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Full text of "Immanuel Kant's Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes, nebst den anderen kleineren Schriften zur Religionsphilosophie"

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IMMANUEL  KAI^ 

Beweisgrun 
.es  Daseins  Go 


Verlag  von   Felix   Meiner  in    Leipzig. 

Kant.  Kritik  der  reinen  Vernunft.  9.  Aufl.  Neu  her- 
ausgegeben von  Dr.  Theodor  Valentiner.  1906. 
XII,  7  u.  763  S.     Ausgabe  auf  Dünndruckpapier. 

M.  4. — ,  geb.  M.  4.70,  in  Liebhaberband  M.  5.40 

In  der  9.  Auflage  sind  nun  auch  die  Textänderungen,  die  Erdmann  vorge- 
schlagen und  Ooldschmidt  rezensiert  hat,  berücksichtigt  worden.  Der  Ausgabe 
von  17S7  sind  die  Abweichungen  vom  Texte  der  ersten  Ausgabe  —  in  Anmerkun- 
gen und  Beilagen  —  angeschlossen.  So  genügt  der  vorliegende  Band  auch  höheren 
Ansprüchen,  zumal  wichtige  Textänderungen  früherer  Herausgeber  und  Vorschläge 
moderner  Kant-Interpreten  in  reichlichen  Fußnoten  Platz  gefunden  haben. 

IVissenschaftlühe  Beilage  der  leipziger  Ztituug. 

Kant.  Kritik  der  Urteilskraft.  3.  Aufl.  Neu  heraus- 
gegeben u.  eingeleitet  v.  Prof.  Dr.  Karl  Vorländer. 
1902.     38,  378  u.  36  S.  M.  3.50,  geb.  M.  4.10 

Die  Kritik  der  Urteilskraft  ist  von  den  drei  großen  kritischen  Werken  des 
Königsberger  Philosophen  dasjenige,  welches  auch  für  Nichtphilosophen ,  für 
Theologen,  Naturforscher,  Künstler,  das  meiste  Interesse  bietet :  wie  es  denn  auch 
unsere  beiden  klassischen  Dichter,  Schiller  und  Goethe,  bekanntlich  stark  beein- 
flußt hat  (vgl.  die  Einleitung  zur  vorliegenden  Ausgabe  S.  XIV  f.)  Die  neue 
Ausgabe,  welche  im  Unterschied  von  der  bisherigen  die  letzte  zu  Kants  Lebzeiten 
erschienene  (3.)  Auflage  zugrunde  legt,  beruht  auf  erneuter  genauer  Textrevision 
und  bringt  eine  Anzahl  Verbesserungen  des  Textes,  sowie  alle  wichtigeren  Varianten. 
Die  vorliegende  Ausgabe  bringt  allein  von  allen  bisherigen  eine  knappgefaßte 
historische  und  systematische  Einleitung,  die  über  die  Entstehungsgeschichte 
des  Werkes,  über  sein  ästhetisches  und  teleologisches  Prinzip  und  über  die 
wichtigsten  literarischen  Hilfsmittel  orientiert,  sodann  ein  ausführliches  Personen- 
und  Sachregister  (in  64  Spalten). 

Kant.  Kleinere  Schriften  zur  Logik  und  Metaphysik. 
2.  Aufl.  Herausgeg.  von  Karl  Vorländer.  In  4  Ab- 
teilung. 1905.  XXXIl,  169;  XL,  172;  XX,  175;  XXXI, 
176  S.  8.)  M.  5.20,  geb.  M.  6.— 

Vorländers  Kant-Ausgaben  haben  es  verstanden,  sich  in  verhältnismäßig 
kurzer  Zeit  Eingang  in  die  weitesten  Kreise  zu  verschaffen,  sie  bedürfen  also 
keiner  Empfehlung  mehr.  Immerhin  mag  erwähnt  werden,  daß  auch  dieser  Band 
in  jeder  Beziehung  eine  mustergültige  Ausgabe  darstellt.  Die  Einleitungen  sind 
bei  aller  Kürze  gründlich,  die  Anmerkungen  und  besonders  die  Register  sind  vor- 
trefflich. Literarisches  Zentralblatt. 

Kant.  Logik.  3.  Aufl.  Neu  herausgeg.  u.  eingeleitet 
V(;n  Prof.  Dr.  Walter  Kinkel.      1904.     28  u.   171  S. 

M.  2. — ,  geb.  M.  2.50 

Vom  ersten  Herausgeber  (Jäsche)  ist  das  vorliegende  Werk  nach  einem 
Kollegheft  von  Kants  Vorlesung  verfaßt;  Kant  las  sein  Kolleg  nach  einem  Kom- 
pendium, welches  seinem  eigenen  System  in  den  darin  vorgetragenen  Ansichten 
möglichst  fern  steht.  Dieser  Umstand  hat  dem  Buch  nicht  gut  getan,  denn  es 
hat  «\ch  manches,  was  nicht  vollkommen  zum  System  des  kritischen  Idealismus 
pa'  •  '  hlichcn.     Deshalb  ist  es  um  so  dankbarer  zu  begrüßen,  daß  es  Kinkel 

gri,  ,   den  Leser   in   seiner  Einleitung   auf  einen  Standpunkt  zu   erheben, 

von   Uc.iu   aus   sich  dieser    mit  geschärftem  Blick   leicht  orientieren   wird.  —  Der 
Text  ist  sorgfältig  rc\idiert.  Allgemeine  Zeitung. 


Verlag   von   Felix   Meiner  in   Leipzig. 

Eucken,  Rudolf.  Beiträge  zur  Einführung  in  die  Ge- 
schichte der  Philosophie.  2.,  erweit.  Aufl.  1906.  VI, 
196  S.  M.  3.60,   geb.  M.  4.50 

Hierin:    Über  Bilder  und  Gleichnisse  bei  Kant. 
Bayle  und  Kant. 

Falckenberg,  Richard.     Kant  und   das  Jahrhundert. 

Gedächtnisrede  zum  100  jähr.  Todestag.     2.  Aufl.  1907, 

^28  S.  M.  —.60 

Auf  der  einen  Seite  beschreibt  und  beleuchtet  Falckenberg  die  Hauptpunkte 
der  Kantschen  Philosophie,  zumal  seiner  Ethik  und  Erkenntnistheorie,  auf  der 
anderen  schildert  er  die  verschlungenen  Schicksale  der  Kantschen  Erkenntnis- 
theorie von  Fichte  bis  zur  Gegenwart.  Das  alles  so  einfach  und  klar,  daß  die 
Schrift  geradezu  eine  kurze  Einleitung  in  das  Studium  Kants  genannt  werden  kann. 

Frankfurier  Zeitung. 

Jacoby,  Günther.  Herders  und  Kants  Ästhetik.  1907. 
X,  348  S.  M.  5.40,    geb.  M.  6.30 

Inhalt:  Vorfragen  S.  1 — 96.  —  Herders  Ästhetik  zur  Zeit  ihrer  Voll- 
endung S.  Q7 — 252.  (Grundlagen  der  Ästhetik.  Ästhetik  der  Musik,  —  des 
Lichtsinns,  —  der  Poesie.  Die  Naturphilosophie  der  Ä.)  —  Herders  Probleme 
in  der  Ästhetik  Kants  S.  253-338.  (Das  Thema  der  Kalligone  in  der  Kritik 
der  Urteilskraft.  Das  Problem  der  Bedeutsamkeit,  —  der  Vollkommenheit,  — 
der  Naturphilosophie  und  der  Moral.  Das  Erhabene  und  das  Ideal.  Musik 
und  redende  Kunst.     Rückblick.     Ausblick.)  —  Sach-  und  Personenregister. 

Letnpp,  Otto.  Das  Problem  der  Theodicee  in  der 
Philosophie  und  Literatur  des  1 8.  Jahrhunderts  bis  auf 
Kant  und  Schiller.  Gekrönte  Preisschrift  der  Walter 
Simon-Preisaufgabe  der  Kantgesellschaft.  1910.  VI, 
432  S.  M.  9.— 

Eine  sorgfältige,  erschöpfende,  streng  wissenschaftliche  und  dabei  doch  gut 
lesbare  Schrift,  die  über  diese  viel  umstrittenen  Gedankengänge  Abschließendes 
bietet  .  .  ,  Wer  sich  in  den  mannigfachen  Gottesbeweisen  und  den  Anschauungen 
über  die  Willensfreiheit  zi' rechtfinden  will,  muß  zu  diesem  Buche  greifen.  Man 
wird  immer  wieder  staunend  gewahr,  welche  Erkenntnisschätze  in  unserer  klassi- 
schen Zeit  des  Idealismus  oft  noch  so  ungehoben  liegen. 

jyarrer    Trauh  in  der   Christlichen  Freiheit. 

Rüge,  Arnold.  Das  Problem  der  Freiheit  in  Kants 
Erkenntnistheorie.      1910.     VIII,  84  S.  INI.    1.50 

Vorländer,  Karl.  Kant-Schiller-Goethe.  Gesammelte 
Aufsätze.     1907.     XIV,  294  S.      M.  5. — ,  geb.  M.'6. — 

Es  ist  bewundernswert,  wie  Vorländer  aus  den  oft  recht  dürftigen  Nach- 
richten ein  reiches  Gemälde  zu  entwerfen  versteht  von  der  Vermittlerrolle  des 
Schillerschen  Geistes  zwischen  Goethe  und  Kant  und  von  der  philosophischen 
Beschäftigung  Goethes,  der  mit  seiner  zur  Anschauung  neigenden  Natur  sich 
keiner  schulmäßigen  Doktrin  zu  eigen  gegeben  hat.  Wie  scharfsinnig  wird  jede 
Äußerung  Goethes  abgewogen!  Nur  wer  sein  Material  so  vollständig  beherrscht 
wie  der  Verfasser,  wird  imstande  sein,  mit  solcher  Klarheit  die  Weltanschauung 
der  beiden  Grollen  vorzutragen,  daß  auch  weitere  Kreise  der  Gebildeten  sein  Buch 
mit  Interesse  und  Nutzen  lesen  können. 

Zeitschrift  für  den  deutschen    Unterricht. 

Das  Buch  wird  durch  seine  ganze  Anlage  für  lange  Zeit,  wenn  nicht  für 
immer,  den  Anspruch  erheben  dürfen,  als  das  grundlegende  Werk  über  dies 
Thema  zu  Rate  gezogen  zu  werden.  Zeitschrift  für    Gymnasialwesen. 


Verlag  von    Felix    Meiner  in    Leipzig. 

Immanuel  Kant.  Sämtliche  Werke.  Herausgegeben 
von  K.  Vorländer,  O.  Buek,  O.  Gedan,  W.  Kinkel, 
J.  H.  V.  Kirchmann,  F.  M.  Schiele,  Th.  Valen- 
tincr  u.  a.     Preis   in  9  Liebhaberbänden    geb.  M.  60 

Di?  Aussähe  der  Philosophischen  Bibliothek  ist  die  einzige  Ausgabe  von 
Kints  Sämtlichen  Werken,  die  zurzeit  vollständig  im  Buchhandel  zu  haben  ist. 
Sie  bietet  nicht  nur  einen  philologisch  genauen  Abdruck  der  Texte,  sondern  er- 
leichtert auch  die  Lektüre  durch  Anmerkungen,  ausgezeichnete  Sachregister  und 
durch  die  Einleitungen  der  berufensten  Kantforscher. 

Kant.  Die  Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  bloßen 
Vernunft.  3.  Aufl.  Herausgegeben  und  eingeleitet 
von    Karl    Vorländer.       1903.      96,    236   u.    24  S. 

M.  3.20,  geb.  M.  3.80 

Der  große  Vorzug  der  Ausgaben  Vorländers  besteht  in  den  ausführlichen 
Einleitungen,  velche  die  Grundgedanken  des  kritischen  Idealismus  erläutern  und 
so,  in  Verbindung  mit  genauen  Sachregistern ,  das  Studium  Kants  zu  erleichtern 
und  sein  Verständr.is  zu  fördern  recht  geeignet  sind.  Wie  trefflich  jene  Aus- 
gaben ihrem  Zwecke  dienen,  wird  nur  der  recht  zu  würdigen  wissen,  der  sieh 
ohne  solche  Hilfsmittel  durch  Kants  Philosophie  mühsam  hat  hindurcharbeiten 
müssen.  Protestantischg  Monatshefte. 

Hume,  D.  Dialoge  über  natürliche  Religion.  Über 
Sell)Stmord  und  Unsterblichkeit  der  Seele.  Übersetzt 
u.  eingeleitet  von  Friedrich  Paulsen.  3.  Aufl.  1905. 
28  u.  138  S.  j\I.  L50,  geb.  M.  2.— 

!'•  •■•^  hrift  kann  uns  auch  heute  noch  ermutigen  in  unserm  heiTtcn  Ringen 
um  fi  -iheit  und  Toleranz.    „Mit  meisterhafter  Klarhcifentwickelt  Paulsen 

in  s.  itung  die  möglichen  Verhaltungsweiscn  zu  den  Rcligionswahrheiten 

Die  Ausgabe  gewinnt   dadurch  einen   über  die   Bedeutung  ihrer   ur- 
n  fk-stimmung  weit  hinausreichenden  Wert".  Kantsttidien. 

Schleiermacher,  F.  Monologen.  2.  Aufl.  Kritische  Aus- 
gabe mit  Einleitung,  Bibliographie  u.  Index  von  D.  Fr. 
M.  Schiele.   1902.  46  u.  130  S.    M.  1.40,  geb.  I\I.  1.90 

'"■1;»'    sind    uns    die    Monologen    in    mustergültiger    Ausgabe   vorgelegt' 

1  Text  der  ersten  Ausgabe  vom  Jahre  17W  und  fügt  die  Abweichungen 

'cren  Ausgaben  im  kritischen  Apparat  hinzu.    Er  hat  damit  eine  gc- 

gelicfert,   und  die  Vergleichung    der  Texte  bietet  reiche  Ausbeute 

des  Umbildungsprozcsses  in  Schleiermachers  Gedanken.     Für  eine 

'■'urdigung  der  Monologen  ist  aber  der  erste  Text  die  einzig  maßgebende 

Zeitschrift   für  Philosophie. 

Schleiermacher,  F.  Weihnachtsfeier.  Kriti.sche  Aus- 
gabe. Mit  pjnleitung  u.  Register  versehen  von  Lic. 
H.  Mulcrt.    1908.     34  u.  78  S.    M.  2.  —  ,  geb.  M.  2.50 

\T'cr  \X'ri!;;i.((lil<;-.  (Linken  niisi'(  sprochen   hören    will   von   einem  Manne  mit 

1  ^chem    Em|ifindcn ,    von   reicher   Lcbenser- 

r    von  einem    Manne,    der   die    neuen    An- 

'•    mit    der    klassischen    und   vor   allem    mit 

n    waren,    in    sich    aufgenommen   hat,    der 

'  ier.     Er  wird  dann  seinen  Teil  erhalten  von 

•  vor  nunmehr  hundert  Jahren  besal)  und  den 

'•Veit   eines   l'amilienfestes   auszuschütten 

I  ohne  jede  (icziertheit  und  Lehrhaftig- 

-^ " llcrz  erfüllte.        Kölnische  Zeitung. 


Philosophische  Bibliothek 

Band  47  ^ 


Immanuel  Eant's 

Beweisgrund  zu  einer  Demonstration 

des 

Daseins  Gottes 

nebst  den  anderen  kleineren  Schriften 
zur  E-eligionsphilosophie 


Dritte,  mit  der  zweiten  gleiclilautende  Auflag© 

durchgesehen  ^ 

von 

D.  Friedricli  Michael  Schleie 


Leipzig  1911 

Verlag  von  Felix  Meiner 


Dmclc  von  C.  Grumbach  in  Leipzigs 


Vorwort. 


Die  erste  Auflage  dieses  Heftes  (Abtheilung  II 
des  Bandes  47)  der  Philosophischen  Bibliothek  war 
ein  schlichter  Abdruck  aus  Bd.  II,  IV  und  VI  der 
HARTENSTEiN'schen  KANT-Ausgabe.  Beim  Neudruck 
hat  diese  erste  Auflage  zu  Grunde  gelegen,  aber  sie 
ist  in  jeder  Hinsicht  revidirt  und  vor  allem  durchweg 
mit  den  Originaldrucken  der  Werke  Kant's  verglichen 
worden.  Nur  für  die  10  Seiten  des  „Versuchs  über 
den  Optimismus"  war  mir  das  Original  nicht  zu- 
gänglich. 

"Was  die  von  mir  befolgte  Orthographie  anlangt, 
so  bedarf  es  bei  Kant's  bekannter  Gleichgiltigkeit 
gegen  diese  Dinge  keiner  Rechtfertigung,  wenn  ich 
es  hier  meist  bei  der  HARXENSTEiN-KiRCHiNiANN'schen 
Schreibweise  habe  bewenden  lassen.  Indessen  habe 
ich  doch  eine  Reihe  von  überflüssigen  Aenderungen 
der  früheren  Editoren  wieder  rückgängig  gemacht: 
wo  Kant's  Schreibung  richtiger  war  (z.  B.  mannig- 
faltig st.  mannichfaltig),  ferner  da,  wo  auch  die 
KAJNT'sche  Rechtschreibung  das  Auge  des  modernen 
Lesers  nicht  befremdet  (z.  B.  das  Ohngefähr  st.  das 
Ungefähr),  und  endlich  da,  wo  eine  orthographische 
Eigentümlichkeit  besonders  charakteristisch  erschien 
(z.B.  GOtt  in  vielen  Fällen  st.  Gott). 

Die  häufige  Ausstossung  eines  unbetonten  e,  das 
Hartenstein  und  Kirchmann  meist  ergänzen,  habe 
ich    gelassen,    wie    sie     bei    Kant    war    (z.  B.  Ver- 


IV  Vorwort 

ändrung  et.  Veränderung,  der  Andre  st.  der  Andere, 
etwas  Anders  st.  etwas  Anderes).  In  gleicher  Weise 
ist  das  e  des  Genetivs  und  des  Dativs  nur  da  ge- 
setzt, wo  der  erste  Druck  es  auch  wirklich  hat. 

Die  starke  Declinationsendung  derAdjectiva  habe 
ich,  wo  sie  unserem  Sprachgebrauche  widerstreitet, 
mit  Hartenstein  und  KiRCmiANN  durch  schwache 
Endung  ersetzt  Für  das  KANT'sche  „seyn"  sind  stets 
die  erforderlichen  Aequivalente  eingesetzt,  auch  unter 
gelegentlicher  Abweichung  von  Hartenstein  (z.  B. 
51,  38). 

Von  den  Verbesserungen,  die  Hartenstein  in 
der  Vorrede  seiner  Ausgabe  aufzählt,  habe  ich  folgende 
wieder  ausgeschieden : 

43,21  setzt  Hartenstein  „eine  erste  Ursach  von 
Anderem"  st.  „eine  erste  Ursach  von  andern 
[sc.  Ursachen)" 

85,  17  setzt  H.  „unter  diesen  (sc.  Klumpen)"  st. 
„unter  diese  {sc.  Rinde)" 

92,  4  setzt  H.  „unter  allen  den  grossesten  Raum 
einschliesst"  st.  „den  grossesten  Raum  einschliesst 
unter  allen" 

116,  26  setzt  H.  „blosse  Gründe  der  Wahrschein- 
lichkeit" st.  „grosse  Gründe  d.W." 

Die  übrigen  dieser  HARTENSTEiN'schen  Correcturen 
sind  von  mir  übernommen,  imgleichen  eine  Reihe 
seiner  leichteren  Ausgleichungen  des  zum  Teil  sehr 
sorglos  gesetzten  und  corrigirten  ersten  Druckes,  Aus- 
gleichungen, die  als  Druckfehlerverbesserungen  an- 
zusehen sind  und  deshalb  nicht  ausdrücklich  auf- 
gezählt werden. 

Ausserdem  hat  aber  Hartenstein  den  Text  noch 
stillschweigend  an  vielen  Stellen  recensirt,  wo  ich  ihm 


Vorwort 


nicht  habe  folgen  dürfen.  Diese  Stellen  mögen,  weil 
unser  Text  nun  einmal  vom  H.schen  Texte  abstammt, 
hier  aufgezählt  werden.  Ich  bin  in  allen  diesen 
Fällen  zum  Original  zurückgekehrt. 


J5 

iß 

13,1 

13,25 
14,32 
15,28 
16,34 
24,19 


setzt  Hartenstein 

Nec 

untersuchen 

die  Folgen 

die  Hauptstücke 

befremdend 

weitläuftige  Erörterung 


©  *•  J3 


24,  40  merke  ich  ...  an 
28,  lö  wenn    kein   Materiale, 
kein  Datum   zu   ge- 
denken, da  ist 

29. 15  der  Fall,  indem 

33,27  es 

37. 7  Kealitäten 

40. 16  vorausgesetzt 
42,  36  ;  denn  die  Welt 

47,  28  in  der  Natur  selbst 

54,27  in  Dünste 

54,  37  zu  60  vielen  Zwecken 

55,  38  zur  Folge 
56,30  einfache 

58,  36  in  den  . . .  Kräften  . . . 
angelegt 

59, 4    (die  Sündfluth  soll)  von 
Kometen  herrühren 

59, 11  aus  allgemeinen  Natur- 
gesetzen 

62,  2    Verknüpfung  vieler 
Vollkommenheiten 

65  Z.  3  der  Anm.  zu  völligem 
Stillstand 

66,  3    Verbesserung  und  Er- 
gänzung 

66,  9     wie  auch 

67.8  jegliches   .  .  .   ihre  .  .  . 

Nothwendigkeit 


Btatt 


II 109  Ne 
109    suchen 

die  Folge 

die  Hauptstücke  dessel- 

fremd  [ben 

zu    weitläuftige    Er- 
örterung 

merke  ich  nur  ...  an 

wenn  kein  Materiale, 
kein  Datum  zu  denken 
da  ist 

der  Fall,  in  dem 

(=  welchem) 

er  {sc.  der  Begriff) 

Kealität 

voraus  (=  vorher)  gesetzt 

:  Die  Welt 

in  der  Natur  der  Sache 
selbst 

zu  Dün8te[n] 

zu  so  viel  Zwecken 

zu  Folge 

einfältige 

in  die  .  .  ,  Kräfte  .  .  . 
angelegt  (=  gelegt) 

vom  Kometen  herrühren 


110 
111 
112 
118 

119 
122 


122 

126 
129 
132 
134 

138 

144 
144 
145 
146 

148 


148 

148  aus  allgemeinern  Natur- 
gesetzen 

150  Verknüpfung  vieler  Voll- 
kommenheit 

153  zum  völligen  Stillstand 

154  Verbesserung  oder  Er- 

gänzung 

154  wie  auch  immer 

155  jegliches  .  .  .  seine  .  .  . 

Nothwendigkeit 


VI 


Vorwort 


|5 


CO 


•ctzt  Ilartoosteia 


68, 9    Aufmerksamkeit 
zeigen 

69  Z.  1  der  Anro.     hat 

73,  12  für  einen  . . .  Verstand 

75,  11    einen    Einwurf  .   .    . 
machen 

75, 13  auf  die  göttliche  Weis- 
heit 

75,  24  oder 

75,39  Vorwurf 

78,24  Knaben 

79,  34  des  Urhebers 

82,  2     kein  Mensch 

82, 19  in  den  Möglichkeiten 

83,  30  Die  Aufmerksamkeit 
84, 15  Einheit  in  diesem  . . . 

Mannigfaltigen 

87.4  eine  Rinne 

87,  8    die  . . .  bekannt 

87,  27  Folgen  . . .  haben 
89,  38  Nebentheile 

91.5  mich  dünkt 

92. 13  die  Bemerkung 

92. 14  das   Gegenverhältniss 


92, 15  dass  . . .  ankommt 
93, 10  dem  Laufe  der  Natur 
95,  4    einigen  Nutzen  (sing.) 
97,  35  Richtung 
99,  35  nicht  abweichen 

100, 17  Heer  der  Sonnen 

101,35  könnte 

102, 13  eine  unmittelbar  gött- 
liche Handlung 

103,15  aus  allgemeinen  Wir- 
kungsgesctzen 

105,41  in  Abbeugung 

106,24  reiben 

110,4    stOBsen    oder    ver- 
zögern 

111,37  zu  eich  selbst  reden 


_    00    ti 

2  g  g  statt 

s  t  •< 

u: 

155  Aufmerksamkeit  be- 

zeigen 

156  hatte 

160  für  seinen  . . .  Verstand 

161  einen  Einwurf  .  . .  aus- 

machen 

162  auch   auf  die  göttliche 

Weisheit 
162    oder  doch 
162    Vorwand 

164  Knäbchen 

165  ihres  Urhebers 

167  ein  Mensch  nicht 

168  selbst  in   den  Möglich- 

keiten 

169  Diese  Aufmerksamkeit 

170  Einheit    in    dem   .  .  . 

Mannigfaltigen 
172    seine  Rinne 
172    die  ...  bekannt  seyu 

(=  sind) 
172    Folge  ...  hat 

174  Neben  vortheile 

175  mir  dünkt 

176  diese  Bemerkung 
176    die    Gegenverhältniss 

(wie   H.   auch   vorher 
und  nachher  liest) 

176  dass  . . .  ankomme 

177  dem  Verlaufe  der  Natur 
179    einige  Nutzen  (plur.) 
181     Richtigkeit 

183  nicht  weit  abweichen 

184  Heer  Sonnen 

185  könne 

185  eine  unmittelbare  gött- 

liche Handlung 

186  aus    allgemeinem   Wir- 

kiingsgpsetzen 
18S    in  eine  Abbeugung 
189    treiben 
192    stossen  und  verzögern 

194    80  zu  sich  selbst  reden 


Vorwort 


VII 


setzt  Hartenstein 


"?< 


O     0     OD 


Statt 


tß  a 


112,23  selbst    die   Möglich- 
keiten 

116.3  angeführten 

118. 18  in  dem  Begriffe  einer 

Gottheit 
118,20  auf    das    Dasein 

schliessen 
119,15  irgend    eines    oder 

mehrerer  Dinge 

120. 19  aus  der  Erfahrung 

121.4  in  einem  weitläufügen 

Ganzen 

124. 10  der  Schärfe   der  De- 

monstration fähig 
126  letzte  Zeile  v.  u.    verbind- 
lichen Dank 
127,1     von  ihm 
129, 38  Bediflgung  zu  den 
Oertern 

130. 11  in  demselben  {sc.  Ding 

an  sich) 

131. 12  von  Dingen  an  sich 

137, 4    welches 

137,  28  mit  dem  moralischen 
Bösen 

1 37  Z.  2  der  Anm.  Gerechtig- 
keit und  Güte  . . . 
zurückführen 

142,  33  in  dem  Wohllaut  . . . 
aufgelöst 

144,21  immer 

150,27  aber 

158,42  als  Versinnlichung 

163,1  die  Cultur  der  Talente, 
die  Geschicklichkeit 
des  Geschmacks 

166, 1     die  Vernichtung 

168. 11  dass  es  ihnen 

168. 12  auch 

170, 6  der  Stifter  derselben 
{sc.  der  Liebe) 


194    selbst  diese  Möglich- 
keiten 

198    ausgeführten 

200  in  dem  Begriffe  der  G  ott- 
heit 

200    auf  ein  Dasein  schliessen 

200  irgend  einer  oder  mehrer 
Dinge 

202    aus  Erfahrung 

202  in  einem  so  weitläuftigen 
Ganzen 

204  der  Schärfe  einer  De- 
monstration fähig 

IV  465    verbindlichsten  IJank 

466  von  ihm  selbst 

467  Bedingung  zu  Oertern 

467  in    denselben    {sc.  Ver- 

hältnissen) 

468  von  Dingen   an   sich 

selbst 
VI  78    was 
79    mit   dem    moralisch 

Bösen 
79    Gerechtigkeit  auf  Güte 

. . .  zurückführen 

83    in   den    Wohllaut   .  . . 

aufgelöst 
85    noch  immer 
90    also 
360    als  eine  Versinnlichung 
364     die  Cultur  der  Talente, 
der     Geschicklichkeit 
und  des  Geschmacks 
366    der  Vernichtung 
368     dass  ihnen 
368    wohl  auch 
370    der  Stifter  desselben  {sc. 
des  Christenthums) 


VIII  Vorwort. 

Textänderungen,  die  mir  selbst  noch  nötig  schienen, 
habe  ich  in  der  Weise  in  den  Text  aufgenommen, 
dass  hinter  das  zu  ändernde  Wort  das  geänderte  in 
eckige  Klammern  gesetzt  ist.  Z.  B.  S.  39,  34  „durch 
ihn  [es]",  d.h.:  Kant  schreibt  hier:  „durch  ihn"  (sc. 
Gott),  nach  dem  Zusammenhange  ist  aber  zu  lesen: 
„durch  es"  (sc.  das  höchste  Wesen). 

Bei  der  Interpunction  habe  ich  mein  Augenmerk 
besonders  darauf  gerichtet,  das  Kolon  neben  dem 
Semikolon  in  seine  Rechte  einzusetzen,  und  das  ver- 
wirrende Zuviel  der  Kommata  soweit  als  irgend  mög- 
lich zu  verringern.  Doch  musste  ich  mich  hier,  wie 
an  manchem  anderen  Punkte  meiner  Herausgeber- 
arbeit mit  dem  Worte  HoRAzens  trösten: 

Est  quadam  prodire  tenus  si  non  datur  ultra. 

Bei  Citaten  bitte  ich  die  am  Rande  stehenden 
Seitenzahlen  der  Originaldrucke  zu  benutzen. 

Eine  erläuternde  Einleitung  sowie  Personen-  und 
Sachregister  sollen  dem  Bande  47  der  FJdlosophischen 
Bibliothek  beigegeben  werden,  sobald  sich  eine  Er- 
neuerung auch  seiner  ersten  Abtheilung,  der  kleineren 
Schriften  zur  Ethik,  nötig  gemacht  hat.  —  Die  wichtigsten 
bibliographiechen  Notizen  stehen  auf  der  Rückseite 
der  Spezialtitelblätter. 

Marburg  i. Hessen,  den  24.  Dezember  1901 

Friedrich  Michael  Schiele, 
Lic.  theol. 


Versuch  einiger  Betrachtungen 

Über  den  Optimismus 

von 
M.  IMMANUEL  KANT, 

wodurch  er  zugleich 

seino  Yorlesungen  auf  das  bevorstehende  halbe  Jahr 
ankündigt. 


Den  7ten  October  1759. 


Kant,  kl.  Schriften  z.  Ethik.  11. 


Erster  Druck:    4.   Königsberg,  1759.    Driest.   8  pp. 
(Hartenstein  ^  VI,  S.  1-10.    UI,  S.  35-43.    Rosenkranz  I, 

S.  45-54.) 


Seitdem  man  sich  von  Gott  einen  geziemenden  Begriff 
gemacht  hat,  ist  vielleicht  kein  Gedanke  natürlicher  ge- 
wesen, als  dieser:  dass,  wenn  er  wählt,  er  nur  das  Beste 
wähle.  Wenn  man  vom  Alexander  sagte,  dass  er  glaubte 
nichts  gethan  zu  haben,  so  lange  für  ihn  noch  etwas  5 
zu  thun  übrig  war,  so  wird  sich  dieses  mit  einer  un- 
endlich grösseren  Kichtigkeit  von  dem  gütigsten  und 
mächtigsten  unter  allen  Wesen  sagen  lassen.  Leibnitz 
hat  auch  damit  nichts  Neues  vorzutragen  geglaubt,  wenn 
er  sagte:  diese  Welt  sei  unter  allen  möglichen  die  beste,  10 
oder  welches  ebensoviel  ist:  der  Inbegriff  alles  dessen, 
was  Gott  ausser  sich  hervorgebracht  hat,  ist  das  Beste, 
was  nur  hervorzubringen  möglich  war;  sondern  dass 
Neue  bestand  nur  in  der  Anwendung,  um  bei  den  Schwierig- 
keiten, die  man  von  dem  Ursprünge  des  Bösen  macht,  15 
den  Knoten  abzuhauen,  der  so  schwer  aufzulösen  ist. 
Ein  Gedanke,  der  so  leicht,  so  natürlich  ist,  den  man 
endlich  so  oft  sagt,  das  er  gemein  wird  und  Leute  von 
zärtlichem  Geschmacke  verekelt,  kann  sich  nicht  lange 
im  Ansehen  erhalten.  Was  hat  man  denn  für  Ehre  davon,  20 
mit  dem  grossen  Haufen  mit  zu  denken  und  einen  Satz 
zu  behaupten,  der  so  leicht  zu  beweisen  ist?  Subtile 
Irrthümer  sind  ein  Reiz  für  die  Eigenliebe,  welche  die 
eigene  Stärke  gerne  fühlt;  offenbare  Wahrheiten  hin- 
gegen werden  so  leicht  und  durch  einen  so  gemeinen  25 
Verstand  eingesehen,  dass  es  ihnen  endlich  so  geht,  wie 
jenen  Gesängen,  welche  man  nicht  mehr  ertragen  kann, 
sobald  sie  aus  dem  Munde  des  Pöbels  erschallen.  Mit 
einem  Worte:  man  schätzt  gewisse  Erkenntnisse  öfters 
nicht  darum  hoch,  weil  sie  richtig  sind,  sondern  weil  sie  30 
uns  was  kosten,  und  man  hat  nicht  gerne  die  Wahrheit 
gutes  Kaufs.  Diesemnach  hat  man  es  erstlich  ausser- 
ordentlich, dann  schön  und  endlich  richtig  gefunden,  zu 
behaupten,  dass  es  Gott  beliebt  habe,  unter  allen  möglichen 


4  Versuch  einiger  Betrachtimgen 

Welten  diese  zu  wählen,  nicht  weil  sie  hesser  war,  als 
die  ühiigcu ,  die  in  seiner  Gewalt  waren ,  sondern  weil 
es  knrziim  ihm  so  beliebte.  Und  warum  beliebte  es  denn 
Dir,  Du  Ewiger,  frage  ich  mit  Demuth,  das  Schlechtere 
5  dem  Besseren  vorzuziehen?  Und  Menschen  legen  dem 
Allerhöchsten  die  Antwort  in  dem  Mund:  es  gefiel  mir 
also,  und  es  ist  genug. 

Ich    entwerfe  jetzt  mit  einiger   Eilfertigkeit    Anmer- 
kungen,   die  das  TJrtheil  übei*  die  Streitigkeit  erleichtern 

10  können,  welche  sich  hierüber  erhoben  hat.  Meine  Herren 
Zuhörer  werden  sie  vielleicht  dienlich  finden,  den  Vortrag, 
den  ich  über  diesen  Artikel  in  den  Vorlesungen  halte, 
in  seinem  Zusammenhange  besser  einzusehen.  Ich  fange 
demnach  also  an  zu  schliessen: 

16  Wenn  keine  Welt  gedacht  werden  kann,  fiber  die  sich 
nicht  noch  eine  bessere  denken  liesse,  so  hat  der  höchste 
Verstand  unmöglich  die  Erkenntniss  aller  möglichen  Welten 
haben  können;  nun  ist  das  Letztere  falsch,  also  auch 
das  Erstere.    Die  Kichtigkeit  des  Obersatzes  erhellt  also: 

20  wenn  ich  von  einer  jeden  einzelnen  Idee,  die  man  sich 
nur  von  einer  Welt  machen  mag,  sagen  kann,  dass  die 
Vorstellung  einer  noch  besseren  möglich  sei,  so  kann 
dieses  auch  von  allen  Ideen  der  Welten  im  göttlichen 
Vorstande    gesagt    werden;    also    sind    bessere    Welten 

25  möglich,  als  alle,  die  so  von  Gott  erkannt  werden,  und 
Gott  hat  nicht  von  allen  möglichen  Welten  Kenntniss 
gehabt.  Ich  bilde  mir  ein,  dass  der  Untersatz  von  jedem 
Kechtgläubigen  werde  eingeräumt  werden,  und  schliesse, 
dass   es   falsch   sei,   zu  behaupten,  es  könne  keine  Welt 

30  gedacht  werden,  über  die  sich  nicht  noch  eine  bessere 
denken  liesse,  oder  welches  einerlei  ist,  es  ist  eine  Welt 
möglich,  über  die  sich  keine  bessere  denken  lllsst.  Hier- 
aus folgt  nun  zwar  freilich  nicht,  dass  eine  unter  allen 
möglichen  Welten  müsse   die   vollkommenste  sein ;    denn 

85  wenn  zwei  oder  mehrere  derselben  an  Vollkommen- 
hoit  gleich  wären,  so  würde,  wenn  gleich  keine  bessere, 
als  eine  von  beiden,  könnte  gedacht  werden,  doch 
keine  die  beste  sein,  weil  beide  einerlei  Grad  der  Güte 
haben. 

40  Um  diesen  zweiten  S'hluss  zu  machen  zu  können,  stelle 
ich  folgende  Hetrachtung  an,  die  mir  neu  zu  sein  scheint. 
Man  erlaube  mir  zuvörderst,   dass  ich  die  absolute  Voll- 


über  den  Optimismus.  5 

kommenheit*)  eines  Dinges,  wenn  man  sie  ohne  irgend 
eine  Absicht  für  sich  selbst  betrachtet,  in  dem  Grade 
der  Kealität  setze.  Ich  habe  in  dieser  Voraussetzung 
die  Beistimmung  der  meisten  Weltweisen  auf  meiner 
Seite  und  könnte  sehr  leicht  diesen  Begriff  rechtfertigen.  5 
Nun  behaupte  ich,  dass  Realität  und  Eealität  niemals 
als  solche  können  unterschieden  sein.  Denn  wenn  sich 
Dinge  von  einander  unterscheiden,  so  geschieht  es  durch 
dasjenige,  was  in  dem  einen  ist,  und  in  dem  andern 
nicht  ist.  "Wenn  aber  Realitäten  als  solche  betrachtet  10 
werden,  so  ist  ein  jedes  Merkmal  in  ihnen  positiv; 
sollten  sich  nun  dieselben  von  einander  als  Realitäten 
unterscheiden,  so  müsste  in  der  einen  etwas  Positives 
sein,  was  in  der  andern  nicht  wäre,  also  würde  in  der 
einen  etwas  Negatives  gedacht  werden,  wodurch  sie  sich  15 
von  der  andern  unterscheiden  Hesse,  das  heisst,  sie 
würden  nicht  als  Realitäten  mit  einander  verglichen, 
welches  doch  gefordeit  wurde.  Demnach  unterscheiden 
sich  Realität  und  Realität  von  einander  durch  nichts, 
als  durch  die  einer  von  beiden  anhängenden  Negationen,  20 
Abwesenheiten,  Schranken,  das  ist  nicht  in  Ansehung 
ihrer  Beschaffenheit  (qualitate) ,  sondern  Grösse  (gi'adu). 
Demnach,  wenn  Dinge  von  einander  unterschieden 
sind,  so  unterscheiden  sie  sich  jederzeit  nur  durch  den 
Grad  ihrer  Realität,  und  unterschiedliche  Dinge  können  25 
nie  einerlei  Grad  der  Realität  haben.  Also  können  ihn 
auch  niemalen  zwei  unterschiedene  Welten  haben;  das 
heisst,  es  sind  nicht  zwei  Welten  möglich,  welche  gleich 
gut,  gleich  vollkommen  wären.  Herr  Reinhard  sagt  in 
seiner  Preisschrift  vom  Optimismus:  eine  Welt  könne  30 
wohl  eben  die   Summe  von  Realitäten,   aber  anderer  Art 


*)  Die  Vollkommenheit  im  respektiven  Verstände  ist  die  Zu- 
sammenstimmung des  Mannichfaltigen  zu  einer  gewissen  Re;:^e], 
diese  mag  sein,  welche  sie  wolle.  So  ist  mancher  Betrug, 
manche  Käuberrotte  vollkommen  in  ihrer  Art.  Allein  im  ab- 
soluten Verstände  ist  etwas  nur  vollkommen,  insofern  das 
Mannichfaltige  in  demselben  den  Grund  einer  Realität  in  sich 
enthält.  Die  Grösse  dieser  Realität  bestimmt  den  Grad  der 
Vollkommenheit.  Und  weil  Gott  die  höchste  Realität  ist ,  so 
würde  dieser  BegriflF  mit  demjenigen  übereintrefiFen ,  da  man 
sagte ,  es  ist  etwas  vollkommen ,  insofern  es  mit  den  göttlichen 
Ligenschaften  zusammenstimmt. 


6  Versuch  einiger  Betrachtungen 

haben,  als  die  andere,  und  alsdenn  wären  es  veröchie- 
dene  Welten  und  doch  von  gleicher  Vollkommenheit. 
Allein  er  irrt  in  dem  Gedanken,  als  wenn  Realitäten 
von  gleichem  Grad  doch  könnten  in  ihrer  Beschaffen- 
5  heit  (qualitate)  von  einander  unterschieden  sein.  Denn, 
um  es  nochmals  zu  sagen,  man  setze,  dass  sie  es  wären, 
so  würde  in  einer  etwas  sein,  was  in  der  andern  nicht 
ist,  also  würden  sie  sich  durch  die  Bestimmung  A  und 
non  A  unterscheiden,  wovon  die  eine  allemal  eine  wahr- 

10  hafte  Verneinung  ist,  mithin  durch  die  Schranken  der- 
selben und  den  Grad,  nicht  aber  durcli  ihre  Beschaffen- 
heit; denn  die  Verneinungen  können  niemals  zu  den 
Qualitäten  einer  Realität  gezählt  werden,  sondern  sie 
schränken    sie    ein    und   bestimmen    ihren   Grad.      Diese 

15  Betrachtung  ist  abstrakt  und  würde  wohl  einiger  Er- 
läuterungen bedürfen,  welche  ich  aber  anderer  Gelegen- 
heit vorbehalte. 

Wir  sind   so  weit  gekommen,    gründlich   einzusehen, 
dass  unter  allen  möglichen  Welten  eine  die  vollkommenste 

20  sei,  so  dass  ihr  weder  eine  an  Trefflichkeit  vorgeht,  noch 
eine  andere  ihr  gleich  kommt.  Ob  dieses  nun  die  wirk- 
liche Welt  sei  oder  nicht,  wollen  wir  bald  erwägen;  jetzt 
wollen  wir  das  Abgehandelte  in  ein  grösseres  Licht  zu 
setzen  suchen. 

25  Es  giebt  Grössen,  von  denen  sich  keine  denken  lässt, 
dass  nicht  eine  noch  grössere  könnte  gedacht  werden. 
Die  grosseste  unter  allen  Zahlen,  die  geschwindeste  unter 
allen  Bewegungen  sind  von  dieser  Art.  Selbst  der  gött- 
liche Verstand  denkt  sie  nicht,  denn  sie  sind,  wie  Leib- 

30  nitz  anmerkt,  betrügliche  Begriffe  (notiones  deceplrices) , 
von  denen  es  scheint,  dass  man  etwas  durch  sie  denkt; 
die  aber  in  der  That  nichts  vorstellen.  Nun  sagen  die 
Gegner  des  Optimismus:  eine  vollkommenste  unter  allen 
Welten  sei  so,  wie  die  grosseste  unter  allen  Zahlen,   ein 

35  widersprechender  Begriff;  denn  man  könne  ebensowohl 
zu  einer  Summe  der  Realität  in  einer  Welt  einige 
mehrere  hinzuthun,  wie  zu  der  Summe  der  Einheiten  in 
einer  Zahl  andere  Einheiten  können  hinzugethan  werden, 
ohne  dass  jemals  was  Grösstes  herauskommt. 

40  Ohne  hier  zu  erwähnen,  dass  man  nicht  füglich  den 
Grad  der  Realität  eines  Dinges  in  Vergleichung  der 
kleineren   als  eine  Zahl  in  Vergleichung   mit  ihren  Ein- 


über  den  Optimißmus.  7 

Leiten  ansehen  kann,  so  führe  ich  nur  Folgendes  an, 
um  zu  zeigen,  dass  die  angeführte  Instanz  nicht  wohl 
passe.  Es  ist  gar  keine  grosseste  Zahl  möglich,  es  ist 
aber  ein  grösster  Grad  der  Kealität  möglich,  und  dieser 
befindet  sich  in  Gott.  Sehet  da  den  ersten  Grund,  warum  5 
man  hier  sich  fälschlich  der  Zahl  begriffe  bedient.  Der 
Begriff  einer  grossesten  endlichen  Zahl  ist  ein  abstrakter 
Begriff  der  Vielheit  schlechthin,  welche  endlich  ist,  zu 
welcher  aber  gleichwohl  mehr  hinzugedacht  werden  kann, 
ohne  dass  sie  aufhört,  endlich  zu  sein;  in  welcher  also  10 
die  Endlichkeit  der  Grösse  keine  bestimmten,  sondern  nur 
allgemeine  Schranken  setzt,  weswegen  keiner  von  solchen 
Zahlen  das  Prädikat  der  grössten  zukommen  kann;  denn 
man  mag  eine  bestimmte  Menge  gedenken,  wie  man  will, 
so  kann  diese  eine  jede  endliche  Zahl  ohne  Nachteil  der  15 
Endlichkeit  durch  die  Hinzuthuung  vermehren.  Der  Grad 
der  Eealität  einer  "Welt  ist  hingegen  etwas  durchgängig 
Bestimmtes ;  die  Schranken ,  die  der  möglich  grössten 
Vollkommenheit  einer  AVeit  gesetzt  sind,  sind  nicht  blos 
allgemein,  sondern  durch  einen  Grad,  der  nothwendig  in  20 
ihr  fehlen  muss,  festgesetzt.  Die  Unabhängigkeit,  die 
Selbstgenügsamkeit,  die  Gegenwart  an  allen  Orten,  die 
Macht  zu  schaffen  u.  s.  w.  sind  Vollkommenheiten,  die 
keine  Welt  haben  kann.  Hier  ist  es  nicht  so,  wie  bei 
der  mathematischen  Unendlichkeit,  dass  das  Endliche  durch  25 
eine  beständig  fortgesetzte  und  immer  mögliche  Steigerung 
mit  dem  Unendlichen  nach  dem  Gesetze  der  Continuität 
zusammenhängt.  Hier  ist  der  Abstand  der  unendlichen 
Realität  und  der  endlichen  durch  eine  bestimmte  Grösse, 
die  ihren  Unterschied  ausmacht,  festgesetzt.  Und  die  30 
Welt,  die  sich  auf  derjenigen  Sprosse  von  der  Leiter 
der  Wesen  befindet,  wo  die  Kluft  anhebt,  die  die  un- 
ermesslichen  Grade  der  Vollkommenheit  enthält,  welche 
den  Ewigen  über  jedes  Geschöpf  erheben,  diese  Welt, 
sage  ich,  ist  das  Vollkommenste  unter  Allem,  was  end-  35 
lieh  ist. 

Mich  däucht,  man  könne  anjetzt  mit  einer  Gewissheit, 
welcher  die  Gegner  wenigstens  nichts  Grösseres  entgegen- 
zusetzen haben,  einsehen:  es  sei  unter  allem  Endlichen, 
was  möglich  war,  eine  Welt  von  der  grössten  Vortreff-  40 
lichkeit  das  höchste  endliche  Gut,  allein  würdig  von  dem 
obersten  unter  allen  Wesen  gewählt  zu  werden,   um  mit 


8  Versuch  einiger  BetrachtuugeQ 

dem  Unendlichen  zusammengenommen  die  grösste  Summe, 
die  sein  kann,  auszumachen. 

Wenn  man  mir  das  oben  Bewiesene  zugiebt,  wenn 
man  mit  mir  einstimmig  ist,  dass  unter  allen  möglichen 
ö  Welten  eine  uothwendig  die  vollkommenste  sei,  so  ver- 
lange ich  nicht  ferner  zu  streiten.  Nicht  alle  Aus- 
schweifung in  Meinungen  kann  uns  zu  der  Bemühung 
verbindlich  machen,  sie  mit  Sorgfalt  zu  beantworten. 
Wenn   sich  Jemand   aufwirft,    zu  behaupten:   die  höchste 

10  Weisheit  habe  das  Schlechtere  besser  finden  können 
als  das  Beste,  oder  die  höchste  Güte  habe  sich  ein 
kleiner  Gut  mehr  belieben  lassen  als  ein  grösseres, 
welches  ebensowohl  in  ihrer  Gewalt  war,  so  halte  ich 
mich  nicht  länger  auf.    Man  bedient  sich  der  Weltweisheit 

15  sehr  schlecht,  wenn  man  sie  dazu  gebraucht,  die  Grund- 
sätze der  gesunden  Vernunft  umzukehren,  und  man  thut 
ihr  wenig  Ehre  an,  wenn  man,  um  solche  Bemühungen 
zu  widerlegen,  es  noch  nöthig  findet,  ihre  Waffen  aufzu- 
bieten. 

20  Derjenige,  welchem  es  zu  weitläuftig  wäre,  sich  in 
alle  die  feinen  Fragen,  die  wir  bis  daher  aufgeworfen 
und  beantwortet  haben,  stückweise  einzulassen,  würde 
zwar  mit  etwas  weniger  Schul gelehrsamkeit,  aber  viel- 
leicht mit   ebenso  bündigem  Urtheil  eines  richtigen  Ver- 

26  Standes  von  derselben  Wahrheit  weit  leichter  können 
überzeugt  werden.  Er  würde  so  schliossen :  eine  voll- 
kommenste Welt  ist  möglich,  weil  sie  wirklich  ist,  und 
sie  ist  wirklich,  weil  sie  durch  den  weisesten  und  gütig- 
sten  Rathschluss    ist   hervorgebracht  worden.     Entweder 

30  ich  kann  mir  gar  keinen  Begriff  von  einer  Wahl  machen, 
oder  man  wählt  nach  Belieben;  was  aber  beliebt,  das 
gefällt;  gefallen  aber  und  für  gut  halten,  vorzüglich 
belieben,  sich  vorzüglich  gefallen  lassen  und  vorzüglich 
gut  halten,   sind  meiner  Meinung  nach  nur  Unterschiede 

85  der  Worte.  Darum ,  weil  Gott  dioso  Welt  unter  allen 
möglichen,  die  er  kannte,  allein  wälilte,  muss  er  sie  für 
die  beste  golmlten  haben,  und  weil  sein  Urtheil  niemals 
fehlt,  80  ist  sie  es  auch  in  der  That.  Wenn  es  auch 
möglich   wäre,    das   höchste  Wesen   könnte  nach  der  er- 

40  dichteten  Art  von  Freiheit,  die  Einige  auf  die  Bahn  ge- 
bracht haben,  wählen  und  unter  viel  Besserem  das 
Schlechtere  vorziehen,   durch    ich    weiss   nicht  was   für 


über  den  Optimismus.  9 

ein  unbedingtes  Belieben,  so  würde  es  doch  dieses  nimmer 
gethan  haben.  Man  mag  sich  so  etwas  von  irgend  einer 
üntergottheit  der  Fabel  träumen  lassen,  aber  dem  Gott 
der  Götter  geziemt  kein  Werk,  als  welches  seiner  würdig 
ist,  d.  i.  welches  unter  allem  Möglichen  das  Beste  ist.  5 
Vielleicht  ist  die  grössere  XJebereinstimmung  mit  den 
göttlichen  Eigenschaften  der  Grund  des  Eathschlusses, 
der  dieser  Welt,  ohne  ihren  besonderen  inneren  Vorzug 
in  Betrachtung  zu  ziehen,  das  Dasein  gab.  Wohlan,  auch 
dann  ist  noch  gewiss,  dass  sie  vollkommener  sei  als  10 
alle  anderen  möglichen.  Denn  weil  aus  der  Wirkung  zu 
sehen  ist,  dass  alle  anderen  in  geringerer  üeberein- 
stimmung  mit  den  Eigenschaften  des  Willens  Gottes  ge- 
wesen, in  Gott  aber  alles  Ecalität  ist,  mit  dieser  aber 
nichts  in  grösserer  Harmonie  ist,  als  worin  selbst  eine  15 
grössere  Realität  anzutreffen;  so  muss  die  grosseste  Realität, 
die  einer  Welt  zukommen  kann,  in  keiner  als  in  der 
gegenwärtigen  befindlich  sein.  Es  ist  ferner  dieses 
vielleicht  ein  Zwang  des  Willens  und  eine  Nothwendig- 
keit,  welche  die  Freiheit  aufhebt,  nicht  umhin  zu  können,  20 
dasjenige  zu  wählen,  was  man  deutlich  und  richtig  fürs 
Beste  erkennt.  Gewiss,  wenn  das  Gegentheil  hievon  Frei- 
heit ist,  wenn  hier  zwei  Scheidewege  in  einem  Labyrinth 
von  Schwierigkeiten  sind,  wo  ich  auf  die  Gefahr  zu  irren 
mich  zu  einem  entschliessen  soll,  so  besinne  ich  mich  25 
nicht  lange.  Dank  für  eine  solche  Freiheit,  die  das  Beste 
unter  dem,  was  zu  schaffen  möglich  war,  ins  ewige  Nichts 
verbannet,  um  trotz  allem  Ausspruche  der  Weisheit  dem 
Uebel  zu  gebieten,  dass  es  Etwas  sei.  Wenn  ich  durch- 
aus unter  Irrthümern  wählen  soll,  so  lobe  ich  mir  lieber  30 
jeno  gütige  Noth wendigkeit,  wobei  man  sich  wohl  be- 
findet, und  woraus  nichts  Anderes  als  das  Beste  ent- 
springen kann.  Ich  bin  demnach,  und  vielleicht  ein 
Theil  meiner  Leser  mit  mir,  überzeugt,  ich  bin  zugleich- 
erfreut,  mich  als  einen  Bürger  in  einer  Welt  zu  sehen,  35 
die  nicht  besser  möglich  war.  Von  dem  besten  unter 
allen  Wesen  zu  dem  vollkommensten  unter  allen  mög- 
lichen Entwürfen  als  ein  geringes  Glied,  an  mir  selbst 
unwürdig,  und  um  des  Ganzen  willen  auserlesen,  schätze 
ich  mein  Dasein  um  so  höher,  weil  ich  erkoren  ward,  in  40 
dem  besten  Plane  eine  Stelle  einzunehmen.  Ich  rufe 
allem  Geschöpfe   zu,   welches  sich  nicht  selbst  unwürdig 


10     Versuch  einiger  Betrachtungen  über  den  Optimismus. 

macht,  so  zu  lioisseii:  Heil  uns,  wir  sind!  und  der 
Schöpfer  liat  an  uns  Wohlgefallen.  Unerm essliche  Räume 
und  Ewigkeiten  werden  wohl  nur  vor  dem  Auge  des  All- 
wissenden die  Reich thümer  der  Schöpfung  in  ihrem  ganzen 
5  Umfange  eröffnen;  ich  aber,  aus  dem  Gesichtspunkte, 
worin  ich  mich  befinde,  bewaffnet  durch  die  Einsicht,  die 
meinem  schwachen  Verstände  verliehen  ist,  werde  um 
mich  schauen,  so  weit  ich  kann,  und  immer  mehr  einsehen 
lernen:  dass  das  Ganze  das  Beste  sei,  und  Alles 
10  um  des  Ganzen  willen  gut  sei. 


Ich  werde  in  dem  bevorstehenden  halben  Jahre  die 
Logik,  wie  ich  gewohnt  bin,  über  Meyer,  die  Metaphysik 
über  Baumgarten,  üb  erebendenselben  auch  die  Ethik,  die 
physische   Geographie    über    meine    eigene    Handschrift, 

15  die  reine  Mathematik,  die  ich  anfange,  in  einer  be- 
sonderen, die  mechanischen  Wissenschaften  aber  in  einer 
anderen  Stunde ,  beide  nach  Wolf  vortragen.  Die  Ein- 
tlieilung  der  Stunden  wird  besonders  bekannt  gemacht. 
Man    weiss   schon,  dass   ich  jede   dieser   Wissenschaften 

20  in  einem  halben  Jahre  zu  Ende  bringe  und,  wenn  dieses 
zu  kurz  ist,  den  Rest  in  einigen  Stunden  des  folgenden 
nachhole.  — 


Der 

einzig  mögliche  Beweisgrund 

zu  einer 
Demonstration 

des 

Daseins   Gottes, 

von 
M.  IMMANUEL  KANT. 


1763. 


8.  Königeberg.  1763  [Michaelismesse  1762]. 
Johann  Jacob  Kanter.  XV,  255  pp.  —  Neue  Titelausgabe 
1770  (ohne  Vorrede).  —  Neuer  unveränderter  Abdruck 
Königsberg.  1794.  Härtung.  —  Nachdruck  Leipzig.  1794. 
(Hartenstein  ^VI  S.  11— 128.  'II  S.  107-205.  Rosenkranz 
I  S.  161—286.) 


VORREDE.  [III] 


Ne  raea  dona  tibi  studio  disposta  fideli, 
Intellecta  prius  quam  sint,  contemta  relinquas. 

Lucretius.  *) 

Ich  habe   keine    so  hohe  Meiming    von  dem  Nutzen  o 
einer  Bemühung ,  wie  die  gegenwärtige  ist,  als  wenn  die 
wichtigste  aller  unserer  Erkenntnisse:  es  ist  ein  Gott, 
ohne     Beihülfe     tiefer     metaphysischer     Untersuchungen 
wanke    und  in    Gefahr   sei.  |  Die  Vorsehung   hat    nicht  [IV] 
gewollt,    dass  unsere  zur  Glückseligkeit  höchst  nöthigen  10 
Einsichten    auf    der    Spitzfindigkeit   feiner   Schlüsse  be- 
ruhen sollten,  sondern   sie  dem  natürlichen  gemeinen  Ver 
Stande   unmittelbar  überliefert,   der,  wenn  man  ihn  nicht 
durch  falsche  Kunst  verwirrt,  nicht  ermangelt,    uns  gerade 
zum   Wahren  und   Nützlichen    zu  führen,    insoferne    wir  15 
desselben  äusserst  bedürftig    sind.     Daher    derjenige  Ge- 
brauch  der    gesunden   Yerniinft,   der    selbst  noch  inrer- 
halb    den  Schranken  gemeiner  Einsichten    ist,    gerugFam 
überführende    Beweisthümer    von   dem    Dasein    und   den 
Eigenschaften  dieses  Wesens  an  die  Hand  giebt,  obgleich  20 
der    subtile  Fcrscher  allerwärts   die   Demonstration    und 
die    Abgeraessenheit     genau     bestimmter    Begriffe    oder 
regelmässig  verknüpfter  Vemunftschlüsse  vermisst.    Gleich- 
wohl kann  man  sich  nicht  entbrechen,  diese  Demonstration 
zu    suchen,    ob  sie   sich  nicht   irgendwo  darböte.     Denn  25 
ohne    der   billigen  Begierde   zu  erwähnen,  deren  ein  der 
Nachfor  schung  gewohnter  Verstand  sich  nicht  entschlagen 
kann,    in   einer  |    so  wichtigen  Erkenntniss    etwas  Voll-  [V] 
ständiges    und   deutlich  Begriffenes  zu    erreichen ,  so  ist 
noch  zu    hoffen,    dass   eine  dergleichen    Einsicht,   wenn  ^^ 

*)     Weise      mein    dir     mit     gewissenhaftem    Eifer    bereitetes 
Geschenk   nicht  verächtlich  ab,  ehe  da  es   erkannt   hast. 

Anm.  d.   H. 


14    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

man  ihrer  mächtig  goworden,  viel  Mehreres  in  diesem 
Gegenstande  aufklären  könnte.  Zu  diesem  Zwecke  aber 
zu  gelangen,  muss  man  sich  auf  den  bodenlosen  Ab- 
grund der  Metaphysik  wagen.  Ein  finsterer  Ocean  ohne 
5  Ufer  und  ohne  Leuchtthürme,  wo  man  es  wie  der  Seefahrer 
auf  einem  unbeschifften  Meere  anfangen  muss,  welcher, 
sobald  er  irgendwo  Land  betritt,  seine  Fahrt  prüft  und 
untersucht,  ob  nicht  etwa  unbemerkte  Seeströme  seinen 
Lauf  verwirrt  haben ,   aller    Behutsamkeit  ungeachtet,  die 

10  die  Kunst  zu  schiffen  nur  immer  gebieten  mag. 

Diese  Demonstration  ist  indessen  noch  niemals  er- 
fanden worden,  welches  schon  von  anderen  angemerkt 
ist.  "Was  ich  hier  liefere,  ist  auch  nur  der  Beweisgrund 
zu   einer  Demonstration,    ein  mühsam  gesammeltes  Bau- 

15  geräthe,  welches  der  Prüfung    des  Kenners    vor    Augen 

[VI]  gelegt  ist,  um  aus  dessen  |  brauchbaren  Stücken  nach  den 

Regeln  der  Dauerhaftigkeit  und  der  Wohlgereimtheit  das 

Gebäude  zu  vollführen.     Ebenso  wenig  wie  ich  dasjenige, 

was   ich  liefere,    fi;r   die   Demonstration  selber   will  ge- 

20  halten  wissen,  so  wenig  sind  die  Auflösungen  der  Be- 
griffe, deren  ich  mich  bediene,  schon  Definitionen.  Sie 
sind,  wie  mich  dünkt,  richtige  Merkmale  der  Sachen,  wo- 
von ich  handle,  tüchtig,  um  daraus  zu  abgemessenen  Er- 
klärungen zu  gelangen,  an  sich  selbst   um  der  Wahrheit 

25  und  Deutlichkeit  willen  brauchbar,  aber  sie  erwarten  noch 
die  letzte  Hand  des  Künstlers,  um  den  Definitionen  bei- 
gezählt zu  werden.  Es  giebt  eine  Zeit,  wo  man  in  einer 
solchen  Wissenschaft,  wie  die  Metaphysik  ist,  sich  getraut, 
Alles  zu  erklären  und  alles  zu  demonstriren,  und  wiederum 

30  eine  andere,  wo  man  sich  nur  mit  Furcht  und  Miss- 
traucn  an  dergleichen  Unternehmungen  wagt. 

Die  Betrachtungen,  die   ich  darlege,   sind  die  Folge 

(VIIj  eines  langen  Nachdenkens,  |  aber  die  Art  des  Vortrages  hat 

das    Merkmal   einer   unvollendeten  Ausarbeitung  an  sich, 

35  insofeme  verschiedene  Beschäftigungen  die  dazu  erforder- 
liche Zeit  nicht  übrig  gelassen  haben.  Es  ist  indessen 
eine  sehr  vergebliche  Einschmeichlung,  den  Leser 
um  Verzeihung  zu  bitten,  dass  man  ihm,  um  welcher 
Ursache      willen      es      auch     sei,      nur      mit      etwas 

40  Schlechtem  habe  aufwarten  können.  Er  wird  es  niemals 
vergeben,  man  mag  sich  entschuldigen,  wie  man  will. 
In  meinem  Falle  ist  die  nicht  völlig  ausgebildete  Gestalt 


Vorrede  15 

des  "Werks  nicht  sowohl  einer  Voraachlässig-ung,  als  einer 
Unterlassung  aus  Absichten  beizumessen.    Ich  wollte  nur 
die  ersten  Züge  eines  Hauptrisses  entwerfen,  nach  welchem, 
wie   ich    glaube,   ein  Gebäude   von   nicht   geringer   Yor- 
trefflichkeit   könnte  aufgeführt   werden,    wenn  unter  ge-  5 
übteren  Händen    die   Zeichnung    in    den    T heilen    mehr 
Richtigkeit  und    im  Ganzen  eine  vollendete  Regelraässig- 
keit  erhielte.     In    dieser  Absicht   wäre  es  unnüthig  ge- 
wesen,   gar   zu    viel   ängstliche   Sorgfalt   zu    verwenden, 
um   in   einzelnen  Stücken  alle  |  Züge  genau  auszumalen,  [Vni] 
da  der  Entwurf  im  Ganzen  allererst   das  strenge  Urtheil 
der  Meister  in   der  Kunst  abzuwarten  hat.     Ich  habe  da- 
her öfters  nur  Beweisthümer  angeführt,  ohne  mich  anzu- 
massen ,   dass   ich   ihre  Verknüpfung   mit  der  Folgerung 
für    jetzt    deutlich    zeigen  könnte.     Ich  habe    bisweilen  15 
gemeine  Verstandesurtheile   angeführt,    ohne  ihnen  durch 
logische  Kunst   die  Gestalt  der  Festigkeit  zu  geben,   die 
ein   Baustück  in   einem   System  haben   muss,    entweder 
weil   ich  es  schwer  fand,    oder   weil  die  Weitläuftigkeit 
der    nöthigen  Vorbereitung   der   Grösse,    die    das   Werk  20 
haben  sollte,  nicht  gemäss  war,  oder  auch,  weil  ich  mich 
berechtigt   zu   sein  glaubte,    da  ich  keine  Demonstration 
ankündige,  der  Forderung,  die  man  mit  Recht  an  syste- 
matische Verfasser  thut,  entschlagen  zu  sein.   Ein  kleiner 
Theil  derer,  die  sich  das  Urtheil  über  Werke  des  Geistes  25 
anmassen,   wirft  kühne  Blicke  auf  das  Ganze  eines  Ver- 
suchs und  betrachtet  vornehmlich  die  Beziehung,  die  die 
Hauptstücke    desselben    zu   einem    tüchtigen   Bau   haben 
könnten,  wenn  |  man  gewisse  Mängel  ergänzte  oder  Fehler  [IX] 
verbesserte.     Diese  Art  Leser   ist    es,  deren  Urtheil  dem  30 
menschlichen  Erkenntniss   vornehmlich  nutzbar  ist.     Was 
die  Uebrigen  anlangt,    welche,   unvermögend,    eine  Ver- 
knüpfung im  Grossen  zu  übersehen,  an  einem  oder  andern  . 
kleinen  Theile  grüblerisch  geheftet  sind,  unbekümmert,  ob 
der  Tadel,   den   es  etwa  verdiente,   auch  den  Werth  des  35 
Ganzen  anfechte,  und  ob  nicht  Verbesserungen  in  einzelnen 
Stücken  den  Hauptplan,  der  nur  inTheilen  fehlerhaft  ist, 
erhalten   können,    diese,    die   nur    immer   bestrebt   sind, 
einen  jeden  angefangenen  Bau  in  Trümmer  zu  verwandeln, 
können  zwar  um  ihrer  Menge  willen  zu  fürchten  sein,  allein  40 
ihr  Urtheil  ist,  was  die  Entscheidung  des  wahren  Werthes 
anlangt,  bei  Vernünftigen  von  wenig  Bedeutung. 


16    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Ich  habe  mich  an  einigen  Orten  vielleicht  nicht  um- 
ständlich genug  erklart,  um  denen,  die  nur  eine  schein- 
bare Veranlassung  wünschen,  auf  eine  Schrift  den  bitteren  | 

(X]  Vorwurf  des  Irrglaubens  zu  werfen ,  alle  Gelegenheit 
5  dazu  zu  benehmen;  allein  welche  Behutsamkeit  hätte 
dieses  auch  wohl  verhindern  können;  ich  glaube  indessen 
für  diejenigen  deutlich  genug  geredet  zu  haben,  die 
nichts  Anders  in  einer  Schrift  finden  wollen,  als  was 
des    Verfdssers  Absicht   gewesen   ist    hineinzulegen.     Ich 

10  habe  mich  so  wenig  wie  möglich  mit  Widerlegungen 
eingelassen,  so  sehr  auch  meine  Sätze  von  Anderer 
ihren  abweichen.  Diese  Entgegenstellung  ist  etwas, 
das  ich  dem  Nachdenken  des  Lesers,  der  beide  einge- 
sehen   hat,    überlasse.     Wenn  man  die  Urtheilo  der  un- 

15  verstellten  Vernunft  in  verschiedenen  denkenden  Personen 
mit  der  Aufrichtigkeit  eines  unbestochenen  Sachwalters 
prüfte,  der  von  zwei  strittigen  Theilen  die  Gründe  so 
abwiegt,  dass  er  sich  in  Gedanken  in  die  Stelle  derer, 
die   sie  vorbringen,   selbst  versetzt,  um  sie  so  stark  zu 

20  linden,    als    sie    nur   immer    werden   können,    und  dann 

allererst  auszumachen,   welchem  Theile   er  sich    widmen 

wolle,    so   würde  viel  weniger    Uneinigkeit  in   den   Mei- 

[XI]  nungen  der  Phi  |  losophen  sein,   und  eine  ungeheuchelte 

Billigkeit,    sich  selbst  der  Sache  des  Gegentheils  in  dem 

25  Grade  anzunehmen,  als  es  möglich  ist,  würde  bald  die 
forschenden  Köpfe  auf  einem  Wege  vereinigen. 

In  einer  schweren  Betrachtung,  wie  die  gegen- 
wärtige ist,  kann  ich  mich  wohl  zum  voraus  darauf  gc- 
fasst    machen,    dass    mancher   Satz    unrichtig,    manche 

30  Erläuterung  unzulänglich,  und  manche  Ausführung  ge- 
brechlich und  mangelhaft  sein  werde.  Ich  mache  keine 
solche  Forderung  auf  eine  unbeschränkte  Unterzeichnung 
des  Lesers,  die  ich  selbsten  schwerlich  einem  Verfasser 
bewilligen    würde.      Es    wird    mir     daher   nicht    fremd 

35  sein,  von  Andern  in  manchen  Stücken  eines  Bessern 
belehrt  zu  werden,  auch  wird  man  mich  gelehrig  finden, 
solchen  Unterricht  anzunehmen.  Es  ist  schwer,  dem 
Ansprüche  auf  Richtigkeit  zu  entsagen ,  den  man  im 
Anfange    zuversichtlich   äusserte,    als    man   Gründe   vor- 

40  trug;   allein    es   ist   nicht   ebenso    schwer,    wenn    dieser 

iX-llJ  Anspruch  gelinde,  |  unsicher  und  bescheiden  war.    Selbst 

die   feinste  Eitelkeit,   wenn  sie  sich  wohl  versteht,   wird 


Vorrede  17 

l)emerkeii,  dass  nicht  weniger  Verdienst  dazu  gehört,  sich 
überzeugen  zn  lassen,  als  selbst  zu  überzeugen,  und  dass 
jene  Handlung  yielleicht  mehr  wahre  Ehre  macht,  insoferne 
mehr   Entsagung   und    Selbstprüfung    dazu,   als   zu    der 
andern  erfordert  wird.  Es  könnte  scheinen,  eine  Verletzung  5 
der  Einheit,  die  man  bei  der  Betrachtung  seines  Gegen- 
standes vor  Augen  haben  muss,    zu  sein,   dass  hin  und 
wieder  ziemlich  ausführliche  physische  Erläuterungen  vor- 
kommen; allein  da  meine  Absicht  in   diesen  Fällen  vor- 
nehmlich auf  die  Methode,   vermittelst  der  Naturwissen-  10 
Schaft   zur  Erkenntniss  Gottes  hinaufzusteigen,   gerichtet 
ist,   so  habe  ich  diesen  Zweck  ohne  dergleichen  Beispiele 
nicht  wohl  erreichen   können.    Die   siebente  Betrachtung 
der  zweiten  Abtheilung  bedarf  desfalls  etwas  mehr  Nach- 
sicht, vornehmlich  da  ihr  Inhalt  aus  einem  Buche,  welches  15 
ich  ehedem  ohne  Nennung  meines  |  Namens  herausgab,*)  [XIII] 
gezogen  worden,  wo  hievon  ausführlicher,  obzwar  in  Ver- 
knüpfung  mit  verschiedenen  etwas  gewagten  Hypothesen 
gehandelt  ward.     Die  Verwandtschaft  indessen,   die  zum 
mindesten  die  erlaubte  Freiheit,  sich  an  solche  Erklärungen  20 
zu  wagen,  mit  meiner  Haupt  |  absieht  hat,  imgleichen  der  [XIV] 
Wunsch,   Einiges  an   dieser  Hypothese  von  Kennern  be- 
urtheilt  zu  sehen,    haben  veranlasst,   diese  Betrachtung 
einzumischen,  die  vielleicht  zu  kurz  ist,  um  alle  Gründe 
derselben  zu  verstehen,  oder  auch  zu  weitläuftig  für  die-  25 
jenigen,  die   hier  nichts  wie  Metaphysik  anzutreffen  ver- 
muthen,  und  von   denen   sie   füglich  kann  überschlagen 


*)  Der  Titel  desselben  ist:  AllgemeineNaturgeschichte 
und  Theorie  des  Himmels,  Königsberg  und  Leipzig  1755. 
Diese  Schrift,  die  wenig  bekannt  geworden,  muss  unter  andern 
auch  nicht  zur  Kenntniss  des  berühmten  Herrn  J.  H.  Lambeet 
gelangt  sein,  der  sechs  Jahre  hernach  in  seinen  Cosmologischen 
Briefen  1761  ebendieselbe  Theorie  von  der  systematischen 
Verfassung  des  Weltbaues  im  Grossen,  der  Milchstrasse,  den 
Nebelsternen  n.  s.  f.  vorgetragen  hat ,  die  man  in  meiner  ge- 
dachten Theorie  des  Himmels  im  ersten  Theile,  imgleichen  in  der 
Vorrede  daselbst  antrifft,  und  wovon  etwas  in  einem  kurzen 
Abrisse  S.  154 — 158  des  gegenwärtigen  Werks  angezeigt  wird. 
Die  Uebereinstimmung  der  Gedanken  dieses  sinnreichen  Mannes 
mit  denen,  die  ich  damals  vortrug,  welche  fast  bis  auf  die 
kleineren  Züge  unter  einander  übereinkommen,  vergrössert  meine 
Verrauthung,  dass  dieser  Entwurf  in  der  Folge  mehrere  Bestätigung 
erhalten  werde.  Anm.  v.  Kant. 

K  a n  t ,  kl.  Schriften  z.  Etbik.  U.  8 


18     BewciRgnind  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

werden.  Es  wird  vielleicht  nötliig  sein,  einige  Druckfehler, 
die  den  Sinn  des  Vortrages  verändern  könnten  und  die 
man  am  Ende  des  Werks  sieht,  vorher  zu  verbessern,  ehe 
man  diese  Schrift  liest. 

Das  Werk  selber  besteht  ans  drei  Abtheiliingen;  davon 
die  erste  den  Beweisgrund  selber,  die  zweite  den  weit- 
läuftigeii  Nutzen  desselben,  die  d  r  itte  aber  Gründe  vorlegt, 
um  darzuthun,  dass  kein  anderer  zu  einer  Demonstration 
vom  Dasein  Gt)ttes  möglich  sei. 


Erste  Abtheilung.  fXV] 

Worin  der  Beweisgrund  zur  Demonstration  des 
Daseins  Gottes  geliefert  wird. 


[XVI] 

Erste  Betrachtung.  [1] 

Vom  Dasein  überhaupt.  6 

Die  Regel  der  Gründlichkeit  erfordert   es   nicht  alle- 
mal,  dass   selbst    im    tiefsinnigsten  Vortrage    ein   jeder 
vorkommender    Begriff    entwickelt    oder    erklärt    werde; 
wenn  man   nämlich   versichert  ist,   dass  der  bloss  klare 
gemeine   Begriff  in    dem   Falle,   da   er  gebraucht   wird,  10 
kiünen  Missverstand  veranlassen  könne;  so  wie  der  Mess- 
künstler   die   geheimsten  Eigenschaften  und  Verhältnisse 
des  Ausgedehnten   mit  der   grössten  Gewissheit  aufdeckt, 
ob  er  sich  gleich  hiebei  lediglich   des  gemeinen  Begriffs 
vom  Raum  bedient,  und  wie  selbst  in  der  allertiefsinnigsten  15 
Wissenschaft  das  "Wort  Vorstellung  genau  genug  ver- 
standen   und   mit  Zuversicht  1  gebrauclit    wird,    wiewohl  [2] 
seine  Bedeutung  niemals  durch  eine  Erklärung  kann  auf- 
gelöst werden. 

Ich  würde  mich  daher  in  diesen  Betrachtungen  nicht  20 
bis  zur  Auflösung  des  sehr  einfachen  und  wohlverstandnen 
Begriffs  des  Daseins  versteigen,  wenn  nicht  hier  gerade 
der  Fall  wäre,  wo  diese  Verabsäumung  Verwirrung  und 
wichtige  Irrthümer  veranlassen  kann.  Es  ist  sicher,  dass 
er  in  der  übrigen  ganzen  Weltweisheit  so  unentwickelt,  25 
wie  er  im  gemeinen  Gebrauch  vorkommt,  ohne  Be- 
denken könne  angebracht  werden,  die  einzige  Frage  vom 
absolut     nothwendigen     und     zufalligen     Dasein     aus- 


20     Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

geDommen ;  denn  hier  hat  eine  subtilere  Nachforschung 
aus  einem  unglücklich  gekünstelten,  sonst  sehr  reinen 
Begriff  irrige  Schlüsse  gezogen,  die  sich  über  einen  der 
erhabensten  Theile  der  Weltweisheit  vorbreitet  haben. 
5  Man  erwarte  nicht,  dass  ich  mit  einer  förmlichen  Er- 
klärung dos  Daseins  den  Anfang  machen  werde.  Es  wiire 
zu  wünschen,  dass  man  dieses  niemals  thäte,  wo  es  so 
unsicher   ist,   richtig  erklärt  zu  haben,  und  dieses  ist  es 

[3]  öfter,  als  man  wohl  |  denkt.     Ich  werde  so  verfahren,  als 

10  einer,  der  die  Definition  sucht  und  sich  zuvor  von  dem- 
jenigen versichert,  was  man  mit  Gewissheit  bejahend  oder  ver- 
neinend von  dem  Gegenstande  der  Erklärung  sagen 
kann,  ob  er  gleich  noch  nicht  ausmacht,  worin  der  aus- 
führlich bestimmte  Bogriff  desselben  bestehe.    Lange  vor- 

15  her,  ehe  nan  eine  Erklärung  von  seinem  Gegenstande 
wagt,  und  selbst  denn,  wenn  man  sich  gar  nicht  getraut 
sie  zu  geben,  kann  man  viel  von  derselben  Sache  mit 
grossester  Gewissheit  sagen.  Ich  zweifle,  dass  einer 
jemals   richtig   erklärt  habe,  was  der  Raum  sei.     Allein, 

20  ohne  mich  damit  einzulassen,  bin  ich  gewiss,  dass,  wo  er 
ist,  äussere  Beziehungen  sein  müssen,  dass  er  nicht 
mehr  als  drei  Abmessungen  haben  könne  u.  s.  w.  Eine 
Begierde  mag  sein,  was  sie  will,  >o  gründet  sie  sich  auf 
irgend   eine  Vorstellung,  sie  setzt  eine  Lust  an  dem  Be- 

25  gc'hrtcn  voraus  u.  s.  f.  Oft  kann  aus  diesem  ,  was  man 
vor  aller  Definition  von  der  Sache  gewiss  weiss,  das,  was 
zur  Absicnt  unserer  Untersuchung  gehört,  ganz  sicher 
hergeleitet  werden,  und  man  wagt  sich  alsdenn  in  un- 
nölhige    Schwierigkeiten,     wenn    man  sich  bis  dahin  ver- 

30  steigt.    Die  Methodeusucht,  die  Nachahmung  des  Mathe- 1 

[4J  matikers,  der  auf  einer  wohlgebahnten  Strasse  sicher 
fortschreitet,  auf  dem  schlüpfrigen  Boden  der  Metaphysik 
hat  eine  Menge  solcher  Fehltritte  veranlasst,  die  man  be- 
ständig  vor  Augen   sieht,  und  doch   ist  wenig  Hoffnung, 

35  das.s  man  dadurch  gewarnt  und  behutsamer  zu  sein  lernen 
weide.  Diese  Methode  ist  es  allein,  kraft  welcher  ich 
einige  Aufl'lärungen  hoffe,  die  ich  vergeblich  bei  Andorn 
gesucht  habe;  denn  was  die  schmeichelhafte  Vorstellung 
anlangt,   die    man    sich  macht,  dass  man  durch  grössere 

40  Scharfsinnigkeit  es  bosser  als  andere  treffen  werde,  so  versteht 
man  wohl,  dass  jederzeit  Alle  so  geredet  haben,  die  uns  aus 
einem  fremden  Irrthum  in  den  ihrigen  haben  ziehen  wollen. 


I.  1.  Vom  Dasein  überhaupt  21 

1. 

Das  Dasein  ist  gar  kein  Prädikat  oder  Determination 
von  irgend  einem  Dinge. 

