■CT)
IMMANUEL KAI^
Beweisgrun
.es Daseins Go
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Kant. Kritik der reinen Vernunft. 9. Aufl. Neu her-
ausgegeben von Dr. Theodor Valentiner. 1906.
XII, 7 u. 763 S. Ausgabe auf Dünndruckpapier.
M. 4. — , geb. M. 4.70, in Liebhaberband M. 5.40
In der 9. Auflage sind nun auch die Textänderungen, die Erdmann vorge-
schlagen und Ooldschmidt rezensiert hat, berücksichtigt worden. Der Ausgabe
von 17S7 sind die Abweichungen vom Texte der ersten Ausgabe — in Anmerkun-
gen und Beilagen — angeschlossen. So genügt der vorliegende Band auch höheren
Ansprüchen, zumal wichtige Textänderungen früherer Herausgeber und Vorschläge
moderner Kant-Interpreten in reichlichen Fußnoten Platz gefunden haben.
IVissenschaftlühe Beilage der leipziger Ztituug.
Kant. Kritik der Urteilskraft. 3. Aufl. Neu heraus-
gegeben u. eingeleitet v. Prof. Dr. Karl Vorländer.
1902. 38, 378 u. 36 S. M. 3.50, geb. M. 4.10
Die Kritik der Urteilskraft ist von den drei großen kritischen Werken des
Königsberger Philosophen dasjenige, welches auch für Nichtphilosophen , für
Theologen, Naturforscher, Künstler, das meiste Interesse bietet : wie es denn auch
unsere beiden klassischen Dichter, Schiller und Goethe, bekanntlich stark beein-
flußt hat (vgl. die Einleitung zur vorliegenden Ausgabe S. XIV f.) Die neue
Ausgabe, welche im Unterschied von der bisherigen die letzte zu Kants Lebzeiten
erschienene (3.) Auflage zugrunde legt, beruht auf erneuter genauer Textrevision
und bringt eine Anzahl Verbesserungen des Textes, sowie alle wichtigeren Varianten.
Die vorliegende Ausgabe bringt allein von allen bisherigen eine knappgefaßte
historische und systematische Einleitung, die über die Entstehungsgeschichte
des Werkes, über sein ästhetisches und teleologisches Prinzip und über die
wichtigsten literarischen Hilfsmittel orientiert, sodann ein ausführliches Personen-
und Sachregister (in 64 Spalten).
Kant. Kleinere Schriften zur Logik und Metaphysik.
2. Aufl. Herausgeg. von Karl Vorländer. In 4 Ab-
teilung. 1905. XXXIl, 169; XL, 172; XX, 175; XXXI,
176 S. 8.) M. 5.20, geb. M. 6.—
Vorländers Kant-Ausgaben haben es verstanden, sich in verhältnismäßig
kurzer Zeit Eingang in die weitesten Kreise zu verschaffen, sie bedürfen also
keiner Empfehlung mehr. Immerhin mag erwähnt werden, daß auch dieser Band
in jeder Beziehung eine mustergültige Ausgabe darstellt. Die Einleitungen sind
bei aller Kürze gründlich, die Anmerkungen und besonders die Register sind vor-
trefflich. Literarisches Zentralblatt.
Kant. Logik. 3. Aufl. Neu herausgeg. u. eingeleitet
V(;n Prof. Dr. Walter Kinkel. 1904. 28 u. 171 S.
M. 2. — , geb. M. 2.50
Vom ersten Herausgeber (Jäsche) ist das vorliegende Werk nach einem
Kollegheft von Kants Vorlesung verfaßt; Kant las sein Kolleg nach einem Kom-
pendium, welches seinem eigenen System in den darin vorgetragenen Ansichten
möglichst fern steht. Dieser Umstand hat dem Buch nicht gut getan, denn es
hat «\ch manches, was nicht vollkommen zum System des kritischen Idealismus
pa' • ' hlichcn. Deshalb ist es um so dankbarer zu begrüßen, daß es Kinkel
gri, , den Leser in seiner Einleitung auf einen Standpunkt zu erheben,
von Uc.iu aus sich dieser mit geschärftem Blick leicht orientieren wird. — Der
Text ist sorgfältig rc\idiert. Allgemeine Zeitung.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Eucken, Rudolf. Beiträge zur Einführung in die Ge-
schichte der Philosophie. 2., erweit. Aufl. 1906. VI,
196 S. M. 3.60, geb. M. 4.50
Hierin: Über Bilder und Gleichnisse bei Kant.
Bayle und Kant.
Falckenberg, Richard. Kant und das Jahrhundert.
Gedächtnisrede zum 100 jähr. Todestag. 2. Aufl. 1907,
^28 S. M. —.60
Auf der einen Seite beschreibt und beleuchtet Falckenberg die Hauptpunkte
der Kantschen Philosophie, zumal seiner Ethik und Erkenntnistheorie, auf der
anderen schildert er die verschlungenen Schicksale der Kantschen Erkenntnis-
theorie von Fichte bis zur Gegenwart. Das alles so einfach und klar, daß die
Schrift geradezu eine kurze Einleitung in das Studium Kants genannt werden kann.
Frankfurier Zeitung.
Jacoby, Günther. Herders und Kants Ästhetik. 1907.
X, 348 S. M. 5.40, geb. M. 6.30
Inhalt: Vorfragen S. 1 — 96. — Herders Ästhetik zur Zeit ihrer Voll-
endung S. Q7 — 252. (Grundlagen der Ästhetik. Ästhetik der Musik, — des
Lichtsinns, — der Poesie. Die Naturphilosophie der Ä.) — Herders Probleme
in der Ästhetik Kants S. 253-338. (Das Thema der Kalligone in der Kritik
der Urteilskraft. Das Problem der Bedeutsamkeit, — der Vollkommenheit, —
der Naturphilosophie und der Moral. Das Erhabene und das Ideal. Musik
und redende Kunst. Rückblick. Ausblick.) — Sach- und Personenregister.
Letnpp, Otto. Das Problem der Theodicee in der
Philosophie und Literatur des 1 8. Jahrhunderts bis auf
Kant und Schiller. Gekrönte Preisschrift der Walter
Simon-Preisaufgabe der Kantgesellschaft. 1910. VI,
432 S. M. 9.—
Eine sorgfältige, erschöpfende, streng wissenschaftliche und dabei doch gut
lesbare Schrift, die über diese viel umstrittenen Gedankengänge Abschließendes
bietet . . , Wer sich in den mannigfachen Gottesbeweisen und den Anschauungen
über die Willensfreiheit zi' rechtfinden will, muß zu diesem Buche greifen. Man
wird immer wieder staunend gewahr, welche Erkenntnisschätze in unserer klassi-
schen Zeit des Idealismus oft noch so ungehoben liegen.
jyarrer Trauh in der Christlichen Freiheit.
Rüge, Arnold. Das Problem der Freiheit in Kants
Erkenntnistheorie. 1910. VIII, 84 S. INI. 1.50
Vorländer, Karl. Kant-Schiller-Goethe. Gesammelte
Aufsätze. 1907. XIV, 294 S. M. 5. — , geb. M.'6. —
Es ist bewundernswert, wie Vorländer aus den oft recht dürftigen Nach-
richten ein reiches Gemälde zu entwerfen versteht von der Vermittlerrolle des
Schillerschen Geistes zwischen Goethe und Kant und von der philosophischen
Beschäftigung Goethes, der mit seiner zur Anschauung neigenden Natur sich
keiner schulmäßigen Doktrin zu eigen gegeben hat. Wie scharfsinnig wird jede
Äußerung Goethes abgewogen! Nur wer sein Material so vollständig beherrscht
wie der Verfasser, wird imstande sein, mit solcher Klarheit die Weltanschauung
der beiden Grollen vorzutragen, daß auch weitere Kreise der Gebildeten sein Buch
mit Interesse und Nutzen lesen können.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht.
Das Buch wird durch seine ganze Anlage für lange Zeit, wenn nicht für
immer, den Anspruch erheben dürfen, als das grundlegende Werk über dies
Thema zu Rate gezogen zu werden. Zeitschrift für Gymnasialwesen.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Immanuel Kant. Sämtliche Werke. Herausgegeben
von K. Vorländer, O. Buek, O. Gedan, W. Kinkel,
J. H. V. Kirchmann, F. M. Schiele, Th. Valen-
tincr u. a. Preis in 9 Liebhaberbänden geb. M. 60
Di? Aussähe der Philosophischen Bibliothek ist die einzige Ausgabe von
Kints Sämtlichen Werken, die zurzeit vollständig im Buchhandel zu haben ist.
Sie bietet nicht nur einen philologisch genauen Abdruck der Texte, sondern er-
leichtert auch die Lektüre durch Anmerkungen, ausgezeichnete Sachregister und
durch die Einleitungen der berufensten Kantforscher.
Kant. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft. 3. Aufl. Herausgegeben und eingeleitet
von Karl Vorländer. 1903. 96, 236 u. 24 S.
M. 3.20, geb. M. 3.80
Der große Vorzug der Ausgaben Vorländers besteht in den ausführlichen
Einleitungen, velche die Grundgedanken des kritischen Idealismus erläutern und
so, in Verbindung mit genauen Sachregistern , das Studium Kants zu erleichtern
und sein Verständr.is zu fördern recht geeignet sind. Wie trefflich jene Aus-
gaben ihrem Zwecke dienen, wird nur der recht zu würdigen wissen, der sieh
ohne solche Hilfsmittel durch Kants Philosophie mühsam hat hindurcharbeiten
müssen. Protestantischg Monatshefte.
Hume, D. Dialoge über natürliche Religion. Über
Sell)Stmord und Unsterblichkeit der Seele. Übersetzt
u. eingeleitet von Friedrich Paulsen. 3. Aufl. 1905.
28 u. 138 S. j\I. L50, geb. M. 2.—
!'• •■•^ hrift kann uns auch heute noch ermutigen in unserm heiTtcn Ringen
um fi -iheit und Toleranz. „Mit meisterhafter Klarhcifentwickelt Paulsen
in s. itung die möglichen Verhaltungsweiscn zu den Rcligionswahrheiten
Die Ausgabe gewinnt dadurch einen über die Bedeutung ihrer ur-
n fk-stimmung weit hinausreichenden Wert". Kantsttidien.
Schleiermacher, F. Monologen. 2. Aufl. Kritische Aus-
gabe mit Einleitung, Bibliographie u. Index von D. Fr.
M. Schiele. 1902. 46 u. 130 S. M. 1.40, geb. I\I. 1.90
'"■1;»' sind uns die Monologen in mustergültiger Ausgabe vorgelegt'
1 Text der ersten Ausgabe vom Jahre 17W und fügt die Abweichungen
'cren Ausgaben im kritischen Apparat hinzu. Er hat damit eine gc-
gelicfert, und die Vergleichung der Texte bietet reiche Ausbeute
des Umbildungsprozcsses in Schleiermachers Gedanken. Für eine
'■'urdigung der Monologen ist aber der erste Text die einzig maßgebende
Zeitschrift für Philosophie.
Schleiermacher, F. Weihnachtsfeier. Kriti.sche Aus-
gabe. Mit pjnleitung u. Register versehen von Lic.
H. Mulcrt. 1908. 34 u. 78 S. M. 2. — , geb. M. 2.50
\T'cr \X'ri!;;i.((lil<;-. (Linken niisi'( sprochen hören will von einem Manne mit
1 ^chem Em|ifindcn , von reicher Lcbenser-
r von einem Manne, der die neuen An-
'• mit der klassischen und vor allem mit
n waren, in sich aufgenommen hat, der
' ier. Er wird dann seinen Teil erhalten von
• vor nunmehr hundert Jahren besal) und den
'•Veit eines l'amilienfestes auszuschütten
I ohne jede (icziertheit und Lehrhaftig-
-^ " llcrz erfüllte. Kölnische Zeitung.
Philosophische Bibliothek
Band 47 ^
Immanuel Eant's
Beweisgrund zu einer Demonstration
des
Daseins Gottes
nebst den anderen kleineren Schriften
zur E-eligionsphilosophie
Dritte, mit der zweiten gleiclilautende Auflag©
durchgesehen ^
von
D. Friedricli Michael Schleie
Leipzig 1911
Verlag von Felix Meiner
Dmclc von C. Grumbach in Leipzigs
Vorwort.
Die erste Auflage dieses Heftes (Abtheilung II
des Bandes 47) der Philosophischen Bibliothek war
ein schlichter Abdruck aus Bd. II, IV und VI der
HARTENSTEiN'schen KANT-Ausgabe. Beim Neudruck
hat diese erste Auflage zu Grunde gelegen, aber sie
ist in jeder Hinsicht revidirt und vor allem durchweg
mit den Originaldrucken der Werke Kant's verglichen
worden. Nur für die 10 Seiten des „Versuchs über
den Optimismus" war mir das Original nicht zu-
gänglich.
"Was die von mir befolgte Orthographie anlangt,
so bedarf es bei Kant's bekannter Gleichgiltigkeit
gegen diese Dinge keiner Rechtfertigung, wenn ich
es hier meist bei der HARXENSTEiN-KiRCHiNiANN'schen
Schreibweise habe bewenden lassen. Indessen habe
ich doch eine Reihe von überflüssigen Aenderungen
der früheren Editoren wieder rückgängig gemacht:
wo Kant's Schreibung richtiger war (z. B. mannig-
faltig st. mannichfaltig), ferner da, wo auch die
KAJNT'sche Rechtschreibung das Auge des modernen
Lesers nicht befremdet (z. B. das Ohngefähr st. das
Ungefähr), und endlich da, wo eine orthographische
Eigentümlichkeit besonders charakteristisch erschien
(z.B. GOtt in vielen Fällen st. Gott).
Die häufige Ausstossung eines unbetonten e, das
Hartenstein und Kirchmann meist ergänzen, habe
ich gelassen, wie sie bei Kant war (z. B. Ver-
IV Vorwort
ändrung et. Veränderung, der Andre st. der Andere,
etwas Anders st. etwas Anderes). In gleicher Weise
ist das e des Genetivs und des Dativs nur da ge-
setzt, wo der erste Druck es auch wirklich hat.
Die starke Declinationsendung derAdjectiva habe
ich, wo sie unserem Sprachgebrauche widerstreitet,
mit Hartenstein und KiRCmiANN durch schwache
Endung ersetzt Für das KANT'sche „seyn" sind stets
die erforderlichen Aequivalente eingesetzt, auch unter
gelegentlicher Abweichung von Hartenstein (z. B.
51, 38).
Von den Verbesserungen, die Hartenstein in
der Vorrede seiner Ausgabe aufzählt, habe ich folgende
wieder ausgeschieden :
43,21 setzt Hartenstein „eine erste Ursach von
Anderem" st. „eine erste Ursach von andern
[sc. Ursachen)"
85, 17 setzt H. „unter diesen (sc. Klumpen)" st.
„unter diese {sc. Rinde)"
92, 4 setzt H. „unter allen den grossesten Raum
einschliesst" st. „den grossesten Raum einschliesst
unter allen"
116, 26 setzt H. „blosse Gründe der Wahrschein-
lichkeit" st. „grosse Gründe d.W."
Die übrigen dieser HARTENSTEiN'schen Correcturen
sind von mir übernommen, imgleichen eine Reihe
seiner leichteren Ausgleichungen des zum Teil sehr
sorglos gesetzten und corrigirten ersten Druckes, Aus-
gleichungen, die als Druckfehlerverbesserungen an-
zusehen sind und deshalb nicht ausdrücklich auf-
gezählt werden.
