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ILLUSTRIßTE
GESCHICHTE DER SCHRIFT.
ILLUSTRIKTE
GESCHICHTE DER SCHRIFT
PÖPllÄR - WISSFXSt HAmil'HE DAIiSTHIB'G
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ENTSTEHUNG DER SCHRIFT
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SPRACHE UND DER ZAHLEN
SONVIK DKR
.SCHRIFTSYSTEME ALLER VÖLKER DER ERDE
V(IN
KARL FAULMANN
?R*>IEFSOR PER STENOORAPHIE, RITTER DES KCL. BAYER. VERDIRNSTORDKÜS VOM H. MICHAEL«
BESITZER ZWEIER VERDIENST-MEDAILI.EN PER WIENFR WELTAUSSTELLINO.
MIT 15 TAFELX IX FARBEN- UNI) TONDRUUlv
UND VIELEN IN DEN TEXT GEDRUCKTEN SCHRIFTZEICHEN UND SCHRIFTPROBEN.
Karel KocTous
WIEN. PEST. LEIPZIG.
A. H A R T L E B E N'S V E U L A G.
isso.
ALLE RECHTE VoRMEHALTEN.
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j
Texl-Druck der k. k.Hof-u. Staat-^tlnirkerei in Wien. — Umschlag-Druck von R.v. Waldheim in Wien.
Lithographie und Druck der Tafeln von W. ZOller & Neufeld in Wien.
Vorwort.
Der Geist der Verjfleiohnnj? ist der wahre wissenschaftliche
Gei-t iiuheros JahrhnndtTtä, vielmehr aller Zeitalter.
Meue Müller.
r- 1
^,^>^.^j. ,^^^ ^.^ Vierleljahrhundert ist verflossen, seit ich zuerst einen
-^1
Aufsatz über die Entstehung der Schrift veröffentlichte. Damals
^^' bot ich Lesefrüchte, welche ich in kindlichem Vertrauen auf die
Autorität gelehrter Männer gesammelt hatte; heute bietet der gereifte Mann
die Früchte langjähriger selbständiger Forschungen; und doch, obgleich ich
die naive Auffassung von ehemals längst über Bord geworfen habe, Einen
gesunden Kern derselben habe ich bewahrt, nachdem ich durch sorgfältige
Priifung den Werth derselben erprobt habe, und dieser Kern ist die von
vielen meiner Vorgänger geahnte, von mir zum Grundsatz erhobene Lehre :
.Zeichen bedeuten*.
Diese Lehre ist leider in jüngster Zeit von vielen Autoritäten fallen
gelassen und statt derselben gelehrt worden, unsere Schriftzeichen seien
einzig das Product eines Missverständnisses, unverstanden von Jahrhundert
zu Jahrhundert, von Volk zu Volk geschleift und auf diesem Wege theils
abgeschlifTen, theils zufällig durch Ansetzungen verändert. Es wäre an sich
gegen diese Lehre, so traurig sie sein mag, nichts einzuwenden, denn That-
:»ache ist, dass das edelste Werkzeug unseres Geistes, die Schrift, derzeit ein
ererbter, unverstandener, überlebter Mechanismus ist, welcher der gesunden
Vernunft kraft seines mehrtausendjährigen Bestandes ebenso trotzt, wie der
Aberglaube dem klaren Wissen, der ererbte Irrlhum der bessern Erkenntniss,
^ * Vorwort.
die barbarische Gewohnheit dem edlern Gefühl. Wenn aber die Vergleichung
auf Thatsachen slösst, welche durch die eben geschilderte Entwicklungs-
oder besser gesagt Entartungsgeschichte der Schrift nicht erklärt werden
können, dann dürfte wohl die Frage entstehen, ob nicht über eine wichtige
Frage zu oberflächlich entschieden wurde.
Auch die Wissenschaft kann sich irren, und sie hat sich schon oft und
schwer geirrt, denn die Wissenschaft ist niemals mehr gewesen als ein Kind
ihrer Zeit. In Beziehung auf die Schriftkunde fragt es sich überhaupt, ob die-
selbe bisher eine Wissenschaft war, denn Diejenigen, welche die Schrift-
kunde pflegten, waren in erster Reihe Philologen, Theologen, Philosophen,
allesammt aber Dilettanten auf diesem Gebiete, welches sie nur nebenher
cultivirten, und somit konnte der Verfasser dieses Werkes, dessen Beruf
ausschliesslich die Schrift ist, sich wohl in diese illustre Gesellschaft wagen.
Dennoch war es nicht Voreingenommenheit für einen Berufsgegen-
stand, dass in mir die Überzeugung von einer höhern Bedeutung der Schrift-
kunde sich entwickelte. Diese Überzeugung entstand erst allmählich als
Frucht meiner Forschungen, als Antwort auf die Frage: Wie entstand die
Schrift?
Was bisher zur Lösung dieser Frage veröffentlicht wurde, leidet an
einer Innern Unklarheit; die Lehre, nach welcher die Schrift anfangs eine
Wortschrift gewesen und dann nach und nach Silben- und Buchstabenschrift
geworden sei, hört sich wohl hübsch an, giebt aber nicht die geringste
Erklärung über die Entstehung und Anordnung der Alphabete. So lange ich
jenem Irrthume ebenfalls huldigte, ist es auch mir nicht gelungen, die Ent-
stehung der Buchstabenschrift klar hinzustellen; aber ohne noch von Max
Müller's Schriften etwas zu kennen, gelangte ich bei der Verfolgung dieser
Frage doch zu derselben Überzeugung wie dieser: „alle künftige Philosophie
wird ausschliesslich Sprachphilosophie sein*.
So wurde der Schriftforscher zum Sprachforscher, und mit der Frage
nach dem Ursprung der Schrift vermischte sich die Frage nach dem Ursprung
der Sprache. Auch auf diesem Gebiete sind alle bisher veröffentlichten Ideen
unklar, meistens sogar bereits widerlegt, wie z. B. Max Müller sowohl die
Vorwort. VII
Meiaung, dass die Sprache auf der Schallnachahmung beruhe, wie die An-
sicht, dass sie von Empfindungsiauten ausgegangen sei, als unhaltbar zurück-
gewiesen hat. Wenn ich mir daher erlaubt habe, zu den vorhandenen eine
neue Theorie hinzufügen, so habe ich wenigstens die Beruhigung, keiner
erprobten Lehre entgegengetreten zu sein.
Meine Theorie hat übrigens den Vortheil, ein naturgemässes alhnäh-
Hohes Wachsen der Sprachfähigkeit zu erklären und sich somit jener neuern
Wissenschaft anzuschliessen , welche alles Unnatürliche im Entwicklungs-
processe verwirft und diesem in seinen Wandlungen zu folgen sucht. Ich
habe sie auch nicht aufgestellt, ohne den Versuch gemacht zu haben, sie
praktisch durchzuführen, indem ich eine Sprache analytisch bis zu ihren
Elementen verfolgte. Leider habe ich bisher noch nicht Gelegenheit gefun-
den, diese Arbeiten der ÖfTentlichkeit zu übergeben; aber die Zeichenerklä-
rungen, welche das vorliegende Werk bietet, dürften den Beweis liefern, wie
klar die etymologischen Forschungen sich gestalten Hessen , wenn sie an
concreto Zeichen angeheftet würden.
Daher möchte ich an die Fachgelehrten die Bitte richten , über die in
diesem Werke niedergelegten Meinungen nicht vorschnell abzuurtheilen.
Man wird sich der Überzeugung nicht verschliessen können, dass ich
nicht blos Stoftsammler war, sondern mich bestrebt habe, in die Anschau-
ungen und Sprachen der Völker, deren Schriften ich besprochen habe, ein-
zudringen, um mir ein selbständiges Urtheil zu bilden.
Alle Lautzeichen bleiben unverstanden, erscheinen als willkürliche
Figuren oder bedeutungslose »Stricheln*, als welche sie Wultke erklärte.
wenn man sich nicht mit der Symbolik der Völker vertraut macht, wenn
man nicht in der betreffenden Sprache die Wurzeln ihrer Bedeutung sucht:
und Niemand läuft dabei leichter Gefahr, in Irrthum zu verfallen, als der in
trockenen Studien aufgewachsene Geist des Europäers, der schon in der
J-i^end den Gebieten der Phantasie entsagte, welche in ewiger Schöpfungs-
kraft in dem Geiste der orientalischen Nationen wucHern.
Ausserdem sind die Specialforschungen der Neuzeit, so fruchtbringend
*ie auch für die einzelnen Wissenschaften waren, doch der Er^ri'mdung
VIII Vorwort.
allgemeiner Gesetze im Wege. Wenn der Sinologe sich nicht um die Arbeitea
des Ägyptologen kümmert, wenn der Forscher semitischer Sprachen kalt an
den Untersuchungen der Indo-Germanisten vorübergeht, so gehen auch die
Fäden verloren, welche die einzelnen Völker aneinander knüpften. In dieser
Beziehung ist die Vielseitigkeit des Studiums mitunter fruchtbarer als die
Vertiefung in das Einzelne.
Wenn sich mir nun bei dem Lesen der Edda unwillkürlich ägyptische
Hieroglyphen vor die Augen stellten, welche die Bilder des nordischen Dich-
ters erläuterten; wenn bei dem Studium der ägyptischen Hieroglyphen mein
Gedächtniss Analogien aus der chinesischen Schrift herbeiführte; wenn bei
anderen Schriften neu auftretende Formen sich mir als längst bekannte
Figuren aus anderen Alphabeten darstellten ; wenn alle diese oft wunderbaren
Übereinstimmungen noch eine lautverwandte oder sinnverwandte Grundlage
in den correspondirenden Wörtern fanden : dann mag es wohl Jeder begreif-
lich finden, dass ich solche Goncordanzen nicht dem blossen Zufall allein
zuschreiben konnte, sondern dass sich in mir die Überzeugung von der Ein-
heit und ursprünglichen Gemeinsamkeit aller menschlichen Gultur entwickelte^
welche obendrein in den religiösen Ideen sich gleichfalls manifestirl.
Was Max Müller von der Sprache behauptet: »Wer den Einfluss,
welchen Wörter, blosse Wörter, auf den menschlichen Geist ausgeübt haben,
genau verfolgen wollte, würde zugleich eine Weltgeschichte schreiben, welche
uns wohl mehr lehren würde, als irgend eine, welche wir besitzen*, das gilt
mir auch für die Zeichen, und wenn ich, die Unzulänglichkeit meiner Kraft
kennend, einen solchen Versuch nicht unternommen habe, so glaubte ich doch
berechtigt zu sein, Bausteine zu einer solchen Geschichte der Menschheit zu
liefern, so viel ich solche auf meinem Wege fand.
Übrigens wird jedem Unbefangenen beim Lesen dieses Buches klar
werden, dass ich in erster Linie anregend wirken und zu eigenem Nach-
denken und Forschen aneifern wollte , daher habe ich auch das Gebiet der
Polemik fast nie betreten, obwohl mir dasselbe scharfe Waffen gegen die
bestehenden Anschauungen geliefert hätte. Dass mir diese wohl bekannt
smd, dass ich nicht aus Unkenntniss von dem breitgetrelenen Wege des
Vorwort. IX.
Autoritätsglaubens abgewichen bin, wird wohl aus der Fülle des StofTes zu
erkennen sein; dass es mir auch nicht an Muth fehlt, Autoritäten, wess'
Namens immer, entgegenzutreten, dafür spricht der Umstand, dass ich überall
entschieden mit meiner eigenen Meinung hervorgetreten bin, wo ich glaubte,
dass ein Bekennen derselben für die Wiederaufnahme von bereits als abge-
than geltenden Fragen von Nutzen sein könnte. Anderseits muss ich aber
auch darauf hinweisen, dass ich die Freude hatte, auf meinen einsamen
Wegen in die Spuren zweier, in gleicher Richtung sich bewegenden Forscher
eintreten zu können, nämlich in die Fusstapfen Lauth's in der Runenfrage
und in die Oppert's in der Frage der persischen Keilschrift. Ich habe diesen
Umstand als einen Beweis angesehen, dass ich den richtigen Weg ver-
folgt habe.
Diejenigen Leser, welche sich für die eingestreuten Erörterungen der
Scliriftzeichen nicht interessiren, mögen mir vergeben und sie überschlagen ;
sie finden in den allgemeinen Bemerkungen und in den Schriftproben die
Unterhaltung und Belehrung, welche sie suchen. Eine Trennung des StofTes
in einen streng wissenschaftlichen und in einen popuIäi*en, konnte ich nicht
vornehmen, da die Grenze schwer zu ziehen ist; es wäre ja möglich, dass
die Abhandlung über die Entstehung der Zeichen das grosse Publikum nicht
weni^v.T interessirte als die Fachgelehrten, da sie so recht geeignet sind,
die Entwicklung der menschlichen Anschauungen kennen zu lernen. Der
Umstand, dass schon während des Druckes dieses Werkes gegen 30()(>
EIxemplare verkauft wurden, deutet darauf hin, dass das Interesse an der
Geschichte der Schrift ein allgemeineres ist, als man bisher angenommen hat.
F'ür diese Anerkennung, welche mein Streben gefunden hat, sage
ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank, ebenso danke ich jenen
wenijrr*n Herren Gelehrten, welche so freundlich waren, mir auf Anfraj:eu
bereitwilligst Auskunft zu ertheilen, nämlich dem Herrn Professor Friedrich
Müller« Herrn Dr. Pfizmaier, Herrn Dr. Bergmann und Herrn Professor
A. Wahrmund, insbesondere aber danke ich meinem verehrten PVeundc
Herrn Dr. Gustav Winter, welcher mir während der ganzen Arbeit ralhond
zur Seite stand.
X Vorwort.
Weiters danke ich der Verlagsbuchhandlung A. Hartleben, dass sie
durch reiche Ausstattung und durch ihre Geschäftskunde es ermöglichte, dass
ein so prächtiges Werk zu so billigem Preise in den Handel kommt, und
damit die von mir ersehnte grosse Verbreitung desselben ermöglicht wurde,
ferner der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, welche ihren grossen
Typenschatz bereitwilligst zur Verfügung stellte, endlich allen technischen
Kräften, welche bei der Herstellung mitgewirkt haben. Es ist ein schönes,
Ö»»
sterreich ehrendes Druckwerk, welches ich hiermit der Öffentlichkeit über-
gebe, möge der Inhalt der glänzenden Ausstattung würdig befunden werden.
Karl Faulmann,
Inhalt
Seil«--
KiiiU'itun^ 1
Erster Theil.
Iluna oder das Geheimniss der Entstehung der Lautzeichen :25
Die Tradition ^7
Die nordischen Runen 34
Das Futhork 40
Die ür.Runen 48
Die Dreiheit 55
Die Vier 6S
Die achttbeiiige Windrose 85
Die sechzehntheiiige Windrose b9
Ein altnordisches Runenlied 107
Zeichennamen 1:J1
Die deutschen Runen 130
Kalendergeschichten 1 i9
Die gothischen und angelsächsischen Hünen 177
Rückblick 1S7
Zweiter Theil.
Di«? Schriftsysteme der Völker des Erdkreises ItK»
Amerikanische Schriften.
1. Dl«» Knotenschrift 1 'jö
± Indianische Bilderschriften 11*8
3. Die mexikanische Schrift :il 3
4. Die yukaianische Schrift l^*J4
5. Die Schriftzeichen der Muiska^ l^'J^
XII Inhalt.
Sei e
6. Die Aymara-Schritt ^i9
7. Die Schrift der Tschirokeseii d20
S. Schrift der Tinne-Indianer 331
9. Schrift der Kri-Indiauer 231
10. Schrift der Mikmak-Indianer 232
Afrikanische Schriften.
I. Die Sjryplische Schrift 235
1 . Die Hieroglyphen 235
2. Die hieratische Schrift 244
3. Die demotische Schritt 246
\f. Die koptische Schrift
252
II. Die Schriften der Beri)er 254
1 . Die numidische Schrift 254
2. Die Tamaseq-Schrift 256
III. Die Schriften der Äthiopen 260
1. Abessinisch 261
2. Die amharische Schritt 272
3. Die himyarische Schrift 273
IV. Die Vei-Schrift 276
Asiatische Schriften.
I. Die chinesische Schrift 279
1. Die Pa-kwa-Schrift 28<3
2. Die Schrift Ku-wen 282
3. Die Schrift Ko-teu 2S8
4. Die T§\van-Schrift 292
5. Die Li-Schrift 207
G. Die Tshao-Schrift 298
7. Die Kyai-Schrift ; -299
II. Japanische Schrift 305
1. Manyokanna 305
2. Katakanna 305
3. Firakanna 310
4. Yainatokanna 31^
5. Das Syllabar Zyak-seo's 31 2
III. Die tatarisch -mongolischen Schriften 314
1 . Die koreanische Schrift 320
2. Die Xiut§i-Schrift 322
3. Die uigurische Schrift 325
Inhalt XIII
Seile
•i. Di»» kalmückische Schrift 3:27
5. Die mongolische Schrift 3:?8
6. Die inaiid2urische Schrift 3:29
IV. Die Keilschriften 331
] . Die akkadische Keilschrift 335
4
5i. Die assvrisch-habvlonische Keilschrift 337
3. Die niedische Keilschrift 342
i. Die armenische Keilschrift 344'
5. Die persische Keilschrift 344
V. Die kyprisehe Schrift 348
Kyprisches Syllabar , 350
VI. Die phönikisch-hehraische Schrift 357
1. Die moabitische Schrift 359
i. Die samaritanische Schrift 360
3. Die phönikische Schrift 363
4. I>ie neupunische Schrift 365
5. Die aramäische Schrift 366
6. Die palmyrenische Schrift 368
7. Die hebräische Quadralschrift 369
S. Haschi oder Habbinisch 372
Spanisch-levantinisch 372
Italienische Haschi . . 372
9. Weiberdeutsch 372
10. llphräL^che Schreibschrift 373
VII. Die syrischen Schriften 374
1. Die mandäische Schrift 376
2. Estrangelo 379
3. Die Schrift der Melchiten 385
4. Die Schrift der Xestorianer 386
5. Die Schrift der Jakobiten 387
6. PeMto 387
Vin. Die pt-rsiscben Schriften 387
1. Die SasanidenSchrift 391
2. Die IVhlevi- oder Huzvare^ -Schrift 391.
3. Die Zend-AvestvScbrift 396
I. Die kabuliscbe Schrift 390
IX. Di*» arabischen Schriften 401
1. Die hauranitischen Inschriften 402
2. Die nabathäische Schrift 406
3. Kufisch 409
XIV Inhalt
Seite
4-. Die karmatische Schrift 41S
5. Die Ma7reb-Schrift ^19
6. Die Neskhi-Schrift 4-19
7. Die Tülüt-Schrill 431
8. Die Dierisi-Schrift 421
9. Die Taalik 44i
10. Die Rikai 422
11. Die Diwaiii 422
12. Die Dzeri 422
13. Die Kalemi-rasd 423
14. Die Syakat 423
X. Die indischen Schriften 423
1. Die Schriit der LeptSa 4o2
2. MulUn 454
3. Sindh 456
4. Gudzarat 457
5. Maipradha 4oS
6. Xepal 464
7. Sikh 465
8. Marathi 467
9. Ka$mir 467
10. Devanagari 467
1 1 . Ben^'alisch 470
12. Orissisch 471
13. Xerbadda 472
14. Telingisch 473
15. Karnatisch . . 474
16. Tamulisch 475
1 7. Malabarisch 477
18. Singalesisch 478
19. Maledivisch 479
20. Tibet 480
21. Pali-Birmaniseh 4JS5
22. PaH-Siamesisch 489
23. Javanisch 493
24. Philippinen 495
25. Die übrigen malayischen Schriften 497
XI. Die armenischen und georgischen Schriften 497
1 . Armenisch 499
2. Georgisch 501
Inhalt. XV
Europäische Schriften.
* Seite
I. Die griechische Schrift (Inschriften, Gursiv, üncial, Minuskel) 505
Neupriechis^rhe Schreibschrift 517
Tachygraphie 517
11. Die pothische Schrift 518
III. Die slavischen Schriften 523
1. Glagolitisch 532
2. Cyrillisch 533
3. Russisch 533
4-. Serbisch 535
5. Rumänisch 536
6. Die Schriften der westlichen Slaven 536
IV. Albanesisch 537
V. Altitali<che Schriften 5i2
1 . Unibrisch 543
2. Oskisch 544
VI. Die lateinische Schrift 545
1 . Capitalschrift 546
2. Uncialschrift 547
3. Cursiv 548
i. Tachygraphie 549
.% . Merowingisch 551"
Ü. Minuskel 556
VII. Der Buchdruck 562
VIII . Die Schreibschrift 580
IX. Sprache und Schrift 583
X. Telegraphie 586
XI. Stenographie 587
J, Englische Stenographie-Systeme:
1. Ratcliff 1588 5^.8
2. Jolm Willis 1602 5^s
X Edmond Willis 1618 Ö^J
i. Jeremiah Rieh 1654 5i>0
.\ Wilham Mason 1672 591
♦>. Thomas Gumev 1710 593
7. James Westen 1 727 594
N. John Mitchell 1783 595
9. Aulay Macaulay 1 747 59.*>
10. Jnhn Bvrom 1767 597
n. Sannu-l Taylor 1786 599
12. I?auc Pitman 18:57 iWH)
XVI Inhalt.— Tafeln.
B. Französische Stenographie-Systeme:
1. Jacques Cossard 1651 604
± Charles Alovs Ranisay 1065 604
3. Couion de Thevenot 1778 604
4. Theodore Pierre Beilin 1792 605
5. Conen de Prepean 1S13 6a~>
6. F. G. Astier 1816 606
7. FavetlS3L> 607
m
8. Prevost-Delaunav 18-i6 1878 607
m
9. Duploye Freres 1868 608
C Deutsche Stenographie-Systeme:
1. Friedrich Mosengeü 1796 -. . .609
± Karl Gottlieh Horstig 1797 609
3. J. C. Danzer 1800 610
4. Julius Leichtlen 1819 611
5. J. Xowak 1830 18k) 611
6. Franz X. Gabelsherger 1818 612
7. Wilhelm Stolze 1840 618
8. L. A. F. Arends 1850 620
9. Karl Faulmann 1875 621
Schlussbemerkung 623
Anmerkungen 625
Die beigelegten Tafeln sind einzufügen:
zu Seite
1. Indianische Kekinowin und mexikanische Zeitzeichen 200
2. Mexikanisches Schriflgemälde 214
3. Theil eines ägyptischen Wandgemäldes aus den Pyramiden 238
4. Chinesische Schriflspielarten 294
5. Chinesische Schriftarten 300
6. Babylonisch-assjTische Keilschrift 340
7. Deutsche hebräische Schrift des Mittelalters 342
9. Arabisch 418
8. Arabischer Titel 420
10. Sanskrit und Pali 470
1 1. Armenisch 500
12. Griechische Uncial IX. Jahrhundert 514
14. Römisches Wachstafelchen 548
13. Lateinischer Palimpsest 560
. * » '
Einleitung.
INE Geschichte der Schrift ist bisher noch nicht geschrieben worden,
sie hätte auch in früherer Zeit sehr unvollkommen bleiben müssen, da
ihr das Material fehlte, welches zum grössten und wichtigsten Theile erst in
diesem Jahrhundert gesammelt worden ist. Von den Völkern des Alterthums
haben nur die Chinesen der Geschichte ihrer Schrift grössere Aufmerksamkeit
gewidmet, aber ihre diessbezüglichen Arbeiten sind uns erst in diesem Jahr-
hundert durch Hager (1801) bekannt geworden; Juden, Griechen und Römer,
welche vorzugsweise die Quellen für unsere Geschichtschreiber lieferten, haben
sich fast gar nicht um die Geschichte der Schrift bekümmert, erst die gelehrten
BenedictinermÖnchc von der Congregation St. Maur, Mabillon und Montfaucon
begründeten im 17. Jahrhundert die lateinische und griechische Paläographie ;
Ulrich Kopp (1819) schuf in seinen , Bildern und Schritten der Vorzeit" die
vergleichende Schriflkunde ; Alexander von Humboldt erweckte (1811) das
Interesse an den mexikanischen Hieroglyphen, indem zugleich sein gewaltiger,
alle Himmels- und EIrdräume umspannender Geist auf den Zusammenhang
hinwies, der zwischen den Sitten und Ideen der amerikanischen Völker und
denen Asiens bestand ; ihm schloss sich Schoolcraft an, der in den Vierziger-
Jahren Alles sammelte, was sich auf die Sitten und (iebräuche der nord-
amerikanischen Indianer bezog; Ägyptens Hieroglyphen wurden uns erst
durch die Forschungen Champollion's in den Zwanziger-Jahren verständlich
gemacht, um eben diese Zeit eiitzitTerte Grotefend die persepolilanischen Keil-
schriften, 1845 wurde durch Layard's Ausgrabungen Niniveh wiederum ent-
deckt und in seinen Trümmern die Schlüssel der assyrisch -babylonischen
Keilschriften gefunden, endlich wurden von dem gelehrten Prinsep zu Anfang
dieses Jahrhunderts die Inschriften Indiens gesammelt und veröfTentlichl. So
l«»ulm«ao, («««chichlo <]. Srhhlt. 1
2 Meiminjreii ül»er die Entstehung der Schrift.
reihten sich Entdeckungen an Entdeckungen, mit grossem Eifer und Erfolg
beuteten gelehrte Gesellschaften und einzelne Forscher, deren Namen hier
aufzuzählen zu weit führen würde, die erschlossenen Fundgruben aus und
erölfneten eine neue Geistes weit, von welcher noch das vorige Jahrhundert
keine Ahnung hatte. Im Jahre 1852 konnte der verstorbene Director der
k. k. Staatsdruckerei in Wien, A. Auer, mit einem Tableau der Alphabete des
gesammten Erdkreises auf der Londoner Ausstellung auftreten, welches fast
hundert verschiedene Schriftarten enthielt, und wie sehr inzwischen das
Material gewachsen ist, zeigt des Verfassers auf Veranlassung der k. k.
Staatsdruckerei im vorigen Jahre veröffentlichtes „Buch der Schrift'', welches
266 verschiedene Schriften enthält.
Je mehr das Material für die Schriftkunde anwuchs, desto mehr änderten
sich auch die Ansichten über die Geschichte der Schrift. Noch zu Anfang
dieses Jahrhunderts konnte die Meinung aufgestellt werden, Adam habe bei
der Schöpfung zugleich die Gabe der Rede und Schrift, und zwar der Buch-
stabenschrift erhalten. Nach Bekanntwerdung der Hieroglyphen entstand die
Meinung, die Menschen hätten zuerst Bilder roh gezeichnet, dann mit Hilfe
dieser Bilder eine Wortschrift geschaffen, von dieser seien sie zur Silben-
schrift und dann zur Buchstabenschrift übergegangen, welche letztere von
den Phönikiern auf Grund der Hieroglyphen erfunden worden sei. Diese
Ansieht ist noch jetzt sowohl in wissenschaftlichen wie in Laienkreisen all-
gemein verbreitet, und ein französischer Gelehrter hat sie zur Grundlage einer
geistreichen Schilderung genommen, nach welcher die Vorsehung die Menschen
von Stufe zu Stufe auf der Erkenntniss des Schriftwesens geführt habe, wobei
natürlich angenonnnen wurde, dass unsere jetzige Buchstabenschrift die beste
aller Schriften sei.
Es ist jedoch nichts gefährlicher und mehr zu Irrungen führend, als das
Aufstellen von wissenschaftlichen Svstemen, nach denen die Thatsachen*
bemessen werden; die Naturwissenschaften, welche unter allen gelehrten
Disciplinen die exaclesten sind, haben einen ähnlichen Irrthum, welcher in
gleich successiver Weise eine Steinzeit, eine Bronzezeit und eine Eisenzeit
schuf, nicht lange bestehen lassen; Ihatsächlich hat sich auch nie aus einer
Silbenschrift eine Buchstabenschrift entwickelt, ja eine genauere Kennlniss
der Hieroglyphen Ägyptens zeigt uns in diesen Hieroglyphen das Vorkommen
von Lautzeichen oder Buchstaben als ebenso alt wie das Vorkommen der
Verschiedenheit in der Entwicklung der Schrilt. 3
Sclirifl selbst, sogar bei den Mexikanern, welche die Ereignisse wirklich
malten und nicht sclu-ieben, begegnen wir in ihren Gemälden Lautzeichen
für Namen, nur in den Totems der nordamerikanischen Rothhäute sind
Namen und Begriffe identisch.
Dem unbefangenen Beobachter dieser Thatsachen musste sich daher
die Überzeugung aufdrängen, dass die Entwicklung der Schrift durchaus nicht
so einfach und systematisch war, wie man bisher annahm, dass vielmelu*
-dieser Entwicklungsgang ein complicirterer und verschieden ausstrahlender
gewesen sei, und dass überhaupt auf dieser Entwicklungsgeschichte ein liefer
Schleier liege, den nur sorgfältig vergleichende Untersuchung nach und nach
zu lösen vermöge. Insbesondere drängte sich diese Überzeugung dem Ver-
fasser des vorliegenden Werkes auf, als er das Material seines ,, Buches der
Schrift " zusammenstellte, als die Eigenlhümlichkeiten, welche die einzelnen
Alphabete boten, sich störend einer übersichtlichen Anordnung entgegen -
«stellten und sich die Unmöglichkeit ergab, den Stammbaum der Schriften,
den Prof. Lenonnant aufgestellt halte, mit den unleugbaren Thatsachen ui
Cbereinstimmung zu bringen. Er kam dabei zu dem Schlüsse, dass die Ent-
wi<klung der Schrift als Wort-, Silben- und Buchslabenschrift von der Wissen-
»rhaft in Zukunft nicht aufrechterhallen werden könne, und wie die Che-
miker die Wer Elemente: Luft, Erde, Feuer und Wasser, aufgegeben und
flaftir einige sechzig Elemente angenommen haben , trotzdem sie überzeugt
jsind, dass die Körper in Wirklichkeit aus sehr wenigen allgemeinen Grund-
stoffen bestehen, die letzteren aber mit den jetzigen Mitteln der Wissenschaft
norh nicht eruirbar waren, so wird auch die Schriftkunde nicht an Werth
verlieren, wenn sie verschiedene Bildungscentren der Schrift annimmt und
gestehen muss, dass wohl der einheitliche Ursprung aller Schriftformen zu
vemiuthen, aber derzeit noch nicht nachweisbar ist.
Dem Verfasser des vorliegenden Werkes ist es jedoch bei den ein-
gehenden Untersuchungen, welche er über diese Frage anstellte, geglückt, in
einer Beziehung zu besseren Resultaten als die Chemiker zu gelangen, es ist
ihm gelungen, einige Schriften bis zu ihrem Ursprünge zu verfolgen und den
allmäUgen Aufbau derselben zu beobachten. Dies gelang ihm nur dadurch,
dass er sich nicht auf dieVergleichungder Schriftzeichen beschränkte, sondern
auch d\e Überlieferungen, die Religionen und Sitten der Vorzeit, die Enl-
derkungen der Geologen und Anthropologen, endlich die Sprachvergleichung
4 Cullurhis torische Bedeutung der Geschichte der Schritt.
zu Rathe zog. Die Resultate, zu denen er gelangte, liefern die sichere
Gewähl', dass auch andere Alphabete sich in derselben Weise analysiren
lassen, aber die Sprachkenn tniss, welche dazu gehört, in diese Verhältr.isse
einzudringen, können derlei Studien nur zu Gegenständen einer Special-
forschung machen, welche er Anderen überlassen muss.
Es ergab sich aber auch aus diesen Studien, dass die Geschichte der
Schrift eine grössere Bedeutung hat, und dass sie, indem sie in die graueste
Vorzeit zurückführt, zugleich eine Geschichte der menschlichen Cultur ist.
Dieser Umstand hat den Verfasser veranlasst, seine Arbeit nicht einem kleinen
Gelehrlenkreise, sondern dem ganzen gebildeten Publikum vorzulegen, und er
war so glückUch, einen Verleger zu finden, welcher, die Verbreitung wissen-
schaflhcher Kenntnisse sich zur Hauptaufgabe machend, seinen Wünschen
entgegenkam.
Die Popularisirung der Wissenschaft ist eine geistige Strömung unserer
Zeit, sie wurde hervorgerufen durch die Buchdruckerkunst und ihre Schnell-
presse, sowie durch die Verbreitung der Mittelschulen, welche ein grosses, mit
wissenschaftlicher Vorbildung ausgerüstetes, gebildetes Publikum schaffen, sie
ist nothwendig für die Wissenschaft selbst, welche, wie jede Höhe, eines
breiten Fundaments nicht entbehren kann. Wo die Wissenschaft dieser
breiten Basis entbehrte, wie in Babylon und Ägypten, musste sie mit der
Unwissenheit paktiren und w^urde schhesslich selbst zu dieser herabgezogen,
wogegen das kleine Volk der Griechen, bei welchem die Bildung in das Volk
drang, unsterbliche Geisteswerke schuf und bewahrte. Nichts kann dem For-
scher mehr den idealen Schwung geben, der ihn aufrechterhält in den stillen
Nächten geistiger Arbeit, bei dem mühevollen Durchdringen dunkler Fragen,
bei dem Ringen seiner Gedanken nach Licht und Wahrheit, als die Hoßhung,
dass er nicht blos für die kalten Gräber der Bibliotheken arbeitet, sondern
mitwirkt an der Aufklärung seines Volkes und vorarbeitet für andere Forscher,
die sich nicht immer aus den engen Kreisen der Fachgelehrten recrutiren.
Wie der Professor nur vor vollen Bänken den rechten Schwung seines Geistes
findet, so findet auch der Schriftsteller in der grossen Zahl seiner Leser die
Ermuthigung, alle seine Kräfte an die Lösung der höchsten Aufgaben zu
setzen.
Und wohl dem Lande, dessen Bürger sich nicht auf Erwerben und
Geniessen beschränken, sondern mit Interesse die Arbeiten der Forscher
Culturhi?torisclie Bedeutung der Geschichte der Sclirift. '>
begleiten, heute mit Spannung den Ergebnissen einer Nordpolfahrt lauschen,
morgen den Berichten über die neuesten Entdeckungen auf dem Gebiete der
Naturwissenschaften folgen und ein andermal vor den ausgegrabenen Über-
resten der Vorzeit stille Betrachtungen über Einst und Jetzt anstellen: die
Beschäftigung mit der Wissenschaft bildet die sittliche Kraft des Staates, sie
stählt den Geist in den Tagen der Gefahr, denn sie lehrt, dass es ausser Essen
und Trinken, dessen sich auch der Sklave freut, für den gebildeten Menschen
noch etwas Höheres giebt, wofür mit Gut und Blut einzustehen werth und
edel ist, und das ist die Bildung und die Menschenwürde.
Womit könnte aber dieses Grefühl mehr erregt werden, als wenn wir
au der Hand der Schriftkunde hinabsteigen in die Dunkelheit der Vorzeit,
wenn wir von den Schriflzeichen lernen, welche vieltausendjährige Geistes-
arbeit PS gekostet hat, auch nur die elementarsten Wissenszweige, wie
Sprechen, Schreiben und Rechnen, zu schaffen, wie die Zunge mühsam vom
geistigen Willen gelenkt wurde, ihre Laute zu bilden, wie die primitivsten
Eintheilungen der Zeit in Wochen, Monate und Jahre nur langsam sich durch-
arbeiteten u. dgl.? Wir bewundern an der Hand der Geologie, wie die Erde
in Millionen von Jahren riesige Gebirge und tiefe Meere erzeugte . aber nicht
minder staunenswerth ist der Entwicklungsgang, den uns die Geschichte
der Sclirifl vorführt, indem sie uns zeigt, wie der schwache Mensch nur durch
die Ausbildung seiner geistigen Kräfte sich zum Herrn der Pflanzen- und Thier-
well aufschwang und sich die Kräfte der Natur dienstbar machte: wie uns
durch die Schrift das reiche Erbtheil einer fruchtbaren Weisheit erhalten
wurde, welches ein schöneres Los, als unseren Vorfahren zu Theil geworden,
uns in die Wiege legte, und welches daher zu bewahren und zu vermehren
die heiligste xVufgabe unserer Dankbarkeit und unserer Pflichten gegen unsere
Nachkommen ist.
Angesichts der Ankündigung dieser neuen oder bisher nur wenig beach-
teten Eigenschaft der Schrift, das Dunkel der Vorzeit zu öffnen, wird der
Les#*r zunächst die Frage aufwerfen, aus welchen Quellen der Verfasser die
Kenntniss dieser Geheimnisse habe, deren er sich rühmt, und ob er die Rich-
tigkeit seiner Anschauungen beweisen könne. Soweit diese Quellen Werke
sind, ist die Antwort darauf in den kleinen Ziffern gegeben, welche in den
Text eingestreut sind und auf den Anhang verweisen . der die volUtändijr^Mi
Titel, sowie die nähere Bezeichnung der Stellen enthält : diese Ziffern sind
6 Quellen für die Geschichte der Schrift.
für die F'achgelehrten bestimmt, welche Gelegenheil und Müsse haben, die
betreffenden Werke nachzusehen und sich von der Richtigkeit der Citate zu
überzeugen; für das Publikum, welches keine Gelegenheit zu derartigen
Quellenstudien hat, genüge die Bemerkung, dass nur Werke anerkannter
Autoritäten als Grundlage benutzt worden sind. Eine weitere Grundlage bieten
die Zeichen und die fremdsprachlichen Wörter. Auch diese sind nur aus den
anerkanntesten Werken entnommen; es sind keine Zeichen, keine Texte auf-
genommen worden, welche nicht von Fachgelehrten entziffert worden sind
oder die Sanction derselben erhalten haben; es ist keine Übersetzung eines
fremdsprachlichen Wortes gegeben, die nicht in guten Wörterbüchern nach-
weisbar wäre. Der Verfasser hat sich einzig und allein das Recht genommen,
aus diesen von der Wissenschaft gegebenen Thatsachen Schlussfolgenmgen
zu ziehen und diese Folgerungen dem Urtlieile der Leser vorzulegen, von
denen er nur ein gesundes Urtlieil und keine Sprachkenntnisse verlangt, wes-
halb auch griechische und lateinische Wörter mit deutscher Übertragung
gegeben wurden: in diesem Sinne hat der Verfasser die populär- wissen-
schaftliche Darstellung aufgefasst.
Der Verfasser mussle sich ferner vor Augen halten, dass die Streit-
fragen, welche bisher von Schriftkundigen erörtert wurden , dem grossem
Publikum bisher wenig bekannt geworden sind ; er hält daher diese Einleitung
umsomehr für den Ort, diese Fragen zu besprechen, als einerseits der hihalt
des Werkes selbst nicht polemischer Natur ist, andererseits die Erörterung
dieser Fragen geeignet ist, als Vorschule für die Geschichte der Schrift zu
dienen, indem sie Anlass giebt, das Wesen der Schrift im Allgemeinen und
ihr Verhältniss zur Zahl wie zur Sprache zu berühren. Naturgemäss werden
wir dabei vom Nächstliegenden ausgehen, und zunächst die Frage in's Auge
fassen: Wie ist unsere gebräuchliche Schrift entstanden?
Diese Frage ist bisher noch keineswegs gelöst worden. Sicher ist nur.
dass wir unsere lateinische Schrift von den Römern entlehnt haben; was jedoch
die Entlehnung der römischen Schrift von den Griechen, die Entlehnung der
griechischen Schrift von den Phönikiern. die Entstehung der phönikischen
Schrift betrifft, so hatten wir darüber bisher nur Traditionen, deren Dunkel-
heit vieh* Fragen un^'rlöst lässt. Angenommen z. B.^ die Römer hätten ihre
Buchstaben von den Griechen entlehnt, warum nahmen sie das griechische
P (f) für j) und iii^ht für r. und wannii nahmen sie das R, welches die
Meinungen ül)er den Ursprunjr tles Alphabets. 7
Griechen aufgaben, warum machten sie F (tj) zu C, um dann noch ein G
zu schaffen, während das K, welches das lateinisch«? G ist, sich als fremdes
Zei<*hen in der römischen Schrift herumtreibt? Angenonnnen» dass die Grie-
chen ihre Schrift von d(m Phönikiern erhielten, warum machten sie das alt-
hi'bräische X 0) zu kh, warum machten sie aus dem phönikischen ^ das
^^ oder aus ni ein Z oder 1, vereinfachten sie einerseits und complicirten
<!♦» andererseits phönikische Zeichen? Man antwortet, die Griechen seien im
S<*hreiben ungeschickt gewesen und hätten nicht g(»nau nachgeschrieben, was
j:»'gf'nuber der griechischen Kunstfertigkeit in der Giselirung und Bildhauer-
kunst ein eigenthümliches und wenig überzeugendes Argument ist. Aber,
<iii*ss bei Seite gelassen, wie erklärt sich der Wechsel in den griechis<*hen
Alphabeten, wo h einmal i das andereiual s ist, M «*inmal m das anderemal
*, B sogar als e vorkommt und X bei einigen Stämmen khj bei den anderen
ks ist? Wenn man alles dieses der Unwissenheit und Ungeschicklichkeit
zuschreibt, weil man keine Erklärung dafür weiss, so läuft man Gefahr, ober-
flächlich zu urlheilen und die eigene Unwissenheit Anderen «lufzubürden.
Noch eine andere P>age drängt sich hier auf: Sollten die Griechen keine
Schrift besessen haben , bevor sie mit den Phönikiern bekannt wurden ?
Haben sie, die den Hinmiel in allen seinen Theilen mit Sternbildern bemalten,
keine ZfMchen für ihre irdischen Bedürfnisse gehabt, während doch die wihien
Finnen, die Nomaden Sibiriens, die Jägerstämme der nordamerikanischen
Indianer Schriftzeichen besassen?
(Jehen wir nun über zu den phönikischen Schriftzeichen, so begegnen
uns hier zwei Meinungen: tue eine sagt, die Schriftzeichen hätten ni(* etwas
be«i»Mitet, sie sei<»n willkürlich für die Laute gewählt worden, die an<lere
behauptet, tlie phönikischen Zeichen X. 4 "1 »• ^- w. seien verderbte Formen
der hi^Tatischen Zeichen ^ ^ o^m welche in Hieroglyphenforin ^L ^^
^ir\, ein Adler, ein Sumpfvogel und ein Napf sind. * Ich hab«» s<hon in einer
frühern Abhandlung: ,»Neue Untersuchungen über den Urspnnig des Alpha-
bets* die Ungereimtheit <iieser Behauptung nachgewiesen und gezeigt, dass
die phönikischen Schriftzeichen mit anderen Hieroglyphen und hieralis<hen
Foffneii Ahnlichkeil haben, und wenn es mir bei jener Arbeil noch nicht
i:elung«Mi war, der Frage auf den (irund zu kommen, so bin ich. auf dem
b«*lretenen Wege weiter schreitend, do<*h gegenwärtig zur Lösung dieses
I^'ithsels gekommen, und werde diess in den folgenden Gapiteln nachweisen.
" Zeichen bedeuten.
Vorher durfte es nicht überflässig sein, die Meinung zu beJeuchlen.
nach welcher die Zeichen Producte der Willkür seien, die gegenwärtig nichts
als den Laut bedeuten und nie etwas Anderes bedeutet hätten. Es giebt noch
manche andere Zeichen als Lautzeichen, deren Bedeutung gegenwärtig nur
den Culturforschem bekannt isU die aber im gewöhnlichen Leben gewohn-
heilsmässig und unverstanden fortgeführt werden. Wir geben unseren Kindern
in der Wiege noch dieselbe Klapper als Spielzeug in die Hand, welche in der
Vorzeit dazu diente, böse Geister zu vertreiben; wir geben ihnen dieselbe
Puppe, welche einst als guter Geist über dem Kinde wachen sollte ; die Vogel-
scheuche, welche wir in den Feldern finden, schreckt die Vögel wenig, einst
war sie der Gott der Grenzmarken, welcher das Feld vor Diebstahl sichern
sollte: ebenso wird noch alljährlich in den Weingärten die hohe Stange mit
den Knoten aufgerichtet, aber nur der Südsee-Insulaner \vürde sich hüten,
dieser Stange wegen eine Traube zu stehlen, weil er glaubt, der Knoten
wurde ihn auf mystische Weise dingfest machen, unsere Bauern verlassen
sich nicht mehr auf diese heiligen Knoten , sondern setzen einen handfesten
Wächter daneben ; auf des Verfassers Frage nach der Bedeutung dieser Stange,
wurde ihm die naive Antwort, sie zeige an, dass ein Wächter vorhanden
sei(!), während doch der Südsee-lnsulaner ihre ursprüngliche Bedeutung
besser kennt: ob die Quasten, welche das Militär trägt, nicht dieselben
Knoten sind, welche den ägyptischen Soldaten vor dem Tode schützen sollten,
wollen wir dahin gestellt sein lassen, sicher aber ist, dass der Adler auf der
Standarte, welchen die Franzosen den Römern entlehnten, der Sonnengott
Horus ist. welcher die ägyptischen Truppen zum Siege fuhren sollte, und
bei manchen Gefallenen hat man Amulette gefunden, welche der Cullur-
forscher , Fetische " nennt. Wenn die sparsame Hausfrau über den Brodlaib,
bevor sie ihn anschneidet, das Kreuz macht, so ist es nicht das christliche
Symbol, sondern das uralte X» welches in die Mathematik als Zeichen der
Vermehrung von Stifel eingeführt wurde; der Brodlaib ist aber, mag man das
Wort auch mit ai schreiben, das wahrhafte Svmbol des Leibes mit dem Nabel
in der Mitte, wie das Kipfel das Symbol des Mondes, der Striezel ein Weiber-
zopf, die Semmel ein Fruchtknoten, kurzum die sämmtlichen -Bäckerwaaren
hieroglyphische Formen sind. Wenige denken daran oder wissen, dass
diese Backwaaren noch heute dieselbe Form haben wie zu jener Zeit, wo sie
als Opfer den Göttern gebracht wurden, als Ersatz für die Menschenopfer.
Zeichen bedeuten. ^
die einst in natura geliefert werden mussten ; Wenige denken daran, dass die
Schmausereien an den hohen Festtagen Überbleibsel der alten Opferfeste
und dass wir glücklicherweise nur mehr symbolische Menschenfresser sind:
aber von Geschlecht zu Geschlecht vererben sich die Bräuche, erhalten sich
unbewusst die Formen und Zeichen, die einst hochbedeutend waren, ebenso
wie sich unausrottbar der ^Vberglaube erhält, der doch nichts ist als ein
alter Glaube, den die herrschende Lehre verwirft, den aber das Volk treu
bewahrt hat.
An die Stelle der uralten Sudkunst ist der moderne KafTeesatz getreten,
an die Stelle der uralten Lose das Kartenschlagen, und wenn sich auch heut-
zutage kein Pharao Traumdeuter mehr hält, so giebt es doch Leute genug,
welche an die Bedeutung der Träume glauben. Vergeblich haben Gewalt und
Wissenschaft gegen den Aberglauben geeifert, er pflanzt sich fort von
Geschlecht zu Geschlecht, und während mühsam und verdrossen die Jugend
in den Schulen die Lehren der Wissenschaft aufnimmt, zeigt sie sich lern-
begierig und mit wunderbarer Auffassung gegenüber den Lehren des Aber-
glaubens, der von den ehemaligen Pries lerinnen der Germanen, den Frauen,
mit einer Geschicklichkeit docirt wird, um die sie mancher Pädagog beneiden
könnte.
Was folgt daraus? Die Idee ist ^wig, sie mag misshandelt, zur Fratze
verxerrl werden, aber sie lebt fort von Geschlecht zu Geschlecht, und unter
diesen ewig fortlebenden Ideen ist im Volkshewusstsein am tiefst»'n die Idee
eingewurzelt, dass Zeichen bedeuten.
Wenn wir im Schutthaufen des Aberglaubens eine Perle finden, ist sie
deshalb weniger werth. als wenn sie in irgend einem Museum als Rarität auf-
bewahrt worden wäre?
Wenn aber die Zeichen bedeuten, wenn die Überlieferung sich so treu-
lich forterbt, dass z. B. die altheidnische Rune %, welche ,Name, Wesenheit.
Eigenthum* bedeutet, und wahrscheinlich ursprünglich ein Knoten war. noch
jelzl als Kreuz die Namensunterschrifl vertritt, während sie sich als Herr N.N.
s<igar im Gebrauche der Schriftkundigen erhalten hat, um wie viel mehr
niuss denjenigen Zei(*hen eine Bedeutung innegewohnt haben, die den StotV
zum Alphabete lieferten, schon deshalb , weil sie ja zugleich die Zeichen der
Lose waren, denn, dass nicht nur die Runen Lose waren . sondern das Los-
werfen auch bei den Juden im Gebrauche war, lehren ja genug Stellen der
tO Zeichr^ii al? Lose. — Zeiclieimamen. — Polyj>honie.
Bibel, und die Juden werden doch sicher ebenfalls die Lautzeichen als Lose
■
verwendet haben, wie die nordischen Völker Europas.
Waren die Schriftzeichen Lose, so waren es auch heilige Zeichen, und
dieser Umstand spricht entschieden dagegen, dass dieselben aus Unkenntniss
«
oder Ungeschicklichkeit verändert worden seien; finden wir trotzdem ver-
schiedene Schriftzeichen vor, so' beweist diess, dass den Zeichen Begriffe
innewohnten, welche, verschieden aufgefasst, sich in verschiedener Gestalt
nianifeslirten, und dieser Verschiedenheit der Auffassung begegnen wir nicht
nur in den Formen, sondern auch in den Namen der Zeichen, welche Namen
wiederum beweisen, dass die Zeichen bedeuten. Die Wichtigkeit dieses
Umstandes hat den Verfasser veranlasst, in einem eigenen Abschnitte die Natur
der Zeichennamen zu erörtern; hier sei nur daraufhingewiesen, dass, wenn
der hebräische Name Beth mit fxifh , Tochter** verwandt ist, das Zeichen ^
in dem griechischen B, welches ein Weib vorstellt, ein Analogon gefunden
hat, was nur Diejenigen nicht verstanden, welche in Befh durchaus das Wort
fxiifh ,Haus** suchten, in ^ durchaus die Form eines Hauses finden wollten
und nicht beachteten, dass das arabische „Harem" den Grundbegriff des
,V>rschlossenseins" enthält, der sich im hebräischen Intth , Mädchen* (Jung-
frau) findet, aber doch etwas Anderes ist als B, welches das ,Weib" bedeutet.
Dieses eine Beispiel lehrt, dass die Frage des Zusammenhanges zwi-
schen Zeichen, Laut und Zeichennamen nicht so oberflächlich erörtert wer-
den darf, wie diess bisher leider immer geschehen ist. Lässt sich aber nach-
weisen, dass die Lautzeichen Symbole von Begriffen waren, dann erscheint
auch die oben erwähnte Vertauschung der Zeichen im griechischen Alphabete
in einem andern Lichte, dann beweist sie, dass die Polyphonie, d, i. die
Mehrdeutigkeit eines Zoi<'hens, welche bisher nur in der Keilschrift und in
den ägyptischen Hieroglyphen bekannt war, indem z. B. ►yT'^T ri und tal, y
k und s bedeuteten, auch hi anderer Form bei den Griechen zu Hause war,
indem z. B. B in Halikamassos b und in Korintli e, 5 in Korinth i und in
Athen .s gelesen wurde, bis später in ganz Griechenland ein einheitliches
System sich einbürgerte.
Bei der Neuheit dieser Tliesis ist es mir angenehm, auf ein anderes
Gebiet hinweisen zu können, welches viele Analogien enthält und diesem
Gegenstande nahe verwandt ist, nämlich auf das der Religion. Die religiösen
Mvthen der Alten sind von der Oberflächlichkeit ebeiitalls für alberne Fabeln,
Religion und .Schrift. 1 1
ersonnen von müssigeu Köpfen, gehalten worden, weil ihr das Verständniss
dafür fehlte, dass Zeus sich in einen Stier, einen Goldregen oder in einen
Srhwan verwandelte, um verschiedene Erdentöchter zu beglücken. Wenn
nun aber diese Erdentöchter Personificationen der Erde selbst sind , wenn
Zeus als Hinimelsgott identisch ist mit den Kühen des indischen Gottes hidra,
welche die Wolken sind, und mit den goldenen Thränen der Isis als befruch-
tender Sommerregen, endHch als Schwan ebenfalls die weisse Wolke ist, so
linden wir in diesen Sagen sinnvolle allegorische Erzählungen, durch welche
man dem Volke das Walten der Naturkräfte verständlich machen wollte.
Heutzutage werden freilich diese Lehren von Künstlern niissbraucht, um
lüsterne Bilder zu malen, wie einst in Ägypten missverstandene Lehren zu
den ärgsten Verirrungen führten.
Die griechischen Götterbilder wurden nicht von den Künstlern ersonnen,
>ie nuissten genau nach den religiösen Ideen ihrer Zeit und den Traditionen
der Priester ausgeführt werden. Wer aber war Kronos ohne Sichel , Zeus
ohne Adlc.T, Hera ohne Scheibe oder ohne Kind, Pallas ohne Schild und
Speer, Artemis ohne Bogen und Pfeil, Apollo ohne Leier, Hermes ohne
Flügel und Schlangenstab, Hephaistos ohne Hammer, Hestia ohne Schleier,
Ares ohne Schwert, Poseidon ohne Dreizack u. s. w.? Gewöhnliche Männer
und Frauen I Nicht «iie Gestalt, n)ochle sie nebenbei noch so majestätisch
>ein, sondern die Symbole machten die Götter; die Symbole aber waren
Zeichen, welche bedeuteten, sie waren Schriftzeichen, Hieroglyphen, welche
di*m Bilde den Namen gaben. Diese Namen waren nicht die gewöhnlichen
Namen der Gegenstände, sie waren wie die Buchstaben-Namen ausser Gebrauch
ge<#»lzl, gerade so wie bei den Chinesen das Zeichen, welches den Namen
♦■ine^j Kaisers enthält, ausser Gebrauch gesetzt wird, damit es nicht profanirt
w#'nJe. So lange die (Jriechen (lötter verehrten, musslen sie auch symbolische
Z«'i<-hen für Begriffe älmlich den Hieroglyphen haben, und wir werden finden,
fla>s die religiösen Symbole mit den Lautzeichen innig zusammenhingen.
In Ägypten fin«ien wir Ähnliches. Wir finden zunächst Tliiere als
tioUer, das sind die Fetische, welche wir bei allen rohen Völkern finden, dann
Tliierköpfe auf Mensc henleibern. wobei die Tliierköpfe nur die Hieroglyphen
df-r ffötternamen sind, endlich rein menschliche Gestalten mit Symbolen,
al-io den Übergang des Fetischthunis zu der (Jottesidee, welche in der Bibel
in d«'n Worten zum Ausdrucke gelangle: Gott srhuf die Menschen nach
1 2 Religion und Schrift.
seinem Bilde. Demnach war Horus der Adler der griechische Zeus, Isis als
Mutler mit dem Kinde die griechische Hera, Neil als Göttin des Bogens die
Artemis u. s. w., denn die Symbole sind dieselben, und verfolgen wir die
Idee der Himmelsmutter mit dem Kinde, so finden wir dieselbe über die
ganze Erde verbreitet, wenn auch die Fratzenbilder der Tibetaner und Mexi-
kaner einen schauerlichen Contrast zur Madonna von Rafael bilden.
Horus ist sogar in männlicher Form derselbe Name wie die weibliche
Hera, und wenn sonst die Namen auseinander gehen, so finden wir dieselbe
Verschiedenheit, wenn wir die römischen und griechischen Götter, welche
nachweisbar dieselben sind, vergleichen: Saturnus - Kronos , Jupiter -Zeus,
Juno-Hera, Minerva-Pallas, Diana-Artemis u. s. w. Dringen wir tiefer in die
Sache ein, so finden wir, dass Zeus als Himmelsgott identisch mit Apollon.
dieser mit Hermes, dieser mit Kronos ist, und dass alle Götter sich in den
männlichen oder weiblichen Gott auflösen, der in letzter Instanz ebenfalls
ein und derselbe ist, und wenn wir erwägen, dass die einzelnen Götter in
einzelnen Städten vorzugsweise verehrt wurden, so finden wir in der soge-
nannten heidnischen Religion eine Menge von Religionen verschmolzen, die
früher neben einander bestanden, und sich, nach den Traditionen von den
Gölterkämpfen zu urtheilen, ebenso heftig bekämpften wie Christenthum und
Heidenthum, Mohammedanismus und Christenthum, Brahmanismus und
Buddhismus. Solche Kämpfe hatten zur Folge, dass einzelne Völker unterjocht,
andere versprengt wurden; die letzteren trugen ihre Götter, ihren Glauben
und ihre Schrift in entferntere Länder, in Gegenden, wo sie wieder die
schwächeren Völker unterwerfen oder vertreiben konnten.
Es ist unzweifelhaft, dass Kadmos, der die Schrift von den Phönikiem
zu den Griechen gebracht hat, eine neue Religion war, ^ welche von Phöni-
kien nach Griechenland übersiedelte ; aber es ist durchaus nicht ausgemacht,
dass dieselbe die letzte Religion war, welche in Griechenland zur Herrschaft
gelangte , diese scheint vielmehr mit den homerischen Gresängen sich einge-
bürgert zu haben, deren Schrift in Griechenland ebenso herrschend wurde
wie die arabische Neskhischrift in allen Ländern des Islam, wie die römische
Evangelienschrift im westlichen Europa, wie die Devanagari in Vorderindien
und die Pali in Hinterindien. Griechen und Römer herrschten in Ägypten,
aber sie Hessen die Religion unangetastet, weil sie selbst religiös indifferent
waren: erst das brausende Feuer des Christenthums zerstörte die altägj'ptische
Schrift und Sprache. 1 3
Schrill und mit dem griechischen Evangelium setzte sich die griechisch-
koptische Schrift an die Stelle der Hieroglyphen. Die Geschichte der Schrift
ist daher auch eine religiös-politische Geschichte.
Diese Geschichte führt uns weit hinauf in die sogenannte vorgeschicht-
liche Zeit, in eine Zeit nämlich, von deren politischen Umwälzungen uns
keine directe Kunde zugekommen ist; sie verbietet uns aber auch, die Schrift
als einen Handelsartikel zu betrachten, der von einzelnen Kaufleuten in fremde
Länder exportirt wurde , welche noch keine Schrift besassen, und wenn wir
phonikische Schrift an den Küsten Spaniens und Frankreichs finden, so kann
sie nur in den Ansiedelungen der PhOnikier vorkommen, als Eigenthum der
Leute phönikischen Stammes und phönikischen Glaubens.
So können auch die nordischen Runen nicht von Phönikiem oder
Griechen oder Römern entlehnt sein, sondern sie waren die Schrift der
Odhin- Religion , die Schrift der nordischen Sprache , welche sich mit ihren
16 Lauten eng an die Zeichen der 16 Runen anlehnt, wie die griechische
Sprache mit ihren 24 Lauten an die 24 griechischen Schriftzeichen, wie die
syrisch-hebräische Sprache mit ihren 22 Lauten an die 22 hebräischen oder
syrischen Zeichen, wie die arabische Sprache mit ihren 28 Lauten an die
28 himyarischen (altarabischen) Zeichen, die Sanskritsprache mit ihren 48
Lauten an die 48 Devanagari-Zeichen und die Palisprache mit ihren 36
Lauten an die 36 Palizeichen u. s. w.
Angesichts dieser Übereinstimmung muss sich die Frage aufdrängen,
ob nicht eher die Laute den Zeichen angepasst wurden, als die Zeichen den
Lauten. Wir mögen nämlich w*elche Sprache immer betrachten, so finden
wir, dass alle Sprachen aus denselben Elementen bestehen, einem Kehllaute,
«nneni Lippenlaute, einem Zungenlaute und einem Zahnlaute, welche in ver-
schiedene Variationen sich verzweigen ; nur bei wenigen Völkern findet sich
noch ein Schnalzlaut vor. Wir finden ferner in grösseren Ländern die Varia-
tionen in den Dialekten sich verwischend und nur durch die Schriftsprache
aufrecht erhalten, welche als der Kanon der guten Rede gilt; bestände diese
S<>hrifläprache nicht, so würden sich die Sprachen in derselben Weise zer-
splittern, wie sie sich bei jenen Völkern zersplittert haben, welche keine
Srhriflsprarhe besitzen, wie in Amerika und im innern Afrika, und somit
kofunien wir zur letzten Frage : Ist die Schrift die Mutt**r d^r Sprache od^r
flie Sprache die Muller der Schrift?
14- Schrift losi^keit.
Vitale werden glauben, die letzlere Frage einfach niil dem Einwiu-fe
beseitigen zu können, dass es ja viele Völker giebt, welche keine Schrift haben,
nie eine Schrift besassen, und denen nichts wunderbarer vorkommt als die
Schrift. Um das letzlere zu beweisen, erzählt man drollige Anekdoten, wie
z. B. ein Neger mit einem Briefe und Früchten abgesendet worden sei, unter-
wegs von den Früchten gegessen habe, durch den Brief verrathpn worden
sei und das nächstemal den Brief unter einen Stein gelegt habe, damit er nicht
Zeuge seiner Näscherei sei; oder dass ein Insulaner-Häuptling von einem
Europäer seinen Namen aufschreiben Hess, und als ein anderer Europäer diesen
Namen las, sehr verwundert darüber war, da doch die Schrift keuie Spur
seiner Gestalt zeige, u. s. w. Lassen wir dahingestellt, was an diesen Proben
Wahres ist, die Hauptfrage ist, ob schriftlose Völker nie eine Schrift gehabt
haben.
Wir leben in Ländern, wo im allgemeinen Lesen und Schreiben schon
von Kindheit an gelernt werden, wo allgemeiner Schulzwang herrscht: aber
dennoch giebt es Viele , welche weder lesen noch schreiben können : selbst
wenn sie es in der Schule gelernt haben, vergessen sie es später, wenn sie
es nicht fortwährend üben. Es herrscht auch hie und da die Meinung, dass
Lesen und Schreiben für das gemeine Volk unnütz und schädhch seien, da es
dadurch weniger lenksam werde; man lasse solche Meinungen aufkommen,
hebe die Schulpflicht auf und in wenigen Generationen wird es entlegene
Gebirgsdörfer geben, welche Lesen und Schreiben nur vom Hörensagen
kennen; man denke sich eine Verheerung hinzu, welche den Wohlstand des
Landes verwüstet und den Bewohnern nichts als die Befriedigung ihrer drin-
gendsten Nahrungsbedürfnisse, den Ackerbau, lässt, so wird die ünkenntniss
der Schrift sich über ganze Länder verbreiten, und auf den Trümmern einer
zerstörten Bibliothek ein Hirt seine Ziegen weiden, welche das aus der Asche
und dem Moder verbrannter Bücher aufwachsende Gras wegfressen.
Lässt das Wesen des Kurden, der unkundig des Lesens und Schreibens
an den LTern des Euphrat und Tigris sein Räuberhandwerk treibt, vermuthen,
dass die Wüste, in der er haust, einst ein üppig grünender Garten war, in
welchem das wissenseifrige Volk der Chaldäer die Zeittheilung schuf, welche
wir noch gegenwärtig verwenden? Er ist vielleicht ein Nachkomme jener
Gelehrten, deren Weisheit die Welt bewunderte, denn Kurde ist eng verwandt
mit Chaldäer und noch mehr mit D'Ottin ^ariumim, wie die heiligen Schreiber
Sohriillosi^keit als Folge des Vergessens den .Schrill. 1 5
derÄjfvpter und eine Klasse babyionischer Magier hiessen.^ Jahrtausende lagen
«lie Bibliotheken der assyrischen Könige unter dem Sande vergraben, und die
Xarhrichten über die Chaldäer würden zur Fabel geworden sein, wenn nicht
die Ausgrabungen Layard's die alte Weisheit aus dem Grabe zu neuem Leben
jjebracht hätten, um die Tradition der Genesis und noch manches Andere zu
l>eleuchten. Hätte Napoleon's Expedition nicht die Tempel und Gräber
Ägyptens erschlossen , so würden uns die Hieroglyphen der Obejisken noch
immer so fremd anblicken wie die Felsinschriften in Sibirien und Südamerika,
weh-he von einer Culturstufe der dortigen Völker erzählen, von welcher sonst
nicht die geruigste Spur übrig geblieben ist. hi den feuchten und heissen
Wäldern Südamerikas lebt der Yolksstamm der Panos. nackt, von Bananen
und Fischfang, sie haben keine Idee von der Schrift und kein Bedürfniss.
solche zu gebrauchen; als aber die Spanier nach Amerika kamen, besass
flie>es Volk Bücher mit schönen farbigen Bildern, aus denen die Kinder von
i\vu *VJteu in den Schicksalen ihres Volkes unterrichtet wurden ; leider ist das
♦•inzige Exemplar, welches sich ein Missionär verschaffen konnte, schon damals
auf dem Transporte verloren gegangen.** Ebenso haben die hidianer Mittel-
ani«*rikas jede Kenntniss der seltsamen Schrift verloren, deren sich ihre Vor-
falin'ii so fleissig und geschickt bedienten ; die vielen Bücher der Azteken sind
auf den Scheiterhaufen der spanischen Mönche verbrannt worden, und nur
wenige Exemplare sind in europäische Bibliotheken gerettet worden. Wäre
nicht der Mikmakstamm erhalten gebheben, so hätten wii* kenie xVhnung von
der reichen Hieroglyphenschrift, deren sich einst alle Hotlihäute Kanadas
iH-dienten. * Auch die Jäger Völker Nordamerikas müssen einst eine höhere
Bildung besessen haben, denn der Boden zeigt Spuren eines regehnässigen,
Liliistlich betriebenen A(^kerbaues, und die Felsinschriften enthalten man-
cherlei symbolische Zeichen, welche die jetzigen, der Felsinschriften kundigen
ln«iianer nicht mehr verstehen. Wie diese Stämme von einem sesshaften Leben
durch die Xoth zum Wandern getrieben wurden, hat man bei den Tscheyenne-
Indianeni beobachten können, welche erst, nachdem ihre Feinde, die Sioux,
>ir au^ ihrem befestigten Dorfe vertrieben und fast aufgerieben hatten, das
Wanderleben begannen. Die Navajos im Norden von Mexiko wissen zu erzäh-
len. da>s einst der Hhnmel schöne Thierbilder gezeigt habe, aber ein Prairiewolf
liahe dieselben verscheucht, so dass nur mehr einzelne Constellationen übrig
g»-blieben seien. Auch sie haben kehie Schrift, aber wie sehr nnissen sie einst
i 0 Schrililosi^keit als Folge des Vergesseus der Schrift.
gebildet gewesen sein, wenn sie sich noch jetzt an die Sternbilder erinueni !
Wenn w^ir auf ägyptischen Bildern Neger als ägyptische Könige und Königiauen
erblicken, so muss die schwarze wollhaarige Rasse im Alterthiune eine der
ägyptischen wenig nachstehende Bildung besessen haben und in grossen
Staaten vereinigt gewesen sein, der Häuptling eines kleinen Negerstammes
konnte sich nicht auf den Thron eines mächtigen civilisirten V'olkes schwingen.
In der That wurde noch im 16. und 17. Jahrhundert von mächtigen Xeger-
stänmien in Weslafrika berichtet, von denen jetzt nur mehr schwache Gemein-
den vorhanden sind. Auch in Südafrika muss eine verhältnissmässig hohe
Cultur geherrscht haben, wie die alten Schilderungen vom Reiche Monomotapa
beweisen, und die merkwürdigen Ruinen und Bauten, welche ohne Mörtel
aus unbehauenen Steinen aufgeführt waren, deuten auf eine frühere Bildung
liin, welche höher war als die der heutigen eingebornen Bevölkerung. *
Die menschliche GuUur bewegt sich wie Fluth und Ebbe, aus kleinen
Stämmen entstehen grosse Reiche, mit dem Reichthume stellt sich die Cultur
ein, mit der Cultur die Keime der Zersetzung und der stolze Bau zerfallt
schliesslich in die Trümmer, aus denen er hervorging, während sich in anderen
Ländern dasselbe Spiel wiederholt. Wie die rohe Hand eines römischen
Kriegers mit einem Schwerthiebe das reiche Geistesleben eines Archimedes
vernichtete, so haben immer und immer rohe Kriegerhorden himdert- und
tausendjährige Cullurarbeiten im Blute ertränkt und im Schutte begraben,
und wir müssten verzweifelnd jeder Mitarbeit am Aufbaue der Cultur entsagen,
wenn nicht die Geschichte der Schrift die tröstliche Gewissheit böte, dass in
diesem fortwährenden Wechsel von Cultur und Barbarei doch im Ganzen ein
Fortschritt bemerkbar ist, und wie in den Erd-Revolutionen an Stelle der unter-
gegangenen Pflanzen und Thiere neuere bessere Organisationen im Kampfe
um das Dasein entstanden, so stehen auch aus den Menschen- Revolutionen
höher organisirte Geschlechter auf.
Dass bei diesen Revolutionen, welche den Untergang vieler Schriftarten
zur Folge hatte, die Sprache erhalten blieb, dafür sorgte die Unmittelbarkeit
der letzteren, ja gerade diese war es, welche dadurch gewann, denn da eine
mündliche Verständigung zwischen Siegern und Besiegten nöthig war, so
wurde das nationale Unglück Ursache der Sprachbereicherung, der Siegt r
niusste Wörter des Besiegten lernen , der Sklave die seines Herrn , und so
entstand die bunte Mis<hung der grammatischen Formen, welche die meisten
i^chrift und Sprache. 1 7
Sprachen zeigen, die synonymen Wörter und die Verschiedenheit der Stämme,
mit welchen derselbe Begriff ausgedrückt wird, wie ,bin, ist, sein** im Deut-
*j«hen, ,fero, tuli, latum*, d. h. trage, trug, getragen im Lateinischen u. s.w.
Die chinesische Sprache scheint am wenigsten diesem Vermischungsprocesse
ausgesetzt gewesen zu sein, aber sie zeigt auch die grösste Unbeholfenheit in
der Satzconstruction.
Erklärt sich hieraus der Reichthum der Sprache, der uns selbst bei den
imgebildetsten Völkern überrascht, so bleibt andererseits die Frage übrig, wie
entstand überhaupt die Sprache? Dass die Sprache dem Menschen nicht
angeboren ist, darüber kann kein Zweifel sein; das Kind lenit die Sprache
viel später als den aufrechten Gang, und nur mühsam, nur schwer lassen sich
die Sprach werk zeuge durch viele Übung so lenken, dass sie flüssig die Wörter
her\'<>rbringen ; Laute, welche wir nicht von Jugend auf gewöhnt sind, sind
von uns so schwer nachzuahmen, dass man selbst nach vieljährigem Aufent-
halte in einem fremden Lande als Fremder leicht am Accente erkannt wird,
wenn man auch den Geist der Sprache noch so sehr beherrscht; fassen wir
Hi'hliesslich in's Auge, dass nach den Gesetzen der Vererbungstheorie die
Kinder schon vom Mutterleibe an mit besser organisirten Sprachwerkzeugen
aa>gestatlet sind, als die ersten Menschen, welche zu sprechen begannen, so
niuss sich die Überzeugung festsetzen, dass die Sprache ebensogut eine
Krtnichmg des Menschen ist wie die Schrift.
Die Sprachwissenschaft nimmt an, dass die Sprache auf der Schall-
narhahmung beruhe, aber die Schallnachahmung finden wir nur bei wenigen
Vögeln, und unbegreiflich ist es, wie aus dieser Schallnachahmung jene
Articulation hervorgehen konnte, welche die menschliche Sprache vor der
thierischeii auszeichnet und jene sonderbaren Läutverschiebungen bei ver-
wandten Sprachen, welche wie h und s (im Zend und Sanskrit) auf keiner
Laiitverwandtschafl beruhen, sondern allenfalls auf der oben erwähnten Foly-
phonie der Zeichen, wie denn auch * h und «»•» s sehr ähnliche Zeichen haben,
un«l in der Inschrift von Assam, welches in der Falisprache Almm heisst,
^ m und S\^ ha sieh ähnlich sind.
Verständlicher gestaltet sich der Ursprung der Sprache, wenn sie sich
an die Zeichen anlehnte, mochten diese Zeichen in (ieslen, Schnüren, Strichen
4Mii*r F'iguren bestehen. Unwillkürlich begleiten wir noch die Hede, nament-
H«*h in aufgeregten Momenten, mit Gesten; sie sind bei unserer ausgebildeten
r^nluiinn. <irMliif ht« d. Srhrift. •>
1 ^ Ursprung: der Sprache und Schrift.
Sprache nicht mehr nothwendig, sie sind eines jener Cberlebsel aus längst
vergangenen Zeiten, welche nur durch die mechanische Nachahmung sich
vererben, aber sie sind das einzige Mittel der Verständigung für Taubstumme
und für Menschen, welche sich wegen Unkenntniss der gegenseitigen Sprachen
nicht sprechend verständigen können; sie waren auch das Verständigungs-
mittel aller Menschen, so lange die Zunge nicht in der Articulation geübt
war und sich die Sprache in der Kindheit befand. Betrachten wir die geringen
Bedürfnisse der Menschen, welche auf einer sehr niedrigen Stufe der Cultur
stehen, so kann man sich der Meinung nicht entschlagen, dass die Sprache
für sie ein überflüssiger Luxus sei, da sie sich wohl auch durch Geschrei und
Gesten verständigen könnten^ wobei die Geste die Articulation ersetzt. So
erkennen wir auch noch jetzt bei Rufen aus grösserer Entfernung aus der
winkenden oder drohenden Hand, ob der Ruf locken oder verscheuchen soll,
und dem entsprechend finden wir in den ägyptischen Hieroglyphen die Hand
mit drei verschiedenen Lauten verbunden: jj A*, .a»^ a, ipi m, hebräisch
K"ip qara „ rufen **, ii^ i/adad , werfen**, ]üKamefi «fesf (die zusammengezogene
kräftige Hand, zugleich Symbol der Erde als Amon).
Es kann möglich sein, dass auf Grundlage von Gesten sich bei uncul-
tivirlen Stämmen eine Sprache ohne geschriebene Zeichen bildete, da aber
die Schnur in dreifacher Weise, nämlich lang — kurz — und als Knoten • ,
oder die Figuren | /\ C J dieselben Elemente xiie die Gesten zeigen, so
liegt darin eine eben solche Übereinstimmung wie in den Sprachen, welche
alle aus Kehllaut, Zungenlaut und Lippenlaut sich aufgebaut haben, und
diese Übereinstimmung in den Elementen lässt auf eine einheitliche Entstehung
der Sprache und der Schrift aller Völker schliessen. Was uns insbesondere
in dieser Meinung bestärkt ist die Weise, wie die Sprachen sich ausgebUdet
haben. Unsere deutsche Sprache besteht durchwegs aus einsilbigen Stämmen,
z. B. Unzerstörbarkeit hat die Stammsilbe stör, dieselbe wird verstärkt durch
die Vorsilbe zf.r, zerstöreti ist ein völliges Stören, dieser Begriff' wird passiv
durch die Nachsilbe bar, verwandt mit dem lateinischen ferre , tragen **,
zerstörbar ist, was zerstört werden kann; dieser Begriff" wird substantivisch
durch die Nachsilbe keit, während die Vorsilbe un dem Begriffe einen ver-
neinenden Sinn giebl. Der Stanmi selbst aber — stör — ist zusammengesetzt
aus der Wurzel tiur, welche mit Thür und dem lautverschobenen Theil ver-
wandt ist, und aus eniem verstärkenden s. welches sich in älmlicher Weise ui
Ursprung der Sprache und Schrilt. 1 ^
^sohr** erhalten hat, z. B. gross: sehr gross. Die Wurzel tur bedeutet als
oour ,kühn**, als ,Thier^ das Theilende, Bewegliche, Lebendige, ^vie auch
das lautverwandte griechische zoon „Thier" das Lebendige {zoos lebendig) ist,
der Stier (wie der Fisch Stör) ist das kühne, starke, slörrige Thier, welches
im Altnordischen als tiur und im griechischen tauros auch ohne s vorkommt.
Vom Standpunkte der Runenschrift aus betrachtet, geben sowohl ^ 8 wie D ur
den Begriff des Theilens, welcher sich in tiur findet, und während sich ur in
nW verwandelte, ging ^ als Dorn in Zorn und andererseits in Thür und
Thor (ein offenherziger Mensch) über, während sich Dorn in dürr, dörren
und sprachlich wie schriftlich in f Tyr, den durchbohrenden, zerstörenden
Pfeil verwandelte. Wenn sich somit die Sprache aus wenigen Elementen
aufbaute, aus zweilautigen und dreilautigen Wurzeln, wie die sogenannten
indogermanischen und semitischen Sprachen, oder aus Consonant und Vokal.
wie die chinesische Sprache, so musste sie Stützen haben, an denen sie sich
aufrarü^en konnte, und solche Stützen konnten nur die Zeichen sein. Ohne
Zeichen konnte man nicht auf den Gedanken kommen, Begriffe wie „Thor'*
und .«lürr** zu vereinigen, das Zeichen V allein konnte durch die Form V und
► auf diese Begriffs Wandlung fuhren, und diess erinnert uns daran, dass wir
aU Grundlage unserer Gedanken nichts als „Begriffe" haben, nämlich
(Gegenstände, welche man greifen konnte, und welche man, um sie Anderen
initzutheilen, , zeigen* oder „zeichnen" musste.
Es ist doch merkwürdig, dass die Sprachbildung manche Lautklänge
bevorzugte, während sie andere vernachlässigte, so ist z. B. die Reduplication
// in tat, tot, tut, tit(el) tet und in deut ausgebildet, während ff nur einseitig
in , Pfeffer, pfiff, pfeiffen* vorkommt, und während theoretisch aus a^cStämme
wie ah, ba, ac, ca, br, cb, aa, hh, cc, aaa, bbby ccc, aha, baa, aab, aca, aar, caa,
fbtg, mb, bac u. s. w., also in einer grossen Vielartigkeit gebildet weiden
konnten, sehen wir mühsam die Sprache sich an einzelne Sprachwurzeln
anklammern und ihnen die verschiedenartigsten Bedeutungen beilegen, welche
nur uothdQrflig durch die Lautbiegung unterschieden werden, wie oben Thier,
Thur, Thor u. s.w. Diese Erscheinung kann doch nur dadurch erklärt werden,
dass die solchen Stänunen zu Grunde liegenden Begriffe an sich vielseitiger
waren und daher der Sprachkunst grösseren Spielraum boten, aber die Viel-
seitigkeit bot eben die Undeutlichkeit des Bildes. Wir werden im Verlaufe der
speciellen Untersuchungen, welche die folgenden Capitel enthalten. Gelegenheit
20 Synonyma. — Schrift und Zahl.
linden, diess ausfuhrlicher nachzuweisen, und beschränken uns deshalb hier
auf diese Andeutung.
Waren aber die Zeichen die Väter der Laute, so gewinnen sie für die
Sprachkunde eine hohe Bedeutung« denn dann bieten sie die sichtbaren
Wurzeln der Sprache, dann erklären sie mittelst der Polyphonie die Ver-
schiedenheit der Sprachen und die Verschiedenheit des Ausdruckes für den-
selben Begriff, den wir nicht nur bei der Vergleichung verschiedener Sprachen,
sondern selbst in der eigenen antreffen, wie ^Sec* und ^Meer", „Thier* und
,Vieh", ^Erz*' und „Metall**, ,Haus*' und , Gebäude-, „Weg« und , Strasse-,
, greifen" und , fassen" u. s.w. In dieser Beziehung bietet die Bilderschrift
der Ägypter eine gute Anleitung zur Erklärung der Wörter, weil dieselbe die
Variationen der Zeichen klar vor Augen fuhrt und den Ideengang verfolgen
lässt. So war die Hand -»— • anfanglich nur etwas Ausgestrecktes, damit ver-
band sich aber auch der Begriff des Messens „die Elle", welche wir in dem
W^orte „Ellenbogen" noch mit dem Arm verbinden: die Hand konnte aber
auch „zeigen" bedeuten und die leere Hand „nichts", den ersten Begriff
fmden wir in ägyptisch a, hebräisch t yad „Hand", lateinisch ad ,zu", den
letztern im verneinenden griechischen a ; in späterer Zeit suchten die Ägypter
diess zu unterscheiden, sie zeichneten die Hand „zeigend" oder mit abwärts
gebeugten Fingern als inhaltslos, sie gaben verschiedene Figuren bei, um die
verschiedene Thätigkeit der Hand auszudrücken, wie J — I mo „geben",
-^ -■ njTt „schlagen", tvJ /w „beschützen", >^ ntn „malen u. s. w., wie
die deutsche Sprache aus Hand: hindettt (abwehren) Hund (den Beschützer
der Heerden), aus fassen: die Faust u.s.w. schuf.
Die Zeichen bedeuten aber nicht nur Laute, sondern, wie die Alphabete
der Juden und Griechen beweisen, auch Zahlen. Dass diess kein Zufall ist,
beweist das hebräische Wort idd saphar, welches „schreiben" und „zählen"
bedeutet, noch weiter fuhrt das isländische Wort tala, welches „reden* und
„zählen" bedeutet, und unser Wort „Rede" hängt mit dem nordischen rWa
„ordnen, aneinanderreihen, lesen", raeoa „reden" zusammen und ist ver-
wandt mit riia .schreiben", welches auf Runensteinen mit rista „ritzen" (der
Runen) wechselt. Ebenso hat sich mal „Zielpunkt, Zeitpunkt, Zeitzeichen",
woraus tnala „ malen " , gothisch meljan , schreiben " geworden ist, im deut-
schen mel-deti als „er-zähl-en" (isländisch maela „reden**) erhalten. Demnach
ist „lesen" die geordnete Aufeinanderfolge gesprochener Laute; \y\e das
Zeichenorduung. ^ 1
Bcerenlesen und Ährenlesen darin besteht, dass man eine Frucht nach der
andern aufnimmt oder abpflückt, so ist auch die „Rede** die geordnete
Aufeinanderfolge der Wörter im Gegensatze zu , sprechen, schwatzen**, bei
welchen Wörtern ein logischer Ideengang gerade nicht vorausgesetzt wird.
Angesichts dieser Thatsachen gewinnt die Zeichenordnung der Alpha-
bete, mit welcher die Zahlenordnung verbunden ist, an Wichtigkeit und
Bedeutung; sie kann so wenig ein Product der Willkür sein, als die Zeichen
selbst ihre Gestalt und Bedeutung dem Zufalle verdanken können, und es
wird daher eine nicht unwichtige Aufgabe der Geschichte der Schrift sein,
den Gründen nachzuforschen, aus welchen das scheinbare Durcheinander
der Lautzeichen, wie a, h, c, d, e, f, g u. s.w. als feste Ordnung aufgestellt
wurde.
Diese Aufgabe ist nicht so unmöglich, als sie auf den ersten Blick
erscheinen mag; wir haben schon oben darauf hingewiesen, dass die Ideen
«mvergänglich sind, zumal weim sie tief mit der menschlichen Geistesent-
Wicklung verbunden sind, wie diejenigen, welche der Schriflerfindung und
Ausbildung zu Grunde liegen. Diese Ideen liegen in alten Sagen und Mythen
vergraben, deren Sinn bisher noch zu wenig erforscht wurde, an denen Viele
arhtlos vorübergingen, weil sie, in ähnlicher Weise, wie Araber und Italiener
Inscbriftensteine der alten Tempel zum Baue ihrer bürgerlichen Wohnungen
verwendeten, von alten Völkern zum Aufl>aiie ihrer bürgerlichen Geschichte
verwendet wurden.
Auch in dieser Beziehung wird die Geschichte der Schrift höchst inter-
e>>ant** Aufklärungen bieten, und Mancher wird wohl bedauern . dass die-
selben nicht weiter geführt wurden: der Verfasser musste sich aber vor Augen
hah«*n. dass er weder eine Geschichte der Sprache noch der ReHgion zu
*rhreil>en habe, er konnte diese Gegenstände nur berühren, so weit es der
uninittelbar vorliegende Zweck bedingte; aber innerh.ilb dieser Schranken
niii>-te er sich das Recht der freiesten Forschung vorbehalten ohne Rücksicht
auf hf'rrschende Anschauungen, und am wenigsten konnte er Auslegungen
arreptiren. welche jüdische Gelehrte des Alterthums, sei es absichtlich oder
irrthflinlich. aufgestellt haben, wenn er gegründete Ursache hatte, an ihrer
l'nfehlbarkeil zu zweifeln. Selbst das Ansehen der Bibel kann nur gewinnen.
w»*nn ihn* beJenklichen Erzählungen im Lichte der freien Forschung sich als
n'in ko'smi'^che Vorgang»» darstellen, denen nichts l'nsittliches anhaftet.
22 Flau des Werkes.
In dieser Weise ist iin ersten Ab>;chnitte des vorliegenden Werkes das
Geheimniss der Entstehung der Lautschrift aufzuklären gesucht worden.
indem die Entstehung der europäischen Alphabete erörtert wurde: aber die
damit gewonnene Erkenntniss würde nur eine einseitige sein, wenn nicht
der Blick das ganze Gebiet aller Schriften des Erdkreises überflöge und ähn-
liche Erscheinungen wie in unsemi Erden winkel in allen Ländern beobachten
lernte. Bei diesen uns femer liegenden Schriften wird es uns nicht so mög-
lich sein, die Ursachen der Schriftveränderungen aufzuklären, weil uns die
Mittel zur etymologischen Durchforschung von Sprachen fehlen, die wenig
oder gar keine Literatur haben. Dennoch bieten die Zeichen selbst Anlass,
ihre Verwandtschaft zu verfolgen, den Wendungen der Alphabete nachzu-
gehen und manche Eigenthümlichkeiten kennen zu lernen, welche sich bei
weit auseinander liegenden Völkern wiederholen und auf ein früheres benach-
bartes Verhältniss derselben hinweisen. Wir werden gar mancherlei Metho-
den kennen lernen, die Sprache in der Schrift mehr oder weniger genau fest-
zuhalten, wir werden dabei wiederholt Gelegenheit haben, das Verhältniss der
Wort- und Silbenschriften zur Buchstabenschrift zu beobachten, und wir
werden die Geistesarbeit bewundern, welche von so vielen Völkern und zu
den verschiedensten Zeiten auf den Aufbau ihrer Schriftsysteme verwendet
wurden. Auch in dieser Beziehung wird die Geschichte der Schrift lehrreich
sein und das Interesse weiterer Kreise erregen.
Endlich werden wir uns mit den Versuchen der Neuzeit beschäftigen,
abseits von den historischen Buchstaben eigene Zeichen aufzustellen, ent-
weder um sie mechanischen Apparaten anzupassen, wie diess bei den tele-
graphischen Zeichen der Fall ist, oder wie in der Stenographie die Hand in
die Lage zu setzen, dem schnell gesprochenen Worte mit der Schrift zu
folgen. In dieser letztern Beziehung liegen fast eben so viele Alphabete vor,
als die historische Schrift im Ganzen aufzuweisen hat, und wenn auch die
meisten derselben nur Producle der Nachahmung sind, so bieten andere
doch wohl durchdachte Arbeiten, welche das Wesen der Schrift von einem
neuen Standpunkte auffassen und die Aussicht eröffnen , dass auch auf dem
Gebiete der Schrift die Producte der neuern Wissenschaft die ererbten unvoll-
kommenen Schriftsysteme verdrängen und eine neue .\ra des Schriftwesens
begründen werden. Von diesen Bestrebungen ist bisher im grössern Publikum
wenig bekannt geworden, und hieraus erklären sich die Vorurtheile, die jetzt
Die Schrift der Zukunft. ^23
noch selbst in wissenschaftlichen Kreisen der Neugestaltung des Schriftver-
fahrt*ns entgegengetragen werden.
Die Geschichte ist eine Lehrerin nur in dem Falle, weini sie die Ent-
wicklung des Bestehenden beleuchtet, dass wir seine Mängel erkennen und
lins von denselben frei machen. In unserer gebräuchlichen Schrift spuken
noch alle Geister und Gespenster, für welche sie geschaffen wurden ; aber es
ist ihr der Geist wissenschaftlichen Strebens verloren gegangen, der ihr den
Trspnmg gab. Dieser Geist wissenschaftlichen Strebens ist auf die Schrifl-
systeme der Neuzeit übergegangen, in denen er das Material der Schrift der
Zukunft braut; unsere Sprache ist glücklicherweise so ausgebildet, dass sie
«*ine neue, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Form der Zeichen
ohneweiters annehmen kann, und da diese neue Schrift die Klarheit und
Di'ullichkeit der Bezeichnung mit der höchsten Einfachheit der Form und
mit der grössten Leichtigkeit der Erlernung vereint, so wird sie sich sicher
Bahn brechen und die jungen Generationen der Zukunft werden mit leichterer
Müh(* die Wege der Wissenschaft wandeln. Nicht mehr wird die wichtigste
menschliche Arbeit, die geistige, in den schweren Fesseln einer überlebten
Form oinherhinken. Leicht, wie der elektrische Funke das Wort am Draht
f*ntlang tragt, .schnell, wie die Eisenbahn das voluminösere Geisteswerk in
f'filfenite Gegenden führt, wird der Gedanke sich dem Papiere anvertrauen,
und das Licht der Aufklärung möge auch die letzten Beste jener Bohheit
l»<*s**itigen, welche wie erratische Blöcke das freundliche Gartenland der
Cultur verunstalten.
jr
EBSTER THE IL.
R U N A
ODER
DAS CtEHEIMNISS DES URSPRUNGS
DER
LAUTZEICHEN.
1. DIE TRADITION.
Wie es Ereignisse im Kindesalter giebt, welche sich lebendig im Gedächt-
nisse des Mannes erhalten, so erhielten sich auch Ereignisse aus der Urzeit
der Cultur im Gedächtnisse der Völker und bildeten den Kern der Sagen.
Natürhoh haben dieselben nicht Anspruch auf unbedingte Glaubwürdigkeit,
da einerseits Manches miss verstanden, einseitig ausgelegt und dadurch falsch
überliefert wurde, und andererseits Beobachtungen und Lehren abstracter
Natur sich mit historischen Ereignissen mischten, Menschen zu Göttern und
Naturkräfte zu Menschen gemacht wurden; es wäre aber thöricht, dieser
Schlacken halber den werthvolleu Inhalt ganz zu verwerfen, vielmehr ist es
im Interesse der Aufklärung geboten, alle Erfahrungen, welche die Wissen-
schaft uns in neuerer Zeit gebracht hat, anzuwenden, um die Räthsel unserer
Vorfahren zu lösen.
Wenn daher die Sage die Erfmdung der Schrift den Göttern zuschreibt,
so wird der Forscher diese Tradition nicht als albern bei Seite schieben: die
(fötlerideen entstanden in menschlichen Gehirnen, und aus derselben Quelle
entsprang die Schrift; ist daher die Schrift göttlichen Ursprungs, so ist sie
uralt, denn sie ist mit der ersten menschlichen Cultur, mit der ersten Regung
des Geistes, mit der Religion ursächlich verknüpft.
Werden nun mit der Entstehung der Schrift bestimmte Namen ver-
bunden, so bekommt die Forschung festern Boden, denn die Namen der
Vorzeit sind nicht so willkürlich gewählt, wie die der Jetztzeit, sie sind
BejfrifTe, welche von den Philologen ebenso anatomisch untersucht werden
können wie Körper.
Da wir es hier nicht mit einer einzelnen Schrift zu thun haben, so
nin»>en wir die Sagen, welche sich auf den Ursprung der Schrift beziehen,
im Zusammenhange behandeln und wollen sie daher zunächst hier zusannnen-
-»teilen.
2!^ Sa^eii von der Sclirifterfinduu^.
Die mesLikanische Sage berichtet, die Schrillt sei von dem Gotte Ketsal-
koatl erfunden, der auch als Herr der Landbauer und der Metalle verehr,
wurde. Ketsalkoatl ist die , gefiederte Schlange.*- '
Nach der chinesischen Sage wurde die Schrift von Fohi erfunden, der
auch in China zuerst die Cultur verbreitet haben soll. Im »Buche der tausend
Worte ^ heisst Fohi ,Herr des Drachen, Kaiser des Feuers, Obrigkeit der
Vögel, König der Menschen •". Mit der Erfindung der Schrift wird auch der
Anfang der Kleidung in Verbindung gebracht.*
Aus hidien liegen keine directen Sagen vor; ein chinesischer Schrift-
steller. Huen-Thsang. ein Buddhist, schreibt die Erfindung der indischen Schrift
dem Gotte Fan, d. i. Brahma, zu.^
Die eranische Sage bezeichnet den König Tahmurath (d. h. der grosse
Fuchs) zwar nicht als den Erfinder der Schrift, wohl aber als Denjenigen,
welcher die Schrift den Dämonen (azhis dahaka) entriss. Die Schrift sei von
guten Geistern erfunden worden, aber in die Hand der Dämonen gerathen.
welche sie bis zuTahmurath's Zeil den Menschen vorenthielten. Von Tahmurath
wird noch erzählt, dass er die Unze, den Leoparden und Falken zähmte und
sie zur Jagd abrichtete, Hausthiere mit Stroh und Körnern futtern und die
Wolle der Thiere zu Zeugen weben lehrte, die Hühneraucht einführte und
grosse Bauwerke errichtete. ^^
Einem ähnlichen Namen begegnen wir in Südamerika, wo die Eiii-
gebomen. scheu und ohne sie anzusehen, an den Felsinschriften vorübergehen
(weil sie dieselben für göttliche Emanationen halten) und leise Tehmehri
rufen. ^^
Die babylonische Sage schreibt die Erfindung der Schrift dem Oannes
zu, einem Wesen halb Fisch, halb Mensch, welches am Tage die Menschen
alle Künste und alle Wissenschaften lehrte und Nachts sich in das Wasser
zurückzog. Sardanapal nennt in einer Inschrift, welche er für seine Bibliothek
verfasste. Nebo und Tasmil als die Götter, welche seinen Vorfahren die Schrift
gelehrt halten. ^-
Die äjryptische Sa<re nennt Tliaud als den Erfinder der Schrift, von ihm
wird erzählt, er habe die Sprache und alle Wissenschaften erfunden, den
Menschen die taktische Bewegung, die Bildung des Körpers zu geftilligem
Anstand und die Fechlkunst gelehrt, die Stellung der Gestirne, sowie die
Harmonie und das Wesen der Töne beobachtet und den Oelhaum erfunden.*'*
Sagen von der Schrille rfindung. -9
Die nordische Sage nennt mehrere Schrifterfinder; zunächst Udhin,
y< II <\**m es heisst:
Ich weiss, dass ich hing am windigen Baum
Neun lange Nächte,
Vom Speer verwundet, dem Odhin geweiht.
Mir selber ich selbst,
Am Ast des Baumes, dem Niemand ansieht,
Aus welcher Wurzel er quoll.
Sie boten mir nicht Brod noch Muth,
Da neigt ich mich nieder.
Auf Runen sinnend, lernte sie seufzend:
Endlich fiel ich zur Erde.
Andererseits heisst es in der Völuspa:
Die Äsen einen sich auf dem Idafelde
Über den Weltumspanner, den Grossen, zu sprechen,
l'ralter Sprüche sind sie eingedenk,
Von Fimbultyr gefundener Runen. *"*
Ein dritter Erfinder ist Rigr, der dem Jarl Runen kennen lehrte: Zeit-
ninen und Zukunflsrunen.
Endlich berichtet die jüngere Edda** über den Ursprung der Dicht-
kunst Folgendes: Die Äsen hatten Unfrieden mit einem Volke, das man
Wanen nennt. Nun aber traten sie zusammen, Frieden zu schliessen, und der
kam auf diese Weise zu Stande, dass sie von beiden Seiten zu einem Gefasse
Irinnen und ihren Speichel hineinspuckten. Als sie nun schieden, wollten die
Äsen dieses Friedenszeichen nicht untergehen lassen. Sie nahmen es und
*«hufen einen Mann daraus , der Kwasir heisst. Der ist so weise , dass ihn
Niemand um ein Ding fragen mag, worauf er nicht Antwort wüsste. Er fuhr
w«-it umher in der Welt, die Menschen Weisheit zu lehren. Später wurde er
ton den Zwergen erschlagen, welche mit seinem Blut den Kessel Odhrörir und
die (tefässe Son und Bodn füllten, Honig in*s Blut mischten und daraus einen
Mf'th erzeugten, der jeden Trinker zum Weisen und Dichter machte. Der
Riese Suttiing nahm später diesen Mcth den Zwergen ab, verbarg ihn im
Hnilb«*rge und setzte seine Tochter Gunnlödh zur Hüthcrin. Aber Odhin
drang in den Berg ein, verführte die Gunnlödh und raubte den Meth. — In dieser
Sajre if^t allerdings nicht von der Schrift die Rede, wem fällt aber nicht die
30 Kwasir und die Kiiotenschrilt
Ahnlichkeil mit der Sage von Tahmörath auf. der die Schrift den Dämonen
entriss, wie Odhin die Dichtkunst den Riesen raubte?
Aber noch aus einem andern Grunde wurde die Kwasir -Sage hier
aufgenommen. Kwasir wird in der Edda öfter erwähnt, er sah das zu Asche
verbrannte Netz des Gottes Loki und merkte, dass dies ein Kunstgriff sei.
Fische zu fangen, worauf sie anfingen und ein Netz jenem nachmachten, mit
welchem sie den Loki, der sich in einen Fisch verwandelt hatte, fingen.
Kwasir war ein Wane und mit Njördh, dem Meeresgotte, als Geisel zu den
Äsen gekommen, wie der griechische Poseidon den Kreis der Olympier ver-
vollständigte. Loki war als Laugr selbst das Meer und somit identisch mit
Njördh und Kwasir, denn Loki hatte das Netz gemacht und Kwasir kannte
das Netz, weil er die älteste Schrift, die Knoten schrifl, selbst w^ar. Diess
beweist sein Name. Kwasir ist zwar verwandt mit dem isländischen geys
„Hausen, Heftigkeit, Wuth" (Geysr der feuerspeiende Berg) und identisch mit
Odhin, deutsch „Geist*, nordisch A*m^ „Gott", aber das Wort besteht aus zwei
Wurzeln Am = kwa und s, sir, wovon die erstere, welche sich in unserm
„Kuh" erhalten hat, „bändigen, zähmen" (also Kuh. das gebändigte, gezähmte
Tliier) bedeutet; sir bedeutet „Herr" und ist ein bei vielen Völkern verbreitetes
Wort, sanskritisch äira, arabisch sary, hebräisch sar, slavisch czar, englisch
,stV. französisch sire und deutsch y^sehr^, immer etwas Grosses. Vornehmes
bedeutend; in kwasir einigt sich also „bändigen" im Passivum und Activum.
Ebenso finden wir im Ägyptischen ka und sir für „Schnur", sr als Vornehmer,
im Hebäischcn heisst ^p qav „Schnur", mü sera „Kette," ii«? sur „reihen",
iiü §or „Rind", im Chinesischen heisst kie-seit „ Knolenknupfen " und im Peru-
anischen sind die Quipus die Knolenschrifl, wahrscheinlich vom chinesischen
Pa-kica „die acht Knoten". Im Deutschen haben sich die Wurzeln in „kauern,
Kuh, Knäuel", wie in „Seil" und „Zwirn" erhalten. Die Äsen waren Götter
eines Jägervolkes, die Wanen die eines SchifTervolkes. aus der Vereinigung
des Speichels, d. i. der Sprache und Sagen beider entstand Kwasir als Inbegriff
der Weisheit seiner Zeit.
War Kwasir das chinesische Pa-kwa, so war er auch der Fohi, dem die
Erfindung dieser Pa-ktcas, welche wir später als die acht Himmelsrichtungen
und Elemente kennen lernen werden, zugeschrieben wird; war er als Netz-
kenner identisch mit dem Netzknüpfer Loki, der sich in einen Lachs verwan-
delte, dann war er identisch mit dem babvlonischen Fischmenschen Oannes:
Kwasir — Oannes — Thaud — Brahma — lao. 3 1
sowohl als Fisch wie als Wuth war er die Wolke und die Meeres woge, welche
l>eide den Begriff des Drachen schufen, also den Ketsalkoall der mexikanischen
Sage, den Dämon azhis der Babyloner, ägyptisch ^^ die als i ari, nh die
Uräus oder Midgardschlange und identisch mit Nebo ist. Der Ackerbau
r^ntstand hei den Fischern, welche sich an den Flussufern niedergelassen
hatten; die Cberschwemmungen erzeugten den fruchtbaren Schlamm, sie
trug**n auch aus dem Innern der Berge die Goldkörner und Erze herbei,
welche, zufallig im Lagerfeuer geschmolzen, ^® zur künstlichen Metallbearbei-
tung führten, woraus sich erklärt, dass der Drache der Gott des Ackerbaues
werden konnte. Der Lehrer des Fischfanges aber war ^y^ Thaud, der Sumpf-
vogel, in Ägypten der Ibis, in Europa der Storch^ der störrige, starr am Ufer
>lehende. der dem geduldig an der Angel sitzenden Fischer ein Vorbild war,
h»*bräisch m'Dn /asida ,der seine Kinder ernährt" verwandt mit nnvo kas-dim
dt'm Namen der Chaldäer (von nW3 kasa „sich mästen"), ein Name, der sinn-
verwandt ist mit den nordischen dickbäuchigen Zwergen und den phönikischen
F^atäken. welche als Götter der Sohifffahrt auf keinem Schiffe fehlten,
ursprünglich aber Bewohner der Sumpfgegend waren, denen die Malaria die
Hauche auftreibt.
Fimbultyr wird von Simrock als der unausgesprochene Gott charak- •
lerisirt. eine Wiedergeburt des Odhin, von dem es heisst:
Einst kommt ein Anderer, mächtiger als er.
Doch noch ihn zu nennen, wage ich nicht.
Der Fimbultyr- Winter ist derjenige, welchen Baldur's Tod herbeiführt,
dfm kein Sommer folgt, sondern der Untergang der Welt. Fimbultyr ist dem-
narh «lerselbe Begriff wie das hebräische uvsm ,Name, Gerücht** und der
indische Brahma, das Wort, der unbegreifliche Gott, dessen Name nicht aus-
j:«->prochen werden darf, wie der des Jehovah der Juden, oder wohl richtiger,
d«'>.«'n Name lAfl oder auch AEIOY nicht ausgesprochen werden kaini, da
er nur aus Vokalen besteht, wie auch rt^rt'", er ist der. von dem es im Evange-
lium Johannis heisst: ich bin diis A und j?, der Anfang und das Ende, also
das <,AII', iotu», omnis, u.s.w., welche Begriffe in den Götternamen Allvater,
Tod oder Tliaud, Anion wiederkehren. War Fimbultvr nicht nur der Unter-
gang, sondern, wie es sehr wahrscheinlicli ist, auch der Anfang, so liegt die
Vermiithung nahe, dass er die drei ersten Buchstaben der Runenordnung
fffX\%trV thurs darstellt, denn ur ist so viel wie hui, fmtth' der Stier, ja selbst
32 Rigr — Thaml — Anubis — Nebo.
wie tifr, denn tiur ist ebenfalls der Stier, die erstgeschafifene Stierseele der
Perser, die neben Ymir entstandene Kub Audhumbla der nordischen Sage,
begrifflich die Wolken, wie Indra's Kühe beweisen, die Nacht, der Winter, der
die junge Sonne erzeugt, in zweiter Potenz die junge Sonne selbst.
Mit Fimbultyr hängt Rigr eng zusammen; dieser ist der , Erreger*, der
Amor der Römer, welcher die Liebenden eint, er ist aber auch der Richter.
der die Stande einfährt, der Reiher, Oi-dner, der Gründer der Regierung, der
Rächer des Unrechts, der Verwünscher (isl. ^*agn Verwünschung), der mi
ruaj( , Geist** der Juden, das "iok amavy d. i. das schaffende Wort Gottes.
Hinter diesen Wörtern verbergen sich nicht mehr Gedanken, sondern bereits
wirkliche Personen, nämlich die Priester, und wenn Rigr nicht dem Knechte,
nicht dem freien Bauern, sondern dem Jarl Runen lehrt, so folgt daraus
nicht, dass früher die Zeichenkunst unbekannt gewesen sei, denn die Knoten-
schrift hat ihre Spuren auch bei den ungebildetsten Völkern hinterlassen, son-
dern dass die Beschäftigung mit der Schrift, mit der Zeitrechnung und
Zukunflsdeutung von hier ab das Privilegium eines Standes wurde, der Jarle
(noch erhalten im englischen earl „Graf"), welche ein Priestergeschlecht
bildeten und von ihrer Keniitniss auf Kosten der Bauern und Knechte lebten.
Einem ähnlichen Begriffe begegnen wir in den Xamen Nebo und Tasmit
der Assyrer. Tasmit, buchstäblich TT»^T T>- ^""^Tfc^ tas-fni-tur oder tas-^-tur,
da in der Keilschrift m und r gleich sind, lehnt sich eng an das ägyptische
— • jk ^^^ thaiid an, zumal ^ an ist, also das Wort auch thastid heissen
könnte ; TT^-T mit den Lautwerthen ias, ur, Uk, lis, ran bedeutet »Hund*,
arabisch kalb, hebräisch kaleb, und es liegt die Vermuthung nahe, dass von
diesem Worte das römische caeUbs herstammt; 1>- mi bedeutet , hundert*.
iuv ^Thier**, Tasmid ist also der hundertköpHge Höllenhund Kerberos, der
Argos oder der Stemenliimmel, als Symbol der Nacht und des Todes. Elnt-
spricht aber Tasmid, der Hund, dem Ibis-Thaud, so entspricht umgekehrt der
Ibis dem Nebo, denn dieser heisst ►-►-J ►-T^J an ak d. h. »Gott Schöpfer*
(hebräisch tj« anoki ich), ak ist aber im Ägyptischen ^fc der Schwan, als
Wasservogel ein naher Verwandter des Ibis. Mit den obigen Keilschriflzeichen
(an-Hik) wechselt ►►-j Cp^ «n pu, woraus Nebo geworden ist, d. i. ägyptisch
1 11^ J ^^'P^ ^^^r iaj Anubis. Anubis mit dem Hundekopfe (er eriimert
an Tahmurath den grossen Fuchs) empfangt aber neben dem ibisköpßgen
Thaud die Seelen der Verstorbenen, Anubis wägt ihrHerz, Thaud beaufsichtigt
Verschiedene Epochen der Schrift. 33
die Wage, Jjeide sin^also die Richter der Unterwelt. Wer aber waren die
Todlenrichter anders als die Priesterschafl? Wenn noch ein Zweifel darüber
bestehen konnte, so beseitigt ihn die Hieroglyphe ^S^ssta, ein Priestertitel,
das ist der scharfäugige Priester, der auf dem Thurme den Himmel beobachtet
und dem hellsten Fixstern seinen Namen gegeben hat, weil die Ankunft
dieses Wächters der Sternenheerde den Beginn der Überschwemmung anzeigt
und die Menschen als treuer Hüther warnt, bei Zeiten sich in Sicherheit zu
bringen. Der ägyptische Hund Anubis ist zugleich der Wolf Odhin's, der die
Opfer verzehrt, da der Gott zu seiner Nahrung der Speise nicht bedarf
er ist der schlaue Fuchs der Thiersage, dessen List die aller anderen Thiere
übersteigt.
Finden wir hier den Hund des Jägers mit dem Ibis des Fischers fried-
lich geeinigt, so treten beide in der eranischen Sage als feindlich einander
gegenüber; denn es kann kein Zweifel sein, dass die azhis ddliaka oder
Dämonen der Babylonier der Deus oder Thaud der Ägypter war; ist doch
noch jetzt der verabscheute Dev der Parsen der gute Gott der Inder; auch
dakaka dürfte mit dem ägyptischen |8 jK,*^^ '-'»-«-^-> oder Thaud identisch
sein, d. i. das hebräische nnn ta/ath »der untere Theil" »nnri ta/ti „das
Unterste*; i t/n „der Obelisk* ist das von den Ackerbauern hochverehrte
Symbol der Fruchtbarkeil, welches von den Anhängern Zoroaster's sehr
verabscheut wurde, da nach ihrer Lehre, welche auch in die Bibel gedrungen
Bt, die Lüsternheit eine Folge der Sünde war; die Perser waren eben Hirten.
denen der natürliche Gras wuchs für ihre Heerden genügte, und welche nicht
nöthig hatten, die Natur künstlich zu grosser Fruchtbarkeit zu nöthigen.
Wiederum aber wäre es gefehlt, daraus zu schliessen, dass die Hirten
keine Schrift gekannt hätten, vielmehr ist es auffallend, dass hierbei von
sieben Arten der Schrift gesprochen wird, welche den Dämonen entrissen
wurden, und worunter nichts Anderes zu verstehen sein kann als die Theilung
der Woche in sieben Tage, welche die Hirten von den Ackerbauern annahmen
und ihrer Zeitrechnung einverleibten, also eine ähnliche Sage, wie die vom
Friedensschluss der Wanen und Äsen.
Hi<*rau8 folgt, dass es in der Geschichte der Schrift verschiedene
Epochen gegeben hat, während welcher sich mit den Anschauungen die
Zeichen vermehrten, dass mehrere Völker auf einer gemeinschaftlichen Gniiid-
lajre verschiedene Formen der Zeichen ausgebildet haben, welche dann
FaalmanD, Gfvrhichte d. Srhrifl.j '\
34 Die nordischen Runen.
vereinigt wurden, und dass auf diese Weise allmählich eine WisseLSchafl
• entstand, welche vorzugsweise Besitz eines Volkes war, das sich als Priester
über die Erde zerstreute, überall durch Gesang die Menschen erfreuend^
durch Zauber sie schreckend, durch Belehrung sie bildend. Hierauf deuten
die Sagen von dem wandernden Sänger Arion, dem auch das Los des Kwasir
drohte, von Orpheus, der selbst in die Unterwelt stieg, wie die Forschung der
Priester sich auch auf die Zukunft des Menschen nach dem Tode ausdehnte,
und endlich die Sagen über die Givilisation der Menschen, welche an die
Einfuhrung der Schrift geknüpft wurden. War Thaud nicht eine einzelne
Person, sondern die Personification des Priesterstandes, so verliert die
Sage, er habe die Sprache, das Rechnen, die Musik, die Fechtkunst u. s.ve.
erfunden und den Oelbaum eingeführt, alles Wunderbare und die Sage erhält
den Charakter einer sehr glaubwürdigen Thatsache.
Von Interesse ist, dass unter diesen Erfindungen auch die Sprache
genannt wird, und daraus geht hervor, dass die Schrift in jener Zeit nicht
Schreibkunst im engem Sinne, sondern Zeichen künde war; auch die Sprache
mussle sich erst mit und an den Zeichen entwickeln, bevor man an's
Schreiben denken konnte, und nirgends tritt uns dieses Verhällniss von
Sprache und Schrift so klar entgegen als in den Runen, mit denen wr uns
daher auch in erster Reihe beschäfligen müssen.
■2. DIE NORDISCHEN RUNEN.
Rune ist ein im Norden Europas heiinisclier Name für Schriftzeichen,
welche in der Form Ahnlichkeil, ja völlige Übereinstimmung mit den phöni-
kischen, altgriechischen und römischen Zeichen haben, so dass einige Gelehrte
zu der Annahme geführt wurden, die Runen seien aus der griechischen oder
lateinischen Schrift entstanden, zumal alle SchrittdenkmiUer derselben nirht
weit über die Zeit hinaufreichen, wo das Christenthum in Schweden eingeführt
wurde.
Aber der Name run ist verwandt mit rt/na , verborgene Dinge ergrün-
den**, run, nina ,die vertraute Rathgeherin", noii „der vertraute Rathgeber",
ry//</r, kundig, Zauberer** , im Gütliischen be<leutet nina „ Geheimniss, Beralhung,
Ralhschluss**, im Althochdeutschen run^t „GeinurnieK Hath*, mtis , Spring-
Zauberrunen. 35
«juell* (Ursprung), welches sich im neuhochdeutschen raunen und rinnen,
renntrn erhallen hat, und diese Bedeutungen sind etwas ganz Anderes, als
was man unter Schrift versteht, denn unsere Schrift ist das Gegentheil von
Geheimniss, in Steine eingegraben ist sie die öffentliche Bekanntmachung
und in ihrem gegenwärtigen Gebrauche zu Zeitungen ist sie die unbeschränkte
OtTentlichkeit.
Nun mag allerdings in der Vorzeit der Gebrauch der Runen dem Volke
vonMithalten worden sein, wie die Kenntniss der indischen Vedabücher den
indischen Parias, die Runen-Urkunden mögen die alten Überlieferungen nur
filr Eingeweihte enthalten haben, wie es in Hawamal 79 angedeutet ist:
Was wirst du finden, fragst du die Runen,
Die hochheiligen,
Welche Gölter schufen, Hohepriester schrieben,
Dass nichts besser sei als schweigen?
So lernte auch Rigr die Runen nur dem Jarl und zwar Zeilrunen, um die
Z*Mt zu messen und die Opferfeste zu bestimmen, und Zukunflsrunen, welche
Skuld. die Xome der Zukunft, schnitt, um zu weissagen. Wenn es ferner im
Gripi^paüede heisst:
Sie wird dich Reichen Runen lehren.
Alle die Menschen wissen möchten,
<o «Tinnert das an den nordamerikanisohen Indianer, der vom Medizinmanne
•'♦*'^<'n kostbare Geschenke Zauberzeichen (Kekinowins, verwandt mit dem
nonii-rhen tjwjn , Nutzen, Beistand**?) und Zauberlieder eintauscht, denen
♦T mehr Macht zuschreibt als seinem natürlichen Mulhe, seiner vielgeiibten
LUi und seiner (iewandtheit.
Anrh im Norden wird die meiste Nachfrage nach Zauberrunen geherrscht
h.ihen, denen man übernalürliihe Kräfte zuschrieb. So heisst es inSigrdrifumal:
ti. Si»'>rnmt»n schneide, wenn du Sieg willst haben;
(ir.die sie ein auf des Schwertes Grill,
Auf die Seiten eini^^re, andere auf das Stirhblalt
Und nenne zweimal Tyr.
7. AHnuicn kenne, dass des Andern Frau
Dich nicht trüg»*, wenn du traust.
Auf das Hörn ritze sie und di-n Rücken der Hand
!'nd mal ein \ auf den Na^el.
36
Zauberrunen.
9. Bergrunen schneide.
wenn du bergen willst
und hart um die Knöchel
wenn du bergen willst
auf das Steuerblall ritzen.
Und lösen die Frucht von Frauen.
In die hohle Hand
Und heische der Disen Hilfe.
10. Brandungsrunen schneide.
Im Sund die Segelrosse:
Auf das Steven sollst du sie.
Dabei in 's Ruder brennen.
Nicht so stark ist die Strömung, nicht so schwarz die Welle.
Heil kehrst du heim vom Meere,
1 1 . Astrunen kenne.
Und Wunden wissen zu heilen.
In die Rinde ritze sie
Wo ostwärts die Aste sich biegen.
1 2. Gerichtsrunen schneide.
Deiner Schäden sicher sein.
Die winde du ein.
Und setze sie alle zusammen.
Bei der Dingstätte,
Zu vollzähligem Gerichte ziehen.
13. Greistrunen schneide.
Als es ein andVer kann.
Die ersann und sprach,
Odhin, der sie ausgedacht.
Hieraus geht hervor, dass die Runen allein noch nicht der Zauber
waren, es musste auch das Wort dabei sein, der Zauberspruch, und dieser
konnte wieder nicht gedacht werden ohne Zauberzeichen. Die Zauberzeichen
weihten, in die Geräthschaften eingegraben, wie Schwerter, Steuerruder,
Steven, diese Gegenstände, oder bannten den Geist in Bäume wie bei den
Astrunen, die Gerichtsrunen scheinen sogar in die Erde gegraben oder an
der Stelle verborgen worden zu sein, um die Meinungen der Richter zu
ändern; am interessantesten aber sind diejenigen Stellen, welche vom Ein-
ritzen der Runen in den Körperjsprechen, denn sie geben Aufschluss über
den Ursprung der Taluirung. Eine solche Tatuirung kommt auch in der Bibel
vor, wo Jehovah dem Kain ein Zeichen machte, dass er nicht durch Blutrache
wenn du Arzt sein willst
und das Reis am Baume,
willst du der Rache
die wickle du ein
wo Leute sollen
willst du kluger scheinen
die schnitt zuerst
Verbindung der Runen mit Zaubersprüchen. 37
umkomme, der Name dieses Zeichens ist niM oth, dasselbe Wort, welches in
der Schöpfungsgeschichte gebraucht wird: ,es werden Lichter an der Veste
des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage
und Jahre", denn dieses oth ist auch Himmelszeichen, Wunder; dieselbe
Wurzel hat das nordische % naud, welches das althebräische X Thau ist,
während andererseits die citirte Bibelstelle snxf ^ Dakth hinweist, das mit
dem nordischen V Thurs verwandt ist, von dem es im Skymisför heisst:
Ein Thurs schneid ich dir, die drei Stäbe;
Ohnmacht, Unmuth, Ungeduld.
Dass das hebräische niM oth mit dem ägyptischen ^^ uten «das gött-
liche Auge, die Sonne'' und dem nordischen Odhin eng verwandt ist, beweist
der Umstand, dass das linke Auge ^^ o^, Mond'' bedeutete, dasselbe Auge,
welches nach der Sage Odhin bei Mimer verpfändet hatte.* Wenn nach dem
Runenzauber Odhin sich vom Weltbaume loslöst, nachdem er die Runen
gelernt hat, so liegt die Deutung nahe, dass mit der Erfindung der Runen die
Religion begann: die Götter existirten nicht, ehe man sie anrief, und sie gingen
unter mit der Religion, diese Ahnung beherrschte schon die Priester der
Vorzeit, und sie liegt der Lehre von der Götterdämmerung zu Grunde. Moses
verbot die Tatuirung, wahrscheinlich weil er fürchtete, dass dieselbe zum
Polvtheismus führe.
Die Zaubersprüche, welche mit den Runen verbunden waren, haben
ihren Ursprung jedenfalls im Losen. Es wurden hierbei Stäbe durcheinander-
geworfen, unter denen man drei auswählte, den verschiedenen Sinn derselben
äuchte man durch Deutung zu einigen; aber gerade dieses Verfahren nöthigtc
zu einer Biegung der Ausdrücke, welche auf die Sprachentwicklung von
(.Tossem Einflüsse war. So werden in dem oben citirten Verse an die Thurs-
nine drei Worte mit u geknüpft: Unmacht, Unmuth, Ungeduld. Zur Auf-
klärung sei bemerkt, dass Freyr (die Sonne) seinen Diener Skyrnir (den
Sonnenstrahl) zur Gerda (der Erde) mit einer Brautwerbung gesendet hatte;
• Mimer ist der Gott des Wassers, in welchem sich d<»r Himmel und iusbo-
•'»ndere Sonne und Mond widerspiegeln, diess erklärt die Anschauung, Odhin habe
*in Auire hei Miroer versetzt, die Sage von den einäugi^ren Cyclopen 'lässt jedoch
auch die Deutung zu, dass anf&nglich Sonne und Mond nicht unterschieden wurden
■md erst 9piter beide als besondere Himmelskörper, als Götter, betrachtet wurden;
in die«em Falle wurde der Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit der Mondgott.
38 Geheime Bedeutung der Hünen.
als Gerda sich weigerte, dieselbe anzuiiehmen, schleuderte üir Skyrnir die
obige Drohung entgegen, welche bedeutet, er werde die Erde in einen unfrucht-
baren, von innerer Hitze (Unniuth, Ungeduld) berstenden Boden verwandeln.
Auf dem Boden dieser Runensprüche wuchs auch die Alhtterations-Poesie
hervor, welche ursprünglich keine Spielerei, sondern das Ringen nach
Erweiterung des Ausdruckes einer wortarmen Sprache war. In den Psahnen
tritt diess ebenfalls hervor, nur ist hier die Allitteration in den Parallelismus
des Gedankens übergegangen, der zwei-, drei und selbst viergliedrig auftritt;
den dreigliedrigen Parallelismus findet man im ersten Psahn:
Heil dem Manne, der nicht wandelt nach der Frevler Rath,
Und den Weg der Sünder nicht betritt.
Und im Kreise der Spötter nicht sitzt.
Hieraus erklärt sich, warum das Auswendiglernen der Sprüche auch
zur Zeit, wo man die Schrift kannte und übte, so wesentlich war, vor allem
bedurfte die Sprache der Ausbildung, die Schrift bot nur die Unterlage, an
sich war das Zeichen vieldeutig, wie Gudrunakwida II, 12 beweist, wo es
heisst:
In jedes Hörn hatten sie allerhand Zeichen
Röthlich geritzt, die ich nicht errieth.
Wären die Runen eine Lautschrift gewesen, wie wir sie verwenden,
so. hätte doch jeder Schriftkundige die Inschrift auf den Hörnern lesen
können, es hätte von einem Errathen keine Rede sein können ; aber sie waren
vieldeutige Begriffszcichen, mit einem geheimen Sinne, der nur dem Ein-
geweihten verständlich war, und darum konnte man sie ungescheut einem
Boten anvertrauen, wie es im Atlamal bezeugt wird:
In Xoth war die Weise, wollte sie helfen;
Die Gesandten sollten segeln, sie selbst daheim sein.
Da ritzte sie Runen; doch vor der Reise
• Verfälschte sie Wingi. der Bringer der Fahr.
Offenbar kannte Wingi den Sinn der Botschaft nicht, welche er über-
bringen sollte, er vermuthete nur, dass sie eine Warnung enthielten, den
Gesandten nicht zu trauen, daher fälschte er sie, indem er, wahrscheinlich
durch Hinzufügen von Strichen, den Zeichen eine andere, gleichviel welche
Bedeutung gab. Es gelang ihm dadurch den Sinn zu verwirren, denn es heisst
von der Empfängerin der Runen:
Runen und Hieroglyphen. 39
Klug war Kostbera und kundig der Runen.
Sie besah die Stäbe beim Schimmer des Lichtes
Und zwang die Zunge zu zwiefachem Laut,
Denn sie schienen umgeschnitzt und schwer zu errathen.
Derlei doppelsinnige Zeichen waren aber nicht nur die Runen, sondern
die Schriflzeichen überhaupt, so lange sie nicht zur öffentlichen Bekannt-
machung als reine Lautzeichen verNvendet wurden ; Spuren davon haben sich
erhalten z. B. in den Hieroglyphen, wo der Fisch „ nicht sein, verboten " , eine
Schote ^zusammenbinden, Bündel*, ein Schlitten „in Stillstand geräthen,
bewundern", eine Feder , offen, Wahrheit, Gerechtigkeit**, der Phallus »Weg,
Pfad*, ein Wasserbecken „lieben, wünschen, Freundschaft**, eine Schnur
«voll, Besitzer, Anführer*, der Geier „Mutter, Mann, Mensch", der Hahn
, preisen, anrufen, bitten •* , eine säugende Kuh „ können, vermögen " , ein Doppel-
hammer „wenden", ein Bogen „der Fremde", ein Kalb „Fleisch, Erbschaft",
ein Doppelhorn „ Stand, Würde, Ansehen " , zwei einzelne Hörner „ erleuchten,
erhellen", ein springendes Kalb „Durst" bedeutet, welch letzterer Begriff
klar in dem Helgakwida (III, 36) hervortritt, wo es heisst:
So hob sich Helgi über andere Helden
W^ie die edle Esche über Dornen,
Oder wie thaubeträuft das Thierkalb springt:
Weil überholt es anderes Wild
Und gegen den Himmel glühen seine Hörner.
Man vergleiche die ägyptischen Hieroglyphen !fmt ab „Durst" ^^ ap
^erleuchten". Überhaupt zeigen die Bilder der Edda eine merkwürdige Über-
einstimmung mit den Hieroglyphen, z.B. im Hymiskwida:
19. Des Thursen Tödter, abbrach er den Thieren
Der beiden Hörner erhabenen Sitz.
(v^ au, ap „Stand, Würde").
20. Da bat der Böcke Gebieter den Affengott
Ferner in die Fluth das Seeross zu führen.
<S jJ^wMOT, der Weltschöpfer, J a«, Symbol des Thaud, ^^ ba, Seeross?)
Diese abstracten Begriffe sind an dem Wortlaut hängen geblieben,
nachdem die Bilder weggefallen waren, und es ergiebt sich hieraus, dass eine
Kemitntss der Bilderschrift das Verständniss der Wörter wesentlich erieichlerl.
das» daher die ägyptischen Hieroglyphen dem Sprachforscher sehr nützliche
^0 Das Futhork.
Wegweiser sind» um von dem abstraeten Begriffe auf dessen concrete Grund-
lage zurückzuschliessen, dass es für ihn aber auch absolut nothwendig ist,
sich mit der Form und dem Sinn der alten Dichtkunst vertraut zu machen,
ja dass er selbst etwas von einer poetischen Ader haben muss, um den
Wandel der Begriffe zu verstehen. Mit trockenen Worten und Lautverglei-
chungen richtet man da nichts aus, im Gegentheil kann man gerade dadurch
zu Missverständnissen gelangen.
Wenn wir dennoch nicht die Hieroglyphen, sondern die Runen zur
Grundlage unserer weiteren Untersuchungen nehmen, so veranlasst uns hierzu
erstens^die geringe Zahl der Runenzeichen, in welcher die Begriffe sich noch
nicht so sehr zersplittert zeigen wie in den Hieroglyphen, zweitens die fest-
geschlossene, an die Zahlenreihe geknüpfte Ordnung der Runen, der die
Hieroglyphen wenig Ähnliches an die Seite stellen können; drittens die Durch-
sichtigkeit dieser Anordnung, welche ein allmähliches Entstehen aus einer
kleinen Anzahl von Grundzeichen erkennen lässt, viertens die Runennamen,
welche die Zeichen erklären und den Sinn derselben plastischer hervortreteo
lassen, als diess bei den äg}'ptischen Lautzeichen der Fall ist, welche die
Begriffsbedeutung bereits ganz abgeworfen haben und nur mehr als Laut-
zeichen vorkommen. Aus diesen Gründen werden wir im folgenden Abschnitte
die Runenzeichen-Ordnuiig zum Gegenstände einer besonderen Untersuchung
machen.
3. DAS FUTHORK.
In den meisten Ueberlieferungen der nordischen und angelsächsischen
Runen sind dieselben in einer eigenen Zeichenordnung gegeben, welche nach
den ersten sechs Lautzeichen f u th o r Je Futhork heisst. Diese Zeichen-
ordnung spricht entschieden gegen jede Abstammung der Runen von griechi-
scher oder römischer Schrift, denn hätten die Normannen ihre Zeichen
entlehnt, so hätten sie sicher die griechische Ordnung »Alphabet* oder die
römische ,.Abece*' angenommen. Auch das spricht gegen die ElnQehnung,
dass in den dänischen Waldemarrunen ^urch Punktirung Lautnuancen
gebildet wurden wie P «' aus f f, W ü aus H m, ► (/ aus V 8^ Y g aus Y Av
I e aus I I, % p aus % b, da doch das griechische Alphabet Y ü J^d F g E e
np geboten hätte.
Das Futhork. 4. 1
Bedenklicher ist, dass in den Namen der Runen Laute vorkommen,
für welche keine Runenzeichen vorhanden sind, wie e in fe^ et in reü^ g in
hiiyl und langr, d in Reid, Naud, Madr, ö in Biörk, aber auch dieser Umstand
spricht für das hohe Alter der Runen, deni^ diese Namen sind isländisch und
die isländische Sprache lautreicher als die Runen , obgleich mit der Runen-
sprache innig verwandt; so steht dem runischen tV isländisch er »er*, run.
inkia isl. eckia , Witwe*, run. inir isl. einir , Wachholder*, run. ^t^t
isl. heidi «Heide*, run. hakna isl. hagi „Zaun, Hag*, run. mudir isl. modir
, Mutler*, run. hiurn isl. biöni ,Bär*, run. iukul isl. joktU »Eisberg*
gegenüber.
Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Runenordnung in früherer Zeit
noch kürzer war, denn die Helsingrunen, welche keine Stäbe haben, bestehen
nur aus folgenden 15 Zeichen: ^^
I / V \
I \ /
I /
/
f. ti ih r k h n i a 8 t h l m n.
Durch die Theilung des i entstehen nämlich zwei Zeichenreihen, offenbar
zwei ursprünglich verschiedene Ordnungen, welche sogar den Laut n
gemeinsam haben, während o ausgefallen ist.
Es erinnert di^ss an die Schrift der Malediven, von der Prinsep^®
berichtet, ein intelligenter Maledive habe ihm gesagt, sie besässen eine Schrift
Ton neun Zeichen, nämlich m fd 1 1 g n s d, Prinsep Hess verschiedene
Wörter aufschreiben, worunter auch eines mit k vorkam, und auf Befragen,
wie er dieses schreibe, antwortete jener, das sei in einem andern Alphabet. Es
ergab sich somit, dass die Malediven ein doppeltes Alphabet besässen, nämlich :
a th n r b l k a w
und
m ph dh t l g n 8 d.
Die erste Reihe dieser Zeichen besteht aus den arabischen Zahlzeichen:
\ rrVo^YA\
12 3 456789
und diess hat zu der Vermuthung Anlass gegeben, die Malediven hätten die
Zahlzeichen von den Arabern entlehnt und sich daraus eine Schrift gebildet;
42 Vei'schinelzun? verschiedener Alphabete zu einem Ganzen.
aber die Malediven kennen nicht nur die arabischen Zahlzeichen, sondern
auch die ganze arabische Schrift und bedienen sich derselben, doch sclu*eibeu
sie lieber mit ihren heimischen Zeichen, die denn doch wohl älter sein
müssen. Hierzu kommt der Umstand, dass es wohl allgemein bekannt ist,
dass die Araber ihre Zahlzeichen von den hidern entlelmt haben, aber
vergebens sucht man unter den übrigen indischen Ziffemsyslemen eines,
welches eine Ähnlichkeit mit den arabischen Zahlzeichen hätte. Es bleibt
somit keine andere vernünftige Annahme übrig, als dass die Araber von den
Malediven, die ihnen auch zunächst lagen, das indische Ziffernsystem aus den
maledivischen Zeichen entlehnt haben.
Jedenfalls haben wir hier den Beweis, dass ein Volk eine doppelle
Lautzeichenreihe besass, und diese Tliatsache hat für uns umsomehr
Interesse, als auch das Runen-Futhork auf einer solchen doppelten Zeichen-
reihe zu beruhen scheint, wenn wir die 1 6 Zeichen desselben in zwei Reihen
gliedern :
r
fe
n
w
>
thuvs
*
OS
it
reicl
r
katm
*
hayl
%
naud
1
is
A
ar
H
sol
t
Vir
l
bi'örk
r
luuijr
Y
madt
Xs in''
War P verwandt mit I, so ergiebt sich sogar eine augenscheinliche Zahlen-
ordnung; I 1, n = A ^; ^ = A 3, ^ 4, ^5 imd setzen wir ♦ statt T, so
erhalten wir sechs Striche, diese Zeichen bilden aufifallenderweise den Namen
^»Futhork*. Dass diese sechs Zeichen in alter Zeit genügten, lässt sich aus
den noch vorhandenen Wörtern nachweisen, welche
den Uebergang von/ in / und b
y, th* ^ s d t
n 0 ^ a
. r , l
* Das nordif?clie th ist ein spitzer Laut, welcher durch Anstossen der Zunge
hervorgel)racht wird, wie gegenwärtig noch das englische th^ wir bezeichnen ihn in
den nordischen Wörtern mit d.
Wechsel der Bedeutung der Zeichen. 43
beweisen, wie isl. afl, afli , Kraft* mit abl, ahli wechselt, julr „froh* mit/o/i
, Füllen * , o«\ iranier * mit aefi „ Lebenszeit ''yUr,, Thau " mit yHa, inadr « Mann *
mit tiad}\ isl. /»ro/r „ mannhaft * , hm „ Haus * mit hanis (das Bedeckende)
p die Haut* und mit heimi „das eigene Haus*, Srottr „Kraft* mit truiiti
»Herr*, ding «Berathung* sak „Klagsache*, uitni „der Zeuge* und uisr „der
Weiser, kud „Gott* und kus „der Hausherr*, odr „wüthend* und aeda
„wüthen*, ar, ann „ Feuerherd * und Juxlr „Stein* eng verwandt sind, während
nordisch k häufig im Althochdeutschen als h auftritt, und n vor k ebenso
verloren geht, wie im Griechischen 77 «, j'x nk bilden; allenfalls könnte «
no< h als Ergänzung gedacht werden.
Je weiter wir uns von einem Sprachslamm entfernen, desto klarer
tritt der Wechsel der Laute hervor, im Altägyptischen und im Chinesischen
sind die Laute r und l nicht geschieden, und Spuren davon scheinen in
unserer Sprache in dem Auslaute rl vorhanden zu sein; in der Keilschrift
sind m und r nicht zu unterscheiden, im Deutschen ist das nordische 27ioi7t
zu Dwn und Zorn geworden, futr zu Fnss u. s. w.
Nehmen wir aber die erste Hälfte voll mit acht Runen an und die-
jenigen Laute dazu, welche in den nordischen (nicht den lautreicheren
isländischen) Runennamen vorhanden waren, also
FI RID
U R KU N
Th R (S) H K L
OS N U D
so entstehen merkwardiger\veise gerade ein Dutzend Laute:
/ I u r th s 0 d k n h l,
welche sich auf der Grundlage der noch gegenwärtig geltenden vier Laut-
rlassen in folgender Weise aufbauen:
Lippenlaute: m — / — o
Zungenlaute: (/ — th — s
Schmelzlaute: l — r — u
Kehllaute: k — h — i
Hier wirft sich nun die Frage auf, weshalb man für die Runennamen
sich mit den Lautzeichen nicht begnügte oder sich nicht darauf beschränkte.
einen inhärirenden Vocal beizufügen, wie wir in a he ce efel em haben? Man
konnte dorli auch die Runenzeichen ef oder fe. m, the, 0 u. s. w. lesen?
^•^ Pulyphonie.
Gewiss, denn der Begriff der Zeichen ist ohne Zweifel im Anlaut enthalten,
nur scheint noch etwas mitgewirkt zu haben, was unserer Zeit fremd ist,
im Alterthume aber eine grosse Rolle spielte, nämlich die Polyphonie.
Bilder der BegrilTe sind nicht so klar, wie sie uns scheinen. Das ägyptische
Zeichen ]j^ konnte ebensogut eine Biene wie eine Ameise, eine Mucke, eine
FHege sein, ja überhaupt ein Insect, denn wir vermissen z. B. in den Hiero-
glyphen den SchmetterUng , der in der griechischen Religion als Symbol der
Seele (Psyche) eine Rolle spielte. Dieser Vieldeutigkeit entspricht die Poly-
phonie; das obige Zeichen hiess q/* als , Fliege oder beflügeltes hisecl*, s/t
als , Ungeziefer* heb. nnr sa/athy „verderben, verwüsten*, s/t heisst auch
Unterägypten, wahrscheinlich als Surapfland, Tiefland, hehr, nniz; äa/aih^
.ikothige Grube, Koth* was auch ^ hin zu bedeuten scheint); /b als Biene
wegen des Honigs, mn (Volk) wegen der grossen Zahl und kt (unser
„kitten*) wegen der Baukunst der Bienen und Ameisen. In der Keilschrift
lautet ^[i kur, tnatj nat, laf, §at^ nal im Sinne von „Hand, konmien. gehen,
nehmen, Land*, Alles Begriffe, welche auf „ausspreizen, ausbreiten* hinaus-
laufen, worauf auch das Zeichen hindeutet. Die Polyphonie in der ägyp-
tischen und babylonischen Schrift ist eine Thatsache , welche durch Namen
und Vergleichung verschiedener Texte ausser allem Zweifel gestellt ist.
In anderen Schriften ist zwar die Polj-phonie nicht vorhanden, wohl aber
beweisen Spuren, dass sie einst vorhanden war. Wenn im Chinesischen ein
Baum mu, zwei Bäume (Wald) liu, drei Bäume (Baumw^uchs) san gelesen
wird, so konnten diese verschiedenen Lautwerthe desselben Begriffes doch
nur deshalb entstehen, weil der Baum oder die Pflanze im allgemeinen die
Poh-phonie tn s hatte, wie auch sonst neben fnan „Kraut* und tni „Getreide*,
s«i„ wachsen*, san „reifen* vorkommt, lin aber hat gewöhnlich die Bedeutung
von etwas Zweifachem, wobei dann der Begriff „Baum* nebensächlich war.
Selbst die Alphabetschriften zeigen deutliche Spuren der Polyphonie,
die schon in der Einleitung erwähnt wurden.
Wenn Kostbera ihre Zunge zu zwiefachem Laute zwang, so mussten
auch die Runen polyphonetisch gewesen sein, und waren die Runennamen
nicht ein Spiel des Zufalls (mit Göttergaben spielte man nicht), so müssen
nicht nur die Anlaute, sondern auch die In- und Auslaute auf das Zeichen
sich beziehen, d. h. fe musste sowohl / als (e) i bedeuten, ur sowohl u
als r u. s. w.
Folyphonie des Runen. A^
Diese Ansicht lässt sich in folgender Weise belegen:
r (fe) ist in dem iberischen Alphabet e, wie das angelsächsische ^ (rsc
im Altgriechischen f; in den tironischen Noten ist H sowohl e als /*, 1 sowohl
f als i; folglich ist P=^ = |' = l, mit den Lautwerthen f e et L
n (ur) kommt schon in einzelnen Runenalphabeten als D vor, die Form
n entspricht dem griechischen p TT, und bekannt ist, dass P im Griechischen
r, im Römischen p ist, übrigens kommt auch im altgriechischen Alphabete
k als r vor; folglich ist n = TT = n=R = P, mit den Lautwerthen u p r.
^ (thurs) ist im altgriechischen Alphabete r, moabitisch ^ d ist
iberisch r, Q ist faliskisch (/, umbrisch und oskisch r, cf wechselt in M mit
fw, m wechselt in M mit s; folglich ist ^ =^ = Q = M = M, mit den Laut-
werthen th d r m 8,
^ (os) ist in der umbrischen Schrift ♦ z im Phönikischen + a, während
das verwandte $ « im Griechischen zu ks wurde ; da das hebräische a, wie
das Zeichen , beweist, zwischen a und o schwankt, so ist schon hiermit nach-
};ewiesen, dass 4* =o und s ist.
It (reid) ist bezüglich seiner Verwandtschaft mit d schon unter ^
erörtert worden, in umgekehrter Form K kommt es im iberischen als e vor,
und zwar gleichbedeutend mit ^ und E, E gilt aber im Altgriechischen sowohl
für e als für ei; somit ist |t = K = |s = E, mit den Lautwerthen r e i ei d.
X (knun) ist iberisch ü, wie das griechische Y ö, markomannisch /
und identisch mit K, welches in der Minuskel h bedeutet, in den tironischen
Noten aber a; h ist gleich H, welches in slavischen Schriften theils t, i/i
theiis n ist; somit ist r=Y=h=^H, mit den Lautwerthen k / h a i ü n,
4^ (hagl) ist markomannisch k verwandt mit H g, dieses identisch mit
X. welches in altgriechischen Alphabeten sowohl kh als ka ist, im Angel-
sächsischen ist i^ als Avr identisch mit T und ^, altgriechisch kh, in den
tironischen Noten bezeichnet die Durchkreuzung sowohl ks als /; somit ist
♦ =J(=:X = Y = y, mit den Lautwerthen h g k kh ks l, welches letztere
auch im angelsächsischen Runennamen Eolhx hervortritt.
^ (naud) hat in den markoniannischen Runen dieselbe Form wie g in
den angelsächsischen, g lehnt sich durch V k smY ü an, wie auch das
markoniannisrhe H k sich an das altgriechischo n anlehnt; übrigens wechselt
in nordischen Wörtern n geradezu mit d, z. B. madr und tnannr „Mann*'; Y
ist identisch mit V u, welches oben als verwandt mit r und d nachgewiesen
^ö Polyphonie der Runen.
ist; also ist i = X = r=Y=M=V=r, mit den Lautwerthen ii g k
ü u r d.
I {is)\^i im Altgriechischen identisch mit H, mit den Lautwerthen i und s.
X (ar) ist identisch mit +, weshalb man auch + als Doppel-a
angenommen hat, an seiner Stelle steht im Bracteaten % welches dem angel-
sächischen ^ yer entspricht, dem altgriechischen ;', iberischen o; ♦ ist im
Altgriechischen />/«, welches sich an f und u anlehnt. Eine einfachere Betrach-
tung bietet A als Grundstück zum lateinischen A, welches im Griechischen l
ist und sich an H ii anlehnt, wonach J = A = n = lt, a = / = M = r ist.
H (sol) ist, wenn wir statt des schwedischen sol das isländische suna
nehmen, nichts Anderes als das verkehrte altgriechische M N, dessen ein-
fachere Form V n ist, das umgekehrte A /, wie h das umgekehrte Y
kann ist.
So ist auch ^ (Ujr) das umgekehrte Y y, dessen Verwandtschaft mit r
genugsam oben beleuchtet ist.
^ (hidrk) ist verNvandt mit P, welches im Griechischen r, im Römischen
p, im Angelsächsischen w (u) ist, im Altgriecliischen kommt B neben Z (im
Korinthischen e) vor, welches letztere in der iberischen Schrift kh ist mit der
Nebenform X, die der gothischen Rune \^ p entspricht; demnach scheinen
auch B und K urvenvandt zu sein.
r (l(it(</r) wechselt im Allgriechischen als A und h in der Bedeutung
von l und g, hieran schliesst sich das lateinische Aa, und scheint das iberische
P dem h nicht fern zu stehen; sohin ist h = A = P, lg r.
Y (madr) ist in der angelsächsischen Schrift als M identisch mit m und
(/, indem ebenso als Name des m man^daeg steht, wie als Name des (/
daeg/man. Die Verwandtschaft von d und r ist oben nachgewiesen.
j^ (gr) ist das umgekehrte uuidr und eng verwandt mit H tu\
Es sind hier nur die augenfälligen Wechselungen aus den Zweigen
eines homogenen Schriftslammes nachgewiesen, ohne auf die Bedeutung
der Zeichen einzugehen und die Abweichungen sachlich zu begründen,
aber schon hieraus lässt sich das grosse Geheimniss der Sprache erkennen,
w^elche aus wenigen Lauten nicht nur viele Tau sende von Wörtern bildete,
sondern auch zugleich jenen Ueberfluss von synonymen Wörtern schuf, der
mit der aulTälligsten Dürftigkeit im Ausdrucke abwechselte Die Sprach-
bildung zeigt sich hier als eine elementare Kraft wie die zeugende Natur,
Nordische Geheimsprache. i7
welche in einem Lande eine verschwenderische Fülle schafft, während im
Nachbarlande durch zufällige Umstände Unfruchtbarkeit herrscht. Nichts
kann mehr zur Ausbildung und zum Wortreichthum der Sprache beigetragen
haben als die Polyphonie der Zeichen, welche gestattete, einen Begriff in
immer neuer Weise zu variiren, nichts hat aber mehr als diese Polyphonie
zur Verschiedenheit der Sprache beigetragen, da schon, wie die griechischen
Alphabete beweisen, in den nächsten Städten sich andere Aussprachen der
Zeichen festsetzten. Hieraus ergiebt sich ferner, dass eine im Lautwerthe
so schwankende Schrift keine Verlockung bieten konnte, Ueberlieferungen
oder Rechte auf sie zu stützen, dass man die mündliche Verhandlung und
l*»»lM»rliefernng vorzog, bei welcher die Sprache sich reicher entwickelte,
und dass erst, als die Sprache einen Reichthum an Wörtern und bestimmte
Unterscheidungen derselben gewonnen hatte, die Buchstaben schritt dem
V»Tkehre dienen konnte. Die homonymen Wörter unserer Sprache sind
Cb^rN^bsel eines frühern Zustandes.
Dass die von der Zeichenpolyphonie ausgehende Modelung der Wörter
><»j:.ir wissentlich gepflegt wurde, um der Sprache durch den Reichthum an
Wörtern mehr Biegsamkeit zu geben, beweist die Geheimsprache der
nonlischen Priester, von der ein gründlicher Kenner der Runen, Lilienkron,
Fol^'cndes sagt:^^ ,Das vorzüglichste Augenmerk der Skalden war die
^.'»♦wandte Handhabung der wunderbar complicirten Umschreibung der Namen
und Bf^rriffe; diese sind alte überlieferte Formeln, gesammelt und verzeichnet
h«->itz»Mi wir sie unter dem Namen des SkaldskapaVmal benannten Theiles der
.üntri-ni E<lda. — Es giebt zwei Grundregeln für die poetischen Benennungen.
LH*' »'ine beisteht darin, dass ein jeder der, wohl zu merken, bestimmt
h*-w'i*»'iizten Bt^griffe. aufweiche die Regeln anwendbar sind, beliebig durch eine
#*lM»iifails f»*stslehende Reihe von Wörtern ausgedrückt werden darf, deren jedes
.m die Stelle des andern treten kann. Soll z.B. der Begriff , Reichthum* aus-
^'♦-tjrü'kt werden, so kann hierbei /c ^pecunia**, yuU ,Gold", fxnujr, hvhujr
^\\\\\\:* u. s. w. benutzt werden. Die zweite Grundregel besteht darin, dass
dunh «»ine (*ombination mehrerer Wörter ein Begriff umschrieben wird, un<l
fiir j»'d#'n tler in diesem Kreise dazugehörigen Begriffe giel)t es wiederum eine
•/.uu** F?»Mlie solcher Umschreibungen. F]s besteht auf solche Art die ^'anze
Pi>»'^ic fast ausschliesslich auf dem Substantiv; .Vdjcctiv und Verbum spielen
••in*' durrhaus unt»*rtr^>()p|nete Rolle.*
4^ Analvse des Runen-Futhorks.
Wir können diese Wortspiele der spätem Zeit hier nicht verfolgen,
unsere Aufgabe ist vielmehr, vorwärts in das Dunkel der Vergangenheit zu
dringen und zu untersuchen, auf welche Weise die Zeichenreihe des Futhoii
enstanden ist. Die Polyphonie lehrt, dass die zweite Zeichenreihe der
16 Zeichen nicht unbedingt nöthig war, da mit Ausnahme von b und m alle
Laute schon in den Namen der ersten Reihe vorkommen, b und m aber
lehnen sich eng an f und u an, sind blosse Lautverschiebungen derselben.
Die Lautverschiebung lässt uns weiter dringen und die erste Zeichen-
reihe abermals theilen, wobei jedoch nicht eine Anreihung, sondern eine
Durchsetzung angenommen werden muss: Wir erhalten somit
r fe n ur
^ thurs ^ OS
^ reid X kaun
♦ hagl % naud
also in der ersten Reihe einen Kehllaut K einen Lippenlaut /", einen Zungen-
laut fh, einen Schmelzlaut r; ebenso in der zweiten Reihe einen Kehllaut k,
einen Lippenlaut u. einen Zungenlaut i?. einen Schmelzlaut w.
4. DIE UR-RUNEN.
Wir haben im vorigen Abschnitte die Runenreihe von 16 Zeichen in
zwei Reihen zu acht, und diese wieder in zwei Reihen zu je vier Zeichen
zerlegt; wollen wir der Entstehung der Schrift und der Runen insbesondere
nachgehen, so dürfen wir hierbei nicht stehen bleiben, sondern müssen auch
diese vier Zeichen in zwei Theile zerlegen, um zur Einheit zu gelangen.
Der Begriff der Einheit ist keineswegs so nahe liegend, als wir im
Besitze unserer Erbweisheit wähnen; um die Einheit zu verstehen, musste
man , scheiden*, »unterscheiden" lernen, nur aus der zwei konnte man die
Einheit erkennen: die zwiefache Einheit. Wir bezeichnen noch gegenwärtig
den höchsten Grad der Unwissenheit damit, dass wir sagen, Jemand könne
nicht bis drei zählen, und es gibt wirklich Völker, welche nicht bis drei zählen.
Die Botokuden zählen nur tnokenam, d. h. 1, und uruhu, welches 2 und
,viel* bedeutet, und von den Neuholländem wird behauptet, sie hätten keine
Zahlen über zwei. -'^
Die Schlinge. . 49'
Scheiden und unterscheiden kann aber jeder Mensch » denn die Unter-
scheidung ist der Anfang aller Vernunft; sie war jedenfalls auch der Ursprung
der Schrift und der Sprache, die erste geistige Regung des Menschengeisles.
Was war es, das den geistigen Funken im Menschen erregte? '
Untersuchen wir, was den Menschen am meisten von seinem nächsten
Verwandten im Thierreiche, dem Afifen, unterscheidet, so ist es der Blutdurst.
Die Affen nähren sich von Fruchten, Vogeleiern und Insecten; der Mensch
verzehrt am liebsten Fleisch, es ging ihm wie dem Löwen: nachdeni er
einmal Blut gekostet, zog er dieses allen anderen Nahrungsmitteln vor. Um
abiT Thiore zu erlegen, reichten seine natürlichen Eigenschaften nicht immer
aus, der Hunger oder der Blutdurst trieb ihn an, die ersten Werkzeuge zu
bilden , und diess waren : für kleine schnelle Thiere die Schlinge, für grosse
(iie Keule oder der Baumast.
Wir möchten fast der Schlinge die Priorität zuerkennen, denn der
älteste Gott (und es war natürlich, dass die Menschen sich ihren Gott nach
ihrem Bilde vorstellten) war Ltüci „der Verführer, V^erlocker", loka „der Ver-
sohliesser*, der Schhngenmacher, der Gott der List; ihm gegenüber steht der
stärkere Keulenträger, der „Thor" in des Wortes doppelter Bedeutung. Lüki
<H]er isländisch logt ist auch lautverwandt mit dem griechischen logos „das
Wort*, welches im Isländischen nur mehr als Ujgi „Lüge* vorkommt, sinnver-
wandt mit dem nordischen fiur „Leben, Athem", dem Geiste j^hi der Karenen,
der als Fieber sich auf den Bäumen der Dschungeln aufhält, der Schlange i<;«*^
/"der Ägypter, denn man betrachtete das Schütteln des Fiebers als die Bewe-
gungen der unsichtbaren Schlange, die vom Baume in den Menschen gefahren
sei ; die lauernde, schleichende Schlange war auchder Lehrmeister des Menschen
bei seinem ersten Handwerke und die/p-Rune P = Y ist im Grunde nichts
Anderes als der züngelnde Schlangenkopf >4^ oder als I die Schlange selbst.
Hand in Hand mit dieser ersten Erfnidung ging aber eine Idee, welche
den Anstoss zu aller Cultur gab. Schlingen gab es im Urwalde genug, und
dass sich darin Vögel und kleinere Thiere verstrickten, hatte den Menschen
wohl zur Nachahmung veranlasst, aber häufig blieben die Schlingen leer oder
wurden von den Thieren zerrissen, was konnte dem abhelfen? Eben derselbe
/'Äi, der die Menschen plötzlich niederstreckte, der Hauch , der ob nun als
Sturmestoben oder säuselnde Bewegung Alles bewegte und erregte, der Odem,
«ler den lebendigen Menschen von der Leiche unterscheidet, der Gott der
F«<itaiann. (t««chirht6 d. Schrift 4
50 . Fi. — Ur.
Lufl, der selbst die stärksten Bäume zerknickte. So war der erste Gedanke,
der den Menschen bewog, seine Kräfte auch über den Bereich seiner Glied-
massen auszudehnen, der Ursprung der Religion, der Glaube an eine über-
natürliche Einwirkung, der Versuch der Zauberei. Der Mensch behauchte die
Schlinge, er blies ihr den Geist ein, und dieser erste Laut, der über den
Kreis der Empfmdungslaute hinaustrat, dieser Laut, der eine Absicht aus-
sprach, dieser erste artikulirte Laut war: /f.
War diese erste Geistesregung auf Trutz und Angriff gerichtet, so war
daran unwillkürlich der Gedanke an Schutz geknüpft ; der Geist der Luft, den
er zum Verderben Anderer anrief, den rief er auch an, ihn zu verschonen,
die erste Erkenntniss zog unwillkürlich die zweite herbei, zum Leben gesellte
sich der Tod, zur freudigen Hoffnung die Angst und zu dem hellen fi gesellte
sich das knurrende: ur.
So war die Gedankenlosigkeit abgestreift, welche bisher den Menschen
befangen hatte, sein Geist war erwacht und übte sich im Unterscheiden.
Natürlich bewegte sich die Auffassung seiner Begriffe nur in leicht fasslichen
Gegensätzen: Leben und Tod, Mann und Weib, Tag und Nacht, Frost und
Hitze, klein und gross, hart und weich, gerade und gebogen, eins und viel —
Alles Begriffe, welche sich in den Zeichen I und A oder V ausdrücken.
Wir fmden Spuren dieser zweitheiligen Auffassung in den ältesten
Mythen der Bibel : Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde, schied er das
Licht von der Finstemiss , nannte das Licht Tag und die Finstemiss Nacht,
ward aus Abend und Morgen der erste Tag. Bezeichnend werden nur die
beiden Wechsel zwischen Finstemiss und Licht hier benützt, um die Zeit zu
bezeichnen, denn ob die Sonne höher oder tiefer am Himmel stand, war dem
Wilden gleichgiltig, er merkte nur den Unterschied zwischen Licht und Fin-
stemiss. Eine zweite Stelle befindet sich in der uralten Sündfluthsage: ^So
lange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte Frost und Hitze.
Sommer und Winter. Tag und Nacht". Jahrtausende lang mag der Mensch
auf dieser Entwicklungsstufe stehen geblieben sein, da sie sich so dauernd in
der Elrinnerung erhalten hat.
Ich vermulhe, dass diese Erfindung der Sprache, welche Hand in Hand
mit der Erfindung der Schrift und der Religion ging, das Menschengeschlecht
geschaffen hat, dass es also weniger durch natürliche Kreuzung, als vielmehr
durch Veränderung der Lebensweise und geistige Thätigkeit sich über den
Knotenschürzen. 5 1
thierischen Zustand erhoben hat; wirkt doch noch jetzt das Denken auf die
körperliche Entwicklung der Menschen ein, während die Nichtbeschäfligung
mit dem Denken dem Gesichte einen stumpfsinnigen Ausdruck, dem Körper
einen gebeugten, schleppenden Gang giebt (der übrigens nicht mit den Folgen
von Schwäche oder Alter verwechselt werden darf und kann). Mit der Hand-
arbeit des Schlingenknüpfens und Keulentragens war der aufrechte Gang
unbedingt verbunden^ und das Gelurn konnte sich mehr entwickeln. Es giebt
kein Volk, welches nicht im Besitze der Sprache und der Religion wäre,
denn wenn auch von einzelnen Völkern behauptet wird, sie besässen keine
religiösen Begrifife , so liegt die Vermuthung nahe , dass sie ihre Meinungen
verhehlten, zumal die Missionäre nicht immer die Befähigung besitzen, sich
das Vertrauen der Wilden zu erwerben oder deren Anschauungen zu ver-
stehen. **
Wenn ich, vom Ruuen-Futhork ausgehend, angenommen habe, dass fi
und ur die ersten menschlichen Laute gewesen seien, so bin ich weit entfernt,
damit die Einritzung von Zeichen als Anfang der Schrift in Verbindung zu
bringen; so lange der Mensch keine anderen WafTen als den abgerissenen
xVst oder die Schlinge besass , konnte von keinem Einritzen die Rede sein,
wohl aber mochte sich von jener Zeit an das Knotenschürzen datiren, welches
dir* beknoteten Gegenstände heilig macht und sich später in China und in
Peru zu einer formlichen Schrift entwickelte, die (wie unsere Zeichen im
Grunde auch) auf — und — , nämlich auf der Einheit und Zweiheit, auf
dem Ungetheilten und Getheilten, sowie auf der Fortsetzung der Theilung
beruht. Merkwürdigerweise hat eine mechanische Nothwendigkeit in jüngster
Zeit wieder zu einem ähnlichen Alphabete geführt, dem telegraphischen,
welches, da die vom Magnet bewegte Nadel nur Einritzungen von verschie-
dener Länge machen kann, sich aus Strichen und Punkten aufbaut, als ein
Beweis, dass man auch mit diesen unscheinbaren Mitteln den Reichthum
der Sprache wiedergeben kann. Leider ist von dem Wesen der Knotenschrifl
wf'nig Kunde erbalten ; wir wissen namentlich nicht, in welchem Verhältnisse
die Knoten zur Sprache standen. In unserer Schrift hat sich der Knoten nur
aU X erhalten, welches von Schriflunkundigen statt der Unterschrift gebraucht
wird, und es ist schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass damit die
Rune + Saut (= Knoten), die schon in der Heidenzeit doppelt W für den
N.imen gesetzt wurde.** zusammenhing.
52 Doppelsinn der Laute.
Es ist oben angedeutet, dass fden Begriff des Lebens, r den Begriff
des Todes enthalte ; man würde jedoch sehr irren , wenn man darauf eine
Sprachanalyse bauen wollte, denn da jeder Begriff activ und pai^siv gebraucht
werden kann , so schliesst er auch sein Gegentheil in sich. Ist z. B \ f der
Hauch, das Leben, so ist es andemtheils auch I is das Eis, das Ausgestreckte,
der Tod; ist h ur die Höhle, die Leere, das Loch ^>, so ist es im Gegen-
satze zum Ausgestreckten das Zusammengezogene, der Fruchtknoten, der
Same, das Leben; ist I das Feste, das Harte, der ausgereckte Arm, das Glied,
so ist es auch die dünne Sclmur, das Nachgiebige, der Faden, dagegen k der
Knäuel, das Feste, Harte, die Erde; ist Ifdas Ausgebreitete, so ist es anderer-
seits auch das Kleine im Gegensatze zu h ur gross, gewölbt, weit; ist I die
Zunge, so ist ^^ der Mund und beides das Werkzeug zum Sprechen; ist I
die Ähre, der Halm, der Baum, so ist P die Blume, die Frucht und die Fülle
im Gegensatze zu — der unfruchtbaren Ebene. Die Sprache ist kein Mineral,
wo sich Krystall an Krystall ansetzt,* sondern eine Tochter des Gedankens,
der vielfach durchschlungenen Fäden unseres Gehirns,
Demgemäss wird es nicht auffallen , wenn f und r, welche wir als
Gegensätze kennen gelernt haben, in manchen Wörtern geradezu dasselbe
bedeuten, so im Nordischen : ß „glätten, poliren*, n'fa „reiben*, /iiA*^ (isläu>
disch /oA*Ä^ „Fuchs", rifr „Fuchs", fu „roth", rauSr „der Rothe*, rot na
„verfaulen", fa „abzeichnen, malen", risfa „ritzen", rita „schreiben", (beides
vereinigt sich in rifa „Ritze"), /a«-» „fahren", fli/a „fliehen", riSa „reiten",
renna „rinnen", rufis „Fluss" (der Springquell), fosn (isländisch /brs^ „der
Wasserfall".
Man wird begreifen, dass Sprache und Schrift auf dieser Stufe sehr
armselige Verständigungsmittel waren ; wurden die Zeichen nur zum Zauber
gebraucht, so war kein Unfall zu befürchten, denn Knoten war Knoten, ob lang
oder kurz, und beim Sprechen begleiteten die Geberden die Rede und gaben
an, ob /im/ „viel" oder fair „wenig", furir „vorne" oder aftar „hinten" gemeint
sei, denn ob «^> der Mund oder etwas Anderes war, konnte ohne „Fingerzeig*
nicht erkannt werden, selbst im Hebräischen wird rrxT rao , sehen " und pn ra'^
„schlecht" mehr in der Schrift als in der Sprache unterschieden, zumal auch
npn ro'a „hüthen" mit „sehen" (wachen) zusammenfällt.
Natürlich waren die religiösen Vorstellungen in damaliger Zeit sehr
unklar; der hbterlistige, blutdürstige Mensch lebte zugleich in beständiger
Fetische als Schriflzeicheu. 53
Furcht vor Anderer Hinterlist, gegenseitiges Misstrauen verhinderte die
•
Geselligkeit, wie sie bei friedlichen Thieren heimisch ist. Daher gab es auch
keine Fainilie. Wie noch jetzt die Chittagong in den Dschungeln, lebten Mann
und Weib getrennt, nur zeitweilig wurde dieses von jenem aufgesucht, und
die Bräuche der Neuseeländer und ähnlicher Völker beweisen, dass nicht
mit Liebesgirren geworben, sondern dass das Weib mit Keulenschlägen
betäubt oder in Schlingen gefangen (noch jetzt hat sich die Redensart
erhalten: zu Fall gebracht) wurde. Man hat, und wohl nicht mit Unrecht,
behauptet, dass die Prostitutionsgebräuche der Babylonier, Phönikier u. s. w.
den Übergang zum Familienleben bezeichneten, dass das Weib sich mit den-
selben von der Allgemeinheit, als deren Eigenthum sie betrachtet wurde,
loskaufen musste, um fortan einem einzigen Manne zu gehören. ^^ Wenn in
jener Zeit ein Bund der Liebe zwei menschliche Wesen verband, so war es
die Liebe der Mutter zum Kinde ; die Mutterliebe, w^elche zu allen Zeiten und
▼on allen Völkern in allen Tonarten besungen und in allerlei Bildern gefeiert
und verehrt wurde.
Bei der Unklarheit der allgemeinen Gottesidee wendete sich der Mensch
lieber den äusseren Erscheinungen zu, welche er als Emanation der Gottheit
betrachtete. Das Leben (fi), welches seine erste religiöse Verstellung war,
sah er in der ganzen Natur; der rollende Stein lebte, wie der rauschende
Baum, in jedem Thiere, dessen plötzliches Erscheinen ihn erschreckte , sah
er eine Gottheit, ein günstiges oder ungünstiges Omen, jede ungewöhnliche
Erscheinung war ihm Bedeutung, eine vereinzelte Feder, ein bunter Stein, ein
Knochen war ihm ein Schutzgeist, den er sich um den Leib hing. Aus jener
Zeit stammt der Fetischdienst und der Glaube an den Proteus, der sich in
allerlei Gestalten verwandelte, aus jener Zeit stammt auch die Bilderschrift,
deren Vorläufer (so lange der Mensch nicht ritzen gelernt hatte) er an seinem
Leibe herumtrug oder an seiner Waffe befestigte.
Über diese Einzelheiten erhob sich die Verehrung zweier Naturkräfle :
der Lull und des Wassers, entsprechend den Runen fi und i/r = wr. Als
sichtbare Erscheinung der erstem galt der NTogel (ägyptisch ^^ ^ ist die
Seele, Jm^p »fliegen* ist als Allheitsausdruck bestimmter Artikel der Sub-
stantiva geworden) und die Schlange ■»'-p-/; welche als | r in das Symbol
des Wassers überging und im Gegensatze zum Vogel, der den Tag bedeutete,
«lie Nacht vertrat; aber auch der Vogel vertrat als ttL m „die Eule* die Nacht,
54 Sociale Verhältnisse zur Zeit der Schriflerfindung.
sie war das Symbol des Pallas -Athene, der Geist des Baumes, und ihr
schauerlicher Ruf die Stimme Gottes, welche mit Furcht und Entsetzen den
Abergläubischen erfüllte.
Wir können diese Skizze der Urzeit nicht schliessen, ohne noch einer
andern religiösen Anschauung zu gedenken, welche derselben entstammt
Die Götter, welche der räuberische Mensch verehrte, gewährten ihre Gunst
nur gegen einen Antheil an der Beute, am besten gegen Vorausbezahlung.
Je kostbarer das Opfer war, desto mehr musste es wirken, daher opferte man
Fruchte, Thiere und Menschen, ja schliesslich das Theuerste, die eigenen
Kinder. So grauenhaft diese Sille ist, so ist an derselben um so weniger zu
zweifeln, als sie bis in die historische Zeit hinein sich erhalten hat und durch
zahlreiche Zeugnisse beglaubigt ist. Konnte sich aber diese schreckliche
Sitte bis in die historische Zeil erhalten, wo die Menschen in VölkerschaHen
zusammen lebten, so ist ihre Entstehung bei Menschen erklärlich, welche
Lenonnant auf Grund der geologischen Ausgrabungen also schildert:
, Ackerbau und Viehzucht waren ihnen unbekannt, sie irrten in Wäl-
dern umher und suchten Schutz in den natürlichen Gebirgshöhlen. Die
Bewohner der Seeküsten ernälirten sich von Fischen, die sie zwischen den
Felsen harpunirten, und von Muscheln; die im Innern des Festlandes umher-
streifenden Stämme lebten vom Fleische der Thiere, die sie mit ihren Stein-
waffen erlegten. Einen Beweis hierzu liefern die Höhlen mit ihren Anhäu-
fungen von Thierknochen, deren viele noch jetzt die Spuren der Werkzeuge
tragen, mit denen das Fleisch abgenommen wurde. Allerdings beschränkten
sich die Menschen dieser Periode nicht allein auf das Verschlingen der abge-
streiften Fleischtheile der Wiederkäuer, der Einhufer, der Pachydermen und
selbst der Raublhiere, sie wareu äusserst gierig nach dem Knochenmarke,
wie es die fast constante Bruchart der längeren Knochen zeigt. Diese Neigung
hat man bei der Mehrzahl der Wilden festgestellt. Einige Stämme, wie der,
dessen Spuren wir in Choisy-le-Roi bei Paris finden, scheinen sogar der
Menschenfresserei ergeben gewesen zu sein, doch treten die bezüglichen Hin-
deutungen nur ausnahmsweise auf. Man sieht hieraus, dass die Menschen,
deren Spur wir in den qualernären Ablagerungen finden, noch eben so wenig
in der Gultur fortgeschritten waren als heute die Wilden der andamischen
Inseln und Neu-Galedoniens. Auch ihr Leben war ein äusserst trauriges,
wenngleich besseres als das der Tertiärmenschen. * *^*
Sociale Verhällnisse zur Zeit der Schrifterfinilunjr. 55
Wir bemerken dazu nur, dass die hier geschilderten Menschen schon
auf einer höhern Culturstufe standen als jene, welche wir im Auge haben,
denn dieselben kannten die SteinwafTen noch nicht, desto mehr müssen wir
mit folgenden Bemerkungen Lenormant*s übereinstimmen:
, Vergessen wir nicht, dass gerade die allerersten Entdeckungen die
g^rösste geistige Anstrengung erfordert haben , denn sie bildeten den Anfang
und gingen nicht aus früheren hervor. Aus Feuersteinen jene schwerfalligen
Äxte anzufertigen, die uns jetzt die Landschichten aus den Flulhen-
anschwellungen wieder zustellen, war zu Anfang der Menschheit weit mehr
Scharfsinn erforderlich, als wir heutzutage zur Anfertigung der künstlichsten
und sinnreichsten Maschinen anwenden müssen. Betrachtet man andererseits
in den Sammlungen gleichzeitig diese Waffen der ersten Menschen und die
Skelete der furchtbaren Thiere, unter denen sie lebten, dann begreift man
wohl, dass der so schwache und unzulänglich bewaffnete Mensch die mög-
lichste Geistesanstrengung machen musste, wenn er unter solchen Verhält-
nissen nicht gleich vernichtet «sein wollte. Die Einbildungskraft kann uns jetzt
mit ziemlicher Bestimmtheit die furchtbaren Kämpfe vorführen, welche die
ersten Menschen gegen diese aus der Schöpfung verschwundenen Ungeheuer
bestehen mussten. Jeden Augenblick hatten sie mit den damals noch weit
i^rosseren und schrecklicheren Haubthieren, mit Bären, Hyänen und Tigern,
um ihre Höhlen zu kämpfen. Gar häufig fielen sie auch überrumpelt diesen
reis senden Thieren zum Opfer. Indessen gelang es doch dem Menschen,
durch List und Gewandtheit, diese gewaltigen Raubthiere zu überwinden,
und letztere zogen sich «lach und nach vor dem Menschen zurück , der im
Vergleiche zu ihnen so schwach und so ohnmächtig war".^^
5. DIE DREIHEIT.
In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Culturgeschichte ist das
dritleRunenzeichen^/ÄMrÄ^derSteinriese". Seine Bedeutung in derGeschichte
haben die eben citirten Ausführungen Lenormant*s erwiesen; seine Erfmdung
schloss sich an den Baumast an. Wohl mochten die Menschen die Steine
schon gleichzeitig mit Keule und Schlinge zum Werfen benützt haben, wie
auch die Affen geschickt im Werfen sind; clie Erfindung aber, welche weiter
56 Die Stein waffe.
führte, war die Verbindung des Steines mit dem Aste mid der Schlinge, die
Erfmdung einer neuen Waffe als Product einer geistigen Thätigkeit
In Verbindung des Steines mit der Schlinge entstand die weittreffende
Schleuder, mit welcher der mit dem nordischen Thorr so vielfach verwandte
David der Juden den Riesen Goliath bekämpfte ; * aus der Verbindung des
Steines mit dem Baumaste entstand das Steinbeil, zu welchem die scharfen
Wunden der Dornen (^ heisst auch Dorn) Anstoss gaben, mdem man die zer-
brechlichen Dornen oder das scharfe Schilfgras, von dem es noch im angel-
sächsischen Runenliede heisst: „es wundet grimmig*, durch scharfkantige
Steinsplitter ersetzte, wie noch die Mexikaner im Mittelalter hierzu dasObsidian
verwendeten. Endlich schuf man noch Todtschläger in der Weise der nord-
amerikanischen Indianer, welche den Stein in das Fell einer jungen Ziege,
das überdiess durch Bestreichen mit Honig geschmeidiger gemacht wird,
wickeln und an einen Stock anbinden, worauf nach erfolgler Trocknung der
Haut der Stein so fest an den Stock angekittet ist, dass er mit demselben wie
zu einem Stücke ver\i*achsen erscheint. Es erinnert dieses Verfahren unwill-
kürlich an den in mit Honig bestrichene Ziegenfelle gewickelten Stein, welchen
Gaea dem Kronos statt des Kindes Zeus darreichte, um das Leben des
letztern vor seinem kinderfressenden Vater zu schützen.
Die Verwandtschaft zwischen oiV „Volk* und Suni „treu* im Nordi-
schen, sowie zwischen ■ mn (Obelisk) als „beständig* und „Volk* im
Ägyptischen lassen darauf schliessen, dass mit der Steinzeit auch ein engeres
Zusammenschliessen der Menschen erfolgte, wahrscheinlich gab die bessere
Waffe mehr Muth sowohl zum Verkehre mit Seirfesgleichen als 'auch zur
gemeinsamen Bekämpfung der riesigen Thiere, welche im vorigen Abschnitte
erwähnt wurden. Überdiess trat zu dieser Zeit noch ein wichtiger Culturfbrt-
schritt ein: die Gewinnung des Feuers.
Das Feuer war bisher der Feind des Menschen gewesen, als BHtz, als
Logi, hatte es oft den unter dem Baume Schutz suchenden Menschen nieder-
gestreckt , wohl auch verheerende Waldbrände erzeugt, und wo es ihm als
* TIT ditd = david ist die Liebe, wie Thorr Gott der Ehe, David ist Harfen-
spieler wie der ägyptische Thaud und vertreibt die bösen Geister beim Saul, der als
fj^Wt? selbst der Geist der Untenveit, Scheol, ist, er bekämpft die Riesen wie Thorr
u. s. w. Ohne darauf einzugehen, ob David eine geschichtliche Persönlichkeit war,
ist doch so viel sicher, dass in seine Geschichte Mythen eingewoben sind.
Das Feuer. 57
Erdfeuer entgegentrat, zeigte es sich auch in furchtbarer Gestall. Auf welche
Weise es gelang, dieses Element den Menschen dienstbar zu machen, ist nicht
zu ermitteln, da Sage und Gewohnheit verschiedene Feuergewinnungen
erkennen lassen.
Bei dem Schrecken, welchen Naturerscheinungen den Menschen ein-
flössen, sollte man kaum glauben, dass die letzteren es je gewsCgt hätten,
von einem durch den Blitz in Brand gesetzten Baum Feuer zu nehmen; aber
Diodor berichtet, dass nach einer ägyptischen Sage wirklich Hephästos
auf diese Weise den Menschen das Feuer gegeben habe. Die nordamerika-
nischen Indianer entzünden das Feuer dadurch, dass sie hartes und weiches
Holz mitsammen reiben. Da im Alterthum das Feuer für identisch mit Blut
gehalten wurde (Lodur gab dem Menschen Leben und gesunde Färbung), so
erklärt sich hieraus die Mythe, die Menschen seien aus Bäumen entstanden,
der Mann aus der Esche, das Weib aus der Ulme, denn die Esche hat hartes,
die Ulme w eiches Holz ; hiermit hängt auch zusammen, dass im Hebräischen
OK «J »Feuer* venvandt mit O'» i^ „Mann*, nwK iÄ^« Feuerung und e^Sa
»Feuer* verwandt mit rrt^K iSSa „Weib* ist. Nach der griechischen Sage sind
die Menschen aus Steinen entstanden und dem entsprechend erzeugten die
Oriechen das Feuer aus Steinfunken. Doch beweist die Unterhaltung des
ewigen Feuers, dass man nur mit Scheu an die selbständige Erzeugung des
Feuers ging, wie auch kaum Faulheit die Ursache sein mag, dass manche
wilde Stämme lieber stundenweit zu einem benachbarten Stamme um Feuer
laufen, statt selbst solches zu entzünden.
Wie hoch die Gewinnung des Feuers geschätzt wurde, zeigt die Sage
von Prometheus, der angeblich von den Göttern hart dafür gestraft wurde,
<lass er das Feuer vom Himmel raubte und es den Menschen brachte. Leider
können wir seinem Schmerze keine Thräne weihen, denn war er, wie die
ägyptische Sage lehrt, identisch mit Hephästos, so hätte er sich selbst an den
FVlsen geschmiedet, gerade so wie Saul vom bösen Geiste heimgesucht
mnirde, der er doch selbst ist.
Auch das Feuer vereinigt den jüdischen David mit dem nordischen Thorr.
Wenn dieser zt Oegir's Mahl den grossen Kessel von dem Riesen (der er
selbst ist) holen muss, so ist tit dud selbst »der Topf*; wie jener leicht zor-
nig aufbraust, so heisst "ni dud »aufkochen, auflodern, lieben*. Damit schält
«ich aber Thorr aus dem Thursengeschlechle los, denn der Wassertopf aus
58 Der Steinriese. — Ackerbau.
gebranntem Lehm ist nicht mehr das todte Gestein, sondern die quellenreiche
Erdenbrust (hebräisch "tt dad , um daddim ,die Brüste*, griechisch nr5i:,
österreichisch Duttel), der Berg, der seine Ströme in das Thal ergiesst, wo sie
überschwemmend den Schlamm absetzen, der den natürlichen Ackerboden
abgiebt.
So wurde der Steinriese der Gott des Ackerbaues und die Dreizahl
führt uns auch in die Gegend, wo der Ackerbau entstand, nämlich in die
tropischen Länder, wo nur drei Jahreszeiten: Ll)erschwemmung, Fruchtbar-
keit und Dürre, herrschen und wo die Saat nur wenig Nachhilfe von Seile
der Menschen bedurfte, um zur Frucht zu reifen. Die üppige Vegetation auf
dem Schlammboden, namentlich die des Getreides, musste die Menschen zur
Nachahmung anregen, nachdem ihnen die Essbarkeit der Getreidefrucht
bekannt geworden war, aber wiederum war es nur das Feuer, welches den
Ackerbau ermöglichte. Wie diese Erfindung gemacht wurde, erwähnt die
Sage nicht, sie erzählt nur, Osiris habe die Menschen entwöhnt, sich selbst
aufzuessen, diess sei dadurch geschehen, dass Isis eine Frucht des Weizens
oder der Gerste erfunden habe, die früher unbeachtet unter Gräsern wuchsen,
und dass Osiris zu gleicher Zeit die Verarbeitung dieser Frucht .erfunden
habe. Zu dieser Zubereitung gehörte das Zerreiben der Kömer zwischen zwei
Steinen und das Rösten des AJehles an der Flamme, respective das Backen
des Brotes im Ofen.
Dass mit dem Ackerbaue der Menschenfresserei ein Damm gesetzt
wurde, ergiebt sich aus der Form des Gebäcks, denn der Brotlaib ist, wie
bereits in der Einleitung erwähnt, ein wirklicher Leib, alle Formen des
Gebäckes zeigen Körperformen, welche man statt der wirklichen Glieder dar-
brachte, und ebenso hat der Krug die Gestalt des menschlichen Leibes, woraus
hervorgeht, dass Brot und Wein symbolisch statt Fleisch imd Blut geopfert
wurden, um sich vom Menschenopfer loszulösen.
Allerdings wurde damit dem Menschenopfer noch kein Ziel gesetzt, es
war zu tief in die Gewohnheit eingewurzelt, und wenn eine unfruchtbare Zeit
eintrat, so galt diess als Zeichen des Zornes der Götter, welche um die
Menschenopfer betrogen seien, in solchen Zeiten kamen die Menschenopfer
wieder in Schwung.
Jedenfalls bildete die erste Saat, welche in die Erde gelegt wurde in der
Hoffnung auf eine Ernte, die erste Emt^, welche diese Hoffnung zur Erfüllung
Entstehung der Familie und des Fricsterthunis. 59
werden liess, einen grossarligen Wendepunkt in der Geschichte der mensch-
lichen Cultur. Die unmittelbare Folge des Ackerbaues war die Sesshafligkeit
und die Gründung der Familie. Der Mann konnte dem Weibe nicht mehr in
den Wäldern nachlaufen, er suchte sie an seine Hütte zu gewöhnen, zumal
er auch ihre Hilfe bei der Feldarbeit brauchte ; obwohl auch der Fall denkbar
ist, dass der Ackerbau von Weibern ausgegangen sei und durch denselben
die Männer an die Scholle gewöhnt wurden, die ihnen gute Nahrung bot. In
fruchtbaren Jahren bot das Feld mehr Nahrung, als die Menschen brauchten,
und frühzeitig scheint man, durch die Noth klug gemacht, Magazine für die
Vorräthe angelegt zu haben, zumal die einmalige Saat für das ganze Jahr
reichen musste. So entstanden Häuser, Dörfer und Städte.
Da die Arbeiten auf dem Felde mit dem Wechsel der Jahreszeiten
zusammenhingen, so wurde auch dem Himmel eine grössere Aufmerfeamkeit
gewidmet. Der Wilde, der in den Urwäldern umherschweifte, kannte nur den
Unterschied zwischen Tag und Nacht, ja bei der Dämmerung, welche die dicht
verllochtenen Kronen der Riesenbäume auch am Tage verbreiteten, mochte
ihm selbst dieser Wechsel nicht besonders klar werden, wenn er sich gewöhnt
hatte, selbst in der Finstemiss zu sehen, wie die von ihm angebetete Eule.
Die an den Flüssen wohnenden Ackerbauer, welche ihr Gebiet durch Aus-
rottung der Bäume mit Feuer und Beil ausdehnten , unterschieden nicht nur
Tag und Nacht, sondern den Beginn des Tages, die Mittagszeit und das Ende
des Tages, dagegen beachteten sie nicht die Mittemacht, weil sie um diese
Zeit schliefen. Wir haben also hier die Dreitheilung in der Zeit.
Die sorgfältige Beobachtung des Himmels (der Aufgang des Sirius in
Äfnpten zeigte regelmässig |den Eintritt der Regenzeit an) musste bald das
an^«:chlies$liche Geschäft der Priester werden, da die Menge des Volkes ent-
weder zu indolent oder zu beschäftigt war, um diese Beobachtung zu pflegen,
auch war man zu sehr von der persönlichen Einwirkung der Götter überzeugt,
als dass man Sonnenschein und Regen etwas Anderem, als ihrem persön-
lichen Belieben zuschrieb, femer bot der Ackerbau, besonders in fruchtbaren
fiependen, Uberfluss genug, um auch Diejenigen zu ernähren, welche Bur
Uiittelbar durch Rathschläge, Gebete, Opfer, Zauber und Himmelsbeobachtung
«»ich an der Feldarbeit betheiligten; alles diess wirkte zusammen, um ein unab-
här.'giges, reiches, der Wissenschaft ergebenes Priesterthum zu eirzeugen,
welches Müsse hatte, über Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nachzu-
60 Jahreszeiten.
denken, und an der Erziehung des Volkes zu arbeiten, indem es, mit gutem
Beispiele vorangehend, diesem Reinlichkeit und Massigkeit empfahl. Das
Gesetzbuch der Juden, welches seinen Ursprung in Ägypten hatte, giebl
Zeugniss sowohl von der Vernunft der Reinlichkeitsregeln als von der er-
schreckenden Unsittlichkeit und Rohheit, mit welcher die Priester zu kämpfen
hatten. Aus dieser Zeit stammen die Mythen, welche auf der Dreizahl beruhen.
Im Widerspruche mit diesem Aufschwünge der Cultur steht zwar die
Anschauung der Bibel, welche in der Erzählung von Adam und Eva den
Ackerbau als die Folge der Ausstossung aus dem Paradiese bezeichnet, allein
wir wissen nicht nur, dass die frühere Zeit ganz anders aussah, als sie die
träumende Poesie schuf, dass Thiere und Menschen nicht friedlich mit ein-
ander lebten, sondern der Mensch im Urwalde sich jeden Tag sein Dasein
erkämpfen mussle; wir ersehen auch aus den Buchstaben, wie diese Sage
und die ihr ähnlichen entstanden sind.
Die Beschäftigung mit den Vorgängen der Gegenwart erzeugte bei den
nachdenkenden Priestern auch die Beschäftigung mit den Vorgängen der Ver-
gangenheit; wie Jahr um Jahr dieselben Erscheinungen auftreten, so musste
diess auch früher der Fall gewesen sein, da aber doch einmal ein Anfang
gewesen war, der den Anstoss zu den Einrichtungen der Gegenwart gab , so
schoben sich in der Betrachtung die Zeiten auseinander, und aus Zeiten bil-
dete man Epochen. Wie im Feldbau auf eine Zeit der Überschwemmung die
Zeit der Ernte und die Zeit der Dürre folgte, wie die Runen
die Sonne, den Mond und die Erde vorstellten, so bildete sich die Idee vom
goldenen Zeitalter (Sonne), dem silbernen (Mond) und dem eisernen Zeitalter
(Erde); so wie die Überschwemmung alle Spuren der Felder verwischt und
ein neues Leben auf denselben entstehen lässt, so glaubte man auch, dass in
grösseren Zeitepochen grossere Überschwemmungen die ganze Erde rem-
wuschen, denen ein neues Leben folgte, und so entstand die Idee, dass auch
einst die Zeit der Ernte eine ununterbrochene gewesen sei, das goldene Zeit-
alter Saturns. Der Garten \'^}f eden ist das sich selbst Erneuernde, wie Saturn
der zeugende und seine Kinder verschlingende Gott der Zeit, daher ist auch
Pj? iddan ausgesprochen „die Zeif*. Zu der Auslegung, welche die Bibel
diesem Worte giebl, scheint übrigens erst eine spätere Zeit gekommen zu
sein, nämlich die Periode des Hirtenlebens.
Entstehung des Hirten. 6 1
Dass das Hirtenleben vor dem Ackerbaue entstanden sei, ist logisch
nicht anzunehmen. Der Mensch der Urzeit, den wir als Jäger kennen gelernt
haben, konnte wohl den Wolf zähmen, die Unze und den Falk zur Jagd
abrichten, aber seinem unruhig umherschweifenden Leben sagte das ruhige
Beharren bei der Heerde nicht zu. Wohl aber war der Ackerbau geeignet, die
grasfressenden Thiere anzuziehen und auch das erdeaufwühlende Schwein
mag zu der Erfindung des Ackerbaues beigetragen haben, wie der Ochse
(das Symbol des Osiris) zum Austreten der Körner führte, wozu er auch
später verwendet wurde. Das Brachliegenlassen der Felder gab den Anstoss
zur Viehzucht, deren wichtigstes Product, die Milch gewinnung, erst spät in
der Bibel erwähnt wird, in einer bisher missverstandenen Stelle (I. Moses 36,
21): ,Ana erfand in der Wüste das do» yemim, als er seines Vaters Esel
hüthele*. Luther hat irrthümlich „Maulpferde** übersetzt, näher kam Gese-
nius, der , warme Quellen" vermuthete, das Wort entspricht genau dem
agyptisrhen W htn, d. i. die Frauenbrust,' und bedeutet „melken*.*®
Die Gefahren, welche dem Ackerbaue drohten, wie Dürre, Heuschrecken,
Versandung der Felder, die Vernichtung der Ernte durch Gewitter u. dgl.,
erregte die Befürchtung, dass ein Fluch auf diesem Gewerbe ruhe, weil der
Mensch gewaltsam in Gottes Weltordnung eingegriffen, den jungfräulichen
Botlen der Erde entblösst und sie gezwungen habe, Früchte hervorzubringen.
Beweise dieser Anschauung liegen vor im Sündenfalle Adam's und Eva's und
in der Entblossung Noah's durch Kham (den Ahnherrn der Ackerbauer), eine
zweite Sünde begingen die Menschen durch das Umhauen der Bäume, so
er»<*lilug Kain, der Ackerbauer, seinen Bruder Abel, der , Nebel* bedeutet,
^o wird in der eranischen Sage das Umhauen der Bäume als eine Blutschuld
erwähnt und damit der Verlust der Unschuld, wie in der Adamsage, in Ver-
liindung gebracht; so wird Esau als Jäger und Ackersmann aufgeführt (beides
als Beraubung der Natur aufgefasst), während Jakob ,ein frommer Mann
war, der in den Hütten blieb*, obgleich sein Vater Isaak Viehzucht und
Ackerbau zugleich trieb und Ana ein Nachkomme Esau*s war.
Genug, die Hirten trennten sich von den Ackerbauern, gewiss weil sie
TOD den Heerden eine gleichmässigere , sichere und ruhigere Erwerbscjuelle
hofften, und ihnen gesellten sich viele Priester zu, weil Kain*s, des Ackerbauers,
Opfer Gott nicht so angenehm war als das Opfer des Hirten, der die Erstlinge
?*»*iner Heerden darbrachte , wie es in der mosaischen Überlieferung heissl.
C- Entstehung des Schiflfer.
Das Nebeneinanderleben von Hirten und Ackerbauern war auf die Dauer
nicht möglich, die übergrossen Heerden schädigten die Saaten, es entstanden
Streitigkeiten, in Folge deren die geringere Zahl veranlasst wurde, andere
Wohnorte aufzusuchen, so floh Kain nach dem Lande Nod, möglicherweise
wurden auch die Hirten zur Auswanderung gezwungen; jedenfalls hatten die
letzteren eine grössere Auswahl beim Suchen neuer Wohnplätze, da ihnen
Berge und Wälder, selbst die Wüsten Nahrung boten. Während aber die
Ackerbauer auf ihrem Sumpfboden imd bei ihrer sitzenden Lebensweise
Krankheiten ausgesetzt waren, welche ihre Bäuche auftrieben und die Zeugungs-
kraft lähmten, erstarkten die Hirten in der Bergluft, in der steten Bewegung,
welche die Bewachung der Heerden erfordert, und durch den Genuss des
Fleisches und der Milch. Nahmen ihre Heerden zu, dass ihre Wohnorte nicht
mehr ausreichten, so richteten sie ihre Blicke auf die fruchtreichen Ebenen
der Ackerbauer, welche letztere von ihnen mit leichter Mühe unterjocht wur-
den, und so wurde aus den Hirten das Kriegergeschlecht und der Krummstab
ihrer Priester beherrschte sie und die Ackerbauer.
Endlich schuf das Feuer noch einen dritten Stand, die Schifler. Nach-
dem mit Feuer und Steinbeil der Baumstaram ausgehöhlt werden konnte,
bildete dieser das Boot, mit welchem sie sich immer weiter auf dem Grebiete
des Wassers wagten, sie vermittelten den Verkehr zwischen den Jägern und
Hirten einerseits und den Ackerbauern andererseits, indem sie die Thierfelle
der ersteren gegen die Früchte der letzteren austauschten, und so bildeten
sich die Völkergeschlechter Sems des Hirten, Khams des Ackerbauers und
Japhet's des Schifffahrers nach den Symbolen, welche sie vorzugsweise ver-
ehrten, nämlich Luft (samaim Himmel), Erde (gania die durstige Erde), Wasser
(apet ist der Wasservogel bei den Ägyptern). Nach der Geographie der Bibel
waren diese Völker zugleich die des Ostens, Südens und Westens.
Das neue Zeichen erzeugte natürlich einen neuen Laut; der Gott, den
dieses Zeichen vertrat, musste auf andere Weise angerufen werden, als die
früheren. Aller Wahrscheinlichkeit nach spuckte man den Stein an und
brachte so den scharfen Ton heraus, den die ^-Rune vorstellt und der sich
noch im englischen th erhalten hat, während es im Deutschen in i d z sich
zersplittert hat, auch das hebräische r halte ursprünglich diesen Laut.
Wachsthum der Sprache. 03
Mit den Dreilauten begann die Ausbildung der Sprache. Die zwei
Laute der ersten Periode boten zu wenig Abwechslung, mit den drei Lauten
konnte man neun zweilautige Stämme : tt ft tfrr rt tr rf fr ff bilden , wobei
die Reduplication eine bestimmtere Form des ursprünglichen Sinnes, die
Zusammensetzung mit anderen Lauten eineModification des Begriffes, mitunter
aber auch eine blosse Umschreibung des BegriiTes bildet. So haben wir noch
jetzt in , pfeifen* eine Reduplication des Stammes f (Luft), in , rühren** des
Stammes r (bewegen), in Tod des Stammes i (Höhle, Grab), in „Diebstahl*
bedeutet sowohl „Dieb* als „stehlen" dasselbe, während in „Mondnacht*
der Begriff Nacht durch „Mond" näherbestimmt wird. So war im Nordischen
tayAr Tod, die Reduplication von iu (isl. d^ißd) „tödten", wie im lat. vivere
.leben", im Ägyptischen rr „rollen", dd „Hand" (hebr. yad) „Beständigkeit"
(hebr. daih „Gesetz"), hebr. tt dad „die Brust" (als Symbol der Fülle wie
die Hand, woraus sich Tn d%id das Ueberschäumen, dod die Liebe bildete.
Durch eine Zusammensetzung von drei Wurzellauten entstanden
36 dreilautige Wurzeln und damit war zugleich der Anstoss zur Flectirung,
daher zur grössten Biegsamkeit der Wörter gegeben. Im Chinesischen 'ist
dieselbe nicht zum Durchbruch gekommen, weil sie in der Schrift bheb und
nicht in die Sprache überging ; im Aegyptischen ist sie in Schrift und Sprache
sichtbar, indem | o den Singular, || t den Dual, i u den Plural vorstellt, welch'
letzterer auf dem Wege der Lautverschiebung sich im Hebräischen als D m
festgesetzt hat. Uebrigens scheinen die Vocale gewissermassen als weih-
liebe Formen den männlichen Consonanten inhärent gewesen zu sein, wie
%%ir auch bei fdas % (e), bei r das u und et, bei ih das o (a) fmden; es ist
möglich, dass man zu Gebeten sich nur der Consonanten bediente und daher
die Gebete murmelte oder brummte, als die Sprache jedoch mehr und mehr
das Verständigungsmittel der Menschen wurde, mussten die Vokale hervor-
treten, wenn man sie auch in heiligen Schriften (wie in der Bibel) noch
unbezeichnet liess. Dass dieser Gebrauch einst auch in Indien herrschte,
beweist die Aufzählung zweier Alphabete, von denen eines aus den Vokalen,
da.s andere aus den Consonanten besieht, während eine dritte Zeichenreihe
fOr sich als Zahlzeichen fortexistirte.
Gehen wir nun zu den Zeichen selbst über, so müssen wir vor Allem
in*8ADge fassen, dass wie bei den beiden Ur-Runen, auch hier die Begriffe in
einander fibergehen und die Mythologie wird uns die Beweise dafür liefern.
i I
^* Die Rune P.
Wenn P an die Stelle von I trat, so begegnet uns sofort der ßegiiflf der Drei-
einigkeit, insoferne der Geist die Geister einschloss. Odhin, Wile und We
vereinigten ihre Gaben im Menschen. Die Chinesen, z. B. Tschu-tse, sagen
geradezu, Mensch ist dasselbe wie Himmel, und erklären diess folgender-
massen: , Himmel ist Vater, Erde ist Mutter, Mensch ist Sohn. Obgleich
San-ti (Himmel) der Sohn der Erde oder des Stoffes ist, ist er doch, weil er
vom Chaos aus eigener Macht ausgeht und dann den Stoff der Erde bildete,
der Erzeuger der Erde und daher ihr Vater. Die Erde wurde später sein
Weib*.*^ Dieses Raisonnement, wonach der Sohn sein Vater und der
Gemahl seiner Mutter war, ist bei den Priestern aller Völker zu finden, nur
wurde es nirgends so präcis ausgesprochen. Man betrachtete das Universum
als eine Kugel oder ein Ei; wie sich in diesem der Dotter vom Eiweiss
sondert, so sonderte sich aus dem Chaos der Stoff vom Aether — der Stoff
wurde Erde , der Aether Himmel ; indem beide sich durchdrangen, entstand
der Mensch, welcher aus dem stofflichen Körper und dem GJeiste besteht,
somit als dritte Potenz die Vereinigung der beiden anderen Potenzen in
erster Potenz (dem Geiste oder Leben) enthält. Astronomisch betrachtet,
bildeten die drei Potenzen: die Sonne, der Mond und die Sterne, als Vater,
Mutter und Kinder; aber der Sternenhimmel war wiederum der Vater von
Sonne und Mond, und letzterer gebar durch seine Verwandlungen fort-
während neue Gestirne.
Die ursprüngliche Form von P war Y, welche Form im spätem voll-
ständigem Futhork die Rune madr „Mann* ist. Der Mann oder Mensch ist
das aufgerichtete Wesen, das Abbild des zeugenden Gottes, an sich schon in
I, er breitet seine Hände gegen den Himmel aus in f und Y, und ist in dieser
Form der Atlas, der das Himmelsgewölbe trägt. Deshalb ist er auch der
Baum, dessen Aeste den Himmel tragen, und der Berg, dessen Haupt sich im
Himmel verliert. Es ist die Weltesche Yggdrasil, der Zeitbaum der Perser,
die Fichte des Attys, deren Zapfen das uralte Symbol der Erneuerung waren.
In den Hieroglyphen Ägyptens ist das Bild theils ■ wi«, t/n der Obelisk,
theils ri^ sa (Stütze) der Himmelsträger, dessen hieratische Form | zugleich
dieHieroglj'pheJ rp, tr „die Zeit, das Jahr, den Baum" vertritt; 4^ ist aber so
viel wie 1 sw, hieratisch ^, welches auch König bedeutet und die heilige
Haomapflanze der Perser oder Saoma der Inder, der üw stau , Knoblauch*
der Juden ist, von dem die nordische Wöla sagt:
Die Rune f). ^^
Sonne vom Süden schien auf den Felsen
Und dem Grunde entsprosste grünender Lauch.
Lauch ist die saflreiche Pflanze, der , erlauchte • Herrscher, der kraftstrotzende
Mann, der Stier, der Pater patriae, der Lokidernordischen Sage, der als ursprüng-
licher Liebesgott ebenso zum Bösen wurde, wie suten, der (ägyptische) „König"
•"Tu Saddai »der Allmächtige" zum ftoü satan , Widersacher"; genau wie sich
I zu Y verhielt, wenn letzteres als Lingam betrachtet vnrd. Andererseits lehnt
sich I an die ^ Dom-Rune an, insofern dieselbe das Keimen, sich spalten, dar-
stellt. So verbindet sich auch das junge Reis mit dem griechischen Eros, der
als Ares sich an Saddai einerseits und an satan andererseits anlehnt, seinen
Bogen mit den Liebespfeilen, ebenfalls eine Lingamform, findet man sowohl
in Y als im ersten hebräischen Buchstaben ^L oder 4^, jetzt noch in ^
erkennbar, dessen Name Aleph nicht nur an ^^k alaph ,,zahm werden"
(durch einen die Nase durchbohrenden Pflock, wie er noch jetzt von manchen
wilden Körperschaften als Zierde getragen wird), sondern auch an den
nordischen Alf erinnert, den neckenden Liebesgott und an halfa die Himmels-
seite, die Hälfte.
n ist der Himmelsbogen, der obere fheil von ^ sa „Stütze", welches
selbständig als U^ jpr „Haus", ^^"^ pt „Himmelsgewölbe" vorkommt. H ist
so viel wie P, nur die weibliche Form desselben, wie Hera so viel ist als Zeus.
Eine strenge Theilung ist unmöglich. War Zeus der Tag, so war Hera die
Nacht; aber Zeus war als schwarzer Stier mit den Mondhörnem die Nacht
und die weisse Hera der Tag (ägyptisch ^^ Aru, der leuchtende Esel oder der
goldborstige Eber der nordischen Sage) ; war jenes die Säule, der Berg, so
ist n das Einschliessende, aber als A selbst der Berg, die Erdmutter Kybele;
war P der Wind, so ist H als Wile „die Bewegung"; fl ur ist der Sturm,
die Wolke. Doch ist im Allgemeinen V mehr das Äussere, 11 das Innere,
una wenn Vater der zeugende Mann ist, so ist Mutter (verwandt mit Mulh)
die Gebärende; jener der stürmisch Wogende, diese die innerlich Erregte,
das Gemüth. Daher ist auch das hebräische ^ heth das ägyptische <^S
, das Innere, die Einge-Mwe^c", also verwandt mitffiDa ft^^e» „ Mutterleib " , dessen
W^urzeln 3 „die Höhle" und ü „die Brust, der Leib" sind. D ist auch dasselbe
wie hebräisch a und ägyptisch ^=, hieratisch ^ i», hebr. npo ma'ar „der
leere Raum", die Pfeife --■■, mit welcher Kybele, wenn der Hauch hinein
kam« Liebesraserei erweckte; aber im Gegensatze zum verführerischen Loki
ITauimann, Geschichte d. Schrift. 5
66 Ole Rune ►.
bedeutete es »Offenheit Wahrheil, Gerechtigkeit*. So war auch H als -^r»
ab .Moud* das milde freundliche Silberlicht, im Gegensatze zur brennenden
Sonne; aber wenn diese als Gluth zugleich das Gold war, so war auch Fl als ägyp-
tisch fJK) nb »das Gold*, der Schatz Ögir's (im Gegensatze zum Schwert-
licht der Walhalla), der Tagglanz der Zwerge, wie die nordische Poesie sagte.
So sind auch hier Mann und Weib ein Leib , nur das letztere, wenn unter-
schieden wird : das Weiche, das Milde.