Dieser  Satz   scheint  seltsam   und  widersinnig,   allein 
er  ist  ungezweifelt  gewiss.     Nehmet  ein  Subjekt,  welches  5 
ihr    wollt,    z.  E.  den  Julius   Caesar.     Fasset  alle    seine 
erdenklichen  Prädikate,   selbst   die  der  Zeit  und  des  Orts 
nicht  ausgenommen,  in  ihm  zusamjmen,  so  werdet  ihr  bald  [5] 
begreifen,  dass  er  mit  allen  diesen  Bestimmungen  existiren 
oder   auch   nicht  existiren   kann.     Das   Wesen,    welches  10 
dieser  Welt  und  diesem  Helden  in  derselben  das  Dasein 
gab,  konnte  alle  diese  Prädikate,  nicht  ein  einziges  aus- 
genommen, erkennen  und  ihn  doch  als  ein  bloss  mögliches 
Ding  ansehen,  das,  seinen  Eathschluss  ausgenommen,  nicht 
existirt.     Wer    kann    in   Abrede   ziehen,   dass   Millionen  15 
von   Dingen ,    die    wirklich   nicht   da    sind ,    nach   allen 
Prädikaten,  die  sie  enthalten  würden,  wenn  sie  existirten, 
blos    möglich    seien;    dass   in   der  Vorstellung,    die   das 
höchste  Wesen  von  ihnen  hat,  nicht  eine  einzige  ermangele, 
obgleich  das  Dasein  nicht  mit  darunter  ist,   denn  es  er-  20 
kennt   sie  nur   als  mögliche  Dinge.     Es  kann  also  nicht 
stattfinden,  dass,  wenn  sie  existiren,  sie  ein  Prädikat  mehr 
enthielten;   denn  bei    der  Möglichkeit  eines  Dinges  nach 
seiner  durchgängigen  Bestimmung  kann  gar  kein  Prädikat 
fehlen.     Und   wenn   es  Gott  gefallen   hätte,    eine  andere  25 
Reihe  der  Dinge,  eine  andere  Welt  zu  schaffen,  so  würde 
sie  mit  allen  den  Bestimmungen  und  keinen  mehr  existirt 
haben,    die   er  an  ihr  doch  erkennt,   ob  sie  gleich  blos 
möglich  ist.  | 

Gleichwohl  bedient  man  sich  des  Ausdrucks  vom  Dasein  [6] 
als  eines  Prädikats,  und  man  kann  dieses  auch  sicher  und 
ohne  besorgliche  Irrthümer  thun,  so  lange  man  es  nicht 
darauf  aussetzt,  das  Dasein  aus  blos  möglichen  Begriffen 
herleiten  zu  wollen,  wie  man  zu  thun  pflegt,  wenn  man 
die  absolut  nothwendige  Existenz  beweisen  will.  Denn  35 
alsdenn  sucht  man  umsonst  unter  den  Prädikaten  eines 
solchen  möglichen  Wesens,  das  Dasein  findet  sich  gewiss 
nicht  darunter.  Es  ist  aber  das  Dasein  in  den  Fällen, 
da  es  im  gemeinen  Ecdegebrauch  als  ein  Prädikat  vor- 
kommt, nicht  sowohl  ein  Prädikat  von  dem  Dinge  selbst,  40 


22    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

als  vielmehr  von  dem  Gedanken ,  den  man  davon  hat 
Z.  E.  dem  Seeeinhorn  kommt  die  Existenz  zu,  dem  Land- 
einhorn nicht.  Es  will  dieses  nichts  Anderes  sagen,  als: 
die  Vorstellung  des  Seeeinhorns  ist  ein  Erfahrungsbe^'riff, 
5  das  ist,  die  Vorstellung  eines  existirenden  Dinges.  Daher 
man  auch,  um  die  Richtigkeit  dieses  Satzes  von  dem  Dasein 
einer  solchen  Sache  darzuthun,  nicht  in  dem  Begriffe  des 
Subjekts  sucht,  denn  da  findet  man  nur  Prädikate  der 
Möglichkeit,   sondern   in  dem  Ursprünge  der  Erkenntniss, 

10  die   ich   davon  habe.     Ich  habe,   sagt  man,    es  gesehen, 

[7]  oder  von  denen  vernommen,   die  es  gesehen  I  haben.    Es 

ist  daher  kein  Völlig  richtiger  Ausdruck,    zu  sagen:   ein 

Seeeinhorn   ist  ein  existirend  Thier,    sondern  umgekehrt, 

einem  gewissen  existirenden  Seethiere  kommen  die  Prädi- 

15  kate  zu,  die  ich  an  einem  Einhorn  zusammen  gedenke, 
Nicht:  regelmässige  Sechsecke  existiren  in  der  Natur, 
sondern  gewissen  Dingen  in  der  Natur,  wie  den  Bienenzellen 
oder  dem  Bergkrystall ,  kommen  die  Prädikate  zu,  die  in 
einem  Sechsecke   beisammen   gedacht  werden.     Eine  jede 

20  menschliche  Sprache  hat  von  den  Zufälligkeiten  ihres 
Ursprungs  einige  nicht  zu  ändernde  Unrichtigkeiten,  und 
es  würde  grüblerisch  und  unnütze  sein,  wo  in  dem  ge- 
wöhnlichen Gebrauche  gar  keine  Missdeutungen  daraus 
erfolgen  können,  an  ihr  zu  künsteln  und  einzuschränken, 

25  genug,  dass  in  den  seltenern  Fällen  einer  höher  gesteigerten 
Betrachtung,  wo  es  nöthig  ist,  diese  Unterscheidungen 
beigefügt  werden.  Man  wird  von  dem  hier  angeführten 
nur  allererst  zureichend  urtheilen  können,  wenn  man  das 
Folgende  wird  gelesen  haben.  | 

[8]  2. 

Das  Dasein  ist  die  absolute  Position  eines  Dinges 
und  unterscheidet  sich  dadurcli  auch  von  jeglichem 
Fmdikate,  welches  als  ein  solches  jederzeit  bloss 
beziehungsweise  auf  ein  anderes  Ding  gesetzt  wird. 

•"^5  Der  Begriff  der  Position  oder  Setzung  ist  völlig  ein- 
fach und  mit  dem  vom  Sein  überhaupt  einerlei.  Nun 
kann  etwas  als  bloss  beziehungsweise  gesetzt,  oder  besser 
bloss  die  Beziehung  frespcdus  logicus)  von  etwas  als  einem 
Merkmal   zu  einem  Dinge  gedacht  werden,   und  denn  ist 


I.  1.  Vom  Dasein  überhaupt.  23 

das  Sein,  das  ist  die  Position  dieser  Beziehung,  nichts 
als  der  Verbindungsbegriff  in  einem  Urtheile.  Wird 
nicht  bloss  diese  Beziehung,  sondern  die  Sache  an  und 
für  sich  selbst  betrachtet,  so  ist  dieses  Sein  soviel  als 
Dasein.  5 

So  einfach  ist  dieser  Begriff,  dass  man  nichts  zu 
seiner  Auswicl^elung  sagen  kann,  als  nur  die  Behutsam- 
keit anzumerken,  dass  er  nicht  mit  den  Verhältnissen, 
die  die  Dinge  zu  ihrem  Merkmale  haben,  verwechselt 
werde.  |  10 

Wenn  man  einsieht,    dass  unsere  gesammte  Erkennt-  [9] 
niss  sich  doch  zuletzt  in  unauflöslichen  Begriffen  endige, 
so   begreift  man  auch,  dass  es  einige  geben  werde,    die 
beinahe  unauflöslich  sind,   das  ist,  wo  die  Merkmale  nur 
sehr  wenig  klärer  und  einfacher  sind  als  die  Sache  selbst.  15 
Dieses  ist  der  Fall  bei  unserer  Erklärung  von  der  Existenz. 
Ich  gestehe  gerne,   dass  durch  dieselbe   der  Begriff  des 
Erklärten    nur    in    einem    sehr    kleinen  Grade   deutlich 
werde.     Allein  die  Natur  des  Gegenstandes  in  Beziehung 
auf    die    Vermögen   unseres   Verstandes    verstattet   auch  20 
keinen  höhern  Grad. 

Wenn  ich  sage :  GOtt  ist  allmächtig,  so  wird  nur 
diese  logische  Beziehung  zwischen  GOtt  und  der  Allmacht 
gedacht,  da  das  Letztere  ein  Merkmal  des  Ersteren  ist. 
Weiter  wird  hier  nichts  gesetzt.  Ob  GOtt  sei,  das  ist,  25 
absolute  gesetzt  sei  oder  existire,  das  ist  darin  gar  nicht 
enthalten.  Daher  auch  dieses  Sein  ganz  richtig  selbst 
bei  den  Beziehungen  gebraucht  wird,  die  Undinge 
gegen  einander  haben.  Z.  E.  der  GOtt  des  Spinoza  ist 
unaufhörlichen  Veränderungen  unterworfen.  30 

Wenn  ich  mir  vorstelle,  GOtt  spreche  über  ei|ne  mög-  [10] 
liehe  Welt  sein  allmächtiges  Werde,   so  ertheilt  er  dem 
in   seinem  Verstände  vorgestellten   Ganzen   keine   neuen 
Bestimmungen,    er   setzt  nicht  ein  neues  Prädikat  hinzu, 
sondern  er  setzt  diese  Reihe  der  Dinge,  in  welcher  Alles  35 
sonst  nur  beziehungsweise  auf  dieses  Ganze  gesetzt  war, 
mit    allen    Prädikaten    absolute    oder   schlechthin.      Die 
Beziehungen     aller    Prädikate     zu    ihren   Subjekten   be- 
zeichnen niemals  etwas  Existirendes ,   das  Subjekt  müsste 
denn   schon    als   existijend  vorausgesetzt  werden.     „GOtt  40 
ist   allmächtig,"    muss    ein    wahrer   Satz    auch   in    dem 
Urtheil   desjenigen  bleiben,    der  dessen  Dasein  nicht  er- 


24     BeweisüTund  zu  einer  Demonstration  des  Daaeins  Gottes 


^ts 


kennt,  wenn  er  mich  nur  wohl  versteht,  wie  ich  den 
Bigriff  GOttes  nehme.  Allein  sein  Dasein  muss  un- 
mittelbar zu  der  Art  gehören,  wie  sein  Begriff  gesetzt 
wird,  denn  in  den  Prädikaten  selber  wird  es  nicht  ge- 
6  fanden.  Und  wenn  nicht  schon  das  Subjekt  als  existirend 
vorausgesetzt  ist,  so  bleibt  es  bei  jeglichem  Prädikate 
unbestimmt,  ob  es  zueinera  existirenden  oder  bloss  mög- 
lichen Subjekte  gehöre.  Das  Dasein  kann  daher  selber 
kein   Piädikut   sein.      Sage  ich:  GOtt  ist  ein   existirend 

10  l'ing,    so   scheint   es,   als  wenn  ich  die  Beziehung  eines 

Prädikats  zum  Subjekte  ausdrückte.     Allein  es  liegt  auch 

[11]  eine  Unrichtigkeit  in  |  diesem   Ausdruck.     Genau   gesagt, 

sollte   es   heissen:   etwas   Existirendes  ist  GOtt,   das  ist, 

einem    existirenden   Dinge   kommen    diejenigen  Prädikate 

15  zu,  die  wir  zusammengenommen  durch  den  Ausdruck 
GOtt  bezeichnen.  Diese  Prädikate  sind  beziehungsweise 
auf  dieses  Subjekt  gesetzt,  allein  das  Ding  selber  sammt 
allen  Prädikaten  ist  schlechtliin  gesetzt. 

Ich  besorge  durch  zu  weitläuftige  Erläuterung  einer  so 

20  einfachen  Idee  unvernehmlich  zu  werden.  Ich  könnte 
auch  noch  befürchten,  die  Zärtlichkeit  derer,  die  vor- 
nehmlich über  Trockenheit  klagen,  zu  beleidigen.  Allein, 
ohne  diesen  Tadel  für  etwas  Geringes  zu  halten,  muss 
ich   mir  diesmal  hiezu   Erlaubniss  ausbitten.     Denn  ob 

25  ich  schon  an  der  überfeinen  Weisheit  derjenigen,  welche 
sichere  und  brauchbare  Begiiffe  in  ihrer  logischen 
Schmelzküche  so  lange  übertreiben,  abzirhen  und  ver- 
feinern, bis  sie  in  Dämpfen  und  flüchtigen  Salzen  ver- 
rauchen,   so   wenig  Geschmack    als  jemand  anders   finde, 

30  80  ist  der  Gegenstand  der  Betrachtung,  den  ich  vor  mir 

habe,    doch  von  der  Art,  dass  man  entweder  gänzlich  es 

aufgeben   muss,  eine   demonstrativische  Gewissheit  davon 

jemals    zu   erlangen,    oder  es  sich  muss  gefallen  lassen, 

[12]  seine  Begriffe  bis  in  diese  Atomen  aufzulösen.  | 

35  8. 

Kann  ich  wohl  sagen,   dass  im  Dasein  mehr  als  in 
der  blossen  Möglichkeit  sei? 

Diese  Frage  zu  beantworten,  merke  ich  nur  zuvor  an, 

dass  man  unterscheiden  müsse,    was  da  gesetzt  .^ei,   und 

40  wie    ea    gesetzt  sei.     Was  das  Erstere  anlangt,   so  ist 


I.  1.  Vom  Dasein  überhaupt.  25 

in   einem  wirklichen  Dinge    nicht  mehr   gesetzt,  als   in 
■einem   bloss   möglichen;    denn    alle    Bestimmungen    und 
Prädikate   des  Wirklichen  können  auch    bei   der  blossen 
Möglichkeit    desselben    angetroffen     werden;    aber    das 
Letztere  betreffend,  so  ist  allerdings  durch  die  Wirklich-  5 
keit  mehr  gesetzt.     Denn  frage  ich:  wie  ist  alles  dieses 
bei  der  blossen  Möglichkeit  gesetzt?  so  werde  ich  inne, 
es  geschehe  nur  beziehungsweise  auf  das  Ding   selber, 
d.  i.   wenn   ein  Triangel  ist,  so  sind  drei  Seiten,  ein  be- 
schlossener Raum,    drei  Winkel  u. s. w.,  oder  besser:  die  10 
Beziehung  dieser  Bestimmungen  zu  einem  solchen  Etwas, 
wie  ein  Triangel  ist,   ist   bloss  gesetzt;  aber  existirt  er, 
so   ist   alles    dieses   absolute,  d.  i.    die  Sache  selbst  zu- 
sammt   diesen  Beziehungen,  mithin   mehr    gesetzt.     Um 
daher  in   einer  so   subtilen  Vorstellung  alles  zusammen  15 
zu  fassen,  i  was  die  Verwirrung  verhüten  kann,  so  sage:  in  [13] 
einem    Existirenden    wird   nichts   mehr    gesetzt,   als   in 
einem    bloss   Möglichen   (denn   alsdann  ist   die  Eede  von 
den  Prädikaten  desselben),  allein  durch  etwas  Existirendes 
wird    mehr   gesetzt,  als  durch  ein  bloss  Mögliches,  denn  20 
dieses  geht  auch  auf  absolute   Position   der  Sache  selbst 
Sogar    ist    in    der   blossen  Möglichkeit    nicht   die  Sache 
selbst,    sondern   es   sind   blosse   Beziehungen  von  Etwas 
zu  EtTas  nach  dem  Satze  des  Widerspruchs  gesetzt,  und 
es  bleibt  fest,  dass  das  Dasein  eigentlich  gar  kein  Prädikat  25 
von   irgend   einem   Dinge   sei.     Obgleich   meine   Absicht 
hier  gar  nicht  ist,  mit  Widerlegungen  mich  einzulassen, 
und   meiner  Meinung  nach,  wenn  ein  Verfasser  mit  vor- 
urtheilsfreier  Denkungsart  Anderer  Gedanken  gelesen  und 
durch  damit  verknüpftes  Naclidenken   sie   sich  eigen  ge-  30 
macht  hat,  das  Urtheil  über  seine  neuen  und  abweichenden 
Lehrsätze  ziemlich  sicher  dem  Leser  überlassen  kann,  so 
will  ich  doch  nur  mit  wenig  Worten  darauf  führen. 

Die  WoLFißche  Erklärung  des  Dasoins ,   dass  es  eine 
Ergänzung   der  Möglichkeit  sei,  ist  offenbar  sehr  unbe-  36 
stimmt.    Wenn  man  nicht  schon  vorher  weiss,  was  |  über  [14] 
die    Möglichkeit   in   einem  Dinge  kann   gedacht   werden, 
so    wird    man    es    durch   diese   Erklärung  nicht   lernen. 
Baumgarten  führt  die  durchgängige  innere  Bestimmung, 
insofern  sie  dasjenige  ergänzt,   was  durch  die  im  Wesen  40 
liegenden   oder  daraus  fliessenden   Prädikate  unbestimmt 
gelassen  ist,  als   dasjenige  an,  was  im  Dasein  mehr  als 


26    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

in  der  blossen  Möglichkeit  ist;  allein  wir  haben  schon  ge- 
sehen, dass  in  der  Verbindung  eines  Dinges  mit  allen 
erdenklichen  Prädikaten  niemals  ein  Unterschied  des- 
selben von  einem  bloss  Möglichen  liege.  Ueberdem  kann 
5  der  Satz:  dass  ein  möglich  Ding,  als  ein  solches  be- 
trachtet, in  Ansehung  vieler  Prädikate  unbestimmt  sei, 
wenn  er  so  nach  dem  Buchstaben  genommen  wird,  eine 
grosse  Unrichtigkeit  veranlassen.  Denn  die  Kegel  der 
Ausschliessung    eines    Mittleren     zwischen     zwei   wider- 

10  sprechend  Entgegengesetzten  verbietet  dieses,  und  es  ist 
daher  z.  E.  ein  Mensch,  der  nicht  eine  gewisse  Statur, 
Zeit,  Alter,  Ort  u.  dgl.  hätte,  unmöglich.  Man  muss 
ihn  vielmehr  in  diesem  Sinne  nehmen :  durch  die  an 
einem   Dinge    zusammengedachten   Prädikate    sind    viele 

15  andere  ganz  und  gar  nicht  bestimmt,  so  wie  durch  das- 
jenige, was  in  dem  Begriff  eines  Menschen,  als  eines 
[15]  solchen  zusammengenommen  ist,  in  Ansehung  |  der  be- 
sonderen Merkmale  des  Alters ,  Orts  u.  s.  w.  nichts  aus- 
gemacht wird.      Aber  diese   Art   der  Unbestimmtheit  ist 

20  alsdenn  ebensowohl  bei  einem  Existirenden  als  bei  einem 
bloss  möglichen  Dinge  anzutreffen,  weswegen  dieselbe  zu 
keinem  Unterschiede  beider  kann  gebraucht  werden.  Der 
berühmte  Crusiüs  rechnet  das  Irgendwo  und  Irgendwenn 
zu  den  untrüglichen  Bestimmungen  des  Daseins.     Allein, 

25  ohne  uns  in  die  Prüfung  des  Satzes  selber:  dass  Alles 
was  da  ist,  irgendwo  oder  irgendwenn  sein  müsse,  ein- 
zulassen, so  gehören  diese  Prädikate  noch  immer  auch  zu 
bloss  möglichen  Dingen.  Denn  so  könnte  an  manchen 
bestimmten  Orten   mancher    Mensch  zu    einer    gewissen 

30  Zeit  oxistiren,  dessen  alle  Bestimmungen  der  Allwissende, 
sowie  sie  ihm  beiwohnen  würden,  wenn  er  existirte, 
wohl  kennt,  und  der  gleichwohl  wirklich  nicht  da  ist;  und 
der  ewige  Jude  Ahasverus  nach  allen  Ländern,  die  er 
durchwandern,   oder  allen  Zeiten,  die  er  durchleben  soll, 

35  ist  ohne  Zweifel  ein  möglicher  Mensch.  Man  wird  doch 
hoffentlich  nicht  fordern,  dass  das  Irgendwo  und  Irgend- 
wenn nur  denn  ein  zureichend  Merkmal  des  Daseins 
sei,  wenn  das  Ding  wirklich  da  oder  alsdenn  ist,  denn 
da  würde  man  fordern,  dass  dasjenige  schon  eingeräumt 
|16]  wer|de,  was  man  sich  anheischig  macht,  durch  ein 
taugliches  Merkmal   von  selber  kenntlich  zu  machen. 


I.  2.  Von  der  inneren  Möglichkeit  27 


Zweite  Betrachtiing, 

Von  der  Innern  Möglichkeit,  insofern  sie  ein 
Dasein  voraussetzt. 

1. 

Nöthige  Unterscheidung  bei  dem  Begriffe  der       5 
Möglichkeit. 

Alles,    was    in    sich  selbst   widersprechend   ist,    ist 
innerlich  unmöglich.     Dieses  ist  ein  wahrer  Satz,    wenn 
man    es    gleich    dahingestellt   sein   lässt,     dass  es   eine 
wahre   Erklärung    sei.      Bei    diesem   Widerspruche    aber  10 
ist  klar,  dass  Etwas  mit  Etwas  im  logischen  Widerstreit 
stehen   müsse,    das  ist,    dasjenige  verneinen  müsse,   was 
in  ebendemselben   zugleich   bejaht  ist.     Selbst  nach  dem 
Herrn  Ckusius  ,    der   diesen  Streit  nicht  bloss  in  einem 
Innern  Widerspruche   setzt,    sondern    behauptet,    dass  er  15 
überhaupt  durch   den    Verstand  nach  einem  ihm   natür- 
lichen Gesetze  wahrgenommen  werde,  ist  im  Unmöglichen 
allemal  eine  Verknüpfung  mit  |  Etwas,   was  gesetzt,   und  [17] 
Etwas,     wodurch    es    zugleich    aufgehoben    wird.      Diese 
Repugnanz    nenne    ich   das    Formale    der  Undenklichkeit  20 
oder  Unmöglichkeit;   das  Materiale,    was   hiebei  gegeben 
ist   und   welches   in   solchem  Streite   steht,    ist  an    sich 
selber  etwas,   und   kann   gedacht  werden.     Ein  Triangel, 
der  viereckigt  wäre,   ist  schlechterdings  unmöglich.     In- 
dessen   ist  gleichwohl   ein   Triangel,     imgleichen    etwas  25 
Viereckigtes  an  sich  selber  Etwas.     Diese  Unmöglichkeit 
beruht    lediglich  auf  logischen   Beziehungen    von    einem 
Denklichen   zum  andern,    da  eins  nur  nicht  ein  Merkmal 
des  andern  sein   kann.     Ebenso  muss   in  jeder  Möglich- 
keit das  Etwas,  was  gedacht  wird,  und  denn  die  Ueber-  30 
einstimmung   desjenigen,    was   in   ihm  zugleich    gedacht 
wird,    mit   dem   Satze  des   Widerspruchs,   unterschieden 
werden.    Ein  Triangel,  der  einen  rechten  Winkel  hat,  ist 
an    sich   selber   möglich.     Der  Triangel   sowohl,   als   die 
rechten  Winkel    sind    die   Data    oder    das  Materiale    in  35 
diesem  Möglichen,   die  Uebereinstimmung  aber  des  einen 
mit  dem    andern  nach  dem  Satze  des  Widerspruchs  sind 
das   Formale    der  Möglichkeit.     Ich  werde   diese  letztere 


28    Beweggrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

auch  das  Logische  in  der  Möglichkeit  nennen,  weil  die 
[18]  Vergleichung  der  Prüdikate  mit  ihren  Subjekten  |  nach  der 
Regel  der  Wahrheit  nichts  Anders  als  eine  logische 
Beziehung  ist ;  das  Etwas ,  oder  was  in  dieser  Ueberein- 
5  Stimmung  steht,  wird  bisweilen  das  Reale  der  Möglich- 
keit heissen.  Uebrigens  bemerke  ich,  dass  hier  jederzeit 
von  keiner  andern  Möglichkeit  oder  Unmöglichkeit,  als 
der  innern  oder  schlechtt^rdings  und  absolute  so  genannten 
die  Rede  sein  wird. 


10  2. 

Die  innere  Möglichkeit  aller  Dinge  setzt  irgend  ein 
Dasein  voraus. 

Es  ist  aus  dem   anjetzt  Angeführten  deutlich  zu  er- 
sehen,   dass  die  Möglichkeit  wegfalle,    nicht  allein  wenn 

15  ein  innerer  Widerspruch  als  das  Logische  der  Unmög- 
lichkeit anzutreffen,  sondern  auch  wenn  kein  Materiale, 
kein  Datum  zu  denken  da  ist.  Denn  alsdenn  ist 
nichts  Denkliches  gegeben,  alles  Mögliche  aber  ist 
etwas,    was  gedacht  werden  kann,    und  dem  die  logische 

20  Beziehung,  gemäss  dem  Satze  des  Widerspruchs,  zu- 
kommt. 

Wenn  nun  alles  Dasein  aufgehoben  wird,  so  ist  nichts 

[19]  schlechthin  gesetzt,  es  ist  überhaupt  gar  nichts  |  gegeben, 

kein   Materiale    zu   irgend   etwas  Denklichem ,    und    alle 

25  Möglichkeit  fällt  gänzlich  weg.  Es  ist  zwar  kein  innerer 
Widerspruch  in  der  Verneinung  aller  Existenz.  Denn  da 
hiezu  erfordert  würde,  dass  etwas  gesetzt  und  zugleich 
aufgehoben  werden  müsste,  hier  aber  überall  nichts  ge- 
setzt  ist,    so   kann  man  freilich  nicht  sagen,   dass  diese 

30  Aufhebung  einen  innern  Widerspruch  enthalte.  Allein 
dass  irgend  eine  Möglichkeit  sei,  und  doch  gar  nichts 
Wirkliches,  das  widerspricht  sich,  weil,  wenn  nichts 
existirt,  auch  nichts  gegeben  ist,  das  da  denklich  wäre, 
und   man  sich  selbst  widerstreitet,  wenn  man  gleichwohl 

35  will,  dass  etwas  möglich  sei.  Wir  haben  in  der  Zer- 
gliederung des  lieg lifTs  vom  Dasein  verstanden,  dass  das 
Sein  oder  schlechthin-Gesetzsein ,  wenn  man  diese 
Worte  dazu  nicht  braucht,  logische  Beziehungen  der 
Prädikate  zu  Subjekten  auszudrücken,  ganz  genau  einerlei 


I.  2.  Von  der  inneren  Möglichkeit  29 

mit  dem  Dasein  bedeute.  Demnach  zu  sagen:  es  existirt 
nichts,  heisst  ebensoviel,  als:  es  ist  ganz  und  gar  nichts ; 
und  es  widerspricht  sich  offenbar,  dessenungeachtet  hinzu- 
zufügen, es  sei  etwas  möglich.  | 

3.  [20] 

Es  ist  schlechterdings  uDmöglich,   dass  gar  nichts 

existire. 

Wodurch  alle  Möglichkeit  überhaupt  aufgehoben  wird, 
das  ist  schlechterdings  unmöglich.  Denn  dieses  sind 
gleichbedeutende  Ausdrücke.  Nun  wird  erstlich  durch  10 
das,  was  sich  selbst  widerspricht,  das  Formale  aller 
Möglichkeit,  nämlich  die  Uebereinstimmung  mit  dem  Satze 
des  Widerspruchs,  aufgehoben,  daher  ist,  was  in  sich 
selbst  widersprechend  ist,  schlechterdings  unmöglich. 
Dieses  ist  aber  nicht  der  Fall,  in  dem  wir  die  gänzliche  15 
Beraubung  alles  Daseins  zu  betrachten  haben.  Denn 
darin  liegt,  wie  erwiesen  ist,  kein  innerer  Widerspruch. 
Allein  wodurch  das  Material e  und  die  Data  zu  allem 
Möglichen  aufgehoben  werden,  dadurch  wird  auch  alle 
Möglichkeit  verneint.  Nun  geschieht  dieses  durch  die  20 
Aufhebung  alles  Daseins;  also  wenn  alles  Dasein  ver- 
neint wird,  so  wird  auch  alle  Möglichkeit  aufgehoben. 
Mithin  ist  schlechterdings  unmöglich,  dass  gar  nichts 
existire.  | 

4.  [21] 

Alle  Möglichkeit  ist  in  irgend  etwas  Wirklichem  ge- 
geben, entweder  in  demselben  als  eine  Bestimmung, 
oder  durch  dasselbe  als  eine  Folge. 

Es  ist  von  aller  Möglichkeit  insgesammt,  und  von 
jeder  insonderheit  darzuthun,  dass  sie  etwas  Wirkliches, '30 
es  sei  nun  ein  Ding  oder  mehrere,  voraussetze.  Diese 
Beziehung  aller  Möglichkeit  auf  irgend  ein  Dasein  kann 
nun  zwiefach  sein.  Endweder  das  Mögliche  ist  nur 
denklich,  insofern  es  selber  wirklich  ist,  und  denn  ist  die 
Möglichkeit  in  dem  Wirklichen  als  eine  Bestimmung  ge-  35 
geben;  oder  es  ist  möglich  darum,  weil  etwas  Anders 
wirklich  ist,  d.  i.  seine  innere  Möglichkeit  ist  als  eine 
Folge   durch   ein  ander  Dasein   gegeben.     Die  erläutern- 


80    Beweisgrund  ru  einer  Demanstration  des  Daseins  Grottes 

den  Beispiele  können  noch  nicht  füglich  hier  herbeigeschafft 
werden.  Die  Natur  desjenigen  Subjekts,  welches  dcis 
einzige  ist,  das  zu  einem  Beispiele  in  dieser  Betrachtung 
dienen  kann,  soll  allererst  erwogen  werden.  Indessen 
5  bemerke  ich  nur  noch,  dass  ich  dasjenige  Wirl<liche,  durch 
welches,  als  ein  Grund,  die  innere  Möglichkeit  anderer 
[22]  gegeben  ist,  den  ersten  Real;grund  dieser  absoluten  Mög- 
lichkeit nennen  werde,  so  wie  der  Satz  des  Widerspruchs 
der  erste  logische  Grund  derselben  ist,  weil  in  der  Ueber- 

10  einstiramung  mit  ihm  das  Formale  der  Möglichkeit  liegt, 
so  wie  jenes  die  Data  und  das  Materiale  im  Denklichen 
liefert 

Ich  begreife  wohl,  dass  Sätze  von  derjenigen  Art,  als 
in  dieser  Betrachtung  vorgetragen  werden,  noch  mancher 

15  Erläuterung  bedürltig  sind,  um  dasjenige  Licht  zu  be- 
kommen, das  zur  Augenscheinlichkeit  erfordert  wird. 
Indessen  legt  die  so  sehr  abgezogene  Natur  des  Gegen- 
standes selbst  aller  Bemühung  der  grösseren  Aufkläiung 
Ilindernisse,   so  wie  die  mikroskopischen  Kunstgriffe   des 

20  Sehens  zwar  das  Bild  des  Gegenstandes  bis  zur  Unter- 
scheidung sehr  kleiner  Theile  erweitern,  aber  auch  in 
demselben  Maasse  die  Helligkeit  und  Lebhaftigkeit  des 
Eindrucks  vermindern.  Gleichwohl  will  ich  so  viel,  als  ich 
vermag,    den   Gedanken   von   dem   selbst   bei  der  Innern 

25  Möglichkeit  jederzeit   zum   Grunde   liegenden   Dasein,  in 

eine  etwas  grössere  Nahheit  zu  den  gemeineren  Begriffen 

eines  gesunden  Verstandes  zu  bringen  suchen.  | 

[23]         Ihr   erkennet,   dass   ein   feuriger  Körper,    ein  listiger 

Mensch  oder  dergleichen  etwas  Mögliches  sind,  und  wenn 

30  ich  nichts  mehr  als  die  innere  Möglichkeit  verlange, 
so  werdet  ihr  garnicht  nöthig  finden,  dass  ein  Körper 
oder  Feuer  u.  s.  w.  als  die  Data  hiezu  exibtiren  müssen; 
denn  sie  sind  einmal  denklich,  und  das  ist  genug.  Die 
Zustimmung   aber  des  Prädikats  „feurig,**   mit  dem  Sub- 

85  jekte  „Körper,"  nach  dem  Grunde  des  Widerspruchs  liegt 
in  diesen  Begriffen  selber,  sie  mögen  wirkliche  oder  bloss 
mögliche  Dingo  sein.  Ich  räume  auch  ein,  dass  weder 
Körper,  noch  Feuer  wirkliche  Dinge  sein  dürfen,  und 
gleichwohl    ein    feuriger    Körper    innerlich    möglich    sei. 

40  Allein  ich  fahre  fort,  zu  fragen:  ist  denn  ein  Körper 
selber  an  sich  möglich?  Ihr  werdet  mir,  weil  ihr  hier 
euch  nicht    auf  Erfahrung  berufen   müsset,   die  Data  zu 


I.  2.  Von  der  inneren  Möglichkeit  31 

seiner  Möglichkeit,   nämlich  Ausdehnung,  Undurchdring- 
lichkeit, Kraft,  und  wer  weiss  was  mehr,  herzählen  und 
dazusetzen,  dass  darin  kein  innerer  Widerstreit  sei.     Ich 
räume  noch  Alles  ein,  allein  ihr  müsst  mir  Rechenschaft 
geben,    weswegen  ihr   den    Begriff  der   Ausdehnung   als  5 
ein   Datum    so    gerade    anzunehmen   Eecht    habt;    denn 
gesetzt,  er  bedeute  |  nichts,  so  ist  eure  dafür  ausgegebene  [24] 
Möglichkeit  des  Körpers   ein  Blendwerk.     Es  wäre  auch 
sehr   unrichtig,    sich    auf   die   Erfahrung   wegen    dieses 
Dati    zu   berufen,   denn  es   ist  jetzt  eben  die  Frage,   ob  10 
eine  innere  Möglichkeit   des  feurigen  Körpers  stattfindet, 
wenngleich  gar  nichts  existirt.     Gesetzt,  dass  ihr  anjetzt 
nicht    mehr   den  Begriff  der  Ausdehnung  in  einfachere 
Data  zerfallen  könnt,  um  anzuzeigen,  dass  in  ihm  nichts 
Widerstreitendes    sei,    wie  ihr   denn   noth wendig   zuletzt  15 
auf  etwas,    dessen  Möglichkeit   nicht   zergliedert  werden 
kann,   kommen  müsst,  so  ist  alsdenn  hier  die  Frage:  ob 
Raum    oder  Ausdehnung  leere  Wörter  sind,    oder  ob  sie 
etwas  bezeichnen?    Der  Mangel  des  Widerspruchs  macht 
es   hier  nicht  aus;   ein   leeres  Wort  bezeichnet   niemals  20 
etwas  Widersprechendes.     Wenn  nicht  der  Raum  existirt, 
oder    wenigstens    durch    etwas   Existirendes    gegeben  ist 
als  eine  Folge,   so   bedeutet  das  Wort  Raum  gar  nichts. 
So  lange  ihr  noch  die  Möglichkeiten  durch  den  Satz  des 
Widerspruchs  bewähret,  so  fusset  ihr  euch  auf  dasjenige,  25 
was   euch   in   dem   Dinge  Denkliches   gegeben   ist,    und 
betrachtet    nur   die   Verknüpfung    nach  dieser   logischen 
Regel,  aber  am  Ende,  wenn  ihr  bedenjket,  wie  euch  denn  [25] 
dieses    gegeben    sei,    könnt    ihr    euch    nimmer    worauf 
anders,  als  auf  ein  Dasein  berufen.  30 

Allein  wir  wollen  den  Fortgang  dieser  Betrachtungen 
abwarten.  Die  Anwendung  selber  wird  einen  Begriff 
fasslicher  machen,  den,  ohne  sich  selbst  zu  übersteigen, 
man  kaum  für  sich  allein  deutlich  machen  kann,  weil  er 
von  dem  Ersten,  was  beim  Denklichen  zum  Grunde  liegt,  35 
selber  handelt. 


32    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Dritte  Betrachtung. 

Von  dem  schlechterdings  nothwendigen  Dasein. 

1. 

Begriff  der  absolut  nothwendigen  Existenz  überhaupt 

5  Schlechterdings  nothwendig  ist,  dessen  Gegentheil  an 
sich  selbst  unmöglich  ist.  Dieses  ist  eine  ungezweifelt 
richtige  Norainalerklärung.  Wenn  ich  aber  frage:  wo- 
rauf kommt  es  denn  an,  damit  das  Nichtsein  eines 
[26]  Dinges  schlechterdings  un|mÖglich   sei?   so  ist  das,    was 

10  ich  suche,  die  ßcalerklärung,  die  uns  allein  zu  unserem 
Zwecke  etwas  nützen  kann.  Alle  unsere  Begriffe  von 
der  inneren  Nothwendigkeit  in  den  Eigenschaften  mög- 
licher Dinge,  von  welcher  Art  sie  auch  sein  mögen, 
laufen    darauf   hinaus,   dass   das  Gegentheil   sich   selber 

15  widerspricht.  Allein  wenn  es  auf  eine  schlechterdings 
nothwendige  Existenz  ankommt,  so  würde  man  mit 
schlechtem  Erfolg  durch  das  nämliche  Merkmal  bei  ihr 
etwas  zu  verstehen  suchen.  Das  Dasein  ist  gar  kein 
Prädikat    und   die    Aufhebung   des   Daseins    keine    Ver- 

20  neinung  eines  Prädikats,  wodurch  etwas  in  einem  Dinge 
sollte  aufgehoben  werden,  und  ein  innerer  Widerspruch 
entstehen  können.  Die  Aufliebung  eines  existirenden 
Dinges  ist  eine  völlige  Verneinung  alles  desjenigen,  was 
schlechthin    oder    absolute    durch    sein    Dasein    gesetzt 

25  würde.  Die  logischen  Beziehungen  zwischen  dem  Dinge 
als  einem  MöKÜchen  und  seinen  Prädikaten  bleiben 
gleichwohl.  Allein  diese  sind  ganz  was  Anders  als 
die  Position  des  Dinges  zusammt  seinen  Prädikaten 
schlechthin,    als   worin    das    Dasein    besteht.      Demnach 

30  wird  nicht  ebendasselbe,  was  in  dem  Dinge  gesetzt  wird, 

[27]  sondern   was   Anders  |  durch    das    Nichtsein   aufgehoben, 

und    ist  demnach   hierin  niemals  ein  Widerspruch.     In 

der  letztern  Betrachtung   dieses  Werks  wird  Alles  dieses 

in  dem  Falle,  da  man   die  absolut-nothwendige  Existenz 

35  wirklich  vermeint  hat  durch  den  Satz  des  Widerspruchs 
zu  begreifen ,  durch  eine  klare  Entwickelung  dieser  Un- 
tauglichkeit  überzeugender  gemacht  werden.  Man  kann 
indessen    die    Nothwendigkeit    in    den   Prädikaten   bloss 


I.  3.  Von  dem  nothwendigen  Dasein  33 

mögliclier  Begriffe  die  logische  Nothwendigkeit  nennen. 
Allein  diejenige,  deren  Hauptgrund  ich  aufsuche,  näm- 
lich die  des  Daseins,  ist  die  absolute  Realnothwendigkeit. 
Ich  finde  zuerst:  dass,  was  ich  schlechterdings  als  nichts 
und  unmöglich  ansehen  soll,  das  müsse  alles  Denkliche  5 
vertilgen.  Denn  bliebe  dabei  noch  etwas  zu  denken 
übrig,  so  wäre  es  nicht  gänzlich  undenklich  und  schlecht- 
hin unmöglich. 

Wenn  ich  nun  einen  Augenblick  nachdenke,  weswegen 
dasjenige,   was  sich  widerspricht,  schlechterdings  nichts  10 
und  unmöglich   sei,   so  bemerke  ich:  dass,  weil  dadurch 
der   Satz  des   Widerspruchs,   der  letzte   logische    Grund 
alles  Denklichen,  aufgehoben  |  wird,  alle  Möglichkeit  ver-  [28] 
schwinde,    und    nichts    dabei   mehr   zu   denken  sei.     Ich 
nehme   daraus   alsbald   ab,   dass,  wenn   ich  alles  Dasein  15 
überhaupt   aufhebe,  und   hiedurch   der   letzte   Eealgrund 
alles    Denklichen   wegfällt,    gleichfalls   alle    Möglichkeit 
verschwindet,   und  nichts   mehr  zu  denken  bleibt.     Dem- 
nach  kann   etwas   schlechterdings  nothwendig   sein,  ent- 
weder  wenn    durch    sein   Gegentheil   das    Formale   alles  20 
Denklichen  aufgehoben  wird,  das  ist,  wenn  es  sich  selbst 
widerspricht,  oder  auch,  wenn  sein  Nichtsein  das  Materiale 
zu   allem  Denklichen  und   alle  Data  dazu  aufhebt.     Das 
Erste  findet,  wie  gesagt,  niemals  beim  Dasein   statt,  und 
weil  kein  Drittes  möglich  ist,  so  ist  entweder  der  Begriff  25 
von  der   schlechterdings  nothwendigen  Existenz   gar  ein 
täuschender  und  fiilscher  Begriff,  oder  er  muss  darin  be- 
ruhen, dass  das  Nichtsein  eines  Dinges  zugleich  die  Ver- 
neinung von  den  Datis   zu  allem  Denklichen  sei.     Dass 
aber  dieser  Bogriff  niclit  erdichtet,  sondern  etwas  Wahr-  30 
haftes  sei,  erhellt  auf  folgende  Art.  | 

2.  {23] 

Es  existirt  ein  schlechterdings  nothwendiges  Wiesen. 

Alle  Möglichkeit  setzt  etwas  Wirkliches  voraus,  worin 
und  wodurch  alles  Denidiche  gegeben  ist.  Demnach  35 
ist  eine  gewisse  Wirklichkeit,  deren  Aufhebung  selbst 
alle  innere  Möglichkeit  überhaupt  aufheben  würde.  Das- 
jenige aber,  dessen  Aufhebung  oder  Verneinung  alle 
Möglichkeit   vertilgt,     ist      schechterdings     nothwendig. 

Kant,  kl.  Schrifteuz.  Ethik,  ir.  3 


34    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Demnach  existirt  etwas  absolut  nothwendiger  Weisfr. 
Bis  dahin  erhellt,  dass  ein  Dasein  eines  oder  mehrerer 
Dinge  selbst  aller  Möglichkeit  zum  Grunde  liege,  und 
dass  dieses  Dasein  an  sich  selbst  nothwendig  sei.  Man 
5  kann  hieraus  auch  leichtlich  den  Begriff  der  Zufälligkeit 
abnehmen.  Zufällig  ist  nach  der  Worterklärung,  dessen 
Gegentheil  möglich  ist.  Um  aber  die  Sacherklärung 
davon  zu  finden,  so  muss  man  auf  folgende  Art  unter- 
scheiden.    Im    logischen  Verstände  ist  dasjenige  als  ein 

10  Prädikat  an   einem   Subjekte    zufällig,   dessen   Gegentheil 

demselben    nicht    widerspricht.      Z.   E.    einem    Triangel 

überhaupt   ist    es   zufällig,    dass   er  rechtwinklicht  sei.  | 

[30]  Diese    Zufälligkeit    findet    lediglich    bei    der    Beziehung 

der  Prädikate   zu   ihren  Subjekten   statt,  und  leidet,  weil 

15  das  Dasein  kein  Prädikat  ist,  auch  gar  keine  Anwendung 
auf  die  Existenz.  Dagegen  ist  im  Realverstande  zu- 
fallig dasjenige,  dessen  Nichtsein  zu  denken  ist,  das  ist 
dessen  Aufhebung  nicht  alles  Denkliche  aufhebt.  Wenn 
demnach  die   innere  Möglichkeit  der  Dinge  ein  gewisses 

20  Dasein  nicht  voraussetzt,  so  ist  dieses  zufällig,  weil  sein 
Gegentheil  die  Möglichkeit  nicht  aufhebt.  Oder:  das- 
jenige Dasein,  wodurch  nicht  das  Materialo  zu  allem 
Denklichen  gegeben  ist,  ohne  welches  also  noch  etwas 
zu   denken   (das  ist:  möglich)  ist,  dessen  Gegentheil  ist 

25  im  Ptoalverstande  möglich,  und  das  ist  in  ebendemselben 
Verstände  auch  zufällig. 

3. 

Das  nothwendige  Wesen  ist  einig. 

Weil    das  nothwendige   Wesen  den  letzten  Realgrund 
30  aller    andern    Möglichkeit    enthält,    so    wird    ein    jedes 
andere    Ding    nur    möglich    sein,    insofern  es  durch  ihn 
[31]  als   einen   Grund  gegeben   ist.  |  Demnach  kann  ein  jedes 
andere  Ding  nur  als  eine  Folge  von  ihm  stattfinden,  und 
ist  also   aller   andern  Dinge  Möglichkeit  und  Dasein  von 
35  ihm   abhängend.     P^twas   aber,  was  selbst  abhängend  ist, 
enthält    nicht    den    letzen    Realgrund    aller    Möglichkeit 
und  ist  demnach  nicht  schlechterdings  nothwendig.     Mit- 
hin können  nicht  mehrere  Dinge  absolut  nothwendig  sein. 
Setzet,    A  sei    ein   nothwendigcs  Wesen   und  B  ein 
40  anderes.     So   ist    vermöge  der  Erklärung  B  nur  insofern 


I.  3.  Von  dem  nothwendigen  Dasein  35 

möglich,  als  es  durch  einen  andern  Grund  Ä,  als  die 
Folge  desselben  gegeben  ist.  Weil  aber  vermöge  der 
Voraussetzung  B  selber  nothwendig  ist,  so  ist  seine 
Möglichkeit  in  ihm  als  ein  Prädikat,  und  nicht  als  eine 
Folge  aus  einem  andern,  und  doch  nur  als  eine  Folge  5 
laut  dem  Vorigen  gegeben,  welches  sich  widerspricht. 

4. 

Das  nothwendige  Wesen  ist  einfach. 

Dass   kein    Zusammengesetztes    aus   viel    Substanzen 
ein  schlechterdings  noth wendiges  Wesen  sein  könne,  er-  10 
hellt  auf  folgende  Art.     Setzet,   es  |  sei   nur  eins  seiner  [32] 
Theile    schlechterdings   nothwendig,    so   sind    die   andern 
nur  insgesammt  als  Folgen  durch  ihn  möglich,    und  ge- 
hören nicht  zu  ihm  als  Nebentheile.     Gredenket  euch,  es 
wären  mehrere  oder  alle  nothwendig,  so  widerspricht  dieses  15 
der   vorigen  Nummer.     Es   bleibt  demnach  nichts  übrig, 
als   sie  müssen   ein  jedes    besonders   zufällig,    alle   aber 
zusammen  schlechterdings  nothwendig  existiren.    Nun  ist 
dieses  aber  unmöglich,  weil  ein  Aggregat  von  Substanzen 
nicht   mehr  Nothwendigkeit  im  Dasein   haben  kann,   als  20 
den  Theilen  zukommt,  und  da  diesen  gar  keine  zukommt, 
sondern  ihre  Existenz  zufällig  ist,  so  würde  auch  die  des 
Ganzen  zufällig  sein.     Wenn  man  gedächte,  sich  auf  die 
Erklärung  des    nothwendigen  Wesens  berufen  zu  können, 
so  dass  man  sagte,   in  jeglichem   der  Theile  wären  die  25 
letzten  Data  einiger  Innern  Möglichkeit,  in  allen  zusammen 
alles  Mögliche  gegeben,  so  würde  man  etwas  ganz  Un- 
gereimtes, nur  auf  eine  verborgene  Art,  vorgestellt  haben. 
Denn  wenn  man  sich  alsdenn  die  innere  Möglichkeit  so 
gedenkt,    dass  einige  können  aufgehoben  werden,    doch  30 
so,   dass   übrigens,    was   durch   die   andern  Theile   noch 
Denkliches  gegeben  worden,  |  bliebe,  so  müsste  man  sich  [33] 
vorstellen,  es  sei  an  sich  möglich,  dass  die  innere  Mög- 
lichkeit  verneint   oder   aufgehoben    werde.     Es   ist    aber 
gänzlich  undenklich  und  widersprechend,  dass  etwas  nichts  35 
sei,  und  dieses  will  soviel  sagen :  eine  innere  Möglichkeit 
aufheben,  ist  alles  Denkliche  vertilgen,  woraus  erhellt,  dass 
die   Data    zu    jedem    Denklichen    in    demjenigen    Dinge 
müssen  gegeben  sein,  dessen  Aufhebung  auch  das  Gegen- 
theil   aller  Möglichkeit  ist,  dass  also,   was   dea    letzten   40 

3* 


86    Beweisgiund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 


^o 


Grund  von  einer  inneren  Möglichkeit  enthält,  ihn  auch 
von  aller  überhaupt  enthalte,  mithin  dieser  Grund  nicht 
in  verschiedenen  Substanzen  vertheilt  sein  könne. 

5. 

5         Das  nothwendige  AVesen  ist  unveränderlich 

und  ewig. 

Weil  selbst  seine  eigene  Möglichkeit  und  jede  andere 
dieses  Dasein  voraussetzt,  so  ist  keine  andere  Art  der 
Existenz  desselben  möglich,  das  heisst,  es  kann  das  noth- 

10  wendige  Wesen  nicht  auf  vielerlei  Art  existiren.    Nämlich 

Alles,  was   da   ist,   ist  durchgängig  bestimmt;  da  dieses 

Wesen  nun  lediglich  darum  möglich  ist,  weil  es  existirt, 

[34]  so  findet  keine  Möglichkeit  desselben  |  statt,  ausser  insofern 

CS   in  der  That  da  ist;  es  ist  also  auf  keine  andere  Art 

15  möglich,  als  wie  es  wirklich  ist.  Demnach  kann  es  nicht 
auf  andere  Art  bestimmt  oder  verändert  werden.  Sein 
Nichtsein  ist  schlechterdings  unmöglich,  mithin  auch  sein 
Ursprung  und  Untergang,  demnach  ist  es  ewig. 


20  Das  nothwendige  AVesen  enthält  die  höchste  Realität. 

Da  die  Data  zu  aller  Möglichkeit  in  ihm  anzutreffen 
sein  müssen,  entweder  als  Bestimmungen  desselben,  oder 
als  Folgen,  die  durch  ihn  als  den  ersten  Realgrund  ge- 
geben  sipd,   so   sieht   man,   dass   alle  Realität  auf  eine 

25  oder  andere  Art  durch  ihn  begriffen  sei.  Allein  eben- 
dieselben Bestimmungen,  durch  die  dieses  Wesen  der 
höchste  Grund  ist  von  anderer  möglichen  Realität, 
setzen  in  ihm  selber  den  grossesten  Grund  realer  Eigen- 
schaften,   der   nur  immer  einem  Dingo    beiwohnen  kann. 

80  Weil  ein  solches  Wesen  also  das  realste  unter  allen 
möglichen  ist,  indem  sogar  alle  anderen  nur  durch  das- 
selbe möglich  sind,  so  ist  dieses  nicht  so  zu  verstehen, 
dass  alle  mögliche  Realität  zu  seinen  Bestimmungen 
[35]  gehöre.     Dieses   ist  eine  |  Vermengung  der  Begriffe,  die 

35  bis  dahin  ungemein  geherrscht  hat.  Man  ertheilt  alle 
Realitäten  Gott  oder  dem  nothweudigen  Wesen  ohne 
Unterschied   als    Prädikate,    ohne    wahrzunehmen,    dass 


I.  3.  Von  dem  nothwendigen  Dasein  37 

sie    nimmermehr    in    einem    einzigen    Subjekt    als    Be- 
stimmungen   neben   einander  können   statt   finden.      Die 
ündurchdringlichkeit  der  Körper,  die  Ausdehnung  u.  dgl. 
können   nicht  Eigenschaften  von    demjenigen    sein,    der 
Verstand   und   Willen   hat.     Es   ist   auch  umsonst,   eine  5 
Ausflucht  darin   zu  suchen,  dass  man  die  gedachten  Be- 
schaffenheiten   nicht   für    wahre  Realität   halte.     Es    ist 
ohne  allen  Zweifel  der  Stoss  eines  Körpers  oder  die  Kraft 
des  Zusammenhanges   etwas  wahrhaftig  Positives.     Eben- 
so ist   der  Schmerz  in  den   Empfindungen   eines  Geistes  10 
nimmermehr  eine   blosse    Beraubung.      Ein    irriger   Ge- 
danke  hat   eine    solche    Vorstellung    dem    Scheine   nach 
gerechtfertigt.     Es  heisst:    Realität  und  Realität  wider- 
sprechen einander  niemals,  weil  beides  wahre  Bejahungen 
sind;    demnach    widerstreiten   sie    auch    einander    nicht  15 
in  einem   Subjekte.     Ob  ich  nun   gleich  einräume,  dass 
hier  kein  logischer  Widerspruch  sei,  so  ist  dadurch  doch 
nicht  die  Realrepugnanz  gehoben.  Diese  findet  jederzeit  statt, 
wenn  etwas,  als  ein  Grund,  die  Folge  von  etwas  Anderem  ! 
durch   eine  reale  Entgegensetzung  vernichtigt.     Die  Be-  [36] 
wegungskraft   eines    Körpers  nach  einer   Direktion,   und 
die  Tendenz  mit  gleichem  Grade  in  entgegengesetzter  stehen 
nicht  im  Widerspruche.     Sie  sind  auch  wirklich  zugleich 
in   einem    Körper   möglich.      Aber    eine   vernichtigt   die 
Realfolge  aus  der  andern,   und    da  sonst  von  jeder  ins-  25 
besondere  die  Folge  eine  wirkliche  Bewegung  sein  würde, 
so  ist  sie  jetzt  von  beiden  zusammen  in  einem  Subjekte  0, 
das    ist,    die    Folge   von   diesen   entgegengesetzten  Be- 
wegungskräften  ist   die   Ruhe.    Die   Ruhe  aber  ist  ohne 
allen  Zweifel  möglich,  woraus  man  denn  auch  sieht,  dass  30 
die  Realrepugnanz  ganz  was  Anders  sei,  als  die  logische 
oder   der  Widerspruch;   denn  das,   was   daraus  folgt,  ist 
schlechterdings  unmöglich.   Nun  kann  aber  in  dem  aller- 
realsten  Wesen  keine  Realrepugnanz  oder  positiver  Wider-  - 
streit  seiner  eigenen  Bestimmungen  sein,  weil  die  Folge  35 
davon    eine  Beraubung   oder  Mangel  sein  würde,  welches 
seiner   höchsten  Realität  widerspricht,  und  da,  wenn  alle 
Realitäten  in  demselben  als  Bestimmungen  lägen,  ein  solcher 
Widerstreit  entstehen  müsste,  so  können  sie  nicht  insge- 
sammt  als  Prädikate  in  ihm   sein,  mithin,  weil  sie  doch  40 
alle  durch  ihn  gegeben    sind,  werden  sie  ent| weder  zu  [37] 
seinen  Bestimmungen  oder  Folgen  gehören. 


38     Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Es  könnte  auch  beim  ersten  Anblick  scheinen  zu 
folgen:  dass,  weil  das  nothwcndige  Wesen  den  letzten 
Kealgrund  aller  andern  Möglichlvcit  enthfilt,  in  ihm  auch 
der  Grund  der  Mängel  und  Verneinungen  der  Wesen 
5  der  Dinge  liegen  müsse,  welches,  wenn  es  zugelassen 
würde,  auch  de.  Schluss  veranlassen  dürfte,  dass  es 
selbst  Negationen  unter  seinen  Prädikaten  haben  müsse, 
und  nimmermehr  nichts  als  Realität.  Allein  man  richte 
nur   seine  Augen  auf  den  einmal    festgesetzten    Begriff 

10  desselben.  In  seinem  Dasein  ist  seine  eigene  Möglich- 
keit ursprünglich  gegeben.  Dadurch,  dass  es  nun  andere 
Möglichkeiten  sind,  wovon  es  den  ßealgrund  enthält,  folgt 
nach  dem  Satze  des  Widerspruchs,  dass  es  nicht  die 
Möglichkeit    des    realsten    Wesens    selber,    und     daher 

15  solche  Möglichkeiten,  welche  Verneinungen  und  Mängel 
enthalten,  sein  müssen. 

Demnach  beruht  die  Möglichkeit  aller  andern   Dinge, 

[38]  in    Ansehung    dessen,    was    in  ihnen  |  real  ist,  auf  dem 

nothwendigen  Wesen,   als  einem  Realgrunde,  die  Mängel 

20  aber  darauf,  weil  es  andere  Dinge  und  nicht  das  Ur- 
wesen  selber  sind,  als  einem  logischen  Grunde.  Die 
Möglichkeit  des  Körpers,  insofern  er  Ausdehnung,  Kräfte 
u.  dgl.  hat,  ist  in  dem  obersten  aller  Wesen  gegründet; 
insofern   ihm    die    Kraft    zu    denken    gebricht,    so  liegt 

25  diese  Verneinung  in  ihm  selbst,  nach  dem  Satz  des 
Widerspruchs. 

In  der  That  sind  Verneinungen  an  sich  selbst  nicht 
Etwas,  oder  denklich,  welches  man  sich  leichtlich  auf 
folgende    Art  fasslich  machen  kann.     Setzet    nichts    als 

80  Negationen,  so  ist  gar  nichts  gegeben,  und  kein  Etwas, 
das  zu  denken  wäre.  Verneinungen  sind  also  nur  durch 
die  entgegengesetzten  Positionen  denklich,  oder  vielmehr 
es  sind  Positionen  mtiglich,  die  nicht  die  grössten  sind. 
Und    hierin    liegen   schon  nach   dem  Satze  der  Identität 

35  die  Verneinungen  selber.  Es  fällt  auch  leicht  in  die 
Augen,  dass  alle  den  Möglichkeiten  anderer  Dinge  bei- 
wohnenden Verneinungen  keinen  Realgrund  (weil  sie  nichts 
Positives  sind),  mithin  lediglich  einen  logischen  Grund 
voraussetzen.  I 


I.  4.  Beweisgr.  zu  einer  Demonstration  etc.  39 

Vierte  Betrachtung.  [391 

Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des 
Daseins  GOttes. 

1. 

Das  nothwendige  Wesen  ist  ein  Geist.  5 

Es  ist  oben  bewiesen,  dass  das  nothwendige  Wesen 
eine  einfache  Substanz  sei,  imgleichen  dass  nicht  allein 
alle  andere  Realität  durch  dasselbe,  als  einen  Grund  ge- 
geben sei,  sondern  auch  die  grössest  mögliche,  die  in 
einem  "Wesen  als  Bestimmung  kann  enthalten  sein,  ihm  lÖ 
beiwohne.  Nun  können  verschiedene  Beweise  geführt 
werden,  dass  hiezu  auch  die  Eigenschaften  des  Verstandes 
und  Willens  gehören.  Denn  erstlich,  beides  ist  wahre 
Realität,  und  beides  kann  mit  der  grössest  möglichen  in 
einem  Dinge  beisammen  bestehn,  welches  Letztere  man  15 
durch  ein  unmittelbares  ürtheil  des  Verstandes  einzuräumen 
sich  gedrungen  sieht,  ob  es  zwar  nicht  füglich  zu  der- 
jenigen Deutlichkeit  gebracht  werden  kann,  welche  logisch 
vollkommene  Beweise  erfordern.  | 

Zweitens   sind   die  Eigenschaften   eines  Geistes,    Ver-  [40] 
stand    und    Willen,    von    der   Art,  dass   wir   uns    keine 
Realität   denken    können,    die    in  Ermangelung  derselben 
einem   Wesen  eine  Ersetzung  thun   könnte,   welche   dem 
Abgang  derselben  gleich  wäre.   Und  da  diese  Eigenschaften 
also  diejenigen  sind,  welche  der  höchsten  Grade  der  Realität  25 
fähig  sind,  gleichwohl  aber  unter  die  möglichen  gehören, 
so  müsste  durch  das  nothwendige  Wesen,  als  einen  Grund, 
Verstand  und  Wille  und  alle  Realität  der  geistigen  Natur 
an   andern  möglich  sein,    die   gleichwohl  in   ihm   selbst 
nicht     als     eine    Bestimmung    angetroffen    würde.       Es  30 
würde   demnach   die  Folge   grösser   sein,   als    selbst   der 
Grund.     Denn   es    ist  gewiss,    dass,   wenn    das  höchste 
Wesen  nicht  selbst  Verstand  und  Willen  hat,    ein  jedes 
andere,  welches  durch  ihn    [es]  mit  diesen  Eigenschaften 
gesetzt     würde,    ohnerachtet    es  abhängend    wäre     und  35 
mancherlei  andere  Mängel  der  Macht  u.  s.  w.  hätte,  gleich- 
wohl in  Ansehung  dieser  Eigenschaften  von  der  höchsten 
Art  jenem    in  Realität   vorgehen  müsste.     Weil  nun  die 


40    Beweisgruud  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Folge  den  Grund  nicht  übertreffen  kann,  so  müssen  Ver- 
stand und  Wille  der  notliwendigen  einfachen  Substanz  als 
[41]  Ei^enscharten  beiwohnen,  das  ist,  sie  ist  ein  Geist.  | 

Drittens:  Ordnung,  Schönheit,  Vollkommenheit  in  Allem, 
5  was  mö:,^lich  ist,  setzen  ein  Wesen  voraus,  in  dessen 
Kigenscliaften  entweder  diese  Beziehungen  gegründet  sind, 
oder  doch  wenigstens,  durch  welches  Wesen  die  Dinge 
diesen  Beziehungen  gemäss,  als  aus  einem  Hauptgrunde, 
möglich    sind.      Nun    ist    das    nothwendige    Wesen   der 

10  hinlängliche  Realgrund  alles  Andern,  was  ausser  ihm 
möglich  ist;  folglich  wird  in  ihm  auch  diejenige  Eigen- 
schaft, durch  welche,  diesen  Beziehungen  gemäss,  Alles 
ausser  ihm  wirklich  werden  kann,  anzutreffen  sein.  Es 
scheint  aber,  dass  der  Grund  der  äussern  Möglichkeit,  der 

15  Ordnung,  Schönheit  und  A'ollkomraenheit  nicht  zureichend 
ist,  wofern  nicht  ein  dem  Verstände  gemässer  Wille  vor- 
aus gesetzt  ist.  Also  werden  diese  Eigenschaften  dem 
obersten  Wesen  müssen  beigemessen  werden. 

Jedermann  erkennt,  dass  ungeachtet  aller  Gründe  der 

20  Hervorbringung  von  Pflanzen  und  Bäumen  dennoch  regel- 
mässige Blumenstücke,   Alicen   u.  dgl.   nur   durch  einen 
Verstand,  der  sie  entwirft,  und  durch  einen  Willen,   der 
sie    ausführt,   möglich   seien.     Alle   Macht   oder  Hervor- 
[42]  bringungskraft,  imgleichen  alle  anderen  |  Data  zur  Möglich- 

25  keit  ohne  einen  Verstand  sind  unzulänglich,  die  Möglichkeit 
solcher  Ordnung  vollständig  zu  maciien. 

Aus  einem  dieser  hier  angeführten  Gründe,  oder  aus 
allen  insgesammt,  wird  der  Beweis,  dass  das  nothwendige 
Wesen  Willen  und  Verstand  haben,  mithin  ein  Geist  sein 

30  müsse,  hergeleitet  werden  können.  Ich  begnüge  mich 
bloss ,  den  Beweisgrund  vollständig  zu  machen.  Meine 
Absicht  ist  nicht,  eine  förmliche  Demonstration  darzulegen. 

2. 

Es  ist  ein  GOtt. 

35  Es  existirt  etwas  schlechterdings  nothwendig.  Dieses 
ist  einig  in  seinem  Wesen,  einfach  in  seiner  Substanz, 
ein  Geist  nacli  seiner  Natur,  ewig  in  seiner  Dauer,  un- 
veränderlich in  seiner  Beschaffenheit,  allgenugsam  in 
Ansehung   alles   Möglichen   und   Wirklichen.     Es  ist  ein 

40  GOtt     Ich    gebe   hier   keine   bestimmte    Erklärung   von 


I.  4.  Beweisgr.  zu  einer  Demonstration  etc.  41 

dem  Begriffe  von  GOtt.     Ich  müsste   dieses  thun,    wenn 
ich    meinen    Gegenstand   systematisch  betrachten    wollte. 
Was    ich  hier   darlege,    soll   die  Analyse   sein,    dadurch 
man  sich  zur  form  j  liehen  Lehrverfassung  tüchtig  machen  [43] 
kann.      Die    Erklärung    des  Begriffs   der    Gottheit    mag  6 
indessen   angeordnet  werden,    wie  man  es  für  gut  findet, 
so  bin  ich    doch  gewiss,    dass  dasjenige  Wesen,    dessen 
Dasein    wir    nur   eben   bewiesen   haben,     eben   dasjenige 
göttliche  Wesen  sei,    dessen  Unterscheidungszeichen  man 
auf  eine  oder  die  andere  Art  in  die  küi'zeste  Benennung  10 
bringen  wird. 

3. 

Anmerkung. 

Weil  aus  der  dritten  Betrachtung  nichts  mehr  erhellt, 
als    dass    alle   Eealität   entweder    in   dem    nothwendigen 
Wesen    als   eine  Bestimmung,    oder   durch   dasselbe   als  15 
einen  Grund   müsse    gegeben    sein,   so   würde  bis    dahin 
unentschieden  bleiben,  ob  die  Eigenschaften  des  Verstandes 
und  Willens  in  dem  obersten  Wesen  als  ihm  beiwohnende 
Bestimmungen  anzutreffen  seien,  oder  bloss  durch  dasselbe 
an    anderen  Dingen   als  Folgen  anzusehen  wären.     Wäre  20 
das  Letztere,    so   würde,   ohnerachtet  aller  Vorzüge,    die 
von  diesem  Ürwesen  aus  der  Zulänglichkeit,  Einheit  und 
Unabhängigkeit  seines  Daseins  als  eines  grossen  Grundes 
in  die  Augen  leuchten,  doch  seine  Na  |tur  derjenigen  weit  [44] 
nachstehen,  die  man  sich  denken  muss,  wenn  man  einen  25 
Gott   denkt.      Denn   selber    ohne  Erkenntniss   und  Ent- 
schliessung  würde  es  ein  blindlings  nothwendiger  Grund 
anderer  Dinge  und  sogar  anderer  Geister  sein,    und  sich 
von  dem  ewigen  Schicksale  einiger  Alten  in  nichts  unter- 
scheiden, als  dass  es  begreiflicher  beschrieben  wäre.   Dies  30 
ist   die  Ursach,   weswegen    in  jeder  Lehrverfassung  auf 
diesen   Umstand    besonders  gesehen   werden   muss,    und 
warum    wir    ihn    nicht    haben    aus    den    Augen    setzen 
können. 

Ich  habe  in  dem  ganzen  Zusammenhange  aller  bisher  35 
vorgetragenen,     zu    meinem    Beweise    gehörigen   Gründe 
nirgend  des   Ausdrucks   von   „Vollkommenheit"   gedacht. 
Nicht   als   wenn  ich  dafür  hielte,  alle  Eealität  sei  schon 
so   viel  wie   alle  Vollkommenheit,   oder  auch  die  grösste 


42    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Zusammenstimmung  zu  Einem  mache  sie  aus.  Ich  habe 
wichtige  Ursachen,  von  diesem  Urtheile  vieler  Andern 
sehr  abzugehen.  Nachdem  ich  lange  Zeit  über  den 
Begriff  der  Vollkommenheit  insgemein  oder  insbesondere 
5  sorgfältige  Untersuchungen  angestellt  habe,  so  bin  ich 
belehrt  worden,  dass  in  einer  genauem  Kenntniss  der- 
[45]  selben  überaus  |  viel  verborgen  liege,  was  die  Natur  eines 
Geistes,  unser  eigen  Gefühl,  und  selbst  die  ersten  Begriffe 
der  praktischen  Weltweisheit  aufklären  kann. 

10  Ich  bin  inne  geworden,  dass  der  Ausdruck  der  Voll- 
kommenheit zwar  in  einigen  Fällen  nach  der  Unsicher- 
heit jeder  Sprache  Ausartungen  von  dem  eigenthümlichen 
Sinne  leide,  die  ziemlich  weit  abweichen,  dass  er  aber  in 
der  Bedeutung,  darauf  hauptsächlich  Jedermann  selbst  bei 

15  jenen  Abirrungen  Acht  hat,  allemal  eine  Beziehung  auf 
ein  Wesen,  welches  P^rkenntuiss  und  Begierde  hat,  vor- 
aussetze. Da  es  nun  viel  zu  weitläuftig  geworden  sein 
würde,  den  Beweisgrund  von  GOtt  und  der  ihm  bei- 
wohnenden  Realität   bis   zu   dieser   Beziehung   hindurch- 

20  zuführen,  ob  es  zwar  vermöge  dessen,  was  zum  Grunde 
liegt,  gar  wohl  thunlich  gewesen  wäre,  so  habe  ich  es 
der  Absicht  dieser  Blätter  nicht  gemäss  befunden,  durch 
die  Herbeiziehung  dieses  Begriffs  Anlass  zu  einer  all- 
zugrossen  Weitläuftigkeit  zu  geben. 

25  4. 

Beschluss. 

Ein  Jeder  wird   sehr  leicht  nach    dem,   wie  gedacht, 

[46]  geführten  Beweise    so  offenbare  Folgerungen  hinzu  |  fügen 

können,    als   da  sind:  Ich,   der   ich  denke,    bin  kein  so 

30  schlechterdings  nothwendiges  Wesen,  denn  ich  bin  nicht 
der  Grund  aller  Realität,  ich  bin  veränderlich:  Kein 
ander  Wesen ,  dessen  Nichtsein  möglich  ist,  das  ist, 
dessen  Aufhebung  nicht  zugleich  alle  Möglichkeit  auf- 
hebt,  kf'in  veränderliclies  Ding  oder  in  welchem  Schran- 

35  ken  sind,  mithin  auch  nicht  die  Welt,  ist  von  einer 
solchen  Natur:  Die  Welt  ist  nicht  ein  Accidens  der 
Gottheit,  weil  in  ihr  Widerstreit,  Mängel,  Veränder- 
lichkeit, alles  Gegenthcile  der  Bestimmungen  einer  Gott- 
heit, angetroffen   werden:  GOtt  ist   nicht  die  einige  Sub- 


I.  4.  Beweisgr.  zu  einer  Demonstation  etc.  43 

stanz,    die   da  existirt,    und    alle    andre    sind    nur    ab- 
häng"end  von  ihm  da  u.  s.  w. 

Ich  bemerke  hier  nur  noch  Folgendes.    Der  Beweisgrund 
von    dem    Dasein  GOttes,  den    wir    geben,    ist   lediglich 
darauf  erbauet,  weil  etwas  möglich  ist.     Demnach  ist  er  5 
ein    Beweis,    der   vollkommen    a  priori    geführt   werden 
kann.      Es    wird   weder    meine    Existenz,    noch   die  von 
andern    Geistern,    noch    die   von    der   körperlichen  Welt 
vorausgesetzt.    Er  ist  in  der  That  von  dem  innern  Kenn- 
zeichen der  absoluten  Nothwendigkeit  hergenommen.  Man  10 
«rkennt  auf  |  diese  Weise   das  Dasein  dieses  Wesens  aus  [47] 
demjenigen,    was   wirklich   die    absolute    Nothwendigkeit 
desselben  ausmacht,  also  recht  genetisch. 

Alle  Beweise ,  die  sonsten  von  den  Wirkungen  dieses 
Wesens  auf  sein,  als  einer  Ursach.  Dasein  geführt  15 
werden  möchten,  gesetzt  dass  sie  auch  so  strenge  be- 
weisen möchten,  als  sie  es  nicht  thun,  können  doch 
niemals  die  Natur  dieser  Nothwendigkeit  begreiflich 
machen.  Bloss  daraus,  dass  etwas  schlechterdings  noth- 
wendig  existirt,  ist  es  möglich,  dass  etwas  eine  erste  20 
ürsach  von  andern  sei,  aber  daraus,  dass  etwas  eine 
erste ,  das  ist  unabhängige  "ürsach  ist ,  folgt  nur,  dass, 
wenn  die  Wirkungen  da  sind,  sie  auch  existiren  müsse, 
nicht  aber,  dass  sie  schlechterdings  uothwendiger  Weise 
da  sei.  25 

Weil    nun    ferner    aus    dem    angepriesnen    Beweis- 
grunde   erhellt,   dass  alle  Wesen  anderer  Dins'e  und  das 
Eeale   aller   Möglichkeit  in   diesem  einigen    Wesen    ge- 
gründet   sei,    in   welchem   die   grössten   Grade  des  Ver- 
standes  und   eines  Willens,    der   der  grössest   mögliche  30 
Orund   ist,  anzutreffen,  und  weil  in  einem  solchen  Alles 
in  der  äusserst  möglichen  Uebereinstim  |  mung  sein  muss,  [48] 
so    wird    daraus   schon    zum    voraus    abzunehmen   sein, 
dass,  da  ein  Wille  jederzeit  die  innere  Möglichkeit  der  Sachö 
selbst  voraussetzt,     der  Grund  der  Möglichkeit,   das  ist  35 
das  Wesen  GOttes,   mit  seinem  Willen  in  der  grossesten 
Zusammenstimmung    sein    werde,    nicht   als    wenn  GOtt 
durch  seinen  Willen  der  Grund  der  inneren  Möglichkeit 
wäre,   sondern   weil  ebendieselbe  unendliche    Natur,   die 
die  Beziehung  eines  Grundes    auf  alle  Wesen   der  Dinge  40 
hat,   zugleich  die   Beziehung  der  höchsten  Begierde  auf 
die   dadurch    gegebenen  grossesten  Folgen  hat,    und  die 


44    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

letztere  nur  durch  die  Voraussetzung  der  erstem  frucht- 
bar sein  kann.  Demnach  werden  die  Möglichkeiten  der 
Dinge  selbst,  die  durch  göttliche  Natur  gegeben  sind, 
mit  seiner  grossen  Begierde  zusammenstimmen.  In 
5  dieser  Zusamraenstimmung  aber  besteht  das  Gute  und  die 
Vollkommenheit.  Und  weil  sie  mit  einem  übereinstimmen, 
so  wird  selbst  in  den  Möglichkeiten  der  Dinge  Einheit, 
Harmonie  und  Ordnung  anzutreffen  sein. 

Wenn   wir   aber   auch  durch   eine  reife  Beurtheilung 

10  der  wesentlichen  Eigenschaften  der  Dinge,  die  uns  durch 

[40]  Erfahrung  bekannt  werden,   selbst  in  j  den  nothwendigen 

Bestimmungen   ihrer  innern  Möglichkeit  eine  Einheit  im 

Mannigfaltigen   und   Wohlgereimtheit  in   dem  Getrennten 

wahrnehmen,   so   werden  wir  durch  den  Erkenntnissweg 

15  a  posteriori  auf  ein  einiges  Principium  aller  Möglichkeit 
zurückschliessen  können ,  und  uns  zuletzt  bei  demselben 
Grundbegriffe  des  schlechterdings  nothwendigen  Daseins 
befinden  ,  von  dem  wir  durch  den  Weg  a  priori  anfilng- 
lich   ausgegangen  waren.     Nunmehro  soll  unsere  Absicht 

20  darauf  gerichtet  sein ,  zu  sehen ,  ob  selbst  in  der  innern 
Möglichkeit  der  Dinge  eine  nothwendige  Beziehung  auf 
Ordnung  und  Harmonie,  und  in  diesem  unermesslichen 
Mannigfaltigen  Einheit  anzutreffen  sei,  damit  wir  daraus 
urtheilen  können,  ob  die  Wesen  der  Dinge  selbst  einen 

25  obersten  gemeinschaftlichen  Grund  erkennen.  | 


Zweite  Abtheilung.  [50] 

Von  dem  weitläiiftigen  I^utzen,  der  dieser  Beweisart 
besonders  eigen  ist. 


Erste  Betrachtung. 

Worin   aus    der   wahrgenommenen   Einheit  in  5 
den  "Wesen   der  Dinge  auf   das   Dasein    Gottes 
a  posteriori  geschlossen  wird. 

1. 

Die  Einheit  in  dem  Mannigfaltigen  der  Wesen  der 
Dinge  gewiesen  an  den  Eigenschaften   des  Kaiims.  10 

Die    nothwendigen   Bestimmungen    des    Eaums    ver- 
schaffen dem  Messkünstler  ein  nicht  gemeines  Vergnügen 
durch  die  Augenscheinlichkeit  in    der  üeberzeugung  und 
durch    die  Genauigkeit  in   der  |  Ausführung,   imgleichen  [51] 
durch  den  weiten  Umfang  der  Anwendung,   wogegen  das  15 
gesammte    menschliche    Erkenntniss    nichts    aufzuzeigen 
hat,   das   ihm   beikäme,   viel   weniger  es   überträfe.     Ich 
betrachte  aber  anjetzt  den  nämlichen  Gegenstand  in  einem 
ganz   andern    Gesichtspunkte.     Ich   sehe   ihn  mit  einem 
philosophischen  Auge  an,  und  werde  gewahr :  dass  bei  so  20 
nothwendigen    Bestimmungen    Ordnung    und    Harmonie, 
und    in     einem   ungeheuren    Mannigfaltigen    Zusammen- 
passung und  Einheit  herrsche.     Ich  will  z.  E.,   dass  ein 
Kaum  durch  die  Bewegung  einer  geraden  Linie  um  einen 
festen  Punkt   umgrenzt  werde.     Ich  begreife   gar   leicht,  25 
dass  ich  dadurch  einen  Kreis    habe,    der  in  allen  seinen 
Punkten   von  dem  gedachten   festen  Punkt   gleiche  Ent- 
fernungen hat.     Allein  ich  finde  gar  keine  Veranlassung, 


46    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Grottes 

unter  einer  so  einföltigen  Constniction  sehr  viel  Mannig- 
faltiges zu  Termuthen,  das  eben  dadurch  grossen  Regeln 
der  Ordnung  unterworfen  sei.  Indessen  entdecke  ich, 
dass  alle  geraden  Linien,  die  einander  aus  einem  beliebigen 
5  Punkt  innerhalb  dem  Zirkel  durchkreuzen,  indem  sie  an 
den  Umkreis  stossen,  jederzeit  in  geometrischer  Proportion 
[52]  geschnitten  sind;  imgleichen,  dass  alle  die |  jenigen,  die  von 
einem  Punkt  ausserhalb  dem  Kreise  diesen  durchschneiden, 
jederzeit  in  solche  Stücke  zerlegt  werden,    die  sich  um- 

10  gekehrt  verhalten  wie  ihre  Ganzen.  Wenn  man  bedenkt, 
wie  unendlich  viel  verschiedene  Lagen  diese  Linien  an- 
nehmen können,  indem  sie  den  Zirkel,  wie  gedacht, 
durchschneiden,  und  wahrnimmt,  wie  sie  gleichwohl  be- 
ständig unter  dem  niiralichen  Gesetze  stehen,  von  dem  sie 

1 5  nicht  abweichen  können,  so  ist  es  unerachtet  dessen,  dass 
die  Wahrheit  davon  leicht  begriffen  wird,  dennoch  etwas 
Unerwartetes,  dass  so  wenig  Anstalt  in  der  Beschreibung 
dieser  Figur  und  gleichwohl  so  viel  Ordnung  und  in 
dem  Mannigfaltigen  eine  so  vollkommene  Einheit  daraus 

20  erfolgt. 

Wenn  aufgegeben  wäre:  dass  schiefe  Flächen  in 
verschiedenen  Neigungen  gegen  den  Horizont  doch  von 
solcher  Länge  angeordnet  würden,  damit  frei  herab- 
rollende  Körper   darauf    gerade   in   gleicher   Zeit   herab- 

25  kämen,  so  wird  ein  Jeder,  der  die  mechanischen  Gesetze 

versteht,    einsehen,    dass  hiezu  mancherlei  Veranstaltung 

gehöre.    Nun  findet  sich  aber  diese  Einrichtung  im  Zirkel 

von   selber   mit   unendlich  viel   Abwechselung    der   Stel- 

[53]  lungen,    und    doch    in  |  jedem  Falle   mit  der   grossesten 

30  Richtigkeit.  Denn  alle  Sehnen,  die  an  den  Vertikal- 
durchmesser stossen,  sie  mögen  von  dessen  oberstem 
oder  unterstem  Punkte  ausgehen,  nach  welchen  Neigun- 
gen man  auch  will,  haben  insgesammt  das  gemein: 
dass    der  freie  Fall   durch   dieselben   in  gleichen   Zeiten 

35  geschieht  Ich  erinnere  mich,  dass  ein  verständiger 
Lehrling,  als  ihm  dieser  Satz  mit  seinem  Beweise  von 
mir  vorgetragen  wurde,  nachdem  er  alles  wohl  verstand, 
dadurch  nicht  weniger,  wie  durcli  ein  Naturwunder  ge- 
rührt   wurde.     Und    in  der  That  wird   man   durch   eine 

40  so  sonderbare  Vereinigung  vom  Mannigfaltigen  nach  so 
fruchtbaren  Regeln  in  einer  so  schlecht  und  einfältig 
scheinenden  Sache,  als  ein  Zirkelkreis  ist,  überrascht  und 


II.  1.  Schluss  a  posterioi-i  auf  das  Dasein  Gottes      47 

mit  Eecht  in  Bewunderung  gesetzt.  Es  ist  auch  kein 
Wunder  der  Natur,  welches  durch  die  Schönheit  oder 
Ordnung,  die  darin  herrscht,  mehr  Ursache  zum  Erstaunen 
gäbe,  es  müsste  denn  sein,  dass  es  deswegen  geschähe, 
weil  die  Ursache  derselben  da  nicht  so  deutlich  einzusehen  5 
ist  und  die  Bewunderung  eine  Tochter  der  Unwissenheit  ist.  | 

Das  Feld,   darauf  ich  Denkwürdigkeiten  sammle,   ist  [54] 
davon   so   voll,    dass,   ohne   einen  Fuss  weiter  setzen  zu 
dürfen,   sich  auf  derselben  Stelle,   da  wir   uns  befinden, 
noch   unzählige    Schönheiten    darbieten.     Es    giebt   Auf-  10 
lösungen  der   Geometrie,   wo    dasjenige,   was   nur  durch 
weitläuftige  Veranstaltung  scheint  möglich  zu  sein,   sich 
gleichsam   ohne  alle  Kunst   in  der  Sache  selbst  darlegt. 
Diese    werden   von  Jedermann  als  artig  empfunden,   und 
dieses   um  desto  mehr,  je   weniger  man  selbst  dabei  zu  15 
thun  hat,  und  je  verwickelter  gleichwohl  die  Auflösung 
zu   sein   scheint.     Der  Zirkelring   zwischen  zwei  Kreisen, 
die  einen  gemeinschaftlichen  Mittdpunkt  haben,  hat  eine 
von   einer  Zirkelfläche   sehr  verschiedene  Gestalt,   und  es 
kommt  Jedermann  anfänglich   als  mühsam  und  künstlich  20 
vor,  ihn   in   diese  Figur   zu  veiwandeln.     Allein  sobald 
ich  einsehe,   dass  die  den  inwendigen  Ziikel  berührende 
Linie    so   weit    gezogen,    bis   sie   zu   beiden   Seiten   den 
Umkreis  des  grösseren  schneidet,  der  Durchmesser  dieses 
Zirkels   sei,    dessen  Fläche   dem  Inhalt   des  Zirkelringes  25 
gerade   gleich  ist,   so  kann  ich  nicht  umhin,   einige  Be- 
fremdung über   die  einfältige  Art   zu   äussern,   wie  da.s 
Gesuchte  in  der  Na  |  tur  der  Sache  selbst  sich  so  leicht  offenbart  [55] 
und  meiner  Bemühung  hiebei  fast  nichts  beizumessen  ist. 

Wir  haben,   um  in  den   noth wendigen  Eigenschaften  30 
des  Raums   Einheit   bei  der   grossesten    MannigfaltiLrkeit 
und  Zusammenhang  in  dem ,   was   eine  von  dem  Andern 
ganz  abgesonderte  Noth  wendigkeit   zu   haben  scheint,  zu 
bemerken,    nur  bloss  unsere  Augen  auf  die   Zirkel figur  . 
grerichtet,    welche   deren   noch  unendliche  hat,  davon  ein  35 
kleiner  Theil   bekannt  ist.     Hieraus  lässt  sich  abnehmen, 
welche  Unerraesslichkeit  solcher  harmonischen  Beziehungen 
sonsten    in    den  Eigenschaften   des  Raums  liege,    deren 
viele   die  höhere  Geometrie  in  den  Verwandtschaften  der 
verschiedenen  Geschlechter  der  krummen  Linien  dargelegt,  40 
und   alle,    ausser   der  Uebung  des  Verstandes  durch   die 
dcnkliche  Einsicht  derselben,  das  Gefühl  auf  eine  ähnliche 


48    Bcwcit^griind  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

oder  erhabenere  Art,   wie  die  zufiilligcn  Schönheiten  der 
Natur  rühren. 