Ausserdem hat aber Hartenstein den Text noch
stillschweigend an vielen Stellen recensirt, wo ich ihm
Vorwort
nicht habe folgen dürfen. Diese Stellen mögen, weil
unser Text nun einmal vom H.schen Texte abstammt,
hier aufgezählt werden. Ich bin in allen diesen
Fällen zum Original zurückgekehrt.
J5
iß
13,1
13,25
14,32
15,28
16,34
24,19
setzt Hartenstein
Nec
untersuchen
die Folgen
die Hauptstücke
befremdend
weitläuftige Erörterung
© *• J3
24, 40 merke ich ... an
28, lö wenn kein Materiale,
kein Datum zu ge-
denken, da ist
29. 15 der Fall, indem
33,27 es
37. 7 Kealitäten
40. 16 vorausgesetzt
42, 36 ; denn die Welt
47, 28 in der Natur selbst
54,27 in Dünste
54, 37 zu 60 vielen Zwecken
55, 38 zur Folge
56,30 einfache
58, 36 in den . . . Kräften . . .
angelegt
59, 4 (die Sündfluth soll) von
Kometen herrühren
59, 11 aus allgemeinen Natur-
gesetzen
62, 2 Verknüpfung vieler
Vollkommenheiten
65 Z. 3 der Anm. zu völligem
Stillstand
66, 3 Verbesserung und Er-
gänzung
66, 9 wie auch
67.8 jegliches . . . ihre . . .
Nothwendigkeit
Btatt
II 109 Ne
109 suchen
die Folge
die Hauptstücke dessel-
fremd [ben
zu weitläuftige Er-
örterung
merke ich nur ... an
wenn kein Materiale,
kein Datum zu denken
da ist
der Fall, in dem
(= welchem)
er {sc. der Begriff)
Kealität
voraus (= vorher) gesetzt
: Die Welt
in der Natur der Sache
selbst
zu Dün8te[n]
zu so viel Zwecken
zu Folge
einfältige
in die . . , Kräfte . . .
angelegt (= gelegt)
vom Kometen herrühren
110
111
112
118
119
122
122
126
129
132
134
138
144
144
145
146
148
148
148 aus allgemeinern Natur-
gesetzen
150 Verknüpfung vieler Voll-
kommenheit
153 zum völligen Stillstand
154 Verbesserung oder Er-
gänzung
154 wie auch immer
155 jegliches . . . seine . . .
Nothwendigkeit
VI
Vorwort
|5
CO
•ctzt Ilartoosteia
68, 9 Aufmerksamkeit
zeigen
69 Z. 1 der Anro. hat
73, 12 für einen . . . Verstand
75, 11 einen Einwurf . . .
machen
75, 13 auf die göttliche Weis-
heit
75, 24 oder
75,39 Vorwurf
78,24 Knaben
79, 34 des Urhebers
82, 2 kein Mensch
82, 19 in den Möglichkeiten
83, 30 Die Aufmerksamkeit
84, 15 Einheit in diesem . . .
Mannigfaltigen
87.4 eine Rinne
87, 8 die . . . bekannt
87, 27 Folgen . . . haben
89, 38 Nebentheile
91.5 mich dünkt
92. 13 die Bemerkung
92. 14 das Gegenverhältniss
92, 15 dass . . . ankommt
93, 10 dem Laufe der Natur
95, 4 einigen Nutzen (sing.)
97, 35 Richtung
99, 35 nicht abweichen
100, 17 Heer der Sonnen
101,35 könnte
102, 13 eine unmittelbar gött-
liche Handlung
103,15 aus allgemeinen Wir-
kungsgesctzen
105,41 in Abbeugung
106,24 reiben
110,4 stOBsen oder ver-
zögern
111,37 zu eich selbst reden
_ 00 ti
2 g g statt
s t •<
u:
155 Aufmerksamkeit be-
zeigen
156 hatte
160 für seinen . . . Verstand
161 einen Einwurf . . . aus-
machen
162 auch auf die göttliche
Weisheit
162 oder doch
162 Vorwand
164 Knäbchen
165 ihres Urhebers
167 ein Mensch nicht
168 selbst in den Möglich-
keiten
169 Diese Aufmerksamkeit
170 Einheit in dem . . .
Mannigfaltigen
172 seine Rinne
172 die ... bekannt seyu
(= sind)
172 Folge ... hat
174 Neben vortheile
175 mir dünkt
176 diese Bemerkung
176 die Gegenverhältniss
(wie H. auch vorher
und nachher liest)
176 dass . . . ankomme
177 dem Verlaufe der Natur
179 einige Nutzen (plur.)
181 Richtigkeit
183 nicht weit abweichen
184 Heer Sonnen
185 könne
185 eine unmittelbare gött-
liche Handlung
186 aus allgemeinem Wir-
kiingsgpsetzen
18S in eine Abbeugung
189 treiben
192 stossen und verzögern
194 80 zu sich selbst reden
Vorwort
VII
setzt Hartenstein
"?<
O 0 OD
Statt
tß a
112,23 selbst die Möglich-
keiten
116.3 angeführten
118. 18 in dem Begriffe einer
Gottheit
118,20 auf das Dasein
schliessen
119,15 irgend eines oder
mehrerer Dinge
120. 19 aus der Erfahrung
121.4 in einem weitläufügen
Ganzen
124. 10 der Schärfe der De-
monstration fähig
126 letzte Zeile v. u. verbind-
lichen Dank
127,1 von ihm
129, 38 Bediflgung zu den
Oertern
130. 11 in demselben {sc. Ding
an sich)
131. 12 von Dingen an sich
137, 4 welches
137, 28 mit dem moralischen
Bösen
1 37 Z. 2 der Anm. Gerechtig-
keit und Güte . . .
zurückführen
142, 33 in dem Wohllaut . . .
aufgelöst
144,21 immer
150,27 aber
158,42 als Versinnlichung
163,1 die Cultur der Talente,
die Geschicklichkeit
des Geschmacks
166, 1 die Vernichtung
168. 11 dass es ihnen
168. 12 auch
170, 6 der Stifter derselben
{sc. der Liebe)
194 selbst diese Möglich-
keiten
198 ausgeführten
200 in dem Begriffe der G ott-
heit
200 auf ein Dasein schliessen
200 irgend einer oder mehrer
Dinge
202 aus Erfahrung
202 in einem so weitläuftigen
Ganzen
204 der Schärfe einer De-
monstration fähig
IV 465 verbindlichsten IJank
466 von ihm selbst
467 Bedingung zu Oertern
467 in denselben {sc. Ver-
hältnissen)
468 von Dingen an sich
selbst
VI 78 was
79 mit dem moralisch
Bösen
79 Gerechtigkeit auf Güte
. . . zurückführen
83 in den Wohllaut . . .
aufgelöst
85 noch immer
90 also
360 als eine Versinnlichung
364 die Cultur der Talente,
der Geschicklichkeit
und des Geschmacks
366 der Vernichtung
368 dass ihnen
368 wohl auch
370 der Stifter desselben {sc.
des Christenthums)
VIII Vorwort.
Textänderungen, die mir selbst noch nötig schienen,
habe ich in der Weise in den Text aufgenommen,
dass hinter das zu ändernde Wort das geänderte in
eckige Klammern gesetzt ist. Z. B. S. 39, 34 „durch
ihn [es]", d.h.: Kant schreibt hier: „durch ihn" (sc.
Gott), nach dem Zusammenhange ist aber zu lesen:
„durch es" (sc. das höchste Wesen).
Bei der Interpunction habe ich mein Augenmerk
besonders darauf gerichtet, das Kolon neben dem
Semikolon in seine Rechte einzusetzen, und das ver-
wirrende Zuviel der Kommata soweit als irgend mög-
lich zu verringern. Doch musste ich mich hier, wie
an manchem anderen Punkte meiner Herausgeber-
arbeit mit dem Worte HoRAzens trösten:
Est quadam prodire tenus si non datur ultra.
Bei Citaten bitte ich die am Rande stehenden
Seitenzahlen der Originaldrucke zu benutzen.
Eine erläuternde Einleitung sowie Personen- und
Sachregister sollen dem Bande 47 der FJdlosophischen
Bibliothek beigegeben werden, sobald sich eine Er-
neuerung auch seiner ersten Abtheilung, der kleineren
Schriften zur Ethik, nötig gemacht hat. — Die wichtigsten
bibliographiechen Notizen stehen auf der Rückseite
der Spezialtitelblätter.
Marburg i. Hessen, den 24. Dezember 1901
Friedrich Michael Schiele,
Lic. theol.
Versuch einiger Betrachtungen
Über den Optimismus
von
M. IMMANUEL KANT,
wodurch er zugleich
seino Yorlesungen auf das bevorstehende halbe Jahr
ankündigt.
Den 7ten October 1759.
Kant, kl. Schriften z. Ethik. 11.
Erster Druck: 4. Königsberg, 1759. Driest. 8 pp.
(Hartenstein ^ VI, S. 1-10. UI, S. 35-43. Rosenkranz I,
S. 45-54.)
Seitdem man sich von Gott einen geziemenden Begriff
gemacht hat, ist vielleicht kein Gedanke natürlicher ge-
wesen, als dieser: dass, wenn er wählt, er nur das Beste
wähle. Wenn man vom Alexander sagte, dass er glaubte
nichts gethan zu haben, so lange für ihn noch etwas 5
zu thun übrig war, so wird sich dieses mit einer un-
endlich grösseren Kichtigkeit von dem gütigsten und
mächtigsten unter allen Wesen sagen lassen. Leibnitz
hat auch damit nichts Neues vorzutragen geglaubt, wenn
er sagte: diese Welt sei unter allen möglichen die beste, 10
oder welches ebensoviel ist: der Inbegriff alles dessen,
was Gott ausser sich hervorgebracht hat, ist das Beste,
was nur hervorzubringen möglich war; sondern dass
Neue bestand nur in der Anwendung, um bei den Schwierig-
keiten, die man von dem Ursprünge des Bösen macht, 15
den Knoten abzuhauen, der so schwer aufzulösen ist.
Ein Gedanke, der so leicht, so natürlich ist, den man
endlich so oft sagt, das er gemein wird und Leute von
zärtlichem Geschmacke verekelt, kann sich nicht lange
im Ansehen erhalten. Was hat man denn für Ehre davon, 20
mit dem grossen Haufen mit zu denken und einen Satz
zu behaupten, der so leicht zu beweisen ist? Subtile
Irrthümer sind ein Reiz für die Eigenliebe, welche die
eigene Stärke gerne fühlt; offenbare Wahrheiten hin-
gegen werden so leicht und durch einen so gemeinen 25
Verstand eingesehen, dass es ihnen endlich so geht, wie
jenen Gesängen, welche man nicht mehr ertragen kann,
sobald sie aus dem Munde des Pöbels erschallen. Mit
einem Worte: man schätzt gewisse Erkenntnisse öfters
nicht darum hoch, weil sie richtig sind, sondern weil sie 30
uns was kosten, und man hat nicht gerne die Wahrheit
gutes Kaufs. Diesemnach hat man es erstlich ausser-
ordentlich, dann schön und endlich richtig gefunden, zu
behaupten, dass es Gott beliebt habe, unter allen möglichen
4 Versuch einiger Betrachtimgen
Welten diese zu wählen, nicht weil sie hesser war, als
die ühiigcu , die in seiner Gewalt waren , sondern weil
es knrziim ihm so beliebte. Und warum beliebte es denn
Dir, Du Ewiger, frage ich mit Demuth, das Schlechtere
5 dem Besseren vorzuziehen? Und Menschen legen dem
Allerhöchsten die Antwort in dem Mund: es gefiel mir
also, und es ist genug.
Ich entwerfe jetzt mit einiger Eilfertigkeit Anmer-
kungen, die das TJrtheil übei* die Streitigkeit erleichtern
10 können, welche sich hierüber erhoben hat. Meine Herren
Zuhörer werden sie vielleicht dienlich finden, den Vortrag,
den ich über diesen Artikel in den Vorlesungen halte,
in seinem Zusammenhange besser einzusehen. Ich fange
demnach also an zu schliessen:
16 Wenn keine Welt gedacht werden kann, fiber die sich
nicht noch eine bessere denken liesse, so hat der höchste
Verstand unmöglich die Erkenntniss aller möglichen Welten
haben können; nun ist das Letztere falsch, also auch
das Erstere. Die Kichtigkeit des Obersatzes erhellt also:
20 wenn ich von einer jeden einzelnen Idee, die man sich
nur von einer Welt machen mag, sagen kann, dass die
Vorstellung einer noch besseren möglich sei, so kann
dieses auch von allen Ideen der Welten im göttlichen
Vorstande gesagt werden; also sind bessere Welten
25 möglich, als alle, die so von Gott erkannt werden, und
Gott hat nicht von allen möglichen Welten Kenntniss
gehabt. Ich bilde mir ein, dass der Untersatz von jedem
Kechtgläubigen werde eingeräumt werden, und schliesse,
dass es falsch sei, zu behaupten, es könne keine Welt
30 gedacht werden, über die sich nicht noch eine bessere
denken liesse, oder welches einerlei ist, es ist eine Welt
möglich, über die sich keine bessere denken lllsst. Hier-
aus folgt nun zwar freilich nicht, dass eine unter allen
möglichen Welten müsse die vollkommenste sein ; denn
85 wenn zwei oder mehrere derselben an Vollkommen-
hoit gleich wären, so würde, wenn gleich keine bessere,
als eine von beiden, könnte gedacht werden, doch
keine die beste sein, weil beide einerlei Grad der Güte
haben.
40 Um diesen zweiten S'hluss zu machen zu können, stelle
ich folgende Hetrachtung an, die mir neu zu sein scheint.
Man erlaube mir zuvörderst, dass ich die absolute Voll-
über den Optimismus. 5
kommenheit*) eines Dinges, wenn man sie ohne irgend
eine Absicht für sich selbst betrachtet, in dem Grade
der Kealität setze. Ich habe in dieser Voraussetzung
die Beistimmung der meisten Weltweisen auf meiner
Seite und könnte sehr leicht diesen Begriff rechtfertigen. 5
Nun behaupte ich, dass Realität und Eealität niemals
als solche können unterschieden sein. Denn wenn sich
Dinge von einander unterscheiden, so geschieht es durch
dasjenige, was in dem einen ist, und in dem andern
nicht ist. "Wenn aber Realitäten als solche betrachtet 10
werden, so ist ein jedes Merkmal in ihnen positiv;
sollten sich nun dieselben von einander als Realitäten
unterscheiden, so müsste in der einen etwas Positives
sein, was in der andern nicht wäre, also würde in der
einen etwas Negatives gedacht werden, wodurch sie sich 15
von der andern unterscheiden Hesse, das heisst, sie
würden nicht als Realitäten mit einander verglichen,
welches doch gefordeit wurde. Demnach unterscheiden
sich Realität und Realität von einander durch nichts,
als durch die einer von beiden anhängenden Negationen, 20
Abwesenheiten, Schranken, das ist nicht in Ansehung
ihrer Beschaffenheit (qualitate) , sondern Grösse (gi'adu).