^ das Kind, ist wie noch jetzt in der Sprache, geschlechtslos, Ter-
einigt aber in sich die Eigenschaften der beiden vorigen. Zunächst ist es der
Dom, den wir bereits oben mit P verglichen haben, dann das Schwert
1 und I, letzteres auch der Halm, die keimende Pflanze; im Gegensatze zu
Gold und Silber, ist es die Eiserne Zeit, wie auch das Feuer die Bearbeitung
der Metalle erzeugte; alle Metallgotter sind gelähmt, so Horus, Hephästos,
Vulkan, ihnen schliesst sich Thorr an, dessen Bock gelähmt ist, der ein*
händige Tyr und der Jakob der Bibel, dem ebenfalls die Hüfte verrenkt
war; diese Lähmung bezieht sich nicht nur auf die Zeugung, sondern auch
auf das sesshafle Leben im Gegensatze zu der Schnellfussigkeit der Hirten,
^ ist aber nicht blos der Gelähmte , sondern, getreu der alten Doppelsinnig-
keit, das Lähmende, der Schlafdorn, der Tod, der Zahn der Zeit, der Zahn
des Ebers, der versengende Strahl der heissen Sonne und die Befruchtung,
welche die Bewegung lähmt. So zersprang Nanna, die Knospe, vor Schmerz,
als Baidur auf den Scheiterhaufen gelegt wurde ; aber wie dieser Fruhlingsgott
sich auf dem Scheiterhaufen in das Feuer verwandelte, so verwandelte sich
auch die Knospe in die empfangende Blüthe, Baidur in Thorr und Nanna inSif,
das goldene Getreidefeld, dem Loki das Haar abschnitt. ^ ist der erste Zahn,
bei dessen Erscheinen die Kinder beschenkt wurden, wie im Aegyptischen A
,Gabe, Geschenk* bedeutet, er ist aber auch als ausfallender Zahn der Beginn
des Alters. ^ ist aber auch das Weib, die offene Thüre, die Thorheit und
Leichtgläubigkeit gegenüber dem verschmitzten Manne. Thorr verkleidete sich
als Weib, als er zu dem Riesen ging, um seinen entwendeten Hammer zu
holen, wie Idhunn von den Riesen geraubt wurde, aber den Göttern zurück-
gegeben werden musste, weil sonst keine Erneuerung des Frühlings gewesen
wäre; deshalb verwandelte Loki die Idhunn in die den Frühling veckün-
dende Schwalbe. We gab den Menschen Antlitz, Sprache, Gehör und Gesicht,
daher ist l> das .Haupt", das Haupt Mimir's, dasGorgonenhaupt, d.i. dieSonuc.
Tiilogie, ^7
Als Fnililmg; xsl Thorr der Anfang des Jahres, der Anfang aller Dinge, daher
Odhin selbst, wie Eros älter ist als Kronos und Zeus, eigentlich dasselbe,
nämlich die Dreieinigkeit, das Auge Gottes ^^, welches im Ägyptischen uten,
im Nordischen Odhin, im Hebräischen niM oth .Himmelszeichen, Wunder"
bedeutet Im hebräischen Alphabet steht dafür 1 Gimel, die Erde, und i^t
hier ein Wechsel eingetreten, indem Ae/o/e/A, die Zeittheilung, welches Zeichen
doch unläugbar auch eine Dreizahl ist und der Rune ^ entspricht, an die Tierte
Stelle getreten ist aus Gründcoy welche im folgenden Abschnitte erörtert
werden.
Dass diese Dreiheit der Zeichen den ältesten religiösen Ideen zu
firunde liegt, beweist die Vergleichung der Zeichen mit den Götter-Trilogien.
Wir haben bereits kennen gelernt: Odhin P, der Geist und Seele gab, Wile
n, der Bewegung gab, We ^, der Antlitz u. s. w. gab; an Stelle der beiden
l**lzleren treten auch auf: Hönir gab Sinn (wir haben H als »Gemüth*
kennen gelernt), Lodhur gab Blut und blühende Farbe (d. i. das Haupt).
Andere Trilogien sind: Odhin, Njördhr (als Gott der Meereswogen fl) und
Thorr; Odhin (Slmn Y), Frigg (Weib H), Baidur (Kind >); Frigg (identisch
mit Odhin), Freyja (als Liebesgöttin der Mond D), Hei {> als Tod); Fulla (die
Fülle als Schmuckmädchen der Frigg, der Glanz Y), Gna (die Götterbotin A,
▼erwandt mit dem Regenbogen fl), Hiin (die Helferin in Nöthen wie Thorr
►) ; die drei Farben des Regenbogens sind fl grün, ► rolh, f gelb. Als drei-
einiger Gott heisst Odhin auch Thridi, wie Pallas Athene Tritogeneia (die im
Frühling, Sommer und W^inter sich dreimal verwandelnde Erde) heisst. Im
Indischen ist Indra P die Lufl, Varuna (der Umfasser) H, Agni (das Feuer) J^,
ihnen entsprechen Brahma (das Wort, v»obei man neben Tauch an K den Mund
drnkt), Wi§nu (als Gott der Meereswogen fl), Siva (das Feuer t^), auch hier
fuhrt Indra den Namen Trita. Im Griechischen ist Zeus (das ägyptische^ th,
die Schlange) Y, PoseYdon (der Gott der Meereswogen) 11, aber durch der
Dreizack identisch mit Y, Pluto (Tod, Unterwelt, aber auch Reichthum) ►;
oder Zeus, Apollo (Himmel H), Athene (Erde >)\ die Göltinen Hera (die
Hohe) r, Aphrodite A, Athene (Mond). Wie aber Athene die Tritogeneia, also
90 viel wie Zeus war, so war Siva der oberste Gott, die Alles erzeugende und
▼erschlingende Zeit; also überall Rnden wir neben der Uebereinstimmung
d*»n Gegensalz und darin die Ursache des Auseinandergehens der An-
schauungen in Sitte und Sprachen der Völker.
5*
<^« Die VierzahL
In der Genesis wird das Auseinandergehen der Sprachen merk-
würdigerweise mit dem Thurmbau in Verbindung gebracht, der an A
erinnert. Diese Pyramiden dienten ebensowohl als Wegweiser in den
weiten Ebenen, wie als Gnomon, um den Stand der Sonne zu messen. Die
bibUsche Sage knüpft an ein syrisches Wort bobol an, welches »Verwir-
rung der Rede, Stammeln, Stottern" bedeutet und dessen erstere Bedeu-
tung durch die bekannte Polyphonie der Keilschriftformen unterstützt wird«
aber die übrigen Bedeutungen weisen auf „Barbar*, mit welchem Worte in^
AJterthum alle Völker bezeichnet wurden, welche unverständlich redeten;
diess führt aber auf eine andere Bedeutung, nämlich denNamen >J^ ^^ - J.^^^
welcher wörtlich tin-tir d. h. (Stamm, Wurzel oder) »Ursprung der
Sprache" bedeutet und der sich in der ägyptischen Stadt Dendetxth, in deren
Tempel eine Abbildung des Thierkreises aufgefunden wurde, erhalten hat.
Ausserdem kommt Babylon nach Lenormant mit dem akkadi sehen Namen
kd-din-gira, d. h. „Pforte Gottes", und als t=rT^^j^^|^^ M-au-ra^
welches assyrisch ^5-i7w ebenfalls „ Pforte Gottes " , aber wörtlich „Pforte des
Sternes der Ueberschwemmung " (d. i. der ägyptische Sinus) oder des Gottes
der Ueberschwemmüng bedeutet, womit auch der hebräische Name des
Landes D'nrrj naharim zusammenhängt, der wiederum durch iinj nahor
„Licht* auf den Gott des Lichtes führt, welcher in bab-ilu hervortritt. Alles
iiess weist darauf hin, dass und vielleicht mit Recht Babylon als der Ort
betrachtet wurde, wo die Cultur entstand und von wo sie in alle übrigen
Länder sich verbreitete.
6. DIE VIER.
Mit dem Ackerbaue und der Viehzucht hatte der Mensch einen Lebens-
unterhalt gewonnen, der ihn inmfier unabfiängiger von der Natur machte.
Der Urmensch konnte unbekleidet nur in heissen Ländern wohnen, wo auch
die Fülle des Wachsthums und der Thierwelt ihm mehr Nahrungsstoff zu-
lührte; der Ackerbau gab ihm Leinen und Byssus, die Viehzucht Pelze, mit
denen er sich bekleidete und in nördlichere Gegenden wandern koimte, wenn
die Zunahme des Volkes eine Ausbreitung erforderte. Da übrigens die Vieh-
zucht vom Ackerbaue abstammte, so war der letztere den Hirten nicht fremd
und sie konnten ihn bei günstigem Boden auch neben der Viehzucht betreiben,.
Handel. G9
wie der Isaak der Bibel diess that. Waren aber die Menschen in die nörd-
lichen Wendekreise gekommen, so musste ihnen bald der Unterschied des
Klimas auffallen: an die Stelle der drei Jahreszeiten (Überschwemmung,
Fruchtbarkeit, Dürre) traten vier (Frühling, Sommer, Herbst, Winter), und so
war die Erkenntniss auf eine Stufe höher getreten. Wenn wir diese Erwägung
mit den Ergebnissen der geologischen Forschungen vergleichen, welche uns
Ton einer tropischen und von einer Eiszeit in Europa erzählen, so muss die
Viertheilung m eine verhältnissmässig neuere .Zeit fallen, aber jedenfalls in
die vorgeschichtliche Zeit, während andererseits auch möglich wäre, dass
nicht einmal Wanderungen, sondern klimatische Veränderungen auf demselben
Boden an dieser Erziehung des Menschengeschlechts mitgewirkt hätten.
Noch eine andere Entwicklung drängte über die Dreiheit hinaus. Die
grössere Verbreitung der Menschen, der Uberfluss des Ackerbaues, die Kennt-
niss anderer Länder hatte den Handel erzeugt, über dessen Ausbreitung
Lcnomiant folgende Thatsache constatirt: ,Wie weit wir auch in den beiden
allosten Staaten, in denen wir eine vollkommene und hervorragende Cultur
erblicken, in Ägypten und Chaldäa, zurückgehen, treffen wir stets den Gebrauch
der Bronze an. Bronze ist eine Mischung von Kupfer und Zinn in gewissen
Verhältnissen. Nun fanden Ägypter und Chaldäer das Kupfer, w^enn auch
nicht auf ihren eigenen Territorien, so doch in den Districten, welche an ihre
Gebiete grenzten, und über welche sie schon sehr früh ihre Herrschaft aus-
gedehnt hatten; Zinn dagegen fand man nur in sehr weit entlegenen Ländern.
Das geringfügigste Bronzegeräth, das man etwa bei Memphis in einem jener
Gräber findet, deren Entstehung mit derjenigen der Pyramiden zusammen-
fällt, wo es seit sechzig Jahrhunderten eingeschlossen liegt, ruft daher in uns
den Gedanken an einen alten weitverbreiteten Handel hervor, welcher dem
pharaonischen Ägypten das Zinn von Paropamisus oder kaukasisch Iberien
zuführte. Ohne diesen Handel könnte man in der That dieses Vorkommen
nicht erklären, weil sich das Zinn an keiner Ägypten näher gelegenen Stelle
findet. • «•
Lenormant fügt zwar hinzu: ,in jener Zeit konnte es noch keine SchiiT-
fahrt geben und der Seehandel war noeh nicht vorhanden; aller Verkehr
wurde auf Landstrassen durch Karawanen vermittelt*, aber diess ist eine
Behauptung, für welche nicht nur der Beleg mangelt, der sogar viele That-
sachen widersprechen. Die älteste Beseitigung der Todten bestand darin, d.iss
70 Schififfalurt.
man sie in das Wasser warf oder in einem Boote aussetzte;** rings um die
Erde glaubte man das Meer gelegt und jenseits desselben die Schattenweit i
auch die todten Griechen konnten nur auf Gharon's Nachen in die Unterwell
gelangen, und die Ägypter hatten Todtenbarken auch zu der Zeit, wo sie ihre
Todten in der Erde begruben. Die Geschichte Noah's hat, wie aus dem keil>
schriftlichen Urtexte hervorgeht, den- Sinn, dass die Todten, welche in's
Wasser geworfen wurden, nicht mehr auferständen, dass aber der Körper,
welcher in die Erde gelegt wurde, ebenso wieder auferstehe, wie das in die
Erde gelegte Samenkorn zu neuer Blüthe gedeiht; sie bezweckte also der
Wasserbestattung entgegenzuwirken, obwohl der ägyptische Gebrauch beweist»
dass die Wasseridee so fest eingewurzelt war, dass sie wenigstens symbolisch
noch beibehalten werden musste, nachdem das Erdbegräbniss schon ein-
gebürgert war. Wenn nun Diejenigen, welche ihre Todten in die Erde senkten»
Ackerbauer waren, so mussten jene, welche ihre Todten in Booten aus-
setzten, Schiffer gewesen sein, denn nur die Gewohnheit des Lebens ging auf
den Tod über. Übrigens hefem die Grönländer und die nordamerikanischen
Fischervölker den Beweis, dass der mit dem Wasser Vertraute sich auf den
kleinsten Fahrzeugen weit in das Meer wagt; die Sündfluth-Sage aber erzählt
schon von einem riesigen Schüfe, welches sorgsam mit Pech wasserdicht
gemacht war. Wir sehen femer die Normannen im Mittelalter mit kleinen
Fahrzeugen von Norwegen bis Frankreich und Griechenland segeln und in
(die Flüsse eindringen, um Raubzüge vorzunehmen. Lange vor den Phöni-
kiem waren die Karier Herren des Mittelmeeres, und es existiren Sagen, welche
von einer noch altem Verbindung der Atlantis mit Afrika berichten. Die
.grünen* Wege der Erde, welche Rigr wandelte, waren unstreitig die grünen
Gewässer der Flüsse, denn Rigr ist identisch mit Heimdall^und somit ein
Wassergott; der älteste Gott der Ägypter, Ptah, hat den Wasserkrug, das
Symbol des Meeres, um den Hals, das älteste Scepter der ägyptischen Könige
♦ war ein Ruder, und wenn die Säule sich mit dem Himmel vereinigte in W,
so vereinigte man andererseits den Mastbaum mit der Joni in ^L; eines der
ältesten Symbole der Chinesen \Q^ wird erklärt als »der Gross vater (sah-U
, Himmel*) oder die Sonne fliehend in dem Mondboote vor der Fluth*;*^
in den amerikanischen Kekinowin ist der Nachen ^EP das Meer, in den
ägyptischen Hieroglyphen bedeutet ^«^ nh »alles, jedes* und ist als Göttin
n fipt das römische nuptiae, wie Rigr die Paare vereinigte. Viel schärfer»
Die viertlieiliKe Windrose ^ 1
als im Patriarchenihum prägt sich das Herrscherthum im Steuermanne
<les Schiffes aus, dem Alles unbedingt gehorchen musste, sollte nicht die
ganze Mannschaft zu Grunde gehen, und noch jetzt ist gouvemer , regieren '^
latitverwandt mit gauvernail «das Steuerruder*, und spricht man von einem
^ Ruder des Staates*, welches doch jetzt nur in einer Feder besteht. Es
dürfte daher der Wasserverkehr anfangs auf Flüssen, dann längs des Meeres-
ufers den Rarawanenstrassen vorangegangen sein, welche letztere nur bei den
Hirten entstehen konnten. Betrachten wir aber beispielsweise die Lage des
Mittelmeeres, so musste das Streben nahe liegen, durch Kreuzung des Meeres
den Weg abzukürzen, und es fragt sich dabei, ob die ^-Rune nicht schon
einen Mast mit Segel bildete. Jedenfalls konnte der Seefahrer nicht mit den
drei Tageszeiten (Morgen, Mittag, Abend) auskommen, für ihn gab es keine
Unterbrechung der Arbeit und er musste der Mittagszeit die Mitternacht
;:egen übersetzen.
So vereinigten sich zwei verschiedene Umstände, die Vierzahl zu
sc II äffen, und zwar nicht blos so, wie das deutsche Wort (vier ist lautver*
wandt mit viel) vermuthcn lässt, als allgemeine Vielzahl, sondern als positive
Grr*sse. Als Vielzahl tritt die Vierzahl in der Noah-Sage hervor, indem dieser
«k-r Vater der drei Söhne §em, Kham und Japhet oder nach den Geschlechts-
n'gistem Japhet, Kham, Sem ist, denn ausdrücklich wird (I. Moses 10, 21)
Japhet der grössere (daher der erstgeborne) Bruder genannt, während die
semitischen Hirtenvölker erst nach Kham aufgeführt werden, was darauf hin-
deutet, dass die Semiten sich erst später die Herrschaft und den ersten Rang
angeeignet haben. Wenn wir dennoch die Abstammung in folgender Weise
ansetzen
Nwh (Norden)
OVesten) Japliei
Sem (Osten)
KJiam (Süden)
8o erklärt eben der Wechsel des Tagesanfanges (Abond oder Morjren) die
Mu'/lichkeit einer Umstellung.
Kehren wir nun zu den Runen zurück, so finden wir als vierte Kune
t iMs und die EintheÜung der Himmelsrichtungen in
72
Die viertheilige Windrose.
f fe (Norden
Westen) o» +
D ur (Osten
V thurs (Süden
Auch hier gestattet die Lautverwandtschaft zwischen .Ost* und ,West*, an
eine Umstellung zu denken.
Wir haben aber in der Besprechung des Futhork eine andere Theilung
vorgenommen, wonach sich f fe, ► thurs, ^ reid, ♦ hagl als männliche For-
men ergeben, denen fl ur, 4^ os, Y kaun, % naud als weibliche Formen gegen-
überstehen, denn Y=P ist der Mann, der Wind, h ur ist auch der Sturm, aber
das Weib, ► thurs, ist als Stein der Mann, + os als Mund (Scheide) das Weib,
^ reid ist der bärtige Mann gegenüber dem Y=r knun als Weib, ^ hagl der
Donnerkeil gegenüber dem Knoten % naud als ägyptische Neit. Wir erhalten
daraus zwei Windrosen, nämlich
P fe (Nord) W ur (Nord)
(West) hagl *.
> thurs (Ost) (West) naud %.
.+ OS (Ost)
^ reid (Süd) T k-aun (Süd)
Da die hier angeführten Runen die des 16-theiligen Futhorks sind«
und bereits mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass an ihrer Stelle ein-
fachere Zeichen waren, als z. B. die ZifTer 1 2 3 4 in der Form I A A +, so
würde die erste oben angeführte Windrose die Zeichen
I
geliabt tiat)en, und merkwürdigerweise bieten alle Weslrunen ^os, % naud,
♦ Jiogl die Form eines mehr oder weniger modificirten Kreuzes. Es fragt
sich zunächst, welchen Lautwerth dasselbe gehabt habe. Ich meine, dass wir
hier den Repräsentanten der vierten Lautgruppe, nämlich den Kehllaut zu
Wecbsel der Z&blung.
73
suchen haben, ob er nun h oder k laute, und ich werde in dieser Ansicht duicli
die Beobachtung bestärkt, dass die Himmelarichtungen in alter Zeit nicht in
der jetiigen Reihenfolge, sondern gekreuzt gezählt werden; so sagen:
die Chinesen: Süd, Nord, Ost, West.
die Ägypter: Süd, Nord, Ost, West,
die Juden: I. Moses 13, 14: Mitlemachl, Mittag, Morgen, Abend.
i. Moses 28, \i: Abend, Morgen, Mitlemachl, Mitlag,
die Edda: Osl, West, Nord, Süd.
So stehen sich bei aller Verschiedenheit der Aufzählungen gegenüber:
Nord und SOd, Ost und West; war Norden f, der Süden r und dieses mit
Rücksicht auf den Namen Ur eng verwandt, ja identisch mit u, war dann
Osten A, so bietet die Aufeinanderfolge /rtk eine volle Obereinstimmung
mit der sp&tem Reihe f u th, und eine solche Übereinstimmung mussle vor-
handen sein, sonst konnte ein Wechsel nicht eintreten. Wie lange kreuzend
gezfthlt wurde, wissen wir nicht, wir besitzen nur folgende zwei Thatsachen:
einerseits kreuzt der jukatanische Slundenkreis, andererseits fand man einen
schwedischen Bracleaten, eine BlechmDnze, dessen Gepräge aus einem Kopfe
mit umstehenden Hunen-Futhork in der Reihenfolge der ZifTem bestand:
jukatanisch schwedischer Bracleat
Es ist also zweifellos bei den Runen an die Stelle der Kreuzung diu Aiif-
einanderfolge getreten.
War nun Westen k, so war er das Ginnungagap, von welchem der
Strom Elivagar theils nach Norden iloss. wo er in Eis erkaltete, theils nach
Süden, wo das heisse Muspelheim war, zwischen beiden entstand der Riese
Ymir oder örgelnür, das ist der Lehmgeller, also das Prinrip der Erde, das
ist Tborr. Weder im kalten Norden noch im heisscn Süden konnten die
' ^ Das Kreuz.
Menschen gedeihen, sondern in der gemässigten Zone; das scheint die Ansiclil
zu sein, welche diese Mythe schuf.
Übrigens finden wir in den markomannischen Runen X und )( als </, in
den angelsächsischen ^ als h und tig, ^ als io (wie nordisch ^ as).
Es ist also mit dem vierten Zeichen der vierte, nämlich der Kehllaut
entstanden, und damit war die Grundlage zu allen übrigen Lauten gelegt
Beachtenswerth ist, dass die vierte Rune nicht ein Viereck darstellt,
sondern das Kreuz, wahrscheinlich weil Thorr als Erde schon uep Kreis war,
I I
ferner weil die Theilung: j + — ^, zusammengeschoben + + ^^, das letztere
A A
zugleich als das Symbol der Welt, nämlich aller vier Seiten, ausmachte.
Der Übergang von der Dreizahl zur Vierzahl dürfte sich auch an den
Wechsel der Verehrung von Sonne und Mond geknüpft haben ; das Dreieck
^ war der Mond, das Kreuz + oder ♦ die Sonne, obgleich auch die vier
Phasen des Mondes mit der Vierzahl übereinstimmen.
Daneben drängt sich eine andere Beachtung auf: in den Hieroglyphen
ist das Kreuz ~h identisch im Lautwerthe am mit ,Baum* und der Zeitbaum
der Edda erinnert sehr an die Stabsäule der Ägypter 1 mit ihren vier Stäben.
Bevor diese der Nilmesser wurde, hatte sie eine höhere Aufgabe. Man dachte
sich die Erde als einen Berg (der Meru der Inder), um welchen Sonne. Mond,
und Sterne ihre Kreise (Sphären) zogen. Oben thronte Sonne und Mond,
die vier Querstäbe stellten die Planelen Merkur, Venus, Mars, Jupiter vor;
diesen vier Planeten entsprechen : die Rune f als Wind dem geflügelten Götter-
boten Merkur, h ur als Weib der Venus, V TJiorr als Kriegsgott dem Mars,
^ OS als Mund, von dem Alles ausgegangen ist, dem Zeus oder besser seinem
grössern Bruder Poseidon, wie auch die Stabsäule psd hiess. So Hefen im
Zeitbaume und in den Himmelserscheinungen zwei Systeme neben einander
her, welche später zu einer Einheit verschmolzen wurden, als man eine
genauere Theilung der Zeit vornahm.
Es ist oben darauf hingewiesen, dass das Kreuz die Sonnenbahn vor-
stellte. Als solche stellen sich die vier Jahreszeiten dar und der Sonnen-
mythus, der, im Norden entstanden, später die ganze Welt durchwanderte.
Nur im hohen Norden, wo am 2 1 . December die Sonne unter den Horizont
versank, ohne am nächsten Morgen wieder zu erscheinen, konnte sich die
Idee entwickeln, dass die Sonne gestorben sei. Wird sie jemals wieder
Sonn enrnyinen, 7 5
auferstehen oder hat die finstere Nacht sie für immer verschlungen? Das war
die Frage, welche die Menschen sich vorlegten. EndUch nach drei Tagen
erschien die Sonne wieder am Himmel, und jubelnd wurde sie von den
geängstigten Menschen begrüsst. Doch nun drängte sich die Frage auf: War
das dieselbe Sonne, welche gestorben war, oder eine neue? Zwei Meinungen
standen sich einander gegenüber: die eine sagte, sie ist nicht gestorben,
sondern niedergestiegen zur Hölle und am dritten Tage wieder auferstanden
Ton den Todten; die andere sagte, nein, sie ist gestorben, aber die Nacht
Yi2kl eine neue Sonne geboren , welche den Tod ihres Vaters (an der Mutter,
der bekannte Widerspruch) rächen wird, man gab ihr den Namen Ali oder
Wall. Die letztere Ansicht gewann die Oberhand, doch verdrängte sie auch
die crstere nicht ganz,, weil diese später bei den Frühlingsfeslen wieder
erscheint. Die neue Sonne war jung und schwach, ein Kind, und die ägyp-
tische Hieroglyphe ju), hieratisch |^, scheint mit f in Verbindung zu stehen,
iDSofeme die letztere die erhobenen Hände andeutet. Die Stürme des Winters
drohten sie umzubringen, wie die Schlangen den Herkules in der Wiege,
aber vergebens, sie erstarkt nicht nur mit jedem Tage, sie verscheucht auch
ihre Feinde. In der Zeus-Sage sind es allerdings im Gegentheile die Stürme
(Korjbanten), welche das junge Kind schützen und mit ihren Schilden und
Schwertern (Bogen und Pfeil trägt der jugendliche Gott) ein solches Getöse
machen, dass der grimme Vater Kronos, der als Zeit alle seine Kinder ver-
schlingt, das Geschrei des Kleinen nicht hören solle. So wächst das Kind
das erste Vierteljahr auf, bis es am 21. März den Sieg über die Nacht davon
trägt, denn Tag und Nacht sind gleich. Mit der Sonne war zugleich die Erde
neugeboren, sie war nackt und bloss, doch unter den wärmenden Strahlen
der Sonne reifte auch sie heran, der erste Graswuchs bedeckte den Boden,
und nun begann für die Sonne Baidur die schöne Liebeszeit mit Nanna, die
Zeit der Knospen, welche die Rune t^ darstellt. Anders wurde diess in Phöni-
kien aufgefasst, dort hatte der thauende Schnee die rothe Erde mit fort-
gerissen, die Ströme färbten sich wie Blut, und Alles weinte um den ermordeten
Attys; aber dieser konnte nicht gestorben sein, denn herrhch blühte ja rings
dip Flur, da erklang die tröstende Mythe aus dem Winter: nein, er ist auf-
erstanden von den Todten. Eine dritte Mythe konnte den Gedanken nicht
fassen, dass die Sonne, die doch ein Kind der rothen Erde war, sich mit
aeioer Mutter verehelichen sollte, sie Hess das Kind todt und an die Stelle
'* Sonnenmytheii.
des Honis trat wieder Osiris, der von den Todlen auferstanden war. Nur auf
diese Weise lässt sich das Trauerfest im Frühling erklären, wozu die Natur
keine Veranlassung bot. Beachtenswerth ist, dass dieses Fruhlingsfest zu
jener Zeit gefeiert wurde, wo der Vollmond der Sonne gegenüber stand. —
Ein Vierteljahr dauerte diese Liebeslust, immer kräftiger wird die Sonne, am
21. Juni ist die Nacht gänzlich überwunden, drei Tage steht die Sonne am
Himmel, ohne unterzugehen, doch, da trifft sie Hödur s Pfeil; Baidur stirbt
und wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt, seiner Gemahlin Nanna zer-
springt vor Schmerz das Herz und sie wird mit ihm begraben; da erfOUte
sich der Fluch: du wirst ihr (der Schlange) den Kopf zertreten und sie wird
dich in die Ferse stechen; zu früh hatte Hackelberend gejubelt, dass er den
Eber getödtet habe, zufallig war der Zahn des todten Ebers (der Zahn der
Zeit) durch seinen Stiefel gedrungen und hatte ihm eine tödtliche Wunde bei-
gebracht. Unsere Rune weiss davon nichts, sie zeigt uns die Sonne als
Mann mit dem rothen Barte ^, der in der Fülle seiner Kraft steht (im Gegen-
sätze zum bartlosen Kopf ^, der sowohl das Kind wie das Weib bedeutet),
wohl ist die Blume verblüht, die Liebe gestorben, aber es reifen die Früchte.
Unterdessen wird die Sonne aber schwächer , die Tage nehmen ab und die
Nächte zu; am 21. September erscheint die Sonne als Greis ^ und geht
unhaltbar ihrem Tode entgegen. Ägypten, welches nur drei Jahreszeiten
hatte, verkörpert diess in gleicher Weise in dem jugendlichen Horus, in dem
männlichen Osiris und in dem tückischen Typhon, der die Erde verdorrt.
So fmden wir dieselbe Idee bei allen civilisirten Völkern des Alterthums,
verschieden gef^bt durch locale Einflüsse, aber im Grunde überaU dieselbe,
und wenn die einen Völker ihr Jahr um Weihnachten, die anderen im März,
die dritten im Juni, die vierten im September begannen, so lag der Grund
immer in derselben Mythe, welche die Sonne sterben und auferstehen liess,
entweder zur astronomischen Zeit oder zur Zeit d^r Fruchtbarkeit oder nach
der Ernte.
Alles diess beweist die ursprüngliche Einheit der Religion und ihrer
Manifestationen in Sprache und Schrift ; die Scheidewände, welche die Philo«
logen zwischen Sprachen und Sprachgruppen gezogen haben, können sich
nur auf die Verzweigung erstrecken, in den Wurzeln sthnmen alle Sprachen
überein, ihre Zweige entwickelten sich nach dem Einflüsse der Polyphonie'
und der verschiedenen Auffassung der Begriffe in activer und passiver
Runen und Hieroglyph*»n. 77
Beziehung:, naher kann die Sprachvergleichung nur in der Schriflvergleichung
einen festen Uoden finden, weil, wo das Ohr aufhört, der Ariadnefaden zu
sein, der Knoten seine Lösung in dem Bilde des Begriffes findet.
So finden wir als Symbol des Horus das Schwert I, hieratisch |, das
ist das Schwert, welches das Haupt HeimdaU's ist, des Gottes der Mitternacht;
das Symbol des Osiris ist sowohl das Auge, als der Hammer | hieratisch f
sein Hieroglyphe ist j "i das heisst eher ar-aa (das ist Ares) als aa-ar; aber
der Hammer ntr erinnert an Tkorr und as-tr ist der Asathorr oder Asabragr,
das ist der GötterfQrst, als welcher er sich an Bragi, den Gott der Dichtkunst
anlehnt. Der Rune ^ entspricht die hieratische Form p, hieroglyphisch ^
u, verwandt mit ^, hieratiscti A^ rt »Strick* und -^, hieratisch .^us,a8,
9t , Strick*, die letztere Figur war aber ursprünglich der Windhauch @, der das
Wasser kräuselt^ und Typhon ist derGott der Stürme. Andererseits ist ^ auch
als Rose oder als Frucht ausgeführt und dadurch verwandt mit y '^ «Reife,
Jahreszeit* und mit (l s (st), welches ebensowohl die verdorrende Pflanze
als der Schwanz ist, der letztere ist das Symbol des TvphonnLJs/^ der als Esel
(hebräisch lön j^atnor) die Hitze bedeutet (hebräisch /amar .schäumen, roth
sein, ;/fwar Asphalt*, wie nordisch ro/«a , verfaulen*, rätAdr ,rolh*) wie
auch Typhon als verdorrender Südwind auftrat. Endlich findet ♦ sein Ana-
logonindem ägyptischen T, hieratischen ^, das ist der Venusspiegel, ver-
wandt mit dem Sistrum ^, dem Symbol der Isis, dem Vorgänger der
Lyra und Harfe, deren vier Saiten die vier Sphären bedeuteten.
Entsprechen somit
die hieratischen Zeichen \a f ntr p m ^ /
den Runen ^ fe V ihurs ^ reid * hagl^
so entsprechen nicht minder
den Runen \\ "Ar ^ os Y kaun \ naud
die ägyptischen ^hr -m^ s ^ /sf f nhs.
Das Zeichen ^ ist die hieratische Form A ^r, tp, ap, was verglichen
mit dem obigen I, an das nordische „das Schwert ist Heimdairs Haupl*
erinnert, ap ist insbesondere der Anfang \{y' op-rw/H, der Anfang des Jahres*,
daher ist fj so viel wie \/ ap ^ das Haupt*, das hebräische 3K ab »Vater*.
Zu beachten ist, dass die T§uanform des chinesischen ^^if>t , Mensch*
gen^ti der hieratischen Form Jj entspricht, und wohl mochte dioss den chine-
sischen Theologen bekannt sein, wenn sie sagten: ^^an-ti (HimmeH ist
78
Die zweite Runenreihe.
Mensch* (auch Sohn, Vater und Fo-hi). -^p^ ist so Qbereinstimmend in Form
und Bedeutung (-»- ist der Muskel, die Scheide), dass darüber nichts weiter
zu bemerken ist; bezüglich der Jahreszeit ist nur zu bemerken, dass i(9^,
hieroglyphisch •Hff» sa ausser .Rückgrat* auch »Kraut* bedeutet, mit ^^
hieratisch |, J (dem Symbole der Isis) und mit fc^^, hieratisch ^ wechselt,
welches letztere der H so/-Rune entspricht ^ /5f ist die Lotosblume, hiero-
glyphisch 1, ausserdem entspricht die Hieroglyphe T /n »halten*, welche
ursprünglich das Geschlecht bedeutete; letzteres ist dasselbe wie ( der Krug,
Symbol der Fülle und des Meeres, aus dem die Aphrodite entstieg, deren
Schaumursprung sich an das hebräische *)0n /etnar (Asphalt) anlehnt und
somit an p. Endlich ist ^ nhs sowohl der Soldat '^^ als der Verijrecher -Jhf
beide vereinigt durch das Symbol des Knotens, welchen der erste, wie das
Porte-^p6e unserer Officiere, als Ehre oder zum Schutze, letzterer als Fessel
trägt. Es sind die Schicksalsknoten der Moiron oder Parzen, ven^'andt damit
ist N^, hieratisch?^ ntn , verderben*.
Wie in der Skaldenkunst durch Umschreibung immer neue Wörter
desselben Begriffes gebildet niiirden, so sind auch die Schriflzeichen ucnmer
neue Variationen desselben Themas, entspricht
f der Rune H, so entsprechen ihnen auch I is
> * hsol
^ r ^ biörk
^ '^ Y uiadr
daher
A ar
r lajr
I Xurden
A Xorclai
Westen Y
H Osten Westen j^
t Osten
i Süden r Sü^en
I is als .Eis* ist als Zeichen des Nordens gewiss an seinem Platze,
es bedeutet aber nicht blos .Kälte*, sondern auch .Glanz*, es würde sich
somit an das .Messer* I anschliessen , indessen weist der Name auch auf
die Äsen hin, deren Laut sich auch im ägyptisehen hs (Isis) erhaken hat;
dadurch erscheint I als identisch mit dem hieratischen Zeichen |, der Hiero-
gly])ho ^ .Gott*. Isis ist zwar im Ägyptischen eine Göttin, im Deutschen
war es auch Masculinura:
Die Runen | >| H. 70
Ise,
ein vischer guot und wise. ^^
Das Wasser aber ist das ewig bewegliche Element, welchef« als .Tebovah-
Elohim im Garten Eden, als die drei Männer, welche Abraham im Harne Mamre
besuchten, als die zwei Engel, welche nach Sodom gingen, als Higr, der
durch die Erde wandelte, als Jupiter und Merkur, welche Philemon und Baucis
besuchten, bis auf den ewigen Juden nimmer müde die Erde durchwanderte;
sein Symbol ist A ar, hieroglyphisch Ji oder A., hieratisch ^ an .hin*,
wobei zu bemerken ist , dass an und ar wechseln, wie in "^^^ welches an
und ar heisst. Dieses Wort hat sich im deutschen „irren*' erhalten; im Nor-
dischen hiess ar .pflügen*, Ton dem Hin- und Hergehen; dr .Diener, Gesand-
ter* in seiner zweiten Bedeutung sprechend, ari, am .Adler*, der .Segler
der Lüfte*, womit ari .Ehre* ebenso zusammenhängt wie Sein mit Samaim
»Himmel*. Wenn der Name Arier .die Hirten, die Vornehmen* bedeutet,
wie im ägyptischen ar sowohl die hochklettemde Ziege, wie die Treppe oder
der Tempel ist, und nach Lassen die Ausdehnung der Arier so weit reicht,
als die Bergziege sich findet, so geht hieraus hervor, dass Arier und Semiten
ein und dasselbe sind. ^^ Die Hirten mochten auch diejenigen sein, welche von
allen Völkern sich am weitesten nach Norden wagten.
Die Sonne, welche regelmässig im Osten aufgeht, war die naturgemässe
Ostrune, das Zeichen H ist der Sonnenstrahl, der Blitz, der Götterbote. Dieses
Zeichen heisst im Phönikischen nun, es ist der Nu, der Augenblick, das eben
kommende .nun*, im Ägyptischen bedeutet ^ !^ nn (nennen) .ähnlich sein*,
weil Namen überhaupt auf Vergleichung von Begriffen beruhten, es bedeutet
auch ^, hieratisch 3 das Wasser, wie Venus aus dem Meere entstieg, am
besten ist es aber zu vergleichen mit den Vögeln ^^^ ba (Seele), hieratisch
J^ gml PfP^ (fliegen), hieratisch J^ 4|^«;8tt(SohH, Tochter), hieratisch ^,
weil in unseren Gegenden die Vögel die Boten des Frühlings sind, und da nach
einer sehr verbreiteten Sage die Störche die Kinder bringen, so ist es begreif-
lich, dass der Begriff ^son, Sohn* damit verbunden ist, ebenso, dass die
armen Mädchen spottweise .Gänschen* genannt werden. Die Meen sind
eben unsterblich. Die Lautwerthe ba, 8 führen auf den Widder, der im Ägyp-
tischen diese Lautwerthe (auch sr = sl) vereinigt; die Böcke waren 27ton*'s
Gespann, und es ist daher ganz begreiflich, wenn neben Sol als Ostnune Tyr
steht, die jüngere Form des Thorr. Das Wort ar bedeutete im Ägyptischen
so Die Runen f ^ h
den Vornehmen, es hat sich im nordischen und englischen sir^ im fraiiz5*
sischen Sire und im russischen Czar erhalten, während es im Morgenlande
aus dem ägyptischen suten (König) zu Sultan geworden ist Durch Seil ist es
mit der H So^Rune rerwandt, als 1 sun .Pfeil, Lohn* erimiert es durch
das hebräische rrjt zana «buhlen*, an Amor*s Lif^bespfeil, wie Upr neben
Aphrodite steht, als /*^^ hieratisch ^ if, pu, n«, od ist es die Taufe, das
Leben, die Reinheit, der Levit (ru = lu, Iv), da es auch im Ägyptischen als
Priesterzeichen galt, am nächsten aber dürfte m , hieratisch Ö jfu, am stehen
als strahlenwerfende Sonne; in dieser Beziehung ist t verwandt mit dem
Altar j, hieratisch f ab (Osten), femer mit dem Baumaste i , hieratisch ^-o
entsprechend der Dom-Rune. Endlich ist zu erwähnen, dass ^ tua dei
j Morgen* bedeutet, wie Venus-Ostara der Morgenslern ist.
^ biörk ist das Bergen der Ernte, ägyptisch -»^ hieratisch j^ das
reife, gebärende Weib, die deutsche Berchla , die Qöttin der Ernte, verwandt
damit ist T hieratisch ^ /a .messen, 1000*, das griechische ^ihoi
«tausend*, welches als Kilo in jüngster Zeit sich wieder breit macht; es ist
nämlich die Frucht mit ihren unzähligen Kömem; dazu gesellt sich T lau^,
aber hier nicht in der Bedeutung von Wasser, sondern als Feuer logt, ägyp-
tisch \ hieratisch ff|, mit welchem die Stoppeln verbrannt wurden, damit sie
fruchtbare Asche als Dünger für das nächste Jahr lieferten, wie denn Loki der
GetreidegöltinSif heimlich das Haar abschor und ihr dafür von (unterirdischen)
Zwergen ein goldenes (die nächste Ernte) machen lassen musste; eigentlich
machte er es selbst, da ihm die Gölter nachredeten, er habe neun Monden
unter der Erde gesessen und da geboren, was sie sehr schändlich fanden.
Allerdings heisst die Flamme im Ägyptischen nicht rk = Ik, sondern sbt, d. i.
Sabbalh. Ruhe: aber wir werden finden, dass in späterer Zeit r lattgr gleich-
l'iills diesen Sinn halle, es ist eben ein Wechsel eingetreten, wie er auch in
den angelsächsischen Runen sich zeigt, wo die Latju-Rune nach der Man-
Rune folgt, während sie umgekehrt im nordischen Futhork ihr vorausgeht.
Einen Fehler können wir aber deshalb doch nicht annehmen, da die Madr^
Rune als Mandel unbedingt die fünfzehnte sein muss, der nur noch Yr folgt Ein
entsprechendes Zeichen für laugr ist die Hieroglyphe |JJS? r^, der Vogel Rock,
der die Menschen hinwegraffende Sturmwind, der aber auch Weisheit bedeutet,
wie im Althochdeutschen neben lecchan , tropfen, lecken* (der Flanmie)
gülhisch leikeis .Arzt", isländisch /a^ , Gesetz*, hebräisch in^ la^^ak , lecken*
Die Runen Y >k» ^*
neben nph laqa/ „ nehmen*, ^0/ »Lehre*, ani» , Flamme* und tirr^ lahat
, Flamme • (Lohe) steht. Nebenbei bemerkt, ergiebt sich aus der Vergleichung
der Runen ^ und T, dass der einhändige Tyr der Loki ist, die sich neigende
Sonne, nachdem der Wolf glücklich (am 2 1 . Juni) gefesselt war.
Die Rune Y madr (Mann) ist die Hieroglyphe ^, hieratisch ^ hh, nfr
,die Unendlichkeit*, genau entsprechend unserm «Potz tausend* und der
griechischen Myrias. Diese Rune ist schon bei f mit einbezogen worden,
beide sind Nachtrunen, wie zeugen und Tod im Alterthum innig verwandt
'waren und der Jüngling (Loki) mit der Hochzeitsfackel auch der Todesengel
war. Im Ägyptischen finden wir dasselbe. Den Übergang macht LlJ hr, mtn
der Weg (nordisch hakna, isländisch hctgi Zaun, hatikr der Grabhügel, schwe-
disch^ «hoch, Hügel*, altnordisch hari .der Hehre*), mtn »Weg* ist auch
der Phallus, der gleichfalls »Weg* bedeutet und durch ma sich an die Eule
und das Kreuz anlehnt, das Kreuz weist wieder auf die Zwergwelt hin, wie
auch das chinesische qp ua „ Sünde * ursprünglich das Bild eines verkrüp-
pelten Menschen war. Der Lautwerth nfr »jung* weist gleichfalls auf die
/»-Rune hin, wie auch'das räthselhafte Zeichen T, hieratisch J mit der Rune f
Terwandt ist Neben madr steht j^ yr, dessen Bedeutung im Ägyptischen
jT], hieratisch rtl ark »beendigen, Halle* klar ist, hebräisch heisst das
Wort 71* yarek , Lende, am Leuchter derjenige Theil, wo sich der Schaft in
drei Füsse theilt*, an dieser Stelle wurde Jakob verrenkt, es ist das Zeichen
der Unfruchtbarkeit, des Todes.
Stellen wir die Runen in Reihen nebeneinander, als:
P /e W ur I IS A ar
V thurs ^08 H soZ '^ tyr
% reid Y kaun i hiörh [^ laugr
♦ Jiagl % naud Y madr X yr
«o findet sich in den beiden untersten Reihen ein auffallender Wechsel
zwischen Kehllauten und Liquiden, , X » welcher auf ein Schwanken zwischen
der dritten und vierten Rune hinweist, und sich daraus erklärt, dass die
dritte Rune die Schlussrune war, bevor die vierte hinzukam.
Einen gleichen Wechsel, aber zwischen Kehllauten und Zahnlauten,
finden wir im hebräischen Alphabet, wenn wir dasselbe in gleicher Weise
zergliedern, wobei die sich lautlich entsprechenden 16 Zeichen als Grundlage,
die übrigen 6 als Zusätze in's Auge zu fassen sind:
Faulmann, Ge schiebte d. Schriit. (3
82 Futhork uiid Alphabet
N alejih
n he
h lamed
V din
d beth
1 vav
s fnem
G |}/l«
2 gimd
T 2atn
l nun
X M»/e
1 dakih
n ^«/Ä
D 8amej[
p goph
ID tet
1 rrf
• yo<^
vA'n
3 kaph
n ^u
Wir finden in der ersten Zeile die Vokale a d, den Hauch h und das
liquide l, in der zweiten Zeile die Lippenlaute b v m ph, bei der dritten und
vierten Zeile kreuzen sich JXy "Xl-
Diess kommt daher, dass die erste und dritte Reihe als die ursprüng-
lichere, mehr im Sinne den Runen, die zweite und vierte mehr im Laute den
Runen entspricht. Die hebräischen Zeichen bedeuten nämlich:
y aleph zahm werden, die Rui
aen: r fe
Vieh
^ beth Haus
n ur gross
(Gewölbe)
1 gimel gekrümmt
► thurs
Riese
A dcUeth Theilung
1
♦ 05
Mündung
(J' lanied lernen
^ reid(rada)
ordnen
*^ metn Wasser
X kann
Geschwür
H nun Sprosse
^ /id^/
Hagel
i satne/ Stütze
t naud
Noth
Aleph undfe stimmen überein in dem Begriffe ,zahm*, beth und ur in dem
Begriffe »Gewölbe* (die neue Schrift hat ^ 5 zu d ^ und jp zu 2 b gemacht,
welches 3 eine Höhle wie fl u^ das Gewölbe ist), gimel der Rücken ist
als der Berg der Steinriese thura, daUth stimmt im Begriffe der Theilung mit
+ OS, der Mündung, überein, doch ist A die Dreitheilung, + = + die Vier
theilung, obgleich auch die Pyramide aus vier gleichen Theilen besteht Hier
ist, wie bei gimel und thurs, die Übereinstimmung im Begriffe und der Wechsel
im Laute, obgleich sich os an den Zahnlaut d anlehnt. Das Zeichen für lamed
ist der Knoten, die Richtschnur, das Gesetz, wir haben auch ^ als ursprüng-
lichen Knoten kennen gelernt, andererseits scheint lamed auch der Phallus
zu sein, der im Ägyptischen »Weg* bedeutet, und damit stimmt räd »reisen*
überein; mem Grewässer hängt mit A»Mn , Geschlecht* als »Same* zusanunen,
Dreitheilung und Viertheilung. 83
«loch besser als Dia mum , Flecken' mit kait$n , Beule*. Das Zeichen ^
entspricht dem ägyptischen Hl tnn, hieratisch Sf , Sumpfland, Rohrdickicht ' ,
'womit 1*0 mtn , Geschlecht' (das niedrige Volk) verwandt ist. H nun ist die
Einzahl yon der Mehrzahl mem, ihm steht in den Runen hagl gegenüber,
welches wie das ägyptische r /a ebenfalls das Geschlecht bedeutet» dieses
beuzt sich mit $ satne/, wie H nun mit % naud „Noth, niedrig*.
Wenn somit die Obereinstimmung zwischen Runen und althebräischen
oder ph5nikischen Schriftzeichen unleugbar ist, so ist diese Übereinstimmung
doch keine solche, welche auf eine Entlehnung der phönikischen Zeichen,
wie man bisher glaubte, schliessen lässt, vielmehr ist es ein wurzelhafter
Zusammenhang wie der, welcher die Runen und die Hieroglyphen verbindet,
und dieser Zusammenhang ist offenbar viel älter als jene Zeit, wo die Griechen
däS ionische Alphabet annahmen. Auch giebt nur die Erkenntniss der Grund-
bedeutung Aufschluss Ober den Zeichenwechsel, der in der zweiten Hälfte
ebenso klar hervortritt wie in der ersten.
Dieser Wechsel entstand durch den Obergang von der Dreitheilung zur
^ierlheilung. ' Bei der Zweitheilung waren Mann und Weib oder Weib und
Kind; bei der Dreitheilung waren Mann, Weib, Rind; die Viertheilung gesellte
4len Enkel, das Volk hinzu, welches letztere zugleich wieder Geschlecht,
Vater, Grossvatcr wurde, wie Noah gegenüber seinen Söhnen. Wir ünden
4lies8 noch in der Wochentheilung, wo
Sonntag Mittwoch Donnerstag
Montag Freitag
Dienstag Samstag (Sonnabend)
gegenüberstehen den Planeten
© Sonne ^ Merkur % Jupiter
3 Mond 9 Venus
cT Mars Ji Saturn
Herkur ist der jugendliche Götterbote, als Hermes das Haupt, welches
^e Welt erschaffen hat, aber damit aufgehört hat zu zeugen ; dieser Hermes
isl als Stern das hebräische A Daleth, als Gott der Schifffahrt ^ os, als Erden-
gott das hebräische ^ gitnel, griechisch Gaea, nordisch Thorr, mythologisch
Mars, femer der KnotenknQpfer in ^ hagl und % naud, der Blitz als Götter-
fcote im hebräischen H nun und der Weltbaum $ same/; als Schäfer (sem)
stiehlt er dem ApoUon die Ochsen, als Ackerbauer (kham) ist er der Stein,
6*
r^.
84 Thierkrelszeichen.
als Gott des Handels ßaphet) ist er der Eröffner + der Schifffahrt. Die Mytho»
logie allein kann die Räthsel der Zeichen lösen, denn ihre Erzählungen
erklären die Zeichen.
Ähnliches zeigen die chaldäischen Sonnenhäuser (Thierkreiszeichen).
Die Ghaldäer hatten drei Jahreszeiten:
Fruchtbarkeit Dörre Regenzeit
if^ y Widder f5f ü Lötce ^ ^ Schutze
f^ V S^^^'' ^ Tip Jungftvu ^^^X /6 Steinbock
14 IT Zwillinge |^ IDJ Wage /j^ »» Wassermann
•^ 0 Krebs WJg Tl[ Skorpion Ä K ^^^che-
Beim Stier bleibt es unbenommen, denselben auch für eine Kuh zu
halten, denn der Mond war die Göttin Isis, der Stier Osiris und die Erde
sowohl Osiris als Isis. Liest man nun die Zeichen quer, so erhält man drei
Zeichen der Männlichkeit: den Widder, den Löwen, den Schützen; drei
Zeichen der Weiblichkeit: die Kuh, die Jungfrau, die Ziege; drei Kinder-
zeichen: die Zwillinge, die Wage (als Symbol der Tag- und Nachtgleiche),
den Wassermann (als pissenden Knaben) drei geschlechtslose Zeichen: den
Krebs, den Skorpion, den Fisch. Andererseits ist der Widder der zeugende
Mann, der Löwe als Sphinx die Weiblichkeit, der Schütze als Horus das
Kind (Amor); der Stier, die Jungfrau, der Delphin (vergleiche hebräisch fttui
Fisch, Nachkomme); die Verbindung (Zwillinge, Thurm, Phallus?), die Thei-
lung (Wage), das Kind (der Wassermann); die Deckung (Krebs), die Feuchte
(Skorpion), der Fisch.
Ein anderes Beispiel, wie aus derselben Wurzel verschiedene Zweige
ausgehen, zeigt die Vergleichung der altchinesischen mit der benachbarten
mongolischen Windrose. In der chinesischen Knotenschrifl war — der Him-
mel, — "— die Erde, daraus wurde gebildet
«BBS Himmel
Feuer Ijl jjj Wasser
s = Erde
wobei jodorh zu bemerken ist, dass die Chinesen rechts für Westen (Wasser),
links für Oslen (Feuer) annahmen, während oben Norden (Himmel), unten
Süden (Erde) ist. Die Mongolen dachten sich die Erde als eine Schildkröte,
wie im Ägyptischen der Käfer ä /pr »Welt* bedeutet. Diese Schildkröle war
von einem Pfeil durchbohrt und mit dem Kopfe nach Süden gerichtet:
Ostasiatische Windrosen. 85
Norden Wasser
Eisen Westen < ( f—^i Osten Holz
Süden Feuer
Wir werden auf diese Eintheilung noch zurückkommen, da sie in der
achltheiligen Windrose ihre £|jrklärung findet; einstweilen constatiren wir,
dass dieselbe gegenüber der chinesischen gerade um ein Viertel verschoben ist.
Alles diess beweist aber, dass eine ursprünglich gemeinsame Anschau;
ang nach der Trennung der Völker sich in Folge localer Verhältnisse ver-
schieden gestaltete. Die Elemente waren in folgender Weise aneinander
gereiht :
in den Runen: bei den Chinesen: bei den Mongolen:
Norden Lull Luft Wasser
Osten Erde Feuer fcuft
Süden Feuer Erde Feuer
Westen Wasser Wasser Erde
Es stehen also in den Runen Kälte und Feuer, bei den Chinesen Him-
mel und Erde, bei den Mongolen Wasser und Feuer einander gegenüber, in
xweiter Reihe in den Runen Erde und Wasser, bei den Chinesen Feuer und
W^asser, bei den Mongolen Luft und Erde; denmach ist runisch Nord —
Süd gleich mongolisch Ost — Süd; chinesisch Ost— West gleich mongolisch
Süd— Nord; chinesisch Nord— Süd gleich mongolisch Ost— West u. s. w.
DIE ACHTTHEIUGE WINDROSE.
Mit der Vervollkommnung der SchilTfahrt musste auch eine genauere
Eintheilung der Himmelsrichtungen Hand in Hand gehen, zwischen Norden
und Osten u. s. w. lag ein viel zu grosser Raum ; man vervollständigte daher
die Windrose, indem man zwei viertheilige durcheinander schob und dadurch
jeder männlichen Rune eine weibliche beiftigte. Genau ist diese Tendenz im
86 Osiasiatiscbe Windrosen.
Chinesischen ausgedrückt, wo es heisst: «Es giebt acht Formen des Ke (der
Luft): Himmel, Erde, Donner, Wind, Wasser, Feuer, Berg, Thau; Hinunel
und Erde sind Grossvater und Grossmutter, die anderen sind sechs Rinder, ron
denen drei männlich und drei weiblich sind. Männlich sind Verdreifachungen
des Himmels: Feuchte, Feuer und Donner, weiblich Verdreifachungen der
Erde: Bei*g, Wasser und Wind.*^ So bildete sich die chinesische Windroser
Norden, Winter
^^^ Uimmd ^
///f — ^
llil .^111
0«fm, Fiühling 1 1 L? S . 1 ■ Westen, Ilerbst
W:^W
Süden, Sommer
Vergleicht man diese überlieferte Ordnung mit der obigen Aufzählung, so
findet man, dass stets kreuzweis gezählt wird, vergleichen wir die Zeichei»
nach ihren Elementen, so finden wir, dass Himmel und Erde mit Wasser und
Feuer gekreuzt und später die übrigen eingeschoben wurden.
Anders in der mongolischen Windrose, ^ wo zwei Hauptelemente auf
die Seite geschoben wimlen:
itösun Wasser
Himmel oktorgoi C/>^ oolct Berg
Eisen tummen -< r—'il^modon Holz
Erde äorroi \\y/ kie Luft
gal Feuer
So sehen wir die Einzelheiten immer mehr auseinander gehen, wie die
Sprachen sich immer unähnlicher werden. In den Runen finden wir die
Durchsetzung nach chinesischer Weise ; wir werden später aber auch eine
Verschiebung kennen lernen. Leider hat uns die Bibel nicht die Namen vou
Noah's Weibe und die seiner Schwiegertöchter übermittelt, denn, da die
Die achttheüige nordische Windrose. ä7
chinesische Anschauung sich eng an die Noah*sche Familie anlehnt so hätten
wir, daraufgestützt, eine Vergleichung der hebräischen Schritlzeichen vor-
nehmen können. So müssen wir uns an die Runen allein halten.
Betrachten wir zunächst die nordische Windrose '^ ohne Rücksicht auf
die Zeichen, so linden wir eine eigenthümliche Geographie:
nordhr
lUnordhr v y landnordhr
vestr "yK (lustr
utsudhr ^ hndsudfir
sudhr
also drei Nordrichtungen, drei Südrichtungen, auf der rechten Seite Land,
auf der linken Wasser (ui); es ist möglich, dass die linksseitigen weibliche
Runen sind, aber wahrscheinlicher ist, dass diese Windrose in einem Lande
entstand, welches im Norden, Osten und Süden Land und nur im Westen
das Meer zur Grenze hatte, und da tritt uns sofort die geographische Lage
Palästinas entgegen. Wir erinnern uns hierbei an die blauäugigen blonden
Gestalten, welche auf ägyptischen Bildern hie und da vorkommen, und an die
Enakssöhne, welche von den Juden bekämpft wurden, und mit den Ingävonen,
Angeln, Ynglingem eine eben solche Namensähnlichkeit haben wie die
Khetas mit den Chatten, den Stammvätern der Hessen.
Hit dieser Himmelsrichtung hängen die 8 Theile des Tages zusammen:
Mitnaette Mitlernacht P fe Nachts 12 Uhr
Ötta Früh fl ur Morgens 3 ,
Midurmorgen Morgen ^ thura , C ,
Dagmal Vormittag + (w » 9 ,
Hddege Mittag ^ reid Mittags 12 ,
N6n Nachmittag T kaun , 3 ,
Midurapian Abend ^ hafjl Abends 6 «
Ndtimal Nacht i naud , 9 ,
Hier entsteht die Frage, ob nicht das Zeichen i an die Mittemacht gehi3re
and demgemäss alle Runen eine Stelle tiefer rücken müssten, wobei dann
auch die Rune ► ihurs dem Dagmal entsprechen würde. Dem geponübor ist
darauf hinzuweisen, dass die Tageseintheilung nur von der Jahreseinliieilung
88 Windrose und Jahreszeiten.
entlehnt sein kann, da die Stellungen der Sonne zu wenig Anhaltspunkte für
die Zeichen lieferten, dagegen die Jahreszeiten charakteristische Merkmale
abgaben. Nun ist P, dessen ältere Form Y nuuir war, die Mitte, der Janus
mit nach Vergangenheit und Zukunft gerichteten Köpfen, es ist P ^ der
Winter, das Schwert HeimdalFs, der Harpokrates der Ägypter, der am
25. December geboren wurde.
Als Jahreszeiten stellen sich aber die Runen in folgender Weise dar:
F fe Jahresanfang /„.,,. ( Anfang Januar bis Mitte Februar
^ V Frühling {
n ur Überschwemmung ] { Mitte Februar bis Ende Man
^ tJwrr Ackerbereitung ) ^ ( Anfang April bis Mitte Mai
> oommer f
T OS Blüthezeit ) ( Mitte Mai bis Ende Juni
^ reid Reife } ^r ^ ( Anfang Juli bis Mitte August
N Herbst /
Y kaun Ernte \ { Mitte August bis Ende September
♦ hagl Jagd ) j Anfang October bis Mitte November
+ naud Kälte ) \ Mitte November bis Ende December.
Ich habe das erste Vierteljahr als Frühling bezeichnet, weil ich diess
für richtiger halte als Winter, es ist die Zeit des jungen Jahres, wo der Saft
in die Bäume schiesst und das junge Grün sich hervorwagt; unsere jetzige
Benennung stammt aus dem Orient, wo das Jahr mit dem Monat März begann
und daher das zweite Quartal das Frühjahr war.
Was nun die Namen betrifft, so ist zu bemerken, dass der Gottesname
gewöhnlich den Anfang der Alphabete bildet, so ^ Harpokrates, derlA-'^
(Gott des Anfangs und des Endes) im Hebräischen, -^»■TVwim^? im Ägyptischen,
A Älplia (Alphaistes, der Erfinder Hermes) im Griechischen, As im Slavischen,
Frair in den Runen; hiermit ist verwandt /fwr »erfinden*, furir »vorn*, fiirsta
.Fürst*. Da das Runen-Futhork mit dem Sonnenjahr zusammenhängt, so ist
frair auch der Jahresanfang. Ur ist der Thau, die zweite Jahreszeit, die Zeit
des Thauens und der Überschwemmungen, welche durch das Thauen hervor-
gerufen werden. ITiorr ist als Acker baugott bekannt, es gehört aber hierher
auch isländisch Üyr „Sklave*, da der Ackerbau von Sklaven besorgt wurde
und dem entsprechend ITiorr der Gott der Knechte war. Wenn ich + als Biüthe
(lateinisch flos) auffasse und nicht als us, isländisch os «Mündung* (was
Eröffnung der Schifffahrt bedeuten würde) oder als vasi »Garbe* (für welche
die Zeit noch zu früh wäre) oder als althochdeutsch tcäso „Rasendecke* (wofür
die Zeit zu spät wäre), so habe ich das Wort ast , Liebe* im Auge, welches
Die sechzehntheilige Windrose. ^^
mit OS .sein, Existenz*' zusammenhängt; im Ägyptischen ist die Blüthe «|» uu
mit der Bedeutung .sein, Wesen*, sie wechselt mit ^g^ un, den wir «Hasen*
nennen, aber auch im Nordischen isi unna .lieben* uud daher dürfte auch os
diese Bedeutung gehabt haben, da die aus Schmerz zerspringende Nanna sich
nothwendigerweise zur Blüthe entfalten muss. ^ ist der rothbärtige lliorr,
rau^r .der Rothe*, ryd .Rost*, rotna .verfaulen*, was Alles auf .Reife"
hinweist. Damit stimmt kaun .das Geschwür* zusammen, indessen kann
auch eine weniger anstössige Bedeutung in qven .Weib* gefunden werden,
welche die würdige Gefährtin des rothbärtigen Thorr wäre, und zwar wäre es
dann «das gesegnete Weib*, dänisch kynder .Geburtswehen*, wovon unser
.Kindbett*, d. h. Wehbett abstammt. Der Rune ^ hagl habe ich das Prädicat
.Jagd* beigelegt, weil der Hackelberend der wilde Jäger ist und nach der<
Ernte die Jagd über, die Stoppelfelder sich ergoss, daher musste hagi .Zaun*
zuiücktreten, ebenso haka .hacken*, obwohl das Umgraben der Felder auch
am Platze gewesen wäre. Naud dilrfie niatäa .geniessen* sein, nachdem die
Speicher voll und Wild in Fülle vorhanden ist; so heisst auch im Ägyptischen
mh .der Winter, die Fülle*, verwandt damit ist nida .schänden*, welches in
Nolhzucht eine Zusammensetzung erhält wie Dieb in Diebstahl, denn nif ist
d4^r Eifer, woraus .Neid* entstand, damit hängt nauir .Genosse* zusammen,
der Winter und der Abend ist die Zeit der Geselligkeit :
Um des Lichts gesellige Flamme
Sammeln sich die Hausbewohner,
Und das Stadtthor schliesst sich knarrend.
DIE SECHZEHNTHEILIGE WINDROSE.
Das Streben nach genauerer Orientirung führte zu einer abermaligen
Theilung der Windrose, welche noch gegenwärtig besteht, ihr entsprechen
die 16 Zeichen des nordischen Runen-Futhorks , mit welchem auch die
nordische Sprache ihren Abschluss fand. Indem wir von der 8 zur 16 sofort
übergehen und die Betrachtung der Mittelstufen einstweilen bei Seite lassen,
folgen wir der natürUchen Entwicklung, die durch fortwährende Theilung
ron t zu 4. zu 8, zu 16 führte; dass diese 16-Form in anderen ZifTernsystemen
•ich nicht vorfmdet, beweist, dass sie den jüngeren Theilungcn in 12 und 10
90
Die sechzehntheilige Windrose.
den Platz räumte. Dass sie früher eine noch. gi*össere Ausdehnung hatte als
auf die Windrose, wird die Folge zeigen, vorerst müssen wir constatiren,
dass die Runen nicht getheilt, sondern ähnlich wie bei der mongolischen
Windrose zwei Zeichenordnungen aneinander gereiht tv urden. Die Form der
Windrose war demnach:
Der Doppelsinn der Runen ist uns bereits viel zu oft entgegengetreten,
als dass wir uns dadurch beirren lassen werden, dass auf diese Weise ganze
Runenreihen ihre Bedeutung wechseln, Runen des Nordens und Nordostens
zu Runen des Südens und Südwestens, Runen des Nordwestens zu Runen
des Südostens werden; überzeugend spricht in dieser Beziehung die feste
Ordnung der Zahlen, welche die Runen von f bis X. mit dem Zahlwerthe von
1 bis 16 verbindet; wäre eine Gegenüberstellung wie im yukatanischen Tages-
kreise vorhanden gewesen, dann musste Ur und nicht Is die Rune des Südens
sein ; man zahlt aber nicht 1 , 9, doch mochte der Begriff der Erneuerung,
der in der Neun liegt, dazu geführt haben, in der jetzigen Zählung zu Mittag
mit 1 wieder zu beginnen.
Wiederum drängt sich hier die Frage auf, ob nicht analog unserer
jetzigen Zählweise f nach NNO und i auf den Mittag gehörten ? Aber zwei
Umstände sprechen dagegen, nämlich erstens die Geisterstunde von 12 — 1
Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins
Und unten zerschellt das Gerippe.
Wir haben alle Ursache, die Fe- Rune als Geisterrune anzusehen;
zweitens bedeutet i natUr »Genuss, Speise", und unsere Landleute, welche
alte Sitten treu bewahren, essen nicht um 12 Uhr zu Mittag, sondern um 1 1,
da sie schon um 4 Uhr (Rune +) aufstehen. Unsere Landleute haben
aber auch noch eine alte Tageseintheilung im Gebrauche, wenn sie bei
Windrose und Tageszeiten.
9t
Mtdnaette
rOm. media nox oder
tertia viffilia
2 n ur ,
3 > thurs^
n
Otta
röm. quarta vigt'lia , •.
4 T OS
5 fc reid
6 Y katm
Frühzeit
Sonnenaufgang
MifJurmorgen
rOm. prima
Dagtnal
rOm. tertia
7 * hagl
8 i natid
9 I is
10 /l ar
11 H soZ
12t/yr .
13 ^ biork ,
14 r 2au</r ,
Ndänud 15 Y >»ac?r ,
Hddege
röm. «exfo
rOm. Mona
Afiduraptan
rOm. vt9p€ra oder
jrrtiNa vigilia
Vormittags
Mittags
Nachmittags
9
Abends
Orlsentfernungen von einer , guten Stunde* sprechen, welche in der Regel
1 Va Stunden unserer Zeit entspricht. ^* Theilen wir den Tag in 1 6 Theile. so
erhalten wir folgende 16 ,gule Stunden', von denen die um Mittag herum
gelegenen, unseren BegriiTen von Vormittag und Nachmittag genau entsprechen:
\ f fe von 12— lyg Uhr Morgens, Beginn des Tages
IV2-3
3-41/2
41/2-6
6-71/2
7V«-9
9-IOV2
IOV2-I2
12-1%
IV2-3 .
3-47,
41/2-6
6-71/j
71/2-9
9-101/2
101/2-12
Diese Elintheilung des Tages wäre kaum ausführbar gewesen, wenn
sie nicht in der Eintheilung des Jahres einen grossen plastischen Hintergrund
gefunden hätte, indem die Naturerscheinungen den Stoff zu den Runen oder
Malen (Zeitzeichen) boten, wie auch die späteren Thierkreiszeichen jedenfalls
auf irdischen Malen beruhten. Theilen wir das Jahr in 16 Male (ich vermeide
den Namen Monat , da wir es hier mit einem reinen Sonnenjahr zu thun
haben), so fallen auf jedes 23 oder 22 Tage (die Zahl der hebräischen Buch-
staben), zusammen 360 Tage, wie das isländische Jahr hatte, die übrigen
Tage w*urden eingeschaltet, und da noch gegenwärtig hohe Feste drei Tage
lang gefeiert werden, so mochten derlei Feiertage solche Schalttage sein.
Diese Einschaltung war um so leichter, als der Stand der Sonne in den
Wendepunkten zur Correctur Anlass gab. Dass eine solche Theilung des
Jahres uralt ist, beweisen die von den Chinesen schon dem Kaiser Yao zuge-
schriebenen Worte : B Nehmt eine Periode von 366 Tagen wahr. Die Ein-
schaltung eines Monats und die Bestimmung der vier Jahreszeiten dienen zur
n
Sonnenuntergang
Schlafenszeit
röm. ateunda vigilia
16 J^ yr
Nachts.
92
Wiudrose und Jahreszeichen.
vollkommenen Anordnung des Jahres. Ist diess Alles genau regulirt, so wird
jeder sein Geschäft in der rechten Jahreszeit verrichten und Alles gehörig von
Statten gehen*. '^
L
Mal Tage
i
Datum nach jetzigem
Kalender
I
Thierkreis
Chaldäische Monate**,
I
ffa I 23
n fir I 22
► thura 23
+ <w I 23
25. Dec. bis 16. Januar vqX ^ Monat der Wolken
17. Januar bis 7. Februar i
8. Februar bis 1. März
2. März bis 24. März
1^ reid
X kann
♦ Jtatjl
■
'^ )f(nid
23
22
23
24
I
?5. März bis 16. April
17. April bis 8. Mai
9. Mai bis 31. Mai
1. Juni bis 24. Juni
Ä K
des Regens
der Vermessung
CT» T
I
?^ y Monal des Stiers
a K ;
der Zie^relsteine
IS
23
23
24
j A ar
H so/
r hiiojr. 22
Yi/mf/r 23
J^l/r I 23
25. Juni bis 17. Juli
18. Juli bis 8. August
9. August bis 3 1 . August
1. Sept. bis 24. Sept.
25. Sept. bis 17. Oct.
18. Oct. bis 8. Nov.
9. Nov. bis 1. Dec.
2. Dec. bis 24. Dec.
m^ Q Monat der Hand
^ Tip
, des Feuers
, des Bogens
f^ .TL Monat der Dämme |
I
der Gründunsr
Bei der Aufzählung der Koilschriflmonate sind nur 10 erwähnt worden,
und zwar aus folgenden Gründen. Die Chaldäer hatten ausser diesen 10
Monaten noch einen Monat des Anfangs und einen Monat des Endes. Der
Monat des Anfangs fallt mit dem Zeichen des Widders zusanuneUi dem ent-
sprechend stimmen die Thierkreiszeichen Stier und Bogen mit den betreffenden
Keilschriflformen überein; ein Widerspruch entwickelt sich jedoch vom Januar
an, der so auffallend ist, dass die Feldvermessung mit dem Wassermanne
zusammen fiele, und zu den Fischen der Monat des Endes oder (nach Lenor-
mant) des Glückverkündens käme, was absolut unmöglich ist, weil Maria-
Verkündigung einen vollen Monat später, nämlich auf den 25. März in das
Zeichen des Widders föllt. Angenommen, die Chaldäer hätten wirklich 12
Das Mal P. 03
und nicht, wie wahrscheinlich ist, ursprünglich nur 1 1 Monate gehabt, so
müsste, um die Übereinstimmung herzustellen, der Monat des Endes dem
Schätzen entsprechen, da die folgenden Monate nach dieser Einschaltung
t^bereinstimmen. Deshalb sind hier die fraghchen Monate ganz ausgelassen
worden. Was die Gegenüberstellung der Runen-Male und derThierkreiszeichen
betrifft, so ist natürlich, dass jedes Quartal ein Thierkreiszeichen ausfallen
musste; nach dem Sinne den Runen-Malen gegenübergestellt, ergiebt sich,
dass der Ausfall regelmässig an derselben Stelle erfolgt.
Untersuchen wir nun die Concordanz der einzelnen Daten, um die
Stichhaltigkeit dieser Anordnung zu prüfen.
Das Mal P fallt während seiner ganzen Dauer in das Thierkreiszeichen
,t3L oder /5. Das erste Zeichen wird als Steinbock oder Ziege erklärt. Es
giebt aber keine liegenden Ziegen mit vorgestreckten Füssen, dabei weist die
Figur eher auf ein Seethier hin und als Zeichen des Nordens insbesondere
auf das Walross, nur dass die Zähne in Hörner verwandelt wurden. Von
den nordischen Seethieren stammen jene Fabeln ab, welche sich auf das
Elinbom (den Schwertfisch?) beziehen, und man wird wohl nicht irre gehen,
die Hieroglyphe R für den Wasserstrom zu halten, den der Wal ausspritzt
und der mit der Rune fl vielleicht auch verwandt ist. Der Wal galt als das
Haupt der Riesenschlange, welche sich um die ganze Erde legte. Diese Uräus-
schlange zeigt die zweite Form des Thierkreiszeichens T oder j^ mit den
Lautwerthen nb, r, k, mh. Wenn die Römer statt dieses Zeichen — ö* schrieben,
so verwendeten sie eben die hieratische Form >0 der Hieroglyphe oo^ ht,
mh .Norden, Fülle*. Wenn in Ägypten am 2. Januar Kuchen mit dem Bilde
des Seepferdes gebacken wurden, so haben wir in demselben das kleinste
Diminutiv der Seeschlange. Die Schlange i ist das Symbol des Horus, der
jungen Sonne mit dem Lautwerlhe nb, das ist der Gott i^J nebo, der Gott des
Anfangs und der Offenbarung, nb ist als ''■ir nb einerseits der Nabel, der
Ursprung, andererseits das lateinische nuhes »die Wolke", der Nebel, das
Niflheim der nordischen Sage. Niü ist das ägyptische nfry da die Ägypter
V wie l aussprachen oder umgekehrt l wie r, die Hieroglyphen für nfr sind,
t (Nabel?) die Laute, hebräisch h^i nebel, griechisch vaßlo:, lateinisch nahlium,
welches, da hebräisch nebel auch , Schlauch' bedeutet, selbst der Dudelsack
sein kann, nfr heisst ferner ^\\ der AfTe, Symbol der Sonne, ^|ijj| das Pferd,
unser »Fohlen, Füllen*,^ die weisse Königskrone Ägyptens, der Helm,
94 Das Mal Ü.
die plirygische Mütze, engverwandl mit Sd ni, welche zwar die rothe oder
goldene Königskrone, aber auch Symbol des Horus i bt; endlich lAl das
Zeichen der Unendlichkeit, der grossen Zeitpenode, welche daher auch
ursprünglich das des Jahres gewesen sein kann; allen Zeichen mit dem Laut-
werthe nfr wohnt der Begriff «jung, schön, gut* inne. Das Zeichen t^
führt auf Y, welches, wie schon wiederholt bemerkt, ursprünglich statt f
stand, zumal es auch den Janus vorstellt; nachdem Y aber für madr fest-
stehend geworden war, scheint fe auf den Begriff «oben*, hieroglyphisch M,
hieratisch P^ .anbeten, grüssen* reducirt worden zusein, womit auch das
Kinderzeichen ^ zusammenhängt. Es ist die Begrüssung des neuen Jahres,
die Epiphanie des Osiris, bei welcher man sich mit den Worten eurekamenl
8tm/aironi€fif begrüsste. Ein solcher Sonnenanbeter ist der Affe, bezüglich
dessen es in der Edda, im Hymiskwidha, Strophe 20, heisst:
Da bat der Böcke Gebieter den Affengott
Ferner in die Fluth das Seeross zu führen.
Wir sehen somit den Affenkönig oder Affengott von Ceylon bis nach
Island bekannt; es ist auch gar nicht zweifelhaft, dass die Edda unter dem
Affengott Loki begreift, den Lucifer, Apollon, den Vater des Lichtes und das
Licht selbst, den Amor, das Leben, die Liebe, das Lob Gottes, der vermöge
der bereits mehrfach besprochenen Antithese: der Tod, der Neid, der Ver-
leumder ist, wie der Eberkopf, der am Weihnachtstage jubelnd aufgetragen
wurde, sowohl der Kopf der erschlagenen Finsterniss, als das neue Haupt des
Lichtes ist, dessen Hauer die Rune P zeigt, der Elephantengott der hidier,
überhaupt Alles, was sich emporhebt, wie Adam, der Plural von iK ed .der
aufsteigende Dunst*. Alles weist daraufhin, dass P ^ so viel ist wie /no
.Same, Ei, Ursprung*, althochdeutsch /rua .früh*, der .An-fang* des Jahres
das .Frühjahr*.
Wir haben H ur in der achttheiligen Zeit als Thauzeit aufgeführt, in
dem sechzehntheiligen Kalender ist das Mal zu weit hinaufgerückt, um diese
Bedeutung zu behalten , hier schliesst sie sich mehr als weibliche Form an
die Rune f fe an. In dieses Mal fällt zwar auch ein Theil des Wassermanns,
doch sind es mehr Lichtfeier, welche stattfinden, wie Maria Lichtmess, das
Fest der Kerzenweihe und das altpersische Feuerfest rus neiram Am
3. Februar wurde in Rom das festum siüUorum gefeiert und gegenwärtig noch
wird die ganze Zeit des Mals mit dem Fasching ausgefüllt. Der 5. Februar
Das Mal (>. 95
war hn Alterthume ehelichen Verlöbnissen und Freunüschaflsbänduissen
gewidmet, deren Andenken sich noch in England in der Feier des Valentins-
tages erhalten hat. Valens »kräftig* stimmt ganz mit der Bedeutung von ur
«gross* Qberein und die Bedeutung dieses Festes mit altnordisch uil, vili
«wollen, erwfihlen*. Es erinnert diess an die noch im Morgenlande Qbliche
Verlobung der Kinder. Ein Gegenstück zu der jugendlichen Sonne ist dei
Nachthimmel, der besonders im Februar die grössten Fixsterne am nordischen
Himmel vereinigt. Das runische Urinkr ist der Sternenhimmel, und insbe-
sondere die hringesstraza, die Milchstrasse, welche wie Thautropfen (ur) am
Himmel funkelt. Wir werden daher dieses Mal mit . Glanz* und in Bezug
auf die Sonne mit der Zeit des .zunehmenden Lichtes* übersetzen.
Das Mal V fällt mit dem vorigen in mehrfacher Beziehung zusammen.
Mit dem Hammer Thor*s wurden Ehen geweiht und Thorr als Thor passt
ganz zu dem Festum stultorum der Romer, wie auch in diesen Monat der
Schluss und die ausgelassenste Feier des Faschings fällt. Wir haben oben
die Rune V als Haupt kennen gelernt, hier ist sie die Maske, die jugendlich
kindische Sonne scheint bald freundlich, bald nimmt sie die grimmige Wolken-
maske vor das Gesicht, und diess führt auf die zweite Eigenschaft dieses Mals,
welche dem Thierkreiszeichen des Wassermanns ^ oder z» entspricht, und
dem Kcilschriflmonate ^»»»P^^T des Regens. Letzteres stimmt zusammen
mit dem römischen Monat Februar (februare , scheuem, reinigen*), und nicht
nur bei den Römern, auch bei den Persern und Ägyptern war dieser Monat
der religiösen Reinigung gewidmet. Am 25. Februar wurde in Ägypten der
Eintritt des Osiris in den Mond gefeiert, weil um diese Zeit der Durchgang
der Sonne durch den Ort am Himmel erfolgt, wo jedes Jahr der Vollmond
steht Das Mal ^ ist der Mond, als Symbol des Wassers; es beginnt die Zeit
des Thauens, die immer kräftiger werdende Sonne erwärmt die Felsen, das
darin befindliche gefrome Wasser zersprengt mit Donnerkrachen (schwedisch
Thor-dön) die Felsen. Das ist die Zeit, wo Thorr auf die Ostfahrt zieht und
mit den Frostriesen kämpft: der Monat des Thauens.
Das Mal ^ stimmt sogar im Bilde mit dem Keilschriftmonate ^^hn^ pz,
dem Monate der Vermessung, überein, dem das Thierkreiszeichen ^ oder
^ entspricht. Die beiden Fische zeigen die Laichzeit an,
Befreit von Eis sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings milden belebenden Blick,
96 Di« Male + |^ r *•
und so ist auch + os die Eröffnung der Schifffahrt. Wenn in Ägypten am
5. März die Schifffahrt der Isis gefeiert wurde, so beweist diess, dass nordische
Erinnenmgen sich bis in den SQden verpflanzt haben, während die Tag- und
Nachtgleiche den Anstoss zu dem Lampenfeste der Neit zu Sais und dem
ebenfalls unter Beleuchtung gefeierten Feste der Erdgöttin Durga auf dem
Ganges gaben. Das Zeichen X dQrfte mit der Hieroglyphe ^^ ab .Opfer*
oder f^l an «schreiben* zusammenhängen, ersteres könnte sich auf die
Opfer beziehen, welche bei Eröffnung der Schifffahrt gebracht wurden, letzteres
auf das .Vermessen*, welches in Ägypten seinen klimatischen Verhältnissen
nach auf eine viel spätere Zeit fallt, weshalb das Zeichen eine andere Bedeu-
tung erhielt.
Das Mal fc reid ist, wie schon mehrmals bemerkt, ebenso eine Thurs-
rune wie ^, letzteres ist der jugendliche bartlose Kopf,. ^ der bärtige, mit
Rücksicht auf die betreffende Jahreszeit bedeutet ^ die grünende Erde und
damit stimmt der Widder zusammen, der auf die Weide getrieben wird.
Damit würde ^ als keimender Grashalm zusammenstimmen, als ^s^ ab ist
es jedoch der Anfang des Jahres, der im Oriente um diese Zeit gefeiert
wurde. Mit den lustigen BockssprOngen der auf die frische Weide getriebenen
Thiere dürfte auch die Sitte des Aprilschickens zusammenhängen. Der Name
reid bedeutet natürlich hier nicht wie im vorigen Kalender ,roth*, sondern
riS 9 Ried*, wohl auch ruSia , reuten* mit Bezug auf die Ackerbestellung,
welche im vorigen Kalender durch ► dargestellt wurde.
An die Zeit der Keime schliesst sich die Zeit der Knospen, denn Y kaun
bedeutet eine Beule, und dass die Knospen diese Gestalt haben, ist bekannt.
In diese Zeit fällt auch die Belaubuiig der Bäume, und der grünende Hain
(lautverwandt mit kann), welcher im Nordischen lund hiess, dürfte mit dem
.Lenz* in engster Verwandtschaft stehen. Wir haben T auch als Y kennen
gelernt, dem Symbol der Venus; dem entsprechend wurden am 1. Mai die
Orgien auf dem Blocksberge abgehalten und die Maibäume aufgerichtet, auf
welche wir noch beim folgenden Mal zu sprechen kommen.
Das Mal ^ hagl hat eine doppelte Bedeutung: mit Rücksicht auf die
vorhergehenden Male wäre es die Blüthe, an welche aber nur das nordische
hugd , Liebe* erinnert, dagegen heisst im Griechischen dyaXkiq die Zvriebel-
blume, ägyptisch T /o, dyaTliaatg »Wonne* (wie der Mai der Wonnemonat
ist); andererseits ist ♦ der Hagel, das fruchtbare Gewitter, indem der Hagel als
Die Male :|c ^ 97
himmlischer Same mit dem Blüthenregen verglichen wurde; hiermit hängt
nordisch Aoibta 9 yerzäunen, verbinden * zusammen. Von den Thierkreiszeichen
^pj^ und ^ ist das letztere einerseits die ägyptische Schnur V k oder die Ver-
bindung von Sonne und Mond, welche im Stierkopf symbolisirt wird. Mit dem
lliierkreiszeichen hängt das indische Fest der KamadSva zusammen, das ist
die alle Wünsche erfüllende Kuh oder Erde, welche durch die Bebauung
genöthigt wird, alle ihre Schätze dem Menschen zu öffnen. Die Sunde gegen die
Gottheit, welche nach biblischer Anschauung damit begangen wurde, führte
zu dem in Rom am 9. Mai gefeierten Feste der Lemuralia oder Hausgeister,
während um dieselbe Zeit eine andere indische Gottheit die Bhawani oder
Venus Urania durch Aufpflanzen von Maibäumen gefeiert wurde, an welche
die Rune ^ ebenfalls erinnert, da sich das «Verknüpfen' auch auf die Blumen
und Bänder beziehen kann, mit welchen der Maibaum geziert wurde. Dem
entspricht das um diese Zeit von den Persem und Türken gefeierte Tulpen-
fest. Es ist bereits oben erörtert, dass jn^ ebensowohl eine Kuh als ein
Stier sein kann, das Fest der Kamad^wa deutet auf die Kuh; auf den Stier
weist nicht nur der Keilschriftmonat ^^^ ^I< (Stier), sondern auch die
Opferung der Jungfrauen, welche um diese Zeit in's Wasser geworfen wurden,
um den Stier .günstig' zu stimmen und Fruchtbarkeit zu erflehen. Nachdem
diese Menschenopfer beseitigt waren, erhielt sich noch der symbolische
Gebrauch, wie zu Rom am 15. Mai, ein Stück Holz in Form eines Kreuzes
unter Feierlichkeit in's Wasser zu werfen. Die um diese Zeit gefeierten altpersi-
schen Feste Neiran und Abrisegan waren die Feste des Feuer- und Wasser-
ausgiessens, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Keilform ^T^
eher auf dieses Ausgiessen als auf ein Stierhaupt hinweist. Wir haben im
vorigen Kalender ^ als Mal der Jagd kennen gelernt, die Verbindung beider
Begriffe liefert das Sternbild des Orion (das Kreuz, welches in's Wasser
geworfen wurde), denn Orion geht um diese Zeit unter, weil er sich in die
Atlantiden und Plejaden verliebte und ihm deshalb Jungfrauen geopfert
wurden. Orion war ein Jäger, aber sein Name wird durch o\tpHv erklärt, also
das Wasserausgiessen, welches die Hieroglyphe T ^a darstellt, und welches
das nordische % hagl war. Letzteres ist daher ebensowohl der fruchtbare
Regen als die Blüthezeit.
Die Rune i naud ist nichts Anderes als die einfachere Form der Rune
^, das nordische nautr „Speise* ist das hebräische ^^k akdl , essen', welches
Fanlmann, Gesehichte d. Schrift 7
98 Die Male % |.
im vulgären Deutsch achdn heisst, das zwar durch die Juden ein^schleppt
sein kann, in yflkel* (erzeugt durch Ubermass im Essen) aber ein unzweifel-
haftes urdeutsches Analogon hat. Mit natar «Speise* hängt nida , schänden*
zusammen, wie fiot «nützen* und nid .Schmähung* mit akal .essen* und
.Ekel'; war doch Loki, der Nidingr, ebenso der von den Göttern, z. B. als
Baumeister .benützte' wie nachher .geschmähte* Gott, wie die Liebe leicht
zur Eifersucht und Schmähung umschlägt. Das entsprechende Thierkreis-
zeichen f4 ^^^^ Jü ^^ ^^ .Zwillinge* erklärt, die dem ersten Bilde ent-
sprechende ägyptische Hieroglyphe mit dem Lautwerthe htr erhält jedoch
durch das griechische irepog .der Andere, der Gegner* eine weitere Deutung,
welche zu kralpog .yergesellschaflet'' führt und durch die griechischen Hetären
allgemein bekannt ist Das Zeichen Jf scheint eine Vereinfachung des ersten
Bildes zu sein, erhält aber ebenfalls eine andere Deutung durch den Keilschrift-
monat ^^fT^>t^^ <ien .Monat der Ziegelsteine', somit dürfte Tf
mit dem ägyptischen f| und ivjt A*^ .bauen, kitten* identisch sein. Alles
deutet auf die heisse Jahreszeit. Zu Rom wurde am 8. Juni der Esel des
Pnapus feierlich mit Blumen bekränzt, in Ägypten um diese Zeit Kuchen
mit dem Bilde des Esels gebacken; es ist im Yorigen Kalender schon auf den
Zusammenhang des hebräischen ^amor .Esel* mit ^e^nar .Asphalt*, der als
Mauerkitt verwendet wurde, hingewiesen worden ; die ägyptische Hieroglyphe
X ttu, SU, das phönikische Thav bedeutet .Zaun, Wohnort (hebräisch Rn ta
.Zimmer*, nin tava .wohnen*) kreuzen, mischen, vermehren*, nan j^amar
ist aber auch .aufbahren, brausen, schäumen*, daher der Geist (mens), dessen
Fest am 8. Juni in Rom gefeiert wurde. Wir haben im vorigen Kalender
i" als Nattmal kennen gelernt, als Todeszeichen; aber mit dem 24. Juni
schloss auch das Reich der Liebe ab, Baidur starb, von Hödur^s Pfeü getroffen,
es beginnt die Nacht der Götter, während deren Wiänu (Regenzeit) vier
Monate auf der Schlange Si§a (die Hieroglyphe X lautet auch sS) schläft und
Hitze und Trockenheit auf der Erde herrschen. Wir werden also das Mal + als
die Zeit der Befruchtung auffassen, wie es als Tages-Mal die Essenszeit
bedeutete.
Mit dem Mal I is beginnt der zweite, jüngere Halbkreis ; wir haben es
als Nordrune is .Eis" kennen gelernt, .Eis' und .heiss* wie .Eisen* ver-
bindet der Begriff des Glanzes, wie .Eiter* und .heiter* sich in dem Begriffe
g weiss* zusanmienfinden. Der entsprechende Keilschriftmonat ist ^^f ^t
Das Mal |. 99
'der «der Hand', die ausgestreckte Hand bedeutet die Gabe, die geschlossene
Hand den Tod, letzteres ist das Thierkreiszeichen «^ oder 0 ; der Krebs ist
iiu Ägyptischen der Käfer /pr (hebräisch ^o kaph .Hand*', nD3 kapha , beugen,
neigen *), der Käfer ist das Symbol der Ober- und Unterwelt, da er in der
Erde wohnt und über der Erde fliegt; so muss auch die Sonne von nun an
ihren Aufenthalt über der Erde mit dem unter der Erde theilen, und daher
dürfte 0 die Hieroglyphe SS tcUa «Ober- und Unterwelt' sein. Der nor-
dische Hödur ist in der Bibel die Schlange, bezüglich deren zu Adam gesagt
wird «du wirst ihr den Kopf zertreten und sie wird dich in die Ferse stechen*,
wodurch die Ähnlichkeit des Krebses mit dem Skorpion gegeben ist. Der
Pfeil (die Schlange) ist aber die Ähre mit ihren Stacheln (aÄir) , die Proser-
pina, Persephone, welche einen Granatkern deshalb verschlucken musste,
weil sie selbst das Korn ist, das in die Erde gelegt wird. So finden wir den
Widerspruch erklärt, der zwischen Tod und Frucht liegt. Übrigens war I in
Au'vpten, wo um diese Zeit die Überschwemmung begann, das eiserne Schwert
I des Horus. der als Rächer seines Vaters die Hitze tödtete, und ihm zu
Ehren wurde das Lotosblumenfest gefeiert; um dieselbe Zeit wurde in Indien
am 8. .Srawana Krischna geboren. Im Norden aber, unter veränderten klima-
tischen Verhältnissen, war I der Hahn, die Zeit des reifenden Getreidefeldes,
und nur Maria Heimsuchung (2. Juli) oder Maria Sif (nach Simrock) erinnerte
an die südliche Überschwemmung, denn wenn es an diesem Tage regnet,
so regnet es 40 Tage fort und die Ernte ist gefährdet. Auch in Ägypten fiel
um diese Zeit manchmal der «Monat der Hand" Thot, aber nur im Jahre
\3M oder 2782 vor Christo, denn in den übrigen Jahren löste man die
Monate von ihrer festen Anpassung an die Jahreszeiten, und hieraus geht
hervor, w^ie alt der Runenkalender sein mag, dessen Male mehr als alle
anderen Monate getreue Bilder der Jahreszeiten und daher älter als die Monate
und Thierkreiszeichen sind. Ausser dem Halm bezeichnete die Rune I noch
etwas Anderes; war das Mal Zeichen einer Beschäftigung, so war es das
Zeichen für die Schiffer, auf den Häringsfang zu ziehen, der Ende Juni an
den shetländischen und orkadischen Inseln erfolgt. Der Fisch ist der Glanz
(HäringsbKck) des Wassers, und es entsteht daher die Frage, ob nicht der
Krebs ebenfalls auf die Fischzeit hindeutet, vielleicht selbst ursprünglich
(ohne Füsse) der Häring war, dessen Name (har ist der Hehre) ebenso
auf Glanz hinweist wie i8=^(ts, welches Gott bedeutet. Ise wai, wie oben
100 Das Mal A.
*
erwähnt, ein Schiffer. Wir werden daher das Mal I is als Zeit des Häringsfanges
betrachten.
Das Mal A ar wird als «Ernte* aufgefasst, aber damit ist das Zeichen
nicht erklärt; ar heisst übrigens vielerlei: Ehre, Diener, Gesandter, Arbeit,
besonders pflügen, Ernte, Ruder. Oben bei Vergleichung der Runen mit den
Hieroglyphen haben wir den Begriff der Bewegung beobachtet, der auch in
, Arbeit, pflügen, rudern, Gesandter, Diener* hervortritt, demnach muss nicht
,Jahr' Ertrag der Arbeit sein, wie man allgemein annimmt, es kann auch
der Kreislauf, der Stoffwechsel im Pflanzenreich sein, wogegen die Hiero»
glyphejT X <r, Zeit, Jahreszeit* umsoweniger streitet, als frp nur. wachsen*
lyr op-rripi .Anfang des Jahres', das Keimen der Pflanze bedeutet, denmach
ist ar .Ernte* so viel wie •.• aru .Kömer, Pulver, Mehl*, wahrscheinlich die
leicht bewegliche Kugelform und das dieser ähnliche Korn. Hieran knüpfen
sich folgende Betrachtungen: Auf den 1. August fällt das Fest LakhSmi's,
der indischen Göttin des Überflusses; am 5. August wurde zu Rom das
festum salutis begangen, welches dem unbekannten Gotte Ajo Locutio
geheiligt war, den Plutarch 4>i%fxi3 xal KX17 Jctiv .Ruf und Gerücht* nennt;
das ist sicherlich derselbe, den die Juden ov^i'M dohi Sem .Gott Sem's*
nannten, d.h. Gott des Gerüchts, also abermals ein Beweis, dass Ari und
Sem dasselbe ist. Dieser Gott ist derselbe, dem das ägyptische Zungenfest,
das Fest der Dolmetsche gewidmet war, wobei man PXoiaaa rux^^ yXtüfjfsa
ialyitav .Zunge Glück! Zunge Geist I* ausrief und Hülsenfirüchte herumtrug.
Es war also der Gott Logos, der Gott der Zweizüngigkeit, der Gott der
doppelschaligen Hülsenfrüchte, der Gott des Glücks und als Dämon der Gott
der Lose, unser nordischer Loki, der ewig wandelnde Gott, der Gott des
Unteren (hebräisch «nnn ia/ti, das unterste, Thaud), der Füsse, der Wurzeln,
von dem es in der Edda heisst:
Schweige du, Loki, acht Monde
Sassest du als milchende Kuh unter der Erde,
Da gebarst du, das ist eines Argen Art.
Loki ist aber nicht der Gott des Getreidebaues, sondern der Gott der jung-
fräulichen Natur, der wilden Beeren und Kräuter, der einheimischen Gewächse,
wie Bohnen, Linsen, Rüben u.s.w. Auch die kanadischen hidianer bezeichnen
den Monat Juni als den der Beeren. Fassen wir A als gespaltene Schale auf,
so bezeichnet das Mal die Zeit der Beeren und Schotengewächse.
Die Male H T. 101
Das Mal M sol entspricht dem Tliierkreiszeichen ^ oder Q^ und dem
Keilschriftmonate ^^'^f ^^^j^J ^®s Feuers. H ist der Blitz, der Sonnen-
strahl, der Blick, daher »üiZ^ isländisch söl ^die Seele'', ^toZ^ .selbst*, silfr
, Silber', eng verwandt damit ist die blinkende Sichel ^«^, mit welcher das
Cietreide abgemäht wird, der Raub des Feldes, der räuberische Löwe, der den
Stier (das fruchtbare Feld) zerreisst, wie diess auf den chaldäischen Tafeln
dargestellt wurde ; dazu gesellt sich das Feuer , mit dem man die Stoppeln
▼erbrannte, um mit der Asche den Acker zu düngen, und das Zeichen Qj,
welches der Hieroglyphe f^ ^r, ttui . Getreidemass, Tenne* entspricht. Damit
stimmt überein die am 15. August gefeierte Maria Himmelfahrt und das um
diese Zeit in Norddeutschland gefeierte Erntedankfest, wie das am 13. August
in Rom gefeierte Fest der Diana (der Mondgöttin), weil es ein Fest der Knechte
und Mägde, also jedenfalls ein Fest der Erholung nach der Zeit der Ernte war.
Ohne Zweifel bedeutet daher das Mal H die Zeit der Ernte.
Das Mal t tyr entspricht dem Thierkreiszeichen ^ oder 7TP und
dem Keilschriflmonate ^-»44^1 ETT kin, Monat der Botschaft (der Istar).
Tyr als Jagdpfeil, Symbol der Diana, die Jungfrau und die Botschaft der Istar
stimmen sämmtlich in der Jagdgöttin überein; es ist daher zweifelhaft, ob
man derselben mit Recht statt des Pfeiles eine Ähre in die Hand gegeben
hat. Demnach scheint auch yCO die Hieroglyphe jjp st (der Jagdhund) oder
in seiner andern Form ^L^ die Hieroglyphe 31 st, das von einem Pfeil durch-
bohrte Thierfell, gewesen zu sein. Nicht unwahrscheinlich ist auch, dass die
Jungfrau mit der Ähre die ägyptische Dai*stellung der Jungfrau mit einer
Knospe war, um die Unverletztheit auszudrücken, denn Diana war der von
dem Pfluge nicht berührte Waldesboden, und das Wort Herbst, von herha
.Kraut*, dürfte die junge Wintersaat sein, oder es dürfte etwas vom Ernte-
monat in dieses Mal hinüberspielen, wie das am 10. Moharrem bei den
Arabern gefeierte Fest Aäurah, der Glücksgöttin, wo ein Potpourri von allerlei
Gemüsen und Hülsenfrüchten gekocht wurde, oder das Mithrasfest, bei wel-
chem eine Speise aus sieben Ingredienzen (Zucker, Reis, Pfirsiche, Granaten,
Kybeben, Weinbeeren und Lotos) gekocht wurde, anzudeuten scheint. Nach
Beendigung der Ernte fing ein ue*ies Jahr an, wie auch noch jetzt mit dem
Monat Moharrem bei den Arabern ein neues Jahr beginnt, das ist die Zeit,
von der man behauptet, Noah sei aus dem Kasten, Jonas aus dem Walfische,
Abraham aus dem Feuerofen und Josef aus dem Kerker gegangen, so das»
102 Die Male t t.
*
also Beendigung der Regenzeit und Ende der heissen Zeit in diesen Sagen
durcheinanderlaufen. Um diese Zeit feiern die Juden ihr Versöhnungsfest und
fünf Tage darauf das Laubhüttenfest, wie in Griechenland das Fest der Göttin
von Eleusis, der Naturgöttin, gefeiert wurde, wobei man Geiseln und Fackehi,.
Symbole der Ehe und Liebe, schwang. Jagd und Speise sind im Hebräischen
eng verwandt, tx isaid »Jagd*, rrm ^se^a .Speise, Reisekost ", und das sama-
ritanische Zeichen für x Tsade -ffl scheint das umgekehrte '\W zu sein. Jeden-
falls begann zu der Zeit, wo die Äcker ihrer Frucht beraubt waren, die lustige
Zeit der Jagd, und wenn Esau müde vom Felde heimkommt und ihm Jakob
um ein Linsengericht die Erstgeburt abkauft, so beweist diess, da Jakob
so viel wie rmt tsadiya .die Hinterlist' ist, dass nun der Hirt und Jäger an
die Stelle des Ackerbaues traten, jener indem er seine Heerde über die Felder
trieb, wo das junge Grün zu sprossen angefangen, dieser indem er das Wild
verfolgte, das den Feldern geschadet hatte. Freilich war Esau selbst ein
Jäger, wir wissen aber, dass die tendenziöse Bearbeitung den Jakob durch-
aus zu einem , frommen Manne' machen wollte. Endlich sei noch erwähnt^
dass auf den 8. September Maria Geburt fallt, wo die Schwalben nach dem
Süden ziehen, die , Botschaft der Istar' auszurichten. Wir können daher das
Mal 1" tyr als Zeit der Jagd betrachten.
Das Mal ^ fällt in das Thierkreiszeichen der Wage ^ oder inj und in
den Keilschriftmonat ^<^ ^^T ^®^ »Dämme*; dieser Monat war in den
südlichen Ländern der letzte Monat vor der Regenzeit, um diese Zeit mussten
die Dämme ausgebessert werden. Die beginnende Regenzeit war wohl
Ursache, dass wiederum Jungfrauen in's Wasser geworfen wurden, vne noch
heute die Kopten das Kreuz in den Nil werfen. Wir haben ^ als das W^eib,
insbesondere in seiner Fülle kennen gelernt, Frauenfeste sind es auch, wenn
in Ägypten die heilige Kuh siebenmal um den Tempel getragen wurde und
in Indien Tänze aufgeführt werden, welche den Tanz des KriSna mit den
Gopias oder Kuhmädchen vorstellen. Endlich fiel um diese Zeit in Ägypten
das Geburtsfest der Sonnenstäbe, von denen es hiess, sie müssten die Sonne
stützen, welche altere. Das letztere ist ein handgreiflicher Beweis, wie sehr
die Ägypter Ursache hatten, ihre Götter im Norden zu suchen, denn nicht
die Sonne brauchte Stützen, wohl aber die fruchtbeladenen Bäume in den
Gegenden des Wendekreises, und hierbei liefert auch die hebräische Sprache
einen merkwürdigen Wegweiser. Das obige Keilschriftzeichen ^^T heissl
Die Male g r Y. 103
ful , Hügel', dem entspricht f»n tel , Hügel", H^r\ täla ^aufhängen*, n}»T dala
.Herabhängen der Zweige*, aber auch ^ dünne Fäden" (das sind die Sommer-
fliden, der alte Weibersonuner, welche Fäden Ähnlichkeit mit den Kätzchen
der Birke haben), ^e ial ,Thau", ^^lo takU , gelinde benetzen", Ar\ telag
»Schnaeer", »^o Uli »Lamm". Wir haben hier Ähnliches wie der Doppelsinn^
der in unserm , Reif" liegt Auch die Wage , obgleich sie durch die Tag-
und Nachtgleiche genügend erklärt ist, hat einen Doppelsinn, auch sie ist
das Aufgehängte, auch sie deutet auf die Ernte hin, auf das Abwägen der
Früchte; endlich aber führt das Zeichen sl^ die Hieroglyphe ^^ htp .ver-
einigen* (ein Symbol des Grabes), auf die Bedeutung von biork, biarga , ber-
gen", hyrgi «ein umfriedeter Platz", danach ist ^ so viel wie ^tmmA mn .Thal",
tnenat «die milchgebende Kuh", menmen «die Heerde", und das Mal ^ biork^
die Bergung der Heerden, der Abtrieb von der Weide.
Das Mal T laitgr umfasst die Zeit, in welche in der römischen Kaiser-
zeit die neuntägige Andacht der Isis, die Trauerfeierlichkeit um den in den
Sarg gelegten Osiris fiel ; um diese Zeit feiern wir das Allerseelenfest, wie die
Perser das Todtenfest. Danach war T so viel wie lukta «beendigen", loka
.verschliessen", und wie in der Keilschrift ^ si sowohl ,Ende" als «Glück"
bedeutet, so steht auch dem lukta «beendigen" luku «Glück" gegenüber.
Somit ist r loka „das Elnde" der Gegensatz von ^ os „Eröffnung der SchifT-
fahrt", die Heimkehr der Schiffer zum häuslichen Herde, die Zeit der Seelen-
opfer für die Ertrunkenen, und somit einigen sich die beiden BegrifTe von 1^
als Wasser (laugr) und logt die Flamme des häusUcheu Herdes (ägyptisch ^).
Bei dieser Grelegenheit sei eine kleine Abschweifung gestattet. Wir
haben wiederholt erkannt, dass Y und P ursprünghch identisch waren, wie
auch madr mit midli «Mitte" verwandt ist; wir finden nun vor Y das Mal
r als Abschluss, und es liegt daher die Vermuthung nahe, dass 1^ früher der
Abschluss des Jahres war, dass also später zwei Runen eingeschoben sind.
War das der Fall, so bezieht sich diess ebensowohl auf die achttheilige Wind-
rose, welche somit ursprünglich aus sieben Zeichen bestand, und dann war
% naiid eingeschoben oder ^ aus naud entstanden. Wir haben somit auch
in den Runen Anklänge an die siebentägige Woche.
Das Mal Y tnadr entspricht dem Thierkreiszeichen des Skorpions ^£
oder 1|1 und dem Keilschriftmonate ^<^ ^»^T ^^^ «Grundfeste" oder der
.BüfTelhaut". Die Büffelhaut, ägyptisch ^ ab «Fell« hat Ähnlichkeit mit der
104 Die Male YA
Rune T. Diese Büffelhaut ist der Mantel , den Odhin trägt und mit dem er
durch die Luft fährt wie Dr. Faust, das ist aber auch der Mantel des heiligen
Martin, den er mit den Annen theilte, wie Crispin aus dem Leder der Reichen
Schuhe für die Armen machte, wie man in der Heidenzeit die Lederabschnitzel
sammelte, um jenen Schuh zu erzeugen, mit dem Widar den Rachen des
Wolfes versperrt, damit er die Welt nicht verschlinge ; einen Schuh gab man
dem Todten mit in's Grab, damit er über das Wasser könne, Mantel und
Schuh sind der Wind, der auf dem Wasser schreitet, wie die Gans durch das
Wasser schwimmt; die Gans war der Vogel des Martin, dessen Tag auf den
11. November fallt, das war die Zeit, wo geschlachtet wurde, damit die
Schinken und Würste den Winter über im Rauchfang hängen konnten und
so durchräuchert wurden. An das Fell lehnt sich auch ||1 an, denn wir
haben jH) st als den das Fell durchbohrenden PfeO kennen gelernt, ebenso
die Verwandtschaft von Y und P, denn feh ist das bunte Fell, der Hermelin,
das Symbol der Füisten. Der die Nässe liebende Skorpion, wie die Grund*
veste deuten auf die im Süden beginnende Regenzeit hin, wo die Grund-
vesten des Himmels sich öffnen , denn »^»"^ ist verwandt mit ^fe^ gan
«Regen*, und auch darin eint sich Y mit P, dass letzteres der Monat der
Regenwolken ist, wie auch )}] der Regenwurm oder die Schlange ist, die
sich an die Schlange u^^-^fe anlehnt. Ausserdem kann Y tnadr auch als
verwandt mit vetr »Wetter, Winter" der entlaubte Baum sein, der als solcher
ebenfalls ein Himmels träger ist, und dem der Winter das Laub, den schützenden
Mantel geraubt hat, um ihn nun in eine Schneedecke einzuhüllen. Da
jedoch die Male vorzugsweise Beschäftigungen andeuten, so werden wir Y als
Fell, als die Schlachtzeit auffassen.
Das Mal X. entspricht dem Thierkreiszeichen des Schützen ^ oder
^, das ist T)fr, der Todesgott, den wir oben als Jagdgott kennen gelernt
haben. Allerdings wurde auch die Winterszeit fleissig zur Jagd benützt ; aber
die Rune >k hat eine eigene Bedeutimg, sie entspricht genau dem hebräischen
•p» yarek .Lende*, der Theil des Leuchters, wo sich der Schaft (.Tjp garte d.i.
ägyptisch j /n, die Rune Y madr) in drei Füsse theilt, die Stelle, an welcher
Jakob verrenkt und daher zeugungsunfähig wurde. So feierten die Perser
um diese Zeit das Fest Khurremruss, d. i. der feierliche Tag, an welchem der
König (der Sohn der Sonne und die Sonne selbst) vom Throne stieg, sich in
die Heiben seiner Unterthanen mischte, mit ihnen an einem Tische sass und
Das Mal i,. 105
sagte: »Ich bin wie einer unter euch!* es war das Fest der Gleichheit, wie
die Satumalien der Römer, welche in diesem Monate gefeiert wurden, und
gleich macht Fürst und Unterthan der Tod. AufTallend ist die Übereinstim-
mung des am 11. December im römischen Kalender angesetzten Festes
Septimontia mit dem von den Indern am 7. des Monats gefeierten Sonnen-
feste Mitra septami (spt .sieben*, hebräisch nnt? äabbath ist die Ruhe, der
Tod). Die alten Perser verfertigten in diesem Monate Puppen aus Teig oder
Thon, denen sie königliche Ehren erwiesen und die sie dann assen, respec-
tive verbrannten; in gleicher Weise werden auch Puppen zum Nikolaifeste
angefertigt, wie Nikolaus mit seiner Wollperrücke der Winter ist. Yr, islän-
disch yria bedeutet .funkeln* (wie ur), urigr .bereift*, yr ist daher das
Schnee-Mal und X. wohl gar ein Schneemann. Da wir aber analog dem
Keilschriftkalender, welcher einen Monat des Jahresanfangs und einen Monat
des Jahresendes hat, auch in P den Jahresanfang haben, so kann X. auch
das Mal des Jahresendes sein.
Das Ergebniss dieser Untersuchung haben wir in der umstehenden
Tabelle (Seite 106), welche sich von der auf Seite 92 gegebenen insbesondere
durch die inzwischen ermittelten Bedeutungen der Runen und Runen-Namen
unterscheidet, übersichtlich zusammengestellt.
Obwohl keine Ueberlieferung von einem solchen Kalender berichtet,
80 bietet derselbe doch die einzige sichere Basis für die Erklärung der
nordischen Runen; die Übereinstimmung der Daten ist so überwältigend,
dass sie jeden Zweifel beseitigen muss, und die Anleitung zu derselben habe
ich aus der Edda selbst erhalten, indem sie Odhin die Worte in den Mund legt:
Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,
Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.
So habe auch ich das Wort aus dem Zeichen des Begriffs, den Begriff des
Zeichens aus dem Worte zu erächliessen gesucht.
Mit der Ausbildung der 16 Male war der Bau der nordischen Sprache
beendigt, indem keine anderen Laute und Zeichen in derselben vorkamen ;
andere Völker haben weiter gebauet, und wir werden nun diesen zu folgen
haben. Vorher wollen wir aber noch eine andere Bedeutung der Runen in's
Auge fassen.
106
Runenkalender.
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EIN ALTNORDISCHES RUNENLIED.
Nachdem wir gesehen haben, dass die Reihenfolge der Zeichen kein
Product des Zufalls oder der Willkür ist, dass sie vielmehr als Zahl- und
Zeitbestimmung in ihrer Integrität aufrecht erhalten werden musste, so kann
das Vorkommen alphabetischer Dichtungen nicht Wunder nehmen, im Gegen-
theil muss man sich wundern, dass nicht mehr derlei Lieder bekannt sind.
DaM auch die Griechen solche Lieder besassen, glaube ich daraus schliessen
ZQ ki^nnen, dass die Albanesen ein alphabetisches Gedicht auf Grundlage der
griechischen Buchstaben besitzen, *® welches offenbar von den Griechen ent-
lehnt oder den Griechen nachgedichtet wurde, da die albanesischen Laute
mit den griechischen nicht Qb ereinstimmen.
Die alphabetischen Lieder sind verschiedenen Inhalts: die Psalmen-
dichtungen und Klagelieder scheinen auf einem Verständnisse des BegriiTes
der Zeichen zu beruhen, aber ihr Inhalt ist mehr allgemein poetischer als
didaktischer Natur; das oben erwähnte albanesische Gedicht ist ein Liebeslied
— von diesen unterscheidet sich das altnordischeRunenlied durch den Mangel
des innem Zusammenhanges seiner Wörter. Der erste Vers lautet z. B.
nach Grimmas Übersetzung: *®
Geld bringt Streit unter Verwandte,
Der Wolf nährt sich im Walde,
der vierte Vers :
Einkehr ist bei den meisten Reisen,
Aber die Scheide bei dem SchwerL
drr siebente Vers ;
Hagel ist das kälteste Korn,
Christus schuf die alte (!) Welt.
Man hat daraus geschlossen, dass die Verse nur zur Erlernung dienen
tollleo wie die bekannten Fibelverse:
Der »Affe* sehr possierlich ist,
Zumal wenn er den «Apfel* frisst
Abgesehen aber davon, dass in keinem der obigen drei Verse das
Subftantivnm der zweiten Strophe den Anfangsbuchstaben des betreffenden
Verses hat» ist schon o priati eine solche Kinderspielerei bei jenem Volke
nicht anzunehmen, dessen .Edda" in Geist und Form sich kühn den besten
108 Die Runen als Zauberzeicben.
•
Dichtungen des Alterthums, der Genesis und der Ilias, an die Seite steUen
kann. Auch waren es nicht Kinder mit fünf oder sechs Jahren, die man im
Alterthum lesen und schreiben lehrte (die nordischen Priester suchten ihre
Schüler aus den aufgewecktesten Köpfen der edlen Greschlechter), und endlich
waren ja die Runen nicht todte Buchstaben, wie wir sie zum Schreiben ver-
wenden, sondern Geheimnisse, Zeit- und Zauberzeichen.
Das letztere muss man in^s Auge fassen, wenn man das nordische
Runenlied verstehen will. Wir haben die Runen bisher nur als Laut- und
Zahlzeichen betrachtet, wir wissen aber aus den eddischen Gedichten, dass
sie vorzugsweise als Zauberzeichen dienten, und wir können wohl annehmen,
dass sie in ihrer ersten Bedeutung nur den tiefer Eingeweihten verständlich
waren, wie die Wissenschaft sich stets auf engere Kreise beschränkt, während
die Zauberbedeutung die Runen populär machte, ja wir glauben nicht zu
irren, wenn wir annehmen, dass wir allein der Zauberbedeutung der Runen
ihre Kenntniss verdanken. Längst hatte das Ghristenthum mit seinen neuen
Mysterien den alten Odhin mit seinen alten Mysterien verdrängt, als noch
insgeheim die Runen als Zauberzeichen von Geschlecht zu Geschlecht über-
liefert wurden. Nicht umsonst eiferten die Mönche gegen die heidnischen
Zeichen, welche sie durch die lateinischen zu ersetzen suchten, sie wussten
gar wohl, dass an diesen heidnischen Zeichen viel alte Überlieferung hing,
die sich mit dem neuen Glauben nicht vertrug. Die Hexenprocesse des Mittel-
alters wären nicht möglich gewesen, wenn sie nicht eine reale Grundlage
darin gefunden hätten, dass Viele glaubten, hexen zu können. Noch bis auf
unsere Tage hat sich dieser Glaube unausrottbar erhalten, Wunden und
Krankheiten werden durch Besprechungen und Knotenschürzen zu heilen
gesucht, die Zukunft sucht man aus den Karten zu errathen, welche alte
ÜberHeferungen ehemaliger Priesterweisheit sind, obwohl sie theilweise, als
Spielkarten, ihren tiefen Sinn gerade so verloren haben yne das Schach-,
Damen-, Kegelspiel, der Reigen und viele Gebräuche, die als leere Formeln
fortleben.
Im Alterthum wurde kein Geschäft unternommen, ohne die Götter zu
befragen, es wurde kein Urtheil gefällt, ohne die Entscheidung der Götter
anzurufen. Selbst die monotheistischen Juden liessen das Los entscheiden,
und es ist kein Zweifel, dass die ägyptischen Traumbücher, nach denen jetzt
nur das unwissende Volk fragt, einst aus der Priesterweisheit hervorgingen.
Die Runen als Lose. 1 09
Wären dieselben unverßllschte Überlieferungen, so würden sie uns manche
Aufklärungen über die Anschauungen der Vorväter geben, indessen dürften sie
im Laufe der Zeiten mannigfache Änderungen erlitten haben. Ich lasse daher
dahingestellt, ob Traumdeutungen, wie
AtUer, fliegend, ist ein gutes Zeichen, auf den Kopf fallend: ein Sterbefall;
Au^ verlieren bedeutet Sterbefall, gutes Auge: Gesundheit;
Bad sehen bedeutet Betrübniss; sich darin befinden: Wohlstand u. s.w.
oder die Deutung der Begriffe durch Zahlen, um in die Lotterie zu setzen :
Flaschenkeller, Uhr, Schlange, Mühle bedeuten 1
Brücke, Kirche, Tauben, Wasser , 2
Getreide, Mörser, Galgen, Rettig , 3
Dreschen, Katze, Leiterwagen, Pfau » 4 u.s.w.
auf Oberlieferung beruhen; dagegen scheint das Losen bei den Chinesen
ähnlich jenem zu sein, welches bei den Runen geübt wurde. In den Tempeln
der Chinesen stehen nämlich Urnen mit Losen, aus denen die Lose gezogen
werden, an den Wänden der Tempel hängen Verzeichnisse der Schriftbilder,
welche die Bedeutung der Lose erklären, und solche Erklärungen scheinen
in Europa die Runenverse gewesen zu sein.
Nehmen wir an, es war die Rune f aus den zertrennten Stäben auf-
genommen worden, so bot der Vers
F^ veUdr frätida vögi, fadist ülftir i skogi,
Geld bringt Streit unter Verwandte, der Wolf nährt sich im Walde
folgende Erklärungen: .Geld, veranlassen. Streit, Verwandte, Wölfe, Nahrung,
Wald*, da gewöhnlich drei Stäbe aufgenommen wurden, so gaben sie einen
Satz und man konnte z. B. aus den Runen f ^ ^ herauslesen : frätida, ferda,
foma^ Verwandte, Reisen, vom, und diess erklären: »ein Verwandter vdrd eine
weite Reise machen", fi os heiminn, .Geld wird von dei Reise heimkehren",
fi OS hagl, , dein Geld wird zu Wasser werden * ; oder bei dem Begriffe Streit
würde der Streit viel Schläge bringen u. s. w., u. s. w Wir haben hier die-
selbe Dunkelheit des Ausdrucks und dieselbe Vieldeutigkeit, welche von den
delphischen Orakeln bekannt sind.
Würden wir aus diesen Runenversen weiter nichts lernen, als die
Vielseitigkeit der Orakel zu verstehen, so könnten wir leicht über dieselben
hinweggehen; es ist aber durchaus nicht anzunehmen, dass diese Wörter
dem Zufalle ihre Entstehung verdankten, es ist sogar unwahrscheinlich, dass
1 10 Erklärung des Runenliedes — Fe.
die Priestei' mit Bewusstsein täuschten, denn diess würde eine Erkenntniss
voraussetzen, zu der die nothwendigen Kenntnisse fehlten, man kann Tid-
mehr annehmen, dass die P^ester selbst an ihre Orakel glaubten, dann aber
musste den Wörtern eine logische Kette von Begriffen zu Grunde liegen,
ein Wort musste aus dem andern hervorgehen und die Rune ihre Grundlage
bilden. War diess der Fall, dann sind die Runen verse eine werthvoUe «etymo-
logische Fundgrube, und würdig, dass man sie eingehend betrachtet
Fd teUdi* firättda v6gi, fadist tdfur i sHcogi,
fi, runisch /f, heisst »Geld, Vermögen, Vieh*, der Begriff ,Vieh* ist verwandt
mit griechisch tf^xr^ „Leben*, /(f als , Vermögen*, ist aber so viel als voMa
9 Vermögen*, welches gleich daneben als veUir vorkommt; dieses ist somit
xalJd oder tfSQd , Gewalt*, raHdr , ausgewählt, stark*, vaXlda (oüi, oüad)
«Ursache zu etwas sein* ; war /^ Leben, so ist es als Vermögen ursprünghch
, Lebenskraft, Zeugungskraft*, dann ist aber .Geld* nur ein abgeleiteter
Begriff und die ursprüngliche Bedeutung war etwas Gegenseitiges (wie die
Zeugung), der Tausch, wie ,Geld", isländisch giald, ursprünglich .Schuld*
bedeutet, gialda , entgelten * , güldi , Werth, Ehre * , giJda , gelten * , gildr , werlh-
voll", gidl ,Gold* (wahrscheinlich durch « „viel* von hohem Werthe); Geld
in unserm Sinne war daher ursprünglich ein Tauschmittel, obgleich es irrig
ist, die Verwandtschaft von Vieh und Geld, welche fi zeigt, damit zu erklären,
dass Vieh das Tauschmittel gewesen sei; Vieh haben wir vielmehr als einen
mehr entfernten Verwandten von Geld kennen gelernt, denn der Begriff von ft
war .zeugen*, vermögend war Derjenige, der viel Kinder und von diesen und
durch diese viel Gesinde hatte; hiermit hängt auch /niiu/i, der , Verwandte*,
der , Freund* zusanmien. Mit zeugen verwandt ist der Begriff , verursachen*,
mit Tausch der Begriff , Streit*, verwandt mit streiten »gegen etwas streben*,
welches durch das angelsächsische straedan , gehen *mit , tragen * und . bringen *
verwandt ist; das isländische Wort v6gi ist verwandt mit vakr » hurtig, arbeit*
sam*, vaka «wachen*, vacka „umherschweifen*, als Frequentativ youvoIm
„wachen*, durch Hin- und Hergehen dem Einschlafen vorbeugen oder auch
das Hin- und Herwälzen Desjenigen, der nicht einschlafen kann; verwandt
damit ist „wagen, erwägen (hin und her bedenken), wiegen, wogen*. Das
Wort fadist „ernährt* bedeutet auch „vatem*, wenn auch im Norden fiSr
Erzeuger vorzugsweise Icuni gebraucht wurde, denn auch wir haben für
letzteres vorzugsweise Gatte und begatten, trotzdem wir das Wort Vater als
Erklärung des Runenliedes — ür. 111
Erzeuger auffassen. Die Grundbedeutung von »Wolf" scheint u zu sein,
welches gleich ft Vieh ist, das bildet mit r «Ur, Auer, Bär, Wal(fisch)*, mit
t „Thier*, mit st , Stier", mit g „Gaul* u. s. w., im Ägyptischen ist ab all-
gemeines Thierzeichen. Das Wörtchen ^ »in* dürfte ebenfalls auf die K'-Rune
Bezug haben, und skogi ,Wald" führt uns durch »Wald* (der wallende,
rauschende) auf velldr zurück ; skögr ist eigentlich das Bedeckende, Schatten
gebende, skygni „Laub*, sky „der Wolkenhimmel*. Es geht hieraus hervor,
dass die ursprüngliche Form der I^-Rune, wie schon wiederholt nachgewiesen,
Y war, >- ist der Hauch, das Vermögen, das Geschlecht, das Thier mit der
heraushängenden Zunge und Y der Baum, die Stütze des Himmels.
Ur er afSUu (eUd)jdmi, opt sleipur (sleppr) rdni d hiarnL
Funke fliegt aus glühendem Eisen, oft eilt der Schnabelschuh über
gefrorenen Schnee.
n ist das Himmelsgewölbe, der Thau ur, das Morgenroth aurora, das Licht,
hebräisch or, es ist die dritte Person Singularis Präsentis Indicativi von* sein,
dessen Grundbedeutung „sehen*, nämlich das Blitzen des Auges ist, es hängt
wohl auch mit zeugen zusammen, da es im Ägyptischen durch den Hasen un
(unser hin) dargestellt wird, femer mit Sonne und Seele {sol, isländisch scfQ,
auch mit Schatten, Athem, »sehg* sind die Schatten, die Todten. Dadurch
schliesst sich an er das Wort af „auf, von* an, und f) ist das ägyptische
zz: ma „offen*; cWu ist verwandt mit veUa „wellen, wallen* (des Feuers); jar»
„Eisen* ist das blinkende, wie „Eisen* mit „Eis* verwandt ist, und mit aes
„Kupfer* durch den Glanz; opt scheint seiner Grundbedeutung nach nur
so viel wie „wiederholt, zweimal* zu sein, dann wäre das Zeichen A . Ähnliches
zeigt der ägyptische Dual « » = llai 1 a/, zurückkommen, also wiederholen,
altnordisch ai „inuner* oder „nichts*, ersteres isländisch ai „ewig*, ae
.immer*, letzteres isländisch at „nicht*, die Erklärung giebt ägyptisch •*-'^ nn,
welches als zusammenfassend, wiederholend und als abwehrend „nichts*
gebraucht wird; denselben Doppelsinn bietet sleip in „schlaff, schlafen* und
, schleifen*, rdni als „rennen, wallen* {rdn das Meer), rdan „Raub* und
Schuh, SMapfen, schlüpfen, schlüpfrig (in des Wortes doppelter Bedeutung,
wie Schlampen, gleich schwedisch run-kundd, eine läufische Dirne ist). Wäh-
rend sich die bisher erörterten Wörter auch an P anlehnen, ist in d „über*
ein Gegensatz zu / „in* enthalten. Das Wort hiami schliesst sich eng an;am
„Eisen* an, sowohl in Bezug auf Glanz wie in Bezug auf Härte.
HS Erklärung des Runenliedes — lluAsa.
Tlmss veSdur qvenna qviüu (quilju), kätur verdurfdr af eUu (dju).
Riese macht den Weibern Angst, Niemand freut sich über Feindschaft.
Thu88 ist, wie die Rune V zeigt, etwas Hartes, der Dom, der Stein,
der Tod, isländisch dusa , schlummern* (duseln), dann das Herrorragende.
Emporstrebende Susur „die Heftigkeit", dys ,Lärm*, mittelhochdeutsche»
.Tusch, in's Hörn stossen", schwedisch Thor-dcn «Thorskrachen, Donner*.
VeUdur ist bereits oben als .Ursache* bezeichnet, sein Vorkommen bei V
beweist, dass f und V von gleicher Grundbedeutung sind. Quetma ist verwandt
mit kam . etwas Hervorstehendes, das Kinn*, hanir .die Kante*, kaun ,erha*
benes Geschwür*, qpitmay qven .Weib* (mit hervorstehendem Busen); indessen
ist V ebensogut auch die Scheide, kunna .kennen* (unterscheiden), kuuta
.cunnus*, nämlich das Passivum von kani, Quilla .Qual* ist verwandt mit
.quellen, schwellen*, so dass der Satz auch heissen kann: ^Thcr macht die
Weiber schwellen*, und im Gegentheil: Stein, d. i. 'Unfruchtbarkeit ist der
Weiber Schrecken, wobei man an die Beschwörung der Gerda erinnert
wird: .ein Thurs schneid ich dir und drei Stäbe: Ohnmacht, Unmuth,
Ungeduld*. Katrisi .froh, geil*, schwedisch kät\ verdur ist .werden, ent-
stehen*; far bedeutet .klein, wenig*, englisch few; af kam bereits bei Vr vor;
^u ist verwandt mit iür .böse*, englisch ill .krank*, eHan .Streit*, diari
.Nebenbuhler*, griechisch SXkog, lateinisch aliiis, .der andere*; der Salz
heisst eigentlich: .Freude erhält man wenig von Feindschaft oder Neben-
buhlern*. Es ist merkwürdig, dass hier alle Wörter auf den Begriff «geil*
hinauslaufen, der mit .Keil* ^ so innig verwandt ist; auch dürfte der Sinn
darin liegen, welcher den Weibern vorzugsweise Bosheit und Falschheit
zuschreibt, wobei man jedoch an das .schwache* Geschlecht denken muss,
denn im Ägyptischen sind .Kleinheit* und .Bosheit* gleichbedeutend, wie
auch die Zwerge in der deutschen Sage als falsch und boshaft dargestellt
sind; wir sehen hier die zwei ursprünglichen Menschenrassen einander
gegenüber, die Ubermüthigen, Rohen, Starken und die Verschlagenen, durch
erlittene Kränkung boshaft gemachten Schwachen.
Os er flestra ferda, enn skdlpr er sverda.
Einkehr ist bei den meisten Reisen, aber die Scheide bei dem Schwert
0$ ist die Mündung, der Ausgang, aber auch passiv die Heimkehr; es
Ist aber auch verwandt mit wasefi .aufsteigende Wasserdämpfe*, althoch-
deutsch venmzefi .verwesen, in Dünste verwandeln, verfaulen*, daher könnte
Erklärung des Kunenliedes — liidr, 113
Äuch der Sinn sein , Nimmerwiederkehr* ; durch er , ist* lehnt sich + an fl an.
Das Worl fiestra ist der Plural von fWl »viel* (+ ist die vierte Rune und besteht
aus vier Strichen), flaistr ist aus fiöl gebildet, wie meist aus mehr und dieses ist
das lautverschobene (mr^vl) viel; unser «Fleiss* hängt damit zusammen,
aber auch die Fahrt, das Hin- und Herwandern. Das Wörtchen enn ist wohl
kaum der schroffe Gegensatz, den man unter «aber* vermuthen könnte,
sondern nur eine die Rede fortführende Interjection, wie unser ,und*, sie
erinnert an das Ägyptischem m ,in* und deutet auf die einfache Form des
Kreuzes in % naud hin. Die Wurzel yonskalpr ist skal « Schale zum Trinken,
Wagen*, tkali .Dach, Haus, Schlafkammer*, sHeuU, skyli «Beschützer* shjln
.der Schleier*, skioUdr »der Schild«, akaüi »der Kahlkopf, der Schädel*
enmiert an den indianischen Skalp; skdlpr als Scheide ist daher das
Beschützende des Schwertes und schliesst sich eng an den Begriff ^ os
»Mündung* an. Das Wort sverd .Schwert* ist das .Schwirrende* {suira,
.^rtn), wie .Klinge* das Klingende, Tönende; sverd steht dem skalpr gegen-
über wie Angriff und Vertheidigung, und wie Schild und Schwert in diesem
Siime uralte Symbole des Krieges sind.
Üi^lr (rtid) qrdda hrossum vesta, Raghh er sverdit bnidesta.
Kitt, sagt man, ist den Rossen das Raghn ist das schnellste Schwert
Schlinmiste,
Dass Reiten den Rossen das Schlimmste sei, ist ein sonderbarer
Ge<ianke und könnte nur für wilde Pferde gelten, aber rida .reiten* ist ein
ali^eleitetes Wort von reida .schwingen, schwanken*, womit die Bewegungen
des Reiters ausgedrückt werden, schwankend ist auch ri3 .die Sumpfgegend,
der Rieth*, und ein solcher Boden ist allerdings fürRosse das Unangenehmste;
rnlr weist daher auf ^, die zu Stricken verwendete Pflanze hin, doch lässt
h( .schreiben* auch vermuthen, dass ridr auch .einritzen, Wunde, geriehen,
aufgerieben* (vom Reiten) bedeutet. Das Wort qvGda kommt von der Wurzel
kiii .sich regen, rege 'machen, in's Leben rufen*, davon ktifi .Gott*, d. h. der
Schöpfer, quäda .die Rede* ist der Hauch, der Geist, der aus dem Munde ^
hervorgeht Hross oder hars (englisch horse, althochdeutsch hros ^Ross*) ist
lia« runische haursi .der Hurtige* (nicht Schläfrige), daher Ayrc/ .Schutz,
Wtirhe, Hort*, hur .Feuer* (das Lebendige), lehnt sich an ^ durch das
Hiu- und Uerspringen an. Vesta kommt von der Wurzel vi .wehen, winden,
Schmerzen leiden*, daher auch eist .Aufenthalt, Ruhe* (Tod), Wüste gleich
f AulmAna. Geschieht« d. !5chrifL H
11^ Erklärung des Runenliedes — Kuuh,
Öde, das leere Ausgebreitete, die Weide (im Gegensatze zum Walde), RVi/e,
alles Begriffe, welche mit dem Zeichen ^ zusammenhängen. Baghn ist jeden-
falls dasselbe wie rctgn «die Verwünschung* und hängt daher mit qväda zusam-
men, röggta ,die Rache der Götter über Jemanden erflehen*, rdca .rächen*,
rogr .Verleumdung*, gothisch ragin «Meinung*, eigentlich .Richterspruch*,
Ragnaröck ist das Weltgericht; die Wurzel ist .regen* = anregen, erregen.
Eifer. Durch er .ist* vereinigt sich ^ mit D und 4*, mit letzterm auch durch
sverd das Schwirrende, Blitzende (^ ist auch der Blitz); damit hängt brddesta
zusammen, ver\i'andt mit bragd Glanz (Pracht) und brandr, welches auch
.Schwert, Klinge* bedeutet, die Wurzel dürfte rdsa .laufen* sein, davon
hradr .hurtig*, hrada .eilen*, wovon das sich drehende Rad abstammt, b ist
eine verstärkende Partikel (wie in .bereit*), die mit dem Stanmi verwachsen LsL
Kann er beggia bania, * böl giorir near (ndr) fblvama (fuüfarna).
Beule haben beiderlei Kinder, Elend macht zur Leiche die Voilkräftigsten.
Kaun .erhabenes Geschwür* ist offenbar der secundäre Begriff von
.erhaben* und stammt von kunna .hervorragen machen*, diese Ursache ist
aber kyn .Geschlecht*, althochdeutsch kun das männliche Glied, dem als
Passivum kunta .cunnus* zur Seite steht; das letztere wiederholt sich in
beggia^ von der Wurzel bak^ althochdeutsch pah, d. i. eine Vertiefung zwischen
zwei Hügeln, daher isländisch bakki .Flussufer*, beehr .Bach*. Barn .Kind*
ist nur eine andere Form von kundr .Sohn*, kynd .Nachkonune*, wie boi
zu kaun. BÖl ist jedenfalls die Geschlechtskrankheit, welche im Alterthume
durch das Hierodulenwesen und die Unkenntniss ihrer Ursachen noch grössere
Verheerungen anrichtete als gegenwärtig, man schob ihre Ursache der Sonne
zu, da die Sonne selbst als das göttliche Geschlecht aufgefasst wurde, und
wenn Odhin als Bölwerker die Arbeit von neun Männern verrichtete, so dürfte
dies wohl sich auch hieran angelehnt haben, da Bölwerker der Unheilstifter
ist. Giorir ist verwandt mit klar .auserwählt* und daher mit gan .Zauber*.
Die Leiche heisst eigentlich im Isländischen nd, ndr ist ein nackter Leichnam
und lehnt sich an unser .nur* (bloss) an, es erinnert diess an das griechische
Y Y'psiUm .das nackte y* ; Leichnam ist daher hier ein secundärer Begriff und
steht im Gegensatze zu foitama^ wie auch im Alter die Haare ausfallen und
die Kraft, der Schutz des Körpers, gleich der Kleidung, den Menschen ver-
lässt, so ist auch Vk (unser Leiche) ein Körper, Fleisch ohne Haut, wie ^q%m
der Schatten des Körpers, das Abstractc.
Erklärung des Hunenliedes — Hngl — Naud, 1 1 ö
llagl er kaldastur kotita, Kristur sk6p heiminn fama,
Hagel ist das kälteste Korn, Christus schuf die alte Weit.
Christus ist jedenfalls ein für ein älteres Wort eingeschobener Begriff;
diesen hatten die nordischen Völker im Hangatyr, der sich von der Welt-
esche Yggdrasil loslösende Gott, der Erlöser, dieser ist das Grauen, das
Zwielicht, welches den Tag erzeugte, der graue Gott Uller, mit dem der Gräl
zusammenhängen dürfte, auch das Wort kraus, isländisch kmsa «die verwach-
senen Ranken der Kräuter*, der Urwald, das Kreuz, isländisch kross, wie denn
die Hervorhebung des Gekreuzigten an Stelle des in den ersten Jahrhunderten
des Christenthums mehr verehrten Lammes wohl vorwiegend nordischen
Anschauungen zugeschrieben werden dürfte, die in Rom, dem Zusammen-
flusse aller Völker, unverkennbar mit zur Ausbildung der Christusreligion
beigetragen haben. Demnach dürfte auch das Zeichen 4^ der griechischen
Kirche sowohl der nordischen +-Rune als durch diese der ♦ Aa^/-Rune ver
wandt sein. Der Hagel selbst wurde in alter Zeit als die Frucht der himm-
lischen Coition betrachtet, diese Frucht ist verwandt mit Kern und Korn,
wie auch Hagl mit Ekel, dem Gefühl des Überdrusses nach dem Genüsse ;
kalt ist das Zusammengezogene, der Stein, im Gegensatze zur Wärme des
Sumpfes; skapa .schaffen* hat die Wurzel kappa, .kämpfen*, eigentlich
.gegeneinander sein*, kaupa .kaufen*, so viel wie .tauschen*, wiekaup .die
Waare * ist und mit unserm « kuppeln * zusammenhängt, skafa heisst . schaben * ,
skapi .Schaft* ist ein von der Rinde entblösster Stamm, wie skip .Schiff",
ursprünglich ein ausgehöhlter Baumstamm war. So war auch ^mt*. die Welt*,
heimi .das eigene Haus*, ursprunglich eine Höhle, wie himin .Himmel* die
Decke war, woran noch .das gastliche Dach' erinnert; foman hat hier
jedenfalls die Bedeutung von .alt, Alterlhum*; eigentlich müsste der Satz
heissen .Gott schuf einst die Welt*. Das vorkonmiende er verbindet ^ mit
n ur, + (w, ^ ridr und % kann, sämmtlich Zeugungsrunen.
Kauh giorir napa kosti, naktan kiälir i frostü
Noth macht knappe Kost, den Nackten friert's im Frost.
Durch giorir zeigt sich + verwandt mit K, als verneinend steht es audr
.Reichthum* gegenüber, es ist verwandt mit niedrig und daher mit klein und
Kind, dasselbe bedeutet napa, welches beim Zusammenhalt mit unserm
knapp beweist, dass bei zusammengesetzten Anlauten der Vorlaut gewöhnUch
nicht zum Stamm gehört; napa ist verwandt mit nef .Nase*, näbb .Schnabel*,
8'
116 Erklärung des Runenliedes — Is.
na fit, fiabli »Nabel*, etwas Hervorragendes, aber damit auch ein Thefl ciiies
Ganzen, in knefi ,die geballte Hand*, nähert es sich dem Knoten, der sich zu
naud verhält wie knapp zu nap; klein ist das, was man in den Mund steckt,
daher ist nautr .Genuss* so viel wie kosti .Kost* und kiosa .erwählen,
kosten*, welches sich durch kiör .auserwählt* an giorir anlehnt, während
gusa .giessen*, geysr .der speiende Berg* an Wasser und den Wassergott
nikr .Nix* sich anlehnen; das Wasser ist nackt, stets beweglich, daher nicka
.nicken*, niga .neigen*, verwandt mit friasa .frieren*, frosti .Kälte*, das
Schüttelnde, das Fieber, der Hauch, der Wind. Durch i lehnt sich die Rune
+ an P an, wie auch frosti beweist, durch kialir an ♦ Hagl; übrigens liegt
in naktan kialir auch ein Doppelsinn, insofern kiali .der Brünstige* ist,
derselbe Doppelsinn liegt auch in 7iaud und nautr als Noth und Genuss.
Is kollum hru breUIa, hlindan tharfat leida.
Eis nennen wir eine breite Brücke, der Blinde muss geleitet werden.
Fast alle Wörter dieser beiden Sätze lassen eher auf X als auf I
schliessen, denn hru .die Brücke* verbindet zwei Ufer, auch dann, wenn
es ursprünglich nur ein fester Weg durch Sümpfe war; überhaupt drücken
die meisten Wörter mitti eine Verbindung aus, so brodir .Bruder*, hridgumi,
wo hrut so viel wie gam, griechisch ya/xctv .heirathen* ist, denn die Braut
ist die Verlobte, ja sogar die Verwandte, denn hregda heisst .Familienähn-
lichkeit haben* ; hreidr .breit* kommt von hiota .brechen*, und braut heisst
ini Isländischen .ein angelegterWeg*, von 6Wote jarrf . reuten, urbar machen*.
Das W^ort tharf ist verwandt mit diarfr .kühn*, dii-fa .ermuthigen*, ditfaz
. ermuthigt sein, wagen * ; wagen bedeutet aber schwanken. Das Wort leida
kommt von lid .Genossenschaft*, hängt aber durch leid .Reiseweg* mit 6ni
.Brücke* zusammen. Dieser Widerspruch zwischen Zeichen und Begriff lässt
sich nur dadurch erklären, dass I das Verbindende allein, ohne Angabe der
verbindenden Gegenstände ist, und dass es der Eins gleicht, die, wie oben
nach^'ewiesen, als ein Theil von .zwei* zum Begriff gekommen ist Elbenso
beruht koUum, englisch call .rufen, nennen* auf einer Vergleichung und Ver-
bindung, ist aber kull wie im Holländischen das Membrum virile, so ist es
verwandt mit der Zunge I. Das Wort blind kommt von blenden, blind heisst
jreblendet und diese Blendung entsteht im Norden auf natürlichem Wege
durch den Glanz fbragd) des Eises; hragd ist auch .Geschmack, Geruch *»
daher im Grundbegriffe .scheiden, unterscheiden*. Das Wörtchen at xeigt
Erklärung des Runenliedes — Xr. 117
eine Richtung an, die sich auch in unserm »bis* findet welches bis im Latei-
nischen «wiederholen* bedeutet. Im Ganzen scheint daher is den BegritT der
^ Mitte' zu bergen.
Ar er gumna gödi, gSt ec, at ör var FrödL
Fruchtbares Jahr ist der Menschen Glück, ich höre, dass Prodi freigebig war.
Das Wort ar hat eine verschiedene Bedeutung: dr «Jahr', ar «Feuer-
herd, Heim*, dr «Diener, Gesandter*, ar »Arbeit, pflögen*, ar «Ernte*, ar
«Ruder*. Dieterich bemerkt dazu, der Wurzel ar scheint der allgemeine
Begriff «in Bewegung, in Thätigkeit sein* zu Grunde zu liegen; in der That
sicheint die Rune A zwei ausgespreizte Füsse darzustellen. Dass der Begriff
«Jahr* von «Ernte* komme, ist keineswegs zweifellos, dem nordischen ar
entspricht das lateinische ver «Frühling*, und annus ist der Kreislauf, wie im
Ä;^yptischen das Auge (die Sonne) die Lautwerthe ar und an hat, dagegen rp
,ilas Jahr* durch die keimende Pflanze ausgedrückt wird. Der Begriff ar als
Frucht bezieht sich auf die gerundete Gestalt der Körner. Hierzu kommt, dass
tptmi im engem Sinne der Mann, der Krieger ist, wie sich dieses Wort im
Deutschen auch nur in Bräutigam erhalten hat. Gerade für den Krieger hat
eine Ernte keinen besondern Werth, eher wäre hier ar im Sinne von Gewinn,
englisch ^arw «verdienen*, aufzufassen, sowie als «Ehre*, isländisch atH» Es ist
hirrbei zu beachten, dass ein synonymes Wort für Mann, nämlich ver «Gatte*,
▼♦•nvandt ist mit tera «sein, Wesen*, wie auch oben ar und er nebeneinander
stehen. Auffällig ist, dass hier nicht lucka «Glück*, sondern godi gebraucht
wurde, welches auch Priester bedeutet und verwandt mit god «Gott* ist.
Ovdi als Priester schliesst sich an ar als «Gesandter* an, denn die Priester
waren die Herolde. Das Wort gä stammt von ga «Aufmerksamkeit*, bedeutet
also «offen*; ee ist verwandt mit aikvi «Eigenlhum*, aika „besitzen, eigen
sein*, wonach auch das deutsche «ich* mit der Nachsilbe «ig* zusammen-
fällt. Eigen ist das, was man umfasst, daher im Ägyptischen [J k «Wesen-
heit, Alles* also unser «eigen* bedeutet, das umgekehrte Zeichen davon ist
unsere Rune Ji ar, Frodi ist gleich /r<Wr «der Weise*, und diess erinnert
daran, dass «können* und «kennen* in kunna ebenso identisch sind wie im
Hebräischen yada «erkennen* und «zeugen*, ör bedeutet auch «r zur
Bezeichnung eines hohen Grades, femer «Pfeil, Kieselstein, Erzstück* und ist
verwandt mit awir «Reichthum*. WahrscheinHch bedeuteten diese Wörter
ui^prünglich ohne Zusammenhang: Gewinn, sein. Mann, Glück, Botst haft»
1 1 H Erklärung des Runenliedes — Sol — Tyr.
Person, Vergangenheit, Richtung nach auswärts und daher Reise, Geschenk^
Uug; gerade so wie beim Kartenschlagen den einzelnen Karten an sich und
im Zusammenhange derlei Bedeutungen gegeben werden.
S6l er landa liömi, luti (lyt) ec at hdgum d6mi>
Sonne ist der Erde Licht, Ich unterwerfe mich dem heiligen Ausspruche.
5o? dürfte verwandt sein mit aio/ .Seele*, wie swina mit , Schein*,
beide Wörter bedeuten etwas Aussti*ahlendes, wie der H der Blitz, der Blick
des Auges ist; ebenso ist liomi wie das verwandte hgi ,1 Flamme' und lias
.Licht* das Wallende, isländisch W die Welle, ägyptisch ru »fliessen*, l%teir€;
verwandt damit ist /au/ (das Herabhängende) .das Laub*, lodinn .mit Gras
bewachsen", unser Loden; diese Begriffe des Umgebens, Beschützens finden
sich auch in Rinde, Rand, isländisch rvnd, welches auch .Schild* bedeutet;
hiemach kann man Land als das Bewachsene im Gegensatze zum nackten
Wasser betrachten (lundr der Hain), wie es sich andererseits an rund, rad
anlehnt. An den BegriiT. Herabhängen *schliesst sich, unterwerfen*, verwandt
mit liod .Volk, Leute, die Kleinen, Niedrigen*, auch in dem Sinne von Prole-
tariat. Der Begriff, heilig*, isländisch hdgr, scheint mir von. verborgen* abzu-
stammen und mit der Hei verwandt zu sein ; die Hei ist die leere Augenhöhle,
welche erst durch den Augapfel, die Sonne Glanz erhält, die ewige Jung-
frau, der leuchtende Äther, das nichtDurchbrochene, isländisch heäl unverletzt,
gesund ; heilig war der Boden, der noch von keiner Pflugschar verletzt war,
heill, d. i. unverletzt, musste das Opfer sein; unverletzlich bis auf den
Schulterfleck, der durch das Kreuz bezeichnet war, war die Sonne Siegfried,
wie auch die Sonne selbst als von einem Schilde verhüllt gedacht wurde, da
sie sonst die Erde verbrennen würde. An den Begriff des Verborgenen
schliesst sich dotni, das hebräische urim und thumim, das heilige Los^ an, wie
das hebräische ath .Himmelszeichen*, welches Wort im Ägyptischen das
göttliche Auge bedeutet. Ist daher sol der Blick, die Ausstrahlung, so schliesst
es sich an er (ist) und Licht an, femer an die Offenbarung (dornt), während
helgr im Sinne von Unverletzlichkeit, Jungfräulichkeit den Obergang zu land
und luti bildet.
Tyr er einhendur Asa, opt verdur smidur at bldsa.
Tyr ist der einhändige Ase, oft beginnt der Schmied zu blasen.
Ty}' war ursprünglich der höchste Gott, der Deus, Zeus, und als solcher
Erschaffer und Zerstörer in emer Persen, das A und das Q, durch Trennung
Erklärung des Runenliedes — Biarkan — Lcmgr, HO
von P und 1" blieb letzteres, der Speer oder Pfeil nur noch das Werkzeug der
Zerstörung, und hieraus scheint sich die Sage vom einhändigen Tyr gebildet
zu haben; Tyr ist wie sol die Ausstrahlung und ^ schliesst sich an das ägyp-
tische M an, dessen ältere Form P als Y ist, nämlich die Zunge im Munde
oder der zwiegeschlechtige Thuiskon, T ist demnach so viel wie I is, an welches
sich auch isländisch as » göttliches Wesen* (gothisch ans, lateinisch ens) an
.Stift, Stange* anlehnt, sowie askr »die Esche, der Phallus, die Schlange",
ägyptisch ^"^ ts, Keilschrift ►-^T^-< ti .Basilisk*; diese Schlange ist als
züngelndes Element Ptah oder Vulkan, der Schmied, der Glühende und
Eifernde oder Blasende. Interessant ist die Wiederkehr des Wortes opty
welches wir zuerst bei h ur gefunden haben, da ur gleich tiur der Stier ist,
dort lag dem op< der Begriff A zwei unter, hier in der ursprünglich verlän-
gerten Form A der Begriff der drei; das Wort verdur hängt mit er, nämlich
, werden* mit »sein* zusammen.
Biarkan er lauf-gränst lima, Loki bar flerdar (ßardar) tima.
Birke ist das laubgrüne Gezweig, Loki brachte Falschheit in's Glück.
Die Birke war nach alter Anschauung der früchtelose, jungfräuliche
Baum, deren Schooss verschlossen (isländisch hiarka , bergen") war, mit
diesem Begriffe des Verborgenseins hängt das bergende 2a{i/ (Laub) zusanmiert
und lima Gezweig; grän ist verwandt mit grannr »schlank", gretii der schlank
gewachsene Baum, die Tanne , wie auch schlank der Gegensatz zu befruchtet
(gesegnet) ist; to^•t bedeutet hier »Verführer, Verlocker", womit »zubringen,
Falschheit, Glück* zusammenhängt. Bei der Auslegung der Lose lagen also
die Begriffe vor: Jungfrau, mannbar, schlank. Verwandte (Gezweig), Ver-
führung, zubringen, Falschheit, Glück. Auffallend und auf die Begriffsver-
vrandtschaft hindeutend ist, dass der zweite Theil des Verses sich auch auf
die folgende Rune bezieht.
luaugr er thad er fdlur ur fiaUi, Fast en gull ern nalli (?)
Wasser fällt vom Berge .
Die zweite Strophe hat Grimm nicht übersetzen können ; auch die erste
scheint mehr zu bedeuten: Wasser ist das, welches aus der Höhle fällt; da
latikr zugleich der Lauch, die saftreiche Pflanze ist, so scheint die Rune f'
einen Springquell anzudeuten. Die beiden bezüglichen Fürwörter deuten auf
den ausgestreckten Arm, der auch in loki »Verführer" den Begriff giebt; durch
ur schliesst sich ^ an fl an ; fellur und fialli haben den Grundbegriff » schlagen.
1 20 Erklärung des Runeiilie des — Mmlr — Yr,
fiillen, lödten, verbergen* ; sie sind der Gegensatz vom aufsteigenden Wasser.
Wenn fost von fostra .ernähren* kommt, so scheint die Verbindung mit
gull ,6old' anzudeuten, dass das Wasser das Gold enthält, wie auch das
Gold zuerst im Sande der Flösse gefunden wurde, doch ist dann die Verbin-
dung mit em unklar, welches wohl der Adler (isländisch ari, arin, eni mit der
Grundbedeutung des Schwebenden) ist. Naüi dürfte verwandt sein mit nal
»Niete*', welches in dem deutschen Worte , Schnalle* mit Doppel-/ vorkommt,
ferner mit naeli eine Nadel ohne Öhr; in diesem Falle könnte ncUU das Seiten-
stück zur ^-Rune, und zwar der Schlafdorn sein.
Madr er moldur (moldar) auki, tmlcil er greip d hauki,
Mensch ist Vermehrung der Erde, gross ist die Klaue am Habicht.
Wir finden hier dieselbe Verbindung von Mensch und Erde, wie im
Hebräischen (i//am »Mensch* und adanui »Elrde*. Die Wurzel ist two/ »das
Zusammentreffen*, wie denn Y wie P/c die Vereinigung der Geschlechter ist,
daraus entwickelt sich passiv modir (die Einsaugende) die Mutter, madr der
Zeugende, der Mann, verwandt damit ist deutsch landschaftlich madr «der
Hunger*, isländisch mala « mahlen*, melia »zermalmen*, mtdi (der Zermal-
mende) »der Mund*, und davon die Wörter Mühle, Mahl, Gremahl, vermälilen
(sich verbinden), isländisch mold die zermalmte Erde , die fruchtbare Acker-
erde und das deutsche Mulde. Mit zeugen hängt auki »Vermehrung*, mikill
» gross, viel * zusammen, mit dem Zeugungsgliede greip » die Kralle, der Griff,
die Hand*; äöwW der Habicht kommt von »haben, fassen* her, wie denn
hauka im Lappländischen »der Würger* bedeutet, worauf auch greip »Kralle"
hindeutet. Im Ägyptischen ist 5|{? r/, der hebräische ma^r »Greist* der
Vogel Rock oder Greif der orientalischen Sagen, als %^ hrb ist er die
Harpye, als V^ a der Horus (hebräisch or Licht), als % mr ist er die fxslpa,
der Todesvogel, als jjk mr,mt,nr,kt ^Ge'ieTj Mutter, Mensch". Wir finden hier
denselben Gedankengang in den Hieroglyphen wie in Islands Wortstämmen.
Yr er urtur grünst vida, vant er thar er hrenner at svida.
Bogen wo es brennt, pflegt es zu schmerzen.
Die erste Strophe hat Grimm nicht übersetzen können, auch die
Bedeutung »Bogen* dürfte hier kaum am Platze sein. IV ist jedenfalls soviel
wie ur, wie im Isländischen tir, ifria, ynnger »Thau, Funke* bedeuten, daher
bezieht sich Bogen auf H, nicht auf A. welches eher ein Pfeil ist, das Hervor-
gehende, wie Thau und Funke. Wenn Wir erwägen, dass vida »Holz fallen*
Biegung des Ausdruck^s. 1 ^ 1
bedeutet, womit pränst »grünst* übereinsümmt . dass urtur vielleicht mit
huroir .Thörllügel* und vratr , verwundet • ver^'andt ist, so würde yr sich
als Wunde des gefällten grünsten Holze? darstellen und somit den Kien
bedeuten, der aus den verletzten Tannen fliesst, vant er thar er bretwer at
svida heisst wohl genauer, ,es ist nöthig, dass es brennt, um zu heilen*, denn
svid ist der Zauberkreis und hängt mit unserm „ge-sund* zusammen; wahr-
scheinlich wurde Kien gebraucht, um eiternde Wunden zu heilen, worauf auch
der Name Klen=: Kaun (Eiterbeule) hindeutet.
Ich beschränke mich darauf, hier die Wege angedeutet zu haben ; mögen
Andere mit mehr Wissen diese Wege weiter verfolgen , man wird jedenfalls
zu dem Schlüsse kommen, dass sämmtliche Worte eines Verses auch mit
denselben Anfangsbuchstaben vorkommen, wie z. B.
Kauii er heygia borna, bSl yiorir near folvarna
sein beiderlei Kinder Beule Leiche den Vollkräfligsten
qn'kr kina kynd kaun krufa krae/r
Leben Kluft Nachkomme, Beule begraben kräftig
oder Naiul yiorir napa kosii, naktun kiälir i frösii
macht Kost friert^s im Frost
nepina nautr nicka nordr
unternehmen Genuss nicken (schütteln) Norden.
Eis sind somit absichtlich anders lautende Wörter genommen worden,
am durch diese Sprachbiegung die Sprache auszubilden und einen Rcichthum
an Ausdrücken zu erzeugen. Einen gleichen Vorgang sehen wir in den Psal-
men, wo durch fortwährende Wiederholung des Gedankens in anderen Worten
der Reirhthum des Ausdrucks geschaffen wurde. Diese Verse führen uns
somit in die Werkstätte der Sprachbildner und verdienen deshalb die grösste
Beachtung.
ZEICHENNAMEN.
Wir haben In der vorstehenden Entwicklung des Runen-Fnthorks von
x^ei auf sechzehn Zeichen die unzweifelhafte Thatsache nachgewiesen, dass
die Bedeutung der Zeichen gewechselt hat, dass Zeichen des Nordens zu
Zeichen des Südens, Zeichen der Hitze zu Zeichen der Kälte wurden: wir
haben auch nachgewiesen, dass eine solche Umwandlung möglich war zufolge
1^2 Unklarheit der BegrifTszeichen.
dem jedem BegrifTe innewohnenden Doppelsinne, je naclidem derselbe als
activ oder passiv aufgefasst wird; wir wollen diese Thatsachen nun benutzen,
um Licht auf eine grosse Unklarheit zu werfen, welche die Alphabete sowohl
in Bezug auf die Zeichen, als auch bezüglich ihrer Benennung aufweisen.
Was zunächst die Gestalt der Zeichen betrifft, so erklärt die verschie-
dene Bedeutung, welche denselben beigelegt wurde, den Mangel jeglicher
Individualisirung, sie waren eben runa .Geheimniss*, sie konnten keine Bilder
bestimmter Gegenstände sein, weil die Allgemeinheit ihrer Bedeutung diess
nicht zuliess, weil der Deutung, der Prophezeiung, welche mit die^^pn Zeichen
verknüpft war^ die Hände gebunden worden wären. Aber, selbst abgesehen
von diesen speciell priesterlichen Gründen, waren die Zeichen Grundlagen
der Sprache, Wurzein der Begriffe. Je älter die Zeichen waren, desto viel-
deutiger waren sie; die jüngeren Zeichen waren schon mehr individualisirt ;
wäre man auf diesem Wege fortgeschritten, so wäre man zu der reinen Bilder-
schrift gekommen , wie sie in Mexico ihre vollste Ausbildung erhalten hat,
die aber an die darstellende Hand die grössten Anforderungen gestellt hätte
und doch nicht dem Fluge der Phantasie folgen konnte, welche die Sprache
aufbaute, der Phantasie, welche gerade um so grossem Spielraum hat, je
weniger sie vom Wissen und von der Logik eingeschränkt Ist. Wir können
diess an unseren Träumen noch bemerken ; während jener Theil der Gehim-
nerven ruht, welche durch Wissen und Beobachten geübt, die Eindrücke,
welche wir durch die Augen und Ohren empfmden, regeln, fuhren die nur
durch äussere Eindrücke erregten Nerven ein buntes Spiel, welches sich über
alle Schranken des Raumes und der Zeit hinaussetzt und die Elreignisse
kaleidoskopisch durcheinander führt. Dieselben Erscheinungen, welche der
vernünftige Mann nur im Traume empfindet, behen'schen den Irrsinnigen
ohne Unterlass, sie äussern sich bei dem Berauschten und sie bilden den
Inhalt der Kinder- und Jünglingsträume; dieselbe zügellose Phantasie
beherrscht den Wilden, und sie war es auch, welche im Alterthume den Luft-
raum, die Erde, das Wasser und die Unterwelt mit Göttern bevölkerte.
In diese phantastischen Gebilde, welche noch im Fetischismus fort-
wuchern, trat zuerst regelnd die Zahl ein, wie noch jetzt die Mathematik die
genaueste aller menschlichen Wissenschaften ist. Wenn die Pythagoräer den
Ursprung aller Dinge in den Zahlen suchten, so war diess kein Himgespinnst,
sondern die Verfolgung einer uralten Überlieferung; auch wir haben ja in den
Individualisirunsr des BegrifTes durch die Zahl 1^3
vorigen Abschnitten klar erkannt, dass die menschlichen Begriffe mit dem
Zählen entstanden sind und sich mit den Zahlen fortgebildet haben ; wir haben
gesehen, wie die geraden Zahlen, welche nach Pythagoras unbegrenzt und
unvollkommen sind, weibliche Begriffe darstellten, welche fortwährend auf
die Vielheit deuteten , aber die genaue Unterscheidung hinderten , während
die ungeraden Zahlen, welche nach Pythagoras begrenzt und vollkommen
sind, männliche Begriffe enthielten und individualisirtsn. Erst mit der Thei-
lung der Zwei in die Einheiten war die Unterscheidung gegeben, und im
Hebräischen ist T yad »die Hand* eng verwandt mit pt yadd »erkennen*,
die Einheit zeugte mit der Zwei die Dreiheit, wie Vater und Mutter das Kind,
und fortan fahrte die Eins immer um eine Stufe höher hinauf, während die
Zwei sich sofort in die Vier, d. i. Viel verwandelte. Wenn die Erkenntniss
weitere Stufen erklomm, so war diess nur möglich durch die Verbindung
der Begriffe mit den Zahlen. Wohl hat die Hand fünf Finger, aber diese fünf
Finger sind eine verwirrende Vielheit für Denjenigen, der nicht jeden einzelnen
Finger mit einem Namen benennt, und es giebt ja ein altes Einderspiel,
welches diess lehrt. Wenn wir eine grössere Anzahl von Bäumen sehen, so
zählen wir sie nicht, sondern sagen, es sei ein Wald, oder wenn sie in Reihe
stehen, eine Allee; ebensowenig fallt es uns ein, jede Reihe von Stäben zu
zählen , wir fassen sie nur als Gesammtheit auf und sagen : ein Zaun oder
ein Gitter. Noch viel weniger fällt es dem wenig denkenden, gleichgiltigen
Wilden ein, zu zählen, zu unterscheiden, er wird auf der untersten Stufe wie das
Kind Alles zum Munde führen, ob es essbar sei oder nicht, gerade so wie der
Affe alle Gegenstände beriecht und sie entweder frisst oder wegwirft. Bezeich-
nend ist ^, die hieratische Form von ^^, der erste Buchstabe des hebräi-
schen Alphabets, und unsere Rune P scheint ja dasselbe zu bedeuten.
Hieraus folgt, dass die Zählungsmethode nach Strichen, wie bei den
Ägyptern und Babyloniem, oder nach Nullen, wie bei den Mexicanern, bereits
eine hohe Stufe der Unterscheidung voraussetzte, sie setzte Zahlwörter voraus,
von denen der Begriff bereits losgelöst war, daher sind alle Methoden älter,
in denen Zahlbegriff und Zeichen noch innig verbunden sind , wie bei den
Hünen, dem hebräischen Alphabet, bei den Indem und Chinesen, welche nur
Sirichbilder von eins bis drei hatten oder noch haben. Hieraus folgt ferner,
dass die Zahlwörter, deren wir uns bedienen, sofern sie nicht mit den Namen
der Buchstaben übereinstimmen, jüngere Namen sind, welche die alten Namen
1 24 Individualisirung der BegrifTe durch Namen.
verdrängten, die eog mit den Begriffszeichen verknüpft waren, oder vielmehr,
die ursprüngliche Einheit der Begriffe wurde getrennt, weil der Begriff ver-
schiedene Verwendung erfuhr. Wir erkennen diess an den Zeitzeichen, wii
haben die Zahlen eins, zwei, drei u. s. w. als Namen der Jahre, andere wie
Januar, Februar, März u. s. w. als Zahlen der Monate, andere wie Sonntag.
Montag, Dienstag u. s. w. als Zahlen der Tage. Die Römer zählten mit Aus-
nahme der ersten vier ihre Monate in Zahlen: Quintilis, Sextilis, Septem-ber,
Ocio-her, Novenv'her, Decem-ber; die Juden sollen vor dem Exil keine Monats-
namen gehabt haben, sie haben noch jetzt keine Wochentage, wenn nicht die
Buchstabennamen Aleph, Beth, Gimel u. s. w. als Zahlen der Tage gelten.
Nun war es ganz natürlich, dass eine heillose Begriffsver^virrung ent-
stehen musste, wenn man nicht wusste, ob ein Wort eine Zahl oder einen
Gegenstand bedeutete; wie man also die Begriffe durch Lautbiegungen und
Zusammensetzungen individualisirte, aus legen : liegen, aus geben : gab, gieb,
Gift bildete, oder schwimmen, schwamm, geschwonmien , so musste man
auch durch Lautbiegung die Zahlen von den Begriffen unterscheiden.
Hieraus erklärt sich, warum wir die Buchstabennamen meist vergebens
in einem Lexikon oder im lebendigen Wortschatze der Begriffe suchen.
Die hebräische Sprache hat wohl die Begriffe alaph »sich gewöhnen, lernen*,
eleph »Rind, tausend", aluph »gewöhnt, Freund, Rind, Familienhaupt', aber
der Begriff aleph ist aus der lebendigen Sprache verschwunden, er ist blos
Name des Zeichens i« und des ersten Wochentages, respective der Laut a,
es scheint sogar »' eleph »tausend* lautlich unterschieden worden zu sein.
Ebenso kennt die hebräische Sprache keinen Begriff, beth , sondern nur baith
»Haus*, bath »Tochter*; sie kennt kein gimel, sondern nur gamal »Jemandem
etwas erzeigen*, gemul »Vergeltung*, ganuil »Kameel"; sie kennt kein (fa/^//i^
sondern nur deleih »Thür*, he ist wohl vorhanden, aber nur als Formwort
genau wie unser lief »siehe*, und wenn wirklich ein Buchstabenname mit
einem Begriffsworte übereinstimmt wie nun »Fisch, Nachkomme*, so folgt
daraus durchaus nicht, dass das Zeichen H wirklich ein Fisch oder ein Nach-
komme sei, denn so gut wie aluph ausser »Rind* und »gewöhnt* auch
»Freund* und »Familienhaupt* bedeutet, so kann auch neben »Fisch* und
»Nachkomme* ein dritter Begriff existirt haben, welchen das Zeichen H vertrat.
Hieraus folgt, dass das Fehlen entsprechender Begriffe für die grie-
chischen Zeichennaraen' in der griechischen Sprache durchaus noch nicht
?Jamen sind abgestorbene Begriffs^vörler. 125
bedingt, dass diese Namen einfach von den PhÖnikiern entlehnt und der
griechischen Zunge angepasst seien. Der Name Sigma ist im phönikischen
Alphabete nicht enthalten, sein Begriff aber im hebräischen nQDV Sikhma
.Schulter*, womil die Formen M M ^ übereinstimmen, welche im phöniki-
schen Alphabete wohl als \^ Sin, aber mit veränderter Gestalt und verän-
dertem Worte vorkonwnen. Auch ist A etwas Anderes als ^, B etwas Anderes
als ^ u. s. w., und es fehlt nicht an griechischen Begriffs Wörtern , welche
mit den Namen verwandt sind, wie alphano , erfinden, einbringen", alphiton
9 Mehl, Brod, Lebensunterhalt*, alpliestes »Erfinder*, hathys «tief, hoch, reich-
lich, dicht, hoch bewachsen*, womit CD , welches sowohl ,Berg* wie »Thal*
ist, vollkommen übereinstimmt, Gamma V lehnt sich an gameo „ich heirathe*
als Verbindung an, Delta an diladi »offenbar*, deltos »Tafel* (die weiss über-
zogene), dolos »Feuerbrand*, deile »Mittagszeit* u. s. w.
Damit soll nicht der orientalische Ursprung des Alphabets bestritten
werden, denn wir haben schon bei der achttheiligen Windrose local-phöni-
kische Verhältnisse erkannt, wohl aber, dass die Griechen die Schrift erst
von den Phönikiem erhalten hätten. Was die Griechen erhielten, war ein
neues System, eine neue Eintheilung der Zeit, jedenfalls zugleich mit einer
ganzen Priesterschaft, welche ihre Heimat verlassen hatte und sich in Europa,
nicht blos in Griechenland, ausbreitete.
Waren aber die Namen ausser Curs gesetzte Begriffswörter, so müssen
sie älter sein als die vorhandenen Begriffe, denn sie stützten sich unmittelbar
auf das Zeichen , während die anderen nur mittelbar sich auf das Zeichen
«tatzen. Wenn z. B. fe »Geld, Vieh* bedeutet, P aber weder ein Geldstück,
noch ein Viehporträt ist, so muss fe ursprünglich etwas bedeutet haben, was
den BogrifTen »Vieh* und »Geld* zu Grunde liegt, das ist das Zwiefältige,
das »Hin und her* als Begriff des Bewegens und Lebens, der im Begriffe
.Vieh* liegt, und das Zwiofältige als Tausch, der dem Begriffe des Geldes
zu Grunde liegt; dass trotzdem die Rune/e die erste ist, kann nicht befrem-
den, da ja auch «eins* in »einigen* die Vielheit zur Voraussetzung, in »in*
eine Umgebung (ägyptisch jf m am die Eule als Nacht bedeutet auch den
Wind und den Winter) hat und, wie oben benierkt wurde, der Begriff der
Einheit erst aus derZweiheit erkannt werden konnte; ebenso war ur ursprüng-
\\c\\ der Himmelsbogen, die Nacht, woraus die Begriffe «r »vormals* und ur
,Thau* hervorgingen. Daher ist bei allen Namen der Begriff eine unbekannte
1 !26 Vermehrung der Wörter und Zeichen durch fortschreitende Erkenntniss.
Grösse, welche nur aus der Vergleichung des Zeichens mit dem Namen und
den lautverwandten Begriffen erschlossen werden kann.
Nun entsteht die Frage: wenn die Namen so alt waren, warum sind
sie nicht einfach, warum sind sie so complicirt? Wir haben schon bei dem
Runen-Futhörk darauf hingewiesen, dass die Laute, aus denen die Namen
zusammengesetzt sind, in einem ursächlichen Zusammenhange mit einander
stehen, welcher sich auf die Form des Zeichens gründet Wir haben femer
bei der Entwicklung der einzelnen Zeichen gesehen, dass dieselben sich in
einem engen Kreise durch Differenzirung entwickelten, dass z. B. aus I i" %
r y| ^ + P Y ♦ entstanden sind ; unzweifelhaft war I die erste Rune f, ihre
spätere Entwicklung + = P, so dass also/-A=/i die Zeugung, f das Erzeug-
niss bildeten, ebenso war H ursprunglich A, woraus A wurde, in ^ nahm sie
aber das ^ auf r-d; je grösser der Kreis der Runen wurde, desto mehr musste
die Individualisirung sich ausdrücken, und I ia, ursprünglich »Eis*, musste die
.Hitze" werden, da P das »Wehen* besser ausdrückte.
Das Gleiche finden wir bei den Hieroglyphen. Hier war der Vogel das
Element der Luft neben dem Baume oder dem Schilfe, aus dem letztem
I entwickelte sich das Messer ^^ 1, die Ähre S, das Reis ] 1 0 und die
Lautwerthe I a^ S o^^ bti, w (^s, y s, \ su, i rpj sp, tr u. s. w. ; aus dem
Vogel JK p entwickelten sich die Lautzeichen 1^ ^' % ^' ib ^' ^h ^'
^fc dz, '^^ h oder die hieratischen Zeichen 2L ^^ ^=4 **' 5 *"' ^ *'
^ (JU, ^ h; dann aus Ik der Sperber ^L , IW^ wahrscheinlich der Hahn,
da nh, ti .preisen, anmfen' bedeutet und nach morgenländischer Anschauung
der Hahn der Priester unter den Vögehi ist, der die Morgenröthe verkündigt
und die Gläubigen zum Gebete ruft; aus m entstand '^^ ur, Sra der kleine
Vogel mit den Begriffen «zahlreich, schlecht' und .klein', aus HL entstand
m^ mr .sterben", aus^M^ entstand ^y Ann .finden, roth* u. s. w. (So weit
die ägyptischen Hieroglyphen Laut- und Sylbenzeichen sind, entbehren sie
jeder Individualität, es sind symbolische Darstellungen von Begriffen; erst
als Determinativzeichen werden sie individualisirt, dann aber sind sie keine
Schriflzeichen mehr, sondern illustrirende Bilder der Wörter.) Aus I ent-
wickelten sich ferner .a^—i und ^»^ .das Hervorragende, Vorgestreckte, die
Hand und der Arm", ersteres mit dem Lautwerthe a, letzteres mit dem Laut-
werttie d; aus j^-^ entstand o»^ sp, mh, rinn, nn .messen, Schwert, tragen.
Die Zeichen als Hilfsmittel der Etymologie. 127
Elle, zeigen*, ferner A-J i^^ is^ \^^ ^ ^ ^^^ wobei andere Hieroglyphen
den Begriff der Hand specialisiren.
Durch diese Specialisirung sind die ägyptischen Hieroglyphen werth-
volle Hilfsmittel der Etymologie geworden; so entspricht 1^ dem hebräischen
TJit or »Licht* (als Horus), »Blitz* (als blitztragender Adler des Zeus), ni« oth
«Zeichen, Feldzeichen* (der Adler als Standarte), »Wahrzeichen" (Deutung
des Vogelflugs), »Himmelszeichen*, hieran knüpfen sich dv yow »Tag*, ?« os
»Zeit*, an das Geschrei des Adlers n»« mjah »Geier, Habicht* ^^^« ayay
»ächzen, heulen, glühen, brennen* (Horus als Licht), m« acoÄ »schreien,
heulen * (vom Himmelszeichen) » bezeichnen * , (als Taube aufgefasst) » Verlangen
haben, neigen, beugen*, wobei übrigens auch der Ibis mit hineinspielt. Die
Verwandtschaft von Vk und 1 erklärt die Verwandtschaft von xrm arah
»Licht* und mm« oroth »Kräuter, Gemüse* (das junge Grün), die Verwandt-
schaft von m^und j^.^ erklärt «M i »Geschrei, Geheul* und *m t ,Land* («tf»«
t=z terra Thorr), ♦« € »wo* und *« i »nicht* (die leere oder abwärts gebeugte
Hand). Diese wenigen Beispiele dürften hinreichen, zu beweisen, dass in den
dunklen Fragen der Etymologie, wo der Forscher fortwährend auf verblüffende
Lautverwandtschaften stösst, die Zeichenkunde der beste Ariadnefaden ist und
aller Fleiss bisher auf diesem Gebiete wenig zu Tage fördern konnte, weil man
die Zeichenkunde ganz beiseite liess.
In gleicher Weise ist die Beobachtung der Entwicklung der chinesischen
Schrift lehrreich, da diese gerade den Gegensatz zur Entwicklung von Schrift
und Sprache im Westen liefert; während im Westen die Zeichen auf eine
kleine Anzahl beschränkt blieben, dagegen sich die Sylben mehrten, ist in
China die Sprache zurückgeblieben und haben sich die Zeichen vermehrt ; der
Chinese verliess sich beim Sprechen auf die Geste, welche er durch Modula-
tionen der Stimme unterstützte , beim Schreiben fügte er dem an sich viel-
deutigen Zeichen Ergänzungen theils lautlicher, thcils begrifflicher Natur bei,
und so entstand der Reichthum der chinesischen Zeichen. Hier bemerken
^0^ir nur, dass aus dem angegebenen Grunde statt einfacher Begriffe compli-
cirte geschaffen wurden, während die Grundzeichen an einem Grundbegriffe
hängen blieben. Wie bei uns aus os »Mündung* (runisch us) der Begriff
ut «aus* und esse »sein, leben* entstand, so war ^ tse ursprünglich eine
Öffnung, die Nase; jetzt bedeutet es nur mehr »selbst, von, aus*, für Nase
hingegen wurde ein ausführlicheres Zeichen jS gebildet, dessen oberster
\2S Begriffswörter mumificireu sieb in Nameu und Partikeln.
Theil der Grundlheil ist, während die übrigen mit dem Lautwerlhe pi
zusammenhängen.
Femer kann man in der chinesischen Schrift die Umwandlung der
Begriffe in Namen und Form Wörter beobachten, die zweifelsohne auch im
Alterthume bei den westlichen Sprachen stattfand. In China ist es Brauch,
tmd wohl kein neuer, dass das Zeichen, welches den Namen eines neuen
Kaisers bildet, sofort aus der Reihe der Begriffs Wörter entfernt wird, indem
das Begriffswort in irgend einer Weise verändert wird. Angesichts dieser
Thalsache begreift man die Schwierigkeit, welche die Erklärung der mytho-
logischen und biblischen Namen bietet; dass die letzteren Namen früher
ebenfalls Begriffswörter waren, ergiebt sich aus den etymologischen Versuchen
zur Erklärung derselben, von denen die Genesis wimmelt; aber schon Den-
jenigen, welche diese alten Traditionen niederschrieben, waren die Begriffe
nicht mehr klar und sind ihre Erklärungen mit Vorsicht aufzunehmen, da sie
nur den heimischen Sprachschatz zur Verfügung hatten und dieser zur Erklä-
rung solcher, man möchte fast sagen: antediluvianischer Namen nicht aus-
reicht. Ein sprechendes Beispiel hefert die Erklärung der Namen der Sohne
Jakob's, bei denen die Erklärung bei der Geburt wenig mit derjenigen über-
einstimmt, die der Segen enthtllt. Zu dieser Kategorie von Namen gehören
aber in erster Linie die Zeichennamen, wie wir noch später erkennen werden.
Wenn ferner die Chinesen aus '^ tsi, ursprünglich ein Keim, den
Genitiv, das Fürwort der dritten Person u. s. w. mit völligem Aufgeben des
Grundbegriffes gebildet haben, so entspricht diess ganz unserm Genitiv-s^
welches den Begriff »aus* enthielt und sich in der englischen Sprache als
sächsischer Genitiv nur bei Personen erhalten hat; IM t, als Substantiv
, Ursache*, ist Partikel des Dativs geworden, wie unser m (ägyptisch IPi am
„Faust, fassen*, als ,Hand, Ort*), ^F 50, ursprünglich „Ort*, bedeutet ,wo,
wohin, woran, woher" u. s. w. ; ebenso ist im Ägyptischen ^nu der Genitiv,
■ pa, das griechische ttuv > alles*, männlicher Artikel, ^ t, ein Erdhaufe,
weiblicher Artikel, wie das hebräische n, | a ist die Einzahl, auch die Wesen-
heit, Eigenschaft, daher zum Zeichen der Siglen oder Begriffszeichen gebraucht,
ähnlich wie es im hebräischen n' und im griechischen a als Zeichen vor-
kommt, dass der Buchstabe eine Zahl ist, also 1 ; «^ t ist der Dual, 1 u ist der
Plural, das hebräische c wobei also u und im lautlich verschoben wurden:
^^ r, die Höhle, ist ,aus* u. s. w.
Unklarheit der Begriffswörter. 1 "29
Gehen wir nun zu den Begriffswörtem selbst über, so finden wir Wurzeln,
welche durch die Formbuchstaben (Ablaut) oder die Flexionen zu Substan-
tiven, Adjectiven und Verben gebildet sind, aber die meisten derselben sind
uns bezüglich ihrer Abstammung ebenso unklar als die Partikeln ; die Begriffe,
welche sie darstellen, sind insolange conventionell, als ihre Wurzeln und ihre
Entstehung nicht klar erkannt sind. Daher können über das , was „ lieben *
bedeutet, die Meinungen sehr auseinander gehen; der Begriff", Gott* ist solange
unklar, als die Wurzel nicht positiv nachgewiesen ist, es ist sogar möglich,
dass bei der Übernahme solcher Wörter die Anwendung eine ganz schiefe
sein konnte, wie z. B. das französische Sottise, welches eigentlich „Dumm-
heit* bedeutet, in Deutschland gewöhnlich im Sinne von »Beleidigung" an-
gewendet wird, oder der „General", welches Wort den obersten Befehlshaber
bedeutete, dem , Marschall" an Rang nachsteht, und der „König", der
vom Göttergeschlecht abstammte, hinter dem „Kaiser", dem „Feldherrn''
zurücksteht.
Unter diesen Umständen ist einerseits den Erklärungen der Namen ein
grosser Spielraum gegeben, andererseits aber die grösste Vorsicht geboten,
da die Grundlage, auf welcher die Sprachvergleichung beruhen soll, erst durch
die Sprachvergleichung geschaffen werden muss.
In dem folgenden Abschnitte, welcher die deutschen Runen behandelt,
ist übrigens der Kreis der Vergleichung erweitert, denn da unzweifelhaft die
deutschen Runen in der Anordnung mit dem phönikisch-hebräischen Alphabet
übereinstimmen, so muss doch offenbar ein dem Zeichen entsprechender
Begriff, wenn er unter gleichem oder ähnlichem Laute in der deutschen und
der verwandten griechischen oder lateinischen Sprache nicht vorkommt, in
der hebräischen vorhanden sein, in der Sprache des Landes, von welchem
das Abece stammt. Wenn oben (Seite 125) gegen die Ableitung der Buch-
stabennamen aus der hebräischen Sprache gesprochen wurde, so richtete sich
diese Polemik nur gegen die Ausschliesslichkeit einer solchen Etymologie u nd
gegen den Irrthum, dass die griechischen und runischen Zeichen dieselben
wie die phönikischen Zeichen der entsprechenden Laute, somit auch die
Buchstabennamen verderbte Formen der phönikischen Namen seien ; ebenso
wäre es irrig, die deutschen Namen nur aus den orientalischen Sprachen zu
erklären, weü das Abece dem Orient entstammt; nur mit Ausgriffen nach
beiden Seiten hin kann das Richtige getroffen werden.
Paalmaan. Geschichte d. Schrift 9
130
DIE DEUTSCHEN RUNEN.
Die Schriftzeichen, welche wir dieser Besprechung zu Grunde legen,
^vurden zuerst von Hrahanus Maurus veröfTentlicht, der eine lateinische
Bemerkung hinzufügte, aus welcher hervorgeht, dass dieselben für ursprüng-
lich deutsche galten, dass sie nur von Denjenigen verwendet wurden, welche
noch dem Heiden thum ergeben waren, und dass damit Gedichte, Zauber-
spruche und Weissagungen aufgezeichnet wurden.
Grimm *^ hat diese und mehrere andere aus verschiedenen Codices
:Eusammengestellt, ferner ist noch das Abece einer Munchener Handschrift^^
in Betracht gezogen worden, welche im wesentlichen mit den von Grimm
veröffentlichten Qbereinslinimt und nur in den Namen einige minderwesent-
liche Änderungen aufweist
Diese Runen sind verschieden in ihrer Zahl und in ihrer Ordnung,
welche letztere um so wichtiger ist, als sie verschiedene Zeiten abzutheilen
scheint. So hat der Codex Vindobonensis 64 fünf Reihen, von denen die
erste, dritte und vierte je fünf Zeichen, die zweite sechs und die fünfte zwei,
offenbar Schallzeichen, enthalten, nämlich:
<J J&. asrh I f p fehc m lxI man
b B hirith \ g X i/'^" '' iY iioi
c V chen ! h ^ hatjale o K: othil
% J /lis p J\ perch
A-^ gilch q Xf chon
l h In /r I
d IXlthorn
r R rehit
s y suhil
t ^ iac
arfh helahe
z T ziu
Das zweite Abece aus demselben Codex hat drei Reihen zu je sieben
Zeichen ohne Namen:
Iv M K
B 1 n
h. F y
F X ^
Hier steht statt der zwei Runen für q und r nur ein Zeichen, welches der Ur-
Ruue ähnlich, aber ausdrücklich als r bezeichnet ist.
Deutsche Runen.
131
Eiii drittes Abece, dem Codex Vindoboiiensis 828 entnommen, führt
die Runen des Codex 64 mit denselben Namen und Zeichen auf, hat aber in
drei Reihen nur 1 5 Zeichen, schliesst daher mit petc und setzt T lagu oben
in die dritte Reihe. Ein genau entsprechendes Abece von 15 Zeichen wurde
von Lazios*' veröflFentHcht.
Eine Zusammenstellung, welche Hickes** veröffentlichte, entspricht in
der Anordnung wohl ganz dem Abece des Hrabanus, bietet aber mehrere
Varianten. Endlich besteht der Codex Sangallensis , sowie das Münchener
Manuscript Abece aus 22 Zeichen in zwei Reihen, nämlich
Cod. Sang.
Nl*
M
Münch. Ag cai
•R
man H
^
1^
heric
B
naet \
h
AM
cen
K
08 M
^P
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iÄ<t>Vi
^»1
gern
X
öil M
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tH
heih
36
tir t-
1
n
is
1
ur Vi
1
X
her
1»
elcd ^
h
T
layo
r
uijr Arh
Diese Abecedarien machen in ihrer Ungleichheit der Zeichen denselben
Ejndiuck wie die altgriechischen Alphabete, es müssen daher die einzelnen
Volker Deutschlands eigene Abecedarien gehabt haben, welche im Grossen
und Ganzen übereinstimmten, in Einzelheiten abwichen. Diese Abweichungen,
sofern sie verschiedenen Zeichen entsprechen, beweisen die Identität oder
wenig:5lens nahe Verwandtschaft der Zeichen, wenn z. B. K. als a vorkommt,
während es gewöhnlich o ist, so ist a:szOf wenn yC als g und n vorkommt,
so ist g=:n, wenn A als o und q vorkommt, so ist o=q, wenn rU als q und
jr vorkommt, q=ff, und wenn T als / auftritt, f=kf DO als m und d, also
m=:d^ wie im angelsächsischen Futhork unzweifelhaft sich darstellt; endlich
beweisen die beigeschriebenen Buchstaben, dass q = d, z = v ist.
Besonderi augenfällig ist die Ähnlichkeit von a, b, c und o, p, q; es
scheint, ab ob an die ersten 13 Zeichen eine zw*eite Reihenfolge von 10
Zeichen angehäugt wäre, andererseits scheinen die ersten Runen die der
9*
132 Yergleichung der deutschen und nordischen Runen.
•iertheiligen Ordnung A P" 1X1 R zu sein, welche den vier Jahreszeiten vor-
gesetzt sind, diess würde der nordischen ^iertheiligen Windrose entsprechen:
f V A
A ' >^ aber auch: R i_
I
SR >^
denn wenn Tacitns bchaiiplel, die Deutschen hätten, wie die Juden, mit dem
Abend zu zählen begonnen, so werden wir bei der Prüfung der Zeichen
erkennen, dass die ersten Zeichen auch Nordrunen waren und den Jahres-
anfang vertralen.
Das unvollständige Alphabet von 1 5 Zeichen ist den Forschem, welche
sich bisher mit diesen Zeichen beschäfLgt haben, unerklärlich geblieben; sie
meinten, es sei eine zufällige Un Vollständigkeit; fasst man aber die Runen,
wie sie es unzweifelhaft sind, als Zeitzeichen auf, so ist es allerdings denkbar,
dass ein grosses und ein kleines Abece existirte, wie das Jahr in 12 Monate
und in 52 Wochen eingelheilt wird, oder wie der Monat in 4 Wochen und
30 Tage getheill wird. Gerade in Deutschland war 15 eine Einheit, das
Mandel, 4 solcher Mandel bildeten ein Schock, althochdeutsch achoc, sehoel;
srhoij, achoijk, altsächsisch scok, wahrscheinlich verwandt mit Kuoh mittel-
hochdeutsch 3f'ir(0ffc .Schuh' als Mass ^Fuss. Wurden die deutseben Runen
in der Weise des hebräischen Alphabets zum Zählen verwendet, so gaben
die Zeichen von ose bis gileh die Einheiten von 1 — 10, wobei !K eine grosse
ÄhnUchkeit mit der römischen X, wie M mit der römischen V zeigt, und
gikh Laulähnlichkeit mit dem calctdua oder Rechenstein hat; wurden dann die
folgenden Zeichen als Zehner behandelt, so war l 20, m 30, n 40, o 60,
p 60 und damit die erste Potenz erschöpft, welche in der Keilschrill die grosse
Einheit ^ bildet.
Ohne darauf einzugehen, ob die Marcomanni, von denen diese Runen
luiTÜhren, das Volk Merkurs, verwandt mit demhebräischeni^sttM&it, König*
und mit den Amalckilern (die schöngesichtigen, arabisch dmhq »von schönem
Angesicht") ist, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass das marko-
mannisehe Abece eine ganz andere Anordnung als das nordische Fulhork
^■4i und sich sowohl durch die mehrfach auilretende Siebenzahl, durch die
Vergleichung des Alphabets mit dem Abece.
133
22 Buchstaben und durch die Aufeinanderfolge der Zeichen eng an das
hebräische anlehnt, ohne demselben oder den verwandten griechischen und
lateinischen Ordnungen ganz zu entsprechen, also immerhin eine originelle
Anordnung zeigend. Man vergleiche:
Althebräisch
Markomannisch
Griechisch
Römisch
Jf^ aleph
Jt asch
A alpha
A
1 ba
B birith
B ^to
B
^ gitnd
M chen
r gamma
C
2\ daleth
Od iharn
A (/€/to
D
^ he
■
M eho
E epsilon
E
Y vav j
V fehc
F raw
F
Z 2^<'i
H gibu
Z ^e/a
d
^ cheih
X hagale
H e7a
H
' ^ ttt
G thefa
^ yod
J hia
1 iV>/a
1
H kapli
% gilch
K kapjm
K
U lamed
h lagu
y A lamMa
L
^ wem
t>^ man
M »IM
M
' Mtt«
X not
N m7
N
, * M»^/
!E A*^'
O oin
1 tv oihil
1
0 otiu'h'OH
0
0 1^
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P
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Y^ Uade
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R re/it<
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R
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T
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X
1
<P Auv»i
Xr.
Y
1
1
^ ziu
Vi»»
Z
■
^^ omegn
1
1
''> satNjn
134 Vergleichung des Alphabets mit dem Abece.
Diese Gegenüberstellung bietet merkwürdige Thatsachen : zunächst die
Übereinstimmung des markomannischen und römischen Abece in der Anord-
nung der Laute, dagegen die Übereinstimmung der griechischen und römischen
Gestalt der Zeichen, wobei nur der Wechsel zwischen R P und P R auffölU,
ein Wechsel, der sich aus dem markomannischen |\ hur, ur erklärt, welches
die Laute u=p und r vereinigt. Da Hrabanus bestimmt sagt, die markoman-
nischen Runen seien nur von Jenen gebraucht worden, welche dem Heiden-
thum ergeben waren, so ist die Einführung durch christliche Priester aus-
geschlossen, wogegen auch die Form der Zeichen spricht; es bleibt somit
nur die Annahme übrig, dass in der Vorzeit Römer und Markomannen des-
selben Stammes und derselben Religion waren, wie auch die besondere
Verehrung des Kriegsgottes Mars in Rom beweist, dem der erste Monat im
allen zehnmonatlichen Kalender gewidmet war. Eine historische Reminiscenz
bietet Ascanius, der Sohn des Aneas, der Rom gegründet haben soll, sofern
die am Rheine gelegene Asciburg von dem gleichen Stamme gegründet wurde.
Ascanius war ein See und ein Fluss in Kleinasien und in diese Gegend setzt
die Genesis die «3ü« askenaz, einen Theil der Völker von Gomer (Kyramerier),
welche auch in der Krim wohnten.
Wenn an die Stelle des hebräischen z das g trat, so erinnert diess an
den Wechsel, der bezüglich des X im Griechischen und Römischen eintrat,
indem es bei dem Einen zu ks, bei dem Andern zu kh wurde, während es im
Deutschen h vertritt; vergleicht man aber das hebräische Alphabet mit den
nordischen Runen, so findet man, dass th und os'mg und d übergingen, oder
einen Wechsel angenommen, dass + os zu ^ gimel wurde, welches im Marko-
mannischen \^ chen ist; ebenso ist der Name für x: helahe, angelsächsisch ioix
und calc, gleich eolJuc 4^ 5K, welches die deutsche y-Rune und die deutsche
gilch'Rune ist. Alles diess ist nur ein neuer Beweis der Polyphonie der Zeichen,
auf welcher der Lautwechsel beruht.
Während sich so das markomannische Abece eng an das hebräische
anlehnt, wobei es jedoch die der deutschen Zunge fremden Laute 1, 8, s ver-
warf und statt derselben u x y z anfügte, schliesst dasselbe sich eng an die
deutsche Sprache an, zumal wenn o, angelsächsisch a?, für ö anzunehmen ist,
denn y hat sich im Deutschen als wf=tt erhalten; weniger stimmt das römische
Abece mit der römischen Sprache überein, da A; y c der lateinischen Sprache
fremd sind. Man hat diess dadurch erklären wollen, dass diese Zeichen als
Deutsche Zeichennamen. Asch. 135
fr*»mde mit griechischen Wörtern sich eingebürgert hätten, aber dann ist
niclit begreiflich, warum sich nicht auch / und ^ einbürgerten, da die
Umschreibung durch ch und ps doch nicht'bequem war und k ganz gut durch
r, wenn dieses nicht wie im Deutschen der Kehllaut ch war, hätte umschrieben
werden können; zur Zeit des Christenthums muss c den harten Laut gehabt
haben, da die römischen Mönche das deutsche c mit ch umschrieben.
Untersuchen wir nun die Namen, so begegnet uns zunächst asch^
welchem in der Münchener Handschrift car beigesetzt wurde. Asch ist wie char
^ein Geflss, Schüssel, Wanne, Trog^, kara ist die Sorge, die Klage, hebräisch
^r^p qara .rufen*, wie das hebräische -|i aleph das ägyptische a, der Harpo-
krates, das göttliche .Wort* ist, welches die Welt erschuf. Die Gharwoche ist
diejenige, welche Ostern vorangeht, und demnach müsste ^ die Stelle vor
der Ostrune einnehmen, dann aber musste die Zeitrechnung am Morgen
hesrinnen und nicht am Abend, wie Tacitus sagt. Hiermit stimmt überein,
dass ask, asrh auch die Eschenlanze, der Speer 'f des Kriegsgottes ist, zu
dessen Ehren die Asciburg gebaut war; ciska ist ferner der Staub, die Asche,.
der Dust, wonach A: identisch mit der nordischen V Thursrune ist. Von Dust
stammt das lateinische industria, d. i. das künstliche Handwerk im Gegensatze
zum Ackerbau, aber auch mit diesem verwandt, da die Industrie von den
Ackerbauern ausging. Mit asche hängt K^ oihil das Vaterland zusammen, die
Muttererde. Asch ist auch die Esche, und da die Weltesche Yggdrasil der
Schreckensträger, die Axe der Welt ist, so wird das Wort überhaupt Baum
bedeutet haben, wie othü auf die Weide und im allgemeinen auf Baum,,
runisch mflur, isländisch tUlr «Baum, Wald*, tit^t, isländisch tidir «Weide*,
irerwandt mit n/>r, althochdeutsch wetar .Wetter, wehen* hinweist. Der
Baum mit seinen belaubten Zweigen war das Symbol der Luft, sein Rauschen
das göttliche Wort, der Geist, der As^ lateinisch esse »sein, leben*. Das Laub
ist die Haut, griechisch askos, imd das griechische cuik^ö kunstfertig, wovon
Asklepiös oder Aesculap herstammt, ist verwandt mit industria, also mit Dust.
Oijaleizi «emsig, eifrig*, aki mittelhochdeutsch ege «Furcht, Schrecken*, ekka
das schneidende Werkzeug, wovon das griechische aksfnef lateinisch a^sna «die
Axt* und das Ackerwerkzeug die Egge abstammen; im Ägyptischen ist diese!>
Werkzeug die Hacke zum Aufhauen des Bodens \X hieratisch ^, dasselbe
Zeichen, welches wir in altgriechischen Alphabeten ßnden, wo es mit ^ der
Axt wechselt Wir werden daher nicht irren, wenn wir -Ä lür ein Acker(:crälli
136 Birith.
und R für einen Baum halten, im letztern Falle schliesst es sich an die
P-Rune an. Endlich ist zu beachten, dass a^kr auch der Mann ist, der aus
der Esche gebildet wurde. Die Esche war das harte Holz (und daher vorzugs-
weise zu Götterbildern verwendet), die Ulme das weiche, beide zusammen-
gerieben gaben das Feuer, und hier fällt die Verv^^andtschaft auf zwischen dem
hebräischen r« es „Feuer* und «?♦« i^ „Mann, Mensch"; Asche ist aber auch
die Erde, woraus der Adam gemacht wurde, also hier wie dort haben wir ein
Spiel mit Worten. Einer ägyptischen Manneshieroglyphe wie hieratisch ^^
haa, ha „preisen* ist K. wohl zu vergleichen, selbst angenommen, dass K,
nur den Kopf mit dem männlichen Kinnbarte bedeute, denn gleich darauf
folgt B das Weib; das ägyptische ka erinnert sogar an K den geöffneten Mund,
das Sprechen, den Gaumen. Als nordischer Widar ist es die Erneuerung (des
Jahres), woraus der Widdergott entstanden ist, der Gott der Weide, w-elcher
auf die junge Rasendecke hindeutet, den Monat März regierte. In dem Asch
vereinigen sich somit die Begriffe des Winters und des Frühjahrs, welche
Vereinigung die verschiedenen Jahresanfänge erklärt.
Bi in allen Abecedarien gleichmässig geschrieben, hat den Namen
hirith, hyriih, nur in der Münchener Handschrift heiic, dennoch ist das t kein
Fehler, denn wie dem Namen hirith als p perch gegenübersteht, so steht in
der Münchener Handschrift dem Namen beric unter p perd gegenüber. Das
Wort fehlt im Deutschen, im Hebräischen kommen nna betith „Bund* und
nna bonih „Laugensalz* vor, ersteres vom Stanmi rr'ia bara „schneiden*
(man zerschnitt Opferlhiere und ging zwischen denselben durch, wenn man
einen Bund schloss), das zweite vom Stamme na bor „rein, auserwählt*, w^ohl
auch von na beiH „Fett", weil Salz das Vieh gesund erhält und fett macht,
demnach wäre nna im letztem Sinne das Nährende und das dickbauchige
Zeichen B stimmt damit am besten überein. Eigenthümlich erinnert hierbei
das althochdeutsche p*u^en, mittelhochdeutsch ^'u^^n „ sich schmücken, sich
bräutlich schmücken*, brut „die Braut, die Gemahlin*, ersteres, weil „Braut*
die Verlobte, die Gemahlin, die „Verbundene* ist, andererseits weil der
Begriff des Glanzes in peraht, heraM an den glänzenden Fettbauch erinnert, der
den zum Opfer bestimmten Menschen angemästet wurde, wie auch die Ver-
mählungen mit grossen Schmausereien gefeiert werden; war Jt als erstes das
Kind, so folgte B ^Is Bund, nämlich die Opferung des Kindes, wie hebräisch
n^is uudah „die Beschneidung* mit vhi^ mala „voll sein* zusammenhängt,
Chen, Dom* 137
denn die Beschneidung war das symbolische Kindesopfer. Nach deni Voraus-
geschickten können wir hinih oder beric unbedenklich auch für das schwellende
Weib annehmen, sei es als hebräisch n^ hath Mädchen, oder als nordische
Birke, lateinisch ^^u/a, wie hebräisch ^\h^r\^ hethula ,die Jungfrau", die
unerschlossene Blüthe, oder als isländisch hitiir .es tagt'', der perhtac oder
Epiphaniastag, der kipurtitago , Geburtstag*, je nach dem Zusammenhange
der Zeichen, l/iii perd .Pferd* hängt das Zeichen in der Form m zusammen,
insofern der Einschnitt die Schulter des Reitthleres bedeutet, wie auch der
Einschnitt der Berge .Sattel* heisst. Grundbedeutung ist die Theilung,
die Scheide.
M kommt auch in der Form h ▼or, immer mit dem Namen chen oder
c^H, wogegen die verkehrte Form 4 con ist. Ist das letztere* das lateinische cu»;}t/5^
so ist cen das Vordere; beide einen sich in kinan „sich spalten, öffnen, keimen*,
X-iftd ist der Keim, der Sprosse, das Kind; M kann das nordische ginnhig ,das
Verlocken* sein, auch kam „das Hervorstehende*, der Schnabel, der Hand-
griff, das Kinn oder kinda .das Feuer*, \\ der Kien, der herausträufelnde
Saft, oder das Knie (das hervorstehende); femer ist M das nordische Arau/i, die
Beule, das Schwellende, das Weib, also dasselbe wie chofi, qino, griecliisch
yfjne .das Weib*. Demnach ist diese Rune je nach dem Zusammenhange der
Zeichen das Kind, das Erzeugte, wie der Mann, der Erzeuger, und das Weib.
Grundbedeutung ist .gähnen^, wonach V verwandt mit K ka ist, h schliesst
sich auch an das nordische h ur, hebräisch gatnal (Rücken) Kameel, griechisch
A gamein .heirathen*, das althebräische Zeichen A erinnert an das nordische
r latigr «der Saft*, dos Rinnende, das Meer, aber auch an die keimende
Pflanze und dadurch an Güa die Erde.
Das Wort ihoni, dhorn^ dorn ist mehrdeutig, indem es sowohl den
Stachel wie das Gebüsch bedeutet, beachtenswerth ist das venvandte dth-en,
türen .dauern*, zumal der Dorn auch Symbol des Schlafes und Todes war
(^.Srhlafdorn) ; das Bild der Rune DO wird wohl am besten durch das grie-
chische ihontyomai .sich begatten* (von Schlangen) erklärt; die Form scheint
wirklich Schlangen anzudeuten, wie die Hieroglyphe ^<^ für 8, wobei zu
beachten ist, dass DO das vierte Zeichen ist und die ägyptische Hieroglyphe
einer redupücirten Vier nicht unähnlich ist. Andere Formen der Rune, wie Mi
weisen auf die Thür hin, welche mit dem Zaun verwandt ist, indem derselbe
sowolil den Verschluss als die zu öffnende Stelle des Verschlusses bedeuten
138 Die vier ersten Runen.
soll, wie auch im Gebirge die Zäune durch die Wege gehen, an solchen Stellen
der Zaun also geöffnet oder überstiegen werden muss. Auch die Hieroglyphe
±tt scheint ein solcher Weg zu sein, und der Umstand, dass auch der Phallus
,Weg* bedeutet, setzt die Zweideutigkeit ausser Zweifel. Ist das griechische
Wort (leile , Mittagszeit* mit dem hebräischen Zeichennamen Daleth verwandt,
wie das deutsche ihoyth mit dem hebräischen Dt-jT darom , Mittagsgegend*, so
musste d die Mittagsrune sein, was jedoch nicht behinderte, dass sie auch
in anderen Stellen stehen und z. B. als Verschluss den Abend, den Westen,
als sich öffnende Thür den Morgen, als Mitte die Millemacht bedeuten
konnte.
