeronaut. Milteil. IX. Jahrg. 21
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und Verschwinden von Stürmen, Hochdruckgebieten etc.) für die verschiedenen Teile
Europas angeben. Die Prognosen können auch telegraphisch von auswärts an die Jury
gesandt werden. Wer mit einem «genügend > aus dieser ersten Prüfung hervorgeht,
bekommt eine Anzahl Wetterkarten aus früheren Jahren vorgelegt, auf Grund deren er
stante pede die Witterung des Nachtags anzugeben hat. Dem besten oder glücklichsten
Prognostiker winkt ein Preis von 5000 Frs. Für «Liebhaber» (!) ist auch eine Konkurrenz
auf längere Sicht vorgesehen ; die Teilnehmer müssen vor dem 30. August ihre detaillierten
Prognosen (namentlich die Luftdruckverhältnisse) der nordwesteuropäischen Witterung
für den ganzen September dem Preisgericht einreichen. Herr Prof. Hergesell, der uns
diese Angaben zur Verfügung stellt, sagt in dem beigelegten Schreiben, worin er die
Beteiligung bei der Jury ablehnt: «er verspreche sich von einer derartigen Einrichtung
keinen Erfolg, sondern sei im Gegenteil der Ansicht, dieselbe könne der Entwicklung der
meteorologischen Wissenschaft nur schaden.» Jedenfalls muß die gute Absicht und die
Initiative der Veranstalter anerkannt werden; aber ein solcher Preisbewerb hat aller¬
dings einen Beigeschmack, der sich schlecht mit unserem Begriff von dem Betrieb der
Wissenschaft verträgt. Q.
Die Flugversuche (1er Gebrüder Wriglit in Nord-Amerika betreffend, wird uns
mitgeteilt, daß darüber im Lauf dieses Jahres eine eingehende Publikation der Erfinder
erfolgen wird. Eine solche ist auch sehr zu begrüßen und zu wünschen, damit man
über jene Versuche, die soviel Erfolg in Anspruch nehmen und über die, soweit die
Angaben zuverlässig schienen, auch schon hier berichtet worden ist (s. Märzheft d. Js.i
an Hand bestimmter Dokumente sich ein eigenes Urteil bilden kann.
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Ostdeutscher Verein für Luftschiffahrt.
ln der Sitzung des Ostdeutschen Vereins für Luflschiffahrt am 21. März im Saale
•des «Königl. Hofes» nahm der Vortrag des Herrn Oberleutnants Hummell über Ver¬
wendung der Brieftauben das Hauptinteresse in Anspruch.
Die Verwendung der Tauben als Überbringer von Nachrichten reicht schon bis an
die Zeit der alten Ägypter zurück, welche bei ihrer Rückkehr von ausgedehnten See¬
reisen gern ihr Eintreffen in dem Heimatshafen durch Tauben im voraus ankündigten.
Eine regelrechte Brieftaubenpost führten die Kalifen von Bagdad ein, und diese Ein¬
richtung erhielt sich jahrhundertelang im Morgenlande. Durch die Kreuzzüge wurde
dann die Verwendung der Taube als Nachrichtenübermittlerin auch im Abendlande
bekannt, trat aber in größerem Maßstabe erst während des Befreiungskampfes der
Niederlande im 16. Jahrhundert auf. Erst am Anfang des vorigen Jahrhunderts in den
napoleonischen Kriegen fand eine planmäßige Benutzung der Tauben statt und besonders
wußte der Bankier Rothschild sich mit ihrer Hilfe rasche und sichere Mitteilungen von
seinen Agenten, die den einzelnen Heeren folgten, zu verschaffen, ein Umstand, den er
auf das geschickteste bei seinen Spekulationen zu benutzen verstand. Im Jahre 1870
bot ein französischer Taubenzüchter der Regierung 300 Tauben an, wurde aber zunächst
abgewiesen. Später nahm man aber doch gern sein Anerbieten an und schaffte die
Tauben nach Paris. Die guten Erfahrungen, welche man neben manchen Mißerfolgen
bei der Belagerung machte, erweckten das lebhafte Interesse aller beteiligten Kreise,
sodaß während der ganzen Belagerung 381 Tauben aus Paris abgelassen werden konnten,
von denen zwar nur ein Drittel den Heimatsschlag erreichten, welche aber auch 60 000
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Depeschen in die richtigen Hände ablieferten. Die erste deutsche Militärbrieftauben¬
station entstand im Anfang der 70 er Jahre in Köln und zwar bildeten den Stamm hier
Tauben, welche ein Liebhaber des Taubensportes dem Fürsten Bismarck geschenkt hatte.
Allmählich wurden noch andere Festungen damit versorgt, und heute verfügt jede
Festung über eine ausreichende Anzahl sorgfältig erprobter Tauben. Ihre Ausbildung
erfolgt naturgemäß staflelweise, man beginnt mit Entfernungsflügen von 10 km und
steigert sie immer mehr, bis zu 200—250 km, ja sogar 3 —400 km. Besonders ausge¬
zeichnete Exemplare vermögen selbst bis auf eine Entfernung von 600 km sich zu
orientieren, wie das von Tauben, die im Besitz von Züchtern im Westen Deutschlands
sind, bei ihrem Flug von Italien über die Alpen bis nach Mitteldeutschland erwiesen
worden ist.
Der Vortragende erklärte sodann an lebenden Tauben die verschiedenen Arten
der Befestigung der Depeschen, zu welchen teils sehr dünnes Papier (z. B. bei Flügen
vom Ballon aus, von Patrouillen usw.), teils sehr dünne und leichte Kollodiumhäutchen
verwendet werden, auf welchen durch starke photographische Verkleinerung Negative
von Sammeldepeschen hergestellt werden. Besonders interessant war eine hierbei vor¬
gezeigte Verkleinerung eines Doppelblattes des « Geselligen > in einer ungefähren Größe
von 4X5 cm.
Auch die Mittel zum Transport der Tauben, sei es im Ballon, sei es durch einen
Reiter, wurden vorgeführt und die besonderen Vorschriften und Bedingungen für die Ver¬
wendung der Tauben im Ballondienst eingehend erläutert.
An den mit vielem, wohlverdientem Beifall aufgenommenen Vortrag knüpfte sich
eine kürzere Diskussion, in welcher u. a. erwähnt wurde, daß von Liebhabern des Tauben¬
sports bis zu 15(XX) Mk. für besonders hervorragende Exemplare gezahlt wurden, daß
ferner unter besonders günstigen Umständen die Geschwindigkeit der Tauben 100 km
pro Stunde betragen kann, und daß endlich die Tauben durchschnittlich ein < Dienst¬
alter > von 12 Jahren erreichen.
Im geschäftlichen Teil wurde von dem Herrn Vorsitzenden mitgeteilt, daß am 4.,
5. und 6. April nach getroffenen Vereinbarungen internationale wissenschaftliche Auf¬
fahrten stattfinden sollen; der Verein wird daher ebenfalls an einem dieser Tage, wenn
irgend möglich, eine Freifahrt veranstalten.
Der durch seine Alpenfahrten bekannte Ballonfahrer Spelterini hat eine Einladung
des Vereins, hier in Graudenz einen Vortrag zu halten, wegen Geschäftsüberbürdung
abgelehnt, aber sein Kommen für eine spätere Zeit in Aussicht gestellt. Es folgte sodann
ein kurzer Bericht über die Bestrebungen des «Aeronautique Club de France», durch
Einsetzung eines Studienausschusses für Luftphotographie wissenschaftliches Material
für meteorologische und topographische Untersuchungen zu erhalten. In diesem Jahre
schreibt auch der obengenannte Klub einen internationalen Wettbewerb für Photogra¬
phien (Aufnahmen der Erde vom Ballon aus und Aufnahmen von meteorologischen
Erscheinungen vom Ballon und der Erde aus) mit Einsendungsfrist bis zum 30. Oktober
d. Js. aus. über den in dieser Zeitschrift schon berichtet ist.
Am Schluß der Sitzung wurden als neue Mitglieder in den Verein aufgenommen:
Die Herrn Generalmajor Frhr. v. Falkenste in, Kommandant von Graudenz, Landrichter
Bresler aus Marienwerder, French, Kunstgärtnereibesitzer in Graudenz, S. J. Kiewe,
Kaufmann, Lt. Langmeyer, Inf.-Rgt. 175, Lt. Honig, lnf.-Rgt. 175, Lt. Dimter, Bez.-
Adj. Graudenz, Oblt. Hummell, 1. Ing.-Inspektion, Ohlenschlaeger, Fabrikbesitzer in
Christburg, West-Preußen. Die Aufnahme so vieler neuer Mitglieder bildet ein erfreu¬
liches Zeichen dafür, daß die Bestrebungen des Vereins in immer weiteren Kreisen
Freunde und Anhänger finden.
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»*►» 164 «**■
Von London nach Paris im Ballon in 6 Stunden. 1 )
Von Jacques Faure.
Übersetzt aus «La vie au grand air> vom lti. Februar l‘J05 durch v. Milczewski.
H45 abends — Labt — los! Unser « Aero-Club II* hebt sich plötzlich durch die
Kraft der 1600 cbm Gas, welche ihm Leben verleiht, und verläßt schnell die englische
Erde. Mein Vetter Herbert Latham sieht mich an, ich erwidere den Blick; ein langer
Seufzer der Genugtuung entringt sich unserer Brust:
Beinahe wären wir nicht abgereist! Nach allem dem Langweiligen, allem dem
Schwierigen, das unserer Abreise vorausging, hätten abergläubische Leute sicher darauf
verzichtet, das Abenteuer zu versuchen, welches darin liegt, den Kanal im Ballon zu
überschreiten.
Denn wenn wir jetzt von einiger Höhe aus London betrachten können, das sich
bereits mit Lichtern bedeckt, wenn wir den von einer riesigen, schwarzen, wimmelnden
Menge erfüllten Crystal-Palast sehen können und bereits unsern nahen Erfolg erhoffen,
so verdanken wir dies nicht der Nordbahn, den französischen Zollbeamten und dem
Direktor der Gasfabrik in Douvres.
In Paris beginnt die Gepäckexpedition damit, mir zu bedeuten, daß meine beiden
Gondeln — denn ich besaß zum Glück, wie man gleich sehen wird, deren zwei — und
mein ganzes Begleitgepäck zu groß und zu umfangreich seien. Es gibt Erörterungen
und Verhandlungen, bis ich endlich triumphiere.
In Calais ein neues Lied: Die französischen Zollbeamten verweigern die Beförderung
einer meiner Gondeln, die ich mit einem C. G. V. Motor ausgerüstet hatte, der die
Kapferer-Schrauben (les helices sustentatrices de Kapferer) antreiben sollte. Erneute
Verhandlungen. Diesmal unterliege ich. Es ist geradezu komisch, aber nichtsdesto¬
weniger muß ich mich damit begnügen, meine zweite, gewöhnliche Gondel ohne Motor
einznschilTen. Teure Gondel, in der wir uns jetzt befinden, ohne dich müßten wir auf
unser Vorhaben verzichten.
In Dover verweigert die Gasanstalt unsere Ballonfüllung. Warum?
Aber der Wind ist günstig. Darum schnell nach London. Neue Gepäckexpe-
dierung, schneller Transport nach dem Crystal-Palast, der uns gütigst Gas bewilligt hat.
Die Füllung und Abreise müssen übrigens eine sensationelle Neuheit sein, denn
die Menge strömt zu Haufen herbei.
6 30 abends schaukelt sich leicht der «Aero-Club», durch die Halteseile fest¬
gehalten.
Eins nach dem anderen geben sie frei. Der Wind ist immer noch günstig. Laßt los!
6ä£. Jetzt sind wir schon 2000 m hoch. Die Nacht, eine sehr klare übrigens, ist
völlig hereingebrochen. Der Mond sieht so glänzend aus, daß Latham erklärt, wir
müßten ihm sehr nahe sein.
7 30. London ist schon fern. Trotzdem bemerken wir seine Lichter noch.
7^ü. Wir nähern uns augenscheinlich dem Meere. Auch fallen wir nun langsam
bis auf etwa 1000 ni.
8 Uhr. Da ist das Meer. Unter dem Monde sehen wir in der Tat eine weiße Linie
auf uns zukommen. Darüber bemerkt man einen schwarzen Hintergrund ohne ein Licht.
Es ist das Ufer und seine Brandung, es sind die geheimnisvollen Fluten.
Dis-donc Herbert! Bist du immer noch entschlossen?
— *A11 right!
Aber wenn der Wind nach Westen umspringt.
Er wird nicht nach Westen umspringen.
Nun das ist auch meine Meinung, aber ich will dich nicht ohne eine letzte Zu¬
stimmung in diese Fahrt hineinziehen.
*) Bezieht sieh auf die Fahrt vom 11. 12. Februar. Seither hat Faure. dessen Bildnis wir um¬
stehen«! bringen. am 6. April zum zweitenmal, von Folkestone aus. den Kanal überflogen. D. Red.
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»►fr» 165 €«<
Go on!
Allons!
8Ü2. Wir überschreiten in fantastischer Vorwärtsbewegung die Küstenlinie.
815. Wir sind bereits auf hoher See. Nun wollen wir den Stabilisator (stabilisa-
teur) Herv£ gebrauchen.
Welch bewunderungswürdiger Apparat übrigens! Wir lassen uns buchstäblich
fallen, als ob wir tauchen wollten, oder wie ein Raubvogel, der in schwindelndem Sturz
grade auf das Ziel stoßen will.
Und plötzlich ein Halt ohne heftigen Prall, ein milder Halt. Unser Taucher (plongeon)
ist soeben durch den ganz sanften Puffer aufgehalten worden, welchen der Stabilisator
bildet. Er hat Berührung mit dem Meere genommen und uns bis zum vollkommensten
Gleichgewicht entlastet.
9 Uhr. Wie rasend schnell unser Lauf! Der Wind saust und führt uns dicht über
den Wogen mit einer Geschwindigkeit, welche wir auf etwa 100 km in der Stunde
schätzen.
Die Nacht ist noch immer klar, der Mond glänzt dort oben und während die Flut
unter der Gondel ihr dumpfes Lied ertönen läßt, sind unsere Augen unwiderstehlich durch
die Furche des Stabilisators angezogen, der von uns geschleppt wird und eine silberne
Spur auf den schwarzen, mit leuchtendem Schaum bedeckten Fluten zieht.
Nachdruck verboten. 9SÖ - Der Wind wird immer heftiger.
Bei dieser Schnelligkeit werden wir die französi¬
sche Küste nicht mehr weit von uns haben.
Also wird es klug sein, wieder aufzu¬
steigen. Ein letzter Blick auf das ergreifende
Schauspiel des sturmgepeitschten Meeres und
wir steigen. Allmählich verläßt der Stabili¬
sator die Flut und die Tropfen, welche sich
von ihm trennen, sind ebensoviele Sterne
welche in das Nichts fallen.
950. Jetzt sind wir auf 1000 m.
Nach dem Geräusch des Meeres ist die
Ruhe der Nacht so tief, daß uns Bewegung er¬
greift. Unsere Nerven sind nicht überreizt,
sondern angenehm erregt durch das tiefe
Schweigen zu unsern Häuptern, durch das
dumpfe Murmeln, welches aus der Ferne, aus
dem Abgrund unter unsern Füßen, zu uns
dringt.
10 Uhr. Auf hohem Meere bemerken
wir die Feuer zweier Paket-Boote. Von so
hoch oben gesehen, glitzern sie wie einfache Glühwürmchen, die in klarer Sommernacht
im Moose sitzen. Eins der Paket-Boote geht nach England, das andere, welches wir
einholen, steuert grade auf die Küste von Frankreich zu.
10Q5. Ein Leuchtturm!' Es ist der von Dieppe.
Wir gehen grade auf ihn zu.
1010. —Hurrah! Die Küste, die Ankunftslinie, wir eilen grade über Dieppe hin
1015. Wir halten Kriegsrat. Wollen wir weiter? Unsere Entscheidung ist schnell
gefaßt. Wir haben noch viel Ballast.
Der «Aero-Club» hält sich wunderschön. Wir wollen weiter. Wenn der Wind
uns in der Richtung auf Paris zufällig weiter treiben sollte, so würden wir schneller
at home sein.
11 Uhr. Wir fahren noch immer. Wir sind übrigens nicht sehr sicher über
unsere genaue Richtung. Obgleich der Wind weniger heftig ist, seitdem wir das Meer
M. Jacques Faure.
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verlassen, kann bei unserer Geschwindigkeit der geringste Drehungswinkel den Landungs¬
platz bedeutend verändern.
Von Zeit zu Zeit sieht man Lichter, welche die schwärzer gewordene Nacht durch¬
brechen. Dann wieder verlöschen die Lichter und von neuem ist es der Tunnel ohne
Ausgang, in den wir uns voll Vertrauen hineinstürzen.
Mitternacht. Und wir eilen noch immerauf Windesflügeln. Weichehewunderungs¬
würdige Reise. Der Kanal ist jetzt schon weit entfernt.
1 Uhr. Herbert fährt plötzlich auf.
Sieh doch, der Tag bricht an !
Unmöglich, es ist erst 1 Uhr Morgens.
Sieh nur!
Das sind die Lichter einer Stadt, einer sehr großen Stadt.
— Immer vorwärts, wir werden ja sehen.
125. Die Helligkeit, w r elche der Stadt ihren Ursprung verdankt, nimmt zu.
Aber — das ist ja Paris, das kann nur Paris sein.
Oh Paris! antwortet Herbert. Wie schön. Wir wollen nur gleich auf der Place
de la Concorde landen.
Wollen wir nicht weiter?
Nein, London—Paris das ist eine schöne Leistung.
Du hast Recht. Wir wollen landen, aber nicht auf der Place de la Concorde.
110. Wir sind im Begriff, so nahe wie möglich an den Wällen zu landen. Hier
ist grade die Plaine d'Aubervilliers. Der Wind saust gefahrdrohend. Also greifen wir
zu großen Maßregeln.
115. Wir reißen. Eine SchleifTahrt von 200 Metern — die Fahrt ist beendet! —
Wir entschließen uns, nun ein w^enig zu schlafen, Herbert in der Gondel, ich in
einem benachbarten Backofen.
Und wenn der Tag anbrechen wdrd, werden wir uns einen einfachen Wagen nehmen,
um die w T old gefaltete Hülle unseres « Aero-Club II» davon zu tragen.
Bibliographie und Literaturberieht.
l'ber Drachen Verwendung zur See. 1 ) Von k. und k. Hauptmann Th. Scheimpflug.
In den «Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens* Jahrg. 1904, Heft IV. u. V.,
veröffentlicht Herr Hauptmann Scheimpflug eine lesenswerte Studie über die Verwendbar¬
keit des Drachen für Personenaufstiege zur See, als Ersatz für Fesselballons. Die frag¬
liche Arbeit ist auch als Separatabdruck erschienen. Der behandelte Stoff ist in folgende
fünf Abschnitte gegliedert: 1. Allgemeine Gesichtspunkte; 2. Kurze historische Skizze
betreffend die Verwendung von Drachen für meteorologische Zwecke (nach Rotch und
Aßmann); 3. Theorie der Drachen; 4. Die zum Heben von Menschen mit Drachen in
Betracht kommenden Kraft- und Größenverhältnisse; 5. Die Handhabung der Drachen
a) zum Heben von Lasten (Menschen, photographische Apparate), für militärische Zwecke,
b) zu meteorologischen Hochaufstiegen.
Im ersten Kapitel diskutiert der Autor eingehend die Gründe, welche es wünschens¬
wert erscheinen lassen, an Stelle der Fesselballons Drachen für Rekognoszierungs-Auf¬
stiege zu verwenden. Es wird dargelegt, daß der Drachen namentlich in folgenden
Punkten dem Fesselballon überlegen wäre: er ermöglicht Aufstiege bei Windstärken von
0 bis 10, während Fesselballons, selbst der Drachenballon schon bei der Windstärke 7
i8 bis 10 m/sec.) recht unruhig und damit praktisch unverwundbar werden; das Manö¬
vrieren mit Drachen ist auch auf kleinen Schiffen möglich, birgt keine Gefahr für das
Schiff und wenig Gefahr für den Drachen,; Reparaturen lassen sich leicht und rasch mit
Bordmitteln ausführen. Der Autor spricht die Ueberzeugung aus, daß die Leistungs¬
fähigkeit einer modernen Flotte durch eine zweckmäßige Verwendung von Drachen in
hohem Maße gesteigert wrerden könnte. Als Beleg zu dieser Behauptung werden drei
>) Wurde schon 1904, S. H40 angezeigt: eine eingehendere Besprechung scheint aber von Interesse.
D. Red.
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praktische Beispiele angeführt, welche die außerordentliche Verwendbarkeit des be¬
mannten und des unbemannten Drachen (letzterer für photographische Terrainaufnahmen)
zur See dartun sollen.
Im zweiten Kapitel der besprochenen Broschüre findet man eine ziemlich voll¬
ständige Zusammenstellung der Entwicklung der Drachentechnik bis auf die neueste Zeit.
Als besonders wichtig erscheint der dritte Abschnitt, welcher über die Theorie
der Drachen handelt. Die Darstellung lehnt sich, wie ausdrücklich betont wird, im
wesentlichen an die Arbeiten von Marvin und Prof. Koppen an, der Autor versuchte
jedoch «durch Hervorhebung der entscheidenden technischen Bedeutung des Kräfte¬
zentrums dem Stoffe eine neue Seite abzugewinnen*. Unter Zugrundelegung des Be¬
griffes des «Kräftezentrums» werden die Stabilitätsbedingungen der Drachen zunächst
allgemein beschrieben und hierauf zur Charakterisierung der bekannteren Drachentypen
(Hargrave-, Marvin-, Malay- und Nikel-Drachen) verwendet. Als «Kräftezentrum» oder
«ideeller Aufhängungspunkt» wird der Sstanttpunkt der durch den Schwerpunkt des
schwebenden Systems (Drachengewicht samt Nutzlast) gezogenen Lotlinie mit der
verlängerten Mittelkraft des gesamten Winddruckes gegen die Drachenflächen definiert.
Der Autor vergleicht das Kräftezentrum der Drachen mit dem Metazentrum der Schiffe
und betrachtet den Abstand des Kräftezentrums vom Schwerpunkt als Maß der longi¬
tudinalen Stabilität eines Drachen. Dieser Vergleich des Kräftezentrums mit dem Meta¬
zentrum eines Schiffes ist allgemein wohl nicht zulässig und dürfte eher verwirrend als
klärend wirken. Das Wasserschiff stellt nämlich ein völlig freischwingendes System dar.
ln Abwesenheit äußerer Kräfte stellt sich ein Schwimmkörper im stabilen Zustande be¬
kanntlich stets so ein, daß der Massenmittelpunkt lotrecht unterhalb des Auftriebsmittel¬
punktes liegt. Der durch den Wind in der Luft in Schwebe gehaltene Drachen bildet
dagegen kein freischwingendes System. Der Begriff des Kräftezentrums reicht zur
quantitativen Beschreibung der Stabilitätsverhältnisse eines Drachen nicht aus und macht
die detaillierte Betrachtung der Drehungsmomente nicht überflüssig.
Der Autor überträgt seine Anschauung über die praktische Bedeutung des Kräfte¬
zentrums auch auf die Flugtechnik und stellt den Satz auf: «Die Richtung der treiben¬
den Kraft bei Flugwerken muß ebenfalls, wenn sie gleichmäßig fliegen sollen, durch
diesen Punkt (i. e. das Kräftezentrum) gehen; dieser Umstand wird meines Wissens zu
wenig gewürdigt, obwohl er für die Frage, ob als Motor Flügel oder Schrauben zu ver¬
wenden sind, von entscheidender Bedeutung ist. Schraubenflieger sind infolge dieses
Umstandes nur mit sehr geringen Höhen des Kräftezentrums ausführbar, wogegen bei
Flügel-Fliegern das Kräftezentrum beliebig hoch liegen kann». Dieser Argumentation
kann der praktische Flugtechniker wohl nicht beistimmen! Entscheidend für die Stabilitäts¬
verhältnisse von ballonfreien Luftfahrzeugen sind in erster Linie die Drehungsmomente,
w*elche bei eventuellen Kippbewegungen auftreten, während die Lage des Kräftezentrums
ohne jede praktische Bedeutung ist.
Die Kenntnis der Richtung und Größe des Winddruckes gegen eine konkrete
Drachentype ist für den praktischen Drachenkonstrukteur von größter heuristischer Be¬
deutung. Herr Hauptmaun Scheimpflug gibt nun eine ebenso originelle wie einfache
Methode an, um die beiden genannten wichtigsten Elemente jeder Drachentype jederzeit
leicht bestimmen zu können; er schlägt vor, den Drachen bei kurzer Anbindung unter
gleichzeitiger Messung des Zuges von der Seite zu photographieren. «Auf den ent¬
wickelten Bildern braucht man bloß den Schwerpunkt des Drachens einzuzeichnen, durch
ihn eine Vertikale zu ziehen und diese mit der verlängerten Richtung der Drachenleine
zum Schnitt zu bringen, um die genaue Lage des Kräftezentrums zu finden. Trägt man
das Gewicht des Drachens auf der Vertikalen, den gemessenen Seilzug des Drachens
von K (dem Kräftezentrum) aus auf, so braucht man nur das Kräftedreieck zu schließen,
um auch Richtung und Größe des Winddruckes zu haben.»
Im Schlußteile des dritten Kapitels berichtet der Autor über seine praktischen
Erfahrungen beim Experimentieren mit Nikel- und Hargrave-Drachen. Von den ersteren
sagt er: «Gekielte Nikeldrachen haben sich sehr gut bewährt, sie sind sehr stabil, nehmen
sich prächtig in der Luft aus und beanspruchen den Haltedraht nicht übermäßig. Sie
lassen sich auch ohne Schwierigkeit und ohne Beeinträchtigung ihres freien Spieles gut
hintereinanderschalten.» Einen Nachteil der Nikeldrachen sieht der Autor darin, daß
sie, «wenn sie leicht gebaut sind», «starke Winde nicht vertragen», und «wenn stark
gebaut» «zu schwer sind, um ohne starken Wind anzugehen». «Um wirklich rationell
mit ihnen zu arbeiten, müßte man, strenge genommen, für jede Windstärke andere
Drachen haben, was doch nicht gut angeht, um so weniger, als sie kompliziert in der
Bauart und infolge dessen teuer sind und viel Raum beanspruchen.» Von den Hargrave-
bezw. den Marvin-Drachen sagt der Autor, sie seien «das Beste», was er «bis jetzt
kenne». «Marvin-Drachen sind weder zu steif, noch zu rank ; ... sie arbeiten erstaunlich
weich, beanspruchen daher ihren Haltedraht beinahe nie übermäßig und sind ungemein
stabil.»
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168
Man kann dem enthusiastischen Urteil des Autors über den Marvin- Drachen
völlig heistimmen, ohne deshalb seine Ansicht über die praktische Verwendbarkeit
der Nikel-Drachen zu teilen.
Ein begründetes, objektives Urteil über die Leistungsfähigkeit einer bestimmten
Drachentype läßt sich, wie schon Marvin ausdrücklich betont hat, «nicht nach dem bloßen
Augenmaß* abgehen, sondern einzig und allein auf Grund möglichst eingehender quanti¬
tativer Versuche, wobei alle jene Größen, welche in den analytischen Ausdruck für den
Wirkungsgrad eingehen, möglichst genau gemessen werden müssen.
Ob also der Marvin- oder der Nikel-Drachen oder irgend eine andere Type die
rationellere Drachenform darstellt, darüber kann heute noch niemand etwas Bestimmtes
aussagen, da vergleichende Messungen bisher leider nicht angestellt wurden. Die Durch¬
führung derartiger quantitativer Untersuchungen über den flugtechnischen Wirkungsgrad
verschiedener Drachentypen wäre im Interesse der Sache gewiß sehr wünschenswert!
Im vierten Kapitel rechnet der Autor unter Zugrundelegung der Marvin-Type eine
Drachenkonstruktion zum Heben von Menschen vollständig durch. Auf die Details der
Rechnung kann hier nicht näher eingegangen werden. Wer sich für das vorliegende
Problem interessiert, muß die Originalabhandlung zur Hand nehmen.
Der zweite Abschnitt des letzten Kapitels handelt über die meteorologischen Hoch¬
aufstiege. Bezüglich der technischen Durchführung von Hochaufstiegen für meteoro¬
logische Zwecke empfiehlt der Autor die Nachahmung der von Teisserenc de Bort durch¬
gebildeten Methode; dieselbe besteht darin, daß das Hauptkabel aus einzelnen Drahtstücken
von je 500 m Länge zusammengesetzt ist, deren Zerreißfestigkeit nach unten zu fort¬
während wächst. Nach dem vom Autor gegebenen Schema wären, um l ) einen Aufstieg
bis zu ca. 4000 m Höhe durchzuführen, 14 Drachen nötig u. zw , 10 Drachen zu je 8 qm
und 4 zu je 5 qm Tragfläche. Die gesamte Drachenfläche müßte demnach 50 qm be¬
tragen; die Festigkeit des Fesseldrahtes soll von 50 kg (im obersten Drahtgliede) bis auf
660 kg Zerreißfestigkeit im untersten Drahtgliede wachsen. Entgegen der Anschauung
des Autors findet Referent die Durchführung von Hochaufstiegen nach dem Arbeitspläne
von Teisserenc de Bort allgemein wohl nicht als empfehlenswert u. zw. hauptsächlich aus
dem Grunde, weil der flugtechnische Wirkungsgrad eines Aufstieges und somit auch der
ökonomische Nutzeffekt einer Drachenstation um so kleiner wird, je mehr Hilfsdrachen
verwendet werden müssen, um eine bestimmte Höhe zu erreichen. Die Arbeitsmethode
von Teisserenc de Bort ist wohl praktisch sehr bequem, allein sie ist auch sehr un¬
ökonomisch und soll deshalb nur angewandt werden, wenn die Kostenfrage gar keine
Rolle spielt. Will man dagegen mit einem möglichst großen ökonomischen Nutzeffekt
arbeiten, so muß man stets darauf bedacht sein, mit der geringst möglichen Anzahl von
Hilfsdrachen eine vorgegebene Höhe zu erreichen. Nim führ.
, ) Bei Windstille oder sehr schwachem Wind von Bord eines Motorbootes aus.
Totenschau.
Oboist Charles Reimrd t. Am 18. April ist Oberst Charles Renard im Alter von
57 Jahren in seiner Wohnung in Meudon plötzlich verschieden. Seine Beerdigung fand
in Lamarche (Vosges) statt. Wir werden auf das Leben und die Wirksamkeit dieses um
die Luftschiffahrt so verdienten Mannes bald ausführlicher zurückkommen.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet\
Sie Redaktion.
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
aMt 4+ j m- '»-nt '«*. -m- ^ s-ar-t-*«.><,*■ >*,.*<
IX. Jahrgang. hmi Jnnl 1905. **■ 6. Heft.
i»*'«- *-.».*-*x **-jt »-K w.'ak.'vr-ak-»'^ » -ms- «-k »-«-
Charles Renard f.
Charles Renard ist tot! Unerwartet, unvermutet ist er uns plötzlich
entrissen worden. Uns, müssen wir betonen, weil wir mit seinem Tode
einen Verlust beklagen, den alle Freunde der Luftschiffahrt mitempfmden
müssen. Seine Schaffenskraft, seine Erfolge waren gewaltige. Mehr als
30 Jahre hindurch hat dieser gottbegnadete Forscher seine reichen Gaben
in den Dienst der Aeronautik gestellt. Kein Wunder daher, wenn er weit
über seine engere Heimat hinaus die gleichgesinnten Geister in der Welt
mit sich riß und um sich scharte und ihr Führer und Berater wurde, wie
solches in seiner Wahl zqm Präsi¬
denten der Internationalen aeronau¬
tischen Kommission zum Ausdruck
gelangte.
Ch. Renard hat das große
Verdienst gehabt, den Augiasstall der
vorgefaßten Meinungen gegen die Luf t¬
schifTahrt im 19. Jahrhundert gründ-
lichst gesäubert zu haben. Seine
Versuche mit dem Luftschiffe «La
France >, die er zusammen mit Krebs
und mit seinem Bruder Paul in den
Jahren 1881/85 anslellte, bilden einen
kulturgeschichtlich bedeutsamen Wen¬
depunkt in der allgemeinen Beurteilung
des Luftschiffes. Frankreich verdankt
ihm seine Luftschiffertruppe und man
darf behaupten, das Inslebentreten
der Luftschiffertruppen aller anderen
Armeen, nach diesem mit Erfolg ge¬
krönten Vorgänge Frankreichs, ist indirekt auf Charles Renards Arbeit
zurückzuführen.
Auch für die Erforschung des Luftozeans mit den heute so allgemein
gebräuchlichen Sondierballons mit registrierenden Instrumenten wies Renard
uns als erster die Wege.
Seinen Lebensgang und seine zahlreichen Verdienste näher darzulegen,
überlassen wir dem ihm persönlich nahestehenden und befreundeten Oberst¬
leutnant Espitallier. Es ist aber unsere Pflicht, dem auch bei uns allgemein
hochgeschätzten französischen Offizier und Gelehrten in dieser Zeitschrift
auch aus deutscher Feder die Ehrung zum Ausdrucke zu bringen, welche
llluslr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrji. 22
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170
diesem bedeutenden Manne gebührt, dessen Andenken über Jahrhunderte
hinaus ein ewiges bleiben wird.
«Denn wer den Besten seiner Zeit genug getan, der hat gelebt für
alle Zeiten. > H. Moedebeck.
Über das Lebenswerk von Oberst Renard.
Charles Renard wurde am 23. November 1847 zu Datnblain (Vogesen)
geboren. Nachdem er sein Examen bestanden hatte sowohl für die «Ecole
normale» (le 3 me ) als auch für die «Ecole Polytechnique» im Jahre 180t>,
wählte er die letztere, aus der er eintrat in die Waffe des Geniekorps.
Während des Krieges von 1870 war er anfangs bei der Loire-Armee, später
bei der Armee Bourbakis.
Im Jahre 1873 war er Leutnant im 3. Genie-Regiment zu Arras und
erfand dort einen lenkbaren Fallschirm nach Jalousie-System 1 ) (parachute
dirigeable ä persiennes), den er von der Höhe des Turmes St. Eloi abzu¬
lassen versuchte; da diese Ablaßstelle nicht sehr geeignet war, wurde der
Bau eines Ballons zur Fortsetzung der Versuche beschlossen. Alle Kameraden
halfen ihm bei dieser Konstruktion; der Ballon indes — aus Sparsamkeits¬
rücksichten etwas zu unvollkommen hergestellt — wurde durch einen Wind¬
stoß zerrissen, grade als man dabei war, ihn zu füllen. Diese Geschichte
zeigt klar, daß der aeronautische Beruf von Renard bereits weit zurück liegt.
Im Jahre 1875 wurde eine Kommission für den Luftverkehr (optische
Telegraphie, Brieftauben, Luftschiffahrt) durch den Kriegsminister ins Leben
gerufen unter dem Vorsitz des Obersten Laussedat. Renard wurde derselben
als Schriftführer zugeteilt und beschäftigte sich ganz, besonders mit der
Luftschiffahrt. Unter seiner Hand nahm dieser Zweig bald eine derartige
Bedeutung an, daß man für ihn einen Sonderdienst einrichtete und den
Kapitän Renard als Direktor an die Spitze desselben stellte. Es fiel das
um so mehr auf, als man damals in militärischen Kreisen weit entfernt war,
daran zu glauben, daß die Luftschißährt — abgesehen von den der Ballonpost
in belagerten Festungen dienenden Freiballons — im Felde regelrecht zum
Dienst für Erkundungen und zur Beobachtung herangezogen werden könnte.
Die Aerostiers von Coutelle, die einzige Erinnerung, die man sich
bewahrt hatte, waren rücksichtslos von Hoche und Bonaparte unterdrückt
worden und man stemmte sich daher in jeder Weise gegen die Einführung
eines neuen schwerfälligen Materials in den Armeetroß.
Renard überwand alle Widerstände dank seiner Beredsamkeit und
dank seiner Überzeugungskraft, die ein Charakteristikum seiner hervor¬
ragenden Intelligenz war. Es genügte, daß er einen Minister wie Freycinet
oder einen Budgetreferenten wie Gambetta dazu brachte, dem Park von
Chalais einen Besuch abzustatten: der Staatsmann verließ von Bewunderung
*) Revue de l'aeronautique 1888. Seite 118.
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erfüllt die Werkstätten und das Laboratorium, überzeugt durch Renards
warme Worte über die Nützlichkeit der eingeleiteten Versuche.
Das von Anbeginn an durch den jungen Offizier festgelegte Programm
umfaßte folgendes: die Schaffung eines Fesselballonmaterials; Versuche über
eine Art regelrechter Wasserstoffdarstellung; Organisation und Unterweisung
von Luftschiffertruppen.
Das Material, welches wir seiner Arbeit verdanken, ist bekannt,
jeder Teil desselben ist mit größter Sorgfalt studiert.
Bezüglich der Wasserstoffdarstellung studierte und erprobte er die
verschiedensten Arten, so besonders: Für den Feldkrieg: Gazeine (1880—83);
die sogenannte Salzmethode durch Reaktion von Zink auf Soda, die von
der Truppe in Tonkin' im Jahre 1881 usw. benutzt wurde. Für Parks:
Feste und bewegliche Zirkulationsapparate (Eisen oder Zink und Schwefel¬
säure), deren erstes Projekt aus dem Jahre 1875 stammt. Elektrolytische
Prozesse: Das industrielle Voltameter aus dem Jahre 1888.
Der Gipfelpunkt seiner aeronautischen Laufbahn ist ohne Zweifel die
Versuchsreihe mit dem Lenkbaren «La France» (1884/85), dessen aer 9 nau-
tischen Teil wir ihm ganz allein verdanken. ! ) Um diesen Versuch seiner
Bedeutung nach zu würdigen, muß man sich zunächst klar machen, daß zu jener
Zeitepoche und bei der damaligen Anschauung der wissenschaftlichen Welt
sehr wenige Gelehrte die Lenkbarkeit des Ballons für möglich hielten:
Nach dieser überzeugenden Vorführung, welche die Möglichkeit der
Lösung bewies, hat Charles Renard- den Versuch nicht mehr wiederholt.
Wenn seine Freunde ihn ersuchten, von neuem dem Luftozean die Stirn
zu bieten, pflegte er zu sagen: «Wozu denn! Ich würde nur die Versuche
von 1885 mit denselben Ergebnissen wiederholen. Es gibt Besseres zu tun:
man muß durch eingehende Versuche das Problem nach allen Richtungen
hin studieren und darf vor Beendigung dieser Studien keinen neuen Ballon
konstruieren, wonach alsdann ein sehr großer Fortschritt unbedingt sicher¬
gestellt sein würde».
Sicherlich eröffneten die in der Konstruktion leichter Motoren gemachten
Fortschritte eine glückliche Aussicht für die Luftschiffahrt; indes bot das
technische Problem immer noch sehr große Schwierigkeiten besonders in bezug
auf den Mangel an Stabilität des länglichen Ballons.
Diese übrigens sehr undankbaren technischen Fragen waren es, auf
die sich die Studien des Oberst Renard bezogen. Er bemühte sich, die
Ursachen dieser Instabilität aufzuklären — in den Augen des Publikums
ein weniger glänzender Versuch, als hervorragende Luftballonfahrten zu
machen, aber dafür um so nützlicher. — Er gab von Zeit zu Zeit die
Etappen seiner Arbeiten durch kurze Mitteilungen an die Akademie der
Wissenschaften oder an die Physikalische Gesellschaft zu erkennen — und
man kann aus dieser Gedankenfolge hervorheben seine Bemerkungen über
*) Die Mithilfe des Hauptmanns Krebs bezieht sich auf den mechanischen Teil.
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172 «44
die kritische Geschwindigkeit des Langballons und über die Mittel, seine
Instabilität zu beseitigen.
Zu gleicher Zeit konstruierte er die Maschinen, die für ein aeronau¬
tisches Versuchslaboratorium notwendig sind: die Wage für Schrauben¬
versuche, den dynamometrischen Drehbaum (moulinet dynamometrique), der
bereits so große Dienste geleistet hat zur Messung der Leistungen der im
Automobilismus gebräuchlichen Motoren. Die Versuche mit leichten Motoren
hatten ihn seit langer Zeit bereits zur Erfindung seines Kessels mit sofortigem
Dampf (chaudiere ä vapeur instantanee) geführt.
Schließlich befaßte er sich mit dem schwierigen Problem des «schwerer
als die Luft> und seine Mitarbeit in dieser Frage zeigte sich sowohl durch
neue sehr genaue Theorien, als durch ein vernünftiges Reglement über
Wettvergleiche, die zwischen aviatischen Flugmaschinen angestellt werden
können. Er war Vorsitzender der Kommission des letzten Preisausschreibens,
das in der Maschinengalerie auf dem Marsfelde stattfand.
Außerhalb der Luftschiffahrt — wozu man auch noch die Erfindung
der Chlor-Chrombatterie rechnen kann — weiß man, daß eine seiner letzten
Erfindungen der Automobilzug mit fortgesetztem Vortrieb (train automobile
ä propulsion continuei und verbesserter Wendung war, der versucht worden
ist und unter anderen auch einige Zeit in Berlin mit Erfolg.
' Was man von seinen Arbeiten kennt, ist nur ein sehr kleiner Teil.
Nur allein die Luftschifferoffiziere, die zu ihrer Ausbildung nach Chalais
berufen wurden, kennen die Gesamtheit seiner Theorien über die Technik
des Ballons und über seine Führung. Ein Teil dieser Technik ist wissen¬
schaftliches Allgemeingut geworden mehr durch seine Schüler als durch ihn
selbst, in der Weise sogar, daß seine Gedanken häufig in einer unpersön¬
lichen Form dargeboten werden, sozusagen, als ob sie «Findelkinder» (nees
de «pere inconnu») wären.
Es wäre sehr zu wünschen, daß sein Bruder, der Major Paul Renard,
dem diese inhaltreiche Erbschaft zufällt, jene Arbeiten veröffentlichen möchte,
die noch unbekannt sind und in den Akten dieses arbeitsamen Gelehrten
vergraben liegen. G. Espitallier. (Übersetzt H. Moedebeck.)
Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Ober Finsternismeteorologie und die künftige Sonnen¬
finsternis "vom 30. August 1905.
Die totale Sonnenfinsternis, die am 30. August dieses Jahres statt¬
finden wird, erregt nicht nur das Interesse der Astronomen, sondern beschäftigt
auch meteorologische Kreise. Bevor darauf eingegangen wird, wie man zu
der | Finsternismeteorologie - gekommen ist und welche meteorologischen
und speziell aeronautischen Beobachtungen bei Gelegenheit der Finsternis
vom 30. August in Aussicht genommen sind, mögen die astronomischen
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173
und meteorologischen Begleiterscheinungen einer totalen Sonnenfinsternis
im allgemeinen kurz charakterisiert werden.
Während der zwei Stunden vor der Totalität, wo sich die Mondscheibe
mehr und mehr vor die Sonne schiebt, ist nichts Besonderes zu bemerken,
abgesehen von einer langsamen Abnahme der Tageshelligkeit, an deren
Schwankung wir ja aus der täglichen Erfahrung gewöhnt sind, und abgesehen
von dem sichelförmigen Aussehen der sonst runden Sonnenbildchen, wie sie
etwa im Baumschatten auftreten. Kurz vor Beginn der Totalität nimmt nun
die Helligkeit bedeutend ab und ist 5 Minuten vorher etwa mit der Hellig¬
keit einer klaren Vollmondnacht zu vergleichen. Nun werden auch einige
Sterne der ersten Größenklassen sichtbar, namentlich auch die sonnennahen
Planeten Venus und Merkur, und vielleicht zufällig ein Komet in Sonnen-
Fig. i. Photographische Aufnahme der Korona am 28. Mai 1900. (Nach Langlcy.)
Erhalten mit einer Kamera von 11 Fuß Brennweite, und 82 Sekunden Exposition. ( : */* der Originalgröße.)
nähe. Bei dieser Gelegenheit wird denn auch nach intramerkurischen
Planeten ausgeschaut. 1 ) Bemerkenswert ist die Tatsache, daß einige Sterne,
die schon sichtbar geworden sind, beim Eintritt der Totalität selbst wieder
verschwinden können, um vielleicht nach der Totalität wieder einen Augen¬
blick sichtbar zu werden. Etwa zur selben Zeit, wo die Sterne beginnen
sichtbar zu werden, huschen schon über den Boden hin eigentümliche,
Nach der bisherigen bei Gelegenheit von Finsternissen vorgenommenen Ausschau ist zu schließen,
daß vermutlich kein solcher Planet von mehr als fünfter Größe existiert. Bei der bevorstehenden Finsternis
wird man aber imstande sein, die Nachforschung bis zur ü. Größenklasse auszudehnen.
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174 «««♦
wenige Zentimeter breite und handbreit von einander abstehende Schatten¬
streifen, dem leichten Wellengekräusel einer vorher glatten Wasserfläche
vergleichbar. Vom Augenblick an, wo die schmale Sonnensichel ganz ver¬
schwindet, lagert sich Dunkel über die Landschaft; der Himmel ist am
Horizont orangengelb oder violett und purpur gefärbt, ähnlich wie bei der
Dämmerung; höher hinauf ist das Himmelsgewölbe tief dunkel. Um die
verfinsterte Sonne aber wird zugleich ziemlich plötzlich die helle Korona
sichtbar, die als glänzender grünlichgelber Ring von wechselnder Breite mit
einzelnen, manchmal mehrere Sonnendurchmesser betragenden Strahlen auf-
tritt; in unmittelbarer Nähe des Mondrandes sind auch wohl einige besonders
glänzende Partien, von Protuberanzen herrührend, sichtbar.
Man setzte früher die Korona nicht in nähere Beziehung zur Sonne,
sondern nahm an, diese Lichterscheinung entstehe in unserer Atmosphäre.
Seitdem man aber in der Korona die weitere, nur unter diesen seltenen Um¬
ständen sichtbare Sonnenatmosphäre erblickt, wird ihrem Studium mit großen
Spektroskopen in Verbindung mit photographischen Apparaten von den
Astronomen die größte Aufmerksamkeit geschenkt und ein großes Personal
wird Wochen vorher an den Apparaten militärisch genau eingedrillt, damit
in den kostbaren Augenblicken, oft nicht mehr als 1—2 Minuten, das ganze
Programm mit automatischer Pünktlichkeit erfüllt werde.
Wenn die Fragen, um die es sich hierbei handelt, auch zunächst den
Astronomen betreffen, so muß doch die Meteorologie gleichfalls schon aus
allgemeinen Gründen ein Interesse an jedem Fortschritt der Sonnenphysik
haben. Denn in der Sonnenenergie ist schließlich der Grund auch des
meteorologischen Geschehens zu suchen und W. de Fonvielle hat recht,
wenn er den großen Gesichtspunkt der Sonnenkindschaft immer wieder mit
besonderem Eifer betont, wenn auch einzelne Argumente falsch sind. Eine
Sonnenfinsternis bietet aber auch ein direktes meteorologisches Interesse.
Die Natur stellt hierbei ein Experiment in größtem Stil zur Verfügung: man
nehme einen Schirm von der Grobe des Mondes und bewege ihn so zwischen
Erde und Sonne, daß durch den Schattenfleck sukzessive auf einem 200 km
breiten Erdstreifen mitten am Tage die Sonnenwirkung während einiger
Minuten gänzlich, und in der Umgebung zum Teil aufgehoben wird. Was
geht dann in der Atmosphäre vor sich? Wie verhält sich die Temperatur,
der Luftdruck, die Luftströmung zu diesem Experiment? Es ist dabei zu
erinnern, daß ein ähnliches, an Dauer und Umfang viel bedeutenderes
Experiment jeden Tag zu beobachten ist: der Wechsel von Tag und Nacht.
Dieser hat ja alle die auffallenden Erscheinungen zur Folge, die unter der
Bezeichnung der täglichen Periode der meteorologischen Elemente ein Haupt¬
kapitel der Meteorologie bilden. Die Verhältnisse bei einer totalen Sonnen¬
finsternis, wo das kleine, genau umschriebene Gebiet des Kernschattens der
Erddrehung vorauseilend mit Geschoßgeschwindigkeit von West nach Osten
fliegt, legen in der Tat die Frage nahe, ob bei diesem Versuch nichts Ana¬
loges auftreten, namentlich ob sich nicht in dem so regelmäßig begrenzten
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Schattengebiet etwa bestimmte Zirkulationsvorgänge einstellen könnten.
Anhaltspunkte dafür waren schon aus früheren gelegentlichen Beobachtungen
gegeben, wo jedesmal, wie selbstverständlich, ein Sinken der Lufttemperatur
um mehrere Grad und öfters eine auffällige Änderung in der Windstärke
(«Finsterniswind») aufgefallen war.
Eine am 28. Mai 1900 von Südwest nach Nordost über das Gebiet
der Vereinigten Staaten (wo bekanntlich der meteorologische Beobachtungs¬
dienst besonders stramm organisiert ist) hinziehende totale Finsternis bot
eine vorzügliche Gelegenheit, diesen Fragen näher zu treten. Über die
Ergebnisse der Beobachtungen liegen zwei Bearbeitungen vor. Die eine
rührt von H. Clayton 1 ) her; ihr liegen die Beobachtungen des im Totalitäts¬
gebiet gelegenen Observatoriums von Blue Hill und von 6 oder 7 anderen
Stationen der Oststaaten zugrunde.
Clayton glaubt aus seinem Material ableiten zu können, daß sich im
Kernschatten und im Halbschattengebiet ein höchst ausgedehnter Luftwirbel
mit kaltem Zentrum 2 ) bildet, worin die allerdings recht schwache Luftbewegung
in antizyklonalem Sinn vor sich geht (also entsprechend dem Uhrzeiger).
Am Rand dieses Gebiets sollte sich eine Zone zyklonaler Luftbewegung
ausbilden. H. Clayton stützt sich bei der Begründung dieser Luftzirkulation
auf Ferrels theoretische Untersuchungen über Zyklonen mit kaltem Zentrum.
Jene Untersuchungen gelten zunächst für die Verhältnisse der Erdhemi¬
sphären. Dort wird durch den Temperaturgegensatz des kalten Poles und
der äquatorialen Gegenden eine Zirkulation hervorgerufen, die zunächst ein
Gebiet hohen Luftdrucks über den Polen erwarten ließe. Die Tatsache,
daß dort im Gegenteil ständig tiefer Druck herrscht, mußte deshalb zunächst
paradox scheinen, bis Ferrel zeigte, daß infolge der großen Zentrifugalkraft
der dem Pol zuströmenden Luftmassen und infolge des ablenkenden Effekts
der Erdrotation die Luftmassen gar nicht zum Pol gelangen, sondern wieder
eine südliche Richtung bekommen müssen. Nach dieser Auffassung bedingen
die kalten Pole eine Zyklone mit kaltem Kern und auswärts gerichteter
Luftbewegung. Eine entsprechende Zirkulation glaubte nun Clayton bei der
Sonnenfinsternis, wo ja die erste Bedingung, das Vorhandensein eines zen¬
tralen kälteren Gebietes, auch vorhanden sei, nachweisen zu können. Eine
andere, sehr umfangreiche Untersuchung über die meteorologischen Wirkungen
der gleichen Finsternis hat F. H. Bigelow angestellt. 3 ) Er stützt sich auf
die Beobachtungen von 62 Stationen des Weather Bureau, die teils im
Totalitätsstreifen selbst lagen, teils gleichmäßig über das Gebiet links und
rechts davon bis zu 750 km Abstand verteilt waren. Sein Material war
demnach umfassender als jenes von Clayton diskutierte. Bigelow kommt
The Eclipse Cyclone and the Diurnal Gyclones by H. Helm Clayton. Annals of thc Harvard
Coli. Vol. XL11I. P. I. 1901. 4<» 33. S. 4 Tafeln.
*) Eclipse Meteorology and Allied Problems by Frank H. Bigelow. U. S. Departm. of agricult.
Weather Bureau Bull. I. 1902. 4° 166 S.
») Die größte von Clayton gefundene Abkühlung betrug 4,f»° C.. bezogen auf den wahrscheinlichen
ungestörten Temperaturgang.
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zu folgenden Ergebnissen betreffs der Beeinflussung der verschiedenen
meteorologischen Elemente: Die Temperatur fing (mit Berücksichtigung des
normalen täglichen Ganges) etwa 45 Minuten vor Beginn der Totalität an
zu fallen, erreichte den tiefsten Stand 10—15 Minuten nach der Totalität
(Maximum des Sinkens ca. 3°) und war 2 Stunden nachher wieder auf der
normalen Höhe angelangt. Beim Luftdruck konnte keinerlei systematische
Änderung gefunden werden, im Widerspruch mit Claytons Beobachtungen,
der ein geringes Sinken glaubte feststellen zu können. Der Dampfdruck
änderte sich nicht merklich. Die Windgeschwindigkeit wurde um etwa
0,5 m geringer, bei einer mittleren Geschwindigkeit von 2.7 m. Bei den
südlichen, küstennahen Stationen war das Abflauen des Windes etwas deut¬
licher spürbar. Bigelow erklärt das als unmittelbar sich ergebende Wirkung
der Abkühlung des Landes auf den Seewind und weist darauf hin, dal)
überhaupt bei früheren Angaben über den Finsterniswind der Umstand zu
berücksichtigen sei, daß die astronomischen Beobachtungsstationen der
Expeditionen meist an der Küste errichtet wurden, so daß es sich in jenen
Fällen nicht sowohl um einen dem Finsternisgebiet an sich eigentümlichen
Wind, als vielmehr um eine unmittelbare Einwirkung des Schattens auf
den bekannten Luftaustausch zwischen Land und Wasser gehandelt haben
dürfte. Diese Auffassung von Bigelow finde ich bestätigt durch die Beob¬
achtungen der beiden Lockyerschen Finsternisexpeditionen, 1 ) die eine
vom 28. Mai 1900, an der Ostküste Spaniens, und eine frühere zur Beob¬
achtung der Finsternis vom 22. Januar 1898, an der Westküste Vorder¬
indiens, in Viziadrug. Die durch das Eintreten der Finsternis erzeugte
Windrichtung war in den beiden Fällen entgegengesetzt, an der spanischen
Ostküste von West nach Ost, an der indischen Westküste von Ost nach
West, beidemal als Unterbrechung oder Schwächung des vom Meer nach
dem Lande wehenden Windes auftretend.
Von einer Drehung des Windes in dem Finsternisgebiet fand Bigelow
bei seinen 62 Stationen keine deutliche Spur und hält deshalb die Annahme
einer Finsterniszyklone im Gegensatz zu Clav ton für nicht den Tatsachen
entsprechend. Gegen Claytons theoretische Gründe wendet Bigelow ein,
daß die vergleichende Herbeiziehung der Zirkulationsverhältnisse der Hemi¬
sphären nach der Ferrelschen Darstellung überhaupt nicht zulässig sei, weil
die bei der Windbewegung im Finsternisgebiet beobachteten Geschwindigkeiten
bei weitem nicht jene Zentrifugalkräfte zur Folge haben konnten, die bei
der Bildung der polaren Zyklone vorauszusetzen seien; ferner könne es sich
bei den Verhältnissen der Finsternis, die sich ja mit größter Geschwindigkeit
über immer neue Atmosphärengebiete fortbewegt, nicht um eine wirkliche
Zirkulation handeln, d. h. um eine Bewegung derselben Luftmassen in
geschlossenen Bahnen. Nach Bigelows Ansicht können aber die Aufstellungen
Ferrels überhaupt nur für eine wirkliche Zirkulation Gültigkeit haben, und
M'-moirs nf the Royal .WtrononuVal Soei« ty. Vol. L1V. appcn.l. I u. III. London 1901/1902.
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so würde nichts a priori für das Entstehen der Claytonsehen Finsternis¬
zyklone sprechen. Nur ein ganz schwaches allseitiges Ausströmen der
kälteren Luft aus dem Totalitätsgebiet will Bigelow annehmen.
Die kommende Finster¬
nis vom 30. August dieses
Jahres wird nun Gelegenheit
bieten, diese Fragen an Hand
neuer Beobachtungen zu prü¬
fen. Das Totalitätsgebiet wan¬
dert von Labrador über den
Atlantischen Ozean quer durch
Spanien, über das Mittelmeer
nach der nordafrikanischen
Küste, und nach Oberägypten
bis ins Innere Arabiens. In
Spanien hat das Totalitäts¬
gebiet 200 km im Durch¬
messer; die Finsternis dauert
im zentralen Teil 3 Minuten
48 Sekunden. 1 ) Dies ist eine
ungewöhnlich lange Zeit, die
namentlich von den astronomischen Beobachtern vorzüglich wird ausgenützt
werden können. Diese werden ein besonderes Augenmerk auf alle Er¬
scheinungen zu richten haben, die mit dem gegenwärtigen Maximum der
Sonnenflecken Zusammenhängen könnten. N. Lockyer 2 ) glaubt bestimmt,
deutliche Unterschiede in der Beschaffenheit der Korona nachgewiesen zu
haben, wonach bei Finsternissen zur Zeit des Maximums das Spektrum der
Korona auffallend helle Linien zeigt und in der innern Korona eine deut¬
liche streifige Struktur zu erkennen ist. Diese Struktur fehlt zur Zeit der
Fleckenminima; dann tritt auch mehr das kontinuierliche Spektrum der
Korona hervor und die Korona hat in ihrer äußern Form ein windfahnen¬
ähnliches» Aussehen, wie sich Lockyer ausdrückt. Zur Ergänzung dieser
mehr astronomischen Angaben sei noch bemerkt, daß als Neuigkeit die
photographische Aufnahme der Korona in drei Farben versucht werden
wird. So viel bis jetzt bekannt, wird die amerikanische Lick Sternwarte
drei Expeditionen aussenden, die eine nach Labrador, die andere nach
Spanien, eine dritte nach Ägypten. Von England aus werden zwei Expe¬
ditionen an die Nordküste Afrikas nach Sfax und Phillipeville gehen, zwei
andere werden ihren Standort in Spanien, bei Burgos und an der Ostküste
*) Nach der Berechnung Tarazonas. iMemoria sobre el Edipse total de Sol etc. Obs. astron.
de Madrid, 190+, i°, 12ft S., t> Karten). Die Angaben der verschiedenen Berechner gehen um mehrere Sekunden
auseinander. Dies ist nicht verwunderlich, da selbst so geringe DifTerenzen wie 1“ in der Anuahme des
Sonnen- und Monddurehmessers eine Änderung in der Finsternisdauer von je 2 Zeitsekunden zur Folge
haben. Es sei noch beigefügt, daß die größte überhaupt mögliche Totalitiitsdauer von Sonnenlinsternissen
etwa 7 Minuten beträgt.
A. a. O. 111 S. +13. Amlere Beobachter teilen Lockyers Ansichten nicht.
Blustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 23
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in Oropesa, nehmen. Ohne Zweifel sind auch von Spanien selbst und von
andern Staaten aus besondere astronomische Beobachtungen vorgesehen.
Was nun die meteorologischen Beobachtungen betrifft, so hat die
internationale Kommission für wissenschaftliche LuftschifTahrt mit Rücksicht
auf die Finsternis einen auf 3 Tage ausgedehnten Aufstiegstermin auf die
Zeit vom 29.—31. August gelegt. In Spanien, das von der Totalitätszone
geschnitten wird, ist auf Veranstaltung und unter der Leitung des Chefs der
militärischen Luftschifferabteilung, Oberst P. Vives v Vieh, ein umfang¬
reiches Programm für Beobachtungen in der freien Atmosphäre aufgestellt
und dessen Ausführung in Vorbereitung begriffen. Die Aufstiege werden
in Burgos stattfinden. Während der drei Tage vom 29.—31. August
werden dort am Erdboden in einer den Umständen angemessenen Weise
fortlaufende genaue Beobachtungen aller meteorologischen Elemente gemacht
Fig. 3. 30. Aug. 1905. Bahn des Kernschattens im Mittelmeergebiet
Die Zahlen bei Fig. 2 uml23 geben die Totalitätsdauer (nach W. Lockyer) und die Sonnenhöhe an.
werden; zugleich werden folgende Beobachtungen in der freien Atmosphäre
ausgeführt: Am 29. August wird um Mittag ein Registrierballon hoch¬
gesandt; am 30. August werden deren drei steigen, einer zwei Stunden vor
der Totalität; der zweite unmittelbar nach der Totalität und ein dritter
wiederum zwei Stunden später. Während der ganzen Dauer der totalen
und partiellen Finsternis soll ein Fesselballon zum Zweck fortlaufender
Beobachtungen in der Höhe von womöglich 700—800 m gehalten werden.
Eine Stunde vor Beginn der Totalität werden zwei bemannte Frei¬
ballons hochgehen, die während der völligen Verfinsterung in einer Höhe
von mindestens 3000 m gehalten werden sollen, um dort geeignete meteoro¬
logische Messungen, sowie Zeichnungen und photographische Aufnahmen
der Korona und vielleicht beiläufig auch spektroskopische Beobachtungen
zu machen. Ein Platz ist einem vom Vorsitzenden der internationalen
Kommission zu bezeichnenden wissenschaftlichen Beobachter zur Verfügung
gestellt. Auf die Dauer der Finsternis verteilt werden ö Pilotballons hocli-
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gesandt werden, deren Bahn ebenso wie jene der Registrierballons zur
genauen Kenntnis der Luftströmungen durch Anvisierung mit geeigneten
Theodoliten bestimmt werden soll. Am Tage nach der Finsternis wird um
Mittag ebenfalls ein bemannter Ballon und ein Registrierballon steigen,
sowohl mit Rücksicht auf die allgemeinen internationalen Aufstiege jener
Tage, wie um gewissermaßen Vergleichswerte mit den Verhältnissen bei
der Finsternis zu erhalten. Im Programm der meteorologischen Beob¬
achtungen in Spanien, das, wie man sieht, in seinem aeronautisch-wissen¬
schaftlichen Teil recht reichhaltig ist, wird eine Andeutung der besondern
Teilnahme weiteren Stationen des meteorologischen Netzes von Spanien ver¬
mißt. Eine solche wäre aber höchst wünschenswert, wenn überhaupt jene
von den amerikanischen Meteorologen schon aufgegriffenen und diskutierten
Fragen bei Anlaß dieser neuen Finsternis eine Förderung erfahren sollen.
Denn die Wirkung des Mondschattens auf die Erdatmosphäre beschränkt
sich ja im wesentlichen auf die dem Erdboden nahen Schichten; wenn das
auch von den Herren W. de Fonvielle und P. Borde in verschiedenen
aeronautischen Zeitschriften als eine paradoxe durch die Ballonaufstiege zu
widerlegende Behauptung bezeichnet wird, wird man doch schließen können,
daß in jenen Höhen, wo selbst der Wechsel von Tag und Nacht keine merk¬
lichen Temperaturänderungen hervorbringt, eine kurz dauernde Verfinsterung
dies um so weniger vermag. Es ist zu erwarten, daß schon in der Höhe des
Fesselballons nur mehr ganz geringe Temperaturänderungen werden beobachtet
werden. In den Freiballons werden Aktinometerablesungen wohl größeres
Interesse haben, wie die Temperaturmessungen. Wenn dem so ist, kann
man sich fragen, welchen Zweck dann die Beobachtungen in der freien
Atmosphäre in Verbindung mit der Finsternis noch haben. Dazu ist zu¬
nächst zu bemerken, daß auch negative Resultate im Sinne der Finsternis¬
meteorologie ihren Wert haben werden, wenn damit diese Frage zur Ruhe
gebracht wird. Es ist ferner dadurch Gelegenheit zu einer Anzahl allgemein
interessierender Beobachtungen gegeben. Zum Beispiel wird die Frage der
oben erwähnten Schattenbanden entschieden werden können. Wenn diese
Banden, wie Bigelow wohl mit Recht annimmt, durch unregelmäßige Be¬
rechnung des Lichts der schmalen Sonnensichel an der Grenze des Schatten¬
kegels entstehen, wo in den untern Schichten die aus dem Totalitätsgebiet
ausfließende kältere Luft mit der wärmeren sich mischt, dann wird davon
im Ballon nichts zu bemerken sein. Anders wäre es, wenn diese Banden,
wie man etwa auch annahm, durch Beugung des Sonnenlichts am Mond¬
rand entstünden. Besonders merkwürdig und wohl auch eindrucksvoll wird
es sein, auf der Erdoberfläche — oder vielleicht auf einer Wolkendecke —
das unheimlich schnelle Heranhuschen und das Abziehen des Riesenschattens
zu beobachten; man wird versuchen können, es photographisch festzuhalten.
Größeres Interesse beanspruchen auch die im Programm vorgesehenen
photographischen Koronaaufnahmen. An Größe werden sie allerdings nicht
mit jenen Aufnahmen am Erdboden konkurrieren können, bei denen Objek-
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180
tive bis za 40 in Brennweite verwendet werden: auch wird die Expositions¬
zeit wegen der Oszillationen des Ballonkorbes nur gering sein können.
Dieser letztere Mangel wird wohl durch die in der Höhe viel größere Inten¬
sität des Koronalichtes, das wesentlich aus photochemischen Strahlen besteht,
ausgeglichen werden. Man darf erwarten, daß die Korona für die direkte
Beobachtung und in der Photographie in jener großem Höhe Eigentümlich¬
keiten zeigt, die vielleicht infolge der diffusen Reflexion in den unteren
Schichten der Atmosphäre am Erdboden nicht mehr zu beobachten sind.
Eine besondere Überlegung wird das aeronautische Manövrieren er¬
fordern. Es wird nicht leicht sein, den sich immer mehr abkühlenden Ballon
während der entscheidenden Minuten in der Höhe zu halten, und wenn es
auch durch starkes Ballastwerfen gelingt, so wird doch das Photographieren
infolge der dabei eintretenden Erschütterungen so gut wie unmöglich werden.
Man wird deshalb eine Einrichtung treffen müssen, um während der ent¬
scheidenden Zeit den Ballast automatisch ohne alle Erschütterung ausgeben
zu können; am besten wird dies wohl mit einer Flüssigkeit gelingen. Es
wird auch notwendig sein, daß die Teilnehmer an diesen Aufstiegen vorher
ihr ganzes Finsternisprogramm im aufgehängten Korb drin stehend am Erd¬
boden in der vorgesehenen Zeit mehrere Male zur Probe glatt abgewickelt
haben. Sonst könnte der Erfolg der wenigen entscheidenden Minuten leicht
in Frage gestellt werden. Auch das Wetter wird dabei eine große Rolle
spielen. Der Ballon hat allerdings Aussichten, die tiefem Wolken unter sich
zu lassen; doch kann auch in großem Höhen die Sonne verhüllt sein, oder
der Ballon kann durch starken Wind an den Rand des Finsternisgebietes
getrieben werden. Zur Beurteilung dieser Möglichkeiten können die folgenden
Angaben dienen. In der Gegend von Burgos ist zur Jahres- und Tageszeit
der Finsternis die mittlere Bewölkung = 4.0, die Sichtbarkeit der Sonne
selbst 0.9 (0 = unverhüllt, 1 = leicht verschleiert, 2 = verdeckt). Ganz
helle Tage gibt es 15.2, bewölkte 13.2, bedeckte 2.6 im Monatsmittel. An
16.2 Tagen ist Windstille, leichter Wind an 9.8 und windiges Wetter an
4.8 Tagen. Regen fällt in jenen Gegenden Ende August nur selten und
dann in Verbindung mit Gewitterstürmen, die fast immer erst gegen Abend
eintreten. Die Aussichten sind also nicht ungünstig. A. de Quervain.
<Kt
Flugtcclinik und Aeronautische Maschinen.
Über Vogelflug und Kunstflug.
Von Klemens Opitz, i) Dresden.
Das große Verdienst des der Flugtechnik leider zu früh entrissenen 0. Lilienthal
ist es. die Wichtigkeit der Wölbung der Vogelflügel erkannt und durch Versuche nach¬
gewiesen zu haben. Er fand, daß gewölbte Flächen unter gewissen Winkeln vom Winde
*) Die in Heft 2 d. Js. veröffentlichten Ausführungen des Herrn G. Opitz über einen ‘Segel- und
Riiderllugapparat» eigener Konstruktion bildete bloti einen kurzen Auszug aus einer sehr umfangreichen
Arbeit. Da ein vollständiger Abdruck derselben aus Kaumrücksichten ganz ausgeschlossen erscheinen
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getroffen nicht zurückgetrieben, sondern gehoben werden. An den bei diesen Versuchen
über ihn hinsegelnden Störchen sali er wohl, daß deren Flügel den Vogel nicht nur
heben, sondern auch dem Wind entgegen trugen; er konstruierte, um das zu erklären,
einen allezeit um 3 Grad aufwärts gehenden Luftstrom, suchte also die Kraft außerhalb
der Flügel, während sie im Flügelbau selbst liegt und zwar in der federnden Rückkante 2 )
derselben und insoweit die Flügel wie bei den sogenannten Breitflüglern in mehreren
fingerartig sich spreizenden Schwungfedern enden, auch in der Rückkante jeder einzelnen
dieser Federn. Den Beweis hierfür beizubringen, ist nicht schwer. Man belaste einen
mit wagerecht ausgespannten Flügeln ausgestopften größeren Raubvogel im Inneren so,
daß er fallen gelassen, wagerecht in der Luft liegend sinkt. Zuerst geht dieses Fallen
lotrecht vor sich, solange als die Luft unter den Flügeln nicht die Kraft hat, den hinteren
elastischen Flügelteil zu heben: ist dieser Moment aber erreicht, so biegt sich die
Hinterkante, der dort abströmenden Luft ausweichend, nach oben aus. Auf dem nach
oben ausgebogenen Teile der Flügel entsteht hierdurch eine von der lotrechten ab¬
weichende nach vorn geneigte Winddruckrichtung. Die Stärke dieses Winddruckes gegen
die Flügel ist so groß, daß sie den Stirnwiderstand des Rumpfes in der Luft überwindet
und den Vogel im Sinken ständig nach vorn treibt. Je größer nun diese Vortriebskraft der
Rückkante wird und je kleiner der Querschnittswiderstand des Rumpfes ist, um so spitzer
wird der Fallwinkel zur Horizontalen. Hei den vorzüglichsten unter den Segelfliegern
kann dieser Winkel nur sehr klein sein. Anscheinend wächst diese Vortriebskraft mit
der Länge des Flügels und dessen Rückkante, sie wächst auch bis zu einer bestimmten
Grenze mit der wachsenden Belastung der Tragflächeneinheit und wird wahrscheinlich
noch von dem Schwanzende erzeugt.
Welche Wichtigkeit der federnden Flügelrückkante zukommt, läßt sich auch noch
auf andere Weise ermessen. Man verkürze irgend einem lebenden Vogel durch Ab¬
schneiden die Flügelrückkante und das Fliegen wird ihm unmöglich, während er dies
noch ganz gut kann, wenn ihm eine Partie Schwung- und Fächerfedern herausgeschnitten
wird, welche, doppelt und dreimal so viel Tragfläche hat als die abgeschnittene Rück¬
kante. Mit der Vortriebskraft sind die Vorteile der federnden Rückkante nicht erschöpft,
sie reguliert auch noch automatisch kleine Änderungen in der Richtung und Ge¬
schwindigkeit des Windes (Windstöße) ganz ähnlich, wie die Pneumatik der Fahrräder
die kleinen Wegungleichheiten ausgleicht. Größere Stöße und Winkelveränderung der
Windrichtung werden durch die federnde Rückkante der Flügel so abgeschwächt, daß
noch Zeit bleibt, durch Einziehen und Stellungveränderung der Tragflächen den sonst
unausbleiblichen Sturz abzuwenden, ln ähnlicher Weise wirken auch die Federpolster
an Brust und Bauch des Vogels, sie fangen wie Puffer die Luftstöße auf, geben aber
den Druck nicht nach rückwärts, sondern nach oben ab, also in derselben Weise wie
die gewölbten Flügel. Die stirnseitige Projektion des Vogelkörpers, mit ausgebreiteten
Schwingen auf den Ständern stehend, sieht daher ganz anders aus als jene des von der
Luft getragenen Vogels.
Ebenso wie bei dem Segelflug ist auch beim Ruderfluge, bei diesem sogar in
noch höherem Maße, die federnde Rückkante von großer Bedeutung. Der Schlag der
Flügel auf die Luft beim Vorwärtsfliegen erfolgt nicht mit nach abwärts geneigtem,
sondern in spitzem Winkel aufwärtsstehendem Flügelvorderrande; die vordere Flügelhälfte
wirkt dann hebend, die hintere durch die Kraft des Schlages stark nach oben ausgebogen,
fördert den Vogel nach vorn.
mußte, wurde zunächst bloß jener Teil ausgewählt, welcher sich auf die Konstruktion und Beschreibung
des vom Autor hergestellten Apparates bezieht. Da jedoch infolge dieser allzu gedrängten Kürze, wie sich
gezeigt hat, leider das Verständnis für die Bedeutung einzelner wichtiger Details der Konstruktion sehr
erschwert, ja teilweise unmöglich gemacht wird, halten wir es für unsere Pflicht. Herrn C. Opitz neuerdings
kurz zu Worte kommen zu lassen. Die Bed.
*) Auf die fundamentale Bedeutung der federnden Rückkante der VogeUlügel für die Klugökonomie
hat der Wiener Flugtechniker Herr Karl Milla bereits im Jahre 181*5 in seinem Buche Die Flughewegung
der Vögel» hingewiesen. Oie Bed.
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182 «««4
Während durch Lilienthals Messungen ausreichende Maße über die zweckdien¬
lichsten Wölbungsverhältnisse gegeben wurden, fehlen uns solche über die federnde
Flügelrückkante noch gänzlich. Wie bei den Flügelwölbungsverhältnissen werden sich auch
diese nicht durch Rechnungen, sondern nur durch Versuche feststellen lassen. Jedenfalls
muß die Flügelkante sich bei mehr als voller Belastung der Flilgel nach oben ausbiegen,
ebenso wie dies aber in noch ungleich höherem Grade die Flügelspitzen tun müssen.
Durch das Aufbiegen der Flügelspitzen erhält der Flugkörper bei wagerecht getragenen
Flügeln seitliche Stütze und hierdurch mehr Stabilität in der Richtung des Fluges. Eine
wagerechte Stellung der Flügel zu einander in ihrer Längsrichtung ist nicht unbedingt nötig.
Versuche bewiesen mir, daß wohl die Tragkraft etwas größer wurde, die Stabilität in der
Flugrichtung aber darunter litt, ganz besonders dann, wenn die Flügelspitzen unelastisch
durch den Luftdruck nicht gehoben wurden. Es ist daher besser, den Flügeln in ihrer Längs¬
lage nach den Spitzen zu eine gehobene Lage zu geben, dann können die Flügelspitzen auch
steif sein. Vorzügliche Segler unter den Vögeln, die sogenannten Gleitaare, tragen die Flügel
hochgehoben; auch bei den Tauben kann man das gelegentlich beobachten. Die Wölbung
der Kunstllügel darf nur durch Querrippen, nicht durch Längsrippen gebildet werden,
letztere würden schädliche Luftwiderstände hervorrufen. Die Vorderkante ist besser
rund als zugespitzt zu halten; kleine Winkelveränderungen des Windes wirken ablenkender
auf letztere Form als auf erstere. Die Flügelarme und deren Verdickung sollten ent¬
sprechend den Vogelflügeln nur an der Vorderkante zu liegen kommen. Die Verdickung
darf, ohne zu schaden, eine recht beträchtliche sein. Die besten Flügel zum Segeln
haben die großen Meeresflieger, schwertartig, sehr lang und sehr schmal. An Trag¬
fähigkeit und Segelkraft ist diese Flügeiform ebenso der bedeutend kürzeren und breiteren
der großen Raub- und Sumpfvögel überlegen, wie sie ihren Trägern eine unvergleichlich
größere Stabilität im Sturm verleiht. Zu Kunstflügeln eignet sich diese Form (wenigstens
vorläufig) nicht.
Der Flügelapparat, welchen ich mir unter Zugrundelegung des Gewichts und der
Flügelverhältnisse des Albatros bauen ließ, klafterte bei nur 9 m* Tragfläche 11 m. Er war
aber der langen Flügel wegen in seinem Bau nicht stabil genug zu bekommen; das
Manövrieren mit ihm bei ungleich einsetzenden Winden war schwierig, das Landen bei
der notwendig werdenden Schnelligkeit des Gleitens geradezu gefährlich. Die zu ersten
Versuchen mit Flugapparen geeignetsten Flügelverhältnisse sind jene, bei welchen das
Verhältnis von Flügellänge und Flügelbreite nicht sehr groß ist ; es soll höchstens gleich
4:1 sein. Auch die Tragfläche nehme man anfangs möglichst groß, belaste das Quadrat¬
meter nicht mehr als mit 6 kg, damit die Gleitgeschwindigkeit keine allzu große zu sein
braucht. Das Gewicht der Kunstflügel muß möglichst klein sein, es darf V 5 ” 1 / 4 des
Gewichts des gesamten Flugkörpers nicht übertrefTen; man geize daher mit jedem
Gramme. Je größer die Gewichtsdifferenz von Körper und Flügel ist, um so sicherer
gestaltet sich der Flug, um so weniger leicht wird der durch Schwerkraft und Be¬
harrungsvermögen gesteuerte Flugkörper aus dem Gleichgewicht gebracht. In einem
so beweglichen Medium wie die Luft mit starren, unbeweglichen Flugflächen fliegen zu
wollen und wenn es auch nur Gleitflüge sind, ist mehr als tollkühn, ein solches Unter¬
nehmen wird ganz unausbleiblich früher oder später zur Katastrophe führen. Niemals
wird ein Flugapparat und wenn er auch sonst alle guten Eigenschaften hat, brauchbar
sein, so lange den Flugorganen die Beweglichkeit abgeht, daher zu den wirksamsten
Formen die größtmögliche Beweglichkeit der Flügel gehört. Die Flügel müssen durch
ihre Beweglichkeit das ersetzen, was ihnen an Kraft mangelt, mit letzterer allein ist in
der Luft nichts auszurichten.
Die Kunstflügel sollen die Möglichkeit bieten, beständig wechselndem Winddruck
auf ihre Tragfläche durch Veränderung ihrer Stellung oder durch Ausschaltung bestimmter
Teile der Tragflächen augenblicklich Rechnung zu tragen ; daher müssen die Kunstflügel
wie die Naturflügel, verlängerten Gliedmaßen gleich, gewissermaßen organisch mit dem
Körper des Fahrers verbunden, und dieser in der Lage sein, dem Wind sozusagen die
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Hand am Pulse, auf Druck sofort Gegendruck auszulösen. Der Segelflug (viel mehr als
der Ruderflug) bedingt ein beständiges Suchen und Tasten nach den flüchtigen Stütz¬
punkten. Gegendruck oder Ausweichen sind die einzigen Mittel, das allezeit gefährdete
Gleichgewicht zu erhalten. Bei der Konstruktion solcher Kunstflügel überzeugt man sich
aber sehr bald, daß es ganz unmöglich ist, ihnen die Beweglichkeit der Naturflügel zu
verleihen. Man darf schon sehr zufrieden sein, sie mit dem Allernotwendigsten ausge¬
stattet zu wissen. Für Beweglichkeit muß aber ein Ersatz geschafft werden, ein solcher
ist gegeben in der Lagerung des Körperschwerpunktes möglichst tief unter dem Trag¬
flächenmittelpunkt. Das sind im wesentlichen die Gesichtspunkte, welche mich bei dem
Bau meiner Flugapparate leiteten. Nicht allem, was ich als notwendig befunden, ist
mir gelungen, körperliche Formen zu verleihen, aber auch so ist, wie ich mich überzeugt
habe, der Flugapparat brauchbar, in geschickten Händen dürfte viel mit ihm zu er¬
reichen sein.
Zur Wrightschen Flugmaschine. 1 )
In einem Tal bei armen Hirten
Erschien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die ersten Lerchen schwirrten,
Ein Mädchen schön und wunderbar.
So verkünden auch jetzt wieder die Tageszeitungen die wirkliche Lösung des
Flugproblems. Diesmal aber ein bißchen anders. Sie berufen sich als Gewähr auf die
«Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen, Deutsche Zeitschrift für LuftschifTahrt etc.>.
Da ist von der Flugmaschine der Gebrüder Wright zu lesen: «Heute sind wir so
glücklich, ein . . . Kind unter uns zu haben, dessen ersten Geburtstag wir am 17. De¬
zember 1904 bereits feiern konnten: die wirkliche, vogelgleiche, pfeilgeschwinde,
lenksame, gewaltige Motorflugmaschine. . .»
Wenn die Maschine mit der Zungengeläufigkeit dieses Satzes fliegt, ist an ihr
nichts auszusetzen. Glücklicherweise tritt die Maschine, wie sich dies ja in einer tech¬
nischen Zeitschrift gehört, unserem Verständnis auch noch mit einer Abbildung näher
(S. 92 der Ztschr.). Aber siehe, wie lautet die Unterschrift zu dem Bilde ? Mutmaßliches
Au ssehen der Flugmaschine der Gebrüder Wright. Die Unterschrift des Artikels
lautet Dienstbach. Es ist somit anzunehmen, daß der Verfasser des Artikels und der
Korrespondent der «Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen*, Herr K. Dienstbach, von
dem der Bericht über die LuftschifTahrt auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 im
Januar- und Februarheft herrührt, ein und dieselbe Person sind. Damit ist dann auch
die Haltung der «Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen» in dieser Sache gerecht¬
fertigt. Denn die Zeitschrift ist Herrn Dienstbach als fleißigem Berichterstatter
zu Dank verpflichtet; außerdem findet sich am Schlüsse jedes Heftes die Bemerkung ge¬
druckt: «Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den Wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel *.
Aber wenn Herr Dienstbach Mutmaßungen haben kann, so können dies andere
Leute auch. Ganz sicher ist von folgenden zwei Fällen einer: Entweder gleicht die
Wrightsche Flugmaschine dem von Dienstbach gemutmaßten Bilde, oder sie gleicht ihm
*) Aus technischen, der Zeitschrift nahestehenden Kreisen erhalten wir diese Zuschrift, die wir,
entsprechend unserm Prinzip freier Diskussion innerhalb der Grenzen der Sachlichkeit und des verfügbaren
Raums, hier zum Abdruck bringen. Was die Sache betrifft, haben wir selbst, in l bereinstimmung mit dem
Einsender, dem Wunsch nach bestimmteren Dokumenten schon Ausdruck gegeben. Siehe Maiheft S. 162 .
Wenn im übrigen die Wrightsche Maschine, wie die bisherigen Nachrichten unseres geschätzten Korre¬
spondenten lauteten, wirklich fliegt (und das war schließlich der springende Punkt), so muß man sie doch
wohl als wirkliche Flugmaschine bezeichnen, auch wenn sie ein Einzeltlieger ist. Auch ein Fahrrad ist
eine Transportmaschine. — Wir bemerken übrigens, daß unserem Herrn Korrespondenten eine Korrektur
seines Artikels nicht Vorgelegen hat. D. Red.
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>»»» 184 €«t#t
nicht, (lleicht sie dem Bilde, so müssen die Gebrüder Wright, denen nach Versicherung
des Herrn Dienstbach jedes Bcklamebedürfnis fehlt, tief betrübt sein, daß gegen ihren
Willen nun doch ihre Flugmaschine in den Grundzügen bekannt geworden ist. Denn
darnach und nach anderen Nachrichten wäre die Maschine die bekannte Chanutesche oder
Herringsche Doppeltragtlächengleitmaschine, die nur nach dem Vorgänge Lilienthals zur
Verzögerung des Falles einen zwei gegenläufige Schrauben treibenden Benzinmotor zu¬
gefügt erhalten hat. Daß sich damit besseres erreichen läßt, als Lilienthal mit seinem
unseligen Kohlensäuremotor erreicht hat, liegt auf der Hand. Neu wäre indes an der
Maschine gar nichts, und zu einer Überhebung über die Maschinen von Maxim, Langley
oder Hargrave, wie sie sich im Schlußsatz des Artikels findet, läge nicht der mindeste
Anlaß vor.
Gleicht die Wrightsche Maschine dem von Dienstbach gemutmaßten Bilde aber
nicht, enthält sie wirklich neue Konstruktionen, die zur Zeit der Weltausstellung noch
nicht ausgereift waren, oder stand, wie Herr Dienstbach sich ausdrückt (S. 7 derZtschr.).
für die Gebrüder Wright noch zu viel auf dem Spiele, als daß sie es hätten wagen
können, ihre Maschine in St. Louis forschenden Blicken auszusetzen, dann mußten diese
Bedenken doch seit der Geburtstagsfeier der wirklichen, vogelgleichen,
pfeilgeschwinden, lenksamen, gewaltigen Motor flugmaschine, d. i. seit
dem 17. Dezember 1904 behoben sein. Denn Amerika ist doch das Land der Patente,
und eine Bekanntgabe der neuen Konstruktionen nach dem Tage der Anmeldung konnte
den Patentschutz nicht beeinträchtigen. Dies kann man mutmaßen, selbst wenn man
die Abneigung des amerikanischen Patentamts gegen Patentierung wirklich grundlegender
Konstruktionen und seine Furcht vor allem, was «functional» ist, kennt.
Oder sollten die Gebrüder Wright sich abseits des Patentschutzes stellen, wenn
sie etwas der Patentierung Wertes haben ? Dann würden sie eben nicht für sich, sondern
für die Wegelagerer im Patentwesen und bestenfalls für die Allgemeinheit arbeiten. So
oder so stünde aber für sie nichts auf dem Spiele, wie der Artikel behauptet, und folg¬
lich fällt auch diese Mutmaßung in sich zusammen.
Ich möchte zum Schlüsse kommen. Die Geburtstagsfeier der wirklichen vogel¬
gleichen . . . Motorflugmaschine ist —das wird sich zeigen — verfrüht. Die Gebrüder
Wright haben durch persönliches Geschick und lange Übung den Fallflug gegen den
Wind von erhöhter Abflugstelle aus durch Zuhilfenahme motorischer Kraft so weit zu
verflachen, die Flugbahn so zu strecken vermocht, daß sie nicht schon, ehe sie recht zur
Besinnung kamen, schon wieder auf dem Boden waren, sondern Wendungen mit dem Wind
und Schleifen zum Zwecke der Landung bilden konnten. Das ist ein höchst acht¬
bares Ergebnis und ein unverkennbarer Fortschritt in der Ausbildung der
Einzel flugmaschine.. Aber die Maschine bleibt Einzelflugmaschine, auch wenn sie
befähigt ist, noch totes Gewicht oder eine Ziege oder einen Menschen mitzunelimen.
Eine Flugmaschine in dem Sinne, wie der Dampfer eine Transportmaschine zu Wasser
oder das Automobil eine Transportmaschine zu Lande ist, ist die Wrightsche Maschine
nicht, und wenn sie es werden will oder sein soll, so muß sie von vorn anfangen.
— ni —
<K
Kleinere Mitteilungen.
Die Wettbewerbe des Aeronautique-Club de France. Premier concours inter¬
national de Photographie aeriennc. Die genaueren Bestimmungen dieses Preisbewerbs
sind jetzt bekannt gegeben worden. Demnach ist den Einsendungen in versiegeltem
Kuvert der Name des Urhebers beizugeben. Als Erkennungszeichen ist auf dem Kuvert
und den Photographien irgend eine mindestens fünfstellige Zahl aufzuschreiben. Außer¬
dem ist auf der Rückseite jeden Bildes anzugeben: a) die Kategorie, für die das Bild
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185 «<«4
bestimmt ist (s. Diese Zeitschr., S. 94); b) die Bezeichnung des Gegenstandes und das
Datum der Aufnahme (es ist gleichgültig, aus welcher Zeit die Aufnahme stammt); c) der
Typus und die Brennweite des Objektivs; d) die Schnelligkeit des Verschlusses und
eventuell Angaben über die Verwendung von Lichtfiltern; e) Marke und Art der photo¬
graphischen Platte. — Die Bilder werden nach folgenden Gesichtspunkten beurteilt:
1. Wissenschaftlicher (meteorologischer oder topographischer) Wert der Aufnahme.
2. Technische Ausführung. 3. Künstlerischer Wert des Bildes. — Unter Umständen kann
die Jury Einsendung des Klischees verlangen. Der A4ronautique-Club, dem die mit einer
Auszeichnung bedachten Bilder verbleiben, hat das Recht, dieselben in der Revue l’A6ro-
nautique zu reproduzieren. Die Jury ist folgendermaßen zusammengesetzt: Herr Cailletet,
Mitglied der Akademie, Vorsitzender; ferner Kommandant Houdaille, Kommandant
P. Renard, Herr J. Jaubert, Direktor des meteorologischen Observatoriums von Paris,
Herr Bacquet, Vorsitzender des Photoklubs von Paris. Die Einsendung hat bis zum
30. Oktober zu geschehen. Als erster Preis jeder Kategorie wird ein vom Unterrichts¬
ministerium gestifteter Kunstgegenstand der Porzellanmanufaktur von Sövres figurieren,
außerdem noch zahlreiche, von verschiedenen Behörden und Gesellschaften gestiftete
Medaillen. Weitere, diesen Concours betreffende Angaben werden in der Revue TAero-
nautique erscheinen, die so ohne Zweifel ein interessantes bildliches Material zur ihrer
Verfügung bekommt.
Gleichzeitig geht uns vom A6ronautique-Club die Mitteilung zu, daß große Wett¬
bewerbe für aeronautisches Material vorgesehen sind. Der erste dieser Wett¬
bewerbe w r ird im Jahr 1906 stattfinden und betrifft die oberen und unteren Ballonventile.
Die folgenden Ausschreibungen werden sich auf die Ballonhülle, das Netz, den Ballonkorb
und die Halt- und Landungsvorrichtungen beziehen. Es sind Geldpreise und Medaillen vor¬
gesehen. Nach dem oben besprochenen photographischen Wettbewerb soll ein solcher
auch für photographische Apparate und Zubehör stattfinden. Q.
Rejdstrierballoiiaufstiege auf dem Mittelmeer. Gelegentlich der internationalen
Ballonfahrten, welche im Monat April veranstaltet wurden, wurden auch an Bord der
Jacht des Fürsten von Monaco zum erstenmal Registrierballons über dem freien
Meere emporgesandt. Die Aufstiege wurden nach.einer von Professor Dr. Hergesell
ersonnenen Methode veranstaltet, der sich an Bord der Jacht als Begleiter des Fürsten
befand. Im ganzen wurden 5 Aufstiege unternommen, bei welchen die Ballons Höhen
zwischen 4000 und 9000 Meter erreichten. In vier Fällen brachten sie gute Registrie¬
rungskurven herab, beim fünften Aufstieg konnte das Luftfahrzeug infolge plötzlicher
Wolkenbildung nicht mehr aufgefunden werden. Die von Professor Dr. Hergesell vor¬
geschlagene und ausgeführte Methode der Forschung besitzt den großen Vorzug, daß
man über dem Meere weniger vom Zufall beim Wiedereinbringen des Ballons abhängig
ist, und daß man das Instrument zu einer bestimmten, vorher festgesetzten Höhe steigen,
lassen kann. Die bei den Untersuchungen gewonnenen Erfahrungen zeigen, daß man
jetzt leicht Höhen bis zu 15000 Meter und mehr auch über den Ozeanen mit
Instrumenten wird erreichen können. Das Studium der freien Atmosphäre mittels Registrier¬
ballons, welches durch Aufstiege über dem festen Lande schon schöne Resultate gezeitigt
hat, ist nunmehr auch auf die weite Fläche der Ozeane ausgedehnt worden, ein Ergebnis,
um so freudiger zu begrüßen, als die Entwicklung der moderen Meteorologie aufs engste
mit der Erforschung der physikalischen Verhältnisse des Luftmeeres über der weiten
Fläche des Weltmeeres, welches nahezu 3 /4 unseres Planeten bedeckt, verknüpft ist.
Str. P.
Illastr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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186
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Das allgemeine Reglement des A6ro-Club de France.
Mit diesem Reglement 1 ) legt der Aero-Club de France in selbstherrlicher
Gewalt die Hand auf alles, was unter den Begriff aeronautischen Wettbewerbs
in Frankreich fallen kann und soweit bis jetzt bekannt, fügt sich das ganze
republikanische Frankreich dieser Selfmade-Souveränität ohne Widerspruch.
Diese im Interesse des Sportswesens (das ja nicht nur in Frankreich aus¬
gedehnte Gewaltbefugnisse ausübt) gelegene Situation als richtig angenommen,
muß man vor allem anerkennen, daß das Reglement uns wieder ein Er¬
gebnis jener Gründlichkeit, Umsicht und Arbeitsgediegenheit vor Augen führt,
wie wir derartiges schon auf verschiedenen • anderen Gebieten bei unseren
westlichen Nachbarn zu bewundern Gelegenheit hatten. Es dürfte kaum
eine Frage, ein Gesichtspunkt oder die Annahme einer Voraussetzung zu
finden sein, wofür in dem Reglement nicht Vorsorge und Fürsorge getroffen
wäre. Ob der hieraus hervorgegangene Umfang des Werkes es ermöglicht,
eine seiner Bestimmungen in der Praxis zu erfüllen, nämlich daß jeder
Wettbewerber den ganzen Inhalt kennt und beherrscht, bleibt allerdings
einigermaßen fraglich. Das Reglement besteht zunächst aus einem allge¬
meinen Teil, dem sich noch Bestimmungen für Gleitflug und für Aufstellung
der «Starters-chronometreurs* anschließen. Das «Reglement general»
behandelt in fünf Titeln: 1. Allgemeine Bestimmungen, 2. Wettbewerb von
Ballons ohne Motor-Treibvorrichtung, 3. von solchen mit Treibe-Motor,
4. Rekords und 5. das Inkrafttreten des Reglements. In den Allgemeinen
Bestimmungen, welche den Aero-Club de France als einzige Sportmacht
Frankreichs für Luftschifferweltbewerb erklären und seiner Sportkommission
die uneingeschränkte Gewalt für Handhabung des Reglements übertragen,
die ferner das Verbot aller demselben nicht entsprechenden Bewerbe ver¬
fügen und jeden an irgendwelchen aeronautischen Versuchen oder Bewerben
Teilnehmenden verpflichten, sich allen aus dem Reglement sich ergebenden
Folgerungen zu unterwerfen, wird zugestanden, daß noch Einzelbestimm¬
ungen für Wettbewerbe ergänzend einbezogen werden können, wenn sie
nichts dem Reglement Entgegenstehendes enthalten.
Die Aufgaben der Sportkommission bezüglich Handhabung ev. An¬
passung oder Ergänzung des Reglements, Prüfung der Sonderbestimmungen
auswärts auftauchender Wettbewerbe und ihrer Teilnehmer, Aufstellung
von Kommissären, Startern, Abgeordneten und Sachverständigen und be¬
züglich Rekordfeststellung sind in 11 Paragraphen aufgeführt. Ähnlich
sind die Aufgaben der Organisationskomitees, denen die Programmaus¬
arbeitung, die Personalauswahl, Zusammenstellung der Listen der Be¬
werber, Prüfung ihres Materials, Durchführung der Verrechnung, Zusammen-
*) Aöro-Club de Franco, societe d'encouragement k la locomotiou aerienne. Reglement
general. Concours et Records Aeronautiques. Prix 2 fr. Siege social 84, Faubourg Saint
Honore, Paris (8).
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Setzung der Jury etc. obliegt, festgesetzt. Die Ergebnisse dieser Tätigkeiten
bedürfen der Bestätigung durch die Sportkommission. Die Bestimmungen für
das ausführende Personal sind von dem Bestreben geleitet, durch Feststellung
der Rechte und Pflichten Streitfälle und Zweifel femzuhalten. Den «Com-
missaires sportifs» sind Bewerber, Führer und Passagiere unterstellt. Sie
sind kenntlich gemacht, auf den Programmen genannt und haben bestimmte
Strafgewalt. Gegen ihre Verfügungen kann an die Sportkommission appelliert
werden, auch können sie selbst bei dieser eine höhere Bestrafung als die
ihnen verfügbare beantragen. Die den Kommissären beigegebenen und
unterstellten «Starters-chronometreurs», denen im wesentlichen die Abgangs-
(ev. Rückkunfts)-Feststellung, die Führung von Verzeichnissen und Pro¬
tokollen, Aufzeichnung bemerkenswerter Beobachtungen etc. obliegt, sind
durch die Sportkommission ernannt und stehen unter strengen Strafbe¬
stimmungen. So steht z. 13. auf Unterzeichnung eines nicht selbstgefertigten
Schriftstückes bleibende Ausschließung, ebenso auf Hilfeleistung bei einem
durch das Reglement nicht erlaubten Wettbewerb, auch auf solche bei
einem ausgeschlossenen Luftschiffer. Die «Delegues» werden bei Bedarf
auf Antrag des betreffenden Organisationskomitees aufgestellt. Von ihnen
gefertigte Protokolle haben Rechtskraft für die Rangfeststellung. Berufung
zur Sportkommission besteht auch hier. In einem eigenen Kapitel sind die
für jeden Wettbewerb geltenden Organisationsanordnungen gegeben. So
bezüglich der Programme. Sie dürfen nicht vor Annahme durch die Sport¬
kommission veröffentlicht werden. Die Zeitgrenze für Einreichung ist ge¬
geben, ebenso bis ins Einzelne vorgeschrieben, was sie enthalten müssen
bezüglich Preise, Bewerber, Bewerbungsort, Material, Eintritts- und Reu¬
gelder, Maximalzahl der Bewerber, Annahme und Übernahme des Gerätes,
Ort und Zeit der Abfahrten, Kosten für Gas, Rückfahrten etc., ev. Landung.
Ausdrücklich muß Geltung des Reglements anerkannt sein. Nach Veröffent¬
lichung ist jede Programmänderung ausgeschlossen. Für Eintritts- und Reu¬
geld bestehen Sonderbestimmungen bezüglich Rückgabe. Die Anmeldungen
zu Wettbewerben können telegraphisch oder schriftlich gemacht werden,
doch ist im ersteren Fall schriftliche Ergänzung unumgänglich, denn es muß
das Eintrittsgeld erlegt sein und es ist eine Reihe von Angaben vorge¬
schrieben (Alter, urkundlich nachgewiesen, Zahl der gemachten Fahrten, als
Führer etc., ob unter eigenem Namen fahrend etc.). Auch hier stehen Strafen
auf unrichtigen Angaben. Wenn aus dem Zusammenwirken von Organisa¬
tionskomitee und Sportkommission eine Nichtannahme der Anmeldung her¬
vorgeht, besteht Verpflichtung zur Angabe der Gründe nicht, die Bewerber
erhalten die betreffende unabänderliche Entschließung und die Rück¬
zahlung der Einsätze erfolgt, sofern nicht Ausschließungsgründe vorliegen.
Auf ein Kapitel, welches die Begriffe von Balloninhalt, Gewicht und Auf¬
trieb feststellt, folgt die Klassifikation der Wettbewerbe, die allgemein zu¬
gängliche oder für besondere Vorbedingungen vorbehaltene sein können. Auch
die Einreihung verschieden gearteten Materials unter die zwei anerkannten
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.Hauptklassen: mit und ohne Motor, oder auch gesonderte Behandlung ist
der Sportkommission Vorbehalten. Den Bewerbern sind Vorteile bezüglich
Benützung von Hallen, Füllvorrichtungen und Sicherung vor Störungen ge¬
währt; auch finanziell genießen sie Vergünstigungen, sowohl was Gaspreise
als was Transportvergütungen betrifft. Sogar freie Rückfahrt von Führern
ist vorgesehen. Für Verfehlungen bestehen sechs Strafgrade, von Geld¬
strafen bis 100 fr. an über teilweise und zeitweise Ausschließung etc. bis
zur bleibenden Ausschließung und sie werden auf Grund genau abgrenzender
Bestimmungen verfügt. Ausschließungen werden z. B. auf Grund betrüge¬
rischer Handlungen ausgesprochen und haben Verlust der Eintrittsgebühr
zur Folge; für öffentlichen Tadel ist Einrückung in Tagesblälter vorgesehen.
Für den Schluß der Wettbewerbe regeln wieder sehr eingehende Anord¬
nungen die Tätigkeit des Organisationskomitees, die Zusammensetzung und
Tätigkeit der Jury. Hier ist wieder Ausschließung von Bewerbern mit ganz
unzureichenden Leistungen ermöglicht, die Teilnahme an irgend welchem
Wettbewerb für ein Jurymitglied ausgeschlossen, die Aufnahme mindestens
eines Mitglieds des Organisationskomitees in die Jury geboten, das der Jury
vorzulegende Material angegeben, dieser das Recht eidlicher Einvernehmung
zuerkannt, die Preiszuerkennung, ev. Aberkennung geregelt, ebenso Vor¬
sorge für Weg und Behandlung von Reklamationen getroffen. Beim zweiten
Titel, der sich mit den Ballons ohne Motor befaßt, sind zunächst die
Bewerbungsarten (Weitfahrt, Dauerfahrt, Zielfahrt, Fahrt mit Zwischenlandung,
•dann solche bezügl. Stetigkeit) gesondert. Sehr interessant sind die Bestimm¬
ungen für Handikapierung, die durch Gruppierung gleichartigen Materials
oder durch Ballastanordnungen oder durch Resultatausgleichungen erreicht
werden kann. Acht Größenstufen von Ballons, unter 600 cbm bis über
4100 cbm mit Abgrenzungsbestimmungen sind unterschieden, ein Berech¬
nungsverfahren angegeben, um ev. alles auf Leuchtgasfüllung zu reduzieren,
für jede Größe der Monöverballast geregelt, ein Verfahren für Vergleich der
Ergebnisse mit Ballons ungleichen Inhalts angeordnet. Die Vorschriften für
Prüfung des Materials umfassen Instruktionen, welche denen eines Luf't-
schifferhandbuches nahe kommen. Für zweifelhafte Fälle sind noch Proben
und Versuche angeordnet. Die Ausführungsbestimmungen für die Bewerbe
beziehen sich auf Aufstieg und Spnderbedingungen, wobei auch Selbstver¬
ständliches unterläuft z. B. daß bei einer Fahrt ohne Zwischenlandung nur
die Fahrt bis zur ersten Landung zählt, wenn der Ballon etwa nochmal
aufsteigt und die Fahrt fortsetzt. Unter den zehn Mitteln der Kontrolle
(Starter, Bordbuch, Briefe, Karten usw.) findet sich viel Papier. Für das
■ Bordbuch ist die Formel der Mitunterzeichnung gegeben, die Bestätigungen
der Landungszeugen, die Behandlung der Fragebogen, der Instrumente, Gas-
nachfüllungspapiere usw. bis auf die einzelne Zeile vorbereitet. Unter den
Zielfahrten ist auch in Aussicht genommen: Landung innerhalb eines fest¬
gesetzten Umkreises und nahe dem Mittelpunkt desselben, wobei wieder für
genaue Feststellung des Aufstiegs- und Landungspunktes Vorsorge getroffen
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ist. Ebenso sind für Zwischenlandungen alle Begriffsbestimmungen fest¬
gelegt. Der Wettbewerb bezüglich Stetigkeit des Fluges kann Regelmäßig¬
keit der Flugbahn, gleichbleibende, vorgeschriebene Höhe oder auch aus¬
gedehnten Höhenwechsel in langer Zeit, immer unter größter Sparsamkeit
zur Aufgabe haben und sind hierfür Regeln bezüglich Ballast- und Ballonet-
gebrauch gegeben.
Für Ballons mit Motor-Treibvorrichtung (3. Titel) ist vor allem
die Garantie der Sicherheit geregelt. Beilage 9 des Reglements behandelt
sämtliche bei einem Lenkbaren vorkommende Gegenstände und die an deren
Beschaffenheit zu stellenden Anforderungen eingehend auf zwölf Seiten. Es
sind Wettbewerbe bezüglich Eigengeschwindigkeit, dann Hauptbewerbe und
solche bezüglich Lenkbarkeit unterschieden. Für Messung der Eigenge¬
schwindigkeit sind außer den allgemeinen Anordnungen noch in Beilage 10
alle Messungs- und Berechnungsmittel eingehend auf sechzehn Seiten mit
Figuren und tabellarisch klar gelegt und dabei alle Lagen zur Windrichtung
berücksichtigt. Die Hauptwettbewerbe, welche mindestens 2 Stunden ohne
Unterbrechung dauern und zu denen nur Bewerber zugelassen werden, die
den Geschwindigkeitsbewerb durchgemacht haben, sind wieder in acht Arten
geschieden, je nachdem es sich um Dauer bestimmter Geschwindigkeit, Ein¬
haltung bestimmter Wege, geringsten Betriebsmittelverbrauch für bestimmte
Leistung usw. handelt und wobei verschiedenes gestattet oder ausgeschlossen
sein kann. Bezüglich Lenkbarkeit ist die Möglichkeit, Aufgaben zu stellen,
so ausgedehnt, daß dies Reglement sich darauf beschränkt, einige Beispiele
zu geben, wobei auch Einhaltung bestimmter Höhen vorkommt. Das
Rekord-Reglement (4. Titel) macht die Bestätigung eines Rekords davon
abhängig, daß die zutreffenden Reglementsbestimmungen eingehalten wurden
und daß die erforderlichen Nachweise vorliegen. Die Sportkommission ist
maßgebend und entscheidend. Der 5. Titel erklärt das Reglement als in
Kraft getreten vom 6. Juni 1903 an.
Das Reglement für Wettbewerbe und Rekordversuche mittels Gleit¬
fluges setzt Gleitapparate ohne Motor voraus, und zwar bemannt oder un¬
bemannt. Dabei kann sich die Erprobung möglichst auf flachen Flug, auf
Tragfähigkeit und auf leichten Bau beziehen und sind für die Zwecke des
Vergleichs genaue Beobachtungs- und Berechnungsregeln gegeben. Das Mittel
aus je drei Versuchen dieser drei Richtungen gibt für jede den Betrag,
welcher, in die Formel für die Gesamtleistung eingesetzt, den Wert für diese
bestimmt, um hiernach die Rangfolge festzusetzen. Rekords können nach
einer der Richtungen oder auch nach der Gesamtleistung bestätigt werden
(nur durch die Sportkommission), doch hat der Rekord nach letzterer
immer den Vorrang.
Das Reglement für Aufstellung von «Starters-chronometreurs»
endlich bestimmt, daß diese durch die Sportkommission zu ernennenden
Starters außer dem rechtlichen Besitz eines erstklassigen Chronometers auch
die eingehende Kenntnis der ihren Dienst betreffenden Artikel des Reglements
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nachzuweisen und eine genau vorgeschriebene praktische Prüfung zu be¬
stehen haben.
Von den Beilagen des Reglements («Annexe») sind jene Nr. 9 und 10
bereits erwähnt. Nr. 1 und 2 sind Tabellen, welche für 25 Größen von
Ballons (100 bis 5000 cbm), geschieden nach Wasserstoff- und Leuchtgas¬
füllung, eine Reihe von Angaben über Dimensionen, Anforderungen, Leistungs¬
und Sicherheitskoeffizienten usw. geben. Dann folgen Nr. 3 bis 8 mit Bei¬
spielen und Formularen.
Bei flüchtiger Durchsicht des Ganzen drängt sich allerdings die Frage
auf, ob man denn bei genauer Einhaltung so vielfach verklausulierter Vor¬
bedingungen überhaupt noch zu einem Aufstieg gelangen werde; doch führt
die im einzelnen prüfende Erwägung darauf, daß bei der sehr großen
Schwierigkeit, Selbstverständliches als solches zu bezeichnen und als über¬
flüssig auszuscheiden, die vorliegende eingehende Behandlung immerhin als
berechtigt erscheint. Vielleicht wäre es möglich gewesen, aus dem eigent¬
lich vorschreibenden Teil des Reglements noch einiges in die erläuternden
«Annexe« zu verschieben und so gelegentlich Wiederholungen zu vermeiden.
K. Neureuther.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
In der 245. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschif fahrt am 20. Marz
wurden 32 neue Mitglieder aufgenommen. Hierauf berichtete der Vorsitzende des Fahrtenaus¬
schusses Hauptmann v. Kehler über die seit dem 20. Februar ausgeführten Ballonfahrten.
Es fanden deren acht statt, davon zwei von Bitterfeld aus, wobei eine am 9. März von
Posen aus durch den dortigen Luftschiffer-Verein mit dem Ballon «Sigsfeld» unternommene
Fahrt ungerechnet ist. Ein zehnter, am 22. Februar von Bitterfeld aus geplanter Aufstieg
mußte wegen Sturmes unterbleiben und der schon gefüllte Ballon wieder entleert werden.