Demnach, wenn Dinge von einander unterschieden
sind, so unterscheiden sie sich jederzeit nur durch den
Grad ihrer Realität, und unterschiedliche Dinge können 25
nie einerlei Grad der Realität haben. Also können ihn
auch niemalen zwei unterschiedene Welten haben; das
heisst, es sind nicht zwei Welten möglich, welche gleich
gut, gleich vollkommen wären. Herr Reinhard sagt in
seiner Preisschrift vom Optimismus: eine Welt könne 30
wohl eben die Summe von Realitäten, aber anderer Art
*) Die Vollkommenheit im respektiven Verstände ist die Zu-
sammenstimmung des Mannichfaltigen zu einer gewissen Re;:^e],
diese mag sein, welche sie wolle. So ist mancher Betrug,
manche Käuberrotte vollkommen in ihrer Art. Allein im ab-
soluten Verstände ist etwas nur vollkommen, insofern das
Mannichfaltige in demselben den Grund einer Realität in sich
enthält. Die Grösse dieser Realität bestimmt den Grad der
Vollkommenheit. Und weil Gott die höchste Realität ist , so
würde dieser BegriflF mit demjenigen übereintrefiFen , da man
sagte , es ist etwas vollkommen , insofern es mit den göttlichen
Ligenschaften zusammenstimmt.
6 Versuch einiger Betrachtungen
haben, als die andere, und alsdenn wären es veröchie-
dene Welten und doch von gleicher Vollkommenheit.
Allein er irrt in dem Gedanken, als wenn Realitäten
von gleichem Grad doch könnten in ihrer Beschaffen-
5 heit (qualitate) von einander unterschieden sein. Denn,
um es nochmals zu sagen, man setze, dass sie es wären,
so würde in einer etwas sein, was in der andern nicht
ist, also würden sie sich durch die Bestimmung A und
non A unterscheiden, wovon die eine allemal eine wahr-
10 hafte Verneinung ist, mithin durch die Schranken der-
selben und den Grad, nicht aber durcli ihre Beschaffen-
heit; denn die Verneinungen können niemals zu den
Qualitäten einer Realität gezählt werden, sondern sie
schränken sie ein und bestimmen ihren Grad. Diese
15 Betrachtung ist abstrakt und würde wohl einiger Er-
läuterungen bedürfen, welche ich aber anderer Gelegen-
heit vorbehalte.
Wir sind so weit gekommen, gründlich einzusehen,
dass unter allen möglichen Welten eine die vollkommenste
20 sei, so dass ihr weder eine an Trefflichkeit vorgeht, noch
eine andere ihr gleich kommt. Ob dieses nun die wirk-
liche Welt sei oder nicht, wollen wir bald erwägen; jetzt
wollen wir das Abgehandelte in ein grösseres Licht zu
setzen suchen.
25 Es giebt Grössen, von denen sich keine denken lässt,
dass nicht eine noch grössere könnte gedacht werden.
Die grosseste unter allen Zahlen, die geschwindeste unter
allen Bewegungen sind von dieser Art. Selbst der gött-
liche Verstand denkt sie nicht, denn sie sind, wie Leib-
30 nitz anmerkt, betrügliche Begriffe (notiones deceplrices) ,
von denen es scheint, dass man etwas durch sie denkt;
die aber in der That nichts vorstellen. Nun sagen die
Gegner des Optimismus: eine vollkommenste unter allen
Welten sei so, wie die grosseste unter allen Zahlen, ein
35 widersprechender Begriff; denn man könne ebensowohl
zu einer Summe der Realität in einer Welt einige
mehrere hinzuthun, wie zu der Summe der Einheiten in
einer Zahl andere Einheiten können hinzugethan werden,
ohne dass jemals was Grösstes herauskommt.
40 Ohne hier zu erwähnen, dass man nicht füglich den
Grad der Realität eines Dinges in Vergleichung der
kleineren als eine Zahl in Vergleichung mit ihren Ein-
über den Optimißmus. 7
Leiten ansehen kann, so führe ich nur Folgendes an,
um zu zeigen, dass die angeführte Instanz nicht wohl
passe. Es ist gar keine grosseste Zahl möglich, es ist
aber ein grösster Grad der Kealität möglich, und dieser
befindet sich in Gott. Sehet da den ersten Grund, warum 5
man hier sich fälschlich der Zahl begriffe bedient. Der
Begriff einer grossesten endlichen Zahl ist ein abstrakter
Begriff der Vielheit schlechthin, welche endlich ist, zu
welcher aber gleichwohl mehr hinzugedacht werden kann,
ohne dass sie aufhört, endlich zu sein; in welcher also 10
die Endlichkeit der Grösse keine bestimmten, sondern nur
allgemeine Schranken setzt, weswegen keiner von solchen
Zahlen das Prädikat der grössten zukommen kann; denn
man mag eine bestimmte Menge gedenken, wie man will,
so kann diese eine jede endliche Zahl ohne Nachteil der 15
Endlichkeit durch die Hinzuthuung vermehren. Der Grad
der Eealität einer "Welt ist hingegen etwas durchgängig
Bestimmtes ; die Schranken , die der möglich grössten
Vollkommenheit einer AVeit gesetzt sind, sind nicht blos
allgemein, sondern durch einen Grad, der nothwendig in 20
ihr fehlen muss, festgesetzt. Die Unabhängigkeit, die
Selbstgenügsamkeit, die Gegenwart an allen Orten, die
Macht zu schaffen u. s. w. sind Vollkommenheiten, die
keine Welt haben kann. Hier ist es nicht so, wie bei
der mathematischen Unendlichkeit, dass das Endliche durch 25
eine beständig fortgesetzte und immer mögliche Steigerung
mit dem Unendlichen nach dem Gesetze der Continuität
zusammenhängt. Hier ist der Abstand der unendlichen
Realität und der endlichen durch eine bestimmte Grösse,
die ihren Unterschied ausmacht, festgesetzt. Und die 30
Welt, die sich auf derjenigen Sprosse von der Leiter
der Wesen befindet, wo die Kluft anhebt, die die un-
ermesslichen Grade der Vollkommenheit enthält, welche
den Ewigen über jedes Geschöpf erheben, diese Welt,
sage ich, ist das Vollkommenste unter Allem, was end- 35
lieh ist.
Mich däucht, man könne anjetzt mit einer Gewissheit,
welcher die Gegner wenigstens nichts Grösseres entgegen-
zusetzen haben, einsehen: es sei unter allem Endlichen,
was möglich war, eine Welt von der grössten Vortreff- 40
lichkeit das höchste endliche Gut, allein würdig von dem
obersten unter allen Wesen gewählt zu werden, um mit
8 Versuch einiger BetrachtuugeQ
dem Unendlichen zusammengenommen die grösste Summe,
die sein kann, auszumachen.
Wenn man mir das oben Bewiesene zugiebt, wenn
man mit mir einstimmig ist, dass unter allen möglichen
ö Welten eine uothwendig die vollkommenste sei, so ver-
lange ich nicht ferner zu streiten. Nicht alle Aus-
schweifung in Meinungen kann uns zu der Bemühung
verbindlich machen, sie mit Sorgfalt zu beantworten.
Wenn sich Jemand aufwirft, zu behaupten: die höchste
10 Weisheit habe das Schlechtere besser finden können
als das Beste, oder die höchste Güte habe sich ein
kleiner Gut mehr belieben lassen als ein grösseres,
welches ebensowohl in ihrer Gewalt war, so halte ich
mich nicht länger auf. Man bedient sich der Weltweisheit
15 sehr schlecht, wenn man sie dazu gebraucht, die Grund-
sätze der gesunden Vernunft umzukehren, und man thut
ihr wenig Ehre an, wenn man, um solche Bemühungen
zu widerlegen, es noch nöthig findet, ihre Waffen aufzu-
bieten.
20 Derjenige, welchem es zu weitläuftig wäre, sich in
alle die feinen Fragen, die wir bis daher aufgeworfen
und beantwortet haben, stückweise einzulassen, würde
zwar mit etwas weniger Schul gelehrsamkeit, aber viel-
leicht mit ebenso bündigem Urtheil eines richtigen Ver-
26 Standes von derselben Wahrheit weit leichter können
überzeugt werden. Er würde so schliossen : eine voll-
kommenste Welt ist möglich, weil sie wirklich ist, und
sie ist wirklich, weil sie durch den weisesten und gütig-
sten Rathschluss ist hervorgebracht worden. Entweder
30 ich kann mir gar keinen Begriff von einer Wahl machen,
oder man wählt nach Belieben; was aber beliebt, das
gefällt; gefallen aber und für gut halten, vorzüglich
belieben, sich vorzüglich gefallen lassen und vorzüglich
gut halten, sind meiner Meinung nach nur Unterschiede
85 der Worte. Darum , weil Gott dioso Welt unter allen
möglichen, die er kannte, allein wälilte, muss er sie für
die beste golmlten haben, und weil sein Urtheil niemals
fehlt, 80 ist sie es auch in der That. Wenn es auch
möglich wäre, das höchste Wesen könnte nach der er-
40 dichteten Art von Freiheit, die Einige auf die Bahn ge-
bracht haben, wählen und unter viel Besserem das
Schlechtere vorziehen, durch ich weiss nicht was für
über den Optimismus. 9
ein unbedingtes Belieben, so würde es doch dieses nimmer
gethan haben. Man mag sich so etwas von irgend einer
üntergottheit der Fabel träumen lassen, aber dem Gott
der Götter geziemt kein Werk, als welches seiner würdig
ist, d. i. welches unter allem Möglichen das Beste ist. 5
Vielleicht ist die grössere XJebereinstimmung mit den
göttlichen Eigenschaften der Grund des Eathschlusses,
der dieser Welt, ohne ihren besonderen inneren Vorzug
in Betrachtung zu ziehen, das Dasein gab. Wohlan, auch
dann ist noch gewiss, dass sie vollkommener sei als 10
alle anderen möglichen. Denn weil aus der Wirkung zu
sehen ist, dass alle anderen in geringerer üeberein-
stimmung mit den Eigenschaften des Willens Gottes ge-
wesen, in Gott aber alles Ecalität ist, mit dieser aber
nichts in grösserer Harmonie ist, als worin selbst eine 15
grössere Realität anzutreffen; so muss die grosseste Realität,
die einer Welt zukommen kann, in keiner als in der
gegenwärtigen befindlich sein. Es ist ferner dieses
vielleicht ein Zwang des Willens und eine Nothwendig-
keit, welche die Freiheit aufhebt, nicht umhin zu können, 20
dasjenige zu wählen, was man deutlich und richtig fürs
Beste erkennt. Gewiss, wenn das Gegentheil hievon Frei-
heit ist, wenn hier zwei Scheidewege in einem Labyrinth
von Schwierigkeiten sind, wo ich auf die Gefahr zu irren
mich zu einem entschliessen soll, so besinne ich mich 25
nicht lange. Dank für eine solche Freiheit, die das Beste
unter dem, was zu schaffen möglich war, ins ewige Nichts
verbannet, um trotz allem Ausspruche der Weisheit dem
Uebel zu gebieten, dass es Etwas sei. Wenn ich durch-
aus unter Irrthümern wählen soll, so lobe ich mir lieber 30
jeno gütige Noth wendigkeit, wobei man sich wohl be-
findet, und woraus nichts Anderes als das Beste ent-
springen kann. Ich bin demnach, und vielleicht ein
Theil meiner Leser mit mir, überzeugt, ich bin zugleich-
erfreut, mich als einen Bürger in einer Welt zu sehen, 35
die nicht besser möglich war. Von dem besten unter
allen Wesen zu dem vollkommensten unter allen mög-
lichen Entwürfen als ein geringes Glied, an mir selbst
unwürdig, und um des Ganzen willen auserlesen, schätze
ich mein Dasein um so höher, weil ich erkoren ward, in 40
dem besten Plane eine Stelle einzunehmen. Ich rufe
allem Geschöpfe zu, welches sich nicht selbst unwürdig
10 Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus.
macht, so zu lioisseii: Heil uns, wir sind! und der
Schöpfer liat an uns Wohlgefallen. Unerm essliche Räume
und Ewigkeiten werden wohl nur vor dem Auge des All-
wissenden die Reich thümer der Schöpfung in ihrem ganzen
5 Umfange eröffnen; ich aber, aus dem Gesichtspunkte,
worin ich mich befinde, bewaffnet durch die Einsicht, die
meinem schwachen Verstände verliehen ist, werde um
mich schauen, so weit ich kann, und immer mehr einsehen
lernen: dass das Ganze das Beste sei, und Alles
10 um des Ganzen willen gut sei.
Ich werde in dem bevorstehenden halben Jahre die
Logik, wie ich gewohnt bin, über Meyer, die Metaphysik
über Baumgarten, üb erebendenselben auch die Ethik, die
physische Geographie über meine eigene Handschrift,
15 die reine Mathematik, die ich anfange, in einer be-
sonderen, die mechanischen Wissenschaften aber in einer
anderen Stunde , beide nach Wolf vortragen. Die Ein-
tlieilung der Stunden wird besonders bekannt gemacht.
Man weiss schon, dass ich jede dieser Wissenschaften
20 in einem halben Jahre zu Ende bringe und, wenn dieses
zu kurz ist, den Rest in einigen Stunden des folgenden
nachhole. —
Der
einzig mögliche Beweisgrund
zu einer
Demonstration
des
Daseins Gottes,
von
M. IMMANUEL KANT.
1763.
8. Königeberg. 1763 [Michaelismesse 1762].
Johann Jacob Kanter. XV, 255 pp. — Neue Titelausgabe
1770 (ohne Vorrede). — Neuer unveränderter Abdruck
Königsberg. 1794. Härtung. — Nachdruck Leipzig. 1794.
(Hartenstein ^VI S. 11— 128. 'II S. 107-205. Rosenkranz
I S. 161—286.)
VORREDE. [III]
Ne raea dona tibi studio disposta fideli,
Intellecta prius quam sint, contemta relinquas.
Lucretius. *)
Ich habe keine so hohe Meiming von dem Nutzen o
einer Bemühung , wie die gegenwärtige ist, als wenn die
wichtigste aller unserer Erkenntnisse: es ist ein Gott,
ohne Beihülfe tiefer metaphysischer Untersuchungen
wanke und in Gefahr sei. | Die Vorsehung hat nicht [IV]
gewollt, dass unsere zur Glückseligkeit höchst nöthigen 10
Einsichten auf der Spitzfindigkeit feiner Schlüsse be-
ruhen sollten, sondern sie dem natürlichen gemeinen Ver
Stande unmittelbar überliefert, der, wenn man ihn nicht
durch falsche Kunst verwirrt, nicht ermangelt, uns gerade
zum Wahren und Nützlichen zu führen, insoferne wir 15
desselben äusserst bedürftig sind. Daher derjenige Ge-
brauch der gesunden Yerniinft, der selbst noch inrer-
halb den Schranken gemeiner Einsichten ist, gerugFam
überführende Beweisthümer von dem Dasein und den
Eigenschaften dieses Wesens an die Hand giebt, obgleich 20
der subtile Fcrscher allerwärts die Demonstration und
die Abgeraessenheit genau bestimmter Begriffe oder
regelmässig verknüpfter Vemunftschlüsse vermisst. Gleich-
wohl kann man sich nicht entbrechen, diese Demonstration
zu suchen, ob sie sich nicht irgendwo darböte. Denn 25
ohne der billigen Begierde zu erwähnen, deren ein der
Nachfor schung gewohnter Verstand sich nicht entschlagen
kann, in einer | so wichtigen Erkenntniss etwas Voll- [V]
ständiges und deutlich Begriffenes zu erreichen , so ist
noch zu hoffen, dass eine dergleichen Einsicht, wenn ^^
*) Weise mein dir mit gewissenhaftem Eifer bereitetes
Geschenk nicht verächtlich ab, ehe da es erkannt hast.