Fassen wir die vier ersten Runen zusammen, so finden wir eine Über-
einstimmung mit der nordischen vieriheiligen Windrose, jedoch insbesondere
mit den zweiten Zeichen, nämlich:
n «r -Ä asc
+ 08 B Wr/7/i
Y kaun P rhen
i naut t>< thorn
insofeme Jt das Herabhängende, B das Getheilte, V das sich Erhebende
>^ das Verschliessende oder Jt asc der Mann, B hirith das Weib, M chrn das
Kind und t>^ die Nachkommen, die Wurmer (wie Kinder oft genannt werden)
sind; als Lebensstufen sind dagegen: Ä die kriechenden Kinder, B der
gedeihende Jüngling, U der kühne Mann, tx^ t]u)rn=f)ian der müde Greis;
wir haben bei den Nordrunen P als das Kind erkannt (und hierin liegt die
Ursache der Verschiedenheit in der Zeitrechnung bei den mit dem Abend
beginnenden Mondvölkem und bei den mit der Mitternacht beginnenden
Sonnenvölkem), und dem entsprechend sind die vier deutschen Runen auch
identisch mit der ersten nordischen Runenreihe, nämlich:
P Mann Kind A: Mann, Kind
> Weib Jüngling B Weib
^ Mann M Mann
* Greis X Grab.
A ist als asch das Herabhängende, die Asche, der Westen, das hebräische
up as ,das Bärengestirn*, der Sternenaufgang und der Herbst, B biriih als
Holde, Glänzende, die Nacht und der Schnee, V chen ist das sich Spalten, der
Oslcn und der Keim, t>< ist die Zeugung, die Hitze, der Sommer, also :
Viertheilige Windrosen.
139
B
V =*
Aber A^ ist als Baum, der Wind, der Winter, B ist das sich Spaltende,
die aus dem Meeresschaume, der auch weiss ist, aufsteigende Aphrodite;
|i ist als Mann der heisse Sommer und X das Grab, der Westen, der
Sonnenuntergang, die Ernte, daher
|i P P
M
B = *
> = *
n
femer ist -Ä die Zeit, wo die Erde sich mit Rasen bekleidet, die Weidezeit,
B die Blüthe, M oder h die Frucht, tx der Schluss, die Neuzeugung, daher
XI
|5=*
B
Wtllers ist A: als belaubter Baum der bärtige Mann, B die Fülle, die Ernte,
|i der unbelaubte Baum, der Winter und X die Öffnung, die ErölTnung der
SchitTfahrt, also
B
•N« *
Wir stellen zur bessern Übersicht hier nochmals diese verschiedenen
Bedeutungen zusammen:
140 Wechsel der Zeiten. Eho,
^ die Asche, die Nacht, Wind, Winter, Weidezeit, die Reife,
B das Glänzende, sich Spaltende, die Blüthe, die Ernte.
M das sich Spaltende, der Mann, die Frucht, der unbelaubte Baiun.
txidie Zeugung, das Grab, die Öffnung.
Ohne eine solche Vieldeutigkeit wäre es nie möglich gewesen, dass
die Zeitrunen zusammengeschoben und dadurch einzelne Runen in ihr Gegen-
theil verwandelt werden konnten ; ohne dieselbe wären die Ägypter nie auf
den Gedanken gekommen, ihre Monate durch alle Theile des Jahres laufen
zu lassen, indem sie 365 Tage zählten und den übrig bleibenden Vierteltag
stets dem folgenden Jahre zurechneten, so dass erst in 1460 Jahren der
Jahresanfang mit der Gestimsconstellation zusanunentraf. Hieraus ergiebt
sich, dass auch der Tagesanfang auf Morgen, Mittag, Abend und Mittemacht
fallen und der Jahresanfang mit der Sommer- oder Winter-Sonnenwende, oder
mit der Tag- und Nachtgleiche im Frühling oder Herbst anfrenommen
werden konnte.
Gehen wir weiter.
M ^'«0, ec ist verwandt mit altsächsisch ehu , Pferd*; auch mit alt-
sächsisch ec «ich*, lateinisch effo» Die Grundbedeutung liefert das griechische
Zeichen M, welches als« Sigma, hebräisch rtüDV §ikma , Schulter* bedeutet;
der Grundbegriff ist daher .Mitte, etwas Getheiltes*, so steht »ich* zwischen
,du* (ägyptisch ^•^ t die Hand, das Vordere) und »er*, der hinter mir ist;
so ist hebräisch nn a/ »Bruder* der Andere, der Verbündete, wie das
deutsche »Bruder* sagt, und thj« e/ad »einer* ist der Vordere (wegen des {/>
nn« a/th- »der Hintere*, wegen des r, denn a/ ist die Theilung oder die
Mitte, die Eig-enschafl; damit hängt auch das deutsche eha »Gesetz* zusam*
men, als etwas beide Theile Verpflichtendes (Verflechtendes), wie die Elbe.
M schliesst sich dem Sinne nach ganz an IX] in allen seinen Bedeutungen
an. So ist griechisch e/ma »das Hindemiss, die Schutzwehr*, und mit abge*
worfenem e /eö »ich entströme*, /Hön »der Leibrock*, /iön »der Schnee*,
und zwar die Schneeflocke; M ist femer verwandt mit h ur dem Himmels«
bogen, wovon eha »die Unendlichkeit* herkommt, es ist endlich die Gewitter-
wolke mit ihren Blitzen, wovon ägis, der Schild der Pallas Athene, herstammt
In dem Namen fech begegnen sich zwei Begriffe, nämUch vthe , Feind*
Schaft* und feh »bunt*, dem Worte gifeh »feindlich* steht gifehan ,sich
(reuen* gegenüber, und diese Begriffe dürften in dem Zeichen? ihre Grün dla^
Fech. Gibit. 141
iialvcn, denn ist P ein Gesicht, so ist F die vor das Gesicht erhobene Hand,
tirohend oder verdeckend, wohl auch lockend, und dann wäre es die fei, feie,
fhit ,die Zauberin, Verlockcrin"; das sind die Hieroglyphen: M, hieratisch
W, np, hieratisch jjK, ctS hieratisch ^ (das moabitische -^i), Ja), hiera-
tisch (!^, ^^ hieratisch ^, woran sich noch ^, hieratisch JP/o »tragen,
arbeiten*, griechisch pherö »ich trage, erdulde* anschliesst; doch scheint ctS,
griechisch ^?Äö(7«;i »essen*, verwandt mit psyche »Hauch, Athem, Seele*,
v:o\on jfsychos »Kälte* und phetiie, phama »Stimme", das Nächstliegende zu
sein, denn auch/<n> ist der Hauch, der Geist, insbesondere der Nebel, und
unter /«'/i »bunt* verstand man die weissen, schwarz untermischten Hermelin
feile, das Zeichen der Fürsten; dem entspricht auch das hebräische nc^e/i
,Mund*. In den nordischen Runen haben wir P als Rune des Winters
betrachtet; als Rune des Ostens ist sie die rosenfingerige Eos, hinter deren
Rosenfuigem sich die Sonne verbirgt, das Morgenroth; als Rune des Südens
gemahnt sie an den Schild, der vor der Sonne stehe, damit ihre Gluth nicht
«He Erde verbrenne, an den Aegisschild, dessen Schlangen nicht nur die
fiÜtze, sondern auch die Sonnenstrahlen sind; als Rune des Westens ist sie
ÖAS Abendroth, die winkende, verlockende Sonne, das fatum, fei(/i, d. h. »dem
Tode bestimmt*, immer der flimmernde Sonnen- oder Mondstrahl, im Osten
und Westen auch das Zwielicht. Zu beachten ist auch, dass/eA als Wasser
iler Spiegel der Venus ist, d. i. der Spiegel im allgemeinen, da das Wasser
Alles widerspiegelt, ebenso das Eis und das Eisen, wobei man insbesondere
an isländisch faegia »glätten, poliren* denkt, denn nur der poHrte Schild
gestaltete sich zum Spiegel. Hiermit dürfte auch das lateinische figura
<, Gestalt* zusammenhängen.
X 'jfffn oder geno ist verwandt mit cJietcd »der Rachen*, kittsan »kosten*,
altnordisch kiur , auserwählt '^, durch fji/eh schliesst es sich an das vorige an,
do'h ist hier gi nicht Stamm; an den Rachen schliesst sich kiben »keifen,
z.4nken*, kiffen »kauen, beissen*, giß . Geifer, Gift* aber auch »Gabe,
Geschenk*; Gift und Gabe vermittelt kip »Leidenschaft*, kebis, kebes, kebse
das , Kebsweib*, hebt-äisch DJ gani »Vermehrung*, griechisch gam^ »ich
heirathe*, kaimema, mbatio verwandt mit Cttpido, beachtenswerlh ist auch kylfjs
,der sechsseitige Würfel*, allerdings ein abgeleitetes W^orl, aber für unsere
sechslheilige Rune sehr zutreffend. Vergleichen wir X mit F, so ist dieses
die verdeckte, X die glänzende Sonne, F die sich neigende, X die den
142
Hagale, AchtUieilige Windrose.
Horizont durchschneidende Sonne, sowohl am Morgen , wie am Abend, die
Sonne am Mittag und der Stern der Nacht, die Zeugung; war F die auf-
springende Knospe, so ist X die entfaltete BiCtthe.
X fiogale ist der Gegensatz des vorigen, der Hagel, Schneestem, bild-
lich: Unglück, der hagasialt «der Hagestolz*, lateinisch caelebs .der Unbe-
weibte", obgleich auch h^H akai .essen* mit chitisan „kosten* zusanunen-
trifft; an den Hagel reiht sich in Bezug auf die Schönheit das griechische
agoilis .die Schwertlilie*, verwandt mit der Ackelei, aber auch a/lgs «das
Dunkel, die Todesnacht*, worauf auch die Variante |^ hinweist.
Wir können jetzt die viertheilige Windrose zur achttheiligen ergänzen:
A
A
M
txi
danach wäre A der Anfang des Tages, B d^r Glanz, das Morgenrolh, p die
aufgehende Sonne (im Mittel), X der Vormittag, M der Mittag, F die sich
neigende Sonne, X der Sonnenuntergang, X die Nacht und als Jahreszeiten:
A der Winter, B die Zeit des Thauens, M die Zeit der Knospen, DO die Zeit
der Blöthen, M die heisse Zeit, V die Zeit der berstenden Fruchte (die Reife),
X die Zeit der Ernte, der Beraubung der Bäume, X die fruchtlose Zeit, oder
X
X
M
\
^
B
XI
A die Morgonröthe, B der Osten, die aufgehende Sonne, K die Erhebung
der Sonne, DO die Mittagszeit, M der Rücken, die Neigung, F die unter-
gehende Sonne, X die Schlafenzeil, X die Mitternacht oder A die Zeit des
Thauens, B die Ackerbereitung, V die Knospenzeit, tx die BlQthezeit, M die
Zeit der Reife, wo sich die Aste biegen, F die Zeit der Fechsung, X die Zeil
der Fülle, X die leere Winterszeil; ferner A der Sonntag, B der Montag
His. Lagu, 143
y der Zistac Dienstag, t>*^ Mittwoch, M der Donnerstag (M als Himmel), F
der Freitag (der Göttin der Liebe), X der Sonnabend.
Die Rune J his trifft, ihrer Stellung nach, genau mit der Rune I is
der nordischen 16theiligen Windrose zusammen, in beiden Reihen ist sie
das neunte Zeichen :
fe ur thurs os reid laun hctgl naud is
A Q MDOMFXXJ
asch birith chen thorn os fehc gihu hagcde is
In der nordischen Windrose fiel das Zeichen I auf die zwölfte Stunde
des Mittags, dem entspricht J his als ,heiss' und diu heize snuor als
Äqualorlinie, damit stimmt auch das griechische isos , gleich' zusammen;
auch das hebräische m az «Zeit* dürfte damit verwandt sein. Das Bild 1 selbst
erinnert an die Säule als Symbol der Sonne; der Haken, welcher sich in
unserem consonantischen j erhalten hat, scheint das Ergiessen des Sonnen-
strahles anzudeuten.
An J lehnt sich JU gilch als gilth »gleich* (nach allen Seiten gleich),
ferner an gibu und hagale als gilge »Lilie*, geliicke «Glück*, chilichä, chilchä,
i/iinoS (lateinisch circus) «Mittelpunkt, um den sich etwas sammelt*, die Kirche
oder das Heiligthum des Gottes, welches im Mittelpunkte der Stadt und des
Landes angelegt wurde. An den Begriff «heiss* schliesst sich das griechische
fßuiUdon «Schmiedekunst*, chalkos «Bronze* (gemischtes, verschmolzenes
Metall), chalkeos «Erz, Kupfer*; die Rune ist auch kalgoy galga «Gestell am
Ziehbrunnen, um den Eimer aufzuhängen*, hebräisch M^ gilgal «Rad*,
ij^ilgal «Wirbelwind*, welcher letztere sich an is «Eis* anschliesst; endlich
ist es call' »Kalk*, die aufbrausende Erde, der Meerschaum, aus welchem die
Aphrodite entstand (daher die auf Eis folgende Ostrune) und calx «die Ferse*
(welche vom Todespfeil verwundet wird, daher die auf heiss folgende Tagrune).
h !agu heisst «See, Meer*, wahrscheinlich war diese Rune ein Symbol
wie die Hieroglyphe (1, hieratisch 9v, welche als kb sowohl , heiss* als «kühl*
bedeutet, sie deutet hier wohl auf die Gewitter in der heissen Zeit hin (in den
nordischen Runen fand sie eine spätere Stellung) und dann wäre sie verwandt
mit griechisch lagtieia «Wollust*; sie entspricht auch der Hieroglyphe R,
welche sowohl ein Wasserstrahl (/aM^r=See), als der Schwanz Unh, als
solches steht es im Königstitel «der Erlauchte*) und die dürre Pllunze sein
14.4. Man. Xot. Oihil.
kann; an das letztere reihen sich laggan, lekkan flecken* (die den Hegea
gierig einsaugende Pflanze), lecker , gutschmeckend*, hckari »Schmarotzer,
sittenloser Mensch*; ist das Symbol des letztem die heraushängende Zunge^
so ist h verwandt mit lachinon »besprechen*, lachenaere »Besprecher, Arzt*,
wie auch M sneb lateinisch sanus »gesund* bedeutet, endlich ist es als
lachelkh »lächerlich* derLoki, der alle Götter, selbst die finstere Skadhi zum
Lachen bringt; Jei, leik »das Spiel*.
Cxi man ist hier, wie im nordischen Futhork, die zwölfte Rune, in der
sechzehntheiligen Windrose steht sie der vierten DO thorti gerade gegenüber,
wie auch h der Rune \i. Man ist »Mann im gereiften Alter, Ehemann,
Mensch im Allgemeinen*, das chinesisch min »Volk*, hebräisch n:2 mana
»zählen* (des Volkes), althochdeutsch manaji »Menge*, davon minnir
»minder*, lateinisch minor; manag »viel* in manag/alt »mannigfaltig*. Die
Grundbedeutung ist das ägyptische tna »gleich sein*, welches durch Auslaut
und Flexion major »grösser* und minor »kleiner* vrird, aus »Gleichem*
bildet sich die Verbindung: fni;j;ia, Liebe*, sowie das Sehnen, manon »mahnen*
die Erregung, welche zum griechischen manteia »wahrsagen* und mania
»Wahnsinn* führt. ><1 dürfte sich von DO unterscheiden wie der Schluss
von der Öffnung, der Eingang vom Ausgang, der Tod vom Leben, auf den
Tod deutet das lateinische manes »die Seelen Verstorbener*, ursprünglich
wohl der todte Körper und die Leiche.
X not ist, wie das Zeichen lehrt, ch-nod-o, ki-noth-o »der Knoten^.
gi-nöte »das Beengende, Zuschnürende*, not »die Noth, der Kampf, der
Zwang, die Verbindung*, wovon gi-nöz »Genosse*, das gi-mizzen »gemessen*
abstammt, wie not-diintft »Lebensunterhalt* andererseits die Natumothwen-
di^keit ist, es ist ferner die naht-s »die Nacht* von nah »nahe, nach*, wie
auch nahts der Tag vor den Festen ist, die tcihen piaJiien »Weihnachten*.
fv othil ist nur eine Variante von -Ä; mit ^ schloss eine 13theilige
Reihe ab, welche in Europa und Asien vergessen ist, sich aber in den
13 Abtheilungen des mexikanischen Zeitkreises und in den 1? Tagesstunden
der Mexikaner erhalten hat. Das 23theilige Abece der Markomannen scheint
aus der Zusammenfügung von 13 und 10 Zeichen entstanden zu sein, von
welchen letzteren die drei ersten othil, perch, chon den drei Anfangsrunen
asch,, hirith oder heric, chen auch lautlich entsprechen. Wir haben hier vorzugs-
weise die Unterscheidungen in's Auge zu fassen.
Pen, Chon. 145
War ose die Esche, der Baum im allgemeinen, so dürfte othü mit der
«Weide* verwandt sein, denn auch diese bedeutet Baum im allgemeinen:
runisch tit^ur. isländisch vidr ,Baum, Wald', uidi, isländisch t^uifr , Weide',
verwandt mit vi8r^ althochdeutsch toetar , Wetter, wehen"; ist iisc verwandt
mit aha , Wasser, Fluss*, so mahnt es wohl an die Weide an den Flüssen;
aber es ist doch mehr der achar .Acker*, d. i. der wasserreiche Boden, der
durchfurcht wird, während othü die Weide, der jungfräuliche Erdboden ist,
der keines Menschen Hufe bedarf, d. i. die ursprüngliche Erde, woraus der
BegrifT des Ursprungs, das Vaterland, die Heimat, gebildet wurde. Beachtens-
werth ist, dass ^ an der Stelle steht, wo im nordischen Futhork h laugr
«die Heimkehr der Schiffer* seinen Platz hat, hierzu passt othü »Vaterland*,
namentlich wenn es ^, hieratisch T, uotä^=mu8iry muoiar „die Mutter*
(Kri^^mhildens) und uisler ,der Westen*, von vist .Aufenthalt, Ruhe* ist.
Auf die Heimkehr folgt perc ,die Bergung der Güter*, das herihten
«Ordnen* der Angelegenheiten, wohl auch der Bericht, die Erzählung der
Reiseabenteuer; die Ähnlichkeit von ^ othü und R perc lässt letzteres als
tA, hieratisch J\ .Ruhe, Vorfahren* erscheinen; die Variante J^ ist die
hieratische Form jjP^ Ä »nennen, lesen* (erzählen?), womit ^, die hiera-
tische Form für 9 sm »Ohr*, verwandt scheint, wie dieses mit unserer Rune
pij^ perc, zumal sm wie perd »Pferd*, d. i. das sausende Thier (hebräisch "no
^trred »Maulthier*, das schnelle) bedeutet, das Symbol des Windes, wie um
diese Zeit die Herbststürme die SchifTfahrt gerährlich machen und die Thiere
von der Weide in den Pferch zu treiben nöthigen. Das hebräische riTno pern'
doih »Saatkörner*, von '^'\^ parad »ausbreiten, ausstreuen*, weist auf die
Saat und sowohl die Frühlings- wie Wintersaat hin, und fQr den Frühling
giebt es auch den BegrifT des Gegentheils der Heimkehr, die Zerstreuung in
die Lander, die Ausfahrt der Schiffer.
Der Rune M chon sind in einem Manuscripte die Lautwerthe q d bci-
^r^'^ohrieben, und in der That ist ^ ein Zeichen, welches in einem gothisdien
Uncialfu/)ark dem Zeichen ^ (d) beigesetzt wurde, in einem Cursivfu/Jark
so^ar statt des letztem vorkommt; hiermit dürfte die Variante d ^r thom
zusammenhängen. M und M beruhen wohl beide auf der Form Y, nur ist M
das Vordcrtheil, V das Hintertheil (das Kind auf dem Rücken?); ch/me heisst
«kühn*, aber auch chone, qino »Weib*, dass Weib und Furchtsamkeit nicht
immer identisch sind, beweist mmtherj welches mit »Muth* und »Gemüth*«
rsoliDAan, G«ieluehU d. Schrift. IQ
146 /ieJtit, SuhiL Tae.
allerdings aber auch mit tnuwt , Nahrung* und tnus .Maus*, das sich
bergende Thier, verwandt ist Mit dem Begiiff , hinten*' ist die Hieroglyphe
^^, hieratisch ^ «der Sitzende, das Kind* verwandt, obgleich diese Hiero-
glyphe «vom und hinten* bedeutet, denn Harpokrates ist der Anfang wie
das Ende; durch das griechische kania p Staub* ist dum mit asea .Asche*
verwandt, wie mit dem Ackerbauer Adam, der aus Staub gebildet ward; hier
fragt es sich, ist vieUeicht Derjenige .kühn*, der einen sichern Hinterhalt
hat? oder hängt es mit der Stärke der Schenkel zusanmien, wie auch Mars
stets mit starken Schenkeln abgebildet wurde? Jedenfalls weist die Rune V
auf die Hinterseite hin.
Wir haben bis jetzt einen Cyclus von 15, resp. 16 Zeichen, welcher
den nordischen Runen begrifflich entspricht; der deutsche Zeichenkreis
ist aber über den nordischen hinausgewachsen, und zwar dadurch, dass zu
einer Runenreihe von 13 Zeichen eine verwandte von 10 Zeichen hinzu-
gefügt wurde ; von diesen letzteren haben wir o, p, c den ersten a, b, c ent-
sprechend gefunden, die folgenden drei : R rehit, M suhä, 'f tac, schliessen sich
ihrem Lautwerthe nach an die drei letzten Zeichen des hebräischen Alphabets
an: *i resch, v sin, n tau, die letzten scheinen eine Wiederholung zu sein,
nämlich u = r, x=8, 2=ty wobei ^ und Y sich zu z neigten; auch mit dem
letzten Theile der nordischen Runen: ar, sol, iyr, biÖrk,lago, man, yr,
zeigen die deutschen Runen : rehit, suhil, iw, hur, hdahe^ hujfri, ziu,
eine Übereinstimmung, welche, sowie die Vergleichung der vorigen Zeichen,
klar beweist, dass die Zeichen stets durch Variation vermehrt und bei Ver-
mehrung der Zeichenreihen die Varianten entlehnt wurden,
R relüt durfte verwandt mit reht .Recht* sein, altnordisch regin .die
Richtenden, die Götter*, althochdeutsch ^'ahha .Rache*, also das Todten-
gericht; die Figur R ist bereits wiederholt erörtert, sie ist der Kinnbart, den
sich Ägyptens Könige anklebten.
y suhü ist verwandt mit V chon, hier wohl sw^ien .siechen*, sücMige
.krank*, das Zeichen scheint auch eine bucklige, gekrümmte Person vorzu-
stellen.
^ toc ist die gerichtliche Verhandlung, tagadinc, mu rMt verwandt;
auch mit dem griechischen iyche .Schicksal*, das Todeslos, das Zeichen ist
der Todtenpfeil, wohl auch der Heerpfeil, der im Lande umhergesendet wurde,
um die Mannen aufzubieten.
üur. Heiahe. 147
|\ hur, das nordische H ur, ist altnordisch hur »Feuer*, auch althoch-
deutsch hurt »die Hürde, die Thür*, wahrscheinlich die Nachtwache, weil
isl&ndisch hyrd «Schutz, Wache" heisst; vielleicht hängt auch das mittel-
hochdeutsche hüren »kauern* damit zusammen; als Feuer dürfte das Zeichen
eine Fackel sein.
fll hdahe dürfte mit hdan »verbergen, verhehlen' zusammenhängen
und die Hd bedeuten, wie auch heilag »heilig* der blaue Himmel ist, dessen
Ätherlicht unabhängig von Sdnne und Mond ist, die heile, d. h. unverletzte,
ewige Jungfrau, das Zeichen ist wie das nordische A yr »die Unterwelt, das
Untere* (der Weiberrock), ägyptisch H ^r=W.
Hiermit schliesst das eigentliche Abece ab, denn die beiden folgenden
Runen sind offenbar Schaltzeichen. 7 huyri lehnt sich an J\ hur an und ist
wahrscheinlich das lateinische hora die Zeit, der Kreislauf des Jahres, die
Sonne, die Liebe, deren Priesterinnen im Alterthum die Länder durch-
schweiflen und sich an Jeden vermietheten (hureti »miethen*), der Gefallen
an ihnen fand. Das Seitenstück zu 7 Auyrt ist der Lichtgott ^ zius, die
männliche Sonne, hebräisch i^r ziu »Glanz*, das Stammwort von Zeus, Deus
U. 8. W.
Betrachten wir nun das Abece als Ganzes, so sind a, h, e, d unzweifel-
haft in diesem Zeitkreise die Kunen des Morgens und des Frühjahrs, wie die
nordischen /> u, ih, o; /, g, h, t, k, l die Runen des Vormittags und der
Blüthezeit, wie die nordischen r, k, h, n; die Runen m, n, o, p, q die Runen
des Nachmittags und der Erntezeit, vne die nordischen i, a, s, i; und die
Runen r, $, t, y, x, y, z sind, vne wir oben gesehen haben, die Runen der
Abendzeit, der Nacht und des Herbstes; nur eine künstliche Änderung konnte
die ursprungliche Nordrune zur Abendrune gestalten.
Wenn nun Tacitus^^ von den Deutschen behauptete, sie hätten die
Zeitrechnung mit der Nacht, als der Vorgängerin des Tages begonnen, und
sie sonderten das Jahr nur in Winter, Frühling und Sommer, welche bei
Omen Begriff und Bedeutung gehabt, wogegen sie weder den Herbst noch
seine Gaben gekannt hätten, so mag diess für jene Stämme gelten, welche die
ägyptische Isis verehrten, aber nicht für alle, denn das deutsche Wort herhist^
haryist hängt mit dem griechischen karpos »die Ernte* zusammen» kann also
nicht von den R6mem entlehnt sein, und wann sollten die wilden Baum*
fruchte fnach Tacitus scheint es und jedenfalls mit Unrecht, als hätlen die
10'
1 i8 Verschiede uheit der deutschen Stimme.
Deutschen das- Getreide nur des Bieres wegen gebaut) anders gepflückt worden
sein als im Herbste? Tacitus ist hier so ungenau, wie dort, wo er sagt,
Deutschland sei mit fmsteren Wäldern oder mit wüsten Sumpfen bedeckt
gewesen, während er an anderer Stelle selbst den Getreidebau erwähnt
Was nun die drei Jahreszeiten betrifft, so dürften diese in dem drei-
theiligen Abece desGod. Vindob. 6i. dessen jeder Theil 7 Runen hat, enthalten
sein, oder auch in den 15 Runen des Cod. Vindob. 828 und des Lazius;
aber das viertheilige Abece beruhte sicher auf 4 Jahreszeiten. In dem drei-
theiligen sind / und g zum Frühjahr gezogen, aber g hat nicht die Form der
Blüthe ^, sondern das kalte yC, die Winter-Runen sind dieselben wie bei
dem Yierthciligen, nur ist p dazugezogen.
Aus diesen verschiedenen Alphabeten von 21, 22 und 23 Zeichen gelit
offenbar hervor, dass die Völker, welche Germaniens Boden bewohnten, eine
verschiedene Eintheilung der Zeit hatten und wohl auch sehr verschiedenen
Ursprungs waren; gesteht doch Tacitus selbst zu, dass die Sueven, weldie
wie die Araber und Mongolen das Haar zurückkämmten und in einen Zopf
vereinigten, aus verschiedenen Völkerschaften bestanden,** und waren die
Chauken, »welche die Grösse ihres Volkes lieber durch Grerechtigkeit erhalten
wollten*, und daher keine Raub- und Plünderungszüge unternahmen, nichtsehr
verschieden von den nomadischen Kriegern der Chatten, von denen «keiner
Haus, Hof oder ein Geschäft* hatte und die nur von Krieg und Gastfreund-
schaft lebten? Wenn die zunächst am Rhein wohnenden auch ,Wein xu
behandeln* wussten,*' so mussten sie von milden Ländern eingewandert sein
und die Bereitung des Bieres tlieilten die Deutschen mit den Ägyptern. Es
kann kein Zweifel sein, dass die Deutschen des Tacitus mit den unwirschen
blauen Augen, dem röthlichen Haar und grossen Wuchs dasselbe Volk sind,
welches wir auf den Bildern der Ägypter als ihre Hilfstruppen oder Feinde
finden, und der künstliche Kinnbart, den sich die bartlosen ägyptischen Roth-
häute anklebten, erinnert (wie oben bemerkt) an die Rune ^ , die bei allen
nordeuropäischen Völkern vorkommt, wie auch der Kinnbart noch jetzt vo^
zugsweise bei Deutschen und Franzosen zu finden ist.
Noch grösser musste die Kluft zwischen diesen. Völkern und jenen
gewesen sein, welche wie die Angelsachsen, der grösste Theil der Gothen,
dann dieSchweden und Normanen, sich des Futhorks bedienten: die Rune auch
war, wie erwähnt, das Sternbild des Bären, also Symbol der Nacht, die Rune
Kalender- Geschichten. 149
ft war die Sonne, freyr; das Abece war das Mondjahr, das Futbork das
Sonnen jähr; das Sonnenjahr entstand im Norden, das Mondjahr im Süden
und insbesondere ist es die Bibel, welche uns mehrfach Aufschlüsse über das
letztere giebt. Im Süden und selbst noch zwischen dem 30. und 40. Breitegradei
welcher Europa nur in seinen Südspitzen berührt, ist der Wechsel der Jahres-
zeiten weniger zu bemerken als im Norden, hier ist der Gang der Sonne ein
viel gleichmässiger und sie bot wenig Anlass zur Zeitrechnung, hier boten
die Phasen des Mondes einen um so bessern Anhaltspunkt, als der den
grössten Theil des Jahres heitere Himmel mit seinen hell strahlenden Sternen
Orientirungspunkte bot, welche wir noch in den Thierkreiszeichen und in den
Mondstationen kennen. Dass die Sternkunde uralt ist, beweist das Buch Hiob,
in welchem schon das Bärengestirn vv ai erwähnt wird, der Woche ist in
der Schöpfungsgeschichte ein eigenes Lied gewidmet, auf welches wir noch
eingehen werden; der Nacht (apj; eqd) ,das Ende") ist in der Mythe von
22r yaakob eine Genealogie gewidmet, aus welcher hervorgeht, dass dieselbe
ursprünglich nur 10 Theile oder Sohne hatte, welche sich allmählich auf 12
itrmehrlen; merkwürdig ist, dass die Zwölfzahl erst im ionischen Alphabet
aus^'eprägt wurde und dem gothisch- angelsächsischen Futhork zu Grunde
(lept, während die Eilfzahl dem 22theiligen hebräischv^n Alphabet wie dem
uiarkomannischen zu Grunde liegt, obwohl sie auch in 12 -h 10 m diesem
ebenso enthalten sein dürfte, wie die Chinesen aus der 10- und 12theiligen
ZifTcrnreihe ihren GOtheiligen Cyclus gebildet haben.
KALENDER - GESCHICHTEN.
Seit die Menschen an der Hand der Zahlen denken lernten, beschäftigte
sich dieses ihr Denken, sofern es nicht von den Nahrungssorgen eingenommen
war, mit dem Ursprünge der Dinge, und aus diesem Denken entstand die
Religion. Im Grunde besteht in dieser Richtung zwischen den ältesten und
jüngsten Anschauungen kein Unterschied; das Chaos der Griechen wie das
Kke der Chinesen ist der Stoff der Materialisten, der Eros der Griechen wie
das Li der Chinesen (sie können kein r aussprechen) die Kraft; indem die
Kraft den Stoff bewegte, sonderten sich die gröberen Theile des Stoffes von
df^n feineren oder ballte sich der SlofT an einzelnen Stellen zu Körpern
zusammen, und diess war die Erde, während Eros oder Li die Luft blieb. Die
1 50 Schöpfungsgeschichte.
Luft wurde aufgefasst als Geist, Hauch, Gott, Mann, die Erde als Körper and
Weib; andererseits wurde die Erde als fester Körper als Mann und der
Himmel als weicher Stoff als Weib betrachtet, zumal das Weib als GebSrenn
sich durch den ihr innewohnenden Geist befruchten konnte; endlich erhob sich
als dritte Potenz das Kind, welches die Erde oder die Sonne war, und dani»
wurden Mann und Weib der Himmel und es entstanden männliche und weib-
liche Götter. Es lässt sich aus diesen Gesichtspunkten sehr einfach die Ein-
heit und die Vielheit der Religionen erklären, wir brauchen aber umsoweniger
hier darauf einzugehen, als wir diese Verhältnisse bereits bei den Ur-Runen
besprochen haben, und es sich hier nur mehr darum handelt, von der Vierzahl
an die Entwicklung weiter zu verfolgen.
Die nächste Stufe war die Woche mit ihren sieben Theilen, und ihrer
Erklärung ist jenes Gedicht gewidmet, welches den Anfang der Bibel bildet :
die Schöpfungsgeschichte; sie hängt innig mit unserer Woche zusammen,
welche sogar den Gedanken noch klarer erkennen lässt:
Sonntag: Mann Mittwoch: Donnerstag: Thor, Mann.
Montag: Weib Zwitter Freitag: Freya, Weib.
Dienstag: Kind, geschlechtslos Sonnabend geschlechtslos.
Die Juden kannten keinen Mittwoch, nach ihrer Schöpfungsgeschichte
waren die Tage
1 . Erschaffung dos Lichtes : Mann 4. Erschaffung der Lichter
2.9, Himmels : Weib 5. ^ des Lebens der Luft und
im Wasser
3. „ der Erde: Kind 6. . des Lebens auf der Erde
7. Ruhetag: zeugungslos.
Die deutsche Anschauung ist die ältere, denn am vierten Tage schuf Gott
die Lichter, „um zu theilen* die Zeiten, die Tage und Jahre, das ist aber der
Mittwoch, die Mitlernacht, der Mittag u. s. w. Der Gott der Theilung war der
Merkur, welchen die Deutschen besonders verehrten, noch bevor der Freitag
und dann der Sonntag der heilige Tag wurde. Setzen wir daher in der bibli-
schen Schöpfungsgeschichte den vierten Tag in die Mitte, so verhalten sich
der fünfte und sechste Tag kreuzend zum ersten und zweiten, nämlich:
1. Licht: Mann 4. Theilung 5. Himmel: Mann
2. Himmel: Weib 6. Erde: Weib
3. Erde: Kind 7. Ruhe: geschlechtslos.
Der erste Tag. 1 5 ^
%Iso getreu der oben entwickelten Anschauung, dass Himmel und Erde bald
männlich, bald weiblich betrachtet wurden.
Wir könnten uns mit dieser Aufklärung begnügen, wenn nicht die
Einzelheiten dieser Mythen ein helles Licht auf die Zeichen würfen, wenn
nicht die Nachweisung erspriesslich wäre, dass dieselben sogar auf den
Zeichen aufgebaut ist, weil diess wiederum den Beweis liefert, dass die Sprache
sich an der Schrift emporrankte. Vor allen Dingen muss man sich aber
darüber klar ^ein, dass die Sprache nicht auf einmal entstand, dass es zuerst
nur Substantiva gab oder vielmehr BegrifTswörter, welche wie die flexions-
losen chinesischen Wörter Substantiva, Adjectiva und Verba zugleich waren;
•lie Bindemittel derselben, die Artikel, Fürwörter u. dgl., entstanden erst in
spaterer Zeit, gleichwie die Cyclopen ihre Mauern anfangs ohne Mörtel auf- '
führten tmd die Steine unverbunden übereinander legten. So bestand die
bibli>ehe Schöpfungsmythe ursprünglich aus den Zeichen, an welche eine
Reihe von synonymen Wörtern angeknüpft wurde, z. B. im ersten Verse:
4: en ros »Haupt, Anfang«, («)ia bar(a) , schaffen*, (rt^H el(oh) »Gott*^
•cMar Ham(aim) , Himmel*, pC«) ((t)re$ »Erde*, (nn^n hay(tho) »sein**,
r>nr. tohm) »wüste*, <i)na boh(u) »leer*, iyvn /a^f'ek) »finster*, hp al »auf*»,
<•):© pnrr) »Angesicht«, CDi)nn t^(om) »Tiefe*, ndh r(u)a/ »Geist*,
• ro>r^<3> (me)raj((ep1\eth) »schwebte«, (DVO mai(m) »Wasser*, no^K) (a)mer
, sprach«, -ih)» ar »Licht«, mO» (ya)ra »sah*, a('i)tD t(o)b »gut*, 6n20>
fifa)h(ifii) »schied*, («)ip(»> (yi)qr(a) »nannte*, diO) (y)(m »Tag*, wh(^)^
la(i)Ui »Nacht«, aVp» - (a>ip ereb »Abend«, ipfa) - (n)pa boqer »Morgen«
♦•f)nn - '^in) a/ad »eins«.
D. h. 4^ bedeutet: Haupt, Anfang, schaffen, Gott, Himmel, Erde (sowie
Himmel und Erde vereinigt), sein, wüste, leer, finster, auf, Angesicht, Tiefe,
Geist, schweben, Wasser, sprechen, Licht, sehen, gut, scheiden, nennen
(rufen), Tag, Nacht (sowie Tag und Nacht vereinigt). Abend, Morgen, eins.
Diess liegt schon in der Natur des Zeichens; dasselbe besteht aus <
und I, d. i. der Winkel und der Pfahl, aus < und I wurde auch A gebildet,
•omil ist A gleich ^; < ist femer gleich ^ jetzt a b, I ist gleich 1 jetzt
3 gx daher ist 4- sowohl das Chaos A als die Schöpfung. Wir können dieses
an den ägyptischen Hieroglyphen genau beobachten.
q|v oder ^ ra ist die 15-blällrige (man denke an das 15-thpilige
Alphabet) Reivaspflanze, aus der die Menschen nach der persischen Säte
1 52 _ Der erste Tag.
entstanden sind,*® \i/' ap-mpi »Jahresanfang*, dieses letztere ist aber
wohl dasselbe wie 1 ; n,^ ap ist der Anfang und auch das Haupt H, der
Kopf zwischen den Schultern, wie ^s^ das sich Theilende, auch die Schultern
sind, ^" ist der die Erde durchbohrende Pflug "^o, ü^ar 1 ist das beiderlei
Geschlecht, der Vornehme, das Auge, der Löwe, das Ei; also sowohl die
Kraft wie die Frucht und die Grösse, sm ist das brausende Pferd, das Ohr 9
hieratisch ^, rs ist das oben erwähnte Reis, im Ägyptischen ist sm ebenfalls
Symbol der Erde, da es das Feld II I bedeutet (aber auch die blitzes-
schwangere Wolke sein kann, denni ist sowohl die Pflanze wie das glänzende
Eisen), /% ist der Himmel r— ^ in n , ^ per-a (=]^a?) die hohe Pforte, der
Pharao, pater patriae; th ist der Obelisk ■ als Symbol der schaffenden Erde,
wegen seines Gestelles ^ 1 » als Stein ,wüst*, bh ist das Gegentheil nämlich
der Wasserbecken '^«^', das öde Meer, aber zugleich als Frauenbrusl Symbol
der Fülle; auch das Wasserbecken vereinigt beide Elemente, denn das Wasser
ist von der Erde oder dem irdenen Topfe eingeschlossen; ;^^= ägyptisch Atj
ist der Tod '-■i* hieratisch ^ der Mensch im Mutterschosse der Erde, al=ar
ist -«►* sehen, das Auge, das Obere, wie wir auch , aufmerken, aufschauen*
gebrauchen, das Angesicht, bn ist im Ägyptischen die Wurzel t in der Blrde,
wie der Augapfel in der Höhle, th ist der ^ Wasservogel, der Taucher, der
in die Tiefe sich senkt, r^ ist ^jj? der Sturmwind, der Vogel Rock, überhaupt
der Vogel, der über der Erde „schwebt*, mm »Wasser* ist auch die Kanne |f ,
mr »sprechen*, reduplicirt in murmeln ist sowohl die Hacke %Ä«^ wie das
rauschende Meer i^k und der Augapfel in der Augenhöhle; ar ist dasselbe,
nämlich der Blick, das Licht des Auges, aber auch ^^ r die leere, weisse
Augenhöhle, der klare Nachlhimmel, vom -<s>^ Auge kommt «i ra »sehen*,
tp »das Haupt* H ist »gut* im Gegensatz zur Höhle ^> jn ra »schlecht*.
bt J der Bohrer ist das Theilende, wie p-^ pt der Himmel, die krystallene
Scheidewand zwischen den Wassern über und unter der Veste, qr ist ;^*^
die Quelle, daher auch der Laut, der aus dem Munde kommt (unser krähen,
girren, kichern, kiren, knurren), am ist ägyptisch /K am das ausstrahlende
Licht, U = rr ^=> das Zusammengezogene, das Innere, die Eingeweide, auch
^^ die Nacht; rb ist \^ die Harpie, die die Sonne verschlingende Finster-
niss, dagegen bk -^ die die Sonne gebärende Nacht, der Morgen, /i ist der
Zweig '^»■^ a/ '^ der Hals, beide Theile des Ganzen. Alle diese Zeichen
berulien auf ^^ auf | oder i und auf 4^
Der zweite, dritte und vierte Tag. 153
In derselben Weise wird ^ heth erklärt als, rp") fvqf/a, d. i. die Scheide
(Hymen) zugleich als o^ ^, das Zahlwort Sn «zwei*, daher ist ^ auch n*2
baith das (verschlossene) Haus, {ca beteti .der Mullerleib«, na 6afÄ »die
Tochter, die Jungfrau*, d. i. der Himmel, welcher von Anfang an war, dann
speciell der heitere Himmel, der noch nicht von der heissen Sonne erregt
und mit Wolken erfüllt ist, die als fruchtbare Regen sich auf die Erde
ergiessen; wolü auch der Winterhimmel mit seinen dünnen Schneeflocken.
i ffimfl wird erklärt Absonderung der Erde, d. i. A unser Giebel, oder
ä^'ptisch ^^ qn .der Winkel«, sie theilt sich in das Meer ^/n und in die
Erde (i rs ist pp eres), aus welcher Pflanzen hervoi^ehen, die das Wasser
einsaugen, damit das Trocknen | km hervortritt. Die Zahl Drei hebräisch
vhv .saloS bedeutet , Nachkommen. Sprossen«.
A daleth wird erklärt als Lichter (-^^^ Auge) und als Theilung der
Zeiten, auch als Unterschied zwischen gross und klein; in A vereinigen sich
zugleich die Begriffe »drei« und vier, denn die Seite der Pyramide ist drei-
eckig, die Basis viereckig; im Chaldäischen heisst rb^ delath (die Erweichung
des hebräischen r^v) .drei«, als Symbol des Berges ist sie gross (an rah
.viel, gross«); entsprechend unserem »reit*', ägyptisch A rp .Jahr« ist vziv
drhf} ,vier* die Ernte, die Fülle, die samenreiche Frucht.
Diesen vier Zeichen entsprechen die vier Zeichen l, m, n, b, nämlich :
4^ (Jeph verwandt mit cdaph .sich ^ lamed verwandt mit lamad
gewöhnen«, .gewöhnen«,
A Utk als Himmel, ^ mem .Wasser« (Stamm von
c*a*u Sa mäht ^Himmel«),
1 gim^ als Keim, y tnui .Sprossen«.
A lialfih als Theilung, ^ sanie/^SüM/x'" (das theilende
Rückgrat).
Diesen vier entsprechen aber auch die Runen
f fe als Wind,
n ur als Himmelsgewölbe,
^ ihotr als Keim,
^ OS als Theilung.
Die Erzählung flüul nun fort: Gott Hess Himmel und Wasser sirh mit
wehenden und lebendigen Thieren erregen; das Zeichen ^ i^t j'^enlalls da«
ig>plische ^j^ /«i Haar, welches .Farbe, Haut, Haar, Schmerz* bedeutet;
1 54 Dor fünfte und der sechste Tag.
das Haar ist das Oberste auf dem Kopfe, welches mitunter auch von den
lebendigen Thieren erregt wird; als Leben, hebräisch rvn jfoya schliesst es
sich an 4- den Geist an, aber auch als nin ^ata (die Eva) an die EIrde, die
mit Schmerzen Gebärende; übrigens kann die Hieroglyphe^^ auch .Wasser*
bedeuten; das Zahlwort van ^ameä 5 ist verwandt miVv:ün )famas .Scbmeer-
bauch*, bedeutet daher , schwanger* und weist damit auf das neunte Zeichen
Am sechsten Tage liess Gott die Thiere der Erde entstehen, d. i. im
Grunde dasselbe, wie die Thiere der Lufl, sofern der Begriff des »Lebens*
hervortritt, und das Zeichen Y vav scheint auf i^ ab , Schwanz*, Symbol
der VierfQssler, hinzudeuten ; sofern es sich aber auf die Erde bezieht, erklärt
sich, warum in der neuem Schrift t (das alte 1 gimel) vav wurde, während
fQr ghnd J das nordische A ar verwendet wurde. Es ist ein Irrthum i für die
Haken zu halten, das was die Bibel unter vav versteht, sind Köpfe oder
Knäufe der Säulen, also das ägyptische |^n, noch deutlicher (J hieratisch^
das Symbol der Nephthis (römisch nuptiae), daher tritt hier auch die Schöpfung
des Menschen in den Vordergrund, welcher ist «ein Bild Gottes* (die Bild-
säule, aufrecht stehend) daher [ pi = x*^ qain »die Lanze*, der Sohn des
Adam, von dem Eva sagt m-T-n» «^R'n'jp qanithi iS eth-yehava »ich habe den
Mann, den Gott*, wie auch thatsächlich Qain als \vd kitjun (Saturn) von den
Juden verehrt wurde, denn die Propheten nennen ihn D3»oi»x p»3 ^kUjnn, euer
Bild*. Zu beachten ist auch, und mit der Säule im Einklang, dass Gott Mann
und Weib zugleich schuf im Gegensatz zu der andern Mythe, wonach Gott
die Eva (den Mond) aus der Rippe des Adam schuf, was auf einem Wortspie!
beruht. Die Zahl sechs, hebräisch w äeä, bedeutet weiss, ursprünglich wohl
nur »glänzend*, denn iv^ äaSar ist wie dt» adam »roth* und die Säulen
wurden mit Gold überzogen; diesem Glanz entspricht die Schlange 1 , wovon
das Zeichen :V yod abstammt, denn nn hud ist gleich dem keilschrifllichen
J"^ i, mih »Glanz, Majestät* dessen passive Form «r yeda »preisen*, ägyp-
tisch nl oder J^ ha ist.
Damit war die Schöpfung beendet und sechs Zeichen schöpferischer
Thätigkeil geschaffen, wobei
+ A
1 Y
Der siebente Tag. Die Schöpfungsgeschichte der Neuseeländer. 1 55
einander gegenüberstanden, an welche sich ^ und ^ anschlössen, denen
auf der andern Seite ^ Kopf und W Sin (Untertheil, Scheide) entsprachen.
Es mussten aber sieben gebildet werden, weil die Woche sieben Tage hatte^
und so nihete Gott am siebenten Tage und segnete die Menschen. Dieses
Ruhen ist aber zweideutig, denn die Nacht, die Zeit der Ruhe, ist zugleich die
Zeit der Zeugung, und das folgende Zeichen X zain ist verwandt mit njr
zana , buhlen". In dieser Beziehung redet das Zeichen IE , es ist die Säulc^
{r^xiafna'S^beih,yerwgLndimiiT\:immi'zbea/ , Altar' und ry'\t^:i)tsebaoth , Sterne*);
so dachte man sich und so denken sich noch heute die Maoris das Chaos:
Himmel und Erde hafteten aneinander, und Finstemiss lag über ihnen und
den Wesen, welche sie gezeugt hatten, bis zuletzt ihre Kinder berathschlagten.
ob sie ihre Eltern auseinanderreisfsen oder erschlagen sollten. Der Vater der
W&lder sagte zu semen fünf grossen Brüdern, es ist besser, wir trennen sie,
$0 dass der Himmel weit über uns steht und die Erde unter unseren Füssen
liegt. Lasst den Himmel uns fremd werden, aber die Erde bleibe bei uns, als
unsere nährende Mutter. Aber vergebens erhob sich der Gott der Cultur-
pflanzen, der Gott der Fische, der Gott der wildwachsenden Nahrungsmittel
und der Gott der Menschen. Da erhob sich der Gott der Wälder, und unter
Schreien und Ächzen wurden sie von ihm getrennt. Bis auf den heutigen Tag
ist der Himmel noch immer von der Erde getrennt, doch ihre gegenseitige
Liebe besteht noch immer, die sanften warmen Seufzer ihres liebenden Busens
erbeben sich noch immer zu ihm, aufsteigend von den waldigen Bergen und
Tliälem, und die Menschen nennen sie Nebel, und der weite Himmel, der die
langen Nächte über die Trennung von seiner Geliebten trauert, lässt häufig
Thrftnen auf ihren Schoss fallen, und Menschen, welche diese sehen, nennen
sie Thautropfen. Konnte das 3Z schöner besungen werden? An dieses
Zeichen schliesst sich Y kajyh an, es ist das Gegentheil von 4^, der leere
Gaumen, das Ginnunagap oder Chaos, das am Anfang war. Der Name der
sieben pav Sebä' ^ schwören* weist auf die Hand hin, aber die Hand ist auch
das Symbol des Todes, namentlich als ^^« tot, die geschlossene Hand, pavr
ist die Wurzel von tevD mi^pot , Gericht", ägyptisch uMti (u=m) r die
Götter der Unterwelt, wovon zugleich D»n3C?o nmhattim , Vertilgungen • her-
stammt; §ep in Ägypten jWK ist das Zeichen fQr 80. bedeutet also eine grosse
Zahl, die Ewigkeit, sie ist aber auch das umgekehrte ZZi ps .theilen*, die
Hälfte, und als solches steht Y am Schlüsse der ersten Zeichenreihe, während
1 56 Wechsel zwischen Sieben und Acht
ihm gegenüber X Thau steht, das Zeichen des Schlusses, des Todes, aber
auch der Vermehrung in's Unendliche.
Es scheinen übrigens hier S Zeichen in 7 zusanmiengezogen zu sein,
denn I ist als Säule auch der Mensch und Q ^eth ist als Gitter das ägyptische
äep, zugleich das umgekehrte IE als [-|, nn ^eth ist der Schrecken, nnnjjfatham
»versiegeln", wie "»n thau als X der Abschluss, die Unlersclmft, die Besiege-
iung des Vertrages ist.
Demnach sind:
4^ aleph Chaos und Licht ^i e/ad Zweig, eins 1
^ beih Himmel, Hymen ^ am Scheide, zwei i^n
1 ^mel Erde, Pflanze ^ öcUoS Sprosse, drei ^
A daleth Zeiltheilung A arba Fülle, vier A
\ he Leben der Lufl t^ /atnas Schmerbauch, fünf ^
Y vav Leben der Erde ^ ^eS Glanz, sechs J^
m zain Ruhe, Vereinigung ^ Sdxi das Unterirdische, sieben ■
H }f€ih dasselbe.
Mit der Siebenzahl und diesen Zeichen ist noch eine andere Sage
verknüpft, welche aus Babylon stammt; es ist die Sage von Istars Hollen-
fahrt, welche in sehr ausführlicher Form auf Keilschrifltäf eichen gefunden
wurde. Eine verblasste Form dieser Sage findet sich in der nordischen
Erzählung von Idunn's Raub durch die Riesen, und da hierbei die Idunn in
eine Schwalbe verwandelt wurde, so ist es eine Soimensage; Idunn kommt
im Frühling mit der heimkehrenden Schwalbe zurück, bleibt dann wahr-
scheinlich während der Blüthezeit bei den Äsen und wird von Loki (hier die
Hitze) zu den Frostriesen gebracht, wonach die 3X7 Zeichen der deutschen
Runen sich erklären.
Wir lassen hier die Sage nach Lenormanf s Übersetzung,*® und zwar
stellenweise wörtlich folgen, weil die fortwährenden Wiederholungen beweisen,
dass absichtlich die Erzählung ausgedehnt wurde, um besser im Gedächtniss
bewahrt zu werden; die Form der Erzählung erinnert an die Erzählungsweise
unserer Bauern, wo es hcisst »ich habe gesagt* und darauf , er hat gesagt*,
wobei Rede und Gegenrede, obgleich meist dasselbe bietend, umständlich
erzählt werden.
Islar's Höllenfahrt. ^ ^^
1. NnMi dem Lande ohne Heimkehr, dem Gebiete der Heimgegangenen»
Istar, Sin's Tochter, den Sinn fest
hat gerichtet; Sin's Tochter hat gerichtet den Sinn
nach demWohnsitz der Heimgegangenen, dem Sitze des Gottes Irkalla,
5. Nach dem Wohnsitz, wo man eintritt, ohne wieder herauszutreten, nach
dem Pfade, wo man geht, ohne wieder zurückzukommen etc.
1 2. Istar, am Thore des fernen Landes ohne Heimkehr, sich nähernd
dem Wächter des Thores hat verkündet ihren Willen,
dem Wächter des Wassers: — Oeffne dein Thor!
15. Öffne dein Thor, auf dass ich eintrete;
wenn du nicht öffnest dein Thor und dass ich selbst nicht kann eintreten,
werde ich einstürmen auf das Thor, ich werde den Riegel zerbrechen etc.
^Nachdem der Wächter die Bewilligung der Fürstin des Grabes ein-
geholt hat, spricht er) :
iO. Tritt ein, o Herrin von Tiggaba. Dass • • • •
Dass der Palast des Landes ohne Heimkehr sich erfreue bei deinem Anblick.
Am ersten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenommen die grosse Krone von ihrem Haupte.
, Warum, Wächter, hast du abgenommen die grosse Krone von meinem
Haupte?*
, Tritt ein, Herrin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher. ■
15. Am zweiten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenommen die Gehänge von ihren Ohren.
, Warum, Wächter, hast du abgenommen die Gehänge von meinen Ohren?"
, Tritt ein, Hei-rin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher."
Am dritten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenommen die Edelsteine von ihrem Halse.
, Warum, Wächter, hast du abgenommendie Edelsteine von meinem Halse?"
50. «Tritt ein, Herrin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher. ■
Am vierten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenommen den Schmuck von ihrer Brust.
,Warüm, Wächter, hast du abgenommen den Schmuck von meinerBrusl?*
1 58 Istar^s Höllenfahrt
«Tritt ein, Herrin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher.*
Am fOnften Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenonmien den mit Edelsteinen verzierten Gürtel von
ihren Hüften.
55. «Warum, Wächter, hast du abgenommen den mit Edelsteinen verzierten
Gürtel von meinen Hüften?*
«Tritt ein, Herrin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher.*
Am sechsten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen, er
hat abgenommen ihre Arm- und Fussspangen.
«Warum, Wächter, hast du abgenommen meine Arm- und Fussspangen?*
«Tritt ein, Herrin, denn die Fürstin des Grabes (behandelt) so ihre
Besucher*.
60. Am siebenten Thor, er hat sie eintreten lassen, er hat sie empfangen,
er hat abgenonmien den Schleier ihrer Scham etc.
Hierauf folgt die Zusammenkunft mit der Fürstin des Grabes; auf der
Erde machen sich die Folgen der Entfernung der Istar bemerkbar, die Liebe
ist verschwunden, Menschen und Thiere vermehren sich nicht und drohen
auszusterben; da gebietet Nuah, die Istar heimkehren zu lassen, und sie tritt
durch dieselben Thore, an jedem den ihr früher weggenommenen Schmuck
zurückempfangend, wobei jedoch am fünften Thore «Stirn* statt «Hais*
gebraucht wird.
Vergleichen wir diese Sage mit den obigen Schriftzeichen, so stinmit
^ als Licht mit der Krone der Istar und ihrem Haupte überein; ^ haben wir
als Himmel kennen gelernt, aber mit Himmel (D*av ^ftiotm) ist «hören*
pcv ^amä innig verwandt, durch «Ohr* erklärt sich auch die spätere Form
O; 1 haben wir als Erde und Pflanze kennen gelernt, der gebogenen Pflanze
entspricht der Hals ; merkwürdig ist auch die Lautverwandtschaft, die zwischen
*j3nj gargar «Hals* (unsere Gurgel) und ^ gen' «Elrde*, zwischen DU'n^
tsavarmim und ")i5t tsar «Fels* besteht, hieraus erklärt sich auch der Wechsel
zwischen i und A, und letztere Form Hess wohl auch die Stirne an Stelle
des Halses treten; A daieth «die Thür* entspricht der Brust, hebräisch
*rt dad und dem Worte nn hod «Schmuck*, namentlich in der auch vorkom-
menden Form y ; zur Hüfte passt eigentlich der fünfte deutsche Buchstabe
Istar's Höllenfahrt 1 59
M. welcher nicht nur die Schulter, sondern auch die Weichtheilc des Körpers
darstellt, die Theilung, wie auch hufbeini «die Hinterkeule" bedeutet und
Haufe ursprünglich die Unebenheit ist; dem entspricht unter den hebräischen
Zeichen am meisten Ö t; die Arme und Füsse werden durch ^ oder ni
vertreten, und ^ kapk ist im Sinne von n^^ qobah «die Scham*, womit f)o
kaph in der Bedeutung von .Pfanne, Schale* zusammenhängt.
Jedenfalls dachten sich die Chaldäer wie die Ägypter den Himmel als
ein Weib, I 1 ifcft - mn - fiap ^ava (Eva), welches am Abend die Sonne
verschluckt und sie am Morgen neu gebiert, die Sonne läuft nun in der
Nacht durch die verschiedenen Theile des Körpers und am Tage legt sie
aussen denselben Weg zurück, wobei die Zeichen natürlich in umgekehrter
Weise folgen, also:
1
2
3
4
5
6
7
4-
^
1
A
«
^
>l
7
6
5
4
3
2
1
*■
t
1
A
«
^^
*
Es mag mit dieser Erscheinung die Art des Schreibens zusammen-
gehängt haben, welche unter dem Namen Bustrophedon bekannt ist und ihren
Namen davon hat, dass die Hand die Zeilen, wie der Pflug die Furchen des
Ackers, zieht, von links nach rechts, dann von rechts nach links u. s.w.;
wahrscheinlich wurden im zweiten Falle andere Zeichen angewendet, vielleicht
auch dieselben mit der Bezeichnung vor und nach; wurden die Zeichen jedoch
nicht auf den Tag, sondern auch auf das Jahr bezogen, so trat noch eine
dritte Reihe ein, welche die Zeit, während welcher die Sonne in der Unter-
welt zubrachte, eintheilte, dann erhalten wir drei Reihen von je sieben
Zeichen, von denen die erste Reihe die Zeit der Fruchtbarkeit, die zweite
die Zeit der Unfruchtbarkeit und die dritte die Zeit der Erneuerung oder
Überschwemmung ist.
Es musste nach solchen Erfahrungen die Vermuthung entstehen, dass
auch die 10 Gebote des Moses mit den alphabetischen Zeichen zusammen*
lüngen. Diese Vermuthung wurde zwar durch die Bemerkung erschüttert,
dass nicht das siebente Gebot, sondern das dritte die Heilighaltung des
Feiertages gebot, aber eine eingehende Untersuchung, sowie die Herbeiziehung
der Namen der Kinder Jakobs erklärte sofort diesen Umstand und bestätigte
die Vermuthung, dass; die zehn Gebote, welche Moses den Kindern Israels
1 60 Die zehn Gebote.
gab, in nichts Anderem bestanden als in den alphabetischen Zeichen, an
welche mündlich überlieferte Erklärungen geknüpft waren. Ich sage: mündlich
überlieferte, denn dafür sprechen die Abweichungen in den beiden Über-
lieferungen, welche wir im II. Mose 20, 2—17 und V. Mose 5, 6 — 21
besitzen. Von kleinen Abweichungen abgesehen, wird nämlich das dritte
Gebot, du sollst den Sabbath heiligen, in der ersten Überlieferung damit
motivirt, dass Gott an sechs Tagen die Welt erschaffen habe, in der andern
aber durch den Auszug aus Ägypten, der um so auffallender an dieser Stelle
ist, als er schon in dem ersten Gebote berührt wurde; femer heisst das
neunte Gebot an der einen Stelle : du sollst nicht begehren deines Nächsten
Haus, an der andern Stelle : du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib,
worauf dem entsprechend auch im zehnten Gebote Haus und Weib wechseln.
Nun ist aber die Geschichte von den Tafeln so lebendig erzählt, dass kaum
angenommen werden kann, sie sei erfunden; wir können somit die Sache
nur so auffassen, dass die Tafeln Zeichen enthielten, welche mündlich erklärt
wurden, und dass zwei dieser Zeichen sogar verschieden erklärt werden
konnten.
Bevor wir weiter gehen, ist es nothwendig, einen Blick auf die Ent-
stehung der zwölf Stämme Israels zu werfen. Ihr Stammvater war onn» Ahratn,
d.i. Vater der Höhe, tr\ soviel wie D"»k Aram (Hochland), wovon die Aramäer
den Namen fuhren. Abram, der Berg oder der Alte vom Berge, hatte zwei
Weiber (Seiten), die "ijn Hagar, d. h. die Flucht, und die »nw oder mv Sara,
die Fürstin. Der Stamm von Hagar ist 13 ger »der Fremde*, welchem Worte
m?K ezra/ »der Einheimische* gegenübersteht, der Stamm hiervon ist mr
zara^ »Aufgehen der Sonne, Aufschiessen der Pflanzen*, daher ezra}^^ der
Baum, der auf seinem ursprünglichen Boden steht. Der Vater der Höhe halte
also zwei Seiten, den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang, denn mw ist
eng verwandt mit nir, dem entsprechend gab es im Alterthum zwei grosse
Religionen; die welche die aufgehende Sonne und die welche die Nacht ver-
ehrte, die Sonnen- und Mondanbeter. Der erstgebome Sohn Abrahams war
der Sohn der Hagar, k^poü' lätndel, d. i. der hörende Gott, der Gott SetUy
der andere war Isaak, der Spötter, die Sonne; dessen Sohn b»yo^ Israel, der
Gott Fürst (denn nt? ist hier dasselbe Wort wie mv Sara), früher ^pP* Jakob
genannt, app dqab heisst , hinten sein* ; also die Nacht, während er als Israel
Gott der Sonne wurde. Jakob als Nacht geht zu Laban (d. h. weiss) und
Die zwölf Stämme. 161
erhftlt von diesem zwei Töchter, nämlich Lea (griechisch Rhea) «die Müdig-
keit* und daher die Nacht, und hm Ra^d (das Mutterschaf, arabisch das
Lamm, also, da ägyptisch der Widder ^ff9t ^r heisst, der Tag). Von der Lea
erhielt Jakob zuerst vier Söhne: R'uben, Simeon, Levi, Jehuda; dann von
der Bilha (Furchtsamkeit), einer Magd der Rahel, also nach der ganzen
Anlage dieser Sagen einer andern Form der Rahel, zwei Söhne: Dan und
Naphthali, drittens von der Zilpa (Tropfen), einer Magd der Lea, zwei Söhne :
Gad und A§er; er hatte somit acht Söhne, vier von einer rechtmässigen Frau
und vier von Nebenweibem. Waren die vier ersten, wie es nach der ganzen
Anlage dieser mythischen Erzählung zu vermuthen ist, die vier Theile der
Windrose: Mittemacht, Morgen, Mittag und Abend, so war nun aus der
viertheiligen durch HinzufQgung die achttheilige Windrose gebildet. Hierauf
erhielt Jakob wieder von der Lea zwei Söhne : Issas/ar und Zebuion, und er
hatte nun so viel, als die chaldäischen Monatsnamen BegrifTszeichen haben:
Stier, Ziegelstein, Hand, Feuer, Bogen, Damm, Gründung, Wolken, Regen,
Vermessung, wie auch die Römer ursprünglich nur zehn Monate kannten.
Darauf gebar ihm Rahel den Josef, welcher als « Zugabe ' erklärt virird, was
auf einen Schaltmonat hinweist; endlich, und zwar nach der Rückkehr nach
Palästina und nachdem er im Kampfe mit Gott zeugungsunfähig geworden
war und den Namen Israel erhalten hatte, gebar ihm Rähel, wie die von dem
Schatten desOsiris geschwängerte Isis, einen Sohn, bei dessen Geburt sie starb.
Was nun die Beschäftigung dieser Stämme betrifft, so ist allgemein die
Ansicht verbreitet, sie seien Hirten gewesen; dem widerspricht jedoch der
Umstand, dass sie wegen Misswachs nach Ägypten schickten, um Getreide
einzukaufen. Es war also eine in Kanaan ansässige Völkerschaft, welche
später nach Ägypten auswanderte und von dort nach Kanaan in Folge einer
< wahrscheinlich misslungenen) Empörung zurückfloh. Dieses Volk bestand
aus Fürsten, Priestern (Leviten) und wahrscheinlich aus verschiedenen
Standen oder Kasten, deren jede einen Ahnherrn verehrte ; ähnlich wie Jabal
als Stammvater derjenigen galt, die in Hütten wohnten und Vieh zo^'cri, Jubal
sein Bruder, von dem sind hergekommen die Geiger und Pfeifer, Thubalkain
der Meister in allerlei Erz und Eisenwerk. Dass die Priester die Reihenfolge
der Stände nach Willkür bestimmten, sie vielleicht in der Reihenfolge beson-
derer Sternbilder ordneten, dürfte sehr wahrscheinlich sein, die Reihenfol;:e
der Geburt deutet entschieden darauf hin.
f «almann, 6«»chichte d. Schrift. 1 1
162 Rüben, Simeon.
Untersuchen wir nun die Zeichen mit ihrer Beziehung auf die Gebole,
so tritt uns als das erste das Zeichen ^i als Gotteszeichen entgegen: anoki
yehoca tlohik «ich bin Jehova, dein Gott* etc. 4f. ist die hieratische Form
des ägyptischen Harpokrates, der auch mit dem Gott *jP f Änokt identisch
sein dürfte, das war der Gott der Erde, eigentlich seiner Federkrone halber
ursprunglich wohl Himmel und Erde, wie ^ aus <c und I entstanden ist,
hieraus folgt auch das Verbot, ein Bildniss zu machen, weil jedes Bild indivi-
duell ist und daher den Gesammtbegrifif zerstören würde, der in dem Mono-
theismus liegt. Diesem Zeichen entspricht nun der Name des erstgebomen
Sohnes Jakobs, pw"i R*uben oder Ra-u-hen, das wäre »sehen (Auge) und Sohn*;
Harpokrates war das Kind, die neugeborne Sonne, das Auge (Osiris) sein
Vater; der Begriff des die Höhle durchbrechenden Augenstrahls (Augapfels)
liegt dem Zeichen J(- offenbar zu Grunde. Bei der Geburt R'uben's wird der
Name durch '»Jp^ rnn* nxn raa j/ehova be^anyi , der Herr hat angesehen mein
Elend* erklärt; aber es ist nicht abzusehen, warum ein Laut wie V ausgelassen
sein sollte, weshalb Gesenius »sehet, ein Sohn!* für die natürlichste hält;
man kann auch p für pa beti »Unterschied* nehmen, wonach es also heissen
würde: »sehet den Unterschied', und diess würde auf den doppelgesichtigen
Janus führen, wie auch Hermes-Harpokrates zwiegeschlechtig war und als
Obaos zwiegeschlechtig sein mussle.
^ wird erklärt damit, dass der Name Gottes {üv äem) nicht missbraucht
werden solle; §em war ein Sohn Noahs, von dessen Stamm zu sein die
Israeliten sich rühmten, dass das Zeichen ^ samaitn »Himmel* bedeutet,
haben wir in der Genesis gesehen; der zweite Sohn Jakobs heisst Ppaw Sitneon,
d.i. Erhörung, dem entsprechend wird in der Istar-Legende^ durch Ohr erklärt;
wie auch üv Sem »rauschen*, ü^qv ^amaim »Himmel* und Pöw iamd »hören*
begrifflich verwandt sind; der Himmel heisst im Ägyptischen /><. In der Genesis
war beth durch raqia „Hymen* erklärt, das wäre das äg>'ptische ^=> rr (rollen,
beben) oder die hieratische Form .^ von ^=^ ui^ »ausbreiten* (ursprüng-
lich das Bächlein): pt ist aber auch TujI der Himmel über der Erde, und
damit verwandt ist P***** pr-a »die hohe Pforte, der Pharao*. Wenn das
erste Zeichen »Gott*, das dritte den , Priester* bedeutet, so ist es natürlich,
dass zwischen ihnen der König steht, tnn ist im Ägyptischen ein Zepter, das
Zepter sm ist das Symbol des ^ ptah, des Gründers der Königs würde, Ptah,
der Widdergott, ist der nordische Tfiopr ^, das Hom y, hieratisch i)^ bedeutet
Len. Juda. 163
.Stand, Würde*; es ist somit alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass beth
zuerst Himmel, dann den Hinmielssohn, den König, bedeutete. Natürlich hatte
Moses Ursache, die Königswürde nicht in Erinnerung zu bringen, oder seine
Nachfolger änderten den ursprünglichen Sinn, genug, die Stelle macht den
Eindruck, als habe sie ursprünglich geheissen ,du sollst den König nicht
schmähen*.
1 gimd stimmt, sofern es sich auf vip qiddaS , heiligen* und auf den
Priester bezieht, von dem es auch heisst (3. Moses 21, 8) .du sollst ihn
heilig halten, denn er opfert das Brot deines Gottes", mit dem ägyptischen
nl te .preisen* überein; der dritte Sohn Jakobs war *if? lein, bekannthch
der Priesterstanmi, dessen Name mit ni^ lava .anhängen* erklärt wird (nun
wird mir mein Mann wieder anhängen, denn ich habe ihm drei Söhne geboren),
der Priester war aber der Anhänger des Königs, sein Freund und Vertrauter ;
auffallend ist hier die Erwähnung der Dreizahl, welche die Reihenfolge
bestätigt. Bemerken swerth ist auch, dass i die umgekehrte Rune T ist, welche
alä griechisches l mit dem hebräischen A l, jetzt ^, Ähnlichkeit hat. Übrigens
liefert auch das hebräische D^ gam .vermehren* eine Erklärung, da es sinn-
verwandt mit mb lata in dem Sinne ist, wie es Lea von Jakob gebraucht.
Unwillkürlich drängt sich dabei die Erinnerung auf, dass die Priester im
Alterthum auch zur Veredlung der Stämme dienten, weshalb nur solche in
das Pricsterthum aufgenommen wurden, welche keine Körperfehler besassen
A daleth wird durch t^ kibbed , ehren* erklärt (ursprünglich war es
wohl das Geschlecht, worauf Vater und Mutter deutet), aus *t^ entstand
T23 kobod .Ehre, Majestät, Herrlichkeit*, das ist auch die Bedeutung von
— "* hod, der Stamm von rm.T yehuda, oder Juda, wie der vierte Sohn Jakobs
heisst; dieser Name wird in der Genesis durch rmM ode .danken* erklärt;
damit hängt das ägyptische A oder A-J du .Gabe, Geschenk* zusammen.
Bezieht sich das Zeichen, wie die vorigen, auf eine Kaste, so waren es wohl
die Krieger als Schützer des Landes und A ursprünglich ein Schild; daraus
wäre es auch erklärlich, dass im Segen Jakobs Juda zum Herrn erklärt wird:
Joda, du bist es (.thh o/te), dich werden loben (ynr yodtüca) deine Brüder,
deine Hand ("p yadka, man beachte die Alliteration mit d) wird deinen Fein-
den auf dem Halse sein, vor dir werden deines Vaters Kinder sich nei(;en etc.
\ht wrd erklärt .du sollst nicht tödten*, nrr ha ist eine Wehklage, und
dem entsprechend ist das Zeichen ^ das Bild einer Geisel /\; der fünfte Solui
11*
164 Dan. NaphthalL Gad.
Jakobs war p dan «der Richter' und Rahel sagt bei seiner Geburt: vGott
hat meine Sache gerichtet*. Die Geisel kommt in der Hand der ägyptischen
Könige neben dem Hirtenstab vor und heisst^ .beschfilzen' ; die Insignien
der ägyptischen Könige entsprachen den Titeln, welche sie führten, wie auch
noch jetzt die Königstitel unverändert fortgeführt werden, auch wenn sie
nicht mehr auf thatsächlichen Verhältnissen beruhen; hat nun ein ägyptischer
König Hirtenstab und Geisel in der Hand, so bedeutete diess «Herr der
Hirten und Ackerbauer* ; es waren somit wahrscheinlich die Ackerbauer die
fQnfle Kaste bei dem Volke, unter welchem zuerst diese alphabetische Reihen-
folge aufkam. Moses machte daraus das Gebot: ,du sollst nicht tödten*,
welches sich jedenfalls auf die Sklaven und Frohnbauem bezog, denn Mord
in Kriegszeiten und gerichtliche Tödtungen sind ja durch das mosaische
Gesetz geradezu geboten.
Y vav wird durch pkj naaph , ehebrechen* erklärt, der sechste Sohn
Jakobs war Naphthali, bei seiner Geburt sagt Rahel «Gott hat es gewendet
(«{ytroj naphtule) mit mir, ich werde es zuvor thun (M^fioj mphialU) meiner
Schwester*; ^^düi naphthaU heisst «ein Kampf*, der Stamm des Wortes ist
^no pathcd, ein Seil drehen, daher Ränke spinnen, wohl auch doppelzüngig
sein, weshalb es in Jakobs Segen heisst: «Naphthali ist ein schneller Hirsch
und giebt schöne Rede*, wobei man unwillkürlich an' das «Hömeraufsetzen*
erinnert wird; an Naphthali erinnert die ägyptische H Nephtis-Hieroglyphe,
welche die Ehe bedeutet; es dürfte daher dieses Zeichen die Kaste der
Dolmetsche bezeichnet haben, welche wohl auch Kuppler waren.
T* zain wird erklärt durch noj ganab «stehlen*; der siebente Sohn
Jakobs war *t:i gad (Glück), von dem es heisst: *t32 hagad «Glück zu*, und beim
Segen «Gad gerüstet, wird das Heer führen und wieder herumführen*, es (ragt
sich aber, wie diess zu verstehen ist; wir haben zain als Zeichen der Ruhe
kennen gelernt, und in der Keilschrift bedeutet Ende: Glück, njd (o^fou/ heisst
«bedecken, betrügen, treulos handeln*, heged ist die «Decke*, und unter einer
Decke spielen, heisst falsch handeln, ebenso wie njr zana «buhlen* Heimlich-
keiten bedeutet; aus der Vergleichung von 3j:i ganab und ajt zinA geht hervor,
dass der Stamm 2: nah ist, k^j nibba heisst «prophezeien*, 1^ nt^ ist der Grott
Merkur, der der Gott der Offenbarung, aber auch der Spitzbuben ist, weU er das
Dunkel, die Heimlichkeit ist. Auf eine Kaste bezogen, musste dieses Zeichen
dieherumziehenden Krämer bedeuten, womit auch die spätere Form Z erklärt
ASer. DieDudainu 165
wird. £8 ist nicht unwahrscheinlich, dass solche Krämer als Kundschafter
und Wegweiser für die Heere benützt wurden, da sie durch ihr Herumziehen
der Wege kundig waren, und hierauf dürfte sich der Segen Jakobs beziehen.
H Z^ wird erklärt: «du sollst nicht falsch Zeugniss reden (npVTp ed
ieqfr) wider deinen Nächsten*; dem entspricht der achte Sohn Jakobs, A§er,
msofeme, als aSar «gerade sein, aufrecht*, also aufrichtig bedeutet; eSer
beisst Glück, und in diesem Sinne sagt Lea «wohl mir (nvK2 b'a^ri)^ denn
mich werden selig preisen (uint^M iSrum) die Töchter*. (!) Der Ausdruck
Töchter erinnert an die Glücksgöttin A^-a, wie auch Osiris mit der weib-
liehen Isis-Hieroglyphe d 4 oder auch mit dem Faulbett ^m^ abgebildet
wird; hierauf passt der Ausspruch Jakobs: «Von A§er kommt sein fett Brod
and er wird den Königen zu Gefallen thun* (*J*Ti;a maddane heisst «Wonne,
Freuden, Leckerbissen*); damit stimmt nton ^^a «Weizen* überein, während
Mcn ][eU «Sünde* sich an das achte Gebot, du sollst nicht falsches Zeugniss
reden, anschliesst; das Zeichen scheint die Falle oder das Netz gewesen zu
sein, dem auch der Begriff der Falschheit entspricht. Es ist wohl nicht
zufällig, dass der Stamm ASer in Kanaan denselben Namen führt wie die
Assyrer; die Assyrer trugen lange gewebte Frauengewänder, Haar und Bart
in Zöpfen geflochten, sie scheinen die Stammväter aller sybaritischen Völker.
die ersten Städtebauer (an das iSruni der Lea schliesst sich M:it^N uSsarna
«Hauer*, vom Stamm wk (iSaS «gründen*, ägyptisch jj as, Isis, an) und
Handwerker gewesen zu sein.
An dieser Stelle flicht nun die Grenesis ein merkwürdiges Intermezzo
ein* «Rüben ging aus zur Zeit der Weizenernte (nton pita «Weizen* schliesst
sich, wie erwähnt, an das «fette Brod* des A§er an) und fand D^Kin (dudaim)
auf dem Felde und brachte sie heim seiner Mutter Lea. Da sprach Rahel zu
Lea: Gieb mir der Dudaim deines Sohnes ein Theil. Sie antwortete: Hast du
nicht genug, dass du mir meinen Mann genommen hast, und willst auch
die Dudaim meines Sohnes nehmen? Bahel sprach: W^ohlan, lass ihn diese
Nacht bei dir schlafen um die Dudaim deines Sohnes*. Es war aber nicht
die eine Nacht allein, denn Lea erhielt noch zwei Sohne. Was war die
Dudaim? Gesenius erklärt sie als Mandragora, Alraune, ein Kraut vom
Geschlecht der Belladonna mit einer rüben förmigen Wurzel, weissen und
röthlichen BlQthen und gelben Äpfelchen, die vom Mai bis gegen den Juli
leifea and der der Aberglaube des Morgenlandes noch heutzutage eine
166 Die Dudaim.
die Ehe wirksam machende KraA beimisst. Der Streit zwischen Lea und
Rahel um die Dudaim erinnert an den Streit der drei Göttinnen Aphrodite,
Hera und Pallas um den goldenen Apfel ; Paris (griechisch pyr^ pyros das
Feuer, pyros heisst auch der Weizen) gab den Apfel (der Fruchtbarkeit)
der Aphrodite, weil diese der Frühling, die Göttin der Liebe, war. Es wird
hierbei nicht gesagt, dass Paris sich selbst mit der Aphrodite verband, aber
als Feuer war er doch der Hephaistos und dieser nach Homer der Gemahl
der Aphrodite. Wenn nun Rüben die Dudaim seiner Mutter brachte, so war
er auch der Vater der beiden folgenden Söhne derselben, das war den Ver-
fassern der Genesis bekannt, denn sie werfen ihm Blutschande vor, selbst
im I. Buche der Chronika wird damit der Verlust des Rechtes der Erstgeburt
motivirt, wobei bemerkt wird, Juda habe das Fürstenthum, Josef das Elrst-
geburtsrecht erhalten, jedenfalls nachträgliche Sanctionirung der durch
Waffengewalt erlangten Herrschaft der Stämme Juda und IsraeL Der Ver-
fasser der Genesis sucht die Blutschande Rubens zu mildem, indem er sagt,,
er habe die Bilha, die Magd Raheis, verführt^ da aber Ruhen der Horus der
Ägypter und der Hephaistos der Griechen ist, so ist er die andere Form des
Osiris (A§er) und folgerecht sein eigener Vater, der Gemahl seiner Mutter,
denn r^n^z Bilha (die Alte) ist dieselbe wie die blödgesichtige rtt^^ lea, beide
sind die Nacht; Rahel aber, die Schöne, ist der Tag, und Lea verhält sich zu
Rahel wie Jakob zu Ruhen, d. h. wie Nacht zu Tag, wie Mond zur Sonne;
vereinigle sich aber Ruhen mit Rahel selbst, und war er sein Vater Jakob,
dann musste allerdings Josef der Erstgeborne sein. Man kann hieraus
ersehen, wie die biblischen Geschichten alles Anstössige verhei-en, wenn
man sie wieder zu dem macht, was sie ursprünglich waren, zu kosmischen
Erzählungen; indem die Redacteure der Genesis die Naturkräfte und Natur-
erscheinungen vermenschlichten, um den Monotheismus nicht zu beeinträch-
tigen, haben sie nur der Heiligkeit ihrer Lehren selbst geschadet, wiewohl
wir annehmen können, dass die levitischen Sammler dieser Bücher nicht
absichthch, sondern nur irre geleitet von ihrer beschränkten Auffassung
gehandelt haben.
t5 iet ist der Lehm und dieses Zeichen ist sowohl mit Haus als mit
Weib verwandt. ^Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Haus*, respective
Weib. Von gelüsten Tan ^awad kommt /emed ,die Schönheit* und diess fuhrt
auf das ägyptische ^ uh (hebräisch .t:j mtvah heisst .wohnen* und ,<chöp
Issas'xar. Zebuion. Dina. 167
sein*) hieratisch JJ, "ön ^amad kommt vom Stamme Dn ^am ,heiss*, lorr
yamar heisst , aufschäumen*, /emar ist der Asphalt (wie tt^tt^ der Lehm), der
Meerschaum, aus dem die Aphrodite entstand, r^ün ^ema ist die Milch und tt
ihtd die Brust, irr dod »die Liebe* von dud »aufbrausen*, die vorhin erwähnte
cättt dudaim ist die Liebe Erregende; in der That ist das Zeichen t5 in den
Inschriften bald einer Brust, bald einem Apfel ähnlich, wobei man sich erinnern
wird, dass auch in der Adams-Sage der Apfel der Erreger der Liebe ist. Der
entsprechende Sohn Jakobs ist '^w* Issctsyar »der Lohn*, jedenfalls so viel
wie "^Tü sa/ir »der Lohnarbeiter, Taglöhner*, und daher heisst es auch von
ihm im Segen Jakobs: »er ist ein zinsbarer Knecht geworden*.
^ yod wird erklärt durch Weib (Haus), Knecht, Magd, Ochs, Esel,
alles Eigenthum. Diesen sechs Aufzählungen entspricht der sechste Sohn der
Lea» und diese Zahl ist zu beachten, weil nur bei Levi und Zebuion die Zahl
angegeben ist, in diesen Erzählungen aber die unscheinbarsten Worte Bedeu-
tungen haben, w Ae^ » sechs *^ kommt auch als Zeitwort HW Si^a , führen, weg-
luhren* vor, der Stamm von p^3t sebulon ist aar zabah »schweben*, verwandt
mit dem griechischen zepkyros, der Windgott und speciell der Westwind ; im
Segen Jakobs heisst es, Zebuion wird an der Anfurt des Meeres wohnen
und an der Anfurt der Schiffe und reichen an Sidon; hieraus lässt sich
schliessen, dass Zebuion der Stamm der Schiffer, und was im Alterthum damit
identisch , der Seeräuber, war, wobei ^ einerseits an die | Seeschlange,
andererseits an die hieratische Form SS^ des Fisches erinnert; hiermit hängt
das Verbot des Raubes zusammen.
Numero 7 gebar die Lea eine Tochter: Dinad. h. »Gericht*, die weib-
liche Form von p Dan »Richter*, und wie dan dem Buchstaben he, so
entspricht dina dem Buchstaben k, }/ kaph ist durch das Zeitwort hdd kapha
»beugen, bändigen, zwingen* miialaph »zahm werden* verwandt. Mädchen
aufzuführen, ist in den biblischen Genealogien nicht Sitte, um so unerklärlicher
ist dasselbe hier, sowie ihre Liebschaft mit Sichem, dem Sohne des Esels
(••tr yamor), der ein alter Gott der Perser und überhaupt der Hirten war;
im Ägyptischen isis/m 5, hieratisch ♦ »Machthaber*, so viel wie tn »der
Vorfahre*, es bezog sich wahrscheinlich auf einen Stamm der Ureinwohner.
Merkwürdig ist, dass die Kinder Lea's in derselben Reihe sirh fol^ron,
wie die Zahlwörter der hebräischen Sprache mit Beziehung auf die Zeichen
(s. oben S. 156), nämlich:
*^^ Josef. Benjamin.
4- e/ad 1 Rüben
^ Sne 2 Simeon
0 äaloä 3 Levi
A aHM 4 Juda
W /amaä 5 Issas/ar
^ ^' 6 Zebuion
^ ä^ 7 Dina
Wie die Zahl 7 die Unfruchtbare war, so war auch Dina kein mSiin-
liches, sondern ein weibUches Zeichen und ihr Geliebter wurde erschlagen.
Weiters geht hieraus hervor, dass zwischen Juda und Issas^ar Tier Zeichen
eingeschoben wurden, als Kinder, welche mit Nebenweibem gezeugt wareli,
demnach bestand das Volk anfänglich aus Hirten (König), Priestern, Kriegern,
Maurern {ursprunglich Ackerbauer) und SchifTem, später wurden Ackerbauer,
Dolmetscher, Krämer und Handwerker dem Volke einverleibt (erobert?), aber
jenen als minder gleichberechtigt betrachtet
Was nun den Josef betrifift, so wird derselbe durch .Hinzufugen*
erklärt, er ist auch als f)D{< asaph der «Sammler* der Psalmen und wahr-
scheinlich identisch mit David oder Thaud, dem die Psalmen zugeschrieben
werden. Josef wurde bekanntlich nach Ägypten verkauft und heirathete eine
Ägypterin, dennoch wurden seine zwei Söhne nachträglich unter die Stämme
Israels aufgenommen und so die Zahl 1 2 wieder voll gemacht, welche durch
den Wegfall der Leviten, welche kein eigenes Land besassen, auf 11, respeo-
tive 10 reducirt war. Wir finden hier also dasselbe Schwanken zwischen 10,
11, 12, 13 wie bei den Äsen und den griechischen Göttern, welches
Schwanken wohl auf der Schi^ierigkeit beruhte, Mondjahr und Sonnenjahr in
Übereinstimmung zu bringen.
Benjamin ist nach dem Worte der Rahel uiK^a ben-am »Sohn meiner
Noth*, denn sie starb bei seiner (jeburt; pM an heisst aber auch «Kraft* und
ist der ägyptische Name der Sonne, in letzterem Falle ist an so viel wie p3?
ain «Auge* und Ben-mii «der Sohn des Auges*, d. i. der Augapfel, in diesem
Falle ist er derselbe wie Ruhen (ra «sehen*, bett «Sohn*), der ägyptische
d 4 Osiris, und auf ihn dürfte sich daher das Zeichen (^ oder ii lamed
bezogen haben, mit welchem die zweite Reihe der Zeichen beginnt.
Auf diese Weise dürfte sich das Vorhandensein der Zehnzahl, der Eilf-
zahl und der Zwölfzahl im hebräischen Alphabet erklären: die ursprünghche
Zeittheiluiig. 1 69
Zahl von zehn Zeichen wurde auf elf erhöht, die Erhöhung auf zwölf erfolgte
nur, indem das erste Zeichen der zweiten Reihe doppelte Bedeutung erhielt.
BenH>m erhielt von Jakob, der um diese Zeit auch den Namen Israel
annahm, den Namen Benjamin, d. i. der Sohn des Glücks; der 12. Keilschrift-
monat bedeutet ganz entsprechend «Glück* und «Ende', auch nvN a^
bedeutet Glück, in der Keilschrift ^^^ Asur, der ägyptische Osiris, den wir
als identisch mit Horus und Aleph kennen gelernt haben, wobei ^zu bemerken
ist, dass Osiris im Ägyptischen auch den Namen Ben führte "^i^.
Dass der Laut l beigezogen wurde , scheint auch aus dem deutschen
Runen- Abece hervorzugehen, dessen zwei erste Abtheilungen mit l schliessen;
aber auch dieses Abece hat nur 11 Zeichen, weil das t weggelassen wurde;
hiermit dürfte auch zusammenhängen, dass im griechischen Thierkreis das
Zeichen der Wage fehlte, denn die Erklärung, welche Professor Buttmann
dafür angab, ^ nämlich: die Griechen hätten das wenig hervortretende Stern-
bild der Wage für die Scheren des hellen Skorpionbildes gehalten, beweist
nur, dass überhaupt an dieser Stelle des Himmels ein hervorleuchtendes
Sternbild fehlte, und dass erst eme genaue mathematische Eintheilung des
Himmels zur Ergänzung auf 12 Zeichen führte. Dagegen ist die Bemeikung
Ideler's^^ ganz unstichhältig, dass «Menschen, die einigen Sinn für Regel-
mässigkeit und Ebenmass haben, in Zeiten, wo Symmetrie die Hauptgrund-
lage des Kunstsinnes war*, eine Eintheilung in 11 Theile gar nicht gehabt
haben k'önnten. Nichts ist verfehlter, als unsere derzeitigen Anschauungen
massgebend für alle Zeiten zu halten, und, weil wir den Thierkreis in 12
Hieile zu theilen gewohnt sind, zu glauben, es hätte nie anders sein können.
Der yukatanische Tag war, wie (oben Seite 73) gezeigt wurde, in 13 Stunden
getheilt, und diese Eintheilung ist sehr natürlich, wenn man das Jahr von
52 Wochen in 4 Theile theilt; ferner theilten sie den Himmel nicht in 4,
sondern in 6 Theile, diese wieder in 3 und erhielten so 18 Monate, deren
Hälfte an die Neunzahl erinnert, welche in der nordischen Mythologie eine
noch nicht ganz aufgeklärte, aber grosse Rolle spielte; sie theilten femer den
Kreis in 4 Tlieile, und diese in 5, und erhielten so die Zahl von 20 Tagen,
welche den Monat bildeten, also 360 Tage für das Jahr; diese 4 Theile waren:
Süden, Osten, Norden, Westen; nimmt man statt 5 Zeichen 3, so hat man
den 12-theiligen Brustschild des jüdischen Hohenpriesters. Femer ist nicht
gerade nothwendig, dass die Theile gleich sein mussten; den 18 Monaten der
170 Zeittheilung.
Yukalaner entsprechen nur 1 5 Mondslationen, indem mehrere Sonnenstationen
ohne begleitenden Mond geschrieben sind ; ferner theilen wir noch jetzt unsere
Tageszeit sehr ungleichmässig in 1. Morgen, 2. Vormittag, 3. Mittag, 4. Nach-
mittag, 5. Abend und 6. Nacht ein, allenfalls mit Mitternacht in 7 Theiie, wie
die Araber sie umgekehrt in 1. Untergang der Sonne, 2. Abend, 3. Mitler-
nacht, 4-. Aufgang der Sonne, 5. Mittag, 6. Nachmittag eintheilen, daher in
der Weise;
sie zählen dann 1. Stunde nach Untergang der Sonne, 2. Stunde nach Unter-
gang der Sonne u. s. w., aber bei den grossen Zwischenräumen sagen sie
7. Stunde Nachts (um 1 Uhr Morgens), 8. Stunde Nachts, 9. Stunde Nachts,
1. Stunde vor Aufgang der Sonne, 2. Stunde vor Aufgang der Sonne; dann
nach dem Aufgang der Sonne 1. Stunde des Tages, 2. Stunde, 3. Stunde des
Tages, dann 2. Stunde vor Mittag, 1. Stunde vor Mittag; aber besondere
Namen haben sie nur für die oben erwähnten 6 Theiie des Tages.
Obwohl die Araber als nächste Verwandte der Juden angesehen werden,
möchten wir doch auf einen wesentlichen Unterschied aufmerksam machen;
die Araber theilten das Jahr in 28 Mondstationen ein und hatten dem ent-
sprechend 28 alphabetische Zeichen schon vor Mohammed in der himyarischen
Schrift; bei den Juden und Syrern dagegen finden wir von dieser Eintheilung
keine Spur, sie haben nur 22 Zeichen, mit denen ihre Sprachbildung abschloss.
Die Araber hatten ferner ursprunglich nur 10 Monate, und bei einem reinen
Mondjahre ist diess erklärlich, denn diese 10 Mondmonate, diese 280 Tage
sind diejenigen, deren der Menschenkeim zu seiner Entfaltung bedarf; später
suchte man Sonnen- und Mondjahr in Übereinstimmung zu bringen, indem
man die Monate Rebi und D^niadi theilte in den ersten und zweiten Rebi,
den ersten und zweiten D2madi, ferner indem man die Monate in 29 und 30
Tage theilte; diess geschah aber erst nach der Ausbildung der Sprache,
welche davon nicht berührt wurde.
Es dürfte bei dieser Gelegenheit die Bemerkung gestattet sein, dass,
wie die Laute sich auf Grundlage der Zeichen entwickelten (wie oben nach-
gewiesen), so auch der Reichthum an Lauten durch die Zeichen bedingt ist;
Zeittheilung. 171
man suchte nicht Zeichen für vorhandene Laute aufzustellen, sondern vor-
handene Zeichen lautlich zu unterscheiden; *T«3n waren ursprünglich identisch,
wie aus ► die Runen + und 1" entstanden, erst bei Erweiterung der Wind-
rose unterschied man durch DlfTerenzirung sowohl die Zeichen als die Laute;
war auf solchen Grundlagen in einzelnen Ländern die Sprache ausgebildet,
80 wurde dieselbe durch neue Zeitrechnungen nicht mehr beirrt; das nor- •
dische Futhork von 16 Zeichen zeigt keine Spur von der 12-theiligen Äsen»
religion, und so zeigt auch das 28-theilige Mondalphabet der Araber keine
Spur von dem 12-theiligen Sonnensystem, während die Griechen von dem
16-theiligen System zu dem 22-theiligen und zuletzt zu dem 24-theiligen,
unter steter Ausbildung des Zeichensystems und der Sprache, übergingen.
Die Syrer haben wohl mit den Arabern das gemein, dass sie aus 10
Monaten 1 2 machten, indem sie den Monat TiSri und den Monat Kanun m
je zwei theilten, aber mit den Juden haben sie das 22*lheilige Alphabet
gemeinsam; die Juden haben das 22-theiIige Alphabet, aber keine andere
Spur, dass sie aus 10 Monaten 1 2 gemacht hätten, als in den Namen der Söhne
Jakobs, wonach zu den 11, in Chaldäa gebomen, Benjamin in Palästina
hinzuwuchs. Hieraus geht hervor, dass die Sprache der Juden in Palästina
ihre Vollendung fand, wie sie denn auch sowohl mit der moabitischen, als mit
der phönikischen und assyrischen übereinstimmt, wogegen die Perser, Inder
und Ägypter die Zwölfzahl der Monatsnamen und Thierkreiszeichen hatten.
Beachtenswerth ist hierbei, dass die Erweiterung der Zehnzahl auf die
Zwölfzahl sich nur an einer Stelle des Jahres findet, nämlich im October bis
Februar; der syrische Monat Ti§ri füllte ursprünglich October/November,
Kanun December/Januar; der arabische Monat Rebi November/December,
D»madi Januar/Februar; der Monat, welcher dem Namen Judas entspricht,
fallt zwischen März und April; demnach war der Januar dem Namen Rubens
entsprechend; wurde dem Ruhen das Recht der Erstgeburt entzogen und
Jodah als Fürst anerkannt, so erinnert diess daran, dass im Orient an Stelle
des Jahresanfanges zu Weihnachten, wie bei den Römern, der Anfang des
Kirchenjahres auf den Frühling verlegt wurde, also ein Übergang vom nordi-
schen Systeme zum orientalischen eintrat; bemerken wir ferner, dass das
deutsche Runen- Abece sich vom hebräischen durch den Ausfall des e t unter-
scheidet, dass nicht fem von dieser Stelle der Punkt war, wo im griechisdion
Himmel die Wage fehlte, dass auch der Name Josefs in der Nähe ist, der
172 Vergleichung der alphabetischen Zeichen mit den Monatsnamen.
nach der Chronika das Erstgeburtsrecht erhielt, wie auch die Juden mit dem
September das bürgerliche Jahr beginnen, so folgt aus alle dem, dass der
Boden Palästinas das Centrum war, wo eine Umgestaltung der Zeitrechnung
eintrat und von wo sich dieselbe in verschiedene Länder verbreitete. Bis ins
Einzelne können wir dieselbe nicht nachweisen , wir begnügen uns damit,
auf diese dunkle Stelle der Geschichte aufmerksam zu machen, und die
Namen der hebräischen Monate mit den Namen der Stämme zu vei^leichen.
Nun gelten zwar die Namen der Monate als fremde, welche erst im
Exil angenommen wurden; da aber die Juden aus Chaldäa stammten und
durch das Exil in ihr Stammland zurückversetzt wurden, da sie femer mit
Zähigkeit an ihrer Religion hingen, so können die fremden Namen nur des-
halb angenommen sein, weil sie mit den eigenen nahezu identisch waren;
ein Wechsel ist nur insofern bekannt, als statt des Monats Abib der Name
Nisan angenommen wurde, während dagegen Ab später vorkommt ; femer ist
zu beachten, dass die Namen der Stämme nach der Tradition in Chaldäa
entstanden sein sollen und somit die chaldäischen oder vielmehr assvrischen
Monate mit den Namen übereinstimmen müssen, wenn diese Thierkreiszeichen
bedeuteten.
+ a{q)h, verwandt mit aluph .Stammvater*, in den Geboten Gott,
als Stamm R'uben, als Monat Januar: hebräisch D^fi td)et, vorwandt mit r;2C
tahaoih „Siegelring*; assyrisch Tabitu, in der Keilschrift Monat der Flecken
(Wolke), Thierkreiszeichen das Seeungeheuer (Cannes?).
^ beth, verwandt mit baiih ,Haus* (hohe Pforte?), in den Geboten
der Name, als Stamm Simeon, als Stand König, als Monat Februar: hebräisch
iD^v Sebat, verwandt mit ^^v Sehet . Zepter", assyrisch Sabatu, in der Keilschrift
Monat des Feldvermessens, Thierkreiszeichen Wassermann.
1 giniel, verwandt mit ganial »Wohlthun*, in den Geboten Feiertag
heiligen, als Stamm Levi, als Stand Priester, als Monat März: hebräisch n-rit
adar, verwandt mit *nK eder , Herrlichkeit*, assyrisch Addaru^ in der Keil-
schrift Monat des Glückverkündens, Thierkreiszeichen die Fische.
^ daleth verwandt mit »Thür, Pforte" (vergleiche die hohe Pforte bei
beth), in den Geboten Ehre die Eltern, als Stamm Juda, als Stand Krieger,
als Monat April: hebräisch früher y^» abib «Ähre*, später (DU nisan, verwandt
mit DJ nes , Panier*, assyrisch Nisannu, in der Keilschrift Monat des Altars
(die Rechtschaffenheit), Thierkreiszeichen Widder.
Vergleichung der alpliabetischen Zeichen mit den Monatsnamen. 173
^ hf, verwandt mit he »siehe* und hah »Wehklage*, in den Geboten
«du sollst nicht tödten', als Stamm Dan, als Stand Ackerbauer, als Monat
Mai: hebräisch "»''» iyar, verwandt mit fiv yara »benetzen*, mi* yore »Früh-
regen*, assyrisch Airu, in der Keilschrift Monat des günstigen Stiers, Thier-
kreiszeichen dasselbe.
Y vav, verwandt mit vop »Haken, Träger*, in den Geboten »du sollst
nicht ehebrechen*, als Stamm Naphthali, als Stand Dolmetsch, als Monat
Juni: hebräisch P'd atixin, verwandt mit po sin »Koth* (verwandt mit Ziegel-
stein), assyrisch Sivatiu, in der Keilschrift Monat des Ziegels, Thierkreis-
zeicbcn Zwillinge.
^ zain, verwandt mit zana »buhlen*, in den Geboten »du sollst
nicht stehlen*, als Stamm Gad, als Stand Krämer, als Monat Juli: hebräisch
rafi thamuz, assyrisch Duzu, verwandt mit Pfi ihiz »abschneiden* und nman
themutha »Tod*, femer |0'n iheman »Süden*, wahrscheinlich die welk-
Miachende Hitze; in die Keilschrift Monat des die Aussaat Überfallenden,
Thierkreiszeichen Krebs, wobei zu beachten ist, dass das Zeichen ^ auch
Ähnli<-hkeit mit der hieratischen Form des ägyptischen Käfers ^ hat
M Z^f verwandt mit onn ^atham »versiegeln*, in den Geboten »du
sollst nicht falsches Zeugniss geben* (falsch schwören), als Stamm ASer, als
Stand Handwerker, Künstler, als Monat August : hebräisch 2H ab, assyrisch
jihu, verwandt mit p« oben »Töpferscheibe*, Keilschrift Monat des Feuers,
Thierkreiszeichen Löwe.
^ iei, verwandt mit e*Q tit »Lehm*, in den Geboten »du sollst nicht
hegehren deines Nächsten Weib (Haus)*, als Stamm Issa§)^ar, als Stand
Taglöhner, als Monat September: hebräisch W» eltd^ verwandt mit b^ yalal
,<fhreien, heulen, jauchzen*, assyrisch Ululu, Keilschrift Monat der Bot-
s< haft, Thierkreiszeichen Jungfrau (das letztere scheint auf die phönikischen
Liebesfeste hinzudeuten, an denen sich die Jungfrauen gegen Lohn den
Fremden hingaben).
^ yod, verwandt mit T yad »Hand* (ausgestreckte Hand), in den
Geboten »du sollst nicht begehren deines Nächsten Eigenlhum*, als Stamm
Zebalon, als Stand Schiffer oder Fischer, als Monat October: hebräisch nwn
tiiri, Terwandt mit rnwr\ UJura »Geschenk* und tc hir »reisen*, auch «das
Schauen, Lauem*, assyrisch Tasritu, Keilschrift »Monat des Hügels*, Thier-
kreiszeichen Scheren des Skorpions, respective Wage.
1 74 Die Gesetz(?ebung Mosia.
y Icaph, verwandt mit rp kaph ,Hand* (hoMe Hand), als Stamm Josef,
als Stand vielleicht so viel als iod sapher .Schreiber*, als Monat November:
hebräisch pvn jreSvan oder genauer pvmo marjfeSvan, welches die .getheille
Fläche* zu sein scheint, entsprechend dem keüschrifUichen Monat «der
Büffelhaut*, assyrisch heisst der Monat Arakh^amtia, d. i. hebräisch njüv m«
yarea/ Senume .der achte Monat (von März an gerechnet)*, Thierkreiszeichen
Skorpion.
1$ lamed, verwandt mit *td^ lamad .lehren*, als Stamm Benjamin, als
Monat December: hebräisch ^^QD kislev von ^od kessd' .die Lendenmuskel*,
Thierkreiszeichen der Pfeil.
Begreiflich ist es, dass den 1 1 Zeichen 1 1 andere Zeichen beigegeben
wurden, wie den Göttern die Göttinnen, wie auch die Ägypter die fQnf Planeten
männlich und weiblich sich dachten und mit Zufügung von Sonne und Mond,
welche nicht getheilt wurden, aus 7 Zeichen 12 machten; aber wie verhält
sich zu dem Alphabet die Gesetzgebung des Moses, wozu die Hervorhebung
der 10 Worte unter den vielen Gesetzen, welche dem Moses zugeschrieben
werden, wozu die Proclamirung dieser 10 Worte in feierlicher Weise auf
2 Tafeln unter Donner und Blitz?
Die Antwort dürfte in einem Nebenumstande liegen, der gleichwohl
sehr wichtig ist. Jethro, der Schwäher des Moses, dessen Name Ähnlichkeit
mit Josef hat, denn irr t/eiher heisst .das Übrige» der Überfluss*, besucht
Moses, welcher vom Morgen bis zum Abend das Volk richtete ; er ermahnt ihn,
sich nicht mit Einzelheiten zu ermüden, sondern sich nach rechtlichen
Leuten umzusehen, welche über tausend. Ober hundert, über fünfzig und
zehn als Richter in Bagatellsachen zu setzen wären, wogegen Moses sich nur
die Hauptgeschäfte vorbehalten solle. Moses gehorchte seinem Schwäher und
that Alles, was er sagte, und erwählte redliche Leute aus dem ganzen Israel
und machte sie zu Häuptern über das Volk, etliche über tausend, über hundert,
über fünfzig und über zehn, dass sie das Volk allezeit richteten, was aber
schwere Sachen wären, zu Mose brächten, und die kleinen Sachen sie rich-
teten. Hierbei wird nicht gesagt, dass Moses diesen Richtern Instructionen
gegeben habe, aber unmittelbar darauf folgt die Besteigung des Sinai und
die Gesetzgebung, welche also mit diesem Vorgange in einem Causalnexus
stand. Hierzu kommt noch folgendes: In alter Zeit wurde Schuld und Unschuld
des Angeklagten nicht nach unserem jetzigen Verfahren untersucht, sondern
Das Zählen bei den Juden. 175
stets das Gottesurtheil angewendet; der Beklagte musste seine Unschuld auf
Qbernatüriiche Weise darlegen, und das leichteste Gottesurtheil war das Loos;
fiel dasselbe günstig für den Angeklagten aus, so war er nicht schuldig, im
andern Falle wurde er verurtheilt. Es war natürlich, dass Moses seinen
Richtern die Kenntniss der Loose beibringen musste, und wir werden wohl
nicht irren, wenn wir hierin den Ursprung der zehn Gebote suchen ; für jedes
Gebot mussten zwei Zeichen vorhanden sein, ein günstiges und ein ungün-
stiges, diess ergab 20 Zeichen; aber warum nur 10 Gebote, warum nicht elf?
Auch diese Frage dürfte durch Jethros Rath beantwortet sein; waren die
22 Zeichen Einheiten, so konnte man nicht bis fünfzig, nicht bis hundert und
tausend zählen. Anders, wenn Moses das den Israeliten bis dahin fremde
Decimalsystem einführte, das längst in Ägypten herrschte. Die Ägypter hatten
in den Hieroglyphen Striche von 1 bis 10, Hufeisen von 10 bis 100, Knoten
Ton 100 bis 1000, daneben aber in der hieratischen Schrift Zeichen von
1 bis 10, von 10 bis 100, woran sich dann eine den Hieroglyphen ähnliche
Zählmethode bis 1000 anschloss.
Nun kommen zwar in der Genesis sehr grosse Zahlen vor; Adam war
130 Jahre alt und zeugte den Seth, und lebte darnach 800 Jahre und zeugte
Söhne und Töchter, dass sein ganzes Alter war 930 Jahre und starb. Aber
diese Zahlen sind so phantastisch, dass man unwillkürlich nach einem
Schlüssel sucht, der z. B. die 1 30 Jahre auf ein natürliches zeugungsfähiges
Alter zuiijckführen könne, denn, dass die Menschen in der Vorzeit nicht länger
lebten als gegenwärtig, dafQr spricht die Bibel selbst, wenn es heisst: des
Menschen Leben währt 70 .Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es 80
Jahre. Es scheint sogar die Anwendung grosser Zalilen religiös verboten
gewesen zu sein, denn dem König David wird die Volkszählung, welche Moses
anstandslos vornahm, zur Sünde gerechnet. Es heisst nämlich im 4. Buche
Mose, im ersten Kapitel: »Und der Herr redete mit Mose und sprach: Nehmet
die Summe der ganzen Gemeinde der Kinder Israel, nach ihren Geschlechtern
und ihrer Väter Häusern und Namen, Alles, was männlich ist, von Haupt zu
Haupt, von zwanzig Jahren an und darüber, was in^s Heer zu ziehen taugt in
Israel, und sollst sie zählen nach ihren Heeren, du und Aaron, und sollt zu
euch nehmen je vom Gesohlecht einen Hauptmann über seines Vaters Haus*.
Die Zählung; ergab 603.550 Mann. Dagegen 2. Samuelis: Und der Zorn
des Herrn ergrinnnete ahermal wider Israel und reizte David unter ihnen,
^ 76 Das Zählen bei den Juden.
dass er sprach: Gehe hin, zähle Israel und Juda. Joab sprach zu dem Könige:
Der Herr, dein Gott, thue zu diesem Volke, wie es jetzt ist, noch hundertmal
so viel, dass mein Herr, der König, seiner Augen Lust daran sehe; aber was
hat mein Herr König zu dieser Sache Lust? Da aber David auf seinem Willen
bestand, zählte Joab das Volk ; es waren in Israel 800.000 starke Männer,
die das Schwert auszogen, und in Juda 500.000 Mann. Und das Herz schlug
David, nachdem das Volk gezählet war. Und David sprach zum Herrn: Ich
habe schwer gesündigt, dass ich das gethan habe; und nun, Herr, nimm weg
die Missethat deines Knechtes, denn ich habe sehr thöricht gethan. Darauf
liess ihm sein Seher die Wahl zwischen Hungersnoth, feindlicher Verfolgimg
und Pest. David wählte das Letztere und es starben 70.000 Mann.
Wir stehen hier somit vor einem grossartigen Widerspruch der jüdi-
schen Lehre, welcher sich nur dadurch erklären lässt, dass in die Geschichte
Davids sich Mythen einer längst vergangeneu Zeit mischen, welche an den
Namen David oder Thaud geknüpft waren, sowie an die Heiligkeit, welche
grossen Zahlen beigelegt war. Was dem David verboten war, konnte dem
Sohne David's, dem MeSia^, erlaubt sein, denn zwischen dem MeSia^ und
dem Mo§e konnte um so weniger ein Unterschied sein, als Mo§e ja that-
sächlich die Rolle eines Erretters spielte und derselbe ein Sohn des Landes
war, wo Thaud als Gott herrschte.
Führte Moses das Decimalsystem ein, so erhob er \ die Zahl 10, zur
ersten Potenz, a kaph zur zweiten (20) u. s. w., welchen Potenzen nun die Ein-
heiten beigegeben wurden: K* 1 1, a» 12 u. s. w.; so wurde das System bis auf
n 400 ausgedehnt; wie dann die Zahlen bis 1000 ausgedrückt wurden, ist
nicht klar, wahrscheinlich ähnlich der noch vorkommenden Zusammensetzung
von Himderl pn 500, nn 600, wn 700, nn 800, worauf ^ 900 folgte, das in
das griechische Zahlensystem übergegangen ist; femer ist der Ursprung der
Finalbiichstaben, welche gleichfalls als Zeichen von 500 bis 900 dienen»
unbekannt und ihre Anwendung um so unerklärlicher, als ja mit gleichem
Rechte alle Buchstaben basondere Finalzeichen erhallen konnten; wenn dem-
nach nur einzelne Buchstaben eine doppelte Form erhielten, so können auch
andere als graphische Gründe eingewirkt haben.
Es dürfte hier am Platze sein, auf eine Analogie tunzuweisen. Die
Chinesen haben einen Decimalcyclus und einen Duodecimalcyclus ; die Zahlen
des erstem heissen »Stämme" oder , himmlische Zeichen* und die Zahlen
Das Zählen bei den Juden. 177
des letztem , Zweige' oder « irdische Zeichen*, aus der Zusammenstellung
einer Duodecimalzahl und einer Decimalzahl wird ein Cyclus von 60 Jahren
gebildet, nach dessen Ablauf dieselbe Duodecimalzahl neben derselben Deci-
malzahl steht. Die Duodecimalzeichen sind Zeichen der 12 Doppelstunden
des Tages und die Zeichen des Thierkreises. Ohne Combination werden die
Cyclttszeichen selten für Zahlen gebraucht, am liebsten, wenn etwas in 10
oder 12 Abtheilungen zerfällt, das ist in ähnlicher Weise wie in der Keil-
schrift das Bruchsystem gebildet wurde und wie die römische As als Ganzes
ron zwölf Einheiten gebraucht wurde.
In der hebräischen Schrift haben wir in der Zwölfzahl die Stämme,
m der Zehnzahl die göttlichen Gebote, also umgekehrt wie bei den Chinesen;
dem entsprechend hatten die Juden einen Cyclus von 50 Jahren (Jobeljahr)
wie die Chinesen den Cyclus von 60 Jahren; fünfzig aber war nach der
Genesis die zweite Potenz von 10 auch bei der Volkszählung.
Wenn wir bekennen, dass wir nicht im Stande sind, alle Räthsel des
Alterthums zu lösen, so glauben wir gleichwohl dasjenige nicht verschweigen
zu sollen, was ein Licht auf diese Dunkelheiten zu werfen geeignet ist, und
gerade der Umstand, dass es geglückt ist, so manches Dunkel aufzuklären,
ist eine AufTorderung dazu, mögen Andere den gebahnten Weg mit besserem
Glück verfolgen.
DIE GOTHISCHEN UND ANGELSÄCHSISCHEN RUNEN.
Während die Markomannen das Abece besassen, hatten die benach-
barten Gothen und Angelsachsen das nordische Futhork beibehalten, aber
vermehrt. Wir finden somit in Deutschland dasselbe Verhältniss wie im
Orient Wie die Juden und die Araber trotz der innigen Verwandtschaft ihrer
Sprache sich sehr in der Zahl der Laute und in der Eintheilung ihrer Zeichen
unterschieden, so auch die Markomannen, die Gothen und Sachsen ; aber auch
bei diesen ist eine auffallende Verschiedenheit in der Eintheilung der Zeichen
neben der Übereinstimmung der Zeichen und Namen. Ein angelsächsisches
Futhork eines Codex von St. Gallen besteht aus 28 Zeichen (wie die arabi-
schen Mondstationen), emgetheilt in je zwei Reihen zu 10 und eine Reihe zu
8 Zeichen; dann folgt ein anderes, bestehend aus 16 und zweimal 13, also
zusammen 42 Zeichen ; eine Handschrift Isidoris enthält drei Roilien zu je 8
Zeichen, dann einige Zusatzzeichen (wegen einer Lücke im Papier lässt sich
raolmAim. 0«tehicht« d. SchriO. 1 2
178
Gothische und angelsächsische Runen.
die Zahl, wahrscheinlich 5, nicht genau bestimmen); von den drei angel-
sächsischen Futhorks, welche Hickes Yeröffentlicht hat, besteht eines aus 17
und 16, also 33 Zeichen, ein zweites aus 16 und 15, nebst 3 Zusatzzeichen;
ein drittes aus 13 und 11 Zeichen; dem ersten Futhork des Hickes ist ein
Runenhed beigegeben, welches aber nur 29 Zeichen behandelt, endhch wurde
in Schonen ein Rracteat gefunden, welcher im Kreise um einen Kopf 24
Zeichen in 3 Abtheilungen enthielt Wir geben zur Übersicht zunächst eine
Zusammenstellung der 24 Zeichen:
Bracteat
St Gallen Cod.
Cod. Isidori
Hickes
♦
f fe
f
ffeh
f j^fech
K
F
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5^ okd
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oe S od'd
m
M
mann
oe
^pro
1
MA
dctg
Geheimschriften. 170
Die Zusatzbuchstaben sind:
1^ ac mit dem Lautwerlhe a )
. , , . , « } beide im Stamrafüthork durch 05 vertreten:
p (B8C mit dem Lautwerthe ä )
frl yr mit dem Lautwerthe y, eine Variante von h ur;
^ M>, tor^ arent mit dem Lautwerthe to^ die nordische Hagel-Rune;
^ Im, ear, cpeordh, cur mit den Lautwerthen ear und Atr;
m Mr mit dem Lautwerthe ä;^ das altnordische X yr, Variante von eolhx (ks);
M ^an mit den Lautwerthen st und ts;
3^ por mit den Lautwerthen g und e^, verwandt mit der Ligatur <t;
^ calc, eine Variante von iolx;
^*^^z, das markomannische Ziu (Tyr), scheint den Blitz zu bedeuten.
Vergleichen wir die obigen 24 Runen mit den 16 nordischen, so finden
wir die Zeichen sehr unregelmässig eingeschoben:
ru > * t^ r * tu Ht^ rrj.
Dass die Striche, welche die Zeichen in Gruppen theilen, keine zufälligen
waren, geht daraus hervor, dass darauf eine eigene Geheimschrift begründet
war; man schrieb statt der Buchstaben die Zahl der Reihen und die Zahl der
Stelle, welche das Zeichen in der Reihe (vgl. S. 178 Br.) einnahm, z. B. der
Namecorrt:|. j-j' ;. |||. |[.,;l[I. |. |||||. |. ||. ||. 1||., denn c ist der sechste Buch-
slabe der ersten Reihe, o der achte der dritten Reihe, r der fünfti^. der ersten
Reihe, u der zweite der ersten Reihe, t der dritte der zweiten Reihe; stall
dieser Striche, welche man nach der Form der Buchstaben lis-Runen nannte,
gebrauchte man auch das l, also j»^ hhhhhh. ["["[". hhMS^hf^ f" M^hhh
r. N^. ff. hM^ ^^^ nannte diese Lago-Runen; oder man setzte die Striche
rechts und links an einen Stab: |^^ ? p und nannte diese Zeichen Hahal-
runen, oder man setzte Punkte [.;../ ..:•:.. ..i., ..... und nannte sie
Slofrunen.
Einer Ihnlichen Veranlassung dfirfte die keltische Oghamschrift (in
Iriand und Schottland) ihren Ursprung verdanken. Dieselbe besteht aus fünf
Strichen in vier verschiedenen Stellungen:
unter der Zeile. 6 |_l|,,/|,,|.,|,^,«
auf der Zeile \ hW d •'' f l|l| k ll' ! g
die Zeile quer durchschneidend / w// g /// ti ////st, i^ /////
W
180 Ogham.
a \ 0 \\ u '■ ' e '
I ,1
«1
die Zeile gerade durchschneidend
dann fünf Zusatzbuchstaben X ^ O <>* Id ^ Si^ *^ ^ ^'^
Es ist das dieselbe Ordnung, welche sich in den irischen Buchstaben-
nämen erhalten hat, und die nach den ersten drei Buchstaben BeUduismm
heisst, woraus hervorgeht, dass in der Aufeinanderfolge der Zeichen ein
Wechsel zwischen f und n eingetreten ist. Die irischen Buchstaben haben den
Namen von Pflanzen, wahrscheinhch in Folge einer Blumensprache; sie
lauten: Beith (Birke), Luis (Eberesche), Fearran (Erle), ^f7 oder 5wt7 (Weide),
Nuin (Esche), Uaih [h] (Weissdorn), Duir (deit Eiche), Teine (Stechpalme),
Choll (^coö f«< Haselstaude), Chueirt ßcw] (Apfelbaum), Mmn (Weinstock),
Gh4>rt (geil Epheu), Niatol (Schilfrohr), Straith (Schwarzdom), Buis (Hollim-
derbaum), Aüm (Fichte), Onn (oir Geniste), üir (Haidekraut), Eagadh (eada
Espe), Yoghadh (yoga Eibenbaum), Eabhadh (Esche), Oir (Spindelbaum),
L%a«w '(Geissblatt), Ntfin po] (Stachelbeere), Arnharchoü [acj (FlusssclülO-
Es geht hieraus hervor, dass die Beschäftigung mit den Lauten und
den Lautzeichen im Alterthum eine grössere war, als wir ahnen; bei den
wallisischcn Barden ist noch jetzt eine Runenschrift im Gebrauch, welche
Coelbrefi y beirdd (Coelbren bedeutet Zeichenstäbe) heisst und auf einer Reihe
von 16 Zeichen beruht, welche den Zahlwerlh behalten haben, nämlich:
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
AJIOI.wh^<<J'h>l1kHK
aeiohmpfkg i d n l r 9
und durch DifTerenzirung auf 38 vermehrt worden sind; es ist übrigens
fraglich, ob die oben angegebenen Zeichen wirklich radical sind, denn V u,
y y scheinen nicht minder radical zu sein, und > d dürfte wohl ebenso radical
als > d gewesen sein.
Kehren wir nun zu den angelsächsischen Runen zurück, so ist klar,
dass die 24 Zeichen die 24 Stunden des Tages bedeuteten, dass damit auch
die Eintheilung des Jahres in Monate und des Monats in 29 und 30 Tage
zusammenhing, sowie dass diese angeblich schriftunkundigen Barbaren der
Ausbildung ihrer Zeittheiiung wohl mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatten
als Griechen und Römer.
Auf die Zeichennamen wollen wir nicht weiter eingehen; wir müssten
uns zum grössten Theile in Wiederholungen bewegen und würden dadurch
ermüden; bezüglich der Zeichenformen machen wir nur darauf aufmerksam^
Angelsächsisches Runenlied. 181
dass NM ^ H für A abwechseln, von welchen Zeichen N in der römischen
SchriA und H in der cyrillischen Schrift als n auftritt, dem entsprechend
finden wir i als n (f^g); femer finden wir einmal R als 8, was die Ähnlich-
keit von P (r) und f (s) in der spätem angelsächsischen Schrift erklärt» femer
denselben Wechsel zwischen i und a wie im griechischen Alphabet, den
Wechsel von m und d und den Wechsel von l und x, der auch in den tironi-
sehen Noten bemerkt wird. Diese verschiedenen Bedeutungen derselben
Zeichen deuten auf ein Schwanken in der Aussprache hin, welches von
Etymologen beachtet zu werden verdient.
Schliesslich können wir uns nicht versagen, das entsprechende Runen-
lied mit Grimmas Obersetzung abzudrucken, da es offenbar, wie das alt-
nordische, nichts Anderes ist als eine Zusammenstellung von Wörtern,
welche beim Losen zur Erklärung der Runen verwendet wurden; man hat sie,
wie jene, in einen nothdürftigen Zusammenhang gebracht, damit sie leichter
behalten wurden, unbekümmert, ob ein Unsinn herauskäme, wie z. B. ,Ritt
ist daheim (!) jedem Manne angenehm und stärkend, dem der sitzt oben auf
rielkräftigem Rosse über lange Wege*.
f Feoh byth frofur Geld ist Trost
fira gehwylcum, für jeden Menschen,
sctal iheah tnanna gehwyle soll doch jeder Mann
miclun hyi dctian, reichlich es austheilen,
gif he teile for drihine wenn er will vor dem Herrn
douies hleoten. Urtheii empfangen.
T\ Ur bgth anmod Ur ist hartnäckig
Q9ui oferhgrned, und oben gehörnt,
/da frecM deor, ein viel freches Thier,
feohieth mid }Hirtmm: kämpft mit den Hörnern,
wiare moT'Stapa: gewaltig im Sumpfe stapfend;
Üiai is tnodig tcuhU das ist ein stolzes Thier.
¥ Thorn hgth ihearU acearp Dom ist sehr scharf
tkegna gthwglcum, jedem Menschen,
nnfenggs yfyl, anzugreifen übel,
ungeffitlun rtthe unniässig liarl
inanna grhwglatm, jedem Manne,
ike him mid re^teth, der mit iiim schläft
182
Angelsächsisches Runenlied.
K Os bf/th ordfrwna
cdcre, sprcBce,
tcisdomes wrathu
and witena frofur,
and eorla gehwam
eadnys and to-hiht,
R Rad byth onncyde (cn reeede?)
rinca gehtnjlcum,
sefte and stciOiwcet,
tham the sitfeth on-ufan
tneare tncpgen'heatxlum,
qfer mil-pathas.
(v On byth ctcicei'a gehtvam
cuth on fyre:
blac and beorhilic
hjrneth oßust,
thcer hi cethelingas
inne restath.
X Gyfu gumena byth
gUng and herenys^
tprathu and tvyrth-sq/pe
and tcraxna gehwam
ar and cetwisty
the byth othra leas,
P Wen ne bruceth
the can weana Igt
sares andforge (sorge?),
and htm sylfa luefth
bked and blysse
and cac byrga geniht,
Y\ Hcegl byth hmiust coma,
hicyfft hit of}i€of(m€S lyfte:
tpealcath hit
Windes scura (scuras?),
weortluih hU to wabere syththan.
Mund ist Anfang
jeglicher Sprache,
der Weisheil Stütze
und der Klugen Trost,
und der Menschen jedem
Lust und Zuversicht.
Ritt ist daheim
jedem Manne
angenehm und stärkend,
dem der sitzt oben
auf vielkräitigem Rosse,
über lange Wege.
Kien ist jedem Lebenden
kundig im Feuer:
weiss und hell
brennt es sehr oft,
da wo die Edelinge
innen schlafen.
Gabe ist der Menschen
Zier und Lob,
Stutze und Ruhm,
und jedem Wandernden
Erz (Geld) und Speisung,
der ist anderer beraubt.
Hoffnung braucht nicht,
der wenig weiss von Elend.
Schmerz und Sorge,
und selbst hat
Gluck und Freude
und auch Burgen genug.
Hagel ist das weisseste der Köm er.
es fällt herab aus Himmels Luft,
treiben es
Windes Schauer,
wird es zu Wasser darnach.
Angelsachsisches Runenlied.
183
V
Nifd hf/th nearu on hreostany
wearththet hi theah
of nitha beamum,
to helpe and io hade gekwcethre,
gif hi kis hlystath cerar.
h byth ofer cealdunge (afer-cecUd),
meium (ungemoetum) sUdor,
glisnath gkes-hluitur
gimmum gelicttst,
flar forste ge tcoruUt (gewehrt),
fxger ansgne.
Ger hgth gumena hiht,
thon god keseth,
haiig heofones cynitig,
h'usan syüan
heovhte hleda
beonium and thearfunu
Eoli btfth utan
unstnethe treaw,
heard hrusan-fcßst,
htjrdefgres,
wgrtrufnun undencrethyd
wtpian (tcgn) on ethle,
Peortk byth sgtnble
P^
and hUhter wlancum,
thar wigan näah
Oft beor-sde
blithe igt aamne.
Eoikz seccard (eolug-secgeard) hafth
oflust onfenne,
ictxeth on tßature,
wundath grimme,
blöde breneüi (bgrneth)
beoma gehwglcne.
Noth ist eng in der Brust,
gereicht es doch
den Menschenkindern,
zu Hilfe und zum Heile beides,
wenn sie darauf hören zuvor.
Eis ist überkalt,
unmässig glatt,
glänzend glashell,
Edelsteinen ähnlich,
Flur von Frost gewirkt,
lieblich anzusehen.
Jahr ist der Menschen Hoffnung»
wenn God lässt,
der heilige Himmelskönig,
die Erde geben
herrliche Früchte
Reichen und Armen.
Eoh ist aussen
rauher Baum,
hart, felsenfest,
Hirte des Feuers,
durch Wurzeln befestigt,
Freude im Vaterland.
Peorth ist inuner
Spiel
und Scherz den Reichen,
wo Krieger sitzen
im Biersaale
fröhlich beisammen.
Schilf hat Erde (wurzelt)
sehr oft im Sumpfe,
wächst im Wasser,
wundet grimmig,
brennt mit Blut
jeden Menschen,
184
Angelsächsisches Bunenlied.
ihe him cgmgne
onfeng gedeih.
VI Sigel se^mannttm
symble byth on hihte,
thann (ihotme) hi hineferiath
ofer fisces beth (bceth),
oth hibrim (hi brim-) hengest
bringeth io lande.
'^ Tgr byth iaaia sum,
healdeih trytca (treowa) tcel
mih <xihding€tö,
a byth Ofifopfylde (on foßrelde)
qfer nüUa genipu;
ncefre swiceth.
6 Bearc byth bleda-leas,
bereth efne swa theah
tatios butan tudder,
byth an idgum wlitig,
theah on helme
hrysted (hrisceth) f(jegere,
gdoden leafum,
kgfle getenge.
M Eh byihfor eorlutn
aühelinga wyn,
hors hofum wlanc,
thcer him hoelethe (Iicekthas) tjinb,
welege on uncgum,
tcrixkuh sprcece;
and byth unstyllum
opfre frofur.
M Man byth on myrgthe
his magan (nvagum) leof,
sceal theah anra gehwylc
odrutn swican,
for tham dttjhten
der ihm einigen
Empfang thut.
Sonne den Seeleuten ♦'
ist immer in Hoffnung,
wenn sie fahren
über Fisches Bad,
oder Meeresross
sie bringt zu Lande.
Tyr ist der Zeichen eins,
hält Treue wohl
bei Edlingen,
ist inmier auf der Fahrt
Ober der Nächte Wolken
trügt ninomer.
Birke ist früchtelos
trägt ebensowohl
Zweige ohne Samen,
ist ia Ästen schön,
doch in der Spitze
rauscht sie lieblich,
bewachsen mit Blättern,
von der Luft bewegt.
Pferd ist vor den Menschen
der Edlinge Freude,
Ross auf Hufen stolz,
wo untereinander Helden deshalb,
gewaltige, im Streit,
Worte wechseln,
und ist Unruhigen
inamer Trost.
Mann ist in Freude
seinen Blutsfreunden lieb,
doch ^ird einer
den andern betrügen,
deshalb der Herr
Angelsächsisches Runenlied«
185
fpiU dorne sine (sinum)
thcet earme fkesc
eorthan hetaxan,
h La^ byth leodum
Umgsum ^ethuht^
gif M seuktn nethun (neathan),
an naoan tealtum (teaUian),
and hi scB'ytha
swyihe In'egath,
and se brim-haigest
hridles ne gym (ggmlh).
}( Jng UHJU cerest
mid east-denum
gesetceft secgun,
oih the siÜUhan est (est-wetd)
o/er icceg gewat:
lorri aftei' ran
thus hmrdingas
(hone lißde nefndwt,
A Eihel hyih ofer-leof
<Bghu:ylcum men,
gif he tnot thcer rMer (rihtes)
and gerysena
an hrwan on blöde
bUadum oflasU
N ^^ ^f^ dnhiness sond,
deore mannum,
mctre tnetodes leohi^
mgrgth and to-kiht
tadgum and earmum,
eaüum bnce (bryce).
K Ae bgth an eotiftan
eida beamum,
fktsres fodOTf
fereth geloim
will durch sein Gericht
das alte Fleisch
der Erde zurückgeben.
Wasser ist den Leuten
beständiger Gedanke,
wenn sie sollen nieden
im Nachen schwanken,
und die Seewellen
sie gewaltig schrecken
und das Meerross
des Zügels nicht achtet.
Ing ist zuerst
unter den Ostdänen
gesehen von den Männern,
bis er hernach ostwärts
über die Fluth ging,
der Wagen rollte nach.:
also die Führer
den Mann nannten.
Vaterland ist überlieb
jedem Manne,
wenn er muss da
nach Recht und Gerechtigkeit
richten in Blut,
bei Furchtsamen oft.
Tag ist des Herrn Bote,
Theuer den Menschen,
herrliches Licht Gottes,
Freude und Zuversicht
Reichen und Armen
Allen gedeihlich.
Eiche ist auf dem Land
den Menschenkindern
Fleisches Behültniss,
fthrt häufig
186
Angelsächsisches Runenlied.
ofer ganothes hadh,
gar-seeg fandaih:
hwcether ac hcMe,
athele trtowe (treaw)/
h Aesc byth ofer-heah^
Mum dyre,
stith on stathtde,
stede rüUe hyU,
theah Mm feohUm (fechten) <m
firas moniffe.
Iy\ Yr hifih (gthdinga
and eorla gehnocBS
wyn and wyrthmynd^
byih on wiege fcpger,
foBSÜic onfcerdde,
fyrd geacewa (fyrd-gemacq) sum.
X Jor bjfth ea fixa (ea-fiec),
and theah abruceth (a hrüceth)
fodres onfaldan (wi fMan),
hafath fiegerre eard,
wogtre beworpen,
thcer he tpynnum leofath,
T ^r ^* «7^
eorla gehwylcum,
thonn fcestlke
fkesc onginneth
hrawcolian (hroew coUan),
hrusan ceoean
Uac to gebeddan:
bleda gedreosath,
wgnna gewitath,
wera (wmra) geswicaih.
über Wasserhuhns Bad.
erforscht die See:
Jeder habe Eiche
den edlen Baum!
Esche ist überhoch,
den Menschen wertli,
fest im Grunde,
hält recht Stand,
wenngleich sie anfallen
▼iele Männer.
Bogen ist Edelingen
und Mannen, eines jeden
Freude und Ehre,
ist im Kampfe angenehm,
schnell auf der Fahrt,
ein Genosse im Zug.
Jor ist ein Wasserfisch
und frisst doch immer
Futters auf Erden,
hat die schöne Flur
mit Wasser beworfen,
wo er in Freude lebt.
Ear ist verhasst
jedem Manne,
wenn unaufhaltsam
das Fleisch beginnt
als Leiche zu erkalten,
die Erde zu erwählen,
bleich zum Weibe,
Freuden zerfallen,
Wonnen verschwinden,
Verbindungen werden gelöst
187
RÜCKBLICK.
Wir sind jetzt an einer Stelle dieses Werkes angelangt, wo wir einen
kurzen Augenblick Halt machen müssen, um das Vorangegangene zu über-
schauen und uns für das Folgende vorzubereiten.
Die vorstehenden Untersuchungen haben den Beweis geliefert, dass
alle Völker die Elemente der Schrift besassen; ob sie auch nur Knoten
knüpften« ob sie auch keine anderen Zeichen kannten als jene, welche sie sich
auf den Leib malten oder in den Körper einätzten : die Zeichen waren Begriffe
und mit dem Laut verbunden, denn der Laut war der Geist, der dem leblosen
Stoffe, dem Knuten oder dem Zeichen, eingehaucht wurde, damit er Wunder
wirke. Wenn es ein hrthum war, dass der Mensch seine eigene Combination
als Ursachen eines göttlichen Einflusses betrachtete, den er durch den Laut
erwecken wollte, so kann uns das nicht beirren, wir danken diesem Irrthume
die köstlichsten Gaben der Menschheit: die Erßndung von Schrift und
Sprache.
In der Urzeit waren Zeichen, Begriff und Laut unzertrennlich verbun-
den; aber das Zeichen war vieldeutig, der Begriff vielseitig und der Laut
unklar. Je mehr der Mensch begriff, desto mehr lernte er unterscheiden, desto
reichhaltiger und individuahsirender wurden seine Zeichen, desto mehr unter-
schied und bildete er seine Laute. Wäre diese Entwicklung gleichmässig und
ungestört erfolgt, so hätten sich die Zeichen und Laute in's Endlose ver-
mehrt wie die Begriffe der Menschen, und in der That haben wir in der
Bilderschrift den Ansatz zu einer unbeschränkten Vermehrung der Zeichen,
in der chinesischen Sprache den Ansatz einer Lautmodulation, die unsere
europäischen Sprachbegriffe verblüfft
Es ist aber nur bei dem Ansatz geblieben; ja, in denjenigen Sprachen
und Schriften, welche die herrschenden geworden sind, ist dieser Ansatz
minder stark geworden als in anderen, weil in Sprache und Schrift ein anderes
Element vereinfachend regulirend eingegriffen hat: die Zahl. Die Zahl ist das
logisch ordnende im Menschenverstände, sie hinderte die Ausschweifung der
Phantasie in nebelhafte Unklarheit, indem sie, von der Vier an, anfangs selbst
eine nebelhafte Vielzahl, sich individualisirte und an bestimmten Begriffen
haften blieb, welche Stufen der Leiter wurden, auf denen die menschliche
Erkcnntniss iamier höher hinaufkletterte. Wir haben diese Individualisirung
188 Kückblick.
der Vielzahl an den Tagen der Woche bis zum Monat und seinen Tagen
▼erfolgt. Aber auch diese Ent^^icklung hätte in ihrer ungestörten Ausbildung
zu einer Vielheit geführt, welche dennoch unvollkommen war, weil sie bald
mit Erschöpfung und Beschränkung endigen musste; hier entstand als regelnd
die Potenz, welche die Einheit zur grossen Vielheit erhob, die auf einer stufen-
weisen Theilung beruhte: dieselben Stufen, welche Ton der Eins zur Zehn
führten, wurden zu Stufen von zehn bis hundert, von hundert bb tausend, und
so wurde aus neun Zeichen die Unendlichkeit der Zahlensysteme aufgebaut,
mit denen wir die Himmelsräume messen. Nach diesem grossen Grewinne der
menschlichen Erkenntniss welkten die Zahlen, welche von der Eins bis zur
Dreissig sich aus Zeichen aufgebaut hatten, von der Neun aufwärts und
starben ab.
Doch nicht vergebens waren diese Zweige dem Baume der Sprache
und Schrift entsprossen; wie die Zahl eine gewisse Ausdehnung erreicht
haben musste, um in höheren Potenzen wirksam zu sein, so musste auch die
Lautbiegung eine gewisse Reihe von Lauten erzeugen, welche breit genug
war, die Grundlage der Tausende von Wörtern zu werden, mit denen wir
unsere fein ausgebildeten Begriffe ausdrucken; und daher blieben die als
Zahlen erstorbenen Zeichen über 9 als Lautzeichen lebendig und bildeten die
Grundlagen der Lautschrift.
In welcher Weise aus der Minderzahl die Vielzahl der Zeichen entstand
haben wir aus der Vergleichung der Zeichen erkannt, welche uns bald in
den Orient, bald in den Occident führte. Die Trennung der Familien liess an
verschiedenen Orten sich Völkerstämme eigenartig entwickeln, wobei auch
die gemeinsame Sprache und Schrift verschieden sich gestaltete; hierauf
erfolgte Wiedersehen unter Kampf und Eroberung, wobei die verschieden ent-
wickelten Zeichen und Laute durch Mischung der Sprache des Eroberers mit
der des Eroberten zu grösseren Zeichen- und Lautkreisen sich vereinigten,
wie auch die Ideen und Erfahrungen sich mischten. Nicht erfunden wurden
neue Zeichen und Laute, sondern die bestehenden wurden varürt, und wie
sich alle Laute auf vier und sogar auf drei zurückführen lassen, so lassen sich
auch alle Zeichen auf den Strich, den Winkel und den Kreis zurückfahren,
als die Grundlage aller Begriffe.
Wie ferner sich im Zahlensystem die Potenz ausgebildet hatte, so bildete
sich im Lautsystem, namentlich unter dem Einflüsse des Losens die Zusammen-
Rackblick« 189
Setzung der Wurzeln aus, welche schon in der dritten Potenz auf alle Laute
ausgedehnt, den Sprachschatz in's Ungeheure steigern musste. in dieser
Beziehung hat die natürliche Trägheit dafßr gesorgt, dass die Bäume der
Sprache nicht in den Himmer, d.h. Qber unsere Fassungskraft hinauswuchsen,
und auch hier hat die Mischung der Volker den Strom mehr in's Breite
gelenkt; dieselben Worte, welche sich als SufTixe in der einen Sprache
ansetzten, um Zahl, Zeit, Art, Person anzugeben, traten in anderen Sprachen
selbständig auf, und bei einer Vermischung kam es dahin, dass Artikel und
Fürwörter zum flectirten Worte hinzutraten, somit Person und Zahl doppelt
vertreten waren, während andererseits erstorbene Stämme sich als Präpo-
sitionen dem Worte anschlössen und so eine Breite der Wörter entstand,
welche auf gleichen Wurzeln dieselbe grosse Vielartigkcit des Ausdruckes
gestattete wie die Potenzen der Zahlen.
Ohne diese Ausbildung der Sprache, welche die früher zum Verständ-
niss nothwendige Geste überflüssig machte, wäre eine Buchstabenschrift nicht
möglich gewesen, denn die Zeichen waren ursprünglich vieldeutig und poly-
phon; diese Vieldeutigkeit und Polyphonie wurde sogar gepflegt, weil sie das
Errathen beim Losen erleichterte und weil die Individualisirung der Bilder
»ie dem GesammtbegrilTe entfremdete, in welchem der Laut wurzelte. Daher
trennten sich schon früh Bild und Lautzeichen; aber die Lautzeichen konnten
so lange nicht als Verständigungsmittel dienen, als die Sprache noch arm
an Worten war, oder sie konnte als Verständigungsmittel nur dienen, wenn
das Bild sie erklärend begleitete, wie die Geste die Rede. Auf diesem Stand-
punkte finden wir die Schrift bei den Chinesen und Ägyptern.
Um diese Zeit konnte auch die Schrift bei armen oder verarmten Völ-
kern in Vergessenheit gerathen. W^ie es gegenwärtig unter den gebildeten
Völkern Redner giebt, welche stundenlang im Parlamente oder in Volksver-
sammlungen sehr klar und logisch sprechen können, aber kaum im Stande
sind, ihren Gedankengang zu Papier zu bringen, indem die Anreihung von
Bucli5lal)en an Buchstaben einen verwirrenden Cinfluss auf ihr Denken übt,
während umgekehrt Gelehrte Meisterwerke des Styls und des Geistes bei
ruhiger Aneinanderreihung der Zeichen auf dem Papier schaffen , aber in
ihrem Gedankengange verwirrt werden, wenn sie statt den stummen Zeichen
die lebendigen Köpfe der Hörer vor sich sehen oder gegenüber dem lebhaften
Auditorium nicht die Zeit finden, mit prüfender Überlegung die Bausteine
190 Rückbück.
ihrer Sätze zu ordnen — so gab es Völker, bei denen durch die Cbung des
mündlichen Verkehrs die Schreibkunst von der Redefertigkeit erdrückt wurde,
während speciell bei den Chinesen die Ausbildung ihrer Sprache durcb den
kunstvollen Ausbau ihrer Wortbilder beeinträchtigt wurde. Andererseits
musste die Zeichen- und Schreibkunde verloren gehen, wenn der Geist sich
nicht über die Nothdurft des Tages erhob; denn so weit der Schall des
Wortes reichte, bedarf man keiner Schrift, um sich mittelst der Correspon-
denz zu verständigen.
Es musste ein Bedürfhiss nach der Schrift vorhanden sein, wenn die-
selbe sich entwickeln sollte; ein mächtiger König musste über viele Stämme
gebieten, .welche er nur durch schriftliche Befehle leiten konnte, einem
E^iesterstamm mussten durch den Reichthum und die Grösse des Volkes die
Mittel geboten sein, ungestört von Nahrungssorgen der Wissenschaft zu leben,
die Überlieferungen zu sammeln und ihre Religionssysteine zu ordnen; dann
ergab sich die Nothwendigkeit, dieselben ihren Nachfolgern schriftlich zu
hinterlassen, damit das Gefundene nicht verloren gehe, sondern virachse und
wuchere. So sehen wir denn die Schrift als Offenbarung (im Gegensatze zu
den Runen als Geheimniss) stets mit Religionssystemen vereint , wie die Sage
von Büchern Thaud's und von vergrabenen Ziegelsteinen Chaldaeas berichtet;
so verbreitete sich die hebräische Schrift mit dem Pentateuch, die griechische
Schrift mit Homer's Gesängen, die Devanagari mit der Brahmanenlehre, die
Pali mit dem Buddhismus, die syrische Estrangelo mit dem Evangelium, die
arabische Neskhi mit dem Qorän, die römische Schrift mit der Vulgata, die
cyrillische Schrift mit CyrilFs Bibelübersetzung u. s. w. ; was dazwischen liegt
an nationalen Schriften sind Trümmer, welche von einstiger Herrlichkeit
zeugen, wie die Ruinen verfallener Paläste.
Läge die geistige Geschichte der Menschheit klar vor uns, könnten wir
an der Hand derselben die verschiedenen Religionssysteme verfolgen, dann
können wir sicher einen chronologischen Aufbau der Geschichte der Schrift
liefern; aber selbst in vergleichsweise neuer Zeit bt die Entstehung der
Religionen in Dunkel gehüllt, umgeben die sonderbarsten Mythen die Ent-
stehung der Religionsbücher, so dass man selbst höchst misstrauisch wird
gegen Daten, welche sich den Anschein historischer Thatsachen geben. Statt
daher Material zu empfangen, müssen wir selbst in der Geschichte der Schrift
Material zu historischen Ereignissen suchen.
RQckbüclL 191
Obrigens hat auch die politische Geschichte Ähnlichkeit mit der
Geschichte der Schrift. Indien, China, Amerika haben einen selbständigen
Entwicklungsgang gehabt, welcher unabhängig war von jenem Geiste der
Civilisation, der von Vorderasien auf Griechenland, auf Rom und auf die
germanischen Völker überging, und zeitweilig jedem dieser Völker das Zepter
der Präponderanz in die Hand drückte; nur dieser Geist der europäischen
Civilisation lässt sich genetisch nachweisen, aber er ist ein so kleiner Abschnitt
in der Tieltausendjährigen Geschichte der Menschheit, wie die Entwicklung
der phönikisch-griechisch-römischen Alphabetschrift nur ein ganz kleiner
Theil der allgemeinen Geschichte der Schrift ist
Wir müssen daher die Schriften der Völker einzeln betrachten und
in ihnen die Elemente suchen, welche sie mit den allgemeinen Wurzeln ver-
knüpfen, nachdem wir in den vorstehenden Abhandlungen diese Wurzeln
blossgelegt und einen Theil ihrer Verzweigung verfolgt haben. Wenn vrir
dann die einzelnen Schriften zu Familien verbunden und die Verwandtschaft
dieser Familien unter einander erörtert haben, so werden wir schliesslich zu
einem Oberblick des gesammten Schriflwesens, wie es sich historisch ent-
wickelt hat, gelangen und damit einen Beitrag zur grossen Culturgeschichte
'ler Menschheit liefern.
ZWEITER THEIL
DIE
SCHRIFTSYSTEME
DER
VÖLKEK DES EEDKKEISES
VON DEN ÄLTESTEN ZEITEN BIS AUF DIE GEGENWART.
f Aalnaiin. 0«tchieh(« d. Schrift. I ^
Amerikanisclie Scliriften.
1. DIE KKOTENSCHRIFT.
Amerika scheint von jeher das Land gewesen zu sein, in welches sich
Bewohner der andern Erdhälfle flüchteten, wenn Verfolgungen ihnen das
Leben in der Heimath unerträglich machten. Bei vielen amerikanischen Völ-
kern haben sich Traditionen erhalten, dass sie in die neue Welt eingewandert
seien, und es ist daher natürlich, dass wir Culturformen, die sich in der alten
Welt überlebt haben, in Amerika mehr conservirt finden. Zu diesen gehört
der Gebrauch der geknüpften Schnüre, von deren Anwendung in Asien und
Europa nur mehr die Sage und einzelne Gewohnheiten zeugen.
Am verbreiteisten war der Gebrauch der geknüpften Schnüre in Peru
zu den Zeiten, als die Inkas dort herrschten, d. i. bis zur Eroberung Perus
durch die Spanier. Die Tradition berichtet, dass die Inkas eine früher in
Gebrauch gewesene Bilderschrift verboten hätten, wogegen aber der Umstand
spricht, dass gerade m den Tempeln Steine mit eingehauener Bildersclirifl
aufbewahrt wurden.
Diese Knoten hiessen Quipu, welches Wort sowohl , knüpfen '^ als
, Knoten* bedeutete, aber das versetzte Pa-kwa (die acht Knoten) der Chinesen
zu sein scheint; in Tschile wurden sie Pron (Schnüre) genannt. Tschudi hat
hei seinem Aufenthalte in Peru viele solcher Quipu ausgegraben und selbst
die Bedeutung der jetzt noch bei den Hirten der Puna in Gebrauch befind-
liehen kennen gelernt. Er beschreibt die letzteren in folgender Weise : Die
Quipu bestehen aus einem Hauptstrang, an den verschiedene Zweige geknü))fl
sind. Auf den ersten Zweig setzen sie gewöhnlich die Stiere, auf den zweiten
die Kühe, diese tbeilen sie wieder in solche, die Milch geben, und in Kühr*,
die nicht gemelkt weitlen, die folgenden Zweige enthalten die Kälber nach
13'
196
Art und Geschlecht, dann kommen die Schafe in mehreren Unterabiheilungen,
die Zahl der getödteten Föclise, die Menge des verbrauchten Salzes und zuletzt
das gefallene Vieh. Auf anderen Qiiipu sieht der Ertrag der Heerden an Milch.
Käse, Wolle u. s. f. Jede Rubrik wird durch eine eigene Farbe oder durch
eine verschieden gedrehte Schnur angezeigt. Auf die uämliche Weise wurden
in früheren Zeiten die Kriegsheere gezählt; auf eine Schnur wurden die Sol-
daten mit Steinsclileudem, auf eine andere die mit Speeren, auf eine drille die
Reulenträger u. s. w. mit ihren Ober- und Unterofficieren gesetzt; ebenso
wurden die Schlachtberichtc abgefasst. Von den Farben galten: roth für Sol-
daten, gelb für Gold, weiss für Silber, gnln fOr Getreide. Jeder einfache
Knoten bezeichnete zehn, jeder doppelt verschlungene hundert , jeder dreifache
tausend; zwei einfache Knoten neben einander bedeuteten zwanzig. Die Eni-
femung der Knoten vom
Stamme war von grösster
Wichtigkeit, ebenso die
Aufeinanderfolge der ein-
zelnen Zweige, denn die
Hauptgegenstände wurden
an die erslen Zweige und
in die Nähe der Querschnur
gesetzt, und so in abstei-
genderPolge. Enjeder Stadt
waren einige eigens be-
Glimmte Männer, um die
Quipu zu knüpfen und zu
erklären, sie hiesscn Kno-
lenbeamte. So ungenügend
diese Schrift war, so hatten
doch während der Blfilhe
des Inka-Reiches die be-
stellten Schriftsteller eine
sehr grosse Fertigkeit im
Enträlhseln der Knoten,
aber es gelang ihnen nur
selten, einen Quipu ohne
Wampumschnüre 197
mündlichen Commentar zu lesen, es musste immer, wenn er aus einer ferner
Provinz kam, beigefugt werden, ob er sich auf Volkszählungen, Tribute,
Kriege u. s. w. beziehe. **
Wir geben Seite 196 eine Ton Tschudi veröffentlichte Abbildung eines
solchen Quipu, wie er deren viele in Peru ausgegraben hat.
Cngverwandt mit diesen Quipu, aber doch eigenartig sind die Wampum-
oder Muschelgürtel der nordamerikanischen Indianer: d^r Leni-Lenape,
Huronen, Irokesen und anderer Stämme. Sie bestehen aus Muschelschalen
von weisser, brauner, violetter oder in's Schwarze fallender Farbe, welche
in kleine, OTal geschliffene Stücke zerspalten sind, die durchbohrt und an
einen Faden, dünnen Lederriemen oder Draht angereiht wurden. (Derlei
Steine wurden auch in dem urweltlichen Boden von Frankreich aufgefunden,
ein Beweis, dass solche Muschelschnüre einst auch in Europa heimisch waren.)
Die Muscheln waren so geschätzt, dass sie bei den Indianern ehedem auch
die Stelle des Geldes vertraten, und diess erinnert daran, dass bei den Chinesen
noch jetzt das Bild der Muschel »Reichthum* bedeutet. Wegen der Schwierig-
keit, Muscheln zu erlangen, wurden statt ihrer auch Holzslücke verwendet,
doch sind die letzteren verschwunden, seit der Hanclclsgeisl der Enjrländer
dio Indianer mit sauber poiirten Muschelstücken versorgte. Mehrere dieser
Sohnüre wurden zu einem Gürtel vereinigt, der vier bis sechs Schnüre ent-
hielt, die Gürtel waren von verschiedener Länge, häufig 5 Ellen, nianchinal
eine Klafter lang. Die Färbung der Muscheln trug eine Bedeutung: dunkle
gaben Bedenklichkeit und Hartes zu erkennen, schwarze oder vielmehr braune
und violette warnten vor Gefahr oder enthielten eine ernste Mahnung, die an
Drohung streifte, oder auch einen nachdrücklichen Verweis, weiss zeugte von
Güte und verhiess Wohlwollen, Frieden und Freundschaft, roth verkündete
allemal Krieg, denn roth war die Kriegsfarbe. Solche Wampumgürtel sendeten
die Stämme einander zu, sie gaben mittelst derselben öfTentliche Erklärungen
und beglaubigten das Wort des Botschafters, denn ohne mündliche Eiklünipg
waren sie, wie die Quipu, nicht verständlich. Hatte in einer feierlicIuMi Ver-
sammlung eines andern Stammes der abgesendete Sprecher eine wichtige
Eröffnung gemacht, so schloss er mit der Überreichung der Wanipumschnur:
»Zur Bestätigung meiner Rede übergebe ich diese Wanipuiuschnur. * Der
Antwortende überreichte ihm eine entsprechende als Gegen gewähr. r)ie
Sprecher beider Parteien hielten auch während der Verhandlung den
198
WampumscIinQre.
Wainiiumgürtel an den entgegengesetzten Enden. Wurden WampumgOrlel
zurückgegeben, so hiess diess, es werde auf
den Vorschlag nicht eingegangen und die
Unterhandlung war sogleich abgebrochen. Die
erhaltenen WampumgQrtel bewahrten sie sorg-
fältig in Ledertaschen, Beuteln und Eisten auf.
Dieses ihr Staatsarchiv wurde tod Zeit zu
Zeit durch die Kundigen den Slammgenossen
erklärt. Ein- oder ein paarmal im Jahre wur-
den die fähigsten Knaben und Junglinge des
Stammes und die Söhne der Angesehensten an
einem Waldorte versammelt, Speise undTrank
dorthin gebracht und auf einem grossen Rin-
denstücke oder einer Decke der Brielbcutel
geleert und der Urkundenvorrath in bestimm-
ter Ordnung ausgebreitet Alsdann ergriff ein
Sprecher die einzelnen Gürtel und erklärte
jedes Inhalt mit ernstem Nachdruck, die
Worte, die bei der Übergabe gesprochen
worden waren, wiederholend. Manche Gürtel
scheinen doppelseitig gewesen zu sein, denn
es wird berichtet, dass bei vielen derAusleger
den Gürtel umgekehrt habe, wenn er zur Mitte
seiner Rede gekommen, und diess sei dann
ein wesentlicher Punkt gewesen. Wir geben
hier die Abbildung eines solchen Wampuni-
gurtels, der an sich nichts Anderes als eine
Zickzackfigur zu enthalten scheint, der aber
wichtige Nachrichten enthalten haben soll.*'
ä. LXIHAMSCHE BILDERSCHRIFTEN.
Die Indianerütiuimie, welche zur Zeit der Entdeckung Amerikas die
nördliche Hälfte dieses Erdtheils durchstreiften und hauptsächlich nomadisch
von der Jagil lebten, wie die weui^'en Überreste, welche der Kampf mit den
Die Indianer. 19^
Europäern und die Branntweinpest übrig gelassen hat, huldigen den Anschau-
ungen des Animismus. Sie haben keine Tempel zum Gottesdienste, denn sie
meinen, dass der grosse Geist, welcher die Welt geschaffen habe, sich vor
den Augen der Menschen wrberge, aber in allen Dingen wohne; sie erblicken
ihn demnach in Felsen, Bäumen, Wasserfällen und Wolken, im Donner und
Blitz, in den heftigsten Stürmen wie im leichtesten Wehen, in Vögeln, Vier>
füsslem u. 8. w. ^ hisbesondere scheinen sie in den Thieren Emanationen
der Gottheit erblickt zu haben, denn sie wählten dieselben zu Schutzgejstem,
sowohl der Stämme wie der einzelnen Individuen, die Abbildungen solcher
Schutzthiere, welche genau den europäischen Wappenthieren entsprechen,
heissen Totema, ein Wort, welches an das ägyptische tut ,Gleichniss, Bild*
erinnert. Diese Zusammenstellung ist nicht so absurd, wie sie auf den ersten
Augenblick scheinen könnte; die hidianer Amerikas haben zum grossen
Theile dieselbe Kupferfarbe vvie die alten Ägypter, sie sind, wie diese, bart-
los und es erinnern so manche Bräuche an das Nilthal: so die hockenden
Gestalten an die Formen der ägyptischen Götterbilder; ihre Hauptwaffe, die
Streitaxt, bedeutet in den ägyptischen Bildern, Göttlichkeit* ; ihr Haarschmuck
mit Federn ist derselbe, den der ägyptische Gott Anoki trägt, das Zusammen-
binden der Haare auf dem Scheitel erinnert an den Zopf des Gottes Amon,
an die Haarform der Chatten (in Deutschland) und an den Zopf der Araber
und Mongolen. Mehrere Stämme, wie. die Tschipewais und die Schawanoes
haben die Tradition bewahrt, dass Amerika nicht ihr ursprüngliches Vater-
land gewesen sei, sondern dass sie nach einer weiten Reise über ein grosses
Meer, welches eng und voller Inseln war, dahin gekommen sind. ^^
Noch zwei andere Wörter haben eine auffallende Ähnlichkeit mit
europäisch-asiatischen Worten, nämlich der Name ihrer Priester: Meda, und
der Name ihrer Propheten: Yossakid. Der Name Meda wird auch mida, moda,
muda, mata, matt, niadi, ttutdo, maiiu ausgesprochen. Der Stamm mat findet
sich im Griechischen als maihema »Erkenntniss", manthanö , lernen ■, mantis
»ein Verzückter, Seher, Wahrsager, Prophet", lateinisch mvd'iiari .sinnen,
Studiren* und medeor «heilen*, wie auch Medicin bei den Indianern Zauberet
bedeutet Die Medea der griechischen Sage war eine Zauberin; im Hebräischen
heisstffui// «Mass*, was durch die Knotenschrifl, sowie durch die Bedeutung,
welche das Messen fQr die gesammte Bildung hatte (Richtschnur wird noch
in unserer Sprache in der Bedeutung von Vorschrill, Lehre gebraucht), eben-
200 Indianische Kekinowin.
falls auf den Priester hinweist. Der Name Yossakid entspricht dem hebräi-
schen yisekka oder yiska („die da spähet*), das war der Name der Schwester
Lots. Die indianischen Yossakids spielen ganz dieselbe Rolle wie die judi-
schen Seher im Buche der Richter: Männer oder F/auen, welche durch Fasten
und Dampfbäder zu Visionen gelangen, werden, wenn ihre Prophezeiungen
in Erfüllung gehen, berühmt, und öfter gelang es solchen, viele einzelne
Stämme zu gemeinsamen Unternehmungen zu yereinigen, an deren Spitze
sie sich stellten.
Die Lehren der Priester, sowohl der Medas, wie der Yossakids und
einer dritten Art, welche nächtliche Orgien veranstalten und Wabeno heissen,
fuhren den Namen Kekinowin (der Ausdruck win erinnert an die wen oder
Bildzeichen der Chinesen) und beruhen auf Zauberliedem, von denen jede
Strophe an ein (gewöhnlich gemaltes) Bild geknüpft ist; sie heissen daher
auch Nugamunnu oder Gesänge und zerfallen in Yesukawin oder Prophe-
zeiungen, Medawin oder Arzneikunst, Wabino, Gresänge, welche bei den
Orgien gesungen werden, Nundobewunewun Krieg, Keossawin Jagd, Sadia-
win Liebe, Muzzinabikon Geschichte.**
Wir geben auf Tafel I die Bilder eines solchen Kekinowin, welches als
besonders heilig gilt, und bemerken zur Erklärung folgendes:
Figur 1 stellt die Wohnung eines Medicinmannes dar, sie ist erfüllt
mit der (jegenwart des grossen Geistes, der geflogen kam, um die Indianer
in diesen Ceremonien zu unterrichten. Der Priester singt:
Man € do
We gum ig
Ah to dum in
Ne we pin de gai,
d. h. des grossen Geistes Wohnung, ihr habt davon gehört; er veird eintreten
Figur 2 stellt einen Gandidaten vor, der um die Aufnahme unter die
Medas eingeschritten ist, er ist mit Federn im Haar geschmückt und trägt an
einem Arme das aufgeblasene Fell einer Fischotter, indem er die Luft am
andern Ende ausströmen lässt. Er singt, die Worte des Priesters wieder-
holend, während Alle in Begleitung der Klänge von Trommeln und Ratteli)
tanzen:
Ne sau mü hi^
We au »te )uiif
l - i V '
t
1
ö
i
t
I
t
«
I
1
i
1
Krkläruuj^ des Kekinowin auf Tafel I. 20 t
Oi ke hu(j ge ze
We ye tvaum
Ne pln de gai,
d. h. ich habe immer das geliebt, was ich suche, ich gehe ein in die neue
grüne Laubwohnung. ^
Figur 3 bezeichnet eine Pause, während welcher die Victuahen, die
für die Schmauserei Torbereitet sind, eingeführt werden.
Figur 4 bezeichnet einen Mann, welcher eine Schüssel in seiner Hand
hält, auf seinem Handgelenk sind magische Figuren, welche ihn als gewandt
in allen Dingen bezeichnen. Der Gesang lautet:
Ne mau tau
On ne go
Ne kaun,
d.h. ich werde dir einen Antheil geben, mein Freund!
Figur 5 bezeichnet eine Wohnung, abseits von jener, in welcher die
Medas versammelt sind. In der Wohnung ist ein Dampfbad; die älteren
Männer nehmen darin ein Bad; während sie das Bad nehmen oder unmittel-
bar vorher, erzählen sie einander gewisse Geheimnisse bezüglich der Anwen-
dung der Medawin. Die sechs himmlischen Zeichen an der Spitze der Woh-
nung bezeichnen die Dämpfe aus dem Bade. Die Priester singen nacheinander
und zu Zeiten mit schmalen Stöcken auf die Trommeln schlagend:
}Ve ge uuum
Fin de gai
Ke kann
E naun
Sain gün ah tcau,
d. h. ich gehe in das Bad ; ich blase meinen Bruder stark.
Figur 6. Der Arm des Priesters oder Meisters dieser Ceremonie,
welcher den Candidaten, der in der nächsten Figur dargestellt ist, führt.
Figur 7 bezeichnet die Gaben oder Geschenke, welche von dem Novizen
als Lohn für die Aufnahme entrichtet werden. Der Gesang lautet:
Ne W€ ftau gtce no
Ne tce hau gue no
No sa ne kaun,
d. h ich wünsche mich so zu betragen, mein Vater, mein Freund.
^02 Erklärung des Rikeno%viii auf Tafel L
Figur 8 bezeichnet einen Medabaum, die zurückgebogenen Linien am
Stamme deuten die Wurzel an, welche die Medicin ergänzt Der (lesang
lautet:
Au ne i ai4 ne piai
Au ne i au ne nai
Pa zik tcan küz e
Ke mit tig o me naun
Ke ice tauS kau au^
d. h. Was! mein Leben, mein einziger Baum, wir tanzen rund um dich.
Figur 9 ist ein ausgestopfter Kranichbalg, der als Medicinsack dient;
durch einen heimlichen Druck der Hand kommen daraus kleine Vögel hervor.
Diese, so lehrt man den Novizen, springen durch die starke Macht der
Geislerbeschwörung aus dem Sacke. Der Gesang lautet:
Sin gau
Wau bum au
A ie aun
Kau ie go tcid
A ie axwy
d. h. ich wünsche, ihr Erscheinen zu sehen , dass das so geworden ist, ich
wünsche ihnen zu erscheinen.
Figur 10 ist ein Pfeil im Himmelskreise, das ist ein bezauberter PfeD,
welcher durch die Macht des Meda diejenige Person, der er gehört, befähigt,
den ganzen Himmelskreis zu durchdringen und das Ziel zu erreichen, nach
welchem der Pfeil abgeschossen wurde. Der Gesang lautet:
Ah mn, a ze ine go
Me dai we, in in e icau
J, e, e, me da, me gun »,
d. h. was siehst du dort, du mi-da-man, diess — diess ist der Meda-Knochen.
Figur 1 1 ist der Kakaik (eine Art kleiner Falken mit schnellen Flügeln),
der fähig ist, hoch in die Luft zu fliegen. Den Balg dieses Vogels tragen die
Krieger um die Schultern, wenn sie in die Schlacht ziehen. (Ein Falkenhemd
trug auch der nordische Gott Odhin.) Der Gesang lautet:
Ne kaik'wi on
Tan he taib wai me tum,
d. h. Mein Falkenhemd flattert.
Erklärung des Kekinowin auf Tafel I. 203
Figur 12 bezeichnet die himmlische Sphäre mit dem grossen Geiste,
der Qher sie hinwegschaut. Ein Geisterarm ist bittend emporgehoben. Vögel
und gute Omina sind im Himmel gedacht. Der Gesang lautet:
Kt tri tau gS Hg
Koan dau tca
Idofi e do^
d. h. Rings um den ganzen Kreis des Hinmiels hOr' ich des Geistes Stimme.
Figur 13 bezeichnet eine Pause.
Figur 14 ist ein Medabaum in dem Sinne, dass der Baum durch
magische oder geistige Macht belebt sei. Der Gesang lautet:
Wa he no
Mit tig 0
M'a be no
Mit tig 0
Se H€ mi
Kau go
Ne He ml
Kau go,
d. h. der Wabenobaum, er tanzt.
Figur 15 ist ein Stock zum Schlagen der Ta-wa-e-gun oder Trommel.
Gesang: Pa htm nin
Ha ica sin
Xin hau gi e gun,
d. h. Wie rings laut der Trommelstock schallt!
Figur 16 ist die Hälfte der himmlischen Sphäre « ein Indianer wandelt
darauf, der Sinn bezeichnet den täglichen Lauf der Sonne bis zum Mittag
Der Gesang lautet:
Xau haun
A gl Hg a
Pt müs au tun aun
OUig,
d, h. ich wandle auf dem halben Himmel.
Figur 17 bezeichnet den grossen Geist, der mit seinen Strahlen die
Welt erleuchtet, er erscheint hier als Gott des Donucrs und des Blitzes. Der
Gesang lautet t
204 Erklärung des Kekinowin auf Tafel 1.
Ke %ce tau,
Gi Hg
Ka ie kwai
^i'e ihn aun,
d h. ich sause rund um den Himmel, damit sie mich hören können.
Figur 18 isl die Ta-wa-e-gun oder einfach behäutete Trommel. Der
Gesang lautet:
Ke gau tai
Be tau au
Nin *« tai tcai e gun,
d. h. ihr sollt hören den Klang meiner Trommel.
Figur 19 ist das Ta-wa-e-gonse oder Tamburin mit Federn geschmückt.
Der Gesang lautet:
Kj ms 0 tau tiai
In tai tcai e ytin,
d. h. verstehst du meine Trommel?
Figur 20 ist ein Rabe; seine Federn oder sein Balg werden als Kopf-
schmuck getragen. (Auch die Raben erinnern an den nordischen Gott Odhin,
desseu Boten sie waren, er hiess darum der Rabengott.) Der Gesang lautet :
Kau gau ge tcau
In tcai aun
Wai me gwun e aun,
d. h. ich singe den Raben, er hat edle Federn.
Figur 21 ist eine Krähe; die Flügel und der Kopf derselben dienen als
Kopfschmuck. Der Gesang lautet:
In daun daig o
In daun daig o
Wi aun
Ne au u:aij
d. h. ich bin die Krähe, ich bin die Krähe, sein Balg ist mein Körper.
Figur 22 ist eine Medicinwohnung. Der Führer oder Meister derMeda-
Gesellschaft hat seinen Trommelstock erhoben und hält in seinen Händen
die Wolken, sowie die himmlische Hemisphäre. Der Gesang lautet:
Ne phi de qai
Ne pln df ijai
VtTi^leich nordamerikanischer und ägyptischer Bildzeichen. 205
Ke we at wann
Ke we ge icaun,
d. li. ich wünsche in eure Wohnung zu gehen, ich gehe in eure Wohnung. '»^
Die Gesänge werden nach altherkömmhcher Melodie gesungen, sie
erinnern an die Runenlieder, welche die Edda erwähnt, und an die alpha-
betischen Psalmen, bei denen ebenfalls jeder Vers sich auf ein Schriflzeichen
bezieht. Die einsilbigen Wörter der Verse und die Erklärungen derselben
machen weniger den Eindruck einer ursprünglichen Naivetät, als viehnehr
den einer gedankenlosen und missverstandenen Nachahmung uralter Bräuche.
Vergleichen wir diese Figuren mit ägyptischen Hieroglyphen, nicht von dem
Gesichtspunkte, als ob die Kekinowin von den Hieroglyphen abstammen,
»undem dass beide aus derselben Quelle stammen, beide getrübt durch die
Überlieferung sind, so entspricht der ersten Figur die Hieroglyphe fifl Hathor,
«lic grosse Göttin der Nacht, der Beth-El oder Hausgott der Juden, wobei der
^rosjse Geist als Adler oder Wind, wie der Wuotan der Deutschen, gedacht
wird, als Hauch, Geist, Seele, welche die Welt erfüllt. Figur 2 hat Ähnlich-
V*\X mit der Hieroglyphe 1^» dem anbetenden Priester; Figur 4 mit i^J mo
^jrehen, opfern*, Figur 5 erinnert an Jt^ fu , Weite*, dessen Ursprung-
! icher Sinn den Ägyptern verloren gegangen zu sein scheint. Das Dampfbad
•ler Indianer entspricht genau dem dampfenden Schlünde des delphischen
Orakels, welcher später durch den Weihrauch ersetzt worden ist; die Hiero-
^'iyphe 3 11 ist jedenfalls der Hauch, der Rauch, ja nach der Analogie der
iij»'xikanischen Hieroglyphen die Stimme. Figur 6 entspricht der einfachen
H.ind, aber mit 7 verbunden der Hieroglyphe -^-J tu , geben, schenken*, an
»ich entspricht Figur? der Hieroglyphe D py welche nur mehr als Lautzeichen
y vorkommt; in den mexikanischen Hieroglyphen heisst diese Figur ie und
bedeutet Stein, dem entspricht die ägyptische Hieroglyphe ^ t und A tu^
wobei zu beachten ist, dass ■ p männlicher, ^ weiblicher Artikel ist. der
Artikel aber die Allgemeinheil bedeutet, griechisch ^aw, denn, wenn wir
>a'^'en, »der Mensch denkt*, so meinen wir »alle Menschen*, im gleichen
Sinne gebrauchen wir den unbestimmten Artikel »ein*, die Einheit wird durch
.ilieser* oder »Ein* als Zahlwort ausgedrückt, »dieser* heisst aber im Ägyp-
ti«-hen /m, was im Griechischen »alles, ganz* bedeutet; wenn also »ein* als
(ianzes and als Einheit noch gegenwärtig nicht lautlich unterschieden wird,
^o erkliirt sich auch, dass p zu / werden konnte; endlich ist zu envälmcn.
^06 Erklärung nordaiuerikanischer und ägyptischer Bildzeichen.
dass pe im Chinesischen die Muschel und .Reichthum' bedeutet, da die
Muscheln als Geld gebraucht wurden und noch gegenwärtig bei vielen Natur-
völkern als solche gebraucht werden. Figur 8 erinnert an 1 die Reivasstaude
der Perser, die Weltesche Yggdrasil der Nordländer, das heilige Haoma der
Perser und Saoma der Indier, ursprünglich eine Pflanze, deren Saft ein
berauschendes Getränk lieferte. Figur 9 erinnert an ^^^ ha mit der Bedeu-
tung .Geist, Seele*, wobei es gleichgiltig ist, ob man sich darunter einen
Kranich, Storch oder Ibis vorstellt. Figur 10 scheint identisch mit ^j« dem
das Ziel treffenden PfeD zu sein, sowie mit der Rune f tyr, die in den Keki-
nowin „Krieg* bedeutet, die ägyptische Hieroglyphe scheint den Jagdpfeil zu
individualisiren; Pfeile wurden auch gegen den Himmel abgeschossen, um die
der Sonne oder dem Monde feindlichen Mächte, denen man Sonnen- und
Mondfinsternisse zuschrieb, zu verscheuchen. Figur 17 erinnert an ^^ uttn
,das göttliche Auge*, denOdhin der Nordländer; Figur 18 an 4^ sa , wissen,
erkennen*, insbesondere an die Trommel der lappländischen Zauberer, welche
mit Figuren bemalt war, aus denen geweissagt wurde; Figur 19 an tS) <^^
Sieb der Ägypter, welches letztere seine ursprüngliche Bedeutung als Hand-
trommel verloren zu haben scheint; Figur 20 ist derHorus der Ägypter, der
Rabe Odhin's, der ihm alle Geheimnisse der Menschen verräth ; Figur 2 1 das
ägyptische /m^^ welches nur mehr als Lautzeichen p vorkommt. Figur 22
erinnert an die Hieroglyphe V, welche nur mehr „hoch* bedeutet. In
gleicher Weise lässt sich bei den meisten indianischen Kekinowins eine
Wurzelverwandtschaft mit den ägyptischen Hieroglyphen nachweisen.
Hiermit steht durchaus nicht im Widerspruche, dass die Felseninschrif-
ten oder Kekiwin (auch Muzzinabikon genannt) auf die Analogie der sibiri-
schen Felseninschriflen hinweisen, da ja in Ägypten selbst Skulpturen mit
mongolischem Typus gefunden wurden ; der Wandertrieb hat die Menschen
von jeher und bis in die neueste Zeit in allen Theilen der Erde durcheinander
geworfen. Nur scheint es wenig wahrscheinlich zu sein, dass in diesen Felsen-
inschriflen eine Geschichte gefunden werden sollte; wenn auch einzelne, wie
die Abbildung eines altspanischen Schiffes auf südamerikanischen Felsen
darauf hinzudeuten scheinen, und die Inschriften der persischen Könige wie
die der Ägypter wirkhch geschichtliche Elreignisse enthalten. Da die Felsen
Erklärung der Felseninschrifl am Erie-See. 207
gewöhnlich als Wohnungen böser Geister betrachtet wurden, so dürften reli-
giöse Inschriften die ursprQnglichen gewesen und erst später die Benützung
XU geschichtlichen Denkmälern entstanden sein, letztere sind aber, sicherlich
nicht von kleinen Stämmen, sondern erst von mächtigen Königen errichtet
worden.
Wir geben Seite 208 als Probe eine Felseninschrift am Erie-See, deren
Zeichen derart verkleinert sind, dassd^sFuss einen Zoll bilden. Die Zeichnung
der Figuren und Symbole, welche die Inschrift bilden, ist im Jahre 1851, auf
starkem Papier copirt und mit den Ziffern versehen, an Herrn George John-
ston, auf Sauls de Ste. Marie in Mitschigan gesendet worden, der mit der
Sprache, den Sitten und Gewohnheiten der Indianer gut bekannt war und bei
der Erklärung der Inschrift durch den indianischen Archäologen Schingwauk
oder «die kleine Fichte' unterstützt wurde. Im Voraus muss bemerkt werden,
dass in dem Hieroglyphensystem sowohl der nordamerikanischen Indianer
wie in dem der Tolteken und Azteken in Mexiko Vieles dem Gedächtnisse
{überlassen blieb, so die Zeit, von welcher eine Inschrift erzählt, wie die
Abschnitte der einzelnen Darstellungen; hieraus erklärte sich auch das Dunkel,
welches die mythologischen Gemälde der Mexikaner umgiebt. Einen ähnlichen
Eindruck machte auch die vorliegende Inschrift auf den indianischen Archäo-
logen, als er den ersten Blick auf sie warf; er war weniger überrascht durch
Zweifel an der Bedeutung der Hauptfiguren, als vielmehr durch die Dunkel-
heit und gänzliche Vergessenheit der übrigen, sowie durch den Umstand,
dass die Inschrift von Stämmen und Ereignissen erzählte, von denen er bisher
nichts gewusst hatte. Er zog Bleistiftlinien von ^ zu B und von C zu D,
indem er bemerkte, dass er wegen Unkenntniss oder ungenauer Bezeichnung
der Figuren, welche diesen mittlem Theil der Zeichnung einnehmen, keine
genauere Erklärung derselben geben könne. Er meinte, dass die Inschrift von
Kriegen der Erie-Stämme erzähle, welche nach der Bekanntschaft mit den
Europäern stattgefunden hätten, darauf deuteten die Hüte auf den Figuren 6,
1 1 1 und 117; er schloss aber auch aus der Abwesenheit von Flinten, dass
die Intlianer zu jener Zeit noch keine FeuerwafTen von den Europäern
hckomnif^n hatten. Die Inschrift dürfte daher aus den ersten Jahren des
17. Jahrhunderts stammen. Über den unerklärten Theil der Inschrift äusserte
sich Schingwauk nur unbestimmt; Nr. 84 und 27 schienen ihm Brüder zu
sein, sie überwachten ein Blutbad oder eine Schlacht. Nr. 27 hält seine
SOS
Felsinschrift am Erie-See.
Erklärung der Felseninschrift am Erie-See. 209
Pfeife (28) verkehrt, wie m Verzweiflung und Todeskampf; Nr. 84 hingegen
sitzt ruhig, das blutige Feld überschauend, mit seinen Füssen einen Schädel
und die Überreste eines Körpers zurückstossend. Diess waren wilde Indianer,
da sie ohne Hüte gezeichnet sind. Nr. 111 bezeichnet einen grossen Häupt-
ling, erkennbar an seiner Medaille (113) und seinen Halbmonden oder Hals-
bändern (114). Semen Verkehr mit den Europäern bezeichnet das viereckige
Symbol eines Hutes auf seinem Kopfe, er hat aber auch seine Federn behalten.
Xr. 112 bezeichnet seine Pfeife, welche er rauchend in der Hand hält^
Nr. 115 stellt einen vdlden rauchenden Indianer vor; er trägt seinen
Kopfputz und ist eines der Mitglieder der Tatuirungs-Gesellschaft. Nr. 117
bezeichnet einen Häuptling und Geisterbeschwörer, welcher tatuirt, Nr. 118
ist ein Ohrenschmuck, Nr. 120 sein Medicinsack, Nr. 121 seine Tatuirungs-
Instrumente; er trägt gleichfalls einen Hut und drei Schnüre wie Nr. 111, sie
stellen seinen Rang vor und erzählen von seinen Besuchen bei den Forts und
Handelsplätzen der Seeküste. Er ist offenbar ein Mann von Ansehen und
Macht, was auch Nr. 119, ein Zauberstab, andeutet. Nr. 116 bezeichnet eine
Schüssel mit gemischten Farben zur Tatuirung; Nr. 105, 106, 107, 108,
109, 110 sind Gegenstände, welche nachzubilden und auf den Häuptling
(111, 117) zu malen sind. Fig. 78 bezeichnet eine Strasse und Fig. 122
Schlangen, welche den V^eg umgeben und Feinde, Sorgen, Elend und die
schwersten Mühseligkeiten bedeuten. Diese Zeichen beendigen die östliche
Seite der Inschrift. Die Hauptfigur Nr. 6 eröffnet die westliche Seite der Inschrift.
Es ist ein ausgezeichneterHäuptling und Krieger; Fig. 7 bezeichnet seine Pfeife;
er raucht nach einer Fastenübung. Fig. 1 5 und 1 6 sind Lederverzierungen,
welche ausgezeichnete Krieger und Häuptlinge tragen, wie Beinkleider mit
angehängten Thierklauen; dasselbe bezeichnen die Federn- Ornamente Nr. 14.
Fig. 33 ist das Zeichen der Zahl 10 und bedeutet 10 Tage, die Länge der
Fasten. Fig. 34 ist das Zeichen fQr zwei und bedeutet zwei Tage, es bezeich-
net, dass der Häuptling die ganze Zeit gefastet habe, ausgenommen, dass er
xu Abend etwas Nahrung zu sich nahm. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11, 12,
13, 17, 18, 19. 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 29, 35, 36 und 43 sind ver-
schiedene Gegenstände, auf welche der Häuptling in der Ausübung seiner
magischen und staatsklugen Kräfte vertraute, sie bezeichnen die Ursachen
seines langen Lebens und seines mächtigen Einflusses. Fig. 30, 39 und 40
bezeichnen eine Reise in Schneeschuhen, Fig. 31 und 41 sind Kriegskeulen.
rAblfMBfl, 6«M]iidite a. Schrift. \l
SlO
Felseninschrift im Utah-Terrilurium.
Fig. 38 bezeichnet ein Fasten von 21 Tagen und Fig. 37 ein Fasten von
10 Tagen. Der Hut und die Feder bedeuten den doppelten Einfluss der weisseD
und rollten Rasse und heben seine leitende und mächtige Theilnahme an
den erzählten Begebenheiten hervor. Fig. 79 und 80 scheinen den Elrie-See
anzudeuten und die verbindenden Wasser der Sandusky-Bai und des Hutod-
flusses als den Schauplatz dieser Begebenheiten.''
Wir lassen es dahingestellt, inwieweit der indianische Arcbäolog die
Zeichen richtig erratfaen hat, die summarische Behandlung der Figuren 1 bis
iS ist nichts weniger als erklärend, besonders aurmerksam machen wir auf
die Figur neben Nr. iO, das ist genau dasselbe Zeichen wie die ägyptische
Hieroglyphe »,^~ /,- in dem indianischen Kekinowin ist die Schlange mit dem
Halbmond aur dem Kopfe das Symbol des Lebens und wir haben eine ähn-
liche Bedeutung üi der Rune f fi kennen gelernt.
Weiter nach Süden und Westen zu nehmen die F eisin schriflen immer
mehr symbolischen Charakter an, z. B. die Inschrift an einem Sandstein im
Ulah-Terrilorium, 130 Meilen sadUch vom grossen Salzsee:
Dieses Gemälde wird folgendermassen erklärt. Fig. 14. die Sotme. ist
das Symbol des grossen Geistes, Fig. 10 ist der HauptfQhrer und Meda des
Stammes, er hält in seiner Hand die magische Ratlei (11); profetische und
heilige Kraft werden der Figur 7 zugeschrieben, deren Haupt, aufTallend hoch
über die Schultern erhoben, von der Himmelsdecke (8) umgeben ist; die
magischen Kreise, welche die Hand Tasst (6), werden als „Todtenkopf" erklärt
und sollen die Herrschaft über Tod und Leben vorstellen; Nr. 5 ist dne
scliädliche Grille.*^
Eine Felsen in Schrift in Neu-Mexiko ^'^ enthält folgende Figuren:
Felseninschrift in Xeu-Meadko.
211
Das Bild scheint eine Jagd oder eine wildreiche Gegend vorzustellen;
die grosse Hand ist in den Keklnowins das Bild des Todes, welches sich
vielleicht darauf beziehen dürfte, dass ein hier wohnhafter Stamm, von
welchem die Bilder herrühren, wegen Todesfällen das Land verlassen hat.
wie diess bei den Indianern häufig der Fall ist.
Indem wur einstweilen das mexikanische Reich bei Seite lassen,
schliessen wir hier die Felsinschriflen Südamerikas an. Dieselben sind sehr
zahlreich und weit verbreitet, Schomburgk ^^ schätzt die Zone der Bilderfelsen
auf 12000 Quadratmeilen (15 Längenmeilen auf einen Grad), sie begreift die
Bassins des Corentyn, Exequibo und Orinoko in sich. Die Bilder sind meist
an den Uferfelsen zu finden, sie sind mitunter sehr fleissig ausgearbeitet und
zeigen Figuren von 10 Fuss Grösse; über den Ursprung dieser Bilder lauten
die Urlheile der Indianer verschieden: während die einen sie dem grossen
Geiste zuschrieben und mit Angst den Axtschlägen Schomburgk's zusahen,
der ein Stückchen des Felsens mitnehmen wollte, antwortete an einem andern
Orte ein Indianer auf die Frage nach dem Ursprung dieser Bilder: .das sei
vor langer, langer Zeit von Weibern gethan worden*, eine Antwort, die nicht
ganz zu verwerfen ist, wenn man den Fleiss der Indiancr>veiber und die
Trägheit ihrer Männer vergleicht, welche letztere am liebsten die Zeit mit
Nichtsthun in der Hängematte verbringen. Dass diese Gemälde von den Vor*
eitern der jetzigen Cariben herrühren, scheint daraus hervorzu<!ohen, dass
Schomburgk einige der Figuren des Timehri-Felscns auf die Schenkeln eines
W
312
Felse Umschriften der Caribeo.
Carlbenknaben gemalt fand, und es ist wohl nur der ZurQckhaltune d«r
Indianer in religiösen Dingen zuzuschreiben, wenn sie sich stellen, als sei
ihnen die Bedeutung der Zeichen unbekannt. Einer dieser Felsen heisst
Tamunimu, was Schomburgk rür den comimpirlen Namen Tapu Hereme
als .bemalter Felsen* in der Ma;fpure spräche hält; indessen ist eine
Corrumpirung anzuzweifeln, da Schomburgk an den Indianern die Fertigkeit
im Namengeben rQhml, welche Fertigkeit die Entlehnung fremder Namen
nicht gut zulässt.
Wir geben hier zwei solcher Felsenbilder, von denen das obere mysti-
scher Xalur, wie die symbolischen Zeichen auf den nordamerikanischen
Felsen zu sein scheint, während das untere zwei europäische Schiffe darstellt,
von denen das kleinere ein
Zweimaster ist, das grös-
sere eine Ähnlichkeit mit
der spanischen GaUone
hat; das let2tere zeigt eine
Fertigkeit im Zeichnen,
welche die oberen symbo-
lischen Figuren nur um so
räthselhafter erscheinen
lässt. Diese Figuren sollen
durch anhaltendes Reiben
mit Quarzkieseln in den
SUinschrin aus Peru. 213
Iiartea Felsen eingegraben sein; Schomburgk's Versuche, auf glmche Weise
Fiffuren einzuritzen, scheilcrleo ebenso wie seine Versuche, miUelst Reiben
*on iwei Stückchen Holz Feuer hervorzumren, ein Beweis, dass zu beiden
Arbeiten eine besondere, nur durch anhallende Übung erlangte Fertigkeil
gehurt. '•
Wir lervollständigen diese Bilder noch mit dem von Tschudi in Peru
gefundenen Bilders leine, welcher im Ganzen denselben Eindruck macht wie
die nordamerikaniscben Bildersteine, so dass man wohl annehmen kann, dass
wie vom Norden bis zum Süden im Ganzen eine grosse Ähnlichkeit der Indi-
aner in ReUgion, Tracht und Sitte
vorbanden ist, auch ihre Bilder-
schrin aus einer Quelle stammt
und sich später erst eigenartig
entwirkelle, indem bei einzelnen
Siäiumen religiöse Symbole mehr
gr|ine)cl wurden, nährend andere
und namentlich die nordamerika-
nis'hen Indianer die Keki«
(einfache Bilder) zur Darstellung *
concreler Gegenslande verwendeten und die religiösen Symbole nur in den
Kokinowins oder Zaubcrliedem vererbten.
tliDielne Indianerv&lker Amenkas haben noch besondere SchriOen.
3. DIE MEXIKANISCHE SCHRIFT.
Während die Lebensweise und die religiösen Anschauungen der nord-
amerikanischen Jägervölker den Eindruck machen, als sei dieses Volk auch
geistig verarmt und ihre Kenntnisse nur der schwache Abglanz einer alten
hjihem Civilisation, befand sich das Volk der Azteken, welches bei der
Ankunft der Spanier das Land Mexiko bewohnte, auf einer hohen Stuft- der
Bildung, von welcher freilich ihre jetzigen Nachkommen wenig erübriglen,
von der aber die Berichte der Spanier und die literavisclien Cbcne^te
Zcugiiiss ablegen.
Die Alleken waren nicht die Ureinwohner von Mexiko, sie hallin das
daselbst vor ihnen wohnende Volk der Tolti'ktn vertrieben, und auch diese
214 Erklärung des mexikanischen Bildes auf Tafel II.
waren von Norden in das Land eingewandert. Von wo diese Völker gekommen
sind, scheinen sie selbst vergessen zu haben, wenn aber die überlieferten
Reisebilder richtig dargestellt sind, so waren sie mit Völkern der schwarzen
und gelben Rasse in Verbindung gewesen, und diese Völker konnten keine
anderen gewesen sein als die schwarzen Ureinwohner Indiens und die gelben
Mongolen.
Wir finden nSmlich in einem, mexikanischen Manuscripte, welches
Kingsborough^' veröffentlichte, folgende Darstellungen: Halbschwarze (russige)
und ganz Schwarze vor Häusern; Schwarze tragen Lasten und tatuiren sich,
daneben Rothe (Mexikaner) sitzend und Lasten tragend. Halbschwarze räuchern
(opfern), tragen bewaffnet ihre HabseUgkeiten, drehen ihre Haare, wobei
gelbe Frauen jammernd zuschauen, tatuiren sich, wobei vneder gelbe Frauen
jammernd zuschauen ; wir sehen sie dann nach dem Tempel wallfahren oder
reisen, wobei der Mann Schild und Speer, die Frauen die Habseligkeilen
tragen; wir finden dann Rothe bei ihren Tempeln sitzend, einen Halbschwarzen
den rothen Krieger beim Schöpfe fassend, andere Halbschwarze in phanta-
stischen Kostümen ebenfalls die rothen Krieger beim Schöpfe fassend; wir
sehen ferner rothe Männer mit schwarzem Unterkleid und Panzerhemden ein
mit Städten und Tempeln bedecktes Gebiet einnehmen und über einen Strom
setzen ; wir finden dann Halbschwarze sesshaft von der rothen Frau spinnen
lernend, dann einen rothen König auf dem Throne sitzend, Berathungen
zwischen Rothen, worunter auch ein weisser König ist, dann ein Volk von
rothen Männern und gelben Weibern, speciell ist auch die Verehelichung
eines rothen Mannes mit einem gelben Weibe.
Allerdings werden diese Bilder anders erklärt, und wir geben hier eine
Probe dieser Erklärung, sowie auf Tafel II eine getreue, nur etwas verkleinerte
Abbildung einer solchen Bildtafel.
„1. Huiznatl, ein Beamter und Gerichts Vollstrecker, eine Art Lictor.
2. Ein Gerichtsvollstrecker. 3. Der Kazike. 4. Ein Gerichtsvollstrecker. 5. Das
gefangene Weib des Kaziken mit einem Halfter um den Nacken. 6. Der
gefangene Sohn des Kaziken mit einem Halfter um den Hals.
Diess soll bedeuten: Der Kazike, oder Gouverneur einer Stadt, habe
sich in eine Empörung gegen den mexikanischen Staat eingelassen, sei des-
halb venirtheilt worden, sein Verbrechen mit dem Tode zu büssen, während
seine Frauen und Kinder gefangen gehalten werden sollten.
Mexikanisches Schriftgemälde
Erklärung des mexikanischen Bildes auf Tafel IL 2 1 •>
7. Ein Vasall des Kaziken. 8. Kaufmannf^waaren. 9. Kaufmann. 10. Kauf-
mann. 11. Vasall des Kaziken. 12. Ein Gerichtsvollzieher. 13. Ein Gerichts-
vollzieher. 14. Der Kazike.
Der linke Theil des Bildes soll das Vorige erklären: Mexikanische
Kaufleute seien von Vasallen des Kaziken ausgeraubt und ermordet worden.
Das rechtsseitige Bild zeigt, wie die Gerichtsvollzieher dem Kaziken das
Urtheil verkundigen.
15. 16. Gerichtsbeamte oder Gesandte von Mexiko. 17. 18. Vasallen
der Kaziken. 19. 20. Gerichtsbeamte von Mexiko. 21. Vasall des Kaziken.
Das Bild soll bedeuten, dass die Gerichtsbeamten von Mexiko auf ihrem
Röckwege von Vasallen des Kaziken feindlich angegrilTen worden seien.*
Gerade dieser letzte Theil erregt aber Zweifel an der Richtigkeit der
Erklärung; denn fast ganz dasselbe Bild findet man auf einem Schriftgcmalde
iit*r Irokesen, welches Schoolcrait veröffentlicht hat, nämlich riesige, in Thier-
ft'lle gekleidole Gestalten» welche von Indianern mit Pfeilen beschossen
werden. Diese können unmöglich Gerichtsbeamte gewesen sein, eher ist
anzunehmen, dass die Ureinwohner Amerikas von den einwandernden
Slam nu' II aufgerieben wurden.
Hiernach ist es zweifelhaft, dass die schwarze Farbe Priester oder
Gerichtsbeamte anzeigte, ebenso dass die gelbe Farbe die Frauen bezeichne,
i.um findet auch rothe Frauen abgebildet und an anderen Bildern das
Geschlecht so auflullig hervorgehoben, dass die Gesichtsfarbe als ganz
unwesentlich erscheint. Nach alledem ist die Vermuthung vorhanden, dass die
Bilder auf eine grossere Vergangenheit zurückweisen, welche in der Erinne-
rung des Volkes im Laufe mehrerer Jahrhunderte sich verwischte, und da
die Bilder ohne mündliche Erklänmg nicht verstanden werden konnten, in
die mundliche Oberlieferung ein S(4iwanken und dann eine Adaption an die
Verhältnisse der Gegenwart gekommen ist, gerade so wie die Juden in ihren
biblischen Traditionen Überlieferungen universaler Geschichten zu Stauinieb-
^eschirh'en umbildeten.
Wir werden daher nicht fehlgehen, wenn wir die Ursilze der Aztel.Mi
in \<\*>n suchen. Alexander von Humboldt glaubte selbst dcMi Zeitraum ihn-r
Auswanderung aus Asien bestimmen zu können, indem er die letzten- mit
dem Untertranfre der chinesischen Dynastie Tsin im Jahre 5ii in Verhiiidnng
brannte.** Es ist möi^lich, dass die Uinwäkmi^ien, v/eiche zu jener Zeit »n
216 Mexikanische Zeitzeichen (Tafel I).
Asien stattfanden, und welche schon in früherer Zeit viele Völker nach Europa
getrieben hatten, manche asiatische Völker nach Osten trieben, jedenfalls
wohnten die Azteken früher nicht in China selbst, sondern allenfalls an den
Grenzen dieses Reiches; ihre religiösen Bilder zeigen dieselben fantastischen,
mit Farben überladenen Formen wie die japanischen und tibetanischen.
Ihre Zeitreclmung beruht auf den Zahlen 4, 5, 13, 20, 52. Die Grund-
lage bilden die 4 Zeichen, des Hauses, des Hasen, des Rohrs und des Feuer-
steins, welche in den Zeitzeichen mit den Ziffern 3, 8, 13 und 18 auf Tafel I
nachgesehen werden mögen, sie entsprechen den vier Elementen: Erde =
Haus, Luft = Hase, Wasser = Rohr, Feuer = Feuerstein; da in den ägyp-
tischen Hieroglyphen das figurative Element mehr verdunkelt ist als in den
mexikanischen, so lehnen sich an diese folgende ägyptische Zeichen an: an
das Haus J^T, welches die Lautwerthe täa und kal hat, ägyptisch fD K ^^^P
und ' tna (die Höhle) ; an den Hasen >J*v ^j ägyptisch m ft die Nase,
welche auch durch einen Kalbskopf vertreten wird, während andererseits sich
das Symbol des Lebens in 3^ im «sein, existiren* erhalten hat; an das Rohr
lehnt sich ägyptisch ^TaJ /a mit der Abzweigung in 1 ^ an, wobei ersteres
den Norden, letzteres den Süden bedeutet, endlich dürfte der Feuerstein A
die Grundlage des ägyptischen A tu, ^ oder 1 t gewesen sein, während eine
andere Form des Steines QQ te die Grundlage des ägyptischen ■ p wurde,
denn 3 p ist der Artikel desMasculinums, ^der Artikel des Femininums. Indem
jedem dieser Elemente vier Zeichen beigegeben wurden, entstand die aus 4 X 5
Zeichen bestehende Reihe von 20 Tagen, welche den bürgerlichen Monat
bildete, nämlich: 1. Kalli Haus, Tafel I, Figur 3, Ktcetspalin Eidechse (4), Ko-
htcatl Schlange (5), Mitsili Todtenkopf (6), Mazatl Ziege oder Hirsch (7).
2. Totmi Kaninchen (8), Ail Wasser (9), ItshcitttU Hund (10), Ozo-
motu Affe (11), Malinatli Kraut (12).
3. ^Aa// Rohr (13), O^^Zo^Z Tiger (14), KwaühtU kdX^v {\h\ Kozkak-
icauMi König der Geier (16), Ollin oder OUntonativh jährliche Bewegung der
Sonne (17).
4. Telqmtl Feuerstein (18), Ktvishtciil Regen (19), Sotm Blume (20),
Sipaktli Meerungeheuer (1), Elteketl Wind (2).«^
Humboldt hat auf die grosse Ähnlichkeit dieser Bilder mit den Thier-
kreiszeichen hingewiesen :
Uexikanische Zeitzeichen und Zauberzeiclien.
EuropSisch
Asiatbch
Mexikanisch
Wassermann Balte (Wasser)
All Wasser (9)
Steinbock
Ochs
Sipaklli Meerungeheuer (1)
Schaiie
Tiger
OseM Tiger (14)
Skorpion
Hase
TotSU Kaninchen (8)
Wage
Drache
KohittUl Schlange (5)
Jungfrau
Schlange
Ahitl Rohr (13)
Löwe
Pferd
Td-pall Feuerstein, Messer (IS)
Krebs
Ziegenbock
Om« Weg der Sonne (17)
Zwillinge
AfTe
Oiomatli Affe (11)
Stier
Vogel
JTtrauWK Adler (15)
Widder
Hund
ItakwhilH Hand (10)
Fische
Schwein
Kam Haus (3)
Diese zwanzig Zeichen hatten auch noch eine andere Bedeutung. Auf
einem Bilde symboUsiren sie die verschiedenen Körpertheile des Menschen;
so der Todlenkopf (6) die Slim, das Haus (3) das rechte Auee. der Bügen
(19) das linke Auge, das Wasser (9) das Haar, der Hund (10) die Nase, der
Adler (I^) das rechte Ohr, der Hase (8) das linke Ohr, der Feuerstein (18)
die Zähne, die Sonne (17) die Zunge, der blasende Mensch (Wind 2)
^ 1 ^ Die GöUer des menschiichen Leibes.
die Lippe, der Geier (16) die rechte Hand, dei Affe (11) die linke Hand, das
Kraut (20) die Brust, das Rohr (13) und ein Ungeheuer (1) das Herz (eines
dieser beiden yielleicht die Eingeweide), der Tiger (14) den Magen, die
Eidechse (4) die Schenkel, der Hirsch (7) den rechten Fuss, der Wolf (welcher
in den Zeitzeichen fehlt) den linken Fuss und die Schlange die Genitalien. ^
Ähnliche Anschauungen finden wir bei den Neuseeländern, welche die
Krankheiten den Göttern zuschrieben; so Terursachte Tonga, der in der Stirn
seinen Sitz hatte, Kopfweh; Makstiki, ein Eidechsengott, war die Quelle der
Brustkrankheiten; Tu-tangata-kino war der Gott des Magens, Titi-hai verur-
sachte Schmerzen in den Knöcheln und Füssen, Rongomai und Tuparitapu
waren die Götter der Auszehrung und Koro-kio " w^achte über das Kinder-
gebären. ®^ Bei den Ägyptern wachte Nu über die Haare, Ra über das Antlitz,
Hathor über die Augen, Aphuru über die Ohren, Sarq über die Zähne, Khunt-
Sa/um über die Nase, Anubis über die Lippen, Isis über den Hals, der Wid-
dergott in Mendes über die Arme, der Gott von Garu über die Gelenke, Toth
über den Bauch, Pacht über den Rücken, Osiris (Arthur) über die Grenitalien,
Nut (Ptah) über die Füsse. ®® Auch griechische und hebräische Bilder ähn-
licher Art haben sich gefunden, das hebräische führte folgende Inschriften:
Haupt: ira Krone; linke Schulter: ncDn Weisheit, Geschicklichkeit; rechte
Schulter: na»a Klugheit, Einsicht; linker Arm: ni»TTi Grösse; rechter Arm:
nmai Stärke; Brust: mxDn Ruhm, Schmuck; Bauch: nitj Sieg; "nrr hud Maje-
stät; linker Schenkel: tid» Gründung (Beständigkeit?); rechter Schenkel: r^r^D
Reich, Herrschaft. ^^ Endlich findet sich eine gleiche Beschützung der Körper-
theile bei den Indem. Danach beschützt den Kopf Agni , die rechte Brust-
warze Aryaman, Apavatsa, die linke Pard^ana, DSayanta, Indra, Surya das
(rechte) Auge, Ohr, Brust und Schulter, Satya, BhrSa, Antarik§a, Anita den
(rechten) Arm, Savitar und Savitra die (rechte) Hand, Vitatha und Bhrhat-
k§ata die Seite, Vivasvant den Bauch, den Schenkel Yama, die Knie Gan-
dharva, das Unterbein BhrngaradJa und die Lende Mrga. Diesen Göttern der
rechten Seite stehen ebensoviele für die linke Seite gegenüber; femer
beschützen die Qeschlechtstheile Indra und D^ayanta, das Herz Brahma und
den Fuss die Pitars, im Ganzen 45 Götter, welche so ziemlich den Laut-
zeichen der Devanagari (48) entsprechen, und für welche der Himmel in 8 1
Theile zerlegt wurde, von dem 9 auf Brahma fallen, w^ährend die'übrigen
Götter, ihrem Range entsprechend, grössere oder kleinere Vierecke erhalten.'^
Mex]l:anische Zeitrechnung. 2 1 0
Die zwanzig mexikanischen Tage bildeten einen Monat, so dass IS
Monate ein Jahr ausmachten.