Spezialberichte über die 8 Fahrten gaben Teilnehmer an denselben wie folgt: Die Fahrt
vom 24. Februar endete nach 5 Std. 20 Min. in 195 km Entfernung von Charlottenburg
bei Mühlenbeck in Mecklenburg. Größte erreichte Höhe 1500 m, Führer Dr. Flemming,
Mitfahrende Professor Dr. Ollwig und Dr. Jaftä. — Am 25. Februar fanden von der gleichen
Stelle aus mit nur einer halben Stunde Zeitdifferenz zwei Aufstiege statt. Den ersten
Ballon führte Leutnant von Neumann, Teilnehmer an der Fahrt waren die Oberleut¬
nants Freiherr v. Steinäcker, v. Stülpnagel und v. Zastrow. Der zweite Ballon hatte an
Bord die Herren Hauptmann v. Kehler als Führer, Dr. Peill, Franz Haniel und Albert
Charlier. Der erste Ballon erreichte 3200, der andere 2150 m Höhe. Der erste landete
nach 4 Std. 22 Min. 163 km vom Ort des Aufstieges bei Reetz in der Neumark, der andere
nach 6 */» Stunden 180 km entfernt bei Arnswalde in der Neumark. Die sich aus diesen
Daten ergebende Geschwindigkeitsdifferenz der beiden Ballons erklärt sich daraus, daß
der zweite seiner Ballonverhältnisse wegen nicht in die größere Höhe gelangen konnte,
in der eine lebhaftere Luftströmung herrschte. — Der am 2. März unter Führung von
Oberleutnant v. Stülpnagel und in Begleitung der Herren Oberleutnants v. Stülpnagel II
und Römmler, sowie Leutnant v. Pogrell erfolgte Aufstieg konnte feuchten, nebeligen
Wetters halber sich nicht über 500 m erheben. Man mußte darauf verzichten, über die
Wolkendecke zu kommen, und landete nach 1 Std. 20 Min. schon in der Nähe von
Golzow bei Belzig, in einer Entfernung von nur 63 km. — Glücklicher verlief eine Fahrt
am 4. März, Führer Oberleutnant Hopfe, Mitfahrende die Leutnants Troost, v. Bodecker
und v. Schwartz. Der Ballon erhob sich bis zu 2300 m und landete nach 7 Stunden
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nach Zurücklegung von 140 km bei Wanzleben. — Am gleichen Tage stieg auch Haupt-
mann v. Krogh in Begleitung der Herren Dr. Hartmeyer und Boas mit dem Wasser¬
stoffballon von Bitterfeld aus auf. Es herrschte am Boden trübes Wetter, doch genügte
die Opferung von 2 */* Sack Ballast, um den Ballon 1200—1600 m hoch steigen zu
lassen, wo heller Sonnenschein herrschte. Später ging man wieder auf 250 m herab,
um die Flugrichtung festzustellen, dann wieder aufs neue hoch bis auf 2300 m. Gegen
5 Uhr nachmittags begann der Ballon zu fallen. Man ließ ihn bis auf 20 m über dem
Boden herabgehen und landete sehr glatt bei Wangenheim in der Nähe von Gotha. — Eine
Fahrt am 11. März, geführt von Oberleutnant v. Müller und begleitet von den Leutnants
v. Bachmayr, Graf v. Beroldingen und v. Bülow, endete nach 4 Stunden und Zu¬
rücklegung von 140 km bei Landsberg a. d. Warthe. Die größte Höhe wurde bei 1950 m
erreicht. — Die zweite Bitterfelder Fahrt endlich wurde am 18. März durch Hauptmann
v. Kehler geleitet, Teilnehmer daran waren Professor Dr. Pöschel und Hauptmann
Haertel. Der an zweiter Stelle genannte Herr nahm während der langen Fahrt wohl
an 50 Photographien auf: Wetter und Wind konnten für diesen Zweck gar nicht besser
sein. Die Elbe wurde bei Coswig in für die Absicht der photographischen Aufnahmen
geeigneter geringer Höhe überflogen. Auch die dem schwachen Winde entsprechende
geringe Geschwindigkeit war dem genannten Zweck besonders günstig. Es wurden in
6 V* Stunden nur 60 km zurückgelegt und 1400 m als Maximalhöhe erreicht. Die Fahrt
endete in Wiesenburg bei Belzig.
Es sprach hierauf, in Vorbereitung auf den für nächste Versammlung des Vereins
von Kapitän Spelterini zugesagten Vortrag über seine Alpenfahrten, Oberleutnant Hilde¬
brandt über «Ballonfahrten in den Alpen». Der Wunsch, die Alpen mit dem Ballon zu
überfliegen, ist sehr alt, seiner Ausführung haben sich bisher aber große Hindernisse in
den Weg gestellt, die im wesentlichen in der Unbestimmbarkeit der Luftsrömungen über
dem Gebirge bestehen. Luftströmungen in nordsüdlicher Richtung, vom Nord- zum
Südfuß der Alpen, und umgekehrt sind überhaupt sehr selten, und wenn sie in den geringen
Höhen vorhanden sind, ist damit noch nicht gesagt, daß sie auch in den großen Höhen
herrschen, zu denen ein die Alpen überfliegender Ballon aufzusteigen hat. Sehr häufig
treten lokale Strömungen in ganz unvorhergesehener Art und Stärke auf, die alle Vor¬
aussicht und Vorausberechnung vereiteln. Spelterini ist viermal in den Alpen auf¬
gestiegen, verfolgte aber nur bei seinen ersten Fahrten den Zweck, die Alpen vollkommen
zu überqueren, während er bei seinen ferneren Fahrten nur das Ziel im Auge hatte,
die interessantesten Partien des Hochgebirges durch Photos festzuhalten; seine Erfolge
sind dabei bedeutend und beachtenswert.
Die erste Fahrt unternahm Spelterini am 3. Oktober 1898 mit dem Züricher
Geologen Heim und dem Meteorologen Maurer von Sitten aus. Zur Füllung der 3350 cbm
großen «Vega> war das Gas in einem Gaserzeuger an Ort und Stelle zubereitet werden.
25 000 kg Eisendrehspäne und 30 000 kg Schwefelsäure hatten zu diesem Zw f eck herbei-
geschafft werden müssen. Der ursprünglich gefaßte Plan, die Alpen zu überqueren,
mußte von vornherein des ungünstigen Windes wegen aufgegeben werden, w r ollte man
nicht ganz auf die Auffahrt verzichten. 229 km Weg wurden nach Überfliegen der
Diablerets in 5 a /4 Stunden zurückgelegt ; die Landung erfolgte in Frankreich im Departe¬
ment Haute Marne.
Am 12. September 1903 stieg Spelterini zu seiner dritten Alpenfahrt auf — der
zweite Aufstieg war vom Rigi aus erfolgt — mit einem 1630 cbm großen Ballon, der am
Hotel Mont Cervin in Zermatt mit Wasserstoffgas aus 232 16 000 kg schweren Stahl*
Zylindern gefüllt w'ar. Die Route ging zunächst nach Nordosten über den Dom in der
Mischahelkette, dann nach Osten über Gletscherhorn und Weißmies, mit einer Süd¬
schwenkung über den Lago maggiore nach Norden nach Locarno. Die Nacht w r urde in
2800 m Höhe über einem Schneefeld zugebracht und dann am anderen Morgen über
Peccia in 4900 m Höhe nach Norden gefahren. Die Landung erfolgte in Chinti bei
Bignasco.
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Die. letzte Fahrt hatte ihren Ausgangspunkt an der Station Eiger, woselbst durch
Absprengen von Felsen der zur Füllung erforderliche Platz geschaffen war. Die Fahrt
war von der Jungfraubahngesellschaft angeregt, die photographische Aufnahmen für die
Vorbereitungen zum ferneren Bahnbau zu verwenden gedenkt. Von der Absicht, von
hier aus die Alpen zu überqueren, hat nichts verlautet, nur die Presse schob Spelterini
diesen Plan unter. Es ist dem Capitain gelungen, bei dieser Fahrt über 100 der herr¬
lichsten Aufnahmen fertigzustellen.
Im letzten November nahm Oberleutnant Hildebrandt selbst an einer von Spelterini
geleiteten Ballonfahrt teil. Sie erfolgte von Zürich aus im Leuchtgasballon bei rein
nördlichem Winde, sodaß man bei Wasserstoffüllung kurze Zeit die Hoffnung hätte haben
dürfen, die Überquerung der Zcntral-Alpen könne bei solcher Windrichtung gelingen-
Doch bei 4000 m Höhe schwenkte der hierzu günstige Wind von der eingehaltenen Süd¬
richtung gegen Südwest ab, der Ballon kreuzte den Vierwaldstädter See und fuhr am Nordfuß
der Zentralalpenkette entlang gen SW. Das Ballonmaterial Spelterinis ist erstklassig, die
Sicherheit seiner Führung bewundernswert. Auch ohne daß er nötig hätte, die Zentral-
Alpen zu überqueren, bleibt an den bisherigen Alpenfahrten, den Ballonfahrten in Ägypten
und der Annäherung im Ballon an den in Eruption begriffenen Vesuv bis auf 2 i jt km
genug des Ruhmes für den kühnen und erfolgreichen Luftschiffer! — Den Rest des
Vereinsabends füllte ein Vortrag von Rechtsanwalt Eschenbach aus über das Thema:
«Ein Frühjahrsausflug nach dem Lande der Pharaonen». Begleitet war der Vortrag von
120 Lichtbildern, welche die Reise vom Anhalter Bahnhof über München, die Alpen, durch
Italien, Ägypten, bis zu den Nilkatarakten und zurück über Griechenland veranschaulichten.
Der Vortragende verstand es trefflich, für den Gegenstand seiner Mitteilung zu interessieren,
erdkundliche, historische und ästhetische Betrachtungen abwechseln zu lassen mit schlichter
Wiedergabe der Augenblickseindrücke des Touristen, wobei urwüchsiger Humor auch
gelegentlich zu seinem vollen Rechte gelangte. Recht wirkungsvoll war die Gegenüber¬
stellung der ägyptischen Kulturwelt einerseits, der griechisch-römischen andererseits und
die Erläuterung ihrer unendlich großen Verschiedenheit an den Bauten und Bildwerken
beider. Dem Redner lohnte am Schluß allseitiger Beifall. A. F.
Die 246. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt am 17. April
unter Vorsitz von Hauptmann v. Tschudi begann mit der Aufnahme von 12 neuen Mit¬
gliedern. Vereins-Ballonfahrten haben seit dem 20. März, wie Hauptmann v. Kehler
mitteilte, zehn stattgefunden. Über die erste derselben, die am 23. März von Bitterfeld
aus erfolgte, berichtete deren Führer Dr. Bröckelmann. Mitfahrende waren Regierungs¬
bauführer Contag und Dr. v. Manger. Die mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von
41 km in der Stunde vor sich gehende Fahrt erstreckte sich in 7 Std. 20 Min. 300 km
weit bis Delmenhorst im Großherzogtum Oldenburg. Die größte erreichte Höhe war
1350 m. Bei herrlichem Wetter begann die Fahrt unter starkem, an der Erdoberfläche
aus SO. wehenden Winde, der in der Höhe jedoch schwächer wurde und gegen O. herum¬
schwenkte. Es wurden Cöthen, Bernburg, Braunschweig und Oldenburg gesichtet und
zu landen beschlossen, bevor man in zu große Nähe der Küste gerate. Doch fand sich
lange keine geeignete Stelle, weil man sich über einem ausgedehnten Sumpfgebiete be¬
wegte. Endlich, nach einer Schleppfahrt von 5 km und kurzer Wiedererhebung, konnte
auf Torfboden gelandet werden, wobei sich die Merkwürdigkeit ergab, daß der Ballon
sich bei starkem Bodenwinde nur mit Schwierigkeit entleeren ließ. Hauptmann v. Kehler
bezeichnete das als eine unter den genannten Umständen öfters gemachte Erfahrung.
Es komme vor, daß der Ballon vollständig umgekehrt werde. Ein Mittel, um solcher
Schwierigkeit abzuhelfen, sei, daß man vor der Landung ein längeres StücH am Schlepp¬
tau gehe. — Am 25. März fanden mit geringem Zeitunterschied zwei Fahrten statt
Der erste Ballon, Führer Oberleutnant Hopfe, Teilnehmer Leutnants Dippe-Bettmar,
v. Hellfeld, v. Minkwitz, kam in 6 Stunden, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von
19 km. 115 km weit bis Stendal, erreichte Maximalhöhe 1800 m. Der zweite, Führer
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Oberleutnant v. Milczewski, Mitfahrender Oberleutnant v. Kretschmann, blieb 9 Stunden
in Fahrt und landete nach zurückgelegten 225 km (durchschnittlich 25 km) in der Nähe
von Uelzen, erreichte Maximalhöhe 2100 m. Hierbei ereignete sich das Seltsame, daß
die beiden Ballons sich untereinander und mit einem dritten gleichzeitig aufgestiegenen
Ballon des Luftschifferbataillons wiederholt begegneten, was sich daraus erklärt, daß in
verschiedenen Höhen entgegengesetzt gerichtete Windströmungen, unten West-, oben
Ostwind, vorhanden waren, Ballonfahrt in drei Etagen also! Über die zweite dieser
Fahrten berichtete noch Oberleutnant v. Milczewski ausführlich, daß er mit einem Vorrat
von 24 Sack Ballast sich vorgenommen gehabt, hoch zu gehen, aber jenseits 1500 m
keinen Wind angetroffen und dann Not gehabt habe, wieder herunterzukommen. Der
Ballon habe diese Luftschicht nicht verlassen wollen und erst bei halbminutlichem Ventil¬
ziehen gehorcht. Dann sei man lange mit der Absicht, zu landen, am Schlepptau ge¬
gangen, aber so unruhiger Bodenströmmung begegnet, daß man, die Absicht aufgebend,
wieder hoch gegangen sei. Das habe sich dann noch mehrere Male aus den gleichen
Gründen wiederholt. Die Elbe habe der Ballon durchaus nicht passieren wollen, erst
beim Höhergehen konnte sie gekreuzt werden. Als man endlich zur Landung schritt,
wurde der Ballon von unten durch lebhaften Zuruf begrüßt. Es war schnell Hilfe zur
Stelle, sodaß die Landung annähernd so glatt erfolgte, wie die bei der Nähe einer
Eisenbahnstation sich schnell ermöglichende Nachhausefahrt. — Am 29. stieg Hauptmann
v. Krogli in Begleitung der Herren Dr. Voßwinkel und Boas von Bitterfeld auf. Die
Fahrt endete jenseits Berlin in Neu-Barnim nach 6 Stunden und nach Zurücklegung
von 190 km (31 km pro Stunde), erreichte größte Höhe 2000 m. — Am 30. fanden
wiederum, ziemlich gleichzeitig, 2 Fahrten statt, beide in der Neumark endend. Die eine
unter Führung von Leutnant v. Etsdorf — Begleiter Leutnants v. Barby, v. Hofmann
und Schultze — dauerte 4 l j* Stunden und gelangte nach Zurücklegung von 155 km
(Stundendurchschnitt 36 km) und erreichter Maximalhöhe von 1750 m bis Breitenstein;
die zweite unter Führung von Oberleutnant v. Müller — Begleiter Freiherr v. Schneider,
Oberleutnant v. Koppen, Leutnant v. Roon — endete 146 km weit nach 4 Std. 20 Min.
in Friedeberg, Durchschnittsgeschwindigkeit 35 km, größte Höhe 2200 m. — Eine inter¬
essante Nachtfahrt unternahm Hauptman v. Kehler, der selbst eingehend darüber be¬
richtete, am 1. April in Begleitung von Oberleutnant Wolff mit Wasserstoffballon von
Reinickendorf aus. Sie endete nach 9 Stunden und Zurücklegung von 306 km (durch¬
schnittlich 34 km in der Stunde) bei Militsch. Größte erreichte Höhe war 1150 m. Nachts
10 Uhr aufsteigend überflog man zunächst das erleuchtete Berlin, um bald nachher im
Wechsel mit diesem Lichterglanz festzustellen, daß die Nacht doch ganz außerordentlich
finster und der Sternenhimmel nur stellenweise sichtbar sei, auch an der für die Orien¬
tierung wichtigsten Stelle, dem Polarstern, durch den Ballon verdeckt wurde. So blieb
zur ungefähren Orientierung nur die öftere Befragung des Kompasses beim Schein elek¬
trischer Glühlämpchen. Zum Glück erlaubte auf einer weiten Strecke auch der rote
Schein des zur Feier von Bismarcks Geburtstag auf dem Bismarckturm am Müggelsee
angezündeten mächtigen Feuers die ungefähre Feststellung der Richtung, in der sich der
Ballon bewegte, sodaß man in der geringen Höhe von 50—150 m verbleibend, nicht im
Zweifel war, Frankfurt a. 0. unter sich zu haben, als man gegen 1 Uhr viele Lichter
sah. Vorher — gegen 3 / 4 12 Uhr — hatte auf Anruf schon jemand von unten geant¬
wortet, daß man sich über Steinhövel befinde. Beim Überschreiten der Oder sank der
Ballon beträchtlich, weil er durch die große Feuchtigkeit der Luft über dem Odertal
schwerer wurde, und es bedurfte einer kräftigen Erleichterung von dem mitgenommenen
Ballast, um wieder hoch zu kommen, eine bei Nachtfahrten ungewöhnliche Maßregel,
weil beim Fehlen der Sonne sich die statischen Verhältnisse des Ballons zumeist wenig
ändern. In Höhe von erst 600, dann 800, später 1000 m weiterfahrend, war man bei
Anbruch der Dämmerung gegen 4 Uhr unsicher, ob der Ballon nicht der zu vermeiden
gewünschten russischen Grenze zutreibe und ging deshalb zu Erkundungszwecken in
eine geringere Höhe herab. Weit und breit war jedoch nur ein einsamer Wanderer auf
Ulustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 25
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der Chaussee zu erblicken, den man laut singen hörte: «Wir sind die Sänger von Finster¬
walde*. Der Mann war aber so vertieft in diese angenehme Beschäftigung und an¬
scheinend auf seine Zugehörigkeit zu den Sängern von Finsterwalde so stolz, daß er den
Anruf der Luftschiffer unbeantwortet ließ. Vielleicht hatte er ihn auch vor dem eigenen
Geschmetter in den grauen Morgen hinein gar nicht gehört. Jenen aber schien mittelbar
der Beweis geliefert, daß sie von der russischen Grenze noch weit entfernt seien, sodaß
sie mit dem Ballon wieder hinaufgingen und sich bei dem klaren Morgenhimmel auf
den Genuß eines schönen Sonnenaufgangs vorbereiteten. Dieser gleich nach 6 Uhr auf
eine herrliche Morgenröte folgende Moment brachte den Luftschiffern aber eine ganz
eigenartige Überraschung. An der Stelle des Horizonts nämlich, an der sich das Er¬
scheinen des Tagesgestirns ankündigte, stand eine lichte Wolke, und man war vorbereitet
darauf, die Sonne hinter dieser sie voraussichtlich nur leicht verschleiernden Wolke
aufgehen zu sehen, als plötzlich die Sonne vor der Wolke erschien. Die seltsame Er¬
scheinung klärte sich wenige Minuten später schon vollständig auf. als die Sonne tat¬
sächlich, wie erwartet, hinter der Wolke aufging. Die zuerst gesehene Sonne war nur
das Spiegelbild derselben in einer großen Wasserfläche gewesen und man sah dieses
Sonnenbild noch kurze Zeit unter der emporsteigenden Sonne. Der Anblick war ein
höchst wunderbarer! Nunmehr aber galt es, sich zu überzeugen, ob man der russischen
Grenze zutreibe. Man ging deshalb auf 200 m herunter und versuchte zu wiederholten
Malen Menschen, die man unten sah, anzurufen, indessen lange ohne Erfolg. Man er¬
kannte deutlich, daß der Anruf gehört worden war, denn die Menschen wandten ihr
Gesicht dem Ballon zu; aber ihr ungemessenes Erstaunen schien sie sprachlos zu machen.
Endlich kam auf die Frage, welches die nächste Stadt sei, von unten eine Antwort, die
Sorau oder Glogau oder Guhrau bedeuten konnte, auf die Frage nach dem Regierungs¬
bezirk glaubte man die Antwort Liegnitz zu hören. Die russische Grenze war auf alle
Fälle weit entfernt. Man ging deshalb nochmals für einige Zeit bis zu 500 m hoch und
als man dann wieder herunterkam und in Schlepptau ging, erscholl jetzt auf Anfrage
nach unten die Antwort, daß man sich in der Nähe von Sulau, Kreis Militsch, befinde.
Bald erblickte man auch die Ocls-Militscher Bahn und in ihrer Nähe einen schönen
Landungsplatz, auf dem gegen 7 Uhr morgens die Landung aufs glatteste erfolgte. —
Eine eigenartige Fahrt machte Oberleutnant v. Schultz mit 2 Offizieren des Garde-Kü-
rassier-Regiments am 11. April von Bitterfeld aus mit dem Wasserstoffballon. Sie richtete
sich nämlich schnurstracks nach Berlin und endete nach 3—4 Stunden auf dem Tempel¬
hofer Felde in der Nähe der Gardekürassierkaserne, deren Bewohner bei der Landung
Hilfe leisteten. — Am 15. April unternahm Oberleutnant v. Veltheim, am 17. Ober¬
leutnant v. Britzke von Charlottenburg aus Fahrten. Die erstere endete in der Nähe
von Hamburg, die letztere nach 6 Stunden bei Königslutter, nähere Nachrichten standen
im Augenblick der Berichterstattung noch aus.
Es folgte nunmehr der Vortrag des Abends: Vorführung von Ballonaufnahmen der
Schweiz, der Alpen und von Ägypten als Lichtbilder durch Kapitän Spelterini aus Zürich^
den der Vorsitzende begrüßte und der Versammlung vorstellte. Der bekannte und gefeierte
Luftschiffer richtete selbst einige Worte an die Versammlung und bat dann, weil er sich
der deutschen Sprache nicht genügend mächtig fühle, Oberleutnant Hildebrandt, der im
November des vergangenen Jahres mit ihm eine Ballonfahrt in 4000 m Höhe die Alpen
von Jungfrau bis fast an den Montblanc entlang gemacht hatte, die Erklärung der Bilder
zu übernehmen. Letztgenannter Herr hatte vorher bereits zur Orientierung für die¬
jenigen Erschienenen, welche der März-Versammlung des Vereins nicht beigewohnt,
einige einleitenden Mitteilungen über Alpenfahrten gemacht und früher Gesagtes noch durch
interessante Einzelheiten ergänzt, u. a. daß Kapitän Spelterini in einer 27 jährigen Tätig¬
keit als Luftschiffer bereits 537 Freifahrten gemacht, dabei 1100 Personen durch die
Lüfte geführt habe und daß seine Fahrten wiederholt zu wissenschaftlichen Forschungen
benutzt worden seien — als da sind luftelektrische Messungen, physiologische Beobach¬
tungen, Blutuntersuchungen zur Feststellung der merkwürdigen Tatsache, daß die weißen
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Blutkörperchen sich mit der Erhebung über den Erdboden stark vermehren usw. Selbst zu
archäologischen Erkundungen konnten Kapitän Spelterinis ägyptische Luftfahrten sich nütz¬
lich erweisen, als man von oben gewisse bisher nicht gekannte hügelartige Erhöhungen in
der Nähe vom Nil sah, die für noch unerforschte Königsgräber gehalten wurden und
sich auch als solche ergaben. Ganz besonders war auch Oberleutnant Hildebrandt dem
noch immer in der Presse verbreiteten Glauben entgegengetreten, als ob es sich bei
Spelterinis Alpenfahrten um den Versuch handelt, die Alpen zu überqueren. Allerdings habe
bei der ersten Fahrt 1898 diese Absicht Vorgelegen, sei aber demnächst aufgegeben und
bei allen weiteren Fahrten habe der Kapitän lediglich den Zweck verfolgt, von den
interessantesten Partien der Alpen photographische Aufnahmen zu machen, um dieselben
damit weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Das Photographieren aus dem Luftballon
betreibt Kapitän Spelterini erst seit 9 Jahren, hat darin aber nach Überwindung großer
Schwierigkeiten eine solche Übung und Meisterschaft erlangt, daß ihm bei seiner letzten
Fahrt in 80 Minuten bis 100 Aufnahmen geglückt sind. Letztere Tatsache erschien be¬
glaubigt durch die nunmehr vom Bildwerfer vorgeführten Lichtbilder, unter denen sich
z. B. eine große Anzahl von Aufnahmen der Jungfrau befinden, die sie von allen Seiten
zeigen und nur in schneller Aufeinanderfolge der Aufnahmen hergestellt sein können.
Das Programm dieser Vorführung war ein ungemein reichhaltiges. Es bezifferte
sich auf insgesamt 102 Lichtbilder. Von ihnen betrafen Nr. 1—8 die bei einem Züricher
Aufstieg hergestellten Bilder, von Stadt und Umgebung, Nr. 9—27 Bild von Basel, St. Gallen,
Luzern, Rigi, Mythen, Thun, Diablerets und Genf, Nr. 28—51 die auf der Alpenfahrt von
Zermatt gemachten Aufnahmen, u. a. Monte Rosa, Matterhorn, Mettelhorn, Mischabel-
Gruppe, Domspitze, Landung im Maggiatal, Nr. 52—70 Ägypten — Kairo, die Totenstadt,
die Pyramiden, die arabische Wüste, Nr. 71—102 endlich stellten die Früchte der Fahrt
vom Eigergletscher aus im Sommer vorigen Jahres dar, Eiger, Mönch, Finsterarhorn,
Aletschhorn, Jungfrau!
Viele dieser Bilder müssen mit besonderen Augen angesehen werden, weil sie die
Dinge an der Erdoberfläche zumeist in ganz anderer Art zeigen, als wir sie zu sehen
gewöhnt sind. Dies gilt im besonderen von Stadt- und Talbildern, in viel geringerem
Grade aber von den Hochgebirgsbildern, deren Gegenstände wir von oben ja etwa unter
demselben Winkel erblicken, unter dem wir sie sonst von unten sehen. Bei ihnen ver¬
gißt man deshalb die bei den ersteren anfänglich notwendige «Anpassung» unserer Vor¬
stellungsweise. Diese ist entbehrlich und man hat den vollen, durch Überlegung
unangekränkelten Genuß an der greifbaren Nähe, in welche uns die prächtigen Gebilde
der Hochgebirgswelt gebracht sind. Doch auch die Städte- und Talbilder, vom Ballon
aus aufgenommen, entwickeln große Reize, wenn man sie erst sehen gelernt hat. Man
hat dann eine Nachempfindung der Freude, welche die Aussichten von hohen Punkten
immer bereiten! Dies findet sogar Anwendung auf die Ausblicke auf die arabische Wüste,
die geradezu packend in ihrer Wirkung sind, auch mit Rücksicht auf den Eindruck, den
man von dem Spiel des Windes mit der Sandmasse gewinnt, die er zu kraterartigen
Gebilden und eigentümlichen Trichtern zusammenquirlt, erinnernd an den Anblick der
uns von einem starken Fernrohr gezeigten Mondlandschaften. Und von welcher wunder¬
vollen Wirkung sind die zahlreich eingestreuten Wolkenbilder mit ihren prächtigen Be-
leuchtungseffekten.
Es ist an dieser Stelle untunlich, den einzelnen Bildern unter der großen Fülle
des Gezeigten gerecht zu werden. Die Gesamtempfindung ist die einer hohen Befriedigung
über diese vom Ballon ermöglichten und vermittelten Eindrücke, und über die hierdurch
gewährte Bereicherung unserer Anschauungen von der schönen Erdenwelt! Daß die
andächtig aufmerkende Zuschauerschaft von solchen Gefühlen der Befriedigung und im
besonderen des Dankes für Kapitän Spelterini erfüllt war, mochte ihm der große am
Schluß der Vorführung allseitig laut werdende Beifall bekunden! A. F.
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Münchener Verein für Luftschiffahrt.
«Die Grenze der Atmosphäre» lautete das interessante Thema eines Vortrages,
den Herr Privatdozent Dr. Robert Emden in der Versammlung des «Münchener
Vereins für Luftschiffahrt» hielt, die am Dienstag den 14. März, abends 8 Uhr,
im Vereinslokale «Hotel Stachus> stattfand. Der wesentliche Inhalt des Vortrages war
folgender.
Die unbemannten Registrierballons zeigen uns Existenz und Eigen¬
schaften der Atmosphäre bis zu Höhen von 20—25 km an. Für noch größere
Höhen stehen uns gegenwärtig keine direkten Beobachtungsmethoden
mehr zur Verfügung.
Daß aber die Atmosphäre noch weit über 25 km Höhe hinausreicht, das machen
verschiedene optische und mechanische Phänomene wahrscheinlich, für deren Zustande¬
kommen wir die Existenz einer wenn auch sehr verdünnten Atmosphäre wohl annehmen
müssen. Gelingt es nun, die Höhen zu bestimmen, in denen sich diese Erscheinungen
abspielen, so können wir immerhin mit großer Wahrscheinlichkeit die Ausdehnung unserer
Atmosphäre bis zu eben diesen Höhen annehmen.
Solche Erscheinungen, die uns Anhaltspunkte zu Höhenbestimmungen
bieten, sind die Dämmerungserscheinungen, die sogenannten leuchtenden
Nachtwolken, Polarlichter, Sternschnuppen und Mondfinsternisse.
Schmidt in Athen berechnete, daß die Dämmerungserscheinungen im Winter
bis 74 km, im Sommer bis 57 km Höhe erreichen. Das seiner Natur nach noch unbe¬
kannte Phänomen der leuchtenden Nachtwolken kommt nach Jesse (1885) in einer Höhe
von 80—90 km zustande, und die mittlere Höhe der Polarlichter ergibt sich zu 60 km.
Zu wesentlich größeren Höhen führt die Beobachtung der Sternschnuppen. Das
Erglühen und Aufleuchten dieser Meteorite inlolge der Reibung bei ihrem raschen Fluge
durch die irdische Atmosphäre, das sie für uns erst als sogenannte Sternschnuppen
sichtbar macht, tritt noch in Höhen bis zu 300 km auf. Daraus kann man sogar in
dieser gewaltigen Höhe das Vorhandensein einer Atmosphäre von immerhin noch
nennenswerter Dichte folgern. Ähnliche Höhen (300 km) der Atmosphäre wurden ab¬
geleitet aus der Beobachtung, daß bei Mondfinsternissen schon 3 Minuten vor Eintritt
in den Kernschatten eine schwache Verdunkelung des Mondkörpers zu bemerken war,
was eben als Wirkung unserer Atmosphäre gedeutet wird. Soweit reichen unsere ex¬
perimentellen Methoden.
Die Lösung der Aufgabe, die Grenze unserer Atmosphäre zu bestimmen, wurde
aber auch auf verschiedenen rein theoretischen abstrakten Wegen versucht, die der
Vortragende eingehend behandelte. Sie führten zu dem Ergebnis, daß in Höhen von
1000—2000 km die Dichte der Atmosphäre so klein sein muß, daß die Frage nach der
Grenzbestimmung praktisch bedeutungslos wird. Dr. Otto Rabe.
Vorstand des Vereins für 1905.
I. Vorsitzender: Generalmajor z. D. Karl Neureuther, Gabelsbergerstraße, Garten¬
bau; II. Vorsitzender: Professor Dr. Kurt lleinke, Griamillerstraße 29, Gartenbau;
Schriftführer: Oberleutnant August Vogel, K. LuftschitTerabteilung; Schatzmeister:
Hofbuchhändler Ernst Stahl jun., Kaufingerstraße 26; Beisitzer: Professor Dr. Peter
Vogel, Professor Dr. Martin Hahn, Hauptmann Ernst Dietel, Prokurist Franz Fehr;
Ableilungsvorstände: I. Privatdozent Dr. Robert Emden, Gabelsbergerstraße 77,
II. Hauptmann Konrad Weber, Kommandeur der K. bayer. Militärluftschifferabteilung,
III. Dr. Otto Rabe, Schönfeldstraße 11.
Wiener Flugtechnischer Verein.
Am 22. November 1904 hielt der Wiener Flugtechnische Verein seine erste Voll¬
versammlung im neuen Vereinsjahre ab, die gleichzeitig als außerordentliche General-
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Versammlung ausgeschrieben war. ln derselben wurde der zweite Obmannstellvertreter
des Vereins, Herr Ingenieur Wilhelm Kreß, mit Rücksicht auf seine großen Verdienste,
welche er sich namentlich durch den Bau seiner freifliegenden Modelle und die uner¬
müdliche Agitation für seinen Drachenflieger um die Popularisierung der Flugtechnik und
um den Verein seit seiner Gründung erworben hat, zum Ehrenmitgliede gewählt.
In der gleichen Versammlung erstattete der Vorsitzende erster Obmannstellvertreter,
Herr Oberingenieur Ilerrmann R. v. Loeßl, Bericht über die Einsetzung eines wissen¬
schaftlichen Studienkomitees durch den Ausschuß. Der Zweck dieses Komitees, dessen
Arbeitsprogramm bereits im Januarheft d. Js. der «lllustr. Aöron. Mitt.» abgedruckt
wurde, ist die Vornahme wissenschaftlicher Untersuchungen auf dem Gesamtgebiete der
Flugtechnik und die Durchführung experimenteller Arbeiten nach Maßgabe der jeweilig
vorhandenen Mittel. Um die Bestrebungen des Komitees wenigstens moralisch zu för¬
dern, widmete der Wiener Flugtechnische Verein einen Beitrag von 500 Kronen für den
Experimentierfonds. Im selben Sinne spendete Se. kais. Hoheit, Herr Erzherzog Leo¬
pold Salvator, 300 Kronen für den Fonds des wissenschaftlichen Studienkomitees.
Am 16. Dezember 1904 fand die zweite Vollversammlung statt, ln derselben hielt
Herr R. Nimführ, Universitätsassistent an der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und
Geodynamik, einen Vortrag über «Drachen und Luftballons als Hifsmittel der Erforschung
der höheren Schichten der freien Atmosphäre*. Der Vortragende gab zunächst eine
kurze Entwicklungsgeschichte der aeronautischen Meteorologie und legte dann eingehend
dar, welch große Bedeutung Drachen und Luftballons für die Physik der freien Atmo¬
sphäre und deren Anwendung für die praktische Wetterprognose besitzen. «Die führenden
meteorologischen Forscher haben seit langem erkannt, daß die Beobachtungen an der
Erdoberfläche und auf Berggipfeln nicht hinreichend sind, um die Bewegungen und
Zustände der Atmosphäre genauer zu erforschen und einen Einblick in den ursächlichen
Zusammenhang der Wetteränderungen zu gewinnen. Zur vollständigen Charakterisierung
der Vorgänge in der Atmosphäre und der dadurch bedingten Änderungen des Wetters
sind deshalb möglichst fortlaufende Beobachtungen auch aus höheren «ungestörten*
Schichten der Atmosphäre unentbehrlich. Was wir an der Erdoberfläche beobachten
können mit Hilfe unserer Instrumente, gleicht bloß dem Kräuseln der Wogen, dem
Wellenschläge am Strande des Ozeans. Einen tieferen Einblick in den kausalen Zu¬
sammenhang der Wetteränderungen können wir erst gewinnen, wenn wir die erdnahe
Störungsschicht mit ihren zahllosen lokalen, derzeit kaum qualitativ und noch viel
weniger quantitativ wertbaren Einflüssen durcbdringen und mit Hilfe des Drachens in den
Tiefen des Luftmeeres schwebende Observatorien verankern, die uns die Daten liefern,
welche wir zur quantitativen Charakterisierung des Wetters nicht entbehren können.»
«Welch außerordentlich günstigen Ausblick die Drachenforschung speziell für die praktische
Wetterprognose eröffnet, hat Prof. Aßmann bereits an einer Reihe von Beispielen deut¬
lich dargetan. Es hat sich gezeigt, daß namentlich das Vorhandensein oder Fehlen von
Temperaturumkehrungen (Inversionen) von großem Einfluß auf die Gestaltung der Witte¬
rung ist; die Konstatierung von Inversionen und deren Überwachung bildet auch bereits
ein wichtiges Hilfsmittel der Vervollkommnung der Lokalprognosen für alle Orte, welche
innerhalb des Wetterraumes liegen, in dem die Auslotung der Atmosphäre stattfindet.»
Der Vortragende geht hierauf auf die Entwicklung der Drachentechnik in ihrer
Anwendung auf die meteorologische Höhenforschung näher ein; er weist kurz auf die
Versuche von Dr. Wilson, Birt, Archibald und Eddy hin und gibt dann an der Hand von
bildlichen Darstellungen und Modellen eine Darstellung der Leistungsfähigkeit des
sogenannten Kastendrachens von Hargrave, dessen Erfindung er als einen Wendepunkt
in der Entwicklung der Drachentechnik bezeichnet. Die epochemachenden Arbeiten von
Rotch am Blue Hill und Teisserenc de Bort in Trappes werden sodann ausführlich be¬
schrieben und deren Bedeutung für die Drachenforschung gewürdigt. Der Vortragende
legte weiter dar, daß gegenwärtig nahezu alle Kulturstaaten ein oder sogar schon
mehrere Aeronautische Observatorien besitzen, an denen Aufstiege von Drachen und
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Drachenballons stattfinden, um die meteorologischen Verhältnisse der höheren Schichten
der freien Atmosphäre zu erforschen. «Ilm. der systematischen Drachenforschung allmählich
auch in Österreich, wo bisher auf diesem Gebiete so gut wie nichts geschehen ist, die Wege zu
ebnen, hat das wissenschaftliche Studienkomitee des Wiener Flugtechnischen Vereins die
Einrichtung einer Drachenstation in Verbindung mit einer Flugtechnischen Versuchsanstalt
ins Auge gefaßt. Es sollen teils unter Zuhilfenahme der gegenwärtig bereits zur Ver¬
fügung stehenden Hilfsmittel und nach den von anderen Forschern ausgearbeiteten
Methoden, teils in völlig neuer und origineller Weise Drachenaufstiege bis zu den größten
erreichbaren Höhen ausgeführt werden. Auch soll stets der flugtechnischen Verbesse¬
rung des Drachenmateriales und der Erhöhung des Wirkungsgrades ein besonderes
Augenmerk zugewendet werden. Es wäre nun zu wünschen, daß sich ein für die
Wissenschaft begeisterter Mäcen fände, der bereit wäre, die Mittel zur Verfügung zu
stellen, die nötig sind, um an die Realisierung der gestellten Aufgabe herantreten zu
können. Da die endliche Schaffung eines Institutes für die Pflege der aeronautischen
Meteorologie und der Flugtechnik nicht bloß von höchstem wissenschaftlichen und prakti¬
schen Interesse, sondern heute nachgerade schon zur Ehrenpflicht für Österreich geworden
ist, darf man wohl hoffen, daß der Appell des Wiener Flugtechnischen Vereins nicht un-
gehört verhallen wird.»
Am 13. Januar 1905 fand die dritte Vollversammlung des Wiener Flugtechnischen
Vereins statt. Nach Erledigung der geschäftlichen Mitteilungen hielt Herr Ingenieur und
Patentanwalt J J. Ziffer einen recht anregenden und mit lebhaftem Beifall aufgenom¬
menen Vortrag über «Das neue österreichische Patentgesetz und der Schutz der Erfinder¬
rechte im allgemeinen». Der Vortragende gab zunächst eine kurze, sehr interessante
Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Patentgesetzgebung überhaupt und kommen¬
tierte dann die wichtigsten Paragraphen unseres neuen österreichischen Patentgesetzes,
wobei er sich namentlich bemühte, die Begriffe der «Erfindung* und der «Neuheit»
einer Erfindung auch dem juristisch nicht geschulten Laien so klar wie möglich zu
machen.
Am 27. Januar wurde die fünfte Vollversammlung abgehalten. Für dieselbe war
ein Diskussionsabend angesetzt. Als Grundlage der Diskussion diente ein von Herrn
Ingenieur Viktor Hänisch im Januar 1904 im Ingenieur- und Architektenverein ge¬
haltener und seitdem veröffentlichter Vortrag, der unter dem Titel «Konstruktion zur Er¬
möglichung der intermittierenden Kraftausnützung bei Fortbewegung von Massen in
elastischen Mitteln unter spezieller Berücksichtigung des dynamischen Fluges*, auch als
Sonderabdruck im Verlag des Verfassers (Wien III, Hetzgasse 8) erschienen ist.
Herr Ingenieur Hänisch leitete die Diskussion selbst ein, indem er in Kürze die
Prinzipien darlegte, auf denen die von ihm mit viel Fleiß und Geschicklichkeit konstruierten
Fliegermodelle zur Ausnützung intermittierender Kraft basieren. Im Wesen bestehen
diese Modelle aus je einem Paare von Flügeln, die in eigenartiger Weise um horizontale
Achsen rotieren und dabei Schlagbewegungen ausführen. Der Mechanismus, durch den
die Auf-und Niederbewegung der Flügel bewirkt wird, besteht kurz skizziert in folgendem:
An dem nicht angetriebenen Ende einer Kurbel wird die ebene Flugfläche von recht¬
eckiger Form im Mittelpunkte ihrer Breitenausdehnung drehbar befestigt. Mit Hilfe einer
Balance wird nun von einer bestimmten Anfangslage aus die Fläche derart bewegt, daß
sie sich um den am nicht angetriebenen Kurbelende liegenden Mittelpunkt genau um die
Hälfte jenes Winkels dreht, welchen die Kurbel während der gleichen Zeit beschrieben
hat. Die Hauptkurbel, welche von der Maschine direkt angetrieben wird, hat auf ihrer
Achse und zwar auf der der Schlagfläche abgevvendeten Seite ihrer Drehungsebene die
Balance durch vollkommen zwangsläufige Übersetzung derartig drehbar befestigt, daß sich
dieselbe um die Hälfte desjenigen Winkels drehen muß, den die Hauptkurbel in der
gleichen Zeit beschreibt, gleichgültig, ob die Bewegung gleichförmig, mit Beschleunigung
oder Verzögerung erfolgt. An den Enden der Balance sind wieder Kurbeln befestigt,
welche sich in derselben Ebene wie die Hauptkurbel bewegen und die Winkelbewegung
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der Balance auf die Fläche zu übertragen haben. Sie stehen in jedem Augenblick
parallel zur Hauptkurbel und drehen sich daher mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit
wie diese. Die beiden Flügel liegen symmetrisch zur Medianebene des Apparates. Der
Antrieb der Modelle erfolgt durch die Spannkraft von vier Uhrfedern. Die Modelle
führten, wenn man die Federn vollständig aufzog, wohl eine hüpfende Bewegung aus:
dieselbe konnte jedoch noch nicht als beweiskräftig dafür angesehen werden, daß das
Modell wirklich flugfähig ist, d. h/ daß dasselbe imstande ist, sich (wenn auch nur kurze
Zeit) freischwebend in der Luft zu erhalten.
An die Ausführungen des Herrn Vortragenden knüpfte sich eine sehr lebhafte Dis¬
kussion. Man zollte den mit großem konstruktiven Geschick und sehr sauber aus¬
geführten Modellen wohl allgemeine Anerkennung, trat aber der Behauptung entgegen,
daß ein Propeller bei intermittierender Arbeit einen größeren Wirkungsgrad ergebe, als
bei kontinuierlicher Beanspruchung.
Am 10. Februar 1905 sprach Herr Oberingenieur Anton Makowsky über «Eine
neue ballonfreie Fliegerkonstruktion». Die Ausführungen^s Herrn Vortragenden brachten
leider eine große Enttäuschung. Mit Rücksicht auf dte Stellung des Herrn Vortragenden
glaubte der Ausschuß davon absehen zu können, das Manuskript des Vortrages sich
früher vorlegen zu lassen. Es hat sich indes gezeigt, daß der Titel «Ingenieur» für
sich allein noch durchaus keine sichere Gewähr dafür bietet, daß der Träger dieses
Titels deshalb auch von der Flugtechnik und der Luflschiffahrt per se schon mehr
wissen müsse, als der erste beste Laie. Mit viel Pathos legte der Herr Vortragende
das neue von ihm erfundene Fliegersystem dar, ohne sich dessen bewußt zu
werden, wie kindlich naiv seine Ausführungen dem Fachpublikum erscheinen - mußten,
vor dem er sprach. Der Abend mußte deshalb leider als vollständig verloren gelten.
Der Herr Vortragende ließ sich durch die verdiente abfällige Beurteilung seiner ganz
unreifen Ausführungen vor dem kompetenten Fachkreise jedoch nicht abschrecken, kurz
darauf in der Maschinen-Ingenieurgruppe des österreichischen Ingenieur- und Architekten¬
vereins neuerdings seinen Vortrag über das gleiche Thema zu halten; derselbe soll, zu¬
folge den Berichten der Tagesblätter, mit großem Beifall aufgenommen worden sein(!V). l )
In der Vollversammlung vom 24. Februar sprach Herr Ingenieur Josef Popper,
welcher durch Krankheit verhindert gewesen, am Diskussionsabend vom 27. Januar
teilzunehmen, in unmittelbarer Anlehnung an diese Diskussion über «Die Nachteile der
intermittierenden Flugmethode im Hinblick auf Arbeitsökonomie». Die geistvollen Aus¬
führungen des Vortragenden trugen sehr wesentlich zur Klarstellung der Frage betreffs
der Arbeitsökonomie bei. Herr Ingenieur Popper legte in ebenso klarer wie zwingender
Weise dar, daß vom Standpunkte der Motorgröße aus das Intermittieren gegenüber dem
kontinuierlichen Betriebe ökonomisch ungünstig ist, und folgert, daß bei Flugmaschinen¬
projekten (wenn sonst keine anderen Gründe dafür sprechen) nur kontinuierliche Betriebe
ins Auge zu fassen sind.
Reicher und anhaltender Beifall lohnte den Herrn Vortragenden für seine treff¬
lichen Darlegungen. • N imführ.
Königlich Spanischer Aero-Klub.
Am 8. April hat sich in Madrid ein Komitee gebildet zur Gründung eines Koni gl.
Spanischen Aero-Klubs Dasselbe setzt sich wie folgt zusammen: Vorsitzender: Mar¬
quis de Viana; Stellvertreter: Hauptmann Kindel an; Schatzmeister: Herr Roman S.
Areas; Schriftführer: Herr Jean Rugama; leitende Komiteemitglieder: Jacques Loi-
niers, Jesus Fernandez Duro, Marquis de la Rodriga. Die Ehrenpräsidentschaft
i) Nach der Mitteilung eines Augenzeugen (Herrn Oberingenieur H. v. Loessl) stießen die Aus¬
führungen des Herrn Vortragenden indes auch im Ingenieur- und Architektenverein auf sehr lebhaften
Widerspruch.
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soll Sr. M. dem König Alfons XIII angeboten und der erste Ballon des Königl. Aero-
Klubs Alfonso XIII getauft werden. Der Präsident Marquis de Viana stiftete einen
Preis für eine Wettfahrt unter sehr günstigen Bedingungen.
Die Liebe für Luftschiffahrt findet gegenwärtig unter den Sportsleuten schnelle Ver¬
breitung und es zu erwarten, daß der Spanische LuftschifTer-Verein sehr bald zahlzeiche
Mitglieder aufweisen wird. Schon jetzt liegen zahlreiche Anmeldungen vor.
Am 18. Mai letzthin hat nun die Gründungsfeier des «Real Aero-Club
de Madrid» in Gegenwart S. M. des Königs Alfonso XIII. stattgefunden. Bei diesem
Anlaß stiegen 4 bemannte Ballons auf. Der erste, von 1600 m 3 , ist Eigentum des Aero¬
klubs selbst. Er wurde geführt von Oberst Vives v Vieh, Chef der militärischen Luft¬
schifferabteilung. Mitfahrer waren die Herren Marquis de Viana, Vorsitzender des
Aeroklubs, Santiago Liniers, Juan Ruyama. Die 3 andern Ballons gehörten Klub¬
mitgliedern, so der eine Ballon, «Vencejo» (1200 m 3 ), dem Marquis de la Rodriga,
der selbst mitfuhr, begleitet von M. Hurt ad o de Amezaga, und geführt von Hauptmann
Kindelän. Der Herrn Fernando Duro gehörende Ballon «Alcotän* (1000 m s ) hatte
als Führer den Hauptmann Gordejuela vom Luftschiffertrupp, als Mitfahrenden Herrn
Sanchez Arias. Der 450 m 3 haltende « Aviou» wurde von seinem Besitzer, Fernando
Duro. selbst geführt.
Es fand eine Verfolgung mit Automobilen statt, wobei 3 von den Ballons bei der
Landung eingeholt wurden. Es scheint eine schnelle Entwickelung des Ballonsportes in
Madrid vorausgesehen werden zu können. P. R.
Patent- und Gebrauchsmusterschau in der Luftschiffahrt.
Ausgelegte Patentanmeldungen
in der Zeit vom 15. September 1904 bis 1. April 1905.
K. 26538. Vorrichtung, um in der Luft schwebenden Gegenständen eine lotrechte oder
wagerechte Bewegung zu erteilen. Gustav Knltpper, Dortmund. Angemeldet
29. Dezember 1903, ausgelegt 12. Januar 1905.
M. 25 391. Vorrichtung zur lösbaren Verbindung des Korbes mit dem Luftballon. Ewald
Menge], Barmen. Angemeldet 27. April 1904, ausgelegt 16. Februar 1905.
M. 26075. Vorrichtung zum Regeln des Absturzes von in die Luft getriebenen Gegen¬
ständen in verschieden schneller Folge. Alfred Maul, Dresden. Angemeldet
4. Juni 1903, ausgelegt 16. Februar 1905.
Erteilte Patente.
D. R. P. 155 358. Verfahren, um Flugmaschinen durch Verstellen der Tragflächen in
der Gleichgewichtslage zu erhalten und ohne Steuer lenkbar zu machen. Fritz
Kobitzsch, Mörehingen. Patentiert vom 26. November 1902 ab.
D. R. P. 155 359. Flügelwendevorrichtung mit Planetengetriebe. Hngo HUckel, > T eu-
titsehein, Mähren. Patentiert vom 10. Juli 1903 ab.
D. R. P. 155 680. Luftfahrzeug mit mehreren gleichmäßig verteilten Steuern. L. H.
de Waiden, London und H. Kundsei», Boston. Patentiert vom 12. März 19(14 ab.
D. R. P. 155 681. Flugvorrichtung. A. Kersten, Cttln a. Rh. Patentiert vom 26. Oktober
1903 ab.
D. R. P. 157 399. Schlagflügelanordnung für Flugmaschinen. George Mc. Müllen, Perth,
Australien. Patentiert vom 25. Januar 1904 ab.
D. R. P. 158 208. Antriebsvorrichtung für Fahrzeuge, bestehend aus zwei übereinander
liegenden, sich um eine gemeinsame Achse in entgegengesetzter Richtung drehenden
Wendeflügeln. Dr. Jörg Lanz, Rodaun. Patentiert vom 9. Mai 1903 .ab.
D. R. P. 158 906. Flugvorrichtung, Zusatz zu Pat. 155 681. A. Kersten, Cöln a. Rh.
Patentiert vom 26. Januar 1904 ab.
Gelöschte Patente.
D. R. P. 139 493. Dynamische Flugmaschine. Georg Wellner, Brünn.
D. R. P. 139 724. Luftschiff mit Tragflächen. Adolf Felle, MUnehen.
D. R. P. 144 912. Fesselflieger mit entgegengesetzt umlaufenden, von konzentrischen
Achsen getragenen Luftschrauben. Frederick Hodge und George de Forges
Garland, Surrey.
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201
D. R. P. 145 547. Flugmaschine mit zwei Luftschrauben, deren Flügel ineinandergreifen.
Max Bourcart, Colmar.
II. R. P. 145 726. Vorrichtung zur Aufrechterhaltung der wagerechten Lage bei Luft¬
schiffen und Unterseefahrzeugen. Thomas Moy, London.
D. R. P. 145 866. Vorrichtung zur Veränderung der Schwingungsweite von Schlag¬
flügeln bei Luftschiffen. H. Hurtig, KUndler.
D. R. P. 151 705. Drachenkreisel. Carl du Beliier und Joh. Thoma, Selb.
B. R. P. 153027. Flugvorrichtung. Ren6 de Saussure, Genf.
Eingetragene Gebrauchsmuster
in der Zeit vom 15. September 1904 bis 15. Januar 1905.
D. R. G. M. 232 887. Durch gelenkige Verbindung der Gestellteile zusammenlegbarer
Schmetterlingsdrachen mit drehbarem, die Flügelstreben mit der Mittelrippe fest
verbindendem Arm zur Entfaltung der Drachenflügel. Franz Frankl, Wien. An¬
gemeldet 1. August 1904, Aktenzeichen F. 11449.
D. R. G. M. 233849. Am Faden oder Strick selbsttätig zu einem Fesselballon oder
Drachen hinauf und wieder herunter laufendes Schiff. Carl Schmidt und Robert
Assmann, Leipzig-Gohlis. Angemeldet 24. Juni 1904, Aktenzeichen Sch. 18 905.
D. R. G. M. 237 869. Flugvorrichtung mit zwei in entgegengesetzter Richtung um¬
laufenden konachsialen Schrauben. Amiel Bratschte, New-Castle. Angemeldet
22. September 1904, Aktenzeichen B. 23 088.
D. R. G. M. 242 183. Auf Drachenleinen laufende Tragvorrichtung für Meßapparate,
Signale und dergl., bei der die Einrichtung zum Ausspannen der Flügel beim An¬
stoß an den Drachen zwecks Zurücklaufens der Vorrichtung ausgelöst wird. Fritz
Tieeke, Berlin. Angemeldet 17. November 1904, Aktenzeichen T. 6512.
<K
Bibliographie und Literatu rbericht.
Beitrüge zur Physik der freien Atmosphäre. Zeitschrift für die wissenschaft¬
liche Erforschung der höheren Luftschichten. Im Zusammenhänge
mit den Veröffentlichungen der Internationalen Kommission für wissenschaft¬
liche Luftschiffahrt herausgegeben von R. Aßmann u. H. Hergesell.
Heft 1 u. 2. Straßburg 1904. Verlag von K. J. Trübner.
Unter dem obenstehenden Titel ist seit Mitte des vorigen Jahres eine neue aöro-
nautisch-meteorologische Zeitschrift im Erscheinen, die, wie die Herausgeber im Vorwort
ankündigen, in erster Linie eine Diskussion der schon ziemlich angewachsenen Beobach¬
tungen der Internationalen Aeronautischen Kommission anregen und vermitteln soll.
Durch diese Diskussionen sollen die Resultate der einzelnen Aufstiege sobald wie mög¬
lich wissenschaftlich wirklich fruchtbar gemacht und zugleich die größere oder geringere
Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen festgestellt werden, wodurch vermieden wird, daß
verderbliche Irrtümer lange Zeit unentdeckt bleiben und später nicht mehr korrigiert
werden können. In zweiter Linie sollen auch andere Untersuchungen, die sich auf die
Meteorologie und Physik der freien Atmosphäre beziehen, in der neuen Zeitschrift Auf¬
nahme finden. Die Namen der Mitarbeiter, unter denen sich die ersten Kapazitäten der
Meteorologie finden, verbürgen eine Entwickelung der Zeitschrift in der Richtung, welche
die Herausgeber anstreben.
Heft 1 enthält die Resultate der Arbeiten von Hergesell auf dem Bodensee mit
Drachen. Die ausführliche Darstellung der Technik der Aufstiege wird für jeden Fach¬
mann, der sich über die veränderten Bedingungen orientieren will, unter denen das
Auflassen von Drachen von einem Schiff aus geschehen kann, interessant sein. Die
Resultate der Aufstiege sind vollständig wiedergegeben, haben aber eine genauere Ver¬
arbeitung noch nicht erfahren. Artikel 2: Ein Jahr simultaner Drachenaufstiege in
Berlin und Hamburg von R. Aßmann behandelt im wesentlichen das Phänomen der
Temperatur-Inversion, ihre vertikale Erstreckung an beiden Stationen, ihre Höhe über
der Erde und ihr Auftreten. Es ergibt sich, daß Inversionen an beiden Orten in 77,8°/o
aller Fälle angetroffen wuiden und daß sie somit als ein über weite Gebiete verbreitetes häu-
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 26
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202
figes Phänomen anzusehen sind. Der dritte Artikel: Über die Bestimmung der Bahn eines
Registrierballons beim internationalen Aufstieg vom 2. Juli 1903 in Strassburg von A. d e
Quervain betont die Wichtigkeit der Fortsetzung und Verbreitung derartiger Messungen,
denn diese allein geben uns sicheren Aufschluß über Windrichtung und Geschwindigkeit
in Höhen zwischen 10 und 20 km, für die man sonst nur auf Wolkenmessungen ange¬
wiesen war.
Heft 2 enthält an erster Stelle eine Untersuchung von J. Maurer über das Ver¬
halten der Trägheitskoeffizienten ventilierter Thermometer unter variablem Druck des
aspirierenden Mediums. Die äußerst umfangreichen und mit großen Mitteln ins Werk
gesetzten Versuche haben uns zum erstenmal auf dem Wege des Experiments Aufschluß
erteilt über das Verhalten der Empfindlichkeit, bezw. des Trägheitskoeffizienten ven¬
tilierter Thermometer bei so starker Luftverdünnung (bis zu 50 mm Hg), wie sie in den
höchsten von Registrierballons bis jetzt erreichten Höhen faktisch zutage tritt. Bis zu
400 mm ist die Zunahme des Koeffizienten, bei einer Ventilation von 4 mps., nur gering,
von da ab ist sie etwas rascher, erst bei den höchsten erreichten Verdünnungen (60—80 mm)
wächst der Koeffizient auf etwa das doppelte des Wertes bei normalem Luftdruck an.
Die Fortführung dieser Versuche und ihre Erweiterung auf die Abhängigkeit der Träg¬
heitskoeffizienten von der Temperatur des Thermometers steht in nächster Zeit zu
erwarten. Dem zweiten Artikel ist eine gut gelungene Photographie eines seltenen
Wolkengebildes (tornadoähnliche Form eines Altocumulus) von H. Sprung beigegeben,
an die sich die für Ballon-sondes erweiterte Angotsche barometrische Höhentafel von
A. de Quervain anschließt. Theoretisches Interesse bietet die Berücksichtigung der
Partialdrucke für große Höhen.
Den Schluß bildet ein kurzer Bericht über die 4. Konfeienz der Internationalen
Aeronautischen Kommission in St. Petersburg. E.
Luftwiderstand und Flugfrage. Experimentalvortrag, gehalten von Arnold Samuelson,
Oberingenieur. Hamburg 1904. 42 Seiten mit 23 Abbildungen.
Der Herr Verfasser vorliegender Broschüre bringt seine jedem Flugtechniker wohl
bekannten Anschauungen über das ballonfreie Fliegen und die Grundgesetze der Aero¬
dynamik neuerdings in continuo zur Darstellung; er nimmt dabei den Standpunkt ein,
«daß «die richtigen Gesetze des Luftwiderstandes in ihrem inneren Zusammenhänge> erst
von ihm «entdeckt» worden seien.
So wertvoll die flugtechnischen Arbeiten des Herrn Verfassers seinerzeit, d. i. vor
•etwa 20 Jahren, auch gewesen sind, kann man sich doch bei kritischer Prüfung der
Überzeugung nicht verschließen, daß dieselben heute größtenteils nur mehr historisches
Interesse beanspruchen können, und zwar einzig und allein aus dem Grunde, weil er
neuen Ideen und der richtigen Bewertung fremder Leistungen sich zu sehr zu verschließen
scheint. Wie wäre anders möglich, daß er sich über die hervorragenden Arbeiten zweier
unserer verdienstvollsten deutschen Flugtechniker, nämlich Lilienthals und v. Loeßls,
in so absprechender Weise äußern könnte. Es ist hier wohl nicht der rechte Ort und
•es ist glücklicherweise auch gar nicht mehr nötig, die Bedeutung der Leistungen unseres
genialen Otto Lilienthal gegen derartige Verunglimpfungen ins rechte Licht setzen zu
müssen. Ebensowenig ist dies wohl nötig bezüglich der bahnbrechenden und heute in
der ganzen Welt voll und ganz gewürdigten experimentellen Forschungen über den Luft¬
widerstand des Herrn F. v. Loeßl. Die Leistungen dieser Forscher lassen sich nicht
einfach damit aus der Welt schaffen, daß man gegen den einen den Vorwurf erhebt, er
habe «die Originalergebnisse seiner Versuche über den Luftwiderstand gew r ölbter Flächen
schon mit Rücksicht auf seine Flugtheorie reguliert» und von dem anderen sagt, «seine
falschen, den einfachsten Grundwahrheiten der Mechanik hohnsprechenden Fluganschau-
nngen» seien «bereits von Herrn Josef Popper durch einen unanfechtbar logischen Artikel
völlig abgeschlachtet (sic!) worden». Der Herr Verfasser verschweigt dabei aber ganz,
daß die gewiß berechtigte Kritik von Herrn Ingenieur J. Popper sich doch lediglich auf
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die sogenannte Loeßl’sche «Sinkformel» bezieht, welche von deren Autor als ratio¬
nelles Naturgesetz betrachtet wird, während sie in ihrer gegenwärtigen Form (gleich
den anderen v. LoeßFschen Widerstandsformeln) höchstens als eine empirische, keines¬
wegs allgemein gültige Formel für den Luftwiderstand ebener, durch die Luft gleitender
Platten angesehen werden kann. Dieses logische Versehen, das sich Herr v. Loeßl bei
allen seinen Versuchen der deduktiven Ableitung seiner Widerstandsformeln für den lot¬
rechten und schiefen Luftstoß gegen ebene Platten zuschulden kommen ließ, findet sich
eigentümlicherweise auch in allen Arbeiten des Herrn Verfassers; auch er behauptet
immer wieder, die von ihm aufgestellten Formeln über den Druckmittelpunkt und den
Normaldruck gegen ebene Platten seien der exakte Ausdruck eines rationellen Natur¬
gesetzes, während diese «Naturgesetze* doch im besten Falle höchstens empirische
Formeln darstellen können und darum der Ergänzung und Berichtigung durch die Erfah¬
rung, das Experiment nicht nur fähig sind, sondern deren auch bedürfen. Es ist
deshalb auch ein bloßes Spiel mit Worten, derartige rein empirische Formeln als «Natur¬
gesetze* zu bezeichnen, und es ist offenbar nichts weiter, als eine unbewußte Selbst¬
täuschung, wenn der Herr Verfasser meint, seine empirischen Regeln über die Größe des
Luftwiderstandes und dessen Verteilung auf ebenen Platten «aus rein geometrischen
Gründen», «nach reinen Vernunftgründen» oder «aus Gründen des gesunden Menschen¬
verstandes, lediglich gestützt auf die einfachsten physikalischen Grundbegriffe* deduktiv
ableiten zu können. Der Wert einer empirischen Formel wird durch solche «Ablei¬
tungen» in keiner Weise erhöht. Die Erfahrung hat auch gelehrt, daß derartige ver¬
meintliche «Ableitungen» einer empirischen Formel oft ein schwerer Hemmschuh für die
Entwicklung der Flugtechnik dadurch geworden sind, daß man auf Grund ihrer deduktiven
«Ableitung» gewisse Gleichungen für allgemein gültig annahm, sie als den exakten
Ausdruck eines «Naturgesetzes» ansah, während ihr Geltungsbereich nur ein sehr be¬
schränkter war. Aus der Geschichte der letzten Entwicklungsphase der praktischen
Flugtechnik ließen sich eine ganze Reihe von Beispielen als Belege dafür anführen.
Auch hervorragende Forscher vermochten sich von dieser Selbsttäuschung nicht frei zu
halten. So hält z. B. auch Herr F. v. Loeßl, wie schon erwähnt, die von ihm experi¬
mentell aufgefundenen Widerstandsformeln für den vollständigen Ausdruck exakter Natur¬
gesetze und versucht demzufolge eine theoretische «Ableitung» derselben. Der verdienst¬
volle Flugforscher übersieht dabei freilich ganz, daß der große Wert der neu gefundenen
Formeln für den quantitativen Wert des Luftwiderstandes gegen ebene Platten ja gerade
darin liegt, daß seine Gleichungen empirische Gesetze darstellen, die auf der Erfah¬
rung basieren und deshalb mit dieser auch nicht in Widerspruch geraten können, so
lange sie nicht etwa auf Fälle angewendet werden, die außerhalb ihres Geltungsbereiches
liegen. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sei nur noch auf ein eigentümliches Versehen
hingewiesen, das auch bei der flüchtigsten Lektüre der besprochenen Broschüre in die
Augen fällt. S. 29 werden zwei Kräfte, die zu einander senkrecht stehen, algebraisch
addiert und das Ergebnis als « Summe der widerstehenden Kräfte» bezeichnet!
Während bezüglich des wirklichen Wertes der bisher besprochenen Abschnitte der
vorliegenden Broschüre die Ansichten des Herrn Verfassers in diametralem Gegensätze
stehen zu der Überzeugung des Referenten, freut sich derselbe, konstatieren zu können,
■daß diese Diskrepanz der Urteile für den Abschnitt 9, betitelt «Der wirkliche Flug», nicht
besteht. In diesem Abschnitte gibt der Herr Verfasser eine sehr wertvolle Analyse der
« dynamischen Gleichgewichtsbedingungen, die bei jedem in der Luft schwebenden Körper
erfüllt sein müssen»; dieselben werden in folgende Sätze zusammengefaßt:
1. «Die Summe aller auf den Körper wirkenden Vertikalkräfte muß gleich
Null sein.»
2. «Die Summe aller auf den Körper wirkenden Horizontalkräfte muß gleich
Null sein.»
3. «Die Summe aller Drehmomente, bezogen auf jede beliebige Axe des
Körpers muß gleich Null sein.»
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Die in dem besprochenen Abschnitte entwickelten Sätze und Darlegungen werden,
wenn dies auch bezüglich der übrigen, vom Verfasser aufgestellten «Naturgesetze des
Luftwiderstandes* — wenigstens in der in vorliegender Broschüre entwickelten Form —
nicht der Fall sein sollte, in der künftigen «Flugwissenschaft* gewiß nicht fehlen
dürfen. Nim führ.
Resistance of air and the question of flying. Experimental lecture read by A. Samuel -
son, Chief-Engineer. 8° 36 S. Hamburg 1905. (London E. & F. Spon Ltd. 125 Strand.
New-York Spon & Chamberlain 123 Liberty Street). Es handelt sich um eine
Übersetzung der oben besprochenen Broschüre ins Englische.
Personalia.
Moedebeek, Major u. Art.-Offizier vom Platz in Graudenz wurde durch A. K. 0. vom
22. April als Bataillons-Kommandeur in das badische Fuß-Artillerieregiment Nr. 1.4 nach
Straßburg i. E. versetzt.
Mitteilung der Redaktion Uber die Mitarbeiterschaft an den
„Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen".
ln den letzten Monaten haben verschiedene Änderungen und namentlich Erweiterungen
im Kreis des Redaktionsstabes unserer Zeitschrift stattgefunden, so daß wir es für an¬
gemessen halten, unsern Lesern die Namen der geehrten alten und neuen Mitarbeiter
und Korrespondenten zur Kenntnis zu geben. Zugleich danken wir jenen, die infolge
anderer Inanspruchnahme die Mitarbeit niederlegen mußten, noch besonders für die bis¬
herige Tätigkeit, so Herrn Steuerinspektor Bauwerker, Herrn Privatdozent Dr. Emden und
namentlich auch Herrn Prof. Dr. Süring und Herrn Offizial Nikel.
Mitarbeiter:
Aeronautik und Sport: Generalmajor z. D. Neureuther, München; Major
Moedebeek, Straßburg. Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmo¬
sphäre: Dr. H. Elias, Berlin; Privatdozent Dr. A. de Quervain, Straßburg. Aero¬
nautische Photographie und Hilfswissenschaften: Baron v. Bassus, München.
Flugtechnik: Universitätsassistent K. Nimführ, Wien. Aeronautische Technik:
Dr. Ingenieur H. Reissner, Berlin. Aeronautische Vereine: Schriftsteller A. Foerster»
Berlin. Aeronautische Patente: Patentanwalt Ingenieur Hirschfeld, Berlin.
Korrespondenten im Anslande:
England: Ingenieur H. E. v. Holtorp, London. Frankreich: Oberstleutnanta.I).
G. Espitallier, Paris; Universitätsprofessor Marchis, Bordeaux; Graf de la Vaulx,
Paris. Italien: Prof. Dr. Poehettino, Rom; Privatdozent Dr. Helbig, Rom. Rußland:
Rosenthal, wissenschaftlicher Beamter am Käiserl. russ. physikal. Zentralobservatorium
in St. Petersburg; Ingenieur Winawer, St. Petersburg. Spanien: Hauptmann Fran¬
cisco de Paula Rojas, Guadalajara. Schweden: Hauptmann R. Jäderlund,
Vaxholm. Schweiz: Oberst Schaeck, Bern. Vereinigte Staaten von Nord¬
amerika: K. Dienstbach, New-York.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel .
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet.
Die Redaktien.
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Illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
Heft 7. — Juli 1905.
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i. S. M. Czar Nikolaus II. 2. S. K. H. Qrossfürst Peter Nikolajewltsch. 3. S. Exzellenz Qen.-Leutn. Wernander.
4. Oberst Kowanko. 5. Herr S. Maximowitsch.
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Illustrierte Aeronautische Mitteilung
Heft 7. — Juli 1905
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Das Offizierkorps des Ostsibirischen Luftschifferbataillons in Warschau vor der Abfahrt
nach dem Kriegsschauplatz.
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illustrierte Aeronautische jüTitteilungen.
IX. Jahrgang. •M Juli 1905. *+ 7. Heft.
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Aeronautik.
Die russische Militärluftschiffahrt.
Von H. W. L. Moedebeek 9 Major und Bataillons-Kommandeur
im Badischen Fußartillerie-Reg. Nr. 14.
Es sind jetzt 20 Jahre her, ich hatte als Leutnant beim damaligen
preussischen Ballondetachement ein unsere aeronautischen Kenntnisse syste¬
matisch zusammenfassendes Handbuch der LuftschifTahrt veröffentlicht, als
ein liebenswürdiger Brief vom Stabskapitän Ko w an ko aus St. Petersburg
an mich einging, der die Bitte enthielt, jenes Handbuch ins Russische über¬
setzen zu dürfen. Es lag kein Grund vor, diese Bitte nicht zu genehmigen.
So kam es, daß bei den wiederholten Besuchen meines Übersetzers in
Deutschland schließlich freundschaftliche Fäden zwischen uns gesponnen
wurden, welche die stets wiederholte Aufforderung, einmal nach Petersburg
zu kommen, mir schließlich zu einer dringlichen Freundschaftspflicht machten.
Bei dem internationalen, wissenschaftlich aeronautischen Kongreß 1904 war
es mir endlich möglich, diesen in mir längst regen Wunsch endlich zu er¬
füllen und das nun außerdem unter ganz besonderen Umständen, denn mein
inzwischen zum Obersten avancierter Freund Kowanko mußte während
jener Zeit zum Kriegsschauplatz abfahren und ich hatte das Glück, ihm
das Geleit zur Bahn geben zu können und ihn mit der Hoffnung abfahren
zu sehen, daß er sein Lebenswerk, die russische Militärluftschiffahrt, zum
Besten seines Vaterlandes mit vollem Erfolg werde einsetzen können. Als
Freund und, durch die Russifizierung meines Handbuches für Luftschiffahrt
zugleich als ein indirekter Mithelfer, konnte ich meine persönlichen Gefühle
nur in dieselbe Wagschale werfen. Meine besten Wünsche begleiteten ihn.
Ich habe diese Einleitung vorausgeschickt, um damit zu erklären, wie
ich von den russischen Kameraden in ganz besonders herzlicher Weise
empfangen worden bin. Jeder kannte mich dem Namen nach und jeder
machte mir einige liebenswürdige Elogen und drückte seine Freude aus,
mich persönlich kennen zu lernen, sodaß ich sehr bald die Empfindung
hatte, zu Hause zu sein, wo man sich wohl fühlt; was aber kann man
sonst mehr verlangen.
In nachfolgendem aber will ich berichten, was ich von der russischen
Militärluftschiffahrt an Ort und Stelle gesehen und gehört habe, weil es
grade heutzutage für die Leser der I. A. M. von besonderem Interesse sein
dürfte, zu erfahren, wie die bezüglichen russischen Einrichtungen und Orga¬
nisationen sich einem unparteiischen, deutschen Auge darstellen.
Die internationale Konferenz brachte es mit sich, daß der geheimnisvolle
Ulustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 2/
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206 ^«44
Schleier, welcher bisher für Ausländer das Wolkowo Polie umgab, auf dem
sich das Etablissement des kaiserlich russischen LuftschifTerparks befindet,
gelüftet wurde. Oberst Kowanko hatte uns feierlich zum Besuch der An¬
stalt und zu einem Diner im Offizierkasino daselbst eingeladen und für
jemand, der wie ich nach den doch recht dürftigen Quellen der Presse
und einzelnen russischen Militärschriftstellern die Entwickelung der russischen
MilitärluftschifTahrt fortgesetzt verfolgt hatte, gab es hier nicht nur viel
Neues zu sehen, sondern auch manche irrige Anschauung zu beseitigen und
die Lücken seines Wissens nach der in einem vortrefflichen Museum zur
Darstellung gebrachten Entwickelung der russischen MilitärluftschifTahrt aus¬
zufüllen. Hierbei hatte ich mich persönlich der kompetentesten Führer¬
schaft zu erfreuen. Oberst Semkowski, welcher im kaiserlich russischen
Kriegsministerium als Abteilungschef im Luftschifferwesen fungiert, die rechte
Hand des Oberst Kowanko und die treue Stütze des Ingenieurgenerals
Exzellenz Iwanoff, erklärte mir Stück für Stück des 97 Nummern um¬
fassenden Museums, und die Herren, Ingenieur Lipkowsky und Kollegienrat
Heintz, waren so freundlich, mir die russischen Erklärungen ins französische
oder deutsche zu übertragen. Ebenso dankbar muß ich des beim Luft¬
schifferlehrpark angestellten Ingenieurs Gar out te gedenken, der Konstrukteur
und Erfinder zahlreicher in die russische Armee eingeführter Spezialwagen,
welche mir von ihm eingehend erklärt wurden.
Der LuftschifTerlehrpark ist wie der Name besagt eine Lehranstalt, in
der aber nicht allein das Luftschifferpersonal für die Armee und Marine aus¬
gebildet wird, woselbst auch das Ballonmaterial angefertigt wird und aero¬
nautische Versuche jeder Art angestellt werden. Die im Westen des Reiches
vorhandenen FestungsluftschifTerabteilungen in Kowno, Ossowiec, Warschau,
St. Jablonna bei Warschau, Nowogeorgiewk und Iwangorod sind in bezug
auf Offizierersatz und Luftschiffergerät von dieser Zentrale in St. Petersburg
abhängig. Letzterer liegt ferner die Organisation von Feldluftschifferkom-
pagnien ob, die bisher in Rußland nicht existierten. Nach Bedarf wurden
für die Manöver derartige Formationen vorübergehend gebildet. Der Luft¬
schifferlehrpark wurde von 1885—1904 mit nur einjähriger Unterbrechung
(1887—1888) von Oberst Kowanko befehligt. Er ist der Abteilung für
Elektrotechnik und LuftschifTahrt im Kriegsministerium (Exzellenz General¬
major Iwanoff, Oberst Semkowsky) und der Generalverwaltung für das
Militärgeniewesen (Exzellenz Generalleutnant Wernander) unterstellt.
Der LuftschifTerlehrpark besitzt einen Stamm an Offizieren und Mann¬
schaften der Armee und Marine mit eigenen Uniformsabzeichen, einem <Y>
auf den Achselklappen. Alljährlich werden eine Anzahl Offiziere der Artillerie,
des Ingenieurkorps und der Festungstruppen zur Ausbildung in die mit dem
Lehrpark verbundene Schule kommandiert.
Die Gesamtlage sowie die baulichen Einrichtungen des Lehrparks er¬
geben sich aus beifolgendem vom Fesselballon aus aufgenommenen Bilde
(Abb. 1). Die Hauptgebäude sind ein zweistöckiges Kasernement a, eine
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griechisch-katholische Kirche b, ein zweistöckiges Offizierswohnhaus c, daran
anschließend eine Reihe einstöckiger Gebäude für das Offizierkasino d mit
einer Wohnstube für den Offizier vom Dienst, Unterrichtsräumen, Labora¬
torien usw. Ferner eine nicht sehr große Ballonhalle e, ein geräumiges
langes Gebäude zum Zuschneiden und Firnissen von Ballons f und eine
Anzahl Schuppen zur Unterbringung von Material.
Abbildung 1 . — Der LuftschlfTer-Lehrpark auf Wolkowo Polle vom Ballon aua aufgenommen.
Der russische Luftschifferlelirpark hat bisher das Bestreben gezeigt,
sich an französische MilitärluftschifTerverhältnisse möglichst anzulehnen. Der
Einführung des bei uns gebräuchlichen Drachenballons war man bis zum
Ausbruch des japanisch-russischen Krieges grundsätzlich abgeneigt. Viel¬
leicht hing das mit der Schwierigkeit der WasserstolTdarstellung für einen
solchen Ballon von mindestens 600 cbm Volumen zusammen, denn man
hatte bisher die Darstellungsmethode aus Eisen- oder Zinkspänen und ver¬
dünnter Schwefelsäure. Nachdem die Marineverwaltung Versuchen mit dem
Drachenballon näher getreten war und für die baltische Flotte eine beson¬
dere Drachenballonequipage ausgebildet hatte, begann man auch in der
Armee die Vorteile dieser Erfindung kennen und würdigen zu lernen.
Die Seide, aus welcher die russischen Kriegsballons gefertigt werden,
ist eine ganz vorzügliche. Weniger gut ist die für Freiballons verwendete
Perkale; sie ist nicht so dicht und gleichmäßig gewebt wie die unsrige,
immerhin aber ist sie noch sehr gut und völlig gleichwertig mit der der
französischen Handelsfirmen. Tadellos, aus russischem Hanf, ist das Netz-
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werk und Flechtwerk der Ballons dahingegen ist die Aufhängung des Korbes
beim Fesselballon etwas unvollkommen, weil die Korbstricke sich rings um
den Ballonring verteilen. Hierdurch ist auch bei der eingeführten Trapez¬
fesselung bei windigem Wetter ein ruhiges, die Beobachtung wenig stören¬
des Pendeln des Korbes unmöglich gemacht. Das Ballongerät wird von
den Mannschaften des Luftschillerlehrparks selbst hergestellt. Alle hierzu
erforderlichen Einrichtungen, Nähmaschinen, Netzstrickmaschinen, Firnistische
usw. sind in zweckmäßigen Konstruktionen und reichlich vorhanden.
Der im Lehrpark vorgeführte Fesselballon wurde von einer franzö¬
sischen Dampfwinde, System Yon, eingeholt. Zur Erleichterung des Manövers
beim Aullassen und Abfangen wurde der Ballon zunächst an 2 Hochlaßtauen
über zwei im Boden verankerte Rollen geführt, bis er der in Universal¬
gelenken beweglichen Kabelrolle der fahrbaren Winde allein überantwortet
werden konnte. Die Ballons des Lehrluftschifferparks wurden auf Wolkowo
Polie bisher mit Wasserstoffgas gefüllt, das in einem feststehenden Erzeuger
französischen Typs, Konstruktion Yon, aus Eisenfeilspänen und verdünnter
Schwefelsäure dargestellt wurde. Dasselbe System, transportabel auf zahl¬
reichen zweirädrigen Karren und Fahrzeugen verladen, System Garoutte,
war bisher bei improvisierten Feldluftschifierabteilungen in den Manövern
gebräuchlich. Diese für den Feldkrieg wenig geeignete Art der Ballon¬
füllung hatte zur Folge, daß man auf den Märschen den Ballon gefüllt trans¬
portierte und Gasvorrat in den in Rußland üblichen länglichen Gassäcken
mitführte.
Es wurde auch ein Versuch gemacht, komprimiertes Gas in eisernen
Flaschen auf Spezial wagen mitzuführen. Diese Wagen, im Lenkscheit-System
konstruiert, ließen sich aber wegen ihrer Schwere nur auf guten Straßen
fortschaffen, wie sie in Rußland nicht so zahlreich vorhanden sind als im
westlichen Europa. Ein derartiger Wagen war ausgestellt. Er hatte 15
horizontal in 3 Reihen übereinander gelagerte Gasllaschen, die fast die
ganze Wagenlänge ausfüllten. Zwölf derartige Gaswagen werden zu einer
Ballonfüllung halbkreisförmig, die Deichsel nach außen, aufgefahren und ihre
Sammelrohre werden durch Gasschläuche miteinander verbunden. Von
den an den Halbkreisenden befindlichen Wagen werden dann längere
Schläuche nach dem Füllrohr für den Ballon geführt (Abb. 2).
Unter der Bezeichnung « Für Festungs-Luflschifferabteilungen > war
ferner ein vierrädriger fahrbarer Gaserzeuger für Gasherstellung aus Eisen
und Schwefelsäure ausgestellt, welcher den früher bei uns gebräuchlichen
ähnlich sah.
Auf diesen fahrbaren Gaserzeuger mußte man zurückgreifen, als beim
Herannahen der Verwickelungen mit Japan eine sibirische Luftschifferkom¬
pagnie gebildet wurde. In den gebirgigen Gegenden der Mandschurei konnte
man aber jenes schwerfällige Material nicht verwenden. Die Kompagnie
befand sich Anfang Juni in Charbin, Anfang Juli in Liauyan. An der
Schlacht daselbst nahm sie erfolgreichen Anteil. Sie untersteht dem Haupt-
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*•>» 209 «««*
mann Boreskow. An Offizieren sind ihr zugeteilt: Stabskapitän Pogulai,
die Oberleutnants Podobiäd, Olerinsky und Mez.
Auf dem Kriegsschauplätze war außerdem von Anfang an noch eine
Marine-LuftschilTerabteilung unter dem Kommando des Kapitän-Ingenieurs
Postnikow und des Midshipman Gudim in Wladiwostok.
Dahingegen ist mir, entgegen den Nachrichten unserer und der fran¬
zösischen Militärliteratur, versichert worden, daß sich in Port Arthur keine
LuftschifTerabteilung befunden habe, weil das dort sehr gebirgige Gelände
sich für deren Verwendung wenig geeignet habe, was auch nach Vorstehen¬
dem verständlich erscheint.
Abbildung 2. — Russischs Wagen mit komprimiertem Wasserstoff zur Füllung aufgefahren.
Die Anforderungen des mandschurischen Kriegsschauplatzes führten
nun zur Schaffung eines neuen ganz eigenartigen LuftschifTermaterials. Das
neue Feldluftschiffergerät war im April 1904 in seiner Konstruktion abge¬
schlossen worden. Man erstrebte dabei vor allem leichte Transportfähigkeit
für schlechte Wege und für Gebirgsgegenden, sowie möglichst schnelle Ver¬
wendbarkeit. Ferner sollte jeglicher Rücktransport leerer kostspieliger
Gefäße, wie es bei entleerten Gasflaschen geschehen müßte, ausgeschlossen
bleiben, es durfte nur mit Nachschub von Gaserzeugungsmaterialen und
Ersatzstücken gerechnet werden. Man legte der Konstruktion daher das
Verfahren der WasserstofTdarstellung aus Aluminium und Natronlauge zu
Grunde, das eine schnelle Gaserzeugung gewährleistet und bei dem die
benötigten Chemikalien leicht und bequem zu transportieren sind. Der
chemische Prozeß vollzieht sich nach folgender Formel:
2 Al+ 6 Na 0H = A1 2 (ONa) 6 + 6 H.
Er geht äußerst schnell vor sich und muß technisch durch Entwickeln in
kleineren Portionen gehemmt werden, weil man die Gaskühlung nicht in so
kurzer Zeit bewerkstelligen kann.
Sehr einfach sind die feldmäßigen Apparate. Für die schlechten Wege
in Sibirien wurden Gaserzeuger konstruiert ('s. Abbild. 3 und den Lichtdruck),
die auf zweirädrigen Karren montiert waren. Zwei Generatoren auf einer
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Karre stehend und ein Wasserkühler auf einer zweiten Karre angebracht,
bilden zusammen eine Gasbatterie. Vier derartige Batterien gehören zur
Ausrüstung einer Feldhiftsdiiirerkompagnie und sind angeblich erforderlich,
um einen Normalballon von (540 cbm innerhalb einer halben Stunde
zu füllen.
Abbildung 3. — Gasbatterie eines Alumlnium-Natronlauge-Gas-Entwicklers.
Abbildung L — Gasbatterie des Gebirgstrains In Tätigkeit.
Außerdem wurde ein besonderer Train für den Gebirgskrieg vorgesehen,
für den sämtliche Geräte und Materialien auf Saumtieren transportiert werden.
Die Gasbatterie des Gebirgstrains (s. Abb. 4) besteht aus 2 zylinderförmigen
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Öfen als Erzeugern, von etwa 2 m Höhe und 0,50 m Durchmesser, und
einem ofenartigen Kühlapparat von ovalem (Querschnitt und etwa 1,80 m
Höhe.
Die Erzeuger werden in ihrem unteren Teil mit einer Mischung von
Ätznatron und Wasser im Verhältnis 1 : 2 versehen. Ein mit bis hand¬
großen Stücken Aluminiumblech gefüllter Drahtkorb wird oben in den Er¬
zeuger eingesetzt. Die Aluminiumbleche haben nach praktischen Erfahrungen
für diesen Apparat am zweckmäßigsten eine Stärke von 2 mm. Der Korb
mit dem Aluminiumblech hängt im Apparat an einer Welle und kann durch
eine außen angebrachte Kurbel allmählich herabgelassen und so in die
Natronlauge zur Gasentwicklung eingetaucht werden. Die Gasentwicklung
tritt sofort mit großer Heftigkeit ein. Die Generatoren sind durch einen
besonders gefertigten Schlauch mit dem Kühler verbunden. Durch letzteren
wird mittels einer Handdruckpumpe von 2 Mann fortgesetzt Wasser hin¬
durchgepumpt. Ein kleinerer Schlauch führt das gekühlte Gas oben aus
dem Kühler heraus in den Gasbehälter.
Abbildung 5. — Zwei Generatoren des Gebirgstrains auf einem Saumtier verladen.
Herr Oberst Semkowskv hatte die Güte, mir diesen Apparat in
Tätigkeit vorzuführen. Nach seinen Angaben leistet die einzelne Gasbatterie
des Gebirgstrains mit einer einmaligen Materialfüllung in 20 Minuten eine
Darstellung von 32 cbm Wasserstoff. Die Zeitdauer wird hierbei lediglich
durch die Kühlung des Gases begrenzt, die bei dem durch die Handpumpe
bemessenen Wasserquantum in kürzerer Zeit nicht zu erreichen ist. Ich
konnte mich davon überzeugen, daß das Gas in dem gefirnißten Gasbehälter
noch ziemlich warm war. Es ist aber jedenfalls nichts dagegen einzuwenden,
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daß da, wo eine größere Beschleunigung der Gasdarstellung wünschenswert
erscheint, mehrere Gasbatterien zugleich in Tätigkeit gebracht werden können
und die Organisationen sind demgemäß reichlich ausgestattet.
Zwei Generatoren bezw. zwei Kühler werden auf je ein Saumtier
(s. Abb. 5) verladen, so daß für 2 Gasbatterien nur 3 Saumtiere nötig sind.
Jede Feldluftschifferkompagnie hat für den Gebirgskrieg 24 Erzeuger und
6 Kühler auf Saumtieren mit. Da für 6 Kühler nur 12 Erzeuger in Tätig¬
keit treten können, wird vermutlich eine fortgesetzte Auswechselung des
Erzeugers nach Zersetzung der Chemikalien stattllnden. Das Material für
eine Ballonfüllung wird auf 40 Saumtieren mitgeführt.
Die Winde des neuen Feldluftschiflertrains, Konstruktion Garoutte
(s. Abb. ß), besteht aus 2 leichten, zweirädrigen Karren, der Kabelkarre
und der Windekarre. Ersterer besteht aus einer einfachen, drehbaren Kabel-
Abbildung (J. — Winde eines FeldiufischlfTertrains des Ostsibirischen Feldluftschiffer-Batalllons.
trommel, die über der Karrenachse und parallel letzterer lagert. Das Hanf¬
kabel läuft von ihrem hinteren Ende durch eine Gleitvorrichtung, die sich
bremsen läßt, ab nach dem Windewagen, auf dem Spanntrommel und Kabel¬
rolle angebracht sind. Die Windekarre wird durch Anhängen von Sand¬
säcken vor der Ingebrauchnahme beschwert. Hierzu führt außen um ihre
Räder herum ein Bügel aus T-Eisen, an dem zahlreiche Sandsäcke ange¬
hängt werden.
Dieses neue russische Feldluftschifferinaterial ist auf Kosten eines
russischen Patrioten, des Herrn Sergius Constantinowitsch Maksimowitsch,
für 2 Feldluftschifferkompagnien beschafft worden.
Am 2. Juli 1904 wurde dasselbe auf dem Kadettenplatz in Peterhof
durch S. M. den Zaren Nikolaus II eingehend besichtigt (s. Lichtdruck),
wobei ein Kriegsballon gefüllt und aufgelassen wurde.
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Am 9. Juli wurde sodann die Bildung eines «Ostsibirischen Feld¬
luftschifferbataillons» in Stärke von 2 Kompagnien befohlen. Seine
Mobilmachung erfolgte in Warschau. Oberst Kowanko wurde zum Komman¬
deur desselben ernannt. Das Offizierkorps (s. Lichtdruck) setzt sich im
übrigen wie folgt zusammen :
Stab: Oberstleutnants Wolkow und Naidenow,
Adjutant Wegener,
1. Kompagnie: Hauptmann Nowitzki,
2. Kompagnie: Stabskapitän Fürst Baratow,
Oberleutnant Osnobischin.
Ferner die Leutnants Schleißner, Markow, Taranow-Bjeloserow.
Nischewski und Arzt Laupmann.
Der Kriegsetat des Bataillons hat ll Offiziere, 618 Unteroffiziere und
Mannschaften, 16 Reitpferde, 271 Packpferde und Wagenpferde.
Abbildung 7. — Vor der Offizierbaracke in Charbin, Oktober 1904.
Am 4. September fuhr das mobile Bataillon von Warschau aus nach
dem Kriegsschauplatz ab, im Oktober linden wir es auf der Operationsbasis
in Charbin, woselbst beifolgendes, mir freundlichst zur Verfügung gestellte
Bild (Abb. 7) einen Teil des Offizierkorps vor ihrer Baracke in winterlicher
Kriegstracht, in die wind- und wasserdichte Burka eingehüllt, darstellt.
Am 5. Januar 1905 begann die eigentliche Kriegstätigkeit des Bataillons.
Seine Kompagnien wurden auf die 2. und 3. Armee verteilt, während die bei
Liauyang bereits tätig gewesene sibirische Luftschilferkompagnie der Line-
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. -ß
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witzschen 1. Armee zugeteilt wurde. Die zweite Kompagnie kam dann
auch bereits am 10. Januar beim Dorf Pandjaty in der Mukden-Stellung
ins Feuer, machte sich durch ihre Aufklärung später bei den Kämpfen um
Ssandepu Ende Januar und anfangs Februar sehr nützlich und verhielt sich
so tapfer, daß ihr 11 Ehrenzeichen des Militärordens verliehen werden
konnten (s. Abb. 8).
Abbildung h. — Zehn mit dem Georgtkreuz ausgezeichnete Unteroffiziere und Mannschaften des Ostsibirisohen
Lvftschilferbatalllons.
Über das Schicksal der Kompagnie nach der Schlacht bei Mukden
fehlen zurzeit noch nähere Nachrichten.
Abbildung 9. — Gatdarstellung nach dem neuen Verfahren In der Mandschurei.
Ob sich das neue Feldluftschiflergerät im allgemeinen bewährt hat,
läßt sich noch nicht vollständig übersehen. Man muß vor allem bei der
derzeitigen Verwendung in Betracht ziehen, daß sie unter den stabilen
Verhältnissen des Positionskrieges in Verteidigungsstellungen erfolgte und
eine Prüfung im Begegnungsgefecht vorläufig noch aussteht. Die Gas¬
darstellung (s. Abb. 9) und Ballonfüllung aus den bekannten Gassäcken
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erfolgte nach russischer Art rückwärts und der gefüllte Ballon wurde in die*
Schlachtlinie gebracht und hochgelassen.
Der Umstand, daß man
sich gegenwärtig dem deut¬
schen System, dem Drachen¬
ballon, zuwendet, dürfte
allerdings den Schluß recht-
fertigen, daß man mit dem
russischen Kugelballon doch
nicht ganz zufriedengestellt
ist und für die weitere Folge
unser dem Wind und Wetter
trotzendes Material nachsen¬
den wird. Man hat daher
neuerdings Drachenballons,
System Parseval Sigsfeld, von
750 cbm Inhalt eingeführt und für diese auch einen dem deutschen ähn¬
lichen Windewagen (s. Abb. 10), im Balanzier-System konstruiert. Letz¬
terer ist aber zum Einholen mit einem 24 HP. Benzinmotor versehen.
Auch scheint man mit dem Gedanken umzugehen, das Gas in kompri¬
miertem Zustande in leichter konstruierten Wagen als die bisher vor¬
handenen mitführen zu wollen. Für uns kann es gewiß nur angenehm
sein, durch Kriegserfahrung anerkannt zu finden, wie sowohl unseren
Konstruktionsprinzipien als auch unserem Material, das Produkt unserer
hochentwickelten Industrie, schließlich von durchaus nicht voreingenom¬
mener Seite die erste Stelle eingeräumt wird. Man wird fragen, warum
dies nicht früher geschehen ist, denn auch dem Oberst Kowanko war
unser Material seit dem internationalen Kongreß in Berlin im Jahre 1902
genau bekannt. Die Gründe sind, daß man sich wohl mit Rücksicht auf
das russisch-französische Bündnis zu sehr von der französischen Meinung
hatte beeinflussen lassen, die bei Lichte besehen, nur aus Eigenliebe die
Vorzüge des Drachenballons übersieht, oder, daß man sich scheute, «pater
peccavi!» zu sagen und die mit dem Systemwechsel verbundenen hohen
Kosten auf sich zu nehmen. Erst der Krieg mit seinem unbarmherzigen
«Müssen», mit seiner daraus folgenden Nichtachtung aller materiellen Werte,
hat diese Umwandlung der Ansichten und die Durchführung von praktischen
Neubeschaflungen vollenden können.
Recht praktisch erscheinen die russischen Windwände aus Stangen
und Segeltuch, um im Freien verankerte Ballons zu schützen (s. Abb. 11).
In Wolkowo Polie befand sich u. a. auch eine derartige Schutzwand, an
der gleichzeitig ein Wachtzelt für die Ballonwache befestigt war.
Eine besondere Eigentümlichkeit der russischen LuftschifTahrt liegt in der
guten Ausbildung der Offiziere, in der Wolkenbeobachtung und in der
Benutzung des Nephoskops. Die für das Frei fahren äußerst ungünstige
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Lage von St. Petersburg hat von Anfang an auf die genaueste Beobachtung
des Zuges der oberen Luftströmungen geführt. Man hat von Petersburg aus
eigentlich nur eine einzige beliebte und gefahrlose Fahrrichtung, nämlich nach
Süden, in die baltischen Provinzen. Diesen ungünstigen Fahrverhältnissen
verdanken die vielen Nephoskop-Konstruktionen, unter denen ich hervor¬
hebe die des Oberst Pomortzeff, der Ingenieure Kuznetzoff und Garoutte
ihre Entstehung. Die Vorsicht geht aber noch weiter, denn oft muß ein
Versuchsballon die fehlenden Wolken ersetzen, und es eignet sich nicht
jedes Nephoskop dazu, einen derartigen kleinen Punkt zu verfolgen, vor
allein aber kann man mit solchem nicht die Ballongeschwindigkeiten messen.
Auch hierfür sind mehrere Apparate vorhanden, die sicherlich den Festungs-
luftschilTer-Abteilungen beim Ablassen von Freiballons recht nützlich sein
Abbildung 11 . — Russische Windwand zum Schutz des Ballons.
können. Nicht mit Unrecht meinte ein Kommandeur einer solchen Festungs-
luftschiffer-Abteilung bei einem Hinweis meinerseits auf diese schwierigen
Fahrverhältnisse in Petersburg, daß sie gerade eine vortreffliche Schule bil¬
deten. Das ist zweifellos der Fall, vorausgesetzt, daß tatsächlich oft
gefahren wird.
Bei einer Freifahrt von 3 Ballons, der ich den Vorzug hatte beizu¬
wohnen, lagen recht unangenehme Verhältnisse vor. Es war windstill und
zugleich neblig. Bei solcher Wetterlage fährt ein Kenner überhaupt nicht,
weil eine solche Fahrt weder einen Zweck hat, noch ein Vergnügen bereitet
und außerdem besonders in Petersburg garnicht ungefährlich ist. Aber die
nun einmal angesetzten Fahrten sollten wissenschaftlichen Zwecken dienen
und man mußte wohl oder übel den Termin innehalten und das Weiter
nehmen, wie es war, konnte es sich doch auch noch aufklären. Ein Probe-
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fesselballon von etwa 3 bis 5 cbm Größe wurde an einer dünnen Seiden¬
schnur einige 100 m hochgelassen und bis zu seinem Verschwinden im
Dunst, besorgt mit dem Nephoskop auf seinen Abtrieb beobachtet. Aber
das Resultat war kein ermutigendes. Schließlich wurde es gewagt; die
Ballons fuhren auf und gingen sehr bald dicht bei bezw. in Petersburg
nieder.
Jedenfalls gebührt den russi¬
schen Luftschifler-Offizieren alle
Anerkennung für ihr vorsichtiges
und schließlich entschlossenes Ver¬
halten.
Seit dem Jahre 1897 sind
in Rußland auch Versuche mit
Drachen angestellt worden zum
Heben von Beobachtern, zu photo¬
graphischen und Signalzwecken.
Leutnant Uljanin hob auf
dem Naturforscher-Kongreß zu Kiew
im Jahre 1898 mit einer nach ihm
benannten besonderen Drachen¬
konstruktion von 60 qm Fläche
zahlreiche Personen bis auf etwa
60 m Höhe und soll sogar Höhen
von 200 m erreicht haben (Illus¬
trierte Aeronautische Mitteilungen
1898).
Für photographische Zwecke
wurde eine Panorama-Kamera-
Konstruktion Thiele 200—300 m
mittels Drachen* hochgelassen und
der Moment-Verschluß elektrisch
ausgelöst bezw. durch Uhrwerk
oder Zündschnur. Die ganz nette
Ansicht eines solchen Bildes hat
mich indes nicht von der militäri- Abbildung 12. — Drachenaufstieg von Korvettenkapitän
sehen Brauchbarkeit dieser Erfin¬
dung überzeugen können. Die Entfernungen, auf welche es ankommt, sind
zu dunstig und zu unscharf, um die gewünschten Details erkennen zu
können.
Bei der Landarmee sind die Drachenversuche auch aufgegeben worden,
zumal da auch das Hochnehmen von Menschen über Land immer noch als
mit ziemlichen Gefahren verbunden gilt.
Dahingegen hat die Drachenerkundung bei der Marine noch Freunde
und Anhänger. Besonders in der vor 3 Jahren in Sebastopol eingerichteten
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Marine-Luftschiffer-Abteilung sollen unter Leutnant Bolscheff, heute Korvetten-
Kapitän, 1 ) recht erfolgreiche Drachenaufstiege mit Menschen gemacht worden
sein. Ein einziger derartiger Kastendrachen (System Hargrave) mit Sitz¬
sack für den Beobachter war in Wolkowo Polie ausgestellt. BolschefT ver¬
wendet 6 zusammenlegbare Kastendrachen. Zunächst wird ein einzelner
Hilfsdrachen hochgebracht und das Drachentandem von 5 Apparaten und
dem Sitzsack bereit gelegt. Das Hochbringen der letzteren muß dann durch
eine offenbar sehr eingeübte Mannschaft gleichzeitig geschehen (s. Abb. 12).
Der Umstand indes, daß die baltische Flotte für ihre Ausrüstung nicht
Drachen, sondern Drachenballons mitgenommen hat, scheint mir nicht sehr
für die praktische Verwendbarkeit dieser Drachenerkundungen zu sprechen.
Abbildung 13. — Letzte Aufnahme des Oberst Kowanko und russischer Luftsohlfferofflzlere ln der Stellung
bei Nukden.
Ich kann meinen Bericht nicht schließen, ohne dem Gefühle meiner
tiefsten Dankbarkeit den russischen Kameraden gegenüber hiermit öffentlich
Ausdruck zu verleihen. Mit einer Aufmerksamkeit und Gefälligkeit, die
ihres Gleichen sucht, sind wir alle und ich insbesondere aufgenommen
worden. Ich habe mit diesem militärischen Bericht gewartet, um die dar¬
gebrachte Freundschaft nicht durch unangebrachte Indiskretionen zu trüben.
Solche Befürchtungen liegen gegenwärtig nicht mehr vor. Ich habe auch
in Wolkowo Polie vor dem Betreten des Platzes gewissenhaft meinen mit¬
geführten photographischen Apparat einem russischen Kameraden anvertraut,
Mitglied des Augsburger Vereins für Luftsehiffahrt.
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um jeden Verdacht der Illoyalität von mir fern zu halten. Ganz gew;iß
darf ich es diesem Umstande mit zuschreiben, daß die russischen Kameraden
mich mit so zahlreichen interessanten Bildern beschenkt haben, von denen
die hier gebrachten eine kleine Auslese bilden. Einer freundlichen Ein¬
ladung zur Mobilmachung nach Warschau mitzukommen, konnte ich aus
familiären Rücksichten leider nicht Folge leisten.
Die Stunden, welche ich in Wolkowo Polie mit den russischen Luft-
schiffern zusammen verleben konnte, rechnen jedenfalls zu den interessantesten
und schönsten Erinnerungen meines Petersburger Aufenthalts. Ich kann
nur mit dem Wunsche schließen, daß es in diesem Kriege, der bisher so
unglücklich für Rußland verlaufen ist, seinen Luftschiffertruppen jederzeit
gelingen möchte, mit Ruhm und Ehren hervorzutreten.
Über die Notwendigkeit eines internationalen Verbandes
zur Förderung und Verbreitung der wissenschaft¬
lichen und sportlichen Luftschiffahrt.
Von Comte Henry de La Yaulx, Paris.
(Übersetzt durch A. de Quervain.)
Dank den Bemühungen der in den letzten Jahren in ganz Europa
gegründeten Luftschiffervereine hat sich die Aeronautik, die so lange auf den
Rang der Seiltänzerkünste verwiesen war, glücklich aus dem Dunkel der
Verkennung losgerungen, wohin die Unkenntnis des großen Publikums sie
verstoßen hatte.
Die Luftschiffahrt ist nunmehr rückhaltlos als Wissenschaft anerkannt
und vielleicht als eine der schönsten und anregendsten Wissenschaften;
denn sie beschränkt sich nicht auf ihr eigenes Gebiet, sondern weiß in
immer wirksamerer Weise auch anderes Wissensgebiete zu unterstützen.
Die Meteorologen, die Astronomen und die Physiologen erkennen dies an
und fördern ja nach Möglichkeit die Verbreitung dieses neuen, ihren Unter¬
suchungen dienenden Forschungsmittels.
Alle wissenschaftlichen Körperschaften Europas und der neuen Welt
haben aeronautische Forschungen mit auf ihr Programm gesetzt und die
Konferenzen und Kongresse, die in den letzten Jahren zum Studium dieses
Gegenstandes getagt haben, oder noch tagen werden, in Paris, Berlin, Stra߬
burg, St. Petersburg, St. Louis, Brüssel, Lüttich, Mailand, Rom usw., sie
alle beweisen aufs nachdrücklichste, welche Bedeutung die Luftschiffahrt
heutzutage auf dem Gebiet der Wissenschaft erlangt hat.
Hand in Hand mit der wissenschaftlichen Aeronautik und in einer
ähnlich glücklichen Weise hat die sportliche Luftschiffahrt sich seit einiger
Zeit dermaßen entwickelt, daß die Gründung besonderer Vereine in den
meisten großen Städten von Europa zur notwendigen Folge geworden ist.
Während der Deutsche Luftschifferverband und der Aeroclub de France
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sich von Jahr zu Jahr vergrößerten, erwuchsen gleichzeitig anderswo ähn¬
liche Vereinigungen und so sind in den letzten Jahren die Aeroklubs von
Österreich und Ungarn, England, Belgien, der Schweiz, von Schweden, Italien
und Spanien entstanden und andere, die ich vielleicht im Augenblick übersehe.
Und gewiß, unter allen sportlichen Bestrebungen, die die physischen und
moralischen Eigenschaften kommender Generationen entwickeln sollen, gibt
es keinen, der edler, anziehender, kühner und poetischer wäre, als die
LuftschitTahrt.
Aber in dem Maß, wie sich die wissenschaftliche und sportliche
Aeronautik entwickelt, werden die Beziehungen unter den Luftschiffern selbst
zahlreicher werden; wissenschaftliche und sportliche Veranstaltungen von
internationalem Charakter werden eine zunehmende Rolle spielen und werden
damit der Verständigung über gewisse Punkte rufen, die die gegenseitigen
Beziehungen erleichtern sollen.
Um diesem Bedürfnis entgegenzukommen, hat mich der Olympische
Kongreß, der vor kurzen Tagen in Brüssel getagt hat, auf den Antrag von
Major Moedebeck, dem Delegierten des Deutschen Luftschifferverbandes,
aufgefordert, folgenden Wunsch zu formulieren, der dann auch von der
Versammlung einstimmig bestätigt worden ist, in völliger Übereinstimmung
mit den Anschauungen der anwesenden Delegierten der Luftschifferver-
einigungen von Deutschland, Belgien, Schweden und Frankreich:
«Der Olympische Kongreß, in Anerkennung der besonderen Be¬
deutung der Aeronautik, gibt dem Wunsche Ausdruck, es möchten
sich in allen Ländern Vereinigungen bilden, die den aeronautischen
Sport regeln sollen, und es möchte sich alsdann ein allgemeiner
Luftschifferverband bilden, der alle die nationalen Verbände umfaßt,
zum Zweck verschiedener Kundgebungen und zur Feststellung all¬
gemeiner Grundsätze für die wissenschaftliche und sportliche Förderung
der Aeronautik.
Der Kongreß ladet den Aeroclub de France ein, die Initiative
für die Verwirklichung dieses Wunsches zu ergreifen.»
Der Wunsch, den der Olympische Kongreß ausspricht, ist sehr deutlich.
Allerdings ist es nur ein Wunsch, immerhin aber ein von der ganzen Ver¬
sammlung einstimmig und in Gegenwart der Abgeordneten der vier größten
Luftschiffergesellschaften geäußerter Wunsch. Ich muß hinzufügen daß der
Schlußsatz der Motion, der den Aeroclub de France auffordert*, die ersten
Schritte zu tun, beigefügt wurde auf den Vorschlag von Herrn Major
Moedebeck, dem Delegierten des großen Deutschen Verbandes, der gegen¬
wärtig über 2500 Mitglieder zählt.
Ich habe die Hoffnung, daß es mit einem platonischen Wunsch nicht
sein Bewenden haben w-ird: denn der Aeroclub de France w r ird es als Ehre be¬
trachten, das Zutrauen zu rechtfertigen, das ihm die großen europäischen
Luftschiffervereinigungen geschenkt haben.
Aber in der Zwischenzeit, bis sich eine besondere Konferenz in Paris
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mit der Frage befassen wird, scheint es mir wohl angebracht, den besondern
Nutzen und den Zweck einer solchen Organisation zu diskutieren. Ohne
vorgreifen und ohne meinen hochgeschätzten Sportkollegen vorschreiben zu
wollen, worauf sie im besondern ihre Aufmerksamkeit zu richten hätten,
sind doch wohl, wie mir scheint, einige Aufgaben von vornherein zu be¬
zeichnen, deren Lösung jenem großen internationalen Verband zukommen
und gewissermaßen seine Daseinsberechtigung ausmachen wird.
Folgendes sind meiner Meinung nach diese von vornherein ins Auge-
zu fassenden Punkte:
1. Die Anerkennung der innern Organisation jeder einzelnen Vereinigung,,
einer Organisation, die im allgemeinen in enger Beziehung steht zu der
historischen Entwicklung jener Vereinigungen und zu den Gesetzen der be¬
treffenden Länder.
2. Die Feststellung eines internationalen Reglements zur Garantie
einer ordnungsgemäßen Durchführung von internationalen Wettbewerben und
Weltrekorden.
3. Die Schaffung eines internationalen aeronautischen Vokabulariums.
4. Erleichterungen für die LuftschifTer und ihr Material, auf allen
Transportmitteln, besonders auf der Eisenbahn und auf Schiffen. (Diese
Erleichterungen wären auf diplomatischem Weg anzustreben.)
5. Erleichterungen beim Zoll (auch auf diplomatischem Weg).
6. Hilfeleistung für Luftschiffer, die im Ausland landen.
7. Belehrung des Publikums über die Behandlung und Rücksendung
von Registrierballons, die im Ausland fallen.
8. Die Schaffung dauernder freundschaftlicher Beziehungen zwischen
den Mitgliedern des großen Verbandes, auf Grund derer einem im Ausland
reisenden Mitglied die aeronautischen Gelegenheiten und Vorteile des be¬
treffenden Landes auch zu gute kämen.
Dies scheinen mir die wesentlichen Punkte zu sein, die in Betracht
zuziehen wären von den Delegierten einer Konferenz, die die Grundlagen-
eines internationalen Verbandes festzustellen hat.
Mögen nun andere, berufenere Luftschiffer sich ihrerseits auch zur
Sache äußern. In jedem Fall wird daraus nur eine Förderung der Ziele
der Aeronautik erwachsen.
Kleinere Mitteilungen.
Die Überquerung des Atlantischen Ozeans im Ballon. Wie schon wiederholt in
diesen Blättern hervorgehoben, nehmen die Dauerfahrten das Interesse der LuftschifTer-
kreise in hohem Maße in Anspruch und werden wohl auf der Tagesordnung bleiben.