Anm. d. H.
14 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
man ihrer mächtig goworden, viel Mehreres in diesem
Gegenstande aufklären könnte. Zu diesem Zwecke aber
zu gelangen, muss man sich auf den bodenlosen Ab-
grund der Metaphysik wagen. Ein finsterer Ocean ohne
5 Ufer und ohne Leuchtthürme, wo man es wie der Seefahrer
auf einem unbeschifften Meere anfangen muss, welcher,
sobald er irgendwo Land betritt, seine Fahrt prüft und
untersucht, ob nicht etwa unbemerkte Seeströme seinen
Lauf verwirrt haben , aller Behutsamkeit ungeachtet, die
10 die Kunst zu schiffen nur immer gebieten mag.
Diese Demonstration ist indessen noch niemals er-
fanden worden, welches schon von anderen angemerkt
ist. "Was ich hier liefere, ist auch nur der Beweisgrund
zu einer Demonstration, ein mühsam gesammeltes Bau-
15 geräthe, welches der Prüfung des Kenners vor Augen
[VI] gelegt ist, um aus dessen | brauchbaren Stücken nach den
Regeln der Dauerhaftigkeit und der Wohlgereimtheit das
Gebäude zu vollführen. Ebenso wenig wie ich dasjenige,
was ich liefere, fi;r die Demonstration selber will ge-
20 halten wissen, so wenig sind die Auflösungen der Be-
griffe, deren ich mich bediene, schon Definitionen. Sie
sind, wie mich dünkt, richtige Merkmale der Sachen, wo-
von ich handle, tüchtig, um daraus zu abgemessenen Er-
klärungen zu gelangen, an sich selbst um der Wahrheit
25 und Deutlichkeit willen brauchbar, aber sie erwarten noch
die letzte Hand des Künstlers, um den Definitionen bei-
gezählt zu werden. Es giebt eine Zeit, wo man in einer
solchen Wissenschaft, wie die Metaphysik ist, sich getraut,
Alles zu erklären und alles zu demonstriren, und wiederum
30 eine andere, wo man sich nur mit Furcht und Miss-
traucn an dergleichen Unternehmungen wagt.
Die Betrachtungen, die ich darlege, sind die Folge
(VIIj eines langen Nachdenkens, | aber die Art des Vortrages hat
das Merkmal einer unvollendeten Ausarbeitung an sich,
35 insofeme verschiedene Beschäftigungen die dazu erforder-
liche Zeit nicht übrig gelassen haben. Es ist indessen
eine sehr vergebliche Einschmeichlung, den Leser
um Verzeihung zu bitten, dass man ihm, um welcher
Ursache willen es auch sei, nur mit etwas
40 Schlechtem habe aufwarten können. Er wird es niemals
vergeben, man mag sich entschuldigen, wie man will.
In meinem Falle ist die nicht völlig ausgebildete Gestalt
Vorrede 15
des "Werks nicht sowohl einer Voraachlässig-ung, als einer
Unterlassung aus Absichten beizumessen. Ich wollte nur
die ersten Züge eines Hauptrisses entwerfen, nach welchem,
wie ich glaube, ein Gebäude von nicht geringer Yor-
trefflichkeit könnte aufgeführt werden, wenn unter ge- 5
übteren Händen die Zeichnung in den T heilen mehr
Richtigkeit und im Ganzen eine vollendete Regelraässig-
keit erhielte. In dieser Absicht wäre es unnüthig ge-
wesen, gar zu viel ängstliche Sorgfalt zu verwenden,
um in einzelnen Stücken alle | Züge genau auszumalen, [Vni]
da der Entwurf im Ganzen allererst das strenge Urtheil
der Meister in der Kunst abzuwarten hat. Ich habe da-
her öfters nur Beweisthümer angeführt, ohne mich anzu-
massen , dass ich ihre Verknüpfung mit der Folgerung
für jetzt deutlich zeigen könnte. Ich habe bisweilen 15
gemeine Verstandesurtheile angeführt, ohne ihnen durch
logische Kunst die Gestalt der Festigkeit zu geben, die
ein Baustück in einem System haben muss, entweder
weil ich es schwer fand, oder weil die Weitläuftigkeit
der nöthigen Vorbereitung der Grösse, die das Werk 20
haben sollte, nicht gemäss war, oder auch, weil ich mich
berechtigt zu sein glaubte, da ich keine Demonstration
ankündige, der Forderung, die man mit Recht an syste-
matische Verfasser thut, entschlagen zu sein. Ein kleiner
Theil derer, die sich das Urtheil über Werke des Geistes 25
anmassen, wirft kühne Blicke auf das Ganze eines Ver-
suchs und betrachtet vornehmlich die Beziehung, die die
Hauptstücke desselben zu einem tüchtigen Bau haben
könnten, wenn | man gewisse Mängel ergänzte oder Fehler [IX]
verbesserte. Diese Art Leser ist es, deren Urtheil dem 30
menschlichen Erkenntniss vornehmlich nutzbar ist. Was
die Uebrigen anlangt, welche, unvermögend, eine Ver-
knüpfung im Grossen zu übersehen, an einem oder andern .
kleinen Theile grüblerisch geheftet sind, unbekümmert, ob
der Tadel, den es etwa verdiente, auch den Werth des 35
Ganzen anfechte, und ob nicht Verbesserungen in einzelnen
Stücken den Hauptplan, der nur inTheilen fehlerhaft ist,
erhalten können, diese, die nur immer bestrebt sind,
einen jeden angefangenen Bau in Trümmer zu verwandeln,
können zwar um ihrer Menge willen zu fürchten sein, allein 40
ihr Urtheil ist, was die Entscheidung des wahren Werthes
anlangt, bei Vernünftigen von wenig Bedeutung.
16 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Ich habe mich an einigen Orten vielleicht nicht um-
ständlich genug erklart, um denen, die nur eine schein-
bare Veranlassung wünschen, auf eine Schrift den bitteren |
(X] Vorwurf des Irrglaubens zu werfen , alle Gelegenheit
5 dazu zu benehmen; allein welche Behutsamkeit hätte
dieses auch wohl verhindern können; ich glaube indessen
für diejenigen deutlich genug geredet zu haben, die
nichts Anders in einer Schrift finden wollen, als was
des Verfdssers Absicht gewesen ist hineinzulegen. Ich
10 habe mich so wenig wie möglich mit Widerlegungen
eingelassen, so sehr auch meine Sätze von Anderer
ihren abweichen. Diese Entgegenstellung ist etwas,
das ich dem Nachdenken des Lesers, der beide einge-
sehen hat, überlasse. Wenn man die Urtheilo der un-
15 verstellten Vernunft in verschiedenen denkenden Personen
mit der Aufrichtigkeit eines unbestochenen Sachwalters
prüfte, der von zwei strittigen Theilen die Gründe so
abwiegt, dass er sich in Gedanken in die Stelle derer,
die sie vorbringen, selbst versetzt, um sie so stark zu
20 linden, als sie nur immer werden können, und dann
allererst auszumachen, welchem Theile er sich widmen
wolle, so würde viel weniger Uneinigkeit in den Mei-
[XI] nungen der Phi | losophen sein, und eine ungeheuchelte
Billigkeit, sich selbst der Sache des Gegentheils in dem
25 Grade anzunehmen, als es möglich ist, würde bald die
forschenden Köpfe auf einem Wege vereinigen.
In einer schweren Betrachtung, wie die gegen-
wärtige ist, kann ich mich wohl zum voraus darauf gc-
fasst machen, dass mancher Satz unrichtig, manche
30 Erläuterung unzulänglich, und manche Ausführung ge-
brechlich und mangelhaft sein werde. Ich mache keine
solche Forderung auf eine unbeschränkte Unterzeichnung
des Lesers, die ich selbsten schwerlich einem Verfasser
bewilligen würde. Es wird mir daher nicht fremd
35 sein, von Andern in manchen Stücken eines Bessern
belehrt zu werden, auch wird man mich gelehrig finden,
solchen Unterricht anzunehmen. Es ist schwer, dem
Ansprüche auf Richtigkeit zu entsagen , den man im
Anfange zuversichtlich äusserte, als man Gründe vor-
40 trug; allein es ist nicht ebenso schwer, wenn dieser
iX-llJ Anspruch gelinde, | unsicher und bescheiden war. Selbst
die feinste Eitelkeit, wenn sie sich wohl versteht, wird
Vorrede 17
l)emerkeii, dass nicht weniger Verdienst dazu gehört, sich
überzeugen zn lassen, als selbst zu überzeugen, und dass
jene Handlung yielleicht mehr wahre Ehre macht, insoferne
mehr Entsagung und Selbstprüfung dazu, als zu der
andern erfordert wird. Es könnte scheinen, eine Verletzung 5
der Einheit, die man bei der Betrachtung seines Gegen-
standes vor Augen haben muss, zu sein, dass hin und
wieder ziemlich ausführliche physische Erläuterungen vor-
kommen; allein da meine Absicht in diesen Fällen vor-
nehmlich auf die Methode, vermittelst der Naturwissen- 10
Schaft zur Erkenntniss Gottes hinaufzusteigen, gerichtet
ist, so habe ich diesen Zweck ohne dergleichen Beispiele
nicht wohl erreichen können. Die siebente Betrachtung
der zweiten Abtheilung bedarf desfalls etwas mehr Nach-
sicht, vornehmlich da ihr Inhalt aus einem Buche, welches 15
ich ehedem ohne Nennung meines | Namens herausgab,*) [XIII]
gezogen worden, wo hievon ausführlicher, obzwar in Ver-
knüpfung mit verschiedenen etwas gewagten Hypothesen
gehandelt ward. Die Verwandtschaft indessen, die zum
mindesten die erlaubte Freiheit, sich an solche Erklärungen 20
zu wagen, mit meiner Haupt | absieht hat, imgleichen der [XIV]
Wunsch, Einiges an dieser Hypothese von Kennern be-
urtheilt zu sehen, haben veranlasst, diese Betrachtung
einzumischen, die vielleicht zu kurz ist, um alle Gründe
derselben zu verstehen, oder auch zu weitläuftig für die- 25
jenigen, die hier nichts wie Metaphysik anzutreffen ver-
muthen, und von denen sie füglich kann überschlagen
*) Der Titel desselben ist: AllgemeineNaturgeschichte
und Theorie des Himmels, Königsberg und Leipzig 1755.
Diese Schrift, die wenig bekannt geworden, muss unter andern
auch nicht zur Kenntniss des berühmten Herrn J. H. Lambeet
gelangt sein, der sechs Jahre hernach in seinen Cosmologischen
Briefen 1761 ebendieselbe Theorie von der systematischen
Verfassung des Weltbaues im Grossen, der Milchstrasse, den
Nebelsternen n. s. f. vorgetragen hat , die man in meiner ge-
dachten Theorie des Himmels im ersten Theile, imgleichen in der
Vorrede daselbst antrifft, und wovon etwas in einem kurzen
Abrisse S. 154 — 158 des gegenwärtigen Werks angezeigt wird.
Die Uebereinstimmung der Gedanken dieses sinnreichen Mannes
mit denen, die ich damals vortrug, welche fast bis auf die
kleineren Züge unter einander übereinkommen, vergrössert meine
Verrauthung, dass dieser Entwurf in der Folge mehrere Bestätigung
erhalten werde. Anm. v. Kant.
K a n t , kl. Schriften z. Etbik. U. 8
18 BewciRgnind zu einer Demonstration des Daseins Gottes
werden. Es wird vielleicht nötliig sein, einige Druckfehler,
die den Sinn des Vortrages verändern könnten und die
man am Ende des Werks sieht, vorher zu verbessern, ehe
man diese Schrift liest.
Das Werk selber besteht ans drei Abtheiliingen; davon
die erste den Beweisgrund selber, die zweite den weit-
läuftigeii Nutzen desselben, die d r itte aber Gründe vorlegt,
um darzuthun, dass kein anderer zu einer Demonstration
vom Dasein Gt)ttes möglich sei.
Erste Abtheilung. fXV]
Worin der Beweisgrund zur Demonstration des
Daseins Gottes geliefert wird.
[XVI]
Erste Betrachtung. [1]
Vom Dasein überhaupt. 6
Die Regel der Gründlichkeit erfordert es nicht alle-
mal, dass selbst im tiefsinnigsten Vortrage ein jeder
vorkommender Begriff entwickelt oder erklärt werde;
wenn man nämlich versichert ist, dass der bloss klare
gemeine Begriff in dem Falle, da er gebraucht wird, 10
kiünen Missverstand veranlassen könne; so wie der Mess-
künstler die geheimsten Eigenschaften und Verhältnisse
des Ausgedehnten mit der grössten Gewissheit aufdeckt,
ob er sich gleich hiebei lediglich des gemeinen Begriffs
vom Raum bedient, und wie selbst in der allertiefsinnigsten 15
Wissenschaft das "Wort Vorstellung genau genug ver-
standen und mit Zuversicht 1 gebrauclit wird, wiewohl [2]
seine Bedeutung niemals durch eine Erklärung kann auf-
gelöst werden.
Ich würde mich daher in diesen Betrachtungen nicht 20
bis zur Auflösung des sehr einfachen und wohlverstandnen
Begriffs des Daseins versteigen, wenn nicht hier gerade
der Fall wäre, wo diese Verabsäumung Verwirrung und
wichtige Irrthümer veranlassen kann. Es ist sicher, dass
er in der übrigen ganzen Weltweisheit so unentwickelt, 25
wie er im gemeinen Gebrauch vorkommt, ohne Be-
denken könne angebracht werden, die einzige Frage vom
absolut nothwendigen und zufalligen Dasein aus-
20 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
geDommen ; denn hier hat eine subtilere Nachforschung
aus einem unglücklich gekünstelten, sonst sehr reinen
Begriff irrige Schlüsse gezogen, die sich über einen der
erhabensten Theile der Weltweisheit vorbreitet haben.
5 Man erwarte nicht, dass ich mit einer förmlichen Er-
klärung dos Daseins den Anfang machen werde. Es wiire
zu wünschen, dass man dieses niemals thäte, wo es so
unsicher ist, richtig erklärt zu haben, und dieses ist es
[3] öfter, als man wohl | denkt. Ich werde so verfahren, als
10 einer, der die Definition sucht und sich zuvor von dem-
jenigen versichert, was man mit Gewissheit bejahend oder ver-
neinend von dem Gegenstande der Erklärung sagen
kann, ob er gleich noch nicht ausmacht, worin der aus-
führlich bestimmte Bogriff desselben bestehe. Lange vor-
15 her, ehe nan eine Erklärung von seinem Gegenstande
wagt, und selbst denn, wenn man sich gar nicht getraut
sie zu geben, kann man viel von derselben Sache mit
grossester Gewissheit sagen. Ich zweifle, dass einer
jemals richtig erklärt habe, was der Raum sei. Allein,
20 ohne mich damit einzulassen, bin ich gewiss, dass, wo er
ist, äussere Beziehungen sein müssen, dass er nicht
mehr als drei Abmessungen haben könne u. s. w. Eine
Begierde mag sein, was sie will, >o gründet sie sich auf
irgend eine Vorstellung, sie setzt eine Lust an dem Be-
25 gc'hrtcn voraus u. s. f. Oft kann aus diesem , was man
vor aller Definition von der Sache gewiss weiss, das, was
zur Absicnt unserer Untersuchung gehört, ganz sicher
hergeleitet werden, und man wagt sich alsdenn in un-
nölhige Schwierigkeiten, wenn man sich bis dahin ver-
30 steigt. Die Methodeusucht, die Nachahmung des Mathe- 1
[4J matikers, der auf einer wohlgebahnten Strasse sicher
fortschreitet, auf dem schlüpfrigen Boden der Metaphysik
hat eine Menge solcher Fehltritte veranlasst, die man be-
ständig vor Augen sieht, und doch ist wenig Hoffnung,
35 das.s man dadurch gewarnt und behutsamer zu sein lernen
weide. Diese Methode ist es allein, kraft welcher ich
einige Aufl'lärungen hoffe, die ich vergeblich bei Andorn
gesucht habe; denn was die schmeichelhafte Vorstellung
anlangt, die man sich macht, dass man durch grössere
40 Scharfsinnigkeit es bosser als andere treffen werde, so versteht
man wohl, dass jederzeit Alle so geredet haben, die uns aus
einem fremden Irrthum in den ihrigen haben ziehen wollen.