Ausser dieser Zeitrechnung gab es aber auch Perioden von 13 Tagen,
welche sich enger an den Thierkreis anschliessen und auf jene Zeit hin-
weisen, wo Loki der dreizehnte Ase und Poseidon der dreizehnte Olympier
war; 28 solcher kleiner Perioden von 13 Tagen gaben das Jahr von 364
Tagen; ein Cyclus von 52 Jahren, getheilt in 4 Theile zu 13 Jahren, hatte
eben so viele Wochen von 13 Tagen als das Jahr bürgerliche Tage; ein
Cyclus von 52 Jahren umschliesst 1460 kleine Perioden von 13 Tagen, und
wenn man 13 Schalttage hinzufügt, so hat man 1461 kleine Perioden, da&
ist eine Zahl, welche vollständig mit der Sothisperiode der Ägypter überein -
>timmt.
Der Cyclus wurde in der Weise gezahlt, dass Nullen von 1 — 13 von
<len wechselnden vier Zeichen: Feuerslein, Haus, Hase und Rohr begleitet
wurden, wie aus beistehender Reiseschilderung mit chronologischer Anga))c
zu ersehen ist; also 1. Feuerstein, 2. Haus, 3. Hase, 4. Rohr, 5. Feuerstein,
6. Haus, 7. Hase, 8. Rohr, 9. Feuerstein, 10. Haus, 11. Hase, 12. Rohr,
13. Feuerstein, 1. Haus u. s. w. ; es wechseln also hier 4 und 13 in derselben
\Veise im 52jährigen Cyclus, wie bei den Chinesen die Zeichen des zehn-
theiligen und des zwölflheiligen Cyclus in einfachem Wechsel eine Periode
von 60 Jahren bilden. Wir finden somit hier eine Analogie mit asiatisrhen
Gebrauchen, welche ebenso sehr auf eine ursprüngliche Verwandtschaft hin-
weist, wie sie andererseits eine originelle Fortbildung zeigt.
Originell ist die Reiseschilderung, deren Anfang wir Seite 220 nach dem
Manuscripte Botturini folgen lassen. ^^ W^ir sehen links oben eine von W^asser
umgebene Insel, in der Mitte das Heiligthum, umgeben von sechs Häusern
oder Städten, die Figuren scheinen Mann und Frau zu sein; ein langhaariger
Mann verlässt in einem Nachen das Land und kommt zu einem Berge, in
dessen Höhle ein Gott wohnt; die fliegenden Zeichen scheinen den Opfenlainpf
vorzustellen, vor dem Munde der Menschen bezeichnen sie «sprechen*, also
wahrscheinhcb den Odem ; die Fussstapfen zeigen die Reise an ; sie führen zu
S Städten oder Stämmen, oder vielmehr ist anzunehmen, dass acht Stäninie
auszogen, denn wir sehen dieselben Häuser mit denselben Wappen weiter
vom; das erste Wappen ist eine Fischreuse, das zweite ein Stein, das drittf^
ciu f]o^'r*u u. s« \v., viev Pnester mit Göttern ziehen voran, der erste scheint
Hexikuiuchu Ralaebild.
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Erklärung des mexikanischen Reisebildes. 221
ein Fii^rh, der zweite ein Vogel, der dritte ein Kraut, der vierte ein Sieb oder
ein Spiegel zu sein, vielleicht waren es die Götter des Winters, Frühjahrs,
Somnif^rs und Herbstes. Man kommt nun in ein fruchtbares Land mit starken
Bäumen, welche ein Mann nicht umspannen kann, hier finden mehrfache
Berathungen statt, der fünfte Stamm oder die vier letzten Stämme trennten
sich, die anderen setzen ihren Weg fort. Was die Opferung bedeuten soll,
ist höchst unklar, noch unklarer die Gruppe mit dem Vogel.
Dieses Gemälde wird in folgender Weise erklärt: ^Auf dem Bilde
beschrieben die Mexikaner ihre erste Landung in Aztlan. Dieser Ort wird
beschrieben als eine Insel, auf drei Seiten vom Meere umgeben. Er hat die
Zeichen von drei Fürstenhäusern mit einem Tempel, der von den gewöhn-
ll«.iicn Zeichen ihrer Priesterschaft überragt wird (Wasser, ägyptisch r3),
darunter befindet sich ein König und eine Königin oder Häuptling und Häupt-
lingin. Der erstere hat einen Schulterknoten und lange Gewänder, die letztere
••inen Spiegel, ihre Haare sind in einen Stirnknoten gebunden (eigentlich auf-
^'ekämmt wie bei den Bewohnern von Neu-Mexiko und den Japaneserinnen),
ihre Fiisse sind rückwärts gezogen, wie die Wilden zu sitzen pflegen. Beide
sitzen. Die nächste Figur ist ein Mann in einem Boote mit fliegenden Haaren
und langem Gewände. Dieses Bild bezeichnet gewöhnlich die Überfahrt. Er
ist offenbar im Begrifl' zu landen und nicht abzureisen. Diese Landung geschah
1038 nach Christo (nach Anderen 1064.). Die Azteken beginnen von dieser
Landung des ersten Jahres ihres Tekapetl an zu zählen. Der erste Aufenthalt
war Kolhwakan, der Hornberg, wo ihrer neun Chefs waren, jeder bezeichnet
durch sein FamiHenzeichen oder was die Algonkiner , Totem • nennen. Von
hier zog das Volk, die Idole und priesterlichen Apparate tragend, vorwärts,
die Pacific-Küste entlang wandernd. Auf dieser Reise waren sie 28 Jahre
(siehe die 28 Zeitzeichen am Ende des Bildes). Während dieser Zeit hatten
sie drei Auszüge gemacht, die Tropen erreicht ^ wo sie Früchte fanden, die
auf Bäumen wuchsen, deren Stämme ein Mann kaum umspannen konnte.
Sie machten drei Gefangene, welche durch ihre Priester geopfert wurden,
indem ihnen in derselben grausamen Weise, wie diess aus der Zeil ihrer
Herrschaft in Mexiko bekannt ist, die Herzen ausgerissen wurden. Von dieser
letzten Periode ist ihre Chronologie sorgfältig aufbewahrt. Sie machten 22
Auszüge« blieben verschiedene Perioden von 4 — 20 Jahren an einem Platze,
zusammen 186 Jahre, bis sie Mexiko 1216, oder 1223 erreichten.*
n
222 Asiatische Analogie zum mexikanischen Reisebiide.
Ein tibetanisches Todtenbuch enthält merkwürdigerweise fast dieselben
Bilder, auch hier ist ein Tempel mit sechs Häusern, aber diese bezeichnen
sechs verschiedene Wege in das Jenseits, von denen es heisst: ,auf dem
weissen wirst du zu den Deotas kommen, aber geh' ihn nicht ; auf dem gelben
wirst du zur Wiedergeburt auf dieser Erde gelangen, aber geh' ihn nicht, du
wurdest ewig wiedergeboren werden; auf dem schwarzen gelangst du nach
Niruk (Hölle), betritt ihn nicht, denn dort ist ewige Pein ; auf dem grünen
kommst du nach Lamayin, d. i. der Himmel unter Indra's Paradies, aber betritt
ihn nicht, denn dort ist ewiger Krieg; gehe nicht den rothen Weg, denn dort
begegnest du den Idak oder bösen Geistern, welche grosse Köpfe, sehr
schmale Nacken und sehr leere Bäuche haben, die nimmer befriedigt werden;
geh' auch nicht den blauen Weg, weil dort die Thiere Timod sind, welche
allein Macht haben und dich zerreissen werden; aber schaue aufwärts in den
Himmel, so wirst du einen von glitzerndem Glase sehen, roth und gelb
leuchtend, wenn du den siehest^ wirst du erschrecken, aber fürchte dich nicht
und geh' auf diesem Wege, dann erreichst du sicher LIama KantSök (Gott)
und du wirst eintreten in die Gottheit •. Die Todten in Lassa und Tibet wurden
theils in das Wasser geworfen, theils in Stücke zerschnitten den Hunden
vorgeworfen (daran erinnert der griechische Höllenhund) oder auf den Spitzen
der Berge den Geiern preisgegeben. Ein Bild, welches diese Todtenbestattung
darstellt, zeigt uns vier Personen gehend mit den Todten in Säcken auf den
Rücken, nachdem sie die Todten den Geiern vorgeworfen, sitzen sie ebenso
beisammen wie die Figuren auf dem mexikanischen Bilde und trinken TSao
oder Branntwein, bis die Geier ihre Arbeit vollendet haben imd die Knochen
gesammelt werden können, es ist sogar ein Manu abgebildet der die Geier
bewacht, wie auf dem mexikanischen Bilde; die Todtenbesorger heisscn
Togdun und wohnen in Hornhäusern (vergleiche den Hornberg auf dem mexi-
kanischen Bilde).'*- Eine merkwürdige Übereinstimmung, die fast vermuthen
lässt, dass dem mexikanischen Bilde missverstandene Traditionen zu Grunde
liegen.
Diese Darstellung der Reise entspricht übrigens dem Berichte, welchen
Cortez über die Art der mexikanischen Schrift gegeben hat; er erzählte näm-
lich, dass die Mexikaner die Schiffe, die Soldaten, die Waffen, das Geschütz
und die Pferde abgezeichnet und diese Bilder durch erklärende Zeichen
ergänzt hätten. Diese erklärenden Zeichen, welche in der Historie auf Tafel U
Vergleicilung mexikanischer und ägyptischer Hieroglyphen. 223
ganz fehlen, sind hier vorhanden; der erste Berg ist als Hornberg bezeichnet,
der z^veite als Berg der Thränen, der dritte als Schlangenberg; die Priester
sowie die Stämme haben ihre Wappen, und aus einer Vergleichung bekannter
Namen mit den Figuren hat sich ergeben , dass diese Zeichen Lautzeichen
waren und Namen bedeuteten. In dieser Beziehung erscheinen die mexika-
nischen Hieroglyphen, verwandt mit den ägyptischen, aber während in*
den letzteren die Gemälde die Lautzeichen erklären, ist bei den mexikanischen
das Umgekehrte der Fall.
Dass die mexikanischen Hieroglyphen älter als die ägyptischen sind,
scheint daraus hervorzugehen, dass erstere noch deutUch erkennbare Gegen-
stände zeigen, wo die ägyptischen nur ungewisse Bilder liefern. So z. B. ist
ägyptisch ^^ ma »Wahrheit, öffnen* die mexikanische Flöte ^ ■ i Wt^
um so sicherer, als diese ebenso den gleichen Lautwerth mit der Eule hat
Wie die ägyptische Flöte mit VL ma: eine gleiche Übereinstimmung zeigt
mexikanisch ^ Mond und if Fuss mit dem Lautwerthe mets, wie ägyptisch
-^^ oZ> »Mond* und jb »Fuss*; eine solche Übereinstimmung kann kein
Zufall sein, sie beruht auf gleichen Grundanschauungen, und der veränderte
Lautwerth ist, wie wir oft genug gesehen haben, die Folge theils reiner Laut-
verschiebung, theils veränderter Auffassung. Zu mexikanisch U gehören tki
»das Haus*, /^ »das Kinn*, f^' »Harzkömer*, A:ama^a/o/i »geöffneter Mund*,
/.<! »Hund*, fAVi »Eule* und »Flöte*, dem entsprechen im Hebräischen jea
fftten »Leib. Brust*, verwandt mit fJ»a baith »Haus*, n^iu gizra »Brust*, auch
Tc ^od, aramäisch Tr thad, griechisch titthe, wnt zara »Ekel*, nie seri »Harz*,
fpr zakan »Kinn*, pr z^ »Pfeil*, assyrisch äo/, Wn ^alil »Flöte, profan,
Abscheu* ; die Eule ist das Symbol der Nacht und des Todes, die Pfeife der
Wind, welcher auch bei uns noch der Name des Hundes ist, das Haus ist die
H<*>h]e, die Wohnung der Winde, im Ajryptischen heisst ^^ ma »geben,
opfern* (Harz als Weihrauch diente zum Opfer), ;r^^^ ma »der günstige
Wind*, ^^1 ma »Stimme* (geöffneter Mund), Alles auf den Begriff des
Offenseins, des Ausströmens der Lui\ basirend ; die Eule heisst hebräisch
ü*2 kus (unser Käuzchen), verwandt mit v^d ktiS, dem Namen der schwarzen
Äthiopier.
Mexikanisch <^p^ «^ otl »Wasser* stimmt mit dem keilschrifllichen yTw
«»Wasser* und dem ägyptischen ^^ fta »Hciar* überein, dessen Figur auf
f 24 Vergleichung mexikanischer and ägyptischer Hieroglyphen.
Wasser hindeutet; =r.-x:: ee .Blut* ist hebräisch wk eS »Feuer*, verwandt
mit «TM ii »Mann*, ägyptisch ^^ ts (Schlange als Blitz), d. L der griechische
Zeus auch insofeme als ^T^ tset (unsere Zeit) die Ewigkeit bedeutet; ^Z3 iz
»der Fingernagel* ist ägyptisch \ to6a . Finger*, hebräisch pixp ei86a, r
wi »der Dom* oder »Pfahl* ist ägyptisch *^« ua »der Pfeil*, ^»^ ao
.durchlöchern*, ägyptisch <4« «< »Pfeil*, ^^ A» »die Vase*, ägyptisch 9
Z^ , fr ^'ol »krumm*, hebräisch pp qerm »Hom* (Berggipfel), 11 koz »gelb,
Feder*, ägyptisch 1 kb, gs^ koS »Fasan*, ägyptisch ^ jfu; «^i; ma
,Hand*, ägyptisch •§ am, fassen*, ^Z" /m> »Stimme, Athem, Rauch, Dampf,
hebräisch rt^ pe »Mund*, ägyptisch «'/»Gliedmassen*, ^r^ Üa »Zahn* (das
Theilende), ägyptisch cssz ä, hebräisch \v Sm »Zahn*, ^w Sne »zwei*, po äin
»pissen*, was im Mexikanischen sehr genau durch ^ ^ ausgedrückt wird;
ebenso erklärt sich das ägyptische ü^ ir (Ernte) durch das mexikanische
^^ Füllhorn, während andererseits die Verwandtschaft zwischen ägypti-
schen ^B3 und trtrt (beides S) durch das mexikanische ^go^g tok »besäetes
Land, junge Pflanzen* erklärt wird; %~^^v-. 0 »Weg* ist ägyptisch
hr, jk 80I »Wachtel*, hebräisch "J^w seUxv, ägyptisch m u, ^^ §ra, ^r ^^;
auffallen muss die Abwesenheit der Spinne in den ägyptischen Hieroglyphen,
in den mexikanischen kommt sie Tor, während sie in den Hieroglyphen in
den Käfer übergegangen zu sein scheint, dessen Figur X mit dem Kreuze
auf dem Rücken an die Kreuzspinne erinnert
Wir haben in der Einleitung gesehen, dass die Schrift auf Terschiedene
Weise sich aus den Elementen entwickeln konnte: durch die Knoten, durch
das Ritzen von Figuren und durch das Malen, die Azteken scheinen das Maler-
volk kaV exogen gewesen zu sein, und ihre Meisterschaft in der Nachbildung
belebter und unbelebter Gegenstände war wohl die Ursache, dass sie die
Lautbezeichnung vernachlässigten und auf die Namen beschränkten, sie
schätzten mehr den unmittelbaren Eindruck, den Gemälde auf die Auffassung
machen, und imterschätzten die Wichtigkeit der lautUchen Wiedergabe.
4. DIE YUKAT ANISCHE SCHRIFT.
Das Mayavolk, welches südlich von Mexiko in Yukatan wohnte, hatte
eine nicht minder ausgebildete Cultur als die Mexikaner, seine Schrift ist
Yukatanisch.
225
anverständlicher und scheint eine cursive Wortschrift gewesen zn sein. Leider
ist der grösste Theil ihrer Bücher Ton den spanischen Mönchen verbrannt
worden, nur der Bischof Diego de Landa '* hat ein Alphabet und zwei Wörter
dieser Schrift überliefert, wonach le KsPMSMmBSD e-l-e-le, das Wort für . ich
'will nicht* o-H-o^^ 3 g^ fi ma-i-n-ka-ti geschrieben wurde. Obgleich
die Mayas dieselbe Zeittheilung hatten wie die Mexikaner, sind doch die
Zeichen und Namen der Zeiten ganz verschieden. Der Tag bestand aus
1 3 Stunden, welche jedoch kreuzweis gezählt wurden, wahrscheinlich weil
die ungeraden Stunden von Mittemacht bis Mittag für glückliche, die geraden
fOr anglückliche Zeichen gelten ; wir haben eine Abbildung dieses Stunden«^
kreises Seite 73 gegeben. Zwanzig Tage bildeten einen Monat, und zwar:
»
kan
\oJ muluk
tsitian
© ok
kimi
^ tSwen
manik
0 eb
lamai
^^ ben
y idz
<iffi\
tnen
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kaban
edzanab
im
o
®
kauak
ahan
imiM
ik
hon bedeutete Süden, muluk Osten, idi Norden, katiak Westen; diese vier
Zeichen hiessen bakab und sollen vier Brüder gewesen sein, welche Gott
unter die vier Ecken des Himmels setzte, wie die Äsen die vier Zwerge unter
die Ecken des Himmels setzten; kan soll eine , Schnur* darstellen, tSiVian
«klein*, kimi «sterben*, manik «Wind*. Ebensowenig Ähnlichkeit haben die
Monate mit der mexikanischen, man vergleiche:
Mexikanisch:
Atlakohwailf Monat, in welchem
der Hegen aufliört, 18. Februar
bis 9. März.
Tlaka^ijiehwatiztU.Moxidii der Men-
schenhaut, in welchem die Ver-
brecher gt'schunden wurden,
um die Priester mit Mensrlitiii
häuten zu h^kloiden, 10. his
29. Mai.
TozoztUy Monat de? Wachens, d.
i. der Nachtwaclie während der
grossen Tempelfeste, 30. Muri
bis 18, ApriL
15
Yukatanisch :
Qth (Hirsch) 21. Februar bis
lä. März.
Mak (schliessen) 13. März bis
1. ApriL
i
Kankih (gelbe Sonne) 2. bis
il. ApriL
FtnlmiBo, Geschtchf« d. Schrift.
226
Yukatanisch.
y?^
y" r^) ^*>^'^ i^^^ bedeckte Tag)
S2. April bis 11. MaL
Pai (Musikinstrument) 12. bis
31. MaL
iTayaö (Gesang) l.bisSO.JunL
Bwti'Tozoztli, Monat der grossen
Wache oder Busse, 19. April
bis 8. Mai.
ToSkoaÜ, Monat, in welchem man
die Götterbilder mit Schnüren
und Guirlanden schmückte,
9. bis 28. Mai.
^|S\ EtsaücwaliztU, Monat der Speisen,
29. Blaibis IT.JunL
m
etc.
Das beifolgende Gemälde, ^^ welches der Österreicher Dupaix im
Tempel zu Palenke auf gelblichem Marmor fand, und das Ton seinem Begleiter
Castanjeda abgezeichnet wurde, beweist, dass die Yukataner eben so gut
zeichnen konnten als die Mexikaner, aber einerseits strebten sie Tielzusehr
zu symbolisiren, andererseits ist bei ihnen die Lautschrift vielmehr vorheir*
sehend, denn die ganzen Zeichen, welche die Figur umgeben, sind offenbar
Lautzeichen, welche es doppelt beklagen lassen, dass der Schlüssel zu diesen
Hieroglyphen verloren gegangen ist
Wenn wir es unternehmen, etwas an diesen Figuren zu deuten, so
möge man dicss nur als einen schwachen Versuch betrachten, einige Kennt-
niss der Hieroglyphen zu verwerthen, um wenigstens einigermassen die
Rälhsel dieser Schrift zu erhellen. Wir sehen in der Mitte das Kreuz, welches
schon bei den Mexikanern ,Gott* ^q/eot/(Thaud?) bedeutet; über demsell>en
sitzt der Paradiesvogel, der wohl zu der Sage vom Phönix beigetragen hat,
wie der Pfau mit seinen vielen Augen auf den Schwanzfedern als Symbol des
Sternenhimmels bei den Griechen der Vogel der Hera war; neben dem
Paradiesvogel ist rechts eine Figur, die mit ihren schlangenartigen Beinen
an die lao-Figur der gnostischen Amulette erinnert; der Priester links bringt
ein Kind den Göttern dar, dessen Mutter rechts neben dem Kreuze steht, die
letztere trägt einen auffallend gezeichneten Zopf und am Kopfe die Blume,
welche in den ägyptischen Hieroglyphen Symbol der Weiblichkeit ist: vj.
Unter dem Kreuze ist eine Figur, welche auffallend an die geflügelte Sonnen-
Scheibe der Ägypter erinnert, welche auf unserem Titelbilde über der ägyp-
tischen Landschaft sich befindet; der Priester trägt um Brust und Arme
gewickelt eine Schellenkette, welcher Schmuck sich noch bei unserem Adel
bis in das Mittelalter erhielt und in der deutschen Spielkarte sich bis jetzt
Tukataniaches Schriflgemälde.
223 Scbril\ der Muiskas.
erhalten hat; die Zeichen, welche die Figuren umgeben, sind offenbar Laut-
zeichen; links oben ist ein Gesicht, wie im Spiegel sich betrachtend, ein
ähnliches vor dem Kopfe des Priesters ; die dritte Figur von oben ein Gesicht,
mit der Zunge an einer Frucht leckend, deutet wahrscheinlich auf essbare
Früchte, weiter unten, sowie in der zweiten Reihe sehen wir eine Hand ein
Rad haltend, ähnlich dem ägyptischen £—1 tno .weihen, widmen*, die vierte
Figur von oben scheint ein Schloss zu sein; ähnliche Formen bietet die letzte
Reihe rechts, wo wieder ein leckender Kopf vorkommt, femer ein Schloss,
eine Hand mit Geschenken und ein Kopf mit grossen Ohren, der wahr-
scheinlich Hören bedeutet. Alle diese Lautzeichen machen den Eindruck,
als ob mehrere Einzelfiguren vereinigt wurden, um einen Gesanmiteindnick
hervorzubringen; die oben gegebenen Zeitzeichen sind noch cursiver und lassen
wenig verständliche Formen übrig. Die Maya-Bilderschrift war gegenüber
der mexikanischen jedenfalls ein Fortschritt in Bezug auf Lautbezeichnung,
die Lautzeichen überwuchern hier so wie bei den ägyptischen Schriftgemälden,
und es ist daher doppelt beklagenswerth, dass der Schlüssel dazu verloren
gegangen ist
5. DIE SCHRIFTZEICHEN DER MOSKAS.
Dieses Volk, welches in Neu-Granada wohnte, erhielt seine Cultur von
einem gewissen BoSika. Humboldt ^^ findet die politischen Einrichtungen
Bo§ika's denen der Regierungen von Japan und Tibet ähnlich. Er hatte vier
Häupter der Stämme Gameza, Busbanka, Peska und Toka ausgewählt und
befohlen, dass nach seinem Tode diese und ihre Nachkommen das Recht
hätten, den Oberpriester zu wählen. BoSika regelte die Zeitrechnung und
führte einen Kalender ein. Der Tag war in vier Theile getheilt: sua^^nena vom
Aufgang der Sonne bis Mittag, sua-meka vom Mittag bis Sonnenuntergang,
zaska vom Sonnenuntergang bis Mitternacht, kagni von Mittemacht bis Morgen.
Das bürgerliche Jahr war in 20 Monate eingetheilt, das Priesterjahr umfasste
37 Monate und 20 solcher grossen Jahre gaben einen Gyclus. Von ihrer
Schrift sind nur folgende Zeitzeichen bekannt:
^ 1 Uta (wahrscheinhch Wasser, wie mexikanisch atl), die Hieroglyphe
bezeichnet einen Frosch, der Schrei dieser Thiere bezeichnet die An-
näherung der Zeit, wo gesäet werden muss. (Die Chinesen haben statt
dieses Frosches die Wasserratte als erstes Zeitzeichen.)
Ayinara-Schriil. 229
^ 2 hosa (einzuzäunen, bezeichnet den Monat, in welchem die Felder durch
Zäune gegen schädliche Thiere geschützt werden müssen). Hieroglyphe :
eine Nase mit offenen Nasenlöchern, auch ein Theil des Mondkreises.
^3 müca (veränderlich oder der, welcher gewählt ist). Hieroglyphe: zwei
geöffnete Augen, ebenfalls ein Theil des Mondkreises.
^4 mmhika (schwarze, stunn verkündende Wolke). Hieroglyphe: zwei
geschlossene Augen.
Jf 5 hiska (ausruhen). Hieroglyphe: zwei vereinigte Figuren, die Hochzeit
von Sonne und Mond.
Q^ 6 to (Ernte). Hieroglyphe: ein mit einer Schnur umzogener PfahL
^ 7 kuhupkuHii (Salamander). Hieroglyphe: zwei Ohren.
^ 8 suhma (Schwanz).
^ 9 aka. Hieroglyphe : zwei vereinigte Kröten.
^10 tibtfihia (glänzende Sonne). Hieroglyphe: ein Ohr.
^ f>ü ktttta (Haus). Hieroglyphe: eine ausgestreckte Kröte.
Der Monat (suna), dessen Hieroglyphe eine Kröte S war, fing mit dem
cr>ten Tage nach dem Vollmonde an.
6. DIE AYMARA- SCHRIFT.
Aufseiner Reise im Jahre 1860 fand J. J. Tschudi im Kloster Ka)ia-
kahwana am Titikasee eine Thierhaut, auf welche eine Biiderschrifl mit dem
Safte eines Nachtschattens geschrieben war. '•
Der Erfinder dieser Schrift soll ein noch in diesem Jahrhundert lebender
Aymara-Indianer Namens Juan de Dios Apasa gewesen sein. Die Kirche ist
durch ein Viereck mit
einem darauf befindli- ^^J^fni/^Ä^Oft^HO^g
chenKrcuz ausgedrückt, ^ ^ ^ .t m £^^^"N^l^ilft
da. Sacrament durch x,.,,^,„^, Ö«lt«||) & I^U ''» ■""
eine Monstranz, die •[["' ''"''»♦/'«»f |(|||| j(j«» J^5,t ^iM
Priesterweihe durch ein ™^^"*V''J«|1l|li»|||
Zeichen, welches wahr- ^ ^.^. .i.. ,t
scheinUch ein Messge- ^ff J^llülLU-^lUlW «f W" ^ "
wand vorstellen soll ; in -^ ^^ wjA -|rt m. Q ^^
den beiden letzten Zeilen ^
230 Schrift der Tschirokesen,
«
sind die leiblichen Werke der Barmherzigkeit dargestellt: einen Fremden
beherbergen ist ausgedruckt durch einen schutzenden Bogen, welchen Einer
über den Andern hält; den Gefangenen erlösen durch em Viereck mit Quer-
stäben und daneben stehende Gefangnisswärter; daneben wird eine Leiche
begraben. Nur ein einziges Mädchen konnte 1860 diese Schrift noch lesen.
7. DIE SCHRIFT DER TSCHIROKESEN.
Eine andere, ebenfalls erst in diesem Jalirhundert erfundene und mit
der Versprengung des Stanmies wieder ausser Gebrauch gekon&mene Schrift
ist die der Tschirokesen. Ihr Erfinder Segwoya oder mit seinem englischen
Namen Georg Guess^^ soll durch den Anblick der europäischen Bücher,
welche er jedoch nicht lesen konnte, auf die Idee verfallen sein, eine Laut-
Schrift für seine Sprache aufzustellen. Anfangs soll er mehrere hundert Zeichen
aufgestellt, dieselben jedoch allmählich auf 85 reducirt haben. Dieser Angabe
entspricht auch, dass wir die lateinischen Versalbuchstaben fast vollständig,
jedoch in anderer Bedeutung wiederfinden, nämlich: A go, B yf, JD a^ E ge,
G ncHi, H mi, i gu, K dzo, L die, M lu, P dlf, R sf, 8 9u,T i, W la, Z no;
wenn auch griechische Buchstaben vorkommen, wie A do, V hu, so mag diess
davon herkommen, dass die lateinischen Zeichen in verstümmelter Form weitere
Laute vertreten mussten, dass daher A ein verstümmeltes A, F ein verstüm-
meltes F war, wie auch f (von F) als ho vorkommt; die Abwesenheit von
N 0 Q X dürfte wohl auf Rechnung der spätem Reduction zu setzen sein,
ebenso die Abwesenheit der gemeinen Buchstaben, von denen nur y als gi
vorhanden ist, merkwürdig ist das Vorkommen der Ziffer 4 als se, manche
Zeichen weisen Schreibschriflcharakter auf, wie f ga, f le, 8 um, A hi, %
gwe, andere endlich sind ganz fremdartiger Natur, wie Cd gwu, A dla, /i gi,
^ SU u. s. w. Das Sillabar besteht aus Silben mit a e t o u f, z. B.
* 9<*f ^ 9^f y 9h A go, i gu, E ge
X gwa, iS gtce, ^ gwi, qV^ gwo. Cd gicu, 6 gupe u. s. w.
Diese Schrift fand, als sie im Jahre 1824 bekannt waixi, den Beifall der
Stanrniesgenossen und die Billigung der Missionäre; es wurden auch in der-
selben mehrere Bücher gedruckt; in Folge späterer Feindseligkeiten wurde
jedoch der Stamm versprengt und vertrieben und die Überreste desselben
haben die Schrift vergessen.
231
8. SCHRIFT DER TINNE-INDIANER.
Diese Schrift ist ebenfalls eine Silbenschrift, aber von anderem Gepräge :
Jedes der 1 7 Stammzeichen erhält durch veränderte Stellung einen veränderten
Laut, wie <a ^ e A< >o
L ma 1 m« T nn J n\o
Cda \J de n di Cido
b ka ^ ke P ki 6 ko etc.
Ausserdem hat diese Schrift eigene Finalzeichen, welche jedes Vokallautes
entbehren, wie ^ d, * g, ^ k, ^ l, C m, i n, ^ r, ^ 8, %t t, o th; das ist eine
Eigenthümlichkeit, welche, abgesehen von der eng verwandten Schrift des
Kri-Stammes, sich nur in einem weit entlegenen Lande, nämlich bei den im
Himalayagebirge wohnenden Leptschas wiederßndet. Die Grundzeichen der
Tinne-Schrifl: ^ a, ^ba,^ ^a, Cefa, C > ta, C tlha, V» ga, b ka, K kla,
d Uif L nia, CL na, S 8a, b 8la, U tha, S t8a, S ya weisen keine Ähnlichkeit
mit europäischen Alphabeten auf, und es ist daher die Annahme berechtigt,
ilass wir in denselben Verwandte der Runen vor uns haben, uralte Zeichen,
welche auf die frühesten Schriftformen zurückgehen, '*
Wir lassen hier eine Sprach- und Schriftprobe folgen:
cr>io ►niv M i>|o-D« v^c> v^o kj^w iiK,-oni, c« n>>-«»
D. h. Slwja otie mcon yonito eyita teyasi nwogmiiti, ta tiHtie oyi etthi
^nithin nite tte yaethi ile olili, eißokithi ithlasi ißnda oUlL
Zu deutsch: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen
Sohn gab, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern
das ewige Leben haben.
9. SCHRIFT DER KRMNDIANER.
Die Kri-Indianer'^ bedienen sich derselben Schrift, doch fehlen ihnen
die Laute und Lautzeichen, ga ya kla 8\a ta ttha; b (Tinne tha) gilt ihnen
für tia und |^ (Tinne ga) für ra, so dass man fast vrrmutlien möchte, die
Tinne •Indianer hätten ihre Schrift von den Kri*s entlehnt, da Tinne C* ta
G ttha offenbar DitTerenzirungen von C da sind. Noch grösser ist die
Abweichung in den Finalzeichen, man vergleiche:
232 Kri-Schrin.
Tinne: \ g, ^ 1,'d,'^ i, w r,
Kri .j,,'<,-fa,+y,xr.^'''*' ''"**'• ^*'<*'»*' «."Aspiration.
So ähnlich die Schriften sind, so Terschieden smd die Sprachen, wie
überhaupt Amerika eine grosse Sprachenzersplittenmg aufweist. Man ver-
gleiche die folgende Probe desselben Textes mit der Probe der Tinne-Sprache :
V^A'T SP««C'' PSL^b A'Pp^o b PM>iip ip^' >VVdKö-, <A*V^
qcv.sp^Iq* vb pp o-,^<.Q.hf^^, U pp <V^ bpq aLoi^ao.
d. h. EsUw^iiH swukhittcai kiseinanäwo askiyitc kwa khurihotii mddt of^ei/akirO'
stcatia, awiyat keitcaptceyeyitnuxMkwe ekwa kitäi nisiwantcatisit, mtcaka lit^f
ayivat hcakike bmtcaiisiunn,
10. SCHRIFT DER MIKMAK -IXDIAXER.
Zu den merkwürdigsten Schriften der Lidianer gehört die des Mikmak-
Stammes, der im französischen Kanada wohnt und eine zeichenreiche Hiero-
glyphenschrift besitzt, welche einst Gemeingut aller kanadischen Stamme war.
Vor der Ankunft der Europäer schrieben die Indianer diese Zeichen auf
Baumrinde oder in Steine mit Pfeilen, scharfen Steinen oder anderen Instru-
menten. Es war Gewohnheit, Stücke von Baumrinde, mit diesen Zeichen
Tersehen, den Indianern anderer Stämme zuzusenden und von ihnen in der-
selben Weise Antwort zu erhalten, gerade so wie wir Briefe wechseln;
Häuptlinge pflegten in derselben Weise Circulare zu ihren Mannen zu senden,
manche Indianer besitzen in ihren Wigwams eine Art Bibliothek von Steinen
und Baumrinde, und die Medicinmänner besitzen grosse Manuscripte in
diesen Charakteren, welche sie über kranke Personen lesen. Jetzt sind die
übrigen kanadischen Stämme bis auf die Mikmaks fast ausgestorben, welch
letzteren wir die Kenntniss dieser Schrift verdanken. Die Jesuiten scheinen, im
Gegensatze zu den spanischen Dominikanern in Mexiko, welche die einhei>
mischen Bücher verbrannten, gerade die einheimische "Schrift benützt zu
haben, um ihren Lehren leichter Eingang zu verschaffen, wobei sich die
Hieroglyphenschrifl so ausgebildet erwies, dass die neuen Ideen entsprechend
dargestellt werden konnten.
Vor zwanzig Jahren wurde mit Unterstützung der Leopoldinischen
Gesellschaft in der k. k. Staatsdruckerei in Wien ein dreibändiges Gebet- und
Gesangsbuch in diesen Zeichen gedruckt, wozu 5701 verschiedene Lettern
Hikmak-Schrift 233
▼erwendet wurden ; die Matrizen dieser Schrift sind noch vorhanden, und es
wäre eine nicht unwürdige Aufgabe gelehrter Kreise, dieselben zur Heraus-
gabe einer Grammatik und eines Wörterbuches zu verwenden, welches wohl
manche Aufklärung über die Entstehung dieser Zeichen geben würde. Das
oben erwähnte Gebetbuch ist ohne Umschrift, daher für wissenschaftliche
Zwecke ganz werthlos, und ein Versuch des Verfassers, mit dem Herausgeber
jenes Gebetbuches, dem Missionär Kauder, zum Zwecke weitei-er Aufklärung
in Verbindung zu treten, missglückte, da Kauder sich krank in einem Spitale
in Belgien befand und sein Versprechen, bei eintretender Besserung seines
Zustandes nähere Auskunft zu geben, bisher nicht einlösen konnte. Ein von
Vetromile*® in Newyork herausgegebenes Werk enthält einige dürftige Aus-
künfte, denen wir wenigstens den Wortlaut des Vaterunsers entnehmen
konnten. Dasselbe lautet:
Das Gebet des Herrn.
y(üi9im uxitjok Mn iMptuk dehcidiin nieywidedemek mtijok
Unser Vater im Himmel sitzend es möge dein Name sein geachtet im Hiunnel
«fei ^£^V^a.83^M ^
$^Uli<ianen tSiptuk ignemtriek ula nemulek tUedetSinem. Xatel tcatjok
uns möge gewährt sein dich zu sehen immerdar. Dort im Himmel
deli SkeduUc i^ptuk deli ^kedulek hiakiwhjHek
wo du bist dir gehorcht wird, möge so dir werden gehorcht auf ErdfMi
eitttek. Delamtüctihenigtcal r.stmitjicel apS nenm.^
wo wir sind. Wie du uns gegeben hast in derselben Weise so auch nun
kiskuk dfiamuktei penef/tcunemcin nilutien dehjabik^iktakaSik uregaitciummfmk
beute gieb uns unsere Nahrung uns. Vergeben jene so haben beleidigt uns
234 Mikinak'Schnil.
elp pel nikskam abikSiktwin elureuliik meketiiureS tcinnhidü mu
so du Gott vergieb uns unsere Fehler, halte uns fest bei der Hand nicht
.^z-vv H^ ^^^ SiHffJ "1"!
kUigalifia kedÜnukatnke wimisigtcel twakiwin, 2Pd^v€tS.
zu fallen, halte fem von uns Leiden Übel. Amen.
Es scheint hieraus hervorzugehen, dass die Abwandlung der Wörter
sich in den Zeichen weniger widerspiegelt, Jta^ heisst Himmel und im
Himmel, ff— C^c sowohl ,wie du uns gegeben hast* als auch ,gieb uns",
dagegen wird unterschieden H ' ij ,du bist* und j^'"T-| »wir sind*,
doch findet man das Wort .Taufe* in verschiedener Form äR_[F1
aßf^ft j-Bf^ «ßfif «^^Bfl. IM\ "• «• ''• A"<=»»
in dieser Schrift kommen lateinische Buchstaben vor; aber sie sind kaum
europäischen Büchern entnommen, denn A bedeutet .gleich, wie*; A .so
auch*, und letzteres ist offenbar das Richtscheit der Maurer, wie A die
Gleichung; H bedeutet .fest halten* und damit scheint k^T .gehorchen*
übereinzustimmen ; der Buchstabe B kommt vor in R *fn , .Taufe * E in p >\
.Gott der Sohn*, bedeutet also, da /\ Gott bedeutet, an sich .Sohn*;
Glaube wird ausgedrückt durch Jj^ , .Gruss* durch 0(1 [7 1 § bedeutet
.Engel*, nicht, wie in der Aymara-Schrifl, .Sacrament*, denn dieses ist in der
Mikmak- Schrift o-J- J==J|==J ; die . Priesterweihe * ist «^b ; , Morgen * ist 0'#'
.Abend* ^s^; auch Namen werden wiedergegeben: J »f jS jQ. ^J^
Jesus Christus. Beachtenswerth ist das Dreieck für .Gott*, eine Form, die
an das göttliche Auge erinnert, femer der fünftheilige Stern für .Himmel*,
der im Ägyptischen tua heisst, während in der babylonischen Keilschrift der
sechstheilige Stern $|^ .Gott* bedeutet.
Alte Indianer haben Herrn Vetromile versichert, sie hätten Bücher
gesehen, in welchen diese Schrift in chinesischer Art von oben nach abwärts
geschrieben wurde. Je tiefer man sich in das Studium dieser Schrift versenkt,
desto mehr wächst das Bedauern, dass so wenig von derselben bekannt ist;
möchte daher diese kurze Darstellung Anstoss geben, dem Urspnmg derselben
nachzuforschen, so lange noch ein Stamm vorhanden ist, der den Schlüssel
bewahrt
Afrikanische Schriften.
I. DIE ÄGYPTISCHE SCHRIFT.
1. Die Hieroglyphen.
Wie sehr die Entstehung der Schrift sich im Dunkel der Vorzeit verliert^
zeigt die ägyptische Schrift. Auf den ältesten Denkmälern, in den Pyramiden
von Gizeh, welche vor 6000 Jahren von den Herrschern der vierten Dynastie
errichtet wurden, findet sich die Hieroglyphenschrift bereits in derselben
Weise ausgebildet wie zur Zeit des Unterganges der ägyptischen Religion am
Beginn unserer Zeitrechnung. Schon in den Pyramiden von Gizeh ßnden wir
femer eine zweifache Form der Schrill, nämlich die künstlerisch sorgfältig
ausgeführten Bildzeichen, welche die Griechen charakteristisch «Hieroglyphen*^
d. h. «heilige Eingrabungen * nannten, und jene flüchtige gemalte Schrift,
welche sie «hieratische* oder Priesterschrift nannten. Wir geben hier zunächst
eine Probe verschiedener Namensschilde des Königs Khufu oder Gheops, des
Erbauers der Pyramide, ^^ von denen vier, theils gross, theils klein, mit rother
Farbe gemalt sind, während eines (Figur 2) vom Bildhauer in Hieroglyphen
hergestellt ist
1 1
r?wg
CZS mZl) \ME}
3
Figur 1 zeigt den Namen Kbufu, hieroglyphisch #\^^\, hieratisch
J §1 ^O* Aus der Vergleichung dieser Schriftformen dürfte sich ergeben, dass
236 EiiUifTerung der Hierogh-phen.
die rohen Figuren der obigen Zeichen die Urzeichen der ägyptischen Schrift
waren, dass aus ihnen die verschönernde Hand des Bildhauers jene Figuren
bildete, welche in Figur 2 vorliegen, während die vielschreihende Priesterhand
sie zu den noch fluchtigeren Formen vereinfachte, welche unsere hieratischen
Lettern zeigen. Eline auffallende Ähnlichkeit haben sie mit der alten Bilder-
schrift der Chinesen.
In Figur 2 ist der Name in /fu vereinfacht, dapregen das S^-mbol V
^num des Widdergottes nebst dem Widderzeichen beigefügt; dieser Inschnil
entspricht genau Figur 4 in einfachen Charakteren, in denen der Krug eine
merkwürdige Verdrehung erfahren hat; Figur 3 und 5 enthalten nur den Namen
des Widdergottes, der wahrscheinlich identisch mit dem Namen des Königs
Khufu war, wenigstens lässt das Figur 5 beigesetzte % u diess vermuthen.
Die ägyptische Schrift wurde theils von rechts nach links, theils umge-
kehrt von links nach rechts geschrieben; die erstere Art scheint die ältere
gewesen zu sein, sie ist auch in der hieratischen Schrift beibehalten. In
welcher Richtung zu lesen ist, lässt sich leicht aus den Bildern erkennen,
welche mit dem Gesicht dem Leser entgegenschauen; die obigen Inschriften
laufen von rechts nach links, unsere Lettern zeigen die umgekehrte Form,
die auch besser zu unseren europäischen Lettern passt Die Einklammerung
der Königsnamen erinnert an die Runen-Inschriften, welche manchmal von
einer Schlange umgeben wurden, die sich in den Schwanz beisst, das
uralte Symbol der Unendlichkeit und Ewigkeit Diese Namensschilder haben
auch zur Aufklärung der Hieroglyphen geführt, weil Champollion mit Recht
in den umklammerten Namen der dreisprachigen Inschrift von Rosette, sowie
in der Inschrift eines ObeUsken die Namen des Ptolemaios und der Kleopatra
suchte. Er stellte beide Gruppen|[^^jjglip)und (io^A"V^lit)
nebeneinander, und kam zu dem Schlüsse: Ä müsse k sein, welches in dem
Namen Ptolemaios nicht vorkommt, ^& musste l sein imd fand sich auch bei
PTOLe^naios an der vierten Stelle; das dritte Zeichen I musste e gelesen
werden, es fand sich verdoppelt in Ptolemaios da, wo man das griechische ca
zu suchen hatte; das vierte Zeichen |^ fand sich, wie zu erwarten war, als
dritter Buchstabe in PTOlefnaios, ebenso fand sich das Viereck, welches p
sein musste, in Ptolemaios an erster Stelle, der sechste Buchstabe in dem
zweiten Namen Ik musste a sein und fand sich auch an der letzten Stelle in
EnUilTerung der Hieroglyphen. 237
Kleopatra wieder. Das siebente Zeichen, eine Handel»«, musste^ ausgesprochen
iK'ci'iien, im Namen Ptolemaios fand sich zwar ein anderes t, der Halbkreis «^
und diess hätte den Entzifferer irre führen können, wenn er nicht die Mög-
lichkeit, dass ein Laut durch verschiedene Zeichen ausgedrückt werden könne,
gealint, wenn er nicht richtig geschlossen hätte, dass der Halbkreis am Ende
des Namens der berühmten Königin, den er auch am Schluss von anderen
Frauennamen fand, den koptischen weiblichen Artikel t darzustellen bestimmt
sei und ebenso ausgesprochen werde wie die Hand an der siebenten Stelle
in KleopaTra; das achte Zeichen, ^^ ein Mund, musste r bedeuten und fand
sich nicht in Ptolemaios. So blieb kein Laut in Kleopatra unerwiesen, während
in Ptolemaios das fünfte und achte Zeichen einer Bestätigung bedurften, wenn
es auch auf der Hand lag, dass das fünfte nur ein fit, das achte nur ein s
darzustellen bestimmt sein konnte. ®*
- Es würde zu weit führen, die Geschichte der Hieroglyphen-Entzifferung
hier weiter zu verfolgen; wir erwähnen nur, dass, nachdem Champollioti den
lautlichen Charakter der Hieroglyphen nachgev^nesen hatte, Seyffarth die Ent-
deckung machte, dass die Zeichen nicht nur Lautzeichen, sondern auch
Sylbenzeichen waren, somit mehrere Laute vereinigten, wie z.B. 9 im obigen
Khufu-Schilde, an anderen Stellen jj^% Z^^ geschrieben vorgefunden wurde,
und somit in ^# ^ nicht sowohl eine Abkürzung von # m ^T" m, als viel-
mehr eine syllabarische Lesart gegenüber der buchstäblichen vorhanden war;
ferner wurde die Entdeckung gemacht, dass die Hieroglyphen polyphon waren,
d.h. verschieden ausgesprochen werden konnten, dass die Stellung der Zeichen
manchmal eine veränderte war, und endlich, dass den hieroglyphischen Wör-
tern oft Zeichen beigegeben waren, welche nicht gelesen wurden, sondern
nur die Erklärung der Wörter (Determinativa) waren, z. B. ITT^ J a-n-p^
(Gott), d. h. Anub (als Gottesname).
Eine eigentliche Bilderschrift war die ägyptische nie, so realistisch die
Ägypter in ihren BUdem waren, so trefflich genau sie zeichnen konnten, ihre
Schrill ist entweder symbolisch oder lautlich, z. B. in der Neapler Stele:
O Khnum, du König von Ober- und Unterägypten, du Fürst der beidon Länder,
sein Sonnensti-ahl erleuchtet die Erde, rechtes Auge sein ibl dieSonncnschcibe,
238 Erklärung der Hieroglyphen auf Tafel IIL
linkes Auge sein ist der Vollmond, Seele seine ist ein Lichtglanz, hervor-
gegangen aus dem Urgrund, der Hauch aus Nase seiner belebt Dinge alle. ^'
Hier ist jp Lautzeichen o sowie Begriff der Anrufung, die widder-
köpfige Person der Gott /num, die Pflanze su oder suten , König*; Oberägypten
wird symbolisirt durch die Lotusblume, Unterägypten durch die Papyrus-
staude, der Skorpionenstab hk bedeutet Fürst, das Eck .Land*, die beiden
Striche darunter .beide'' ; rffK ip oder jrp ist Silbenzeichen für , erleuchten*,
dessen Bedeutung das darunter gesetzte Sonnenbild erklärt; *l%jm bedeutet
.sein, ist*, »^^^fisi das Fürwort .sein*, der Widder ist Symbol der Seele,
das Nest im Sumpfe bedeutet den Sumpf selbst; das Segel bedeutet den
Wind. ^= tn ist aus, in ^''^ (die aus ihrem Hause kriechende Schnecke)
, hervorgeben *; Y eine Lingamform ist , Leben*, <^^ nb bedeutet » alles*,
%^ jrt .Dinge*.
Wollte man die Schrift besonders schön darstellen, ao wurden die
Zeichen mit Farben geschmückt. Wir geben auf Tafel Ui einen Theil der
ältesten farbigen ägyptischen Inschrift mit den dazu gehörigen Bildern, ^ aus
der Grabkapelle einer Pyramide in Gizeh, welche Grabkapelle Ton Lepsius
nach Berlin gebracht wurde, wo sie sich gegenwärtig im ägyptischen Museum
foefmdet Die betreffenden Inschriften lauten nach einer Erklärung, welche ich
Herrn Dr. Bergmann verdanke: Proskynesis (Huldigung) an Anubis (^aip
dem in der Halle des Gottes [d. i. Osiris], (ein Beiname des Anubis von Hip>
ponos), dass er gewähre (A) Begräbniss (jffij) in der Unterwelt (1) dem Herrn
der Würdigkeit, dem Vertrauten des Königs, dem Propheten (!) des Anubis,
dem Königssohne (Im^ Sohn), aus dessen (des Königs) Leibe (^^■•). . . .
Hier bricht auf der Tafel der Text ab und der Name des Prinzen, welcher
Hier ab heisst, fehlt. Dieser Name steht in der obersten Zeile des
Textes , welcher über dem Altar vor der sitzenden Figur des Prinzen sich
befindet, | X\^ vM^y ^p'. sowie in der untersten Schriftzeile, in
welcher Mer-ab auch den Titel eines m LI ^ t »Chefs aDer Bauten des
<■ > ^^^^ ^
\
Königs* erhält, die Bedeutung der Gnippe J^^ ist zweifelhaft Ober dem
Altare, zur Seite und unter demselben beßnden sich bildliche Darstellungen
• -■ ■»
» -• «
A
i
■'^.:,
0 +
Ägyptische Grabinschrift. 239
von Opfergaben (viie l^^^^^ or^p »Wein*, ^JT" hau .öl*, | j^ s^ni
0 Augenschminke*) u. s. w. Die mehrmalige Setzung des Zeichens T, welches
.tausend* bedeutet, bezeichnet die grosse Menge der Gaben. Die Figuren
rechts sind zwei Priesierschreiber und zwei Priester mit Opfergaben: einem
Schinken und Räucherwerk. Prinz Mer-ab war allem Anscheine nach ein
Sohn des Königs Khufu, des Erbauers der grössten Pyramide von Gizeh.
Seine Mutter, N<unens Sat't, wird in den hischriften als Königstochter be-
zeichnet, weshalb Mer-ab die beiden Titel .Königs-Sohn* (suten-si) und
.königlicher Verwandter* (suien re^) führt.
Wir lassen hier noch eine ähnliche Grabinschrift folgen, deren Anfang
wir auf dem untersten rechten Steine des Titels gegeben haben, sie lautet mit
der Umschrift und Obersetzung von Prof. Reinisch:
Sutui% ta-h'iitup' Asar /unt ainunti nutur a
Königliche Bitte (an) Osiris, den Ersten der Unterwelt, den Gott grossen
- fJS ii <tf^ J^ V
piab' AVadu ta-f qras-t nufar-i uw
den Herni von Abydos, damit er gewähre ein Begräbniss schönes in der
Suturtfar-ti mo satt amunti Wab'a au-t nufar-t tcar
Todtenstadt, in der Region westlich von Theben nach Alter, gutem, hohem,
/wr nutur-a ndb pa-t na qa na y^nU-inir
beim Gotte grossen, dem Herrn des Himmels, der Person der Hausfrau
= 1 :«i'-^ • '^^'A v \ VJ1Z m
Xa/t'osa'ti'-ru sa^t Fatantib'. Zai an sab' rupa nutur-u ia-'f
Nachtasatiru der Tochter des Phatinub. Siehe Seb, der Fürst der Gölter, gewährt
parjfUT'U aha-u ap'ad-u /ut-u nah' nufar-t ua qa na nah' par Xa^i-asn-ti-ru.^^
Todtenopfer an Stieren, Gänsen und Dingen allen guten der Person der Hauslrau
Nachtasatiru.
240 Entstehung der Hieroglyphen.
Es geht hieraus hervor, dass die Denkmäler Ägyptens nns über die
Entstehung der Hieroglyphen vollständig im Dunkeln lassen, und diess ist auch
natürlich. Bevor man daran denken konnte, Bauwerke wie die Pyramiden
herzustellen, von denen Lenormant bemerkt «mit all unseren Fortschritten in
der Wissenschaft würde es selbst heutzutage ein schwer zu lösendes Problem
sein, wie die Architekten der Ägypter aus der vierten Dynastie in solchen
Steinmassen, wie sie die Pyramiden sind, Gemächer anzubringen, die trots
der Millionen von Kilogrammen, die auf ihnen lasten, noch nach sechzig
Jahrhunderten ihre frühere Regelmässigkeit zeigen und noch an keiner Stelle
aus ihren Fugen gewichen sind*,®' mussten die Wissenschaften einen hohen
Grad erreicht haben, musste die Schreibkunst vollständig ausgebildet und Ton
dem Ziffernsysteme getrennt sein.
Daher finden wir auch bei den Ägyptern , wenigstens in der Hiero-
glyphenschrift, ein eigenes Zahlensystem, indem die Zahlen von 1 — 9 durch
Striche dargestellt werden: | 1, || «, ||| 3, |||| 4, ||| || 5, ||| ||| ||| oder "j,|" 9,
in gleicher Weise werden die Zehner durch Vervielfältigung des Zeichens fl 10
bezeichnet, also DQ 40, nOn 90; ebenso die Hunderter durch Vervielfaltigimg
von @ 100, die Tausender durch Vervielfältigung von T, die Zehntausender
durch y die Hunderttausender durch ^, die Million durch ^^; Z3 bezeichnet
„ Hälfte« oder .Theilen".
Aber gerade hier föllt uns auf, dass die Potenzen 11,0 10, ® 100 den
Lautwerthen I a, » t^ @ = III u entsprechen, und diess veranlasst uns anzu-
nehmen, dass wir hier denselben Entwicklungsprocess der Laute und Zeichen
aus der Zahl vor uns haben, den wir schon bei den nordischen Runen beob-
achteten. Mögen unsere Vermuthungen noch so vag, unsere Nachweisungen
noch so problematisch sein, bei dem gänzlichen Mangel aller historischen
Anhaltspunkte dürften sie doch berechtigt sein, da besser Unterrichtete viel«
leicht daran Anlass nehmen könnten, die Spuren weiter zu verfolgen.
Schon die Zahlwörter fuhren uns einen Schritt weiter, die Zahl 1 heisst
uö und wird erklärt durch den Pfeil, die Zwei heisst sni (hebiiusch »JW Sne}
und wird erklärt durch die Pflanze I , die Drei heisst /mt, dessen Erklärungs-
zeichen der Phallus zu sein scheint, und merkwürdigerweise bedeutet derselbe
die Zahl 10; demnach lehnen sich siiXa, ^ i, 111 ii die Consonanten w, s, jr
an, und wenn a = tt d. i. 1=3 ist, so haben wir hier dieselbe uralte Idee
der Dreieinigkeit, wie die Rune Y/e ursprünglich I is war.
Entstehung der Hieroglyphen. 241
Dem entspricht genau die Verwandlung des | a in 1 a^ hieratisch K
welche letztere Form mit der Einheit die Vielheit vereinigt und sich an das
hebräische 4^ anlehnt, wahrscheinlich sollte die Durchkreuzung «das Schnei-
dende* (das scharfe Schilf) andeuten; I ist das aus dem Wasser aufsteigende
Schilfblatt, dann überhaupt die Pflanze, dann vom Begriffe der Schärfe das
Messer, das Eisen, femer das Obere, Hochstrebende, in welcher Hinsicht es
mit Ik a (dem zum Himmel aufsteigenden Horus) identisch ist, der übrigens
in den gemalten Hieroglyphen auch als Taube und als Papagei vorkommt,
also ursprünglich nicht blos Adler, sondern überhaupt Vogel war; an das
hochstrebende Blatt lehnt sich der vorwärts ausgestreckte Arm -»—Ja an, hiera-
tisch ^-^und v^, also analog ); an den Arm schliesst sich die Welle ^•«^ an,
hieratische n, als Begriff des Niedrigen, der Ebene, des Gieichmässigen, und
in seiner Pluralität n-^, hieratisch 3,» ftls Wasser; mit dem Lautwerthe mu,
den übrigens auch <**'**^ hat, ist es analog | 1 mit dem Lautwerthe ua, da m nur
das lautverschobene u ist; der Lautwerth mu des Wassers lehnt sich an
OL m die Eule an, welche als Vogel mit dem Horus verwandt ist, und wir
haben somit
hierogiyphisch | = 1 s= .:^i-J =s ^L = ^»»m, = II
hieratisch | = |=.^-r = 2^= — =\
a a a a = n =:m
Die Eule als vJLlma, hieratisch^, genommen, entsprechen die Figuren
I2L ^ genau den demotischen Ziffern 1 1 . i— 2, i. 3, während die
hieratischen f 1 <l 2 ^ den Hieroglyphen \ a "^ i t"^ mu entsprechen. Den
Begriff des Wassers haben noch folgende Zeichen: 11 s als Wasserstrahl oder
Schwanz oder keimende Pflanze, aber auch als verdorrende; femer 8 h als
Schneeflocke und Weiberzopf, femer ^ nu, welches als j| j| j| Ocean bedeutet.
Diese Formen fQhren in ihren Varianten sowohl zur Zweiheit wie zur Dreiheil
und Vielzahl.
• t das Getheilte, Zweifache lehnt sich an -«^ s an, offenbar die weib-
hche Form von Mf 8 ^ aIs das Gewundene, hieratisch |, ist auch der Blitz,
dessen Symbol ^*^ i die Schlange ist, sanunt ihrer Nebenform «^«^^ /,
ursprünglich wahrscheinlich dio Schnecke, aber als nacktes Thier mit dem
begriffe der Schlange verwandt; die Schlange in der Form '^A^- hat den Laut-
werth von r, dieser führt wieder auf das Loch ^^ r, welches lautverwandt
mit 3(fi l, risij das wahrscheinlich ursprünglich nur das hebräische ys^ raha^
FaalmAiui, 0«t€luebt« d. Schrift. t (j
242 EiilsiehuDg der Hieroglyphen.
bedeutete, nämlich «das ausgestreckte Liegen vierfüssiger Thiere*, wodurch
sich der Hund des Anubis an die Sphinx, welche im Ägyptischen nb heisst,
anlehnt; die hieratische Form des Lgwen / ist ähnlich der hieratischen
Form des Adlers cL, an welche sich die Vögel '^^j hieratisch ^ 6, ^^,
hieratisch £^Pf ^C i hieratisch ^ i, endlich der Fuss J, hieratisch |^S> an-
lehnen. Andererseits ist das hieratische Zeichen des Loches oder Mundes ^
ähnlich der Hand "^^, hieratisch «air t, dem Zaun s=3, hieratisch 4d=; i und
dem Haufen «», hieratisch ^. Somit sind:
hieroglyphisch * = -«^ = Jk^-ss*^^ = ^^ = 3A=^ ^^1^ = J^ =
hieratisch «l = -*. = ,^ = p'=^ =2^ =^^^^
i 8 f d r rl h p -
S b t t t
Die dritte Potenz <3, hieratisch J, lehnt sich an die Schlange, femer in
der Variante m, hieratisch ^, an die Vögel an, wie w an 6 und/, der Wind
(?) ist aber auch |, hieratisch |, wie die Hieroglyphe des W^inters oo^
beweist, der Lautwerth h führt auf FD, welches nur eine viereckige Form von
(9 u zu sein scheint, hieran schliesst sich |, hieratisch JU p, femer 23 hiera-
tisch E^ k, titft hieratisch £|^ ^ (A hieratisch k scheint eine Singularform
dieser Pluralzeichen zu sein), endlich der Teich osa, hieratisch si ä, der
Neumond #, hieratische Z, ^b^, hieratisch ^^-^ k (der rauschende Kessel der
nordischen Sage), und der Eckstein J, hieratisch H ^*-
Wir denken uns daher die Entstehung der ägyptischen Lautzeichen in
der folgenden Weise:
\\i \a
- P 1 ! IM • In
t S 8 s S a S p h k
r t t f 8 a n u h k
r p b h S a m V z h
Entslehnng der Hieroglyphen. 243
hieratisch:
H
1
8
T
9
\ l
t S 8
a S p h k
r t t f 8 a n u h k
r p b h d a m u / k
Es ist das dieselbe Lautbiegung und Zeichen modification, welche wir
bei den Runen kennen gelernt haben, und welche in ihrer weitern Fort-
fübning noch andere Varietäten bildete, so führte der Arm -^^^-J a zu V^ a,
das gewundene <3 u zu ^ ti^ die Eule als Dunkelheit zur Höhle ^=: m, als
Glanz der Dunkelheit zur glänzenden Sichel «^^, der Zopf 8 zu T ^^ welches
sich auch an # / anlehnt u. s. w.
Eine andere Weiterbildung erzeugte die Verbindung dieser Zeichen
:snalo;: der Verbindung der Laute zu Wörtern, z. B. J-i ha X Ar 3|^ am
^»JLi ifM, welche aber weniger vorkommen, meist werden die Zeichen neben-
einantltr oder untereinander gesetzt, z. B. JJJ^ ^«, r^^ '^^ "• ^- ^'* ^^* ^^^
j:i o^sen Anzahl gleichlautender, aber sinnverschiedener Wörter, welche in der
Rede durch die Geste unterschieden wurden, mussten den Wörtern Erklärungs-
zeichen beigegeben werden, von denen in der Folge viele auch ohne Laut«
zeichen die Worte vertraten und dadurch zu Silben- oder Wortzeichen wurden;
so ist z. B. I J o^ als Erhebung des Fusscs erklärt durch ^ ab «Tanz*'
^fm ab «Durst* (hebräisch 3iM ob ,bei Nacht kommen, um Wasser zu
schöpfen*), «^0^06 «der Mond *(l Glanz der J Dunkelheit) und diese Silben-
zeirhen hätten die lautliche Schreibung ganz entbehrlich gemacht, wenn sie
nicht wiederum vieldeutig und dem entsprechend polyphon gewesen wären;
so ist ^^ als hr das Haar, als anem (das Bedeckende) Haut, Fell ; |f als w
.«die Messschnur*, als k8 (das Weisse) Alabaster; k8 ^ andererseits war
der Knochen und wurde durch den Mciscl d (hebräisch nn gaza «behauen*)
dargestellt, der als ab «Hom, Nagel, Elfenbein (etwas Hartes, Gespaltenes
oder Spaltendes, hebräisch *0P ophi «Zweig*), als bt «Griffel* (hebräisch Mia
hatia «bilden*), als kn «Zeit* (die Eintheilung) bedeutet. Je mehr neue Wörter
der Spra<:he zuwuchsen, desto unzuverlässiger wurden die Silbenzeichen,
16*
S44 Die hieratische Schrift.
desto mehr ging man zur Schreibwig der Lautzeichen zurück, wenn man
deshalb die Silbenzeichen auch nicht aufgab, und so ist die Bfischung von
Lautzeichen, Silbenzeichen und Determinativen zu erklären, welche den Reich-
thum der ägyptischen Hieroglyphen ausmacht. Neben dieser natürlichen
Entwicklung der ägyptischen Orthographie schuf in jüngeren Zeiten die
Schreibkünstelei ein mystisches System, welches durch Doppelsinn der
Zeichen zu imponiren suchte.
S. Die hieratische Schrift
Während die Hieroglyphen zur Beschreibung der Tempelwände und
Monumente dienten und ausserdem noch zu Stücken des Todtenbuches
verwendet wurden, welche man den Gestorbenen als Reisepass und als Vor-
schrift über ihr Benehmen in der Unterwelt mit in's Grab gab, bedienten sich
die Priester zu ihren profanen Aufzeichnungen der hieratischen Schrift, welche
wir als eine cursive Form der ältesten Schriftzeichen erklärt haben, denn
wir. können der landläufigen Anschauung, wonach die hieratische Schrift eine
Art ägyptischer Stenographie gewesen sei, nicht beistimmen, da die weitläufige
Lautbezeichnung der hieratischen Schrift jedem stenographischen Principe
widerspricht; jene Kürze des Ausdrucks, wie sie z. B. oben in der Neapler
Stele gezeigt wurde, fmdet man nie in der hieratischen Schrift, vielmehr tritt
hier die Lautbezeichnung in breiter Weise zu Tage, man könnte daher eher
annehmen, dass die hieratische Schrift, wenigstens in alter Zeit, eine Geheim-
schrift der Priester gewesen sei, wogegen die Hieroglyphen öffentlich dem
Volke erklärt wurden, und gerade der letztere Umstand dürfte dazu beigetragen
haben, die Bildförmigkeit der Hieroglyphen zu befördern. Die hieratische
Schrift verhält sich zu den Hieroglyphen wie eine flüchtige Handschrift zu
unserer Druckschrift, und so wenig Jemand, der nur die Druckschrift lesen
kann, eine flüchtige Schreibschrift zu entziffern vermöchte, so wenig konnte
ein Ägypter, der nur die Hieroglyphen kannte, die hieratische Schrift lesen.
Wir geben zur Veranschaulichung dessen als Probe einen der ältesten
hieratischen Texte mit der Umschrift in Hieroglyphen und Erklärung von
Brugsch. ®'
Die ersten nur in Umrissen gezeichneten Figuren sind im Texte roth,
denn es ist eine uralte Sitte, Anfange von Büchern oder Urkunden hervor-
zuheben:
Hieratische Schriftprobe. 245
Die Übersetzung* lautet:
^1^ '^ ^ ^"^ 5 *^® * iK*^ tK*
/ejferu su un an ta en kern na aat-ti
Es ereignete sich war dass das Land von Ägypten gehörend den Aufruhrern
au neu un neb aujf u^a sneb steten heru /ejttru
und nicht war Herr mit Leben Heil und Kraft König der Tag des Ereignisses
aatu er em ar suien Raskenen an/ nria sneb su
siehe es war dass im sein ' König Raskenen mit Leben Heil und Kraft dieser
Ik© f AI» - S iv WT-T
em hek an/ uSa sneb en nen res aatu
als Fürst mit Leben Heil und Kraft des Landes südlich die Aufständischen
I fj «1 ik i. < viiOHflD *
na ie/a m em au aau apepi an/
waren in der Burg der Sonne während war der grosse ' Apepi mit Leben
uSa sneb em ha-wxr au Z^'^ ^^ P '^
Heil und Kraft in Ha-uar und es zeigte sich ihm das Land
* Die hieratische Schrift läuft von rechts nach links, die vorstehenden Hiero-
^yphen analog unserer Schrill von links nach rechts.
246 Übersetzung der hieratischen Schriftprobe.
ier-er'f yjr hfk^u sen meha em/a/a /ar j^er
ganze haltend Dienste | ihre vollen in gleicher Weise bietend Erzeugnisse
n^ nefer-'U na Uhtneri'/eb un an suten apepi anjf
alle guten von Unterägypten. Es war dass König Apepi mit Leber»
uSa stieb her Sei naf sttie/ em tteb (auf fem hek
Heil und Kraft ' im Er\vählen sich Sute;^ als Herrn er war nicht Diener
en neter nd> enti ein p ta er-ter^f kot ha em
Gottes jedes welcher in dem Lande ganz | bauend den Tempel von
heku nefer heh-ru
Werk schönem langdauemdem.
Diese Erzählung bezieht sich auf den Einfall des Hyksos. .Es geschah,
dass das Land Ägypten in die Hände der Aufständischen fiel und Niemand
war König («mit Leben Heil und Kraft* war der königliche Titel) zur Zeit,
als sich diess ereignete. Und siehe, es war der König Raskenen nur Regen!
von Oberägypten. Die Aufständischen waren in Heliopolis und ihr Anführer
war Apepi in der Stadt Ha-uar (Beinstadt). Das ganze Land erschien vor Qun
spendend, indem es volle Dienste leistete und ihm alle guten Erzeugnisse
Unterägyptens lieferte. Und der König Apepi erwählte sich den Gott Sute;^
(den heiligen Esel der Perser, den Typhon der Ägypter) zum Herrn und er
diente keinem andern Gotte, welcher in Ägypten war. *
3. Die demotische Schrift.
Aus der hieratischen Schrift entwickelte sich allmählich die demotische
(Volksschrifl) oder epistolographische (Briefschrifl), welche zuerst im 8. Jahr-
hundert vor Christo als eigener Ductus auftrat, hi dieser Schrift tritt der
Lautcharakter noch mehr in den Vordergrund, nur wenige Silben- und Wort
zeichen erhielten sich, mehr der Gewohnheit als des Bedürfnisses halber, doch
Entwicklung der ägyptischen Schnftieichen.
147
wurden die Erkläningszeichen oft angewendet Wir geben auf der folgt'nde»
Tabelle eine Zusammenstellung der Hieroglyphen und derihnen entsprechenden
hieratischen imd demotischen Schriftzeichen und bemerken nur noch, dass
die ägyptischen jQnglinge nach Erlernung der demotischen Schrift auch die
hieratische und die Hieroglyphen lernen mussten, da der Gebrauch der ein-
xelnen Lautzeichen (5 a, ii, ^ t, l k u. s. w.) von dem Gebrauch in der
alten Schrift abhing.
Entwicklung der ägyptischen Schriftzeichen.
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EntwicUung der ägyptischen Schriftzeichen.
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250
Entwicklung der ägyptischen Schriflzeichen.
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Bedeutung
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Schliesslich lassen wir noch die zwei ersten Zeilen des Textes der
demotischen Inschrift von Rosette, von welchem der Anfang auf unserem
Titel steht, in einem ziemlich getreuen Facsimile, welches trotz der Grösse
der Zeichen die Schwierigkeit der Entzifl'erung verstehen lässt, folgen.^
Der Text, welcher wie in der hieratischen Schrift von rechts nach links
geschrieben wird, lautet:
Dcmoüsche S<:hrl::i.r.b<L 251
yj oijip xi/ojOim:HLY^}f^J\[*l} t'^'^i^ <^3]i
U^fift*l/tiifi|'b^-iu/>»i/>^(l)C?[uii|DD||Xzuir^
Transscription und Cb^fr^etzun-^.
LZ«il«. frenpi 9 h Iwinkitm nt im// k^rni itu^r hu 4
,Ioi Jahre 9 im Xsaiik/Jis im Monat 4/yptli^:h Melir, am Tage 4
sutfn p mr ati .nt,a pie fuit aut 9*iw: ne ari
der König, das Kind, welcb<^sKöL:<; anstatt seines Vaters der H^rr derDiademe
aweftä at atnant k'i»ft€ a re nattr v
der Ruhmreiche, welcher be^Tür.«iet Äg}pU:D, w:\t.LeT gethan Gute« ihm,
an iaU her at ft^^r pt ent her pat S*Si
welcher fromm war gegen die GOtter, w*-,/h<rr ^ry^mv jud^-n hat i»*:.ne FVinde,
at er noctr pe n»*/ m r^m^u pe niue neenr^npiniftncn
welcher gah das gute (da») Let^n d«rn M^r.ä^heri der Herr der Jahre^feste.
^^ Z* y^^ suten emt j(i pe ra
gleich dem Ptah, der Köi.ig gleich d^m Ra.
t. Z«iU. [lauten fit teiu ertt pnj ne f^ht ent yri pe n
Der König der Rej;ion oberen und d*-r Hei^ion unteren d^r Na^ii komme
ne fUtUr ht mer ant-H rn niip pOih nt (a nur p^ tr. p^
der GOtter vaterliebenden we,- hen erior'-n Ptah, we.'.hem ^^'^*-\i*:ii f'a iWw
252 Koptisch.
ira p€ tutu an/ amon pe ii pe re pfütemaiis an/
Sieg das Bild lebende des Amon der Sohn der Sonne Ptolemaios der lebende
Seta ptah mer pe neter her en atan tev dimnu
ewige von Ptah geliebte^ der Gott der sich offenbart hat durch Aiisgiessung
pttäemaiis au arsinoe at neter ne meri aut-u
seiner Wohlthaten Ptolemaios und Arsinoe welche der Götter der vaterliebenden
sa au alehsandras au neter ne ma/er au ne neter ne sont au
Tochter und Aleksandros und der Götter Retter und der Götter Bruder und
ne neter ne täte u ne neter ne mer aut-u au sufpn
der Götter Wohlthäter und der Göttin der vaterlicbenden und der König:
ptulemaiis her en atan tev Simnu,
Ptolemaios der sich offenbart hat durch seine Wohlthaten.
4. Die koptische Schrift.
Nachdem schon unter Psammetich (oder Psamtik) im 7. Jahrhundert
vor unserer Zeitrechnung Ägypten dem fremden Handel, namentlich mit
Griechenland, eröffnet war, und griechische Sitte und Sprache in Ägypten
Eingang gefunden hatten, wurde unter den Ptolemäem, welche in den letzten
drei Jahrhunderten vor Christo in Ägypten regierten, trotz aller Schonung
der altagyptischen Religion die griechische Sprache Hofsprache und Alexan-
drien ein Hauptsitz griechischer Wissenschaft. Aus dieser Zeit sind uns
Schriftstücke erhalten, welche doppelsprachig griechische Schrift neben
demotischer enthalten. Auch die ersten römischen hnperatoren schützten
die ägyptische Religion, und ihre Namen findet man in hieroglyphischen
Weihinschriflen. Nachdem jedoch Gonstantin die christliche Religion zur
herrschenden erhoben hatte und die oströmischen Kaiser Ägypten beherrsch-
ten, vernichtete diese Religion ihre Vorgängerin und griechische Schrift und
Sprache herrschten ausschliessend in Ägypten. Im 3. Jahrhundert wurden
Bibelübersetzungen in ägyptischer Sprache, die nun die koptische hiess, ange-
fertigt, wobei man das griechische Alphabet um sechs Lautzeichen, welche
aus der ägyptischen Schrift genommen wurden, vermehrte. Es sind diess
^ä (demotisch ^, hieroglyphisch tftrt)f ^/(entsprechend dem demotischen
/, hieroglypbischen ^f^^^), 9.Ä (entsprechend dem demotischen o., hiero-
glyphischen ^gy^ Haar oder 9 Zopf), ä / (entsprechend dem demotischen -b,
hieroglyphischen f /, welches als Zeichen für 1000 sich im griechischen
Koiitiflch. 2o3
yuux 1000 erhalten ha!), ac di (wahrsnheinhch rom demotischen ^^ hiero-
glyphisch ^ oder £=]{ der Knoten), «- tf (entsprechend dem demotischen
&, hieroglyphiächen # jr, oder ^-*, hierogljphisch '^^^X und ^ A*, welches
wohl den Laut des lateinischen ti z. B. in mUio hat (entsprechend dem demo-
tischen -^, hieroglyphischen ^^2*)* ^i^^u lassen sich die Urtypen nicht
feststellen, da die ägyptische Aussprache sich wesentlich geändert hatte, so
entspricht das Hieroglyphenbild T m* mit dem alten Lautwerthe /m dem
koptischen qinoti Seui (Altar), jl hak dem koptischen ftnae. bedi (Sperber),
^1 |m oder ^^| krh dem koptischen ^tv^ Uorh (Nacht), |^ kk dem
koptischen ^ir (Liqueur als Heilmittel), 1 ^A^jT stm t hip, dem koptischer.
ncoTTn^okTcl» p-M/ti ti atph (königliches Opfer oder Huldigung), ^^ sju
dem koptischen cnoTor spotu (Lippen), "^ $i dem koptischen ^\ odei
c««i sti oder stoi (Geruch), y'^T o'i/^ demotisch &1, koptisch cT6>ne n<oit^
(leben); so viel ist klar, dass manche <:-Laute in d£ und ti erweicht wurden,
während andere den A*-Laut beibehielten, ebenso dass / theHs / blieb, theils
in i und d£ überging. Die griechische Schrift, welche der koptischen Sprache
angepasst wurde, ist eine Uncialform. Die Trennung der koptischen Christen
Ton der griechischen Kirche, welche im 6. Jahrhundert erfolgte, erhielt den
eigenartigen Charakter dieser Schrift bis auf die jetzige Zeit, kurz nach der
Trennung, im 7. Jahrhundert, wurde Ägypten Ton den Arabern erobert,
deren Sprache und Schrift fortan in Ägypten herrschte, während die koptische
Sprache und Schrift sich in den ReligionsbQchem der christlich gebliebenen
Kopten forterbte.
Wir geben hier als Probe die koptische Version des Vaterunser:
flcniioT CTjScn iii')»KOTi. üt^pcqTOTfto iiatc ncnp^^n. Il«^pcci fiacc tcrm^-
peniot et/en nipheui. Mareftubo endie pekran. Maresi endie iekme^
TOTpo. ÜCTt^na^a ««^ftq^iiani A^l»pH^ iftcn r^^ hcm ^latcn nina^oi. Ilcncttiii
iuro, Peithnak marefSopi emphreti /m tphe fiem lidzen pikahi. Penoik
liTtpAC^ MHir^ ii«at Ar!|>ooT. Oto^^^ ncTtpon n%,n cBoX A't>pH^ ^«n HTcn^««»
€9Utra8ti meif tum emphau. Uoh /a neieron mn ebol emphreti hon etiten/o
cAoA intHCTtOTOn iiT«^it cpcoov^. Oto^ AncptitTcn ciftOTi cnip^^CMOc ^lAA«^
ebol emieteuon entan erou. Uoh emperenten ey(un epiraüinoa, AUa
»ik^Mcn t6oX^«^ nincTcpcoOT. ^lmhii.
armeti ebolha pipeUrou. Aimn.
254
n. DIE SCHRIFTEN DER BERBER.
1. Die numidische Schrift.
Den Norden Afrikas bewohnt seit undenklichen Zeiten ein Nomadenvolk,
welches die Berber oder Tuaregs genannt wird, das sich selbst aber Amazi7
oder Imuha7,Imu§a7,bBa2e7en, Imazi7en nennt, und dessen Stämme schon in
den ägyptischen Inschriften aufgeführt werden. Ein arabischer Schriftsteller
des 15. Jahrhunderts, der von Abkunft selbst ein Berber war und mit grossem
Fleissealle mündlichen und schriftlichen Genealogien* dieses Volkes zusammen-
gestellt hat, berichtet, dass alle Berberstämme in zwei Gruppen zerfallen, in
die Beräni's und Al-Butar, deren gemeinschaftlicher Stammvater Ber war. ^
(Dieser Ber spielt auch in der nordeuropäischen Mythe als Stammvater der
Gölter und Menschen eine Rolle, bei den Ägyptern war ^J br der Typihon
und Gott der HykSos, als heiliger Esel hat er sich bei den Persem selbst
in der Zoroaslrischen Lehre erhalten und mit Rücksicht auf den Lautwechsel
zwischen r und / dürfte er auch identisch mit dem Baal der Babylonier sein.)
Beide Völker unterscheiden sich wesentlich von einander: die Beräni^s sind
von weisser Hautfarbe, mittlerer Grösse und athletischen Formen, rüstig und
kräftig, voll Leben und gewöhnlich schlank; dagegen sind die Al-Butar,
welche auch Schelluchen genannt werden, von weniger kräftigem Körperbau,
dunkler Hautfarbe und einer gewissen natürlichen Neigung zur Übung von
Künsten und Handwerken. Diese Verschiedenheit der nahe bei einander und
selbst zwischen einander wohnenden Völker war schon im Alterlhum bekannt,
denn die Alten berichten von den dunkelfarbigen Mauren, Garamanten und
Älhiopen Nordafrikas und von den am Tritonsee wohnenden blondliaarigen
Libyern, Getulem oder Maziken; wenn nun von , schwarzen Getulern* und
, weissen Äthiopen * gesprochen wird, so deutet diess darauf hin, dass eine
strenge geographische Grenze zwischen den Wohnorten der weissen und der
dunkelfarbigen Stämme nicht bestand; doch lässt die Erhaltung dieser
Stammeseigenthümlichkeiten vermuthen, dass, sowie noch jetzt die Al-Butar
sich mit den Beräni's nicht verehelichen, diess auch seit Jahrtausenden nicht
geschah; denn dieselben nordeuropäischen Typen, welche Afrika-Reisende zu
ihrer Verwunderung im Ma7reb antrafen, sehen wir auf den ägyptischen Tempel-
wänden abgebildet, während die Schelluchen wohl von demselben Volks-
stamme wie die dunkelfarbigen Ägypter waren. Auch der Islam vermochte
laschrifl von Tugga.
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250 Nuinidisch.
die Berber nur äusserlich zu bekehi*en, auch ihm gegenüber bewahrten sie
eine gewisse geistige Unabhängigkeit, z. B. in Bezug auf die freiere Stellung
der Frauen, wie insbesondere durch Erhaltung ihrer nationalen Schrift,
welche zur Aufzeichnung von Gesängen, zu hischriften auf Felsen oder in
Höhlen, zu Devisen auf Schilden, Waffen und Kleidern verwendet wird,
wenn sie auch keine Literatur und keine Bücher bewahrt haben. Wie bei den
alten Europäern wird die Schrift der Berber besonders von den Frauen
gepflegt, w^elche sich sogar durch willkürliche Versetzung der Buchstaben
eine Geheimschrift zu schaffen verstehen.
Das älteste Denkmal dieser Schrift ist die doppelsprachige Inschrift,
welche zu Tugga im ehemaligen Numidien gefunden wurde, sie ist sowohl in
numidischen, wie in phönikischen Charakteren gegraben, und wir geben die-
selbe S. 255 mit Hal^vy's Übersetzung.^ In dieser Inschrift laufen die numi>
dischen Zeilen von rechts nach hnks, wie auch jetzt noch von den Berbern
geschrieben wird, meist sind jedoch die Inschriften (durchwegs Grabschriften)
von unten nach aufwärts geschrieben und die Zeichen fangen bald rechts,
bald links an, z. B.
U
X
^ LU ^ 1, .|. ir U S ^ Sohn des Ainvitam.
i^S» — rO^Sß Sohn des Iguka-
^ ^ ^ rum.
Beachtenswerth ist in der Tugga-Inschrift die Schrägstellung der geraden
Striche || / 1 t?, wenn mehrere gerade Striche aufeinanderfolgen, weil dieser
Gebrauch noch gegenwärtig bei den Berbern herrscht und beweist, dass die
Schrift-Tradition treu bewahrt wurde. Umsomehr muss es auffallen, dass die
jetzige Schrift in mehreren Zeichen von der alten abweicht, wie wir in dem
folgenden Abschnitt nachweisen werden.
2. Die Tamaseq-Schrift.
TamaSeq heisst die Sprache der ImuSar, ihre Zeichenordnong Taßnay
und die Schriftzeichen Asekkil, isekkilen bedeutet , Schrift* ; das letzte Wort
erinnert an das hebräische vpv Beqel «Gewicht", was auf den Gebrauch von
Zahlzeichen oder Gewichtszeichen (wie die Chinesen ihre Zahlzeichen nennen)
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Sohn des Sil.)
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TaitiaitK].
S57
hiDzuweis«B scheint. Die Zahl der Zeichen und der Laute ist wie in der alten
Sciinft 2i, also den 24 Tagesstunden entsprechend. Naclidem gegenüber der
treuen Bewahrung alter Schriflgebiiluche (wie die Schräglegung gerader
Zeichen) an eine Gomimpinmg der Schrift nicht zu denken ist und dieser auch
die genaue OberetnstimmuDg einiger Zeichen in der alten und neuen Schrift
gogenQbersteht, wie || I 3 "* | " '"•'*' O O "o ist nur anzunehmen, dass
bei ferschiedenen StAmmen Terschiedene Zeichenformen gebraucht wurden.
«He denn auch die bisher TerÖfTentUchten Alphabete von Hanoteau" und dem
Englinder Richardson*' manche Diflerenzen zeigen. Zeichennamen, ihnlich
den hebrüschen oder runischen, besitzen die Berber uicht, sie sprechen die
Laute mit vorgeschlagenem j/e (das deutsche je) aus, nur . hat den Namen
Ta7erit, was offenbar a * i bedeutet, wie denn der Punkt für aUe Vokale
■leben kann, obwohl dieselben gewöhnlich nicht geschrieben werden.
In der folgenden (Segen Obers tellung folgen wir Hanoteau's Reihenfolge
und bemerken, dass bei den numidischen Zeichen der Ausdruck liegend sich
auf die von rechts nach links geschriebenen Zeilen bezieht, während steheud
die Zeichen sind, wenn sie von unten nach aufwärts geschrieben werden.
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Numidiscb nach Halevy
Tamaäeq 1
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nach Hanoteau
nach Richardson
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FulmuB. ««»chicbU d. SchriA.
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258
Vergleichang der Zeichen.
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Numidisch nach Halevy
TaniaSeq
hegend stehend
nach Hanoteau
nach Ricfaardson
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Vollständig übereinstimmen .a-|-/i — i «^O*"!!']] ^ l"? weoD
0 ^ zu ^ wurde, so erinnert diess an die Verwandtschaft von ^ beth und
iamaim (Himmel), welche wir im hebräischen Alphabet kennen gelernt haben;
0 als Sonne entspricht dem s auch im hebräischen vav kmes , Sonne*; die
Ver\Mindtschafl zwischen^ § und ^ i ist auch im Griechischen zu beobachten;
es geht hieraus also klar hervor, dass der Zeichenwechsel, sofern er sich auf
das phönikische Alpliabet oder auf die vorstehenden TafinaY's bezieht, nicht
der Corruption der Schriflzeichen zuzuschreiben ist^ sondern dass hier eine
ebensolche Polyphonie der Zeichen vorliegt wie in den altgriechischen
Alphabeten. Beachtenswerth ist auch, dass Richardson's Tafinay, welches
ausser dem angeführten Zeichen noch die Verdopplungen |. yonyon (nn) und
• ;•• yokyok (kk) enthält, 28 Zeichen (die Zahl der Mondstationen) enthält
im Gegensatz zu den 24 Zeichen (der Sonnenstunden) des Hanoteau.
Gehen wir auf die Einzelheiten ein, so bieten | und . als a den Begriff
der Einheit; 0 als h und s ist die Sonne, die neuere Form 0 scheint der
Mond zu sein, doch weisen Ql ägyptisch ■ p und 3 ägyptisch ^ auf den
„Stein* hin (hebräisch p« eben)\ -j- und X sind das hebräische Thau^
ägyptisch X , Wohnort*; n c/ [^ s ^ m scheinen alle drei die Hälfte zu
Vergleichung der Zeichen. 259
bedeuten : hebräisch ^"t dal dieThüre, dasTheilende, lateinisch 5em», griechisch
hntti ,halb*, meson ,die Mitte*); die z-Formen entsprechen einander: I äU-
Lcbiäisth I ^ö«*=Z» 4t^ entspricht der os-Rune +, ^ dem ägyptischen
-«- >*«« 8, alle ebenfalls mit dem Begriffe der Theilung; Q r ist das ägyp-
tische ^^ r das Loch; ^^ und stehend 1 ist das hebräische gitnel, seine
Nebenformen 1 r/\ entsprechen dem griechischen Chimma, sie haben den
Begriff des Winkels, desVereinigens, aber auch desTheilens, wie die nordische
Gen, welche nicht blos ein Speer, sondern auch ein Haken war, das ägyptische
f^^^ n ein Werkzeug zum Ritzen und Holzaushöhlen, hebräisch \n^ garzen,
mit versetzten Buchstaben onr^ gezarim bedeutet es . abgeschnittene Stücke,
Hälften*, was das Zeichen ^ erklären dürfte. ^ f dürfte das hebräische A^
pahg ^theilen*, nhüpaia .absondern" sein, womit [=j undH übereinstimmen.
XI scheint dann samaritanisch ^ phe ,Mund*, pVD paaaq , Auseinander-
sperren* (der Lippen) zu sein, womit X ^ als 2^^ gub , schneiden, spalten*
zusammenhängt; ^ gab ist der Rücken, ägyptisch V sa. || ist wie :=: : u das
Doppelte, ägyptisch «* i, hebräisch N^ lo , nicht* im Sinne von ägyptis(bh -"^^^
gleich ÜZS nn;\ n ist die Einheit wie a, wie im Ägyptischen | a neben «— i a
unü 1"^, hieratisch ^—7 n vorkommt; ^ i scheint das ägyptische 2=3 t, der
Zaum, SU sein, womit übereinstimmt, dass die Form bei Richardson 3 dem
Zeichen ^ 4 ähnlich ist, ein Zaun scheint auch ^ ^ zu sein, dessen ent-
sprechendes numidisches Zeichen 5] hich an ^ im Sinne von Theilen anlehnt;
diese Theilung zeigt auch ^ oder VV ^^^ Scheide, das hebräische <§f>t, wie \H;
>- t scheint der Pfeil, nordisch f tyr und X. yr zu sein, der auch die Zunge
im Munde ist Bei den Kehllauten herrscht auffallend die Verdopplung des
Punktes oder Striches vor, und wir haben hier dieselbe Potenz von . a . . t, t4
... ir, welche wir schon als Grundlage der ägyptischen Zeichen kennen gelernt
haben. Wir haben also hier eines jener Uralphabete vor uns, welche sich
ähnlich den Runenzeichen entwickelt haben; auch zeigt die Vergleichung der
Tafina7'8 von Hanoteau oder Richardson, dass auf die Biegung der Laute
die Vokale einwirkten, denn wenn Richardson O und Q, welche bei Hano-
teau r sind, in er und ir unterscheidet, so hat auch Hanoteau ••• yaq neben
ytK»
>Vir geben schliesslich als Gegenstück zur numidischen Inschrift eine
Probe der jetzigen Sprache und haben dabei eines jener kleinen Lieder vor-
gezogen, welche die ureigenste Poesie des Volkes sind.
160 Tama§eq.
fifOTf:/\:\
t-nO: : mOHfOrn-:
t':nCD©ti: ; I j.
t ni:;n^OD|m©
a hauen ennef tefirt iyet
euch will ich sagen Wort ein
ku d ur temus bahu urdiq ei
wenn es nicht ist Luge ich verantworte es.
ugehe^f auen t as aba eddulet
ich bestätige euch (es), dass nicht mehr ist die Obrigkeit
08 aba aneipiri * depU eddunet
dass nicht mehr ist Freundschaft des Herzens auf der Welt.
Die Nichtbezeichnung der Vokale, die Nichttrennung der Wörter, wie
wir sie auf den alten Inschriften finden, machen das Lesen dieser Schrift
sehr schwer, nur eine genaue Kenntniss der Sprache findet beim Überblick
der Zeile die Trennung der Wörter. Der Umstand, dass der Punkt, der später
die Trennung der Wörter bezeichnete, in alter Zeit ein Vokal war, erinnert
an das slavische Jer, das in altslavischen Schriften nach einem Consonanten
nur das Ende eines Wortes anzeigen sollte.*^
m. DIE SCHRIFTEN DER ÄTfflOPEN.
Unter dem Namen Äthiopier verstand man im Alterthume nicht nur
das Volk Abessiniens, sondern alle dunkelfarbigen Völker im Süden Ägyptens,
Arabiens und Babylons, und auch wir haben mit der obigen Überschrift diese
weitere Ausdehnung im Auge, denn die Schrift der südarabischen Völker, der
Himyaren, ist innig verwandt mit der Schrift der Abessinier, welche sich
andererseits nicht durch die Zeichen, wohl aber durch die Buchstabennamen
an die phönikischhebräische Schrift anlehnt. Die Kingebonien Abessiniens
leiten ihre Königsgeschlechter von dem Lande Himyar ab, indem ihr erster
König Menilehek ein Sohn der Königin von Saba und Salomos gewesen sein
soll, ebenso soll Himyar ein Sohn Sabas gewesen sein. Das Wort Himyar
bedeutet ebenso wie Phönikien «die rothe Farbe*, eigentlich «sonneo-
verbrannt*, dasselbe wie Kham, der Stammvater der ackerbautreibenden
Die Schrift der Äthiopen. 261
Völker, dessen Nachkommen nach der Stammtafel der Genesis Äthiopien
<Abes8inien), Ägypten, Arabien und Kanaan bevölkerten und auch nach
Babylonien übersiedelten. Diese Tradition der Genesis setzt demnach das
Alter dieser Völker viel höher hinauf als die localen auf Salomo bezüglichen
Sagen, wobei überdiess, wie bei David, Zweifel entstehen, ob die Verbmdung
der Königin von Saba mit Salomo sich auf eine jüngere geschichtliche Zeit
bcziehL In der That sehen wir auch schon im höchsten Alterthume die
Ägypter im Kriege sowohl mit den Kuschiten (Abessiniern) wie mit den
Arabern, und die Folge wird lehren, dass die äthiopischen Schriften keines-
wegs von der phönikischen Schrift abstammen, sondern viel älter, daher nicht
Töchterformen, sondern Schwesterformen der phönikischen Schrift sind.
1. Abessinisch.
Das abessinische Alphabet hat zwar, wie oben erwähnt, eine zum Theil
völlige Übereinstimmung der Zeichennamen mit dem Hebräischen, z. B. Älef,
Bei, Gamet, Hoi, Wau, Haut, Kaph, Koph, 'Äin, Tsadai, Res, aber auch
einige Abweichungen wie Mai, Nayas, Dent u. s. w. ; was dasselbe jedoch
von dem Hebräischen gewallig trennt, ist die Reihenfolge hlh'mirBqb
tynakwdzydgtptsdz zusammen 24 Zeichen (gegenüber den hebräi-
schen ü), woran sich noch zwei Zeichen schliessen, welche keinen consonan-
tischen, sondern vokalischen Anlaut haben: ef, eps,
Stellen wir diese Zeichen nach der 24-theiligen Sonnenuhr zusammen:
lo ergiebi sieb die Eigenthümlichkeit, dass A alef die Mittagszeit« h sat aber,
welches «Stunde, Zeittfaeil* und im Arabischen ^J^sawi «das Gleichgewicht
swiscben zwei Sachen herstellen*, J^ Sud «Aufgang der Sonne* bedeutet,
das Zeichen des Ostens ist, welchem unmittelbar i res (raas Haupt) voran-
geht, während Ul iatit die vierte Morgenstunde, ebenfalls als Sonnenaufgang
262 Ursprang und Bedeutung;
gedacht werden kann, da es als W dem srabisclien ^ entspricht, w&hread
das amharische fi ä sich aus A e in derselben Weise bildet, wie ^ I sich aus
1^ s im Arabischen gebildet hat. Das sind doch wiederum Beweise, dass die
Zeichen zunBcbal Zahl- und Zeitzeichen waren wie die nordischen Runen,
und dass hier nicht von einer gedankenlosen Entlehnung, sondern nur von
einer geistig selbständigen Ausbildung des Zeitmasses die Rede sein kann.
Wenn wir nun darangehen, die Zeichen zu deuten, so dürfte es gerecht-
fertigt sein, sowohl die himyarischen Zeichen wie die arabische Sprache
heranzuziehen, denn Zeichen und Sprache beider Vfilker sind innig vei-wandt,
und die äthiopische Sprache liefert so wenig wie die flbrigen Sprachen eine
klare Erklärung der Zeichen namen.
• Abcssinisch U hoi himyarisch V f^
Abessinisch in hcha bedeutet .Laut, alphabetisches Zeichen, Element,
Anfang', arabisch y> hawi .liebend, lüstern* (die ausgebreiteten Arme),
ägyptisch y Am, TT haa, ka .gross, viel*, wie hebräisch it» rf^ .tausend*;
arabisch r\^ haica .Lull, Raum zwischen Himmel und Erde* erinnert an die
Rune f fe. km bezeichnendsten sind ägyptisch "S^ ap .Anfang, Haupt*,
y aa» .Stand, Würde, Ansehen, Vater*, hebräisch a« ab .Vater', welche
genau den beiden obigen Zeichen entsprechen.
Abessinisch A ioud oder lern himyarisch 1 L
Abessinisch AUMDIatmifabedeutet. verdreht, verwachsen', AW lawQva
,b9sen Herzens, grausam', A.T^/i«mw .Leviten*, arabisch Ji^ latoai .ver-
dreht, verwachsen', »y Uwa .Biegung, Schlangenwindung * ; damit stimmt
übe rein hebräisch n^^uz .biegen, beugen*, [nn^ liwi/alhan, die Wasserschlange
nih Uwya .Kranz* (das Gewundene); hieraus erklärt sich '\ umsomehr, als
es dem hebräischen ^ girnd entspricht, welches wie wir oben (Seite 163)
gesehen haben, das Zeichen der Leviten war (auch in griechischen Alphabeten
ist A theils g, theils t); ägyptisch M anbeten, TR A .rufen, nennen* (ent-
sprechend ebenfalls der Rune f fe) und M ab .Priester', /^ r* (= kt)
niessen; diese Worte erklären das himyarische Zeichen, das abessinische
aber scheint die verkehrte Form von U h, und zwar die oberägyptiscbe
Krone M Af zu sein (man erinnere sich an den Knopf des Verdienstes bei
den Chinesen), das Zeichen des rex oder Königs, ägyptisch v '^ ^ 1 antat
(Sultan), denn ursprünglich war der König der oberste Priester, der von den
Göttern abstammt, daher abessinisch AT® iauütca ^ hebräisch 33^ Itbab
der ahessinischen und bimyarischen Schriftzeicheri. 26S
,Herz* (als Sitz der Liebe, der Traurigkeit, der Erbitterung), ägyptisch ♦ä^
«Herz* mit demselben Lautwerthe wie die Krone und sich an den ersten
Buchstaben hai anschliessend wie Leid an Freude, das Weib an den Mann.
Abessinisch ih Kaut, himyarisch ^ h\
Abessinisch bedeutet «KOK^ haut «verdreht, yerborgen* (dasselbe wie
das vorstehende A0<D lawawa), ATffbOK awShew « Gross vater, Grossmutter*
(dasselbe wie das bei hai erwähnte ägyptische aau) ; arabisch 21^ ^uwaat
ist der Name einer Pflanze mit weissen Blüthen, ägyptisch ^JVJ y^a (zugleich
Symbol des Nordens) und T x^f welches sich durch seine Bedeutung als
1000 an das bei hai erwähnte alef anlehnt; das himyarische ^ h* ist daher
soviel wie V h, wie in der nordischen Rune ► Tharr zu f Tyr wurde. Das
Vorbild des ahessinischen äi dürfte aber das ägyptische nS msn «bilden,
gebären, hervorbringen* gewesen sem, welches ursprünglich die Wurzel
war und wovon später '^ti^^X «gebären* gebildet wurde, dessen hieratische
Form ^K sich an die Blume T, hieratisch^ anlehnt. Diese weibliche Form
bietet das folgende Zeichen, übrigens haben die Ägypter auch die Hieroglyphe
JL. hieratisch ^. «sich auf den Kopf stellen*, und wir erinnern uns hierbei
an den Fasching m dem entsprechenden Monat Februar, der sich durch
«waschen, reinigen* an das vorige' 2au?i anlehnt.
Abessinisch a> mai himyarisch ]] ^ ifi*
Abessinisch ^K^ mai bedeutet wie das hebräische '9 ma «was, wie*,
hebräisch P mt auch «von, aus* (von [a mm), was auf dem Begriffe der
, Vergleichung, Gleichung* beruht ; arabisch ^k« mdi ist « Inneres, Eingeweide *
(^ mai «ausgebreitet, Zwietracht stiften*, und «hundert*, wie hebräisch
rwc mea, so dass hier »hundert* dem vorigen Zeichen für «tausend* gegen-
übersteht, wie der Mond der Sonne; von den ägyptischen Zeichen entsprechen
i^^ mn «Thal* und # hieratisch o Xf ^'^Icbes sich in O hieratisch G> ra
«Sonne* und O hieratisch o pau «Mond* theilte; war d\ als atoähew «Gross-
viter't *0 ist mai die Mutter, die Amme und C5 der Busen, ägyptisch
H^*^"^ menai «die Brust gebende, die Amme*, lautverwandt mit iHi^ men
«täglich* MMp— ^ men das (weite) Firmament.
Abessinisch W iaut himyarisch ^^ s.
Dieses Zeichen ist offenbar dasselbe wie das vorige, und dieselbe
Ähnlichkeit fmdet sich im Hebräischen bei dem Schluss-ifem d m und dem
iiamtx 0 'f wie im Ägyptischen bbs oder ■■■ h und isk m, beides Wasser-
8M Ursprung und Bedeutunif
becken. Wie cas S dasselbe Zeichen ist, wie |tT(| i» so lehnt sich an den
abessinisehen Zeichennamen ÜKD»^ saut, 10%^ sawü «die GetreideShre* an;
es ist der Monat März, der Monat der Aekerbestellung, Aeker bedeutet auch
im Deutschen ein wasserreiches Land, Koth, und hieran schliesst sich das
arabische J^l ist ^die IJinterbacken * an, von der Wurzel S^^sU «die Frau*,
welches Wort an unser säen, Saat erinnert, wie das Zeichen an die Acker-
furchen, in welche die Saat gelegt wird.
Abessinisch { res himyarisch > ^ ) r.
Hieran schliesst sich arabisch ^J^ rassa «gegrabene Grube, Todte
•
l)egraben, verbergen*, jj razz «den Schwanz in die Erde stecken, um Eier zu
legen* (von den Heuschrecken entnommen), wonach > soviel ist wie ^;
} wie das hebräische *i weisen jedoch auf vni rui «Mangel leiden*, v^. ri3
«Armuth* hin, dann wäre res das junge Reis, die keimende Pflanze, und wie
diess in Folge eines eigenthümlichen Ideenganges zu VNn roS «Haupt*
(eigentlich der Anfang) wurde, so finden wir auch im Abessinisehen IM r'tts
,. Haupt* von £^ res, welches nur mehr als Buchstabennamen vorkommt,
abgeleitet; IKfi raus «Fürst* erinnert an das umgekehrte ägyptische V^ sr,
hieratisch ^y-f, welches als \^, hieratisch L^ tor «die Ruhe des Grabes*
ist, man erinnere sich sm^^^rassa, «Todte begraben* ; das letztere scheint die
active Form von «niedrig* zu sein, nämlich «erniedrigen, klein machen, zu
Boden schlagen (die Feinde)* wie noch jetzt die Fürsten den Titel «alle Zeit
Mehrer des Reiches* oder «Pater patriae* führen, genau entsprechend dem
ägyptischen V-' sr. Astronomisch kann es auch die mächtiger werdende
Sonne bedeuten.
Hieran schliesst sich das im Abessinisehen nicht vorkommend'
himyarische J[ z
erklärt durch das arabische jj zazzaj,m\\. der Hand etwas leicht durchstossen*.
Abessinisch A sdi himyarisch H s.
Wie bereits oben erwähnt, weist das Wort hO^ sdt « Stunde, Zeittheil '
auf die Theilung im Osten hin; im Ägyptischen kommt dieses Zeichen als ^
oder ^ oder P^ mit dem Lautwerthe s und in der Bedeutung von «Schutz,
Rücken, Rückhalt, Talisman, Schutzgeist* vor und wechselt in einer Weise,
welche nur durch die Zeitbedeutung erklärt »werden kann, mit «HH* s dem
«Kraute*, denn als äthiopisches Zeitzeichen ist es die Zeit der keimenden
Saat; seine Ähnlichkeit mit Inwi ist ganz analog der Ähnlichkeit zwischen
der abessinischen und himyarischen Schriftzeichen. 265
«See* und «Lauge* im Deutfchen in Bezug auf Meerwasscr, und wenn h
einerseits der aus der Erde dringende Keim ist, so ist es andererseits die aus
dem Meere aufsteigende Sonne, welche ihre blitzenden Strahlen aussendet,
zugleich die untergehende Sonne, und wenn wir das nordische Ostzeichen
d hier als Zeichen des Westens finden, so könnte die Vermuthung entstehen,
die Abessinier hätten wie die Chinesen links um gezählt, wenn nicht das
arabische ^yH» iawada «Ort wo die Sonne aufgeht* jeden Zweifel ausschlösse,
dass h wirklich das Zeichen des Ostens ist.
' Abessinisch 4» (Inschrift ^) qof himyarisch } q.
Abessinisch jl*4. A:a/' bedeutet ein «Ziel, nach welchem zu werfen ist*,
die Bedeutung von ^4. ist unbekannt; im Hebräischen ist Kop ka^ha «sich
zusammenziehen, gerinnen*, fflp köpf ,der Affe*, dessen Hintertheil mit dem
Schwänze 4» darstellt, wie ägyptisch f/a «Leib, Bauch*, nordisch t hagl.
Dem himyarischen \ scheint der Sinn «lechzen* zu Grunde zu liegen, ^ß kauf
oder wiU kaf «Spuren verfolgen, Milch aus dem Euter trinken*, möglicher-
weise ist es auch die Knospe, ägyptisch J /sf Lotoknospe.
Abessinisch n beih himyarisch R M 6.
Diese Zeichen entsprechen dem ägyptischen p>— ^|i< «Hinunel*, daher
abessinisch (i^ bei, ein FlQssigkeitsmass, wie das hebräische xu hath, ägyp-
tisch ^, welches als m die Schläuche des Himmels und dem entsprechend
Ocean bedeutet, während es zugleich den Doppelsinn der Knospe hat. Arabisch
Ja» bait bedeutet «Haus, Burg, Pfalz, Grab*, daher oU bata «Nacht werden,
Untergang, Ruhe*. Als solches ist es der heitere klare Himmel und soll waiir-
scheinlich hier die schöne Jahreszeit bedeuten.
Abessinisch i* tau himyarisch X ^•
Die Bedeutung des abessinischen ^Hir tau ist nicht bekannt; arabisch
J^ tiici heisst (wie wl> bai) «untergehen, abwesend sein* ; der Grundbegriff
ist aber «eingehen*, ägyptisch 4- m «in*, X u« «kreuzen, mischen, sich
Termehrcn*. Es ist die Zeit der Liebe, welche dieses Zeichen vertritt.
Hieran schliesst sich das im Abessinischen nicht vorkommende
himyarische X I '^
arabisch J^ fHteat «Jemanden in die Herberge aufnehmen*, entsprechend
derRune'f (J9 , Einkehr*, ägyptisch »-i—tÄ, hebräisch rrrur/eÄira« Geschenk*,
griechisch ri^fsa^^iq, lateinisch testtera, die gebrochene Scherbe, welche man
dem Gastfreunde zum Andenken mitgab, wobei, wie es scheint, die Gast-
266 Ursprung und Bedeutunj^
fireundschaft in jenem weitesten Sinne gebraucht wurde, wie ihn wilde
Völker noch jetzt aufTassen.
Abessinisch ^ jrarm himyarisch ^ /.
Nach ^C^+ jfarmat »Schriflzug, Spitze des Buchstabens* zu urtheüen,
bedeutet ^arm »einritzen*, griechisch /djs/x« »Wonne*, arabisch m^ ;(arama
»zerrissen, zertrümmerte Scheidewand, durchbohrte Nasenwand* und
schliesst sich somit eng an tau an; das abessinische \ alt ^, ist dasselbe wie
das himyarische ^ und das hebräische im jfur, arabisch jy^ /ur »Ausfluss
des Flusses* und die Hieroglyphe THT ^^^ fruchtbare Regen.
Abessinisch 1 na/as himyarisch ^ n.
Die Bedeutung des abessinischen Namens ist unbekannt, das arabische
jgC na/az bedeutet »gestossen*; das hebräische wnj na/aä »Schlange* ist
viel bezeichnender, denn 1 ist soviel wie das ägyptische "^^ ts, der Zeus,
der Blitz, der sich an das Gewitter (siehe /arm) anschliesst, wie auch das
Zeichen i an das Zeichen Y* ^^ ^^^ ^^^ Monat Juni, die Befruchtung ist
erfolgt. An die Schlange, den Blitz schliesst sich der Begriff des feurigen
glänzenden Kupfers an, arabisch ,^U£ nuj(as, aramäisch vnj nejfoL
Abessinisch A alef himyarisch A o«
Im Abessinischen heisst h^4^dl€f^ 1000*, d. i. zahlreich« dem entspricht
das arabische cJul alif »unbeweibt (caelebs), zur Familie gehörig* und die
Familie selbst im Sinne von Angehörigen des Familienhauptes; das Zeichen
entspricht dem chinesischen ^j^Aia» Familie*, welches Schriftbild ein Schwein
unter dem Dache vorsteUt. Diese Idee war so ungewöhnlich, dass nach Schott
in K'an-hi's Wörterbuche diess für falsch erklärt und bemerkt wurde, das
Schriflzeichen »Schwein* sei eine graphische Verwandlung eines verdrei-
fachten Zeichens für Mensch; indessen galt das Schwein als Symbol der Frucht-
barkeit, und somit war die Idee nicht so absurd, als sie scheint. Unsere obigen
Zeichen stellen nur das Dach vor, welches die Familie »vereinigt*, das alt-
chinesische i^, ägyptisch L^ü, hieratisch ^K» aa »Sitz, Wohnort, Sarg*
oder -A-, hieratisch ü^ htp, verwandt mit hebräisch onn /atam »versiegeln*,
samaritanisch D'on /atim , gelähmt*, denn es ist die Zeit, wo die Befruchtung
aufhört und dem Jakob die Hüfte verrenkt wurde, der Anfang der Unfrucht-
barkeit. Nebenbei bemerkt ist ocn /atam dasselbe wie ^,^M alaph »zähmen*,
daran schliesst sich der Begriff '>^k eleph Rind als Haustliier an, wie das
chinesische Schwein.
der abessinischen und himyarischen Schriftzeichen. 267
Abessinisch Vi kaf himyarisch fi h.
Dieses Zeichen schliesst sich eng an das vorige an; als Vl4. Aro/*, Hand ^
ist es das Bändigende, Niederdrückende, Zähmende, aber auch die viel-
fingerige, ägyptisch QJ^ kp, geschlossen 1, hieratisch ^ <, als Rundes
ist es auch der Kopf, ägyptisch A, hieratisch ff tp, ap; als Krautkopf ist es
die Fülle, als [l As6 »der Überfluss' im concreten wie abstracten Sinne; das-
selbe scheint auch .^b, hieratisch S^ km, der Name Ägyptens zu bedeuten.
Eine eigenthümliche Erklärung ßndet das arabische %jSkafa , Fransen an
ein Kleid nähen*, im Ägyptischen!, hieratisch jJJ apr .entfalten* (eine Ver-
setzung von alf)^ welche Zeichen sowohl als ein Halstuch mit Fransen wie
als Bündel Gemüse aufgefasst wird; endlich ist zu beachten, dass UT kafa
, abwenden* bedeutet, das ist das Ägyptische S^, hieratisch f a, auch wohl
umkehren, weil die Sonne zu sinken anfängt.
Abessinisch <D tcatoe, toau himyarisch o oo Wm
Wenn arabisch ^^ waw «Traurigkeit* bedeutet, so weist andererseits
\h\^ tcaha als Partikel der Bewunderung auf die Augen hin, welche das zweite
himyarische Zeichen darstellt, ägyptisch oo mr «sehen*, verwandt mit shc
inr «Toll sein*, hebräisch ifi mar «Tropfen*, ms mara «bitter (Meerwasser)
traurig*. Die Sonne hat sich von der Erde abgewendet, hier herrscht nun
Traurigkeit, Dürre (aber zugleich auch Fruchtbarkeit) wie <D eine berstende
Frucht zu sein scheint; hebräisch Nna mara «körperlich gedeihen, fett werden*;
auch dürfte <D Symbol des Mondes sein, der wiederum Symbol der Fülle ist
Abessinisch O din himyarisch o d.
Dieses Zeichen ist ganz dasselbe wie das vorige und verhält sich zu
jenem im Laute vne o zu u. Oß'i din ist «das Auge*, arabisch ,^^ din «Auge,
Quelle. Tagesregen*, o ist der Tropfen.
Hieran schliesst sich das im Abessinischen nicht vorkommende
Das arabischeO^r^naheisst «dürsten, schlechte Leidenschaften haben*,
/^ Pinna «der Stein gab einen Laut von sich*, danach scheint tl selbst der
Stein zu sein, ägyptisch ^ an, die ausgetrocknete Erde; auch dürfte ff anh
^Mauer* auf die Zeit der Ziegelsteine hinweisen.
Abessinisch H zai himyarisch H H ^*
Das abessinische "HP «ya bedeutet wie das arabische U 9a «dieser*,
\j^ji^ ha3a—da dieser— jener, dereine— der andere, beruht also auf dem
268 Ursprung und Bedeutung
Sinne der Vergleichung, es ist genau dieselbe Form wie das Thierkreiszeichen
14 und scheint daher ursprünglich wohl an der Stelle gestanden zu sein, wo
jetzt I? d steht, nämlich der Zeit der Tag- und Nachtgleiche; das hebräische t,
welches als n? ee ebenfalls . dieser' bedeutet, heisst in rtrr? zaha .glänzen*,
VT ztt;, Glanz', t*t ziz .volles Euter*, als ürtizaltam aber « stinken, ranzig sein*,
wodurch es sich an n*t zaith .Olive' anlehnt. In diesem Falle stellt sich H
als das ägyptische ^Mrt, hieratisch J^ ^A .zusammentreten* ursprünglich die
Ol-, Obst- oder Weinkelter dar, hebräisch n^r zur .zusammendrücken'', t<
zid .überschäumen*.
Abessinisch P yamon himyarisch } y.
Das abessinische €^'f yatnan bedeutet rechts, ebenso das arablsilic
^ yatnana und das hebräische pa^ yamin, Rechts war aber diesen Völkern
der Süden, und damit stimmt P als letztes Zeichen der heissen Zeit; dagegen
war den Ägyptern h amenti .der Westen* rechts, und dem entspricht eben-
falls dieses Zeichen, sofern es vor dem Abendzeichen ^ steht und diesem
sehr ähnlich ist. Hiermit stimmt der Begriff .Glück* überein, den alle diese
Völker mit rechts verbinden; den vom Norden kommenden Völkern war die
warme Gegend die des Glücks, des Überflusses; den Bewohnern der heissen
Länder das Aufhören der Hitze, eine Wohlthat, der Abend die Zeit der Ruhe
und des Glücks. Um diese Zeit verwandelt sich auch die Göttin des Überflusses,
die Hera, in die jungfräuliche Diana, denn P ist das Kinderzeichen, 1 = T
hS scheint der Spinnrocken zu sein, der jetzt in die Hand genommen wurde,
um Leinwand und Byssus zu fertigen.
Abessinisch ^ detit himyarisch } d.
Die Bedeutung des abessinischen J^1(^ dni ist unbekannt; ^11 danana
ist die .eingedrückte Brust, einen Buckel machen*, arabisch aJ.> c/amya ist
die Filzkappe des Richters, ägyptisch d\ ö^dan bedeutet .zurückbringen*,
ägyptisch f, hieratisch /t ««; welches sowohl mit dem abessinischen Zeichen
Ähnlichkeit hat, vne mit dem Untergang der Sonne. Das himyarische j ist
ohne Zweifel die ägyptische Thüre i , deren Lautwerth a auch d sein kann,
weil die Hand, welche diesen Lautwerth anzeigt, sowohl a wie d (dod) veitritt.
Man erinnert sich hierbei, dass die auf die trockene Zeit folgende Zeit derÜber-
schwemmung durch die Erscheinung des Sirius- oder Thot-Stemes angekündigt
ward; Thot ist daher die Öffnung der himmlischen Thüren, damit der Regen
die Erde erneuere ( ff zeigt an, dass Regen kommt, denn % ist das
der abessinischen und himyarischen Schriflzeichen. 269
Wassergefass), es ist auch der Eingang iu die Unterwelt (die Sonne geht
unter) und der Richter, hebräisch n dan, der Todten. i? scheint ausser der
oben angegebenen Bedeutung noch eine andere gehabt zu haben, es kann
auch eine uralte Hieroglyphe sein, welche den Richter auf seinem Stuhle
darstellt, wie etwa ysL Sp^ in «der König*.
Abessinisch 1 gatml himyarisch 1 g (d£).
Auch im Abessinischen ist TPA gamel etwas Anderes als t<f^A gamal
•Kameel', wahrscheinlich die Wurzel , gebogen*. Das arabische ^J^ diamal
•schön von Körper wie von Sitten* zeigt einen merkwürdigen Wechsel der
BegrifTe mit abessinisch IcMXJiwa «verwachsen*, denn es war geradezu ver-
boten, einen verwachsenen Menschen als Priester aufzunehmen, ein Levit
musste die Eigenschaft ^^fT (siehe oben) haben, nur das Anbeten der Götter
machte den Priester «sich krümmen*. Wenn daher himjarisch ^ g und T 2,
abessinisch A l und 7 g verwandt sind, so sind es auch die Begriffe; hier an
dieser Stelle schliesst sich 1 gatnel an das ägyptische "] /w «tugendhaft* an,
an den Vogel des Thaud, den die beginnende Regenzeit herbeigerufen hat.
Hieran schliesst sich das ägyptische ^| als W Q|8'^..'tr!S hr-hpi «der
Niktnidel*, der Schlund, aus dem das Wasser stürzt, der Katarakt f^^
hieratisch ^ tf^ welches zugleich in /^ a6 das Priesterzeichen ist; auch das
Wort ^1 km (Ägypten) ist oben als ein ähnhcher Begriff ins Auge gefasst
«Orden.
Abessinisch fll TtaU himyarisch Q] d.
Die Bedeutung von iXiJ^^ ttaä ist unbekannt; fItA ttes «rauchen*
deutet auf das Lagerfeuer; arabisch \^ data aber auf die untergegangene
Sonne, ägyptisch rYI hieratisch f^ ark, sh «beendigen*. Das himyarische
^^ichen (D dürfte sich als i>^</tiyati^« Niederlage, schwierige Sache* erklären,
^ entspricht dem ägyptischen JS /r, welches «Unterwelt* bedeutet, wie
*üch in ^ im Ägyptischen «Niederiage* (unser Gram, Tod) bedeutet.
Hieran schliesst sich das im Abessinischen nicht vorkommende
hymiarische ^ %$•
vabiseh i^ daut «nicht recht bei Sinnen, einfaltig*, ein Zeichen, das an die
Zwei^enform •, hieratisch ^ bs, nm, sowie an *d^, hieratisch i^ ob (unser
, hüpfe n, tanzen*) mahnt. Kenner der nordischen Mythologie werden sich
^ ^e Erzählung erinnenit wie Loki die finstere Wintergöttin Skadi zum
l»»tVi^n brachte.
270 Ursprung und Bedeutung der Zeichen.
Abessinisch A PpaU himyarisch 0 /•
Das abessinische A^Z ppadere bedeutet «Kleid*, lehnt sich an das
ägyptische 9, welches ebensowohl den Zopf der Frauen als die Schnur und
auch an jenen Regen erinnert, von dem man sagt, dass es wie Schnure regnet
In der altchinesischen Bilderschiift ist a «Seidenquaste*. Es ist die Zeit des
Regens und des Webens. Das himyarische 0 erklärt sich durch das arabische
\li/ata «Freigebigkeit, Edelmuth' als Offenherzigkeit und schliesst sich eng
an das vorige ^ S an.
Abessinisch A tsadai himyarisch ^(i\ ^ §•
Das abessinische aj^^ tsadai bedeutet «Herbst, Erntezeit', genau
entsprechend dem ägyptischen oo^, hieratisch >0 mh «Norden, Fülle*,
sowie die nordische Frau Holle die Göttin des Überflusses und der Schnee-
flocleen war; ihr Vogel ist wie der der Pallas Athene die Eule, arabisch bu^
sada, ägyptisch Sl m. Die Bedeutung «Herbst, Erntezeit*, welche auf die
Zeittheilung, die wir im Auge haben, nicht passt, kann uns nicht beirren,
haben wir doch im vorigen Quartal die Südrune P yaman zur Zeit des Herbstes
oder Sonnenunterganges gefunden, sie beweist nur, dass diese Zeichen-
ordnung einen ebensolchen Scenenwechsel in sich schliesst, wie in Ägypten
der Eintritt der Regenzeit in unsern Juli iUllt, in die Zeit, wo im Norden die
Hitze erst recht beginnt. In den nordischen Runen haben wir um diese Zeit
T madr das Mal des Schlachtens gehabt, und wir werden wohl nicht irren,
wenn wir auch rfi als ein solches Zeichen aufTassen. Wir haben ferner bei
den nordischen Runen gesehen, dass Y mcuir früher identisch mit V fe war,
und eine ebensolche Überlieferung finden wir hier zwischen PfJ hh und Hr
^Unendlichkeit*, zwischen r?-| t und V ä-
Abessinisch 6 Dzappa himyarisch B 2.
Das abessinische ^4^6 dafäe bedeutet ,Koth*, das arabische «Juu>
zafif «zusammenpressen*, genau «wegen zu grosser Menge an einem Orte
zusammengepresst zu Wasser oder Speise*, entsprechend dem ägyptischen
9, hieratisch 29 dt, «Knäuel, dörren*, das Zeichen dürfte demnach gedörrte
Früchte bedeuten, das Kietzenbrot, welches in Wien zu Weihnachten eine
beliebte, althergebrachte Speise ist, oder die Honigkuchen, welche im Norden
den Weihnachtstisch schmücken.
Von den beiden Zusatzbuchstaben ist A, fa oder ^4^ af «Mund* dem
hebräischen 4^ aleph ähnlich, T va oder KKtx eps erinnert an das griechische
Vokalbf Zeichnung und Ziffern. 3 7 1
V psi, welches genau dem dritten himyarischen Zeichen ^ entspricht und
sich zu diesem verhält wie die nordische Rune ^ yr zu T madr und fe.
Eine Eigenthümlichkeit der abessinischen Schrift bietet die Vokal-
bezeichnung. Wie in der griechischen Schrift (A E H I 0 T Q) sind es hier
sieben Vokale aui äeeo, welche in der Schrift ihren Ausdruck finden, indem
den Consonantenzeichen durch Häckchen, Ringelchen oder Verkürzung die
betreffenden Lautbedeutungen beigefügt werden; z. ß.:
Vha V- hu "L hi H fiä "i. he \} he if ho
li la it U \U A /ä A. /^ ü If ^^lo
oi ma Oi* mu ^ m# ^ mä ^ mS 6^^ ine ^ mo
i» ra im ru A ri ^ rü ä rc C rf C ro
fibafthuiX^hi^hädU^hf P^ou. s. w.
Diese Vokalbezeichnung ähnelt der indischen, ist aber offenbar nicht
Tcn den Indem entlehnt, sie kann auch nicht von den Griechen entlehnt sein,
da sonst die Nachahmung zur selbständigen Bezeichnung der Vokale geführt
hätte; hier ist nur die Annahme zulässig, dass zwei Alphabete bestanden,
Ton denen eines die Stunden- und Monatszeichen, das andere Zeichen der
sieben Wochentage enthielt, und wir werden zu dieser Meinung dadurch ver-
anlasst, dass auf alten ägyptisch -griechischen Amuletten der unausgespro-
chene Gott I A Q auch als A E H 1 0 T $2 aufgeführt wird.
Eine andere Eigenthümlichkeit der abessinischen Schrift ist die Annahm»
der griechischen Buchstaben als Zahlzeichen, welche wohl erst mit dem
Christenthume nach Abessinien kamen. Wahrscheinlich verwendeten die
Abessinier wie die Himyaren früher jenes Zahlsystem, welches, den römischen
und griechischen ähnlich, die Zahlen von 1 —4 durch Striche, die Zahlen 5, 10,
50, 100, 1000 durch Siglen (Anfangsbuchstaben dei Zahlwörter) bezeichnete,
und wie in Griechenland das ältere System durch das neuere verdrängt wurde,
so geschah es auch in Abessinien. Da auch die Phönikier Strichzahlen hatteUj
so ist anzunehmen, dass neben der astronomischen Zahl, welche durch die
Bacfastaben dargestellt wurde, noch eine vulgäre Rechnung bestand, und dass
die erstere als die einfachere, bezeichnendere, die letztere ersetzte.
Die gegenwärtige abessinische Schrift ist eine gerundete Uncialform,
ID froherer Zeit war die Schrift eine eckige Kapitalschrift« wie folgende Probe
einer Inschrift, von welcher wir schon auf dem Titelbilde eine Probe gaben,^^
beweist:
5i72 Abessinische Sprach- und Schriftprobe.
AMSIVA^IT^AIVWSLIflXriYI
[tiAH'iTUiixYirvwrvMiihwu
m^^ivM ixYwi v)iifiPjvMi7in
^AXIWrnCWlMAT+WVAIA>
In jetziger Schrift: AH^:üA.^:AA:0'^J?:'flAI1P:
D'H : Le/i'i : 0*H : AHA : (D^H : AAA:
•fwl:©'H:Ä'>N:»:<D'H:-flp:©'H:*aA:
Transscription : lazam dlada cUa dmadi bfosat/a
Kaien nägusa aksüm waz Kamara
loaz raidan tcaz sabaa waz salf^a
Ken waz tsyamo icaz hegU tcaz ka^
alda nudiram xokayt tnawaka Je.
Übersetzung nach Professor Rödiger in Halle*.
Zur Nachricht f&r die Kinder Derer, die das Monument gesetzt: Mein Gemahl
Haien, König von Axum und von Himyar
Und von Raidan und von Saba und von Sal-
hen und von Tsyamo und von Bega und von Kas,
Der Sohn des (Gottes) Mahrem, des keinem Feinde Bezwingiichen.
2. Die amharische Schrift.
Nachdem im 14. Jahrhundert in Folge eines Regierungswechsels die
amharische Sprache, benannt nach dem Lande Amhara, zur herrschenden in
Abessinien geworden war, wurde diese Sprache mit abessinischen Zeichen
geschrieben. Die sieben Laute, welche die amharische Sprache mehr besass,
wurden aus den entsprechenden abessinischen Zeichen gebildet, indem diesen
ein Strich überschrieben wurde , gerade so wie europäische Sprachen durch
einen Accent (z. B. 6) die Zeichen des lateinischen Alphabets vermehrten.
Es ist dieser Vorgang lehrreich gegenüber der Meinung, dass die Schrift bei
ihrer Adoption durch ein anderes Volk Verstümmelungen und Differenziiiing
der Zeichen erleide.
Ainharische Sprach- und Schrillprobe. 273
Die amharischen Zeichen sind:
n Äi V <«a T »Ja "^ ^a IT za W d£a Xlt Wia
gf'bildet von Aaeii*to l nä ^ ka H za ^ da (h tta
Wir geben als Sprach- und Schriftprobe das Vaterunser in amharischer
Sprache :
\^^ : PfW?Al : ^'Jje : : 1f<»;h< : : ^c^lJA-+ : 170 : ^fl\1 : A-^+Ol r'.TWP^iy ^'Ofl.^ •
Transscription und Übersetzung.
Abätätäen basamäy yäla)[\ yekqdas ^f^^h yntscHfn
Vater unser im Himmel du bist, geheiligt werde dein Name, es komme
mangst^f, faqpdjtme y^/wfn hasamay mdala^Hg bamdfrm sisä-
dein Reich, dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden unser»
yätffH fyalatü zäre atan, hadalätSfn mharan enäm yabadalan
Speise unserer Tage uns gieb, vergieb uns unsere Schulden wie wir vergebeD
f^ nenüCr, Kamansut ngabä matan attmoan, odh'anand&i kafns naqar.
unseren Schuldigem, führe uns nicht in Versuchung, erlöse uns rom Cbfrl
Amen.
8. Die himyarische Schrift
So sehr übereinstimmend die himjarischen und ab^^ssini-^'h^-Ti Zf^'^h^
sind, so herrschen doch zwischen ihnen tiefgehende Untergchifrde; di^»^ «jrjd;
1. die Schriftrichtung, welche im Abessinischen ron linkis nach recf/Jt. ixn
Himyarischen von rechts nach links läuft; 2. die Vokalbez^i'^.hnunjr, w^#'.r>4
die himyarische Schrift nicht hat, und wahrscheinlich auch 3. Aa Z«r> r.^j-
Ordnung. Es ist nämlich nicht unwahrscheinlich, da.9ä d^r Ur/cr^ch.^d \u *i^r
Zahl der Zeichen die anderen bedingte, dass die S4 Sonr.cf.zc.ch^. ;/./ ':< 'u
Lesen von links nach rechts zusammenhingen, die 2^,ch«ro <ier 't'", M^-.':-
Stationen mit dem Lesen von rechts nach links. I» h.:r,}ir -.';.*rf. 7/ " ',
sind ofTenbar die der 28 Mondstationen, das sind jene ':i*/:t:,'/r^y^%. ,u '> '*^t,
der Mond einen, die Sonne 13 Tage verweilL
Dass diese Zeichen nicht in derselben Ordru/./ *-/* '*•:',♦*'. />fi
wie die abessinischen, scheint wenigstens aas Folg«iiC*^.'r. fyr/>'y//./« - *'
Die jetzige arabische Schrift stammt aas Meso^^Vrix^rj. I/^ ''i '<:^y A- %^f
f aolmann. 6«*chiclit« d. Schrift. { t^
374 Himyahsche Zeichenordnung.
und Eufa werden von der Tradition als Ursprung derselben bezeichnet; nach
der alten Zahlenordnung hatten die Zeichen die hebräisch-syrische Ordnung;
wenn die Araber die Erfindung ihrer Schrill sechs Personen aus dem
ixeschlechte Tasm zuschreiben, welche heissen Abudiad, Hawaz, Huti, Kala-
inun, Sdfag, Qori§at, so sind diess offenbar die 22 syrisch-hebräischMi Laut-
zeichen
r«?"»pVDPDJoi>3»ionnm3aK
oder arabisch:
Gegenwärtig haben die Araber eine andere Zeichenordnung, welche
weder grammatisch ist, noch auf Schriflähnlichkeity wie man auch annahm,
beruht, denn wenn dieser Ähnlichkeit halber auf %m^ h das O i und das «1/ (f
folgte, so müsste auch 0 n folgen, was nicht der Fall ist, auch ist nicht die
alte syrische Ordnung durch neue Zeichen durchbrochen, sondern sie ist wie
aus folgender Gegenüberstellung hervorgeht,
so gründlich verändert, dass man die frühere Reihenfolge nicht mehr kennt;
derlei Änderungen lassen sich nur erklären, wenn man die Zeichen als Zeit-
zeichen in's Auge fasst, und es liegt die Vermuthung nahe, dass die Reihen-
folge der Buchstaben, welche die syrischen Zeichen in Arabien angenommen
haben, die der alten himyarischen Schrift ist, die Zeichen sich also in
folgender Ordnung aneinanderreihen:
A a
i
d*
B ?•
fi k
fl b
H
i*
ID d*
1 ^
X ^
> oder )
f*
A ä*
^ »»
X ^
2
z*
o d
h «•
1 d£
jS
«•
i\r
V Ä
V h'
3
s*
0 f
o w
Y X
rfi
i*
l 9
1 y
Die mit einem Stern bezeichneten Laute werden Sonnenbuchstaben,
die übrigen Mondbuchstaben genannt, doch lässt weder Stellung noch Reihen-
folge die Ursache dieser Ordnung erkennen.
Stellen wir diese Zeichen in einen Kreis, so dass ^ als :>Jt» knatda
„der Sonnenaufgang* die Stelle im Osten einninunt, so würde die viertheilige
Windrose folgende sein:
Himyarische Zeicbenordnung und Zahlen.
275
¥/
w o
Hl
Of
entsprechend j^ hawa . schwarz-grQn oder roth-schwarz* (Grundbegriff:
Dunkelheit) J^yt» iawada «Sonnenaufgang*, lä fcOa .Edelmuth, Freigebigkeit*
(Grundbegriff: Oberfiuss), ^j wah .Traurigkeit* (Untergang).
£ine Vergleichung mit der abessinischen Ordnung ergiebt folgende
CiegenQberstellung :
UÄ V Ä'
ft 8 ^ i
' A« 0/
^ d « w
Ai S Z
♦ 2 ih «
' «n A Iq
ig ly
A^ id
ab Qs
<D to ({k
(^tt f^a
Oi m H d
' * t lad
od 11
Ai>p fl*
m i ) r
^A' fi^
HZ ^m
A /< X <
t.r Tüz
i » od
e y h»
edzy^ß
f\»
i\T
VA
1 di
Eine Begriffsverwandtschaft scheint auch hier die verschiedenen Zeichen
und Laute zu vereinigen, so U und 41 in >v^ Haupt, Anfang, A und ^ in
f^ ru »fliessen, ausgiessen*, rfi als Thor lehnt sich an die Thür {, UJ i
die Öffnung an das gähnende > r, jA in gleicher Weise an ^ ;; u. s. w.
Während wir bei den Abessiniem das griechische Alphabet als Zahlen-
reihe finden, begegnen wir auch bei den Himyaren einem griechischen
Zahlensysteme, bezüglich dessen jedoch von keiner Entlehnung, sondern nur
von einem gemeinsamen Ursprünge die Rede sein kann. Wie die alten Griechen
I als Einheit, 11 p {nivri) als 5, A cf {iUa) als 10, H (cxarov) als 100,
X (^Clcoi) als 1000, M (ixOptoi) als 10000 verwendeten, so finden wir bei
den Himyaren neben der [ 1 die Zeichen V oder ^ / {von j(ameS fünf) fQr
&, O <2 ("^^ ^1^9^ zehn) für 10,"^ 50 scheint die Hälfte von ^ 100 (onito
maaüm) zu sein, A ist 1000 (s)^N def), endlich ist noch eine grössere Zahl %
Torhanden, deren Bedeutung nicht bekannt ist Auch die römischen Zahlen
V 5, X 10, L 50, C 100, M 1000 zeigen dasselbe Princip, auch hier scheint
L 50 die Hälfte von Q 100 zu sein. Die himyarischen Zahlen werden von
Balken eingeschlossen z. B. ||V{| 6, |^| 1000.
18*
^^ö Himyarische Sprach- und Schriftprobe.
Wir haben bereits auf dem Titelbilde eine himyarische Inschrift in
ReliefTorm gegeben, wir lassen dieselbe hier mit der Erklärung folgen: ^^
(l1l'l)^HlSnMt^<1<!IX*^?lllXh'1l?SHIII14X^ttmiSHm6Hf
tn«iixniiMHo
Transscription und Übersetzung:
ybsL 5fi. id£b. qtdm. mbny, gna,
Yabsul, Sohn des §ad2d2ab, hat angefangen unter den Söhnen der Umgegend
mjffdL glfft. abmn. dfllm. inbna,
Ton Maifaat mit dem Behauen der Steine und hat beendet den Bau des
bit, gdl . • •
Hauses von Gdl . . .
Wir schliessen hieran eine Inschrift in Bustrophedonform, bei welcher
die erste Zeile von rechts nach links, die zweite von links nach rechts, die
dritte wieder von rechts nach links, die vierte von links nach rechts zu lesen ist
Transscription und Übersetzung:
fvbm. vrlhmv, bn. Riäb mit ihren Verwandten, dem Sohne
Mm. bn. K$km. h. des Sabbäh', Sohns des H'ai)<^ak, hat
qfif, (ütnqh. rash gehuldigt dem Almaqah, ihrem Fürsten,
tnu? w§dqal, wSr und Sidq'il und Sar . • •
IV. DIE VEI-SGHRIFT.
Von den NegervOlkem war es bis vor kurzer Zeit nicht bekannt, dass
sie eine Schrift besassen; um so überraschendem Eindruck machte es auf
die Missionäre zu Fourah Bay, als Mitte Januar 1847 Lieutenant Foibes^
der Commandant von S. Bonetta, sie fragte, ob sie von einer Schrift der Ein-
gebomen gehört hätten, und ihnen ein solches Manuscript zeigte. Weitere
Forschungen ergaben, dass ein Vei-Neger Namens Doalu Bukere, diese Schrift
Vei-SchrUt 277
erfunden habe und derselbe erzählte dem Missionär S. W. Koelle^* darüber
Folgendes: Ungefähr 14 Jahre war ich alt, als ich einen Traum hatte, in
welchem mir ein hoher ehrwürdig aussehender Mann in einem langen Rocke
erschien und sagte: «Ich bin zu euch gesendet durch andere weisse Männer!'
Doalu fragte, was der Grund seiner Sendung sei? Der weisse Mann antwor-
tete: 9 Ich bringe euch ein Buchl* Doalu sagte: «Das ist sehr gut, aber was ist
die Natur dieses Buches?* Der weisse Mann antwortete: «Ich bin gesendet.
dass ich dir das Buch bringe, damit du es den Übrigen deines Volkes mit-
theilst; aber ich muss dir sagen, dass weder dir, noch irgend einem, welcher
mit dem Buche bekannt wird, erlaubt ist. Fleisch von Hunden und Affen,
noch irgend etwas, was todt gefunden wird, zu essen, noch das Buch an
jenem Tage zu berühren, wo sie die Frucht des Pfefferbaumes angerührt
haben!* Der Bote zeigte Doalu sein Buch und lehrte ihn einige Vei- Worte in
derselben Weise zu schreiben, wie das Buch geschrieben war. Er schrieb ihm
ein Zeichen mit dem Finger auf den Boden und sagte: «Dieses bedeutet t,
dann ein anderes, indem er sagte, diess bedeutet na', und hiess nun Doalu
beide nacheinander lesen. Doalu that es und war entzückt, das Wort ina
(komm her) gelernt zu haben. In derselben Weise lehrte der Bote ihm eine
grosse Zahl von Wörtern schreiben. Zuletzt frug Doalu seinen Lehrer nach
d<;m Inhalte des Buches, welches er ihm gebracht hatte. Aber die Antwort
war: «Warte ein wenig, ich werde es dir nach und nach sagen!' Am andern
Morgen rief Doalu seine Freunde zusammen und erzählte ihnen den Traum.
Ein paar Tage darauf hatte einer derselben einen gleichen Traum, in welchem
ein weisser Mann ihm sagte, das Buch sei von Gott gekommen.
Koelle erfuhr ferner^ dass Doalu Bukere als Knabe bei einem Missionär,
der sich eine Zeitlang bei seinem Volke aufgehalten hatte, Lesen gelernt
hatte und dadurch in ihm die Lust zum Lernen erweckt worden war. Er
konnte noch einige Bibelverse hersagen, welche er von jenem Missionär
gelernt hatte. Später war er Diener bei einem Sklavenhändler und wurde oft
in das Innere des Landes an entfernte Orte gesendet, von wo er Briefe zu
•einem Herrn zu bringen hatte.
Die Schrift, welche Doalu Bukere seinen Stammesgenossen bekannt
machte, hat nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit europäischen Buchstaben;
aulTallend ist femer, dass ein und derselbe Laut mehrere ganz verschiedene
Zeichen hat, wie Q ^ und ^ für gba, | und ^ für/o u. s. w. :|: erinnert
278 Vei-Schrift
an das himyarische | y, Q^ an das himyarische ^ b, fc ^ (Flinte) scheint
Pulver darzustellen, ebenso entspricht (C fr der Bedeutung . blasen*, [^fi
, Dunkelheit', X 9^ »Ruhe*, OO gbe »Weisse* (Augen?) >^ du .richten,
Haus*, *-«*^ d$t »Wasser*, ^ dsa »Auge, roth sein, gelb* ^ fen »Schwanz^
<^ dse »sehen, bemerken* u. s. w.
Die ganze Schrift macht den Eindruck, als ob der Erfinder sie nicht
selbst, sondern bei irgend einem Volke im Innern Afrikas gefunden, und sie,
um sich bei seinen Stammesgenossen ein besonderes Ansehen zu geben, als
eine ihm gewordene göttliche Offenbarung ausgegeben habe, denn sonst ist
es unbegreiflich, warum er nicht die europäischen Buchstaben, die er ja
kannte, verwendete, sondern einen Wust von neuen Zeichen geschaffen hat,
bei dem sogar Figuren für verschiedene Laute wie h^ du, ru identisch sind*
Wir geben hier eine Probe der Vei-Schrift und Sprache:
fa-io-ma sc-n a ba ta^ru gu-ra a ra tcurru du-fi-mu-ro ke
Fatoma Seli seine Mutter Talu Gula sie ihm gebar die Nacht, in welcher die
mu ki-^a soHXrina ghe-ya mu ^ . . re
Zweite Zeile :
wir geschlafen morgens es dämmerte wir verbrachten 'den Tag
y6e-n dse-rima ke-ya chmu murra du-ru korro ke^e-ma ds$ dp-fi biri
ganz Abend kam an, dann wir den Nebelmond gross sahen. Nacht dieselbe
a we^e ka n-ku-ti-do gbu ke do do,
will nicht kommen aus meinem Kopfe von allen diess eins.
d. h. Fatoma Seli war geboren von Talu Gula, seiner Mutter; eines Nachts,
in welcher wir zuerst sahen den grossen Nebelmond (d. i. die letzte Nacht
des Decembers), dieselbe Nacht werde ich nie vergessen. Das ist Eins.
Asien.
L DIE CHINESISCHE SCHRIFT.
Die Chinesen waren Ton jeher ein ackerbautreibeDdes Volk, welches
mehr die Arbeit als den Krieg liebte, mehr Gewicht auf persöiüiches Wissen
als auf Ahnenruhm legte und sich durch weise Staatseinrichtungen durch
Tier Jahrtausende xu eihalten wusste, während alle anderen Volker sich im
unruhigen Kriegeslauf abnützten, abstarben und neuen Gebilden Platz mach-
ten. Mag auch manche Elinrichtung dieses Landes dem Europäer überlebt,
manche Sitte als widerlich erscheinen, im Ganzen muss dieses Volkes Unver-
wüstlichkeit hohe Achtung einflössen, ond sorgfaltig solhe man sich bei
Beurtheilung ihrer Einrichtungen fragen, ob man auch vorurtheilsfrei dieselben
prüfe, ob man nicht die eigene Unvollkommenheit als Muster aufstelle, um
das fremde Bessere damit zu vergleichen, und weil es nicht gleicht, schlecht
zu finden. Jedenfalls gehören Diejenigen zu den wenigst Unterrichteten, welche
das Wort Chinese als Scheltwort gebrauchen und damit den Begriff der
Dummheit verbinden wollen.
Die Chinesen gehören zu dem grossen mittelasiatischen Volke der
Mongolen, unterscheiden sieh aber von ihren westlichen Nachbarn, den mon-
golischen Hirten, durch ihre sesshafte Lebensweise, sowie durch ihre ein-
silbige Sprache, welche die Frucht ihres eigenartigen abgeschlossenen Ent-
wicklungsganges ist Dieses Volk konnte nur äusserlich unterjocht werden,
indem fremde Herrscher sich mit Hilfe ihrer Kriegerhorden auf seinen Thron
setzten, aberGeistund Sprache des Volkes blieben herrschend und die fremden
Fürsten mussten ihnen huldigen.
Als der Stifter des chinesischen Reiches , welches in der heimischen
Sprache th gSriun ktco , Reich der Mitte* heisst, %veil die Chinesen ausser
580 Pa-kwa.
den vier Himmelsrichtungen noch als fünften Punkt den von ihnen bewohnten
Boden annehmen, gilt Pao-t oder Pohi, bei dem man, wie bei allen Reichs-
Stiftern der Vorzeit nicht unterscheiden kann, was Yon den Nachrichten Ober
ihn der Mythe und was der Geschichte angehört Er ist, wie der Hermes der
Griechen und der Thaud der Ägypter, der Begründer der Gesittung, der Schrift
und des Handels, wahrscheinlich das erste Priestergeschlecht und die erste
Religion der Chinesen.
1. Die Pa-kwa-Schrift
Die Schrift, deren Erfindung dem Fohi zugeschrieben wird, ist die Pa-
kwa oder 8 Theilungen, welche wir Seile 86 in ihrer Form als Windrose
abgebildet haben. Wenn erzählt wird, Fohi habe durch diese Zeichen den
Gebrauch der geknüpften Schnüre ersetzt, so muss das ein Irrthum sein, da
die Formen dieser Pa-kwa augenscheinlich die Bilder Yon Enotentheüungen
in verschiedener Länge und verschiedener Zusammenstellung sind. Wenn
der Name Pa-kwa erklärt wird durch die ,8 Ausgehängten*, da sie bestimmt
gewesen seien, das Volk zu unterrichten und ihm den \^llen des Himmels
oder des Fürsten bekannt zu machen, so kann sich diess sehr wohl auf die
Verwendung derselben zur Zeittheilung beziehen, wie ja auch unser Wort
Kalender vom Ausrufen (xaXoj ich rufe) herstammt, indem der erste Tag
eines jeden Monats, wofür die Erscheinung des Neulichts bestinmit war, aus-
gerufen ward. Damit war jedoch die Bedeutung der Zeichen so wenig
erschöpft als bei den Runen, vielmehr waren diese Zeichen ausser Zeit-
zeichen auch Zahlen, Elemente und Eigenschaften, wie folgende Zusammen-
stellung*^ lehrt:
^= kyen, Himmel und himmlische Materie, Yan, erstes Princip, welches
aUe Dinge erzeugt, Äther, flüssig, feucht.
Ss tut, Wasser, Bergquellen, Seen, aufsteigender Hauch, leicht.
SS U, Feuer, schön leuchtendes Element^ Hitze als thätige Kraft, heiss.
=^ tSih, Donner, Ausdünstung, feurig, Mutter des Blitzes und der
Hitze, hart.
^^swen, Wind, Dünste und leichtes Wehen, bewegUch, hmein-
schreitend, Holz, biegsam.
S-s kan, Wasser, flüssiges Element, kühl, kalt.
S^ kefi, Berg, Dichte, Bewegung hemmend, Ruhe, Schwere.
Pa-kwa. 28 1
S S ktcefi, Erde als irdische Materie, In, zweites Princip, zerstörend,
Dunkelheit.
Diese acht Zeichen beruhen auf dem ersten Princip — paii, dem Zeu-
genden, und auf dem zweiten Princip * — tn, dem Zerstörenden; jenes ist das
Licht, dieses die Dunkelheit, jenes das Leben, dieses der Tod, jenes der
Himmel, dieses die Erde, jenes das günstige, dieses das ungünstige Omen.
Daher sind aUe Zeichen günstig oder ungünstig, je nachdem sie vom Himmel
oder von der Erde abstammen, nämlich:
günstig: ungünstig:
■B Himmel, Feuchte g S Erde, Trockenheit
g^p^ Quelle, Leichte fB Berg, Schwere
^S Feuer, Hitze S-S Wasser, Kälte
as s Donner, Härte 9k Wind, Biegsamkeit.
Wenn es daher von Fohiheisst: .indem er die Augen in die Höhe hob,
sah er die Figuren des Himmels, indem er sie senkte, sah er die Vorbilder,
welche auf der Erde nachzuahmen waren , er betrachtete die verschiedenen
Formen der Vögel und Vierfüssler, sowie die Eigenthümhchkeiten und ver-
schiedene Produclion der Erde, sowohl die Körper in der Nähe, welche er
greifen konnte, als entfernte Gegenstände, welche er bestimmen konnte; er
fing an zu ziehen die acht Kwa's oder Symbole in Zeichnungen, um zu durch-
dringen die Wahrheit der göttlichen Weisheit, wie die Natur unbeweglich und
beweglich, von wo sie aufhört nachzugeben, und von da, wo sie der Kälte
widersteht und m ihnen durch Zwischenräume die EigenthümUchkeit aller
Wesen zu bestinmien, die Figui-en derSee, derBerge, des Windes, desDonners
und der Kälte', '^ so ist darunter keine Bilderschrift, sondern die Aufstellung
der obigen Zeichen gemeint.
Durch verschiedene Zusammenstellung dieser acht Elemente in zwei
Gliedern entstanden 64 Zeichen, z. B.
kien ktcen tun tmm au sou se pi u. s. w.,
über deren Bedeutung die Meinungen jedoch auseinandergehen, so dass eine
«ichere Erklärung unmöglich ist, zumal ausser dem Buche I sich nichts von
dieser Schrifl erhalten hat. da sie schon in grosser Vorzeit durch die Bilder-
schrift verdrängt worden ist.
282
2. Die Schrift Ku-weiL
Die gegenwärtige Schrift der Chinesen beruht auf einer alten Bilder-
schrift (kurweti), als deren Erfinder Thsan-ke genannt wird, der um das Jahr
2650 vor Christi gelebt haben und ein Minister oder Historiograph (Ver-
merker) des gelben Kaisers gewesen sem soll. Der chinesische Archäolog
Wei-tSan sagt darüber: JE& stand einst bei dem gelben Kaiser, Dinge zu
bilden, einzurichten und zu erfinden. Es waren Tsiü-sun und Thsan-ke.
Dieselben erfanden das GefQge der Schrift und ersetzten dadurch die geknüpften
Schnüre.' Im Buche Sün-kin-tse heisst es: , Diejenigen, welche Schriften
erfanden, sind eine Menge, aber Thsan-ke allein hat eine solche überliefert
Er befasste sich mit einer einzigen.' Über die Schrift selbst wird bemerkt:
„Der alte Schriftschmuck (ku-wen) wurde durch ThsaA-ke, den Vormerker
des -gelben Kaisers, hervorgebracht. Ke hatte an dem Haupte vier Augen und
verkehrte mit dem göttlichen Lichte. Nach aufwärts blickend, betrachtete er
den Hüftstem, die Stärke des Runden und Krummen. Nach abwärts blickend,
untersuchte er die Streifen der Schildkröte, die Gestalt der Fussspuren der
Vögel. Er pflückte alle Gestalten, vereinigte sie und bildete Schriftzeichen. •••
Im Su-kin des weltberühmten Kun-fu-tse (Confucius) wird in der Stelle,
welche wir auf Tafel V in verschiedenen Schriftarten geben, der Name Thsan-
ke's nicht genannt, sondern gesagt, «die heiligen Männer' hätten die Schrift
erfunden, und in der That kann man sich bei Erwägung aller Umstände der
Überzeugung nicht verschliessen, dass die chinesische Bilderschrift nicht
erfunden, sondern vom Auslande durch eine firemde Dynastie und ein fremdes
Priestergeschlecht eingeführt wurde.
Zunächst muss berücksichtigt werden , dass die chinesischen Schrift-
steller, denen wir obige Citate verdanken, bei allem Eifer, den sie auf die
Sammlung alter Nachrichten verwendeten, einerseits nur die heimische Schrift
und nicht auch die Schriften anderer Völker kannten, andererseits auch durch
die Historiographen selbst irregeführt wurden. Wir haben in der Betrachtung
der Genesis gesehen, dass die Juden, unter wülkürlicher Verrückung dei
■
Umstände, Götter, welche einen grossen Theil der Erde zu ihren Verehren)
rechneten, wie z. B. Abraham , dessen Beschneidungstheorie nicht nur die
Juden, sondern auch die Ägypter anerkannten, zu ihren Stammvätern machten.
Als im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung der chinesische Kaiser
Tsin §i-hoan-ti zur Alleinherrschaft gelangt war, liess er den grössten Theil
Ku-wen. 283
der Bücher verbrennen, um alle Spuren früherer Herrscher ni vertilgen,
und ähnlich mochle auch der oben erwähnte Kaiser, wenn er ein fremder
Eroberer war, gehandelt haben , wenn es ihm darum zu thun war, seine
fremde Abkunft vergessen zu machen; er liess sich in die Reihe der alten
Herrscher aufnehmen und die neue Schrift als eine Erßndung seiner Priester
ausgeben, während er wahrscheinlich auch die früheren Überlieferungen ver-
tilgte und nur das I-king bestehen liess, welchem ein hoher Geheimwerth
beigelegt wurde.
Zu dieser Vennuthung veranlasst uns der Beiname Thsan-ke's: Tsin-
Sun (Verbreiter der religiösen Gesänge), *^ die Betonung des Hüftstemes,
welcher identisch mit dem ägyptischen Siriussteme sein dürfte, die Zeit der
Einführung der Schrift (2650 vor Christo) und die kurz vorher (2697) erfolgte
Einführung des 60jährigen Jahrescyclus, der unseren Jahrhunderten entspre-
chend, eine Verschmelzung des babylonischen Decimal- und Duodecimal-
Systems ist Im Jahre 2782 vor Christo hatte in Ägypten das nur alle 14-60
Jahre eintretende Ereigniss stattgefunden, dass der Siriusstem am 1. Thot
(20. Juli) zugleich mit dem Beginne der Überschwemmungsperiode aufge-
gangen war, und es ist sehr wahrscheinlich, dass von dieser Zeit das beweg-
liche ägyptische Jahr seinen Anfang nahm. Die Fixirung fester Zeitepochen
war eine Arbeit, welcher viele Beobachtungen und grosse Kenntniss der
Mathematik vorausgehen mussten, wozu die Pyramiden in Babylon und
Ägypten Veranlassung boten, und es ist sehr wohl möglich, dass bei einem
grossen Völkerringen im Herzen Asiens Völker bis zum fernen Osten ver-
schlagen wurden, dessen Bewohner sie durch ihre höhere Cultur besiegten.
Thsah-ke als Verbreiter der religiösen Gesänge lehnt sich jedenfalls an Thaud
an, der neben Schreiben und Rechnen auch die Harmonie der Töne er^
fünden hat
In der That sind die Zeichen der Ku-wen, soweit sie auf Vasen und in
alten Büchern erhalten sind,^^^ sehr ähnlich denjenigen, welche auf die Wände
der ägyptischen Pyramiden (siehe Seite 235) gemalt waren, sie stimmen sogar
mitunter im Lautwerthe mit den ägyptischen Hieroglyphen überein, nament-
lich wenn die Lautverschiebung und der Umstand in Erwägung gezogen wird,
dass Ägypten und China nicht in directer Verbindung standen , sondern die
äassersten Grenzen eines Centrums waren, in welchem die Bilderschrift sich
bis zu einer gewissen Stufe entwickelte. Man vergleiche:
284
Ku-wen.
ägyptisch fl ab Mond
Vir ^ Stern
^^ ha Haar
MiTp opÄ Wolken
0^^fu weit
•4^ o^, hl, Osten, Morgen
^^Jiwen (u^o Sinai)
T )^o »Bauch*
I j7 (Lautzeichen)
\ 5« (er) ^ as Pflanze
Y oÄ Stock, Scepter
>»^ /t Holz
%|^ äna Löwe
^b^*«^ a6f Leopard
^ab(^ba,9r Widder)
^ar Ziege
,^L| «m Pferd
^niRind
^S» 6a, sr Widder
^fffßapr Eher
Ak n6 heiliger Vogel
^t d, "^J^ <J< zwitschern
0^p (Lautzeichen)
MT Arm, <n sich erheben
% II (Lautzeichen)
n der Gizeh-Pyramide sieht diesem
Bilde des Schweines ähnlich; Gott Schwein war bei den Ägyptern Sebek. bei den
Indem Siwen, später wurde der Gott Schwein Gott Krokodil £« ist daher möglich.
dass auch früher eine Wandlung eintrat*
chinesisch "^ ifire
Mond ägypti
9 A **''
Stern ,
G^ ^Ät
Lufl ,
illil yö
Regen ,
, /0\ yßn
Wolke
S. ton
Morgenroth ,
• ,
::i^ San
Berg
, 0 Um
Mitte
U fan
Viereck ,
1 ^ sai
wachsen .
Y »a
Gabel .
V «»
Zweig a
. t? *«
Löwe ,
•
WD*«
Tiger
ca«y»«
Elephant .
. |ii|^«
Hirsch ,
'\'~'
Pferd ,
9J7^♦»y«*
Ochse 1
, *Wy«»«
Widder
1 Vir «
Schwein* ,
^ miao
Vogel 9
J ««^«
Vögel ,
;;^ /•«■
Fliegen ,
t^ «/»•
Wildfasan .
1
■^ «
Henne ,
•
Das äiryptische Zeichen des Widders ii
Ku-wen.
S86
chinesisch \^ffwan Möve
%J /mm Drache
L» ^ Schlange
^ ktoei Schildkröte
O /Ml Schwanz
ß^ Wdn Vasall
j^ tae Sohn
Nachkommen
Auge
Augenbrauen
Nase
Barke
heilige Vase
Nagel
Korb
Bogen
Pfeil
Seidenquasten
O htcan Kugel
( ß kui^ grQssen
^ mu
cj) pi
t tin
W An
■ •
ägyptisch '^ ^tt ausgezeichnet
J^ r Uräus-Schlangc
"^^ d (Lautzeichen)
^ Zpr Käfer^
^ph Hintertheil
% k Herrlichkeit
j^ 8 Kind, A mn Zwerg
I «n Bruder» Schwester
ii^ tna sehen
^ aw Augenbrauen
J^ fl Nase
[^ X^ heilige Barke
[| oft Opfer
7 iU meiseln
'^^ k (Lautzeichen)
7 kns Bogen .
I Min Pfeil
X h (Lautzeichen)
# X (Lautzeichen)
^^ yti umarmen
W^ ha Sistrum.
nb
^^ yo Musik
Wir müssen hierzu bemerken, dass diese Zeichen auf uns nicht den
Eindruck machen, als ob sie von ungeübten Händen ausgingen, eher scheint
eme symbolisirende Form, welche nur so riel darstellte, als zum Erkennen
nothwendig war, hervorzutreten, wie z. B. in
und
* Obgleich auch die Ägypter ein Zeichen für die Schildkröte hatten, so dürfte
doch der Käfer hier entsprechen, da der ägyptische Käler mit der chinesischeD
Schildkröte den Begriff der Heiligkeil gemein hat.
486 Ku-wen.
von denen das erste, yah, das Princip des Himmels, daszweile, in, dasPrincip
der Erde darslellt; beide Bilder sind Vasen wie das ägyptische 9 ^»m ,der
WelUchöprer*, der Gott des Himmels und iler Erde; die Gliinesen unter-
scheiden beide Vaseo durch eingeschriebene Zeichen, und zwar enthält das
erstere das Zeichen fQr Glückseligkeil, das zweite das Zeichen fQr Unglück.
Ferner ist Folgendes zu heachleni Die chinesische Sprache besteht aus
firca 450 einfachen Laulverbindungen , denen circa 200 einfache Begriffs-
zeichen gegenüberstehen ; die Tradition schreibt dem ThsaA-ke die Erfindung
TOB 5i0 Zeichen zu, also eine Zahl, welche ui^efähr den Wortlauten ent-
spricht; es scheint somit das Absterben der Sprachausbildung mit der Ein-
führung der Bilderschrilt zusammenzuhängen; aber diese ältesten Zeichen
waren schon nicht ausreichend, alle Begriffe darzustellen, und wurden zu-
sammengesetzt, um das nöthige Äquivalent herzustellen. War aber die Bilder-
schrift eine Erfindung des Thsan-ke, so begreift man nicht, warum derselbe
die Bilder nicht beliebig vermehrte. So gut man einen LOwen und einen
Tiger im Bilde unterschied, konnte man doch auch einen Hund und einen
Fuchs unterscheiden (ägyptisch \^ und 'S^) ; aber die Chinesen bezeichnen
den Fuchs durch den Lautwerth ku und das Determinativ des Hundes, eigent-
lich, da nt /w ,der Kürbis* ist, als .gelben Hund*, gerade so wie Fuchs
in unserer Sprache ,der Glänzende* bedeutet; ebenso konnte man auch eine
Harke zeichnen, man schreibt aber dafür fP . nämlich pa (Schwanz) mit
dem Determinativ ,Ho!z' (ägyptisch "^ ab .Fell' hat Ähnlichkeit mit einer
Harke); wenn Jii Ueu .SchiD"* mit dem Zeichen tf Wasser , Wasser
becken' bedeutet, so kann man an die Höhlung des Schifl'es denken, wenn
es mit "p" .Rede, Geschwätzigkeit*, mit if^ Feuer .Flackern der Flamme*
bedeutet, so eriuiem diese Zusammenstellungen an das Schwanken des
Schiffes. Wir haben also hier, wie im Ägyptischen, die Verwendung eines
kleinen Zeichen vorrathes, um mühsam durch Umschreibung B^riffe zu bilden,
welche viel leichter durch die zeichnende Hand in einfachen DarsteUungei.
biwirkt werden konnten. Dieser Vorgang weist auf keine Erfindung von Bild-
zcicheu hin, sondern darauf, dass pietätvoll überlieferte Zeichen beibehalten,
nicht vermehrt wurden und dass die nothwendlge Erweiterung des Ausdrucks
ir\ der Schrill ganz analog dem erfolgte, wie wir durch Zusammensetzung
Unserer Lautzeichen Wörter bilden. Die chinesische unterscheidet sich ron
doc ägyptischen Schrift nur dadurch, dass letztere die Zeichen aneinander
Ku-weii. 287
reihte, wie es eben passte, während die Chinesen sorgsam alle Schriftzeichen,
welche einen Begriff darstellten, in ein Quadrat zusammendrängten.
Die .Herbeiziehung der göttlichen Gefüge in dem Buche der Eltern-
liebe* sagt: .Der Hüftstem ist dem Schriflschmucke (wen) vorgesetzt. Was
die Zeichen des Schriflschmuckes Thsan-ke*s betrifft, so ist dieses im allge-
meinen gesprochen. Es mnschliesst den Sinn und giebt der Sache den Namen.
Weim man es theilt und den Sinn herstellt, so ist der Schriflschmuck der
Grossvater und Vater, die Schriflzeichen (tse Lautzeichen) sind die Söhne und
Enkel. Man erlangt sie von selbst, man bereitet das Ordnungsmässige ihres
Schmuckes. Bildet man ab das Anhängende der Gestalt, so macht man sie
zum Schriftschmuck (wen)* Dadurch wachsen sie und wuchern, Mutter und
Sohn bringen gegenseitig Gestalt und Laut hervor; vereinigt man das Anhän-
gende des Sinnes, so nennt man sie Schriftzeichen (tse). * ^^^
Es hat also in alter Zeit eine bestimmte Reihenfolge der Zeichen ge*
geben, an deren Spitze der Hüftstem stand, wie das Zeichen des Thaud an der
Spitze der ägyptischen Zeichen. Der Name der Begrififszeichen "^T wen
(Wurzel X) ist identisch mit dem ägyptischen x uu, hebräisch tau .Zeichen' ;
der Name der Lautzeichen, welcher durch das Begriffszeichen des Kindes *^
dargestellt wird, tse ist ähnlich dem ägyptischen 8t .sprechen*.
Nach der Tradition bestand schon die Schrift Thsan-ke's aus sechs
Ter>< hiedenen Elementen: 1. Sian-hiti (Bilder im engern Sinne); t. hoei-i
Uusammengesetzte Bilder), z. B. Sonne und Mond ^^ Glanz, Mund und Vogel
s=Vügelgesang, Wasser und Auge=Thränen, Thür und Ohr = hören, Daum
und Hand =s Keule, Feld und stark = muthiger Mann, Frau, Ohr und Hand
s=eioe Frau nehmen (heirathen), Frau und Hand == Sklave, Frau und Kind
s= lieben, Frau und entstehen = Familie u. 8. w.; 3. täi-se (eigentliche Zeichen)
wie — oben, -:- unten, 0 Mitte, — eins, = zwei, = drei; 4. täwan tiu
(umgekehrte Zeichen), z. B. eine Hand ist rechts, verkehrt links, das Zeichen
fOr aufrecht ist umgekehrt .liegen*, das Zeichen für Mensch umgekehrt
.Leichnam' ; 5. kia-tsie (entlehnte Zeichen), z. B. schiek>ndes Auge für .weiss*,
keimende Pflanze für . geboren werden, wachsen* , zwei Muscheln . Kameraden*;
6. hin-4ih, Bilder und Lautzeichen, wonach den Bildern Zeichen beigegeben
wurden, welche nur die Aussprache bezeugen; die letzteren haben sich so
vermehrt, dass sie gegenwärtig *%o aller chinesischen Wortzeichen bilden,
da im Laufe der Zeit die Aussprache mehr in den Vordergrund trat
288
8. Die Schrift Ko-teu.
Unter Ko-teu oder Froschwürmerschrifl verstand man eine Schriftart,
deren Striche gewunden waren und Knoten bildeten, wie die Probe auf Tafel
IV, Nr. 8, zeigt; dieser Name wurde jedoch allen alten Schriften beigelegt,
welche keine besonderen Zierrathen hatten, und man kommt dadurch auf die
Vermuthung, dass überhaupt die Bilderschrift im Gegensatz zu den regel-
mässigen Strichen der Pa-kwa-Schrift diesen Namen, sowie den der Vogel-
spuren-Schrift (Tafel IV, Nr. 9) erhielt, etwa so wie man noch jetzt die Schrift-
formen in unserer Sprache spottweise «Krähenfüsse* nennt.
Gerade dieser Umstand beweist, wie wenig Anlage die Chinesen zu
einer Bilderschrift besassen, für sie war fOr ein Zeichen eine bestimmte Zahl
von Strichen in vorgeschriebenen Richtungen massgebend, ihre Kalligraphie
beschränkte sich wie die unsrige darauf, diese Striche zu schmücken, aber
die Bildform wurde ganz und gar vernachlässigt
Der Zufall hat uns ein Denkmal erhalten, ^^^ welches den Beweis für
die Richtigkeit dieser Anschauung liefert, nämlich die Inschrift des nach-
maligen Kaisers Yü aus dem Jahre 2278 vor Christi, also 372 Jahre nach
Thsan-ke. Von diesem Denkmal erzählen die alten Chroniken, dass, nach-
dem im 61. Jahre des Kaisers Yao (2278 vor Christo) die grossen Gewässer
grosse Verheerungen im Lande angerichtet halten, der Minister Yü die Flusse
in*s Meer abgeleitet und zum Andenken daran eine Inschrift in den Gipfel des
Berges Keu-leu-fun (in der Nähe von Peking) eingegraben habe; es war lange
Zeit verschollen, bis im Jahre 1208 nach Christi ein Holzhauerden gelehrten
§u dahin führte, der von den schon sehr verwitterten Zeichen eine Abschrift
nahm. Hiernach wurde von den chinesischen Archäologen auf Grundlage
alter Schriften eine Restauration dieser Schrift vorgenommen und der so
hergestellte Text auf dem Berge Yo-lu-§an eingegraben. Interessant ist eine
auf die Inschrift bezügliche Stelle aus dem Buche Kwan-yu-ki , weil dieselbe
eine Ähnlichkeit mit der Sage von den mosaischen Gesetztafeln hat: ,Yü
opferte auf dem T§en-§an und sah im Traume einen schönen Knaben von
dunkler Farbe, der auf einer weissen Wage blaues Wasser wog und zu ihm
sagte: Wenn du wünschest, dass ich eine kurze Schrift von der Ableitung der
Gewässer hierher setzen soll, so musst du selbst fasten. Yü vollbrachte also
ein dreitägiges Fasten und erhielt darauf eine goldene Schrift auf einer Tafel von
köstlichem Steine, welche das jetzige Denkmal des Yü ist. Alle Buchsta])en
lose hilft I HtfStaurirt | TSwan
^
1
«
I
0
f4
Uiri Der ehr-
würdige
yt GehilTen
(und)
/so die ihr
mirhdslcht
Verwaltung i
290
Ko-teu.
derselben sind Ko-teu.* Ob die chinesischen Paläographen die Inschrift
richtig restaurirt haben, ist natürlich eine Frage, welche sich jeder FrOfung
entzieht, der Text, den sie herausgelesen haben, stimmt mit der Oberlieferung
überein; in einem Gedichte aus den Zeiten der Sun heisst es aber: «Insecten-
züge und Yögelschriflen, unverständlich wie die Inschrift des heiligen Yü auf
dem Keu-leu. « ^^
Wir geben auf Seite 289 eine Probe der ersten Zeile dieser Inschrift
in alter, r^staurirter, Täwan-Schrift und jetziger (KyaT-) Schrift.
Von derselben Schriftart, wie die Yü-lnschrift ist die folgende von Pau-
Ihier veröffentlichte aus dem Jahre 2250 vor Christi. *®*
+i
tsün wei
±
iE i ''
isiü
a n
r i
I Zi
ywe
Es war nur der Tag tin
des Cyclus des ersten
Herbstmonats, welchen
der König als einen
glückbringenden
bestimmte.
M wan
im Gegensätze zu den einfachen Formen der Ku-wen haben wir hier
iuuter complicirte Figuren, z. B. Tag, der noch jetzt durch das einfache
Zeichen der Sonne ausgedrückt wird, besteht in der Inschrift aus den Zeichen
für Sonne und Mond, zwischen denen sich noch eine Figur befindet. Das
Wort tcei bedeutet ursprünglich .beschauen, genau genommen' und in Folge
dessen «nur* ; das Zeichen für Mond zeigt keine Spur von der gebräuchlichen
Figur, dagegen scheint die Figur für /tn, welches einen Nagel bedeutet, etwas
Durchbohrendes darzustellen.
Der groteske Charakter dieser Formen erinnert sehr an die Inschriften,
welche sich auf den Felswänden Sibiriens finden. Solche Inschriften findet
man in Gross-Perm, unweit der Stadt Tzerdyn, auf Felsen mit rother Farbe
eingebrannt oder geschrieben. Der Fluss geht so dicht unter den Felsen,
welche öfters so jäh und glatt wie weisse Mauern und hoch wie Kirchthürme
emporragen, und die Figuren sind so in der Mitte derselben angebracht dass
Sibiriflcbe FeUeninachrUlaa.
S92 TSwan-ScHrift
man nicht begreift, wie sie dzhm kommen konnten, hn Sommer konnteo
keine Leitern angesetzt werden, da das Wasser hier tiefer als am andern Ufer
ist, und im Winter verhinderten die schreckliche Kälte mid der oft neun Mana
hohe Schnee das Eingraben; die Arbeiter musslen sich also von oben herab*
gelassen haben, oder von unten mittelst Einschlagen von Keilen hinaufgeklettert
sein, in der Weise wie Alexander den Felsen von Sogdianum stürmen liess.
Die Zeichen sind eine Viertel Elle lang, etliche auch kleiner; wir geben aul
umstehender Seite einige Proben davon.
Das erste Bild links zeigt einen Mann und eine Frau, unter dem Manne
ein Drache, unter der Frau ein Thier, welches eine Spinne oder ein Scorpion
ist, es sind jedenfalls die Symbole von Himmel und Erde. In der zweiten
Figur rechts sieht man eine achttheilige Windrose, in der Mitte ein Zeichen,
welches Zaun oder Ackerland bedeutet, unten rechts drei Berggipfel, perso-
nificirt als heilige Personen. Die übrigen Zeichen sind zu dunkel, um auch
nur Vermuthungen zuzulassen.
Jedenfalls war es nur der religiöse Eifer, welcher unzugängliche Stellen
wie die erwähnten aufsuchte, um unauslöschliche Denkmäler zu errichten.
Vielleicht war hier ein Wallfahrtsort, und an dem Ufer des Flusses lag einst
eine nun spurlos verschwundene Stadt, welche den Cultus dieser Gottheiten
pflegte.
4. Die T§wan-Schrift. (Tafel V, 1.)
Die Complicirtheit der alten Schriftformen musste, da sie nicht auf
bestimmten Gesetzen beruhte, in dem weitausgedehnten Reiche eine Schrift-
zersplitterung erzeugen, welche das Lesen sehr erschwerte und Missver-
ständnisse hervorrief. Daher scheint die Nachricht glaubwürdig, dass der
Kaiser Syuan-wan (827 bis 78 1 vor Christo) den Reichshistoriker Täeu beauf-
tragt habe, mit seinen (Sehilfen an eine Sichtung und Vereinfachung des
Schriflbestandes zu gehen. Diese Männer ordneten die Schriftbilder in 15
Reihen und suchten die Schrift durch Abwerfen überflüssiger Zierrathen
leichter und fliessender zu machen; der Kaiser liess dann die Vorlagen von
anderen Gelehrten prüfen und, was dergestalt gesammelt und festgesetzt war,
in Marmorsäulen zur allgemeinen Nachahmung eingraben.
Der NameTäwan wird durch »Rohrschrift* erklärt (^T ^Bambus);
Pfitzniaier giebt aber eine andere Erklärung: ^Das grosse TSwan ist von dem
TSwan. 893
Yermericer (Historiographen) Täeu, dem grossen Vernierker des Königs Syuen
▼on TSeu, erfunden worden. Einige sagen, die Vermerker an dem Fusse der
Pfeiler (so heisst der aufwartende Vermerker) hätten zuerst die alte Schrift
▼erändert. Einiges hätte übereingestimmt, Einiges wäre verschieden gewesen.
Man nannte es das TSwan. ^b^ tbtcan (oder t^uen) ist so viel als 1 £ tSuxm
vQberliefem*. Man überlieferte die Ordnung der Dinge und verbreitete sie
ohne Ende*. Eine ähnliche Erklärung gibt Pfitzmaier von dem Worte äu
9 Schrift". Er sagt .in den erklärten Namen ist !^ Sü .schreiben* so viel
als f-H SU .alle*. Man legt aUe Dinge dar. Es besagt auch ^^ tSü .über-
tragen*. Man überträgt in die Hefte der Schrifttafeln und es wird in Ewigkeit
nicht vertilgt. ■ *«>«
Was uns von der TSwan-Schrift vorliegt, lässt vermuthen , dass die
Schriftreform des TSeu eine Rückkehr zu dem alten Ku-wen des Thsan-ke
war. In den dem T§eu speciell zugeschriebenen Ta-t§wan oder grossen
T$wan haben die Zeichen .hören, t (Ursache) und fu Vater" folgendes
Aussehen;
^^6^
Die Schriftkünstelei begnügte sich aber nicht mit diesen einfachen
Formen und suchte Verzierungen anzubringen, wo es möglich war. So ent-
stand eine Reihe von Spielarten, welche aber keine höhere Bedeutung haben
ab die Zierschriften, welche Schreibkünstler, Lithographen und Stempel-
schneider für Buchdruckereien aus unseren alphabetischen Zeichen geschaffen
haben. Wir haben eine Anzahl derselben auf Tafel iV zusammengestellt und
theilen nur hier mit, wie sie heissen, und was über ihren Ursprung bekannt
ist,**' sie führen sämmtlich den Zusatz TSwan oder §u, welche Wörter oben
erklärt sind:
1. T^-tse^tSican^ d. h. »wunderbare Schrift'. Sie ist eine mehr aus-
geschweifte Form der Ta-tSwan.
2. Fan-iU'tSicah, d. h« Zeichen der Inschriften auf Grabsteinen und
Heirathscontracten * . Sie soll zu Zeiten der T§eu von Moi-2in erfunden sein,
sie zeichnet sich durch ihren eckigen Charakter aus.
3. San-fan'ta^tiu'an, d. h. .Schrift der erhabenen Orte'. Ihr Erfinder
bt unbekannt; sie hat eine grosse Ähnlichkeit mit jener, welche man TSen,
4L h. .paarweise Zeichen' nennt In dieser ächiüt sind die Striche gcDroriitu
TaM4.
iA
2
M I/i
10
n
!3
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I
1!
A^ 3)\ H
;4
8
Chinesische Schrift-Spielarten.
>
iC v\\ .
— Lj
S94 Erklärang der Schriftarten auf Tafel IV.
und eckig gestaltet, man benützt sie noch gegenwärtig zu Titeln von Bucheni.
Auf Tafel Y, 2 ist eine grössere Probe dieser Schrift gegeben.
4. Swi-äu-iSwan, d. h. 9 Ahrenschrift*. Die Buchstaben laufen unten in
Ährenform aus.
5. T^oati-sur^täwan, d. h. sStemschrift*. Die Zeichen sind an einzelneD
Stellen mit Knöpfen in Form von Sternen verziert.
6. Tao-J^fai'tswan, d. h. .Hyaiblattschrift*. Die Pflanze Hyai ist der
wilde Knoblauch; die Schrift soll aus den Zeiten der San 1766 Tor Christo
herrühren; die Striche sind ausgeschweift in Form der Blätter knoblaucli-
artiger Gewächse.
7. Lun-UaO'täwcM, d. h. .Drachenkrallenschrift'. Die Striche haben
Verzierungen in Form von Krallen.
8. Ko-teu-su, d.h. , Kaulquappenschrift'. Nach Einigen soll sie von
Thsan-ke herrühren in Folge eines Missverständnisses, welches oben erläu-
tert wurde; der Bonze §e-t§e schreibt sie dem Kao-yan-Se 2514 vor Christo
zu ; nach Wei-sin weiss man nicht, zu welcher Zeit sie entstanden ist, und
diess dürfte das Richtigste sein.
9. Nyao-ki-tStoan, d. h. .Vogelspurenschrift*. Im Su-täwan wird sie
dem Thsan-ke zugeschrieben, wahrscheinlich in Folge des oben bei der
Ko-teu-Schrift erörterten Missverständnisses. Die Schrift zeigt gar keine Ähn-
lichkeit mit Vogelspuren, sondern ist nur eine gröbere Form der Ta-t§wan.
10. Lin-äu, d.h. .Thierkönigsschrift', d. L das Einhorn, dessen
Männchen hi, dessen Weibchen Un heisst es zeigt eine gute Vorbedeutung
an ; die Form der Schrift zeigt eher eine Schlangen- oder Eidechsen- Art.
1 1. Xyao-m, d. h. , Vogelschrift'. Soll von dem Gründer der Dynastie
Tseii herstammen; die Striche der Zeichen haben Vogelköpfe.
12. Lwan-faii-thoan, d. h. .Phönixschrift'. Die Striche sollen den
Phönix darstellen, wenn er seine Flügel zusammenlegt, um sich niederzu-
lassen; die Schrift wird wohl mit grossem Unrecht auf das Jahr 2506 vor
Christo zurückgeführt.
13. Luh'Uwan, d. h. .Drachenschrift*, stellt Schlangen vor; sie wird
gar auf die Zeit des Fo-hi zurückgeführt, jedenfalls aus Missverständniss,
weil Fo-hi der Drachengott oder Drachenpriester war.
14. Kwi'äu, d.h. .Schildkrötenschrift'. Wird auf die Zeiten des Hoan-ti
2698 vor Christo oder auf Tao*tan-§e 235S vor Christo zurückgeführt; auch
I
I.
TaM4.
r
ii
I
iA
10
^
n
13
Iß
A^ 2}\ H
4 >.
14
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Chinesisch« Schrifr-Spielarten.
Erklärung der SchrilUrten auf Tafel IV. 205
hier liegt ein Missverständniss vor, denn die Streifen der Schildkröte, aus
denen die Schriftzeichen entnommen wurden, sind, wie wir an der mongo-
lischen Schildkröte gesehen haben, die Himmelsrichttmgen; die vorliegende
Schrift ist aber nichts Anderes als die Tlwan-Schrift, deren Striche durch
Schildkröten ersetzt sind.
15. Sten-tSe^iSwan, d. h. , Scherenschrift'. Soll zu den Zeiten der
Dynastie Han erfunden worden sein, es ist eine schöne Schrift, deren Striche
in Scherenform auslaufen.
16. Fei-pe-äUj d. h. , Schrift des weissen Flugs*. Sie ist ebenfalls zu
den Zeiten der spätem Han von Tsai-yun erfunden. , Ursprünglich gebrauchte
man sie in den Palästen und Vorhallen zu Aufschriften der verschlossenen
Abtheilungen. Da ihre Striche gewaltig und gross sind, sollen die Schrift-
zeichen leicht, unscheinbar und nicht voll sein. ' (Pfitzmaier.)
Es geht aus diesen Bemerkungen hervor, dass die chinesischen Paläo-
graphen wenig Zuverlässigkeit besitzen und sich handgreiflicher Irrthümer
schuldig machen. Alle diese Schriften beruhen auf der Täwanform; wenn
einige aus der Zeit herstammen, wo diese Schrift nicht mehr allgemein im
Gebrauche war, so erklärt sich diess daraus, dass die TSwan-Schrift auch nach
der Einführung modemer Schriften im Clebrauche blieb und noch jetzt zu
Titeln von Büchem verwendet wird, wie etwa die gothische Mönchsschrift
sich bei den Buchdruckem zu gleichem Zwecke im Gebrauche erhalten hat.
Durch die Schriftreform des TSeu war eine kanonische Schrift geschaffen,
welche den Regierungsbehörden als Gesetz galt, sie hat diese Bedeutung bis
in die jetzige Zeit erhalten, und der Herausgeber des zweitausend Jahre alten
Wörterbuches Swe-wen sagt mit Recht: «Ohne Kenntniss der Schriftzeichen
kmn man nicht in das Herz der Weisen sehen (in ihren Geist eindringen),
ohne das Täwan kann der Sinn der Schriftzeichen nicht ergründet werden*.
Und alle jetzigen Forscher auf dem Gebiete der chinesischen Sprache und
Schrift werden diess unterschreiben.
Dennoch zeigt auch diese Schrift kein einheitliches Gepräge. Vergleicht
man die Muster auf Tafel IV, so findet man die Thür in «hören* in der 1.»
5., 6., 9. und 16. Schrift durch andere Figuren ersetzt, in der 4. und 11.
Schrift sogar durch einen Stem; dem Zeichen für t ist in den meisten dieser
Schriften ein anderes Zeichen beigegeben, welches ein Mensch zu sein scheint ;
auch dem Zeichen für Vater ist in einzelnen Schriften (i., 9., 11., 12., 13.,
296 TSwan.
16.) ein anderes Zeichen beigegeben. Bei anderen Schriftbildern tritt diese
Verschiedenheit noch mehr hervor; so findet man das Schriftbild für kia
Familie, jetzt ^f^, wo man noch nicht weiss, ob es , Schwein unter Dach'
oder »Menschen unter Dach* bedeutet (in der Yü-Inschrifl ist es ^ Sohn
unter Dach) in vielerlei verschiedener Formen dargestellt, wobei wir nur die
charakteristischen hervorheben:*®*
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rfi\rtir^itl(Iir%\m(^falf^f?1(^fKl(fl
Mit der TSwan- Schrift schrieb auch der berühmte Philosoph Kuü-tsei
später Kung-fu-tse »König der Lehrer" genannt, welcher von 550—479 vor
Christo lebte, seine Werke, welche den Grund zu der jetzigen philosophischen
Religion der chinesischen Gelehrten legten; auch er erklärte eine Änderung
in der Form der Schriflzüge für eine der wichtigsten Regierungs-Angelegen-
heiten des Reiches, weshalb eine Abänderung oder Verbesserung Niemandem
als dem Kaiser gestattet sein solle.
Aber China war zu jener Zeit in mächtig gewordene Unterfürstenthümer
zerfallen, welche dem Kaiser mehr oder weniger unabhängig gegenüberstanden,
und erst dem Kaiser Tsin-§i-Hoafi-ti (246 — 209 vor Christo) gelang es, der
Unterfursten völlig Herr zu werden und die Kaiserhoheit zu ehemaligem
Glänze zu bringen. Er beauftragte nun seinen Rath Li-se, Ordnung in die
Schriften zu bringen, dieser stellte in Folge dessen eine Schrift her, welche
Syao-tSwan, d.h. das, kleine TSwan hiess. Pfitzmaier sagt darüber: ,Das
kleine TSwan ist durch Li-se, den Reichsgehilfen von Tsin, hergestellt wor-
den. Er vermehrte und verringerte das grosse Täwan. Es war von dem
Schriflschmucke TSeu's theils verschieden, theils stimmte es mit ihm überein.
Man nannte es: das kleine TSwan. Es heisst auch das TSwan von Thsin.*
Wir geben hier als Probe dieselben Schriftbilder, welche wir als Probe des
grossen TSwan gegeben haben:
/^(3^
Die Hauptarbeit Li-se's scheint sich mehr auf die Orthographie als auf die
Form der Zeichen bezogen zu haben, d. h. auf die genaue Bestimmung, aus
welchen Elementen jedes Wortbild bestehen solle; die Zahl der damaligen
geprüften Wortbilder soll 9353, nach andern 10.500 betragen haben. ^^'
U 297
Aber die Durchführung dieser neuen Orthographie war so schwierig, das
Hangen an dem Hergebrachten und an localcn Eigenthümlichkeiten so gross,
d.iss Li-se dem Kaiser zur Durchführung der neuen Reform eine Gewalt-
luassregel, nftmlich die Verbrennung der Bücher, empfahl; vielleicht waren
auch politische und dynastische Gründe massgebend, welche die Verlöschung
der Vergangenheit empfahlen — eines aber ist jedenfalls ausgeschlossen, das
ist die Vermuthung, Li-se habe die Verbrennung der Bücher aus Eitelkeit
empfohlen, um seinen Schriflzug zur Geltung zu bringen, denn dieser Ver-
muthung widersprechen zwei Thatsachen: erstens der Umstand, dass die
Bücher, welche vom Ackerbau, von der Musik, der Heilkunst, der Slern-
sf'herei, dem wahrsagenden Losen und von den Thaten des Herrscherhauses
Tlisin handelten, sowie Lao-lse's Tao-te-kiÄ und das I-kin, von der Ver-
brennung ausgenommen waren, zweitens, dass Li-se das Aufkommen einer
andern Schrift, von welcher wir jetzt sprechen wollen, nicht behindert, son*
dem sogar gefordert zu haben scheint.
6. Die Li-Schrift. (Tafel V, 3.)
Cber die Entstehung derselben wird Folgendes berichtet: «Die Schrift
der Zugesellten (U oder Beamten) ist von dem zu den Zeiten Thsin lebenden
Menschen T§in-mo aus Hya-kwei erfunden worden. Mo fülirte den Jünglings-
namen Twen-tsin. Er war anfänglich ein Angestellter des Gefängnisses des
Districts und machte sich eines Verbrechens schuldig. Der Kaiser des Anfangs
Hess ihn in dem Ge^gnisse von Yün-yan einschliessen und binden. Jener
dachte durch zehn Jahre tief nach. Er vermehrte das Viereckige und Runde
des kleinen TSwan und bildete dreitausend Zeichen der Schrift der Zugesellten.
Er meldete dieses an dem Hofe. Der Kaiser des Anfangs fand die Schrift gut.
Er verwendete Jenen und ernannte ihn zum kaiserlichen Vermerker. Weil
die ftir den Hof bestimmten Meldungen sehr zahlreich und die Zeichen des
T»wan schwer zu bilden waren, bediente man sich der Schrift Li. Die zuge-
sellten Menschen halfen schreiben. Deswegen sagte man: die Schrift der
Ziipesellten. ■ "<>
Diese Schrift ist ofTenbar das Product eines neuen Schreibmateiials, des
F^insels, der um diese Zeit von Muii-tian, einem Feldhcrm des Kaisers Si*
hoan-li erfunden wurde, als er die grosse chinesische Mauer wider die
Tataren erbaute und dieReidiSgrenze hütete. Dass die Entilcc kling des Pinsels
298 Thsao.
an der Reichsgrenze gemacht wurde, legt allerdings die Vermuthimg nahe,
dass der Pinsel bei einem benachbarten Volke im Gebrauche war uad von
Muh-tian nur eingeführt wurde. Sei dem wie ihm wolle, der Pinsel an Stelle
des Rohrstäbchens oder der Rohrfeder musste eine flQchtigere, wenn auch
eck'ge Schrift erzeugen. Hierauf folgte die Erfindung des Papiers im 2. oder
1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (nachdem die Ägypter es schon
Jahrtausende lang kannten) , und damit war einem weitern Portschritt der
Schrift der Weg geebnet
6. Die Thsao-Schrift. (Tafel V, 4.)
Diese Schrift, welche zu deutsch «Pflanzenschrift* heisst, ist die cur-
sivste Form der chinesischen Schrift, eine Art Schnellschrift. Es heisst darüber
in chinesischen Quellen: ,Die Entstehung der Pfiianzenschrifl fallt in das
nahe Alterthum. Nach oben ist sie nicht von den Bildern des Himmels
herabgelassen worden. Nach unten ist sie nicht von dem Flusse und dem
Lo ausgeworfen worden. In der Mitte ist sie nicht von höchstweisen Menschen
erfunden worden. Gegen das Ende von Thsin war nämlich das Schreiben
der Obrigkeit mühselig und flüchtig, Kämpfe und Überfälle erfolgten; in dem
Kriegsheere schrieb man, indem man vereint einherjagte, die gefiederten
Holztafeln flogen vereint umher. Deswegen war der Geist der Schrift der
Zugetheilten und der Pflanzenschrift nur Eile und Schnelligkeit. Man zeigte
hindeutend auf die Leichtigkeit der Schrifttafeln, es war nicht die Beschäf-
tigung höchstweiser Menschen. Diejenigen, welche in der gegenwärtigen Zeit
die Pflanzenschrift lernen, denken nicht an das Absichtliche der Leichtigkeit
der Schrifttafeln, sie meinen geradezu, dass die Schrift der Männer der Cie-
scMechter Tu und Thsin auf den Drachen und Schildkröten sichtbar geworden.
Ehe sie noch die Milchzähne verloren haben, nehmen sie es vorläufig auf
sich und gehen über zum Lernen. Sie lassen fallen Thsaö-ke und den Ver-
merker Täeu. Zuletzt halten sie die Männer der Geschlechter Tu und Thsiü
für Muster. Eigenthümliche Schriften werden ihnen gegeben, die gemeinen
werden allein ausgebildet Man sagt, weil sie Drang und Eile haben, des-
wegen erreichen sie nicht die Pflanzenschrift Die Pflanzenschrift war
ursprünglich leicht herzustellen und schnell. Jetzt ist sie im Gegentheil
schwer herzustellen und langsam. Der Zweck ward verfehlt in vielfacher
sieht-. "^
Kvai. 29^
Die Geringschätzung, mit welcher hier von der Pflanzenschrift gespro-
chen wird, hat ihren Grund in der Verwischung der Charaktere, welche
gewissermassen die Etymologie der Wörter bilden und deren Erkenntniss das
AufTassen schwieriger und seltener vorkommender Wörter erleichtert. Daher
hat sich die Pflanzenschrift nur in BQchem leichter Gattung, in Romane»
und im täglichen Briefverkehr erhalten können, fOr wissenschaftliche Werke
kam sie nicht zur Anwendung und ebensowenig im amtlichen Verkehr,
Dagegen ist sie in Japan die Grundlage einer vielgebrauchten Schrift, der
Firakanna (S. 310), geworden, weil die japanische Schrift eine Silbenschrift
ist und daher kurze und flüchtige SchrützQge viel besser verträgt
7. Die Kyai-Schrift. (Tafel V, 5 und 6.)
Wie bereits erwähnt, genügte die Pflanzenschrift nicht für das wissen*
schaftliche Bedürfniss, welches gern wieder zur TSwan-Schrift zurückgriff,.
um den Wortzeichen einen sprechenden Ausdruck zu verleihen. Die An-
wendung des Pinsels und des Papiers bedingte jedoch eine neue Schnflform,
und so entstand allmählich (denn ein Erfinder wird nicht genannt) im 4. Jahr-
hundert die Kyai-, d. h. Musterschrift, welche sich bis jetzt im Gebrauche
erhalten hat. Die Entstehung dieser Schrift lässt sich an der auf Tafel V
gegebenen Probe verfolgen, wenn man das TSwan mit dem Li und dem Kya>
vergleicht. Tafel V zeigt zwar zwei Kyai- Schriften, nämlich das Sun-pan
(Tafel V, 5) und das Hifi-§u (Tafel V, 6). Das letztere ist eine cursivere
Form des erstem, welches durch den Holztafeldruck eine gleichmässigere
Form bewahrt hat als das mit dem Pinsel hergestellte HiA-äu.
Die chinesische Schrift wird von oben nach abwärts und in Zeilen
geschrieben, welche von rechts nach Imks laufen, der Text der Tafel V ist
daher in folgender Weise zu lesen:
Zweite Zeile:
Erste Zeile:
1 durch
sml
oben
Su Schrift )
V
li schwarz \
pe hundert
Schrift
ku
kye
sen
AUerthum
knüpfen i , . ^
> Knotenschrift
Schnur )
kwan Beamte
r
und
1 damit
tu
regieren
tu regieren
httt
nach
300 Erklärung der Schrift- und Spraubprobe auf Tafel V.
Zweite Zeile: (Fortsetzung) Erste Zeile:
ivan zehntausend Si Geschlecht
min Volk ^in heilig
t damit zin Mensch
si prüfen, unterrichten i verwandeln, ersetzen
t^ sie
Die chinesische Sprache reiht Stamm an Stamm, Flexionen kennt sie
nicht, ob der Stamm Substantiv, Adjectiv, Verbiun, Adverb oder Conjunction
ist, lehrt nur seine Stellung im Satze, wonach das Adjectivum dem Sub-
stantiv vorausgeht, das Verbum demselben nachfolgt und die Partikel den Satz
beginnt oder schliesst. Daher ist san ,oben*, Adjectiv; ku «alt*, Subject:
Alterthum, beide bedeuten demnach .im höchsten Alterthum* (in den ältesten
Zeiten); kye-äen , Knotenknüpfen * ist hier Verbum; f ist Verbindungspartikel;
bei täi , regieren* ist zu ergänzen , damit* ; heu ,nach*, ursprünglich «Hinter-
theil*, bedeutet die folgende Zeit, unser .hiemach*, H .Geschlecht* ist hier
im Plural aufzufassen, beide Wörter sind zu übersetzen .die folgenden Genera-
tionen*; Hn bedeutet die höchste Weisheit und sittliche Reinheit, der Aus-
druck .heiliger Mensch* wird auf Fo-hi bezogen, es bedeutet aber überhaupt
ein Priestergeschlecht und dürfte richtiger sich auf Thsan-ke beziehen, welcher
die Bilderschrift in China einführte; t ist hier Verbiun; tu ist eine rück-
bezügliche Partikel; das folgende t ist Partikel, ursprünglich bedeutete es
.Ursache*, indem es sich aber auf .verwandeln* oder .ersetzen* und Schrift
bezieht, ist es mit .durch* zu übersetzen; iu^U ist eine Zusammensetzung,
welche dem Worte äu einen allgemeinen Begriff giebt; pe .hundert* und wan
.zehntausend* sind hier nicht Ordinalzahlen, sondern drücken eine Allge-
meinheit aus, wie wir sagen würden .Himderte von Beamten, Tausende von
Leuten*. Die Stelle heisst also:
. Im hohen Alterthum bediente man sich der geknüpften Schnüre für die
.Leitung der Geschäfte, während der folgenden Generationen ersetzte
.sie der heilige Mann durch die Schrift; alle Beamte verwenden sie zur
.Leitung der Geschäfte, das ganze Volk wird darin unterrichtet*
Es geht hieraus hervor, dass die chinesische Sprache an Deutlichkeit
manches zu wünschen übrig lässt; es galt in alter Zeit bei den Chinesen der
Grundsatz: .vorher reiflich überlegen, was man schreiben will, und dann den
Gedanken kurz ausdrücken*, daher muss auch der Leser sorgsam darüber
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Entwicklung der chinesischen Schrift 301
nachdenken, was gemeint ist, und möglicherweise kann er den Sinn missrer-
stehen; in Folge dessen sind die alten Uberliefenmgen schwer xu deuten. Dass
auch die jüngere Schrillstellerei nicht besonders klar ist, davon liefert die
Polemik des Stanislas Julien gegen Pauthier ergötzliche Beweise. ^^' Diese
beiden französischen Gelehrten hatten ein chinesisches Reiseweik, welches
Ton hidien handelte, übersetzt und Julien corrigirt die Übersetzung seines
Vorgängers in folgender Weise:
Pauthier: Jetzt, zufolge einer genauen und passenden Aussprache,
nennt man es In-tu.
Julien: Heute ist es, einer genauen Aussprache gemäss, passend,
in-tn zu sagen.
Pauthier: Andere haben nur Kleider, welche die Form des Thaues
(ros^) haben.
Julien: Einige tragen keine Kleider und gehen nackt.
Pauthier: Die Menschen sind diesen Läppereien sehr ergeben.
Julien: Es giebt viele Menschen, welche blossfQssig gehen.
Pauthier: Sie zieren ihre Nasen mit grossen herabhängenden Ringen.
Julien: Sie haben eine lange Nase und grosse Augen etc. etc.
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung der Kyai-
Schrift, so wird das erste Zeichen erklärt als aus * .oben* entstanden,
die TSwanform ^ lässt aber vermuthen, dass neben — £— noch ein anderes
2^ichen für .oben' bestand, ähnlich dem Zeichen \j^ tSi .aufrecht*, dessen
einfachere Form J^ san .oben* ist. ^ ku .Alterthum" wird erklärt als
-t* .zehn" und .Mund* (was durch zehn Mäuler geht), es dürfte aber eher
die Zunge des Mundes sein, wie das hebräische *xsnp qadmom .das Vordere,
die Vorzeit* oder eine Pflanze wie das ägyptische ^ (w im Sinne von jT tr
Reife, Ausfallen der Körner (Ausfallen der Haare), schimmelig werden (wie
man vom .grauen* Alterlhum spricht); der halbrunde untere Theil des
TSwanzeichens ist im Kyai viereckig geworden. JK ist die Quaste, welche
im Kyai j^ in einzelne Striche aufgelöst ist ^ ist zusammengesetzt aus J.