Es hat dies seine innere Begründung auch darin, daß die Erwägungen technischer und
geographischer Natur und die vielerlei Richtungen der erforderlichen Vorbereitungen
zu einer Summe geistiger Arbeit führen, die einesteils Anerkennung fordert, andererseits
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 29
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nach den verschiedensten Richtungen erkenntnisfördernd wirkt. Auch Mißerfolge, wie
der des unglücklichen Andröe, wirken nutzbringend für diesen Zweck. Es war ein
Unglück für den schwedischen Forscher, daß ihm ausreichende Mittel zur Verwirklichung
seines Gedankens verfügbar waren, während Louis Godard dasselbe Unternehmen 1897
mit einem 10000 cbm-Ballon von Spitzbergen aus geplant hatte, wobei zum Überfliegen
des Pols auf einen Weg von 2500 km und eine Fahrtdauer von 60 Tagen Vorsorge in
Aussicht genommen war. Die Kosten waren auf 225000 Fr. berechnet und wurden nicht
aufgebracht. Es darf an das Projekt von Deburaux und jenes des Kommandanten Hourst
auf Überquerung der Sahara und des Afrikanischen Kontinents erinnert werden, die
auch am Mangel an Mitteln scheiterten. Was unter günstigen Voraussetzungen materieller
wie geistiger Natur geleistet werden kann, zeigte uns u. a. 1900 die Dauerfahrt des
Grafen De la Vaulx und seiner Begleiter von Paris nach Rußland. Es zählen hierher auch
die Mittelmeer-Versuchsfahrten des Genannten, einige Dauerfahrten zu Land von Paris
nach Österreich, von Augsburg nach Ungarn, die Fahrt des «Djinn> über den Kanal von
Paris nach Hüll u. a. Für Juni d. Js. steht Überquerung des Mittelländischen Meeres
durch De la Vaulx nun in Aussicht. Die Fahrt über den Atlantischen Ozean, welche
ursprünglich von Godard (vgl. S. 47, 1904) in Richtung West-Ost geplant war, dann aber
von Reclus und Berget umgekehrt von Ost nach West beabsichtigt wurde, ist nun
wieder im ersteren Sinn von Godard aufgegrifTen worden. Ein von New-York oder
Washington aufsteigender Ballon würde, durch reinen Westwind getragen, etwa 5000 km
zurückzulegen haben. Abweichungen nach rechts oder links würden noch nicht gefahr¬
drohend werden, doch die Fahrt sehr verlängern. Nimmt man die ganze europäische
Küstenlänge vom Nordkap bis zum Kap der guten Hoffnung als Spielraum für die
Landung, so rechnet sich eine größte Ausdehnung der Fahrt im ungünstigsten Fall auf
7 500 km heraus. Wird der regelmäßige Westwind getroffen, dessen Geschwindigkeit zu
etwa 50 km pro Stunde, also 1200 km pro Tag anzunehmen ist, so würden im günstigsten
Fall 4 Tage und 4 St., im ungünstigsten 6 Tage und 6 Stunden Fahrtdauer zu rechnen
sefn. Unvorhergesehenes ist allerdings in sehr weitgehendem Maße als möglich zu
berücksichtigen und Godard rechnet mit der Hälfte der Geschwindigkeit, ebenso auch
mit ungünstiger Richtung des etwa bis 350 von West-Ost abgelenkten Windes und
demnach mit 12 V» Tagen Fahrt. Der Ballon ist nun zu 12 750 cbm Inhalt und Wasser-
stoffgas-Füllung angenommen, also mit 14000 Kilo Auftrieb. Bei Anwendung einer
doppelten, am Ventil und am Füllansatz verbundenen und im Umfang noch eigens ver¬
stärkten Hülle, sowie eines Ballonets und unter Annahme des Gasverlustes zu 1 °/o per
24 Stunden scheint Tragkraft und Form gesichert zu sein, doch ist ein Gasverlust von
1 l /se °/o angerechnet, so daß ein Maximalverlust in Tragkraft von 210 Kilo, entsprechend
190 cbm Gas, sich ergibt. Beträgt der verfügbare Ballast 6000 Kilo, incl. Lebensmittel,
so wären schon 28 V* Tage Fahrtdauer sicher gestellt. Um noch mehr Zeit verfügbar
zu machen, sollen 8 Vorratsballonets mit zusammen 2200 cbm Gas mitgeführt werden,
aus denen die täglichen Verluste ersetzt werden, was 11 */a Tage ausmacht. Die Er¬
rungenschaften von Herves Arbeiten (schwimmendes Schleppzeug und AblenkungsVor¬
richtung) sollen angewendet werden, um den Ballon in 25—100 m Höhe über dem
Wasserspiegel zu erhalten und die Richtung der Fahrt event. korrigieren zu können.
Die Bemannung ist auf 10 Personen veranschlagt, die Verproviantierung auf 2 Monate.
Eine in «Gonquete de l’air» gegebene Gewichtsberechnung setzt allerdings Ballast auf
4000, Lebensmittel auf 1400 Kilo an. Motorboot, Instrumente pp. sind vorgesehen.
Godard baut sehr auf seine in mehr als 700 Fahrten erworbenen Kenntnisse und Erfah¬
rungen. Er wird selbst die Führung übernehmen, von drei Berufsluftschiffern begleitet
sein und sechs der Gelehrtenwelt und der Presse angehörige Personen mit sich nehmen,
— wenn die Kosten zu ca. 200000 Fr. aufgebracht werden können. Ist die Erfüllung
dieser Voraussetzung auch nicht gerade unwahrscheinlich, so darf doch die Ausführung
der Ozean-Überquerung im Ballon nicht als so nahe in Aussicht stehend angenommen
werden, daß Befürchtungen etwa vorhandener Konkurrenten vor Überflügelung gerecht-
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fertigt wären. Es stehen dem Unternehmen eben doch gewaltige Bedenken entgegen,
wie u. a. J. Vincent in einem Artikel der «Conquete de fair* sehr berechtigt hervor¬
hebt. Das Gelingen hängt ja vom zweifelhaften Bestehen einer verläßlich gleichmäßigen
im allgemeinen w’estöstlichen Luftströmung während längerer Zeit ab. Daß diese Vor¬
bedingung gegeben sei, kann aus den meteorologischen Karten über Luftbewegung bei
optimistischer Auffassung allerdings entnommen werden, doch wird dann übersehen,
daß solche Zusammenstellungen immer Mittelwerte verzeichnen, die sich aus zahl¬
reichen Beobachtungen ergeben, während für keinen zur Atlantikfahrt ausgewählten
Zeitraum bestimmt gesagt werden kann, welcher von jenen Windgruppierungen er ai>
gehören wird, aus denen sich die mittlere West-Ost-Strömung ergibt. Gerade weil
Windkarten mittlere Richtungsangaben enthalten müssen, wird .nur ausnahmsweise auf
lange und weit hinaus ihre Angabe mit der Wirklichkeit stimmen. Man braucht nur an
das stets wiederholte Auftreten von Zyklonen und Antizyklonen zu denken und an das
dabei in Wirkung kommende Winddrehungsgesetz, im Zusammenhang mit dem steten
Wandern der Zyklonen selbst, sowie zu berücksichtigen 1 ), daß selbst eine gewisse Regel¬
mäßigkeit dieser Erscheinungen im großen nach dem jetzigen Stand unseres meteorolo¬
gischen Wissens noch nicht genügende Grundlagen liefert, um einen Ballonweg über den
Atlantischen Ozean darauf hin zu wählen. Dabei bleibt zu beachten, daß die Fahrt¬
dauer von möglichst gleichbleibender Fahrthöhe abhängt, daß also vorwiegend die
unteren Luftschichten in Betracht kommen, in denen eine regelmäßige Windbenutzung
nur in den Gebieten des Passats in Aussicht zu nehmen wäre. K. N.
Eine Ballon-Expedition nach dem Nord-Pol hat Mr. Marcillac, Mitglied des
A6ronautique Club de France zum Gegenstand eingehender Studien gemacht, wobei ihn
der Gedanke leitet, daß vom Ballon aus eine weite Umsicht und Einsicht in die Eis¬
und Geländeformen möglich wird, während von Schiffen ausgehende Forschungen
erfahrungsgemäß sehr nahe an die Objekte ihrer Suche gelangen können, ohne sie zu
finden. Unter anderem bietet hiefür der Mißerfolg einen Beleg, den die Nachforschungen
nach den 8 von der Besatzung der <Stella polare* Zurückgebliebenen hatte. Marcillac
hofft eine passende Anwendungsform der drahtlosen Telegraphie finden zu können, wo¬
durch es möglich würde, mittels vereinbarter einfacher Zeichen stets den Ort des
Ballons an die Ausgangsstelle des Fluges zurückzumelden. Es würde sich jedenfalls um
Anwendung von Ballons von lang anhaltender Tragkraft handeln müssen. Es wäre ferner
ein Plan von aufeinanderfolgenden, die zu durchforschenden Gebiete mit einem genügend
eng gestalteten Routennetz überspannenden Fahrten aufzustellen. Es wären auch die
technischen Einzelheiten für Nachfüllungen, das Zurückbringen des Ballons zu neuen
Aufstiegspunkten, Aushilfsvorrichtungen bei unfreiwilliger Landung, Ortsbestimmungs¬
mittel usw. zu bearbeiten. Wenn dies alles in befriedigender Weise erledigt werden
kann, so bleibt allerdings noch ein wesentliches Bedenken übrig, nämlich der Umstand,
daß über die Luftbewegung in den höheren Polarregionen noch äußerst wenig bekannt
ist und daß der Forschungsballon an Stellen gelangen kann, die man, wenn auch ihre
Lage vollkommen bekannt ist, weder zu Schiff noch mittels Schlittenlandreise zu er¬
reichen vermag. Auch mit dem Auftreten von Elektrizitätserscheinungen anderer Art
und Einwirkungsweise, als wir sie in niedereren Breiten zu beachten gewohnt sind, dürfte
ernstlich zu rechnen sein. Da M. Marcillac ein erfahrener Luftschiffer ist, auch seit
1886 zusammen mit Cappaza luftelektrische Messungen betrieben und in diesen Richtungen
auch bei Colladon und Palmieri Beachtung gefunden hat, so darf man immerhin seinem
Plane Interesse entgegenbringen, wenn auch Nansen sich nicht dafür erwärmen konnte.
*) Die synoptischen täglichen Wetterkarten für den Nordatlantischen Ozean, die seit
März 1904 von der Deutschen Seewarte herausgegeben werden, bieten ein vorzügliches Mittel zura
Studium der Wechselfälle, denen ein solches immerhin gar nicht aussichtsloses Unternemen ausgesetzt
sein wird. Eine Landung auf der Ostseite des Ozeans südlich vom nördlichen Wendekreis dürfte übrigens
ausgeschlossen sein. D' e B e d*
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224
Verschiedene Einzelheiten sind schon einigermaßen überarbeitet, wobei die Errungen¬
schaften Herves bezüglich Einwirkung auf die Flugbahn des Ballons (Luftschraube,
Ableitungsapparat pp.) nicht übersehen wurden.
Der Motor, den Marcillac anwenden will, ist nicht sehr groß, aber er arbeitet mit
Sicherheit 200 Stunden ohne Neuladung, auch ist er nicht sehr beengend. Mit 3 Ladungen
•geringen Raumbedarfs sind 600 Stunden Betrieb oder 25 Marschtage gesichert. Es soll
von diesem Motor übrigens nur bei Nachlassen des Windes oder zu etwa nötiger seit¬
licher Verschiebung aus dem Windstrich Gebrauch gemacht werden. Die Gondel, in
Gestalt eines großen Parallelepipeds, wird mittels eines Mantels statt Netzes an dem
5000—5500 cbm haltenden Ballon befestigt sein. Ihre Dimensionen werden den Forschern
die Ruhelage gestatten. Die von Marcillac eigens erdachte Gasauslaßvorrichtung wird
von der Gondel aus bedient werden können. Nach oben wird die Gondel durch eine
■Klappe verschließbar gemacht und für den Fall eines Sturzes ins Meer ihre Schwimm¬
fähigkeit sicher gestellt. Die 3—4 Fahrtteilnehmer werden in regelmäßiger Reihenfolge
ihre Beobachtungen von der Terrasse der geschlossenen Gondel aus machen können,
da die Reise in die Zeit des dauernden Polartages gelegt werden soll. Als Ballast sind
•die Lebensmittel vorgesehen an Stelle des Sandes, der übrigens auch dem Zusammen¬
gefrieren ausgesetzt ist. Außer den verschiedenen Schlepp- und Ankervorrichtungen und
den gebräuchlichen Fahrtinstrumenten ist noch ein besonderer Satz von Instrumenten
Marcillacs (schon vor 3—4 Jahren in Paris und Brüssel ausgestellt) mitzuführen, näm¬
lich ein «An6moscope >, das einen im Raum vorhandenen Luftstrom andeutet, welcher
mit der Flugrichtung des Ballons nicht übereinstimmt, dann ein «Indicateur d’immersion»,
welcher einen bevorstehenden Fall auf die Wasserfläche anzeigt, ein «V61om£tre *, welches
die Geschwindigkeit des Flugs des Ballons mißt, ein Horn «Trompe Morse* für akustische
Zeichen und endlich, als besonders bemerkenswert, das «Thermogene», mittels dessen
der Gaskondensation entgegengewirkt werden soll. Marcillac legt nämlich der Wirkung
der Gasabkühlung in den Polarregionen hohe Bedeutung bei, glaubt hierin auch eine
der wesentlichsten Ursachen von Andres Mißerfolg erblicken zu dürfen. Marcillacs
Plan, den Spuren Andres per Ballon zu folgen, ist eigentlich eine Erneuerung einer
•schon früher (1898) aufgetauchten Idee, wobei es sich darum handelte, von einem
passenden Punkt an der Küste des roten Meeres aus Verbindung zu gewinnen mit einer
gegen den oberen Nil marschierenden französischen Truppen-Kolonne, von der keine
Nachrichten Vorlagen (Marchand). Die auf 1500 km zu veranschlagende Entfernung
hätte bei mittlerem Passat in 50—60 Stunden zurückgelegt werden können. Wie in
anderen Fällen hatte es auch hier an Mitteln zur Ausführung (oder am Willen, solche
zu beschaffen) gefehlt. Bei Marcillacs jetzigem Unternehmen würde von demselben
Punkt ausgegangen, von welchem Andree ausging (Spitzbergen 80° Breite) und die Auf¬
gaben, die er sich stellt, geographische Durchforschung der Polar-Region und möglicher¬
weise Entdeckung von Spuren der Expedition Andree und Bergung gefundener Reste,
waren maßgebend nicht nur für die erwähnten Ausrüstungsmaßnahmen, sondern auch
für die Wahl des Zeitpunktes für den Fahrtbeginn. Während man im allgemeinen die
bessere Witterung, Mitte Juni bis Mitte Juli ins Auge zu fassen pflegt, legt Marcillac
dem Umstande größeren Wert bei, daß später die zunehmende Ausdehnung und Festigung
des Eises im Fall der Notwendigkeit einer Eiswanderung günstigere Aussichten bietet,
während die lange Nacht erst Ende September beginnt. Im Fall eines «Luftschiffbruches*
etwa im August würden noch etwa 2 Monate erträglicher Temperatur und noch hin¬
reichende Tagesdauer zur Verfügung stehen zum Rückzug gegen den Südrand des festen
Eises. Übrigens ist auch der Notfall der Überwinterung ins Auge gefaßt und dabei u. a.
auf Verwendung der Vorräte und des Ballonmaterials gerechnet (Zelte, Schlafsäcke,
Kajaks pp.). Dem naheliegenden Einwurf, daß schon 7 Jahre seit Andrees Verschwinden
verstrichen sind, daher in dieser Beziehung wenig mehr zu erwarten sei, begegnet
Marcillac mit dem Hinweis, daß zehn Expeditionen zur Auffindung Franklins auszogen
und daß nach 13 Jahren dann doch die Reste der Expedition erreicht wurden. Ob die
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225 €«««
auf ca. 90 000 Fr. berechneten Kosten aufgebracht werden können, erscheint nach dem
Vorgang der schwedischen Nachforschungs-Expedition, die 180 000 Fr. erforderte, nicht
in so sehr hohem Mäße fraglich, doch dürfte dabei, wenn alles klappt, vorerst eine ein¬
malige Überquerung der Polarregion zu bestreiten sein, während die Durchführbarkeit
einer Reihe von Hin- und Her- und Zickzack-Fahrten jedenfalls noch nicht so weit
bereift und durchdacht erscheint, daß hiefür schon Kostenanschläge aufgestellt werden
könnten. Schon die Beschränkung der Erfolg versprechenden Fahrten auf die Jahreszeit
der langen Tage im Zusammenhalt mit den andern oben erwähnten Erwägungen wird
hier von großem Einfluß sein müssen. Mag es übrigens auch nicht zur Ausführung
kommen, so hat das Projekt die gute Wirkung mit anderen gemein, daß es zur Auf¬
werfung, Verfolgung und Bearbeitung von mancherlei sonst im Hintergrund bleibenden
Fragen anregt, was bei dem großen Fleiß, mit welchem unsere westlichen Nachbarn
derartige Dinge behandeln, nicht zu unterschätzen ist. K. N.
Die Lnfhschiffahrt auf der Weltausstellung ln Llittlch ist in kaum nennenswerter
Weise nur durch die belgische Militär-Aeronautik in der Ausstellung des Kriegsministe¬
riums vertreten. Bei dem Ausstellungsteil der Genietruppen befindet sich hier die Auf¬
hängung und Fesselung lür Fesselballons nach dem System Renard. An den Wänden
sieht man eine Anzahl Ballonphotographien von Antwerpen, unter denen sich auch
einige von Festungswerken und von einem Fort befinden. Sie sind sämtlich aus ziem¬
lich niedrigen Höhen aufgenommen und fast durchweg etwas flaue Platten. Besser sind
die Erdaufnahmen des Luftschifferdienstes der belgischen Militär-Aeronautik in Antwerpen.
Sie bieten aber nichts Interessantes weiter als Aufstiege von Frei- und Fesselballons
und eine Darstellung von 5 zur Füllung aufgefahrenen belgischen Gaswagen, die man ihrer
primitiven Konstruktion nach besser als fahrbare Gasflaschengestelle bezeichnen kann.
Die Gasflaschen sind ziemlich lang und ähneln sehr den französischen.
Der aeronautische Teil dient somit, kurz gesagt, mehr dazu, die Ausstellung der
Genietruppe nach dieser Richtung hin zu ergänzen, und bringt weder Neues noch Apartes.
- »
Der Olympische Kongreß im Palais des Acadömies zu Brüssel
9. Juni bis 14. Juni.
Nach einer Festsitzung am 9. Juni, 3 1 /* Uhr nachmittags, welche M. Marcel
Prevost mit einem längeren geistreichen Vortrage über die Bedeutung des Sports für
die Entwickelung des Menschengeschlechts einleitete, begannen am 10. Juni die Be¬
ratungen über die Sektionsbildungen.
Am Nachmittage desselben Tages fand die erste Arbeitssitzung statt. Die Luftschif¬
fahrt war der Abteilung D überwiesen, in welcher Graf E. Brunetta d’Usseaux den
Vorsitz führte. Mein Antrag, die aeronautischen Angelegenheiten einer Sonderkommission
zuzuweisen, fand mit der Begründung Widerspruch, daß der Gegenstand zu allgemein inter¬
essant wäre, dafür wurde aber mit der Beratung der aeronautischen Interessen begonnen.
Als aeronautische Vertreter waren anwesend: ComtedeLaVaulx für den Aöro-
club de France und für die mit diesem in Kartell befindlichen französischen Gesellschaften,
Major Moedebeck für den deutschen Luftschifferverband, Ingenieur Gunnar Holm¬
berger für den schwedischen Aeroklub, Comte Hadelin d’Oultremont als Vertreter
der belgischen Aeronautik. Für Italien nahm der Vorsitzende Comte Brunetta
d’Usseaux als Mitglied der Societa aeronautica Italiana die Vertretung.
Zunächst erhielt Comte de la Vaulx das Wort, um seine Pläne über die zukünftigen
Organisationen der LuftschifTervereine darzulegen. Der Vortragende wies auf die große
Bedeutung der Einigung der Luftschiffervereine in jedem einzelnen Lande hin in dem
Sinne, daß sie in bezug auf ihren Fahrsport, auf die Zulassung von Kandidaten von
gleichen Grundsätzen ausgingen. Eine solche Einigung strebe der Aeroklub in Frankreich
an und er habe zu diesem Zweck in einem besonderen Reglement eine Grundlage ge¬
schaffen. In gleicher Weise möchte es in allen anderen Ländern gemacht werden. Das
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sei aber nur der erste Schritt, um zu einer weiteren internationalen Einigung der ver¬
schiedenen nationalen LuftschifTervereine zu gelangen, und hierfür scheine ihm der inter¬
nationale LuftsehifTerkongreß während der Weltausstellung in Mailand 190(> sehr geeignet.
Major Moedebeck erhielt darauf das Wort und teilte mit, daß in Deutschland diese
vom Grafen de la Vaulx vorgeschlagene nationale Einigung der Vereine im deutschen
LuftschifTerverbande bereits vorhanden sei. Der Verband repräsentiere 7 Vereine mit
rund 25(X) Mitgliedern. Der Vorschlag einer internationalen Union föderale werde in
Deutschland sympathisch aufgenomn*en werden, es liege aber im Interesse des Mailander
Kongresses und nicht minder im Interesse der Feier des 25jährigen Bestehens des
Berliner Vereins für Luftschiffahrt, welche ebenfalls 1906 stattfinden solle, wenn die end¬
gültigen Beschließungen über die Grundregeln dieser «Union internationale > noch
in diesem Jahre festgelegt würden. Da der Aeroklub die Initiative in jener Sache er¬
griffen habe, schlage er daher eine Zusammenkunft der Vorstände aller in Betracht
kommenden Vereine für Ende Oktober oder Anfang November 1905 in Paris vor, und er
beantrage ferner, den Aöroclub de France mit den Vorbereitungen hierzu zu beauftragen.
Nachdem Comte de la Vaulx und die anderen Vertreter ihr Einverständnis hierzu
geäußert hatten, wurde von M. Vienne nac hfolgende Resolution des olympischen Kongresses
aufgesetzt und einstimmig angenommen:
* Le congrös reconnaissant Fimportance speciale de l'Aöronautique,
exprime le voeu qu’il se forme dans chaque pays une association chargöe de
röglementer le sport aeronautique et qu’il soit formö ensuite une Föderation
Universelle de UAöronautique, unissant toutes ces associations nationales
en vue de manifestations diverses et de reglements göneraux pour la vulgarisation
scientifique et sportive de Faeronautique.
Le congres invite FAeroclub de France ä prendre Finitiative de ces cröations.»
Der Vertreter Belgiens. Comte d’Oultremont, bat, dem deutschen Luftschiffer¬
verband seinen Dank auszusprechen im Namen des Olympischen Kongresses für Hin¬
sendung eines Vertreters.
Die Vorstände der deutschen Vereine werden gut tun, ihre Vorschläge für die Grund¬
regeln des intemationalenLuftschifferverbandes möglichst bald zu beraten undaufzusetzen und
dem Verbandsvorsitzenden, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Busley, zuzusenden,
damit bald eine Einigung erzielt werden kann. H. W. L. Moedebeck.
Der Schranbenflieger der Brüder Dnfanx. Zwei schweizerische Konstrukteure,
die Brüder Armand und Henri Dufaux aus Genf, haben neuerdings durch ihre in
Paris angestellten Versuche mit ihrem «Helicoptcre > in sportlichen Kreisen großes und
durch die Tatsachen gerechtfertigtes Aufsehen hervorgerufen. In der Tat ist es der her¬
vorragenden Geschicklichkeit dieser Erfinder gelungen, einen Motor mit Hubschrauben zu
konstruieren, dessen Leistung über alles bisher hierin bekannte hinausgeht. Der zwei-
zylindrige Motor mit doppelter Explosionswirkung treibt zwei Schraubentlügelpaare von
2 m Durchmesser an, die am Ende zweier 1,50 m langen Träger links und rechts vom
Motor an geordnet sind. Der ganze Apparat wiegt 17 Kilo; der Motor besitzt 3,1 Pferde¬
kräfte und wiegt 4,5 kg. Nach den zahlreichen, zuerst in Genf, dann in der Halle des
Aeroklubs in Paris vorgenommenen Versuchen vermag dieser Apparat, versehen mit einem
für 20 Minuten ausreichenden Benzinvorrat, nicht nur sich selber mit großer Geschwindig¬
keit hochzuheben, sondern auch noch ein «nützliches Gewicht» bis zu 6 kg mitzuheben.
Die Erfinder denken sich den Apparat als Bestandteil eines Drachenfliegers, an dessen Kon¬
struktion sie arbeiten; die Verwendung von Gleitflächen zur horizontalen Bewegung halten
auch sie für unentbehrlich. Sie haben die Absicht, einen Apparat mit einem 100pferdigen
Motor zu bauen, der imstande sein w r ird, einen Menschen zu tragen. Nach dem bisher
Geleisteten darf man wohl auch von den weiteren Plänen der Gebrüder Dufaux schöne
Erfolge erwarten. Es ist interessant, die Verwendung der Hubschrauben nun plötzlich
wieder in den Vordergrund gestellt zu sehen. Q.
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227 «4«
Eine merkwürdige Störung in der Erscheinung des Bishopschen Bings wird von
Dr. J. Maurer in der Meteor. Zeitschr. signalisiert. Jener braunrote Ring um die Sonne,
der von der Beugung des Lichts an vulkanischem in den höchsten Regionen der Atmo¬
sphäre schwebendem Staub herrührt und seit dem Sommer 1902, wenige Monate nach
den Ausbrüchen des Mont Pel6e, sichtbar wurde, war auch auf den Bergen seit Ende
Juli 1904 nicht mehr zu beobachten. Anfangs Oktober ist er nun unerwartet wieder auf¬
getaucht und seither sichtbar geblieben. Eine gewisse Intermittenz dieser Beugungs¬
phänomene ist schon füher von Prof. Grüner nachgewiesen worden, namentlich bei
den Dämmerungserscheinungen. Demnach läßt sich schließen, daß jener Staub in der
höheren Atmosphäre nicht gleichmäßig verteilt ist, sondern in abgegrenzten Wolkenkom¬
plexen schwebt. Die neue Beobachtung von Dr. Maurer möge Bergsteiger und nament¬
lich auch Ballonfahrer veranlassen, sich nach dem Bishopschen Ring umzusehen und
dessen Vorhandensein oder Fehlen bei allen Fahrtberichten ausdrücklich festzustellen. Q.
<K
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Le Concours de Ballons de l’A6ro-Club du Sud-Ouest.
II y a quelques
annees, deux membres
de l’Automobile-Club
Bordelais, MM. Briol et
A. Duprat, fonderent
une section speciale de
ce Club consacree ä
l’Aerostation. Sous l’ac-
tive impulsion de ses
fondateurs, cette sec¬
tion se developpa rapi¬
dement ; eile institua
plusieurs concours de
ballons auxquels prirent
part les plus celebres
pilotes de l’Aero-Club
de France, MM. de la
Vaulx, Tissandier, Bal-
san, etc. Mais la pros-
perite de cette Societe
a necessite sa Separa¬
tion en Club indepen-
dant et cette annee MM.
Briol, Duprat et un in-
dustriel bordelais, M.
Baudry, ont fonde de-
finitivement T Aero-Club
(25 avril 1905.)
A. Duprat, photogr.
Nachdruck verboten
Vue prisc ä bord du ballon PAquitaine ä 30 m du point de depart; quai
de la Garonne situe en face des colonnes verticalcs des Quineonces.
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228
du Sud-Ouest affilie ä l’Aero-Club de France. Cette nouvelle Societe qui
compte aujourd’hui 125 membres actifs a donne son premier concours de
ballons ä l'occasion de l’inauguration de la statue de Gambetta faite ä Bor¬
deaux par M. le President de la Republique. Ce concours a ete un con¬
cours d’atterrissage en un point determine ä l’avance. Par suite de la
faible vitesse du vent (ä peine 8 km ä l’heure) et gräce ä certaines cir-
constances imposees par les fetes, le point d’atterrissage fut donne ä
19 km de Bordeaux. Le depart des huit ballons engages eut lieu vers
A. Duprat. photogr. Nachdruck verboten.
Concours de Ballons du 25 avril 1905. Plaoe des Quinconoes.
Vue prise ä 100 ni, ä bord de l’Aquitaine.
5 heures de l’apres-midi de l’Esplanade des Quinconces qui constitue,
comme le montrent les photographies annexees ä cette note, un parc ä
ballons admirablement situe au centre de la ville et oü 30 ballons peuvent
etre aiscment gonfies.
Le vainqueur du concours a ete M. Paul Tissandier de Paris pilotant
le ballon A6ro-Club N° 3 (1200 m 3 ) et avant pour passagers M. le comte de
la Vaulx et un commer(*ant de Bordeaux. L’atterrissage de M. Tissandier
a eu lieu ä 580 nietres du point designe a l’avance. Ce resultat est d’au-
tant plus remarquable qu il n’est pas du au hasard. M. Tissandier n a pu
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229 €*4«
reussir que gräce ä sa grande Science aeronautique. En efTet, si le vent de
terre (au-dessous de 100 metres environ) portait nettement vers le point indique
fi lavance, il existait
dans les parties supe-
rieures de l’atmosphere
des courants faisant
des angles de 45 et
meme 90 degres avec
la direction indiquee.
(Test en sondant les
diverses couches de
l’atmosphere et en
s’eftbrcant de s’equili-
brer ä diverses hau-
teurs que M. Tissandier
a pu nettement deter-
miner le courant qui
Temportait vers le
point marque comme
but. Les dernieres par¬
ties de cette ascension
se sont efTectuees au
guide-rope et Tatterris-
sage a eu lieu vers
7 heures du soir dans
des conditions excep-
tionnellement favora-
bles.
L’Aero-Club du
Sud-Ouest a obtenu la
deuxieme place. M. A. Duprat, pilotant le ballon Aquitaine (1100 3 m), a
atterri ä 6 km du point designe a l’avance. Tous les autres concurrents
MM. David de Nantes, Andre Legrand de Paris, Barbotte de 1 Academie
Aeronautique de France, etc. ont atterri ä des distances du but variant
entre 10 et 19 km.
Un concours de photographie aerienne etait annexe ä ce concours.
Comme le montrent les cliches ci-contre pris a ditlerentes hauteurs par
M. A. Duprat, les resultats obtenus ont ete remarquables. II convient de
citer en particulier le cliche topographique sur lequel Fetendue d un vignoble,
marque I sur la figure, donne lieu ä un curieux efTet de quadrillage.
A la suite de ce concours, FAero-Club du Sud-Ouest vient de donner
une nouvelle preuve de son activite. De concert avec un journal local,
La Petite Gironde, il vient de fonder une coupe destinee au ballon qui,
partant de Paris, atterrira le plus pres de Bordeaux. Le concours est
Illnstr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. ^
A. Duprat. photogr. Nachdruck verboten.
Bordeaux, Vue prise ä 400 ra de la place des Quinconces.
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M
ouvert, pendant un an, ä partir du 5 juin prochain, ä tous les ballons
spheriques ou dirigeables qui voudront tenter l’epreuve. Nous reviendrons
A. Duprat, photogr. Nachdruck verboten.
Cliche telephotographique pris du ballon TAquitaine. 1 represcnte des vignobles.
sur Timportance de ce concours, des que le regiement prepare par l’Aero-
Club du Sud-Ouest aura ete approuve par l’Aero-Club de France.
L. Marchis,
Professeur & la Facultö des Sciences de Bordeaux.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
Die 247. Versammlung des «Berliner Vereins für Luftschiffahrt», begann am 14. Mai
unter Vorsitz von Geheimrat Busley, mit Verlesung der Namen von 9 neuangemeldeten
Mitgliedern, gegen deren Aufnahme kein Widerspruch erhoben wurde. Es berichtete
sodann der Vorsitzende des Fahrtenausschusses, Hauptmann v. Kehler, über die seit
Ostern ausgeführten 6 Vereinsfahrten. Die erste derselben, am 27. April, Führer: Leutnant
v. Etzdorf, Begleiter: Leutnants v. Lekow, Sänger und Schultz, endete bei sehr schwacher
Luftbewegung nach 3 7* Stunden, nur 30 km vom Aufstiegsort entfernt, bei Marienberg,
Höchstgeschwindigkeit 8,5 km, erreichte Maximalhöhe 1550m. Besser vom Winde be¬
günstigt war eine am Tage darauf unter Führung von Oberleutnant v. Müller, Begleiter:
Leutnants v. Donop, v. Busse und Dr. phil. Ebhardt, unternommene Fahrt, die sich in
2 Stunden 50 Minuten 100 km weit bis GreifTenhagen erstreckte, Geschwindigkeit 35 km,
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Maximalhöhe 1550 m. Am 1. Mai stieg Oberleutnant v. Müller in Begleitung von
Dr. Oechelhäuser in Bitterfeld auf und gelangte in 3 Stunden 25 Minuten 172 km weit
bis Seelow, Geschwindigkeit 50 km, erreichte Höhe 1550 m. Recht schnelle Fahrten
— ein Beweis, wie stark wechselnd das heurige «Mailüfterle» geweht hat — machten
zwei am Vormittag des 5. Mai mit einem Zeitunterschied von einer Viertelstunde in
Charlottenburg aufgestiegene Ballons, der eine geführt von Leutnant v. Brandenstein,
Mitfahrende: Leutnants v. Palleske, v. HolthofT, v. Auer, der andere geführt von Ober¬
leutnant v. Müller, Mitfahrende: Hauptmann v. Gerlach, Leutnant Mewes und Leutnant
der Reserve Carr. Beide Ballons waren 2 Stunden 40 Minuten unterwegs, fuhren mit
einer Geschwindigkeit von 68 km und legten übereinstimmend 180 km zurück, obgleich
zu verschiedenen Höhen aufgestiegen, da der erste bei Flechtingen landende 2900 m, der
andere bei Schöppenstedt landende 1750 m Höhe zu verzeichnen hatte. Wieder bei
erheblich schwächerem Winde, nur eine Geschwindigkeit von 27 km erreichend, fand
die letzte der Berichtsfahrten am 13. Mai statt, geführt von Hauptmann Sperling und
begleitet von Graf Dohna und v. Ising. Sie endete in 120 km Entfernung vom Aufstiegs¬
ort nach 4 Stunden 50 Minuten bei Zeulenroda und erreichte 2500 m Höhe. — Den
Vortrag des Abends hielt Torpedo-Oberingenieur Giessen aus Kiel über <Winddruck und
Winddruckmesser». Da dieser Vortrag, dem die Versammlung mit Interesse folgte, an
anderer Stelle dieser Zeitschrift ausführlich wiedergegeben werden soll, sei hier nur
gesagt, daß er von Lichtbildern und Demonstrationen an einem vom Redner erfundenen
Instrument zur Messung des Winddruckes begleitet war. A. F.
Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt.
Die März-Versammlung des Niederrheinischen Vereins für LuftschifTahrt fand am
Montag, 27. in den Räumen der Gesellschaft «Union» zu Unter-Barmen statt. Nachdem
33 neue Mitglieder aufgenommen und 10 Anteilscheine ausgelost worden waren, be¬
richteten über die fünf seit der letzten Versammlung ausgeführten Fahrten die Herren
v. Abercron, Paul Meckel und Dr. Bamler. Die ersten drei Fahrten fanden von
Godesberg statt, wo dank dem Entgegenkommen des Herrn Gasdirektors Reich ein pracht¬
voller Aufstiegplatz geschaffen ist, den der Verein noch recht häufig benutzen wird.
Die erste Fahrt fand am 25. Februar unter Führung des Herrn Hauptmann v. Abercron
statt, es fuhren mit die Herren cand. iur. Weskott und stud. iur. Th eien aus Bonn.
Die sehr glatte Landung mußte wegen einbrechender Dunkelheit bei Marburg vorge¬
nommen werden. Die Fahrt vom 2. März (internationaler Tag) führte Herr Leutnant
Benecke, es fuhren mit die Herren stud. iur. Dörffel, v. Wesendonk und
v. Schlumberger. Die Landung war ebenfalls sehr glatt und mußte wie die erste
verfrüht in St. Marie in Belgien kurz vor der französischen Grenze ausgeführt werden,
weil der Führer nicht in Uniform in Frankreich landen durfte. Einer der Zuschauer bei
der Landung hatte das Aufreißen der Reißbahn als Zerstörung des Ballons und die
frischen Schmisse des Herrn v. Schlumberger als Wunden, die er bei der Zerstörung
davongetragen, angesehen. Diese Schauermär machte dann wie gewöhnlich die Runde
durch alle Zeitungen.
Die dritte Fahrt fand unter der Führung von Herrn Dr. Bamler am 11. März
statt, es fuhren mit Herr Direktor Reich (Godesberg), Herr Oberlehrer Milarch (Bonn)
und Herr Fabrikant de Brünn (Barmen). Das stürmische Wetter machte die Füllung
sehr schwierig, und ohne die neuen Sturmleinen, die hier zum ersten Male zur Ver¬
wendung kamen, wäre das Fertigmachen des Ballons wohl unmöglich gewesen. Die
Fahrt führte dann bei wunderbar durchsichtigem Wetter, das eine unbegrenzte Fernsicht
über die landschaftlich außergewöhnlich schöne Gegend gestattete, in 2 3 /4 Stunden bis
nach Moringen am Solling. Die Luftschicht bis zur Höhe von 800 m wurde mit einer
mittleren Geschwindigkeit von 80 km nach NO geführt, sodaß sehr bald das Ebbe-Gebirge
erreicht war. Um dem abkühlenden Einflüsse der dicht beschneiten Gipfel zu entgehen,
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wurde höher gegangen, und nun geriet der Ballon in eine Windströmung, die mit einer
Geschwindigkeit von über 120 km per Stunde nach SO führte, sodaß das Rothaar-Gebirge
überflogen wurde und sehr bald das Rhön-Gebirge und der Thüringer Wald in der Feme
erschienen. Als Landungsort war schon die Gegend von Meiningen ausersehen, da es
nicht Tätlich schien, mit dem geringen Ballast den Thüringer Wald zu überfliegen. Da
verdunkelte eine Cirro-Stratus-Schicht die Sonne, der Ballon war nicht mehr in der
Höhe von 2000 m zu halten und geriet wieder in die untere Strömung, die ihn nun
gerade auf den Harz zuführte. Die durchaus glatte Landung erfolgte im Windschatten
des Solling bei Moringen. Der Ballon hatte in 2 s /4 Stunden 275 km durchfahren: die
Fahrt ist insofern bemerkenswert, als sie die größte mittlere Geschwindigkeit aufweist,
die bisher bei den Fahrten des Vereins gemessen wurde, 100 km pro Stunde, und daß
bei derselben auch die größte absolute Geschwindigkeit erreicht wurde, 120 km pro Stunde.
Die vierte Fahrt fand am 18. März unter der Führung von Herrn Paul Meckel
statt und war die erste Fahrt, die von Solingen veranstaltet wurde. Mitfahrende waren
Herr Leutnant und Adjutant Davids (Solingen), Herr Erbslöh (Elberfeld) und Herr
Leng (Solingen). Es war die erste Fahrt des Vereins, die in ihrem Verlaufe über das
Wuppertal hinführte, sie endete mit sehr glatter Landung bei Münster. Herr Meckel
machte bei dieser Gelegenheit seine Führerfahrt, er ist der erste Ballonführer, der aus
den Mitgliedern des Vereins hervorgegangen ist, vier andere Herren werden ihm bald
folgen. Die fünfte Fahrt war zugleich die erste Fahrt von Mainz aus und fand am
23. März unter Führung von Herrn Leutnant Benecke statt. Mitfahrende waren Herr
Hugo Toelle und Fräulein Erna Toelle aus Barmen, die in Wiesbaden zur Kur weilten
und Fräulein Grete Metzkes aus Wiesbaden. Es herrschte richtiges Damenwetter,
prachtvolle Fernsicht und wenig Wind. Die Fahrt führte zuerst über Biebrich, Wies¬
baden, Schierstein, Frauenstein, Georgenborn, Schlangenbad und Langen-Schwalbach.
Die Luftbewegung wurde in der Höhe von 1200 m immer langsamer, sodaß größere
Höhen aufgesucht wurden, um die dort herrschende rückwärts führende Luftbewegung
aufzusuchen. Das Vorhaben gelang und der Ballon fuhr über Wiesbaden zurück, um
4 Uhr 40 schwebte er grade 2000 m über der Wilhelmstraße. Die Landung erfolgte um
5 Uhr 24 sehr glatt bei Hochheim a. Main.
Den Vortrag des Abends hielt Herr Ingenieur und Patentanwalt Daumas über:
«Entwicklungsgeschichte und heutiger Stand der Flugmaschinen». Der Vortragende gab
ein Bild über die Bemühungen der Flugkünstler vergangener Jahrhunderte, speziell
derjenigen von Degen, Berblinger, Klaudius und anderer, auch ausländischer
Erfinder, die trotz Aufwendung vieler Geschicklichkeit wegen verfehlter Prinzipien keinen
Erfolg haben konnten. Dieselben hatten meist die Nachahmung des Vogelfluges beab¬
sichtigt, welchem aber durch Helmholtz als vom preußischen Staate bestellten Gutachter
eine vernichtende Kritik bereitet und jede Möglichkeit der Verwirklichung abgesprochen
wurde. Dann besprach der Vortragende die Versuche von Lilienthal und seinen Nach¬
ahmern, wie Pilscher, Ferber, Chanute und Herring. Es wurden hierauf die Er¬
folge der in neuerer Zeit tätigen Flugmaschinenkonstrukteure besprochen und namentlich
die bekannten Konstrukteure Kreß, Längley, Hoffmann, sowie die Versuche der
Gebrüder Wright hervorgehoben, welche bekanntlich in neuester Zeit derart erfolgreich
gewesen sind, daß nicht nur das Prinzip der Flugmaschine gelöst ist, sondern füglich
behauptet werden kann, das Fliegen mittels einer Maschine ohne Gasballon ist möglich.
Alsdann wurden in Lichtbildern, mit dem unglücklichen mythischen Flugkünstler Ikarus
beginnend, die Apparate von Klaudius, die ältesten Flugapparate von Chanute und
anderen amerikanischen Erfindern, die lediglich aus Flügelpaaren bestanden, vorgeführt
und hierauf diejenigen, mit denen Lilienthal erfolgreiche Schwebeflüge ausgeführt hat.
Es folgten nun aus der amerikanischen Patentliteratur eine Anzahl Flugmaschinen, die
von amerikanischen Erfindern entworfen und patentiert waren, und zum Teil so bizarre
Ideen entwickelten, daß die Vorführungen ein interessantes und lehrreiches Bild von
dem auf diesem Gebiete betätigten menschlichen Fleiß und Scharfsinn abgaben. Auch
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die Maschine von Hoffmann wurde gezeigt und fand nähere Erklärung, sowie die
Flugmaschine der Gebrüder Wright. Im Anschluß an die Vorführungen bemerkte der
Vortragende, daß man wohl mit dem Erreichten zufrieden sein könne und daß, da die
Technik immer größere Fortschritte im Bau von geeigneten Motoren und in der Erzeu¬
gung von Materialien mache, die größte Hoffnung vorhanden sei, daß auch die genannten
anderen Erfinder erfolgreich, wenn auch auf verschiedenen Wegen, zum Ziel gelangen
würden, und daß dann wohl auch in Bälde die Finanz weit ihre kräftige Unterstützung
leihen würde, wobei dem Wunsche Ausdruck gegeben wurde, daß auch Deutschland, wie
auf anderen Gebieten, auf diesem allen anderen Staaten voran marschieren möge.
Ostdeutscher Verein für Luftschiffahrt.
Zu Beginn der 10. Vereinsversammlung, die am 22. April in Graudenz stattfand,
teilte der Vorsitzende, Herr Major Moedebeck, mit, daß der Präsident der ständigen
internationalen Kommission für Luftschiffahrt, der französische Oberst Charles Renard,
am 13. April gestorben ist. Die Versammelten ehrten das Andenken an den Verstor¬
benen durch Erheben von den Plätzen.
Herr Hauptmann Wehrle sprach sodann in längerem, von Lichtbildern unter¬
stütztem Vortrage über «AndrGes Ballonfahrt zum Nordpol*. Redner hat den kühnen
Luftschiffer seinerzeit in der Luftschifferabteilung kennen gelernt. Die Meinungen Uber
die von Andröe geplante Nordpolfahrt seien damals im Luftschififerbataillon sehr geteilt
gewesen. Man habe sich, wohl auch unter dem Einfluß der damaligen Lehrer, gesagt,
daß das Projekt ein ungeheuer kühnes, geradezu phantastisches sei. Als aber Andree,
ein Mann, dessen Wesen gar nichts Phantastisches an sich gehabt habe, der sich vor¬
nehm, bescheiden, zurückhaltend verhielt, den Luftschiffern seinen Plan auseinander¬
gesetzt hatte, da sei mancher, der sich früher dagegen ausgesprochen, anderer Ansicht
geworden. Der Vortragende gab nun zunächst eine kurze Biographie Andres und ging
dann näher auf das Projekt und die Fahrt selbst ein.
Die Idee, den Nordpol mittels Luftballons zu erreichen, stammt nicht von Andrde,
vielmehr von französischen Luftschiffern. Er war jedoch der erste, der den Plan zur
Ausführung brachte, allerdings mit recht traurigem Erfolge. Die Vorbereitungen für das
Gelingen seines Planes glaubte Andree erfüllt zu haben: u. a. müsse der Ballon eine
große Tragfähigkeit haben, ferner gasdicht sein, um 30 Tage schweben zu können, und
bis zu einem gewissen Grade lenkbar gemacht werden können. Herr Hauptmann
Wehrle beschrieb den Ballon ausführlich.
Am 5. Juni 1896, nachdem die erforderlichen Mittel herbeigeschafft waren, machte
sich Andr6e mit seinen Begleitern von Gotenburg aus nach Spitzbergen auf. Das Volk
betrachtete ihn als einen Nationalhelden, ihm zu Ehren wurde ein Fest veranstaltet.
In zehn Tagen war Spitzbergen erreicht, und man machte sich auf der Däneninsel, dem
nördlichsten Punkte, daran, eine geeignete Füllstelle aufzusuchen. Nach mehrwöchiger
Arbeit war der Gaserzeuger aufgestellt. Es konnten in der Stunde 200 cbm Gas erzeugt
werden, während Andr6e nur 60 cbm in der gleichen Zeit haben wollte. Die erhofften
Südwinde blieben jedoch aus. Anfangs August, nach Erbauung der Ballonhalle, kam
vielmehr ein Nordsturm und warf den Ballon voll Schnee. In Enttäuschung und Hoff¬
nungslosigkeit traf Nansen, der mit seiner «Fram» der Däneninsel einen Besuch ab¬
stattete, die Luftschiffer an. Diese waren die ersten, die den «Fram»-Leuten die neuesten
Nachrichten übermittelten. Da sich noch immer kein günstiger Wind einstellen wollte, blieb
den Luftschiffern nichts anderes übrig, als die Rückreise nach Schweden anzutreten.
Der Empfang war hier nicht besonders erfreulich. Andr6e ließ jedoch den Mut
nicht sinken. Er fuhr nach Paris, um dort Verbesserungen für seinen Ballon kennen zu
lernen, und brach im Mai 1897 an Bord eines schwedischen Kanonenbootes wieder nach
Spitzbergen auf. Die Ballonhalle fand er auf der Däneninsel noch ebenso vor, wie er
sie verlassen. Sehr viele Personen, selbst aus Deutschland, waren nach Spitzbergen,
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gekommen, sogar eine Zeitung wurde während dieser Zeit herausgegeben: die «nördlichste*
Zeitung der Erde. Nach etwa 20 Tagen herrschte der gewünschte günstige Wind. Am
30. Juni war der Ballon reisefertig, und am 11. Juli, nach kurzem Gottesdienst, trat
Andree mit seinen Begleitern Fränkel und Strindberg die Fahrt an. Die letzten
Worte Andrees waren: «Gruß an mein Vaterland, an Schweden!» Der Ausgang der
Fahrt ist ja bekannt: die kühnen LuftschifTer sind verschollen. Die letzten Depeschen,
die von Andröe abgelassen wurden, lassen darauf schließen, daß der Ballon eine außer¬
ordentlich günstige Geschwindigkeit gehabt hat. Der Ballon dürfte sich jedoch höchstens
zehn Tage in der Luft gehalten haben; um aber die sibirische Küste zu erreichen,
wären über 30 Tage nötig gewesen. Nach den von dem Kapitän eines Fischdampfers
gemachten Aufzeichnungen bewegte sich der Ballon in Zickzacklinie.
Andree hätte auf einige ihm gemachte Vorschläge eingehen sollen. Der größte
Fehler war der, daß der Ballon sich gar nicht solange in der Luft bewegen konnte, als
erforderlich war, um demNordpol erreichen zu können. Andröe hat der Wissenschaft und
der Aeronautik einen großen Dienst geleistet, den er mit seinem Leben bezahlen mußte.
Außer den Lichtbildern, welche die Andree-Fahrt veranschaulichten, wurden noch
Bilder von der Südpolar-Expedition v. Drygalskis vorgeführt.
Herr Major Moedebeck bemerkte zu dem Vortrage folgendes: Mit Bezug auf die
Aeronautik habe man in der Andreefahrt eine der größten Tragödien vor sich. Später
aufgefundene Bojen, die Andree als Baiast benutzt und dann ausgeworfen hat, hätten
keine Mitteilungen mehr enthalten. Man vermutet, daß der Ballon schon nach vier oder
fünf Tagen zugrunde gegangen ist.
Hierauf teilte der Vorsitzende mit, daß im nächsten Monat Herr Oberleutnant
Albrecht über die «Taktik des Luftballons» sprechen wird. Im Juni wird Herr Haupt¬
mann v. Kehler vom LuftschifTerbataillon einen Vortrag halten. Die Bemühungen, den
Schweizer LuftschifTer Spelterini zu einem Vortrage im Ostdeutschen Verein für Luft-
schifTahrt zu bewegen, sind mißlungen. Herr Spelterini hat abgelehnt, weil er auf der
Karte gesehen habe, daß man von Berlin nach Graudenz wohl drei Tage zur Reise
brauche, ihm aber die Zeit zu kostbar sei. Ferner verlas der Vorsitzende einen von
Herrn Oberleutnant Boenisch übersetzten Bericht einer russischen Zeitung über die.
Aufnahme, die Herrn Hauptmann von Krogh bei seiner Ballonfahrt nach Rußland zuteil
geworden ist. Herr Krogh wird in dem Bericht als ein «sehr gescheiter» Herr bezeichnet.
Es erfolgte nunmehr die Aufnahme einer Anzahl neuer Mitglieder, Damen und
Herren aus Graudenz und auswärtigen Orten. Im Verein wurden neu aufgenommen:
Herr Leut. u. Adjutant Boden, Fußart.-Rgt. 15; S. Exzellenz Herr Generalleutnant Mootz,
Kommandeur der 35. Division; Frau Major Staabs; Herr Leut. Krause, Feldart.-Rgt. 35;
Herr Oberst Delius, Kommandeur der 2. Fußart.-Brigade in Thorn; Herr Hauptm.
Boissoröe, Feldart.-Rgt. 36 in Danzig; Herr Leut. Schnackenburg, Inf.-Rgt. 175; Herr
Leut. Gi eh rach, Feldart.-Rgt. 71; Herr Kaufmann R. Thomascheski in Graudenz.
Zum Schluß wurden zur Teilnahme an den Vereins-Sonderfahrten im April und
Mai d. Js. ausgelost: für die Fahrt im April die Herren Thilo Kies er und Leutnant
Beermann und Frau Major Moedebeck, zur Reserve die Herren Oberbürgermeister
Kühnast und Leutnant Grunau: für die Fahrt im Mai die Herren Major Kuntze, Dr.
med. v. Klein und Leutnant Schnackenburg, zur Reserve die Herren Major Moede¬
beck, Oberleutnant Boenisch und Leutnant Gi eh rach. An sämtliche Mitglieder
ergeht die Bitte, sollten sie zur Teilnahme an Sonderfahrten ausgelost werden, mehrere
freie Tage anzugeben, um Zersplitterungen zu vermeiden. Die Teilnehmer wollen even¬
tuell einen bestimmten Tag verabreden. Nach der Sitzung fand ein Essen statt.
Mitteilungen aus Schweden.
Während der «Nordiska Speien» (Nordischen Spiele) im Februar dieses Jahres
haben Wettfahrten mit Ballons einen Platz auf dem Programm eingenommen, ein Beweis
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daß man in sportlich interessierten Kreisen in Schweden der Zeit folgt. Dank der
schwedischen aeronautischen Gesellschaft ist das Interesse für die Luftschifferkunst hier
im Lande während der letzten Jahre bedeutend gewachsen. Einen Beweis dafür hatte man
am 9. Februar 1905, wo eine grosse Menge von Zuschauern den Ballonaufstiegen der
«Nordiska Speien» behvohnte. In dem «Idrottspark» in Stockholm schwebten in der
nebeligen Luft zwei große Ballons, in dem frischen Winde hin- und herpendelnd. Der
eine war der Ballon des schwedischen «Aeronautischen LuftschifTervereins Andr6e»,
der andere der «Argonaut», dem Direktor Karl Smitt gehörig. Der erste ist eine
Kugel von 1500 cbm, ohne Netz und von A. Rieding er, Augsburg, verfertigt. Der
Ballon hat bereits drei Reisen gemacht, während die Gondel, die dem Ballon «Svenske»
angehört hat, sieben Reisen gemacht hat. Führer war der Hauptmann W. Sweden¬
borg und Passagiere der Dozent von Euler und der Leutnant Versteegh. Der neue
Ballon des Herrn Smitt ist von Kugelgestalt und 1000 cbm groß, er hat ein Netz und
ist von E. Surcouf in Paris verfertigt; er sollte jetzt seine erste Reise unternehmen.
Führer war der Ingenieur Hans Fraenkel (siehe dessen Bild im Aprilheft. Die Red.),
und Passagiere der Besitzer des Ballons und der Leutnant Arne Garlson. Die einzige
Bemerkung, die man gegen diesen Ballon, den man im übrigen für besonders gut hält,
gemacht hat, ist, daß er mit Netz ausgerüstet ist, eine Anordnung, an der die Franzosen
festhalten, anstatt den modernen Verbesserungen zu folgen.
Die Fahrtbestimmungen waren :
Abgesehen davon, daß diese Aufstiege den Zwecken der internationalen wissen¬
schaftlichen Ballonfahrten dienen sollten, die von gewissen Städten Europas für gleich¬
zeitige Untersuchung der Windverhältnisse, der Temperatur und Feuchtigkeit der höheren
Luftschichten angestellt werden usw., galten außerdem für die Fahrten des Tages folgende
Voraussetzungen: Stockholm ist von dem Feinde in einer Einschließungslinie einge¬
schlossen. Der höchste Befehlshaber der Stadt wünscht das Überführen einer schrift¬
lichen Mitteilung nach Vaxholm, außer der Linie liegend. Sieger wird der, der in der
kürzesten Zeit, von dem Aufstieg gerechnet, ein Telegramm auf der Telegraphenstation
Vaxholms einliefert.
Mittags 12 Uhr stieg der «Andr£e» ruhig und hübsch in die Höhe. 10 Minuten
darnach folgte der «Argonaut» seinem Kameraden. Um 2 Uhr 20 Minuten kam die Nach¬
richt von Vaxholm, daß ein Telegramm vom «Andr6e», an den Häuptmann Amundson
adressiert, an die dortige Telegraphenstation eingeliefert worden war. «Andr6e» war also
der Sieger.
Als die Luftfahrer nach Stockholm zurückkamen, erzählten sie, daß die Fahrt in
jeder Weise glücklich gewesen war. Sie landeten auf einer kleinen Insel, l 1 /* Meile von
Vaxholm entfernt, und Leutnant Versteegh fuhr auf Schlittschuhen nach Vaxholm.
Erst am Abend kam die erste Nachricht von dem «Argonäut». Dieser hatte eine
viel abenteuerlichere Fahrt gehabt. Während des Aufsteigens hatte man, um nicht an die
Baumgipfel geschleudert zu werden, einen Teil des Ballastes, der 50—60 kg ausmachte,
hinausgeworfen. Dadurch stieg der Ballon auf eine nicht beabsichtigte Höhe. Er ging
schnell in die Wolken hinauf, die in einer Höhe von 500—700 m lagen, und stieg end¬
lich über die Wolkenlage zu einer Höhe von 900 m. Man befand sich jetzt in klarer
Luft mit blauem Himmel und strahlender Sonne; unter dem Ballon breitete sich eine
kompakte, fantastische Wolkenlandschaft aus, in welcher sein eigener Schatten sich
wie ein Spiegelbild zeigte. Da Vaxholm nur 2 Meilen von Stockholm liegt, mußte man
bald unter die Wolken zu gehen versuchen, um sich zu orientieren. Das Ventil wurde
geöffnet, aber dies half zunächst nicht, augenscheinlich wegen der starken Sonnen¬
strahlung. Nach einer Viertelstunde fing der Ballon durch die Wolken zu sinken an;
man konnte einige Landumrisse unterscheiden, und man konstatierte, daß man sich über
den äußersten Schären am Ostseeufer befand. Man berechnete, daß man die 6—7 Meilen
lange Fahrt in 20 Minuten gemacht hatte.
Der Ballon sank mehr und mehr und drohte in das offene Wasser hinunterzugehen.
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Es half nichts, daß man alle Mittel versuchte, um den Ballon schwebend zu halten; am
Ende tauchte die Gondel unaufhörlich ins Wasser. Der Sturm zog die ganze Zeit den
Ballon mit, und es ging in langen Sprüngen über die Wellen. Bei jeder Senkung des
Ballons wurde die Gondel ganz und gar mit Wasser gefüllt, wobei die Insassen bis an den
Hals ins Wasser kamen und alle Mühe hatten, sich festzuhalten und nicht weggespült
zu werden. Endlich erreichte die Gondel während ihrer wilden Fahrt den Eisgürtel,
der sich auf der hinteren Seite des «Kanholmsfjärds» gebildet hatte, und jetzt wurden
die Stöße hart und gewaltsam.
Man machte den Versuch, einen Anker auszuwerfen, der längs des schon ausge¬
worfenen Schlepptaus gezogen wurde. Der Anker wollte aber nicht fassen, ehe er an
eine Stelle kam, die von allen denkbaren gerade die schlimmste war, nämlich die Eis¬
kante, wo die Segelrinne sich öffnete. Da blieb der Anker in der Fahrt hängen und der
Ballon wurde in das in der Rinne gesammelte Packeis hinuntergeschleudert. Jedesmal,
wenn die Gondel gegen das Eis stieß, wurden die Passagiere von großen Eisstücken ge¬
troffen und vollständig mürbe geschlagen (!! Red.). Da beschloß Ingenieur Fraenkel,
den Ballon aufzureißen. Das machte er auch, während er mit der Gondel im Wasser
lag, und jetzt wurde es ruhiger, so daß man daran denken konnte, sich aus der Gondel
zu retten. Der Direktor Smitt begab sich auf die in der Rinne umhertreibenden Eis¬
stücke hinaus und erreichte mit kühnen Sprüngen das feste Eis. Auch die beiden
anderen Passagiere stiegen aus der Gondel, jeder auf ein Eisstück hinaus, wo sie stehen
blieben, weil es ihnen unmöglich war, das feste Eis zu erreichen. Unterdessen hatte
sich Direktor Smitt in der Richtung weiter begeben, wo man am nächsten festes
Land sah. Dieses war die Gegend von Sandhamm. Da hatte man doch schon den Ballon
beobachtet und war fertig, Hilfe zu bringen. Der Lotsendampfer «Vega» sowie der
Bergungsdampfer «Merkur» bereiteten sich vor, hinauszugehen. Gleichzeitig wurde von
Fischern ein Boot über das Eis hinausgebracht und die Zurückgelassenen, die auf ihren
Eisstücken sehr bedrängt waren, wurden auf diese Weise gerettet. Trotz ihrer großen
Strapazen erholten sie sich bald wieder in einer Fischerhütte, wo sie trockene und warme
Kleider anzogen.
Unterdessen hatte der «Merkur» den Ballon gerettet, an dem einige Maschen und
der Netzring zerstört worden waren. Der Ballonstoff dagegen war ganz unbeschädigt.
R. J—d.
Personalia.
Durch A. K. 0. vom 15. Juni ist Oberleutnant Hildebrandt vom Kgl. Preußischen
Luftschifferbataillon unter Beförderung zum Hauptmann zum Lehrer beim Luftschiffer¬
bataillon ernannt worden.
Richtigstellung.
Eine falsche Notiz über einen angeblichen Aufstieg des neuen Zeppe-
linschen Luftschiffes machte kürzlich die Runde in vielen Zeitungen. Ein solcher
hat nicht stattgefunden. Ein Unwissender scheint die Freifahrt eines kleinen Kugel¬
ballons von 500 m 3 (der natürlich nicht an der Strippe geführt wurde, wie dort bemerkt
ist) dafür genommen und darauf seinen unberufenen Bericht gebaut haben.
Das Ballonunglück vom 12. Juni betreffend, wobei die Ballonfahrer Volmer
und Flögel aus Remscheid in der Nähe von Scheveningen ins Meer gestürzt und
umgekommen sind, sei auf verschiedene Anfragen hier ausdrücklich erklärt, daß die
Verunglückten keinerlei Beziehungen zum Deutschen Luftschifferverband hatten.
Wir werden auf diesen Fall, der, an sich bedauerlich, vielleicht den Luftsport in unbe¬
rechtigten Mißkredit bringen könnte, noch zurückkommen.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel .
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Oie Redaktion.
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. -Mi August 1905. sw- 8. Heft.
■es ■*^*-*‘«.'**-.«.**'*.5*.'»* -a*'*; imr+esM^i **»»;»*»
Aöronautik.
Des Herrn Jean Paul Gärtner Beschreibung seiner am
13. Aprill 1803 mit Herrn Garnerin und dessen Gattin
unternommenen Luftreise zu Berlin. 1 )
Auf seiner Reise nach Petersburg begriffen kam Hr. Garnerin mit
seiner Gattin nach Berlin ; er hatte die Absicht, sich hierselbst nur einige
Tage aufzuhalten. Durch einen Freund in Paris mir empfohlen, hatte ich
das Vergnügen seine Bekanntschaft zu machen, und empfing ich ihn so,
wie er es auf eine Empfehlung von jenem Freunde nur erwarten konnte.
Schon beratschlagte er mit mir, wie und auf welcher Art er seine Reise
nach jener Nordischen Hauptstadt am zweckmässigsten fortsetzen könne,
und wie es anzufangen sey, ihn bey seinen bereits dahin habenden Em¬
pfehlungen noch mehr Gewissheit einer guten Aufnahme und Beystand bey
seiner daselbst projectirten Luftreise zu versichern. Bekannt mit den ange¬
sehenen Verbindungen des Herrn v. Kotzebue in Petersburg übernahm ich
es, diesem Herrn Garnerin vorzustellen, und ihn um Empfehlungen für den¬
selben zu ersuchen. Der H. v. Kotzebue empfing H. Garnerin auf das
ausgezeichneteste und versprach, ihm nützlich zu seyn. Zugleich suchte
derselbe, ihn zu bereden, er mögte die nach seiner Zurückkunft in hiesiger
Residenz projectirte Luftreise vorher unternehmen, indem er ihn versicherte,
dass es der König gewiss gern sehen und als ein Beschützer der Künste und
Wissenschaften ihn dabey unterstützen würde. H. Garnerin schien nicht
abgeneigt u. H. v. Kotzebue übernahm es H. Cabinetsrath Beyme hiervon
zu benachrichtigen, um dem Könige den Wunsch des H. Garnerin hier eine
Luftreise zu veranstalten mitzutheilen. Diess geschah und S. M. waren so
gnädig, alles zu erlauben, und zur Unterstützung dieses Experiments für
seine Person mit 100 Stück Friedrichsd’or zu subscribiren.
Garnerin ward beym C. R. Beyme eingeführt, und machte durch
denselben die Bekanntschaft der angesehensten Männer im Staate; von denen
er und seine Gattin sich die beste Aufnahme zu rühmen haben. Von diesem
Augenblicke an ward er zu den Gesellschaften des ersten Adels gezogen u.
von mehreren Ministern öfters zur Tafel geladen. Hierdurch angefeuert
D Das Original-Manuskript dieser bemerkenswerten Schilderung ist uns von einem Nachkommen
des Herrn J. P. Gärtner, dem Herrn Kaufmann G. Schulte in Berlin, in liebenswürdiger Weise zur Ver¬
fügung gestellt worden. Wir haben es unverändert zum Abdruck gebracht. — Aus Anlaß dieses Aufstiegs
wurde, wie hier noch erinnert sei, eine von dem berühmten Loos entworfene Denkmünze geprägt. Sie zeigt
auf der einen Seite das Doppelprolil von Garnerin und seiner Frau, mit der Aufschrift: TE DUCE IBIMUS
ILLAC — Berolini MDCCCIII; auf der Rückseite schwebt eine Hermesligur neben einem Ballon. Dort steht
der Spruch: HAC ITER EST SUPERIS AD MAGXI TECTA TONANTIS. Die Red.
Illu8tr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. Ml
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eröfnete er in unserer Handlung eine Subscription, die er vorläufig auf 500
Stück Frd'or bestimmte, um sieh wegen des Kosten Aufwandes, den dieses
grosse Unternehmen nothwendig macht, zu decken, und beabsichtigte, zugleich
dadurch, dass er seine Subscription in einem bekannten Handlungshause
eröfnete, dem Publicum Vertrauen einzuflössen, und dasselbe wegen der von
ihm zu machenden Beyträge im Falle einer Nichtausführung der Luftreise
sicher zu stellen. Mit Vergnügen übernahm ich es nach einer näheren
Bekanntschaft mit IL Garnerin mich diesem mühsamen Geschäfte zu unter¬
ziehen. Die Subscription hatte ihren besten Fortgang, die ganze Königl.
Familie, alle hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen, und ein grosser
Theil des Adels und des übrigen Publicums contribuirten sehr bereitwillig.
Ich verhehle aber nicht, dass H. Garnerin dessen uhngeachtet mit manchen
Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, die ihm eines tlieils durch die mühsame
Herbeyschaffung der Materialien und andern theils durch Verbreitung falscher
Gerüchte von Uebelgesinnten und Neidern in den Weg gelegt wurden. Er
besiegte sie indessen alle und wurde seine Luftreise auf d. 13. Aprill
angesetzt. Einer unserer ersten Physiker, der Professor Hermbstaedt
fasste den Entschluss, ihn auf dieser Reise zu begleiten um physikalische
Beobachtungen in den höheren Regionen anzustellen. Gern verstand sich
H. Garnerin dazu; da er aber einmahl bekannt gemacht hatte, seine Gattin
werde ihn begleiten, und er nicht versichert war, ob seine zwar beträchtliche
Maschine 3 Personen würde tragen können, so ward beschlossen, dass er sich
in einiger Entfernung von Berlin niederlassen, H. Hermbstaedt an den Platz
seiner Gattin aufnehmen, und mit ihm von neuem die Reise antreten sollte.
Alle Vorbereitungen zu dem projectirten Versuche wurden nun gemacht.
Wenige Tage vor dem Experimente änderte H. Hermbstaedt aber seinen
Entschluss, er verlangte gleich mit aufzusteigen; dieses konnte ihm Garnerin
aber nicht zusichern, liess ihn jedoch nicht ohne Hoffnung, dass es vielleicht
möglich sey. Hermbstaedt hiermit nicht zufrieden oder aus andern mir
und H. Garnerin unbekannten Gründen, worüber ich mich eines Urtheils
enthalte, änderte nun seinen Entschluss und that auf die Begleitung Verzicht.
H. Garnerin wurde von S. M. dem Könige der Garten der Thier-
arzney Schule zu seinem Experimente bewilligt, und wurden in demselben
die nöthigen Anstalten zur Bequemlichkeit des Publicums getroffen, so dass
auch der Platz eine beträchtliche Anzahl Zuschauer fassen könnte. Uebel-
gesinnte u. vorurtheilsvolle Menschen, die da glaubten, Weil Blanchard vor
14 Jahren zu seinem Experimente den Exercierplatz gewählt hatte, Garnerin
dürfe auch schon keinen andern Platz wühlen, bemüheten sich nun rastlos
durch falsche Gerüchte und selbst durch Anzeigen in öffentlichen Blättern
dem Publicum begreiflich zu machen, der von Garnerin gewählte Platz
habe nicht allein nicht Horizont genug, den Ballon mit den Augen zu
verfolgen, sondern könne auch nur sehr wenige und nur halb so viele
Menschen fassen, als Einlassbillets ausgegeben würden; da sie die Anzahl
derselben, welche schon ausgegeben seyn sollten, auf 4000 bestimmten, als
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noch nicht 2000 ausgetheilt waren. Diess bewirkte immer soviel, dass
mancher abgehalten wurde, zu abonniren, und obgleich das Abonnement den
besten Fortgang hatte, bin ich doch überzeugt, dass die Einnahme des
H. Garnerin um 1000 geschmälert und zugleich ein grosser Theil des
Publicums, den die Furcht zurückhielt, des Vergnügens beraubt wurde,
Theilnehmer eines so grossen und seltenen Schauspiels zu seyn. Der Erfolg
hat H. Garnerin gerechtfertigt, und seine Verläumder verstummen gemacht.
Der wichtige Tag kam endlich heran. Der General Feld-Marschall und
Gouverneur v. Moellendorff und der Polizey Präsident Eisenberg hatten die
besten Anstalten für die allgemeine Ruhe und Sicherheit getroffen. Die Eröffnung
des Gartens war um 2 Uhr bestimmt; aber schon um 1 Uhr standen tausende von
Menschen am Eingänge und verlangten eingelassen zu werden. Die militai-
rische Wache langte aber erst um 2 Uhr an. Ich hatte für mich den mühe¬
vollsten Posten zur Wahrnehmung des Interesse meines Freundes Garnerin
und zur Oberaufsicht am Eingänge gewählt, und fasste den Entschluss, um der
harrenden Menge zu willfahren, unter dem Beystande der bereits anwesenden
Polizey Officianten den Eintritt schon um halb 2 Uhr zu gestatten. Jeder, welcher
Abonnementscharten hatte, wurde eingelassen und alles gieng in der besten
Ordnung. Nun langte das Militair an, und der Zutritt wurde jedem erlaubt.
Der innere Raum des Schauplatzes füllte sich schnell; der Zufluss war
sehr bedeutend. Ein 2 ter Platz zu einem billigeren Preise erlaubte auch
dem minder begüterten, theil an einem so seltenen Schauspiele zu nehmen.
Unzählige Billets zu diesem Platze wurden noch am Eingänge ausgetheilt.
Von denen zum ersten Platze sind indessen nicht mehr denn 2400 ausgegeben,
obgleich der innere Raum wohl 4000 fasste. Die beste Ordnung herrschte überall,
und jedermann konnte bequem sehen. Die Ankunft der Königl. Personen wurde *
durch eine dazu aufgefahrene Kanone signalisirt. S. M. der König und die
Königin kamen um halb 5 Uhr; und ersterer, von den vorher verbreiteten
Gerüchten unterrichtet, nahm die ganze Anstalt in Augenschein, überzeugte sich,
dass noch für 2000 Abonnenten Platz sev und bezeugte dem H. Garnerin ihre
Zufriedenheit über die herrschende gute Ordnung u. zweckmässigen Anstalten.
Madame Garnerin genoss die Gnade sich lange mit J. M. der
regierenden Königin zu unterhalten, welche öfters ihre Verwunderung über
den Muth dieser seltsamen Frau äusserte.
Das Wetter war etwas windig, und der von 30 Menschen zurück-
gehaltene Ball wurde hin u. her geworfen. Endlich machte Garnerin die
nöthigen Versuche, um sich von der hebenden Kraft seines Balles zu über¬
zeugen, und da ec fand, dass mit einem Ballast von 50 derselbe im
Stande war 3 Menschen zu heben, so bot er es mir an, mich mit sich zu
nehmen, und erfüllte dadurch einen längst bei mir rege gewordenen Wunsch,
den ich doch wegen der anscheinenden Unmöglichkeit nicht zu äussern
gewagt hatte. Wer war bereiter als ich. Ich nahm meinen Platz an Einem
Ende des Nachens, Madame Garnerin am andern Ende mir gegenüber
ein. Garnerin selbst stellte sich in die Mitte, um den Ballon zu dirigiren
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u. den von seiner Gattin gehaltenen Barometer zu beobachten. Der Wind
war immer noch heftig, jedoch wir fürchteten ihn nicht. Wir Hessen uns
mit dein Ball nach der Einen Seite des innersten Raums hinziehen, da wir
fürchteten in sehr schreger Richtung aufzusteigen, und alsdann die Bäume
zu bestreichen. Auf ein gegebenes Zeichen wurde der Ball losgelassen. Er
hob sich sehr langsam, da die Last sehr gross war, aber desto majestätischer.
Wir riefen nun den Anwesenden ein Lebewohl zu, schwenkten unsere Fahnen
und stiegen unter dem Beifallklatschen der Zuschauer. Einige Hände voll
Sand, die wir weggeworfen,
machten, dass wir etwas
schneller stiegen u. wir er¬
reichten eine bedeutendeHöhe,
die jedoch für das Auge des Zu¬
schauers nicht zu bedeutend
war.
Meyne Gefühle beym Auf¬
steigen zu schildern vermag
ich nicht; es war das ange¬
nehmste, was ich je empfun¬
den. Dreist sehe ich auf meine
zurückgebliebenen Landsleute
hinab, u. genoss das schönste
Schauspiel, die ganze grosse
Königs Stadt in ihrer ganzen
Grösse mit Einem Blicke zu
übersehen. Die vertheilten
Gruppen ungeheuerer Volks¬
massen auf den grossen
Plätzen, in den Gärten und
vor den Thoren gewährten
den herrlichsten Anblick. Von
Schwindel habe ich durchaus
nichts empfunden. Ueber den
.Garten Hessen wir einen Fallschirm mit einem Korbe, in welchem
ein Hund befindlich war hinab. Der Schirm öfnete sich erwünscht, und lang¬
sam näherte er sich der Erde. Unversehrt fiel der Hund auf den Posthof.
Der heftige Wind war nur ein Erdwind, denn in einiger Höhe em¬
pfanden wir nichts mehr von demselben; die Luft war still, sehr heiter
und angenehm warm. So schwebten wir nun in den Lüften, und unter
heiteren Gesprächen setzten wir unsern Weg fort. Anfangs nahmen wir
unsere Richtung längs der Spree gerade auf Koepenick zu, doch ohn-
gefähr auf dem halben Wege änderte sich dieselbe, und wir giengen rechts
nach Wusterhausen u. Zossen, von da dann wieder einmahl links, und
endlich wieder rechts; jetzt waren wir auf das Hinunterkommen bedacht.
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Ich kannte die Gefahr desselben nicht, hatte also keine Besorgnisse. Garnerin
aber, den die Erfahrung so manches gelehrt, blieb nicht ohne Furcht, da
wir nur Seen, Sümpfe und Wasser unter uns sahen. Wir näherten uns
Mittenwalde 4 Meilen von Berlin, u. senkten uns merklich, nachdem wir
etwas Luft ausgelassen. Wir sahen die Einwohner in dieser Stadt auf den
Strassen zusammenlaufen, welche zum Thore hinauseilten, um uns zu em¬
pfangen, denn sie glaubten, wir würden gleich herunter kommen. Garnerin
fand Eines theils nicht rathsam, sich dem Zuströmen der vielen Menschen
auszusetzen, noch weniger fand er das terrein zum Landen passlich. Wir
warfen etwas Ballast aus, und ein neuer Flug begann, bis wir eine Haide
vor uns sahen, die H. Garnerin am bequemsten zum Herablassen schien.
Wir senkten uns nun wieder, und es war die höchste Zeit, denn gleich
dahinter kam ein grosser See. Unser Anker fasste den Gipfel eines Baumes,
und wir senkten uns bis zu einem andern.
Nun riefen wir um Beystand. Viele Stimmen antworteten uns von
allen Seiten; aber niemand kam uns zu Hülfe. Wir zogen uns nun ver¬
mittelst der Zweige neben den Baum herab, und landeten ganz glücklich
an einer etwas lichten Stelle. Kaum waren wir unten, so langte der zu
Pferde vorangeschickle Jäger des H. Generalleutnant v. Voss aus Mitten¬
walde bey uns an, und kündete uns zugleich die Ankunft seines Generals
u. dessen Familie an, welche ihm auf dem Fusse folgten. Zugleich ent¬
ledigte er sich seines Auftrages, indem er uns zum Abendbrodt und Nacht¬
lager bey seinem General einladete; welches wir annahmen. Nun kamen
nach und nach mehrere Bauern und mancher uns nachgeeilte Stadtbewohner
herbey. Auch die Familie v. Voss unter Begleitung mehrerer Officiers
kamen an. Sie bewillkommten uns, und erfuhren wir nun, dass wir eine
Meile hinter Mittenwalde in der Wusterhausser Forst nahe dem Dorfe
Klein Bewsten uns befanden. Diesen Weg von 5 Meilen hatten wir in
der Zeit von 1 Stunde zurückgelegt.
Garnerin hatte es mir zur Pflicht gemacht, die Gondel nicht eher
zu verlassen, als bis er mir es erlaubt. Wir blieben, nachdem wir schon
zur Erde waren, alle 3 nach eine Zeit lang in derselben,' und liessen aus
dem nun fortdauernd geöffneten Ventil die Luft heraus. Nach einiger Zeit
versuchte Garnerin, seinen Platz zu verlassen, ohne dass wir zurück¬
gebliebenen noch aufgehoben werden mögten. Es gieng, und er befestigte
mehrere Stricke an den nahe stehenden Bäumen, um jedes neue davon¬
fliegen zu verhindern. Nun verliessen auch Madame Garnerin und ich
successive die Gondel; der Ball leerte sich immer mehr und mehr. Wir
•ersuchten daher die Frau Generalin v. Voss Mad. Garnerin auf ihren
Wagen mit nach der Stadt zu nehmen, unterdessen wir unsere Arbeit fort¬
setzten, und auf den aus der Stadt geforderten Wagen warteten. Nach
und nach verliess uns alles, so dass wir uns zuletzt mit 2 Jägern u.
9 Bauern allein befanden. Es fieng bereits an, dunkel zu werden. Mit
Hülfe der Anwesenden legten wir den schon zur Hälfte geleerten Ballon,
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nachdem wir ihn von der Gondel getrennt hatten, auf die Erde, um die
unterste grosse Oefnung etwas nach oben zu bringen, und die Ausleerung
zu beschleunigen. Endlich war der Ballon geleert, wir streckten ihn aus,
wickelten ihn mit Vorsicht zusammen, und banden ihn in eine dazu bey
uns habende Leinewand.
So bereit, den Platz zu verlassen, hofften wir vergebens auf den
Wagen; er kam nicht. Was war zu thun? Wir engagirten 5 Bauern,
welche den Ballon tragen mussten, und 2 zum Fortschafren der Gondel.
So traten wir beynahe im Dunkeln die Reise zu Fusse unter Anführung der
beyden Jäger an. Eine Viertelstunde giengen wir, ehe wir die Landstrasse
erreichten; denn die Last war gross, sehr oft mussten die Träger anhalten,
um sich auszuruhen. Da wir auf der Landstrasse den Wagen noch nicht
fanden, so setzten wir die Reise zu Fusse weiter fort. Doch das Beschwer¬
liche, auf diese Art den Ballon zu transportieren, liess uns bald daraut
Verzicht thun. Wir beschlossen ihn unter Bedeckung einiger Bauern zurück¬
zulassen, bis der Wagen kommen würde. Garnerin u. ich setzten nun
unseren Weg mit den beyden Jägern fort. Diess war nicht ohne Beschwerde.
Die Nacht fiel ein, wir waren abgemattet durch Hunger, Durst und Arbeit,
und dazu hatten wir lauter Sand und Brüche zu durchwandern. Arm in
Arm gelangten wir um 11 Uhr vor der Stadt an, wo wir erst den Für uns
bestimmten Wagen begegneten. Einer der uns begleitenden Jäger gieng mit
dem Wagen wieder zurück, um den zurückgelassenen Ballon aufzusuchen.
Wir gelangten nun an die verschlossenen Thore von Mittenwalde; sie
wurden geöfnet, u. wir examinirt. Sr. Exelenz der H. General Leutnant
v. Voss und dessen Familie empfieng uns aufs freundschaftlichste, und
wurden wir sogleich mit Thee bedient. Hierauf folgte ein frugales Abend-
brodt, bey welchem wir durch unsere freundlichen Wirthe aufgefordert so
heiter waren als es unsere grosse Müdigkeit zuliess. Nach Mitternacht
standen wir von der Tafel auf, und man erzeugte uns die grösste Wohlthat,
indem man uns ein bequemes Nachtlager anwies, nach dem wir uns so
lange gesehnt. Am andern Morgen vereinigten wir uns mit unserem liebens¬
würdigen Wirthe beym Frühstück, welches erst in Caffee, nachher in Cho-
colade u. endlich in einer völlig besetzten Tafel bestand, welche uns Statt
des Mittagbrodts dienen sollte, da wir uns geweigert so lange zu bleiben,
um je eher je lieber in Berlin einzutrefren, wo ich meine Freunde und
Verwandte nicht ohne grosse Sorge um mich wähnte. Bey diesem Früh¬
stücke waren viele Officiere vom Jägercorps zugegen. Um halb 11 Uhr
traten wir endlich unter Begleitung der Seegenswünsche der edlen Familie
v. Voss, der wir so vielen Dank für die gute Aufnahme schuldig sind, an.
Wir hatten 2 Wagen, auf dem Einen sassen wir 3 Luftfahrer nebst der
Gouvernante der Fräulein v. Voss, welche wir mit zu ihren Verwandten
nach Berlin nahmen, und auf dem andern befand sich unsere Gondel, und
der zusammengelegte Ballon. Nicht ohne Aufsehn passierten wir die ver¬
schiedenen Dörfer. Kurz vor Buch begegneten uns russische Kaufleute,
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welche auf ihrer Reise nach Dresden begriffen waren. Diese zeigten uns
an, dass meine Familie und viele theilnehmende Personen uns in Britz,
eine Meile von Berlin, erwarteten. In Buche trafen wir einen Polizey-
bedienten zu Pferde, welcher vom H. Präsidenten Eisenberg abgesandt
war, Erkundigung wegen uns einzuziehen. Nachdem er uns gesehen und
gesprochen, sprengte er fort, Bericht abzustatten. Weiterhin begegneten
wir schon einzelne Reiter, die uns entgegengekommen. In Britz selbst
fanden wir nun mehr den 8 Wagens und an 30 Reiter, worunter sich den
auch mein Onkel u. Tante, mein Bruder u. Schwester befanden. Seeliger
Augenblick des Wiedersehens, nachdem man auf gefahrvoller Bahn begrifTen
von den Seinigen getrennt gewesen. Herzlichen Antheil nahmen alle an
unsere glückliche Zurückkunft. Drey von unsern Fahnen hatten wir den
Nichten des General Leutnant von Vohs als Andenken überlassen, die 4 noch
übrigen vertheilten wir unter die Reiter. Diejenigen 4 von diesen, welche
mit den Fahnen versehen waren, eröfneten nun den Zug, die andern folgten;
hierauf kam unser Wagen, dann der mit der Gondel und dem Ballon und
endlich der meines Onkels, hinter welchem die übrigen folgten. Der Zug
begann nicht ohne Aufsehn in den zu passirenden Dörfern zu erregen. Zum
Cottbusser Thor zogen wir ein, nahmen unsern Weg durch den mit Menschen
besäeten Rixdorfer .... u. breite Strassen, über den Schlossplatz und die
Hundebrücke unter dem lauten Beyfallsklatschen der Volksmenge, bis zu des
Königs Palais; da S. M. durchaus verlangt hatte uns gleich bey unserer
Ankunft zu sehen. Wir wurden dem König Paare und anwesenden Per¬
sonen vorgestellt und aufs Gnädigste empfangen. Nachdem wir wieder ent¬
lassen waren, kehrten wir nach unsern Wohnungen zurück. Vor meiner
Thüre hatten sich schon den Abend vorher Tausende von Menschen an¬
gefunden, um meinetwegen Nachricht einzuziehen. Der König hatte an
diesem Tage mehr als 6 mahl geschickt, und alle Herrschaften Hessen sich
nach mir erkundigen. Von früh 7 Uhr hatten sich eben soviele Menschen
als Tages zuvor vor meiner Wohnung versammelt; der Auflauf nahm kein
Ende. Als ich aus dem Wagen stieg ward ich bey nahe erdrückt ins Haus
hineingehoben. Noch verliess die Menge, obgleich überzeugt, dass ich
glücklich angekommen, den Platz nicht, und der Haufe nahm eher zu als ab.
Glücklich im Kreise meiner Verwandten und Freunde, die sich freueten,
mich wieder zu sehen, Hess mich das versammelte Volk zu 3 mahlen auf¬
fordern, mich nur am Fenster zu zeigen, um sich zu überzeugen, es wäre
keine Täuschung. Ich willfahrte und ein lautes Zujauchzen begrüsste mich.
Noch immer verlief sich die Menge der Menschen nicht, welches bey unserem
ofenen Gewölbe sehr beschwerlich wurde. Ich musste mich endlich ent¬
schlossen, mich aus dem Hause zu entfernen, damit sie sahen, dass ich
nicht mehr da war und sich ein jeder zurückziehen mögte. Ich Hess daher
einen Wagen holen. Beym Einsteigen schrie alles: Nun haben wir ihn doch
gesehen, nun sind wir zufrieden.
So endigten sich 2 für mich so wichtige Tage. Damit war es aber
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244 «44
noch nicht abgemacht. Von dem Augenblicke an nahmen die Besuche bey
mir gar kein Ende; jeder wollte wissen, wie mir zu Muthe gewesen, was
ich gesehen, ob ich nicht schlimm oder schwindlich geworden, oder Nasen¬
bluten bekommen ? Ob ich sie nun gleich versicherte, dass nichts von dem
allen die Folge gewesen, so waren sich doch nicht zufrieden, und wollten,
es müsse so gewesen seyn. Die Gondel, der Anker u. eine verlohrene mir
wieder gebrachte Fahne wurden mir zu theil, und werden mir ewig als
Trophäen dieser wichtigen Begebenheit merkwürdig u. schätzbar bleiben.
Ich werde sie gewiss nie aus meinen Händen geben.
Nachdem Herr u. Madame Garnerin ein Frühstück bey mir ein¬
genommen setzten sie ihre Reise am 24 ten Aprill über Luebeck nach
Petersburg fort, wo ihrer gewiss der beste Erfolg ihrer Unternehmung wartet.
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Beiträge zur Theorie der Drachen in ihrer Anwendung
für meteorologische Hochaufstiege.
Von R. Nimfiilir.
Für meteorologische Hochaufstiege kommen heute ausschließlich solche
Drachentypen in Betracht, welche eine genügend große Stabilität (und zwar
sowohl in longitudinaler wie auch in lateraler Richtung) bei allen für Auf¬
stiege in Frage kommenden Windgeschwindigkeiten besitzen.
Über das Problem der Stabilisierung von Drachen liegen bereits ein¬
gehende und wertvolle Untersuchungen vor, namentlich von Marvin 1 ) und
Prof. Koppen. 2 ) Bei den folgenden Ausführungen wird deshalb stets als conditio
sine qua non vorausgesetzt, daß die Bedingung der Stabilität erfüllt ist. 3 )
Neben dem Stabilitätsfaktor spielt in der praktischen Drachentechnik
die wichtigste Rolle die Frage nach der maximalen Steighöhe einer be¬
stimmten Drachentype.
Jeder Drachen ist spezifisch schwerer als die Luft, welche er verdrängt;
er muß deshalb in ruhender Luft mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit
zu Boden sinken, wenn man ihn aus einer bestimmten Höhe frei fallen läßt.
Bringt man aber einen entsprechend konstruierten und passend gefesselten
Drachen in den Wind, so strömt dieser gegen die schräg zur Horizontalen
liegenden Tragflächen des Drachen an und übt gegen jedes Element derselben
’) Marvin, C. F., Kite experinients at Ihc Weather Bureau (Monthly Weather Review, 1896).
— The mechanics and equilibrium of kites (M. W. R., 1897).
2 ) Koppen, W., Bericht über die Erforschung der freien Atmosphäre mit Hilfe von Drachen (Archiv
der Deutschen Seewarte, 1902).
3 ) Es gibt heute bereits mehrere Drachentypen, welche über eine praktisch genügend große Stabilität
verfügen; dazu gehört in erster Linie der Hargrave-Drachen mit seinen zahlreichen Modifikationen, dann
der Lanison-Draehen. Auch die Nikel- und Eddy-Drachen zeichnen sich bei nicht zu großen Windstärken
durch gute Stabilität aus.
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*»»» 245 «444
einen gewissen Druck aus, den man allgemein als «Winddruck» bezeichnet.
Die Partialdrucke gegen die einzelnen Flächenelemente der Tragflächen kann
man zu einer einzigen Mittelkraft zusammensetzen, deren Angriffspunkt der
«Druckmittelpunkt* genannt wird. Da die Mittelkraft W des Winddruckes
gegen den Drachen infolge der Bauart der Tragflächen und deren Schräg¬
stellung zur Wagrechten (und somit auch zur Strömungsrichtung des Windes)
im allgemeinen weder lotrecht nach oben noch wagrecht sein wird, kann
dieselbe stets in eine lotrecht nach oben gerichtete Komponente L und eine
wagrechte parallel zur Strömungsrichtung des Windes liegende Komponente D
zerlegt werden. Bezeichnet cp den Winkel zwischen der Mittelkraft des
Winddruckes gegen den Drachen und der durch ihren Angriffspunkt ge¬
zogenen Lotlinie, so bestehen zwischen den drei Größen W, L und D er¬
sichtlich die Beziehungen:
L = W • cos <p.(1)
und D = W • sin cp = L tang cp ... (2)
Die lotrecht nach oben gerichtete Komponente des Winddruckes wirkt
der Schwerkraft, welche durch das Gewicht des ganzen Systems gemessen
wird, direkt entgegen und erzeugt deshalb eine scheinbare Gewichts¬
verminderung. Ist G (in kg) das Gesamtgewicht des schwebenden Systems
bestehend aus dem Drachengewicht Ga, dem Gewichte des Registrier¬
apparates G r und dem Fesseldrahtgewicht Gr, so gilt für windstille Luft
zunächst die Gleichung:
G = Ga + G r + Gf.(3)
Im Winde wird durch die lotrechte Komponente L des Winddruckes,
den sogenannten dynamischen Auftrieb, das Gewicht des schwebenden
Systems von G scheinbar vermindert auf den Betrag von G—L. Das schein¬
bare Gewicht des schwebenden Systems G s d. i. also der Druck, den das¬
selbe auf eine mit der Erdoberfläche in starrer Verbindung stehende Unter¬
lage ausübt, oder sein Zug gegen eine Aufhängevorrichtung wird somit
allgemein gegeben sein durch:
G s = G — L.(4)
oder zufolge Gl. (3)
G s = (Ga + G r + Gf) — L . . . . (5)
Soll ein Drachen überhaupt steigen, so muß ersichtlich für Gf = 0,
G a < o sein oder L > Gd + G r . Die Differenz:
L — G = L — (Ga + G r + Gf) = A (6)
gibt den sogenannten freien Auftrieb des Drachen. Der freie Auftrieb ist
ersichtlich eine Funktion des gehobenen Fesseldrahtgewichtes und somit
auch der Höhe des Drachen.
Durch den freien Auftrieb A wird dem Drachen eine bestimmte Steig¬
beschleunigung erteilt, welche gegeben ist durch:
A L—(i
T = ~
g =
=fc
Gd -f- Gr “f* Gf
0 -
g
(")
wo g die Beschleunigung der Schwere bezeichnet.
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jaltrg.
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246
Gleichung (7) zeigt, daß mit zunehmendem Gewichte des gehobenen
Fesseldrahtes, also mit wachsender Drachenhöhe, die Steigbeschleunigung
stetig sinkt.
Für L = G wird r = 0. Ist Av die geringe Steiggeschwindigkeit,
welche der Drachen im Momente, wo y = 0 geworden ist, besitzt, so wird
noch ein kurzer Auslauf stattfinden. Der Drachen wird noch ein Stück
steigen, wobei seine Steiggeschwindigkeit stetig abnimmt und schließlich
den Grenzwert 0 erreicht. Sowie dies der Fall ist, befindet sich der Drachen
in dem stationären Schwebezustände; derselbe ist dadurch charakterisiert,
daß der Drachen (konstante Windgeschwindigkeit vorausgesetzt) weder steigt
noch sinkt, sondern in gleichbleibender Höhe in Schwebe bleibt. Ist der
stationäre Zustand erreicht, so hat der Drachen so viel Fesseldraht hoch¬
gehoben, als er bei der herrschenden Windströmungsgeschwindigkeit zu
tragen vermag, oder mit anderen Worten: der Drachen hat seine größt¬
mögliche Steighöhe erreicht. Höher kann der Drachen bei gleichbleibender
Windgeschwindigkeit nicht steigen, da er keinen freien Auftrieb mehr
besitzt und folglich auch keinen Fesseldraht mehr hochnehmen kann. Daraus
erhellt, daß die maximale Steighöhe eines Drachen unter sonst gleichen Um¬
ständen eine Funktion des freien Auftriebes ist.
Neben dem Gewichte des Fesseldrahtes pro Längeneinheit spielt auch
dessen Zerreißfestigkeit in der praktischen Drachentechnik eine sehr wich¬
tige Rolle. Bei einer gegebenen Drahtstärke darf der maximale Zug an
irgend einer beliebigen Stelle des Fesseldrahtes die Sicherheitsspannung, mit
der man arbeiten will, nicht überschreiten. Ist Z (in kg) die absolute Zer¬
reißfestigkeit des verwendeten Fesseldrahtes und n der Sicherheitsfaktor,
so darf die maximale Spannung an irgend einer beliebigen Stelle des Fessel-
drahtes den Betrag - (in kg) nicht überschreiten.
Die Zerreißfestigkeit eines Drahtes wächst allgemein proportional dem
Quadrate des Durchmessers; im selben Verhältnis wächst aber auch das
Drahtgewicht pro Längeneinheit. Soll die größtmögliche Steighöhe erzielt
werden, so muß für jede konkrete Drachenkonstruktion bei gegebener Wind¬
geschwindigkeit eine ganz bestimmte Drahtstärke verwendet werden. Der
ökonomische Wirkungsgrad eines Drachenaufstieges wird deshalb wesentlich
abhängen von der Ausnützung der Festigkeit des Fesseldrahtes; dieselbe
wird nur dann vollständig ausgenützt, wenn die Spannung in allen Elementen
des Fesseldrahtes gleich ist der Sicherheitsspannung. Ist die Spannung des
Fesseldrahtes in seiner ganzen Länge oder auch nur einem Teile derselben
kleiner als die Sicherheitsspannung, so muß der Drachen totes Drahtgewicht
hochnehmen, dessen Festigkeit nicht ausgenützt ist. Dies beweist, daß der
Aufstieg nicht in rationeller Weise durchgeführt wurde. Es sei gleich hier
bemerkt, daß beim praktischen Betriebe freilich nicht immer die Bedingungen
realisiert werden können, welche die Theorie für die Erreichung eines mög¬
lichst hohen Wirkungsgrades erfordert. Allein es ist kein Zweifel, daß der-
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247 < 44 «
artige theoretische Untersuchungen, so lange sie auf dem Boden der Er¬
fahrung bleiben, auch für die praktische Drachentechnik einen nicht zu
unterschätzenden heuristischen Wert besitzen.
Es soll nun eingehender untersucht werden, von welchen Umständen
die maximale Steighöhe eines Drachen außer vom Gewichte und der Festig¬
keit des Fesseldrahtes noch abhängig ist. Dabei sei zunächst vorausgesetzt,
daß der Aufstieg bloß mit einem Drachen durchgeführt werde oder daß
sämtliche zur Verwendung kommenden Drachen am oberen Ende des Fessel¬
drahtes angebracht sind.
Der Fesseldraht würde, wenn der Winddruck gegen ihn als ver¬
schwindend klein gedacht wird, eine Kettenlinie bilden. Der Durchhang
ist aber bei den praktisch in Betracht kommenden Fällen nicht sehr groß..
In erster Annäherung kann man infolgedessen die Voraussetzung machen,,
daß die Form des Fesseldrahtes Zusammenfalle mit der vom Fesselungs¬
punkte am Drachen zum Haspel an der Erde gezogenen Geraden.
Ist N (in m) die gesamte Länge des Fesseldrahtes, den der Drachen
bei Erreichung des stationären Schwebezustandes hochgehoben hat, und q
(in kg) das Drahtgewicht pro 1 m, so erhält man das Gesamtgewicht des«
gehobenen Fesseldrahtes aus:
G f =q.N ...(9)
Bezeichnet w den Winkel, den die Richtung des Fesseldrahtes mit
der Wagrechten einschließt, so besteht zwischen der gehobenen Fessel¬
drahtlänge N und der Drachenhöhe H die Bezeichnung:
H = N sin w.(10)
Setzt man den Wert von N aus Gl. (10) in Gl. (9) ein, so folgt:
G f = q •
H
sin w
(ii)
Unter der gemachten Annahme, daß die Richtung des Fesseldrahtes von
der Drachenwinde bis zum Fesselungspunkte am Drachen zusammenfällt mit
einer Geraden, ist auch der Winkel, den die Richtung des Fesseldrahtes im Auf¬
hängepunkte am Drachen mit der Wagrechten einschließt, gleich dem Winkel w.
Im stationären Schwebezustände muß die Mittelkraft aus dem auf den
Drachen wirkenden gesamten Winddruck w und dem Gewichte des schwe¬
benden Systems gleich und entgegengesetzt gerichtet sein zur Spannung des
Drahtes im Fesselungspunkte am Drachen.
Der gegen den Drachen anströmende Wind übt nicht bloß gegen die
Tragfläche, sondern auch gegen alle übrigen Bestandteile des schwebenden
Systems (Versteifungsstäbe, Spanndrähte, Registrierapparat usw.) einen be¬
stimmten Druck aus, der nicht vernachlässigt werden darf. Im Gegensätze
zu dem Winddruck gegen die Tragfläche, aus dem der für den Aufstieg
notwendige Auftrieb resultiert, stellt der Winddruck gegen das Versteifungs¬
gerüste und die Spanndrähte des Drachen sowie gegen den Registrierapparat
einen schädlichen Widerstand dar, der ein unvermeidliches Übel bildet und
den Wirkungsgrad eines Drachenaufstieges wesentlich vermindert. Man muß
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248 ««««
deshalb darnach trachten, durch geeignete Konstruktion der Drachen und des
Registrierinstrumentes diesen schädlichen YVinddruek, den sogenannten Stirn¬
widerstand, auf einen möglichst kleinen Wert herabzudrücken.
Zerlegt man den gesamten Winddruck gegen das schwebende System
(Drachentragfläche, Versteifungsgerüst und Registrierapparat) in eine lotrechte
nach oben gerichtete Komponente W y und eine wagrechte Komponente W x .
so besteht zufolge den früheren Ausführungen allgemein die Gleichung:
W y — G = W x • tg w.(12)
Gemäß Gl. (3) kann man dafür auch schreiben :
W y — (Gd + G r + G f ) = W X - tg w . .(13)
Setzt man für Gfden Wert aus Gl (11) ein, so folgt weiter:
W y - (g,i + G r + q . — ) = Wx . tg w (14)
\ sin w /
Daraus erhält man für H :
H = [ Wy - (G, + G r ) - W x . tg w] . (15)
Bei einem rationellen Drachenaufstiege muß, wie schon ausgeführt
wurde, im stationären Schwebezustände die Spannung in allen Teilen des
Fesseldrahtes gleich sein der Sicherheitsspannung, mit der man arbeiten
will. Es muß also zwischen der maximalen Drahtspannung S und dem
Rücktrieb W x ersichtlich die Beziehung bestehen:
W x
S = —^.(16)
cos w 7
Ist s das spezifische Gewicht des Fesseldrahtes (in kg pro dm 8 ), so
erhält man das Gewicht des Fesseldrahtes pro ein Meter Länge aus:
d2ir S /4-\
q — 4 103 .( ')
wo d den Drahtdurchmesser (in m) bezeichnet. Die absolute Zerreißfestig-
z
keit Z des Drahtes darf bloß auf den Betrag ~ ausgenutzt werden, wenn n
den Sicherheitsfaktor darstellt ; die maximale Drahtspannung darf deshalb
den Wert Q _ d 2 * Z
‘ ~ 4 n. (18 ^
nicht übersteigen. Es gilt somit auch die Gleichung:
—— = • - (19)
cos vv 4 n v
Aus den Gin. (17) und (19) erhält man weiter:
n * s Wx
9 = *.. .( 20 )
10^ • Z cos w
Führt man obigen Wert für q in Gl. (15) ein und setzt für:
W y — (Ga + G r ) = T.(21)
und für: 10^Z _ R . (22)
2n • S K }
so erhält man schließlich für H:
H = ^ • (T — W x tg w) sin 2 w . . (23)
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249 «4«
Die Größe K ist ersichtlich eine Konstante, welche bloß von der Natur
des verwendeten Fesseldrahtes und dem Sicherheitskoeffizienten abhängt;
T, der freie Auftrieb des Drachen im Niveau des Aufstiegsortes, und der
Rücktrieb W x sind wesentlich Funktionen der spezifischen Konstruktion des
Drachen und der Windstärke. Außer von K, W x und W y ist H nur noch
abhängig von w, das ist dem Höhenwinkel des Drachen. T und W x sind
aber von w unabhängig. Man kann sich nun die Frage vorlegen: für welchen
Wert von w erreicht H seinen maximalen Wert? Da K eine Konstante, T und
W x von w unabhängig sind, braucht man bloß H nach w zu differenzieren und
den Differentialquotienten gleich Null zu setzen, um zu sehen, ob H .ein Maxi¬
mum besitzt oder nicht. Führt man die Rechnung durch, so folgt, daß H in der
Tat ein Maximum erreicht, und zwar für den Wert w, der gegeben ist durch:
tg 2 w = .(24)
Als Maximalwert von H findet man:
H„„ = K[yi + (^)‘-l ] . . (25)
Der durch Gleichung (24) bestimmte Wert von w, für welche H seinen
Maximalwert erreicht, soll der kritische Steig- oder Höhenwinkel des Drachen
genannt und im folgenden mit Wk bezeichnet, analog soll die zu Wk ge¬
hörende Höhe die kritische Drachenhöhe Hk genannt werden.
Soll bei einem Drachenaufstieg der größtmögliche flugtechnische Wir¬
kungsgrad erzielt werden, so müssen also die folgenden beiden Grund¬
gleichungen erfüllt sein, wenn der Drachen den stationären Schwebezustand
erreicht hat: tg 2 Wk = _T_. (26 )
und H k =K [|/l + (^)- l] .... (27)
Dazu kommt noch als dritte Redingungsgleichung zufolge Gl. (18):
4n
. Z
w
cos Wk
. . . (28)
Der aus Gl. (28) folgende Wert für die Fesseldrahtstärke soll die
.kritische» Drahtstärke genannt werden; d k ist dadurch charakterisiert, daß
die Festigkeit des Fesseldrahtes vollständig ausgenützt wird. Schwächer
als d k (mm) soll der Fesseldraht nicht sein, da sonst der Sicherheitsfaktor
sinkt, und stärker als d k darf der Fesseldraht nicht sein, weil sonst der
Drachen «totes» Drahtgewicht, d. i. Draht, dessen Festigkeit nicht voll aus¬
genützt ist, als unnützen Ballast hochnehmen muß.
Die Diskussion der Gl. (18) ergibt folgendes: Außer von der konstanten
K ist H k einzig und allein noch eine Funktion von d. i. des Verhält¬
nisses aus dem freien Auftrieb an der Drachenwinde (i. e. bei sehr geringer
Drachenhöhe, in der das Fesseldrahtgewicht noch keine Rolle spielt) und
dem Rücktrieb des Windes gegen das schwebende System.
Je größer der Wert des Quotienten gemacht werden kann, um so
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größer wird auch unter sonst gleichen Umständen die kritische Steighöhe
Hk werden. Infolge seiner großen Bedeutung für die praktische Drachen-
T
technik soll —- kurz die «charakteristische Funktion» genannt und mit fk be-
Wx
zeichnet werden.
Es soll nun noch genauer untersucht werden, von welchen Umständen
die charakteristische Funktion in erster Linie abhängig ist. Zu dem Zwecke
muß auf die spezifische Konstruktionsart des Drachen näher eingegangen
werden. Die bisherigen Betrachtungen gelten für Drachen von ganz be¬
liebiger Konstruktion. Will man jedoch die charakteristische Funktion
fk in explizierter Form darstellen, so kann dies nicht mehr in ganz
allgemeiner für alle Drachentypen gültigen Form geschehen, sondern man
muß jede konkrete Drachenform für sich untersuchen. Besteht der Drachen
wie z. B. der Eddy- — oder Malay- — Drachen bloß aus einer einzigen
Tragfläche, so läßt sich der gesamte Winddruck gegen die Drachenfläche
einfach in der Form darstellen:
W = a . — • F • v 2 .(29)
g
dabei bezeichnet F (in m 2 ) die Größe der Tragfläche er (in kg pro m 3 ), das
spezifische Gewicht der Luft im Niveau des Drachen, g (in m/sec) die Beschleu¬
nigung der Schwerkraft und v die Strömungsgeschwindigkeit der Luft in m
per Sekunde. Der Faktor a stellt eine Erfahrungszahl dar, den sogenannten
WiderstandskoelTizienten; derselbe ist wesentlich eine Funktion der Form
und des Baues der Tragfläche sowie der Neigung gegen die Wagrechte. 1 )
Der gesamte Rücktrieb des schwebenden Systems setzt sich zusammen
aus dem Rücktrieb des Drachen W x ,d und dem Rücktrieb des Registrier¬
apparates W Xjr , wenn man den Winddruck gegen den Fesseldraht zunächst
vernachlässigt. Man kann also allgemein setzen:
W x = W x , d + W x , r
mit Rücksicht auf die Gin. (L), (2) und (29) folgt:
w y = a • | • F • v* • cos q> .(30)
und W x ,d = a • • • F • v 2 • sin qp.(31)
Die charakteristische Funktion kann mit Rücksicht auf die Gin. (30),
(31) und (21) nunmehr in der explizierten Form dargestellt werden:
fK . W y -(G „ + G r ) ^ a - " F-v’-cosg, —(G d + Gr) .
Wx,d + W x< r a . 9 .. f • v 2 • sin cp + W x , r
Obige Gleichung lehrt folgendes: Soll bei einer gegebenen Windge¬
schwindigkeit die charakteristische Funktion einen tunlichst großen Wert
erreichen, so muß der Drachen bei einem möglichst kleinen Gewichte eine
möglichst große Tragfläche besitzen.
J ) Langley, S. P., Experimente in Aerodynamik# (2. ed.. Washington, 1902).
Loeül, F. v., Die Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug (Wien, 1896).
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251 ««
Das Drachengewicht kann als Funktion der Tragfläche dargestellt
werden. Man wird allgemein setzen können:
G d = f (F).(33)
Da mit zunehmender Tragflächengröße auch das Gewicht des Drachen
stetig wächst, wird es für jede konkrete Drachentype und jede spezielle
Konstruktion eine ganz bestimmte Drachengröße (die «kritische Drachen¬
größe» Ga,k) geben, für welche zwischen dem Drachengewicht und der
Tragflächengröße eine derartige Beziehung besteht, daß die charakteristische
Funktion und somit auch die kritische Steighöhe des Drachen einen maxi¬
malen Wert erreichen. Der zu Gd.k nach Gl. (33) folgende Wert von F
soll die kritische Tragflächengröße genannt und mit Fk bezeichnet werden.
Jede Vergrößerung der Tragfläche über F k hinaus bedingt nach dem Ge¬
sagten eine Verminderung des Wertes der charakteristischen Funktion und
folglich der kritischen Drachenhöhe im stationären Schwebezustände; den¬
selben Effekt hat eine Verminderung der Tragfläche unter Fk. Die Ver¬
kleinerung des Drachengewichts, welche durch eine Verminderung der Trag¬
fläche resultiert, kann die Abnahme der charakteristischen Funktion infolge
der Tragflächenreduktion nicht paralysieren. Daraus folgt, daß auch jede
Verkleinerung der Tragfläche unter den Wert Fk eine effektive Verminderung
der charakteristischen Funktion und somit auch der kritischen Steighöhe
zur Folge hat. 1 ) Da weder der Widerstandskoeffizient a noch cp und W X) d
nach dem gegenwärtigen Stande der Flugtechnik mit genügend großer Ge¬
nauigkeit angegeben werden können, ist auch die Bestimmung des nume¬
rischen Wertes der kritischen Tragflächengröße für eine konkrete Drachen¬
type von bestimmter Konstruktion auf Grund der entwickelten Gleichungen
derzeit nicht möglich. Die kritische Tragflächengröße sowie das kritische
Tragflächengewicht müßten deshalb, wenn man die Drachenaufstiege mit dem
größtmöglichen ökonomischen Nutzeffekte durchführen will, für jede konkrete
Drachentype und jede bestimmte Konstruktion auf rein experimentellem Wege
bestimmt werden und zwar unter steter Rücksichtnahme auf die entwickelte
Grundgleichung (32). Werden sämtliche auf der rechten Seite dieser Gleichung
stehenden Größen möglichst genau gemessen und geschieht dies bei ver¬
schiedenen Werten von Gd und F, so lassen die erhaltenen Werte von fk
einen Schluß zu, ob und in welchem Grade bei einer Vergrößerung oder
Verkleinerung von F eine Zunahme bezw. Abnahme des numerischen Wertes
der charakteristischen Funktion eintritt. Hat man diese Untersuchungen
für eine Reihe von verschiedenen Werten von F und Gd durchgeführt, so
wird man schon durch eine eingehende Diskussion der berechneten Werte
von fk imstande sein, auf Grund der entwickelten Gleichungen wenigstens
den ungefähren Wert der kritischen Drachengröße zu bestimmen.