Wenn  man  bei  dergleichen  Anordnungen  der  Natur 
berechtigt  ist,  nach  einem  Grunde  einer  so  weit  erstreckten 
[56]  Uebereinfetimmung  des  Mannigfolti  | gen  zu  fragen,  soll 
man  es  denn  weniger  sein  bei  Wahrnehmung  des  Eben- 
maasses  und  der  Einheit  in  den  unendlich  vielfältigen 
Bestimmungen  des  Raums?  Ist  diese  Harmonie  darum 
weniger  befremdlich,  weil  sie  nothwendig  ist?     Ich  halte 

10  dafür,  sie  sei  es  darum  nur  desto  mehr.  Und  weil  das- 
jenige Viele,  davon  jedes  seine  besondere  und  unabhängige 
Nothwendigkeit  hätte,  nimmermehr  Ordnung,  Wohl- 
gercimtheit  und  Einheit  in  den  gegenseitigen  Beziehungen 
haben    könnte,   wird  man  dadurch  nicht  ebensowohl,    wie 

15  durch  die  Harmonie  in  den  zufälligen  Anstalten  der  Natur, 
auf  die  Yermuthung  eines  obersten  Grundes  selbst  der 
Wesen  der  Dinge  geführt,  da  die  Einheit  des  Grundes 
auch  Einheit  in  dem  Umfange  aller  Folgen  veranlasst? 

2. 

20  Die  Einheit  im  Mannigfaltigen  der  Wesen  der  Dinge, 
gewiesen  an  demjenigen,  was  in  den  Bewegungs- 
gesetzen nothwendig  ist. 

[57]  Wenn  man  in  der  Natur  eine  Anordnung  ent|  deckt, 
die   um   eines   besondern  Zwecks  willen  scheint  getroßen 

25  zu  sein,  indem  sie  sich  nicht  bloss  nach  den  allgemeinen 
Eigenschaften  der  Materie  würde  dargeboten  haben ,  so 
sehen  wir  diese  Anstalt  als  zufällig  und  als  die  Folge 
einer  Wahl  an.  Zeigen  sich  nun  neue  Ucbereinstira- 
mung,    Ordnung    und  Nutzen    und  besonders    dazu  ab- 

30  gerichtete  Mittelursa'?hen,  so  beurtlieilen  wir  dieselbe 
auf  die  ähnliche  Art;  dieser  Zusammenhang  ist  der 
Natur  der  Sachen  ganz  fremd,  und  bloss,  weil  es  Jemand 
beliebt  hat,  sie  so  zu  verknüpfen,  stehen  sie  in  dieser 
Harmonie.      Man    kann    keine   allgemeine    Ursache   an- 

35  geben,  weswegen  die  Klauen  der  Katze,  des  Löwen  u. 
a.  m.  so  gebaut  sind,  dass  sie  spohren,  das  ist,  sich 
zurücklegen  können,  als  weil  irgend  ein  Urlicber  sie  zu 
dem  Zwecke,  um  vor  dem  Abschleifen  gesichert  zu  sein, 
so  angeordnet  bat.,  indem   diese  Thiere  geschickte  Werk- 


II.  1.  Schluss  aposteriari  auf  das  Dasein  Gottes  49 

zeuge  haben   müssen,   ihren   Eaub   zu  ergreifen   und  zu 
halten.     Allein    wenn    gewisse    allgemeinere    Beschaffen- 
heiten, die  der  Materie   beiwohnen,   ausser  einem   Vor- 
theile,  den  sie  schaffen,  und  um  dessen  willen   man  sich 
vorstellen  kann,  dass  sie   so  geordnet   worden,   ohne  die  5 
mindeste    neue    Vorkehrung    gleichwohl    eine    besondere 
Tauglichkeit  zu  noch    mehr  |  Uebereinstimmung   zeigen,  [58] 
wenn   ein  einfältiges   Gesetz,  das   Jedermann   um    eines 
gewissen  Guten  willen  allein  schon  nöthig   finden  würde, 
gleichwohl  eine  ausgebreitete  Fruchtbarkeit  an  noch  viel  10 
Mehrerera  zeigt,   wenn   die  übrigen  Nutzen    und  Wohl- 
gereimtheiten  daraus  ohne  Kunst,  sondern  vielmehr  noth- 
wendiger  Weise  fliessen ;  wenn  endlich   dieses  sich  durch 
die   ganze    materiale  Natur  so   befindet,  so  liegen  offen- 
bar selbst   in   den  Wesen   der  Dinge    durchgängige   Be-  15 
Ziehungen   zur  Einheit  und    zum    Zusammenhange,    und 
eine   allgemeine   Harmonie   breitet   sich  über    das  Keich 
der  Möglichkeit   selber  aus.     Dieses   veranlasst  eine    Be- 
wunderung  über   so   viel   Schicklichkeit    und    natürliche 
Zusammenpassung,   die,   indem  sie  die  peinliche  und  er-  20 
zwungene   Kunst  entbehrlich    macht ,    gleichwohl    selber 
nimmermehr   dem  Ohngefähr    beigemessen   werden   kann, 
sondern  eine    in   den  Möglichkeiten   selbst  liegende  Ein- 
heit und  die   gemeinschaftliche   Abhängigkeit  selbst   der 
Wesen  aller  Dinge  von  einem  einigen  grossen  Grunde  an-  25 
zeigt.    Ich  werde  diese  sehr  grosse  Merkwürdigkeit  durch 
einige  leichte   Beispiele  deutlich   zu   machen  suchen,  in- 
dem  ich  die  Methode  sorgfältig   befolge,  aus   dem,  was 
durch  Beobachtung  unmittelbar   gewiss  ist,  zu  |  dem  all-  [59] 
gemeinern  ürtheile  hinaufzusteigen,  30 

Man  kann   einen   Nutzen  unter  tausend  wählen,  wes- 
wegen  man  es   als  nöthig  ansehen  kann,  dass  ein  Luft- 
kreis sei,  wenn  man  durchaus  einen  Zweck   zum  Grunde 
zu   haben   verlangt,   wodurch  eine   Anstalt  in  der  Natur- 
zuerst  veranlasst  worden.     Ich   räume    also    dieses    ein,  35 
und   nenne   etwa  das  Athmen  der  Menschen  und  Thiere 
als  die  Endabsicht  dieser  Veranstaltung.    Nun  giebt  diese 
Luft,   durch   die    nämlichen   Eigenschaften,    und   keine 
mehr,   die  sie  zum  Athemholen   allein  bedürfte,  zugleich 
Anlass  zu  einer  Unendlichkeit  von  schönen  Folgen,  die  40 
damit    nothwendiger    Weise    begleitet    sind    und    nicht 
dürfen  durch  besondere  Anlagen  befördert  werden.   Eben- 

K an t,  kl.  Schriften  E.  Ethik  II.  4 


50  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

dieselbe  elastische  Kraft  und  Gewicht  der  Luft  macht 
das  Saugen  möglich,  ohne  welches  junge  Thiere  der 
Nahrung  entbehren  müssten ,  und  die  Möglichkeit  der 
Pumpwerke  ist  davon  eine  nothwendige  Folge.  Durch  sie 
5  geschieht  es,  dass  Feuchtigkeit  in  Dünsten  hinaufgezogen 
wird,  welche  sich  oben  in  Wolken  verdicken,  die  den 
Tag  verschönern,  Öfters  die  übermässige  Hitze  der  Sonne 
[60]  mildern,  vornehmlich  aber  dazu  |  dienen,  die  trockenen 
Gegenden  der  Erdfläche  durch  den  Kaub  von  den  Wasser- 

10  betten  der  niedrigen  milde  zu  befeuchten.  Die  Dämme- 
rung, die  den  Tag  verlängert  und  dem  Auge  durch  all- 
mähliche Zwischengrade  bei  dem  Ueberschritt  von  der 
Xacht  zum  Tage  diesen  Wechsel  unschädlich  macht,  und 
vornehmlich   die  Winde  sind  ganz   natürliche   und  unge- 

15  zwungene  Folgen  derselben. 

Stellet  euch  vor,  ein  Mensch  mache  sich  einen  Ent- 
wurf, wie  die  Küsten  der  Länder  des  heissen  Weltstrichs, 
die  sonsten  heisser  sein  müssten,  als  die  tiefer  im  Lande 
liegenden    Gegenden,    eine    etwas    erträglichere    Wärme 

20  sollten  geniessen  können,  so  wird  er  am  natürlichsten 
auf  einen  Seewind  verfallen ,  der  zu  dieser  Absicht  in 
den  heissesten  Tagesstunden  wehen  müsste.  Weil  aber, 
da  es  zur  Nachtzeit  über  der  See  viel  geschwinder  kalt 
wird ,   als  über  dem  Lande ,  nicht  zuträglich  sein  dürfte, 

25  dass  derselbe  Wind  immer  wehte,  so  würde  er  wün- 
schen, dass  es  der  Vorsehung  gefallen  hätte,  es  so  zu 
veranstalten,  damit  in  den  mittleren  Stunden  der  Nacht 
der  Wind  vom  Lande  wieder  zurückkehrte ,  welches 
auch  viel  anderen  Nutzen  mit  befördern  könnte.  Nun 
[61]  würde  nur  die  Frage  sein,  |  durch  welche  Mechanik  und 
künstliche  Anordnung  dieser  Windeswechsel  zu  erhalten 
wäre,  und  hiebei  würde  man  noch  grosse  Ursache  haben 
zu  besorgen:  dass,  da  der  Mensch  nicht  verlangen  kann, 
dass   alle    Naturgesetze    sich   zu    seiner    Bequemlichkeit 

35  anschicken  sollen,  dieses  Mittel  zwar  möglich,  aber  mit 
den  übrigen  nöthigen  Anstalten  so  übel  zusammenpassend 
sein  dürfte ,  dass  die  oberste  Weisheit  es  darum  nicht 
zu  verordnen  für  gut  fände.  Alles  dieses  Bedenken  ist 
indessen   unnöthig.     Was   eine  nach  überlegter  Wahl  ge- 

40  troftene  Anordnung  thun  würde,  verrichtet  hier  die  Luft 
nach  den  allgemeinen  Bewegungsgesetzen,  und  eben- 
dasselbe  einfache   Principium   ihrer  anderweitigen  Nutz- 


II.  1.  Schluss  a  posteriori  Siui  das  Dasein  Gottes        51 

barkeit    bringt    auch    diese    ohne    neue    und    besondere 
Anstalten    hervor.     Die    von    der    Tageshitze    verdünnte 
Luft  über  dem  brennenden  Boden  eines    solchen  Landes 
weicht  noth wendiger  Weise  der  dichteren  und  schwereren 
über   dem   kühlen   Meere,    und   verursacht    den   Seewind,  5 
der   um   deswillen   von  den  heissesten   Tagesstunden  an 
bis    spät     in     den   Abend  weht,    und  die    Seeluft,    die 
aus    den   nämlichen    Ursachen  am   Tage   so   stark   nicht 
erhitzt   worden  war,    als    die   über  dem  Lande,    verkühlt 
des  Nachts  geschwinder,   zieht   sich  zusammen  und  ver-j  10 
anlasst  den  Rückzug  der  Landluft  zur  Nachtzeit.     Jeder-  [62] 
mann   weiss,    dass    alle   Küsten    des   heissen   Welttheils 
diesen  Wechselwind  geniessen. 

Ich  habe,   um  die  Beziehungen,   welche  einfache  und 
sehr  allgemeine  Bewegungsgesetze  durch  die  Nothwendig-  15 
keit    ihres    Wesens    auf  Ordnung    und    Wohlgereimtheit 
haben,   zu  zeigen,    nur  meinen  Blick   auf  einen  kleinen 
Theil  der  Natur,    nämlich   auf  die  Wirkungen   der  Luft 
geworfen.     Man    wird    leicht    gewahr  werden ,    dass   die 
ganze    unermessliche   Strecke   der  grossen   Naturordnung  20 
in  ebendemselben  Betracht  vor   mir  offen  liege.     Ich  be- 
halte  mir  vor,    noch   etwas  in  dem  Folgenden  zur   Er- 
weiterung dieser  schonen  Aussicht    beizufügen.     Anjetzt 
würde     ich    etwas    Wesentliches    aus    der    Acht    lassen, 
wenn    ich    nicht   der    wichtigen    Entdeckung    des   Herrn  25 
VON  Maupertuis  gedächte,  die  er  in  Ansehung  der  Wohl- 
gereimtheit    der  nothwendigen   und  allgemeinsten  Bewe- 
gungsgesetze gemacht  hat. 

Das,   was  wir  zum  Beweise  angeführt  haben,   betrifft 
zwar  weit  ausgebreitete  und  nothwendige  Gesetze,   allein  30 
nur  von  einer  besonderen  Art  der  Mate|rien   der  Welt.  [63] 
Der  Herr  von  Maupertuis  bewies  dagegen:   dass  selbst 
die  allgemeinsten  Gesetze,  wonach  die  Materie  überhaupt 
wirkt,   sowohl   im   Gleichgewichte    als   beim    Stosse,   so- 
wohl der  elastischen    als    unelastischen  Körper,   bei  dem  35 
Anziehen   des  Lichts  in  der  Brechung   eben  so  gut,   als 
beim   Zurückstossen    desselben  in    der  Abprallung,  einer 
herrschenden  Regel  unterworfen   sind,   nach   welcher  die 
grosste  Sparsamkeit  in  der  Handlung  jederzeit  beobachtet 
ist.     Durch   diese   Entdeckung   sind  die  Wirkungen   der  40 
Materie,   ungeachtet  der  grossen  Verschiedenheit,  die  sie 
an  sich  haben  mögen,   unter  eine  allgemeine  Formel  ge- 

4* 


52  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

bracht,  die  eine  Beziehung  auf  Anständigkeit,  Schönheit 
und  Wohlgereimtheit  ausdrückt.  Gleichwohl  sind  die 
Gesetze  der  Bewegung  selber  so  bewandt,  dass  sich 
nimmermehr  eine  Materie  ohne  sie  denken  lässt,  und  sie 
5  sind  so  nothwendig,  dass  sie  auch  ohne  die  mindesten 
Versuche  aus  der  allgemeinen  und  wesentlichen  Be- 
schaffenheit aller  Materie  mit  grossester  Deutlichkeit  können 
hergeleitet  werden.  Der  gedachte  scharfsinnige  Gelehrte 
empfand   alsbald,    dass,   indem,   dadurch  in    dem   unend- 

10  liehen   Mannigfaltigen    des   Universum  Einheit,    und    in 

dem   blindlings  Nothwendigen  Ordnung   verursacht  wird, 

[64]  irjgend  ein  oberstes  Principium  sein  müsse,   wovon  alles 

dieses  seine  Harmonie  und  Anständigkeit  her  haben  kann. 

Er  glaubte  mit  Recht,  dass  ein  so  allgemeiner  Zusammen- 

15  hang  in  den  einfachsten  Naturen  der  Dinge  einen  weit 
tauglicheren  Grund  an  die  Hand  gebe,  irgend  in  einem 
vollkommenen  Urwesen  die  letzte  Ursach  von  Allem 
in  der  Welt  mit  Gewissheit  anzutreffen,  als  alle  Wahr- 
nehmung verschiedener  zufälligen  und  veränderlichen  Anord- 

20  nung  nach  besonderen  Gesetzen.  Nunmeliro  kam  es  da- 
rauf an ,  welchen  Gebrauch  die  höhere  Weltweisheit  von 
dieser  wichtigen  neuen  Einsicht  würde  machen  können, 
und  ich  glaube  in  der  Muthmassung  nicht  zu  fehlen, 
wenn    ich  dafür  halte,    dass  die  königliche  Akademie  der 

25  Wissenschaften  in  Berlin  dieses  zur  Absicht  der  Preis- 
frage gehabt  habe:  ob  die  Bewegungsgesetze  nothwendig 
oder  zufällig  seien?  und  welche  niemand  der  Erwartung 
gemäss  beantwortet  hat. 

Wenn    die   Zufälligkeit   im  Realverstande    genommen 

30  wird,   dass   sie  in  der  Abhängigkeit   des  Materialen  der 
Jkiöglichkeit  von   einem   andern    besteht,    so    ist  augen- 
scheinlich,  dass  die  Bewegungsgesetze  und  die  allgemei- 
[65]  nen   Eigenschaften  der   Materie,    die  ihnen  |  gehorchen, 
irgend    von  einem   grossen   gemeinschaftlichen  Urwesen, 

85  dorn  Grunde  der  Ordnung  und  Wohlgereimtheit,  abhängen 
müssen.  Denn  wer  wollte  dafür  halten:  dass  in  einem 
weitläuftigen  Mannigfaltigen,  worin  jedes  Einzelne  seine 
eigene  völlig  unabhängige  Natur  hätte,  gleichwohl  durch 
ein   befremdlich    Ohngcfähr  sich  alles    sollte  gerade    so 

40  schicken,  dass  es  wohl  mit  einander  reimte  und  im 
Ganzen  Einheit  sich  hervorfände.  Allein ,  dass  dieses 
gemeinschaftliche   Principium  nicht  bloss  auf  das  Dasein 


IL  1.  Schlussa2)ös^eriö7'i  auf  das  Dasein  Gottes        53 

dieser    Materie    und   der    ihr    ertheilten    Eigenschaften 
geben  müsse,   sondern  selbst  auf  die  Möglicbkeit   einer 
Materie  überbaupt  und   auf  das  Wesen   selbst,   leuchtet 
dadurch   deutlich   in   die    Augen ,  weil    das ,    was    einen 
Raum   erfüllen  soll,   was  der  Bewegung  des  Stosses  und  5 
Druckes   soll  fähig  sein,    gar  nicht  unter  andern  Bedin- 
gungen   kann    gedacht     werden,    als     diejenigen    sind, 
woraus  die  genannten   Gesetze  nothwendiger  Weise  her- 
fliessen.     Auf  diesem   Fuss    sieht    man  ein:    dass  diese 
Bewegungsgesetze  der  Materie   schlechterdings   noth-  10 
wendig  seien,  das  ist,  wenn  die  Möglichkeit  der  Materie 
vorausgesetzt  wird,   es   ihr    widerspreche,    nach    andern 
Gesetzen   zu  wirken,  welches   eine  logische  Nothwendig- 
keit    von    der    obersten    Art    ist:    dass   gleich|wohl    die  [66] 
innere  Möglichkeit  der  Materie  selbst,  nämlich  die  Data  15 
und    das   Reale,    was    diesem    Denklichen    zum    Grunde 
liegt,  nicht  unabhängig  oder  für  sich  selbst  gegeben  sei, 
sondern   durch   irgend  ein   Principium,   in   welchem   das 
Mannigfaltige  Einheit,  und  das  Verschiedene  Verknüpfung 
bekommt,   gesetzt  sei,  welches  die   Zufälligkeit  der  Be-  20 
wegun^sgesetze  im  Kealverstande  beweist. 


Zweite  Betrachtung. 

Unterscheidung  der  Abhängigkeit  aller  Dinge 
vonGOtt  in  die  moralische  undunmoralische. 

Ich  nenne   diejenige  Abhängigkeit   eines  Dinges  von  25 
GOtt,   da   er  ein  Grund   desselben  durch   seinen  Willen 
ist,    moralisch,   alle  übrige  aber  ist  unmoralisch. 
Wenn  ich   demnach  behaupte :    GOtt  enthalte  den  letzten 
Grund  selbst  der  Innern  Möglichkeit  der  Dinge,  so  wird 
ein   Jeder  leicht  verstehen,  dass  diese  Abhängigkeit  nur  30 
unmoralisch  sein  kann:    denn    der    Wille    macht    nichts 
möglich,  sondern  beschliesst  nur,  was  als  möglich  schon 
vorausgesetzt  |  ist.     Insoferne  GOtt  den  Grund  von   dem  [67] 
Dasein   der   Dinge   enthält,    so    gestehe   ich,    dass  diese 
Abhängigkeit  jederzeit  moralisch   sei,   das   ist,   dass  sie  35 
darum    existiren,    weil    er  gewollt   hat,    dass   sie   sein 
sollten. 


54  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Es  bietet  nämlich  die  innere  Möglichkeit  der  Dinge 
demjenigen,  der  ihr  Dasein  beschloss,  Materialien  dar, 
die  eine  ungemeine  Tauglichkeit  zur  Uebereinstimmung 
und  eine  in  ihrem  Wesen  liegende  Zusammenpassung 
5  zu  einem  auf  vielfältige  Art  ordentlichen  und  schönen 
Ganzen  enthalten.  Dass  ein  Luftkreis  existirt,  kann, 
um  der  daraus  zu  erreichenden  Zwecke  willen,  GOtt  als 
einem  moralischen  Grunde  beigemessen  werden.  Allein 
dass   eine   so   grosse   Fruchtbarkeit  in  dem  Wesen  eines 

10  einzigen  so  einfachen  Grundes "  liegt,  so  viel  schon  in 
seiner  Möglichkeit  liegende  Schicklichkeit  und  Harmonie, 
welche  nicht  neuer  Vorkehrungen  bedarf,  um  mit  an- 
dern möglichen  Dingen  einer  Welt  mannichfaltigen  Eegeln 
der  Ordnung  gemäss  sich  zusammenzuschicken,  das  kann 

15  gewiss    nicht    wiederum  einer  freien   Wahl    beigemessen 

werden;  weil  aller  Entschluss  eines  Willens  die  Erkennt- 

|68]  niss  I  der  Möglichkeit  des  zu  Beschliessenden  voraussetzt. 

Alles   dasjenige,   dessen   Grund   in  einer  freien  Wahl 

gesucht  werden   soll,    muss  insofern   auch   zufällig  sein. 

20  Nun  ist  die  Vereinigung  vieler  und  mannigfaltiger  Folgen 
unter  einander,  die  nothwendig  aus  einem  einzigen 
Grunde  fliessen,  nicht  eine  zufällige  Vereinigung;  mithin 
kann  diese  nicht  einer  freiwilligen  Bestimmung  zuge- 
sclirieben    werden.     So    haben   wir    oben    gesehen,    dass 

25  die  Möglichkeit  der  Pumpwerke,  des  Athmens,  die  Er- 
hebung der  flüssigen  Materien,  ^venn  welche  da  sind, 
zu  Dünsten,  die  Winde  etc.  von  einander  unzertrennlich 
sind,  weil  sie  alle  von  einem  einzigen  Grunde,  nämlich 
der   Elasticität    und   Schwere    der    Luft    abhangen,    und 

30  diese  Uebereinstimmung  des  Mannigfaltigen  in  Einem 
ist  daher  keineswegs  zufällig,  und  also  nicht  einem 
moralischen  Grunde  beizumessen. 

Ich  gehe  hier  nur  immer  auf  die  Beziehung,  die  das 
Wesen  der  Luft,  oder  eines  jeden  andern  Dinges  zu  der 
[69]  möglichen  Hervorbringung  so  vieler  schönen  Folgen 
hat,  das  ist,  ich  betrachte  nur  die  Tauglichkeit  ihrer 
Natur  zu  so  viel  Zwecken ,  und  da  ist  die  Einheit, 
wegen  der  Uebereinstimmung  eines  einigen  Grundes  zu 
80   viel   möglichen  Folgen,  gewiss  nothwendig,  und  diese 

40  möglichen  Folgen  sind  insoferne  von  einander  und  von 
dem  Dinge  selbst  unzertrennlich.  Weis  die  wirkliche 
Hervorbringung  dieser  Nutzen  anlangt,  so  ist  sie  insoferne 


II.  2.  Von  der  Abhängigkeit  der  Dinge  von  Gott        55 

zufällig,  als  eins  yon  den  Dingen,  darauf  sich  das  Ding 
bezieht,  fehlen,  oder  eine  fremde  Kraft  die  Wirkung 
hindern  kann. 

In  den  Eigenschaften  des  Raums  liegen  schöne  Ver- 
hältnisse, und  in  dem  unermesslich  Mannigfaltigen  seiner  5 
Bestimmungen    eine  bewundernswürdige    Einheit.       Das 
Dasein  aller  dieser  Wohlgereimtheit,  insoferne  Materie  den 
Eaum    erfüllen   sollte,   ist   mit  allen   ihren    Folgen    der 
Willkür  der  ersten  Ursache  beizumessen ;   allein  was  die 
Vereinbarung  so  vieler  Folgen,  die  alle  mit  den  Dingen  10 
in   der  Welt  in  so   grosser  Harmonie  stehen,  unter  ein- 
ander anlangt,  so  würde  es  ungereimt  sein,  sie  wiederum 
in  einem  Willen  zu  suchen.     Unter  andern  nothwendigen 
Folgen   aus  ]  der  Natur   der  Luft    ist  auch   diejenige  zu  [701 
zählen,    da    durch    sie    den   darin    bewegten    Materien  15 
Widerstand   geleistet  wird.     Die  Regentropfen,  indem  sie 
von  ungemeiner  Höhe  herabfallen,  werden  durch  sie  auf- 
gehalten, und  kommen  mit  massiger  Schnelligkeit  herab, 
da   sie    ohne    diese  Verzögerung   eine   sehr  verderbliche 
Gewalt  im  Herabstürzen  von  solcher  Höhe  würden  erworben  20 
haben.   Dieses  ist  ein  Vortheil,  der,  weil  ohne  ihn  die  Luft 
nicht  möglich  ist,  nicht  durch  einen  besondern  Rathschluss  mit 
den  übrigen  Eigenschaften   derselben   verbunden   worden. 
Der  Zusammenhang  der  Theile  der  ^laterie  mag  nun,  z.  E. 
bei  dem  Wasser,  eine  nothwendige  Folge  von  der  Möglichkeit  25 
der  Materie  überhaupt,  oder  eine  besonders  veranstaltete 
Anordnung  sein,   so  ist  die  unmittelbare  Wirkung  davop 
die  runde  Figur  kleiner  Theile  derselben,  als  der  Regen 
tropfen.     Dadurch   aber   wird  der   schöne  farbige  Bogen 
nach  sehr  allgemeinen  Bewegungsgesetzen  möglich,  der  mit  30 
einer  rührenden  Pracht   und  Regelmässigkeit  über  dem 
Gesichtskreise  steht,  wenn  die  unverdeckte  Sonne  in  die 
gegenüber    herabfallenden    Regentropfen    strahlt.      Dass 
flüssige  Materien  und  schwere  Körper  da  sind,  |  kann  nur  [71] 
dem   Begehren    dieses    mächtigen    Urhebers    beigemessen  35 
werden;    dass   aber   ein  Weltkörper   in  seinem   flüssigen 
Zustande  ganz  nothwendiger  Weise  so  allgemeinen  Gesetzen 
zu  Folge  eine  Kugelgestalt  anzunehmen  bestrebt  ist,  welche 
nachher   besser,    wie  irgend   eine   andere  mögliche,    mit 
den    übrigen    Zwecken   des  Universum   zusammenstimmt,  40 
indem  z.  E.  eine  solche  Oberfläche  der  gleichförmigsten 


56  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Vertheilung  des  Lichts  fähig  ist,  das  liegt  in  dem  "Wesen 
der  Sache  selbst. 

Der  Zusammenhang  der  Materie  und  der  Widerstand, 
den  die  Theile  mit  ihrer  Trennbarkeit  verbinden,  macht 
5  die  Reibung  nothwendig,  welche  von  so  grossem  Nutzen 
ist,  und  so  wohl  mit  der  Ordnung  in  allen  mannigfaltigen 
Natun'eränderungen  zusammenstimmt,  als  irgend  etwas, 
was  nicht  aus  so  allgemeinen  Gründen  geflossen  wäre, 
sondern  durch  eine  besondere  Anstalt  wäre  hinzugekommen. 

10  Wenn  Eeibung  die  Bewegungen' nicht  verzögerte,  so  würde 
die  Aufbehaltung  der  einmal  hervorgebrachten  Kräfte 
durch  die  Mittheilung  an  andere,  die  Zurückschlagung 
und  immer  fortgesetzten  AnstÖsse  und  Erschütterungen 
Alles  zuletzt  in  Verwirrung  bringen.  Die  Flächen,  worauf 
[72]  Körper  |  liegen,  müssten  jederzeit  vollkommen  wagerecht 
sein,  (welches  sie  nur  selten  sein  können)  sonsten  würden 
diese  jederzeit  glitschen.  Alle  gedrehten  Stricke  halten 
nur  durch  Reibung.  Denn  die  Fäden,  welche  nicht  die 
ganze  Länge  des  Stricks  haben,  würden  mit  der  mindesten 

20  Kraft  aus  einander  gezogen  werden,  wenn  nicht  die  der 
Kraft,  womit  sie  durch  das  AVinden  an  einander  gepresst 
sind,  gemässe  Reibung  sie  zurückhielte. 

Ich  lülire  hier  darum  so  wenig  geachtete  und  gemeine 
Folgen    aus   den   einfältigsten  und  allgemeinsten  Natur- 

25  gesetzen  an,  damit  man  daraus  sowohl  die  grosse  und 
unendlich  weit  ausgebreitete  Zusammenstimmung,  die 
die  AYesen  der  Dinge  überhaupt  unter  einander  haben, 
und  die  grossen  Folgen,  die  derselben  beizumessen  sind, 
auch   in    den  Fällen    abnehme,    wo    man  nicht  geschickt 

30  genug  ist,  manche  Naturordnung  bis  auf  solche  einfältige 
und  allgemeine  Gründe  zurückzuführen,  als  auch,  damit 
man  das  "Widersinnige  empfinde,  was  darin  liegt,  wenn 
man  bei  dergleichen  Uobereinstimmungen  die  Weisheit 
Gottes  als   den  besondern  Grund  derselben  nennt.     Dass 

35  Dinge  da   sind,  die  so  viel  schöne  Beziehung  haben,  ist 
[73]  der  |  weiseuWahl  desjenigen,  der  sie  um  dieser  Harmonie 
willen   hervorbrachte,    beizumessen;   dass  aber  ein  jedes 
derselben    eine     so    ausgebreitete    Schiklichkeit   zu    viel- 
fältiger  üebereinstimmung    durch    einfache   Gründe    ent- 

40  hielte,  und  dadurch  eine  bewundernswürdige  Einheit  im 
Ganzen  konnte  erhalten  werden,  liegt  selbst  in  der 
Möglichkeit  der  Dinge,    und  da  hier  das  Zufällige,    was 


II.  2.  Von  der  Abhängigkeit  der  Dinge  von  Gott         57 

bei  jeder  Wahl  vorausgesetzt  werden  niuss ,  verschwindet, 
so  kann  der  Grund  dieser  Einheit  zwar  in  einem  weisen 
Wesen,  aber  nicht  vermittelst  seiner  Weisheit  gesucht 
werden. 


Dritte  Betrachtnng.  5 

Von  der  Abhängigkeit  der  Dinge  der  Welt  von 

GOtt  vermittelst  der  Ordnung  der  Natur,  oder 

ohne  dieselbe. 

1. 

Eintheilung  der  Weltbegebenheiten,    insoferne  sie  10 
unter  der  Ordnung  der  Natur  stehen  oder  nicht. 

Es   steht  etwas  unter  der  Ordnung  der  Natur,   inso- 
fern sein  Dasein  oder  seine  Veränderung  in  |  den  Kräften  [741 
der  Natur  zureichend  gegründet  ist.    Hiezu  wird  erfordert 
erstlich:   dass  die  Kraft    der  Natur   davon   die   wirkende  15 
Ursach    sei;    zweitens:  dass  die  Art,  wie  sie  auf  die  Her- 
vorbringung dieser  Wirkung  gerichtet  ist,  selbst  in  einer 
Eegel   der    natürlichen  Wirkungsgesetze   hinreichend   ge- 
gründet   sei.     Dergleichen    Begebenheiten    heissen    auch 
schlechthin    natürliche    Weltbegebenheiten.     Dagegen,  20 
wo  dieses    nicht   ist,    so  ist  der  Fall,    der  unter  solchem 
Grunde  nicht  steht,    etwas  üebernatürliches ,   und  dieses 
findet  statt  entweder,  insoferne  die  nächste  wirkende  Ursach 
ausser  der  Natur  ist,  das  ist,  insoferne  die  göttliche  Kraft 
sie  unmittelbar  hervorbringt,    oder  zweitens,   wenn  auch  25 
nur  die  Art,   wie   die  Kräfte    der  Natur  auf  diesen  Fall 
gerichtet  worden,  nicht  unter  einer  Regel  der  Natur  ent- 
halten   ist.     Im   erstem  Fall  nenne   ich  die  Begebenheit 
materialiter,    im    andern    formaliter   übernatür- 
lich.   Da   bloss  der  letztere  Fall  einige  Erläuterung  zu  30 
bedürfen   scheint,    indem    das  Uebrige   für  sich  klar  ist, 
so    will    ich    davon   Beispiele    anführen.      Es    sind    viel 
Kräfte  in  der  Natur,  die  das  Vermögen  haben,   einzelne 
Menschen    oder    Staaten,     oder    das    ganze   menschliche 
Geschlecht  zu  I  verderben:  Erdbeben,  Sturmwinde,  Meeres-  [75] 
bewegungen,    Kometen    etc.      Es    ist  auch  nach   einem 


58  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

allgemeinen  Gesetze  genugsam  in  der  Verfassung  den 
Natur  gegründet,  dass  einiges  von  diesen  bisweiler 
geschieht.  Allein  unter  diesen  Gesetzen,  wonach  es  ge- 
schieht, sind  die  Laster  und  das  moralische  Verderben  der 
5  Menschengeschlechter  gar  keine  natürlichen  Gründe, 
die  damit  in  Verbindung  stünden.  Die  Missethaten  einer 
Stadt  haben  keinen  Einfluss  auf  das  verborgene  Feuer 
der  Erde,  und  die  Ueppigkeiten  der  ersten  Welt  gehörten 
nicht  zu  denen  wirkenden  Ursachen,  welche  die  Kometen 

10  in  ihren  Bahnen  zu  sich  herabziehen  konnten.  Und 
wenn  sich  ein  solcher  Fall  ereignet ,  man  misst  ihn  aber 
einem  natürlichen  Gesetze  bei,  so  will  man  damit  sagen, 
dass  es  ein  Unglück,  nicht  aber,  dass  [es]  eine  Strafe  sei, 
indem  das  moralische  Verhalten  der  Menschen  kein  Grund 

15  der  Erdbeben  nach  einem  natürlichen  Gesetze  sein  kann, 
weil  hier  keine  Verknüpfung  von  Ursachen  und  Wir- 
kungen stattfindet.  Z.  E.  wenn  das  Erdbeben  die  Stadt 
Port   Eoyal  in   Jamaika    umkehrt,*)   so    wird    derjenige, 

76]  der  diejses  eine    natürliche  Begebenheit  nennt,    darunter 

20  verstehen :  dass ,  obzwar  die  Lasterthaten  der  Einwohner, 
nach  dem  Zeugniss  ihres  Predigers,  eine  solche  Ver- 
wüstung wohl  als  ein  Strafgericht  verdient  hätten,  den- 
noch dieser  Fall  als  einer  von  vielen  anzusehen  sei, 
der    sich    bisweilen    nach    einem    allgemeineren    Gesetze 

25  der  Natur  zuträgt,  da  Gegenden  der  Erde,  und  unter 
diesen  bisweilen  Städte,  und  unter  diesen  dann  und  wann 
auch  sehr  lasterhafte  Städte  erschüttert  worden.  Soll  es 
dagegen  als  eine  Strafe  betrachtet  werden,  so  müssen 
diese  Kräfte  der  Natur,    da   sie  nach  einem    natürlichen 

30  Gesetze  den  Zusammenhang  mit  der  Führung  der  Men- 
schen nicht  haben  können,  auf  jeden  solchen  einzelnen 
Fall  durch  das  höchste  Wesen  besonders  gerichtet  sein 
alsdenn  aber  ist  die  Begebenheit  im  formalen  Verstände 
übernatürlich,   obgleich   die  Mittelursache  eine  Kraft  der 

35  Natur  war.  Und  wenn  auch  durch  eine  lange  Reihe  von 
Vorbereitungen,  die  dazu  besonders  in  die  wirksamen  Kräf- 
te der  Welt  [an]gelegt  waren,  diese  Begebenheit  endlich 
als  ein  Strafgericht  zu  Stande  kam ,  wenn  man  gleich 
annehmen  wollte,  dass  schon  bei  der  Schöpfung  GOtt  alle 


*)    Siehe    Raj    von    der    Welt    Anfang,    Veränderung    nnd 
Untergang. 


II.  S.  Von  d.  Abhängigk.  verm.  d.  is  atur-Ordnung  etc.    69 

Anstalten  dazu  gemacht  |  hätte ,   dass  sie  nachher  durch  [77' 
die   darauf  in   der  Natur   gerichteten  Kräfte  zur  rechten 
Zeit   geschehen  sollte ,    (wie   man    dieses   in  Whiston's 
Theorie    von   der  Sündflath,    insofern   sie   vom  Kometen 
herrühren    soll,   sich   so    gedenken    kann,)    so    ist    das  5 
Uebernatürliche    dadurch  gar   nicht    verringert,    sondern 
nur  weit   bis   in  die  Schöpfung    hinaus   verschoben  und 
dadurch   unbeschreiblich  vermehrt  worden.      Denn    diese 
ganze    Reihenfolge,   insofern    die   Art  ihrer   Anordnung 
sich   auf   den   Ausgang  bezog,   indem  sie  in  Ansehung  lo 
desselben    gar    nicht    als    eine  Folge    aus  allgemeinern 
Naturgesetzen   anzusehen   war,  bezeichnet  eine  unmittel- 
bare noch   grössere  göttliche  Sorgfalt,   die    auf  eine  so 
lange   Kette   von   Folgen   gerichtet   war,    um    auch  den 
Hindernissen  auszuweichen,   die    die  genaue  Erreichung  15 
der  gesuchten  Wirkung  konnten  verfehlen  machen. 

Hingegen   giebt  es  Strafen  und  Belobungen  nach  der 
Ordnung   der   Natur,    darum,   weil  das  moralische  Ver- 
halten  der  ^Menschen  mit  ihnen   nach  den  Gesetzen  der 
Ursachen  und  ^Yirkungen  in  Verknüpfung  steht.     Wilde  20 
Wollust  und  Unmässigkeit  endigen  sich  in  einem  siechen 
und   martervollen  |  Leben.     Eänke  und  Arglist    scheitern  [78] 
zuletzt,    und   Ehrlichkeit   ist   doch    am  Ende    die    beste 
Politik.    In   allen  diesem  geschieht  die  Verknüpfung  der 
Folgen   noch    den    Gesetzen    der    Natur.      So    viel    aber  25 
auch    immer  derjenigen   Strafen  oder  Belohnungen,   oder 
jeder   anderer   Begebenheiten   in    der  Welt    sein   mögen, 
davon   die    Richtung    der    Naturkräfte    jederzeit   ausser- 
ordentlich auf  jeden  einzelnen  Fall  hat  geschehen  müssen, 
wenngleich  eine  gewisse   Einförmigkeit  unter  vielen  der-  30 
selben  herrscht,  so   sind  sie  zwar  einem  unmittelbaren 
göttlichen   Gesetze,  nämlich  demjenigen  seiner  Weisheit, 
aber  keinem  Naturgesetze  untergeordnet. 

2. 

Eintheilung  der  natürlichen  Begebenheiten,  insofern  35 
sie  unter  dernothwendigen  und  zufälligen  Ordnung 
der  Natur  stehen. 

Alle  Dinge  der  Natur  sind  zufällig  in  ihrem  Dasein. 
Die  Verknüpfung  verschiedener  Arten  von  Dingen  z.  E. 
der  Luft     der   Erde,   des   Wassers,   ist  gleichfalls  ohne  40 


60  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Goltei 

79]  Zweifel  zufallig,  und  in|soferne  bloss  der  Willkür  des 
obersten  Urhebers  beizumessen.  Allein  obgleich  die 
Naturgesetze  insoferne  keine  Nothwendigkeit  zu  haben 
scheinen,  als  die  Dinge  selbst,  davon  sie  es  sind,  im- 
5  gleichen  die  Verknüpfungen ,  darin  sie  ausgeübt  werden 
können,  zufallig  sind,  so  bleibt  gleichwohl  eine  Art  der 
Nothwendigkeit  übrig,  die  sehr  merkwürdig  ist.  Es  giebt 
nämlich  viele  Naturgesetze,  deren  Einheit  nothwendig 
ist,   das  ist,   wo   ebenderselbe   Grund    der  Uebereinstim- 

10  mung  zu  einem  Gesetze  auch  andere  Gesetze  nothwen- 
dig macht.  Z.  E.  ebendieselbe  elastische  Kraft  und 
Schwere  der  Luft,  die  ein  Grund  ist  der  Gesetze  des 
Athcmholens,  ist  nothwendiger  Weise  zugleich  ein  Grund 
von   der   Möglichkeit  der  Pumpwerke,   von  der  Möglich- 

15  keit  der  zu  erzeugenden  Wolken,  der  Unterhaltung  des 
Feuers,  der  Winde  etc.  Es  ist  nothwendig,  dass  zu  den 
übrigen  der  Grund  anzutreffen  sei,  sobald  auch  nur  zu 
einem  einzigen  derselben  Grund  da  ist.  Dagegen 
wenn  der   Gruud   einer   gewissen  Art  ähnlicher  Wirkun- 

20  gen  nach  einem  Gesetze  nicht  zugleich  der   Grund  einer 

andern  Art   Wirkungen   nach   einem  andern    Gesetze   in 

demselben    Wesen   ist,    so  ist  die    Vereinbarung    dieser 

Gesetze    zufällig,    oder   es    herrscht    in   diesen    Gesetzen 

[80]  zufällige  |  Einheit,   und  was  sich  darnach  in  dem  Dinge 

25  zuträgt,  geschieht  nach  einer  zufälligen  Naturordnuug. 
Der  Mensch  sieht ,  hört,  riecht ,  schmeckt  u.  s.  w. ;  aber 
nicht  ebendieselben  Eigenschaften,  die  die  Gründe  des 
Sehens  sind,  sind  auch  die  des  Schmeckens.  Er  muss 
andere  Organe    zum  Hören,    wie  zum  Schmecken   haben. 

30  Die  Vereinbarung  so  verschiedener  Vermögen  ist  zu- 
fällig, und  da  sie  zur  Vollkommenheit  abzielt,  künstlich. 
Bei  jedem  Organe  ist  wiederum  künstliche  Einheit.  In 
dem  Auge  ist  der  Theil,  der  Licht  einfallen  lässt,  ein 
anderer,   als    der,  so  es  bricht,  noch  ein  anderer,  so  das 

35  Bild  auffängt.  Dagegen  sind  es  nicht  andere  Ursachen, 
die  der  Erde  die  Kugelrundung  verschaffen,  noch  andere, 
die  wider  den  Drehungsschwung  die  Körper  der  Erde 
zurücl halten,  noch  eine  andere,  die  den  Mond  im  Kreise 
erhält,    sondern   die    einzige    Schwere    ist    eine   Ursach, 

40  die  nothwendiger  Weise  zu  allen  diesem  zureicht.  Nun 
iit  es  ohne  Zweifel  eine  Vollkommenheit,  dass  zu  allen 
diesen    Wirkungen    Gründe    in    der    Natur    angetroffen 


I.  3.  Von  d.  Abhängigk.  verm.  d.  Xatur-Ordnung  etc.    61 

werden,   und   wenn   der   nämliche    Grund,   der    die  eine 
bestimmt  auch  zu  den  andern  hinreichend  ist,  um  dosto 
mehr   Einheit   wächst   dadurch    dem    Ganzen    zu.     Diese 
Einheit  aber  und  mit  |  ihr  die  Vollkommenheit  ist  in  dem  [81] 
hier  angeführten  Falle  nothw^ndig  und  klebt  dem  "Wesen  5 
der  Sache  an ;  und   alle   Wohlgereimtheit ,  Fruchtbarkeit 
und  Schönheit,  die  ihr  insofern    zu  verdanken  ist,  hängt 
von    GOtt    vermittelst    der    wesentlichen    Ordnung    der 
Katur  ab,   oder  vermittelst  desjenigen,  was  in  der  Ord- 
nung der  Natur  noth wendig  ist.     Man  wird  mich  hoffent-  10 
lieh    schon    verstehen,    dass    ich    diese    Nothwendigkeit 
nicht  auf  das  Dasein  dieser  Dinge  selber,  sondern  ledig- 
lich auf  die  in  ihrer  Möglichkeit  liegende  üebereinstim- 
mung   und  Einheit,  als  einen   nothwendigen  Grund  einer 
so  überaus   grossen  Tauglichkeit    und    Fruchtbarkeit  er-  15 
streckt   wissen  will.     Die  Geschöpfe  des    Pflanzen-   und 
Thierreichs  bieten    durchgängig    die    bewundernswürdig- 
sten  Beispiele  einer  zufälligen,  aber  mit  grosser  Weis- 
heit übereinstimmenden    Einheit  dar.     Gefasse,   die  Saft 
saugen,    Gefasse,    die  Luft    saugen,    diejenigen,    so  den  20 
Saft    ausarbeiten,    und  die,  so   ihn  ausdünsten   etc.,  ein 
grosses  Mannigfaltiges,  davon  jedes  einzeln  keine  Taug- 
lichkeit zu  den  Wirkungen  ^es   andern  hat,    und  wo  die 
Vereinbarung   derselben  zur  gesammten    Vollkommenheit 
künstlich    ist,    so  .dass  die   Pflanze  selbst  mit  ihren  Be-  25 
Ziehungen  |  auf  so  verschiedene  Zwecke  ein  zufälliges  und  [82] 
willkürliches  Eine  ausmacht. 

Dagegen  liefert  vornehmlich   die   unorganische  Natur 
unaussprechlich   viel    Beweisthümer    einer    nothwendigen 
Einheit,  in  der  Beziehung   eines   einfachen   Grundes   auf  30 
viele  anständige  Folgen,  dermassen,  dass  man  auch  be- 
wogen wird,  zu  vermuthen,  dass  vielleicht  da,  wo  selbst 
in  der   organischen  Natur  manche  Vollkommenheit  schei- 
nen kann  ihre  besondere  Anstalt  zum  Grunde   zu  haben,  • 
sie    wohl    eine    noth  wendige    Folge    aus    ebendemselben  35 
Grunde  sein  mag,  welcher  sie  mit  vielen  andern  schonen 
Wirkungen    schon    in  seiner   wesentlichen    Fruchtbarkeit 
verknüpft,  so  dass  auch    sogar    in   diesen   Naturreichen 
mehr    nothwendige    Einheit    sein    mag,    als   man   wohl 
denkt.     Weil  nun  die  Kräfte   der  Natur  und  ihre  Wir-  40 
kungsgesetze    den   Grund   einer   Ordnung   der  Natur  ent- 
halten, welche,  insofeme    sie  mannigfaltige  Harmonie  in 


62    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

einer  nothwendigen  Einheit  zusaramenfasst,  veranlasst, 
dass  die  Verknüpfung  vieler  Vollkommenheit  in  einem 
Grunde  zum  Gesetze  wird ,  so  hat  man  verschiedene 
Naturwirkungen  in  Ansehung  ihrer  Schönheit  und  Nütz-| 
[83]  lichkeit  unter  der  wesentlichen  Naturordnung  und  ver- 
mittelst derselben  unter  GOtt  zu  betrachten.  Dagegen,  da 
auch  manche  Vollkommenheiten  in  einem  Ganzen  nicht 
durch  die  Fruchtbarkeit  eines  einzigen  Grundes  möglich 
sind,  sondern  verschiedene  willkürlich  zu  dieser  Absiclit 
10  vereinbarte  Gründe  erheischen,  so  wird  wiederum  manche 
künstliche  Anordnung  die  Ursache  eines  Gesetzes  sein, 
und  die  "Wirkungen,  die  danach  geschehen,  stehen  unter 
der  zufälligen  und  künstliclien  Ordnung  der  Natur,  ver- 
mittelst ihrer  aber  unter  GOtt. 


15  Vierte  Betrachtung. 

Gebrauch  unseres  Beweisgrundes  inBeurthei- 

lung  der  Vollkommenheit  einer  Welt  nach  dem 

Laufe  der  Natur. 

1. 

20  Was  aus  unserem  Beweisgrunde  zum  Vorzuge  der 
Ordnung  der  Natur  vor  dem  Uebernatürlichen  kann 
geschlossen  werden. 

Es  ist  eine  bekannte  Regel  der  Weltweisen  oder  viel- 
[84]  mehr  der  gesunden  Vernunft  überhaupt,  dass  man  |  ohne 

25  die  erheblichste  Ursache  nichts  für  ein  Wunder  oder  eine 
übernatürliche  Begebenheit  halten  solle.  Diese  Regel 
enthält  erstlich,  dass  Wunder  wenigstens  selten  seien, 
zweitens,  dass  die  gesammte  Vollkommenheit  des  Universum 
auch   ohne   viele   übernatürliche  Einflüsse   dem  göttlichen 

30  Willen  gemäss  nach  den  Gesetzen  der  Natur  erreicht 
werde;  denn  Jedermann  erkennt,  dass,  wenn  ohne  häufige 
Wunder  die  Welt  des  Zwecks  ihres  Daseins  verfehlte, 
übernatürliche  Begebenheiten  etwas  Gewöhnliches  sein 
müssten.    Einige  stehen  in  der  Meinung,  dass  das  Formale 

35  der  natürlichen  Verknüpfung  der  Folgen  mit  ihren  Gründen 


II.  4.  Vollkommenheit  einer  Welt  nach  d.  Laufe  d.  Natur    63 

an  sich  selbst  eine  Vollkommenheit  wäre,    welcher  allen- 
falls ein  besserer  Erfolg,  wenn  er  nicht  anders,  als  über- 
natürlicher   Weise     zu    erhalten    stünde,     hintangesetzt 
werden  müsste.    Sie  setzen  in  dem  Natürlichen  als  einem 
solchen  unmittelbar  einen  Vorzug,  weil  ihnen  alles  lieber-  5 
natürliche  als  eine  Unterbrechung  einer  Ordnung  an  sich 
selber  scheint  einen  Uebelstand  zu  erregen.     Allein  diese 
Schwierigkeit    ist  nur   eingebildet.     Das  Gut«  steckt  nur 
in  Erreichung  des  Zweckes,  und  wird  den  Mitteln  nur  um 
seinetwillen    zugeeignet.    Die   natürliche   Ordnung,   wenn  10 
nach  ihr  nicht  vollkommene  Folgen  entspringen,   hat  un- 
mittelbar keinen  |  Grund  eines  Vorzugs  in  sich,   weil  sie  [85] 
nur  nach   der  Art  eines  Mittels  kann  betrachtet  werden, 
welches  keine  eigene,    sondern  nur  eine,   von  der  Grösse 
des   dadurch  erreichten  Zwecks  entlehnte  Schätzung  ver-  15 
stattet.      Die    Vorstellung    der    Mühsamkeit,    welche    die 
Menschen  bei  ihren  unmittelbaren  Ausübungen  empfinden, 
mengt  sich  hier  insgeheim  mit  unter,  und  giebt  demjenigen, 
was  man  fremden  Kräften  anvertrauen  kann,  einen  Vorzug 
selbst  da,  wo  in  dem  Erfolg  etwas  von  dem  abgezweckten  20 
Nutzen    vermisst   würde.     Indessen   wenn    ohne   grössere 
Beschwerde   der,    so    das  Holz   an    einer    Schneidemühle 
anlegt,    es  ebensowohl  unmittelbar  in  Bretter  verwandeln 
könnte,  so  wäre  alle  Kunst  dieser  Maschine  nur  ein  Spiel- 
werk,  weil   der  ganze  Werth   derselben  nur   an   ihr  als  25 
einem  Mittel  zu  diesem  Zwecke   stattfinden  kann.     Dem- 
nach ist  etwas  nicht  darum  gut,  weil  es  nach  dem  Laufe 
der  Natur  geschieht,  sondern  der  Lauf  der  Natur  ist  gut, 
insofern    das,  was  daraus  fliesst,   gut  ist.     Und  da  GOtt 
eine  Welt  in   seinem  Rathschlusse  begriff,   in  der  Alles  30 
mehrentheils  durch   einen  natürlichen  Zusammenhang  die 
Regel  des  Besten  erfüllte;  so  würdigte  er  sie  seiner  Wahl, 
nicht  weil   darin,   dass  es  natürlich  zusammenhing,  das 
Gute    beistand,    sondern   weil    durch    diesen    natürlichen  [86] 
Zusammenhang    ohne    viele    Wunder    die    vollkommenen  35 
Zwecke  am  richtigsten  erreicht  wurden. 

Und  nun  entsteht  die  Frage:  wie  mag  es  zugehen, 
dass  die  allgemeinen  Gesetze  der  Natur  dem  Willen  des 
Höchsten  in  dem  Verlauf  der  Begebenheiten  der  Welt, 
die  nach  ihnen  geschehen,  so  schön  entsprechen,  und  40 
welchen  Grund  hat  man ,  ihnen  diese  Schicklichkeit  zu- 
zutrauen,   dass    man   nicht   Oiter,    als    man    wahrnimmt, 


64    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

geheime  übernatürliche  Vorkehrungen  zugeben  müsste, 
die  ihren  Gebrechen  unaufhörlich  zu  Hülfe  kämen?*) 
Hier  leistet  uns  unser  Begriff  von  der  Abhängigkeit  selbst 
der  "Wesen  aller  Dinge  Ton  GOtt  einen  noch  ausgebreiteteren 
5  Nutzen,  als  der  ist,  den  man  in  dieser  Frage  erwartet. 
Die  Dinge  der  Natur  tragen  sogar  in  den  nothwendigsten 
Bestimmungen  ihrer  inneren  Möglichkeit  das  Merkmal 
[87]  der  |  Abhängigkeit  von  demjenigen  Wesen  an  sich,  in 
welchem  Alles  mit  den  Eigenschaften  der  "Weisheit  und 

10  Güte  zusammenstimmt.  Man  kann  von  ihnen  üeber- 
einstimmung  und  schöne  Verknüpfung  erwarten,  und  eine 
nothwendige  Einheit  in  den  mancherlei  vortheilhaften 
Beziehungen,  die  ein  einziger  Grund  zu  viel  anständigen 
Gesetzen  hat.     Es  wird  nicht  nöthig  sein,  dass  daselbst, 

15  wo  die  Natur  nach  nothwendigen  Gesetzen  wirkt,  un- 
mittelbare göttliche  Ausbesserungen  dazwischen  kommen, 
weil,  insoferne  die  Folgen  nach  der  Ordnung  der  Natur 
nothwendig  sind,  nimmermehr  selbst  nach  den  allgemeinsten 
Gesetzen  sich  was  GOtt  Missfälliges  ereignen  kann..    Denn 

20  wie  sollten  doch  die  Folgen  der  Dinge,  deren  zufällige 
Verknüpfung  von  dem  "Willen  GOttes  abhängt,  ihre  wesent- 
lichen Beziehungen  aber  als  die  Gründe  des  Nothwendigen 
88]  in  der  Naturordnung  von  demje|nigen  in  GOtt  herrühren, 
was    mit   seiner  Eigenschaft   überhaupt    in  der  grössten 

25  Harmonie  steht,  wie  können  diese,  sage  ich,  seinem  Willen 
entgegen  sein?  IJnd  so  müssen  alle  die  Veränderungen 
der  "Welt,  die  mechanisch,  mithin  aus  den  Bewegungs- 
gesetzen nothwendig  sind,  jederzeit  darum  gut  sein,  weil 
sie  natürlicher  Weise  nothwendig  sind,  und  es  ist  zu  er- 

30  warten,  dass  die  Folge  unverbesserlich  sein  werde,  sobald 


•)  Diese  Frage  ist  dadurch  noch  lanpe  nicht  genugsam  be- 
antwortet, wenn  man  sich  auf  die  weis©  Wahl  GOttes  b«ruft,  die 
den  Lauf  der  Natur  einmal  schon  so  wohl  eingerichtet  hätte, 
dass  öftere  Ausbosserungen  unnöthig  wären.  Denn  dio  grosseste 
Schwierigkeit  besteht  darin ,  wie  es  auch  nur  hat  möglich  sein 
können,  in  einer  Verbindung  der  Woltbegebenheiton  nach  all- 
gemeinen Gesetzen  so  grosse  Vollkommenheit  zu  vereinbaren, 
vornehmlich  wenn  man  die  Menge  der  Naturdinge  und  die  un- 
ermesslich  lange  lioihe  ihrer  Veränderungen  betrachtet,  wie  da 
nach  allgemeinen  Hegeln  ihrer  gegenseitigen  Wirksamkeit  eine 
Harmonie  hat  entspringen  können,  dl»  keiner  öftern  übernatür- 
lichen Einflüsse  bedürfe. 


II.  4.  Vollkommenheit  einer  Welt  nachd.  Laufe  d.  Natur  65 

sie    nach    der   Ordnung   der  Natur   unausbleiblich    ist.*) 
Ich    bemerke    aber,    damit    aller   Missverstand   verhütet 
werde,    dass   die  Veränderungen    in   der  Welt   entweder 
aus   der   ersten  Anordnung   des  Universum   und  den  all- 
gemeinen und  besondern  Gesetzen  der  Natur  nothwendig  5 
seien,  dergleichen  alles  dasjenige  ist,  was  in  der  körper- 
lichen Welt  mechanisch  vorgeht,  oder  dass  sie  gleichwohl 
bei  allem    diesem   eine    nicht    genugsam    begriffene  Zu- 
fälligkeit  haben,  wie   die  Handlungen   aus   der  Freiheit, 
deren  Natur  nicht  ge|hörig  eingesehen  wird.     Die  letztere  [89] 
Art  der  Weltveränderungen,    insofeme  sie   scheinen  eine 
Ungebundenheit  in  Ansehung  bestimmender    Gründe    und 
nothwendiger  Gesetze  an  sich  zu  haben,  enthalten  insoweit 
eine  Möglichkeit  in  sich,  von  der  allgemeinen  Abzielung 
der  Naturdinge  zur    Vollkommenheit  abzuweichen.     Und  15 
um   deswillen  kann   man    erwarten,    dass   übernatürliche 
Ergänzungen   nöthig   sein   dürften,    weil   es   möglich  ist, 
dass   in   diesem   Betracht   der   Lauf   der  Natur  mit  dem 
Willen  Gottes  bisweilen  widerstreitend  sein  könne.     In- 
dessen,   da  selbst   die  Kräfte   frei    handelnder  Wesen  in  20 
der  Verknüpfung  mit  dem  Uebrigen  des  Universum  nicht 
ganz  allen  Gesetzen  entzogen  sind,  sondern  immer,  wenn- 
gleich nicht  nöthigenden  Gründen,    dennoch  solchen,   die 
nach   den   Regeln   der  Willkür    die  Ausübung    auf  eine 
andere  Art  gewiss  machen,   unterworfen  sind,   so  ist  die  25 
allgemeine  Abhängigkeit  der  Wesen  der  Dinge  von  |  GOtt  [90] 
auch  hier   noch  jederzeit  ein  grosser  Grund,   die  Folgen, 
die  selbst  unter  dieser  Art  von  Dingen  nach  dem  Laufe 
der  Natur   sich    zutragen  (ohne  dass  die  scheinbare  Ab- 
weichung in    einzelnen  Fällen  uns  irre  machen  darf),  im  30 


*)  Wenn  es  ein  nothwendiger  Ausganej  der  Natur  ist,  wie 
Newton  vermeint,  dass  ein  Weltsystem,  wie  dasjenige  von  unserer 
Sonne,  endlich  zum  völligen  Stillstand  und  allgemeiner  Ruhe 
gelange,  so  würde  ich  nicht  mit  ihm  hinzusetzen:  dass  es  nöthig 
sei,  dass  GOtt  es  durch  ein  Wunder  wieder  herstelle.  Denn 
weil  es  ein  Erfolg  ist,  darauf  die  Natur  nach  ihren  wesentlichen 
Gesetzen  nothwendigerweise  bestimmt  ist,  so  vermuthe  ich  hier- 
aus, dass  er  auch  gut  sei.  Es  darf  uns  dieses  nicht  als  ein 
bedauernswürdiger  Verlust  vorkommen ,  denn  wir  wissen  nicht, 
welche  Unermesslichkeit  die  sich  immerfort  in  andern  Himmels- 
gegenden bildende  Natur  habe,  um  durch  grosse  Fruchtbarkeit 
diesen  Abgang    des  Universum  anderwärts  reichlich  zu  ersetzen. 

Kant,  Kl.  Schriften  z.  Ethik.  Tl.  5 


66    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottea 

Ganzen  für  anstandig  und  der  Regel  des  Besten  gemäss 
ein-[au-]zusehen ;  so  dass  nur  selten  die  Ordnung  der  Natur 
einer  unmittelbaren  übernatürlichen  Vorbesserung  oder 
Ergänzung  benöthigt  ist,  wie  denn  auch  die  Offenbarung 
5  derselben  nur  in  Ansehung  gewisser  Zeiten  und  gewisser 
Völker  Erwähnung  thut.  Die  Erfahrung  stimmt  auch  mit 
dieser  Abhängigkeit  sogar  der  freiesten  Handlungen  von 
einer  grossen  natürlichen  Regel  überein.  Donn  so  zufallig 
wie  auch  immer  die  Entschliessung  zum  Hoirathen  sein  mag, 

10  so  findet  man  doch  in  ebendemselben  Lande,  dass  die  [das] 
Verhältniss  der  Ehen  zu  der  Zahl  der  Lebenden  ziemlich 
beständig  sei,  wenn  man  grosse  Zahlen  nimmt,  und  dass 
z.  E.  unter  10  Menschen  beiderlei  Geschlechts  sich  ein 
Ehepaar  findet.  Jedermann  weiss,  wie  viel  die  Freiheit  der 

1 5  Menschen  zur  Verlängerung  oder  Verkürzung  des  Lebens 
beitrage.     Gleichwohl  müssen  selbst  diese   freien   Hand- 
lungen einer  grossen  Ordnung  unterworfen  sein;   weil  im 
[91]  Durchschnitte,  wenn  man  grosse  Mengen  |  nimmt,  die  Zahl 
der  Sterbenden  gegen  die  Lebenden  sehr  genau  immer  in 

20  ebendemselben  Verhältniss  steht.  Ich  begnüge  mich  mit 
diesen  wenigen  Beweisthümern,  um  es  einigermassen  ver- 
ständlich zu  machen,  dass  selbst  die  Gesetze  der  Freiheit 
keine  solche  TJngebundenhcit  in  Ansehung  der  Regeln 
einer   allgemeinen   Naturordnung  mit  sich    führen,   dass 

25  nicht  ebenderselbe  Grund,  der  in  der  übrigen  Natur  schon 
in  den  "Wesen  der  Dinge  selbst  eine  unausbleibliche  Be- 
ziehung auf  Vollkommenheit  und  Wohlgereimtheit  be- 
festigt, auch  in  dem  natürlichen  Laufe  des  freien  Vor- 
haltens wenigstens  eine  grossere  Lenkung  auf  ein  Wohl- 

30  gefallen  des  höchsten  Wesens  ohne  vielfältige  Wunder 
verursachen  sollte.  Mein  Augenmerk  ist  aber  mehr  auf 
den  Verlauf  der  Naturveränderungen  gerichtet,  insofeme 
sie  durch  eingepflanzte  Gesetze  nothwendig  sind.  Wunder 
werden  in  einer  solchen  Ordnung  entweder  gar  nicht  oder 

35  nur  selten  nöthig  sein,  weil  es  nicht  füglich  sein  kann, 
dass  sich  solche  Unvollkommenheitcn  natürlicherweise 
hervorfänden,  die  ihrer  bedürftig  wären. 

Wenn  ich  mir  den  Begriff  von  den  Dingen  der  Natur 

Ö2]  machte,  den  man  gemeiniglich  von  ihnen  hat:  1  dass  ihre 

40  innere  Möglichkeit  für  sich  unabhängig  und  ohne  einen 
fremden  Grund  sei,  so  würde  ich  es  gar  nicht  unerwartet 
finden,   wenn  man   sagte,   eine  Welt    von    einiger    Voll- 


II.  4.  Vollkommenheit  einer  Welt  nach  d.  Laufe  d.  Natur  67 

kommenheit  sei  ohne  viele  übernatürliche  Wirkungen 
unmöglich.  Ich  würde  es  vielmehr  seltsam  und  un- 
begreiflich finden,  wie  ohne  eine  beständige  Reihe  von 
Wundem  etwas  Taugliches  durch  einen  natürlichen 
grossen  Zusammenhang  in  ihr  sollte  geleistet  werden  5 
können.  Denn  es  müsste  ein  befremdliches  Ohngefäiir 
sein,  dass  die  Wesen  der  Dinge,  die  jegliches  für 
sich  seine  abgesonderte  Nothwendigkeit  hätten,  sich  so 
sollten  zusammenschicken,  dass  selbst  die  höchste  Weis- 
heit aus  ihnen  ein  grosses  Ganzes  vereinbaren  könnte,  10 
in  welchem  bei  so  vielfältiger  Abhängigkeit  dennoch 
nach  allgemeinen  Grundsätzen  unverbesserliche  Harmonie 
und  Schönheit  hervorleuchtete.  Dagegen,  da  ich  belehrt 
bin,  dass  darum  nur,  weil  ein  GOtt  ist,  etwas  Anderes  mög- 
lich sei,  so  erwarte  ich  selbst  von  den  Möglichkeiten  der  15 
Dinge  eine  Zusammenstimmung,  die  ihrem  grossen 
Principium  gemäss  ist,  und  eine  Schicklichkeit,  durch 
allgemeine  Anordnungen  zu  einem  Ganzen  zusammen- 
zupassen, das  mit  der  Weisheit  ebendesselben  Wesens 
richtig  harmonirt,  von  dem  sie  ihren  Grund  |  entlehnen,  L^^J 
und  ich  ünde  es  sogar  wunderbar,  dass,  sofeme  etwas 
nach  dem  Laufe  der  Natur  gemäss  allgemeinen  Gesetzen 
geschieht  oder  geschehen  würde,  es  GOtt  missfällig  und 
eines  Wunders  zur  Ausbesserung  bedürftig  sein  sollte ; 
und  wenn  es  geschieht,  so  gehört  selbst  die  Veranlassung  25 
dazu  zu  den  Dingen,  die  sich  bisweilen  zutragen,  von  uns 
aber  nimmermehr  können  begriffen  werden. 

Man    wird    es  auch    ohne    Schwierigkeit     verstehen, 
dass,  wenn  man  den    wesentlichen   Grund  einsieht,  wes- 
wegen Wunder  zur  Vollkommenheit  der  Welt  selten  nöthig  30 
sein  können,   dieses  auch  von  denjenigen  gelte,  die  wir 
in  der  vorigen  Betrachtung  übernatürliche  Begebenheiten 
im  formalen  Verstände  genannt  haben,  und  die  man  in  ge- 
meinen Urtheilen  darum  sehr  häufig  einräumt,  weil  man  ' 
durch  einen  verkehrten  Begriff  darin  etwas  Natürliches  35 
zu  finden  glaubt. 


68  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

2. 

Was  aus  unserem  Beweisgrunde  zum  Vorzüge 

einer   oder  anderer  Naturordnung  geschlossen 

werden  kann. 

[94]  In  dem  Verfahren  der  gereinigten  WeltweiSilieit  herrscht 
eine  Regel,  die,  wenn  sie  gleich  nicht  förmlich  gesagt, 
dennoch  in  der  Ausühung  jederzeit  beohachtet  wird:  dass 
in  aller  Nachforschung  der  Ursachen  zu  gewissen  Wir- 
kungen man  eine  grosse  Aufmerksamkeit  bezeigen  müsse, 

10  die  Einheit  der  Natur  so  sehr  wie  möglich  zu  erhalten, 
das  ist,  vielerlei  Wirkungen  aus  einem  einzigen  schon 
bekannten  Grunde  herzuleiten,  und  nicht  zu  verschiedenen 
Wirkungen  wegen  einiger  scheinbaren  grösseren  ün- 
ähnlichkeit   sogleich    neue    und     verschiedene    wirkende 

15  Ursachen  anzunehmen.  Man  präsumirt  demnach,  dass 
in  der  Natur  grosse  Einheit  sei  in  Ansehung  der  Zu- 
länglichkeit eines  einigen  Grundes  zu  mancherlei  Art 
Folgen,  und  glaubt  Ursache  zu  haben  ,  die  Vereinigung 
einer    Art   Erscheinungen    mit    denen    von   anderer   Art 

20  mohrentheils  als  etwas  Noth wendiges  und  nicht  als  eine 
Wirkung  einer  künstlichen  und  zufälligen  Ordnung  an- 
zusehen. Wie  vielerlei  Wirkungen  werden  nicht  aus 
der  einigen  Kraft  der  Schwere  hergeleitet,  dazu  man 
ehedem  verschiedene  Ursachen  glaubte  nöthig  zu  finden: 

25  das  Steigen  einiger  Körper  und  das  Fallen  anderer. 
Die  Wirbel,  um  die  Himmelskörper  in  Kreisen  zu  er- 
halten, sind  abgestellt,  sobald  man  die  Ursache  derselben 
[95]  in  jener  einfachen  Naturkraft  ge|funden  hat.  Man 
präsumirt  mit  grossem  Grunde,  dass  die  Ausdehnung  der 

30  Körper  durch  die  Wärme,  das  Licht,  die  elektrische 
Kraft,  die  Gewitter,  vielleicht  auch  die  magnetische  Kraft 
vielerlei  Erscheinungen  einer  und  ebenderselben  wirk- 
samen Materie,  die  in  allen  Räumen  ausgebreitet  ist, 
nämlich  des   Aethers   sei ,  und  man  ist  überhaupt  unzu- 

35  frieden,  wenn  man  sich  genöthigt  sieht,  ein  neues  Prin- 
cipium  zu  einer  Art  Wirkungen  anzunehmen.  Selbst  da, 
wo  ein  sehr  genaues  Ebenniass  eine  besondere  künstliche 
Anordnung  zu  erheischen  scheint,  ist  man  geneigt,  sie 
dem   nothwendigen    Erfolg    aus    allgemeineren    Gesetzen 

40  beizumessen  und  noch   immer  die  Regel  der  Einheit  zu 


II.  4.  Voll  komm  enheit  einer  Welt  nach  d.  Laufe  d.  Natur  69 

beobachten,  ehe  man  eine  künstliche  Verfügung  zum 
Grunde  setzt.  Die  Schneefiguren  sind  so  regelmässig 
und  so  weit  über  alles  Plumpe,  das  der  blinde  Zufall 
zuwege  bringen  kann,  zierlich,  dass  man  fast  ein  Miss- 
trauen in  die  Aufrichtigkeit  derer  setzen  sollte,  die  uns  5 
Abzeichnungen  davon  gegeben  haben,  wenn  nicht  ein  jeder 
Winter  unzählige  Gelegenheit  gäbe,  einen  Jeden  durch 
eigene  Erfahrung  davon  zu  versichern.  Man  wird  wenig 
Blumen  antreffen,  welche,  so  viel  man  äusserlich  wahr- 
nehmen kann,  mehr  Nettigkeit  und  Proportion  |  zeigten,  [96] 
und  man  sieht  gar  nichts,  was  die  Kunst  hervorbringen 
kann,  das  da  mehr  Eichtigkeit  enthielte,  als  diese  Er- 
zeugungen, die  die  Natur  mit  soviel  Verschwendung  über 
die  Erdfläche  ausstreut.  Und  gleichwohl  hat  sich  Niemand 
in  den  Sinn  kommen  lassen,  sie  von  einem  besondem  15 
Schneesamen  herzuleiten  und  eine  künstliche  Ordnung 
der  Natur  zu  ersinnen,  sondern  man  misst  sie  als  eine 
Nebenfolge  allgemeineren  Gesetzen  bei,  welche  die  Bildung 
dieses  Produkts  mit  nothwendiger  Einheit  zugleich  unter 
sich  befassen.*)  20 

Gleichwohl  ist    die  Natur   reich   an    einer   gewissen 
andern  Art  von  Hervorbringungen,  wo  alle  Weltweisheit, 
die   über  ihre  Entstehungsart  nachsinnt,  sich  genöthigt 
sieht,  diesen  Weg  zu  verlassen.     Grosse  Kunst  und  eine 
zufällige  Vereinbarung  durch  freie  Wahl  gewissen  Ab-  25 
sichten  gemäss  ist  daselbst  augenscheinlich,  und  wird  zu- 
gleich der  Grund  eines  besondern  Naturgesetzes,  welches 
zur  künstlichen  Na|turordnung  gehört.  Der  Bau  der  Pflanzen  [97] 
und  Thiere  zeigt  eine  solche  Anstalt,  wozu  die  allgemeinen 
und    nothwendigen  Naturgesetze   unzulänglich   sind.     Da  30 
es  nun  ungereimt  sein  würde,  die  erste  Erzeugung  einer 
Pflanze  oder  [eines]  Thieres  als  eine  mechanische  Neben- 
folge aus   allgemeinen  Naturgesetzen    zu  betrachten,    so 
bleibt  gleichwohl  noch  eine  doppelte  Frage  übrig,  die  aus 
dem  angeführten  Grunde  unentschieden  ist:   ob    nämlich  36 
ein  jedes  Individuum  derselben  unmittelbar  von  GOtt  ge- 

*)  Die  den  Gewächsen  ähnliche  Figur  des  Schimmels  hatte 
Viele  bewogen,  denselben  unter  die  Produkte  dos  Pflanzenreichs 
zu  zählen.  Indessen  ist  es  nsich  andern  Beobachtungen  riel 
wahrscheinlicher,  dass  die  anscheinende  Regelmässigkeit  desselben 
nicht  hindern  könne,  ihn  so,  wie  den  Baum  der  Diane,  als  eine 
Folge  aus  den  gemeinen  Gesetzen  der  Sublimirung  anz\isehen. 


70  ßeweisgruQd  zu  einer  Demonatration  des  Daseins  Gottes 

baut  und  also  übornatiirlicheu  Ursprunges  sei,  und  nur 
die  Fort]i{lanzunij,  das  ist  der  Uobergang  von  Zeit  zu 
Zeit,  zur  Auswickeluug  einem  natürlichen  Gesetze  anver- 
traut sei,  oder  ob  einige  Individuen  des  Pflanzen-  und 
5  Thierreichs  zwar  unmittelbar  göttlichen  Ursprungs  seien, 
jedoch  mit  einem  uns  nicht  begreiflichen  Vermögen,  nach 
einem  ordentlichen  Naturgesetze  ihres  Gleichen  zu  erzeugen 
und  nicht  bloss  auszuwickeln.  Von  beiden  Seiten  zeigen 
[98J  sicli  Schwierigkeiten.    Es  ist  vielleicht  unmög|lich  auszu- 

10  machen,  welche  die  grosseste  sei;  allein  was  uns  hier 
angeht,  ist  nur,  das  Uebergewicht  der  Gründe,  insoferno 
sie  metaphysisch  sind,  zu  bemerken.  Wie  z.  E.  ein  Baum 
durch  eine  innere  mechanische  Verfassung  soll  vermögend 
sein,  den  Nahrungssaft  so  zu  formen  und  zu  modeln,  dass 

15  in  dem  Auge  der  Blätter  oder  seinem  Samen  etwas  ent- 
stünde, das  einen  ähnlichen  Baum  im  Kleinen,  oder  woraus 
doch  ein  solcher  werden  könnte,  enthielte,  ist  nach  allen 
unsern  Kenntnissen  auf  keine  Weise  einzusehen.  Die 
innerlichen    Formen    des  Herrn  von    Buffon    und  die 

20  Elemente  organischer  Materie,  die  sich  zu  Folge  ihrer 
Erinnerungen,  den  Gesetzen  der  Begierden  und  des  Ab- 
scheues gemäss,  nach  der  Meinung  des  Herrn  von 
Maupertüis  zusammenfügen,  sind  entweder  ebenso  un- 
verständlich, als  die  Sache  selbst,  oder  ganz    willkürlich 

25  erdacht.  Allein  ohne  sich  an  dergleichen  Theorien  zu 
kehren,  muss  man  denn  darum  selbst  eine  andere  dalür 
aufwerfen,  die  ebenso  willkürlich  ist,  nämlich  dass  alle 
diese  Individuen  übernatürlichen  Ursprungs  seien,  weil 
man  ihre  natürliche  Entsteh ungsart  gar   nicht  begreift? 

30  Hat  wohl  jemals  Einer  das  Vermögen  des  Hefens,  seines 
[99J  Gleichen  |  zu  erzeugen,  mechanisch  begreiflich   gemacht? 
und  gleichwohl  bezieht  man  sich  desfalls  nicht  auf  einen 
übernatüiiichen  Grund. 

Da  in  diesem  Falle  der  Ursprung  aller  solcher  orga- 

85  nischen  Produkte  als  völlig  übernatürlich  angesehen  wird, 
so  glaubt  man  dennoch  etwas  für  den  Naturphilosophen 
übrig  zu  lassen,  wenn  man  ihn  mit  der  Art  der  allmäh- 
lichen Fortpflanzung  spielen  lässt.  Allein  man  bedenke 
wohl,    dass  man   dadurch   das  Uebernatürliche  nicht   vor- 

40  mindert,  denn  es  mag  diese  übernatürliche  Erzeugung  zur 
Zeit  der  Schö])fung,  oder  nach  und  nach  in  verschiedenen 
Zeitpunkten  geschehen,  so  ist  in  dem  letzteren  Falle  nicht 


II.  5.  Die  gewöhnliche  Methode  der  Pkysikotheologie    71 

mehr  Uebernatürliches    als    im   ersten;    denn   der  ganze 
Unterschied  läuft  nicht  auf  den  Grad  der  unmittelbaren 
göttlichen  Handlung,    sondern  lediglich  auf  das   Wenn 
hinaus.     Was   aber  jene   natürliche   Ordnung   der  Aus- 
wickelung anlangt,  so  ist  sie  nicht  eine  Regel  der  Frucht-  5 
barkeit  der  Natur,  sondern  eine  Methode   eines  unnützen 
ümschweifs.     Denn  es  wird   dadurch  nicht  der  mindeste 
Grad  einer  unmittelbaren   göttlichen  Handlung  besparet. 
Demnach    scheint    es  unvermeidllich:  entweder  bei  jeder  [100 j 
Begattung   die  Bildung  der  Frucht  unmittelbar  einer  gött-  10 
liehen  Handlung  beizumessen,  oder  der  ersten  göttlichen 
Anordnung  der  Pflanzen  und  Thiere  eine  Tauglichkeit  zu- 
zulassen, ihres  Gleichen  in  der  Folge  nach  einem  natür- 
lichen Gesetze  nicht  bloss  zu  entwickeln,  sondern  wahr- 
haftig zu  erzeugen.  15 

Meine  gegenwürtige  Absicht  ist  nur,  hiedurch  zu  zeigen, 
dass  man  den  Naturdingen  eine  grössere  Möglichkeit,  nach 
allgemeinen  Gesetzen  ihre  Folgen  hervorzubringen,  ein- 
räumen müsse,  als  man  es  gemeiniglich  thut. 


Fünfte  Betrachtung.  20 

Worin  die  Unzulänglichkeit  der  gewöhnlichen 
Methode  der  Physikotheologie  gewiesen  wird. 

1. 

Yon  der  Physikotheologie  überhaupt. 

Alle  Arten,   das  Dasein  GOttes  aus  den  Wirkungen  25 
desselben  zu  erkennen,  lassen  sich  auf  die  |  drei  folgenden[101] 
bringen.     Entweder  man   gelangt  zu   dieser  Erkenntniss 
durch   die   Wahrnehmung   desjenigen,   was   die   Ordnung 
der  Natur   unterbricht  und  diejenige  Macht  unmittelbar 
bezeichnet,    welcher    die   Natur    unterworfen   ist:    diese  30 
Ueberzeugung  wird  durch  Wunder  veranlasst;  oder  die 
zufällige  Ordnung  der  Natur,  von  der  man  deutlich 
einsieht,   dass  sie   auf  vielerlei   andere  Art  möglich  war, 
in  der  gleichwohl  grosse  Kunst,  Macht  und  Güte  hervor- 
leuchtet, führt  auf  den  göttlichen  Urheber;    oder  drittens  35 
die   noth wendige  Einheit,   die  in   der  Natur   wahr- 
genommen wird,  und  die  wesentliche  Ordnung  der  Dinge, 


72  Beweisgrund  zu  eiuer  Demonstration  des  Dateins  Gottea 

welche  grossen  Kegeln  der  Vollkommenheit  gemäss  ist, 
kurz  das,  was  in  der  Regelmässigkeit  der  Natur  Noth- 
wendiges  ist,  leitet  auf  ein  oberstes  Principium,  nicht 
allein  dieses  Daseins,  sondern  selbst  aller  Möglichkeit. 
5  Wenn  Menschen  völlig  verwildert  sind,  oder  eine  hals- 
starrige Bosheit  ihre  Augen  verschliesst,  alsdenn  scheint 
das  erstere  Mittel  einzig  und  allein  einige  Gewalt  an 
sich  zu  haben,  sie  vom  Dasein  des  höchsten  Wesens  zu 
[102]  überführen.  Dagegen  |  findet  die  richtige  Betrachtung  einer 

10  wohlgcarteten  Seele  an  so  viel  zufälliger  Schönheit  und 
zweckmässiger  Vorbindung,  wie  die  Ordnung  der  Natur 
darbietet,  Beweisthümer  genug,  einen  mit  grosser  Weis- 
heit und  Macht  begleiteten  Willen  daraus  abzunehmen, 
und  es   sind   zu   dieser   üeberzeugung,   soferne    sie  zum 

15  tugendhaften  Verhalten  hinlänglich,  das  ist  moralisch 
gewiss,  sein  soll,  die  gemeinen  Begriffe  des  Verstandes 
hinreichend.  Zu  der  dritten  Art  zu  schliessen,  wird  noth- 
wendiger  Weise  Weltweisheit  erfordert,  und  es  ist  auch 
einzig  und  allein   ein  höherer  Grad  derselben  fähig,   mit 

20  einer  Klarheit  und  üeberzeugung,  die  der  Grösse  der 
Wahrheit  gemäss  ist,  zu  dem  nämlichen  Gegenstande  zu 
gelangen. 

Die    beiden  letzteren   Arten  kann    man  physikotheolo- 
gische  Methoden  nennen ;  denn  sie  zeigen  beide  den  Weg, 

25  aus  den  Betrachtungen  über  die  Natur  zur  Erkenntnis 
Gottes  hinauf  zu  steigen.  | 


[103]  2. 

Die  Yortheile  und  auch  die  Fehler  der  gewöhnlichen 
Physikotheologie. 

30  Das  Hauptmerkmal  der  bis  dahin  gebräuchlichen 
physisch- theologischen  Methode  besteht  darin:  dass  die 
Vollkommenheit  und  Eegelmässigkeit  erstlich  ihrer  Zu- 
fälligkeit nach  gehörig  begriffen,  und  alsdenn  die  künst- 
liche Ordnung  nach  allen  zweckmässigen  Beziehungen 
35  darinnen  gewiesen  wird,  um  daraus  auf  einen  weisen  und 
gütigen  Willen  zu  schliessen,  nachher  aber  zugleich  durch 
die  hinzugefügte  Betrachtung  der  Grösse  des  Werks  der 
Begiiff  der  unormessliclien  Macht  des  Urhebers  damit 
vereinigt  wird. 