.Erde* und p .Mund* und bedeutet .Glück*, in Verbindung mit der
Quaste deutet es auf den Grebrauch der Knoten als Schrift hin ; 9k ist das
Zeichen ftlr .Frösche*, ^ dasselbe, nur viereckig; ^V T »und* soll
ursprünglich ein Backenbart gewesen sein, es ist jedenfalls etwas Cinschlies-
•endes, Vereinigendes, wie Pjn. Das Zeichen für .regieren* entliäll das
302 Entwicklung der chinesischen Schrill
Zeichen des Wassers , wie wir schon bei einer frühem Gelegenheil auf die
Ähnlichkeit von ^otir^mer «regieren* und ^otirentai/. Steuerruder* hingewiesen
haben; doch könnte das Zeichen fOr Wasser Iff auch die ,IIand*, T§wan
Jp , sein; das Zeichen ^J kommt entweder von dem vorigen oder von ^,
^'ie die Li-Schrift zeigt; das Zeichen ^ , Kyai K , dürfte eine mäandrische
Figur sein, der Ausfluss, der Quell, in Folge dessen die Ursache u. s. w. ^^
, nach * besteht aus dem Knoten oder der Quaste, dem Zeichen fQr . Finstemiss * ,
und «gehen*, das letztere ^ erinnert an das hierogiyphische ff, und dem
entsprechend scheint ^ das Kyai "Jj^^ .führen* zu sein, während ^ auch
im TSwan sonst als ^ voriLommt, dem Sinne schliesst sich .nach* als
.folgen* an; ^ Si .Geschlecht* wird als dreimal zehn erklärt, mir scheint
-es ein Baum zu sein, der Zweige treibt, es kon[m:it hn TSwan auch als i?X
vor und war dann das ägyptische K], hebräisch fj^K eieph .tausend, Familie,
Stamm*; das Zeichen für .heilig* besteht aus .Ohr* und ,Mund*. der untere
Theil scheint ein Wassergefass, das Symbol der Reinheit zu sein; das Zeichen
für Mensch stinmit im TSwan mit dem hieratischen ^ (# Kopf) überein, das
Kyai stellt es wie zwei Füsse in schreitender Bewegung dar (man vergleiche
jI = y^ i» eingehen und A ün Mensch), demnach war der Mensch der
Zweibeinige; das Zeichen fQr % .verwandeln* ist mir unklar, es hat Ähn-
lichkeit mit einem Vogel oder sonstigen Thier; ^ ist die junge Pflanze,
^aher tu so viel wie .hervorgehen, entstehen*, es ist möglich, dass diese
Form zu ^ wurde, da es sich aber als \XX thse .Pflanzenkeim* und in
H! tShu y herauskommen* erhalten hat, so liegt die Vermuthung nahe,
dass 2^ ^^ anderes Vorbild hatte, etwa wie das ägyptische ^^ 8 .die
Schlange*, welche ebenfalls diese Grundbedeutung hat; dass das Kyai nicht
immer die TSwanzeichen rein und lauter nachahmte, beweisen die TSwan-
form ^ und ^^ , denen die einzige Kyaiform ^1 gegenübersteht, letztere
ist offenbar das zusammengesetzte Zeichen, bestehend aus k und ^^; das
Zeichen für Schrift ist ein Pinsel und ein Tintenfass, oder eine Rohrfeder,
ilhnlich dem ägyptischen fal <ni .schreiben*; es wäre möglich, dass man
das Zeichen ^ (eine Hand mit einem Holz, ähnlich A Knochen) für den
Pinsel gebrauchte, als dieser aulkam; ^ min .Volk* scheint ähnlich S
Jähin .Unterthan* zu sein. Es dürilte aus diesem schwachen Versuche einer
Erklärung hervorgehen, dass die chinesische Schrift eine werthvolle Fund-
grube für das Verständniss der BegrifTsent^icklung ist, und es wäre nur zu
Veiinehrung und Sammlung der Zeichen. 303
wOnscheu, dass die Analyse dieser Schrifl noch mehr fortgeführt würde,
nach Art der dankenswerthen Andeutungen, welche Schott in seiner chine-
sischen Giximinatik gegeben hat.
Die Vemvendung des Pinsels und des billigen Papiers hatte jedenfalls
eine grosse Ausdehnung des Schreibgeschäftes, eine Vermehrung des Wissens
und in Folge dessen des Wortschatzes zur Folge. Während das von Hyu-§in
unter dem Titel .Verständige Deutung der einfachen und abgeleiteten Zeichen*
um das Jahr 100 Yerfasste Wörterbuch nur 9353 Zeichen erörterte, hatte
das Ton TsiA-tsyao im 5. Jahrhundert zusammengestellte schon 24.000
Zeichen, denn im Jahre 453 sollen allein über tausend neue Zeichen aufge-
stellt worden sein. Eine Fülle von neuen Begriffen mag mit dem Buddhismus
nach China gekommen sein, der den Chinesen, welche keine Fremdwörter
annahmen, Anlass zur Erweiterung ihrer Sprache und Schrift gab, indem sie
einem Wortzeichen ein BegrifTszeichen einschoben und dadurch den frühem
Begriff, wohl auch den frühem Laut modificirten. Auch die Erfindung des
Bücherdrucks mittelst Holztafeln im 6. Jahrhundert trug zur Vermehrung von
Sprache und Schrift bei, da durch den billigen Bücherdruck die an einem
Orte aufgestellten Schriftzeichen bald in den übrigen Theilen des Reiches
bekannt wurden. So wuchs die Zahl der Wortbilder allmählich bis über CO.OOO
an, von denen jedoch viele veraltet, d. h. in der Gegenwart nicht mehr ange-
wendet sind und nur in älteren Büchern vorkommen. Das unter dem Kaiser
KaA-hi 1716 veröffentlichte Wörterbuch Tse-tyan (Gesetz der Zeichen),
welches gegenwärtig noch für alle amtlichen Schriften massgebend ist, ent-
hält 42.000 erklärte Schriftzeichen, umfasst aber nicht alle Ausdrücke fttr
Schöngeistiges und für die Kunstsprache der Gewerbe. Diesen Zeichen stehen
in der lebendigen Sprache 450 Lautverbindungen gegenüber, welche indessen
durch verschiedene Tonhöhe vervielfältigt werden; wo auch diese Verstän-
digung nicht ausreicht, greift auch der Chinese zu demselben Mittel, welches
unsere vielsilbigen Wörter schuf, er fügt dem Worte ein erklärendes bei, wie
er in der Schrift dem Laute ein erklärendes Zeichen beigefügt hat.
Die grosse Zahl der Schi-iftzeichen übersichtlich zu ordnen, bot von
jeher Schwierigkeiten. In alter Zeit sollen die Zeichen (zuerst von Pao 1078
vor Christo) in jenen sechs Abtheilungen geordnet sein, die man auf TlisaA-ke
xurflckführt und welche wir bei der Ku*wen-Schrift besprochen haben; später
wurden die Zeichen nach Materien geordnet. Hyu-äin stellte 100 nach Christo
304 Verschiedenheit der Aussprache.
540 Stammzeichen oder Glassenhäupter auf, als deren Abzweigungen die
öbrigen Zeichen betrachtet wurden; gegenwärtig nunmt man 214 Glassen-
häupter an, welche zuerst von Mei-tan in seinem 1615 beendigten Wörter-
buche aufgestellt wurden. Diese Eintheilung ist zwar nicht streng etymolo-
gisch, da Urtypen, wenn nicht eine Zahl anderer Yon ihnen abgeleitet waren,
als abgeleitet unter Glassenhäupter geschoben wurden, aber sie gestattet
wegen der geringen Zahl Yon Glassenhäuptem ein leichteres Aufsuchen der
Wörter in den Wörterbüchern. Aus diesem Grunde muss man darüber hin-
wegsehen, dass "/ ya , Gabel' unter dem Glassenhaupte | , 3t tsik
«Brunnen* unter dem Glassenhaupte JZZ^ zu suchen ist u. s. w.
Die chinesische Schrift dient als allgemeines Verkehrsmittel in den
weiten Provinzen dieses grossen Reiches und wird auch in Japan und Anam
gebraucht; es ist natürlich, dass sie in den Terschiedenen Ländern in ver-
schiedenen Dialecten gelesen wird, wie etwa das Latein in Deutschland
anders ausgesprochen wii*d als in Frankreich und England ; z. B.
Beamtensprache Ganton Nin-po Fo-kyen Japan Anam
•^F Himmel thjeti thin thw, ihyen ihyen fen ihtjen
gH Reich kivo kwok kok, kwok kok kok hüok
Q Sonne £i yat nih, nyeh £it fiitsi ithiU
yT Schriflschmuck wen man txm, wan bün man van u. s. w.
Die Erlernung der Schrift in der Jugend geschieht nach Art unserer
F*ibeln, die Chinesen besitzen Elementarbücher wie das von Julien veröffentlichte
^Buch der tausend Worte', in denen die elementaren Kenntnisse zugleich mit
den Zeichen gelernt werden ; im Grunde genommen sind die chinesischen Kin-
der nicht schlimmer daran als unsere, die Wörter lesen, die sie nicht verstehen.
Nur in Bezug auf die Wiedergabe fremder Namen ist die chinesische
Worlschrift unbehilflich, zumal ihr auch die Laute h d g r mangeln; Frank-
reich wird durch fa-lan-si-ktco (kwo ist Reich) wiedergegeben, und in dem
erwähnten von Julien übersetzten Reisewerke ist es vorgekonmien, dass der
chinesische Autor es vorzog, eine Stadt begrifflich statt lautlich wiederzugeben.
Julien fand nämlich eine Stadt Se-wei verzeichnet, die sich auf keiner Karte
findet. Er war in Verlegenheit, bis ihm einfiel, dass im Ghinesischen ^e-ton
,wo man hört* bedeutet, er suchte das entsprechende Sanskritwort und faud
9rava8, wonach also die Stadt Sravati gemeint war.
305
n. JAPANISCHE SCHRIFT.
Die Einwohner Japans (sprich 2a-pan, denn das Wort ist das chine-
sische i^i-^pm «Wurzel der Sonne', d. h. Ostland) sollen in früherer Zeit eine
Bilderschrift besessen haben, ihre Literatur aber stammt erst aus ihrem Ver-
kehr mit China im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Der Reichthum
des Wissens, . welchen die gelehrten Chinesen besassen, imponirte den
japanischen Herrschern, und sie bewarben sich förmlich um chinesische
Gelehrte, welche ihre chinesischen BQcher mitbrachten und chinesische Lite-
ratur in Japan in eben derselben Weise zur Herrschaft erhoben wie die
Kirche die lateinische Literatur in Deutschland zur Zeit des Mittelalters.
1. Manyokanna.
Da jedoch die fremde Sprache nur Eigenthum der gebildeten Classen
werden konnte, so richteten die Buddhistenphester, welche im 8. Jahrhundert
nach Japan kamen, ihre Sorgfalt darauf, auch dem Volke eine Literaturschrift
zugänglich zu machen, und wie sie in China versucht hatten, eine Lautschrift
aus chinesischen Wörtzeichen zu bilden, so strebten sie diess auch in Japan an,
wo ihnen die mehrsilbige Sprache diese Aufgabe erleichterte, da die japanischen
Sylben meist in Vokale ausgehen. Auf diese Weise dürfte die Manyokanna
C^) entstanden sein (Schrift der zehntausend Blätter), welche diesen Namen
2 nach dem Titel einer mit chinesischen Lautzeichen geschriebenen
/ Gedichtsammlung Manyosin führt. Es giebt verschiedene Zusammen-
'^ Stellungen dieser Schriftzeichen, welche in einzelnen Formen von
^ einander abweichen, im Ganzen und Grossen aber übereinstimmen.
Die auf der beifolgenden Zusammenstellung gegebene ist nach Rosny's
Angabe,'^' der auch die übrigen Syllabare entlehnt sind, eine andere von
Siebold ^^^ gegebene, stimmt in manchen Figuren mit denjenigen überein,
welche in beifolgender Zusammenstellung als «chinesische Prototypen* (der
japanischen Katakanna) aufgeführt sind, so z. B. gleich das erste Bild 1 )^,
welches wohl mit der Katakannaform, aber nicht mit der entsprechenden
Thsaoform übereinstimmt.
?. Kataknnna.
Die Breitspurigkeit der chinesischen Kyai-Schrift mag die Ursache
gewesen sein, dass der Buddhistenpriester Simo-mitsino Mabi, der später
F«b1b«iiii. 6«Mliieht« d, Schrift. ^0
306
Japanische Schriftarten.
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Japanische Schriftarten.
307
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308 Katakanna.
unter dem Namen Kibino-Datsi oderKibi berühmt wwtle, und der sich zwanzig
Jahre zu seiner Ausbildung in China aufhielt (er starb 775 vor Christo)»
eine Vereinfachung der Zeichen Tomahm und so jene Schriftform bildele,
welche den Namen Katakanna, d. h. .entlehnte Bruchstücke zur Lautbezeich-
nung' führt, welche in der vorstehenden Zusanmienstellung japanischer
Schriften in der Zweiten Columne dargestellt ist Wir haben derselben, Rosny's
Vorgange folgend, eine Reihe chinesischer Prototypen in Kyai-Schrift vorgesetzt,
zweifeln aber, dass dieselben sämmtlich wirklich die entsprechenden Proto-
typen sind, da einzelne wenig Ähnlichkeit zeigen, wie o==tM>^ ica, re, na,ra
u. s. w., während bei den meisten unzweifelhaft die Eatakannaformen sich
als Theilzüge der gegenüberstehenden chinesischen Zeichen erweisen.
Die Zeichen der Katakanna, wie die aller japanischen Syllabare haben
eine eigene Reihenfolge, welche nach den drei ersten Zeichen I-ro-fa heisst,
und deren Entstehung noch nicht aufgeklärt ist. Dass dieselben hintereinander
gelesen einen Vers geben, welcher lautet: , Farbe und Duft schwinden dahin,
was kann in unserer Welt von Dauer sein? Ist (das Heute) in des Daseins
Gebirgsthal versunken, so war es ein gaukelnder Traum, der keinen Rausch
zurücklässt', erklärt die Entstehung des Syllabars nicht, denn dieser Sinn
konnte sich zufalli^ergeben; aber es fehlte uns an Mitteln, diese Frage auf-
zuklären. Noch ein anderes Dunkel liegt über dem Entstehen dieses Syllabars.
Dasselbe ist nämlich unvollständig, da es kein Zeichen für die jiq[>anisch<M[i
Laute b p d dz g z enthält. Als die Buddhisten in China ein Lautzeichen auf-
stellten, gaben sie sorgsam jedem chinesischen Laute ein eigenes Zeichen;
nimmt man nun auch in Betracht, dass die Laute h d g dz den Chinesen
unbekannt sind, so bleibt noch immer die Frage übrig, warum für/» und z
keine eigenen Zeichen aufgestellt wurden. Es ist doch kaum anzunehmen, dass
das japanische Lautsystem sich mittlerweile verändert habe und es dadurch
nöthig geworden sei, durch Accente ^^ /&, ^>^ 5a und )^ pa zu unter-
scheiden.
Die Katakanna wird auch zur Lautbezeichnung chinesischer Wörter
gebraucht, ja chinesischen Texten vollständig beigeschrieben, obgleich die
Wortstellung in beiden Sprachen eine verschiedene ist; die Verschiedenheit
M ird dadurch ausgeglichen, dass bei abweichender Wortfolge den chinesischen
Wörtern links — 1, ^ 2, z. 3 oder J= goben*, ^ »Mitte*, T^ .unten*
bei geschrieben wird, während der japanische Katakanna-Text rechts von der
Katakanna.
309
chinesischen Schrift entlang läuft. Wir geben als eine Probe dieser Schreibart
folgenden Vaterunser-Text: "*
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310 Firakanna.
Ein Vergleich dieses Katakanna-Texies mit dem Syllabar lässt sofoii
einige Eigen lliümliciikeilen dieser Schrift erkennen, wie die Verbindung von
einzehien Strichen in einen Zug, z. B. <- »■ -:? = T ma u. s. w., die Andeu-
tung der Wiederholung einer Sylbe durch ^ z. B. ^ nUtsüsi, die Verwandlung
der Silbe tsu in den folgenden Gonsonanten, / z. B. iaüomardcere statt
i€ht8U't(hfna^re'ke''re, wie auch aus m-tsu-fim der bekannte Name , (ßppon * wurde ;
der Übergang von Lauten in lautähnliche wie t in wi, fe in e und ye, endlich
das Vorhandensein fremder Zeichen wie £ tama, t£" dotno, welche aus der
chinesischen Schrift entnommen wurden; doch konunen derlei fremde Zeichen
in der Katakanna- Schrift wenig vor.
8. Firakanna.
Nicht lange darauf, im Jahre 809, wurde durch zwei Buddliistenpriester,
Go-mioo und Kokai ein andei-es Syllabar, das Firakanna eingeführt ^^^ Wenn
erzählt wird, dass Gt>-mioo 1^ Zeichen, Kokai die übrigen aufgestellt habe,
so ist es offenbar, dass der Erstere eine Buchstabenschrift einzufüluren suchte,
denn die japanische Sprache besteht aus den 12 Lauten: aei o u ks i mf
r n, da tsi und tau die Laute U und ^u, welche im Syllabar nicht vorkommen,
vertreten, und y^=i, w^=^u ist. Diese Buchstabenschrift scheint keinen Anklang
gefunden zu haben und deshalb dürfte Kokai wieder zu dem Syllabar
gegriffen haben.
Was nun die Firakanna selbst betrifft, so bedeutet der Name , entlehnte
Schriflzeichen zur Lautbezeiclmung*. Die SchriAform ist die chinesische
Thsao-Scliriil,sie ist aber viel einfacher als die Thsao-Manyokanna,in manchen
Fällen hat sie nur die Thsaoform der Katakanna- Schrift, in anderen sind die
Formen dcrManyokanna inThsao-Schrift übertragen; überhaupt besteht neben
dem auf Seite 306 und 307 gegebenen Syllabar noch eine grosse Zahl von
Typen-Varianten, welche Thsaoformen chinesischer Schrift enthalten, so dass
offenbar eine sehr freie Auswahl chinesischer Lautzeichen stattgefunden haL
So kommt z. B. neben der Form f ür a 4) vom chinesischen '■hr nan , Ruhe,
Frieden*, (Weib unter Dach) noch 7& als a vor, das aber vom chinesischen
Bp[ herstammt; ^ ki ist das chinesische ^ , wovon Katakanna ^ gebildet
ist, aber als ^ ki stammt es vom =? ab; ^ «« ist wie Katakanna -t
^^as chinesische jj^, aber ^ se ist das chinesische #-; ^ mt ist wie
Firakanna.
31)
Katakanna ^ das chinesische — 9an, aber ^ mi ist das chinesische S:
u. s. w. Ausserdem drängten sich viele andere chinesische Wortbilder in die
japanische Sylbenschrift, da die meisten wissenschaftlich gebildeten Japaner
die chinesische Sprache und Schrift vollständig kennen, und so ersetzten
Wortzeichen die Sylbenzeichen wie ^ (das chinesische Zlir aan) san, ^
tsiii, ^ mokti, i^ muro, ^ ban, ^ fatva, ^ fan, ^ nüsi, ^ roku,
^ aki, ^ ima, Jl, ui/e, ™ tcotoko, ^ yama, ^ yori, )^J katoa, ^ kane,
{i\ kono, ft goto, ^ ktiru u. s. w., sämmtlich aus der chinesischen Thsao*
Schrifl übernommen.
Da die chinesische Thsao-Schrifl selbst ein fiachtiger die Vollständig*
keit der Schriflformen wenig beachtender Zug ist, so riss auch in der Fira-
kanna eine Modificirung der Zeichen ein, welche durch das Streben, die
Wörter in einen Zug zu verbinden, vermehrt wurde; so sind die Typen für
"• ^ 5 ^ ^ ^ 5 . fiir *^. ^ i ^ i t i i . Wr /a
yN -^\ >> /> /N A A /\ /> neben ^ ^ ^ ^ ^ "»^^ Ö^
u. s. w.
Wir geben im Folgenden als Schriftprobe ein japanisches Vaterunser
im Dialect von Yeddo:
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312 Firakanna.
Lesart: Kihre ten^ni gthtsi-a'ku'za'fno a-ru itif-«-!«-^ whlo^o-sa^ma
0 im Hinimel wohnender . des Menschen Vater
(2. Zeile) wo na^zi-ya ka^-hhsi uxp-ta-ku'Sisi'^irde unnm-no toriMsu' ku (3.)
dein Name werde verehrt bei uns du welcher
re-ri-si-gauHMi go-hu cnri go-fo^n-ide go-zcMi'ma'SU t(hW(HrH/^.)mi'naU'H'Zi'iHiki
gründest dein Reich es gebe in deinem Willen ist was alles im Himmel
mo u^ki'yO'ni'mokO'tesa-^e-arru{h^k(y-9ofi''}ffhn''fio fä'-go-'ku'^ni'tcoma'i'nitsi'nitsi
und auf Erden möge geschehen und nothwendige Nahrung täglich
do-vrzo vHha'tOrye (6.) Chso-ba-si wariO'hursi'ga fu-so-ktMoo gcMiie-n na-^i-i^-tt
uns gieb unsere Fehler verzeihe
kur {7 .yda-sa^ti-si ivoria^si-^a fo-U'tno yo-no fito-m si-a-me-n ffUh-si-soro-yt (S.)
wir den Menschen vergeben
ico-ka-mi-rsa^ uHy-re-dzi-a-io me'i'Wa'^kU'Sa-'SU'rU'kato na-ke-re^o (9.)
du uns versuchen nicht sei
te-n-ma-to i-ii-Äo-ra wo-su^ku^i na-sa-re-ma-se.
sondern vor dem Bösen errette.
4. Yamatokanna.
Der Erfinder dieser Schrift ist nicht bekannt, sie ist auch nur eine
Abart der Firakanna und derThsaoform der Manyokanna, wie die Vergleichung
dieser drei Schriften auf beiliegender Zusammenstellung lehrt. Yamatokanna
bedeutet „japanische Schrift **.
5. Das Syllabar Zyak-seo's.
Zyak-seo war ein Bonze von der Pagode Jensisi, der im Jahre 1001
die Jahresabgaben Japans nach China trug, dort fünf Jahre verweilte, sich
als Schönschreiber einen Ruf erwarb und ein Syllabar ftir die japanische
Sprache ausarbeitete. Wie eine Vergleichung mit den vorigen lehrt, ist dieses
Syllabar nur eine Variante des vorigen, gewissermasseu nur ein anderer
Schriftzug.
Die boiden letztgenanntem Schriften sind in Japan weniger im Gebrauch
als die Katakanna und Firakanna, indessen ist es bei der Freiheit der Schrift-
züge und der Auswahl der Lautzeichen, welche die Firakanna gestattet, sowie
bei der engen Venvandlschafl, welche die Syllabare der Yamatokanna und
Zyak-seo's mit der Firakanna und ihren Prototypen haben, jedem Japanesen
•'^ht, das in solcher Schrift Geschriebene zu lesen.
Uliutrationsprobe am einem japanlictaen Roman.
314
m. DIE TATARISCH-MONGOLISCHEN SCHRIFTEN.
Mit welcher Oberflächlichkeit bisher über die Abstammung der Schrifleii
geurtheilt wurde, beweist die Thatsache, dass es unter den Paläographen und
Kennern der orientalischea Schriften als ausgemacht gilt, die Tataren und
Mongolen hätten ihre Schrill von den Syrern entlehnt oder vieUnelir die
syrischen Missionäre hätten ihnen die Schrift gebrachL Die Thatsache, dass
die Nestorianer wie die Mandäer ihren Glauben im 7.-9. Jahrhundert bis
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nach China verbreiteten und die Ähnlichkeit der tatarisch-mongolischen
Schriftzeichen mit den syrischen genügten, diese Meinung apodiktisch auf-
zustellen und Alles, was dagegen spricht, unberücksichtigt zu lassen.
Treten wir jedoch dieser Frage näher, so ergiebt sich sofort, dass die
Meinungen deshalb nicht übereinstimmen können, weil einige tatarisch-mon-
golische Zeichen der nestorianischen, andere der mandäischen Schrift näher
stehen; Nestorianer und Mandäer haben aber so verschiedene Lichren, dass
von einem Zusammenwirken derselben so wenig die Rede sein kann als von
dem Zusammenwirken christlicher und jüdischer Priester. Vergleichen wir
zunächst die Alphabete, so finden wir
Nestorianisch *»^
Tatarisch (üigurisch) «"
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Ursprung und Verwandtschaft der tatarischen SchrifL
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Es ergiebt sich hieraus, dass nestorianisch i a • u *^ jf \ t ^ ff f m
^ f n % fmii tatarisch va* u^/ ^ '^*j^ fn vi n ^^f und mandäisch
A v^^/^t^k^f^r^ärmi tatarisch a.rAA/i^y^Jk^/'ar
^ s Qbereinstimmen, dass nur **• ^ und « y aUen drei Schriften gemeinsam
sind, und dass merkwürdigerweise von den tatarischen Zeichen a ^ v und
« i t je ein Zeichen sich an die nestorianische, das andere sich an die man*
däische Schrift anlehnt.
Wenn sich Vdmb^ry darauf beruft, dass durchreisende Nestoriancr seine
tatarischen Handschriften für nestorianisch gehalten hätten, so beweist dies»
nur die äussere Ähnlichkeit dieser Schriften; lesen konnten die Nestorianer die
tatarische Schrift doch nicht. Wenn Vämb^ry femer daraufhinweist, dass die
drei Vokale y a ^ t a ii für die tatarische Sprache so wenig ausreichen als die
arabischen Vokale 1 a ^ t ^ ti für die türkische Sprache und daraus Folge*
ningen auf die unzureichenden Consonantenzeichen macht, so übersieht er
dabei ganz, dass die syrischen Alphabete Zeichen enthielten, welche den
Tataren charakteristische Formen tdr b d g z gegeben hätten, warum wurden
diese nicht entlehnt? Wir haben gesehen, dass die Kopten das ganze grie-
chische Alphabet annahmen, trotzdem sie mehrere Laute desselben nicht
aussprechen konnten ; was hinderte die Tataren sämmtliche 22 Zeichen des
syrischen Alphabets zu entlehnen? Ohne Zweifel kannten die christlichen
316
Ursprung und Verwand tschalt der tatarischen Schrift
Tataren die syrische Schrift, wie noch jetzt die4)uddhistischen Mongolen
tibetanische Religionsböcher neben ihren mongolischen Büchern haben und
das Tibetanische ebenso gut oder schlecht lesen und verstehen wie die deut-
schen Mönche im Mittelalter die lateinischen Kirchenbücher ; dass sie aber die
syrische Schrift nicht rein und voll annahmen, deutet darauf hin, dass sie
selbst schon eine Schrift hatten, wie sie diese Schrift auch noch lange
anwendeten, nachdem sie mit der mohammedanischen Religion die arabische
Schrift erhalten hatten.
Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass die Tataren ihre Schrift ent>
lehnten, denn darauf deutet der Gebrauch verschiedener Zeichen für diese ben
Laute hin: wenn ^ neben i sowohl für < als d gilt^ a neben ^ ftir u^ so
beweist diess, dass verschiedene Zeichen vorhanden waren, dieselben aber
lautlich nicht unterschieden wurden. Diesen Unterschied fmden wir in der
kalmückischen Schrift:
aeiouöünbpjrkgmlrtdytsdzsv
wobei wir gerne zugeben wollen, dass auch hier offenbar differencirt und
auch lautlich nicht streng unterschieden wurde, da S^ auch neben 0 als ^
vorkommt, ähnlich vrie bei den Runen aus ^ d das f t wurde und die etymo-
logische Untersuchung der nordischen Sprache eine strenge Unterscheidung
dieser Laute in den Sprachwurzeln nicht findet.
Nun tritt noch die merkwürdige Erscheinung auf, dass gerade die-
jenigen syrischen Zeichen, welche mit den tatarischen übereinstimmen, ganz
verschieden von denjenigen sind, welche das phönikische Alphabet aufweist.
Man vergleiche:
Nestori-
anisch
Phönikisch
Mandäisch
Laut-
werth
Nestori-
anisch
Phönikisch
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Mandäisch
Laut-
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Ursprung und Verwandtschaft der tatarischen Schrift 317
Man beachte fenter, dass nestorianisch • v, mandäisch a, nestorianisch ^ i,
mandäisch j^ « ist, und man wird erkennen, auf welchen Irrwegen sich die
bisherige Methode der Paläographie befand, welche absolut allen Zeichen des
gleichen Lautes denselben Ursprung zuschrieb.
Hiermit dOrfle eine andere höchst interessante Thatsache zusammen-
hängen. Die Phönikier schrieben ihre Buchstaben einzeln von rechts nach
links; das beweisen die langen vertikalen Schwänze, welche die meisten
Buchstaben haben, z. B. ^ ^ ^ mdek .König*. Dagegen tritt in den syri-
schen Schriften eine Bindung der Buchstaben ein, die nur von einzelnen
unterbrochen wird, z. B. tfictaA^i nuükut .Reich". Diese Bindung der Buch-
staben, die daraus entstandene verschiedene Form derselben (am Anfang,
in der Mitte, am Ende eines Schriftzuges und alleinstehend, z. B. estrangelisch
vy Ende4;, a Mitte-Xr, x» Anfangs-ib, vy alleinstehendes k) stammt jedenfalls
aus Babylon, da auch in den babylonischen Talmudistenschulen die hebräische
Quadratschrift entstand, welche aSSurit (assyrische) heisst und gegenüber der
Altern Schrift das Streben nach Verbindung der Buchstaben zeigt, wie j n
an Stelle des altem y, an welches nur die Finalform ] erinnert, d ä; an Stelle
des altem y, an welches ebenfalls die Finalform '] erinnert; ninunt man noch
in Betracht, dass die Syrer erwiesenermassen ^^ in Säulen von oben nach
abwärts schrieben, z. B. « q weshalb auch bei der liegenden Schrift die
griechischen beigesetzten « -j Vokale quer gestellt erscheinen, und die hier
" :J" ■ ■■"" ■
siehende Zeile von oben ^ d nach abwärts zu lesen ist: mentealnt/to disaia
fUno »aus demGesangedes * J^ Propheten Isaia*, so ist das dieselbe Form der
Schrift, welche die mon* *^ golischen Völker haben, und deren Ursprung
auf die Kerbhölzer zurQck- ^^ führt, welche nach chinesischen Nachrichten
die talarisch-mongolischen .^ Völker von jeher besessen haben. Was mögen
sich denn unsere Paläo- *«^ graphen unter den conventioneilen Einschnitten
dieser Kerbhölzer vorstellen, mittelst deren die tatarisch-mongolischen Fürsten
ihre Völker zusanunenberiefen, genau die Anzahl der beizustellenden Pferde,
die Orte der Aufstellung der einzelnen Stämme u.s.w. bestimmten? Convcn*
tionelle Zeichen sind auch unsere Buchstaben geworden, und das^ was von
dem Gebrauch der Kerbhölzer berichtet wird, stimmt vollkommen mit dem
flberein, wie die Schrift von jeher in Briefen ver^'endet wurde. Macht doch
die vorstehende syrische Zeile genau den Eindruck eines Kerbholzes, atif
welchem an einen von oben nach unten zu laufenden Einsciiiiitt rechts und
318 Saadza-Bandida's Alphabet.
links verschiedene Einschnitte angebracht wurden, und denselben Eindruck
macht die mongolische Schrift z. B. in daptar .die Abiheilung -4 . {
eines Buches", griechisch Jiy^t^a (diphlhera) .ein zum { .^..4
Schreiben zugerichtetes Thierfell', aramäisch 'iwon tipkiai i
, Rechtsgelehrter*, persisch j^r^-> Ikfisrd&r .Secretär, Finanzmiiüster',
wobei die Vei^leichung des mongoUschen und Mandiu- Wortes den Wechsel
znischen t und d, r und l erkennen lässt.
IVas die Tradition unter der Erfmdung eines Alphabets mitunter ler-
stebt, dafar lierert die mongolische Schrift ein entsprechendes Beispiel. Nacb
dieser Tradition wurden die mongolischen Buchslaben oder Isagubr toq dem
Buddhisten priester Sagdia -Bangida oder Saadüa-Bandida unter dem Kaiser
Kubilal-khan im 13. Jahrhundert erfunden; aber wie man sich durch erneu
Vergleich mit den obigen, angeblich von den Syrern eingeführten Zeichen
Clberzcugen kann, besieht seine Erfindung nur darin, dass er die Consonanteii-
zcichen mit den Vokalzeichen zu Sylben verband:'"
i," i, ta ^ ia ^? h<i ^ tua t. sa {^ga ^ tea
ja t^ä C^ -^ f^ •Ltss tsa 3 -ß ^K^
>> ." ^ /< Su * bi % tsi i 9i ^ gi *
£ ma '£ HO Tl. m Ü_ (Ua '^ /a -3^ ija -^da
£ fnäAi nä % tä X. <i^^'-^ t-'" J? '"'' "3, da
^ m % m ri, ri >, dzi% x' ^ !"" -?, di
Diesen Zeichen fQgle GdiSgdii Orsirr 5ti Zeichen in 14 Abänderungen in
zwei Classcn (leichte und schwerer auszusprechende Zeichen) hinzu, nämlich:
i 0 ^5 f so ^ so 1 IV 1 rS "i ijo "^ yö
i u ^ ä f SU f xii "3 ru "3 .■« -3 y« ^ yC
1' bo i> bö -j" Hü { iiö -3 rfü 1 ,1,. -i ZO ^ iö
? />„ * bü ■;( ,,„ ■}■ „ii -^ du 1 lla -i zu ■J iä
i 'j" f -jo -3 /o T i-ö s to s tö
3 'ß' f 'ß "j /" f '■■■' f (" I lii
r h i' v. r >•"• f ■■•-'' y '"" \ Iiö
Sad2a-Uandida*8 Alphabet 3 1 9
Ferner wurden gebildet aus ^ fca, iL P^f ^» welches sowohl ya wie za
bedeutet, blieb ya allein und sa wurde Ü^, ferner j n und ^ ar in \ ißhr.
Hieran schliessen sich die Debeskerr oder Endbuchstaben :
Die Nachdrucksbuchstaben 4t t \ ö \ üi^äm '^äl h är ^da \^äd
)> i i « J w, die accentuirten: ^atttf 3 ahd \amd li ald \ arä i asä
4 ald 1^ ayd ^ auä i akd i ah'^; die nachdrücklichen: :^ &f ^ äbd
:::3 ^ -i ^ d i i "*
JLt äniah älähärti^äsä {^ ätdd ^ i-ä J u-ä j^ äkä \ äh-ä, endlich
Tier besondere Debeskerr-Orkiza i anu i ani ^ änu ^ äni.
Hieraus dürfte hervorgehen, dass die Mongolen in früherer Zeit ohne
Vokale schrieben und erst durch die Buddhisten eine vollständige Yokal-
bezeichnung erhielten, die aber, wie aus den vorstehenden Beispielen ersicht-
lich ist. Vieles an Genauigkeit zu wünschen übrig lässt. Die syrische Schrift
Tcrmochle ihnen kein Bedürfniss nach einer vollständigen Vokalbezeichnung
einziidüssen, wahrscheinlich lernten sie von den Syrern nur ihre uralten
BcgrilTszeichen als Lautzeichen zum Schreiben verwenden. Dass die im Norden
AsicMis wohnenden Volker eigene Schriftzeichen besassen, beweisen die runen-
artigen Inschriften an den Felswänden Sibiriens, wie ^^*
li+v ^^^
Das sind Zeichen, welche an die himyarischen Formen erinnern.
Es ist übrigens gar kein Grund vorhanden, anzunehmen, dass die tata-
rischen und mongolischen Völker von jeher in einem Zustande der völligen
Unwissenheit und Rohheit gelebt hätten. Freilich wird man eine allgemeine
Kenntniss des Lesens und Schreibens bei diesen Völkern nicht erwarten
dürfen, zumal ja auch in Deutschland und noch mehr in Frankreich, England,
Spanien, Italien Viele des Lesens und Schreibens unkundig sind; bei rohen
Völkern ist die Schrift das Eigenthum der Gotsllichkeit, welche sich noch
gegenwärtig bei den Mongolen aus den Söhnen der edlen Familien recrulirt,
wie in Deutschland zur Zeit des Mittelalters. Wenn nun auch liie gegen wärt igen
Religionen dieser Völker aus der Fremde imporlirl sind, so hat sich duch auch
3i20 Astronomische Kenntnisse der Mongolen.
ein Überbleibsel ihrer eigenen uralten Religion in den Schamanen erhalten,
welche man sehr mit Unrecht als eine Entartung der buddhistischen Priester»
schafl betrachtet; sie waren diess so wenig als unsere Kartenschl&gerinneo
Entartungen der Nonnen, unsere Kurpfuscher Entartungen der chrisOicben
Priester sind.
Wir haben oben (Seite 86) gesehen, dass die Mongolen eine eigene von
allen übrigen abweichende Windrose haben, eine solche konnten sie aber
nicht aufstellen ohne Zeichen; sie haben mit den Chinesen einen eigenen
Thierkreis gemein, der wirklich aus lauter Thieren besteht, und es ist fraglich,
ob sie denselben von den Chinesen erhalten oder ob nicht umgekehrt die
Chinesen denselben von den Mongolen entlehnt haben; dieser Thierkreis
besteht aus folgenden Zeichen: /nüugunah Maus, uk-kyr Ochs, bars Tiger,
toolm Steppenhase, lu Drache, mogoi Schlange, morin Pferd, /oin Schaf,
met^in Affe, takia Hahn, fw/oi Hund, gajjrcn Schwein. Vor ihrer Bekehrung
zum Buddhismus hatten die Mongolen eigene Monate, welche sie nach auf-
fallenden Naturbegebenheiten nannten, und sie richteten sich bei deren Ein-
theilung nach dem Laufe des Mondes. Schon seit imdenklichen Zeiten waren
sie an eine zwölfjährige Periode gewöhnt, deren Jahre sie nach den 1 2 Thier-
kreiszeichen in der jetzt noch üblichen Weise benannten. Der Tag wird in
12 Zak oder Stunden und in ebensoviele die Nacht eingetheilt Sie haben
eine Woche von sieben Tagen: naran Sonne, sara Mond, ulati^nidün (Roth-
auge) Mars^ ulemtsin Merkur, gaddasun Jupiter, bassait Venus, bämbä Saturn
etc. Aus alledem geht hervor, dass die Mongolen nicht erst auf die Syrer
und Buddhisten zu warten brauchten, um Schriflzeichen zu erhalten, sondern,
dass ihre Schrift sich im Dunkel der Jahrtausende verliert, und wohl aus der-
selben Wurzel stammle wie die uralten Runen.
1. Die Koreanische Schrift.
Wenn die Koreaner, nachdem im 3. Jahrhundert bei ihnen durch den
gelehrten Wah-§in chinesisches Wissen und .chinesische Bücher eingeführt
waren, dennoch ein eigenes Alphabet bewahrt haben, so ist diess eben ein
Beweis, dass sie eine heimische Schrill hatten. Auch die Nachricht, dass
ihr Alphabet, welches On-mun heisst, im Jahre 374 von einem Könige von
Sinra eingeführt sei, kann nach dem, was uns von der Koreanischen Schrifi
vorliegt, nicht anders aufgefasst werden, als die Nachricht, dass Saadia-
Koreanisch.
321
Bandida die mongolische Schrift erfunden habe , nämlich dahin, dass dieser
König aus den vorhandenen Consonanten und Vokalen ein Syllabar bildete.
Das Alphabet der Koreaner besteht aus drei Abtheilungen:
Vokale
alt
neu
i~
Laut-
werth
Stammzeichen
Name alt
I Laut-
^^^ ' werth
Abgeleitete Zeichen
alt
neu
! Laut-
' werth
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11
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ya
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yo
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Kiok
Niun
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Hein
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1
I
91
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y
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Hieraus wurde folgendes Syllabar gebildet^!- A*o,^t A'y«,^| A-o, Aö, -7 J
kyo, kyo, ^ Ao, ^ kyo, ^L. ku. ^j AT, <? Aa, [^l» na, [^t tiya u. s. w.
Man erkennt auf den ersten Blick, dass die Zeichen aus den einfachsten
Elementen, der rechten Ecke, linken Ecke, der Höhle, dem Zickzack, dem
Quadrat, der halbgelüUten Grube, dem Winkel, dem Strich, dem Dreieck und
dem Kreise, zusammen 9, respective 10 Zeichen gebildet sind, aus I tj wurden
dann sämmtliclie Vokale, aus A- ^ ;> ^ die Laute kh th ph U dz durch einfache
Zufugung von Strichen gebildet. Es giebt kein Volk in ganz Asion, von welchem
diese Zeichen entlehnt sein könnten.
Die Anwendung des Pinsels zum Schreiben hat den ursprünglich geraden
Strichen einen chinesischen Zug gp^'oben, welcii<'r sie in Verbindung fast wie
eine Art chinesischer Schrift erscheinen lässl. Wir geben als Probe hier
«inen doppelsprachigen Text aus einem Gedichte, wol»'lu>s ein koreanisclier
fanlmana, Ge<icbichte d. Schrift. oi
322 Koreanisch.
Minister einem chinesischen Gesandten beim Abschiede überreichte;^^' eine
aufmerksame Vergleichung der Zeichen mit dem vor-
stehenden Alphabet lässt Laut für Laut trotz aller
Flüchtigkeit der Zeichen erkennen:
Soh tsam kun o Tsa nu tat hyon f}fon tyi
Huk yu tun in in mu i ha pyur rak fi k*i tyoi hyon
ha pir pun Tsu Wor.
Das heisst:
«Überreicht meinem geehrten Bruder dem
Kriegsrathe Wu-tse-\ü bei seiner Rückkehr nach Sina.
Obwohl es mittlere und auswärtige Völker giebt,
ist es doch eitel zu unterscheiden zwischen Eingebomen
und Fremden. Alle Menschen kommen als Brüder zur
Welt, warum also eine Grenze setzen zwischen Tsu
und Yü. •
2. Die Niutsi-Schrift.
Ein anderes tatarisches Volk, welches von den
Chinesen seine Schrift entlehnt haben soll, ist das Volk
derNiutSi. Wuttke erzählt darüber Folgendes :
«Ambikhan oder Apaoki, am Anfang des 10.
Jahrhunderts, Gründer der Macht der mongolisch-tun-
gusischen Kitan (oder Liao), welche von 916 bis 11 2G
über einen grossen Theil der Tatarei und Nord-Chinas
herrschten, hatte in seinem Dienste viele Chinesen. Von
diesen erlernte er ihre Schrift nach der Schreibart Li.
Manches Ungeeignete bei ihrer Anwendung fühlend,
veränderte er selbst oder einer von seinen Leuten sie dergestalt, dass sie etwas
passender ausfiel, und zwar geschah diess, wie angegeben wird, im Jahre 920.
Ambikhan ergriff die chinesischen Wortzeichen nicht nach ihrem Sinne,.
sondern nach ihrer Lautung, und bildete so eine Silbenschrift, wozu ja die
Einsilbigkeit der chinesischen Wörter ihre Figuren geeignet machte. Ungefähr
3000 Zeichen wurden ergriffen, wobei manches ab- und zugethan ward. Die
Züge wurden gross ausgeführt. Seitdem hatten die Kitan nicht mehr nöthig,
r Verträge sich der Kerbhölzer zu bedienen.
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NiutSi. 323
Vom Jahre 1119 an zerstörten die YulSi (Niutäi oder Kin*) die Herr-
schaft der Kitan und traten in ihre vorwaltende Stellung ein , bemächtigten
sich auch der chinesischen Provinzen PitSeli , §ensi und §ansi. Sie hatten
bisher in Schrifllosigkeit dahin gelebt. Nun (1119) ergriffen sie die Schrift der
Kitan, aber Hessen sie nicht unverändert, sondern machten sie wieder für
ihren Bedarf sich zurecht. Chinesische Geschichtsschreiber berichten, dass
ihr Haupt Akuta, der sich zum Kaiser unter dem Namen Taitsu aufwarf
(1 123—1134), dem KuSin Auftrag ertheilte, für die Sprache der Kin eine
Schrill aus dem chinesischen Zuge Kyai-tse zurechtzumachen nach Art des
von den Kitan befolgten Verfahrens ; neben der von Kuäin aufgestellten habe
ferner Kaiser Hitsun (1 134— 1 148) eine kürzere machen lassen. Jene hiess
«die grosse*, diese »die kleine*. Die neue Schinft war eine aus Abkürzung
ausgewählter chinesischer Wortzeichen mit Zusätzen gebildete Silbenschrift
und wurde ab und zu in den Ländern der Mand2u und von Tungusen
gebraucht. *
Nachdem der Engländer Wylie in einer nordchinesischen Grenzstadt
eine sechssprachige Inschrift aufgefunden hat, welche dieNiutSi-Zeichen neben
chinesischen, uigurischen, Devanagari, Passepa und tibetanischen Zeichen
enthält, kennen wir das Syllabar dieser Schrift und müssen gestehen, dass uns
dieselbe ebensowenig chinesisch vorkommt wie die koreanische Schrift,
obwohl die quadratische Form der Zeichen und der chinesische Schriflzug bei
oberflächlicher Anschauung zu der Meinung verführen können , dass diese
Schriftzeichen chinesische seien. Wir geben auf Seite 324 als Beleg dieses
Syllabar.
Es sind 81 Zeichen, genau so viele als der brahmanische Himmel
Quadrate enthält, und man wird unwillkürlich zu diesem Vergleich geführt,
wenn man betrachtet, wie ungleich der Sprachausdruck behandelt ist; neben
7 Sylben b sind nur 2 Sylben mit t^ vorhanden, während ku fehlt, ist ya zwei-
mal vorhanden und lautlich nicht unterschieden.
Vergleicht man femer dieses Syllabar mit der japanischen Manyokanna,
so bemerkt man auf den ersten Blick, dass diese Zeichen nicht chinesisch
sind; dass es auch mit dem chinesischen Syllabar, welches im 5. Jahrhundert
* Ein nomadisches Volk, die Keniter oder griechisch Kinaioi, hebräisch u*p
keni wird in der Bibel angeführt (I. Mose, 15, 19. IV. Mose, 5Ü, i>-J, Ricliter 4, 11 );
sie leiteten ihr Geschlecht von dem Schwager Moses ab.
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von Buddhisten aufgestellt wurde, um die Verbreitung buddhistischer Literatur
in China zu (ordern, beweisen folgende Zeichen des letztern:
k(ian) kh(i) k(iu>0 (i)n t(uan) th(eu) t{ih) n(i)
Die NiutSi-Zeichen scheinen vielmehr, ebenso wie die koreanischen
Zeichen aus nationalen Elementen gebildet zu sein, und hier trifft es sich
merkwürdig, dass die koreanische Schrift aus 9 Grundzeichen besteht, wäh-
rend das Niul§i-Syllabar 81 Zeichen (das Quadrat von 9) enthält, diese
Elemente dürften in gerader Form folgende gewesen sein:
N ♦* 1^- = -M.-MH^-.-^7aalioxniHb#ci!RHll.
Uigurisch. 325
vielleicht nur 9, da die liegenden Striche identisch mit den stehenden sein
können ; demnach wären diese Sylben Wörter gewesen, die aber jedenfalls
einen andern Laut hatten als die obigen Sylben, denn, wie schon Wylie
bemerkte, liefert ein Versuch der Analyse keine Lösung des Räthsels ; die
tatarischen Worte müssen somit dem Begriffe entsprochen haben , den die
chinesischen Sylben ausdrücken.
Wir zweifeln nicht, dass, nachdem jetzt der Lautwe^lh dieser Zeichen
und doppelsprachigen Inschrift in derselben bekannt sind, auch dieses Räthsel
seine Lösung finden wird.
3. Die uigurische Schrift.
Nachdem bereits oben (S. 316) das Alphabet dieser Schrift gegeben
wurde, ist nur wenig darüber noch zu bemerken. Die Zeichen beruhen auf
wenigen Grundformen: | — woraus a, \J woraus \>ä i ^^ke,tg:irund^^ s
gebOdet wurden, O woraus *^^ufh sowie j^s^ t wurden, L woraus t l ent-
stand und J welches zu ^ wurde, dessen Endform n sich an ^3 anlehnt.
Die Schrift wird abweichend von der mongolischen Schreibart nicht
in Säulen, sondern in Zeilen Ton rechts nach links geschrieben. Wir repro-
dudren auf Seite 326 ein Facsimile aus Vämb^ry's Werke,*** welches einer-
seits zeigt, wie schwer diese Schrift zu lesen ist, anderseits aber eine so
grosse Ähnlichkeit mit der arabischen Schrift ven-äth, dass die der zweiten
Zeile überschriebenen arabischen Worte sich vom tatarischen Texte fast gar
nicht unterscheiden, woraus auch die Verschmelzung des uigurischen und
arabischen Ductus in der türkischen Diwany - Schrift sich erklärt. Der Text
lautet im Deutschen:
Alles Innere und Äussere kennend. Alles ist dir klar.
Vom Auge mir entfernt, bist meinem Herzen nah.
Dein Ganzes ist Wissenschaft, heller als Sonne und Mond,
Zu seiner Beschreibung genügt kein Geist, kein Lob.
Allen hast du eine Beschaffenheit gegeben,
Und geht Alles zu Grunde, bist du dennoch am Leben.
Den Einen Schöpfer beweisen die Geschöpfe,
Der beide erschaffen hat, sein Zeuge ist bereit.
Keine Ähnlichkeit giebt*s für sein Gesicht und Aussehen.
Eine Beschreibung erreicht i^icht sein Aussehen.
326 Uigurisch.
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Die vorstehende uigurische Schrift ist von rechts nach links zu lesen,
die Transscription in lateinischer Cursiv umgekehrt, so dass das erste Wort
derselben von links nach rechts dem ersten uigurischen Worte rechts u. s. w,
spricht.
327
4. Die kalmückische Schrift.
Die Kalmücken oder Eulet haben dieselben Schriftzeichen wie die
Uiguren und die Mongolen, auch bei ihnen ist aus der Zusammensetzung
Ton Gonsonanten und Vokalen ein Syllabar gebildet, ^^^ welches sich von dem
mongolischen durch schärfere Unterscheidung der Vokale auszeichnet:
*i /a y^ ba ff la "^ da ^ tsa ^ sa <!
^kä iS> bä x^ lä ^ da ]H isä X- sä
^ki ^ hi ^ U ^ di ^ ist J^ si
'i z^ 3^ ^ ^ ^ ^ ^ 3 ^^ ^ *^
ri^/u-^ bu ^ lu % du ^ tsu -^ SU
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*-( na ^% ga i} ma -$ ta ^ ya 1 dza ^
'^ nä ^gä ^ mä ^ tä ^ ya 1i dzä jf^
J^ w» ^ gi ^ fni S ti ^ y» ^ dzi ^
*i ^0 ''^ go i^ mo ^ to ^ yo 3 ^^o f
'-4} «« %9^ -^ '»«^ 'tt :d yw 4> «^^" -$
•rf no ß>'gö ^ mö ^ tö ^ yö 3* dzö ^ ^ö
•^ nü f>gü i^mü ^ tu ^yt7 3> dzü ^ ^ü
Wir lassen hier ein Stück aus einer kalmückischen Erzählung folgen :
sa
;sa
si
itO
8U
d. i. kämäisi gesprochen äyn also yamar was für
ugä Worte sonosto/oy werden buey gehört kätnän
gesprochen tsurkän Herz dokM'sär wild mit iräd
als er gekommen war tsolgolduksandu sich zu unter*
reden tu^maell Minister dyn also kämin gesprochen
yabudäl Geberde inu aber go erhaben tClguefi Sehen
sadkiÜ Gemüth inu aber amugolantäy ruhig biiyä
Körper ütsäskulatigtöy ansehnlich gagan Angesicht
inu aber tunggulak heiter köbikm Jüngling /amiga
ddzä woher iräbity gekommen kätnän gesprochen
asaguksaudu auf das Gefragte köböön der Jüngling äyn also h'imän sprach:
328 Mongolisch.
„Als er (der Prinz) also gesprochen, kam er wild zu dem Alten
gesprengt. »Was werden (sprach er) für Reden vernommen?* Da sprach
also der Minister. , Deine Geberden verrathen einen erhabenen Seher, ruhig
ist dein Geist, voll Ansehen dein Körper, heiter dein Antlitz, woher kommst
du wohl, Jüngling?" So sprach er und der Prinz erwiderte mit folgenden
Worten. ■
5. Die mongolische Schrift.
Nachdem wir bereits Seite 318 das Syllabar der mongolischen Schrift
nach Saad2a-Bandida*s Anordnung gegeben haben, lassen wir hier nur noch
als Probe den Text des Vaterunsers folgen, den wir einer russischen Quelle
entnehmen, für dessen richtige Transscription wir aber nicht bürgen.
: % ^ t> A ^^ V \^ Ogtaryioi tax menu etsei dzinu nerä katnuk
J *?> ?> 'i ^ i ^ tQf- Jcintoläl ulgu holioy(ai tsini oron ireko hotto-
- -^ 1 ^ ""^ 1* i ^ X^^ tsinu täyäl ogiar/oi tor hotoko mitu tjer^
"^ "^ $ ^ iL j! JL f . ^fVicf^w tor tsu hoiöko Mto/ai menu etar bort
krakleku tedzili hiian tor etohi etor tsu uggon
^ <> * ''^'^1 suoranä bitanu uilätoksan buro/u uoni bitan tcr
J^»li-.yj,i^ö kiriJan suoranä bitan ber tsu bitan tor buu^ujru
•)6'di-4^Tj uiUituktsitun uoni amu/oJed ukbi bitani sintM-
jl^ läkulel ewiki kemun iuker etse keta/a ketotken
i||tHl|
suorami tsi bir tsalesi oron noktsikscn kiked irä
i'toi tsannu toräi ber oron kiked iupiä kod^om
bä tson ibuJai lunä tokosoksan bulai an matu
ber buiogo bolto/ai.
Eine andere mongolische Schrift, welche
von Passepa aufgestellt wurde, wird unter
Indien und im Zusammenhange mit der tibe-
i U -«gi^ksi^ tanischen, von der sie entlehnt wurde, erörtert
^ 8) 3 iL ^ ? J^ V werden.
329
6. Die mandzurische Schrift.
Ober die Entstehung der mandiurischen Schrift wird erzählt, dass Kaiser
Taitsu dergi hoan-ti im Jahre 1599 einem Manne Tom Geschlechte Naran;
genannt Erdeni Bak§i (»der köstliche Gelehrte*), seinem Schreiber und Dol-
metscher, sowie demGagaiDiargutsi befahl, nach Massgabe der mongolischen
Schrift eine mand2urische herzustellen. Diese getrauten sich anfangs nicht,
diess zu thun, weil die mongolische Schrift seit Alters auf unveränderlichen
Regeln bestanden habe und darum ihr Alphabet nicht für das Mand2urische
passend umgeändert werden könne. Auf ihre Gegenvorstellung antwortete
der Herrscher: ,Da wir sehen, dass die Chinesen und Mongolen für ihre
Sprache eine eigene Schrift haben, warum sollten wir, die wir noch keine
besitzen, nicht auch eine erhalten, damit wir uns schriftlich verständlich
machen können und mit ihrer Hilfe unsere unwissenden Landsleute ihre
eigene Sprache besser kennen lernen lehren? Wenn wir uns immer im
Schreiben des Mongolischen bedienen, so werden Die, welche diese Sprache
nicht verstehen, niemals aufgeklärt werden. Schreibt den Buchstaben a und
hängt an denselben ein ma, so wird daraus das Wort ama (Vater), schreibt
den Buchstaben e und hängt daran me, so habt ihr eme (Mutter). Ich habe
bereits Alles überlegt, führt es im Ganzen aus. * Darauf machten sie sich an's
Werk und lösten nach dem gegebenen Winke ihre Aufgabe, so dass durch
verschiedene Zusammensetzungen und Verdopplungen alle mandiurischen
Wörter geschrieben werden konnten. Der Kaiser befahl ihre Bekanntmachung
im ganzen Reiche, damit Befehle und Vorstellungen, die bisher mongolisch
geschrieben worden waren, hinfort mandiurisch verfasst würden. Indess man-
gelte doch noch Manches zur richtigen Wiedergabe der Aussprache, und 1641
beauftragte der Kaiser seinen Vertrauten, den Da;jai Bak^^i (TakaY), der schon
Tsai-tsu*s Kanzleivorsteher gewesen sein soll und nachmals der Gesetzgeber
genannt wurde, diese mandfurische Schrift zu verbessern und zur Vollkom-
menheit zu bringen. Da^ai half manchen Mängeln der bisherigen Buchstaben
ab, ergänzte das Fehlende durch Beifügen von Häkchen und Punkten zu
ihnen und ordnete die Sylben nach ihren Endungen, vermehrte auch die 12
Eintheilungen des Syllabariums behufs richtigerer Wiedergabe der chine-
sischen Aussprache. Eine Auswahl von Gelehrten ging ihm bei seinen
Bemühungen zur Hand. Damit hatte er die mandiurische Schrift zum Ab-
schlüsse gebracht, in der fortan geschrieben wurde. ^^^ Eigenthümlich sind
330
Mandzurisch.
der mandSuiischen Schrift die Buchstaben ^ e, a ^, j^ g, i) hi, \> k'h, ^ p,
ißdz, ^Sj ^ £, ^d, k-d, f dihy \fy Kf. Als Schriftprobe folgt hier das Vater-
unser :
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331
IV. DIE KEILSCHRIFTEN.
Das Vaterland der Keilschriften ist Mesopotamien (fxs^o-nrcrafxea
, Zwischenstrom-Land*), das alteSinear, keilschriftlich ^ '^t-^, T d. h. das
Land derÜherschwemmung. Die Keilschrift ist später auch auf die armenische,
medische und persische Sprache angewendet worden, in anderen Ländern
scheint sie nicht gehraucht worden zu sein; zwar zeigt ein in Deutschland
gefundenerStein, der inGrimm's Runenwerke abgebildet ist, Keilformen, doch
sind dieselben so wirr gehauen, dass eine Vergleichung mit der mesopota-
mischen Keilschrift unmöglich ist. Die Keile wurden gewöhnlich in feuchten
Thon geritzt, der dann entweder in der Sonne getrocknet oder zu Ziegeln
gebrannt wurde ; aber die Verwendung der Thonerde kann nicht die Ursache
dieser Schriftform sein, denn auch in Ägypten brannte man Thon zu Ziegeln,
doch wendete man keine Keilschrift an. Es müssen also andere Ursachen,
wahrscheinlich religiöse Anschauungen, zur Erfmdung dieser Schriftart
geführt haben.
Zu dieser Vermuthung ist wenigstens insofern Grund vorhanden, als der
einfache Keil ►— o«« Assyrien* und den «Gott Assur* bedeutet, dass derselbe
Keil aufrechtstehend T dis als Zeichen der Person vor Personennamen
steht und dass endlich der Winkel i, der aus dem schrägen Keil A^ entstanden
isU den «Gott Ao* (den Jehova der Juden) bedeutet; >^~as ist ägyptisch
Ja« dasZeichen derStädtegrunderinlsis, die identisch mit j J «Osiris-Assur*
ist, die Islar der Assyrer und ifioK Esther der Juden, deren Mädchenname noin
hadasaa (Myrthe) den Stamm ds wie T dis hat und sich an die deutschen Disen
(Waldfrauen, WalkQren, Hagedisen, Hexen) anlehnt, wie anderseits Assur
(auf den Inschriften Atura) sich an den norddeutschen Thorr anlehnt, dessen
Rune ebenfalls der Keil ^, der Donnerkeil, ist.
An den Ufern des Euphrat und Tigris siedelte sich in alter Vorzeit ein
ackerbautreibendes Volk wie am Nil an, jenes fleissige und erfmderische
Volk, welches Kham (die Erde) als seinen Ahnherrn verehrte und welches,
verweichlicht durch die Fülle des Genusses, später eine Beute der Hirten und
JägenrOlker wurde, Sklaven des Landes, dessen freie Bebauer sie einst waren.
Von dem Schicksal dieser Eingebornen ist uns nichts bekannt geworden, die
älteste Geschichte zeigt uns bereits die nördlicher wohnenden Assyrer als
Herren des südlicheren Babyloniens, vor ihnen soll nach der biblischen
332 Die Sprache der Keilschriften.
Tradition Nimrod, der Jäger, im Lande geherrscht haben, dessen Name nach
ägyptischer Etymologie auf ein Zwergvolk deutet ; so viel ist aber sicher, dass
die Assyrer EIrben einer altern Priesterweisheit waren, deren Sitz Babylon war,
und dass die älteste Sprache dieses Landes nicht die assyrische, sondern
eipe turanische war. Was uns zu dieser Ansicht bestimmt, welche von Oppert
in Paris gegen Hal^vy, der die Erfindung der Keilschrift den Semiten zuschreibt,
Terfochten wird, ist insbesondere der Umstand, dass die Keilschriftformen
denselben Charakter des Ineinanderschachteins der Zeichen an sich tragen
wie die Sprache turanischer Stämme, in welcher die älteren Inschriften
geschrieben sind, während die Assyrer, welche den semitischen Stamm in
Babylon vertreten, in Zeichen, wie in der Sprache der Flectirung huldigten.
So declinirt die alte Sprache: die assyrische:
ki'ta mit iiti mit
ki-ni-ta mit ihm it-ti-su mit ihm
ki-bH-biU-ta mit ihnen it-H-su-fiu mit ihnen
kumu-ta mit mir uit-ti-ya mit mir
ki-mi-ta mit uns it-ti-^i mit uns
ki'ZU'ta mit dir ii-ti-ka mit dir
hi'ZUrhil-hü-ta mit euch it-ti-ku-nu mit euch.
So finden wir auch in der Schrift gebildet aus ►^-j an »Gott, Stern*, >^ K
pal, «Jahr, Feldzug etc.*, indem ^ kur (Hand, nehmen etc.) eingeschoben
wurde, daraus entstand ►►[ I ['^ l>w>' „Fluss* (Pu-rat = Euphrat); femer
aus ►fil I ka »Haut, Fell, heirathen*, verwandt mit t=^f ^^ »Thor*
(OefTnung, Mund), ►tT*T-T Sprache und eine Menge unerklärter Zeichen wie
►►i]^Z? , ►-tlFTT^I u. s. w., welche einen Begriff einschliessen; aus
>^, welches allein nicht mehr vorkommt und vielleicht ^ «die Hand* war,
^t I, mih «majestätisch*, ^^^gan, kan, zil «die Wolke*, fc^I a/« Vater',
tZ^ Utr «Sohn*, aus fitiT ab «Thal« iz^zl nab «Tag*, ^^ Äxi ,Thor*,
X^^\ »rosig, rostig, Eisen*, ^ ►TTT »Keule* u. s. w.
Es scheint dieser Einschachtelung der Begriffe dieselbe Tendenz zu
Grunde zu liegen, welche die chinesischen Schriftzeichen in Vierecke ein-
schachtelte, und es musste auf diese Weise eine Anhäufung von Strichen
entstehen, welche das Lesen und Schreiben zu einer verwickelten Beschäftigung
machte ; in der That scheint die ältere Schrift auch viel complicirter gewesen
Archaistische Keilschrift. 333
zu sein als diejenige, welche uns in den assyrischen Inschriften entgegentritt,
denn es giebt auch Inschriften älterer Form, welche einen solchen Charakter
tragen. Wir haben auf Tafel VI eine Inschrift abgebildet, welche denselben
Text in archaistischer, complicirter Form und in der vereinfachten aufweist;
derselbe lässt erkennen, dass auch in der archaistischen Form einfache
Zeichen vorkommen, sowie dass die Vereinfachung nicht willkürlich statt-
fand, sondern nur durch Anwendung verwandter Zeichen. So ist ^JHy^I
h .nicht* die doppelte Form von & su, hat „Hand*, die einfache Form
zeigt ►-^l to, gerade so, als wenn die Ägypter statt >a^,K^nn „nicht, abwehren*
die leere Hand ^^^ gebraucht hätten, den gleichen BegrifT wie ägyptisch -, ■
hatte alt: 'Y- — neu ^^Z sa „geben, stellen*, eigentlich eine „geöffnete
. IT- ►^^^ Y Y Y
Hand*, oder wohl nur der Begriff des Offenseins, dem Ty — neu , | hit,
itutl „Haus* und ^-zi. neu ^t ha „Thor* gegenüberstehen. Wenn an
Melle des «^ an „Stern, Gott* das Zeichen >—►' getreten ist, so ist wohl
keine Vereinfachung vorhanden, da dieselbe ^ — wäre, welches har^ mas
lautet und „Kreis* bedeutet, sondern eine Analogie mit aa ut, par „Tag*
dessen alte Form ^^ ein Kreis war. Man hat die älteren Formen für
corrumpirte Bilder gehalten, und es ist möglich, dass einige Bildformen sich
in die Schrift eingemischt haben, im Ganzen macht die Keilschrift jedoch
nicht den Eindruck von Bildern, sondern eher von der Fortbildung eines
Systems, ähnlich demjenigen, welches wir in den chinesischen Pa-kwa*s
kennen gelernt haben, und das nicht auf der Abbildung von Gegenständen
heruhte, sondern auf der Entwicklung der Zahlenbegriffe.
Diess dürfte insbesondere aus dem Umstände hervorgehen, dass Thiere,
welrhe wir bei den Chinesen und Ägyptern der Natur nachgebildet finden,
in der Keilschrift durch Begriffszeichen dargestellt werden. So heisst das
Pfi*rd ^^y»»— ^tjLi Thier hirra oder „Thier des Landes der Über-
— ^^ — ' ►-^T^ — Y^ ^ T T
schweromung* (Thier von Sinear), der Esel ^__ U^^ Itt^^ ^"^^ Thier »u-
oImmm (die Zeichen bedeuten Legion. Thal, Gott oder Stern), ip3X Sihi-in war
der Vater Ana's, der in der Wüste das Melken erfand, als er seines Vaters
Esel hülhete(I Moses 36, 24); das Kanieel t^^Tr^Ift^trl^I Thier aiib-hH
iThier, Solm des getheillen Tliales, womit wahrscheinlich seinllöcker ^remeint
i>t); der Löwe ! !~!^f^-i I nr-mah (grosser Hund, ohne das Thierzeichen);
Eber, Delphin ^>^fc:' am-i*7(grossliörnig, scheint sich bezüglich des Delphins
334 Die Erfinder der Keilschrift
auf den Stosszahn des Narwal zu beziehen, der wie Elfenbein bearbeitet vnid und
früher als dasHom des fabelhaften Einhorns galt); das Schaf T^fY^T^Y^
i/'lu^, wovon das mittlere Zeichen selbst schon Schaf bedeutet. Oberhaupt
herrschen in den Lautzeichen die abstracten Begriffe vor.
Fragen wir nun nach dem Volke, welches die Keilschrift erfunden hat,
so werden besonders zwei Namen genannt: Sumir und Akkad. Der Name
Sumir kommt in der Bibel nicht vor, sondern nur Babel, Erek, Akkad und
Chalne ; der zweite Name hat sich als Irak noch bis auf den heutigen Tag
erhalten, die Griechen nannten eine Stadt in Mesopotamien Orchoe, deren
Einwohner nach Strabon eine eigene Secte chaldäischer Astronomen bildeten,
der Keilschriflname ist -»»^T^^/ arak-ki , Stadt der Monate* (oder Tempel
des Mondes?); den Namen Babel haben wir schon Seite 68 erörtert, ist das
Stadtzeichen als Tempel aufzufassen, so wäre dort der Tempel des göttlichen
Wortes (wie das indische Brahma) gewesen; Chalne dürfte identisch mit
-'►-<^^' hii-an-na ^Haus des (Fischgottes) Oannes* gewesen sein, und
Akkad, keilschriftlich ^^ttt\^>> ist eine Reduplication von fcz TJ7 hur^
welches in der alten Sprache „zehn* bedeutete, das wäre das hebräische
yov asar, verwandt mit aj(ar „reich werden* und lüK aSar „glucklich sein*,
wonach Akkad und Asur und Osiris ebenfalls verwandt wären.
Die Reduplication hur hur erinnert an Barbar, Menschen mit fremder,
unverständlicher Sprache, welches Wort sich lautverschoben in unserem
„murmeln* erhalten hat; das ist das biblische non hh^ bakU sephai „er ver-
wirrt die Sprache*, womit der Name Babel erklärt wurde und identisch
mit rttv *pQp imqe sapha „unverständliche Sprache*, welches Jesaias XXIII,
19 gebraucht wird: „Dazu wirst du das starke Volk nicht verstehen, das Volk
von tiefer Sprache, die man nicht vernehmen kann, und von undeutlicher
Zunge, die man nicht verstehen kann* ; eniqa ist aber in der Keilschrift „der
Magier*, und Könige, wie Nebukadnezar, führen diesen Titel; weiters ist die
Zusammensetzung von 10 und 5 (bar), also bari>arj das Symbol der Istar
(Isis), deren Symbol, der Stern -j^, im Ägyptischen 5 bedeutete und deren
ägyptischer Name iu hs den Knoten zeigt (hebräisch mn ^ava = Eva);
endlich heisst im Hebräischen tjk agad „binden*, mjM agudda „der Knoten*,
wonach keilschriftlich hur soviel wie hti „Knoten* wäre, das Wort "T3«t akad
wird aber auch auf „befestigen* (einer Stadt) bezogen, und diess erinnert an
Akkadische KeilschrifL 335
das ägyptische 4 kt |jnt = jn| kt , bauen*, unser «kitten*, welches die
Babylonier mit Erdpech sehr gut auszuführen verstanden. Folgen wir dem
Doppelsinn dieses Wortes, und erinnern wir uns daran, dass die Chaldäer
als Weber berühmt waren, dass dort die langen, den Körper umwickelnden
Gewänder und das Flechten der Haare, ja selbst des Bartes Mode war ; folgen
wir den Auseinandersetzungen Lenormant's, der das Wort Chaldäer mit den
griechischen Namen Khaldauoi, Kardakes, Kardu;(oi, Kordiaioi etc. vergleicht;
erinnern wir uns an die Sage vom gordischen Knoten, dessen Verschlingung
nach der Sage nur der weiseste Mann hätte lösen können; berücksichtigen
wir, dass im Hebräischen ii»n ^alad « graben" bedeutet, wovon /oled »der
Maulwurf* abstammt, dass der hebräische Name der Chaldäer onv^ kasdim
mit *TV3 kasad «einschneiden* zusammenhängt, so dürfte wohl die Annahme
berechtigt sein, dass die Akkad jene Urbevölkerung waren, welche den
Ackerbau, die Messkunst, die Erbauung von Städten übten, und wie sie das
Land vermassen und mit Kanälen durchzogen, auch den Himmel vermassen
und den Grund zu der spätem weltberühmten babylonischen Weisheit legten.
Die Sumerier dürften ein späteres Volk sein, da sie die Bibel nicht kennt; im
Hebräischen bedeutet *iav iiom^r ,der Wächter*, welches Wort auf Hirten,
also Semiten, deutet.
1. Die akkadische Keilschrift.
Ihrer Ursprünglichkeit gemäss wardie akkadische Keilschrift vorwiegend
ideographischer Natur, d. h. die Zeichen drückten Begriffe aus; diese Form
ist besonders in den astrologischen Bemerkungen zu ßnden, welche die
Assvrer aufbewahrt haben, z. B. *^^
Mond in Planetenstande seinem wie Tag erst Tag 29. gesehen
Unglück für Assyrien. Prophezeiung Frau Kind
El ^HI -^ -H^I- 4£l «=Ilf ^ i* -H^ El
und Ohren seine nicht vorhanden Trauer im Lande wird sein und
das Land verkleinert werden.
336 Akkadische Keilschrift.
Um den Unterschied zwischen akkadischer und assyrischer Sprache
zu illuslriren, geben wir in Folgendem den Anfang eines zweisprachigen
Textes einer Krankheitsbesprechung nach Lcnormant.
Akkadisch:
na silik' mulu- /i ina im- ma- an- si ad(da)ni mid-
Gott Marduk Gnade grosse er hat gewährt Vater sein der Herr
Äf- ra ea ha- si- in- tu gu mü-
der Erde zu (in) seiner Wohnung er zu ihm und eingetreten ihm
.ffi ^KiE<Kiif m-j«' -^m m^.^ -'--'
im- na- an- de- a ai- um sag gig an- na-
sagend Vater mein die Krankheit des Kopfes (in) der
zin- na ni- du- du imi dim mu- un- ri- n.
Öde geht herum Wind wie sie hat sich erhoben,
Assyrisch:
Maruduk ip- pa- li- sin va a- na a- bi- su ea
Marduk hat Mitleid gehabt mit ihm und mit Vater sein Ea
i^^i zm «■^lu^iu El *E:::ttii ^^ -^
a- na hit t- ru- uv va %- sis- si a- bi mu-
in der Wohnung er ist eingetreten und er hat gesagt Vater mein die
rur US
ka- ka- di
ina
si-
ir- ri
H- tak- kip
Krankheit
des Kopfes
in
der Öde
geht eüiher
kima sa- a- ri i- sik- ka
wie ein Wind sie bläst heftig.
Eine besondere Eigenthümlichkeit der chaldäischen Schrift ist das
eigenartige auf mathematischer Grundlage beruhende Zahlensystem, welches
Zahlensystem der Keilschrift. 337
jedenfalls in diesem Lande der Feldmesser seinen Ursprung fand und sich
erst später zu den übrigen Völkern: Indern und Ägyptern verbreitete. Bei
den Runen fanden wir die Zweiheit potenzirt 2:4:8: 16, bei den Chaldäern
finden wir Ähnliches in Bezug auf die Dreiheit, nämlich ü 3, <ts ß, es 30,
•« 60 = 9068e (unser Schock), 60 X 10 = 600 ner, 60 X 60 == 3600 sar.
Neben dieser Rechnung und zum Theile in sie verwickelt finden wir die
Zehner-Rechnung, welche auf Strichen aufgebaut bis zur Zehn reicht und diese
leUlere potenzirt: J 1, JJ 2, JU 3, ^ 4, W 5, W 6, fg 7, ^ 8, |^ 9,
^10, ^ 20, ^( 30, ^^40,^^ 50. Hieran schliesst sich das Sexagesi-
malsystem mit T 60 als erster Potenz, nach welchem TT (1 X60-f-l) 61,
TTy 62, y^ (60-+-10) 70 I^V (60-H50-+-4) 114, JJ (2x60) 120
yt^^(2x60-H20-H2) 142, f^ (11 X60-h 50-4-6) 716, ^f^ff
(56X60-+-16) 3376 sind, dieses System wird bis 3699, d. i. 59X60-f-59
fortgesetzt; mit 3600 fangt eine neue Reihe an, welche in derselben Weise
durchgemhrl wird, z. B. J^^ (1 X 3600-+-8 X 60-f- 1 6) 4096, JJ^^^ff ^^
(2x36OO-h36x6O-+-20-^1) 9381; ein Beispiel einer hohem Ordnung
ist bisher nicht gefunden worden. ^^^
Wir finden hier den Ursprung der ägyptischen und indischen Zahlen-
bezeichnung; jene führte das Zahlensystem einfach fort, indem für Zehner,
Hunderter und Tausender Zeichen aufgestellt und die Zahl entsprechend
vermehrt wurde, dieses (das indische) übertrug die Potenzirung des Sexa-
gesimalsystems auf das Decimalsystem, indem es die nicht benannten Reihen
durch Nullen (arabisch si/r »der leere Raum", wovon der Name , Ziffer*
herstammt, der von den leeren Nullen auf die Zahlzeichen übertragen
wurde) ausfüllte.
2. Die assyrisch-babylonische Keilschrift.
Die babylonisch-assyrische Keilschrift erinnert lebhaft an die japanische
Firakamia-Schnfl, obwohl letztere fast ebensoviel Jahrhundert nach imserer
Zeitrechnung aufkam als jene vor unserer Zeitrechnung, beide also über
tausend Jahre auseinander Uegen; aber gemeinsam ist beiden der Gebrauch
fremder Wortbilder als Silbenzeichen und die Einmengung fremder Wort-
bilder in der Weise, dass diese wie erratische Blöcke die ebene SylbenschriR
durchbrechen. Wir haben bei der Betrachtung des Namens Akkad gesehen»
dass derselbe sich eng an Assur anlehnt, wir kOunen uns jedoch der That*
FanlMinii. 0««eliicbt« d. SchriA. ff
338 Assyrisch- babylonische Keilschrift.
sache nicht verscbliesseo, dass die unaufgelSsten WCrter in der assyrischen
Keilschrin nicht assyrisch sind, wir mOssen also die Assyrer als ein fremdes
Volk betrachten, welches die UrbeTSlkerung unteiioehte, und es wäre dabei
sehr wohl möglich, dass die Assyrer fremde Wörter in ihr« Sprache auf-
nahmen, wie sie auch den ganzen äkkadischen Cultus angenonunen zu haben
scheinen. Demnach wäre das Verfaältniss zwischen beiden Völkern dasselbe
gewesen wie in China zwischen Mongolen, Tungusen und Chinesen; jene
Völker eroberten das Land, setzten ihre Fürsten auf den chinesischen Kaiser-
thron, beugten sich aber vor chinesischer Wissenschaft; die Fürsten und
Vornehmen lernten die chinesische Sprache und Schrift, während fQr das
gemeine Volk die heimische Schrift zum Schreiben ausgebildet wurde, wie
bei den Talaren, Mongolen und MandiEuren; wenigstens lässt sich das Vor-
kommen der aramäischen Buchstabenschrift neben der Keilschrift nur auf die
Weise erklären, dass die Assyrer eine Schrift besassen. wahrend die Fürsten
die heilige Schrift der Urbewohner annahmen, wie sie ja auch das Hohe-
priesterihuin sich aneignete.
Wie femer die Japaner Wörterbücher anlegten, in welchen den chine-
sischen Wortzeichen die japanische Aussprache und Bedeutung beigescbrieben
ist, so fand man auch in Niniveh Vokabularien, welche die äkkadischen
Wortzeichen in der Mille tragen, während links die akkadische Aussprache,
rechts die assyrische Erklärung beigeschrieben sind, z. B.
.Nr(iOO) y.^ Mk (b to/ das Ganze)
ml T^- kalu (nSj kala vollendet)
wi T^- nfsu oder tamsu (iian Thamvz,
syrischer Gott, griechisch Ado-
nis, hebräisch \\i» adon Herr)
isib [►- mmku (IOt ranioit- Stute?)
»IIS !»*-►-►— mädutiiv (iite mid Menge). "'
Die Auffindung dieser Tafeln hat die volle Entzifferung der Keilschriften
'Tsl ermöglicht; auf einer derselben fand sich eine Inschrift König Sardana-
pals V., die wir auf dem Titelbilde reproducirt haben und welche vollständig
lautet: '»»
JTf^TL-l^. tL^.^^T^T^ -TTgj^.S^^T
Assyrisch-babylonische Keilschrift. 339
Erklärung: ►^MU^t Ä€-/:a/ bedeutet , Palast*, hier steht es aber für
,ich'. Das folgende Zeichen | zeigt an, dass ein Eigenname folgt, es vertritt den
Königsschild der Ägypter; der folgende Name besteht aus den Zeichen für Gott,
schuf, Sohn (das franzosische Dieudonn^), akkadisch an-ak-a, assyrisch Äsiir-
idamta-paüa, woraus Sardanapal wurde ; ^4 ist das Zeichen für König (sar),
^ für Legion und Herrscher, beide Zeichen können also König der Legionen
A
und König der Könige gelesen werden ; hierauf folgt wieder König, dann der
Name Assur, bestehend aus dem Zeichen für Land, Assyrien und nochmals
Land, wie denn in der alten Schrift die Erklärungszeichen bald vor, bald
hinter dem Namen stehen, ein Beweis, dass verschiedene Schreibarten in
dieser Schrift verschmolzen sind; T^ sa ist Fürwort „dem*', hierauf folgt
ein Gotteszeichen und >-t\^ak „ Schöpfer •, sie bilden den Gottesnamen
Nabu (hebräisch laj Nebo der Gott der Offenbarung, Merkur), die folgende
Gottheit heisst: tas-mi-tuv (wir haben sie Seile 32 schon besprochen), \^jy
uzni sind »Ohren*, JT bedeutet den Dual; hierauf folgen das Begriffszeichen
rapastuv , ausgiebige ■ , dann die Lautzeichen i^-ru-ku , schenkten * , i-hu-zu , ge-
öffnet*, ^Vyy bedeutet Augen (mit dem Dual), darauf folgen die Lautzeichen
na-mir-tu , sehen*, tii-Su , Grundlage*, tip-sar-ru-ti , Herrschaft*, sa »der*,
►^iM »den*, hierauf das Königszeichen mit der Pluralform '►<« mis, dann
die Lautzeichen a-lik , gestanden* majf-ri-ya »vor mir*, ^nak-mi-ru .Schrill*,
gU'ü'iH »diese* i'/u^uz-zu »geoffenbart*, ni-ni-i-ku »in Verehrung*, an-ttk
Nebo's (siehe oben), ►►-^ ilu »des Gottes*, kip-sa-an »des Verbindenden*,
ifum'ku »das Zeichen*, ma-la »geringste*, iVi-?ia »zweiten*, a,^mu »Laut*,
in »in*, t \^P^ I -44^1 Plural = (/»/>/>* »Tafeln*, wv-Zi/r »habe ich geschrieben*,
OB-rut »gezeichnet*, ab-ri »geordnet*, a-fia »zum*, ta-mar-ti »Unterricht"*,
340 Erklärung der Tafel VI.
^'-to-itö-8»-ya „meiner Diener*, ki-rib „in (Mitte)*, he-hal-ya „meinem Palast*,
V'kin „aufgestellt*.
Die Inschrift heisst demnach: „Ich Sardanapal, König der Legionen,
König von Assyrien, dem Nabo und Tasmut ausgiebige Ohren schenkten
und geöffnet haben die Augen, um zu erkennen die Grundlagen der Herrschaft,
die den Königen, welche vor mir waren, diese Schrifl offenbart haben, in
Verehrung Nabo's, des verbindenden Gottes, habe ich alle Zeichen, auch die
geringsten, in zweifacher Schrift auf diese Tafeln geschrieben, gezeichnet,
geordnet und zum Unterrichte meiner Diener in meinem Palaste aufgestellt. *
Eine andere Inschrift, welche von Nebukalnezar herrührt, haben wir
auf beiliegender Tafel VI in archaistischer und vereinfachter Schrifl abgebildet
und lassen hier die Erklärung folgen, wobei wir die untere einfachere Schrift
in Typen wiedergeben: ►-►] gf — T^ fp^j g'|||y 1^=*^ t^ ^I I bilden
den akkadischen Namen an-pa'Sa-dU'U-sur'Uny d. h, „ Gott des Scepters (Nabo)
schirme die Krone * , assyrisch fiabo-kudurri-usur, wofür auch nasir gebraucht
wird, weshalb der Name einmal ixnji^'^u Nebttkadnezar, manchmal nx^i^uj
Nebiücodrosar gesprochen wird; das folgende Zeichen ist t^y^ 9ar „König*,
dann Ö^T = t^ 6ai i^ j ü ^^| lu a;|^J = ^^ „Stadt Babylon*.
yf ^^>»^ I za-^in , Erbauer * , ^^ | ^~ | g::^!^ TT bit-sag-ga-tu ist der akka-
dische Name für Pyramide; ^Im^I = ff]W[«w . und * . ^^ZjT [ »-^'^^ [ 41
bit-zi-da ist der akkadische Name für Thurm. Zweite Zeile ^^T ^^ t^ *'*''*
pallu „Sohn*, t^I | ^]t^ Nabo- 8==^| poü- t\]]] w- das folgende su-ur
(wie oben) also Nabopallassur*s ; jetzt folgt wieder der Titel „König von
Babylon*, dann Tf^^-^^H^Ja-na-ku „ich*, ^^Pf '*^^ „Palast*-,
►— ^ c=T ^T ^1 mu-sa-ab „Sitz* ^y T ^y y ►-^T-^ ^| T ifar-ri#-^i-ya „meines
Königreichs*. Dritte Zeile i^>^^] ina „in*, ^ yyy » ^ 1 1 ^^'^ ir-si-^i
„Lande*, {rj 4? ►-»-T ►fcT ^ bab-ü-lu, folgt das Stadtzeichen; "^H «»
„welches* ^^^^^ ^-rib „der Mittelpunkt*, ^T^ttTT ba-bi-lu, folgt
das Stadtzeichen ; ^j[ tJ^^^iT^T *'^""^ »habe ich gemacht*. Vierte Zeile.
»^►^^T tt^ ^%7"T ►^T i-na^mi;f'rcMit »unter*, .^ö-^V-vJ^ kt-gal-ht
„Tiefe des Flusses*, ^ ^*^ ^T-<^T ►y^^^ i-si-it-sa „seine Grundlagen*,
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Erklärung der Tafel VI. 34 1
efPff-^g^JlT u-Sa ^►^4,T^>- ►I^Ttl ar-äi-^d-va .tief gefügt habe ich«.
Fünfte Zeüe: ^•--•^y ina »mit« TrT'^y^T^yTf kupri »Asphalt« ^►"T+j
au .und-, :3t:6:=^T»^|^t^f^y <^^rn »Ziegelstein», ^^ff
►yS:V^^^^^^^|:|I U'za-ak'ki'ir-äa »habe ich erzählt«, i-KJ ^^^TT
^; j |^ir"r^[ I hu^rse^ni-iä »auf den Gylindern«. Sechste Zeile ^^^itti
, mit • , ^;;^^Ttj^ ^I— I ^*-^w-»**^-^ » init deinem Bestände « , i^^ ►T^^
Ä-a- »erhaben«, ►.►! ►►.T>^| ^^[^T Gott (Sur-ut) Meroda/, ^^| Wf
»Palast«, ^y t33»— g= I i-hu-äti »gemacht«, ^^c= | ^ »nicht«, >— c=: ] fiM
ia-sa » umgeworfen « , dHfc^Z^I^^— m-ms-^/ » wird er je sein « . Siebente Zeile :
>-^*" |i-«ö » in « »^^/^"t 1 ^.^^t |3 1 Ici-ir-bi-Sa , in seinerMitte « , i-na » in « ,
ia-W-Ww» Babylon«, ^t^<;^p^A H-hu-ti »zu Sitze«, J^T^^^^^T^T Iw
uk'ht-ud »auserwählt«, J »f |^t^|>^| JT^^H^ i ^w-ui-fto-o-Zt »dem er wieder-
giebl siebenfach«, ^| >A te& ^"^N *^'^^'^* »seine Fruchtbarkeit«. Achte
Zeüe: ^t^pj ^►^ ^PPP^ jT li-bu^u-a »durch mich«, ina »in«, ki-ir-bi-sa
»Mitte der Stadt« (wie oben), !t^.^^^[ ana »bis zu« ^U] da »Tagen«,
^t:^Vi^.Mir'rukU'ti »entferntesten« W aa »das Volk«, tT»^! ^I S^'Fl
^^ ^^ -V ^1^1 ^^ H 1 ^ 7t T ^"^ ■ al'fna-at-ga-ga'Ut-da'li-hi'i'lu » wird
herrschen«.
Die Inschrift lautet demnach: »Nabukodonosor, König von Babylon,
der Erbauer der Pyramide und des Thurmes, Sohn des Nabopallassar,
Königs von Babylon, ich sage: Ich habe erbaut den Palast; den Sitz meines
Königthums, das Herz Babylons im Lande Babylon, ich habe seine Fundamente
tief unter das Nivean des Flusses legen lassen, ich habe erwähnt seine
Errichtung auf den mit Asphalt und Ziegeln bedeckten Gylindern, mit deiner
Hilfe, o Gott Meroda)r, du Erhabener, habe ich diesen unzerstörbaren Palast
erbaut, dass der Gott herrsche in Babvlon, welches er sich zu seinem Sitze
auserwählt hat, dem er versiebenfacht die Zahl seiner Geburten, dann wird
durch mich Babylon herrschen bis zu den jüngsten Tagen«.
Die cursive Form der untern Inschrift auf der Tafel erschwert wohl
das Lesen, aber noch viel undeutlicher sind die Gylinder mit kleiner Schrift, an
denen die Keilschriftforscher die Geheimnisse dieser Inschrift entziffern müssen.
342
3. Die medische Keilschrift.
Die Inschriften des persischen Königs Darius sind in drei Sprachen,
assyrisch-babylonisch, medisch und persisch, sämmtlich in Keilschrift abge-
fasst und aus diesen Inschriften die medische Keilschrift bekannt geworden.
Ihrer Form nach schhesst sich dieselbe eng an die assyrische an, ist aber
einfacher, vermeidet die Durchkreuzung der 21eichen, hat wenig Zeichen für
geschlossene Silben und als klarsten Beweis, dass sie von den Assyrem
entlehnt ist, einzelne Ideogramme, welche in alter Weise, aber mit Hin-
zufugung des Zeichens | ^ geschrieben sind, so z. B. kommt das Wort
^[^Hfefczj ►- 1 Thier a-ab-ba .Kameel* in der medischen Keilschrift als
[^►^►■►-T'Ttli^lj ^1 1 1^ vor. Diese Schrift kann also kaum von den
medischen Königen herrühren, welche laut Berosus nach der grossen Fluth
und vor der assyrischen Dynastie in Babylon geherrscht haben sollen; eher
dürfte die Schrift nach der Eroberung Ninivehs im Jahre G25 vor Christo
durch Kyaxares entstanden sein, indem wahrscheinlich auf Befehl des
Eroberers gefangene assyrische Priester die Keilschrift der medischen Sprache
anpassten, wenigstens ist einem solchen Vorgange die persische Keüschrift
entsprungen. Wir lassen hier zur Vergleichung die beiden Syllabare folgen. *«»
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Medische Keilschrift.
343
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Wirlassenhier als Probe den Anfang der Inschrift vonßehistun folgen: ***
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IT Da-ri-ya^va-u-ii ga u'-iO'ir'ra /ja ir-nn-ir u i-fui^
Ich, Darius König der grosse, König der KOnige. i<-h König
yoron sinHk'ka ga da^-yO'ü-ifi-na na u i'iH'da^^-fpfi'^i'ok'ri ir-^j'tn/i ru» i-hu
der Perser, König der Provinzen, i^h Hi<la^[»*'j* Sohn Ar-saiua
M-W-oÄr-n ho'kO'man'HU'ii'ya.
Enkel, der Achämenide.
344
4. Die armenische Keilschrift.
An den Felswänden am See Wan befinden sich ebenfalls KeDschriflen,
von denen man annimmt, dass sie in armenischer Sprache abgefasst sind.
Dr. Mordtmann «< hat die Zeichen derselben mit den assyrischen verglichen
und sie mit diesen übereinstimmend gefunden, z. B.
'T a assyrisch ebenso
t: 'T € assyrisch ^» y
^:t f assyrisch ebenso
yyi kha assyrisch ebenso
.^^^I^ khar assyrisch ^^ ^b
^y ka ass3rrisch 'S-!
t:^ hl assyrisch t:!?Cl3
^^,^^yy^ kun assyrisch M 4^>>ff^
►-^ kur assyrisch "^ u. s. w.
Sind die Ansichten Dr. Mordtmann's richtig, so würde diese Keilschrifl-
art mit den vorigen identisch sein und es sich nur um die Sprache handele,
weshalb wir an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen haben.
5. Die persische Keilschrift.
Einen ganz andern Charakter als alle vorigen Keilschriflsysieme hat
die persische Keilschrift; sie ist eine Buchstaben- und keine Silbenschrift,
insbesondere wenn die mehrfach aufgestellte Ansicht richtig ist, dass die
Verschiedenheit der Gonsonanten vor gewissen Vokalen auch eine Ver-
schiedenheit in der Aussprache bedinge ; es wird nämlich k vor a und i ^^
anders geschrieben als vor «, wo dann ^^ steht, »-^y^ w vor o, ^{^ mvort,
^^>* m vor M, in welchem Falle Lepsius m v tn!^ zu lesen emp6ehlt, während
y^ s in gleicher Form vor a, i und «, z in gleicher Form y**^y vor a, i und u
vorkommt. Ausserdem zeigt die persische Keilschrift ganz andere Formen
als die babylonisch-assyrische und die medische, z. B.
a babylonisch IT medisch y 'y persisch yyy
p babylonisch gJ^ niedisch [f: persisch ^
S babylonisch TJJ medisch ^ persisch ^
Entstehung der persischen Keilschrift. 345
Dem Scharfsinne Oppert's**^ ist es gelungen, dieses Räthsel zu lösen, und er
hat die Lösung in derselben Weise gefunden wie der Verfasser der vorlie-
genden Schrift bei seiner Erklärung der Runen« etc., indem er sich nämlich
▼om Begriffe und nicht vom Laute leiten Hess; es ist diess neuerdings
ein Beweis, dass die bisherige Methode, die Veränderung der Zeichen in
der Comimpirung derselben zu suchen, verlassen werden und eine neue
befolgt werden muss ,' welche den Begriff der Zeichen zur Grundlage der
Vergleichung nimmt.
Oppert schreibt die Erfindung der persischen Keilschrift dem König
Kynis zu und schliesst diess daraus, dass die Zeichen, welche den Namen
dieses Königs bilden, schmeichelhafte Attribute desselben sind; wir möchten
aber aus demselben Umstände schliessen, dass die Schrift nur auf Befehl
des Königs Kyrus von babylonischen Priestern aufgestellt wurde, und dass
von diesen die Schmeichelei herrührt. Nur eine tiefe Kenntniss der Keilschrift,
wie die babylonischen Priester sie besassen, konnte eine solche Auswahl
treffen, ebenso dürfte auch ein fremdes Ohr die feinen Lautunterschiede
ängstlicher aufgefasst haben.
Im Allgemeinen ist über die Schriftveränderung zu bemerken, dass das
Streben nach Einfachheit vorherrscht, zusammengesetzte Keile wie i oder
d wurde in den einzigen Winkel ^, »— und t in den einzigen Strich »- und y
aufgelöst,Durchkreuzungen vermieden u.s.w. Wir lassen nun die Entwicklung
der persischen Keilschrift aus der babylonischen nach Oppert's Angabe folgen
und bemerken nur noch, dass die eingeklammerten Vokale darauf hinweisen,
dass der Consonant nur vor diesen Vokalen gebraucht wurde, wie oben
erwähnt worden ist, und dass die persischen Wörter dem babylonischen
Bedeutungen entsprechen.
Persisch Babylonisch
m
a aura
."rf
i isii
;<"
u um
rs:
k (a, i) karta
<f
k (u) ktirti
- yjj sa Herrscher
Y Ziegelstein
4^^m y sul gross, breit
J^ kak Werk
^y ui Sonne
346
Entstehung der persischen Keilschrift
Persisch
Babylonisch
<yy^ 9 r«, i)
gaitha
<H 9 M
gmaka
«ri **
khaaita
^h1 * ('*' i)
tatSara
rrr * m
turiya
n" ^ 00
data
3!y ^ 0)
dipi
<Hy ^(^->
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thukhra
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pant^
5=r *
havana
K< /
frätha
5:< n r<», 0
näh
«j: « r«;
nuna
>-)fYf m ^a;
fnathista
K- »« ^:^
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6:<-»» r«;
musti
Et ♦• ^«^ »>
räza
-« »• r«;
rttti
<!^
lakhsa
K- y
yüta
>-y^ V (a, u)
vahista
y*Y t> (i)
vidä
y*?- «
Uakkra
<< ^
Siyätis
rE *
spithra
^►yr im Himmel mid Erde
wir Seite, Ferse
IIT'T kan mächtig
^ y^ ' mal Haus
1 1 1^ die vier Elemente
I e Befehl
V zu Text
tul Wolke
glänzend
ya fünf
iz StoflF
mis Vielheit
bi Röhre, Kanal
in Wimper
nun Herr
^{{^1= di Belohnung
zak Faust
ma Geheimniss
►^ mu Wort
w^' pin Gründung
^y>- Si Andenken
^^gte Paradies
1 + 1 ip berühmt
!► mar Wagen
^ /i gut
a$ Firmament
TTT
I
■f
Inschrift von Persepolis.
347
Persisch
!
\ y»^ y z zaruvana
^^( i (a, u) iaya
^-(^ i (i) Sigäla
^^Z h hamna
f^ ihr thruva
Babylonisch
T-T
Ewigkeit
►>— [ A, pcd Lebenszeit
►-^»^ 8ir Meteor, Kohle
i^ Opfer
si Hom
:^I
Wortzeichen:
<<<
Uli
m
khsütfothtfia
bumi
dahyära
näma
puthra
pärsa
fram{?)
auramazda
t ^ König
"^ (^^) Göttin, Land
\^^ die Länder
iVy Name
Sohn
Fürst, Perser
Waffe ?
Ausserdem haben die Perser folgende Determination aus der babylonischen
Schrift entnommen: y vor Männemamen, ^*^^ vor Göttemamen, ""^yT ^^^
Städtenamen, ^^ vor Ländernamen, |][ vor Flussnamen, A trennt die Wörter.
Wir geben als Schriftprobe den Anfang dei Inschrift von Persepolis. i**
j=r <Tr \ -y^ i-y wj^ \ m <?» ^y -m Kp m V5=<!<- \
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m K'^ y <f"YY y<^ ^yYy \ m w ^-y^ ^^yYy "v w »-«(yy »-y^ ^<yyy
-h y\ y«^y -yYy y"yy syYy ^i --hi \
348 Kyprische Schrift.
ha-ga ,Gott", va-z-ra-ka ,der grosse*, a-u-ra-ma-z-da-a «Auromaz-
da", Ä-yo »der*, i-iwo-a-m , diese*, hu-u-mi-i-m »Erde*, i^da-a »geschaffen*,
h-ya »der*, ö-ra-w »jenen*, a-s-nuMi-na^-m »Himmel*, ordorKi »geschaffen*,
h-ya »der*, ma-r-t-i-ya-m »den 'Menschen*, a^a^ »geschaffen*, Ä-j/a »der*,
s-i-ya-a-t-p-m »Annehmlichkeit (Schicksal)*, Orda-n »schuf*, fwa-^-f-i-yo-Ä-yB-a
»den Menschen*, h-ya »der*, (fa-a-ra-ya-f?-K-m »Daryavus*, ücÄ-ÄO-o-yo-rt-i-
yorfn »zum König*, Ork^urnoruS »gemacht*, a-i-vorm »alleinigen*, jw-r-w-r-
na-Orfn »vieler*, lüi-sa-a-ya-th-i-yorm »König*, a^i-va-m »alleinigen*, /w-r-
tt-r-wa-a-m »vieler*, f-ra^ma^a-ta-rtP-m »Herrscher*.
Vom Zahlensystem haben die Perser nur das einfache Zehnersystem
angenommen, doch schrieben sie y^ für 60, ^(^ 70, y^^<( 80, ^(^ 90,
ff^ 100, yyy- 200, YYjy- 400, y<f- 1000, yf<y- 2000, «y- 10.000.
Höher gingen die Ziffern nicht hinauf; man gebrauchte fQr höhere Zahlen
die unbestimmten Ausdrucke »Tausend und aber Tausend* oder , Tausend-
maltausend dienten ihm und Zehntausend von Zehntausenden stehen vor ihm.'
V. DIE KYPRISCHE SCHRIFT.
Auf der Insel Kypern, von welcher der Gultus der Aphrodite nach Griechen-
land kam, hat man neben phönikischer und Keilschrift archaistischen Charak-
ters (eine Inschrift beginnt mit den Worten ^T.^^ f: I t^K^^'^^
ka-itti kat-urtir-sa^ scheint also darauf hinzudeuten, dass die Verwandtscha/l
der Akkad und Kittim der Bibel eine mehr als nominelle ist) auch Schrift-
zeichen auf Münzen und Inschriften gefunden, welche keine Ähnlichkeit mit
irgend einer andern Schrift haben und sich bei genauerer Forschung als
Sylben zeichen einer griechischen Sprache dorischen Dialectes erwiesen. Die
Trachten und Embleme auf den Münzen weisen auf Ägypten hin, und wir
w^erden wohl nicht irren, wenn wir annehmen, dass hier eine ähnliche
Schaffung einer Silbenschrift für die griechische Sprache aus der ägyptischen
Wortschrifl vorliegt, wie wir sie bei der Entstehung der japanischen Schrift
aus der chinesischen, der persischen Keilschrift aus der babylonischen
gefunden haben, und wenn wir als das Volk, für welches diese Silbenschrift
eingerichtet wurde, das karische halten, welches vor den Phönikiem die
Küsten des Mittelmeeres und dieses selbst beherrschte und einen Theil des
Völkerbandes bildete, der mit Ägypten Krieg führte.
Kyprisches Syllabar. 349
Die Entstehung dieser Silbenschrift muss sehr alt sein; noch wurden
die griechischen Laute t, th und d; b, p xindph nicht unterschieden, neben
den Silben ka^ ke^ ki, ko, kü findet sich nur ein ga^ dagegen ist das v noch
vorbanden, welches in der spätem griechischen Sprache verschwand und
ks ist in ki-si noch aufgelöst. Ebenso entsprechen die Zeichen weder den
Hieroglyphen, noch der hieratischen Schrift, sie scheinen vielmehr jenen
Charakteren ähnlich zu sein, welche wir in Khufus Namen fanden, alte runen-
artige Zeichen, aus denen sich die hieratische Schrift entwickelt hat. Wir
glauben daher am besten zu thun, wenn wir, um die ursprüngliche Bedeutung
dieser Zeichen zu erkennen, die entsprechenden ägyptischen Zeichen mit den
griechischen Wörtern vergleichen.
)|c 0 )l( ^«
Das erste Zeichen ist die Rune hagl, welche in den Hieroglyphen als
f /a vorkommt, das zweite ist der Tropfen, der im Charakter der Keilschrifl-
form T*T a ist, das dritte Zeichen schliesst sich an das erste an, das vierte
ist ein Stern. Diesem entsprechen die griechischen Wörter: aigis das Gor-
gonenhaupt, der Schild der Minerva ist sowohl die strahlenwerfende Sonne
als die blitzwerfende Wolke f, woran sich od^ »ich verletze', agddzomai
,ich staune*, agn^ .heilig', dgos ,Gräuel*, akoe , Gehör*, dUcar .Abwehr*
und die Göttin Athene anlehnen; da letztere auch die Beschützerin der Künste
ist, so könnte das Zeichen auch die Spinne (ard/ne) vorstellen, deren Zeichen
in den Hieroglyphen längst verloren gegangen ist. ^ ist auch das Symbol
des Krieges, «Schild und Speer*, welche die Göttin trägt; damit hinge Ares
der Kriegsgott, aner , der Mann*, änthröpos .der Mensch*, dgö .ich führe, ver-
sammle*, aeidö .ich schwirre (Bogensehne), zwitschere, singe*, drisios
,der beste* zusammen; ferner haben wir % als Vereinigung der Geschlechter
kennen gelernt, womit agcUhös .gut*, agapdö .ich schätze hoch*, agdpe
«Liebe*, anüö .ich vollende*, ar/i .Anfang*, aut^s .selbst*, zusammen-
hingen, femer ist ^ die Blüthe, daher dnthos .die Blüthe*, (igalKs .die
Schwertlilie (ägyptisch n, akmi .Spitze*; endlich die Speichen des Rades,
daher am/)A/ .um, herum*, arithmöa .die Reihe*, härma .der Kriegswagen*
und dieser als hdmadza .Sternbild des Bären* ist zugleich das vierte aus
sieben Strichen bestehende Zeichen und verwandt mit iister .Stern* ; J|( ist
liei den Chinesen Symbol des Wassers und lehnt sich als Bach zwischen
zwei Ufern an den Tropfen an.
350 Kyprisches Syllabar.
sind ihrem Ursprünge nach identisch mit dem vorigen Zeichen, ihre specielle
Bedeutung durfte in ^don .sehen' liegen, ägyptisch J^, hieratisch ^, das
zweite Zeichen hat Ähnlichkeit mit der Eeilschriftform ^ Si .Auge, Gesicht*.
Das erste Zeichen ist der fünfstrahlige Stern der Istar (Aphrodite), die rosen-
fingrige Eos oder Iris; auf die Erde angewandt (de .das Waldgebirge'; das
zweite Zeichen scheint ein Rumpf zu sein, daher (sas .gleich', (dias .eigen',
idSa .Beschaffenheit', da die Körper als gleich und nur das Antlitz als
unterscheidend angenommen wurden; es scheint dieses Zeichen aber einen
Doppelsinn zu haben und auch der zQngelnde Schlangenkopf zu sein, worauf
i6s .Gift, Pfeil', hieris .Priester', iater .Arzt' hinweisen.
Das erste Zeichen scheint ein Kraut zu sein, ägyptisch 1 1 »n . gleich, ähnlich
sein', da die Gräser gleich sind, und hieran schliesst sich homoias .gleich', 6
.der' (im Sinne von .jeder'), t«^ .wollereich, kraus' ; das zweite dürfte der
Vogel sein, ägyptisch m, hieratisch ^ u, oiönds^ örnis .Vogel', lateinisch am.
^ ü
scheint der erste Keim zu sein, das Bedeckende des Bodens, dann auch die
Öffnung des Himmels; es ist verwandt mit Y, daher hüö .ich lasse regnen',
hudör .Wasser', hügrds .feucht', hüi6s .der Sprössling, der Sohn'; aus
diesem Doppelsinne erklären sich auch hüp^ .oben' und hüpö .unten',
nämlich das Wasser über der Veste und das Wasser unter der Veste, wie
die Bibel sagt.
[- ta
ist die nordische Rune ^ thurs .der getheilte Stab, das Loos', d^er dahnön
„die Gottheit der Lose', daiomai .ich theile, vertheile', tamias .der Ver-
walter, Vertheiler' (der jedem durch das Loos seinen Antheil bestimmt),
tdssö .ich ordne'.
± te
ist die reife Ähre, ägyptisch neben m beti .Weizen' jT tr .die Zeit der
Reife', daher detle .die Mittagszeit', ttleios .reif, theös .Gott' (der nordische
T Jyr), theros .Sommer', als Frucht: teknoti .der Gehörne', deuttros .der
Andere", analog ägyptisch I son .Bruder, Schwester'.
Kyprisches Syllabar. 351
A ti
ist gleichfalls Tyr: dia .zwischen, zwei*, di/a »zweifach*, time , Schätzung*
(Unterscheidung), d^e .Recht*, dtos »Gott*, ägyptisch A ist der Siriusstern,
der die Zeit theilt und den Beginn der Regenzeit ankündigt.
kommt, aber sehr selten, in den Hieroglyphen Tor; Brugsch erklärt es als einen
Schlüssel, womit den Leichen der Mund geöffnet wurde, um das Gehirn
herauszunehmen; es kommt vor in "^h** 8 jj ^ uar hek »Magie*, femer
als hi »steigen, schlagen*, wahrscheinlich ist es die einfache Form von J ab,
bt »Werkzeug zu künstlichen Arbeiten*, entsprechend dem griechischen iorös
»durchbohrend*, tome »Schnitt*, iomius »Kneif, Messer*, auch tokseuX^
»ich schiesse* schliesst sich an; der Stamm ht dürfte sich in unserem »Waid-
messer, auswaiden* erhalten haben, to in »Dolch*, wahrscheinlich war es
ursprünglich ein der Hand nachgebildeter gekrümmter Haken, ein Dietrich,
hebräisch ^ yad »Hand*.
Itk tu
schliesst sich an das vorige an, es ist die ausgestreckte Hand, ägyptisch (N^r
hieratisch 2-^ )fu »beschützen*, \|->, hieratisch \^ tsr, dem entsprechen:
iiptö »ich schlage*, iürannos »Herrscher*, /ti/« »Geschick, Zufall*, dinaniai
»ich kann*, düo »ich dringe ein*, duo »zwei*, (die Hand mit weggewendetem
Daumen, ägyptisch ««»« tt).
ist ähnlich dem oben besprochenen i, wie jenes die Isis, ist ga die gaia
»Erde', /ai«(J »ich gähne*, gamiö »ich verbinde, heirathe*, ägyptisch (^ /n
»umarmen*.
^ ka
scheint eine Vereinigung der Symbole von Himmel und Erde zu sein oder
der Kopf auf dem Rumpfe; dasselbe symbolisirt die Pflanze T /a »die
Schvrertlilie * , griechisch agalUs, hieran schliessen sich kdktos »die stachlige
PÜMüie* ^ kardia »Herz* (lateinisch Carduus »die Distel*), von der Blülhe:
kaihari$ »rein*, kainös »neu, blank*, kcMs »schön*, kdra »Kopf* (dagegen
der runde Auswurf kakös »schlecht*), auf den Stengel beziehen sich: kauon
»Rohr*, kauUs »Stengel*, karter6$ »stark*, auf die Vereinigung von Gipfel
und Boden kai »und*, katd »von oben nach unten*, auf den Blüthenstaub
ki£ö$ ,Thau*.
352 Kyprisches Syllabar.
ist mit dem vorigen verwandt^ sein Grundbegriff ist aber .durchschneiden*
wie die Hieroglyphen v^ w«, Jj 6«, y» Asft und XT ab\ hieran schliessen
sich die griechischen Wörter: keddsö ,ich zerspalte, zerschneide*, keiro »ich
schere ab", kiniron , Stachel*, k4ra$ „Hom*.
S ki
scheint ein Weg zu sein, griechisch kUeuthos, ägyptisch 'i^ hr, auf das
Gitter des letztem weist kinklüs- .Gitter, Gitterthüre * , wie im Gebirge für
Wege Thüren in den Zäunen angebracht sind, ferner kiboids «Kasten, Kiste*
(das Verschlossene), auch der rankende Epheu kissas dürfte sinnverwandt sein.
A i^
ist griechisch korüphe .Gipfel", gdnia .Winkel*, koUas .hohl*, kölpos .Busen-
falte, Bauch* (ägyptisch 13 kr), kMis .Hekn*, gönü .Knie«, kSlon .Glied,
Fuss* (ägyptisch ^),ÄMJfios. Zapfen der Pinie*, koleös .Scheide der Schwertes*.
Sf kü
ist das ägyptische T, hieratisch ^ /sf .Lotos*, griechisch kdamos .Bohne*,
küras (Sonne) Name des bekannten persischen Königs ; es ist verwandt mit #,
daher AnSdnos .ßchwarzblau* (wie der Nachthimmel), ämMo .schwanger* (Wolke,
Knospe), käklos .Umkreis*, küma .Woge*, käUkSy lateinisch calix .Kelch«
(ägyptisch ♦, hieratisch ^ .Herz*).
ist das ägyptische ff , hieratisch ^ psd, das ist der Poseidon, der Gott des
Wassers und der Erde, der Erreger der Wogen, der Wassermesser, das
Rückgrad der Welt, die Stabsäule, um welche sich die Sphären drehen, die
Weltesche Yggdrasil, der Mittelpunkt der Welt. An ihn lehnt sich das grie-
chische basüeiis .König* und FcUlas Athene die jungfräuliche Erde, Pon der
Feldgott, p<U$r .Vater*, |wi/o« .stark, dick*. Merkwürdigerweise ist auch in
der Keilschrift ^h^pa, eine vereinfachte Form von ^TT|T u .Feld, Mass«
und die Bedeutung .salben« hängt mit dem gesalbten König zusammen.
ist die Rune H sol (Sonne), das ägyptische - _j* tna .Sichel«, das hebräische
H nun (Augenblick) und entspricht den griechischen Wörtern: bäos .Blitz,
Pfeil*, peirö .ich durchbohre*, pesso .ich erweiche durch Wärme (also der
Sonnenstrahl), reife, koche«, j?«^*« .Bug, Ellenbogen«.
i
Kyprisches Syllabar. 353
ist verwandt mit o, einer Krautform, daher Hob «Leben, beweglich« "mequeck
in Quecksilber, wohl auch mit der Quecke, dem Unkraut des Feldes, piloB
»Filz*, piasnta .Mast, Dünger«.
ist die nordische Rune ^ reid, daher griechisch p6a «Kraut, Gras, Weide*,
höakö »ich weide*, botänf »Weide, Futterkraut*, poreüö »ich reise*, jxiros
»Durchgang, Weg^ , patamös ,Fluss«,|>of »wo«; im Ägyptischen schliesst sich
das hieratische ^/m »Kalb<^ an, griechisch büa »Kuh« das gezähmte Thier»
das Zeichen war ursprünglich ein Knoten.
ist eine Pflanze, griechisch phäo »ich bringe hervor* (chinesisch |-Lj tse)^
phusis »Natur*, phüUa »Kraut*, ptUhmen »Boden*, ptüö »ich speie«, dann
RUch verwandt mit^^Sr »Feuer* (der Erde).
yS la
ist verwandt mit dem ägyptischen j|^ un »sein, existiren«, hieratisch Si
griechisch lagös »Hase*, lagneia »Wollust*, das ägyptische Zeichen des
Hasen ist eng verwandt mit der Schlange, «vaiu ro^ das schattenhaft hin-
S( hleichende Thier, Symbol des Lebens, der Zeugung, der Seele, griechisch
Um6s »Volk, Leute*, im Sinne von Nachkommenschaft, niedriger Abkunft.
8 ^
dürfte ursprünglich OO gewesen sein, die Augen, daher leüs^ »ich schaue«,
die Lida, welche zwei Eier legte (an Stelle des ursprünglichen Welteis), leön
«der Löwe« (das Thier mit den leuchtenden Augen), leukds »leuchtend, weiss*"
(im Ägyptischen heisst der Löwe ^ maatz-^esa »schrecklich anzuschauen«,
auch die Katze führt den Namen mau von den leuchtenden Augen, wie auch
1 fffia, die Feder, »weiss« bedeutet), ledanan »Baumharz* hat auch seinen
Namen von der leuchtenden Farbe, wie elektron »der Bernstein«.
Ist wohl das ägyptische /*^ru »fliessen«, griechisch le(bö »ich tröpfle, giosse«
{süh dem Stamme lA)^ liparls »klebrig«, Umne »Sumpf«.
+ fe
ist eng verwandt mit ♦, daher arithmos »die Reihe« =Jog(dzotnai »ich rechne«,
I6ij03 »Wort«, es ist auch das Rückgrat, daher I6/os »Hinterhalt«, lohr
^Keschimpfüng«, im Chinesischen ist ^S ein verwachsener Mensch, ein
r«almaon. 0««chichttt d. Schrift ^3
l
354 Kyprisches Syllabar.
Zwcr^ mit vorstehender Brust und Höcker, ein viereckiger Körper und
bedeutet Unglück, wie das griechische loigds , Unheil*, loksds .schief*.
scheint ein Körper mit Brust zu sein, tnadzds .Brust*, maUMs ,weich^
laleinisch moUiSj die wogende Brust, tnafnotnai «Wuth, Raserei*.
ist das ägyptische nS, hieratisch JJ^ ms .bilden, gebären*, doppelsinnig, wie
die meisten alten Zeichen, kann es sowohl als Wurzel, wie als Zelt, Familie
aufgefasst werden, defti entsprechen milafUhron .Haus, Höhle, Zimmerdecke*,
iiiigas .gross*, miiron .Mass*, fnisos^ metäs .mitten*, meter .Mutter*.
/>C\ mi
ist das ägyptische ^, hieratisch ^ tm .vereinigen*, griechisch mignüMai
.ich mische*, miaino .ich besudle*, m(astna .Befleckung*, misos .schlecht*,
das ägyptische tm hat den Begriff der untergehenden Sonne und des Grabes.
QQ XU ^f^f
ägyptisch caa, hieratisch B ^, anc mr .Fölle*, ^0, hieratisch XU ^
, Weib* , '^'^ , hieratisch ^37 nb .alles*, griechisch mo/lds .Riegel, Quer-
balken*, mo//OÄ- .allein*, inoira .Theil, Schicksal* (verwandt mit V tä), moi/tki
.Elifbriicli*, iHu.ia .Göttin des Gesanges*.
T "«/
ägyi>lisch 3^^, hieratisch Jfj nf .fächeln*, griechisch naus, lateinisch nari*
„SchilT*, ndein .schwingen*, ndö .ich fliesse, bin voll*, futös .Tempel*
(ä^^vptisch "Y Stütze für Götterbilder, DD Götterfest), ndke .Fell, Vliess*
(ägyptisch ^ ab .Fell*).
ägyptisch A, hieratisch \^ as .Pflanze*, (, hieratisch S w** .Knospe,
Vase", T, hieratisch "J, nfr .jung, schön*, griechisch nSas .jung*, ntis
.unwissend", neiros .Unterleib*, nedtis .Bauch, Höhle*, neids .Quellnymphe*.
mphos .Nebel*.
iiikdö .ich siege*, nOce .Sieg*, ägyptisch ^^, hieratisch ^ ^Z^f »^^^
Siegespalme, der Ölzweig, die Siegeskrone*, verwandt mit der Krone ^
lüeratisch ^ nt.
Kyprische? Syllal)nr. 355
mo^nda »auf der Weide umherschweifend*, daraus nomddes, tionie «Weide*,
noterös .feucht*, ägyptisch 1 1 tm «gleich sein* (ursprünglich Grashalme).
Ol ♦*«;
ägyptisch JID hieratisch, 02, pK hk «Hintertheil, Magie*, ^^ r «Loch,
Mund*, griechisch rÄd/w »Rücken* (deutsch ist verwandt »recken, Rachen*),
rhtijtto »ich füge zusammen*, rJiaio »ich zerschlage, zerschmettere % mit der
Bildform dürfte vMks »die Weinbeere* verwandt sein.
ä^'vplisch THTi hieratisch ]fj[f ihn »Gewitter*, unser »regnen*, griechisch
rfuo »ich fliesse, ströme*, rheuma »Durchfall*.
^ n,
Ägyptisch ^^ hr »Haar*, griechisch rhigiö »ich entdecke, schaudre* (sträu-
bende:: Haar), rhujos »Kälte, Frost* (Gänsehaut), auchr^ii^ (die schnaubende)
^Nase*, ägyptisch J^, hieratisch ^, dürfte hiermit verwandt sem.
ägyptisch J{ §n »wenden, winden* griechisch rhödan »Rose*, rhoiä »die
Granate*, rhöos »die Strömung*, rhope »die Neigung nach unten* (ägyptisch
y ri »die Rübe*).
ägyptisch — «•-, hieratisch «4ir s (Muskel), davon griechisch saino »ich wedle
mit dem Schweife, schmeichle*, sdlos »das Schwanken*, sanls »Thierflügel,
Pfahl* (ägyptisch ^1, hieratisch J[, verwandt mit d , hieratisch Jj sa »Sitz*
und ^^ ma »offenbar*, griechisch saphes »offen, klar*, verwandt mit J^,
hieratisch as sa »wissen* ; das kyprische Zeichen ist das in den Hieroglyphen
selten vorkommende Zeichen für Scheide, Schwanz, griechisch saüros »die
<langschwänzige) Eidechse*, deren Hieroglyphe «U^die ursprüngliche Bedeu-
tung verloren hat
ii;:yptisch J^, hieratisch Q^ S (Sumpfland), das Gebiet des Poseidon, dessen
Dreizack ^ in den Hieroglyphen nicht mehr vorkommt, an den aber \f/ o/>-
ri/y/f, Jahresanfang* und>v<^au »ehrwürdig* erinnern; hiermithängt zusammen
gnechisch semnos »ehrwürdig, alt*, s^lxis »Scheu, staunen*, femer ägypliscli
\ M, mnt »Westen*, griechisch seli^ie »Mond*, Symbol der Fruchtbarkeit.
23*
356 Kyprisches Syllabar.
ß\ «.
ägyptisch' 11 \ hieratisch T aft, $iu »Nacht*, griechisch sigdS ^\ch schweige*.
^/^^ , Stillschweigen*^, »'//tos 9 hohl er Bauch''; verwandt damit ist ägyptisch
<&, hieratisch ^ st .Jagd", hierher gehört das kyprische Wort sigünnis
^Wurfspicss*, griechisch sM/eiOj), Elisen*^ (lateinischsidua, Gestirn*, griechisch
asi^'), sidzo ,ich schiesse*«
^ so
ist hegrifi^sver^vandt mit pü,pi und o, das Grundzeichen ist ( V «die Knospe,
die Vase*, davon die Hängelampe, griechisch sorös .Urne*, sophia «Wissen,
Kunst* (ägyptisch /n), auch die Flamme 1, hieratisch £| als Mittel zum
Schmelzen und die Metallbereitung dürfte hiermit zusammenhängen; sob^
^eihg gehen* schliesst sichan das ägyptische ff, hieratisch 2 «hinbringen* an.
scheint das ägyptische i>— >, hieratisch l.« ma .weihen, darbieten* zu sein,
griechisch spendö »ich sprenge, giesse aus*, oder auch die einfache Hand '»^
hieratisch 2^ sp^ worauf das griechische su »du* hinweist, sowie sun, ksun
«mit, sammt*, ägyptisch Wi, hieratisch — ^ mn «fassen*, &^— l ma ist
laulverwandt mit -^" ina, griechisch surinks «Pfeife, Flöte*.
A ^^*
ägyptisch ^^, hieratisch F^ pt^ griechisch bdthas «Tiefe, Höhe*, hdllö
«ich werfe,* erinnert an den Bogen und die Steinschleuder; ebenso harus
«schwer*; eine solche Schleuder scheint ägyptisch £, hieratisch ^ ma «Ge-
wicht, gleichen* ursprünglich gewesen zu sein.
z ^
dürfte der Thurm, ägyptisch j|, hieratisch JT sein, griechisch ft^i «befestigen*,
hehaios «feststehend*.
^±«>
dürfte einerseits das ägj-ptische f^^f*^ «Weite* (Wolke, Wind), daher hoi'&.s
«Nordwind*, ^{x/ö, ich rufe*, 6o# «Stimme* (vom Stürmen), andererseits böntos
«UiUersalz, Gestell, Fuss einer Statue, Altar* sein, ägyptisch A, hieratisch
l id, *, hieratisch "J ab «Osten, Altar*.
Wir lassen nun als Schriftprobe den Anfang der Inschrift von Dali,
Welcher sich auf dem Titelbild befindet, folgen; *»•
Inschrift von DalL 3^^
Im Griechischen heisst diess:
"Ort : TafxnrröXev 'HiaXiov : xarcföpxwv Mä^oc : xa^ Kcrc^fc^ : ^v rot :
<l>(Xcxuir|&ojy. F^ni rd) 'Ova^oYO ^av ßa^c/cO^ : ^raaUifKpog : xa^ de nroXt^ :
'H^ouccv ävci)70V 'OvadtAcv : töv ^OvadixvTzpov töv far^pav : xag : ro^xa-
5t7vr,T0^ : iäabai : tö^ «vSowjto^ : ri^ Iv rq: : /xax? • ^7*' fta/x^voc : oi^^'-f :
|UL(96wv : xaaac;ra( : cuupTsrd^avru : ßaacXeO^ xa^ :
Diese schwer zu übersetzende Inschrift sagt, dass dem Arzte Onasüos,
dem Sohne des Onasagoras, sowohl zusammen mit seinen Assistenzärzten,
als auch allein für sich, für ihre während des Krieges mit Kition und den
Medem ohne Honorar geleistete ärztliche Hilfe jetzt nachträglich auf Conto
des Königs Stasikypros und der Stadt anständige Remunerationen in Geld
bewHligt und ihnen, im Falle diese nicht flüssig zu machen wären, genau nach
ihrer Lage und Grenze bestimmte Felder und Garlengrundstücke als Äquivalent
zurNutzniessung angewiesen werden, so lange die Familie desOnasilos in dem
Teinpelgüter-Complexe von Idalion lebt.
VL DIE PHÖXIKISCH- HEBRÄISCHE SCHRIFT.
PhOnikien wurde von Griechen und Römern als das Land bezeichnet,
in welchem die Buchstabenschrift erfunden wurde, und wir möchten diese
Nachricht nicht ganz von der Hand weisen, trotzdem wir gesehen haben,
dass die phönikisch- hebräischen Zeichen uralte Runen sind. Es ist bisher
noch keine Inschrift mit Buchstabenschrift aufgefunden worden, welche älter
als die moabitische wäre, und auch die Inschriften mit nordischen Runen
sollen aus der christlichen Zeit herstammen. Wäre es nicht möglich, dass
die Runen nur als Wort-, Zeil- und Zahlzeichen gebraucht wurden, und dass
die Idee mit denselben fjaut für Laut zu schreiben, erst durch den Verkehr
mit Ägypten entstand? So einfach die Theorie der Buchstabenschrift uns
erscheint, so einfach war die Idee, aus welcher Gutenberg's Erfmdung ent-
stand« und doch wm'de diese nahe liegende Idee Jahrlausende lang nicht
358 Piiömlisch-hebräische Schrift
beachtet. Wir haben zudem gesehen, wie vieldeutig die Runenzeichen, auch
die pböuikisch-hebräischen, waren ; wir haben gesehen, dass die Ägypter ihi'e
Lautzeichen nicht zu Wortbildem zu vereinigen wagten, ohne meist Begriffs-
bilder als Erkläi^ngszeichen beizugeben ; es musste irgend einmal der Ver-
such gemacht worden sein, diese Zeichen wie die ägyptischen, aber ohne
Erklärungszeiclien zusammenzustellen, und da sich zeigte, dass sie auch
ohne Erklärungszeichen gelesen werden konnten, fand der Versuch Nach-
ahmung; der lebhafte Handelsverkehr, der schon damals bestand, trug die
Kunde davon in andere Länder, und die Buchstabenschrift machte von nun
an alle Wortschrifl und Silbenschrift überflüssig. Wer der gesegnete Mann
war, der diese Idee durchführte, ist uns nicht bekannt; ich habe die Ver-
muthung ausgesprochen, ^'^ dass Mo§e es war, und wenn ich auch die
Meinung, dass die Gesetztafeln den ersten Versuch boten, nicht aulreciit
erhallen kann, weil die wörtliche Überlieferung dieser Gesetze eine schwan-
kende ist, so deutet doch der Umstand, dass kein Name genannt wird, darauf
hin, dass die Erfindung von einem Manne gemacht wurde, der seine Idee
göttlicher Eingebung zuschrieb, daher, wenn Mo§e keine Person, sondern nur
ein Ehrentitel war, von dem betrefTenden Hohenpriester.
Wenn etwas beitragen konnte, die Buchstabenschrift zu ermöglichen^
so war es die Einführung eines eigenen Zahlensystems, wie wir demselben
bei den Phönikiem begegnen, welche so wie die Ägypter die neun Einheiten
durch Striche darstellten und für 10 wie für 20 eigene Zeichen hatten,
nämlich "^10 und \-\ oder /V 20; ähnliche Zahlensysteme finden wir auch
bei anderen Völkern, und selbst die Franzosen haben in ihrem quatre-vingi = SQ
eine Erinnerung daran bewahrt. Für dieses Zahlensystem bot die Eilfzahl der
Laute die Basis, indem die beiden letzten als Potenzen gebraucht wurden;
dass aber die Juden trotzdem den Zahlwerth ihrer Buchstaben beibehalten
haben, dass dieser Zahlwerth der Buchstaben von Palästina nach Griechen-
land übersiedelte und hier in gleicher Weise neben der Strichzahl existirte,
beweist, dass zwei verschiedene Zählungsmethoden in Kanaan bestanden^
und dass hier auch der einfache Lautwerth neben dem Zahlwerth sich ent-
wickeln konnte. In gleicher Weise finden wir in Ägypten die Lautzeichen
von dem Zahlwerthe losgelöst, ebenso in Indien, China und Himyar, nur die
Juden und Syrer behielten den Doppelwerth der Zeichen als Laut und Zahl-
zeichen.
Inschrift des Moabiter-Königs Meäa. 35^
•
Das Schriflsystem, welches wir in der Überschrift als phönikisch-
hebräische Schrift bezeichnet haben, war anfangs ganz auf das Land Kanaan
beschränkt, denn weder im Norden, noch im Osten , noch im SQden des
Landes finden wir ähnliche Systeme: im Norden die kyprische Silbenschrift,
im Osten die Keilschrift, im SQden die Hieroglyphenschrift, selbst die
Inschriften der Wüste von Hauran haben ganz verschiedene Zeichen.
1. Die moabitische Schrift.
Wahrend man noch vor Kurzem die phönikische Schrift fQr die älteste
hielt, ist in dem ehemaligen Lande Moab eine Inschrift des Königs MeSa, der
im 9. Jahrhundert vor Christo mit den Juden Krieg führte, gefunden worden,
welche älter als alle phönikischen Inschriften ist. Wir haben das Alphabet
derselben Seite 133 gegeben und beschränken uns daher hier nur auf eine
Wiedergabe dieser merkwürdigen Inschrift, welche wir auch in den Titel
dieses Werkes aufgenommen haben, wobei wir noch darauf aufmerksam
m.ichen, dass das l hier eine rundere Form hat als jene, welche wir in das
Alphabet aufgenommen haben, weil sie sich mel^r der hebräisch-phönikischen
Type nähert; auch zeigt die Inschrift, dass die Form der einzelnen Buch-
staben nicht gleichmässig gehauen ist, vielmehr sich ein bemerkbares
Schwanken zeigt. ^'^
lA*HV7^5l447.'''fTVH^71^'^^fzr^75^1<^H^tl^r
Transscription und Obersetzung nach Nöldeke.
{\) andki meid, ben kmo4 [dStor], ntelek moab [liad]i{^) [djihoni]
Ich Meäa Sohn des Kamos König von Moab aus Dibon.
ahi. maUtk fU moab. Hisin saih vanoki. malak
Mein Vater hat geherrscht über Moab dreissig Jahre und ich liabc gcherrsc lit
360 Samaritanisch.
<3) ^t. a/ar. abi \ vaads. habbanuxth zoth. UkmoS, baqar/dk,
nach meinem Vater und angelegt Altar diesen dem KamoS auf der Fläche
In [miqomve]{/ie)äd, ki, IwSidni tnikcU. hc^Sdakin, vld
weil er mir geholfen aus allen Nöthen und weil er mich
hirani, ^ bkoL sanai !. ^ [dm (5) rj i, mdek
sehen liess das Unglück aller meiner Feinde. Es erhob sich Omri König von
israel vaytnnu eth tnoab yamin rabbin kitheenaph, kmoS ba[ra] (6) «A
Israel und drückte auf Moab Tage lange, weil zürnte Kamo§ auf (sein Land)
vayajf lephoh btioh vymnar gam hu adnnu eth, fptoab\
und ihm folgte sein Sohn und sprach gleichfalls ich will drücken Moah
bitne» amir (7) vaere, boh ttbebethoh i
in meinen Tagen sprach er, und ich sähe sein Unglück und seines Hauses
vj/israel abod. abSd. alam, vayiraS dtnri, eth (S) l . , tnhffiba.
und Israel geht zu Grunde ewig und einnahm Omri [das Land?J Medaba
ratje^fh., bah,,,,,, benoh, arbain Sath [vayM],
und es lag darin sein Sohn vierzig Jahre und zurück
2. Die samaritanische Schrift.
Die Geschichte der Juden ist, trotz ihrer breitspurigen Chroniken, in
Dunkel gehüllt; die alten Hauptorte ihres Cultus lagen in Samaria, wo sich
auch die Berge Grizim und Ebal, die Stätten des Segens und des Fluches
befinden, der Tempel zu Jerusalem war den alten Traditionen entgegen, und
vorzugsweise führte das nördliche Reich den Stammnamen Israel. Nur eine
Religionsänderung konnte Jerusalem, die Stadt der Jebusiter, und einen von
Fremden (von Phönikiern) erbauten Tempel zur Haupt-Cultusstätte erheben.
Die Geschichte hiervon hat nur die eine Partei geschrieben, der andere Theil
hat geschwiegen und daher Unrecht behalten, und so gelten nur die jerusa-
lemitischen Juden als die echten und die Samaritaner als Ketzer, welche sich
mit Fremden vermischt hätten und dem Leben der Väter untreu geworden
seien. Vom politischen Standpunkte ist es müssig, diese Streitfrage zu ent-
scheiden ; der Stamm Israel ist, bis vielleicht auf einzelne Familien , ausge-
storben; der Stanun Juda hat sich in der Welt zerstreut und dieselbe (\^enD
auch indirect) erobert.
Dass die Israeliten oder, wie sie jetzt heissen, die Samaritaner, die
ursprüngliche Schrift der mosaischen Gesetze treu bewahrt haben, gesteht
Samaritanisch. 361
selbst der Stamm Juda zu. Im Talmud von Babylon heisst es: .Nachdem das
Gesetz den Israeliten in hebräischer Schrift und in der heiligen Sprache
gegeben war, wurde es ihnen in neuerer Zeit durch Esra in assyrischer
Schrift und aramäischer Sprache gegeben. Nun wählten die Israeliten die
assyrische Schrift und die heilige Sprache und Hessen den Unwissenden die
hebräische Schrift und die aramäische Sprache*. Wer sind die Unwissenden?
Rabbi Khasda sagt: .die Samaritaner*. Dem entsprechend nennen alle
Rabbmer die samaritanische Schrift nsp ^ro ktab 'ibri „hebräische Schrift*,
und hier stimmt die jQdische Tradition vollkommen mit der samaritanischen
uberein, wonach die Samaritaner die Schrift des MoSe treu bewahrt hätten.
Damit hängt auch zusammen, dass in den hebräischen Texten einige Ver-
wechslungen von Zeichen vorkommen, welche nicht auf Grundlage der jetzigen
hebräischen Quadratschrift, sondern nur auf Grund der samaritanischen
Zeichen entstanden sein können, so z. B. die von 3=35 und ^ =21 d in
zbrt fl. Samuelis XXIII, 39 und n^n L Chronika XI, 30 ; von m === ' und am
= ü in pP Josua XXI, 16; |W I Chronika VI, 44.^8»
Die samaritanische Schrift stimmt mit der moabitischen nicht voll-
ständig überein, sie weicht ab in A cUeph, moabitisch -{1, phönikisch '¥ 4*:
letzteres (in der Keilschrift rf — pa Zepter) dürfte verwandt sein mit ^ same/,
welches im Samaritanischen 1^ ist, wie es auch in der hebräischen Quadrat-
Schrift als d eine ganz andere Form angenommen hat. Diese Form erinnert
an das ägyptische ( oder # arp (z=:al^h) „Weinkrug* und erklärt die Ähn-
lichkeit von hebräisch o s und d m {mem „Gewässer, Flüssigkeit*), demnach
kann auch die samaritanische Form ^ 8 ein Kelch sein ; die phönikische Form
4* ist die nordische Rune 4* os und f fe, der Anfang des Tages, dadurch ist
A verwandt mit der Hieroglyphe ^L hru «Tag*, „der goldborstige Eber*,
und darin kann der Umstand, dass den Juden das Schweinefleisch verboten
wurde, umsoweniger beirren, als es gerade heilige Thiere waren, welche
nicht geschlachtet werden durften.
Einen weitem Unterschied bietet ^ zain, Quadratschrifl r, moabitisch
3Z , aramäisch Z- Die samaritanische Form erinnert an die Hieroglyphe ^^
und da3 aramäische pjrK azetun „WafTen*, wonach auch ? ein Pfeil, ägyptisch
<*■*•' sttp» ,Lohn*, oder ein Spaten T sam zu sein scheint, den nach V. Mose
23. 1 i ein jeder Israelit bei sich tragen musste, um seine Excremente in die
Erile zu scharren.
362 Samaritanisch.
Ihm gegenflber stand das Zeichen •m tsaeU, moabitisch |^ (die linke
Seite, die Abzweigung); wir haben schon oben, Seite 102, das Zeichen ^ als
Zeichen der Jagd kennen gelernt^ war es der Windhund, hieratisch yv^t so
lehnt es sich auch an die Hieroglyphe ^ an.
Ihm ähnlich ist a yod, aber dieses dürfte hier weniger die Hand als
vielmehr das ägyptische Hf hieratische ^| h9, . Silber' entsprechend
■nn hod »Glanz*, rrnny yehuda »der Gepriesene*, oder auch fUR), hieratisch (^
nb, „Gold* sein; die Ähnlichkeit der Zeichen für Silber und Gold beweist,
dass die ursprüngliche Bedeutung fk am «Glanz* war.
Die Zeichen |i nun, ^ kaph, ^ plie haben in der samaritanischen Schrift
eine auffallende Ähnlichkeit und schliessen sich an das hieratische I^ m
(Höhle) an, damit stimmen mj nata »wohnen* (Höhle), vp kaph »die hohle
Hand* und .to pe »der Mund* (die Mundhöhle) im Begriffe überein; dem
entsprechend sind sie als Zeitzeichen : k in der Nähe der Stellung des Thier-
kreiszeichens des Krebsen, n der Nachmittag (englisch noon »Mittag*), p der
Sonnenuntergang. Mit den moabitischen Zeichen haben sie wenig Ähnlichkeit,
obgleich sie mit denselben dem Begriffe nach eng verwandt sein mögen;
dagegen entspricht ') p der nordischen Rune T lagu, welche wir als »Heim-
kehr der Schiffer* kennen gelernt haben, H der sinkenden Sonne, der Zeit der
Getreide-Ernte, ^ der Rune \ naud oder ♦ hagl der Zeit der Befruchtung.
Die Verschiedenheit zwischen der moabitischen, samaritanischen und
phönikischen Schrift ist analog der Verschiedenheit der Alphabete in den
einzelnen Städten Griechenlands, bevor das ionische Alphabet allgemein
angenommen wurde; eine derlei Einigung erfolgte in Palästina nie, da die
Israeliten die übrigen Völker nie dauernd unterjocht haben und mehrere
Religionsculte nebeneinander bestanden, während die Griechen in religiöser
Beziehung eine grössere Einheit erlangten.
Wir lassen hier als Probe der samaritanischen Schrift den Text des
Vaterunsers folgen und bemerken nur, dass die vorliegenden Lettern ein
verschnörkeltes Gepräge haben, durch welches man sich bei der Vergleichung
mit den einfachen Figuren der moabitischen Schrift nicht beirren lassen darf.
: )it nitf . Jii, . t^vm-^A . x\ . tJiA^i^ . mivai. tji^i^ • '^^s^ . tliAtfj« . h\ . t ix
Phonikisch. 3G3
Transscriplion und Übersetzung:
alnnu Sebbaiamayim, yiSqaddei Smeka, tabo
Vater unser in dem Himmel, es werde geheiligt Name dein, es komme
mcUkudeka, tjease rsonka, kaäer hasbamayim u ken bcuireiy
Reich dein, gethan werde Wille dein, wie im Himmel so auch auf Erden,
!e/emnu dabar yom biyomu Sen lanu hayom, asla/ lanu ai /oboSnu,
Brot unser nöthig täglich gieb uns heute, und vergieb uns unsere Schulden,
kiMT sala/nu labdli /obotnu, v'al tarianu lan
wie wir haben vergeben unseren Schuldnern, und nicht führe uns in
siyon, ki am ha^^lenu tnord. Atnen,
Versuchung sondern erlöse uns vom Übel. Amen.
3. Die phönikische Schrift
Die phönikische Schrift schliesst sich in ihrer ältesten Form eng an
die moabitische, in ihrer jungem an die samaritanische an ; sie unterscheidet
sich von dieser dadurch, dass 4^ sich in /P und +-^ verwandelt; das erstere
ist die Nase mit dem durchgezogenen Strick, 4* ist die nordische os-Rune, Jp,
die/e-Rune. Das Dreieck des A daleth verwandelt sich in \ und hiermit wird
die Ähnlichkeit, ja Gleichheit der Laute d und r inaugurirt, welche der
phönikisch-syrischen Schrift eigen ist (syrisch ^ dh r, arabisch unterscheiden
sich wohl .> d^ r ein wenig, aber aus letztcrem wird^ z gebildet); es muss
daher d hier als Kopf zwischen den Schultern aufgefasst worden sein, wie
auch daleth die ThQre in ihren Angeln ist; ri und r treffen aber auch in dem
Begriffe »klein, schwach* {hi dal , schwach, ohnmächtig*, wn rw »Armuth*)
zusammen. Wenn ^ sich in Q rundet, so haben wir schon bei der Istar-Sa^(*
darauf hingewiesen, dass letzteres das Ohr ist, welches sich als VQV liainu
, hören' an ü^üv samaim ^Himmel* anlehnt, auch dieses Zeichen bekommt
oft Ähnlichkeit mit d, wie auch -»a bad „Theil" mit in dal .Theil* sich in
hn^ bad(ä und ^M baial ,theilen, trennen* vereinigen, i verwandelt sich in
/\j welches den Bergrücken darstellt; ^ wird zu -j und i\ , Formen,
welche nur cursive Züge der altem zu sein scheinen; ebenso wird Y zu
N r; dagegen liegt in der Umwandlung von JO zain zu Z und N eine
üegriffsänderung vor; Z und N sind die Zickzackformen des Blitzes, ^i^l
im Griechischen zu n geworden, entsprechend dem Xu als Blick, Augenblirk;
dagegen wurde es in der hebräischen Quadrat schrift zu N cdeph, dem auch
364 • rhönikiscli.
Cstrangelo y€ zu entsprechen scheint; zu dieser Verwechslung muss der
Begriff der »Schöpfung* beigetragen haben. Das Zeichen M verwandelt sich
in \^, welches Zeichen sich schon neben dem Namen des Königs Khufu in
der Pyramide von Gizeh findet, in den späteren Hieroglyphen ist es verloren
gegangen, wenn es sich nicht in EI, hieratisch ^, verwandelt hat, welches
letztere allerdings dem phönikischen t\, der cursiven Form von \^, sehr ähn-
lich ist; H dürfte eine Vereinfachung von H sein. Der Name )fed .Schrecken*
lässt sowohl f— 1, hieratisch F^, )fai .Himmel*, wie J^, hieratisch fi&, ^s
«Todtenbett*, ^cn 'tm die Gruft (der Schlitten und die Bretter über dem
Grabe, von welchen der Sarg hinabgelassen wird,) femer pg^ hr »Sarg*
(n^«-4ro» »der Hohepriester*) zu; endUch stinmit die Figur Q genau mit dem
demotischen ß »Stein, Denkmal* überein, wie mit diesem der Begriff crn
/affam »besiegeln, verschliessen*. Das Zeichen tet ist zuweilen eine durch-
kreuzte Kugel 0, wahrscheinlich ein Kuchen (ägyptisch ta Brot), ausserdem
hat es die Form M , entsprechend der Hieroglyphe W(Frauenbrust), die andere
Form scheint den Leib aO vorzustellen, und endlich hat es die Form einer
BlülherjQ. ^ yod wurde zu 'TV, welches eine Hand oder vielmehr eine
Kralle zu sein scheint, daneben kommt aber auch /T\ vor, welches ein Hals-
schmuck (entsprechend nirr hod »Glanz*) zu sein scheint; ^ kaph wird zu
tf-j das ist ein Hammer und die verkehrte Form von J^ a, wie ^ die ver-
kehrte Form von 4^ ist, als Sleinhammer ist es mit f)3 keph »Fels* verwandt,
in der vereinfachten Form y ist es dem ^ vav ähnlich, es scheint hier die
erhobene Hand zu sein, ägyptisch jj^ h, ka »rufen, preisen* oder mit Ruck-
sicht auf die Variante ^ das ägyptische VJ n/f, jfn »mächtig, stützen*,
hebräisch nos kapha »beugen, bändigen, bezwingen*. Das moabitische (^
kommt im Phönikischen nur als /# vor; das letztere dürfte das ägyptische
7 ort »die Wasserschlange, Wasserwoge*, wohl auch der Blitz sein, da
es dem Zeichen ] nun sehr ähnlich ist ; im Koptischen ist der Name zu lauJa
geworden, das wäre hebräisch i»ii» Itd die Wendeltreppe, verwandt mit unserem
»rollen", und [nni> IhyaSan »die Seeschlange*. ^ mem (Gewässer) ist in
den Zeichen ^ ^ ^ ganz identisch mit den späteren Formen für W ^n,
wie es sich andererseits an Hr sanie/ anschHesst. Dieses letzte ist die cursive
Form von ^ d. i. als satne/ der sich auf den Berg stützende Himmel, aber
das Zeichen kann in seinem Doppelsinn auch die den Regen auslassende
Wolke sein, wie ^ pu Sin »pissen* bedeutet. Allen diesen Formen liegt der
Neupunisch. 365
Begriff der Nässe zu Grunde, wie auch die Form ü die aus dem wasserreichen
Boden auikeimende Püanze und ^, wie das samaritanische ^metn, das demo-
tische ^, hieratisch trtft w (=^0 sm »Feld, Garten" insbesondere die Lotos-
blumen darstellen. |^ sade ist im Phönikischen fast ganz identisch mit V^ dau,
die Phönikier dürften 3 und 3 wenig in der Aussprache unterschieden haben,
daher durfte hebräisch mic §ava , stellen, aufstellen" hier mit in Betracht
kommen, sowie die hieratische Form ] der Hieroglyphe ^ sa und die hiera-
tische Form \ der Hieroglyphe | ^;mit^ hat das griechische T tau Ähn-
lichkeit, es ist die stützende Säule wie oben ^ sama/; andererseits ist p'
saiie nur eine Verstärkung von I zain, wie |^ von ^ zain ; mit ^da heisst
, nachstellen" und bezieht sich besonders auf die Jagd, in dieser Beziehung
dürfte das Zeichen mit der Hieroglyphe Wr <ti, hieratisch ^(^, zusammen-
hängen, welches ursprünglich jedenfalls ein Lockvogel war; es würde diess
mit dem Knoten X übereinstimmen, sowie mit rran ^e^ , Kiste", ägyptisch
X tb »Käfig." An Stelle des ^-^ qoph treten o^ und <Vj, das erstere ist
wahrscheinlich das ägyptische J jrmt .Kupfer", das zweite scheint der
Hinterkopf oder vielmehr eine Perrücke zu sein, wie sie die kahlgeschorenen
ägyptischen Priester trugen.
Es dürfte hieraus hervorgehen, dass der Zeichenwechsel in der phöni-
kischen Schrift nicht auf mechanischen Ursachen beruhte, sondern dass den
Phönikiem die Bedeutung der Zeichen wohl bekannt war. Eine Probe ihrer
Schrill haben wir bereits in der Inschrift von Tugga (S. 255) gegeben.
4. Die neupunische Schrift.
Während bis zu Beginn unserer Zeitrechnung die punischen Inschriften
zu Karthago, Marseille und in Sicilien den phönikischen Charakter treu
bewahren, tritt in späterer Zeit die Schrift in einer merkwürdigen Verein-
fachung auf; a wird zu V^ und dasselbe Zeichen gilt für m, wie für S oder
f {^atne/ fehlt), eine Analogie, welche nur das ägyptische X u ( = m), 8 i
aufweist, h nahm die Form S\ an und dem entsprechend / m 2 wurde zu
'Y Ähnlich dem ägyptischen 1 A*^ (Messer); es ist indessen möglich, dass
diess nur cursive Formen der alten Schrift sind, da diese Zeichen meist
nOchtig eingeritzt waren, und wir nehmen daher Anstand, in diesen Verein-
fachungen einen tiefem Sinn zu suchen. Wir geben hier eine Insclirift als
Probe;
36b "Neupunische Inschrift
tadn bat kmn mlk fUmd ^ ^ T^ V JX^)^^o'^YX^
qla bika svdda bn uY J^\'^T7^VA^
brkbdl bn mdJ^gdm p « AX «X)' ^ •>>!'
aDem Herrn Baal, der Sonne, dem Fürsten der Ewigkeil, welcher erhört
die Stimme des Hiempsai, des Herrn, des Sohnes des Hicebal, des Sohites
des Magsibal.*^
5. Die aramäische Schrift.
Die Formen dieser Schrift, welche auf babylonischen Ziegeb neben
KeiMnschriften, ausserdem aber auch in selbständigen Inschriften un^ nicht
nur in Babylon und Assyrien, sondern selbst in Ägypten gefunden wurden,
bieten neben manchen mit der phönikischen und samaritanischen Sclirifl
übereinstimmenden Formen auch manche seltsame Eigenheiten. Am auffal-
lendsten und charakteristischsten ist die Öffnung bei den Buchstaben > b
(statt ^) ^d (statt \) und ^ r (statt A). Diese Schrift kommt selbst auf
persischen Sigeln vor, und es ist daher sehr fraglich, ob sie blos von den
gefangenen Juden, oder nicht auch Yon ihren Nachbarn, den Nabathäem
herrührte, die ebenfalls in Babylon gewohnt haben soUen. Wir werden daher
annehmen können, dass die aramäische und die phönikische Schrift Schwester-
formen eines Stammes sind. Wir erinnern uns hierbei, dass die Keilschrift
nicht die ursprüiigliche Schrift der Assyrer war, sondern auf die assyrische
Sprache in ähnlicher Weise übertragen wurde wie die chinesische Schrift
auf die japanische Sprache; die Assyrer besassen aber dieselben Laute wie
die Juden, wie auch die aramäische Sprache, welche in Mesopotamien
gesprochen wurde, mit der hebräischen eng verwandt ist. Als daher die Juden
in das Exil kamen, konnte es ihnen nicht schwer werden, sich mit den Ein-
wohnern zu verständigen, sie wurden daselbst sogar so heimisch, dass viele
die Erlaubniss zur Rückkehr nach Jerusalem versclmiähten und in Babylon
eine Hochschule jüdischer Lehre entstand. Unter diesen Umständen konnte
es nicht autTallen, dass sie sich die cursivere aramäische Schrift aneigneten und
in derselben Weise ihre Bücher schrieben, wit: noch jetzt die Rabbiner neben
der heiligen Merubbä (Quadratschrift) die cursivere Raschi verwenden. Hiermit
stimmt überein, dass die Rabbiner die samaritaniscbe Schrift fT7 rad$ .die
gebrochene* nennen.
Aramäisch. 3C7
Die aramftische Schrift hat für uns ein besonderes Interesse dadnrcih,
dass sie die Entstehung der hebräischen Quadratschrift erkennen lässt. Aus
41 entstand das cursive a, woraus ^ und H wurden; aus ^ ^ J woraus
a wurde, obgleich hier der Dialekt mitgewirkt zu haben scheint^ indem H p
später die Form 0 erhielt, welche mehr Ähnlichkeit mit ^ als mit ^ hat, wie
denn auch a nur am Anfang und in der Verdopplung b, sonst immer iv,
gesprochen wird. Für g tritt nicht die Form 1, sondern ^ und ^ auf, gerade
so wie im Griechischen A und A l vertreten; mit Rücksicht auf ^s: gatnal
«vergelten* dürften diese Zeichen mit A., hieratisch^ und l,at. zurück-
kehren* verwandt sein; aus j d entwickelte sich ^d, aus ^ h rr, doch
tritt hier eine auch in der mandäischen Schrift bemerkbare Vernachlässigung
der Unterscheidung zwischen rr und n hervor, da rrauch n geschrieben wurde,
wogegen n allerdings mehr in der Form \^ auftritt. H wurde zu 1, Z oder
2 ^ aber auffallenderweise zum blossen [; die neue Form ? scheint auf
einem Wechsel zwischen r und z zu beruhen, da in der althebräischen Schrift
r Y ^^^^ ^ ^^^^ dementsprechend kommt | manchmal für v, manchmal
für z vor, es scheint das Zepter j^us, sm gewesen zu sein, das Zepter mit
dem Vogelkopfe, dessen Polyphonie den Wechsel erklärt. ^ y ist in manchen
Schriften ganz identisch mit g in den Formen "*, -| und \; dass das
Zeichen nicht zufällig klein wurde, beweist die bekannte Evangelienslelle vom
l*tüpfelchen ; der I-punkt war den alten Griechen und Römern nicht bekannt,
er tritt zuerst in der griechischen Uncial in Doppel form auf, in der einfachen
erst im 1 3. Jahrhundert in der lateinischen Schrift ; dagegen war dieser Punkt
hei den Mongolen ^, Arabern * und Indern n (indisch f a), in welcher Form
er an das hebräische aln (Auge) erinnert. Auffallend ist, dass von dem Zeit-
punkte, wo in der aramäischen Schrift das Yod zu * wurde, 'Ain aufhört Q
zu sein und sich zu P gestaltet, welches im Arabischen als ^ vorkommt.
y wechselte bald mit M, die Form 3 scheint auf einem Beharren bei der
samaritanischen Form zu beruhen. Der Übergang von ^ zu ? scheint erst zu
Anfang unserer Zeitrechnung erfolgt zu sein und Hndet sich zuerst in der
palmyrenischen Schrift. Aus ^ entstand »|, dann 0 mit dem Final o; dieser
Übergang, der ebenfalls später eintrat, scheint syrischen Ursprungs. Dass an
Stelle des T « V trat, kann nur auf der samaritanischen Form beruhen,
ebenso die Form 2 P ^^ Stelle des ^ p. Dagegen ist in x die alte Form, im
Gegensätze zu der samaritanischen, in der Quadratschrift erhalten, nur
368 Aramäisch.
die Biegung nach links, auf einem Streben nach Verbindung beruhend, deutet
auf syrischen Einiluss. Die Form p ^ an Stelle des moabitischen M^ q hat
sich schon im phönikischen ^ geltend gemacht. Im Obergang von W i zu
V ist aber ein offenbarer Wechsel eingetreten, denn das letztere ist das
ägyptische trtrt f^ die Teichpflanze, n t entstand aus der Form |^, man wäre
fast versucht, hier den Einfluss der hieratischen Form f\ (Kopf) anzunehmen.
Hieraus geht hervor, dass die Israeliten im Exil keine neue Schrift
annahmen, wohl aber ihre Schrift unter dem Einflüsse localer Gewohnheiten
eigenartig ausbildeten; als sie mit dieser Schrift nach Jerusalem zurück-
kehrten, weigerte sich der Stamm Israel, dieselbe, sowie die neuen im Exil
entstandenen Bücher anzuerkennen; der alte Glaubensstreit entbrannte neu,
und jede Partei betrachtete die andere als Schismatiker. Doch scheint die.
samaritanische Schrift sich im Lande bis zum Untergang Jerusalems erhalten
zu haben, denn die Münzen der Hasmonäer und die Revolutionsmünzen aus
dem Jahre 66 vor bis 15 nach Christo zeigen den alten Styl; die Schrift Ketab
a^sw-it (d. h. assyrische Schrift) blieb die cursive Schrift der Gelehrten und
der Bücher. Wir geben hier als Probe der aramäischen Schrift eine in Ägypten
gefundene Inschrift:
brikah dd>a hrad thaxphi thamnxa zi ^\ YH^^P ^ "l^f /^^^^^\* 'A'-^^Hl'
Osri eloho min dahn hiilo ^^ S/^^3 '^"S ^y^^jV^^***? ^HW
dbedcifJ wkh'ze U lo amrad *^amtno' -i| *fjf» ['^'^^ <^ W ^H'jl^Hi}*'
fiadam osvl hrlkah haui min qatlom ^^\h'*\^^4i4f^^^^^*\^^^**\^^
osri minaqroh haui pholxo niinodi ^P^^h'^ti^VlAA^ Hl^ V*^*Ht7 V
üben xttsai/o (Slemah), *1ftt*l*iJ7
.Gesegnet sei Theba, die Tochter des Thayphi, die dem Gotte Osiris
Geweihte. Sie hat nichts mit einem Menschen gethan, sie hat nichts nach
dem Willen eines Menschen gesagt, ist unversehrt. Vor dem Osiris sei du
gesegnet, vor dem Osiris sei du geehrt, sei eine Pflegerin, meine Susseste,
und unter Frommen sei geehrt*.^*®
6ynDie palmyrenische Schrift.
In den Ruinen von Palmyra oder "lom {iadmor , Palmenstadt*), welche
In einer Oase der syrischen Wüste lag und von Salomo erbaut sein soll.
PalmyreiÜBch. ^^^
fand man Inschnften, welche die aram&ische Schrift in ihrer BlOthe zeigen
und aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung herriUiren. Wir
geben hier eine Probe:
(m)vda Ibryk 9m(h) ÜÖ V^ D^UJ & }OV^
(d)irp)vna br adylm 5S93KHSKTJ'\^^i
ydaakopdy »^J^UJKK^fi» JC,
(by)om24 fff/J JiX( "
Obersetzung: ADgemein gesegneter Name in Ewigkeit. Julius Aurelius
Alophonos, Sohn des Aalam von Akopens. Monat Tebeth, am 24. Tage
im Jahre 544 (233 nach Christo). ^^^
7. Die hebräische Quadratschrift
Da nicht anzunehmen ist, dass die Juden zu jener Zeit, yon welcher
obige Inschrift spricht, eine geringere Fertigkeit im Schönschreiben besassen
als die Pahnyrener, so ist wohl anzunehmen, dass die jetzige Form der
hebräischen Quadratschrifl im Wesentlichen schon damals die jetzige Grestalt
hatte; man vergleiche z. B, das Zeichen m mit dem entsprechenden in obiger
Inschrift Wenn daher Lenormant eine Reihe roher hebräischer .Alphabete
▼om 1. bis zum 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung aufführt und geradezu
von einer kalligraphischen Regelung im 11. Jahrhundert spricht so können
wir dem wenig Glauben schenken. Flüchtige Inschriften und Manu Scripte
sind nicht immer Beweise für den Zustand der Kalligraphie, welche bei den
Juden besonders in den Gebetrollen ein Object des höchsten Strebens fand,
und gerade das 11. Jahrhundert, in welchem die Juden den grossten Ver-
folgungen ausgesetzt waren, bot ihnen wenig Muse zu kalligraphischen
Meisterwerken; ja, die in solchen Zeiten sich immer stärker äussernde Hin-
gebung an das Hergebrachte könnte nur eine Reaction jregen eine etwas
freiere Gestaltung der SchriflzOge geschaffen haben. Einer solchen Reaction
ma^ wohl auch der eckige Charakter der hebräischen Schrift der dputschen
FAuimuin. Geschieht« d. ÖchrifL 24
370 Hebräische Quadratschrift
Juden, von welcher wir auf Tafel VII eine Probe aus dem 12. Jahrhundert
geben, ^^^ seinen Ursprung verdanken, während der spanische und italienisch-
Iranzösische Charakter der hebräischen Schrift rundere Formen zeigte.
Die Anhänglichkeit der Juden an die überlieferten Schnftzeichen geht
ans zwei auffallenden Erscheinungen in den hebräischen Büchern hervor:
1. die Masora (es ist fraglich, ob dieses Wort masora «Überlieferung* oder
wassara , Verbesserung* bedeutet), das sind Bemerkungen über Lesarten
und schwierige Worte, welche an den Rand geschrieben wurden, und 2. die
Vokalbezeichnung. Die Masorethen erlaubten sich nicht, Buchstaben des
Textes zu ändern, auch wenn sie dieselben fQr falsch hielten, und während
in den Targums oder aramäischen Paraphasen des Urtextes die Vokale
häufiger geschrieben wurden als in den Worten der heiligen Texte, erlaubte
man sich nicht, den Text durch Einfügung von Vokalen umzugestalten,
sondern drückte dieselbe nur durch Striche oder Punkte aus, welche den
Wörtern des Textes überschrieben, unterschrieben oder in die Buchstaben
eingesetzt wurden. Alles diess setzt voraus, dass die Buchstaben des Textes
nicht verändert, sondern in den alten überlieferten Formen geschrieben
wurden, welche auf den jüdischen Hochschulen zu Jerusalem, Tiberias und
Babylon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung im Gebrauch
waren und vielleicht bis auf Esra zurückgehen.
Die Vokalzeichen kamen im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung auf,
um die überlieferte Aussprache auch sichtbar festzuhalten und das Gesetz
treu zu bewahren, daher heisst es im Talmud : , Die Kinder Juda haben ihre
Sprache sorgfältig gepflegt und Zeichen der Aussprache unter (die Worte)
gesetzt, so haben sie das Gesetz bewahrt in ihren Händen. Die Kinder der
Galiläer (Samaritaner) haben ihre Sprache nicht sorgfaltig gepflegt und nicht
Zeichen der Aussprache untergesetzt, so haben sie nicht bewacht das Gesetz
unter ihren Händen.* In gleicher Weise wurde durch den Ausdruck , macht
Hecken um das Gesetz* auf die Vokalisation angespielt.
Anfangs hatten die Juden nur 7 Vokale (entsprechend den 7 griechi-
schen AEHIOTß), also so viele Vokale, als die Woche Tage hat, diese waren:
. nno pata/ (Öffnung des Mundes) a (gleich dem indischen "").
^ tiJD segol (Traube) e (im Indischen .•. t).
• P"''" /irek (zischen, Pfeifen) i (dasselbe Zeichen, welches in der
Berberschrifl alle Vokale vertritt).
Erklärung der Tafel VIL 371
, fT^D katnes (zusammendrücken) a, aramäisch o, scheint das Y v zu sein.
„nie sere (Trennung) e, dürfte wohl mit •/ sinnverwandt sein.
* c^in /olem (Reinheit) o (bezüglich dessen gilt das bei/tre^Bemerkte).
^ pni9 Sureq (pfeifen) deutet mehr auf das griechische ü als auf unser u.
Die Zeichen /oleni und Stireq dürften anfangs, so wie pata/ und /irek,
einfache Striche oder Punkte auf den Zeichen mm gewesen sein, um anzu-
deuten, dass dieselben nicht als Vokale, sondern selbständig als Consonanten
<aber mit Vokal) auszusprechen seien, welcher Brauch sich m der samari*
tanischen Schrift erhalten hat. An diese Zeichen schliessen sich an das t itca
(eben, d. h. ohne Vokal), welches den Wegfall des Vokales anzeigt, das
iMM/jei, ein Punkt, welcher theils die harte Aussprache (^ u>, a b), theils die
Verdopplung andeutet, und in n am Ende der Wörter anzeigt, dass es aus-
(•(•sprochen vrerde (in diesem Falle heisst der Punkt Majtpik), und der Strich
* Hüpfte, welcher über einem Consonanten dessen weiche Aussprache anzeigt.
Rabbi Kim;(i, der berühmte Rabbiner des 12. Jahrhunderts, erweiterte
das Vokalsystem auf 10 Vokale, indem er /ireg in 2 theiite, und , kaifies
jratuph (o)^ sowie T Qibbus (u) lünzufügte.
Neben den Vokalen entstanden auch eine Menge Accente, um die
Tonsilbe und die Interpunction oder das Verhaltniss der Wörter zu einander
anzugeben, sie heissen D^spe fc^mtfit, Sinn, Weise*, ferner zur Bezeichnung der
Modulation oder des Tones, nach welchem das Gesetz in der Synagoge halb
singend rccitirt wird. Wann diese Zeichen entstanden sind, ist nicht bekannt;
als Betonung und Interpunction werden sie schon im Talmud bei Hieronymus
zu derselben Zeit erwähnt, wo auch die griechische Accentuation geregelt Mrurde.
Endlich findet man auf der Schriftprobe auf Tafel 7 über manchen
Buchstaben wie n e Verzierungen, welche schon Maimonides als Erforderniss
einer nach den Regeln geschriebenen Synagogenrolle erwähnt, sie kommen
schon in phönikischen Inschriften vor, z. B. ^ ^ ^ (db d), ihr Zweck ist
unbekannt. ^'**
Die Schriftprobe auf Tafel VII enthält den ersten Vers der Genesis, den
mir schon Seite 151 analysirt haben, er lautet:
hreHi bara elohim ed h<ü^anMim ved haans : 9 huures haifna
Am Anfang schuf Gott den HimiDol und die Erde j und die Erde >\ar
^tu vttohu t/o^ek fU-pue ühom \ vrua/ elohim mru/t^thtS
wu]»te und leer und Finsterniss auf der Tiefe und der Geist Gotte> s( hwcuie
a4»
872 RaschL
dUpne hammayim: vtjomer elohim yhi or vayhi or*
auf dem Wasser. Und es sprach Gott es werde Licht und es ward Licht
vyard elohim ad haor ki tob vijahdel elohim ben
und es sah Gott das Licht, dass gut und es schied Gott I zwischen dem
haor üben ha/oSek: vaifiqra elohim laor yom
Lichte und zwischen der Finstemiss und es nannte Gott das Licht Tag und
vlajjToSek qara layla tayhi 'ereb vayhi tpoqer
die Finstemiss { nannte er Nacht und es war Ahend und es war Morgen der
yom e/a8.
Tag der erste.
Die zweite Abtheilung der Tafel VII enthält das erste Wort der Genesis,
ri*VMn:3 breäid, welches zugleich den Titel des Buches bildet und oben in eine
Verzierung eingeschlossen war, in verzierten Buchstaben nach einer andern
Handschrift aus derselben Zeit.
8. Raschi oder Rabbinisch.
Neben der Quadratschrift bedienen sich die jüdischen Gelelulen zu
profanen Schriften schon seit alter Zeit einer Cursivform, welche RaSi heisst,
und welche vielleicht bis zu jener Zeit hinaufreicht, wo die Targums ent-
standen, denn das Schin c hat eine ganz aramäische Form. Auch von dieser
Schrift giebt es verschiedene Arten: eine spanische, eine italienisch-französische
und eine deutsche. Wir lassen in den beiden ersteren denselben Text (den
ersten Vers der Genesis), folgen, dessen Transscription wir vorhin gegeben
haben, und behalten die deutsche für den folgenden Abschnitt vor.
Spanisch-levantinisch :
jKPr'^y o^ph r rt» o^j» M^ >J> '^o^i »pi» »p^ p^'p p>pi : p>p ^>i o»ycp ^> o^p}^ yo jroya
>n>v : «icrp CO» 'n^p 'j o«pJ> J7JM isj «^ «vp ^^ o»pJ> yv^ : *v •pi «v *P' o'P>> •»v * ^*p 'j^ iy
=irv «•* W 'P*» iV *p** pW yo ^6(0» or "v^ «"pJ/
Italienische Raschi.
ni-^i o^nn »Dc-b» 'jBm ^^3') -»c^D nD»ft 'pbTi^ i pbTi Dbi o»«w nb o»nife b">3 n»Db-)3
^73»i 3i»"»3 '^•ibrTb c>r)l>b D-jn : '5ib'»:)n '>'\b »»» ©»obb "Jj^bn : o»«o oc-b» ddo">;^ c»dM)
:7rb ov "jps"»:)»"! 3')35-»n>i :)i»i b')p TW?bi ov "Jibb oobb b"5p»t : poo i^ai Tibo |»j o*bb
9. Weiberdeutsch.
Bei den Juden war das Lesen der heiligen Schrift das Vorrecht der
Männer, die Weiber lernten nicht hebräisch, sie bedienten sich nur der
Weiberdeutsch. 373
*
I«andessprache, und daher wurde die hebräische Schrift, mit welcher deutsche
Texte geschrieben waren, Weiberdeutsch genannt. Weshalb die Juden gerade
die deutsche Sprache bevorzugen und französische, polnische und ungarische
Juden der deutschen Sprache mächtig sind, ist nicht bekannt. Uebrigens ist
ihre Sprache ein Gemisch deutscher, hebräischer und aramäischer Wörter
mit mancher eigenthümlichen Satzconstniction ; fremde Wörter werden ger-
manisirt und umgekehrt; aus ']brt hala/ , gehen* wird hd/en, aus *ini dabbar
«reden* dihbem gemacht und conjugirt: ich habe gedibbert u. s. w., Yor die
Vorsilbe er wird ein d gesetzt z. B. derschrecktn; auch neugebildete Wörter
sind häufig, wie leim fiir lesen, ben^ fQr segnen, breiiaht für Hochzeit, ermegen
für ergötzen u. s. w. Die Consonanten werden wie im Hebräischen, n in
der Mitte und am Ende wie 8, ausgesprochen, K dient für a und o^ *> für u
und w, * fDr e und t^ das helle e wird durch P bezeichnet, das unbetonte e
wird oft weggelassen, am Ende der Wörter steht nach einem Vokal stets M,
fängt das Wort mit i o u an, so wird m vorgesetzt, z. B. n*M ich, latM und,
*n^it oder, doch wird o auch durch f bezeichnet; die Diphthonge werden durch
Beifügung eines ' gebildet, z. B. nM au, ^ ei, ^n eu, "i ö, ü; statt des f dient c
z. B. V^iMC faul, statt w wird doppelt-t' 11 geschrieben, folgt aber noch ein 0
oder u, so wird ein a dazwischen gesetzt. Die deutsche Raschi oder Weiber-
deutsch ist im Ganzen eckiger als die italienische^ doch hat sie auch einige
Abweichungen, wie x z (statt t), 1 (statt i).
Indem wir hier das Alphabet geben, ersuchen wir die Leser, den fol-
genden Text des Vaterunsers in jüdisch -deutscher Mupdart im Dialekt der
polnischen Juden gefälligst selbst zu buchstabiren, wobei natQrlich ebenfalls
von rechts nach links zu lesen ist.
oa4inijno*13lpM(30»i,Dfbp">ün
abgdhvuzx^y^^ ^ ^ ^ ^epfisqrit
pn pwip i^'^sryp ri 43)M » rx rwrt3 pn \tst or^^n^^ .^mm prt oca isn •>! "J'^ürtß -j^m
yr>t 'am » ooa x\^vo "j»!« o^^n »irt t:i - iM^n fTi is^n nts pna yin r*535ii irto^; »m \V»
•o^wa^bsn rt*»! '3H^ osrtM rt-i 'Dm .■p'nrrp oin xys pn p'Jrtii it^^a (if »m p^rc^
10. Hebräische Schreibschrift
Wie in der deutschen Schrift seit der Erfindung des Buchdrucks sich
«in eigener Schriftzug entwickelt hat, so ist auch bei den Juden eine Schreib-
fichriil entstanden, indem Formen der Weiberschrift abg».*rundel wurden.
374 Hebräische Schreibschrift
obgleich die Entstehung einiger Formen dieser Schrift wie 3 ^ ^^^ ^t C? ^
aus *r, o £2 aus V, } q aus p, -K ^ aus iZ7 schwer zu erklären sind; schnell
geschrieben und mit Ligaturen versetzt, ist diese Schrift ebenso schwer zu lesen
wie unsere Schreibschrift, wenn sie flöchtig geschrieben wird. Wir geben als
Probe das vorstehende judisch-deutsche Vaterunser in dieser Schrift
r<f kU .yz (•*M(-'2 6*2 U*i^^*x ,(fc^ jn G9*z »^»^ ^^ct ^^G^&^^^u^
2ji\i Q-y'iS^'Z pg/»2 ,|ro-» j-, i3 fi-j a;«K /Tf'-^a Jt.^-a/ii? -^/«f fe
Vn. DIE SYRISCHEN SCHRIFTEN.
Wir haben schon oben Seite d 1 4 Gelegenheit gehabt, von den syrischen
Schriften zu sprechen, der Gegenstand ist aber so wichtig, dass wir denselben
besonders behandehi müssen. Eine der ältesten syrischen Schriften heisst
>1>I^^^^| estrangelOi das ist .Schrift der Botschaft*, weil sie die Schrift
der christlichen Evangelien war; in der That hat sie grosse Ähnlichkeit mit
der hebräischen Quadratschrift, welche die Juden «assyrische Schrift* nennen,
der Unterschied beider Schriftarten liegt ausser in einigen minder wesentlichen
Buchstabenformen darin, dass die syrische Schrift die Zeichen verbindet, die
hebräische Schrift sie getrennt schreibt, obgleich auch ihre Formen gegen-
über den phönikischen darauf hinweisen, dass das Streben der Verbindung
in ihr vorhanden war, z. B.
hebräisch i n
phönikisch y
2 k
^
t oj,Ä
0
^ S
K
wobei die Finalzeichen J u T ^ ^ ph lf ^ noch auf die phönikische Fonn
zurückweisen. Das Streben nach Verbindung war also im babylonischen Exil
entstanden, und wir glauben, die Heimat dieses Strebens bei den Mongolen
und Tataren gefunden zu haben, welche an eine Kerbe ihre Zeichen einritzten.
Dieses Streben nach Verbindung ist auch in der noch altem mandäischen
Syrische Schriften.
375
Srhrifl vorhanden, d. i. die der Jünger Johannis des Täufers, welche auch
in den Evangelien erwähnt werden.
Bevor wir auf die einzekien Alphabete übergehen, wollen wir dieselben
abersichtlich zusammenstellen, wobei wir bei denjenigen Lauten, welche
verschieden in der Verbindung und auch am Ende der Wörter geschrieben
werden, die betreffenden Finalzeichen beifügen.
1
Werth Ihebräisch
1
man-
däisch
estran-
gelo
melcbi-
tisch
nestori-
anisch
yako-
bitisch
peSitu
tatarisch
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376
1. Die mandäische Schrift
Die mand&ische Schrift unterscheidet sich von ihren syrischen Schwe-
stern principiell dadurch, dass sie die Vokale schreibt und in gleicher Linie
mit den Consonantzeichen verbindet; die Vokale haben dieselben Zeichen
wie die Halbvokale in den anderen syrischen Schriften, doch die Bedeutung
ist verschieden ; man beachte
mandäisch ^ a syrisch e 9
• "^ «• • ^ y *
Das o a war das phönikische din (Auge), in der himyarischen Schrift
ist das Doppelauge 00 v, wie im Syrischen das einfache Auge, während dtM
nur durch die Augenhöhle -^^ vertreten ist, imMandäischen durch ein Zeichen«
welches dem b sehr ähnlich ist (wir haben phönikisch Q 6 als «Ohr* kennen
gelernt); hier kann also von keiner Comiption die Rede sein, hier berulit
der Zeichenwechsel auf dem Begrififswechsel, und wenn dzuv und a werden
konnte, so mochte letzteres wohl den o-Laut oder d-Laut haben.
Für b kommen zwei Zeichen vor, von denen ^ bereits als verwandt mit
^ din, erkannt wurde, es ist das ägyptische ^=:, hieratisch I^ m, .die
Höhle* ; sL scheint das moabitische ^ zusein, welches in der syrischen Schrift
als p auftritt; es ist auch dem syrischen x ^ähnlich, wie sich das hebräische
beth an Samodm , Himmel* anlehnte; dann wäre es ähnlich dem ägyptischen ■ ;
hieratisch ^h,al .Palast, Altar*, hebräisch ^^n heical , grosses Haus, Palast,
das Allerheihgste*, also jedenfalls der Altar und dann das Haus des Altars.
^ g hat keine Ähnlichkeit mit den phönikisch -hebräischen Formen
T "1 ^ , es ist jedeiifalls die Hieroglyphe i oder 7^, hieratisch S » die
Haube scheint eine Krone zu sein; wir haben im hebräischen Levi, der mit dem
Buchstaben ^me^ zusammenhängt, denUebergang zum Wasser (das ägyptische
Priesterzeichen |H tf war ursprünglich die Taufe, die wichtigste Ceremonie
der mandäischen Johannisjünger) zur Geisterbeschwörung und zumSchlangen*
Zauber kennen gelernt.
^ d und isi r sind aramäische Formen und entsprechen dem tatari-
schen :i r, nicht dem phönikischen \, die tatarische Finalform <^ ist ver-
wandt mit dem kalmückischen (^ k und scheint daher eine ägyptische Vase
V , hieratisch^, oder ^. hieratisch ^, od „Herz* zu sein. Wir haben db/e/A
als den Begriff .theiien" erkannt; Wasser war das erste Mass, Mengen von
9
Mandäisch. 377
Fltissigkeiten ergaben ein Gewicht, wie in unserer Sprache noch immer
«Mass* eine bestimmte Quantität Flüssigkeit ist; ferner haben mvdaJeth als
»Mitte* kennen gelernt und das Herz galt als Mitte des Körpers, möglicher-
weise hing das Zeichen auch mit der Hieroglyphe j] dem Hochgericht zu-
sammen, denn hebräisch p dan ist der , Richter*. War die Stange die
Windfahne, so war der Begriff identisch mit der Bewegung der Thüre in den
Angehl, mit der Bewegung des Kopfes zwischen den Schultern. Die Ähnlich-
keit der Zeichen d und r lässt eine Ähnlichkeit in der Aussprache vermuthen,
und so finden wir in der persischen Keilschrift, wie in der Sindh- und Multhan-
schrift einen Laut tr.
h fehlt im mandäischen Alphabet, es war identisch mit /, im Pehlewi
sind sogar a, h und / identisch.
.A V ist, wie oben bemerkt, das syrische y, in der hebräischen Quadrat-
schrift ist y der Winkel oben » . ^ ist das verkleinerte syrische ^ am, ver-
wandt mit o b und a A:, so dass y d b^^u und k hier wechseln, ähnlich wie
die nordische Rune Y kann, moabitisch Y vav, himyarisch Y A, griechisch
V y ist; es ist der Zwischenraum.
I z tritt im Aramäischen erst in jüngerer Zeit auf und herrscht in allen
syrischen Alphabeten vor, wie es auch als r in die hebräische Quadratschrifl
übergegangen ist, wo es dem *> vav sehr ähnlich sieht. Die Weiberdeutsch
hat die Figur t erhalten, welche in der jakobitischen Schrift als 3 in der
Pehlewi als S vorkommt, jedenfalls die Schlange, ägyptisch "^^i hieratisch
f^^; wie hier u und z wechseln, so wechseln in der altgriechischen Schrift
S • oder h «. Die Schlange ist der Bohrer Rati, mit welchem Odhin Fialar's
Felsen durchbohrte, das blinkende Schwert und als solches ist I, aramäisch
p^m aseftin «Waffen*, aufzufassen.
^^ / wechselt in gleicher Weise mit s, samaritanisch «* An, selbst mit
ägyptisch pm^ n. Sinai ist der heilige Berg, chinesisch |h San, ägyptisch ^AJ,
hieratisch iaj und k— i', hieratisch CLO m», A, a. Dieses Zeichen ist aber
iijrht nur der Berg, sondern auch das wellige Land, in seiner Diminutivform
so-'ar das Ackerland, die Ackerfurchen, denn das Zeichen bedeutet »Berg,
Thal, Land, Volk*, immer im Sinne der Fruchtbarkeit, wodurch es sich an
das liehräisrhe /eth, den Ackerzaun H anlehnt. Als Bergthal ist es das
fn.'indäisfhe 4^ ^, tatarisch^, welches als 0 k auch die Grube, hebräisch xc.3
ytU »einlerne, Teich. Sumpf, ägyptisch \tß hm ist
378 ' Mandäisch.
Jl i ist das Segel, ägyptisch ^^, hieratisch Jp «/ (Wmd), hebräisch
W M ,Byssus, feine Baumwolle*, arabisch ^jei quin , Kattun*, durch die
Farbe verwandt mit «3»ö iii »Töpferthon* und n^o iale .Lamm*, rhn dala
, Fäden*, das tatarische i ist die umgekehrte Form davon.
Am' y tatarisch ^ ist in gleicher Weise das umgekehrte r, das demoti-
sche JL U welches mit a verwandt ist, wie .a^-j sowohl a als t ist; als syrisch
\ ist es das Hintertheil, der Schwanz (siehe unter Q.
"^ k ist das tatarische (J oder ^ welches wir schon oben bei d r
erwähnt und mit •^, hieratisch ^, ht .Herz* verglichen haben, es ist aber
auch verwandt mit '^^j hieratisch <^-^, k .der Kessel' (der rauschende
Kessel, das Chaos der nordischen Sage) umsomehr, als diesem Zeichen das
weibliche ^■p' nb und ^, hieratisch S^ '^^ gegenübersteht und dem man-
däischen nt n entspricht; das hebräische tj^ kqpf bedeutet auch .Pfanne,
Schale*.
' J hat in allen syrischen Alphabeten die umgekehrte Form des phöni-
kisch-aramäischen /« l^, welches letztere dem syrischen und tatarischen l a
mehr entspricht Das letztere scheint mehr der Schweif des Löwen .Afi,
hieratisch /, zu sein, welche hieratische Form nur den Schweif zu zeichnen
scheint; der Löwe, ägyptisch ar=l heisst hebräisch n» ari oder m*^^ lawi;
l ist der zwölfte Buchstabe im Alphabet, der letzte Stamm Israels, der nach-
gebome Sohn Benjamin. Ägyptisch heisst ar aber auch die Schlange 1 ,
hieratisch /j, und diese Form scheint unser l umsomehr vorzustellen, als es
dem g ähnlich ist. Lamed heisst .lehren*, die Schlange war das Symbol der
Arzneikunst
^ m hat mit der Kaulquappe ^ grosse Ähnlichkeit, sowie mit der
Ruh jt|c» hieratisch ^, aa, fii .Kalb, Erbschaft*, Symbol der Isis, jenes
ist das Wasserthier, Isis die Überschwemmung, beide somit verwandt mit
D*a matm .Gewässer *; der Lautwerth a erklärt auch dasEstrangelo Ka, welches
das umgekehrte >i m ist.
N ist oben unter k besprochen.
jo 8 ist, da A-. das Hintertheil ist, J^, hieratisch £^, wovon das
nestorianische tu die umgekehrte, der Hieroglyphe mehr entsprechende Form
zu sein scheint; der Lautwerth hk kann um so weniger beirren, als nestoria-
nisch ib 8 arabisch i^ h ist. Ausserdem entspricht ^A», hieratisch tf^, htp
.das Allerheiligste*, sei es als Sonnenuntergang aiifzu£assen oder als Hobel,
Mandäisch. 379
wobei zu bemerken ist, dass hk die Magie bedeutet. Auch die Zeichen M^^^j
hieratisch ^, aft , ruhen* verdienen BeachtuuKt iiisoferne das mandäische
Zeichen die verkOrzte Form davon sein könnte.
'Ain ist unter b besprochen.
C9 ph ist das tatarische ^ p, das ägyptische ■, hieratisch JJ|, ursprüng-
lich die klaffende Muschel, daher |>eA ,Mund", femer @ u=-^, hieratisch
.P, der Hauch, der Wind, welche letztere Form allerdings mehr das syrische
9 ph erklärt, welches nicht unter die Zeile geht; auch die markomannische
Rune Vfe hat Ähnlichkeit, sofeme sie die verkehrte Form des obigen Zeichens
ist; als Hieroglyphe könnte es %V, hieratisch ^, das Weib sein, hebräisch
^ bath «das Mädchen*.
O^ s ist dasjenige Zeichen, welches zum arabischen ^ 8 wurde,
ägyptisch 411, hieratisch £|^, S das wasserreiche Feld, verwandt mit ff, hiera-
tisch fk, kb »kohl*, insofeme ^ =s y n (siehe oben) ist.
^ q ist dasselbe wie k, tatarisch ^, hebräisch n2p qeba ,der faltige,
wasserreiche Magen des Kameeis*, arabisch Ü qibbat\ damit verwandt ist
nap qoba .das Weib", mn jj^aro »Eva*, deren Hieroglyphe unter jpÄ aufgeführt
wurde, wonach die Zeichenähnlichkeit ebenfalls auf BegrifTsverwandtschaft
beruht
R ist unter d besprochen worden; S unter )f.
j( <, das tatarische Finale w « ist eng verwandt mit m, insofeme thata
wie wo«! »wohnen* heisst und die Isis die Göttin des Familienlebens ist;
übrigens ist auch i. hieratisch f|, an »die Säule* verwandt, weil das Zeichen
ursprünglich ein Zelt war.
Es dürfte hieraus hervorgehen, dass die mandäische Schrift aus dem
Boden einer alten Bilderschrift entsprossen ist, der ihr mit ihrer Schwester-
Schrift gemeinsam war, und dass in ihr jene Elemente stark vorhanden sind,
welche die tatarisch-mongolische Schrift bildeten. Ob diese Secte der Über-
rest eines eigenen Volkes war, oder ob die Schrift in religiösen Srhrifton
den Weg von Innerasien nach dem Jordan fand, können wir nicht beurtheilen.
2. Estrangelo.
Wie bereits erwähnt, hat die Estrangelo-Schrift eine grosse Ahnlirhkeit
mit der hebräischen Quadratschrift, sicherlich nur, weil die letztere eben aus
Assyrien stammt; wo sie von dieser abweicht, zeigt sich gleichfalls der
380 Eälra:igelo.
tatarisch-mongolische Eipfluss. Die Verbindung der Zeichen dürfte ihren
Ursprung darin haben, dass dieselbe einen Vokal, vielleicht das reine a aus-
drückte, welches auch im Hebräischen als Vokalzeichen .a auftritt; die Folge
davon war, dass am Ende der V^'^örter ein Aufbiegen des Striches erfolgte,
um etwa ein y ähnlich dem slavischen Jer auszudrücken, einen Hauch, mit
dem das Wort endigte. Da durch die Verbindung manche Eigenthümlichkeilen
der Zeichen verwischt wurden, so hob man in solchen Fällen die Verbindung
auf, oder man nahm, wie bei k, andere Zeichen zur Verbindung. So würde
^d r zu ^ b,^ S IM jL ^ geworden sein, bei anderen Buchstaben, wie bei
y^ cn h ^ t müssen aber innere Gründe vorhanden gewesen sein^ welche
die Verbindung nicht zuliessen, denn hier konnte keine Verwechslung eintreten.
BezügHch der Bedeutung der Namen der syrischen Zeichen bin ich in
der angenehmen Lage, die Ansicht eines gelehrten Syrers, des nestorianischen
Erzbischofes Monsignore Bartatar, nach seinen mündlichen Mittheilungen
anführen und mit meinen Untersuchungen vergleichen zu können:
z und y^aleph, alpha: navis, naviada, scapha, , Schiff, Schiffchen, Boot*.
Ich habe z oben als Schwanz charakterisirt, mit Beziehung auf , Schiff* dürfte
es das Steuerruder sein, zu dem ja der Fischschwanz den Anstoss gegeben
haben soll; das Zeichen K'ist das hieratische tc^ und hängt mit .Schiff*
genau so zusammen, wie mit diesem das deutsche vulgäre « schiffen*.
a M und beta: domus, cubila, tnclinium, trimurai^, .Haus, Lager, drei*
sitziges Speisesopha*. (Ich habe das Zeichen als «Höhle* erklärt, was mit
.Haus* zusammenhängt, das Sopha werden wir später kennen lernen, es
hat eine andere Form, auch die sitzenden und liegenden Figuren haben in
der hieratischen Schrift eine andere, nämlich die umgekehrte Form, z. B.
C Mensch, ^ Kuh, £ää^ Vogel, doch ist es möglich, dass die Richtung der
Schrift nicht allzu massgebend war.)
^ und ^gavuü und gitnla, canidus (brevis cauda), .Kameel, kleiner
Schwanz* (die letztere Bedeutung mag zu dem Punkte am Ende des Zeichens
Anlass gegeben haben, in der Estrangelo geht das ganze Zeichen unter die
Zeile; das mandäische g war die Wasserschlange, das syrische scheint iden-
tisch mit dem mandäischen h und q^, die Cisteme, der Magen oder der Wasser-
schlauch; es ist zu beachten, dass MS^ gama «schlürfen, trinken* bedeutet,
wenn gome, die ägryplische Papyrusstaude ihren Namen vom Aufsaugen des
Wassers hat, so mag auch das Kaaieel, welches das Wasser lange in seinem
k Estrangelo. 38 J
Magen bewahrt, den Namen davon haben; dasselbe bedeutet M, hieratisch
3t km, das wasserreiche Ägypten).
% und > dalat und dalta: valva,fore8, «Thürflügel, Thüre*. (Die Zeichen
weisen auf die Grundbedeutung «theilen' hin, ägyptisch ^^, hieratisch^,
Winkel, Ecke, und ^^ die Hälfte, Tj das Hochgericht. Estrangelo l konnte
daher nur am Ende stehen, da es in der Verbindung gleich a b war, und
ebenso nestorianisch >, da es in der Verbindung gleich a^ k war, welches
am Ende \ oder ^ geschrieben wird; die Punkte hängen offenbar mit der
Vokalbezeichnung zusammen.)
cn und « he, heta, arabisch äU^ haiat: figura, physiognoinia, «Gestalt,
Aussehen*. (Als solches wäre es das himyarischeooirau« (die beiden Augen
und äthiopisch 0, mir scheint aber der Begriff hier nicht activ, sondern
passiv zu sein «von schönem Aussehen, jung*, daher ägyptisch f^, hieratisch
[j1« das hebräische hath .Mädchen*, ^^v^, hieratisch 4r, hb .Freudenfest*,
die ewig jugendliche Hebe, die später zur mohammedanischen Huri wurde;
Y1, hieratisch rtl , sah «die Halle*, hebräisch ^^m hekal «das grosse Haus,
^alast, Tempel*, ^^ pr-a «die hohe Pforte*.)
A und •: rar, rata: clavu^, uncinus, hamus, «Nagel, Angelhaken*.
(a stimmt mit hebräisch i v als Haken überein, • ist aber das phönikische
O din «Auge*, möglicherweise war es nur das Gebogene, der Nasenring;
Qbrigens schliesst sich die nestorianische Finalform • an den Haken an, am
Anfang und in der Mitte wurde es nicht gebraucht.)
I und f zaifi, zait: pugio ei oUvafructus, «Dolch undOlivenfrucht*. Das
mandäische und Estrangelo- « sind aU Finale dem nestorianischen ia ähnlich
und bereits beim mandäischen Alphabet als Waffe erklärt. Die Olive dürfte
sirh auf die nestorianische Form beziehen, welche sich der ägyptischen
Hieroglyphe 9 9 to «Brot, Speise*, tb, hieratisch £|, ii «Salbe* nähert, und
hieraus dürfte sich auch die Pe.^ilo-Form von d und r erklären, welches sich
als «Theil* auch auf die «Frucht* beziehen kann, welche sowohl Wurzel
als Krauthaupt (ohne Leib) ist
*• /^t Z^^^' instrumentum quo ron/ncafur, «Instrument zum Reihen*
(Reibeisen?). (Ich habe das Zeichen als unebene Fläche oben erörtert, was
mit der vorstehenden Erklärung nicht im Widerspruch steht.)
V t^9 t^^^' /'""'^^nim panni, quo detenjitur, «Lappen, Tuch zum Ab-
u.-« lion*. (Diese Erklärung: kann sich auf das man<läi<rhe Se^'el, nirlit auf die
382 £sirangelo.
vorliegende Figur beziehen ; dieselbe geht unter die Zeile, bedeutet also etwas
Unterirdisches; hierbei mache ich darauf aufmerksam, dass die tatarische
Form •« iUmlichkeit mit der Hieroglyphe ^ .I^upfer*, natürlich in umge-
kehrter Form hat, sowie dass <lie Figur V in gleicher Weise die umgekehrte
Form der Messer-Hieroglyphe 1 st, kt ist, wobei es fQr uns gleichgiltig ist,
ob dasselbe ein Steinmesser oder ein Bronzemesser war.)
* yod^ yoda: tnanula, vola et lineola^ .Händchen, hohle Hand, kleine
Linie*. (Ich habe schon bei dem mandäischen Alphabet auf die Ähnlichkeit
von yod und kaph hingewiesen, beides bedeutet im Hebräischen «Hand* und
insbesondere den Zwischenraum zwischen den Fingern und die hohle Hand.)
^ vy ^ ^: kaph, kapha: arcus, ripa concava, , Bogen, gekrünmites Ufer*.
(Der Grundbegriff ist wie bei yod der Zwischenraum, vy ist in Form und
Bedeutung dem ^ / ähnlich; ^ ist ähnlich der hieratischen Form ^^y welche
ich bei dem mandäischen k besprochen habe, es kann auch das hebräische
p,ip Haarzopf, Schwanz (des Affen) bedeuten; ^ scheint das tatarisch-mongo-
lische [^ k zu sein, das ägyptische % oder 9\ ^ ist wie vorhin erwähnt,
«las grössere yod,)
\ lanied oder lamda: Stimulus, « Stachel*. (Das Zeichen ist ähnlich der
Hieroglyphe \ hieratisch f, »Grenzpfahl*, welches in | auch in Verbin-
dung mit der Ebene vorkommt, femer mit der Hieroglyphe ^, hieratisch ^
hk 9 Skorpionstachel, Zepter der Hirtenfursten*, wobei zu beraericen ist, dass
hk »Magie* bedeutet, analog loi» Jamad »lehren*, T!ot»n talmud »die Lehre*
gleich min tora »die Lehre*, von fiT yot'a »zeigen, anzeigen*, daher das
ägyptische o.^ rmn,)
ft » » mim, mima: maier, matrix, »Mutter, Mutterleib*. (Das Zeichen
n ist bereits bei dem mandäischen m als Isis, die Kuh, besprochen; auch die
geschlossene Form ;a lehnt sich an das hieratische ^ an; m dagegen ist das
ägyptische oo^, hieratisch y>o, mh »Fülle, Norden*, die Wolke, die Därme,
welche den Wind verursachen, der Schlauch, die Gebärmutter.)
T^J )tun, nuna: pisns, pisriiuhis, »Fisch, Fischchen*. (Das hebräische
pj nun bedeutet nicht nur den Fisch, sondern auch die Nachkonmien, daher
ist J nur das Kleine und das hebräische J n verwandt mit a k; \ ist im
Mongolischen gleich ^ a »das Huder*, welches dem Fischschwanze nach>
gebildet ist; so erkläre ich mir auch die Finalform ^ in gleicher Weise.
Beachten swerth ist, dass Anfangs- und Ende-iVK/i in der Verbindung ^ die
Estrangelo. 08 3
einfache Form des phönikischen Nun geben, das letztere ist der Nu, der
blick, Augenblick, Blitz, das ägyptische «^, hieratisch ^'-r, ma «Sichel";
!( h habe oben bemerkt, dass die Verbindung ursprünglich einen Vokal
ausdrückte, da nun mongolisch n^^a ist, so konnte der Schweif von S in der
Schrifllinie aufgehen und musste am Ende der Wörter selbständig hervor-
Inften. Übrigens kann V^^ auch als Pfeil, als Sonnenstrahl, ungebrochen
gedacht werden.)
^ti Harne/, stinka: fulcrum, sustentaculum, „Gestell, Grundpfeiler*.
(^ ist identisch mit ^ / als »— ^, hieratisch OJ)« der Erdboden, die Grund-
feste, als J^, hieratisch £2^^ das Hintertheil, wienerisch „Gestell"; ägyptisch
00^ hieratisch ül, U8, ufs das Faulbett, das Symbol des Osiris, der als Him-
mel, pt, sich an die bei beth erwälmte Bedeutung anlehnt, das Bettgestell |Sj,
hieratisch |S|, afl „Truhe* verwandt mit der bei dem mandäischen Alphabete
erwähnten Hieroglyphe ^^. aß „ruhen* und mit ^"^j hieratisch f:^,
der Todtenbahre, wie mit ^-^j hieratisch f^, pt der Feste des Himmels.)
.^. v li^ din, dina: oculus, „Auge*. (Dieser Begriff bezieht sich als
Augapfel auf das moabitische o, welches im Syrischen zu c t? geworden ist,
das hebräische V ist das markomannische V chen, griechisch Y, moabitisch Y
r ; estrangelo J^ wie (j das Hintertheil, nestorianisch V wie hebräisch ^ y und
aramäiseh y. Dieses Zeichen ist das demotische a, welches den Hiero-
glyphen m^uLJ entspricht, der Zwischenraum zwischen den Füssen, ^,
hieratisch dJi wie yod der Zwischenraum zwischen den Fingern war.)
^ pe, po, pata: visus, faden, aihpecUis, „Gesicht, Angesicht, Ansehen*.
(Insofeme es sich an eine Hieroglyphe und das althebräische ^ h anschliessl,
ist es J „das Weib, die Schönheit*, hiermit hängt noch nno pata „oflen-
herzig, unbefangen, leicht zu verführen* ^r\o pAi „Einfalt* zusammen, inso-
feme in alter Zeit unverheirathete Mädchen jedem Fremden zugänglich sein
mussten ; erst mit dem Brautschleier schlössen sie sich der Aussenwelt ab ;
aber diese Begriffe scheinen mir mehr auf das samaritanische ^0 |; zu deuten ;
t ist dem ägyptischen J^, hieratische^, ähnlich, das ist der Hauch aus dem
Munde, das Hen'orbrechen des Kindes, ägyptisch b/, papa „ gebären *,
hebräisch nro paSa/ „eröffnen, loslassen, [einen Gefangenen] befreien*.)
J? j gad, .^ade: satus, eris, „Saat, Hader*. (Das Zeichen ist dasselbe,
weiches im mandäischen Alphabet erklärt ist; an das wasserreiche Feld
gchliesst sich die Saat an« die Eris erinnert an die Aussaat der Dracnenzaunc ;
384 Estraogelo.
die Zwietracht an die Ackerfurche. ^Ain, pe, sade entsprechen in dieser
Reihenfolge f [\ ^ : / die Leerheit, der Wind; H ur die Öffnung des Himmels,
die Thauzeit, ^ thorr die Zeit des Ackerbaues; aber auch den Runen A ar,
H sol Ernte (henrorbringeu) T Jagd, Krieg.)
a qoph, qppha: canistrum, cophinus, Korb*. Entspricht der Rune 4* os
ader Zeit der Eröffnung der Schifffahrt*, daher dürfte es das ägyptische i,
hieratisch (X, k .Ecke, Knie, Vorgebirge*, sowie ^^ «das Schiff* sein; in
der zweiten Runenreihe i biSrk .die Bergung* und damit dürfte der Korb
zusammenhängen, ägyptisch ^, hieratisch ^, ba .das Opfer* für glückliche
Heimkehr.
1 i rtiS, raSa: caput, .Haupt*. (Für dieses Zeichen gilt das bei d
Bemerkte.)
«X Sin^ Sana: dem, hominis et montis, .Zahn von Menschen und Bergen*.
(Das Zeichen hat in der Schrift der Mel;(iten die Form k entsprechend der
Hieroglyphe w Sa (die untergehende Sonne, auch iBt, hieratisch 9, das
wäre das Abendroth, .aufleuchten*, das Morgenroth, die am Himmel auf-
steigende Sonne, chinesich O tan .Morgen*, lautverschoben von san, es
schliesst sich dadurch unmittelbar an roS , Haupt* an, ist vielmehr dasselbe.)
^ A M tav, tava: rnansio, hahitatio, .Haus, Wohnung*. (Auf diese
Bedeutung bezieht sich wohl das Zeichen ^, welches an die Hieroglyphe cd und
[h erinnert, tfi mel;(itisch ^ , ist jedenfalls yjn der Hochsitz, einfach J , das
Zeichen der Isis, der Thron, die Sesshaftigkeit ; auch die Hieroglyphe j
hieratisch [i, welche ursprünglich wohl ein Zelt bedeutete, stimmt mit ii
überein. ^ ist das verkehrte Zeichen von x^ a, vielleicht dasselbe, da es
auch im Zeitkreise neben demselben stand.)
Die Estrangelo wurde noch ohne Vokalzeichen geschrieben, nur m
zweifelhaften Fällen wurde ein Punkt über oder unter das Wort gesetzt, um
anzuzeigen, dass ' a ^ e, t . a o oder 9 u zu lesen sei ; derselbe Punkt bezeich*
nete über dem Consonanten, dass e nicht aspirirt sei, unter demselben die
Aspiration, und hiervon mag wohl der Punkt in n d und 1 r abstammen; ein
Doppelpunkt ** (Ribui) zeigte den Plural an, wenn dieser nicht aus dem
Wortlaute hervorging.
Ausser der hier gebrauchten schönen Uncialform hatte die Estrangelo
in manchen Manuscripten einen mehr quadratischen Charakter, den wir in
der Probe folgen lassen.
Estrangelo Sprach- und Schriltprohe. 385
Wir lassen hier als Schriftprobe den Text des Vaterunsers folgen :
In quadratischer Form:
Transscription: <///«« dhaAmayo, moqada^
Übersetzung: Vater unser der in den Himmeln, geheiligt werde dein
:fmok* fiioe inalkudok' , uehwo ^thtjofiah aikatio dbahmiyo
Name, es komme dein Reich, es geschehe dein Wille wie im Himmel
of boro, hah hin h/nio di(Unqo/f(tfi yaumouo, tva^huq
auch auf Krden. gieb uns das Brot unseres Bedürfnisst's heute, und crlass
lan /aubain u/tohain aikatio dof /tian sbaqan
uns unsere Schulden und unsere Sünden, wie auch wir erlassen unseren
i/atftßff*iin, ulo ndhn hie.^ifitfio, eh fa<on men
S<huldn»'m, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse un> von
hi^u, Amin,
-d«Mn Bös**n. Amen.