*) Ganz analoge Beziehungen gelten auch für die frei gehwebenden Drachen, die sogenannten
Drachenflieger. Zwischen der Flugtechnik und der Drachentechnik bestehen sehr enge Beziehungen. Jeder
Fortschritt, welcher in einer der beiden genannten Disziplinen gemacht wird, kommt deshalb unmittelbar
der andern zugute. Vergl. ^Nimführ. K.: Die physikalischen Grundlagen des ballonfrcien Fluges (Illustrierte
Aeronautische Mitteilungen. 1904).
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Bisher wurde stets stillschweigend vorausgesetzt, daß die Drachen¬
flächen ebene Flächen seien. Die Forschungen der Flugtechniker Ing. Otto
Lilienthal, 1 ) Phillips, Prof. Georg Wellner, 2 ) Ing. Octave Ghanute 3 ) u. a.
haben jedoch gezeigt, daß der Effekt von schwach gewölbten Flächen
wesentlich größer ist als jener von völlig ebenen Tragflächen. Schwach
nach oben gewölbte Flächen geben bei gleichem Rücktrieb einen größeren
Auftrieb oder, was dasselbe ist, sie erleiden bei gleichem Auftrieb einen
verhältnismäßig geringeren Rücktrieb als eine ebene Fläche von der
gleichen Größe. Die gleichen Erfahrungen wurden auch beim Experimen¬
tieren mit Drachen gemacht; man verwendet deshalb jetzt am Blue-Hill und
am Berliner Aeronautischen Observatorium 4 ) größtenteils Hargrave-Drachen
(Modell Marvin) mit gekrümmten Tragflächen. Die Tiefe der wirkungsvollsten
Wölbung beträgt nach den Versuchen von Otto Lilienthal ca. V 12 der
Flächenbreite (parallel zur Strömungsrichtung des Windes). Da bei einer
gewölbten Fläche jedes Flächenelement eine andere Neigung zur Wagrechten
besitzt, wird sowohl a wie auch qp für jedes einzelne Flächenelement einen
anderen Wert besitzen. An Stelle der Gl. (35) ist also für gewölbte Flächen
die Differentialgleichung zu setzen:
d w »* | • a • d F • V* .(39)
Für den Winddruck gegen eine gewölbte Tragfläche erhält man somit:
d F
( 40 )
In gleicher Weise lassen sich die lotrechte Komponente W y und die
wagrechte Komponente W x . tl des Winddruckes gegen eine Tragfläche eines
Drachen mit gewölbten Flächen in der Form darstellen:
Wy
o
g
und W x> d =
• v
o
g #
• cos qp • d F
a • sin qp • d
F
(41)
(42)
Besteht die Tragfläche eines Drachen nicht aus einem einzigen, sondern
aus zwei oder mehreren getrennten Flächenteilen, so hat man die Integrale
der Gin. (41) und (42) für jedes einzelne Tragflächenelement gesondert zu
bilden und die zugehörigen Werte von W y und W x .<i zu summieren. Die
charakteristische Funktion wird für mehrflächige Drachen mit schwach ge¬
wölbten Tragflächen folgende Form annehmen:
h =
v 2 Z J a • cos • qp
v 2 Z J *a • sin • qp
d F - (G d + Gr)
- .... (42)
dF + W, r
*) L i 1 ie 11 1 ha 1, V.: Der Vogelllug als Grundlage der Fliegekunst, 1890.
-i Wellner, (i.: Versuche über den Luftwiderstand gewölbter Flächen im Winde und auf Eisen
bahnen (Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereins. 1893).
3 ) Chanute, O.: Progress in Flying Machines. 1990.
‘i Jetzt in Lindenberg.
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»fr* 253 €««
Die Größen a und qp sind Funktionen der Koordinaten der Fläche F.
Da nach dem gegenwärtigen Stande der Aerodynamik es nicht möglich er¬
scheint, a und qp als explizierte Funktionen der Koordinaten der Fläche F
darzustellen, lassen sich die Integrale der Gl. (42) praktisch nicht auswerten.
Man muß sich deshalb darauf beschränken, auf rein empirischem Wege den
Winddruck gegen einen mehrflächigen Drachen mit gewölbten Flächen nach
Größe und Richtung zu bestimmen.
Die für die charakteristische Funktion entwickelten Gin. (32), (38) und
(42) zeigen, daß sowohl das Gewicht des Registrierapparates, wie auch der
Winddruck gegen denselben möglichst verringert werden müssen, wenn die
kritische Drachenhöhe einen möglichst großen Wert erreichen soll. Auf
letzteren Umstand scheint man indes bisher wenig oder gar kein Gewicht
gelegt zu haben. Die von Richard, Marvin, Teisserenc de Bort, Aßmann
und Hergesell konstruierten Registrierapparale für ballonsonde Aufstiege
zeichnen sich wohl durch große Leichtigkeit aus, allein sie erleiden infolge
ihres großen Volumens leider noch einen sehr beträchtlichen Winddruck.
Einen wesentlichen Fortschritt nach dieser Richtung bedeutet gewiß der
neue Apparat von Dines; 1 ) bei demselben ist die rotierende Trommel, mit
der die früher genannten Apparate versehen sind, durch eine wagrechte
Scheibe ersetzt. Infolge der günstigeren Form muß der Winddruck dadurch
natürlich beträchtlich herabgemindert werden. Noch zweckmäßiger dürfte
es vielleicht sein, die Trommel der gebräuchlichen Registrierapparate durch
eine lotrechte rotierende Scheibe zu ersetzen und die Konstruktion der
Registrierfedern und des Uhrwerkes sowie des Stützrahmens möglichst kom¬
pakt zu gestalten, so daß die Breitedimensionen tunlichst gering ausfallen.
Kann man mit großen Hilfsmitteln arbeiten, dann spielen solche Details
der Konstruktion freilich keine oder doch nur eine sehr geringe Rolle;
denn in diesem Falle kann die Erreichung einer bestimmten Höhe stets er¬
zwungen werden, wenn man nur genügenden Wind zur Verfügung hat. Be¬
sitzt nämlich der hochgelassene Drachen nach Erreichung einer gewissen
Höhe keinen freien Auftrieb mehr, kann er also auch keinen neuen Fessel¬
draht mehr emportragen, so braucht man bloß eine entsprechend große
Anzahl von Hilfsdrachen anzuhängen. Man darf aber nicht übersehen, daß
durch jeden neuen Hilfsdrachen, den man auflassen muß, um eine gewünschte
Höhe zu erzielen, auch der Zug des Fesseldrahtes an der Winde erheblich
vergrößert wird. Man muß deshalb auch zu stärkerem Draht übergehen,
wenn man mit gleichem Sicherheitskoeffizienten weiter arbeiten will. Je
mehr Drachen man in der Luft schweben hat, um so größer ist auch die
Gefahr, daß einer etwa abreißt und dadurch ein längeres oder kürzeres
Stück Draht verloren geht oder wertlos gemacht wird. Ja es ist auch die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß das kostspielige Instrument beschädigt
wird oder der Drachen zerbricht. Derartige Unfälle, die sich auch bei der
größten Vorsicht nie ganz eliminieren lassen, bedeuten deshalb stets eine
») Dines, W. II.: A new meteorograph Tor kites (Svmmon's Metoorological Magazine, July 1904).
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Juhrg.
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254 ««4«
mehr oder minder erhebliche Vermehrung der Betriebskosten. Es kommt
auch noch ein weiterer Umstand in Betracht. Je mehr Hilfsdrachen nötig
sind, um eine gewisse Höhe zu erreichen, um so größer wird auch, wie
schon erwähnt wurde, die resultierende Spannung des Fesseldrahtes an der
Winde. Es wächst somit auch im gleichen Maße die Arbeit, welche das
Einholen der Drachen erfordert, sowie auch die Arbeitszeit für die Durch¬
führung eines Aufstieges zu bestimmter Höhe. Jeder Hilfsdrachen, den man
hoch lassen muß, um eine vorgegebene Höhe zu erreichen, bedeutet deshalb
auch eine entsprechende Erhöhung der Anlage- und Betriebskosten einer
Drachenstation. Soll der Betrieb einer Drachenstation mit dem größtmög¬
lichen ökonomischen Wirkungsgrade erfolgen, so wird man nach den ge¬
machten Ausführungen darnach trachten müssen, jeden Aufstieg mit der
geringstmöglichen Anzahl von Hilfsdrachen durchzuführen oder mit anderen
Worten: man wird darauf hinarbeiten, durch rationelle Verbesserungen in
der Detailkonstruktion der Tragflächen, des Versteifungsgerüstes, des Re¬
gistrierapparates usw. den flugtechnischen Wirkungsgrad der gewählten
Drachentype möglichst zu erhöhen.
Ein Flug von 20 Minuten mit dem Gleitapparat
von Montgomery.
Zum erstenmal hat eine Flugmaschine mit einem Passagier an Bord
über 1000 m hoch über der Erde geschwebt und ist nach langem lenk¬
baren Flug ohne die geringste Beschädigung von Mann oder Maschine
genau auf dem im voraus bestimmten Punkt gelandet. Es war zwar nur
ein Gleitflieger ohne Motor und Propeller, aber er hat die erfolgreiche
Lösung jener schwierigsten aller Flugmaschinenprobleme: die Stabilitätsfrage,
so drastisch demonstriert, wie wohl noch keine andere und zum erstenmal
die Vorteile der hohen unaufgewühlten Luft auch der Flugmaschine zu eigen
gemacht. Nicht minderes Verdienst wie ihrem Erfinder gebührt ihrem
kühnen Lenker, Aeronaut Maloney, der unverzagt sich in einer Höhe von
4000 Fuß von einem Ballon trennte und mit der Maschine in die Luft
stürzte.
Wie Prof. A. F. Zahms Experimente, sind auch diese letzten mit
einer katholischen Hochschule verknüpft; bei diesem unerhörteil Wagnis ein
außerordentlicher Vorteil, weil ihr glänzender Erfolg ganz besonders dem
Vertrauen auf die zuvor feierlich angerufene göttliche Hilfe zu verdanken ist.
Der Name des glücklichen Erfinders, der kaum so viel weniger aufs
Spiel setzte, als der Passagier der Maschine selber, ist J. J. Montgomery,
Professor am Santa Clara College zu Santa Clara in Kalifornien, Nord¬
amerika.
Der Flug am oben genannten Tag war die erste öffentliche Probe.
Dieselbe fand statt an einem mit Regelmäßigkeit gefeierten Gedenktag der Hoch-
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schule, zu dem sich jährlich viele einstige Studenten und hervorragende Persön¬
lichkeiten in Kirche und Staat versammeln. Außerdem waren speziell zu dem
Versuch eine große Anzahl von Gästen und die Repräsentanten der großen
Zeitungen eingeladen. Die Maschine war vorher natürlich in der Stille er¬
probt worden, und zwar dreimal, nahe der Küste des stillen Ozeans auf
dem «Ranch» eines Freundes des Erfinders, Mr. Leonard. Dies geschah
Mitte März und die Maschine startete gleichfalls von dem Ballon (einer^der
bekannten amerikanischen Montgolfieren) und auch hier wurde bereits eine
Höhe von 3000 Fuß erreicht.
Aufstieg des Flugapparats von Montgomery. Füllung der Montgolflfere.
Es ist hervorzuheben, daß der Ausfall dieser Vorversuche zu keiner
Änderung an der Maschine Anlaß gab. Alles hatte völlig den Erwartungen
entsprochen. Es wurden nur die Regeln für die beste Art ihrer Hand¬
habung und Leitung für den Führer (einen der im Märzheft des Jahrgangs
1903 *) charakterisierten amerikanischen Berufsaeronauten), der diese Flüge
wie Fallschirmstürze unternahm und sich als sehr geschickt bewährte, fest¬
gelegt.
Der Flug vom 29. April dauerte 20 Minuten und seine Ausdehnung
wurde absichtlich verkürzt statt verlängert. Jedenfalls erklärt der Erfinder,
er habe den Aeronauten davor gewarnt, zu schnell zu fliegen, ehe er mehr
praktische Erfahrung hätte. Im Fall die Geschwindigkeit der Maschine
*) Er ist wohl der erste Professionelle auf einer Flugmaschine und erinnert so den Verfasser eigen¬
artig an die Schilderungen der Vereinigung der <= geschworenen Aeronauten» mit ihren Leitern, ihrer Ab¬
härtung gegen die Gefahr und ihrer peinlichen Wahrung des Zunftgeheimnisses der Flugmaschinennavi¬
gation in dem genialen Zukunftsroman «When the sleeper wakes» von H. G. Wells. Noch mehr: Die
Form dieser neuesten Flugmaschine und die Beschreibung ihres Verhaltens in der Luft entspricht fast in
allen Einzelheiten der dort gegebenen Beschreibung der kleineren Typen, der «Aeropiles», Jener Flug
wurde dort geschildert als rapides Aufsteigen mit voller Motorenkraft und dann allmähliches Herabgleiten
aus großer Höhe bei perfektem automatischen Gleichgewicht mit stillstehendem Motor. (Dies würde
eventuell den Gebrauch luftgekühlter Motoren gestatten, die beim Niedergleiten sich abkühlen können.)
Auch die Steuerung und Kontrolle durch Manipulation der Tragflächen selber vervollständigt nur dieses
modernste Beispiel von dichterischer Antizipation technischer Tatsachen.
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dal
«s<
vei
:omischsten Schwebegeschwindigkeit blieb (Herrings
imum resistance »), bedeutete dies natürlich Energie-
Nontgomerys Flugapparat von vorn, mit dem Aeronauten Maloney.
Langley und Manly haben gezeigt, daß sich eventuell auch für un¬
ökonomische Systeme Motorenkraft genug beschaffen läßt. Doch selbst ein
zu schwacher Motor wäre imstande, den Gleiteflug dermaßen zu verlängern,
daß man bei der Fortsetzung dieser
Experimente bald vom wirklichen,
vogelgleichen Fliegen hoch oben im
Blauen reden dürfte.
Es kann nicht genug betont
werden, wieviel es bedeutet, daß eine
Flugmaschine nun zum erstenmal für
20 Minuten lang in der Luft war, wo
bisher solche Apparate so häufig zer¬
brachen, sobald sie überhaupt Miene
machten, den Boden zu verlassen.
Der Erbauer des Gleitfliegers,
Professor Montgomery, hat unserer
Zeitschrift eingehende Informationen
zur Verfügung gestellt, außer jenem,
was der Korrespondent des «Scientific
American» an Ort und Stelle erfuhr,
als er der öffentlichen Probe beiwohnte.
Dem letzteren entnehmen wir zu-
Prof. j. j. montgomery. nächst folgendes: Professor M. macht
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Anspruch darauf, im Laufe eines zwanzigjährigen Studiums gewisse Gesetze,
welche die Bewegung von Luft beherrschen, entdeckt zu haben, welche von
den allgemein angenommenen abweichen. Der Flugapparat «Santa Clara»
wäre demnach das Resultat gründlicher wissenschaftlicher Arbeiten. Er be¬
steht aus zwei Flügelflächen von parabolischem Querschnitt, einem flachen
Schwanz und einem vertikalen Steuer. Die beiden Tragflächen sind so ge¬
staltet und angeordnet, daß sie bei der Bildung einer allgemeinen Rotation
in der Luftströmung harmonisch Zusammenwirken, ganz so, als ob sie ledig¬
lich der vordere und der hintere Teil einer einzigen großen Tragfläche
wären. Trotzdem besitzen sie die Fähigkeit, je für sich allein verstellt und
adjustiert werden zu können, und der Zweck des ganzen Arrangements be¬
steht so darin, gleichzeitig durch Anwendung zweier getrennter Stützpunkte
das Gleichgewicht in der Längenrichtung zu sichern und eine ungestörte
zentrifugale Gesamtluftströmung zu erzielen. (Wenn dies alles stimmt, so
wäre eine solche Anwendung hintereinander liegender Tragflächen ohne
Interferenz bewundernswert.)
Montgomerys Flugapparat, seitlioh gesehen.
Die hintere Hälfte jeder Tragfläche ist von der Mitte aus drehbar und
kann sich frei nach unten bewegen, ist aber in der Bewegung aufwärts
durch Drähte gehemmt, die so adjustiert sind, daß dieser Flächenteil einem
Exzeß von Luftdruck auf einer Seite oder der Einwirkung des Aeronauten
beim Bekämpfen feindlicher Windstöße oder beim Steuern automatisch nach¬
geben kann. (Elastizität ä la Kreß?) Und zwar kann hierbei sich die be¬
treffende Flügelhälfte entweder auf beiden Seiten der Maschine in gleicher
Richtung bewegen, oder die Bewegung geschieht in umgekehrter Richtung,
aber um den gleichen Betrag, wie bei dem Arm einer Wage. Der Schwanz
oder das Steuer ist gegen die hintere Tragfläche so angeordnet, daß irgend
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eine Änderung in seiner Stellung sofort einen Druckwechsel längs der ganzen
Tragfläche zur Folge hat, und so den mit der wechselnden Geschwindigkeit
gleichfalls wechselnden Ansprüchen des Gleichgewichts in der Längenrichtung
entgegenkommt; denn bei wachsender Geschwindigkeit bewegt sich das
Druckzentrum der Flügel bekanntlich nach vorn und umgekehrt. Die verti¬
kale Steuerfläche dient teilweise zur Wahrung des seitlichen Gleichgewichts
und ist so gestaltet und plaziert, daß sie antagonistische Tendenzen von
Druck über und unter den Tragflächen neutralisiert. Vermittelst einer ent¬
sprechenden Verstellung der hinteren Tragfläche werden die variabeln Druck¬
wirkungen, die zur Einhaltung des Gleichwichts in der Längenrichtung er¬
forderlich sind, herbeigeführt und auf diese Weise läßt sich der Aeroplan
plötzlich nach unten schließen oder horizontal vorangehen, oder aufsteigen,
oder plötzlich Stillstehen machen.
Bei richtiger Handhabung geht der Apparat in einer Wellenlinie durch
die Luft, während er sich allmählich senkt und nach rechts oder nach links
Kreise beschreibt, je nachdem die Tragflächenform auf der einen oder der
anderen Seite modifiziert wird.
Auf jeden Fall ist aus dieser Beschreibung im «Scientific American>
ersichtlich, wie viel Sorgfalt auf die gründliche Lösung des vitalen Stabili¬
tätsprinzips verwandt wurde. Zu einer völlig verständlichen Erklärung im
einzelnen ist es heute wohl noch etwas zu früh. —
Charakteristisch und erfreulich ist gleich der Anfang von Prof. M.'s
Spezialmitteilungen: «It gives me pleasure to give anv information to the
countrymen of Mr. Lilienthal.»
Wie wohltuend berührt bei Anlaß eines so erfreulichen Ereignisses solch
ein stiller Gruß an das Andenken des Mannes, der durch sein Beispiel und
seinen Idealismus die Entwicklung der Flugmaschine vor allen anderen ge¬
fördert hat! Prof. M.'s Mitteilungen sind so substantieller Natur, daß die
Versuchung groß ist, sie alle wörtlich zu übersetzen. Jedenfalls soll aber
alles Wesentliche davon in konzentrierter Form gegeben werden. In bezug
auf die drei Vorproben:
Bei einer jeden folgte der Aeronaut speziellen Instruktionen, um be¬
stimmte Resultate zu erzielen, und bei einer jeden erreichte er genau das,
was ich wünschte. Bei der dritten startete er in 8000 Fuß Höhe, und nach¬
dem er über Bäume und dergleichen hingeglitten war, landete er auf einer
Stelle, die er selber ausgewählt hatte. Bei der öffentlichen Probe schoß er
zuerst von 4000 Fuß Höhe abw T ärts, glitt dann in geraden Linien, erhob sich
etwas, beschrieb verschiedenartige Kreise und senkte sich langsam. — Ich
habe noch nicht versucht, eine große Strecke weit zu gehen, da ich es für
sicherer halte, Schritt für Schritt voranzuschreiten, und habe daher für zu¬
künftige Gelegenheiten diejenigen meiner Instruktionen aufgespart, vermittelst
welcher der Aeronaut seinen Flug verlängern kann. Ich warnte ihn im
Gegenteil vor der Versuchung, zu rapid zu fliegen. — Das Gleichgewicht ist
automatisch, aber gleichzeitig unter der Kontrolle des Aeronauten. Bei
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>»»» 259 ««
den Versuchen, die ich mit Modellen machte, habe ich dieselben
in allen möglichen Lagen und Stellungen — unterst zu oberst
usw. — in der Luft freigegeben, und in jedem Fall richteten sie
sich auf und kamen perfekt herab. Die Bewegung des Apparats ist
äußerst ähnlich der eines großen gleitenden Vogels und, während derselbe
seine verschiedenartigen Kreise beschreibt und wieder in geraden Linien
hin- und herfliegt, läßt es sich unmöglich feststellen, eine wie weite Strecke
er wirklich geflogen ist. Das bis jetzt Erreichte gibt keinen Maßstab für die
Möglichkeiten in dieser Hinsicht, da ich mich soweit lediglich bemühte, sein
Gleichgewicht und seine Kontrollierbarkeit zu demonstrieren und den Aero¬
nauten zu denjenigen Bewegungen, die der Verlängerung des Fluges dienen,
zu erziehen. Durch Änderung der relativen Neigungswinkel der Tragflächen
kann man die Maschine wie einen Fallschirm herabziehen oder abwärts
gleiten, oder horizontal vorangehen, oder aufsteigen oder sich nach irgend
einer Richtung drehen lassen, während alle diese Änderungen sich unter der
perfekten und unmittelbaren Kontrolle des Aeronauten befinden.
Es erübrigt sich noch, zu erwähnen, daß Professor Montgomery an
dem Rer. R. H. Bell, S. J., Professor der Physik am Santa Clara College,
einen wertvollen Assistenten hatte. — Das Gewicht der Maschine war 42 Pfund,
jenes des Aeronauten 156. Die Gesamttragfläche war 185 Quadratfuß.
Klafterweite 24 Fuß. Dienstbach.
Anmerkung der Redaktion. Wenn auch das Gelingen eines so ausgedehnten
Gleitfluges einen höchst bemerkenswerten Fortschritt bedeutet, darf doch nicht übersehen
werden, daß diese große Flugdauer zunächst ganz an den Ballon und die damit allein
zu erreichende große Fallhöhe (1000 m?) gebunden ist. Die Verbindung mit einem Motor,
die erst den Apparat von Montgomery zu einer wirklichen Flugmaschine machen würde,
steht noch aus — vermutlich noch für einige Zeit. — Es sei hier auch daran erinnert,
daß Versuche mit lenkbaren Fallschirmen vom Ballon aus z. T. schon vor 50 Jahren in
London unternommen worden sind; so von Leturr im Jahre 1852 und später (1874)
von de Groof. Beide kamen bei ihren kühnen Versuchen um, und zwar Leturr nicht
sowohl wegen des Versagens seines Apparats, wie durch einen unglücklichen Zufall.
«K
Kleinere Mitteilungen.
Santos Dumonts Lenkbarer Nr. 14 besteht aus einem seidenen Langballon von
41 m Länge, 3,4 m Breite und 34 Kilo Gewicht. Um der Durchbiegung dieses Lang¬
körpers vom Verhältnis etwa 1:129 zu begegnen, sind unten durch Schleifen 2 */* cm
starke und 27 m lange Bambusstäbe gesteckt, die nur zirka 4 Kilo wiegen und an
denen der Gondelrahmen 12 m unter dem Ballon an 13 Drähten von nicht ganz 1 mm
Stärke hängt, der dann die gewöhnliche Dumontsche kleine Gondel trägt. Der Langbaifon
enthält zwei Ballonets aus Goldschlägerhaut, deren eines kugelförmig, 14 cbm fassend,
in der Mitte desselben beweglich angebracht ist, während das andere die Spitze des
Ballonkörpers bildet, durch eine Kugelhaube von 1,9 m Durchmesser gegen diesen abge-
*) Allerneustem Vernehmen nach soll Santos-Dumont sich veranlaßt gesehen haben, dies Verhältnis
auf 1:7 zu reduzieren! Die Red.
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schlossen ist und unter einen dreifach größeren Druck gegenüber dem Kugelballonnet
gebracht werden kann. Die Wandung des Ballons ist hier verstärkt. Der Spitze soll
damit eine unveränderliche Steife verliehen werden. Ein zweizylindriger Peugeot-Motor
von 14 Pferdekräften und 26 Kilo Gewicht treibt eine 1,7 m Durchmesser haltende
Schraube am Vorderende des Gondelrahmens und kann ihr 2000 Umdrehungen per
Minute verschaffen. Diese Anordnung soll zur Kühlung des Motors beitragen. (V) Rück¬
wärts ist ein gewöhnliches Steuer angebracht. K. N.
L’hydro-a£roplaue Arclideacon, der jüngst auf der Seine versucht wurde, besteht
aus zwei großen horizontalen Flächen aus gespannter Seide und mißt 10 m in Länge und
60 qm in Fläche, wiegt mit dem Lenker 300 Kilo und trägt vorn eine, rückwärts zwei
Steuerflächen. Das Ganze ruht auf zwei langen luftgefüllten Schwimmern. Ein Motor¬
boot setzte das Ganze am Schlepptau in Bewegung, worauf in Höhe von 15 m während
etwa 10 Sekunden nahezu 100 m durchflogen wurden. Auch das Herablassen auf die
Wasserfläche gelang ganz nach Wunsch bei verlangsamter Fahrt.
Ein zweiter Versuch erlitt leider eine Unterbrechung, indem ein Schwimmer
schadhaft wurde, Wasser faßte und so das Ganze zum Sinken brachte. Der Lenker,
M. Voisin, mußte zu einem der Boote schwimmen. Nach Verstärkung der Schwimm¬
körper soll, wenn die Versuche die Gleichgewichtslage sichergestellt haben, ein Luft-
Schraubenmotor von 15 Pferdekraft eingebaut werden. K. N.
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
Die 248. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt fand am
19. Juni unter Vorsitz von Hauptmann v. Tschudi statt. Neu aufgenommen wurden
4 Mitglieder. In den letzten Wochen haben wiederum eine Reihe von Vereins-Ballon¬
fahrten stattgefunden. Von einer derselben, die am 16. Mai nordwestliche Richtung
einschlug, Führer Dr. Bröckelmann, liegen eine Anzahl photographischer Aufnahmen von
ungewöhnlicher Schärfe und Schönheit vor, darunter ein Bild in großem Format von
Spandau, aus 700 m Höhe, das die geringste Einzelheit deutlich erkennen läßt. Am
16. Juni, einem Tage mit fallendem Barometerstand und wechselnder Bewölkung, fand
eine Nachtfahrt statt. Führer Leutnant Stelling. Schon bald nach der Abfahrt zeigte
sich, daß es nicht möglich sein würde, mit 4 Personen die Nacht hindurch zu fahren,
da die Bewölkung immer mehr zunahm und starker Regen zu erwarten war. Es wurden
deshalb bei völliger Windstille 2 Mitfahrende ausgesetzt und dafür 5 Sack Ballast ein¬
genommen. Der Ballon stieg nun sofort auf 1200 m, fing aber infolge des beginnenden
heftigen Regens sofort wieder stark zu fallen an: dem Fall war durch Ballastauswerfen
nicht Einhalt zu tun. Zum Unglück befand sich der Ballon in der Nähe von Blankensee
über einem See, und es war bei der völligen Windstille am Boden nicht zu verhindern,
daß er ins Wasser fiel. Da jedoch das Ufer nicht fern war, gelang es nach einiger Zeit
und Mühe, das Trockene zu gewinnen und Ballon wie Insassen, letztere von oben und
unten stark durchnäßt, in Sicherheit zu bringen. — Wie vom Vorsitzenden mitgeteilt
wurde, liegt eine Einladung des belgischen Aeroklubs (mit dem Sitz in Brüssel) vor zur
Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, welcher in den Tagen des 20. und
27. August, 10.. 17. und 24. September in Lüttich zwischen motorlosen Freiballons statt¬
finden soll. Es sind dafür Preise im Gesamtbeträge von 10 000 Franks ausgesetzt. —
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Den von zahlreichen Lichtbildern begleiteten Vortrag des Abends hielt Oberleutnant
von Milczewski der Funkenabteilung über «Das lenkbare Luftschiff der Gebrüder
Lehaudy*. Der Vortragende sah dasselbe am 31. Oktober v. Js. und konnte, aufs
liebenswürdigste aufgenommen und mit allen Informationen bestens versehen — sogar das
Besteigen der Gondel und Untersuchen der Apparate war erlaubt —, einem Aufstieg des
Luftschiffs von Moisson bei Paris aus, seineabwärts am linken Ufer gelegen, in nächster
Nähe beiwohnen. Die gewonnenen Eindrücke sind dem eigenartig konstruierten Vehikel
günstig. Jener Aufstieg war einer der 30, die im Sommer und Herbst 1904 stattgefunden
haben und ausnahmslos ohne Unfall verlaufen sind, allerdings je nach verhältnismäßig
kurzer Zeit, 1 ‘/*—2 Stunden, und in einer 500 m nicht übersteigenden Höhe. Die Brüder
Lebaudy sind nur die Unternehmer und Geldgeber, die Konstruktion ist durch den Ingenieur
Henri Juilliot und unter Hilfeleistung des Mechanikers Rey ausgeführt. Als dritter im
Bunde ist ein geübter Luftschiffer Juchm6s tätig, der die Steuerung des Ballons mit
großer Sicherheit handhabt. Der Ballon, von zigarrenförmiger Gestalt, 59 m lang,
2700 cbm Gas enthaltend, 2500 kg schwer, ist durch seine langgezogene Spitze und
dadurch bemerkenswert, daß die Ballonhülle nicht etwa über ein Gestell gezogen ist,
sondern Fasson allein durch den innen gummierten Stoff und durch einen nicht mehr als
20 mm betragenden Überdruck des Gases behauptet. Unterhalb des Ballons befindet sich eine
ausgedehnte Plattform, welche den 40pferdigen Motor mit den 2 Schrauben trägt, und an
ihr hängend die Gondel, 4—6 Personen fassend und so gefahrlos, daß die Damen Lebaudy
bereits aufzusteigen gewagt haben. Interessant ist die Steuerung, die eine dreifache ist,
da das dem Schiffssteuer bezw. dem Fischschwanz nachgebildete Hauptruder allein
nicht genügt hat. Die rechts und links an dem im Gegensatz zur Spitze breiten Hinter¬
ende angeordneten Steuerorgane (H Form des Steuers) haben Ähnlichkeit mit einem
seitlich gestellten Fischschwanz und funktionieren in Kombination mit dem Hauptsteuer
befriedigend. Die Überwachung von Steuerorganen, Motor und Flügeln macht in der
Nacht die Beleuchtung des Ballons notwendig, die teils elektrisch mittels einer kleinen
vom Motor mitbewegten Dynamomaschine erfolgt, teils für das Gelände unter der Gondel
durch Acetylengas, dessen Leuchtkraft durch zugeführten Sauerstoff gesteigert wird. Die
betreffende unterhalb der Gondel angebrachte Acetylenlampe soll eine Lichtstärke bis
zu einer Million Kerzen entwickeln. Mit dem so beschaffenen Luftschiff ist bisher mit
gutem Erfolge gegen Wind bis zu 10 m pro Sek. gefahren worden, und zwar bis zu
einer Eigenbewegung (nach Abzug der Geschwindigkeit der Gegenströmung) von 11 m
sekundlich. Bei 4 Personen gestatten die statischen Verhältnisse des Ballons, noch 300 kg
Ballast mitzunehmen. Oberleutnant v. Milczewski ist der Meinung, daß das Lebaudy-
Luftschiff noch von sich reden machen wird, w r enn es erst gelingt, das dafür unerläßliche
Wasserstöffgas nicht teurer als zu 10 Pfennig das Kubikmeter und frei von den Verun¬
reinigungen herzustellen, welche das Innere der Ballonhülle angreifen. Denn wenn
letztere auch so dicht ist, daß bei dem ruhenden Ballon der Gasverlust gering war (der
Ballon stieg, nachdem er 72 Tage bereits gefüllt war [inzwischen nur nachgefüllt], noch
mit 4 Personen und dem nötigen Ballast), so ändert sich das doch im Betriebe, der bei
dem hohen Einstandspreise des Gases allzu teuer wird. — In der sich anschließenden
Diskussion sprach der Vorsitzende die Erwartung aus, daß in naher Zeit reines Wasser¬
stoffgas nach einem neuen Verfahren zu 5 Pfennig das Kubikmeter w T erde herzustellen,
sein. A. F.
Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt.
Die Maiversammlung des Niederrheinischen Vereins für Luftschiffahrt fand am
22. Mai in den Räumen der Gesellschaft «Union» in Unterbarmen statt. Herr Kommerzien¬
rat Molineus eröffnete die sehr zahlreich besuchte Versammlung, indem er den Mit¬
gliedern, besonders den Damen und den von auswärts erschienenen Herren, für ihr Er-
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 34
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scheinen und das dadurch bewiesene Interesse an den Bestrebungen des Vereins dankte.
Waren doch die Vereinsgruppen von Düsseldorf, Köln, Bonn, Essen, Gelsenkirchen und
Solingen vertreten. Ein weiterer Beweis für das wachsende Interesse ist in der Tatsache
zu sehen, daß sich seit der letzten Versammlung 49 neue Mitglieder zur Aufnahme in
den Verein gemeldet hatten und aufgenommen wurden, dadurch hat die Mitgliederzahl
des Vereins 550 überschritten und ist der Verein nächst dem Berliner Verein der stärkste
Verein des Deutschen Luftschiffer-Verbandes.
Zu den Berichten über die seit der letzten Versammlung ausgeführten Fahrten
erhielt sodann das Wort Frau Oberlehrer Dr. Spieß. Die Fahrt war ursprünglich für den
internationalen Tag vom 5. April geplant, während am 4. und 6. April wissenschaftliche
Beobachtungen vom Toelleturm aus mittels Drachen gemacht werden sollten. Da aber
am Morgen des 4. so wenig Luftbewegung war, daß die Drachen nicht steigen wollten,
andererseits das Wetter für eine Damenfahrt ausgezeichnet geeignet war und das langsam
sinkende Barometer, sowie die aus Südvvesten auftretenden Cirren eine herannahende
Depression und damit den Beginn schlechten Wetters für die kommenden Tage mit
Sicherheit voraussehen ließen, so beschloß der Vorsitzende des Fahrten-Ausschusses die
Fahrt für den 4. April und führte dieselbe auch trotz der sich entgegenstellenden
Hindernisse durch. Allerdings konnte die Abfahrt erst gegen 1 Uhr erfolgen und auch
das nur dank der liebenswürdigen Bereitwilligkeit, mit der Herr Direktor Cremer die zum
Halten des Ballons erforderlichen Arbeitskräfte zur Verfügung stellte. Es herrschte zu¬
nächst richtiges Damenwetter, mäßige Windströmung, 32 Kilometer pro Stunde, schöner
Sonnenschein und klare Aussicht, die Damen, Frau Dr. Spieß und Frau Julius Schütte,
die bereits ihre zweite Ballonfahrt machte, genossen denn auch in vollen Zügen das
herrliche Bild, welches ihnen das entschwindende Wuppertal und die in der Ferne auf¬
tauchende Ruhr boten, während Herr Dr. Spieß und der Führer, Herr Dr. Bamler, eifrig
wissenschaftliche Beobachtungen machten. Die Fahrt ging über Witten, Dortmund, Lünen
nach dem Teutoburger Walde zu. Jenseits Dortmund machte sich der Rauch des
Industriebezirkes unangenehm bemerkbar, er verschleierte die bisher klare Aussicht nach
unten sehr merklich und noch mehr verhinderte er die Fernsicht. Die Cirruswolken
nahmen im Laufe der Fahrt zu und schließlich verdunkelte ein vollständiger Schleier
von Cirro-Stratuswolken die Sonne, so daß es trotz mehrfacher Ausgabe von Ballast
nicht gelingen wollte, viel größere Höhen als 1200 Meter zu erreichen. Gegen 5 Uhr
lag der Teutoburger Wald vor den Füßen der Luftschiffer, und da nur noch 5 Sack
Ballast vorhanden waren, beschloß der Führer, den Ballon langsam sinken zu lassen
und bei Iburg zu landen. Der Ballon ließ sich sehr gut etwa 200 Meter über dem Gelände
abfangen, und da er nun von selbst den Formationen des Geländes folgte und den
Damen die Fahrt in der Erdnähe besonders gut gefiel, so wurde dieselbe fortgesetzt und
der Teutoburger Wald überflogen. Jenseits desselben wurde die Luft unten und oben
wieder klar, der Ballon stieg ohne Ausgabe von Ballast langsam auf 1800 Meter, und so
wurde gerade die letzte Stunde der Fahrt mit die schönste des ganzen Tages. Da aber
der hcreinbrechende Abend und die Nähe der Moore zur Landung mahnten, so wurde
diese beschlossen und 10 Meter von der aus der Höhe ausgesuchten Stelle sehr glatt
durchgeführt.
Über die Fahrten vom 22. April, 29. April und 13. Mai berichtete sodann der
Führer derselben, Herr Hauptmann v. Abercron. Bei der ersteren fuhren mit Herr
Amtsrichter Claeßen und Herr Bergassessor von und zu Löwenstein. Es herrschte sehr
starker Unterwind aus nördlicher Richtung, so daß sich die Abfahrt schwierig gestaltete.
Der Wind trat erst in Häuserhöhe in Wirkung und drückte den Ballon stark herunter,
so daß trotz Ausgabe von 4 Sack Ballast doch noch das Dach der Garnison-Wasch¬
anstalt in Düsseldorf vom Korbe angeeckt wurde. Dann stieg der Ballon 900 Meter hoch
und überflog in dieser Höhe den Rhein, Benrath, das Siebengebirge. Jenseits desselben
erfolgte starke Abkühlung durch Bewölkung, so daß der Ballon in das Nonnenbachtal
sank und hier in Baumkronenhöhe im Windschatten stehen blieb. Bei dem Sinken war
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auch hier wieder der heftige Unterwind festgestellt worden und es wurde die Frage
erörtert, ob man die günstige Landungsgelegenheit benutzen solle. Da aber noch 11 Sack
Ballast im Korbe waren, wurde die Weiterfahrt beschlossen und durch Ausgabe von
Ballast bewirkt. Leider hatte bei diesem unfreiwilligen Aufenthalte Herr von Löwen¬
stein durch einen Anstoß des Korbes an eine Baumkrone seinen kostbaren Photographen¬
apparat verloren, er hat denselben aber am nächsten Tage wiedergefunden. Der Ballon
überflog dann in 300 m Höhe das Schloß des Fürsten von Wied, «Mon repos*, Coblenz,
stieg jenseits desselben bis 3000 m Höhe, überflog den Rhein beim Niederwald und
landete bei Kreuznach in einer sehr stürmischen und langen Schleiffahrt. Von den
schweren Verletzungen, welche die Korbinsassen den Zeitungsberichten nach erhalten
haben sollten, bleibt nur übrig, daß Herr Amtsrichter Claeßen sich beim ersten Aufstoß
eine leichte Fußverstauchung zugezogen hatte, die nach 5 Tagen gehoben war, und daß
die beiden anderen Mitfahrenden einige Hautabschürfungen von der Schleiffahrt mit¬
bekommen hatten. Die Fahrt war landschaftlich die schönste unter den 65 bisher aus¬
geführten Vereinsfahrten.
Die Fahrt vom 29. April, die ebenfalls von Düsseldorf aus erfolgte, war im Gegen¬
satz zur vorigen sehr sanft. Mitfahrende waren Herr Kürten, Leutnant Neumann und
Leutnant v. Brentano, alle aus Düsseldorf. Die Fahrt führte über Ratingen, Kettwig,
Villa Hügel, Essen, Herne und endete mit sehr glatter Landung bei Drensteinfurt zwischen
Hamm und Münster.
Am 13. Mai herrschte wieder recht lebhafter Unterwind aus NO., sodaß bei dem
für diese Windrichtung nicht günstig gelegenen Aufstiegplatze in Essen nur die beiden
Herren Bergassessoren Schulte und Herbrüggen aus Essen mitfahren konnten. Die Fahrt
ging nach der Eifel zu, der Rhein wurde zwischen Köln und Mülheim überflogen und
endete mit glatter Landung bei Gerolstein.
Über die Fahrten vom 15. April und 19. Mai berichtete sodann Herr Rechtsan¬
walt Dr. Niemeyer-Essen. Erstere war seine Führerfahrt, die er unter Leitung von
Herrn Dr. Bamler ausführte, letztere die erste Fahrt, die er selbständig führte.
Am 15. April herrschte schwacher SW.-Wind, sodaß der Versuch gemacht wurde,
zum ersten Male das Schleppseil in Essen auszulegen. Der Aufstieg ging auch sehr
glatt vor sich, nur amüsierten sich einige kecke Essener Jungen damit, sich vom Schlepp¬
seil nachziehen zu lassen, sodaß letzteres nicht vom Boden wegkam. Alles Rufen half
nichts, erst eine ordentliche Ladung Sand auf die Köpfe der Übeltäter veranlaßte sie,
loszulassen. Dadurch erhielt aber der Ballon solchen Auftrieb, daß er schon nach
20 Minuten in die Wolkenschicht eintauchte, die etwa 600 m hoch begann, ln 850 m
Höhe war die Decke durchstoßen, und nun begann eine 5ständige Fahrt in prächtigem
Frühlingssonnenschein mit allen Schönheiten einer solchen Wolkenfahrt. Nach 27* Stunden
zeigte eine Lücke in den Wolken, daß die Industriegegend noch nicht verlassen war,
daß aber die Fahrtrichtung erheblich westlicher war, als der Rauch der Schornsteine
unten. Die Wolken erhoben sicli im Laufe der Zeit bis zur Höhe von 2500 m, der Ballon
mit. Da die absolute Ruhe, die seit längerer Zeit unten herrschte, bewies, daß das
Industriegebiet verlassen war, so schien eine Orientierung am Platze. Dieselbe wurde
mit 7 Sack Ballast ausgeführt, da aber die Wolkenschicht über 2000 m dick war, so
gelang es erst nach Ausgabe von 6 Sack, den Ballon in 50 m Höhe abzufangen. Unten
herrschte absolute Windstille, man befand sich in der Gegend von Borke. Die Fahrt
wurde dadurch beendet, daß Feldarbeiter den Ballon am Schleppseil herunter zogen.
Mitgefahren waren noch die Bergassessoren Wex und Frentzel aus Essen. Die letzte
Fahrt fand ebenfalls aus Essen statt, Mit lahrende waren Herr Oskar Erbslöh-Elberfeld
und die Herren Karl und Albert Jung aus Düsseldorf. Auch diese Fahrt war zuerst
Wolkenfahrt, der Ballon befand sich bis zum Rhein zwischen zwei Schichten, deren
untere durch den Rauch der Industriegegend gebildet wurde. Dann wurde es zuerst
unten und schließlich auch oben klar, sodaß der Ballon in 2500 m Höhe die Maas und
die belgische Moorgegend überflog und nach 5 Stunden sehr glatt bei Lüttich landete.
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264 €<44
Den Vortrag des Abends hielt Herr Dr. Bamler, über «Entwicklungsgeschichte und
Aussichten der wissenschaftlichen Luftschiffahrt». An der Hand zahlreicher Lichtbilder
wurde gezeigt, daß man fast vom Tage der Erfindung des Ballons an bemüht gewesen
war, denselben zur wissenschaftlichen Erforschung der höheren Luftschichten zu benutzen.
Die Fahrten von Dr. Jeffries, Robertson und Gay-Lussac wurden besprochen, besonders
eingehend dann diejenigen von Welsch und Glaisher. Es wurde hervorgehoben, daß
letztere beiden Forscher insofern auf dem richtigen Wege waren, als sie bereits ein
künstlich ventiliertes Thermometer zur Messung der Lufttemperatur verwandten, daß
aber die Ergebnisse ihrer Forschungen trotzdem falsch wurden, weil sie das Thermo¬
meter falsch aufhingen, nämlich im Ballonkorbe. Das Verdienst, ein Thermometer kon¬
struiert zu haben, das unter allen Verhältnissen die richtige Lufttemperatur angibt, und
zugleich das Verdienst, die richtige Verwendung dieses Thermometeis im Ballon gegeben
zu haben, gebührt dem deutschen Geheimrat Prof. Dr. Aßmann in Berlin. In seinem Aspi¬
rationsthermometer hat er den Apparat geschaffen, der allein geeignet ist, die Temperatur-
Verhältnisse der oberen Luftschichten festzustellen, und durch die richtige Anwendung
dieses Apparates hat er die wissenschaftliche Luftschiffahrt eigentlich erst zu dem gemacht,
was sie sein will und sein soll. Durch die tatkräftige Unterstützung S. M. des deutschen
Kaisers, der sich vom ersten Augenblick an lebhaft für die junge Wissenschaft inter¬
essierte, gelang es Herrn Aßmann, von Berlin aus die Ausführung von 75 Ballonfahrten
zu bewerkstelligen, deren Ergebnisse unsere bisherigen Anschauungen als vollkommen
falsch erkennen ließen. Diese Fahrten gipfelten in der Hochfahrt der Herren Berson und
Süring, die mit dem Ballon «Preußen» die Höhe von 10 800 m erreichten und dabei in
5 Stunden eine Temperaturschwankung von -{-25 bis —42 durchmachten. Diese Fahrt
bewies zugleich, daß größere Höhen mit bemannten Ballons nicht erreichbar seien, und
führte zur Verwendung von unbemannten Ballons, die mit Registrierinstrumenten ver¬
sehen waren. Damit sind nun mehrfach Höhen von 25 000 m überschritten worden.
Alle Ballonfahrten konnten aber immer nur als Stichproben angesehen werden, und zur
Schaffung ständiger Beobachtungsstationen in der Luft wandte man Drachen an, mit
deren Hilfe Höhen von 5000 m erzielt werden konnten. Alle gebildeten Nationen Europas
beteiligen sich heute an den Forschungen, auch die großen Dampferlinien haben sich
zum Teil bereit erklärt, während ihrer regelmäßigen Fahrten Drachenaufstiege auf der
See zu machen, sodaß es voraussichtlich gelingen wird, in absehbarer Zeit Wetter-
Prognosen für längere Zeit hinaus 1 ) zu liefern.
Wiener Flugtechnischer Verein.
Am 12. Mai hielt der «Wiener Flugtechnische Verein» im Vortragssaale des «Wissen¬
schaftlichen Klubs> seine diesjährige Generalversammlnng ab. Den Vorsitz führte der
Präsident Herr Baron Otto v. Pfungen.
Der Vorsitzende erstattete zunächst im Namen des Ausschusses den Rechenschafts¬
bericht über das abgelaufene Vereinsjahr:
Im Vereinsjahre 1004—05 fanden neun Vollversammlungen statt. In denselben
wurden folgende Vorträge gehalten :
10. Dezember 1001: «Drachen und Luftballons als Hilfsmittel zur Erforschung
der höheren Schichten der freien Atmosphäre», von Herrn R. Nimführ, k. k. Universitäts¬
assistent an der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik;
13. Januar 1005: *Das neue österreichische Patentgesetz und der Schutz der Er¬
linderrechte im allgemeinen', von Herrn J. J. Ziffer, Ingenieur und Patentanwalt;
27. Januar 1005: «Uber intermittierende Kraftausnützung im Hinblicke auf ihre
Anwendung für die Flugtechnik-, von Herrn Viktor Ilänisch, Ingenieur im Stadtbauamte;
«. ? Die Red.
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>»»* 265 «««
24. Februar 1905: «Die Nachteile der intermittierenden Flugmethode im Hinblick
auf Arbeitsökonomie», von Herrn Joseph Popper, Ingenieur;
10. März 1905: «Diskussion über die Vorträge der Herren V. Hänisch und
J. Popper für und gegen die intermittierende Kraftausnützung»;
24. März 1905: «Der Ballon im Kriege Rußland—Japan 1904», von Herrn Major
Johann Starcevic, Kommandant der militär-aeronautischen Anstalt;
14. April 1905: «Hundert Ballonaufnahmen in Skioptikondarstellung», von Herrn
Oberleutnant Fritz Tauber, zugeteilt der k. u. k. militär-aöronautischen Anstalt;
28. April 1905: «Einiges über Vier- und Zweitaktmotoren mit besonderer Berück¬
sichtigung der Verwendung für die Flugtechnik», 1 ) von Herrn Georg Goebel, Ingenieur,
Professor an der k. k. Staatsgewerbeschule.
Der Ausschuß hielt zwölf Sitzungen ab, in welchen die laufenden Vereinsangelegen¬
heiten erledigt wurden.
Am 22. November 1904 fand eine außerordentliche Generalversammlung statt, in
welcher der zweite Vizepräsident des Vereins, Herr Ingenieur Wilhelm Kreß, mit Rück¬
sicht auf seine großen Verdienste, die er sich namentlich durch den Bau seiner frei¬
fliegenden Modelle und die unermüdliche Agitation für seinen Drachenflieger um die
Popularisierung der Flugtechnik und um den Verein seit seiner Gründung erworben hat,
einstimmig zum Ehrenmitgliede gewählt wurde.
Um die Vereinstätigkeit, welche sich bisher wesentlich auf die Veranstaltung von
Vorträgen und Diskussionsabenden beschränkte, noch mehr zu heben und dem Verein
einen neuen Wirkungskreis zu eröffnen, beschloß der Ausschuß über Anregung der
Herren Ausschußmitglieder K. Milla und R. Nimführ nach eingehenden Vorberatungen
in der Sitzung vom 19. Oktober 1904, die Konstituierung eines Wissenschaftlichen Studien¬
komitees aus seiner Mitte zu genehmigen. Der Zweck des Wissenschaftlichen Studien¬
komitees ist gemäß dem vom Ausschüsse gebilligten Programm: die Durchführung von
grundlegenden flugtechnischen Forschungsarbeiten.
Um die Bestrebungen des Wissenschaftlichen Studienkomitees wenigstens moralisch
zu fördern, hat der Verein auf Antrag des Ausschusses in der außerordentlichen General¬
versammlung vom 22. November 1904 aus der Vereinskasse den Betrag von 500 Kr.
für den Experimentierfonds des Komitees gewidmet. In gleichem Sinne wurden von
Herrn Erzherzog Leopold Salvator 300 Kronen dem Wissenschaftlichen Studienkomitee
übermittelt.
Am 14. April 1905 wurde wie im Vorjahre so auch heuer wieder der Verein
durch den Besuch seines hohen Mitgliedes des Herrn Erzherzogs Leopold Salvator aus¬
gezeichnet, der dem Demonstrationsvortrage des Herrn Oberleutnants F. Tauber bei¬
wohnte und für die Bestrebungen des Vereins das regste Interesse bekundete.
Infolge des raschen Anwachsens der Vereinsbücherei war das alte aus dem Jahre
1898 stammende Bücherverzeichnis bereits ganz unzulänglich geworden. Es wurde des¬
halb im Aufträge des Ausschusses vom Bücherwart, Herrn K. Milla, entsprechend dem
gegenwärtigen Stande der Vereinsbücherei ein neues Verzeichnis zusammengestellt und
in Druck gelegt. Das neue Bücherverzeichnis umfaßt 35 Seiten Großoktav; es ist im
Selbstverlag des Vereins erschienen und von der Geschäftsstelle, Wien I, Eschenbach¬
gasse 9, erhältlich.
Auch ein neues Mitgliederverzeichnis mußte in Druck gelegt werden, da das alte
bereits völlig veraltet war.
Der Tätigkeitsbericht des Ausschusses wurde genehmigt, desgleichen der Kassa¬
bericht, welcher vom Vereinsschatzmeister, Herrn W. v. Saltiel, erstattet wurde.
Es erfolgte nun die statutengemäße Neuwahl des Präsidenten. Da Herr Baron
v. Pfungen zum Bedauern des Vereins erklärte, wegen Überbürdung mit anderweitigen
Verpflichtungen eine Neuwahl leider nicht annehmen zu können, wurde auf seinen \or-
i) An der Hand von Skioptikonbildern.
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266 « 4 <
schlag per Akklamation Herr Universitätsprofessor Dr. Gustav Jäger zum Präsidenten
gewählt.
Die statutengemäß ausscheidenden sechs Ausschußmitglieder wurden wieder¬
gewählt. Es sind dies die Herren: Professor Dr. Gustav Jäger, Oberleutnant Josef R. v.
Korwin, Karl Milla, Gottfried Moritz, Ingenieur Josef Popper und Professor Georg Wellner.
Die Kooptation des Herrn Majors Johann Starcevic, Kommandant der k. u. k.
militär-aeronautischen Anstalt, in den Ausschuß wird von der Generalversammlung ge¬
nehmigt.
Da keine Anfragen gestellt wurden und keine Anträge Vorlagen, schritt der Vor¬
sitzende zur Schließung der Versammlung. Nim führ.
Gründung eines „Fränkischen Vereins für Luftschiffalirt 44 . Am 12. Mai ist in
Würzburg ein neuer Verein für Luftschiffahrt gegründet worden, der gegenwärtig schon
über 100 Mitglieder zählt. Herr Hackstetter, Assistent an der K. Univ.-Bauinspektion,
Mitglied des Augsburger Vereins und gegenwärtig erster Vorsitzender des Fränkischen
Vereins, hatte schon vorher einige Fahrten von Würzburg aus unternommen und damit
das Interesse für die Sache geweckt. Am 28. Mai wurde die erste Vereinsfahrt ausge¬
führt, die die Luftschiffer in neunstündiger Fahrt bis über den Rhein nach der Rhein¬
pfalz führte. Bei den bisherigen Aufstiegen diente der Augsburger Ballon. Die An¬
schaffung eines eigenen Ballons ist in Aussicht genommen.
Gründung eines „Coblenzer Vereins für Luftschiffahrt 44 . Ebenfalls in diesem
Frühjahr hat sich in Coblenz ein Luftschifferverein gebildet; er steht unter dem Vorsitz
des Herrn Oberbürgermeisters Ortmann und zählt gegenwärtig etwa 60 Mitglieder. Seit
der Gründung des Vereins sind drei Fahrten ausgeführt worden. Der Berliner Verein
stellte hierzu seinen Ballon «Humboldt» zur Verfügung.
Wir wünschen den neuen Vereinen (die auch dem Deutschen Luftschifferverband
angehören werden) gutes Gedeihen!
Der Fall Vollmer-Flögel.
Die unglückliche Ballonfahrt, welche die Herren Vollmer und Flögel mit ihrem
Leben bezahlt haben, ist im ersten Augenblicke wohl geeignet gewesen, das Vertrauen
auf die Sicherheit unserer Ballonfahrten bei dem weniger eingeweihten großen Publikum
zu erschüttern. Für den Kenner der Verhältnisse aber ergibt sich aus den gemeldeten
Tatsachen, daß man es im vorliegenden Falle mit zwei gänzlich unerfahrenen, aber doch
gebildeten Kreisen angeliörigen Luftfahrern zu tun hatte, und ein Blick in das Jahrbuch
des Deutschen Luftschifferverbandes, welches die Liste aller Mitglieder enthält, bestätigt,
daß die Verunglückten keinem einzigen Luftschifferverein angehörten.
In dankenswerter Weise hat inzwischen der Vorsitzende des Fahrtenausschusses
vom Niederrheinischen Verein für Luftschiffahrt, Herr Dr. Bamler, Nachforschungen über
den Unglücksfall eingezogen, die kurz zusammengestellt Folgendes ergeben haben:
Herr Vollmer hat mit einem Artisten namens Wilson 3 Ballonfahrten von etwa je
2 Stunden Dauer ausgeführt. Darauf hat Herr Vollmer sich von Herrn Wilson einen eigenen
Ballon bauen lassen und mit diesem hat er im Verein mit Herrn Flögel die Todesfahrt
unternommen. Die abgesandten Brieftaubendepeschen bezeugen die vollkommene Un¬
erfahrenheit des Herrn Vollmer im Ballonfahren, denn kein erfahrener Luftschiffer bleibt
im Anblick des Meeres in einer Höhe von 8000 m. Niemand ist imstande, von solcher
Höhe herab zu ermessen, ob er noch sicher auf festem Lande niederzukommen vermag
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267
zumal da gerade an der Küste für gewöhnlich eigenartige und meist frische Winde
herrschend sind. Der Erfahrene hält sich daher im Anblick des Meeres tief, um für
die in solchem Falle jederzeit als zwingende Notwendigkeit bevorstehende Landung
seinen Landungsplatz genau und sicher bestimmen zu können. In zu später Erkenntnis
der Gefahr scheinen sodann die beiden Luftfahrer in großer Höhe über dem Meere die
Reißleine gezogen zu haben, wenigstens sprechen dafür die Berichte eines Augenzeugen
über das Verhalten des Ballons beim Niedergang, und man darf solchen falschen Ent¬
schluß auch aus dem vorhergehenden Verhalten der Insassen folgern. Sie sind ins Meer
gestürzt, Vollmer, in Leinen verwickelt, ist sofort ertrunken, während Flögel noch einige
Zeit vom Ufer her als schwimmend bei den Ballonresten erkannt wurde, um alsdann
dem gleichen traurigen Schicksal zu verfallen.
Es ist eine alte Erfahrung, daß Wissen und Können zwei ganz verschiedene Dinge
sind. Man mag sehr gebildet sein und die Prinzipien des Ballonfahrens wohl verstehen
können, und kann darum noch lange nicht einen Ballon führen. Die Praxis läßt sich
auch ohne Theorie lernen und handwerksmäßig ausüben, niemals aber kann man sich
einbilden, Praxis lediglich aus der Theorie schöpfen zu wollen. Das richtige Handeln
im richtigen Augenblick kann man nur praktisch lernen, und auch der Charakter mit
seinen Eigentümlichkeiten tritt nur in der Ausübung des Berufes für den LuftschifTer
hervor, und er ist von nicht geringer Bedeutung für die Qualifikation zum Ballonführer.
Der traurige Fall legt aber dem Deutschen Luftschifferverbande die Frage nahe,
ob es nicht doch zweckmäßiger wäre, der freien Ausübung der LuftschilTahrt bestimmte
Vorschriften aufzuerlegen. Solche Unglücksfahrten können selbst dann, wenn sie nicht
von Vereinsmitgliedern ausgeführt sind, hemmend auf die Entwickelung des Luftsports
einwirken, weil sie unvergessen bleiben, während die Tatsache, daß das Unglück Vollmer-
Flögel mit den Fahrten* des Deutschen LuftschifTerverbandes in gar keiner Beziehung
steht, daß letzterer vielmehr unter bestgeschulten, zuverlässigen Führern bereits viele
hunderte glückliche Fahrten zu verzeichnen hat, nicht berichtet, nicht beachtet und außer¬
dem noch vergessen wird. #
Bibliographie und Literaturbericht.
IL Btfrnstein. Unterhaltungen Uber das Wetter. Berlin 1905. 48 S. 8°, mit einer Wetter¬
karte des Berliner Wetterbüreaus. Einzelpreis 80 Pf. 10 Expl. 7 Mk. 25 Expl.
15 Mk. 50 Expl. 25 Mk.
Eine kleine in der Form von Fragen und Antworten sehr geschickt und lebendig
geschriebene Wetterkunde, die es sich zur besonderen Aufgabe macht, das Verständnis
für Wettervorgänge und für die Wetterkarten der Zentralanstalten im großen Publikum
zu fördern. Der Verfasser zeigt seine große Erfahrung in der hierzu erforderlichen Behand¬
lung des Stoffes. Es ist dem Büchlein eine große Verbreitung zu wünschen. Q
J. Maurer. Beobachtungen Uber die irdische Strahlenbrechung bei typischen Formen
der Luftdruckverteilung. Meteor. Zeitschr. S. 49—63, 1905.
Von Zürich aus hat der Verfasser eine Reihe von Messungen der Veränderungen
der Winkelerhebungen eines Alpengipfels aufgeführt und zeigt, in welcher oft komplizierten
Weise die neuerdings bekannten besondern Temperaturschichtungen in der freien Atmo¬
sphäre die terrestrische Refraktion und deren täglichen Gang beeinflussen. Die Beobach¬
tungen konnten sich naturgemäß nur auf Fälle von Föhnlage und Antizyklonen erstrecken.
Interessant ist u. a. der Hinweis auf plötzlich eintretende extreme Durchsichtigkeits¬
schwankungen der Luft, die auf das Vorhandensein von Luftwogen von großer Länge
hindeuten. Q.
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2(58 «««♦
Was fehlt dem Menschen noch znm Flu?? Von Karl Neupert. W. E. Hepple’sche
Buchhandlung (P. Treuner). Bamberg 1905. 15 Seiten.
Das Heftchen beginnt mit der Darlegung der Berechtigung des Wunsches, fliegen
zu können, und endigt mit der Darlegung, wie unberechtigt es ist, an die Unmöglichkeit
der Lösung des Flugproblems zu glauben. Es wird im weiteren Verlauf ziemlich ein¬
gehend von Einzelheiten eines als vorhanden angenommenen Flugapparates gesprochen,
der aber vorläufig noch nicht irgendwo geflogen sein dürfte. Den Grundgedanken bildet
die Ausnützung der natürlichen Bewegung des Gehens oder auch Hüpfens eines Menschen
zur Hervorbringung kräftigen Flügelschlages, doch wird man ganz nahe an die Vor¬
stellung herangeführt, als ob gerade das Körpergewicht des Tretenden das hebende
Element für das Ganze zu bilden habe (S. 14). Leider vermißt man sofort den Archi¬
medischen festen Punkt im Raume, der als Stützpunkt für diese Wirkung des lebenden
Gewichtes dienen könnte. Eine weitere Überraschung bereitet der Herr Verfasser da¬
durch, daß er von einem Angriff des Windes auf die einzelnen Flächenteile eines
bereits im Flug befindlichen Gegenstandes spricht, während für einen solchen (abge¬
sehen von Wirbeln oder Einzelströmungen) der Wind doch nichts anderes ist als die
Verschiebung der ganzen Luftmasse, in der er schwebt und sich bewegt. Der Gegensatz
zwischen Windeinwirkung beim Abflug und Nichteinwirkung auf die Stabilität nach
erlangter Schwebefähigkeit ist nicht berücksichtigt. Wenn wir das Heftchen dennoch
zur Beachtung empfehlen, so spricht hierfür sein Gehalt an wertvollen Naturbeobach¬
tungen und Betrachtungen. So ist z. B. der Irrtum vermieden, daß das Auf- und Ab¬
bewegen von Flügelflächen an sich zum Fliegen führen könne, während die Lösung des
Geheimnisses doch in den elastischen Umformungen und kleinen Biegungen des Vogel¬
flügels bei jedem Schlage liegt. (Nicht unerwähnt soll hier Opitz bleiben, ebenso Milla,
l. A. M. 05, p. 180.) K. N.
Personalia.
v. Tschad!, Hauptmann und Lehrer im Luftschiffer-Bataillon wurde durch A. K. 0.
vom 15. Juni als Kompagnie-Chef in das Eisenbahn-Regiment Nr. 1 versetzt und durch
Befehl der Inspektion der Verkehrstruppen als Führer der Funkentelegraphen-Abteilung
zum Telegraphen-Bataillon Nr. 1 kommandiert.
Sachs, Leutnant im Luftschiffer-Bataillon, wurde durch A. K. 0. vom 15. Juni zum
Oberleutnant befördert.
Knopf, Hauptmann, Mitglied des Vorstandes des Oberrheinischen Vereins, wurde
zum Major befördert.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel .
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Die Redaktion.
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illustrierte Aeronautische jfötteilungen.
IX. Jahrgang. -Mi September 1905. 9. Heft.
Aeronautische Hilfswissenschaften und Instrumente.
Ober Winddruck und Winddruckmesser.
Vortrag, gehalten im Berliner Verein für LuftschifTahrt am 15. Mai 1905,
von Gießen, Oberingenieur in der Torpedo-Versuchsabteilung.
Hochgeehrte Herren! Ich habe den Vorzug, Ihre Aufmerksamkeit heute
Abend einem neuen Winddruckmesser zuwenden zu dürfen, der dazu dienen
soll, die noch wenig geklärten Gesetze der stoßenden Luft zu erforschen.
Der eingehenden Besprechung dieser Vorrichtung möchte ich einiges
allgemein Interessante über den Winddruck selbst und die Mittel zu seiner
Bestimmung vorausschicken.
Überall dort, wo ein in Bewegung begriffener Körper auf einen festen
Widerstand stößt, muß an dem getroffenen Gegenstand ein Druck auftreten,
der in erster Linie von dem Arbeitsvermögen des bewegten Körpers, also
von seinem Gewicht und seiner Geschwindigkeit abhängt. Sind diese beiden
Größen bekannt, und ist der Stoß ein zentraler, so läßt sich der Druck
leicht genau bestimmen.
Bei der Berechnung des Winddruckes hat man nun vorausgesetzt,
daß das Arbeitsvermögen derjenigen Luftmasse in Betracht zu ziehen ist,
die geradlinig fortgeführt die Fläche treffen würde. Dementsprechend würde
v 2
der Winddruck auf eine senkrechte Fläche in dem Werte P — f • — • F
*g
gegeben sein. In dieser Formel bedeutet x das Gewicht eines Kubikmeters
Luft, v die Geschwindigkeit derselben, F die Fläche in Quadratmetern und g
die Beschleunigung durch die Schwerkraft =9,81 m.
Versuche an Winddruckmessern haben indessen ergeben, daß der
wirkliche Druck erheblich größer ist als der errechnete und fast den
doppelten Wert des letzteren erreichen kann.
Bei diesen Versuchen ist auch der Anteil der einzelnen Faktoren des
Winddruckes an der Gesamtwirkung derselben festgestellt worden. Man hat
dazu Flächen von ’/ioo bis 1 qm mit verschiedenen Geschwindigkeiten, bis
zu 10 m, bewegt und dabei gefunden, daß der Winddruck im gleichen Ver¬
hältnis mit dem Luftgewicht und der Flächengröße, aber mit dem Quadrate
der Geschwindigkeit zunimmt. Das sind Verhältnisse, die mit den mecha¬
nischen Gesetzen völlig übereinstimmen.
ln Fachkreisen begegnet man indessen in neuerer Zeit vielfach Zweifeln
über den Einfluß der Flächengröße, die namentlich durch die beim Bau der
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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Forth-Brücke an Windruckmessern gemachten Erfahrungen entstanden
-und durch das eigentümliche Verhalten des Windes an hohen steilen Küsten
noch verstärkt worden sind. Wenn man jedoch diese beiden Beweggründe
eingehend prüft, so findet man, daß sie keineswegs genügen, die von her¬
vorragenden Forschern und ausgezeichneten Experimentatoren bestätigten
Gesetze zweifelhaft erscheinen zu lassen. Ich nehme mir die Freiheit, über
diese Angelegenheit meine Anschauungen zu äußern, nicht um Kritik zu
•üben, sondern um der Sache zu dienen.
Beim Bau der Forth-Brücken hatte man an verschieden großen,
gegen Federn gestützten Platten, die in Fig. 1, 2 und 3 dargestellt sind,
Winddruckmessungen vorgenommen. Es war eine große Platte von etwa
6 m Breite und 4 x /2 m Höhe in einem Holzgerüst pendelnd aufgehängt
An den 4 Eckpunkten waren die zur Aufnahme des Winddruckes bestimmten
Federn angebracht. Die Bewegung der Platte wurde durch 4 Schnüre, die
an den 4 Ecken befestigt waren und sich in der Mitte zu einer vereinigten,
auf die Meßvorrichtung übertragen. Letztere bestand aus schweren Keilen,
die beim Zurückweichen der großen Wand gehoben oder gesenkt wurden
und dabei 2 Holzleisten auseinander schoben.
Fig. 2.
*
Aus der Größe des Zwischenraumes der beiden Holzleisten war dann
zu erkennen, mit welchem größten Druck die Platte belastet gewesen war.
In der großen Wand waren 2 kreisförmige Ausschnitte, A und B, von etwa
400 mm Durchmesser angebracht, die durch zwei Druckplatten mit geringem
Spielraum ausgefüllt waren, eine derselben in der Mitte der Wand, die
andere seitlich oben am Rande. Diese beiden Platten waren ebenfalls
durch Federn gestützt und mit Maximaldruckablesevorrichtung versehen. Sie
sollten ein Bild von der Druckverteilung auf die große Platte geben.
Außer diesem großen Winddruckmesser waren unweit desselben noch
zwei kleine Meßplatten von der Größe der Ausschnitte A und B aufgestellt,
eine davon durch Windfahne drehbar, Fig. 1, die andere fest und parallel
zur großen Platte gerichtet, Fig. 3.
Die Ergebnisse der Beobachtungen, welche während eines Zeitraumes
von 7 Jahren an 12 Sturmtagen gemacht worden sind, finden wir in nach¬
stehender Zusammenstellung angegeben. Die Zahlen geben den auf 1 qm
ilmgerechneten Druck an.
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Lfd.
Nr.
Kleine
drehbare
Platte
Kleine feste
Platte
Große feste
Platte
Ausschnitt
A
Ausschnitt
B
1
142
112
88
2
127
142
93
—
_
3
146
122
83
_
_
4
122
132
93
—
_
5
127
151
93
139
108
6
127
200
73
—
_
7
132
78
34
—
_
8
171
200
132
—
_
9
132
166
59
_
_
10
132
136
78
—
_
11
127
187
73
—
_
12
132
117
88
115
107
Die Drucke der Ausschnitte A und B sind nur für 2 Sturmtage auf¬
geführt. Die fehlenden Drucke wären für die Beurteilung des Druckmessers
besonders wertvoll gewesen.
Aus den Zahlen ist zu ersehen, daß die große Platte stets den kleinsten
Druck und die kleine feste Platte häufig die höchsten Drucke geliefert hat.
Fig. 4.
In Fig. 4 sind diese Werte in Kurven dargestellt und so geordnet,
daß die Kurve der großen Wand von links nach rechts steigt. Es ist dies
die untere Linie I; Linie II stellt die Drucke der kleinen festen und Linie III
die der kleinen drehbaren Platte dar. Die Drucke der Ausschnitte A und B
sind durch kleine Kreise kenntlich gemacht.
Zum Vergleich der Flächeneinheitsdrucke können natürlich nur die
Aufzeichnungen der großen und kleinen festen Platte und die der Ausschnitte
A und B herangezogen werden.
Man findet dabei die merkwürdigsten Verhältnisse; so beispielsweise
bei Nr. 6 und 8, wo die kleine feste Platte in beiden Fällen einen Druck
von 200 kg geliefert hatte. Die große Platte hätte bei gleichmäßigem Ver-
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halten annähernd gleich große Drucke anzeigen müssen; diese verhalten
sich aber fast wie 1 :2. Bei Nr. 8 und 9 hätte die große Platte statt
59 kg 110 oder statt 132 kg 73 angeben müssen.
Daß die allgemein geringeren Drucke der großen Platte zum Teil auf
zu große Schwerfälligkeit der Vorrichtung zurückzuführen sind, dafür
liefern die Drucke der Ausschnitte A und B den besten Beweis. Diese
Drucke sind erheblich größer als die der großen Platte und liegen dicht bei
denjenigen der kleinen Platten.
Es bleibt mir nun noch übrig, die auffällige Erscheinung zu besprechen,
daß die Drucke der kleinen festen Platte meistens größer sind, als die der
drehbaren.
Wie aus Fig. 4 zu ersehen ist, hat die kleine feste Platte an 8 von
12 Sturmtagen die größten Drucke geliefert. Die kleine feste Platte kann
jedoch unter normalen Verhältnissen wohl kleinere und gleiche, niemals aber
größere Drucke liefern als die kleine drehbare Platte. Zu erklären sind
größere Drucke derselben nur in einer in Fig. 5 dargestellten Weise, indem
die von der großen Platte abgelenkten Luftströmungen den Druck auf die
kleine feste Platte vergrößerten.
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Aus den Berichten geht zwar nicht hervor, wie die Druckmesser zu
einander aufgestellt waren, aber man kann nach dem abweichenden Ver¬
halten der beiden kleinen Platten eine andere Aufstellung nicht annehmen.
Hierzu berechtigt außerdem noch die auffällige Erscheinung, daß da, wo
die Druckpunkte der beweglichen Platte tief liegen, die Drucke der festen
Platte groß sind und umgekehrt. Es muß also der Wind bei niedrigen
Drucken der kleinen festen Platte von rechts nach links und bei hohen
Drucken umgekehrt gerichtet gewesen sein.
Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß die verschiedenen Einheits¬
drucke der einzelnen Meßvorrichtungen teils auf Schwerfälligkeit des großen
Winddruckmessers, teils auf die von der großen Wand abgelenkten Luft-
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Strömungen zurückzuführen sind. Andererseits sind sie durch die verschieden
geformten Vergleichsflächen bedingt.
Fi K. 6.
Die beim Bau der Forth-Brücke gemachten Erfahrungen berechtigen
daher keineswegs dazu, einen durch Theorie und Praxis bestätigten Grund¬
satz anzuzweifeln. Daran ändert auch
Windes an hohen steilen Küsten nichts,
Man hat beobachtet, daß bei
starkem Sturm am Rande der etwa
60 m hohen Küste von Helgoland von
einem Winddrucke kaum etwas zu ver¬
spüren ist. Knaben machen sich den
Spaß, ihre Mützen über den Rand der
Klippe hinab ins Meer zu werfen, denn
sie wissen recht gut, daß der Wind
dieselben sehr bald im großen Bogen
landeinwärts zurücktreibt.
Wenn nun aber oben am Rande
von einem Winddruck nichts zu merken
ist, dann, so schließt man, muß bei einer
Vergrößerung dieser Felswand der Druck
pro Flächeneinheit anders zunehmen, als
bei einer niedrigen Felswand, die man
um ein gleich großes Stück vergrößert,
denn eine senkrechte Wand, am Rande
der Klippe von Helgoland errichtet, wird
einen nennenswerten Druck nicht er¬
halten, aber eine gleich große Fläche, an
niedriger Küste aufgestellt, hat einen
sehr großen Druck aufzunehmen.
Zum besseren Beweise des hier
an sich interessant genug, möchte icl
das eigentümliche Verhalten des
das ich nun besprechen will.
gemachten Fehlschlusses, und weil
kurz erklären, wie man sich die
Ablenkung der Luft an Flächen vorstellen kann.
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274 ««♦
Wir denken uns eine zylindrische Luftsäule (Fig. 7) von einer runden
Fläche in ihrer Bewegung gehemmt.
Die Luftsäule sei in viele dünne Zylinderhüllen eingeteilt, und eine
schwache Wand möge die äußerste Hülle vom Kern trennen. Die Luft des
Kernes soll dabei durch eine Öffnung in der Platte ihre Bewegung ungehin¬
dert fortsetzen können. Die Luftteilchen der äußersten Hülle müssen dann
den in Fig. 7 links dargestellten Weg nehmen. In der Ecke, unten links,
wird sich ein kleiner toter Winkel bilden. Denkt man sich nun die nächst
innere Luftschicht wieder durch eine dünne Wand vom Kern getrennt,
Fig. 7 rechts, und durch die unten geschlossene Platte gezwungen, ihren
Weg nach außen zu nehmen, so kann dies nur in der Weise geschehen,
daß die äußere Lufthülle etwas nach oben abgedrängt wird. Der tote
Winkel nimmt jetzt schon einen etwas größeren Raum ein.
Setzt man diese Betrachtung fort bis zum innersten Kern, so erhält
man den in Fig. 8 angedeuteten Verlauf der Luftlinien. Auf der Platte be¬
merken wir einen Luftkegel, der von den Luftströmungen unberührt bleibt
und dessen Entstehung wir uns durch einen kleinen Versuch vor Augen
führen können.
Wir machen denselben nicht mit Luft, sondern mit trockenem Sande,
dessen kleinste bewegliche Teilchen eine der Luft ähnliche Bewegung an¬
nehmen können, indem wir nach Fig. 9 eine Scheibe durch zwei ver¬
schiedene Sandschichten heben. Beim Erscheinen derselben an der Ober¬
fläche bemerken wir, daß sich auf der Scheibe ein Kegel aus Körnchen
der unteren Sandschicht befindet.
Ein ähnlicher Luftkegel bildet sich auch auf einer vom Winde ge¬
troffenen Scheibe, an dem die auftreffenden Luftteilchen dann abgleiten.
Die Form des Kegels lassen wir vorläufig als nebensächlich für die
weitere Betrachtung außer Acht. Setzen wir ihn in irgend einer Form
voraus und konstruieren wir uns auf demselben die für den Durchtritt der
Luft erforderlichen Querschnitte, so erhalten wir die in Fig. 10 dargestellten
Luftbahnen. Dabei ist vorläufig auf eine Verdichtung der Luft bei der Ab¬
lenkung keine Rücksicht genommen.
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275 «444
Die Luft des ganzen Zylinders gebraucht nun für ihre Umsegelung der
Platte, am Rande und in der Ebene derselben, einen Querschnitt von gleicher
Größe wie der der Kreisfläche des Zylinders. Bezeichnen wir den Durch¬
messer der Platte mit d, die Breite des Ringes mit x, so ergibt sich aus
, _ d 2 TT (d+2x) 2 7T d 2 TT ... , A17 J
der Gleichung —-■— = --—'—- 7 — für x der Wert von 0,20/ d.
4 4 4
Denken wir uns
ferner die den Zylinder
umgebende Luftmasse
in einzelne Hüllen von
demselben Querschnitt
wie der des inneren
Zyjinders geteilt, so
müssen diese Hüllen,
je weiter nach außen
liegend, eine immer
geringere Stärke auf¬
weisen.
Am Rande einer
Platte von 1 m Durch¬
messer ist eine solche
Hülle 207 mm und in
einem Abstande von
10 m nur noch etwa
12 mm stark. Während
also am Rande die erste
Lufthülle 207 mm wei¬
chen muß, wird die in
einem Abstande von 10 m nur noch etwa 12 mm verdrängt.
Vergleichen wir nun die an einer großen und kleinen Platte konstru¬
ierten Luftbahnen, so finden wir, daß ähnliche Figuren entstehen. Fig. 10
ist weiter nichts als eine Vergrößerung von Fig. 11.
Wenn die Luftbahnen infolge der beliebigen Annahme der Kegelform in
Wirklichkeit auch etwas anders verlaufen sollten, so ersieht man doch aus
diesen Bildern, daß die Flächendrucke, die im innigsten Zusammenhänge mit
diesen Bahnen stehen, sich immer in demselben Verhältnis über die Fläche
verteilen werden, gleichgültig, ob dieselbe groß oder klein ist.
Die Luftverdichtungen um die Druckfläche sind wichtig genug, auch
noch kurz besprochen zu werden. Die Verdichtung der Luft tritt bei ihrer
Ablenkung von dem Kegel der Druckfläche und beim Abdrängen der äußeren
Luftmasse beim Umsegeln der Platte ein. Ihre Dichtigkeit ist am Rande
der Platte am größten, sie nimmt von da nach außen allmählich ab. Hinter
der Druckfläche dehnt sich die Luft wieder aus. Bei der Verdichtung muß,
den physikalischen Gesetzen entsprechend, Wärme erzeugt werden, die aber
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276
bei der Expansion sofort wieder gebunden wird. Sieht man von dem Ver¬
lust durch Reibung beim Stoß ab, so muß nach demselben, sobald die Luft
ihre normale Dichtigkeit wieder erlangt hat, die Geschwindigkeit dieselbe
sein wie vor dem Stoß. Von dem Arbeitsvermögen der bewegten Luft ist
also wenig oder nichts verloren gegangen, sodaß die Gesetze des elastischen
Stoßes hier vollkommen Gültigkeit haben.
Körper, die an verschiedenen Stellen der Luftverdichtungen von der
vorbeiströmenden Luft getrolfen werden, sind daher auch ganz verschieden
starken Drucken ausgesetzt. Auch ist leicht erklärlich, daß dicht hinter dem
Rande der Platte eine neutrale Zone entstehen muß, die dadurch hervor¬
gerufen wird, daß die Luft der ersten äußeren Hüllen nicht imstande ist, die
vom Kegel abgleitende Luftmasse geradlinig mit sich zu reißen.
Kehren wir nun zu dem Helgoland-Vergleich zurück, so erkennen wir
leicht, welche Fehlschlüsse dabei gemacht worden sind. Man hat übersehen,
daß mit der Vergrößerung der Felswand die Luftströmungen am Rande
auch sofort eine andere Richtung einnehmen werden, und daß damit nicht
allein die Druckverteilung auf die ganze Fläche sich ändert, sondern auch
der Druck auf die Vergleichsplatte.
Daß letzterer ein ganz anderer ist, als wie beim Vergleich voraus¬
gesetzt wurde, ist zweifellos; damit fällt aber auch sofort die Beweisführung
des Helgoland-Vergleiches.
Daß der Flächeneinheitsdruck mit wachsender Fläche nicht geringer
werden kann, geht außerdem noch daraus hervor, daß er bei einer unend¬
lich großen Fläche auf Null herabsinken müßte, und daß dann eine solche
Fläche, selbst bei der größten Belastung, keinen Druck mehr aufzunehmen
hätte.
Auf Grund dieser Betrachtungen dürfen wir daher wohl den Schluß
ziehen, daß weder die beim Bau der Forth-Brücke gemachten Erfahrungen
noch das eigentümliche Verhalten des Windes an der Küste von Helgoland
dazu berechtigen, einen durch Theorie und Versuche bewiesenen Grund¬
satz anzuzweifeln. So lange uns keine besseren Gegenbeweise gebracht
werden, können wir daher mit Recht daran festhalten, daß der Winddruck
im einfachen Verhältnis mit der Flächengröße wächst.
Ich komme nun zur Besprechung der Vorrichtungen, welche bisher zur
Bestimmung des Winddruckes gedient haben.
Man kann zwei Hauptgruppen von Winddruckmessern unterscheiden:
erstens solche, die feststehen und den Winddruck empfangen; zweitens
solche, die mit bestimmten Geschwindigkeiten in ruhender Luft bewegt
werden. Bei beiden Gruppen gibt es Apparate mit Gewichtsbestimmungen
und solche mit Luftdruckbestimmungen. Die einzelnen Arten sind aus den
Figuren ohne weiteres zu erkennen.
Ein Winddruckmesser der einfachsten Art ist wohl der des Amerikaners
Edward, der in Figur 12 dargestellt ist. Die Druckplatte ist auf einer
Stange befestigt, die in der Windfahne gelagert ist und die mit dem Zeiger
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277 €4^
einer Skala in Verbindung steht. Die Platte ist durch eine Feder gestützt.
Die Wirkungsweise geht aus der Fi¬
gur hervor. Versieht man die Skala
mit einem Maximumzeiger, so kann
man an diesem Druckmesser die
Höchstdrucke einzelner Zeitabschnitte
ablesen. Zur Erforschung der Ge¬
setze des Winddruckes eignet sich
der Apparat natürlich nicht. Hierfür
kommen in erster Linie die Rota¬
tionsapparate in Betracht, wie ein
solcher in Figur 13 dargestellt ist.
An der senkrechten Welle sind zwei wagerechte Arme befestigt, die
an ihren Enden die Druckflächen oder Körper tragen. Zwei Gewichte ziehen
in demselben Sinne an einer Trommel der senkrechten Welle, diese dadurch
Fig. 13.
.<.*K "R
* * i
r
in Drehung versetzend. Soll der Winddruck auf einen Körper oder eine
Fläche bestimmt werden, so läßt man die Gewichte so lange wirken, bis
die Geschwindigkeit nicht mehr zunimmt. Alsdann muß Gleichgewicht
zwischen dem treibenden Moment p • r und dem hemmenden P • R vor¬
handen sein. Aus der Gleichung p • r = P • R läßt sich P leicht errechnen.
Soll sich der gefundene Wert dem senkrechten Druck möglichst nähern, so
muß man die Arme R recht lang und die Druckfläche recht klein machen.
Andernfalls setzt der Mitwind die gemessene Geschwindigkeit zu sehr
herab und die Druckkörper machen Kreisbewegungen statt geradliniger.
Diejenigen Apparate, welche den Winddruck aus den Luftdrucken vor
und hinter der Druckfläche feststellen, haben den Vorzug, erkennen zu lassen,
aus welchen einzelnen Drucken sich der Gesamtdruck zusammensetzt.
Figur 14 zeigt uns eine solche Vorrichtung. Die Druckfläche hat an
der Vorder- und Rückseite kleine Bohrungen von etwa 1 /* mm Durchmesser,
die einzeln mit einem Manometer verbunden werden können. Aus den so
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 36
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ermittelten Drucken läßt sich die Mittelkraft errechnen. Prof. Recknagel
fand mit Hilfe eines solchen Apparates, daß sich der Gesamtdruck auf
Vorder- und Rückseite der Druckfläche im Verhältnis von 0,75 zu 0,37 ver¬
teilt. Er stellte ferner fest, daß die Stärke des Druckes an der Vorderseite
von der Mitte nach außen bis auf 8 ho des Durchmessers nur wenig, von da
ab aber schnell fällt. Auf der Rückseite soll sich der Winddruck ziemlich
gleichmäßig über die ganze Fläche verteilen. Links oben in der Figur ist
die Druckverteilung angedeutet. Bezüglich der Hebellängen und Flächengröße
gilt auch hier das bereits beim vorhergehenden Druckmesser Erwähnte.
Mit den bisher besprochenen Druckmessern läßt sich die Mittelkraft
des Winddruckes auf geneigte Flächen nicht messen. Bis vor kurzem waren
Apparate, mit denen dies einwandfrei möglich war, überhaupt noch nicht
vorhanden. Man half sich mit der Berechnung und wandte zuerst die Formel
von Newton an. Danach ist die Mittelkraft p 1 , welche der Winddruck
auf eine unter dem Winkel a geneigte Ebene erzeugt, gleich p sin* a, wenn
unter p der senkrechte Druck auf diese Ebene verstanden ist. Wie dieser
Wert entsteht, zeigt Figur 15u Die unter dem Winkel a geneigte Ebene
wird nur noch von p sin a Luftteilchen getroffen. Der von p sin a
erzeugte Normaldruck ist dann p sin 2 a.
ysi • jo« w»« fö
Fi*. 17.
Daß der Normaldruck aber größer ist, als der nach Newton fest¬
gestellte, geht aus einer einfachen Überlegung hervor. Wie aus Figur 16
zu erkennen ist, kommt bei der Bildung des Normaldruckes eine viel größere
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Luftmasse in Betracht, als Newton in seiner Ableitung angenommen hat.
Wäre die schräge Fläche seitlich durch zwei senkrechte Wände begrenzt,
so daß die Luft gezwungen würde, den in der Figur gezeichneten Weg zu
nehmen, so würde beispielsweise bei 60° Neigungswinkel ein Druck von
2 p sin 2 a entstehen. Da jedoch die Luftteilchen den Weg des geringsten
Widerstandes nehmen werden, wie er ungefähr in Figur 17 angedeutet ist,
so wird der Normaldruck in Wirklichkeit etwas kleiner ausfallen, aber be¬
stimmt größer sein, als psin 2 a.
Im innigen Zusammenhänge hiermit steht eine Erscheinung, die bei den
Schiffsbalancerudern beobachtet worden ist. Da sie zur weiteren Klar¬
stellung des Winddruckes geeignet ist, soll sie kurz erwähnt werden.
Ordnet man die Drehachse eines Balanceruders etwas vor der Mitte
desselben an, so stellt sich das Ruder bei Fahrt nicht in die Fahrrichtung,
sondern fast quer zu derselben. Will man dies vermeiden, so muß man
den Drehpunkt auf ungefähr V-4 der Länge von vorn verlegen.
Weshalb dies so ist, geht aus Figur 18 hervor. Die Wasserfäden,
welche in der Projektion a b der Ruderfläche liegen, erfahren ihre Ablen¬
kung parallel zur Ruderfläche ganz vorn am Ruderkopf. Das Wasser, welches
Fig. 19.
dem Ruderblatt am nächsten liegt, wird an diesem entlang gleiten; die weiter
nach außen liegenden Schichten werden sich jedoch den bequemsten Weg
suchen, also die in Figur 19 gezeichneten Bahnen um den Rand des
Ruders einschlagen. Das hat zur Folge, daß von den weiter nach außen
liegenden Wasserschichten nur noch ein geringerer Teil einen Reaktions¬
druck ausübt, der außerdem immer mehr eine senkrechte Lage zur Fahr¬
richtung einnimmt. Die Mittelkraft des Wasserdruckes liegt also nicht auf
der Mitte des Ruders, sondern weiter vorn. Ob sie senkrecht zur Ruder¬
fläche gerichtet ist, konnte man bisher nicht feststellen; es ist sogar un¬
wahrscheinlich, denn wenn selbst alle Reaktionsdrucke parallel gerichtet
wären und senkrecht zum Ruderblatt ständen, so würde die Reibung des
Wassers an diesem und der verschieden starke Sog am vorderen und
hinteren Ende eine andere als senkrechte Lage der Mittelkraft zum Ruder¬
blatt bedingen.
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Ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei der Luft.
Nachdem wir an der geneigten Ebene erkannt haben, daß bei der
Bildung des Normaldruckes eine viel größere Luftmasse beteiligt ist, als wie
bei der Berechnung vorausgesetzt wurde, können wir uns jetzt auch er¬
klären, weshalb der berechnete Winddruck auf eine senkrechte Fläche viel
kleiner ist, als der wirkliche. Der Winddruck wird auch hier von einer
weit größeren Luftmasse als der in Rechnung gezogenen erzeugt. Der er-
rechnete Wert würde noch kleiner ausfallen, wenn man das keilförmige
Teilen der Luft auf dem Kegel in Betracht ziehen würde.
Wenden wir unsere Betrachtungen nunmehr wieder der Mittelkraft
des Winddruckes auf geneigte Ebenen zu. Die Ungewißheit über die Lage
derselben beseitigt nun keineswegs der Apparat des österreichischen Ober¬
ingenieurs v. Lößl, dessen Konstruktion in Figur 20 dargestellt ist. Mit
Hilfe dieser Vorrichtung will v. Lößl gefunden haben, daß die Mittelkraft
des Winddruckes auf geneigte Flächen nicht psin*a, sondern p sin a be¬
trägt.
Diese Formel hat vor anderen den Vorzug der Einfachheit und den,
daß sich der Wert für die Mittelkraft dem wirklichen Werte mehr nähert,
als beispielsweise der nach der Formel von Newton berechnete. Berech¬
tigt ist sie jedoch nur, wenn die Mittelkraft im Schwerpunkt der Fläche
liegt, was aber nach unseren bisherigen Betrachtungen nicht der Fall ist.
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Die Meßvorrichtung ist eine Vervollständigung des bereits beschriebenen
Rotationsapparates. Die stehende Welle mit den Armen und Druckkörpern
wird vor dem Versuch durch ein Gegengewicht vollständig ausbalanciert. Bei
der Bewegung der Flügel üben die schräg gestellten Flächen einen Druck
nach oben aus, der durch Gewichte ausgeglichen wird. Dazu ist die stehende
Welle mit einer Gewichtsschale versehen. Aus dem bekannten Dreh-
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moment p r an der stehenden Welle und dem bekannten Hebelsarm R des
Luftwiderstandsmomentes erhält man die horizontal gerichtete Komponente,
aus dem aufgestellten Gewicht G die vertikal gerichtete der Mittelkraft und
aus beiden letztere selbst.
Den Beweis für die Richtigkeit seiner Formel hat v. Lößl noch durch
einen besonderen Apparat zu bringen versucht. Derselbe ist in Figur 21
dargestellt. Auf den Armen eines Rotationsapparats sind zwei drehbare
Rahmen angebracht, ln diesem Rahmen sind zwei gleich große Druckflächen
befestigt, eine davon drehbar, die andere fest, und beide gleich weit von
der Drehachse des Rahmens entfernt. Fi*. 22 .
X- t • |i I 0 <vm. tL
fH'Jk.
Setzt man nun, wie dies links in der Figur 21 angedeutet ist, die be¬
wegliche Platte unter einem Winkel zum Rahmen fest und dreht alsdann
die Vorrichtung, so nehmen die beweglichen Rahmen die in Figur 22 ge¬
zeichnete Stellung ein. Nimmt man nun wieder an, daß die Mittelkraft des
Winddruckes in der Mitte der Druckfläche liegt und senkrecht zu dieser ge¬
richtet ist, so kann man die oberen und unteren Drehmomente gleich setzen,
und hieraus ergibt sich dann für den Normaldruck der Wert p sina. Es
ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die wirkliche Mittelkraft des Wind¬
druckes, zwar an anderer Stelle liegend, doch dasselbe Drehmoment erzeugt,
wie es das Produkt aus dem Wert p sina und dem Schwerpunktsabstand
liefert. Damit ist aber keineswegs die Lage und Größe dieser Kraft selbst
gegeben, auf die es vor allen Dingen ankommt.
Der Mangel an geeigneten Winddruckmessern mußte daher von den
Ingenieuren, der Wissenschaft und besonders in Ihrem Kreise, m. H.,
empfunden werden. Bei Ihnen umsomehr, als Ihr Ideal, das lenkbare Luft¬
schiff, sich nur dann vollkommen gestalten läßt, wenn die Gesetze seines
Elementes unanfechtbar feststehen.
Es darf wohl angenommen werden, daß die beiden Vorrichtungen,
welche bei dem Wettbewerb zur Erlangung eines Winddruckmessers mit
einem Preise bedacht worden sind, dazu beitragen werden, diese Gesetze klar
zu stellen. Einer dieser Apparate ist Ihnen bereits bekannt, und es bleibt
mir daher nur noch übrig, die Konstruktion des anderen zu erklären.
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Ich sehe davon ab, heute eine Beschreibung des ersten Versuchs¬
apparats zu bringen, weil ich es für zweckmäßiger halte, das Neueste zu
erklären, umsomehr, als das eigentliche Konstruktionsprinzip genau dasselbe
geblieben ist, wie beim ersten Versuchsapparat. Nur die Ausführungsform
ist infolge der für den Bau gestellten Bedingungen etwas geändert worden.
Das Konstruktionsprinzip ist folgendes: Stützt man einen Stab, wie
dies aus Figur 23 zu ersehen ist, in seiner Achse an 2 Stellen a und b und
an einem 3. Punkte c gegen Drehung um seine Längsachse mittels eines
festen Armes, so wird eine auf ihn einwirkende beliebig gelegene Kraft P
in den 3 Stützpunkten bestimmte Drucke hervorbringen. Kann man letztere
messen, so ist umgekehrt aus diesen die Kraft P bestimmbar. Figur 24
zeigt uns nun die Einrichtung, welche zur Feststellung der Stützdrucke ge¬
wählt worden ist. Der Stab ist nicht mehr fest in seinen Lagern gehalten,
sondern er kann darin nach allen Richtungen eine kleine Bewegung aus¬
führen. An den Lagerstellen ist derselbe in der gezeichneten Weise mit
Federn verbunden, die gespannt werden können. Die letzteren sind so an¬
geordnet, daß man in der Lage ist, den Stab bei einer beliebigen Belastung
stets wieder genau in seine Mittellage zu bringen, und daß man aus den
Federkräften die äußere Kraft leicht feststellen kann. Dazu sind in den
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»»» 283 «4«
Punkten a und b je 3 Federn, in der Stabachse 1 Feder und am Arme c
2 Federn angebracht. Die an den einzelnen Punkten wirkenden Stützkräfte
lassen sich leicht bestimmen. Sie ergeben sich bei c und in der Längs¬
achse direkt aus der Federkraft. Bei a und b sind sie leicht gefunden, wie
aus Figur 25 hervorgeht. Hat man dort 2 Federn spannen müssen, so er¬
gibt das Parallelogramm ohne weiteres die Größe und Lage der Stützkraft.
Die Vereinigung aller Stützdrucke läßt sich ebenfalls graphisch leicht aus¬
führen, wie dies später noch gezeigt werden soll.
Der Druckmesser ist nun so eingerichtet, daß sich die Federn selbst¬
tätig richtig spannen. Die Vorrichtung, die dazu
dient, ist in der ersten Versuchsausführung hier vor¬
handen. An Figur 26 kann ihre Wirkungsweise leicht
erklärt werden. Über oder unter einen Kolben kann
man mit Hilfe eines Schiebers hydraulischen Druck
leiten, genau wie bei jeder Dampfmaschine den Dampf.
An der Kolbenstange ist eine Feder befestigt, die
mit einem Bolzen verbunden ist. Beim Druckmesser
greift die Feder direkt am Stab an. Der Bolzen
kann sich, wie am Druckmesser der Stab, in einem
festen Lager etwas hin- und herbewegen. Ein mit
ihm verbundener Arm überträgt seine Bewegung
durch eine Stange auf den Schieber. Am Druck¬
messer ist der Schieber direkt mit dem Stabe ver¬
bunden. In der gezeichneten Stellung möge Gleich¬
gewicht zwischen der angehängten Last und der Feder¬
spannung vorhanden sein. Der Bolzen steht dann auf
der Mitte seines Hubes, der Schieber in seiner Mittel¬
stellung. Denkt man sich nun das angehängte Ge¬
wicht plötzlich durch ein größeres ersetzt, so geht
der Bolzen nach unten. Der Schieber macht diese
Bewegung mit, und es tritt nun so lange Flüssigkeit unter den Kolben, bis
die Federspannung so groß ist, daß das Gewicht gehoben wird. In dem¬
selben Augenblick wird aber auch der Schieber nach oben bewegt und ein
weiterer Zufluß von Flüssigkeit unter den Kolben verhindert. Verringert
man die Last, so zieht die Feder den Bolzen nach oben, und der Schieber
läßt nun so lange Flüssigkeit über den Kolben treten, bis das Gleichgewicht
und die Mittellage wieder erreicht ist.
Ich werde diesen Vorgang jetzt am kleinen Versuchsmodell zeigen.
Daß schwergehende Kolben oder Kolbenstangen das richtige und
schnelle Arbeiten der Spannvorrichtung nicht beeinflussen, dürfte auf den
ersten Blick fraglich erscheinen, aber ein Beispiel wird uns davon leicht
überzeugen. Nehmen wir den kaum möglichen Fall an, daß in der Stopf¬
büchse der Kolbenstange eine so starke Reibung vorhanden wäre, daß ein Zug
von 20 kg angewendet werden müßte, um sie gerade zu überwinden. Die
Fig. 26.
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284 «44«
vorhandene Belastung der Feder soll dabei plötzlich von 50 kg auf die
Maximallast von 75 kg gebracht werden.
Zunächst ist klar, daß der Schieber bei der geringsten Vermehrung
der Last nach unten gezogen wird, denn die an dem Versuchsapparat etwa
vorhandene Reibung des Bolzens in seinem Lager fällt beim Druckmesser
fort, weil der Schieber dort, wie ich bereits erwähnte, direkt mit dem
Stab verbunden ist. Es wird also Flüssigkeit unter den Kolben treten und
diesen im vorliegenden Falle mit etwa 160 kg Druck nach oben schieben.
Dabei spielt der 20 kg große Reibungsdruck keine Rolle, denn wenn die
Feder auf 75 gespannt ist, sind immer noch 65 kg Überdruck vorhanden.
Man muß natürlich für einen genügenden Überdruck gesorgt haben.
Es erübrigt noch, darauf hinzuweisen, daß die Größe der Federspannung
bei den verschiedenen Belastungen von einem mit der Kolbenstange ver¬
bundenen Schreibstift auf eine drehbare Papiertrommel übertragen wird;
vergl. Fig. 26.
Nachdem nunmehr das Konstruktionsprinzip des Druckmessers im
allgemeinen erklärt ist, gestatte ich mir, auf die Vorzüge desselben auf¬
merksam zu machen.
Man kann für beliebig geformte Druckkörper z. B. für ein vollständiges
Luftschiff, für ein Segel, für eine geneigte Ebene usw. die Mittelkraft des
Winddruckes nach Lage und Größe genau bestimmen.
Daß der Druckkörper bei der Belastung seine Lage nicht ändert, ist
eine wertvolle Eigenschaft des Druckmessers, ebenso, daß schädliche
Schleuderwirkungen nicht auftreten können.
Ganz besonders geeignet macht ihn der mit keinem anderen Druck¬
messer zu erreichende Grad der Genauigkeit. Es bietet gar keine Schwierig¬
keiten, bei Lasten von 1000 kg Unterschiede von 1 kg festzustellen. Man
braucht dazu die Federn nur lang und stark genug zu machen.
Die einfache Bestimmung der Mittelkraft aus den Angaben des Druck¬
messers ist eine angenehme Nebeneigenschaft der Konstruktion.
In Fig. 27 ist ein Windruckmesser dargestellt, wie er sich nach
unserer bisherigen Überlegung gestalten muß. Fig. 28 zeigt uns noch
einmal die prinzipielle Anordnung der Federn.
Wir erkennen in dem innern Rohr der Fig. 27 den Stab, der bei
a und b durch 3 Spannvorrichtungen in seiner Mittellage gehalten wird.
Eine seitlich angeordnete Federspannvorrichtung überträgt ihren senkrechten
Zug durch Hebel und Stützstangen auf das innere Rohr. Unten bemerken
wir den mit letzterem verbundenen Querarm, der bei c durch 2 Spannvor¬
richtungen gehalten wird. Wie wir sehen, sind die Schieber und Federn
der Spannvorrichtungen mit dem inneren Rohr direkt verbunden. Sämtliche
Registriertrommeln werden von einem Uhrwerk durch Wellen und Winkel¬
räder gleichmäßig schnell gedreht, sodaß die zeitlich zusammengehörigen
Federkräfte sicher festgestellt werden können.
Die Druckkörper sind durch einen zylindrischen Zapfen, der sich in
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285 €4^
Kugellagern dreht, mit dem inneren Rohr verbunden. Eine Windfahne die
ebenfalls auf Kugeln läuft, ist auf dem äußeren Rohr gelagert. Ein gabel¬
förmiger Arm derselben greift mit geringem Spielraum über einen Zapfen
des Druckkörpers, sodaß letzterer stets in den Wind gedreht wird, im
übrigen aber keinen
Druck von der Fahne
aufnimmt. Unregel¬
mäßig geformte Druck¬
körper werden fest mit
dem inneren Rohr ver¬
bunden. Damit man
dieselbe in die beab¬
sichtigte Lage zum
Winde bringen kann,
ist das innere Rohr zum
Querarm durch Schne¬
cke und Schneckenrad
verstellbar eingerichtet.
Die Bewegungen des
inneren Rohres sind
durch Lager im festen
Unterbau begrenzt. Aus
seiner Mittelstellung
kann es sich nach allen
Richtungen etwa l 1 /*
mm bewegen. Diese Be¬
wegung genügt einer¬
seits vollkommen, um
die Schieber der Spann-
vorrichtuug sicher um¬
zusteuern, anderseits
ist sie so klein, daß
schädliche Schleuder¬
wirkungen im Druck¬
messer nicht auftreten
können. Die Umman¬
telung des inneren Rohres dient nicht allein zur Lagerung der Windfahne,
sondern sie schützt auch das innere Rohr vor dem Winddruck, sodaß die
vom Druckmesser gelieferte Kraft ledigliclTden Druck des Windes auf den
Körper darstellt.
Für den Betrieb der Federspannvorrichtung wird Glycerin verwendet,
ln Fig. 29 ist schematisch angedeutet; welchen Weg die Flüssigkeit nimmt.
Eine Pumpe mit elektrischem Antrieb saugt das Glycerin aus einem Becken an
und drückt es nach einem großen Behälter, hier die Luft verdichtend. Von
Ulustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 37
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286
hier aus wird die Flüssigkeit durch Rohre zu den Spannvorrichtungen und
von dort zurück zum Abflußbecken geführt. Wenn die Pumpe mehr Flüs¬
sigkeit in den großen
Behälter pumpt, als
verbraucht wird, so
läßt ein Überdruckventil
Glycerin in das Abflu߬
becken treten. Ist da¬
gegen plötzlich ein sehr
großer Verbrauch von
Flüssigkeit vorhanden,
so reguliert der Luft¬
druck den gleichmäßi¬
gen Zutritt derselben
zu den Spannvorrich¬
tungen. Diese ganze
Einrichtung bedarf also
auch keiner besonderen
Wartung.
Nachdem hiermit die ideelle Konstruktion des Windruckmessers be¬
schrieben ist, möchte ich noch kurz den im Bau befindlichen neuesten
Apparat erklären.
Vielerlei wichtige Gründe haben mich veranlaßt, die bisher be¬
sprochene ideelle Konstruktion nach Fig. 27 bezw. 30 für den neu zu
bauenden Winddruckmesser nicht anzuwenden, ihn vielmehr nach dem
in Fig. 31 dargestellten Prinzip einzurichten. Bei dem neuen Wind¬
druckmesser, der in Fig. 32 in großen Umrissen dargestellt ist, sind alle
Stützpunkte weiter nach oben verlegt. Dies konnte nur dadurch erreicht
werden, daß die in diesen Punkten auftretenden Drucke durch Hebel und
Gestänge auf die senkrecht stehenden Federspannvorrichtungen übertragen
wurde. Diese Konstruktion gestattet bei geringer räumlicher Ausdehnung des
Winddruckmessers eine leichte Bauart, eine übersichtliche und praktische
Anordnung der Spannvorrichtungen und sie erhöht den Grad der Genauigkeit
der Messungen.
Auf diesem Bilde ist in den Fig. 33 bis 35 außerdem noch die Kon¬
struktion der Mittelkraft für die senkrechte Fläche, die geneigte Ebene und
für einen beliebig geformten Körper angegeben. Falls ein besonderes
Interesse für die recht einfachen Konstruktionen vorhanden ist, bin ich gern
bereit, dieselben nach dem Vortrag zu erklären.
Ich schließe hiermit meinen Vortrag, indem ich meinen besten Dank
für das allseitige Interesse an demselben ausspreche und der Hoffnung
Raum gebe, daß uns nun bald ein gründlicher Aufschluß über die Gesetze
des Winddruckes zuteil werden wird, dank der Initiative deutscher Staats¬
behörden und Ingenieure und nicht zum wenigsten der Ihrigen.
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»►►fr 287 €4«
Die Bestimmung der Mittelkraft.
In der nachstehenden Erklärung wird vorausgesetzt, daß die in den einzelnen
Punkten a, b und c angenommenen Stützkräfte lediglich diejenigen sind, welche [dem
Winddruck des Druckkörpers das Gleichgewicht halten, daß also die Kräfte zur Aus¬
balancierung des Stabes mit dem Druckkörper bereits berücksichtigt sind.
I. F[all: Die Mittelkraft liegt wagerecht und in der Stabachse. Fig. 31.
Der Druckmesser liefert bei a und b die beiden Kräfte p, und p a . Man macht
db=p„ ae=p 15 verlängert de bis zum Schnitt f mit ab. In f wirkt die Mittelkraft P,
die gleich p t —p, ist.
II. Fall: Die Mittelkraft liegt geneigt und in der Stabachse.
Fig. 32. Eine geneigt liegende Mittelkraft kann man sich in eine wagerechte
und eine senkrechte Komponente zerlegt denken. Der Druckmesser liefert außer den
Kräften p t und p, eine Kraft in der Längsachse. Aus p t und p, ergibt sich die wage-
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rechte Komponente, die mit der Kraft in der Längsachse vereint die Mittelkraft P
bestimmt.
III. Fall: Die Mittelkraft hat eine beliebige Lage. Fig. 33.
Die Bestimmung einer beliebig gelegenen Mittelkraft wird am leichtesten ver¬
ständlich, wenn wir uns klar machen, wie die einzelnen Federkräfte erzeugt werden. Wir
denken uns zu diesem Zwecke den Druckmesser aus der Vogelschau gesehen und
erkennen in den beiden umgrenzten Flächen die wagerechten Ebenen bei a und b. Den
Angriff der beliebig gelegenen Mittelkraft P verlegen wir in die untere Ebene bei b. Zer¬
legen wir alsdann diese Kraft in eine solche, die in der Ebene b und eine zweite, die
senkrecht zu ihr liegt, so erhalten wir die Kräfte P, und P 2 , wie dies aus der Seiten¬
ansicht unten rechts ersichtlich ist. Die Einwirkung der Kraft P # zeigt uns die Figur
oben links. P s bringt bei a und b die Kräfte 2 und in der Längsachse die Kraft 1
hervor. Die Kraft 2 bei a ist stets gleich der Kraft 2 bei b, nur sind beide Kräfte
entgegengesetzt gerichtet.