IL  5.  Die  gewöhnliche  Methode  der  Physikolheologie  73 

Diese  Methode  ist  vortrefflich :  erstlich,  weil  die  Ueber- 
zeugung  überaus   sinnlich   und   daher  sehr  lebhaft  und 
einnehmend,  und  dennoch  auch  dem  gemeinsten  Verstände 
leicht  und  fasslich  ist;   zweitens,  weil  sie  natürlicher  ist 
als  irgend  eine  andere,  indem  ohne  Zweifel  ein  Jeder  von  5 
ihr  zuerst  anfängt ;  drittens,  weil  sie  einen  sehr  anschauenden 
Begrifi"  von  der  hohen  Weisheit,  Vorsorge  oder  auch  der 
Macht  des  anbetungswürdilgen  Wesens  verschafft,  welcher  [104] 
die  Seele  füllt,  und  die  grosseste  Gewalt  hat,  auf  Erstaunen, 
Demuth  und  Ehrfarcht  zu  wirken.*)     Diese  Beweisart  ist  lo 
viel   praktischer,    als  irgend   eine  andere   selbst  in   An- 
sehung des  Philosophen.     Denn   ob  er  gleich  für  seinen 
forschenden  oder  grübelnden  Verstand  hier  nicht  die  be- 
stimmte  abgezogene  Idee  der  Gottheit  antrifft,   und  die 
Gewissheit  selbst  nicht  mathematisch,   sondern  moralisch  15 
ist,  so  bemächtigen  sich  doch  so  viel  Beweisthümer,  jeder 
von  so  grossem  Eindruck,  seiner  Seele,  und  die  Speku- 
lation  folgt   ruhig   mit   einem   gewissen   Zutrauen   einer 
Ueberzeugung,   die  schon  Platz  genommen  hat.     Schwer- 
lich würde  wohl  Jemand   seine  ganze  Glückseligkeit   auf  20 
die  angemasste  Richtigkeit  eines  metaphysischen  Beweises 
wagen,  vornehmlich  wenn   ihm  lebhafte  sinnliche  Ueber- 
redungen  entgegenstünden.   Allein  |  die  Gewalt  der  Ueber-  [105] 
Zeugung,   die  hieraus  erwächst,   darum  eben,    weil  sie  so 
sinnlich  ist,    ist  auch    so    gesetzt   und   unerschütterlich,  25 
dass  sie  keine  Gefahr   von  Schlussreden  und  Unterschei- 
dungen besorgt  und  sich  weit  über  die  Macht  spitzfindiger 
Einwürfe  wegsetzt.     Gleichwohl  hat  diese  Methode  ihre 


*)  Wenn  ich  unter  andern  die  mikroskopischen  Beobachtungen 
des  Doktor  Hill,  die  man  im  Hamb.  Magazin  antrifft,  erwäge, 
und  sehe  zahlreiche  Thiergeschlechter  in  einem  einzigen  Waäser- 
tropfen,  räuberische  Arten,  mit  Werkzeugen  des  Verderbens  aus- 
gerüstet, die  von  noch  mächtigeren  Tyrannen  dieser  Wasserwelt 
zerstört  werden,  indem  sie  gefiissen  sind,  andere  zu  verfolgen ; 
wenn  ich  die  Ränke,  die  Gewalt  und  die  Scene  des  Aufruhrs 
in  einem  Tropfen  Materie  ansehe,  und  erhebe  von  da  meine 
Augen  in  die  Höhe,  um  den  unermesslichen  Raum  von  Welten 
wie  von  Stäubchen  wimmeln  zu  sehen,  so  kann  keine  mensch- 
liche Sprache  das  Gefühl  ausdrücken,  was  ein  solcher  Gedanke 
erregt,  und  alle  subtile  metaphysische  Zergliederung  weicht  sehr 
weit  der  Erhabenheit  und  Würde,  die  einer  solchen  Anschauung 
eigen  ist. 


74  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Fehler,  die  beträchtlich  genug  sind,  ob  sie  zwar  eigent- 
lich nur  dem  Verfahren  derjenigen  zuzurechnen  sind, 
die  sich  ihrer  bedient  l4;.ben. 

1.  Sie  betrachtet  alle  Vollkommenheit,  Harmonie  und 
6  Schönheit  der  Natur  als  zufällig,  und  als  eine  Anordnung 
durch  Weisheit,  da  doch  viele  derselben  mit  nothwendiger 
Einheit  aus  den  wesentlichsten  Regeln  der  Natur  ab- 
fliessen.  Das,  was  der  Absicht  der  Physikotheologie 
hiebei  am  schädlichsten  ist,  besteht  darin,  dass  sie  diese 
[106]  Zufäliligkeit  der  Naturvollkommenheit  als  höchstnöthig 
zum  Beweise  eines  weisen  Urhebers  ansieht,  daher  alle 
nothwendige  Wohlgereimtheiten  der  Dinge  der  Welt  bei 
dieser  Voraussetzung  gefährliche  Einwürfe  werden. 

Um   sich  von   diesem  Fehler  zu    überzeugen,  merke 

15  man  auf  Nachstehendes.  Man  sieht,  wie  die  Verfasser 
nach  dieser  Methode  geflissen  sind,  die  an  unzähligen 
Endabsichten  reichen  Produkte  des  Pflanzen-  und  Thier- 
reichs  nicht  allein  der  Macht  des  Ohngefährs,  sondern 
auch  der  mechanischen   Nothwendigkeit  nach  allgemeinen 

20  Gesetzen  der  materialen  Natur  zu  entreissen.  Und  hierin 
kann  es  ihnen  auch  nicht  im  mindesten  schwer  werden. 
Das  Uebergewicht  der  Gründe  auf  ihrer  Seite  ist  gar  zu 
sehr  entschieden.  Allein  wenn  sie  sich  von  der  organischen 
Natur  zur   unorganischen  wenden,  so  beharren  sie  noch 

25  immer  auf  ebenderselben  Methode;  allein  sie  finden 
sich  daselbst  fast  jederzeit  durch  die  veränderte  Natur 
der  Saclien  in  Schwierigkeiten  befangen,  denen  sie  nicht 
ausweichen  können.  Sie  reden  noch  immer  von  der 
durch  grosse  Weisheit  getroffenen  Vereinbarung  so  vieler 
[107]  nützlichen  Eigenschaften  |  des  Luftkreises,  den  Wolken, 
dem  Regen,  den  Winden,  der  Dämmerung  etc.  etc.,  als 
wenn  die  Eigenschaft,  wodurch  die  Luft  zu  Erzeugung 
der  Winde  auferlegt  [aufgelegt]  ist,  mit  derjenigen,  wodurch 
sie  Dünste  aufzieht,   oder  wodurch  sie  in  grossen  Höhen 

35  dünner  wird,  ebenso  vermittelst  einer  weisen  Wahl  wäre 
vereinigt  worden,  wie  etwa  bei  einer  Spinne  die  ver- 
schiedenen Augen,  womit  sie  ihrem  Raube  auflauert, 
mit  den  Warzen,  woraus  die  Spinnensoide  als  durch 
Ziehlöcher  gezogen  wird,   mit    den    feinen    Klauen   oder 

40  auch  den  Ballen  ihrer  Fi;sse,  dadurch  sie  zusammen- 
klebt oder  sich  daran  erhält,  in  einem  Thiere  verknüpft 
sind.    In  diesem  letzleren  Falle  ist  die  Einheit  bei  allen 


IT.  5.  Die  gewöhnliche  Methode  der  Physikotheologie    75 

verbundenen  Nutzbarkeiten  (als  in  welcher  die  Voll- 
kommenheit besteht)  offenbar  zufällig  und  einer  weisen 
Willkür  beizumessen,  da  sie  im  Gegentheil  im  ersteren 
Fall  nothwendig  ist,  und,  wenn  nur  eine  Tauglichkeit 
von  denen  erwähnten  der  Luft  beigemessen  wird,  die  5 
andere  unmöglich  davon  zu  trennen  ist.  Eben  dadurch, 
dass  man  keine  andere  Art,  die  Vollkommenheit  der 
Natur  zu  beurtheilen,  einräumt,  als  durch  die  Anstalt 
der  Weisheit,  so  wird  eine  jede  ausgebreitete  Einheit, 
inisofeme  sie  offenbar  als  nothwendig  erkannt  wird,  [108] 
einen  gefährlichen  Einwurf  ausmachen.  Wir  werden  bald 
sehen,  dass  nach  unserer  Methode  aus  einer  solchen 
Einheit  gleichwohl  auch  auf  die  göttliche  Weisheit  geschlossen 
wird,  aber  nicht  so,  dass  sie  von  der  weisen  Wahl  als 
ihrer  Ursache,  sondern  von  einem  solchen  Grunde  in  15 
einem  obersten  Wesen  hergeleitet  wird,  welcher  zugleich 
ein  Grund  einer  grossen  Weisheit  in  ihm  sein  muss, 
mithin  wohl  von  einem  weisen  Wesen,  aber  nicht  durch 
seine  Weisheit. 

2.  Diese  Methode  ist  nicht  genugsam  philosophisch  und  20 
hat   auch    öfters    die   Ausbreitung    der    philosophischen 
Erkenntniss    sehr   gehindert.     Sobald    eine    Naturanstalt 
nützlich   ist,  so   wird   sie   gemeiniglich  unmittelbar  aus 
der  Absicht  des  göttlichen  Willens  oder  doch  durch  eine  be- 
sonders  durch  Kunst   veranstaltete    Ordnung   der    Natur  25 
erklärt;    entweder   weil    man   einmal  sich   in   den    Kopf 
gesetzt   hat,  die  Wirkungen  der   Natur,    gemäss    ihren 
allgemeinsten  Gesetzen,  könnten  auf  solche  Wohlgereimt- 
heit    nicht   auslaufen,    oder   wenn   man    einräumte,    sie 
hätten    auch    solche  Folgen,    so    würde  die|ses    heissen,  [109] 
die   Vollkommenheit   der  Welt  einem   blinden  Ohngefähr 
zuzutrauen,   wodurch  der   göttliche   Urheber   sehr  würde 
verkannt  werden.     Daher  werden  in  einem  solchen  Falle 
der   Naturforschung    Grenzen   gesetzt.      Die    erniedrigte 
Vernunft   steht  gerne   von  einer   weiteren   Untersuchung  35 
ab,  weil    sie   solche   hier   als  Vorwitz   ansieht,  und  das 
Vorurtheil  ist  desto  gefährlicher,  weil    es    den    Faulen 
einen    Vorzug    vor     dem    unermüdeten    Forscher    giebt 
durch  den  Vorwand  der  Andacht  und  der  billigen  Unter- 
werfung unter  den  grossen  Urheber,  in  dessen  Erkenntniss  ^0 
sich  alle  Weisheit  vereinbaren  muss.     Man  erzählt  z.  E. 
die    Nutzen  der  Gebirge,   deren  es  unzählige  giebt,  und 


76    Beweißgrund  zu  einer  Demoostration  des  Daseins  Gottes 

sobald  man  deren  recht  viel,  und  unter  diesen  solche,' die 
das  menschliche  Geschlecht  nicht  entbehren  kann,  zu- 
sammengebracht hat,  so  glaubt  man  Ursache  zu  haben,  sie 
als  eine  unmittelbare,  göttliche  Anstalt  anzusehen.  Denn 
5  sie  als  eine  Folge  aus  allgemeinen  Bewegungsgesetzen  zu 
betrachten  (weil  man  von  diesen  gar  nicht  vermuthet, 
dass  sie  auf  schöne  und  nützliche  Folgen  sollten  eine 
Beziehung  haben,  es  müsste  denn  etwa  von  ohugefähr 
[110]  sein),  das  würde  ihrer  Meinung  nach  heissen,  |  einen  wesent- 

10  liehen  Yortheil  des  Menschen'geschlechts  auf  den  blinden 
Zufall  ankommen  lassen.  Ebenso  ist  es  mit  der  Be- 
trachtung der  Flüsse  der  Erde  bewandt.  Wenn  man  die 
physisch- theologischen  Verfasser  hört,  so  wird  man  dahin  ge- 
bracht, sich  vorzustellen ,  ihre  Laufrinnen  wären  alle  von 

15  GOtt  ausgehöhlt.  Es  heisst  auch  nicht  philosophiren, 
wenn  man,  indem  man  einen  jeden  einzelneu  Berg,  oder 
jeden  einzelnen  Strom  als  eine  besondere  Absicht  GOttes 
betrachtet,  die  nach  allgemeinen  Gesetzen  nicht  würde 
erreicht   worden  sein,  wenn  man ,    sage  ich ,  alsdenn  dic- 

20  jenigen  Mittel  ersinnt,  deren  besonderer  "Vorkehrung  sich 
etwa  GOtt  möchte  bedient  haben,  um  diese  Individual- 
Wirkungen  herauszubringen.  Denn  nach  demjenigen,  was 
in  der  dritten  Betrachtung  dieser  Abtheilung  gezeigt 
worden,  ist  dergleichen  Produkt  dennoch  insoferne  immer 

25  übernatürlich;  ja,  weil  es  nicht  nach  einer  Ordnung  der 
Natur  (indem  es  nur  als  eine  einzelne  Begebenheit  durch 
eigene  Anstalten  enstand)  erklärt  werden  kann,  so  gründet 
sich  ein  solches  Verfahren  zu  urtheilen  auf  eine  verkehrte 
Vorstellung  vom  Vorzuge  der  Natur  an  sich  selber,  wenn 
[111]  sie  auch  durch  Zwang  auf  einen  einzelnen  |  Fall  sollte  ge- 
lenkt werden  müssen,  welches  nach  aller  unserer  Einsicht 
als  ein  Mittel  des  TJmschweifs ,  und  nicht  als  ein  Ver- 
fahren   der   Weisheit    kann    angesehen    werden.*)      Als 


•)  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  in  dergleichen  Fällen,  wo 
die  Offenbarung  Nachricht  giebt ,  dass  eine  Weltbegebenheit 
ein  ausserordentliches  göttliches  Verhängniss  sei ,  der  Vorwitz 
der  Philosophen  möchte  gemässigt  werden ,  ihre  physischen  Ein- 
sichten auszukramen ;  denn  sie  thun  der  Religion  gar  keinen 
Dienst  und  machen  es  nur  zweifelhaft,  ob  die  Begebenheit  nicht 
gar  ein  natürlicher  Zufall  sei ;  wie  in  demjenigen  Fall,  da  man 
die  Vertilgung  des  Heeres  unter  Sanherib  dem  Winde  Samiel 
beimisst.      Die    Philosophie    kommt    hiebei  gemeiniglich  ins  Ge- 


II.  5.  Die  gewöhnliche  Methode  der  Physikotheologie    77 

Newton  durch  untni gliche  Beweise  sich  überzeugt  hatte, 
dass  der  Erdkörpor  diejenige  Figur  habe,  auf  der  alle  durch 
den     Diehungsschwung     veränderten     Eichtungen     der 
Schwere   senkrecht   stünden;   so   schloss  er,  die  Erde  sei 
im   Anfang  flüssig  gewesen  und  habe  nach  den  Gesetzen  5 
der   Statik  vermittelst   der  Umdrehung   gerade  diese  Ge- 
stalt angenommen.     Er  kannte  so  gut,  wie  sonst  Jemand, 
die  Vortheile,  die  in  der  Kugelrundung  eines  Weltkörpers 
liegen,  und  auch  die  höchst  |  nöthige  Abplattung,  um  den  [112] 
nachtheiligen    Folgen    der   Achsendrehung    vorzubeugen.  10 
Dieses  sind   insgesammt  Anordnungen,  die  eines   weisen 
Urhebers   würdig    sind.      Gleichwohl   trug    er   kein    Be- 
denken,  sie  den   nothwendigsten   mechanischen    Gesetzen 
als  eine  Wirkung  beizumessen,  und  besorgte  nicht,  dabei 
den    grossen    Eegierer  aller    Dinge    aus  den   Augen  zu  15 
verlieren. 

Es  ist  also  auch  sicher  zu  vemauthen,  dass  er 
nimmermehr  in  Ansehung  des  Baues  der  Planeten,  ihrer 
Umläufe  und  der  Stellung  ihrer  Kreise  unmittelbar  zu 
einer  göttlichen  Anstalt  seine  Zuflucht  würde  genommen  20 
haben,  wenn  er  nicht  geurtheilt  hätte:  dass  hier  ein 
mechanischer  Ursprung  unmöglich  sei,  nicht  wegen  der 
Unzulänglichkeit  derselben  zur  Regelmässigkeit  und  Ord- 
nung überhaupt  (denn  warum  besorgte  er  nicht  diese 
Untauglichkeit  in  dem  vorher  erwähnten  Falle?),  sondern  25 
w^eil  die  Himmelsräume  leer  sind ,  und  keine  Gemein- 
schaft der  Wirkungen  der  Planeten  in  einander,  ihre 
Kreise  zu  stellen,  in  diesem  Zustande  möglich  ist.  Wenn 
es  ihm  indessen  beigefallen  wäre,  zu  fragen:  ob  sie 
denn  auch  jederzeit  leer  gewesen,  und  ob  nicht  |  wenig-  [113] 
stens  im  allerersten  Zustande ,  da  diese  Räume  vielleicht 
im  Zusammenhange  erfüllt  waren,  diejenige  Wirkung 
möglich  gewesen,  deren  Folgen  sich  seitdem  erhalten 
haben,  wenn  er  von  der  allerältesten  Beschaffen- 
heit eine  gegründete  Vermuthung  gehabt  hätte,  so  kann  35 
man  versichert  sein,  dass  er  auf  eine  der  Philosophie 
geziemende  Art  in  den  allgemeinen  mechanischen  Ge- 
setzen die  Gründe  von  der  BeschafTenheit  des  Weltbaues 
gesucht  haben  würde,   ohne  desfalls  in  Sorgen  zu  sein, 


dränge ,  wie    in    der  WmSTON'schen    Theorie ,  die  astronomische 
Kometenkenntniss  zur  Bibelerklärung  zu  gebrauchen. 


78     Beweiegnind  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

dass  diese  Erklärung  den  Ursprung  der  "Welt  aus  den 
Händen  des  Schüpfers  der  Macht  des  OhngefHlirs  über- 
lieferte. Das  berühmte  Beispiel  des  Newton  darf  dem- 
nach nicht  dem  faulen  Vertrauen  zum  Verwände  dienen, 
5  eine  übereilte  Berufung  auf  eine  unmittelbare  göttliche 
Anstalt  für  eine  Erklärung  in  philosophischem  Geschmacks 
auszugeben. 

Ueberhaupt   haben   freilich    unzählbare    Anordnungen 
der  Natur,  da  sie  nach  den  allgemeinsten  Gesetzen  immer 

10  noch    zufällig   sind,  keinen  andern  Grund   als    die  weise 
Absicht  desjenigen,    der   gewollt   hat,    dass   sie   so  und 
[114]  nicht  anders  verknüpft  |  werden  sollten.     Aber  man  kann 
nicht    umgekehrt    schliessen:    wo    eine    natürliche    Ver- 
knüpfung mit  demjenigen  übereinstimmt,  was  einer  weisen 

15  Wahl  gemäss  ist,  da  ist  sie  auch  nach  den  allgemeinen 
Wirkungsgesetzen  der  Natur  zufällig  und  durch  künst- 
liche Fügung  ausserordentlich  festgesetzt  worden.  Es 
kann  bei  dieser  Art  zu  denken  sich  öfters  zutragen,  dass 
die  Zwecke  der  Gesetze,  die  man  sich  einbildet,  unrichtig 

20  sind ,  und  denn  hat  man  ausser  diesem  Irrthume  noch 
den  Schaden,  dass  man  die  wirkenden  Ursachen  vorbei- 
gegangen ist  und  [sich]  unmittelbar  an  eine  Absicht,  die 
nur  erdichtet  ist,  gehalten  hat.  Suessmilch  hatte  ehedem 
vermeint,  den  Grund,  warum  mehr  Knäbchen  als  Mägdchen 

26  geboren  werden,  in  dieser  Absicht  der  Vorsehung  zu 
finden,  damit  durch  die  grössere  Zahl  derer  vom  Manns- 
posclilechte  der  Verlust  ergänzt  werde,  den  dieses  Ge- 
schlecht durch  Krieg  und  gefahrlichere  Arten  des  Ge- 
werbes vor  dem    andern   erleidet.     Allein    durch   spätere 

30  Beobachtungen  wurde  ebendieser  sorgfältige  und  ver- 
nünftige Mann  belehrt,  dass  dieser  Ueberschuss  der 
Knäbchen  in  den  Jahren  der  Kindheit  durch  den  Tod 
so  weggenommen  werde,  dass  noch  eine  geringere  Zahl 
männlichen,  als  die  des  weiblichen  [Geschlechtes]  in  die 
[115]  Jahre  gelan^^en ,  |  wo  die  vorher  erwähnten  Ursachen 
allererst  Gründe  des  Verlustes  enthalten  können.  Man 
hat  Ursache  zu  glauben,  dass  diese  Merkwürdigkeit  ein 
P'all  sf'i,  der  unter  einer  viel  allgemeineren  Regel  stehen 
mag,   nämlich   dass   der    stärkere   Theil    der    Menschen- 

40  arten  auch  einen  grösseren  Antheil  an  der  Zeugungs- 
thätigkeit  habe,  um  in  den  beiderseitigen  Produkten 
seine   eigene  Art  Überwiegend  zu  machen,  dass  aber  da- 


II.  5.  Die  gewöhnliche  Methode  der  Physik otheologie   79 

gegen,  weil  mehr  dazu  gehört,  dass  etwas,  welches  die 
Grundlage  zu  grösserer  Vollkommenheit  hat,  auch  in  der 
Ausbildung  alle  zu  Erreichung  derselben  gehörigen  Um- 
stände antreffe,  eine  grössere  Zahl  derer  von  minder  voll- 
kommener Art  den  Grad  der  Vollständigkeit  erreichen  5 
werde,  als  derjenige,  zu  deren  Vollständigkeit  mehr  Zu- 
sammentreffung  von  Gründen  erfordert  wird.  Es  mag 
aber  mit  dieser  Eegel  eine  Beschaffenheit  haben,  welche 
es  wolle,  so  kann  man  hiebei  wenigstens  die  Anmerkung 
machen,  dass  es  die  Erweiterung  der  philosophischen  1® 
Einsicht  hindere,  sich  an  die  moralischen  Gründe,  das 
ist,  an  die  Erläuterung  aus  Zwecken  zu  wenden,  da,  wo 
es  noch  zu  vermuthen  ist,  dass  physische  Gründe  durch 
eine  Verknüpfung  mit  rothwendigen  allgemeineren  Ge- 
setzen die  Folge  bestimmen.  |  15 

3.  Diese  Methode  kann  nur  dazu   dienen,  einen  ür-fllG] 
heber   der   Verknüpfungen    und    künstlichen    Zusammen- 
fügungen  der  Welt,    aber  nicht   der  Materie  selbst  und 
den   Ursprung   der  Bestandtheile   des  Universum   zu   be- 
weisen.    Dieser  beträchtliche  Fehler  muss  alle  diejenigen,  20 
die  sich  ihrer  allein  bedienen,   in  Gefahr  desjenigen  Irr- 
thums  lassen,    den  man  den  feineren   Atheismus   nennt, 
und   nach  welchem  GOtt   im   eigentlichen  Verstände   als 
ein  Werkmeister   und  nicht  als   ein   Schöpfer  der  Welt, 
der  zwar  die  Materie  geordnet  und  geformt,  nicht  aber  25 
hervorgebracht  und  erschaffen  hat,  angesehen  werde.     Da 
ich   diese  Unzulänglichkeit  in   der  nächsten  Betrachtung 
erwägen  werde,  so  begnüge  ich  mich,  sie  hier  nur  angemerkt 
zu  haben. 

Uebrigens  bleibt  die  gedachte  Methode  jederzeit  eine  30 
derjenigen,  die  sowohl  der  Würde  als  auch  der  Schwäche 
des   menschlichen  Verstandes   am  meisten   gemäss   sind. 
Es   sind   in    der   That   unzählbare  Anordnungen  in   der 
Natur,  deren  nächster  Grund  eine  Endabsicht  ihres  Urhebers  . 
sein  muss,   und  es  ist  der   leichteste  Weg,   der  auf  ihn  35 
führt,  wenn  man  diejenigen  Anstalten  erwägt,  die  seiner 
Weisheit  unimittelbar  untergeordnet   sind.     Daher  ist  es  [117] 
billig,  seine  Bemühungen  vielmehr  darauf  zu  wenden,  sie 
zu  ergänzen,  als  anzufechten,   ihre  Fehler  zu  verbessern, 
als  sie  um  deswillen  geringschätzig  zu  halten.  Die  folgende  40 
Betrachtung  soll  sich  mit  dieser  Absicht  beschäftigen. 


80    Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottc3 

Sechste  Betrachtung. 

Verbesserte  Methode  der  Physikotheolo  gie. 

1. 

Ordnung  und  Anständigkeit,  wenn  sie  gleich  noth- 
5  wendig  ist,  bezeichnet  einen  verständigen  Urheber. 

Es  kann  nichts  dem  Gedanken  von  einem  göttlichen 
Urheber  des  Universum  nachtheiliger  und  zugleich  un- 
Ternünftiger  sein,  als  wenn  man  bereit  ist,  eine  grosse 
und  fruchtbare  Eegel  der  Anständigkeit,  Nutzbarkeit  und 

10  üebereinstimmung  dem  ungefähren  Zufall  beizumessen  ;  der- 
gleichen das  Klinaraen  der  Atomen  in  dem  Lehrgebäude 
[118]  des  Demokkitus  und  Epikur's  war.  |  Ohne  dass  ich 
mich  bei  der  Ungereimtheit  und  vorsfitzliclien  Verblendung 
dieser  Art  zu    urtheilen  verweile,   da  sie  genugsam  von 

15  Andern  ist  augenscheinlich  gemacht  worden,  so  bemerke 
ich  dagegen,  dass  die  wahrgenommene  Nothwendigkeit  in 
Beziehung  der  Dinge  auf  regelmässige  Verknüpfungen, 
und  der  Zusammenhang  nützlicher  Gesetze  mit  einer  notli- 
wendigen  Einheit  ebensowohl,  als  die  zufälligste  und  will- 

20  kürlichste  Anstalt,  einen  Beweisthum  von  einem  weisen  Ur- 
heber abgebe;  obgleich  die  Abhängigkeit  von  ihm  in 
diesem  Gesichtspunkte  auf  andere  Art  muss  vorgestellt 
werden.  Um  dieses  gehörig  einzusehen,  so  merke  ich  an, 
dass  die  Ordnung  und  vielföltige  vortheilhafte  Zusammen- 

25  Stimmung  überhaupt  einen  verständigen  Urheber  bezeichnet, 
noch  ehe  man  daran  denkt,  ob  diese  Beziehung  den  Dingen 
nothwendig  oder  zufällig  sei.  Nach  den  Urtheilen  der 
gemeinen  gesunden  Vernunft  hat  die  Abfolge  der  Welt- 
veränderungen oder  diejenige  Verknüpfung,  an  deren  Stelle 

80  eine   andere    möglich   war,    ob   sie    gleich   einen    klaren 

Beweisgrund  der  Zufälligkeit  an  die  Hand   giebt,  wenig 

Wirkung,  dem  Verstände  die  Vermuthung  eines  Urhebers 

zu  veranlassen.     Es  wird  dazu  Philosophie  erfordert,  und 

[119]  selbst  deren  Ge| brauch  ist  in  diesem  Falle  verwickelt  und 

36  schlüpfrig.  Dagegen  macht  grosse  Regelmässigkeit  und 
Wohlgereimthcit  in  einem  vielstimmigen  Harmonischen 
stutzig,  und  die  gemeine  Vernunft  selbst  kann  sie  ohne 
einen  verstand  igen  Urheber  nimmer  möglich  finden.    Die 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie      Sl 

eine  Regel*)  der  Anständigkeit  mag  in  der  anderen  schon 
wesentlich  liegen  oder  willkürlich  damit  verbunden  sein, 
so  findet  man  es  geradezu  unmöglich,  dass  Ordnung  und 
Regelmässigkeit  entweder  von  ohngefähr  oder  auch  unter 
viel  Dingen,  die  ihr  verschiedenes  Dasein  haben,  so  von  5 
selbst  sollte  stattfinden ;  denn  nimmermehr  ist  ausgebreitete 
Harmonie  ohne  einen  verständigen  Grund  ihrer  Möglich- 
keit nach  zureichend  gegeben.  Und  hier  äussert  sich  als- 
bald ein  grosser  Unterschied  zwischen  der  Art,  wie  man  die 
Vollkommenheit  ihrem  Ursprünge  nach  zu  beurtheilen  habe.]  10 

2.  [ISO] 

Nothwendige  Ordnung  der  Natur  bezeichnet  selbst 
einen  Urheber  der  Materie,  die  so  geordnet  ist. 

Die  Ordnung  in  der  Natur,  insofeme  sie  als  zutällig 
und  aus  der  Willkür  eines  verständigen  Wesens  ent-  15 
springend  angesehen  wird,  ist  gar  kein  Beweis  davon, 
dass  auch  die  Dinge  der  Natur,  die  in  solcher  Ordnung 
nach  Weisheit  verfaiüpft  sind,  selbst  von  diesem  Urheber 
ihr  Dasein  haben.  Denn  lediglich  diese  Verbindung  ist 
so  bewandt,  dass  sie  einen  verständigen  Plan  voraussetzt;  20 
daher  auch  Aristoteles  und  viele  andere  Philosophen 
des  Alterthums  nicht  die  Materie  oder  den  Stoff  der  Natur,  j 

sondern  nur  die  Form  von  der  Gottheit  herleiteten.    Viel- 
leicht nur  seit  der  Zeit,   als  uns   die   Offenbarung  eine 
vollkommene  Abhängigkeit  der  Welt  von  Gott  gelehrt  hat,  25 
hat   auch    allererst   die   Weltweisheit    die    gehörige   Be- 
mühung daran  gewandt,  den  Ursprung  der  Dinge  selbst, 
die  den  rohen  Zeug  der  Natur  ausmachen,  als  so  etwas 
zu  betrachten,  was  ohne  einen  Urheber  nicht  möglich  sei. 
Ich  zweifle,  dass  es  Jemandem  hiemit  gelungen  sei,   und  30 
ich  werde  in  der  letzten  |  Abtheilung  Gründe  meines  Ur-  [121] 
theils  anführen.     Zum  mindesten  kann  die  zufällige  Ord- 
nung der  Theile  der  Welt,  insofeme  sie  einen  Ursprung 
aus  Willkür  anzeigt,  gar  nichts  zum  Beweise  davon  bei- 
tragen.   Z.  E.  an  dem  Bau  eines  Thieres  sind  Gliedmassen  35 
der  sinnlichen  Empfindung  mit  denen  der  willkürlichen 

*)  Vor    „die  eine    Regel"    hat    die    erste  Ausgabe    noch    die 
Worte :    „Die  Dinge  selbst  mögen  nothwendig  oder  zufällig  sein,'* 
die  das  Druckfehlerverzeichniss  als  zu  streichen  bezeichnet. 
K  a  n  t ,  kl.  Schriften  z.  Ethik  II.  Q 


82    Beweiägruud  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Bewegung  uud  der  Lebenstlieilo  so  künstlich  verbunden,  dass 
man  boshatt  sein  rauss  (denn  so  unvernünftig  kann  ein 
Mensch  nicht  sein),  sobald  man  darauf  geführt  wird,  einen 
weisen  Urheber  zu  verkennen,  der  die  Materie,  daraus  ein 
^  thierischer  Körper  zusammengesetzt  ist,  in  so  vortrefifliche 
Ordnung  gebracht  hat.  Mehr  folgt  hieraus  gar  nicht. 
Ob  diese  Materie  für  sich  ewig  und  unabhängig  oder  auch 
von  ebendemselben  Urheber  hervorgebracht  sei,  das  ist 
darin  gar  nicht  entschieden.  .  Ganz  anders  aber  fällt  das 

10  Urtheil  aus,  wenn  man  wahrnimmt,  dass  nicht  alle 
Naturvollkommenheit  künstlich,  sondern  Regeln  von  grosser 
Nutzbarkeit  auch  mit  nothwendiger  Einheit  verbunden 
sind,  und  diese  Vereinbarung  in  den  Möglichkeiten  der 
Dinge  selbst  liegt.    "Was  soll  man  bei  dieser  Wahrnehmung 

15  urtheilen?  Ist  diese  Einheit,  diese  fruchtbare  Wohlgereimt- 
heit  ohne  Abhängigkeit  von  einem  weisen  Urheber  mög- 
[122]  lieh?  Das  Formale  I  so  grosser  und  vielfältiger  Regel- 
mässigkeit verbietet  dieses.  Weil  indessen  diese  Einheit 
gleichwohl  selbst  in  den  Möglichkeiten  der  Dinge  gegründet 

20  ist,  so  muss  ein  weises  Wesen  sein,  ohne  welches  alle  diese 
Naturdinge  selbst  nicht  möglich  sind,  und  in  welchem 
als  einem  grossen  Grunde  sich  die  Wesen  so  mancher 
Naturdinge  zu  so  regelmässigen  Beziehungen  vereinbaren. 
Alsdenn  aber  ist  klar,  dass  nicht  allein  die  Art  der  Ver- 

25  bindung,  sondern  die  Dinge  selbst  nur  durch  dieses  Wesen 
möglich  sind,  das  ist,  nur  als  Wirkungen  von  ihm  existiren 
können,  welches  die  völlige  Abhängigkeit  der  Natur  von 
GOtt  allererst  hinreichend  zu  erkennen  giebt.  Fragt  man 
nun,  wio  hängen   diese  Naturen  von  solchem  Wesen   ab, 

30  damit  ich  daraus  die  Uebereinstimmung  mit  den  Regeln 
der  Weisheit  verstehen  könne  ?  Ich  antworte :  sie  hängen 
von  demjenigen  in  diesem  Wesen  ab,  was,  indem  es  den 
Grund  der  Möglichkeit  der  Dinge  enthält,  auch  der 
Grund  seiner  eigenen  Weisheit  ist;  denn  diese  setzt  über- 
[123]  haupt  jene  voraus.*)  Bei  dieser  Einlieit  aber  |  des  Grundes, 

*)  Die  Weisheit  setzt  voraus,  dass  Uebereinstimmung  und 
Einheit  In  den  Beziehungen  möglich  sei.  Dasjenige  Wesen, 
welches  von  völlig  unabhängiger  Natur  ist,  kann  nur  weise  sein, 
insoferne  in  ihm  Gründe  selbst  solcher  möglichen  Harmonie 
uud  Vollkommenheiten,  die  seiner  Ausführung  sich  darbieten, 
enthalten  sind.  Wäre  in  den  Möglichkeiten  der  Dinge  keine 
solche  Beziehung    auf  Ordnung    und   Vollkommenheit    befiadlich 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie      88 

sowohl  des  Wesens  aller  Dinge  als  der  Weisheit,  Güte 
und  Macht,  ist  es  nothwendig,  dass  alle  Möglichkeit  mit 
diesen  Eigenschaften  harmonire. 

3. 

Regeln  der  verbesserten  Methode  der  Physiko-      5 
theologie. 

Ich  fasse  sie  in  Folgendem  kurz  zusammen.  Durch 
das  Zutrauen  auf  die  Fruchtbarkeit  der  allgemeinen 
Naturgesetze,  wegen  ihrer  Abhängigkeit  vom  göttlichen 
Wesen,  geleitet,  suche  man  10 

1 .  die  Ursache,  selbst  der  vortheilhaftesten  Verfassungen, 
in  solchen  allgemeinen  Gesetzen,  die  mit  einer  nothwendigen 
Einheit,  ausser  anderen  anständigen  Folgen,  auch  auf  die 
Hervorbringung  dieser  Wirkungen  in  Beziehung  stehenJ 

2.  Man  bemerke  das  Nothwendige  in  dieser  Verknüpfung  [124j 
verschiedener  Tauglichkeiten  in  einem  Grunde,  weil  sowohl 

die  Art,  um  daraus  auf  die  Abhängigkeit  von  GOtt  zu 
schliessen,  von  derjenigen  verschieden  ist,  welche  eigent- 
lich die  künstliche  und  gewählte  Einheit  zum  Augenmerk 
hat,  als  auch  um  den  Erfolg  nach  beständigen  und  noth-  20 
wendigen  Gesetzen  vom  ungefähren  Zufall  zu  unter- 
scheiden. 

3.  Man  vermuthe  nicht  allein  in  der  unorganischen, 
sondern  auch  der  organisirten  Natur  eine  grössere  noth- 
wendige Einheit,  als  so  geradezu  in  die  Augen  fällt.  25 
Denn  selbst  im  Baue  eines  Thieres  ist  zu  vermuthen, 
dass  eine  einzige  Anlage  eine  fruchtbare  Tauglichkeit  zu 
viel  vortheilhaften  Folgen  haben  werde,  wozu  wir  an- 
fänglich vielerlei  besondere  Anstalten  nöthig  finden  möchten. 
Diese  Aufmerksamkeit  ist  sowohl  der  Philosophie  sehr  ge-  30 
mäss,  als  auch  der  physisch-theologischen  Folgerung  vor- 
theilhaft. 

4.  Man  bediene  sich  der  offenbar  künstlichen  Ordnung, 

um    daraus  auf  die  Weisheit  eines  |  Urhebers   als  einen  [125] 
Grund,   der  wesentlichen  und  nothwendigen  Einheit  aber  35 
in  den  Naturgesetzen,  um  daraus  auf  ein  weises  Wesen 


80  wäre  Weisheit  «iae  CUimire.  Wäre  aber  diese  Möglichkeit 
ia  dem  weisen  Wesen  nicht  selbst  gegründet,  so  konnte  [könnte] 
diese  Weisheit  nimmermehr  in  aller  Absicht  unabhäagig  sein. 


84  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

als  einen  Grund,  aber  nicht  vermittelst  seiner  Weisheit, 
sondern  vermöge  desjenigen  in  ihm,  was  mit  dieser  har- 
moniren  muss,  zu  schliessen. 

5.  Man  schliesse  aus  den  zufälligen  Verbindungen 
5  der  Welt  auf  den  Urheber   der  Art,   wie  das  Universum 

zusammengefügt  ist,  von  der  nothwendigen  Einheit 
aber  auf  ebendasselbe  Wesen  als  einen  Urheber,  sogar 
der  Materie  und  des  Grundstoffes  aller  Naturdinge. 

6.  Man    erweitere    diese  .Methode    durch   allgemeine 
10  Regeln,  welche  die  Gründe  der  Wohlgerei  mtheit  desjenigen, 

was  mechanisch  oder  auch  geometrisch  nothwendig  ist, 
mit  dem  Besten  des  Ganzen  können  verständlich  machen, 
und  verabsäume  nicht,  selbst  die  Eigenschaften  des  Eaumes 
in  diesem  Gesichtspunkte  zu  erwägen  und  aus  der  Ein- 
16  heit  in  dem  grossen  Mannigfaltigen  desselben  den  näm- 
lichen Hauptbegriff  zu  erläutern.] 


[126]  4. 

Erläuterung  dieser  Regeln. 

Ich  will  einige  Beispiele  anführen,    um  die   gedachte 

20  Methode  verständlicher  zu  machen.  Die  Gebirge  der  Erde 
sind  eine  der  nützlichsten  Verfassungen  auf  derselben, 
und  Burnet,  der  sie  für  nichts  Bessers  als  eine  wilde 
Verwüstung  zur  Strafe  unserer  Sünde  ansieht,  hat  ohne 
Zweifel  Unrecht.     Nach    der    gewöhnlichen  Methode   der 

25  Physikotheologie  werden  die  ausgebreiteten  Vortheile  dieser 
Bergstrecken  erzählt,  und  darauf  werden  sie  als  eine 
göttliche  Anstalt  durch  grosse  Weisheit  um  so  vielfältig 
abgezielter  Nutzen  willen  angesehen.  Nach  einer  solchen 
Art  zu  urtheilen,   wird  man  auf  die  Gedanken  gebracht: 

30  dass  allgemeine  Gesetze,  ohne  eine  eigene  künstliche  An- 
ordnung auf  diesen  Fall,  eine  solche  Gestalt  der  Erdfläche 
nicht  zuwege  gebracht  hätten ;  und  die  Berufung  auf  den 
allmächtigen  Willen  gebietet  der  forschenden  Vernunft 
ein    ehrerbietiges    Schweigen.     Dagegen    ist   nach    einer 

35    besser  unterwiesenen  Denkungsart  der  Nutze[n]  und   die 

Schönheit  dieser  Naturanstalt    gar    kein  Grund,   die  all- 

[127]  gemeinen  und  einfältigen   AVirkungsgesetze  der   Materie 

vorbeizugehen,     um    diese    Verfassung    nicht    als     eine 

Nebenfolgo    derselben    anzusehen.     Es    möchte    vielleicht 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie       85 

schwer  auszumachen  sein:    ob  die   Kugelfigur  der  Erde 
überhaupt  nicht  von  noch  beträchtlicherem  Vortheile  und 
wichtigeren  Folgen  sei,   als  diejenigen  Unebenheiten,  die 
ihre  Oberfläche  von  dieser  abgemessenen  Eundung  etwas 
abweichen    machen.     Gleichwohl    findet   kein    Philosoph  5 
einiges  Bedenken,  sie  als  eine  Wirkung  der  allgemeinsten 
statischen  Gesetze  in  der   allerältesten  Epoche   der  Welt 
anzusehen.    Warum  sollten  die  Ungleichheiten  und  Hervor- 
ragungen  nicht   auch   zu   solchen   natürlichen    und    un- 
gekünstelten Wirkungen  gehören?    Es  scheint,   dass  bei  lo 
einem  jeden  grossen  Weltkörper  der  Zustand,   da  er  aus 
der  Flüssigkeit  in    die  Festigkeit    allmählich   übergeht, 
sehr  nothwendig  mit  der  Erzeugung  weitläuftiger  Höhlen 
verbunden    sei,   die  sich   unter   seiner  schon  gehärteten 
Rinde  finden  müssen,  wenn  die  leichtesten  Materien  seines  15 
inwendigen  noch  flüssigen  Klumpens,   darunter  auch  die 
Luft  ist,  mit  allmählicher  Absonderung  unter  diese  [Rinde] 
emporsteigen,  und  dass,  da  die  Weitläuftigkeit  dieser  Höhlen 
ein  Verhältniss  zu   der  Grösse  des  |  Weltkörpers   haben  [128] 
muss,   die  Einsinkungen  der  festen  Gewölbe  ebenso   weit  20 
ausgebreitet  sein   werden.     Selbst    eine  Art   von  Regel- 
mässigkeit,   wenigstens   die   Kettenreihe    dieser   Uneben- 
heiten ,  darf  bei  einer  solchen  Erzeugungsart  nicht  fremd 
und   unerwartet  scheinen.     Denn   man  weiss,    dass   das 
Aufsteigen  der  leichten  Arten  in  einem  grossen  Gemische  25 
an  einem  Orte  einen  Einfluss  auf  die  nämliche  Bewegung 
in   dem  benachbarten  Theile  des  Gemengsels  habe.     Ich 
halte  mich  bei  dieser  Erklärungsart  nicht  lange  auf;  wie 
ich  denn  allhier  keine  Absicht  habe,  einige  Ergebenheit 
in   Ansehung  derselben   zu   bezeigen,    sondern   nur  eine  30 
kleine  Erläuterung  der  Methode  zu   urtheilen  durch  die- 
selbe darzulegen. 

Das   ganze  feste   Land  der  Erde  ist  mit  den  Lauf- 
rinnen der  Ströme   als  mit  Furchen  auf  eine  sehr  vor- 
theilhafte  Art  durchzogen.     Es    sind   aber   auch  so  viel  35 
Unebenheiten,    Thäler   und   flache   Gegenden    auf  allem 
festen  Lande,   dass  es  beim  ersten  Anblick  scheint  noth- 
wendig zu  sein,   dass  die  Kanäle,  darin  die  Wasser  der- 
selben rinnen,  besonders  gebaut  und  geordnet  sein  müssen, 
widrigenfalls,  nach  der  Unregelmässigkeit  alles  übrigen  40 
Bodens,  die  von  den  |  Höhen  laufenden  Wasser  weit  und  [129] 
breit    ausschweifen,    viele    Flächen   überschwemmen,    in 


86    Beweisgrund  zu  einer  Denaonstiation  des  Daseins  Gottes 

Thälern  Seen  machen,  und  das  Land  eher  wild  und  un- 
brauchbar als  schön  und  wohlgeordnet  machen  müssten. 
Wer  wird  nicht  hier  einen  grossen  Anschein  zu  einer 
nöthigen  ausserordentlichen  Veranstaltung  gewahr?  In- 
5  dessen  würde  aller  Naturforschung  über  die  Ursache  der 
Ströme  durch  eine  angenommene  übernatürliche  Anordnung 
ein  Ende  gemacht  werden.  AVeil  ich  mich  hingegen  diese 
Art  der  Regelmässigkeit  nicht  irre  machen  lasse  und  nicht 
sogleich    ihre    Ursache   ausser    dem    Bezirk   allgemeiner 

10  mechanischer  Gesetze  erwarte,  so  folge  ich  der  Beobachtung, 
um  daraus  etwas  auf  die  Erzeugungsart  dieser  Ströme 
abzunehmen.  Ich  werde  gewahr,  dass  viele  Fluthbetten 
der  Ströme  sich  noch  bis  jetzt  ausbilden,  und  dass  sie 
ihre  eigenen  Ufer  erhöhen,  bis  sie  das  umliegende  Land 

15  nicht  mehr  so  sehr  wie  ehedem  überschwemmen.  Ich 
werde  gewiss,  dass  alle  Strome  vor  Alters  wirklich  so 
ausgeschweift  haben,  als  wir  besorgten,  dass  sie  es  ohne 
eine  ausserordentliche  Anstalt  thun  müssten,  und  ich 
nehme  daraus  ab,  dass  keine  solche  ausserordentliche  Ein- 

20  richtung  jemals   vorgegangen   sei.     Der   Amazonenstrom 
[130]  zei'iget  in  einer  Strecke  von  einigen  hundert  Meilen  deut- 
liche Spuren,  dass  er  ehedem  kein  eingeschränktes  Fluth- 
bette   gehabt,    sondern    weit   und    breit   das  Land   über- 
schwemmt haben   müsse;   denn  das  Erdreich    zu   beiden 

25  Seiten  ist  bis  in  grosse  Weit<?n  flach  wie  ein  See  und 
besteht  aus  Flussschlamm,  wo  ein  Kiesel  ebenso  selten 
ist  wie  ein  Demant.  Ebendasselbe  findet  man  beim 
Missisippi.  Und  überhaupt  zeigen  der  Nil  und  andere 
Ströme,  dass   diese  Kanäle  mit  der  Zeit  viel  weiter  ver- 

30  längert  worden,  und  da,  wo  der  Strom  seinen  Ausfluss  zu 
haben  schien,  weil  er  sich  nahe  zur  See  über  den  flachen 
Boden  ausbreitete,  baut  er  allmählich  seine  Laufrinne  aus 
und  fliesst  weiter  in  einem  verlängerten  Fluthbette.  Als- 
denn  aber,  nachdem  ich  durch  Erfahrungen  auf  die  Spur 

35  gebracht  worden,  glaube  ich  die  ganze  Mechanik  von  der 
Bildung  der  Fluthrinnen  aller  Ströme  auf  folgende  ein- 
fältigen Gründe  bringen  zu  können.  Das  von  den  Höhen 
laufende  Quell-  oder  Regenwasser  ergoss  sich  anfänglich 
nach    dem    Abhang    des    Bodens     unregelmässig,    füllte 

40  manche  Thäler  an   und  breitete   sich  über  manche  flache 

[131]  Gegenden  aus.    Allein  in  demjenigen  Striche,  |  wo  irgend 

der  Zug  des  Wassers  am  schnellsten  war,  konnte  es  der 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie       87 

Geschwindigkeit  wegen  seinen  Schlamm  nicht  so  wohl  ab- 
setzen, den  es  hergegen  zu  beiden  Seiten  viel  häufiger 
fallen  iiess.  Dadurch  wurden  die  Ufer  erhöht,  indessen 
dass  der  stärkste  Zug  des  Wassers  seine  Einne  erhielt. 
Mit  der  Zeit,  als  der  Zufluss  des  Wassers  selber  geringer  5 
wurde  (welches  in  der  Folge  der  Zeit  endlich  geschehen 
musste,  aus  Ursachen;  die  den  Kennern  der  Geschichte  der 
Erde  bekannt  sind),  so  überschritt  der  Strom  diejenigen  Ufer 
nicht  mehr,  die  er  sich  selbst  aufgeführt  hatte,  und  aus  der 
wilden  Unordnung  entsprang  Regelmässigkeit  und  Ordnung.  10 
Alan  sieht  offenbar,  dass  dieses  noch  bis  auf  diese  Zeit,  vor- 
nehmlich bei  den  Mündungen  der  Ströme,  die  ihre 
jüngsten  Theile  sind,  vorgeht,  und  gleichwie  nach  die- 
sem Plane  das  Absetzen  des  Schlammes  nahe  bei  den 
Stellen,  wo  der  Strom  Anfangs  seine  neuen  Ufer  über-  15 
schritt,  häufiger  als  weiter  davon  geschehen  musste,  so 
wird  man  auch  noch  gewahr,  dass  wirklich  an  viel 
Orten ,  wo  ein  Strom  durch  flache  G-egenden  läuft,  sein 
Rinnsal  höher  liegt  als  die  umliegenden  Ebenen.  | 

Es  giebt  gewisse  allgemeine  Regeln,  nach  denen  die  [132] 
Wirkungen  der  Natur  geschehen  und  die  einiges  Licht 
in  der  Beziehung  der  mechanischen  Gesetze  auf  Ordnung 
und  Wohlgereimtheit  geben  können,  deren  eine  ist:  die 
Kräfte  der  Bewegung  und  des  Widerstandes  wirken  so 
lange  auf  einander,  bis  sie  sich  die  mindeste  Hinderniss  25 
leisten.  Die  Gründe  dieses  Gesetzes  lassen  sich  sehr 
leicht  einsehen ;  allein  die  Beziehung ,  die  dessen  Folge 
auf  Regelmässigkeit  und  Vortheil  hat,  ist  bis  zur  Be- 
wunderung weitläuftig  und  gross.  Die  Epicykloide,  eine 
algebraische  Krümmung,  ist  von  dieser  Natur,  dass  Zähne  30 
und  Getriebe  nach  ihr  abgerundet  die  mindest  mögliche 
Reibung  aneinander  erleiden.  Der  berühmte  Herr  Prof. 
Kaestner  erwähnt  an  einem  Orte,  dass  ihm  von  einem 
erfahrenen  Bergwerksverständigen  an  den  Maschinen,  die 
lange  im  Gebrauche  gewesen,  gezeigt  worden,  dass  sich  35 
wirklich  diese  Figur  endlich  durch  lange  Bewegung  ab- 
schleife; eine  Figur,  die  eine  ziemlich  verwickelte 
Konstruktion  zum  Grunde  hat,  und  die  mit  aller  ihrer 
Regelmässigkeit  eine  Folge  von  einem  gemeinen  Gesetze 
der  Natur  ist.  -iO 

Um   etwas   aus    den   schlechten    Naturwirkungen  an- 
zuführen, was,  indem  es  unter  dem  eben  er|wähnten  Ge-  [138] 


88  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

setze  steht,  um  deswillen  einen  Ausschlag  auf  Kegel- 
mässigkeit  an  sich  zeigt,  führe  ich  eine  von  den 
Wirkungen  der  Flüsse  an.  Es  ist  wegen  der  grossen 
Verschiedenheiten  des  Abschusses  aller  Gegenden  des 
5  festen  Landes  sehr  zu  erwarten,  dass  die  Ströme,  die 
auf  diesem  Abhänge  laufen,  hin  und  wieder  steile  Stürze 
und  Wasserfälle  habeu  würden,  deren  auch  wirklich 
einige  obzwar  selten  vorkommen  und  eine  grosse  Un- 
regelmässigkeit und  Unbequemlichkeit  enthalten.     Allein 

10  es  fallt  leicht  in  die  Augen;  dass,  wenngleich  (wie  zu 
vermuthen)  in  dem  ersten  verwilderten  Zustande  der- 
gleichen Wasserfälle  häufig  waren,  dennoch  die  Gewalt 
des  Absturzes  das  lockere  Erdreich,  ja  selbst  einige 
noch    nicht    genugsam    gehärtete    Felsarten   werde   ein- 

15  gegraben  und  weggewaschen  haben,  bis  der  Strom  sei- 
nen Kinnsal  zu  einem  ziemlich  gleichförmigen  Abhang 
gesenkt  hatte;  daher,  wo  auch  noch  Wasserfälle  sind, 
der  Boden  felsigt  ist,  und  in  sehr  viel  Gegenden  der 
Strom  zwischen   zwei  steil  abgeschnittenen    Ufern   läuft, 

20  wozwischen  er  sein  tief  liegendes  Bette  vermuthlich  selbst 

eingeschnitten   hat.     Man  findet   es   sehr    nützlich ,    dass 

fast  alle  Ströme  in  dem   grossesten  Theile  ihres  Laufes 

[134]  einen  gewissen  Grad  Geschwin|digkeit  nicht  überschreiten, 

der   ziemlich  massig  ist,  und  wodurch  sie  schiffbar  sind. 

25  Obgleich  nun  dieses  im  Anfange  von  der  so  sehr  ver- 
schiedenen Abschiessigkeit  des  Bodens,  worüber  sie  laufen, 
kaum  allein  ohne  besondere  Kunst  zu  erwarten  stünde, 
so  lässt  sich  doch  leichtlich  erachten,  dass  mit  der  Zeit 
ein  gewisser  Grad  der  Schnelligkeit  sich  von   selbst  habe 

30  finden  müssen,  den  sie  nicht  leichtlich  übertreffen  können, 
der  Boden  des  Landes  mag  abschiessig  sein,  wie  er  will, 
wenn  er  nur  locker  ist.  Denn  sie  werden  ihn  so  lange 
abspülen,  sich  hineinarbeiten  und  ihr  Bette  an  einigen 
Orten   senken,  an  andern  erhöhen,  bis  dasjenige,  was  sie 

85  vom  Grunde  fortreissen,  wenn  sie  angeschwollen  sind, 
demjenigen,  was  sie  in  den  Zeiten  der  trägeren  Bewegung 
fallen  lassen,  ziemlich  gleich  ist.  Die  Gewalt  wirkt  hier 
80  lange,  bis  sie  sich  selbst  zum  gemässigteren  Grade 
gebracht  hat,  und   bis  die  Wechselwirkung  des  Anstosses 

40  und  des  Widerstandes  zur  Gleichheit  ausgeschlagen  ist. 
Die   Natur  bietet   unzählige  Beispiele   von  einer  aus- 
gebreiteten Nutzbarkeit  einer    und    ebenderselben    Sache 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie       89 

zu   einem   vielfältigen  Gebrauche  dar.    Es   ist  sehr  ver- 
kehrt,  diese  Vortheile  sogleich  als  Zwecke  |  und  als  die-  [135] 
ienigeu  Erfolge  anzusehen,  welche  die  Bewegungsgründe 
enthielten,  weswegen  die  Ursachen  derselben  durch  gött- 
liche  Willkür   in   der   Welt   angeordnet    würden.      Der  5 
Mond    schafft    unter    andern    Vortheilen     auch    diesen, 
dass    Ebbe    und    Fluth   Schiffe   auch    wider   oder   ohne 
Winde  vermittelst  der  Ströme  in  den  Strassen  und  nahe 
beim    festen  Lande    in    Bewegung   setzen.     Vermittelst 
seiner  und  der  Jupiters -Trabanten  findet  man  die  Länge  10 
des    Meeres.      Die     Produkte    aus    allen    Naturreichen 
haben    ein  jedes   eine    grosse   Nutzbarkeit,  wovon    man 
einige  auch  zum  Gebrauche   macht.     Es  ist  eine  wider- 
sinnige Art    zu   urtheilen,  wenn  man,  wie  es  gemeinig- 
lich geschieht,  diese  alle  zu  den  Bewegungsgründen  der  15 
göttlichen   Wahl   zählt   und   sich   wegen    des    Vortheils 
der  Jupitersmonde  auf  die  weise  Anstalt    des  Urhebers 
beruft,  die  den  Menschen  dadurch  ein  Mittel,  die  Länge 
der  Oerter  zu  bestimmen,  hat  an  die  Hand  geben  wollen. 
Man  hüte  sich,  dass  man  die    Spötterei  eines   Voltaire  20 
nicht  mit  Eecht  auf  sich  ziehe,  der  in  einem  ähnlichen 
Tone    sagt:    sehet   da,   warum  wir  Nasen  haben,   ohne 
Zweifel,  damit  wir  Brillen  darauf  stecken  könnten.   Durch 
die  göttliche  Willkür  wird  noch  nicht  genügsamer  Grund 
angelgeben,  weswegen   eben   dieselben   Mittel,  die  einen  [136] 
Zweck   zu  erreichen   allein  nöthig  wären,  noch  in  soviel 
anderer    Beziehung    vortheilhaft    seien.      Diejenige    be- 
wundernswürdige Gemeinschaft,  die  unter  den  Wesen  alles 
Erschaffenen   herrscht,   dass  ihre  Naturen  einander  nicht 
fremd  sind,   sondern,  in  vielfacher  Harmonie  verknüpft,  30 
sich  zu  einander   von    selbst   schicken   und  eine  ausge- 
breitete nothwendige  Vereinbarung   zur  gesammten  Voll- 
kommenheit in  ihren  Wesen  enthalten,  das  ist  der  Grund 
60  mannigfaltiger  Nutzbarkeiten,    die  man  nach  unserer 
Methode  als  Beweisthümer  eines  höchst  weisen  Urhebers,  35 
aber   nicht   in  allen  Fällen  als  Anstalten,  die  durch  be- 
sondere Weisheit  mit  den   übrigen   um   der    besonderen 
Nebenvortheile  willen  verbunden  worden,  ansehen  kann.  Ohne 
Zweifel   sind   die    Bewegungsgründe,    weswegen    Jupiter 
Monde  haben  sollte,  vollständig,  wenngleich  niemals  durch  40 
die   Erfindung  der  Sehrohre   dieselben  zur   Messung  der 
Länge  genutzt  würden.     Diese  Nutzen,   die   als  Neben- 


90  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

folgen  anzusehen  sind,  kommen  gleichwohl  mit  in  An- 
schlag, um  die  unermessliche  Grösse  des  Urhebers  aller 
Dinge  daraus  ahzunehraen.  Denn  sie  sind  nebst  Millionen 
anderen  ähnlicher  Art  Beweisthümer  von  der  grossen 
fl37]  Kette,  |  die  selbst  in  den  Möglichkeiten  der  Dinge  die 
Theile  der  Schöpfung  vereinbart,  die  einander  nichts  an- 
zugehen scheinen;  denn  sonst  kann  man  auch  nicht  allemal 
die  Nutzen,  die  der  Erfolg  einer  freiwilligen  Anstalt  nach 
sich  zieht,   und  die  der   Urheber   kennt  und  in   seinem 

10  Rathschlusse  mitbefasst,  um  deswilllen  zu  den  Bewegungs- 
gründen solcher  Wahl  zählen,  wenn  diese  nämlich  auch 
unangesehen  solcher  Nebenfolgen  schon  vollständig  waren. 
Ohne  Zweifel  hat  das  Wasser  darum  nicht  die  Natur, 
sich  wagerecht  zu  stellen,  damit  man  sich  darin  spiegeln 

15  könne.  Dergleichen  beobachtete  Nutzbarkeiten  können, 
wenn  man  mit  Vernunft  urtheilen  will,  nach  der  einge- 
schränkten physisch-theologischen  Methode,  die  im  Ge- 
brauche ist,  gar  nicht  zu  der  Absicht,  die  man  hier  vor 
Augen  hat,  genutzt  werden.     Nur  einzig  und  allein  der 

2U  Zusatz,  den  wir  ihr  zu  geben  gesucht  haben,  kann  solche 
gesammelte  Beobachtungen  zu  Gründen  der  wichtigen 
Folgerung  auf  die  allgemeine  Unterordnung  aller  Dinge 
unter  ein  höchst  weises  Wesen  tüchtig  machen.  Er- 
weitert Eure  Absichten,  so  viel  Ihr  könnt,   über  die  un- 

25  crmesslichen   Nutzen,   die   ein  Geschöpf  in  tausendfacher 

Beziehung,   wenigstens    der    Möglichkeit  nach,    darbietet 

[138|  (der  einzige  Kokosbaum  schafft  dem  |  Indianer  unzählige), 

vorknüpft   in    dergleichen   Beziehungen    die    entlegensten 

Glieder  der  Schöpfung  mit  einander.    Wenn  Ihr  die  Pro- 

30  dukte  der  unmittelbar  künstlichen  Anstalten  geziemend 
bewundert  habt,  so  unterlasset  nicht,  auch  in  dem  er- 
götzenden Anblick  der  fruchtbaren  Beziehung,  die  die 
Möglichkeiten  der  erschaffenen  Dinge  auf  durchgängige 
Harmonie    haben,    und    der   ungekünstelten    Abfolge    so 

35  mannigfaltiger  Schönheit,  die  sich  von  selbst  darbietet, 
diejenige  Macht  zu  bewundern  und  anzubeten,  in  deren 
ewiger  Grundquelle  die  Wesen  der  Dinge  zu  einem  vor- 
trefTlichen  Plane  gleichsam  bereit  daliegen. 

Ich   merke    im    Vorübergehen    an ,    dass    die    grosse 

40  Gegenverhältniss,  die  unter  den  Dingen  der  Welt,  in 
Ansehung  des  häufigen  Anlasses,  den  sie  zu  Aehnlich- 
keiten,  Analogien,   Parallelen,  und  wie   man   sie   sonst 


IL  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologle      91 

nennen  will,  geben,  nicht  so  ganz  flüchtig  verdient  über- 
sehen  zu   werden.    Ohne  mich   bei  dem  Gebrauch,  den 
dieses  auf  Spiele  des  Witzes  hat,   und  der  mehrentheils 
nur  eingebildet  ist,  aufzuhalten,  liegt  hierin  noch  für  den 
Philosophen  ein,   wie   mir    dünkt,  wichtiger   Gegenstand  5 
des  Nachdenkens  verborgen,  wie  solche  Uebereinkunft  sehr 
verschiedener  |  Dinge  in  einem  gewissen  gemeinschaftlichen  [139] 
Grunde  der  Gleichförmigkeit  so  gross  und  weitläuftig  und 
doch  zugleich    so   genau   sein   könne.    Diese   Analogien 
sind  auch  sehr  nöthige  Hülfsmittel  unserer  Erkenntniss;  10 
die  Mathematik  selber  liefert  deren  einige.    Ich  enthalte 
mich,  Beispiele  anzuführen,  denn  es  ist  zu  besorgen,  dass 
nach  der  verschiedenen  Art,  wie   dergleichen  Aehnlich- 
keiten  empfunden  werden,  sie  nicht  dieselbe  Wirkung  über 
jeden  andern  Verstand  haben  möchten,  und  der  Gedanke,   15 
den  ich  hier  einstreue,  ist  ohnedem  unvollendet  und  noch 
nicht  genugsam  verständlich. 

Wenn  man  fragen  sollte,  welches  denn  der  Gebrauch 
sei,  deji  man  von  der  grossen  Einheit  in  den  mancherlei 
Verhältnissen   des  Raumes,   welche  der  Messkünstler  er-  20 
forscht,  machen  könnte,  so  vermuthe  ich,  dass  allgemeine 
Begriffe  von  der  Einheit  der  mathematischen  Objekte  auch 
die  Gründe  der  Einheit  und  Vollkommenheit  in  der  Natur 
könnten  zu   erkennen  geben.    Z.  E.   es   ist   unter  allen 
Figuren  die  Zirkelfigur  diejenige,  darin  eben  der  Umkreis  25 
den  grössest  möglichen  Eaum  beschliesst,  den  ein  solcher 
üm|fang  nur  befassen  kann,   darum  nämlich,    weil   eine  '140J 
genaue  Gleichheit  in  dem  Abstände   dieser  Umgrenzung 
von  einem  Mittelpunkte  darin  durchgängig  herrscht.   Wenn 
eine  Figur  durch  gerade  Linien  soll  eingeschlossen  werden,  30 
so  kann  die  grössestmögliche  Gleichheit  in  Ansehung  des 
Abstandes  derselben    vom   Mittelpunkte   nur   stattfinden, 
wenn  nicht  allein  die  Entfernungen  der  Winkelpunkte  von 
diesem  Mittelpunkte   unter   einander,    sondern  auch   die 
Perpendikel  aus  diesem   auf  die   Seiten  einander  völlig  35 
gleich  sind.    Daraus  wird  nun  ein  regelmässiges  Polygon, 
und  es  zeigt  sich  durch  die  Geometrie,  dass   mit  eben- 
demselben  Umkreise  ein  anderes  Polygon   von   eben  der 
Zahl  Seiten  jederzeit  einen  kleineren  Raum  einschliessen 
würde  als   das  reguläre.    Noch  ist  eine,   und  zwar  die  40 
einfachste  Art  der  Gleichheit  in  dem  Abstände  von  einem 
Mittelpunkte  möglich,  nämlich  wenn  bloss  die  Entfernung 


92  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

der  Winkelpunkte  des  Vielecks  von  demselben  Mittel- 
punkte durchgängig  gleich  ist,  und  da  zeigt  sich,  dass 
ein  jedes  irreguläre  Polygon,  welches  im  Zirkel  stehen 
kann,  den  grossesten  Raum  einschliesst  unter  allen,  der 
5  Ton  ebendenselben  Seiten  nur  immer  kann  beschlossen! 
[141]  werden.  Ausser  diesem  ist  zuletzt  dasjenige  Polygon,  in 
welchem  noch  überdem  die  Grösse  der  Seite  dem  Abstände 
des  Winkelpunkts  vom  Mittelpunkte  gleich  ist,  das  ist, 
das  regelmässige  Sechseck  unter  allen  Figuren  ilberhaupt 

10  diejenige,  die  mit  dem  kleinsten  Umfange  den  grossesten 
Raum  so  einschliesst,  dass  sie  zugleich  äusserlich  mit 
andern  gleichen  Figuren  zusammengesetzt  keine  Zwischen- 
räume übrig  lässt.  Es  bietet  sich  hier  sehr  bald  diese 
Bemerkung  dar,  dass  die  Gegenverhältniss  des  Grossesten 

15  und  Kleinsten  im  Räume  auf  die  Gleichheit  ankomme. 
Und  da  die  Natur  sonst  viel  Fälle  einer  nothwendigen 
Gleichheit  an  die  Hand  giebt,  so  können  die  Regeln,  die 
man  aus  den  gedachten  Fällen  der  Geometrie  in  Ansehung 
des   allgemeinen   Grundes    solcher   Gegenverhältniss    des 

20  Grossesten  und  Kleinsten  zieht,  auch  auf  die  nothwendige 
Beobachtung  des  Gesetzes  der  Sparsamkeit  in  der  Natur 
angewandt  werden.  In  den  Gesetzen  des  Stosses  ist  in- 
soferne  jederzeit  eine  gewisse  Gleichheit  nothwcndig:  dass 
nach  dem  Stosse,  wenn  sie  unelastisch  sind,  beider  Körper 

25  Geschwindigkeit  jederzeit    gleich    sei,     dass    wenn    sie 

elastisch  sind,  beide  durch  die  Federkraft  immer  gleich  ge- 

stossen  werden,  und  zwar  mit  einer  Kraft,  womit  der  Stoss 

[142]  geschah,  dass  der  Mittelpunkt  der  Schwere  beider  Körper 

durch  den  Stoss  in  seiner  Ruhe  oder  Bewegung  gar  nicht 

30  verändert  wird  etc.  etc.  Die  Verhältnisse  des  Raums 
sind  so  unendlich  mannigfaltig  und  verstatten  gleichwohl 
eine  so  gewisse  Erkenntniss  und  klare  Anschauung,  dass, 
gleichwie  sie  schon  öfters  zu  Symbolen  der  Erkenntnisse 
von  ganz  anderer  Art  vortref!!  ch  gedient  haben  (z.  E. 

35  die  Erwartungen  in  den  Glücksrällen  auszudrücken),  also 
auch  Mittel  an  die  Hand  geben  können,  die  Regeln  der 
Vollkommenheit  in  natürlich  nothwendigen  Wirkungs- 
gesetzen, insoferno  sie  auf  Verhältnisse  ankommen,  aus 
den  einfachsten  und  allgemeinsten  Gründen  zu  erkennen. 

40  Ehe  ich  diese  Betrachtung  beschliesse,  will  ich  alle 
verschiedenen  Grade  der  philosophischen  Erklärungsart 
der  in  der  Welt  vorkommenden  Erscheinungen  der  Voll- 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Physikotheologie      93 

kommenheit,  insofern e  man  sie  insgesammt  unter  GOtt 
betrachtet,  anführen,  indem  ich  von  derjenigen  Art  zu 
urtheilen  anfange,  wo  die  Philosophie  sich  noch  verbirgt, 
und  bei  derjenigen  endige,  wo  sie  ihre  grösste  Bestrebung 
zeigt.  Ich  rede  von  der  Ordnung,  Schönheit  und  Anständig-  5 
keit,  insoferne  sie  der  Grund  ist,  die  |  Dinge  der  Welt  auf  [143] 
eine  der  Weisheit  anstandige  Art  einem  göttlichen  Urheber 
unterzuordnen. 

Erstlich,  man  kann  eine  einzelne  Begebenheit  in 
dem  Verlaufe  der  Natur  als  etwas  unmittelbar  von  einer  lo 
göttlichen  Handlung  Herrührendes  ansehen,  und  die 
Philosophie  hat  hier  kein  ander  Geschäfte,  als  nur  einen 
Beweisgrund  dieser  ausserordentlichen  Abhängigkeit  an- 
zuzeigen. 

Zweitens,    man   betrachtet    eine   Begebenheit   der  15 
Welt  als  eine,   worauf  als  auf  einen   einzelnen  Fall  die 
Mechanik  der  Welt   von   der  Schöpfung    her   besonders 
abgerichtet  war,  wie  z.  E.  die  Sündfluth  nach  dem  Lehr- 
gebäude   verschiedener  Neuem.     Alsdenn    ist    aber   die 
Begebenheit   nicht   weniger   übernatürlich.     Die   Natur-  20 
Wissenschaft,    wovon    die    gedachten   Weltweisen    hiebei 
Gebrauch  machen,  dient  nur  dazu,  ihre  eigene  Geschick- 
lichkeit zu  zeigen  und  etwas  zu  ersinnen,  was  sich  etwa 
nach    allgemeinen   Naturgesetzen  eräugnen   könnte,    und 
dessen  Erfolg  auf  die  vorgegebene  ausserordentliche  Be-  25 
gebenheit   hinausliefe.    Denn  sonst  ist  ein  solches  |  Ver-  [144] 
fahren  der  göttlichen  Weisheit  nicht  gemäss,  die  niemalen 
darauf  abzielt,   mit  unnützer  Kunst  zu   prahlen,   welche 
man  selbst  an  einem  Menschen  tadeln  würde,   der,   wenn 
ihn  z.  E.  nichts  abhielte,  eine  Kanone  unmittelbar  abzu-  30 
feuern,    ein  Feuerschloss  mit  einem   Uhrwerk  anbringen 
wollte,  wodurch  sie  in  dem   gesetzten  Augenblicke  durch 
mechanische  sinnreiche  Mittel  losbrennen  sollte. 

Drittens,  wenn  gewisse  Stücke  der  Natur  als  eine    . 
von  der  Schöpfung  her  dauernde  Anstalt,  die  unmittelbar  35 
von  der  Hand   des  grossen  Werkmeisters  herrührt,   an- 
gesehen werden ;  und  zwar  wie  eine  Anstalt,   die  als  ein 
einzelnes  Ding  und  nicht  wie  eine  Anordnung  nach  einem 
beständigen  Gesetze  eingeführt  worden.    Z.  E.  wenn  man 
behauptet,  GOtt  habe  die  Gebirge,  die  Flüsse,  die  Planeten  40 
und  ihre  Bewegung  mit  dem  Anfange  aller  Dinge  zugleich 
unmittelbar  geordnet.     Da  ohne  Zweifel  ein  Zustand  der 


94  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Natur  der  erste  sein  niuss,  in  welchem  die  Form  der 
Dinge  ebensowohl  wie  die  Materie  unmittelbar  von  GOtt 
abhängt,  so  hat  diese  Art  zu  urtheilen  insoferne  einen 
(145.  philosophischen  Grund.  Indessen  weil  es  übereilt  |  ist,  ehe 
5  und  bevor  man  die  Tauglichkeit,  die  den  Naturdingen 
nach  allgemeinen  Gesetzen  eigen  ist,  geprüft  hat,  eine 
Anstalt  unmittelbar  der  Schöpfungshandlung  beizumessen 
darum,  weil  sie  vortheilhaft  und  ordentlich  ist,  so  ist  sie 
insoweit  nur  in  sehr  kleinem  Grade  philosophisch. 

lö  Viertens,  wenn  man  einer  künstlichen  Ordnung  der 
Natur  etwas  beimisst,  bevor  die  Unzulänglichkeit,  die  sie 
hiezu  nach  gemeinen  Gesetzen  hat,  gehörig  erkannt  worden, 
z.  E.  wenn  man  etwas  aus  der  Ordnung  des  Pflanzen-  und 
Thierreichs  erklärt,  was    vielleicht   in   gemeinen  mecha- 

15  nischen  Kräften  liegt,  bloss  deswegen,  weil  Ordnung  und 
Schönheit  darin  gross  sind.  Das  Philosophische  dieser  Art 
zu  urtheilen  ist  alsdenn  noch  geringer,  wenn  ein  jedes 
einzelne  Thier  oder  Pflanze  unmittelbar  der  Schöpfung 
untergeordnet  wird,  als  wenn  ausser  einigem  unmittelbar 

20  Erschaffenen  die  anderen  Produkte  demselben  nach  einem 
Gesetze  der  Zeugungsfähigkeit  (nicht  bloss  des  Aus- 
wickelungsvermögens)  untergeordnet  werden,  weil  im  letz- 
tern Fall  mehr  nach  der  Ordnung  der  Natur  erklärt 
wird;  es  müsste  denn  sein,  dass  dieser  ihre  Unzulänglich- 
[146]  keit  in  Ansehung  desselben  klar  |  erwiesen  werden  könnte. 
Es  gehört  aber  auch  zu  diesem  Grade  der  philosophischen 
Erklärungsart  eine  jede  Ableitung  einer  Anstalt  in  der 
Welt  aus  künstlichen  und  um  einer  Absicht  willen  er- 
richteten Gesetzen   überhaupt,  und  nicht  bloss  im  Thier- 

30  und  Pflanzenreiche.*)  Z.  E.  wenn  man  von  dem  Schnee 
und  den  Nordscheiuen  so  redet,  als  ob  die  Ordnung  der 
Natur,  die  beide  hervorbringt,  um  des  Nutzens  des  Grön- 
länders oder  Lappen  willen  (damit  er  in  den  langen 
Nächten  nicht  ganz  im  Finstern  sei)  eingeführt  wäre,  ob- 


*}  Ich  habe  iu  der  zweiten  Nummer  der  dritten  Betrachtung 
dieses  Abschnittes  unter  den  Beispielen  der  künstlichen  Natur- 
ordnung bloss  die  aus  dem  Ptlanz3n-  und  Thiorreiche  angeführt. 
Es  ist  aber  zu  merken,  dass  eine  jede  Anordnung  eines  Gesetzes 
um  eines  besondern  Nutzens  Willen  darum ,  weil  sie  hiedurcb 
▼ou  der  nothwendigen  Einheit  mit  andern  Naturgesetzen  aus- 
genommen wird,  künstlich  sei,  wie  aus  einigen  hier  erwäbaton 
Beispielen  zu  ersehen. 


II.  6.  Verbesserte  Methode  der  Pliysikotheologie       95 

gleich  es  noch  immer  zu  vermuthen  ist,  dass  dieses  eine 
wohlpassende  Nebenfolge   mit  nothwendiger   Einheit  aus 
andern   Gesetzen  sei.     Man  ist  fast  jederzeit  in  Gefahr 
dieses  Fehlers,   wenn  man  einige   Nutzen    der  Menschen 
zum  Grunde  einer  besondem  göttlichen  Veranstaltung  an-  5 
giebt,  z.  E.  dass  Wald  und  Feld  mehrentheils  mit  grüner 
Farbe   bedeckt  sind,   weil  diese  unter  allen  Farben  die 
mittlere  Stärke  hat,   um  das  Auge  in  massiger  |  Hebung  [147] 
zu  erhalten.     Hiegegen  kann  man  einwenden,    dass  der 
Bewohner  der  Davidsstrasse  vom   Schnee  fast  blind  wird  10 
und  seine  Zuflucht  zu  den    Schneebrillen   nehmen  muss. 
Es  ist  nicht  tadelhaft,   dass   man  die  nützlichen  Folgen 
aufsucht  und  sie  einem  gütigen  Urheber  beimisst,  sondern 
dass    die   Ordnung   der  Natur,    darnach    sie    geschehen, 
als  künstlich  und   willkürlich  mit  andern  verbunden  vor-  15 
gestellt  wird,  da    sie  doch  vielleicht  mit  andern  in  noth- 
wendiger Einheit  steht. 

Fünftens.     Am  mehrsten  enthält  die  Methode,  über 
die  vollkommenen  Anstalten  der  Natur   zu  urtheilen,  den 
Geist  wahrer  Weltweisheit,  wenn  sie  (jederzeit  bereit,  auch  20 
übernatürliche  Begebenheiten  zuzulassen,  imgleichen  die 
wahrhaft  künstlichen   Anordnungen    der  Natur  nicht   zu 
verkennen)  hauptsächlich  die  Abzielung  auf  Vortheile  und 
alle  Wohlgereimtheit  sich  nicht  hindern  lässt,  die  Grün | de  [148] 
davon  in  nothwendigen  allgemeinen  Gesetzen  aufzusuchen,  25 
mit  grosser  Achtsamkeit  auf  die   Erhaltung  der  Einheit 
und   mit   einer   vernünftigen    Abneigung,   die    Zahl   der 
Naturursachen  um  derentwillen  zu  vervielfältigen.    Wenn 
hiezu  noch  die  Aufmerksamkeit  auf  die  allgemeinen  Regeln 
gefügt   wird,  welche  den   Grund  der  nothwendigen   Ver-  30 
bindung  desjenigen,  was  natürlicher  Weise  ohne  besondere 
Anstalt  vorgeht,  mit  den  Regeln  des  Vortheils  oder  der 
Annehmlichkeit  vernünftiger   Wesen    können   begreiflich 
machen,  und  man  alsdenn   zu   dem    göttlichen  Urheber    ' 
hinaufsteigt,   so  erfüllt  diese  physisch  -  theologische   Alt  35 
zu  urtheilen  ihre  Pflichten  gehörig.*) 

*)  Ich   will    hiemit    nur  sagen ,    dass  dieses  der  Weg  für  die 

menschliche  Vernunft  sein  müsse.    Denn  wer  wird  es  gleichwohl 

jemals  verhüten  können,  biebei  vielfaltig  zu  irren,  nach  dem  POPE  : 

Geh,  schreibe  Gottes  weiser  Ordnung  des  Regimentes  Regeln  vor, 

Dana  kehre  wieder  in  Dir  selber  zuletzt  zurück  und  sei  ein  Thor, 


96  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

■149]  Siebente  Betrachtung. 

Kosmogonie. 

Eine  Hypothese  mechanischer  Erklärungsart  des  Ur- 
sprungs  der   Weltkörper  und  der    Ursachen  ihrer 
5  Bewegungen,  gemäss  den  vorher  erwiesenen  Regeln. 

Die  Figur  der  Himmelßkörper,  die  Mechanik,  nach 
der  sie  sich  bewegen  und  ein  Weltsystem  ausmachen, 
imgleichen  die  mancherlei  Veränderungen ,  denen  die 
Stellung   ihrer  Kreise  in  der  Folge  der  Zeit  unterworfen 

10  ist,  alles  dieses  ist  ein  Theil  der  Naturwissenschaft  ge- 
worden, der  mit  so  grosser  Deutlichkeit  und  Gewissheit 
begriffen  wird,  dass  man  auch  nicht  eine  einzige  andere 
Einsicht  sollte  aufzeigen  können,  welche  einen  natürlichen 
Gegenstand  (der  nur  einigermassen  dieses  seiner  Mannig- 
[150]  faltig  keit  beikäme)  auf  eine  so  ungezweifelt  richtige  Art 
und  mit  solcher  Augenscheinlichkeit  erklärte.  Wenn 
man  dieses  in  Erwägung  zieht,  sollte  man  da  nicht  auch 
auf  die  Vermuthung  gerathen,  dass  der  Zustand  der  Natur, 
in  welchem   dieser  Bau  seinen  Anfang  nahm,  und   ihm 

20  die  Bewegungen,  die  jetzt  nach  so  einfältigen  und  be- 
greiflichen Gesetzen  fortdauern,  zuerst  eingedrückt  worden, 
ebenfalls  leichter  einzusehen  und  fasslicher  sein  werden 
als  vielleicht  das  Mehrste,  wovon  wir  sonst  in  der  Natur 
den    Ursprung    suchen.      Die    Gründe,    die   dieser   Ver- 

25  muthung  günstig  sind,  liegen  am  Tage.  Alle  diese 
Himmelskörper  sind  runde  Massen,  soviel  man  weiss  ohne 
Organisation  und  geheime  Kunstzubereitung.  Die  Kraft, 
dadurch  sie  gezogen  werden,  ist  allem  Ansehen  nach 
eine  der   Materie   eigene  Grundkraft,  darf  also  und  kann 

30  nicht  erklärt  werden.  Die  Wurfsbewegung,  mit  welcher 
sie  ihren  Flug  verrichten,  und  die  Richtung,  nach  der 
dieser  Schwung  ihnen  ertheilt  worden,  ist  zusammt  der 
Bildung  ihrer  Massen  das  Hauptsächlichste,  ja  fast  das 
Einzige,    wovon    man    die   ersten    natürlichen    Ursachen 

36  zu    suchen    hat.      Einfältige   und    bei   weitem    nicht   so 

verwickelte    Wirkungen ,    wie   die    meisten    anderen    der 

[151]  Natur  sind,  bei  welchen  gemeiniglich  die  |  Gesetze   gar 

nicht     mit     mathematischer     Richtigkeit    bekannt    sind, 

nach    denen   sie   geschehen,    da    sie   im  Gegentheil  hier 


II.  7.  Kosmogonie  97 

in  dem  begreiflichsten  Plane  vor  Augen  liegen.  Es  ist 
auch  bei  einem  so  grossen  Anschein  eines  glücklichen 
Erfolgs  soDsten  nichts  im  Wege,  als  der  Eindruck  Ton 
der  rührenden  Grösse  eines  solchen  Naturstücks,  als 
ein  Sonnensystem  ist,  wo  die  natürlichen  Ursachen  alle  5 
verdächtig  sind,  weil  ihre  Zulänglichkeit  viel  zu  nichtig 
und  dem  Schöpfungsreclite  des  obersten  Urhebers  ent- 
gegen zu  sein  scheint.  Allein  könnte  man  eben  dieses 
nicht  auch  von  der  Mechanik  sagen,  wodurch  ein  grosser 
Weltbau,  nachdem  er  einmal  da  ist,  seine  Bewegungen  10 
forthin  erhält?  Die  ganze  Erhaltung  derselben  kommt 
auf  ebendasselbe  Gesetz  an ,  wonach  ein  Stein ,  der  in 
der  Luft  geworfen  ist,  seine  Bahn  beschreibt;  ein  ein- 
fältiges Gesetz,  fruchtbar  an  den  regelmässigsten  Folgen 
und  würdig,  dass  ihm  die  Aufrechthaltung  eines  ganzen  15 
Weltbaues  anvertraut  werde. 