3. Dir Schrift (li»r Melchitcii.
Im 5. Jahrhundort führten reli^'iöse Slreili'rkriten darüber, ob Jesus
zugleich Mensch und Gott gewesen, ob Maria eine (Joltcsjicbärerin sei u. s. w.,
zu einer grossen Spallung in d«T syrisrh-chri>tlii'lnMi Kirche; es bildeten sich
nach einander die Seelen der Nestorianer und Jakobilcn, während DicjcMii^en,
iwelche sich den kaiserlichen Hclfhlen und den Bt'M'hliiNsen der Concili^'U
unterwarfen, Melchilen, d. h. köni/licho <^'»*nannt wur»i«'n. Ihre Bücher sind in
Fe •Imann. Gesrhichto d. SchiiU. ^5
386 Melchi tisch. Nestorianiscb.
einem besondern Dialect geschrieben, welcher der Palästinas war. Lenormant
hält die Schrift für eine entartete Eslrangelo, welche dem Streben, die
griechische Uncial nachzuahmen, entsprungen sei. « Eigenthömlich ist der
melchitischen Schrift das Vorhandensein eines aspirirten und eines nicht
aspirirten p ; da von hier ab an Stelle des Estrangelo c\ die Form o auftritt,
so dürfte dieses p das Estrangelo v sein. An Stelle dieser Schrift wurde später
die Peäito (siehe Seite 387) angewendet.
4. Die Schrift der Neslorianer.
Die oben erwähnten Religionsstreitigkeiten, die Vertreibung der Nesto-
rianer und deren Rückzug in die Staaten des Königs von Persien, entfremdete
die westlichen und östlichen Syrer. Die östlichen, die Nestorianer, welche
noch gegenwärtig in Kurdistan wohnen, bewahrten die Schrift, wie sie zur
Zeit der Trennung war, und bereicherten sie nur noch mit Punkten, um die
arabischen Laute auszudrücken, da die Sprache des Qoran nach der Eroberung
Syriens durch die Araber in alle Kreise des Volkes eindrang. Diese für das
Schreiben arabischer Wörter erweiterte Schrift hei$:st KarSun. Sie verwendet
die Zeichen a und ^ für O w, J und J; j für ^^^ »V för Ji, ^ und -^ für
^, S^ für ^ und J^ für ^, endlich ä für a.
Die rein syrische Sprache der Kirchenbücher hat ein eigenes, von dem
der westlichen Syrer abweichendes Vokalsystem, nämlich ^ a, e, f, t.
Wir geben hier als Probe den Anfang des Evangeliums Johannis,
Capitel 1, Vers 1 und 2.
/^^^ 9990 « i4^!i>o 290^ ^c9oiu2 ^^^3tla i
Transscription: brosith itovhe heu meltho, rhu tneltho iiovhe heu loth
Übersetzung: Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei
aloho, valolio itovhe heu hu meWio. hono itovhe heu brosith loth aloho,
Gott, Und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Jakobilisch. PeSilo. 387
5. Die Schrift der Jakobiten.
Die Schrift der Jakobiten ist der vorigen sehr ähnlich, andererseits
entstand aus ihr die Minuskelform der Peäito. Die Vokale sind Punkte wie
die nestorianischen, aber in anderer Bedeutung, nämlich — ä, a o, ^ — /,
G. Peäito.
Q
Die Schrift peäito ]l-'^^ ist die Schrift der westlichen Syrer, der
Jakobiten und Maroniten ; ihre Form ist gerundeter, ausserdem wurde, wahr-
scheinlich im 8. Jahrhundert durch Theophilus von Edessa, die griechische
Vokalbezeichnung in diese Schrift eingeführt; da aber die syrische Schrift, wie
oben (Seite 317) erwähnt, in Säulen von oben nach abwärts, wie die tata-
rische Schrift geschrieben wird, so stehen die griechischen Vokalzeichen quer
zur syrischen Schrift, demnach «^ = ^ a, c ^= ' e, i = * f^, « = ' i, o = * o.
Wir geben als Schriftprobe den vorigen Text (Kvangelium Job. I, 1.2.).
« B >
9 . C P 0 0 C
w 9 m
Transscription: brislth itavhe heo mdtho. vhu nieltho itavhe heo loth
€Uohe. uloho itavhe heo hu meltho, hono itavhe heo hrisU loth aloho.
Vm. DIE PERSISCHEN SCHRIFTEN.
Wir haben Seite 344 die persische Keilschrift kennen gelernt, welche
nach Oppert's Ansicht unter Kyrus aus der assyrisch-babylonischen Keilschrift
gebildet wurde und sich bis zur Zerstörung dos persischen Heiches durch
Alexander erhielt. Wir finden diese Schrift aber nur in den Inschriften der
persischen Könige, und nach dem Sturze des Achünienidenhauscs ist sir
spurlos verschwunden. Es ist daher sehr zu bezweifeln, dass die>elbe Eigcii-
Uium des persischen Volkes geworden ist, vielmehr ist es wahrscheinlicher,
dass die persischen Könige diese Schrift theils wegen ihrer genauen Laut-
bezeichnung, theils deshalb bevorzugter\, weil sie die Form der chaldaischeii
Schrift hatte, den Babyloniem schmeichelte und den persischen Königen d<'n
Nimbus der legitimen Nachfolger der alten babylonischen Herrscher verlieh.
Wir finden aus gleichen politischen Gründen in Ägypten griechische Herr-« her
38 S Persische Schriften.
die alte Hieroglyphenschrift cultiviren. und selbst die mächtigen Cäsaren der
Römer Hessen ihre Namen in Hieroglyphen schreiben.
Aus der Annahme der Keilschrift folgt nicht, dass die Perser zu der
Zeit, wo die persische Keilschrift erfunden wurde, keine Schrift besessen
hätten; sie konnten eben so gut eine nationale Schrift haben wie die Mon-
golen, als deren Kaiser die chinesische Schrift auf die mongolische Sprache
übertragen Hessen oder aus Tibet Priester herbeiriefen, um die mongoHsche
Schrift zu vervoUkommnen; aber die persische Schrift war vielleicht nicht
so ausdrucksvoll als das neue Keilschrift-Alphabet.
Auf diese Weise lässt es sich erklären, dass als die Sasanideu das
Parther-Reich stürzten, in ihren Inschriften zu Nakh§i-Rustam und KirmanSah
in der Nähe von Ekbatana (der alten Hauptstadt des Meder-Reiches, welche
aber auch von den Perserkönigen wegen ihrer kühlen und gesunden Lufl als
Sommerresidenz bevorzugt wurde) eine Schrift auftrat, welche keineswegs,
wie vielfach geglaubt wird, von den Aramäern entlehnt wurde, sondern einen
selbständigen Charakter zeigt. Diese Schrift hängt eng zusammen mit der
persischen Nationalreligion der Mazdao-Verehrung, welche von Zarathuslra
herrührt, einem Manne, von dem man nicht weiss, wann und wo er gelebt
hat, obgleich viele Spuren auf Balkh hinweisen, welches in Mittelasien ein
ebenso heiliger Ort war wie Jerusalem für die Juden. Thalsache ist, dass
Abarten der Sasaniden- Schrift sich sowohl als Pehlewi wie als Zendschrift
erhalten haben, welche beide Schriften zu Umschreibungen des Avesta, des
alten Religion.sbuches der Perser, verwendet wurden, dessen Ursprung auf
Zarathuslra zurückgeführt wird. Es ist daher alle WahrscheinHchkeit vor-
handen, dass diese Schrift mit der Lehre des Zarathuslra in einem ursprüng-
Hchen Zusammenhange stand und die Nationalschrift der Perser war.
Auch die persische Tradition weiss von einheimischer Schrift zu
erzählen, und zwar nicht von einer einzigen, sondern sogar von sieben. Ibn
MiKialTa, ein gelehrter mohammedanischer Perser, dessen Angaben der
Verfasser des Fihrist-ul-Kutub aufbewahrt hat, leitet die Schreibkunst der
F^erser auf die älteste Zeit zurück. ^^ D2em§id, ^aevarasp, Fr^dun sollen
die Ersten gewesen sein, die geschrieben haben, doch sei der Gebrauch der
Schrift nicht eben sehr häufig gewesen, bevor Zarathuslra unter Gustasp (ein
persischer König, von dem nicht genau bekannt ist, wann er gelebt hat, jedoch
j«jden falls in der Zeit, wo Turanier und Perser sich in der Religion, che früher
Persische Schrii'tfii. 389
dieselbe gewesen zu sein scheint, unterschieden, da in der ihn betrefTenden
Überlieferung die Turanier Götzendiener und ihr König ^\jliyui Pq-u nesdad
^aus Pegu stammend*, genannt werden und bemerkt wird, er habe mit
P»»gu-Schrifl geschrieben) erschienen sei und das Avesta verölTentlicht habe.
Von da an habe man sich des Schreibens befleissigt. und zwar
luitten die Perser eine siebenfache Schrift gehabt, deren sie sich zu verschie-
denen Zwecken bedienten, nämlich 1. a^j ^j din dehire, sie diente zur
Schreibung des Avesta ; 2. a^j ^ij^ ris debire, die aus 365 Buchstaben
(SO viel als das Jahr Tage hat) bestanden haben soll und dazu diente, die
Geheimnisse der Physiognomie etc. aufzuzeichnen; Ihn Muqaffa füjit noch bei:
«Niemand studirt heutzutage diese Schriftart, und keiner der Perser macht
uiehr Gebrauch von ihr* ; 3. <^^ kaStd, besteht aus 28 Buchstaben (gleich
den Mondstationeii), man schrieb mit ihr die Diplome, Steuerregister etc.;
sie wurde auf Siegeln, Münzen, Kleidern und Teppichen angewandt;
\. ^^ s^* nim koiitdy gleichfalls 28 Buchstaben, man schrieb damit philoso-
phische und medicinische Werke; „diese Schrift," sagt Ibn MuqalTa, ,ist
iiirht auf uns gekommen*; G. Ay^^Jb raz debire, deren sich die Könige
bedienten, um mit vertrauten Individuen verschiedener Nationen zu corre-
spondiren; es waren 4-0 Zeichen, von denen ein jedes eine sehr beslinunle
Gestalt hatte; nabathäische Wörter wurden nicht eingemengt; Ibn MuqafTa
fügt noch bei: .die raz debire, die zum Schreiben logischer und philosophi-
scher Werke gebraucht wurde, bestand aus 25 Zeichen und liess Punctation
zu; diese Schrift ist niemals unter meine Augen gekommen*: 7. von einer
weitem Schriftart sagt er: ,einijje Perser gebrauchen die alte syrische
Sprache, die man in Babylon sprach, und lesen sie auf persisch: das Alphabet
besteht aus 33 Zeirhen: man nennt sie a^^J A-«U name dtlnre oder a^aj^ .\ä
harn dtbin; sie wird von Leuten aller Stände gebraucht, die Köni^'e aus-
genonmien*. Ausserdem erwähnt Ibn MutjalTa noch andere Schritten, welche
er mit dem Aramäischen in Verbindung: bringt, wie ^j^^j zaruns oder
lluzrunsy und die Schrift des Reli^ionsstillers Man!, welcher aus s^risrlnMi
und persischen Zeichen ein Alphabet biltlete.
Spiegel bemerkt hierzu: ,Man sieht aus diesen An-pTaheii wohl deutlith
genug, dass Ibn Muqafla hier nicht von ver>cliiedenenSrlirift»;ysteincn hantlilt.
sondern von Variationen einer und derselhen .'Schrift, die etwa «len neueren
Taaüq, Sikasta etc. entsj»rochen haben nin^cn*'. Küizcr und etwii>» abwei<lnnd
3^0 Persische Sprachen.
von Ihn Muqaffa sind die Angaben Masudi's, der von zwei Schriftarten spricht:
A;Aj3 ;^^ din debire, womit das Avesta geschrieben werde, es seien 60 Schrift-
zeichen (die Zendschrift hat 51 Zeichen, mit den Zahlzeichen 60); daneben
erwähnt er noch d^J S^ kaät debire .die allgemeine Schrift*, deren Buch-
stabenzahl er auf 160 angiebt (die Pehlewi hat mit InbegrifT der Ligaturen
168 Zeichen).
Bei dieser Gelegenheit dürfte es zweckmässig sein, auch auf die
Sprachverhältnisse einen Blick zu werfen. Nach der eranischen Tradition
scheint zwischen der persischen und turanischen Sprache kein Unterschied
gewesen zu sein; die eranischen Helden verkehren mit den turanischen so
frei, als ob es für sie nur Eine Sprache gebe; erst in den letzten Einzeln-
kämpfen werden hie und da Dolmetsche erwähnt, welche zur Verständigung
jrebraucht wurden. So wird auch vorausgesetzt, dass die Turanier dieselbe
Religion hallen wie die Eranier, die Briefe des Afräsiäb werden in derselben
Weise abgefasst wie die der eranischen Könige und in ihrem Eingange eben-
falls der Schöpfer Himmels und Erde, Sonne, Mond und Sterne als Gott-
heilen angerufen; unter Lohrasp verändern sich diese Verhältnisse, von nun
an sind die Turanier Götzendiener,^** und diess Tällt in die Zeit, wo Zara-
Ihi^islra's Lehre aufkam.
In der neuern Zeit halten die Perser nach Ibn MuqafTa fünf Sprachen :
Pehlevi, Deri, Farsi, Khuzi und Syrisch. Von diesen Sprachen hatte das
Pehlevi seinen Namen von Fehleh, ein Ausdruck, mit dem man die Gegend
bezeichnet, welche die fünf Städte Ispähän, Rei, Hamadan, Mähr Nehävend
und Aderbcidjän umfassen. Das Deri war der Name der Städte, die unter
den Namen ^^l-X- madein zusammengefasst werden; es wurde von den
Personen des königlichen Hofes gesprochen, daher bekam es den Namen
^j-> deri. Unter den Idiomen von Khoräsän und überhaupt des Ostens näherte
sich die Sprache von Balkh am meisten dem Deri. Das Färsi w^ar die
Sprache von Fars und wurde von den Mobeds, den Gelehrten und anderen
Personen von ähnlichem Range gesprochen. Das Khuzische wurde von den
Königen und Adeligen im Innern der Häuser bei ihren Gesellschaften, ihren
Vergnügungen und mit ihren Dienern gesprochen. Das Syrische war die
Sprache der -Bewohner von Seväd; die Correspondenz aber wurde in einer
eigenthümlichen Art von Sprache auf syro-persisch geführt. Ibn Hauqal sagt
in Bezug hierauf: ,In Fars sind drei Sprachen im Gebrauche: das Farsi, in
Die sasanidische Schrift. 391
welchem die Einwohner unter sich sprechen, das Pehlevi, welches die
Sprache der alten Perser war, in welcher die Mager ihre Geschichtsbücher
schrieben, das aber in unseren Zeiten ohne Übersetzung von den Einwohnern
von Fars nicht mehr verstanden wird, und das Arabische " . ^*®
Die zu uns gekommenen Schriften der alten Perser sind (ausser der
Keilschrift) die Inschriften der Sasanidenfürsten, das Huzvareä oder Pehlevi
und das Zend in den Religionsbüchern der Perser. Alle drei Schriften haben
denselben Grundtypus, nur sind im Zend die Vokale klarer ausgedrückt als
in den beiden anderen Schriften ; wir glauben daher diese Schriften in zwei
Classen theilen zu müssen, nämlich in die westpersischen, deren Sprache
eine rauhere war, welche unter aramäischem Einflüsse die Vokale weniger
hervortreten lässt, und in die ostpersische, oder altbaktrische, welche unter
indischem Einflüsse eine schärfere Unterscheidung der Laute, und zwar
sowohl der Vokale wie der Consonanlen zeigt.
1. Die Sasaniden-Schrift.
Durch die Münzen der Susanidenherrscher sind wir in der Lage, diese
Schrift durch fast sechs Jaiirhunderle zu verfolgen, nämlich vom Jahre 226
unserer Zeitrechnung, wo ein Enkel Sasans als ArdeSir L den Thron
bestieg, bis zum 8. Jahrhundert, wo die Araber die einheimische Dynastie
stürzten. Die ältesten dieser Münzen haben dieselbe Schrift wie die Inschriften,
die jüngsten stimmen mehr mit der Bücherschrilt der HuzvareS-Sprache und
mit der Zend-Schrifl Überein. ^*^ Die Mazdao- Verehrung der Sasanidenfürsten
lässt nicht annehmeUf dass sie sich einer andern Schrift bedient hätten als
jener» welche die Priester schrieben, denn die Behauptung Ibn MuqafTa^s, dass
die Schrift der Zend-Avesta ags 60 Zeichen bestanden habe, dürfte sich wohl
nur auf seine Zeit beziehen; die Zend-Srhrift ist olTcnbar jünger als die Sasa-
niden-Schrifl, und es ist daher wahrscheinlich, dass die allen Heli;j:ionsbücher
erst in den späteren Abschriften die jetzigen Schriflzeichcn erhielten, welche
sich als eine cursive Form der alten Schrift darstellen, und wobei die
ursprüngUchen Zeichen durch Beifügung? von Strichen ebeu'^o verändert
wurden, wie in unserer Zeit das lateinische Alphabet Erweiterungen erfahren
hat. Wir haben schon oben darauf aufmerksam gemacht, dass die Einführung
der Keilschrift wohl besonders der genaueren Lautbozeichnung gc^'enüber der
heimischen Schrift zuzuschreiben ist.
392
Inschrift am Grabe Sapor's 111.
Wir geben hier als Probe eine Inschrift des zu Taki-Bostan befind-
lichen Grabes Sapors III. (384 — 386), der der Sohn Sapor's IL, der Enkel
Ormizd II. war und in einer Meuterei der Soldaten sein Leben verlor. Die
Inschrift ist von M. Cosle, Architekten der schönen Künste, am 1. Juli
1840^^® abgezeichnet worden und die Abbildung übertrifft die früheren an
Genauigkeit.
2Sl«CG
JJ0A21
irfi)Dg2g!yoMßl!)^
o2{^in2irj/bA22
patkah'
das Bild
zatwian mazdaya^n
diese ^5 der Mazda-Verehrung
rra;jfm
des pöttlichen
Sahpuhri
initlkan malka
des Königs der Könige
ailan r amtilati
von Eran und Aneran
ntanutkttali man yazdan
von jreistiger Ahknnfl von Gott
Jntnuan nwzdnyasn rr«//
des SohiH's des Mazda-Yerehrenden guttL
•^<*XpuXf'* tmdkan
Salipuhri des Königs
w<dka ailan v anailan
der Könige von Eran und Aneran
tnanutäatali man yazdan uapi
von geistiger Ahkunlt von Gott, Enkel
vva/ia ai4/nnazdi
des göttlichen Ormizd
malka n malka,
des Könii^s der Könige.
Andere Inschriften bieten einige Abweichungen in Schrift und Sprache^
sie haben z. B. ^ f^ir /» "^ ^^r a, statt rva/i oder ha4ji steht das aramäische
alha, statt haiman steht hari u. s. w.; sie dürften also in syrischer Sprache
geschrieben sein.
Betrachten wir nun die Zeichen, so finden w*ir nicht wie bei den Syrern
ein Alphabet von 22, sondern nur von 16 Zeichen wie bei den Uiguren.
Bei den Vokalen finden wir abermals eine Verschiebung, nämlich:
persisch jj a syrisch - )r
wobei jedoch zu bemerken ist, dass a auch für h dient, und dass das syrische
•• / nicht phönikischen oder aramäischen, sondern tatarischen Ursprungs
Entstehung der persischei\ Zeichen. 393
isl, somit die Perser nicht Entlehner, sondern Überlieferer der Zeichen sind.
Auflallend ist ferner die Gleichheit Ton u und r, während / auch für r steht;
die Phuniiuer haben / und r streng unterschieden, nicht so die Ägypter, die
Chinesen und manche Inder; die persische Keilschrift hat nur r, kein l, das
HuzvareS sehr ähnliche Formen für l und r; in der Zend-Schrift ist das
sasanidische / gar zu o geworden. Auffallend ist weiter die Bildung neuer
Zeichen durch Verdopplung; zwei / sind 8, zwei u sind ä, und a lässt- ungewiss,
ob es Verdopplung von b oder von z ist; doch ist zu bemerken, dass in der
Bü<hrr5?chrifl ein dem^ b sehr ähnliches Zeichen \, für e auftritt. In der
Münzschrift hat a manchmal die Form U wie das äthiopische h und das
tatarische y, /, k\ Da man vergeblich ein Alphabet suchen wird, von dem
di^'se Schrift entnommen wäre , so werden wir es vorziehen, bei der Unter-
suchung der Zeichen wieder zu der Urquelle, der Bilderschrift, zurückkehren,
der ja alle Alphabete entsprossen sind. In dieser Beziehung erinnert -5 r an
das hieratische $ u der Vogel und erklärt die dem halben a ähnliche Form,
wie -5 auch im Griechischen theils i, theils $ ist; das Zeichen für b ist ähn-
lich der hieratischen Form — -' hh ,die Zunge" eijcentlich etwas Vorgestrecktes
undGebogenos, derEllenbogen. DasZeichon für «ist wohl dasselbe, als welches
wir das syrische a betrachtet haben, der Schweif (des Löwen), hieratisch /
r, /. was den Wechsel zwischen« und r im Persischen erklärt. Hiermit verwandt
isl ]) als hieratisches t^ /a ,die Lotosblume", welche sich aus dem Wasser
erhebt, auch das gesegnete Weib, also eine weibliche Form zum männlichen
r: wohl auch als Wasser die Schlange, hieratisch ^ r, k, üb; ein ähnliches
Zei<hen ist das hebräische {», welches die Juden mit aus Assyrien gebracht
haben und welcl es in der arabischen Schrift als 2/ k vorkommt; alle ditse
Figuren stammen nicht von der phöiiikischen Schrift. An die Sc lihiiij:e lehnt
sich J\^ h. / an, vielleicht der Hegeiiwurm, sein Zeichen ist in der Bücher-
schrifl verloren geganjien, wenn es nicht in umgekehrter Form sich in «v
erhalten hat, möglicherweise liegt diesem die hieratische Form Ä/tf zuCJnmde.
i, welches ebenfalls autVegeben wurde und für welches j eintrat, scheint
die hieratische Form der Eule ^ ain, hebräisch r*r kits, iniser Käuzchen zu
sein, eine jüngere Münzfonn ^ sclilicsst sich, sowie das als y angenommene
Zeichen 2-j an das hieratische Zeichen gL, *1*'^ Adlers (Uf Itr/ an und merk-
würdijrenaeise finden wir diesem entsprechend die Ligatur /r in au/aniniztli
f^Jrtnizih; es fra;:t sich denuiach, ob ilie>e Ligaturen, wie auch ^J tm und
394 Entstehung der persischen Zeichen.
^ man, welche letztere unzerlegbar ist, nicht auf eine Silben- oder Wort-
schrifl hinweisen, die den Persern bekannt war und deren Vorhandensein
das Dunkel der vieldeutigen HuzvareS - Ligaturen aufklären wurde; das
jüngere 5 scheint mir die Welle oder Wolke, hieratisch _^ u, st, zu sein,
welches sich als Knoten an Jf k, s, /s u, hieratisch ^, und dadurch an das per-
sische h und z anlehnt; die Eule, welche im Ägyptischen nur »sterben* heisst
und deren einfaches Bild ^, demotisch o, ist, führt auf die Form 3 d und
) i, welche letztere in Münzen auch d ist; sterben heisst im Ägyptischen
tut, hieratisch ^, verwandt mit dem persischen Münzcharakter C , der als
U und t vorkommt, in der Form ^ sich an das hieratische 01 cmu , Alter •
anlehnt und in dem Inschriflenzeichen 9 d*s hieratische ^ hk (Hirten zepter)
ist, dem dann ^ als hieratisch J*» u,s (Zepter mit dem Kopfe des Windhundes)
oderp US (Zepter mit dem Vogelkopfe) entsprechen. <L p scheint mir das
hieratische ^ ph „Hintcrtheil" zu sein, verwandt mit J m dem Monde,
der in der Münzschrift zu ;q, hieratisch /o mh, und zu -{5 ähnlich der
Hieroglyphe W hm (Weib) wurde, die Bücherform ^ m scheint sogar dasselbe
Zeichen wie das hieratische Q2t^ zu sein. ^ «, ist dem u und r ähnlich,
welche wir oben mit / r l verglichen haben.
Wir sind hierbei weit entfernt anzunehmen, die Perser hätten sich
während der Zeit ihrer Herrschaft in Ägypten unter Kambyses und Darios
Zeichen entlehnt; wir glauben vielmehr, dass die Verwandtschaft der Zeichen
aus einer viel altern Zeit datirt, denn auf demselben Wege, wie die Perser
unter Kambyses, waren schon früher die Hyksos in Ägypten eingedrungen,
und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die nü^o pehset (Umherschweifende,
Fremde) oder Philister, mit welchen die Juden viel kämpften, ein Zweig jenes
Volkes waren , welches sich mehrmals schnell zu politischer Grösse empor-
hob, um ebenso schnell wieder zu sinken.
2. Die Pehlevi oder Huzvareä-Schrift.
Um die Umgestaltung zur Cursiv der Bücher zu zeigen, lassen wir hier
eine Zusammenstellung der Schriflzeichen der Münzen folgen. Wir nehmen
dabei die Münzschrifl wegen ihrer scharfen Formen zum Ausgangspunkte,
aus welchem einerseits die Schrift des westlichen Persiens, die HuzvareS-
oder Pehlevi- Schrift andererseits die des östlichen Persiens, die Schrift des
Zend-Avesla hervorging.
Huzvare§ und Zend.
395
Hu2vare§
Münzschrift
Zend
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DtT Übergang in die Cursiv hatte in der HuzväreS-Schrifl eine grosse
Undeutlichkeit zur Folge: Der Unterschied zwischen u und n, zwischen /
und jf ging fast ganz verloren, letzteres mag wohl auch zu einer Lautver-
sc'hiebung in der Sprache wesentlich beigetragen haben; aber auch die
Zeichen für t, d und g wurden ganz gleich und durch die Verbindung wurde
vollends jeder Unterschied, der bei den einzelnen Zeichen hervortreten
mochte, verwischt, zumal die Funktationen selten geschrieben wurden.
So ist r aw und an, z. B. »^^r anMUa »Mensch*, ^^r uvartsm; xy
ai und <M z. B. ♦tyvio' apnniaiq »Jüngling*, t/^ d'^^^i <©• at und dit z. U.
«r"«f* miuntuh »gehen*, ^o*" undit »er empfing*, ^ aa (a/), ai, i^ i. B.
*ij a/ »Bruder*, ^hK mc/iVy, ^^ raesa »Wunde*, jf dem, dm, im z. B. tO\jf
diffdfit, y^ dtniq »Erde*, ^\ bim; -u ga, im, da, ^, ia z, B. ir-'-'-l) gasamtn,
-ny^iT'^ tsatuqsy J-V^ da^l, -u^r Ha; y ae, db, ib z. B. j^o pae »Fuss*. »ys hiha
»Löge*, Mjinpio itibunUm «sitzen* ; * di, gi, ii z. B. «r»t5r** adituntun ,seh«n*,
fT* git€u, ^ wir; ^ tss, ds, iit, si z. B. r-^ t^ai ,er sprang*, ^^ dst, r***^
matjft, r^ husU.
396 Huzvares.
Dass dadurch leicht Miss Verständnisse entstehen, ist klar; so bedeutet
^AM sowohl a die Hand* als »er sprang*, ipiy sowohl da^i oder daMna .rechts*,
als ahu »Ort*, ^^ sowohl mizd »Lohn*, als mazg »Gehirn*, o* sowohl äjj
»Wasser*, als äz »Begierde*, jjo kann bedeuten 1. stm »Name*, 2. gam
»Schritt*, 3. däm »Geschöpf*, 4. dzan »Becher*.
Auch die einzelnen Ligaturen können bisweilen unter sich verlauscht
werden und dadurch ein und dasselbe Wort eine ganz verschiedene Gestalt
erhalten. So schreibt man das Wort uzdaeza t^Är oder -o-OÄ^r oder ^9T oder
*-»ayr; fm pae „F'uss* sowohl vö alsj^ci und -«»ci, für e »dieser* sowohl \,
^ y oderf oder <-. In vielen Fällen kann nur der Zusammenhang entscheiden,
welches Wort zu lesen sei.
Nebenbei bemerkt, hat auch die arabische Neskhi-Schrifl bei den Per-
sern in der Taaliq eine so cursive Form erhalten, dass das Buchstabiren der-
selben kaum möglich ist.
Die Zahlzeichen haben manche Eigenlhümlichkeiten: die Ziftem von
1 bis 9 bestehen aus ebensoviel Strichen, von denen jedoch drei oder vier zu
einem Bündel vereinigt werden, z. B. i 1, v :2, y* oder «» 3, jr oder -»* 4,
y y* 5, TJ^ oder »••»•» 8, j** J^LT ^^^^ j»j»»jm 9, insofern haben sie
Ähnlichkeit mit den demotischen Tageszahlen, welche jedoch für 9 ein eigenes
Zeichen haben; für 20 gilt d^, für 30 n ^ oder v r«, für .40 s -o, für 50 ^
^^•«ü, für 60 h -0^ für 70 isk^ü^ oder xk^*iy, für 80 äs -0", für 90 ssk^^,
für 100 Y rz; die Hunderte werden durch vorgesetzte Einheiten gezählt,
1000 ist ii>7; z. B. y JTJt^T 5"^ ^ii'^rj^j^ -»iflT^f torj ty\o^^ ^ -tiü*
dann schuf dieser mein Verderber Ganä-Maingo \\ Jt T.^JT'^r^^^^
neunundneunzig Krankheiten, und (dazu) neun hundert, neun tausend und
neun zehntausend (d. i. 999, 999). Der Ursprung der Zehnerzeichen ist
dunkel.
3. Die Zend-Avesta-Schrift.
Über die Entstehung derselben bemerkt Spiegel im Anschlüsse an die
oben citirten orthographischen Bemerkungen über die HuzväreS- Schrift: »Es
liegt am Tage, dass ein so unvollkommenes Alphabet selbst für den Geübten
Schwierigkeiten hatte, und dass man bei Zeiten darauf denken musste,
schwierige und zweideutige Wörter deuthcher zu bezeichnen. Namentlich
Zend. 397
erforderte aber das Lesen der heiligen Schriften, die in einer nicht mehr
habenden Sprache geschrieben waren, ein deutlicheres Alphabet, wenn man
nicht jeden Augenblick falschen Lesungen und selbst Missversländnissen Thür
und Thor offnen wollte. Der Ausweg, der Unvollkommenheit des ursprüng-
lichen Alphabets durch Funkle nachzuhelfen, war damals noch nicht gefun-
den; man nahm also seine Zuflucht zu einem zweiten, vollständigem Alphabet,
das nur wenige und unverfängliche Ligaluren zuliess, die Vokale aber alle
bezeichnete. Es gründet sich dieses zweite Buchstabensystem, obwohl ein
Zusammenhang zwischen Huzväre§- und Avesta-Schrift unläugbar ist, wenn
man blos die Zeichen betrachtet, meiner Ansicht nach, im Principe auf die
älteren eranischen Schriftarten, welche gleichfalls Vokale bezeichneten, und
zwar entweder innerhalb der Zeile, wie die allpersische Keilschrift, oder
innerhalb der Buchslaben, wie das arianisclie (kabulische) Alphabet. Diese
beiden Alphabete unlerscheiden aber die Längen und Kürzen der Vokale nur
selten oder gar nicht, und betrachten den Vokal a als inhi'u'irend, was nun
wieder auf die Diphthonge zurückwirkt Das zweite Farsen-Alphabet ist neuer
als die beiden genannten, und hat diesem Mangel abgeholfen durch genaue
Bezeichnung der Kürzen und Längen, durch Unterscheidung der aspirirten
lind nicht aspirirten Buchstaben. Die Form der Buchstaben ist den eigent-
li<*hen Huzväre>-Buchstaben sehr ähnlich, in vielen Fällen identisch; es wird
daher, dem Alter nach, nicht viel verschieden sein**.
Wir theilen die letztere Ansicht, nur haben wir oben die Meinung aus-
p#"sprochen, dass die alte persische Schrift nicht vokalisirt wurde, denn sonst
%*ürde die Zend-Schrift mit der Keilschrift übereinstimmen, was gerade nicht
d*^ Fall ist, denn den drei Vokalen der Keilschrift: a i u stehen 15 Vokale
der Zend-Schrifl oder zum mindesten 1 a i u ä e o ä, d<*n 5 Kehllauten jener
zwar 5 der Zend, aber den 3 Palatalen nur 2, den !2 n der Keilschrift 4 n der
Zt'nd, dem 1 wi der Keilschrift 2 m Zend, deii 3 Lauten >- .s z der Keilschrift
tlie ö Laut»* .s s i z i z der Zend ge^'<»nüber. Was mm die Erweiterung der
litiehstaben anbelangt, so erfolgte di»'se, wie aus d«T obi'^ien Tabelle hervor-
pi'hl, durch jene beiden Striche, welche in der tatarischen Schrift den Vokal
I das slavische Jr;y am Ende bezeichnen, nämlich 1 und f", jenes bildete aus »
das o, dieses daraus da^; p« , auch vorn wurde ang«*selzt wie in *to hh; m'MSt
iiberwi#»gl der abwärts gehende Strich; der alt(Mi Ligatur ^W an begegnen wir
hi«'r aN Nasal i^ und ^.
Jftl»
398 Schrift und Sprachprobe aus dem Vendidad.
Wir geben im Folgenden als Schriftprobe den Anfang des Vendidad:
Transscription: PargarS avtniL mraoS ahurö, mazddt
Übersetzung: Umschlag erster. Der Urheber der Schöpfung sprach
spitamai zaraihustrai: azem dadhäm, spitama zarcUhustra
zum gelehrten Zarathustra: ich bin der Urheber, du gelehrter Zarathustra,
asö ratnö daitim, noW kudaS äaitlm. zeidhi zf
sei der Friedensgeber, es giebt keinen Würdigern. Bedürfte ich zum Leben
azem nöW daidhydm, spitama
der Nahrung, so würde ich keinen Vermittler nöthig haben, du gelehrter
zarathustra asö rämo daitim, näif^ hudaS äatthn,
Zarathustra, sei also der Friedensgeber, es giebt keinen Würdigem,
mspö anhiis astvd airyanäm
Alle Welt lebt jetzt für sich und regiert sich selbst und Jedermann feiert
tcaedzff frasntväO. asd ramU daitim noiti
und begrüsst sich nur mit anderen. Du sei der Friedensbringer, es giebt
aodzJi rümistäm, paairim
keinen Würdigem. Einmal und mehrmals habe ich die menschliche G^sell-
bitim, äaft ahe paityärem. maSimärava
Schaft erschaffen. Aber es fand sich darin ein (böser) Botschafter. Ich bin wahr
.sathflm haiiim.
und werde unsterblichen Lebens sein.
Wir lassen hier die HuzvareS- Übersetzung desselben Textes nach
Spiegel's Ausgabe des Vendidad folgen. Bei der Seite 395 dargelegten
HuzvareS-Übersetzung des Vendidad, 399
Si-liwierigkeit, welche das Lesen dieser Schrift bietet, sind wir nicht in der
I^ge. eine Transscription zu geben, da eine solche auch in SpiegeFs Werke
nioht vorhanden ist.
^vVö )r^ Ht)^ ^))^^ ))^ tat 9^rü^-**^>H>>^ tat ^y Ht)>^^^
tsi -^ -v»>«b'ü w>^ 9^rü ^-ojt*^ >^^we>^ ^i^>^ ^!«)*o
4. Die kabulische Schriit.
Im östlichsten Theile des persischen Reiches, in Ariana und Kabul,
wurde eine von der westpersischen ganz verschiedene Schrift angewendet;
man findet sie auf MQnzen und in hischriflen; im ersteren Falle neben der
griechischen, z. B.
T^^>i*lVTanna*lT5<nlu BA2IAES>2 MKI'AAOr KlKPATlAOr.
Diese Schrift wird von rechts nach links gelesen wie die Zend -Schrift
und unterscheidet sich dadurch wesentlich von den indischen Schriften,
wohhe von hnks nach rechts laufen. Die vorstehende Münzle^onde heisst auf
priechisch basiirwi nmjalü ettkratidü, d. h. »des grossen Köni^'s Kukralides*,
auf kabulisch tuaharadzasa rat<haha rat^shatid eukrafidasa.^^'*
l'rsprünglich dürfte die Srhrifl ärmer an Z<*i('hen gewosrn si'in als
gegenwärtig, wo sie alle Sanskritlaute umfasst, wahrscheinlich erfuhr sie eine
Krwciterung durch die Buddhisten, welche unjrcfähr zur Zeit Christi od«'r
noch früher diese ganze Gegend ihrem Glauben gewonnen liatl«*n. Au^^rj-n-
srhoinlich existirte anfangs nur Ein Yokalzeichen, nämlich 9. welches als
400 Kabuliscli.
syrisches \ und tatarisches - uns schon oft entgegengetreten ist, aus diesem
wurde -^ i ^ u ^ e ^ o ^ ä, aber zugleich auf eine Art gebildet, wie sie nur
in Siam vorkommt, wo 9 a zu 07 ä 9 i d u iO ehe) o 07« wurde, während
sonst die meisten indischen Schriften eigene Vokal-kiitiale haben, obgleich
die Vokale nach den Gonsonanteu in ähnlicher Weise bei den übrigen indischen
Schriften, namentlich in den buddhistischen Inschriften der magadhischen
Fürsten aus dem 3. Jahrhundert vor Christo vorkoiumen. Was nun die Con-
sonanten betrifft, so entsprechen >i k und ^ kh dem nabathäischen ^ ka,
^ (ja dem moabitischen ^ q, '^ [jha ist jedenfalls aus dem vorigen durch An-
setzen des Häkchens gebildet, wonach zu vermuthen wäre, dass auch kha
eine ursprüngliche Form und ka die abgeleitete sei. Die Zeichen ^ ^ ikt
und V Y tsha sind identisch mit den hi rayarischen Zeichen V h und ^ /;
y T H (Ua sind nabathäische rj-Formen, während BL, welches auch dza
bedeutet, dem nabathäischen h entspricht; ^ dzha scheint aus dza gebildet
zu sein. Die Formen i^ na "i na und > na entsprechen dem phönikischen y w;
+ ta ist das himyarische X ^ ^^'^^ "*" V^^ dessen äquivalente FormX- '^ 4^*
T nhüy *1 ta, ^ ra, ") va haben dieselbe Ähnlichkeit untereinander, wie im
Nabathäischen und Hebräischen t d, -y r, ^ r, ^ tha scheint ein modificirtes
t zu sein, wie ^ tta ein doppeltes t, dagegen scheint ^ das äquivalente iha
analog ijha gebildet zu sein, obgleich es dieselbe Form hat wie Multan «. ka.
> da und J dha entsprechen dem sasanidischcn d; h pa und Ti hha scheinen
ursprünglich identisch gewesen zu sein; + und V. pha müssen modificirle
pa sein, sonst erscheinen sie unerklärlich; t) ba ist das nabathäische b:
u nia ist die Hälfte, der Halbmond und dadurch mit dem hauranitischen m ver-
wandt; von A n ija ist das letztere dem Fl sa ähnlich, beide dem haurani-
tischen Sy wie auch "P T dem nabathäischen i? entsprechen und eine Mondform
oder das hebräische p koph ,der Hinterkopf (das letzte Mondviertel) zu
sein scheinen; H^ sa ist ähnlich der ägyptischen Hieroglyphe für Nacht: 2 ha
ist das sasanidisclie u. Unter den Ligaturen sind die für ^ sta und 7» spa
bemerkenswerlh. Von den Ziffern sind bekannt X -^^ D 10, 3 20, welche in
der folgenden Schriftprobe vorkommen.
Über die Entstehung dieser Schrift lässt sich nach dem Bemerkten nur
wenig sagen; auffallend ist jedoch ihre Verwandtschaft mit den Schriften der
arabischen WMstensöhne.
Die bereits auf unserem Titelblatte gegebene Inschrift lautet vollständig:
Kabulische Inschrift. 4-01
Transscription: Sdtatsaraye atia-satatimae 78 Maharayasa mahatasa
fftogasa pasenuisa tnasasa divase (2) päUame 5 Etaye purvaye Uhdharasa i^ip-
khasa t^a Uhatrap<isi Liako Kusuluko nama tisa pairopati .... (3) Takhasilaye
nayare utarma prcUSu deso TShetna nama atri ikpatiko apratittavita Bhagavat
(i) Sakamunisa sarirä patithavati sagharamä t^a sarrabuddhana puyae tnafa
pitarä puyayätu Wiatrapasisa {h) pidra darasa ayu bala vardhya hhratara sarca
tsa saiiga . . . a . . . dharasa tia pnyayäto mahadana j)afipati ka sidea ucaye (G)
Jiohini mitrenaya imahi sägharame nava kamika. *o^yj vdoufoif^ nsvdifv^ *)
Übersetzung: Im Jahre 78 des grossen Königs, des grossen Moga, am
5. Tage des Monats Panaeinus. In Gegenwart des TShahara und TSukhsa,
der Satrap, Namens Liako Kusuluko hinterlegt eine Reliquie des heiligen
Sakyamuni in das Sepatiko, errichtet in dem Lande Tähenia, nordöstlich der
Stadt Taxila, zu Ehren der grossen Arbeiter-Gesellschaft und aller Buddhas,
zu Ehren seines Vaters und seiner Muller, für langes Leben, Kraft und
Gedeihen seines Sohnes und Weibes, zu Ehren all seiner Brüder und Ver-
wandten und bekannt zu machen seine grosse Freigebigkeit, seinen Ruhm
und sein Glück.
Liako, Satrap des Fürsten der Fürsten.
Rohini Mitrenaya, der Erbauer dieses Tempels.
IX. DIE ARABISCHEN SCHRIFTEN.
Die Halbinsel Arabien ist von Völkerslämmen bewohnt, welche sich in
zwei Hauptgrupprn leicht unterscheiden lassen; den südlichen Theil bewohnt
ein dunkles, den Abessiniern ähnliches Volk , welches nach der biblischen
Tradition die Joktaniden oder Kochtaniden j^cnannt wird, den Norden ein
•) Diese Unterschrifl ist aucli oben im Text verkelirt g«*schrieben.
Faolnuuui. Geschichte d. Schrifl. 2G
4-02 Arabische Schriflen.
schöner Menschenschlag von jüdischem Typus, welcher nach derselben Tra-
dition die Ismaeliten genannt wird. Dem entsprechend zerlallt auch die ara-
bische Sprache in zwei Dialecte: in den himyarischen und den koreischiti-
sehen, welcher letztere durch den Qoran, der in diesem Dialect abgefasst
wurde, die Schriftsprache des Islam geworden ist.
So finden wir auch in Arabien zwei Schriftarten: die himyarische,
welche die Schrift der alten Sabäer und ihres Stemcultus war und mit die-
sem durch den Islam verdrängt wurde, und die Schrift des Islam, welche jetzt
ausschliesslich den Namen der arabischen Schrift erhalten hat. Von der
letztem sind uns Proben aus der vorislamitischen Zeit nicht erhalten, und
doch müssen die Ismaeliten schon in uralter Zeit den Norden Arabiens
besessen haben, da wir auf den Bildern des ägyptischen Königs Ehufu Ismae-
liten mit ihren charakteristischen Habichtnasen und Spitzbärten als besiegte
Könige finden. Die Ismaeliten wohnten übrigens nicht nur im Norden Arabiens,
sie dehnten sich auch über den ganzen Osten Palästinas und den südUcfaen
Theil von Mesopotamien (das heutige Irak) aus, und hier haben sie auch die
meisten Spuren ihres Daseins in Inschriften hinterlassen. Nachdem durch
Levy die Inschriften am Berge Sinai entziffert und durch die Reisen Vogu^'s
und Waddington's in der Wüste Hauran die dortigen Inschriften bekannt
geworden sind, haben wir einen interessanten Eliublick in die Entwicklung
der arabischen Schrift erhalten, welche wir hier unseren Lesern vorlegen.
1. Die hauranitischen Inschriften.
In den Ruinen verfallener Städte der Wüste Hauran im Osten des Jor-
dan zwischen Syrien und dem Lande der ehemaligen Nabathäer wurden
neben rohen Bildern von Kameelen und Reitern Schriftzüge gefunden, welche
auf den ersten Anblick ein ganz fremdartiges Gepräge trugen. Diese Inschriften
sind von Hal6vy^*® und David Heinrich Müller ^^^ zu entziffern versucht wor-
den, und wenn auch die Natur dieser Inschriften, da sie grösstentheils nur
Namen enthalten, eine durch die Sprache zu controlirende Lesimg sehr
erschweren, wenn demzufolge die beiden genannten Forscher in der Lesung
der Zeichen nicht immer übereinstimmen, so weist die Yergleichung mit
benachbarten Schriflen doch darauf hin, dass im Grossen und Ganzen die
Erklärungsversuche nicht ohne Erfolg waren. Wir geben auf der folgenden Tafel
eine Zusanmienstellung dieser Zeichen nebst den nabathäischen Schrift-
Hauranitisch und Nabathäisch.
403
xeicheD,^'' welche von Münzen und von Inschriften am Berge Sinai bekannt
sind. Die Inschriften rühren von Wallfahrem her, die zu diesem nicht blos
den Israeliten heiligen Berge gepilgert waren.
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Hauranitisch
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404 Hauranitisch.
Von den hauranitischen Inschriften bringen wir die für uns interessan-
teste, welche eine neuntheilige Windrose, mit 20 Buchstaben umgeben, zeigt;
eine Erklärung können wir nicht versuchen, da offenbar Zeichen sich wieder-
holen.
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Den ersten Eindruck, den man von der Zusammenstellung der Tabelle
erhält, ist, dass die hauranitische Schrift in Bustrophedonform geschrieben
wurde, der wir in himyarischen Inschriften begegnet sind, ferner, dass hier
eine Verschmelzung himyarischer und phönikischer und aramäischer Zeichen
vorliegt, eine Verschmelzung, die ganz in der Natur liegt, zumal bei den
hauranitischen Zeichen, welche vielleicht älter sind als die aus dem Anfang
unserer Zeitrechnung stammenden nabathäischen.
Untersuchen wir zunächst die hauranitischen Zeichen, so bieten mehrere
Formen von a Ähnlichkeit mit dem samaritanischen /^ a und ^ t, deshalb
kann es auch nicht befremden, dass Halevv unter a das Zeichen | auffuhrt,
welches im Himyarischen ^ ist, wird doch noch in der Neskhi-Schrifl a punk-
tirt S als / gebraucht, dem entspricht ganz, dass das samaritanische K in der
hebräischen Quadratschrift zu aleph und t in der letztem die Form t) erhalten
hat, welches dem n ähnlich ist; weiter ist dem entsprechend J als a aufgeführt,
welches im Himyarischen ^ ist. Müller nimmt ein Zeichen für a an, das
Halövy als s auffasst, welches aber sich als einfache Form an das himyarische
/^ anschliesst, dem wieder die himyarische Form f\ entspricht.
Die ft-F'ormen bilden ein Zwischenglied zwischen dem nabathäischen
"3 b und dem Pehlewjj h, welches letztere sich auch in der nabathäischen
Schrift bemerkbar macht. Die ^-Formen entsprechen dem phönikisch-aramäi-
sehen g wie dem himyarischen Sz; die df-Formen bilden ein Zwischenglied
zwischen dem phönikischen \ und dem himyarischen \; das Muller sehe
d ist rein aramäisch. Die Ä-Formen bei Halövy sind dieselben wie das numi-
dische t, aber das letzte Zeichen mit der Pfeilspitze kommt in den aramäischen
Hauranitisch. 4*05
Inschriften der Sasaniden als a vor^ und somit könnte Hal^vy doch Recht
haben. Das MüUer^sche h hat Hal^yy als z aufgefasst» aber ein ähnlicher
Wechsel zeigt sich auch darin, dass das himyarische H ^i moabitisch IT z,
bei den Griechen zu e, bei den Römern zu h wurde, wie es auch im phönikisch-
moabitischen und nabathäischen Alphabet als ^ vorkommt. Das MüUer'sche
z ist das himyarische v, nach Hal^vyj?^ wobei Müller sich darauf berufen kann,
dass die Formen Q Q|, welche Hal^vy ebenfalls als p annimmt, im Himya-
rischen z und i sind. Die Formen für K bei Hal^vy fasst Müller als i auf,
und in der That ist die Form rn im Abessinischen ttait, |V i^^ verbunden
das griechische JV, sl arisch yi, das Müller'sche K ist das verkehrte k der
moabitischen Schrift. Ausserdem hat Hal^vy neben X Xf ^^^ches bei ihm
auch als t vorkommt, ein Zeichen für/aufgefuhrt, welches in der himyarischen
Schrift ein Zahlzeichen von unbekanntem Werthe ist, es ist die Hieroglyphe
J{, die als verkehrtes ^ allerdings auch den Lautwerth k haben kann und
als Zahlzeichen eine unendlich grosse Zahl (etwa 10.000) andeuten konnte.
Die ^Forraen bei Hal<^vy entsprechen der Hieroglyphe -fH» als Zaun und
sind dem /^ begrifTsverwandt; die dritte Figur erinnert an das phönikische
Hn und das arabische ^ sin. Die i-Formen sind alle der himyarischen ent-
sprechend. Die Müller'sche Ä:-Form fmdet sich bei Halevy als a, es ist aber
dieselbe, welche bei den Griechen als k vorkam; die ^--Formen bei Halevy
schliessen sich eng an dessen ^-Formen an, sie sind von diesen durch einen
Überschriebenen Strich verschieden; die letztere derselben sogar dem ein-
fachen g ähnlich. Die /-Foimen sind wegen ihrer Einfachheit bemerkbar, wie
finden sie erst bei der neuarabischen Schrift so wieder. Die ?/i-Formen ent-
sprechen den abessinischen und himyarischen, doch sind einige darunter,
welche im Himyarischen als h vorkommen, wie auch Müller das Kipfel als b
auffasst und dafür eine andere Form für m angiebt, welche aber ebenfalls ein
Mondxeichen ist; diese letzlere Figur hat Halevy als Zeichen für Sohn (bn oder
hr) aufgefasst, wobei wir daran erinnern, dass in der Berbersprarhe Sohn v
beisst, und die hebräische Form o dem p bn sehr ähnlich ist, auch in der
Hauran-Inschrift will Halövy eine einfache Form für Sohn in ^ gefunden haben,
welches dem einfachen b sehr ähnlich ist; auch für Gott hatten die Bewohner
von Hauran ein eigenes Zeichen "A , wie die Juden ein solrhes in \ al haben.
Die letzte Figur bei Hah*vy für m ist der Zaum, der hn Ägy|)tis<hen wie im
Berberischen nach Richardson // bedeutet, doch kann es au<h die uni^rekehrte
406 Nabathäisch.
Form des b (m) sein. Für n hat Hal^vy den kleinen Strich, der auch in der
Pehlevi-Schrift n bedeutet, und auffallenderweise entspricht das MQller'sche n
der sasanidischen Inschriflform: Die Formen für s sind den himyarischen
ähnlich, /\ schliesst sich an das phönikische g wie an das abessinische l an,
doch kann es als umgekehrte Form von V gelten, welches im Mongolischen
8 ist. Die c?-Formen stimmen mit den himyarischen überein; die |>-Formen
unterscheiden sich durch den durchschneidenden Strich von den himyarischen,
sind aber identisch mit himyarisch v und dem berberischen h nach Richardson,
der Hieroglyphe Q pau (Vollmond) der Ägypter; das Müller*sche p ist dem
moabitischen ähnlich. Die ^-Formen bei Hal^vy sind dieselbe Form, welche
Müller als a annimmt, es ist jedenfalls die Schlange, der Blitz, an den die
Hieroglyphe "^^ 8 und die hieratische Form |von 9 h erinnert. Müller nimmt
ein Zeichen für s sm, welches bei Halövy p ist, ihm entsprechen jedoch die
Hieroglyphe % , hieratisch s St (Olive) und 0 ta (Brod, Speise), es kann aber
auch eine einfache Form des Mundes sein und dann würde es sich an das
hebräische n& pe . Mund ** anlehnen. Die g^-Zeichen entsprechen dem Moabi-
tischen und Himyarischen ; doch ist in anderen Schriften + allgemein i, in
den Hieroglyphen m, nur das nuraidische ,\, y bietet Verwandtes. Die Zeichen
r § t entsprechen den himyarischen, die der beiden letztgenannten Laute
auch den moabitischen.
2. Die nabathäische Schrift.
Die Herkunft der Nabathäer ist bis heute nicht entschieden. Die Alten
setzen sie in die Gegend von Petra, und auch die Genesis kennt sie bereits
daselbst (I., Mosis 25, 13). Dagegen ist es sicher, dass sie in späterer Zeit
nicht blos in Babylon und der Umgegend wohnten, sondern auch in Seväd (im
heutigen Irak). Bei den zuverlässigsten und frühesten der mohammedanischen
Schriftsteller kommt der Name Nabathäer oft vor, und zwar in doppelter
Bedeutung. Ein Theil derselben giebt diesem Namen eine sehr ausgedehnte
Bedeutung und bezeichnet damit alle semitischen Völkerschaften von Ägypten
bis zum Tigris. Andere, und zwar die älteren, beschränken den Namen auf
die Syrer jenseits des Euphrat und bezeichnen damit die eingebome Bevöl-
kerung von Chaldäa und Mesopotamien. Masudi giebt hierüber beachtenswerthe
Berichte: »Die Syrer,* sagte er, »sind dieselben wie die Nabathäer Die
Nemrod's (i^^lsll) waren Könige der Syrer, welche die Araber Nabathäer
Nabathäisch. 407
nannten*. Indem er von Persien spricht, drückt er sich folgendermassen aus:
«Die Nabathäer behaupten, dass die Gegend ihnen gehöre und dass sie
dieselbe früher besessen haben, dass ihre Könige die Nemrode waren, unter
die man auch den Nemrod zählt, von dem in der Geschichte Abraham's die
Rede ist«. ^*»
Wir haben dieses Gitat hier angefiihrt, weil die nabathäische Schrift,
mit der wir uns jetzt beschäftigen wollen, eine auffallende Ähnlichkeit mit
der syrischen Schrift hat, dennoch haben wir sie nicht schon bei dieser auf-
geführt, weil die Münzen oder Inschriften, aus denen sie entnommen ist,
dem Lande Petra am Todten Heere eigenthümlich sind. Allerdings ist bei
▼ielen Inschriften, welche am Berge Sinai gefunden wurden, nicht genau zu
entscheiden, welchem Volke sie gehören, da dieser Berg ein uralter Wall-
fahrtsort vieler Völker war; bezüglich der Münzen, welche aus dem 2. Jahr-
hundert stammen, ist es jedoch sicher, dass sie in Petra geprägt wurden.
Vergleichen wir nun die nabathäische Schrift mit der gleich alten Estrangelo, ^
50 ist offenbar, dass die letztere nicht von der nabathäischen Schrift abstammen
konnte, so verwandt auch beide Schriften sind, sondern dass in der Estrangelo
tatarische Einflüsse sich geltend machen, welche in der nabathäischen fehlen.
Wichtiger ist die Vergleichung mit den hauranitischen Formen.
Hier finden wir denn sogleich einen Wechsel, indem das nabathäische
a das hauranitische d ist, das Auge, in mancher Form ist es dem moabitischen
Lamed gleich und scheint ein Hintertheil zu sein, der das kufische [ wurde.
Bei b veremfacht sich die Höhle zu dem einfachen Winkel, der in der persi-
schen und neuarabischen Schrift als b auftritt. Die Formen für g sind die
aramäischen, doch tritt hier das Eck auf, welches zu dem neuarabischen »•
geworden ist. Die d-Formen sind aramäisch. Die A-Formen zeigen den Pfeil,
wie die hauranitische Form, daneben die hebräische Form n und eine an
das samaritanische ^ sich anlehnende Form, welche dem moabitischen k
entspricht. Bei u finden wir neben der aramäischen Form die syrische Form
CV, wie das hebräische i. z entspricht dem aramäisch-syrischen, hebräisch r.
In / kommen Formen vor, welche wir nur noch in den deutschen A*- Runen
finden, allerdings in verkehrter Form als M und K« Die ^Formen zeigen die
geringelte Schlangenform, welche sich in unserem deutschen 3 erhalten hat;
sie bilden ein Seitenstück zu der zitternden Schlange, welche im Ilauraniü-
scben als ^ vorkommt und sind dem a ähnlich; es drängt sich hier wieder
408 Nabathäisch.
die Bemerkung auf, dass der erste Buchstabe des Alphabets, wie das Estran-
gelo |<^ ein Zeichen war, welches in unserer Zeit polizeilich verboten worden
wäre. Auch die t-Formen sind Schlangen, jedoch mehr Würmer oder Strah*
len wie das griechische ^. Im Neu arabischen ist daraus «^ geworden. Die
/.'-Formen sind aramäisch, die Prototypen des hebräischen d und des kufischen
.^, NeskhiV Die wi-Formen sind hier wie im Syrischen das Gegentheil von
a; verwandt damit sind die 5-Formen, deren zweite geradezu der Mond ist
und genau dem kabulischen 8 entspricht. Die n-Form entspricht der samari-
tanischen , dagegen die 6f-Formen der aramäischen, woraus das hebräische
V , sowie das sasanidische a entstanden ist. Die ^-Formen sind theils dem
r^ theils dem h ähnlich, so dass man wohl annehmen kann, dass ursprunglich
alle diese Formen identisch waren; in der neuarabischen Schrift ist em
Unterschied insofern vorhanden, dass |> verbunden wird, v nicht; es sei hier-
bei auch auf die Gleichheit von f und q in der neuarabischen Schrift auf-
merksam gemacht, welche wohl damit zusammenhängen dürfte, dass arabisch
j V, Pehlevi 5 k ist; in der nabathäischen Schrift sind p und Ic noch ver-
schieden, indem p die Rundung vom, q hinten hat, doch ist sie beim zweiten
Zeichen schon in der Mitte ; auch in der himyarischen Schrift unterscheiden
sich p und q nur durch die eckige Form des p gegenüber der runden des q.
Die /'-Formen lehnen sich an h und d an. Die i-Formen sind die aramäischen,
ebenso die ^Formen, welche letztere wie im Phönikischen und Arabischen
grosse Ähnlichkeit mit s haben.
Bemerkenswerth ist das Streben nach Verbindung der Zeichen, welches
der alten aramäischen Schrift wie der phönikischen fremd war, jedoch im
Syrischen hervortritt und, wie wir bereits erwähnt haben, tatarischen Ursprungs
sein dürfte. Wir finden z. B. j^'-H yyi^ g y^*i VSjg^ ^ tl J^ ^^w at$v br
klbv V klbv brh Ith , Friede sei Au§u dem Sohne Kaleb's und Kaleb dem Sohne
Latab's " ; daneben findet man auch weniger verschmolzen %\\ klbv. Eine
ähnliche Verbindung muss auch in der hebräischen Quadratschrift bestanden
haben, wie die Finalbuchstaben beweisen, nämlich
Anlaut Dk um Jn Q ph x s
Auslaut 7 D I f] f
Ähnliche Finalzeichen kommen auch in der aramäischen und nament-
lich in der palmyreni sehen Schrift vor. Wir geben hier noch eine durch ihre
Wortspiele interessante Probe :
Nabathftische Inschrift vom Sinai. 409
hrdykqvm Q^LPS^X/
btSy mrgvm vbddd qvm DlJi^ W> ) M J
Übersetzung: «Keiner ersteht unter den Hirten wie Kaun, durch Wohl-
sland berühmt und durch die Menge von Volk. " *^
3. Kufisch.
Mit dieser Schrift betreten wir den Boden des Islam, dem diese Schrift
eigenthOmlich ist und der sie über einen grossen Theil der Erde verbreitete.
Für den Philosophen mag der Umstand, dass gerade eine der unvollkommen-
sten Schriften eine solche Herrschaft erlangte und bessere Schriften verdrängte,
zu lehrreichen Betrachtungen über die Weltordnung Anlass geben; unsere
Aufgabe ist nur, die Thatsachen in's Auge zu fassen und zu fragen, woher
diese Schrift gekommen ist.
In dieser Beziehung geben uns die Traditionen der Araber wenig Auf*
schluss. Der berühmte Bibliograph Had^i-Khalfa sagt in seinem alphabetischen
Katalog der arabischen und türkischen Bücher bei dem Worte ia»^ /at
«Schrift': ,Man sagt, dass die Schrift ursprünglich von Adam erfunden
worden ist, welcher die Züge in Thon schrieb und denselben brannte, damit
durch dieses Mittel die Schrift während der Sintfluth bewahrt werde (ein
Nachhall der babylonischen Tradition über die Entstehung der Keilschrift).
Andere schreiben dieselbe dem Edris zu (das ist der arabische Name eines
Enkels Henoch's, also eine mythische Person). Man erzählt, dass Ibn-Abbas
sagte: Der Ursprung der arabis« hen Schrift steigt hinauf zu drei Personen der
Fajnüie von Baulan (dieses Wort ist ebenso lautverwandl mit Beran, dem
Stammvater der Lybier, als mit der Wüste Hau ran), eines Zweig<*s der Familie
der Tat (Tai hoisst die Sprache der Siamesen), welche gekommen waren, in
der Stadt Anbar zu wohnen (diese Stadt lag in Mesopotamien am Euphrat
unweit der alten Buclistadt Sippara, nördlich von Seleucia und Babel,
wogegen Kufa noch südlicher lie^H). Von diesen drei Menschen erfand der
erste. Moramir, die Form der Buchstaben, der zweite, genannt Aslani, gab
den Buchstaben verschiedene Formen, je nachdem sie einzeln oder v^rhuntien
standen, endlich der dritte, welcher Amir ist, erfand die diakritischen F*unkte.
Hiemach verbreitete sich der Ciebraucli der Schrift (unter den Arabern)'.*"
4flO Die Araber.
Eine weitere Tradition, welche die Schrift sechs Brüdern aus dem Geschlechte
Tasm zuschreibt, deren Namen die 22 syrischen Laute in alphabetischer
Reihenfolge bilden, haben wir schon Seite 274 erwähnt. Nach einer andern
Tradition waren diese Personen Könige von Madian. Wir fügen noch bei,
dass die Araber ihre Schrift Sury (syrisch) nannten, gleichwie die Juden ihrer
Quadratschrift den Namen ASSurit beilegten.
Vergleichen wir aber die arabische Schrift mit den Terschiedenen
syrischen Alphabeten, so ergiebt sich zweifellos, dass sie wohl mit diesen
Ähnlichkeit hat, aber unmöglich weder von den Mandäern, noch von den
Nestorianem, noch von den Jakobiten entlehnt ist, ihre Zeichen sind eben
mit der nabathäischen Schrift verwandt, und wir haben oben gehört, dass die
Nabathäer ihren Wohnsitz bis Babylon ausstreckten; aber die arabisch-kufische
Schrift zeigte eine solche Urwüchsigkeit, dass selbst eine Entlehnung von den
Nabathäern nicht angenommen werden kann, sondern nur eine enge Ver-
wandtschaft mit der nabathäischen Schrift zu constatiren ist
Es bleibt nur übrig anzunehmen, dass ein Theil des Volkes, welches
sich in Anbar niedergelassen hatte, weiter südlich nach Arabien vorgedrungen
ist und die Sabäer (Elimyaren) verdrängt hat.
Dieses Volk war jedenfalls der Stamm der Koreischiten, welcher zu
Mekka eine mächtige Aristokratie in verschiedenen Zweigen bildete und
aus welchem Abul Käsern Ebn Abdallah, genannt Mohammed (der Ruhm-
würdige), entsprossen ist. Dieser, ein schwärmerischer Mensch, der auf seinen
Reisen nach Syrien fremde Lehren kennen gelernt hatte und mit der heimi-
schen Tradition zu verschmelzen strebte, scheint übrigens nur ein Werkzeug
in der Hand eines vornehmen Aristokraten aus Mekka, Namens Abdullah
Ben-Othmany mit dem Zunamen Al-Taim oder Al-Korei§ gewesen zu sein,
der Mohammed nach dem Tode von dessen erster Frau seine jungfrauliche
Tochter AiSah (die Jungfrau) zum Weibe gab, dann den Namen Abu-Bekr
(Vater der Jungfrau) erhielt, nach Mohammed's Tode, obgleich dieser seinen
Schwiegersohn Ali zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, sich mit Hilfe der
Armee die Oberherrschaft aneignete und die Gesetze und Vorschriften des
Mohammed gesammelt haben soll, woraus der Qoran (d. h. die Vorlesung)
entstand.
Die kufische Schrift war vorzugsweise die Schrift des Qoran, ausser-
dem kommt sie nur in wenigen Büchern vor, am meisten auf Grabinschriften,
Kufische QuadratschrifL. 4-11
welche gewöhnlich Qoranstellen enthalten. Der Name Kufi soll von der Stadt
Knfa im Lande Irak (dem alten Babel) stammen, wo eine hohe Schule
bestand, die Schrift erhielt diesen Namen, da die Stadt Eufa erst unter einem
späteren Khalifen gegründet wurde, offenbar im Gegensatze zu der Neskhi-
Schrift, von welcher wir später sprechen werden. Ihre sofort in die Augen
springende Eigenthümlichkeit ist der viereckige Charakter, der zwar in den
Handschriften weniger hervortritt, desto mehr aber in Inschriften und noch
gegenwärtig in der Form, welche die Türken schreiben und iykiäfinennen,
Inschriften mit rein quadratischem Charakter hat man mehrere in Ägypten
gefunden, und wir geben hier zwei Proben davon, in denen sogar eine beson-
dere Versetzung der Buchstaben erfolgte, um quadratische Bilder zu erzielen.**^
d. i. in arabischer Neskhi -V«j ^^ J-J ^>*^/^^^ ^\
.Gott ist das[^Reich der Vergangenheit und der Zukunft*.
Man TäDgt rechts in der Ecke zu lesen an: kufisch m I I. das nächste
Wort steht darüber Xf, darunter ^, wobei r in die Höhe geschlungen ist,
dann steht quer gestellt ^^ kufisch «JLO darüber, unten folgt JJ, kufisch
litt, daneben ist ^, kufisch ^, in das quergestellte ^, kufisch «JLO,
eingeschachtelt, darüber steht verkehrt J^, kußsch ^SLl (in der Inschrift ist
'las d verkehrt geschrieben).
Noch künstlicher gruppirt ist das Folgende:
d. i. in der arabischen Neskhi Aji\ JDUl Aä\ ^\
»Gott existirt durch sich selbst, er ist der ewige
König«.
Man föngt unten rechts zu lesen an «yUl,
kufisch o n I \^, dann folgt auf der entgegengesetz-
ten Seite xUl\, kufisch .äjLoJ(^, das dritte Wort ist
in zwei abgetheilt, nämlich rechts am Rande:
m, kufisch LoJl^. «lann auf der gegenüberstehenden Seite jU, kufisch .fanJ,
in der Mitte befindet sich das letzte Wort ebenfalls in zwei Theilen, nämlich
jJl, kufisch j>J[^, wobei wiederum das d=^ verkehrt geschrieben ist» und
darüber x1, kufisch .^j(^
In "der Tradition wird einer Schrift Uli Jü. .Schrift der Frauen*
erwähnt, ohne dass gesagt wird, welches dieselbe sei; da die Chinesen die
412
Kufische Grab-Inschriil.
weissen Zeichen auf schwarzem Grunde , weibliche Charaktere* nennen, so
dürften die obigen Proben wohl die .weibliche Schrift* der Araber sein.
Wir lassen hier femer eine arabische Grabinschrift folgen, welche zu
Beit-al-Fakih gefunden wurde und im Jahre 445 der Hed2ra (dieselbe fiel auf
das Jahr 622 nach
Christo) eingegra-
ben sein dürfte. ^*'
Sie giebt, in der jetzt
allgemein gebräuch-
lichen Neskhischrift
umschrieben :
' — n '^^ ««^
r
^J\ uf-J\ All»
yl
Nach der Transscription, welche ich sowie alle folgenden Trans-
scriptionen und Übersetzungen aus dem Arabischen der Güte des Herrn
Professor A. Wahrmund verdanke, ist dieser Text nach altarabischer Aus-
sprache zu lesen:
bismi 'llähi W-raKmani 'r-rdh'tmi, ud/uiu 'l-dMnnata lä /aufu dldikum
wa lä ^Uyduma iah'zanuna, qad qübira ydqübu 'bnu dKntada 'bni .... mfüidm-
madx tuteiiffitja ß dini 'l-mOddäi sdnata /dmst wa arbdlna uro drhdi-
tni'cUi sdnata.
Kufisch auf Tafel IX. — Türkisch-Kufisch. 413
Übersetzung: ,Im Namen Gottes, des milden Erbarmers. Tretet ein in
das Paradies ! Ihr habt nichts zu fürchten, und ihr werdet heute nicht traurig
sein. Begraben wurde Jakob, Sohn des Ahmed, des Sohnes des
Mohammed , gestorben zu Ain-al-Maddd, im Jahre 445, dem Jahre...
Eine weitere Probe der kufischen Schrift findet man in der ersten mit
Goldbuchs laben geschriebenen Zeile des Qoranstückes auf Tafel IX. **®
Diese Worte bilden die Überschrift, welche in Neskhiform die Buchstaben
iA Ol^U > ^ aIji Ju ö]^ u \ l)y»» enthält : siirai äl dmrüne medlnet wahiye
maiian äyatj «Sure (Kapitel) Familie 'Aron's in Medina geofifenbart, 200 Verse
enthaltend'. Diese Tafel zeigt auch (aber in Ma7rebschrift) die Vokalzeichen
und diakritischen Punkte, welche in die Qoran-Handschriften in Farben ein-
geschrieben wurden, da der eigentliche Text davon unberührt bleiben musste.
Endlich geben wir noch eine Probe der kufischen Schrift wie sie
noch gegenwärtig von den Türken angewendet wird in der Weise, wie wir
die gothischen Buchstaben des Mittelalters als Zierschrift in unseren Büchern
verwenden :
das ist in Neskhi- Schrift: A^^ ^yLt^\ ^ ^JjJl O^
Transscription: Jautu l-fdia fi 'l-aizzi nuhJn Katjätihi
wa dmüiu fi *^-^iUi dinu mamatihi,
Cbcrsotzung: Der Tod des Mannes in der Ehre ist wie sein Leben.
Und sein Leben in der Erniedrigung ist der Tod selbst.
Die Quadralirung der Schrift ist eine Eigonthümlirhkeit, welche Be-
achtung verdient; wir haben dieselbe zuerst in der chinesischen Sdirifl San-
fan-ta-t.^wan .Schrift der erhabenen Orte" aiinreteii gesehen, wir finden sie
femer in der koreanischen Schrin. am anffällijjsten ist sie aber in der tibeta-
nischen Schrift des Passepa/ welcher p^ aus tibetanischen P kha y — | aus *
/j$au. s.w. bildete. Es mussdaherdie(|uadralis(heForm die ein<»s mongolischen
Stammes gewesen sein, und hieraus würde sich er^'^ben, dass die oben
erwähnte chinesische Tr^wan-Sclirift ebenfalN unter dem Einflüsse rincs fremden
414 Die kufischen Schrillzeichen.
mongolischen Stammes entstand, wie auch ein solcher Einfluss auf die Estran-
gelo und die hebräische Quadratschrifl eingewirkt haben mag, welche , syrische*
Schrift genannt wurden. Es dürfte daher die Frage entstehen, ob das Wort
9 Syrer* nicht mit dem Lande Serika verwandt ist, welches südlich an Indien,
westlich an Skythien grenzte, also ein Theil des heutigen China, die Mongolei
und ein Theil Sibiriens war. Von diesem Lande fuhrt die Seide den Namen
serica (ägyptisch JJ sr .Schnur*); die Assyrer waren im höchsten Alterthum
durch ihre Webereien berühmt, und ihre Art, das Haar und den Bart zu
flechten, hing unzweifelhaft mit der Seidenweberei zusammen. Die Araber
tragen nicht mehr den geflochtenen Bart, aber sie scheeren sich den Kopf
kahl und lassen in der Mitte nur einen Zopf stehen, genau so wie die Mon-
golen und die Chinesen, welche aber zur Zeit des Eun-fu-tse noch langes
Haar getragen haben, also diese Sitte erst von den Mongolen entlehnt haben
sollen; diese Sitte war uralt, denn schon Moses verbot sie den Juden; Amon
trug einen langen Haarzopf, und das ursprüngliche Vorbild dieser Tracht war
jedenfalls der heilige Affe, dessen hebräischer Name ff\p qoph mit ^pj naqaph
a einen Kreislauf machen", ffpn hiqqiph (die Haare) .ringsum abscheeren*
zusammenhängt.
Fassen wir nun die Schrift selbst in's Auge, so besteht sie aus zwei
Bestandtheilen, den Figuren an sich und den Schweifen am Ende; diese
Schweife sind gerade ausgehend, aufwärts gebogen und nach rechts zurück-
laufend gebogen, z. B. [^a ..3 b ^_^ h c y, analog dem mongolischen U a.
Diess weist darauf hin, dass die Consonanten ursprünglich mit einem
inhärirenden Vokal gelesen vmrden, der am Ende vielleicht in die Nunation
(jetzt * a ^ t ^ m) überging, wie auch die einsilbige chinesische Sprache den
Nasal am Ende der Silbe neben dem Auslautvokal, nicht aber einen Auslaut-
Consonanten duldet. Ursprünglich besass die arabische Schrift keine 28 Zeichen,
wie die jetzige, auch keine 22 Zeichen, sondern nur 15, nämlich (^a j btyn
^ oder ^ oder ^ g h' / ^ q I^ k js» d 6 h ^ u'/U» t=Y^ s j l j> m
jil s jcL d ^ r, z }Q, wenn ^ fn=^to, ^ d=^ r, :£. ä'=ji| ^ war, sogar nur
9 Zeichen, wie die koreanische Schrift. Diese 9 Zeichen wurden später auf
1 5 erhöht wie die Tataren sie haben, und in diesem Falle entsprechen
arabisch ^aj b(ny) 2^g(d£) ^Sq I^k,^d^r6h^w\^ti^sjl^injüSjLK
tatarisch y a l n i ^ dz ^^^k ^k ^ r a u ^ t Kt-^mt^ l^s^jt.
Die kufischen Schriflzeichen. 415
f Vergleicht man auf der Grabschrift Seite 412 die Figuren von m als
Finale, so sind dieselben ganz dem tatarischen i l entsprechend, mit
zurückgebogenem Schweife , während l mit vorgebogenem Schweife J dem
tatarischen m entspricht, der Übergang von Z in m erklärt sich aus der
Lautverschiebung l=r=u=m; in der koreanischen Schrift war l |— ^
eine Form, welche dem arabischen ^ k oder dem ^ q entspricht und diess
erinnert an die Ähnlichkeit der arabischen Zeichen ^ k und J l, wie denn
auch die Türken k mit 1 l schreiben, worüber sie einen schrägen Strich
setzen, um das arabische ) A; zu bilden. Auffallend ist in der tatarischen
Schrift das Final If m, welches mit der Neskhi-Form ^ genau übereinstimmt,
dieses Zeichen konnten weder die Tataren noch die Araber von den Syrern
entlehnen, denn selbst >o ist keine entsprechende Form. Wir sehen ferner
das syrische \ a erst spät, und zwar bei den Nestorianem auftreten ; wir fmden
die Form J h bei den Sasaniden, dagegen bei den Syrern immer a oder n;
wir finden ferner bei den Syrern mandäisch J u (= arabisch h) mit Estran-
gelo s i, y abwechseln, dass diese Form aber zu t werden konnte, ist nur
daraus zu erklären, dass sie in der syrischen Ordnung des arabischen Alpha-
bets die letzte Stelle einnahm, dieselbe, wo in der phönikischen Schrift X tou
stand, welches im Ägyptischen u ist. Wir haben L ^Is Schwanz kennen
gelernt ; ihm entspricht «^ als ^-^ a t kp n thcils als Hand (yad) thcils als
Dienbogen, wie beith etwas Gewölbtes ist; hieran reiht sich ^ im selben
Sinne, sowie das ebenso formähnliche als begrififsverwandte .^ d, welches
wiederum dem J^ k ähnlich ist. Die Verwandtschaft zwischen S f und S q
haben wir bereits im persischen Alphabet kennen gelernt, wo e ji das mon-
golische hi ist, wie das mongolische ^ h, persisch ) k, arabisch w ist. d fehlt
der talarischen Schrift, welche statt dessen c iS hat, welches in dieser Form
in der arabischen Schrift als ^ vorkommt. Die Zeichen für t und s, Finalform
L^ und «^ waren ursprünglich offenbar dieselben, wie auch die Tataren
zweierlei t haben; arabisch jil ist das persische ä, das ägyptische Feld. Die
Formen Rlr r und d sind in der kufischen Form verschiedener (r hat eigentlich
die Form des mongolischen ) n) als in der syrischen Schrift, wo sie einander
gleich sind, in der persischen Taalik ist der Unterschied zwischen d und r
sehr verschwunden. Auffallend ist es, dass wir den Punkt über dem n, der
für die mongolisch-tatarische Schrift charakteristisch ist, in dem arabischen *
wieder auftreten sehen.
416
Vergleicbung der kufisch en und syrischen Zeichen.
Die zweite Phase der arabischen Schrift entstand dadurch, dass sie der
phönikisch-arainäischen Windrose von 22 Zeichen adaptirt wurde. Wir kennen
diese Phase aus dem Zahlenwerthe, welchen die arabischen Buchstaben bis
zur Einführung der indischen Zahlzeichen hatten. Wir benützen dieselbe, um
eine Gegenüberstellung der arabischen und syrischen Estrangelo-Schrift zu
geben, um die Frage der Filiation klarer zu stellen.
Arabisc
h-Ku
fisch
Syrisch-E Strang elo
Name
I&olirl
Ende
Mittej
Anfang
Laut
^ahl
Isolirt
Endo ' Mitte
Anfang Laut! Name
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1
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1
Vermehrung der Zeichen durch Fun Station. 417
Ausser der Verschiedenheit der Namen, deren Abkürzungen im Arabi-
schen den Beweis liefern, dass ihnen die syrische Bedeutung nicht mehr
7u Grunde liegt, ausser der hiermit zusammenhängenden Verschiedenheit der
Zeichen ist es noch beachtenswerth, dass auch die Verbindung keine gleich-
massige ist, dass im Arabischen h und s verbunden werden, im Syrischen
nicht; offenbar erfolgte die Verbindung des § im Syrischen deshalb nicht,
^'eil es sonst identisch mit n oder y gewesen wäre, wie überhaupt die Syrer
sehr auf Unterscheidung hielten, und z. B. das arabische Zeichen für (2^ für
X' anwendeten, weil ^ in der Verbindung nicht so deutlich war. Ganz anders
die Araber, welche die Zeichen nicht unterschieden oder sich in dieser
Beziehung durch die Punctation halfen. Nichts spricht so sehr gegen die
Entlehnung der arabischen Schrift von den Syrern als der Umstand, dass
die Araber selbst auf augenfällige Unterscheidungen verzichteten, indem sie
die Zahl ihrer Zeichen von 15 auf 22 vermehrten.
Diese Punctation erfolgte nicht in syrischer Weise, in welcher der
l'unkt unter dem Zeichen die Aspiration, über demselben die laute Aussprache
anzeigt, sondern in einer altern Weise, wonach die Punkte gewisse fixe
Bedeutung hatten; so fmden wir arabisch 1 n gleich dem tatarischen l n,
arabisch * y gleich dem Pehlevi :» y; " t kommt in der griechischen Tachy-
^raphie selbständig als t vor, ohne dass zu erklären ist, wie die Griechen auf
diesen Einfall gekommen sind, lo kommt in der Pehlevi-Schrift für ä vor und
entspricht dem arabischen w; allerdings kann die Punctation in der Pehlevi-
Schrifl auch aus dem Arabischen abstammen, da sie auf Münzen nicht vor-
kommt und daher der Z'iitpunkt ihrer Einführung unbekannt ist. Begnügen
wir uns mit der Thatsache, dass die Punctation der Araber eine dreifache war
. . *, so kann dieselbe auch bis auf die Hieroglyphr'n-Schrlft zurückgehen, wo
. und .. mr Auge, .*. Körner bedeuteten und den Strichen | a || t lu entsprechen;
wir haben Seite 2i'l dieselben als Ausgaü^^spunkte der Laute ts, 6, / einer-
s**its, ferner /und irespecliveA:ainlerors*nts kennen gelernt; dem entsprecliend
finden wir im Arabischen » b 9^(1^,9 f^ / * n, » 1 1 y i q,^ 3, Auffallend
ist die Übertragung der Punkte auf * ä als i t, woaach sich erklärt, dass i
als vokalisches Element als 7 ebeafalls / werden koimte.
Die dritte Ph«ise des arabischen Alpha))ets ist die Erweiterung auf 28
Zeichen, entsprechend dem hlmyarisch'Mi Alphabete, diese erfolgte mittelst
darüber gesetzten erweichenden Punkt in :
FanlfflAim, Geschtrht« d. ^schrift. J7
418
Rarmatisch.
j i ^ d l:> d ^ s während durch denselben »- ä' c d^^ d£
iH^iii^^z erhärtet werden zu ^ / ^ r ^ '^•
Dass hierbei auch eine gänzliche Umstellung der Buchstaben eintrat,
haben wir bereits oben Seite 274 erörtert.
4. Die karmatische Schrift
Die karmatische Schrift ist eine schwungvollere Form der kufischen,
sie bildet einen Übergang zur Neskhi- Schrift. Wir geben als Probe derselben
ein Stück aus dem Qoran (Sure 3, 1 und 2), und zur Vergleichung daneben
stehende kufische Schrift.
Kufisch. Karmatisch.
Alle. Jyi oJ-l£J L r-^L
dLj^4llL J^LJ dj.l=u iil LoJ
4A^^ lAj <ju ü lififlX^
Neskhi : Ai>. j*, 11 Uj^ jJLl; ^UÖl jUc 4;; .^1 J.\^ il Alli *!)! |H
Transscription: ALM aUähulä illäha (IIa huica U-hdijyu H-qayyümu,
naszala dldika ^l-kiiäba ha Ihuq mu^addiqd* li-mä hdina yaddihi iro dmala
'Utatträie wa 'l-indzila.
Übersetzung: A. L. M. (Amar li Muhammad „Befohlen hat mir Muha-
med*.) Gottl Es giebt keinen Gott ausser ihm, dem Lebendigen, dem Ewigen.
Herabgesandt hat er das Buch mit der Wahrheit zur Bestätigung dessen, was
in seinen Händen ist, und herabgesandt hat er die Thora und das Evangelium.
* Die Verzierung über dem m in der karmatischen Schrift ist eine Corona,
wie sie auch in der hebräischen Schrift (vergleiche Seite 371) vorkonunt, sie scheint
nur ^'chönheitsrücksichten zu dienen.
. ■ • '
Erklärung des Textes auf Tafel IX.
419
Dem karmatischen Schriftcharakler gehört auch folgende Inschrift an
Transscription in Neskhi: Xo ^\ üt^\ ^'"^^ W-^!>^^ W^
khhuma wa li-wälidäihimä loa li-dzami 'l-musUmina, allahümma sdlli,
Übersetzung: Für sie beide und für ihre beiden Ellern und für sämml-
lichc Gläubige. 0 Gott! segne —
5. Die Ma7reb-Schrift.
In Nordafrika wird derzeit noch eine Schrift gebrau cht, welche sich in
manchen Formen von der Neskhi unterscheidet und nach ihrem Vaterlande
Mayreb genannt; eine Probe dieser Schrift zeigt die Qoranhandschrifl auf
Tafel IX, deren kufischen Eingangsworte schon oben besprochen worden sind.
Diese Schriil in Neskhi mit Vokalen geschrieben ergiebt die Worte:
histni 'l-lahi W-raKmani W'raitiimi
Ä. ^.c»-. ^-.
A. L, M. allahu lä ilaha iüa hüa 'Ulh'ayyu
' -^•-»
' f'*j*
'jcS^\jSk^/^\
^Ulqcttfuma nazala alayka 'Ulkitäbu,
.Im Namen Gottes, des milden Erbarmers. A.L.M. (die oben erwähnten
mystischen Buchstaben) Gott! Nicht ist ein Gott, ausser Er, der Lebendige,
der Beständige! Herabgesandt hat er dir das Buch.*
6. Die Neskhi-Schrift.
Über diese Schrift, welche wir bisher schon zur Umschrift der älteren
Schriften verwendet haben, können wir uns kurz fassen; wir haben nur die
Unterschiede gegenüber den früheren Schriften hervorzuheben. Das a ist
alleinstehend gerade auslaufend \, b, i, ti werden in der Mitte eingeknickt
geschrieben «a^, am Ende in breitem Auslauf w^w^<^; am Anfange werden
sie vor «^ {V) verkehrt geschrieben, daher <£ IK, *^ th\ sC hK, zum Unter-
schiede von nebenstehenden -^ gewöhnlich etwas grösser z. B. -j ba;^ di,
^20 XeskhL
'>^h','>^ y werden in der Mitte mit Ansatz s^^s^s^, am Ende mit rückläufiger
Endung geschrieben <^; ^ s hat am Ende einen gerundeten Auslauf ,^;
£> d hat in der Mitte eine andere Form «, am Ende eine rückläufige Endung
^ die alleinstehende Form ist dem Anlaut identisch P (« ist das mongolische
^ u, 0,^ das mongolische & tä, aber auch verwandt mit hebräisch V din);
3 /hat am Ende einen breiten Auslauf <^jt, der bei 9 g gerundeter ist: ^ (in der
Ma7reb-Schrift hat q nur einen Punkt oben i, /einen Punkt unten -3 wie 6); ^
k unterscheidet sich von J l mehr durch das eingeschriebene •- Hamza
(urspünglich ein ^ din), welches bei den Zeichen, welches sowohl Vokale
als Consonanten sind, anzeigt, dass sie Gonsonanten sind, in der Mitte
ist es durch den Strich ^ (ursprünglich ein \ a?) ersetzt, also x^ Ar 1 ^; m ist
am Anfange ^^ welches das syrische ^ zu sein scheint, in der Mitte hat es
die kufische Form ♦ erhalten, die sich aber auch in r auflöst z. B. r'=«w sm;
ib h ist das syrische a s, das ägyptische _mrs h (Hintertheil), in der Mitte ist
es als 4 der Muskel, ägyptisch -«»-, auch die singulare Form von «{Hl* sa
(Kraut), daneben tritt t« das syrische g, als h auf, am Ende ist es wieder das
Hintertheil.
Die Vokalzeichen ' a t ' m sind die Consonanten \ d^ w, verdoppelt
geben sie Nasalformen * a ^ t ^ m; • di<ism »der Silbentheiler*, bezeichnet
als Null die Leerheit (das Nichtvorhandensein eines Vokales, * te^id .die
Verdopplung* scheint das syrische •• h\ arabisch -» zu sein, welches wohl firüher
einen /i-Laut hatte, " hamza, ist bereits oben erwähnt, es kommt in grösseren
Schriften auch als P und als Y i ^^ ^^t das kufische ^ din, vor, ^vesla , Ver-
bindung* zeigt die Zusammenziehung des Elif mit dem folgenden Worte aa,
es hat Ähnlichkeit mit ^ m; ^ medda zeigt das gedehnte a an, es scheint eine
A-Form vA (das sasanidische ä) gewesen zu sein.
Die Zahlzeichen sind, wie wir schon Seite 41 und ^^ erwähnt haben,
indischen Ursprungs und wahrscheinlich von den Malediven entlehnt.
Um den handschriftlichen Charakter der Neskhi zu zeigen, geben wir
noch eine Probe desselben Textes, den wir oben Seite 413 gegeben haben.
^C^r^ J%Aiif Jj?\;>5i,ji si^U^
,Der Tod des Mannes in der Ehre ist wie sein Leben, und sein Leben
in der Erniedrigung ist der Tod selbst. ■
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Arabischer TlIeL
Arabisch-türkische Schrillen.
421
7. Die Tülüt-Schrift.
Genau gesprochen heisst diese Schrift ^^ HulüH, die Türken sprechen
das Wort Sülüa aus. Diese Schriftart kommt schon in kufischen Inschriften
vor und zeichnet sich durch die verschlungene Form der Buchstaben aus;
sie wird gern zu Titehi angewendet und unsere Tafel VIII zeigt in dieser Schrift
mit getreuer Nachbildung der Arabesken den Titel dieses Buches :
s^llxll i^j^ täri/u ^Ikitäb Geschichte der Schrift
Jjl5 oülj iallfkärol unter der Sorge des Karl
OU^ Faulmann Faulmann.
Wir geben als weitere Probe eine Zeile mit dem obigen Text , der Tod
des Mannes* etc.
8. Die DSerisi-Schrift.
Die Dierisi-Schrift ist noch Terschlungener als die Tülüt. Es giebt davon
zwei Arten:
a) Neskhi-Dierisi.
b) Tülüt-D2erisi.
v/"W
Durch das Aufeinanderselzen der Wörter ist der ursprüngliche Text
erweitert, er lautet hier
I>«T Tod des Mannes in der Ehre ist wie sein Leben, a;L:>^^31»J«)I i^Jjül Cj^
lud sein Leben in der Erniedrigun^'ist der Tod selbst; ajL-^ ^ys^ JjJI i ^^^
L«'rDe,o Jungling, die Unwissenheit ist eine Schande, jLc^ ^K^^ ^ Js^ ^ r^
l nd nur der Esel begnügt sich dainil. ^jL-^ i' L|i ^^ji * ^
422 Arabisch- türkische Schiitlen.
9. Die Taalik.
Die namentlich bei den Persern beliebte Taalik (^j^) hat eine sehr
flüchtige Form, und wenn auch die Zeilen geradläufig sind, so fallen doch die
einzelnen Wörter immer von oben nach abwärts. Wir geben hier als Probe
denselben Text wie oben.
(lUt Typen.)
10. Die Rikaa.
Die Rikaa (^j) ist eine rohe, sehr schwer lesbare Schrift, deren sich
die Araber und Türken in Briefen bedienen ; hier werden manche Buchstaben
zusammengezogen, welche in den Büchern getrennt geschrieben werden.
Der obige Text in dieser Schrift ist
Häufig auch ohne Punctation geschrieben, stellt diese Schrift an die
Sachkenntniss des Lesers grosse Forderungen.
11. Die Diwani.
Diwani (3!^-^) ist eine Schrift, deren sich die vornehmen Türken
bedienen, und welche am meisten durch die Reisepässe bekannt ist; die
Schrift ist sehr schwer leserlich, da die Buchstaben noch mehr verzogen sind
als bei den arabischen Schriften. Wir geben als Probe denselben Text.
12. Die Dzeri.
Die Dieri ifJ^/>-) ist eine türkische Schrift, welche, so wie die Tülüt-
Schrift, sich durch Übereinanderstellung und Verschlingung der Wörter
charakterisirt. Die folgende Probe enthält die ersten zwei Strophen unseres
Textes in zweimaliger Wiederholung.
Arabisch-türkische Seh ri den.
13. Die Kalemi-rasd.
[n der Kalemi-rasd {X^j ii) werden die Buchslaben unverbunden
geschrieben, wobei einii^e derselben ganz merkwürdige Zeichen entwickeln,
wie / und </. Der obij^e Text in dieser Schrift lautet:
Dem entsprechen die Xes^^i-Buchstaben :
14. Die Syakat.
Der Syakat (J-JL-) bedienten sich die Janitücharen. sie ist noch molir
verlogen als die Qbrii;en türkischen Schriften und hat auch besondere Zalil-
zeichen. Der ubijre Text in dieser Schrift ergiebt
In Ncayj : i-V J^ JjJl J Ai^_j JjU- J^>J' J jJl Oy
Die Zahlzeichen sind:
12 11 10 9 8 7 I
5 4 3 2 1
X. DIE INDISCHEN SCHRIFTEN.
Indien ist reicher an Sprachen und Süliritteii als ir^ri-iid ein asiatisches
oder europäisches Reich. Aus der LebeiisbeschreibauK Bmidha's, welche
zwischen 70 — 76 nach Christo in das Chincsi^ü-he übertrafen wurde, iciht
ber»or, dass zur Zeit der Geburt dieses Religiunsstifters die Kriernuiig der
Schrift einen wesenthchen Theil der Priiizener/.iehun^ ausmachte und dass
^24 Sprachen in Indien.
damals 64 Alphabete in Indien bestanden, ^^^ von denen ein ziemlicher Theil
inzwischen verloren gegangen ist. Wenn dagegen geltend gemacht wird^
dass nach den Berichten der Griechen zur Zeit Alexander's die Inder nicht
nach geschriebenen, sondern nach mündlich überlieferten Gesetzen gerichtet
wurden, dass die Bücher der Brahmanen erst später niedergeschrieben,
früher aber ausschliesslich durch mündliche Tradition überliefert wurden»
so beweist diess nicht die Unkenntniss der Schrift, eher dürfte es beweisen,
dass die Schrift der Inder im Alterthume nicht so ausgebildet war wie
gegenwärtig, dass z. B. nur Consonanten geschrieben wurden und die münd-
liche Überlieferung der Aussprache, wie bei den Persern und Juden, allein
die richtige Lesung des Textes ermöglichte.
War, wie wir oft nachgewiesen haben, die Schrift die Grundlage der
Zeittheilung und die Wurzel der Sprachen, so ist es schon a priori unmöglich
anzunehmen, dass sämmtliche indische Alphabete Ton Einem Volke stammten,
und die Vorgleichung liefert hierfür hinlängliche Belege.
Betrachten wir zunächst die Sprachen, so haben die beiden Haupt-
sprachen Indiens, Sanskrit und Pali, sich nur als Sprache der heiligen Bücher
der beiden indischen Hauptreligionen, des Brahmanismus und des Buddhis-
mus, über Indien verbreitet, sich mit den Sprachen der einzelnen Länder
vermischt und zuweilen auch diese verdrängt. In Java (äzawa, dzam) z. B.
herrscht die malaische Sprache, aber in dieser giebt es verschiedene Rede-
weisen : krama heisst jene, deren sich Niedere oder Jüngere eegen Höhere
oder Ältere bedienen; noko jene, welche der Höhere gegen den Niedern
gebraucht; mac/ya jene, deren sich Gleichgestellte bedienen ; hasakraton oder
kadaton die Hofsprache, d. i. jene, deren man sich in Gegenwart des Fürsten
bedient, sie ist im Ganzen dieselbe wie krama, strotzt aber von Höflichkeits-
worten und Titeln, endlich kam die Dichtersprache. Fr. Müller bemerkt hier-
über: „Das Entstehen dieser Redeweise begreift sich aus dem Verhältniss
der eingewanderten Inder zu den Javanen und aus dem verschiedenen Bil-
dungsgrade beider. Während der Javane, die geistige Superiorität des Inders
anerkennend, diesem mit den Klängen seiner Sprache zu nahen suchte,
bestrebte sich wieder der Inder, eine Höflichkeit mit der andern erwidernd,
den Javanen in seiner reinen Muttersprache anzureden. Da aber indisches
Wissen und indische Bildung einen gewissen Vorzug, eine Art Adel, verlieh,
wurde die Sitte, welche &us dem Gegensatze der beiden Nationen sich
Die indischen Arier. 425
entwickelt hatte, auch in die Gesellschaft übertragen und man suchte den
Toroehmen Reichen in der eleganten Sprache anzureden, während dieser Ton
der Höhe seiner Bildung zum einfachen gemeinen Mann herabstieg*. ^^
Denselben Gebrauch finden wir in Birma, ja wir haben ihn selbst in
unserer Sprache, denn wie , essen* bei gewöhnlichen Leuten in Birma tsah,
wenn aber ein Priester isst, pon-bai heisst, so haben auch wir in fressen,
essen und speisen, saufen und trinken, Kerl, Mensch, Mann und Herr,
Mädchen und Fräulein, verschiedene Scalen, ohne selbst zu den fremden
Wörtern ^diniren, Monsieur, Mademoiselle' greifen zu müssen. Diese
Mischung der Sprachen erklärt auf die natürlichste Weise den Übergang
heimischer indischer Laute, wie der Cerebralen, in das Sanskrit und der
Sanskritlaute in die heimischen Sprachen.
Wir haben das Sanskrit eine fremde Sprache genannt, denn offenbar
ist es, wie auch seine Verwandtschaft mit dem Zend beweist, die Sprache
des arischen Stammes, der von Nordwesten aus in Indien eindrang und das-
selbe eroberte. Dafür spricht auch die Kastentheilung, welche eranischen
Ursprungs ist. Die letztere stammte nach der eranischen Sage von dem era-
nischen König Yima oder D2em, welcher die Menschen in vier Stände:
1. Priester, 2. Krieger, 3. Ackerbauerund 4. Handwerker, eintheilte, von
Dämonen (Babyloniem) Häuser aus Backsteinen bauen liess, die Schifffahrt
und die Kunst, Edelsteine aus anderen Steinen auszusondern, erfand ; er
erbaute sich einen Thron, um sich von seinen Arbeiten auszuruhen, als er
aber log, er sei allein der Urheber des Glücks, entfernte sich die Majestät in
Gestalt eines Vogels von ihm ^•^ (d. h. wahrscheinlich, er wurde von den
Priestern abgesetzt oder vertrieben). Eine Erinnerung an diese Sage hat sich
in dem deutschen Märchen von dem Fischer erhalten, der den Fisch Put
(Buddha) fing und von diesem die Gewährung aller Wünsche zugesaj^t erhielt,
worauf er alle Stufen der menschlichen Gesellschaft kosten lernte, bis er
zuletat Gott zu sein wünschte und darauf wieder in den armen Fischer ver-
wandelt ward. Merkwürdigerweise finden wir nur in Indien vier den oben
erwähnten genau entsprechende Kasten : die Brahmanen (Priester), die K^«!-
triyas (Krieger), die Vaisyas (Ackerbauer) und die Sudras (Handwerker), von
denen die Ureinwohner, die Parias, als untergeordnete Wesen verachtt'l
werden; dagegen finden wir bei den Persern nur Krieger (Pasargaden,
Maraphier und Maspier), Ackerbauer (Panthialäer, Derusiäer und Germanier),
426 Die Laute der indischen Sprachen.
sowie nomadische Hirten (Daer, Marder, Dropiker, Sagartier); bei den Medem
die Magi (Priester), Budii (Besitzer des Bodens), Arizanti (arische Beherrscher),
Struchates (Hirten), Parelaceni (Nomaden) und Busae (Ureinwohner).
Durch sprachliche Unterschiede von diesen arischen Völkern streng
unterschieden sind die dravidischen Stämme, die Malaien und die hinler-
indischen Völker, deren einsilbige Sprache vermulhen lässt, dass sie sich
einst, wie noch jetzt die Annamiten, der chinesischen Schrift bedient haben.
Ausserdem mögen noch kleinere Völkerschaften ihre nationale Eigenart und
Schrift bewahrt haben.
Von diesem Standpunkte aus gewinnen die Alphabete, soweit sie die
Lauteigenthümlichkeiten der Sprache erhalten haben, eine besondere Bedeu-
tung. Unter den nordwestlichen Schriften ist die Multan-Schrift am ärmsten
an Lauten, sie hat nur drei Vokale a i u, drei Gutturale k kh g, drei Palatale
tä Uh dz, einen Cerebrallaut d nebst dem entsprechenden Nasal »i; fünf
Dentale t th d dh n, vier Labiale pphbtn, vier Halbvokale ylrw, ein s, ein ä
und ein tr, welcher Laut sich auch in der persischen Keilschrift vorfindet. Das
eng verwandte Alphabet von Sindh dagegen besitzt den Reichthum der Pali-
sprache, welcher wiederum die Laute s und s des Sanskrit fehlen. Auffallende
Ähnlichkeit mit dem nordwestlichen Alphabete haben die malaischen der
Tagala und Bisaya, welche im entgegengesetzten Theile von Indien, auf den
Philippinischen Inseln wohnen. Das Sanskrit hat zehn Vokale, vier Diphthonge,
fünf Gutturale k kh g gh h, fünf Palatale ts täh dz dzh fi, fünf Cerebrale / th
d dJi n, fünf Dentale t th d dh n, fünf Labiale p phh hh tn, fünf Halbvokale
y r 1 1 V, drei Zischlaute s ^ s und das h, während die eigenthümliche Form
des 5r ^^' ^1^ ^^s sindhische ^ tr erinnert. Haben die dravidischen Laut-
verhältnisse sich im Tamulischen rein erhalten, so besass diese Sprache sechs
Urvokale a ä it u ü, denn nur diese verbinden sich mit den Consonanten-
zeichen ; ferner sechs explosive Laute k ts t t p tr, sechs Nasale nn nn n tn,
sechs Halbvokale y r r l l t\ Endlich haben die LeptSa im Lande Sikkim
am Fusse des Himalaya eine eigenartige Schrift, welche aus neun Vokalen,
neun Finalzeichen (nach Art der amerikanischen Kri-Schrift) und 28 Con-
sonanten, nämlich vier Gutturalen k kh g it, vier Palatalen t^tShz n, vier Den-
talen t th d n, fünf Labialen p ph f b m, fünf Zischlauten ts tsh z s S, fünf
Halbvokalen y r l v w und dem Hauchlaut h bestehen, ausserdem haben sie
noch sieben eigene Zeichen für kl gl pl fl hl ml hl und 42 Ligaturen mit y r ry.
Die indische Sage. 427
Die Sanskritsprache, welche schon zu Zeiten Asoka's im 3. Jahrhundert
vor Christo eine todte Sprache der brahmanischen Bücher war, hat fast alle
Eigenthümlichkeiten der indischen Sprachen in sich aufgenommen und ist
dadurch die lautreichste Sprache der Welt geworden, aber hieraus geht auch
hervor, dass sie keineswegs eine der ältesten ist, wenngleich ihr rein flecti-
render Aufbau die alten Wurzeln deutlicher erkennen lässt, als diess bei
vielen anderen Sprachen der Fall ist. In gleicher Weise wie die Sprache
mischte sich auch ihr Inhalt, die vedische Religion, und diese Mischung
erschwert ungemein, das Dunkel zu lichten, welches über der Vorzeit Indiens
ruht, zumal die Brahmanen wenig Sinn für Geschichte besassen und dieselbe
mehr als andere Völker im Dienste ihrer Religion zu Mythen verwebten.
Als Beispiel führen wir die Erzählung Lassen's an. welche die Sajje
hetriin. , Diese ist Satyavati, die Tochter des Königs der Dasa, welche be-
schäftigt war nach dem Befehle ihres Vaters Leute über den Flusb zu fahren.
Der Ri.ii (der Weise) Paräsara hatte sie auf einer Pilgerfahrt bei ihrer
Besrhät1ij:ung gefunden und geliebt, ihr Sohn ist Vyäsa, der Anordner der
Vedas und der Verfasser des Mahabharata ; für dessen Geburt gewährte ihr der
heilijre Mann den lieblichsten Wohlgeruch statt des ihr seit ihrer Geburt
anklebenden Fischgeruches, sie heisst daher auch Gandhavatl oder »die Wohl-
riechende*. (Sie heisst auch Gandhakäll, welches auch durch , wohlriechend"
erklärt wird, k<üi ist jedoch kein Affix, und sie wird auch allein Kali oder
»die Schwarze" genannt.) Dieser Name ist ohne Zweifel aus dem Umstände
zu erklären, dass Paräsara, als die Satyavati ihn darauf aufmerksam machte,
dass andere am Ufer stehende Riäis sie sehen könnten, einen Nebel erschuf,
durch welchen die ganze Gegend in Finsterniss gehüllt wurde. (Es soll wohl
d«.T dunkle Ursprung der Sage bezeichnet werden.) Warum der Sagensamniler
Vyisa der Sohn der Weisheit genannt wird, bedarf nicht der Erklärung, auch
nicht der Grund, warum Paräsara sein Valer ist, denn dieser gilt als der
Verfasser eines der ältesten Lehrbücher der Astronomie und hatte schon die
gros>en Weltperioden festgestellt; der Anordnung der Sagen der Vorzeit
Ui us^le die Chronologie vorhergehen. (Paräsara bedeutet «zerreissen*. es
i-l unklar, wie der Name dieser mythischen Person zu erklären sei.)* Um
• Einfach durch den Bi'jrrifT «Iheilen", der identisch mit «zenvissen* i^t;
j^tnt-iara ist die Zeittheiluii^, hfliräisch pC, //evr«, der Zwillin^ssohn der Thaniar. an
•!»'**»*u Geburt »ich die auch in Indien heimische Schwa}?erlieirath anknui»l\e.
428 Die indische Sage.
zu erklären, warum Paräsara die verkörperte Sage auf einer Pilgerfahrt findet,
ist daran zu erinnern, dass bei den Tirtha viele Menschen zusammentrafen,
und oft Nachrichten erwähnt werden, welche Brahmanen von ihrem Besuche
derselben mitbrachten. Es tritt hier die Bedeutung des Pilgems für die Bfit-
theilung und Erhaltung der Sagen deutlich hervor. Betrachten wir den übrigen
Inhalt der Sage über die Geburt des Vyäsa, so liegt darin, dass seine Mutter
eme Tochter des Königs von Magadha, eine Schwester des Königs der Katsya
ist und von einer in einen Fisch verwandelten, in der Yamuna lebenden
Apsarasa geboren wird, wie Vyäsa auf einer Insel dieses Flusses, eine An-
deutung, dass das Sammeln der alten Sagen von dem Lande Magadha aus-
gegangen und in der Gegend an der Yamuna und bei dem Volke der Matsaya
besonders betrieben worden sei. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass
magadha auch einen Sänger bedeutet und diese Bedeutung keine etymologische
Begründung hat, es muss also der Grund ein historischer gewesen sein und
in einer besonders hervortretenden Beschäftigung des Volkes von Magadha
gesucht werden. Das Gesetzbuch betrachtet die Sänger als eine gemischte
Kaste aus der Verbindung eines Ackerbauers mit einer Kriegerstochter ent-
standen; dieses ist aber nur eine theoretische Erklärung eines bestehenden
Zustandes. Das Amt des Magadha oder Vandin (Lobpreisers) war besonders,
vor den Königen den Ruhm ihrer Vorfahren zu besingen und das Hören
solcher Gesänge war auch den Ackerbauern erlaubt. Die Matsya bildeten
eines der vier grossen Völker Madhgadeöa's, und diese Gegend war zur Zeit
der Bearbeitung der alten Sage die heiligste. Dasa bedeutet einen Diener, er
nimmt eine niedrige und verachtete Stufe ein, indem er aus Mischung zweier
unreiner Kasten entsteht, sein Geschäft ist das des Schiffers und des Fischers;
auf diese verachtete Stellung der Dasa wird der üble Geruch zu beziehen
sein, welcher der Satyavati anklebte. • ^^^
Diese Erzählung beweist deutlich, dass die brahmanische Religion von
den Ariern nicht nach Indien gebracht wurde, sondern in Indien durch Ver-
mischung mit der einheimischen Religion entstand. In der That kennen die
ältesten Religionsbücher der Inder die brahmanische Religion nicht, in ihnen
ist der höchste Gott Indra, der Gott des blauen Himmels und der Gewitter,
der nordische Thor. Wie dieser die Frostriesen bekämpft, so verfolgt Indra
die bösen Schlangen ahi (die finsteren Wolken) begleitet von der Götterhündin
Saramä, während bei den Eraniern Tahmurath (der grosse Fuchs) selbst mit
Indische Religionen. 429
den Dämonen kämpft; Indra ist daher der Gott der Hirten, die Sonne, das
Frühjahr.
r
An die Stelle des Indra treten in der spätem Religion WiSnu und Siwa
auf, welch* letzterer der frühere Indra, aber in der verderblichen Gestalt des
zerstörenden Feuers ist. WiSnu, Ton welchem wir auf Tafel X eine Abbildung
geben, ist der Gott des Wassers, eigentlich so wie er dargestellt wird, das
Schiff, an dessen Hintertheil seine Gattin LakSmi (die Schöne) sitzt (die
Satyavati, welche in der Sage die Überfuhr besorgt), aus der Mitte des Schiffes,
welches nach Art der Lotospflanze gebaut ist, steigt der Mast als Brahma
mit den vier Himmelsrichtungen, Ost, Süd, West, Nord, empor, das Symbol
des günstigen Windes.
Wenngleich somit Brahma als neuer Gott erscheint, ist er doch seinem
Wesen nach älter, nicht das Product der Philosophie, sondern als Brahm
und persischer Behram der ewige Gott des Lebens, der in allerlei Gestalten
erscheint, der grosse Geist der amerikanischen Indianer, der den Menschen
unzugänglich ist, aber durch seine Emanationen, die Fetische, wirkt. Aus
diesem Grunde mag es auch zu erklären sein, dass Brahma keine Tempel
besitzt, ausser einem einzigen in Newara, wo sein Betriff also eine concre-
tere Form angenommen hatte. Hier wird er als Lotosblume in PuSkara
(Lotosteich) verehrt, ist also identisch mit dem Horus der Ägypter, zumal
auch ihm ebenso wie dem ägyptischen Gotte der Wissenschaft und des
Schweigens die Erfindung der Schrift zugeschrieben wird. War Brahma aber
gleich dem Horus, dem Gotte der Nacht und des jungen Jahres, dann müssen
die Felsentempel auch ihm gewidmet gewesen und sie können nicht so jung
sein, wie man annimmt. Der unbekannte zeugende Naturgott wurde im Fin-
Stern durch Orgien verehrt, von denen die Hierodulen ebenso zeugen wie die
Bavaderen Indiens.
Diesem Gotte des Ackerbaues trat nun WiSnu als Gott des Handels
und der SchifTfahrt gegenüber, oder vielmehr, der jüngere Begriff löste sich
von dem altem ab; wie auf der andern Seite Indra sich in Siwa verwan-
delte, der ebenfalls ein Theil des Brahma oder vielmehr derselbe war. Im
bürgerlichen Leben machten sich diese beiden Götterlehren durch die Be-
erdigungsformen geltend, die Anhänger des Siwa verbrannten ihre Todten,
die des WiSnu setzten sie dem Wasser aus; von dieser letztem Bestattung
hat sich nur die Meinung erhalten, dass das Ertrinken im heiligen Ganges
430 Indische Religionen.
die wün sehen swerlheste Todesart sei. Auf die Vereinigung der beiden Reli-
gionen deutet die Verehelichung des Paräsara mit der Satyavali hin; die
letztere scheint in der That die dunkelfarbige Urbevölkerung repräsenlirl
zu haben, denn die oben gegebene Erklärung des Namens Kali ist nur theil-
weise zutreffend; vielmehr weist die ganze Sage und besonders der Fisch-
geruch darauf hin, dass die Urbevölkerung von Indien mit der Babylons,
welches durch den Fisch Oannes cultivirt wurde, identisch war. Bei dieser
Gelegenheit drängt sich die Frage auf die Lippen, ob nicht Paräsara das per-
sonificirte Perservolk war, welches sich mit den indischen Ureinwohnern in
derselben Weise vermischte wie in Babylon, von wo es in der Bibel heisst:
,Da sahen die Kinder Gottes (elohim ist als „leuchtender" so viel wie indra)
nach den Töchtern der Menschen (adam = Erde), wie sie schön waren, und
nahmen zu Weibern, welche sie wollten .... und wurden daraus Gewallige
in der Welt- und berühmte Leute".
Dem Brahmanismus gegenüber steht die Religion des Buddha, gestiftet
durch Siddharta in Magadha. Dieselbe scheint eigentlich eine Reaction der
einheimischen Lehre gegen die fremde eingedrungene zu sein, welche letztere
sich durch ihr erdrückendes Kastenwesen verhasst gemacht hatte. Der Unter-
schied beider Religionen ist vorzugsweise ein politischer. Dem Brahmanen,
dem geistlichen Adel, der sich alles Gute und Schlechte erlauben darf, weil,
was er thut, keine Sünde ist, der nach dem Grundsatze ^divide et impera*
streng auf die Kastenunterschiede hält, weil nur durch diese seine Vorrechte
erhalten werden können, der das Volk in Unwissenheit erhält, weil er das
Denken fürchtet, tritt der Buddhismus gegenüber, der die Lehre des Heils
dem ganzen Volke predigt und die Heiligkeit nicht von der Geburt, sondern
von der innern Reinigkeit und dem Gebete erwartet. Die Brahmanen bedurf-
ten einer heiligen Sprache, welche das Volk nicht verstand ; die Buddhisten
lehrten in den Landessprachen, und daher haben wir diesen die Kenntniss
der indischen Paläographie zu danken, denn von ihnen allein rühren die
Inschriften her.
Was nun Buddha selbst betrifft, so ist der concrete Begriff dieses
Namens „der Boden, der Erdboden, der Grund", hieraus bildete sich „das
Ergründen, die Weisheit". Buddha ist daher der hebräische Adam, er ist
aber auch Brahma und WiSnu. Es war kein Zufall, dass die buddhistische
Religion in Magadha entstand, von welchem Lande auch die Brahmanen
Indische Symbolik. 43 1
einen grossen Theil ihrer Lehre entlehnt hatten ; in Magadha hatte sich die
alte Lehre lebendiger erhalten, und daher ging von hier die Reaction gegen
den brahmanischen Cberrauth aus. Die Gupta-Dynastie war die mächtigste
Beschützerin der neuen Lehre; doch erhoben sich im 4. Jahrhundert unserer •
Zeitrechnung viele von den Brahmanen aufgewiegelte Fürsten gegen diese
demokratische Religion, die -Buddhisten wurden aus ganz Vorderindien ver-
trieben und wendeten sich nun gegen Osten, wo sie in Hinterindien und
China einen grossen Wirkungskreis fanden, nachdem ihre Lehre, durch den
Schmutz der Unwissenheit geschleift, zum blöden Unsinn entartet war.
Diese kurze Betrachtung der Grundlagen der indischen Religionen
zeigt, dass dieselben in einem ursprunglichen Zusammenhange mit den Reli-
gionen der übrigen Länder standen und dass daher die Bilderschrift den Indiern
nicht unbekannt war. Indra ist das ägyptische | ntr, das Steinbeil Thor's,
aber auch der blaue Himmel r— ^ pt, als Feste des Himmels der Boden
Buddha (auch in unserer Sprache hat , Boden* die doppelte Bedeutung des
Oberen und Unteren) ; diesem entspricht -^o^ pt der Bogen in Brahma's Hand,
auch M"* pr-a »der Pharao"; diesem wieder A du, die Yoni, die berggeborne
Pärrata, die Gemahlin ^iwa*s. A du ist als Sothisstern verwandt mit ^ sb,
das indische ^tca, der als vriSa-dhvwja , Träger des Stierbanners* -i^ ab (das
Schurzfell des eranischen Gustasp)^S^ ap , Haupt; Würde", ^ ä< »das Zepter
mit dem Slierkopf* ist; als dhurdzafi , Träger des Haarzopfes* ist Siva der
ägyptische wl Amon und T /a, sowie ¥ ***/ »Leben*, der indische Agni,
der Gott des Feuers; er war aber auch identisch mit Varuna dem »Umfasser*,
ägyptisch ^^ /n »umarmen* ^ /num »der Weltschöpfer* und mräyana
»der ersten Bewegung* (ägyptisch Ji ai, tu, sanskrit ayana »Gang") des
Wassers, ägyptisch f an »gehen", chinesich LI t »Ursache* u. s. w.
Wir finden femer der alten Trilogie: Indra -Varuna -Agni im Brahma
die Vierzahl substituirt, welche durch das Buch (das Wort), den Bogen, das
Feuer und den Rosenkranz (Sternenkranz ?)symbolisirt wird, den Übergang von
der Zeittheilung der südlichen Ackerbauer (Überschwemmung, Fruchtbarkeit
und Dürre) in die Zeittheilung der Wendekreise (Frühling, Sommer, Herbst
und Winter), Der Rosenkranz fmdet sich auf Bildern des Siwa auch als Kranz
von Schädeln, und die Erklärung, dass Brahma alle Jahre stirbt, worauf ihm
Siwa den Kopf abschlägt und seinem Schädelkranze beifügt, zeigt deutlich,
dass die Inder einen ebensolchen Jahres-Cyklus hatten, wie die Chinesen,
I3i
Indiiclie Symbolik.
denn der Schädelkranz bedeutet eine Reihe von Jahren, welche eine grosse
Periode ausmachen.
Wir gehen hier als Beweis, wie sehr die Inder mit den Symbolen,
welche die ägyptische Bilderschrift ausmachen, vertraut waren, das Bild des
Gottes Yamaii daija (Ziegengesichles) in Tibet.
\ ,
Indische Symbolik. 433
Dieser Gott, dessen ursprüngliche Bedeutung durch die EinfQhrung des
Buddhismus in der Erinnerung der Tibeter mehr und mehr Terblasste, und
dessen Bild nur durch die Anhänglichkeit an alte Gebräuche erhalten ist, hat
einen Ziegen- oder Ochsenkopf, der zu beiden Seiten von drei grimmen
Menschen gesiebtem mit rother, hell- und dunkelblauer, gelber und weisser
Farbe begleitet ist, über dem Ziegenkopfe ragt ein rother Menschenkopf hervor,
der wie jener drei Augen und einen Kranz von Menschenschädeln hat, zu oberst
schliesst das Bild ein angenehmer Frauenkopf ab, der das Sinnbild der gött-
lichen guten Eigenschaften oder der Kopf des MansuSari ist, von welchem
Yamandaga eine Verwandlung sein soll, sowie das Furchtbare der Figur Symbol
der Macht und Thaten dieses Gottes ist. Auf jeder Seite hat Yamandaga zehn
Anne, welche allerlei Waffen, Siegeszeichen, Marterwerkzeuge, Schlingen,
Schleudern und zerrissene Glieder von Menschen schwingen. Mit zwei Armen
hält er vor sich einen Schädel, dem er mit einem besonders schneidenden
Instrumente die Haut abzuschaben scheint, unter seinen vielfachen mit Krallen
bewaffneten Füssen liegen allerlei Ungeheuer und Menschen von gelber,
blauer und weisser Farbe zertreten. Sein Gewand ist eine Elephantenhaut
und sein Gürtel eine mit Menschenköpfen behangene Schlange. Vor ihm
stehen drei Pyramidenaufsätze, die auf Menschenschädeln stehen ; der eine
stellt gleichsam das abgescherte Fleisch eines menschlichen Kopfes mit Nase,
Augen, Ohren und Zunge dar; der andere scheint aus Gehirn zu bestehen;
der dritte ist eine zierliche blutrothe Pyramide; dergleichen aus Mehlteig
künstlich verfertigte Aufsätze werden diesem Gotte dargebracht, wenn sein
besonderer Dienst verrichtet wird. ^^^
Wir haben hier einen Überrest einer alten blutdürstigen Religion,
welche einst in ganz Europa, Asien und Afrika herrschte und die durch
eine menschlichere Lehre, deren Spuren wir in der Bibel in der Abraham-
Legende, in Ägypten im Isis-Cultus und in Indien in der brahmanischen
Religion fmden, ausgerottet wurde; die Ähnlichkeit des grotesken tibetischen
Gemäldes mit den mexikanischen Bildern lässt vermuthen, dass die Azteken die
letzten Überreste der Anhänger dieser blutigen Religion waren, welche aus
einer irrigen Auffassung der Bilder- Symbole entstand, und wir werden wohl
nicht irren, wenn wir annehmen, dass in den jüngeren Schriftzeichen absicht-
lich die BOdform verwischt wurde, um dergleichen Missverständnissen vor-
zubeugen. Wenn daher die entstellten Figuren der hieratischen Schrift der
raafanaiiB, Geschieht« d. Schrill. j8
4-34 Indische Schriflzeichen.
Ägypter, der TSwan-Schrift der Chinesen, sowie aller Buchstabenschriften die
vergleichende Untersuchung des Schriflkenners erschweren, so kann er sich
als Menschenfreund damit trösten, dass diese unklaren Zeichen die Morgen-
strahlen einer humanen Bildung waren, welche das menschliche Geschlecht
der Nacht eines fmstem Aberglaubens entriss und es lehrte, dass die Elrde
nicht ein von schrecklichen Gewalten beherrschtes Jammerthal sei, sondern
ein fruchtbarer Boden, der den Fleiss durch Gewinn belohnt.
Bevor wir auf die einzelnen Schriften eingehen, wollen wir zunächst
die Frage untersuchen, ob wir in den einzelnen Zeichen selbständige Formen
oder durch den Gebrauch abgeschliffene Spielarten haben, oder endlich in wie
weit die ersteren oder die letzteren auftreten. Wir werden zu diesem Zwecke
die Bedeutung der Zeichen erforschen und uns hierbei auf die Sanskritsprache
stützen, wenngleich v.*ir uns nicht verhehlen, dass deren Bedeutungen nicht
für die übrigen indischen Sprachen massgebend sind.
Ä, Das Sindh-a n) entspricht dem samaritanischen A yad (Hand);
dieselbe Figur heisst im Chinesischen tSao „Klaue*, und dem entspricht
Sanskrit ai .wandern*, afh .gehen*, sov^e ahi .Schlange*. Lelztere als
Symbol der Wasserwoge, lehnt sich an das keilschriflliche a .Wasser* an.
Die LeptSaform j^ ist der ägyptischen Form ^ a ähnlich, woraus das
moabitische 4^ a entstand, die Verbindung mit dem Begriff Wasser lässt
hierbei die Vermuthung entstehen, dass die LeptSaform verwandt mit den
Hieroglyphen "^ und "^+n uaf^, der Regenwurm, ist; es wäre daher a als
Zeitzeichen Osten gewesen, der Beginn des Frühlings und der Regenzeit und
hiermit hängen Multan TT, gud2aratisch :tft als Schlange, gudiaratisch 31 wie
Devanagari ^ a aber als ägyptisch /j\ am (ausstrahlen, sowohl Licht als
Regen) die aufgehende Sonne, zusammen; magadhisch M, sowie die Gupta-
formen ^ ^ ^ entsprechen dem althebräischen «V kaph, wie Sindh in dem
samaritanischen m Hand; ersteres ist aber auch der geöffnete Mund, der
Kalender {kcdo .ich rufe*), die Öffnung des Himmels, und demnach dürften
Orissisch 'Q und Kistna-*^ nicht einfache Comimpirungen sein, sondern die
Hieroglyphe ff kh, welche als .kühl* auf den beginnenden Regen hindeutet;
mit letzterem Zeichen ist aber auch Devanagari ^ verwandt. Assam T^
Pegu V) schliessen sich an H) an, dagegen scheint Tagala V* und Bisaya \p
.die Giesskanne* anzudeuten, welche in der Magadha- Schrift «tJUM5< 34 «a
ist, das letztere Zeichen ist auch Sanskrit ^ sa aber tamulisch a, dagegen
Indische Schriftzeichen. 435
weist Telinga 9 auf die ägyptische Hieroglyphe W hm (Frau, Wasser) hin.
Ganz anders ist marathisch ^, welches sich in der Paliform QJ birmanisch
33, wiederfindet, wogegen eine andere Paliform N ganz verschieden ist; die
marathische Form ist mit Multan @ u verwandt, welches im Sanskrit , wehen*,
Ägyptisch Q. u der Wind, die gekräuselte Welle, oder wohl auch '(Jj Amon
mit dem Haarzopf, der indisch äiwa ist (sif bedeutet, wie wir Seite 99 nach-
gewiesen haben, den Regen), äiwa aber erklärt N als die Schleuse des Him-
mels. Wir finden somit in a die indische Trilogie Brahma als Wind, WiSnu
als Regen und Siwa als die Befruchtung vertreten; finden aber auch den
Beweis, dass diese verschiedenen Formen des a sich nur durch die Ver-
wandtschaft und Zeitbedeutung des Grundbegriffes erklären lassen.
/. Sindh O t ist der Himmelsbogen r-— <i, Sanskrit ind .die höchste
Macht haben*, die Wurzel des Wortes Indra „der höchste Gott*, ägyptisch
^F a/ .hoch*, Multan 6 t ist sindhisch 6 dha, Sanskrit cf^n . in Bewegung
setzen*, dhana .Vermögen, Geschenk*, es ist das Symbol des Phallus, der
im Ägyptischen auch .Weg* bedeutet; dem steht t als indriya .der Same*
gegenüber, das magadhische t- t^ welches in den Gupta-Inschriflen auch als
O "^ V^ "^ und dann Wolken oder fruchtbaren Regen (Segen) bedeutet
Die begriffliche Übereinstimmung erklärt auch die Ähnlichkeit von ^ t und
^ dha in der Devanagari-Schrift, beide Formen scheinen den Thierschwanz,
Ägyptisch "^ ab, oder den Zopf des Siwa vorzustellen, wenigstens scheint die
gekrümmte Form darauf hinzudeuten; im Singalesischen kommt <fals t vor,
während 3 i die vorhin erwähnte Wolkenfonn zu sein scheint. Diese Wolken-
form scheint auch das Zeichen zu sein, welches in der Sanskrit-Schrift
über die Consonanten gesetzt wird, z. B. f^ ki ^[ Ari, während die Pali-
o o
SchriAen daHir 3 t o r^ z. B. birmanisch cr^ ki co kt, das sind die Figuren für
Sonne und Mond, haben. Die Schrift der LeptSa hat für t dieselbe Form ^ ,
welche in der hieratischen Schrift der Ägypter u bedeutet und in den Hiero-
glyphen durch den Vogel Ik oder die Welle Q vertreten wird, dieser Wechsel
der Aussprache kann um so weniger beirren, als Sindh (^ u, tamulisch (7 i,
und im Siwa die Begriffe Feuer, Wasser und Luft vereinigt sind, denn er ist
das Leben, die Liebe und der fruchtbare Regen; tamulisch P^ i ist der
letztere; die Paliformen ri ^ ^ lehnen sich an die Formen der Gupta-
Inschriften an, ebenso kamaUsch Zt und telingisch 'S}, Tagala JifZ und Bisaya
s^. Dagegen weisen Passepa ^j i, oJ i, auf .ruhen, sitzen*, ägyptisch ^^^
28»
436 Indische Schriftzeichen.
aft .ruhen*, ■ as „Sitz* hin, also die weibliche Form des männlichen
Indra.
Z7. Sindh @ ist bereits besprochen, es beruht auf dem Sanskrit u
9 wehen, blasen*, es ist als u identisch mit Multan @, Sikh '%^ KaSmir 7,
devanagarisch ^, LeptSa 3 > Tagala 3> Bisaya 3« dagegen maratbisch l^i
und tamulisch 5 1^ während maratbisch ^ u eine der oben erwähnten i-Form
ist. Magadhisch L ist der Winkel, der Fuss, hieroglyphisch J, hieratisch j[^,
Gupta-Inschrifl L Xj ti, woneben 3 und & als u vorkommen, von denen das
letztere das Devanagari dha^ also identisch mit i ist ; dem entsprechend ist
Passepa V9| u verwandt mit Sindh JS t, welche Form ebenfalls ein Schwanz^
sein dürfte, wie tamulisch £-, malabarisch ^ dem ägyptischen -A^ ^h
(Hintertheil) entspricht, Passepa |^ u das ägyptische r— ^ j>^ ist, und das
Pali 3 6l>€nfialls das Hintertheil bedeuten dQrfte.
E kommt nicht in allen indischen Schriften vor; diejenigen, denen es
fehlt, müssen mit der Trilogie abgeschlossen haben, während die übrigen
den vierköpfigen Brahma kannten. Die vierte Gottheit scheint ursprünglich
eine weibliche gewesen zu sein, wie magadhisch V*^ >, gudiaratisch ^ka§-
mirisch "p» Devanagari |r, javanisch c^^ Pali ^^> femer Sikh ^, Kutila-
Inschrift ^, endlich Passepa [" c und Pali ß Q beweisen, welche den Hiero-
glyphen der Höhle ^>, der Gabel Y, des unbärtigen Weiberkopfes J, der
Höhle ^= und dem gesegneten Weibe, den Runen ^ P ^, entsprechen.
Eigentlich ist das Sanskritwxrt eha „irgend einer, jemand* unbestimmten
Geschlechts, wie P sowohl Weiber- als Kindesrune ist.
Von diesen vier Vokalen sind alle übrigen abgeleitet, Siam hat nur
das eine ^ a, dem die übrigen Vokalmerkmale beigegeben sind, ebenso hat
das maledivische Alphabet, welches den arabischen Zahlzeichen entspricht,
nur ein a J), welches die achte Stelle einnimmt und die einfachere Form des
sindhischen TD a ist, wie das siamesische Q die einfache Form des Pali 39 a.
Die Vokalzeichen scheinen in sämmtlichen indischen Alphabeten eine beson-
dere Stellung eingenommen zu haben; in der Kambodia-Schrift ist das
Alphabet in drei Theile, wie in der Leptga- Schrift eingetheilt, von denen der
erste Theil nomu nach der Eingangsformel ttomu hvdhea yosethö d. h. .Ehre
sei Buddha* die Vokale, der zweite Theil kak?M (nach den Anfangsbuchstaben)
die Consonanten und der dritte Theil T^n die Finalzeichen enthält; ^^ es
erinnern somit die Vokale an den Gott AEHIOYQ der ägyptischen Gnosten.
Indische Schriflzeichen. 437
Gehen wir nun zu den Consonanten über, so scheinen derselben ur-
sprflnglich nur 7 gewesen zu sein, nämlich der Guttural ka, der Palatal täa, der
Cerebral ta, der Dental to; der Labial püy der Halbvokal ya, der Zischlaut sa,
welchem letztem sich ha anschloss, welches auch häufig in den Sprachen
mit sa wechselt. Diejenigen indischen Sprachen, in welchen die Devanagari und
Pali-Schrifl ausgebildet wurden, müssen sowie die chinesische einsilbig gewesen
sein und am Ende, wie diese, ausser Vokalen nur den Nasal geduldet haben,
denn bei der Erweiterung der Zeichenordnung finden wir jede Gruppe in harte
und weiche Laute mit entsprechenden Aspiraten z. B. ka kha ga gha gebogen,
an welche sich ein Nasal anschloss, dem ka das na, dem i^a das fla, dem pa
das na, dem ta das na, dem pa das ma, ferner dem ya das wa, dem sa das
ka oder tra. Man hat diess für eine Anordnung der Grammatiker gehalten,
aber das Schwankende in der Aussprache manches Zeichens lässt eher ver-
muthen, dass man vorhandene Zeichen lautlich zu unterscheiden suchte, als
dass man umgekehrt Zeichen für lautliche Unterschiede aufstellte ; wenn wir
noch gegenwärtig täglich an unserer Sprache bemerken müssen, dass die
Zunge mehr nach der Orthographie als die Orthographie nach der Zunge sich
richtet, so sind wir wohl berechtigt, das erstere anzunehmen.
K. In dem Sindh-^ ^ begrüssen wir einen alten Bekannten aus der
Sasaniden-Schrift, der uns deutlich an den persischen Ursprung der indischen
Arier erinnert. Sanskrit ka bedeutet „Wasser* und X ist offenbar die hiera-
tische Form der Hieroglyphe f^ mu, dem S /nm ebenso entspricht wie
die ägyptische Eule als jBLI, hieratisch 3 ^'^f ^^^ hebräischen ü^D kos
V Käutzchen * , hebräisch D^g inaim , Gewässer * dem lateinischen a2ua „ Wasser *
und dem deutschen Quell, ebenso entspricht das Sanskrit kirn «wer, jemand*
dem hebräischen kmo «wie*, ägyptisch U, hieratisch {, mi «Gleichgewicht*,
wir erinnern uns hierbei, dass das ägyptische Zeichen der Nacht (deren
Symbol die Eule ist) TP auch eine Wage vorstellt, und dass das Erscheinen
des Siriussternes, der die beginnende Regenzeit ankündigte, die Jahre theiltc,
überhaupt die Sterne die Gewichte der himmlischen Räderuhr waren. Da ka
an der Spitze der Gonsonantenzeichen stand, wie a an der Spitze der Vokale,
so ist es nur natürlich, dass beide in ihrem Wesen übereinstimmten, dass
sogar das marathische ^ ka, das Devanagari ^ a, das siamesische ? a,
das birmanische 7^ kha ist. Das älteste Gewicht war eine bef^timmte Wasser-
menge und noch heute trägt in unserer deutschon Spraohe das WassergeHiss
^38 Indische Schriitzeichen.
vorzugsweise den Namen «Mass*. Den Begriff des Gleichmasses hat auch
das magadhische + ha, ägyptisch 4- ma, sowie Pali fTl Ära, ägyptisch |T|,
hieratisch Y\\ ö*"^ (Halle); letzteres ist aber zugleich die Vereinigung der
Geschlechter, Sanskrit kam »lieben", griechisch gamein «heirathen*, hiera-
tisch ^, hebräisch dj gam , Vermehrung*, femer der Begriff des Zwei-
seitigen «vorn und hinten', den die Hieroglyphe ^^, hieratisch jj^,
ausdrückt; endUch der Begriff des «Anfüllens, VollfQUens', Ssmskrit kri^
ägyptisch J^, hieratisch ^. Diesem Begriffe entsprechen die indischen
Zeichen in folgender Weise : Multan oL, Sikh 3", Tamil R dem hieratischen
^, gud2aratisch %, Kayti-Nagari ^(Figuren, welche dem pha entsprechen)
sowie Kutila ^^y Devanagari ^, Rand2a V, Band2in-Mola 91, malabarisch <fi^
dem hieratischen ^, hieroglyphisch ^^, respective hieratisch Sj^ und dem
Anion ^ mit dem Haarzopfe; kaSmirisch 7 dem Gleichgewicht £, auch
der Hieroglyphe T, hieratisch i sam .vereinigen*, tibetanisch"! der Wage,
Pali rp|, Assam (^ dem gestützten Bogen Vi], maldivisch L/ ist wie das oben
besprochene e das Geschlecht, LeptSa HE- die Mitte, telingisch s die Schlange
und das tlieilende Bächlein, die mäandrische Krümmung, ägyptisch ^=^ utb
, ausbreiten ■ , Pegu T) (das maledivische a) die Verdopplung, Tagala und
Bisaya ^, das nioabitische 31 , hebräisch pr zain »buhlen*.
Kh. Die Wurzel kha ist eine Öffnung des menschlichen Körpers, eine
Wunde, der feine Äther, der Himmel, also dasselbe, was wir im Hebräischen
als ^ beth kennen gelernt haben, sowie das nordische Y kaun. Hieran schliessen
sich die Sanskritwörter khand »in Stücke brechen, zerstören*, khad »fest sein,
tödten*, khit »erschrecken* an, Wörter, welche genau dem hebräischen nn
/at »zerbrochen, erschrocken*, »fin ^itti »schrecklich, furchtbar* entsprechen
und sich an ^am »lieben* anlehnen. Dem entsprechen Sindh ^ kha sowohl als
Hieroglyphe nj (sich furchten, die Hände vor das Gesicht halten), wie als
1, hieratisch ^, hs der (zerbrechliche) Krug, das nordische Y kaun, das grie-
chische Y Ypsilon; Mullan Ci der Anker, der im Boden hallet, aber auch die
ausgespreitzten Füsse JS, LeptSa (/, das ägyptische ^, hieratisch g, gu-
dSaratisch m, dasselbe, genauer vielleicht [?, hieratisch ^, kb »kühl*, Sikh If
die geborstene Blüthe g oder der klaffende Mund, der im Magadhischen als
H a vorkommt, wie Pali ^ ^ kha das siamesische Q a ist, wahrscheinhch
das sitzende Weib J, zu welcher Figur ein Wechsel in den Gupta-Inschrinen
führt, der mit % dem ägyptischen [1 sa, hieratisch Q, (Schwanz, Wasserstrahl
Indische Schriflzeichen. ^39
des Delphins) oder 1 kh (dem Skorpionenstab der Hirten) beginnt, dann in Q
und endlich in Q öbergeht; Q lehnt sich an den Adler Ik , hieratisch 2u o^
einerseits und an die Hand V.^ tsr «Ruhe des Grabes* andererseits an und
erzeugte kamatisch 93, telingisch d), malabarisch QJ, singalesisch Q, sia-
mesisch 5^, kambod2a 9; marathisch tjy sowie Kayti-Nagari ^ sind das
ägyptische ^o^ nb, hieratisch ^7« ein Zeichen, welches in der LeptSa-Schrift
ga bedeutet; eine andere Zeichenreihe kaSmirisch FT, Devanagari ^, Ban-
d2in-Mola $1, orissisch QJ, bengalisch At entsprechen der hieratischen Form
f\\ für .Haus*, sowie d, hieratisch Q^ k (Weiberkitlel mit Zwickel, Wasser-
eimer) .Unterwelt*. Das tibetanische H, Passepa [^T scheint ein Brunnen-
eimer tu sein, es ist dieselbe Figur wie % Passepa Q^ ^d; nur umgekehrt.
ö, Sanskrit ^a ist das Sufllx «bewegend*, Stamm gam «gehen, bewe-
gen* ; die Grundbedeutung sind die ausgespreitzten Füsse Ji^ daher etwas
Getheiltes, das Weib (als welches wir es schon bei kha kennen gelernt haben)
und der aufrecht gehende Mensch, der Adam, sowie der hinter dem Pfluge
Hergehende, der Ackerbauer, wobei wir uns erinnern, dass auch im Chine-
sischen yV und fi «Mensch* und y^ «hineingehen* ähnliche Zeichen haben.
Dem entsprechen fast alle indischen Zeichen für ga: Sindh J^, MuUan ^\,,
gudiaratisch Qi, Sikh 3f , kaSmirisch TTt marathisch TT» magadisch A, Gupta-
Inschriften fl O fl H (an letzteres lehnt sich das oben besprochene tibetische
^ an), Devanagari J\, Kayli-Nagari ^, Band2in-Mola fl , bengalisch ^, telin-
gisch A, singalesisch CO, Pali flllO Kambodia r>; malabarisch CO ähnelt
dem singalesi sehen CO; Tagala und Bisaya 3i aber sind Sindh 31 äia, Pali Q] ,
d. i. Siwa mit dem Haarzopf, dem wir bei ka bereits begegnet sind ; auch
dieser Haarzopf weist auf den Ackerbau hin.
Gh. Wir haben in k Gott, den Richter und Priester, in kh (erschrecken)
den Krieger, in g den Ackerbauer gefunden, es wäre demnach ganz natürlich
und mit dem hebräischen Alphabet übereinstimmend, wenn gha den vierten
Stand, den der Dienerund Handwerker vertrete; in derT)iatheisst(/A<i/ «arbei-
ten*, ghafa «thälig*, ausserdem noch «der Wassermann imThierkreise*. Dem
entspricht Sindh \M, welches wir schon oben bei kha als Wasserkrug kennen
gelernt haben; ebenso lehnen sich an das Kayti-Nagari TXf kha, folgende gha-
Formen an: gudiaratisch €|, SikhVf, KaSmir lAf, marathisch U, Devanagari
1|, Kayti-Nagari JJ, Band2in-Mo]a ^ ; die letzteren Formen sind dem ]| ga
ähnlich, dessen Sanskrit- Wurzel yd «gehen, untergehen* ein Seitenstürk in
4f40 Indische SchriftzeicheD.
der Hieroglyphe ff an .hinbringen' hat, wo ebenfalls der Krug eine Rolle
spielt; die gleiche Ähnlichkeit mit ya bieten magadhisch ^ gha «L ya (Multan
kha .Anker*), Gupta 111 U) lU gha, d» dl eil ya^ indem oben das Sumpfland
(ägyptisch titit ^» unten das Schiff mehr hervortritt. Waren, wie es sehr wahr-
scheinlich ist, die vorstehenden Zeichen die der Stände, so muss die vierte
Kaste ursprünglich aus Schiffern und Fischern bestanden haben. Aus der Gupta-
Form entstanden Nerbadda 311, Kistna £11, telingisch Q^, malabarisch ^^^,
singalesisch ®, Palil | | |g| CJO, siamesisch ^, Laos 2a5^> Kambodia tXS-
N. Sanskrit nu bedeutet .blasen, wehen* ; die Sindhform ^ ist in der
That auch wenig von @ u, welches den gleichen Sinn hat, verschieden.
Ebenso sind ähnlich Kutila ^ u S na^ da, in der Assam-Inschrifl ist noch
ein Punkt zur Unterscheidung beigegeben : ^ u ^ na, ebenso im Devanagari
^ u^ fia^ da; weiter entsprechen bengalisch 'S u ^ na 'S da. In der
LeptSa-Schrift ist y na der geöffnete Mund, in den Schriften der Buddhisten
die Höhle des Windgottes (ägyptisch ä^z, ma), nämlich magadhisch C, Gupta-
Inschrift C I^, tibetanisch ^, Kistna C, telingisch U, Pali (^B C* Pegu C,
Batta ^'. Das kaSmirische IT könnte man wohl noch hierzu rechnen, aber
marathisch H ist eine eigene Form, welche der Devanagari-Form ^ ähn-
lich ist.
TS. Die fünf ersten Zeichen hatten sämmtlich den BegriiT der Regen-
zeit, der Erneuerung der Erde, tia bildet durch .wehen* den Übergang zur
trockenen Zeit, und daran schliesst sich täam, tSama .einschlürfen des Was-
sers* an, fast sämmtliche Figuren dieses Lautes scheinen Knospen in der
Art der Rune ^ thom vorzustellen, so gudiaratisch % Sikh 7, KaSmir I'',
marathisch ^, magadhisch d, Gupta-Inschrift ^ J ^, tibetanisch ^, Deva-
nagari ^, Leptäa -^, Kayti-Nagari TT, Bandiin-Mola S, bengalisch P, wovon
orissisch q abstammt, Kistna cJ, Pali Q S C, Laos ^. Abweichend sind
Sindh ^ und Multan vT, ersteres ist im Ägyptischen der Knoten k$, k, sr, s,
und wir erinnern uns dabei, dass tsa im Sanskrit eine Partikel der Verbindung
ist, also entsprechend dem hebräischen QJ gam .vermehren*.
Tsh. Magadhisch d tia verhält sich zu <i> tSha wie nordisch Y kaun zu
^ hagl, die Knospe zur Blüthe, daher ist tShafä .eine Masse, Menge, Licht,
Glanz*, tShad .bedecken, verbergen* (schwanger), täham .essen* (empfan-
gen). Die Schriflformen sind mehrerlei: Sindh ^ scheint sich zu Ä zu ver-
halten, wie ägyptisch *^ zu X der Strick zum Knoten, die Blume zur Knospe;
Indische Schriflzeichen. 4f4 1
Ton ^ sind gebildet: gudiaratisch o, marathisch ^, Devanagari ^;
charakteristisch ist Multan ^ tSha gegenüber Sindh K tSa; ähnlich verhält
sich Randia '^ tSha zu 7, bengalisch ^ zu ? tSa, malabarisch slP zanA tSa;
tibetanisch 9 zu * öa; der Hieroglyphe T /a, hieratisch y, respective T,
hieratisch dt sam «vereinigen* entsprechen magadhisch <i>, Gupta-Inschriften
db db, kaSmirisch 7, Passepa ^, Kutila ^, Nerbadda So; Pali JH 90
ist die potenzirte Form von 3 ^^f welche wir als Weib aufgefasst haben,
wahrscheinlich ist 3 ^^^ moabitisch ^ b die Jungfrau, ^ I wie griechisch
I b das Weib; LeptSa 2^ ist wie Multan ^ die geöffnete Blüthe.
Dia, Das Präfix dia bedeutet »geboren, Sohn, Tochter', d^n „erzeugt
sein, geboren sein*. Wir dürfen wohl hier weniger die Geburt als vielmehr
die verwelkende Bluthe, welche im vorigen Zeichen befruchtet ist, in's Auge
fassen, dfyi «alt werden*. Hier finden wir zunächst wieder 3\^, welches wr
schon bei g getroffen haben, Siwens Haarzopf, in Sindh 31 und Multan 31 ,
sowie in Kutila A, Band2in-Mola St» ferner im Gegensatze zu C na der leeren
Höhle die gefüllte magadhische €, Gupta-Inschriften E H> tibetanisch E,,
Pali ^ Sd^^s Gegenstück von 9 ^'^^/ weiters die abwärts gebogene Hand im
Gegensatze zu der aufgerichteten lockenden Hand in gud2aratisch a, Sikh TT,
Devanagari ^ (dagegen ^ tia)^ Kayti-Nagari v7T; die junge Frucht in mara-
thisch «I (sonst bedeutet dieses Zeichen va); eine eigenthümliche Form ist
kaimirisch ÜT, welche sonst als na vorkommt, anu bedeutet «Ei, Hode".
Diha, Dieser Laut fehlt in mehreren Alphabeten; das Wort diham
.essen* erinnert an die ägyptische Hieroglyphe ^S, welche sowohl , essen*
als .sprechen* bedeutet, verwandt ist mit ^^ »ich, alle* und den hiera-
tischen Formen ^ und ^ entspricht; es war jedenfalls eine Hieroglyphe der
Jugend, von welcher sich dann J3) „das Kind* absonderte, das sitzende
Kind, welches noch nicht laufen kann und von der Mutter entweder auf der
Schosse gehalten oder auf dem Rücken getragen wird; eine solche Figur
mit dem Kinde auf dem Rücken scheint die hieratische ^ zu sein, dem
magadhisch f, Randia 7], Ban2in-Mola ^, bengalisch 7, Pali ^^ A| q)
entsprechen, auch kaSmirisch TU, marathisch 'ffy scheinen Huckepack-
Figuren zu sein, dagegen dürfte Sindh ^, die Mutter mit dem Kinde auf dem
Schosse darstellen; gudiaratisch a( d£ha ist Devanagari ^ (2^^ Devanagari
1K verhält sich zu ¥| bh {bha „erscheinen* bhava „Geburt*), wie I| pa
zu l|| pAa (parva , sättigen * , phal „ bersten * ).
^4.2 Indische Schrifizeichen.
N. Sanskrit a»itä , undeutlich sprechen*, aM£ .salben, heilen, rein
machen* hängen mit dem Kinderzeichen zusammen, daher sind maralhisch
^ lia dem ^ d£a, Devanagari >| tfa dem ^ dSa, Rand2a \E Ha dem ^ dSa
und 1| €U^, Band2in-Mola $ rfa dem 9) d£ha, Pali ^i 8NI fSa dem^p^ dBui
sehr ähnlich und treten im kaSmirischenP?, magadhischenl», Gupta-Inschriften
h Dl >> >>, Pegu *10, Tagala (aber hier als na) J>0 dieselben Formen auf,
welche wir unter d£ha in verschiedenen Huckepack-Formen gefunden haben.
Das Kind wird grösser, lernt sprechen, und wird auf dem Röcken zur Feld-
arbeit mitgenommen, ofidi .heilen' dürfte sich wohl auf die Beschneidung
beziehen, sowie auf die Taufe, endlich mag es auch ganz allgemein eine
Mahnung gewesen sein, die Kinder rein zu halten und bezuglich der Natur
die Mahnung, die jungen Obstbäume von Raupen zu befreien.
TD. Sanskrit f^nka «Hechel, Hacke*, to>nk .binden, bedecken* er-
innert uns, dass wir in der Erntezeit sind. Im Voraus muss jedoch bemerkt
werden, dass ein Unterschied zwischen ta und da umsoweniger streng ehi-
gehalten werden kann, als beide Zeichen offenbar wechseln: Sindh w fa ist
Sikh 7 efa, kaSmirisch '^, marathisch v7, Devanagari ^ da u. s. w. Sindh ^
da ist Sikh 3 fa, Devanagari ^ to; dam .wehen*, dt .fliegen*, zeigt an,
dass die Vögel flügge werden, die Kinder zu laufen beginnen, die Ähren
reifen, und vnr finden in ^ und magadhisch C fa die Siehe], zugleich den zu-
nehmenden Mond. Gud2aratisch 2 ta und malabarisch S sind ebenfalls maga-
dhisch H da .der Glanz, die Sichel, der Blick, der Blitz* und erinnern an af
.herumstreifen*.
Th Dh, Sanskrit d/A .gehen* schliesst sich an das vorige an, vne es
auch mit d?ia ebenso verwandt ist, wie fa mit da, z. B. gudiaratisch S t^
C dha, Devanagari ^ fha mit ^ dha, ^ fa, ^ da, Pali fi fha^ O da* Im
Magadhischen folgt auf die Mondsichel < fa der Vollmond O fha.
N, Sanskrit an bedeutet .wehen, athmen*, verwandt mitkam .wehen*,
^i .fliegen*. Das Zeichen 0) ist zwar sehr verwandt mit .Wasser*, aber
richtiger dürfte hier das chinesische ir^ ho .Feuer* sein, das Kochen des
Wassers, das Wallen, Sieden, die Hitze, zugleich das waUende Haupthaar
des Jünglings, das Herabhängen der fruchtbeladenen Zweige. Kutila ^
schliesst sich durch den Begriff des .Wehens* anNerbadda ^ na an, welches
in ä ria .den trockenen Stein* darzustellen scheint. Den Begriff des Welkens
scheinen Sikh ^, kaSmirisch A auszudrücken, Gupta-Inschrift 3f das Bersten
Indisrhe Schhftzekh^n. ^-^3
der Früchte, magadhisch I ist die VereiDicving. die Ehe der Jungen, dasselbe
Zeichen^ welches in der Tagala-Schrifl XR ka ist.
r. Wie schon die Verwandtschaft der CerebraDaote mit den Dentalen
vermuthen lässt, finden wir bei den Dentalen so ziemlich dieselben Formen
wie bei den Cerebralen ; so M ultan 3 ta, Sindh 3 ta, kaSmiiisch 7 ta, tibe-
tisch ^ (PalifAa). Es ist auch hierbei zu beachten, dass mehrere indischeAlpha-
bete keine Zeichen für Cerebrallaute haben, so das tibetische, das siamesische,
die Alphabele von Assam, Pegu, die malaischen der Tagala, Bisaya, Battak,
Bugis u. s. w., die M ultan- Schrift hat nur Zeichen für da und na. An die
Cerebrallaute schliesst sich aber jedenfalls der Begriff top ,heiss, Hitze,
Schmerz leiden* an, tapa »die Sommerzeit*, sowie tarn .Tennehren, aus-
breiten, verursachen, ordnen*, fang , gehen, straucheln, beben*. Das letztere
erklärt das magadhische A, welches in den Gupta-Inschriften zu fi A A H,
Devanagari zu ff wurde; es scheint hier auch eine Anlehnung an /j\ die
Ausstrahlung der Hitze vorzuliegen; die Hitze erzeugt das Ungeziefer, wie
Beizebub der Gott der Insecten ist ; auf diese scheinen Sikh 7, Lept5a ^ ,
Sindh 3 (eine Schnecke mit ihrem Hause, entsprechend der Hieroglyphe i#^
ra, des Sonnengottes) bengalisch ^ und ^ Kistna §, telingisch i (ver-
wandt mit © a, dem Wassergefass), raalabarisch (TS). Pali fTl und 00, Assam
'OO (eine Spinne?) Pegu 00, Tagala und Bisaya v-^ hinzuweisen.
Th. Das Sindh-Zeichen *M haben wir in der Sikh- und Marathen-
Schrift als gha kennen gelernt, in der Devanagari ist es If dÄa; die wenigen
Sanskritwörter mit th lassen verraulhen, dass der Begriff des ih schon ander-
wärts in den ^-Formen aufgegangen sei, die Wörter tkurv »verletzen*, thud
»bedecken* sind begriffsverM'andt mit khand und die Zeichen daher etwas
Zerbrechliches. Sindh ^ ist überdicss form verwandt mit dem moabitisrhen
*M main .Gewässer*; Multan ^' ist eine geneigte Vase; gudiaratisch i|,
marathisch ^, Devanagari ^, sänuntliche nipalische Formen ^^ xl, ben-
galisch 4, orissisch 3 sind Vasen mit Henkeln; Sikh ^ und kaSmirisch ^
sind ebenfalls Wassergefässe ; maledivisch^ ist gleich Y, magadhisch O ist
die durchbohrte Scheibe, die Sonne, wohl auch die Frauenbrust, wie Pali
OO m B, Pegu OO, Assam "OO; Bisaya V» ist verwandt mit Tagala V* «;
welches wir oben gleichfalls als Vase kennen gelernt haben ; tibetisch ^ ist
das Weib mit dem Busen, das griechische B, wie griechisch Ö th sich an
Sikh ^ th anlehnt; auch telingisch 1$ ist die Frauenbrust, durch den Punkt
444 Indische Schriflzeichen.
von 2^ da unterschieden, LeptSa "yo ist die Flechte, ebenfalls ein weibliches
Zeichen, Sindh K iSa, Battak y^ ta, Tagala t:^ da ist die Höhle, welche wir
unter na erörtert haben; Laos ^^ ist das folgende da^ wogegen Laos (3 da
dem malabarischen LO ta entspricht
D, Sanskrit da ist Suflix «gebend, zerstörend, bindend*, da .binden',
dand »bestrafen*. Sindh 6% ist das umgekehrte te Wia, welches wir als
Knoten bezeichnet haben ; wenn das Zeichen, wie es wahrscheinlich ist, die
Ernte bedeutet, so bezieht es sich auf das Garben binden, ebenso Multan ^,
gudiaratisch ^, (Sindh da), LeptSa ^ scheint auch eine Bindung zu sein;
kaSmirisch 3J ist identisch mit Kistna 91 kka, welches letztere für da die
Höhle £ hat; marathisch ^, telingisch 2^ sind die Prauenbrust, Pali Q 3,
malabarisch G>, Gupta-hischriflen ^ und Z sind das Hintertheil oder der
Körper, magadhisch > scheint etwas Getheiltes zu sein, Kutila ^, Rand2a ZT,
Band2in-Mola S, orissisch Q sind Ge^se ohne Henkel, wie ägyptisch ^^^
neben ^^^, ^ neben ^; Pali #ist identisch mit dem Balken + Apo im
Magadhischen.
^ _ mm
Dh. Sanskrit dhana bedeutet .Geschenk, Gold, Geld, UberQuss, Vieh*,
dhara , tragend (trächtig?), erhaltend, aufmerksam, Erde*; als Erde ist es
verwandt mit der Berggöttin parvata und in der That ist Sikh If dha, Deva-
nagari T^pa; magadhisch 0 ist der Mond im letzten Viertel, und Pali Q O O
entsprechen genau der ägyptischen Hieroglyphe des Mondes O, die Mond-
göttin Isis war aber auch die Erdgöltin, die Göttin der Fruchtbarkeit, die
Fülle ; Sindh 6 dha, welches bereits bei i besprochen wurde, ist das männ-
liche Symbol der Erde und der Fruchtbarkeit, in gudiaratisch €1, kaämirisch
TT, marathisch ^, Devanagari \|, Kayti-Nagari 'V, Randia ET, Band2in-Mola ^,
bengalisch ^, orissisch tl, Nerbadda fi haben wir Formen des Kruges, in
Kistna Q, telingisch 2^, malabarisch co, singalesisch Q, Laos C^ Fonnen
des weiblichen Busens.
N, Sanskrit na bedeutet .nicht*, die Multan-Form*^, welche dieselbe ist
wie Sindh ^ ha, scheint allen Formen zu Grunde zu liegen, wie gud2aratisch
•i, kaämirisch ^, marathisch "T, tibetanisch Sj, Kutila ^, Devanagari Sf,
Kayti-Nagari ^T, Rand2a ^, Band2in-Mola ^, bengalisch *T, Nerbadda ^,
telingisch ^T, Pali 5 ?^- ^®^ Grundbegriff scheint wie bei ha .weggehen,
untergehen, nicht sein*, und wie das ägyptische ''^^^ nn zum Unterschiede
von ^) /n die Leere, die leere Hülse, zu sein: .Sehnend breit' ich meine
Indische Schriflzeichen. 445
Arme nach dem theuren Schattenbild; ach, ich kann es nicht erreichen, und
das Herz bleibt ungestillt' Alle verlassenen Gattinnen der griechischen Mythen
Medea, Ariadne etc., theilen sich in dieses Zeichen; die Sonne hat die Erde
verlassen, die Ernte ist vom Felde und von den Bäumen genommen, nur die
dörre Stoppel magadhisch 1 na, ist geblieben. Tagala (T\ und Bisaya "£" ,
Battak ^, Bugi ^ sind olTenbar Symbole der Nacht, ägyptisch TT .
P. Sanskrit jNi bedeutet , trinken, geniessen*, para .entgegengesetzt,
entfernt*, parv .füllen*, parcata .der Berg*, panaga .preisen" (die Arme
ausstrecken); dem entsprechen die Hieroglyphen /^ ab .Priester*, ^/a
.tragen*, ^^ätnn Berg, Bergthal und die indischen Zeichen Sindh % Multan
Y, gudiaratisch 4, Sikh \f * kaSmirisch V, Kutila Q, Devanagari I|, Kayti-
Nagari ^, Rand2a ^, Bandiin-Mola c), bengalisch ^, orissischt}" (ein Mensch
mit erhobenem Arm, das Dankopfer für die Ernte darbringend); magadhisch
ü, Gupta-Inschriften Li LP Ci, tibetisch ^, Nerbadda SJ, Kistna £1, telingisch
^, tamulisch lj, malabarisch o-J, singalesisch O» javanisch u* Pali LJilU»
siamesisch t/, Laos ^J^, Assam \}, Pegu O (sämmtlich Formen des Berg-
thales), daneben tritt in der marathischen Schrift TU die weibliche Brust
auf, in der LeptSa- Schrift T\ die Höhle, Tagala t^, Bisaya K* scheinen das
Hintertheil von Th leren zu sein.
PA. Die Zeichen für pha sind mit Ausnahme einzelner, welche sich an
andere Schriflzeichen anlehnen, wie Multan uj an Sindh tha, gudiaratisch X
an das % ka derselben Schrift, Sikh 7 an Devanagari ^ dha, ka^mirisch ^
an Randia 7 na, Bandiin-Mola Co und bengalisch ^ an Devanagari V| hha
Modificationen von pa, so Sindh 4^ neben ^ pa, marathisch ^ neben ^ pa,
magadhisch Uneben bpa, Gupta-InschrifllD CA neben \lllpa, tibetisch ^neben
^ pa, Passepa 2J neben "^J V^f Devanagari l|j neben I|, Leptäa Ijneben
jr\/>a, Kayti-Nagari Tf und Rand2a^neben TJ und ^/xi; Nerbadda Sil neben
8i pa, telingisch ^ neben ^ pa, malabarisch o^ neben aJ pa, singalesisch
O neben ü, Pali \^ U lA O neben LJ II O* Assam VJ neben UO; nur
Pegu cß zeigt eine etwas verschiedene Form, doch darf man sich von dem ver-
längerten Mittelstrich nicht täuschen lassen. Der Unterschied ist kein anderer
als er im Ägyptischen zwischen ^«i und i^^, zwischen 9 und i, zwischen
■ and Hl, hieratisch J| und 2^, sämmtlich mit dem Lautwerthm»», besteht.
^Mi mn ist Thal und Hafen, und ebenso heisst in unserer Sprache der Topf (,
hieratisch g, .Hafen*, es ist der geschützte Wasserbehäller. Die Zeichen
446 Indische Sehriflzeicken.
bedeuten wie das nordisch T laugr die Heimkehr der Schiffer, ägyptisch
JJjjjjjHiJJ» mma .stehen bleiben, landen*, verwandt mit j^*! ||t*^ mmU
, landen, begraben werden*, Sanskrit /»/lo/ .bersten, verschwinden, Früchte
bringen*, man erinnert sich dabei, dass im Ägyptischen nih «der Winter*
auch .Fülle* bedeutet, wie im Deutschen die Holla sowohl die Erntegöltin
als die Wintergöttin ist, welche die Schneedecke, die Blüthenüocken des
Winters (Sanskrit phull «blühen") über die Erde streut, wie der Frühling die
Blüthen. Auch die ßerggötlin Parvati mit ihrem schneebedeckten Haupte, die
trotzdem die Mutter aller Quellen ist, dürfte hierbei mitspielen.
B. Sindh 'VD ba ist gleich malabarisch fG) ta, Multan H gleich gudia-
ratisch ü gha, gudiaratisch *i ähnlich dem Vi kha in derselben Schrift, Sikh 7
ist ähnlich dem ^ thava derselben Schrift, kaSmirisch '' ähnlich dem maga-
dhischen d tSa, marathisch ^ ähnlich dem ^ bha in derselben Schrift, mala-
barisch 6Yii und orissisch Q ähnlich dem €| tha in derselben Schrift, LeptSa
A undBisayaO ähnlich dem magadhischen O iha, Tagala CD und Baltak CS
sind Frauenbrüste, magadhisch 0, Guptalnschrift D Q □, tibetisch ^ sind
Steine, Nerbadda (3 die ägyptische Hieroglyphe J, Pali Q^ O O das Berg-
thal, Devanagari ^ ist wie Kayti-Nagari "?, Rand2a ? (Devanagari c| e>o),
Band2in-Mola 9 (Devanagari 1|^) ebenfalls weibliche Formen. Die Erklärung
dieser Formen liefert der Name budäha (der Boden). Dieser Gott, der weder
Mann noch Weib, also Hermaphrodit ist, ist mit seinen zusammengezogenen
Füssen, den inein andergelegten Händen das Bild der absoluten Ruhe, des
Todes, der Stein, der von keiner Leidenschaft bewegt ist, die Grund veste der
Erde, in deren Schosse die Menschen die ewige Ruhe finden. Diese Eigen-
schaft tritt in der Schrift Magadha's, dem Heimatslande der buddhistischen
Religion im Zeichen 0 am schärfsten hervor, auch die LeptSas mögen diese
Bedeutung gehabt haben ; in der übrigen Schrift, namentlich in der brahma-
nischen, ist Buddha verwandt mit der Parvati, ein Weib mit der gebirgigen
Brust, auch der Krug als Symbol des Bauches. Das Zeichen entspricht dem
nordischen ^ hiörk, welches wir Seite 80 besprochen haben.
Bh, Sanskrit &Aä , erscheinen * , hhava «Geburt, Ursprung' lässt ver-
muthen, dass mit diesen Zeichen derJahres-Gyklusin unserem Sinne abschloss;
als Zeitzeichen musste bha das Mal des Decembers sein, an dessen Schluss
die Sonne neu geboren wurde ; magadhisch r/ zeigt deutlich den Geburtsstuhl,
Sikh 7, fast identisch mit u, sind die , Wehen*, Sindh -«x, gudiaratisch «i>
Indische Schrillzeichen. ^i?
DeTanagari V|> Kayti-Nagari ^, Band2in-Mola ^ sind offene Vasen, entleerte
Gefässe; Pali Fl IBOO< welches letztere auch im Gud2aratischen als iji
▼orkommt, scheint der Ausgang, der Anfang (des neuen Jahres) zu sein.
M. Mehrere Zeichen für wa schliessen sich eng an das vorige an, so
Sindh x^ hha ft\ ma, gud2aratisch ^ bha'Pi ma, Devanagari I( jm» V| hha J^ ma;
dagegen sind eigenartig magadhisch b, Gupta-Inschriflen H X )S, Pali ^^
tl Of malabarisch (h, siamesisch U wie tibetisch ^ lehnen sich an Kistna QJ
kka, LeptSa^ST ist das verkehrte Kistna dP ma, wie tamulisch lo ma das ver-
kehrte maledivische £lJ ha. Der Stamm ist ma .messen, Mass* ma/rt «Mutter,
die Erde, die Kuh*, somit sich an das Vorige, die Geburt, anlehnend; wac im
Altherlhume die Zeit der menschlichen Entwicklung massgebend, so musste
das Jahr aus 10 Monaten und das Alphabet, der Monat in vier Wochen getheilt,
aus 40 Zeichen bestehen, was immerhin möglich war, wenn mehrere Vokale
hinzugerechnet wurden. Die obigen Zeichen sind entweder die Schnur als
L&ngenmass oder das Wassergefass als Mengenmass.
y. Sanskrit tfatn «sich bezähmen, einschränken, sich beherrschen,
Nahrung geben* scheint sich auf die vorausgegangene Geburt zu beziehen;
fast sämmtliche Zeichen stellen die Frauenbrust dar, die Mutter muss in der
Nahrung vorsichtig sein, um des säugenden Kindes willen, in dieser Hinsicht
dürften Sindh ^, Multan ^, gudiaratisch H« Sikh TX, kaSmirisch ^, mara-
thisch ^, Devanagari ]|, bengalisch IT, orissisch ici, sowie LeptSa L und
siamesisch V aufzufassen sein; magadhisch X weist jedoch auf Yama, den
Gott der Unterwelt, in dessen Reich die junge Sonne noch verweilt, auf dem
Hintertheil sitzend, weil sie noch nicht gehen kann (die göttlichen .Nach-
kommen* Harpokrates und Vulkan sind gelähmt). Dieses Hintertheil tritt in
den Gupta-Inschriflen ^ dl eil, tibetisch ^, Nerbadda 3J, Kistna <II, tamu-
lisch uj» malabarisch CC2/, singalesisch c3, Pali UJIMOO, AssamtO, Pegu
JD, Tagala to unverkennbar auf, in einzelnen Formen ist es in das Schiff
übergegangen, vrie wir im Syrischen aleph als «Schiff* kennen geleint haben,
und Sanskrit alpa , klein* bedeutet, wie unsere Alfen. Auch der Schiffer im
Kahne sitzt, und die schaukelnde Wiege ist dem Kahne nachgebildet, wie der
Sarg. Yama bedeutet auch .der Zwilling', wie Tag und Nacht Zwillinge sind,
und der Anker zwei Haken besitzt, genau wie magadhisch X ya.
R. Sanskrit ram ist die Metathesis vom lateinischen Amor, der jugcnd*
liehe Gott mit Bogen und Pfeil. Sindh 2- ist die einfache Form von 2., welches
448 Indische Schriflzeichen.
wir als Wasser kennen gelernt haben ; ägyptisch VÜUli nu ist gleich '^^ nu
, ähnlich sein", schliesst sich also an das vorige .Zwilling' an; die beiden
letzteren Figuren sind aber auch junge Pflanzen, und wenn das vorige Yama
,die Unterweh* ist, in welche das Samenkorn gelegt wurde, UJ die Acker-
furche, so dürfte Amor als das junge Reis aufzufassen sein, das den Erdboden
nach oben durchdringt und nach unten Wurzel schlägt; in diesem Sinne
würden sich Multan "^j gudiaratisch 3 , Sikh "g*, marathisch TJ, magadhisch |,
die Gupta-Formen J J Ji tibetisch \ Devanagari ^, Lept§a ^^, bengalisch
T, orissisch (^, Nerbadda ^, Kistna J, tamulisch t, singalesisch (T, Pali
§ öL ■ Q» siamesisch 5, Laos ^, Assam '^, Pegu Q sämmtlich erklären.
Maledivisch yC ist ägyptisch ^^ die Schlange, die aus der Erde kriecht, der
Regenwurm, der Pfeil Amor's.
L. Wenn Sindh J2 dem ^ ähnlich ist, so ist auch anderweitig der
Übergang von r ins l ins Indischen zu beobachten, wie diese beiden Laute
von Ägyptern und Chinesen und wahrscheinlich auch bei allen Völkern des
Alterthums nicht unterschieden wurden, Sanskrit rak=lak=rag=lag=ragh
, kosten, erlangen * . Es dürften daher auch die Zeichen von ra und la urver-
wandt sein, und dem ram als Gott der Liebe, LakSmi als Göttin der Schön-
heit und Jugend gegenüberstehen, dem Pfeil der Bogen und als Schlange
Ananta (auf der WiSnu) während der trockenen Zeit schläft, der Pfeil selbst;
lakä ist die Ritze, ein Zeichen, Ziel, Merkmal, lap bedeutet , sprechen, jam-
mern", las «umarmen, spielen*. Sindh 22 ist eine geringere Modification von
^ ra; Multan ^ ist die Hand (im Sinne vom hebräischen t yad «Hand*
pT yada «wissen, erk)ennen*), dasselbe Zeichen in anderer Richtung bedeutet
im Chinesischen Vater (vgl. Tafel IV); gudiaratisch <a und Kayti-Nagari ^
ist Bogen und Pfeil, ebenso Sikh W, marathisch ^; maledivisch ^ ist etwas
Gebogenes; ka§mirisch FT, Devanagari ^, Rand2a ^1 Band2in-Mola ^,
bengalisch t^, ist die Nabelschnur, in der Brahma aus WiSnu, der männlichen
Form der LakSmi, hervorging. Diese Sage liegt den meisten weiblichen Hiero-
glyphen der Ägypter zu Grunde, indem dieselben eine Blume in der Hand
tragen, wie ^, ^, ]J, Tj , es sind diess Frühlingszeichen mit dem Symbol
der beginnenden Fruchtbarkeit; die verkürzte Form dieser Hieroglyphe ist
die Hand, gleichviel ob sie eine Blume, einen Stift zum Zeichnen, einen Stab
oder dergleichen hält, denn der Begriff n/i «mächtig, tapfer* ist eng ver-
wandt mit der keimenden Blume, welche jung, schön, stark bedeutet, solche
Indische Schriflzeichen. 449
Hand-Hieroglyphen sind magadhisch -0, Gupta-Inschriflen oJ o) ^ nl^ tibetisch
^, Nerbadda lä, Kislna Bl, malabarisch a^, Pali Qj fMCO, siamesisch O,
Laos (TVy, Assam >0, Pegu CO. Tagala "^ ist eine weibliche Figur, Bisaya
2^ scheint ein Mund mit ausgereckter Zunge zu sein (lap .sprechen*).
If. Sanskrit tcan , dienen, ehren" schliesst sich an den Begriff der
Lak^mi, die zu den Füssen Wiänu's sitzt, an ; ican ist auch das Weib im All-
gemeinen, also ebenfalls die LakSmi; mit dem angelsächsischen P uuinne,
deutsch «Minne*, dem bartlosen Frauen- und Kinderkopf stimmen sogar
gudiaratisch h, marathisch tl, maledivisch Q, Kayti-Nagari TI, bengalisch T
in der Form Qberein, die mit Devanagari If/)aundl|ya identisch ist; wenn
dem Devanagari 'S(ha^%ca gegenübersteht, so ist in der LeptSa-Schrift das
Umgekehrte der Fall, denn hier ist /\ ta; magadhisch 6 ist die keimende
Zwiebel, welche im Ägyptischen ,der Erlauchte* bedeutet; Sindh O ist das
Ei, welches im Ägyptischen »Weiblichkeit* bedeutet; Multan ?. das Getheille,
das Hintertheil, orissisch ^ der Hauch {wa gleich griechisch demi , wehen*),
alle übrigen Formen von tca sind Symbole der Weiblichkeit, die wir schon
bei früheren Zeichen gefunden haben, wie kaSmirisch g*, Devanagari ^,
(lupta-Inschriften A AQ, tibetisch 'S, Rand^a?, Band2in-Mola ä, Kistna cJ
tamulisch ^slj, malabarisch o-J, javanisch o, Pali QOd Assam ^, Tagala
2), Bufris ^*^; Sikh ^ ist ha und wird bei diesem erklärt werden.
//. Sanskrit ha bedeutet .verlassen, fallen lassen, verlieren*; es ist als
magadhisch Ir die umgekehrte Hand -O la, ebenso Gupta-Inschriften IrLTdi*^,
tibetisch ^, Devanagari 9, gudzaratisch ^, Rand2a 7, Nerbadda ^, Kislna
&, malabarisch dX), singalesisch ^'), Pali | rUMCO^Tagalaco, Bisaya c^.
Multan S, Sindh ^ ist Multan ^ na im Sinne von , nicht*, chinesisch hoei
.Dunkelheit*, es dürfte im Gegensatze zu der empfangenden LakSmi, die
auslassende, der Beginn der Regenzeit sein, insbesondere ^ die herab-
hängende Wolke, der Weiberzopf.
S. Saraswata ,die Beredtsamkeit* i>t identisch mit Lak.^iiii; daher i>t
Sindh '»H so viel wie Devanagari^ kha ,der zerbrechende Krug*; Multan '/^
ist fast ganz identisch mit ^ la in derselben Schrift; gudiuratisjch "^i, Sikh H,
kaSmirisch ^, marathisch ö*, magadhisch «t, Gupta-lnschrifleu ^ ?4 ^ J4,
tibeti>ch '', Devana^'ari ^, Nerbadda flj, Kislna ^, Pali ^|iOO sind Krü^'e
mit ausflie^scndeni Wasser, welche den Zeichen für h, bha^ iw/, .säniinlli«li
weibliche Zeichen, entsprechen, siamesisch (^ ist das diirchhohrlc r.) la,
F«ul narm. <te»chichtL* «1. *^< iinft. ^Mj
450 Polyphonie der indischen Schriflzeichen.
Saga ist bekanntlich der ^ Urquell '^y die Mutter, die erste Lehrerin, und .Gross-
mutter' ist Edda, wie die Sammlung der nordischen Mythen; zugleich ist
alle Lehre der „Ausfluss* der Gottheit.
6' und S. Diese beiden Laute fehlen in den meisten buddhistischen
Schriften. Ka§mirisch TT §a ist Devanagari m (verwandt mit ^ s), Gupta-
Inschrift &| §a ist fast dasselbe wie jU sa; kaSmirisch 'kf sa, Devanagari ^ ki
lehnt sich an Gupta-Inschrift (T> R ^ sa, Nerbadda fl (das bedeckte Gesicht,
der bedeckte Himmel); gudXaratisch Äl sa, Devanagari ^, marathisch ^sind
etwas Aufgehängtes, ägyptisch %\ meni Strick gleich 1^1 mn^r .Web-
stuhl", Sanskrit SaS .sechs* ist das hebräische w §es .sechs, Byssus, Baum-
wolle*. Ihrer Stellung als Zeitzeichen nach gehören diese Zeichen ebensowohl
der Blüthe als der Winterzeit an.
Die Schwierigkeit des Gegenstandes macht es erklärlich, dass wir nicht
alle Zeichen in erschöpfender Weise erklären können, soviel aber dürfte nach
der vorstehenden Auseinandersetzung feststehen, dass die indischen Alphabete
nicht von einem, auch nicht von dem ältesten bekannten magadhischen ab-
geleitet sind, dem widerspricht entschieden die wechselnde Bedeutung der
Zeichen, von welcher wir noch eine übersichtliche Anschauung folgen lassen:
O Sindh wa, Pali wa, ka§mirisch tha, magadhisch tha, LeptSa ha, telingisch ra
6 Sindh dJui, Multan i, gudiaratisch l tha, singalesisch ra
^ Sindh ^;a^ Multan pa, gudiaratisch^, verwandt mit Devanagari hlka, Sikh
H fna, sa, Randüla da
H» Sindh jpha, gud^aratisch pha, ähnlich dem kha, Devanagari diha, dagegen
Devanagari Tlfipha, Kayti-Nagari kha
@ Sindh u, tamulisch (? i, orissisch © da
"3 Ka§mirisch u, verwandt mit 7 ta, Devanagari ^ u, Sindh 3 ta, Multan
3 ta, Sikh 3" (a, marathisch 1 da, malabarisch ß» da, Pali 3 d<^
5i Sindh und Multan dia, Tagala ga, Pali a, bengalisch vST dza
^J Sindh da, magadhisch dza, Gupta-Inschriften i. da, gud2aratisch da,
siamesisch ya
H Multan ba, gud2aratisch gha, Devanagari dha
tgs^ Sindh j/a, marathisch gha, Devanagari gha
n Multan ya, Sikh ba, bengalisch ^ gha
^ Sindh fha tha, Multan pJia, Assam-Inschrift gha
UX, Kutila gha, Kayti-Nagari kha
Polyphonie der indischen Schriftzeichen. 451
1| Devanagari pa, Sikh dha, Band2in-Mola ba
W Sikh tha, kaSmirisch "^ tha, marathisch ^a, Devanagari m
\^ Sindh gha, kasmirisch "PT kha, Devanagari kha, marathisch "^ (Wia
^ Sindh ba, malabarisch rü) ta
^ Sindh tsa, Mullan ra, Gupta-Inschrift ma
^ marathisch da, LeptSa ga, lelingisch fsa, t^ha, da, dha, malabarisch dha,
siamesisch pha, Tagala ha
IH Gupta-Inschrift glia, tamuHsch ya, Pali ya, Nerbadda gha, Pali gha ähnlich.
"^ Sindh ha, Multan na
Ci Multan kha, magadhisch ya
^ kaSmirisch Uha, Devanagari ia, magadhisch tsha, Pegu j^ha
Ol Gupta-Inschrift kha, malabarisch t^a, Nerbadda jx^f ta mulisch tca
0 magadhisch ba, Pali tca.
Wir haben damit die Gleichheiten und Ähnlichkeiten der Zeichen
keineswegs erschöpft und nur die markantesten Lautwechsel hervoi^gehoben,
welche, wie die Besprechung der einzelnen Lautzeichen bewiesen hat, in der
BegrifFsverwandtschafl eine reale Grundlage haben. Noch grösser wird dieser
Lautwechsel, wenn in Erwägung gezogen wird, dass die Bedeckung der
Zeirhen durch den oben laufenden Zeilenstrich, welche den westlichen
Alphabeten von Sindh, Multan, Gudiarati und den magadhischen Zeichen
fehlt, ihrer Natur nach nicht im Wesen der Zeichen begründet ist, sondern
auf dem bezeichneten Vokal a beruht, der in der Band2in-Mola, wie in vielen
älteren Devanagari- Hand Schriften, sich noch als Bogen vorfmdet; man ver-
gleiche magadhisch t^a d: in den Gupta-Inschriflen, welche nachweisbar
junger und von dem gleichen Stamme sind, finden wir %J ^ J) J), in der
Bandiiu-Mola S(, Kutila-Inschrifl aus dem 10. Jahrhundert ^, Devanagari^,
marathisch '^, aus der magadhischen Schrift entstand bengalisch p, orissisch
Q, Nerbadda 3 (die Zeichen der Nerbadda-Schrifl haben statt des Bogens
der Band2in-Mola und des geraden Striches der Devanagari oben ein Viereck,
die Kistna-Zeichen t), Kistna cJ, hieraus entstand tclingisch €j, javanisch -kti,
Pali-Siamesich jjT«
Wir werden auf diese Eigenthümlichkeit der indischen Schrift bei den
einzelnen Schriftarten zurückkommen und dabei den Nachweis führen» dass
sich dieselben durch ihre Structur noch mehr unterscheiden als durch die
Form ihrer Buchstaben.
4-52 Indische Schriften.
1. Schrift der Leptsa.
Die LeptSa oder LaptSa bewohnen das Land Sikkim am Fusse des
Himalava, früher ein Theil von Nepal, östlich von diesem zwischen Bengalen,
Butan und dem übrigen Tibet gelegen. Wir haben oben gesehen, dass von
dieser Gegend der Brahma-Cultus ausging, der sich mit dein altern Indra-
Gullus verschmolz, und wir beginnen mit dieser Schrift, weil sie viele Eigen-
thümlichkeiten zeigt, von denen mehrere in die Devanagari oder die heilige
Schrift der Sanskritsprache übergingen. Wir geben zunächst als Schriftprobe
die zwei ersten Verse des 67. Psalms.
grü-mo 67.
1, mm nun ka-ijüm gim-ran tnat hin ka-yCnn mun-l^am ho So hu tnlem
ka-yü dyeh kä ä-dm ni So,
2,fat lyCiii plan kä ä-dolrom rem ä-do ih^'i/or Vom rem ren sötna-ro gun-na
sa nöii kä thyäk San kä o-hm nun So,
Diese Sprache war offenbar eine einsilbige wie die benachbarte tibe-
tische ; der Anlaut enthielt die Wurzel, daher wurde der consonantische Aus-
laut anders, und zwar durch Zeichen, ausgedrückt, w^elche über oder, wie die
Nasallaute, vor den Anlaut gestellt wurden; ebenso umgaben die Vokalzeichen
das Wurzelzeichen, indem sie über, vor, hinter oder unter dasselbe gesetzt
wurden ; die Wurzel selbst hatte ein inhärirendes a. Die Zahl der Vokale ist 9,
die Zahl der Finalzeichen ebenfalls 9, der Zahlzeichen sind gleichfalls 9, und
hier dürfte daher der Ursprung der indischen Ziffern zu suchen sein ; die Zahl
der einfachen Wurzelzeichen ist 28, die Zahl der Mondstationen, ihnen
wurden noch 7 Gonsonanlenverbindungen mit l angereiht, welche nicht durch
Gomposition der Wurzelzeichen mit l gebildet sind. Die Schriftzeichen der
Lept^as waren also offenbar Zeitzeichen.
Die Inder hatten nicht immer dieses Zahlensystem; in den Inschriften
der Gupta-Dynastie besteht ein anderes, welches Zeichen für 1 bis 9, von
10 bis 20 u. s. w. enthält wie die semitischen Schriften; dieses Zahlensystem
kommt noch in Devanagari-Handschriften vor, wobei zwar einzelne Zeichen
Indische Zahlzeichen.
453
die Anfangsbuchstaben der betreffenden Zahlwörter sind, andere aber sich
nicht auf diese Weise erklären lassen. Die indischen Ziffern haben zugleich
eine auffallende Ähnlichkeit mit den hieratischen Ziffern der Ägypter. Wir
lassen zum Beweise dessen hier eine Zusammenstellung folgen:
hieratische Zeicher
der Ägypter
1
2
3
4
5
1
6
^
/
•a
s
9
\
0
Gupta-InschriAcn
-
—
2
H
f^
t
>
c
]
Maledivisch
1
y
r
y^
<u
>
y
:p
9
LeptSa
f
-z
5
a.
U
v5
«)
<
(^
0
Tibetanisch
?
a
s
<ai
V-
v&
47
<.
(?
o
Nepal
n
2
3
%
5
t
n
c
5
0
Devanagari
s
^
?
8
M
?
s
b
<
0
Ka^mir
^
3
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X
H
2
5
5
to
•
Bengahsch
h
7
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Assam
j
X
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S
j^
b
9
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Telingisch
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Malabarisch
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Singalesisch
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Birmanisch
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Siamesisch
^
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(^
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b
CV
d
Q^
0
Kambodia
9
Va
««^
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^
n-
KP
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0
, vereinfacht
A
V
M
V
y
s
y
k
^
Javanisch
an
C
»^1
< -
'1
<">
vu
1-S
ni
c
Man vergleiche ferner die Zehner-Reihe:
Hieratisch
4
t\
;(
—
?
u
)
n
JU
^
Maledivisch
Gupta-Inschrifl
7
i^
9
3
V
0)0)
sr
Devanagari
31
i
<tf
%
Z
i
1
•e*
«r
f
45 i Indisclie Zahlzeichen.
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass wenn die Zeichen die
Anfangsbuchstaben der Zahlwörter waren, diess nicht die gegenwärtigen
Zahlwörter: eka 1, dra 2, tn 3, tMrar i, pantsanb, Sa^ %y saptan 7, aätan 8,
navan 9, da^an 10, waren, auch dort, wo die Zahlzeichen den Buchstaben
ähnlich oder gleich sind, stimmen sie mit den Anfangsbuchstaben dieser
Zalilwörter nicht überein; es liegt offenbar hier ein ebensolcher Zeichen-
wechsel wie bei den Lautzeichen vor. Devanagari 1 ist maledivisch 9; Gupta S
ist Lept§a 4, wie bengalisch 4 das Zeichen unserer 8 ist; LeptSa 6 ist Nepal
5 u. s. w. Beachten wir endlich die Ähnlichkeit der chinesischen Ziffern
-^ l J= 2 ^ 3 ßg 4 5 5 :;^ 6 ,(/ 7 A 8 A 9 + 10'
so kann kein Zweifel sein, dass zwischen Ägypten und China ein Alphabet
aus 9 Buchstaben bekannt war, dessen Zeichen zugleich als Zahlzeichen
dienten, welches das Decimalsystem inaugurirte und mit diesem zu den ein-
zelnen Völkerschaften gelangte. Wir haben bereits Seite 41 daraufhingewiesen,
dass das maledivische Alphabet genau den arabischen Zahlzeichen entspricht,
wir können aber daraus keine Schlussfolgerungen auf andere Zahlenreihen
ziehen, da z. B. die tamulischen, malabarischen und anderen Zahlenreihen
eigenthüniliche Bildungen zeigen, welche den Lautzeichen mitunter ent-
sprechen, meist aber von ihnen abweichen. Nur so viel wollen wir hier
bemerken, dass das Decimalsystem auf demselben Princip beruht wie das
keilschriflliche Sechziger-System, und wie dieses die Eins als zweite Potenz in
der zweiten Stelle als 60, in der dritten als 3600 gebrauchte (s. S. 337),
so setzten auch die Inder die Eins als zweite Potenz in die zweite Stelle als
10, in die dritte als 100 u. s. w. Könnten die Gupta-Inschriften beweisen,
dass dieses Decimalsvslem zu ihrer Zeit noch nicht existirte, so wäre das-
selbe erst nach dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstanden; das
ist aber deshalb nicht glaublich, weil die Lept§a-Schrift und das ganze Neuner-
System viel älter ist, wie auch letzteres sich nur in der Sage und in der Zahl
9 als a Erneuerung" erhalten hat.
2. Multan.
Nachdem wir in der Lepl§a-Schrift einen echt indischen Charakter
kennen gelernt haben, nehmen wir eine andere Spur auf und begehen uns
an den äussersten Westen Indiens, wo der Charakter der vokallosen Schrill
sich noch bis auf den heuligen Tag als eine Brücke erhalten hat, welche die
Multan. 455
indischen Schriftensysteme mit den semitischen verbindet. Wir lassen zunächst
eine Probe des Vaterunsers aus einer im Jahre 1819 in Serampore er-
schienenen Bibel folgen:
TT o^^ii^iT ^5Mr^ rr^l 13 3r ^1 1^:^ ^yt
3r y3v rr^ 3r ^^^^^ t^^ai^iT SiS 35 \'^6%\r
Transscription und Übersetzung;
Ai saragwitS rahanwala asda pita teda naw pawiira tha teda radz
0 Himmel in weilender unser Vater euer Name heilig sei euer Reich
Qwa teda dihnaüia aaraywii.^ diaha taha dunyawits kara ivangna, aska-
f ukomme euer Wille Himmel in wie so Erde auf gethau gehe, unser
c/ittraii layak khawun adi asko dawa bhya asda dewin aako tsuda dialia
Leben nöthi^e Nahrung heute uns gieb^ und unsere Schuld uns vergieb, wie
a^ii ajfna dewanwaleki tihudahun hhija adzmattcits aska tnatan thana
wir selbst Schuldnern vergebend sind, und Versuchung uns nicht führe, son-
jtara tcattthtriakaHitshudwat^hadi radi bhya paräkaram bhya mahaiam sada
dem Chel von erlöse denn Reich und Herrlichkeit und Macht btets
/i*.Wo hin. Atzten,
9
eurh sind. Amen.
Aus dieser Schriftprobe geht hervor, dass die Vokale Tr a ö i ^ m in
dieser Schrift dieselbe Rolle spielen wie K a * y i ir in der hebriü^clH'n (»der
die Vokalzeichen in der Pehlevi-Sclirifl, die richtige Au>spracht* bleibt der
mündlichen Überlieferung überlassen. Dennoch stobt die Mnllan-Schrift mit
der Devanagari in innigster Verbindung, letztere hat inehnMe Zei« ln^n der-
•sejben entnommen, wie
Multan :; Jt cT ij^ ^ ^ Y '*! n 5
Devanagari ^T^^ SRII'R ^ 5
ka ya tsa m da pta jhi ma ya ha
456 Indische Schriften.
3. Sindh.
Die Sprache des Landes Sindh ist eng mit der des benachbarten Landes
Multan verwandt, wie aus folgender Probe des Vaterunsers hervorgeht:
8/tDj)| tn\t^v^tD «08/ 3i?)3 WM M?)3i 8/n)j)\o:xxr-'^t)()
^3Tfia •^'^^M ^o3i ?)vr^ *. tD'nxp' *•
Transscriplion und Übersetzung:
Ai sargmädz rahantoara äsudzo pit tuhid£o nam pawitr thae. tuhidzo radi
0 Himmel in weilender unser Vater, euer Name heilig sei, euer Reich
äwe tuhidzo khatirkhah sargmädz dzahapa tahata dunyämädi kara tpahe.
zukomme, euer Wille Himmel in wie so Erde auf gethan gehe,
ctskhe dzian laik khaun adzh askhe deo. bhya asudzo dean askhe tshod
unser Leben nöthige Nahrung heute uns gieb und unsere Schuld uns vergieb,
dzahata as pahädze deanwarankhe Uhodde hin. bhya adzinatmädz askhe mat
wie wir selbst Schuldnern vergebend sind und Versuchung uns nicht
wadhu par huiShat'ikhe tsJioda Wiiedze radz bhya mahatam bhya takmar
führe, sondern Übel von erlöse, denn Reich und Macht und Herrlichkeit
hamaso tuwadzo hin, Amen,
stets euch sind. Amen.
Gegenüber der Gleichheit dieser Sprache, welche sich aber auch durch
die häufigen Gerebrallaute von der Multan- Sprache unterscheidet, ist die Ver-
schiedenheit der Zeichen desto auffallender. Wir heben hervor
6 ^ ;i. ■=) 3 , Tii @ Ji 3l H 'n ^^/
dasesen
Sindh dha t<a ra ha ta . . au ga dza pa ma tia
,, ,^ . , ' übereinstimmend ,,
Multan t ra ka na ta a tt ga dza pa ma na
Mehrere Sindh-Zeichen, wie i ka ^ \'ha ^M gha ^ ta lehnen sich an
die. persisch- aramäischen Schriften an,
Indische Schriften. 4-57
4. Gudäarat.
Die gudiaratische Schrift nähert sich der Devanagari noch mehr als die
beiden vorigen, so dass man sie eher für eine cursive Devanagari, als für
eine Vorgängerin derselben halten könnte ; doch spricht gerade die mangelnde
Verbindung der Zeichen für das höhere Alter der gudiaratischen Schrift; sie
hat von der magadhischen Schrift, in welcher Inschriften in Gudiarat gefunden
wurden, nur die genaue Vokalbezeichnung aufgenommen, wie % ka Jrt /cäTx k'i
X? ^ s^ ^*<' ^^^ ^ ke ^ko ^ kau % kä i rk\ kommen aber zwei Consonanten
nacheinander, so werden sie nicht untereinander gesetzt, wie in der Devana-
gari und Pali. sondern neben einander. Wir geben als Schriftprobe wieder
das Vaterunser:
An ^^T.oi'^a \^^^c-([ ^t^^a^ ^H rii| -dx
:<3^ HC47 H^dx^-H HcH? id^n-K :hi?.h^ ^'>d:(l «
l
Transscription und Übersetzung:
Are sicargmä rehawäwäla antärä hfip täru ndm pawUr thüe, täru iv7*/5
0 Himmel in wohnender unser Vater, euer Name heilig sei, euer Ilt'ii h
ätcai tärä manmäfak swargmä dzyeicu tijeuu dhnjatm'i kanjä dzde, amoHe
zukomme, euer Wille Himmel in wie so Erde auf gethan gehe, unser
dhicäläyek khäwäne üdz amone äpaUy wall atnaru rn amotie tsudiju
Leben nöthige Nahrung heute uns gieb und unsere Schuld uns vei>Mt>b,
diyewä ame potänä kardztlärZne imiiye ttthahiß. tcall ^mrlL^ämi amotw mt
sowie wir unseren Schuldnern verzeihend simi und Versuchung in uns nicht
4^58 Magadha.
hjau pan bhüdälthl Wiodäwau kyemkye rüdz tcall paräkram wall mähätam
fahre sondern Übel von erlöse, denn Reich und Macht und Herrlichkeit
sarwada iumärä tShai. atnetx,
stets euer ist. Amen.
Beachtenswerth ist die Bildung des a aus zwei Zeichen, nämlich 3 ,
welches dem Sindh H) entspricht, und *t y, daraus wurde Devanagari ^.
Übereinstimmend mit Sindh sind
Sindh @ 3 Jl \H te i^^ M "h "^ '^ ^
Gud^aratisch ^ Vi o\ ^ <9lUHX ^^:^
%t kha ga gha islia na pa pha bha ma ra
Gudiaratisch co bha scheint Sindh T^ ba zu sein, ein Wechsel ist vor-
handen im Sindh 6 dha ^ da ^ tha ^ da ^ na mit gudiaraüsch c dha
<l da ^ dha ^ tha ^ da; der letztere Wechsel entspricht der Devanagari- Form
^ da^ na, durch Punktirung werden ^ dzha {dza?) in «rl dza, y^ pa in X /a
verwandelt.
Wir lassen noch eine Vergleichung mit der Devanagari folgen.
Gudiaratisch 3^1 ^^\^i^ViO\^^<da<^Zli&€^,SX
Devanagari ^^TJ^r^^JT^^^SI^^^J^^iT
a i u e ka kha ga gha Ua Uha dza dzha ta ßa da dha na ta
Gudiaratisch «l<e^HHX H^'A^T^^^'^TSl^I^
Devanagari ^^URqXR^m^qj^^^^^^^
tha da dha na pa pha ba bha ma ya ra la wa sa bu lia ksa
5. Magadha.
Wir haben schon oben (Seite 430) auf die grosse Bedeutung hin-
gewiesen, welche das Land Magadha (jetzt Bihär, die Hauptstadt des gleich-
namigen am Ganges gelegenen Landes) für die älteste indische Gultur hatte.
Eine erhöhte Bedeutung gewann dieses Land durch die im 5. Jahrhundert
vor Christo von dem magadhischen Prinzen Siddharla (auch Sakyamuni
, Einsiedler der Sakya" oder Sramana Gautama „Büsser der Gautamiden*
und Buddha „der Erweckte") gestiftete buddhistische Religion. Dieselbe war
ihrem Ursprünge nach eine demokratische Opposition gegen das Kastenwesen
und eine Reaction der alten Urreligion Magadhas, sie lehrte die Gleichheit
der Menschen und die Befreiung von der Sünde durch rechtschaffenen Lebens-
wandel. Daher vermieden ihre Bekenner die Sprache des Sanskrit, welche zu
A^oka's Inschrift. 4-59
jener Zeil schon eine todte Sprache war, und lehrten in der Volkssf^rache. Wir
besitzen aus jener Zeit das älteste Denkmal indischer Schrift, nämlich ein
Edict des Königs A:$oka, welcher um die Mitte des 3. Jahrhunderts vor Christo
König von CentraMndien war und die buddhistische Propaganda^ in jeder
Weise unterstützte. Dieselbe lautet:
iT'AUCrDln'«(JXrUi«l4/f/rCUAAT-rf'AUtf*vCl?a/XLi"<0DAi
Vi- WLC<<»f «TLOjCWA XI fT'X /.«•lyT-L. X tf'Hrr'lrX «tlAX
Transsrription:
Piijmiasa Ja (dzä) mäijadhä säijhd abhiuHult (inä) nä dhä apabädhatä i^u
j*m4 wihähfd tsn (Zweite Zeile:) widiiewa bhdte ätcatake ha mä btidhasi
tlhdmtm sdyhasW yolatce tsd iMsCide tsa eketsi bhüte (Dritte Zeile:) bhatjataitä
biidln-na bhdsite saice se subhäsite trä etsu kho bhdte pämiijaye diseya hetvd na-
dhdtne (Vierte Zeile :) i§ila ica tl ke Ihomilti alahimi hakä tdtvtvataice imätti bhdte
(dhd) nui jtaÜijdyäni tcinay asaniakasc (Fünfte Zeile:) aUyaicesüui auCujatn-
bhaydni muni ynthä moneyuaüte (u) patüsn pasine etsä läyhulo (Sechste Zeile :)
icäde ma^äwa (tsä) adhiyätsya bhayairatä budhena bhäsite etätti bhdte dhdmn
paUyäyäni itMmni (Siebente Zeile:) kiti bfthuk*- bhikhapä ye tsa bhikhani ye tsa
aifikhind suna (yu tsa u) pa dhä leyeyu tsa (Letzte Zeile:) hird meua upüsakü
tsä upäsokä tsä ettni bhdte imd Ukhä(jta)yänti ahhi htti madza (nd)tati,
Ubersotzun«::
«FMyudarsi, der König, an die ehrwünlijie Synode zu Magadha, welclie
er grüsst. wünscht ihr wenig Soifron und ein anjrenehiues Leben.
Es ist Euch wohlbekannt, wie gross meine Arlitung und Glaube an
Buddha, an die Gesetze und an die Synode geworden sind.
Alles was der g»'srgnete Buddlia g<*sagt liat, i^t wohl go^prorhcn. rs
niuss d«iher bekannt gemacht werden, web hos die Brtrgsc haften sind (da^^s
460
Asoka's Inschrift.
er CS gesagt), so wird das gute Gesetz von langer Dauer sein. Das ist es,
was ich für nöthig halte.
Daher sollen bestimmt werden die Vorschriften der wichtigsten Weis-
heit, welche die Unterdrückung der Aryas überdauert haben, und vor künftigen
Gefahren bewahrt werden die Gesänge der Einsiedler, die Sutras der Ein-
siedler, die Gebräuche der niederen Asketen, der Tadel der leichtsinnigen
Leute und der schlechten Lehrer.
Diese Sachen, wie sie der göttliche Buddha gelehrt hat, mache ich kund
und wünsche sie angesehen als Vorschrift des Gesetzes.
Und alle männlichen und weiblichen Geistlichen mögen sie hören und
beachten, wie auch alle männlichen und weibüchen Gläubigen.
Diese Sachen bekräftige ich und habe veranlasst, dass sie nieder-
geschrieben werden, damit Jeder wisse, dass das mein Wille ist. ' ^®^
Man hat die magadhische Schrift, weil sie die älteste Urkunde bewahrt
hat, als die älteste indische Schrift betrachtet; irrig wäre es jedoch, aus ihr
alle übrigen Schriften ableiten zu wollen. Vergleichen wir sie mit der Deva-
nagari, selbst mit in begriff der übrigen buddhistischen Inschriften aus dem
3. Jahrhundert vor bis zum 5. Jahrhundert nach Christo, welche manche
Übergänge erkennen lassen, so zeigt die Devanagari doch manche Eigen-
thümlichkeiten, welche nicht aus der magadhischen Schrift stanunen, sondern
von der Schrift der westlichen Länder, welche wu* oben behandelt haben :
gleichwohl ist der dominirende Einfluss der magadhischen Schrift unverkennb;\r.
Laut-
werlh
Ma a- ^^^^^"
\u' ,' protten-
Jhisch r 1 ...
liisclinll
Tsandra-
Gupta
Dzirnar
2. Jahrh.
nach Clir.
Allahabad
5. Jahrh.
nach Chr.
Devana-
trari
Pali
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Vergleichung der magadhischen, Devanagari und Pali-Schrilt.
461
Laut-
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Maga-
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West-
groUen-
Inschrift
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TSandra-
Gupta
Dzirnar
2. Jahrh.
, nach Chr.
Allahabad
5. Jahrh.
nach Chr.
Devana-
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462
Vergleich uiig der magail bischen, Devanagari und Pali-Schrill.
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2. Jahrh.
nach Chr.
5. Jahrh.
nach Chr.
Devana-
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Wir sehen in diesen Inschriften immer mehr das Streben nach einer
Verbindung der Zeichen entgegentreten, welches wir in den folgenden Schriften
gleichfalls vorfinden; es scheint diese Verbindung darauf zu beruhen, den
inhärirenden Vokal a auszudrücken, denn wir fmden im magadhischen >r ä
■f kä «f tM die ersten Spuren dieser Verbindung, und diese in dem Masse
wachsen, als J an Stelle des ä trat; doch fehlt diese Verbindung der Pali-
Schrift durchweg und wir müssen daher ihren Ursprung im nordwestlichen
Indien suchen.
Wir lassen hier, um den Übergang der magadhischen Schrift zu der
Devanagari zu illustriren, eine kleine Reihe von Inschriften des gleichen Textes
folgen, welche an Symbolen der buddhistischen Religion, den T§aityas,
gefunden wurden. ^^®
Afghanistan.
Ye dharmä hetu-prabhawä hetä iesa taihägaia
praha tesä tSa yo nirodha ewä tvädi MaM Sraniam.
ig^
Altinilische Inschriiten. 463
• Tirhut.