Die Kraft Pj wirkt nur in der unteren Ebene. Wir finden ihre Gegenkräfte,
indem wir ihre Richtungslinie bis zum Schnitt mit derjenigen der Federn des Armes c
verlängern. Verbinden wir diesen Schnittpunkt mit dem Achspunkt b, so finden wir
in den beiden Komponenten 4 und 5 ihre Gegenkräfte. Die Kraft 4 liefert uns eine
Spannvorrichtung des Punktes c. Die Kraft 5 finden wir am Druckmesser mit der
Kraft 2 vereint in der Kraft 3. Sie ist indessen aus beiden leicht zu bestimmen, wie
• dies aus der Figur hervorgeht.
Um die Mittelkraft des Winddruckes festzustellen, sind also folgende Kräfte, die
der Druckmesser liefert, in nachstehender Weise zu vereinigen.
Die Kräfte 2 und 3 zu 5
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Der Schnittpunkt der Kraft 2 mit P t ist der Angriffspunkt der Kraft P in der
wagerechten Ebene durch b. Sie liegt in der senkrechten Ebene durch die Richtungs¬
linie von P t . Ihre Neigung zur wagerechten Ebene durch b liefert das Parallelogramm
aus P t und P 2 .
*
Aeronautik.
Über die Notwendigkeit eines internationalen Verbandes zur
Förderung und Verbreitung der wissenschaftlichen und sportlichen
Luftschiffahrt.
Der Anregung Comte Henry de la Vaulx in dem Julihefte der I. A. M. folgend,
möchte ich auch meine wohl unmaßgebende Meinung über obiges Thema zur Verfügung
stellen.
1. Die bestehenden Vereine sollten vorerst dafür sorgen, daß selbe
im eigenen Lande als Fachautoritäten gelten und von der Regierung als
solche anerkannt werden.
Der Zeitpunkt, wo die bestehenden nationalen oder, sagen wir, um niemanden
wehe zu tun, wo die bestehenden internationalen und interkonfessionellen Luftschifferklubs
auch von fremden Staaten anerkannt werden sollen, ist nach meinem Dafürhalten erst
dann gekommen, wenn sie im Inlande respektiert w r erden.
2. Allen Staaten Europas sollte im diplomatischen Wege ein Überein-
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kommen, die gegenseitigen Ballonlandungen betreffend, unterbreitet
werden.
Und zwar ähnlich wie das Abkommen zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn,
welches seit dem Jahre 1899 besteht:
Die Landung ist gestattet, jedoch dürfen fremde Ländergebiete nicht vom
Ballon aus photographiert werden; mitgenommene Brieftauben dürfen auf fremdem
Territorium nicht aufgelassen werden; der Führer des Ballons hat den Gemeindevor¬
steher des Ortes, wo er landet, von der Landung zu benachrichtigen und als Reise¬
dokument seine Legitimation vorzuzeigen, wo die Zugehörigkeit des Ballonmaterials und
der Insassen klar zum Ausdruck kommt.
Das soll im allgemeinen genügen. De facto ergaben sich in den letzten Jahren
bei den verschiedenen ziemlich häufigen Landungen deutscher Ballons in Österreich-
Ungarn oder umgekehrt sowohl an der Landungsstelle als auch bei der Zollrevision an
der Grenze keinerlei Anstände.
Alle anderen vom Grafen Henry de la Vaulx in Vorschlag gebrachten Anträge
können sich nach meiner Meinung erst dann Geltung verschaffen, wenn die unter 1 und 2
genannten Hauptpunkte in Kraft bestehen, so wichtig und nützlich diese Anträge auch
erscheinen mögen. Hinterstoisser, Hauptmann.
X
Aeronautische Photographie.
Lehrreiche Aeronautische Photographien.
Von ganz eigenartigem Reiz sind die Winterphotographien, die
Hauptmann Wehrte in Graudenz bei seinen Ballonfahrten im Ostdeutschen
Die Gardenga-Schlucht mit Schloß Roggenhausen östlich Graudenz, aufgenommen am 8. 2. 05 durch Hptm. Wehrle.
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Verein für Luftschiffahrt aufgenommen hat. Durchwegs hatten alle Winter¬
aufnahmen die Eigentümlichkeit, dem Landkartenbilde am ähnlichsten zu
sein, sobald die Erde mit der weißen Schneedecke bedeckt ist. Die Kon¬
turen von Ortschaften, Gehöften, Chausseen, Eisenbahnen, Flußläufen und
Waldungen heben sich alsdann recht scharf ab. Seen dahingegen verlieren
in ganz ebenen Gegenden bei hohem Schnee oft ihre charakteristischen
Umrisse an den flachen Ufern.
Von den uns freundlichst zur Verfügung gestellten Aufnahmen des
Hauptmann Wehrle stellt die erstere die Gardenga-Schlucht mit
Schloß Roggenhausen östlich von Graudenz vor. Die Gardenga, ein
Nebenfluß der Ossa, hat sich hier durch den Lößboden ein wildromantisches
Winteraufnahme von Neumark In WestpreuBen, aufgenommen am 8. 2. 05 durch Hptm. Wehrle.
tiefes Bett gebahnt, welches in seinen Linien mit der Generalstabskarte
1 : 100000, besser noch 1 : 25 000 verglichen werden muß, um für die vor¬
treffliche Ähnlichkeit dieser Karte einen schlagenden Beweis zu erhalten.
Von rechts unten zieht sich auf dem Bilde die Ossa mit dem als dunklen
Fleck vorgelagerten Wäldchen von Neuberg nach links in zierlichen Win¬
dungen herüber. Rechts von dem an der Einmündung der Gardenga liegen¬
den alten Ritterschloß Roggenhausen laufen nach rechts (Osten) von unten
nach oben genannt die Straßen nach Lenzw r alde, die Chaussee nach Lessen
mit der Gabelung nach Buczek und die Straße nach Klein-Schönbrück, das
Gehöft links oben ist ein Abbau zu Roggenhausen.
Das zweite an dem gleichen Tage, dem 8. Februar 1905, aufgenom-
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mene Bild zeigt uns das Städtchen Neu mark in Westpreußen, in dessen
Nähe sich die Landung vollzog.
Der besondere Wert dieser Aufnahmen liegt in dem plastischen Her¬
vortreten des schneebedeckten Hügellandes, welches allein dem Umstande
zu verdanken ist, daß die tiefstehende Sonne Licht und Schatten über die
Schneelandschaft verbreitete. Derartige Aufnahmegelegenheiten bieten sich
nicht häufig und es ist daher besonders dankbar zu begrüßen, daß Haupt¬
mann Wehrle den schnellen Entschluß gefaßt hat, dieses für den Geographen
ungemein lehrreiche Bild festzuhalten. Moedebeck.
*
Kleinere Mitteilungen.
Eine Luftreise nach dem Pol wurde schon im Jahr 1860 in der Gazette de P6kin
als möglich erörtert, davon ausgehend, daß von dem Punkt aus, an welchem das Eis
dem Seefahrer ein «Halt» gebietet, nur im Mittel 40t) Meilen bis zum Pol zurückzulegen
seien, welche bei günstiger Luftströmung in etwa 2 Tagen zu durchfliegen wären. Man
war ferner davon ausgegangen, daß ein oberer Luftstrom zum Pol (allerdings zum gegebenen
Kälte-Pol) und ein unterer von dort zurück nach den niedereren Breiten bestehe und
daß es möglich sein müsse, den oberen zur Hin-, den unteren zur Rückfahrt zu benützen.
Welche Anzahl von Vorbeobachtungen und Erwägungen erforderlich werden, wenn man
dieses scheinbar einfache Experiment in die Praxis überführen will, war damals noch
nicht Gegenstand eingehender Erörterung. K. N.
Neuere Fahrten des Ballons Lebaudy. Lebaudys Lenkbarer hat seine vom fran¬
zösischen Kriegsminister angeordneten Fahrten am 3. Juli begonnen. Zwei Tage vorher
hatte der Direktor des Parc adrostatique de Ohalais, Kommandant Bouttieaux, das Gelände
um Meaux besehen und den Offiziers-Rennplatz als Landungspunkt bezeichnet. Am 2.
war der Abfahrtsbefehl erlassen, Arbeitsmannschaften zum Landungsplatz entsendet und
am 3. morgens 3 h 48 erfolgte der Aufstieg in Moisson. In der Gondel war der vom
Kriegsminister beorderte Kapitän Vover, der Führer Juchm^s und Mechaniker Rey. Der
Ballast betrug 400 Kilo. Die Entfernung beider Orte beträgt in Luftlinie 95 km. Sie
wurde außer einer kleinen Biegung beim Walde von Montmorency in fast gerader
Richtung in 2 Stunden 35 Minuten zurückgelegt, und um fi h 20 erfolgte die Landung
genau am bezeichneten Punkt, wo M. Pierre Lebaudy mit Ingenieur Julliot den Ballon
erwarteten. Während der Fahrt wehte leichter Südwind. Der Lenkbare wairde verankert
und erwartete unter Bewachung neue Marschbefehle von Kommandant Bouttieaux. Die
nächste Fahrt galt einem Versuch, gegen kräftigen Ostwind aufzukommen. Der Ballon
erhob sich, nachdem einige Pilot-Ballons hochgelassen waren, mit Kommandant Bout¬
tieaux, statt Voyer in der Gondel, in Meaux (am 4. Juli um 4 h 38 morgens) mit still¬
stehenden Schrauben, wurde rasch gegen Südwest abgetrieben, machte dann nach Ingang¬
setzung der Schrauben eine Wendung gegen den Wind und erlangte eine Geschwindig¬
keit von 15—20 km per Stunde. Die Landung fand um 6 Uhr morgens bei Sept-Sorts,
nahe La Ferte-sous-Jouarre statt, nachdem einige Wendungen über der Stadt und Um¬
gebung ausgeführt waren. Kapitän Voyer und Ingenieur Julliot trafen am Landungsplatz
mittels Automobil ein, und der Lenkbare wurde wieder verankert. Die zurückgelegte Ent¬
fernung betrug 20 km. Auf diesem Ankerplatz wurde er nachts von einem Gewitter
mit heftigem Regensturm überfallen, erlitt jedoch keine ernstliche Beschädigungen, wie
von den Offizieren des LuftschitTerparks Chalais-Meudon bestätigt wurde. Er hatte hier
zw r ei von Paris entsendete Gaswagen zur Nachfüllung zu erwarten. Nicht so glatt ging
es nach der weiteren Fahrt vom Ankerplatz Sept-Sorts bei La Fert6-sous-Jouarre nach
dem Lager von Chälons ab. Der Ballon flog am 5. Juli 7 h 59 morgens mit gleicher
Gondelbesetzung wie am 3. Juli ab. Die Fahrt (ca. 90 km) vollzog sich gegen «sehr
heftigen* Ost-Wind in Zeit von 3 Stunden 37 Minuten nach Mourmelon. Ankunft 5. Juli
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lll> 30 vormittags. Dieser angewiesene Landungsplatz erweckte bei Ingenieur Julliot
Bedenken wegen vollkommener Deckungslosigkeit bei etwa einfallendem Sturm, worüber
er auch Lebaudy telephonisch Nachricht gab. Bald nachdem der Ballon gegen ein
niederes Nadelgehölz transportiert und dort fest verankert, auch die Bemannung durch
drei Soldaten abgelöst worden war, brach plötzlich ein äußerst heftiger Regensturm mit
Winddrehung los, der trotz versuchter Gegenbewegungen den Ballon von seitwärts faßte
und unter Zerreißung der Verankerung über brechende Telegraphenstangen der Römer¬
straße hinweg gegen die Bäume schlug, so daß die Hülle zerriß und sich entleerte und
die Gondel mit den hilflosen Soldaten zu Boden fiel. Es war gegen l h nachmittags.
Die Leute erlitten leichte Kontusionen. Die Beschädigungen des Ballons erwiesen sich aber
als sehr unbedeutende, indem die Maschinerie nicht gelitten hat und auch an der Hülle nur
einige Teile zu erneuern sind, so daß *die vom Kriegsminister vorgesehenen weiteren
Fahrten bald erfolgen können. Der Ballon Lebaudy hat nun schon über 200 km Weg
zum Zweck derartiger Erprobungen gefahren, und dabei trotz sehr hinderlichen Wetters
seine Fahrten zu bestimmt vorgeschriebenen Tagen und Stunden und mit bestimmten
Landungs- und Zwischenlandungspunkten ausgeführt.
Der hier erwähnte Unfall ist der dritte ähnlicher Art, der ihm während seiner
erfolgreichen Versuche widerfuhr. Im November 1903 von Moisson nach Paris gelangt,
hatte er eine Zwischenlandung im Park von Ghalais gemacht, als ein Windstoß ihn gegen
einen Baum schleuderte, wodurch die Hülle zerrissen und die Maschinerie beschädigt
wurde. Im folgenden Frühjahr hatten die Insassen bei den Vorversuchen den an Bäume
verankerten Ballon verlassen, als dieser unter der Gewalt des Windes die Bäume brach
und allein bis in ein Gehölz nahe bei Evreux flog, aus dessen Geäste er ohne wesent¬
lichen Schaden losgelöst wurde. Auch der jetzt eingetretene Unfall spricht nicht gegen
die im Bau und Ausstattung des Ballons erreichten Erfolge der Herren Juchm£s und
Juillot. Immerhin werden die bisher gemachten Erfahrungen dazu führen, an der vor¬
läufig nur den Versuchszwecken angepaßten Konstruktion einige Einrichtungen anzu¬
bringen. die den Ballon für den praktischen Dienst handlicher machen sollen. Hierher
gehört Trennung des Gerippes und der Maschinerie in einzelne leicht zusammensetzbare
Stücke, deren Größe sich den Bahntransport-Anforderungen anpaßt, ferner die Einschal¬
tung von Ösen, Zapfen und Federhaken pp. in die Aufhängungen der Gondel, um den
von dieser getrennten Langballon nahe am Boden verankern zu können. Die Höhe des
ganz montierten Lenkbaren beträgt 17 m, eine Höhe für die nicht immer Windschutz zu
finden ist. K. N.
Der Aeroklub von Frankreich wird auf den 12.—15. Oktober eine internationale
aeronautische Konferenz berufen, zum Zweck der Gründung eines internationalen Luft-
schifTerverbandes. Das Verhandlungsprogramm entspricht den im Juliheft dieser Zeit¬
schrift von Graf de la Vaulx gemachten Vorschlägen.
Der amerikanische Aeronaut Maloney, der den neulich besprochenen großen Gleit¬
flug mit Montgomerys Flugmaschine ausgeführt hat, hat am 18. Juli bei einem neuen
Versuch das Gleichgewicht mit seinem Apparat verloren und ist aus 1000 m Höhe zu
Tode gestürzt.
<K
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt.
Die Juni-Versammlung des Niederrheinischen Vereins für [Luftschiffahrt fand auf
Wunsch vieler auswärtiger Mitglieder am Samstag, 1. Juli, in den Räumen der Gesell¬
schaft «Union* in Barmen statt. Herr Kommerzienrat Molineus eröffnete die Sitzung,
indem er die trotz der enormen Julihitze sehr zahlreich erschienenen Mitglieder begrüßte
und für das dadurch bewiesene Interesse dankte. Es wurden 21 neu angemeldete
Mitglieder aufgenommen und 10 Anteilscheine ausgelost. Alsdann erhielt Herr Dr.
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Bamler das Wort zu seinem Bericht über das «Remscheider Ballonunglück*.i) Er führte
folgendes aus:
«Seit der Gründung unseres Vereins hat wohl nichts die Gemüter unserer Ver¬
einsmitglieder so tief bewegt wie das Remscheider Ballonunglück. Mit tiefem Bedauern
haben wir von der Katastrophe gehört, und besonders diejenigen unserer verehrten
Mitglieder, die mit unserem «Barmen» eine der vielen herrlichen Fahrten ausgeführt
haben, die er im Laufe seiner nunmehr 26 Monate währenden Lebensdauer geleistet
hat, haben sich sicher vielfach gefragt: «Hätte uns das nicht auch so gehen können?»
— Davon zeugen die zahlreichen Anfragen, die in dieser Angelegenheit an mich gerichtet
worden sind, und da es mir nicht möglich war, alle diese Fragen zu beantworten, so
habe ich mich entschlossen, den Fall vom Standpunkte des Luftschiffers aus in dieser
Versammlung zu besprechen. — «De mortuis nil nisi bene », das ist voll und ganz auch
mein Standpunkt. Es liegt mir vollkommen fern, das Verhalten der Verunglückten
kritisieren zu wollen, aber die Lebensinteressen unseres Vereins erfordern eine unbe¬
dingte Klarstellung der Verhältnisse und den Nachweis, daß sowohl die beiden Herren
wie ihr Ballon auch nicht die geringsten Beziehungen zu uns hatten. Ich werde ledig¬
lich Tatsachen schildern, sollten dieselben in irgend einer Weise nicht stimmen, so sind
meine Quellen daran schuld, ich habe mich aber bemüht, die besten Quellen in dieser
Angelegenheit zu befragen. Sollten Sie ferner einige Härten in meiner Darstellung
bemerken, so liegen diese eben in den Tatsachen und nicht an mir.
Ich möchte Ihnen zunächst in kurzen Zügen schildern, wie wir unsere Ballon¬
führer ausbilden und wie Herr Volmer sich hat ausbilden lassen. Wenn man Ballon¬
führer werden will, muß man einen Ballon zur Verfügung haben und einen Führer, der
die nötigen Unterweisungen gibt. Unser Ballon stammt von August Riedinger in
Augsburg, der altbewährten Firma, und unsere Führer sind Offiziere, die im Luftschiffer-
Bataillon theoretisch und praktisch ausgebildet sind. Über Ballon und Führer brauche
ich kein Wort zu verlieren, ich will nur als Tatsache anführen: Der Ballon hat bisher
70 Fahrten ausgeführt, daß er noch heute so gut wie neu ist, werden Sie aus den
nachher folgenden Fahrtberichten entnehmen, unter denen 3 Nachtfahrten von 10 stän¬
diger Dauer auffallen werden. Bei diesen 70 Fahrten sind mitgefahren 11 Damen und
246 Herren, und infolge der ausgezeichneten Führung sind alle Mitfahrenden wohlbe¬
halten von ihren Luftreisen zurück gekehrt, obwohl zum Teil recht schwierige Verhältnisse
zu überwinden waren^ als da sind: Gewitterfährten, Durchstoßen von Wolkenschichten
bis zu 3000 Meter Mächtigkeit bei der Landung, Windgeschwindigkeiten von über 100
Kilometer pro Stunde im Mittel etc. Die mittlere Dauer aller Fahrten beträgt 5,65
Stunden, die mittlere Länge 160,5 Kilometer. Wir haben bisher im Verein 3 Führer
ausgebildet, jeder der Herren hat 5 Fahrten gemacht, erst bei der sechsten durfte er
selbständig führen. Darf ich Ihnen kurz die Fahrten schildern, die z. B. Herr Rechts¬
anwalt Dr. Niemeyer ausgeführt hat, um Führer zu werden, er ist der erste der von uns
ausgebildeten Führer, der bereits eine Fahrt selbständig geführt hat. Seine erste Fahrt
fand im Februar 1904 statt unter Herrn Oberleutnant v. Klüber. Sie dauerte 5 Stunden
und endigte mit glatter Landung bei Solingen. Zunächst war das Wetter klar, dann
traten Schneewolken auf. Unten war Ostwind, über 2000 Meter Höhe Westwind. In
zweimaliger Zickzacklinie fuhr der Ballon zuerst zum Rhein und dann wieder in ent¬
gegengesetzter Richtung. Also eine sehr komplizierte Fahrt, bei der Höhen über
3000 Meter erreicht wurden. Die zweite Fahrt fand im April unter Hauptmann v.
Abercron statt, dauerte 5 */♦ Stunden und endete bei Winterswyk in Holland, eine klare,
sanfte Frühlingsfahrt. Die dritte Fahrt führte ebenfalls Herr v. Abercron, sie endete
nach 6 V* ständiger Dauer bei Medebach, es herrschte ebenfalls klares Wetter, wobei die
>) Wiewohl dies Unglück schon in der letzten Nummer besprochen worden ist, halten wir doch den
Abdruck der oben stehenden ausführlicheren Auseinandersetzungen den Umständen nach für angemessen.
Die Red.
Illu8tr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 38
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intensive Sonnenwärme den Ballon in große Höhen trieb. Die vierte Fahrt im November
1904 führte Hauptmann v. Rappard in 5 Stunden bis nach Bebra. Der anfangs be¬
wölkte Himmel klärte nachher auf und gestattete so, die Wirkung der Sonne auf den
Leuchtgasballon zu studieren. Nach längerer Schleppfahrt über einem Walde fand die
Landung im Windschatten des letzteren statt. Seine Führerfahrt machte Herr
Niemeyer im März d. Js. unter meiner Leitung. Es war eine fünfstündige Wolkenfahrt,
bei der eine Wolkenschicht von 2200 Metern Mächtigkeit zur Landung durchstoßen
werden mußte, es waren 6 1 /* Sack Ballast nötig, um den Ballon 50 Meter über der
Erde abzufangen. Herr Niemeyer hat bei diesen 5 Fahrten in den verschiedenen
Jahreszeiten und bei sehr verschiedener Witterung Gelegenheit gehabt, das Verhalten
unseres Leuchtgasballons unter den wechselnden Einflüssen eingehend zu studieren, er
ist mit lebhaftem Interesse den Maßnahmen der Führer gefolgt und hat sich über die
tieferen Gründe dieser Maßnahmen unterrichtet, denn es kommt für den Ballonführer
nicht nur darauf an, zu wissen, was er zu tun hat, wenn sich der Ballon so und so
verhält, das kann von Fall zu Fall sehr verschieden sein. Er muß vielmehr wissen,
warum verhält sich der Ballon so und so, er muß bis zum gewissen Grade Physiker
und Meteorologe sein. Einen Schimmer davon hat ja jeder Gebildete von seiner
Schulzeit her, den ergänzt der interessierte Führerkandidat durch das Studium der
Fachliteratur, durch die Vorträge, die im Rahmen unseres Vereins gehalten werden,
durch die Besprechung der ausgeführten Fahrten und vor allen Dingen durch die prak¬
tischen Erfahrungen während der Fahrten selbst. Herr Niemeyer hat auch mehrfach
Gelegenheit gehabt, die Verwendung des Ventils und dessen Wirkung auf den Ballon
kennen zu lernen und ebenso 5mal die Anwendung der Reißbahn. Er hat sich weiterhin
in der Beobachtung der mitgenommenen Instrumente und im Kartenlesen geübt und ist
imstande, auch aus der Höhe Entfernungen richtig abschätzen zu können und das mit
dem Ballon Erreichbare richtig zu beurteilen. So hat er denn am 19. Mai seine erste
Fahrt selbständig geführt und seine 3 Mitfahrenden unter nicht ganz leichten Witte¬
rungsverhältnissen in 5 */* Stunden aus 2500 Meter Höhe zu vollkommen glatter Landung
von Essen nach Lüttich geführt. Damit noch nicht zufrieden, hat er zu seiner weiteren
Ausbildung am 31. Mai unter meiner Führung eine Nachtfahrt ausgeführt, die in 10
Stunden von Godesberg bis Langensalza führte, wobei also eine Strecke von rund
400 Kilometern überflogen wurde. Sie werden mir zugeben, meine Damen und Herren,
einem so ausgebildeten Führer kann man sich ruhig anvertrauen. Nunmehr zu Herrn
Volmer, er hat sich Herrn Paul Wilson an vertraut, damit der ihn zum Ballonführer
ausbilde. Wer ist Herr Wilson? In einer Zeitschrift für Artisten lese ich folgende
Annonce: Miß Elvira und Paul Wilson, die wirklich besten Luitschiffer der Welt mit
ihren 12 neuesten Attraktionen unter dem Ballon ohne Gondel. Preisgekrönt mit
goldenen und silbernen Medaillen. Anfertigung von Ballons, Fallschirmen und Netzen
verschiedener Konstruktionen. So viel ich gehört habe, ist Herr Wilson Gehilfe eines
Seiltänzers gewesen, der sich zur Hebung seines Geschäftes auch einen Ballon anschaffte.
Daher hat er seine Luftschifferkenntnisse! Später hat er sich einen alten Ballon ver¬
schafft und ist selbständiger Luftschiffer geworden. Als solcher hat er dann Miß Elvira
ausgebildet und nun sind sie die besten Luftschiffer der Welt und veranstalten für ein
Spottgeld Konzertfahrten. Man hat mir erzählt, daß sie schon Fahrten für 140 Mk.
übernehmen. Davon sollen sie leben und ihr Ballonmaterial amortisieren, Flurschäden,
Ballontransporte etc. bezahlen. Das ist natürlich nur möglich, wenn es auf Kosten des
Ballonmaterials geschieht, d. h. wenn dieses nichts kostet und durchaus minderwertig
ist. Von welcher Güte es tatsächlich ist, lehrt die Tatsache, daß die Ballons der beiden
Luftschiffer vielfach überhaupt nicht hochgekommen sind, sie ließen bei der Füllung so
viel Gas durch, daß sie keinen Auftrieb mehr hatten. Wenn die beiden Luftschiffer ihre
Knochen solchen verbrauchten Ballons anvertrauen, kann man ihnen das nicht wehren,
es gehörte sich aber nach meiner Ansicht, daß es polizeilich verboten werde, daß sie
Passagiere mitnehmen.
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295 «««
Es hat Berufsluftschiffer gegeben, welche die Lehrmeister von wissenschaftlichen
und militärischen Luftschiffern geworden sind. Warum auch nicht, es gibt in jedem
Stande seif made men, welche das, was andere an theoretischer Bildung besitzen, durch
praktische Erfahrung und scharfe Beobachtung lernen. Es gibt auch heute noch solche
Luftschiffer, deren Namen einen durchaus guten Klang haben, ich erwähne nur Spelterini
und Kätchen Paulus. Ersterer ist bekannt durch seine Alpenfahrten, und letztere ist
dem Deutschen Luftschifferverbande dadurch bekannt, daß sie dem oberrheinischen
Vereine 2 Ballons gebaut hat, die sich tadellos bewährt haben. Aus diesen Angaben
geht schon hervor, daß beide Luftschiffer ausgezeichnetes Ballonmaterial haben müssen
und infolgedessen jedenfalls ihre Auffahrten auch ganz anders bezahlen lassen.
Mit Herrn Wilson und dessen Ballons hat nun Herr Volmer 3 Fahrten unter¬
nommen, die im Mittel je 2 Stunden gedauert haben. Die eine führte von Remscheid
bis Iserlohn (70 Kilometer), die zweite von Barmen bis Hagen (24 Kilometer), die dritte
von Remscheid bis Radevormwald (13 Kilometer). Herr Volmer ist also im ganzen
6 Stunden in der Luft gewesen und hat dabei etwa 107 Kilometer überflogen. Das ist
also zusammen etwa so viel, als wenn er mit unserem Ballon eine Fahrt bei
mäßigem Winde gemacht hätte. Gelernt hätte er bei einer B’ahrt in unserem Ballon
entschieden mehr, denn das wirkliche Beobachten und Führen des Ballons fängt erst an,
wenn der Ballon die Gleichgewichtslage erreicht hat. Die Kürze der drei Fahrten beweist
aber, daß sie wesentlich aus dem Aufstieg, einer Gleichgewichtslage und dem Abstieg
bestanden habtfn. Zum Ventil- und Reißbahnziehen wird er dabei wahrscheinlich über¬
haupt nicht gekommen sein, letzteres deshalb nicht, weil diese Ballons keine Reißbahn
besitzen. Irgend eine erhebliche Windgeschwindigkeit hat er dabei auch nicht erlebt,
denn die Strecke von 107 Kilometern hat unser Ballon schon mehrfach in 1 Stunde
überflogen. Welche theoretischen Unterweisungen er dabei von seinem Führer erhalten
hat, wage ich nicht zu entscheiden, da ich den Herrn nicht kenne. Auf diese Vorbil¬
dung hin hat nun Herr Wilson seinen Schüler als zum Ballonführer befähigt qualifiziert,
denn diese Qualifikation ist unter den Papieren des Toten gefunden worden. Er hat ihm
dann selbst einen Ballon gebaut und mit diesem neuen Ballon hat dann Herr Volmer
seine Todesfahrt unternommen. Wie ich über diese Qualifikation denke und die Be¬
rechtigung des Herrn Wilson, eine solche zu erteilen, brauche ich Ihnen nach den bis¬
herigen Ausführungen nicht mehr zu sagen. Nach meiner Ansicht hat Herr Volmer
diese Fahrt völlig unvorbereitet unternommen. Diese Ansicht muß wohl schließlich
Herr Wilson auch gehabt haben, denn er soll Herrn Volmer nicht haben allein fahren
lassen wollen, sie sollen im Zwist von einander geschieden sein. Die Unfähigkeit
Volmers, die Situation beurteilen zu können, hat dann zu der Katastrophe geführt. Das
Wetter an dem Unglückstage war sehr durchsichtig, die Luftbewegung in den unseren
Schichten schwach, wie ja auch aus den Brieftaubendepeschen hervorgeht. Die letzte
ist abgelassen 3100 Meter über dem Waal im Anblicke der Zuider-See. Von dort sind
es noch etwa 70 Kilometer bis zur See. Ich wäre in dieser Seenähe unter keinen
Umständen in dieser Höhe geblieben, und zwar aus drei Gründen. Die Erfahrung zeigt,
daß die Luftbewegung mit wachsender Höhe meistens ganz erheblich zunimmt, so daß die
Strecke von 70 Kilometern in kurzer Zeit überflogen sein kann. Ausnahmen davon
finden nur bei ganz bestimmten Wetterlagen statt. Dann aber ist zu berücksichtigen,
daß, wenn ich den Ballon aus 3000 Meter Höhe im richtigen Tempo sinken lassen
will, ich etwa */* Stunde dazu brauche. Endlich muß ich in solcher Seenähe jeden
Augenblick auf die Landung gefaßt sein, ich bin aber nicht imstande, mir aus 3000
Meter Höhe mit Sicherheit günstige Landungsplätze aussuchen zu können. Herr Volmer
freut sich in seiner letzten Depesche darüber, daß sein Ballon noch 200 Meter gestiegen
ist, und hofft, noch bis zur See zu kommen. Er kannte also die Gefahr nicht, die ihm
drohte. Zu spät wird er dann Ventil gezogen haben und wahrscheinlich auch nicht
genügend lange, bei einem neuen Ballon muß man manchmal Minuten lang Ventil
ziehen, um ihn zum Sinken zu bringen, wenigstens kommt einem das so lange vor.
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Vielleicht hat er auch die Erfahrung gemacht, die viele von uns schon gemacht haben,
daß der in großer Höhe in praller Sonne hinfliegende Ballon statt auf das Ventilziehen
hin zu sinken noch weiter steigt. Es kommt das daher, daß das Gas infolge der Er¬
wärmung durch die Sonne unter Überdruck ist, es entweicht demnach bei der Öffnung
des Ventils zunächst die Gasmenge, welche den Überdruck veranlaßt, während der
Ballon prall bleibt. Er wird dadurch leichter und steigt infolgedessen, eine Tatsache,
die den Neuling naturgemäß verwirrt. Erst erneutes kräftiges Ventilziehen bringt in
solchen Fällen den Ballon zum Sinken. Die Erkenntnis, daß nur ein beschleunigter
Abstieg sie hoch retten könne, hat Herrn Volmer dann jedenfalls veranlaßt, die Rei߬
bahn zu ziehen und sich darauf zu verlassen, daß der Ballon als Fallschirm wirkt,
daher das Zusammenklappen und schnelle Sinken, das der Haager Beobachter festgestellt
hat. Trotzdem sind die beiden Luftschiffer noch etwa 1 Kilometer weit in die See
getrieben worden und dort unter den Augen der Zuschauer am Strande ertrunken.
Eine Rettung war nicht möglich, da kein Rettungsboot vorhanden war, für ein Seebad
allerdings eine auffallende Tatsache. Herrn Flügel ist es noch gelungen, in das Netz zu
klettern und sich längere Zeit auf dem Ballon über Wasser zu halten, wie deutlich vom
Ufer aus gesehen werden konnte. Herr Volmer war derartig in die Seile zwischen Korb
und Netz verstrickt, daß eine Fischerflottille, die bald darauf aussegelte und den Ballon
auffischte, die Leiche herausschneiden mußte. Korb und Leiche haben die Fischer nach
Scheveningen zurückgeschickt, während sie den Ballon mitgenommen haben.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie überzeugt zu haben, daß unser Verein
mit diesem traurigen Ereignis absolut nichts zu tun hat. Ich hoffe auch, Sie überzeugt
zu haben, daß unsere Mitfahrenden nie derartigen Gefahren ausgesetzt sein werden.
Unser Ballon ist bei Rotterdam gelandet, also fast an derselben Stelle, er ist bei einer
Tag- und bei einer Nachtfahrt bei Bremerhaven gelandet und zwar, wie sich, das für
vorsichtige Luftschiffer gehört, in allen Fällen mehrere Kilometer vor dem Strande.
Daß dieser Unglücksfall unseren Fahrtenbetrieb nicht beeinflußt, kann ich als Vorsitzender
des Fahrtenausschusses am besten beurteilen, wir haben seitdem 5 Fahrten ausgeführt,
und die Zahl der noch angemeldeten Fahrten ist so groß, daß ich gut 2 Ballons be¬
schäftigen könnte. Ich hoffe vielmehr, daß dieser traurige Fall alle vorurteilsfreien
Naturfreunde mehr und mehr davon überzeugen wird, daß sie sich unserem Ballon und
unseren Führern ohne Sorge anvertrauen können, und daß unserem Verein und den
befreundeten Vereinen des Deutschen Luftschifler-Verbandes dadurch noch neue Freunde
zugeführt werden.
Bibliographie und Literaturbericht.
Bücherei des Wiener Flugtechnischen Vereins. (Wien, Verlag des Vereins.)
Ein 35 Seiten umfassendes Heftchen in Groß-Oktav. Gegenwärtig gewiß die voll¬
ständigste flugtechnische Bibliographie. Umfaßt gegen 650 verschiedene Nummern. Als
besonderes Spezifikum des neuen Bücherverzeichnisses verdient hervorgehoben zu werden,
daß die einzelnen Bücher und Schriften nicht bloß fortlaufend in alphabetischer Ordnung
rubriziert sind, sondern auch nach Materien geordnet erscheinen.
Dadurch gewinnt das ganze Verzeichnis wesentlich an Übersichtlichkeit und Brauch¬
barkeit. Weiter sind auch alle selbständigen, teils als Sonderabdrücke, teils in Zeit¬
schriften und Tagesblättern veröffentlichten Arbeiten oder Nachrichten über Geschehnisse
auf aeronautischem und flugtechnischem Gebiete unter einer eigenen Nummer eingereiht,
wobei Arbeiten, die von demselben Autor herrühren, in passender Weise zusammen¬
gestellt sind.
Diese Neuerungen scheinen geeignet, dem neuen Bücherverzeichnis des Wiener
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flugtechnischen Vereins auch einen ehrenvollen Platz in der aeronautischen Biblio¬
graphie zu verschaffen.
Zusammengestellt wurde das Verzeichnis vom Bücherwart des Vereins, Herrn Karl
Milla, der sich durch seine mühevolle und tüchtige Arbeit gewiß höchst schätzens¬
werte Verdienste zunächst um den Wiener Verein, dann aber auch um die Flugtechnik
im allgemeinen erworben hat. R. N.
t. Tschad!, Hauptmann und Lehrer im Luftschiffer-Bataillon, Der Unterricht des Luft¬
schiffers. 365 Seiten mit 50 Abbildungen im Text, 2. Auflage, Berlin 1905. Verlag
R. Eisenschmidt, Berlin.
Mit diesem in allererster Linie für Unteroffiziere und Mannschaften geschriebenen
Instruktionsbuch für unsere Luftschiffertruppen ist zum ersten Male eine Veröffentlichung
in den Buchhandel gekommen, die gestattet, sich in eingehender Weise über unser vor¬
treffliches Luftschiffermaterial zu orientieren. Das werden besonders diejenigen dankbar
begrüßen, welche für Vortragszwecke oder für Examina sich über Wesen und Wirken
unserer Luftschiffer unterrichten wollen, können ihnen doch die anderen Dienstvorschriften,
welche von der Verwendung der Ballons im Kriege handeln, erst völlig verständlich
werden, sobald sie eine Vorstellung über die Eigenheiten dieses Materials sich gebildet
haben. Der Verfasser versteht es ausgezeichnet, kurz und klar zu schreiben. Dabei
hat er durch gute, zumeist nach Photographien gemachte Bilder die Beschreibung
unterstützt. Es sei bemerkt, daß die erste Auflage dem Militär-Dienstgebrauch Vor¬
behalten blieb. Das wirklich praktische Buch kann auch den Luftschiffahrts-Vereinen
bestens empfohlen werden. Q
Aviatik. Wie der Vogel fliegt und der Mensch fliegen wird. Mit 35 Figuren und
Illustrationen. Von Ingenieur Wilhelm Kreß. Ehrenmitglied des Wiener
Flugtechnischen Vereins. Wien 1905. Spielhagen & Schurich. 100 S. Gr. 8°.
Vorliegende Broschüre des weltbekannten Wiener Flugtechnikers W. Kreß ist,
wie der Autor in der Vorrede ausführt, aus einem Artikel herausgewachsen, den er
über den Einfluß und die Wirkung d$s Windes auf frei in der Luft fliegende Körper
zu schreiben beabsichtigte. Infolge einer Krankheit, die ihm für längere Zeit jede
physische Arbeit und Anstrengung verbietet, mußte Kreß seine «Lieblingsarbeiten, das
Bauen von flugtechnischen Apparaten und die praktischen Experimente, für eine unbe¬
stimmte Zeit aufgeben*. «So erweiterte sich denn der erste Artikel zur weiteren Definition
der verschiedenen Flugarten großer Vögel, um dann zur Besprechung des dynamischen
Flugproblems überzugehen und schließlich noch, um über die eigenen seit Jahrzehnten
gemachten flugtechnischen Arbeiten, Leiden und Erfahrungen mein Herz auszuschütten.»
Mehr als */s des Umfanges der Schrift sind der Entwicklungsgeschichte des Kreßschen
Drachenfliegers gewidmet und der Schilderung der mit dem großen Modell angestellten
Versuche. Da wiederholt ausführliche Berichte über den Bau des Kreßschen Drachen¬
fliegers und die praktischen Versuche in den «Illustr. Aeron. Mitt.» veröffentlicht wurden,i)
ist es wohl nicht nötig, auf diesen Teil der Schrift näher einzugehen. Es sei nur daran
erinnert, daß die Versuche mit dem Kreßschen Drachenflieger auf dem Staubecken in
Tullnerbach bei Wien mit dem Untergange und der fast völligen Zerstörung des Apparates
(bis auf den Motor) endigten. Der Drachenflieger verlor bei einer raschen Wendung das
Gleichgewicht und kippte um; dabei füllten sich die beiden Tragboote rasch mit Wasser
und der Apparat sank. Nach langem vergeblichen Suchen wurden die Überreste des
Drachenfliegers als eine unkenntliche Masse von verbogenen Röhren, Drähten und zer¬
rissenen Fetzen auf die Oberfläche geschafft. Der Apparat wurde rekonstruiert und die
Versuche sollten auf dem Neusiedlersee fortgesetzt werden. Infolge mangelnder Geld-
J ) Siehe «Illustr. Aeron. Mitteil.» Jahrgang 1902, S. 43 u. 192.
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mittel konnte dies Vorhaben jedoch nicht ausgeführt werden. Das Rohrgerüste des
zweiten Drachenfliegers soll sich heute im Museum der militär-aeronautischen Anstalt
befinden, wo dasselbe als interessantes Denkmal der Geschichte der Flugtechnik auf¬
bewahrt wird.
Der Autor steht auch in seiner letzten Publikation noch immer auf dem Stand¬
punkte, daß sein Drachenflieger sicher geflogen wäre, wenn der Motor nicht zu schwer
gewesen wäre, wenn das Wasserbecken nicht zu klein gewesen wäre, wenn das Geld
nicht zu knapp gewesen wäre und wenn von einem «sogenannten Flugtechniker, dessen
konfuse flugtechnische Ideen von keinem klarblickenden Flugtechniker ernst genommen
wurden, nicht öfters Flugblätter erschienen wären, in denen der Kreßsche Drachenflieger
oft in beleidigender Weise angegriffen wurde*. Der Autor ist überhaupt schlecht zu
sprechen auf jene Fachgenossen, welche in der Kreßschen Riesen-Drachenfliegerkonstruktion
durchaus nicht das Ideal eines ballonfreien Fliegers sehen. 1)
Da der Autor persönlich ein ungemein liebenswürdiger und sympathischer alter
Herr ist, wird man diese rein persönlichen Ausfälle nicht allzu tragisch nehmen
dürfen und sie dem sanguinischen Temperamente des Herrn Autors zugute rechnen
müssen!
Es sei hier einiges bemerkt, was beim Durchlesen der Broschüre aulTällt. Zunächst
ist es eine ziemliche Flüchtigkeit, die sich durch viele sinnstörende Rechenfehler und
Druckfehler kennzeichnet, letzteres auch bei Eigennamen (Strinzfellow statt Stringfellow,
Gerstel statt Gerstner usw.).
S. 88 steht eine zum Text gar nicht passende Zeichnung; die S. 89 entwickelten
Gleichungen müssen jedem, der mit der Sache nicht wohl vertraut ist, ein Buch mit
sieben Siegeln bleiben. S. 89 wird der cos von 0* gleich 0 gesetzt und in folgender¬
weise multipliziert: D = 179.156.‘/».0,55.0 = 1866 kg (!!) S. 118 steht: «Heute sollen
bereits Motoren zu haben sein, die bloß 4—5 kg per 1 PS wiegen.* S. 66 heißt es,
«... da wir bereits Motoren haben, die nur 5—6 kg per 1 PS wiegen» ... S. 83
wird geschrieben: «Wir wollen . . . unsere Rechnung auf einen Motor basieren,
der 4 kg per 1 PS wiegt und der heute sicher zu haben ist.* Solche Unstimmigkeiten
waren doch wohl besser zu vermeiden. S. 59 lesen wir, der Motor sei viel zu schwer
gewesen, und die «sicheren Hoffnungen» des Erfinders «auf einen endlichen Erfolg» seien
«dadurch zerstört* worden; eine Seite später heißt es: «Das Wasser spritzte vorne hoch
auf und das Schlittenboot war bereits bedeutend aus dem Wasser getaucht. Da erblickte
ich in bedrohlicher Nähe die steinerne Mauer der Wehr ; ich mußte stoppen und rechts
ablenken.* Wieder eine Seite später steht: «. . . . zeigte die letzte Fahrt deutlich, daß
ich auf dem Wasser die nötige Geschwindigkeit erzielen kann .... Ich habe mich bei
der letzten unglücklichen Fahrt vollkommen überzeugen können, daß, wenn ich in
gerader Richtung meine Fahrt hätte fortsetzen und den Motor bis auf eine Leistung
von 30 PS steigern können, dann hätte der Apparat schließlich sicher wie eine Ente
1 ) Auch Referent gehört gleich Chanute u. a. zu jenen Andersgläubigen und hat seiner Überzeugung
wiederholt in einer Reihe von Arbeiten Ausdruck gegeben, noch ehe mit dem Bau des Kreßschen Drachenfliegers
begonnen wurde: dieselbe geht dahin, daß der Entwickelungsprozeß, welcher zur Schaffung eines wirklich flug¬
fähigen Luftvehikels führen wird, nicht über Riesenkonstruktionen von Drachenfliegern ä la Kreß und Maxim
geht, sondern über Lilienthal und seine Schüler, welche auf der Basis des persönlichen Kunstfluges die
Lösung des dynamischen Flugproblems anstreben. Das Grundprinzip der Schule Lilienthals ist: Der
Apparat soll so leicht wie möglich sein, die Tragflächen seien nicht größer, als gerade hinreichend ist, um das
Gewicht eines Menschen bei entsprechend starkem Wind oder bei genügend rascher horizontaler Vorwärts¬
bewegung in der Luft in Schwebe zu halten. Nach welchem System der Apparat gebaut ist, ob Drachen-,
Schwingen-, Schrauben- oder X-Flieger, ob er durch Motorkraft oder die Eigenkraft des Fliegers angetriebeu
w T ird, ist gleichgültig.
Der Autor nennt seine Kritiker und alle jene, welche an die Flugfähigkeit seines Drachenfliegers
nicht wie an ein Dogma glauben, «unfähige und verstockte Gegner*, er sieht in ihnen stets nur neidische
und eifersüchtige «Rivalen», die «nach dem ersten scheinbaren Mißerfolge — der nur ein Unfall war —*
diesen «Unfall» «sofort dazu benützten, jetzt mit dem größten Eifer und mit Schadenfreude» gegen ihn
«zu agitieren*.
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das Wasser verlassen müssen.» — Vergleicht man die drei zitierten Sätze, so findet man,
daß dieselben einander vollständig widersprechen.
Es sei nun noch auf einige Punkte hingewiesen, die in einem Buche von Kreß
wohl nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Im Kapitel über die Kaptivschraube wird behauptet, die Kreß sehen Luftschrauben
hätten im geschlossenen Raum einen Auftrieb von 25 kg per PS und in freier Luft über
35 kg per 1 PS ergeben, «ein Nutzeffekt, der bis dahin von keiner Luftschraube er¬
reicht wurde». Das ist unrichtig und irreführend! Es entspricht nämlich nicht den
Tatsachen, daß die angegebenen Ziffern Ergebnisse von wirklichen «Messungen» sind.
Die Zahlen, welche Herr Kreß für den Auftrieb per Pferdekraft Motorarbeit angibt,
wurden nicht unmittelbar gemessen, sondern errechnet und zwar auf Grund keines¬
wegs einwandfreier Annahmen; dies erhellt schon deutlich daraus, daß der Motor, wie aus¬
drücklich angegeben wird, bloß 7* bis 7 3 Pferdekraft zu leisten vermochte. Der wirk¬
lich gemessene Aultrieb wurde demnach einfach auf 1 PS .reduziert. Man darf deshalb
die von Herrn Kreß gegebenen Zahlenwerte durchaus nicht als unumstößlich sicher
stehende Daten hinnehmen, sondern dieselben sind vielmehr recht problematisch und
bedürfen erst der Kontrolle durch die Erfahrung. Aus diesem Grunde sind auch alle
Seite 90 u. IT. angestellten Berechnungen bloße Scheinrechnungen; sie basieren näm¬
lich auf der Annahme, daß der «Nutzeffekt» der in Anwendung kommenden Luftschrauben
gleich 50°/o sei bezw. daß der Schrauben-Auftrieb 37,5 kg per 1 PS betrage. Es ist
freilich nicht unmöglich, daß eine Luftschraube bei zweckmäßiger Konstruktion per
1 PS einen Auftrieb von 37,5 kg und mehr ergibt; es bleibt aber erst noch zu be¬
weisen, daß die Kreß sehen Schrauben dies zu leisten vermögen.
Seite 31 schreibt Herr Kreß: «Es ist gar kein Zweifel, daß man mit den
heutigen technischen Mitteln einen großen mechanischen Ruderflieger bauen kann, welcher
mit verhältnismäßig geringer motorischer Kraft (2—3 PS) einen Menschen frei durch die
Luft tragen könnte.» Wenn diese Äußerung ernst zu nehmen ist, dann muß man es gewiß
recht unverständlich finden, warum Herr Kreß nicht lieber gleich einen 2—3-pferdigen
Ruderflieger gebaut hat statt des 600 kg (bezw. 850 kg) schweren Drachenfliegers, der
einen Motor von 20 (bezw. 30) PS erforderte. Sicher ist, daß mit dem kleinen Ruder¬
flieger wesentlich mehr zu erzielen gewesen wäre als mit dem Riesendrachenflieger.
Um dasselbe Geld, das der große Drachenflieger verschlungen hat, hätte man wohl ein
Dutzend kleiner Ruderflieger oder kleiner Drachenflieger zum Tragen bloß eines Menschen
bauen und praktisch erproben können.
Das Kreßsche Buch, dessen Erscheinen namentlich von der Wiener Flugtechniker-
Gemeinde mit einiger Spannung erwartet wurde, brachte wohl nicht bloß den «Anders¬
gläubigen», sondern auch den Freunden des Herrn Erfinders eine gewisse Enttäuschung.
Die Förderer des Kreßschen Drachenfliegers, namentlich die Herren Mitglieder des «Kreß-
Komitees», mögen überrascht gewesen sein, den Dank für ihre Opferwilligkeit und Mühe mit
folgenden Worten quittiert zu erhalten: «Das sogenannte Kreß-Komitee hatte nur etwas
über die Hälfte des präliminierten Fonds (20 (XX) Kr.) für den Bau des Drachenfliegers
aufbringen können, welcher nun verbraucht war.» Wer weiß, daß das Kreß-Komitee
teils direkt, teils durch seine kräftige moralische Unterstützung es dem Herrn Autor er¬
möglichte, rund 80000 Kronen für die Durchführung seiner Versuche mit einem großen
Drachenflieger aufzubringen, dem mag die immer wiederkehrende Klage des Herrn Er¬
finders wegen mangelnder finanzieller Förderung seiner Arbeiten vielleicht doch nicht
recht motiviert erscheinen.
Es lag nahe, anzunehmen, daß Herr Kreß nach den traurigen Erfahrungen, welche
er mit seinem ersten Riesen-Drachenflieger machte, von dieser Idee, gleich eine Flug¬
maschine in so kolossalen Dimensionen zu bauen, abgehen werde, um auf dem Wege,
den Lilienthal und Chanute und deren Schüler eingeschlagen haben, weiter zu bauen.
Weit gefehlt! Im Kapitel «Der Drachenflieger der Zukunft» bringt Herr Kreß ein
neues Projekt eines Drachenfliegers für 5 Personen. Angetrieben durch einen Motor
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von 100 (schreibe hundert) Pferdekräften, soll der neue Apparat 1850 kg wiegen und mit
6 Tragflächen von zusammen 174 m 2 Inhalt und 4 Propulsionsschrauben, die zeitweilig
auch auf Hub beansprucht werden können, ausgerüstet werden. Referent findet es recht
bedauerlich, daß auf derlei phantastische Projekte, deren Realisierung in absehbarer Zu¬
kunft völlig ausgeschlossen erscheint, nutzlos Zeit und Arbeit verschwendet wird. Die
theoretische Möglichkeit einer ballonfreien Flugmaschine von 1800 und mehr Kilogramm
Gewicht soll nicht in Abrede gestellt werden. Theoretisch ist ja das Flugproblem gelöst,
seitdem wir wissen, daß das Fliegen nicht auf irgend einer mystischen «Flugkraft* basiert
und wir für gewisse Fälle sogar schon die Motorarbeit berechnen können, die znm
Fliegen notwendig ist. Bei der praktischen Ausführung eines ballonfreien Fliegers kommen
jedoch so viele Komponenten in Betracht, d. h. Umstände, welche auf die resultierende
Flugfähigkeit von Einfluß sind, daß es bloß eine außerordentliche Erschwerung der ge¬
stellten Aufgabe bedeutet, wenn man gleich den Bau von Riesenflugmaschinen ä la Kreß
von 100 Pferdekräften anstrebt. Dadurch werden die Chancen eines Erfolges a priori
sehr wesentlich vermindert, ganz abgesehen von den Riesensummen, welche der Bau und
die Erprobung eines so kolossal großen FlugschifTes (100 PS, 1850 kg) erfordern würde.
Aus allen diesen Gründen kann Referent in dem neuen vom Herrn Autor aufgestellten
Drachenfliegerprojekt keinen Fortschritt sehen, er betrachtet denselben viel mehr ent¬
schieden als Rückschritt gegenüber dem ersten Kreßschen Drachenflieger. Nimführ.
Personalia.
Bertrand, Lieutenant colonel in der section t£chnique du g£nie zum Directeur du
laboratoire des recherches bezüglich Militär-Luftschiffahrt ernannt.
Hirschauer, Kommandant des LuftschifTer-Bataillons zum lieutenant-colonel befördert
und am 24. 6. für das 3. Genie-Rgt. als Chef de bataillon ernannt.
Aron am 24. 6. für das 1. Genie-Rgt. (sapeurs-aerostiers) als Chef de bataillon
ernannt.
Berichtigung.
Nach einer Mitteilung von Herrn L. Rotch ist die von ihm gefundene Minimal¬
temperatur von —85 °C. auf Grund einer Nachprüfung auf —80° zu reduzieren. (Siehe
Maiheft d. Js.)
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Oie Redaktion.
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. -Mi Oktober 1905. sw- 10. Heft.
sg, -K S«. 'J*- ■*.■**->*.-*v »a» '•t.«. «t 4» **v 4 * ia- a* 4»
Aeronautik.
Japanische Militftrluftschiffahrt während der Belagerung
von Port-Arthur.
Von C. T. (w.
Im Aprilheft 1903 der Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen hatte
Herr Major Moedebeck einen längeren Aufsatz gebracht: «Die Luftschiff-
Japanisoher Fesselballon vor Port-Arthur.
(Abbildung aus der Zeitschrift Gunkoku Gaho.)
fahrt in Japan». Ich hätte gerne meinen hiesigen Aufenthalt dazu benutzt,
um diesen Artikel zu ergänzen, sowie um über die Organisation der japa¬
nischen Militärluftschiffahrt und über ihre Verwendung im japanisch-russi¬
schen Kriege näheres zu erfahren. Ich stieß aber bei meinen Anfragen in
den maßgebenden Kreisen japanischer Offiziere auf Stillschweigen, was durch
die große Scheu der Offiziere, Fremden* Mitteilungen über ihr Heerwesen
während des Krieges zu machen, leicht erklärlich ist. Um so dankbarer
bin ich dem königlich bayrischen Leutnant Grafen Eberhard v. Wolffskeel,
der die Belagerung und Einnahme von Port-Arthur bei der japanischen Armee
mitgemacht hat, für die Überlassung seiner Notizen. Wenn auch mein
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 39
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Gewährsmann in aeronautischen Fragen nicht Fachmann ist, sich dadurch
eine Menge Lücken in der Berichterstattung erklären, so sind doch seine
Beobachtungen von Interesse, besonders da über die Verwendung des
Ballons bei dem langen und schwierigen Festungskrieg vor Port-Arthur bis
jetzt noch wenig bekannt geworden ist.
Die LuftschilTerabteilung der japanischen Belagerungsarmee vor Port-
Arthur war eine selbständige Abteilung von etwa 60 Mann unter dem
Kommando eines Stabsoffiziers. Sie stand unter dem direkten Befehl des
Oberkommandos. Die Abteilung führte zwei Fesselballons von je 440 cbm
Inhalt mit sieh, beide Ballons gleichen Modells.
Der Ballon ist, wie aus der beigefügten Photographie ersichtlich, in
seiner Konstruktion ähnlich der von Major Moedebeck in Figur 8 und 9
des angezogenen Artikels gegebenen Abbildungen, doch fehlen an der vor
Port-Arthur verwendeten Konstruktion die früher zur Stabilisierung seitlich
angebracht gewesenen, mit Schnüren gefesselten Flügel. Der Ballon ist aus
sehr leichter japanischer Rohseide gefertigt und durch einen ziemlich un¬
empfindlichen Kautschukfirnis gedichtet. Der ganze Ballon mit Zubehör
wiegt rund 100 Kilo.
Die Haltetaue, in welche das Drahtseil greift, sind am vorderen Teil .
des Ballons angebracht, in einem Winkel von ca. 30—35 Grad. Der zwei
Mann fassende Korb mit einer Bordhöhe von ca. 1,30 Meter ist an einem
über den oberen Teil des Ballons gehenden Netze befestigt. Die Enden
des Netzes sind an einem starken, um den Aequator laufenden Gurt ver¬
näht, von dem auch die Korbtaue ausgehen.
An Ballast wurden 2—3 Sack zu 10—12 Kilo mitgeführt.
Um den Ballon gegen die durch den Wind hervorgebrachten Schwan¬
kungen stabiler zu machen, befindet sich unter dem hinteren Ende, bis
zur Mitte laufend, ein dreieckiges Segel (auf dem Bilde noch zusammen¬
gerollt) sowie ein dreieckiger Windsack. Auffallend stark sollen die Taue
sein, die zum Korb führen.
Das Drahtseil aus Stahl, 1000 Meter lang von l 1 /* Centimeter Durch¬
messer, an dem auch die Telephonleitung läuft, ist auf einer Handwinde auf¬
gerollt. Der Ballon stieg aber nie höher als 600 Meter. Bei der Handwinde
befand sich ein Messer für die Zugkraft.
Zur Füllung wurde ein fahrbarer Wasserstoffgaserzeuger verwendet, in
dem aus Zink und Schwefelsäure das Gas bereitet wurde. Nahtlose Gas¬
behälter, zur Mitführung von komprimiertem Wasserstoff, wie sie in Deutsch¬
land verwendet werden, sind in der Herstellung begriffen, waren aber bei
Ausbruch des Krieges in nicht genügender Anzahl vorhanden, um das nötige
Gas mitzuführen. Durch eine Handpumpe wurde das Gas aus dem Erzeuger
in den Ballon geleitet. Da der Ballon seinen Standort nur wenig veränderte,
fand auf gleiche Weise auch die Nachfüllungen statt. Bei der Mitteilung,
daß eine Nachfüllung nur etwa alle 14 Tage vorgenommen wurde, erscheint
mir der Zeitpunkt zu hoch gegriffen zu sein, da ich mir nicht denken kann,
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303
daß ein gefirnißter Ballon eine solche Dichtigkeit besitzt, um diesen langen
Zeitraum ohne wesentlichen Gasverlust zu überdauern.
Außer den Fesselballons führte die Abteilung drei kleinere wurstförmige
Ballons zu je 40 cbm mit sich, welche als Gasbehälter dienten. Diese waren
aus gleichem Material hergestellt wie die Fesselballons.
Zur Beförderung des gesamten Ballonparks wurden keine besonderen
Wagen verwendet, alles Nötige war auf 80 gewöhnlichen, einspännigen,
zweirädrigen Karren verpackt.
Der Nutzen, den die Fesselballonaufstiege vor Port-Arthur der Beobach¬
tung gebracht haben, soll sehr gering gewesen sein. Der Ballon kam nie
näher heran als bis auf 8000 Meter, er konnte auf diese Entfernung nur
Graf v. Wolffskeel photogr.
Nachdruck verboten.
Japanischer Fesselballon kurz vor dem Aufstieg bei Port-Arthur.
Bewegungen der Flotte melden. Vorgänge in der Festung konnten nur
wenige festgestellt werden, aber auch diese litten an Klarheit. Es scheint,
daß auch in der Ausbildung der Beobachter nicht richtig verfahren worden
ist, dazu kam noch, daß man von den verschiedenen Hügeln im Terrain,
näher am Feinde heran, genauer beobachten konnte, als von dem immerhin
sehr stark schwankenden Ballon.
Somit hat der Ballon als Beobachtungsstand in diesem neuesten
Festungskrieg wenig Nutzen gebracht, was wohl an den Mängeln des Mate¬
rials und an der Ausbildung geeigneter Beobachter gelegen haben wird. Ob
sich die japanische Armee nach diesen Erfahrungen dazu entschließen wird,
ihre eigene Konstruktion zu verlassen und sich zu dem erprobten Drachen¬
ballon System Parseval-Siegsfeld bekehren wird, wird wohl erst die Zeit
nach dem Kriege lehren.
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Lustige und traurige Episoden aus den ersten Zeiten
der Luftschiff-Ära 1784.
II. Das Jahr 1784.
Nach authentischen Berichten gesammelt von Max Leher-Augsburg, Bahnhofstr.
Es ist als erfreuliche Tatsache zu betrachten, daß mit Beginn des
Jahres 1784 eine Dame in den Vordergrund tritt, um mit der neuen Er¬
findung einen wohlgelungenen Versuch anzustellen. Man berichtet hierüber:
«Damit die Ehre, Luftkugeln zu verfertigen, dem männlichen Geschlechte
allein nicht länger Vorbehalten sein möchte, ließ man am 1. Januar 1784
Mme. de Charriere zu Lausanne eine Luftkugel aus Seidenpapier, im Durch¬
messer von 9 Schuh, mit erwünschtem Erfolg steigen.» — Überhaupt geben
die Damen im Laufe des Jahres die beobachtende Stellung auf; zwar ver¬
suchen sie es zuerst mit kurzen harmlosen Auffahrten im Fesselballon, bis
am 5. Juni eine Lyonerin, Mme. Tible, die erste Freifahrt wagte und un¬
geheuren Beifall erntete.
Im Monat Januar wußte man von den Luftmaschinen aus Paris nichts
zu berichten; «die kalte Witterung erlaubte nicht, die oberen, noch kälteren
Luftgegenden zu besuchen;» allein desto tätiger arbeitete man an der Ver¬
besserung und Vervollkommnung der Erfindung. In 5—(3 Wochen sollte
eine ungeheure Luftkugel fertig werden, die 10 oder noch mehr Personen
tragen könnte. Um ihr eine bestimmte Richtung zu geben und sogar gegen
konträren Wind zu segeln, wollte man der Schiffahrt das Lavieren und
andere Kunstgriffe abzugewinnen suchen. Inzwischen traf man in Lyon alle
Vorbereitungen zur Luftreise mit einer gewaltigen Montgolfiere von 100 Schuh
im Durchmesser. 150 Mann arbeiteten unter Leitung des älteren Montgolfier
und Pilatres de Rozier an dieser Maschine, welche die Form eines abge¬
stumpften Kegels bekam. Außer 6 Passagieren sollte sie noch eine Last
von 50 Zentnern tragen. Die Galerie hatte (56' im'Umfang und 4' in der
Breite. Der Naturforscher Saussure brachte aus Genf zwei Hygrometer seiner
Erfindung. «Zwei fremde Prinzen», so heißt es im Bericht, «darunter der
Prinz von Ligne (1735—1814), befinden sich wegen dieser Maschine hier
und helfen wie gemeine Arbeiter in Kitteln mit. H. de Rozier ist einstimmig
zum Kapitän ernannt worden, obschon er diese Ehre Montgolfier überlassen
zu müssen glaubte; doch dieser lehnte ab. Rozier nahm endlich an und
machte sich anheischig, dre Ehre der Flagge gewiß nicht sinken zu lassen.»
Aber die Fahrt ging nicht so glücklich von statten, als man erwartete.
Die Luftschiffer, welche innerhalb ö Stunden in Paris einzutreffen hofften,
hatten sich am 19. Januar, trotz Abratens Roziers, auf die Galerie des
Ballons begeben, zur Vorsorge mit allerhand Mundvorräten reichlich ver¬
sehen. Um l h mittags wurden alle Stricke abgeschnitten, alsdann schwang
sich das Luftungeheuer bis zu 400 Klafter in die Höhe. Aber zum Unglück
zerplatzte dasselbe und bekam von allen Seiten Risse, worauf die Luftschiffer
schneller herunter kamen, als es ihnen lieb war. Ihr Sturz hatte jedoch
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keine unangenehmen Folgen. Nur Montgolfier ward etwas am Bein verletzt
und der Fürst von Ligne verfiel angesichts des vermeintlichen Todes in
Ohnmacht. — Die Bewohner von Lyon waren wegen dieses Mißerfolges auf
Montgolfier und Rozier nicht gut zu sprechen und diese ihrerseits gerieten
in so heftigen Streit, daß sie Pistolen miteinander wechseln wollten.
'Eine höchst zweifelhafte Nachricht kam um diese Zeit aus Avignon.
Ein Herr Depres sei daselbst am 29. November 1783 mit einem Luftball aufs
schönste in die Höhe gegangen, aber weder am Abend, noch am folgenden
Tag wieder gekommen, worüber seine Freunde arg bestürzt waren. Endlich
am Weihnachtstage traf er wieder mit seiner Maschine in seiner Vaterstadt
ein und wies Zeugnisse über Zeugnisse auf, daß er in Peking, in China
gewesen, woselbst alles über sein unverhofftes EintrefTen in Staunen geraten
sei. Er bewerkstelligte seine Reise auf folgende Weise : Ganz über den
Dunstkreis, welcher unsere Erde umgibt, erhaben, verstand er es, seinen
Ballon unbeweglich zu erhalten, bis nach seiner Berechnung, vermöge der
Drehung der Erde, das Chinesenreich unter seinen Füßen zu liegen kam.
Hierauf ließ er sich schnell nieder und fand, daß er es genau so getroffen
habe, wie er wollte. Gerade so machte er es auch mit der Rückreise.
«Wir geben unsern Lesern», so fügt der Berichterstatter hinzu, «dieses Luft¬
märchen zum besten, da wir es ihnen nicht vorenthalten zu dürfen glaubten».
Wir verlassen nun auf einige Wochen Frankreich, um uns nach
Deutschland und zunächst ins Schwabenland zu verfügen. Den Schwaben
gebührt ja der Ruhm, sich als die ersten an die neue Erfindung heran¬
gewagt und dieselbe in erfolgreichen Versuchen verwertet zu haben. Ein
solcher Luftkünstler war Pater Walricus Sc hi egg, 1 ) Professor der Philosophie
im kaiserl. Reichsstift Ottobeuren bei Memmingen. Man schreibt hierüber:
«Zur Ehre Schwabens ließ P. Walricus Schiegg am 22. Januar eine Luft¬
kugel von 100 Würfelschuhen emporsteigen, nachdem er schon am 9. August
vorher einen sehr glücklichen Versuch mit einer kleineren gemacht hatte.
Der war aus Papier gemacht, hatte 14' in der Höhe und 12' im Durch¬
messer und stieg nach empfangener brennbarer Luft so schnell in die Höhe,
daß sie schon nach 4 Minuten im Gewölke und außer aller Augen gewesen.
Dieser Erfolg hat in der Tat die Erwartung aller zahlreich Anwesenden weit
übertroffen und das richtige Zeugnis von der großen Geschicklichkeit des
hochwürdigen Herrn Verfertigers abgelegt. Die Luftkugel kam nach einer
halben Stunde unweit des Reichsstiftes wieder herunter.» — Im Laufe des
Jahres, am 16. Mai, ließ Schiegg einen noch größeren Ballon zum allgemeinen
Vergnügen der Bewohner von Ottobeuren und Umgebung steigen. Derselbe,
») Schiegg, Ulrich, geh. am 3. Mai 1752 zu Goldbach an der Fils bei Wiesensteig (damals noch
bairisch), f am 4. Mai 1810 zu München als Rat der K. Steuerkatasterkommission daselbst, um welche er sich
teils durch seine genauen geodätisch-astronomischen Bestimmungen für die Landesvermessung, teils durch
vorzügliche wirtschaftliche Arbeiten für die Einwertung der Grundstücke nach ihrer natürlichen Bodengüte
(Bonitierung und Klassifikation) große Verdienste erworben hat. Er trat 1771 im Reichsstift Ottobeuren als
Religiöse des Benediktinerordens ein und verließ dasselbe 1803 nach erfolgter Säkularisation.
. Vide: Bauernfeind, Allgemeine Deutsche Biographie, 31. Band.
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306 €44«
mit einer von Schiegg verfaßten lateinischen, chronologischen Inschrift ver¬
sehen, fiel 3 Meilen von Ottobeuren in dem reichsgräflich Truchseß'schen
Gebiete nieder und wurde vom Grafen mit einem Glückwunsch und dem
Anerbieten des Bürgerrechts von Wurzach an seinen Absender zurück¬
geschickt. Dieses bald darauf urkundlich verbriefte Recht verschenkte
Schiegg mit des Grafen Tuchseß Genehmigung an einen unbemittelten Ein¬
wohner des Ortes.
Ein Brief aus Stiftkempten de dato 27. Januar meldet, daß am 26. August
nachmittags Punkt 3 h daselbst ein Luftball (der 2. in Schwaben) bei heller
und stiller Witterung in die Höhe gelassen wurde. «Er erhob sich majestätisch,
nahm seinen Flug gen Morgen, verlor sich nach 13 Minuten ganz aus den Augen
der Zuschauer und wurde 2 Minuten von hier wieder gefunden. Er hatte
9 Schuh im Durchmesser und 12 in der Höhe. Die Menge der anwesenden
Zuschauer aus allen Ständen war sehr groß und auf allen Gesichtern das
lebhafteste Vergnügen sehr deutlich zu lesen. Ruhm und Ehre dem würdigen
Gelehrten, der uns am Fuße der Alpen dieses festliche Schauspiel schuf.
Der Verfertiger dieser Maschine war Se. Hochwürden und Gnaden Romanus
Freiherr von Schönau, des Hochstifts Kempten Kapitularis, ein Herr, der die
Hauptfächer der Mathematik schon lange zu seinem Lieblingsstudium gemacht
und sich in diesen Wissenschaften die reichsten Kenntnisse erworben hat.* —
In der Reichsstadt Augsburg produzierten sich am 19. Februar um3 h
nachmittags die Gebrüder Bader aus Ottobeuren auf dem Frohnhof mit
einer Luftkugel von 11 Schuh in der Höhe und 10 im Durchschnitt, aus
starkem Papier mit grün-roten Streifen, den Augsburger Stadtfarben. Sie
erhob sich majestätisch und ziemlich gerade, nahm hierauf ihren Flug über
die Stadt und wurde bei den sogenannten «Sieben Tischen* gefunden. In
Immenstadt im Allgäu wurde am 25. Februar ein gleichfalls gelungener
Versuch gemacht. Zwei junge Herren, Johann Fink, ein geschickter Uhr¬
macher, und Joh. Georg Kennerknecht, «ein braver Tonkünstler», beide aus
deiyi Reichsgräflich Königseggschen Dorfe Kirchdorf gebürtig, erhielten die
Erlaubnis, auf dem geräumigen Marktplatze, in Gegenwart der Reichsgräf¬
lichen Herrschaften, einen Versuch mit einer Luftkugel von 15' in der Höhe
und 12' im Durchmesser und mit dem Königseggschen Wappen geziert
machen zu dürfen. Die Füllung war ein Mittelding zwischen brennbarer
und verdünnter Luft. (?) Bei ihrem Flug über die Iller sank sie bis auf
12 Klafter herab, erhob sich aber dann mit neuer Schwungkraft zu einer
erstaunlichen Höhe.
Die Nürnberger fingen nunmehr an, mit kleinen Luftkugeln von 1 bis
2 Schuh im Durchmesser einen schwunghaften Handel zu betreiben. Das
Dutzend kostete 18 fl., dazu kam eine gedruckte Gratisanweisung, «wie solche
mit leichter Mühe mit Gas ausgefüllt, zum Steigen gebracht werden
könnten».
Auch die Regensburger ließen um diese Zeit von sich hören. «Bereits
am 6. Februar», so berichtet man, «hatte Herr Landier, der allhier am
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Hochfürstlich Turn und Taxis’schen Hofe die Edelknaben in der Geometrie
und französischen Sprache unterrichtet, die Gnade, in Gegenwart des Fürsten
einen Luftball steigen lassen zu dürfen, dessen komisches Schicksal ange¬
meldet zu werden verdient. Er war aus Goldschlägerhäutchen, sphärisch
gestaltet, mit einem Durchmesser von IV2 Schuh und mit brennbarer Luft
gefüllt. Schlag 3 h flog er vom Palais ab und ließ sich ungefähr 15 Minuten
später, vom Ostwind geführt, zu Bilhofen, 3 starke Stunde von Regensburg,
nieder. Einige Bauernbuben, die ihn kommen sahen, wollten ihn aufheben,
aber er entwitschte ihnen sehr bald, da er seine vorige Leichtigkeit noch
nicht verloren hatte. In einer kleinen Entfernung ließ er sich abermals
nieder, schwang sich wieder empor und jagte den Buben, die etwas Lebendiges
darin vermuteten, keinen geringen Schrecken ein. Sie liefen heim, brachten
aber ihre mit Heugabeln bewaffneten Väter mit, welche sich aber zu einer
Attacke nicht eher entschlossen, als bis der Ball unbeweglich liegen blieb.
Nun bekamen sie Courage und zerfetzten den Ballon aufs jämmerlichste.
In der nahe gelegenen Propstei Bilhofen wurde ihnen begreiflich gemacht,
was sie angerichtet. Sie brachten hierauf den zerrissenen Ballon dem Eigen¬
tümer nach Regensburg, all wo sie ihren ausgestandenen Schrecken aufs
umständlichste erzählten.»
In Mannheim ließ am 13. Februar Herr Professor Hemmer eine Mont-
golfiere von 524 Kubikschuh angesichts vieler hoher Standespersonen im
dortigen Schloßgarten mit großem Erfolg steigen. Dieselbe erhob sich über
den Schloßturm weit empor, sank nach einiger Zeit wieder sanft herunter
und blieb auf den Asten eines Baumes im besagten Garten unbeschädigt
bequem sitzen.
In der württembergischen Landeshauptstadt, in Stuttgart, brachten am
11. Februar Herr Kirchenrat von Hoehstetter und Herr Hauptmann Rösch
eine Montgolfiere auf dem Akademiehof zum Steigen. «Sie hatte eine pyra-
midalische Form. Auf der Vorderseite war in durchsichtiger Malerei der
herzogliche Name, von Genien nach dem Himmel getragen, angebracht, und
zwar sah man hier den Nordpol abgebildet, als sinnige Anspielung auf die
Gegend, wo sich Se. Herzogliche Durchlaucht gegenwärtig befanden.»
Am 24. Februar feierte Friedrich der Große seinen Geburtstag. Zur
würdigen Begehung dieses Freudentages ließ der berühmte Apotheker Klaproth 1 )
in Berlin, auf dem Köpenickerfelde, hinter dem Garten des Hofbuchdruckers
Decker, einen mit brennbarer Luft gefüllten Ballon von 3 1 /«' im Durchschnitt
steigen. Aus Goldschlägerhäutchen zusammengesetzt, enthielt die in vier
Felder von weißem Atlas geteilte Peripherie Embleme und Inschriften, welche
auf diesen Tag anspielten. Nach einem mit «Knalluft» gegebenen Signal
wurde der Ballon losgeschnitten und hob sich unter allgemeinem Beifall
*) Klaproth Martin Heinrich, berühmter Chemiker, geh. 1. Dezember 1743 zu Werningerode, gest. zu
Berlin 1817. Bei Gründung der Berliner Universität erhielt er den Lehrstuhl für Chemie. 1782 wurde er
^Mitglied des Sanitätskollegiums, 1787 Mitglied der Akademie der Künste und 1788 Mitglied der Akademie der
Wissenschaften. Er entdeckte das Uran, die Zirkon- u. Strontianerde, das Cer, Titan und Tellur.
Vide: Poggendorf, Handwörterbuch I, 1206.
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308
der Anwesenden anfangs langsam, bald aber mit schnellerem Fluge, nahm
mit westlichem Winde seinen Weg über die Stralauer Vorstadt, bis er nach
3 Minuten dem besten Auge nicht mehr sichtbar in den Wolken verschwand.
«Mit ihm stiegen die feurigsten Wünsche einer Anzahl patriotisch gesinnter
Zuschauer für das teure Leben des großen Königs zum Himmel empor.» —
Auch in Rußland wurde um diese Zeit das Verlangen rege, die neue
Erfindung kennen zu lernen, indem ein Großfürst dem russischen Gesandten
in Paris, dem Fürsten Baratinskv, den Auftrag gab, «ihm einen Luftball von
einiger Größe zu schicken». Da dieser sonderbare Befehl nicht gut aus¬
geführt werden konnte, so bewog der Gesandte den Bruder Charles, nach
Petersburg zu reisen, um daselbst aerostatische Versuche vorzunehmen.
In der Stadt Lemberg in Galizien interessierte sich der Gelehrte Mönch
Josef Ignaz Martinovics (geboren zu Pest — Geburtsjahr unbekannt, ent¬
hauptet zu Ofen am 20. Mai 1795) für den neuen Sport. Der <Fantasten-
und Ketzer-Almanach» nennt ihn einen um das Jahr 1779 aus seinem Kloster
von St. Paul zu Lepoglave in Kroatien verstoßenen und seitdem herum¬
irrenden Mönch, der sich mit seinem schwärmerischen Geist, auf was immer
für eine Art, einen Namen machen wollte. Als Kaiser Joseph II. die
Reformen im Klosterwesen im Kaiserstaat durchführte, widmete sich Martinovics
dem Lehramt und wurde von seinen Obern nach Lemberg geschickt, um
an der dortigen Hochschule Physik vorzutragen. Zur Zeit seines Aufenthalts
daselbst verband er sich mit dem polnischen Hofrat und Besitzer des medi¬
zinischen Kollegiums, Hermann, zur Verfertigung einer Luftmaschine von
50' im Durchmesser, die fähig sein sollte, 2 Personen zu tragen. Ob das
Projekt zur Ausführung kam, ist uns nicht verbürgt. — Kaiser Leopold II.
^ berief ihn als Ratgeber an seinen Hof. Als solcher lohnte er das Vertrauen
schlecht; denn er stellte sich im Jahre 1794 an die Spitze eines Komplotts,
das die Beseitigung der Reformen Josephs II. bezweckte. Dafür büßte er
seine Untreue am 20. Mai 1895 zu Ofen mit dem Tode. Daß er sich auf
seine Kenntnisse in der LuftschifTerkunst etwas zugute tat, mag aus
folgendem hervorgehen: In seiner Todesangst stellte er an den Appellations¬
rat von Pichelstein 5 Angebote, wenn ihm das Leben geschenkt würde.
Das erste war: Eine jede Festung, sie mag noch so stark sein, in 4—5 Tagen
zur Übergabe zu zwingen. «Diese Erfindung», meint er, «ist nicht diejenige,
wovon ich in Wien eine Meldung machte, ich brauche zu dieser kein Luft¬
schiff, sie ist ganz einfach und wird bei derselben nicht mehr Mannschaft
als gewöhnlich zu einer Kanone gebraucht. Auf diesen Gedanken verfiel
ich erst in meinem jetzigen Arrest und Kelten, welche mich Unglücklichen
fesseln.» —
Aus Italien wird berichtet, daß Veneziani, Professor der Physik in
Mailand, am 21. Januar eine Luftkugel von 13' Höhe und 7' Breite mit
großem Erfolg habe steigen lassen. Er war damals mit dem Projekt be¬
schäftigt, einen Luftball zu konstruieren, der mit mehr oder weniger Schnellig¬
keit, ganz nach dem Gutdünken des Luftschiffers, zur größtmöglichen Höhe
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steigen sollte, ohne daß man vom Feuer Gebrauch gemacht, sondern nur
von einer kleinen, beim Sitze des Reisenden angebrachten Maschine; ferner
könne man mit dem neuen Ball langsam oder schnell herunterkommen, sich
in jeder Höhe aufhalten und zur Erde kommen und gleich wieder hinauf¬
gehen, ohne das geringste der Maschine zu nehmen, noch etwas hinzuzufügen.
Die Luftreise könne sich auf 2 oder mehrere Tage, ja wochenlang aus¬
dehnen, ohne zur Erde zu kommen, es wäre denn, um Speise einzunehmen.
Ein zu Venedig am 20. Februar angestellter Versuch mit einer Luft¬
kugel mißlang. Der Nobile Forsetti hatte eine solche auf seine Kosten
anfertigen lassen, welche am genannten Tage bei San Georgio Maggiore in
die Höhe steigen sollte. Der Zulauf des Volkes war ungeheuer, allein die
Maschine wollte trotz aller Bemühungen den Boden nicht verlassen, und
alle Zuschauer gingen mit hängenden Köpfen davon.
Großen Erfolg aber erzielte Graf Andriani (siehe oben), der am 5. Februar
1784 zu Mailand, in Begleitung der Gebrüder Agostino und Giuseppe Gerli,
unter ungeheurem Beifall der Menge mit seinem mit brennbarer Luft ge¬
füllten Ballon auffuhr. Die Dauer der Reise betrug 20 Minuten. Andriani
war demnach der erste italienische LuftschifTer.
Am 13. März, als am Geburtstage Josefs II. (13. März 1741), wieder¬
holte Andriani mit den erwähnten Brüdern Gerli seinen Versuch mit einem
Ballon von 72' Höhe und 66' im Durchschnitt und landete 5 Meilen von
Mailand in voller Sicherheit. Diese günstigen Erfolge ermutigten ihn, in
verschiedenen italienischen Städten Luftreisen anzukündigen.
Vom Marchese Luigi Cagnola (geb. zu Mailand am 9. Juni 1762, gest.
zu Inverigo bei Mailand am 14. August 1833, berühmter Architekt) wurde
am 12. Februar ein mit brennbarer Luft gefüllter Ballon von 17' Höhe und
12' im Durchmesser in die Höhe gelassen. Unten hing ein Käfig, in den
man eine Gans, einen Hahn und ein Lämmlein gesperrt hatte. Nach 4 Minuten
verschwand er aus dem Gesichte und wurde nach einigen Stunden 8 Meilen
von Pavia mit den noch lebenden Gefangenen wieder gefunden.
Ganz Paris erwartete nunmehr mit Sehnsucht den 28. Februar, «als
den denkwürdigen Tag, an dem man noch größere Dinge zu sehen bekäme,
als Montgolfier und Charles gezeigt». — «Der berühmte Blanchard,» so
erzählte man sich in Paris, «habe das Geheimnis gefunden, sein Luftschiff
nach Gefallen dirigieren zu können. Er sei seiner Sache so gewiß, daß er
durch öffentliche Bekanntmachung den 28. Februar als den Tag angesetzt
habe, wo der Versuch im Jardin de Luxembourg vor sich gehen sollte.»
Den Zeichnungen und der Beschreibung zufolge benutzte Blanchard für seinen
Ballon die Kugelgestalt; die übrige Einrichtung war ganz verschieden von der¬
jenigen Charles. Das Schiff bekam Segel, Ruder und Gewichtstangen. «Zwischen
der Galerie und dem Ballon befand sich ein riesiger Schirm aus gewächstem
Taffet, welcher genug Kraft besaß, das Schiff auf die Erde hinunter zu
senken, im Falle der Globus einen Riß bekommen oder das Gas ausgehen
sollte. Mit dem so pompös angekündigten Aufstieg am 28. Februar wurde
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 40
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es nichts und mußten sich die Pariser bis zum 2. März vertrösten, an
welchem Tage derselbe um 12 h 3Ö mittags erfolgte, ln ungefähr 6 Minuten
stieg der Ballon über 1500 Klafter hoch. Nachdem Blanchard scheinbar
15 Minuten lang gegen den Wind gekämpft hatte und über dem Bois de
Boulogne stehen blieb, nahm der Ballon plötzlich eine entgegengesetzte
Richtung. Immer in ungeheurer Höhe dahinschwebend, ging er seitwärts
gegen Süden und fiel östlich zwischen den Glashütten und dem Dorfe Sevres,
einen Flintenschuß von der Seine nieder. Zehn Minuten lang schwebte
Blanchard in Gefahr, in den Fluß geschleudert zu werden, aber ein kräftiger
Windstoß trieb den Ballon auf festen Boden und Blanchard konnte nun
sicher landen. Nachdem er sich vom Maire des Ortes ein Protokoll hatte
fertigen lassen, kehrte er nach Paris zurück.
«Man muß damals in Paris gewesen sein», so erzählt ein Augenzeuge,
«um sich eine Vorstellung von der Menge von Zuschauern zu Fuß, zu Pferd
und zu Wagen zu machen. Alle Chaisen waren im Kreise um das große
Marsfeld aufgestellt, welches, von unzähligen Menschen erfüllt, ein unbe¬
schreibliches Schauspiel bot. Der König, die Königin und die ganze könig¬
liche Familie hatten sich auf das Schloß La Muette begeben und Tags vorher
noch wurden die Botschafter der auswärtigen Staaten in Kenntnis gesetzt,
sie seien von der gewöhnlichen Dienstag-Audienz und Auirahrt in Versailles
am 2. März entbunden, worüber letztere sehr zufrieden waren, da sie ungern
von einem Versuche weggeblieben, worüber die Welt staunen sollte.»
Mit Beginn der Frühlingszeit häufen sich die Berichte von gelungenen
und mißlungenen Versuchen. Am 19. April erlebte die Stadt Basel zum
ersten Male das Schauspiel einer Ballonfahrt. Die von H. Anton Tschann
aus Solothurn verfertigte große Luftmaschine von 6195 Kubikschuh stieg um
*/2 3 h in die Höhe und hielt sich immer schnurgerade, ohne die geringste
Schwenkung. Ein junger Ziegenbock durfte in einem Käfig die Reise mit¬
machen. Der Ballon erreichte bald eine solche Höhe, daß er am hellen
Himmel sogar kaum noch gesehen werden konnte. Er flog über Berge hin¬
weg, ohne dieselben zu berühren, und fiel um 3 A i h eine halbe Stunde von
Solothurn, der Vaterstadt des Künstlers, vor dem Landgut des Junkers von
Montegg sanft und unversehrt nieder. Der Ziegenbock wurde sofort von
seinen Banden befreit und sprang, trotz der ausgestandenen Gefahren und
Strapazen, bald lustig auf einer Wiese herum. Man reichte ihm Milch, die
er mit großer Gier aufsog.
Durch einen Luftball wäre bald großes Unglück über die Stadt Stra߬
burg gekommen. Man berichtet hierüber: «Der Versuch mit einem großen
Luftball, den Herr Adorno am 15. Mai nachmittags 4 h bei der Zitadelle
aufsteigen ließ, gelang anfangs prächtig, und die beiden LuftschifTer Herren
Adorno und Winter erreichten bald eine Höhe von 1000'. Als sich der
Ballon gegen die Stadt drehte, bemerkten sie an der unteren Hälfte eine
Beschädigung, was sie bewog, denselben geschwind niedergehen zu lassen.
Zum Unglück geriet er auf dem Platz zwischen der Zitadelle und der Stadt
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auf Pallisaden, welche ein großes fiskalisches Holzmagazin umfriedigten. Der
Ballon zerriß von oben bis unten, die brennbare Luft, welche wie eine
schwarze Rauchwolke herausfuhr, setzte die Pfähle und einen Teil des
Gebäudes in Brand. Überall zog man die Sturmglocken. Die beiden Luft-
schifTer wurden mit Mühe gerettet, desgleichen das Magazin, aber der
prächtige Ballon ging in Flammen auf. So endigte das Schauspiel, das mit
Trompetenschall eröffnet wurde, zum allgemeinen Schrecken der Stadt.»
Auch später waren die Straßburger LuftschifTer nicht glücklich: Am
22. Juni, morgens 8 h , sollte ein ungeheurer Ballon steigen, bei welcher
Gelegenheit sich sehr viele Fremde, ja sogar Se. Hochfiirstl. Durchlaucht
der Markgraf von Baden, eingefunden hatten. Aber es regnete von Mitter¬
nacht an ununterbrochen, so daß alle Vorbereitungen eingestellt werden
mußten. Da es am folgenden Tage nicht regnete, so wollte Herr Gabriel,
um den vielen Fremden für die gestrige Enttäuschung Ersatz zu bieten,
trotz des starken Windes auffahren. Man gab durch etliche Kanonenschüsse
das Zeichen, und im Nu waren 40000 Zuschauer am Platz. Die LuftschilTer
bestiegen nun die Gondel, nahmen ernsthaft von ihren umstehenden Freunden
Abschied, worauf die Seile gelöst wurden. Aber der Ballon stieg nur
«2—3 Schuh und legte sich dann schräg über den Boden.
Auch in Bordeaux fand im Mai ein mißglückter Versuch mit einem
Luftball statt, der für manchen Zuschauer von den traurigsten Folgen be¬
gleitet war. «Am 3. Mai», so schreibt man, «wollte man zu Bordeaux einen
Luftball mit einer Gondole und 2 Personen aufsteigen lassen. Da aber
heftiger Nordwind wehte, der denselben mit den LuftschifTern ins Meer ge¬
trieben hätte, so stellten diese ihre Reise ein. Während die Vornehmen
wieder ruhig heimgingen, verlangte der Pöbel, daß die beiden LuftschifTer
um jeden Preis aufstiegen, und erregte einen Aufruhr. Die Wache zu Fuß
und zu Pferd konnte die wütenden Aufrührer nicht bewältigen. Man zerriß
und zerschlug den Luftball, kurz alles, was in den Weg kam. Viele Soldaten
der Wache wurden derart zu Boden geschleudert, daß sie auf der Stelle
tot liegen blieben. Man wollte der beiden LuftschifTer habhaft werden; doch
diese hatten schleunigst die Flucht ergriffen. Dadurch wurde der Pöbel so
gereizt, daß zuletzt ein Bataillon vom Regiment «Champagne» ausrücken
mußte. Acht von den Rädelsführern wurden herausgefangen und von den
Geschworenen zum Galgen verurteilt. Am 8. Mai wurden 2 von den Haupt¬
anführern an ebenderselben Türe des Gartens aufgeknüpft, wo der Ballon
aufsteigen sollte. Einer derselben war der einzige Sohn eines reichen
Bäckers, für dessen Leben 20000 livres, aber ohne Erfolg, geboten worden
waren».
Die Bewohner von Bordeaux zeichneten sich noch einmal im gleichen
Jahre bei Gelegenheit eines derartigen Experiments durch beispiellose Roheit
aus. «Am 5. Dezember», so erzählt ein Augenzeuge, «hatten wir in unserer
Stadt einen sehr unangenehmen Vorfall. Ein Kaffeewirt hatte eine Luft¬
kugel aus Paris kommen lassen, um damit gegen Bezahlung auf einem großen
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Platze ein Schauspiel zu geben. Der Ball stieg aber nicht höher als 25'.
Mehr als 30000 Zuschauer waren anwesend, die immer den rechten Globus
zu sehen wünschten; den wirklichen Ball hielten sie nur für eine Windblase.
Man ward ungeduldig und einer der Zuschauer nahm ein Stück Erde und
warf es mit den Worten: Voici un bailot! in die Luft. Zum Unglück fiel
es einem Irländer, der nicht weit davon saß, auf den Kopf. Er packte
seinen Stuhl und schleuderte ihn nach der Stelle, woher der Wurf gekommen
war. Darüber entstand in kurzer Zeit ein solcher Tumult, daß eine Un¬
masse von Stühlen zerbrochen wurde. Das Haus des LuftschifTers wurde
bombardiert. 30 Mann Kavallerie und ebensoviele Stadtsoldaten, die herbei¬
eilten, wurden mit Steinwürfen empfangen, einige getötet, verschiedene ver¬
wundet und aus dem Festgelage, welches dem Schauspiel folgen sollte,
wurde auch nichts.»
Meine Luftreise.
Es war am 17. September 1903, wir saßen abends bei Meissl und
Schadler, mein Mann, Herr von Palugyay mit einem Freunde und ich in
anregendem Gespräche. Beim perlenden Schaumwein besprachen wir eine
Ballonfahrt, die mein Mann mit Herrn von Palugyay am nächsten Tage
unternehmen sollte, wobei es sich fügte, daß Herr von Palugyay an mich
die Aufforderung richtete, mitzufahren.
Mein Mann lehnte natürlich ab. Mit überlegenem Lächeln wies er
auf die Schwierigkeiten hin und meinte, es wäre platterdings unmöglich.
Herr von Palugyay wußte jedoch alle Einwürfe zu besiegen und wurde von
seinem Freunde darin kräftig unterstützt, so daß mein Gatte endlich gute
Miene zum bösen Spiel machte und nachgab. Es war also beschlossen,
morgen sollte ich mir den Himmel aus nächster Nähe ansehen, und ich freute
mich schon kindisch auf diese himmlische Fahrt.
Trotzdem es spät wurde, ehe ich ins Bett kam, konnte ich doch nicht
schlafen. Nicht etwa aus Furcht; die brauchte ich nicht zu haben, wenn
mein Mann die Führung hatte, sondern vor freudiger Erwartung, endlich
einmal meinen Wunsch, auf luftigem Fahrzeug über die Wolken zu segeln,
erfüllt zu sehen. Der Morgen kam und brachte Regen. Schon fürchtete
ich, daß die Fahrt unterbleiben könnte, als mein Mann meinte, die Wolken
wären tief genug, um sie zu überfliegen. Wir waren also vom irdischen
Wetter unabhängig, es stand in unserer Macht, die triefenden W’olken zu
unseren Füßen, uns Sonnenschein zu erzwingen?!
Mit meinen Sorgen, was für Kostüm ich nehmen sollte, ließ mich
mein Manu, wie gewöhnlich, allein; überdies hatte er mit den Vorbereitungen
zur Fahrt zu tun. So nahm ich denn ein kurz geschürztes Straßenkleid
und für alle Fälle einen Pelz mit. Über die Kopfbedeckung dachte ich
so lange nach, bis ich richtig die Ungeschicklichkeit beging, einen breiten
Hut zu wählen, der mit Nadeln befestigt werden mußte. Aber so geht es,
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313
wenn sich die Männer so gar nicht um unsere Toilette kümmern wollen.
Sie wissen nur zu tadeln, wenn etwas nicht paßt.
Am Platze des Aufstieges beim Arsenal war schon alles vorbereitet,
als wir hinkamen. Eben erschien in der Öffnung des Ballonhauses die
majestätische Rundung des Ballons, den eine Anzahl Leute zur Mitte des
Platzes trug. Als der Ballon etwas höher gelassen wurde, um die Gondel
daran zu befestigen, besah ich mir das kolossale Fahrzeug, das uns der
Erde entführen sollte, mit fremd¬
artigen Gefühlen. Teils Befrie¬
digung, daß ich etwas noch nie
Erlebtem entgegenging, teils ein
gewisses Zagen wegen der Wir¬
kung, die der Aufstieg auf mich
machen werde — ob ich den
Herren bei der Fahrt nicht unbe¬
quem sein werde, endlich auch
ein kleines Unbehagen infolge des
schlechten Wetters. Während
einiger geheimnisvoller Hantier¬
ungen mit den Ballastsäcken, zur
Herstellung des Gleichgewichts,
ermahnte mich der Kommandant,
vor der Landung die Hutnadeln
aus dem Haar zu nehmen, und
brachte mir meine Ungeschicklich¬
keit in der Wahl des Hutes in
peinliche Erinnerung. Dann hob
mich mein Mann in den Korb, ließ
mich auf die Sandsäcke nieder-
selzen und sprang mit Herrn von
Palugyay nach.
Kurz darauf ertönte das Kom¬
mando «LOS », der Ballon erhebt sich Frau Tonle Tauber. Oberleutnant Tauber,
langsam und alles scheint glatt gehen zu wollen. Plötzlich — wir waren
kaum zwanzig Meter hoch — drückte ein Windstoß den Ballon wieder zu
Boden und zwar so heftig, daß wir starke Schwankungen mitmachten und
befürchten mußten, beim seitlichen Fluge angeschleudert zu werden. Ich
sah auf meinen Mann, der rasch 3 Säcke Sand hinauswarf und dem ich es
anmerkte, daß er besorgt war, was auch mich einen Moment ängstigte.
Aber nur einen Moment lang, da ich sofort aus dem Gedanken, mit meinem
Manne zusammen zu sein, Beruhigung schöpfte; was geschehen konnte, traf
uns ja gemeinsam. Ich stand mutig auf und wagte es sogar hinabzusehen,
wo die Zuschauer standen und heraufgrüßten. Auch ich grüßte, konnte
aber nicht lange stehen bleiben, ein Gefühl des Schwindels zwang mich,
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314 €<««
wieder zu sitzen. Mittlerweile war unser Ballon schon aus dem Bereiche
des Arsenals in freier Luft, wo es keine gefährlichen Hindernisse mehr gab.
Das ruhige Schweben des Luftschiffs gab mir meine Sicherheit.
Da lag das schöne Wien mit seinem Stephansturm, wohl etwas ver¬
schleiert von der regenschwangeren Luft, aber doch noch einige Minuten
gut erkennbar. Seltsam, wie rund, wie reinlich alles aus dieser Höhe aus¬
sieht, die Häuser wie Spielzeug, die Parks wie zierliche Zeichnungen. Man
traut seinen Augen nicht, man glaubt an ein Wunder. Erst die Töne,
welche heraufdringen, bestätigen die Wirklichkeit des Liliputs da unten.
Gleich darauf schwebten wir über Felder, über einen Friedhof, dann ver¬
loren wir die Aussicht auf die Erde durch eine Regenwolke, die alles in
dichten Nebel hüllte. Da machte sich eine der mitgenommenen Brieftauben
durch leises Gurren bemerkbar, ein Zeichen, daß wir steigen. Fritz nimmt
sie aus dein Netzkorbe und gibt in den an ihrem linken Fuße angebrachten
Aluminiumbehälter eine winzige Depesche hinein. Bedächtig steigt das
reizende Tierchen vom Boden der Gondel auf den Rand, guckt sich nach
allen Seiten um und läßt sich von uns ruhig streicheln. Dann hebt sie die
Flügel und verläßt uns, erst kleine, dann immer größere Kreise um uns
ziehend. Sie scheint sich zu orientieren. Lange sehen wir sie noch, bis
sie endlich in die unter uns befindlichen Wolken taucht und verschwindet.
Wird das liebe Täubchen mit den klugen Augen sich heimfinden?
Rechts und links, ober und unter uns alles grau, undurchsichtig, aber
nicht eintönig, denn an manchen Stellen in der grauen Umgebung ballte
es sich zusammen zu merkwürdigen Formen, die wieder zerflossen wie
Geistererscheinungen. Aus dieser Fülle von phantastischen Veränderungen
konnte man einen ganzen Hexensabbat herauslesen.
Gegen Südosten fliegend, kamen wir über Schwechat, wo sich der
Wind drehte und nach Süden führte, in dichte Wolken hinein. Vergebens
suchten sich die Herren zu orientieren, noch immer sah man nichts als die
gespenstischen Dunstmassen, wir wußten nur, daß wir dem die Wolken
überragenden Schneeberg immer näher kamen. Seine streifigen Schnee¬
felder glänzten in ganz anderen Nüancen zu uns herüber, als die Wolken
ringsum, deren Ränder, von der Sonne beleuchtet, in allen Farben spielten.
Durch eine kleine Lücke in der ^Volkendecke sahen wir eine kleine Ort¬
schaft, Straßen, die Eisenbahn und einen Gebirgsbach. Wir glaubten über
Neunkirchen zu sein.
Herr von Palugyay warf Papierschnitzel aus, um zu sehen, ob wir
fallen oder steigen, was sehr amüsant war. In der ersten Sekunde tanzten
die Papierchen lustig an unserer Seite und ich glaubte schon, sie würden
uns wie in Jules Vernes Reise zum Monde als Trabanten begleiten; bald
aber sanken sie rapid, was von uns mit einem Hailoh begrüßt wurde: Es
war ein Zeichen, daß wir stiegen. Um rascher über die Wolken zu kommen,
die sich zwischen uns und der Sonne eingeschoben hatten, warf mein Mann
etwas Ballast aus, was endlich Erfolg hatte. Wir erblickten die Sonne
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wieder. Erst schwach, dann immer heller, bis wir im vollen strahlenden
Lichte schwammen, über uns den blauen Himmel, zu unseren Füßen die
Wolken, die jetzt nicht mehr grau erschienen, sondern sich wie blendend
weißer Schnee präsentierten und eine großartige Fülle von Formen auf¬
wiesen. Da waren mächtige Gebilde mit weichen Linien, die sich wie
Schneewehen ausnahmen, dort Gletscher, zackige Eisspitzen und gähnende
Abgründe, dort wieder Schneeberge mit Seen in sinnverwirrender Mannig¬
faltigkeit, getaucht in eine überirdische Ruhe, die wir auf Erden gar nicht
kennen.
Durch die heftigen Erschütterungen beim Aufstieg waren verschiedene
Vorrichtungen in Unordnung gekommen, an denen mein Mann die ganze
Zeit mit ernster Miene herumbastelte. Jetzt sah ich ihn auf einmal ein
zufriedenes Gesicht aufsetzen und bald darauf sagte er mit einem Seufzer
der Erleichterung, daß endlich alles Tauwerk in Ordnung sei. Das erhöhte
noch unsere prächtige Stimmung — nun konnten wir mit mehr Ruhe die
unsagbare Schönheit der Szenerie auf uns einwirken lassen. Meine Em¬
pfindungen dabei zu schildern, wäre vergebliche Mühe. Herr v. Palugyay
traf das Richtige, indem er ausrief, hier fühle man sich der Gottheit näher.
Aber gerade in diesem Augenblicke, das war gegen 11 Uhr, das Aneroid
zeigte 1800 Meter Höhe und wir erblickten durch das lichter werdende
Gewölk Baden, fühlte ich deutlich meine Abhängigkeit von der irdischen
Welt, ich spürte lebhaften Appetit, was ich zaghaft wohl, aber verständlich
äußerte. Darob großes Hailoh der Herren! Lachend holte der immer
dienstbereite Palugyay unsere irdischen Schätze hervor — lauter sehr nütz¬
liche eßbare Sachen, die ich mir wohlschmecken ließ. Daß es hier oben
nebst himmlischen Gefühlen auch Gänseleberpastete und Champagner gab,
war für mich ein neuer Reiz der Luftreise. Der Mangel eines gedeckten
Tisches und die damit verbundenen Unbequemlichkeiten erhöhte nur unsere
ausgelassene Lustigkeit. Es wurden Karten an unsere Lieben geschrieben
und einfach über Bord geworfen. Solche Karten gehen seilen verloren, sie
werden in der Regel von den Findern zur nächsten Post gebracht.
Um 12 Uhr mittags befanden wir uns bei 2100 Meter Höhe in der
Nähe von St. Pölten, hatten also wegen wechselnder Luftströmungen fol¬
genden Weg hinter uns:
Erst gings nach Schwechat, dann südlich bis gegen Neunkirchen, von
wo wir uns wieder nach Norden wandten bis Baden. Dort drehte sich
der Wind wieder und trug uns nach Westen. Nun aber zu Beginn der
vierten Fahrtstunde trieben wir einer Wolkenwand zu, die uns die Sonne
verdeckte. Dadurch wurde es unheimlich kühl. Bisher hatten wir nicht
nur die Annehmlichkeit der direkten Sonnenstrahlen gehabt, auch der Reflex
der weißen Wolken unter uns spendete uns angenehme Wärme. Jetzt
schwammen wir wieder im gespensterhaften Nebel — eisig kalt überlief es
uns. Gut, daß ich meinen Pelz mit hatte. Vergeblich warf mein Mann
Ballast aus, was er noch opfern konnte, es brachte uns wohl auf 2400 m
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Höhe, aber nicht über die Wolken hinaus, was mir recht leid tat. Ich
wäre gar zu gerne wieder in sonniger reiner Luft, in der von den
schneeigen Wolken unter mir reflektierten Wärme dahingesegelt und dachte
überhaupt gar nicht ans «zurück». Das fand mein Mann sehr unbescheiden
und machte mich auf den Zustand des Ballons aufmerksam, der jetzt ganz
anders aussah, als bei der Auffahrt. Er war schlaffer, runzelig, anscheinend
kraftloser geworden, es mußte also an die Landung geschritten werden,
wozu es nach Fritzens Ausspruch die höchste Zeit war.
Tatsächlich ging es auch furchtbar rasch abwärts, was zur Folge
hatte, daß sich bei mir wegen der rapiden Zunahme des Luftdrucks eine
kleine Unbehaglichkeit einstellte, meine Ohren waren verlegt und ich mußte
auf Fritzens Befehl fortgesetzt schlucken. Trotzdem verlor ich keinen
Augenblick meine gute Laune und fand es ganz lustig, als ich mich, um
den ersten Anprall des Korbes auszuhalten, an das Netzwerk klammern
und Klimmzug machen mußte. So heftig auch der Sturz war, es ging
ganz glimpflich ab. Wir landeten bei regnerischem Wetter in Spielberg bei
Ottenschlag. Nach dem ersten heftigen Auffallen kam noch ein unsanftes,
doch weniger heftiges Aufschlagen des Korbes — dann halfen uns herbei¬
gerufene Bauern, die die Seile festhielten, während ich ausstieg. Um meine
Last erleichtert, strebte der Ballon wieder in die Höhe, weshalb die
Bauern mit aller Kraft festhalten mußten. Auch ich half mit, indem ich
ein Seil mit dem Aufgebote aller meiner Kräfte niederhielt, und wurde sogar
mit in die Höhe gerissen, als ein Bauer plötzlich losließ. Als aber mein
Mann durch Ziehen der Reißleine die Ballonhülle öffnete, sank die große
Kugel unter mächtigem Brausen in sich zusammen. Bewundernd sah ich
zu, wie sich die kolossale Hülle in schön geschwungene Falten auflöste
und zu Boden fiel. Es wundert mich nur, daß ich noch nirgends von dem
schönen Schauspiel des sterbenden Ballons etwas hörte.
Nun war also mein sehnlicher Wunsch, eine Luftfahrt mitzumachen,
erfüllt. — Wenn ich noch etwas wünschen darf, so wäre es — noch eine
Fahrt zu machen. Frau Tonie Tauber.
Aeronautische Meteorologie und Physik der Atmosphäre.
Internationale Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt.
('bericht Uber die Beteiligung nn deu internationalen Aufstiegen im Januar, Februar,
Mürz und April 1905.
5. Januar.
Trappes. Papierballon 11800 m. — Itteville. Papierballon 14 540 m. — Oxshott.
Drachenaufst. 1910 m. — Guadalajara. Papierballon; noch nicht gefunden. — Rom.
Fesselballon 800 m. — Paria. Gummiballon 12 000 m. — Zürich. Aufstieg nicht möglich.
— Straßburg:. Gummiballon 13 780 m. — München. (M. Z. A.) Kein Aufstieg. — München
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(v. Bassus.) Kein Aufstieg. — Berlin. (A. 0.) Drachenaufst. 1750 m. — Berlin. (L. B.)
Bemannter Ballon 650 m. — Hamburg. Drachenaufst. 1820 m. — Wien. Aufstiege nicht
möglich. — Pawlowsk. Drachenaufst. 3080 m; Registrierballon, verloren. — Kasan.
Drachenaufst. 718 m. — Blue Hill. (6. Jan.) Drachenaufst. 1250 m.
Wetterlage. Eine umfangreiche und tiefe Depression liegt seit einigen Tagen über
Nord- und Nordosteuropa (Mesen 725), eine tiefe Depression über dem südlichen Skan¬
dinavien. Hoher, an Intensität abnehmender Luftdruck bedeckt den Südwesten des
Kontinents
9. Februar.
Trappes. Papierballon 13 640 m. — Oxshott. Drachenaufst. 2510 m. — AldershoL
(Military Section); Aufstiege 8 Tage zu früh (2. Febr.), Drachenaufst. 2000 m; Bemannter
Ballon 1460 m. — Guadalajara. Papierballon 5710 m. — Rom. Bemannter Ballon 2700 m.
— Paria. Registrierballon 13 900 m. — Zürich. Gummiballon 9500 m. — Straßburg.
Gummiballon 15620 m. — München. (M. Z. A.) Kein Aufstieg. — München, (v. Bassus)
Gummiballon 13160 m. — Berlin. (A. 0.) Drachenaufst. 2000 m; Gummiballon 11780 m;
Bern. B. 7010 m. — Berlin. (L. B.) Bemannter Ballon 1400 m. — Hamburg. Drachen¬
aufst. 1930 m. — Wien. Reg.-Ballon 9000 m; Bemannter Ballon 4740 m. — Pawlowsk.
Drachenaufst. 2750 m: Reg.-Ballon 14 850 m. Kasan. Kein Aufstieg möglich. — Blue
Hill. Drachenaufst. 885 m. — St. Louis. (U. S. A.) (10. Febr.) Gummiballon, Registrierauf-
zeichn. fehlen.
Wetterlage. Den größten Teil des europäischen Kontinents bedeckt ein Hoch¬
druckgebiet, dessen Maximum (779) über dem östlichen Zentraleuropa lagert; über dem
mittleren Skandinavien hat sich eine Depression (750) eingestellt.
2. März.
Trappes. Papierballon 12 670 m. — Paris. (Aeroclub.) Bemannter Ballon 3780 m.
— Oxshott. Drachenaufst. 1580 m. — Aldershot. (Military Balloon Section), Drachenaufst.
1000 m. — Guadalajara. Papierbaiion 13 730 m. — Rom. Bemannter Ballon 1290 m.
— Pavia. Registrierballon 5200 m. — Zürich. Aufstieg nicht möglich. — Straßburg.
Gummiballon 11 420 m. — MUnchcu. (M. Z. A.) Kein Aufstieg. — München, (v. Bassus.)
Gummiballon 10 570 m. — Barmen. Bemannter Ballon 2330 m. — Berlin. (A. 0.) Drachen¬
aufst. 1260 m; Gummiballon 21733 m. — Berlin. (L. B.) Bemannter Ballon 730 m. —
Hamburg. Drachenaufst. 3020 m. — Wien. Reg.-Ballon 13 000 m; Bemannter Ballon
900 m. — Pawlowsk. Drachenaufst. 2620 m; Reg.-Ballon, noch nicht gefunden. —
Koutchiuo b. Moskau (Direktor Riabouchinsky). Drachenaufst. 2120 m. — Kasan. Kein
Aufstieg möglich. — Blue Hill. Drachenaufst. 1900 m. — St. Louis. (U. S. A.) Reg.-
Ballon, noch nicht gefunden.
Wetterlage. Ein barometrisches Minimum ist von England her nach dem Mittel¬
meergebiet gezogen (748), während im Norden und Nordwesten des Kontinents der Druck
ziemlich rasch zugenommen hat. Den Osten des russischen Kontinents bedeckt ein
großes Hochdruckgebiet (Ostrußland 780 mm).
4., 5., 6. April.