Von  der  andern  Seite,  wird  man  sagen,  ist  man  nicht 
vermögend,   die   Naturursachen   deutlich   zu  machen,  wo- 
durch  das  verächtlichste  Kraut  nach  völlig  begreiflichen 
mechanischen  Gesetzen  erzeugt   werde,  |  und   man    wagt  [152] 
sich  an  die  Erklärung  von  dem  Ursprünge  eines  Welt- 
systems  im   Grossen.     Allein   ist  jemals    ein   Philosoph 
auch  im   Stande  gewesen,   nur   die  Gesetze,  wonach  der 
Wachsthum   oder  die  innere  Bewegung   in   einer   schon 
vorhandenen   Pflanze   geschieht,  dermassen   deutlich   und  25 
mathematisch  sicher   zu  machen,  wie  diejenigen  gemacht 
sind,  welchen   alle   Bewegungen  der  Weltkörper  gemäss 
sind?     Die   Natur  der  Gegenstände  ist   hier  ganz    ver- 
ändert.   Das  Grosse,  das  Erstaunliche  ist  hier  unendlich 
begreiflicher  als  das  Kleine  und  Bewundernswürdige,  und  30 
die    Erzeugung    eines    Planeten    zusammt    der    Ursache 
der  Wurfsbewegung,    wodurch  er  geschleudert  wird,  um 
im  Kreise  zu  laufen,  wird  allem  Anscheine  nach  leichter 
und   deutlicher  einzusehen   sein    als  die  Erzeugung  einer   - 
einzigen  Schneeflocke,  in  der  die  abgemessene  Richtigkeit  35 
eines  sechseckichten  Sternes  dem  Ansehen    nach   genauer 
ist  als   die   Eundung  der  Kreise,  worin  Planeten  laufen, 
und  an  welcher  die  Strahlen  viel  richtiger  sich  auf  eine  Fläche 
bezichen,  als  die  Bahnen  dieser  Himmelskörper  es  gegen 
den  gemeinschaftlichen  Plan  ihrer  Kreisbewegungen  thun.  40 

Ich  werde   den  Versuch  einer    Erklärung    von  dem 
Ursprünge  des  Weltbaues  nach  allgemeinen  |  mechanischen  :153] 

Kant,  kl.  Schriften  z.  Ethik.  U.  7 


98  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

Gesetzen  darlegen,  nicht  von  der  gesammten  Naturordnung, 
sondern  nur  von  den  grossen  Massen  und  ihren  Kreisen, 
welche  die  roheste  Grundlage  der  Natur  ausmachen.  Ich 
hoffe  Einiges  zu  sagen,  was  Andern  zu  wichtigen  Be- 
5  trachtungen  Anlass  geben  kann,  obgleich  mein  Entwurf 
grob  und  unausgearbeitet  ist.  Einiges  davon  hat  in  meiner 
Meinung  einen  Grad  der  Wahrscheinlichkeit,  der  bei  einem 
kleinern  Gegenstande  wenig  Zweifel  übrig  lassen  würde, 
und  der  nur  das  Vorurtheil  .einer  grössern  erforderlichen 

10  Kunst,  als  man  den  allgemeinen  Naturgesetzen  zutraut, 
entgegenstehen  kann.  Es  geschieht  oft,  dass  man  dasjenige 
zwar  nicht  findet,  was  man  eigentlich  sucht,  aber  doch 
auf  diesem  Wege  andere  Vortheile,  die  man  nicht  ver- 
muthet,    antrifft.     Auch    ein    solcher    Nutze    würde    ein 

15  genügsamer  Gewinn  sein,  wenn  er  sich  dem  Nachdenken 
Anderer  darböte,  gesetzt  auch,  dass  die  Hauptzwecke  der 
Hypothese  dabei  verschwinden  sollten.  Ich  werde  die  all- 
gemeine Gravitation  der  Materie  nach  dem  Newton  oder 
seinen    Nachfolgern    hiebei     voraussetzen.       Diejenigen, 

20  welche   etwa   durch  eine  Definition  der  Metaphysik  nach 

ihrem  Geschmacke  glauben,  die  Folgerung  scharfsinniger! 

[154|  Männer  aus  Beobachtung   und  mathematischer  Schlussart 

zu  vernichten,  werden  die  folgenden  Sätze  als  etwas,  das 

überdem  mit  der  Hauptabsicht  dieser  Schrift  nur  eine  ent- 

25  fernte  Verwandtschaft  hat,  überschlagen  können. 

1. 

Erweiterte  Aussicht  in  den  Inbegriff  des  Universum. 

Die  sechs  Planeten  mit  ihren  Begleitern  bewegen  sich 
in  Kreisen,   die  nicht  weit  von  einem  gemeinschaftlichen 

30  Plane,  nämlich  der  verlängerten  Aequatorsfläche  der  Sonne 
abweichen.  Die  Kometen  dagegen  laufen  in  Bahnen,  die 
sehr  weit  davon  abstehen,  und  schweifen  nach  allen  Seiten 
weit  von  dieser  Beziehungsfläche  aus.  Wenn  nun,  anstatt 
so  weniger  Planeten  oder  Kometen,  einige  tausend  derselben 

35  zu  unserer  Sonnenwolt  geluirten,  so  würde  der  Thierkreis 
als  eine  von  unzähligen  Sternen  erleuchtete  Zone,  oder 
wie  ein  Streif,  der  sich  in  einem  blassen  Schimmer  ver- 
liert, erscheinen,  in  welchem  einige  nähere  Planeten  in 
[155]  ziemlichem  Glänze,  die  entfernten  aber  |  durch  ihre  Menge 

40  und  Mattigkeit  des  Lichts  nur  eine  neblichte  Erscheinung 


II.  7.  Kosmogonie  99 

darstellen  würden.   Denn  es  würden  bei  der  Kreisbewegung, 
darin  alle  diese  insgesammt  um  die  Sonne  stünden,  jeder- 
zeit in  allen  Theilen  dieses  Thierkreises  einige  sein,  wenn- 
gleich  andere   ihren   Platz    verändert   hätten.     Dagegen 
würden  die  Kometen  die  Gegenden  zu  beiden  Seiten  dieser  5 
lichten   Zone   in   aller   möglichen   Zerstreuung    bedecken. 
Wenn  wir,  durch  diese  Erdichtung  vorbereitet  (in  welcher 
wir  nichts  weiter  als  die  Menge  der  Körper  unserer  Planeten- 
welt in  Gedanken  vermehrt  haben),  unsere  Augen  auf  den 
weiteren  Umfang  des  Universum  richten,   so   sehen  wir  lu 
wirklich  eine  lichte  Zone,  in  welcher  Sterne,  ob  sie  zwar 
allem  Ansehen  nach  sehr  ungleiche  Weiten  von  uns  haben, 
dennoch  zu  einer  und  ebenderselben  Fläche  dichter  wie  ander- 
wärts gehäuft  sind,  dagegen  die  Himmelsgegenden  zu  beiden 
Seiten  mit  Sternen   nach   aller  Art  der  Zerstreuung  be-   15 
deckt    sind.     Die  Milchstrasse,  die  ich   meine,    hat   sehr 
genau  die  Richtung  eines  grossesten  Zirkels,  eine  Bestimmung, 
die  aller  Aufmerksamkeit  werth  ist,  und  daraus  sich  ver- 
stehen lässt,  dass  unsere  Sonne  und  wir  mit  ihr  uns  in 
demjenigen  Heere  der  Sterne   mit  befinden,  welches  sicli  [^^G] 
zu   einer    gewissen    gemeinschaftlichen    Beziehungsfläche 
am  meisten  drängt ;  und  die  Analogie  ist  hier  ein   sehr 
grosser  Grund,  zu  vermuthen,  dass  diese  Sonnen,  zu  deren 
Zahl  auch  die  unsrige  gehört,  ein  Weltsystem  ausmachen, 
das  im  Grossen  nach  ähnlichen  Gesetzen  geordnet  ist  als  25 
unsere  Planetenwelt  im  Kleinen ;   dass  alle  diese  Sonnen 
sammt  ihren  Begleitern   irgend   einen  Mittelpunkt    ihrer 
gemeinschaftlichen  Kreise  haben  mögen,  und  dass  sie  nur 
um   der  unermesslichen  Entfernungen   willen  und   wegen 
der  langen  Zeit  ihrer  Kreisläufe  ihrer  Oerter  gar  nicht  zu  30 
verändern  scheinen;  obz war  dennoch  bei  etlichen  wirklich 
einige  Verrückung   ihrer  Stellen   ist   beobachtet  worden; 
dass  die  Bahnen  dieser    grossen  Weltkörper  sich   ebenso    "^ 
auf  eine  gemeinschaftliche  Fläche  beziehen,   von  der    sie  • 
nicht  weit  abweichen,  und  dass  diejenigen,  welche  mit  weit  35 
geringerer  Häufung  die   übrigen  Gegenden   des   Himmels 
einnehmen,  den  Kometen  unserer  Planetenwelt  darin  ähn- 
lich sind. 

Aus  diesem  Begriffe,  der,  wie  mich  dünkt,  die  grosseste 
Wahrscheinlichkeit  hat,  lässt  sich  vermuthen,  dass,  wenn  40 
es  mehr  solche  höhere  Weltordnungen  |  giebt  als  diejenige,  [157] 
dazu  unsere  Sonne  gehört,  und  die  dem,  der  in  ihr  seinen 


100  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gotte« 

Stand  liat,  die  Erscheinung  der  Milchstrasse  verschafft., 
in  der  Tiefe  des  Weltraums  einige  derselben  wie  blasse 
schimmernde  Plätze  werden  zu  sehen  sein,  und  wenn  der 
Beziebungsplan  einer  solchen  andern  Zusammenordnung 
5  der  Fixsterne  schief  gegen  uns  gestellt  ist,  wie  elliptische 
Figuren  erscheinen  werden,  die  in  einem  kleinen  Kaum 
aus  grosser  Weite  ein  Sonnensystem,  wie  das  von  unserer 
Milchstrasse  ist,  darstellen.  Und  dergleichen  Plätzchen 
hat  wirklich  die  Astronomie  schon  vorliingst  entdeckt,  ob- 

10  gleich  die  Meinung,  die  man  sich  davon  gemacht  hat, 
sehr  verschieden  ist,  wie  man  in  des  Hen-n  von  Mau- 
PERTUis  Buche  von  der  Figur  der  Sterne  sehen  kann. 

Ich  wünsche,  dass  diese  Betrachtung  mit  einiger  Auf- 
merksamkeit möchte  erwogen  werden.     Nicht  allein   weil 

15  der  Begriff,  der  dadurch  von  der  Schöpfung  erwächst,  er- 
staunlich viel  rührender  ist,  als  er  sonst  sein  kann  (indem 
ein  unzählbares  Heer  Sonnen  wie  die  unsrige  ein 
System  ausmacht,  dessen  Glieder  durch  Kreisbewegungen 
verbunden  sind,  diese  Systeme  selbst  aber,  deren  vcrrauth- 
[158]  lieh  wieder  unzählige  ]  sind,  wovon  wir  einige  wahrnehmen 
können,  selbst  Glieder  einer  noch  höheren  Ordnung  sein 
mögen),  sondern  auch,  weil  selbst  die  Beobachtung  der 
uns  nahen  Fixsterne  oder  \ielmehr  langsam  wandelnden 
Sonnen,  durch   einen   solchen    Begriff   geleitet,   vielleicht 

25  Manches  entdecken  kann,  was  der  Aufmerksamkeit  ent- 
wischt, insofern  nicht  ein  gewisser  Plan  zu  untersuchen  ist. 


Gründe  für  einen  mechanischen  Ursprung  unserer 
Planetenwelt  überhaupt. 

30  Die  Planeten  bewegen  sich  um  unsere  Sonne  ins- 
gesammt  nach  einerlei  "Richtung  und  nur  mit  geringer 
Abweichung  von  einem  gemeinschaftlichen  Beziehungsplane, 
welcher  die  Ekliptik  ist,  gerade  so  als  Körper,  die  durch 
eine  Materie  fortgerissen  werden,  die,  indem  sie  den  ganzen 

35  Baum  anfüllt,  ihre  Bewegung  wirbelnd  um  eine  Achse 
verrichtet.  Die  Planeten  sind  insgesammt  schwer  zur 
Sonne  hin,  und  die  Grösse  des  Seitenschwunges  müsste 
eine  genau  abgemessene  Richtigkeit  haben,  wenn  sie  dadurch, 
in  Zirkelkreisen  zu  laufen,  sollen  gebracht  werden,   und 


II.  7.  Kosmogonie  101 

wie  bei  dergleichen   mechanischer  Wirkung  eine  geo|me-  [159] 
trische  Genauigkeit  nicht  zu  erwarten  steht,  so  weichen  auch 
alle  Kreise,  obzwar  nicht  viel,  von  der  Zirkelnmdung  ab.  Sie 
bestehen    aus    Materien,    die    nach   Newton's    Berech- 
nungen, je  entfernter  sie  von  der  Sonne  sind,  von  desto  5 
minderer  Dichtigkeit  sind,  sowie  auch  ein  Jeder  es  natür- 
lich finden  würde,  wenn  sie  sich  in  dem  Räume,  darin  sie 
schweben,   von   einem  daselbst  zerstreuten  Weltstoff  ge- 
bildet hätten.    Denn  bei  der  Bestrebung,  womit  alles  zur 
Sonne  sinkt,  müssen  die  Materien  dichterer  Art  sich  mehr  10 
zur  Sonne  drängen  und  sich  in  der  Nahheit  zu  ihr  mehr 
häufen  als  die  von  leichterer  Art,  deren  Fall  wegen  ihrer 
minderen  Dichtigkeit  mehr  verzögert  wird.     Die  Materie 
der  Sonne   aber    ist  nach   des   von   Buffon  Bemerkung 
an  Dichtigkeit  derjenigen,  die  die  summirte  Masse  aller  15 
Planeten  zusammen  haben  würde,  ziemlich  gleich,  welches 
auch  mit  einer   mechanischen  Bildung   wohl   zusammen- 
stimmt, nach  welcher  in   verschiedenen  Höhen,  aus  ver- 
schiedenen Gattungen  der  Elemente  die  Planeten  sich  ge- 
bildet haben  mögen,   sonst  alle  übrigen  aber,    die  diesen  20 
Eaum   erfüllten,    vermengt   auf  ihren   gemeinschaftlichen 
Mittelpunkt,  die  Sonne,  mögen  niedergestürzt  sein.  | 

Derjenige,  welcher  diesem  ungeachtet  dergleichen  Bau  [1^0] 
unmittelbar  in  die  Hand  GOttes   will  übergeben   wissen, 
ohne  desfalls  den  meclianischen  Gesetzen  etwas  zuzutrauen,  25 
ist  genöthigt,  etwas  anzuführen,   weswegen  er  hier  das- 
jenige noth wendig  findet,  was  er  sonst  in  der  Naturlehre 
nicht   leichtlich    zulässt.      Er   kann    gar    keine    Zwecke 
nennen,  warum  es  besser  wäre,  dass  die  Planeten  vielmehr 
nach   einer   Richtung   als   nach    verschiedenen,   nahe   zu  30 
[nach]  einem  Beziehungsplane  als  nach  allerlei  Gegenden  in 
Kreisen   liefen.     Der  Himmelsraum   ist  anjetzt  leer,   und 
bei   aller   dieser  Bewegung   würden    sie    einander   keine 
Hindemisse  leisten.    Ich  bescheide  mich  gerne,   dass  es   . 
verborgene  Zwecke  geben  könne,   die  nach  der  gemeinen  35 
Mechanik   nicht    wären    erreicht   worden,    und    die   kein 
Mensch  einsieht;  allein  es  ist  Keinem  erlaubt,  sie  voraus- 
zusetzen, wenn  er  eine  Meinung  darauf  gründen  will,  ohne 
dass  er  sie  anzuzeigen  vermag.    Wenn  denn  endlich  GOtt 
unmittelbar  den  Planeten  die  Wurfskraft  ertheilt  und  ihre  40 
Kreise  gestellt  hätte,  so  ist  zu  vermuthen,  dass  sie  nicht 
das    Merkmal    der    Un Vollkommenheit   und    Abweichung, 


102  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

wolchcs  bei  jedem  Produkt  der  Natur  auzutrcffen,  an  sich 
zeigen  würden.  War  es  gut,  dass  sie  sich  auf  eine 
[l^il]  Fläche  !  beziehen  sollten,  so  ist  zu  vermuthen,,  er  würde 
ihre  Kreise  genau  darauf  gestellt  haben;  war  es  gut, 
5  dass  sie  der  Zirkelbewegung  nahe  kämen,  so  kann  man 
glauben,  ihre  Bahn  würde  genau  ein  Zirkelkreis  geworden 
sein,  und  es  ist  nicht  abzusehen,  weswegen  Ausnahmen 
von  der  genauesten  Richtigkeit  selbst  bei  demjenigen,  was 
eine   unmittelbare    göttliche   Kunsthandlung    sein    sollte, 

10  übrig  bleiben  mussten. 

Die  Glieder  der  Sonnen  weit  aus  den  entferntesten 
Gegenden,  die  Kometen,  laufen  sehr  exzentrisch.  Sie 
könnten,  wenn  es  auf  eine  unmittelbare  göttliche  Handlung 
ankäme,  ebensowohl  in  Zirkelkreisen  bewegt  sein,    wenii- 

15  gleich  ihre  Bahnen  von  der  Ekliptik  noch  so  sehr  ab- 
weichen. Die  Nutzen  der  so  grossen  Exzentricität  werden 
in  diesem  Fall  mit  grosser  Kühnheit  ersonnen;  denn  es 
ist  eher  begreiflich,  dass  ein  Weltkörper,,  in  einer  Himmels- 
region, welche  es  auch  sei,  in  gleichem  Abstände  immer 

20  bewegt,  die  dieser  Weite    gemässe  Einrichtung  habe,   als 

dass  er  auf  die  grosse  Verschiedenheit  der  Weiten  gleich 

vortheilhaft  ein£,^erichtet  sei;   und  was   die  Vortheile,   die 

[162]  Newton  |  anführt,  anlangt,  so  ist  sichtbar,  dass  sie  sonst 

nicht  die  mindeste  Wahrscheinlichkeit  haben,  ausser  dass 

25  bei  der  einmal  vorausgesetzten  unmittelbaren  göttlichen 
Anordnung  sie  doch  zum  mindesten  zu  einigem  Verwände 
eines  Zweckes  dienen  können. 

Am  deutlichsten  fällt  dieser  Fehler,  den  Bau  der 
Planetenwelt   göttlichen   Absichten    unmittelbar   unterzu- 

30  zuordnen,  in  die  Augen  da,  wo  man  von  der  mit  der  Zu- 
nahme der  Entfernungen  umgekehrt  abnehmenden  Dichtig- 
keit der  Planeten  Bewegungsgründe  erdichten  will.  Der 
Sonnen  Wirkung,  heisst  es,  nimmt  in  diesem  Maasse  ab, 
und  es  war  anständig,   dass  die  Dichtigkeit  der  Körper, 

35  die  durch  sie  sollten  erwärmt  werden,  auch  dieser  pro- 
portionirlich  eingerichtet  würde.  Nun  ist  bekannt,  dass 
die  Sonne  nur  eine  geringe  Tiefe  unter  die  Oberfläche 
eines  Weltkörpers  wirkt,  und  aus  ihrem  Einflüsse,  den- 
selben zu  erwärmen,  kann  also  nicht  auf  die  Dichtigkeit 

40  des  ganzen  Klumpens  geschlossen  werden.  Hier  ist  die 
Folgerung  aus  dem  Zwecke  viel  zu  gross.  Das  Mittel, 
nämlich  die  verminderte  Dichtigkeit  des  ganzen  Klumpens, 


II.  7.  Kosmogonie  103 

begreift  eine  Weitläuftigkeit  der  Anstalt,  welche  für  die 
Grösse  des  Zwecks  überflüssig  und  unnöthig  ist.  ] 

In  allen  natürlichen  Hervorbringnngen,  insoferne  sie  [163] 
auf  Wohlgereimtheit,  Ordnung  und  Nutzen  hinauslaufen, 
zeigen  sich  zwar  Uebereinstimmungen  mit  göttlichen  Ab-  5 
sichten,    aber  auch  Merkmale   des  Ursprungs  aus   allge- 
meinen Gesetzen,  deren  Folgen  sich  noch  viel  weiter  als 
auf  solchen  einzelnen  Fall    erstrecken   und  demnach  in 
jeder  einzelnen  Wirkung  Spuren   von  einer  Vermengung 
solcher  Gesetze   an  sich   zeigen,  die   nicht  lediglich  auf  10 
dieses   einzige  Produkt   gerichtet   waren.     Um    deswillen 
finden  auch  Abweichungen  von  der  grösstmöglichen  Genauig- 
keit in  Ansehung  eines  besonderen  Zweckes  statt.    Dagegen 
wird  eine  unmittelbar  übernatürliche  Anstalt,  darum  weil 
ihre  Ausführung  gar  nicht  die  Folgen  aus  allgemeinern  15 
Wirkungsgesetzen  der  Materie  voraussetzt,  auch  nicht  durch 
besondere  sich  einmengende  Nebenfolgen  derselben   ent- 
stellt werden,    sondern  den  Plan  der  äusserst  möglichen 
Richtigkeit   genau   zu  Stande  bringen.     In  den   näheren 
Theilen  der  Planetenwelt   zum  gemeinschaftlichen  Mittel-  20 
punkte  ist  eine  grössere  Annäherung  zur  völligen  Ordnung 
und  abgemessenen  Genauigkeit,  die  nach  den  Grenzen  des 
Systems  hinaus,  oder  weit  von  dem  Bejziehungsplane   zu  [164J 
den  Seiten,  in  Regellosigkeit  und  Abweichungen  ausartet, 
gerade    so  wie  es  von  einer  Verfassung  zu  erwarten   ist,  25 
die  mechanischen  Ursprungs   ist.     Bei  einer  unmittelbar 
göttlichen  Anordnung  können  niemals   unvollst-ändig  er- 
reichte Zwecke   angetroffen  werden,    sondern  allenthalben 
zeigt  sich  die  grosseste  Richtigkeit  und  Abgemessenheit, 
wie  man  unter  andern  am  Bau  der  Thiere  gewahr  wird.  30 


3. 

Kurzer  Abriss  der  wahrscheinlichsten  Art,  wie  ein 
Planetensystem  mechanisch  hat  gebildet  werden 

können. 

Die  eben  jetzt  angeführten   Beweisgründe  für  einen  35 
mechanischen  Ursprung  sind  so  wichtig,   dass  selbst  nur 
einige    derselben    vorlängst    alle  Naturforscher    bewogen 
haben,  die  Ursache  der  Planetenkreise  in  natürlichen  ße- 
wegkräften  zu  suchen,   vornehmlich  weil   die  Planeten  in 


104  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

ebenderselben  Richtung,  worin  die  Sonne  sich  um  ihre 
Achse  schwingt,  um  sie  in  Kreisen  laufen  und  ihre 
Bahnen  so  sehr  nahe  mit  dieser  ihrer  Aequatorsfläche  zu- 
[165^  sammen  treffen.  Newton  war  der  grosse  Zerstörer  aller 
5  dieser  Wirbel,  an  denen  man  gleichwohl  noch  jango  nach 
seinen  Demonstrationen  hing,  wie  an  dem  Beispiel  des 
berühmten  Herrn  von  Mairan  zu  sehen  ist.  Die 
sicheren  und  überzeugenden  BeweisthümerderNEWTONischen 
Weltweisheit   zeigten  augenscheinlich,  dass  so  etwas,  wie 

10  die  Wirbel  sein  sollten,  Mrelche  die  Planeten  herum- 
führten, gar  nicht  am  Himmel  angetroffen  werde,  und 
dass  so  ganz  und  gar  kein  Strom  solcher  Flüssigkeit  in 
diesen  Kiiumen  sei,  dass  selbst  die  Kometenschweife  quer 
durch  alle  diese  Kreise  ihre  unverrückte  Bewegung  fort- 

15  setzen.  Es  war  sicher  hieraus  zu  schliessen,  dass,  so  wie 
der  Himmelsraum  jetzt  leer  oder  unendlich  dünne  ist, 
keine  mechanische  Ursache[n]  stattfinden  könne ,  die  den 
Planeten  ihre  Kreisbewegung  eindrückte.  Allein  sofort 
alle   mechanischen   Gesetze   vorbeigehen   und    durch    eine 

20  kühne  Hypothese  Gott  unmittelbar  die  Planeten  werfen 
zu  lassen,  damit  sie  in  Verbindung  mit  ihrer  Schwere 
sich  in  Kreisen  bewegen  sollten,  war  ein  zu  weiter  Schritt, 
als  dass  er  innerhalb  dem  Bezirke  der  Weltweislieit  hätte 
bleiben  können.  Es  fällt  alsbald  in  die  Augen,  dass  noch 
[166]  ein  Fall  übrig  bleibe,  wo  mechanische  |  Ursachen  dieser 
Verfassung  möglich  sind:  wenn  nämlich  der  Eaum  des 
Planetenbaues,  der  anjetzt  leer  ist,  vorher  erfüllt  war, 
um  eine  Gemeinschaft  der  Bewegkräfte  durch  alle 
Gegenden   dieses  Bezirks,  worin  die  Anziehung  unserer 

30  Sonne  herrscht,  zu  veranlassen. 

Und  hier  kann  ich  diejenige  Beschaffenheit  anzeigen, 
welche  die  einzige  mögliche  ist,  unter  der  eine  mechanische 
Ursache  der  Himmelsbewegungen  stattfindet,  welches  zur 
Rechtfertigung  einer  Hypothese  ein  beträchtlicher  Umstand 

35  ist,  dessen  man  sich  nur  selten  wird  rühmen  können. 
Da  die  Räume  anjetzt  leer  sind,  so  müssen  sie  ehedem 
erfüllt  gewesen  sein,  sonst  hat  niemals  eine  ausgebreitete 
Wirkung  der  in  Kreisen  treibenden  Bewegkräfte  statt- 
finden  können.     Und   es   muss  demnach  diese  verbreitete 

*^  Materie  sich  hernach  auf  die  Himmelskörper  versammelt 
haben;  das  ist,  wenn  ich  es  näher  betrachte,  diese 
Himmelskörper   selbst   werden   sich   aus  dem  verbreiteten 


II.  7.  Koamogonie  105 

Grundstoffe   in    den    Bäumen    des   Sonnenbaues    gebildet 
haben,  und  die  Bewegung,    die  die  Theilchen  ihres  Zu- 
sammensatzes im  Zustande  der  Zerstreuung  hatten,  |  ist  bei  [167] 
ihnen    nach    der  Vereinbarung    in    abgesonderte   Massen 
übrig  geblieben.     Seitdem   sind  diese  Eäiime    leer.     Sie  ^ 
enthalten  keine  Materie,  die  unter  diesen  Körpern  zur  Mit- 
theilung des   Kreisschwunges   dienen    könnte.     Aber   sie 
sind    es    nicht    immer    gewesen,   und    wir    werden    Be- 
wegungen   gewahr,    wovon  jetzt   keine    natürlichen   Ur- 
sachen stattfinden   können,    die   aber    Ueberbleibsel    des  10 
alleräl testen  rohen  Zustandes  der  Natur  sind. 

Von     dieser     Bemerkung    will    ich    nur    noch    einen 
Schritt    thun,  um    mich  einem  wahrscheinlichen  Begriff 
von  der  Eutstehungsart  dieser  grossen   Massen   und  der 
Ursache    ihrer   Bewegungen   zu   nähern,    indem    ich   die  15 
gründlichere    Vollfuhrung    eines  geringen  Schattenrisses 
dem    forschenden    Leser    selbst    Oberlasse.      Wenn  dem- 
nach der  Stoff  zu[r]  Bildung  der  Sonne  und  aller  Himmels- 
körper,   die    ihrer    mächtigen     Anziehung     zu     Gebote 
stehen,   durch  den  ganzen    Kaum   der  Planetenwelt  zer-  20 
streut  war,   und   es  war  irgend  in  dem  Orte,  den  jetzt 
der  Klumpen  der  Sonne  einnimmt,  Materie  von  stärkeren 
Anziehungskräften ,  so  entstand  eine  allgemeine  Senkung 
hiezu,   und   die  Anziehung  des  Sonnenkörpers  wuchs  mit 
ihrer  Masse.     Es  ist   leicht  zu  verjmuthen,  dass  in  dem  [168] 
allgemeinen  Fall  der  Partikeln  selbst  von  den  entlegensten 
Gegenden  des   Weltbaues   die  Materien    dichterer  Art  in 
den  tieferen  Gegenden,  wo  sich  Alles  zum   gemeinschaft- 
lichen   Mittelpunkte  hindrängte,   nach   dem  Masse  werde 
gehäuft  haben,    als   sie   dem  Mittelpunkte  näher  waren;  30 
ob  zwar  in  allen  Kegionen  Materien    von  allerlei  Art   der 
Dichtigkeit   waren.     Denn    nur    die    Theilchen    von    der 
schwersten  Gattung  konnten  das  grösste  Vermögen  haben, 
in   diesem  Chaos   durch  das    Gemenge  der  leichteren  zu   . 
dringen,     um    in    grössere   Nahheit    zum    Gravitations-  35 
punkte   zu   gelangen.    In  den  Bewegungen,  die  von  ver- 
verschiedentlich   hohem  Fall  in  der   Sphäre    umher  ent- 
sprangen, konnte  niemals  der   Widerstand    der    einander 
hindernden  Partikeln  so   vollkommen   gleich    sein,    dass 
nicht  nach  irgend  einer  Seite  die  erworbenen  Geschwindig-  40 
keiten   in   eine  Abbeugung  ausschlagen  sollten.     Und  in 
diesem    Umstände    zeigt   sich   eine    sehr    gemeine    Kegel 


106  Beweisgrund  zu  emer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

der  Gegenwirbing  der  Materien,  dass  sie  einander  so 
lange  treiben  oder  lenken  und  einschränken,  bis  sie  sich 
die  mindeste  Hinderniss  leisten;  welchem  gemäss  die 
Seitenbewegungen  sich  endlich  in  eine  gemeinschaftliche 
5  Umdrehung  nach  einer  und  ebenderselben  Gegend  ver- 
169]  einigen  mussten.  Die  |  Partikeln  demnach,  woraus  die 
Sonne  gebildet  wurde,  kamen  auf  ihr  schon  mit  dieser 
Seitenbewegung  an,  und  die  Sonne,  aus  diesem  Stoffe  ge- 
bildet, musste  eine  Umdrehung  in  ebenderselben  Richtung 

10  haben. 

Es  ist  aber  aus  den  Gesetzen  der  Gravitation  klar, 
dass  in  diesem  herumgeschwungenen  Weltstoffe  alle 
Tbeile  müssen  bestrebt  gewesen  sein,  den  Plan,  der  in 
der    Richtung     ihres    gemeinschaftlichen     Umschwunges 

15  durch  den  Mittelpunkt  der  Sonne  geht,  und  der  nach 
unseren  Schlüssen  mit  der  Aequatorsfliiche  dieses 
Himmelskörpers  zusammentrifft,  zu  durchschneiden,  wo- 
fern sie  nicht  schon  sich  in  demselben  befinden.  Demnach 
werden  alle  diese  Theile  vornehmlich  nahe  zur  Sonne  ihre 

20  grosseste  Häufung  in  dem  Räume  haben,  der  der  ver- 
längerten Aequatorsfliiche  derselben  nahe  ist.  Endlich 
ist  es  auch  sehr  natürlich,  dass,  da  die  Partikeln 
einander  so  lange  hindern  oder  beschleunigen,  mit 
einem  Worte,  einander  stossen  oder  treiben   müssen,  bis 

25  eines  des  andern  Bewegung  gar  nicht  mehr  stören  kann, 
zuletzt  Alles  auf  den  Zustand  ausschlage,  dass  nur   die- 
jenigen Theilchen  schweben  bleiben,  die  gerade  den  Grad 
des   Seitenschwunges   haben  ,  der   erfordert  wird ,  in  dem 
170]  Abstände,  darin  sie  von  der  Sonne  sind,  der  Gravitation 

30  das  Gleichgewicht  zu  leisten,  damit  ein  jegliches  sich  in 
freier  Bewegung  in  konzentrischen  Zirkeln  herumschwinge. 
Diese  Schnelligkeit  ist  eine  Wirkung  des  Falles,  und  die 
Bewegung  zur  Seite  eine  Folge  des  so  lange  dauernden 
Gegenstosses ,  bis  Alles  in  die  Verfassung  der  mindesten 

35  Hindernisse  sich  von  selbst  geschickt  hat.  Die  übrigen 
Theilchen,  die  eine  solche  abgemessene  Genauigkeit  nicht 
erreichen  konnten,  müssen  bei  allmählich  abnehmender 
Bewegung  zum  Mittelpunkte  der  allgemeinen  Gravitation 
gesunken    sein ,    um    den    Klumpen   der   Sonne   zu    ver- 

10  mehren,  der  demnach  eine  Dichtigkeit  haben  wird,  welche 
der  von  den  übrigen  Materien  in  dem  um  ihr  befindlichen 
RaumO;  im  Durchschnitte  genommen,  ziemlich  gleich  ist: 


II.  7.  Kosinogonie  107 

so  doch,  dass  nach  den  angeführten  Umständen  ihre  Masse 
noth wendig  die  Menge  der  Materie,  die  in  dem  Bezirke 
um  sie  schweben  geblieben,  weit  übertreffen  wird. 

In  diesem  Zustande,  der  mir  natürlich  zu  sein  scheint, 
da  ein  verbreiteter  Stoff  zu  Bildung  verschiedener  Himmels-  5 
körper,   in  einem  engen  Eaum  zunächst  der  verlängerten 
Fläche  des  Sonnenäquators,  von  desto  mehrerer  Dichtig- 
keit,  je  näher  dem  Mittel|punkte,  und   allenthalben  mit  [171] 
einem   Schwünge,    der   in    diesem   Abstände    zur   freien 
Zirkelbewegung  hinlänglich  war,  nach  den  Zentralgesetzen  10 
bis  in  grosse  "Weiten  um   die  Sonne  sich  herumschwung, 
wenn    man    da   setzt,    dass    sich   aus   diesen   Theilchen 
Planeten  bildeten,  so  kann  es  nicht  fehlen,  dass  sie  nicht 
Schwangkräfte  haben  sollten,  dadurch  sie  in  Kreisen,  die 
den  Zirkeln  sehr  nahe  kommen,   sich  bewegen  sollten,  ob  15 
sie    gleich    etwas    davon   abweichen,    weil   sie   sich   aus 
Theilchen  von  unterschiedlicher  Höhe  sammelten.    Es  ist 
ebensowohl  sehr  natürlich,   dass  diejenigen  Planeten,   die 
sich  in  grossen  Höhen  bilden  (wo  der  Eaum  um  sie  viel 
grösser  ist,   der  da  veranlasst,   dass  der  Unterschied  der  20 
Geschwindigkeit  der  Partikeln  die  Kraft,  womit  sie  zum 
Mittelpunkt   des   Planeten    gezogen   werden,    übertreffe), 
daselbst  auch  grössere  Klumpen  als  nahe  zur  Sonne  ge- 
winnen.   Die  Uebereinstimmung  mit  vielen  anderen  Merk- 
würdigkeiten der  Planetenwelt  übergehe  ich,  weil  sie  sich  25 
von  selbst  darbietet.*)     In  den  entlegensten  Thei  len   des  [172] 
Systems  und  vornehmlich  in  grossen  Weiten  vom  Beziehungs- 
plane werden   die   sich   bildenden   Körper,   die   Kometen, 
diese  Regelmässigkeit  nicht  haben  können.     Und  so  wird 
der   Raum  der   Planetenwelt  leer  werden,  nachdem  sich  30 
Alles    in    abgesonderte   Massen    vereinbart    hat.     Doch 
können    noch    in    späterer    Epoche    Partikeln    aus    den 
äussersten  Grenzen  dieser  Anziehungssphäre  herabgesunken 
sein,   die    forthin    jederzeit   frei    im   Himmelsraume    in 
Kreisen  sich  um  die  Sonne  bewegen  mögen:  Materien  von  35 
der  äussersten  Dünnigkeit  und  vielleicht  der  Stoff,  woraus 
das  Zodiakallicht  besteht. 


*)  Die  Bildung  eines  kleineren  Systems,  d&s  als  ein  Theil 
zu  der  Planetenwelt  gehört,  wie  des  Jupiters  und  Saturns,  im- 
gleichen  die  Achsendrehungen  dieser  Himmelskörper  werden 
wegen  der  Analogie  unter  dieser  Erklärung  mit  begriffen. 


i03  Beweisgrund  zu  eiuer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

4. 

Anmerkung. 

Die  Absicht  dieser  Betrachtung  ist  vornehmlich,  um 
ein  Beispiel  von  dem  Verfahren  zu  geben,  zu  welchem 
5  uns  unsere  vorigen  Beweise  berechtigt  haben,  da  man 
nämlich  die  ungegründete  Besorgniss  wegschafft,  als  wenn 
eine  jede  Erklärung  einer  grossen  Anstalt  der  Welt  aus 
allgemeinen  Naturgesetzen  den  boshaften  Feinden  der 
Religion  eine  Lücke  öffne,  in  ihre  Bollwerke  zu  dringen. | 
[173]  Meiner  Meinung  nach  hat  die  angeführte  Hypothese  zum 
mindesten  Gründe  genug  für  sich,  um  Männer  von  aus- 
gebreiteter Einsicht  zu  einer  näheren  Prüfung  des  darin 
vorgestellten  Plans,  der  nur  ein  grober  Umriss  ist,  ein- 
zuladen.    Mein  Zweck,  insoferne  er  diese  Schrift  betrifft, 

15  ist  erfüllt,  wenn  man  durch  das  Zutrauen  zu  der  Kegel- 
mässigkeit  und  Ordnung,  die  aus  allgemeinen  Natur- 
gesetzen fliessen  kann,  vorbereitet,  nur  der  natürlichen 
Weltweisheit  ein  freiers  Feld  öffnet,  und  eine  Erklärungs- 
art wie  diese   oder  eine  andere   als  möglich   und  mit  der 

20  Erkenntniss  eines  weisen  GOttes  wohl  zusammenstimmend 
anzusehen  kann  bewogen  werden. 

Es  wäre  übrigens  der  philosophischen  Bestrebung  wohl 
würdig,  nachdem  die  Wirbel,  das  beliebte  Werkzeug  so 
vieler  Systeme,  ausserhalb  der  Sphäre  der  Natur  auf  des 

25  MiLTON  s  Limbus  der  Eitelkeit  verwiesen  worden,  dass  man 

gleichwohl    gehörig   forschte,    ob   nicht   die   Natur   ohne 

Erdichtung   besonderer  Kräfte  selber  etwas  darböte,   was 

die  durchgehends  nach  einerlei  Gegend  gerichtete  Schwungs- 

[174]  bewegung  der  Planeten  erklären  |  könnte,   da  die   andere 

30  von  den  Zentralkräften  in  der  Gravitation  als  einem  dauer- 
haften Verbände  der  Natur  gegeben  ist.  Zum  wenigsten 
entfernt  sich  der  von  uns  entworfene  Plan  nicht  von  der 
Kegel  der  Einheit;  denn  selbst  diese  Schwungskralt  wird 
als  eine  Folge  aus  der  Gravitation  abgeleitet,  wie  es  zu- 

35  falligen  Bewegungen  anständig  ist;  denn  diese  sollen  als 
Erfolge  aus  den  der  Materie  auch  in  Euhe  beiwohnenden 
Kräften  hergeleitet  werden. 

Ueberdies  merke  ich  an,  dass  das  atomistische  System 
des  Demokritüs  und  Epikür's,  ungeachtet  des  ersten  An- 

40  Scheins   von  Aehnlichkeit,   doch  eine    ganz   verschiedene 


II.  7.  Kosmogonie  109 

Beziehung  zu  der  Folgerung  auf  einen  Urheber  der  Welt 
habe,   als  der  Entwurf  des  unsrigen.    In  jenem  war  die 
Bewegung  ewig  und  ohne  Urheber,   und  der  Zusammen- 
stoss,  der  reiche  Quell  so  vieler  Ordnung,  ein  Ohngefähr 
und  ein  Zufall,  wozu  sich  nirgend  ein  Grund  fand.    Hier  5 
führt  ein  erkanntes  und  wahres  Gesetz  der  Natur,   nach 
einer  sehr  begreiflichen  Voraussetzung,  mit  Nothwendig- 
keit  auf  Ordnung,   und  da  hier  ein  bestimmender  Grund 
eines  Ausschlags    auf  Kejgelmässigkeit  angetroffen   wird.  [175] 
und  etwas,  was  die  Natur  im  Gleise  der  Wohlgereimtheit  10 
und  Schönheit  erhält,   so  wird  man  auf  die  Verrauthung 
eines  Grandes  geführt,  aus   dem  die  Nothwendigkeit  der 
Beziehung   zur  Vollkommenheit  kann  yerstanden  werden. 
Um   indessen  noch  durch  ein  ander  Beispiel  begreif- 
lich zu  machen,  wie  die  Wirkung  der  Gravitation  in  der  15 
Verbindung    zerstreuter    Elemente    Eegelmässigkeit    und 
Schönheit    hen^orzubringen    nothwendigerweise    bestimmt 
sei,    so    will   ich    eine   Erklärung   von  der  mechanischen 
Erzeugungsart  des  Saturnusringes  beifügen,  die,  wie  mir 
dünkt,    soviel   Wahrscheinlichkeit   hat,   als   man   es   von  20 
einer  Hypothese    nur    erwarten   kann.      Man  räume   mir 
nur  ein:   dass  Saturn  in  dem  ersten  Weltalter   mit  einer 
Atmosphäre  umgeben  gewesen,   dergleichen  man  an  ver- 
schiednen    Kometen    gesehen,    die  sich  der  Sonne   nicht 
sehr   nähern    und   ohne   Schweife   erscheinen,    dass   die  25 
Theilchen    des   Dunstkreises   von   diesem   Planeten    (dem 
wir  eine  Achsendrehung  zugestehen  wollen)   aufgestiegen 
sind,  und  dass  in  der  Folge  diese  Dünste,  es  sei  darum, 
weil   der  |  Planet    verkühlte    oder   aus  andern  Ursachen.  L^'^^] 
anfingen ,  sich  wieder  zu  ihm  niederzusenken ;   so  erfolgt  30 
das  Uebrige  mit  mechanischer  Kichtigkeit.     Denn  da  alle 
Theilchen  von  dem  Punkte    der  Oberfläche,    da   sie  auf- 
gestiegen, eine  diesem  Orte  gleiche  Geschwindigkeit  haben 
müssen,  um  die  Achse  des  Planeten  sich  zu  bewegen,  so 
müssen  alle  vermittelst   dieses    Seitenschwungs    bestrebt  35 
gewesen  sein,   nach  den  Eegeln   der   Zentralkräfte   freie 
Kreise  um  den  Saturn  zu  beschreiben.*)    Es  müssen  aber 


*)  Saturn  be"wegt  sich  um  seine  Achse,  nach  der  Voraus- 
setzung. Ein  jedes  Theilchen,  das  von  ibm  aufsteigt,  muss  daher 
ebendieselbe  Seitenbewegung  haben  und  sie,  zu  welcher  Höbe  es 
auch  gelangt,  daselbst  fortsetzen. 


1 10  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

alle  diejenigen  Theilchen,  deren  Geschwindigkeit  nicht 
gerade  den  Grad  bat,  die  der  Attraktion  der  Höhe,  wo 
sie  schweben,  durch  Zentrifugalkraft  genau  das  Gleich- 
gewicht leistet,  einander  notb wendig  stossen  und  ver- 
5  zögern,  bis  nur  diejenigen,  die  in  freier  Zirkelbewegung 
nach  Zentralgesetzen  umlaufen  können,  um  den  Saturn 
in  Kreisen  bewegt  übrig  bleiben,  die  übrigen  aber  nach 
und  nach  auf  dessen  Oberfläche  zurückfallen.  Nun  müssen 
[177]  nothweudig  |  alle  diese  Zirkolbewegungcn  die   verlängerte 

10  Fläche  des  Saturnusäquators  durchschneiden,  welches  einem 
Jeden,  der  die  Zentralgesetze  weiss,  bekannt  ist;  also 
werden  sich  endlich  um  den  Saturn  die  übrigen  Theilchen 
seiner  vormaligen  Atmosphäre  zu  einer  zirkelrunden  Ebene 
drängen,   die   den  verlängerten  Aequator  dieses  Planeten 

15  einnimmt,  und  deren  äusserster  Rand  durch  ebendieselbe 
Ursache,  die  bei  den  Kometen  die  Grenze  der  Atmosphäre 
bestimmt,  auch  hier  abgeschnitten  ist.  Dieser  Limbus 
von  frei  bewegtem  Weltstoffe  muss  nothwendig  ein  Ring 
werden,    oder  vielmehr,   es  können  gedachte  Bewegungen 

20  auf  keine  andere  Figur  als  die  eines  Ringes  ausschlagen. 
Denn  da  sie  alle  ihre  Geschwindigkeit  zur  Zirkelbewegung 
nur  von  den  Punkten  der  Oberfläche  des  Satums  haben 
können,  von  da  sie  aufgestiegen  sind,  so  müssen  die- 
jenigen,   die  von  dessen  Aequator  sich  erhoben  haben, 

25  die  grosseste  Schnelligkeit  besitzen.  Da  nun  unter  allen 
Weiten  von  dessen  Mittelpunkte  nur  eine  ist,  wo  diese 
Geschwindigkeit  gerade  zur  Zirkelbewegung  taugt  und  in 
jeder  kleineren  Entfernung  zu  schwach  ist,  so  wird  ein 
Zirkelkreis  in  diesem  Limbus  aus  dem  Mittelpunkte  des 
(178)  Saturns  gezogen  werden  können,  innerhalb  welchem  alle 
Partikeln  zur  Oberfläche  dieses  Planeten  niederfallen 
müssen,  alle  übrige  aber  zwischen  diesem  gedachten 
Zirkel  und  dem  seines  äussersten  Randes  (folglich  die  in 
einem  ringförmichten  Raum  enthaltenen)  werden    forthin 

35  frei  schwebend  in  Zirkelkreisen  um  ihn  in  Bewegung 
bleiben. 

Nach  einer  solchen  Auflösung  gelangt  man  auf  Folgen, 
durch  die  die  Zeit  der  Achsendrehung  des  Saturns  ge- 
geben  ist,    und  zwar   mit  soviel  Wahrscheinlichkeit,   als 

40  man  diesen  Gründen  einräumt,  wodurch  sie  zugleich  be- 
stimmt wird.  Denn  weil  die  Partikeln  des  inneren  Randes 
ebendieselbe  Geschwindigkeit  haben  wie  diejenige,  die  ein 


II.  7.  Kosmogonie  111 

Punkt  des  Saturnsäquators  hat,   und  überdem  diese  Ge- 
schwindigkeit nach  den  Gesetzen  der  Gravitation  den  zur 
Zirkelbewegung   gehörigen   Grad  hat,   so   kann  man  aus 
dem    Verhältnisse    des    Abstandes    eines    der    Saturnus- 
Trabanten   zu   dem   Abstände    des    inneren   Randes    des  5 
Ringes  vom  Mittelpunkte   des  Planeten,   imgleichen  aus 
der  gegebenen  Zeit  des  Umlaufs  des  Trabanten  die  Zeit 
des  Umschwungs  der  Theilchen  in  dem  inwendigen  Rande 
finden,  |  aus  dieser  aber  nnd  der  Yerhältniss  des  kleinsten  [179] 
Durchmessers   vom  Ringe   zu  dem  des  Planeten,   dieses  10 
seine  Achsendrehung.    Und  so  findet  sich  durch  Rechnung, 
dass  Saturn  sich  in  5  Stunden  und  ungefähr  40  Minuten 
um  seine  Achse  drehen  müsse,   welches,   wenn  man  die 
Analogie    mit   den    übrigen   Planeten    hiebei    zu  Rathe 
zieht,    mit  der  Zeit  der  Umwendung  derselben  wohl   zu  15 
harmoniren  scheint. 

Und  so  mag  denn  die  Voraussetzung  der  kometischen 
Atmosphäre,  die  der  Saturn  im  Anfange  möchte  gehabt 
haben,  zugestanden  werden  oder  nicht,  so  bleibt  diejenige 
Folgerung,  die  ich  zur  Erläuterung  meines  Hauptsatzes  20 
daraus  ziehe,  wie  mich  dünkt,  ziemlich  sicher:  dass,  wenn 
ein  solcher  Dunstkreis  um  ihn  gewesen,  die  mechanische 
Erzeugung  eines  schwebenden  Ringes  eine  nothwendige 
Folge  daraus  hat  sein  müssen,  und  dass  daher  der  Aus- 
schlag der  allgemeinen  Gesetzen  überlassenen  Natur  selbst  25 
aus  dem  Chaos  auf  Regelmässigkeit  abziele.  | 


Achte  Betrachtung,  [180] 

Von  der  göttlichen  AUgenugsamkeit. 

Die  Summe  aller   dieser  Betrachtungen  führt  uns  auf  • 
einen  Begriff  von  dem  höchsten  Wesen,  der  Alles  in  sich  30 
fasst,  was  mau  nur  zu  gedenken  vermag,  wenn  Menschen, 
aus  Staube  gemacht,  es  wagen,  ausspähende  Blicke  hinter 
den  Vorhang   zu  werfen,   der  die  Geheimnisse  des  Un- 
erforschlichen  vor  erschaffenen  Augen  verbirgt.    GOtt  ist 
allgenugsam.     Was  da  ist,   es  sei  möglich  oder  wirklich,  35 
das  ist  nur   etwas,   insofern  es   durch   ihn   gegeben   ist. 
Eine  menschliche  Sprache  kann  den  Unendlichen  so  zu  sich 


112  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

selbst  reden  lassen :  Ich  bin  von  Ewigkeit  zu 
Ewigkeit,  ausser  mir  ist  nichts,  ohne  ins o- 
ferne  es  durch  mich  etwas  ist.  Dieser  Gedanke, 
der  erhabenste  unter  allen,  ist  noch  sehr  vernachlässigt 
5  oder  mehrentheils  gar  nicht  berührt  worden.  Das,  was 
sich  in  den  Möglichkeiten  der  Dinge  zur  Vollkommenheit 
und  Schönheit  in  vortrefflichen  Planen  darbietet,  ist  als 
ein  für  sich  nothwendiger  Gegenstand  der  göttlichen 
Weisheit,  aber  nicht  selbst  als  eine  Folge  von  diesem 
[181]  unbegreiflichen  Wesen  ange|sehen  worden.  Man  hat  die 
Abhängigkeit  anderer  Dinge  bloss  auf  ihr  Dasein  ein- 
geschränkt, wodurch  ein  grosser  Antheil  an  dem  Grunde 
von  soviel  Vollkommenheit  jener  obersten  Natur  ent- 
zogen,   und   ich   weiss  nicht,   welchem    ewigen   Undinge 

15  beigemessen  wird. 

Fruchtbarkeit  eines  einzigen  Grundes  an  viel  Folgen, 
Zusammenstimmung  und  Schicklichkeit  der  Naturen,  nach 
allgemeinen  Gesetzen  ohne  öfteren  Widerstreit  in  einem 
regelmässigen  Plane  zusammenzupassen,  müssen  zuvörderst 

20  iu  den  Möglichkeiten  der  Dinge  angetroffen  werden,  und 
nur  alsdeun  kann  Weisheit  thätig  sein,  sie  zu  wählen. 
Welche  Schranken,  die  dem  Unabhängigen  aus  einem 
fremden  Grunde  gesetzt  sein  würden,  wenn  selbst  diese 
Möglichkeiten  nicht  in  ihm  gegründet   wären  V    Und  was 

25  für  ein  unverständliches  Ohngefiihr,  dass  sich  in  diesem 
Felde  der  Möglichkeit,  ohne  Voraussetzung  irgend  eines 
Existirenden ,  Einheit  und  fruchtbare  Zusammenpassung 
findet,  dadurch  das  Wesen  von  den  höchsten  Graden  der 
flacht    und  Weisheit,    wenn   jene   äusseren   Verhältnisse 

30  mit  seinen  inneren  Vermögen  verglichen  werden,  sich  im 

[182]  Stande  sieht,  |  grosse  Vollkommenheit  zuwege  zubringen? 

Gewiss    eine   solche  Vorstellung   überliefert   nimmermehr 

den  Ursprung  des  Guten  ohne  allen  Abbruch  in  die  Hand 

eines  einzigen  Wesens.  Als  Hugen  [Huygens]  die  Pendeluhr 

35  erfand,  so  konnte  er,  wenn  er  daran  dachte,  sich  diese 
Gleichförmigkeit,  welche  ihre  Vollkommenheit  ausmacht, 
nimmer  gänzlich  beimessen;  die  Natur  der  Cykloide,  die 
es  möglich  macht,  dass  kleine  und  grosse  Bogen  durch 
freien    Fall    in    derselben    in    gleicher   Zeit    beschrieben 

40  werden,  konnte  diese  Ausführung  lediglich  in  seine  Gewalt 
setzen.  Dass  aus  dem  einfachen  Grunde  der  Schwere  so 
ein  grosser  Umfang  von   schönen  Folgen  auch  nur  mög- 


I.  8.  Von  der  göttl.  Allgenugsamkeit  HS 

licli  ist,  würde,  wenn  es  nicht  von  dem,  der  durch  wirk- 
liche Ausübung  allen  diesen  Zusammenhang  hervorgeh  rächt 
hat,  selbst  abhinge,  seinen  Antheil  an  der  reizenden  Ein- 
heit und  dem  grossen  Umfange  so  vieler  auf  einem 
einzigen  Grunde  beruhender  Ordnung  offenbar  schmälern  5 
und  theilen. 

Die  Bewunderung   über   die  Abfolge   einer  "Wirliung 
aus  einer  Ursache  hört  auf,  sobald  ich  die  Zulänglichkeit 
der  Ursache   zu  ihr   deutlich   und   leicht  einsehe.     Auf 
diesem  Fuss  kann  keine  Bewunderung  mehr  stattfinden,  10 
wenn     ich    den    mechanischen  |  Bau    des    menschlichen  [183] 
Körpers,   oder  welcher  künstlichen  Anordnung  ich  auch 
will,  als  ein  Werk  des  Allmächtigen  betrachte  und  bloss 
auf  die  Wi;klichkeit  sehe.    Denn  es  ist  leicht  und  deut- 
lich zu   verstehen,   dass  der,   so  Alles  kann,    auch  eine  15 
solche   Maschine,    wenn  sie   möglich  ist,    hervorbringen 
könne.     Allein  es   bleibt   gleichwohl  Bewunderung  übrig, 
man    mag   gleich   dieses    zur   leichteren  Begreifung    an- 
geführt  haben,   wie   man  will.     Denn  es   ist  erstaunlich, 
dass  auch  nur  so  etwas  wie  ein  thierischer  Körper  mög-  20 
lieh  war.    Und  wenn  ich  gleich  alle  Federn  und  Eöhren, 
alle  Nervengefässe ,   Hebel  und   mechanische  Einrichtung 
desselben  völlig   einsehen  könnte,   so  bliebe   doch  immer 
Bewunderung   übrig,   wie   es  möglich  sei,   dass   so  viel- 
fältige  Verrichtungen   in   einem    Bau   vereinigt   worden,  25 
wie  sich  die  Geschäfte  zu  einem  Zwecke  mit  denen,   wo- 
durch  ein  anderer  erreicht  wird,   so  wohl  paaren  lassen, 
wie  ebendieselbe  Zusammenfügung   ausserdem  noch  dazu 
dient,   die  Maschine  zu  erhalten   und  die  Folgen  aus  zu- 
fiilligen  Verletzungen  wieder  zu  verbessern,   und  wie  es  30 
möglich   war,    dass    ein   Mensch    konnte   ein    so    feines 
Gewebe  sein  und  ohnerachtet  so  vieler  Gründe   des  Ver- 
derbens noch  so  lange  dauern.    Nachdem  ich  auch  endlich 
mich  belehrt   habe,    dass  soviel  Einjheit   und  Harmonie  [184] 
darum  möglich  sei,  weil  ein  Wesen  da  ist,  welches  nebst  35 
den  Gründen  der  Wirklichkeit  auch  die  von  aller  Möglich- 
keit enthält,    so   hebt  dieses   noch  nicht  den  Grund   der 
Bewunderung  auf.     Denn  man  kann  sich  zwar  durch  die 
Analogie  dessen,  was  Menschen  ausüben,  einigen  Begriff 
davon    machen,    wie  ein  Wesen   die   Ursache   von   etwas  40 
Wirklichem  sein  könne,   nimmermehr  aber,   wie  es   den 
Grund   der  innern   Möglichkeit  von  andern  Dingen   ent- 
Kant. ki.  Schriften  z.  Ethik,  n.  8 


114  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottos 

halte,  und  es  scheiut,  als  wenn  dieser  Gedanke  viel  zu 
hoch  steigt,  als  dass  ihn  ein  orschaffeucs  Wesen  erreichen 
konnte. 

Dieser  hohe  Begriff  der  göttlichen  Natur,  wenn  wir 
5  sie  nach  ihrer  Allgen ugsamkeit  gedenken,  kann  selbst  in 
dem  Urtheil  über  die  Beschaffenheit  möglicher  Dinge,  wo 
uns  unmittelbar  Gründe  der  Entscheidung  fehlen,  zu 
einem  Hiilfsmittel  dienen,  aus  ihr  als  einem  Grunde  auf 
fremde  Möglichkeit  als  eine  Folge  zu  schliessen.    Es  ist 

10  die  Frage:   ob  nicht   unter   allen  möglichen  Welten  eine 

Steigerung  ohne  Ende  in  den  Graden  der  Vollkommenheit 

anzutreffen  sei,  da  gar  keine  natürliche  Ordnung  möglich 

ist,   über  die   nicht  noch  eine  vortrefflichere   könne  ge- 

[185]  dacht  werden;  ferner,  |  wenn  ich  auch  hierin  eine  höchste 

15  Stufe  zugäbe,  ob  nicht  wenigstens  selbst  verschiedene 
Welten,  die  von  keiner  übertroffen  werden,  einander  au 
Vollkommenheit  gänzlich  gleich  wären?  Bei  dergleichen 
Fragen  ist  es  schwer  und  vielleicht  unmöglich,  aus  der 
Betrachtung  möglicher  Dinge  allein  etwas  zu  entscheiden. 

20  Allein  wenn  ich  beide  Aufgaben  in  Verknüpfung  mit 
dem  göttlichen  Wesen  erwäge  und  erkenne,  dass  der 
Vorzug  der  Wahl,  der  einer  Welt  vor  der  andern  zu 
Theil  wird,  ohne  den  Vorzug  in  dem  Urtheile  eben- 
desselben Wesens,   welches  wählt,   oder  gar  wider  dieses 

25  Urtheil  einen  Mangel  in  der  üebereinstiuimung  seiner 
verschiedenen  thätigen  Kräfte  und  eine  verschiedene  Be- 
ziehung seiner  Wirksamkeit,  ohne  eine  proportionirte 
Verschiedenheit  in  den  Gründen,  mithin  einen  Uebelstand 
in    dem    vollkommensten    Wesen    abnehmen    lasse:     so 

30  schliesse  ich  mit  grosser  Ueberzeugung,  dass  die  vor- 
gelegten Fälle  erdichtet  und  unmöglich  sein  müssen. 
Denn  ich  begreife  nach  den  gesammten  Vorbereitungen, 
die  man  gesehen  hat,  dass  man  viel  weniger  Grund  habe, 
aus    vorausgesetzten   Möglichkeiten,   die    man  gleichwohl 

35  nicht  genug   bewähren  kann,   auf  ein  nothwendiges  Be- 
tragen des  vollkommensten  Wesens  zu  schliessen  (welches 
[186]  so    be Ischaffen    ist,    dass    es   den    Begriff  der   grössteu 
Harmonie   in   ihm   zu    schmälern    scheint),   als  aus   der 
erkannten   Harmonie,    die    die   Möglichkeiten    der  Dinge 

40  mit  der  göttlichen  Natur  haben  müssen,  von  demjenigen, 
was  diesem  Wesen  am  anständigsten  zu  sein  erkannt 
wird,   auf  die  Möglichkeit  zu  schliessen.     Ich  werde  also 


II.  8.  Von  der  gÖttJ.  Allgenugsamkeit  115 

vermutheD,  dass  in  den  Möglichkeiten  aller  Welten  keine 
solchen  Verhältnisse  sein  können,  die  einen  Grund  der 
Verlegenheit  in  der  vernünftigen  Wahl  des  höchsten 
Wesens  enthalten  müssten;  denn  eben  dieses  oberste  Wesen 
enthält  den  letzten  Grund  aller  dieser  Möglichkeit,  in  5 
welcher  also  niemalen  etwas  Anders,  als  was  mit  ihrem 
Ürspruuge  harmonirt,  kann  anzutreffen  sein. 

Es  ist  auch  dieser  über  alles  Mögliche  und  Wirkliche 
erweiterte  Begriff  der  göttlichen  Allgenugsamkeit  ein 
yiel   richtigerer    Ausdruck    die   grösste    Vollkommenheit  10 
dieses  Wesens  zu  bezeichnen,  als  der  des  Unendlichen, 
dessen    man  sich   gemeiniglich  bedient.     Denn    ob   man 
diesen  letztern  zwar  auslegen  kann,  wie  man  will,  so  ist 
er    seiner   eigentlichen    Bedeutung    nach    doch    offenbar 
mathematisch.    Er  bezeichnet  das  Verhältniss  einer  Grösse  15 
zu  einer  andern  als  dem  |  Maasse,   welche [s]  Verhältniss  [187] 
grösser   ist  als  alle   Zahl.     Daher   in  dem   eigentlichen 
Wortverstande  die  göttliche  Erkenntniss  unendlich  heissen 
würde,  insoferne  sie  vergleichungs weise  gegen  irgend  eine 
angebliche  andere  Erkenntniss  ein  Verhältniss  hat,  welches  20 
alle  mögliche  Zahl  übersteigt.     Da  nun  eine  solche  Ver- 
gleichung   göttliche    Bestimmungen    mit   denen    der   er- 
schaffenen Dinge  in  eine  Gleichartigkeit,   die  man  nicht 
wohl   behaupten  kann,   versetzt,   und  überdem  das,   was 
man  dadurch  will,  nämlich  den  unverringerten  Besitz  von  25 
aller  Vollkommenheit,   nicht  gerade  zu  verstehen   giebt, 
so  findet  sich  dagegen  Alles,  was  man  hiebei  zu  denken 
vermag,    in   dem   Ausdrucke    der   Allgenugsamkeit   bei- 
sammen.   Die  Benennung   der  Unendlichkeit  ist  gleich- 
wohl  schön  und  eigentlich  ästhetisch.    Die  Erweiterung  30 
über  alle  Zahlbegriffe  rührt   und  setzt  die  Seele   durch 
eine  gewisse  Verlegenheit  in  Erstaunen.    Dagegen  ist  der 
Ausdruck,   den  wir  empfehlen,   der  logischen  Kichtigkeit 
mehr  augemessen. 


8* 


[188]  Dritte  Abtheilung. 

Worin  dargethan  wird:  dass  ausser  dem 
ausgeführten   Beweisgrunde    kein  anderer   zu 
einer   Demonstration  vom    Dasein   GOttes 
5  möglich  sei. 


1. 

Ein th eilung  aller  möglichen  Beweisgründe  vom 
Dasein  GOttes. 

Die  Ueberzeugung    von    der    grossen   Wahrlieit:    es 

10  isteinGOtt,  wenn  sie  den  höclisten  Grad  mathematischer 
Gewissheit  haben  soll ,  hat  dieses  Eigne ,  dass  sie  nur 
durch  einen  einzigen  "Weg  kann  erlangt  werden,  und 
giebt  dieser  Betrachtung  den  Vorzug,  dass  die  philo- 
sophischen Bemühungen  sich  bei  einem  einzigen  Beweis- 

15  gründe   vereinigen   müssen,   um    die  Fehler,   die   in  der 
Ausführung    desselben    möchten    eingelaufen   sein,    viel- 
mehr zu  verbessern,  als  ihn  zu  verwerfen,  sobald  man  | 
[189]  überzeugt  ist,  dass  keine  Wahl  unter   mehr  dergleichen 
möglich  sei. 

20  Um  dieses  darzuthun,  so  erinnere  ich,  dass  man  die 
Forderung  nicht  aus  den  Augen  verlieren  müsse,  welche 
eigentlich  zu  erfüllen  ist:  nämlich  nicht  das  Dasein  einer 
sehr  grossen  und  sehr  vollkommenen  ersten  Ursache, 
sondern  des  allerhöchsten  Wesens:  nicht  die  Existenz  von 

26  einem  oder  mehreren  derselben,  sondern  von  einem  einzigen; 
und  dieses  nicht  durch  grosse  Gründe  der  Wahrschein- 
lichkeit, sondern  mit  mathematischer  Evidenz  zu  be- 
weisen. 

Alle  Beweisgründe  für  das  Dasein  Gottes  können  nur 

80  entweder  aus  den  Verstandsbegriffen  des  bloss  Möglichen 
oder  aus  dem  ErfahrungsbegrifFc  des  Ex istir enden 


ITI.  Dass  kein  anderer  Beweis  möglich  sei  117 

hergenommen  werden.    In  dem  ersteren  Falle    wird  ent- 
weder von  dem  Möglichen  als   einem    Grunde  auf  das 
Dasein  Gottes   als  eine  Folge,   oder  aus  dem  Möglichen 
als  einer  Folge  auf  die  göttliche  Existenz  als  einen  Grund 
geschlossen.     Im  zweiten  Falle   wird  wiederum    entweder  5 
aus  demjenigen,  dessen  Dasein  wir  erfahren,  bloss  auf  die 
Existenz  |  einer  ersten  und  unabhängigen  Ursache,  [190] 
vermittelst  der  Zergliederung  dieses  Begriffs  aber  auf  die 
göttlichen  Eigenschaften  derselben   geschlossen,   oder  es 
werden  aus  dem,  was  die  Erfahrung  lehrt,    sowohl  das  10 
Dasein  als  auch   die  Eigenschaften  desselben   un- 
mittelbar gefolgert. 

2. 

Prüfung  der  Beweisgründe  der  ersten  Art. 

Wenn  aus  dem  Begriffe  des  bloss   Möglichen  als  15 
einem  Grunde    das  Dasein  als  eine  Folgerung    soll  ge- 
schlossen werden,  so  muss  durch  die  Zergliederung  dieses 
Begriffes  die  gedachte  Existenz  darin  können  angetroffen 
werden;  denn   es    giebt    keine    andere    Ableitung    einer 
Folge  aus   einem   Begriffe  des  Möglichen,  als  durch  die  20 
logische  Auflösung.  Alsdenn  müsste  aber  das  Dasein  wie 
ein  Prädikat  in  dem  Möglichen  enthalten  sein.   Da  dieses 
nun  nach  der  ersten    Betrachtung  der  ersten  Abtheilung 
nimmermehr  stattfindet,  so  er|hellt,  dass  ein  Beweis  der  [191] 
Wahrheit,    von  der  wir  reden,  auf  die  erwähnte  Art  un-  25 
möglich  sei. 

Indessen  haben  wir  einen  berühmten  Beweis,  der  auf 
diesen  Grund  erbaut  ist,  nämlich  den  sogenannten 
Cartesianischen.  Man  erdenkt  sich  zuvörderst  einen 
Begriff  von  einem  möglichen  Dingo,  in  welchem  man  30 
alle  wahre  Vollkommenheit  sich  vereinbart  vorstellt  Nun 
nimmt  man  an,  das  Dasein  sei  auch  eine  Vollkommenheit 
der  Dinge,  also  schliesst  man  aus  der  Möglichkeit  eines 
vollkommensten  Wesens  auf  seine  Existenz.  Ebenso 
könnte  man  aus  dem  Begriffe  einer  jeden  Sache,  welche  35 
auch  nur  als  die  vollkommenste  ihrer  Art  vorgestellt 
wird,  z.  E.  daraus  allein  schon,  dass  eine  vollkommenste 
Welt  zu  gedenken  ist,  auf  ihr  Dasein  schliessen.  Allein 
ohne  mich  in  eine  umständliche  Widerlegung  dieses  Be- 


1  IS  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

weises  einzulassen,  welche  man  schon  hei  Andern  antrifft, 
so  hezieho  ich  mich  nur  auf  dasjenige,  was  im  Anfange 
dieses  Werkes  ist  erklärt  worden,  dass  nämlich  das  Dasein 
gar  kein  Prädikat,  mithin  auch  kein  Prädikat  der  Voll- 
5  kommenheit  sei,  und  daher  aus  einer  Erklärung,  welche 
[192]  eine  will  |  kürliche  Vereinbarung  verschiedener  Prädikate 
enthält,  um  den  Begriff  von  irgend  einem  möglichen 
Dinge  auszumachen,  nimmermehr  auf  das  Dasein  dieses 
Dinges,  und  folglich  auch  nicht  auf  das   Dasein  Gottes 

10  könne  geschlossen  werden.    • 

Dagegen  ist  der  Schluss  von  den  Möglichkeiten  der 
Dinge  als  Folgen  auf  das  Dasein  Gottes  als  einen  Grund 
von  ganz  anderer  Art.  Hier  wird  untersucht,  ob  nicht 
dazu,   dass   etwas  möglich  sei,  irgend  etwas  Existirendes 

15  vorausgesetzt  sein  müsse,  und  ob  dasjenige  Dasein,  ohne 
welches  selbst  keine  innere  Möglichkeit  stattfindet,  nicht 
solche  Eigenschaften  enthalte,  als  wir  zusammen  in  dem 
Begriffe  der  Gottheit  verbinden.  In  diesem  Falle  ist 
zuvorderst  klar,  dass  ich  nicht  aus  der   bedingten   Mög- 

20  lichkeit  auf  ein  Dasein  schliessen  könne,  wenn  ich  nicht 
die  Existenz  dessen,  was  nur  unter  gewissen  Bedingungen 
möglich  ist,  voraussetze;  denn  die  bedingte  Möglichkeit 
giebt  lediglich  zu  verstehen,  dass  etwas  nur  in  gewissen 
Verknüpfungen  existiren  könne,   und  das  Dasein  der  Ur- 

25  Sache  wird  nur  insofeme  dargethan,  als  die  Folge  existirt, 
[193]  hier  aber   soll  sie  nicht  aus  dem  |  Dasein   derselben   ge- 
schlossen werden;  daher  ein  solcher  Beweis   nur  aus   der 
innern    Möglichkeit   geführt  werden   kann,  wofern  er  gar 
stattfindet.     Ferner  wird   man  gewahr,   dass   er  aus  der 

30  absoluten  Möglichkeit  aller  Dinge  überhaupt  entspringen 
müsse.  Denn  es  ist  nur  die  innere  Möglichkeit  selbst, 
von  der  erkannt  werden  soll,  dass  sie  irgend  ein  Dasein 
voraussetze,  und  nicht  die  besonderen  Prädikate ,  dadurch 
sich  ein  Mögliches  von   dem   andern  unterscheidet;   denn 

35  der  Unterschied  der  Prädikat(3  findet  auch  beim  bloss 
Möglichen  statt  und  bezeichnet  niemals  etwas  Existirendes. 
Demnach  würde  auf  die  erwähnte  Art  aus  der  innern 
Möglichkeit  alles  Denklichen  ein  göttliches  Dasein  müssen 
gefolgert  werden.      Dass  dieses    geschehen  könne,  ist  in 

40  der  ganzen  ersten  Abtheilung  dieses  Werks  gewiesen 
worden. 


III.  Dass  kein  anderer  Beweis  möglich  sei  119 

3. 

Prüfung  der  Beweisgründe  der  zweiten  Art. 

Der   Beweis,   da  man    aus    den    Erfalirungsbegriffen, 
von  dem,  was  da  ist,  auf  die  Existenz  ei|ner  ersten  und  [194 
unabhäDgigen    Ursache    nach    den   Regeln    der    Kausal-  5 
Schlüsse,  aus  dieser  aber    durch   logische  Zergliederung 
des    Begriffes    auf  die   Eigenschaften    derselben,    welche 
eine  Gottheit   bezeichnen,  kommen  will,  ist  berühmt  und 
vornehmlich  durch  die  Schule  der  WoLFFischen  Philosophen 
sehr  in  Ansehen  gebracht  worden,    allein   er  ist  gleich-  10 
wohl  ganz  unmöglich.     Ich  räume  ein,    dass   bis  zu  dem 
Satze:    wenn    etwas    da     ist,    so    existirt    auch 
otwas,  was  von  keinem  andern  Dinge  abhängt, 
Alles   regelmässig    gefolgert  sei,   ich  gebe  also  zu,  dass 
das  Dasein  irgend  einer  oder  mehrer  Dinge,   die  weiter  15 
keine  Wirkungen  von  einem  andern  sind,  wohl  erwiesen  dar- 
liege.    Nun  ist  der   zweite  Schritt  zu  dem  Satze:  dass 
dieses    unabhängige     Ding    schlechterdings    noth- 
wendig  sei,  schon  viel  weniger  zuverlässig,  da  er  ver- 
mittelst  des  Satzes   vom  zureichenden  Grunde,  der  noch  20 
immer  angefochten  wird,  geführt  werden  muss;  allein  ich 
trage   kein   Bedenken,   auch   bis   soweit   Alles   zu  unter- 
schreiben.     Es    existirt  demnach    etwas    schlechterdings 
nothwendigerweise.      Aus    diesem    Begriffe    des    absolut 
nothwendigen  Wesens  sollen  nun  seine  Eigenschaften  der  25 
höchsten  Vollkommenheit  und  Einheit  her  |  geleitet  werden.  [195] 
Der  Begriff  der  absoluten  Nothwendigkeit  aber,  der  hier  zum 
Grunde  liegt,  kann  auf  zwiefache  Art  genommen  werden, 
wie  in  der  ersten  Abtheilung  gezeigt  ist.     In  der  ersten 
Art,  da  sie  die  logische  Nothwendigkeit  von  uns  genannt  30 
worden ,  müsste  gezeigt  werden,  dass  das  Gegentheil  des- 
jenigen Dinges    sich    selbst    widerspreche,    in    welchem    ■ 
alle  Vollkommenheit   oder  Eealität   anzutreffen,    und  also 
dasjenige  Wesen   einzig  und  allein  schlechterdings  noth- 
wendig  im   Dasein  sei,  dessen  Prädikate   alle  wahrhaftig  35 
bejahend  sind.     Und  da  aus  ebenderselben  durchgängigen 
Vereinbarung   aller   Realität   in    einem    Wesen    soll    ge- 
schlossen werden,  dass  es  ein  einziges  sei,  so  ist  klar, 
dass  die  Zergliederung  der  Begriffe  des  Nothwendigen  auf 
solchen    Gründen   beruhen    werde,    nach    denen  ich  auch  40 
umgekehrt   müsse   schliessen   können:  worin  alle  Realität 


120  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

ist,  das  existirt  nothwendigcrweise.  Nun  ist  nicht  allein 
diese  Schlussart  nach  der  vorigen  Nuinmer  unmöglich, 
sondern  es  ist  insonderheit  merkwürdig,  dass  auf  diese 
Art  der  Beweis  gar  niclit  auf  den  ErfahrungsbegrifF,  der 
6  ganz,  ohne  ihn  zu  brauchen,  vorausgesetzt  ist,  erbaut 
[196]  wird,  sondern  ebenso  wie  der  Cartesia|nische  lediglich 
aus  Begriffen,  in  welchen  man  in  der  Identität  oder  dem 
Widerstreit  der  Prädikate  das  Dasein  eines  Wesens  zu 
finden  vermeint*) 

10  Es  ist  meine  Absicht  nicht,  die  Beweise  selber  zu 
zergliedern,  die  man  dieser  Methode  gemäss  bei  Ver- 
schiedenen antrifft.  Es  ist  leicht,  ihre  Fehlschlüsse  auf- 
zudecken, und  dieses  ist  auch  schon  zum  Tlieil  von 
Andern   geschehen.     Indessen   da   man   gleichwohl    noch 

15  immer  hoffen   könnte,    dass   ihrem   Fehler   durch   einigo 

Verbesserungen  abzuhelfen  sei,  so  ersieht  man  aus  unserer 

[197]  Betrachtung,  dass,  es  |  mag  auch  aus  ihnen  werden,  was 

da  wolle,   sie  doch   niemals   etwas  Anders   als  Schlüsse 

aus  Begriffen  möglicher  Dinge,  nicht  aber  aus  Erfahrung 

20  werden  können  und  also  ebenfalls  den  Beweisen  der  ersten 
Art  beizuzählen  seien. 

Was  nun  den  zweiten  Beweis  von  derjenigen  Art  an- 
langt, da  aus  Erfahrungsbegriffen  von  existirenden  Dingen 
auf  das  Dasein  Gottes   und  zugleich  seine  Eigenschalteii 

25  geschlossen  wird,  so  verhält  es  sich  hiemit  ganz  anders. 
Dieser  Beweis  ist  nicht  allein  möglich,  sondern  auch  auf 
alle  Weise  würdig,  durch  vereinigte  Bemühungen  zur 
gehörigen  Vollkommenheit  gebracht  zu  werden.  Die  Dinge 
der  Welt,   welche  sich  unsern  Sinnen  offenbaren,   zeigen 

30  sowohl   deutliche  Merkmale   ihrer  Zufälligkeit,   als   auch 


*)  Dieses  ist  das  Vornehmste,  worauf  ich  hier  ausgehe.  Wenn 
ich  die  Nothwendi;.'keit  eines  Be^rifles  darin  setze,  dass  sich  das 
Gegentheil  widerspricht,  und  alsdenn  behaupte,  das  Unendliche 
sei  so  beschHiTen ,  so  war  es  ganz  unnöthig,  die  Existenz  des 
nothwendigen  Wesens  vorauszusetzen,  indem  sie  schon  aus  dem 
Bej^riffe  des  Unendlichen  folgt.  J*,  jene  vorangescliitkto  Existenz 
ist  in  dem  Beweise  selbst  völlig  milssig.  Denn  da  in  dem  Fort- 
gang desselben  der  Begriff  der  Notbwendigkeit  und  Unendlich- 
keit als  Wochselbegriffo  angesehen  werden,  so  wird  wirklich 
darum  aus  der  Existenz  des  Nothwendigen  auf  die  Unendlichkeit 
gesclilossen ,  weil  das  Unendliche  (und  zwar  allein)  nothwendig 
existirt. 


III.  Dass  kein  anderer  Beweis  möglich  sei  121 

durch  die  Grosse,   die  Ordnuni^  und   zweckmässigen  An- 
stalten, die  man  allonthalben  gewahr  wird,  Beweisthümer 
eines  vernünftigen  Urhebers  von  grosser  Weisheit,  Macht 
und  Güte.     Die  grosse  Einheit  in  einem  so  weitläuttigen 
Ganzen   lässt  abnehmen,    dass   nur  ein  einziger  Urheber  5 
aller  dieser  Dinge  sei,   und  wenngleich   in  nllen   diesen 
Schlüssen  keine  geometrische  |  Strenge  hervorblickt,  so  ent-  [198] 
halten   sie   doch  unstrittig  so   viel   Nachdruck,   dass   sie 
einen  jeden  Vernünftigen  nach  Regeln,  die  der  natürliche 
gesunde  Verstand  befolgt,  keinen  Augenblick  hierüber  im  10 
Zweifel  lassen. 

4. 

Es  sind  überhaupt  nur  zwei  Beweise  vom  Dasein 
Gottes  möglich. 

Aus  allen  diesen  Beurtheilungen  ist  zu  ersehen,  dass,  15 
wenn  man  aas  Begriffen  möglicher  Dinge  schliessen  will, 
kein  ander  Argument  für  das  Dasein  Gottes  möglich   sei 
als  dasjenige,  woselbst  die  innere  Möglichkeit  aller  Dinge 
als  etwas  angesehen  wird,  was  irgend  ein  Dasein  voraus- 
setzt,  wie  es   von  uns  in   der  ersten  Abtheilung   dieses  20 
Werks   geschehen  ist.     Imgleichen   erhellt,    dass,    wenn 
von   dem,   was   uns  Erfahrung   von  existirenden  Dingen 
lehrt,  der  SchUiss  zu  ebenderselben  Wahrheit  soll  hinauf- 
steigen,   der  Beweis  nur   durch   die  in  den  Dingen   der 
Welt  wahrgenommenen  Eigenschaften    und  die   zufällige  25 
Anordnung  des  |  Weltganzen   auf  das  Dasein  sowohl  als  [199] 
auch  die  Beschaffenheit  der  obersten  Ursache  kann  geführt 
werden.    Man  erlaube  mir,  dass  ich  den  ersten  Beweis  den 
ontologischen,  den  zweiten  aber  den  kosraologischen  nenne. 