IV dharmma hetu prahhaivä tem hetü luihCujaia
(u)vätia tei^l t^a yo nirodha ewä irddi Maha Samanah.
Sarnäth bei Benares.
Ve dharma hefu-pvobhairä hetü tesu iathägato
hyairadat t(i<fi tM i/o nirodha eica icadi Maha Samamh,
Shergatti.
Yt dharmmä heiu-prabhauä heiü ir.^u Iathägato
hijairadat tesu t.sa yo nirodha ewä irüdi Mahd Sra warnt,
Java.
Ye dharnui heta-j^robhawä hetü tetfä iathägato
hijairadat trsä t$a yo nirodha enä irädi Mahd i^ratnatia.
Devanagari.
Der l*b<»rtrang aus niagadhisch D dha zu Di*vanai;ari \| dha erklärt
sii'h durch bengalijjcli 5f ; die Veräiiderun};en der übrijion Zoirhen lassen sirli
leirhl aus der vorsiehenden Zusaninien>U'lUing dor nia^Mtllii^chcn Alphabete
erkennen.
4-64 Nevari.
Der Text lautet in deutscher Übersetzung:
»Alle Dinge gehen aus einer Ursache hervor, diese Ursache ist erklärt
durch Tathagata;
, Alle Dinge werden aufhören zu bestehen, das ist was erklärt worden
ist von Maha Sramana (Buddha).*^
Dieser Spruch wird von frommen Indern ebenso oft citirt, als das
Vaterunser von Christen gebetet wird.
6. Nepal.
In Nepal, wohin sich der Buddhismus vor den Verfolgungen der Brah-
manen im 5. Jahrhundert nach Christo gefluchtet hatte und wo derselbe sich
in Vorderindien allein bis jetzt erhalten hat, werden die Bücher in vier Schrift-
arten geschrieben: 1. in der Nevari, welche fast ganz mit der Devanagari
übereinstimmt, 2. in der Kayti-Nagari, 3. in der Rand2a und 4. in der Bandiin-
Mola. Die drei ersteren Schriften, welche sich nur unwesentlich in der Form
unterscheiden, z. B. l\'^^d£ha, haben oben den die Zeilenlinie darstellen-
den, verbindenden Strich; die Bandi^in-Mola dagegen statt dessen einen
gebogenen, z. B. O] ka. Wir lassen hier das Vaterunser in Nevari folgen.
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c??Mt nft mm^i ^T%nf sit^Fn c?Tra^ i^t^ ^rm
Transscription und Übersetzung.
He saragmä rahnehet'U hämrä häbu, tero näm patvitra howas, iero ftidz
0 Himmel in weilender unser Vater, dein Name heilig sei, dein Reich
awas tero khätirmäphik saragmä d£a$tä tastä logmä gari dzawas,
komme dein Wille Himmel in wie so Erde auf gethan werde
hämiläl hatSna läyek k1u>räk ädz hämiläi deuni, äwar hamehemki riii
unser Leben nölhige Nahrung heute uns gieb, und unsere Schuld
Sikh. 465
hameherülül maph gar dzasto liumi üphnä karadzdärläi maph
uns Verzeihung mache, wie wir eigenen Schuldnern Verzeihung
yardatShau, ätcar pankSämä JuxmüäJ na lyau, tara buräidekhi Wtodawa,
machen sind und Versuchung in uns nicht führe, sondern Übel von erlöse,
kyähä rad£ ätcar paräkram äwar mälmtma stidä tamro tsa. Amin,
denn Reich und Macht und Herrlichkeit stets euer ist. Amen.
Auch hier sind noch viele Buchstaben, Gonsonanten wie Vokale, neben-
einander gestellt, welche in der Devanagari unmittelbar verbunden sind.
7. Sikh.
Die Sikh wohnen im Fünfstromlande (Pendiab), wo in jüngerer Zeit
tler Mohammedanismus die arabische Schrift eingeführt hat, doch hat sich
die alte Schrift noch im Gebrauch erhalten, von deren Ductus wir das
folgende Vaterunser als Probe geben:
Transscription und Übersetzung.
He surgmat rahnvtcäle liamäre pitü terä nüm pauitr howe, ierä rädz
0 Himmel in weilender unser Vater, dein Name heilig sei, dein Reich
ütce, terä usf dzisparkär surgtnai tisprcücär prithnvitif kitii dzane,
komme dein Wille welche Weise Himmel in diese Weise Ertie auf gellian gehe,
asäde dzitcaidnik khünä amddttui adhi dm hu, afr dzisprah'ir asi
unsere Leben nöthige Nahrung uns heute gieb, und welche Weise wir
«i/wiya kanizäiyäko niaf karUhä taisr amüdetdi maf karu,
eigenen Schuldnern Vergebung machend sind, so uns Verzeihung mache
aU asänü pankhayäiciti präpat mat karhu horki anmnü bunte tshmlnu,
und uns Versuchung in gelangen nicht mache, sondern uns ('bei von erlöse,
kiuke rädz ate paräkram ate mahnt am nahh knhcit^ tau hl, Amin.
denn Reich und Macht und Herrlichkeit jede Zeit in dein allein. An.m.
Faulraann. Gevchichte d. ächriH. '^\\
466 Marathi.
Auch in dieser Schrift ist die verbindende Linie bereits durchgeführt,
dagegen nicht die Consonantenverbindung; Devanagari 9 ha ist hier ? tca,
dagegen TT ha. Auch sonst haben die Zeichen manche EigenthumHchkeiten.
8. Marathi.
Die Marathen sind brahmanischer Religion, haben einen Theil des
Dekan erobert und sind die einzigen Bewohner dieses Theiles im nördhchen
Indien, welche si6h der Sanskritsprache bedienen; ihre Schrift (Moä) ist mit
der vorigen verwandt, zeigt aber eine cursivere Form und lehnt sich mehr
an die Devanagari an. Wir geben als Schriftprobe das Vaterunser:
^TsOT ^WT Tr37fr*7n3r <3jTr? ^^s[ ^mT ^Ä^ I <ir?53TCr u-Oily/1
^Tufl'^jrRq TitrT ^5r^ Titrr ttt^jt! €m^ i csjtch ii
Transscription und Übersetzung.
He amtse swargastha pitä tumt$a näw pauntramänya hotco,
0 unser himmelweilender Vater, dein Name heiliggehalten werde,
turnte radzya prak(da howo dzasa swargl tasa prthtunt tumtäi isdha krttfä
dein Reich offenbar werde, wie Himmel in so Erde auf dein Wille gethan
keli dzawo, adz amt§a nltya hhakäya amhas dyä ani dzasa amhi amtse
seiend gehe, heute unser tägUches Brod gieb, und wie wir unseren
udharakas rn kmmä karkto tasa amtna rn k^ama karä ätnhäs parikSet
Schuldnern Schuld verzeihen, so unsere Schuld verzeihe und Versuchung
gheu nakä parantu amhäs apadäplian uddhär karä käki sadä sarwa-
in führe nicht sondern uns übel von Erlösung mache denn stets immer-
kkitn rädsya tathä saktt tathä gaurawa turnte, Armn,
während Reich und Macht und Herrhchkeit dein. Amen.
Li dieser Schrift tritt schon die unmittelbare Verbindung schärfer hervor,
wie in '^ dzya "?53 ha 'tT nta, dagegen ist die Verschmelzung mit langem a
wie in ^ Ära "W kä ^ wa ^ wä eine noch viel innigere als in der Devanagari.
Indische Schriften. 467
9. K'aSmir.
Das Land Kaämir hat sich von jeher in Selbständigkeit erhalten und
spielte schon in der alten Geschichte Indiens eine grosse Rolle ; die Schrift ist
der Dcvanagari ähnlich, hat aber ebenfalls ihre Eigenheiten, so namentlich,
dass das Virania, welches das Fehlen eines Vokales anzeigt und in der
Marathi als ein Strich ^ unter dem Buchstaben bezeichnet wird, hier als
\ hinter den Zeichen steht; die unmittelbare Verbindung ist genau durch-
geführt. Wir geben als Schriftprobe das Vaterunser:
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fS^ ^I=T^ ftlfij^ I VJ^T^ UnR>1^ FWJN^ VpT^\ WH^
^P^ fasnr?^ i ft^ mvi ^^ 'to vj^ ^fU\ ftr^ ^^
TOT TfTM^ f56^ Vi'^:^ ^^^ ^^^^\ Vf^ I ^f>l=T^ II
Transscription und Übersetzung.
He swargasmddz rediaicane säne mfile thjänu naiv snisu sampanin
0 Himmel in weilender unser Vater, dein Namo geheiligt werde,
tifßäHU räd^y yufin tSyüPiu khatirkhäh swargasmädz yithu bhawasanuiptifldi
dein Reich komme dein Herz wünsch Himmel in wie vergängliche Welt
tithu karan yiyin sanis diatcanas läyakh khuräk ad£ ai>me diyiWt hhiya
auf so gethan gehe, unser Leben nöthige Nahrung heute uns pieb und
sanu karz asme mäf knriw yithu asi paminyan karzdäran m'if
unsere Schuld uns Verzeihung mache, wie wir eigenen Schuldnern Verzeihung
karan Wtyih hhiya azmäyisimddz asme ma hyayiw h'kin yntshyarani^
machend sind und Versuchung in uns nicht führe, sondern (bei von
mukalätcitaw kyähdiiki rädzy hhiya pratäp hhiya nuihütm tsuhay tuhanthty
erlöse denn Reich und Macht und Herrlichkt'it >lets euer ist
päthe, Amin.
allein. Amen.
10. Dcvanagari.
Die Devanagari (genau di-uänfiyart) oder die Schrift <ler G«»iter-»tadt
^Benare> oder Varanasi) ist nicht wie die vt)rlgen die Schrift eines bestimmten
:io'
468
Dcvanagari.
Landes oder Volkes, sondern die allgemeine heilige Schrift der Sanskritbücher,
welche auf der Priesterschule zu Benares ihre Ausbildung gefunden hat, indem
ein bestimmter Schriftductus vorgezogen und dieser mit allen Eigen thümlich-
keiten der , verschiedenen Dialecte bereichert wurde.
Die Reihenfolge der Consonanten soll nicht immer die jetzt gebräuch-
liche gewesen sein, man schreibt dem Grammatiker Panini folgende
Ordnung zu:
^ ?^^i^ ^iTT #1^ ^1^ ^ ^ ^^|5I JT^J
u r l e 0 äi au ha ya tca ra la tla ma na
dzha hha yha dha dha dza ha ga da da kha plia tSha tha tha
tki ta ta ka pa sa äi sa ha.
Gegenwärtig besteht die Schrift aus 14 Vokalen in folgenderReihenfolge:
a
na
na
aäiluürrlleaio au
• • • •
Dann folgen 4 Gutturallaute nebst ii, 4 Palatallaute nebst fi, 4 Gerebrallaute
nebst n, 4 Dentallaute nebst v, 4 Labiallaute nebst m, dann die Zischlaute
und h. Wir verweisen bezüglich derselben auf die oben (Seite 460) gegebene
Zusammenstellung.
Die obigen Vokalzeichen stehen nur am Anfange der Wörter, sie
spielten daher ursprünglich eine ähnliche Rolle wie K m in der hebräischen
Sprache, man glaubte wahrscheinlich einen Vokal nicht ohne consonantische
Beimischung am Anfang der Wörter aussprechen zu können; nach den Con-
sonanten bediente man sich besonderer Vokalzeichen und schrieb dieselben,
wie die Juden, über oder unter die Consonanten, mit Ausnahme des J zwischen
den Consonanten. Kann man aus ähnlichen Erscheinungen auf ähnliche
Ursachen schlicssen, so waren auch die ältesten Bücher der Brahmanen
vokallos, wie die Mutterschrift, und die Einführung der Vokalzeichen dürfte
dem Buddhismus zuzuschreiben sein, umsomehr als im buddhistischen
Alphabete die Vokalzeichen besonders unter der Einleitung »Ehre sei Buddha*
aufgeführt werden. War diess der Fall, dann würde sich auch die W^ichligkeit
erklären, welche die Brahmanen dem Auswendiglernen der heihgen Schriften
beilegten, und dann wäre die Einführung besonderer Vokalzeichen dem
Devanagari. 4r69
Verfahren der Juden ähnlich, welche mit dem Einzeichnen der Vokale »Hecken
um das Gesetz* machten, um die alte Aussprache zu bewahren, während die
Heiligkeit des consonan tischen Textes verbot, die Vokale zwischen die Con-
sonanten zu schreiben. Gleiches war bei den Arabern der Fall ; verschieden
davon ist jedoch die Vokalbezeichnung in der Pali- Sprache, von welcher
wir später sprechen werden.
Die Vokale wurden im Sanskrit in folgender Weise bezeichnet: a galt
als dem Consonanten inhärent ; wir haben bereits oben die Vermuthung aus-
gesprochen, dass die Verbindung der Zeichen das a ausdrückte; hieraus ent-
stand die Folge, dass, wenn mehrere Consonanten aufeinanderfolgten, dieselben
unmittelbar verbunden werden mussten, entweder durch Vorsetzen, wie ^ na
und ff ta zu rff nta wurde, oder durch Untersetzen, wie ^ da und TJ^a zu ^
dga, J^ma undrf na zu8 mifa^ ka zu^ kka wurde; ä wurde durch den Stab
T nach dem Consonanten ausgedrückt, t durch f vor dem Consonanten, i
durch I nach dem Consonanten, u durch nd und ü durch ^^^ unter dem
Consonanten (wir finden dem entsprechend Sindh O i @ m als Anlaute); r
wurde durch ^, unter dem Consonanten, als r vor Consonanten über demselben
ausgedrückt, z. B. ^ rka ^kr; f ist die Verdopplung des einfachen o in ^
unter dem Consonanten; / ist rr^, l h^ unter dem Consonanten (ofTenbar ^,
e ist *^ über dem Consonanleti, ai die Verdopplung desselben ^; in Ver-
bindung mit dem Stabe J geben diese | o und ^ au und stehen nach dem
Consonanten (e und i scheinen ursprünglirh identisch gewesen zu seui),
ausserdem bedeutet * über den Consonanten der Nasal (Anusvära), verstäi'kt
^ (Anunäsika), endlich werden drei Arten von Hauchen gebraucht ! Ä -f ^
und y /, gewöhnlich wird nur der erste angewendet. Kndet das Wort mit
einem Consonanten, so wird -^ (Viränia , Pause**) gesetzt.
Tafel X enthält die Abbildung eines Devana<rari-Manusrripts, dessen
Text ich hier in Typen nebst der Übersetzung, welche ich der Freundlirhkfit
des Professors Dr. Fri?drich Müller verdanke, folgen lasse:
ww f^^^ Wff^^nm II H*?: Wi
470 Erklärung der Tafel X.
(Im Texte steht ^ statt des in diesen Typen gebräuchlichen ^JJ)
Transscription.
0 Hämo näräijanäya , o yas parastnaranamätre
na dzanmasäsär abatidhanät . vimutäyate nama
s tastnai icihiawe prabhaici^mwe . namah sama
stabhütänäm ädibhütäya hhubhrtte . aneka
nlparüpäyo uiänatce prabham^nawe . vaUä.
Übersetzung.
,OmI Verehrung dem Narayana! welcher durch das blosse Denken
über das Höchste aus der Fessel des Kreislaufes der Geburt erlöst wird!
Verehrung jenem Wi§nu, dem Mächtigen! Verehrung dem aller Wesen Erster
Gewordenen, dem Weltträger, dem in mannigfachen Formen Auftretenden 1
Wi§nu. •*
(Om ist ein heiliger Ausruf der Inder.)
11. Bengalisch.
Die bengalische oder Gaura-Sprache steht dem Sanskrit in Bezug auf
Reinheit am nächsten, sie wird gegenwärtig an den hohen Schulen Indiens
gelehrt und in wissenschaftlichen Werken angewendet. Die Schrift lehnt sich
an die Nepalische und besonders an die Band2in-Mola an. Eigenthümlich ist
ihre Vokalbezeichnung, welche sich mehr an die Pali als an die Devanagari
anlehnt. Das Charakteristische derselben ist, dass der Vokal e nicht als
Häkchen über den Consonanten, sondern als Strich vor denselben gestellt
wird, z. B. Devanagari ^ ke, bengalisch C^ ke^ Pali GOO ke; ebenso werden
0 und au um den Consonanten gestellt, daher C^ ^'o, GH ^^' ^^^ ^^^
Consonanten sind manche noch nicht oben geschlossen: JU kka n ga "Q na
^ na vi tha ^ pa '^ ^a, und wir erinneni daran, dass wir oben (Seite 463)
den Übergang von magadhisch Q zur Devanagari \^ dha an dem bengalischen
^ dha illustrirt haben. Alles diess spricht dafür, dass die bengalische Schrift
keineswegs aus der Devanagari abgeleitet, sondern älter als diese ist. Das
Vaterunser hat in dieser Schrift folgende Gestalt:
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Bengalisch. 4r7 1
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3rtnmi
Transscription und Übersetzung.
//(p ämärder swargastha pitä iomär näm pabitra mänya luiük,
0 unser himmelweilender Vater, dein Name heilig gehalten sei,
tomär rädztja prukäsa haük, yeinan swarge temana prithih'ite tomär iMha
dein Reich kommend sei, wie Hinmiel in so Erde auf dein Wille
kriga karä gäuka, adga ämärder nitga hhakSya äniärdigke deo, ebä
gethan gemacht werde, heute unsere tägliche Nahrung uns gieb, und
gtmat ämrä ämärder fndhärirdigke ^ mäf kari se-i mat ämärder
wie wir unseren Schuldnern Verzeihung machend sind auch unserer
rn maf kar ebä ämärdigke parikSäga laoyäio na
Schuld Verzeihung mache so, uns Versuchung in führen gehe nicht,
kiniu ämärdigke äpad-haite paritran kara kenanä sadä sarwatäakmne
sondern uns Uebel von Erlösung mache, denn stets immerwährend
rädcgti 0 sakti o gaurab tomär. Amen,
Reich und Herrschaft und Herrlichkeit dein. Amen.
12. Orissisch.
Die orissische Schrift ist eine cursivere Form der bengalischen, die
Ouerstriche der letztem haben sich hier in Bogen verwandelt, und so ist
eine äusserlich sehr verschiedene Form entstunden, während im Grunde die
Zeichen doch ziemlich dieselben sind. Das Vaterunser lautet in dieser Sprache:
^'2 Orissisch.
©J|^ OS tJQlflfl G-S^ Gafl© fisiG^ G©fl& JeiQIG^ g^Q
Q% >9ai Qq ^\<3l I laT» '35^91190'^ 9©<l RQI tl^^^llftg ^I
<5i9 Geifl© tlG^I^IIGfl 'eilC|9t9Q'g> §öiy|0iq|9g QW QÖ G^^ ?l§
^^^qiflQ'^g ^öi igqi qq 'a^qiQg 90iaiG0 Ga§ 211(5 91 oSi
'35^9119^ '61195^0 ogi 90 §9191 ^£5^1 ^^^ölGO QS>1 <3 ^Tb» (3
Transscription und Übersetzung.
He ämhhamünankar stcaryastJia pitä tumbhar näm pawitr mänya
0 unser hinimelweilender Vater, euer Name heilig gehalten
Jieu, tünibhar radz äyatnan heu, yeuvada swargare tetfiada prthiblre iütnbhar
sei, euer Reich zukommen sei, wie Himmel in so Erde auf euer
iSta krlyä karä yau, adzi amhhamänankar fiitya hhäkSya äfnbhcunänaiikü
Wille thun gemacht gehe, heule unsere beständige Nahrung uns
diya püni yeniata ambhemüne ämbhamänahkar rindMrlmanankü k$ama
gieb, und wie wir unseren Schuldnern Verzeihung
kari sehi matt änibhamänankar nn kSama kar ätnbhamänankü
machend sind, so unserer Schuld Verzeihung mache, uns
parlkSare ylieni yäü nä püni ämbhatnänankü üpadar rak^ä
Versuchung führen gehe nicht, sondern uns Cbel von Erlösung
kar kipänä sadä sarwaksanare rädzya o Saki'i o gaurab tünibhar.
mache, denn stets jeden Augenbli«^k Reich und Macht und HerrUchkeit euer.
Amen.
Amen.
13. Xerbadda.
Die Schrift, welche in Inschriften an den Flüssen Nerbadda und Kislna
gefunden wurde, ist die Mutter der jetzigen telingischen und kamatischen
Schrift. Die Zeichen sind dieselben, nur ist in den Nerbadda-Schriften an den
meisten Buchstaben ein Quadrat, in den Kistna-Schriften eine Doppelausbiegung,
in der telingischen Schrift ein Haken vorhanden. Man vergleiche:
Nerbadda. 4r73
Nerbaddaf .|AaiJSS:SäQ^aJäaJA
Kistna jai i>S Ol dr%C$SÖ^£ldfcD^
Telinga i V fC S €Suktfr^^'iSii>(sCK
A'o A'/ki ga gha tsa dia ta tha dha na pa ma ya äa
Die Grundzeichen sind die Formen der magadhischen Schrift zur Zeit
der Gupta-ETynastie:
Wir geben als Probe den oben (Seite 463) citirten buddhistischen
Spruch :
Transscription.
IV dhamiiui hetu iwahhatca teSä hetu Tathägato
suratiki te$d Ua ijo nirodha twä teadi MaJia Sanianah.
f bersetzung siehe Seite 46i.
14. Telinjrisch.
o
Nachdem wir über die Entstehung der Telinga- oder Telugu-Schrift
bereits oben gesprochen haben, könnten wir über dieselbe ganz hinweg-
gehen, wenn nicht manche Eigenthümlichkciten zu einer Besprechung her-
ausforderten. Wir finden nämlich in dieser Schrift ähnliche Laute durch
Striche unterschieden, welche die Erweiterung eines ursprünglich geringern
Alphabets in ein der Sanskritsprache entsprechendes erkennen lassen. Da
nun offenbar die Telinga-Schrift eine cursive Form der alten Gupta-Inschriften
Ist, so folgt daraus, dass zur Zeit, wo diese Schrift auf die Telinga-Sprache
angewendet wurde, die ursprüngliche Erweiterung des Alphabets noch
bekannt war. Wir signalisiren als solche Erweiterungen :
Telinga «6ocCö->yt30ö^^^2:i ?;^
Magadha LXdd>i'6>DbbD r^
gha ga ^-f« tslia da d}\a da dha jhi pha ha hha.
Unter den Vokalen entspricht ^ i dem Sindh O / , Ä 7 dem Multan
6 1. Die Vokalzeichen werden mit den Consonanten verbunden.
4f74 Teliiigisch.
Das Vaterunser lautet:
5P»Q» "^&;<E5ßoaS Ö-Äi «ö^QöSo ^o^ X ^Qögy ^siioS^ ^SHä?aß>
<;$»söo3SoaSÄ. SoflüS^^C^ i s^^^s^ ti^^^^ ©s^e^^f ?;^(äüiß^ -ö^^
Transscription und Übersetzung.
TTäya swarganiddu witui mäijokha tädrij niyokha nämamu pawiiratnu
Sei Himmel in du unser Vater, dein Name heilig
täeyyapadieni^ niyokha rädhfamuräni, niyokha iäpamu ydäguna swargamado
seif dein Reich komme, dein Wille so Himmel in
äläguna bhümiyädunna Ueyyapadzefii, mäyokha dziwanänaku arhamain
wie Erde auf geschehe, unser täglich seiendes
hhakSyamanu twela mäkoraku • iyya, ydäguna memu mäyokha rüngrastalanu
Brod heute uns gieb, wie wir unseren Schuldnern
k^ama Uestu unnämo äläguna mäyokha runamanu mammanukurtäi kSama-
Verzeihung machen, du auch unsere Schulden uns Verzeihung
tSeyya, mammami parikäayädu tisnkotoaddunna yemäfe mammanu täeddzctta^
mache, uns Versuchung in sein lasse nicht, sondern uns Sünden
namunutsi wiiit^epettu, yetakäranamutvallanu radzyamu paräkramamu mahät-
von erlöse, denn dein ist das Reich, die Macht und
myämunna säravadä niyokhyyeive. Amin,
die Herrhchkeit immerwährend stets. Amen.
Die gekritzelte Form dieser Schrift hat ihren Charakter durch den
Gebrauch der Palmenblätter zum Schreiben erhalten.
15. Karnatisch.
Die Schrift des benachbarten Landes Karnätä oder Kamara ist fast
ganz identisch mit der vorigen, wie folgendes Vaterunser beweist:
ooüe?« -^^K^ei^o? öSs^ ^^ öo^So» ^Äi-^oS Sö^^g ÖT»$r&s^Ä. ötC© \
^Ä. CPö^cJ ao5;^cr72 ^Td^x t^^Tf -^^KEsJe?« I5*7f it??v.söÄ03Soo ^fJTf SJ'&syfi^
Karnalisch. 475
16. Tamulisch.
Tamulisch oder Tamilisch ist die Sprache der Tamilen, eines drawidi-
schen Volksstammes. Die drawidischen Volksstämme scheinen einst ganz
Indien beherrscht zu haben und von den arischen Eroberem an die südliche
Küste gedrängt worden zu sein. Die Schrift ist eine eigene und in ihrer
Structur sowohl von der Devanagari wie von der Pali ganz verschieden. Sie
besitzt drei Lautclassen: 6 explosive Zeichen k t^ t t p tr; 6 Nasale n n ^
fi fi m und 6 Halbvokale y r f II w. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es
mehrere dieser drawidischen Laute sind, welche in die Sprache der Arier
nach ihrer Vermischung mit den eingebornen Indern aufgenommen wurden ;
ebenso können auch eher die alten Zeichen der drawidischen Völker in die
neueren Schriften eingedrungen sein als umgekehrt. Wenn z. B. dem Sindh
n) a das magadhische M a gegenübersteht und in der gud2aratischen Schrift
jjX auftritt, so liefert zu letzteren tamulisch 2^ a die Grundlage. Wenn neben
Sindh O t und Magadha *.* in der Devanagari 7 t auftritt, so liefert tamulisch
C? t die Grundlage, welches in der Sindh-Schrift als © w vorkommt. Das^ i
der Gupta-Inschrift fmdet im tamulischen wr. i sein Vorbild, Gupta L im tamu-
Hschen 2L. w. Devanagari ^ ka, gegenüber magadhisch + lehnt sich an
tamulisch üy ka, welches mit Multan «l verwandt ist, entgegen dem sindhisclien
i ka, welches persischen Ursprungs ist. Tamulisch e= tia ist verwandt mit
magadhisch d täa, l-. ta aber könnte höchstens dem magadhisch ( ^ an-
gereiht werden; tamuhsch u entspricht wohl magadhisch 0 pa, Gupla-
InschriA 1], aber nicht Sindh ^ , Devanagari J^pa; tamulisch ^ ra lehnt sich,
wenn r kein wesentlicher Theil des Zeichens ist, an magadhisch l ra;
tamulisch lo ma hat keine Analogie, es müsste denn dem Gupta 13 pha ent-
sprechen ; tamulisch tu entspricht dem magadhischen X ya, aber nicht Sindh
^, woraus Devanagari ]| ya entstand; tamulisch cm la entspricht maga-
dhisch -0 la, aber nicht Sindh !2 la; tamulisch £-i wa ist £- u. Auch die
tamulischen ZifTern (Seite 453) haben einen ganz eigenen Charakter. Die
Vokale werden in einer Weise geschrieben, welche sich an die Weise der
Pah-SchriAen, aber nicht an die Devanagari anlehnt, nämlich:
4:76 Tamulisch.
d> asT S> Ä ^ Ovx. Oa> Qds gs>^ Qssrr Gasrr Qscvr
A'a A:ä At' A'I ku kü ke ke kai ko kö kau
Auffallend ist die Gleichheit von n- ä und ^ ra, 0© ai und ^ «ä.
Es durfte hieraus hervorgehen, dass die tamulische Schrift die Schrift
der alten Inder vor dem Einbruch der Arier war und von allfen indischen
Schriften ihren alten Charakter am treuesten erhalten hat. Das Vaterunser
lautet in dieser Sprache:
L-LLryLLyG6^LM!STT;QyujujLJLj(Bia-j<^rrRai3OT"rP(Sgr^
LDfirr6rf)R^uDrTGL-.rTGQ) q-n^.asor ^'^öSTR&rr griTTiRgp^^ LDiarrosRiu^
q-fTK^TT ^G^rr^^rra,^ LJuCrfpGÄ-i^S^LJLJöSsr^öW) G^ll|ld iyjgGQ)T
65öri_rTLi5*Q3s^_^ ^GlCStt :
Transscription und Übersetzung.
ParamantalaitkaUUtnikkirä enkal pitäwe ummutaiija nätnam pärlt^Uta-
Himmel in weilender unser Vater dein Name rein
mCncatüka ummutaiya räUiyam tvarutcatäka nmmutaiya t^ttam
werden möge dein Reich zukommen möge dein Wille
paratnantdlattale tseyyappatumüpale pumüyileyulu t^eyyappatuwaiüka anränhuUa
Himmel in thun leiden wie Erde auf thun leiden möge tägliches
enkalappattai enkalukkihhii tärum enkalu kafahkärärukku nankal mahnikkum
unser Brod uns heute gieb unseren Schuldnern wir vergeben
äppöle etikal kafahkalai enkalukku mahhiyum ehkalai katsotilaikku pplrmce-
wie unsere Schulden uns vergieb uns Versuchung in nicht
tsikkappannä ieyum ähcdo timnaiyainikki enkalai iraftsittukköüum atenehräl
führen gieb sondern Übel von uns erlöse denn
7'ättöiyamum pelahum makihätnayum umakke iiaronraikkumuntäyirukkutn,
Reich und Macht und Herrlichkeit und dein immerfort ist.
[ Anten.
Amen.
Malabarisch. 4r77
Wie man sieht, sind in dieser Schrift die Doppelconsonanten, welche
in Pali-Schriflen durch zwei Zeichen ausgedrückt wurden, von denen das
zweite unter dem ersten steht, noch nebeneinander gestellt ; ferner sind
Wörter mit anlautendem Vokal zum vorhergehenden gezogen, somit eine
endlose Aneinanderreihung der W^örter vorhanden, woraus sich auch das
Fehlen der Unterscheidungszeichen erklärt.
17. Malabarisch.
Die Malabaren gehören wie die Tamilen, Telinga und Karnata zu den
drawidischen Völkern, doch haben sie viele Wörter aus dem Sanskrit auf-
genommen, und ihre Schrift, welche von den Palmenblättern Ojrantham) , auf
denen sie geschrieben wurde, den Namen Granthara erhalten hat, ist aus den
nördlichen Schriften gebildet. Ursprünglich waren Schrift und Sprache die
der Buddhisten und Brahmanen, und die Zeichen haben grosse Ähnlichkeit
mit denen der Inschriften der Gupta-Dynastie. Man vergleiche : .
Gupta >|QJ^LJ-oinUJ^dbEJOr^
Grantham C5^^oÖo^d9> 6U OO'i^J üJäP 8« S O ^^
a i 1 u ka k'ha ga yha Ua tsha lUa fa (ha da
Gupta 6hilIl3XcLaJ
Grantham ^^ fü) ß> o.) oD (0 ca> aA
ijita ta da jmi })ha ma ya la
Dagegen stimmen die Nasale mehr mit der benachbarten tamulischen
S<hrifl überein
Grantham C^ na ö^ tia G<^ na CO na
Tamuhsch iS "« osr na gst na ^ mi
Die Schrift ist reich an Ligaturen z. B. gj gr c/3 gda C/D gna (C/) gra
^ t^t.^i ^%t //i</i« (ö^ ita fiJ Ijja u. s. w. Diese Ligaturen bilden den Über-
gang von der Structur der tamulischen Schrift, in welcher die Zeichen an-
einander gereiht wurden, zu der der Devanagari und Pali, in denen die
Zeichen untereinander geschrieben werden; den buddhistischen Schriften
eiitjipricht die Vorsetzung des e z. B. e<^ he die Umklammerung des o in
6«ddO ko und die Untersetzung von r und y in (^ kra ^ d^yu» Das Vater-
unser in dieser Schrift ist Folgendes:
4-78 Malabarisch.
Äl00o(a-^(Ty)1cm^ (S*öaJo gern 6^0S»36od9tf) an©(05^no8H2 « 6V3)a5»9aQS
6^g®3ÄQS ce>OOöS»36i^ 6^S806^g3§o <eä:^Ql6yd9®6tn06H2 < 6<r5)€5>9o)J
aJfSldöa^QOTl^ajdö« (S*öd6>®Q-J§«r^D6)a5) 6i^€B>36yÄ 6^ft3.TÖCi(ö>7nVYtcY5)cnr)
(OdöSildö^CSyo QiUaQgJ6VY)6^Q (DOSg.OJo C/3d&<öncXyo ßaOOD-Jajo o^aonOflBSio
Transscription und Obersetzung.
Naitdute swarggasthanäya pitäwe ninte namii pariSuddhamäkkappetename,
Unser Himmel weilender Vater, dein Name sein Leid,
ninte rädzyä icarename swarggattile pole bhümigilu ninte i^tä t^y-
dein Reich zukomme, Himmel in wie Erde auf auch, dein Wille Ihun
t/appefename. mnelka dindpratiyuüa appä inna naneJka tarename, tianduU
Leid, unser täglich seiendes Brod heute uns gebe, unsere
nere kattä t^eygunnawarofu tiaiiel kö^mikunnatupole nanelute katfannak
eigenen Schulden machen wir verzeihen, wie unseren Schuldnern
fianeloiü käamikename, naneU parJksayiUka akappetuttäte flaneU dasattinnina
uns auch verzeihe, uns Versuchung in sein lasse nicht, uns Sünden von
raksikayu tseggenatne rädzgawu saktigu mdiiatyawü ennekku ninakuUata^
erlöse uns, denn Reich und Macht und Herrlichkeit dein immerwährend
äkunnata, Amen,
ist. Amen.
18. Singalesisch.
Die Schrift auf der Insel Ceylon (indisch Sinhala , Löwenreich*) ist mit
der vorigen eng verwandt, nur sind die Striche noch zierlicher und gekünstel-
ter. cT a ist magadhisch H, % i Gupta Q i, <Sf Gupta } und Multan 6 t,
welches im Singalesischen r ist, C w ist Gupta L w; 2Si ka lasst sich nur
dadurch erklären, dass malabarisch dö> ohne Absetzen geschrieben wurde,
© kJia entspricht malabarisch QJ kha, ebenso ca ga dem malabarischen CO
ga; ßS gha lehnt sich an Gupta UJ gha, © na an telingisch ö na, 9 i^ ent-
spricht dem malabarischen nJ tm u. s. w. Ceylon war lange Zeit ein Haupt-
sitz der Buddhisten, nachdem schon im 5. Jahrhundert Buddha ghosa, ein
BrahmaneausMagadha nach Ceylon gekommen war und hier den magadhischen
SingalesL<?cli. 479
Dialect eingeführt hatte, welchem die südlichen Völker den Namen Pali
gaben. Eigenthümlich ist der singalesischen Schrift das Virama in der Gestalt
'. welches aber nicht unter, sondern über die Zeichen gesetzt wird, denen
kein Vokal folgt, es steht auch bei ® — ^ ^ und in ® — 3 kö. Ligaturen sind
wenig vorhanden. Wir lassen hier eine Probe des Vaterunser-Textes folgen:
<3iT.Sh/«5«i C^cS®cö5®S)^ t§e)®öcS^ 23)(r^(3L®©OD c?(36 <;8e5ö^D
StÄ^c5^5^>c5 c*09 qpq ^ö5c3®L>3^0 ep®ü vric5c3)0(fb.2r>9 qp8
;s^3DSOenvr>D25sS)en <)p®ö er^ö^ qfo9 2®ö)d9 05eö)L>5^ö q?o
Transscription und Übersetzung.
Sirurgayvhi waedasiiina apage piyänanuahansa ohawaliamege nämaya
Himmel in weilender unser Vater erhabener Seiner Hoheit Name
sH^idhaiitco ohawahansege rädzyaya ewä ohawahanseye kämätta swarga
geheiligt sei, Seiner Hoheit Reich zukomme, Seiner Hoheit Wille Himrael-
yehime$i bhumiyehida karamdabtco, ape daivaspatä hhodzanaya apafa ada diwa-
in wie Erde auf so gethan sei unsere tägliche Nahrung uns heute geben
dnlanu'inatva ajfi naycücärayania api h^am'nvennäktthen ape nayat
geruhe, unseren Schuldnern wie vergeben wir wie unsere Schuld auch
ajnta k^amätoi wadäiamänawa apa parikmwiniata nopamunuwä napur&i apa
uns vergeben geruhe, uns Versuchung nicht führe, Übel von uns
galatcä wadälamänawa »Mknisäda rad£yayat paräkranmycU mahimatäwayat
erlösen geruhe, denn Reich und Macht und Herrlichkeit und
gadäkalhima t)botc(ihansegeinaya. Atneu,
immerfort Seiner Hoheit eigen. Amen.
19. Maledivisch.
Das Alphabet der Bewohner der Malediven (einer grossen Anzahl kleiner
Inseln vor der Küste von Malabar) habe ich schon Seite 41 gegeben und dort
auf die Verwandtschaft der Zeichen mit den arabischen Zahlzeichen aufmerk-
sam gemacht. Da dieses Volk jetzt mohammedanischen Glaubens ist und die
480 • Maledivisch.
arabische Schrift kennt, da Ferner Frinsep ausdrücklich versichert, dass die
Slalcdiren ihre heimischen Schriflzeichen den arabischen vorziehen, so taon
die Vermuthung, sie hätten sich aus den arabischen ZifTem eine Schrill
gemacht, unmöglich die richtige sein. Aus demselben Grunde ist auch nicht
anzunehmen, dass ihre Vokalzeicben von den Arabern entlehnt sind, obgleich
sie denselben vollkommen entsprechen, nämhch ' a "ä_i_,e'fi"ü
* vokallos, denn sie haben ausser diesen noch ' e " e " o -^ ö, während die
übrigen indischen Mohammedaner das Neskhi- Alphabet in anderer Weise
erweitert haben, nämlich in Nord-Indien \ a \ ä ^s'^ e\ i ^\ l Ji o \ u Ji ü ^^\ ai
j\ au, die Malayen auch nur a i ' u angenommen haben. Entspricht im
arabischen Alphabete I d dem und , und j w dem ' m, so entspricht auch
in der maledivischen Schrift I h dem ' a und Q tc dem ' u. Wir haben ferner
gesehen, dass das maledivische Alphabet aus 2x9 Zeichen besteht, ist " ö,
wie sehr wahrscheinlich, ein späteres Zeichen, so entsprachen den 2>;9
Consonanlen 9 Vokale wie in der Leptäa- Schrift, der das e fehlt. Es gehl
hieraus hervor, dass das Dunkel der indischen Vorzeit noch manches unge-
löste Räthsel birgt, hi Ermanglung eines grossem Textes mögen hier zwei
Wörter mit Vokalen folgen : ^ I 5? ^ ö-* tiigJiaidib (der Xame der Inseln)
und l^Öiy ^J /.alkallia (Kalkutta).
20. Tibet.
Die Tibeter haben eine einsilbige Sprache und ein Alphabet Ton 31
Zeichen, welches von den Indern entlehnt wurde; nach der Cberlieferung
wäre die indische Schrift im 7. Jahrhundert nach Christo von Tonmi-Sam-
bodba in Tibet eingeführt worden und damit stimmt auch eine Vergleichung
der Schrift überein. Stellen wir nämlich die Inschrift von Allahabad aus dem
5. Jahrhundert der tibetischen gegenüber, so ersieht sich eine aulTalJende
Cbereinstimiiiung.
.\llahabad
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Tibetische Orthographie. 48 1
Gleichwohl müssen die Tibeter früher eine eigene Schrift besessen
haben, vielleicht eine chinesische Wortschrift (wofür die Einsilbigkeit spricht),
der gegenüber die indische Buchstabenschrift allerdings eine Vereinfachung
war, aber eine Vereinfachung von zweifelhaftem Werthe, denn die tibetische
Sprache ist wie die chinesische reich an gleichlautenden Wörtern ver-
schiedenen Sinnes; z. B. na «ich', na .Tamburin', na „Rede", na «Magie*
U.S. w., welche in der Schrift gegenwärtig dadurch unterschieden werden, dass
den Consonanten stumme Zeichen beigegeben werden, wozu besonders
1 Uta ^ ba^ tna^ ia^ta und ^ a dienen. Nur religiöse Begeisterung konnte
die Einftihrung einer Schrift ermöglichen^ welche so unklar gegenüber der
Sprache war, und welche wegen der verwickelten orthographischen Regeln
über den Gebrauch der stummen Zeichen schliesslich doch nur eine Wort-
Schrift liefern konnte; denn anders können wir eine Schrift nicht nennen,
w^elche das oben angegebene Wort ita in folgender Weise schreibt R »ich*
2£, , Tamburin "^1 »Rede" ^^^ .Magie" und ^5 nicht tia auch nicht 6m,
sondern h (Haupt) zu lesen gebietet.
Besassen die Tibeter eine Erinnerung, dass ihre Schrift eine frühere
Wortschrift ersetzt hätte, so lässt sich auch begreifen, dass unter dem Mon-
golenkaiser Kubilaikhan, ein Tibeter BaSbah (nach chinesischer Aussprache
Passepa), auf den Gedanken kam, die chinesische Wortschrift durch eine
tibetische Buchstabenschrift zu ersetzen. Dem Kaiser gefiel diese Schrift, und
er befahl ihre Einftihrung im ganzen Reiche, doch erhielt sich dieselbe nur
bis zu seinem Tode, seine Nachfolger Hessen dieselbe fallen.
Wir geben S. 482 eine Inschrift in dieser Schrift mit nebenstehendem
chinesischen Texte, welche zu Sun-kian-fu im Jahre 1294 errichtet wurde.
Der Inhalt dieser Inschrift, deren Transscription wir der bequemern Ver-
gleichung halber auf S. 483 folgen lassen, ist wörtlich folgender:
«Heiliger Befehl des Kaisers, der durch die Gnade des höchsten Him-
mels regiert. Man benachrichtigt alle öffentlichen Beamten des Innern und
Äussern, dass die Lehre Khun-tseu's ein Gesetz sei, boslinimt, alle Geschlerh-
ler zu regieren. Diejenigen, welche an der Spitze der Staaten stehen, sind
besonders beauftragt, es öffentlich zu ehren: im Tempel des Waldes Khio-feü
zu San-tu, in der Hauptstadt des Reiches, in den Märkten und Hauptorten
der Länder, Bezirke und Ämter aller Provinzen. Daher ist befohlen^ ihm
Tempel, öffentliche Schulen und Universitäten zu erbauen."
FftOlfDann. (t«iirhiclito d. Srhrift. t»|
482
Tibetisch-chinesische Inschrift Kubilaikhan's.
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Ti.-»r tisch. 483
Transscripliö!;!:
itifi then 'giön min
'hoan di äih du yeu dzun yuei ba shi jaui U iht dhin Lhun t^i
da iao Suei Ken won si niao gue 'gya dc^ .<h dan i<un fun kheu
feu lim tneao sah du ia du dSeu lu ftt •! d^iO h u^n 'hi 'hin
^ meao hyo seu gu^n dzeao 'hi.
Diese Schrift unterscheidet sich Ton der tibetischen durch ihren quadra-
tischen Charakter, welche den Schriflzug San-fan-ta-t^wan (Tafel V, 3) nach-
ahmt und einerseits der koreanischen S'^hrift, andererseits dem Charakter
der Pali-Quadratschrifl entspricht.
Wir lassen nun als Probe tibetischer Srlirift Sprache und Orthographie
das Vaterunser folgen:
ne-nam-khgi gap nam-khei Ion tu zu-bei. khge-hhgi tzen iham-iM
Unser Vater Himmels welcher in sitzt Euer Name allen
ne scM'kge-bar khgur, khge-khyi gul-kftam ggom-bar-io. khge-khgi thu~do
von heilig sei- Euer Reirhe zukomme, euer Wille
tÜ^tar tuim-kha la U-tar dzik-ttn tu tsp-bir gyur, nin-re-zin He-nam-
so Himmel in so Erde auf gemacht sei. Heule unser
kkgi pa-ieb te^rin ne-tuim la-nan- bir Uo-ba tait. t^l-tar nfi-mm-khgi
Brod tägliches* uns g^»geb^in sei gemacht und sowie wir
ne-khgi pu^on-khen-la so-har-thje te-tar ite-nam-la he-khyi pu-lon s(hhar
unseren Schuldnern vergeben, so uns unsere Schulden Ter-
zthba tan. ite-nam-la khyitl-ba gyun-bei mi tan-bar, mi-ze ne^nam
gieb und uns Versuchunjr mar-hen nicht ausgesetzt sondern uns
S -"«i^^^'««r'a«»^s|i, -«sX '1=^ '31^ '«1^ '^ '"^^^
mi' U' ha le trol-bar-tao. U-tar yin-ba-yin.
Schlechten von befreie. So sei es.
484
Verschiedene Schriftarten in Tibet,
Von einem Buchstabiren kann hier natürlich noch weniger die Rede
sein als im Englischen, wird doch z. B. la für da gelesen! Dennoch reichte
dieses Alphabet für die Sanskrit- und Pali-Sprache nicht aus, es mussten
Zeichen für fa tha da na und für ^ durch Umdrehung der entsprechendea
tibetischen Zeichen geschaffen werden, und diese Zeichen dürften wohl Tonmi-
Sambodha zuzuschreiben sein, während aller Vermuthung nach das eigent-
liche tibetische Alphabet älter war.
Aus dieser Schrift wurden noch zwei andere Alphabete, Umin und
Khyugayi gebildet, welche cursiver sind und sich zu der Ut§en verhalten
wie unsere Schreibschrift zur Druckschrift.
Endlich werden auch noch die Randia und die mongolische Schrüt
gebraucht, so dass fünf verschiedene Alphabete in Verwendung sind. Wir
geben hier als Probe einige Zeichen.
Khyugayi Mongolisch ■ Lautwerth
sr
n,
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Si
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I
Wir geben zum Schlüsse noch eine religiöse Formel in Rand2a und
UtSen :
imflig^tt
i^V'wyuujj;^'^
d. h. J ma ni hat ine tSo tu 0 (das heilige Wort aller Inder) dient in Todes-
gefahr und Rückfällen im Reiche der guten Tänggri (Luftgeister) ; ma dient
zur Verhütung der Kriege und Sünden im Reiche der bösen assarischen
Tänggri, zu deren Erlösung und Überwindung ; n« hilft in allen Beschwerlich-
Entwicklung der Pali-Schrift.
485
keilen des menschlichen Jammerlebens; bat nützt zur Erlösung und Bewah-
rung vor der.Noth im Thierreiche und der thierischen Wiedergeburt; ttte
laugt wider den verzehrenden Hunger und Durst, täff endlich befreit aus der
heissen und kalten Hölle.
21. Pali-Birmanisch,
Die religiösen Bücher in Birma sind in drei Schriftarten geschrieben,
von denen eine schlank-quadratisch, die zweite dick und gerade, die dritte zier-
lich und rund ist. Auch hier war, wie in Tibet, der Buddhismus das religiöse
EUement der Schrift, doch fmden sich in Assam und Pegu noch Alphabete,
Gupta-
Inschrift
Tibet
Assam
Pegu
Pali
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^86 ErkJärung der Tafel X.
'welche nicht alle Laute der Pali-Sprache haben, bei denen also wieder die
Yermuthung nahe liegt, dass sie vor der Einführung des Buddhismus bestan-
den. Ausserdem weisen manche dieser Zeichen wie die der Pali nicht auf
das westliche Indien, von wo die Buddhisten nach Birma kamen, sondern
geradezu auf das nördliche Tibet hin. Man vergleiche die Tabelle S. 485.
Die Zeichen für a und ka können nur durch die tibetische Schrift
erklärt werden; Assam >\^ na entspricht der tibetischen Uminform für na,
Utäen f ; dieselbe Assam-Form entspricht Pegu na, so dass hier wieder der
schon öfter bemerkte Wechsel vorliegt. Eigenthümlich sind die t-Formen,
denn aus rS konnte nicht OQO und 00 werden, so wenig wie aus O S die
Form CX) ; war aber O das Auge, so sind CX) zwei Augen. Die m-Form J— J
schliesst sich an die älteste magadhische Form b, nicht aber an die jüngere
li an. Die Form Q ^a g^l^t auf die Sindh-Form >t zurück, welche sich an
die Sasanidenform anlehnt. Aus Gupta ^ konnte wohl Devanagari ^, aber
nicht Pali II entstehen, nur sinnverwandt lehnt es sich an y^ an.
Die Pali-Quadratschrift hat mit der Quadratschrifl Passepas nur den
viereckigen Charakter gemein, nicht die Form der Zeichen ; denn 2^ ga
(Passepa) und f^ ga (Pali) sind grundverschieden, selbst Passepa FPI la und
Pali L n /a. Alles deutet darauf hin, dass in diesen Ländern schon eice aus
18 Zeichen bestehende Schrift bestand, als der Buddhismus eingeführt wurde,
imd dass die Buddhisten dieses alte Alphabet vervollständigten, um ihrer
Pali-Sprache Eingang zu verschaffen.
Wir haben eine Probe der fetten quadratischen Pali-Schrift aus dem
Kammuwa oder heiligen Ceremonienbuche der Buddhisten auf Tafel X in
verkleinerter Form gegeben. Der Text lautet: ^^'
Namo tasa hhagavato arahaio sammäsam huddhasa. paphamd wpadzdzhd
gahäpeiahho upadzdzhd gähäpeitca patiai^tcarä atükkhitabbä. Äyanie pqtto,
äma bhante. Ayä (säghati, ämahhante).
Das heisst: , Zuerst ist der Befragung zu unterziehen der Candida!.
Nach geschehener Befragung ist er zu ermahnen, dass er eine Opferschale
imd ein Kleid nehme. (Der Lehrer spricht:) ist diese Opferschale dein? (Der
Candidat:) so, (meine) Herren! (Der Lehrer:) dieses Kleid? (Der Candida!:)
so, Herren!*
In Birma ist der quadratische Zug ganz verloren gegangen und schön
gerundeten Figuren gewichen.
Pali-Birmanisch . 487
Wir geben hier als Probe das Vaterunser in Pali- Sprache :
OOpC^ G^O OOOO OOO ^0600 üSgOOO GüOOOO 11 OOO
,000000 II OOOOO 006O OOOOO ÜgOOD 006OO0
) o o o o
[ÜOJOO 11 6^0 63^OO0ü00GjOQ. 6^0 63ÜO II WOTDOOOOO^
o P o o
GpO OOOOO 9O0O OOOOO 6^0 WOO 90 II 3^G0 üG[O0 oO G^CÄ
S^GQ 390?^o1 GOOGOCO OO Gj^QP üGjOOOO Q&OO Ooi]
OOGOO 390GOpOOO 11
Transscription und Übersetzung.
Saggafha nö piiä iawa nämö pawittö hötu. tawa radzdiam
Himmelweflender unser Vater dein Name geheiligt werde, dein Reich
ägatäWuUu. ycühä sagge iathä pafhatmyä tawetSt^ä kariyyatu. nö
zukomme, wie Himmel in so Erde auf dein Wille gethan werde, unsere
denikahäramadzdia nÖ dehi, inayikäni nö yathä khamäma iaihä nö
tägliche Nahrung heute uns gicb, Schulden unser wie wir verzeihen so unsere
ini khama. amhe parikkhä mä nehi amhe ädlfiowä mötMii ki
Schulden verzeihe uns Versuchung nicht führe uns Übel von befreie denn
rad^iofitSa parakkamafit^ nuMhimaAtSa sadä taweica, Amenäti,
Reich und Macht und HerrUchkeit und stets dein allein. Amen also.
Welchen Unterschied gegenüber dieser einfachen Sprache bietet das
Vaterunser im Gewände der birmanischen Sprache, welches wir hier folgen
lassen :
II 3^11 6nOo880o8oüS G^6005o6000O0) pG00C5b^3^Od
O^GOOCT 11 o8üSg00C539O^^0OG0OC5^ ^G00(QaS^8 00^
^6go II aS[o5Gooc5''^8dGooc5bo^oo^(c96Go n o^oSgoocT
S^cSj^GOOCf GnO088Oo8^ (99^?^^^^ OOOCG(5^83^GOr
(o^OOO^(26go1IOO)'^G005c^ G'^0^8 3^00aS^8GOOOO^
39O0839ü00G|0 OOG^ O0)^G005c^3^08 OOoSoOO'pEGOOCf
CXJI « O0)fG00C5b^O0^O0^ OppGOOCfo^ G@c(^Oo8
4-88 Birmanisch.
Oa)^G00C5<:^G(^8(^(^6G0003^(y6cd|Op8^OD^
COOCTqüI II O8Ori(p883^G|p008cO^ O0)^€00C5b8o8 QOOO
C^OoSgOOCTq^ OGO008g)O08oO^39^{39GP o8^ C/jSgCOÖ
c^o^ (y^2G^0(yScnoScnSzQ>coS(^^ ii 3^ooaSG(^o8^^
0^00008 O^CxS60OCr3908 39O^O0aSg8c€OOCf II 330(^00
OQ II Oa^GOOJg)H8600Cf@66000^00^ S^OGO^ II
Erklärung: 0 kaunh-kaen-waey m-täti'^iü'SaU'kyün'täU'tö-apha'
0 Himmel-in weilen-erhaben-welcher-Diener-erhaben-
kha-ini'täu. käy-täu-ami-näma^täu rö-se-^nrat-nöhhsJ'phriUtie. kötf-t^ttrnam-
Vater erhaben selbst-erhallen-Name Ehren-halten-senden selbst-erhaben-
nä-täu-tt'Sl-phrU'iSe. köy-täu-^d^täu kaunhrkaenrnhuk,
Reich-erhaben-richtel-sein-senden selbsl-erhaben-Wille-erhaben Himmel-in
pri^tSö-sakae-so pathawi-mre-krih-apäu pri'iSd-si'phfit'fSe
voUfuhrt-sein-voUenden-wie Erde-auf vollfiihrt-sein-voUenden-senden
kyun-täU'tö ne-taiti (isiiek^SaeMauk-atSäh-a'härä yck-tie kyUn-täu-
Diener-erhaben jeden-Tag Leben-genügende-Nahrung dieser-Tag Diener-
iö-äh kaey-ma-sanah-täu-mürpä, kyüfi'täU'tÖ-si'li kyUn-täu-tö krueiy-mfi^
erhaben helfen-gnädig-erhaben-Diener-erhaben-und Diener-erhaben Schulden-
taen-sau-lü t(^ah'Sü-tö'krüeh-mrl'taeii'Si--mfM kaey-kaenh^sakti^'SÖ-kyün'täu-tO'
machen-Menschen ihr-Beleidigung-zufögen vergeben-wir-Diener-erhaben-
krueh'mn-jjhrlt'SaU'ajmt'nar^'ae'myäh'm^ kaey-kaenthtau-mü^pä. tSüh-
Schuld-sein-welche-Sünder-auch helfen-nacblassen-erhaben Ver-
tsain'khraenh-arä-taeH'll kyUn-täu-tö-kö irui-yü'ina'iShaun'täi^mü'iiU ma-
suchung-Gelegenheit-in und-Diener-erhaben nicht-fuhren-erhaben-und nicht
kaiin-ma'sMi-sJ'atnJiu-ara iö-trüui kyUn-täti-td-kö küh-mratüc-kaey-kaenh-täU''
gut-nicht-geziemend-Dingen von Diener-erhaben befreien-erlösen-erhaben
mii'pa, asaey'h'aun-iüli-hü'mü'käli käy-täti^äh atSin'ma'PfaUnain^'iä-
welches-durch selbst-erhabenem Reiche-nicht-enden-Reicb
tau, atsum-satii. (jofC'kye'Zyah'tau-phr'it'tSe-sltl. Anwn,
erhaben Macht Herrlichkeit-erhaben-sein-senden.
Pali-Siamesisch. 489
Wir haben hier denselben, nur mit Schmeichehvörtcrn noch mehr
angefüllten Styl vrie bei dem singalesischen Vaterunser. Die Sprache ist an
sich einsilbig, es werden aber mehrere Wörter zu einem Ganzen vereint und
die Worte auf diese Weise mehrsilbig. Diese Sprache scheint ursprünglich
nicht mehr Laute besessen zu haben, als die Alphabete von Assam und Pegu
zeigen, aber ihre theils auf Vokale, theils auf Nasale, theils auf A ausgehenden
Silbenwörter enthalten die Grundlage der Structur, auf welcher die ganze
indische Schrift aufgebaut ist, deren Eigenthümlichkeiten, wie das inhärente a,
die Vokalzeichen nach Consonanten, die allen Lautgruppen entsprechenden
Nasale, sowie das Visarga ( : ) den westasiatischen Schriften und daher auch
den Arien fremd waren. Die Verschmelzung arischer und hinterindischer und
drawidischer Elemente dürfte, wie oben erwähnt, in Magadha erfolgt sein,
dem Geburtslande des 42-theiligen Alphabets.
22. Pali-Siamesisch.
Wie nach Birma, so wurde das Pali-AIphabet auch zur selben Zeit
von Buddhisten nach Siam gebracht, und merkwürdigerweise zeigt die ))ali*
siamesische Schrift eine grössere Verwandtschaft mit der malabarischen und
singalesischen als die birmanische. Den Übergang zeigt eine Inschrift zu
Keddah. welche die oben (Seite 463) citirte Formel in Pali-Schrifl enthält.
Transscriplion.
1> dhannma hetu-prabhanl te.^fl hvtu tathä'jfifä te
Te.sfl (Aa ifo nirodha eivd inldi imihä sramtnja,
Übersetzung wie auf Seile iOi.
Als Probe der Büchersclirifl geben wir liier ein Stück aus dem Buche
Fliatimokkha. "»^^
490 Pali-Siamesisch.
0?icar<LPt^4<^^4'car«itXc^l5'(LP<^^ Sl
Transscription.
SammadM&ani padiphoiäa udakä äsanencUäa uphosathassa etäni pubba-
karananti wutStSati, Sammadidzant, Sammadzdzanakaramni^ä. P<xdiphot§a,
Padipa udzdzalanaAtäa idäni suriyälokassa aithi täya padipaküätää natihi. Udakä
äsauenafäa äsanena saha phäniyaparibhodzdzaniya udakathapanaMäa.
Übersetzung.
.Ein ßesen und eme Fackel, Wasser mit einem Sessel, diess wird der
erste Act der Ceremonie genannt. Besen, das ist ein Werkzeug zum Fegen,
und eine Fackel, das ist die Anzündung einer Fackel, jetzt ist es das Licht
der Sonne, daher ist es das Amt der Fackel nicht. Wasser mit einem Sessel,
das ist mit einem Sessel zugleich die Darbringung von Trank, Speise, Wasser.*
Die pali- siamesische Schrift unterscheidet sich von der birmanischen
hauptsächlich durch die Verzierungen am obem Theile der Buchstaben,
(welche ,das Haar* der Zeichen heissen) und dem Querstriche der Devanagari
entsprechen; wie magadhisch A ga Devanagari T\ wurde, so wurde es anderer-
seits birmanisch fl || O, pali-siamesisch (^ £f , Laos Q, Kambodia Ä,
dieses Haar dürfte jedenfalls den inhärirenden Vokal ausgedrückt haben und
es fehlt daher in den unterschriebenen Zeichen, welche »die Füsse* Messen,
während die mittleren Zeichen .den Körper* der Schrift bildeten. Je eckiger
diese Körper mit ihrem Haarschmuck wurden, desto einfacher wurden die
Füsse, und so entstand zuletzt eine grosse UnähnUchkeit derselben Zeichen
z. B. ?J tU§a. Es wird sogar die Vermuthung rege, dass diese Füsse schon
ursprünglich andere Zeichen waren als die der Körper, und dass der Gebrauch
von Finalbuchstaben, welche sich bei der LeptSa erhalten hat, in frülierer
Zeit ein ausgedehnter war; denn wir finden neben eigenthümhchen Füssen
andere, welche dem Körper entsprechen z. B. Kambod2a y^n dShdzka,
Wir geben zur bessern Übersicht eine Nebeneinanderstellung der pali-
siamesischen Alphabete, zu denen wir auch die Schrift der Laos und der von
Kambod2a rechnen, wobei wir die Füsse nicht unten, sondern zur bessern
Vergleichung neben die Zeichen der Körper stellen:
Hiliterindische Schrillen.
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Hinterindische Schriften.
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Hiiiterindische Schriften. 493
Es geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass die heilige Schrift
der östlichen Inder manche Eigenthümlichkeiten zeigt, welche sieh weder
aus der magadliischen noch aus der Pali-Schrifl erklären lassen. Auflallend ist
zunächst, dass die siamesische Schrift wie die tibetanische nur ein Vokal-
zeichen hat: 0 , welches mit Q der Pali-Schrift und als solches mit J der Deva-
vanagari correspondirt. Das S$ entspricht dem N a der breiten Pali, zu-
gleich aber auch dem II s derselben Schrift, es ist das H der Griechen,
womit auch das telingische 9 zusammenhängen dürfte. Woher dieses Zeichen
gekommen, ist fraglich; factisch ist nur, dass die Methode, alle Vokale durch
ein Zeichen darzustellen, sich an die kabulische Schrift anlehnt. Laos 6 e
lehnt sich an Devanagari V an ; die u-Fomien entsprechen dem tamulischen
A4 0. Ausserdem X entsprechen die Vokalzeichen Consonanten: das 0 dem
Pali kha, das ^ e dem ^fiT 9^f <ias ^ i dem (^ ga. Ferner zeigen
die »FQsse* oft Ähnlichkeit mit der Gupta- und Pali-Schrift, während die
«Körper* andere Formen haben; so ist ^ iki ähnlich dem Gupta J, aber
nicht C tSa; ebenso ^ va dem Gupta A Pali O tYi^ wie (l dem Gupta O /Aa.
Laos ^^ dha ist Sindh ^ da, Laos ^ blw ähnlich dem Sindh '»O ha;
die Form g^ Ha entspricht Pali OD V^a, Sindh i^, Devanagari ^ na (ein
solcher Wechsel zeigt sich auch zwischen siamesisch na und ria und Kam-
bodia f(a und na). Die cf-Formen haben unter sich eine ebensolche Ähnlich-
keit wie die der kabuliscben Schrift. Aus alledem geht hervor, dass auch
hier sich die buddhistischen Priester der landesüblichen Schrift anschmiegten
und diese, welche nicht so ausgebildet war wie die Pali-Sprache (der siame-
sischen Schrift fehlen die Cerebrale), erweiterten. Die landesübliche Schrift
hing schon in der Vorzeit mit den Schriften des westlichen Indiens zusammen.
23. Javanisch.
Die javanische (sprich diawanische) Schrift stammt von der Pali ab,
deren dicke Zeichen hier als Doppelstriche erscheinen, wobei die obere
Verbindung in die Mitte oder auch nach unten lallt und die untere oft unter-
bleibt Man vergleiche:
Pali Mi\»*iii*aiiioiiaiai«iM fM« _
Java \x\ Kl ici 11 Kn la isn (x.i o tu v\ in ir; in tini n an oi i^ ci
ha fia ii'i ra ka da ta sa tca In pa da dtjn tja m um tjn Imi fa na
494 Javanisch
Die Reihenfolge der Zeichen ist, wie eine Vergleichung der vorstehen-
den Ordnung mit der des Pali- Alphabets zeigt, eine abweichende, aber gerade
deshalb erscheint die vorstehende Reihenfolge beachtenswertli, da sie jeden-
falls älter ist als die geordnete der Devanagari- und Pali-Alphabete. Ausser
diesen Zeichen, welche Haksara heissen, hat die javanische Schrift auch
Anfugezeichen, Pasanan, welche den .Füssen* der pali-siamesischen Schrift
entsprechen; dieselben sind theils dieselben Zeichen wie die obigen, theils
einfachere Formen, welche den oberen verwandt sind. Die Vokalisalion ist
der Pali-Vokalisation verwandt, eine Null oben ist t^ ein Haken unten ist u,
e wird vorgesetzt; ebenso werden die Haken ItLr y und r nach Consonanten
ebenso gebraucht wie in der Pali-Schrift. Ausser diesem Alphabet giebt es
noch sogenannte grosse Zeichen (Haksara gede), welche aber nichts Anderes
sind als Sanskritlaute, die in der malayischen Sprache nicht vorkommen,
wie Pali IUI CD a a la o IM a
Java cnnn ^(Kvm o^ ^^^ (i5ia£;Qan'^
na täha kha tha Sa sa phe dJuia gha bha. ^^^
Das Vaterunser lautet:
J I ^ Ö "^ \ ^\ J
I CL O
Q* / OCV Q , QT^QCN Q QCV Q Q OL
ojiJiicmn^iN in(i^KTnKTn(uiijafiji(Kin(wiui(Ki{hq(Ki(WJk
Q a
LKUKn
luirmji^ (uiTOTJiiWKii-nimnaJinafuiM
Q**0,.00*^ CX Q O
OS>l O O Q .
(LnnQajKuinuMOJiaoniKi nx «sinoQa|Q3iafiji(Kin(KiQuviQaji(0)int JiiiaOsnoaosra n^
o / Q . o a CX
loi o^oiKi (Linmi'hTi30(jji QJ1 isiTKnoo (KTniKi *j| KincnnriMi o (KiEiorn'L'n
OsiiiriK
cimoisnn ö^ieKii^
Gursiv.
y^ (U Ci CK y^ OD Q
Javanisch. ^OS
*4^-ist t Cf *sv vu B CO tisi<^ ^ ' f
' «» # tta<^ ^ C9) '152/ » <s> fcoi>t f
' o r V vvv 0*1 C ' ^f 4.1 CO '
Transscription und Übersetzung.
Rama kahula htkd tponten 7 swarga. wasta aampeyan dadossa su^.
Vater Diener der sein im Himmel. Name Fuss wird heilig.
sadiaman sampeyan rawuhha, kars sampeyan dadossa 'f bumi kados 7
Heich Fuss zukomme. Wille Fuss geschehe auf Erden wie im
sicarga. reditkki kahula kä sadiniendinten sukanni dintm puntiiki ttiarl
Himmel. Brod Diener welches Tag für Tag gieb Tag diesen von
kahula. hambi puntan mart kahula dosa kahula, kados kahula puntan inaK
Diener, und verzeihen von Diener Schuld Diener wie Diener vergeben an
»atungiUügil titiyd kä salah mart kahula, hambi sampun bekia
ein jeder jeder Mensch welcher sündigen gegen Diener, und nicht ftihren
luihula *f pertSoban. tapi tSutäuUaken kahula bari pada sä nawon^sabab
Diener in Versuchung sondern machen frei Diener von Alles was böse, denn
sofizaman hambi kawasa sarta kamukten gusti kagü hannipun dumugi T
Reich und Macht mit Herrlichkeit Herr Eigenthum sein bis in
nawet. Amin.
Ewigkeil. Amen.
24. Philippinen.
Wenn wir im äussersten Osten von Indien auf den philippinischen
Inseln malayische Völker antreffen, deren Schriflzeichen eine frappante Ähn-
lichkeit mit denen des äussersten Westens zeigen, so erhalten wir eine Ahnung
von den furchtbaren Kämpfen aus früherer Zeit, von denen keine Geschichte
erzählt. Wir fmden den äussersten Westen und den äussersten Osten aus-
einandergeschoben durch den breiten Keil der brahmanisch-buddhis tischen
Religionen, welche sich später untereinander ebenso theilten und zerfleischten.
Man vergleiche :
Tagala V->c3ä 3l>0tDÄ/Tit-ocX>iy5toX?)>3<^
Bisaya V ^ ^ H: ZI bS^l^OY^ T Vi <^
Multan Tf C ^^i 3l ^S^'^YU^n^l^tO^o
a i u ka ga(dia)ha ta da na jta ba t9ia ija ra ira sa ha
4-96 Bisayisch.
Die Vokale werden bei diesen malayischen Völkern auf die einfachste
Weise ausgedrückt, nämlich i durch einen Punkt über dem Worte, u durch
einen Punkt unter demselben, welche einfache Form allen indischen Vokal-
zeichen zu Grunde liegt. Wir werden daher wohl nicht irren, wenn wir an-
nehmen, dass in diesen 18, respective 14 Zeichen sich eine der ältesten
Formen des indischen Alphabets erhalten hat.
Wir geben als Schriftprobe das bisayische Vaterunser :
• • • • • •
• • • • •
y^^^ siTV^s Typ i/i y^T&T/ir' sr^ >0 3i5 ^r
v^i^ 03^3 YtcY i/i y^>0r^53 >0^T V'v^
Transscription und Übersetzung.
Amahan namu nga itotat ka sa langit, ipapagdayet angimong ngal/xH
Vater unser der bist du im Himmel gepriesen sei der dein Name,
mwanhi kanamun an imang pagkdhadi, twnanun ang ttnofig huoi dinM sa
komme zu uns das dein Reich, erfüllt werde der dein Wille hier auf
yuta maingun sa langit thcUdgino danum an kanum namuH sa
Erde wie in Himmel gegeben werde dein uns die Nahrung unser an
matagarlao ug panadunmo kamt san mga-sala namu maingun
jeder Tag und vergeben werde dein uns die Menge Sünden unser wie
ginuara namun san niganakasala damun ngan giri imo
vergeben werden von uns welche sündigen wider uns und nicht von dir
tugotan kamt tnaJidog sa manga panulai sa amun manga kaauaif apan
erlaubt werde wir fallen in Versuchung von unsere Menge Feinde auch
bauiun mokami sa matigo marant ngatanan. Amin,
befreit werden dein wir von Menge Übel alles. Amen.
Die Nasale sowie t und g am Ende bleiben unbezeichnet ; r wird durch
d ersetzt; es ist eine höchst primitive Schreibweise.
497
25. Die übrigen malayischen Schriften.
Die Schriften der Battak und Biigis sind in ihrer Structur ebenso ein-
fach wie die vorigen, ja in den Schriftzeichen noch einfacher, z. B. Battak
^9 ka Bugis «^^ ka, Battak «c fna Bugis ^* sie sind jedoch an Consonanten
und an Vokalen reicher als die vorigen, indem sie auch e und o haben; in der
Bugis-Schrifl ist i ein Punkt oben, u ein Punkt unten, e ein Strich vorn, o ein
Strich hinten; entspricht das letzlere als ä dem Sanskrit ä, so wäre die
Bugis-Vokalisation die Grundlage der Pali-Vokalisation, z. B.
Pali c9) ki Cp ku GCO ke OOO kä
Bugis *^^ ^^, X'^y ^-^1 ko
Die Battak-Schrift verbindet sogar die Vokale z. B. c^^2>SS bupusuiu.
XI. DIE ARMENISCHEN UND GEORGISCHEN SCHRIFTEN.
Die Gebirgsvölker im Kaukasus haben sich ihre Eigenart bewahrt,
welche auch in ihrer Sprache hervortritt, die weder der persischen noch der
griechischen noch der syrischen ähnlich ist. Aus den Felsen-Inschriflen am
See Wan geht hervor, dass zur Zeit des Darius die Keilschrift auch bei den
Armeniern Eingang gefunden hatte, später wurden die sasanidischen Zeichen
von den Armeniern benützt, aber weder diese noch das griechische Alphabet
genügten für die consonantenreiche armenische Sprache.
Mesrop, ein gelehrter Armenier im 5. Jahrhundert, der Secretär der
armenischen Könige Varazdates und Arsakcs IV. gewesen war und den Hof-
dienst verlassen hatte, um sich ganz einem relijriösen Leben zu widmen,
suchte sein Volk aus der geistigen Abhängi^'keit von Persern und Griechen
zu befreien, indem er seine Gedanken auf die SchalTunfr einer der armenischen
Sprache genau entsprechenden Schrift richtete. Nachdem er mit mehreren
gel«.»hrten Armeniern ohne Erfolg darüber berathen, auch das von Bischof
Daniel nach der Form der griechischen Buclislaben aufgestellte Alphabet
versucht, aber zu ungenüjrend befunden hatte, erfand er selbst eine Schrift,
oder wie Moses Khorenaddzi erzählt, sah er, nicht im Traume, sond(»rn durch
geistige Kraft, eine Hand, welche auf Steine Buchstaben hinschrieb, die wie
auf Schnee abgedruckt erschienen. Er Iheilte seine Idee dem Einsiedler
Ruphanus auf Samos mit und Beide brachten das armenische Alphabet zu
FAiilmaDH. Geschieht« d. Srhrift. [\'2
498 Die Entstehung der armenischen und georgischen Schrift
Stande, wobei sie die armenischen Charaktere nach dem Muster der griechi-
schen Schriftbezeichnung formten. Mesrop übersetzte nun die heiligen Schriften,
unterrichtete seine Schüler in der neuen Schrift und führte mit Hilfe des Königs
Wrhamgapu;^ und Sa;(ak's seine Erfindung in Armenien ein mit Ausnahme
des unter dem Erzbischofe von Caesarea stehenden Theiles, wo man sich der
griechischen, nicht der assyrischen Schrift bediente. Darauf zog Mesrop unter
die Iberer (Georgier), die er mit Hilfe eines gewissen Däayah, der da als
Dolmetscher der griechischen und armenischen Sprache diente, mit einem
Alphabete beschenkte. Dasselbe that er auch später unter den Albanern. ***
Zunächst müssen wir bemerken, dass man sehr irren würde, wenn
man auf Grund dieser Erzählung eine Ähnlichkeit der georgischen und
armenischen Schrift annehmen würde; wenn man gleiche Zeichen in diesen
Schriften findet, so haben dieselben doch eine ganz verschiedene Bedeutung.
So ist fl armenisch uo georgisch ;*, *b armenisch n georgisch \j />, ^ ar-
menisch i georgisch j} U, dem georgischen i^ a scheint armenisch t^
verwandt zu sein, nur armenisch U^m? stimmt mit georgisch ^ vi überein.
Ebenso ist die Zeichenfolge und die derselben entsprechende Zahlen-
bedeutung eine verschiedene, man vergleiche:
Georgisch.
ahgdewzhthiklmnyopz r s t u
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 200 300 400
Armenisch.
llf^S-'hbÄtaß-d^bl. NVrliAai, rf IT 6 ^
abgdezeettzil/tskhdz'^ t^ m y n
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 200 300 400
Die Reihenfolge der georgischen Zahl buch staben entspricht fast genau
der hebräischen, nur ist durch den Ausfall des qoph das r in die Stelle der
100-Zahl und s sowie t ihm nachgerückt, w^orauf ein Ersatz in Oi sich als
400 anschliesst. Diesen selben Vorgang finden wir in der slavischen Glago-
litza, und vermuthen daher, dass dieses Zusammentreffen kein Zufall ist,
sondern dass eine gleiche Zeitrose diesen Schriften zu Grunde liegt. Nun
würden wir begreifen, wenn erzählt würde, Mesrop habe zuerst das der
aramäischen Zahlenfolge entsprechende georgische Alphabet aufgestellt und
dann das mit vielen Zeichen erweiterte armenische Alphabet gebildet; da
Armenisch. 499
aber berichtet wird, er habe zuerst das armenische Alphabet aufgestellt,
woran wir zu zweifeln keine Ursache haben, so ist am wahrscheinlichsten,
dass Mesrop weder die armenischen noch die georgischen Zeichen erfunden
hat, sondern dass diese Zeichen wie die nordischen Runen als Zeit- und
Zauberzeichen Erbstück dieser Völker waren, und dass die geistige Erleuch-
tung, von der Moses Khorenaddzi erzählt, wohl darin bestand, dass dem
Mesrop der Gedanke kam, diese Zeichen als Lesezeichen zu verwenden, und
wenn die Georgier, seinen Rath befolgend, in gleicherweise ihre ererbten Zeit-
zeichen als Lesezeichen verwendeten, so erklärt sich am natürlichsten, wie
zwei ganz verschiedene Alphabete auf Einen Urheber zurückgeführt werden
konnten, wir begreifen dann auch den oben erwähnten Zeichenwechsel
zwischen uo und ;', n und p u. s. w., da uns derlei Zeichen Wechsel bisher
genug vorgekommen sind.
1. Armenisch.
Ich muss mir wegen Mangels an Kenntniss der armenischen Sprache
versagen, auf den Ursprung der Zeichen in gleicher Weise wie bei den übrigen
Schriften einzugehen, ich möchte aber darauf aufmerksam machen, dass die
Namen der armenischen Buchstaben: Aip, Pyeriy Kim, Ta, Yetä u. s. w. auf
den Grund hinzuweisen scheinen, weshalb die griechischen Buchstaben für
die armenische Sprache unpassend waren; das armenische b oder öy oder|>y
hatte jedenfalls einen andern Laut als griechisch B, ki(fn) einen andern als
griechisch ga(mma). Mesrop fürchtete wohl, dass die Aussprache durch die
griechischen Zeichen verdorben würde, und zog deshalb eine von der grie-
chischen ganz abweichende Schrift vor. Wenn nun gesagt wird, er habe die
armenischen Charaktere nach dem Muster der griechischen Schriftbezeichnung
geformt, so kann darunter wohl nur verstanden werden, dass er die griechische
Schriltrichtung von links nach rechts, sowie die Lesezeichen, die Abtheilung
der Wörter und die ganze äussere Form der griechischen Bücher nachahmte,
wie auch die auf Tafel XI gegebene Probe der armenischen Schrift aus dem
10. Jahrhundert die Initial Verzierung nach Art der griechischen Schrift zeij:!.
Bezüglich der Zeichenordnung weise ich nur darauf hin, dass der Zahlwerth
des / als 20 trolz aller anderen Verschiedenheiten mit dem georgischen :2()
und mit jener griechischen Reihenfolge, in der das F fehlt, übereinstimmt.
Ursprünglich dürfte das armenische Alphabet aus 3G Zeichen bestand<>n
\\1'
oOO Erklärung der Tafel XI.
haben, welche die Ziffern von 1 bis 9000 darstellten, worauf cnp ebenso für
10000 galt, wie das hebräische (ilq)h für 1000; denn wir finden O alsäw/ww
für 10000, ^fe, entsprechend dem f^ pyen als 20000.
Die Form der armenischen Buchstaben hat sich im Laufe der Zeit sehr
geändert, das jetzige Alphabet hat Versalien und gemeine Buchstaben und
daneben eine Cursivschrifl. Die Schrift auf Tafel XI hat noch keinen Unter-
schied zwischen Versalien und gemeinen Buchstaben, sie ist eine üncialschrift,
welche aber auch nicht mehr den ältesten Charakter zeigt, sondern eine
Übergangsform zu den Formen der jetzigen gemeinen Buchstaben. Der Text
dieser Schriftprobe enthält die ersten fünf Verse des Evangeliums Johannis,
welche wir hier in jetziger Schrift nach der armenischen Bibel folgen lassen:
b*- «/•*' 'A /»-»«--vA
Cursiv.
Transscription.
Isyzpane erpann, yew pann er an* (isduadz, yew asduadz er pann.
Xa er isyzpane arr asduadz
Amyenain intsfiowau yyyetc. yew arranddz nora yyyeic yew öt^ntä oe int^ yyytif'f''
Xoicau kycnikh er, yew hjankhn er luis tnartgan.
Yu luisn i /auarL
Übersetzung.
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.
Dasselbige war im Anfange bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts
gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheinet in der Finstemiss.
J
]
Fl^^^l • ChPirWU
nruQhV2 iin Fii '2
linqiihiicuii^ar
Armen'
501
2. Georgisch.
Georgiani nennen sich die iberischen Christen nach S. Georgio, den
sie für ihren ersten Evangelisten halten und verehren. Sic besitzen zwei
Schriften, eine Schrift der Kirchenbücher, Khutsuri oder Priesters chrifl, deren
eckiger Fractur-Charakter wesentlich von der andern, Mkhedruli oder Krieger-
schrift, absticht. Beide mögen auf einer gemeinschaftlichen Grundlage be-
ruhen, eine directe Ableitung der einen oder der andern ist im Einzelnen
schwer nachzuweisen, man vergleiche:
KhutsuriVersal ^H.T.'^T^J.'bPai^^T^äiRäa'ö etc.
gemeine •cg'gÄ*Tj7pTl|iin i I|in 3 fioiu ti
Mkhedruli ^^35?0 3 %@or)035> 6 6tö»fn-3
a b g d e w z K th i k l m n y o p
Wir lassen als Schriftprobe das Vaterunser in beiden Schriften folgen-
Khutsuri.
äiT^Ttti |i*rpTjfiiui ibiiid*f{*nj*i ^ih \n:mx gifiv BSi^to iijt^
ipfi \ix\ppvn ijTjfii. äiittiptjy'ifi \im\pp[*tjyt: g'gfii^ iiji^ipfi fitjij%*
gijfrn 'ijniu'cAQT \n;mx gifii;; TJ'JjdnjQT •(iipijfprfiTliT'btJ^^'C. 'Umi(^
dn (iipijfi^ Tibluui}fli-C9 duidijQ |ifpi{fi 2^*u*i]ii«?i; diii3-fQi}7p-i}fi jiipijH
oiTßTwfiTyTJßßi {i'ypijfifi'i* ipini'cAg'V {iipijfi ^lungtjipijijiii oiTffi'V^
7-tpiIi-c. TibT^il^ d*fi|ibfii}fi |ifpi{fi tjiuiIiiugiliT^T'i* Kclffi«
Mkhedruli.
o6o6cY> ; ncm oGctv ; mavo ^oto ; Wm ; r/6ao6 ; ooG6
ydo^6 : oin6qD ; Wongpo ; o^do ; a-an^o6 ; ucma)'ia6
onoo ; ow^6a6 ; 6nö6 ; o^do; aooo6mr/6 ; rv6oo6; 9o66
eis c)ß*^- ^^^^^^0^6; on^6: i.(n]mo; nonnbo; 6.Tibnf>-^
oo1j6 ; öCTv9^Q : ^tnj^G ; ^ogo^b ; 506 ; 9cT>-g9og^^6 ;
mm HD ; 0060666^0060 ; hLnn66o ; ao(x6mrj6 ; ficm^j6 ;
502 Georgisch.
oocm^ na 'lOoo ; oq6d6 ; 9 roaoa>6 ; o6cy> ; hon o6co6 ; ro6 ;
DcrnonootnQ6Doo ; htmno ; o 6olj6r/^ ngr) ü6 ; 6mcworo ;
oo SUD OD : htm no ; ocY>mcY>^ou6Q6D ; 60 od ;
Transscription.
Mamao tStoeno romeli /ar tsatha äina. Tsmida-iqawn sa/eli §enu Motcediu
supetoa äetn, iqawn neba seni withartsa tsatha sina egretsa ktoeqanasa zeda, Pwri
tSwefii arsobiaa momets tätoen djes. Da momitteweti tätcen thana-nadebni t^'enni,
withartsa täwen miutewebth thana-rndebtha math tstcetitha. Da nu semikwantb
tSweii gansatsddsa, aratned mi^snen tSwen horotiisagan. Amin.
Europa.
Über die ältesten europäischen Schriften, die Runen, habe ich bereits
in der ersten Abtheilung dieses Werkes, ,Runa, oder das Geheimniss des
Ursprungs der Lautzeichen'', ausführlich gesprochen und nachgewiesen, dass
die Untersuchung derselben uns in die ältesten Zeiten der Cultur des
Menschengeschlechtes zurückführt, dass es also sehr irrig ist, dieselben als
von den Griechen entlehnt zu betrachten. Aber auch der europäische SüJen
kann der Schrift in der vorhistorischen Zeit nicht entbehrt haben, denn wir
ßnden in der ältesten ägyptischen Geschichte Bündnisse der nördlichen
Bewohner des Miltelmeeres und Einfalle derselben in Ägypten, wobei lonier
(hfinebu) und Sardinier (ttardana) namentlich aufgezählt werden. *'® Derlei
Bündnisse konnten ohne schriftliche Verständigung nicht entstehen, und hätten
diese Völker keine Schrift gekannt, sie hätten in Ägypten eine solche kennen
lernen müssen. Für das Vorhandensein einer altern nationalen Schrift spricht
auch der übereinstimmende Charakter, den die altitalischen und altgriechi-
schen Alphabete zeif?en, wenn sie auch in Einzelnheiten sich unterscheiden.
Was speciell die Sage betrifTt, dass Kadmos, ein phönikischer Königssohn»
das Alphabet nach Europa gebracht habe, so hat Lcnormant in einer aus-
führlichen Abhandlung nachgewiesen, dass dieser Kadmos eine Religion war,
welche speciell den Schlangencultus pflegte, ^'^ der noch älter ist als die
Osiris-Religion der Ägypter, an welchen aber viele ägyptiscln? Symbole erinnern.
Es war eine blutgierige Religion, welche Menschenopfer forderte, deren letzten
Anklang die Iphigenia-Sage zu enthalten scheint. An ihre Stelle trat die mil-
dere Religion des Zeus, deren Gnmdlagen in Homers Ilias nieder^'rh^pTt sind.
Merkwürdigerweise legt die Sage in die Zeit der trojanischen Kri»'jre j»ine
Vermehrung der griechischen Buchslaben und ist mit der Ili.is das pritM-hisrlie
504 Schrillen der europäischen Völker in vorgeschichtlicher Zeit.
Lautsystem wie die griechische Sprache zum Abschluss gelangt. In früherer
Zeit war das Lautsystem, wie die Inschriften beweisen, ein schwankendes;
jedes der kleinen Länder, in welche Griechenland zersplittert war, hatte we
einen eigenen Cultus, so auch ein eigenes Lautsystem, welches jedoch nur zu
kurzen Inschriften gedient zu haben scheint;*'^ erst die Entstehung der
homerischen Literatur schuf eine einheitliche griechische Schrift. Ebenso
hatte in Italien jeder Staat- eine eigene Schrift, welche später von der römi-
schen verdrängt wurden. Betrachtet man aber die schönen etruskisclien
Malereien, welche in der altern Zeit den ägyptischen Typus tragen, so muss
man auch hier den Gedanken aufgeben, dass die italischen Völker erst von
den Griechen die Schrift gelernt hätten. Weit entfernt, ünkennlniss der Laut-
zeichen zu besitzen, scheinen die alten Völker Europas eher einen Oberfluss
an Zeichen gehabt zu haben, wie z. B. die Untersuchungen, welche Phillips ^'^
über die Münzen der alten Spanier (Iberer) angestellt hat, eine grosse Anzahl
von Schriftzeichen ergeben haben.
Wir fmden da für a; A A A A A ^ ^ A A '^ A A A F) R 0 A
n n fl, für 5. U 2 H ^ S S S J, für m. M M M M M Hl « K für r. >
AhPrPPPhD^flnPu.s.w., Zeichen, welche wir auch in italischen
und griechischen Alphabeten, sowie in den nordischen Runen wiederfinden.
Wenn uns ferner erzählt wird, dass Vulfila ein Alphabet für die Gothen,
Cyrillus ein Alphabet für dieSlaven erfunden habe und wir in diesen Alphabeten
neben griechischen auch andere Zeichen und andere Namen fmden, so liegt
die Vermulhung nahe, dass Gothen und Slaven eine nationale Schrift besassen,
und dass wie bei den Armeniern und Georgiern nationale Zeichen benutzt
wurden, um eine Schrift aufzustellen. Ja selbst die wilden Hunnen scheinen
eine eigene Schrift besessen zu haben, wenigstens hat Gessner^^* im vorigen
Jahrhundert ein hunnisch-skythisches Alphabet veröffentlicht, welches wohl
nicht mindere Authenlicität haben dürfte, als die anderen von ihm veröfTent-
lichten und durch 'sichere Quellen als richtig erwiesenen Alphabete. Wir
geben hier dieses Alphabet, welches 34 Zeichen hat und alle Laute der
magyarischen Sprache enthält:
a h cz CS d e e f (j tjy h i j k k (Final) / ty
m u vij 0 o p r r $ $z t iy u ü v z czs.
iiriechische Schriflzeichen. oOb
Die Vokale sollen in einer Weise ausgedrückt worden sein, welche an
dir Vokalisation der kabulischen Schrift erinnert, nämlich
X X X X''
ba he hi ho
Ich begnüge mich, auf dieses Alphabet aufmerksam gemacht zu haben,
da mir sonst keine Quellen über dasselbe vorliegen, und dasselbe von den
G«-l«*hrten perhorrescirt wird, zumal bisher der Glaube an die Schrifllosigkeit
d#'r Völker, welche keine geschriebenen Bücher aufzuweisen haben, allen
niflit durch Bücher beglaubigten Alphabeten ein an sich nicht unberechtigtes
Misstrauen entgegenbrachte.
I. DIE GRIECHISCHE SCHRIFT.
Da die Namen der grieehischen Buchstaben denen der phönikischen
ähnlich sind, so hat man geglaubt, die Griechen hätten Namen wie Zeichen
von den I^hönikiem entlehnt. Man hat daher nur die Ähnlichkeiten in's Auge
g«'lasst und die Unähnlichkeiten dem Zufall zugeschrieben. Eine Lösung des
Räthsels der Entstehung der griechischen Schrift ist aber, soweit es überhaupt
Iö>bar ist, nur dann möglich, wenn man beides in's Auge fasst, und von
di^^sem Standpunkte wollen wir die Buchstaben betrachten.
Der Name Alpha ist dem hebräischen Aieph ähnlich, in den Zeichen
stehen dem phönikischen + die Formen AÄAAAnPIA gegenüber.
Di»- vierte und fünfte Figur (gebraucht in Korkyra, Anaktorion, Eubüa und in
den achäischen Colonien) sind Formen eines Hauses, griechisch olkoSf welches
sowohl dem hebräischen n'a haUh (das ist aber der zweite Buchstabe) als dem
-hn tlff , Familie* entspricht; sie können aber auch den Himmel vorstelli-n,
dann wäre nicht nur uranos (diT älteste Gott der Grii'chen), sondern aueh
vifiu$i)os der Götlersitz in's Auge zu fassen, womit auch A übereinstimmen
würde. Das Wort Alpha selbst konnnt im Gnechi>chen so wenig vor. wie
ahj^h im Hebräischen, verwandt ist alphanö »ich brin^'e ein' verwandt mit
dW/Zj, woraus das deutsche arbdfni entstand, das hat denselben Sinn wi»* die
Hüne A ar; letzteres bedeutet auch Ernte und gri«'chi>eh alj>hifon ,<ler>l«n*
irraupen*, auch Männermark genannt, wahrscheinlich wegen der weissen F.ube
< lateinisch aff/un, wovon Alpe, «las Schiieeu'l'iiye, herkommt, welch«-* im
Hebräischen Libanon heis-l). Graupen sind dem Ha^rel ähnlich, de^-en
506 Griechische Schriflzeichen.
mystische Bedeutung Seite 97 berührt wurde. Arbh ist aber auch der Erbe,
griechisch orphands, was mit dem Harpokrates, dessen Hieroglyphe J^ das
hebräische + cUeph ist, übereinstimmt. Das Kind, das Kleine ist der Zwerg,
der Alf, der halbe Mensch, wie altnordisch alfa, halfa die Hälfte, die Him-
melsgegend ist, die Hälfte weisen aber alle Figuren des Alpha auf; war es
die Theilung, so war es Gott Janus, der das Jahr theilt, und Alpha das Zeichen
der Mitternacht und des neugebornen Jahres. A dürfte noch insbesondere
die Bedeutung von drren haben, wodurch es sich an syrisch 1 und K'anlehnt
Der Name Beta ist dem hebräischen Beth ähnlich, der zwischen brith
„Haus* und bath »Jungfrau* schwankt; die Jungfrau heisst im Griechischen
pmihhios, das kleine Mädchen pals, auch nednis, und letzteres erklärt es. dass
wir im Alphabet von Melos das umgekehrte H v, nämlich ^, als h finden;
hiermit hängt das korinthische 1 h zusammen, insofeme wir Seite 153 das
hebräische heth als Hymen kennen gelernt haben ; es würde demnach dem
griechischen maiandros »das sich schlängelnde Flüsschen* entsprechen. Hier
ist h in m übergegangen, gleiches scheint auch in fneier »Mutter* der Fall
zu sein, welchem Begriff B das hochbusige Weib entspricht, wie auch der
Begriff »halb* in ni^sos »Mitte* ein Gegenstück wie A zu B findet. Endlich
kommt noch ^, die Rune ^ Birke vor, die im Lateinischen bdula heisst
(hebräisch rri^ina Vthtda ist die »Jungfrau*).
Gamma dürfte sich zum hebräischen yimd verhalten wie griechisch
gameö »ich heirathe* zum hebräischen d3 gam »Vermehrung, hinzufügen*.
Das griechische f ist dasselbe Zeichen wie das phönikische T rav; va heisst
hebräisch »und*, wie griechisch kai, wie die angelsächsiche Rune ^ i/«'",
und T war in den tironischen Noten wie im Mittelalter Zeichen für »und*.
Das griechische kai ist lautverwandt mit gaia »Erde*, mit Rücksicht auf das
Zeichen A aber nicht nur laut-, sondern auch begriffsverwandt; es ist HWa
die Berggöltin, der Giebel, der Gipfel als < oder C auch das Kipfel des
Mondes, wie die Erdgoltin zugleich auch gewöhnlich die Mondgöttin ist. Alle
diese Figuren eint der Begriff ^öm« »der Winkel, die Ecke*. Von den Figuren
/ und f weist das erstere noch speciell auf kdmnö »ich arbeite* hin, es ist
die Feldhacke, als drittes Zeichen identisch mit ^ thoir dem Gotte der Feld-
arbeit; f ist das hieratische ^ ka, hn »landen, fremdes Volk*, hebräisch '-i
goi, welches auch nur vom fremden Volke gebraucht wird; es scheint ein
Grenzpfahl oder Wegweiser zu sein im Sinne von AwMaA"«» Stange. Weinpfahl'.
Griechische Schriftzeichen. 507
am Seeufer aber wohl der Leuchtthurm im Sinne von glaukos , funkelnd",
welches sich durch glauks .Eule' (der Vogel mit den leuchtenden Augen, der
in der Nacht sieht) an die Pallas Athene, die jungfräuliche Göttin, und somit
an das vorige Zeichen anlehnt.
Delta ist eine förmliche Umstellung des hebräischen Daleth. Delta
nannten die Griechen die Mündung des Nils, wegen der dreieckigen Form,
welches das Land durch die Theilung des Flusses erhielt; sie nannten so
auch eine Halbinsel in der Nähe des Bosporus und die Insel, welche das
Meer und die Arme des Indus bildeten. Merkwürdigerweise schliesst sich diese
Bedeutung an die des vorigen Zeichens ( an. auch im BegrifTe des Leuchtens,
denn dal^ heisst .Brand*, dato ,ich brenne an, zünde an*, deile ist die Hitze
des Tages, aber dieses letzlere hatte, wie wir Seite 139 angegeben haben, bei
der 4-theiligen Windrose diesen Sinn, nicht bei der jetzigen. Bei der 8-theiligen
war ► schon die Rune des Sonnenaufgangs geworden, bei der 16-theiligen
ist sie an Stelle der Morgendämmenmg gerückt, und genau dieselbe Stelle
nimmt A im 24-theiligen Tageskreise ein. In diesem Falle ist es der ägyp-
tische Morgenstern A Thaud, der griechische theös und Zeus, der Verkünder
dos Tagesanbruches, wie A bei den Ägyptern der Verkünder der Lber-
schwemmung und des neuen Jahres war. Neben A kommt noch A und D
im gleichen Sinne vor; in der iberischen Schrift ist D b, während Q d ist,
ursprünglich waren beide wohl identisch.
E-psiloHy hebräisch he, heisst »das nackte A^*, es dürfte hdos ,die Morgen-
rölhe* sein, die.rosenfmgrige*, und E wären die Finger, welche, geschlossen,
ge^en die Sonne gehalten, ein rosiges Licht durchscheinen lassen. Bekanntlich
wurde die aus dem Meere aufsteigende Aphrodite (Sonne) von den griechi-
schen Künstlern in dieser Weise dargestellt, und es ist wohl kein Zufall,
da<s Aphrodite »nackt* ist, während Hera bekleidet erscheint. Die Variante
^ ist dann ebenfalls die Hand. Im korinthischen Alphabet wird Epsilon durch
die Frauenzeichen ^ B Z dargestellt, und dieser Laulwcchsel wäre nicht niöjr-
licb, wenn nicht der Begriff derselbe wäre.
Die Moabiter hatten neben diesem Zeichen Voder griechisch Y V-psHoti,
entsprechend der Rune f kamt, das wäre hier die aulsteigonde Sonne, als F
oder C hat sich dieses Zeichen lange als Zahlzeichen erhallen, doch scheint
es aus dem Zeitkreise entfernt worden zu sein, worauf es auch als Laut-
zeichen abstarb.
508 Griechische Schriftzeichen.
Zeta ist vom hebräischen zain ziemlich verschieden. Das Zeichen ist im
altgriechischen Alphabete stets X wie im Moabitischen, in der jungen
Schrift ist Z durchgedrungen. Letzteres ist der Zeus, .das Licht*, ägyptisch
"^^ 8 der Lichtstrahl, der Blitz, das Durchdringende, I ist so viel wie das
folgende Zeichen.
Eta entspricht dem hebräischen Kheth, dem Zaun, der Verbindung; die
Zeichen sind H oder B. Ist X Zeus, so ist H seine Gattin Hera oder era ,der
Liebesdienst*, verwandt mit ä'ös .Liebe*. H ist im Jahreskalender die Zeit
der Tag- und Nachtgleiche, als Stundenzeichen Jietn&a .der Tag* (6 ühr
Morgens), helios .die Sonne*, hide »die Zeit*, das Thierkreiszeichen M der
Fische (siehe Seite 96), deren Laichzeit jetzt ist, woran auch häaSros .Ver-
gesellschaftung* erinnert.
Thefa ist ähnlich dem hebräischen tet, ähnlich sind auch die Zeichen,
welche im Griechischen ® 0 O ^ O sind, am auffallendsten ist aber die
Übereinstimmung des Begriffs im griechischen theteia .Lohndienst*, hebräisch
nrüü» l8sas/ar ^der Lohn*, dem siebenten Stamme Israels, welcher Seite 166
mit dem althebräischen C^ iet in Verbindung gebracht wurde. Daraus dürfte
hervorgehen, dass ® ein Bracteat war, womit thesaurös »Schatzkammer*
übereinstimmen würde. Bezüglich der Jahreszeit bedeutet theta, dass die Zelt
der Liebe vorüber ist und die Zeit der Reife beginnt; Odhin (die Sonne) ver-
dingt sich als Bölwerker undTheseus vollbringt seine Arbeiten, Letzterer legte
auch den Grund zur Stadt Athen, und diess erinnert daran, dass in den
Hieroglyphen ©die Stadt mit ihren Vierteln ist; ferner ist im Ägyptischen ta
Brod und ® hat die Form der Semmel, endlich bedeutet thesthai »ich sauge,
melke* und 0 ist titthe ,die Mutterbrust*.
Iota ist ähnlich dem hebräischen yod, aber die griechischen Zeichen
haben mit den phönikischen gar keine Ähnlichkeit, stimmen dagegen mit der
nordischen /s-Rune überein, und zwar insoferne sie als I wie auch als ^ 2
% i s vorkommen. In der 16-theiligen Windrose (und auch die Griechen
hatten früher eine solche) war I (sos »gleich*, denn es stand in der südlichen
Mitte derselben ; nach deren Erweiterung auf 24 Zeichen ist es an die Stelle
der ♦-Rune getreten und bedeutet so wie S oder % die Zeit der Gewitier,
in letzterer Form in sehr respectwidriger Weise. Der Name dürfte sich somit
an das hebräische Tin hud »Glanz* anlehnen, auch iötes »der Rath, das
Anstiften" dürfte damit zusammenhängen, wenn man an die Rolle denkt,
Griechische Schriftzeichen. 509
welche der Schlange in der Bibel zugeschrieben wird ; auch im Chinesischen
bedeutet i »Ursache*. Merkwürdigerweise stimmt der Begriff {tüs »Rad-
kranz, Radfelge*, iksiön (das drehende Rad), ide »Waldgebirge* mit der Rune
^ uberein, dagegen ithüs »die gerade Richtung* mit |.
Kappa ist dem hebräischen kaph ähnlich, auch im Zeichen : phönikisch
^, griechisch K, welches ohne wesentliche Variante vorkommt und sich bis
auf die Jetztzeit unverändert erhalten hat. Das hebräische kaph bedeutet
»Faust*, überhaupt etwas Gebogenes, etwas Gewölbtes, daher /rop^fos » Grube,
Graben, Gruft*, käpe »Krippe mit dem Futter*. K kann ebensowohl den
Gaumen, das Gähnen (Ginnungagap, die Urkluft, das Chaos) als die Faust,
das altnordische kapp »Wetteifer, Kampf* bedeuten. Der Gaumen wäre
eigentlich schon durch < angedeutet, die Beifügung des Striches weist auf
einen Doppelbegriff hin, den eben das nordische kapp enthält; ebenso das
griechische kapeletiein »kaufen* (deutsch vulgär ^aw^)«/«) betrügen, verfälschen,
lateinisch caitponan. Kaufen ist hier im Sinne von »tauschen* zu verstehen,
welches in »täuschen* denselben Nebenbegriff hat. Hierher gehört auch das
deutsche kebse, welches weniger das gekaufte als das dienende Weib ist.
Lamhda entspricht dem hebräischen lamed; von seinen Zeichen ist aber
nur V den phönikischen gleich, A/ ß h nicht; die beiden erstcren kommen
auch als (j vor, es sind aber nicht jene, welche dem Begriff IdmjM) »ich leuchte*
entsprechen, sondern A ist läos »der Stein, der Berg,* und /, welches wir
bei Gamma mit katnno in Verbindung gebracht haben, dürfte hier lanihdnd
»ich nehme, fasse" sein; ß, welches sich an das K wie an das cursive y9
anlehnt, dürfte lagtie(a »die Wollust* sein, wie V lan/dnö »ich lose*; V aber
dürfte iuj^eö »ich kränke, verletze* sein, da dieses mit dem hebräischen lamad
»schlagen, zuchtigen* übereinstimmt und das Zeichen die Zeit bedeutet, wo
Jakob gelähmt wurde. Nebenbei bemerkt, ist V auch die umgekehrte Fackel,
das Symbol des erlöschenden Lebens.
3/« ist verwandt mit dem hebräischen mem; wie auch V* das der ver-
änderten Schriftrichtung entsprechende umgekehrte phönikische ^ ist. Das
griechische miua »Fliege* deutet auf die hcisse Zeit, wie das phönikische
Z auf a^r zalmh »in der Luft schweben* und der aiat^yaftn«/ ztbuh der (ioll
der Insecten, die Parthenogenesis ist. M und M kam auch als .< vor und dej>sen
Name Sigma ist genau das hebräische rrsrü sikma »Srhiilter, Nacken, der
Köriiertheil, welcher besonders mit Schlägen bedacht wird* (das wäre
510 Griechische Schriflzeichen.
auch %), wobei zu beachten ist, dass lamad „züchtigen* vorausgeht. Im
Lateinischen würde sich hier munus , Dienst'' anschliessen, das deutsche
«Mühen*; das griechische müd .ich schliesse mich, schliesse die Augen*
dürfte insoweit entsprechen, als mit diesem Zeichen die Periode der Befruch-
tung abschliesst.
Nu entspricht dem hebräischen nun, insoferne nü, nun «nun, jetzt*
bedeutet; mit diesem Zeichen beginnt die zweite Reihe der griechischen
Buchstaben, daher neds »neu*, ndtos , Süden*. Das Zeichen I*' ist eine Variante
von ^ und l, welches wir als .Blick, Blitz* kennen gelernt haben, und von
denen H als Rune Sol (Sonne) vorkommt, was mit »Süden* übereinstimmt.
Da N mit M eng verwandt ist, so könnte sich hieraus die Bedeutung von
lateinisch solus und griechisch monos .allein* erklären. N ist eine Gleichung,
Vergleichung zweier gleicher Sachen wie H, slavisch h.
Ksi hat mit dem hebräischen Samek wenig Ähnlichkeit, wohl aber
stimmt das Zeichen Z überein. Dieses Zeichen bedeutet im Ägyptischen psd
den Poseidon, den Wassermesser, dessen Dreizack als "^ psi auch in das
griechische Alphabet übergegangen ist; wir haben bei den Runen I is als
Zeichen des Häringfanges kennen gelernt, und Ähnliches dürfte dem griechi-
schen eks .aus* (entsprechend der Rune ^ os) zu Grunde liegen, da daraus
eksö .aussen*, ks^os .der Fremde* entstand. S ist verwandt mit z, welches
Glanz bedeutet, damit hängt ks^ö, ksäo .ich schabe*, ksülon .das abgeschabte
Holz, der Lanzenschaft, der Prügel", ksiplios .der Degen* zusammen; im
Hebräischen ist Din )^ar<is .schaben*, /eres .die Sonne und die Krätze*,
welches letztere sich an das persische Küros anlehnt, auch im Chinesischen
bedeutet J^ den Edelstein yü (Jaspis) und u>an .König*. Jedenfalls bedeutete
das Zeichen den Beginn der trockenen Zeit, der Ernte auf dem Lande wie
im Wasser, es war die helle brennende Sonne oder der Vollmond, die
Zeit, wo das Rohr zu Lanzen gebrochen wurde. Wenn später daraus 2
wurde, so behielt nur der Begriff des Meeres oder des Schilfrohres Geltung
und Ksi lehnt sich an das hebräische po sin .Sumpf* ; auch als H bedeutet
es den Wassergott Poseidon.
Omikron bedeutet das .kleine 0", im Hebräischen heisst der Name
diu .Auge*, und dem entsprechen im Griechischen ^mma, 6pJUhalm6$, öpsis
.das Auge*, eigentlich der Augapfel, das Symbol der Fruchtbarkeit, die
Frucht selbst.
Griechische Schriftzeichen. 511
Fi ist ähnlich dem hebräischen phe^ welches , Mund • bedeutet, das wäre
j:ri«'chisch bodö ,ich rufe* jpheine »Stimme* (aber mit dem Zeichen 9), oder
«Ansehen*, in welchem Falle es sich als öpsis an das vorige Zeichen, allenfalls
auch an 4^ anschlösse, P P Fl ist aber weder das Eine noch das Andere.
n ist der Himmelsbogen, pfuje der Bug, Buckel und daher pi so viel wie epi
,an, auf, bei, neben, nach*, wie 1 gimel, welchem das ^ phe ähnlich ist, als
, anhangen* erklärt wurde (Seite 163). Daher dürfte P der Nachwuchs sein,
httts , Leben*, die erste Regung, phum »die Blähung*, piedzö „ich drücke,
falle beschwerlich". Auch pllos »Filz* hängt mit P im Sinne von , Loden*
(der junge Nachwuchs des Waldes) zusammen.
Rho ist dem hebräischen re,^ weniger ähnUch, doch stimmen die Zeichen
h P > k mit dem phönikischen ^ ros »Haupt* überein. Merkwürdigerweise
ist im Hebräischen daraus i riä (arm) geworden, welches sich an das obige
P anlehnt, so wie griechisch P (r) lateinisch P (p) geworden ist. Auch das
griechische Hiops »ein mit niedrigem Strauchwerk bewachsener Ort" lehnt
sich an Loden an, das wäre aber die Figur k, das Gesicht mit dem Kinnbart,
welch«'s zur alten Runenreihe gehört, wo es den Osten bedeutete; in der
neuen Ordnung schliesst sich ► als stärkere Form an PI, P in gleicher Weise
an r an, und der passende Begriff dürfte rhome »Kraft, Stärke* sein; die
Wölbung wird stärker, die Gestalt vollendeter, P ist in allen Alphabeten das
Kindheitszeichen.
Siyma hat mit dem hebräischen Mn keine Ähnlichkeit, vielmehr hat ein
Wechsel stattgefunden, indem ^in (sin) zu ksi und samek zu siytna ($iknui)
wurde, welches oben erklärt wurde. Wenn das Zeichen M mit m wechselt,
so ist es auch nicht ohne Grund, dass, wie m die Periode der Blüthe, j^ die
Periode der Fruchtbarkeit abschliesst. Sainö »wedeln mit dem Schweife"
erklärt ^, dasselbe dürfte auch semma »alt* im Gegensatz zu rho sein, eine
iiritte Form l ist stma »Zeichen, Spur, Blitz*.
TtiTN entspricht dem hebräischen Ouiu, verschieden sind aber die Zeichen:
phOnikisch X +» griechisch T. Beide P^ormen verl)ind«'t UUsö »ich stelle,
richte*, denn + ist der Balken, X der Kreuzbalken in der Hi<'gelwand, T i^t
die Wage, das Zeichen der Tag- und Nacht gleiche, /ro/w^» Wendung der Sonne,
Westen* UHos, tenna »Grenze, Ziel*, insoferne t ursprünglich der letzte Buch-
slab<' des Alphabets war, eines Alphabets für drei Jahreszeiten (Fruchtbark<Mt,
Dürn% Übers'^hwemmung), wolrh<»s dem Alphaln-te der vier Jalireszeiten w.'rh,
512 Griechische Schriftzeiohen.
in welches eine Reihe von Winter- Runen aufgenommen wurde, die dem
phönikisch-hebräischen Alphabete fehlen, oder die Zeit einer doppelten Ernte.
Ü'psilon, das nackte u, war als V der von Früchten entblösste Baunif
als Y V K schliesst es sich an hutn^n ,den Gott dei* Ehe* an, insofern die
zweite Abtheilung des Jahresringes eine Wiederholung des ersten ist und auf
die Kinderzeichen ks o pr $ t die Begattung folgt, die zweite Enite; demnach
wäre hüö ,ich befeuchte, lasse regnen', der fruchtbare Regen wie hüptrlön
der Obere, Wolkenhimmel. Im Norden würde diesem der Altweibersommer
entsprechen, m Ägypten die beginnende Regenzeit. Als Tageszeichen würde
sich T Ypsilon als Abendstern an E Epsilon den Morgenstern, hhperos an
h^ösphöros anschliessen.
Wenn die Griechen kein Wort für Abendrötlie hatten, so dürfte doch
ursprünglich das Zeichen 4> oder ® phi dieselbe bedeutet haben ; allerdings
wurde |)Äös »Licht* und phoibos »der Gott des Zwielichts, Gott des Tages',
aherphäros „Segel, Leichentuch*, ^>Äo7;iiÄ:5 „ roih^ , phülaks »Wächter* weisen
noch auf die ursprüngliche Bedeutung von 4> hin, ebenso phobeö »ich fürchte*,
denn 4> war nicht nur ♦ hagl, welches wir als Gewitter kennen gelernt haben,
sondern auch der Höllenrachen, die über den Horizont heraufleuchtende
Gluth der Unterwelt, welche die Sonne verschlungen hatte. Eine andere Be-
deutung in Bezug auf die Frucht ist phaülos, unser »faul* (roth werden =
verfaulen). Endlich ist 4> der von der Milchstrasse durchzogene Sternen-
himmel, gdla, galäksias, wie die deutsche ^ Aro/A-Rune.
Ehi hat im Griechischen einen schwankenden Gebrauch ; in einer Reihe
von Alphabeten, namentlich in denen des östlichen Griechenlands, ist + und
X /, in einer andern^ namentlich im Norden und Westen + und X ks, wo-
gegen / durch \|/ Y ¥ dargestellt wird, welches in jenen ps ist, während
in den erwähnten dieses ps durch )K bezeichnet wird, welches wir oben als
ÄYi/A-Rune kennen gelernt haben. Es beruht diess auf einem Wechsel der
BegrIITe, denn Y Y ist das erweiterte Y, dieses der feine Regen, jenes der
starke Regen wie 4> als /wy/Z-Rune, dagegen dürften + und X Sternenzeichen
sein, welche in )K in verstärkter Weise hervortreten. Y ist/ai«5 »ich gähne*,
Y /äris »der Liebesdienst*, 4* ist )(oros »der nächtliche Tanz«, welcher die
Bewegung der Gestirne nachahmte; X ist /alkös »das (bleiche) Zinn*. X
/ilhi »tausend* (die Vermehrung). Y ist 2)sil6s »entblösst, nackt* (wie Y
iipsüon), psü/e die Lebenskraft, auch der Schatten, die abgeschiedene Seele,
Griecliischer Zeitkreis. — Inschrift. 513
wobei wir uns erinnern, dass Y madr die abgezogene Haut, das Mal des
Schlachtens (verwandt mit dem Haarzopf 4>) war, dessen Träger Apollo
bekanntlich das Menschenschinden erfunden hat, welches er an Marsyas TerQbte.
Omega ist das grosse O, sofern es als 0 vorkommt, äps .das Angesicht',
als £1 ist es uranös der Himmel und dessen Spiegel okeanös ,das Weltmeer',
al:^ oikos «Haus* ist es die Höhle, das Höhlengrab, das Grab, als hdra .die
Stunde' der Zeitabschnitt, als ocUnö «ich habe Geburtsschmerzen* aber die
Wehen des die Sonne gebärenden Himmels, als deren Äusserung von den
Alten das Nordlicht betrachtet wurde.
Hieraus geht hervor, dass das griechische Alphabet einen ebenso fest-
gegliederten Stundenplan und ein Zeitrad bildete wie die übrigen Alphabete,
welche wir kennen gelernt haben, dass nicht Zeichen nach dem Bedürfnisse
der Sprache aufgenommen wurden, sondern dass für Zeitzeichen Laute
gebildet wurden, die Griechen hätten auch später wie früher KZ und PZ
statt S oder 4* schreiben können, die letzteren drangen als Zeitzeichen in
die Schrift. Dieses griechische Zeitrad war dann folgendes:
drktos Norden
iwr
trope We>ten 1 T ^ M 1 helios Osten
nötos Süden.
Die älteste griechische Schrift kennen wir nur aus Inschriften. Wir
hatten auf unserem Titelbilde eine solche gegeben, in welcher das H durch
die Buchstaben XS ausgedrückt ist. Dieselbe lautet vollständig:
N0IX^^/VO(D/<iNrOI
Fattlwnn. Geschichte d. Schrift.
•»•>
«>•{
^14- Altgriechische Gursiv.
In jetzige Schrift umschrieben :
2!^/ji.a Tzarrip K/ctßouAos^ d7:o^^iikiv<a H£vcQ>dvra> 3^x£ röd* avr*
dperi^g -kde aaoypoa'jvr^^, d. h. das Denkmal setzte der Vater Kleibulos dem
verstorbenen Xenophantos für Tüchtigkeit und Klugheit.
Später wurden die Zeichen gleichmässiger, gerader und erhielten jene
Gestalt, welche sich als Versalbuchstaben in der jetzigen griechischen Buch-
druckschrift erhalten haben. Mit dieser Schrift wurden auch Bücher selbst
dann noch geschrieben, als sich bereits die Uncialform und die Minuskel
entwickelt hatten. Die Zeichen der Versalbuchstaben und der Inschriften
heissen Majuskel (grosse Buchstaben) im Gegensatz zur Minuskel (kleine
oder gemeine Buchstaben).
Die Ziffern, welche in diesen Inschriften vorkommen, sind Striche von
1 bis 4, als I 1, || 2, ||| 3, Uli 4, dann Abbreviaturen fl für p^te 5, A für
deka 10, H für ykaton 100, X für xüioi 1000, M ^ür märioi 10000.
Aus der Majuskelschrift bildete sich aber schon früher eine cursive
Form heraus, von der wir hier, nach einem in Ägypten gefundenen doppel-
sprachigen griechischen und demotischen Papyrus eine Probe geben. *'*
jUL/Kjue/i|a)|<e©Ä^AK/(r/crrrÄT(Uft ... t^dro^^j(^6L ^c^TAzcv
7rihfT^<j)K^TOy^n(^plO0C U^ tTT^JüKÄT .iCh^^YThC t\A,cfxU\OC
In jetzige Schrift umschrieben :
My; ikt otwxe öde. 'Avc^^ iTan'<Ti6r(ov) iiero'jßavsg. ßaard^fa rr^v
rd^fTiV roxj '0(7io£w^, xat ifTzdyoi) xaracjTYiaai aur>jv Tsg 'Aßtooc xaraffrifjffat
sig Tocg ra^ag xal xara^^e^^xi eig . . . yag savyioi 6 detvaxoTzog Tzapar/r,
Tzpog T£^aj auTYjv a'jrw.
In dieser Gursiv findet man schon manche Übergänge der Majuskel-
schrift in die Minuskel, so in der Form des B, welches durch Weglassung
des untern Striches zu ß wurde, auch A ist öfters in einem Zug geschrieben.
W ist zu einem einfachen Kreuz geworden. Der hervortretendste Zug der
Gursiv ist die Verschmelzung mehrerer Buchstaben, so dass ein Theil des
vorangehenden Buchstabens zugleich einen Theil des folgenden bildete. Diese
Verschlingungen treten in späterer Zeit immer stärker auf und machen die
Schrift schwer leserlich.
^Af^fp HNenAINWM. TA.
\d}KeiA-^\XMACOMArOY
^^HNOTIOIKeiA.AIATOy _
TO feyAWC. AA\OT/A AH-^H-
AiAToyToenA iNerwr
AXH-e-HAe.dyXÖTIAIKMON
MÖNON. AAAOTIKAiriNW
cKÖKteNA- KAifonp^cyikpr.
Öycyr\wpeiTAiK'ANe'0'e
Griechische Uncial IX Jahrh.
{.«•«•••••'•'••'•:««*»»w«nM«WK»i«w«w
^AfA^fHNenAINWN. T\
^ tHNOTI ÖIKilA.AIA.TÖY
"to fey^wc 'a\\oti'a\h-0-h-
AiATOYToinA merwc
A\H-0-HAe.ÖyXOTIAIKMON
k4ÖN0N.A\\0TIKAiriNW
CKÖufNA- KAifonp'Ocy^Apr
Öycyr^wpeiTMKANf-^e
Griechische Uncial IXJahrh.
\
Erklärung der Tafel XII. 5 1 5
Neben der Cursiv entstand aus der geraden Majuskel eine gerundete
Form mit theilweise über oder unter die Zeile hinausreichenden Zeichen,
diese Schrift wird Uncial genannt und wir haben auf Tafel XII ein Blatt eines
sehr schönen Manuscripts in dieser Schrift abgebildet, welches zugleich auch
die herrlichen Verzierungen erkennen lässt, mit welchen die Anfänge der
Bächer und Capitel umgeben wurden. ^^^ Insbesondere wurden die Anfangs-
buchstaben (Initiale) reich geschmückt, wie hier das ^.
Wir fmden in diesem Schriftstücke auch die Lesezeichen angewendet,
welche der alexandrinische Grammatiker Aristophanes (200 vor Christo) in
die griechische Schrift eingeführt hat, indem er das H theilend "^ für den
leichten Hauch (Spiritus lenis), *" für den scharfen Hauch (Spiritus asper,
unser h) verwendete, hierzu fügte Aristophanes Byzantinum die Tonzeichen
' für den scharfen, ' für den gemilderten, " für den gedehnten Laut.
Der Text auf Tafel XII lautet in jetziger Druckschrift umschrieben :
t Et^ ry<v dotXfiiv inirdfiog t
*A^e/yT^v ^«TÄtvwv rd oUtict ^aujüLa^OjULat* öv /jlyjv ort otxst« Siä roOro
-^s'joojg. dXW 071 aATj^ri. $iol toüto inaivir^t}^ öcXtj^ St O'j^ ^"^^ Ätxaeov
^svGv. diu* GT{ xae 7(vco9xöjxeva xat to n-oo^' X^P^^ ^'^ Tjy/j^tipelTat xav l^i
Aus dieser Uncialschrifl entwickelte sich im 9. Jahrhundert die Minuskel,
welche übrigens auch Formen aus der Cursiv aufnahm, die Zeichen, wie die
letztere, möglichst zu verbinden suchte und ausserdem noch eine Menge
Abbreviaturen annahm, so dass zum Lesen selbst deutlich geschriebener
Manu Scripte eine genaue Kenntniss der Sprache gehört. Wir geben hier als
Probe das Vaterunser im Ductus des 10. und 15. Jahrhunderts.
10. Jahrhundert. ^
33*
516 Griechische Minuskel.
15. Jahrhundert.
Als die Buchdruckerkunst aufkam, verfertigten die Buchdrucker ihre
griechischen Lettern zwar nach den besten Handschriften, aber sie ahmten
auch, ängstlich alle Ligaturen der Manuscripte nach, so dass sich die Zahl
der griechischen Lettern auf mehrere Hundert belief. In neuerer Zeit hat man
alle diese Ligaturen aufgelöst und setzt die Buchstaben nebeneinander. In
dieser Form lautet der obige Vaterunser-Text:
Tt ßaüUüa acu* YsvK'S'T^TCi) tö ^£A>;ju.a ^ov, wg iv ovpavo), xai im Tf,g 'jtq-
TÖv d&TCv T^juLCüV röv £;rto6(7tov oö^ r,pJv ayifJLSoov xat ay£^ >5|jLfv rd oj/^*^-^'"
|!JiaTa r^/jLoüv, wg xat ^fXEi^ d^t£/jL£v rotg cystAirac^ >;fxoüv xat ^i^ £t(7£V£7xYXs
i:]üLdg tiq ntipaaiJ^ov^ d/Xd f 0(7at i^/Jid^ dnö reu ;rovT36oO* w <7o0 i^rtv r,
Pa(7(Ä£ta, xat t4 56va|üLt^, xai >i ä^cfa, £(C ro'jg atoivag. 'A/jlt^v.
Transscription und Übersetzung.
Pater hemon, ho en töts uranots, ayiasthetö tö önoma su, dthäö
Vater unser d2r in dem Himmel, geheiligt sei der Name dein, es komme
he basileia su, ge xetheiö tö thtHetna s%i, hos en iirano kat epi tes
das Reich dein, es geschehe der Wille dein wie im Himmel so auch auf der
ges. tön drton hemon tön epiusion dös hemm setneron, kat dphes hetnin tä
Erde, das Brod unser den folgenden Tag gieb uns heute, undvergieb uns die
opheilemata heinon hos kat hetneis aphtemefi töts opheiUtais hemSn, Äni
Schulden uns wie auch wir vergeben den Schuldnern unseren, und
me eisenmkes hernäs eis peirasmön, allä rhiisai hemäs dpö tu ponerUf
nicht führe uns in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel,
hoii SU esthi he basileia, kat he dünamis, ka\ he doksa, eis tiis aionas,
denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
^tnen.
Amen.
Wir lassen noch als Probe der jetzigen griechischen Schrift das obige
Vaterunser in der Schrift folgen, deren sich die jetzigen Griechen bedienen.
Neugriechische Cursiv. — Tachygraphie, 517
^Tz^«/«^ /h AAtf' ^^ y^ , ^^I^ ^^^^
Eine merkwürdige Schrift ist die Tachygraphie der Griechen, von
welcher Schriftstücke aus dem 10. Jahrhundert gefunden worden sind; kein
Schriftsteller erwähnt derselben, und man würde keine Ahnung von derselben
haben, wenn die wenigen Schriftstücke, in denen sie vorkommt, verloren
gegangen wären, wie so viele Stücke der griechischen Literatur. Es existiren
nur zwei Überbleibsel dieser Schrift : ein Codex der vatikanischen Bibliothek,
die Werke des Dionysios Areopagita in tachygraphischen Noten enthaltend,
und ein Codex der Pariser Bibliothek. Kopp lernte die griechische Tachy-
graphie in wenigen Stunden lesen, denn sie ist einfacher als die tironischen
Noten der Römer, hat keine Auslassungen, und da Accente und Spiritus
beigesetzt sind, kann ein Irrthum im Lesen minder leicht unterlaufen. In dem
Pariser Codex sind diese Zeichen zu Randbemerkungen gebraucht und mit
gewöhnhcher Schrift untermischt ; z. B. ^"^^
^ , 5 . KATA riOSOrS KAI notov? r6Ö.
'^T'^"/'''' norsöKATHro
r\OMc o KATH ro
(Das mit Versalien Gedruckte ist die Übertragung der gewöhnlichen Schrift,
die mit gemeinen Buchstaben gedruckten Wörter sind die Transscription der
Tachygraphie.)
Übersetzung: „....auf wie viele und wie beschaffene Arten der Ankläger
die Behauptungen des Beklagten vorlegt und was zu einem jeden die geeignete
Zeit sei....".
518 Gothisch.
Die Schriftzeichen sind Vereinfachungen cursiver Majuskelformen oder
vielmehr eine sonderbare Mischung von Gursiv und Majuskel. Die Vokale a
€ i sind auf Striche reducirt, nämlich — a / e y e\i, bist ähnlich unserem
u, ^ g ist weitläufiger als das gewöhnliche F, 7 d könnte eine Vereinfachung
von A sein, dz und th haben fast dieselben Zeichen V , doch wird ersteres
auch % geschrieben, was die cursive Form von Z wäre, ü ist das cursive
k, als V ist es das archaistische l, A l ist das phönikische g wie H ti das
phönikische n ist, C s ist die Uncialform, f r kann als cursive Form von P
gelten, V ü ist die Majuskelform, dagegen sind 7 p und - ö stark verkürzt;
•• t scheint die Gleichung anzudeuten, es kommt aber auch in if ks vor. Die
Vokalzeichen sind mit den Gonsonanten so verbunden, dass die Form einer
Silbenschrift herauskommt, was besonders durch eine grössere Anzahl von
Finalzeichen erreicht wird. Die Schrift macht im Ganzen mehr den Eindruck
einer Geheimschrift als einer Schnellschrift.
n. DIE GOTHISCHE SCHRIFT.
Die gothische Schrift ist nur aus einigen Handschriften der von Vulfila
im 4. Jahrhundert übersetzten gothischen Bibel bekannt, Schrift und Sprache
der Gothen sind längst begraben, und es wäre kaum nütze, davon zu sprechen,
wenn nicht diese Schrift ein merkwürdiges Licht auf die bisherigen An-
schauungen über die Entstehung von Schriften würfe. Wenn man liest, VuIfila
habe für die Gothen eine Schrift erfunden, so müsste man glauben, die Gothen
hätten keine Schrift besessen. Sie besassen aber nicht nur die Runen (das
auf Seite 178 gegebene Futhork des Bracteaten wird ihnen zugeschrieben),
sondern hatten auch geschriebene Gesetze. Nim meint ein Literarhistoriker
höchst naiv „das Runen- Alphabet eignete sich zum Gebrauch auf dem Perga-
ment nicht", wobei er ganz vergisst, dass die angelsächsischen Runen uns
in Pergamenthandschriften überliefert sind und der Gebrauch eines andern
Materials wohl bestimmend für Geradheit oder Rundung der Striche sein mag,
aber die Gestalt der Zeichen nicht beeinflussend ist.
Die wahre Ursache der Entstehung der gothischen Schrift scheint viel-
mehr darin zu liegen, dass Vulfila, von Kindheit an im Christenglauben
erzogen und mit der griechischen Schrift vertraut, den Versuch machte, mit
griechischen Buchstaben gothisch zu schreiben, und weil die Zeichen nicht
Gothisch. 5 1 9
ausreichten, gothische Buchstaben zu Hilfe nahm; so u fQr q, verwandt mit
dem markomannischen V chan; h für h, das markomannische V, welches
hftufig auch als K vorkommt (es scheint dieses Zeichen von nordischen
Völkern in die griechische und lateinische Schrift gekommen zu sein, da die
Ableitung von H viel zu gewaltsam ist); Q für j (auch dieses Zeichen scheint
von nordischen Völkern in die römische Schrift gelangt zu sein) ; n für u,
die Rune H, denn die Griechen konnten u nur durch o\f ausdrücken; wenn
wir fi statt P finden, so mag die Ursache sein, dass P der aspirirte, r der
harte, nicht aspirirte Laut war, weshalb wir R auch bei den Römern finden;
auch die Aufnahme von s statt C oder ^ muss auf einer Verschiedenheit
der Aussprache beruhen; weiters wiurde ^, welches die Griechen aufgegeben
hatten, wieder als ft / restaurirt ; X in der Bedeutung von ks, welche es auch
bei den Römern hat, aufgenommen, ein eigenes Zeichen für hw (unser Qu)
in o aufgestellt, und ebenso ein eigenes ft o aufgenommen, trotzdem die
Griechen in o und oj sogar eine Auswahl von Zeichen hatten.
Merkwürdig sind die Namen, welche diese Zeichen führen; sie sind
weder griechisch noch gothisch, wenn auch in neuerer Zeit unsere Germa-
nisten sich redliche Mühe gegeben haben, sie durch gewaltsame Veränderung
der gothischen Sprache anzupassen. Schon Lauth hat sich dagegen aus-
gesprochen, dass die Germanisten in allen Wörtern, die ihnen unbekannt
waren, Schreibfehler sehen wollten, daher aza zu ans machten, femer herata
zu bairika, geuua zu ffiba, daaz zu dcujs (der Irrthum des Schreibers, der a
für g gesetzt hat, ist noch nicht befriedigend gelöst, sagt Lauth), eyz zu aihvus,
gaar zu jir, noicz zu nauths (also muss der Schreiber in einem einzigen
Worte drei Fehler gemacht haben ! bemerkt Lauth *'* dazu) u. s. w.
Jedenfalls hatten die Gothen ein geschlossenes Zahlensystem, welches
bis 900 reichte, so dass, wie bei den Juden und den Griechen in jün^^orer
Zeit, der erste Buchstabe a auch 1000 bedeutete. In dieser Beziehung steht
das gothische System in der Mitte zwischen dem Althebräischen und dem
Markomannischen, wie die Gegenüberstellung Seite 5:20 zeigt.
Wenn das Zahlensystem der Gothen mit dem der (iriechen so über-
einstimmt, dass kein Zweifel entstehen kann, Vulfila habe es von den Griechen
entlehnt, so muss andererseits darauf hingewiesen werden, dass die (iriechen
ursprünglich ein anderes Zahlensystem hatten, und dass in der gothisehen
Schrift das Zahlzeichen 6 der (iriechen wieder einen Laut bekam.
520 Vergleichung des gr
)thischen Ahece mit verwandten Schriften.
Althebräisch
Gothisch
1
Griechische Uncial
Harkomanuiscb
^ aleph
^ <ua
1
a
! 1
A
1
alpha
1
A
a«:A
^ beth
B bercna
b
1
2
ß
beta
2
B
Urith
^ gimel
r ^e«Ma
9
3
V
gamma
3
l^
chen
A daleth
^ daa^
S
4
A
delta
4
1X1
(hont
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a ey^
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5
1
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1
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|900I
1 A
^r
1
2-1«
Die Gothen waren von jelier ein cuUivirtes Volk, und wenn ihr Naö*®
derselbe ist, der uns in der Bibel als Kittim im nördlichen Palästina entge?^'
tritt, so hat das Volk eine grossartige Vergangenheit gehabt. Auch dürfte ein
Unterschied zwischen Gothen und Gothen zu machen sein, denn diejenigen«
Die gothischen Schriftzeichen. 521
von denen das Bracteaten-Futhork stammt, waren andere als jene, denen
Vulfila das Evangelium predigte; die letzteren waren, wie die Alphabete
beweisen, Verwandte der Markomannen, und zwischen gothischer und grie-
chischer Schrift muss eine Ähnlichkeit bestanden haben, welche die Einführung
griechischer Buchstaben ermöglichte, denn dass die Gothen nicht ohne-
weiters eine fremde Schrift angenommen hätten, beweist ihr Festhalten an
den Namen.
Von diesem Standpunkte aus steht ^ in der Mitte zwischen dem grie-
chischen Alpha und dem ^ as der Markomannen; b bercna ist das marko-
niannische K 2>^rch, r geuua scheint sinnverwandt mit X der Hand zu sein,
den Laut d hatten die Gothen nicht, sondern nur S und t; E ist sinnverwandt
mit der Schulter M, daher konnte a hier eintreten ; wenn q an die Stelle des
/ und bau treten konnte, so dürfte unser qu damit zusammenhängen, wie
auch das nordische Ykaun hier als Y manne vorkommt; Z kannten die Gothen
als Anlaut nicht; andererseits scheint X im Zusammenhange mit ks gewesen
zu sein, welches wir auch nicht als Anlaut haben, das T des 12. Jahrhunderts
dürfte nicht ohne Zusammenhang mit der Rune gewesen sein; h steht
zwischen griechisch H und markomannisch X« welches im Gothischen ks im
Griechischen kh war, in J\ hur hat es den A-Laut. Das harte th kannten die
Markomannen nicht, doch im Angelsächsischen haben sich das harte und
weiche th erhalten; K ist das halbe markomannische X; ^ ist das hebräische
j 5/, wie griechisch A auch / und </ war, markomannisch [ l ist das grie-
chische r g; H ist dem C>^ nicht ferne, ebenso H dem /f; Q 7 ist dem
marko mannischen {^ sehr ähnlich, wie oben erwähnt ist perch das gothische
berma geworden: an seiner Stelle finden wir n 1* und n p, Zeichen, weKhe
sich ebenso ähnlich sind, wie deren Laute u=p; wir erinnern nur hierbei,
dass markomannisch jA asch und B birith an die Stelle der nordischen Rune
f ff n ur getreten sind, also offenbar ein Wechsel vorliegt. |t ist nicht grie-
chisch, s weder griechisch noch markomannisoh, wohl aber römisch und
mit dem altgriechischen S verwandt, welches zu Vullila's Zeiten ziemlich
vergessen war; sollte es nicht gothisch gewesen sein? T ist an die Stelle des
markomannischen T getreten, welches letztere als 900 die Reihe srhlit-sl,
der markomannische Name für das letzte Zeichen ^ ziu ist der nordische
tyr, der Zeus der Griechen. So weit reichen die phönikisclien Laute, wa^ mm
folgt, ist jrriechisch-gothisch-markomannisch. H wi/ar oiIit /i/vuV ist die Sonn»*,
522 • Gothische Schrift- und Sprachprobe.
das markomannische T huyri, das griechische phoibos 4>| das oben als ^th/t
(Zeit) vorkommt. Dass die griechische Uncialform OJ zu gothisch 9. werden
konnte, ist unverständlich, begreiflicher ist, dass gothisch ft othal (Yaterland)
zur griechischen Majuskel Q werden konnte , und wir erinnern uns hierbei,
dass dessen Nebenform O dem gothischen 6 uuaer entspricht und sowohl
Omikron als Theta war. Ich beschränke mich auf diese Andeutungen und
gebe als Schriftprobe das Vaterunser nach dem Codex Argenteus zu Upsala:
^.TT^nNSMt(|)nTNhlHlN|^H •
N^ssns(|)6ms* YMI^<^MY^Q^
T6iNj^Nri^nNShiHH^.(\^r^' Qj^h
M^A6TnNS(|)jS.T6lSRnA^NSSlQ^h
HjS.* SY^SY6Q^hY6lS^f:AaT^H(J)^r
rj^isnNsiN|?|tMSTnBNQ^r ^RAj^n
s6inHs^|?(|)^HHj^nBiAm' riNTa
Qj^hYnA(|)nsTHj^iYiNS • ^H6N\-
Transscription und Übersetzung.
Atta unsar Hu in himinam, tveihnai natno Hein, gimai
Vater unser du in Himmeln, geweiht werde Name dein, es komme
Oiudinassus Heins, icairHai wilya Heins^swe in himina yaJi ana airitai, hlnf
Königreich dein, es werde Wille dein so im Himmel auch auf Erden, Brod
U7i8arana Hana sinteinan gif uns himma daga, yah aflet uns Hatei dtäa»i
unser dieses tägliches gieb uns an diesem Tage, und erlass uns das schuldig
siyaifna^ stvastce yah weis afletam Hain skulam unsaraim, yah «»
wir sind, sowie auch wir erlassen diesen Schuldigen unseren, auch nicht
Entstehung der slavischen Schriften. 523
brifujais uns in fraistiibfiyai, ak lausei uns af Hamma ubilin, unte Heina
bringe uns in Versuchung, sondern erlöse uns von diesem Übel, denn dein
ist ^iudan-jardi, yah niahts yah umWus in aiwins, Amen.
ist Herrschaft und Macbt und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
in. DIE SLAVISCHEN SCHRIFTEN.
Wurden wir von den slavischen Schriften nur die cyrillische kennen,
so befänden wir uns ihr gegenüber in derselben Verlegenheit wie gegenüber
der gothischen: wir fänden griechische Buchstaben mit fremden vermischt,
und man würde uns erzählen, die Slaven hätten keine Schrift gehabt und
daher von den Griechen die Schrift entlehnen müssen. Spricht sich ja doch
in ähnlicher Weise ein bulgarischer Mönch, Khrabre, aus, der nicht lange nach
Cyrillus lebte und von dessen , Erfindung" der slavischen Schrift Folgendes
erzählt: «In alter Zeit hatten die Slovenen (ci\c»K'kHf) keine Bücher und keine
Buchstaben zum Schreiben. Sie waren Heiden und lasen und losten mittelst
Zeichen und Einschnitten (tsrutami und rtzatni, worunter man sich Runen
oder Kerbhölzer denken kann, das erstere ist verwandt mit hebräisch toin /erei
, Griffel*, c»BCin jrariummim , heilige Schreiber", das zweite mit aramäisch
n vaz .Geheimniss", griechisch rhedzetn »Opfer darbringen"). Nachdem sie
das Christenthum angenommen hatten, sahen sie die Nothwendigkeit ein,
ihre Zuflucht zu den griechischen und lateinischen Zeichen zu nehmen, um
ihre von Regeln entblösste Sprache schreiben zu können. Doch wie konnte
man mit griechischen Buchstaben Wörter wie BC^m {bog «Gott), /KHKOTK
(üiirßt' ,das Leben"), aicAiv (zeW »viel") u.s, w. schreiben? Manche behalfen
sich auf diese Weise. Endlich hatte der gnädige Gott Mitleid mit den Slaven.
Er schickte ihnen einen frommen und rechtschaffenen Menschen, den heiligen
Constantin, den Philosophen, Cyrillus genannt. Dieser ehrwürdige Heilige
schuf für sie ein Alphabet von 38 Buchstaben, von denen einige den grie-
chischen ähnlich, andere nach der slavischen Aussprache sind. Es war unter
der Herrschaft des Kaisers Michael der Griechen, des Boris, Fürsten von
Bulgarien, des Rastitz, Fürsten von Maravien, und des Kotzel, Fürsten von
Blatno, nach der Erschaffung der Welt 6363 (855 nach Christo)." *'»
24 Buchstaben sind aus dem Griechischen entlehnt: Aa^u:rg\ diese
524 Entstehung der slavischen Schriften.
14 aus dem , Slavischen e b tk i s dz u, tä u is ui S i\i ätä li ü k l iii ii ^
Es geht hieraus ohne Zweifel hervor, dass die Slaven Runenzeichen
hatten, aber sie schrieben damit nicht; jedenfalls waren diese Zeichen Wort-
zeichen, sie verstanden nicht einen einzelnen Lautwerth davon abzulösen,
lieber quälten sie sich ab, mit einem fremden unvollkommenen Alphabet ihre
Sprache zu schreiben, denn die fremden Zeichen hatten für sie nur einen
Lautwerth, keine Begriffsbedeutung. Die Sache mag ungefähr so gewesen
sein: Das Zeichen b bedeutete bei den Slaven bog (Gott), bükwi (Buche),
buka (Lärm), bokü (Rippe), bukar (Zeichen) ; der Slave konnte sich nicht
entschliessen in r ein b oder bu zu sehen, immer blieb es ihm ein BegrüT;
das B dagegen der Griechen, das war ihm b oder vielmehr tc, Cyrillus ver-
fiel in seiner Noth, da die griechischen Laute für das Slavische nicht aus-
reichten und für eine Predigt in griechischer Sprache von den Slaven wenig
Verständniss zu erwarten war, auf den Gedanken, r ebenso für b zu verwenden,
wie er k für tv verwendete, vielleicht ohne zu ahnen, dass das B auf dieselbe
Weise aus dem Zeichen des Weibes zum Lautzeichen w geworden war, wie
er jetzt b von seinen Begriffen loslöste, um es zum Lautzeichen b zu machen.
Mit Staunen vernahmen die Slaven, dass ihre Zeichen ebenso gut Laül-
zeichen sein konnten wie die griechischen, und die Erfindung war mit Gottes
Gnade gemacht. Hier haben wir die Lösung des Räthsels der Buchstaben-
schrift überhaupt; so erfand der unbekannte Jude das hebräisch-phönikische
Alphabet, so entstanden die persischen, tatarischen, syrischen, arabischen,
indischen Schriften, auf diese Weise wurde in Griechenland die Buchstaben-
schrift eingeführt, und wir möchten fast vermuthen, dass Segwoyab, der
Täirokese, und Doalu-Bukere, der Vei-Neger, auf dieselbe Weise ihre Schriften
erfunden haben. Es waren „Erfindungen", man fand dasjenige plötzlich von
Werth, worüber man bisher tagtäglich achtlos hinweggegangen war; wie
Millionen den Blitz einschlagen sehen und nur ein Einziger, Franklin, dadurch
auf den Gedanken des Blitzableiters kam, wie in China und Deutschland man
den Typendruck erfand, während die Römer längst mit Typen gespielt hatten,
ohne auf den Gedanken zu kommen, damit zu drucken.
Übrigens war Cyrillus nicht der Erste, der auf den Gedanken kam, die
slavischen Runen als Lautzeichen zu verwenden, schon mehrere Jahrhunderte
vor ihm hatte der heilige Hieronymus, ein Zeitgenosse des Vulfila, und vielleicht
Cyrillisch und Glagolitisch. 525
duich diesen angeregt, ein rein slavisches Alphabet aufgestellt. Er war in einer
slavischen Familie zu Studon in Pannonien (Blatno) geboren, und hatte
jenes Alphabet aufgestellt, welches unter dem Namen Glagolitza die Schrift
der katholischen Slaven ist, wie die Kyrillitza die Schrift der zur griechischen
Kirche gehörigen Slaven; es scheinen somit Glaubensstreitigkeiten verhindert
zu haben, dass die letzteren die Schrift der katholischen Slaven annahmen,
doch bezeichnet Chodzko eine runde und verschnörkeltere Form der Gla-
golitza als bulgarisch, die einfache gerade Form als illyrisch-kroatisch. Dass
beide Alphabete aus derselben slavischen Urquelle stammen, beweist die
Glt'ichheil der Namen, sowie die Übereinstimmung der echt slavischen
Zeichen des cyrillischen Alphabets; man vergleiche:
Kyrillitza: b h; B g M ül 14J ]i^ K "k l^ Jv a
Glagolitza: EflÄcfitfWUJW «BAJP&€3€
doch scheint ein Wechsel zwischen glagolitisch A ya und cyrillisch ^ t vor-
gekommen zu sein.
Der Zahlwerth ist bei beiden Alphabelen ein verschiedener; das Cyril-
lische hat die Zahlenreihe des Griechischen und lässt daher die slavischen
Zeichen bis auf s, welches als sechs an die Stelle des hau getreten ist.
ungezählt, daher
AKKT^'^B-'^HAi Ki\ M II ^ 0 II M p
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
a h IC g d e i dz z i th i k l m n ks 0 p ts r
200 300 400 500 600 700 800 900
stuf kh pst ö t
Es ist hierbei zu bemerken, dass das slavische ztlo erklärt, warum statt
des ursprünglichen f in der griechischen Sclu*ifl C zu 6 wurde; ferner geht
aus der Zahl 90 hervor, dass das phönikischc q im Slavischen zu U wurde,
stall seiner stand auch a; 0 für 90, welches in der gla^'olitischen Oixlnung
ebenfalls auf j:? folgte, wahrend andererseits auch m t<t für 900 diente, wie es
auch in der glagolitischen Ordnung auf Omega folgt. Für 1000 dient eine
Form, welche dem griechischen Sampi (^ 900) ähnlich ist.
Die glagolitische Ordnung zählt die eingeschobenen Buchslaben, l.i^sl
aber dafür H und 9 weg, so duss mit r beide Ordnungen in lOO zusammen-
trefT»*n, daher
RP
A dfa (^ ? a in b
30
40 50 60 70 80 90 100
<fi
k l m n 0 p r
O
W «V tf
526 Die sla vischen Schriflzeichen,
iti&afl2iab3df][£ÖD? 8
1 23456789 10 20
ahtogdeidzz i y
€" OD S 4> ^
200 300 400 500 600 700 800 900 1000
s t u f hh 0 St§ ts tS
Es durfte diess die alte echt slavische Zahlenordnung gewesen sein,
da sie dem gewöhnlichen Gebrauche widerstreitet, die fremden Zeichen am
Ende anzuhängen; zwar haben alle slavischen Alphabete derlei Anhängsel
wie %K^s. etc., aber diese scheinen Hilfszeichen gewesen zu sein, um auch jene
Laute getreu wiederzugeben, welche nicht am Anfange der Wörter vorkommen;
merkwürdigerweise hat das cyrillische Alphabet die Laute kn psthysm Ende
angehängt, wobei im Russischen A zu f (fita statt thila) geworden ist
Untersuchen wir nun die Bedeutung der Zeichen auf Grundlage der
Zeichennamen, ^^^ so fällt uns sofort auf, dass das slavische Alphabet wie
das gothische mit az beginnt, und dass das gothische wie das cyrillische und
selbst das hunnisch-skythische Alphabet dafür <v haben, das glagolitische hat
dafür itl, die nordische ^ Fr-Rune; alle diese Zeichen haben dieselbe Bedeu-
tung, die im illyrischen fl" a (später ih) noch klarer hervortritt; a$ ist der Gott
Amor mit Bogen und Pfeil, der lebengebende Gott, das lateinische esse, deutsch
Wesen (das höchste Wesen), der theilende (halb ^ Alpha) und zwiegeschlech-
tige Gott, der schwarz-weisse Harpokrates der Ägypter, der Janus der Römer,
der Hermes der Griechen, das schaffende Wort (PAarOAn glagd, daher der
Name glagolitisch d. h. die (heimische) Sprache im Gegensatz zur griechischen.
Cyrillisch b b buky ist glagolitisch h r (rtsi); damit stimmt überein,
dass reis .Wort*, hukar .der Sprachkundige* bedeutet; beide Zeichen
schliessen sich an den ersten Buchstaben (das Wort) an, wie denn hog im
Slavischen Gott bedeutet (altpersisch hago^, k ist offenbar das demotische 0
.Gott", in der hieratischen Schrift ^^ hk (das gebärende Weib), ]^ die Göttin
oder vornehme Frau das griechische P. r verhält sich zu rfl wie ägyptisch ^
zu |, d. i. wie Weib zu Mann, und da wir gesehen haben, dass is dem alten
g entsprach, so wäre reisi das hebräische rpi raqioL ,die Himmelsfeste*,
welche wir in der Schöpfungsgeschichte als ^ kennen gelernt haben, die um-
gekehrte Form von B. Diese Himmelsfeste dürfte auch das glagolitische B
sein, das phönikische *^, hieratisch ^ ^ (hebräisch ^vMÜm Himmel), die
Die slaviscben Schriflzeichen. 527
Feuchte» das fruchtbare Erdreich, b^k% bok .die Rippe (aus der das Weib
geschaffen wurde), die Weiche,* bo^'kilkh buktüi ,die Buche* (der frucht-
tragende Baum), BO^'KapHU hdcariya der Sitz, ägyptisch J das Symbol der Isis.
Cyrillisch r w wedi ist das umgekehrte glagolitische 3 on oder o .er,
jener* (das Hintere im Gegensatz zu B), glagolitisch w ist OD wedi , die Wiese*
(die Bucht, der Busen), ferner Kic^k wed' »die Wissenschaft*, bulgarisch V
was mit R'k;^po widro »die Urne* übereinstimmt. Dieses Zeichen lehnt sich
an das vorige an, denn auch Isis ist die Göttin des Geheimnisses und des
Wissens, wie die griechische Pallas Athene, wie überhaupt im Alterthume die
Frauen »die Wissenden, Klugen, die Zauberinnen, die Runenkundigen* waren.
K ist das Weib, die Urne, die Sudkunst.
Cyrillisch r, glagolitisch & g heisst PAarcAH glagoli, verwandt mit
PAaroAK glagd' »Sprache*, griechisch glotia. Das slavische glagoV hat sich in
unserer »Glocke* erhalten, und klöckel (vulgär klakkd) ist das griechische
gioda »Zunge*. Nun sieht das gothische ^ cua eher wie eine aus dem Munde
heraushängende Zunge (das Symbol des Loki) aus als r oder &, dagegen
dürften diese Formen das altgriechische < zur Grundlage haben, der Gaumen,
der tönende Raum, wie die Glocke, und das Wort wäre mit unserem »gähnen*
vem^andt. Da das Ginnungagap oder das Chaos zuerst war, und das illyrisch-
bulgarische Alphabet den Namen glagolitza führt, so möchte man fast ver-
muthen, dass ein Wechsel stattgefunden habe und ghgol einst der erste
Buchstabe, die Rune der Mitternacht war. Übrigens war & auch die Klinke,
der Thürklopfer, als Zeitrune das Zeichen, wann der Hahn zum ersten
Male kräht.
Cyrillisch x glagolitisch Ob oder a (f heisst ^V^Kpo rfo6ro » gut, schon * .
Das letzte Zeichen ist jedenfalls die Wagre und weist auf eine Zeit hin,
wo ,v Rune des Morgens und die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche war; Ob
ist dagegen die Hieroglyphe TT (Himmel), \ aber A tu, beides der Morgen-
stern, das Ende der Nacht. \^ do ist eine Präposition, welche als griechisches
A*Vi »so lange bis, indessen* aber auch »Frühroth, Morgonrölhe* be-
deutet, es ist sehr wahrscheinlich, dass auch das slavische do diese Doppel-
bedeutung hatte.
Cyrillisch e, glagolitisch 3 oder 3 ; das letztere ist das umgekehrte
griechische *, verwandt mit cyrillisch 3 oder 5 ^^^'w/a, welche Form im Mittel-
alter auch in die lateinische Schrift gedrungen isl; mc yes heisst »s(Mn*,
528 Die slavischen Schrittzeichen.
esf »ist", die Zeichen dürften daher der Mund und sein Gegentheil sein, wie
hieratisch ^ft ,die Nase*, beides Organe des Odems, des Lebens.
Cyrillisch 3K, glagolitisch |}b i ziwife ,, Leben* schliesst sich eng an
das vorige an ; beide Zeichen weisen auf die Hieroglyphe m, hieratisch ^i m
„bilden, gebären, hervorbringen" hin, eine keimende Wurzel, als Zeitzeichen
die Sonne am Horizonte heraufleuchtend, da das siebente Zeichen der
28-theiligen Zeitrose unmittelbar vor der Rune des Ostens steht.
Cyrillisch S, glagolitisch Jj z, z^Jo ist unser deutsches , sehr* mit der
weitern Bedeutung von heftig, leidenschaftlich, griechisch zehs, s ist die
Schlange "^^j hieratisch /5, der griechische Zeus, das glagolitische Zeichen
dürfte die Hieroglyphe jJb« hieratisch i£Ll) die aufgegangene Sonne sein,
der ägyptische Osiris, hieratisch jh, das chinesische \Q/.
Cyrillisch h, glagolitisch Qu z, scA\/\y zemlya «die Erde* ; das glagoli-
tische Zeichen dürfte die Mutter mit dem Kinde sein, die Erde nimmt die
neugeborne Sonne in ihre Arme; das cyrillische Zeichen ist bei es^ als
„Leben* erwähnt worden, es ist das junge Leben, das Kind, welches noch
nicht laufen kann, die Hieroglyphe Ju).
Cyrillisch h, glagolitisch ¥ i, hHxC t^ bedeutet »und*, und daraufweist
auch die Verbindung h hin, aber wir haben dieses Zeichen auch als Himmel
erkannt, und die glagolitische Form ist die Hieroglyphe y a;^,hoch*, es ist
die Sonne, die sich erhebt, noch steht sie so, dass man glauben möchte, man
könne sie noch mit den Händen erreichen, die Verbindung mit der Erde ist
also erst gelockert, übrigens dürfte durch die Erweiterung des Zeitkreises
sich die Bedeutung geändert haben ; im Griechischen war H die Ostrune, die
Vereinigung von Himmel und Erde, hier war das .und* noch am Platze.
Cyrillisch i, glagolitisch 8 t. Das cyrillische Zeichen war im Glagohli-
sehen yerek, das hebräische ipi* yerek .Lende*, das nordische X und dadurch
mit itl az verwandt, wie das an seine Stelle getretene k das vereinfachte B
buki ist. I ist das Symbol der Fruchtbarkeit, der zeugende Sonnenstrahl,
hieratisch ^ akp, griechisch agdpe »die Liebe*, verwandt mit h inr t^^
Mühle*, und 8 scheinen in der That zwei Mühlsteine zu sein.
Glagolitisch RP d^rw' hat kein Gegenstück im Cyrillischen, es müsste
denn ki yeri sein ; die Figur scheint dasselbe zu bedeuten wie die vorige ; ^^
der hieratischen Schrift dürfte ihm Jöf" das Sistrum entsprechen; es ist die
Zeit der Liebe, der Freude, des Glückes, der Juni.
Die slavischen Schriflzeichen. 529
Cyrillisch k, glagolitisch A, bulgarisch !> , KaKO »wie, auf welche Art
und Weise*, dürfte ursprünglich ,Art und Weise* selbst bedeutet haben. Im
Griechischen heisst kakös „schlecht*, H ist die Rune der Sonne, die sowohl
.zeugen* wie I bedeutet, aber auch den Strick, dalier «Ränke spinnen, ver-
dreht*, und wir erinnern hierbei daran, dass in der phönikischen Schrift ^ k
das verkehrte K a war. In unserem Liebesroman ist es die Zeit, wo die
Götterhelden die Geliebte verlassen. Das Zeichen steht im Zeitkreise ungefähr
dort, wo die nordische Rune + nattd stand, dort war es Zeichen der Befruch-
tung, und damit stimmt »Art und Weise* überein, aber genauer dürfte es
das Ende der Befruchtung sein, und man möge beachten, dass dort + w vor
I stand, hier stehen sie umgekehrt.
Cyriüisch A, glagolitisch [ft/, A^XHte It^tidit/e »Leute* bedeutet wie
Loden »Nachwuchs, Kinder*, daher a zwei Füsse (Fussgänger im Gegensatz
zu Reisigen), entsprechende Hieroglyphen glebt es so viele, dass derReichthum
beirrend wirkt; am passendsten scheint mir 11 hieratisch 4^ un ^ähnlich
sein*, das hebräische pj «im »Nachkomme*, es wäre dann die Zeit des
wachsenden Getreides, wie aus der nordischen Getreidegöttin Sif die Sippe
geworden ist.
CyriUisch a\, glagolitisch ^ m, mucahti mtisliiv. Die beiden Zeichen
sind in der Form identisch, das Zeichen fällt auf die 12. Mittagsstunde und
bedeutet die Mitte, griechisch mesos, davon ist der slavische Name abgeleitet,
welcher »bedenken, nachsinnen, zögern* bedeutet, wie auch im Deutschen
Minne und meinen, wintie (Hoffnung im Gewinn) und weinen verwandt sind.
Cyrillisch m, glagolitisch p w, HaiiiK m/x »wir*. Dieser Begriff ist im n
ausgedrückt, welches eine Vergleichung, die zwei II ist, ebenso weist HaiiiKKK
fioMc auf die Hieroglyphe \^\ »das Gewebe" hin, dagegen ist P, welches
wir als Zeichen der Jugend kennen, das griechiche uroa , frisch, jung, schön*
slavisch NauiKA ^*<^ »kommen*. Mit diesem Zeichen beginnt die zweite
Hälfte des Zeitkreises und <^ entspricht dem b.
Cyrillisch o, glagolitisch 9 o oNk on' »jener* ist bereits bei k als die um-
gekehrte Form dieses Zeichens besprochen, wie es auch als o mit tc verwan<lt
ist. Wenn übrigens 9 das Hintertheil ist, so ist o nicht das Auge, sondern
der Auswurf. In dieser Beziehung würde das lateinische unu:< »die Last*,
noch mehr aber anu;f »der Kreis, der Afler* entsprechen, worauf auch cm-
p<»^VHTH anerwiiti »schmähen, verachten* liin weist,
FAulmann. (tetcbiclita d. Schrifl. ',*,{,
Ö30 Die slavischen Schriftzeichen.
Cyrillisch n, glagolitisch fü p, noKOH|?oA'oy »Ruhe*. Die beiden Zeichen
bedeuten dasselbe, [D ist überdiess identisch mit Ob, welches wir als Morgen-
stern kennen gelernt haben, welches aber auch die Nacht bedeutet; im mar-
komannischen Alphabete war perc eine Nacht-Rune, welche auf das Zeichen
des Westens folgte. Hier dürfte das Zeichen dem englischen afler-noon
„ Nachmittag • entsprechen, der Zeit der drückenden Hitze, welche die Arbeit
lähmt.
CyrilUsch p, glagoUtisch B r, psi^H rtsi. p ist dasselbe wie glagolitisch
9ia^, glagolitisch t dasselbe wie cyrillisch bukt, jenes bedeutet »jung", dieses
das Wort p'ki^K rets, in der Wiederholung der Zeichen entspricht es e est'
„ist* (Leben); endlich ist es dem slavischen k ähnlich, dem unausgesproche-
nen Zeichen, schliesst sich somit an ,Ruhe' an. Wenn die Zeichen einmal
nur bis 90 reichten, so fing mit P r eine neue Reihe an und dieses, wäre
so viel wie itl az gewesen.
Cyrillisch c, glagolitisch ^s, cac»ro slotco y,W ort* ist derselbe Begriff wie
der vorige. Das glagolitische Zeichen dürfte die Hieroglyphe W sa , Schutz,
Hintertheil, Rücken" sein, wozu sich die einfache Hinterbacke C gesellt, von
der man nicht weiss, wie sie in die griechische Uncialschrift hineingekommen
ist, ausser sie müsste von den Slaven entlehnt sein. In der Minuskel wird gar
<7 daraus , während die Finalform ^ sich an das archaistische ^ anlehnt,
(7 ist aber das hebräische d satne/^ Als Wiederholung schliesst sich Slowo
an ziweie »Leben" an.
Cyrillischr, glagolitisch OD ^^TKkpjs^o tun-do^fesiy Firmament". OD ist das
cyrillische n und mit fD verwandt ; es mag also ebenfalls die Hieroglyphe '"^
Himmel sein ; T haben wir als die Wage kennen gelernt, sie war im Griechi-
schen Zeichen des Westens, hier steht sie nur um ein Zeichen vor der West-
linie. Übrigens zeigt die Hieroglyphe' 11 ', dass man auch den Himmel als
eine ungeheure Wage betrachtete, an welcher sich die Sterne wie Gewichte
auf und nieder bewegten, so dass wenn ein Stern erscheint, der andere
vei schwindet.
Cyrillisch «^•=S, glagolitisch 9 u, QyK% uk. Letzteres ist dasselbe me
cyrlDisch k» yu. Uk »Gelehrsamkeit" ist dasselbe wie k wed' »die Wissen-
schaft", das Dunkel, der Untergang der Sonne, das Insichgehen, Einsehen.
Cyrillisch ^, glagolitisch * f sind identisch. Wir kennen das Zeichen
bereits als den Haarzopf des Phöbos Apollo; ^^opSTO^'Ha fortuna ist »der
Die slavischen Schriflzeichen. 53 1
Sturm", womit ^(fpKKa^a ferkada «das Schiffchen" zusammenhängt, das wäre
die Hieroglyphe ^i^^ des Segels, auch ^^apHHCk /arii .das Pferd" hängt damit
zusammen, es ist das windschnelle und daher dem Wagen Apollos vor-
gespannt; ^ ist auch die dunkle Wolke; es begiimt die Zeit der Stürme, und
im nordischen Runenkreise fanden wir an dieser Stelle r, welches die Heim-
kehr der Schiffer bedeutete.
Cyrillisch jf, glagolitisch Ic kh. Was ]("kpk kiwr bedeutet, ist unbekannt;
jfsiipa khira ist die «Gebrechlichkeit, die Krankheit*, und im phönikischen
Alphabet war X ^^^ Schluss. I0 ist offenbar dasselbe wie & glagoV, daher
das Gähnen, die Müdigkeit, die Zeit des Schlafengehens.
Cyrillisch w, glagolitisch Q 0; die Bedeutung des Namens wr% ot ist
unbekannt; iv ist das Hintertheil, das glagolitische Zeichen scheint der Mond
zu sein, hieroglyphisch O pauL Es ist jedenfalls ein Nachtzeichen.
Glagolitisch W Sta und ^ Uaw, cyrillisch i|j äta und g Ueruf sind ebenso
verwandt, wie in den angelsächsischen Runen ^ si und ts ist; es ist jeden-
falls die Hieroglyphe rij, das grosse Höllenthor, welche wir bereits bei s
angezogen haben, mit dem Begriffe der «Stütze*, deim sta heisst in den
europäischen Sprachen durchwegs «stehen*; das festverschlossene Thor der
Unterwelt hält die Todten fest, die Unterwelt ist die Stütze der OberwelL
Verwandt hiermit ist auch lu Sa, welches keinen Lautwerth hat; es ist das
chinesische San «Berg* und bedeutet wie Sta «die Starre, den Tod, die Ver-
steinerung der Erde", wie auch die angelsächsische Rune st der «Stein* ist;
übrigens kann Sta auch der Scheiterhaufen sein.
Cyrillisch 1^, glagolitisch ^ tsi ist die Urne, in welche die Asche des
Todten gesanmiielt wird, das ägyptische % /n, welches den ursprünglichen
^-Werth hat, vielleicht auch, da ( zu^'lcich See bedeutet, der Charon und
sein Nachen in der griechischen Mythe; in diesem Falle dürfte Q 0 der Obolus
sem, welcher dem Todten mit in's Grab gegeben wurde; i^p&RK tsrtv' ist der
Wurm, als ^ Skorpion ebenfalls Symbol des Todes.
Die übrigen Zeichen sind Entlehnungen der früheren, si k *k sind
Modißcationen von b b und h r, k ist Zusammensetzung von 1 und 0, wie o
Ton I und a, le von 1 und i, jh e^und «i%d sind Nebenformen von rfl a; das-
selbe ist bei den glagolitischen Zeichen der Fall. Daher haben diese Zeichen
auch keinen Zahlwerth, es sind Bildungen der Grammatiker, und es wäre
sogar möglich, dass sie auch erst in späterer Zeit aufgekommen wären.
3 t»
532 Glagolitisch.
So haben wir auch in der slavischen Schrift eine Zeitrose kennen
gelernt; während aber in dem 2i-stündigen Zeitkreise die Bahn der Sonne
beschrieben wird, habeii wir in dem vorliegenden 28-theiligen Kreise die
Geschichte des Mondes, sein Aufnehmen und sein Abnehmen: ftl az ist der
Neumond, ^ zelo das erste Viertel, SB mislite der Vollmond, ffl vk das letzte
Viertel. Es ist jedoch wahrscheinhch, dass sich in diesem Zeitkreise auch
der Tageskreis einmischte, der sich ja vom Mondkreise nur dadurch unter-
schieden, dass seine Viertel sechs Theile die des Mondes aber, die Woche,
sieben Theile hat. Demnach ist rfl Mitternacht, ^ Sonnenaufgang, Sß Mittag,
SB Sonnenuntergang.
Wir lassen nun als Schriftprobe einige Vaterunser-Texte folgen :
1. Glagolitisch.
Die glagolitische Schrift wird nur noch in den Kirchenbüchern ange-
wendet, die Slavonier wie die Slovenen und Kroaten haben in neuerer Zeit
das lateinische Alphabet angenommen. In den alten Texten wurden die
Wörter ohne Zwischenraum aneinander gereiht, wahrscheinlich hatten die
Consonanten, wie noch die einfachen Namen §a, äta ein inhärirendes a,
wo ein anderer Vokal lautete, wurde dieser geschrieben, wo kein Vokal folgte,
stand I (yerekjy das Virama der Inder, mit welchem sogar die Form Ähnlich-
keit hat. Das Vaterunser lautet:
SODItfi PitlUJ) : 8db3 S'o'BPrt] PSBS'q'S : Obltl ^QD^DDSODI^^ 8M€
000033 : Olartl [DBBObSOOl WL^ODOOS 000033 : Olartl E?SBab30DI OOaAebODQOaBi.
&Aa Pitl P3Ef3'o'8, 8 Pitl 0O3CA(ft)8 : {Ldfa&Bl PitlUJI Pitl'o'atf IPi8 ObrtldbOb) PitiMt
0biP39i : H a9oortiao8 prtiMi obifbi&io pihuj^ . ebAS A3 8 mi8 Q^ooihooiftiBiaMi
Ob (ft]i(}i]iP8AaMi pitiuiOMi : H p3 ooioosobo pih'o'i ooa 8'o'asbuj3P83 : Fa aOoeitiODS
prhei aooi cftiaAitioorti&a : tt^spi :
Transscription und Übersetzung.
Ott§e naä, tze esi na nehesi, da Sivftit s§ im
Vater unser, der du bist in den Himmeln, lass ihm sein geheiligt Name
tu'oye, da pridet tsarstwo itcoye, da budet tcolya ttcoya, yako na nebci^i,
dein, lass es kommen Reich dein, lass ihm sein Willen dein, wie im Himmel
i na zetnli, /lyab naä nasu§t/n daid nam dnes, i ostawi nam dlyii
und auf der Erde, Brod unser täglich gieb uns heule und vergieb uns Schulden
Cvrilliscli. 533
fia^, yako i mi ostawhjayem dlznikom naäim, i ne wwedi uas wo
unsere, wie auch wir vergeben Schuldigern unseren, und nicht führe uns in
hkuseniye, no izhawi uas ot lukaivago. Amin.
Versuchung, sondern befreie uns vom Übel. Amen.
2. Cyrillisch.
Das Folgende ist ein allslavonischer Text nach den ältesten Manu-
Scripten, er stimmt ziemlich genau mit dem vorstehenden glagolitischen
überein, so dass Transscription und Übersetzung überflüssig sind.
Oh€ HdllJk H;K€ KCH Hd HBC€\K« ^d CTHTkC^A
HAHA TBOK ^a npH^€Tk HpCTBHK TBOK. Ji,A BJIk-
A^Tk BO/\ia TBOA. laKd Hd HBCH H Hd 3€A1\AH»
X^I'kBK HdlUk HdCJIkllJTkHKIH. A^^*^ HdAHK
AkHkCk. HOCTdBHHdAHKA^KrKIHdlUA KIKOHAIIKI
OCTAfiXtaaSX^ A'\2;KHHK0A\K HaiUHAIIZ H HtBSBf ^h
HdCK BK HdnaCTk. H2 HSBdBH HKI OTK HfnpH-
ta3HH laKO TBOK KCTk HpcTBHK H CHAA H CAAKA
Sk B'kKKI ^AHHHk.
3. Russisch.
Die Russen schrieben früher ebenfalls mit der cyrillischen Schrift. Peter
<ler Grosse, dem die Schrift zu schwerfaUig war, liess dieselbe 1704 verein-
fachen und dem lateinischen Ductus mehr anpassen. Nach dem Muster des
letztern wurde auch eine Schreibschrift gebildet, welche auch von den
Rulhenen, Serben und Bulgaren aufgenommen wurde.
Man beachte die Unterschiede:
Cyrillisch a « k b t e ^ ^^ u \^ r i\ iif if f^ td yn le ye
Russisch a ö e y p i; h n «
Noch mehr tritt diese Ähnlichkeit mit der Lateinschrift in der Schreib-
schrift hervor, wo noch mehr cyrillische Buchstaben durch lateinische ersetzt
wurden. Übereinstimmend werden geschrieben a e I k o y r, dagcgtMi sind
gleich aber von verschiedener Bedeutung:
534 Russisch.
Russisch Oh^wO'dßz (weiches s) U i U p /l r
C s W. i X kh Z a.
Von cyrillischen Buchstaben wurden ganz aufgegeben: s, welches
ohnehin nur Zahlzeichen war, das die Russen, nachdem sie die arabischen
Zahlzeichen angenommen halten, nicht mehr bedurften, S=oy, welches durch
y ersetzt wurde, w, ih, ^ welches durch kc ersetzt wird, und i|'. Den Russen
fehlen von unseren Lauten ä, welches ganz ausgelassen oder durch g ersetzt
wird, z. B. raM6ypn> Hamburg ; c, welches seiner Aussprache gemäss durch
H ts oder k k ersetzt wird, / und v, welche durch 4> ersetzt werden, das alte
it wurde zu ät^ und kommt also schon früh in cyrillischen Texten vor,.
A zeigt einen Diphthong an.
Das Vaterunser lautet nach der im Jahre 1870 von der Petersburger
Staatsdruckerei herausgegebenen Vaterunser-Sammlung:
Othc HsasTb^ cymiH na Heßecaxii! ^a cbä-
THTcii nmaTBoe; fl^SL npiH/(,eTn»napcTBieTBoe:
^a 6j^eTb BOJia Tboa h na seAia't RaRii na
Ha cen fl^eiih; n iipocm HanrB /i^oarn Hauin^
KaKii H Mbi npoin^aeMii fl^ojimauRawb naniHMi» ;
H He BBe^ Hacii bi» HCRjmeHie^ ho nsöaBb
Hacii OTh ajKaBaro. Hßo Tboc ecxt i^apcxBO
h cnaa h caaBa bo b^kh. Amhhl.
Schreibschrift.
(^//ite Haaib, cuau?/^ /la /eeoecaa^^f ^a
Serbisch. 535
a^^eafc hocz ab ucÄfiMe/iie, /la u^a/M /lacz
Transscription.
OUe naS su^tSii na nebesa// Da swyaiitsya imya Twoye, da priidet tsarst wi
TwoyCfda budet wolyaTwoya ina zenUye kok fia nebye,/lyeb nas nasust^nii dai nam
na sei den, i prosii nam dolgi na^, hak i mit prost saem dolznikam tui^im, i ne
tctdi nas tv iskvtäenie no izbaw nas ot lukawayo. Ibo Twoye yest tsat'sitco i
denn dein ist das Reich und
sila i slawa uo tvyeki, Amin.
die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
4. Serbisch.
Die Serben bedienen sich ebenfalls der russischen Schrift mit einigen
Änderungen als % dy ^ ly b* ny ti ty 6 ye, da^ojren haben die Kroaten
die lateinischen Lettern angenommen. Wir lassen hier das Vaterunser in
serbischer Schrift folgen :
Othc iiainii, iiaje ecii iia Hcöecfext. ^i,a cbh-
TiiTCfl HMfl TBO65 /(,a npw^exb u^apcTBiß tboc^
^a 6j^eTb BoaA tboa^ ako na iie5ecbu h iia
3eMÄM^ xa%6b Haiub iiacyii^iibi ^aw^i^b naMb
^Hecb^ H ocTaBH HaMb ^oarbi iiaiiiA. akohuC h
Mbl OCTaBaACMb ,^0*IHSIlliKOMb IiaillllMb. li iie
Bo Be^H Hacb Bo HCKviiieiiiie« ho iiäöaBii iiacb
OTb ajKaBaro» AMUHb.
S36 Rumänisch.
5. Rumänisch.
Auch die Rumänen bedienten sich in früherer Zeit der cyrillischeD
Schrift, in neuerer Zeit haben sie immer mehr lateinische Buchstaben ange-
nommen. Wir geben hier eine Probe dieser Schrift aus älterer Zeit:
0
C
ta: (biE BOA TAo npE kVaal -KIEpi^o UJH n|l{
n'kAA^HTk. IBRÄHt HOACTf'k ^4: Af TOATf
3HAEAE0 A'kHfW HOAW ACT'k3H I UIh H£ »fTT.
HOAW AATOpiHAE HOMTfi ttfi kVaAL UJH ,h6h
EfT'kAAk AATOpHHtHAWpk HOLjJjlH : IUh hV Hl
AVif njJf HÖH 4^ HCnHTTvi, ^H Hf H3K1B4H1C
A( t(Ak p'k^. AAAHHk.
6. Die Schriften der westlichen Slaven.
Die westlichen Slaven haben unter dem Einflüsse der katholischen
Mönche, welche, wie auch in Deutschland, lateinisch predigten und die Landes-
sprache missaehteten, die lateinische Schrift und besonders die in Deutschland
gebräuchliche Fracturforra angenommen, welche noch jetzt von den Slovaken
V _
und Wenden der Lausitz gebraucht wird, während die Cechen vor Kurzem
und die Polen schon längere Zeit die lateinische Antiqua-Schrift annahmen.
Um ihre Sprache mit dem für sie unvollkommenen lateinischen Alpha-
bete schreiben zu können, wendeten sie Accente an, namentlich ", welches
eine Erweichung bezeichnet, z. B. e ist ye, d ist dye, r ist rz, z ist das weiche
seh, § das harte, c ist das deutsche tsch. Die Polen gebrauchten das Zeichen '
zur Erweichung, daher: b' ist by, s sy, c tsy, sc syt^y, seh wurde durch Zu-
sammensetzung als sz; sehtsch, das russische m, durch szcz wiedergegeben;
für das weiche seh haben die Polen zweierlei Aussprachen, welche sie durch
i und i unterscheiden, q und f sind Nasallaute. Wir lassen hier das Vater-
unser in der jetzigen Orthographie dieser Völker folgen:
Cechisch. — Polnisch. 587
Cechisch.
Ot(e iUiS, kieiy£jsi v 7iebesich, posvet sejmSno tt4; prijd krdlovstvi tv^, bud
uile tvdjako v nebt iak i na zemL Chleb ndä vezdejH dej ndm dnes; a odpusi tidm
rinny naSe, jakoi i my odpouSUme vinnlküm naSim; i neuvod näs v pokuSetil,
ale zbac näs od zl^ho; fiebo tvejest krdlovstvl, % moc, i sldva na veky, Amen,
Polnisch.
Ojcze nasz, ktöry^ je^t tc niebieüech, iwi^i si{ itni{ twoje; przyidz krdle-
stwo twqjej bqdz tcola tum, jako w niebie, tak i na ziemi. Chleba naszeyo ^o-
trszedniego daj nam dzisaj; i odpiui^ nam nasze ioiny^ jako i my odpuszczamy
fui^zym mnmvajcom: i nie tvwödz tias w pokuszenie. Ale nas zbaw ode zieyo, al"
botviem ticoje jesi kröUstwo, i moc i chwafa, na wieka. Amen,
IV. ALBAXESISCH.
Ganz im Gegensatze zu der Meinung, dass das phönikische Alphabet
die Runde durch die Welt gemacht habe, sehen wir in manchen Erdenwinkeln,
wo man keine Kenntniss der Schrift vermuthet, eine Anzahl Alphabete von
Geschlecht zu Geschlecht als Geheimschrift vererben. So bedienen sich die
Albanesen im Aligemeinen der griechischen oder der lateinischen Schrift, und
zwar die Tosken der griechischen, die Gegen der lateinischen, und doch hat
der österreichische Consul v. Hahn bei ihnen drei verschiedene Alphabete
gefunden, von denen das eine 52 Zeichen (also so viel als das Jahr Wochen)
das andere 33 und das dritte 2:2 Zeichen, wie das phönikische Alphabet, hat.^^^
Das letzte wurde Hahn von Veso Bei aus der Familie der Alisot-
Paschaliden, einem der angesehensten Häuptlinge von Argyrokastron, mit-
getheilt, welcher es in seiner Jugend von seinem Hofmeister, der gleichfalls
ein Albanese war und in dessen Familie es zu einer erblichen Geheimschrift
benutzt wurde, erlernt hatte. Es besteht aus folgenden Zeichen:
Wir möchten dieses Alphabet nicht von vorniierein als willkürlich
verwerfen, es ist noch nicht aufgeklärt, weshalb manche Capitalbuchs>laben
in der Minuskel Veränderungen erlitten, andere nicht; wir fmden hier m (ov)
als b, das phönikische Aleph als r, und umgekehrt H als Alpha, wir finden
femer die Minuskelform c t a, die lateinische Minuskel x (ks> als y.
538 Albanesisch.
Von dem zweiten Alphabete meint Hahn, dass ein Albanese Namens
Büthakukye es erfunden haben soll; es wäre dies möglich, da dieses Alphabet
fast ebensoviel Zeichen hat^ als Hahn zur richtigen Umschreihung der alba-
nesischen Sprache bedurfte, auffallend ist jedoch, dass der Albanese sich so
viele Mühe gegeben haben soll, Zeichen zu erfinden, welche mit keinem
bekannten Alphabete Ähnlichkeit haben, statt, wie es Hahn gethan hat, sich
die Arbeit dadurch einfacher zu machen, dass er die griechischen Zeichen
durch Accentuirung vermehrte. Wir erinnern uns hierbei lebhaft daran, dass
auch der Armenier Mesrop ein solches Alphabet erfunden hat, welches aus
eigenthümlichen Zeichen bestand, und auch das von Hahn zuerst erwähnte
Alphabet hat mit keiner bekannten Schrift Ähnlichkeit. Von diesem erzählt
Hahn, dass es nur in der Stadt Elbassan heimisch zu sein scheine, doch
soll es auch in der südlichen Nachbarstadt Berat verstanden und benutzt
werden, und zwar auch zur Correspondenz mit abwesenden Landsleuten.
Einige führen sogar ihre Bücher in dieser Schrift. Nach der Tradition soll
dasselbe von einem Lehrer der dortigen Griechenschule Namens Theodor
herrühren, dessen Schriften in einer starken Pest-Epidemie von den Verwand-
ten aus Furcht vor Ansteckung verbrannt wurden. Merkwürdigerweise hat
dieses Alphabet trotz seiner vielen Zeichen keine mehrfachen Zeichen für
Laute, wohl aber Zeichen für Lautverbindungen, von denen einige offenbar
combinirt sind wie 7 efe v zu n i nds. Alle Consonanten haben als Namen
ein inhärirendes a wie bei den Indern.
Wir geben hier mehrere Vaterunser in albanesischer Sprache.
1. Schrift von Elbassan.
XX^ ciicj v/^ö i AI U AI. iüvv vvf l1 fiö()^v I 80V(!l (\}
vv \öxl1^ i^i^ 645^vX I AIXX^H'vv öv^il:^ low, 8i cö-
XXv:^ XK^Hi^ic!:^ I AI vv viv ()^ 6)W\^h)^ XX^ vif ii i
Alc!08 vv W^kot vif l1 XK:? XKOVl kll^V8c!o, UO Xü^loW
vvf l1 Kv I Hibö, 81 holibv l5^ fi^lO^iv I AI 6ö(iv I Ai
H^f Aldi XX^ V'^^ ^^ fiv848ÖV:? OM.
Albanesisch. 539
2. Schrift Büthakukye*s.
tv« tfc«. ^^äS^a H^M^I kvIv-H, n WjS« ciSv- \a ■L\''.^n|v Äeio 'Oi.t»|v'iv'. '^ "Le "Lv^-
»V» 01*^«!^ |dV*, i»i Äv'lj-Iov- tbV^'V<i»5v' n Ik.« H.A ft^A (Sv 'OvvA^iv'iv "Lv Veu-
-Afcv-, 19e V|^^* vw^v kbefvklA n "L« -«Hvai* n tu« Wuttiöt "Lv \t\y' {.v
3. Griechische Lettern.
rcdre Tvg i| yi fiTz^ xieX xwiprg äg\^'raoo'jaoe ip-gfn tT' apre /iTz/ßS-
T§fßca yedre* o'j /fi^rg o^fßSefn er, ai xoi^fzpg n-Jverg vre xis). dävo^'j i Sk
fJLT:\ iti' iTTva vdifsT Ko6xey i ad/i/is xk vi Soi^sre nhp iphargvg' i dk
^TgXi)fa ifdfere rova, at xouvTpe vrsHysfxg i dk vi 6?ri xk ipeliyeyg vre
vifeT' i ßh/ih^ vi X^äoT^ vi(tsT vr| vr/)v| Tzcpafffid, 7zd äTzerdva vd(tsT yxo.
l hpou, ak ythrtyia iärg (xJzpsTgpia, i 3k (pouxia^ i 3k ?.Bff3i/i(. vre i-ire
r| ^aauao'jpg (feprir,
Transscription : Yati inü tsü tje mbü kieV, kiofiü suntüruarü ümüri it.
Artü mbretürla yote, Umbü/tä urdüri it, si kutub'u n^f/ünetu du kiel' astu e de
mbü de. Epna ndtctt mh\it§ün e sonne t$ü na 3t4/etü per fi^iiünü. E de ndülma
fayttü tona, si kuntrü ndiilajemü e de na aiä iHl fühUjünü ndü nnvtt, K dernos na
lüsotH nrtcei ndü ndone pirasmo. Po ^pütofia mUvet wja i litju, St yotnja tlstii
mbrtiüria e de fukia, e de lüwdimi, ndü yttü tu nibasds.trü tcürttt.
Während es von den Griechen nicht bekannt ist, dass sie Lieder be-
sessen haben, welche die Buchstaben des Alphabets zu Versen verwendeten,
wie die nordischen und angelsächsisrhon Hunenlieder oder mehrere Psalmen
und die Klagelieder Jeremiä, muss es doppelt auffallen, dass die Albanesen
ein solches besitzen, welchem das griechische Alphabet zu Gnmde liepl. und
welches Hahn veröffentlicht hat. Wir glauben auf eine Reproducirung des-
selben nicht verzichten zu dürfen, da Hahn's albanesis( he Sliidirn wohl nicht
allgemein bekannt sind.
Audv ae a' re om3t^^ Gnade, donn es steht dir nicht zu,
xjg ra fxo^jvddjd ifouxo'Jpdv^. Mich, den Ärmsten, zu quJilen.
540
Alphabetisches Lied der Al)»anesen.
xoup xgHivs € ctxiv fxg vj ave.
JHrya, o jadtfjdp^
Tg ppU9 pjdkJT s8i äsxjip.
Adpbt papfaptrdp
pLB nXjdfez zifxe 6av oe/ip.
El t pjsp ]^dji^a
xf o*j(Tuä vg bo'jxoüptr,
ZipgpoLz' s ^i^a
xje vdpczädtve pe daäo'jpiz.
(HJEtt pou/aiiz, o däav^
ae \^oupe uz däxoui/ e axjo\^.
^ipp^^* xgpxoty deppdv
npity voupez zaz xje pe 7:gpße?j6v.
lou (Tu! po^ ätxoyc
ZOO ai: vaat)(dz vjs fjdXje.
Kap fpixs, ßspbovt
Tzpity ]^o'jpez xivc ^sßdlje.
(Kgzaij dipzipav o'fjiiy djdza;)
(zif^ p^o'jpbnoij ^ipapa Tzljoz ae/ip)
Ajaßd6\f boDXoupivg
aöixou V6 xgzi ^spdv,
Me fjoij^ooy aäixgpivs
s xap fpydip xji za ^av tpxjdp.
Noup! xdXs zg pg ßpaza^
/£0C oubd)^ xdd^ o dülbip.
0 dokbip^ zingp pg 8sp
pn<: pg atxgAdi^ xdxjg za fdty.
Deine Augenbrauen vernichten mich,
Wenn du dich abwendest und von
der Seite blickst.
Aus deinem Munde, o Liebling,
Quillt Honig und Zucker.
Deine Perlenzähne
Sind Gift für meine Wunde.
Ach, ich Ärmster! wohin bin ich ge-
rathen,
Dass ich (meine Liebe) auf die Schön-
heit stütze!
0 schwarze Herzen,
Welche in der Liebe glänzen!
Sprich zu mir, o Knabe,
Denn dein Glanz erweckt mein Feuer.
Ich rufe, ich suche ein Heilmittel
Gegen deinen Glanz, der mich versengt
Ihr Augen, blickt nicht um euch,
Diess eine Wort rieht ich an euch
als Mahnung.
Sonst fürchte ich, ihr erblindet
Von dem Glänze, der euch beschwer-
lich ist.
Für diese Qual finde ich kein Heil-
kraut mehr.
Wie füllte sich mein Herz mit Gift.
Er preist die Schönheit
Der Liebende in dieser ZeiL
Mit der Zunge die Liebe zu leugnen,
Halt ich für Sünde.
0 Glanz! du stelltest andere an, um
mich zu tödten,
Lass dich nicht verleiten, o Liebling.
0 Liebling, es schmerzt zu sehr,
Marfre mich nicht so ohne Schuld.
Alphabetisches Lied der Albanesen.
541
flftsiy Ttep'^diai 0s norpifi^
fjLo^ fjLB ÄJsp /jte xaxjg ßacy.
\>aT e der' zep ruey Hgppi<:,
Jf ^tza /IOC v/f/?/
jap doi>arBi ppap s pev/^ji^.
T a pgTäiip aäcxepcvg,
s xapt fjuvuip r' a Cöv tpxjdp.
i'V>E dpär Tznai xjtphs
pspp voüp /aAxoüT, o jddtfjdp !
0dxjsT' € Toua jdvs
id)fa He dUXt xji vdpcve,
\apdp p'a bav du)/jd\^e
s.-r.
xtvjp Tg coip^ opgptv p a VTi^ep
9's ng po'j>düV^ o ^oukrdvf
fig dp er € Tzoal xjcpiou,
Q! wjpho'ja ZifiBpa, pa <f hHv,
hadf^ aar darä nspi^dcvg.
Denn scheue dich vor Gott
Und lass mich nicht in solchem Weh.
Schütze ihn, o Golt!
Rufe ich Tag und Nacht für dich.
Wie kein anderer Mensch
Bete ich am Morgen und am Abend.
Ich verberge dir die Liebe;
Ich halte es ftirSünde,sie zuverleugnen.
Sie schmelze ihn wie Wachs,
Nimm den Glanz der Welt, o Liebling.
Deine Wangen sind
Der Mond und die Sonne, welche
scheinen.
Das Dasein hast du mir verhasst
gemacht,
Wenn ich dich sehe, nimmst du mir
das Leben.
Warum quälst du mich, o Sultan?
Du schmelzest mich, wie Wachs.
0! mein Herz ist voll, es fasst nicht
! mehr,
Genug! soweit, wenn du Gott liehst.
Diese Verse sind ihrem Zusammenhange nach ebenso ungereimt wie
die Runenlieder und die Psalmen, daher ist auch hier die Vermuthung nahe
liegend, dass der Inhalt gleichgiltig war und dass sie nichts als eine Deutung
der Zeichen enthalten. In diesem Falle würde bedeuten:
A Gnade, zustehen, nicht, Ärmster, quälen.
B Augenbrauen (OQ ?), vernichten, abwenden, auf die Seite blicken (schielen ?).
r Mund (<), Liebling (vergleiche Levi), Quell, süss (Zunge oder schmecken)?
A Perle, Zahn, Gift, Wunde.
E Ach, Ärmster, wohin gerathen, Schönheit, Stütze.
Z Schwarz, Herz, Liebe, Glanz {^ip§pa heisst ,Herz, Leib, Bauch, Wille,
Begehren, Nachmitlagszeit; schwarz heisst bekanntlich ursprüiijrlich
«verbrannt').
H sprechen, Knabe, Glanz, Feuer, erwecken.
54^2 Bedeutung der Zeichen.
© rufen (Mund?), sehen (Auge?), Heilmittel, Glanz, versengen, gegen.
I ihr, Auge, Blick, nicht, eins, Wort, richten, Mahnung.
K sonst (einst?), fürchten, erblinden, Glanz, beschwerlich.
K Qual, ßnden, Heilkraut, füllen, Herz, Gift.
A preisen, Schönheit, Lieben, diess, Zeit.
M mit, Zunge, Liebe, leugnen, dafür halten (meinen), Sünde.
N Glanz, anstellen, anderes, tödten, verleiten lassen, Liebling.
O o! Liebling, schmerzen, zu viel, martern, nicht, schuldlos.
n denn, scheuen, Gott, lassen, nicht, solches, Weh.
P schützen, Gott, rufen, Tag und Nacht (immerwährend?), für, ihn, dich.
Z wie (Gleichung?), anderer, Mensch, kein, anbeten, Morgen und Abend.
T verbergen, Liebe, dafür halten, Sünde, ich, es, verleugnen.
Y schmelzen, wie (Gleichung?), Wachs, nehmen, Glanz, Welt, Liebling.
♦ Wangen, Sonne und Mond, scheinen.
X Dasein, machen, verhasst, sehen, nehmen, Leben oder Leben nehmen.
V warum (Frage?), quälen, Sultan, schmelzen, wie (Gleichung), Wachs
(also Y=Y).
n 0, Herz, voll sein, genug, so weit, Gott, lieben.
Nach dem, was wir bisher über die Bedeutung der Zeichen in Erfahrung
gebracht haben, können wir nicht zweifeln, dass die vorstehenden Buchstaben
diese Bedeutung hatten, es wäre nicht unmöglich, dass dieses Lied einem
griechischen Muster nachgebildet ist, doch würde eine solche Untersuchung
hier zu weit führen.
V. ALTITALISCHE SCHRIFTEN.
Bevor Rom ganz Italien zu einem Reiche mit einer Sprache und Schrift
vereinigte, wohnten in diesem Lande eine Reihe kleiner Völker mit eigenem
Cultus, eigener Sprache und eigener Schrift. Die letztere ist der altgriechischen
eng verwandt und die Unterschiede zwischen den einzelnen Schriften sind
nicht grösser, als sie in Griechenland zwischen den Schriften der einzelnen
Länder bestanden, bevor das ionische Alphabet, mit welchem die üias in
innigem Zusammenhange stand, in ganz Griechenland angenonmien wurde.
Daraus ist aber nicht zu folgern, dass die Italiener ihre Schrift von den
Griechen erhalten hätten, vielmehr ist es wahrscheiiticher, dass diese
Uinbrisch. 543
Alphabete ebenso alt als die griechischen sind, denn wenn überall, wo
Schriften wirklich von anderen Völkern entlehnt wurden, das volle Alphabet
angenommen wurde, auch wenn die Sprache nicht alle Laute des fremden
Alphabets hatte (ich erinnere an das koptische Alphabet), so ist es au^allend,
dass die altitalischen Alphabete weniger Zeichen haben als die altgriechischen.
Das faliskische hat nur 18 Zeichen, das etruskische, oskische und messapische
jedes 20, möglicherweise hatte auch das faliskische so viel, nur sind vielleicht
zwei in den Inschriften nicht vorgekommen.
Auch die Zeichen haben einige Abweichungen von den griechischen.
So stimmt das etruskische M m nicht mit dem griechischen, wohl aber mit
der markomannischen Rune überein, und wie diese (auch im Angelsächsi-
schen) identisch mit d war, so finden wir im Etruskischen, welches kein d
kennt, M auch als s auftreten. Die Urabrer hatten einen Laut d rs, welcher
dem slavischen b i^ umsomehr entspricht, als die Italiener von rechts nach
nach links schrieben, die Slaven aber von links nach rechts.
Am meisten stimmt mit dem griechischen das messapische Alphabet
überein; ABTAE FZHOIKI^MHopp^TX,
an dieses lehnt sich das römische an, welches kein O, dafür aber Y und Q
hat. Das letztere Zeichen kommt in keinem andern italischen Alphabete
vor. Die meisten Eigenthümlichkeiten haben das etruskische, das umbrische
und oskische Alphabet, in diesem kommt z. B. m als [i\ oder 141 vor, welche
Form später in die Minuskel übergegangen ist, es war ursprünglich die Drei
gegenüber N n der zwei; im Ägyptischen war der Lautwerth dafür u, der
durch Lautverschiebung zu m wurde.
1. Umbrisch.
Wir geben hier als Probe ein Stück aus den iguvinischen Tafeln (V a,
Z. *- — 27) in umbrischer Sprache (die Zeilen laufen von rechts nach links).
'im(lV8^■(lV'\ß\^^G3(i'^Q3U(lSS^f\
y(lA)im'i23A-333'\d^V'\my^'3'\G3(lB33
••^raavn3aYviv=3(]vrviq3in/i.vo^/i(]8
=>i393=V03Y^;i(IV>l=3N6)30NH3(]V)ll2V(I1
•1^:38 VG'l
544
Oskisch.
Transscription und Übersetzung.
Umbrisch.
Äpef rater geranatur furent,
ehvelkiu feia fratreks ute kvestur,
sve rehte kuratu si. Sve mestru kam
fratru Atiieriu, pure ulu henurent,
prusikurent reJUe kuratu eru, erek
prüfe si.
Lateinisch.
Postquam fratres cenati ßierint
decretum faciat magisier aut quaes^Wj
si rede curat um sit, Si major pars
' fratrum Attidiorum, qui iUuc vmerint,
censuerint recte curatum esse, tum
probe sit.
»Nachdem die Bruder gegessen haben werden, hat der Vorsteher oder
Quästor zu bestimmen, ob es richtig besorgt ist. Wenn der grössere Theil
der Brüder Attidii, welche dorthin kommen, meint, dass es richtig besorgt
sei, dann ist es gut. '^
2. Oskisch.
Die Inschrift eines Steines aus Pompeji in oskischer Sprache lautet:
fliTrnaT-nwiiiravn4Nii3(i3D
mflHHfl^nV-WHI>H(ST-^BIH
Transscription
Oskisch.
t\ aadirans v. eyetiuvam paam
vereii aije pümpaiianaije tryestaa-
metitud deded eyeaak eyetiuvad
V. myetiikiyes mr, kwayesstur piimp-
aiians tryeydnim ekak kümhen-
nieyes tanginud itpannam
deded yezyedum prufatted.
und Übersetzung.
Lateinisch.
I
Vibius Adiranus Vibii (filius) pecuniam
quam
reipubUcae Pompejanae testa-
' inento dedit, iUa pecunia
Vibius Vimcius Jifarat (filius) quaestor
Pomp-
ejanus aedificium hie convefi-
tus sententia sperandum
dedit, idem probavit.
545
VI. DIE LATEINISCHE SCHRIFT.
Von den Schriften der italischen Länder ist eine zu so grosser Bedeu-
tung gelangt, dass ich ihr einen besondem Abschnitt widmen muss, obgleich
ich nicht der Gepflogenheit mancher Geschichtsschreiber huldige, welche den
Gegenstand desto breiter behandeln, je mehr Quellen ihnen vorliegen und
je bequemer ihnen die Arbeit wird. Deshalb, weil die lateinische Schrift
unsere gewöhnliche Schrift ist, hat sie nicht mehr Verdienst als jede andere ;
nur wegen ihrer grossen Verbreitung in der ganzen westlichen Hälfte von
Europa und wegen ihrer merkwürdigen Entwicklungsphasen darf sie einen
grossem Raum in der Geschichte der Schrift beanspruchen.
Aus den Mythen, welche die Entstehung Roms umgeben, scheint her-
Torzugehen, dass Rom eine Pflanzstätte der Latiner war, welche ihren Ursprung
Ton Kleinasien, und zwar von Troja ableiteten, welches in einem Religions-
kriege zerstört wurde. Das römische Alphabet der ältesten Zeit hatte 21
Zeichen; Z stand an der Stelle, wo jetzt G steht, ein Wechsel, der sich ausser
den Seite 134 angeführten Gründen auch daraus erklären dürfte, dass Z im
mösogothischen Alphabet die Namen iuya und iua führte, somit fQr y (unser j)
und 8 {=z) stehen konnte; nachdem das Zeichen G (auf dessen Ähnlichkeit
mit dem gothischen q yer bereits oben hingewiesen worden ist), aufgenommen
worden war, rückte Z an die letzte Stelle des Alphabets. Vorher war noch
T zum Alphabete hinzugewachsen, obgleich V ursprünglich dasselbe war.
Dass die Zeichen Y und Z deshalb aufgenommen worden seien, weil sie
im griechischen Alphabet vorkamen und zu griechischen Wörtern und Namen
gebraucht wurden, muss bezweifelt werden, da aus denselben Gründen auch
<I> und V hätten aufgenommen werden müssen, die durch PH und PS ersetzt
wurden; viel näher liegt es, anzunehmen, dass die Römer den gleichen Zeit-
kreis annahmen wie die Markomannen, da, wie auf Seite 133 zu sehen ist,
das römische mit dem markomannischen Abece genau in der Zahl und
Reihenfolge der Zeichen übereinstimmt.
Von einer Entlehnung kann, wie schon Seite 1 34 bemerkt wurde, nicht
die Rede sein, Namen und Zeichen sind ganz verschieden, und es ist keine
Spur vorhanden, dass die Römer die markomannischen Zeichen und Namen
gekannt hätten. Dagegen wäre es interessant zu wissen, wie die Römer ihre
Zeichen nannten, denn Alpha, Beta, Gamma, sowie der Name Alphabet dürfte
FADlmann. Otfchichte d. Schrift. [\7t
546 Capitalschrift
von den griechischen Grammatikern herrühren, welche nach Rom zur Beför-
derung der Bildmig berufen wurden ; es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass
die Wörter Abece und Abecedarius (Elementarschüler), welche im Mittelalter
gebräuchlich waren, von den Römern ausgegangen sind, führte doch auch
das Rechenbret den Namen abacus, welches Wort kaum vom Griechischen
abstammen dürfte, eher dürfte das griechische abäkian und abakiZ (ich weiss
nichts) auf Abece hinweisen.
Unsere Namen : abecedeeefgehaikaelemenopekueresieurau
ice iks ypsilon zet dürften keinesfalls auf dem Zufall beruhen, so gut wie
Ypsilon und Zet konnten sich auch Alpha, Beta, Gamma u. s. w. erhalten,
nun haben aber die Kehllaute bezeichnende Vokale bei sich, nämlich ge ka ku,
geradeso wie in der persischen Keilschrift j,ka ku, da dt du*^ vorkamen, ebenso
merkwürdig ist, dass die Vokale hei ef d em en er es vorlauten; war doch
griechisch Sigma (C) in Rom zu ce geworden, hidessen ist es auch möglich,
dass diese einfachen Namen später aufgekommen sind. Ich möchte daher
diese Frage nur angeregt haben.
1. Capitalschrift.
Die römischen Inschriften aus der ältesten Zeit zeigen ein eben solches
Schwanken in den Zeichen wie die altgriechische Schrift. Neben A kommt
A A und A vor, neben C auch <, neben E auch II, neben F auch H, welches
letztere «Lose* zu bedeuten scheint; in jüngerer Zeit traten die der alt-
griechischen Schrift mehr entsprechenden Formen zurück und machen den
Formen Platz, welche gegenwärtig die Versalbuchstaben unserer Drackschrift
bilden und schon zur Zeit der römischen Kaiser in vollster Ausbildung sich
befanden. Römische Inschriften, deren Buchstaben daher Capitalzeichen
genannt werden, finden sich über alle Länder der alten Welt verbreitet, in
Ägypten, wie in Asien, wie im nördlichen Europa errichteten die romischen
Legionen Denkmäler. Proben davon zu geben, ist überflüssig. Die Ziffern dieser
Inschriften bestanden in Strichen von eins bis vier I 1 II 2 III 3 Uli 4, wofür
auch IV gebraucht wurde, dann folgte V 5 VI 6 VII 7 VIII oder IIX 8, Villi
oder IX 9 X 10; höhere Potenzen waren L 50 C 100 D 500 M auch CD
1000. Später bildete man mit ccloo 10.000 und ccccIoood 100.000. C und
M können als Abbreviaturen von centum (100) und mille (1000) gelt^i, die I
Erklärung von V 5 als Hand, X 10 als zwx^i Hände, L 50 als halbes C und
Uncialschrifl. 547
D als halbes CO sind jedoch zweifelhaft. Die griechischen Zahlzeichen für
5, 10, 100 u. s. w. waren Abbreviaturen der Zahlworte und wir finden dem-
entsprechend lateinisch M miUe für 1000, wie das griechische M müriai für
10.000. Beide Worte bedeuteten ursprünglich dasselbe, nämlich etwas Un-
zählbares. Wäre V die Hand gewesen, so müsste es ein entsprechendes Zahl-
wort haben, quinque scheint eine Reduplication von gii€ zu sein, que «und*
ist gleich dem hebräischen ii vctv, dessen älteste Form Y war, genau genom-
men bedeutet das 2, hieran reiht sich f\^ kaph «die Faust', griechisch K
kappa, als Thorr so viel wie Mus, , Alles, das Ganze*. Somit scheinen | V X
die ältesten Zahlen «eins, zwei, alles' gewesen zu sein, welche dann durch
II III IUI auseinander gehalten und zu Potenzen erhoben wurden. Im römi-
schen Alphabet ist K das zehnte Zeichen, ihm folgt L als 20, M als 30,
womit die Zahlenreihe der römischen As, welche aus 12 Theilen besteht,
erschöpft war. Daher ist es wahrscheinlich, dass wie aus der 2 die 5, so
auch L aus der 20 die 50 wurde, dann wäre M früher 100 gewesen. Als
die Zeichenordnung auf 22 angewachsen war, war der 22. Buchstabe die
Zahl 400, mit 500 fing man von vorne wieder an. Wir haben Alpha als die
Hälfte kennen gelernt, sollte nicht der Halbmond D diese Hälfte gewesen sein?