Trappes. 4. April, Papierballon 13 510 m; 5. April, Papierballon 5510 m; 6. April,
Papierballon, noch nicht gefunden. — Itteville. 4. April, Papierballon 12 650 m; 5. April,
Papierballon 11670 m; 6. April, Papierballon 12 360 m. — Paris. (ASroclub.) 5. April,
Bemannter Ballon 4180 m. — Oxshott. 4. April, Drachenaufst. 1850 m; 7. April, Drachen¬
aufst. 2100 m. — Guadalajara. 5. April, Papierballon 11 790 m. — Rom. 4. April, Drachen¬
ballon 1080 m; 5. April, Bemannter Ballon 4360 m; 6. April, Bemannter Ballon 2360 m.
— Pavia. 4. April, Reg.-Ballon 17 000 m; 5. April, Reg.-Ballon 00 000 m 5 6- April, Reg.-
Ballon 16 000 m. — Fürst von Monaco. Aufstiege auf dem Mittelmeer mit Registrier¬
ballons und Drachen. 4. April, Gummiballon 9000 m; Drachenaufst. 2600 m; 6. April,
Drachenaufst. 1200 m; 7. April, Gummiballon 6870 m; Drachenaufst. 800 m. Es sind
Illu6tr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. ^
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dieses die ersten Aufstiege mit Registrierballons über dem freien Meere. Die von
Professor Hergesell vorgeschlagene und ausgeführte Methode hat sich in jeder Beziehung
vorteilhaft und nützlich erwiesen, sodaß die Benutzung von Ballons-sondes auch über
den Ozeanen zur Erforschung der freien Atmosphäre in Aussicht zu nehmen ist. — Zürich.
4. April, Fesselballon 3200 m; 5. April, Gummiballon 7500 m; 6. April, Aufstieg nicht
möglich. — Straßbarg. 4. April, Gummiballon 6100 m; 5. April, Gummiballon 19 420 m;
6. April, Gummiballon 2300 m; 7. April, Gummiballon 10140 m. — Straßburg. (Oberrh.
Ver. f. Luftsch.) 4. April, Bern. Ballon. — Mitarbeit. (M. Z. A.) 4., 5., 6. April, Reg.-Ballon,
noch nicht aufgefunden. — MUnchen. (v. Bassus.) 5. April, Bemannter Ballon 1890 m;
6. April, Gummiballon 16 990 m. — Barmen. 4. April, Bemannter Ballon 1820 m; 5. April,
kein Aufstieg möglich; 6. Drachenaufst. 1000 m. — Lindenberg. (Kgl. Aeron. Observ.)
4. April, Drachenaufst. 755 m; Gummiballon 14 620 m; 5. April. Drachenaufst. 1295 m;
6. April, Drachenaufst. 500 m. — Berlin. (A. 0.) 4. April, Drachenaufst. 1775 m; 5. April,
Drachenaufst. 1975 m; 6. April, Drachenaufst. 815 m. — Berlin. (L. B.) Kein Aufstieg.
— Hamburg. 4. April, Drachenaufst. 3700 m; 5. April, Drachenaufst. 3560 m; 6. April,
Drachenaufst. 2280 m. — Wien. 4. April, Gummiballon 12 960 m; 5. April, Bemannter
Ballon 1000 m; Gummiballon 5840 m; 6. April, kein Aufstieg möglich. — Wien. (Aero¬
klub.) Kein Aufstieg möglich. — Petersburg. 6. April, Bemannter Ballon 1710 m. —
Pawlowsk. 4. April, Drachenaufst. 2790 m; Reg.-Ballon 15 000 m; 5. April, Drachenaufst.
770 m; Reg.-Ballon verloren; 6. April, Drachenaufst. 3050 m; Reg.-Ballon, Instrument
zerstört worden. — Dorpat. (Jurjew, Prof. Sresnewsky.) 4. April, Drachenaufst. 487 m.
— Kontchino. (M. Riabouchinsky.) 5. April, Drachenaufst. 1330 m; 6. April, Drachen¬
aufst. 2250 m; Reg.-Ballon 12 000 m. — Kasan. 4. April, Drachenaufst. 1004 m; 5. und
6. April, kein Aufstieg möglich. — Blue Hill. 4. April, Drachenaufst. 1624 m; 6. April,
Drachenaufst. 2455 m; 7. April, Drachenaufst. 2782 m.
Wetterlage. Über Zentraleuropa ist der Luftdruck am Morgen des 4. April in
Zunahme begriffen, im Nordwesten taucht aber ein barometrisches Minimum auf, während
das am Vortag über dem östlichen Mitteleuropa gelegene Minimum nach dem Schwarzen
Meere zu abgezogen ist. Eine fernere Depression liegt über dem russischen Kontinent,
langsam nach Nordosten wandernd. Das am 4. April im Nordwesten Europas erwähnte
Minimum liegt nun über dem mittleren Skandinavien (735). Es hat seine Wirkung unter
rascher Zunahme seiner Tiefe bis über Mitteleuropa ausgedehnt. Am 6. April morgens
findet sich das Hauptminimum im Norden der Ostsee tUleaborg 730); ein Teilminimum
liegt über der südlichen Ostsee, ein anderes Teilminimum südwärts der Alpen. Von
Westen her ist der Luftdruck in raschem Zunehmen begriffen.
Flugteclinik und Aeronautische Maschinen.
Das Prinzip und die Zukunft der Flugmaschine.
Von A. M. Herring.
Angesichts der Tatsache, daß ein Entwicklungsprozeß allmählich die
Erzielung mechanischen Flugs bis in einen meßbaren Abstand vom Erfolg
gebracht hat, dürfte es hier vielleicht am Platze sein, die Prinzipien, welche
einem jeden der verschiedenen Typen von Flugmaschinen zugrunde liegen,
einmal möglichst einfach zum Ausdruck zu bringen.
Die erfolgreiche Maschine, was ihr Typus auch immer sein mag, wird
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sicherlich den Benzinmotor als bewegende Kraft besitzen. Auf den ersten
Blick scheinen vier verschiedene Methoden gleich gute Resultate zu
versprechen. Zuerst der lenkbare Ballon: Da ein jeder Kubikfuß Luft
ungefähr ein fünfzehntel Pfund wiegt und da einige Gase weniger wiegen
als dies, so ist es klar, daß ein luftdichter Sack oder Ballon, wenn irgend
mit einem leichten Gas gefüllt, die Tendenz hat, aufzusteigen. Wasserstoff
ist das leichteste bekannte Gas — soviel leichter als die Luft, daß seine
Anwendung einen Trageeffekt von gegen 70 Pfund per 1000 Kubikfuß ergibt.
Das bedeutet, daß, wenn wir einen Ballon hätten von angenommen 80 Fuß
Länge und 20 Fuß Durchmesser, eine Tragewirkung von 70 Pfund von
jedem tausend Kubikfuß Wasserstoff, das er enthält, zu erlangen wäre. Ein
solcher Ballon mit zugespitzten Enden könnte etwa 17000 Kubikfuß Wasser¬
stoff einschließen und würde eine Gesamthebekraft von 1190 Pfund ausüben.
Die bloße Hülle würde 90 bis 290 Pfund wiegen, je nach ihrem Material.
So folgt, daß der Trageeffekt netto, sagen wir gegen 1000 Pfund aus¬
machen würde. ! )
Von diesen 1000 Pfund müßten von 50 zu 150 Pfund für den nötigen
Ballast abgerechnet werden, gegen 200 bis 250 Pfund für Gondel, Steuer
und Propeller, so daß, sagen wir 650 Pfund für Passagier, Betriebsmaterial
und Maschine zur Verfügung blieben. In den Grenzen dieses Gewichts¬
betrags können wir uns vielleicht 100 Pferdestärken mit Betriebsmaterial
für eine Stunde, oder 50 Pferdestärken mit Material für, sagen wir 6 Stunden
beschaffen; d. h. mit Motoren von extrem leichtem Gewicht.
Die nächste Frage ist die: Welche Geschwindigkeit ist mit solch einer
Maschine möglich? Und läßt sich dieselbe im voraus berechnen?
Eine Maschine, die nur eine Stunde lang fliegen kann, würde natürlich
geringen praktischen Nutzen besitzen, darum wollen wir annehmen, daß
der Motor 50 gebremste Pferdestärken entwickelt, denn, alles in Betracht
gezogen, ist das entsprechende Gewicht ungefähr das Maximum, welches
diese Maschine in der Praxis tragen könnte.
Wenn wir jetzt annehmen, daß der Ballon die bestmöglichen Strom¬
linien hat, und daß alle erdenklichen Anstrengungen gemacht wurden, um
den Reibungswiderstand der Hülle, der Aufhängung und der Gondel auf das
kleinstmögliche Maß zurückzuführen, so dürfen wir einen Reduktionsfaktor
von einem Siebtel des größten Querschnitts erwarten; das heißt: der Wider¬
stand des Flugschiffs von 20 Fuß Durchmesser des Querschnitts gegen seine
Bewegung durch die Luft würde ein siebtel soviel betragen als jener, der
von einer kreisrunden Scheibe von 20 Fuß Durchmesser dargeboten wird.
Solch eine Scheibe enthält 314 Quadratfuß, so daß das Äquivalent der
314
Widerstandsfläche = 44,9 — sagen wir 50 Quadratfuß betragen würde.
*) Anm. d. Red. Die leidigen englischen resp. amerikanischen Maße in metrische Maße umzu¬
rechnen, ging leider nicht mehr an. Doch sei wenigstens angegeben, daß 1 Pfund = 453,6 gr, ein Fuß
= 80,5 cm und eine Meile = 1609.3 m ist.
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320 ««♦
Da nun der Luftwiderstand sich wie das Quadrat der Geschwindigkeit ver¬
größert, so würden die 50 Quadratfuß, die bei 10 Meilen Fahrt die Stunde
nur 25 Pfund Widerstand verursachen, bei 20 Meilen 100 und bei 40 Meilen
400 Pfund Widerstand darbieten. (Hieran läßt sich leicht der Widerstand
für jede andere gegebene Geschwindigkeit abschätzen.)
Als nächstes hätten wir dann in Erwägung zu ziehen, welche Schrauben¬
größe und welche Motorleistung dazu erforderlich wäre, um einen Vortrieb
zu liefern, der diesen Widerstand zu überwinden vermag. Nehmen wir an,
die größte Schraube, die wir beschaffen können, sei von 15 Fuß Durch¬
messer. (Solch eine Schraube würde übrigens mehr wiegen, als wir ver¬
anschlagt haben.) Die beste Flächenabmessung der Schraubenflügel wäre
etwa 35 Quadratfuß — eine Tatsache, die durch zahlreiche Experimente
festgestellt wurde. D. h. die Schraubenfläche, welche am meisten Druck
bei dem geringsten Kraftaufwand zu geben vermag, soll ungefähr 20°/o des
von der Schraube beschriebenen Kreises einnehmen. Jetzt können wir
ausrechnen, wieviel Druck 50 Pferdestärken, auf diese Schraube aufgewendet,
wohl einbringen würden.
Die Leistung einer Pferdekraft repräsentiert per Stunde einen Druck
von einem Pfund auf eine Strecke von 375 Meilen ausgeübt, oder den
äquivalentan Druck von 10 Pfund über eine Strecke von 37,5 Meilen per
Stunde — so repräsentieren die 50 Pferdestärken (ungerechnet alle Verluste)
18750 Meilenpfunde. (D. h. 1 Pfund Druck auf eine Strecke von 18750
oder 10 Pfund Druck auf eine Strecke von 1875 oder 100 Pfund Druck
auf eine Strecke von 187,5 oder 1000 Pfund Druck auf eine Strecke von
18,75 Meilen in einer Stunde ausgeübt. D. Übers.)
Die von der Schraube verbrauchte Arbeit ist gleich dem Betrag der
Flügelflächen in Quadratfuß, multipliziert mit dem Kubus der Steigungs¬
geschwindigkeit in Meilen per Stunde, geteilt durch 200. *)
In der Form einer Gleichung lautet das: Meilen die Stunde X Meilen die
Stunde X Meilen die Stunde X 35 geteilt durch 200 = 18 750, d. h.: der
lvubus der Steigungsgeschwindigkeit = -—-= M 3 =-—-
oO 35
= M 3 = 107 430 = M = 47,5 nahezu. (M stehl für die Unbekannte der
Gleichung: Steigungsgeschwindigkeit in Meilen per Stunde. D. Übers.) Und
*) Nicht alle Leser sind gewöhnt, die Denkprozesse in solchem Bravourstil vorzunehmen wie die Ameri¬
kaner (alle? Red.), bei denen Kürze und Schnelligkeit vor allem verlangt werden, auch sind die Meilen- und
Fußmaße ihnen nicht so geläufig. Zum besseren Verständnis fühlt sich der Übersetzer versucht, in den Er¬
wägungen eine «Zwischenstation* einzuschalten. Diese würde lauten: «Die von der Schraube verbrauchte
Arbeit ist gleich dem Betrag der Flügelflächen in Quadratfuß, multipliziert mit dem Druck in Pfund auf
den Quadratfuß, wiederum multipliziert mit der Steigungsgeschwindigkeit». Weil aber der Druck in Pfund
auf den Quadratfuß gleich dem Quadrat der Steigungsgeschwindigkeit, multipliziert mit dem wohlbekannten
Luftwiderstandskoeffizienten 0,005. ist, und weil es wiederum dasselbe ist, ob man mit 0,005 multipliziert
oder durch 200 dividiert, darum lautet der Gedankengang, wie von Herring gegeben. Man wird bemerken,
daß diese Betrachtungsweise voraussetzt, daß der Schraubendruck gleich ist dem Druck, der von einem
Wind ausgeübt wird, der die ganze Fläche der Schraubenflügel normal mit der Steigungsgeschwindigkeit
trifTt; schon Maxim hat auf Seite 48 des «Aeron. Annual» Nr. 2 in klassisch zu nennender Weise diese
Annahme begründet.
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der Druck der Schraube in Pfund würde folglich betragen:
47,5 X 47,5 X 35
200
(= 47,5* X 35 X 0,005) = 394,8 Pfund;
das ist also das Maß von Druck, das von einer Zwölffußschraube mit
50 Pferdestärken erhältlich ist.
Dieser Druck nun, oder vielmehr eigentlich der Maximaldruck, der
möglich ist, wird darauf verwendet, das Äquivalent von 44,9 Quadratfuß
mit der Geschwindigkeit des FlugschifTs gegen die Luft zu treiben. Das
Problem ist jetzt, zu finden, bei welcher Geschwindigkeit 44,9 oder sagen
wir 50 Quadratfuß einen Gesamtwiderstand von 394,8 Pfund oder 7,9 Pfund
per Quadratfuß darbieten werden. Wenn wir 7,9 mit 200 *) multiplizieren
und dann die Quadratwurzel dieser Zahl ausziehen, so erhalten wir erst
1580 und dann 39,5. Das bedeutet, daß 39,5 Meilen die Stunde die mög¬
liche Maximumgeschwindigkeit ist, mit welcher unser Ballon unter den aller¬
günstigsten Umständen getrieben werden könnte. Da gibt es indessen ver¬
schiedene Umstände, welche diese Geschwindigkeit unmöglich machen. Von
ihnen ist der nächste die Tatsache, daß der Luftdruck den Ballon zerquetschen
würde, wofern er nicht durch einen inneren Druck, der etwas größer als
der vom Fahrwind verursachte ist, aufgewogen wird. Da dieser Fahrwind¬
druck 7,9 Pfund beträgt, sollte der innere Kompensationsdruck nicht weniger
als 8 Pfund ausmachen, und wenn wir die Unregelmäßigkeiten des natür¬
lichen Windes in Rechnung ziehen, so würde es viel sicherer erscheinen,
einen Innendruck von 10 Pfund per Quadratfuß zur Anwendung zu bringen.
Doch dieser Druck würde wiederum eine zum Zerplatzen drängende Spannung
(bursting strain) des Ballons, die gleich 100 Pfund per laufenden Fuß der
Hülle ist (d. i. 10 X 20 X 0,5), herbeiführen und die Anwendung eines sehr
derben Gewebes, um sie ertragen zu können, bedingen. Dieses derbe Gewebe
besitzt mehr Gewicht und läßt daher weniger Gewicht für Maschine und
Betriebsmaterial zur Verfügung. Außerdem vergrößert der Extradruck die
Dichte des Gases im Ballon und dies nimmt einen weiteren kleinen Betrag
von dem Nettoauftrieb weg, auf den für Maschinen etc. gerechnet wurde.
Es ist kaum nötig, auf alle Einzelheiten der Berechnung einzugehen, um
dennoch zu zeigen, daß, wenn alle verschiedenen Umstände gebührend in
Betracht gezogen wurden und Motoren gebraucht wurden, deren Gewicht
zusammen mit jenem vom Betriebsmaterial für zwei Stunden vier Pfund per
Pferdestärke nicht überschreitet, die mögliche Maximalgeschwindigkeit eines
Ballons unter 200 Fuß Länge wenig mehr als 35 Meilen per Stunde beträgt,
und daß mit einem Luftschiff, das nur einen Mann trägt und nicht über
100 Fuß lang ist, die mögliche Maximalgeschwindigkeit nahe 33 Meilen die
Stunde bei 50 Pferdestärken liegt. Bis dato indessen sind gegen 20 Meilen
die Stunde das beste erreichte Resultat (ca. 9 m pro Sek.). Es stellt sich
daher die Frage ein: bedeutet eine solche Maschine eine praktische Lösung
l ) Siehe vorhergehende Fußnote.
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322 €<«*
des Flugproblems’? Es gibt vier Einwendungen. Erstens, die Maschine setzt
große Baukosten und ebenso große Betriebskosten voraus, denn noch keine
Methode hat sich gefunden, auf welche man den Wasserstoff verhindern
könnte, in einigen Tagen auszurinnen l ) (leaking away). Der zweite Einwand
betrifft die enorme Größe der Maschine und die damit verbundene Unhand¬
lichkeit. Der dritte die Feuersgefahr; denn das Gas, mit welchem sie gefüllt
werden muß, ist sehr leicht entzündlich. Der vierte und vielleicht schwer¬
wiegendste Einwand betrifft die extreme Zerbrechlichkeit — der enorme
Umfang und das geringe Gewicht machen angemessene Festigkeit fast
unmöglich.
Alles in allem — die Grenze der erreichbaren Geschwindigkeit für
einen lenkbaren Ballon liegt unter 40 Meilen die Stunde und es gehört eine
schwache Hülle von enormer Größe dazu, um einen Passagier zu befördern,
und es nimmt nahezu 50 Pferdestärken per Mann bei 35 Meilen die Stunde.
[Bis hierher hielt der Übersetzer des aktuellen Gegenstands und seiner
charakteristischen Behandlung wegen eine fast wörtliche Übertragung für
geboten; für das Nachfolgende scheint eine zusammengedrängte Wiedergabe
erlaubt.]
Von den anfangs erwähnten vier Lösungsmöglichkeiten des Flug¬
maschinenproblems sind nach dem lenkbaren Luftballon nun noch zu be¬
sprechen die Konstruktion mit schlagenden Flügeln (entsprechend dem
Vogelflug), ferner die Tragschraubenmaschine und last not least die
Aeroplanmaschine.
Von den Flugmaschinen mit schlagenden Flügeln haben es bis jetzt
nur kleine Modelle zum freien, jedoch recht erratischen Flug gebracht, (Das
beste von Pichaucourt, nächstdem eines von Penaud, eines von Breary etc.)
Mit einer Flächenbelastung von einem Pfund auf 6 Quadratfuß trug das
beste dieser Modelle weniger als 16 Pfund per Pferdestärke. Die Ver¬
mehrung von Kraft und Geschwindigkeit, die dazu erforderlich wäre, um
ein solches Modell ein Pfund per Quadratfuß tragen zu lassen, würde dann
2,45 X|/ 6 betragen, so daß dann eine solche Maschine kaum noch 6,6 Pfund
per Pferdestärke tragen könnte. Es liegt eine günstigere Verwendung
schlagender Flügel zwar im Bereich der Möglichkeit, aber das obige umfaßt
alles bis jetzt Geleistete.
Die wünschenswertesten Elemente in einer Flugmaschine sind jene
von Sicherheit, kleinem Umfang, hoher Tragkraft per Pferdestärke und die
Möglichkeit, von überall abfliegen und unter allen erdenklichen Umständen
von Wind und Wetter sicher landen zu können. Anscheinend würde dies
alles von einer Tragschraubenmaschine geleistet. Es wurde übrigens
noch nicht erwähnt, daß wir am besten vorläufig jene Schwierigkeiten, mit
welchen wir bei allen Arten von Flugmaschinen uns abfinden müssen,
>) «in einigen Tagen» ist doch wohl ein zu kleines Maß für die Undurchlässigkeit der neuerdings
verwendeten Hüllen. D. Red.
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323
unberücksichtigt lassen — die Folgen jener Tatsache, daß die Luft ein
Ozean mit gewaltigen, unregelmäßigen Wogen ist, die gebändigt und
beherrscht werden müssen, ehe der Flug, wenigstens einer dynamischen
Maschine, erfolgreich vonstatten geht; nämlich solange es sich darum
handelt, die im Konstruktionsprinzip gegebenen Aussichten auf Erfolg zu
prüfen. Bei der Tragschraubenmaschine hängt alles von zweierlei Umständen
ab: Der Gewichtsbetrag der von einer Pferdestärke getragen werden kann
und der «begrenzende Größenfaktor» («limiting factor of size»). Als Bei¬
spiel wollen wir eine Maschine betrachten, die eine Hubschraube von 20 Fuß
Durchmesser hat. Mit 2—4 Flügeln, welche zusammen gegen 2 /io des Um¬
drehungskreises einnehmen, trägt sie am besten. Ein Umkreis von 20 Fuß
Durchmesser hat eine Oberfläche von 314 Quadratfuß, also bekommen wir eine
Schraubenfläche von 62,8 Quadratfuß. Eine Schraube von 2 Fuß Durch¬
messer kann so gebaut werden, daß sie nur ein Gewicht von 2 /io Pfund
besitzt, eine von 20 Fuß Durchmesser würde dann 10 X 10 X 10 X 0,2
= 200 Pfund wiegen. Das übrige Gerüst einer Tragschraubenmaschine
kann kaum unter 50 Pfund wiegen. 25—30 Pfund müssen dann für seit¬
liche Stützen, Räder u. dergl. zugerechnet werden. So würde, auch bei
einer möglichen Gewichtsreduktion der Schraube selber auf 147 Pfund, das
Gesamtgewicht mit Passagier, aber ohne Motor, etwa 375 Pfund betragen.
Fügen wir jetzt einen 50 Pferdestärken-Motor zu 5 Pfund per Pferdestärke
hinzu, so bekämen wir die Summe 375 + 250 = 625 Gesamtgewicht bei
10 Pfund per Quadratfuß Tragflächenbelastung. Dann müßte die Schraube
so gedreht werden, daß die Luft, die von ihr nach unten fließt, eine
Geschwindigkeit von (repräsentiert durch die Quadratwurzel aus 10 X 200)
44,72 Meilen die Stunde (ca. 20 m per Sek.) hätte, um den Apparat schwebend
zu erhalten. 50 Pferdestärken repräsentieren indessen nur 18 750 Meilen¬
pfunde Energie und es erfordert 44,72 X 625 = 27 940 Meilenpfunde oder
über 74 Pferdestärken, eine solche Maschine im Schweben zu erhalten. 1 ) Der
Flug wäre daher nur mit solch extrem leichten Motoren möglich, daß die¬
selben mit allem Zubehör nur 3 l h Pfund per Pferdestärke wiegen würden
(250 Pfund für 74 Pferdestärken). Dies bringt die Tragschraubenmaschine
gerade an die Grenzen des Möglichen. Und sollte sich eine bauen lassen,
so wäre ihr Nutzen sehr gering wegen der minimalen Tragfähigkeit. Wenn
der Leser der Beweisführung bis hierher genau gefolgt ist, so wird es ihm
nicht entgangen sein, daß der kritische Punkt des ganzen Problems darin
liegt, den höchsten Grad von Schraubendruck im Verhältnis zum Kraft¬
verbrauch und dem Gesamtgewicht der Maschine zu erzielen. Wenn die
Schraube von großem Umfang ist, so darf ihre Steigungsgeschwindigkeit für
einen gegebenen verlangten Druck gering sein, aber — wenn die Schraube
so groß ist, wiegt sie unverhältnismäßig viel mehr. Die kleine Schraube
wiegt viel weniger, aber sie muß schneller gedreht werden und hat dann
Man vergleiche dagegen die Ergebnisse z. B. bei den Versuchen von Leger. S. 331 unten. D. R.
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324
einen geringeren Nutzeffekt, so daß sie dann wiederum größeres Mötorgewieht
benötigt. Natürlich gibt es einen Punkt, wo das Verhältnis von Schrauben¬
größe und -gewicht und Motorstärke und -gewicht das günstigste ist. Wenn
wir das Gewicht des Motors per Pferdestärke kennen und ebenso das Gewicht
einer Schraube im Verhältnis zur Größe, so ist es für einen jeden, der mit
der höheren Mathematik vertraut ist, ein leichtes, die Schraubengröße und
das Motorgewicht so zu kombinieren, daß der verlangte Druck unter dem
bestmöglichen Nutzeffekt hervorgebracht wird.
Gegründete Aussichten nicht nur auf die Verwirklichung von Flügen,
sondern auch auf einen Überschuß an Tragfähigkeit, welcher praktischen
Nutzen verbürgt, besitzen nach allem obigen nur die Aeroplan- und
Aerokurvmaschinen. Wie gezeigt, besteht bei allen Flugmaschinen die
Schwierigkeit darin, zu gleicher Zeit genug Schraubendruck und genug Trag¬
kraft zu erhalten. Wir haben die Schraube so eingehend diskutiert, weil
wir kaum hoffen können, daß etwas anderes einen besseren Nutzeffekt als
die Schraube ergibt, bei der man darauf rechnen kann, daß sie Nutzeffekte
von 85—95 Prozent der an sie abgegebenen Arbeit zurückgibt. Wenn uns
ein Druck von nur einem Pfund zur Verfügung stände und wir diesen auf
einem Wagen, der auf einem vollkommen wagrechten und glatten Gleise
läuft, zur Wirkung brächten, so könnten wir damit ein Gewicht von 400 bis
500 Pfund transportieren. Wiederum, wenn dieses Gleise unter einer Neigung
von, sagen wir, 1 zu 20 anstiege, so würde ein stetiger Druck von knapp
ein wenig mehr als einem Pfund den Wagen die Steigung hinaufbefördern.
Wenn wir uns nun an Stelle von Gleise und Wagen eine Flugmaschine
mit unbewegten Flügeln vorstellen, so haben wir die Fundamentalidee der
Aeroplanmaschinen dargestellt. Wenn die Flügel bloß flach und horizontal
wären, so würde die Maschine natürlich allmählich niedersinken, einerlei
wie schnell sie sich bewegte; wenn aber die Flächen in der Richtung einer
ansteigenden Bahn gesetzt wären, so würde die Maschine bei hoher Ge¬
schwindigkeit nicht nur schweben bleiben, sondern auch allmählich aufsteigen,
tatsächlich — es würde nur eine Frage von Neigung und Geschwindigkeit
sein, irgend eine gegebene Maschine von beliebigem Gewicht im Flug zu
erhalten. Zum Beispiel: wäre die Maschine mit nicht mehr als etwa 1 1 /a Pfund
per Quadratfuß belastet, so könnte ein Druck von einem Pfund auf eine
Strecke von 30 Meilen die Stunde ein Gewicht von 4 zu 12 Pfund schwebend
erhalten (je nach der Beschaffenheit der Tragflächen), das heißt, die Trag¬
kraft der Schraube würde von vier- bis zwölfmal multipliziert werden. Dies
bringt die Möglichkeit der Flugmaschine näher, denn das Gewicht einer
Aeroplanmaschine braucht nur wenig mehr als das Doppelte von jenem
von Motoren, Schrauben etc. zu betragen. Bei 30 Meilen die Stunde Ge¬
schwindigkeit läßt sich in der Praxis mit jeder Pferdestärke ein Schrauben-
druck von 10—IOQ 2 Pfund erzielen. Auf dem Aeroplan würde sich dieser
in eine Tragkraft von 40—126 Pfund verwandeln. Während das nötige
Gewicht des Apparats mit einem Passagier an Bord 20 Pfund per Pferde-
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stärke nicht zu überschreiten braucht, könnten größere Maschinen, jene,
welche eine Last von einem Dutzend und mehr Passagieren zu tragen ver¬
möchten, sich selbst 60 Pfund Apparatgewicht per Pferdestärke erlauben.
Dies bedeutet die Möglichkeit, daß die nahe Zukunft Maschinen zu sehen
bekommt, welche nicht nur Passagiere, sondern auch Brennstoff mit hoher
Geschwindigkeit über weite Entfernungen befördern.
Übersetzt aus «Gas Power» von C. Dienstbach.
Der Kusnetzowsche Drache.
Gelegentlich der 4. Konferenz der internationalen Kommission für wissenschaft¬
liche LuftschifTahrt im vorigen Herbst in St. Petersburg zog der in Rußland gebräuchliche
Drache System Kusnetzow die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf sich. Daher
dürfte die genauere Beschreibung!) dieses Drachen auch weitere Kreise interessieren.
Es handelt sich um einen leichten
Hargrave-Drachen, dessen Quer¬
schnitt aber nicht viereckig, son¬
dern halbkreisförmig ist. Die er¬
forderliche Krümmung der Stäbe
wird leicht in der Weise erhalten,
daß man die fertig zugeschnittenen
Stäbe aus astfreiem Fichtenholz
von 5 mm Dicke und 12 mm
Breite etwa 2 Tage in Wasser
einweicht. Dann spannt man sie
auf eine tonnenförmige Form und
läßt sie auf derselben vollkommen
trocken werden, was in einem
trockenen Raume 3—4 Tage er¬
fordert. Sie behalten dann ihre
Krümmung und es kann der den
Halbkreis schließende Durch¬
messer mit Hilfe von Winkel¬
stücken aus Messingblech ange¬
bracht werden. Der Durchmesser
erhält gewöhnlich eine Länge von
1 m, sodaß der halbkreisförmige
Bogen 157 cm lang wird. Je 2
dieser Halbkreise bilden in einem
Abstande von 47 cm eine Ab¬
teilung des Drachen. Der Abstand
der beiden Abteilungen beträgt
56 cm, sodaß der Drache im gan- Fig. l. — Kusnetzowscher Drache,
zen 150 cm hoch wird. Zur Zu¬
sammensetzung des Gerüstes dienen 6 Längsstäbe: 2 in den Schnittpunkten der Halb¬
kreise mit den Durchmessern, 3 in gleichen Abständen von einander über den Halb¬
kreis verteilt und einer in der Mitte des Durchmessers. Es ist vorteilhaft, diese Längs¬
stäbe nicht dauernd zu befestigen, sondern nur auf passend angebrachte hülsen¬
förmige Ansatzstücke mit starker Reibung aufzustecken. Man kann sie dann leicht
0 Ruß. vom Konstrukteur im «Monatl. Bull.» des Physikalischen Zentralobservatoriums in St. Peters¬
burg. Juli 1903. Auch in französischer Übersetzung. Abbildungen siehe diese Mitteil. p. 3GG-368 Nov. 1904.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 42
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*»»» 32(3
herausziehen und so den Drachen zusammenlegbar herstellen; sehr bequem zum Trans¬
port ist nach meiner Erfahrung aber auch die unter Figur 2 abgebildete Ineinander-
schachtelung. Zur weiteren Verfestigung dienen dünne (0,6 mm) Eisen- oder Stahldrähte.
Je drei sind in den Ebenen der Halb¬
kreise angeordnet und verbinden die
Mitte jedes Halbkreises mit der Mitte
und den Enden des zugehörigen Durch¬
messers. Weiter werden noch die 4
Durchmesserenden der beiden äußersten
Halbkreise durch diagonale Drähte mit
den Mitten der entgegengesetzten äußer¬
sten Halbkreise sowie unter sich kreuz¬
weise verbunden. Die beiden Abteilungen
des so erhaltenen Gestells werden dann
mit Seidenzeug oder mit Nanzuk be¬
näht. Die Drachenleine resp. der Draht
wird in gewöhnlicher Weise mit Hilfe
der elastischen Bucht an der oberen
Abteilung des Draches befestigt.
Zu den Vorzügen des Kusnet-
zow sehen Drachen gehört vor allem
seine große Stabilität, welche eben zum
großen Teile durch seine nach unten
bezw. gegen den Wind konvexe Form
bedingt wird. x ) Er verbindet, wie man
sieht, durch seine Form die Vorzüge
des Malay-Drachen mit denen des Har-
grave-Drachen. Mit dem ersteren hat
er auch das geringe Gewicht gemein,
welches bei Bespannung mit Seidenzeug etwa 300 bis 400 g per 1 qm Tragfläche beträgt,
bei Bespannung mit Nanzuk auf 400—500 g steigt. Dagegen wogen von den Drachen
der Deutschen Seewarte mit Nanzuk-Bespannung2) die Malay-Drachen 500—600 g und
die Treppendrachen (Modell 1901) sogar 800—900 g. Bei den oben angeführten Dimen¬
sionen wiegt der Kusnet-
zow-Drachen etwa 1 kg und
hat etwa 2 V* qm Ober¬
fläche. Das Auflassen des
Drachens ist sehr leicht und
gelang es z. B. gelegentlich
der erwähnten Konferenz
aus freier Hand vom fah¬
renden Schiff aus inmitten
von Takelwerk und an¬
deren Hindernissen. Im Ob¬
servatorium zu Pawlowsk
werden gewöhnlich Drachen
der angegebenen Größe in
Gespannen von4,6und mehr
Drachen verwendet. Gele¬
gentlich eines solchen Auf-
Fig. 3. — Fesselung des Kusnetzowschon Drachens. stieges wurden z. B. bei
Fig. 2. — Inelnanderschaohtelung verschieden großer
Draohen zum Transport
(Die Spanndrähte sind dazu auszuhängen.)
i) Man sehe die Stabilitätsbedingungen des Draehcnflugcs bei Köppen, «Erforschung der freien
Atmosphäre mit liiire von Drachen» p. 3G. Arch. d. deutsch. Seewarte 1901, Nr. 1.
*) Koppen 1. c. p. 18—55.
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7 m p. S. Wind an der Erdoberfläche allmählich 6 Drachen in Abständen von 500—1000 m
an der Leine hochgelassen. Sie trugen den Meteorographen etwa 1300 m hoch, wobei
3500 m Draht abliefen. Der maximale Zug an der Drachenwinde erreichte dabei 14 kg.
Der Drache steigt schon bei 4—5 m p. S. Wind an der Erdoberfläche.
Elmar Rosenthal, St. Petersburg.
Anmerkung der Red. Nach den uns von Herrn Prof. Hergesell gemachten Mitteilungen haben sich
diese Drachen auch bei seinen Drachenaufstiegen auf dem Mittelmeer und auf dem atlantischen Ozean,
wo die im Frühjahr und Sommer dieses Jahres zur Verwendung kamen, sehr gut bewährt. Sowohl ihre
Verwendbarkeit bei relativ schwachem Wind wie ihre große Stabilität wird hervorgehoben.
„Zur Stabilitätstheorie der Drachen." 1 )
Die Kritik, welche meine Arbeit, „( her Druchenvenrendung zur See“, im Maiheft
dieser Zeitschrift gefunden hat, wobei besonders an meinem Vergleich des Kräftezentrums
der Drachen resp. ballonfreien Flugwerke und Vögel mit dem Metazentrum der Schiffe An¬
stoß genommen wird, zwingt mich zu folgender Entgegnung:
Meine Studie war für Seeleute geschrieben und erschien in den «Mitteilungen aus
dem Gebiete des Seewesens* 1904, Heft 4 und 5. Für den Leserkreis, für den sie in
erster Linie bestimmt war, schienen mir die vorhandenen Analogien zwischen Schiff und
Drachen von einigem Interesse und dürften auch dort meine Ausführungen vollkommen
verstanden worden sein.
Im Nachstehenden will ich es versuchen, von dem Bestehen dieser Analogien auch
einen weiteren Leserkreis zu überzeugen. Bei Schiffen hat man es stets mit fünf Kräften
zu tun, und zwar: 1. der Schwerkraft,
2. dem Auftrieb des Wassers,
3. dem Winddruck,
4. der Triebkraft,
5. dem lateralen Wasserwiderstand.
Die ersten beiden, nämlich die
Schwerkraft und der Auftrieb, sind stets
gleich groß, parallel und entgegengesetzt
gerichtet und bilden das sogenannte
«aufrichtende Kräftepaar* (Fig. 1.).
Ist P das Schiffsgewicht oder De¬
placement,
a der Neigungswinkel, um den
das Schiff aus der aufrech¬
ten Schwimmlage heraus¬
gedreht wurde,
p die Höhe des Metazentrums
über dem Deplacements¬
schwerpunkt,
a der Abstand des Schiffs¬
schwerpunktes vom Depla¬
cementsschwerpunkt,
p + a der Abstand des Metazen¬
trums vom Schiffsschwerpunkt,
so ist das Moment des aufrichtenden Kräftepaares, das sogenannte «Stabilitäts¬
moment», bestimmt durch die Gleichung St = P(p + a)sin a, wobei das erste Glied
Pp sin a nur von der Schiffsform abhängt und «Stabilität der Form» genannt wird,
während das zweite Glied ifPasina von der Schwerpunktslage abhängt und «Stabilität
*) Erwiderung auf die Besprechung der Arbeit «Über Drachenverwendung zur See», enthalten im
Maiheft dieser Zeitschrift.
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der Gewichte* heißt. Letzere ist bei Schiffen in der Regel negativ, d. h. der Schiffs-
schwerpunkt liegt meistens über dem Deplacementsschwerpunkt. Dagegen liegt das
Metazentrum, definiert als der Schnittpunkt der Resultierenden des Auftriebs in ge¬
neigter Schwimmlage mit jener des Auftriebs in aufrechter Schwimmlage, bei stabilem
Gleichgewicht stets ober, bei labilem Gleichgewicht stets unter, bei indifferentem
Gleichgewicht stets im Systemschwerpunkt.
Die drei anderen Kräfte, welche auf das Schiff wirken, nämlich der Winddruck,
die Triebkraft und der laterale Wasserwiderstand, können sodann auch auf ein Kräfte¬
paar und eine resultierende Einzelkraft reduziert werden, und besteht Gleichgewicht, d. h.
Ruhe oder gleichförmige Bewegung nur dann, wenn sowohl die beiden Kräftepaare,
nämlich das aufrichtende und das neigende, sich das Gleichgewicht halten, als auch
die resultierende Einzelkraft Null geworden ist.
Dagegen wirken beim ballonfreien Flugwerk, Drachen, Vogel, nur drei Kräfte,
und zwar:
1. die Schwerkraft,
2. der Luftwiderstand,
3. der Seilzug oder die Triebkraft.
Im Zustand des Gleichgewichts wirken diese drei Kräfte in einer Ebene, schneiden
sich in einem Punkte, dem Kräfte¬
zentrum K, und lassen sich zu
einem Kräftedreieck zusammen
setzen.
Der Schwerkraft steht hier
keine gleich große, parallele und
entgegengesetzt gerichtete Kraft
entgegen, mit welcher sie ein
reelles Kräftepaar bilden könnte,
jedoch lassen sich hier die drei
Kräfte stets auf ein Kräftepaar
und eine resultierende Einzel¬
kraft zurückführen.
Sobald die Richtung des
Seilzuges oder der Triebkraft nicht
durch das als Schnittpunkt der
Wirkungslinien der Schwerkraft
S und des Luftwiderstandes W
definierte Kräftezentrum geht, ist
das Gleichgewicht gestört. Es
tritt ein Drehmoment auf, dessen
Größe und Richtung durch das
Produkt aus der Größe des Seil¬
zuges bezw. der Triebkraft in den
senkrechten Abstand des Kräftezentrums von der Richtung des Seilzuges bezw. der
Triebkraft gemessen wird.
Nennt man wieder (Fig. 2.):
St dieses Drehmoment,
P den Seilzug bezw. die Triebkraft,
D den Abstand des Kräftezentrums vom Angriffspunkte des Seilzuges bezw.
der Triebkraft und
a den Winkel, um welchen das Flugwerk aus seiner Gleichgewichtslage heraus¬
gedreht wurde,
so gilt für das Stabilitätsmoment des Flugwerkes die Formel St = PDsina von ganz
analogem Bau wie beim Schiffe.
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Außerdem ergibt sich eine Einzelkraft gleich der Resultierenden R aus Schwerkraft,
Winddruck und Seilzug resp. Triebkraft, deren Richtung durch das Kräftezentrum geht.
Bei rohen Schätzungen geht man wenig fehl, wenn man das Stabilitätsmoment
dem Abstand des Kräftezentrums vom Schwerpunkte proportional annimmt. — Dabei darf
aber nicht außer acht gelassen werden, daß das Kräftezentrum in den Grenzlagen des
Flugwerkes die Tendenz zeigt, sich ganz unvermittelt von oben nach unten zu verlegen,
was leicht zu einem Kentern des Luftfahrzeuges führen kann. Dieses Drehmoment hat
bei stabilem Fluge die Tendenz, sich selbsttätig auf Null zu reduzieren, und entspricht
völlig dem Stabilitätsmoment eines Schiffes St = P(p+ a) sin a. Hat das Drehmoment
nicht das Bestreben, sich auf Null zu reduzieren, sondern im Gegenteil, zu wachsen, so
liegt ein Fall labilen Gleichgewichtes vor. ln der Regel ist, wenn das Kräftezentrum
über dem Schwerpunkt liegt, das erstere, wenn es unter dem Schwerpunkt liegt,
das letztere der Fall. Fällt das Kräftezentrum in den Schwerpunkt, so besteht
indifferentes Gleichgewicht. Alles in vollkommener Analogie mit dem Schiffe.
Aus meinen Ausführungen geht hervor, daß, wenn die drei auf ballonfreie Flug¬
werke wirkenden Kräfte in einer Ebene wirken, durch das Kräftezentrum gehen und sich
zu einem Kräftedreieck vereinigen lassen, Gleichgewicht besteht und keine Drehmomente
vorhanden sind; im Falle aber, als das Gleichgewicht gestört ist, das auftretende Dreh¬
moment und die resultierende Einzelkraft nach obigem leicht bestimmbar sind. Ich
glaube damit gezeigt zu haben, daß der Begriff des Kräftezentrums zur Betrachtung der
Drehmomente eines Flugwerkes durchaus nicht überflüssig und ohne jede praktische
Bedeutung sei, sondern ganz im Gegenteil die quantitative Beschreibung der Stabilitäts¬
verhältnisse eines Drachen oder sonstigen ballonfreien Flugwerkes ganz besonders
erleichtere. Th. Scheimpflüg.
Anm. Zu obigen Ausführungen möchte ich noch einmal wiederholen, was ich dem
Herrn Autor gelegentlich einer sehr anregenden mündlichen Diskussion über vorliegende
Fragen gegen die Zulässigkeit seines Vergleiches des «Kräftezentrums der Drachen mit dem
Metazentrum der Schiffe eingewendet hatte. Ich sagte: Ich halte derartige Vergleiche, welche
auf scheinbaren Analogien basieren und mehr verwirrend als klärend wirken, nicht bloß
für überflüssig, sondern meine, daß man sie direkt vermeiden sollte. Warum denn einen
Begriff, der an sich doch völlig klar definiert ist und keinerlei weiterer Versinnlichung
bedarf, durch etwas Unklareres verständlich machen wollen? «Kräftezentrum* und Meta¬
zentrum sind nun einmal zwei prinzipiell verschiedene Begriffe, wenn auch gewisse schein¬
bare Analogien zwischen der Bedeutung des Kräftezentrums und des Metazentrums be¬
stehen mögen. Beim Drachen gibt es tatsächlich kein wirkliches mechanisches Analogon
des Metazentrums. Es fördert auch keineswegs die Durchsichtigkeit des Problems, wenn
man erst über den Umweg der scheinbaren Analogie mit dem Metazentrum der Schiffe
zum Verständnis der Stabilitätsbedingüngen der Drachen Vordringen will.
Ich habe dann bewiesen, daß man auch ganz ohne Verwendung des Begriffes des
Kräftezentrums ohne Schwierigkeiten eine quantitative Beschreibung der Stabilitätsbeding¬
ungen der Drachen geben kann. Für gewisse einfache Fälle mag durch Zuhilfenahme des
Kräftezentrums auf graphischem Wege die Lösung vielleicht einfacher scheinen als die
übliche Komponentenzerlegung. Das ist Geschmacksache und Sache der Gewohnheit. Geht
man von dem Drachen auf frei fliegende Apparate über (Drachen-, Schwingen-, Schrauben¬
flieger usw.), so versagt die vom Autor propagierte Methode jedoch vollkommen, sie gibt
ja selbst für den Drachen keine ganz exakte Lösung. Bei freifliegenden Systemen, wo man
den Rumpfwiderstand des Apparates nicht so ohne weiteres vernachlässigen darf, kommt
man auch mit dem «Kräftezentrum» als «Schnittpunkt der Wirkungslinien der Schwer¬
kraft und des Luftwiderstandes» definiert nicht weiter. Man hat dann zu unterscheiden
zwischen dem Luftwiderstand gegen die Tragflächen und Propeller und dem Luftwider¬
stand gegen den Rumpf. Ohne Kenntnis des Angriffspunktes, der Richtung und Größe
jeder einzelnen dieser Kräfte ist eine quantitative Beschreibung der Stabilitätsverhältnisse
von freifliegenden Apparaten nicht möglich. Bei ballonfreien Flugmaschinen, also auch bei
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330
Drachen gibt es strenge genommen eigentlich gar kein «Kräftezentrum* in dem vom Autor
definierten Sinne. Das «Kräflezentrum* besteht bloß für einen idealen Drachen, bei dem
der Stirnwiderstand als verschwindend klein angenommen werden darf. Bei jedem realen
Drachen hat man jedoch zu trennen zwischen dem Luftwiderstand gegen die Tragfläche
und dem Stirnwiderstand. Es geht also nicht an, einfach vom «Luftwiderstand» köt’ ££oxnv
zu sprechen.
Die vom Autor gegebene Methode zur Bestimmung des Stabilitätsmomentes eines
Drachen stellt sonach bloß eine rohe Faustregel dar, die für gewisse Fälle wohl recht
nützlich und brauchbar sein kann, wenn sie auch keine völlig exakte Lösung des Stabili¬
tätsproblems gibt. Ich behalte jedoch meine schon in der ersten Besprechung der frag¬
lichen Arbeit gemachte Bemerkung, daß das «Kräftezentrum* zur quantitativen Beschreibung
der Stabilitätsverhältnisse von ballonfreien Flugmaschinen nicht ausreichend sei, auch
heute vollkommen aufrecht.
Mögen meine Ausführungen dazu beitragen, den wahren Wert und die Bedeutung
des «Kräftezentrums» für die Behandlung des Stabilitätsproblems der Drachen und der
ballonfreien Flugmaschinen ins rechte Licht zu setzen. Nim führ.
Kleinere Mitteilungen.
Das Luftschiff des Grafen Almerico da Schio. Der Italiener Graf A. da Sch io
hat ein neues Luftschiff fertig gestellt, mit dem in den Monaten Juni und Juli einige
vorläufige Versuche angestellt worden sind. Die Dimensionen dieses neuen Lenkbaren,
der «ltalia», sind folgende: Länge 39 m, größter Durchmesser 8 m, Oberfläche 716m2,
Kubikinhalt 1200 m3. Die Hülle besteht aus gefirnißter Seide; ihr Gewicht ist 200 kg;
eine zweite Hülle aus gefirnißtem Baumwollstoff, 55 kg wiegend, deckt die obere Hälfte
der Seidenhülle und trägt an 175 Aufhängestricken die 4 m unter der Hülle schwebende
Gondel. Neu und bemerkenswert ist bei der Konstruktion der Hülle, daß auf deren
Unterseite auf einer Längsbahn der Seidenstoff durch eine Einlage von elastischem Para¬
gummi ersetzt ist; die Oberfläche dieses Gummikiels beträgt ohne Dehnung 40 m2.
Der Erfinder will mit diesem Gummiband das Ballonnet überflüssig machen. Bei einer
Ausdehnung des Ballongases infolge einer Druckänderung oder einer Höhenänderung
soll sich diese elastische Bahn mehr oder weniger dehnen, wobei Deformationen des
Ballonkörpers vermieden bleiben. Natürlich ist ein automatisches Sicherheitsventil an¬
gebracht. Bei der bekannten Eigenschaft der elastischen Gummimembranen, einer an¬
fänglichen Dehnung den größten (in diesem Fall durch den inneren Überdruck zu über¬
windenden) Widerstand entgegenzusetzen, und diesen während der Ausdehnung abneh¬
menden Widerstand erst an, der Grenze der Elastizität, kurz vor dem Zerplatzen, wieder
etwas ansteigen zu lassen, ist aber nicht leicht einzusehen, wie und wann da ein Sicher¬
heitsventil funktionieren soll. Jedenfalls ist abzuwarten, wie sich diese originelle Idee
praktisch bewährt.
Die Gondel besteht aus einem sich beidseitig zuspitzenden 18 m langen aus Alu¬
miniumrohren gefügten Gestell von viereckigem Querschnitt. Am Vorderende trägt die
Gondel die Schraube, System Tatin, 4,5 m hoch. Hinten befindet sich ein Horizontalsteuer
von 5,5 m 2 ; überdies ist über dem vordem und dem hintern Drittel der Gondel je eine
Vertikalsteuerfläche von 10 m 2 angebracht. Die Gondel hat 3 Räder, die beim Manövrieren
auf dem Boden von Vorteil sein sollen.
Als treibende Kraft diente bei den ersten Versuchen ein Motor Buchet von 12
Pferdekräften. Über die damit erzielten Geschwindigkeiten verlautet nichts. Jedoch
scheinen sie nicht befriedigt zu haben, da weitere Flüge erst nach Installierung eines
neuern, stärkeren Motors versucht werden sollen. — Die Kosten des Baus und der Versuche
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»w 331
wurden durch eine Subskription gedeckt, an der sich der König und die Königin von
Italien, Kriegs- und Marineministerien etc., verschiedene Banken und Handelskammern,
Gelehrte, Offiziere und viele italienische Notabilitäten beteiligten. — — Q.
Die Erforschung der freien Atmosphäre Uber dem Atlantischen Ozean. In den Monaten
Juli und August dieses Jahres ist vom Fürsten von Monaco in Gemeinschaft mit Prof. Her¬
gesell die im letzten Jahr begonnene Erforschung der Passatregionen des nordatlantischen
Ozeans aufs neue in Angriff genommen worden. Es wurden diesmal nicht mehr allein
Drachenaufstiege ausgeführt, sondern es konnten auch eine Anzahl von Aufstiegen mit
Registrierballons erfolgreich durchgeführt werden. Diesbezügliche im Frühjahr auf dem
Mittelmeer unternommene Versuche hatten gezeigt, daß auch auf dem freien Meer bei
Verwendung eines schnellfahrenden Schiffs die Registrierballons verfolgt und bei Anwen¬
dung geeigneter Methoden an einem Schwimmkörper über dem Meer schwebend wieder¬
gefunden werden können. Die Methode, die auch die Flugbahn des Ballons mit hin¬
reichender Genauigkeit festzulegen gestattet, hat sich denn auch auf dem offenen Ozean
gut bewährt und hat aus Höhen bis zu 14 000 m nicht nur Temperaturangaben, sondern
auch wertvolle, zum Teil überraschende Resultate über die Zirkulationsverhältnisse über
dem Atlantik nördlich des Wendekreises ergeben.
Gleichzeitig sind, in der Hauptsache in der Gegend der Azoren und der Kanarischen
und Kap-Verdischen Inseln, von einem von L. Rotch und L. Teisserenc de Bort
ausgerüsteten Schiffe durch H. Clayton und H. Maurice ebenfalls Drachenversuche,
sowie von den Inseln aus auch Bahnbestimmungen großer, bis 11000 m steigender
Pilotballons gemacht worden. — Nach den bisher bekannten Resultaten dieser beiden
Expeditionen zu schließen, scheint es, daß die Verhältnisse der atmosphärischen Zirku¬
lation in einem Passatgebiet in größeren Höhen nicht ganz so einfach seien, wie man
bisher meistens schematisch angenommen hatte. Q.
Der Sehraubenfliegrer von Ingenieur M. Läger. Mit Unterstützung des Fürsten von
Monaco hat der Ingenieur M. Läger ein großes Schraubenfliegermodell gebaut, das bei den
angestellten Versuchen sehr bemerkenswerte Leistungen ergab. Das Modell ist halb so groß
ausgeführt wie der Apparat, der eine Person tragen soll. Es handelt sich, wie bei dem früher
besprochenen Modell der Gebrüder Dufaux, um die Anwendung von Hubschrauben. Die
beiden Hubschrauben, aus Aluminium bestehend und jede 21 kg wiegend, sind coaxial und
drehen sich in entgegengesetztem Sinn. Der Durchmesser der Schrauben ist 6,25 m,
ihre größte Breite 1,75 m. Der ganze Apparat ohne Motor wiegt 85 kg; dazu wurden
25 kg weitere Gewichte gefügt. Es wurden nun Versuche unternommen, wobei eine
Dynamomaschine als Energiequelle diente. Die Schrauben machten dabei etwa 40 Um¬
drehungen pro Minute. Bei einem Aufwand von 6,1 Pferdekräften vermochte der
Apparat eben sich selbst und die 25 kg zu tragen. Von diesen 25 kg rechnet
nun Läger 15 kg auf einen Motor von 7,5 HP. (Er nimmt also an, daß man mit
Motoren von 2 kg pro Pferdekraft rechnen darf.) Die übrig bleibenden 10 kg ent¬
sprechen einem Passagier von 80 kg, auf den gewünschten Maßstab */* reduziert.
Bei dem genannten Versuch hat jede Pferdekraft 18 kg gehoben. Mit einem Motor
von 10 statt von 6 Pferdekräften getrieben, hätte also auch das vorliegende Modell
4X(18—2) = 64 kg mehr Auftrieb zur Verfügung gehabt, also einen Menschen heben
können. Bei weiteren Versuchen, wobei der Apparat im ganzen mit 100 kg belastet w r ar,
wurde das ganze in der Tat, bei einem Aufwand von etwa 12 HP, ohne weiteres gehoben.
Dabei wurde allerdings die Festigkeit der Konstruktion überansprucht, so daß Deformie¬
rungen der Schrauben und der aus Stahlrohr von 5—6 cm Durchmesser und 1,5 mm
Wanddicke bestehenden Schraubenaxen und der Getriebe eintraten. Läger erwartet, daß
der in normalem Maßstab zu bauende Apparat, wenn er einen Motor von 100 HP erhält
(dessen Gewicht wird zu 200 kg angenommen), eine nützliche Last von 600 kg
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332 «««
tragen kann. Die Schraubenaxe will Leger nicht vertikal, sondern mit verstellbarer
Neigung anordnen, so daß eine Komponente in horizontaler Richtung wirkt. Damit soll
die Frage der horizontalen Fortbewegung ohne Zuhilfenahme von Gleitflächen octer be¬
sonderen Propellern ohne weiteres erledigt werden. Das Verzichten auf Schwebeflächen
setzt aber unter anderm das unbedingte Zutrauen voraus, daß der Motor niemals versagt,
bei Todesstrafe, während beim Vorhandensein von Tragflächen der Flug dann immer
noch ohne Katastrophe mit einem Gleitflug beendet werden könnte. Doch dies nur
nebenbei. Sicher bedeuten die Versuche von Leger einen guten praktischen Fortschritt. Q.
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt.
Sitzung vom 1. »Juli 1905.
Über die seit der letzten Versammlung ausgeführten 8 Ballonfahrten berichtete
zunächst Herr Hauptmann v. Abercron: Am 25. Mai fuhren von Godesberg aus
mit: Prinz v. Bentheim und Steinfurt, Herr v. Wesendonck und Herr v. Prittwitz und
Gaffron. Es herrschte fast Windstille, so daß der Ballon nach 2 Stunden erst über
Rolandseck schwebte. Da sich zudem Gewitterbildungen bemerkbar machten, so wurde
hier die Landung beschlossen und sehr glatt durchgeführt. Die Fahrt vom 4. Juni, bei
der die Herren Thieme und Maler Pohle von Düsseldorf aus mitfuhren, war eine Nacht¬
fahrt und endete nach 10ständiger Dauer und vielfach wechselnder Windrichtung bei
Helmond in Holland. Nach Westen führte gleichfalls die Fahrt vom 13. Juni, bei der
die Herren Ingenieur Küderling und Maler Mora aus Düsseldorf mitfuhren. Die Landung
erfolgte nach 5 '/< Stunden bei Diest in Belgien.
Über 4 weitere Fahrten berichtete Herr Dr. Bamler: Am 31. Mai hat eine Nacht¬
fahrt von Godesberg aus stattgefunden. Führer: Dr. Bamler, Mitfahrende: Dr. Gummert
und Rechtsanwalt Dr. Niemeyer aus Essen. Landung nach 10 Stunden bei Langensalza.
Die Fahrt verlief so wunderbar schön, daß sich Herr Dr. Niemeyer einen eingehenden
Bericht darüber Vorbehalten hat. Da er leider verhindert ist, der heutigen Versammlung
beizuwohnen, wird dieser Bericht bis zur nächsten Sitzung verschoben. Am 9. Juni
fuhren Herr Oberlehrer Milarch (Bonn) und Herr Sulpiz Traine (Barmen) unter Führung
von Herrn Leutnant Benecke von Godesberg auf. Da fast Windstille herrschte, wurde
nach 3 Stunden bei Sieglar gelandet. Am 17. Juni fuhren Herr Fabrikant Schubert
aus Zittau in Sachsen, Herr Kemna (Barmen) und Herr Dr. Göbel (Elberfeld) unter
Führung von Herrn Leutnant Benecke von Barmen aus auf. Zwischenlandung nach 3 Stunden
nördlich Essen, Aussetzen von Herrn Kemna, Weiterfahrt bis zur Höhe von 3900 Metern
und Landung nach 5*/* Stunden bei Schermbeck. Am 27. Juni fuhren die Herren Karl
Nauen und Otto Pastor aus Krefeld mit Herrn Leutnant Davids von Essen ab, mußten
aber nach l 3 /« Stunden eines Gewitters wegen mit 9 Sack Ballast nördlich Dortmund
landen.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet.
Die Deduktion .
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. ** November 1905. »et- 11. Heft.
*t,+i4K- -ae- jr *~*m- sg.-» '*.•+> **s«»»«
Aeronautik.
Die Begründung des „Internationalen Aeronautischen
Verbandes“ zu Paris
am 14. Oktober 1905.
Ein Beschluß von noch unabsehbarer Tragweite für die zukünftige
Entwicklung der LuftschilTahrt ist, nach dreitägiger Beratung zu Paris, auf
der internationalen Konferenz der Delegierten der verschiedenen Luftschiffer-
vereine gefaßt worden, die Begründung eines Internationalen Aeronautischen
Yerbandes. Feierlich ernst, und hoffnungsvoll freudig klangen am 14. Oktober
mittags 12 Uhr die Worte des Grafen de La Vaulx, der die letzte Konferenz¬
sitzung präsidierte: * Messieurs, la Federation Aeronautique Inter¬
nationale est fondee!»
Wer die zahlreichen, nationalen, sozialen und technischen Schwierig¬
keiten kannte, die sich dieser in ihren Folgen weitsichtigen Gründung
entgegenstellten, dem rang sich unwillkürlich ein «Gott sei Dank! * aus
der Brust.
Bekanntlich ist es niemals leicht, Viele unter einen Hut zu bringen,
und es gab auch hier auf der Konferenz manche Meinungsverschiedenheiten,
aber zu Ehren unserer Luftschiffervereine kann es nur anerkannt werden,
daß sie alle von der Erkenntnis der Notwendigkeit der Gründung dieser
internationalen Vereinigung überzeugt waren, und daher jeden Vorschlag,
jeden Wunsch anderer mit großem Entgegenkommen geprüft haben.
So wurden alle Hindernisse überwunden. Nach den im Juni 1905 zu
Brüssel stattgefundenen Vorberatungen zwischen den Vertretern von Belgien,
Deutschland, Frankreich und Schweden, den Herren Comte d’Oultremont,
Major Moedebeck, Comte de La Vaulx und Ingenieur Holmberger
(vgl. Heft 7, S. 219 und 225) hatte der Aeroclub de France den Auftrag
erhalten, die Berufung und damit die Vorarbeit für die internationale Kon¬
ferenz zu übernehmen, ln mustergültiger Weise hatte dieser Klub durch
den Entwurf von Statuten und Reglements dafür gesorgt, daß die kurze
Sitzungszeit am 12., 13. und 14. September, auch zu einer erfolgreichen
Arbeit führen konnte. Sein Vorschlag, die Wertigkeit der verschiedenen
Vereine und damit deren Stimmenzahl nach deren Gasverbrauch zu be¬
messen, und zwar für die Konferenz für den Verbrauch vom 1. August 1904
bis 31. Juli 1905, wurde allgemein angenommen. Es wurde festgesetzt, daß
25 000 cbm Gasverbrauch das Recht einer Stimme gewähren sollten. Hier¬
durch wurde auch die Zahl der zur Konferenz zu sendenden Delegierten
bestimmt.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. *13
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Bei der feierlichen Eröffnung am 12. Oktober, vormittags 10 Uhr, im
Saale des Automobilklubs von Frankreich (6 place de la Concorde) sprach
zunächst M. Cailletet, membre de l’Institut, als Präsident des Aeroclub
de France einige Worte über den geschichtlichen Hergang des Zustande¬
kommens der Konferenz und schloß mit dem Wunsche einer erfolgreichen
Durchführung der Arbeiten.
Darauf sprach der Vertreter des Ministers des Innern M. Bayet,
Direktor der höheren Bildungsanstalten. Er gab dem Aeroclub die Ver¬
sicherung, daß seine wissenschaftliche Arbeit an hoher Stelle sehr geschätzt
werde, und dankte sodann für das zahlreiche Erscheinen der auswärtigen
Delegierten zu einem Werke von hoher Bedeutung für die Verbindung der
Nationen unter einander. «Unser Land, sagte er, befindet sich in dem Rufe
ganz besonderen Entgegenkommens für Gelehrte, für Poeten und Künstler;
Sie meine Herren, vereinigen in sich alle dieser drei kostbaren Eigenschaften.
Ich rufe Ihnen in diesem Sinne im Namen des Ministers des Unterrichts¬
wesens ein Willkommen zu!»
Die dann folgende offizielle Feststellung der anwesenden Delegierten
und der Stimmenzahl der verschiedenen Nationen ergab folgendes Re¬
sultat :
Frankreich. Delegierte: MM. Leon Barthou, C. F. Baudry, Georges
Besancon, Prinz Roland Bonaparte, Graf de Castillon de
Saint-Victor, Emile Janets, Graf de La Vaulx, Major Paul
Renard, Paul Rousseau, Ed. Surcouf, Paul Tissandier,
sämtlich vom Aeroclub de France. Beigesellt waren außerdem
Hauptmann Ferber und M. Jacques Faure.
Gasverbrauch: 310 471 cbm. Die Zahl von 12 Stimmen wurde von
den Franzosen hier als Maximum vorgeschlagen, um ein gewisses
Gleichgewicht zwischen den Nationen möglich zu machen.
Deutschland. Delegierte: Dr. Bamler, Geh. Reg.-Rat Prof. Busley, Prof.
Dr. Hergesell, Frhr. v. Hewald, Major Moedebeck, Rechts¬
anwalt Dr. V. Niemeyer, Major Frhr. v. Parseval vom
Deutschen Luftschiffer-Verband.
Gasverbrauch: 202 200 cbm. Demnach 9 Stimmen.
Belgien. Delegierte: Ed. Heirmann und Ferdinand Jacobs vom Aero¬
club de Belgique.
Gasverbrauch: 67 000 cbm. Demnach 3 Stimmen.
Italien. Delegierter: Ingenieur Chevalier Pesce von der Societä Aero-
nautica Italiana.
Gasverbrauch: 33 000 cbm. Demnach 2 Stimmen.
England. Delegierter: Prof. Huntington vom Aeroclub of the United
Kingdom.
Gasverbrauch: 20 230 cbm. Demnach 1 Stimme.
Spanien. Delegierter: Oberst Echagiie vom Real Aereoclub de Espana.
Gasverbrauch: 20 000 cbm. 1 Stimme.
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Schweiz. Delegierter: Oberst Schaeck vom Schweizer Aeroclub.
Gasverbrauch: 7000 cbm. 1 Stimme.
Vereinigte Staaten von Nordamerika. Delegierter: Mr. Lawrence
Rotch vom Aeroclub of America.
Gasverbrauch: unbekannt. 1 Stimme.
Im ganzen hatten die anwesenden Vertreter der Vereine somit über
30 Stimmen zu verfügen.
Für Deutschland insbesondere brachte der Gasverbrauch die Verbands¬
vereine in nachfolgende Rangordnung:
1 .
Berliner V. f. L.
65 000
cbm
Leuchtgas
bei
50
Ballonfahrten
9000
W asserstoffgas
»
15
»
2.
Niederrhein. V. f. L.
50 290
Leuchtgas
35
»
3.
Augsburger V. f. L.
18 200
>
»
»
14
»
4.
Posener V. f. L.
12 970
»
»
9
»
5.
Münchener V. f. L.
12 240.
>
»
7
6.
Oberrhein. V. f. L.
11 700
»
»
9
»
7.
Coblenzer V. f. L.
9 100
»
»
»
7
*
8.
Ostdeutscher V. f. L. 7 200
»
»
5
»
9.
Fränkischer V. f. L.
6 500
»
»
»
5
»
Summa
202 200 cbm
Gas
bei
156 Ballonfahrten.
Für das Bureau wurden folgende Herren vorgeschlagen und gewählt:
p Ehrenpräsident: M. L. T. Cailletet vom Institut.
Präsidentr Prinz Roland Bonaparte.
Vize-Präsidenten: Geh. Reg.-Rat Prof. Busley,
Fernand Jacobs.
Graf de La Vaulx,
Schriftführer: Georges Besangon.
Berichterstatter: Ed. Surcouf.
Schatzmeister: Paul Tissandier.
Die Beratung der Satzungen nahm die drei Arbeitstage der Konferenz
in vollstem Maße in Anspruch. Für die Reglements über die aeronautischen
Wettflüge, über die Wettbewerbe mit Flugmaschinen und über die Ernennung
von Startern zur Zeitbestimmung und die zahlreichen Anhänge reichte die
Zeit nicht mehr aus. Bei der überaus gründlichen und verständigen Be¬
arbeitung des Entwurfs der Reglements, von denen die beiden ersteren allein
zusammen 234 Paragraphen umfassen, wurde der Vorschlag gemacht, die¬
selben fakultativ anzunehmen und gelegentlich der nächsten Konferenz, nach
welcher mehr Erfahrungen vorliegen werden, an ihre endgültige Festsetzung
zu schreiten. Die fleißige Arbeit des Aeroclub de France fand im übrigen
allgemeine Anerkennung. Hervorgehoben sei, daß in derselben die ge¬
legentlich der Vorberatung in Brüssel von deutscher Seite ausgesprochenen
Wünsche volle Berücksichtigung gefunden hatten.
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336 €«««
Satzungen
des Internationalen Aeronautischen Verbandes.
(Federation AeKcuaautique Internationale.)
Artikel 1. Unter dem Namen «Internationaler Aeronautischer Verband»
ist eine internationale Vereinigung zwischen den Verbänden oder Klubs, die den Luft¬
schiffahrtssport bei den verschiedenen Nationen betreiben, begründet worden.
Für jedes Land wird nur eine einzige Sportmacht anerkannt.
Diese Verbände oder Klubs erklären sich bereit zur Annahme der nachfolgenden
Satzungen. Die Grundlagen des I. A. V. sind folgende:
A) Anerkennung der nationalen Reglements und persönlichen Satzungen
jedes einzelnen zugehörigen Verbandes oder Klubs.
B) Reglementierung der Wettbewerbe durch zwei Arten von Satzungen
1. Persönliche Satzungen. 2. Sachliche Satzungen.
1. Persönliche Satzungen.
Artikel 2. Die Ausbildung und die Fähigkeiten jedes einzelnen Luftschiffers
oder Führers der verbündeten Nationen werden durch nationale, gesetzliche Vorschriften
oder in deren Ermangelung durch die in Brauch befindlichen Anordnungen in allen
Ländern, die dem 1. A. V. angehören, festgesetzt.
2. Sachliche Satzungen.
Artikel 3. Die Reglements für die Wettbewerbe und Rekorde sind in jedem Land
des I. A. V. vorschriftlich für jeden Luftschiffer ohne Rücksicht auf seine Nationalität.
Zweck des I. A. V.
Artikel 4. Der I. A. V. soll sich mit der Luftschiffahrt beschäftigen, mit ihrer
internationalen Reglementierung und, unter Zustimmung des Verbandes oder des auf¬
genommenen Klubs der daran interessierten Nation mit gelegentlich stattfindenden
internationalen Wettbewerben.
Der I. A. V. soll auch Meinungsverschiedenheiten, die zwischen einer oder der
anderen der föderierten Nationen eintreten könnten, ohne Berufung entscheiden.
Der I. A. V. kann Spezialkommissionen ernennen zum Studium besonderer Fragen.
Artikel 5. Die Verwaltung des I. A. V. übernimmt der Vorstand, der sich zu¬
sammensetzt aus einem Präsidenten, drei Vizepräsidenten, einem Schriftführer, einem
Berichterstatter und einem Schatzmeister.
Der Vorstand wird jedes Jahr während des Kongresses neu erwählt werden.
1m Verlaufe des Jahres eintretende Lücken auszufüllen, bleibt Sache des Vorstandes.
Sitz.
Artikel 6. Der Sitz des I. A. V. befindet sich in derjenigen Stadt, in welcher der
Schriftführer des I. A. V. wohnt.
Kongreß.
Artikel 7. Alle Jahre findet ein Kongreß der Delegierten der verschiedenen
Nationen statt, die den I. A. V. bilden.
Artikel 8. Die Gegenwart des Schriftführers des I. A. V. bei allen Kongressen
ist obligatorisch.
Die ihm erwachsenden Unkosten werden aus der Kasse des I. A. V. bezahlt.
Artikel 9. Auf Verlangen von 4 Nationen kann durch den Vorstand des I. A. V.
ein außergewöhnlicher Kongreß zusammenberufen werden, jedoch erst in der Zeit von
einem Monat nach Eingang des Gesuchs an.
Artikel 10. Auf die Tagesordnung der gewöhnlichen Kongresse des I. A. V.
werden alle diejenigen Fragen gebracht, welche dem Schriftführer bis einen Monat vor
dem Datum des Kongresses eingesandt worden sind.
Alle in Vorschlag gebrachten Änderungen oder Bemerkungen, die nicht auf die
Tagesordnung gesetzt sind, können nur unter der Bedingung zur Besprechung gelangen,
daß sie von den Delegierten von wenigstens 2 Nationen vorgebracht werden.
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Artikel 11. Die Zulassungsgesuche zum I. A. V. sind an den leitenden Vorstand
zu richten, der sie dem nächsten Kongreß unterbreiten wird. Die vorläufige Zulassung
kann bis zur Bestätigung durch den Kongreß vom Vorstande ausgesprochen werden.
Artikel 12. Jeder Delegierte kann nur einen einzigen Verband vertreten.
Artikel 13. Der Ausschluß aus dem I. A. V. kann gegen einen Verband oder
einen angegliederten Klub nur mit */» Stimmenmehrheit der auf der Konferenz vertretenen
Stimmen stattfinden.
Beitrag.
Artikel 14. Der Beitrag, der jedes Jahr durch die Konferenz festgesetzt wird,
ist für das Sportjahr 1905/06 auf 100 Frcs. bestimmt. Die Verbände oder Klubs, welche
über mehr als 3 Stimmen verfügen, bezahlen einen Beitragszuschuß von je 50 Frcs. für
je 3 weitere Stimmen oder für darüber hinausgehende Bruchteile von 3 Stimmen. Der
Beitrag ist im voraus zahlbar.
Stimmen.
Artikel 15. Jedes auf dem Kongreß vertretene Land hat, je nach seiner Bedeutung,
die bestimmt wird nach dem jährlich in seinem Lande verbrauchten Gasvolumen in der
Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember des vorhergehenden Jahres, das Recht auf eine
gewisse Anzahl von Stimmen, die zugleich entschieden wird, sobald seine endgültige
Aufnahme beschlossen ist. Dieses Stimmenverhältnis ist gegenwärtig festgesetzt auf
1 Stimme für 25 000 cbm Gas, das verbraucht wurde seitens der Mitglieder des Verbandes
oder Klubs jeder zugehörenden Nation.
Die Stimmenzahl, die einer Nation zusteht, einschließlich ihrer Kolonien oder Depen-
denzen, soll die Ziffer 12 im ganzen niemals überschreiten.
Artikel 16. Am 14. Oktober 1905 war die Liste der zum Internationalen Aeronau¬
tischen Verband gehörenden Verbände nachfolgende:
Namen Stimmen
A6roclub de France ..12
Deutscher Luftschiffer-Verband ... . 9
Aeroclub de Belgique .. 3
Societa Aeronautica Italiana. 2
Real A6reoclub de Espana . .. 1
Aeroclub of the United Kingdom. 1
Schweizer Aeroclub. 1
Aeroclub of Amerika. 1
Sa. . . . 30
Artikel 17. Die Stimmenverteilung kann jedes Jahr beim Kongreß revidiert werden.
Artikel 18. Jede Nation kann beim Kongreß durch ebenso viele Delegierte ver¬
treten werden, als sie Stimmen hat. Ein Delegierter kann mehrere Stimmen für den¬
selben Verband oder Klub haben.
Artikel 19. Als Land, das auf dem I. A. V. vertreten werden kann, versteht
man eine Nation im eigentlichen Sinne, inbegriffen ihrer Dependenzen und Kolonien.
Beitritt
Artikel 20. Um dem I. A. V. beizutreten, ist es erforderlich, ein bezügliches
Gesuch an den Schriftführer des I. A. V. zu richten unter Beifügung von 2 Exemplaren
der Satzungen, 2 Exemplaren des Reglements für Wettbewerbe und Rekorde und, wenn
vorhanden, von Modellen von Medaillen und Führerpatenten.
Wettbewerbe.
Artikel 21. Alljährlich wird durch den I. A. V. in derjenigen Stadt, die durch
den vorhergehenden Kongreß bestimmt worden ist, ein Wettfliegen organisiert, unter Be¬
rücksichtigung von Artikel 4, erster Absatz.
Verordnungen.
Artikel 22. Die durch die zuständige Autorität eines der Verbände oder Klubs,
die dem I. A. V. angehören, gegen einen seiner Luftschiffer oder einen seiner Führer
oder gegen einen Luftschiffer oder Führer eines fremden Landes, die teilnehmen an
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einem Wettbewerb in seinem Lande, ausgesprochenen Strafen werden als verbindlich
anerkannt von allen Verbänden und Klubs des I. A. V.
Artikel 23. Jeder LuftschifTer oder Führer, welcher disqualifiziert oder des Amtes
enthoben ist. wird das in vollstem Maße sein von dem Tage ab, wo die Strafe bekannt
gemacht sein wird, und alle Abmachungen, auch die früheren, welche er eingegangen
ist, werden rechtlich für null und nichtig erklärt.
Artikel 24. Alle Verbände oder Klubs, welche Strafen zu verzeichnen haben,
sind verpflichtet, letztere unmittelbar dem Schriftführer des I. A. V. mitzuteilen, der sie
den Verbänden oder Klubs bekanntgeben wird, welche sie ihrerseits möglichst bald
ihren angegliederten Vereinen und allen ihren Verwaltungsmitgliedern anzeigen.
Lizenzen und Patente.
Artikel 25. Die Eigenschaft als Führer wird anerkannt durch Lizenzen oder Diplome.
Artikel 26. Die Führer müssen ihre Lizenz stets in dem Verbände oder Klub
nehmen, welchem sie angehören.
Artikel 27. Kein Verband oder Klub darf einem Führer erlauben, verschiedene
Pseudonyme anzunehmen.
Artikel 28. Jeder Verband oder Klub kann gelegentlich eines Wettbewerbes oder
irgend eines Versuchs eine Führerlizenz für bestimmte Zeit ausstellen, jedoch nur für
diesen einzelnen Versuch, und das an jedermann, dessen aeronautische Fachkenntnisse er
für ausreichend hält.
Rekorde.
Artikel 29. Der Schriftführer des 1. A. V. hält die Liste der nationalen Rekorde
auf dem Laufenden gemäß den Dokumenten, welche ihm von jedem Verbände oder Klub
zu liefern sind.
Artikel 30. Die Weltrekorde müssen anerkannt werden übereinstimmend mit
den internationalen Reglements für die Wettfiügc, Wettbewerbe und Rekorde, die den
vorliegenden Satzungen angegliedert sind. 1 )
Satzungsänderung.
Artikel 31. Änderungen vorstehender Satzungen sind nur möglich, wenn
zwei Verbände oder Klubs sie wenigstens einen Monat vor der Konferenz Vorbringen,
damit sie auf die Tagesordnung gesetzt werden können.
Zur Annahme dieser Änderungen sind ein Drittel der auf der Konferenz ver¬
tretenen Stimmen erforderlich.
Das während der Konferenz gewählte Bureau wurde durch Akkla¬
mation zum Vorstande des I. A. V. während des Jahres 1905/1906 erwählt.
Nach der Gründung des I. A. V. lud der Geheime Regierungsrat Herr
Professor Busley, als Vorsitzender des Deutschen LuftschifTer-Verbandes,
den I. A. V. ein, den nächsten Kongreß im Jahre 1906 im Oktober in Berlin
abzuhalten gelegentlich des 25 jährigen Gründungsfestes des Berliner Vereins
für LuftschifTahrt. Das Datum solle noch später genauer bestimmt werden.
Zu dem Feste wurden auch die Damen mit eingeladen.
Die Einladung wurde von allen Seiten mit Beifall aufgenommen und
eine reiche Beteiligung zugesagt. Von französischer Seite wurde scherz¬
weise der Vorschlag laut, bei dem nächstjährigen Wettbewerb um den
Grand Prix de l'Aero-Club, welcher gleichfalls im Oktober von statten geht,
die beste Zielfahrt nach Berlin im Ballon als Bedingung für den Gewinner
des Preises aufzustellen, ein Vorschlag, der von Paris aus bei geeignetem
Winde sicherlich Aussichten auf Erfolg haben könnte.
l ) lm Entwurf des Aeroclub de France folgen vorliegenden Satzungen die umfangreichen Reglements.
Eine deutsche offizielle Ausgabe wird erfolgen, sobald die französische herausgegeben ist.
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Die Nachmittage waren für die ausländischen Delegierten in ange¬
nehmster und lehrreicher Weise ausgefüllt durch den Besuch des Park des
Aeroclub de France am 12. Oktober, und der bekannten Aeronautischen
Etablissements von Mailet, von Surcouf und von Lachambre am 13. Ok¬
tober. Überall wurden sie in gastfreundlicher Weise aufgenommen und
bewirtet.
Die Konferenz fand ihren feierlichen offiziellen Abschluß in einem vom
Aero-Club de France den ausländischen Delegierten gegebenen Festessen
am 14. Oktober im Hause des Automobile-Club de France, 6 place de la
Concorde, an welchem auch der Vertreter des Ministre de Plnstruction
publique, M. Bayet, teilnahm.
Nach dem Essen führte M. Archdeacon an der Hand von kine-
matographischen Lichtbildern seine überaus interessanten Versuche im Kunst¬
fluge vor. Der Experimentator hatte die Liebenswürdigkeit, seinen Vortrag
für die «Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen» zur Verfügung zu stellen,
wofür ihm alle Leser derselben dankbar sein werden.
Anschließend hieran sprach Herr Hauptmann F erb er über seine Ver¬
suche im Kunstfluge Lilienthals.
Beide Herren bedauerten auf das lebhafteste, daß Lilienthal in Deutsch¬
land selbst keinen Nachfolger gefunden hätte.
Zum Schluß wurden noch lehrreiche kinematographische Lichtbilder
von Flugversuchen mit dem Luftschiff von Santos Duraont und von den
Gebrüdern Lebaudy vorgeführt.
Den Delegierten war es auch noch vergönnt, dem großen Ballon-
Wettfahren am Sonntag, den 15. Oktober um den Grand Prix de PAero-
club de France beiwohnen zu können. Der Wettbewerb war international,
der I. Preis fiel demjenigen Führer zu, welcher die größte Entfernung mit dem
Ballon zurücklegte.
Die Fahrt fand vom Tuileriengarten aus statt. Der Eintritt war zum
besten der Notleidenden bei dem Erdbeben in Calabrien auf 2 Frs. für die
Person festgesetzt. Die Füllung der 20 angemeldeten Ballons begann am
frühen Morgen unter Aufsicht des Luftschiffers Maurice Mailet, dem der
Gouverneur von Paris, General Dessirier, noch etwa 100 Mann der ersten
Luftschiffer-Kompagnie zur Verfügung gestellt hatte. Die Füllung der 20 Bal¬
lons erforderte 30 000 cbm Gas. Das Wetter war durchaus nicht günstig,
häufig brachten plötzliche Windstöße die schon gefüllten Ballons in bedenk¬
liche Schwankungen. Aber bei der guten Verankerung mit Ballastsäcken
und der verhältnismäßig geschützten Lage des Tuileriengartens verlief das
Wettfahren ohne Störungen.
Als Preise waren ausgesetzt:
1. Preis — 1000 Frcs. von der Stadt Paris; eine Sevres-Vase vom Ministere de l’Instruction
publique; ein Diplom des Aeroclub de France; eine goldene Medaille vom Munizipal¬
rat von Paris; eine Medaille in Vermeil von der Zeitschrift «TASrophile».
2. Preis — 500 Frcs. vom A6roclub de France; ein Registrierapparat, Geschenk des
Prinzen Roland Ronaparte; eine Medaille in Vermeil vom Automobileclub de France.
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340
3. Preis — 300 Frcs. von M. Henry Deutsch de la Meurthe; eine Medaille in Vermeil,
gestiftet vom Touringclub de France.
4. Preis — 200 Frcs.; eine Plaquette in Silber, gestiftet vom Syndikat der periodischen
Zeitschriften und Publikationen.
5. Preis — 100 Frcs.; eine Bronzemedaille, gestiftet vom «Le nouveau Paris*.
6. Preis — 100 Frcs., gestiftet von Sir David Salomons.
7. Preis — 50 Frcs.
Außer diesen Preisen stiftet die Zeitung «L’Auto» eine silberne Medaille dem ersten
der auländischen Konkurrenten und das Journal «Les Sports» eine silberne Medaille dem
ersten französischen Konkurrenten.
Zugelassen wurden nur Ballons bis zu 1600 cbm Größe. Die Eintritts¬
gebühr betrug 100 Frcs., das Füllgas wurde gratis geliefert. Die Reihen¬
folge der Abfahrt war durch das Los bestimmt worden.
Folgende 20 Ballons waren angemeldet und am Füllorte ausgelegt:
1. La «Belgique» (comte Hadelin d'Oultremont, Belgier); 2. «Eden» (M. Edouard
Boulenger, Franzose); 3. le «Radio-Solaire (M. Paul Bordö, Franzose); 4. «Archimede»
(M. Georges Blanchet, Franzose); 5. la «Kabylie» (M. Jacque Faure, Franzose); 6. la
«Concorde» (M. L6on Maison, Franzose); 7. «El Cierzo» (M. J.-F. Duro, Spanier); 8. «Phoebä»
(M. Edouard Bachelard, Franzose); 9. la «Belle Hdlöne» (M. Alfred Duprat, Franzose);
10. «Katherine-Hamilton» (M. Frank Lahm, Amerikaner); 11. «Moriciana» (comte Arnold
de Contades, Franzose); 12. «Eole» (M. Renö Gasnier, Franzose); 13. le «Mistral»
(M. Ernest Barbotte. Franzose); 14. la «Finlande» (M. Erik Tollander de Balsch, Russe);
15. «Albatros» (M. Alfred Leblanc, Franzose); 16. «Vivienne-111» (M. Leslie Bucknall,
Engländer); 17. le «Oentaure» (M. Alfred Vonviller, Italiener); 18. «Acad6mie-A£ronautique»
(M. Justin Balzon, Franzose); 19. le «Cambronne» (M. Edmond David, Franzose); 20. «Aero-
club Nr. 3» (M. Auguste Nicolleau, Franzose).
Die Fahrten begannen gegen 3 Uhr nachmittags, nachdem zuvor zahl¬
reiche Brieftauben und Pilotenballons aufgelassen worden waren; bei dem
frühen Dunkelwerden infolge eines immer beständiger werdenden Regen¬
wetters konnten bis gegen 7 Uhr abends bedauerlicherweise nur nach¬
folgende 15 Ballons starten:
Uhr
3 14 — L’Eden (M. Boulenger).
3 38 — L Archimede (M. Blanchet).
3 48 — Le Radio-Solaire (M. Borde).
404 — La Belgique (M. d’Oultremont).
4 20 — La Concorde (M. Maison).
4 24 — La Kabylie (M. Jacques Faure).
4 34 __ El Cierzo (M. Duro).
4 50 — Phoebö (M. Bachelard).
Uhr
5 14 — L'Eole (M. Gasnier).
5 41 — L’Academie-Aäronautique (M. Balzon).
5 43 — La Belle Helene (M. Duprat).
6 04 — L’Albatros (M. Leblanc).
6 18 — Le Centaure (M. Vonviller).
6 38 — La Finlande (M. de Balsch).
7 05 — Le Cambronne (M. David).
Über den Ausfall des Wettbewerbes wurde folgendes im Aeroclub de
France bekannt gegeben:
1. Preis, M. Jacques Faure, der zusammen mit Comte Rozan im Ballon
Kabylie (1600 cbm) in 18 Stunden 6 Minuten etwa 1350 km zurück¬
legte und gegen 1030 Uhr vormittags am 16. Oktober bei Kirchdrauf
bei Leustchau in Ungarn (Kreis Zips) landete.
2. Preis, M. J. F. Duro, Begründer des Königl. spanischen Aeroclub, fuhr
zusammen mit Leutnant Herrera von der spanischen LuftschifTertruppe
im Ballon Cierzo und landete am 16. Oktober gegen 630 Uhr vormittags
bei Neutitschein in Mähren, nahe der Grenze von österreichisch Schlesien.
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3. Preis, M. Edouard Boulenger aus Roubaix, fuhr allein im Ballon Edem
(800 cbm) und landete liQ vormittags zu Annaberg in Sachsen.
Beinahe ebensoweit kam M. Edmund David mit dem Ballon Cam- •
bronne (800 cbm), er landete um 7 Uhr vormittags in Plattling (Bayern)’
und legte in 11 Stunden 56 Minuten 780 km zurück.
Von den andern Führern wurden folgende Resultate bekannt gegeben :
Leon Maison, Ballon La Concorde 1550 cbm. Landung 122Q nachts
bei Neustadt a. d. Saale in Bayern, etwa 680 km.
Vonviller, Ballon Centaure, Landung 122Q nachts, 3 Kilometer von
Darmstadt, Entfernung 480 km. Fahrtdauer etwa 6 V 2 Stunden. Mitfahrender
M. Charles Levee.
Comte d’Oultremont, Ballon La Belgique, Landung nach Ballast¬
verbrauch um 9Iü abends bei Zirn a. d. Nahe im Birkenfeldschen (Olden¬
burg). Fahrtdauer etwa 5 l iz Stunden.
Alfred Leblanc, Ballon Albatros, landete in Schneesturm um 1 Ohr
morgens zu Densborg bei Trier. Entfernung 340 km. Fahrtdauer 6 Stunden
46 Minuten. Mitfahrender M. Martin.
Bachelard, Ballon Phcebe, landete bei Eegreuv bei Basbogne in
belgisch Luxemburg. 290 km.
Tollander de Balsch, Ballon Finnland, landete bei Luxemburg.
Gasnier, Ballon L’Eole, landete bei Rulles in belgisch Luxemburg.
Bjanchet, Ballon L'Archimede, landete bei Beaufort in belgisch’
Luxemburg.
Duprat, Ballon La Belle Helene, landete zwischen Carignon und der
belgischen Grenze.
Justin Balzon, Ballon L’Academie Aeronautique, landete bei Vouziers
in den Ardennen.
Die genaue Festlegung der erreichten Resultate kann erst später nach
Rückkehr der Führer erfolgen.
Man kann das Wettfliegen im ganzen genommen als einen schönen
Schlußstein der internationalen Aeronautischen Konferenz betrachten. Der
Besuch der Tuilerien seitens des Publikums war ein außerordentlich starker,
trotz des unfreundlichen, regnerischen Wetters. Unter den Zuschauern
befanden sich unter andern auch der deutsche Botschafter Fürst Radolin,
der bayrische Gesandte, die italienische Gesandtschaft und die Königin von
Madagaskar. Viele Tausende standen außerhalb der Umzäunung und sahen
dem imposanten Schauspiel zu.
Jeder mußte die Empfindung haben, daß der Tag zugleich der Ein¬
weihung eines neuen großartigen Sports gilt, daß er einen Markstein bildet
. in der Geschichte der LuftschifTahrt.
H. W. L. Moedebeck,
Schriftführer des deutschen LuftschifTer-Verbandes.
U
Ulustr. Aeronaut. Mittcil. IX. Jahrg.
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342
Vortrag von E. Archdeacon über den Schwebeflug,
gehalten im Automobilklub de France vor den Delegierten der inter¬
nationalen aeronautischen Konferenz, 14. Oktober 1905.
(Übersetzt durch A. de Quervain.)
Meine Herren!
Morgen werden Sie einer wirklichen Apotheose der Luftschiffahrt bei¬
wohnen, einer Apotheose, über die ich mich als erster herzlich freue, da
die Luftschiffahrt mit Ballons jedenfalls eine der verschiedenen Arten dar¬
stellt, wie man sich im Luftmeer bewegen kann; so kann denn diese Ver¬
herrlichung auch für die Schwester der Luftschiffahrt, für die Fliegekunst,
für die ich immer eine besondere Vorliebe besessen, von Nutzen sein. Da
aber die Fliegekunst noch zu jung ist, um sich morgen vor unserer Ver¬
sammlung präsentieren zu dürfen, habe ich gedacht, es würde immerhin
erlaubt sein, wenn in Ermanglung eines besseren, wenigstens heute einer
ihrer begeistertsten Anhänger einige Worte zu ihren Gunsten spricht.
Ich bin glücklich, in der Gegenwart der geehrten Vertreter von Deutsch¬
land, hier öffentlich und mit Nachdruck als genialen Vorläufer in der Aviatik
den unvergeßlichen Lilienthal anzuerkennen. Seine letzten Versuche, seine
Schwebeflüge von 300 m Länge sind bis zu diesem Tage von niemand
übertroffen worden; er ist ohne alle Frage unser aller Meister und der
Vater aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Flugtechniker. Doch
kann ich neben dieser warmen Anerkennung dessen, was von deutscher
Seite hier geleistet worden ist, nicht umhin, mein Bedauern auszudrücken,
daß ein Genie wie Lilienthal in seiner Heimat keine Nachfolger gefunden
hat, die das von ihm unternommene glänzende Werk fortgesetzt hätten.
Ich spreche jedoch die Hoffnung aus, meine Herren Delegierten aus Deutsch¬
land, daß doch eines Tages sich unter Ihnen solche Leute finden werden.
Denn um diese so schwierige Flugfrage zu einer glücklichen Lösung zu
bringen, dazu bedarf es einer vereinten Anstrengung der Fachleute aller
zivilisierten Nationen. 1 )
Bis zu diesen letzten Jahren haben sich' die Arbeiten, die sich mit
der Lenkbarkeit eines Luftfahrzeugs befassen, fast ausschließlich dem lenk¬
baren Luftschiff zugewandt. Einige Anhänger der Flugmaschine, vor allen
Na dar, haben darum den auf diesem Gebiete Arbeitenden Parteilichkeit zu¬
gunsten des Luftschiffs vorgeworfen und haben geradezu dem Gedanken
Ausdruck gegeben, daß die Realisierung des lenkbaren Ballons beträchtlich
J ) Herr Archdeacon, der die Liebenswürdigkeit hatte, uns obige Rede auf meine Bitte hin für
die «Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen, zur Verfügung zu stellen, schrieb mir auf seine nebenstehend
wiedergegebene Photographie die Worte: <Un fervent admirateur de Lilienthal, qui voudrait etre un Lilienthal
dans son pays, ou qui se contentcrait encore d’etre un demi Lilienthal.
Dan.s :t ans, vous scrcz oblige de lui clever une statuc.
Hoffen wir und wünschen wir, daß Herr Archdeacon Hecht behält! Hoffen wir auch,
daß die spärlichen Schüler Lilienthals bei uns nicht ermatten, sondern in dieser Aufforderung neue Anregung
linden zur Fortsetzung ihrer so interessanten und lehrreichen Versuche. Moedebeck.
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diejenige der Flugmaschine verzögert habe. Allerdings muß ich gleich bei¬
fügen, daß meiner Ansicht nach diese Auffassung durchaus falsch ist.
Der lenkbare Ballon hat mit Grund die Erfinder angezogen, weil sie
im voraus wußten, daß mit einem genügend großen Ballon sie sich immer
schwebend erhalten konnten, wie groß auch im übrigen das Gewicht ihres
Motors sein mochte. Das Schlimmste, was ihnen passieren konnte, war,
daß die Lenkbarkeit nur in geringem Maße oder gar nicht erreicht wurde;
aber daraus folgte kein weiterer Übelstand, wenn etwa der Motor versagte.
Ganz anders der Flugschiffer: Wenn dessen Motor unzulänglich sich gezeigt
hätte, wäre auch nicht der geringste Anfang eines Versuchs möglich ge¬
wesen. Für den Fall, daß er hätte
vom Erdboden aus auffliegen
wollen, wäre er einfach jämmerlich
sitzen geblieben, und wenn er von
irgend einem erhöhten Punkt aus
hätte auffahren wollen, so würde
er sich wahrscheinlich den Hals ge¬
brochen haben. Das Experiment
war also recht wenig verlockend.
Immerhin haben uns schon
vor 18 Monaten die amerikanischen
Zeitungen verkündigt, daß, zum
erstenmal, die Gebrüder Wright
eine Strecke von 400 m in freiem
Flug mit einem mit Motor ange¬
triebenen Flugapparat zurückgelegt
hätten. Wenn ich nun auch große
Achtung habe vor den Gebrüdern
Wright, deren erste Versuche
ohne Motor nicht abzustreiten und
von größtem Interesse sind, so ist FiR - *• — Erne,t Archdeaeon.
es mir doch unmöglich, die Berichte über die letzten Versuche als histo¬
rische Wahrheit anzunehmen, Versuche, die ohne Zeugen geblieben sind, und
die von ihren Veranstaltern absichtlich in völligem Dunkel gehalten worden
sind. Vielleicht ist unter den hochgeschätzten Delegierten aus Amerika,
die wir hier begrüßen durften, einer, der uns noch unbekannte und zuver¬
lässige Einzelheiten über jene Aufsehen erregenden Versuche mitteilen könnte. 1 )
Ich sagte eben, daß die Ballons die Entwicklung der Flugtechnik
keineswegs zurückgehalten haben. Denn folgendes geht aus den Versuchen
von Chanute, der Gebrüder Wright und auch aus den bedeutsamen Berech¬
nungen des Obersten Renard hervor, und zwar in recht gut überein-
>) Der anwesende amerikanische Delegierte M. Lawrence Rot eh teilte hierauf mit, daß er selbst
Näheres nicht erfahren hätte und daß wohl Gründe vorliegen müßten, die Bekanntgebung zurückzuhalten.
Wir werden aber nächstens über einen Besuch unseres geschätzten Korrespondenten Herrn K. Dienst!) ach
bei den Gebr. Wright berichten können. Die Red.
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stimmenden Zahlen: Damit eine Schwebeflugmaschine vom Typus Wright
aus eigener Kraft den Boden verlassen kann, ist es erforderlich, daß das
Gesamtgewicht von Motor, Schrauben und Transmissionen 7 kg Pferdekraft
nicht übersteige; und davon bleibt höchstens 5 kg pro Pferdekraft für den
kompletten Motor selbst übrig. Nun ist aber diese untere Gewichtsgrenze
von 5 kg pro Pferdekraft heutzutage eben erst mit knapper Not erreicht;
besonders bei Motoren von nicht über 25 Pferdekräften. Darum ist die
Flugmaschine sozusagen erst seit gestern überhaupt materiell möglich ge¬
worden und es ist nicht viel Zeit verloren. Hingegen ist allerdings jetzt
der Augenblick gekommen, vorzugehen: wir stehen an einem Wendepunkt
unserer Wissenschaft, und das Ziel liegt klar vor Augen. So müssen wir
denn im kritischen Augenblick alles aufbieten, damit wir womöglich die
ersten am Ziel sind.
Es scheint übrigens eine historische Tatsache zu sein, daß mehrere
Flugmaschinen tatsächlich den Boden aus eigener Kraft etwas verlassen
haben, aber nur um einen Luftsprung zu machen und dann in tausend
Stücke zu gehen. So war es mit den bekannten Flugmaschinen von Ader
und Maxim, deren Erfinder Hunderttausende ausgegeben hatten, nur um
damals außerordentlich leichte Motoren herzustellen, wie wir sie heutzutage
ohne weiteres im Handel finden.
Wenn heute die Motorfrage als gelöst zu betrachten ist, so ist dies
doch sicher mit der Frage der Stabilität noch nicht der Fall. Man muß
also vor allem diese Stabilitätsfrage untersuchen und dabei ein Mittel finden,
wie der Experimentator und Steuermann seine Lehre machen kann, ohne
dabei Arme und Beine zu brechen. Denn abgesehen von den objektiven
Folgen wird eine solche betrübliche Aussicht ihm kaum jene Sicherheit und
Kaltblütigkeit geben, die zur Lenkung seines widerspenstigen und kapriziösen
Gefährts erwünscht ist. Ich habe ferner gedacht, daß es erforderlich ist,
zunächst genau die Leistung in Pferdekräften zu bestimmen, durch die ein
gewisser Flugapparat schwebend erhalten werden kann.
Zu diesem Zweck habe ich eine Versuchsanordnung gewählt, die diese
verschiedenen Anforderungen zu befriedigen scheint. Anstatt wie Maxim
und Ader meinen Flugapparat auf ein mit Rädern versehenes Gestell auf¬
zubauen, habe ich vorgezogen, meinen Gleitflieger auf 2 nebeneinander ge¬
koppelte Schiffe (in der Nautik < Kataraman» genannt) aufzustellen. Diese
«Wassermontierung» ist nicht merklich schwerer als die erstgenannte und
sie hat den ungeheuren Vorteil, daß die Versuche über dem Wasser statt¬
finden können, d. h. über einem Körper, dessen Moleküle die so sehr
erwünschte Verschiebbarkeit besitzen. 1 ) So werden unvorhergesehene Zu¬
sammenstöße unsäglich viel weniger verhängnisvoll als auf dem Erdboden,
so sandig dieser auch sein möge. Aus demselben Grund ist es auch
möglich, alle Teile des Apparates auf ein Minimum von Gewicht zu redu-
1 1 liier hat demnach di** verdienstvolle Anordnung des österreichischen Flugtechnikers W. Kreß
erneute Verwendung gefunden. M k.
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zieren. Mein Gleitflieger, wie er auf diesen Bildern sich zeigt, unterscheidet
sich bedeutend vom ursprünglichen Typus von Wright, den ich glaubte, bei
meinem ersten Apparat kopieren zu sollen, um mich zum Flugtechniker zu
schulen. Mein Gleitflieger gleicht nun vielmehr einem Hargraveschen Drachen,
immerhin mit bedeutenden Verschiedenheiten. Seine Flächen sind gewölbt; der
Fig. 2. — Archdeaoons Flugapparat nach System Wrlght.
hintere Teil ist mit Rücksicht auf die Verteilung des Gewichts viel kleiner
als der vordere Teil. Endlich habe ich die Zahl der vertikalen Scheide¬
wände vermehrt, weil sie den Widerstand beim Fliegen nur wenig ver¬
mehren, aber die transversale Stabilität ganz bedeutend vergrößern. Das
Fig. 3. — Aufflug von Archdeaoons Flugapparat, System Wrlght, gezogen durch ein Automobil auf dem
Exerzierplatz von Issy.
Vertikalsteuer (gouvernail de profondeur) der Gebrüder Wright habe ich bei¬
behalten, doch bin ich davon überzeugt, daß man diese Steuer ebenso gut
hinten anbringen und mit dem Schwanzstück vereinigen könnte.
Ich bin noch einem anderen Grundsatz gefolgt, den ich für richtig
halte. Anstatt auf einmal auch noch an die großen Schwierigkeiten der
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Anbringung des Motors und der Schrauben heranzugehen, habe ich vor¬
gezogen, sie zunächst außerhalb des Apparats unterzubringen, und zwar ganz
einfach dadurch, daß ich den Gleitflieger an einem sehr langen Tau von
einem jener schnellen Motorboote schleppen ließ, welche durch die letzten
Fortschritte der Motorfabrikationen möglich geworden sind. Bei meinen
Versuchen habe ich ein Boot von 100 Pferdekräften verwendet, welches die
völlig genügende Geschwindigkeit von 40 km in der Stunde leisten konnte.
Sobald mein Apparat in bezug auf die Luft eine Eigengeschwindigkeit von
etwa 36 km in der Stunde (10 m i. d. Sekunde) erreichte, löste er sich
vom Wasser ab und begann zu fliegen. Durch meinen jungen und mutigen
Mitarbeiter Voisin mit Geschick gesteuert, machte er mehrere Schwebe¬
flüge mit einer Stabilität, die in den meisten Fällen so befriedigend wie nur
Fig. — Arohdeacons Flugapparat auf der Seine.
möglich war. Er gehorchte mit einer hervorragenden Empfindlichkeit allen
Bewegungen mit dem Vertikalsteuer. Doch sah ich mich genötigt, zu ge¬
stehen, daß auch zwei Purzelbäume vorgekommen sind, namentlich mit dem
Gleitßieger meines Freundes Bleriot, der analog dem meinigen konstruiert
war. Diese kinematographische Vorführung 1 ) veranschaulicht Ihnen den Her¬
gang. Dieser Unfall, der im wesentlichen darauf zurückzuführen ist, daß
einer der Schwimmer allein sich mit Wasser gefüllt hatte, kann die Tatsache
nicht beeinträchtigen, daß die Flugapparate dieser Form sich im allgemeinen
sehr gut gehalten haben. Die Bilder, die ich Ihnen noch vorführe,
sind leider an einem Tage aufgenommen worden, wo die Gleitflieger sich
nicht so sehr stabil verhielten, infolge eines heftigen Windes mit Wirbel-
>) An einer kinematograpliisehen Projektion wurde der interessante Fall vorgeführt, bei dem die
Flugmaschine, vom Motorboot gezogen, sich in die Luft erhob und plötzlich in der Luft umkippte und mit
Herrn Bleriot ins Wasser liel.
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bildung. Diese Flugapparate benehmen sich, wie Sie sehen, keineswegs wie
ein Drache, wie solche, die mit der Sache nicht vertraut sind, denken
könnten, sondern wirklich als Gleitflieger, mit einem ziemlich kleinen An¬
griffswinkel. Mein Apparat wurde also durch das Boot in ganz gleicher
Weise gezogen, wie er bei dem endgültigen Modell gezogen werden wird,
an dem wir die Schrauben vorn, also mit Zug Wirkung, anzubringen uns ent¬
schlossen haben. Es wird sich aber ein gewisser Unterschied doch geltend
machen, und ich bin der Meinung, wie auch mein erfahrener Freund, der
Hauptmann Ferber, daß <iie Stabilität hinter dem Boot schwieriger zu er¬
reichen ist, als mit einem Gleitflieger, der seinen eigenen Motor hat. In der
Tat kann ein Gleitflieger, der vom Boot geschleppt wird, nur unvollkommen
abtreiben, wenn er von einem seitlichen Windstoß getroffen wird; denn er
Fig. 5. — Archdeacons Flugapparat auf der Seine.
ist eben durch das Haltekabel in einer fast unveränderlichen Richtung fest¬
gehalten. Wenn er hingegen seinen eigenen Motor trägt, wird er nur ein
wenig abtreiben, wie ein fahrendes Schiff, das in eine starke seitliche
Strömung gerät. Die gute Stabilität, die die Versuche schon beim Schleppen
mit einem Boot gezeigt haben, lassen mich noch bessere Resultate erwarten
bei einem Flugapparat in seiner definitiven Form mit eigenem Motor. Es
steht mir aber völlig fest, daß ich mich nicht an diesen definitiven Apparat
heranwagen werde, bevor ich nicht aus den Schleppversuchen alle Lehren
gezogen habe, die man daraus menschenmöglich ziehen kann; und damit
bin ich vorläufig noch nicht zu Ende.
Um die für meinen Flieger erforderlichen Pferdekräfte festzustellen,
habe ich, wie ich eben sägte, verschiedene Meßapparate erproben müssen:
1. Einen registrierenden Dynamometer, der im Schlepptau selbst
zwischen dem Boot und dem Gleitflieger eingeschaltet war; dieser
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Dynamometer war speziell zu diesem Zwecke von dem bedeutenden
Konstrukteur Jules Richard angefertigt.
2. Ein Anemometer, auf dessen Beschreibung ich hier nicht weiter
eingehen kann, der aber gegenüber den sonst gebräuchlichen
Anemometern die Eigentümlichkeit besitzt, daß seine Angaben
augenblickliche sind und die Geschwindigkeit der Bewegung
während aller Phasen des Versuchs zu kontrollieren gestatten.
Diese Apparate kaben erlaubt, festzustellen, daß, zu meiner Verwun¬
derung, die zu leistende Arbeit viel größer war, bevor sich der Apparat
vom Wasser erhoben hatte, als nachher. Denn man konnte nachher die
Geschwindigkeit des Bootes bedeutend vermindern, ohne daß der Gleitflieger
wieder gesunken wäre. Ich schreibe die merkwürdige Tatsache dem Um-
Fig. 6. — Archdeaoons Flugapparat auf der Seine.
stand zu, daß die unteren Flächen sich ziemlich nahe über dem Wasser be¬
fanden, so daß die Luft nur schlecht darunter durchfließen konnte, und
diese Flächen, solange sich der Apparat noch nicht erhoben hatte, nichts
zu dessen Unterstützung beitrugen. Meine Versuche haben bis jetzt auf der
Seine stattgefunden unter höchst unbequemen und schwierigen Umständen,
beeinträchtigt, wie ich war, durch die geringe Breite des Stroms, durch die
Unmöglichkeit, genau gegen den Wind zu fahren usw. Darum ist denn
auch die Genauigkeit meiner Messungen heute nur eine annähernde und sie
konnten nicht so entscheidend sein, wie bei den Versuchen, die bevorstehen.
Wenn ich sage morgen, so ist es keine Übertreibung, denn ich werde
morgen an den Genfersee fahren, wo mein Gleitflieger und ein Motorboot
von 100 Pferdekräften, der Ilotchkiß und mein getrauer Pilot Voisin
mich erwarten. Bei der großen Oberfläche und der ungehinderten Bewegung,
die ich auf dem Genfersee habe, hoffe ich, diesmal längere Versuche von
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10 bis 15 Minuten oder mehr ausführen zu können, und hoffe, ganz genaue
Zahlen über die zum Schweben meines Gleitfliegers nötige Arbeit zurück¬
zubringen. Ich werde mich beeilen, diese Zahlen zu Nutz und Frommen
künftiger Flugtechniker zu veröffentlichen. Es ist auch zu erwarten, daß
Fig. 7. — Arohdeacons Flugapparat auf der Seine von vorn gesehen.
nach diesen Versuchen mein Pilot sich gründlich in seine Vogelexistenz ein¬
gelebt hat.
Ich will nun auf die Messungen, die ich auf der Seine schon angestellt
habe, zurückkommen: Der Apparat samt seinem Steuermann Voisin wog
Fig. 8. — Arohdeacons Flugapparat vom Motorboot gezogen.
300 kg. Er hielt sich mit Leichtigkeit schwebend bei einem Zug von 60 kg
am Dynamometer und bei einer mittleren Geschwindigkeit von 10 m in der
Sekunde. Die entsprechende Energie war also 60X10 = 600 kgm. Dies
gibt, durch Division mit 75 auf Pferdekräfte reduziert, genau 8 Pferdekräfte.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Juhrg. 45
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Diese Zahlen sind sicher zu hoch, aber ich habe absichtlich die obere
Grenze gewählt, um mich sicherlich nicht nach der anderen Seite zu täuschen.
Ich habe noch nicht Zeit gefunden, den zweiten Teil des Versuchs auszu¬
führen, der darin bestanden hätte, den Apparat mit weiteren 150 kg zu
belasten und dann dieselben Messungen vorzunehmen. Da ich also keine
experimentellen Angaben darüber habe, will ich lieber wieder an die obere
Grenze der berechneten Werte gehen und annehmen, daß das Tragen dieser
weiteren 150 kg weitere 4 Pferdekräfte erfordert hätte. Dann hätte ich
für meinen Gleitflieger einen Motor von 12 Pferdekräften nötig. Aber es
handelt sich um 12 Pferdekräfte wirklicher Nutzleistung, während man im
allgemeinen annimmt, daß die Schraube und die Übertragungen 50°/o von
der Kraft des Motors absorbieren; also muß ich einen Motor von 12X2
Fig. 9. — Arohdeaoons Flugapparat erhebt sieh von der Wasserfläche.