Dieser  kosmologische  Beweis  ist,  wie  mich  dünkt,   so  30 
alt  wie   die  menschliche  Vernunft.     Er  ist  so  natürlich, 
so  einnehmend   und  erweitert  sein  Nachdenken  auch   so 
sehr  mit  dem  Fortgang   unserer  Einsichten ,   dass  er  so  . 
lange  dauern  muss,  als  es  irgend  ein  vernünftig  Geschöpf 
geben  wird,   welches  an  der  edlen  Betrachtung  Theil  zu  35 
nehmen  wünscht,   GOtt  aus  seinen  Werken  zu  erkennen. 
Derham's,  Nieuwextyt's  und  vieler  Anderer  Bemühungen 
haben  der  menschlichen  Vernunft  in  dieser  Absicht  Ehre 
gemacht,    obgleich    bisweilen    viel    Eitelkeit   mit   unter- 
gelaufen  ist,    allerlei   physischen  Einsichten    oder   auch  40 
Hirniiespinnsten  durch  die  Losung  des  Religionseifers  ein 


122  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

ehrwürdig  Ansehn  zu  geben.  Bei  aller  dieser  Yortreff- 
liehkeit  ist  diese  Beweisart  doch  immer  der  mathematischen 
Gewisslieit  und  Genauigkeit  unfiihig.  Man  wird  jederzeit 
[200]  nur  auf  irgend  einen  unbegreiflich  grossen  Urheber  |  des- 
5  jenigen  Ganzen,  was  sich  unsern  Sinnen  darbietet,  schliessen 
können,  nicht  aber  auf  das  Dasein  des  vollkommensten 
unter  allen  möglichen  Wesen.  Es  wird  die  grösste 
"Wahrscheinlichkeit  von  der  Welt  sein,  dass  nur  ein 
einiger  erster  Urheber   sei;    allein   dieser  Ueberzeugung 

10  wird  viel  an  der  Ausführlichkeit,  die  der  frechsten  Zweifel- 
sucht trotzt,  ermangeln.  Das  macht:  wir  können  nicht 
auf  mehr  oder  grössere  Eigenschaften  in  der  Ursache 
schliessen,  als  wir  gerade  nöthig  finden,  um  den  Grad 
und   die   Beschaffenheit    der  Wirkungen  daraus   zu  ver- 

15  stehen;  wenn  wir  nämlich  von  dem  Dasein  dieser  Ursache 
keinen  andern  Anlass  zu  urtheilen  haben  als  den,  so  uns 
die  Wirkungen  geben.  Nun  erkennen  wir  viel  Voll- 
kommenheit, Grösse  und  Ordnung  in  der  Welt,  und 
können  daraus  nichts  melir  mit  logischer  Schärfe  schliessen, 

20  als  dass  die  Ursache  derselben  viel  Verstand,  Macht  und 
Güte  besitzen  müsse,  keineswegs  aber,  dass  sie  Alles 
wisse,  vermöge  etc.  etc.  Es  ist  ein  unermessliches  Ganze, 
in  welchem  wir  Einheit  und  durchgängige  Verknüpfung 
wahrnehmen,  und  wir  können  mit  grossem  Grunde  daraus 

25  ermessen,  dass  ein  einiger  Urheber  desselben  sei.     Allein 

[201]  wir  müssen  uns  bescheiden,  |  dass  wir  nicht  alles  Erschaffene 

kennen,  und  daher  urtheilen,  dass,  was  uns  bekannt  ist, 

nur  einen  Urheber  blicken  lasse,   woraus  wir  vormuthen, 

was  uns   auch  nicht  bekannt  ist,    werde  ebenso  bewandt 

80  sein,  welches  zwar  sehr  vernünftig  gedacht  ist,  aber  nicht 
strenge  schliesst. 

Dagegen,  wofern  wir  uns  nicht  zu  sehr  schmeicheln, 
so  scheint  unser  entworfener  ontologischer  Beweis  der- 
jenigen Schärfe  fähig  zu  sein,  die  man  in  einer  Demon- 

35  stration  fordert.  Indessen  wenn  die  Frage  wäre,  welcher 
denn  überhaupt  unter  beiden  der  beste  sei,  so  würde  man 
antworten:  sobald  es  auf  logische  Genauigkeit  und  Voll- 
ständigkeit ankommt,  so  ist  es  der  outologisclie,  verlangt 
man  aber  Fasslichkeit  für  den  gemeinen  richtigen  Begrilf, 

40  Lebhaftigkeit  des  Eindrucks,  Schönheit  und  Bewegkraft 
auf  die  moralischen  Triebfedern  der  menschlichen  Natur, 
80  ist   dem  kosmologischen    Beweise    der  Vorzug   zuzu- 


III.  Dass  kein  anderer  Beweis  möglich  sei         123 

gestehen.  IJikI  da  es  ohne  Zweifel  von  mehr  Erheblich- 
keit ist,  den  Menschen  mit  hohen  Empfindungen,  die 
fruchtbar  an  edler  Thätigkeit  sind,  zu  beleben,  indem 
man  zugleich  den  gesunden  Ver |  stand  überzeugt,  als  mit  [202] 
sorgfältig  abgewogenen  Vernunftschlüssen  zu  unterweisen,  5 
dadurch,  dass  der  feineren  Spekulation  ein  Genüge  gethan 
wird,  so  ist,  wenn  man  aufrichtig  verfahren  will,  dem 
bekannten  kosmologischen  Beweise  der  Vorzug  der  all- 
gemeineren Nutzbarkeit  nicht  abzusprechen. 

Es  ist  demnach  kein  schmeichlerischer  Kunstgriff,  der  10 
um  fremden  Beifall  buhlt,    sondern  Aufrichtigkeit,  wenn 
ich  einer   solchen  Ausführung  der  wichtigen  Erkenntniss 
von   GOtt  und  seinen  Eigenschaften,    als  Keimaeus  in 
seinem  Buche  von  der  natürlichen  Religion  liefert,    den 
Vorzug  der  Nutzbarkeit  gerne  einräume,  über  einen  jeden  15 
andern  Beweis,    in  welchem   mehr  auf  logische   Schärfe 
gesehen  worden,  und  über  den  meinigen.    Denn  ohne  den 
Werth    dieser  und    anderer   Schriften    dieses  Mannes   in 
Erwägung   zu   ziehen,    der   hauptsächlich   in   einem  un- 
gekünstelten Gebrauche  einer  gesunden  und  schönen  Ver-  20 
nunft  besteht,  so  haben  dergleichen  Gründe  wirklich  eine 
grosse  Beweiskraft  und  erregen  mehr  Anschauung  als  die 
logisch  abgezogenen  Begriffe,   obgleich  die  letzteren  den 
Gegenstand  genauer  zu  verstehen  geben.  |  [203] 

Gleichwohl  da  ein  forschender  Verstand,  wenn  er  ein-  25 
mal  auf  die  Spur  der  Untersuchung  gerathen  ist,  nicht 
eher  befriedigt  wird,  als  bis  Alles  um  ihn  licht  ist,  und 
bis  sich,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken  darf,  der  Zirkel, 
der  seine  Frage  umgrenzt,  völlig  schliesst,  so  wird 
Niemand  eine  Bemühung,  die  wie  die  gegenwärtige  auf  30 
die  logische  Genauigkeit  in  einem  so  sehr  wichtigen 
Erkenntnisse  verwandt  ist,  für  unnütz  und  überflüssig 
halten,  vornehmlich  weil  es  viele  Fälle  giebt,  da  ohne  solche 
Sorgfalt  die  Anwendung  seiner  Begriffe  unsicher  und  zweifel- 
haft bleiben  würde.  35 

5. 

Es  ist  nicht  mehr  als  eine  einzige  Demonstration 

vom  Dasein  Gottes  möglich,  wovon  der  Beweisgrund 

oben  gegeben  worden. 

Aus    dem   Bisherigen    erhellt,    dass   unter    den    vier  40 
erdenklichen  Beweisgründen,  die  wir  auf  zwei  |  Hauptarten  [204] 


124  Beweiegrimd  zu  einer  Demonstration  des  Daseins  Gottes 

gebracht  liabon,  der  Cartesianische  sowohl  als  der,  so  aus 
dem  Erfahrungsbegriffe  vom  Dasein  vermittelst  der  Auf- 
lösung des  Begriffes  von  einem  unabhängigen  Dinge  ge- 
führt worden,  falsch  und  gänzlich  unmöglich  seien,  das 
5  ist,  dass  sie  nicht  etwa  mit  keiner  gehörigen  Schärfe, 
sondern  gar  nicht  beweisen.  Es  ist  femer  gezeigt  worden, 
dass  der  Beweis,  aus  den  Eigenschaften  der  Dinge  der 
Welt  auf  das  Dasein  und  die  Eigenschaften  der  Gottheit 
zu  schliessen,    einen  tüchtigen  und  sehr  schönen  Beweis- 

10  grund  enthalte,  nur  dass  er  nimmermehr  der  Schärfe  einer 
Demonstration  fähig  ist.  Nun  bleibt  nichts  übrig,  als 
dass  entweder  gar  kein  strenger  Beweis  hievon  möglich 
sei,  oder  dass  er  auf  demjenigen  Beweisgrunde  beruhen 
müsse,  den  wir  oben  angezeigt  haben.    Da  von  der  Mög- 

15  lichkeit  eines  Beweises  schlechthin  die  Eede  ist,  so  wird 
Niemand  das  Erstere  behaupten,  und  die  Folge  fällt 
demjenigen  gemäss  aus,  was  wir  angezeigt  haben.  Es 
ist  nur  ein  GOtt  und  nur  ein  Beweisgrund,  durch 
welchen   es   möglich    ist,    sein    Dasein   mit  der   Wahr- 

20  nehmung  derjenii^en  Nothwendigkeit  einzusehen,  die 
[205]  schlechterdings  alles  Gegen theil  vernichtigt;  ein  |  Urtheil, 
darauf  selbst  die  Beschaffenheit  des  Gegenstandes  un- 
mittelbar führen  könnte.  Alle  anderen  Dinge,  welche 
irgend  da  sind,  könnten  auch  nicht  sein.     Die  Erfahrung 

25  von  zufälligen  Dingen  kann  demnach  keinen  tüchtigen 
Beweisgrund  abgeben,  das  Dasein  desjenigen  daraus  zu 
erkennen,  von  dem  es  unmöglich  ist,  dass  er  nicht  sei. 
Nur  lediglich  darin,  dass  die  Verneinung  der  göttlichen 
Existenz   völlig  Nichts  ist,   liegt   der  Unterschied   seines 

30  Daseins  von  anderer  Dinge  ihrem.  Die  innere  Möglich- 
keit, die  Wesen  der  Dinge,  sind  nun  dasjenige,  dessen 
Aufhebung  alles  Denkliche  vertilgt.  Hierin  wird  also 
das  eigene  Merkmal  von  dem  Dasein  des  Wesens  aller 
Wesen   bestehen.     Hierin    sucht   den  Beweisthum,    und 

35  wenn  Ihr  ihn  nicht  daselbst  anzutreffen  vermeint,  so 
schlaget  Euch  von  diesem  ungebahnten  Fusssteige  auf  die 
grosse  Heeresstrasse  der  menschlichen  Vernunft.  Es  ist 
durchaus  nöthig,  dass  man  sich  vom  Dasein  Gottes 
überzeuge;  es  ist  aber  nicht  ebenso  nöthig,   dass  mau 

40  es  demonstrire. 


Einige  Bemerkungen 


zn 


Ludwig  Heinrich  Jakob*s 

Prüfung 
der  Mendelssohn'schen  Morgenstunden 


1786 


Ludwig  Heinrich  Jakob,  Doktor  der  Philosophie  iu 
Halle,  Prüfung  der  Mendelssohiischen  Morgenstunden  oder 
aller  spekulativen  Beweise  fiir  das  Daseyn  Gottes  in  Vor- 
lesungen. Nebst  einer  Abhandlung  von  Herrn  Professor 
Kant    8.    Leipzig  1786.    bey  Johann  Samuel  Heinsius. 

Kant's  Abhandlung  steht  hier  ö.XLIX— LX  unter  dem 
Tittel  „Einige  Bemerkungen  von  Herrn  Professor  Kant" 
(vgl.  Hartenstein  ^  VL  S.  129-135.  UV,  S.  463-468.  Rosen- 
kranz I,  S  391  —  398)  Als  Anmerkung  zu  diesem  Titel 
druckt  Jakob  die  nachstehenden  Worte: 

„Als  ich  dem  Herrn  Professor  Kant  meinen  Eutschluss, 
die  Prüfung  der  MENDELSSOHN'schen  Morgenstunden  her- 
auszugeben ,  meldete ,  und  ich  in  meinem  Briefe  unter 
andern  der  Stelle  in  den  Morgenstunden  S.  116  er- 
wähnte, hatte  Herr  Professor  Kant  sogleich  die  Güte,  mir 
eine  Berichtigung  dieser  Stelle  zu  meinem  Buche  zu  ver- 
sprechen, welche  er  mir  nachher  in  diesem  Aufsatz,  worin 
noch  weit  mehr  enthalten  ist,  zusendete;  wofür  ich  ihm  hier 
öffentlich  meinen  verbindlichsten  Dank  abstatte." 


W  enn  man  die  letzte  MEMDELSSOHN'sche,  von  ihm  selbst [XLIX] 
herausgegebene  Schrift  liest  und  das  nicht  im  Mindesten 
geschwächte  Veiirauen   dieses  versuchten  Philosophen  auf 
die  demonstrative  Beweisart  des  wichtigsten  aller  Sätze 
der  reinen  Vernunft  darin  wahrnimmt,  so  geräth  man  in  |  5 
Versuchung,  die  engen  Grenzen,  welche  skrupulöse  Kritik  [L] 
diesem  Erkenntnissvermögen  setzt,  wohl  für  ungegründete 
Bedenklichkeit  zu  halten  und  durch  die  That  alle   Ein- 
würfe gegen   die   Möglichkeit   einer    solchen  Unter- 
nehmung für  widerlegt  anzusehen.     Nun  scheint  es  zwar  10 
einer   guten  und  der    menschlichen   Vernunft  unentbehr- 
lichen Sache  zum  wenigsten   nicht   nachtheilig  zu    sein, 
dass  sie  allenfalls  auf  Vermuthungen  gegründet  werde,  die 
Einer  oder  der  Andere  für  förmliche  Beweise  halten  mag; 
denn  man  muss  am  Ende  doch  auf  denselben  Satz,  es  sei  15 
durch   welchen    Weg    es  wolle,   kommen,    weil  Vernunft 
ihr  selbst  ohne  denselben   niemals    völlig  Gnüge   leisten 
kann.     Allein   es   tritt  hier  eine  wichtige  Bedenklichkeit 
in  Ansehung  des  Weges  ein,  den  man  einschlägt.    Denn 
räumt  man   der  reinen   Vernunft  in   ihrem    spekulativen  20 
Gebrauch    einmal   das    Vermögen     ein,     sich    über    die 
Grenzen   des  Sinnlichen  hinaus   durch  Einsichten  |  zu  [LI] 
erweitern,   so   ist   es  nicht  mehr  möglich,  sich  bloss  auf 
diesen    Gegenstand    einzuschränken;    und    nicht     genug, 
dass  sie    alsdenn   für   alle  Schwärmerei   ein   weites  Feld  25 
geöffnet  findet,  so  traut  sie  sich  auch  zu,  selbst  über  die 
Möglichkeit  eines    höchsten    Wesens    (nach    demjenigen 
Begriffe,   den  die  Religion  braucht)  durch  Vernünfteleien 
zu    entscheiden    —    wie    wir    davon    an    Spinoza    und 
selbst  zu  unserer  Zeit  Beispiele  antreffen  —  und  so  durch  30 
angemassten  Dogmatismus  jenen  Satz  mit  eben  der  Kühn- 
heit  zu   stürzen,   mit  welcher   man    ihn    errichten 
zu  können  sich  gerühmt   hat;  statt  dessen,  wenn  diesem 
in  Ansehung  des  Uebersinnlichen  durch    strenge    Kritik 


128  Bemerkungen  zu  Jakob's  Prüfung 

diu  Fiügel  beschnitteu  werden,  joner  Glaube  in  einer 
praktisch- wohlgegiündeten,  theoretisch  aber  unwider- 
leglichen Toraussetzung  völlig  gesichert  sein  kann. 
Daher  ist  eine  Widerlegung  jener  Anmassungen ,  so  gut 
6  sie  auch  gemeint  sein  mögen,  der  Sache  selbst  weit  go- 
[LIIJ  fehlt  nachtheilig  |  zu  sein,  vielmehr  sehr  beförderlich,  ja 
unumgänglich  nöthig. 

Diese    hat    nun    der     Herr     Verfasser     des     gegen- 
wärtigen  Werks  übernommen,   und,  nachdem  er  mir  ein 

10  kleines  Probestück  desselben  mitgetheilt  hat,  welches  von 
beinem  Talent  der  Einsicht  sowohl  als  Popularität  zeugt, 
mache  ich  mir  ein  Vergnügen,  diese  Schrift  mit  einigen 
Betrachtungen,  welche  in  diese  Materie  einschlagen,  zu 
begleiten. 

15  In  den  Morgenstunden  bedient  sich  der  scharfsinnigo 
Mendelssohn  ,  um  dem  beschwerlichen  Geschäfte  der 
Entscheidung  des  Streits  der  rMnen  Vernunft  mit 
ihr  selbst  durch  vollständige  Kritik  dieses  ihres  Ver- 
mögens   überhoben    zu   sein,    zweier    Kunststücke,  deren 

20  sich    auch   wolil    sonst    bequeme    Richter     zu     bedienen 
pflegen,    nämlich,     den    Streit    entweder    gütlich    bei- 
zulegen oder  ihn  als  für  gar  keinen  Gerichtshof  gehörig 
abzuwei  sen.  | 
[LIII)        Die  erste  Maxime  steht  S.  214,   erste  Auflage:    „Sie 

25  wissen,  wie  sehr  ich  geneigt  bin,  alle  Streitig- 
keiten der  philosophischen  Schulen  für  blosse 
Wortstreitigkeiten  zu  erklären,  oder  doch 
wenigstens  ursprünglich  von  Wortstreitig- 
keiten   herzuleiten";  und  dieser  Maxime  bedient  er 

30  sich  fast  durch  alle  polemischen  Artikel  des  ganzen  Werks. 
Ich  bin  hingegen  einer  ganz  entgegengesetzten  Meinung 
und  behaupte,  dass  in  den  Dingen,  worüber  man  vor- 
nehmlich in  der  Philosophie  eine  geraume  Zeit  hin- 
durch gestritten   hat     niemals   eine  Wortstreitigkeit  zum 

35  Grunde  gelegen  habe  sondern  immer  eine  wahrhafte 
Streitigkeit  über  Sachen.  Denn  obgleich  in  jeder  Sitracho 
einige  Worte  in  mehrerer  und  verschiedener  Bedeutung 
gebraucht  werden,  so  kann  es  doch  gar  nicht  lange 
währen,    bis   die,   so   sich   im   Gebrauche   desselben    an- 

40  fangs    veruneinigt    haben,    den    Missverstand    bemerken 

und    sich    an    deren    Statt    anderer    bedienen;   dass   bö 

[LIV]  al|80    am    Ende    ebenso    wenig    wahre   Homonyma    als 


der  Mendelssohn 'sehen  Morgenstunden  129 

Synonyma   giebt.      So    suchte    Mendelssohn   den   alten 
Streit   über    Freiheit    und    Naturnothwendigkeit 
in  Bestimmungen    des    Willens    (Berl.   Monatsschr.   Juli 
1783)    auf  blossen  Wertstreit  zurückzuführen,  weil  das 
Wort    „Müssen"    in    zweierlei    verschiedener    Bedeutung  5 
(theils    bloss    objektiver,    theils    subjektiver)    gebraucht 
wird;  aber  es   ist  (um  mit  Hume'u  zu  reden),  als  ob  er 
den    Durchbruch    des     Oceans    mit    einem     Strohwisch 
stopfen  wollte.     Denn   schon   längst    haben   Philosophen 
diesen     leicht    missbrauchten    Ausdruck    verlassen    und  10 
die  Streitfrage  auf  die   Formel   gebracht,   die  jene   all- 
gemeiner ausdrückt:    ob  die  Begebenheiten  in  der  Welt 
(worunter   auch    unsere    willkürlichen    Handlungen    ge- 
hören)  in  der  Reihe  der   vorhergehenden   wirkenden  Ur- 
sachen bestimmt  seien  oder  nicht;  und   da  ist  es  offen-  15 
bar   nicht  mehr  Wortstreit,    sondern  ein  wichtiger,  durch 
dogmatische     Metaphysik     niemals     zu  |  entscheidender  [LV] 
Streit.      Dieses    Kunststücks    bedient     sich    der    subtile 
Mann   nun   fast    allenthalben    in    seinen    Morgenstunden, 
wo  es  mit  der  Auflösung  der  Schwierigkeiten  nicht  recht  fort  20 
will;   es  ist  aber   zu  besorgen:   dass,    indem  er  künstelt 
allenthalben    Logomachie    zu     ergrübein,    er    selbst 
dagegen    in   Logodädalie    verfalle,    über    welche    der 
Philosophie  nichts  Nachtheiligeres  widerfahren  kann. 

Die  zweite  Maxime  geht  darauf  hinaus,  die  Nach-  25 
forschung    der  reinen  Vernunft   auf  einer  gewissen  Stufe 
(die  lauge  noch  nicht  die  höchste  ist)  dem  Scheine  nach 
gesetzmässig  zu  hemmen  und  dem  Frager  kurz  und  gut 
den  Mund  zu  stopfen.   In  den  Morgenstunden  S.  116.  heisst 
es :  „Wenn  ich  Euch  sage,  was  ein  Ding  wirkt  oder  leidet,  30 
so  fragt  nicht  weiter,   was  es  ist.     Wenn  ich  Euch  sage, 
was  Dir  Euch  von  einem  Dinge  für  einen  Begriff  zu  machen 
habt,  so  hat  die  fernere  Frage :  was  dieses  Ding  an  sich  selbst 
sei?  weiter  keinen  ]  Verstand"  etc.  Wenn  ich  aber  doch  (wie  in  [LVI] 
den  metaphysischen  Anfangsgründen  der  Naturwissenschaften  3  5 
gezeigt  worden)  einsehe,  dass  wir  von  der  körperlichen  Natur 
nichts    Anders    erkennen  als   den   Eaum  (der  noch  gar 
nichts    Existirendes ,    sondern    bloss    die    Bedingung   zu 
Oertern  ausserhalb  einander,  mithin  zu  blossen  äusseren 
Verhältnissen  ist),  das  Ding  im  Eaume  ausser  dem,  dass  ^0 
auch  Raum  in  ihm  (d.i.  es  selbst  ausgedehnt)  ist,  keine 
andere  Wirkung  als  Bewegung    (Veränderung    des  Orts, 

Kant,  kl.  Schriften  z  Ethik  ir.  9 


1 30  Bermerkungen  zu  Jakob's  Prüfung 

mithin  blosser  Verhältnisse),  folglich  keine  andere  Kraft 
oder  leidende  Eigenschaft  als  bewegende  Kraft  und  Be- 
weglichkeit (Veränderung  äusserer  Verhältnisse)  zu  er- 
kennen giebt;  so  mag  mir  Mendelssohn  oder  jeder 
5  Andere  an  seiner  Stelle  doch  sagen,  ob  ich  glauben  könne, 
ein  Ding  nach  dem,  was  es  ist,  zu  erkennen,  wenn  ich 
weiter  nichts  von  ihm  weiss,  als  dass  es  etwas  sei,  das 
[LVII]  in  äusseren  Verhältnissen  ist,  in  welchem  selbst  |  äussere 
Verhältnisse   sind,   dass  jene  an  ihm  und  durch  dasselbe 

10  an  anderen  verändert  werden  können,  so  dass  der  Grund 
dazu  (bewegende  Kraft)  in  denselben  liegt;  mit  einem 
Worte,  ob  —  Ja  ich  nichts  als  Beziehungen  von  Etwas 
kenne  auf  etwas  Anderes,  davon  ich  gleichfalls  nur 
äussere  Beziehungen  wissen  kann,  ohne  dass  mir  irgend 

15  etwas  Inneres  gegeben  ist  oder  gegeben  werden  kann  —  ob 
ich  da  sagen  könne:  ich  habe  einen  Begriff  vom  Dinge 
an  sich,  und  ob  nicht  die  Frage  ganz  rechtmässig  sei: 
was  denn  das  Ding,  das  in  allen  diesen  Verliältnissen 
das  Subjekt  ist,  an  sich  selbst   sei?    Eben   dieses  lässt 

20  sich  auch  gar  wohl  an  dem  Erfahrungsbegriff  unserer 
Seele  darthun,  dass  er  blosse  Erscheinungen  des  inneren 
Sinnes  enthalte,  und  noch  nicht  den  bestimmten  Bogriff 
des  Subjektes  selbst;  allein  es  würde  mich  hier  in  zu 
grosse  Weitläufigkeit  führen.  | 
[LVIII]  Freilich,  wenn  wir  Wirkungen  eines  Dinges  kennten, 
die  in  der  That  Eigen  schafton  eines  Dinges  an  sich  selbst 
sein  können,  so  dürfen  wir  nicht  ferner  fragen,  was  das 
Ding  nocli  ausser  diesen  Eigenschaften  an  sich  sei;  denn 
es  ist  alsdann  gerade  das,  was  durch  jene  Eigenschaften 

30  gegeben  ist.  Nun  wird  man  fordern,  ich  solle  doch  der- 
gleichen Eigenschaften  und  wirkende  Kräfte  angeben, 
damit  man  sie  und  durch  sie  Dinge  an  sich  von  blossen 
Erscheinungen  unterscheiden  könne.  Ich  antworte:  dieses 
ist  sclion  längst  und  zwar  von  Euch  selbst  geschehen. 

35  Besinnt  Euch  nur,  wie  Ihr  den  Begriff  von  Gk)tt,  als 
höchster  Intelligenz ,  zu  Stande  bringt.  Ihr  denkt  Euch 
in  ihm  lauter  wahre  Realität,  d.  i.  etwas,  das  nicht  bloss 
(wie  man  gemeiniglich  dafür  hält)  den  Negationen  ent- 
gegengesetzt   wird,    sondern   auch   und   vornehmlich    den 

40  Realitäten  in  der  Erscheinung  (realitas  rhaenomenon), 

[LIXj  der I gleichen   alle   sind,    die    uns   durch   Sinne   gegeben 

werden  müssen   und  eben  darum   realitas  apparens   (wie- 


der  Meudelssoka'scheu  Morgenstunden  131 

wohl   nicht  mit  einem   ganz  schicklichen  Ausdrucke)  ge- 
nannt   werden.      Nun   vermindert    alle    diese    Realitäten 
(Verstand,  Wille,  Seligkeit,  Macht  etc.)  dem  (irade  nach, 
so   bleiben    sie  doch  der  Art  (Qualität)  nach  immer  die- 
selben,  so    habt   Ihr   Eigenschaften   der   Dinge   an  sich  t 
selbst,   die  Ihr  auch   auf  andere  Dinge  ausser   Gott  an- 
wenden  könnt.     Keine  anderen  könnt  Ihr  Euch  denken, 
und   alles   Uebrige  ist  nur  Realität  in  der    Erscheinung 
(Eigenschaft   eines  Dinges   als   Gegenstandes  der  Sinne), 
wodurch  Ihr  niemals  ein  Ding  denkt,  wie  es  an  sich  selbst  10 
ist.    Es  scheint  zwar  befremdlich,  dass  wir  unsere  Begriffe 
von  Dingen  an  sich  selbst  nur  dadurch  gehörig  bestimmen 
können,  dass  wir  alle  Realität  zuerst  auf  den  Begriff  von  Gott 
reduziren  und  so,  wie  er  darin  stattfindet,  allererst  aucii  auf 
andere  Dinge  als  Dinge  an  sich  anwenden  sollen.  Allein  jenes  j  ]  l 
ist   lediglich  das   Scheidungsmittel   alles   Sinnlichen  und  [LX] 
der  Erscheinung  von  dem,  was  durch  den  Verstand,  als 
zu  Sachen  an  sich  selbst  gehörig,  betrachtet  werden  kann. 
—    Also  kann  nach   allen    Kenntnissen,    die  wir  immer 
nur  durch  Ei  fahrung  von  Sachen  haben  mögen,  die  Frage:  20 
was    denn   ihre    Objekte   als   Dinge   an   sich   selbst   sein 
mögen?  ganz  und  gar  nicht  für  sinnleer  gehalten  werden. 
Die   Sachen   der  Metaphysik   stehen  jetzt    auf   einem 
solchen  Fusse,  die  Akten  zur  Entscheidung  ihrer  Streitig- 
keiten liegen  beinahe  schon    zum  Spruche  fertig,  so  dass  25 
es  nur  noch  ein  wenig   Geduld  und  Unparteilichkeit  im 
ürtheile  bedarf,  um  es  vielleicht  zu  erleben,  dass  sie  end- 
lich einmal  ins  Reine  werden  gebracht  werden. 

Königsberg,  den  4.  August  1786. 

I.  KANT. 


0* 


Ueber  das  Misslingen 


aller 

philosophischen  Versuche 

in 

der   Theodicee 


1791 


Berlinische  Monatsschrift  Ton  J.  E.  Biester ,  Berlin, 
1791,  Sept.,  p.  194-225.  (Hartenstein  ^VI  S.  137-158. 
»VI  S. 75-93.    Eosenkranz  VII,  1,  ß. 385— 408.) 


Unter  einer  Theodicee  versteht  man  die  Vertheidigung[194] 
der   höchsten  Weisheit  des  "Welturhebers  gegen   die  An- 
klage,   welche  die  Vernunft  aus  dem  |  Zweckwidrigen  in[195] 
der  Welt  gegen  jene  erhebt.  —  Man  nennt  dieses,   die 
Sache  Gottes  verfechten;   ob  es  gleich  im  Grunde  nichts  5 
mehr    als   die   Sache   unserer   anmassenden,   hiebei   aber 
ihre  Schranken  verkennenden  Vernunft  sein  möchte,  welche 
zwar  nicht  eben   die  beste  Sache  ist,   insofern  aber  doch 
gebilligt  werden  kann,   als  (jenen  Eigendünkel  bei  Seite 
gesetzt)  der  Mensch  als  ein  vernünftiges  Wesen  berechtigt  10 
ist,  alle  Behauptungen,   alle  Lehre,  welche  ihm  Achtung 
auferlegt,   zu  prüfen,   ehe  er  sich  ihr  unterwirft,   damit 
diese  Achtung  aufrichtig  und  nicht  erheuchelt  sei. 

Zu  dieser  Eechtfertigung  wird  nun  erfordert,  dass  der 
vermeintliche  Sachwalter  Gottes  entweder  beweise:  dass  15 
das,  was  wir  in  dieser  Welt  als  zweckwidrig  beurtheilen, 
es  nicht  sei;  oder  dass,  wenn  es  auch  dergleichen  wäre, 
es  doch  gar  nicht  als  Faktum,  sondern  als  unvenneidliche 
Folge  aus  der  Natur  der  Dinge  beurtheilt  werden  müsse ; 
oder  endlich,  dass  es  wenigstens  nicht  als  Faktum  des  20 
höchsten  Urhebers  aller  Dinge,  sondern  bloss  der  Welt- 
wesen, denen  etwas  zugerechnet  werden  kann,  d.  i.  der 
Menschen  (allenfalls  auch  höherer,  guter  oder  böser  geistiger 
Wesen)  angesehen  werden  müsse. 

Der  Verfasser  einer  Theodicee  willigt  also  ein,   dass  25 
dieser  Kechtshandel   vor   dem   Gerichtshofe   der  Vernunft 
anhängig  gemacht  werde,  und  macht  sich  anheischig,  den 
angeklagten  Theil  als  Sachjwalter  durch  förmliche  Wider-  [196] 
legung  aller  Beschwerden  des  Gegners  zu  vertreten,  darf 
Letztern    also    während    des   Eechtsganges    nicht    durch  30 
einen  Machtspruch  der  UnStatthaftigkeit  des  Gerichtshofes 
der  menschlichen  Vernunft    (exceptionem  fori)   abweisen, 
d.  i.  die  Beschwerden   nicht  durch  ein   dem  Gegner   auf- 
erlegtes  Zugeständniss  der  höchsten  Weisheit   des  Welt- 


136         Ueber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

Urhebers,  welches  sofort  alle  Zweifel,  die  sich  dagegen 
regen  möchten,  auch  ohne  Untersuchung  für  grundlos 
erklärt,  abfertigen;  sondern  muss  sich  auf  die  Einwürfe 
einlassen,  und  wenn  sie  dem  Begriff  der  höchsten  Weis- 
5  heit*)  keinesweges  Abbruch  thun,  durch  Beleuchtung 
[197]  und  Tilg  |ung  derselben  begreiflich  machen.  —  Doch  auf 
Eines  hat  er  nicht  nöthig  sich  einzulassen:  nämlich  dass 
er  die  höchste  Weisheit  Gottes  aus  dem,  was  die  Er- 
fahrung an  dieser  Welt  lehrt,  auch  sogar  beweise;  denn 

10  hiemit  würde  es  ihm  auch  schlechterdings  nicht  gelingen, 
weil  Allwissenheit  dazu  erforderlich  ist,  um  an  einer 
gegebnen  Welt  (wie  sie  sich  in  der  Erfahrung  zu 
erkennen  giebt)  diejenige  Vollkommenheit  zu  erkennen, 
von  der  man  mit  Gewissheit  sagen  könne,  es  sei  überall 

15  keine  grossere  in  der  Schöpfung  und  Regierung  derselben 
möglich. 

*)  Obgleich  der  eigenthümliche  Begriff  einer  Weisheit  nur 
die  Eigenschaft  eines  Willens  rorstellt,  zum  höchsten  Gut,  als 
dem  Endzweck  aller  Dinge,  zusammenzustimmen,  hingegen 
Kunst  nur  das  Vermögen  im  Gebrauch  der  tauglichsten  Mittel 
zu  beliebigen  Zwecken,  so  wird  doch  Kunst,  wenn  sie  sich 
als  eine  solche  beweiset,  welche  Ideen  adäquat  ist,  deren  Mög- 
lichkeit alle  Einsicht  der  menschlichen  Vernunft  übersteigt 
(z.  B.  wenn  Mittel  und  Zwecke,  wie  in  organischen  Körpern,  ein- 
ander wechselseitig  hervorbringen),  als  eine  göttliche  Kunst 
nicht  unrecht  auch  mit  dem  Namen  der  Weisheit  belegt  werden 
können,  doch,  um  die  Begriffe  nicht  zu  verwechseln,  mit  dem 
Namen  einer  Kunstweisheit  des  Welturhebers  zum  Unter- 
schiede von  der  moralischen  Weisheit  desselben.  Die 
Teleologie  (auch  durch  sie  die  Physikotheologie)  giebt  reichliche 
Beweise  der  erstem  in  der  Erfahrung.  Aber  von  ihr  gilt  kein 
Schluss  auf  die  moralische  Weisheit  des  Welturhebers ,  weil 
Naturgesetz  und  Sittengesetz  ganz  ungleichartige  Prinzipien 
erfordern,  und  der  Beweis  der  letztern  Weisheit  gänzlich  a  priori 
geführt ,  also  schlechterdings  nicht  auf  Erfahrung  von  dem  ,  was 
in  der  Welt  vorgeht,  gegründet  werden  muss.  Da  nun  der 
Begriff  von  Gott,  der  ftir  die  Religion  tauglich  sein  soll  (denn 
zum  Behuf  der  Naturerklärung,  mithin  in  spekulativer  Absicht, 
brruchen  wir  Ihn  nicht\  ein  Begriff  von  ihm  als  einem  moralischen 
Wesen  sein  muss,  da  dieser  Begriff,  sowenig  als  er  auf  Erfahrung 
gegründet,  ebenso  wenig  aus  bloss  transsceiulentalen  Begriffen 
eines  schlechthin  nothwendigen  Wesens,  der  gar  für  uns  über- 
schwenglich ist,  herausgebracht  werden  kann:  so  leuchtet 
genugsam  ein,  dass  der  Beweis  des  Daseins  eines  solchen  Wesens 
kein  anderer  als  ein  moralischor  sein  könne. 


Versuche  in  der  Theodicee  137 

Das  Zweckwidrige  in  der  Welt  aber,  was  der  Weisheit 
ihres  Urhebers  entgegengesetzt  werden  könnte,  ist  drei- 
facher Art: 

I.  Das   schlecht! hin    Zweckwidrige,    was    weder   als  [198] 
Zweck  noch   als  Mittel  von  einer  "Weisheit  gebilligt  und  5 
begehrt  werden  kann. 

II.  Das  bedingt  Zweckwidrige,  welches  zwar  nie  als 
Zweck,  aber  doch  als  Mittel  mit  der  Weisheit  eines 
Willens  zusammen  besteht. 

Das  erste  ist  das  moralische  Zweckwidrige,  als  das  10 
eigentliche  Böse  (die  Sünde);  das  zweite  das  physische 
Zweckwidrige,  das  Uebel  (der  Schmerz).  —  Nun  giebt  es 
aber  noch  eine  Zweckmässigkeit  in  dem  Verhältniss  der 
Hebel  zu  dem  moralischen  Bösen,  wenn  das  letztere  ein- 
mal da  ist  und  nicht  verhindert  werden  konnte  oder  15 
sollte:  nämlich  in  Verbindung  der  Uebel  und  Schmerzen 
(als  Strafen)  mit  dem  Bösen  (als  Verbrechen);  und  von 
dieser  Zweckmässigkeit  in  der  Welt  fragt  es  sich,  ob 
Jedem  in  der  W^elt  hierin  sein  Kecht  widerfährt.  Folglich 
muss  auch  noch  eine  20 

mte  Art  des  Zweckwidrigen  in  der  Welt  gedacht 
werden  können,  nämlich  das  Missverhältniss  der  Ver- 
brechen und  Strafen  in  der  Welt. 

Die   Eigenschaften   der  höchsten  Weisheit  des  Welt- 
urhebers,  wogegen  jene  Zweckwidrigkeiten   als  Einwürfe  25 
auftreten,  sind  also  auch  drei: 

Erstlich  die  Heiligkeit  desselben  als  Gesetzgebers 
(Schöpfers),  im  Gegensatze  mit  dem  moralisch  Bösen  in 
der  Welt. 

Zweitens   die  Gtitigkeit  desselben    als   Kegierers  30 
(Erhalters),  im  Kontraste  mit  den  zahl  |  losen  Uebeln  und  [199] 
Schmerzen  der  vernünftigen  Weltwesen. 

Drittens  die  Gerechtigkeit  desselben  als  Eichters, 
in  Vergleichuiig    mit   dem  Uebelstande,    den   das   Miss- 
verhältniss zwischen   der  Straflosigkeit  der  Lasterhaften  35 
und  ihren  Verbrechen  in  der  Welt  zu  zeigen  scheint.*)  | 

*l  Diese  drei  Eigenschaften  zusammen,  deren  eine  sich  keines- 
wegs auf  die  andere,  wie  etwa  die  Gerechtigkeit  auf  Güte,  und 
10  das  Ganze  auf  eine  kleinere  Zahl,  zurückführen  lässt,  machen 
den  moralischen  Begriff  von  Gott  aus.  Es  lässt  sich  auch  die 
Ordnung  derselben  nicht  verändern  (wie  etwa  die  Gütigkeit  zur 
obertten  Bedingung  der  Weltschöpfung  machen ,    der  die  Heilig- 


138         lieber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

[200]  Es  wird  also  gegen  jene  drei  Klagen  die  Verant- 
wortung auf  die  oben  erwähnte  dreifach  verschiedene 
Art  vorgestellt  und  ihrer  Gültigkeit  nach  geprüft  werden 
müssen. 
5  I.  Wider  die  Beschwerde  gegen  die  Heiligkeit  des 
[201]  göttlichen  Willens  aus  dem  Moralischhösen ,  |  welches  die 
Welt,  sein  Werk,  verunstaltet,  besteht  die  erste  Recht- 
fertigung darin: 

a)  Dass  es  ein  solches  schlechterdings  Zweckwidriges, 


keit  der  Gesetzgebung  untergeordnet  sei) ,  ohne  der  Religion 
Abbruch  zu  thun,  welcher  eben  dieser  moralische  Be^flF  zum 
Grunde  liegt.  Unsere  eigene  reine  (und  zwar  praktische)  Ver- 
nunft bestimmt  diese  Rangordnung,  indem,  wenn  sogar  die 
Gesetzgebung  sich  nach  der  Güte  bequemt,  es  keine  Würde  der- 
selben und  keinen  festen  BegriflF  von  Pflichten  mehr  giebt.  Der 
Mensch  wünscht  zwar  zuerst  glücklich  zu  sein;  sieht  aber  doch 
ein  und  bescheidet  sich  (obzwar  ungern) ,  dass  die  Würdigkeit 
glücklich  zu  sein,  d.  i.  die  üebereinstimmung  des  Gebrauchs 
seiner  Freiheit  mit  dem  heiligen  Gesetze ,  in  dem  Rathschluss 
des  Urhebers  die  Bedingung  seiner  Gütigkeit  sein  und  also  noth- 
wendig  vorhergehen  müsse.  Denn  der  Wunsch,  welcher  den 
subjektiven  Zweck  (der  Selbstliebe)  zum  Grunde  hat,  kann  nicht 
den  objektiven  Zweck  (der  Weisheit) ,  den  das  Gesetz  vor- 
schreibt, bestimmen,  welches  dem  Willen  unbedingt  die  Regel 
giebt.  —  Auch  ist  die  Strafe  in  der  Ausübung  der  Gerechtigkeit 
keineswegs  als  blosses  Mittel,  sondern  als  Zweck  in  der  gesetz- 
gebenden Weisheit  gegründet;  die  Uebertretung  wird  mit  Uebeln 
verbunden,  nicht  damit  ein  anderes  Gute  herauskomme,  sondern 
weil  diese  Verbindung  an  sich  selbst ,  d.  i.  moralisch  und  noth- 
wendig,  gut  ist.  Die  Gerechtigkeit  setzt  zwar  Güte  des  Gesetzgebers 
voraus  (denn  wenn  sein  Wille  nicht  auf  dag  Wohl  seiner  Unter- 
thanen  ginge,  so  würde  dieser  sie  auch  nicht  verpflichten  können, 
ihm  zu  gehorchen);  aber  sie  ist  nicht  Güte,  sondern  als  Gerechtig- 
keit von  dieser  wesentlich  unterschieden,  obgleich  im  allgemeinen 
Begriffe  der  Weisheit  enthalten.  Daher  geht  auch  die  Klage 
über  den  Mangel  einer  Gerechtigkeit,  die  sich  im  Loose,  welches 
den  Menschen  hier  in  der  Welt  zu  Theil  wird,  zeige,  nicht 
darauf,  dass  es  den  Guten  hier  nicht  wohl,  sondern  dass  es 
den  Bösen  nicht  übel  geht  (obzwar,  wenn  das  Erstere  zu  dem 
Letzteren  hinzukommt ,  der  Kontrast  diesen  Anstoss  noch  ver- 
grössert).  Denn  in  einer  göttlichen  Regierung  kann  auch  der 
beste  Mensch  seineu  Wunsch  zum  Wohlergehen  nicht  auf  die 
göttliche  Gerechtigkeit,  sondern  muss  ihn  jederzeit  auf  seine 
Güte  gründen;  weil  der,  welcher  bloss  seine  Schuldigkeit  tbut, 
keinen  Rechtsanspruch  auf  das  Woblthun  Gottes  haben  kann. 


Versuche  in  der  Theodicee  139 

als  wofür  wir  die  üebertretung  der  reinen  Gesetze  unserer 
Vernunft  nehmen,  gar  nicht  gebe,  sondern  dass  es  nur 
Verstösse  wider  die  menschliche  Weisheit  seien;  dass  die 
göttliche  sie  nach  ganz  andern  uns  unbegreiflichen  Eegeln 
beurtheile,  wo,  was  wir  zwar  beziehungsweise  auf  unsere  5 
praktische  Vernunft  und  deren  B-^stimraung  mit  Eecht 
verwerflich  finden,  doch  in  Verhältniss  auf  göttliche 
Zwecke  und  die  höchste  Weisheit  vielleicht  gerade  das 
schicklichste  Mittel  sowohl  für  unser  besonderes  Wohl 
als  das  Weltbeste  überhaupt  sein  mag;  dass  die  Wege  10 
des  Höchsten  nicht  unsere  Wege  seien  (sunt  Supet'is  stui 
jura) ,  und  wir  darin  irren,  wenn,  was  nur  relativ  für 
Menschen  in  diesem  Leben  Gesetz  ist,  wir  für  schlecht- 
hin als  ein  solches  beurtheilen  und  so  das,  was  unsrer 
Uetrachtung  der  Dinge  aus  so  niedrigem  Standpunkte  als  15 
zweckwidrig  erscheint,  dafür  auch,  aus  dem  höchsten 
Standpunkte  betrachtet,  halten.  —  Diese  Apologie,  in 
welcher  die  Verantwortung  ärger  ist  als  die  Beschwerde, 
bedarf  keiner  Widerlegung  und  kann  sicher  der  Verab- 
scheuung jedes  Menschen,  der  das  mindeste  Gefühl  für  20 
Sittlichkeit  hat,  frei  überlassen  werden. 

b)  Die  zweite  vorgebliche  Eechtfertigung  würde  zwar 

die  Wirklichkeit  des  Moralischbösen  in  der  |  Welt  ein-  [202] 
räumen,  den  Welturheber  aber  damit  entschuldigen,  dass 
es  nicht  zu  verhindern  möglich  gewesen;  weil  es  sich  25 
auf  den  Schranken  der  Natur  der  Menschen,  als  endlicher 
Wesen,  gründe.  —  Aber  dadurch  würde  jenes  Böse  selbst 
gerechtfertigt  werden;  und  man  müsste,  da  es  nicht  als 
die  Schuld  der  Menschen  ihnen  zugerechnet  werden  kann, 
aufhören,  es  ein  moralisches  Böse  zu  nennen.  30 

c)  Die  dritte  Beantwortung:  dass,  gesetzt  auch,  es 
ruhe  wirklich  mit  dem,  was  wir  moralisch  böse  nennen, 
eine  Schuld  auf  den  Menschen,  doch  Gott  keine  bei- 
gemessen werden  müsse,  weil  er  jenes  als  That  der. 
Menschen  aus  weisen  Ursachen  bloss  zugelassen,  keines-  35 
weges  aber  für  sich  gebilligt  und  gewollt  oder  veranstaltet 
hat,  —  läuft  (wenn  man  auch  an  dem  Begriffe  des 
blossen  Zulassens  eines  Wesens,  welches  ganz  und 
alleiniger  Urheber  der  Welt  ist,  keinen  Anstoss  nehmen 
will)  doch  mit  der  vorigen  Apologie  (b)  auf  einerlei  Folge  40 
hinaus:  nämlich  dass,  da  es  selbst  Gott  unmöglich  war, 
dieses  Böse  zu  verhindern,  ohne  anderweitigen  hohem  und 


HO         Ueber  das  Missliiigen  aller  philosopliischen 

selbst  moralischen  Zwecken  Abbruch  zu  thun,  der  Grund 
dieses  Uebels  (denn  so  müsste  man  es  eigentlich  nun 
nennen)  unvermeidlich  in  dem  "Wesen  der  Dinge,  nämlich 
den  nothwendigen  Schranken  der  Menschheit  als  endlicher 
5  Natur,  zu  suchen  sein  müsse,  mithin  ihr  auch  nicht  zu- 
gerechnet werden  könne.  | 
203)  II.  Auf  die  Beschwerde,  die  wider  die  göttliche  Gütig- 
keit aus  den  Uebeln,  nämlich  Schmerzen,  in  dieser  Welt 
erhoben  wird,   besteht  nun  die  Rechtfertigung   derselben 

10  gleichfalls 

a)  darin:  dass  in  den  Schicksalen  der  Menschen  ein 
Uebergewicht  des  Uebels  über  den  angenehmen  Genuss 
des  Lebens  fälschlich  angenommen  werde,  weil  doch  ein 
Jeder,  so  schlimm  es  ihm  auch  ergeht,   lieber  leben  als 

15  todt  sein  will,  und  diejenigen  "Wenigen,  die  das  Letztere 
beschliessen,  so  lange  sie  es  selbst  aufschoben,  selbst  da- 
durch noch  immer  jenes  Uebergewicht  eingestehen,  und 
wenn  sie  zum  Letztern  thöricht  genug  sind,  auch  als- 
dann  bloss   in   den  Zustand   der  Nichtempfindung   tiber- 

20  gehen,  in  welchem  ebenf^xUs  kein  Schmerz  gefühlt  werden 
könne.  —  Allein  man  kann  die  Beantwortung  dieser 
Sophisterei  sicher  dem  Ausspruche  eines  jeden  Menschen 
von  gesundem  Verstände,  der  lange  genug  gelebt  und 
über  den  Werth  des  Lebens  nachgedacht  hat,  um  hierüber 

25  ein  Urtheil  fällen  zu  können,  überlassen,  wenn  man  ihn  fragt: 
ob  er  wohl ,  ich  will  nicht  sagen  auf  dieselben ,  sondern 
auf  jede  anderen  ihm  beliebigen  Bedingungen  (nur  nicht 
etwa  einer  Feen-,  sondern  dieser  unserer  Erdenwelt)  das 
Spiel  des  Lebens  noch  einmal  durchzuspielen  Lust  hätte. 

30        b)  Auf  die  zweite  Rechtfertigung:    dass  nämlich  das 

Uebergewicht    der    schmerzhaften   Gefühle   über   die   an- 

[204]  genehmen   von   der   Natur  eines  thierischen  |  Geschöpfes, 

wie   der  Mensch  ist,   nicht  könne  getrennt  werden,    (wie 

etwa  Graf  Veri  in  dem  Buche  über  die  Natur  des  Ver- 

35  gnügens  behauptet)  —  würde  man  erwidern:  dass,  wenn 
dem  also  ist,  sich  eine  andre  Frage  einfinde,  woher  näm- 
lich der  Urheber  unsers  Daseins  uns  überhaupt  ins 
Leben  gerufen ,  wenn  es  nach  unserm  richtigen  Uebor- 
schlage  für  uns  nicht  wünschenswcrth  ist.     Der  Unmuth 

40  würde  hier,  wie  jene  indianische  Frau  dem  Dschingiskhan, 
der  ihr  wegen  erlittener  Gewaltthätigkeit  keine  Genug- 
thuung,  noch  wegen  der  künftigen   Sicherheit  verschaffen 


Versuche  in  der  Theodicee  141 

konnte,  antworten:   „Wenn  Du  uns  nicht  schützen  willst, 
warum  eroberst  Du  uns  denn?" 

c)  Die  dritte  Auflösung  dieses  Knotens  soll  diese  sein: 
dass  uns  Gott   um  einer  künftigen  Glückseligkeit  willen, 
also  doch  aus  Güte,  in  die  AVeit  gesetzt  habe,  dass  aber  5 
vor  jener  zu  hoffenden  überschwenglich  grossen  Seligkeit 
durchaus  ein  mühe-  und  trübsalvoller  Zustand  des  gegen- 
wärtigen Lebens  vorhergehen  müsse,  wo  wir  eben  durch 
den  Kampf  mit  Widerwärtigkeiten  jener  künftigen  Herr- 
lichkeit würdig    werden    sollten.   —   Allein,    dass    diese  10 
Prüfungszeit  (der  die  Meisten  unterliegen,  und  in  welcher 
auch  der  Beste   seines  Lebens   nicht  froh  wird)   vor  der 
höchsten  Weisheit  durchaus   die  Bedingung  der  dereinst 
zu  geniessenden  Freuden  sein  müsse,  und  dass  es  nicht 
thunlich  gewesen,  das  Geschöpf  mit  jeder  Epoche- 1  seines  [205] 
Lebens  zufrieden  werden  zu  lassen,  kann  zwar  vorgegeben, 
aber  schlechterdings   nicht  eingesehen  werden,   und  man 
kann  also  freilich  diesen  Knoten  durch  Berufung  auf  die 
höchste  Weisheit,   die  es  so  gewollt  hat,   abhauen,   aber 
nicht  auflösen;  welches  doch  die  Theodicee  verrichten  zu  20 
können  sich  anheischig  macht. 

III.  Auf  die  letzte  Anklage,  nämlich  wider  die  Ge- 
rechtigkeit des  Weltrichters*)  wird  geantwortet: 

a)  Dass  das  Vorgeben  von  der  Straflosigkeit  der 
Lasterhaften  in  der  Welt  keinen  Grund  habe;  weil  jedes  25 
Verbrechen,  seiner  Natur  gemäss,  schon  hier  die  ihm  an- 
gemessene Strafe  bei  sich  führe,  indem  die  innem  Vor- 
würfe des  Gewissens  den  Lasterhaften  ärger  noch  als 
Fuiien  plagen.  —  |  Allein  in  diesem  ürtheile  liegt  offenbar  [206] 
ein  Missverstand.    Denn  der  tugendhafte  Mann  leiht  hiebei  30 

*)  Es  ist  merkwürdig,  dass  unter  allen  Schwierigkeiten ,  den 
Lauf  der  Weltbegebenheiten  mit  der  Göttlichkeit  ihres  Urhebers 
zu  vereinigen,  keine  sich  dem  Gemüth  so  heftig  aufdringt,  als 
die  von  dem  Anschein  einer  darin  mangelnden  Gerechtig- 
keit. Trägt  es  sich  zu  (ob  es  zwar  selten  geschieht),  dass  ein 
ungerechter,  vornehmlich  Gewalt  habender  Bösewicht  nicht  un- 
gestraft aus  der  Welt  entwischt,  so  frohlockt  der  mit  dem 
Himmel  gleichsam  versöhnte,  sonst  parteilose  Zuschauer.  Keine 
Zweckmässigkeit  der  Natur  wird  ihn  durch  Bewunderung  der- 
selben so  in  Affekt  setzen  und  die  Hand  Gottes  j/leichsam  daran 
vernehmen  lassen.  Warum?  Sie  ist  hier  moralisch,  und  einzig 
von  der  Art,  die  mau  in  der  Weit  eiuigermassen  wahrzunehmen 
hoffen  kann. 


142  lieber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

dem  Lasterhaften  seinen  Gemüthscharakter,  nämlich  die 
Gewissenhaftigkeit  in  ihrer  ganzen  Strenge,  welche,  je 
tugendhafter  der  Mensch  ist,  ihn  desto  härter  wegen  der 
geringsten  Uebereilung,  welche  das  sittliche  Gesetz  in 
5  ihm  missbilligt,  bestraft.  Allein  wo  diese  Denkungsart 
und  mit  ihr  die  Gewissenhaftigkeit  gar  fehlt,  da  fehlt 
auch  der  Peiniger  für  begangene  Verbrechen;  und  der 
Lasterhafte,  wenn  er  nur  den  äussern  Züchtigungen 
wegen     seiner'     Frevelthaten    .entschlüpfen    kann,    lacht 

10  über  die  Aengstlichkeit  der  Redlichen,  sich  mit  selbst- 
eigenen Verweisen  innerlich  zu  plagen ;  die  kleinen 
Vorwürfe  aber,  die  er  sich  bisweilen  machen  mag,  macht 
er  sich  entweder  gar  nicht  durchs  Gewissen,  oder,  hat  er 
davon    noch   etwas    in    sich,    so    werden    sie    durch   das 

15  Sinnenvergnügen,  als  w^oran  er  allein  Geschmack  findet, 
reichlich  aufgewogen  und  vergütet.  —  —  Wenn  jene 
Anklage  ferner 

b.    dadurch   widerlegt  werden    soll:    dass   zwar    nicht 
zu  leugnen  sei,    es   finde   sich   schlechterdings  kein    der 

20  Gerechtigkeit  gemässes  Verhältuiss  zwischen  Schuld 
und  Strafen  in  der  Welt,  und  man  müsse  im  Laufe 
derselben  oft  ein  mit  schreiender  Ungerechtigkeit  ge- 
führtes und  gleichwohl  bis  ans  Ende  glückliches  Leben 
mit  Unwillen  wahrnehmen:  dass  dieses  aber  in  der  Natur 

25  liegende  und  nicht  absichtlich  veranstaltete,  mithin  nicht  | 

[207]  moralische    Misshelligkeit   sei,   weil  es    eine    Eigenschaft 

der   Tugend    sei,  mit  Widerwärtigkeiten  zu  ringen   (wozu 

der  Schmerz,  den  der  Tugendhafte  durch  die  Vergleichung 

seines  eigenen  Unglücks  mit  dem  Glück   des  Lasterhaften 

30  leiden  muss ,  mitgehört),  und  die  Leiden  den  Weith  der 
Tugend  zu  erheben  dienen,  mithin  vor  der  Vernunft  diese 
Dissonanz  der  unverschuldeten  Uobel  des  Lebens  doch  in 
den  herrlichsten  sittlichen  Wohllaut  aufgelöst  werde;  — 
so  steht   dieser  Auflösung  entgegen  :  dass,  obgleich  diese 

36  Uebel,  wenn  sie  als  Wetzstein  der  Tugend  vor  ihr 
vorhergehen  oder  sie  begleiten,  zwar  mit  ihr  als  in 
moralischer  Uebereinstimmung  stehend  vorgestellt  werden 
können,  wenn  wenigstens  das  P^nde  des  Lebens  noch  die 
letztere   krönt  und    das   Laster  bestraft;  dass  aber,  wenn 

40  selbst  dieses  Ende,  wie  doch  die  Erfahrung  davon  viele 
Beispiele  giebt,  widersinnig  ausfallt,  dann  das  Leiden  dem 
Tugendhaften,  nicht  damit  seine  Tugend  rein  sei,  sondern 


Versuche  in  der  Theodicee  143 

weil    sie   es   gewesen  ist  (dagegen  aber  den  Regeln  der 
klugen  Selbstliebe  zuwider  war),  zugefallen  zu  sein  scheine: 
welches  gerade  das  Gegentheil  der  Gerechtigkeit  ist,  wie 
sich  der   Mensch   einen   Begriff  von    ihr    machen    kann. 
Denn     was    die    Möglichkeit    betrifft:     dass    das    Ende  5 
dieses    Erdenlebens    doch     vielleicht     nicht     das     Ende 
alles  Lebens  sein  möge,  so  kann  diese  Möglichkeit  nicht 
für  Rechtfertigung    der  Vorsehung  gelten,  sondern 
ist  bloss  I  ein  Machtspruch  der  moralisch-gläubigen  Ver-  [208] 
nunft,  wodurch  der  Zweifelnde  zur  Geduld  verwiesen,  aber  10 
nicht  befriedigt  wird. 

c.  Wenn  endlich  die  dritte  Auflösung  dieses  un- 
harmonischen Verhältnisses  zwischen  dem  moralischen 
Werth  der  Menschen  und  dem  Loose,  das  ihnen  zu  Theil 
wird,  dadurch  versucht  werden  will,  dass  man  sagt:  in  15 
dieser  Welt  müsse  alles  Wohl  oder  Uebel  bloss  als  Erfolg 
aus  dem  Gebrauche  der  Vermögen  der  Menschen  nach 
Gesetzen  der  Natur  proportionirt  ihrer  angewandten  Ge- 
schicklichkeit und  Klugheit,  zugleich  auch  den  Umständen, 
darein  sie  zufälligerweise  gerathen,  nicht  aber  nach  ihrer  20 
Zusaramenstimmung  zu  übersinnlichen  Zwecken  be- 
urtheilt  werden;  in  einer  künftigen  Welt  dagegen  werde 
sich  eine  andere  Ordnung  der  Dinge  hervorthun  und  Jedem 
zu  Theil  werden,  wessen  seine  Thaten  hienieden  nach 
moralischer  Beurtheilung  werth  sind;  —  so  ist  diese  25 
Voraussetzung  auch  willkürlich.  Vielmehr  muss  die 
Vernunft,  wenn  sie  nicht  als  moralisch  gesetzgebendes 
Vermögen  diesem  ihren  Interesse  gemäss  einen  Macht- 
spruch thut,  nach  blossen  Regeln  des  theoretischen  Er- 
kenntnisses es  wahrscheinlich  finden,  dass  der  Lauf  der  30 
Welt  nach  der  Ordnung  der  Natur,  so  wie  hier,  also  auch 
fernerhin  unsere  Schicksale  bestimmen  werde.  Denn  was 
hat  die  Vernunft  für  ihre  theoretische  Vermuthung  Anderes 
zum  Leitfaden,  als  das  Naturgesetz  ?  und  ob  sie  sich  gleich, 
wie  ihr  vorher  |  (No.  b)  zugemuthet  worden,  zur  Geduld  [209] 
und  Hoffnung  eines  künftig  bessern  verweisen  Hesse,  wie 
kann  sie  erwarten,  dass^  da  der  Lauf  der  Dinge  nach  der 
Ordnung  der  Natur  hier  auch  für  sich  selbst  weise  [unweise] 
ist,  er  nach  ebendemselben  Gesetze  in  einer  künftigen  Welt 
unweise  [weise]  sein  würde?  Da  also,  nach  derselben,  zwischen  40 
den  innem  Bestimmungsgründen  des  Willens  (nämlich  der 
moralischen  Denkungsarf»  nach  Gesetzen  der  Freiheit,  und 


144  Ueber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

zwischen  den  i^grössteutheils  äussern)  von  unserem 
Willen  unabhängigen  Ursachen  unseres  Wohlergehens 
nach  Naturgesetzen  gar  Lein  begreifliches  Verhältniss  ist, 
so  blp'bt  die  Vermuthung,  dass  die  Uebereinstimmung 
5  des  Schicksals  der  Menschen  mit  einer  göttlichen  Ge- 
rechtigkeit, n;ich  den]  eyiiöen,  die  wir  uns  von  ihr  machen, 
so  wenig  dort,  wie  hier  zu  erwarten  sei. 


Der  Ausgang  dieses  Kechtshandels  vor  dem  Gerichts- 
höfe der  Philosophie  ist  nun :  dass  alle  bisherige  Theodicee 

10  das  nicht  leiste,  was  sie  verspricht,  nämlich  die  mora- 
lische Weisheit  in  der  Weltregierung  gegen  die  Zweifel, 
die  dagegen  aus  dem ,  was  die  Erfahrung  an  dieser 
Welt  zu  erkennen  giebt,  gemacht  werden,  zu  rechtfertigen; 
obgleich   freilich    diese    Zweifel  als  Einwürfe,    so    weit 

15  unsre  Einsicht   in  die  Beschaffenheit  unsrer  Vernunft  in 

Ansehung  der  letztern  reicht,   auch  das  Gegentheil  nicht 

[210]  beweisen  können.    Ob  aber  nicht  noch  etwa  mit  der  |  Zeit 

tüchtigere  Gründe   der  Kechtfertigung  derselben  erfunden 

werden  könnten,  die  angeklagte  Weisheit  nicht  (wie  bis- 

20  her)  bloss  ab  instantia  zu  absolviren,  das  bleibt  dabei 
doch  noch  immer  unentschieden;  wenn  wir  es  nicht  dahin 
bringen,  mit  Gewissheit  darzuthun:  dass  unsre  Vernunft 
zur  Einsicht  des  Verhältnisses  in  welchem  eine 
Welt,    so   wie  wir  sie  durch   Erfahrung  immer 

25  kennen  mögen,  zu  der  höchsten  Weisheit 
stehe,  schlechterdings  unvermögend  sei;  denn  alsdann 
sind  alle  ferneren  Versuche  vermeintlicher  menschlicher 
Weisheit,  die  Wege  der  göttlichen  einzusehen,  völlig  ab- 
gewiesen.    Dass  also  wenigstens  eine  negative   Weisheit, 

30  nämlich  die  Einsicht  der  nothwendigen  Beschränkung 
unsrer  Anmassungen  in  Ansehung  dessen,  was  uns  zu 
hoch  ist,  für  uns  erreichbar  sei,  das  muss  noch  be- 
wiesen werden,  um  diesen  Prozess  für  immer  zu  endigen; 
und  dieses  lässt  sich  gar  wohl  thun. 

35  Wir  haben  nämlich  von  einer  Kunstweisheit  in 
der  Einrichtung  dieser  Welt  einen  Begriff,  dem  es  für 
unser  spekulatives  Vernunftvermögen  nicht  an  objektiver 
Realität  mangelt,  um  zu  einer  Phvbikotheologie  zu  ge- 
langen.    Ebenso    haben  wir  auch  einen  lie^'rifF  von  einer 

40  moralischen  Weisheit,  die  in  eine  Welt  überhaupt 
durch  einen  vollkommensten  Urheber  gelegt  werden  könnte. 


Versuche  in  der  Theodicee  145 

an   der  sittlichen   Idee   unserer  eigenen  praktischen  Ver- 
nunft. —  Aber  von  der  Einheit  in  der  Z  ujsaramen- [211] 
Stimmung    jener    Kunstweisheit   mit    der   moralischen 
Weisheit  in   einer  Sinnenwelt   haben   wir  keinen  Begriff, 
und   können  auch  zu  demselben   nie  zu  gelangen  hoffen.  5 
Denn  ein  Geschöpf  zu  sein  und  als  Naturwesen  bloss  dem 
Willen  seines  Urhebers  zu  folgen,  dennoch  aber  als  frei- 
handelndes    Wesen    (welches  seinen  vom  äussern  Einfluss 
unabhängigen  Willen  hat,   der  dem  erstem  vielfältig  zu- 
wider   sein   kann)   der   Zurechnung   fähig   zu   sein,    und  10 
seine   eigene   That   doch   auch  zugleich  als  die  Wirkung 
eines   höhern  Wesens  anzusehen:   ist   eine  Vereinbarung 
von    Begriffen,  die  wir  zwar  in  der  Idee  einer  Welt,  als 
des  höchsten   Gutes,  zusammen   denken    müssen,  die  aber 
nur   der  einsehen   kann,   welcher   bis  zur  Kenntniss  der  15 
übersinnlichen   (intelligiblen)   Welt  durchdringt   und    die 
Art  einsieht,    wie  sie  der  Sinnenwelt  zum  Grunde  liegt; 
auf  welche  Einsicht   allein  der  Beweis    der   moralischen 
Weisheit  des  Welturhebers  in  der  letztern  gegründet  werden 
kann,   da   diese  doch   nur  die   Erscheinung  jener  erstem  20 
Welt  darbietet,  —  eine  Einsicht,  zu  der  kein  Sterblicher 
gelangen  kann. 

Alle  Theodicee  soll  eigentlich  Auslegung  der  Natur 
sein  ,  sofern    Gott    durch    dieselbe    die    Absicht   seines 
AVillens    kund    macht.      Nun    ist    jede    Auslegung    des  25 
deklarirten  Willens einesGesetz'gebers  entweder  doktrinal  [212] 
oder  authentisch.     Die  erste  ist  diejenige,  welche  jenen 
Willen  aus  den  Ausdrücken,  deren  sich  dieser  bedient  hat,  in 
Verbindung  mit  den  sonst  bekannten  Absichten  des  Ge- 
gesetzgebers     herausvernünftelt;    die    zweite    macht   der  30 
Gesetzgeber  selbst. 

Die  Welt   als   ein  Werk  Gottes  kann   von   uns    auch 
als    eine    göttliche    Bekanntmachung    der    Absichten   ' 
seines    Willens    betrachtet   werden.    Allein  hierin  ist  sie 
für  uns   oft   ein  verschlossenes  Buch;  jederzeit  aber  35 
ist   sie   dies,   wenn   es    darauf   angesehen   ist,  sogar  die 
Endabsicht    Gottes    (welche    jederzeit    moralisch   ist) 
aus    ihr,    obgleich    einem    Gegenstande    der    Erfahrung, 
abzunehmen.     Die    philosophischen   Versuche   dieser  Art 
Auslegung  sind    doktrinal    und    machen    die    eigentliche  40 
Theodicee   aus ,    die   man  daher    die   doktrinale   nennen 

Kant,  kl.  Schriften  z.  Ethik,  ir.  10 


146         Ueber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

kann.  —  Doch  l<ann  man  auch  der  blossen  Abfertigung 
aller  Einwürfe  wider  die  göttliche  Weisheit  den  Namen 
einer  Theodicee  nicht  versagen,  wenn  sie  ein  gött- 
licher Machtspruch,  oder  (welches  in  diesem  Falle 
5  auf  Eins  hinausläuft)  wenn  sie  ein  Ausspruch  derselben 
Vernunft  ist,  wodurch  wir  uns  den  Begriff  von  Gott 
als  einem  moralischen  und  weisen  Wesen  nothwendig 
und  vor  aller  Erfahrung  machen.  Denn  da  wird  Gott 
durch   unsre  Vernunft  selbst,  der  Ausleger   seines   durch 

10  die  Schöpfung  verkündigten  Willens;  und  diese  Auslegung] 
[213]  können  wir  eine  authentische  Theodicee  nennen.    Das 
ist  aber  alsdann  nicht  Auslegung  einer  vernünfteln- 
den   (spekulativen),     sondern    einer    machthabenden 
praktischen  Vernunft,  die,  sowie  sie  ohne  weitere  Gründe 

15  im  Gesetzgeben  schlechthin  gebietend  ist,  als  die  un- 
mittelbare Erklärung  und  Stimme  Gottes  angesehen 
werden  kann ,  durch  die  er  dem  Bachstaben  seiner 
Schöpfung  einen  Sinn  giebt.  Eine  solche  authentische 
Interpretation  finde  ich  nun  in  einem  alten  heiligen  Buche 

20  allegorisch  ausgedrückt. 

Hiob  wird  als  ein  Mann  vorgestellt,  zu  dessen  Lebens- 
genuss  sich  Alles  vereinigt  hatte,  was  man,  um  ihn  voll- 
kommen zu  machen,  nur  immer  ausdenken  mag.  Gesund, 
wohlhabend,  frei,  ein  Gebieter  über  Andre,  di^  er  glück- 

25  lieh  machen  kann,  im  Schoosse  einer  glücklichen  Familie, 
unter  geliebten  Freunden;  und  über  das  Alles  (was  das 
Vornehmste  ist)  mit  sich  selbst  zufrieden  in  einem  guten 
Gewissen.  Alle  diese  Güter,  das  letzte  ausgenommen, 
entriss  ihm  plötzlich  ein  schweres  über  ihn  zur  Prüfung 

30  verhängtes  Schicksal.  Von  der  Betäubung  über  diesen 
unerwarteten  Umsturz  allmählich  zum  Besinnen  gelangt, 
bricht  er  nun  in  Klagen  über  seinen  Unstern  aus;  worüber 
zwischen  ihm  und  seinen  vorgeblich  sich  zum  Trösten 
einfindenden    Freunden    es    bald    zu    einer    Disputation 

35  kömmt,  worin  beide  Theile,  jeder  nach  seiner  Denkungs-| 

[214]  art  (vornehmlich  aber  nach  seiner  Lage),  seine  besondere 

Theodicee    zur    moralischen  Erklärung   jenes    schlimmen 

Schicksals    aufstellt.    Die  Freunde  Hiobs   bekennen   sich 

zu   dem  System   der  Erklärung  aller  Uebel  in   der  Welt 

40  aus  der  göttlichen  Gerechtigkeit,  als  so  vieler  Strafen 
für  begangene  Verbrechen;  und  ob  sie  zwar  keine  zu 
nennen  wussten,  die  dem  unglücklichen  Manne  zu  Schulden 


Versuche  in  der  Theodicee  147 

kommen  sollten,  so  glaubten  sie  doch  a  priori  urtheilen 
zu  können,  er  müsste  deren  auf  sich  ruhen  haben,  weil 
es  sonst  nach  der  göttlichen  Gerechtigkeit  nicht  möglich 
wäre,  dass  er  unglücklich  sei.  Hiob  dagegen,  —  der  mit 
Entrüstung  betheuert,  dass  ihm  sein  Gewissen^  seines  5 
ganzen  Lebens  halber  keinen  Vorwurf  mache,  was  aber 
menschliche  unvermeidliche  Fehler  betrifft,  Gott  selbst 
wissen  werde,  dass  er  ihn  als  ein  gebrechliches  Geschöpf 
gemacht  habe,  —  erklärt  sich  für  das  System  des  un- 
bedingten göttlichen  ßathschlusses.  „Er  ist  10 
einig,"  sagt  er,  „er  macht's,  wie  er  will."*) 

In  dem,   was  beide  Theile  vernünfteln,   oder  überver- 
nünfteln,   ist   wenig  Merkwürdiges,   aber  der  Charakter, 
in  welchem  sie   es  thun,    verdient   desto   mehr  Aufmerk- 
samkeit.    Hiob   spricht,    wie  er   denkt   und  wie   ihm   zu  15 
Muthe  ist,   auch  wohl  jedem  Menschen  in  seiner  Lage| 
zu  Muthe  sein  würde;   seine  Freunde   sprechen  dagegen,  [215] 
wie  wenn  sie  ingeheim  von  dem  Mäch  tigern,  über  dessen 
Sache   sie  Eecht  sprechen,   und  bei  dem  sich   durch   ihr 
Crtheil  in  Gunst  zu  setzen  ihnen  mehr  am  Herzen  liegt  20 
als  an  der  Wahrheit,  behorcht  würden.    Diese  ihre  Tücke, 
Dinge  zum  Schein  zu  behaupten,  von  denen  sie  doch  ge- 
stehen  mussten,   dass   sie  sie  nicht  einsahen,    und  eine 
Ueberzeugung   zu  heucheln,   die  sie   in   der  That   nicht 
hatten,   sticht  gegen  Hiobs  gerade   Freimüthigkeit ,   die  25 
sich  so  weit  von  falscher  Schmeichelei  entfernt,   dass  sie 
fast    an   Vermessenheit    grenzt,    sehr   zum   Vortheil    des 
Letztem  ab.    ,, Wollt  Ihr,"  sagt  er,**)  „Gott  vertheidigen 
mit  Unrecht?    Wollt  Ihr  seine  Person  ansehen?    Wollt 
Ihr  Gott   vertreten?     Er  wird   Euch    strafen,   wenn  Ihr  30 
Personen  anseht   heimlich!  —  Es  kommt  kein  Heuchler 
vor  Ihm." 

Das  Letztere  bestätigt  der  Ausgang  der  Geschichte 
\virklich.  Denn  Gott  würdigt  Hiob,  ihm  die  Weisheit  • 
seiner  Schöpfung,  vornehmlich  von  Seiten  ihrer  Unerforsch-  35 
lichkeit,  vor  Augen  zu  stellen.  Er  lässt  ihn  Blicke  auf 
die  schöne  Seite  der  Schöpfung  thun,  wo  dem  Menschen 
begreifliche  Zwecke  die  Weisheit  und  gütige  Vorsorge 
des  Welturhebers    in   ein    unzweideutiges  |  Licht  stellen;  [216] 


*)  Hiob  XXIII,  13. 

••)  Hiob  XIII,  7  bis  11,  16. 


10^ 


148         Uel)er  das  Mipslingcn  aller  philosopbisclien 

dage?on  aber  auch  anf  die  abschreclvendo,  indem  er  ihm 
Produkte  seiner  Macht  und  darunter  auch  schädliche 
furclitbare  Dinge  hemennt,  deren  jedes  für  sich  und  seine 
Species  zwar  zweckmassig  eingerichtet,  in  Ansehung 
f)  anderer  aber  und  selbst  der  Menschen  zerstörend,  zweck- 
widrig und  mit  einem  allgemeinen,  durch  Güte  und 
Weisheit  angeordneten  Plane  nicht  zusammenstimmend 
zu  sein  scheint;  wobei  er  aber  doch  die  den  weisen  Welt- 
urheber   Terkündigende    Anordnung   und    Erhaltung   des 

10  Ganzen  beweist,  obzwar  zugleich  seine  für  uns  unerforsch- 
lichen  Wege  selbst  schon  in  der  physischen  Ordnung 
der  Dinge,  wie  vielmehr  denn  in  der  Verknüpfung  der- 
selben mit  der  moralischen  (die  unsrer  Vernunft  noch 
undurchdringlicher  ist)   verborgen   sein   müssen.  —  Der 

15  Schluss  ist  dieser:  dass,  indem  Hieb  gesteht,  nicht  etwa 
frevelhaft,  denn  er  ist  sich  seiner  Redlichkeit  bewusst. 
sondern  nur  unweislich  über  Dinge  abgesprochen  zu 
haben,  die  ihm  zu  hoch  sind  und  die  er  nicht  versteht, 
Gott  das  Verdammungsurtheil   wider  seine  Freunde  fällt, 

20  weil  sie  nicht  so  gut  (der  Gewissenhaftigkeit  nach)  von 
Gott  geredet  hätten,  als  sein  Knecht  Hiob.  Betrachtet 
man  nun  die  Theorie,  die  Jeder  von  beiden  Seiten  be- 
hauptete, so  möchte  die  seiner  Freunde  eher  den  Anschein 
mehrerer  spekulativen  Vernunft  und  frommer  Demuth  bei 

25  sich  führen ;    und  Hiob   würde  wahrscheinlicherweise  vor 

[217]  einem  |  jeden  Gerichte  dogmatischer  Theologen,  vor  einer 

Synode,  einer  Inquisition,  einer  ehrwürdigen  Klassis  oder 

einem  jeden  Oberkonsistorium   unserer  Zeit  (ein  einziges 

ausgenommen)   ein   schlimmes  Schicksal   erfahren   haben. 

30  Also  nur  die  Aufrichtigkeit  des  Herzens,  nicht  der  Vorzug 
der  Einsicht,  die  Redlichkeit  seine  Zweifel  unverhohlen 
zu  gestehen,  und  der  Abscheu  Ueberzeugung  zu  heucheln, 
wo  man  sie  doch  nicht  fühlt,  vornehmlich  nicht  vor  Gott 
(wo  diese  List  ohnedas  ungereimt  ist):  diese  Eigenschaften 

35  sind  es,  welche  den  Vorzug  des  redlichen  Mannes  in  der 
Person  Hiobs  vor  dem  reli^nönen  Schmeichler  im  gött- 
lichen Richterausspruch  entschieden  haben. 

Der  Glauben  aber,  der  ihm  durch  eine  so  befremdliche 
Auflösung  seiner  Zwoifel,  nämlich  bloss  die  Ueberführung 

40  von  seiner  Unwissenheit,  entsprang,  konnte  auch  nur  in 
die  Seele  eines  Mannes  kommen,  der  mitten  unter  seinen 
lebhaftesten  Zweifeln  sagen  konnte,  (XVII,  5,6):  „Bis  dass 


I 


Versuche  in  der  Theodicee  149 

mein  Ende  kömmt,  will  ich  nicht  weichen  von  meiner 
Frömmigkeit"  u.  s.  w.  Denn  mit  dieser  Gesinnung  bewies 
er,  dass  er  nicht  seine  Moralität  auf  den  Glauben,  sondern 
den  Glauben  aui'  die  Moralität  gründete;  in  welchem 
Falle  dieser,  so  schwach  er  auch  sein  mag,  doch  allein  5 
lauterer  und  ächter  Art,  d.  i.  von  derjenigen  Art  ist, 
welche  eine  Keligion,  nicht  der  Gunstbewerbung,  sondern 
des  guten  Lebenswandels  gründet  | 


Schlussanm  erkling.  [218] 

Die  Theodicee  hat  es,  wie  hier  gezeigt  worden,  nicht  10 
sowohl  mit  einer  Aufgabe  zum  Vortheil  der  Wissenschaft, 
als  vielmehr  mit  einer  Glaubenssache  zu  thun.     Aus  der 
authentischen  sahen  wir,  dass  es  in  solchen  Dingen  nicht 
so  viel  aufs  Vernünfteln  ankomme,  als  auf  Aufrichtigkeit 
in   Bemerkung   des  Unvermögens   unserer  Vernunft,   und  15 
auf  die  Kedlichkeit,  seine  Gedanken  nicht  in  der  Aussage 
zu  verfälschen,   geschehe  dies  auch  in  noch   so   frommer 
Absicht,   als  es   immer  wolle.  —  Dieses  veranlasst  noch 
folgende  kurze  Betrachtung  über  einen  reichhaltigen  Stoff, 
nämlich  über  die  Aufrichtigkeit  als  das  Haupterforderniss  20 
in  Glaubenssachen,  im  Widerstreite  mit   dem  Hange  zur 
Falschheit  und  Unlauterkeit,  als  dem  Hauptgebrechen  in 
der  menschlichen  Natur. 