I. 1. Vom Dasein überhaupt 21
1.
Das Dasein ist gar kein Prädikat oder Determination
von irgend einem Dinge.
Dieser Satz scheint seltsam und widersinnig, allein
er ist ungezweifelt gewiss. Nehmet ein Subjekt, welches 5
ihr wollt, z. E. den Julius Caesar. Fasset alle seine
erdenklichen Prädikate, selbst die der Zeit und des Orts
nicht ausgenommen, in ihm zusamjmen, so werdet ihr bald [5]
begreifen, dass er mit allen diesen Bestimmungen existiren
oder auch nicht existiren kann. Das Wesen, welches 10
dieser Welt und diesem Helden in derselben das Dasein
gab, konnte alle diese Prädikate, nicht ein einziges aus-
genommen, erkennen und ihn doch als ein bloss mögliches
Ding ansehen, das, seinen Eathschluss ausgenommen, nicht
existirt. Wer kann in Abrede ziehen, dass Millionen 15
von Dingen , die wirklich nicht da sind , nach allen
Prädikaten, die sie enthalten würden, wenn sie existirten,
blos möglich seien; dass in der Vorstellung, die das
höchste Wesen von ihnen hat, nicht eine einzige ermangele,
obgleich das Dasein nicht mit darunter ist, denn es er- 20
kennt sie nur als mögliche Dinge. Es kann also nicht
stattfinden, dass, wenn sie existiren, sie ein Prädikat mehr
enthielten; denn bei der Möglichkeit eines Dinges nach
seiner durchgängigen Bestimmung kann gar kein Prädikat
fehlen. Und wenn es Gott gefallen hätte, eine andere 25
Reihe der Dinge, eine andere Welt zu schaffen, so würde
sie mit allen den Bestimmungen und keinen mehr existirt
haben, die er an ihr doch erkennt, ob sie gleich blos
möglich ist. |
Gleichwohl bedient man sich des Ausdrucks vom Dasein [6]
als eines Prädikats, und man kann dieses auch sicher und
ohne besorgliche Irrthümer thun, so lange man es nicht
darauf aussetzt, das Dasein aus blos möglichen Begriffen
herleiten zu wollen, wie man zu thun pflegt, wenn man
die absolut nothwendige Existenz beweisen will. Denn 35
alsdenn sucht man umsonst unter den Prädikaten eines
solchen möglichen Wesens, das Dasein findet sich gewiss
nicht darunter. Es ist aber das Dasein in den Fällen,
da es im gemeinen Ecdegebrauch als ein Prädikat vor-
kommt, nicht sowohl ein Prädikat von dem Dinge selbst, 40
22 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
als vielmehr von dem Gedanken , den man davon hat
Z. E. dem Seeeinhorn kommt die Existenz zu, dem Land-
einhorn nicht. Es will dieses nichts Anderes sagen, als:
die Vorstellung des Seeeinhorns ist ein Erfahrungsbe^'riff,
5 das ist, die Vorstellung eines existirenden Dinges. Daher
man auch, um die Richtigkeit dieses Satzes von dem Dasein
einer solchen Sache darzuthun, nicht in dem Begriffe des
Subjekts sucht, denn da findet man nur Prädikate der
Möglichkeit, sondern in dem Ursprünge der Erkenntniss,
10 die ich davon habe. Ich habe, sagt man, es gesehen,
[7] oder von denen vernommen, die es gesehen I haben. Es
ist daher kein Völlig richtiger Ausdruck, zu sagen: ein
Seeeinhorn ist ein existirend Thier, sondern umgekehrt,
einem gewissen existirenden Seethiere kommen die Prädi-
15 kate zu, die ich an einem Einhorn zusammen gedenke,
Nicht: regelmässige Sechsecke existiren in der Natur,
sondern gewissen Dingen in der Natur, wie den Bienenzellen
oder dem Bergkrystall , kommen die Prädikate zu, die in
einem Sechsecke beisammen gedacht werden. Eine jede
20 menschliche Sprache hat von den Zufälligkeiten ihres
Ursprungs einige nicht zu ändernde Unrichtigkeiten, und
es würde grüblerisch und unnütze sein, wo in dem ge-
wöhnlichen Gebrauche gar keine Missdeutungen daraus
erfolgen können, an ihr zu künsteln und einzuschränken,
25 genug, dass in den seltenern Fällen einer höher gesteigerten
Betrachtung, wo es nöthig ist, diese Unterscheidungen
beigefügt werden. Man wird von dem hier angeführten
nur allererst zureichend urtheilen können, wenn man das
Folgende wird gelesen haben. |
[8] 2.
Das Dasein ist die absolute Position eines Dinges
und unterscheidet sich dadurcli auch von jeglichem
Fmdikate, welches als ein solches jederzeit bloss
beziehungsweise auf ein anderes Ding gesetzt wird.
•"^5 Der Begriff der Position oder Setzung ist völlig ein-
fach und mit dem vom Sein überhaupt einerlei. Nun
kann etwas als bloss beziehungsweise gesetzt, oder besser
bloss die Beziehung frespcdus logicus) von etwas als einem
Merkmal zu einem Dinge gedacht werden, und denn ist
I. 1. Vom Dasein überhaupt. 23
das Sein, das ist die Position dieser Beziehung, nichts
als der Verbindungsbegriff in einem Urtheile. Wird
nicht bloss diese Beziehung, sondern die Sache an und
für sich selbst betrachtet, so ist dieses Sein soviel als
Dasein. 5
So einfach ist dieser Begriff, dass man nichts zu
seiner Auswicl^elung sagen kann, als nur die Behutsam-
keit anzumerken, dass er nicht mit den Verhältnissen,
die die Dinge zu ihrem Merkmale haben, verwechselt
werde. | 10
Wenn man einsieht, dass unsere gesammte Erkennt- [9]
niss sich doch zuletzt in unauflöslichen Begriffen endige,
so begreift man auch, dass es einige geben werde, die
beinahe unauflöslich sind, das ist, wo die Merkmale nur
sehr wenig klärer und einfacher sind als die Sache selbst. 15
Dieses ist der Fall bei unserer Erklärung von der Existenz.
Ich gestehe gerne, dass durch dieselbe der Begriff des
Erklärten nur in einem sehr kleinen Grade deutlich
werde. Allein die Natur des Gegenstandes in Beziehung
auf die Vermögen unseres Verstandes verstattet auch 20
keinen höhern Grad.
Wenn ich sage : GOtt ist allmächtig, so wird nur
diese logische Beziehung zwischen GOtt und der Allmacht
gedacht, da das Letztere ein Merkmal des Ersteren ist.
Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob GOtt sei, das ist, 25
absolute gesetzt sei oder existire, das ist darin gar nicht
enthalten. Daher auch dieses Sein ganz richtig selbst
bei den Beziehungen gebraucht wird, die Undinge
gegen einander haben. Z. E. der GOtt des Spinoza ist
unaufhörlichen Veränderungen unterworfen. 30
Wenn ich mir vorstelle, GOtt spreche über ei|ne mög- [10]
liehe Welt sein allmächtiges Werde, so ertheilt er dem
in seinem Verstände vorgestellten Ganzen keine neuen
Bestimmungen, er setzt nicht ein neues Prädikat hinzu,
sondern er setzt diese Reihe der Dinge, in welcher Alles 35
sonst nur beziehungsweise auf dieses Ganze gesetzt war,
mit allen Prädikaten absolute oder schlechthin. Die
Beziehungen aller Prädikate zu ihren Subjekten be-
zeichnen niemals etwas Existirendes , das Subjekt müsste
denn schon als existijend vorausgesetzt werden. „GOtt 40
ist allmächtig," muss ein wahrer Satz auch in dem
Urtheil desjenigen bleiben, der dessen Dasein nicht er-
24 BeweisüTund zu einer Demonstration des Daaeins Gottes
^ts
kennt, wenn er mich nur wohl versteht, wie ich den
Bigriff GOttes nehme. Allein sein Dasein muss un-
mittelbar zu der Art gehören, wie sein Begriff gesetzt
wird, denn in den Prädikaten selber wird es nicht ge-
6 fanden. Und wenn nicht schon das Subjekt als existirend
vorausgesetzt ist, so bleibt es bei jeglichem Prädikate
unbestimmt, ob es zueinera existirenden oder bloss mög-
lichen Subjekte gehöre. Das Dasein kann daher selber
kein Piädikut sein. Sage ich: GOtt ist ein existirend
10 l'ing, so scheint es, als wenn ich die Beziehung eines
Prädikats zum Subjekte ausdrückte. Allein es liegt auch
[11] eine Unrichtigkeit in | diesem Ausdruck. Genau gesagt,
sollte es heissen: etwas Existirendes ist GOtt, das ist,
einem existirenden Dinge kommen diejenigen Prädikate
15 zu, die wir zusammengenommen durch den Ausdruck
GOtt bezeichnen. Diese Prädikate sind beziehungsweise
auf dieses Subjekt gesetzt, allein das Ding selber sammt
allen Prädikaten ist schlechtliin gesetzt.
Ich besorge durch zu weitläuftige Erläuterung einer so
20 einfachen Idee unvernehmlich zu werden. Ich könnte
auch noch befürchten, die Zärtlichkeit derer, die vor-
nehmlich über Trockenheit klagen, zu beleidigen. Allein,
ohne diesen Tadel für etwas Geringes zu halten, muss
ich mir diesmal hiezu Erlaubniss ausbitten. Denn ob
25 ich schon an der überfeinen Weisheit derjenigen, welche
sichere und brauchbare Begiiffe in ihrer logischen
Schmelzküche so lange übertreiben, abzirhen und ver-
feinern, bis sie in Dämpfen und flüchtigen Salzen ver-
rauchen, so wenig Geschmack als jemand anders finde,
30 80 ist der Gegenstand der Betrachtung, den ich vor mir
habe, doch von der Art, dass man entweder gänzlich es
aufgeben muss, eine demonstrativische Gewissheit davon
jemals zu erlangen, oder es sich muss gefallen lassen,
[12] seine Begriffe bis in diese Atomen aufzulösen. |
35 8.
Kann ich wohl sagen, dass im Dasein mehr als in
der blossen Möglichkeit sei?
Diese Frage zu beantworten, merke ich nur zuvor an,
dass man unterscheiden müsse, was da gesetzt .^ei, und
40 wie ea gesetzt sei. Was das Erstere anlangt, so ist
I. 1. Vom Dasein überhaupt. 25
in einem wirklichen Dinge nicht mehr gesetzt, als in
■einem bloss möglichen; denn alle Bestimmungen und
Prädikate des Wirklichen können auch bei der blossen
Möglichkeit desselben angetroffen werden; aber das
Letztere betreffend, so ist allerdings durch die Wirklich- 5
keit mehr gesetzt. Denn frage ich: wie ist alles dieses
bei der blossen Möglichkeit gesetzt? so werde ich inne,
es geschehe nur beziehungsweise auf das Ding selber,
d. i. wenn ein Triangel ist, so sind drei Seiten, ein be-
schlossener Raum, drei Winkel u. s. w., oder besser: die 10
Beziehung dieser Bestimmungen zu einem solchen Etwas,
wie ein Triangel ist, ist bloss gesetzt; aber existirt er,
so ist alles dieses absolute, d. i. die Sache selbst zu-
sammt diesen Beziehungen, mithin mehr gesetzt. Um
daher in einer so subtilen Vorstellung alles zusammen 15
zu fassen, i was die Verwirrung verhüten kann, so sage: in [13]
einem Existirenden wird nichts mehr gesetzt, als in
einem bloss Möglichen (denn alsdann ist die Eede von
den Prädikaten desselben), allein durch etwas Existirendes
wird mehr gesetzt, als durch ein bloss Mögliches, denn 20
dieses geht auch auf absolute Position der Sache selbst
Sogar ist in der blossen Möglichkeit nicht die Sache
selbst, sondern es sind blosse Beziehungen von Etwas
zu EtTas nach dem Satze des Widerspruchs gesetzt, und
es bleibt fest, dass das Dasein eigentlich gar kein Prädikat 25
von irgend einem Dinge sei. Obgleich meine Absicht
hier gar nicht ist, mit Widerlegungen mich einzulassen,
und meiner Meinung nach, wenn ein Verfasser mit vor-
urtheilsfreier Denkungsart Anderer Gedanken gelesen und
durch damit verknüpftes Naclidenken sie sich eigen ge- 30
macht hat, das Urtheil über seine neuen und abweichenden
Lehrsätze ziemlich sicher dem Leser überlassen kann, so
will ich doch nur mit wenig Worten darauf führen.
Die WoLFißche Erklärung des Dasoins , dass es eine
Ergänzung der Möglichkeit sei, ist offenbar sehr unbe- 36
stimmt. Wenn man nicht schon vorher weiss, was | über [14]
die Möglichkeit in einem Dinge kann gedacht werden,
so wird man es durch diese Erklärung nicht lernen.
Baumgarten führt die durchgängige innere Bestimmung,
insofern sie dasjenige ergänzt, was durch die im Wesen 40
liegenden oder daraus fliessenden Prädikate unbestimmt
gelassen ist, als dasjenige an, was im Dasein mehr als
26 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
in der blossen Möglichkeit ist; allein wir haben schon ge-
sehen, dass in der Verbindung eines Dinges mit allen
erdenklichen Prädikaten niemals ein Unterschied des-
selben von einem bloss Möglichen liege. Ueberdem kann
5 der Satz: dass ein möglich Ding, als ein solches be-
trachtet, in Ansehung vieler Prädikate unbestimmt sei,
wenn er so nach dem Buchstaben genommen wird, eine
grosse Unrichtigkeit veranlassen. Denn die Kegel der
Ausschliessung eines Mittleren zwischen zwei wider-
10 sprechend Entgegengesetzten verbietet dieses, und es ist
daher z. E. ein Mensch, der nicht eine gewisse Statur,
Zeit, Alter, Ort u. dgl. hätte, unmöglich. Man muss
ihn vielmehr in diesem Sinne nehmen : durch die an
einem Dinge zusammengedachten Prädikate sind viele
15 andere ganz und gar nicht bestimmt, so wie durch das-
jenige, was in dem Begriff eines Menschen, als eines
[15] solchen zusammengenommen ist, in Ansehung | der be-
sonderen Merkmale des Alters , Orts u. s. w. nichts aus-
gemacht wird. Aber diese Art der Unbestimmtheit ist
20 alsdenn ebensowohl bei einem Existirenden als bei einem
bloss möglichen Dinge anzutreffen, weswegen dieselbe zu
keinem Unterschiede beider kann gebraucht werden. Der
berühmte Crusiüs rechnet das Irgendwo und Irgendwenn
zu den untrüglichen Bestimmungen des Daseins. Allein,
25 ohne uns in die Prüfung des Satzes selber: dass Alles
was da ist, irgendwo oder irgendwenn sein müsse, ein-
zulassen, so gehören diese Prädikate noch immer auch zu
bloss möglichen Dingen. Denn so könnte an manchen
bestimmten Orten mancher Mensch zu einer gewissen
30 Zeit oxistiren, dessen alle Bestimmungen der Allwissende,
sowie sie ihm beiwohnen würden, wenn er existirte,
wohl kennt, und der gleichwohl wirklich nicht da ist; und
der ewige Jude Ahasverus nach allen Ländern, die er
durchwandern, oder allen Zeiten, die er durchleben soll,
35 ist ohne Zweifel ein möglicher Mensch. Man wird doch
hoffentlich nicht fordern, dass das Irgendwo und Irgend-
wenn nur denn ein zureichend Merkmal des Daseins
sei, wenn das Ding wirklich da oder alsdenn ist, denn
da würde man fordern, dass dasjenige schon eingeräumt
|16] wer|de, was man sich anheischig macht, durch ein
taugliches Merkmal von selber kenntlich zu machen.