= 24 Pferdekräften haben. Dividiert man 150 kg durch 24, so kommt
6,3 kg pro Pferdekraft heraus, eine Zahl, die den 7 kg pro Pferdekraft
sehr nahe kommt, die von Kommandant Renard berechnet worden sind.
Diese Zahlen sind, wie ich wiederholen möchte, durchaus in ungünstigem
Sinne hoch gewählt: Wer morgen einen stabilen Gleitflieger baut, der diesen
Angaben entspricht, und der von einem dazu fähigen Führer gelenkt wird,
der ist sicher, ihn auf den ersten Schlag fortfliegen zu sehen. Ich kann
noch hinzufügen, daß bei ruhigem Wetter bei einem Apparat mit vertikalen
Scheidewänden die transversale Stabilität sicher ist. Bei unregelmäßigen
Winden oder bei Wirbelbildung scheint mir allerdings die Frage einer
völligen Stabilität fast unlösbar. Jedenfalls ist dies das schlimmste Problem
für den Flugschüler der Zukunft und darum habe ich mich auch bis auf
weiteres zu den Versuchen über einer Wasserfläche entschlossen.
Man wird mir vielleicht vorwerfen, daß ich bei meiner Unterhaltung
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den Schraubenflieger vernachlässigt habe. Das stimmt. Aber ich nehme
Sie schon eine Weile in Anspruch und muß mich einschränken; und wenn
ich etwas absichtlich den Schraubenflieger beiseite gelassen habe, so ist
es deshalb, weil meine bestimmte Ansicht, um die Wahrheit zu sagen, die
ist, daß der von Menschen gelenkte Schraubenflieger, wenn er überhaupt zu
verwirklichen ist, doch sicher nur in einer sehr entfernten Zukunft ver¬
wirklicht werden kann. Bei dem Schraubenflieger verlangt man von der
Schraube, einem Hilfsmittel von sehr mittelmäßigem Nutzeffekt, daß sie ganz
allein das Gewicht des Apparates trage. Beim Gleitflieger behält man zwar
die Schraube bei, weil man sie nicht entbehren kann, aber man verwendet
sie mit einem viel weniger starken Motor; denn anstatt daß man das
Gesamtgewicht direkt durch die Schraube tragen läßt, läßt man es nur
Fig. 10. — im Vordergründe Blörlots, Im Hintergründe Archdeacone Flugapparat.
indirekt tragen, vermittelst einer Art von Hebelsystem, das aus nichts anderem
besteht, als eben aus den Tragflächen des Gleitfliegers. Und dieses Hebel-
svstem gibt unter gewissen Bedingungen einen vorzüglichen Nutzeffekt.
Der Hauptmann Ferber stellt auf Grund einer Reihe von Versuchen,
die er mit seinem eigenen Apparat angestellt hat, die Theorie auf, daß der
Widerstand der Luft für sehr wenig geneigte Flächen achtmal so groß ist,
als bei normal zu ihrer Bahn fortbewegten Flächen. Der Oberst Renard
hat in einer bemerkenswerten Mitteilung an die Akademie der Wissen¬
schaften schlagend gezeigt, daß ein Schraubenflieger, um das gleiche Gewicht
zu tragen, wie ein Gleitflieger, eine unverhältnismäßig viel größere Kraft¬
leistung und einen unverhältnismäßig viel kleineren Motor in Verhältnis zu
dessen Leistung verlangt. Es genügt übrigens nicht, daß der Schrauben¬
flieger sich in der Luft schwebend erhalte; er muß auch gelenkt werden
können, und da scheint es bei der ersten Überlegung, daß diese Lenkung
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wesentlich viel komplizierter sein müsse, wie bei dem Gleitflieger, bei welch
letzterem ein einfaches Vertikalsteuer völlig genügen muß.
Ich glaubte Ihnen hier, zugleich mit meinem flugtechnischen Glaubens¬
bekenntnis. wenn auch schüchtern, von meinen bescheidenen Versuchen
sprechen zu sollen: das, was ich heute weiß, genügt gerade, um den langen
Weg beurteilen zu können, der mir noch zu gehen bleibt, um zu einem
praktischen Resultat zu gelangen; der Zweck dessen, was ich Ihnen vor-
getragen, ist also nicht nur der, andere an dem wenigen, was ich mitteilen
kann, teilnehmen zu lassen, sondern besonders der Wissenschaft, für die
ich mich begeistere, weitere .länger zuzuführen. In Frankreich kenne ich
zum mindesten einen, der ebenso begeistert ist wie ich, und den ich nicht
Fi?. 11. Blöriots Flugapparat auf dem Wasser mit dem Motorboot von 100 Pferdestärken.
bekehrt habe, das ist unser vorzüglicher llauptmann Ferber, den die ganze
aeronautische Welt jetzt als großen französischen Vorkämpfer der Aviatik
kennt. Er hat seinerseits auch sehr interessante Versuche angestellt und
namentlich eine wohldurchdachte Art, die Gleitllieger hochzulassen, erdacht,
welche er selbst erprobt und deren kinematographische Wiedergabe Sie
zu sehen bekommen. Seine neulichen Versuche haben nicht völlig das Echo
gefunden, das sie sicher gehabt hätten, wenn durch die Anordnungen der
militärischen Hierarchie die Versuche nicht fern von allen Zuschauern hinter
den bergenden Mauern des Parks von Chalais-Meudon hätten stattfinden
müssen. Doch wird nicht alles von diesen interessanten Versuchen un¬
zugänglich bleiben. Der frühere Direktor von Chalais-Meudon, der ver¬
storbene Oberst Renard, hat über die Aviatik eine Reihe von theoretischen
Untersuchungen veröffentlicht, die das große Verdienst haben, denen, die
auf diesem Gebiet arbeiten, die wahre Richtung zu zeigen, in welcher ihre
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353
Untersuchungen und Versuche angestellt werden müssen. Wenn sie dieser
Richtung folgen, ohne durch die Hindernisse aufgehalten zu werden, oder
unterwegs irre zu werden, müssen sie sicher am Ziel ankommen. Das
Problem ist jetzt in so klarer Form gestellt, daß es mehr als zur Hälfte
gelöst ist. Möchten nur 2 oder 3 Männer von der nötigen Begabung sich
ernstlich damit befassen, und die definitive Lösung wird vielleicht nicht mehr
eine Frage von' Monaten, sondern von Tagen sein.
Was mich betrifft, so bin ich auf wissenschaftlichem Gebiet entschieden
für das Prinzip der Internationalität, von woher auch die endgültige Lösung
kommen möge, ich werde ihr mit der gleichen Begeisterung zujubeln. Das
aber ist sicher: Das Land, woher diese Lösung kommen wird, wird für alle
Zeiten seinen Namen in diamantener Schrift auf die Tafeln der Welt¬
geschichte geschrieben sehen.
Das Ballonet von Meusnier.
Von Voyer, Capitaine du genie.
Mit Genehmigung des Verfassers übersetzt von H. W. L. Moedebeck.
Wir haben dargelegt, wie General Meusnier schon 1783—1784 l ) die
Gesetze der LuftschifTahrt mit dem Freiballon entdeckt hatte. Gleichzeitig
leitete er aus diesen folgende Nachteile ab:
Schneller Ballastverbrauch; fortgesetzte Steigerung der Höhe der Gleich¬
gewichtslage des Prallballons; Unmöglichkeit für die Praxis, unterhalb dieser
Gleichgewichtslage zu fahren, und demnach Unmöglichkeit, seine Höhenlage
zu w’ählen.
Der Hauptzweck der Denkschrift vom 3. Dezember 1783 war in der
Tat die Beseitigung dieser Nachteile. Hierfür hatte Meusnier das Luft-
Ballonet 2 ) erfunden. Diese Erfindung, die lange Zeit hindurch der Ver¬
gessenheit anheimgefallen war, wird heute wieder angewendet bei Luftschiffen,
bei gewissen Arten von Fesselballons und selbst bei einigen Freiballons.
Sie ist also durchaus modern und es ist daher nicht uninteressant, zu prüfen,
wie ihr Erfinder sie beim Aufkommen der LuftschifTahrt beschrieben hatte,
zumal da in dieser Beziehung Meusnier ziemlich schlecht von seinen Ge¬
schichtsschreibern verstanden zu sein scheint.
I. Konstruktion des Ballonets.
In seiner Denkschrift schlägt General Meusnier drei verschiedene Arten
des Ballonets vor.
Erste Form. — «Man kann den einen der beiden Räume (Ballon und
Ballonet) von einander trennen durch eine Art dehnbaren Diaphragmas,
der Form nach gleich einer der Hälften der Ballonhülle» . . .
>) Memoire sur lequilibre des maehines aerostatiques, eingereicht der Akademie am 3. Dezember
1783 mit einem Beiheft, enthaltend die Anwendung der Theorie an einem besonderen Beispiel, alles zu¬
sammen veröffentlicht ira Journal de physique des Abbe Rozier (Juli 1784).
*) Das Wort «Ballonet*, heute durch den Gebrauch eingefübrt, lindet sich nicht in Meusniers Denk¬
schriften; der Autor bezeichnet es mit dem Namen «besonderer Raum, bestimmt zum Einschließen von
atmosphärischer Luft* (capacite particuliere destinee ä renfermer de l’air atmospherique).
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«Die entzündbare Luft nimmt den oberen Teil ein, indem der untere
für die atmosphärische Luft bleibt, und das Diaphragma, das beide trennt,
muß für gewöhnlich schlaff sein, ausgenommen im Falle des höchsten Auf¬
stiegs, wo die entzündbare Luft den ganzen Leerraum der atmosphärischen
Luft einnimmt und letztere vollständig entwichen ist, dieses Diaphragma
würde sich genau gegen die untere Hälfte der Kugel anlegen.>
Diese Konstruktionsart, die in der Verdoppelung des Stoffes des Ballons
in seiner unteren Hälfte besteht, wurde später wieder aufgenommen von
Dupuy de Lome mit dem einzigen Unterschiede, daß Meusnier vorschlug,
den gesamten Unterteil des Ballons zu verdoppeln, während Dupuy de Lome
die Verdoppelung begrenzte auf eine Horizontalebene unterhalb des Äquators.
Zweite Form. — «Man könnte auch die atmosphärische Luft ein¬
richten in einem Raum, der ganz von dem Ballon mit der entzünd¬
baren Luft umschlossen ist, indem man hierzu einen zweiten kleineren
Ballon als den ersteren einrichtet » . . .
«Der Inhalt des inneren Ballons darf nicht viel größer sein als das
Maß, um welches die entzündbare Luft sich ausdehnen würde in der höchsten
erreichbaren Höhe, für welche man die Maschine geeignet machen möchte;
daraus folgt, daß diese Methode die am meisten ökonomische wäre in An¬
betracht der erforderlichen Stoffinasse und des daraus sich ergebenden
Stoffgewichtes.»
Diese zweite Form wurde von den Brüdern Robert angenommen bei
der Konstruktion des Ballons, den Meusnier eingehend studiert hatte in dem
Anhang seiner Denkschrift und der zu St. Cloud am 15. Juli 1784 ver¬
sucht wurde.
Dritte Form. — In der Absicht, seinem Ballon einen bestimmten
Innendruck zu geben aus Gründen, die wir später erklären wollen, und in
Anbetracht der Gasverluste, die hierdurch eintreten würden, schlägt Meusnier
endlich vor, «den Ballon mit entzündbarer Luft einzuschließen in
einen anderen». Die atmosphärische Luft würde im Zwischenraum der
beiden Hüllen untergebracht und würde von allen Seiten diejenige mit der
entzündbaren Luft umgeben. Diese Methode erfordert in Wahrheit die Ver¬
wendung einer viel größeren Stoffmenge als die beiden ersteren, von denen
ich gesprochen habe, zudem steht es außer Frage, daß er sich nur auf
kleine Höhen erheben kann; aber sie birgt einen sehr wertvollen Vorteil
und der ist, daß der Innendruck nicht mehr das Bestreben hat, die ent¬
zündbare Luft heraus zu treiben, da der Stoff, welcher sie einschließt, diesen
Druck gleichmäßig auf seine beiden Oberflächen verbreitet; die äußere Hülle
ist allein durch diesen Druck gespannt, aber sie läßt nur atmosphärische
Luft entweichen und dieser Verlust ist leicht zu ersetzen.»
Diese letzte vom Autor bevorzugte Form ist diejenige, welche in seinem
großen Projekt einer aerostatisc-hen Maschine zum Ausdruck gelangt. Sie
ist auch in den Augen der Öffentlichkeit als Typ des Ballonets von Meusnier
geblieben und man hat vergessen, daß dieser Gelehrte gleichfalls zwei
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andere noch heute in Gebrauch befindliche Formen vorgeschlagen hatte:
Die Verdoppelung der unteren Ballonfläche und das innere Kugelballonet.
II. Funktionen des Ballonets.
Bei Erfindung des Luftballonets teilte General Meusnier ihm mehrere
unterschiedene Aufgaben zu:
1. Die Erhaltung der Form. — «Dem Ballon eine unveränder¬
liche Form zu erhalten>, das gibt noch heutzutage dem Ballonet seine
Daseinsberechtigung für die lenkbaren Ballons und für Fesselballons.
Sobald der Ballon einer Fallbewegung unterliegt, zieht sein Gas sich
zusammen: er hört auf, prall zu sein, es bilden sich Falten und Taschen in
der Hülle. Will man diese Formenveränderung verhüten, so muß man
atmosphärische Luft hineinblasen.
2. Die vertikale Stabilität. — Meusnier dachte, daß das Ballonet
in einem gewissen Maße wenigstens die Instabilität des Ballons beseitigen
könnte, auf Grund eines gewissen inneren Druckes.
«Man sieht leicht ein, sagt er in seiner Denkschrift, daß es in der
Gleichheit des Druckes zwischen der inneren Luft des Ballons und derjenigen
der Atmosphäre begründet ist, und in dem beständigen Wechsel, den ihr
Volumen erleidet durch die plötzliche Ausdehnung oder Zusammenpressung,
die der geringste Aufstieg oder Abstieg auf die brennbare Luft, mit der sie
gefüllt sind, ausübt, dem man diesen Mangel an Beständigkeit zuschreiben
muß, und es folgt daraus, daß es zur Erhaltung der aerostatischen Maschine
in einer bestimmten Höhe notwendig wird, entweder ihre Hülle nicht aus¬
dehnbar zu fertigen oder das Fluid, mit dem sie gefüllt ist, darin
derart zu komprimieren, daß es eine höhere elastische Kraft
erhält, als diejenige der sie umgebenden Luft ist. Wenn in der
Tat in diesen beiden Fällen irgend ein Grund die Maschine oberhalb oder
unterhalb des Punktes, an welchem sie im Gleichgewicht sein muß, bringen
sollte, so würde ihr Volumen sich nicht verändern können, während
die Schwere der sie umgebenden Luft sich verändert haben würde; diese
Maschine würde demnach in der Atmosphäre nicht mehr ein Gewicht ver¬
drängen, das seinem Eigengewicht gleich wäre, und würde daher gezwungen
sein, auf seine erste Stellung zurückzugehen.»
In anderen Worten: sobald der Ballon seine Gestalt unverändert hielte,
wäre er nach zwei Richtungen hin stabil; und, um ihm diese Eigentüm¬
lichkeit zu geben, schlägt der Autor vor, die Luft in dem Ballon zu kom¬
primieren.
Man hat Meusnier diese Kompression zum Vorwurf gemacht. Man
hat entgegnet, daß kein Stoff einem L Drueküberschuß widerstehen würde,
der nötig wäre, um erfolgreich die Gleichgewichtsstörungen des Ballons zu
bekämpfen und, andererseits, daß die Arbeit, die zu solcher Kompression
erforderlich ist, zu groß sein würde. Alles das ist klar und diese Vorwürfe
würden begründet sein, wenn der Autor in der Tat sich angemaßt hätte,
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unter allen Umständen die Gleichgewichtslage des Ballons mittels dieser
Luftkompression zu erhalten und das Ballastmanöver ganz zu unterdrücken.
Aber dies ist nicht der Fall.
Meusnier, der den Widerstand der Stoffe und die infolge des inneren
Überdrucks eintretenden Spannungen studiert hatte, wußte, bis zu welcher Grenze
man ohne Gefahr diesen Überdruck treiben konnte. So fügt er hinzu:
«Man braucht nicht zu glauben, daß dieses Übermaß an innerem
Druck, der notwendig ist, um die Ballonform zu erhalten, sehr beträchtlich
sein muß; es würde genügen, daß er (der Ballon) einige Linien Queck¬
silber an Druck aushalten könnte.» 1 )
In dem Anhang seiner Denkschrift, in dem er ein besonderes Beispiel
behandelt, bestimmt er den inneren Überdruck auf zwei Linien Queck¬
silber (61 mm Wasser). Und um ganz sicher zu sein, daß dieser Druck
nicht überschritten werde, schlägt er vor, den Ballon mit einem auto¬
matischen unteren Ventil zu versehen, das sich unter dem Druck von
67 mm öffnet, ein Ventil, dessen Abmessungen er mit Sorgfalt berechnet.
Der so auf einige Zentimeter Wasser begrenzte Überdruck hatte durchaus
nichts Utopistisches.
Aber dann, wird man sagen, mußte es sehr wenig wirksam sein, um
die Gleichgewichtsstörungen zu bekämpfen. Und führwahr, Meusnier selbst
berechnet, daß für seinen Ballon, dessen Größe 970 cbm beträgt, 15 Pfund
(7,4 kg) wenigstens hinreichen, um in der Maschine einen Innendruck von
zwei Linien Quecksilber hervorzurufen, und daß, angenommen, das Ventil,
um hieraus Vorteil zu ziehen, sei nicht vorhanden und nicht konstruiert,
wenn man ein noch größeres Gewicht aus würfe, man eine Entleerung von
entzündlicher Luft veranlassen würde. Umgekehrt, wenn der Ballon unter
Druck ist und eine Belastung von mehr als 7,4 kg hinzukommt, so würde
der innere Überdruck nicht ausreichen, um das Niedersinken aufzuhalten:
Der Ballon würde schlaff werden, bevor die Gleichgewichtsstörung aufge¬
hoben wäre.
Auch Meusnier sieht es voraus, daß man oft genötigt sein wird,
Ballast zu werfen.
«Wenn nun ein kleiner Verlust an brennbarer Luft eintritt oder wenn
die Maschine irgend eine Abkühlung erleidet, so folgt daraus notgedrungen
eine allmähliche Verminderung im inneren Druck, den die Luft¬
schiffer leicht bemerken werden und der bald eine wirkliche Verringerung
des Ballonvolumens herbeiführen und der Vorbote eines demnächstigen
Sinkens werden wird, wenn man die Spannung der Hülle nicht wieder¬
herstellt, indem man etwas unnötiges Gewicht hinauswirft».
Fassen wir das Ergebnis zusammen. Das Ballonet mit dem auf einige
Zentimeter Wasser begrenzten Überdruck würde den Gleichgewichts¬
störungen eines Ballons gegenüber ziemlich geringe Wirkung gehabt haben,
und wenn hierin seine einzige Rolle bei Freiballons läge, wäre seine Ver-
1 > Eine Linie entspricht 2.26 min; eine Linie Quecksilber ist gleich 30,7 mm Wasser.
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357 «4«*
Wendung ohne Zweifel wenig gerechtfertigt. Das war aber auch durchaus
nicht die Hauptfunktion des Ballonets nach der Anschauung von Meusnier. 1 )
3. Wahl der Fahrzone. — Für ihn war die wichtigste Aufgabe
des Ballonets die, daß es den LuftsChifTern gestattete, ihre Fahrzonen zu
wählen. Das setzt er sehr klar in seiner Denkschrift von 1783 auseinander.
«Wie auch immer ein Ballon gebaut sein mag, ganz gleichgültig, wie
seine Form sein mag, ist er mit zwei unterschiedenen Behältnissen versehen,
deren eines dazu bestimmt ist, eine gewisse immer konstante Masse brenn¬
barer Luft einzuschließen, und das andere für ein variables Volumen
atmosphärischer Luft, so wird er geeignet sein, alle Höhenwechsel, um
die es sich handelte, zu erreichen.
Und im Anhang von 1784:
Diese Methode, die aerostatische Maschine zu fertigen, hat zum Haupt¬
zwecke, sie zu allen Arten Bewegungen geeignet zu machen und sie durch
alle möglichen Zustände in sehr verschiedene Höhen zu bringen, ohne daß
dabei irgend eine Veränderung an ihr eintritt.»
Weiterhin setzt Meusnier diese Eigentümlichkeit des Ballonets aus¬
einander:
«Betrachten wir die Maschine in irgend einer Stellung, wo sie eine be¬
stimmte Masse gewöhnlicher Luft einschließt, die ich eingeschlossen annehme
in dem für sie bestimmten Ballon (Ballonet), und unter Spannung infolge des
inneren Druckes, dessen Größe das (automatische) Ventil bestimmt. Die Maschine
ist alsdann befähigt, sich zu erheben, indem sie einen Teil der atmosphärischen
Luft hinausläßt, oder sich zu senken, sobald man von neuem solche hinein¬
bringt; und die Ausdehnung dieser Bewegungen, bestimmt durch
die Größe des inneren Ballons, ist begrenzt an jenen beiden
Punkten, wo dieser Ballon ganz geleert oder ganz gefüllt sein
wird. Es hat also jeder Zustand dieser Maschine zwei sehr bemerkens¬
werte Punkte im Raume, weil diese die Grenzen bedeuten, über welche das
spontane Gleichgewicht nicht hinausgeht. Wir werden es deshalb benennen:
obere und untere Gleichgewichtsgrenze».
Diese beiden Grenzen sind um so viel weiter von einander entfernt,
je größer das Fassungsvermögen des Ballonets ist. In dem vom Autor
durchgearbeiteten Beispiel waren sie 566 Toisen (etwa 1100 m) von einander,
derart, daß die Luftschiffer mit diesem Ballon nach ihrem Belieben ihre
Gleichgewichtslage innerhalb eines vertikalen Raumes von 1100 m verlegen
konnten. (Ohne Ballast oder Gasverlust. Der Übers.)
So bestand die hauptsächliche Wirkung des Ballonets von Meusnier
darin, die Fahrzone des A erostaten innerhalb gewisser Grenzen dem freien
Belieben anheimzustellen.
Aber diese Verwendung des Ballonets wird noch heutzutage als das
praktischste Mittel betrachtet, um den Luftschiflern zu gestatten, ihre Höhe
*) W r ir befinden uns hier in W T iderspruch mit den meisten Autoren, die über Meusnier ge¬
schrieben und seinem Ballonet allein diese Rolle zuerteilt haben. Die nachfolgenden Auszüge werden den
Leser vom Gegenteil überzeugen.
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 46
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sich auszuwählen. Es wurde erneut angepriesen im Jahre 1881 durch den
Kapitän Ch. Renard (als Oberst 1905 gestorben) in seiner bemerkenswerten
Arbeit «Etüde sur les aerostats ä volume maximum variable» 1 ) und wenn
es bis jetzt in der Praxis wenig gebräuchlich ist. so kann man doch glauben,
daß sich seine Nützlichkeit bei der schnellen Entwicklung der Aeronautik
bald fühlbar machen wird. Bei einer weiten Dauerfahrt wird es unver¬
meidlich sein, daß der Luftschiffer Herr seiner Fahrzone wird, daß er jeden
Augenblick die günstigste Höhenlage sich wählen kann, sei es vom Gesichts¬
punkte der Windrichtung, der Geschwindigkeit oder der Stabilität des Aero-
staten aus. Man würde also dazu geführt werden, das Ballonet in dieser
so wichtigen Rolle anzuwenden, welche der General Meusnier vor 120 Jahren
erfunden hatte.
III. Art der Anwendung des Ballonets.
Untersuchen wir zum Schluß, in welcher Art der Erfinder sich seines
Ballonets zu bedienen gedachte. Dank dem geringen inneren Überdruck ist
sein Funktionieren eine sehr einfache Sache:
«Es genügt, um die Maschine steigen zu lassen, der inneren atmo¬
sphärischen Luft einen Ausgang zu schaffen mittels eines einfachen Hahnes.
Der Druck, unter welchem jene Luft sich befindet, bestimmt die Masse ihres
Ausflusses, das Gewicht der Maschine vermindert sich, sie erhebt sich, und
dieser Aufstieg dauert ebenso lange wie der Ausfluß der inneren Luft.
Also, sobald der Hahn, durch welchen sie ausfließt, von innen geschlossen
wird, wird der Ballon stehen bleiben und die Dichte der ihn umgebenden
Luft wird dann in dem Verhältnis des Gewichtsverlustes, der durch die
Maschine veranlaßt worden ist, vermindert sein.».
«Es leuchtet von selbst ein, daß zum Niedersinken es genügen wird,
gewöhnliche Luft in den Raum, um welchen es sich handelt, hineinzuschaffen
mit dem einfachsten Blasebalg. Das Gewicht der Maschine, hierdurch erhöht,
wird seine Gleichgewichtslage erst wiederfinden in einer Schicht, wo die
spezifische Schwere der äußeren Luft in gleichem Verhältnis wird größer
geworden sein.»
Meusnier kommt sofort einem Einwand zuvor, welchen diese gewalt¬
same Einführung von Luft in das Ballonet hervorruft:
«Noch eine sehr wichtige Bemerkung ist die, daß trotz des sich natür¬
lich darbietenden Gedankens, daß man die innere Luft durch Zuführung neuer
Luft komprimiert, um den Ballon zum Sinken zu bringen, derselbe immer
den gleichen inneren Druck zeigt, in welcher Höhe man ihn auch
immer ins Gleichgewicht bringt. Diese wertvolle Eigentümlichkeit der
hier behandelten Anordnung kommt daher, daß der Aerostat im Sinken
Luftschichten mit größerer Elastizität vorfindet, die gleichzeitig ein beträcht¬
licheres spezifisches Gewicht haben, und indem der äußere Druck sich somit
*) L’Aeronaute 1881. — Das «größte veränderliche Volumen* ist das Gasvolumen des Ballons, nach
Belieben beschränkt durch Einführung von Luft in das Ballonet.
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vermehrt, zerstört derselbe den inneren, der ohne ihn vorhanden sein müßte
infolge der viel größeren Luftmasse, die in demselben Raume untergebracht
worden ist. 1 ) Es ergibt sich aus dieser, durch analytische Lösung gegen¬
wärtiger Frage bestätigten Beobachtung, daß das Übermaß arl Elastizität
des inneren Fluidums, gegenüber dem der äußeren Luft, immer dasselbe
bleibt, der Stoff demnach durchaus nicht einem Wechsel an Spannung unter¬
worfen ist, und daß es folglich für die Benutzung dieses von uns empfohlenen
Mittels keine Grenze gibt.»
So ist die durch den Blasebalg hervorgebrachte Kompression nur eine
scheinbare und der Ballon befindet sich unter konstantem inneren Druck.
Dieser Druck beträgt einige Zentimeter Wasser; und das automatische Ventil
wird im übrigen verhindern, daß er die vorgesteckte Grenze überschreitet.
Man darf nicht glauben, daß Meusnier den inneren Überdruck für
unbedingt notwendig hielt; er selbst prüft gegen Ende des Anhangs seiner
Denkschrift, wie man sich noch des Ballonets bedienen kann, wenn der
Ballon mit der ‘umgebenden Luft durch einen Füllansatzschlauch in Ver¬
bindung steht, durch den das Gas unter einem inneren Druck von nur
wenigen Millimetern Wasser ausfließen kann (es ist das derjenige Fall, den
viel später der Kapitän Ch. Renard sehr eingehend bearbeitet hat):
«Wenn man entgegen den vorstehenden Versuchen nur von einem
Appendix Gebrauch macht, der unten an der Maschine angebracht
zwischen ihr und der Atmosphäre eine freie Verbindung schafft
und die nur unterbunden würde, wenn die Luftschiffer ihre Öffnung schließen
würden, so würden die in der von uns gegebenen Tabelle 2 ) aufgezeichneten
Daten dessen ungeachtet nicht weniger genaue sein.
Man kann also das Ventil, welches wir vorgeschlagen haben,
entbehren, aber alsdann würde der innere Ballon nutzlos sein, um die
Maschine steigen zu lassen; keine Kraft würde dann den Ausfluß der atmo¬
sphärischen Luft verhindern und der Ballast, den man auswerfen müßte um
diese Bewegung zu veranlassen, würde genau so wirken, als ob dieser
Ballon (gemeint ist das Ballonet. D. Übers.) gar nicht existierte. Dieser
Mechanismus könnte alsdann nur noch dazu dienen, den Aerostalen zum
Sinken zu veranlassen ......
Wie dem nun sein möge, der Ballon, mit dem wir uns beschäftigen,
wird stets die Fähigkeit besitzen, sich in einem Spielraum von
566 Toisen nach Belieben zu bewegen und innerhalb dieses Inter¬
valles diejenige Windrichtung zu suchen, die für ihn die günstigste
sein wird. Sache des Versuchs ist es, zu zeigen, ob diese Breite genügend
>) Es sei C das Gesamtfassungsvermögen des Ballons und des Ballonets, a 0 das spezifische Gewicht
der Luft beim Druck 1: um im Innern einen Überdruck b (b sei ausgedrückt als ein Bruchteil der Atmo¬
sphäre) zu erhalten, muß man ein Luftgewicht einführen, das gleich ist Ca^ b)- Dieses ergänzende Gewicht
wird den Aerostaten zum Sinken bringen, bis daß das Gewicht der verdrängten Luft sich um dieselbe
Masse vermehrt hat, d. h. bis daß der umgebende Druck sich um b vermehrt hat. Die Vermehrung des
atmosphärischen Druckes wird daher genau den im Innern des Ballons gegebenen Überdruck aufheben.
*) Eine Tabelle, die für verschiedene Ballastabwürfe die Höhen der oberen und unteren Gleich¬
gewichtsgrenze anzeigt.
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360 €44*
ist und im Verhältnis steht zu den Abständen, welche die Natur zwischen
die verschiedenen Windschichten gesetzt hat. 1 )»
Gesamtüberblick.
Noch einmal kurz zusammengefaßt, hat der General Meusnier schon
1783 das Luftballonet erfunden.
Er hat es sich in drei unterschiedenen Formen gedacht, nämlich:
1. Verdoppelung des unteren Teiles des Gasballons;
2. Inneres Kugelballonet;
3. Außere, den Gasballon umgebende Hülle.
Die beiden ersten Formen sind noch heute in Gebrauch.
Er schrieb diesem Organ dreierlei Funktionen zu:
1 . Erhaltung der Form;
2. Vertikale Stabilität;
3. Wahl der Fahrzone.
Die erste dieser drei Funktionen ist diejenige, welche man heute
vom Ballonet in lenkbaren Ballons und Fesselballons verlangt. Die zweite,
in einer brauchbaren Art und Weise kaum zu verwirklichen, hat keine
praktische Anwendung erlangt. Aber die dritte, vom Erfinder in richtiger
Weise als wichtigste betrachtet, wird noch heutzutage anempfohlen und
wird in Zukunft bei Freifahrten das Ballonet zu wirklich großer Bedeutung
bringen. 2 )
General Meusnier kommt demnach die Ehre zu, zuerst dieses so ein¬
fache und so praktische Organ erfunden und dessen richtige Verwendung
bei Freiballons und Luftschiffen begriffen zu haben. Was die diesem Ge¬
lehrten so oft vorgeworfene innere Kompression anlangt, so überschritt sie
in der Weise, wie er sie auffaßte, nicht die mit der Widerstandsfähigkeit
der Ballonstoffe zu vereinbarenden Grenzen; er selbst gab übrigens zu, daß
man sie entbehren könnte, auf jeden Fall aber würde sie nicht imstande
sein, weder seine Erfindung zu entstellen noch sein Verdienst herabzusetzen.
Auszug aus den Registern der Kgl. Akademie der Wissenschaften
vom 3. Juli 1784.
«Die Kommissare der Akademie, die ernannt sind, um eine Denkschrift
des AI. Meusnier zu prüfen über «das Gleichgewicht der aerostatischen
Maschine mit brennbarer Luft, über die verschiedenen Mittel, sie steigen und
fallen zu lassen, und besonders über dasjenige der Ausführung dieser Manöver
ohne Ballastwurf und ohne Verlust an brennbarer Luft, indem man in dem
Ballon einen besonderen Raum anbringt, bestimmt zur Aufnahme von
atmosphärischer Luft* und die M. Meusnier gebeten hat, zu drucken, machen
über dieselbe folgenden Bericht:
>) Meusnier hat den Ballon. welchen die Gebrüder Robert konstruiert hatten, studiert, aber er schien
zu bedauern, daü man dem Ballonet keinen größeren Fassungsraum gegeben hatte.
*) Wir betrachten hier nur allein das Ballonet für kalte Luft, das allein von Meusnier be¬
arbeitet wurde. Wenn man dagegen warme Luft in das Ballonet pumpte, würde er geeignet werden, mit
Erfolg die zweite Funktion zu erfüllen, d. h. dem Aerostaten die vertikale Stabilität zu geben, dank dem
Auftrieb der eingeführten warmen Luft.
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361 €«€««
In dieser Denkschrift setzt M. Meusnier die Prinzipien auseinander,
auf denen das Gleichgewicht der Aerostaten mit brennbarer Luft in der
Atmosphäre sich aufbaut, und er zeigt in sehr klarer Weise, daß die
Mittel, die man bisher angewendet hat zum Steigen und Fallen, ihnen nicht
die Eigenschaft verschaffen können, in den Höhenschichten der Atmosphäre
unentwegt zu verharren, wo man es beabsichtigt hat, zu bleiben.
Nachdem er in bezug hierauf die Unvollkommenheit dieser Mittel
nachgewiesen hat, setzt er mit derselben Klarheit diejenigen auseinander,
welche im Titel seiner Denkschrift als ein Ersatz angeführt sind, und er
beweist überzeugend, daß man durch diese Mittel, nachdem man einmal
die größte Höhe, bis zu welcher man aufsteigen will, bestimmt hat, genau
in derjenigen Schicht bleiben kann, die man sich auswählt, und daß man
in eine andere herabsteigen kann und, wenn man will, auch in letzterer
bleiben und daß man nochmals wieder aufsteigen kann usw.
Diese Manöver sind um so bedeutsamer, als sie eine Art Lavieren zu¬
lassen, von oben nach unten und von unten nach oben, und zu verbleiben
in derjenigen Windschicht, deren Richtung als die günstigste erscheint für
den Weg, welchen man verfolgen möchte.
Nach diesem Auszuge, glauben wir, wird die Akademie sich einen
Begriff von der Denkschrift des M. Meusnier machen können und den Gründen,
aus welchen wir dieselbe für sehr würdig erachten für eine Drucklegung.»
Geschehen in der Akademie der Wissenschaften am 3. Juli 1784.
gez.: Le Chevalier de Borda, Leroy. (Fortsetzung folgt.)
„Aviatik. Wie der Vogel fliegt und wie der Mensch fliegen wird. 11
Erwiderung.
Über das unter obigem Titel erschienene Werkchen enthält das September-Heft
der «111. Aeronautischen Mitteilungen» ein Referat von Herrn Nim führ, welches mich
zu der hier folgenden Erwiderung zwingt.
Sachliches, scheint mir, ist in dem Referate trotz seines Umfanges sehr wenig zu
finden. Gerade von dem wichtigsten Teile des Werkes, welcher jeden Flugtechniker
interessieren könnte, ist nichts gesagt. Der Referent hält sich besonders an die
Druckfehler. Er schreibt: «S89 wird der cos 0° gleich ü gesetzt und in folgender Weise
multipliziert: D = 179 • 156 • 'ja ■ 0,05 • 0 = 1866 kg (!!)».
Der Referent macht hier gleich selbst einen Fehler, indem er statt, wie bei mir
angegeben 174, einen falschen Wert 179 einsetzt und dann mich für ein bloßes Ver¬
sehen kritisiert, das ihm selbst auch widerfährt! Daß der cosO 0 = 1 bei mir tatsächlich
angenommen wurde, zeigt schon das Produkt 1866 kg. und daß 0 ein Druckfehler ist,
zeigt auch die nächste Gleichung auf derselben Seite, wo cos 11° mit 0,981 angegeben
ist; folglich konnte ich doch für cos 0° nicht den Wert 0 annehmen. Abgesehen davon,
daß ich die meisten Werte von cos und sin annähernd auswendig kenne, gewiß aber
von 0° und von 90°, so hat man auch, wenn man diese Werte schreibt, gewöhnlich die
Tabelle vor sich liegen.
Übrigens ist mir bekannt, daß die meisten von den Lesern, die Techniker sind,
den Druckfehler — was ja selbstverständlich ist — sofort erkannten. Nur dem Herrn
Referenten blieb es Vorbehalten, diesem Druckfehler eine andere Deutung zu geben,
was er noch mit dem doppelten Ausrufungszeichen «(!!)» bekräftigt.
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Was das Kapitel über meine Kaptivschraube anbetrilTt, so wiederhole ich, daß die
Prüfungen und Messungen des Auftriebes im milit.-techn. Komitee durch den techn.
Referenten Herrn Dr. Wächter gemacht wurden und zeitweise auch der Herr Prof. Hofr.
Boltzmann hierbei anwesend war. Die unmittelbaren Messungen und Rechnungen er¬
gaben, daß bei einer motorischen Leistung von 0,6 Pferdestärke meine Luftschrauben
16 7* kg im geschlossenen Saale hoben. 1 ) Die genauen, von Dr. Wächter angegebenen
Daten, sind in der «Zeitschrift für Luftschiffahrt», Juni 1900, angegeben.
Ob die Ausdrücke «irreführend», «Scheinrechnungen» usw., die der Referent ge¬
braucht. am Platze sind, überlasse ich dem geehrten Leser zur Beurteilung.
Auf Seite 90 meines Werkes handelt es sich um Antriebs-, nicht um Auftriebs¬
schrauben. Ein einfacher Kalkül sowie das Experiment beweisen aber, daß die An¬
triebsschrauben, bei denen die Winkelstellungen der Schraubenflügel, entsprechend dem
Wege, den der angetriebene Apparat pro Zeiteinheit zurücklegt, richtig eingestellt sind,
einen viel größeren Nutzeffekt ergeben, als die Auftriebsschrauben, die auf Schwebearbeit
berechnet sind.
Der Referent macht mir auch den Vorwurf der Undankbarkeit gegen das gewesene
Kreß-Komitee. Das gehört doch schon garnicht zur sachlichen Besprechung, um so weniger
als der Referent nur nach Hörensagen urteilt, und auch die ca. 60 000 Kr. auf 80 000
hinaufschraubt.
Das gewesene Kreß-Komitee, bestand aus Professoren und Technikern, lauter hoch¬
achtbaren Herren, die auch ein jeder nach seinen Kräften, selbst zu dem Experimentier¬
fond beitrugen. Daß diese Herren nicht geneigt waren, von anderen Geld für den Fond
zu beschaffen, das kann ihnen niemand verargen. Wenn ich aber wahrheitsgetreu be¬
richtete, daß das Kreß-Komitee die präliminierte Summe nicht aufbringen konnte und
infolgedessen die Arbeiten ein ganzes Jahr ruhen mußten, bis von einer ganz anderen
Seite Hilfe kam, so liegt darin gewiß keine Undankbarkeit gegen das Komitee. Unsere
tüchtigsten und erfahrensten Flugtechniker zählten zu dem Kreß-Komitee, die ein ganz
anderes Urteil als der Herr Referent über meine flugtechnischen Arbeiten haben und die,
soviel ich weiß, noch heule bedauern, daß meine Versuche mit meinem großen Drachen¬
flieger wegen Geldmangels nicht fortgesetzt werden können. Das gereicht mir zur be¬
sonderen Ehre; gerade auch gegenüber den Ausführungen des Herrn Referenten. Was
der Referent über meine Skizze eines Drachenfliegers der Zukunft sagt, ist vielleicht der
einzige Punkt, in dem er wenigstens scheinbar eine sachliche Meinung ausspricht. Aber
auch hier bringt er eine falsche Deutung hinein. Jeder Leser wird sofort erkennen, daß
ich von einem «Drachenflieger der Zukunft» spreche. Ich wollte nur den Zweiflern
zeigen, daß, sobald wir Motore haben, die pro 1 ff nur 4 kg wiegen, es auch möglich
sein wird, große Drachenflieger zu erbauen, welche 4 bis 5 Personen mit großer Ge¬
schwindigkeit durch die Luft tragen werden. Der Referent widerlegt meine Angaben
nicht; im Gegenteil, er gibt die Möglichkeit zu. Was tut er aber? Während ich eine
«Skizze» eines «Drachenfliegers der Zukunft» gebe, stellt er die Sache so dar, als ob ich
«gleich den Bau einer Riesenflugmaschine* anstrebe, und bringt dann kränkende Aus¬
drücke wie «phantastische Projekte», «Rückschritt» usw., an.
Wenn ich heim Bau meines ersten großen Drachenfliegers einen Motor hätte haben
können, der per 1 Pferdestärke nur 4 kg gewogen hätte, so hätte ich einen Motor von
10 Pferdestärken im Gewichte von 40 kg genommen, und der ganze Apparat hätte
ca. 200 kg gewogen. Wenn man aber, wie zu jener Zeit, noch wenigstens mit 10 bis
15 kg per 1 Pferdestärke Motorgewicht rechnen mußte, so ist man durch die einfachste
Rechnung zu viel größeren Dimensionen gezwungen gewesen.
In einer Fußnote stellt sich der Referent neben Chanute und schiebt Lilienthal
als Beipiel für leichte Konstruktionen vor. Der von mir hochgeschätzte Lilienthal hat
*) Aiim. d. Red. Von dem Herrn Referenten waren nicht diese Versuche an sich, sondern nur die
Zulässigkeit ihrer Verallgemeinerung für größere Kräfte bezweifelt; dort ist allerdings von 0,3 statt 0,6 H>
die Rede.
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aber niemals einen Drachenflieger zu bauen versucht; sein Ideal war bekanntlich der
persönliche Gleitflug; er war sogar ein Gegner des mechanischen Drachenfliegers
Chanute kam aber vor ein paar Jahren nach Wien, um mich und meinen Apparat
kennen zu lernen. Derselbe hat in Gegenwart der hier versammelten Wiener Flug¬
techniker und auch später in seinen Briefen ein ganz anderes Urteil über meine flug¬
technischen Arbeiten ausgesprochen, als der Herr Referent es tut; der somit gar keine
Ursache hat, sich mit Herrn Chanute zu identifizieren.
Ob der Herr Referent für die Praxis der Flugtechnik dereinst etwas Tüchtiges
leisten wird, wird uns erst die Zukunft enthüllen. Bis dahin wenigstens dürfte eine
größere Rücksicht und Zurückhaltung seinerseits wohl am Platze sein. Eine sachliche
Kritik muß sich selbstverständlich ein jeder gefallen lassen, nicht aber eine über das
Maß gehende Herabsetzung. W. Kreß.
je
Kleinere Mitteilungen.
Le Lebaudy ä Toni. A la suite de son beau voyage de Paris au camp de Chä-
lons, interrompu malencontreusement par l’accident que Ton connait, le ballon dirigeable
«Lebaudy» au lieu de revenir au parc de Moisson, a 6tö dirig6 sur Toul pour y effec-
tuer une nouvelle s6rie d’expöriences.
II s’agissait tout d’abord de l’abriter, car un dirigeable qui reste gonfle pendant
des mois entiers ne saurait s’accommoder de camper indcfiniment en plein air, exposö ä
tous les temps. On a disposö ä cet effet un manage du 39 e d’artillerie oü l’on a pratiquö
une vaste ouverture capable de lui dünner accös. Malgrö la grande hauteur du bätiment,
eile n’aurait pas ete süffisante pour que le dirigeable avec sa nacelle y püt trouver
place. 11 a donc fallu abaisser le sol dans la partie centrale et y creuser une tranchöe
analogue ä celle du hangar de Moisson. Ces travaux faits et apres qu’on eüt installö
ä proximitö une petite« usine d’hydrogöne, le ballon a pu ßtre gonflö.
Le 8 octobre, il a effectuö sa premiere sortie ä 9 heures et demie, ayant ä son
bord, outre son pilote Juchm&s et son möcanicien Rey, le commandant du Genie Bout-
tieaux et le capitaine Voyer, chef et sous-chef de l’Etablissement central de Chalais-Meudon.
Malgrö un tr&s mauvais temps et la pluie, le ballon a 6volu6 au-dessus de la ville
de Toul et est venu saluer M. Berteaux, ministre de la guerre, qui se trouvait ä l’höpital
militaire, aprös quoi le «Lebaudy» est revenu avec son habituelle facilite de manceuvre,
au manege du 39 e d’artillerie, sur le plateau de la Justice. G. E.
Im Anschluß an vorstehende Notiz sei noch über weitere Versuche in Toul be¬
richtet. — Kriegsminister Berteaux’s Luftschiffahrt. Aus Toul wird vom 12. Ok¬
tober m\tgeteilt, daß das Luftschiff an diesem Vormittag eine große Erkundung der mili¬
tärischen Verteidigungsanlagen zwischen Toul und Nancy ausgeführt habe. An Bord
befand sich u. a. der Ingenieur-Offizier vom Platz von Toul.
Das Luftschiff flog vom Luftschifferpark um 6 Uhr 55 Vorm, ab und wandte sich
auf das Fort von Gondreville, überflog den Wald von Haye, den es erkundete, indem es
über die Försterposten fortging, und besichtigte dann alle Festungswerke auf dem Wege
nach Nancy. Bei letzterem angelangt, drehte das Luftschiff über der Kaserne Blandon und
fuhr direkt nach Toul zurück. Hier landete es vor dem Hangar inmitten der Sappeure
gegen 9 Uhr 50 Minuten. Die Geschwindigkeit auf der Fahrt Nancy—Toul betrug 38 km
in der Stunde.
An Bord befanden sich Major Jullien, Ingenieur-Offizier vom Platz, Hauptmann
Voyer, Luftschifführer Juchm&s und Mechaniker Rey.
Nach der Ansicht französischer Zeitungen hätte diese Fahrt im Belagerungsfalle '
der Verteidigung von Toul in 2 Stunden sehr wertvolle Nachrichten über die Belagerer
geliefert, man hätte Pläne und Photographien von allen Werken aufnehmen können.
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Am 17. Oktober wurde eine weitere Erkundung mittels des Lebaudy-Luftschiffes mit
gleichem Erfolge als die erste von Toul aus unternommen, hierbei soll auch eine mit
Sand gefüllte Feldgranate aus der Höhe auf eine Batterie herabgeworfen worden sein.
Von Bedeutung bleibt, daß hier der erste militärische Erkundungsversuch mittels
Luftschiffs für den Festungskrieg vorliegt. Der Erfolg ist vorhanden, wenngleich in noch
nicht ganz kriegsmäßiger Form, weil die Fahrhöhe des Luftschiffes eine noch zu niedrige
ist. Ohne Zweifel wird aber auch diese Anforderung noch gelöst werden, sobald man
über die Anfänge der vorliegenden Versuche weiter hinaus gekommen sein wird.
Ein weiterer Beweis des völligen Erfolges des Luftschiffes der Gebrüder Lebaudy
muß in der Tatsache gefunden werden, daß der französische Kriegsminister am 24. Oktober
persönlich eine Rundfahrt mit dem Luftschiff unternommen hat.
Er traf mit dem Orient-Expreßzug, der im allgemeinen nicht in Toul hält, daselbst
früh morgens ein. In seiner Begleitung befanden sieb General Brun, Chef des General¬
stabes der Armee, General JofTre, Direktor des Geniewesens, General Oudard, Direktor
des Artilleriewesens und sein Ordonnanz-OiTizier, Major Gossard. Nachdem er zunächst
mit der Festungseisenbahn eine Rundfahrt gemacht hatte nach dem Fort bei Bruley
und nach Fort Saint-Michel in Begleitung der obersten Militärs der Festung Toul und
von Nancy, fand im Foyer des Theaters von Toul ein Frühstück zu 42 Gedecken statt,
zu dem unter anderen auch der Erbauer des Lebaudy-Luftschiffes, Ingenieur Julliot,
geladen war, mit dem der Kriegsminister sich angelegentlich unterhielt. Etwas vor
3 Uhr nachmittags begab sich Berteaux sodann nach dem Plateau de la Justice, westlich
der Stadt Toul, wo die Herren Lebaudy, Major Bouttieaux und Kapitän Voyer mit dem
zur Abfahrt fertigen Luftschiff den Minister bereits erwarteten. Die Herren Lebaudy
dankten dem Minister für die große Ehre, die er ihnen durch diesen Besuch erwies und
luden ihn zu einer Ballonfahrt ein.
M. Berteaux nahm die Einladung an und bestieg sofort mit seinem Ordonnanz¬
offizier, Major Gossard, die Gondel. Außerdem nahmen neben der Bemannung des
Ballons (M. Juchmes und Maschinist Rey) noch Major Bouttieaux und Kapitän Voyer in
derselben Platz.
Gegen 3 Uhr fuhr das Luftschiff ab unter lauten Beifallsrufen der Zuschauer.
Der Wind kam von Nordosten. Nachdem das Luftschiff über Toul hinaus mit einer
Geschwindigkeit von 20 km in der Stunde, in etwa 250 m Höhe gefahren war, kam es
mit der Geschwindigkeit von 55 km in der Stunde nach seinem Auffahrtsort zurück,
wo es mit großer Geschicklichkeit, die Spitze gegen den Wind gerichtet, landete.
Der Minister verließ unter stürmischem Jubel der anwesenden Menge mit großer
Befriedigung die Gondel, indem er mehrfach «merveille!» ausrief, beglückwünschte
die Herren Lebaudy und Herrn Julliot zu ihrem bedeutsamen Erfolge und dankte
M. Juchmes.
Diese Fahrt, die 65. des Lebaudy-Luftschiffes, wird für die Ent¬
wicklung der Luftschiffahrt insofern von außergewöhnlicher Bedeutung
werden, als es von nun an feststeht, daß die militärischen Behörden das
Luftschiff als ein wichtiges Mittel der Landesverteidigung betrachten und
seine weitere Verbesserung auf Staatskosten in die Hand nehmen werden.
Wenn damit zunächst Frankreich allen anderen Nationen einen bedeutenden
Schritt voraus ist, so hat das nicht viel zu sagen, sobald man ernsten Willens ist, gleiches
zu wollen. Unsere Überzeugung geht dahin, daß das Luftschiff des Grafen
von Zeppelin, wenn es erst seine 65. Fahrt gemacht haben wird, vermöge
seiner eigenartigen, vielfach besseren Konstruktionsprinzipien, das jetzige
Lebaudy-Luftschiff bei weitem übertroffen wird. Aber dazu gehört in erster
Linie eine tatsächliche Unterstützung in Geld und nicht eine in Sympathien
und schönen Worten. $
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Ftmkeutelegraphie-Versuche zwischen Paris und Beifort. Im vergangenen Jahre
wurden derartige Versuche mit Kugelballons vorgenommen. In diesem Jahre finden wir
letztere durch Drachenballons, System Parseval-Sigsfeld, ersetzt, welche in bezug auf
ihre größere Stabilität bei Wind viel vorteilhafter sind.
In Paris finden die Versuche in Chalais-Meudon statt, in Beifort auf dem Champ-
de-Mars. Sie dauerten bis zum 27. Oktober und sollen zu guten Resultaten geführt
haben. Q
ü»
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Berliner Verein für Luftschiffahrt.
In der 249. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt am
25. September wurden zunächst 19 neu angemeldete Mitglieder in den satzungsgemäßen
Formen aufgenommen und im Anschluß hieran vom Vorsitzenden, Geheimrat Busley mit¬
geteilt, daß sich auch außerhalb Berlins das Interesse an der Luftschiffahrt erfreulich
mehre. So habe sich vor kurzem in Würzburg ein Verein gebildet, seine Aufnahme in
den Verband der deutschen Luftschiffervereine nachgesucht und bereits erhalten. Ebenso
sei in der letzten Woche erst unter guter Beteiligung in Coblenz ein Luftschifferverein
ins Leben gerufen worden. Ein zur Mitteilung gelangendes Zirkular des «Club aeronautique
de France > ladet zu einem in den Tagen des 12.—14. Oktober in Paris stattfindenden
internationalen Kongreß ein. Nach der der Einladung beigefügten Tagesordnung, die
14 Punkte enthält, wird in Anregung gebracht, daß sich in allen Ländern, wie es in
Deutschland bereits geschehen ist, Landesverbände der Luftschiffervereine bilden und
diese sich zu einem internationalen Verbände zusammenschließen sollen. Letzterem
würde es obliegen, die allen Landesverbänden gemeinsamen Angelegenheiten zu fördern,
wobei mit Recht vorausgesetzt wird, daß, wo immer mit Behörden zu verkehren ist, der
internationale Verband größere Autorität genießen würde, als die einzelnen Landesverbände.
Zu den gemeinsamen Angelegenheiten zählen an erster Stelle Zollerleichterungen für
die Luftschiffer beim Überschreiten der Grenze. Nicht alle Länder sind in dem Punkte
so entgegenkommend gegen die Luitschiffer, wie Frankreich und die Schweiz, wo niemals
auch nur die geringsten Schwierigkeiten bezüglich vom Auslande zugeflogener Ballons
und ihres Inhaltes gemacht worden sind. Gemeint ist bei den beabsichtigten Maßnahmen
vor allem Rußland, was die deutsche Luftschiffahrt ja besonders interessiert. Eine
zweite dem Kongreß zu unterbreitende Angelegenheit ist die Herstellung eines internationalen
Wörterbuches, auch ein Fortschritt, mit dem der Berliner Verein schon den Anfang
gemacht hat. Der Vorsitzende ist, gleich dem Gesamtvorstand, der Ansicht, daß diese
Bestrebungen des Club de France der Unterstützung sehr wert seien und daß der Kon¬
greß von Deutschland aus beschickt werden müsse. Die Pariser Veranstalter bringen
einen eigenartigen Modus für Bestimmung der Zahl der Delegierten in Vorschlag, nämlich
nach der Menge der Kubikmeter Gas, die im letzten Jahre in dem betreffenden Lande
für Zwecke der Luftschiffahrt verwendet worden sind. Auf je 25000 cbm Gasverbrauch
soll ein Delegierter entsandt werden. Deutschlandl) steht bei Anwendung dieses Ma߬
stabes mit verbrauchten 165 000 cbm an zweiter, Frankreich an erster Stelle. (Vom
deutschen Verbrauch kommen schätzungsweise auf Berlin allein 68 000 cbm Leucht-
und 6000 cbm Wasserstoffgas, auf den Niederrheinischen Verein 50 000 cbm, auf Augs¬
burg 18 000 cbm, Straßburg und München 12 000 cbm, die übrigen Vereine zusammen
6—8000 cbm.) Danach würde Deutschland 6 Delegierte entsenden können, die bei der
Finanzlage des Verbandes allerdings ein Opfer an Zeit und Geld bringen müssen. Es
haben sich bisher bereit erklärt die Herren Major Moedebeck-Straßburg, Dr. Bamler-
Barmen und Geheimrat Busley-Berlin, es fehlen somit noch 3, die möglichst aus den
*) Siehe genauere Angaben im ersten Artikel dieses Hefts. Red.
lllustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 47
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366 «4«
noch unvertretenen Städten und vielleicht einer noch aus Berlin zu wählen waren. Der
Schlußtag des Kongresses ist zugleich der Tag des Wettbewerbes um den Prix de France,
der interessant zu werden verspricht. Der Vorsitzende hofft, in nächster Sitzung des
diesseitigen Vereins am 23. Oktober bereits über das Ergebnis des internationalen Kongresses
berichten zu können. — Es folgte der von Oberleutnant Geerdtz erstattete Bericht über
die im Monat September ausgeführten vier Freifahrten. Davon gingen 2 mit dem dahin
geliehenen Ballon «Helmholz> von Goblenz, einer mit dem Wasserstoffballon von
Hilterfeld, einer von der Charlottenburger Gasanstalt aus. Die Bitterfelder Fahrt ging
am 15. September unter Führung von Leutnant v. Holthoff vor sich. Begleiter waren
die Leutnants v. Auer und v. Wallenberg. Man stieg, mit 12 Sack Ballast ausgerüstet,
um 7 15 Uhr abends auf, gelangte noch in der Nacht über die Wolkendecke und genoß
einen herrlichen Sonnenaufgang und bei später sich klärendem Himmel auch den Anblick
der Erde, sodaß Kissingen und AschafTenhurg gesichtet werden konnten. Die höchst
erreichte Höhe war 3000 m. Der Ballon landete sehr glatt nach einer Reise von 500 km.
und nachdem der Ballast bis auf einen halben Sack verbraucht war, nahe Poggenhausen
bei Wittinghausen im Großherzogtum Baden. Die zweite am 23. September von Char¬
lottenburg aus mit dem Ballon «Süring» unternommene Fahrt war geführt von Ober¬
leutnant Geerdtz und begleitet von den Herren Dr. Hoffmann, Legationssekretär v. Herder
und Redakteur Dr. Ziemssen. Der Aufstieg erfolgte um 3 /4 8 Uhr morgens. Bei 200 m
war die Gleichgewichtslage des Ballons erreicht und konnte so während der ganzen
Fahrt erhalten werden. Ein Versuch, die Wolkendecke zu durchbrechen, mißlang anfangs,
zumal über der unteren Decke sich noch eine zweite, beträchtlich höhere zeigte. Bei
dem Versuch waren 77* Sack Ballast verbraucht worden. Da eine weitere Entlastung
des Ballons sich als notwendig erwies, wurde unter den drei Begleitern das Los gezogen,
wer den Ballon zu verlassen habe. Es traf Dr. Hoffmann, der bei Pritzerbe an der Havel
ausgesetzt wurde, wo man als Ersatz für denselben neue 8 Sack Ballast einnahm. Nun¬
mehr gelang eine hübsche zweistündige Fahrt über den Wolken. Der Ballon stieg bis
3400 m und landete bald nachher glatt kurz hinter Stendal nach Zurücklegung von
125 km. Von besonderem Interesse war gerade über Döberitz die Beobachtung'einer
Eberjagd. Da man dem Verlauf der Jagd sicherer folgte als die Jäger, hätte man diesen
gern Rat erteilt, sie waren aber für Zurufe unerreichbar! A. F.
Aufforderung zur Beschickung der Ausstellung
in Mailand 1906.0
Unter dem Hohen Patronate S. M. des Königs von Italien.
Es ist eine Pflicht gegenüber unserem Schwesterverein in Italien, der
Societa Aeronautica Italiana, daß wir ihn in der Ausgestaltung des
Aeronautischen Teils obiger Ausstellung nach Möglichkeit unterstützen.
Deshalb folgen wir gern dem Wunsche einiger Herren der Ausstellungs¬
leitung der LuftschifTahrtsklasse, indem wir unseren Vereinen und den ge¬
schätzten Lesern dieser Zeitschrift die geplante Einteilung der aeronautischen
Abteilung näher bekannt geben und ihnen die Wege weisen, wie sie zum
Ausstellen gelangen.
Im Programm der Ausstellung für Landtransportwesen, Luftschiflahrt
und Meßkunde enthält Abteilung VIII:
i) Die Besprechung der Spezialreglemente der aeronautischen Wettbewerbe wird in den folgenden
Heften dieser Zeitschrift gebracht werden. Den Anfang bildet die anschließende Besprechung der allgemeinen
AussUdlungsbedingungen. D. Red.
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867 444 *
Luftschiffahrt.
I. Kategorie.
Baumaterial für Luftsehiflahrt.
1. Klasse. Gewebe, Firnisse, Netze und Seilerwaren.
2. Klasse. Metalle von hoher spezifischer Widerstandsfähigkeit für leichte Konstruk¬
tionen (Holzgattungen, Bambus, Röhren usw.).
II. Kategorie.
Gewöhnliche Luftballons.
1. Klasse. Montgolfieren und dazu gehörige Apparate, Fallschirme.
2. Klasse. Mit Gas, Dampf usw. aufgeblasene, gewöhnliche Luftballons, Freiballons;
mittels Schleppseil und dergleichen dirigierte Luftballons, Apparate zur Regelung
der Gleichgewichtslage und zur Veränderung der Richtung.
3. Klasse. Gewöhnliche, regulierbare Ballons; Drachenballons und zugehörige Apparate
und Mechanismen; Drachen.
* III. Kategorie.
Lenkbare Luftschiffe.
1. Klasse. Studien; Experimentierapparate zur Lösung des Problems; Projekte; Luft-
schiffmodelle und Modelle von Ballonhallen; LuftschifTerparks.
2. Klasse. Komplette Luftschiffe.
IV. Kategorie.
Flugapparate.
1. Klasse. Studien; Experimentierapparate behufs Lösung des Problems; Projekte;
Modelle.
2. Klasse. Aeroplane; Helicopteren; Maschinen mit schwingenden Flügeln; verschiedene
Apparate.
V. Kategorie.
Motoren.
1. Klasse. Krafterzeugung (Dampfkessel, Akkumulatoren).
2. Klasse. Leichte Motoren jeder Art; leichte Kraftübertragungen (Transmission; Propeller).
VI. Kategorie.
Wasserstoff und Sauerstoff.
1. Klasse. Erzeugung des Wasserstoffs.
2. Klasse. Wasserstoffverdichtung; flüssiger Wasserstoff.
3. Klasse. Sauerstoff, Luft- und Sauerstoff in flüssigem Zustande.
VII. Kategorie.
Witterungslehre (Meteorologie).
1. Klasse. Meteorologische Instrumente.
2. Klasse. Registrierballons.
3. Klasse. Luftdrachen und zugehörige Apparate.
4. Klasse. Für große Höhen ausgestattete Ballons.
5. Klasse. Resultate der atmosphärischen Forschungen in höhern Regionen; Windstudien.
VIII. Kategorie.
Verschiedenes.
1. Klasse. Ballons für Signale und andere Zwecke.
2. Klasse. Luftdrachen für Personenaufstieg.
3. Klasse. Photographische Apparate für Aufnahmen von den Ballons- und Luftdrachen aus.
4. Klasse. Studien und verschiedene Anwendungen.
Wegen der drängenden Zeit bittet man, die Anmeldungen baldmöglichst
an das Ausstellungskomitee in Mailand zu richten. Ausstellungsformulare
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***& 368 44 +
zur Anmeldung mit Auszug aus den allgemeinen Bestimmungen sind von
Herrn Dr. Helbig vom Istituto Chimico della R. Universitä di Roma in
genügender Anzahl bei mir in Straßburg i. E., Silbermannstraße 14,
niedergelegt worden, und ich bin gern bereit, jedem, der darum ersucht,
die nötigen Exemplare franko zuzusenden. Den Vereins Vorständen sind die
Prospekte und die Bedingungen für Wettbewerbe bereits zugesandt worden.
Die Platzmiete ist sehr niedrig bemessen. Es kostet Bodenfläche
5 Lires pro Quadratmeter, Wandfläche 10 Lires pro Quadratmeter. Die
Aussteller der Sektion der Retrospektive des Transportwesens sind von einer
Platzmiete befreit. Das Auspacken und Aufstellen der Ausstellungsgegen¬
stände muß von den Ausstellern oder deren Vertretern besorgt werden.
Gewiß läßt sich aber hier eine Vereinigung mehrerer aeronautischer Aus¬
steller organisieren, zumal da eine aeronautische Ausstellung selten sehr
umfangreich zu sein pflegt. Vielleicht ist Aussicht vorhanden, daß
auch hier der deutsche Luftschifferverband, wie in St. Louis,
geschlossen auftritt.
Ich bitte in meiner Vertrauensstellung als korrespondierendes Mitglied
des aeronautischen Ausstellungskomitees, der Einladung der Societa Aeronautica
Italiana nach Kräften Folge geben zu wollen.
Moedebeck,
Schriftführer des deutschen Luftschifferverbandes.
Weltausstellung und Luftschiffer-Wettbewerb in Mailand 1906.
Unter den Veranstaltungen, welche zur Feier der Vollendung des Simplon-Tunnels
geplant sind, nehmen das Interesse der LuftschifTerkreise zunächst zwei in Anspruch:
Die vom April bis November 1906 im Park und auf der Piazza d’armi in Mailand
stattfindende internationale Weltausstellung und der während derselben sich voll¬
ziehende Luftschiffer-Wettbewerb.
Die Weltausstellung wird in ihrem internationalen Teil Sektionen für Land-
und See-Transportwesen, Retrospektive des Transportwesens, Luftschiffahrt, Metro¬
logie, Dekorationskunst, Arbeitshalle für Kunstgewerbe, Ackerbau, Fischerei, Fürsorge¬
einrichtungen, öffentliche allgemeine Gesundheitseinrichtungen, Hygiene und sanitäre
Hilfe bei Transporten umfassen. An sie schließt sich eine nationale Abteilung für Kunst.
Gesonderte Programme für die einzelnen Sektionen geben deren Unterabteilungen,
Kategorien und Klassen usw. Ein Generalkomitee leitet durch ein Exekutivkomitee
das Ganze und steht hierzu mit in- und ausländischen Lokalkomitees in Verbindung.
Die «Allgemeinen Bestimmungen» sind der Redaktion der «111. Aär. Mittig.» und
den Vereinen nebst Einladungsschreiben gegen Ende Juli 1905 zugegangen, womit schon
eine Ausnahmestellung zugestanden ist, indem Artikel 6 für jene Sektionen, unter welchen
auch die Luftschiffahrt steht, den 31. Mai als Anmeldetermin aufstellt. (Wünsche be¬
züglich besonderer Lokale, Pavillons usw. wären bis 15. Februar zu äußern gewesen.)
Die «Allgemeinen Bestimmungen» mußten eben der im allgemeinen zutreffenden Annahme
angepaßt werden, daß es sich um Aussteller handelt, denen Gelegenheit geboten wird,
sich und ihre Erzeugnisse bekannt zu machen und so Vorteil aus der ganzen Veran¬
staltung zu ziehen, während dies auf dem Gebiet der Luftschiffahrt vorläufig nur für
einzelne Etablissements zutrifft. Mit dieser Sachlage stehen besondere Bestimmungen
über Einschreibegebühr, Platzmiete für Boden- und Wandflächen, Fenster oder sonst
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369 «4«
günstige Plätze, über Vorausbezahlungen usw. in Zusammenhang. Ebenso erklären sich
hieraus eine Reihe von Bestimmungen, durch welche sich das Exekutivkomitee gegen
mancherlei erfahrungsgemäß bei Ausstellungen eintretende unliebsame Zwischenfälle,
Störungen und besondere Anforderungen sicherstellt. So ist z. B. Schadenersatzan¬
sprüchen bei Irrungen bezüglich gemieteter Räume vorgebeugt, anderweitige Vergebung
nicht benutzten gemieteten Raumes unter Einbehaltung des halben Mietbetrages Vorbe¬
halten, jedem Anmelder die bindende Verpflichtung zur Einhaltung der allgemeinen und
besonderen Bestimmungen und der während der Ausstellung noch vom Exekutivkomitee
zu treffenden auferlegt, den Ausstellern, welche nicht innerhalb der bestimmten Zeit
(nämlich bis 20. März 1906) ihre Gegenstände liefern, das Recht auf die Plätze, wie
auch auf spätere Aufstellung abgesprochen und der Mietbetrag in Verfall erklärt.
Bei Verzug im Auspacken und Aufstellen verfährt das Komitee mit eigenen
Kräften auf Rechnung und Gefahr des Ausstellers. Das Komitee kann Gegenstände, die
es für ungeeignet hält, bei deren Ankunft zurückweisen, wobei die Wiederentfernung
dem Aussteller ohne Schadenersatz obliegt. Ebenso verhält es sich bei verfügter Wieder¬
entfernung bereits aufgestellter Gegenstände. Das Komitee kann alle angefangenen Ein¬
richtungen, die bis zum 20. März nicht fertig sind, auf Kosten der säumigen Aussteller
entfernen lassen.
Während kein Ausstellungsgegenstand vor Schluß der Ausstellung entfernt werden
darf, auch wenn er verkauft ist, muß nach dem Schluß diese Wegschaffung innerhalb
eines Monats vollzogen sein. Wenn nicht, so verfährt das Komitee auf Rechnung und
Gefahr des Ausstellers, es kann auch Gegenstände als Pfand für Erfüllung noch unge¬
tilgter Obliegenheiten derselben zurückhalten.
Besondere Anordnungen betreffen Vertreter von Ausstellern und deren freien Ein¬
tritt gegen die entsprechend sichergestellte Verpachtung zur Einhaltung aller Bestimmungen-
Die ausgegebenen Formulare für die Zulassungsgesuche enthalten Auszüge aus
den «Allgemeinen Bestimmungen» und verlangen sehr ins einzelne gehende Angaben.
(Außer der Sektion, Abteilung, Kategorie, Klasse, Gruppe nebst Datum, Personalien usw.
Nennung der Gegenstände, Raum-, Kraft-, Anlage-Anfragen, wobei alle nur irgend vor¬
aussehbaren Einzelheiten auch wirklich vorausgesehen sind; auch nach etwa in anderen
Ausstellungen erhaltenen Preisen, sowie nach Namen von Mitarbeitern jeder Art, die
bei Erfindung oder Verfahren mitwirkten, ist gefragt.)
Die Einsendung der angemeldeten und laut Schein zugelassenen Gegenstände hat
zwischen 15. Dezember 1905 und 1. Februar 1906 unter genauer Einhaltung besonderer
Anordnungen über Versandscheine und deren Abschriften mit Gewicht-, Wert-, Matrikel¬
nummer-Angaben (im allgemeinen unter Wiederholungen aus dem Zulassungsgesuch),
dann über genaue Bezeichnung des Kollis, Verpackungsart, Aussteller oder Vertreter usw.
stattzufinden, soweit nicht Ausnahmen zugestanden werden. Prüfung der Kollis, Aus¬
packung und Aufstellung sind genau geregelt als Tätigkeiten eines Spezialbureaus.
Dekorationen, Firmenschilder, Drucksachen, Beschreibungen, Reklamen usw. unter¬
liegen der Genehmigung des Komitees, ebenso die Aufnahme von Zeichnungen, Photo¬
graphien oder anderen Wiedergaben.
Das Komitee übernimmt gegen Taxe auf Wunsch eine Reihe von Besorgungen,
wie Abnahme und Transport der Kollis, Miete oder Ankauf von Ausstattungs- oder Auf¬
stellungsbedarf, Lagerung, Bewachung, Versicherung der Kisten usw., Einpackung und
Transport zur Bahn, Zoll- und andere Formalitäten-Erledigung und ähnliches. Auf alle
im Ausstellungsgebiet erfolgenden Verkäufe behält es sich eine Taxe von 10 °/o des
Wertes vor.
Der technische Dienst für Triebkraft, Beleuchtung usw. ist derart ge¬
regelt, daß das Komitee alle Hauptleitungen für Dampf, Elektrizität, Gas, Wasser, even¬
tuell komprimierte Luft (Dampf mit ca. 12 Kilo qcm) liefert, auch die Anschlüsse auf
Rechnung der Aussteller ausführen darf. Dampfkessel-Speisewasser-Anschlüsse haben
Aussteller selbst zu besorgen, ebenso Fundamentierung in Betrieb kommender Maschinen
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370 €4««
und Maurerarbeiten für Kessel, Öfen usvv. Für alle solche Anlagen gelten die italie¬
nischen gesetzlichen Bestimmungen. Ein Spezialtarif setzt die Kosten für Kraft- und
Beleuchtungslieferung in entsprechenden Abstufungen, auch für trinkbares Wasser, fest.
Steuern für Kraftverbrauch zahlt das Komitee.
Genaue Verbrauchsmessung und Buchung ist vorgesehen, ebenso Regelung vor¬
kommender Differenzen.
Auch eigene Triebkraft ist nach genehmigtem Anlageplan zugelassen. Die Inbe¬
triebsetzung aller Maschinen ist von der Genehmigung des Komitees abhängig. Alle
Maschinen müssen die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen haben, doch
verbleibt die Verantwortung bei den Ausstellern, welche übrigens auch für alle durch
den Gang der Maschinen an Gebäuden, Fußböden usw. entstehenden Schäden haften.
Dagegen kann das Komitee jederzeit den Gang von Maschinen untersagen. Das von
den Ausstellern mit der Führung der Maschinen betraute Personal hat den Beamten
der Ausstellung unbedingt Folge zu leisten und darf sich nie ohne Vertretung entfernen?
dafür obliegt aber die Versicherung dieser Leute den Ausstellern.
Ein besonderes Kapitel ist noch der Bewachung und Verantwortlichkeit
gewidmet. Das Komitee sorgt für die Bewachung und Erhaltung der ausgestellten
Gegenstände, doch ohne Verantwortung zu übernehmen. Auch Unterbrechungen der
gelieferten Kraft berechtigen die Aussteller zu keinen Entschädigungsansprüchen.
Nur für die retrospektive Ausstellung des Transportwesens und der Landwirtschaft ist
Verantwortung bis zu vereinbartem Wert zugestanden. Die Aussteller dürfen aber für
Bewachung selbst sorgen, unter Beachtung der Dispositionen des Komitees. Feuerver¬
sicherung übernimmt das Komitee für die eigenen Baulichkeiten, für jene der Aussteller
und für deren Erzeugnisse obliegt sie diesen.
Außer dem hier im Auszug Zusammengefaßten hehält sich das Komitee noch be¬
sondere Anordnungen vor.
Wer schon bei größeren Ausstellungen beteiligt war und das Mißverhältnis be¬
obachten konnte, welches zwischen den Ansprüchen mancher Aussteller und dem geringen
Grad ihrer Pünktlichkeit, ihres Ordnungssinnes und ihres Verpflichtungsbewußtseins
herrscht, ein Mißverhältnis, das ohne Gegengewicht das Zustandekommen eines ganzen
derartigen Unternehmens gefährden kann, der wird die erwähnten scheinbar rigorosen
Festsetzungen nur als voll berechtigt anerkennen.
Das Programm der Ausstellung für Landtransportwesen, Luftschiff¬
fahrt und Meßkunde umfaßt 11 Abteilungen, nämlich: Gewöhnliche Straßen; Wagen¬
transport für Personen und Waren; Zvklismus; Motorwagen; Eisenbahnen; elektrische
Landtransporte; Koffer, Reisegepäck und Verpackung; LuftschilTahrt; der Simplon; Metro¬
logie. welche wieder in Kategorien (diese je nach Bedarf in Klassen) zerfallen.
Der Simplon, Abteilung X, vom geographisch-wissenschaftlichen, historischen,
touristischen, verkehrstechnischen Standpunkt beleuchtet, nimmt unter Vorführung von
Studien, Projekten, der bezüglichen Literatur, der genauen Darlegung der Durchführung
mit sämtlichen Vorarbeiten, der Maschinen, Materialien, der Transport-, Unterkunfts-,
Verptlegungs- und Fürsorge-Einrichtungen usw. den Ehrenplatz in der Ausstellung ein.
Doch nimmt das Programm auch für alle anderen Abteilungen eine alle denk¬
baren Beziehungen zum Gegenstand bis ins einzelne umfassende Beschickung in Aus¬
sicht. Es werden die verschiedenen Systeme, Materialien, Anwendungsarten, wo ein¬
schlägig die Ausstattungen der Benutzer, die Organisationen von Unternehmungen, die
bezügliche Literatur, Sicherheitsanordnungen, Kosten, Verwaltungseinrichtungen usw.
beigezogen.
Die Abteilung Luftschiffahrt umfaßt die im vorhergehenden Artikel schon
einzeln aufgeführten 8 Kategorien mit deren verschiedenen Klassen, sodaß hier eine
Aufzählung überflüssig wird.
Sollte jede der dort aufgeführten Klassen der acht Kategorien der Abteilung Luft-
schiffahrt auch wirklich beschickt werden, so wird diese nicht nur ein Zeugnis regster
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371 €««♦
Tätigkeit auf einem an Schwierigkeiten überreichen Schaffensgebiet vor Augen führen,
sondern auch Belehrung und Anregung mannigfaltigster Art bieten. K. N.
Sportnachrichten.
A£ro-Autoinobil-Wettfahrt zu Madrid. Wie L'Aerophile (Nr. 10) erfahren, findet
ein Wettbewerb zwischen Ballons und Automobilen am 26. Oktober zu Madrid statt zu
Ehren des Präsidenten Loubet in Gegenwart S. M. des Königs von Spanien.
Der große Ehrenpreis besteht aus 2 Kunstgegenständen, der eine gestiftet von
S. M. dem Könige von Spanien, der andere von dem Präsidenten der Republik E. Loubet.
Die Correspondencia de Espafia, die den Wettbewerb organisiert hat, stiftet einen Preis
von 8000 Pesetas. Verschiedene andere Preise sind vom Real Aereo Club de Espafia und
vom Automovil Club de Espana.
Aus Frankreich beteiligten sich Comte de La Vaulx und Paul Tissandier mit dem
Ballon L’Elfe (1800 cbm, Besitzer M. Vonviller, Konstrukteur M. Mailet) und M. Emile
Car ton, der Geschäftsleiter der Firma Lachambre mit einem neuen Ballon von 800 cbm.
M. J. F. Duro, der Gewinner des zweiten großen Preises in Paris am 15. Oktober,
ist im Aero Club III (1200 cbm) gefahren. $
Aeronautischer Preis für die Ballonfahrt von Bordeaux nach Pau. Der Aero¬
klub des Südwestens (Frankreich) organisiert für den 1. November eine Wettfahrt
zwischen Bordeaux und Pau am nördlichen Fuße der Pyrenäen, etwa 150 km Luftlinie.
Derjenige Führer, welcher zuerst und möglichst nahe bei Pau landet, erhält den Preis,
eine Bronze «La Source» von Rosetti im Werte von 400 Frs., die M. F. Boudry, der
Präsident des obigen Klubs, gestiftet hat. Der Preis geht erst in das Eigentum des
Gewinners über, nachdem er 12 Monate nach der Landung von ihm behauptet worden ist.
Zum Wettbewerbe w’erden zugelassen die Führer, Ehrenmitglieder, Mitglieder und
Korrespondenten des Klubs. $
Bibliographie.
Königlich Preußische Lnftschifferahteilnng Berlin. Denkschrift, verfaßt von Hauptmann
Harck und Hauptmann Hildebrandt. Gr.80. 48 S. Albumformat. Preis 1,50 Mk.
Wird uns als Neuerscheinung vom Verlag E.S. Mittler & Sohn in Berlin zugeschickt.i)
Das mit vielen Illustrationen ausgestattete hübsch eingebundene Schriftchen schildert
die interessante Entwicklung der Luftschifferabteilung seit ihrer Gründung 1884 bis 1901. Q.
Instruktion für den Ballonführer. Herausgegeben von v. Tschudi, Hauptmann im
LuftschifTerbataillon, auf Veranlassung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt.
Berlin 1905. 2. Auflage. 80. 125 S. Taschenformat.
Die neu erschienene 2. Auflage des beliebten Vademecums des praktischen Luft¬
schiffers hat keine wesentlichen Veränderungen erfahren. Von den nützlichen Zusätzen
sei die Instruktion für die internationalen wissenschaftlichen Ballonfahrten genannt.
Der weitere Inhalt wird gebildet durch eine eingehende allgemeine und fahrtechnische
Instruktion für den Führer, Anweisungen für das Verhalten bei Landungen im Ausland,
Fahrtberichtschemas, Notizblätter und eine Übersetzung der nötigsten Fragen bei der
Landung, in 9 Sprachen, wie sie bei Fahrten von Norddeutschland aus in Frage
kommen können. Q.
i) Wird gleichzeitig den Mitgliedern des Deutschen LuftschifTerverbandes von der Firma Meisenbach-
RifTarth & Co., Berlin-Schöneberg zum Vorzugspreis von 60 Pfg. angeboten.
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372 €*«4
Institut A£rodyimmique de Koutchino. Gr. 8<>. 8 S. 17 Tafeln St. P6tersbourg 1905.
Die Broschüre beschreibt die Einrichtungen und das Programm eines von
D. Riabouchinsky gegründeten Instituts, in der Nähe von Moskau, das sich die wissen¬
schaftliche Untersuchung von Fragen, die die Bewegung in der Luft, die Luftschrauben
und überhaupt fluchtechnische Probleme betreffen, zur Aufgabe macht. Das genauere
Arbeitsprogramm ist folgendes :
1. Untersuchung über den Luftwiderstand. Ermittlung der Widerstands¬
koeffizienten. Bestimmung des Druckmittelpunktes; Untersuchung über den Auftrieb und
den Nutzeffekt von Luftschrauben; Studien über die Propulsion mit Flügeln. Unter¬
suchung über die Stabilität der Körper während ihrer Bewegung in der Luft.
2. Praktische Anwendungen der Widerstandsgesetze der Luft. Konstruk¬
tion von Schraubenfliegern; Konstruktion und Untersuchung von Drachen verschiedener Typen;
Konstruktion und Untersuchung von Gleitfliegern; Hebung größerer Lasten durch Drachen;
Signaldienst mit Hilfe von Drachen; photographische Aufnahmen mit Hilfe von Drachen.
3. Wissenschaftliche Erforschung der verschiedenen Schichten der
Atmosphäre. —Zu Verwirklichung dieses reichhaltigen Programms scheinen große Mittel
zur Verfügung zu stehen. Bisher sind 100000 Rubel für die Einrichtung ausgegeben
worden. Verschiedene Gebäude, z. B. mit großen technischen Einrichtungen, sind schon
fertiggestellt. Herr Riabouchinsky selbst ist Direktor, Herr Kusnetzow ist Directeur-
adjoint des Etablissements. Außerdem ist ein technisches Personal von 15 Köpfen vor¬
handen. Vorläufig ist ein Jahresbudget von 38000 Rubeln vorgesehen. Wir wünschen,
daß der Erfolg dem Aufwand entsprechen wird. Q.
Personalia.
Prinz Roland Bonaparte, der Vorsitzende des Internationalen Aeronautischen
Verbandes, verlor am 14. Oktober durch den Tod unerwartet seine Mutter, die Prinzessin
Bonaparte. Die Delegierten der Konferenz in Paris brachten ihre Anteilnahme an diesem
schmerzlichen Trauerfall ihres Präsidenten durch eine würdige Kranzspende für die hohe
Dahingeschiedene zum Ausdruck.
Fräulein Anni Rfedinger, die Tochter des bekannten Ballonfahrikanten in Augsburg,
hat sich am 17. Oktober mit Herrn Karl Lochmüller, Leutnant im Kgl. 3. Inf.-Rgt. Prinz
Karl von Baiern, verheiratet.
Oberst v. Brug. Chef des Generalstabes des l. bayrischen Armeekorps, der ehe¬
malige erste Kommandeur der Kgl. bayrischen Luftschifferabteilung, ist durch A f K. O.
vom 17. Oktober zum Regimentskommandeur des bayrischen Infanterie-Regiments Nr. 1
ernannt worden.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet.
Die Deduktion.
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illustrierte Aeronautische Mitteilungen.
IX. Jahrgang. -M Dezember 1905. m- 12. Heft.
Aeronautik.
General Meusnier und die lenkbaren Ballons.
Von Yoyer, Hauptmann im Geniekorps, Unterdirektor im Militär-Aeronautischen Zentral¬
etablissement von Chalais-Meudon, übersetzt von H. W. L. Moedebeck.
Wir haben gesehen, mit welcher Klarheit General Meusnier in seinen
ersten Denkschriften (1783—84) die Gesetze der LuftsehifTahrt beim Frei¬
ballon entwickelt hatte, und wie er das Luftballone! erfand, damit die Luft-
schifler ihre Fahrzone sich wählen könnten. Aber man befaßte sich auch
schon damals in jener Zeitepoche mit der Lenkung der Aerostaten; zahl¬
reiche Erfinder unterbreiteten bereits ihre Projekte dem Urteile der Akademie.
Meusnier am 31. Januar 1784 selbst zum Akademiker ernannt und
von seinen Kollegen damit beauftragt, die Versuche mit den aerostatischen
Maschinen im Auge zu behalten, wurde naturgemäß dahin geführt, sich
auch mit dieser interessanten Frage zu beschäftigen. Er brachte, wie
überall, auch hier hinein eine Klarheit, wie man sie nur von einem außer¬
gewöhnlichen Geiste erwarten darf. Er gab sich darüber Rechenschaft,
wie unvollkommen die Mittel waren, über die man damals verfügte, um
gegen die Luftströmungen anzukämpfen, aber er hielt es darum doch für
nützlich, sie bei den Aerostaten anzuwenden. Er begriff die Schwierig¬
keiten, die sich der Verwendung länglicher Ballons entgegenstellten und
bestimmte die Bedingungen ihrer Stabilität.
Schließlich erfand er selbst ein Projekt einer «aerostatischen Maschine»,
die man sehr wohl als lenkbare bezeichnen kann, aber er rechnete bei
derselben auf die Ausnutzung menschlicher Kraft, wie Dupuy de Lome sie
sehr viel später anwendete, um ihr eine gewisse Eigengeschwindigkeit zu
geben und um sie von der Windrichtung abzudrängen.
Wir wollen nacheinander prüfen:
1 . die allgemeinen Gedanken Meusniers über die Luftschiffahrt, so
wie man sie zu jener Epoche begreifen konnte;
2 . seine Theorie über die Stabilität des länglichen Ballons;
3. die großen Gedanken sowie die interessanten Einzelheiten der Pro¬
jekte, welche ihn beschäftigt hatten.
I. Allgemeine Gedanken über die Lenkbarkeit des Ballons.
Der «Abriß der Arbeiten der Akademie der Wissenschaften
zu Paris zur Verbesserung der aerostatischen Maschinen, redigiert
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 48
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von Meusnier,*) enthält die kurze Darstellung der Resultate, die zu erreichen
ihm möglich erschienen.
«Man hat geprüft, welchen Effekt viele der vorgeschlagenen Maschinen
für die Lenkung der Aerostaten haben könnten: Diese Maschinen müssen
durch Menschen bewegt werden, deren Gewicht im Verhältnis zu ihrer
Kraft groß ist; es folgt daraus, daß sie wenig Effekt haben werden, um die-
Widerstände zu überwinden, welche die Luft den Ballons entgegenstellt
infolge ihrer großen Oberfläche. Die in bezug auf die Lenkungsmittel,
welcher Art sie auch sein mögen, angewandte Rechnung zeigt im allge¬
meinen, daß sie den aerostatischen Maschinen keine größere Ge¬
schwindigkeit als eine Lieu in der Stunde, unabhängig von den
Winden, erteilen können.»
Wir haben in Meusniers Denkschriften die Elemente dieser Berechnung,
von der er sich darauf beschränkt, hier das Resultat wiederzugeben, finden
können. Aber wir sehen, wie weit er davon entfernt war, sich über die
Macht der Mittel, über die man zu jener Zeit verfügte, zu täuschen: Eine
Eigengeschwindigkeit von 4 km in der Stunde war alles, was er den
Erfindern von lenkbaren Ballons bei Anwendung von Menschenkraft zu
hoffen gab.
Diese Veranschlagung der möglichen Geschwindigkeit ist sogar zu
gering, denn Dupuy de Lome hat im Jahre 1872 bei seinem Schrauben-
aerostat eine Eigengeschwindigkeit von 10 km per Stunde erreicht. Es ist
richtig, daß er diese Geschwindigkeit nur einige Minuten lang erhalten
konnte, indem er gleichzeitig die 8 Leute der Ballonbesatzung arbeiten ließ,
während Dupuy de Lome in seinem Projekt zwei Gruppen von 4 Leuten
vorgesehen hatte, die sich stündlich ablösen sollten. Aber selbst mit dieser
letzteren Anordnung konnte er berechtigterweise auf eine Geschwindigkeit
von 8 km rechnen. 2 )
Wozu braucht man bei einem Aerostaten eine so schwache Eigen¬
bewegung (sie sei 4 oder 8 km in der Stunde), die doch derjenigen der
ruhigen Luftströmungen noch unterlegen ist? Auf diese Frage antwortet
Meusnier, daß «nichtsdestoweniger die Mittel der Lenkung sehr nützlich
sein werden; sie werden dazu dienen, sich einen passenden Landungs¬
platz zu wählen. Hierauf, sagt er, muß man ihre Anwendung be¬
schränken».
Nach ihm «liegt der wahre Geist der Luftschiffahrt in der geschickten
Ausnutzung der Winde, in dem Studium ihrer Aufeinanderfolge nach den
Beobachtungstabellen».
>) Nach den Protokollen der Akademie scheint dieser Bericht in der Sitzung am 12. November 1781
vorgelesen zu sein. Als Manuskript aufbewahrt im Depot der Fortifikation (heute Technische Sektion des
Geniewesens), wurde er veröffentlicht im Januar 1851 im Conservatoire und reproduziert im Jahre 1854 in
der L’Histoire des principalcs dccouvertes von L. Figuicr (Band III).
s ) In der Tat wächst die Geschwindigkeit wie die Kubikwurzel der Motorkraft: Wenn er mit
10
8 Leuten eine Geschwindigkeit von 10 km erreicht hat, konnte er mit 4 Leuten etwa * = 8 km erreichen.
VT
Das war diejenige Geschwindigkeit, die er in «einen Berechnungen vorausbestimmt hatte.
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37o ^^44
Und etwas weiter fügt er hinzu:
«Die Lenkungsmittel können indessen auch noch von großem Vorteil*
sein für physikalische Beobachtungen, die man mit aerostatischen Maschinen
wird machen können; die Wolken und alle Meteore sind von demselben
Wind fortgetrieben, dem die Maschine anheim gegeben ist, sie befinden sich
zu einander in einer tatsächlichen Windstille, und das geringste Lenkungs¬
mittel genügt, um denjenigen Punkt in der Atmosphäre zu erreichen, wohin
ein Beobachter ein Interesse hat, sich hinzubegeben. 1 )
Also, Unmöglichkeit der Lenkbarkeit im eigentlichen Sinne, Nützlich¬
keit einer schwachen Eigengeschwindigkeit, um von der Windrichtung ab¬
zuweichen, seinen Landungsplatz zu wählen oder besser, um sich einem
bestimmten Punkt der Atmosphäre zu nähern und dort meteorologische
Beobachtungen zu machen, das sind die Betrachtungen von Meusnier, und
seine Betrachtungen waren verständig damals, zu einer Zeit, als man nicht
daran denken konnte, an Bord einen anderen Motor als den Menschen selbst
verwenden zu können.
II. Die Stabilität des länglichen Ballons.
Die longitudinale Stabilität des länglichen Ballons, deren Bedeutung
gleich groß ist sowohl für eine regelrechte Fahrt als wie für die Sicherheit
der Luftschiffer, und die trotzdem noch gewisse moderne Erfinder außer
Acht lassen, war der Gegenstand besonderer Arbeiten von Meusnier. Er
hatte erforscht, welche Bedingungen ein Aerostat erfüllen muß, damit die
Bewegungen des Stampfens keine allzugroße Amplitude bekämen, und er
leitete hieraus eine praktische Grenze für die Verlängerung des Ballons ab.
Die Resultate dieser Studie (aber nicht die Studie selbst) sind in dem Abriß
aufgezeichnet, von dem wir bereits einige Auszüge gebracht haben:
«Der Wunsch, sagt der Autor, die Lenkungsmittel möglichst vorteilhaft
zu gestalten, hat auf den Gedanken geführt, die Form der aerostatischen
Maschinen sehr zu verlängern, um den Widerstand zu verringern, den die
Luft ihnen entgegensetzt; man hat geprüft, ob nach andern Gesichts¬
punkten diese Form ihnen nicht nachteilig sein könnte. In der Tat fand
man, daß die Stabilität dieser Maschine bei einer zu großen Verlängerung
sehr beeinträchtigt würde; sobald der Wind böig weht, nimmt der Ballon
eine andere Geschwindigkeit an als sie die an ihm angehängten Gewichte
haben, und daraus entstehen Schwankungen, die verglichen werden können
mit dem Stampfen und Schlingern der Schiffe. Wenn die Maschine sich
neigt, fließt die entzündbare Luft, da sie viel leichter ist, nach der äußersten
höchsten Spitze hin. Diese Bewegung ist um so beträchtlicher, je länger
der Ballon ist, und sie würde ihn tatsächlich umdrehen, wenn nicht das
Gewicht, das er trägt, ihn immer wieder in seine natürliche Lage zurück¬
brächte.
l ) Dieser sonderbare Paragraph hat Ähnlichkeit mit der Theorie vom erstarrten Ozean (Ocean fige),
die der Oberst Renard so vortrefflich entwickelt hat, gelegentlich seines Vortrages über die Luftschiff¬
fahrt am 8. April 1888 (Paris, Gauthier-Villars, und wiedergegeben in der Revue du genie 1887, Bd. I, S. 7 u. 89).
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Diese Betrachtungen haben zur Kenntnis des Metazentrums geführt
und zur Grenze für die Verlängerung, die bei aerostatischen Maschinen an¬
wendbar ist; ihre große Achse soll das Maß der kleinen Durch¬
messer nicht um das doppelte oder dreifache überschreiten.»
Das ist ein sehr wichtiger Schluß, und es wird interessant sein, die
Berechnungen kennen zu lernen, die Meusnier zu diesem Resultat geführt
haben, ebenso wie seine Theorie vom Metazentrum. Der Begriff des Meta¬
zentrums ist bei SchifTskonstruktionen sehr geläufig, aber in welcher Weise
hat der Autor ihn auf die Luftschiffahrt übertragen?
In den Denkschriften, die seinem Projekt einer aerostatischen Maschine
beigegeben sind, von der wir nachher sprechen werden, findet man ohne
Definition und Erklärung eine Formel, die den Abstand des Metazentrums
vom Zentrum des Ballons angibt. Es ist diese folgende:
n
m x f m x
(h - x)»
3h — 2x
«P bedeutet das Gesamtgewicht der im Zentrum der Gondel vereinigten
Gegenstände; E dasjenige, der im Zentrum des Ballons als vereinigt ge¬
dachten Gegenstände; 1 die große Ballonaxe; h die kleine Achse; x die
von der entzündbaren Luft angenommene Höhe, wenn der Ballon sich am
Erdboden befindet; endlich n der Abstand des Metazentrums vom Zentrum
des Ballons.»
Nachdem der Autor mittels dieser Formel die Lage des Metazentrums
berechnet hatte, leitete er davon sofort das Stabilitätsmoment ab, indem er
den Abstand des Metazentrums vom Zentrum der Gondel mit P multiplizierte.
Dieses sind die einzigen Aufzeichnungen, welche uns die Denkschriften
geliefert haben und die wir zu Rat ziehen können. Ihnen verdanken wir
es, wenn der Reserveleutnant Caquot vom LuftschifTerbataillon daraus die
Meusniersche Theorie ableiten konnte, und diese Theorie ist interessant
genug, um hier wiedergegeben zu werden.
Wie man an den Begriffen der
Formel erkennt, teilt Meusnier das Ge¬
wicht des Aerostaten in zwei Teile
(Fig. 1):
1. das Gewicht P derjenigen Gegen¬
stände, die man sich im Zentrum G der
Gondel als vereinigt vorstellen kann;
2 . das Gewicht E derjenigen Ge¬
genstände, die man sich im Zentrum
0 des Ballons vereinigt denken kann.
Nimmt man den Aerostaten als
im Gleichgewicht befindlich an, so ist
sein Auftrieb gleich (P + E), und diese
Kraft geht durch den Schwerpunkt C
des im Ballon enthaltenen Gasvolumens (nach Abzug des Raumes, der vom
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Luftballon eingenommen wird): Der Punkt C befindet sich daher über der
Längsachse des Ballons.
Nehmen wir nun an, der Aerostat
sei einer Stampfbewegung ausgesetzt
(Fig. 2), die Luft im Ballonet verschiebt
sich (mehr oder weniger nach den be¬
sonderen Eigenheiten der Konstruktion)
und will die tiefste Stelle der Hülle
erreichen. Daraus folgt auch eine Ver¬
schiebung des Schwerpunktes des Gas¬
es C, der nach C' verlegt wird. Der
Auftrieb, vertikal durch C' gehend, hat
als Einhüllungslinie eine Kurve, deren
Schnittpunkt mit der Linie 0 G aus
Gründen der Symmetrie ein Rückkehr¬
punkt ist. Daher kann man bei den
Bewegungen mit schwachem Ausschlag vom Auftrieb annehmen, daß er
die Linie 0 G in einem festen Punkte M schneidet, der dieser Rückkehr¬
punkt ist. Bringen wir diese Kraft (P + E) zusammen mit dem Gewicht E,
das im Zentrum des Ballons 0 als parallele Kraft in entgegengesetztem
Sinne wirkt. Die Resultante, gleich der Differenz P der beiden Kräfte, wird die
Linie 0 G in einem Punkte N schneiden, der innerhalb gewisser Neigungs¬
grenzen gleichfalls fest ist: Diesen Punkt nennt Meusnier das Metazentrum.
Die Kraft P, deren Angriffspunkt im Metazentrum N liegt, und das
Gewicht P mit seinem Angriffspunkt im Zentrum G der Gondel bilden ein
Kräftepaar, das bestrebt ist, den Ballon in seine normale Lage zurückzu¬
bringen. Man begreift daher die Bedeutung der Lage des Punktes N: Das
Kräftepaar ist proportional dem Abstande N G des Metazentrums vom Zentrum
der Gondel. Je größer dieser Abstand sein wird, um so besser wird der
Aerostat den Stampfbewegungen Widerstand leisten. Aber wenn durch
Zufall der Punkt N bis unter die Gondel herabgeht, so wird das Kräftepaar
ein Überschlagen herbeiführen: Die Stampfbewegung wird mehr und mehr zu¬
nehmen und nach Meusniers Ausdruck 0
«würde in der Tat der Aerostat
Umschlagen». Ein derartiger Fall
passierte Giffard im Jahre 1855 *),
und man muß zweifellos denselben
Grund annehmen bei den Abstür¬
zen von Santos Dumont bei Passy
im Jahre 1901 und in Monte Carlo
1902.
Nachfolgend die von M. Caquot
*) Giffard hatte kein Ballonet, es war damals die Dalle, welche sich vorschob, als der Ballon schlaff
wurde und die, immer tiefer herabgehend, dem Aerostaten jegliche Stabilität nahm.
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*»»» 378 €«««
gegebene Erkläning der Formel von Meusnier; sie beweist klar, daß das Metazentrum
allerdings der Punkt ist, welcher bestimmt worden ist.
Betrachten wir einen Ballon in der Form eines länglichen Rotationsellipsoids
(Fig. 3) und nehmen wir an, daß seine große Achse unter einem unendlich kleinen
Winkel b geneigt sei. Das Niveau der Luft im Ballonet bildet eine horizontale Ebene
A' B' und der Schwerpunkt des Gasvolumens C' befindet sich in der konjugierten Durch¬
messerebene A' B'. Der vertikale Auftrieb ist normal zu A' B': er trifft die kleine Ballon¬
achse im Punkte M. Zu bemerken ist, daß der unendlich kleine Ausschlag C' C' des
Punktes C aus Gründen der Symmetrie normal zur kleinen Achse ist. Man erhält dann
C 0' = M C X b.
Nennen wir b' den Winkel G 0 C', so ergibt sich
C C' = 0 C X b'
also b'
M G = 0 C X —
b
Da aber die beiden Richtungen 0 C' und A' B' konjugiert sind, besteht die Gleichung
b' 1*
— = —» wenn 1 die große, li die kleine Achse der Ellipse sind
b h*
und /l* \ 1* — h*
M 0 = M C — OG = ( — — 1 ) X OC =-X 0 C.
\h* J h*
Was die Länge 0 G anlangt, so ist sie der Abstand des Mittelpunktes 0 des
Elliphoids vom Schwerpunkt des Segments A Q B. Aber man kann, ohne die Stellung
dieses Schwerpunktes zu ändern, das Ellipsoid durch eine eingeschriebene Kugel vom
Durchmesser h ersetzen. Nennt man dann x die Höhe des Segments und wendet man
eine bekannte Formel an, so erhält man
woraus sich ergibt
OG
jL x (h-x)*
2 3h — 2x
M 0
1 X X (h - x )2
2 h* 3h — 2x
Zuletzt muß man den Auftrieb (P -f E), der in M angreift, mit dem Gewicht E einer
parallelen Kraft, die im entgegengesetzten Sinne im Punkte 0 wirkt, zusammensetzen.
Der Punkt N, wo die Resultante die Achse Q 0 schneidet, wird bestimmt durch die
Gleichung
NO X P = MO X (P + E)
demnach ist
N 0 = M 0 X
P + E
P
N 0 ist nichts anderes als der Abstand n des Metazentrums vom Mittelpunkt des
Ballons. Ersetzt man M 0 durch den oben berechneten Wert, so ergibt sich daraus
genau die Formel von Meusnier:
n —
x (h - X) *
3h — 2x
Wie ersichtlich, ist diese Formel dem Ellipsoid eigen und sie setzt
voraus, daß die Luft im Ballonet sich frei verschieben kann, wenigstens
bei einer schwachen Neigung, derart, daß sie die tiefste Stelle der Hülle
einnehmen kann. Man wird sie daher nicht über Gebühr verallgemeinern
und ohne weiteres auf alle länglichen Ballons anwenden dürfen.
Man darf selbst den Schluß Meusniers über die Grenze der Verlänge¬
rung nicht allzu wörtlich nehmen. In dem Spezialfall, welchen er bearbeitet
hat, wächst der Abstand des Metazentrums vom Ballonmittelpunkt mit der
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379
Verlängerung sehr schnell. Der Ausdruck dieses Abstandes n enthält in der
Tat den Faktor - für den man schreiben kann A 2 —1, indem man
A = -jp setzt. Wenn man die Verlängerung A wachsen läßt, vermehrt
sich der Abstand n sehr schnell und würde bald größer werden als der
Abstand der Gondel vom Mittelpunkt des Ballons, was mit der Stabilität
unvereinbar wäre. Es würde sogar nicht zutreffen bei einem Aerostaten,
dessen Konstrukteur sich bemüht haben würde, die Verschiebungen der Luft
des Ballons zu beseitigen. 1 )
Die Theorie Meusniers setzt dessen ungeachtet einen der Hauptnach¬
teile der großen Verlängerungen, die darin liegen, daß sie die longitudinale
Stabilität beeinträchtigen, in das rechte Licht; sie zeigt, daß es nötig ist,
die peinlichsten Vorkehrungen für die Begrenzung der möglichen inneren
Verschiebungen der Luft und des Gases zu treffen, und daß bei jedem
Projekt eines länglichen Ballons die Lage des Metazentrums, oder wenn man
will, das Moment der Stabilität, das von demselben abhängt, mit der aller¬
größten Sorgfalt bestimmt werden muß.
III. Projekt einer aerostatischen Maschine.
Der General Meusnier beschließt seinen Precis des travaux faits ä
TAcademie folgendermaßen:
«Man hat zwei Konstruktionsprojekte aufgestellt: das eine bezweckt
sehr lange Reisen zu machen, selbst über Meere hinweg und in wenig be¬
kannte Klimate. Dieses Projekt ist ein Bild dessen, was dereinst die Luft¬
schiffahrt werden kann. Diese Maschine würde 30 Menschen mit Lebens¬
mitteln für 60 Tage tragen können und seine Ausführung würde mehr als
3 Millionen kosten.
Das zweite Projekt, für nur 6 Menschen bestimmt, und nur als ein
Beweis für die neuen Mittel, auf welche die Untersuchungen geführt haben,
könnte während eines Feldzuges dazu dienen, für den Kontinent eine Art
Kreuzer darzustellen für Beobachtungen und Versuche; außer dem Vorteil
eines Urteils darüber, was man von der Luftschififahrt, um die es sich hier
handelt, erwarten darf, würde die Ausführung eines solchen Projektes die
interessantesten Beobachtungen für die Wissenschaft ergeben, denen voll¬
kommene Daten über den Zustand der Atmosphäre fehlen.»
Die beschreibenden Denkschriften dieser Projekte fehlen und sind wahr¬
scheinlich niemals gefertigt worden. 2 ) Man besitzt nur in den Archiven
der technischen Sektion des Geniewesens:
>) Der Ausdruck von n enthält auch den Faktor der zeigt, daü das Metazentrum um so
höher liegt, je weniger Luft sich im Ballonct befindet. Aber wenn auch der Ballon bei der Abfahrt ganz
mit Gas gefüllt sein kann, so wird er es nicht mehr bei der Landung sein; man muß daher immer mit der
Einführung einer gewissen Luftmasse rechnen.
*) «Meusnier hatte sich lange Zeit vorgenomroen, sich in dieser Hinsicht nicht auf die Zeichnungen
zu beschränken und auch den Text des Projektes abzufassen. Verschiedene Arbeiten haben ihn daran
behindert. Die Wissenschaften haben dadurch einen großen Verlust erlitten nicht bloß wegen der Resultate,
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1 . ein Album mit
Zeichnungen, die alle
Details der großen Ma¬
schine 1 ) enthalten, von
der man hier einige
Verkleinerungen beige¬
fügt findet; 2 )
2. für jede Ma¬
schine eine allgemeine
Nachweisung der Ge¬
wichte, eineBerechnung
der Stabilität und eine
allgemeine Nachwei¬
sung der Ausgaben.
ln Wirklichkeit sind
beide Projekte sozu¬
sagen nur ein einziges,
das zweite ist eine einfache Verkleinerung des ersteren. Die Abmessungen der
großen Maschine sind ungewöhnliche: ihr Volumen beträgt etwa 79000 cbm;
die kleine von achtmal geringerem Volumen (9900 cbm) würde für einen
sehr großen Aerostaten noch angehen. Wie dem nun auch sein mag, so
wollen wir doch die vollständige Beschreibung dieses doppelten Projektes
geben und deren bemerkenswerte Eigenheiten hervorheben.
Der Ballon (Fig. 4, 5 u. 5). Der Ballon hatte die Form eines läng¬
lichen Umdrehungsellip-
soids, dessen große
Achse doppelt so lang
war als die kleine;
Meusnier hielt sich so
innerhalb der Verlänge¬
rungsgrenzen, die er
selbst festgesetzt hatte.
Dieser Ballon be¬
stand aus zwei gefir¬
nißten Hüllen, die sich
genau eine gegen diean-
Das Innere des Ballons im Längsschnitt mit der Anordnung der vcrschie- .
denen Gas- und Lufthüllen und ihren Füllansätzen. dere legten! die innere
die dieses Werk enthalten hätte, sondern auch weil es in äußerst seltener Weise Mut, Geschicklichkeit und
Geduld mit dem Genie vereinigt gezeigt haben würde® (Bemerkung von Monge, Revue retrospective
octobre 1835).
l ) Ein zweites Exemplar dieses Albums befindet sich im Etablissement von Chalais; der Oberst
Renard, der verstorbene Direktor dieses Etablissements, hat eine photographische Reproduktion von dem¬
selben für die Bibliothek des Instituts unfertigen lassen.
*) Wir verdanken die die Originaltafeln wiedergebenden Chliehes der Freundlichkeit des bekannten
Ingenieurs Henry Herve in Paris und ergreifen mit Freuden die Gelegenheit, diesen Dank ihm hiermit
Öffentlich zum Ausdruck zu bringen. D. Übersetzer.
Seitenansicht von General Meusniers Luftscbiffprojekt 1781 mit den Auf¬
hängebändern und den Gurten, die das Netz ersetzen.
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Hülle war für die Aufnahme des Wasserstoffes bestimmt; zwischen beiden
Hüllen sollte atmosphärische Luft geblasen werden. (Fig. 5.) Das war die
Fig. (i.
Voreberansicht von Meusniers Luftschiflprojekt mit Gondelaufhängung, Schraubenanbringung und der das
Netz ersetzenden Gurtkonstruktion. (Faksimile der Originalzeichnung.)
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. i9
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3. Form des Ballonets, die Meusnier in seiner Denkschrift vom 3. De¬
zember 1783 vorgeschlagen hatte, eine Form, die er den beiden anderen
gegenüber vorzog (s. lllustr. Aer. Mitt. Heft XI Seite 353).
Über diesen beiden Hüllen befand sich eine dritte, genannt Wider¬
standshülle (enveloppe de force), aus Rohseide, die berechnet war, um dem
Innendrucke Widerstand leisten zu können: diese letztere allein sollte gespannt
werden, die beiden anderen legten sich gegen sie an und waren ein wenig
größer. Die beiden Funktionen, die gewöhnlich die Ballonhülle erfüllt, Wider¬
stand und Gasdichtigkeit, waren somit gesichert durch zwei verschiedene
Organe.*)
Aufhängung (Fig. 4, 6, 7 und 8). Die Widerstandshülle war mit
einer Art Netz bedeckt, das aus einem Geflecht von «Gurten» bestand.
An diese Gurte wurden die «Aufhängebänder» (haubans de Suspension),
welche die Gondel hielten, aufgehängt.
Seitlich von den Bändern herab, die direkt die Gondel mit dem Netz
verbanden, liefen andere Stricke zusammen nach Punkten, die über der
Gondel lagen (Aufhängepunkte der Schrauben), welche mit den ersteren
ein trianguläres System, analog demjenigen, was Dupuy de Lome sehr viel
später bei seinem Aerostaten anwendete, bildeten. Wie bekannt, war der
Zweck dieses Systems, die Aufhängung unverschiebbar zu machen durch
eine starre Verbindung von Gondel und Ballon: Das ist eine der von der
Stabilität untrennbaren Bedingungen.