Dass  das,  was  Jemand  sich  selbst  oder  einem  Andern 
sagt,    wahr   sei,    dafür  kann  er  nicht  jederzeit  stehen  25 
(denn   er   kann  irren);    dafür   aber    kann   und    muss   er 
stehen,   dass   sein  Bekenntniss   oder  Geständniss  wahr- 
haft sei;   denn  dessen   ist  er  sich  unmittelbar  bewusst. 
Er  vergleicht  nämlich  im   erstem  Falle   seine  Aussage 
mit   dem  Objekt  im   logischen  Urth^ile   (durch  den  Ver-  30 
stand);   im  zweiten  Fall  aber,  da  er  sein  Fürwahrhalten 
bekennt,    mit  dem  Subjekt  (vor  dem  Gewissen).     Thut  er 
das  Bekenntniss  in  Ansehung  des  erstem,  ohne  sich  des 
letztern  bewusst  zu  sein,  so  lügt  er,  weil  er  etwas  |  Anders  [219] 
vorgiebt,   als  wessen  er  sich   bewusst  ist.  —  Die   Be-  35 
merkung,   dass   es   solche  Unlauterkeit   im   menschlichen 
Herzen  gebe,  ist  nicht  neu  (denn  Hieb  hat  sie  schon  ge- 
macht); aber  fast  sollte  man  glauben,  dass  die  Aufmerk- 
samkeit auf  dieselbe   für  Sitten-  und  Religionslehrer  neu 


150         lieber  das  Misslingen  aller  philosophischen 

sei ;  so  wonig  findet  man,  dass  sie,  ungeachtet  der  Schwierig- 
keit, welche  eine  Läuterung  der  Gesinnungen  der  Menschen, 
selbst  wenn  sie  pflichtmässig  handeln  wollen,  bei  sich 
führt,  von  jener  Bemerkung  genügsamen  Gebrauch  ge- 
5  macht  hätten.  —  Man  kann  diese  Wahrhaftigkeit  die 
formale  Gewissenhaftigkeit  nennen;  die  materiale 
besteht  in  der  Behutsamkeit,  nichts  auf  die  Gefahr,  dass 
es  unrecht  sei,  zu  wagen;  da  hingegen  jene  in  dem 
Bewusstsein    besteht,    diese  'Behutsamkeit   im   gegebenen 

lO  Falle  angewandt  zu  haben.  —  Moralisten  reden  von  einem 
irrenden  Gewissen.  Aber  ein  irrendes  Gewissen  ist  ein 
Unding;  und  gäbe  es  ein  solches,  so  könnte  man  niemals 
sicher  sein,  recht  gehandelt  zu  haben,  weil  selbst  der 
Kichter  in   der  letzten  Instanz   noch   irren   könnte.    Ich 

15  kann  zwar  in  dem  Urtheile  irren,  in  welchem  ich 
glaube  Recht  zu  haben;  denn  das  gehört  dem  Verstände 
zu,  der  allein  (wahr  oder  falsch)  objektiv  urtheilt;  aber 
in  dem  Bewusstsein:  ob  ich  in  der  That  glaube 
Recht    zu   haben    (oder    es    bloss    vorgebe),    kann    ich 

20  schlechterdings  nicht  irren,  weil  dieses  Urtheil  oder  viel- 
mehr dieser  Satz  bloss  sagt,  dass  ich  den  Gegenstand  so 
beurtheile.  | 
[220]         In  der   Sorgfalt,    sich  dieses  Glaubens  (oder  Nicht- 
glaubens)    bewusst    zu  werden    und   kein   Fürwahrhalten 

25  vorzugeben,  dessen  man  sich  nicht  bewusst  ist,  besteht 
nun  eben  die  formale  Gewissenhaftigkeit,  welche  der 
Grund  der  Wahrhaftigkeit  ist.  Derjenige  also,  welcher 
sich  selbst  (und,  welches  in  den  Religionsbekenntnissen 
einerlei  ist,  vor  Gott)  sagt:  er  glaube,   ohne  vielleicht 

30  auch  nur  einen  Blick  in  sich  selbst  gethan  zu  haben,  ob 
er  sich  in  der  That  dieses  Fürwahrhaltens,  oder  auch 
eines  solchen  Grades  desselben  bewusst  sei;*)  der  lügt| 


*)  Das  Krpressuugsmittol  der  WalirhafU^koit  iu  äussern  Aus- 
sagen, der  Kid  (tortura  gpiritualis) ,  wird  vor  einem  menschlicbou 
Gerichtshöfe  nicht  bloss  für  erlaubt,  sondern  auch  für  unentbehr- 
lich gehalten;  ein  trauriger  Beweis  von  der  geringen  Achtung 
der  Menschen  für  die  Wahrheit,  selbst  im  Tempel  der  öfTont- 
üchen  Gerechtigkeit,  wo  die  blosse  Idee  von  ihr  schon  für  sich 
die  grösste  Achtung  einflössen  sollte!  Aber  die  Menschen  lügen 
auch  Ucborzeugung,  die  sie  wenigstens  nicht  von  der  Art  oder 
in  dem  Grade  haben,  als  sie  vorgeben,  selbst  in  ihrem  inneni 
Bekenntnisse;    und    da    diese  Unredlichkeit    (weil    sie    nach    und 


Versuche  in  der  Theodicee  151 

nicht  bloss  die  ungereimteste  Lüge  (vor  einem  Herzens-  [221] 
kündiger),  sondern  auch  die  frevelhafteste,  weil  sie  den 
Grund  jedes  tugendhaften  Vorsatzes,  die  Aufrichtigkeit, 
untergräbt.  Wie  bald  solche  blinde  und  äussere  Be- 
kenntnisse (welche  sehr  leicht  mit  einem  ebenso  un-  5 
wahren  Innern  vereinbart  werden),  wenn  sie  Erwerb- 
mittel abgeben,  allmählich  eine  gewisse  Falschheit  in 
die  Denkungsart  selbst  des  gejmeinen  Wesens  bringen 
können,   ist  leicht  abzusehen.  —  Während   indess   diese  [222] 

nach  in  wirkliche  Ueberredung  ausschlägt)  auch  äussere  schäd- 
liche Folgen  haben  kann,  so  kann  jenes  Erpressungsmittel  der 
Wahrhaftigkeit,  der  Eid  (aber  freilich  nur  ein  innerer,  d.  i.  der 
Versuch,  ob  das  Fürwahrhalten  auch  die  Probe  einer  innern 
eidlichen  Abhörung  des  Bekenntnisses  aushalte),  dazu  gleich- 
falls sehr  wohl  gebraucht  werden ,  die  Vermessenheit  dreister, 
zuletzt  auch  wohl  äusserlich  gewaltsamer  Behauptungen,  wo  nicht 
abzuhalten ,  doch  wenigstens  stutzig  zu  machen.  —  Von  einem 
menschlichen  Gerichtshofe  wird  dem  Gewissen  des  Schwörenden 
nichts  weiter  zugemuthet,  als  die  Anheischigmachung :  dass,  wenn 
es  einen  künftigen  Weltrichter  (mithin  Gott  und  ein  künftiges 
Leben)  giebt,  er  ihm  für  die  Wahrheit  seines  äusseren  Bekennt- 
nisses verantwortlich  sein  wolle;  dass  es  einen  solchen 
Weltrichter  gebe,  davon  hat  er  nicht  nöthig  ihm  ein 
Bekenntniss  abzufordern,  weil,  wenn  die  erstere  Betheurung  die 
Lüge  nicht  abhalten  kann,  das  zweite  falsche  Bekenntniss  ebenso 
wenig  Bedenken  erregen  würde.  Nach  dieser  innern  Eidesdelation 
würde  man  sich  also  selbst  fragen:  getrauest  Du  Dir  wohl,  bei 
Allem  ,  was  Dir  theuer  und  heilig  ist,  Dich  für  die  Wahrheit 
jenes  wichtigen  oder  eines  andern  dafür  gehaltenen  Glaubens- 
satzes zu  verbürgen?  Bei  einer  solchen  Zurauthung  wird  das 
Gewissen  aufgeschreckt,  durch  die  Gefahr,  der  man  sich  aus- 
setzt, mehr  vorzugeben,  als  man  mit  Gewissheit  behaupten  kann, 
wo  das  Dafürhalten  einen  Gegenstand  betrifift,  der  auf  dem  Wege 
des  Wissens  (theoretischer  Einsicht)  gar  nicht  erreichbar  ist, 
dessen  Annehmung  aber  dadurch,  dass  sie  allein  den  Zusammen- 
hang der  höchsten  praktischen  Vernunftprinzipien  mit  denen  der 
theoretischen  Naturkonntniss  in  einem  System  möglich  (und 
also  die  Vernunft  mit  sich  selbst  zusammenstimmend)  macht, 
über  Alles  empfehlbar,  aber  immer  doch  frei  ist.  —  Noch  mehr 
aber  müssen  Glaubensbekenntnisse,  deren  Quelle  historisch  ist, 
dieser  Feuerprobe  der  Wahrhaftigkeit  unterworfen  werden,  wenn 
sie  Andern  gar  als  Vorschriften  auferlegt  werden ;  weil  hier  die 
Unlauterkeit  und  geheuchelte  Ueberzeugung  auf  Mehrere  ver- 
breitet wird,  und  die  Schuld  davon  Dem,  der  sich  für  Anderer 
Gewissen  gleichsam  verbürgt  (denn  die  Menschen  sind  mit  ihrem 
Gewissen  gerne   passiv),  zur  Last  fällt. 


152         Ueber  das  Missliügeu  aller  philosoj>hischeii 

öfifontliche  Läuterung  der  Denkungsart  wahrscheinlicher- 
weise auf  entfernte  Zeiten  ausgesetzt  bleibt,  bis  sie  viel- 
leicht einmal  unter  dem  Schutze  der  Denkfreiheit  ein 
allgemeines  Erziehungs-  und  Lehrprinzip  werden  wird, 
5  mögen  hier  noch  einige  Zeilen  auf  die  Betrachtung  jener 
Unart,  welche  in  der  menschlichen  Natur  tief  gewurzelt 
zu  sein  scheint,  verwandt  werden. 

Es  liegt  etwas  Rührendes  und  Seelenerhebendes  in  der 
Aufstellung  eines  aufrichtigen-,   von  aller  Falschheit  und 

10  positiven  Verstellung  entfernten  Charakters;  da  doch  die 
Ehrlichkeit,  eine  blosse  Einfalt  und  Geradheit  der  Denkungs- 
art (vornehmlich  wenn  man  ihr  die  Offenherzigkeit  erlässt), 
das  Kleinste  ist,  was  man  zu  einem  guten  Charakter  nur 
immer   fordern    kann,    und   daher    nicht   abzusehen    ist, 

15  worauf  sich  denn  jene  Bewunderung  |  gründe,  die  wir  einem 

[223]  solchen  Gegenstande  widmen;  es  müsste  denn  sein,  dass 

die   Aufrichtigkeit   die   Eigenschaft    wäre,   von   der   die 

menschliche  Natur  gerade  am  weitesten  entfernt  ist.    Eine 

traurige  Bemerkung!    Indem  eben  durch  jene  alle  übrigen 

20  Eigenschaften,  sofern  sie  auf  Grundsätzen  beruhen,  allein 
einen  innern  wahren  Werth  haben  können.  Ein  con- 
templativer  Misanthrop  (der  keinem  Menschen  Böses 
wünscht,  wohl  aber  geneigt  ist,  von  ihnen  alles  Böse  zu 
glauben),    kann  nur  zweifelhaft  sein,  ob  er  die  Menschen 

26  hassens-  oder  ob  er  sie  eher  verachtungswürdig 
finden  solle.  Die  Eigenschaften,  um  derentwillen  er  sie 
für  die  erste  Begegnung  qualifizirt  zu  sein  urtheilen 
würde,  sind  die,  durch  welche  sie  vorsätzlich  schaden. 
Diejenige   Eigenschaft   aber,    welche    sie   ihm    eher   der 

30  letztern  Abwürdigung  auszusetzen  scheint,  könnte  keine 
andere  sein,  als  ein  ll:ing,  der  an  sich  böse  ist,  ob  er 
gleich  Niemanden  schidet:  ein  Hang  zu  demjenigen,  was 
zu  keiner  Absicht  als  Mittel  gebraucht  werden  soll;  was 
also  objektiv   zu  nichts  gut  ist.     Das  erstere  Böse   wäre 

35  wohl  kein  anderes,  als  das  der  Feindseligkeit 
(gelinder  gesagt,  Lieblosigkeit);  das  zweite  kann  kein 
anderes  sein  als  Lügenhaftigkeit  (Falschheit,  selbst 
ohne  alle  Absicht  zu  schaden).  Die  erste  Neigung  hat 
eine  Absicht,   deren  Gebrauch   doch   in   gewissen  andern 

40  Beziehungen  erlaubt  und  gut  sein  kann,  z.  B.  die  Feind- 
seligkeit gegen  unbesserliche  Friedensstörer.    Der  zwcito| 
[224]  llang   aber   ist   der   zum    Gebrauch    eines   Mittels   (der 


Versuche  in  der  Theodicee  153 

Lüge),  das  zu  nichts  gut  ist,  zu  welcher  Absicht  es  auch 
sei,  weil  es  an  sich  selbst  böse  und  verwerflich  ist.  In 
der  Beschaffenheit  des  Menschen  von  der  ersten  Art  ist 
Bosheit,  womit  sich  doch  noch  Tüchtigkeit  zu  guten 
Zwecken  in  gewissen  äussern  Verhältnissen  verbinden  5 
lässt,  und  sie  sündigt  nur  in  den  Mitteln,  die  doch  auch 
nicht  in  aller  Absicht  verwerflich  sind.  Das  Böse  von 
der  letztern  Art  ist  Nichtswürdigkeit,  wodurch  dem 
Menschen  aller  Charakter  abgesprochen  wird.  —  Ich 
halte  mich  hier  hauptsächlich  an  der  tief  im  Verborgnen  10 
liegenden  Unlauterkeit,  da  der  Mensch  sogar  die  innern 
Aussagen  vor  seinem  eignen  Gewissen  zu  verfälschen 
weiss.  Um  desto  weniger  darf  die  äussere  Betrugs- 
neigung befremden;  es  müsste  denn  dieses  sein,  dass, 
obzwar  ein  Jeder  von  der  Falschheit  der  Münze  belehrt  15 
ist,  mit  der  er  Verkehr  treibt,  sie  sich  dennoch  immer  so 
gut  im  Umlaufe  erhalten  kann. 

In   Herrn  De   Luc   Briefen    über    die   Gebirge,    die 
Geschichte  der  Erde   und  Menschen,   erinnere  ich   mich 
folgendes    Eesultat    seiner   zum    Theil    anthropologischen  20 
Reise  gelesen  zu  haben.     Der  menschenfreundliche  Ver- 
fasser  war   mit   der   Voraussetzung    der    ursprünglichen 
Gutartigkeit    unserer  Gattung    ausgegangen,  und  suchte 
die  Bestätigung  derselben  da,    wo  städtische  Ueppigkeit 
nicht   solchen  Einfluss   haben   kann    Gemüther    zu  ver-  25 
derben,  in  |  Gebirgen,   von   den  schweizerischen  an  [225] 
bis    zum    Harze;    und  nachdem  sein   Glaube  an  un- 
eigennützig hülfleistende  Neigung  durch  eine  Erfahrung 
in  den  erstem  etwas  wankend  geworden,    so  bringt  er 
doch    am  Endo    diese   Schlussfolge   heraus:    dass    der  30 
Mensch,    was    das   Wohlwollen    betrifft,    gut 
genug  sei   (kein  Wunder!  denn  dieses  beruht  auf  ein- 
gepflanzter Neigung,  wovon  Gott  der  Urheber  ist);  wenn 
ihm  nur  nicht  ein  schlimmer  Hang  zur   feinen 
Betrügerei    beiwohnte   (welches   auch  nicht  zu  ver-  35 
wundern    ist;    denn    diese   abzuhalten,    beruht  auf   dem 
Charakter,    welchen   der  Mensch    selber   in    sich    bilden 
muss)!  —  Ein  Resultat   der  Untersuchung,   welches  ein 
Jeder,  aucli  ohne  im  Gebirge  gereist  zu  sein,  unter  seinen 
Mitbürgern,   ja   noch   näher,   in    seinem   eigenen   Busen  40 
hätte  antreffen  können. 

Königsberg.  I.  KANT. 


Das 

Ende  aUer  Dinge 


1794 


Berlinische  Monatsschrift  vou  Biester,  Berlin,  1794, 
Juni,  p.  495-522  (Hartenstein  ^VI  S.  391— 408.  »VI 
S.  357-372.     Rosenkranz  VII,  1,  S.  409-427). 


Jis    ist   ein,    vornehmlich  in   der   frommen    Sprache  [495] 
üblicher  Ausdruck,  einen   sterbenden  Menschen  sprechen 
zu  lassen:  er  gehe  aus  der  Zeit  in  die  Ewigkeit. 

Dieser    Ausdruck  würde  in   der    That   nichts   sagen, 
wenn    hier    unter  der    Ewigkeit  eine    ins   Unendliche  5 
fortgehende  Zeit  verstanden  werden  sollte;  denn  da  käme 
ja   der  Mensch   nie   aus   der  Zeit  heraus,  sondern  ginge 
nur  immer  aus  einer  in  die  andre  fort.    Also  muss  damit 
ein   Ende    all  er  Zeit,  bei  ununterbrochener  Fortdauer 
des   Menschen,   diese  Dauer  aber  (sein  Dasein  als  Grösse  10 
betrachtet)    doch  auch    als    eine    mit  der   Zeit  ganz  un- 
vergleichbare Grösse  (duratio  NoumenonJ  \  gemeint  sein,  [496] 
von  der  wir  uns  freilich  keinen  (als  bloss  negativen)  Be- 
griff machen  können.  Dieser  Gedanke  hat  etwas  Grausendes 
in  sich:  weil   er  gleichsam  an  den  Eand  eines  Abgrunds  15 
führt,    aus   welchem    für   den,   der  dirin  versinkt,  keine 
Wiederkehr  möglich  ist  (,,Ihn  aber  hält  am  ernsten  Orte, 
der  nichts  zurücke  lässt,  Die  Ewigkeit  mit  starken  Armen 
fest."  Hallek);  und  doch  auch  etwas  Anziehendes :  denn 
man   kann  nicht  aufhören ,  sein  zurückgeschrecktes  Auge  20 
immer    wiederum    darauf   zu    wenden    (nequewit  exjüeri 
eorda   tuendo.     Virgil*)  ).     Er  ist  furchtbar  -erhaben; 
zum    Theil    wegen    soiner   Dunkelheit,    in    der  die   Ein- 
bildungskraft mächtiger,   als  beim  hellen  Licht  zu  wirken 
pflegt.     Endlich  muss  er  doch  auch  mit  der  allgemeinen  25 
Menschenvemunft  auf  wundersame  Weise    verwebt  sein; 
weil  er  unter  allen  vernünftelnden  Völkern,  zu  allen  Zeiten, 
auf  eine  oder  andere  Art  eingekleidet,  angetroffen  wird.  — 
Indem    wir    nun    den   Uebergang    aus   der   Zeit   in   die 
Ewigkeit  (diese  Idee  mag,  theoretisch,  als  Erkenntniss-  30 
Erweiterung  betrachtet,  objektive  Realität  haben  oder  nicht), 
sowie  ihn  sich  die  Vernunft  in  moralischer  Rücksicht  selbst 
macht,    verfolgen,    stossen    wir   auf    das    Ende    aller 
Dinge    als    Zeitwesen  und  Gegenstände  möglicher  Er-| 
fahrung;  welches  Ende  aber  in  der  moralischen  Ordnung  [497] 
der    Zwecke    zugleich    den    Anfang  einer  Fortdauer  eben 

*)  Sie   können  sich  an  dem  Anblick  nicht  satt  sehen.  (A.  d  H.) 


158  Das  Ende 

dieser  als  übersinnlicher,  folglich  nicht  unter  Zeit- 
bedingungen stehender  Wesen  ist,  die  also  (und  deren 
Zustand)  keiner  andern  als  moralischer  Bestimmung  ihrer 
Beschaffenheit  fähig  sein  wird. 
5  Tage  sind  gleichsam  Kinder  der  Zeit,  weil  der 
folgende  Tag  mit  dem,  was  er  enthält,  das  Erzougniss 
des  vorigen  ist.  Wie  nun  das  letzte  Kind  seiner  Eltern 
jüngstes  Kind  genannt  wird,  so  hat  unsere  Sprache 
beliebt,    den   letzten  Tag  (den  Zeitpunkt,    der  alle   Zeit 

10  beschliesst)  den  jüngsten  Tag  zu  nennen.  Der  jüngste 
Tag  gehört  also  annoch  zur  Zeit;  denn  es  geschieht 
an  ihm  noch  irgend  etwas  (nicht  zur  Ewigkeit,  wo  nichts 
mehr  geschieht,  weil  das  Zeitfortsetzung  sein  würde.  Ge- 
höriges), nämlich  Ablegung  der  Rechnung  der  Menschen 

15  von  ihrem  Verhalten  in  ihrer  ganzen  Lebenszeit.  Er  ist 
ein  Gerichtstag;  das  Begnadigungs-  oder  Verdammungs- 
ürtheil  des  Weltrichters  ist  also  das  eigentliche  Ende  aller 
Dinge  in  der  Zeit  und  zugleich  der  Anfang  der  (seligen 
oder    unseligen)  Ewigkeit ,   in   welcher    das    Jedem    zu- 

20  gefallene    Loos   so  bleibt,  wie  es  in  dem  Augenblick  des 
.498]  Ausspruchs  (der  Sentenz)  ihm  zu  Theil  |  ward.    Also  ent- 
hält der  jüngste  Tag  auch  das  jüngste  Gericht  zu- 
gleich in  sich.  —  Wenn  nun  zu  den   letzten  Dingen 
noch  das  Ende  der  Welt,  sowie  sie  in  ihrer  jetzigen  Ge- 

25  stalt  erscheint,  nämlich  das  Abfallen  der  Sterne  vom 
Himmel  als  einem  Gewölbe,  der  Einsturz  dieses  Himmels 
selbst  (oder  das  Entweichen  desselben  als  eines  ein- 
gewickelten Buchs),  das  Verbrennen  beider,  die  Schöpfung 
eines     neuen    Himmels    und    einer    neuen     Erde     zum 

30  Sitz  der  Seligen  und  der  Hölle  zu  dem  der  Ver- 
dammten, gezählt  werden  sollten;  so  würde  jener 
Gerichtstag  freilich  nicht  der  jüngste  Tag  sein,  sondern 
es  würden  noch  verschiedne  andre  auf  ihn  folgen.  Allein 
da   die   Idee   eines    Endes   aller   Dingo    ihren    Ursprung 

35  nicht  von  dem  Vernünfteln  über  den  physischen,  sondern 
über  den  moralischen  Lauf  der  Dinge  in  der  Welt  her- 
nimmt, und  dadurch  allein  veranlasst  wird,  der  letztere 
auch  allein  auf  das  Ueborsinnliche  (welches  nur  am 
Moralischen   verständlich   ist),   dergleichen   die   Idee   der 

40  p^wigkeit  ist,  bezogen  werden  kann;  so  muss  die  Vor- 
stellung jener  letzten  Dinge,  die  nacli  dem  jüngsten  Tage 
kommen  sollen,   nur  als  eine  Versinnlichung  des  letztern 


aller  Dinge  159 

sammt  seinen  moralischen,  uns  übrigens  nicht  theoretisch 
begreiflichen  Folgen  angesehen  werden.  | 

Es   ist   aber  anzumerken,   dass  es   von  den  ältesten  [499] 
Zeiten  her  zwei,  die  künftige  Ewigkeit  betreffende  Systeme 
gegeben  hat:  eines,  das  der  Uni  tarier  derselben,  welche  5 
allen  Menschen  (durch  mehr  oder  weniger  lange  Büssungen 
gereinigt)  die  ewige  Seligkeit;  das  andere,  das  der  Dua- 
listen,*)    welche    einigen   Auserwählten    die  Seligi'keit,  [500] 
allen  Uebrigen  aber  die  ewige  Verdammniss  zusprechen. 
Denn  ein  System,   wornach  Alle  verdammt  zu  sein  be-  10 
stimmt  wären,  konnte  wohl  nicht  Platz  finden,  weil  sonst 
kein   rechtfertigender  Grund   da  wäre,   warum   sie   über- 
haupt wären  erschaffen  worden;  die  Vernichtung  Aller 
aber  eine   verfehlte  Weisheit   anzeigen   würde,    die,   mit 
ihrem  eignen  "Werk  unzufrieden,  kein  ander  Mittel  weiss,  15 
den  Mängeln  derselben  abzuhelfen,  als  es  zu  zerstören.  — 
Den  Dualisten  steht  indess  immer  ebendieselbe  Schwierig- 
keit, welche  hinderte,  sich  eine  ewige  Verdammung  Aller 
zu  denken,    im  Wege;    denn  wozu,   könnte  man  fragen, 
waren  auch  die  Wenigen,   warum  auch  nur  ein  Einziger  20 
geschaffen,  wenn  er  nur  dasein  sollte,  um  ewig  verworfen 
zu  werden?  welches  doch  ärger  ist,  als  gar  nicht  sein. 

Zwar  so  weit  wir  es  einsehen,  so  weit  wir  uns  selbst 
erforschen  können,  hat  das  dualistische  System  (aber  nur 
unter    einem    höchstguten   Urwesen)    in    praktischer  25 
Absicht,    für  jeden   Menschen,    wie   er    sich   selbst    zu 
richten  hat   (obgleich  nicht,  wie  er  Andere   zu  richten 

*)  Ein  solches  System  war  in  der  altpersischeu  Religion  (des 
ZorOASTEr)  auf  der  Voraussetzung  zweier  im  ewigen  Kampf  mit 
einander  begriffenen  Urwesen,  dem  guten  Prinzip,  Ormuzd, 
und  dem  bösen,  Ahriman  gegründet.  —  Sonderbar  ist  es, 
dass  die  Sprache  zweier,  weit  von  einander,  noch  weiter  aber 
von  dem  jetzigen  Sitze  der  deutschen  Sprache  entfernten  Länder, 
in  der  Benennung  dieser  beiden  Urwesen  deutsch  ist.  Ich 
erinnere  mich  bei  SONNERAT  gelesen  zu  haben,  dass  in  Ava 
(dem  Lande  der  Burachmanen)  das  gute  Prinzip  Godeman 
(welches  Wort  in  dem  Namen  Darius  Godomannus  auch  zu  liegen 
scheint)  genannt  werde ;  und  da  das  Wort  Ahriman  mit  dem 
arge  Mann  sehr  gleichlautet,  das  jetzige  Persische  auch  eine 
Menge  ursprünglich  deutscher  Wörter  enthält,  so  mag  es  eine 
Aufgabe  für  den  Alterthumsforscher  sein,  auch  an  dem  Leitfaden 
der  Sprachverwandtschaft  dem  Ursprünge  der  jetzigen 
Religionsbegriffe  mancher  Völker  nachzugehen.  [Man  s. 
Sonnerat's  Reise,  Buch  2  Kap.  2.  B.  (Anmerkung  von  BiESTEE.j] 


160  Das  Fnde 

befugt  ist),  einen  iiherwieg-pnden  Grund  in  sich;  denn 
so  viel  er  sich  kennt ,  lässt  ihm  die  Vernunft  keine  andre 
Aussicht  in  die  Ewiprkeit  übrig,  als  die  ihm  aus  seinem 
[501]  bisher  |  geführten  Lebenswandel  sein  eignes  Gewissen  am 
5  Ende  des  Lebens  eröffnet.  Aber  zum  Dogma,  mithin 
um  einen  an  sich  selbst,  objektiv-gültigen,  theoretischen 
Satz  daraus  zu  machen,  dazu  ist  es  als  blosses  Vernunft- 
urthoil  bei  weitem  nicht  hinreichend.  Denn  welcher 
Älensch  kennt  sich  selbst,  wer  kennt  Andre  so  durch  und 

10  durch,  um  zu  entscheiden:  ob,  wenn  er  von  den  Ursachen 
seines  vermeintlich  wohlgeführten  Lebenswandels  Alles, 
was  man  Verdienst  des  Glücks  nennt,  als  sein  angebornes 
gutartiges  Temperament,  die  natürliche  grössere  Stärke 
seiner   obern   Kräfte    (des  Verstandes  und   der  Vernunft, 

15  um  seine  Triebe  zu  zähmen),  überdem  auch  noch  die 
Gelegenheit,  wo  ihm  der  Zufall  glücklicher  Weise  viele 
Versuchungen  ersparte,  die  einen  Andern  trafen;  wenn 
er  dies  Alles  von  seinem  wirklichen  Charakter  absonderte 
(wie  er  das  denn,  um  diesen  gehörig  zu  würdigen,  noth- 

20  wendig  abrechnen  muss,  weil  er  es,  als  Glücksgeschenk, 
seinem  eignen  Verdienst  nicht  zuschreiben  kann);  wer 
will  dann  entscheiden,  sage  ich,  ob  vor  dem  allsehenden 
Auge  eines  "Weltrichters  ein  Mensch  seinem  innem 
moralischen   Werthe     nach    überall    noch    irgend    einen 

25  Vorzug  vor  dem  andern  habe,   und  es  so  vielleicht  nicht 

ein  ungereimter  Eigendünkel  sein  dürfte,  bei  dieser  ober-| 

[502]  flächlichen  Selbsterkeuntniss,  zu  seinem  Vortheil  über  den 

moralischen  Werth   (und   das  verdiente  Schicksal)    seiner 

selbst  sowohl  als  Anderer  irgendein  Urtheil  zu  sprechen?  — 

80  Mithin  scheint  das  System  des  Unitariers  sowohl,  als 
des  Dualisten,  beides  als  Dogma  betrachtet,  das  spekulative 
Vermögen  der  menschlichen  Vernunft  gänzlich  zu  über- 
steigen, und  Alles  uns  dahin  zurückzuführen,  jene  Vernunft- 
idoen  schlechterdings  nur  auf  die  Bedingungen  des  prak- 

35  tischen  Gebrauchs  einzuschränken.  Denn  wir  sehen  doch 
nichts  vor  uns,  das  uns  von  unserm  Schicksal  in  einer 
künftigen  Welt  jetzt  schon  belehren  könnte,  als  das 
Urtheil  unseres  eignen  Gewissens,  d.  i.  was  unser  gegen- 
wärtiger moralischer  Zustand,    so  weit   wir    ihn  kennen, 

40  uns  darüber  vernünftiger  Weise  urtheilen  lässt:  dass 
nämlich,  welche  Prinzipien  unsers  Lebenswandels  wir 
bis   zu  dessen  Endo   in   uns  herrschend  gefunden   haben 


aller  Dinge  161 

(sie  seien  die  des  Guten  oder  des  Bösen),  auch  nach  dem 
Tode  fortfahren  werden    es   zu  sein;   ohne  dass  wir  eine 
Abänderung  derselben  in  jener  Zukunft  anzunehmen  den 
mindesten  Grund  haben.     Mithin  müssten  wir   uns  auch 
der  jenem  Verdienste  oder  dieser  Schuld   angemessenen  5 
Folgen,    unter   der    Herrschaft    des    guten   oder    bösen 
Prinzips,  für  die  Ewigkeit  gewär|tigen;  in  welcher  Rück-  [503] 
sieht  es  folglich  weise  ist,   so  zu  handeln,  als   ob  ein 
anderes  Leben,  und  der  moralische  Zustand,  mit  dem  wir 
das   gegenwärtige  endigen,   sammt  seinen  Folgen,   beim  lo 
Eintritt   in   dasselbe   unabänderlich  sei.     In   praktischer 
Absicht  wird  also   das   anzunehmende  System  das   dua- 
listische  sein  müssen;   ohne  doch  ausmachen  zu   wollen, 
"welches   von  beiden,   in  theoretischer   und  bloss   speku- 
lativer, den  IVorzug  verdiene;   zumal  da  das  unitarische  15 
zu  sehr  in  greichgültige  Sicherheit   einzuwiegen   scheint. 
Warum  ewarten  aber  die  Menschen  überhaupt  ein 
Ende  der  Welt  ?  und  wenn  dieses  ihnen  auch  eingeräumt 
wird,    warum    eben   ein   Ende    mit    Schrecken    (für    den 
grössten  Theil  des  menschlichen  Geschlechts)?  .  .  .    Der  20 
Grund  des  Erstem    scheint  darin   zu  liegen,   weil  die 
Vernunft  ihnen  sagt,  dass  die  Dauer  der  Welt  nur  sofern 
Werth  hat,  als  die  vernünftigen  Wesen  in  ihr  dem  End- 
zweck ihres  Daseins  gemäss  sind,  wenn  dieser  aber  nicht 
erreicht  werden  sollte,   die  Schöpfung  ihnen  zwecklos  zu  25 
sein  scheint:  wie  ein  Schauspiel,  das  gar  keinen  Ausgang 
hat  und   keine    vernünftige  Absicht   zu   erkennen   giebt. 
Das  Letztere   gründet  sich  auf  der  Meinung  von   der 
verderbten  Beschaffenheit  des  menschlichen  Gejschlechts,*)  [504] 

*)  Zu  allen  Zeiten  haben  sich  dünkende  Weise  (oder  Philo- 
sophen), ohne  die  Anlage  zum  Guten  in  der  menschlichen  Natur 
einiger  Aufmerksamkeit  zu  würdigen,  sich  in  widrigen,  zum 
Theil  ekelhaften  Gleichnissen  erschöpft,  um  unsere  Erdenwelt, 
den    Aufenthalt    für    Menschen,    recht    verächtlich    vorzustellen. 

1)  Als  ein  Wirthshaus  (Karawanserai) ,  wie  jener  Derwisch 
sie  ansieht :  wo  jeder  auf  seiner  Lebensreise  Einkehrende  gefasst 
sein    muss,    von    einem    folgenden    bald    verdrängt    zu    werden. 

2)  Als  ein  Zuchthaus:  welcher  Meinung  die  brahmanischon, 
tibetanischen  und  andre  Weisen  des  Orients  (auch  sogar  Plato) 
zugethan  sind :  ein  Ort  der  Züchtigung  und  Reinigung  gefallener, 
aus  dem  Himmel  verstossner  Geister,  jetzt  menschlicher  oder 
Thier-Seelen.  3)  Als  ein  Toll  haus:  wo  nicht  allein  Jeder  für 
sich    seine    eigenen    Absichten    vernichtet,    sondern    Einer    dem 

Kant,  kl.  Schriften  z.  Ethik  II.  ^ 


162  Das  Ende 

die  bis  zur  Hoffnungslosigkeit  gross  sei;  welchem  ein 
[505]  Ende  und  zwai  ein  schreckliches  |  Ende  zu  machen,  die 
einzijje  der  höchsten  Weisheit  und  Gerechtigkeit  (dem 
grössten  Theil  der  Menschen  nach)  anständige  Maassregel 
5  sei.  —  Daher  sind  auch  die  Vorzeichen  des  jüngsten 
Tages  (denn  wo  lässt  es  eine  durch  grosse  Erwartung 
erregte  Einbildungskratt  wohl  an  Zeichen  und  Wundern 
fehlen?)  alle  von  der  schrecklichen  Ai-t.  Einige  sehen 
sie    in    der  überhandnehmenden   Ungerechtigkeit,   Unter- 

10  drückung  der  Armen  durch  übermüthige  Schwelgerei  der 
[506]  Kelchen  und  dem  all|gemeinen  Verlust  von  Treu  und 
Glauben ;  oder  in  den  an  allen  Erdenden  sich  entzündenden 
blutigen  Kriegen  u.  s.  w.,  mit  einem  Worte,  an  dem  mora- 
lischen Verfall  und   der  schnellen  Zunahme  aller  Laster 

15  sammt  den  sie  begleitenden  Uebeln,  dergleichen,  wie  sie 
wähnen,  die  vorige  Zeit  nie  sah.  Andre  dagegen  in  un- 
gewöhnlichen Naturveränderungen,  an  den  Erdbeben, 
Stürmen  und  Ueberschwemmungen ,  oder  Kometen  und 
Luftzeichen. 

20  In  der  That  fühlen,  nicht  ohne  Ursache,  die  Menschen 
die  Last  ihrer  Existenz,  ob  sie  gleich  selbst  die  Ursache 
derselben  sind.  Der  Grund  davon  scheint  mir  hierin  zu 
liegen.  —  Natürlicherweise   eilt  in  den  Fortschritten  des 


Andern  alles  erdenkliche  Herzeleid  zufügt,  und  obenein  die 
Geschicklichkeit  und  Macht,  das  tbun  zu  können,  für  die  grösste 
Ehre  hält.  Endlich  4)  als  ein  Kloak:  wo  aller  Unrath  aus 
andern  Welten  hingebannt  worden.  Der  letztere  Einfall  ist  auf 
gewisse  Art  originell  und  einem  persischen  Witzliug  zu  vor- 
danken, der  das  Paradies,  den  Aufenthalt  des  ersten  Menschen- 
paars, in  den  Himmel  versetzte,  in  welchem  Garten  Bäume  genug, 
mit  herrlichen  Früchten  reichlich  versehen,  anzutreffen  waren, 
deren  Ueberfluss  nach  ihrem  Genuss  sich  durch  unmerkliche  Aus- 
dünstung verlor ;  einen  einzigen  Baum  mitten  im  Garten  aus- 
genommen, der  zwar  eine  reizende,  aber  solche  Frucht  trug,  die 
sich  nicht  ausschwitzen  Hess.  Da  unsere  ersten  Eltern  sich  nun 
gelüsten  Hessen,  ungeachtet  des  Verbots,  dennoch  davon  zu 
kosten;  so  war,  damit  sie  den  Himmel  nicht  beschmutzten,  kein 
andrer  Rath,  als  dass  einer  der  Engel  ihnen  die  Erde  in  weiter 
Ferne  zeigte,  mit  den  Worten:  „das  ist  der  Abtritt  für  das 
ganze  Universum,"  sie  sodann  dahinführte,  um  das  Benöthigte 
zu  verrichten,  und  darauf  mit  Hinterlassung  derselben  zum 
Himmel  zurückflog.  Davon  sei  nun  das  menschliche  Geschlecht 
auf  Erden  entsprungen. 


aller  Dinge  163 

menschlichen   Geschlechts    die   Kultur   der  Talente,    der 
Geschicklichkeit  und  des  Geschmacks  (mit  ihrer  Folge,  der 
Ueppigkeit)  der  Entwicklung  der  Moralität  vor;  und  dieser 
Zustand   ist  gerade    der  lästigste    und  gefährlichste   für 
Sittlichkeit  sowohl  als  physisches  Wohl:  weil  die  Bedürf-  5 
nisse  viel   stärker  anwachsen,   als  die  Mittel,    sie  zu  be- 
friedigen.   Aber  die  sittliche  Anlage  der  Menschheit,  die 
(wie  HoRAz'ens  poena,  pede  claudö)   ihr   immer   nach- 
hinkt, wird  sie,  die  in  ihrem  eilfertigen  Lauf  sich  selbst 
verfängt   und  oft  stolpert,  (wie  man   unter   einem  weisen  10 
Weltregierer  wohl  hoffen  darf)  |  dereinst   überholen;  und  [507] 
so  sollte  man,    selbst   nach   den  Erfahrungsbeweisen   des 
Vorzugs     der   Sittlichkeit   in   unserm    Zeitalter    in  Ver- 
gieichung  mit  allen  vorigen,    wohl  die  Hoffnung  nähren 
können,    dass  der  jüngste  Tag  eher  mit  einer  Eliasfahrt,   15 
als  mit  einer  der  Kotte  Korah  ähnlichen  Höllenfahrt  ein- 
treten und  das  Ende  aller  Dinge  auf  Erden  herbeiführen 
dürfte.     Allein   dieser   heroische   Glaube   an   die   Tugend 
scheint  doch,  subjektiv,  keinen  so  allgemeinkräftigen  Ein- 
fluss  auf  die  Gemüther  zur  Bekehrung  zu  haben,  als  der  20 
an  einen  mit  Schrecken  begleiteten  Auftritt,  der  vor  den 
letzten  Dingen  als  vorhergehend  gedacht  wird. 


Anmerkung.     Da   wir  es  hier  bloss   mit  Ideen  zu 
thun  haben  (oder  damit  spielen),   die   die  Yernunit  sich 
selbst  schafft,    wovon  die  Gegenstände  (wenn  sie   deren  25 
haben)  ganz  über  unsem  Gesichtskreis  hinausliegen,   die 
indess,    obzwar   für    das    spekulative    Erkenntniss   über- 
schwenglich,  darum   doch  nicht   in  aller  Beziehung   für 
leer  zu  halten  sind,   sondern  in  praktischer  Absicht  uns 
von   der   gesetzgebenden   Vernunft    selbst   an   die   Hand  30 
gegeben  werden,   nicht  etwa  um  über  ihre  Gegenstände, 
was    sie   an  sich  und   ihrer  Natur   nach   sind,  |  nachzu-  [508] 
grübeln,  sondern  wie  wir  sie  zum  Behuf  der  moralischen, 
auf  den  Endzweck  aller  Dinge  gerichteten  Grundsätze  zu 
denken  haben  (wodurch  sie,  die  sonst  gänzlich  leer  wären,  35 
objektive  praktische  Realität  bekommen) ;  —  so  haben  wir 
ein  freies  Feld  vor  uns,  dieses  Produkt  unserer  eigoiieu 
Vernunft:   den  allgemeinen  Begriff  von  einem  Ende  aller 
Dinge  nach  dem  Verhältniss,  das  er  zu  unserm  Erkenntniss- 

11" 


164  Das  Ende 

vennögen  hat,   einzutheilen  und  die  unter  ihm  stehenden 
zu  klassificiren. 

Diesem  nach  wird  das  Ganze  1)  in  das  natürliche*) 
Ende  aller  Dinge,  nach  der  Ordnung  moralischer  Zwecke 
5  göttlicher  Weisheit,  welches  wir  also  (in  praktischer  Ab- 
sicht)  wohl  verstehen  können,    2)  in  das  mystische 
(übel-natürliche)    Ende    derselben,    in    der    Ordnung    der 
wirkenden    Ursachen,    von    welchen    wir   nichts    ver-| 
[509]  stehen,  3)  in  das  widernatürliche  (verkehrte)  Ende 
10  aller  Dinge,   welches  von  uns  selbst,   dadurch,   dass  wir 
den  Endzweck  missverstehen,  herbeigeführt  wird,  ein- 
getheilt   und   in    drei   Abtheilungen    vorgestellt   werden: 
wovon  die  erste  soeben  abgehandelt  worden  und  nun  die 
zwei  noch  übrigen  folgen. 


15  In  der  Apokalypse  (X,  5.  6)  „hebt  ein  Engel  seine 
Hand  auf  gen  Himmel  und  schwört  bei  dem  Lebendigen 
von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit,  der  den  Himmel  erschaffen 
hat  u.  s. w. :  dass  hinfort  keine  Zeit  mehr  sein 
soll/' 

20  Wenn  man  nicht  annimmt,  dass  dieser  Engel  „mit 
seiner  Stimme  von  sieben  Donnern"  (v.  3)  habe  Unsinn 
schreien  wollen ,  so  muss  er  damit  gemeint  haben ,  dass 
hinfort  keine  Veränderung  sein  soll;  denn  wäre  in  der 
Welt  noch  Verändening,   so  wäre  auch  die  Zeit  da,    weil 

25  jene  nur  in  dieser  stattfinden  kann  und  ohne  ihre  Voraus- 
setzung gar  nicht  denkbar  ist. 

Hier  wird  nun  ein  Ende  aller  Dinge,  als  Gegenstände 
der  Sinne,  vorgestellt,  wovon  wir  uns  gar  keinen  Begriff 
machen   können :    weil   wir  uns   selbst    unvermeidlich   in 

30  Widersprüche  verfangen,  wenn  wir  einen  einzigen  Schritt 

[510]  aus    der  |  Sinnenwelt    in    die    intelligible    thun    wollen ; 

welches  hier  dadurch  geschieht,  dass  der  Augenblick,  der 


*)  Natürlich  (formaliter)  heisst,  was  nach  Gesetzen  einer 
gewissen  Ordnung,  welche  es  auch  sei,  mithin  auch  der  mora- 
lischen (also  nicht  immer  hloss  der  physischen),  nothwendig 
folgt.  Ihm  ist  das  Nichtnatürliche,  welches  entweder  das 
Uebematürliche  oder  das  Widernatürliche  sein  kann ,  entgegen- 
gesetzt. Das  Nothwendige  aus  Naturursachen  würde  auch 
als  materialiter-natürlich  fphysisch-nothwendig)  vorgestellt  werden. 


aller  Dinge  165 

das  Ende  der  erstem  ausmacht,  auch  der  Anfang"  der 
andern  sein  soll,  mithin  diese  mit  jener  in  eine  und  die- 
selbe Zeitreihe  gebracht  wird,  welches  sich  widerspricht. 

Aber  wir   sagen  auch,   dass  wir  uns  eine  Dauer   als 
unendlich  (als  Ewigkeit)  denken:  nicht  darum,  weil  wir  5 
etwa  von  ihrer  G-rösse  irgend  einen  bestimmbaren  Begriff 
haben,  —  denn  das   ist  unmöglich,  da  ihr  die  Zeit,  als 
Maass  derselben,  gänzlich  fehlt  — ;  sondern  jener  Begriff 
ist,    weil,    wo    es    keine  Zeit    giebt,   auch  kein  Ende 
statt  hat,  bloss  ein  negativer  von  der  ewigen  Dauer,  wo-  10 
durch  wir  in  unserm  Erkenntniss  nicht   um  einen  Fuss 
breit  weiter  kommen,    sondern  nur  gesagt  werden  will, 
dass  der  Vernunft  in  (praktischer)  Absicht  auf  den  End- 
zweck, auf  dem  Wege  beständiger  Verändrungen  nie  Genüge 
gethan  werden  kann ;  obzwar  auch,  wenn  sie  es  mit  dem  15 
Prinzip  des  Stillstandes  und  der  ün Veränderlichkeit  des 
Zustandes  der  Weltwesen  versucht,  sie  sich  ebenso  wenig 
in   Ansehung   ihres   theoretischen   Gebrauchs    genug- 
thun,    sondern   vielmehr    in   gänzliche  Gedankenlosigkeit 
gerathen  würde;   da  ihr  dann  nichts   übrig   bleibt,    als  20 
sich  eine  ins  Unendjliche  (in  der  Zeit)  fortgehende  Ver-  [511] 
ändrung,    im   beständigen   Fortschreiten    zum  Endzweck 
zu  denken,   bei  welchem  die  Gesinnung  (welche  nicht, 
wie  jenes,  ein  Phänomen,   sondern  etwas  üebersinnliches, 
mithin  nicht  in  der  Zeit  veränderlich  ist)  bleibt  und  be-  25 
harrlich  dieselbe  ist.    Die  Regel  des  praktischen  Gebrauchs 
der  Vernunft,   dieser  Idee  gemäss,  will  also  nichts  weiter 
sagen,   als:    wir  müssen  unsere  Maxime  so   nehmen,    als 
ob     bei   allen  ins    Unendliche    gehenden    Verändrungen 
vom    Guten    zum    Besseren    unser   moralischer   Zustand  30 
der    Gesinnung    nach    (der     homo  Noumenon,    „dessen 
Wandel  im  Himmel   ist")    gar  keinem  Zeitwechsel  unter- 
worfen wäre. 

Dass  aber  einmal  ein  Zeitpunkt  eintreten  wird,  da 
alle  Verändrung  (und  mit  ihr  die  Zeit  selbst)  aufbort,  35 
ist  eine  die  Einbildungskraft  empörende  Vorstellung.  Als- 
dann wird  nämlich  die  ganze  Natur  starr  und  gleichsam 
versteinert:  der  letzte  Gedanke,  das  letzte  Gefühl  bleiben 
alsdann  in  dem  denkenden  Subjekte  stehend  und  ohne 
Wechsel  immer  dieselben.  Für  ein  Wesen,  welches  sich  40 
seines  Daseins  und  der  Grösse  desselben  (als  Dauer)  nur 
in  der  Zeit  bewusst  werden  kann,  muss  ein  solches  Leben, 


166  Das  Ende 

wenn    es   anders  Leben    heissen    mag,    der  Vernichtung 
[512J  gleich  scheinen:  weil  es,   um  |  sich  in  einen  solchen  Zu- 
stand hineinzudenlicn,  doch  überhaupt  etwas  denken  muss; 
Denken  aber  ein  Ri^flektiren  enthält,   welches  selbst  nur 
5  in  der  Zeit  geschehen  kann.  —  Die  Bewohner  der  andeni 
Welt   werden  daher   so  vorgestellt,    wie  sie,    nach   Ver- 
schiedenheit ihres  Wohnorts  (dem  Himmel  oder  der  Hölle), 
entweder  immer  dasselbe  Lied,   ihr  Hallelujah,  oder  ewig 
ebendieselben  Jammertöne  anstimmen  (XIX,  1—6;  XX,  15): 

10  wodurch  der  gänzliche  Mangel  alles  Wechsels  in  ihrem 
Zustande  angezeigt  werden  soll. 

Gleichwohl  ist  diese  Idee,  so  sehr  sie  auch  unsere 
Fassungskraft  übersteigt,  doch  mit  der  Vernunft  in  prak- 
tischer Beziehung  nahe  verwandt.     Wenn  wir  den  mora- 

15  lis(  h-ph^^sischen  Zustand  des  Menschen  hier  im  Leben 
auch  auf  dem  besten  Fuss  annehmen,  nämlich  eines  be- 
ständigen Fortschreitens  und  Annäherns  zum  höchsten 
(ihm  zum  Ziel  ausgesteckten)  Gut;  so  kann  er  doch 
(selbst  im  Bewusstsein  der  Unveränderlichkeit  seiner  Ge- 

20  sinnung)  mit  der  Aussicht  in  eine  ewig  dauernde  Ver- 
änderung seines  Zustandes  (des  sittlichen  sowohl,  als 
physischen)  die  Zufriedenheit  nicht  verbinden.  Denn 
der  Zustand,  in  welchem  er  jetzt  ist,  bleibt  immer  doch 
ein  Uebel  vergleichungsweise  gegen  den  bessern,  in  den 
[513]  zu  treten  er  in  |  Bereitschaft  steht;  und  die  Vorstellung 
eines  unendlichen  Fortschreitens  zum  Endzweck  ist  doch 
zugleich  ein  Prospekt  in  eine  unendliche  Reihe  von 
Uebeln,  die,  ob  sie  zwar  von  dem  grössern  Guten  über- 
wogen  werden,    doch  die  Zufriedenheit  nicht  statt  finden 

30  lassen,  die  er  sich  nur  dadurch,  dass  der  Endzweck 
endlich  einmal  erreicht  wird,  denken  kann. 

Darüber  geräth  nun  der  nachgrübelnde  Mensch  in  die 
Mystik  (denn  die  Vernunft,  weil  sie  sich  nicht  leicht 
mit     ihrem   immanenten    d.  i.   praktischen  Gebrauch    bo- 

35  gnügt,  sondern  gern  im  Transscendenten  etwas  wagt,  hat 
auch  ihre  Geheimnisse),  wo  seine  Vernunft  sich  selbst, 
und  was  sie  will,  nicht  versteht,  sondern  lieber  schwärmt, 
als  sich,  wie  es  einem  intellektuellen  Bewohner  einei 
Sinnenwelt  geziemt,    innerhalb  den   Grenzen    dieser  ein- 

40  geschränkt  zu  halten.  Daher  kommt  das  Ungeheuer  von 
System  des  Laokiun  von  dem  höchsten  Gut,  das  im 
Nichts  bestehen  soll:  d.i.  im  Bewusstsein,  sich  in  den 


aller  Dinge  167 

Abgrand  der  Gottheit,  durch  das  Zusammenfliessen  mit 
derselben  und  also  durch  Vernichtung  seiner  Persönlich- 
keit, verschlungen  zu  fühlen;  von  welchem  Zustande 
die  Vorempfindung  zu  haben,  sinesische  Philosophen  sich 
in  dunkein  Zimmern  mit  geschlossenen  Augen  an | strengen,  '514] 
dieses  ihr  Nichts  zu  denken  und  zu  empfinden.  Daher 
der  Pantheismus  (der  Tibetaner  und  andrer  öst- 
lichen Völker),  und  der  aus  der  metaphysischen  Subli- 
mirung  desselben  in  der  Folge  erzeugte  Spinozismus; 
welche  beide  mit  dem  uralten  Emanationssystem  aller  10 
Menschenseelen  aus  der  Gottheit  (und  ihrer  endlichen 
Eesorption  in  ebendieselbe)  nahe  verschwistert  sind.  Alles 
lediglich  darum,  damit  die  Menschen  sich  endlich  doch 
einer  ewigen  Kühe  zu  erfreuen  haben  möchten,  welches 
denn  ihr  vermeintes  seliges  Ende  aller  Dinge  aus-  15 
macht;  eigentlich  ein  Begriff,  mit  dem  ihnen  zugleich 
der  Verstand  ausgeht  und  alles  Denken  selbst  ein  Ende  hat. 


Das  Ende  aller  Dinge,  die  durch  der  Menschen  Hände 
gehen,  ist,    selbst  bei   ihren   guten  Zwecken  Thorheit: 
das  ist,   Gebrauch  solcher  Mittel  zu  ihren  Zwecken,    die  20 
diesen  gerade  zuwider  sind.     Weisheit,  d.  i.  praktische 
Vernunft   in    der  Angemessenheit    ihrer    dem    Endzweck 
aller   Dinge,   dem    höchsten    Gut,    völlig   entsprechenden 
Maassregeln,   wohnt  allein   bei  Gott;    und  ihrer  Idee  nur 
nicht  sichtbarlich  entgegen  zu  handeln,  ist  das,  was  man  25 
etwa  menschliche  Weisheit  I  nennen  könnte.  Diese  Sicherung  [515] 
aber  wider  Thorheit,  die  der  Mensch  nur  durch  Versuche 
und     öftere     Veränderung     seiner    Plane     zu     erlangen 
hoffen   darf,    ist   mehr  „ein  Kleinod,    welchem   auch  der 
beste    Mensch    nur    nachjagen    kann,     ob    er   es    etwa  30 
ergreifen    möchte";    wovon  er  aber  niemals   sich  die 
eigenliebige    üeberredung    darf    anwandeln    lassen,    viel 
weniger   darnach    verfahren,    als    ob   er   es   ergriffen 
habe.  —  Daher  auch  die  von  Zeit  zu  Zeit  veränderten, 
oft  widersinnigen  Entwürfe  zu  schicklichen  Mitteln,   um  35 
Religion    in   einem  ganzen  Volk  lauter  und   zu- 
gleich kraftvoll  zu  machen;    so,  dass  man  wohl  aus- 
rufen kann :  arme  Sterbliche,  bei  Euch  ist  nichts  beständig, 
als  die  Unbeständigkeit! 


168  Das  ILnde 

"Wenn  es  indess  mit  diesen  Versuchen  doch  endlich 
einmal  so  weit  gediehen  ist,  dass  das  Gremeinwesen  fähig 
und  geneigt  ist,  nicht  bloss  den  hergebrachten  frommen 
Lehren,  sondern  auch  der  durch  sie  erleuchteten  praktischen 
5  Vemunft  (wie  es  zu  einer  Eeligion  auch  schlechterdings 
Dothwendig  ist)  Gehör  zu  geben;  wenn  die  (aut  mensch- 
liche Art)  "Weisen  unter  dem  "S^olk  nicht  durch  unter 
sich  genommene  Abreden  (als  ein  Klerus)  sondern  als 
Mitbürger  Entwürfe  machen  und  darin  grösstentheils 
[616]  übereinkommen,  welche  auf  |  unverdächtige  Art  beweisen, 
dass  ihnen  um  "Wahrheit  zu  thun  sei;  und  das  "Volk 
wohl  auch  im  Ganzen  (wenngleich  noch  nicht  im  kleinsten 
Detail)  durch  das  allgemein  gefühlte,  nicht  auf  Auktorität 
gegründete  Bedürfniss  der  nothwendigen  Anbauung  seiner 

15  moralischen  Anlage  daran  Interesse  nimmt:  so  scheint 
nichts  rathsamer  zu  sein,  als  Jene  nur  machen  und  ihren 
Gang  fortsetzen  zu  lassen,  da  sie  einmal,  was  die  Idee 
betrifft,  der  sie  nachgehen,  auf  gutem  Wege  sind;  was 
aber  den  Erfolg  aus  den  zum  besten  Endzweck  gewählten 

20  Mitteln  betrifft,  da  dieser,  wie  er  nach  dem  Laufe  der 
Natur  ausfallen  dürfte,  immer  ungewiss  bleibt,  ihn  der 
Vorsehung  zu  überlassen.  Denn  man  mag  so  schwer- 
gläubig sein,  wie  man  will,  so  muss  man  doch,  wo  es 
schlechterdings  unmöglich  ist,    den  Erfolg  aus  gewissen 

25  nach  aller  menschlichen  "Weisheit  (die,  wenn  sie  ihren 
Namen  verdienen  soll,  lediglich  auf  das  Moralische  gehen 
muss)  genommenen  Mitteln  mit  Gewissheit  vorauszusehn, 
eine  Konkurrenz  göttlicher  "Weisheit  zum  Laufe  der  Natur 
auf  praktische  Art  glauben,   wenn  man  seinen  Endzweck 

30  nicht  lieber  gar  aufgeben  will.  —  Zwar  wird  man  ein- 
wenden: Schon  oft  ist  gesagt  worden,  der  gegenwärtige 
Plan  ist  der  beste ;  bei  ihm  muss  es  von  nun  an  auf 
[517]  immer  |  bleiben,  das  ist  jetzt  ein  Zustand  für  die  Ewig- 
keit.   „Wer  (nach  diesem  Begriffe)  gut  ist,  der  ist  immer- 

85  hin  gut,  und  wer  (ihm  zuwider)  böse  ist,  ist  immerhin 
böse"  (Apokal.  XXII,  11);  gleich  als  ob  die  Ewigkeit 
und  mit  ihr  das  Ende  aller  Dinge  schon  jetzt  eingetreten 
sein  könne;  —  und  gleichwohl  sind  seitdem  immer  neue 
Plane,    unter   welchen   der   neueste   oft   nur  die   Wieder- 

40  herstellung  eines  alten  war,  auf  die  Bahn  gebracht  worden, 
und  es  wird  auch  au  mehr  letzten  Entwürfen  ferner- 
hin nicht  fehlen. 


aller  Dinge  169 

Ich  bin  mir  so  sehr  meines  Unvermögens,  hierin  einen 
neuen  und  glücklichen  Versuch  zu  machen,  bewusst,  dass 
ich,  wozu  freilich  keine  grosse  Erfindungskraft  gehört, 
lieber  rathen  möchte:  die  Sachen  so  zu  lassen,  wie  sie 
zuletzt  standen  und  beinahe  ein  Menschenalter  hindurch  5 
sich  als  erträglich  gut  in  ihren  Folgen  bewiesen  hatten. 
Da  das  aber  wohl  nicht  die  Meinung  der  Männer  von 
entweder  grossem  oder  doch  unternehmendem  Geiste  sein 
möchte;  so  sei  es  mir  erlaubt,  nicht  sowohl  was  sie  zu 
thun,  sondern  wogegen  zu  Verstössen  sie  sich  ja  in  Acht  zu  10 
nehmen  hätten,  weil  sie  sonst  ihrer  eigenen  Absicht  (wenn 
sie  auch  die  beste  wäre)  zuwider  handeln  würden,  be- 
scheidentlich  anzumerken.  | 

Das  Christenthum  hat,   ausser  der  grössten  Achtung,  [518] 
welche  die  Heiligkeit  seiner  Gesetze  unwiderstehlich  ein-  15 
flösst,  noch  etwas  Liebenswürdiges  in  sich.   (Ichmeino 
hier  nicht  die  Liebenswürdigkeit  der  Person,  die  es  uns  mit 
grossen  Aufopferungen  erworben  hat,  sondern  der   Sache 
selbst:  nämlich  der  sittlichen  Verfassung,  die  Er  stiftete; 
denn  jene  lässt  sich  nur  aus  dieser  folgern.)  Die  Achtung  20 
ist  ohne  Zweifel  das  Erste,  weil  ohne  sie  auch  keine  wahre 
Liebe   stattfindet;  ob  man  gleich  ohne  Liebe  doch  grosse 
Achtung  gegen  Jemand  hegen  kann.    Aber  wenn  es  nicht 
bloss  auf  Pfiichtvorstellung,  sondern  auch  auf  Pfiichtbefolgung 
ankommt,  wenn  man  nach  dem  subjektiven  Grunde  der  25 
Handlungen  fragt,  aus  welchem,  wenn  man   ihn  voraus- 
setzen darf,  am  ersten  zu  erwarten  ist,  was  der  Mensch 
thunwerde,  nicht  blos  nach  dem  objektiven,  was  er  t  h  u  n 
soll;   so   ist  doch   die  Liebe,  als  freie   Aufnahme   des 
Willens   eines   Andern  unter  seine  Maximen,  ein  unent-  30 
behrliches    Ergänzungsstück    der    UnvoUkommenheit   der 
menschlichen  Natur  (zu  dem,  was  die  Vernunft  durch  Gesetz 
vorschreibt,  genöthigt  werden  zu  müssen) :  denn  was  Einer 
nicht  gern  thut,  das  thut  er  so  kärglich,  auch  wohl  mit 
sophistischen  Ausflüchten  vom  Ge|bot  der  Pflicht,  dass  auf  [519] 
diese,  als  Triebfeder,    ohne  den  Beitritt  jener  nicht  sehr 
yiel  zu  rechnen  sein  möchte. 

Wenn    man    nun,    um  es  recht  gut  zu  machen,  zum 
Christenthum  noch  irgend  eine  Auktorität  (wäre  es  auch 
die  göttliche)  hinzuthut,  die  Absicht  derselben  mag  auch  40 
noch  so  wohlmeinend  und  der  Zweck  auch  wirklich  noch  so 
gut  sein,  so  ist  doch  die  Liebenswürdigkeit  desselben  ver- 


170  Das  Ende 

schwimden ;  denn  es  ist  ein  Widerspruch,  Jemanden  zu  ge- 
bieten, dass  er  etwas  nicht  allein  thue,  sondern  es  auch 
gern  thun  solle. 

Das  Christenthum  hat  zur  Absicht:  Liebe  zudem  Ge- 
5  schäftder  Beobachtung  seiner  Pflicht  überhaupt  zubefördern, 
und  bringt  sie  auchhervor ;  weil  der  Stifter  desselben  nicht  in 
der  Qualität  eines  Befehlshabers,  der  seinen  Gehorsam 
fordernden  Willen,  sondern  in  der  eines  Menschenfreundes 
redet,  derseinen  Mitmenschen  ihren  eignen  wohlverstandenen 

10  Willen,  d.  i.  wornach  sie  von  selbst  freiwillig  handeln  würden, 
wenn  sie  sich  selbst  gehörig  prüften,  ans  Herz  legt. 

Es  ist  also  die  liberale  Denkungsart,  — gleichweir 
entfernt  vom  Sklavensinn  und  von  Bandenlosigkeit,  —  wovon 
das  Christenthum  für  seine  Lehre  Effekt  erwartet,  durch  die 
[520]  es  die  Herlzen  der  Menschen  für  sich  zu  gewinnen  ver- 
mag, deren  "Verstand  schon  durch  die  Vorstellung  des  Ge- 
setzes ihrer  Pflicht  erleuchtet  ist.  Das  Gefühl  der  Frei- 
heit in  der  Wahl  des  Endzwecks  ist  das,  was  ihnen  die 
Gesetzgebung  liebenswürdig  macht.  —  Obgleich  also  der 

20  Lehrer  desselben  auch  Strafen  ankündigt,  so  ist  das  doch 
nicht  so  zu  verstehen,  wenigstens  ist  es  der  eigenthümlichen 
Beschaffenheit  des  Christenthums  nicht  angemessen,  es  so 
zu  erklären,  als  sollten  diese  die  Triebfedern  werden,  seinen 
Geboten  Folge  zu  leisten:  denn  sofern  würde  es  aufhören, 

25  liebenswürdig  zu  sein.  Sondern  man  darf  dies  nur  als  lieb- 
reiche, aus  dem  Wohlwollen  des  Gesetzgebers  entspringende 
Warnung,  sich  vor  dem  Schaden  zu  hüten,  welcher  unvermeid- 
lich aus  der  Uebertretung  des  Gesetzes  entspringen  müsste 
(denn:   lex  est   res  stirda   et  inexorahüis ,   Livius)   aus- 

30  legen;  weil  nicht  das  Christenthum,  als  freiwillig  ange- 
nommene Lebensmaxime,  sondern  das  Gesetz  hier  droht: 
welches,  als  nnwanilelbar  in  der  Natur  der  Dinge  liegende 
Ordnung,  selbst  nicht  der  Willkür  des  Schöpfers,  die  Folge 
derselben  so  oder  anders  zu  entscheiden,  überlassen  ist. 

35         Wenn  das  Christonthum  Belohnungen  verheisstfz.  B. 

[521]  „Seid  fröhlich  und  getrost,  es  wird  |  Euch  im  Himmel  Alles 

wohl  vergolten  werden"),  so  muss  das  nach  der  liberalen 

Denkungsart  ni(ht  so  ausgelegt  werden,  als  wäre   es  ein 

Angebot,  um  dadurch  den  Menschen  zum  guten  Lebenswandel 

40  gleichsam  zu  dingen:  denn  da  würde  das  Christenthum 
wiederum  iür  si^-h  solbht  nicht  liebenswürdig  sein.  Nur  ein 
Ansinnen  solcher  Handlungen,  die  aus  uneigennützigen  Be- 


aller  Dinge  171 

weggründen  crtspriBgCD,  tann  gegen  den,  welcher  das 
Ansinnen  thut,  dem  Menschen  Achtang  einflössen;  ohne 
Achtung  aber  giebt  es  keine  wahre  Liebe.  Also  muss  man 
jener  Yerheissung  nicht  den  Sinn  beilegen,  als  sollten  die 
Belohnungen  für  die  Triebfedern  der  Handlungen  ge-  5 
nommen  werden.  Die  Liebe,  wodurch  eine  liberale  Denl^art 
an  einen  Wohlthäter  gefesselt  wird,  richtet  sich  nicht  nach 
dem  Guten,  was  der  Bedürftige  empfängt,  sondern  bloss  nach 
der  Gütigkeit  des  Willens  dessen,  der  geneigt  ist,  es  zn 
ertheilen:  sollte  er  auch  etwa  nicht  dazu  vermögend  sein  10 
oder  durch  andre  Beweggründe,  welche  die  Rücksicht  auf 
das  allgemeine  Weltbeste  mit  sich  bringt,  an  der  Aus- 
führung gehindert  werden. 

Dass    die   moralische    Liebenswürdigkeit,    welche   das 
Christenthum   bei  sich   führt,  die  durch  manchen  ausser-  15 
lieh  ihm  beigefügten  Zwang  bei  |  dem  öftern  Wechsel  der  [522] 
Meinungen  immer  noch  durchgeschimmert  und  es  gegen  die 
Abneigung  erhalten  hat,  die  es  sonst  hätte  treffen  müssen, 
und   welche  (was  merkwürdig  ist)   zur  Zeit  der  grössten 
Aufklärung,  die  je  unter  Menschen   war,  sich   immer  in  20 
einem  nur  desto  helleren  Lichte  zeigt[,  ihm  auch  nur  in 
der  Folge  die  Herzen  der  Menschen  erhalten  könne,  ist  nie 
aus  der  Acht  zu  lassen]*). 

Sollte  es  mit  dem  Christenthum  einmal  dahin  kommen, 
dass  es  aufhörte,  liebenswürdig  zu  sein  (welches  sich  wohl  25 
zutragen  könnte,  wenn  es,  statt  seines  sanften  Geistes,  mit 
gebieterischer  Auktorität  bewaffnet  würde),  so  müsste,weil  in 
moralischen  Dingen  keine  Neutralität  (noch  weniger  Koalition 
entgegengesetzter  Prinzipien)  stattfindet,  eine  Abneigung  und 
Widersetzlichkeit  gegen  dasselbe  die  herrschende  Denkart  30 
der  Menschen  werden;  und  der  Antichrist,  der  ohnehin 
für  den  Vorläufer  des  jüngsten  Tages  gehalten  wird,  würde 
sein  (vermuthlich  auf  Furcht  und  Eigennutz  gegründetes), 
obzwar  kurzes  Eegiment  anfangen:  alsdann  aber,  weil  das 
Christenthum   allgemeine  Weltreligion    zu  sein  zwar  be-  35 
stimmt,  aber  es   zu   werden   von   dem    Schicksal  nicht 
begünstigt  sein  würde,   das   (verkehrte)  Ende   aller 
Dinge  in  moralischer  Rücksicht  eintreten. 

Königsberg.  L  KANT. 


*)  Die  Worte  in  [  ]   sind  von     TiEFTRUKK  ergänzt. 


Inhaltsangabe 

Solle 

I.  Versach  einiger  Betrachtung^en  über  den   Opti- 
mismus.    1759.  1 

II.  Der  einzig:  mö^liclie  Beweisgrrund   zu   einer  De- 
monstration des  Daseins  Gottes.    1763.     ...    11 

Vorrede 13 

Erste  Abtbeilung.    Worin  der  Beweisgrimd  zur 
Demonstration  des  Daseins  Gottes   geliefert  wird     19 

1.  Betracht.     Vom  Dasein  überhaupt 19 

2.  Betracht.      Von   der  inneren   Möglichkeit,    in- 
sofern sie  ein  Dasein,  voraussetzt      ....        27 

3.  Betracht.  Von  dem  schlechterdings  nothwen- 
digen  Dasein 32 

4.  Betracht.  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration 
des  Da.seins  GOttes 39 

Zweite    Abtheilung.      Von    dem    weitläuftigen 
Nutzen,   der   dieser  Beweisart  besonders  eigen  ist    45 

1.  Betracht.  Worin  aus  der  angeuomraenen  Ein- 
heit in  dem  Wesen  der  Dinge  auf  das  Dasein 
GOttes  a  posteriori  geschlossen  wird    ....    45 

2.  Betracht.  Unterscheidung  der  Abhängigkeit 
aller  Dinge  von  GOtt  in  die  moralische  und 
unmoralische 53 

3.  Betracht.  Von  der  Abhängigkeit  der  Dinge 
der  Welt  von  GOtt  vermittelst  der  Ordnung 
der  Natur  oder  ohne  dieselbe 57 

4.  Betracht.  Gebrauch  unseres  Beweisgrundes  in 
Beurtheiluug  der  Vollkommenheit  einer  Welt 
nach  dem  Laufe  der  Natur 62 

5.  Betracht.  Von  der  Unzulänglichkeit  der  ge- 
wöhnlichen Methode  der  Physikotheologie    .     .     71 

6.  Betracht.  Verbesserte  Methode  der  Physiko- 
theologie    ..............     80 

7.  Betracht.     Kosmogonie 9G 

8.  Betracht.     Von  d.-r  göttlichen  AUgenugsamkeit  Ul 
DritteAbtheiluug.    Worin  dargethan  wird,  dass 

ausser  dem  angeführten  Beweingrund  kein  anderer 
zu  einer  Demonstration  vom  Dasein  GOttes  mög- 
lich bei 116 

III.  Einige  Bemerkungen  zu  Ludw.  Ueinricb  Jakob^s 
Prüfung  der  Mendelssohn^schen  Morgenstunden 

178« 125 

IT.  Ueber   das  Mlsslingen  aUer  philosophi»chen  Ver- 
suche in  der  Tlieodicee.    17i)1.  133 

V.  Dan  Ende  aUer  Dinge.     1791 155 


Verlag  von   Felix   Meiner  in  Leipzig. 

Geist  und  Körper,  Seele  und  Leib. 

Von  Ludwig  Busse, 

weiland  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Halle. 

1903.     X,  488  S.     Preis  M.  8.50,  geb.  M.  9.50. 

Das  Buch  behandelt  das  Verhältnis  des  Psychischen  zum  Physischen  in 
umfassender  Weise.  Nachdem  der  Materialismus  kurz  charakterisiert  und  wider- 
legt worden  ist,  erörtert  Busse  in  eingehender  Weise  die  Streitfrage :  Psycho- 
physischer  Parallelismus  oder  psychophysische  Wechselwirkung?  Die  verschie- 
denen Formulierungen  des  parallelistischen  Gedankens  werden  dargelegt,  die 
Schwierigkeiten,  welche  ihn  unmöglich  machen,  erörtert.  Alsdann  wird  gezeigt, 
daß  die  Wechselwirkungslehre  durch  das  Prinzip  der  Geschlossenheit  der  Natur- 
kausalität nicht  unmöglich  gemacht  wird,  mit  dem  Prinzip  der  Erhaltung  der 
Energie  aber  sehr  wohl  vereinbar  ist.  —  „Eine  glänzende  systematische  Dar- 
stellung" urteilte  die  Allgemeine  Zeitung. 

Grundriß  der  Religionsphilosophie. 

Von  DDr.  A.  Dorner, 

o.  Professor  der  Theologie  an  der  Universität  in  Königsberg. 

1903.     XVIII,  448  S.     Preis  M.  7.—,  geb.  M.  8.50. 

Zu  den  hervorragendsten  Erscheinungen  der  heutigen  Religionswissenschaft 
gehört  ohne  Zweifel  der  Grundriß  der  Religionsphilosophie  von  Aug.  Dorner. 

Otto  Pf  leiderer  in  den  Protestant.  Monatsheften. 

Dorners  Buch  steht  im  schärfsten  Gegensatz  zu  der  Anschauung,  daß  die  Reli- 
gion wissenschaftlich  nur  als  Objekt  der  Psychologie  u.  Geschichte  in  Betracht 
komme.  Die  Religionsphilosophie  ist  nach  ihm  ein  Zweig  der  Metaphysik  und 
zwar  der  Metaphysik  des  Geistes,  welche  sich  zu  Ethik  und  Religionsphilosophie 
spezialisiert ....  Alles  was  man  an  dem  Buche  etwa  aussetzen  mag,  wird  reichlich 
aufgewogen  durch  die  unbekümmert  um  das  wissenschaftliche  Parteigetriebe  ihren 
eigenen  geraden  Weg  verfolgende  Selbständigkeit  des  Denkens,  welche  auch  dies 
neueste  Werk  Dorners  auszeichnet  und  es  in  die  Reihe  der  Bücher  stellt,  aus  denen 
man  wirklich  etwas  lernen  kann.  Monatsschrift  für  höhere  Schulen. 


Encykiopädie  der  Philosophie. 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Erkenntnistheorie  und 

Kategorienlehre. 

Von  DDr.  A.  Dorner, 
o.  Professor  der  Theologie  an  der  Universität  in  Königsberg. 

1910.     343  S.    Preis  in  steifen  Karton  geheftet  M.  6.—. 

Inhalt:  I.  Phänomenologische  Untersuchung.  Kritische 
Sichtung.  S.  5 — 42.  Die  Wahrnehmung  und  die  Formen  des  empirischen 
Denkens.  Der  Aufbau  der  Wissenschaften.  S.  42—115.  Kategorienlehre 
S.  115—280.  II.  Die  Aufgabe  der  Philosophie  und  ihre  Teile. 
S.  284—334. 


Die  transzendentale   und   die   psycholo- 
gische Methode. 

Eine  grundsätzliche  Erörterung  zur  philosophischen  Methodik. 

Von  Dr.   Max   F.  Scheler, 

Privatdozent  der  Philosophie  an  der  Universität  in  München. 

184  S.     Preis  M.  4.—. 

Kein  Theologe,   der  es  mit   seiner  Wissenschaft  ernst  nimmt,    darf  diese 
geistvolle,  lebendig  geschriebene  Abhandlung  übersehen. 

Theologischer  fahr esbericht. 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 

Das  Wahrheitsproblem  unter 
kulturphilosophischem  Gesichtspunkt. 

Von  Dr.   Hermann    Leser, 

a.  0.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  in  Erlangen. 

1901.    VI,  90  S.    Preis  M.  2.—. 

Der  Verfasser  ist  in  die  Schule  Kants  gegangen,  insofern  als  er  überall  an 
dessen  transzendentale  Methode  anknüpft.  Er  sucht  aber  das  Werk  Kants  zu 
vertiefen  und  zu  erweitern.  Er  sucht  dies  weniger  durch  eine  wesentliche  Ab- 
änderung der  transzendentalen  Methode  selbst  zu  erreichen,  sondern  gleichsam 
nur  durch  eine  Erweiterung  des  Arbeitsfeldes  dieser  Methode  und  durch  eine  Ab- 
änderung ihres  Angriffspunktes  .  .  .  Die  Schrift  bildet  eine  wirklich  lohnende 
Lektüre  und  kann  zur  Klärung  der  philosophischen  Grundbegriffe  nur  beitragen. 

Dejitsche  Literaturzeiiung. 

Das  Problem  der  Theodicee 

in   der   Philosophie    und   Literatur   des    18.  Jahrhunderts 

bis  auf  Kant  und  Schiller. 

Gekrönte  Preisschrift  der  Walter  Simon-Preisaufgabe  der 
Kantgesellschaft. 

Von  Dr.  Otto   Lempp, 

Privatdozent  an  der  Universität  Kiel. 

1910.     VI,  432  S.     Preis  M.  9.—. 

Eine  sorgfältige,  erschöpfende,  streng  wissenschaftliche  und  dabei  doch  gut 
lesbare  Schrift,  die  über  diese  viel  umstrittenen  Gedankengänge  Abschließendes 
bietet  .  .  .  Wer  sich  in  den  mannigfachen  Qottesbeweisen  und  den  Anschauungen 
über  die  Willensfreiheit  zurechtfinden  will,  muß  zu  diesem  Buche  greifen.  Man 
wird  immer  wieder  staunend  gewahr,  welche  Erkenntnisschätze  in  unserer  klassi- 
schen Zeit  des  Idealismus  oft  noch  so  ungehoben  liegen. 

Pfarrer   Traub  in  der  Christlichen  Freiheit. 

Zur  Wiedergeburt  des  Idealismus. 

Von  Dr.   Fcrd.  Jak.  Schmidt, 

Direktor  der  Margaretenschule  in  Berlin. 

1908.     VIII,  325  S.     Preis  M.  6.—,  geb.  M.  7.—. 

Aus  dem  Inhalt:  Kapitalismus  und  Protestantismus.  Der  mittelalter- 
liche Charakter  des  kirchlichen  Protestantismus.  Der  theologische  Positivis- 
mus. Adolf  Harnack  und  die  Wiederbelebung  der  spekulativen  Forschung. 
Das  Erlebnis  und  die  Dichtung.  Goethe  und  das  Altertum.  Kant-Orthodoxie. 
Die  Philosophie  auf  den  höheren  Schulen.  Die  Frauenbildung  und  das  klas- 
sische Altertum. 
Was  F.  J.  Schmidt  in  diesen  gesammelten  philosophischen  Studien  zu  sagen 
hat,  geht  uns  alle  von  Herzen  an.    Der  Qedankeninhalt   ist  so  groß  und   wohl- 

Eeordnet,  daß  es  ein  Jammer  wäre,  einzelne  Gedanken  herauszubrechen  und  dem 
eser  zu  zeigen.  Eine  zusammenfassende  Darstellung  wieder  der  Grundgedanken 
hieße  sie  herausnehmen  aus  dem  lebendigen  Zusammenhang,  in  dem  sie  durch 
den  glänzenden  Stil  plastisch  hervortreten,  gleichsam  leben  vor  den  Augen  des 
Lesers  ...  Ich  bin  durch  diese  gedankentiefen,  großzügigen  Ausführungen  ein 
anderer  geworden,  fester  in  meiner  wissenschaftlichen  Erkenntnis,  die  neue  Ge- 
stalt und  Tiefe  gewonnen  hat,  freier  und  sicherer  in  meinem  religiösen  Leben, 
froher  in  meinem  Pfarrerberuf,  stolzer  als  Protestant  und  deutscher  Bürger. 

Protestantenblatt . 


Verlag   von   Felix   Meiner   in   Leipzig. 

Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie. 

Ein  historisch-kritischer  Versuch. 

Von  Dr.   Raoul    Richter, 

a.  o.  Professor  der  Philosophie  aa  der  Universität  Leipzig. 

Zwei  Bände.     1904  und  1908.    388  und  590  S. 

Preis  geh.  IM.  14.50,  geb.  M.  17.50. 

Das  gehaltreiche  Werk  kann  allen  zur  Lektüre  empfohlen  werden ,  die  an 
dem  einseitigen  Vorurteil  von  der  Unfruchtbarkeit  und  Wissenschaftsfeindlichkeit 
eines  begründeten  Skeptizismus  und  seiner  Verwechselung  mit  einem  nihilistischen 
Agnostizismus  noch  festhalten.  Ganz  besonders  aber  kann  es  dem  Dogmatismus 
aller  Schattierungen  als  .,heilsames  Zuchtmittel  im  Dienste  der  Wahrheit"  ans 
Herz  gelegt  werden :  zum  Heil  der  Philosophie  als  der  systematische  Versuch 
einer  wissenschaftlichen  Begründung  unserer  Wertschätzungen. 

Archiv  für  die  gesamte  Psychologie. 

Friedrich  Nietzsche.     Sein  Leben  und 

sein  Werk. 

Von  Dr.  Raoul   Richter, 

a.  o.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Leipzig. 

2..  umgearbeitete  u.  vermehrte  Aufl.    1909.    VIII,  356  S. 

Preis  M.  4.80,  geb.  M.  6.—. 

Das  Buch  erhält  seinen  spezifischen  Charakter  durch  das  von  vornherein 
klar  formulierte  und  konsequent  durchgeführte  Programm :  Nietzsche  im  strengsten 
Sinne  des  Worts  phi  1  osophiegeschicht lieh  zu  behandeln,  also  im  Gegensatz 
zu  allen  kulturgeschichtlichen,  psychologischen  und  pathographischen  Darstellungen 
zum  Verständnis  des  logischen  Gedankengehalts  seiner  Lehre  zu  führen,  die  von 
ihm  aufgeworfenen  Probleme  auf  die  Richtigkeit  der  Fragestellung,  die  von  ihm 
gegebenen  Lösungen  auf  ihre  innere  Möglichkeit  hin  zu  prüfen,  kurz :  Nietzsches 
Denken  als  ein  philosophisches  Bemühen  um  philosophische  Probleme  ernst  zu 
nehmen.  Daß  ein  solches  Buch  in  unserer  Literatur  über  Nietzsche  —  man  darf 
sagen  eine  Notwendigkeit  ist,  braucht  nicht  hervorgehoben  zu  werden. 

Archiv  für  Psychologie, 

Friedrich  Nietzsche:  Also  sprach 
Zarathustra. 

Erklärt  und  gewürdigt 

von  Oberlehrer  Hans  Weichelt. 

1910.     VIII,  319  S.     Preis  M.  5.—,  geb.  M.  6.20. 

Dies  Buch,  edel  in  Sprache  und  Gedankenbildung,  inhaltlich  ebenso  ausge- 
zeichnet wie  in  der  Form,  von  außerordentlicher  Sachkenntnis  und  Belesenheit 
zeugend,  wird  sich  seinen  Platz  in  der  ernst  zu  nehmenden  Nietzsche-Literatur 
erobern.  Neues  Sächsisches  Kirchenhlatt, 

Wir  besitzen  schon  mehrere  Kommentare  zum  „Zarathustra",  aber  keinen, 
den  man  weiteren  Kreisen  mit  so  gutem  Gewissen  empfehlen  kann,  wie  den  un- 
längst erschienenen  von  Hans  Weichelt.  Er  gehört  zu  dem  Besten,  was  über 
Nietzsche  geschrieben  worden  ist,  und  zeichnet  sich  vor  allem  dadurch  aus,  daß 
ihn  ein  Mann  geliefert  hat,  der  Nietzsche  versteht  und  verehrt  und  ihn  doch  nicht 
adoriert,  sondern  freimütig  und  herzhaft  kritisiert.  .  .  .  Aller  Pedanterie  abgeneigt, 
erweist  sich  Weichelt  als  selbständiger  und  geschmackvoller  Interpret,  der  fein- 
fühlig nachzuempfinden,  geschickt  zu  reproduzieren  und  prägnant  zu  formulieren 
vermag  Berliner   Tageblatt, 


Verlag  von   Felix   Meiner  in   Leipzig. 

Die  Religion. 

Einführang  in  ihre  Entwicklungsgeschichte. 
Von  C.  Schaarschmidt, 

weiland  o.  Professor  an  der  Universität  Bonn. 

1907.     VIII,  253  S.     Preis  M.  4.40,  geb.  M.  5.40. 

Der  Verfasser  hat  sich  die  .Aufgabe  gestellt,  eine  Einführung  in  die  Entvtick- 
lungsgeschichte  der  Religion  zu  schreiben,  und  man  wird  ihm  nach  der  Lektüre  des 
fließend  und  geistvoll  geschriebenen  Buches  bestätigen,  daß  er  dieser  Aufgabe  ge- 
recht geworden  ist.  Man  fühlt  stets,  daß  hinter  den  Zeilen  eine  frische,  von 
warmem  Enthusiasmus  getragene  Persönlichkeit  steht,  die  nach  Klarheit  über  die 
tiefsten  Probleme  der  Menschheit  gestrebt  hat  und  nun  für  das  Ergebnis  ihres 
Forschens  und  Denkens  in  Wort  und  Schrift  eintreten  will. 

Jahresberichte  der   Geschichtswissenschaft. 

Gesammelte  Aufsätze  zur  Philosophie 
und  Lebensanschauung. 

Von  Dr.   Rudolf   Eucken, 

o.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  zu  Jena. 

1903.     IV,  242  S.     Preis  M.  4.20,  geb.  M.  5.20. 

Diese  dankenswerte  Sammlung  philosophischer  Aufsätze  von  Eucken  verdient 
eine  besondere  Würdigung,  da  sie  als  Einführung  in  seine  eigenartige  Lebens- 
anschauung wohl  dienen  und  gleichsam  rückwirkend  eine  Art  Präludium  für  seine 
bereits  erschienenen  größeren  Werke  abgeben  kann.  .  .  .  Die  Vornehmheit  und 
der  Reichtum  der  Diktion  braucht  bei  .Aufsätzen  aus  der  Feder  Euckens  nicht  erst 
hervorgehoben  zu  werden;  daß  eine  gewisse  persönliche  Wärme  hier  mehr  zur 
Geltung  kommt  als  in  den  größeren  systematischen  Arbeiten,  gibt  dem  Ganzen 
etwas  Intimes,  dem  wir  unser  Entgegenkommen  nicht  versagen  können. 