2. Die Uncialschrift.
Wie bei den Griechen, schuf die Kalligraphie bei den Römern eine
gerundete Abart der Capitalschrifl, welche die Paläographen Uncial nennen.
Wir sind auch hier in der Lage, unseren Lesern eine schöne Probe derselben
zu geben, indem wir auf Tafel XIII ein Stück eines Palimpsestes abgebildet
haben, welcher eine schöne Uncialform aus dem 1. Jahrhundert, ein Bruch-
stück aus Cicero*s Abhandlung «de Respublica" zeigt. ^^'
Im Mittelalter pflegten nämlich die Mönche, wenn sie kein Geld hatten,
sich neues Pergament zu kaufen oder wohl auch aus Büssachtung der heid-
nischen Schriften, in deren Besitz sie zufällig gekommen waren, beschriebene
Pergamente auszuradiren, um den so gewonnenen Raum mit ihren gottseligen
Betrachtungen auszufüllen. Die neuere Wissenschaft ist andern Sinnes und
schätzt die Oberreste der alten römischen Literatur höher als die frommen
Betrachtungen mittelalterlicher Mönche, sie hat daher Mittel gefunden, auf
chemischem Wege die Urschriften solcher Pergamente wieder herzustellen ;
solche Wiederauffrischungen nennt man Palimpseste (Wiederaufschabungen),
30*
548 Erklärung der Tafeln Xül und XIV.
und ein solcher, wo ein Schriftstück aus dem 1. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung mit einer Schrift im 10. Jahrhundert überschriehen wurde, liegt in
Tafel Xni vor.
Da die Überschrift in rothen Buchstaben ebenfalls in Uncialform ist,
so ist zugleich eine Vergleichung der im 10. Jahrhundert gebräuchlichen
Uncialschrift mit der altem gegebenen und man wird wenig Unterschied finden.
Der Grundtext lautet:
eagenus alt ro proapicer
uod ccUo inpendentis
cscereexü in guhema
squa cante darempmo
ixi solet mi derantem
riq sunt or cursum cUq in
Die neue Überschrift lautet: Inc.fynt) depsalmo CXXIIII .Anfang des
124. Psalms*. Auf den weitem Text werden wir Seite 560 zmrückkommen.
3. Cursiv.
Neben der schönen Uncialschrift hatte sich bei den Römern auch eine
Cursiv aus der Capitalschrifl gebildet, welche zu flöchtigen Notizen gebraucht
wurde. In Manuscripten kommt von dieser Cursiv wenig vor, doch hat man
einige Metall- und Wachstäfelchen gefunden, in welche diese cursiven Zeichen
mit eisernem Griffel eingeritzt wurden. Die Römer bedienten sich dieser Wachs-
tftfelchen als Notizbucher; der Griffel war an einem Ende spitz, am andern
abgeplattet, so dass man das Eingeritzte mit dem stumpfen Ende wieder
verlöschen konnte. Wir haben auf Tafel XIV eine getreue Nachbildung eines
solchen Wachstäfelchens gegeben, welches in einem Bergwerke in Ungarn
gefunden worden ist und aus dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
stammt. Die gekritzelten Zöge sind schwer zu entziffem, der Anfang lautet
nach Massmann's Lesung: ^^^
juHum julii quoque commagistrarum suum
ex die magisieri sui non accessisse ad Älbumum neq(ue)
Wir geben ferner das Alphabet der Cursiv aus dem 2. Jahrhundert,***
im Falle ein Leser Lust an der Entzifferung hätte :
abcdefghilmnop q r $ t v x
llllitiiiiiiililiill
^
Gursiv.
549
Das Lesen solcher Cursivschrift wird sehr dadurch erschwert, dass
mehrere Buchstaben zusammengezogen wurden ; wir geben noch als Probe
ein deutlicheres Gursivstück aus späterer Zeit: ^^^
Transscription.
tunc non solum ut periurii reatus incurram
nichihminus (i) hatte pUnariam securüaftem]
suscribendam quam si geatis fnunicipali[busj
inserendo breue breue de diuersis »pect
4. Tachygraphie.
Die römische Republik hatte durch den Muth ihrer abgehärteten Sol-
daten, durch die Klugheit ihrer Feldherren und durch die weise Benützung
der Umstände seitens ihrer Lenker fast die ganze den Alten bekannte Welt
erobert; das nördliche Afrika, Ägypten, Palästina, Kleinasien, Griechenland,
Europa südlich der Donau und des Rheins waren römische Provinzen, regiert
▼on dem römischen Senate, einer Versammlung von Bürgern, welche von
den Fremden Fürsten genannt wurden, aber auch reich und mächtig wie
diese waren, denn die reiche Beute der Kriege, der Tribut und das denselben
weit übersteigende Erpresste führte Unmassen von Reichthümern nach Rom,
das darin verweichlichte und erstickte.
Nie war das Wort mächtiger als in dem römischen Senat, von dessen
Berathungen und Entscheidungen Krieg und Frieden für viele Völker, Glück
oder Verderben für den Einzelnen abhing; glücklicher als Demosthenes ver-
mochte Cicero durch eine kühne Rede den römischen Staat vor der drohenden
Gefahr zu bewahren, während Cato's stachelnde Rede Kartago den Unter-
gang brachte. Unter diesen Umständen erwuchs das Bedürfniss, das gespro-
chene Wort in der Schrift festzuhalten, und während bisher die Schrift nur
650 Tironische Noten.
mühsam die Aufgabe gelöst hatte, die Laute verstfindlich dem Auge in
Buchstaben darzustellen, fiel ihr jetzt die höhere Aufgabe zu, dem schnelien
Worte zu folgen. Weder die Zeichen noch das Schreibmaterial waren za
diesem Zwecke besonders geeignet; aber die Noth macht erfinderisch, und ein
Freigelassener des Cicero, Marcus Tullius Tiro, machte die ersten erfolg-
reichen Schritte auf dem Boden dieser Erfindung, welche später von Anderen
noch mehr ausgebildet wurde, aber ihrem Begründer zu Ehren den Namen
«tironische Noten" erhielt.
Bevor wir auf dieselben eingehen, dürfte es zweckmässig sein, einige
Bemerkungen über die Schreiber zu machen. Rom war der Sklavenmarkt der
ganzen alten Welt; die endlosen Kriege führten demselben einen ununter-
brochenen Zufluss von Kriegsgefangenen zu, welche oft zu den gebildetsten
Leuten gehörten, wie denn auch das Bücherabsch reiben, welches von den
römischen Buchhändlern fabriksmässig betrieben ward, durch Sklaven besorgt
wurde. Roms Geschichte wird unverständlich, wenn man nicht den Einfluss
seiner Sklaven in's Auge fasst, von denen die einen ihre Herren zu allerlei
Lastern verführten, während die anderen einen bildenden Einfluss auf sie
übten. Man denke sich einen Philosophen als Skkiven eines rohen, aber
bildungsfähigen Kriegers, das Zusammenleben konnte nicht ohne Folgen sein.
Wir bemerken diesen Einfluss in der römischen Schrift; wenn in der
Gursiv S zu f wurde, so war das letztere das phönikische \y sode, welches
durch phönikische Sklaven in die Schrift eingeschmuggelt wurde, ebenso ist
Jl (r) der Capitalschrift fremd und g ein neues fremdes Zeichen. Die beiden
letzteren finden wir am schärfsten in der irisch-angelsächsischen Schrift aus-
geprägt, fl war das nordische D ur, ^ die Hieroglyphe ( /n {genus «das
Geschlecht«).
Welcher Herkunft Tiro war, ist nicht bekannt, es dürfte aber wahr-
scheinlich sein, dass er vieler Zeichen kundig war und diese Kenntniss zur
Schnellschrift benützte. Übrigens war der Boden dazu schon vorbereitet Die
Römer hatten mit den Juden das Streben gemein, die Wörter abzukürzen;
kein Volk der Welt hat so viele Abbreviaturen als diese beiden, gemeinsam
war ihnen ein kleines Abbreviationszeichen, bei den Römern der Punkt, bei
den Juden der Strich, gemeinsam war ihnen der Gebrauch eines Zeichens
für verschiedene Wörter, je nach dem Sinne des Satzes, Alles dieses bot die
Grundlage zur Schnellschrift.
J
Tironische Noten. 55 t
So hiess bei den Römern A. Absolvo, AdsigncUur, AediUSf Ager, Ajunt,
aUqtiando, Amicus, Aftimo, Anno, Annu^, Ante etc. ; B. Biübus, Befieficiaius, Bis,
Bona, Bonus, Brutus; C. Caesar, Cajus, Ckdendae, Candidatus, Capit, Castro,
Causa etc.; D. Dea, Decimus, Decius, Decuria, Dedit, Deus, Dies, Divus etc.
Bekannt ist die Abbreviatur S. P. Q. R. {Senatus Papulus Que Ramanus
d. h. ,der Senat und das römische Volk'), welche sich auf den Standarten
der Legiionen befand. Erschien der einfache Anfangsbuchstabe nicht aus-
reichend, so wurden mehrere Buchstaben angewendet: SA. fQr ScUus oder
Sacerdos, QV. Ar Quartus, QS. für Quasi, TM. DD. für Terminum Dedicavit
oder TermaeDicatae. Solche Buchstaben wurden auch gern zusammengezogen,
wie 2% oh, AL ant, J^ aru, ß dixit, f intei-, Jj locus, Jj libra (unser
Pfundzeichen U ist aus der Abbreviatur Ib mit durchkreuzendem Strich
gebildet) JJJ nihil, J^J "w, "ft, rex,^^ vestes u. s. w.
Dem entsprechend wurden in der Tachygraphie die Lautzeichen in
ihren einfachsten Formen oder auch aus anderen Alphabeten als Wörter
verwendet, wie A fiir cUienus, i für brems, C für centum, D für con, H fQr
circum, ^ für dicit, t für ego, V für equus, auch als / ^t forte, ^ für homo, V
für hie, I für in, — ^x jacet, K für kalendae, L für latum, -^ für longus, V für
fiihil, ^ für liber, M für mqjestas, M für nuiximus, M für meditatur, H/ für
mons, W für modestus, i für maiurus, Z für ne, 1 fQr natura, ^^ für noster,
M für nescio, -^ für non, (f für o^nen, ca) för optimus, A für praetor, ^ für
pendit, ^ fQr ponit, jl fQr |>er, ^ für posuit, <^ für poi»^ ^ für 51«*, ? für
quOf \ für giiMf; / für quando, ^ für re^ 9 für wp-a^ C/) fQr sursum, "1 für
«f^ T fQr to, U für verus. Der Punkt, welcher anfangs nur die Abbreviatur
anzeigte, wurde in verschiedener Stellung zur Unterscheidung ähnlicher
Wörter gebraucht: A war aliemis, »A andro, C* certus, 3 ciri.t, ö «>»•<•'*» "O
comitatus, von 1' /or/e wurde I! equus durch den Punkt unterschieden u. s. w.
Weiters wurden wie in der Capitalschrift durch Verschmelzung mehrerer
Zeichen Monogramme gebildet, z. B. K, an und T gab 2S a9ifiqHUj< (\ monttui
) fUius, die Durchkreuzung war immer x oder /(was an den angelsächsischen
Runennamen fQr /rd: toür, erinnert) z.B. ^ (c/a^i^Daniel, ^ luxuria. Die wich-
tigste Erfindung Tiro*s war jedoch die der Hilfszeichen für Endungen und
Präpositionen, vondenen viele dann auch als Stammzeichen verwendet wurden
und so das tironische Alphabet erweiterten. So dürfte h zuerst Hilfzeichen
für die Endung a gewesen sein z. B. 0^ causa, denn dem römischen Alphabet
552 Tironische Noten.
gehörte es nie an, sondern ist aus dem markomannischen K ^c^ als A in
<lie römische Cursiv übergegangen; ebenso / at, welches denn auch die
Vorsilbe ad wurde, / am ? oO 08 i arum '^re9 us -^ um. Diese Zeichen wurden
nicht nur an die Stammzeichen angestellt, sondern auch mit denselben ver-
bunden, so ist r cu = c<matur, aus dem ^, welches ursprOnglicb wohl u war,
erklärt sich \ quid, wo u das qu vertritt, — es wird zu einer Verlängerung
der Zeichen u. s. w. In früherer Zeit ging man in der Abbreviatur sehr weit
und überliess manches der Ergänzung durch das Gedächtniss. So hat sich
z. B. in dem Verzeichnisse der tironischen Noten ein Zeichen erhalten, welches
seiner Natur nach nur einmal gebraucht worden sein konnte, das aber als
Musterbeispiel aufbewahrt worden ist, nämlich
d. h. quausque (andern abutere, Catüina, patietitia nostra, zu deutsch: «wie
lange noch, Catilina, missbrauchst du unsere Geduld?' Es ist der Anfang der
tachygraphisch aufgenommenen ersten Rede des Cicero gegen Catilina und
besteht aus den Buchstaben Q P N, die Worte ^tandem abutere, (Jatüina*,
überliess der Tachygraph seinem Gedächtniss. Als die Tachygraphie nicht
mehr zum Nachschreiben von Reden gebraucht wurde, mumificirten sich die
Zeichen in Siglen (siglae heissen die Abbreviaturen, das Wort wird erklärt
durch singula liiterapro toto terbo .einzelne Buchstaben für ein ganzes Wort*,
dürfte aber eher von sigiüum abstammen, das waren die Figuren auf Münzen
und Sigeln, in denen wahrscheinlich zuerst Abbreviaturen vorkamen, so ist
auch siglos eine persische Münze oder hebräisch ^pw Sekel ein Gewicht), welche
ängstlich unterschieden wurden, so dass die frühere Kürze sehr beeinträchtigt
wurde und die Schrift schliesslich zu einer Greheimschrift ward. Dennoch
erhielten sich die tironischen Noten bis zum 10. Jahrhundert, also über ein
Jahrtausend im Gebrauch.
Wir geben hier als Probe den 28. Psalm aus einer schönen Handschrift
des 10. Jahrhunderts.^®®
Transscription.
(Die Stammzeichen sind mit Versalien, die Hilfszeichen mit gemeinen
Buchslaben gesetzt, das Fehlende in Klammer.)
AF(er)te D(omi)No F(i)Ln D(e)i, AF(er)te D(omi)No F(i)L(i)as AB(ie)tu(m).
AF(er)te D(omiJNo GL(ori)am eT HO(no)rem, AF(er)te D(omi)No GL(m)am
N(omin)i eJUS. A(do)R(a)te D(omi)Num I(n) A(iri)o S(an)Cto eJÜS.
Tironische Noten. 553
1«^
KVul [) r9
#♦
A/
7 ^ <;4\'^' ^-^'^^^'^-•
y, -TW ^7 ö^- n 9^7^^ Vi^' •
(Fortsetzung von Seite 552.)
Vro)X D(omi)yi Sruper) ÄQ(u)a8, DEus m(ajest)atis I(n)TO(n)uit, D(ominus)
S(uper) AQuas MV(lt)as.
V(o)X D(omi)Ni I(n) VIR(tu)U, V(o)X D(omi)N% I(n) M(agnificen)tia,
V(o)XD(omi)Ni C(on)F(rm)G(en)ti8 CEDRos, eT C(on)F(rin)Gei D(omi)Nu9
CEDRos L(i)B(a)nu
€TCo(mmi)N(u)et EAS (t)AM(quam) VI(tu)L(um) L(i)B(a)ni, tTDfOLfecUus
Qruemad)M(odum ' F(i)Lrius) rNiCO(r)S(iHm).
554 Tironische Noten. — Merowingisch.
V(o)X D(omi)Ni I(nterci)Dentü F(lam)M(m)am IG(n)is, V(o)X D((m)Ni
CC<mc;TJ(HJmti8 DEfsejEtum eT CC<mmo)VCeJbU DfomimisJ DEfsejRtm
- CCajDEs.
VfojX DramijNi PCräjPCamJniis C(e)RCvJos, eT RCejVCeiaJbU Cofndensja, eT
Ifn temjPClJo eJüS OCmnesJ Dficjent GLforiJam.
DC(mijNCusJ DfijLCuvßutn iCnkajBfiJtare Ffacßt. eT SCedeJhU DfimjNfusJ
RCejXiCnJ ECterJtium.
DCwnijNfusJ VIRCtuUJm PCo)PCulJo Sfujo DCaJhit, DC(mijN(us) BrejNfedicJet
PfojPfulJo ICnJ PfajXe [pace].
Spuren dieser Tachygraphie haben sich in den Abbreviaturen des
Mittelalters noch lange erhalten. Das ganze Princip der KQrzung wurde auf
die Minuskelschrift, wenn auch in beschränkter Weise übertragen, z. 6.
coa Consequentia, dmf domimss, Aür dkuntur, m muUiplex, ppm perpetmm,
£1 substanUa, fcim saeculum, fpf spiritus, if fratres u. s. w. Tironianische
Zeichen in den Abbreviaturen sind: x oder o con, k oder % de, ^ us, ^ ^f
= esse, -f est, 1 et (dagegen SC eine cursive Verschmelzung), 7* id est, t
vel, $ omino, « pro, " re, ? sibi, ^ ur etc.
5. Merowingisch.
Durch das Christenthum war die lateinische Schrift und die lateinische
Sprache bei den westlichen Völkern Europas verbreitet worden, nur Stücke
des Katechismus, Taufgelöbnisse, Glaubensbekenntnisse, Beichtformehi und
das Vaterunser kamen in deutscher Sprache vor, der ganze Qbrige Gottes-
dienst wurde in lateinischer Sprache gehalten, und man ging sogar so weit,
den niederen Geistlichen das Predigen zu untersagen und dieses Recht den
Bischöfen vorzubehalten, welche sich darauf beschränkten, eine lateinische
Homilie vorzulesen. Auch der diplomatische Verkehr wurde in lateinisdier
Sprache gepflogen, und in den Diplomen bildete sich ein Mittelding zwischen
Cursiv und Uncial aus, welches zur spätem Minuskel wurde. Natüriich
entwickelte sich im Laufe der Zeit ein verschiedener Ductus, welcher den
Paläographen ermöglicht, aus den Formen der Buchstaben genau die Zeit
zu bestimmen, wann eine Urkunde geschrieben wurde. Diese Einzelheiten
gehen aber über die Tendenz des vorliegenden Werkes hinaus, wir begnügen
uns daher hier eine Probe der fränkischen Diplomschrift in verkleinerter Form
zu geben.
Merowingische Diplomschrift.
555
S56
GJtterschrifl. ~ Minuskel.
TransscriptiOD.
f Si^Hutn chüperici glurioai regis.
ego eltricus paiaiinus scriptor recognoui.
data anno dominicae irKamat(ionisJ DCVJ indictione VIII. anno regm dtäperiä
regis XXU.
actum ruiomagi in gtneraii conuentu III nutias magii mensia.
Es ist der Schluss der Charte Chilperich's I., betreffend den Wieder
aufbau der Kirche von Beauvais 583.
Später streckte man die Buchstaben, namentlich in den Anfangszeilen
der Diplome so, dass dieselben Gitter bildeten, in denen die charaktenstischen
Unterschiede sich in dem obem oder untern Theile verkrochen, i. B. fol-
gende Stelle aus dem Missale von St. Germain zu Paris 822.
st v^is anguiUam strictts tenere moHÜM quanto forüus
Wir würden diese Schrift, als einer Spielerei, nicht erwähnt haben,
wenn sie nicht dieselbe Tendenz trüge, welche sich in der spatem tUnuskel
zur Zeit Gutenberg's ausgebildet hat Diese Gitterschrifl florirte besonders in
den Missalen, nur dass die Striche später dick wie Gaxtenzaun pfähle wurden.
6. Die Minuskel.
Während in der Gapitalschrift alte Zeichen von gleicher Höhe waren,
gingen schon in der Uncial einzelne Buchstaben aber die Zeile nach oben
oder nach unten hinaus, noch mehr tritt diess in der Minuskel hervor, in
welcher, je mehr einzelne Striche oben oder unten Oberragten, der Kern der
Schrift mehr und mehr zusammengedrückt wurde. Auch die Gestalt der
Zeichen erlitt Veränderungen, welche mehr oder weniger den Runen zuzu-
schreiben sind, denn wie die germanischen Völker zwar die neue Religion
annahmen, aber derselben unbewusst manche ihrer ererbten Anschauungen
Entwicklung der Minuskel. 557
einpflanzten, da mit der Taufe nicht das ganze Denken umgestaltet wurde,
so nahmen sie auch die lateinische Schrift im Ganzen an, übertrugen aber
unwillkQrlich ihre gewohnten Zeichen in dieselbe, wenn sie mit jenen Ähn-
lichkeit hatten. So ßnden wir in der longobardischen Schrift die gothische
Rune IS j7 als k b, in der merowingischen schon b wie im Slavischen b
bukt zu b wurde, während das griechische B als w galt; so scheint auf ^ d
das markomannische DO d eingewirkt zu haben, jedenfalls aber ist d das
markomannische d, wie h das markomannische |v khen; in der Folge
wechselten c und h fQr /, bis man beide zu einem Zeichen ch verschmolz ; in
^ tritt die angelsächsische /e-Rune mehr hervor als im römischen F, in p das
markomannische J\ hur, welches in der gothischen Schrift u war, manche
Buchstaben traten übrigens auf, welche weder im lateinischen Alphabet noch
in den Runen ein Vorbild hatten, wie das irische 3(, das angelsächsische 5
und das i. 3( ist das hieratische ^L ^^^ Adler, der im Deutschen ar heisst
wie im Ägyptischen (hebräisch iw or Licht), 5 die Hieroglyphe i/n, f ist das
hebräische f sade, wie bereits bei der römischen Schrift erwähnt wurde.
Diese Zeichen durch Corrumpirung von BDHRaGSzu erklären , ist so
gewaltsam, dass ich die Verantwortung dafür nicht übernehmen möchte,
übrigens scheint schon G ein Gefäss zu sein, die hieratische Form ^ der
Hieroglyphe (. Auffallend ist es jedenfalls, in ein und derselben Handschrift
verschiedene Formen für r und s zu finden, je nachdem die Worte lateinisch
oder deutsch sind, wie in der alten fränkischen Taufformel im 7. Jahrhundert.^®'
f^o-^ftji^Mnifux unVioLöun . 1 npi|ir\>JKu
Interrogatio sacerdotis (Frage des Priesters).
Fomahhistu unhddun. Ihfursahu. (Entsagst du dem Teufel? Ich entsage.)
Eine besonders eckige Form nahm die Schrift bei den Iren an, die
diesen Ductus später nach Deutschland herüber brachten, welches zum grossen
Theile durch irische Mönche zum Christenthum bekehrt wurde. Irland
war es auch, wo die Kalligraphie im 8. Jahrhundert zur Blüthe gedieh;
namentlich sind die verzierten Initialen von den Iren ausgegangen. Bei den
Römern waren solche Verzierungen nicht im Gebrauche, dagegen findet man
schon in ägyptischen Papyrus • Schriften die Anfange von Capiteln rulh
558 Irische Minuskel.
gemalt. Wie Seite 180 erwähnt, hatten die Iren auch eigene, dem Pflanzen-
reiche entlehnte Buchstaben und eine Geheimschrift. Wir geben hier eine
Probe des irischen Vaterunsers aus dem 9. Jahrhundert.
^laici^jm-p. X3ix) x)o coil i calmain atnail aca ii) nitn. Z^^^J^
xyux) itioiu a/i -pa-pax) laci!?!. Ocu-p I05 outi a^i j:iacl!?a flitnail
losmaicii« x)ia;i ^eci!7etn!iA.ib Ocu|* ntf Ifcea pnx) 1 n-aTnuf
Transscription und Übersetzung.
A athair ß hi nimib, Noemthar thainm, Tosi
0 Vater, welcher bist in Hinmieln, geheiligt sei dein Name. Es komme
do flaithius, Did do tau i talniain amail <xta in nim. Tabair
dein Königreich. Es geschehe dein Wille auf Erden wie im Himmel. Gteb
dun indiu ar sasad lathi, Okns log dun ar fiachu amaü
uns diesen Tag unser täglich Brod. Und vergieb uns unsere Schulden wie
logmaitre diar fhechemnaib. Ocus nis lekea sind i n-omitö
wir vergeben unseren Schuldnern. Und nicht lasse fallen uns in unerträgliche
n-dofulachtai. Acht nan soer 0 kech , ulk, Amen ropfir.
Versuchung, sondern befreie uns von jedem Übel. Amen, möge es auch sein.
In neuerer Zeit hat die irische Schrift unter dem Einflüsse der eng-
lischen mehr den Charakter der Antiqua angenommen ; destomehr muss die
Treue auffallen, mit welcher die alten Formen 7 ^ p r p 9 bewahrt wurden.
Wir geben als Probe das Vaterunser aus einem 1827 erschienenen Werke:
Qp Nachcnp aca ap ncam, MaoTncap iainm. Oyeaö 00 pio^aco. Oe^iv
rap DO roil ap an ccalorii, map bo nic^p ap neam. Qp napon laetonml caBoip
tovnn a niv,^. Qjvp maic övnn ap Bpiaca, map maitmibne bap BFcireaipn>8B
(pein). Qjvp na leij pmn a ccacvjab, acb paop in o olc: Oip ip Icacb fcin an
piojacb, ajyp ancvmacb, a'^y\' an jloip, 50 piojpMje. Qmen.
Die Angelsachsen waren Schüler der Iren ; wir finden daher dieselben
Zeichen bei ihnen, ausserdem aber noch drei besondere Zeichen, nämlich
die Runen P uu, P th und S dh. Diese Zeichen sind später in der Druckschrift
aufgegeben und durch W und th ersetzt worden. Das angelsächsische Vater-
unser lautete nach Bede:
Angelsächsische und deutsche Minuskel. 559
®u upe F«be]i he eapc on heofmuin, f y hin nama jehdijob jecu-
me ^in pice. Sy Sin Pilla fPayPa on heopnum fPa edc on eopf^an. Syle
af CO hm$ upne baD^bPomlican hlop anb fopjyp uf ape 3ylcaf fPa fPa
Pe pop3y|:a|> ham he Pif» uf asylcaf». Anb ne leb Su na uf on cofcnunje
dc dlyi Uf ppam ypele, Sy hic j?a.
Die Schrift ist von der jetzigen so wenig verschieden, dass eine Trans-
scription überflüssig ist, dagegen geben wir zur Vergleichung das Vaterunser
in jetziger ^Sprache.
Our father, tchich ort in heavett, haüowed be thy name, Thy kingdom come.
Thy will be done on earth as it is in heaven. Give U8 this day our daüy bread,
Änd forgive %as our debts as tceforgive our debtors. And lead us not into temjh
tation, btU deliver usfrom evil.
Statt debts wurde früher auch tresspasses gebraucht.
In Deutschland wurde die heimische Sprache von der Geistlichkeit so
missachtet, dass der Mönch Otfried im 9. Jahrhundert sich in einem lateinisch
geschriebenen Brief an den Bischof von Mainz gegen den Vorwurf, dass er
bäurisch-deutsch anstatt lateinisch geschrieben habe (er hatte die Evangelien
in deutscher Sprache umgedichtet), mit der Versicherung rechtfertigte, er habe
die deutschen unnützen und unzüchtigen Lieder verdrängen wollen. ^^^
Von diesem Mönch Otfried besitzen wir auch ein deutsches Vaterunseri
welches wir in den den Handschriften jener Zeit nachgebildeten Typen der
Staatsdruckerei folgen lassen:
(Xx-rer unfir, du m htmtle btf^. dxn nxma -werde gthedigeT, din
riche cbome. din vriUe ^tfkehe in erdx fcn tnenntfgen, xlfo xn htmtle fon
den engiien, llnfvr Txgeiicii frex' ^b auf htuTO, unde txnfere feulde
belAi(h utif^ j^tfb ouh uuir firlA^hen unferen fcuidenxrenx txnde xn dt^
chorunjA nelexTxik du unfxh, futiTtr triefe unfih fettA demo ubde*
Ihre schönste Blüthe erreichte die Minuskel im 10. Jahrhundert, und
diese Buchstaben waren es, welche die Buchdrucker der ersten Zeit, um mit
ihren gedruckten Büchern alle geschriebenen an Schönheit zu übertrefTen,
nachahmten, weshalb die so entstandene Lateinschrift den Namen .Antiqua*
(alte Schrift im Gegensatze zu der eckigen des 15. Jalu-hunderts) erhielt.
Der lateinische Palimpsest unserer Tafel XIII zeigt eine solche schöne Minuskel,
> 1
1^^
O'TUr J3w tu
3
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3
<3
El
a
e
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a
560 Erklärung der Tafel XIU.
welche zwar in manchen Buchstaben wie r tn a g sich noch mehr an die
Uncial anlehnt.
Der Text lautet: Psalmus iste pertinens ad numerum caniicorum graduum,
de quo tüulo in aUis tarn tnulta diximus et rtpetere nolumus, ne uas Mmdamus
poHus quam instruamus, docet nas ascendenies et leuantes animas nastras ad
dominum dominorum afectu caritatis atque pietaüa non intendere in hominäm,
qui prosperantur in hoc saeculo fdiätate falsa atque uentosa et prorsus seduämria,
uln nihil aliud nutriunt, quam superhiam, et cor eorum congelasdt aduersus deum
et ß durum aduersus imbrem gratiae ipsius, ne fructum ferat, praesumentes emm
omnia sibi abundare, quae uidentur huic uitae necessaria et \dira qua necessana
extoüuntur.
Übersetzung: .Dieser Psalm, zu der Zahl der Cantica graduum gehbn%
— von welchem Titel wir schon an anderem Orte viel gesagt haben, was
wir nicht wiederholen wollen, damit wir euch nicht vielmehr belästigen als
unterrichten — lehrt uns, uns aufschwingend und unsere Seelen erhebend
zum Herrn der Herren im Affecte der Liebe und Frömmigkeit, nicht zu
achten auf die Menschen, welche in diesem Zeitalter gedeihen in einem
falschen unbeständigen und gänzUch verführerischen Glücke, wo sie nichts
Anderes nähren als Übermuth und ihr Herz erstarrt gegen Gott und wird hart
gegen den Regen seiner Gnade, dass er keine Frucht trägt, denn vermeinend,
dass sie Alles im Überfluss haben, was für dieses Leben nothwendig
erscheint ■
Um diese Zeit gab man auch in der Cursivschrift die frühere Yer-
schHngung der Zeichen auf und näherte sich der Buchschrift. Wir geben zum
Beleg dessen nebenstehend die Abbildung des Anfanges einer der ältesten
deutschen Urkunden, nämlich des Diploms König Rudolfs vom Jahre 1281,
worin der Landfriede Kaiser Friedrich's II. vom Jahre 1235 bestätigt wurde.
Die römischen Zahlzeichen machten natürlich die Wandlungen der
Schrift von der Majuskel bis zur Minuskel und Cursiv mit, wir finden sie in
folgenden Formen
I II in nn oder IV V VI VII Vin IX X L C D lo M
iTiTn nn vvivn ixxxco
I 11 111 tili IV V VI vu viu villi pc ^ l c d
Man vergleiche auch die Zahlzeichen, welche die Charte Chilpericb's
Seite 555 enthält.
■
i
I5P
3<
Et
f
Diplom Schrift im 13. Jahrhundert.
562 Deutsche Ziffern. — Buchdruck.
Der Verkehr mit den Arabern vermittelte im 1 2. Jahrhundert die Be-
kanntschaft mit dem indisch- arabischen Ziffemsystem, welches im Jahre 1202
durch die Schriften des Leonardo Fibonacci aus Pisa in Europa bekannt
wurde, indess kamen die Ziffern vereinzelt schon früher vor. ***
Fibonacci, welcher als Kind mit seinem Vater, einem pisanlschen
Douanier zu Bugia lebte, lernte die arabischen Ziffeiii in der mayrebischen
Form (Gobar-Ziffern) kennen, welche von der Form der ostarabischen Ziffern
abweicht,***^ und hieraus erklärt sich die grosse Abweichung unserer Ziffern
von den bekannten arabischen. Wir lassen zum Beleg dessen eine Zusam-
menstellung dieser Ziffern folgen:
Ostarabische Ziffern \ T fl o ^ \ A \
Gobar-Ziffern | ^^^f^A X^
Europäische Ziffern im Mittelalter i o- '^ ;^ 7 c A S f\
Jetzige Ziffern 1234 56 7 89
VII. DER BUCHDRUCK.
Die Erfmdung des Buchdrucks würde in diesem Werke schon deshalb
einen Platz verdienen, weil sie die Kenntniss des Lesens und Schreibens in
die weitesten Kreise verbreitete und den Bücherbesitz, der vordem nur das
Privilegium der Reichen war, auch den Mittelclassen und in neuester Zeit
selbst den Ärmsten ermöglichte; sie ist aber ausserdem von einschneidender
Bedeutung für die Bildung der Schrift selbst gewesen, indem sie einerseits
den Buchstaben einen hohen Grad kalligraphischer Ausbildung gab, und
andererseits, da diese Formen in der Handschrift schwer nachzuahmen waren,
zur Bildung einer sich selbständig entwickelnden Schreibschrift Anlass gab.
Der Gedanke, die Schrift auf mechanischem Wege zu vervielfältigen,
ist eigentlich schon uralt; die Babylonier besassen Holzformen, mittelst
deren den Ziegeln kleinere Inschriften eingedrückt wurden ; die Siegel haben
gleichfalls von jeher den Zweck gehabt, die Schrift mittelst Aufdrücken
mechanisch zu vervielfältigen ; die klösterlichen Abschreiber des Mittelalters
verwendeten geschnittene Stempel, um die Umrisse der Anfangsbuchstaben
ihrer Manuscripte vorzudrucken ; ferner bedienten sich die Alten schon der
Blechblättchen mit ausgeschnittenen Buchstaben als Patronen, um ihren
Namen auf irgend einen Stoff zu pinseln, und derselben Patronen bedienten
Buchdruck. 563
sich die Römer, um die Kinder schreiben zu lehren, indem diese den Griffel
durch die Einschnitte der Patronen hindurchführen mussten. Hieronymus, zu
Ende des 4. Jahrhunderts, empfahl der Römerin Lata, ihrer Tochter Paula
den Lese- und Schreibunterricht derart zu lehren, dass man ihr Buchstaben
Ton Buchsbaum oder Elfenbein als Spielzeug gebe, damit sie daraus Wörter
bilden lerne. *•* Doch alle diese Völker kannten für die Vervielfältigung von
BQchern nur das Mittel des Abschreibens , welches in Rom mittelst Sklaven
fabriksmässig betrieben wurde. Auch viele Klöster des Mittelalters waren
derartige Schreibfabriken.
Die ersten, welche Bücher mechanisch vervielfältigten, waren die
Chinesen, welche im 4. Jahrhundert den Holzschnitt und Holztafeldruck
erfanden, der noch gegenwärtig bei ihnen vorwiegend angewendet wird; im
9. Jahrhundert stellte ein Schmid Pi-§in bewegliche Typen her, und auch in
neuerer Zeit hat man wieder bewegliche Typen für die chinesische Sprache
in Anwendung gebracht, nachdem die Europäer hierin mit Beispiel voran-
gegangen waren; aber der Nutzen dieser beweglichen Lettern konnte bei den
vielen Zeichen der chinesischen Schrift nicht so hervortreten als bei der
Buchstabenschrift.
In Europa ßndet man mit Beginn des 15. Jahrhunderts Spuren, dass
Spielkarten und Heiligenbilder, welche früher von den Briefmalem nur gemalt
wurden, durch Abdrücke von Holztafeln vervielfältigt worden sind. So ent-
standen aus den Briefmalem und Karten machern Briefdrucker und Form-
schneider, welche schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zunftmässige
Genossenschaften bildeten. Zu den Bildern gesellten sich dann kurze Texte« und
aus einzelnen Blättern entstanden Bücher, von denen die berühmte Armen-
bibel CBihUa paupemmj sich bis auf unsere Tage erhalten hat.
Den ersten Fortschritt auf dem Gebiete der mechanischen Bücher-
vervielfältigung machte Johann (Henne) Gensfleisch, genannt Gutenberg
(geboren zu Mainz 1397, gestorben 146S). durch die Erfindung der Buch-
druckpresse, welche er nach dem Musler einer Weinpresse erbaute. Bisher
geschah der Druck der Holzschnitte dadurch» dass letztere mit einer Schwärze
aus Lanipenruss überstrichen, ein Blatt Papier darüber gebreitet und mit
einem hölzernen Reiber oder auch mit einer Bürste darüber jrffahren wurde.
Daher waren alle diese Blätter (wie noch jetzt die chinesischen Holztafel-
drucke) nur auf einer Seite bedruckt. Die Erfindung der Buchdnickpro^se
t »'I
564 Johann Gutenberg.
ermöglichte nicht nur eine schnellere und bessere Herstellung des Druckes
als mittelst des Reibers, sie gestattete auch, die Blätter auf beiden Seiten
zu drucken, dadurch die Form der geschriebenen Bücher besser nachzuahmen
und an Papier zu sparen, denn früher wurden die Holzschnittblätter an ihren
leeren Seiten aufeinander geklebt. Zugleich mit dieser Erfindung begann
Gutenberg, die Lettern einzeln zu schneiden, um durch deren Zusammen-
fiigung die Holztafeln zu ersetzen, und endlich vertiefte Formen (Matmen)
herzustellen, aus welchen dauerhaftere bleierne Typen gegossen wurden.
Alle diese Erfindungen machte Gutenberg um das Jahr 1440 zu Strassburg
und unterrichtete darin zwei Bürger : Andreas Dritzehn und Hans Riffe, denn
als es nach dem Tode eines dieser Theilnehmer zu einem Processe kam, war
nach den Zeugenaussagen Gutenberg ängstlich bemüht, den Druckapparat zu
zerlegen, um zu verhindern, dass Jemand die Presse und die Formen sehe,
auch war in dem Processe von einer Presse, von einer darin liegenden vier-
theiligen Form, die durch Schrauben zusanmiengehalten wurde und nach
Öffnung der Schrauben auseinander fiel, sowie von Bleilieferungen die Rede.
Ende 1444 oder Anfangs 1445 kehrte Gutenberg nach Mainz zurück,
wo er anfangs allein oder mit Gehilfen Holzplatten, Alphabet-Tafeln und Aus-
züge aus der damals beliebten Grammatik des Donatus druckte.
Der Ertrag, welchen diese Druckwerke lieferten, stand jedoch in keinem
Verhältnisse zu den Kosten, welche die Versuche erzeugten, insbesondere
scheint die Zubereitung einer hinlänglich zähen Schwärze, damals Tinte
genannt, sowie dauerhafter Typen, viele Mühe und Ausgaben verursacht zu
haben, denn der AbtTrithemius, ein Zeitgenosse, der sich auf die Mittheilungen
des Peter Schöffer stützt, sagt in seinen lateinisch geschriebenen Annalen
des Klosters Hirschau beim Jahre 1450, .um diese Zeit wurde die bewun-
demswerthe, bisher noch unerhörte Kunst, Bücher durch einzelne Buchstaben
zu drucken, von einem Bürger in Mainz, Johann Gutenberg, erfunden und
ausgedacht. Nachdem dieser fast sein ganzes Vermögen darauf verwendet
und dennoch wegen vieler Schwierigkeiten bald an diesem, bald an jenem
Mangel litt, so dass er die Sache schon liegen lassen wollte, hat er durch
den guten Rath und Vorschuss eines andern Mainzer Bürgers, Johann Fust,
sie endlich glücklich zu Stande gebracht. Anfänglich haben sie die Buchstaben
auf Tafeln zerschnitten und ein allgemeines Wörterbuch, Vocabidarium catho-
licon, gedruckt, konnten aber mit denselben Tafeln nichts Anderes drucken.
Gulenberg. Fust. Schöflfer. 565
weil die Buchstaben in dieselben eingeschnitten und unbeweglich waren.
Darum haben sie die Buchstaben des lateinischen Alphabets zu giessen er-
funden, welche sie Matrizen nannten, vermöge deren sie Buchstaben von Erz
oder Zinn gössen, so viel sie nöthig hatten, welche sie vordem mit den
Händen zuerst schnitten. Diese Art zu drucken hat aber so viele Schwierig-
keit gehabt, dass sie an die Bibel schon 4000 Gulden gewendet hatten, ehe
noch der zwölfte FoUobogen beendet war. Peter Schöffer aber, erst Diener,
dann Eidam des Johann Fust, erfand eine leichtere Art zu giessen. Beide
haben eine Zeitlang die Kunst geheim gehalten, bis sie durch die ihnen
nöthigen Diener erst nach Strassburg gebracht worden ist und dann zu
anderen Völkern. Es wohnten aber hier die ersten Erfinder zu Mainz in einem
Hause «zum Jungen", hernach das , Druckhaus* genannt."
In dieser Erzählung ist manches Unzusanmiengehörige zusammen-
gezogen worden, um dem Johann Fust eine Theilnahme an der Erfindung
zuzuschreiben, welche ihm kaum gebührt, denn im Jahre 1856 wurde in den
Tiefen eines verfallenen Kellergewölbes in dem oben erwähnten, noch heute
existirenden Druckhause der Querbalken einer Druckpresse, durch welchen
eine Schraubenmutter geht, gefunden, welcher die eingeschnittene Bezeich-
nung J. G. 1441 trägt, ein Beweis, dass Gutenberg die Presse von Strassburg
mit nach Mainz gebracht hat; ^*' femer war in dem Strassburger Processe
von Bleilieferungen und von Formen die Rede, welche auseinanderfielen, wenn
die dieselben zusammenhaltenden Schrauben geöffnet wurden, also ein
Beweis, dass Gutenberg schon in Strassburg bewegliche T}i)en gehabt hat;
der Mainzer Periode dürften die Verbesserung der Matrizen und die gegossenen
Typen aus Erz oder Zinn angehören, zumal Fust*s Bruder Jakob ein Gold-
schmied war, der das Graviren von Matrizen verstand.
Die Verbindung mit Fust scheint Gutenberg deshalb eingegangen zu
sein, um seine bisherigen Bemühungen mit einem grossartigen Unternehmen,
dem Druck der oben erwähnten Bibel, zu krönen und damit ein Werk zu
liefern, welches mit den besten kalligraphischen Erzeugnissen seiner Zeit
rivalisiren konnte. Der Preis war der Anstrengung würdig, denn ein Exemplar
der Bibel wurde damals mit 500 Goldkronen bezahlt, die Druckkosten konnten
also bald gedeckt werden. Diese Bibel sollte nicht mit den vulgären Typen,
deren sich Gutenberg bisher bedient hatte, gedruckt werden, sondern mit der
gitterartigen Schrift, mit welcher die Missale geschrieben wurden. Zu diesem
/
566 Gutenberg's Bibel.
Zwecke nahm Gulenberg be! Fust ein Darlehen zuerst im Betrage von 800
Goldgulden zu 6 Percent auf, wofür er ihm sein ganzes Handwerkzeug ver-
pfändete ; für dieses Werk wurde auch Peter Schöffer aus Gernsheiin gedun-
gen, der lange Zeit in Paris gelebt hatte und in der Kunst des Rubricirens
und niuminirens der Bücher geschickt war. Als dieser aber in die Geheimnisse
Gutenberg's eingeweiht war, und durch neue HandgriiTe Gutenberg^s Erfindung
zu verbessern verstand, verband sich Fust mit ihm, den er durch die Hand
seiner Tochter an sich fesselte, um Gutenherg um den Lohn seiner Arbeiten
zu betrügen, indem er vor Beendigung des Bibelwerkes Gutenberg auf Zurück-
zahlung des Darlehens klagte. Wirklich erhielt er, da dieser nicht zahlen
konnte, durch Gerichtsbeschluss sämmtliche Werkzeuge als Eigenthum zuge-
sprochen. Fust scheint im Jahre 1466 zu Paris, wohin er sich zum Verkauf
seiner Druckwerke begeben hatte, an der Pest gestorben zu sein. Gutenberg
starb in Eltvil, nachdem er mit Hilfe eines Darlehens des städtischen Syndicus
Dr. Humery eine eigene Buchdruckerei errichtet und mehrere Werke (das
letzte, das Vocabularium latino-teuUmicum erschien am 4. November 1467)
gedruckt hatte. Sein Todestag ist nicht bekannt.
Wir geben hier als Probe das Vaterunser mit den der Gutenberg-Bibel
nachgebildeten Typen der Staatsdruckerei.
^atec nofltc qui m In rrlm (üw
ttifimur nome tutu /iltmniiat rrgofi
tuu jPiat uolütad tua : firut in rein et
in tecca. ^ane nnßcQ fugfuliftätiale
Ha nnbi^ t^ntiie. £t tiimitte nnbis Xu*
bita nnfica : firut et nna tiimittimua
tiebitnnbnd nnffais. iEt ne nns mtiU'
raa in temptatinne: feti libeca noa a
malo
193
per Ruhm, die Buchdruckerkunst erfunden zu haben, wurde übrigens
Gutenberg von den Holländern streitig gemacht, welche (allerdings ohne
Erfolg) die Erfindung dem Harlemer Bürger Koster zuschrieben.
Verbreitung der Buchdruckerkunst. 567
Aus den Berichten über die Entstehung und die ersten Anfänge der
Buchdruckerkunst geht hervor, dass diese Kunst als grosses Geheimniss
betrachtet wurde ; die Arbeiter und Gehilfen waren eidlich verpflichtet, Anderen
keinerlei Mittheilung zu machen, auch die Werkstätten nicht zu verlassen;
wenn dennoch bereits im Jahre 1461 zu Bamberg Pfister als Buchdrucker
auftrat, so mag derselbe wohl früher Gutenberg's Gehilfe allein gewesen sein
und den Streit zwischen ihm und Fust zu seiner Entfernung benutzt haben.
Als aber am 28. October 1462 Mainz durch den Kurfürsten und Erzbischof
Adolf von Nassau erobert und geplündert wurde, zerstreuten sich die Gehilfen
der Fusfschen Druckerei, wanderten theils als fahrende Buchdrucker von
Ort zu Ort, kleinere Werke druckend, oder Hessen sich in anderen Städten
dauernd nieder. Die ersten im Jahre 1482 zu Wien gedruckten Werke
scheinen von einem fahrenden Buchdrucker herzurühren. So finden wir die
Buchdruckerei zu Strassburg im Jahre 1460, Köhi 1466, Nürnberg 1173,
Breslau 1475, Pilsen 1476, Frag 1478, Würzburg 1479, Leipzig li81,
Wien 1482, München 1482, Magdeburg 1483, Heidelberg 14S5, Schleswig
14S6, Hamburg 1491, Krakau 1491, Tübingen 1498 u.s.w. hi Italien wurde
1464 zu Subiaco bei Rom eine Druckwerkstälte eröffnet, in Frankreich 1470
zu Paris, in Belgien 1473 zu Aalst, in der Schweiz 1470 zu Beromünsler
(Canton Luzern), in England 147 i zu London, in Spanien 1 17 i zu Valencia,
in Portugal heimlich durch die Juden 1489, öffentlich 1514, in Schweden
1483 zu Stockholm, in Dänemark 1490 zu Kopenhagen, in Russland 1193
zu Tschernigow, in der Türkei heimlich durch die Juden 1490, ölTenHich erst
1 726, in Mexiko 1 5 19, in Lima 1 586, in Massachusetts in Nordamerika 1639.
Da der Buchdruck die Handschrift ersetzen sollte, so ahmten die ersten
Buchdrucker die besten handschriftlichen Must(»r nach.
Wir geben Seite 568 und 569 zum Beleg dessen eine Gegenüb«T-
Stellung der Probe eines handschriftlichen Missais und einer pholozinko-
graphisrhen Nachbildung eines Stückes der Gutenberg-Bibel. '•*
Neben dieser Missal-Schrift bediente man sich zu gewöhnlichen
Büchern einer einfachem Schrift, von welcher der auf Seite 570 betfulsende
Ablass- Brief, der aus der Gulenberg-Fust'schen Buchdruckerei h^Tvorp»-
gangen sein dürfte, eine Probe giebt; dieselbe liefert zugleich den Beweis,
dass man schon damals anfing, verschiedene Schriften zu gebrauchen.
Aus dieser gemeinen Bücherschrift ji^ing die sogenannte Schwabacher-Schrilt
568 Blissal-Handschrifl aus dem 15. Jahrhundert.
hervor, welche sich bis auf unsere Zeit erhalten hat, neuerdings sogar in einer
modemisirten Form beliebt geworden ist.
titOc^^tui p^miüaif cm^lnau^ubt cnio
tatti&MuiMoM cu cniQ&aiGat^cu
(»nriftfipmtfiphmifB. gnif ftiifrfitnitt toxi
oll tmtiflcm Jftott imumttu0 ^
Hr ifia omii^fll^tiHicnptina'tmito^^
...d^Q^aiit^üiirte cmtf ijcfii maftroiti^eibib
tin madu^atur'mana dcopi^r^tnaiiattief'
apuludatdem quemHütgibaf f H^maiä
üi(^.^uIicrmrfßm6rfuulDQtaiei^
qma omtafonfilmate fim^^tif confiSmam
fint))6uainH^.Staoi^a^atitrpolUi^^
aiefoplmu^autemqiimgtatttplma — '
Gutenberg^s Nachahmung der Missal- Handschrift. 569
'wT f rigawimtonigitpfii^
n f BI$]uiuäcBit|abtal|itnt.
BfUDs Hut QQmit tttfkOCtfil8flX0ll^
ffinmm*. Bnflttft iltff IimuiC fUEOItC
tCniin flutflfiiuttfitsiti* ^tfttnfiiic
QCCIlltt dlOtll^Bil I dlllttitfwl 0ltt tt^
fltitftfniiiftfflV.llfflf fltitf fwtnttrhA^
mnint robofltnrnibDflttt fiitt flwinit
fib^mn* ^braa aut goDitr auitafii
{omtt uramnöcfitii wi gnoiit 09^
ilffln flttt BBTOit achflr > gldiaT JtmF
Qflmit CZEuPnllUf iiRIftflB flUI nCUlUt
• jytntiiton mit gnnnt toiFftnc
Hiin
Annierkung. Die hellere SchrafTirung des Initial-L ist im Buche rulli (;eiiiall,
ebenso sind alle Versalbuchstaben mit einem farbigen Klecks« versehen.
Ablass-Brief aus der Gutenberg-Fust'schen Dructerei-
si
m%ft
3 5ls,a
r|5,'^
105 =
; ^3 e
imiiiFiiiijisifr
liliifl
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llS'i'i i. tt>|l|:Jl;||^'|,3n'l|äls^
rSr|
J'l
fllfl 4,iil-ii;iT|iri:fll?iiä
Schwabacher und Antiqua. 571
Wir lassen nun das Vaterunser nach einer Frankfurter deutschen Bibel
in alter Schwabacher folgen.
CV^Üfer Dater tit dem ^6hnel/ Deht Haine tver^e gcl^etlt^et.
^^ Dciit Meid^ Urne. Dein tpille ^cfd^et^c/ auff <£tim wie im
"^imeU <Sih vm vitfer U^lidf ^rot jmcr Dar. Vn vergib vitj»
vnfer Stinte/ Dcit aiid; tpir vergeben alleit Die vne fd^SlDi^
ftnD. Vni flirre 9ti5 nit iit Derftid^uit^. SoitDern erlofe vtte von
Dem Dbel.
Conrad Sweynheim und Arnold Pannartz in Rom ahmten 1467 den
runden römischen Ductus nach und wurden dadurch die Begründer der
Antiqua- Schrift, welche von Aldus in Venedig und später von Claude Gara-
mond verbessert und von Zauner in Augsburg 1472 in Deutschland einge-
führt win-de. Wir geben hier als Probe einen der ersten römischen Drucke, mit
dem Bemerken, dass die ersten vier Zeilen mit der Hand eingeschrieben sind.
|AdHO«0aKlllBf^ni9fMfMnft
admcpifaTclf iicriiarfsffaicUift
mdmiknhonmhMhbarart:(l^u^^
fiK:Mad(fltocnpoffe(rfMncdbim
Aldus Manulius in Venedig liess von Francesco de Bologna Cursiv-
Typen schneiden, welche daher noch jetzt bei den Franzosen Italique heissen,
wir geben hier die Probe eines Druckes vom Jahre 1514. Der Rauu) für die
Initial- Vignette ist leer gelassen .
572 Cursiv.
F.V. M.CBORGICON riBEJt PRI«
MVS AD MfiCOBNATfiM.
yidfiädiLnmJiffmrfm ^im
ttrräm
CMMnMt:^ OTTtf ioiMn^f» mt
imhakaiJo
H MM- amert mapärn» v« o cUr^Jima nrnnJU
L 9$mmä,Ub€nigm cmlo mut dmmt ammm:
C häomam fnigi^4mdmwiuaäi ärifin
p oadiäyimefitts Acbdäämtfimttmf:
^ eng fmm^äimii^ feiimpfyaiwp ftfilU.
BA untfd tkjtfdütno-tiiif o^oii pfbvM panuviteK
F M^f ffurn» m^ dbtf faratßi truUnh,
U ifnmKdr athsr ntmcrmn,m fmffiä Q£a
T trwmmtmmktdtntdmmiHHoia.
Aiftfo TeffiefitkmitlutiB umema
I WWmfyLl.ilUliA' ftUT HUMUV lUWittätfK
fi ittairämdhradutßremsylmm mffißim:
D if^fjJfdll^ammfyfiHMmn^hiiämamefii
Qjd^ nmm4bii$nmmMßnimifhmr*
€lm4pfitts Urgm raelo denumus imfcrciN.
X f^- 4ito/fMnmffxfmPni hakiurädeomm
c •
Schönsperger der Ältere in Augsburg (1413 — 1475) liess zum Dracke
des von Kaiser Maximilian selbst verfassten und mit zahlreichen Holzschnilten
aus DOrer's Schule ülustrirten, überhaupt mit aussergewöhnlicher Pracht
ausgestatteten Gedichtes .Theuerdank* eine neue Schriftart schneiden, welche
die Mutter der jetzigen Frakturschrift geworden ist
Wir lassen hier zunächst eine Probe der Handschrift in Kaiser Maxi-
milian's Gebetbuch vom Jahre 1514 folgen, virelche den Typen des ,Theuer-
dank* als Vorbild diente. Ein ähnlicher Ductus hat sich als Kanzlei-Schrift
bis in das vorige Jahrhundert erhalten und kommt noch unter dem Namen
«Kanzlei* in Buchdruckereien vor.
ö^gtio ot) tuu j?pafianflem-
bmit)u$Mebii$t)tfemcc«
9at$lacobmi|cmgm(f-<£t
Tis» 9KS-
miftctn at)affitmmcump?o^
r«mmattcdu^c«ioliirtmu:
Die Theuerdank-Type zeigt folgende Probe:
0
^C^orStwcrtßaufnncScKrütAi
<S6
574 Französische und englische Fraktur.
Diese vier Schriftgattungen, Antiqua mit Cursiv, Schwabacher und
Fraktur blieben seither die ausschliesslichen Buchdruckschriflen.
Italiener, Franzosen und Engländer gaben schon frühzeitig die eckige
Buchschrifl, mit der die ersten Werke gedruckt wurden, auf und pflegten
nur die Antiqua und Cursiv, wogegen die Deutschen, Holländer, Dänen,
Schweden, Czechen und Slovaken die Frakturschrift bis auf die jüngste Zeit
bewahrt haben, indem hier der Gebrauch der Antiqua auf die Werke in
lateinischer, sowie allen romanischen und in englischer Sprache beschränkt
wurde. Hieraus entstand die Ansicht, die Frakturschrift sei die nationale
deutsche Schrift, ein Missverständniss, dessen sich nur Derjenige schuldig
machen kann, der die ältesten englischen und französischen Drucke nicht
kennt. Wir geben zum Belege eine Probe einer französischen Übersetzung
von Sebastian Brandrs ,NarrenschifT*, welche die französische Fraktur zeigt:
CleinemierfbrSeraneffiife
IcBMto »siis Settfa tiMDi
flSmeaiiairtne Sdh^
lefqn^ieiie Sop fbjc iie mo^
3Dec»in^qM(dplRai5f^ 8e6aiif
£Dane(te(n(dife.foinme tntte
TCäcttfeeUoi fanionrqKi 9mßti.
F'emer eine Probe enghscher Fraktur ans dem von Caxton 1476
gedruckten »Ganterbuty Taks.*
J^ «« i^ (cmet? i^ tBo« fb^ ^Mi*
^^ tt^ fb«6 ]Mne 9jn9 p0i« an(i^ int^UNtff
ib^ fet? ^ out oß (t fQoToe ^ ^ fM
Cur o|le 9x^ ^9k tB«^ fo» 166 aK0
Fremdsprachliche Leitern. 575
Der Eifer der ersten Buchdrucker in Bezug auf Herstellung schöner
Druckwerke kannte keine Grenze; Schöffer druckte in seinen Psalter schon
Musiknoten hinein; zu Anfang des 16. Jahrhunderts schnitt Oltavio Pelrucci
Musiknoten, welche Erfindung von dem Franzosen Jacques Salecque 1610 ver-
bessert, dann von Fleischmann in Leipzig und dem Leipziger Buchdrucker
Breitkopf vervollkomnmet wurde. Konrad Fyer in Esslingen wendete 1475
zum ersten Male hebräische Typen an; das erste hebräische Buch wurde zur
selben Zeit von Salomon Jarchi in Calabrien gedruckt. Sweynheim und Hahn
in Rom gössen bereits griechische Lettern; das erste griechische Buch wurde
1516 von Valentin Schumann in Leipzig gedruckt, wobei zu bemerken ist,
dass diese Drucker die damalige griechische Minuskel mit ihren vielen Liga-
turen nachahmten, welche letztere erst in unserem Jahrhundert ganz aus der
Druckschrift entfernt worden sind. 1514 wurde zu Fano das erste arabische
ßuch und 1518 zu Venedig der Qöran in arabischer Schrift gedruckt. 1527
erschien zu Venedig ein Buch in russischer Sprache; 1528 zu Urach ein
glagolitisches Messbuch, zu dessen Herstellung Hans Ungnad Freiherr von
Sonnegg einen beträchtlichen Theil seines Vermögens hergab. In Ostindien
wurden die ersten einheimischen Schriften mit tamulischen Lettern, welche
in Halle an der Saale gegossen wurden, 1714 gedruckt. Der Leipziger Buch-
drucker Gessner veröffentlichte bereits im vorigen Jahrhundert hundert fremd-
sprachliche Alphabete. In jüngster Zeit ist es dem Verfasser dieses Werkes
gelungen, auch die Stenographie schriflgetreu in Typen hei-zustellen.
Auch der innern Einrichtung der Bücher schenkten die Buchdrucker
mehr Aufmerksamkeit als die Bücherabschreiber des Mittelalters. Die Worte,
welche in alten Handschriften nicht immer durch Zwischenräume getreimt
sind, wurden regelmässig abgetheilt, der Gebrauch der Unterscheidungszeichen
namentlich durch Manutius geordnet; die Bücher anfangs mit Blattzahlen
(durch Aniold Ter Hoernen in Köln 1470— 1483), dann mit Seilenzahlen
versehen: die anfangs hinemgemalten Initialen schon von Schöffer durch
hineingedruckte Holzschnitte ersetzt; Zayner hi Ulm 1473—1475 wendete
zum ersten Male gedruckte Randleisten an. Während die ältrsten Drucke noch
keinen Titel hatten, sondern der Inhalt gewöhnlich in den ersten Z»*ilen an-
(rezeigl wurde, wogegen Drucker, Druckort und Jahreszahl in einer .^chlu>s-
schrift enthalten waren, fing man schon 1475 an, einfache Tilelbliillt»r vor-
zusetzen, welche später mehr und mehr ausjieschniückt wurden, wobei man
576 Ausschmückung der Bücher. — Correclur.
sich zur Henrorhebung der Hauptzeilen häufig des Druckes mit rother Farbe
bediente. Die Cennini, Vater und Söhne, welche in Florenz die Buchdruckerei
einführten, gaben 1477 ein Buch mit Kupferstichen heraus (die ältesten bis-
her aufgefundenen Kupferstiche sind vom Jahre 1440 und deutsche Arbeit;
wann der Kupferstich erfunden wurde, ist nicht bekannt), ausserdem schmückte
man die Bücher gern mit Holzschnitten, auch wurde in allen Farben, in Gold
und Silber, auf Pergament und Seide gedruckt. Natürlich bediente man sich
für die gewöhnlichen Ausgaben des Leinenpapiers, welches in Deutschland
im 13. Jahrhundert erfunden worden war (1390 entstand in Nürnberg die
erste Papiermühle) und dessen Billigkeit, namentlich als man im 16. Jahr-
hundert auch ungeleimtes Papier zum Drucke verwendete, der Verbreitung des
Buchdrucks sehr zu statten kam.
Eine grosse Sorgfalt verwendeten die. Buchdrucker auf die Correctheit
der Schrift. Fehler kamen bei dem mechanischen Abschreiben der Bücher
von jeher und sehr zahlreich vor; bei dem Buchdruck ist die Möglichkeit
gegeben, einen vor dem eigentlichen Druck abgezogenen Probebogen durch-
zulesen und die Fehler des Setzers zu verbessern; manche Drucker, wie
Robert Stephanus (Etienne) zu Paris, gaben kein Werk heraus, ohne zuvor
Bogen für Bogen zur öffentlichen Correctur ausgehängt zu haben, wobei
für jeden entdeckten Fehler eine Belohnung versprochen wurde; aber trotz
alledem sind Fehler im Druck stehen geblieben, und diese Thatsache möge
den Autor oder Corrector entschuldigen, der trotz der grössten Sorgfalt Fehler
übersieht: unter allen menschlichen Beschäftigungen ist die des Correctors
die peinlichste; er darf sich vom Inhalt nicht gefangen nehmen lassen, um
Formfehler zu übersehen, und er darf nicht mechanisch lesen, weil der Sinn
wesentlich zur richtigen Auffassung der Worte gehört; objectiv und allwissend
soll er richten, und er ist doch nur ein Mensch.
Das 17. Jahrhundert zeigte einen auffälligen Niedergang der Buch-
druckerkunst; der Wetteifer mit der Kalligraphie der Handschrift hatte auf-
gehört; Privilegien und Zunflverband schützten die Buchdrucker in ihrem
Erwerbe ; die Gemächlichkeit machte sich breit, welche für mögliebst viel
Geld möglichst schlechte Waare lieferte, und die Kriegsunruhen, welche ver-
wildernd auf alle Kreise einwirkten, trugen zur Verschlechterung des Greschmacks
wesentlich bei, wie sie auch eine aufTallende Verminderung der geistigen
Production zur Folge hatten.
Stereotypie. — Verbesserung der Fressen. 577
Im 18. Jahrhundert traten zwei wichtige Erfindungen in England auf,
welche wieder fordernd auf den Buchdruck einwirkten, nämlich die Stereotypie
und die eiserne Presse. Die Stereotypie ist gewissermassen ein Zurückgreifen
auf den Tafeldruck, indem von gesetzten Seiten ein Abdruck in Gyps (in
neuerer Zeit auch in feuchtes Papier) gemacht wird, aus dem Platten
jr*'gossen werden, welche sich wie Lettemsatz drucken lassen. In früherer Zeit
musste bei Werken, welche viele Auflagen erlebten, der Satz zum Drucken
stehen und damit ein grosses Capital todt liegen bleiben. Die dünnen Stereo-
typplatten sind billig, leicht aufzubewahren und schützen vordem Einschleichen
von Fehlern, die bei dem Neusetzen -schwer ganz zu vermeiden sind. Der
schottische Goldschmied William Ged in Edinburg war der Erste, der \ld\^
solche Platten aus Matrizen goss. Die eiserne Presse wurde von Lord Stan-
hope (1753 — 1816) erfunden, sie erfordert weniger Kraftaufwand als die
Holzpresse, ist dauerhaft und liefert einen guten scharfen Druck. Um dieselbe
Zeit wurden auch statt der Handballen, mit denen bisher die Farbe auf die
Form gerieben wurde, elastische Walzen aus Leim und Syrup erzeugt, mit
welchen man die Druckform leicht und schnell überstreichen konnte. An und
tür sich vortheilhaft, gewinnt diese Erfmdung dadurch an Bedeutung, dass
sie eine andere, noch wichtigere Erfindung ermöglichte, nämlich die von einem
Deutschen, Namens König, in England gebaute Schnellpresse, welche sowohl
durch Menschen wie durch Dampfkrafl in Bewegung gesetzt wird. In diesc^r
wird die Druckform in beständiger Bewegung erhalten, und während die alle
Handpresse es im günstigsten Falle auf täglich 300 Bogen brachte, die ver-
l)e5serte Handpresse gegenwärtig 100—150 Abdrücke in der Stunde liefert,
f'ihält man von der einfachen Schnellpresse ohne Dampfbewegung 1200
Abzüge in der Stunde, während die neuesten Schnellpressen, welche den
bo^^en zu gleicher Zeit auf beiden Seiten bedrucken, wie z. B. die Schnell-
presse der »Neuen Freien Presse* in Wien, 9000 Bogen in Format 30 iS"
in der Stunde liefern. Durch die Schnellpresse wurde der Zeitungsdruck in
&«*iner gf*f:enwärtipen Ausdehnung ermöglicht.
Während in dieser Weise die Bücher durch Verbesserung des Druck -
v*.'rfahrens zu ausserordentlich billigen Preisen geliefert werden konnten.
• rhielt die Buchdruckerkunst durch eine andere Erfindung Iheils eine wesent-
liche Unterstützung, theils einen wirksamen Sporn, die hrichste Elejranz in
.'liren Formen anzustreben. Im Jahre 1790 erfand der zu Pra^j ^'eborne und
FaiJ^maDn. Goxchichte <1. Srhrift. ;»"
578 Steindruck. — Kupferdruck.
in München erzogene Alois Sennefelder in der letztern Stadt den Steindruck.
Diese Erfindung besteht darin, dass man^ statt in theure Kupferplatten die
Schrift in Stein ritzt, wozu sich der Solenhofener Kalkstein, der in München
schon seit Jahrhunderten zum Belegen von Hausfluren, zu Tischplatten,
Grabsteinen u. s. >v. verwendet wird, vorzuglich eignet. Der Steinschreilwr
(Lithograph) hat also ein billiges Material, in welches er entweder mit der
Nadel Schriften in beliebiger Form oder Zeichnung einritzt oder auf welches
er mit Kreide Zeichnungen hinwirft, welche von dem präparirten Steine
ebenso mittelst Papier und Druckerschwärze abgezogen werden können, wie
die Zeichnungen des Kupferdrucks ode? der Typensatz in derBuchdruckpresse.
Die Billigkeit der lithographischen Erzeugnisse schädigte das Monopol des
Buchdrucks in empfindlicher Weise; man begann alle kleineren Drucksachen
(Accidenzarbeiten) auf lithographischem Wege herzustellen, so dass für die
Buchdruckpresse nur der ordinäre Buchdruck übrig zu bleiben schien. Wollten
die Buchdruokereibesitzer nicht den grössten Theil ihrer Kunden verlieren.
so waren sie genölhigt, an Schönheit der Typenformen mit der Zeichnung
des Lithographen zu wetteifern, und so sehen wir seit Beginn dieses Jahr-
hunderts die Stempelschneider fortwährend beschäftigt, schöne zierliche
Typen und Zierschriften in buntester Mannigfaltigkeit zu liefern, geschmack-
volle Einfassungen zur Verzierung der Seilen herzustellen, während andererseits
der Holzschnitt verbessert und zur künstlerischen Vollkommenheit erhoben
wurde. Schliesslich wurde sogar die Photographie druckfähig gemacht. Das
vorliegende Werk giebt eine kleine Probe der verschiedenen Erfindungen; der
Letterndruck repräsentirt sich mit seinen Schriflzeich^n aller Völker der Erde,
worunter die Antiquaschrift mit der dazu gehörigen Gursiv sich durch ihre
edle Einfachheit und Gleichmässigkeit auszeichnet, der Holzschnitt ist theil-
weise, insbesondere zu den Windrosen in Anspruch genommen, die sonstigen
Bilder im Texte sind Lithographie, welche durch Hochätzung für die Buch-
druckpresse geeignet gemacht wurde, die Probe des japanischen Romans,
sowie die Buchdruckproben sind, da keine menschliche Hand eine identische
Nachbildung der Typenschrifl liefern kann, mittelst Photographie copirt und
diese Photographien durch Hochätzung druckbar gemacht, endlich zeigen die
Tafeln den lithographischen Farbendruck.
Der Bücherdruck hat noch ein anderes Gewerbe in's Leben gerufen,
dessen wir hier mit einigen Worten gedenken müssen: den Buchhandel. Be.
Buchhandel. 579
allen Völkern, wo die Büchererzeugung eine fabriksmässige wurde, wie in
China und im Allerthum bei den Römern, entwickelte sich auch der Buch-
handel. Seine grösste Blüthe hat er jedoch in Deutschland erlangt, wo durch
einen in einander greifenden Organismus der Bücherfreund von allen neu
erscheinenden Werken in Kenntniss erhalten und binnen wenigen Tagen in
den Besitz der gewünschten Bücher gesetzt wird.
Die Anfange des deutschen Buchhandels fallen mit der Entstehung der
Briefmaler zusammen, welche die Messen und Jahrmärkte mit ihren Producten
besuchten; im 16. Jahrhundert ßng aber die Frankfurter Messe an, dem Buch-
handel einen ständigen Wohnsitz zu bieten, wo die Buchhändler ihre neu
erschienenen Werke zum Verkaufe anboten, und wo zuerst die Kataloge ent-
standen, welche Titel und Preis aller neu erschienenen Bücher enthielten.
Dank dieser Messkataloge, welche von Dr. Gustav Schwetschke vom Jahre
15G4 bis zum Jahre 1846 gesammelt und deren statistischer Inhalt von ihm
in seinem Werke Codex Xundhtat'um übersichtlich zusammengestellt ist, sind
wir in der Lage den Aufschwung des deutschen Bücherwesens zu verfolgen.
Im Jahre 156i erschienen 256 Werke, 1565 550, 1566 224, von
156S erhält sich die Zahl über 400, steigt 1570 über 455, 1583 auf 600,
15S5 auf 722, 1589 auf 836, 1590 auf 930, sinkt dann wieder, erreicht
aber 1600 schon 1059, 1618 sogar 1757, während des dreissigjährigen
Krieges sank die Produotion unter 1000, 1635 sogar auf 307, ab und zu
stieg sie über 1000, behauptete diese Höhe aber erst 1694, 1771 stieg sie
über 2000, 1783 über 3000, 1800 über 4000. 1825 über 5000, 1828 über
6000, 1837 über 10.000. Der letztere Aufschwung dürfte der Einführung
der Schnellpresse zuzuschreiben sein. Von 1564—1846 kamen auf den
deutschen Büchermarkt 591.939 Bücher, darunter 40.541 fremdsprachliche,
ungerechnet die grosse Zahl der aus dem Auslande importirten Bücher, von
denen besonders aus Frankreich viele bezogen werden. Seit der Gründung des
Leipziger Buchhändlervereins, der Theilung des Buchhandels in Verlajrs- und
Sortimcntsbuchhandlungen, der Verbesserung der Schnellpressen u. s. w. hat
sich die Bücherproduction enorm gesteigert, im vorigen Jahre erschienen
über 1 4.000, wobei der massenhafte Vertrieb der periodischen Literatur noch
zu berücksichtigen ist. Die letztere ist um so wichtiger, als viele periodische
Druckschriften eine Literatur im Kleinen bilden und in ihren kurzen Aut-
sätzen oft eine Fülle von Geist und Wissen bieten.
580 Das deutsche Schriflthuni. — SchreibschrilL
Auch auf die Entwicklung der Sprache hatte der Buchdruck Einfluss,
denn ein Vergleich zwischen den lateinischen und deutschen Werken lässt
eine constante Zunahme der letzteren bemerken; 1504 erschienen \b^
lateinische und 73 deutsche, 1681 erschienen zum erstenmale mehr deutsche
(iOl) als lateinische Werke (373), 1714 wurde das Verhältniss von l:i
überschritten (333 lateinische, 777 deutsche), 1735 war das Verhältniss 1 :4,
1754 1 : 5, 1764 1 : 10. In ähnlichem Masse sank das Verhältniss der
theologischen Bücher; 1564 waren von 256 Büchern 104 theologische, im
Jahre 1846 war das Verhältniss wie 5:1; allerdings hat sich die theologische
Production auf 2243 Bücher erhoben, aber daneben haben sich die anderen
Wissenschaften mächtig entwickelt.
Es ist anzunehmen, dass in den Nachbarländern, namentlich Frankreich
und England, die Bücherproduction sich in gleichem Masse entwickelte, und
so liefern die obigen Zahlen ein sprechendes Bild von der Bedeutung de^
Mannes, dessen Bild wir auf unserem Titel mit Recht obenangestellt haben.
Vffl. DIE SCHREffiSCHRIFT.
War schon vor der Erfindung' der Buchdruckerkunst ein Unterschied
zwischen Buchschrifl einerseits und Urkunden- und Briefschrift andererseits
vorhanden, so mussten die Gegens^ätze noch mehr auseinandergehen, je
weniger die Buchschrift mit der Hand nachgeahmt werden konnte. Sobald
einmal das Wesen des Buchdrucks bekannt geworden war und seine Producte
nicht mehr für Handschriften gelten konnten, warfen die Buchdrucker Alles
ab, was ihnen hinderlich war; die Ligaturen wurden in einzelne Buchstaben
aufgelöst, jede Spur von Verbindung der Buchstaben fallen gelassen, dagegen
immer kleinere Schriftgrade erzeugt, um die Bücherformate handlicher zu
machen. Die Schreibschrift hingegen bildete die Verbindung desto mehr aus,
je melir der gerade Schriftcharakter aufgegeben wurde. In der Laleinschnfl
ist zwischen der Gursivschrift , welche zu Anfang des 16. Jahrhunderts iß
den Buchdruck eingeführt wurde, und der Schreibschrift nur der Unterschied
vorhanden, dass längere Buchstaben Schleifen erhielten, die Buchslaben
möglichst in einem Zuge und ebenso die Wörter geschrieben wurden; zwischen
Cursiv und Antiqua ist ein Unterschied nur bei a a vorhanden, der auch
nicht wesentlich ist. Man vergleiche
Entwicklung der Schreibschrift. 581
Aa Bh Cc D d Ee
Jj Kk LI M m N n
Rr Ss Tt Uh Vv W tc Xx Yy Zz
Die eckige Frakturschrifl bot mehr Schwierigkeiten, in die flüssige Form
überzugehen, hier wurden
2(25 fjjtej' cBr^3:Ri mn<i>
a ^ ^.^ g^ g^ f ^ at ^ M ^ ^
X) (b, ^ <?> ^ V tC 3
-p a n rru v vß i ^ ^
femer
a bebe f5^ij ^Imn opqrfs
M.^r^*/5^^ ^ ^ yM,^^ li y ^ r { t-
t tt V W je V 3
y ^ ^ '*» ^ /- /
Wir lassen hier, um den Übergang in dem Charakter der Schriften zu
zeigen, Tier Proben aus der Zeit von 1515—1777 folgen:
582 Entwicklung der Schreibschrift
^2rl^w> vvvM.^ (^/ d^ ^' ^UvivUXr/^
^^P^^^ff ■ (1515.)
7>U^ Ifl^tUp^UiAj'-^ ''^^
(1671)
(1777.)
Sprache und Schrill. 583
Der handschriftliche Charakter weist übrigens viele Varietäten auf;
schon im 16. Jahrhundert bedienten sich Männer, welche grosse Fertigkeit
im Schönschreiben besassen, in ihren Briefen derselben nachlässigen und
unleserlichen Schrift, wie sie gegenwärtig gang und gäbe ist. Der Strom der
Zeit schlifT zwar im allgemeinen die Kiesel der Currentschrift glatt, wie aber
an Stelle heftiger Strömung diese Abschleifung schneller erfolgt, als im lang-
samen Gewässer, so haben auch allezeit Vielschreiber sich einer flüssigen
nachlässigen Schrift bedient. Interessante Studien in dieser Beziehung liefert
Adolf Henze*s Handschriften-Lesebuch, Leipzig bei Hübner ISoi.
IX. SPRACHE UND SCHRIFT.
Es wird unserer Buchstabenschrift nachgerühmt, dass sie die einfachste
und daher vollkommenste Schrift sei, man brauche nur 25 Zeichen sich zu
merken, um Alles lesen und schreiben zu können. In der Praxis ist die Sache
so einfach nicht, denn das Aneinanderreihen von Lautzeichen, um das Wort
zu bilden, welches in der Sprache sich als Einheit darstellt, erfordert eine
Kunst des Analysirens, welche weder bei Kindern noch bei Schriftunkundigen
zu finden ist, das Buchstabiren führt nicht zum Lesen, sondern einzig nur
das Auswendiglernen von Zeichen, von Lautgruppen und schliesslich von
Wörtern; wenn jemand das Wort ,was* zehnmal nach einander mit Hinblick
auf die vorstehende Buchstabenverbindung aussprechen muss, so wird er
dieses Wort leichter lesen können, als wenn er es zehnmal buchstabirt; erst
wenn der Lernende eine grosse Anzahl solcher Wörter kennt, wird er fähig
sein, auch andere Wörter langsam aufzufassen und zu lesen, dann aber wird
vielmehr eine solche Ideenverbindung eintreten, wie bei jenem Wiener Knaben,
der buchstabirte, j-o^o s^e^f-sef und dann nach kurzem Besinnen rief: Pfpi!
(die Wiener Abkürzung für JoseQ.
Wer diese EIrfahrung gemacht hat, dem wird es erklärlich, dass die
Lautzeichen älter sind als die Schrift, dass die Völker Buchstaben besassen,
aber nicht lesen, noch schreiben konnten, dass in Phönikien die Buchstaben-
schrift erfunden wurde, dassVulfila für die Gothen, Cyrill für die Slaven u. s.w.
das Schreiben erfanden, während wir doch gesehen haben, dass Juden, (lOtheii
und Slaven eigene Schriftzeichen besassen, dem wird es auch begreiflich
erscheinen, dass man für die Mongolen Syllabare aufstellen musste, wie man
ö84r Orthographie.
auch in griechischen und lateinischen Schriften Syllabare gefunden hat
^velche beweisen, dass man hahebihobu leichter als Sylben auffasste, als
man im Stande war, von vornherein aus b a e i o u jene Sylben zu bilden.
Diese mechanische ' Auffassung und Erlernung von geschriebenen
Wörtern als Spracheinheit macht es auch erklärlich, dass die Schrift eine
von der Sprache abweichende Entwicklung nahm, dass man im Deutschen
«die* statt «di* schreibt, aWohl* für «wol*, dass man sich nicht daran
stösst, «in* ebenso auszusprechen wie «inn* in „Kinn", dass man im
Französischen «mot* schreibt und ^tnoa^ liest, obgleich in ,to* derselbe
^1-Laut anders geschrieben wird, dass man im Englischen ^enough*^ schreibt
und »iwö/** liest, dass y einmal ein Consonant (j), das anderemal der Diph-
thong ei, ein drittesmal der Vokal i ist, kurz dass man anders schreibt als
liest und die Schrift, weit entfernt, zur richtigen Aussprache anzuleiten, eher
zu falscher Aussprache verführt. Die Ursache hegt eben darin, dass die Sprache
sich verändert hat, während die Schrift an altgewohnten Schreibweisen fest-
hält. Aus gleicher Ursache erkläi*t es sich, dass das Zeichen c einmal k, das
anderemal s, das drittemal ts ist, dass dem entsprechend ch einmal kh, das
anderemal seh, das dritlemal tsch ist, dass x im Spanischen den griechischen
Laulwerth kh beibehalten hat, während es im Lateinischen zu ks geworden
ist u. s.w.
Das ist eine Krankheit, eine Entartung der Lautschrift, welche zur Folge
hat, dass der Jugend viele kostbare Zeit unnütz mit geistlosem Auswendig-
lernen abgeschmackter Unterscheidungen geraubt wird, dass Lesen und
Schreiben mühsam erlernt und leicht wieder vergessen werden, dass die
Hälfte des englischen Volkes weder lesen, noch schreiben lernt, und dass in
den französischen Elementarschulen die ganze Zeit zum richtigen Lesen und
Schreiben aufgewendet werden muss, so dass für andere nützliche Kenntnisse
keine Zeit übrig bleibt. Leider wird dieser Zustand gerade von den Gelehrten
aufrecht erhalten, welche doch berufen wären, am ersten demselben ent-
gegenzutreten ; leider fehlt gerade diesen der offene Sinn für die Bedürfnisse
des Volkes und der Muth, mit ihren eigenen Gewohnheiten zu brechen, sie
ziehen es vor, mit nichtigen Düfteleien zu prahlen und orthographische Systeme
aufzubauen, denen sie um so grossem «Werth beilegen, je weniger sie der
Sprache entsprechen. Thatsache ist, dass die Pariser Akademie der rein
lautlichen Schreibung so entschiedenen Widerstand entgegensetzt, dass diess-
Orthographie. 58 5
bezügliche Versuche sich nicht an das Licht der Öfl'entlichkeit wagen ; in
England ist von Isaac Pitman eine rein lautliche Schrift mit Energie in's Werk
gesetzt worden, aber die wissenschaftlichen Kreise halten sich derselben
negirend gegenüber; in Deutschland hat zwar die preussische Regierung die
Orthographie zu regeln versucht, und eine^Conferenz von Schulmännern ein-
einberufen, welche vom 4. bis 15. Januar 1876 beriethen, aber das Elaborat
derselben ist nicht viel mehr als eine Sanctionirung ererbter Missbräuche
und hat zur Folge, dass man jedes Wort der Sprache bezüglich seiner
Schreibung auswendig lernen muss; denn es heisst z. B.:
«Langes e wird bezeichnet:*
a) Durch ee in: Beere, Beet, Geest, Heer, verheeren, Kaneel, Krakeel,
Klee, Lee (leewärts), leer, leeren, Meer, Paneel, Reede (Ankerplatz), scheel,
Schnee, See, Seele, Speer, Teer.
h) Durch «/* in: dehnen, ehren, entbehren, Fehde, Fehl, fehlen, befehlen,
empfehlen, begehren, hehr, Kehle, kehren, Wiederkehr, Einkehr, Lehne, an-
lehnen, lehren, Lehrer, Mehl, Mehltau, mehr, nehmen, angenehm, vornehm,
vornehmlich, Nehrung, Sehne, sehnen, Sehnsucht, sehr, versehren, stehlen,
wehren, Wehr, Mühlenwehr, Gewehr, zehren, Zwehle (Quehle).
Anmerkung. Wörter, welche auf e ausgehen, behalten das e auch vor
Flexionen, wenn diese als selbständige Silben bezeichnet werden sollen, z. B.
Kniee, Seeen, Feeen, Theorieen, Kolonieen.
Im Übrigen wird die Länge der Vokale nicht besonders bezeichnet.
Man schreibt also:
a) Feme, Hei, verhelen, Kamel, Lorber, quer, Schere, scheren, be-
scheren, Schmer, Wergeid, Werwolf" u. s. w.
Wenn also jemand analog «hehr* .hehl", analog «Kaneel^ ,Kameel*
schreibt, so ist das falsch ! Mit solchen Lehren wird in der Schule das Denken
getödtet^ statt es anzuregen, wird das mechanische Auswendiglernen statt das
Versländniss gross gezogen.
Unter diesen Umständen ist es erfreulich, dass wenigstens für den
internationalen wissenschaftlichen Verkehr eine lautliche Schrift hergestellt
worden ist, welche eine gleichmässige Umschreibung fremder Wörter gestattet,
nämlich das von Professor Lepsius in Berlin aufgestellte Standard-Alphabet,
d. h. Muster-Alphabet, welches auch in diesem Werke bei fremden Wörtern
xur Anwendung gekommen ist.
586 Lepsius' Standard-Alphabet. — Telegraphie.
Hiernach werden die Buchstaben ai o u ö ü au für die entsprechenden
deutschen Laute gebraucht; ^ ist das kaum hörbare e in bddagen, e ist das
helle € in sehr, e das dunkle e in her, respective das a; o oder a ist der
zwischen a und o schwankende Laut im englischen all; femer sind e und t
harte slavische Laute; die Nasale werden durch" ausgedrückt, daher ä=aH;
die Consonanten werden eingetheilt in Faucales : h, h' (das harte arabische A),
' (Spiritus lenis), * das ain der Araber (welches aber hier durch das bequeme
d ersetzt worden ist, während der Spiritus lenis in arabischen und seoiiü-
sehen Worten unbezeichnet blieb) ; Gutturales Ar, q, g, n Cng), y (^e im
Deutschen acli)^ y derselbe aber sanftere Laut, arabisch ghain; Palatales: k
(ähnlich dem hj woraus tä, unser tsch entstand), g (der weichere Laut, woraus
d£, unser dsch entstand), A fnjj, y (wie im Deutschen icä), 7, ^ (unser sc*),
i (das sanfte sch)^ S oder 4 (schjej, i, y welches stets als Consonant (unser j)
gelesen wird und V das italienische gli; Cerebrales f d n ä r l kommen nur
im Indischen vor; Linguales J d szS kommen nur im Arabischen und Hebräi-
schen vor; Dentales t d n s tf (das scharfe englische th), z (das weiche j^^nie
unser z, welches hart ts, weich dz geschrieben wird), d (das weiche englische
th), r, l; Labiales: p, h, m, f, v, w.
Proben dieser Schreibart sind in den Transscriptionen des vorliegenden
Buches zur Genüge gegeben.
X. TELEGRAPHIE.
Telegraphie durch Feuerzeichen oder Signale an aufgerichteten Stangen
war bereits im Alterthume gebräuchlich, um im Falle eines Krieges das
Volk zu den Waffen zu rufen; die ägyptische Hieroglyphe f scheint ein solches
Signal gewesen zu sein. Morse's Erfindung, den Elektromagnetismus zur
Herstellung einer telegraphischen Verbindung anzuwenden, machte eine
eigene Zeichensohrift nothwendig, welche aus den einfachsten Elementen,
dem Punkte und dem Striche, besteht. Sein System besteht nämlich dann,
dass von einem durch den Strom erregten Elektromagnete ein Anker mit
einem Stifte angezogen wird, welcher, je nachdem man mittelst eines Tasten-
druckers den Strom kürzere oder längere Zeit wirken lässt, einen Punkt oder
einen Strich in einem vorbei passirenden Papierstreifen ritzt Seither sind
künstliche Apparate, welche selbst die Handschrift getreu wiedergeben, erfunden
Telegraphie. — Stenographie. 587
worden, aber die ausserordentliche Einfachheit des Morse'schen Apparates
hat seinem Systeme noch immer den Vorrang gelassen. Wir haben auf dem
Titelbildc eine Probe dieser Schrift gegeben, welche lautet :
/ / l u 8 i r i r t e
G t s ch i ch t e d e r
i> ch r i f t t 0 n
Kar l F a u l m a n n
XI. DIE STENOGRAPHIE.
Wir haben schon bei den Schriften der Griechen und Römer schnell-
schriftliche Systeme (Tachygraphien) kennen gelernt (Seite 517 und 5i9)r
denn die Noth ist die Mutter der Erfmdungen, und wo die vorhandenen Mittel
nicht ausreichen, lehrt sie neue Wege einschlagen, um dem BedQrfniss zu
entsprechen. Sie zwang römische Sklaven, ihren Scharfsinn aufzubieten, um
die Schrift derart zu vereinfachen, dass sie die Reden ihrer Herren mit ihr
aufnehmen konnten. In gleicher Weise rief in der neueren Zeit, und zwar
zuerst in England, die aufblühende religiöse und politische Beredsamkeit
Schnellschriften in's Leben, für welche der Name Stenographie (Engschrift)
aufgekommen ist. Vom Jahre 1602 bis auf die Gegenwart haben mehrere
Hunderte von Männern ihren Geist angestrengt, solche Kunstschriften aufzu-
stellen, von denen zwar viele Nachahmungen früherer Versuche waren,
manche jedoch sich durch Originalität auszeichneten und neue Principien
in die Schrift trugen, daher wohl noch grössern Anspruch auf die Beach-
tung denkender Menschen haben, als die meisten der ererbten Schriften,
welche wir bisher kennen lernten. Uebrigens tritt in neuerer Zeit immer
mehr das Streben hervor, der Schnellschrift eine solche Genauigkeit der
Bezeichnung zu geben, dass sie die historische Currentschrift zu verdrängen
und die Schrift der Zukunft zu werden geeignet ist.
Es sind besonders drei Nationen, welche auf dem Gebiete der Steno-
graphie Hervorragendes geleistet haben: die Engländer, die Franzosen und
die Deutschen.
588 Ratcliff. — John Willis.
A. ENGLISCHE STENOGRAPHIE -SYSTEME.
1. Ratcliff 1588.
Es war natürlich, dass zuerst zum Nächstliegenden, zur Verkürzung
der Gurrentschrift geschritten wurde; so empfahl Ratcliff in Plymouth im
16. Jahrhundert, sich in der Bezeichnung der Wörter auf die wesentlichsten
Laute zu beschränken und z. B. das Vaterunser in folgender Weise zu
schreiben :
Our Fth weh rt n hvn; Mwd b y * Nm, Y Kgdm cm. Y u)l\ h dnnrthz
it 8 n Hvn. Gv z ths da r dltj brd. Ad frgv z r trpss z w frgv y y trspss agst z.
Ad Id z nt nto tmptin, ht dlvr zfrom evl, for ihn z y Kjd/n <t y pwr dt y glrii
fr evr dt evr, Amn,^^^
Das ist vollständig: Oui' Faiher, which art in heaten, hallowed be thf
JSufne, Thy kingdom cotne. Thy will be done on tfte earth, as it is in heacetu Givt u$
this day our dailg bread. And forgive us our trespasses as we forgive them that ins-
pa-is ajainst us. And leai us not into temptation; but ddioer usfrom etil: for
thine is the kingdom and the potver and the glory, for ecer af%d ever, Atnen,
2. John Willis 1602.
Einen neuen Weg betrat John Willis, ein Geistlicher, welcher der
Ansicht war, dass das erste Mittel zur Verkürzung der Schrift die Verein-
fachung der Schriftzeichen sein müsse und der in Folge dessen folgendes
Alphabet aufstellte:
Ani<LJ0o<7 r -^^\ C/O-ICÄV )>oyz
a b d € f g h i j k Imnopqrstuvwxyz
Die Vokale suchte er durch die Veränderung der Stellung des folgenden
Gonsonanten auszudrücken, wozu die Reihenfolge der Vokale im Alphabet:
a e i 0 u Anlass gab, z. B. ..fl^'^'' emboldened; ausserdem legte er durch
den Versuch, zwei oder drei Buchstaben in ein einziges kurzes Zeichen zu
verwandeln, den Grund zu den arbitrary signSj das sind willkürliche Zeichen
für Vor> und Nachsilben, welche später in der englischen Stenographie eine
grosse Rolle spielten, Gurrentbuchstaben für Wörter, wie A among, P coimtf
A also, N number, symbolische Zeichen, wie © Sonne, 3^ Mond, ^ Herz,
@ Welt u. s. w. Beachlenswerth ist, dass bereits Willis in der lautgetreueu
* Das Zeichen des y für the welches sich in den Drucken des 16. und
17. Jahrhunderts findet, dürfte auf der alten Dorn-Rune beruhen.
Ellmond Willis. 589
Dezeichnung ein wichtiges Mittel zur Kürzung erkannte; er stellte kein
Zeichen für c auf; sondern bezeichnete dasselbe seiner Aussprache gemäss
durch k oder s, er lehrte die Weglassung der Zeichen, welche nicht gesprochen
und nur deshalb geschrieben werden, weil sie früher einmal hörbar waren,
wie b in debt, lanibj subtel, welche Wörter erdet, lam, suiel schrieb. Trotzdem
seine Zeichen noch unbeholfen waren, wurde seine Stenographie doch prak-
tisch angewendet. Eigenthümlichkeiten der Ausgabe von Shakespeare's
Hamlet mit der Jahreszahl 1603 deuten darauf hin, dass diese Ausgabe nach
einer stenographischen Niederschrift des Schauspieles gedruckt worden ist,
die Erßndung des frommen Geistlichen also zu einem literarischen Diebstahl
verwendet wurde. ^®*
:i Edmond Willis 1618.
Die neue Theorie fand bald Anhänger und Verbesserer, Edmond Willis
vereinfachte manche Zeichen seines Vorgängers, nahm auch Currentbuch-
staben wieder auf, welche sich leicht darstellen Hessen, und führte den Punkt
als Vokalzeichen ein. Dieser Punkt bezeichnete über einem Zeichen o, unter
demselben m, links neben dem Zeichen oben ee, in der Mitte oi, unten oo,
rechts neben dem Zeichen e, in der Mitte t, unten o, ausserdem dienten noch
höher stehende Punkte links für ai, rechts für ea, noch tiefer stehende Punkte
links für au, rechts für ouy eine Vokalbezeichnung, welche in der Theorie
zwar sehr genau scheint, aber praktisch nicht durchzuführen ist, und bei
einer nicht sorgfältipen Schrift Verwechslungen herbeiführt. Der Plural wurde
durch zwei Punkte ausgedrückt. Auch wendete er Currentbuchslaben für
Wörter an. Das Alphabet war folgendes:
abcdefghijk l m n o p q r s t ti v ic x y z
Als Schriftprobe geben wir folgenden Satz :
Fear and Lote God, Uotior and Obtij tjour kintj. ^® '
Da das vorliegende Werk keine Literaturgeschichte ist, so übergehen
wir jene Autoren, deren Werke sich nur wenig von ihren Vorgängern unter-
scheiden, um mehr Raum für die Beschreibung iI^t wie hliueren Systenio zu
gewinnen.
590
4. Jeremiah Rieh 1654.
/ 1 ( ) . n H h . - ^ ^_ _ /- .- i p r / . L /-, y z ^
a h c d e f g h i k l m n o p q r s t u tc x y z th
Die Einführung der Null für e war keine gluckliche Idee, da sie Ver-
wechslung mit den Consonanlen hervorrief, weshalb e in den Silben em, ««, el
^/, es, ex, er, de, he, pe, te, ye, sowie häufig inmitten der Wörter unbezeichnet
blieb. Neu ist das Zeichen für th. Rieh verwendete gleichfalls den Punkt für
Vokale, bezeichnete aber nur vier in folgender Weise:
i <i- -i- fr -n
ha hi ho hu pa pi po pu
Statt des Punktes werden die folgenden Consonantenzeichen an die beireffende
Stelle gesetzt, daher
C" i^ ). /?\
chanye bring dotcne eure.
In hrifig finden wir ein anderes Zeichen für r, nämlich einen schrägen
Aufstrich, derselbe hat sich als Nebenform des r bis auf die jetzige Zeil in
der englischen Stenographie erhalten. Sämmtliche alphabetische Zeichen,
sowie die Zeichen für zusammengesetzte Consonanten haben bei Rieh auch
Wortbedeutung; so bedeutet a öfter, hhe, c children,church, d nothing, e etnenetitf
f of, g god, h hospitalitg, k kitig, l Lord, m man, n in, o order, p prindpalit^,
q question, r remnant, s sfnall, t thee, u you, w wherefbre, x example, y Jerusalem,
z is, his, th th^, that, Doppel-/Ä C thus, this, these, there, hl hlessed, gl glory-
kn knowledge, sh shalt, mp impediment, gr grace; alles glücklich gewählte
Abkürzungen. Ausserdem besteht sein System: 1. aus Zeichen für Vor- und
Nachsilben, was jedoch nicht streng sprachlich zu nehmen ist, denn actions
wird mit dem Zeichen der Vorsilbe ac und dem der Nachsilbe tion geschrieben,
2. aus Begriffs- und symbolischen Zeichen; 3. aus Abbreviaturen in folgen-
der Weise: ein Punkt vor dem Worte heisst: to come to, z. B. 'X to come io
Christ, ein Punkt nach dem Worte: to depart from, also X * to depart ftvm
Christ, zwei Punkte über dem Worte heissen mefi oder sons, vor dem Worte
oben saints, unten serrants, nach dem Worte oben uH)men oder daughters,
unten children, unter dem Worte people, z. B. H sotis of god, "H saints ofgo'l
,M servants of god, H" daughters of god, H.. childreti of god, H people of yo(U
drei Punkte haben in den verschiedenen Stellungen wieder andere Bedeutungen.
Hicil. — Masoii. 591
ebenso currentschriflliche Zeichen, welche für Worte gelten, so z. B. bedeutet
h in verschiedenen Stellungen happiness, heaviness, holiness, humility, k: cala-
mUij, kindness, coldurss, covenant u. s. w. u. s. w. Von seinen vielen symboli-
schen Zeichen erwähnen wir nur beispielshalber cia arguments, ,^ advance,
^ att over the world, I abore, \ below, ' behind, .. before, r beitceen hoih,
aboundance, y^ contvartj, =? even, =- uneven (heisst auch wörtlich name),
H"* evtfi at the righi hand of tjod, ' • ei/es, : n7y, :• first of cdl, / lumd ofall, :: both
high and Unc, :->: from east fo tcest, from north to south u. s. w. So scharf-
sinnig, mitunter auch witzig diese Abbreviaturen waren, so erschwerten sie
doch das Erlernen unnüthigerweise, auch waren sie vorzugsweise, dem geist-
liehen Stande des Erfinders entsprechend, zum Aufzeichnen von Fredigten
eingerichtet. Der Werth eines stenografischen Systems lässt sich am besten
aus dem Vergleiche des Alphabets mit der Schriftprobe erkennen, je leichter
sich die Schriftprobe mit Hilfe des Alphabets dechifTriren lässt, desto besser
ist das System, denn andernfalls liegt der Beweis vor, dass die Kürze, welche
die Zeichen nicht gewährten, auf künsthche Weise der Schrift eingeimpft
worden ist. Wir geben als Schriftprobe den Text des Vaterunsers:
Onr FaiheTi tchich art in heaveti, Hallowed be (kyNaine. Thy kinydom come*
Thy will be done on the earth, as it i$ in lieaven, Give m this day our daily bread.
And /orgire us our treaiHtsats as tce forgive them that ^re^/xw^ against ua. And
lead 148 not into temptation; but deliver usfrotn etil: for thine is tlte kinydom and
the power aml tlie ghryyfor euer and ever, Anien.^^^
5. William Mason. 1G72.
Mason hatte schon in seiner Jugend die Stenographie nach verschie-
denen Systemen gelernt, unter denen ihm das von Rieh am meisten zusagte,
welches er auch seinem ersten Werke: A Pen Pluck'd fvom an EayJrs uing
{VAne Feder, gepflückt aus eines Adlers Schwinge) zu Grunde legte. Später
gab er dieses System auf und nahm eine durchgreifende Änderung der Zeichen
vor. So entstand folgendes Alphabet:
a h rkd ef y h i j I in u o p q r s t n r »r x y z rh sh sf th irh
592 Masou.
Die Vokalzeichen reducirte er auf drei: ' a, t • i, t/ , o, «, an die Stelle
der Punkte tritt das folgende Consonantenzeichen. Die Orthographie der ge-
wohnlichen Schrift wird nicht beachtet^ aber auch zur reinen Lautschrift hatte
sich sein Geist noch nicht durchgearbeitet, denn er schreibt ag für o^e (edzf,
brut für brouyht, huti für beauty u. s.w. Sein System theilte er ein 1. in
SpellingCharacters, das sind die stenographischen Lautzeichen, 2. in Symbo-
lical Short-hand, welche die Verwendung currentschrifllicher Buchstaben in
Fraktur- und Cursivschrifl, Versalien und gemeine Buchstaben für verschie-
dene Wörter, sowie die Vokalisations - Theorie umfasst, 3. in Deficient
Writing, das ist die abgekürzte Schrift, in welcher einzelne Laute und ins-
besondere die Endsilben weggelassen werden, 4. in Arbitrary Characters,
das sind willkürliche Zeichen. Für das Schreiben gelten noch folgende
Regeln: ein Punkt an Stelle des e gilt für -edst, -est, -eth; zwei Punkte für
'thed, ein Punkt über dem Consonanten für ity, nach einem Vokale tf ; ugh
und w nach einem Vokale werden weggelassen, ebenso y; et wird durch
einen links an den Consonanten angesetzten Strich ausgedrückt; für rer, ror
werden die Striche / x links und rechts an den Consonanten angesetzt; für
fnU ein Strich unter dem Consonanten geschrieben, iftg wird durch eine
kleine Null ausgedrückt; ausserdem giebt es noch 64 besondere Zeichen für
Vor- und Nachsilben. Für das Nachschreiben von Reden empfiehlt Mason
folgende Regeln; a, an, over werden durch einen Punkt über dem Worte
ausgedrückt, down, under durch den Punkt unten, the, of durch den Punkt
oben links am Worte, frotn, for durch den Punkt links unten; die Artikel
können wejrgelassen werden; endigt ein W^ort mit dem Buchstaben, mit
welchem das folgende beginnt, so werden die Wörter in eines zusammen-
gezogen und der betreffende Buchstabe nur einmal geschrieben; in gleicher
Weise können Vokalzeichen dadurch entbehrt werden, dass das folgende
Wort an die Stelle des Vokalpunktes gesetzt wird; ein kleines n über dem
Worte steht für on oder an the, ein längeres für upon, upon the; n unter dem
Worte steht für undei^eath, understünd, understood; ist ein Wort von from—
to eingeschlossen, so wird es in zwei Punkte gestellt; ein Zeichen ver-
grössert hat die Bedeutung »gross", verkleinert die Bedeutung „klein',
Wiederholungen werden durch einen breiten Strich unter dem W^orte aus-
gedrückt; das Ge^'entheil durch eine Klammer. Wir geben als Schriftprobe
den Vaterunser-Text, welcher mit dem vorigen verglichen werden möge.
Gurney. ^^^
6. Thomas Gurney. 1740.
Gurney hatte das Glück, 1737 die Stelle eines Regierungs-Steno-
^raphen zu erhalten und diese Stelle bis auf unsere Zeit in seiner Familie zu
vererben, sonst würde sein System, welches nur eine Verbesserung des
Mason'schen ist, keine besondere Rolle in der Geschichte der Stenographie
gespielt haben und nicht so gut bezahlt worden sein, denn sein wenig um-
fangreiches Lehrbuch kostete 1 Guinea, welcher Preis später von seinen Nach-
folgern auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Gurney Hess aus Mason's Al-
phabet die Doppelzeichen hinweg, gab jedem stenographischen Zeichen eine
oder mehrere Wortbedeutungen, nahm currentschriflliehe Zeichen als Wort-
zeichen auf, reducirte die willkürlichen Zeichen Mason's und fügte die Ver-
bindung der Hilfsredewörter untereinander und mit den Fürwörtern hinzu;
<lie Vokale werden häufig nicht beachtet und die Consonanten untereinander
ohne Vokal verbunden. Sein Alphabet ist folgendes:
a b c k d c f g h ij l m n o p q r 8 z s t u v w x y etc.
Wir geben zunächst zum Vergleiche mit dem obigen den Vaterunser-
Text in Gumey's Schrift:
Es dürfte den Lesern interessant sein, auch eine Probe seiner Par-
laments-Stenographie kennen zu lernen, da dieselbe noch gegenwärtig ango-
wf»ndf*t wird.
■
\Ve am now arrired at the fiffh tjeneral hranch ur head, undtr ichich I pnj-
y*«/W to (vnaitler ihe subjecf o/thus book ofmtv commenUiries ; rlz, the m€(nta ofj/rt^
*'*ftthuj the rammüssion of crimes and misdemeauM'it. Ami rmilij it i,t an honout\
FaalmaQn, Gesrhichte d. ächrin. :;s
594 Weslon.
and almosl a singidar one, to cur English lates, that ilmj furnish a title of this
sort; since preventive justice is^ upon everij principh of reason, ofhwnanity andof
sound policy, preferable in all respects to punishing justice ; tite execution ofwhich^
though necessarg, and in its consequences a species of niercg to the coimmn-
wealthy is ahcays attended with mang Iiarsh and disagreable ciratnistatices,
7. James Weslon. 1727.
Der würdige Mann mit Allonge-Perrücke, dessen Bild sein ziemlich
umfangreiches, in Kupfer gestochenes und fast durchwegs aus Worttabellea
bestehendes Werk ziert, hat kein neues Alphabet aufgestellt, sondern das
von Metcalf 1645 veröffentlichte benutzt, um Unmassen von Abkürzungen
darauf zu bauen ; jedes Zeichen bedeutet ein oder mehrere Wörter, so a für
atce, an; b für be, bg^ bug; i für I, eye, lügh; l für Lord, will, hell; r für enn
air, her, liear, here, hither u. s.w.; jede Zeichenverbindung dient gleichfalls
für ein oder mehrere Wörter, meist ist in solchen Wörtern nur der Vokal
weggelassen, wie z. B. Iflife, fil retail bedeutet, doch fehlen in anderen
Wörtern auch Consonanten, z. B. dient rld für rdged, rebeUed, revecded, related,
ntl für genile, gentile, pt für penitetit u. s. w. ; für Vor- und Nachsilben sind
besondere Zeichen aufgestellt, welche wieder für Wörter dienen, z. B. T ab
und about, A ante, anti und among, O omni und tcorld, i_ sub und is not;
die Vokalisation hat er wieder auf fünf Stellen erweitert, z. B. T sa T «e • si
\, 80 ,, SU, _:_. na 1 ne — . wi -r no -r- nu; ausserdem charakterisirt seine
Schrift das Bestreben mehrere Wörter zusammenzuziehen. Wir geben hier
zuerst das Metcalf- Weston'sche Alphabet:
A<C)c/^LHh/^^\_ep^lr!^ /V7>o^Z
abcdefghijkl m n o p q r s t u r w x g z
und als Schriftprobe das Vaterunser nach Weston's Lehre:
Wir geben hier eine Transscription, um durch den Bindestrich die
zusammengezogenen Wörter anzudeuten: Onr-falher which-art in heaven
hallowed be thg name thg kingdom come thg will be-done an earth as^f^ in
heaven give-us this-dag our-daüg bread ofui-forgire-us our^debts as-tce^forgite
our-dehtcrs and-lead-us-not inio tetnptatiofi but-deliver^us from evtl for ihine is
the kingdom and power and glorg for-ever, Amepi.
,./y^-^. -^^
Mitchell. — Macaulay. 595
8. John Mitchell. 1783.
Obgleich Weston's Schrift schon ein fürchterlicher Wust von aus-
uendig zu lernenden Zeichen war, wurde sein Streben doch noch von
Mitchell übertrieben, der den alphabetischen Zeichen noch Nebenzeichen
beifugte, wie es scheint, weniger, um sie schreibflüchtig zu machen, als viel-
mehr um neue Abkürzungen zu gewinnen.
Was Mitchell in der Wortzusammenziehung leistete, zeigt folgende
Probe, welche den Anfang der Genesis enthält; in der Transscription sind die
weggelassenen Wörter eingeklammert, die zusammengezogenen durch Binde-
striche verbunden:
i. Ifi'(the 'hefginn)htg g(od) 'Cr(eat)ed' (the)'}ieaven' fand the) - earth
{.^ Itearen ^_^ earth], 2. And-ftheJ-eatih-was withoui-form and-void and-
darhtess'was tqM)H'(tfte)'face'(of the)'dep(h and'(the)'SpirU-(of)'god'mov€d upon-
(th€)'face-(of the)'tv(ate)r3. 3. And-god-said kt-there-be-Ught and-there-uras-Ught.
4. And'god-mW'(the)'Ught, ihaUis-was-good and-god-d'mded'(the)4ight from-Ohe)-
dtirkfiess. 5 , And-god-called-iOiehUght day afid-OM-darkness he-called-night, and
(the)^repHng' [die Durchkreuzung bedeutet das Gegentheil, daher hier : and
the mormng\-\c€re'(the)'fir8t'day, 6, And-God-said let-there'he-(a)'firmament in
((fie)'ntid3t'(oftfie)'Wafersand'l€t'it'^iv(id)'(tfie)'Wafersfivf^^^^ l.And-
gwl-made-fthehfinnanient ami'dimM'(the)'Wnter$'whirh'Were undeV'(th€)'firim-
mmi from-fthehwaters whirh-were abore'(th4')'finnament and-it-was-so. 8, And-
god'Catled'(the)'firmatnent'fteaien and-(the)'evening'(and the mornhig)'fcer€'
( theh.^-cond'dag,
9. Aulay Macaulay. 1747.
Noch bevor die Stenographie den Culmlnationspunkt der Kürze und
Unleserlichkeit erreicht hatte, den Mitcheirs System repräsentirt (denn die
obige Schriftprobe kann doch nur Derjenige entziffern, der die Genesis aus-
wendig gelernt hat), war eine Reaction eingetreten, welche eine leicht erlern-
bare und leicht leserliche Schrift anstrebte. Macaulay wollte eine buchstäblich
bezeichnende Schnellschrifl schaffen und er baute dieselbe auf die einfachslen
38*
^^ö Hacaulay.
geometrischen Gebilde, den Strich und den Kreis, beide Figuren ergaben
folgende 10 Zeichen _iv/^Nvy^^, welche er durch Vergrössening
vermehrte und nun >. d \ m\ v / $ / n / w ,a |/ \ l ^ a ^i _h ^ o
^ H ^^ qu ^ s ^ u ^^ k bildete; so entstand folgendes Alphabet:
ahcdefghi k l tn n o p q r s t u v w x y z etc,
welche Zeichen zugleich Wortbedeutung erhielten, z. B. a andy b but, c cofM,
d do, e he, ever, f for, g god, gite, h htm, have, i in, k keep, l lord, Id, m me,
n not, 0 out, otherunse etc. Die Vokale wurden geschrieben und mit den Con-
sonanten verbunden, daher
ba he bi ho bu ab eb ib ob üb
Aber damit begnügte sich Macaulay nicht; er stellte die Zeichen über
die Zeile, um daraus Gonsonanzen zu gewinnen, nämlich
auf der Zeile: a a b c d fghilmnoopr
über der Zeile: gl th bl sp wh seh ph gr /»• ch st sh sm sn $1 d
auf der Zeile: s t u v to x
über der Zeile : er tr dw fl sh ihr
Ausserdem bildete er noch Zeichen für th, shr, br etc.^ ja selbst für
die Ziffern.
Das Vaterunser ist in dieser Schrift folgendes:
Die gesunde Idee, welche Macaulay*s Schrift zu Grunde liegt, war
leider durch die Ausführung compromittirt. Der Mangel phonetischen Ver-
ständnisses Hess ihn einfache Laute wie oh durch zwei Zeichen, ebenso das
stumme e schreiben, femer waren die Zeichen so wenig verbindungsflhig.
dass }ial in haUowed nur durch Doppel-a verbindungsföhig gemacht werden
konnte. Die Klagen über die Undeutlichkeit seiner Schrift veranlassten ihn.
im Jahre 1756 ein neues Alphabet aufzustellen, aber seine Schrift war schon
in Misscredit gekommen, sein Streben blieb erfolglos.
Byrom. 597
10. John Byrom. 1767.
Byrom, dessen System erst nach seinem Tode Ton einer Stenographen-
Gesellschaft veröfTentlicht wurde, hatte viel über das Yerhältniss der Schrift
zur Sprache nachgedacht. Er war sich klar über den heillosen Unterschied,
der im Englischen zwischen Schrift und Sprache besteht, er erkannte, dass
die englische Sprache aus folgenden 2 1 Consonanten besteht : h p f v, s z sh
zh, t d th dh, k g chjy m n l rh; er sprach den richtigen Gedanken aus,
dass die Laute derart mit Zeichen bedacht werden müssten, dass die am
häufigsten vorkommenden Laute die einfachsten Zeichen erhalten, dass die
Zeichen sich leicht verbinden und leicht zu unterscheiden sein, dass die
Wörter ohne Absetzen geschrieben, dass die Zeiolien nicht über- oder unter-
einander hinausgehen sollten. Wie Macaulay wählte er die Zeichen der geo-
metrischen Linie und die Theile des Kreises, welche er durch den stehenden
Halbkreis C ) vermehrte, wodurch er 12 Zeichen erhielt, welche noch durch
Anbringung einer kleinen Kreisschlinge vermehrt wurden. Von diesen
Zeichen wählte er _ als die bequemste Form für 5, / als die verbindungs-
fähigste für r, ^ ^"^ 7 ^ ^1^ schlecht zu verbindende für ä J x y ; übrigens
konnte er das Hinausgehen der Zeichen über- und untereinander nur dadurch
vermeiden, dass er für einzelne Laute mehrere Zeichen aufstellte oder die
Buchstaben verkürzte. Sein Alphabet ist folgendes:
>'^', Neid ^o) <^/r\ -> ^ ) -- /- 1 a</'^^»-cc- ^^
h d f g h j h l m n p q r 8 t w X y ch sh th
Aber auch Byroui vermochte seine Theorie nicht durchzuführen, aus
Mangel an Zeichen warf er die Laute s und z, th und dh, sh und zh, deren
Unterschied er sehr wohl kannte, zusammen, andererseits stellte er für q und
«9, welche er richtig als kw und u defmirt hatte, eigene Zeichen auf, in der
Vokalbezeichnung Hess er den ganzen Wirrwarr bestehen, indem er a für a, ah
m aw, e (ÜT p ee ea ei eOy 1 für alle 1, gleichviel wie sie gesprochen wurden,
u. s.w. gebrauchte, ja, wenn seine Gonsonantenzeichen sich nicht gut ver-
binden Hessen, so ersetzte er sie durch ähnliche, schrieb toyach für voyage, fikure
für figure, rhursh für chunh u. s. w.; seine Schreibweise, z. B. : ^It ma hiU
perpleks a karles Riter of uuKanikters, to desi/er the tru Sens theivf, tho it shud he
/»f enuf io kno it, bi a Utl ApUkashon and Praktis* statt ^It may hiyhly per-
piex a cardesaWriter qfffpirdtaraktets, to decypher the tna Sms thereof; fhouyh it
598 Byrom. — Taylor.
sliould he easij etiough to hiotc ii hy a Utile Applkation and Praktice*, ist weder
phonetisch noch buchstäblich, obgleich nicht verkannt werden kann, dass
er damit der phonetischen Schreibweise eine breite Gasse bahnte.
Die Vokale werden durch Punkte in fünferlei Stellungen wie bei
Weston ausgedrückt, können aber in der Mitte der Wörter auch uobezeich-
net bleiben, während andererseits Consonanten die Vokalstellung einnebnieD
können; die Nachsilbe ing wird durch einen kleinen Strich nach dem
Worte ausgedrückt. Die LautT.eichen haben auch Wortbedeutung, und
können Präpositionen und Nachsilben vertreten; so dient b für be, hü, die
Präposition he und die Nachsilben 6/e, abU; k für can, could^ die Präpositionen
coft, com, contra und die Nachsilben ical, tele; n hochgestellt für an und die Prä-
positionen ante, anti, in Mittelstellung für tn, die Präpositionen in, inier und
die Nachsilbe ness ; auf der Zeile für under und die Präpositionen undn-, mi
u. s.w. Das Vaterunser gestaltet sich in folgender Weise:
Für das Nachschreiben von Reden werden noch empfohlen : das Zu-
sammenziehen von Wörtern, die Vertretung der Endsilben durch Punkte, die
Vertretung der Wörter durch den Anfangsbuchstaben und mehrere derlei
Abkürzungen, für welche der Satzzusammenhang ergänzend eintritt.
11. Samuel Taylor. 1786,
Während bisher die stenographischen Systeme voller Spitzlindigkeitei^
und eitel Flick werk waren, womit die Verbindungs Widrigkeit der alphabeti-
sehen Zeichen zu verdecken gesucht wurde, stellte Taylor ein System von
verblühender Einfachheit auf. Auch seine Zeichen waren auf demselben
Baume gewachsen wie die seiner Vorgänger, er wusste sie aber so gut zu
wählen, dass nur für r zwei Zeichen benöthigt wurden, während die
übrigen Zeichen sich gut, wenn auch mitunter in den bei geometrischen
Zeichen unvermeidlichen stumpfen Winkeln verbinden. Sem Alphabet ist
folgendes :
b d f V gj h kq l m n p r $ t w x y ch sh ih iatis ing eic riz
Taylor. 59l>
Jedes dieser Zeichen hat zwei bis vier Wortbedeutungen, manche stehen
auch für Nachsilben, z. B. bedeutet b he, hy, been, -able; f of, off, if, -fall;
l lord und allj s his, is, as, us^ -seif u. s. w. Die Zeichen werden von oben
nach abwärts und von links nach rechts geschrieben, b wird ausgelassen in
nuntbeTy überhaupt alle stummen Zeichen, c wird seiner Aussprache gemäss
durch s oder k ersetzt, das erste Zeichen des r wird nur alleinstehend oder
wenn zwei r aufeinander folgen, geschrieben, sonst wird das zweite Zeichen
gebraucht, welches stets nach aufwärts geschrieben wird, während d wie alle
übrigen Zeichen abwärts gezogen wird, doch wird letzteres nach schrägen
Strichen durch das gerade t ersetzt; folgen zwei gleiche Consonanten auf-
einander, so wird der Buchstabe vergrössert, hat er eine Kreisschlinge, so
wird diese vergrössert; die Vokale werden in der Mitte der Wörter gar nicht,
am Anfange oder am Ende durch einen Punkt ausgedrückt, der aber für alle
Vokale steht, denn die verschiedene Stellung des Punktes führt nach Taylor*s
Meinung nur zuUndeutlichkeiten; ausserdem dient ein Punkt unter dem Worte
für die Nachsilbe /t/, ein Punkt über dem Worte für die Nachsilbe /m>n, ein
Strich für tions, ein verbundener Doppelstrich für ings, ein langer schräger
Strich bedeutet das Gegentheil. Das Vaterunser ist in dieser Schrift folgendes :
Für das Nachschreiben von .Reden wird empfohlen: die Reducirung
langer W^örter auf ihre charakteristischen Laute: z. B. ps für pomtibU, rp
für rtputatiofi, die Vertretung der Wörter durch den Anfangsbuchstaben und
die Weglassung der Vokalpunkte auch am Anfange und am Ende der
Wörter, wenn sie durch den Zusammenhang des Satzes erklärt werden.
Wegen seiner Einfachheit hat sich das Taylor'sche System nicht nur
in England, sondern auch in der ganzen Welt verbreitet, es ist auf alle
Sprachen übertragen worden, denn es gleicht in seiner Vokallosigkeit dem
Fausthandschuh, der für jede Hand passt; diese Einfachheit der Erlernung
wird aber mit der Schwierigkeit des Lesens theuer bezahlt, denn die Worl-
zeirhen dieser Schritt können nur aus dem [Zusammenhange des Satzes erkannt
werden, und auch dieser giebt nicht an, ob die Hülfen oder die Jitf^n gut
gerathen sind; im Englischen werden in diesem Systeme die Wörter sinn,
fum^f, ffuns, M-itnce, atounds, stfiae (weil, Söhne, Sonnen, Wissenschaft, Laute,
600
Taylor, — Pitman.
Oefühl) ganz gleich geschrieben. Stenographen, welche mit diesem Systeme
arbeiten, müssen sich mehr auf ihr Gedächtniss als auf ihre Schrift verlassen,
denn diese bietet nur eine Hilfe für das Gedächtniss. Uebrigens ist zu
bemerken, dass keine Uebersetzung des Taylor sehen Systems die Kürze des
Originals erreicht hat; Taylor's Zeichen waren für die englische Sprache gut
geeignet, ebenso seine Abkürzungen; das englische ^ haUawed ist bedeutend
einfacher als das deutsche ^ geheiligt, das englische ! dayli kürzer als das
deutsche ^ täglich u. s. w.
12. Isaac Pitman. 1837.
Rationeller als alle seine Vorgänger brach Pitman gänzlich mit der
überlieferten Schreibweise. Von dem richtigen Grundsatze ausgehend, dass die
Schrift sich genau an die Sprache anlehnen müsse, fixirte er zuerst die
Sprachlaute ohne Rücksicht auf ihre Darstellung in der gewöhnlichen Schrift
einzig nach ihrer Aussprache und kam auf diese Weise zu einem Alphabet
von 12 Vokalen, 6 Diphthongen und Halbvokalen und 22 Gonsonanten, im
Ganzen 40 Sprachlauten. Für diese schuf er nicht nur stenographische
Zeichen, sondern auch, soweit die vorhandenen nicht ausreichten, current-
schrifUiche Zeichen, in Antiqua-, Gursiv- und Schreibschrift, wie sich denn
auch seine Bestrebungen nicht nur auf die Stenographie, sondern in noch
grösserem Umfange auf die Reform der Gurrentschrift beziehen, zu welchem
Zweck er eine grosse Zahl populärer Schriften in seiner Orthographie
publicirt hat. Wir lassen hier zunächst sem Alphabet folgen:
Vokale,
Druck-
Schreib-
Steno-
Druck-
Schreib- Steno-
Druck-
Steuo-
Druck-
Steno-
schrift
schrift
graphie
schrift
Schrift graphie
schrift
graphie
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601
Consonanten
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Steno-
Druck-
Schreib-
Steno-
Druck- 1 Schrtib- SUno-
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Schrift
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schrift
schrift
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9ISA
/V
BetrachteD wir zunächst die Vokale, so finden wir, dass Pitman den
Punkt in dreifacher Stellung für die Vokale a e i verwendet, und zwar vertritt
ein starker Punkt den langen Vokal, ein schwacher Punkt den kurzen; ein
Querstrich die o- und ti-Laute ; nämlich ~ das tiefe a (d), " das reine lange o.
. das lange u\ " das kurze o, - das ö^ . das kurze w, ein kleiner Winkel den
£i-Laut, ein kleiner Haken den yu-Laut, hieran schliessen sich durch die
veränderte Stellung der beiden letzten Zeichen mehrere Diphthonge an. Die
Consonantenzeichen sind aus der geometrischen Linie und den Theilen des
Kreises gebildet, wobei das dünne Zeichen den harten, das verstärkte Zeichen
den weichen Laut vertritt; so bedeutet der von links nach rechts laufende
schräge Strich p h, der stehende Strich t d, der von rechts nach links
gehende schräge Strich tä cU (englisch ch j), der liegende k ^, das untere
linke Kreisviertel / r, der linke Halbkreis H 8 (englisch th), der rechte Halb-
kreis 8 2, das untere rechte Kreisviertel ä i (englisch sh zh), der obere Halb-
kreis m, das untere n 7ig^ das obere linke Kreisviertel /, das obere rechte
Kreisviertel r, der eingeringelte schräge Strich ä, hieran schliessen sich noch
die zwei Halbvokale w und y an, welche durch den links und rechts gebo-
genen Haken vertreten werden. Neben zeichen haben s z (die kleine Kreis-
schlinge) r, (den aufwärts gezogenen schrägen Strich, den wir bei den meisten
englischen Systemen kennen gelernt haben) und ä, welches nicht nur auf-
wärts und abwärts geschrieben, sondern auch durch einen Punkt ersetzt wird.
602 Pitmaii.
Pitman*s Orthographie ist originell und ein Meisterwerk, seine Steno-
graphie ist weniger originell und ein Flickwerk; wenn sich zwei Consonanten-
zeichen vereinigen, so steht das Vokalzeichen, welches am Ende des ersten
Consonanten steht, zugleich am Anfange des zweiten ; um dieses zu ver-
meiden, mussten Special bestimmungen gegeben werden, um diese nicht zu
sehr zu häufen, suchte Pitman mehrere Gonsonantenzeichen zu emem ein-
zigen zu vereinigen; so bedeutet eine Umbiegung rechts oben am Zeichen
nachlautendes /, links nachlautendes r, eine Umbiegung rechts unten ein
nachlautendes /, links ein nachlautendes n, ein unten eingeringelter Kreis
nachlautendßs s, oben eingelegt vorlautendes Sy eine eingelegte Schleife vor-
lautendes st, die Einringelung oben links vorlautendes s mit nachlautendem r,
eine Verkleinerung der Zeichen nachlautendes t bei starken Lauten, d bei
weichen, z. B.
\\\\VVMA vc-xw
s
P P^ P^ P^^PfP^ spstpspr pt plt prt pnt spt plnt jdtits
Da nun aber diese Consonanten auch durch Aneinanderreihung der
einzelnen Zeichen geschrieben werden können, so wird diese Doppel-
schreibung in der Schnellschrift benutzt, um den Vokal wegzulassen und
durch verschiedene Schreibung ähnliche Wörter zu unterscheiden, so ist
C } IT ,. n ^ y i, ^ ) ^ ^
flij fill oder füll fully might miylUy stray story satire star easter ausier esiuary
Bezüglich des Wortes easter muss noch bemerkt werden, dass eine
Vergrösserung des Zeichens die doppelte Aussprache des Consonanten oder
die Anfügung von tr bedeutet, weshalb hier str durch ein vergrössertes *•
vertreten ist.
Ausserdem kann noch jedes Zeichen eine Wortbedeutung haben und
die Zahl dieser Abkürzungen ist beträchtlich. So gestaltet sich die einfache
Grundlage der Pitman'schen Stenographie zu einem verwickelten Mechanis-
mus, welcher nur Wenige zur Meisterschaft gelangen lässt, während die
Meisten sich mit den Elementen so gut es geht behelfen.
Wir geben als Schriftprobe das Vaterunser in lateinischer Sprache,
einerseits weil hier die Schrift elementarer ist, andererseits weil auch der
des Englischen Unkundige die Aussprache besser verfolgen kann.
Fitmaii. 603
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y^ X
1
Pßter Nastcr, ki es in ktlis, saijktifikctur nermem tuium : Veniat
rognum timim: Fiat voliuutas tuia s.ikut in ktltr, ita etiam in terra:
Pßuc m nostrum kcrtidißnum da nerbis hodie : £t remitte nerbis dcbita
ncrstra, sikut et ners remittimus d^bitcrribus nerstris: Et ne nos indiukßs
in teutßticnem, sed libera ncrs ab illcr mßlcr : Kia tuium est rcgiium^
et pctcutia^ et glaria in sekuüis. Hmeu.
Um auch die stenographische Gorrespondenzschrift mit ihren Abbre-
viaturen zu zeicen, lassen wir noch einen enghschen Text folgen:
Transscription: Ute advantaye of a practical acquaintance with ihe steno-
gnsphic ari to individuals in all situaiiotis of life, but more particularly to literanj
mett, is sirikingly shown in the career of some who hare^ for a course of yvars,
ustti the ficinged icords* of stetiography, either in reportiny for the pre^, or in
ihtif ordinary writiny, and wo have therehy attained a mental elemtion für
btyond urhat tconhl liace been possible in any other circum;sfanres.
Uebersetzung: ,Der Vorlheil, welchen eine praktische Kenntniss der
stenographischen Kunst einem Jeden in allen Lebenslagen, besonders aber
wissenschaftlich Gebildeten gewährt, lässt sich schlagend an der Laufbahn
Derjenigen nachweisen, welche jahrelang .die beflügelten Worte* der Sleno-
):raphie als Berichterstatter für Zeitungen oder' zu anderen schriftlichen
Arbeiten verwendet haben, und sich dadurch zu einer grossem geistigen
Bedeutung aufschwangen, als sie durch irgend welche andere Unislände
hätten erreichen können.*
Pitman's System hat in England und Nordamerika eine grosse Ver-
breitung gefunden und viele Stenographen bedienen sich desselben zum Nach-
schreiben von Reden, wobei aber die Vokale unbezeichnet bleiben.
604 Cossard. — Ramsay. — Thevenot.
B. FRANZÖSISCHE STENOGRAPH IE- SYSTEME.
1. Jacques Cossard. 1651.
Das erste System der Stenographie für die französische Sprache wurde
von Cossard veröffentlicht, welcher sich auf englische Autoren stützte, von
ihnen aber durch einfachere Zeichen sich unterschied. Sein Alphabet ist
mir nicht bekannt, eine Probe seiner Orthographie ist folgende:
Msr ain u coicaon d vre Ire i l coique a deu
Monsieur, aijant eu communkation de votre lettre, je Vai communiquSe a dexa
adca e deu pro ql mo di apre
<idvocat8 et deux procureurs qui m^ont dit apres etc,^^^
2. Charles Aloys Ramsay. 1665.
Ramsay soll ein Schotte gewesen sein, doch ist kein enghsches System
von ihm bekannt, sondern nur eine Stenographie für die französische,
lateinische und deutsche Sprache. Sein französisches Alphabet ist folgendes :
.\ \ c 9 e r "1 ^ , ^ \ _ 5 3- ^ r ;^ / v ^^ >' e
a h c d e f g h i l m n s p q r s t u x y z
Die Vokale werden symbolisch durch Veränderung der Stellung der
folgenden Consonantenzeichen ausgedrückt, und zwar über dem vorher-
gehenden Zeichen a, oben neben demselben «, in der Mitte i, unten o, unter
dem vorhergehenden Zeichen m. Die Vokalzeichen werden nur am Anfange
eines Satzes geschrieben, oder wenn das vorausgehende Wort mit einem
Vokale endigt, sonst treten auch Wörter in die ,Vokalstellung. Die Diph-
thonge, sowie die Vorsilben werden durch eigene Zeichen ausgedrückt. Wir
geben als Probe einige Wörter
non par pas uu laquai jylehvdre le feu chapeau aujourd'hui transmettre.
3. Coulon de Thevenot. 1778.
Th^venot's Alphabet ist mir nicht bekannt, wie überhaupt ältere fran-
zösische Werke über Stenographie schwer zu erlangen sind;' sein System
soll aber vor noch nicht langer Zeit von einem Stenographen des
Moniteur praktisch verwendet worden sein. Er soll nach Desbrosses Vor-
Bertin. — Prepean. 605
gang die Laute wissenschaftlich in labiales, linguales, dentales, palatales»
gutturales und nasales eingetheilt, die Lippenlaute durch liegende, die
Zungen- und Gaumenlaute* durch stehende Zeichen dargestellt und überhaupt
die Zeichen so vertheilt haben, dass verwandte Laute verwandte Zeichen,
weiche Laute kleine und starke Laute grössere Zeichen erhielten; die Ortho-
graphie soll in der Hauptsache auf dem phonetischen Principe beruht haben
und bezüglich der Kürzungen die Abbreviaturen der Gurrentschrifl nach-
geahmt worden sein.
4. Theodore Pierre Berlin. 1792.
«
Bertin lernte bei seinem Aufenthalte in England Taylors System
kennen und übertrug dasselbe auf die französische Sprache, doch sah er
sich genöthigt, der Vokalbezeichnung mehr Ausdruck zu geben. Sein Alphabet
ist folgendes:
< / \ ) ^ ^ (^ er- _ P r / _ I c- c/ ( ' r
7 •
b d fv gj h k q l m n p r s t x y ch a e i ai au ou eu oui on etc.
Die Vokalzeichen gelten zugleich für Endungen, nämlich a für as at ea
t*t;f tat ia oua ua ac acs ach etc.; at für ais aii aimt aise ks et est estes ete oid oie
oient aise oix mt aii aii aigt ai etc. etc. Die Artikel werden durch Punkte auf
<ler Zeile dargestellt. Das Vaterunser in der Schrift ist folgendes:
Transscription: Isatre pere qui es aux cietix, Ton ttam sait sanctific.
Ton rhjne titnne, Ta volanU sait faxte sur la tetre camme au ciel, Doftne-nous
QHJaurd'hui natre pain quatidien et pardanne-naus nas offenses, camme naus par-
donnofis ä ceux qui tiaus ant offens^s, et ne twus induis ptts tn ttntation, tfMi.<
dtlivre naus du mal, Amen,
Nach langem Bemühen, welches durch die Staalsurawälzungen durch-
kreuzt wurde, gelang es Berlin, die Stenographie beim französischen Par-
lamente einzuführen.
0. Conen de Prepean, 1813,
trat der Vokalweglassung mit seiner Schrift enlgerren, welche er deshalb
«Stenographie exacle* nannte. Sein Alphabet besteht aus folgenden Zeichen:
606 Aslier.
abdefgijkq l m v o p r s t u r x ch gn
Ausserdem verwendete er besondere Zeichen für Endsilben, z. B.
ly^ /^> y\^ u^^ >v> >*f>^ >sr/r >^.
janiais discours plainte parfaii cruel regniez raleur darifier.
6. F. G. Astier. 1816.
Graphodromie oder Ecriture cursive nannte Astier seine Schrift, welche
ebenfalls eine genaue Vokalbezeichnung anstrebte; die Schrift ist eine Silben-
schrift, wobei dieselben Silben anders am Anfange als am Ende der Wörter
geschrieben werden; dagegen ist das Consonanten-System sehr nachlässig
behandelt, es besteht aus folgenden Zeichen:
p h gqkc td fv l y m n gn r s ch
Diese Zeichen sind zugleich die Auslaute auf e und i als epf ip^ eg, ig
etc., dagegen sind Auslaute auf a:
? ^ r ^ ^ ? ^ ) c c ^-
ap aq af af al aill an = am ar as ach
Auslaute auf o: «-^ 1 \ / ^^ c c» c —
op oq ot of ol oiü or os och sie.
Die Schreibart ist weder phonetisch noch buchstäblich, Astier schreibt
famü für famiUe, sinifier für siguifier; die Endsilben bleiben unbezeidmet
daher tnirak für miracle, cof für coffre; eu wird nur am Ende geschrieben,
sonst durch e ersetzt; also hereux für lieureux. Wir geben hier als Probe den
Anfang der »Aventures de T616maque*.
Transscription : Calypso ne pouvait se consoler du dipart (f Ulgsse. Dans
sa douleur eile se trauvait inaUieureuse d^etre immortdle, Sa grotte ne resonnait
plus de son chant. Les nymphes, qtn la servaient, n'oisaient lui parier. Elle se
promefiait souvent seul stir les goaopts fletmSy dout un printems iternel bordaii
son ile.
FayeL — Prevost-Delaunay. 607
7. Fayet. 1832.
Eine origcinelle Idee versuchte Fayet durchzuführen, er lässt seine
Gonsonantenzeichen unten in einen geraden Stab auslaufen, der dann in die
Vokalzeichen, die gerade oder gerundet sind, übergeht; da es aber schwer
ist, die unterscheidenden Merkmale der Consonanten in dem obern Theile
eines Stabes durch Modification desselben anzudeuten, so verliert dadurch
die Schrift den Charakter der leichten Unterscheidbarkeit und die Verbind*
barkeit, der Autor wird genöthigt, willkürliche Uuterscheidungen zu machen
und statt einfacher zu werden, gestalteten sich die Regehi verwickelter.
Der Schriftkörper ist in fünf Linien eingeschlossen; innerhalb der
übern Doppellinie bewegen sich die Consonanten, innerhalb der untern
die Vokale, deren Zeichen mitunter eine Verlängerung bis zur unteren Grenz-
linie erhalten; das sanfte r welches die Mitte zwischen dem Consonanten
hält, steht mit seinem Zeichen auch in der Mitte des Liniennetzes, z. B. :
. / ^c ^ ^ r r / , ^ . ^
a au H u eu un tj k t d b p r etc.
Wir lassen hier als Probe seiner Schrift wieder den Anfang der
.Aventures de Telomaque* folgen: *®*^
8. Prevost-Delaunav. 1820 1878.
Die französischen Parlaments-Stenographen hielten sich den Versuchen,
die Schrift durch den Vokalausdruck deutlicher zu gestalten, ablehnend
gegenüber, sie blieben auf dem Boden der von Bertin importirten Taylor*schen
Stenographie, welche durch Pr^^vost, den langjährigen Vorstand des Steno-
graphen-Bureau, und durch Delaunay, einen langjährigen Stenographen-
Revisor des Senats, verbessert wurde. Prevost behielt das Alphabet Bertin s
im Ganzen bei, nur verwarf er das Zeichen r, indem er sich für die Bezeich-
nung dieses Lautes auf das aufwärts gezogene / beschränkte, vertauschte
die Zeichen fQr h und &, gab dem p eine andere Form, stellte eigene Zeichen
für gn con Utn ran pr pl fr fl ir cl auf, von denen die sechs letzten zugleich
(Ür br bl rr rl gr gl dienten, schuf noch einige andere entsprechende Zeichen
608 Prevost-Delaunay. — Duploye.
und eine grosse Zahl von Hilfszeichen für Präfixe und Suffixe; Delaunay
corrigirte dieses System insofern, als er dasjenige, was sich in der Praxis
nicht bewährt hatte, ausschied, im Grossen und Ganzen behielt er Pr^vosfs
System bei.
Das Alphabet ist gegenwärtig das folgende :
d r s f b p l m ch g k n x y
Die Lautverbindungen sind in willkürlicher Weise behandelt, so ist
/ ^^ /^ S o^a ( ) ^ _ C
dp db rp rb per pel Id mel chm gmjm km nm gn etc.
Die Vokale werden fast nur am Anfange und am Ende geschrieben,
überdiess haben fast alle Zeichen und Zeichenverbindungen Wortbedeutun-
gen, z. B. : o/ leurs, c^ Varme, Varm^e, 0' l'ar^me, / dp dupe, dt^f
y^ radouhe, rSdhiber, /\ dMve, dSriver, d'arrivtr etc. Von theoretischen Be-
denken ist diese Schrift nicht angekränkelt, ihr einziges Princip ist Kürze.
Namen werden mit Gurren tbuchstaben geschrieben, wie folgende Probe zeigt:
Pam, h 6 mai 1878. Mon eher anU! Je te dirm, que fapprends la
Stenographie d'aprh la methode Fr A^ost' Delaunay et que fy trouve un vif wOrH.
A premier bard, je croyais cette itude plus longue et pHus difpcüe, maisje vais,
qu^apThs quelques heures de travaü,je puis en tirer profit.
9. Duploye.
Ein sehr einfaches uud sinnreiches System stellten die Gebrüder
Duploy^ auf, dasselbe besteht aus 9 Zeichen für Consonanten:
pe te fe ke le je se ne me
von diesen geben die vier ersten vergrössert die weichen Laute be defe gt, re,
die drei folgenden mit eingeschlossenen Punkte che ze gne, hieran schliesst
sich -?7/, femer die Vokale und Nasale
a 0 ti en u 4 ^ i au ou in nn
Duploy6. — Mosengeil. 609
die Zeichen für z t n r k geben mit eingezeichneten Strichen an, dass die
betreffenden Auslaute zu dem folgenden Worte hinübergezogen werden, wie
in nau-s-avona; die Zeichen för k und l unterscheiden sich dadurch, dass
ersteres abwärts, letzteres aufwärts geschrieben wird.
Obgleich sich die Schrift in den handwidrigsten Formen bewegt und
durch die Punktation sehr schwerfällig ist, hat sich diese Schrift in jüngster
Zeit doch eine grosse Verbreitung in Frankreich erworben. Wir geben davon
folgende Probe:
Monseigneur, mes frhrea! En reparaissant pour la premihre fois dans Vutie
des dunres de cetie capitale oü ü m'avait it4 donni si 3(Hit?ent de faire eniendre
la pardU de Dieu, je me puis ne difendre d'une emotion Inen vive quand je pen$^
au lieu oi^ je parle et aux drconstances qui me ratnknent au milieu dt vous.
a DEUTSCHE STENOGRAPH IE. SYSTEME.
1. Friedrich Mosengeil 1796.
Als die englische Stenographie in Deutschland bekannt wurde, fand
sie auch hier Nachahmer; wir haben schon oben erwähnt, dass Ramsay sein
System auf die deutsche Sprache übertragen hat, und gehen auf diese Über-
tragung nur deshalb nicht näher ein, weil sie von seiner französischen
Stenographie wenig abweicht« Durch das Taylor'sche System angeregt,
suchte Mosengeil eine Stenographie für die deutsche Sprache zu schaffen,
wobei er sich aber wenig an Taylor anlehnte; die Vokale werden durch
Punkte ausgedrückt, Vor* und Nachsilben, sowie die Hilfszeitwörter erhielten
besondere Zeichen. Sein Alphabet ist folgendes:
c ^ / :> f ?\^'^^/^^)A^d^ : .
h ch gj k qu d t w bp fv s seh st z x l m 9t r
2. Gottlieb Horstig. 1797.
Horstig kannte Mosengeil's System, aber die Zeichen desselben er-
schienen ihm nicht einfach genug, weshalb er ein eigenes Alphabet aufstellte :
Fanlmann. Geschichte d. Schrtfl. 39
610 Horstig. — Danzer.
d t n m l h p V f w s seh h ch g k r x z a e i ei o u au
Eigenthümlich ist die Schattirung, Horstig hielt dafGr, dass der Druck
in den Querstrichen leichter auszufuhren sei. Die Zeichen werden so ver-
bunden, wie sie sich am besten vereinigen lassen, daher werden / und d so-
wohl aufwärts als abwärts geschrieben, die vordere Krümmung des m kann
im vorhergehenden Buchstaben aufgehen, x wird durch Durchkreuzung des
Consonantenzeichens ausgedruckt; die Vokale bleiben in der Regel .onbe-
zeichnet, meist nur bei Eigennamen werden sie, und zwar wie die hebräischen
Vokale, über die Consonanten gesetzt, der Punkt unter dem Consonanten
bezeichnet et. Fast jeder Buchstabe hat ein oder mehrere Wortbedeutungen,
ausserdem vnrd noch eine Anzahl Wortzeichen aufgestellt. Eine Buch-
stabirung des folgenden Vaterunsers giebt eine genügende Einsicht in dieses
System, welches eine bedeutende Kürze der Schrift gestattet:
Transscription: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde
dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmd also auch auf
Erden, unser täglich Brot gieb uns heute und vergieb uns unsere Schuld, wie tcir
rergebefi unsereti Schuldigem, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlfise
uns vom Übel, Amen,
3. J. G. Danzer. 1800.
Im Gegensatze zu den Vorigen hielt sich der österreichische Lieutenant
Danzer streng an das Taylor'sche Alphabet, obgleich er sich mit dessen
Einem Punkte für alle Vokale auch nicht begnügte, sondern mehrere Vokal-
zeichen aufstellte. Sein Alphabet ist folgendes:
b d f gj h k l m n p r s t w x z ch seh a e i o n
ausserdem hatte er Zeichen für die Nachsilben heit keit ung niss, für etc. und
d, h. Das Vaterunser ist in dieser Schrift folgendes:
LeichUen. — Nowak. 611
4. Julius Leichtlen. 1819.
Unter den Nachahmern der englischen Methoden ragt besonders der
badische Archivar Leichtlen hervor, der nicht nur das Taylor'sche System,
sondern auch andere englische Systeme studirt hatte. Sein Alphabet macht
zwar keinen guten Eindruck, dessenungeachtet ist seine Schrift flüssiger als
die seiner Concurrenten, auch er schreibt die Vokale nur am Anfange und
am Ende der Wörter, ausserdem stellte er eine grosse Zahl Abkürzungen
lur Formwörter auf, wobei er wie die älteren englischen Systeme auch will-
kürliche Zeichen verwendete. Sein Alphabet ist folgendes :
/ -}. ) /? -„- ^ i /y\ o ^ / \ \ .^ ^ /^ i] >. / . . , X V
h ch tj k w f b b s seh d i l r m H j z a e i 0 u ei au
Die Hilfszeitwörter wurden in folgender Weise geschrieben: .. stin
. bin .. sind .* war *. toäre : gewesen : bin gewesen .'* war gewesen .. . gewesen
.<ein *". wäre gewesen, ebenso c habe und y werde. Das Vaterunser ist in dieser
Schrift folgendes:
^A ^^.^r^S-^'L ,^ ^^-s ♦•-^ /^ ^ J. /r> *.>v-S %%h_v->x--sX^-fc/^^ 2 ^ A ^
5. J. Nowak. 1830. 1840.
In der ersten, im Jahre 1830 erfolgten Veröffentlichung seines Systems
schloss sich Nowak an Horstig an, dessen Zeichen er mit Ausnahme von ch
z und j, welche er von Leichtlen entlehnte, verwendete, doch stellte er neue
Zeichen liir d und p auf, die bei Horstig von t und b nicht zu unterscheiden
waren. Ais er sich durch das 1834 erschienene System von Gabelsberger
überflügelt sah, nahm er von diesem mehrere Zeichen, namentlich auch die
Vokalverbindung an. Sein letztes Alphabet ist folgendes:
Irmnhchgkw f b p s seh t d quj z a e i o u eu au
Auch stellte er nach Gabelsberger's Vorgange symbolische Merkmale
:ür die Vokale auf, nämlich für a wird das Gonsonantenzeichen klein und
dick, für i klein und dünn, für o gross und dünn^ für u gross und dick
{^geschrieben, aber dieses collidirte wieder mit der Unterscheidung von g und
L\ f und w, s und seh durch Vergrösserung der Zeichen, scheint auch übor-
012 Gabelsberger.
haupt mehr Idee geblieben zu sein, als greifbare Gestalt angenommen zu
haben, denn in deti Schriftproben, welche überdiess nicht besonders deutlich
sind, ist von dieser Symbolik wenig zu finden. Sein Vaterunser ist folgendes:
>!•
G. Franz X. Gabelsberger. 1818.
Eine ganz neue Bahn betrat Gabelsberger mit seinem zwischen IS 17
und 1818 erfundenen und erst 1834 veröffentlichten System. Gabelsberger
hatte sich viel mit Dechiffrirkunst beschäftigt und bei Sennefelder die Litho-
graphie gelernt. Die Dechiffrirkunst lehrte ihn, welche Laute am häufigsten
in der Sprache vorkommen, die Lithographie hatte ihm die Elemente gezeigt,
aus denen die Buchstaben der Currentschrift bestehen, ausserdem beschäftigte
ihn der Gedanke, dass die Schrift sich an die Sprache anlehnen müsse, und
so war er, ohne noch von der englischen Stenographie etwas zu kennen, von
selbst zu den Principien gelangt, welche Byrom für die Stenographie auf-
gestellt hatte. Sein Alphabet ist daher eine Mischung von Theilzügen der
Currentschrift und von eigens erfundenen Zeichen. Betrachten wir sein
ältestes Alphabet:
ahcdefghik Imnopqrs t u r to x y z
so sind die Buchstaben .f/t,i © s unzweifelhaft von der Currentschrift
entlehnt, c b z m y^ p können ebenfalls als Theilzüge gelten, aber die
übrigen Zeichen sind originell, so ^ für e als häufigst vorkommenden Laut,
ihm verwandt sind ^ n und ^ r; dass d durch e bezeichnet wurde mag in
der Nachbarschaft von d und e im Alphabet liegen, :> h 7 g ^ ch ^k berohen
auf dem Bestreben, ähnlichen Lauten ähnliche Zeichen zu geben, was auch
aus ^u y V ^ w ersichtlicht ist, o> x ist eine Verschmelzung von A* und .<•
Und auch dadurch unterscheidet sich Gabelsberger's System von den früheren,
dass er seine Zeichen nicht blos aneinanderreihte, sondern sie vielmehr zu
Wortbildem zu verschmelzen suchte, in welchem Sinne auch dieVokalzeichen
aufzufassen sind, denn c, u gab mit e d e, du, ^ 0 mit c b c^ bo, ebenso « t mit
9 cht 9 chti in j..^"^ ^allmächtiger'^; wo die Vokale sich nicht verschmelzen
Hessen, wurden sie buchstäblich geschrieben oder weggelassen, auf letztere
Gabelsberger. 013
Weise sind z. B. cd und v r zu ^ der verbunden ; die Verdopplung wurde
manchmal durch eine Schlinge ausgedrückt; die Vorsilbe ge hat ein eigenes
Zeichen A So schrieb Gabelsberger im Jahre 1818:
y ^ c c, ^, yt" /^/ c 6^ -a /^^ y ^-^ ^^ ^-^ 7* -rr /^ ^ ^ # Tt • etc.
d. i. rat(€)r u(n)s(er) d(e)r du h(i)st i(m) h(i)mtn(e)l geh(ei)l(i)gt (u:e)rd(e) dein
n(a)in(€) z(u) k(o)m(me) u(n)s dein reich dein h(eijL iv(i)U(e) gescheh(e) wie
i(mf h(i)mm(e)l.
Einen mächtigen Einfluss auf Gabelsberger's System übte die Aussicht
für Gabelsberger, seine Kunst zur Aufnahme von mündlichen Reden ver*
werthen zu können, da ihn mitten in seinen Versuchen und Arbeiten die
Verleihung der baierischen Verfassung und die Einbemfung der Stände über-
raschte. Hier galt es, kurz und möglichst deutlich zu schreiben, alles Über-
flüssige wegzulassen, aber Unterscheidungen, wo er sie für nöthig hielte
sorgfältig zu schreiben; daher die Weglassung einzelner Buchstaben in obiger
Probe. Nachdem der erste Versuch, Reden nachzuschreiben, gut gelungen
und Gabelsberger mit der Aufnahme der Landtagsverhandlungen beauftragt
worden war, war die stenographische Praxis seine Lehrmeisterin, wobei er
unablässig bemüht war, seine Schrift zu vereinfachen; er verwarf daher
bald die Zeichen ^w^p^s und ersetzte die ersteren durch c w und ^ p ,
während er für s nur das Zeichen c beibehielt, schuf Consonantenverbin-
düngen wie /? mp -x ng y gr ^ %p u. s. w.
Bisher war Gabelsberger auf eigenen Wegen gegangen, und man kann
sagen, Willis und er sind die Einzigen, welche originelle Alphabete aufgestellt
haben, denn alle anderen stenographischen Systeme sind auf den Grundlagen
dieser beiden Alphabete aufgebaut; aber Gabelsberger fühlte, sobald ihm die
Landtagsarbeiten etwas Ruhe gönnten, das Bedürfniss, auch die Methoden
seiner Vorgänger kennen zu lernen; mit der ihm eigenen Arbeitskraft studirte
er alle stenographischen Systeme, deren er habhaft werden konnte, und die
Geschichte der Stenographie, welche er in seiner 1834 erschienenen An-
leitung veröfTentlichte, zählt fast alle bis dahin erschienenen Systeme nicht
nur auf, sondern bespricht dieselben zugleich mit dem kritischen Scharfblick
eines Meisters. Es sind wohl seither ausführlichere Geschichtswerke über
Stenographie erscliienen, keines ist aber so instructiv wie das Gabelsber^rer^s.
So verschieden nun Gabel sberger's Ansichten von denen seiner Vor-
gänger waren, Einzelnes fand er doch in diesen Systemen, welches seinen Bei-
€ 1 4 Gabelsberger.
fall fand, so besonders die Bezeichnung der Vokale durch verschiedene
Stellung der Punkte. Doch ahmte Gabelsberger dieses nicht ohne weiters
nach; es führte ihn nur zu einem neuen Gedanken, die Vokale symbolisch
durch verschiedene Verbindung der Consonanten auszudrücken, und zwar
folgte er hierbei nicht der alphabetischen Reihenfolge der Engländer: ^ i j^
sondern den ihm bekannten musikalischen Gesetzen, wonach i der höchste.
a der mittlere und u der tiefe Ton ist, und er schrieb daher ^u. rebe ^ rabe
^ rieb ^o^ rubin, wozu er noch durch Verstärkung x^^- rauben fügte. Damit
kam freilich in sein System ein Dualismus, der die Lehre complicirte, denn
die Vokale konnten nunmehr auf dreierlei Weise ausgedruckt werden, nämlich
erstens symbolisch durch veränderte Stellung der Consonanten, zweitens
durch Verschmelzung, drittens durch einfache Anreihung an die Consonanten.
Gabelsberger war dies gleichgiltig, für ihn handelte es sich nur um kurze
deutliche Wortbilder, er liess nur Universitätshörer als Schüler zu, als aber
sein System in weitere Kreise drang, erwies sich die Complicirung als ein
Hinderniss der Schrilleinheit.
Neun Jahre nach Bekanntmachung seines Systems veröffentlichte
Gabelsberger «Neue Vervollkommnungen", welche darin bestanden, dass
Zeichen auch über die Zeile gestellt als Abkürzungen verwendet werden, wie
^ am ^ dem ^ an *" den -^ es~^ des u. s. w., und dass er für die Abkürzung
der Wörter eine freie Kürzungsmethode einführte, wonach ein und dasselbe
Zeichen je nach dem Sinne des Satzes für verschiedene Wörter stehen
konnte, z. B. # /^^^ *^^ (tnach)e den Vorschlay; # " ?/'^ < n*^ Q ich (yd>ie
mich der Hoffnung hin, # " //'/ c ich ßeg)e Gewicht darauf, *^ ^^^ ~ ^ j^ o
auf unserer (Reis)e hatten wir schönes Wetter, Dieses System der freien Kür-
zung ist später von seinen Nachfolgern noch weiter ausgebildet worden,
jedoch hat sich im Laufe der Zeit das Verständniss dafür mehr und mehr
verloren, so dass vor einigen Jahren ein Lehrbuch der Satzkürzung mit einem
Preise gekrönt wurde, welches an Stelle dieser freien Kürzung fixe Kürzungen
aufstellte. Von vielen Seiten wurden die letzteren angenonmien, von
anderer Seite perhorrescirt, so dass gegenwärtig auf dem Gebiete der Kür-
zungen in der Gabelsberger *schen Stenographie ein grosser Wirrwarr
herrscht.
Auch auf dem Gebiete der vollen Schrift stellte sich nach Gabeis-
berger's Tode eine Schriflverwirrung ein, an welcher der Mangel fester
Gabelsberger. • 615
Regeln schuld war. So entstand eine Münchener, eine Dresdener und eine
Wiener Schule, deren jede andere Consequenzen aus Gabelsberger's Schreib-
weisen zog. Um die Schrifteinheit herzustellen, wurden zuerst in München
1852, dann in Dresden 1857 Vereinbarungen getroffen, welche jedoch eben«
falls der principiellen Grundlage entbehrten und mehr die Feststellung
bestimmter Schreibweisen als die Aufstellung consequent durchführbarer
Regeln im Auge hatten. In Folge des Zusammenwirkens der Stenographen-
Vereine gelang es wohl, namentlich den Dresdener Beschlüssen eine ziemlich
allgemeine Anerkennung zu verschaffen, aber mit ihnen wurde auch eine
Orthographie in*s Leben gerufen, welche die Orthographie der Gurrentschrift
an Inconsequenz und Willkür weit übertrifft.
Was zunächst die Lautschreibung betrifft, so hielt man Gabelsberger*s
Freiheiten, wonach die Dehnung der Vokale bis auf einzelne Unterscheidungen
(denen und dehnen, modern und modern etc.), sowie häufig die Verdopplung
der Consonanten unberücksichtigt blieb und ähnliche Laute einander ver-
treten konnten (wie i das tV, ei das eu) aufrecht, empfahl aber zugleich die
buchstäbliche Schreibung der Eigennamen, wie die sorgfaltige Bezeichnung
der Vokale m allen Wörtern; bezüglich der stenographischen Schreibung
wurde eine grosse Anzahl verwickelter Bestimmungen geschaffen; so wird
in 'c ^ Liebe*, das vorausgehende Consonantenzeichen in dieHGhe gestellt, in
o"^ ^ Biene* das nachfolgende, in ^^ ^dienen* weder das eine noch das
andere, sondern i durch Verdichtung ausgedrückt, in {/^ ^bieten* i durch eine
steilere Stellung in f , in ^ , tnii * aber durch Vergrösserung des m ausgedrückt
u. s. w. Schlagwörter wie , Zeilenmässigkeit, Deutlichkeit, Kürze, Schreib-
flüchtigkeit' richteten in den Köpfen der Gabelsberger*schen Gesetzgeber eine
Verwirrung an, welche den Begriff der Consequenz nie zum Durchbruch
kommen liess.
Trotzdem hat die Gabelsberger'sche Stenographie in Folge ihrer Ver-
wendung beim Parlament grosse Verbreitung gefunden, die Regierungen von
Baiem^ Oesterreich und Sachsen beschützen sie und haben sie als Unter-
richtsgegenstand in die Schulen aufgenommen, alljährlich werden viele Tau-
sende von Schülern in derselben unterrichtet, und wenn trotzdem die Stati-
stik eme Stagnation aufweist, so liegt der Grund eben in den verwickelten
Regeln des Systems, welche zur Folge haben, dass Viele das Gelernte wieder
vergessen.
616 Gab eisberger.
Das Vaterunser ist in Gabelsberger's Schrift nach der jetzigen Schreibung
folgendes :
^ /^ "r-^ f C ^ ^ :?^ z:?-*^ ^ e-^ -a, €^ >.^ rz, o^ er /0:^ r Z -y^ ^'
i^9 ^ z^, *rx /^ ^/ / ^ ;?^1, >s 9^ •t> "^.y^ r ^9 C ^IC "v-^m/^ s > 'o /' --^f
Auch die Gabelsberger'sche Stenographie ist auf fremde Sprachen
übertragen worden^ wir geben hier das Vaterunser in jenen Übertragungen,
^velche die meiste Verbreitung gefunden haben, mit den Namen der Autoren*
welche die Übertragungen besorgten, in Parenthese.
Dänisch (Dessau).
>ex c c tr2 ^ # ^<iL^, a^y ^ /^ ^-^, n /^ ^, -? c^ a» ^ • ^^^ cr> -- y-'^/
7^ '^ ^'7 C'' fi'y (jt, w y '^ <L -yf^ €^ r J^ C^nstfTs^, v^ ^ ^^ /^ /^^ ' ^ y^*®
Transscripton : i^aef«* vor du som er i hitnlen, heüiget verde dii Navtty
IkOmme dii Bige, skee din rilUe som i himmlen saa og paa Jardm, giv as idag
rort daglige bröd, og forlad o$ vor Skyld som vi forlade vore Skylänem, og
led 08 ilka i fristeise, men freh os fra det Onde, thi dii er Riget og Magien, og
Airen i Evighed, Amett,
Czechisch (Prager I. Stenographen-Verein).
Transscription: Oice m^, jenijsi na tiebesich. Posvif sejmeno ivi. Pfijd
hdlovstvi ive. Bud vule tvd jako v nebt iak i na zemi. ChiA ndS vezd^H def
juhn dms, Od^vat ndm hoie viny , jaloi i wy odpomtfme svym vmMm,
Sexivoä nös v pokn^eni, ah zhav näs zUho. Amen,
• •
Ungarisch (Markovils).
^ / ^^ ^ /
Gabelsberger. G 1 7
Transscription : Mi atyänk, ky vagya a fnetiyekbeti, szenteltessik a ie neved^
jöjjön a te orszä^od, legyen a ie dkaraiod, imkipen mmybtn, azonkfpen a fSldSn
is, mmdennapi kenyerünket add nekütik ma, hoczcisd meg vitkeinkei, tnik^pen mt
is meyboczätunk elleneinknek is ne vigy minket a kis^ietbe de szabädits mag a
Qwoszt6i, Amen,
Italienisch (Noe).
Transscription : "Paart nostro, che sei ne cieli, sia sandificaio il name tuo,^
Tuiga il regno tue, siafaM la vdonta tua came in cieio cosi in terra, dacci oggi
il nostro pane quotidiano, rimettici i nostri debiti, si come noi li rimettiamo ai
nostri debitori, E non &indurre in tentaziane. Ma liberaci dal male. Cosi sia.
Neugriechisch (Mindler).
^ f / , X ^"^ ,
Transscription: Faiei' himon, ho en tis uranis, agiaaiitho to onama su,
tlthetQ hi tcasilia su, genithito to thelima su, hos en uratio kä epi tis gis, tan
artopi himon ton epiusian dos himin simeron, kä afes himin ta ofilimata himan^
hos kä himis afiemen tois ofiletais himon kä mi isenenkis himas is pirasman, aUa
rOsai himas apo tu poniru, Amin.
Wir lassen hier noch eine Probe der Gabelsberger'schen Debalten-
schrift nach Connys «Liehrbuch der Kammerstenographie* folgen:
Transscription : (Ich) mache keine Versprechungefi, (sie) Hessen (sich) nicht
im Momente formxdiren und würden auch von (den) Gegnern zurück (gewiesen
werden), allein auf eines möchte (ich die geehrten Herren der) Opposition auf"
merksam (machen) und hier komme (ich) auf (die) Besprtchung (lines) Momentes,
^18 stolze.
welches (der geehrte Herr) Vorredner in Betreff (des) Wahlmodus früher berührt
(hatte). Nun (! = meine Herren) (Sie) wissen, dass verschiedene Manner gerade
jener Partei, (die man die) verfassungsfreundliche nennt, diese Verfassungsänderung
in der Weise empfohlen (haben), dass nicht nur (die) directai Wahlen eingeßhrt
(werden), sondern dass hiermit auch (das) Gruppensystem falle,
7. Wilhelm Stolze. 1840.
Von den Ideen der neueren Grammatiker (Grimm und Becker) beseelt
suchte Stolze die stenographische Schrift auf ein wissenschaftliches System
zu gründen, welches auf der Bedeutsamkeit der Stammsilben beruht. Seine
Schrift sollte den grammatikalischen Aufbau der Wörter im Bilde zeigen ; die
Vor- und Nachsilben sichtbar von der Stammsilbe unterscheiden und auch
in der Stammsilbe den Anlaut hervortreten lassen. Dazu reichten aber die
stenographischen Zeichen, bei deren Aufstellung er sich an Gabelsberger
angelehnt hatte, nicht aus, trotzdem er dieselben Zeichen in dreifacher
Grössenabstufung verwendete. So unterschied er wohl die Anlaute
/y^^fy^^r von den Auslauten ^'?icj^^^r
n ch g h seh z X c n ch g h seh z x c
aber für die Laute
'2oZc'?9cCee(^6^f//Zr
l r m h j k w ph V f pf p s st d t sp ss
hatte er nur je ein Zeichen. Sonach erwies sich seine Theorie nicht aus-
führbar; aber auch bei den kleinen Auslautzeichen fährte Stolze dieselbe
nicht consequent durch, denn um seiner Schrifl mehr Kürze zu geben, ver-
wendete er dieselben in der Grösse der Anlautzeichen für Verbindungen mit
folgendem t, und so wurde der sichtbare Unterschied zwischen Anlaut und
Auslaut zu einem fingirten. Hierbei trat die Inconsequenz ein, dass t mki
durch Aneinanderreihung verbunden wurde, während gt als ein Zeichen auf-
trat. Im ersten Falle musste sogar das aufwärts geschriebene d für t dienen,
da t die Silbe et bedeutet. Überhaupt zeigen die Stolze'schen Zeichen einen
grossen Mangel an Verbindungsfähigkeit, meistens können sie nur anein-
andergereiht werden, und da die einfache Aneinanderreihung der Gonsonanten-
zeichen den Vokal e bedeutet, so muss der Vorlaut höher gestellt werden, um
das Fehlen eines Vokales anzuzeigen; z. B.
stolze. « 1 9
c/) 2^9 t/f C^ {^ ^ ^
hegi viei'kt merket welkt welket Hettid Schmelz.
Stolze konnte somit nicht, wie Gabelsberger, durch Höher- oder Tiefer-
Stellung eines Consonantenzeichens einen Vokal ausdrücken, und daher griff
er zu einem gefährlichen Mittel, indem er die Vokale symbolisch dadurch
ausdrückte, dass er das ganze Wort über, auf oder unter die Zeile stellte,
wodm-ch der Stammvokal nicht nur die Stammsilbe, sondern auch Vor- und
Nachsilben, ja selbst Artikel, Fürwörter und Präpositionen beherrscht, die
nach Stolze's Anschauung zum Worte gehören und daher mit demselben
verbunden werden mussten. Die Stellung über der Zeile drückt den Vokal i,
auf der Zeile e, unter der Zeile o aus, durch Verstärkung des Anlautes wurden
e und 0 zu a und u, durch breite Verbindung i zu ie (mit Verstärkung des
Anlautes zu ai) a zu d^, e zu et, o zu d, u zu ü; eu und au werden dadurch
bezeichnet, dass das erste Zeichen auf, das zweite unter der Zeile steht, also
GL O-t Ot Q-t T r> f^t/-^'
OL o^t Ot o-t ^i y.
lih li^ Laib Id) leib lab lab loh lob lub lab leitb laub vor einer Krippr
mit einem Loche.
Die Verstärkung des Auslautesr drückt eine Verdopplung oder, wo
eine solche nicht platzgreifen kann, einen harten Consonanten aus, macht
somit aus ng nk, aus 9ch tsch, aber diese Verstärkung des Auslautes hatte zur
nothwendigen Folge, dass die Vokale der Nachsilben entweder buchstäblich
geschrieben oder nach verwickelten Regeln ausgedrückt werden mussten.
Ich habe Stolze's Vokalbezeichnung ein gefahrliches Mittel genannt,
da die SchriA hierdurch ihre Selbständigkeit verlor und einer geschriebenen
oder gedachten Schreiblinie bedarf, um lesbar zu sein oder wenigstens um
Missverständnissen vorzubeugen; wenn geübte Stolzeaner leugnen, dass ihre
Schrift dadurch an leichler Lesbarkeit einbüsse, so gleicht ihre Verantwortung
der der Taylorianer, dass sich vokallose Schrift ganz gut lesen lasse.
Die Stolze'sche Stenographie bietet ein eigenthümliches Schauspiel
des Widerstreites zwischen Wollen und Können, dunkel lagen richtige Ideen
in Stolze's Geiste, aber wenn er sie zu verwirklichen strebte, so scheiterten
sie; hätte er das Schrift-Ideal, welches er vor Augen hatte, durchgeführt, so
wäre seine Schrift keine Kurzschrift geworden, der Kürze halber war er fort-
620 Stolze. — Arends.
während gezwungen, seine Principien zu verletzen; aber Stolze wusste, dass
nur eine Kurzschrift Aussicht auf Erfolg hatte, und so ging er denn in der
Kürzung so weit, dass nach seinem Tode von einem grossen Theile seiner
Schule eine Anzahl seiner Sigel und verwickelten Regeb (darunter auch die
oben erwähnte Verbindung der Artikel und Fürwörter) aufgegeben wurde.
Seine Schrift hat sich in einem grossen Theile Norddeutschlands und der
Schweiz verbreitet und ist auch mit praktischem Erfolg auf die ungarische
Sprache übertragen worden. Das Vaterunser in seiner Schrift ist folgendes:
Es ist oben erwähnt worden, dass Stolze die Ideen der neuen
Grammatiker in die Schnellschrift einzuführen gesucht habe, dem ent-
sprechend hat er sich auch an die historische Orthographie gehalten und
Zeichen für ih^ ph, ß, y und c aufgestellt. Er strebte die grösste Genauigkeit
in der Schrift an^ welche die Grammatiker seiner Zeit verlangten, aber die
Ansichten dieser Granmiatiker waren nicht immer die richtigen. Demunge-
achtet hat Stolze viel zur Klärung der Ideen über die Stenographie bei-
getragen und auch die Richtung der Gabelsberger'schen Schule stark beein-
flusst. Ihm ist es zu danken, dass das Streben nach Genauigkeit und phone-
tischer Grundlage in der deutschen Stenographie sich Bahn gebrochen hat.
8. Leopold A. F. Arends. 1860.
Arends hatte schon im Jahre 1850 ein stenographisches System ver-
öffentlicht, 'dasselbe aber später verworfen und 1860 ein neues aufgestellt,
welches sich in Norddeutschland etwas verbreitet hat. Sein System ist inso-
feme interessant, als er den schon von Fayet gemachten Versuch, die Buch-
staben der Vokale an die Buchstaben der Consonanten anzureihen, wieder
aufgenommen und den Beweis geliefert hat, dass derselbe undurchführbar
ist. Seine Consonantenzeichen gehen mit Ausnahme des r in einen geraden
Strich unten aus, damit die folgenden Vokalmerkmale
a 0 H e i ä ö ü ei eti (iu au ai
Arends. — Faulmann. 621
UDten angefügt werden können wie in
da do du de di da dö du deu dei däu dau dai
r aber, welches durch den Punkt vertreten ist, erhält jene Vokalzeichen,
welche sonst am Anfange des Wortes stehen, nämlich
ra ro ru re n rä rö iü rei reu rau
Viele Consonantenzeichen haben doppelte Formen, 6^ deren sogar vier,
nämlich
// // 7 ? J r r/O /^^ f^ ^O ///ff /'/^-v 3 . /V f ~7/-i
d i f n l m y di k q z b w j) pf h 8 ß r J x seh
Auf dieser Grundlage entwickelte sich nun ein System verwickelter
Regeln, so dass von der alphabetischen Grundlage wenig erhalten bleibt.
Man vergleiche mit den obigen Zeichen folgendes Vaterunser in Arends^scher
Schrill:
9. Karl Faulmann. 1875.
Nachdem ich vergeblich versucht hatte, im Gabelsberger*schen System
eine grössere Regelmässigkeit durchzuführen, gelangte ich zur Einsicht, dass
der Grundfehler des Gabelsberger'schen Systems in der Auswahl der Zeichen
liege; und arbeitete ein System aus, welches Gustav Braut 1875 veröffent-
lichte. Hierbei hatte ich mich an die gewöhnliche Orthographie so weit
gehalten; dass ich nur die Dehnungszeichen der Vokale unbezeichnet liess.
Ich fand jedoch, dass die gebräuchliche Orthographie ein schwankender
Boden sei, auf dem sich kein dauerhaftes Gebäude aufführen lasse, und ver-
öfTentlichte im heurigen Jahre (1879) eine neue Orthographie, welche auf
Grund historischer Untersuchungen und gestützt auf die Ergebnisse der
Sprach-Physiologie die Regel aufstellt, dass nach langen Vokalen ein weicher
oder einfacher, nach kurzen Vokalen ein harter oder Doppelconsonant
geschrieben werde. Demnach besteht mein Alphabet aus folgenden Zeichen:
C <^ -fc
622 Faulmann.
Vokale: y ^ ^ ^^ / a ,--^ ,*^^ „ _ ^ __,
' e a ä t u ei eu 0 b u au
weiche Gonsonanten: >^ "? y i c c c s^ / ^ c ^ .
h j ch (/ w f h s d seh z sd l r n m
harte Gonsonanten: o / z e^/'x/y^^'S-'C^A.
j; cÄ/i A: ff pf P ^ ^ ^chh tz st ü rr nn mm
Die Vokale werden mit den Gonsonanten verbunden, wobei der starke
Niederstrich des Vokals in einen Schatten des Gonsonanten übergeht, ' ist
das tonlose e in gebahren, eu ist derselbe Laut wie au; also
^s es OS äs is üs eis eus os ös us aus nis^ nas' noss g'nüss'
Die Gonsonantenzeichen, zwischen denen kein Vokal oder nur das '
lautet, werden unmittelbar verbunden, z. B.
n y fig p t pi tn f mf seh r sehr s k sk n s ns
Das System hat nur 72 Sigel für Form Wörter. Seine Einfachheit kann
aus der Vergleichung des folgenden Vaterunsers erkannt werden:
Transscription : fad'r unns'r dar du bist imm himm'I, g^heUikt wärcP dein
nam*, zu unns komm' dein reif, dein will' geschah' wi imm himm'l aüso auch auf
Ävd'n, unn^r täglijj brod gib unns heud' unt f'rgib unns unns^r' sdudlt, tri auch
tvir frgäb^n uns^m schuütik'm unt für' unns nijjt inn frsuchung, son^rn ärrlo»^
utws fomm ül/l, detm dein ist das reij unt di krafft unt di härrlijjkeid inn ewikeid
am*».
So fremdartig diese Orthographie erscheinen mag, so dürfte sie doch
das einzige Mittel sein, eine vom mündlichen Unterrichte unabhängige
richtige Aussprache zu erreichen ; unsere jetzige Orthographie erfüllt diesen
Zweck nicht, da sie das kurze Wort am und das lange kam, das lange ruft
und das kurze gruft, das lange werth und das kurze wirth gleich schreibt,
dagegen die gleichlautenden Wörter werthe und werde unterscheidet.
Ein einfaches Abbreviaturverfahren, wie solches schon in der Gurrenl-
schrifl angewendet wird, sowie die Auslassung von Formwörtem, wie sie in
Faulmann. 623
allen stenographischen Systemen stattfindet, ermöglicht eine solche Kürze
der Schrift, dass die schnellsten Reden aufgenommen werden können, den
Beweis dafür liefert folgende Schriftprobe, welche denselben Text enthält^
der oben für die Gabelsberger'sche Debattenschrift verwendet wurde.
Transscription : (Ich) mache keine Versprechungen, (siej Hessen (sichj nicht
•wi Nomente formuliren und uürden aitch von (den) Gegnern zurückgewiesen
f la rden), allein auf eines möchte (ich die geehrten Herren der) Opposition auf-
merksani (machen) und hier komme (ich) auf (die) Besprechung (eines) Momentes^
tctlches (der geehrte Herr) Vorredner in Betreff (des) Wahlmodus früher berührt
'hatte). Nun, meine Herren, (Sie) wissen, dass verschiedene Männer gerade jener
Partei, (die man die) verfassungsfreundliche nennt, die Vetftusungsanderung in
fler Weise empfohlen (haben), dass nicht nur (die) directeti Wahlen eingeführt
^tcf-rdefi), sondern dass hiermit auch (das) Gruppensystem falle, «•<
Aus einer Vergleichung mit der auf S. 6 1 7 gegebenen Gabelsberger-
sehen Debattenschrift, sowie mit den englischen Stenographie-Systemen geht
hervor, dass hier von keiner andern Wortweglassung Gebrauch gemacht
wird, als sie von den Stenographen zu allen Zeiten geübt wurde. Was die
Kürzung der einzelnen Wörter betrifft, so schreibt die Phonographie genauer
als die Gabelsberger'sche Stenographie, wie die W^örler: Moment, formuliren,
Vorredner, Betreff, Wahlmodus, berührt. Mannet', Partei, Weise, System beweisen,
uud trotzdem ist die Phonographie kürzer, verbindungsHlhiger und zeilen-
massiger; ihr grösster Werth aber dürfte darin liegen, dass sie jeder Ab-
kürzung entbehren kann und dabei gegenüber der Gurrentschrifl die vierfache
Kürze und die getreueste Wiedergabe der Sprache bietet.
Wir haben im Verlauf dieser Arbeit gesehen, wie die Schriftzeicheii
mit den Begriffen und den Lauten entstanden, wie sie entweder mit der Ent-
wicklung der Sprache fortschreitend zu Wortbildern wurden oder hinter der
Entwicklung der Sprache zurückbleibend, meist nur als Zeit- oder Zauber-
iseichen sich erhielten, um erst später als künstliche Buchstabenschrift zum
^24 Schlussl»emerkung.
Niederschreiben der Wörter herangezogen zu werden; wir haben ferner
gesehen, wie einzelne Religionen und die mit ihnen verbundene Literatur die
Verbreitung einzelner Alphabete begünstigten und diese Sprachen auf-
pfropften, deren Lautverhältnissen sie wenig entsprachen. So entwickelte
sich die historische Schrift mit ihrer Ungenauigkeit, ihrer Schwerfälligkeit
und ihrer dem lebendigen Worte oft wenig entsprechenden Orthographie,
welche an Goethe's Worte erinnert:
Vernunft wird Unsinn, Wohllhat Plage :
Wehe dir, dass du ein Enkel bist
Vom Rechte, das mit uns geboren ist.
Von dem ist, leider! nie die Frage.
Ein solches Recht, welches mit uns geboren ist, ist das Recht auf eine
der gegenwärtigen Sprache und den Bedürfnissen unserer Zeit entsprechende
Schrift, wie sie die Stenographie auf phonetischer Grundlage bietet, welche
gestattet, dem schnellsten Woi-te mit der Schrift zu folgen und den Gedanken
im Augenblicke des Entstehens festzuhalten.
Wenn es die höchste Aufgabe der Geschichte ist, die Lehrerin der
Menschheit zu sein, so liefert die vorliegende Arbeit den Nachweis, dass in
dem Entwicklungsgange der Schrift wirklich ein Fortschritt zum Bessern klar
zu erkennen ist und dass, nachdem die historische Schrift alle Stufen der
mechanischen Ausbildung durchlaufen hat, sie von einer neuen Schrift abge-
löst wird, welche die Wissenschaft zur Grundlage, die Technik zur Lehrerin
und die höchste Leistung zur Aufgabe hat; demnach kann man^ sofern
menschliche Einsicht ein Urtheil für die Zukunft gestattet, wohl sagen:
der Stenographie gehört die Zukunft.
625
Anmerkungen.
• Die Anschauung, dass die pliönikischen Buchstaben venlorbene hieratische
Zeichen seien, wurde zuerst von Vic. de Rouge aufgestellt, dann von den Ägypto-
i«»>ren wie Heinrich Brugsch u. A. adoptirt und auch von Fr. Lenormant seinem
preisgekrönten Werke ,Essay sur la propagation de Talpliahet phenicien*, von
welchem jedoch nur anderthalb Bände erschienen sind, zu Grunde gelegt Dagegen
«teilte Wuttke in seiner Geschichte der Schrift und des Schriftthunis S. 718 jede
Verwandtschaft der phönikischen Zeichen mit irgend welchen Bildern in Abrede
niiil behauptete, sie seien eine Strichelschrift, deren Formen nur durch die Bequem-
lichkeit, gerade Striche in verschiedener Stellung in Stein zu hauen, in Holz zu
»nraben oder in Thon einzudrücken, entstanden seien.
- Ich verweise in dieser Beziehung auf die ausfuhrliche Abhandlung, welche
F. Lenormant in seinem Werke ,Die Anfänge der Cultur' (deutsch bei (iJostenoble in
-lena 1875), Bd. H., S. 241 flf. veröffentlicht hat.
s Fr. Lenormant in seinem Werke über die akkadischo Keilschrift führt als
vt'rwandt mit den Chaldaern die griechischen Namen XaX^aOoi, Kaf«^axf;, KaodoO/ou
Ko&<$ts(oi, Fo/^dvi^voc, Fop^vatot, Kuprai an.
* Diese Nachricht ist aus A. v. Humboldt's „Vues de Cordillere*?*, L, S. :J1 1
♦entnommen.
^ Vetromile, Eugene, The Abnakis and their history. New7ork LSOO, S. iL
^ Tylor giebt in seinen .AniauKen der Cultur* I., 4. Cap., S. 47, 48 derlei
Nachrichten über die Entartung, denen wir hier einige Notizen entnommen hab«!i.
7 Wuttke, , Geschichte des Schriftthunis*. S. 197.
' Julien, St., „Le livre de niilles mots, le plus ancien livre elementair»' *W^
f A.iinns*,
^ Frinsep, »Essays on Indiau Antiquities*, lirsg^r. v. Thoma«. S. i-J.
^'* Spiegel, »Eränische Alterthuiiiskunde". I., S. ."»18 IT.
" Wuttke, a. a. O. S. 177.
^' Oppert, , Expedition en Mesopotamie*.
iu
626
13 Reiiüsch, ,Die ägyptischen Denkmäler von Miramare*. S. 116 flf.
1^ Simrock, ,Die Edda».
1* Siinrock, ^Handbuch der deutschen Mythologie'. S. 196.
Iß Tschudi erzählt in seinem Werke ,Peru', IL, S. 114, dass auch die Ent-
deckung von Silbemünen in Peru dadurch entstanden sei, dass Steine, welche
unter dem Lagerfeuer sich befanden, sich nach dem Erlöschen des Feuers als
geschmolzenes Silber erwiesen.
1" Ich entnehme diese Xachricht aus Dietericb's Runen -Sprachschatz, wo
noch ein anderes Helsing-Futhork mit keilförmigen Zeichen in derselben Stellung
aufgeführt wird.
1® Journal of the Asiatic Society of Bengal. V. Bd.
1^ Liliencron, „Runenlehre*. S. 31.
20 Tylor, , Anfange der Cultur*, I., S. 238 flf. giebt eine sehr eingehende Dar-
Stellung des Zustandes der Arithmetik bei uncivüisirten Völkern.
21 Tylor, .Anfänge der Cultur*, L, S. 411, 412.
— Dieterich, „ Runensprachschatz " unter N.
25 Lubbock, ,The origin of civilisation*. London 1870. S. 58 flf,
24 Lenormant, «Die Anfänge der Cultur". S. 21. Man vergleiche auch bezüg-
lich der Jetztzeit Tschudi's ,Peru*, wo dieser Naturforscher seinen Aufenthalt im
Urwalde und die Entbehrungen und Gefahren eines solchen schildert
25 Ebenda.
26 Ich bin zu dieserBemerkung durch den von Lenormant in seinen , Anßüigen
derCultur*, I., S.206 erwähnten Streit, ob unter QO* „Maulthiere* oder etwas Anderes
zu verstehen sei, geführt worden; mir schwebte sofort das ägyptische W ^***
(hebräisch * = ägyptisch h) als erklärend vor Augen, und diess beweist, wie wichtig
die Hieroglyphen für die Entscheidung dunkler etymologischer Fragen sind.
27 M'Clatchie, ,die Theologie der Chinesen*. Journal of Asiatic Society 1856.
XVI. Bd., II. Theil, S. 368 flf.
2« Lenormant, , Anfänge der Cultur*. L, S. 96, 97.
2» Simrock, , Handbuch der Mythologie*. S. 368, wo noch mehr Beleg»»
jregeben sind.
3^ M'Glatchie, a. a. O.
31 Simrock, , Hand buch der Mythologie*.
32 Es ist unbegreiflich, wie die Philologen einen Unterschied zwischen Arierrx
und Semiten annehmen konnten, denn stützten sie sich auf die biblische Tradition,
so konnte von Ariern, welche die Bibel nicht erwähnt, keine Rede sein, sondern
nur von Semiten, Chamiten und Japhetiten; die letzteren aber, welche «die Inseln
bewohnten*, waren eher Schiffer als Hirten. Lenormant sucht die Frage zu um-
gehen, indem er ein Geschlecht des Kain annimmt; er irrt aber, wenn er annimmt
dass das Geschlecht des Noah ein anderes sei als das des Kain, man vergleiche
die Geschlechtsregister:
627
Adam
ru Seth
191JK Eno8
]^p Kahl p^p Kenan
l^n Hanoch Tljn Hetwch
■Tn»P Irad -n» Jat/«/
i>K»ino Mahuyael hvhhrM^ Mahalael
i^KÜiria Methusad n^viro Methusalah
107 Lantech 107 Lantech
Dass Lamech derselbe ist wie Kain, geht aus den auf Lainech sich beziehenden
Worten hervor, .ich habe einen Mann erschlagen mir zur Wunde und einen Jüng-
ling mir zur Beule*. Wunde und Beule sind Umschreibungen der nordischen Rune
Y kttun, die auch «Beule '^ bedeutet. Noah wurde nach den Keilschrift-Überlieferungen
nicht begraben, sondern von der Erde entrückt, was von der Bibel dem Jared nach-
gesagt wird. Jüdische Gelehrte konnten Grund haben, um die Geschlechtsregister
auseinander zu halten, den Namen durch veränderte Vokalisation einen Schein von
Verschiedenheit zu geben, der unbefangene Forscher darf sich dadurch nicht täuschen
lassen.
•^3 M'Clatchie, a. a. O.
^ Pallas, «Chronologische Nachrichten*.
^ Lauth, das germanische Runen-Fudark; aus diesem AVerke sind auch die
.Namen der folgenden Tageszeiten entnommen.
^ Auch diese Bemerkung entnehme ich der geistvollen Abhandlung Lauth's
über das Runen-Fudark.
'' Ideler, über die Zeitrechnung der Chinesen.
3® Oppert, »Expedition enMesopotamie*, ferner b*»achtete ich das in Lenor-
iiianfs ,1 Anfängen der Cultur*, Bd. II, darüber Bemerkte.
5* Hahn's »Albanesische Studien*.
** Grimm, ,Über deutsche Runen*.
*i Grimm a. a. O.
*' Lauth, das Runen-Fudark; das betreffeinb* AImmo i<t auch sehr getreu in
Sylvestre'p Paläographie abjfebildet.
<* Grimm a. a. O.
*■* Ebenda.
^^ Tacitus Germania. 11. ^6.
*« Tacitus, a. a. 0. 38.
*' Tacitus, a. a. 0. -2:1,
*^ Spiegel, .Eränisch«» Allerthuinskuinlp*. S. 511.
*^ Lenormant »Anfange der Cullur*. II. Bil.
^^ Ideler, historisch** l'iiteF'surhunirf»!! iil>»'r <li»* a-tron4niii*i'h»*H*'Mlia«'htunK»*n
«l'-r Alt**n. ^^m
628
51 Ebenda.
52 Tschudi J. S., .Peru\ Reiseskizzen aus dem Jahre 1838—18+5. U., 3$5
bis 387.
M Wuttke H., , Geschichte der Schrift und des SchriftthumsV S. 150, 151.
w Schoolcrafl, Henry R., Historibai and Statistical Information respectiu;:
the history, condition and prospects of the Indian tribes of the United States. Phila-
delphia 1851. S. 16, 17:
" Schoolcrafl, a. a. O. S. 19.
56 Schoolcraft, a. a. O. S. 317.
5" Ebenda. ,
58 Ebenda. Bd. III., S. 85.
ö9 Ebenda. S. 493.
6" Ebenda. Bd. IV., Taf. 34, S. I:J53.
®i Robert Hermann Schomburgk*s Reisen in Guyana und am Orinoko wäh-
rend der Jahre 1835—1839. S. "21% 147, 310, ^258.
«2 Ebenda. S. 297 u. 500.
^3 Kingsborough, Antiquities of Mexiko, comprising facsimües of ancient
Mexikan Paintings and hieroglyfics. Bd. I.
<^* Humboldt, AI. Vues des Gordilleres. S. 204.
ß5 Ebenda. Taf. XL Vgl. auch Bd. IL, S. 3.
^^ Kingsborough. Antiquities of Mexico. Bd. II, Taf. 75.
6^ Lubbock, The origin of civilisation. S. 150.
** Reiniscb, Denkmäler von Miramare. S. 24.
ß^ Kopp, Ulr., Paläographia critica. Bd. IV., S. 205.
^ö Journal of the Royal Asiatic Society.
'1 Kingsborough, a. a. O. Manuscript Botturini.
^2 Journal of the Royal Asiatic Society.
"3 Diego de Landa, Relation de Las Cosas de Yucatan , traduction fran^aisc
pur l'abb^ Brasseur de Bourbourg.
'■* Wuttke, .Geschichte der Schrift». Taf. XXIV.
'^ Humboldt, Alex., Vues des Gordilleres. IL S. 220.
76 Wir entnehmen diese Zeichen Spamer's illustrirtem Con versa tions-Lexikon
I. S. 389.
" Schoolcraft. IL Taf. 41, S. 228.
"8 Das vollständige Syllabar ist enthalten in Faulmann s ,Buch der Schrill*
i?. 11; der Schrifttext ist entnommen dem von der britischen Bibelsgesellscbaft
herausgegebenen Schriftchen „Das Evangelium in verschiedenen Sprachen*.
7^ Das Sillabar ist zuerst veröfTenUicht in ,Tour du monde*, 1S60, L Se-
mester, S. 286. Der Text ist dem oben erwähnten Evangelium entnommen.
^^ Vetromile, Eugene, The Abnakis and their history or historical notices ol
the aborigines of Acadia. S. 41 fl".
6-29
** Aus Lepsius* Prachtwerke ^Die Denkmäler Ägypteiiar". Bih III.
*- Ebers, .Über das hieroglyphische Schriftsysteiu*. S. 17 ff.
*^^ Reinisch, «Denkmäler von Miramare*. S. 216.
** Lepsius, .Denkmäler Ä{r}'ptens*. Bd. III, Blatt 19.
^* Reinlsch, „Denkmäler von Miramare*.
^* Lenormant, „Anfänge der Cultur*. I., S. 127.
*** „Zeitschrift der deutsch-morgenländischen Gesellschaft".
>*« Brugsch, „Inschrift von Rosette*.
^^ Movers, Dr. F. C. „Die Phönikier*. II. Bd., II. Theil, S. 363 ff., dem auch
manche der folgenden Bemerkungen über die Berber entlehnt wurden.
^ Hal6vy, J., „Etudes herberes* im Journal asiatique. Fevr., Mars 1874.
^1 Hanoteau, A., „Essay de grammaire de la langue tamachek'*.
^'- Die Publication Richardson's, welche ich in der Bibliothek der k.k. Staats -
druckerei fand, enthält nur ein Alphabet und besteht nur aus wenigen Blättern.
*3 Dobrowsky's Slavin, Botschaft aus Böhmen an alle slavischen Völker etc.
Von Wenceslav Hanka. S. 285.
^ Rüppell, Dr. Ed., „Reise in xVbyssinien*.
•* Prätorius, Franz, „Himy arische Inschriften", Zeitschrift der deutsoh-
morgenlftndischen Gesellschaft. 1872. S. 417.
^* Koelle, S. W., „Outlines of a grammar of the Vei laugua^e'*.
^^ Mohl, J., „Y-king, antiquissimum Sinarum liber*.
^^ Pauthier, M. G., „Memoires sur T Antiquile de Thistoire etd»» la civilisatiuii
chinoises*, Journal asiatique. Ap. Mai 1868.
^ Pfizmaier, Dr. A., „Zur Geschichte der Erfindung und des Gebrauches d»T
chinesischen Schriftgattunpen*. S. 6, 20, Ul
500 Pauthier, a. a. 0.
*oi Klaproth, Julius, „Memoires relatifs äTAsie*.
10« Pfizmaier, a. a. O.
*03 Hager J., Monument de Yu, ou la plus ancienne inscription de hi (Uiine,
Paris 1802. Klaproth, Julius v., Inschrift des Yü, Halle 1811.
»04 Klaproth, a. a. 0.
105 Pauthier, a. a. O. S. 367, 3üS.
»0« Pfizmaier, a. a. 0. S. 43 u. 4.
*07 Amiot, Eloge de la ville Moukden, Paris 1770; tÜe Pr^lMMi ^'i\u\ an«*
Hageres „Monument de Yu* entnommen.
10« Caller)', J. M., Systenia phonelituin i?iriplurae Sinieae, M.irao IS 11.
509 Wuttke, „Geschichte der Schrift uutl des SelirirtUiums*. S. •>%.
"0 Pfizmaier, a. a. 0. S. 48.
m pfizmaier, a. a. 0. S. 51.
11- Julien, M. Stanislas, Syntaxe uouvelle de la lanpne cliin«»i*»». II.
113 R(>!4ny, Introduction ä Telmle de hi lan^Mie japuii,iis«\ Pari'. 1 V»i).
630
11^ Siebold, Isagoge in bibliothecum japanicum, Leiden 1841.
"* Auer's Vaterunser-Sammlung. Die Typen sind von dem Wiener üniver-
sitätsbuchdrucker Herrn Holzhausen dem Verfasser freundlichst zur Verfügung
gestellt worden.
"« Wuttke, , Geschichte der Schrift und des Schriftthums'. S. 430.
11" Nach den Typen des nestorianischen Erzbischofs Mr. Bartatar.
118 V&mb^ry, ,Uigurische Sprachdenkmäler*.
11» Nach Dr. J. Euting's Qolasta.
^^^ Lenormant, Essay sur la propagation de Talphabet ph^nicien dans Tan-
cien monde II., S. 50 fif. *
121 Pallas, , Chronologische Nachrichten*.
1-- Strahlenberg, Phil. Job. v., der Norden und östliche Theil von Europa
und Asien.
^23 ^Journal of the Asiatic Society*.
12* Vämbery, ,Uigurische Sprachdenkmäler*.
1*5 Bergmann, Benj., «Nomadische Streifereien unter den Kahnücken*.
126 Wuttke, a. a. O. S. 477, 478.
127 Lenormant, la langue primitive de la Ghaldee.
128 Sayce, A. H., ,The Accadian numerals*, Zeitschrift der deutsch-morgen-
ländischen Gesellschaft, 1873. S. 696.
129 Schrader, Lr. Eberh., ,Die assyrisch -babylonischen Keilinschriften*.
Zeitschrift der deutsch-morgenländischen Gesellschaft, 1872.
130 Oppert, Jules, Expedition seien tifique en Mesopotamie. T. II.
1»! Ebenda.
132 Journal of the Royal Asiatic Society. X.
ISS Mordtmann, Dr. A. D., , Entzifferung und Erklärung der armenischen
Keilschrift*. Zeitschrift der deutsch-morgenländischen Gesellschaft, 1872. S. 465.
13* Oppert, Note sur ]a formation de Talphabet perse. Journal asiaticpie,
1874. S. 238.
1S5 Schrader, ,Indo-germanische Chrestomathie*.
1*6 Schmidt, Moriz, ,Die Inschrift von Idalion und das kyprische Syllabar'.
1S7 Faulmann, KarJ, .Neue Untersuchungen über die Entstehung der Buch-
stabenschrift*.
1^^ Nöldeke, „Die Inschrift des Königs Mesa von Moab*.
isd Lenormant, „Essay sur la propagation de Talphabet ph^nicien dans Tan-
cien monde*. L S. 191, 178.
i*ö Derenbourg, im Journal Asiatique. VI. S. XL S. 279.
1*1 Kopp, „Bilder und Schriften der Vorzeit*.
1*2 Lenormant, Essay S. 307; Gesenius, Geschichte der hebräischen Sprache
und Schrift.
143 Sylvestre, Paleographie universelle. Bd. I.
631
1** Spiegel, Grammatik der HuzvareS-Sprache. S. 35.
1"*^ Spiegel, eränische Alterthumskunde. S. 664.
1^^ Spiegel, Grammatik der HuzvareS-Sprache. S. 15.
1^7 Mordtmann in der Zeitschrift der deutsch -morgenländiscben Geseil-
schaft 1872. S. 9.
1** Sacy, Memoires sur diverses antiquites de la Perse; ferner: Bore im
Journal Asiatique. Juni 1841.
^*^ Thomas, Essays on Indian Antiquities, historic, numismatic und palaeo-
graphic of the late James Prinsep. I. 180.
^^ Halevy, .Die Inschriften von Safa*. Journal asiatique.
1*1 Müller, David Heinrich. Ebenda.
^^^ Levy, ,Die siuaitischen Inschriflen*. Zeitschrift der deutsch-morgeu-
ländischen Gesellschalt.
1*3 Spiegel, Grammatik der Huzvare§-Sprache. S. 11.
1** Levy, a. a. 0.
1** Lenormant, Essay sur la propagation de Talphabet phenicien. II. S. 130 ff.
15« Marcel, J. J., sur quelques inscriptions koufiques d'un genre singulier.
Journal asiatique.
1*" Niebuhr, Reisen in Arabien.
158 Sylvestre, Paleographie universelle. T. I.
159 Lassen, Christian, „Indische Alterthumskunde'. I. S. 1008.
160 Müller, Friedrich Novarareise. Anthropolgischer Theil. S. 88.
ißi Spiegel, Fr., er&nische Alterthumskunde. S. 526.
162 Lassen, indische Alterthumskunde. I. S. 776.
163 Pallas, Sammlung historischer Nachrichten.
1^* M. Aymonier, Gours de Cambodgien.
>«* Wilson, im Journal of the Royal Asiaüc Society. Bd. XVI.
1^« Sykes, on the miniature Ghaityas and Inscriptions of the Buddhist reli-
gious dogma. Journal of the Royal Asiatic Society. 1854.
1^' Bumouf et Lassen, Essay sur le Pali. Sylvestre, Paleographie universell»'.
168 Bumouf et Lassen, a, a. 0.
1^* Müller, Friedrich, ,Über den Ursprung der armenischen Schrift*.
1^^ Brugsch, geographische Inschriften. Ebers, Ägypten und die fünf Bücher
51osis. Laut, die Achiver in Ägypten etc.
J^J Lenormant, ,Die Anfänge der Gultur*. IL
*^*- Kirchhoff, «Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets*.
'•3 Philipps, „Ober das iberische Alphabet^. Akademie der \Vis3en«äclial"t.
1'* Gessner, die wohleingerichtete BuchdruckenM.
*^* Brugsch, „Demotische Grammatik*.
*^< Sylvestre, Paleographie universelle. Bd. 11.
*'' Kopp, Ulrich, Palaeogruphia critica. Bd. 1.
632
<^8 Lauth, „Das Runen-Fudark".
1'^ Chodzko, Alex., Grammaire paleoslave.
^^^ Die hier citirten Wörter sind entnommen aus Miklosicb, Lexicon palaeo-
slovenico-graeco-Iatinum.
^81 Hahn, Dr. J. v., „Albanesische Studien*.
^"2 Sylvestre, ,Paleographie universelle*.
i»3 Ebenda.
^^* Wattenbach, , Anleitung zur lateinischen l*aläographie*.
18* Kopp, U., »Paläographia critica*.
186 Sylvestre, «Paleographie universelle*.
1®" König, , Deutsche Literaturgeschichte*. S. 15.
i»s Ebenda. S. 25.
189 Wattenbach, W., „Anleitung zur lateinischen Paläographie*. S. 42.
190 Woepke, M. F., „Memoire sur la propagation des chiffres Indiens*. Jour-
nal asiatique 1863. S. 27, 234, 242.
1^1 Falkenstein, „Geschichte der Buchdruckerkunst.* Aus diesem Werke
sind auch die meisten der folgenden Daten entnommen.
1^2 ^Malerische Feierstunden." Leipzig bei Spamer. S. 35.
193 Nachbildung der in der k. k. Hon)ibliothek zu Wien befindlichen Guten-
berg-Bibel.
lö* Humphreys, H. Xoel, A history of the Art.of printing. London 1868.
Aus diesem Werke sind auch die folgenden Abbildungen entnommen.
19* Panstenographikon. L, 39.
196 Levy, Math., The history of Short-hand Writing. Chapter HI.
19^ Panstenographikon. L, 45 ff.
19^ Dieses System ist, sowie die folgenden, sofern nicht eine andere Quell»»
angegeben ist, nach dem Original-Lehrbuche behandelt.
199 Panstenographikon..
200 Krieg, Katechismus der Stenographie.
-Ol Faulmann, Karl, System der deutschen Stenographie auf phonetischer
Grundlage. In acht Lectionen. Wien, Bermann & Altmann. 1880.
Druckfehler.
Seile 470, Zeile 2 von oben ist gttig^ciiciT und Zeile 9 von oben tapafujHTtfit
zu lesen.
Seite 493, Zeile 3 von unten ist vom 9. Zeichen an zu setzen m n o s ■§,
womit auch die javanischen Zeichen übereinstimmen.