Das Schiffchen (Fig. 7 und 8). Das Schiffchen oder die Gondel,
wie man sie damals bezeichnete, hatte eine längliche Form und erinnert
sehr an diejenige eines Bootes. Sie war übrigens derart konstruiert, daß
man sich über Wasser halten und sogar schiffen konnte in dem Falle, daß
ein unvorherzusehender Zufall eine Landung auf dem Meere hätte eintreten
lassen.
Die Gondel enthielt zwei große Blasebälge zum Auffüllen des Ballonets
und ferner die Wellen, welche bei Handhabung seitens der Mannschaft
zum Betrieb des Propellers dienten. Ein Ruder war hinten angeordnet.
Propeller (Fig. 7 u. 8). Der Propeller bestand aus drei Paar «sich
drehender Ruder» («rames tournantes») wie Meusnier sie nannte. Die sich
drehenden Ruder waren aber nichts anderes als Schrauben, und wir finden
so diese Propellerart (die beste der bekannten Propeller) bereits zur Ver¬
wendung für die Luftschiffahrt vorgeschlagen, lange Zeit bevor sie für die
maritime Schiffahrt in Betracht kam.
+
Die Schrauben waren zwischen der Gondel und dem Ballon angeordnet,
eine für die Stabilität des Aerostaten günstige Lage.
Der Anker (Fig. 9). Die Maschine war mit einem Anker versehen,
von dem Meusnier folgende Beschreibung gibt:
«Der Anker in Form einer Harpune derart konstruiert, daß er beim
') Eine Konstruktion, wie sie gegenwärtig auch am lenkbaren «La Ville de Paris> von Tatin znr
Anwendung gelangte für M. Deutsch.
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(Faksimile der Originalzeichnung.)
384 4+n
Fall seine vertikale Stellung beibehält, um sich 4 Fuß tief in gewöhnliche
Erde einzubohren, ist aus einer Höhe von 50 Toisen herabzu werfen. >
Dieser Anker war also eine Art eiserner Wurfspieß, der von oben aus
der Gondel herausgeworfen und, an der Erde mit großer Geschwindigkeit
anlangend, tief in den Boden eindringen mußte. Das Ankertau war mittels
eines Ringes am Ende des Teiles angebracht, der in die Erde eindringen mußte.
Wir glauben nicht, daß man jemals einen aeronautischen Anker dieser
Art versucht hat; der Gedanken ist aber nicht allein originell, er ist vielleicht
auch einer praktischen Verwertung fähig.
Kurz gefaßt, in diesen wenigen Bemerkungen zum Projekt der aero-
statischen Maschine von Meusnier finden wir wenigstens drei interessante
Erfindungen (ausschließlich des Ballonets):
die trianguläre Netzaufhängung,
die sich drehenden Ruder, die nichts anderes als Schrauben sind,
den Wurfanker.
Dieses Projekt, mit großer Vollendung in allen Teilen durchgearbeitet,
Klg. H.
Ansicht der Gondel und des unteren Ballonteiles von vorn, um zu zeigen, wie die Drehruder angeordnet sind.
(Faksimile der Originalzeiehnung.)
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***& 385 €<««
ist nichtsdestoweniger bemerkenswert in seiner Gesamtheit und gibt eine
gute Vorstellung von einem wirklichen Luftschiff. Nach Monge «hätte
. , A - ‘ Planche lf
Details dun pkojet de machine, Aerostaxique
4
Detail «Iiiiic (*ii\wnr r rlii|it(U
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Fig. 9.
Meusniers Anker in Form eines Wurfspießes derart konstruiert, daß er beim Fall in vertikaler Stellung
bleibt und von 50 Toisen aus ausgeworfen, in gewöhnlichen Erdboden 4 Fuß tief eindringen kann.
(Faksimile der Originalzeichnung.)
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***& 386
Ludwig XVI. es ausführen lassen, wenn er nicht abgehalten worden wäre
durch die damit zusammenhängenden enormen Ausgaben».
Schlußbetrachtung.
Wir haben uns bemüht, in diesen flüchtigen Studien in großen Linien
die aerostatische Arbeit des Generals Meusnier wiederzugeben:
die Fundamentalgesetze des Gleichgewichts des Ballons in derVertikalen
und die daraus sich ergebenden Regeln für seine Handhabung;
Eigentümlichkeiten, verschiedene Formen und Art der Anwendung
des Luftballons;
Gebrauch eines automatischen unteren Ventils;
Bestimmung der Eigengeschwindigkeit des Aerostaten bei Anwendung
von Menschenkraft;
Theorie der longitudinalen Stabilität des länglichen Ballons und die
praktische Grenze ihrer Verlängerung;
vollständige Ausarbeitung einer aerostatischen Maschine mit be¬
sonderen Anordnungen für die Aufhängung, den Propeller, den
Anker usw.
Das ist dasjenige, was wir in diesem bemerkenswerten Werke gefunden
haben, was leider selbst dem aufgeklärten Publikum so wenig und so schlecht
bekannt ist und dennoch, von allen Seiten her betrachtet, so wichtig ist.
Trotz alledem sind wir noch weit entfernt davon, die Arbeit erschöpfend
behandelt zu haben. Eine vollständige Behandlung müßte auch enthalten:
die Untersuchungen von Meusnier über die Firnisse, um die Ballons
gasdicht zu machen;
seine zahlreichen Versuche über die Haltbarkeit der Ballonstoffe,
der Netzleinen usw., die er für sein Prospekt ausführte.
«Er mußte alle Spannungen kennen, sagt Monge, 1 ) die in bezug auf
ihre Gewichte alle Materialien, die er anwenden konnte, wie Seide, Baum¬
wolle, Leinen, Hanf, Häute, Membranen, und selbst die Metalle aushalten
konnten. Er ließ eine ingenieuse Maschine fertigen, auf welcher sich die
Spannungen genau messen ließen, er probierte darauf diese Materialien
nacheinander, und erhielt so die für ihn notwendigen Ergebnisse.»
Ist es nicht auch noch seine Idee, die Hüllen undurchsichtig zu
machen und ihnen eine weiße Farbe zu geben, um zu verhüten, daß
das innen befindliche Gas sich unter der Wirkung der Sonnenstrahlen erwärme?
Schließlich kennen wir nicht einmal jedes Werk von Meusnier. Außer
den schon oben hervorgehobenen Lücken, ist es uns bisher unmöglich
gewesen, den Text von mehreren Mitteilungen wieder zu finden, die in den
Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften erwähnt sind, 2 ) als da sind:
eine Denkschrift über das Verhältnis zwischen den Luftrudern und
den Wasserrudern, gelesen am 14. Januar 1784:
*) Revue retrospektive, octobre
2 ) Diese Sitzungsberichte wurden vom Genie-Hauptmann Letonne sehr sorgfältig gesammelt in bezug
auf alles dasjenige, was Meusnier betrifft.
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eine Denkschrift über die Ballons, gelesen am 3. März 1784;
eine Denkschrift, gelesen am 19. und 23. Juni 1784, über einige
vorgelegte Mittel zur Lenkung des Aerostaten;
eine Denkschrift über den Druck, welchen die Hüllen erleiden, die
elastische Flüssigkeiten enthalten, gelesen am 2., 9. und 16. Juli 1785.
Was ist aus diesen Denkschriften geworden?
Wird man sie eines Tages wiederfinden oder sind sie unwiederbringlich
für die Wissenschaft verloren?
Wie dem nun sein mag, wir glauben gezeigt zu haben, daß die Arbeiten
des Generals Meusnier, Arbeiten die aus der Epoche der Erfindung von
Montgolfier selber stammen, nicht allein die Grundprinzipien der Luftschiffahrt
.enthalten, sondern auch ergiebig sind in bezug auf interessante Resultate,
auf praktische Erfindungen, auf angewandte und noch heute anwendbare
Theorien und anregend zum Nachdenken selbst noch für unsere modernen
Luftschiffer.
Meusnier ist ein großer Vorläufer gewesen; sein aerostatisches
Werk, welches nicht den einzigen Titel seines Ruhmes vorstellt, macht dem
Geniekorps sowohl wie Frankreich selbst alle Ehre.
Lustige und traurige Episoden aus den ersten Zeiten
der Luftschiff-Ära.
Nach authentischen Berichten gesammelt von Max Lelier-Augsburg.
(Schluß.) *)
Aus Paris wird unterm 25. Mai 1784 von der ersten Auffahrt von
Damen berichtet. Montgolfier hatte für den König einen Ballon anfertigen
müssen, der alle übrigen an Größe und Stärke übertraf. Damit stellte er
in einem Garten Versuche an. Bei dieser Gelegenheit wagten nun die
beiden Schwestern Montalembert, ferner der Staatsminister Malesherbes und
Herr Robert eine kleine Auffahrt. Man ließ den Ballon 200 Schuh in die
Höhe und zog ihn dann an Seilen wieder zurück. — Einige Tage später
fuhr Herr Rozier mit 4 Damen in einem Ballon auf, der gleichfalls an
Stricken hing, damit er nicht mit dieser leichten Ladung Reißaus nehme.
Die erreichte Höhe betrug 600', und dies war für einen ersten Versuch
mit schwindeligen Damen genug.
Eine Dame aus Lyon, namens Mme Tible, wagte es zuerst, eine Frei¬
fahrt zu machen. Am 5. Juni traf König Gustav 111. von Schweden auf
seiner Rückreise aus Italien in Lyon ein. Zu Ehren des hohen Gastes
hatte man an einem abgegrenzten Platze, der von vielen prächtigen Damen
besetzt war, einen großen Ballon in Bereitschaft gestellt. Nach 6 h abends
war derselbe gefüllt. Nun bestieg Herr Fleurant mit der in Mannskleidern
auftretenden Mme Tible die Galerie, und der Ballon schwang sich majestätisch
>) Wegen Raummangels konnte dieser Schluß des ira Oktoberheft beginnenden Artikels leider erst
hier gebracht werden. Die Red.
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empor. Der König hatte es sich nicht nehmen lassen, mit eigener Hand
das letzte Seil zu lösen. Unaufhörlich schwenkte die beherzte Dame ein
Fähnlein, das mit dem französischen und schwedischen Wappen geschmückt
war. Als der Ballon eine gewisse Höhe erreicht hatte, warf Mme Tible ein
weißes Taschentuch mit eingesticktem schwedischen Wappen herunter. Es
vergingen fast 5 Minuten, bis es auf die Erde kam, und wurde dann dem
König überreicht, der es als Andenken aufzubewahren versprach. Der
Ballon, welcher viel höher stieg als die verunglückte, Montgolfiere vom
19. Januar, kam zuerst in einen Luftstrom, der ihn oberhalb der Rhone, der
Stadt und der Saone nach der Pariser Landstraße trieb. Im Niedersinken
stieß er an die Mauer einer Ferme und kippte um. Die LuftschifTer sprangen
heraus, wobei sich Mme Tible ein wenig den Fuß verstauchte. Inzwischen
bat man den König, er möchte sich ins Schauspielhaus verfügen, wo alles
seiner harre. Aber er wich nicht eher, bis er den Ballon aus den Augen
verloren hatte. Die Fahrt dauerte 40 Minuten, und 3 Minuten nach dem
Fall ging der Ballon in Feuer auf. Die Luftschiffer wurden in einer Pracht¬
kutsche nach dem Schauspielhaus gebracht, woselbst die mutige Dame der
hohen Ehre teilhaftig wurde, an der Seite des Königs sitzen zu dürfen.
Als der Sctnvedenkönig nach Paris kam, veranstalteten zwei Abbes
ihm zu Ehren am 13. Juni eine Ballonfahrt. Sie erzielten zw r ar eine
riesige Einnahme, aber der Erfolg und Ausgang war gleich demjenigen von
Bordeaux. In 3 Stunden konnten die Luftkünstler den Ballon nicht füllen,
geschweige denn in die Höhe bringen. Das Volk, das an den Toren des
Jardin du Luxembourg stand, wo die Auffahrt erfolgen sollte, verlor endlich
die Geduld und geriet in Wut, daß es, der Anwesenheit gekrönter Häupter
vergessend, in hellen Haufen in den Garten eindrang und den störrischen
Luftball in tausend Stücke zerriß.
Einen großartigen Erfolg hingegen erzielten am 15. Juli die Gebrüder
Robert in Saint-Cloud mit dem von ihnen für den Herzog von Chartres
konstruierten Ballon. Derselbe hatte Zylinderform und war mit brennbarer
Luft gefüllt. Seine Höhe betrug 52', sein Durchschnitt 32. Die Künstler
wollten mit demselben die erste öffentliche Probe in bezug auf die Lenk¬
barkeit machen, weswegen sie den Ballon mit Steuerruder und Flügeln aus
Taffet versahen. Der Ruf, der den beiden Brüdern vorausging, hatte eine
ungeheuere Menschenmenge herbeigelockt. Mehr denn 20 000 Menschen
lagerten sich schon während der Nacht um den Platz herum, w r o der Ballon
aufsteigen sollte. Was die Szene besonders rührend gestaltete, war, daß
die beideu Frauen der Brüder selbst die letzten Stricke abschnitten, an denen
der Ballon hing. Um 8 h morgens bestiegen die beiden Robert mit dem
Herzog von Chartres, der sich als einer der tollkünsten LuftschifTer erwies,
die Gondel. Die hinterstehenden Zuschauer baten die vorderen mit lautem
Geschrei, sie möchten sich niederknieen, damit man mehr sehe. Niemand
weigerte sich dessen. Männer und Weiber, groß und klein, alle knieten
nieder, was das Bild um so interessanter machte. Endlich erhob sich
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der Ballon aus der Menge und verschwand nach einigen Minuten in den
Wolken. Nach 45 Minuten ließ er sich eine halbe Meile vom AufTahrtsorte,
im Tale des Champ Fleuri, unweit des großen Sumpfes von Chalais nieder.
Der Herzog von Chartres stieg sogleich aus und ritt spornstreichs nach dem
königlichen Palaste, um seine Gemahlin, welche bei der Auffahrt zugegen
war, zu beruhigen. Der Ballon war über 2300 Klafter hoch gestiegen. Als
die Luflschiffer in dieser schauerlichen Höhe unter Schnee, Hagel und
Wirbelwinden zu leiden anfingen und sie den Ballon nicht so geschwinde, als
sie wünschten zum Sinken bringen konnten, schwang sich der Herzog von
Chartres auf den Rand der Gondel, klammerte sich mit der einen Hand an
einen Strick, während er in der anderen seinen Degen hielt, mit dem er eine
Öffnung in den Ballon stieß, worauf dieser plötzlich zu sinken begann. Der
Fall erfolgte gleichwohl ganz sanft; aber die Reisenden wären beinahe in
den großen Sumpf geraten, wo es für sie keine Rettung mehr gab. Ver¬
schiedene englische Lords hatten mit dem Herzog von Chartres um hohe
Summen gewettet, er werde die Luftreise nicht wagen. Der glückliche Aus¬
gang der ersten Fahrt ermutigte ihn, sogleich wieder eine neue Wette ein¬
zugehen, welche in der Zeit zwischen 15. und 18. August zum Austrag
kommen sollte.
Blanchard zog sich nach seiner ersten, mit so großem Erfolge be¬
gleiteten Luftreise (am 2. März) aus Paris zurück, wo Pilätre de Rozier
und die Gebrüder Robert unter der Ägide des Herzogs von Chartres das
Feld behaupteten. Am 19. September, vormittags ll h , stiegen die Ge¬
brüder Robert und Herr Hullie mit ihrem neuen, mit brennbarer Luft ge¬
füllten Ballon aus dem Tuilleriengarten auf und landeten, ohne den geringsten
Unfall zu erleiden, erst abends um 6 h 40' zu Beuvry, nahe bei Bethune in
der Grafschaft Artois, 50 französische Meilen von Paris. Dies war die
größte Reise seit Erfindung des Luftballons. Die Füllung des Ballons soll
über 20000 livres gekostet haben, mit welcher Summe man schon damals,
zwar weniger schnell, aber auch weniger halsbrechend, auf gewöhnlichen
Wegen rund um die Erde hätte fahren können.
Bei unserer Rückkehr nach Deutschland gelangten wir zunächst nach
dem damaligen Dorfe Zernow, 8 Meilen von Berlin. Dort war anfangs März
ein «vierfüßiger Luftball» niedergegangen, welchen der bereits erwähnte
Direktor Achard im Garten des Grafen Reuß zu Berlin hatte steigen lassem
Der Schulze von Zernow fand ihn zuerst und hielt ihn in der Entfernung
für ein halb verendetes Pferd, das Berliner Fuhrleute ausgespannt hätten,
um es seinem Schicksale zu überlassen. Das «Luftroß», aus dem die end-
zündbare Luft noch nicht ganz verflogen war, erhob sich beim geringsten
anfliegenden Lüftchen, sodaß der Schulze nur noch mehr im Wahn bestärkt
wurde, das Tier sei noch am Leben. Er dachte daher, das arme Geschöpf
wieder aufzurichten und nach seinem eigenen Stalle zu schleppen, indem er
dessen Wiederherstellung hoffte. Da er aber bei der Annäherung statt eines
Pferdes eine Kreatur (wie er es nannte) von ungewöhnlicher Gestalt und
Illustr. Aeronaut. Mittcil. IX. Jahrg. **0
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Größe erblickte, die sich bewegte, so nahm er wie beim Anblick eines
höllischen Dämons schnell die Flucht. Aber nach einigen Tagen hatten zwei
Bauern von der Gemeinde ebendieses Schulzen den heldenmütigen Entschluß
gefaßt, unter seinem Oberbefehl und wohlbewaffnet dieses Ungeheuer anzu¬
greifen. Der Schulze eröffnete den Kampf und war so glücklich, seinem
Gegner, der sich noch immer auf und nieder bewegte, einen so heftigen
Schlag zu versetzen, daß jener sich nicht mehr rührte. Allein, wie groß
war des Schulzen Schreck, als ihm ein unausstehlicher Gestank aus dem
Bauche des Ungetüms entgegenkam. Denn nun hatte ihm der Dämon seinen
höllischen Gifthauch entgegengeblasen. Da er Übligkeit verspürte, so eilte
er nach dem Dorfe, um das Universal mittel der Bauern zu gebrauchen.
Diese Wundergeschichte bildete einige Tage hindurch das Gespräch der
Bauern von Zernow, bis den Leuten von einem durchreisenden Offizier aus
Berlin das Rätsel gelöst wurde. Nun kehrte der Schulze mit seinen Ge¬
fährten nach dem Kampfplatz zurück und entdeckte an der Maschine einen
Zettel, der dem Wiederbringer 2 Friedrichsdor versprach. Hierdurch be¬
stärkt, stellte er den erlegten Feind seinem Eigentümer zurück.
Zu Elchingen, der ehemaligen Reichsprälatur (Württemberg), ließ man
am 17. April eine mit Montgolfiergas gefüllte Luftkugel von 12' im Durch¬
messer steigen. Sie wurde lange in der Luft in der Größe einer Schnee¬
gans (!) gesehen. Einige Klosterbrüder hatten sie zu Ehren eines hohen
Gastes des Hochw. Herrn Prälaten aus Papier verfertigt. 3 U Stunden vom
Kloster ließ sie sich nieder und wurde von einigen Bauernmädchen, die ein
lebendes Wundertier dahinter vermuteten, mit Heugabeln gar übel zu¬
gerichtet.
Zwei erfolgreiche Versuche wurden im Monat Mai zu Altshausen
(Württemberg, Donaukreis, A.-G. Saulgau) und zu Oberfahlheim a. d. Donau
im Reichsstift Elchingischen Gebiet, nunmehr R.-B. Schwaben, Bez.-A. Neu-
ulm, angestellt.
Herr Dr. med. Ganter, praktischer Arzt zu Altshausen, ließ am 23. Mai
vor dem dortigen Schlosse in Gegenwart einer großen Menge von Zuschauern
um 3 h einen selbst gefertigten Ballon von 11' Durchmesser steigen. Der
Ball, welcher mit einem unten angebrachten Kaninchen 20 Pfund wog, fiel
nach einer halben Stunde in den nächst Altshausen gelegenen sogenannten
«Altweiher», «aus welchem er sogleich durch ein Schiff mit dem annoch
lebenden Kaninchen abgeholt wurde».
«Noch nie wohl seit dem Bestehen unseres Ortes,» so schreibt ein
Bürger aus Oberfahlheim d. d. 31. Mai, «ward eine so große Menge vor¬
nehmer und minderer Gäste, aber auch ein reizenderes Schauspiel gesehen.
Wir zählten an 80 Kutschen und noch mehr Reiter, überhaupt gen 1000
Köpfe. Man ließ eine aerostatische Maschine, welche aus zwei verkehrten
Pyramiden zusammengesetzt war, bei 1300 Kubikfuß Inhalt, ungeachtet des
starken Windes, steigen. Sie erreichte, wie man genau auf dem Elchinger
Observatorium abgemessen, eine Höhe von 2680 Schuh und sank zu Holz-
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heim nieder, wo sie von Bauern nach dem gemeinen Schicksal in Stücke
zerrissen wurde.»
Am 14. Juni fand um 7 h morgens die Frau eines auf der Holzefinger
Markung (3 Stunden von Urach und 1 Stunde von Pfullingen, hütenden
Schäfers einen Luftball. Voll Verwunderung über diesen seltsamen Fund
machte sie sogleich dem Dorfpfarrer Anzeige. Als dieser herbeikam, fand
er zwar den Ball ziemlich zerrissen und eingeschrumpft, an dessen Mündung
aber eine Messingbüchse, worin sich auf einem Zettel folgende Mitteilung
befand: Die Gebrüder Enslin von Straßburg haben am 13. Juni diesen
Ballon zu Colmar im Garten des Herrn Pfeffel um l hl h abends aufsteigen
lassen. Diejenigen, welche ihn finden, werden sehr höflich gebeten, dem
Herrn Hold, Doyen du Conseil, Nachricht vom Orte und der Stunde der
Auffindung zu geben.
Der Ballon selbst war aus Rindsblasen in einer Länge von 4 Schuh
zusammengesetzt. Sein größter Umfang ließ sich nicht mehr bestimmen,
da er vor Nässe ganz zusammengeschrumpft war.
Am 12. Juli bereitete ein Herr Enslin den Straßburgern ein harmloses
und ungefährliches Vergnügen, indem er eine Frauengestalt aus bemalten
Goldschlägerhäutchen, mit einer Luftkugel auf dem Kopf, mit dieser 8 Pariser
Schuh hoch steigen ließ. Die artige Form des Ganzen übte auf die Zu¬
schauer eine vortreffliche Wirkung aus. Die Luftdame stieg von der Zitadelle
aus auf, sank in den «kleinen Rhein» nieder und schwamm denselben in
ebenderselben Stellung hinunter, in der sie durch die Luft gegangen war.
Als Schiffer auf sie losruderten, um sie ans Land zu bringen, entwischte
sie ihnen einige Male. Bei diesem Kampf um die Freiheit erhielt sie durch
die unzarten Hände der Retter einige Blessuren am Leibe, doch blieb der
edlere Teil, der Kopf, unversehrt, so daß man am folgenden Tage bei der
Wachparade auf dem öffentlichen Markte das Luftgebilde wieder in die Höhe
fahren lassen konnte.
ln Mainz wurde am 11. Juni, nachmittags 5 h , unter ungeheurem Zulauf
von Schaulustigen der erste Versuch mit einem Luftball gemacht. Die
Füllung war in 10 Minuten vollendet und der Ball so ausgedehnt, daß die
vielen Menschen, welche an den Seilen festhielten, kaum imstande waren,
ihn zu bändigen. Kaum losgelassen, zerriß er von oben bis unten und im
nächsten Augenblick stand er auch schon in hellen Flammen. Die «selbst¬
wirkenden» Ruder wurden halbverbrannt zum Andenken an diesen teuren
Spaß gesammelt. So wurde in einigen Minuten die mühsame Arbeit von
5 Monaten vernichtet.
Mehr Glück hatte am 11. September Herr Hauptmann Closmann zu
Mannheim mit seinem ganz kugelförmigen Luftball von 20 Schuh im Durch¬
messer, mit angehängter Kohlenpfanne. Der Aufstieg erfolgte unweit Friesen¬
heim «in Höchster Gegenwart der Durchlauchtigsten Frau Churfürstin». Man
konstatierte von der Sternwarte aus eine Höhe von 16 793'. Nach Aussage
eines Landmanns schwebte der Ballon einige Zeit, kaum vier Schuh vom
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Boden entfernt, in horizontaler Richtung fort, bis die Ofenpfanne sich an einer
Hecke verfing, und so der Ball gefangen wurde. Am 20. November wieder¬
holte Herr Hauplmann Closmann seinen Versuch mit einem Ballon von
66 Schuh Länge auf der Mundenheimer Wiese, dem kurfürstlichen Schlosse
gegenüber. Der Kurfürst sah dem Schauspiel mit großem Vergnügen zu.
Der Ballon, wohl der größte aller anderen in Deutschland, nahm verschiedene
Richtungen, vorwärts und rückwärts und hatte vor dem Sinken die Größe
des Vollmondes. Closmann ließ bald darauf noch einen Ballon mit Feuer¬
werk steigen.
Am Sonntag den 12. September erlebten auch die Bewohner der Stadt
Heidelberg das Schauspiel, einen Luftball steigen zu sehen. Er hatte eine
Höhe von 56 Schuh und einen Durchmesser von 34 und war Eigentum des
Herrn Adminislrationsrats Traiteur, ln 7 Minuten ward er durch eine
besondere Erfindung gefüllt, hielt sich mit seiner 28 Pfund schweren Kohlen¬
pfanne 10 Minuten in der Luft und erreichte eine Höhe von 9600'. Auf
4 Stunden im Umkreise war er sichtbar, weil das Feuer ganz hell brannte.
Zwei Dragoneroffiziere, die den Ballon mit außerordentlicher Schnelligkeit,
immer auf freiem Felde, zu Pferde verfolgten, bemerkten, daß er sich bei
Leinen, 2 Stunden vom Füllungsorte, niederließ. Die Einwohner des Dorfes
trugen ihn unter Jubel und Jauchzen in den Ort, hielten daselbst bei Nacht
Wache, daß er ihnen nicht entschlüpfe, und machten es sich dabei lustig.
Am 17. September fiel im Darmstädtischen, bei Oberroth, 4 Stunden
von Frankfurt, eine weibliche Figur nieder, welche, ganz ähnlich derjenigen
von Straßburg vom 12. Juli, Herr Enslin bei Stuttgart hatte steigen lassen.
Die Bauern schlossen um die Frauengestalt einen Kreis, aber keiner von
ihnen hatte den Mut, sich ihr zu nähern. Endlich faßte sich ein Bäcker,
die Dame auf ihre Echtheit zu prüfen. Als die Bauern dies sahen, glaubten
sie, der Bäcker paktiere mit einer Hexe, und behandelten beide gar übel,
beraubten letztere aller Zieraten und hätten sie in Stücke zerrissen, wenn
nicht der Gutsherr der dortigen Gegend, der eben vorbeifuhr, sich ins Mittel
: gelegt und die Dame dem Bäcker als Eigentum zugesprochen hätte.
Auch aus Schwaben werden im Laufe des Jahres noch 2 gelungene
Versuche mit Luftmaschinen gemeldet. So ließ am 8. Oktober nachmittags
2 h , in dem zum Hochstift Augsburg gehörigen Dorfe Schönegg der dortige
Pfleger, unter der Direktion des Herrn Alois von Pflummern, cand. phil,
mit Zuziehung des Herrn Jos. Anton Sauter einen Luftball von 60 Schuh
im Umkreis steigen. Derselbe fiel erst nach 3 Stunden, unbeschädigt, un¬
weit des Dorfes nieder. «Dieser Ballon, welcher mit passenden Sinnsprüchen
und Malereien geziert war, erweckte in jedermann die größte Zufriedenheit
und gab auch dem schwäbischen Landmann ein in diesen Gegenden noch
nie gesehenes Schauspiel».
Am 17. November ließ in der Reichsstadt Memmingen Herr Fabrikant
Joh. Bernh. Rupprecht, unter Mitwirkung des Herrn Math. Hummel, Buch¬
händlers daselbst, bei starkem Westwind einen Luftball von 14' im Durch-
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schnitt und 20' in der Höhe zum größten Vergnügen vieler Hunderte von
Zuschauern steigen. «Derselbe nahm seinen Weg gegen Osten und blieb
bei reinem, heiterm Himmel 23 Minuten lang als ein Stern 5. Größe dem
schärfsten Auge sichtbar; dann flog er über das 6 Stunden von Memmingen
entfernte Städtchen Mindelheim hinweg und ließ sich unweit davon, beim
Dorfe Nassenbeuren, unbeschädigt nieder».
In der Hauptstadt Bayerns, in München, ließen am 21. Juni Herr geist¬
licher Rat Danzer und Herr Frey, Pfleger vom Josefsspital am sogenannten
Rennweg, 2 Luftkugeln steigen. Die erste, aus Papier, war weiß und blau
gestreift, ihr wurde ein aus Eisendraht verfertigtes Körbchen angehängt,
welches in Öl getränktes Papier enthielt, das man entzündete. Sie stieg
anfangs ganz langsam in nordwestlicher Richtung, blieb dann eine Weile
unbeweglich und fiel dann schier senkrecht auf den Boden und zwar auf die
Öffnung herab, so daß die zusammengepreßte Luft die Kugel in 4 Stücke zerriß.
Die größte Höhe war nach dem sichersten Anschlag auf 5000' berechnet. Der
zweite Ballon war wie der erste mit Strohfeuerluft gefüllt, jedoch ohne an¬
gehängtes Feuer. Er erhob sich fast dreimal so hoch wie die Frauentürme.
Eine neue Ballonform tritt uns in dem am 11. November zu Hamburg
veranstalteten Versuche des Herrn Fabrikanten Kampei entgegen. Die Luft¬
maschine, die er in der Vorstadt St. Georg auf seiner Bleiche steigen ließ,
hatte die Gestalt eines 12 Schuh langen Fisches. Der heftige Südwestwind
verhinderte die vollständige Füllung des Fisches mit brennbarer Luft. «Er
stieg in schräger Richtung aufwärts, und es war angenehm anzusehen, wie
dieser künstliche Fisch fast die gleichen Bewegungen wie ein natürlicher
Fisch im Wasser machte».
Auch die Türken und Spanier hatten ihr Vergnügen am neuen Sport.
So wird erzählt, daß der Prinz von Nassau-Siegen in Konstantinopel vom
Sultan mit großer Distinktion empfangen und zur Tafel eingeladen wurde.
Nach derselben ließ der Prinz einen Luftball steigen, welchen der Graf de
la Porte-Fontaine, einer der Teilnehmer an der verunglückten Ballonfahrt
zu Lyon (19. Januar a. c.) besorgt hatte. Das ungewohnte Schauspiel
machte dem Türken großen Spaß.
Aus der spanischen Hauptstadt, aus Madrid, ist auf aeronautischem
Gebiete ein schweres Unglück zu verzeichnen. Ein junger französischer
Maler, M. Bouche, hatte auf Befehl des Infanten Don Gabriel einen Luftball
verfertigt. Er bestieg denselben am 5. Juni ohne Vorsicht und gegen den
Willen des Infanten. Der Schrecken, welchen ihm das Feuer einjagte, das
ein Stück Zeug ergriffen hatte, war die Ursache, daß er sich von der Galerie
herabstürzte und halbtot vom Platze getragen werden mußte.
Nach seiner ersten Auffahrt zu Paris hatte sich Blanchard von dort
zurückgezogen. Er suchte sich für die Ausführung seines kühnen Planes vor¬
zubereiten, von der englischen Küste mit seiner Luftmaschine nach Frank¬
reich zu segeln. Bekanntlich gelang ihm dieses tollkühne Unternehmen am
7. Januar 1785 in glänzendster Weise.
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Am 23. Mai unternahm er zu Rouen seine 2. Auffahrt um 7 h 20
morgens; die Landung erfolgte eine Stunde später. Am 18. Juli erfolgte
ebendaselbst seine 3. Luftreise mit einer Reisedauer von fast 3 Stunden.
Ein junger Lord wollte um jeden Preis mitfahren, aber da Blanchard zu
dreien nicht auffahren wollte, so veranlaßte er den Lord, mit ihm nach
London zu gehen, woselbst er den Versuch machen wollte, über den Kanal
nach Frankreich durch die Luft zu segeln. Am 16. Oktober unternahm er
auch mit ihm eine Luftreise, zwar nicht über den Kanal, da starker Ostwind
wehte, sondern von London 73 englische Meilen westwärts, die der Ballon
in 4 Stunden zurücklegte. Bei seiner Rückkehr nach London wurde Blanchard
unter ungeheurem Jubel des Volkes empfangen, eine Auszeichnung, welche
nicht gering anzuschlagen war, da der Italiener Lunardi das Londoner
Publikum durchseine 23 meist gelungenen Luftreisen verwöhnt hatte; doch
gelang es Blanchard bald, seinen Gegner aus der Volksgunst zu verdrängen
und in den Schatten zu stellen.
Lunardi verstand es übrigens, seinen materiellen Vorteil bei jeder
Gelegenheit zu wahren. So stellte er seinen Luftball gegen Entree zur Be¬
sichtigung in dem Zustande aus, wie er zu Ware in Hertfordshire zu Boden
gekommen. Auch der Hund und die Katze, welche ihn begleitet hatten,
waren in einer Extraausstellung für 1 sh. zu sehen. Der Rücken dieser armen
Tierchen war bald ganz kahl geworden unter den Liebkosungen, welche
ihnen von den Kindern und Damen gespendet wurden. Für den 1. Oktober
kündigte Lunardi eine Beschreibung seiner Luftreisen mit seinem Bildnis
um den Preis von 5 sh. an. Aber schon am 23. September offerierte ein
Londoner Buchhändler hinter seinem Rücken eine ausführliche Beschreibung
derselben mit dem leibhaftigen Lunardi ganz sauber in Kupfer gestochen
als Titelblatt. Voll Ärger hierüber wandte er sich nach Schottland, wo er
durch seine Fahrten allgemeines Staunen erregte.
Wie er nun einmal bei den Hochländern vom Himmel herunterkam, da
drängte sich alles um ihn herum und unter andern auch eine sehr alte
Frau, die nicht glauben wollte, einen leibhaftigen Menschen vor sich zu
haben. Als sie sich endlich durch Betasten der Kleider und Hände davon
überzeugt hatte, rief sie aus: «Wahrlich, es ist ein Mann, aber schade, daß
er, wie man mir sagt, ein Katholik ist!» Ein sehr alter Mann, der über
diese einfältige Rede unwillig ward, antwortete herzhaft: «Er mag Katholik
oder Protestant sein, ich wünsche ihm aufrichtig Wohlergehen, und selbst
wenn auch unsere ganze Geistlichkeit hier wäre, so will ich doch auf seine
Gesundheit trinken; ich habe vieles erlebt und mit angesehen, aber der¬
gleichen noch nie.»
Mit der Geschichte der Stadt Wien im 18. Jahrhundert steht der Name
Stuwer in inniger Verbindung. Es war in der Hauptstadt die Phrase gang
und gäbe geworden: «Wenn Stuwer sein Feuerwerk ankündigt, dann regnet
es sicher.» Stuwer ist der Name der Feuerwerker-Familie, deren jeweiligen
Häuptern die Wiener Bevölkerung manche Feste verdankte. Der erste
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Stuwer, der nach Wien kam, war Johann Georg Stuwer. Er kam zu An¬
fang der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts aus seiner Heimat Ingolstadt in
Bayern und brannte am 27. Mai 1774 sein erstes Feuerwerk unter dem
Titel «des Confucius Luftgebäu» im Wiener Prater ab. Wenige Wochen
nachher wurde sein Laboratorium im Prater ein Raub der Flammen. Gleich¬
wohl brannte der Unternehmer im gleichen Jahre noch 4 Feuerwerke ab,
deren eines den Titel «Werthers Leiden. Frei nach Goethe» führte, da zu
jener Zeit der «Werther-Kultus» in Deutschland Mode war. Um in diesem
Feuerwerk den Werther als verliebten Schwärmer zu kennzeichnen, gingen
hinter ihm fortwährend feurige «Schwärmer» empor. Im Jahre 1799 ver¬
abschiedete sich der alte Stuwer von den Wienern. Sein Nachfolger war
sein Sohn Kaspar, der nun 20 Jahre lang das Wiener Feuerwerk besorgte.
Er machte die Napoleonschen Invasionen und den Wiener Kongreß mit.
Dieser letztere brachte ihm eine goldene Ernte und einigen Ersatz für die
empfindlichen Einbußen in den vergangenen Kriegsjahren. Er starb am
19. Februar 1819.
Am 25. Juni 1784 machte nun der alte Stuwer im Prater in Gegen¬
wart der k. k. Polizei-Oberdirektion und vieler hoher Standespersonen den
ersten Versuch mit der von ihm selbst verfertigten aerostatischen Maschine,
welche hinsichtlich der Gestalt von allen bisher bekannten abwich. Sie
hatte die Form eines liegenden Zylinders, der auf eine ganz neue Art durch
2 Feuer die verdünnte Luft erhielt und an Größe und Stärke alle übrigen
Maschinen übertraf. Denn obschon sie nur 13 000 Wiener Kubikschuh Luft
enthielt, so hob sie doch eine Last von 2600 Pfund. Die damit angestellten
Versuche wurden dreimal mit bestem Erfolg wiederholt. Das daran ange¬
brachte hölzerne Schiff von 39' Länge und 13' Breite bestiegen der Sohn,
Kaspar Stuwer und einer der Gehilfen. Statt mehrerer Personen nahmen
sie eine Last von 4 Zentnern mit sich in das Schiff. Die Maschine stieg
herrlich und mit solcher Gewalt, daß 12 Mann Mühe hatten, sie an Stricken
zurückzuhalten.
Am 6. Juli wiederholte Stuwer bei Gelegenheit seines diesjährigen
Feuerwerks seinen zweiten Versuch mit seiner zylindrischen Luftmaschine.
Dieses Mal bestiegen Kaspar Stuwer, ein Architekt, Michael Schmalz und
Joh. Hiller, beide Schreinergehilfen bei Herrn Stuwer, die Gondel. Nach¬
dem sie ihr Feuer vermehrt hatten, bemerkte man ein allmähliches Steigen
der Maschine, welche durch Seile in die Mitte des Platzes gezogen wurde.
Von hier aus erhob sie sich vollkommen senkrecht, sank und stieg, je
nachdem die Luftschiffer ihr Feuer verminderten oder vergrößerten. Sie
erreichten jedesmal eine ansehnliche Höhe, so weit die Stricke reichten.
Endlich kam die Maschine genau wieder an derselben Stelle zu Boden. Das
Publikum äußerte sich ungemein befriedigt über den wohlgelungenen Ver¬
such, den ersten, bei welchem Deutsche eine Luftreise gemacht. Den
Schluß des großartigen Schauspiels bildete ein brillantes Feuerwerk.
Am 25. August machte Stuwer zum dritten und letzten Male in diesem
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Jahre einen öffentlichen Versuch mit seinem Luftschiff, wobei der Wunsch
des Publikums, dasselbe frei fliegen zu lassen, erfüllt wurde. Von seinen
Banden befreit, erhob sich die Maschine mit außerordentlicher Schnelligkeit,
unter vollkommener Beobachtung des Gleichgewichts in diagonaler Richtung
gegen Norden, zu einer beträchtlichen Höhe. Als hierauf 3 Böller losge¬
brannt wurden, als verabredetes Zeichen zur Dämpfung des Feuers und zum
Ilerablassen, befolgten die Luftschiffer allsogleich das Signal und man
sah sie bald, nachdem sie eine ziemliche Strecke wagerecht über die
Stadtgut-Au dahingefahren, sinken. Bald aber bemerkten sie, daß kein
anderer von Bäumen freier Platz in der Nähe sei, als das jenseitige Ufer
des großen Tabor-Donauarmes, und versuchten nun dort zu landen. Sie
waren aber schon zu tief gesunken und ungeachtet der stärksten Feuerung
gelang es ihnen nicht, sogleich ihr Ziel zu erreichen, bis ihnen ein starker
Windstoß zu Hilfe kam. Die Geistesgegenwart des jungen Herrn Stuwer
und seiner Gefährten bei diesem Versuche, womit sie ihren Ballon im voll¬
ständigen Gleichgewicht erhielten, gereichte ihnen zur größten Ehre. So¬
bald sie gelandet waren, eilten sie nach dem Prater zurück, wo sie das
Publikum mit lautem Freudengeschrei empfing.
Stuwer erzielte bei dieser ersten Luftreise eine sehr bedeutende Ein¬
nahme von 6586 fl., bei einem Eintrittsgeld von 20 Kr. pro Kopf; dazti
kamen noch 100 Dukaten als Präsent des Kaisers.
Dies sind der Hauptsache nach die wichtigsten und bekanntesten
aeronautischen Unternehmungen des Jahres 1784, wobei jedoch trotz aller
Bemühungen das Problem, dem Ballon durch irgend eine Vorrichtung eine
beliebige Richtung zu geben, ungelöst blieb.
Die Bekämpfung von Fesselballons durch Artilleriefeuer.
Unter diesem Titel erschien in der «Vedette», einem dem Fremden¬
blatt beiliegenden österreichisch-ungarischen Militärblättchen, ein Aufsatz,
der auch für die Leser der «Illustr. Aeron. Mitt.» von besonderem Interesse
sein dürfte.
Der Verfasser dieses Artikels ist der k. und k. Hauptmann Wilhelm
K nobloch des Festungs-Artillerie-Regiments 5, der als viel jähriger Lehrer
in der Schießschule der Festungsartillerie und als Fachschriftsteller auf dem
Gebiete des Artilleriewesens sich besondere Verdienste und einen auch
außerhalb der schwarzgelben Grenzpfähle bekannten Namen erworben hat.
Wir entnehmen dem interessanten Aufsatze die Besprechung des Vor¬
gangs bei der Bekämpfung von Ballons durch die Artillerie und des hierbei
zu erwartenden Effektes.
«Diesbezüglich liest man selbst in militärischen Blättern und Zeit¬
schriften ganz unglaubliche Ansichten, welche davon zeugen, daß das Wesen
dieser Schießart in nichtartilleristischen Kreisen noch sehr wenig bekannt
ist und daß diesbezüglich noch ganz falsche Anschauungen herrschen. Meist
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wird die Möglichkeit bezweifelt, den so weit entfernten und hoch schwebenden
Fesselballon wirksam bekämpfen zu können.
Es dürfte demnach nicht ganz überflüssig erscheinen, diese Schußart
und ihre Ausführung an dieser Stelle in gemeinfaßlicher Weise zu besprechen,
um die Auffassungen darüber zu klären.
Die gewöhnlich zur Verwendung gelangenden Kugelballons bieten der
Artillerie bei einem durchschnittlichen Durchmesser von 8 m eine treffbare
Zielfläche von zirka 50 m 2 , was ungefähr jener eines Kavalleriezuges in
entwickelter Linie entspricht, demnach ein verhältnismäßig leicht treffbares
Ziel mit Rücksicht auf die Präzision der Geschütze. Trotzdem würde aber
die Beschießung des Ballons mit Granaten, welche nur Aufschlagzünder besitzen,
nur in den seltensten Fällen, und zwar nur rein zufällig von Erfolg begleitet
sein können, da ein Einschießen gegen den Ballon mit dieser Geschoßgattung
ausgeschlossen erscheint. Auch die Verwendung der Brisanzgranaten mit
Zeitzündern würden wegen der sehr lokalen Wirkung, welches ein genaues
Einschießen bedingt, nicht rasch zum Ziele führen.
Es können daher aus diesen Gründen nur Schrapnells zur Be¬
kämpfung des Fesselballons in Frage kommen, deren Explosionswolken das
Beobachten der Schüsse und das Einschießen ermöglichen und deren große
Füllkugelzahl eine rasche Wirkung in der Ballonhülle erwarten läßt. Es
sind hauptsächlich die Treffer in der oberen Halbkugel des Ballons, welche
durch Zerreißen der Hülle und Ausströmen des Gases ein rapides Sinken
des Ballons hervorrufen können.
Der feindliche Fesselballon wird, in dem Bestreben, sich unserem
Feuer tunlichst zu entziehen, nur so nahe an unsere Geschützstellungen
herangehen, als es die Rücksicht auf eine für den jeweiligen speziellen
Zweck erforderliche genügende Verläßlichkeit der Beobachtung notwendig
macht. Ein Herangehen auf Distanzen unter 5000 m^ dürfte bei einer
tüchtigen Artillerie zu einem baldigen Herunterschießen des Ballons führen.
Ein Abbleiben auf Distanzen über 8000 m erschwert anderseits schon sehr
erheblich die Tätigkeit des Ballonbeobachters. Daraus folgt, daß die gün¬
stigste Zone für den Aufstiegort des Ballons, mit Rücksicht auf das zu
erwartende Geschützfeuer und auf die eigene Beobachtungstätigkeit, zwischen
5000 und 8000 m liegt.
So vorteilhaft es wäre, die Bekämpfung der feindlichen Fesselballons
unserer Feldbatterie, beziehungsweise den leichten Batterien der Festungs¬
armierung zu übertragen, dürfte dies doch nur selten angängig sein, da die
Schrapnells der Geschütze dieser Batterien, auch jene der Schnellfeuer¬
batterien, eine Portee von höchstens 5000 m besitzen und, wie schon oben
gesagt, der Ballon in der Regel hiermit nicht erreicht werden kann.
So paradox dies auch klingen mag, so ist es demnach doch Tatsache,
daß zur Beschießung eines so luftigen Zieles, wie es ein Fesselballon ist,
nicht die Feldartillerie, sondern hauptsächlich die schwere (Belagerungs-,
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg.
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*»»» 398 €4«
beziehungsweise Festungs-) Artillerie, und zwar mit ihren schweren,
weittragenden Kanonen berufen sein wird.
Die Schrapnellportee unserer — auch in die Festungsausrüstung ein¬
gestellten — 12 cm- und 15 cm-Belagerungskanonen M. 80 reicht bis 8000 m,
beziehungsweise 8500 m. Diese Geschütze sind demnach unsere eigentlichen
«Ballongeschütze*, welche allerdings nicht annähernd die Feuerschnellig¬
keit der Feldartillerie entwickeln können, dafür aber mit ihrer großen Füll¬
kugelzahl des einzelnen Schrapnells eine mächtige Wirkung entfalten.
Wir wollen nun sehen, wieder Vorgang beschaffen ist, nach welchem
bisher unsere Festungsartillerie, namentlich die Schießschule, das Beschießen
von Fesselballons am Schießplatz übte, sowie die Vorbereitungen, welche
erforderlich sind, um einen nahezu sicheren Schießerfolg zu garantieren.
Von der gemessenen oder geschätzten Distanz ausgehend, wird je
nach der Beobachtung der Schüsse, durch eventuell wiederholte Vermehrung
oder Verminderung der Aufsatzhöhe und Tempierung, der Ballon möglichst
rasch in eine «Gabel> von 400 m (bei Feldgeschützen 400 Schritt) einge¬
schlossen und hierbei getrachtet, die Geschoßexplosionen in der Sehlinie
nach dem Ballon oder etwas höher zu erhalten. Sobald das gelungen, was
bei gemessener Distanz höchstens 3 Schüsse erfordert, wird der durch die
Gabel angezeigte Raum, in welchem sich also das Ziel befindet, unter so¬
genanntes «Streufeuer» genommen. Dieses beginnt an der unteren Gabel¬
grenze, das heißt mit jener Aufsatzdistanz und Zündertempierung, bei
welchen der Kurzschuß erhalten wurde. Von hier aus wird mit Sprüngen
von 100 m (Schritt) vorgegangen und jedesmal die ganze Batterie ausge¬
feuert, so lange, bis die Geschoßexplosionen hinter dem Ballon erfolgen
oder sich beiderseits desselben verteilen. Eine gute Wirkung ist zu erwarten,
wenn die Schrapnells nahe vor dem Ballon und etwas über demselben
explodieren.
Außer der korrekten Durchführung des Schießens seitens des Batterie¬
kommandanten sind zur Sicherung eines raschen Erfolges noch drei wesent¬
liche Vorbedingungen zu erfüllen, und zwar 1. die vorherige Bestimmung
der Batterie als «Ballonbatterie», 2. tunlichst richtige Messung der Ballon¬
distanz, 3. Organisierung einer verläßlichen Schußbeobachtung.
Wir haben früher gesehen, daß zur Bekämpfung des meist weitablei¬
tenden Ballons eigentlich nur 12- cm und 15 cm-Belagerungskanonen M. 80
in Betracht kommen können. Von diesen beiden erscheint die 12 cm-Kanone
trotz ihrer um einige hundert Meter kürzeren Schrapnellportee besser ge¬
eignet, w r eil sie eine größere Feuerschnelligkeit bei noch immer großer Ge¬
schoßwirkung besitzt.
Da nun die Bekämpfung eines Fesselballons meist eine viel wichtigere
Aufgabe ist, als die Beschießung anderer Ziele, anderseits gewisse Vorbe¬
reitungen hierzu nötig sind, so muß beim Kampfe um Festungen sowohl der
Angreifer als auch der Verteidiger eine gewisse Zahl von 12 cm-Kanonen-
batterien schon im vorhinein als «Ballonbatterien» in entsprechender
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•Aufstellung etablieren, deren Hauptaufgabe es sein wird, jeden in ihrem
Schußbereiche auftauchenden feindlichen Ballon, ohne hierzu einen speziellen
Feuerbefehl abzuwarten, sofort unter Feuer zu nehmen, um ihn möglichst
rasch und bevor der Ballonbeachter in der Lage ist, eine verläßliche Auf¬
klärung oder Beobachtung zu bewirken, herunterzuschießen.
Der Kommandant einer solchen «Ballonbatterie», welcher natürlich auch
anderweitige Aufgaben zugewiesen werden können, hat also dann genügend
Zeit und Gelegenheit, sowohl das Messen der Ballondistanz als auch die
Schußbeobachtung gründlich vorzubereiten, bevor ein feindlicher Ballon
erscheint.
Der Kommandant entsendet zwei stabile Beobachter beiderseits der
Batterie auf entsprechende Entfernung nach seit- und vorwärts. Diese
wählen ihre Standorte derart, daß ihre gegenseitige seitliche Entfernung
mindestens 300 m beträgt, und daß die Verbindungslinie (Basis) der Stand¬
orte ungefähr senkrecht zur Hauptschußrichtung der Batterie liegt. Jeder
Beobachter stellt dort einen Richtapparat M. 99 l ) auf und orientiert ihn sofort
derart, wie es für das Distanzmessen nach Vorschrift erforderlich ist.
Sobald in der Richtung des der eigenen Batterie zugewiesenen feind¬
lichen Abschnittes ein Fesselballon auftaucht, stellen die Beobachter auf ein
gegebenes Zeichen gleichzeitig ihre Diopter auf die Ballonmitte ein, lesen
die Strichzahl an der Richtscheibe (Limbus) ab und melden sie dem
Batteriekommandanten, welcher durch eine sehr einfache, auch im Kopfe
durchführbare Rechnung die gemessene Ballondistanz bestimmt und sofort
das Feuer eröffnen läßt. Diese Art der Distanzmessung mit 2 Riehtapparaten
hat sich in der Schießschule vorzüglich bewährt. Die Zeitdauer der Messung
samt Rechnung betrug höchstens 2 Minuten, der Genauigkeitsgrad im Mittel
5°/o der Distanz.
Vom Beginne des Schießens an übernehmen die beiden Beobachter
von ihren Standplätzen aus die Schußbeobachtung. Wie erwähnt, stehen
dieselben beiderseits der Batterie und etwas vorgeschoben. Ihre Aufgabe
ist eine verhältnismäßig leichte. Sie haben nur zu beurteilen, ob die
Explosionswolke des Schrapnells in bezug auf ihre Sehlinie zur Mitte des
Ballons «links» oder «rechts» erscheint und dies durch ein Armsignal dem
Batteriekommandanten zu avisieren, welcher aus den beiden Beobachtungen
die Lage der Explosion bezw. der Flugbahn auf «kurz» oder «weit» kombi¬
niert. Diese Art indirekter Beobachtung ist beim Ballonschießen durchaus
notwendig, weil nur selten die Explosionswolke den Ballon oder umgekehrt
deckt. Die Sprenghöhen und Seitenabweichungen beobachtet der Kommandant
selbst.
Mancherseits wird die Ansicht vertreten, daß es dem Ballon durch
Stellungswechsel nach vor-, rück- und seitwärts oder durch Senken und
i) Dieses bei der Festungsartillerie seit einigen Jahren eingeführte Winkelraeßinstrument (mit Fernrohr
oder gewöhnlichem Diopter und einer Kreisscheibe) dient für das indirekte Richten aus verdeckten Stellungen,
dann auch für das Messen von Schußdistanzen, Terrainwinkeln, Seitenabweichungen, Sprenghöhen usw.
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***& 400 ««♦
Heben des Ballons leicht sei, sich dem Feuer der Batterie zu entziehen.
Dem ist jedoch nicht so. Der Marsch mit der Fesselstation bei hoch¬
gelassenem Ballon kann nur langsam erfolgen. Diese geringe Schnelligkeit,
welche überdies noch sehr durch die Terrainverhältnisse eingeschränkt sein
kann, bringt den Ballon nicht aus dem ihn verfolgenden Streufeuer der
Batterie. Das Heben und Senken des Ballons sowie der Seitenmarsch des¬
selben kann ebenfalls nur langsam geschehen und kann leicht durch ent¬
sprechendes Richten der Geschütze paralysiert werden.»
Diese Daten über das Schießen gegen Ballons dürften auch in den
Dienstvorschriften der meisten Staaten — allerdings hier und dort sekret
behandelt — mehr oder weniger ausführlich aufgenommen sein. Das Beste
aus dem Aufsatze Knoblochs ist jedenfalls die vollkommen plausible und
eingehend begründete Ansicht, daß Fesselballons vornehmlich durch Be¬
lagerungs- beziehungsweise Festungsartillerie, und zwar mit ihren
schweren Kanonen, zu bekämpfen wären.
Jaroslau, im September 1905.
Hinterstoisser, Hauptmann.
Aeronautische Photographie.
Nähere Bestimmungen für den aSronautisch-meteorologischen
photographischen Wettbewerb Mailand 1906.
Reglement special des Concours photographiques.
1 .
Les concours photographiques seront les suivants:
1° Concours pour la meilleure Serie de photographies prises des aerostats ou des
cerfs-volants afin d’obtenir des reliefs du terrain.
2° Concours pour la meilleure Serie de photographies de phönomtaes metöoro-
logiques.
2 .
Conditions des Concours. Les Concurrents devront presenter non moins de
8 photographies d’un format pas inferieur, pour le Concours N. 1 ä 6Y6 cm.,
pour le Concours N. 2 ä 13 X Iß cm *
Le prime sera attribue ä la Serie qui, ä jugement d’une Commission expressement
designee, sera jugee la meilleure pour qualites intrinsöques et pour l'interet scientifique
des sujets.
3.
Conditions diverses. Les photographies devront etre num^rotees, reunies par
groupes et par plis separes correspondants ä chaque concours; et chaque paquet devra
porter rcnumeration des photographies y contenues avcc la description des sujets.
Les photographies devront parvenir au Comite des Concours conjointement ä la
demande d’admission.
4.
Demandes d’admission. Les demandes d’admission distinctes par chaque Con¬
cours devront parvenir au Cornite des Concours avant le 31 mars 1906.
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Les demandes devront ßtre accompagnees de:
1° Une note identique k celle dont il est mention au § 3.
2° Une note dans laquelle seront particulierement pr£cisees les conditions dans
esquelles on a executees les photographies (chambre, objectif, diagramme, iongueur focale,
exposition, lastre, heure, lumiere, procös de developpement et de copie).
Si les concurrents auront employ6 des appareils difförents des ordinaires, ou des
dispositifs spSciaux, ils devront les decrire avec d^tails et accompagner la description.
de desseins et de photographies.
3° Pour le Concours N. 1, une note avec description de l’A6rostat ou cerf-volant
employ£ pour le soulövement de la machine, avec description de celle-ci, indication de
la hauteur au dessus du sol, les conditions de vent, etc.
5 .
Droit d ? in scription. Le droit d’inscription pour chaque Concours est de L. 5.
6 .
Frais d'envoi. Les frais d’envoi et de retour des photographies seront k la Charge
du concurrent, meme s’il aura <H6 r£jet6 par le Comit£.
7.
Reproductions. Pendant la duree de l’Exposition on ne pourra pas exöcuter des
r^productions des photographies admises aux Concours, ni pour le compte du ComitG,
ni pour le compte des concurrents sans un accord prealable entre les deux parties.
Milan, 1 er aöut 1905.
Zu diesen Bestimmungen seien die folgenden Bemerkungen gestattet:
Ziffer 2. Hier ist deutlich gesagt, daß nur Serien von Aufnahmen, nicht ein¬
zelne Aufnahmen, zum Wettbewerb zugelassen sind. Diese Bestimmung bringt für die
erste Gruppe (Aufnahmen der Erdoberfläche) den Vorteil, daß einzelne gute Aufnahmen,
die ja oft nur Zufallsprodukte sind, nicht in den Wettbewerb treten können, mithin nur
derjenige ausstcllen kann, der auf dem schwierigen Gebiet der Ballon- und Drachenphoto¬
graphie tatsächlich Erfahrung und Fertigkeit besitzt. Dagegen erscheint die Anwendung
dieser Bestimmung auch auf die zweite Gruppe (Aufnahmen meteorologischer Phänomene)
für Ballonaufnahmen unzweckmäßig. Denn Aufnahmen meteorologischer Phänomene
vom Ballon aus sind vorerst noch äußerst selten, einmal weil solche Phänomene nur
selten angetroffen werden, und dann weil gerade diese Erscheinungen mit den beschränkten
photographischen Mitteln, die dem LuftschilTer zur Verfügung stehen, sehr schwer auf¬
zunehmen sind. Aeronautische Photographen, die über 8 solcher Aufnahmen verfügen,
dürften nicht sehr zahlreich sein. — Unzweckmäßig erscheint auch die Abgrenzung des
Formats. Nach dieser Bestimmung ist der Konkurrent z. B. auch dann gezwungen, von
Wolkenaufnahmen, die er im Format 9:12 cm gemacht hat, Vergrößerungen einzu¬
senden, wenn ihm Kontaktkopien zweckmäßiger erscheinen würden. — Was unter „le
prime“ zu verstehen ist, wird wohl noch an anderer Stelle bekanntgegeben werden.
Ziffer 4. Im letzten Absatz wird die Angabe der Höhe gefordert, aus der die
Aufnahmen gemacht wurden. Die Höhe ist für die Bewertung einer Ballon- oder Drachen-
photograpnie von untergeordneter Bedeutung; ausschlaggebend ist vielmehr die Ent¬
fernung zwischen dem Objekt und dem Ballon oder Drachen, die bei schrägen
Aufnahmen bekanntlich das Drei- und Vierfache der Höhe betragen kann. Auch dürfte
die Einforderung von Belegen für solche Angaben nicht unnötig sein. Solche Belege
wären z. B. eine einfache photogrammetrische Entfernungsbestimmung, die als Voraus¬
setzung nur die Kenntnis der Objektivbrennweite und der Maße des Objekts hat, oder
die Horizontalprojektion der Ballonfahrt mit Zeitangaben, bezw. die Angabe des Orts der
Drachenwinde, der Kabellänge und des Drachenwinkels.
K. v. B.
cK
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402
Flugtechnik und Aeronautische Maschinen.
Wettbewerb für ballonfreie Flugmaschinen in Mailand 1906.
Der Wettbewerb für die erste Gruppe ist offen für alle ballonfreien Apparate, die
mit Motor und Propeller ausgerüstet und imstande sind, wenigstens eine Person zu tragen.
Es sind sowohl Drachenflieger, wie auch Schwingen- und Schraubenflieger zugelassen.
Ausgeschlossen sind die Apparate des gemischten Typus (type mixte), welche mit einem
Ballon ausgerüstet sind für die vollständige oder teilweise Entlastung des Flugfahrzeuges. 1 )
Zwischen den angeineldeten Apparaten finden zunächst nach den drei Klassen:
Drachen-, Schwingen- und Schraubenflieger Auswahlflüge statt. Als alleiniges Kriterium
für diese Auswahl gilt die längste Flugdauer der Apparate jeder Klasse. Hier verfällt
auch das Mailänder Programm in den vorausgehend besprochenen Fehler, verschiedene
Flieger-Konstruktionen in ihrer Leistungsfähigkeit bloß nach der Flugdauer, der Flug¬
strecke usw. gegenseitig abschätzen zu wollen. Jener Flugapparat, der imstande ist, sich
am längsten in der Luft zu erhalten, muß ja deshalb noch keineswegs auch der rationellste,
vollkommenste und beste sein. Für die Beurteilung der Güte eines Flugfahrzeuges und
seiner praktischen Brauchbarkeit kommen außer der Schwebedauer noch ganz andere
unter Umständen weit ausschlaggebendere Momente in Betracht. Würde man die Güte
eines Fliegers bloß nach seiner Schwebedauer beurteilen, dann müßte man ja (wenn
Ballons nicht prinzipiell ausgeschlossen wären) dem gewöhnlichen Kugelballon den ersten
Preis zuerkennen. Das Ergebnis eines Wettbewerbes, bei dem prinzipiell so verschiedene
Fliegertypen wie Schrauben- Drachen- und Schwingenflieger nach der gleichen Schablone
behandelt werden, hat darum weder theoretisches Interesse noch irgend welche praktische
Bedeutung. Es wäre im Interesse der Sache deshalb wünschenswert, wenn das Komitee
diese Ausw’ahlflüge zwischen den Apparaten gleicher Type ganz aus dem Programm eli¬
minieren würde. Es ist freilich kaum wahrscheinlich, daß im kommenden Jahre in Mai¬
land gleich ein paar Dutzend Flieger jeder Klasse ausgestellt werden und deshalb Aus¬
wahlflüge überhaupt tatsächlich notwendig sein könnten. Wenn ich trotzdem auf diesen
Mangel des Programms hinweise, so geschieht dies im Interesse der Klarlegung einer
prinzipiellen Frage, damit ähnliche Fehler bei der Ausarbeitung von Programmen für
aeronautische Wettbewerbe wo möglich vermieden werden können.
Zwischen den drei „besten“ Apparaten jeder Klasse finden dann die Entscheidungs¬
flüge statt. An diesen können bloß solche Flugvehikel teilnehmen, deren Schwebedauer
bei den Auswahlflügen nicht kleiner als fünf Minuten war.
„Die definitive Klassifikation zwischen dem besten Drachenflieger, dem besten
Schwdngenflieger und dem besten Schraubenflieger bleibt der Entscheidung des Komitees
der Wettbewerber Vorbehalten und zwar wiegen der außerordentlichen Schwierigkeit und
Unsicherheit, a priori feste Normen in Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Stande
des Problems aufzustellen.“
„ln jedem Falle wird das Komitee der Wettbewerbe*) seine Entscheidung nicht
1 ) Es ist dies eine recht vernünftige Bestimmung, durch welche sich das Reglement der Mailänder
Ausstellung vorteilhaft von der auf bloßes Tam-Tam hinauszielenden St. Louiser Ausstellung unterscheidet,
wo die drei prinzipiell verschiedenen Grundtypen von MotorluftschitTen, nämlich die ballonfreien Flug-
raasehinen, die BallonluftsehifTe und die Flugschiffe mit teilweiser Entlastung durch einen Tragballon sozu¬
sagen in einen Topf geworfen wurden. Sowohl vom wissenschaftlichen wie auch vom praktischen Stand¬
punkte aus betrachtet, ist es ja widersinnig, die Leistungen eines BallonluftschifTes durch einen Wettbewerb
(bei dem bloß Flugstrecke und Flugdauer gemessen werden) mit einem ballonfreien Fhigschiffe quanti¬
tativ bestimmen zu wollen. Die praktische Wertigkeit eines ballonfreien Flugschiffes ist ja selbst bei gleicher
Leistungsfähigkeit (bemessen bloß nach Flugstrecke und Flugdauer) außerordentlich viel größer als jene
eines Ballonluftschilfcs. Man darf deshalb verschiedene Flieger-Typen nicht ohne weiteres bezüglich ihrer
Leistung miteinander vergleichen.
2 ) ln welcher Weise dieses Komitee zusammengesetzt sein soll, wird nicht angegeben. Man darf natür¬
lich voraussetzen, daß dasselbe dem Charakter eines internationalen Wettbewerbes entsprechend durch aus¬
ländische Fachleute ergänzt werde.
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♦»►fr 403 «««♦
bloß auf die effektive Dauer des Fluges, sondern auch auf seine Länge und weiter auf
die praktische Brauchbarkeit und Sicherheit der vorgeführten Apparate basieren.
Die unteren Grenzen für die Zuerkennung der Prämien sind: fünf Minuten für die
Flugdauer und vier Kilometer für die Flugstrecke (in ruhiger Luft). Vier Kilometer
in 5 Minuten entspricht einer Minimalgeschwindigkeit von 13,3 Meter in der Sekunde.
In der Aufstellung dieser Bedingung hat das Komitee bewiesen, daß es ihm wirklich um
die Förderung der Aeronautik und nicht (wie in St. Louis) um ein bloßes Reklamemittel
zu tun ist. Fünf Kilometer Flugstrecke bei vier Minuten Flugdauer stellt heute eine, ich
möchte sagen, spielend leicht erfüllbare Leistung für eine ballonfreie Flugmaschine (Drachen-,
Schwingen-Flieger, System Lilienthal) dar, vorausgesetzt, daß das nötige Geld vorhanden
ist. Beschränkt man die Flugdauer auf bloß fünf Minuten, so spielt nämlich auch die
mißliche MotoiTrage keine Rolle mehr, man langt dann mit einem Torpedomotor, der
durch komprimierte Luft oder überhitzten Dampf getrieben wird, vollkommen aus. Ist
einmal der Anfang gemacht, d. h. existiert ein flugfähiger Apparat (nicht bloß auf dem
Papier und in der Einbildung, sondern in natura!), der imstande ist, vier Kilometer während
fünf Minuten zu durchfliegen, dann wild es in Kürze auch an zweckmäßigeren und öko¬
nomischeren Motoren gewiß nicht fehlen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
könnte der Mailänder Wettbewerb von gutem Nutzen für die Entwicklung der Aviatik sein.
Die Einschreibegebühr beträgt 50 Lire.
Die Anmeldungen müssen vor dem 31. Dezember 1905 an das Komitee der Wett¬
bewerbe gelangen; sie sind mit den nötigen Zeichnungen und Beschreibungen zu ver¬
sehen, die zum Verständnisse der Konstruktion des Apparates und seiner Funktionierungs¬
weise erforderlich sind.
Für die Auswahlflüge wird nach Übereinkunft zwischen dem Komitee und den Kon¬
kurrenten ein Termin zwischen 1. bis 20. September 1900 festgesetzt werden; als Termin der
Entscheidungsllüge wird durch das Komitee die Zeit vom 20. bis'30. September 1906 bestimmt.
Die Teilnehmer an den Wettbewerben sind verpflichtet, ihre Apparate vom Tage
der Preiszuerkennung an während der Dauer eines Monates in der aeronautischen Sektion
zur Ausstellung zu bringen.
An dem Wettbewerbe der zweiten Klasse können alle Flugmaschinenmodelle teil¬
nehmen, die durch Motorkraft betrieben werden. Das Gewicht der Apparate muß wenigstens
fünf Kilogramm betragen und sie müssen imstande sein, sich selbsttätig in einer Höhe von
fünfzehn Metern über dem Niveau eines Sees zu halten, über dem die Versuche stattfinden.
Bemannte Gleitapparate (ohne Motor) fallen in die dritte Klasse. Die Versuche
müssen von einem geeigneten Abflugplatze aus erfolgen, für dessen Herstellung das
Komitee (unter Berücksichtigung der Wünsche der Konkurrenten) Sorge tragen wird.
Als Maßstab für die Klassifikation der Apparate gilt der kleinste Gleitwinkel bezw.
dessen trigonometrische Tangente, d. i. Verhältnis der Abflughöhe zur zurückgelegten
Strecke. Die Wertigkeit eines Gleitapparates wird ferner verkehrt proportional gesetzt dem
Quadrate der Gleitdauer. Die in einem Anhang zum Reglement gegebenen theoretischen
Erläuterungen erscheinen mir nicht ganz einwandfrei. Es dürfte wohl zweckmäßiger sein,
statt des*Quadrates der Gleitdauer die Gleitgeschwindigkeit und die Gleitweite
neben dem Gleitwinkel in den Ausdruck für die Wertigkeit einzuführen. 1)
An dem Wettbewerbe der Klasse IV können alle Modelle von Drachenfliegern teil¬
nehmen, deren Gewicht wenigstens zwei Kilogramm beträgt und welche von einer vier
Meter hohen Plattform aus lanziert werden. Die Abstoßvorrichtungen, welche den Appa¬
raten die nötigen Anfangsgeschwindigkeiten erteilen sollen, müssen die Aufspeicherung
einer Gesamtarbeit von 60 Kilogramm-Meter pro ein Kilogramm des Apparates ermöglichen.
Die Klassifikation erfolgt in genau derselben Weise wie bei den bemannten Gleitmaschinen.
Zum Schlüsse des Reglements folgen noch einige allgemeine Bestimmungen, die für
alle Wettbewerbe Geltung haben.
’) Die Gleichungen, welche zur genaueren quantitativen Beschreibung der Leistungsfähigkeit von
Gleitmaschinen und Drachenfliegern nötig sind, habe ich in der Arbeit «Die physikalischen Grundlagen des
ballonfreien Fluges» aufgestellt. (Siehe 111. Aeronaut. Mitteil. 11)04, pp. 346—59.)
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Bei jedem Wettbewerbe können die Teilnehmer bis zu fünf einzelne Versuche
ausführen. Für die Klassifikation wird jener Versuch ausgewählt, der die besten Resul¬
tate ergeben hat.
Die Anmeldungen müssen vor 1. März 1906 an das Komitee der Wettbewerbe gelangen.
Die Einschreibegebühr beträgt 10 Lire für jede Klasse der Wettbewerbe. (Obige
Daten stehen im Widerspruche mit den S. 5 des Programmes gemachten Angaben!)
Im Vorausgehenden wurden bloß die wichtigsten auf den Wettbewerb Bezug habenden
Daten zusammengestellt. Wer beabsichtigt, an den Wettbewerben teilzunehmen, möge sich
das Programm zusenden lassen; dasselbe führt den Titel: „Reglement special des concours
pour appareils de navigation aerienne plus pesants (!!) de Fair“. Nmfr.
Kleinere Mitteilungen.
Einweihung des neuen Aeronautischen Observatoriums in Lindenberg. Am
16. Oktober fand in Gegenwart S. M. des Kaisers die feierliche Einweihung des
Aeronautischen Observatoriums in Lindenberg bei Beeskow statt. Von auswärtigen Ver¬
tretern der Wissenschaft waren dabei anwesend der Fürst von Monaco, dem vom Kaiser
bei diesem Anlaß die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen wurde, ferner
Prof. Hergesell, Prof. Koppen, L. Teisserenc de Bort, L. A. Rotch. Wir gedenken
in nächster Zeit den Lesern über die Tätigkeit des neuen Observatoriums,der Schöpfung
von Herrn Geheimrat Prof. Aß mann, eingehender berichten zu können. Q.
Aeronautische Vereine und Begebenheiten.
Berliner Verein fUr Luftschiffahrt.
Die 250. Versammlung des Berliner Vereins für Luftschiffahrt am 23. Ok¬
tober wurde vom Vorsitzenden, Geheimrat Busley, durch den Hinweis auf das erreichte
erste Vierteltausend der Versammlungszahl eröffnet, und hieran anknüpfend der berechtigten
Genugtuung über geleistete tüchtige Arbeit mit dem Wunsche Ausdruck gegeben, der
Verein möge nach Erreichung des halben und im weiteren des ganzen Versammlungs¬
tausends mit gleicher Befriedigung zurückblicken und vorwärtsschauen können.
Nach Verlesung der Protokolle letzter beiden Versammlungen wurden die Namen von
17 neuangemeldeten Mitgliedern verlesen; ihre Aufnahme erfolgte satzungsgemäß am Schluß
der Sitzung. Mitgeteilt wurde ferner, daß an Oberleutnant von Zastrow durch den Vereins¬
vorstand die Führerqualifikation verliehen worden ist. Es folgte ein Vortrag von
Geheimrat Busley über «Die vermeintliche Gefährlichkeit des Ballonfahrens und die damit
verknüpfte Versicherungsfrage». Das Referat hierüber wird in ausführlichster Form an
anderer Stelle dieser Zeitschrift erscheinen. Es schloß sich hieran von demselben Herrn
Vortragenden ein «Bericht über die internationale Konferenz für Luftschiffahrt in Paris
vom 12.—15. Oktober und über die Auffahrt der 20 um den Coup de France kon¬
kurrierenden Ballons am 15. Oktober*. Wegen Behinderung der Herren Hauptmann
von Kehler und Gradenwitz, die anfänglich teilzunehmen beabsichtigt, waren nur 7 Dele¬
gierte deutscher Luftschiffervereine in Paris anwesend, von Berlin Geheimrat Busley und
Baron von Hewald, von Barmen Dr. Bamler und Dr. Niemeyer, von Straßburg Major
Moedebeck und Professor Dr. Hergesell, von Augsburg Hauptmann von Parseval. Die
Sitzung wurde am 12. im Sitzungssaale des Automobilklubs, in der Rue royale, in Gegenwart
einer großen Zahl von Deputierten eröffnet. In geistreicher, die Bedeutung der Luft-
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schifTahrt würdigender Rede, begrüßte Herr Deville vom französischen Kultusministerium
die Versammlung. Den Vorsitz übernahm zunächst als Alterspräsident Professor Cailletet,
worauf von Vertretern jeder an der Versammlung beteiligten Nation — Franzosen, Deutsche,
Engländer, Belgier, Spanier, Italiener, Schweizer und Amerikaner — Ansprachen gehalten,
die beträchtliche Anzahl der Vollmachten geprüft und beschlossen wurde, keine Nation
solle mehr als 12 stimmberechtigte Delegierte haben und auf 25000 cbm im letzten Jahre
für Zwecke der Luftschiffahrt verwendetes Gas je einen Delegierten erwählen dürfen.
Bei 310471 cbm, die in Frankreich verbraucht worden, entfielen hiernach 12 Delegierte
auf Frankreich, bei einem Verbrauch von 202200 cbm in Deutschland 9 auf Deutschland,
auf Belgien (67000 cbm) 3, auf Italien (33000 cbm) 2, auf England, Spanien, die Schweiz,
die Vereinigten Staaten je 1 stimmberechtigter Delegierter. Bei der nun folgenden Wahl
des Bureaus wurden zum ersten Präsidenten Prinz Roland Bonaparte, zu Vizepräsidenten
Geheimrat Busley, der Belgier Herr Jacobs und Graf de Lavaulx, zum Sekretär bezw.
Schatzmeister die Herren Besan<;on und Tissandier berufen. Mit diesem Organisations¬
werk schlossen die Verhandlungen des ersten Tages. Der Nachmittag war Automobil¬
fahrten nach dem Bureau des Aeroclubs und der großen Ballonhalle in Suresnes gewidmet.
Der zweite Verhandlungstag galt der Beratung des Statuts der zu begründenden F6d6ration
a6ronautique internationale. Unter zuweilen recht lebhaften Debatten wurde diese Aufgabe
glücklich zu Ende geführt und gegen eine beträchtliche Minorität auch die Abänderungs¬
fähigkeit des Statuts mit */ 3 Mehrheit der jeweilig anwesenden Delegierten beschlossen.
Von hohem Interesse war die am Nachmittag in ausgedehnten Automobilfahrten vor¬
genommene Besichtigung der drei großen Ballonfabriken, derjenigen von Mailet in
Puteaux, deren Ballonstoff-Fabrikation besonders interessiert — eine Probe des sehr leichten,
aber festen Stoffes wurde vorgelegt —, der von Surcouf bei Suresnes, die besonders für
Militärzwecke arbeitet, und der von Lachambre, wo die fliegenden Ballons aus Gold¬
schlägerhaut in großen Mengen hergestellt werden. Außer diesen 3 Pariser Ballonfabriken
besitzt Frankreich deren noch 2, eine in Lyon und eine in Bordeaux. Den Vorsitz am
dritten Verhandlungstage führte Graf de Lavaulx, weil Prinz Roland Bonaparte am Abend
vorher seine Mutter durch den Tod verloren hatte. Auf der Tagesordnung stand Beratung
und Beschlußfassung über Reglements für Wettfahrten sowohl mit freifliegenden Ballons,
als mit lenkbaren Ballons. Für den zweiten Teil der Vorschläge erklärten sich die nicht¬
französischen Delegierten mangels Erfahrung als nicht kompetent. Man einigte sich
schließlich dahin, das Reglement für freifliegende Ballons nach dem Vorschläge der
Franzosen als bindend anzuerkennen, dagegen dem zweiten Reglement nur fakultative
Geltung zuzugestehen. Die deutsche Uebersetzung von Statut und Reglements übernahm
Major Moedebeck. Die Frage der Kosten bezw. der Beiträge zum Verbände wurde dahin
geregelt, daß jede Nation einen Grundstock von 100 Frs. jährlich zu entrichten hat und
für ihre die Zahl drei übersteigenden Delegierten noch für je drei 50 Frs. Die drei noch
auf der Tagesordnung stehenden Fragen des internationalen Wörterbuches, der wünschens¬
werten Ermäßigungen im Frachtverkehr und der Zollerleichterungen wurden zurückgestellt.
Als erstrebenswert wurde mit Nachdruck geltend gemacht die Erziehung des Publikums
zu richtigerer Schätzung und minder ängstlicher Betrachtung des Ballonsports und die
angemessene Behandlung der Angehörigen fremder Nationalitäten bei Landungen im
Auslande. Zum Schluß wurden die Vollmachten des jetzt gewählten Bureaus bis zum
Herbst 1906 verlängert; die gegenwärtige Versammlung gilt als konstituierende, die erste
ordentliche Jahresversammlung der F£d6ration soll nächstes Jahr um dieselbe Zeit in
Berlin stattfinden. Am Abend vereinigte ein fürstliches Diner im Automobilclub die
Delegierten; es war am Schluß ausgezeichnet durch wundervolle kinematographische
Vorführungen, drei Aufstiege lenkbarer Luftschiffe, u. a. des Lebaudyschen darstellend,
sowie den bemerkenswerten, aber verunglückten Versuch, ein Aeroplan sich von einer
Wasserfläche erheben zu lassen. Besonders dieser letztere Vorgang war in der kinemato-
graphischen Darstellung von dramatischer Wirkung. Man sah den Aeroplan sich über
das Wasser erheben, in der Luft schweben und war Zeuge der alsbald durch Umkippen
Illustr. Aeronaut. Mitteil. IX. Jahrg. 52
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des Fahrzeuges eintretenden Katastrophe, sah den Luftschiffer in die Seine stürzen, aber
schnell wieder auftauchen und dem Ufer zuschwimmen Der am Sonntag Nachmittag
stattfindende Wettbewerb freifliegender Ballons, um den Coup de France, gestaltete sich
durch Teilnahme von 20 Ballons zu einem großartigen Schauspiel. Als die Delegierten
anlangten, war die Hälfte der Ballons bereits gefüllt, einer besonders glänzend verziert,
durch auf die Ballonhülle aufgestreutes Aluminiumpulver. Unter den Ballons waren 14 franzö¬
sische, je ein belgische, amerikanischer, italienischer, russischer, spanischer und englischer.
Von 4 Uhr ab sollte alle 5 Minuten ein Ballon aufsteigen; doch konnte diese Anordnung
nicht eingehalten werden. Der letzte Ballon gelangte erst abends 4 /*8 Uhr zum Aufstieg.
Die drei unter den 20 am weitesten gelangten Ballons waren ein französischer, der Montag
vormittag in Ungarn, ein spanischer, der in österreichisch Schlesien und ein «Boulanger»
genannter Ballon, der in Bayern landete. Das interessante Schauspiel des Aufstiegs
wurde mit großer Aufmerksamkeit von einer ungeheueren Menschenmenge beobachtet.
Es waren für die bevorzugten Plätze recht hohe Eintrittsgelder gefordert worden, weil
die Nettoeinnahmen für die Opfer der Erdbeben in Calabrien bestimmt waren; jeder
Mitfahrende mußte die ihm gewährte Gunst mit 50 Francs bezahlen. Das Gas war
umsonst geliefert worden. Geheimrat Busley schloß seinen Bericht mit dem Ausdruck
großer Befriedigung sowohl über die Ergebnisse der Versammlung als über die außer¬
ordentliche Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit, die seitens der Franzosen allen Delegierten
entgegengebracht wurde. Es bereitete beiderseitig Genugtuung, daß die deutschen Dele¬
gierten fast in allen Fragen mit den Franzosen stimmen konnten. Für das nächste Jahr
ist allseitig die Teilnahme an der Berliner Versammlung zugesagt worden, ln der sich
anschließenden Diskussion geschah der interessanten Tatsache Erwähnung, daß die
Franzosen dem Sigsfeld-Parsevalschen Drachenballon Aufmerksamkeit zuzuwenden beginnen
und daß in der Ballonfabrik Surcouf besondere, sinnreiche Maschinen für das Zuschneiden
und Nähen des Ballonstoffes im Betriebe sind.
Der Bericht über die seit letzter Versammlung erfolgten Vereinsfreifahrten, von
Hauptmann von Kehler und den Oberleutnants Geerdtz und von Zastrow erstattet, um¬
faßte 6 Fahrten, nämlich :
1. Am 28. September unter Führung von Oberleutnant Geerdtz und Begleitung der
Herren Müller-Neu-Ruppin, Gottchhalk-Breslau und Schubert-Berlin von Charlottenburg
aus. Fahrtdauer 2 •/* Stunden, höchst erreichte Höhe 1400 m, Ende der Fahrt in Hugers-
mühle bei Eberswalde, 42 km vom Abfahrtsort, in der Stunde zurückgelegt 172 km. Die
tief herabhängende Wolkenschicht wurde gleich nach dem Aufstieg bei 500 m durchbrochen,
doch die Fahrt oberhalb der Wolken nur etwa eine Stunde lang fortgesetzt. Die Landung
erfolgte glatt.
2. Am 3. Oktober, Fahrt mit Wasserstoffballon von Bitterfeld aus. Führer Ober¬
leutnant Stelling in Begleitung von Leutnant Grüner. Fahrtdauer 16 Stunden, Distanz
540 km, Stundenleistung 34 km, erreichte Maximalhöhe 1500 m. Landung am nächsten
Tage in Teplitz (Ungarn).
3. Am 4. Oktober von Charlottenburg aus. Führer Oberleutnant von Frankenberg,
Begleiter Graf Reventlow, Dr. Krauß, Leutnant Knetsch. Fahrtdauer 2 Stunden 20 Minuten,
Distanz 89 km, Stundenleistung 37,1 km, erreichte Maximalhöhe 1600 m. Landung in
Baerwalde.
4. Am 7. Oktober von Charlottenburg aus. Führer Oberleutnant Geerdtz, Begleiter
Professor Poeschel undDr. Peill. Fahrtdauer 3 Stunden 10 Minuten, Distanz 165km, Stunden¬
leistung 55 km, erreichte Maximalhöhe 2900 m. Landung bei Lindrode, nahe Sorau.
Die Fahrt war eine ausgesprochene Wolkenfahrt und deshalb für den mit Photographieren
beschäftigten Professor Poeschel nicht so ergiebig, als gehofft. Nichtsdestoweniger
scheinen ihm gute Aufnahmen geglückt, weil sich häufig Durchblicke zur Erde zwischen
den Wolken öffneten. Es wurden nur 6 Säcke Ballast verbraucht. Die Landung ging
glatt vor sich, während ein gleichzeitig von Berlin aufgelassener Dienstballon, der in der
Nähe niederging, bei weitem nicht so glatt zu landen vermochte.
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5. Am 12. Oktober von Charlottenburg aus. Führer Oberleutnant Ribbentrop,
Begleiter die Herren Henneberg, Gelbke und v. Thümen. Fahrtdauer 4 Stunden 19 Minuten,
Distanz 18 1 /* km, Stundenleistung 4,3 km, erreichte Maximalhöhe 1730 m. Landung in
Radeland bei Spandau.
6. Am 19. Oktober von Charlottenburg aus. Führer Oberleutnants Geerdtz und
von Zastrow, welcher letztere hiermit seine Prüfungsfahrt machte, Begleiter die Herren
Klotz und Andreack. Fahrtdauer 3 Stünden 50 Minuten, Distanz 65 km, Stundenleistung
16 km, höchst erreichte Höhe 1700 m. Die Fahrt begann um 9 Uhr 45 Minuten und
brachte bei der über Berlin lagernden Dunstschicht den Ballon nur langsam hoch. Auch
nach Durchbrechung der Wolkenschicht schien die Sonne auf den Ballon nicht recht zu
wirken, der sich träge nach Südost bewegte. Bei der Dicke der Wolkenschicht ging die
Erde etwa oberhalb von Köpenik ganz verloren. Als man nach reichlich drei Stunden
absteigen wollte, ergab sich die Merkwürdigkeit, daß der Ballon, an der oberen Grenze
der Wolkenschicht angelangt, nicht weiter fallen wollte, vermutlich weil die von den
Wolken reflektierten Sonnenstrahlen ihn stärker erwärmten und somit dem Fallen ent¬
gegenwirkten. Erst als allmählich der Ballon in die Wolkenschicht hineingesunken war
und sich entsprechend abgekühlt hatte, ging der Abstieg flotter von satten. Die Landung
erfolgte ganz glatt, jenseits eines Waldes, den man im Suchen nach einer geeigneten
Landungsstelle überflogen hatte. Es war noch viel Ballast zur Verfügung. Man befand
sich in der Nähe von Fürstenwalde. — Über die Verwendung eines zu Freifahrten dem
Coblenzer Verein geliehenen Ballons ist noch nichts in Erfahrung gebracht worden. A. F.
Münchener Verein für Luftschiffahrt.
In der Versammlung, die am Dienstag den 14. November 1905, abends 8 Uhr, im
Vereinslokal «Hotel Stachus» stattfand, gab zunächst der erste Vorsitzende, Herr General¬
major K. Neureuther, einige geschäftliche Mitteilungen. Er erwähnte kurz die
wichtigsten anläßlich der Ausstellung in Lüttich stattgefundenen aeronautischen
Veranstaltungen, besprach die Teilnahme des Vereins an der kommenden Weltausstellung
in Mailand und legte die Satzungen 1 ) des am 14. Oktober d. J. in Paris begründeten
«Internationalen aeronautischen Verbandes» vor. Nachdem er dann noch
Herrn Major K. Weber, der infolge ehrenvoller Beförderung das Kommando der
königl. bayerischen Militär-Luftschifferabteilung niedergelegt hat, den herzlichen Dank des
Vereins für das stets bewiesene liebenswürdige Entgegenkommen ausgesprochen hatte r
übergab er Herrn K. v. Bassus das Wort zu seinem angekündigten vorläufigen Bericht
über die Hochfahrt am 31. August d. J. von Straßburg aus.
Es war diese die letzte der 3 wissenschaftlichen Fahrten, die der meteoro¬
logische Landesdienst in Straßburg am 29., 30. und 31. August veranstaltete,
um die Atmosphäre sowohl am Tage der Sonnenfinsternis als auch an dem Tage vorher
und dem nacher zu sondieren. Der Münchener Verein hatte für diese letzte Fahrt
seinen Ballon «Sohncke» (1438 cbm) zur Verfügung gestellt. Herr Dr. de Quervain
aus Straßburg war Leiter der Fahrt. Der Aufstieg des mit 900 cbm Wasserstoffgas
gefüllten Ballons erfolgte morgens 7 26 bei günstiger Witterung und sehr schwachem
Bodenwind. Es wurde ein Auftrieb von 2 Sack ä 15 kg gegeben. Der mitgenommene
Baiast betrug 15 Sack ä 15 kg.
An Instrumenten wurden mitgeführt ein Anero'id, ein Fahr-Barograph, ein
Aspirationspsychrometer mit Fernrohrablesung nach der Methode*) von
K. v. Bassus, ein Aktinometer zur Messung der Sonnenstrahlung, ein Statoskop
und schließlich ein selbstregistrierender Barothermohygrograph. Letzteren
Apparat zeigte der Vortragende der Versammlung vor. Bei diesem Instrument sind
*) Vgl. I. A. M. (1905). 333—341.
*) Vgl. I. A. M. (1904). 346-349.
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ein Aneroid, ein Metall-Thermometer (Bourdon-Röhre) und ein Haarhy¬
grometer in einem Metallrahmen vereinigt und zeichnen gemeinsam auf einem berußten
Aluminiumblech, das auf einer rotierenden Walze angebracht ist. Die für exakte Tempe¬
raturmessungen notwendige Ventilation wird durch einen kleinen ebenfalls im Rahmen
befindlichen Elektromotor besorgt, für den als Kraftquelle Akkumulatoren in der Gondel
sind. Das ganze registrierende Instrument wird am Äquator des Ballons aufgehängt und
befindet sich also außerhalb der für exakte Temperaturmessungen schädlichen Sphäre
von Ballon und Gondel.
Der Vorzug dieses Instrumentes ist ein doppelter. Erstens gibt es fortlaufende
Messungen, die bei persönlicher Ablesung ausgeschlossen, aber zur Feststellung des oft
raschen Wechsels im Zustand der Atmosphäre doch erwünscht sind. Zweitens verringert
es die notwendige Anzahl der mühsamen persönlichen Ablesungen am Aspirations¬
psychrometer, die früher zur Erlangung guter Resultate möglichst häufig ausgeführt
werden mußten, jetzt aber bei Mitnahme des eben beschriebenen registrierenden Apparates
nur in größeren Pausen zu Kontrollbeobachtungen erforderlich sind. Der Arbeitsaufwand
der Luftschiffer wird also verringert und für andere Aufgaben frei gemacht. Zum Beweis
der guten Wirkungsweise des Instrumentes legte der Vortragende das während der Fahrt
aufgezeichnete Originaldiagramm vor.
Zur Ausrüstung gehörte ferner selbstverständlich ein mit Sauerstoff gefüllter
Zylinder mit Reduzierventil und 2 Schläuchen.
Beim Aufstieg bot sich den Luftschiffern ein schöner Blick auf die Stadt Stra߬
burg, der namentlich den Vortragenden interessierte, der hier zum ersten Male auffuhr.
Schon in geringer Höhe ging der schwache Bodenwind in eine sehr lebhafte Luft¬
strömung über, die dem Ballon mit einer Geschwindigkeit von 23 m/Sek. in 4 Minuten
dem Rhein zutrieb. Bei etwa 800 m Höhe geriet der Ballon in eine Wolkendecke. Die
Hoffnung der Luftschiffer, nach Durchdringung dieser Wolkenlage schon die Sonne zu
erblicken, erfüllte sich nicht; denn 600 m über dieser ersten Wolkenschicht befand sich
noch eine zweite. Alsdann der «Sohncke» auch diese siegreich durchbrochen hatte,
kamen die Aeronauten in strahlenden Sonnenschein; über ihnen wölbte sich ein prachtvoll
wolkenloser blauer Himmel. Der Rhein zeigte sich bemerkenswerterweise in der oberen
Wolkendecke in Gestalt einer Furche, trotzdem sich, wie erwähnt, dazwischen noch eine
Wolkendecke befand. Bis zum Ende der Fahrt blieb nun die Erde verborgen, sodaß eine
Orientierung über den Kurs und die Fahrgeschwindigkeit unmöglich war. Nur im fernen
Süden ragten die stolzen Gipfel des Berner Oberlandes und der Monarch
der Alpen, der Montblanc, aus dem Wolkenmeer hervor. — ln 4210m gelangte der
Ballon in seine Prallhöhe und nach */* Stunde hatte er in ca. 5300 in seine erste Gleich¬
gewichtslage erreicht, wo — 18,2° gemessen wurden, während bei der Abfahrt am Boden
eine Temperatur von -f- 13° geherrscht hatte. In 5600 m Höhe wurde mit der Ein¬
atmung von Sauerstoff begonnen. Die Maximalhöhe während dieser Fahrt betrug 7090 m,
ist also etwa gleich der des Aconcaguagipfels in den Anden. Hier herrschte eine
Kälte von — 30,6°, während das Aktinometer die ganz behagliche Temperatur + 15° an¬
zeigte. Die infolge der Höhe und Kälte auftretenden Beschwerden waren bei beiden
Herren nur geringfügig, aber doch fühlbar. Sie äußerten sich bei Dr. de Quervain
nur in vorübergehend erhöhter Pulsfrequenz und bei dem Vortragenden in Gedächtnis¬
schwäche, die sich namentlich bei den Ablesungen fühlbar machte.
Als der Sauerstoffvorrat sich seinem Ende zuneigte, mußte der Abstieg angetreten
werden, der den Ballon in 10 Minuten ruhigen Falls auf etwa 5000 m hinunterbrachte.
Hier verschwanden wieder alle Beschwerden. Bei Erreichung der oberen Wolkendecke
wurden 2 Sack Ballast ausgegeben, um den Fall zu bremsen. In 800 m Höhe war man
wieder in der unteren Wolkendecke. Die Erde wurde erst kurz vor der Landung sichtbar,
die 10iß bei strömenden Regen unweit einer kleinen Lichtung in den Wäldern des
Schwarzwaldes glücklich von statten ging. Nachdem der Ballon von den beiden
Herren allein mit viel Geschick, aber auch großer Mühe bis zu der nahen Waldlichtung
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transportiert war, wurde er dort durch Aufreißen entleert. Während v. Bassus bei dem
Ballon blieb, ging Dr. de Quervain auf die Suche nach Hilfskräften. Nach etwa
3 Stunden traf er dann mit einem Förster und 6 Holzknechten wieder an der Landungs¬
stelle ein. Wie sich herausstellte, lag diese in der Nähe von Nordrach bei Offen¬
burg. Die Luftströmung war also während der Fahrt in den oberen Regionen recht
schwach gewesen. Aus der zurückgelegten Strecke und Fahrdauer berechnet sich eine
mittlere Geschwindigkeit von 13,0 m/Sek. bezw. 10,9 Stundenkilometer. Abends 11 Uhr
trafen die beiden Herren wieder wohlbehalten in Straßburg ein. Die anschauliche
Schilderung, namentlich der interessanten Landungs- und Bergungsmanöver, fand leb¬
haften Beifall. Dr. Otto Rabe.
A6ronautique-Club de France.
Assemblee gänärale du 26 Octobre 1905.
L’assembläe gänärale annuelle de L’Aeronautique-Club de France a ätä tenue ä la
Mairie du 10« arr. sous la präsidence de M. le L. Colonel du Gänie Espitallier remplagant
M. le Commandant Renard retenu dans les Vosges. Apräs avoir lu sa lettre d’excuses
dans laquelle il exprime son regret de ne pouvoir präsider et ses voöux les plus ardents
pour la prospärite toujours crois$ante de la Societä, le Präsident fait ratifier les 77 ad-
missions de l’annäe.
Dans un remarquable rapport le Träsorier demontre l’ätat florissant de la
Caisse qui repräsente un budjet de plus de 20000 fr. Puis M. Sauniäre donne le compte
rendu moral de Fannäe-ecoulee, il remercie les confärenciers: M. M. le L. Colonel Espitallier,
le Commandant Renard, Surcouf, Jaubert et Piätri pour le concours dävouä apportä
ä l’oeuvre de vulgarisation scientifique entreprise et qui se continuera en 1906 par des
Conferences sur la Navigation aärienne ä l’Universitä populaire du F. S. Antoine.
L’Ecole präparatoire a donnä les meilleurs räsultats en envoyant 21 eläves aux
Aärostiers du Gänie.
Les Groupes et Comites ont aussi obtenus un grand succäs, notamment, le Comite
d’Etudes pour la Photographie aerienne qui a organisä le premier grand Concours inter¬
national de Photographie aärienne dont le succäs est considerable.
Les Ascensions des Membres du Club sont en progression sur 1904 leur nombre
a ätä de 61 au lieu de 41, pour 165 voyageurs au lieu de 114 et 55000 metres cubes
de gaz au lieu de 38000. Parmi ces ascensions il convient de signaler particuliärement
celles de M. M. J. Balsan, Decugis, Ribeyre, Maison, Piätri, Cormier etc. Quelques uns
de ces pilotes ont remportä des prix aux Concours et fätes de Liäge et Bruxelles, il
adresse ses remerciements ä FAäro-Club de Belgique pour le bon accueil räservä aux
membres du Club lors de ces fätes.
M. Sauniäre rappelle les dernieres experiences du «Lebaudy* auquel la consäcration
officielle vient d’etre donnee par l’ascension de M. le Ministre de la Guerre, il envoie
ä M. M. Juliiot et Juchmäs, membres du Club le tribu d’admiration que leurs travaux
märitent.
11 präsente ensuite les ameliorations apportäes ä la revue l’Aäronautique, le
succäs des diners trimestriels et il termine en remerciant M. le L. Colonel Espitallier
jl’avoir bien voulu remplacer M. le Commandant Renard ä la Präsidence.
Apräs avoir presentä ses hommages aux Dames Membres du Club, il remercie
ses Collaborateurs de leur travail gräce auquel l’Association occupe une place si consi-
därable dans le Monde Aäronautique.
Dans une allocution träs flatteuse pour, le Club et son ceuvre, M. le President
fälicite TAssociation du travail considärable qu’elle a fourni pour le plus grand succäs
de la Vulgarisation aäronautique.
En remerciement des Services rendus des plaquettes artistiques sont remises ä
M. M. le L. C. Espitallier, le C. Renard, Surcouf, Jaubert et Piätri. Le Diplome de la
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Ligue Fran^aise de FEnseignement est confer^ ä M. M. Sauniere, Bacon, Pi6tri, Gritte
et Mottart.
Des mßdailles d T argent sont remises k M. M. Formier et Seront et des mödailles
de bronze ä M. M. Savereau et Vighat.
M. Surcouf remercie le Comit£ dans une improvisation charmante et trös Eloquente
qui obtient le plus grand succfes.
La Seance se termine par la reelection au Comit6 de M. M. Aubry, Cormier,
Maison, Pietri et Sauniere.
Das Komitee des obigen Klubs hat für 1906 sich folgendermaßen gebildet;
Sauniere, Vorsitzender; Bacon, Pi£tri und Lachambre, stellvertretende Vorsitzende;
Roger Aubry, Generalsekretär; Ribeyre, Schriftführer; Gritte, Allgemeiner Schatzmeister;
Cormier, Schatzmeister; Brett, Maison, Mottart und Selber, Beisitzer.
Fräulein Marguerite Boulade, die Tochter des Präsidenten der Sektion des
A6ronautique-Club de France zu Lyon, welche im Alter von 8 Jahren am 26. Oktober
zu Lyon ihre erste Ballonfahrt gemacht hat, wurde lebhaft beglückwünscht.
Das Komi ee beschloß, daß auf Ansuchen des Ballonführers Belohnungen an solche
Personen ausgeteilt werden sollen, welche sich, bei Landungen ganz besonders um die
gute Aufnahme der Luftschiffer verdient gemacht haben.
Die erste Belohnung dieser Art wurde M. Chivot B. von S. Valery zuerkannt in
Gestalt einer silbernen Medaille für so hingebende und selbstlose Sorgen um M. de Brouck&re
und seinem Reisegefährten bei ihrem SchifTbruch in der Bai de Somme.
Patent- and Gebraachsmasterschaa in der Luftschiffahrt.
ln der Zeit vom 1. April bis 15. August 1905.
Erteilte Patente.
D. R. P. 160742. Vorrichtung, um in der Luft schwebenden Gegenständen eine lotrechte
oder wagerechte Bewegung zu erteilen. Gustav Knäpper, Dortmund. Patentiert
vom 29. Dezember 1908 ab.
D. R. P. 161695. Vorrichtung zur lösbaren Verbindung des Korbes mit dem Luftballon.
Ewald Mengel, Barmen. Patentiert vom 27. April 1904 ab.
D. R. P. 161490. Vorrichtung zum Regeln des Absturzes von in die Luft getriebenen
Gegenständen in verschieden" schneller Folge. Alfred Maul, Dresden. Patentiert
vom 4. Juni 1903 ab.
Gelöschte Patente.
D. R. P. 169854. Flugvorrichtung mit Tragschienen. Johann Götz, Rohr.
D. R. P. 140705. Steuervorrichtung für durch Schrauben bewegte Luftfahrzeuge. Josef
Sziberl, Bremen.
D. R. P. 141019. Flugvorrichtung. Maurice L£ger, Monaco.
D. R. P. 142761. Einstellvorrichtung für unter dem Fahrzeugboden angeordnete Segel¬
flächen von Luftfahrzeugen. Josef Seiherl, Bremen.
D. R. P. 155680. Luftfahrzeug mit mehreren gleichmäßig verteilten Steuern. L. H.
de Waiden, London, und H. Knudsen, Boston.
D. R. P. 157699. Schlagflügelanordnung für Flugmaschinen. George Mc. Mollen, Pertlu
Eingetragene Gebrauchsmuster.
D. R. G. M. 246666. Propeller für Luftfahrzeuge, Wagen, Boote oder dergl., bestehend
aus Flügeln, die sich nach der äußeren Peripherie hin schmal und schwer gestalten
und in stumpfem Winkel zur Welle stehen. Guido Schneider, Rochlltz. Angemeldet
2. April 1904, Aktenzeichen Sch. 18354.
D. R. G. M. 248707. Schraube für Luft- oder Wasserfahrzeuge und Ventilatoren bei der
die äußeren Ränder der Flügel umgebogen sind. Carl Herrmann, Dresden. Ange¬
meldet 11. April 1904, Aktenzeichen H. 24416.
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Einspruchsfrist bis 30. Dezember 1905.
Kl. 42c. Dr. Luigi Cerebozani, München, Capellenstr. 3. Entfernungsmesser mit zwei
an den Enden einer Basis angeordneten festen Spiegeln und zwei denselben gegen¬
überliegenden, unter einem unveränderlichen Winkel miteinander verbundenen
Spiegeln sowie einem gemeinsamen Okular.
Patentberloht aas Österreich und Ungarn,
mitgeteilt vom Patentanwalt Dr. Fuchs, dipl. Chemiker und Ingenieur Alfred Ham¬
burger, Wien VII, Siebensterngasse l. 1 )
Österreich:
Angcmeldete Patente:
KI. 77d. Soci6t6 Malegot & Cie. in Paris. Luftschiff, gekennzeichnet durch einen
armierten Träger von dreieckigem Querschnitt mit seitlichen Tragflächen, in dessen
Mitte sich ein Raum zur Aufnahme der Antriebsmaschine, der* Steuervorrichtung
und der Fortbewegungsorgane befindet, während dieser Flugkörper durch zwei
Ballons mit konstantem Auftrieb getragen wird; ferner gekennzeichnet durch eine
belastete Gondel, welche mittels eines über Rollen geführten endlosen Seiles derart
herabhängt, daß, je nachdem man das Seil im vorderen oder hinteren Schiffsteil
mittels einer Winde anzieht, der Flugkörper in verschiedene Schräglage gebracht wird.
KI. 77d. WrlghtOrvIlIe&WrightWilbur, Fabrikanten inDayton.V.S.of Am. Flugmaschine
mit übereinander angeordneten Tragflächen, dadurch gekennzeichnet, daß an der
vorderen Längsseite der an entgegengesetzten Enden unter verschiedenen Winkeln
zum Winde einstellbaren Tragflächen ein wagrecht angeordnetes Vorder- oder
Kopfruder, das durch seine Einstellung eine dem Winde zugekehrte Hohlkrümmung
erfährt und an der rückwärtigen Längsseite ein vertikal gestelltes und mit der
Verstell Vorrichtung für die Tragflächen derart verbundenes Endruder vorgesehen
ist, daß es dem Winde jeweilig diejenige Seite darbietet, welche dem unter dem
kleineren Winkel eingestellten Tragflächenende zugekehrt ist. Die Ansprüche 2
bis 4 kennzeichnen Ausführungsformen.
Nachrichten.
Bericht Ober die Ausfahrt meines Flugschiffs am 30. November 1905.
Für das Hcrausbringen aus der Halle und das Auflassen des Flugsclüffs war ein
zweiteiliger Floß vorgesehen, zwischen dessen beiden Hälften ein Kanal für die Durch¬
fahrt der Gondeln des FlugschifTs freigelassen ist.
An diesem Floß fest verankert, sollte das Fahrzeug weit in den See hinaus ge¬
schleppt und dort mit der Spitze gegen den Wind eingestellt werden, um von da aus
den Aufstieg zu beginnen.
Der rasch eingetretene niedere Wasserstand des Sees hat den Gebrauch des
Floßes am 30. November verhindert. Die zu seinem Ersatz getroffenen Einrichtungen
haben sich nicht ausreichend zum sicheren Aus- und Einfahren des Flugschiffs erwiesen.
Pontonpaare, welche an auf dem Seegrund liegenden Schienen liefen, hielten zwar
die beiden Gondeln und das ganze Luftschiff in der geraden Verlängerung der Bauhalle,
bis es diese verlassen hatte, fest; dann aber sollte es nur noch durch ein Motorboot in
den See hinaus geschleppt werden. Der vom Lande kommende Wind trieb nun sogleich
das Flugschiff schneller vorwärts, als das Schleppboot lief, so daß dieses sich eiligst frei
machen mußte. Dabei blieb das doppelte Schleppseil eines Knotens wegen am Flugschiff
*) Auskünfte in Patentangelegenheiten werden Abonnenten dieses Blattes unentgeltlich erteilt.
Gegen die Erteilung oben angeführter Patentanmeldungen kann binnen zweier Monate Einspruch erhoben
werden. Auszüge aus den Patentbeschreibungen werden von dem angeführten Patentanwaltbureau angefertigt.
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hängen und wirkte an dessen Spitze herabziehend und aufhaltend. Zugleich hob der
Wind das hintere Ende und dann auch das vordere hoch, trotz einer Überlastung von
etwa 155 kg. Da es noch keine Eigenbewegung hatte, so war es nicht steuerbar und
schoß, als das hintere Schraubenpaar in Vorwärtsgang gesetzt wurde, mit der nach unten
gerichteten Spitze in das Wasser, wobei das vordere Höhensteuer bis zur Unbrauchbarkeit
zerstört wurde.
Um das hintere Ende auf das Wasser herunter zu bekommen, mußten nun be¬
deutende Mengen Gas ausgelassen werden.
Nach diesen Vorgängen — man trieb auch sehr schnell dem Schweizer Ufer zu —
hielt ich einen Flugversuch nicht mehr für ausführbar. Das herangerufene Schleppboot
brachte das Flugschiff bis zur Halle zurück, in welche die Einfahrt in ähnlicher Weise,
wie die Ausfahrt, aber in Ermangelung des Floßes mit noch größeren Schwierigkeiten
bewerkstelligt wurde.
Bei allen diesen Vorgängen erwies das Fahrzeug seine außerordentliche Festigkeit.
Selbst während des Schleppens auf dem Wasser folgte es willig seinem Steuer.
Durch das Anziehen der Schlepptaue bei dem starken Winde wurden die vorderen
Steuer abgerissen und der vorderen Gondel einige unerhebliche Beschädigungen zugefügt.
Die Wiederherstellung dieser Schäden und die Arbeiten, um den Floß auch bei
niederem Wasserstand benützen zu können, nehmen zu lange Zeit in Anspruch, als daß
es vorteilhaft erscheinen könnte, die vorhandene Gasfüllung durch Nachfüllen bis zum
nächsten Fahrversuch brauchbar zu erhalten. Da aber die Beischaffung des für eine
Neufüllung erforderlichen Gases mindestens drei Wochen dauert, so kann auch vor dieser
Zeit ein neuer Versuch nicht stattfinden.
Friedrichshafen, 2. Dezember 1905. Graf F. v. Zeppelin.
Anmerkung der Redaktion. Wir sind der Ansicht, daß für eine nähere Besprechung des neuen
Zc ppel irischen Unternehmens weitere Versuche abzuwarten sind, und daß ein Eingehen auf deu ersten
Vdrversuch ganz verfrüht wäre. Hier möchten wir nur betonen, daß unsere Überzeugung vom endlichen
Erfolg durch Zwischenfälle, wie der oben beschriebene, die nichts mit dem Wesen der Sache zu tun haben
und über welche die Verständigen hinwegsehen, in keiner Weise berührt wird.
An die Leser!
Aus Rücksicht auf Berufspflichten sehe ich mich genötigt, die Chef-
Redaktion unserer Zeitschrift niederzulegen; ich kann dies um so leichter
tun, als die Frage der Nachfolgerschaft durch die Bereitwilligkeit des bisherigen
Mitarbeiters der Zeitschrift, Herrn Dr. A. Stolberg in Straßburg, aufs beste
gelöst ist.
Den geehrten Mitarbeitern, in deren Reihen ich hiermit zurücktrete,
sage ich für ihre eifrige und wertvolle Unterstützung noch meinen besten
Dank. Dank sage ich auch den verehrten Lesern für das Interesse an
einem so eigenartig anziehenden Gebiet, worin sich gerade jetzt, trotz allen
Kleinmütigen und Ungläubigen, immer bedeutendere Ausblicke eröffnen.
A. de Quervain.
Die Redaktion hält sich nicht für verantwortlich für den wissenschaftlichen
Inhalt der mit Namen versehenen Artikel.
Alle Rechte Vorbehalten; teilweise Auszüge nur mit Quellenangabe gestattet
Die Redaktion.
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