Archiv  für  Psychologie. 

Wenn  irgend  Gelegenheitsschriften  die  Probe  der  Sammlung  und  Ausgabe 
in  Buchform  "länzend  bestehen,  so  sind  es  die  Euckens.  Sie  reichen  auf  dem 
Gebiete  der  Philosophie  nahe  an  das  heran,  was  die  wundervollen  Aufsätze 
Treitschkes  uns  auf  historischem,  die  A\ichael  Bernays'  auf  literarhistorischem 
Gebiet  geben.  Deutsche  Literatur- Zeitung. 

Platos  Ideenlehre. 

Eine  Einführung  in  den  Idealismus. 
Von  Dr.   Paul   Natorp, 

o.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  in  Marburg. 

1903.     VIII,  474  S.     Preis  geb.  M.  8.70. 

Ein  Werk,  das  in  den  hellsten  Vordergrund  philosopliischen  Interesses  ge- 
hört, eins  der  bedeutsamsten  der  Philosophiegeschichte  überhaupt,  wie  in  den 
letzten  Jahrzehnten  nur  sehr,  sehr  wenige  erschienen  sind  von  ähnlich  zentralem 
Interesse,  ähnlicher  wissenschaftlicher  Intensität,  Energie  und  Kühnheit!  Eme 
völlige  Neuauffassung  Platos!  Ein  kraftvolles  Werk  aus  einem  Guß  und  eigener 
Kraft!  ...  In  Summa:  Dies  Werk  zieht  an  dem  früheren  Plato  eine  neue  Seite 
hervor  und  stellt  den  späteren  Plato  (vom  Parnienides  an)  zum  ersten  Male  ins 
volle,  helle,  rechte  Licht;  aber  wie  in  der  Renaissance  führt  hier  der  historische 
Kampf  für  Plato  gegen  Aristoteles  in  heute  nötigster  tiefster  Selbstbesinnung  zur 
Lebensfrage  der  Philosophie,  der  Wissenschaft,  der  Erziehung.  Soll  die  Wissen- 
schaft mit  dem  Realismus  noch  mehr  herabsinken  zur  Beschreibung  und  nicht 
wieder  Methode  werden?  So  verstehe  ich's.  In  diesem  Sinne  ist  dies  Buch  eine 
Erziehung  zum  Idealismus.    In  diesem  Sinne  hat  es  Plato  im  Innersten  verstanden. 

Karl  Joe l  itt  der  „Deutschen  Literaturzeitung**. 


Katalog  der 
Philosophischen  Bibliothek. 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


m 


Neuersclielnun$en  \n\j)  des  Jahres  1910/11 

Vorländer,  Karl.  GescMclite  der  PhilosopMe.  Zwei  Bände. 
3.  Auflage.  I.  Altertum,  Mittelalter  und  Übergang  zur  Neuzeit. 
II.  Philosophie  der  Neuzeit.  Preis  M.  8.10,  geb.  M.  10.— 

Kirchner'*  "Wörterbuch,  der  philo sophischen  Grundbegriffe. 

6.  Auflage.     Dritte   Neubearbeitung    von   Stadtschulrat    Dr.   Carl 
Michaelis.     YIII,  1124  S.         Preis  geh.  M.  12.50,  geb.  M.  14.— 

Aristoteles.  Nikomachische  Ethik.  2.  Auflage.  Neu  übers, 
u.  erläut.  v.  Dr.  theol.  Eug.  Rolfes.      Preis  M.  3.20,  geb.  M.  3-80 

Aristoteles.  Drei  Bücher  über  die  Seele.  Neu  übers,  v.  Gymn.- 
Dir.  Dr.  A.  Busse.  1911.  XX,  94  u.  27  S.   Preis  M.  2.20,  geb.  M.  2.70 

Fichte.  "Werke.  Bd.  I.  Mit  Einltg.  von  Prof.  Dr.  F.  Medicus. 
(Früher  erschienen  Bd.  II— V.)     Preis  M.  7.—,  in  Hfz.  geb.  M.  9.— 

Hegel.     Grundlinien   der  Philosophie  des  Rechts.    Mit  den 

von  Gans   redigierten  Zusätzen   aus  Hegels  Vorlesungen   neu  her- 
ausgeg.  von  Dr.  Georg  Lasso n;  Preis  M.  5.40,  geb.  M.  6. — 

Humboldt,  Wilh.  von.  Ausgewählte  phüosophische  Schrif- 
ten.   Hrsgeg.  V.  Dr.  Joh.  Schubert.     Preis  M.  3.40,  geb.  M.  4. — 

PlatO.  Theätet.  2.  Auflage,  neu  übers,  und  erläut.  von  Geh.  Rat 
Dr.  Otto  Apelt.  Preis  M.  3.40,  geb.  M.  4.— 

Schiller.  Philosophische  Schriften  und  Gedichte.  Mit  aus- 
führl.  Einleitg.  herausgeg.  von  Prof.  Dr.  Eugen  Kühnemann. 
2.,  vermehrte  Auflage.  Preis  M.  4.50,  geb.  M.  5.20 

Schleiermacher,  Friedrich.  Grundriß  der  philosophischen 
Ethik.  In  der  Twestenschen  Passung  neu  hrsg.  von  1).  Fried- 
rich M.  Schiele.  Preis  M.  2.80,  geb.  M.  3.40 

Schleiermacher.  "Werke  in  4  Bdn.  Mit  Geleitwort  von  Prof.  D. 
Dr.  Dorn  er  hrsg.  v.  Priv.-Doz.  Dr.  0.  Braun  (s.  Verzeichnis). 

Ober  das  Wesen  der  Universität.    Abhandlungen  von 

Fichte,  Schleiermacher,  Steffens.    Mit  e.  Einltg.  hrsgeg.  v. 
Priv.-Doz.  Dr.  Eduard  Spranger.        Preis  M.  4. — ,  geb.  M.  5. — 

Zu  beziehen  durch: 


Verlag  von   Felix   Meiner  in   Leipzig. 


Philosophische  Bibliothek. 

Sammlung    der    philosophischen    Hauptwerke    alter    und  neuer    Zeit 

übersetzt  und  erläutert  von  namhaften  Gelehrten. 
Die  neu  herausgegebenen  Bände  zeichnen  sich  durch  genaue  Register 
aus  und  erleichtern  somit  den  Gebrauch  der  Schriften  außerordentlich. 
Jeder  Band  ist  einzeln  zu  beziehen! 
Band  M  ^ 

*2  Aristoteles.  Metaphysik.  Übersetzt  u.  mit  e.  Lebensbeschrei- 
bung des  Aristoteles,  sowie  mit  Erläuterungen  versehen  von 
Dr.  E.  Rolfes.     Bd.  L    1904.    18,   162  u.  36  S.  (geb.  3.—)      2.50 

3 Bd.  IL    1904.    164u.  46S.  (geb.-3.— ) .      2.50 

5  —  Nikomachische  Ethik.  2.  Aufl.  Neu  übersetzt  und  mit  einer 
Einleitung  und  erklärenden  Anmerkungen  versehen  von  Dr. 
theol.  Eug.  Rolfes.     XXIV,  234  u.  40  S.     (geb.  3.80)       .      3.20 

Das  Bestreben,  den  inneren  Zusammenhang'  hervortreten  zu 
lassen,  charakterisiert  die  Übersetzung:  Rolfes'  und  führt  nebst 
glücklicher  Wahl  des  deutschen  Ausdrucks  zu  einer  flüssigen,  auch 
an  schwierigen  Stellen  verständlichen  Sprache. 

Monatshefte  für  Mathematik  und  Physik. 

7     —  PoUtik.     38,  268  S.   (geb.  3.—) 2.50 

9-13—  Organon  kompl.  126,  606  S.    (geb.  6.—) 5.10 

Daraus  einzeln: 

9     —  Kategorien  und  Hermeneutica.     12,  82  S.    (geb.  1.40)      .     .      1. — 

10  —  Erste  Analytiken,  oder:  Lehre  vom  Schluß.  172  S.  (geb.  1.20)  —.80 

11  —  Zweite  Analytiken,  oder:   Lehre  vom  Erkennen.     136  S.  .     .  — .80 

12  —  Topik.     32,  206  S.     (geb.  2.40) 2.— 

13  —  Sophistische  Widerlegungen.     26,  66  S.    (geb.  0.90)      .     .     .  —.50 

14—18  —  —  Erläuterungen  zum  Organon  kompl.    729  S.  (geb.  3.80)  .      3.— 

Auch  einzeln  zu  beziehen. 

*  —  Ars  poetica.     Ed.  Fr.  Ueberweg.     40  S —.40 

20  Berkeley.     Abhandlung  über  die  Prinzipien  der  menschlichen 

Erkenntnis.     Übers,  u.  mit  Anm.  versehen  von  Friedrich 
Ueberweg.    4.  Aufl.   1906.     166  S.     (geb.  2.50)     ....      2.— 
102     —  Drei  Dialoge  zwischen  Hylas  und  Philonous.  Übers,  u.  eingel. 

von  Prof.  Raoul  Richter.  1901.  XXVII,  131  S.  (geb.  2.50)      2.— 

21  Bruno,  Giprdano.     Von  der  Ursache,   dem  Prinzip  und  dem 

Einen.  Übers,  u.  mit  Anm,  versehen  von  Prof.  Adolf  Lasson. 

3.  Aufl.     1902.    XXIV,  115  u.  47  S.   (geb.  2.—) 1.50 

22  Cicero.     Fünf  Bücher  über  das  höchste  Gut  und  Übel.     Mit 

einer  Lebensbeschreibung  des  Cicero.     846  S.    (geb.   1.40)    .      1. — 

23  —  Drei  Bücher  über  die  Natur  der  Götter.    262  S.    (geb.  1.20)    —.80 

24  —  Lehre  der  Akademie.     176  S.     (geb.  1.—) —.60 

*  Comte.  Ang'nste.     Die  positive  Philosophie.     Im  Auszuge  von 

Jules  Rig.     2  Bde.  in  Groß  S».     32,  472  S.    12,  524  S.      .    16.— 

25  CondiUac.     Abhandlung   über  die  Empfindunßfen.     Übers,  von 

Johnson.     228  S 1.50 


•)  Außerhalb  der  Nummemfolge  der  Philosophischen  Bibliothek. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

nd  M    h 

\—    Descartes.  Philosophische  Werke.  4  Bde.  in  2  Geschenkbd.  geb.    14. — 

•9  Diese  reichhaltigste  deutsche  Ausgabe  Descartes'   erhält  einen 

besondemWert  dadurch,  daß  die  Erklärungen  zu  seinem  Hauptwerk, 
den  Meditationen,  aus  Descartes'  eigenem  Briefwechsel  und  aus 
Auseinandersetzungen  mit  seinen  Zeitgenossen  stammen,  so  daß 
Descartes  sich  hier  seinen  eigenen  Kommentar  geschrieben  hat. 

u.  I.  Abhandlung     über     die     Methode.       Die     Regeln    zur 

ßa  Leitung  des  Geistes.  Die  Erforschung  der  Wahrheit  durch 

das  natürliche  Licht.     Neu  übers,  u.  mit  Einleitung  u. 
Anm.  herausgeg.   von  Dr.  ArturBuchenau  (geb.  3. — )      2.40 
Daraus  einzeln: 

—  Abhandlung  über  die  Methode.     2.  Aufl.  1905.    82  S.    —.60 

—  Die  Regeln  zur  Leitung  des  Geistes.  Die  Erfor- 
schung der  Wahrheit  durch  das  natürliche  Licht. 
1906.    168  S.    (geb.  2.40) •     •     •      l-^^ 

7  n.  Meditationen  über  die  Grundlagen  der  Philosophie.   Neu 

übers,  u.  auf  Grund  der  „Objectiones  et  Responsiones" 

erläutert  von  Dr.  Artur  Buchenau.    3.  Aufl.     1904. 

68  u.  246  S.     (geb.  3.50) 3.— 

Erst  die  bisher  in  der  Semlnarlektüre  unberechtigt  vernach- 
lässigten „Einwendungen  und  Erwiderungen'',  die  ja  einen  weit 
größeren  Umfang  einnehmen  als  das  zugrunde  gelegte  "Werk,  geben 
einen  vollständigen  und  sicheren  Einblick  in  die  Tendenz  und  Ab- 
sicht dieser  Schrift  Descartes'.  Immer  sieghafter  kann  rnan  den 
kritischen  Gedanken,  der  in  den  Meditationen  noch  in  einer 
metaphysisch-dogmatischen  Umhüllung  auftritt,  in  der  Verteidi- 
gung gegen  die  Einwürfe  und  Mißverständnisse  der  Gegner  durch- 
brechen sehen.  0.  Buek  im  „Literarischen  Zentralblatt". 

18  ni.  Die  Prinzipien  der  Philosophie.   Mit  einem  Anhang,  enth. 

Bemerkungen  Descartes'  über  ein  gewisses  in  den  Nieder- 
landen gegen  Ende  1647  gedrucktes  Programm.  3.  Aufl. 
.von  Dr.  ArturBuchenau.   1908.  48,  310  S.  (geb.  5.60)      5.— 

19  lY.  Über  die  Leidenschaften  der  Seele.     (Mit  zwei  Briefen 

Descartes'  als  Vorrede.)     2.  Aufl.     144  S 1. — 

^      —  Regulae  ad  directionem  ingenii.     Nach  der  Originalausg.  von 

1701  herausgeg.  von  Dr.  Artur  Buchenau.  1907.  IV,  66  S.      1. — 
'—  Fichte,  Job.  Gottl.    Werke.   Hrsg.  v.  Prof.  Dr.  F.  Medicus. 
12  6  Bde.  in  Groß  8<^.  (bisher  erschienen  Bd.  I—V.)     1908—11. 

(geb.  in  Hfz.  54.—) 42.— 

Die  Textbehandlung  ist  durch  mustergültige  Genaviigkeit  aus- 
gezeichnet. Die  Einleitungen  des  Herausgebers  zum  „Geschlossenen 
Handelsstaat",  zur  „Anweisung  zum  seligen  Leben"*  und  zum 
-Atheismusstreit"  verdienen  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 
Sie  führen  vortrefflich  in  die  zeitgeschichtlichen  Bedingungen 
dieser  Schriften  ein  und  geben  eine  kritische  Erörterung  ihi:es 
Wertes  nach  modernen  Forschungen.  Daß  Fichte  auch  für  unsere 
Zeit  noch  manches  zu  sagen  hat,  daß  er  noch  nicht  lediglich  histo- 
risch geworden  ist,  mögen  besonders  die  Einleitungen  zum  „Han- 
delsstaat" und  zur  „Anweisung"  lehren.  Es  scheint  aber,  als  ob 
auch  die  geistige  Stimmung  vielfach  zu  Fichte  zurücklenkt  als 
dem  Denker,  der  unter  der  Hülle  seiner  Metaphysik  des  Ich  der 
Persönlichkeit  ihre  Stellung  gewinnt. 

Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht. 

17     —  Bd.  L  Mit  Bildnis  Fi  cht  es  nach  der  Büste  von  L.  Wich- 
mann.    1911.     CLXXX  u.  603  S.     (geb.  in  Hfz.  9.—)  .     .      7.— 
Einleitung  von  Medicus  S.  I— CLXXX.     Versuch   einer  Kritik 
aller  Offenbarung  (1792).    S.  1.-128.  —Rezension  des  Aeuesidemos 
(1794).     S.   129—154".   —  Über   den   Begriff  der  Wissenschaftslehre 
(1794).    S.  155-216.  —  Bestimmung  des  Gelehrten  (1794).    S.  217—274. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

Band  Jl  ^ 

—  Grundlage  der  gesamten  "Wissenschaftslehre  ^1794).    S.  275—520. 

—  Grundriß  des  Eig-entümlichen  der  Wissenschaftslehre  in  Rück- 
sicht auf  das  theoretische  Vermög'en  (1795).     S.  512—603. 

Daraus  einzeln: 

127a  Fichte,  Job.  Gottl.  Bd.  I.  Über  den  Begriff  der  Wissenschafts- 
lehre (1794).   IV,  61S 1.— 

127b  —  —  Grundlage  der  gesamten  Wissenschaftslehre  (1794).    Mit 

Einltg.  von  F.  Medicus.     XXX,  245  S.     (geb.  4.—)     .     .      3.— 

127c  —  —  Grundriß    des    Eigentümlichen     der    Wissenschaftslehre 

in  Rücksicht  auf  das  theoretische  Vermögen.    IV,  83  S.     .      1.20 

128  —  Bd.  li.     1908.     759  S.     (geb.  in  Hfz.  9.—) 7.— 

Grundlage   des  Natiirreohts  a796).     S.   1— S9ü.  —  Das  System 
der  Sittenlehre  (1798).    S.  391—759. 
Daraus  einzeln: 
128a  —  —  Das    System    der  Sittenlehre    nach    den  Prinzipien    der 

Wissenschaftslehre  (1798).     1908.  IV,    371  S.     (geb.  4.50)  .      3.50 
128b Grundlage  des  Naturrechta.    1908.  IV,  389  S.    (geb.  5.—)      4.— 

129  —  Bd.  III.     Mit   e.  Bildnis    Fichtes   (Kupferstich    von    Schult- 

heis).    1910.     739  S.     (geb.  in  Hfz.  9.—) 7.— 

Erste  Einleitung  in  die  Wissenschaftslehre  (1797).  S.  1—34.  — 
Zweite  Einleitung  in  die  Wissenschaftslehre  (1797).  S.  35—102.  — 
Versuch  einer  neuen  Darstellung  der  Wissenschaftslehre  (1797^. 
S.  103 — 118.  —  Die  philosophischen  Schriften  zum  Atheismusstreit 
(1798—1800).  S.  119—260.  —  Die  Bestimmung  des  Menschen  (1800). 
S.  261—416.  —  Der  geschlossene  Handelsstaat  (1800).  S.  417—544.  — 
Sonnenklarer  Bericht  an  das  größere  Publikum  über  das  eigent- 
liche Wesen  der  neueren  Philosophie  (1801).  S.  545—644.  —  Fried- 
rich Nicolais  Leben  und  sonderbare  Meinungen  (1801).    S.  645—739. 

Daraus  einzeln: 
129a Erste  und  zweite  Einleitung  in  die  Wissenschaftslehre. 

1910.  IV,  102  S 1.50 

129b Die  philosophischen  Schriften  zum  Atheismusstreit.    Mit 

Einleitung  von  F.  Medicus.     1910.  XXXIII,  142  S.     .     .      2.— 

129c Die  Bestimmung  des  Menschen.     1910.  IV,  155  S.    .     .      1.80 

129d Der   geschlossene    Handelsstaat.     Mit  Einleitung  von  F. 

Medicus.     1910.  XII,  127  S 1.60 

129e  —  —  Sonnenklarer  Bericht   über    das  eigentliche  Wesen    der 

neueren  Philosophie.     IV,   102  S 1.20 

129  f NicolaisLeben  und  sonderbare  Meinungen.  1910.  IV,  95  S.      1. — 

i:{0     —  Bd.  IV.     1908.     648  S.  (geb.  in  Hfz.  9.—) 7.— 

Darstellung  der  Wissenschaftslehre.  Aus  dem  Jahre  1801. 
S.  1—164.  —  Die  Wissenschaftslehre.  Vorgetragen  i.  J.  1804. 
S.  165—392.  —  Die  Grundzüge  des  gegenwärtigen  Zeitalters  (1806). 
S.    393-648. 

Daraus  einzeln: 

130a Die  Wissenschaftslehre  von  1801  u.  1804.  396  S.  (geb.  5.—)      4.— 

130b  —  —  Grundzüge    des    gegenwärtigen    Zeitalters.      1908.     IV, 

264  S.     (geb.  4.—) 3.— 

131     —  Bd.  V.    Mit  e.  Bildnis    Fichtes    (Medaillon    von    Wich- 
mann).    1910.     692  S.     (geb.  in  Hfz.  9.—) 7.— 

Über  das  Wesen  des  Gelehrten  (1806).  S.  1—102.  —  Anweisung 
zum  heiigen  liehen  (1806).  S,  103-308.  —  Bericht  über  den  Begriff 
der  Wissenschaftslehre  und  die  bisherigen  Schicksale  ders.  (1806). 
S.  309—356.  —  Zu  .Tacobi  an  Fichte"  (lbü7).  S.  357-364.  —  Reden 
an  die  deutsche  Nation  (180M).  S.  366—610.  —  Die  Wissenschafts- 
lehre in  ihrem  allgemeinen  Umriß  (1810).  S.  611—628.  —  5  Vor- 
lesungen über  die  Bestimmung  des  Gelehrten  (1811).    S.  629—692. 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 

Daraus  einzeln:  ,,  '^ 
I31a  Fichte,  Job,  Gottl.    Über  den  G-elehrten.      Bestimmung  des 
Gelehrten  (aus  Bd.  I)  (1794)  —  Wesen  des  Gelehrten  (1805) 
—  Bestimmung  des  Gelehrten  (1811).    IV,  224  S.     (geb.  4.—)      3.— 
I31b  —  —  Anweisung  zum  seligen  Leben.     Mit  Einltg.  v.  F.  Medi- 
en s.     XVin,   205   S.     (geb.   3.50) 2.50 

131c Reden  an  die  deutsche  Nation.    1910.  250  S.  (geb.  2.80)     2.— 

AuUerhalb  der  Gesamtausgabe  erschien: 
30     —  Versuch   einer  Kritik   aUer  Offenbarung,      Hrsg.  v.  J.  H.  v. 

Kirchmann.     202  S 1.— 

120  Fichte,  Schleiermacher,  Steffens.  Über  das  Wesen  der  Uni- 
versität. Mit  einer  Einltg.  herausgeg.  von  Eduard  Spranger. 
1910.  XLin,  280  u.  11  S.  (geb.  4.50) 4.— 

109  Goethes  Philosophie  aus  seinen  Werken.  Ein  Buch  für  jeden 
gebildeten  Deutschen.     Mit  ausführl.  Einltg.  herausgeg.  von 

Max  Heynacher.    1905.    VIII,  110  u.  318  S 3.60 

—  —  Einfach  geb.  M.  4. —     In  Geschenkband 5. — 

Nur  eine  Zusammenstellung' !  Aber  solche  bloßen  Zusammen- 
stellungen können  die  größte  Tat  bedeuten,  sind  vielfach  unend- 
lich wichtiger  als  selber  Bücher  schreiben.  Die  gewaltigsten 
"Werke  der  Weltliteratur  sind  nur  Anthologien.  Das  Zusammen- 
bringen des  Einzelnen  und  Verstreuten  ist  die  Kulturtat;  daß  es 
durch  Buchbinderfäden  in  eins  geheftet  wird  —  wie  Ungeheures 
will  das  sagen  l  Als  ich  dieses  Buch  las,  in  einem,  was  man  sonst 
nur  von  da  und  dort  sich  zusammenholen  und  sich  selber  zurecht- 
konstruieren  muß,  so  Zug  um  Zug  vom  Urquell  trank  —  da  kam  es 
auch  über  mich  immer  wieder  wie  ein  Erschrecken  und  Erschauen. 
Und  mir  war's  als  wieder  etwas  ganz  Neues,  als  hätte  ich's  zum 
ersten  Male  erfunden  und  entdeckt  und  noch  nie  gehört :  Goethes 
Philosophie  bedeutet  wirklich  und  wahrhaftig  etwas  ganz  Neues. 

Julius  Hart  im  „Tag". 

31/2  Grotins,  Hngro.  Drei  Bücher  über  das  Recht  des  Krieges  und 
Friedens.  Mit  Anm.  u.  einer  Lebensbeschreibung  des  Verf. 
2  Bde.     530  S.    480  S.     (geb.  7.—) 6.— 

33    He^el,  Georg"  Wilh.  Friedr.   Encyclopädie  der  philosophischen 
Wissenschaften   im  Grundrisse.     In  2.  Aufl.   neu  herausgeg. 
von  Georg  Lasso n.      1905.     76,  499  u.  23  S.   (geb.   4.20)      3.60 
Diese  Ausgabe  der  Enzyklopädie  bUdet  eine  Zierde  der  Philo- 
sophischen Bibliothek   und   wird   auch  an   ihrem  Teile    dazu  bei- 
tragen,  immer  weitere  Kreise  der  Gebildeten  von  neuem  für  die 
Phüosophie  des  tiefsten  Denkers  der  deutschen  Nation  zu  gewinnen. 

Preuß.  Jahrb. 

114     —  Phänomenologie  des  Geistes.    Jubiläumsausgabe.    Hrsgeg.  u. 

mit  einer  Einltg.  versehen  von  Georg  Lasson.    1907.    119, 

632  S.  (geb.  6.—) 5.— 

Ganz  besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdient  die  aus- 
führliche Einleitung,  die  der  Herausgeher  diesem  "Werke  voran- 
geschickt  hat.  Er  gibt  darin  eine  Entwicklung  des  Hegeischen 
Denkens  bis  zur  „Phänomenologie"  hin  und  eine  Charakteristik 
dieser  Schrift  selbst,  die  als  die  beste  und  wirkungsvollste  Ein- 
führung in  das  Studium  dieses  Philosophen  hingestellt  werden 
können.  Preußische  Jahrbücher. 

124     —  Grundlinien  der  Philosophie  des  Rechts.     Mit  den  von  Gans 

redigierten  Zusätzen  aus  Hegels  Voriesungen  neu  herausgeg. 

von  Georg  Lasson.     191L     XCVI,  380  S.     (geb.  6.—)    .      6.40 

112  Herders  Philosophie.  Ausgewählte  Denkmäler  aus  der  Werde- 
zeit der  neuen  deutschen  Bildung.  Herausgeg.  v.  Horst 
Stephan.     1906.     44,  275  u.  35  S.  (geb.  4.20)     .....      3.60 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 
Bond 


JH    ^ 


Herder  ist  der  Sämann,  der  am  Eingang  unserer  modernen 
Kultur  steht.  Mit  dem  weitausgreifenden  Schritt  des  Sehers  und 
Propheten  hat  er  als  erster  das  große  Keich  unseres  Weltempfin- 
dens und  Welterkennens  durchschritten  und  überallhin  über  das 
fruchtbare  Land  seine  Keime  ausgestreut,  die  heute  langsam  der 
Blüte  und  Frucht  entgegenreifen. 

123     Hnmboldt,  Willi.  Ton.    Außgewählte  philosophische  Schriften, 

Herausgeg.  v.  Joh.  Schubert.  1910.   39,  222  S.  (geb.  4.—)      3.40 
*      —  Denkschrift  über  Preußens  ständische  Verfassung  1819  und 
andere  Abhandlungen  zur  Staatslehre.     Mit  Einleitung  von 
L.B.  Förster.     3G  u.  96  S —.60 

35  Hnme,  Dayid.    Eine  Untersuchung  über  den  menschlichen  Ver- 

stand.    7.  Aufl.    Herausgeg.   von  Raoul  Richter.     1911. 
VIII,  193  u.  31  S.    (geb.  2.90)  . 2.40 

36  —  Dialoge  über  natürliche  Religion.    Über  Selbstmord  und  Un- 

sterblichkeit der  Seele.  Übersetzt  u.  eingeleitet  von  Fried- 
rich Paulsen.  3.  Aufl.  1905.  28  u  138  S.  (geb.  2.—) .  .  1.60 
Diese  Schrift  kann  uns  auch  heute  noch,  150  Jahre  nach  ihrem 
Entstehen,  ermutigen  in  unserm  heißen  Ringen  um  Gewissens- 
freiheit und  Toleranz.  In  seiner  Einleitung  „erörtert  Paulsen  mit 
meisterhafter  BHarheit  Inhalt  und  Absicht  des  Humeschen  Dialoges, 
und  mit  der  ihm  ,in  so  hohem  Maße  eigenen  Fähigkeit  der  über- 
sichtlichen Darstellung  komplexer  Verhältnisse  entwickelt  er  im 
Eahmen  dieser  Erörterung,  die  möglichen  Verhaltungsweisen  zu 
den  Reli^ionswahrheiten'  überhaupt.  Gerade  hierdurch  aber  ge- 
winnt seme  Einleitimg  einen  über  die  Bedeutung  ihrer  ursprüng- 
lichen Bestimmung  weit  hinausreichenden  "Wert".        Kantstudien. 

116    Kaiser  Julian.     Philosophische  "Werke.     Tibers,  u.  erklärt  von 

Rud.  Asm  US.  1908.     VII,  205  u.  17  S.    (geb.  4.25)     .     .     .      3.75 

37 —  Kant,  I.     Sämtliche  Werke.   Herausgeg.  von  K.  Vorländer, 
52  0.  Buek,  0.  Gedan,  W.  Kinkel,  J.  H.  vonKirchmann, 

F.  M.  Schiele,  Th.  Valentiner  u.  a.   In  9  Geschenkbänd.    60.— 

Dies  dürfte  die  timige,  Ausgabe  von  Kants  Sämtlichen  Werken  sein, 
die  zurzeit  im  Buchhandel  zu  h«ben  ist.  Besonders  freudig  wird  es 
daher  begrüßt  werden,  daß  hier  zum  vollen  Verständnis  des  gewissen- 
haft revidierten  Textes  eine  wesentliche  Erleichterung  durch  die 
Einleitungen  und  Azmierkungen  erster  Autoritäten  geboten   wird. 

37  —  Kritik  der   reinen  Vernunft.     9.  Aufl.     Neu  herausgeg.  von 

Dr.  Theodor  Valentiner.  1906.     XII,  770  S.  (geb.  4.70)      4.— 

—  —  In  Geschenkbänd  geb 6.40 

Die  Ausgabe  ist  auf  feinstes  Dünndruck-Papier  gedruckt,  so 
daß  das  große  Werk  trotz  seiner  fast  800  Seiten  doch  einen  über- 
aus handlichen  und  leichten  Band  bildet. 

113     —  Kurzer  Handkommentar  zu  Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft. 

Von  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Hermann  Cohen.    1907.    242  S.      2.— 

38  —  Kritik  der  jjraktischen  Vernunft.    5.  Aufl.    M.  Einltg.  hrsg.  v. 

Prof.  Dr.  Karl  Vorländer.    1906.    47  u.  220  S.     (geb.  3.40)      2.80 

39  —  Kritik  der  Urteilskraft.    3.  Aufl.  Neu  herausgeg.  u.  eingeleitet 

vonProf.Dr.KarlVorländer.  1902.  38, 378U.86S.  (geb. 4.10)      3.50 
Ich  stehe  nicht  an,  diese  Ausgabe  eine  Zierde  der  Philosophi- 
Bchen  Bibliothek  zu  nennen. 

Ferd.  J.  Schmidt  in  den  Preuß.  Jahrbüchern. 

40  —  Prolegomena  zu  einer  jeden  künftigen  Metaphysik.    4.  Aufl. 

Herausgeg.  u.  eingeleitet  von  Prof.  Dr.  Karl  Vorländer. 

Älit  3  Beilagen.    1905.    44,  196  u.  12  S.     (geb.  2.50)      ...      2.— 

41  —  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten.    3.  Aufl.    M.  Einltg. 

herausgeg.  v.  Prof.  Dr.  Karl  Vorland  er.  1906.  30  u.  102  S. 
(geb.  1.80) 1.40 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

Kant,  I.    Metaphysik  der  Sitten.    2.  Aufl.    Hrsg.  u.  eingeleit.  von 

Prof.  Dr.  Karl  Vorländer.  1907.  LI,  360  u.  18  S.  (geb.  5.20)      4.60 

43  —  Logik.     3.  Aufl.    Neu   herausgeg.    u.   eingeleitet    von    Prof. 

Dr.   Walter  Kinkel.    1904.     28  u.  171  S.     (geb.  2.50)  .     .      2.~ 

44  —  Antkropologie  in  pragmatischer  Hinsicht.  4.  Aufl.  1899.  279  S.      1.50 

45  —  Die  Religion  innerhalb   der  Grenzen  der  bloßen  Vernunft. 

3.  Aufl.    Herausgeg.   u.   eingeleitet  von  Karl  Vorländer. 

1903.    96,  236  u.  24  S.   (geb.  3.70) 3.20 

Der  gfToße  Vorzug  der  Ausgaben  Dr.  Vorländers  besteht  in  den 
ausführlichen  Einleitungen,  welche  die  Grundgedanken  des  kriti- 
schen Idealismus  eriäutem  und  so,  in  Verbindung  mit  genauen 
Sachregistern,  das  Studium  Kants  zu  erleichtem  und  sein  Ver- 
ständnis zu  fördern  recht  geeigfnet  sind.  "Wie  trefflich  jene  Ausgaben 
ihrem  Zwecke  dienen,  wird  nur  der  recht  zu  würdigen  wissen, 
der  sich  ohne  solche  Hilfsmittel  durch  Kants  Philosophie  mühsam 
hat  hindurcharbeiten  müssen.  Protestantische  Monatshefte. 

46  —  Kleinere     Schriften    zur    Logik    u.    Metaphysik.      2.  Aufl. 

Herausgeg.  u.  eingeleitet  von  Prof.  Dr.  Karl  Vorländer. 
1905.  32,  169;  40,  172;  20,  175;  31,  175  S.  (geb.  6.—)  ...      5.20 
Hiervon  einzeln: 

46a  —  Versuch,  den  Begriff"  der  negativen  Größen  in  die  "Welt- 
weisheit einzuführen,     (geb.  2. — )       1.50 

46b  —  Träume    eines   Greistersehera ,    erläutert    durch  Träume    der 

Metaphysik,     (geb.  2.—) 1.50 

46c  —  "Welches  sind  die  wirklichen  Fortschritte,  die  die  Metaphysik 
seit  Leibnizens  und  "Wolfs  Zeiten  in  Deutschland  gemacht 
hat?  (geb.  2.—) 1.50 

46d  —  Der  Streit  der  Fakultäten,  (geb.  2.—) 1.50 

47  —  Kleinere  Schriften  zur  Ethik  u.  Keligionsphilosophie.  (2.  Abt, 

in  2.  Aufl.)  Vni,  224;  VHI,  172  S.    (geb.  2.50) 2.— 

Hiervon  einzeln: 

—  Zum  ewigen  Frieden — .60 

47^1  —  Der  einzig  mögliche  Beweisgrund  zu   einer  Demonstration 

des  Daseins   Gottes  und   die  anderen  kleinen  Schriften  zur 

Rel.-Phil.  3.  Aufl.,  rev.  von  Fr.  M.  Schiele.  1911.  (geb.  1.90)      1.50 

Es  ist  dies  die  einzige  Einzelausgabe  der  für  das  Verständnis 

von  Kants  Entwirklung   in    seiner   vorkritischen   Periode  bochbe- 

deutsamen  Schrift  über  die  Beweise  fürs  Dasein  Gottes.    Zahllose 

Ungenauigkeiten  and  Fehler  der  Hartensteinschen  Ausgabe  sind 

beseitigt  worden. 

48  —  Kleinere  Schriften  zur  Naturphilosophie.    2.  Aufl.    Herausg. 

u.  eingel.  vonDr.  Otto  Buek.  Bd.l.  1909.  42, 338 S.  (geb. 4.60)  4.— 

49 Bd.  2.  1907.     12  u.  454  S.  (geb:  5.60) .  6.— 

50  —  Vermischte  Schriften  und  Briefwechsel.  VI,  562  S.  (geb.  4.60)  4.— 

51  —  Physische  Geographie.     2.  Aufl.     Neu  herausgeg.  von  Paul 

Gedan.    1905.    30,  366  u.  386  S.    (geb.  3.40)  .     .....      2.80 

Die  Einleitung  des  vorliegenden  Bandes  gibt  dem  Leser  ein 
klares  Bild  von  Kants  Bedeutung  für  die  Geographie  und  bietet 
zugleich  die  wichtigsten  textgeschichtlichen  Bemerkungen.  Zahl- 
reiche Literaturangaben  sind  dabei  beachtenswerte  Fingerieige 
für  den,  der  sich  aus  historischem  Literesse  eingehender  mit  dem 
Stoff  beschäftigen  will.  Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung. 

52  —  Die  vier  lat.  Dissertationen  im  Urtext.    VI,  122  S.    (geb.  1.40)      1. — 

Siehe  auch:  Wolffsche  Begrifi*sbestimmungen. 

66     Kirchmann,  J.  H.  v.    Grundbegriff'e  des  Rechtes  und  der  Moral. 

2.  Aufl —.80 


▼    V.A  XCtg        VV^ll        A.-  \,1.AJ\.        ATX^lli^l        1X1        l^ClU^lg. 


Band  jf  ^ 

Kirchniann,  J.  H.  t.     Die    Lehre    vom    Wissen.      Vergriffen. 

118  An  ihre  Stelle  trat  Messer,  Einführung  in  die  Erkenntnis- 
theorie,   (geb.  3. — ) 2.40 

Kirchner,  Wörterbuch  (12.50),    siehe    unter  Lehrbücher    der 
Philosophischeu  Bibliothek. 

68  La  Mettrie.     Der  Mensch  eine  Maschine.     Übers,  u.  erläutert 

von  Dr.  MaxBrahn.     1909.    22,  72  S.     (geb.  2.20)    .     .     .      1.80 

Leibniz.     Philosophische  Werke.     In  4  Yorzugsbänden  geb.   .    24. — 

Diese  vierbändige  Leibniz-Ausg-abe  ist  die  einzige,  die  in  hand- 
lichem Umfang  ein  Gesamtbild  der  "Weltanschauung  dieses  Philo- 
sophen gibt,  der  für  die  Grundlegung  der  Probleme  wissenschaft- 
licher Forschung  noch  heute  maßgebend  ist.  Wer  um  die  philo- 
sophische Begründung  der  Physik  oder  der  Biologie  sich  bemüht, 
wer  Geschichte,  Ethik  oder  Religionsphilosophie  durchdenkt,  oder 
wer  nach  einer  strengeren  und  tieferen  Gestaltung  der  logischen 
und  mathematischen  Prinzipienlehre  strebt,  muß  auf  Leibniz  zu- 
rückgreifen. 

107  —  Erster  Band:   Hauptschriften  zur  Grundlegung  der 

Philosophie.  Übers,  von  Dr.  Artur  Buchenau.  Durch- 
gesehen u.  mit  Einleitungen  u.  Erläuterungen  herausgegeben 
von  Dr.  Ernst  Cassirer.  L:  Zur  Logik  und  Methoden- 
lehre; Zur  Mathematik;  Zur  Phoronomie  und  Dynamik; 
Zur  geschichtlichen  Stellung  des  metaphysischen  Systems. 
Mit  17  Fig.     1904.    382  S.  (geb.  4.20) 3.60 

108  —  Zweiter  Band:  Hauptschriften  usw.    IL:  Zur  Metaphysik 

(Biologie  und  Entwicklungsgeschichte;  Monadenlehre);  Zur 
Ethik  und  Rechtsphilosophie;  —  Anhang;  —  Sach-  und 
Namenregister.     1906.    580  S.  (geb.  6.—) 5.40 

69  —  Dritter  Band:  Neue  Abhandlungen  über  den  mensch- 

lichen Verstand.  Übers.,  mit  Einltg.  u,  Lebensbeschrei- 
bung von  Prof.  Dr.  C.  Schaarschmidt.  2.  Aufl.  1904. 
68,  590  S.  (geb.  6.80) 6.— 

70  —  —  Erläuterungen  dazu  von  Prof.  Dr.  C.  Schaarschmidt. 

2.  Aufl.    1908.    122  S.    (geb.  2.50) 2.— 

71  —  Vierter  Band:    Theodicee.     Übers,  u.    erläut.   von  J.  H. 

V.  Kirchmann.     Mit  2  Tfln.     XVI,  533  S.  (geb.  3.60).     .      3.— 
72 Erläuterungen  dazu.    162  S —.50 

Außerhalb  der  Gesamtausgabe  sind  erschienen: 
7S     —  Die  kleineren  philosophisch  wichtigeren  Schriften.  XII,  268  S.      1.— 
74 Erläuterungen  dazu.     200  S —.60 

119  Lessings  Philosophie.     Denkmäler  aus  der  Zeit  des  Kampfes 

zwischen  Aufklärung  u.  Humanität  in  der  deutschen  Geistes- 
bildung. Herausgeg.  von  Dr.  Paul  Lorentz.  1909.  86, 
396  S.  (geb.  5.20) 4.50 

Lorentz'  Auswahlband  ist  wohl  das  beste  und  brauchbarste 
Werk,  das  wir  über  diesen  Gegenstand  in  neuerer  Zeit  erhalten 
haben.  Der  Herausgeber  verzichtet  gern  auf  eine  neue  Resultate 
ergebende  Forschung,  aber  er  verzichtet  nie  auf  ein  sehr  selb- 
ständiges und  tiefes  Nachdenken  über  die  Lessingschen  Geistes- 
firodukte.  "Wer  schnell  die  QuoUenbelege  für  die  Lessingsche 
xsbens-  und  Weltanschauung  gebraucht  und  sich  in  der  Kürze 
eine  Übersicht  über  die  Ansicht  des  iJenkers  in  einzelnen  Fragen 
auch  entwicklungsgeschichtlich  verschaffen  will,  folge  diesem  ge- 
diegenen Führer.  Monatshefte  der  Comeniusgesellschaft. 


V  WA  xctg     ^f^Jli,     x*  caia     ita^aia^a     aaa     jl^wa^^^a^. 


ad  ..  U/  (^ 

tl  Lessing:.  Über  das  Trauerspiel.  Briefwechsel  mit  Mendelssohn 
und  Nicolai.  Nebst  verwandten  Schriften  Nicolais  u.  Mendels- 
sohns herausgeg.  u,  eriäut.  von  Prof.  Dr.  Robert  Patsch. 

1910.  55,  144  S.  (geb.  3.50) 3  — 

5    Locke,      Versuch   über   den   menschlichen    Verstand.     I.  Bd. 

487  S.     2.  Aufl 3.— 

'6     —  —  II.  Bd.    Neuausgabe  im  Druck. 

'8 Erläuterungen  zu  Bd.  11.    138  S 1.— 

9     —  Leitung  des  Verstandes.  Übers,  v.  Jürgen  B.  Meyer.  104  S. 

(geb.  1.20) —.80 

*  Melanchthon.    Ethik.     In  der  ältesten  Fassung  zum  1.  Male 

herausgeg.  v.  H.  Heineck.  69  S 1.20 

Mendelssohn,  Moses.    Von  der  Herrschaft  über  die  Neigungen 

(3. — ).     Siehe  unter  Lessings  Briefwechsel. 
Nicolai,  Friedrich.    Abhandlung  vom  Trauerspiel  (3. — ).  Siehe 
unter  Lessing'S  Briefwechsel. 
iO    Plato.     Der  Staat.     Übers,   von  Friedr.  Schleiermacher. 

3.  Aufl.,  durchges.  von  Th.  Siegert.    1907.  432  S.  (geb.  4.60)      4.— 
[1     —  Gastmahl.    Neuausgabe  in  Vorbereitung. 
12     —  Theätet.     Übers,  u.  eriäut.  von  Dr.  Otto  Apelt.     2.  Aufl. 

1911.  IV.  28,  116  u.  48  S.  (geb.  4.—) 3.40 

Ohne  die  Apeltsche  Übersetzung-  wird  sich  niemand  mehr 
über  Theätetfragen  äußern  können.  Die  Lektüre  ist  ein  Genuß, 
namentlich  sind  dem  Verfasser  die  Glanzstellen  des  Dialoges  vor- 
trefflich gelungen.  —  Das  Buch  bietet  in  gewissem  Sinne  einen 
Abschluß  der  Theätetforschung.     "Wochenschr.  f.  klass.  Philologrie. 

i3     —  Parmenides.     42,  142  S.     (geb.  2.—) 1.50 

*  Renan,  Ernst.     Philosophische  Dialoge  u.  Fragmente.     Übers. 

V.  Konrad  V.  Zdekauer.     XIX,  239  S •      2.— 

1/5  Schellings  "Werke  in  3  Bänden.  Mit  drei  Porträts  Seh. 's  und 
Geleitwort  von  Prof.  Dr.  A.  Drews,  hrsg.  u.  eingel.  v.  Dr. 

A.Weiß.    1907.    Groß  8  o.    (geb.  in  Hfz.  30.— ) 25.— 

(Vorzugsausgabe,   30  numerierte  Exemplare    in  Ganzleder- 
bänden 40. — ). 

"Wer  die  Überzeugung  teilt,  daß  Schellings  rastlos  fortstürmende 
Gedankenarbeit  in  Tiefen  der  Wahrheit  oder  doch  wenigstens  des 
"Wahrheitsuchens  hineinführt,  die  kein  anderer  Denker  uns  er- 
schließen kann,  dem  muß  es  eine  Freude  sein,  obige  prächtige 
Ausgabe  der  "Werke  Schellings  anzuzeigen  .  .  .  Die  Auswahl  der 
"Werke  ist  so  getroffen,  daß  dem,  der  diese  Ausgabe  durcharbeitet, 
ein  g'eschlossenes  Bild  der  Gedankenentwicklung  Schellings  vor 
Augen  liegt  .  ,  .  Besonders  sei  noch  auf  das  Vorwort  von  A.  Drews 
und  die  Einleitung  des  Herausgebers  hingewiesen.  Eine  Einleitung 
zu  Seh.  ist  ja  besonders  wichtig,  denn  wer  kennt  ihn  und  die 
mannigfachen  Beziehungen   seiner  Gedanken  I      Christliche  "Welt. 

(3     —  Bd.  I.    Schriften  zur  Naturphilosophie.  1907.  CLXII,  816  S. 

Mit  Bildnis  Schellings  in  Photogravüre,    (geb.  in  Hfz.  11. — )      9. — 

Geleitwort  von  Prof.  Dr.  A.  Drews.  S.  TX— XXXn.  —  Ein- 
leitung; Schellings  Leben  und  Lehre.  "Von  Dr.  0.  "Weiß.  S. 
XXXin— CLXn.  —  vom  Ich  als  Prinzip  der  Philosophie.  (1795). 
S.  1—96.  —  Ideen  zu  einer  Philosophie  der  Natur.  (1797).   S.  97—440. 

—  Von  der  "Weltseele.    (1798).    S.  441—680.  —  Einleitung  zu  dem 
Entwurf   eines  Systems  der  Natuiphilosophie.    (1797).    S.  681 — 738. 

—  Allgemeine   Deduktion    des    dynamischen    Prozesses.      (1800). 
S.  739—816. 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 


Band  ju  ^ 

134  Schellin^.   Bd.  II.    Die  Schriften  zum  Identitätssystem.   682  S. 

(geb.  in  Hfz.  10.— ) 8.— 

System  des  transzendentalen  Idealismus  (1800).  S.  1—308.  — 
Darstellung  eines  Systems  der  Philosophie  (1801).  S.  309—416.  — 
Bruno,  oder  über  das  göttliche  und  natürliche  Prinzip  der  Dinge 
(1802).  S.  417—536.  —  Vorlesungen  über  die  Methode  des  akade- 
mischen Studiums  (1803).     S.  637—682. 

135  —  Bd.  III.    935  S.    (geb.  in  Hfz.  11.—) 9.— 

Philosophie  der  Kunst  (a.  d.  handschr.  Nachl.  1802/3).  S.  1—384. 
—  Über  das  Verhältnis  der  bildenden  Künste  zur  Natur  (1807). 
S.  385—426.  —  Über  das  Wesen  der  menschlichen  Freiheit  (1809). 
S.  427 — 512.  —  Darstellung  des  philosophischen  Empirismus  (1827). 
S.  513 — 574.  —  Auswahl  aus  der  positiven  Philosophie  (Philosophie 
der  Mythologie  und  Offenbarung.  1840/45),  S.  575—856.  —  Biblio- 
graphie und  Register.     S.  857—935. 

Die   Schriften    dieser  Ausgabe    sind   zu    entsprechenden 
Preisen  auch  einzeln  zu  beziehen. 

Außerhalb  dieser  Ausgabe  erschien: 
10-1     —  Münchener    Vorlesungen:     Zur     Geschichte     der     neueren 
Philosophie.     Darstellung   des    philosophischen  Empirismus. 
Neu    herausgßg.  mit  Erläuterungen   von    Prof.    Dr.    Artur 

Drews.     1902.    XVI,  262  u.  92  S.  (geb.  6.20) 4.60 

*      Scbelling'  als  Persönlichkeit.    Briefe,   Reden,  Aufsätze.     Hrsg. 
V.  0.  Braun.    Mit  Abb.  der  Jugendbüste  Sch.'s.  1908.  282  S. 

(geb.  5.-)    .     . 4.- 

Enth.  u.  a.:  Über  das  Wesen  deutscher  Wissenschaft  (1812?) 
Vorrede  zur  Allg.  Zeitschrift  von  Deutschen  für  Deutsche    (1813). 

Von  den  Briefen  sind  hervorzuheben  die  an  Eichte  und  Hegel, 
die  poetischen  Reisebriefe  an  seine  Eltern,  mehrere  Briefe  an 
Goetne  mit  dessen  Antworten,  an  Schubert  usw.  —  Ein  Buch,  das 
die  größte  Beachtung  verdient,  weil  ein  Geist  hindurchüutet,  der 
dem  Suchen  unserer  Zeit  so  innig  verwandt  ist. 

Kasseler  Allgemeine  Zeitung. 

103  Schiller.  Philosophische  Schriften  und  Gedichte  (Auswahl). 
Zur  Einführung  in  s.  Weltanschauung.  Mit  ausführl.  Einltg. 
herausgeg.  von  Eugen  Kühnemann.  2.  vermehrte  AufJ. 
1910.    94  u.  344  S.  (geb.  5.20) 4.50 

136—  Schleiermachers  Werke  in  4  Bänden.   Mit  Geleitwort  von  Prof. 

139  D.  Dr.  A.  Dorn  er.   Hrsg.  u.  eingel.  v.  Priv.-Doz.  Dr.  Otto 

Braun.    1910.11.   Groß  8«.    (Bisher  erschienen  Bd.  1,  3  u.  4) 

(geb.  in  Hfz.  36.—) .    28.— 

Diese  Neuausgabe  und  Sammlung  der  wichtigsten  Schriften 
Schleiermachers  ist  ein  ganz  besonderes  Verdienst  um  das  Werk 
eines  der  grüßten  deutschen  Führer,  dessen  Denken  in  seiner 
Originalität  und  reformatorischen  Bedeutsamkeit  noch  lange  nicht 
genug  gewürdigt  ist.  Solange  wir  noch  nicht  aus  der  Krisis,  in 
der  die  ganze  cnristUiche  Ideenwelt  steht,  heraus  sind,  so  lan^e  ist 
der  Mann,  der  in  dieser  Krisis  mitten  inne  stand  und  zu  emem 
Führer  aus  ihr  bestimmt  war,  ein  Prophet  für  unsere  Tage.  Er 
hat  unter  allen  den  Großen  seiner  Zeit  am  persönlichsten  und  ein- 
dringlichsten mit  dem  eigentlichen  religiösen  Problem  gerungen, 
hat  aber. ebensosehr  daneben  die  ethischen  und  erkenntnistheore- 
tischen Überzeugungen  und  Werte  zu  behaupten  gesucht,  indem 
er  sio  in  eigener  Weise  durchdachte  und  ins  praktische  Leben  mit 
unermüdlicher  Tätigkeit  einführte.  Kantstadien. 

136  —  Bd.  I.     Mit    Bildnis    Schl.'s    nach    der    Büste    von    Rauch. 

CXXVIII,  547  S.    (geb.  in  Hfz.  9.—) .      7.— 

Geleitwort  von  Prof.  D.  Dr.  A.  Dorn  er.  S.  I.— XXXII.  — 
Allgemeine  linleitung  von  Priv.-Doz.  Dr.  O.  Braun.  S.  XXXIII-C. 
Grundlinien  einer  Kritik  der  bisherigen  Sittenlehre.    Mit  Inhalts- 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 

and  Ji  ^ 

analyse  von  Dr.  O.  Braun.  XXV 111,  346  S.  —  Akademieabhand- 
lungen  (Tug;endbegriff,  Pflichthegriff,  Naturgesetz  und  Sitten- 
gresetz,  Begriff  des  Erlaubten,  BegnrifE  des  höchsten  Gutes,  Beruf 
des  Staates  zur  Erziehung",  Begriff  des  großen  Mannes)  S.  347—532. 
—  Register  usw.  S.  533—547. 

Daraus  einzeln: 
[36a  Schleiermacher.  Grundlinien  einer  Kritik  der  bisherigen  Sitten- 
lehre. (1803.  1834.  1846.)    1911.    XXXII,  346  S.    (geb.  5.—)      4.— 
—  Akademieabhandlungen.    1911.    lY,  185  S 2. — 

iJd.  III.  1910.  XII,  748  S.  (geb.  in  Hfz.  9.— )  ....  7.— 
Dialektik  (Auswahl).  S.  1—118.  —  Die  christliche  Sitte  (Aus- 
wahl). S.  119—180.  —  Predigten  über  den  christlichen  Hausstand. 
Hrsg.  von  Prof.  D.  Joh.  Bauer.  S.  181—398.  —  Zur  Pädagogik 
(Auswahl).  S.  399—536.  -  Die  Lehre  vom  Staat  (Auswahl).  S. 
537—630.  —  Der  christliche  Glaube  (Auswahl)  S.  631—729.  — 
Register.    S.  731—748. 

Daraus  einzeln: 
38a  —  —  Predigten  über  den  christlichen  Hausstand.    Hrsg.  u.  ein- 

gel.  V.  Prof.  D.  Joh.  Bauer.   IV,  42,  176  u.  4  S.    (geb.  4.—)      3.— 

39  —  Bd.  IV.  1911.  X,  663  u.  17  S.  (geb.  in  Hfz.  9.—)  .  .  .  7.— 
Auswahlen  aus:  Psychologie.  S.  1 — 80.  —  Vorlesungen  über 
Ästhetik.  S.  81—134.  —'Hermeneutik.  S.  135—206.  —  Reden  über 
die  Religion.  S.  207—400.  —  Monologen.  S.  401—472.  —  Weih- 
nachtsfeier. S.  473—532.  —  Universitäten  im  deutschen  Sinne. 
S.  533—642.  —  Zwei  Rezensionen.  S.  643—662.  —  Register. 
S.  663—680. 

Daraus  einzeln: 
39a  —  —  Über  Universitäten  im  deutschen  Sinne.   1911.   IV,  110  S.      2. — 
39b Reden  über  die  Religion.    (In  Pappband  1.80)  ....      1.40 

Außerhalb  der  Gesamtausgabe  erschienen  femer: 

84  —  Monologen.     2.  Aufl.     Ejritische  Ausgabe.      Mit  Einleitung, 

Bibliographie  und  Index  von   D.  Friedrich  M.  Schiele. 

1902.     46  u.  130  S.    (geb.  1.90) 1.40 

Endlich  sind  uns  die  Monologen  in  mustergültiger  Ausgabe 
vorgelegt  I  Während  die  bisherigen  Neudrucke  sich  an  die  dritte 
und  vierte  Ausgabe  hielten,  ohne  die  Änderungen  zu  prüfen  oder 
gar  anzugeben ,  gibt  Schiele  den  Text  der  ersten  Ausgabe  vom 
Jahre  1799  und  fugt  die  Abweichungen  sämtlicher  späteren  Aus- 
gaben im  kritischen  Apparat  hinzu.  Er  hat  damit  eine  gediegene 
Arbeit  geliefert,  und  die  Vergleichung  der  Texte  bietet  reiche  Aus- 
beute zur  Erkenntnis  des  Umbildungsprozesses  in  Schleiermachers 
Gedanken.  Für  eine  richtige  Würdigung  der  Monologen  ist  aber 
der  erste  Text  die  einzig  maßgebende  Unterlage. 

Zeitschrift  für  Philosophie. 

17     —  "Weihnachtsfeier.     Krit.  Ausg.     Mit  Einig,  u.  Reg.  von  Priv.- 

Doz.  Lic.  Hermann  Mulert.  1908.  34  u.  78  S.     (geb.  2.50)      2.— 

85  —  Grundriß  der  philosophischen  Etkik.     (Grundlinien  der  Sitten- 

lehre.)   Hrsgeg.  V.  F.  M.  Schiele.    1911.    219  S.    (geb.  3.40)      2.80 
—  Gelegentliche    Gedanken    über  Universitäten    in   deutschem 
Sinn  (4. — ).     Siehe  unter  Fichte. 
6/7    Scotus  Erigena.     Über  die  Einteilung  der  Natur.     Übers,  von 

L.  Noack.     2  Bde.     428  S.  416  S.     (geb.  3.80) 3.— 

88  —  Leben  und  Schriften.     Von  L.  Noack.     64  S —.50 

89  Sextns   Empiricus.     Pyrrhoneische    Grundzüge.      Übers,    von 

E.  Pappenheim.     19  u.  222  S.     (geb.  2.40) 2.— 

90 Erläuterungen  dazu.     296  S 1.50 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 


Shaftesbury.  Untersuchung  über  die  Tugend.  Übers,  und  ein- 
geleitet V.  Paul  Ziertmann.  1905.  15  u.  122  S.  (geb.  1.80)  1.40 
Die  vorliegende  Übertragung  der  Hauptschriit  Shaltesburys  ist 
wohlgelungen.  Besonders  lesenswert  ist  die  Einleitung,  in  der  in 
Kürze  die  ethischen  Ansichten  Shaftesburys  und  sein  tiefer  Ein- 
fluß auf  die  Groben  seiner  Zeit  und  des  ausgehenden  18.  Jahr- 
hunderts beleuchtet  wird.  Es  ist  bekannt,  wie  Goethe,  Herder 
und  Schiller  von  Shattesburj-  abhängen;  Leibniz  bedauert  gerade 
von  unserer  Schrift,  daß  er' sie  nicht  vor  Veröffentlichung  seiner 
Theodicee  kennen  gelernt  hat.  Allgemeine  Zeitung. 

111     —  Ein  Brief  über  den  Enthusiasmus.  —  Die  Moralisten.    Obers. 
u.  eingeleitet  von  Dr.  Max  Frischeisen-Köhler.     1909. 

31  u.  212  S.    (geb.  3.50) 3.— 

Spinoza.      Sämtliche    Werke.      Übersetzt   von    0.    Baensch, 
A.  Buchenau,  C.  Grebhardt,  J.  P.  v.  Kirchmann  und 

0.  Schaarschmidt.     In  2  Geschenkbäuden  geb 21. — 

Dies  ist  die  einzige  deutsche  Ausgabe  der  Werke  Spinozas,  die 
auf  Grund  der  umwälzenden  Ergebnisse  der  modernen  Textkritik 
erfolgt  ist.  So  bietet  sie  in  ihrer  Textgestaltung  der  Forschung 
die  sicherste  Grundlage;  die  Einleitungen  bemühen  sich,  das 
Verständnis  der  Schriften  Spinozas  nach  allen  Seiten  sicher  zu 
stellen. 

91  —  Abhandlung  von  Gott,   dem  Menschen  und  dessen  Glück. 

Übers,  u.  eingeleitet  von  Prof,  C.  Schaarschmidt.  3.,  verb. 

Aufl.     1907.     12u.  128S.     (geb.  2.30) 1.80 

92  —  Ethik.     Übers,  u.  mit  e.  Einleitung  u.  Register  versehen  von 

Otto  Baensch.    7.  Aufl.    1910.    29,  276  u.  39  S.  (geb.  4.—)      3.40 

Die  tiTjersichtlichkeit  des  Druckes,  der  die  Lehrsätze  von  ihren 
Beweisen  besonders  abhebt;  das  ausführliche  Register,  welches 
jedem  deutschen  Ausdruck  den  lateinischen  Terminus  Spinozas 
hinzufügt;  die  Anmerkungen,  welche  teils  textkritische,  teils  die 
Übersetzung  gewisser  Stellen  rechtfertigende,  teils  erläuternde  Be- 
merkungen enthalten,  machen  diese  Ausgabe  zu  einem  sehr  be- 
quemen und  handlichen  Führer  für  jeden,  der  Spinozas  Hauptwerk 
näher  kennen  lernen  will.  Jahrbuch  für  Philosophie. 

93  —  Theologisch-pohtischer  Traktat.  3.  Aufl.  Übers,  u.  eingeleitet 

von  Dr.  Carl  Gebhardt.  1908.  34,  362  u.  61  S.  (geb.  6.—)  5.40 
Eine  vorzügliche  Übersetzung  dieses  ungewöhnlich  bedeut- 
samen Buches,  die  der  Verfasser  Carl  Gebhardt  mit  einer  lehrreichen 
und  fesselnden  Einleitung,  kundigen  Erläuterungen  und  guten 
Kegistern  versehen  hat.  Der  Politiker  in  Spinoza  ist  bisher 
unterschätzt  worden.  Spinoza  war  nicht  der  einsame,  welt- 
fremde menschenscheue  Gelehrte,  als  den  man  ihn  sich  gewöhn- 
lich vorstellt.  Er  war  einer  der  klügsten  und  umsichtigsten 
Staatsmänner,  die  Holland  hervorgebracht  hat.  Unser  Traktat  ist 
eine  politische  Tendenzschrift,  die  zunächst  —  das  hat  Gebhardt 
sehr  wahrscheinlich  gemacht  -  die  Kirchenpolitik  Jan  de  Witts 
zu  rechtfertigen  unternimmt,  dann  aber  weiter  ausgreift  und  die 
Freiheit  des  Denkens,  die  Autonomie  der  Vernunft,  das  Prinzip 
der  voraussetzungslosen  Wissenschaft  gegen  die  Ansprüche  der 
jüdischen  und  christlichen  Theologie  mannhaft  verteidigt. 

Berliner  Tageblatt. 

94  —  Descartes'     Prinzipien     der    Philosophie    auf    geometrische 

Weise  begründet.  —  Anhang,  enthaltend  metaphysische  Ge- 
danken. 3.  Aufl,  Neu  übers,  u.  herausgeg.  von  Dr.  Artur 
Buchenau.     1907.     VIII,  164  u.  26  S.  (geb.  3.—)      .     .     .      2.40 

95  —  Abhandlung  über  die  Verbesserung  des  Verstandes.  —  Ab- 

handlung vom    StEiate.     3.  Aufl.     Übers,  u.  eingeleitet  von 

Dr.    Carl   Gebhardt.     1907.     32,  181  u.  33  S.   (geb.  8.60)      3.— 

96  —  Briefwechsel.     13  u.  258  S.     (geb.  2.40) 2.— 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

Ausgabe  im  Urtext: 
Spinoza.     Opera    philosopliica.     Herausgeg.  u.  eingeleitet  von 
Hugo  Ginsberg. 

II.  Epistolae  doctorum  quorundam  virorum  ad  B.  de  S.  et 
auctoris  responsiones.  —  Colerus,  La  vie  de  Sp.  94  u.  254  S.      2. — 

III.  Tractatus  theologico-politicus.  —  Bayle,  Dictionnaire 
historique  et  critique.     Artikel  Spinoza.     336  S 2. — 

IV.  Principia  philosophiae  Cartesianae.  —  Appendix  conti- 
nens  Cogitata  metaphysica.  —  Tractatus  de  intellectus  emen- 
datione.  —  Tractatus  politicus.     79  u.  256  S 2. — 

Steffens,  Henrik.  Über  die  Idee  der  Universitäten  (4. — ). 
Siehe  unter  Fichte. 

Wolffsche  Begriffsbestimmungen.  Ein  Hilfsbüchlein  beim  Stu- 
dium Kants.  Zusammengestellt  von  Julius  Baumann. 
1910.     VI,  54  S.    (geb.  1.40) 1.— 


Lehrbücher  der  Philosophischen  Bibliothek. 

J7     Kirchner -Michaelis.   Wörterbuch  der  philosophischen  Grund- 
begriffe.    6.  Aufl.  1911.     YIII.  1124  S.  (geb.  14.—)   .     .     .    12.50 

Die  hier  vorliegende  dritte  Neubearbeitung  des  altbewährten 
Kirchnerschen  "Wörterbuchs  durch  die  Hand  des  Herrn  Stadtschul- 
rat Dr.  Michaelis  wird  sich  ohne  Zweifel  bald  viele  neue  Freunde 
zu  den  alten  hinzuerwerben.  Der  Umfang  des  Werkes  schwoll 
durch  die  Fülle  des  neuen  Stoffes  von  45  auf  über  70  Bogen  an 
—  schon  dies  ein  Maßstab,  wie  gründlich  die  Umarbeitring  erfolgte. 

L8     Messer,  Ang.    Einführung  in  die  Erkenntnistheorie.    1909.    VI, 

188  u.  1 1  S.  (geb.  3.—) 2.40 

Das  ist  die  beste  einführende  Schrift  in  die  Erkenntnistheorie, 
die  Kef.  kennt.  Sie  zeichnet  sich  besonders  dadurch  aus,  daß 
sie  trotz  des  kleinen  Umfangea  eine  Anschauung  erweckt  von  der 
Fülle  der  Probleme,  die  der  Erkenntnistheorie  erwachsen;  ferner 
daß  sie  stets  auf  die  richtige  Problemstellung  hinweist;  endlich 
ragt  sie  noch  durch  große  Klarheit  und  Übersichtlichkeit  hervor. 
Vierteljahrsschrift  f.  wissensch.  Philosophie  u.  Soziologie. 

)5     Vorländer,  Karl.  G-eschichte  der  Philosophie.  I.  Bd. :  Altertum, 
Mittelalter  und   Übergang  zur  Neuzeit.    3.  Aufl.  1911.   XII. 

368  S.  (geb.  4.50) 3.60 

)6 II.  Bd.:    Philosophie  der  Neuzeit.    3.  Aufl.    1911.    VIII, 

524  S.  (geb.  5.50) 4.50 

Vorländers  Buch  reizt  geradezu  zum  Studium.  Die  gediegene 
Art,  in  der  er  das  historische  mit  dem  systematischen  Element  zu 
vereinigen  verstanden  hat,  macht  das  Buch  zum  philosophieg'e- 
schichtlichen  Handbuch  par  excellence.  Es  gehört  auf  den  Arbeits- 
tisch eines  jeden  der  Philosophie  „Beflissenen".  Kant-Studien. 

15     Witasek,  Stephan.    GrundUnien  der  Psychologie.    Mit  15  Fig. 

im  Text     1908.     VIII,  370  u.  22  S.  (geb.  3.50) 3.— 

Was  "Witasek  bietet,  ist  so  gefaßt,  daß  niemand  sein  Buch 
ohne  Gewinn  aus  der  Hand  legen  wird.  Der  Stil  ist  eirtfach  und 
durchsichtig,  die  erläuternden  Beispiele  sind  anschaulich  und  be- 
lebend, neue  Begriffe  werden  so  erklärt,  daß  auch  der  Laie  bei 
einiger  Aufmerksamkeit  gut  folgen  kann.  Besonders  wohltuend 
ist  die  Präzision ,  mit  der  überall  zwischen  gesicherten  Erkennt- 
nissen und  vorläufigen  Hypothesen  unterschieden  wird.  Alles  in 
allem :  ein  tüchtiges  Burh ,  dem  auch  wegen  seines  ungemein 
billigen  Preises  weiteste  Verbreitung  zu  gönnen  ist. 

Christliche  Welt. 


Neuere  philosophische  Werice 

aus  dem  Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig.    ^  o 

Bluwstein,  J.     Weltanschauung  Ardigos.    1911.    122  S.       .     .      1.50 
Brann,  0.     Hinauf  zum  Idealismus!    Schelling-Studien.     1908. 
XII,  154  S.    (geb.  3.50) 2.50 

Inhalt:  Hinauf  zum  Idealismus  I  —  Schelling  und  unsere  Zeit. 
—  Schellingrs  geistige  Persönlichkeit  und  ihr  Verhältnis  zu  Goethes 
Geisteswesen.  —  Schellings  Methode  und  ihre  Beziehungen  zu 
Plato,  Goethe  und  Schiller.  —  Schelling  und  die  Eomantik.  — 
Schellings  Gotteslehre  und  das  religiöse  Suchen  unserer  Zeit.  — 
Die  Entwickelung  des  Gottesbegriffes  bei  Schelling. 

—  Zum  ßilduugsproblem.    2  Vorträge,     (Philosophie  u.  Schule. 
Kunst  u.  Schule).    1911.    49  S —.75 

—  Immanuel  Kant.    Ansprache  an  die  Königsberger  Studenten- 
schaft.   1904.    HS •. —.50 

Basse,  L.     Geist  imd  Körper,  Seele  und  Leib.   1903.    X,  488  S. 

(geb.  10.—) 8.50 

„Eine  glänzende  systematische  Darstellung". 

Allgemeine  Zeitung. 

Dieterin^,  Paul.    Die  Herbartsche  Pädagogik  vom  Standpunkt 

moderner  Erziehungsbestrebungen  gewürdigt.    1908.    XVIII, 

220  S.    (geb.  7.—) 6.— 

Domer,  A.  Encyklopädie  der  Philosophie.  Mit  bes.  Berück- 
ßicht.  der  Erkenntnistheorie  u.  Kategorienlehre.  1910.  343  S. 
In  steifem  Karton 6. — 

—  Grrundriß  der  ßeligionsphilosophie.    1903.    466  S.    (geb.  8.50)      7.— 

Zu  den  hervorragendsten  Erscheinungen  der  heutigen  Religions- 
wissenschaft gehört  ohne  Zweifel  der  Grundriß  der  Religions- 
philosophie von  Aug.  Dorner. 

Otto  Pfleiderer  in  den  Protestant.  Monatsheften. 

—  Pessimismus,  Nietzsche  und  Naturahsmus  mit  besonderer  Be- 
ziehung auf  die  Religion.    1911.    VIII,  328  S.    (geb.  7.50)     .      6.— 

Mit  wohltuender  Sicherheit  der  Logik  und  eingehender  Sach- 
kenntnis legt  der  Verfasser  die  Gedankengänge  des  Brahmanismus, 
des  Buddhismus,  Schopenhauers,  Hartmanns,  Drews'  auf  und  unter- 
zieht ihre  Philosophie  einer  vorurteilsfreien,  aber  tief  einschneiden- 
den Kritik,  die  Unzulänglichkeit  des  Pessimismus  vornehmlich 
nach  der  religiösen  Seite  aufweisend  ....  Das  Werk  gehört  zu 
dem  Besten,  was  von  theologischer  Seite  über  die  philosophischen 
Zeitfragen  geschrieben  worden  ist.  "Wartburg. 

DUhring*,  E.     Kursus   der  Philosophie  als  streng  wissenschaft- 
licher "Weltanschauung  u.   Lebensgestaltung.     XII,   559   S.      9. — 
Dürr,  Ernst.     Über  die  Grenzen  der  Gewißheit.     1903.     160  S.      3.— 
Ehrenberg',  Hans.     Die    Parteiung    der  Philosophie.     Studien 

wider  Hegel  und  die  Kantianer.     1911.    VI,  133  S.    .     .     .      4.— 
Encken,  Rudolf.     Gesammelte  Aufsätze    zur  Philosophie   und 

Lebensanschauung.     IV,  242  S.     (geb.  5.20) 4.20 

Wenn  irgend  Gelegenheitsschriften  die  Probe  der  Sammlung  und 
Ausgabe  in  Buchform  glänzend  bestehen,  so  sind  es  die  Euckens. 
Sie  reichen  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie  nahe  an  das  heran, 
was  die  wundervollen  Aufsätze  Treitschkes  uns  auf  historischem, 
die  Michael  Bernays'  auf  literarhistorischem  Gebiete  geben. 

Deutsche  Literatur-Zeitung. 

—  Beiträge  zur  Einführung  in  die  Geschichte  der  Philosophie. 

2.  erweit.  Aufl.     1906.     VI,  196  S.     (geb.  4.50) 3.60 

—  Braun,  0.    Euckens  Philosophie  und  das  Bildung&problem. 
1909.    54  S —.60 

Falckenberg-,  Richard.  Kant  und  das  Jahrhundert.  Gedächtnis- 
rede zum  100  jähr.  Todestag.     2.  Aufl.  1907.     28  S.     .     .     .    —.60 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

FloumOY,  Tli.     Beiträge  zur  Religionspsychologie.     Übers,  v.      J^  ()^ 
Prof  Dr.  M.  Regel.    Mit  Vorwort  von  G.  V o r b r o d t.    1911. 

LU,  62  S .      2.60 

Groos,  Karl.     Die  reine  Vernunftwissenschaft.     Systematische 
Darstellung    von    Schellings    rationaler     oder    negativer 

Philosophie.     X,  187  S.     .     .     .     ,. 3.— 

Jacoby,  Günther.    Herders  u.  Kants  Ästhetik.    1907.    X,  348  S. 

(geb.  6.30) 5.40 

—  Der  Pragmatismus.    Neue  Bahnen  in  der  Wissenschaftslehre 

des  Auslands.     1909.    68  S.    .     .     .     .     .     .     .     .     .     .     .     .  1.20 

Jang'mann,  K.    Rene  Descartes.    Eine  Einführung  in  seine 

Werke.    1908.    VIII,  234  S 6.50 

Kinkel,  Walter.    Der  Humanitätsgedanke.    Betrachtungen  zur 

Förderung  der  Humanität.    1908.    192.  S 2.50 

Kirehmann,  J.  H.  t.  Über  das  Prinzip  des  Realismus.     60  S.  — .60 

—  Über  die  Wahrscheinlichkeit.     Vortrag  u.  Diskussion.   63  S.  — .40 

—  Über  den  Kommunismus  der  Natur.    3.  Aufl.      ......  — .60 

Bekannter  Vortrag",  dessentwegen  der  Verfasser  seines  Amtes 
als  Appellationsgerichts- Vizepräsident  enthoben  wurde. 

Koeber,  R.     Die  Philosophie  Schopenhauers.    327  S.     .     .      5.— 
Kölinert,  H.„  Comtes  Verhältnis  zur  Kunst.    1910.     65  S.        .      1. — 
Lass  on,  A.   Über  Gegenstand  u.  Behandlungsart  der  Religions- 
philosophie.    65  S — .60 

Lempp,  Otto.  Das  Problem  der  Theodicee  in  der  Philosophie 
u.  Literatur   des  18.  Jahrhunderts  bis  auf  Kant  u.  Schiller. 

1910.     VI,  432  S.     In  steifem  Karton •..    .     •      9.— 

L^yy - Bmhl ,  L.     Die  Philosophie  Auguste  Comtes.    Übers. 

von  H.  Molenaar.     VI,  288  S 6.— 

Lewkowitz,  A.     Hegels  Ästhetik    im   Verhältnis    zu  Schiller. 

1910.     77  S 1.80 

Lipps,  Theodor,  Psychologische  Studien.  2.,  umgearb.  u.  er- 
weit Aufl.  1905.     IV,  287  S.     (geb.  6.— j 5.— 

In  dieser  neuen  Fassung"  träg:t  die  Darstellung  g-anz  jenes 
eigentümliche  Gepräge,  das  für  den  Lipps  des  letzten  Jahrzehntes 
charakteristisch  ist,  jenes  eindringlich  Bohrende  der  Analyse,  das 
pfeLlscharf  Geschliffene  der  Polemik,  das  sokratische  Fortschrei- 
ten von  Frage  und  Antwort,  wodurch  allmählich  das  gewünschte 
Eesultat  aus  den  Tiefen  der  Seele  herausgeholt  wird. 

Dr.  William  Stern  in  der  „Zeit". 

Hehlis,  Georg.      Die    Geschichtsphilosophie    Comtes    kritisch 

dargestellt.    1909.    IV,  158  S 3.— 

Meinong,  A.     Über    die    Stellung    der  Gegenstandstheorie    im 

System  der  Wissenschaften.    1907.    VIII,  156  S 4.80 

Merz,    Job.  Theod.     Leibniz'  Leben   und  Philosophie.     Aus 

dem  Englischen  mit  Vorwort  von  C.  Schaarschmidt.  226  S.      2. — 
Xatorp,   Paul.     Piatos  Ideenlehre.     Eine  Einführung  in   den 

Idealismus.     1903.    VIII,  474  S.     (geb.  8.70) 7.50 

Ein  Werk,  das  in  den  hellsten  Vordergrund  philosophischen 
Interesses  gehört,  eins  der  bedeutsamsten  der  Philosophiegeschichte 
überhaupt,  wie  in  den  letzten  Jahrzehnten  nur  sehr ,  sehr  wenige 
erschienen  sind  von  ähnlich  zentralem  Interesse,  ähnlicher  wissen- 
schaftlicher Intensität,  Energie  und  Kühnheit!  Eine  völlige  Neu- 
auffassung Piatos  I  Ein  kraftvolles  Werk  aus  einem  Guß  und 
eigener  I^aftl  .  .  .   Karl  Joel  in  der  „Deutschen  Literaturzeitung". 

yoack,  Ludwig".  Philosophie-geschichtliches  Lexikon.  Histo- 
risch-biographisches Handwörterbuch  der  Geschichte  der 
Philosophie.     XII,  936  S 12.— 


Verlag  von  Felix   Meiner  in  Leipzig. 


Oehler,  Kichard.     Friedrich  Nietzsche  u.  die  Vorsokra-     Jl  Ss 

tiker.     1909.     VIII,  168  S 3.5O 

Plchler.  Hans.    Über  Christian  Wolffs  Ontologie.    1910.  95  s!      2!  — 
Plüniacher,  0,     Der  Pessimismus  in  Vergangenheit  u.  Gegen- 

wart.     Geschichtliches  u.  Kritisches.     2.  Aufl.  XII,  355  S.      7.20 
Renan,  E.  ..Spinoza.    Rede,  geh.  zum  200  jähr.  Todestag  im 

Haag.     Übers,  v.  C.  Schaarschmidt.     24  S —.40 

Richter,  Raonl.    Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie.    2  Bde 

Bd.  1.     1904.     XXIV,  303  u.  61  S.    (geb.  7.50}    ...  '      6  — 

Bd.  II.     1908.     VI,  529  u.  55  S.    (geb.  10.—) 8.50 

Der  grriechische  Skeptizismus  hat  aiif  deutschem  Boden  noch 
niemals  eine  so  energische  —  sagen  wir  es  gleich  —  im  ganzen 
treffliche  Darstellung  und  Beurteilung  erfahren.  Richter  nimmt 
ihn  ernst  und  weiß  ,  obwohl  keineswegs  blind  für  seine  Schwä- 
chen, Plattheiten  und  Naivitäten,  die  ihm  innewohnende  philoso- 
phische Kraft  und  seine  bahnbreohende  Bedeutung  füe  dia  Pro- 
bleme der  Erkenntnistheorie  klar  herauszustellen. 

Wochenschrift  für  klassische  Philologie. 
Richter,  Raonl.    Friedrich  Nietzsche.    Sein  Leben  u.  sein 

Werk.  2.,  vermehrte  Aufl.  1909.  VIII,  356  S.  (geb.  6.— )  .  4.80 
Ich  habe  selten  ein  Buch  (und  niemals  eins  über  Nietzsche!) 
mit  soviel  Freude  und  Genuß  gelesen,  wie  diese  musterhaft  klare, 
nirgends  überschwengliche,  doch  überall  von  woltuender,  liebe- 
vollster Wärme  gleichsam  durchleuchtete  Arbeit,  deren  letzter  Ab- 
schnitt mit  seiner  sachlich  historischen  Bearbeitung  der  Lehre 
Nietzsches  vorbildlich  beweist,  wie  bewundernde  Verehrung  fiir 
einen  Großen  und  unbestechliche  kritische  Besonnenheit  zu  ver- 
einigen sind.  Das  Literarische  Echo. 

Rnge,  Arnold.   Das  Problem  der  Freiheit  in  Kants  Erkenntnis- 
theorie.   1910.    VIII,  84  S 1.60 

Schaarschmidt,  C.     Die   Religion.     Einführung  in  ihre   Ent- 
wicklungsgeschichte.    1907.     VIII,  253  S.     (geb.  5.40)    .     .      4.40 
Scheler,  Max  F.  Die  transzendentale  und  die  psychologische  Me- 
thode. E.  grundsätzl.  Erörterung  zur  philosoph,  Methodik.  1 84  S.      4. — 
Schmidt,  Ferdinand  Jakob.   Zur  "Wiedergeburt  des  Idealismus. 

1908.     VIII,  325  S.    (geb.  7.—) 6.— 

Aus  dem  Inhalt:  Kapitalismus  und  Protestautismus.  Der 
mittelalterliche  Charakter  des  kirchlichen  Protestantismus.  Der 
theologische  Positivismus.  Adolf  Hamack  und  die  Wiederbelebung 
der  spekulativen  Forschung.  Das  Erlebnis  imd  die  Dichtung. 
Goethe  und  das  Altertum.  Kant-Orthodoxie.  Die  Philosophie  auf 
den  höheren  Schulen.  Die  Frauenbildung  und  das  klassische 
Altertum. 

Stern,  L.  William.     Die  Analogie  im  volkstümlichen  Decken. 
Eine  psychologische  Untersuchung.  Mit  einer  Vorbemerkung 

von  M.  Lazarus.     IV,  164  S 3.— 

VorlUnder,    Karl.      Kant-Schiller-Goethe.      Gesammelte 

Aufsätze.     1907.     XIV,  294  S.    (geb.  6.—) 5.— 

Weichelt,  Hans.     Friedrich  Nietzsche:  Also  sprach  Zara- 

thustra,  erklärt  und  gewürdigt.   1910.  VIII,  319  S.  (gel).  6.20)      6.— 
Ziegler,  Leopold.    Zur  Metaphysik  des  Tragischen.  Eine  philo- 
sophische Studie.    1902.    XII,  104  S 1.60 

Einen  Autor,  der  in  seinem  Erstlingswerk  die  Metaphyysik 
des  Tragischen  zu  seinem  Gegenstand  erwählt,  diesen  Gegenstand 
in  BD  große  und  weittragende  Beziehungen  zu  den  höchsten  Ge- 
bieten des  menschlichen  Lebens  zu  setzen  weiß  und  sich  damit  in 
einer  so  glänzenden  Weise  abfindet  wie  Ziegler,  einen  solchen 
Autor  wird  man  alle  Veranlassung  habenj  für  die  Zukunft  im  Auge 
zu  b«'halten.  Prof.  Arthur  Drews  i.  d.  ^.Südwestdeutach.  llundsch.". 
—  Das  Weltbild   Hartmanns.    Eine  Beurteilung.    1910.    196  S. 

(geb.  8.50) 2.50 

Druck  von  0.  Ommbach  la  Leipzig. 


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B  Kant,    Immanuel 
2755  Immanuel  Kant 's  Beweisgrund 

S35  zu  einer  Demonstration  des 

1911  Daseins  Gottes