I. 2. Von der inneren Möglichkeit 27
Zweite Betrachtiing,
Von der Innern Möglichkeit, insofern sie ein
Dasein voraussetzt.
1.
Nöthige Unterscheidung bei dem Begriffe der 5
Möglichkeit.
Alles, was in sich selbst widersprechend ist, ist
innerlich unmöglich. Dieses ist ein wahrer Satz, wenn
man es gleich dahingestellt sein lässt, dass es eine
wahre Erklärung sei. Bei diesem Widerspruche aber 10
ist klar, dass Etwas mit Etwas im logischen Widerstreit
stehen müsse, das ist, dasjenige verneinen müsse, was
in ebendemselben zugleich bejaht ist. Selbst nach dem
Herrn Ckusius , der diesen Streit nicht bloss in einem
Innern Widerspruche setzt, sondern behauptet, dass er 15
überhaupt durch den Verstand nach einem ihm natür-
lichen Gesetze wahrgenommen werde, ist im Unmöglichen
allemal eine Verknüpfung mit | Etwas, was gesetzt, und [17]
Etwas, wodurch es zugleich aufgehoben wird. Diese
Repugnanz nenne ich das Formale der Undenklichkeit 20
oder Unmöglichkeit; das Materiale, was hiebei gegeben
ist und welches in solchem Streite steht, ist an sich
selber etwas, und kann gedacht werden. Ein Triangel,
der viereckigt wäre, ist schlechterdings unmöglich. In-
dessen ist gleichwohl ein Triangel, imgleichen etwas 25
Viereckigtes an sich selber Etwas. Diese Unmöglichkeit
beruht lediglich auf logischen Beziehungen von einem
Denklichen zum andern, da eins nur nicht ein Merkmal
des andern sein kann. Ebenso muss in jeder Möglich-
keit das Etwas, was gedacht wird, und denn die Ueber- 30
einstimmung desjenigen, was in ihm zugleich gedacht
wird, mit dem Satze des Widerspruchs, unterschieden
werden. Ein Triangel, der einen rechten Winkel hat, ist
an sich selber möglich. Der Triangel sowohl, als die
rechten Winkel sind die Data oder das Materiale in 35
diesem Möglichen, die Uebereinstimmung aber des einen
mit dem andern nach dem Satze des Widerspruchs sind
das Formale der Möglichkeit. Ich werde diese letztere
28 Beweggrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
auch das Logische in der Möglichkeit nennen, weil die
[18] Vergleichung der Prüdikate mit ihren Subjekten | nach der
Regel der Wahrheit nichts Anders als eine logische
Beziehung ist ; das Etwas , oder was in dieser Ueberein-
5 Stimmung steht, wird bisweilen das Reale der Möglich-
keit heissen. Uebrigens bemerke ich, dass hier jederzeit
von keiner andern Möglichkeit oder Unmöglichkeit, als
der innern oder schlechtt^rdings und absolute so genannten
die Rede sein wird.
10 2.
Die innere Möglichkeit aller Dinge setzt irgend ein
Dasein voraus.
Es ist aus dem anjetzt Angeführten deutlich zu er-
sehen, dass die Möglichkeit wegfalle, nicht allein wenn
15 ein innerer Widerspruch als das Logische der Unmög-
lichkeit anzutreffen, sondern auch wenn kein Materiale,
kein Datum zu denken da ist. Denn alsdenn ist
nichts Denkliches gegeben, alles Mögliche aber ist
etwas, was gedacht werden kann, und dem die logische
20 Beziehung, gemäss dem Satze des Widerspruchs, zu-
kommt.
Wenn nun alles Dasein aufgehoben wird, so ist nichts
[19] schlechthin gesetzt, es ist überhaupt gar nichts | gegeben,
kein Materiale zu irgend etwas Denklichem , und alle
25 Möglichkeit fällt gänzlich weg. Es ist zwar kein innerer
Widerspruch in der Verneinung aller Existenz. Denn da
hiezu erfordert würde, dass etwas gesetzt und zugleich
aufgehoben werden müsste, hier aber überall nichts ge-
setzt ist, so kann man freilich nicht sagen, dass diese
30 Aufhebung einen innern Widerspruch enthalte. Allein
dass irgend eine Möglichkeit sei, und doch gar nichts
Wirkliches, das widerspricht sich, weil, wenn nichts
existirt, auch nichts gegeben ist, das da denklich wäre,
und man sich selbst widerstreitet, wenn man gleichwohl
35 will, dass etwas möglich sei. Wir haben in der Zer-
gliederung des lieg lifTs vom Dasein verstanden, dass das
Sein oder schlechthin-Gesetzsein , wenn man diese
Worte dazu nicht braucht, logische Beziehungen der
Prädikate zu Subjekten auszudrücken, ganz genau einerlei
I. 2. Von der inneren Möglichkeit 29
mit dem Dasein bedeute. Demnach zu sagen: es existirt
nichts, heisst ebensoviel, als: es ist ganz und gar nichts ;
und es widerspricht sich offenbar, dessenungeachtet hinzu-
zufügen, es sei etwas möglich. |
3. [20]
Es ist schlechterdings uDmöglich, dass gar nichts
existire.
Wodurch alle Möglichkeit überhaupt aufgehoben wird,
das ist schlechterdings unmöglich. Denn dieses sind
gleichbedeutende Ausdrücke. Nun wird erstlich durch 10
das, was sich selbst widerspricht, das Formale aller
Möglichkeit, nämlich die Uebereinstimmung mit dem Satze
des Widerspruchs, aufgehoben, daher ist, was in sich
selbst widersprechend ist, schlechterdings unmöglich.
Dieses ist aber nicht der Fall, in dem wir die gänzliche 15
Beraubung alles Daseins zu betrachten haben. Denn
darin liegt, wie erwiesen ist, kein innerer Widerspruch.
Allein wodurch das Material e und die Data zu allem
Möglichen aufgehoben werden, dadurch wird auch alle
Möglichkeit verneint. Nun geschieht dieses durch die 20
Aufhebung alles Daseins; also wenn alles Dasein ver-
neint wird, so wird auch alle Möglichkeit aufgehoben.
Mithin ist schlechterdings unmöglich, dass gar nichts
existire. |
4. [21]
Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichem ge-
geben, entweder in demselben als eine Bestimmung,
oder durch dasselbe als eine Folge.
Es ist von aller Möglichkeit insgesammt, und von
jeder insonderheit darzuthun, dass sie etwas Wirkliches, '30
es sei nun ein Ding oder mehrere, voraussetze. Diese
Beziehung aller Möglichkeit auf irgend ein Dasein kann
nun zwiefach sein. Endweder das Mögliche ist nur
denklich, insofern es selber wirklich ist, und denn ist die
Möglichkeit in dem Wirklichen als eine Bestimmung ge- 35
geben; oder es ist möglich darum, weil etwas Anders
wirklich ist, d. i. seine innere Möglichkeit ist als eine
Folge durch ein ander Dasein gegeben. Die erläutern-
80 Beweisgrund ru einer Demanstration des Daseins Grottes
den Beispiele können noch nicht füglich hier herbeigeschafft
werden. Die Natur desjenigen Subjekts, welches dcis
einzige ist, das zu einem Beispiele in dieser Betrachtung
dienen kann, soll allererst erwogen werden. Indessen
5 bemerke ich nur noch, dass ich dasjenige Wirl<liche, durch
welches, als ein Grund, die innere Möglichkeit anderer
[22] gegeben ist, den ersten Real;grund dieser absoluten Mög-
lichkeit nennen werde, so wie der Satz des Widerspruchs
der erste logische Grund derselben ist, weil in der Ueber-
10 einstiramung mit ihm das Formale der Möglichkeit liegt,
so wie jenes die Data und das Materiale im Denklichen
liefert
Ich begreife wohl, dass Sätze von derjenigen Art, als
in dieser Betrachtung vorgetragen werden, noch mancher
15 Erläuterung bedürltig sind, um dasjenige Licht zu be-
kommen, das zur Augenscheinlichkeit erfordert wird.
Indessen legt die so sehr abgezogene Natur des Gegen-
standes selbst aller Bemühung der grösseren Aufkläiung
Ilindernisse, so wie die mikroskopischen Kunstgriffe des
20 Sehens zwar das Bild des Gegenstandes bis zur Unter-
scheidung sehr kleiner Theile erweitern, aber auch in
demselben Maasse die Helligkeit und Lebhaftigkeit des
Eindrucks vermindern. Gleichwohl will ich so viel, als ich
vermag, den Gedanken von dem selbst bei der Innern
25 Möglichkeit jederzeit zum Grunde liegenden Dasein, in
eine etwas grössere Nahheit zu den gemeineren Begriffen
eines gesunden Verstandes zu bringen suchen. |
[23] Ihr erkennet, dass ein feuriger Körper, ein listiger
Mensch oder dergleichen etwas Mögliches sind, und wenn
30 ich nichts mehr als die innere Möglichkeit verlange,
so werdet ihr garnicht nöthig finden, dass ein Körper
oder Feuer u. s. w. als die Data hiezu exibtiren müssen;
denn sie sind einmal denklich, und das ist genug. Die
Zustimmung aber des Prädikats „feurig,** mit dem Sub-
85 jekte „Körper," nach dem Grunde des Widerspruchs liegt
in diesen Begriffen selber, sie mögen wirkliche oder bloss
mögliche Dingo sein. Ich räume auch ein, dass weder
Körper, noch Feuer wirkliche Dinge sein dürfen, und
gleichwohl ein feuriger Körper innerlich möglich sei.
40 Allein ich fahre fort, zu fragen: ist denn ein Körper
selber an sich möglich? Ihr werdet mir, weil ihr hier
euch nicht auf Erfahrung berufen müsset, die Data zu
I. 2. Von der inneren Möglichkeit 31
seiner Möglichkeit, nämlich Ausdehnung, Undurchdring-
lichkeit, Kraft, und wer weiss was mehr, herzählen und
dazusetzen, dass darin kein innerer Widerstreit sei. Ich
räume noch Alles ein, allein ihr müsst mir Rechenschaft
geben, weswegen ihr den Begriff der Ausdehnung als 5
ein Datum so gerade anzunehmen Eecht habt; denn
gesetzt, er bedeute | nichts, so ist eure dafür ausgegebene [24]
Möglichkeit des Körpers ein Blendwerk. Es wäre auch
sehr unrichtig, sich auf die Erfahrung wegen dieses
Dati zu berufen, denn es ist jetzt eben die Frage, ob 10
eine innere Möglichkeit des feurigen Körpers stattfindet,
wenngleich gar nichts existirt. Gesetzt, dass ihr anjetzt
nicht mehr den Begriff der Ausdehnung in einfachere
Data zerfallen könnt, um anzuzeigen, dass in ihm nichts
Widerstreitendes sei, wie ihr denn noth wendig zuletzt 15
auf etwas, dessen Möglichkeit nicht zergliedert werden
kann, kommen müsst, so ist alsdenn hier die Frage: ob
Raum oder Ausdehnung leere Wörter sind, oder ob sie
etwas bezeichnen? Der Mangel des Widerspruchs macht
es hier nicht aus; ein leeres Wort bezeichnet niemals 20
etwas Widersprechendes. Wenn nicht der Raum existirt,
oder wenigstens durch etwas Existirendes gegeben ist
als eine Folge, so bedeutet das Wort Raum gar nichts.
So lange ihr noch die Möglichkeiten durch den Satz des
Widerspruchs bewähret, so fusset ihr euch auf dasjenige, 25
was euch in dem Dinge Denkliches gegeben ist, und
betrachtet nur die Verknüpfung nach dieser logischen
Regel, aber am Ende, wenn ihr bedenjket, wie euch denn [25]
dieses gegeben sei, könnt ihr euch nimmer worauf
anders, als auf ein Dasein berufen. 30
Allein wir wollen den Fortgang dieser Betrachtungen
abwarten. Die Anwendung selber wird einen Begriff
fasslicher machen, den, ohne sich selbst zu übersteigen,
man kaum für sich allein deutlich machen kann, weil er
von dem Ersten, was beim Denklichen zum Grunde liegt, 35
selber handelt.
32 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Dritte Betrachtung.
Von dem schlechterdings nothwendigen Dasein.
1.
Begriff der absolut nothwendigen Existenz überhaupt
5 Schlechterdings nothwendig ist, dessen Gegentheil an
sich selbst unmöglich ist. Dieses ist eine ungezweifelt
richtige Norainalerklärung. Wenn ich aber frage: wo-
rauf kommt es denn an, damit das Nichtsein eines
[26] Dinges schlechterdings un|mÖglich sei? so ist das, was
10 ich suche, die ßcalerklärung, die uns allein zu unserem
Zwecke etwas nützen kann. Alle unsere Begriffe von
der inneren Nothwendigkeit in den Eigenschaften mög-
licher Dinge, von welcher Art sie auch sein mögen,
laufen darauf hinaus, dass das Gegentheil sich selber
15 widerspricht. Allein wenn es auf eine schlechterdings
nothwendige Existenz ankommt, so würde man mit
schlechtem Erfolg durch das nämliche Merkmal bei ihr
etwas zu verstehen suchen. Das Dasein ist gar kein
Prädikat und die Aufhebung des Daseins keine Ver-
20 neinung eines Prädikats, wodurch etwas in einem Dinge
sollte aufgehoben werden, und ein innerer Widerspruch
entstehen können. Die Aufliebung eines existirenden
Dinges ist eine völlige Verneinung alles desjenigen, was
schlechthin oder absolute durch sein Dasein gesetzt
25 würde. Die logischen Beziehungen zwischen dem Dinge
als einem MöKÜchen und seinen Prädikaten bleiben
gleichwohl. Allein diese sind ganz was Anders als
die Position des Dinges zusammt seinen Prädikaten
schlechthin, als worin das Dasein besteht. Demnach
30 wird nicht ebendasselbe, was in dem Dinge gesetzt wird,
[27] sondern was Anders | durch das Nichtsein aufgehoben,
und ist demnach hierin niemals ein Widerspruch. In
der letztern Betrachtung dieses Werks wird Alles dieses
in dem Falle, da man die absolut-nothwendige Existenz
35 wirklich vermeint hat durch den Satz des Widerspruchs
zu begreifen , durch eine klare Entwickelung dieser Un-
tauglichkeit überzeugender gemacht werden. Man kann
indessen die Nothwendigkeit in den Prädikaten bloss
I. 3. Von dem nothwendigen Dasein 33
mögliclier Begriffe die logische Nothwendigkeit nennen.
Allein diejenige, deren Hauptgrund ich aufsuche, näm-
lich die des Daseins, ist die absolute Realnothwendigkeit.
Ich finde zuerst: dass, was ich schlechterdings als nichts
und unmöglich ansehen soll, das müsse alles Denkliche 5
vertilgen. Denn bliebe dabei noch etwas zu denken
übrig, so wäre es nicht gänzlich undenklich und schlecht-
hin unmöglich.
Wenn ich nun einen Augenblick nachdenke, weswegen
dasjenige, was sich widerspricht, schlechterdings nichts 10
und unmöglich sei, so bemerke ich: dass, weil dadurch
der Satz des Widerspruchs, der letzte logische Grund
alles Denklichen, aufgehoben | wird, alle Möglichkeit ver- [28]
schwinde, und nichts dabei mehr zu denken sei. Ich
nehme daraus alsbald ab, dass, wenn ich alles Dasein 15
überhaupt aufhebe, und hiedurch der letzte Eealgrund
alles Denklichen wegfällt, gleichfalls alle Möglichkeit
verschwindet, und nichts mehr zu denken bleibt. Dem-
nach kann etwas schlechterdings nothwendig sein, ent-
weder wenn durch sein Gegentheil das Formale alles 20
Denklichen aufgehoben wird, das ist, wenn es sich selbst
widerspricht, oder auch, wenn sein Nichtsein das Materiale
zu allem Denklichen und alle Data dazu aufhebt. Das
Erste findet, wie gesagt, niemals beim Dasein statt, und
weil kein Drittes möglich ist, so ist entweder der Begriff 25
von der schlechterdings nothwendigen Existenz gar ein
täuschender und fiilscher Begriff, oder er muss darin be-
ruhen, dass das Nichtsein eines Dinges zugleich die Ver-
neinung von den Datis zu allem Denklichen sei. Dass
aber dieser Bogriff niclit erdichtet, sondern etwas Wahr- 30
haftes sei, erhellt auf folgende Art. |
2. {23]
Es existirt ein schlechterdings nothwendiges Wiesen.
Alle Möglichkeit setzt etwas Wirkliches voraus, worin
und wodurch alles Denidiche gegeben ist. Demnach 35
ist eine gewisse Wirklichkeit, deren Aufhebung selbst
alle innere Möglichkeit überhaupt aufheben würde. Das-
jenige aber, dessen Aufhebung oder Verneinung alle
Möglichkeit vertilgt, ist schechterdings nothwendig.
Kant, kl. Schrifteuz. Ethik, ir. 3
34 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Demnach existirt etwas absolut nothwendiger Weisfr.
Bis dahin erhellt, dass ein Dasein eines oder mehrerer
Dinge selbst aller Möglichkeit zum Grunde liege, und
dass dieses Dasein an sich selbst nothwendig sei. Man
5 kann hieraus auch leichtlich den Begriff der Zufälligkeit
abnehmen. Zufällig ist nach der Worterklärung, dessen
Gegentheil möglich ist. Um aber die Sacherklärung
davon zu finden, so muss man auf folgende Art unter-
scheiden. Im logischen Verstände ist dasjenige als ein
10 Prädikat an einem Subjekte zufällig, dessen Gegentheil
demselben nicht widerspricht. Z. E. einem Triangel
überhaupt ist es zufällig, dass er rechtwinklicht sei. |
[30] Diese Zufälligkeit findet lediglich bei der Beziehung
der Prädikate zu ihren Subjekten statt, und leidet, weil
15 das Dasein kein Prädikat ist, auch gar keine Anwendung
auf die Existenz. Dagegen ist im Realverstande zu-
fallig dasjenige, dessen Nichtsein zu denken ist, das ist
dessen Aufhebung nicht alles Denkliche aufhebt. Wenn
demnach die innere Möglichkeit der Dinge ein gewisses
20 Dasein nicht voraussetzt, so ist dieses zufällig, weil sein
Gegentheil die Möglichkeit nicht aufhebt. Oder: das-
jenige Dasein, wodurch nicht das Materialo zu allem
Denklichen gegeben ist, ohne welches also noch etwas
zu denken (das ist: möglich) ist, dessen Gegentheil ist
25 im Ptoalverstande möglich, und das ist in ebendemselben
Verstände auch zufällig.
3.
Das nothwendige Wesen ist einig.
Weil das nothwendige Wesen den letzten Realgrund
30 aller andern Möglichkeit enthält, so wird ein jedes
andere Ding nur möglich sein, insofern es durch ihn
[31] als einen Grund gegeben ist. | Demnach kann ein jedes
andere Ding nur als eine Folge von ihm stattfinden, und
ist also aller andern Dinge Möglichkeit und Dasein von
35 ihm abhängend. P^twas aber, was selbst abhängend ist,
enthält nicht den letzen Realgrund aller Möglichkeit
und ist demnach nicht schlechterdings nothwendig. Mit-
hin können nicht mehrere Dinge absolut nothwendig sein.
Setzet, A sei ein nothwendigcs Wesen und B ein
40 anderes. So ist vermöge der Erklärung B nur insofern
I. 3. Von dem nothwendigen Dasein 35
möglich, als es durch einen andern Grund Ä, als die
Folge desselben gegeben ist. Weil aber vermöge der
Voraussetzung B selber nothwendig ist, so ist seine
Möglichkeit in ihm als ein Prädikat, und nicht als eine
Folge aus einem andern, und doch nur als eine Folge 5
laut dem Vorigen gegeben, welches sich widerspricht.
4.
Das nothwendige Wesen ist einfach.
Dass kein Zusammengesetztes aus viel Substanzen
ein schlechterdings noth wendiges Wesen sein könne, er- 10
hellt auf folgende Art. Setzet, es | sei nur eins seiner [32]
Theile schlechterdings nothwendig, so sind die andern
nur insgesammt als Folgen durch ihn möglich, und ge-
hören nicht zu ihm als Nebentheile. Gredenket euch, es
wären mehrere oder alle nothwendig, so widerspricht dieses 15
der vorigen Nummer. Es bleibt demnach nichts übrig,
als sie müssen ein jedes besonders zufällig, alle aber
zusammen schlechterdings nothwendig existiren. Nun ist
dieses aber unmöglich, weil ein Aggregat von Substanzen
nicht mehr Nothwendigkeit im Dasein haben kann, als 20
den Theilen zukommt, und da diesen gar keine zukommt,
sondern ihre Existenz zufällig ist, so würde auch die des
Ganzen zufällig sein. Wenn man gedächte, sich auf die
Erklärung des nothwendigen Wesens berufen zu können,
so dass man sagte, in jeglichem der Theile wären die 25
letzten Data einiger Innern Möglichkeit, in allen zusammen
alles Mögliche gegeben, so würde man etwas ganz Un-
gereimtes, nur auf eine verborgene Art, vorgestellt haben.
Denn wenn man sich alsdenn die innere Möglichkeit so
gedenkt, dass einige können aufgehoben werden, doch 30
so, dass übrigens, was durch die andern Theile noch
Denkliches gegeben worden, | bliebe, so müsste man sich [33]
vorstellen, es sei an sich möglich, dass die innere Mög-
lichkeit verneint oder aufgehoben werde. Es ist aber
gänzlich undenklich und widersprechend, dass etwas nichts 35
sei, und dieses will soviel sagen : eine innere Möglichkeit
aufheben, ist alles Denkliche vertilgen, woraus erhellt, dass
die Data zu jedem Denklichen in demjenigen Dinge
müssen gegeben sein, dessen Aufhebung auch das Gegen-
theil aller Möglichkeit ist, dass also, was dea letzten 40
3*
86 Beweisgiund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
^o
Grund von einer inneren Möglichkeit enthält, ihn auch
von aller überhaupt enthalte, mithin dieser Grund nicht
in verschiedenen Substanzen vertheilt sein könne.
5.
5 Das nothwendige AVesen ist unveränderlich
und ewig.
Weil selbst seine eigene Möglichkeit und jede andere
dieses Dasein voraussetzt, so ist keine andere Art der
Existenz desselben möglich, das heisst, es kann das noth-
10 wendige Wesen nicht auf vielerlei Art existiren. Nämlich
Alles, was da ist, ist durchgängig bestimmt; da dieses
Wesen nun lediglich darum möglich ist, weil es existirt,
[34] so findet keine Möglichkeit desselben | statt, ausser insofern
CS in der That da ist; es ist also auf keine andere Art
15 möglich, als wie es wirklich ist. Demnach kann es nicht
auf andere Art bestimmt oder verändert werden. Sein
Nichtsein ist schlechterdings unmöglich, mithin auch sein
Ursprung und Untergang, demnach ist es ewig.
20 Das nothwendige AVesen enthält die höchste Realität.
Da die Data zu aller Möglichkeit in ihm anzutreffen
sein müssen, entweder als Bestimmungen desselben, oder
als Folgen, die durch ihn als den ersten Realgrund ge-
geben sipd, so sieht man, dass alle Realität auf eine
25 oder andere Art durch ihn begriffen sei. Allein eben-
dieselben Bestimmungen, durch die dieses Wesen der
höchste Grund ist von anderer möglichen Realität,
setzen in ihm selber den grossesten Grund realer Eigen-
schaften, der nur immer einem Dingo beiwohnen kann.
80 Weil ein solches Wesen also das realste unter allen
möglichen ist, indem sogar alle anderen nur durch das-
selbe möglich sind, so ist dieses nicht so zu verstehen,
dass alle mögliche Realität zu seinen Bestimmungen
[35] gehöre. Dieses ist eine | Vermengung der Begriffe, die
35 bis dahin ungemein geherrscht hat. Man ertheilt alle
Realitäten Gott oder dem nothweudigen Wesen ohne
Unterschied als Prädikate, ohne wahrzunehmen, dass
I. 3. Von dem nothwendigen Dasein 37
sie nimmermehr in einem einzigen Subjekt als Be-
stimmungen neben einander können statt finden. Die
ündurchdringlichkeit der Körper, die Ausdehnung u. dgl.
können nicht Eigenschaften von demjenigen sein, der
Verstand und Willen hat. Es ist auch umsonst, eine 5
Ausflucht darin zu suchen, dass man die gedachten Be-
schaffenheiten nicht für wahre Realität halte. Es ist
ohne allen Zweifel der Stoss eines Körpers oder die Kraft
des Zusammenhanges etwas wahrhaftig Positives. Eben-
so ist der Schmerz in den Empfindungen eines Geistes 10
nimmermehr eine blosse Beraubung. Ein irriger Ge-
danke hat eine solche Vorstellung dem Scheine nach
gerechtfertigt. Es heisst: Realität und Realität wider-
sprechen einander niemals, weil beides wahre Bejahungen
sind; demnach widerstreiten sie auch einander nicht 15
in einem Subjekte. Ob ich nun gleich einräume, dass
hier kein logischer Widerspruch sei, so ist dadurch doch
nicht die Realrepugnanz gehoben. Diese findet jederzeit statt,
wenn etwas, als ein Grund, die Folge von etwas Anderem !
durch eine reale Entgegensetzung vernichtigt. Die Be- [36]
wegungskraft eines Körpers nach einer Direktion, und
die Tendenz mit gleichem Grade in entgegengesetzter stehen
nicht im Widerspruche. Sie sind auch wirklich zugleich
in einem Körper möglich. Aber eine vernichtigt die
Realfolge aus der andern, und da sonst von jeder ins- 25
besondere die Folge eine wirkliche Bewegung sein würde,
so ist sie jetzt von beiden zusammen in einem Subjekte 0,
das ist, die Folge von diesen entgegengesetzten Be-
wegungskräften ist die Ruhe. Die Ruhe aber ist ohne
allen Zweifel möglich, woraus man denn auch sieht, dass 30
die Realrepugnanz ganz was Anders sei, als die logische
oder der Widerspruch; denn das, was daraus folgt, ist
schlechterdings unmöglich. Nun kann aber in dem aller-
realsten Wesen keine Realrepugnanz oder positiver Wider- -
streit seiner eigenen Bestimmungen sein, weil die Folge 35
davon eine Beraubung oder Mangel sein würde, welches
seiner höchsten Realität widerspricht, und da, wenn alle
Realitäten in demselben als Bestimmungen lägen, ein solcher
Widerstreit entstehen müsste, so können sie nicht insge-
sammt als Prädikate in ihm sein, mithin, weil sie doch 40
alle durch ihn gegeben sind, werden sie ent| weder zu [37]
seinen Bestimmungen oder Folgen gehören.
38 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Es könnte auch beim ersten Anblick scheinen zu
folgen: dass, weil das nothwcndige Wesen den letzten
Kealgrund aller andern Möglichlvcit enthfilt, in ihm auch
der Grund der Mängel und Verneinungen der Wesen
5 der Dinge liegen müsse, welches, wenn es zugelassen
würde, auch de. Schluss veranlassen dürfte, dass es
selbst Negationen unter seinen Prädikaten haben müsse,
und nimmermehr nichts als Realität. Allein man richte
nur seine Augen auf den einmal festgesetzten Begriff
10 desselben. In seinem Dasein ist seine eigene Möglich-
keit ursprünglich gegeben. Dadurch, dass es nun andere
Möglichkeiten sind, wovon es den ßealgrund enthält, folgt
nach dem Satze des Widerspruchs, dass es nicht die
Möglichkeit des realsten Wesens selber, und daher
15 solche Möglichkeiten, welche Verneinungen und Mängel
enthalten, sein müssen.
Demnach beruht die Möglichkeit aller andern Dinge,
[38] in Ansehung dessen, was in ihnen | real ist, auf dem
nothwendigen Wesen, als einem Realgrunde, die Mängel
20 aber darauf, weil es andere Dinge und nicht das Ur-
wesen selber sind, als einem logischen Grunde. Die
Möglichkeit des Körpers, insofern er Ausdehnung, Kräfte
u. dgl. hat, ist in dem obersten aller Wesen gegründet;
insofern ihm die Kraft zu denken gebricht, so liegt
25 diese Verneinung in ihm selbst, nach dem Satz des
Widerspruchs.
In der That sind Verneinungen an sich selbst nicht
Etwas, oder denklich, welches man sich leichtlich auf
folgende Art fasslich machen kann. Setzet nichts als
80 Negationen, so ist gar nichts gegeben, und kein Etwas,
das zu denken wäre. Verneinungen sind also nur durch
die entgegengesetzten Positionen denklich, oder vielmehr
es sind Positionen mtiglich, die nicht die grössten sind.
Und hierin liegen schon nach dem Satze der Identität
35 die Verneinungen selber. Es fällt auch leicht in die
Augen, dass alle den Möglichkeiten anderer Dinge bei-
wohnenden Verneinungen keinen Realgrund (weil sie nichts
Positives sind), mithin lediglich einen logischen Grund
voraussetzen. I
I. 4. Beweisgr. zu einer Demonstration etc. 39
Vierte Betrachtung. [391
Beweisgrund zu einer Demonstration des
Daseins GOttes.
1.
Das nothwendige Wesen ist ein Geist. 5
Es ist oben bewiesen, dass das nothwendige Wesen
eine einfache Substanz sei, imgleichen dass nicht allein
alle andere Realität durch dasselbe, als einen Grund ge-
geben sei, sondern auch die grössest mögliche, die in
einem "Wesen als Bestimmung kann enthalten sein, ihm lÖ
beiwohne. Nun können verschiedene Beweise geführt
werden, dass hiezu auch die Eigenschaften des Verstandes
und Willens gehören. Denn erstlich, beides ist wahre
Realität, und beides kann mit der grössest möglichen in
einem Dinge beisammen bestehn, welches Letztere man 15
durch ein unmittelbares ürtheil des Verstandes einzuräumen
sich gedrungen sieht, ob es zwar nicht füglich zu der-
jenigen Deutlichkeit gebracht werden kann, welche logisch
vollkommene Beweise erfordern. |
Zweitens sind die Eigenschaften eines Geistes, Ver- [40]
stand und Willen, von der Art, dass wir uns keine
Realität denken können, die in Ermangelung derselben
einem Wesen eine Ersetzung thun könnte, welche dem
Abgang derselben gleich wäre. Und da diese Eigenschaften
also diejenigen sind, welche der höchsten Grade der Realität 25
fähig sind, gleichwohl aber unter die möglichen gehören,
so müsste durch das nothwendige Wesen, als einen Grund,
Verstand und Wille und alle Realität der geistigen Natur
an andern möglich sein, die gleichwohl in ihm selbst
nicht als eine Bestimmung angetroffen würde. Es 30
würde demnach die Folge grösser sein, als selbst der
Grund. Denn es ist gewiss, dass, wenn das höchste
Wesen nicht selbst Verstand und Willen hat, ein jedes
andere, welches durch ihn [es] mit diesen Eigenschaften
gesetzt würde, ohnerachtet es abhängend wäre und 35
mancherlei andere Mängel der Macht u. s. w. hätte, gleich-
wohl in Ansehung dieser Eigenschaften von der höchsten
Art jenem in Realität vorgehen müsste. Weil nun die
40 Beweisgruud zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Folge den Grund nicht übertreffen kann, so müssen Ver-
stand und Wille der notliwendigen einfachen Substanz als
[41] Ei^enscharten beiwohnen, das ist, sie ist ein Geist. |
Drittens: Ordnung, Schönheit, Vollkommenheit in Allem,
5 was mö:,^lich ist, setzen ein Wesen voraus, in dessen
Kigenscliaften entweder diese Beziehungen gegründet sind,
oder doch wenigstens, durch welches Wesen die Dinge
diesen Beziehungen gemäss, als aus einem Hauptgrunde,
möglich sind. Nun ist das nothwendige Wesen der
10 hinlängliche Realgrund alles Andern, was ausser ihm
möglich ist; folglich wird in ihm auch diejenige Eigen-
schaft, durch welche, diesen Beziehungen gemäss, Alles
ausser ihm wirklich werden kann, anzutreffen sein. Es
scheint aber, dass der Grund der äussern Möglichkeit, der
15 Ordnung, Schönheit und A'ollkomraenheit nicht zureichend
ist, wofern nicht ein dem Verstände gemässer Wille vor-
aus gesetzt ist. Also werden diese Eigenschaften dem
obersten Wesen müssen beigemessen werden.
Jedermann erkennt, dass ungeachtet aller Gründe der
20 Hervorbringung von Pflanzen und Bäumen dennoch regel-
mässige Blumenstücke, Alicen u. dgl. nur durch einen
Verstand, der sie entwirft, und durch einen Willen, der
sie ausführt, möglich seien. Alle Macht oder Hervor-
[42] bringungskraft, imgleichen alle anderen | Data zur Möglich-
25 keit ohne einen Verstand sind unzulänglich, die Möglichkeit
solcher Ordnung vollständig zu maciien.
Aus einem dieser hier angeführten Gründe, oder aus
allen insgesammt, wird der Beweis, dass das nothwendige
Wesen Willen und Verstand haben, mithin ein Geist sein
30 müsse, hergeleitet werden können. Ich begnüge mich
bloss , den Beweisgrund vollständig zu machen. Meine
Absicht ist nicht, eine förmliche Demonstration darzulegen.
2.
Es ist ein GOtt.
35 Es existirt etwas schlechterdings nothwendig. Dieses
ist einig in seinem Wesen, einfach in seiner Substanz,
ein Geist nacli seiner Natur, ewig in seiner Dauer, un-
veränderlich in seiner Beschaffenheit, allgenugsam in
Ansehung alles Möglichen und Wirklichen. Es ist ein
40 GOtt Ich gebe hier keine bestimmte Erklärung von
I. 4. Beweisgr. zu einer Demonstration etc. 41
dem Begriffe von GOtt. Ich müsste dieses thun, wenn
ich meinen Gegenstand systematisch betrachten wollte.
Was ich hier darlege, soll die Analyse sein, dadurch
man sich zur form j liehen Lehrverfassung tüchtig machen [43]
kann. Die Erklärung des Begriffs der Gottheit mag 6
indessen angeordnet werden, wie man es für gut findet,
so bin ich doch gewiss, dass dasjenige Wesen, dessen
Dasein wir nur eben bewiesen haben, eben dasjenige
göttliche Wesen sei, dessen Unterscheidungszeichen man
auf eine oder die andere Art in die küi'zeste Benennung 10
bringen wird.
3.
Anmerkung.
Weil aus der dritten Betrachtung nichts mehr erhellt,
als dass alle Eealität entweder in dem nothwendigen
Wesen als eine Bestimmung, oder durch dasselbe als 15
einen Grund müsse gegeben sein, so würde bis dahin
unentschieden bleiben, ob die Eigenschaften des Verstandes
und Willens in dem obersten Wesen als ihm beiwohnende
Bestimmungen anzutreffen seien, oder bloss durch dasselbe
an anderen Dingen als Folgen anzusehen wären. Wäre 20
das Letztere, so würde, ohnerachtet aller Vorzüge, die
von diesem Ürwesen aus der Zulänglichkeit, Einheit und
Unabhängigkeit seines Daseins als eines grossen Grundes
in die Augen leuchten, doch seine Na |tur derjenigen weit [44]
nachstehen, die man sich denken muss, wenn man einen 25
Gott denkt. Denn selber ohne Erkenntniss und Ent-
schliessung würde es ein blindlings nothwendiger Grund
anderer Dinge und sogar anderer Geister sein, und sich
von dem ewigen Schicksale einiger Alten in nichts unter-
scheiden, als dass es begreiflicher beschrieben wäre. Dies 30
ist die Ursach, weswegen in jeder Lehrverfassung auf
diesen Umstand besonders gesehen werden muss, und
warum wir ihn nicht haben aus den Augen setzen
können.
Ich habe in dem ganzen Zusammenhange aller bisher 35
vorgetragenen, zu meinem Beweise gehörigen Gründe
nirgend des Ausdrucks von „Vollkommenheit" gedacht.
Nicht als wenn ich dafür hielte, alle Eealität sei schon
so viel wie alle Vollkommenheit, oder auch die grösste
42 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Zusammenstimmung zu Einem mache sie aus. Ich habe
wichtige Ursachen, von diesem Urtheile vieler Andern
sehr abzugehen. Nachdem ich lange Zeit über den
Begriff der Vollkommenheit insgemein oder insbesondere
5 sorgfältige Untersuchungen angestellt habe, so bin ich
belehrt worden, dass in einer genauem Kenntniss der-
[45] selben überaus | viel verborgen liege, was die Natur eines
Geistes, unser eigen Gefühl, und selbst die ersten Begriffe
der praktischen Weltweisheit aufklären kann.
10 Ich bin inne geworden, dass der Ausdruck der Voll-
kommenheit zwar in einigen Fällen nach der Unsicher-
heit jeder Sprache Ausartungen von dem eigenthümlichen
Sinne leide, die ziemlich weit abweichen, dass er aber in
der Bedeutung, darauf hauptsächlich Jedermann selbst bei
15 jenen Abirrungen Acht hat, allemal eine Beziehung auf
ein Wesen, welches P^rkenntuiss und Begierde hat, vor-
aussetze. Da es nun viel zu weitläuftig geworden sein
würde, den Beweisgrund von GOtt und der ihm bei-
wohnenden Realität bis zu dieser Beziehung hindurch-
20 zuführen, ob es zwar vermöge dessen, was zum Grunde
liegt, gar wohl thunlich gewesen wäre, so habe ich es
der Absicht dieser Blätter nicht gemäss befunden, durch
die Herbeiziehung dieses Begriffs Anlass zu einer all-
zugrossen Weitläuftigkeit zu geben.
25 4.
Beschluss.
Ein Jeder wird sehr leicht nach dem, wie gedacht,
[46] geführten Beweise so offenbare Folgerungen hinzu | fügen
können, als da sind: Ich, der ich denke, bin kein so
30 schlechterdings nothwendiges Wesen, denn ich bin nicht
der Grund aller Realität, ich bin veränderlich: Kein
ander Wesen , dessen Nichtsein möglich ist, das ist,
dessen Aufhebung nicht zugleich alle Möglichkeit auf-
hebt, kf'in veränderliclies Ding oder in welchem Schran-
35 ken sind, mithin auch nicht die Welt, ist von einer
solchen Natur: Die Welt ist nicht ein Accidens der
Gottheit, weil in ihr Widerstreit, Mängel, Veränder-
lichkeit, alles Gegenthcile der Bestimmungen einer Gott-
heit, angetroffen werden: GOtt ist nicht die einige Sub-
I. 4. Beweisgr. zu einer Demonstation etc. 43
stanz, die da existirt, und alle andre sind nur ab-
häng"end von ihm da u. s. w.
Ich bemerke hier nur noch Folgendes. Der Beweisgrund
von dem Dasein GOttes, den wir geben, ist lediglich
darauf erbauet, weil etwas möglich ist. Demnach ist er 5
ein Beweis, der vollkommen a priori geführt werden
kann. Es wird weder meine Existenz, noch die von
andern Geistern, noch die von der körperlichen Welt
vorausgesetzt. Er ist in der That von dem innern Kenn-
zeichen der absoluten Nothwendigkeit hergenommen. Man 10
«rkennt auf | diese Weise das Dasein dieses Wesens aus [47]
demjenigen, was wirklich die absolute Nothwendigkeit
desselben ausmacht, also recht genetisch.
Alle Beweise , die sonsten von den Wirkungen dieses
Wesens auf sein, als einer Ursach. Dasein geführt 15
werden möchten, gesetzt dass sie auch so strenge be-
weisen möchten, als sie es nicht thun, können doch
niemals die Natur dieser Nothwendigkeit begreiflich
machen. Bloss daraus, dass etwas schlechterdings noth-
wendig existirt, ist es möglich, dass etwas eine erste 20
ürsach von andern sei, aber daraus, dass etwas eine
erste , das ist unabhängige "ürsach ist , folgt nur, dass,
wenn die Wirkungen da sind, sie auch existiren müsse,
nicht aber, dass sie schlechterdings uothwendiger Weise
da sei. 25
Weil nun ferner aus dem angepriesnen Beweis-
grunde erhellt, dass alle Wesen anderer Dins'e und das
Eeale aller Möglichkeit in diesem einigen Wesen ge-
gründet sei, in welchem die grössten Grade des Ver-
standes und eines Willens, der der grössest mögliche 30
Orund ist, anzutreffen, und weil in einem solchen Alles
in der äusserst möglichen Uebereinstim | mung sein muss, [48]
so wird daraus schon zum voraus abzunehmen sein,
dass, da ein Wille jederzeit die innere Möglichkeit der Sachö
selbst voraussetzt, der Grund der Möglichkeit, das ist 35
das Wesen GOttes, mit seinem Willen in der grossesten
Zusammenstimmung sein werde, nicht als wenn GOtt
durch seinen Willen der Grund der inneren Möglichkeit
wäre, sondern weil ebendieselbe unendliche Natur, die
die Beziehung eines Grundes auf alle Wesen der Dinge 40
hat, zugleich die Beziehung der höchsten Begierde auf
die dadurch gegebenen grossesten Folgen hat, und die
44 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
letztere nur durch die Voraussetzung der erstem frucht-
bar sein kann. Demnach werden die Möglichkeiten der
Dinge selbst, die durch göttliche Natur gegeben sind,
mit seiner grossen Begierde zusammenstimmen. In
5 dieser Zusamraenstimmung aber besteht das Gute und die
Vollkommenheit. Und weil sie mit einem übereinstimmen,
so wird selbst in den Möglichkeiten der Dinge Einheit,
Harmonie und Ordnung anzutreffen sein.
Wenn wir aber auch durch eine reife Beurtheilung
10 der wesentlichen Eigenschaften der Dinge, die uns durch
[40] Erfahrung bekannt werden, selbst in j den nothwendigen
Bestimmungen ihrer innern Möglichkeit eine Einheit im
Mannigfaltigen und Wohlgereimtheit in dem Getrennten
wahrnehmen, so werden wir durch den Erkenntnissweg
15 a posteriori auf ein einiges Principium aller Möglichkeit
zurückschliessen können , und uns zuletzt bei demselben
Grundbegriffe des schlechterdings nothwendigen Daseins
befinden , von dem wir durch den Weg a priori anfilng-
lich ausgegangen waren. Nunmehro soll unsere Absicht
20 darauf gerichtet sein , zu sehen , ob selbst in der innern
Möglichkeit der Dinge eine nothwendige Beziehung auf
Ordnung und Harmonie, und in diesem unermesslichen
Mannigfaltigen Einheit anzutreffen sei, damit wir daraus
urtheilen können, ob die Wesen der Dinge selbst einen
25 obersten gemeinschaftlichen Grund erkennen. |
Zweite Abtheilung. [50]
Von dem weitläiiftigen I^utzen, der dieser Beweisart
besonders eigen ist.
Erste Betrachtung.
Worin aus der wahrgenommenen Einheit in 5
den "Wesen der Dinge auf das Dasein Gottes
a posteriori geschlossen wird.
1.
Die Einheit in dem Mannigfaltigen der Wesen der
Dinge gewiesen an den Eigenschaften des Kaiims. 10
Die nothwendigen Bestimmungen des Eaums ver-
schaffen dem Messkünstler ein nicht gemeines Vergnügen
durch die Augenscheinlichkeit in der üeberzeugung und
durch die Genauigkeit in der | Ausführung, imgleichen [51]
durch den weiten Umfang der Anwendung, wogegen das 15
gesammte menschliche Erkenntniss nichts aufzuzeigen
hat, das ihm beikäme, viel weniger es überträfe. Ich
betrachte aber anjetzt den nämlichen Gegenstand in einem
ganz andern Gesichtspunkte. Ich sehe ihn mit einem
philosophischen Auge an, und werde gewahr : dass bei so 20
nothwendigen Bestimmungen Ordnung und Harmonie,
und in einem ungeheuren Mannigfaltigen Zusammen-
passung und Einheit herrsche. Ich will z. E., dass ein
Kaum durch die Bewegung einer geraden Linie um einen
festen Punkt umgrenzt werde. Ich begreife gar leicht, 25
dass ich dadurch einen Kreis habe, der in allen seinen
Punkten von dem gedachten festen Punkt gleiche Ent-
fernungen hat. Allein ich finde gar keine Veranlassung,
46 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Grottes
unter einer so einföltigen Constniction sehr viel Mannig-
faltiges zu Termuthen, das eben dadurch grossen Regeln
der Ordnung unterworfen sei. Indessen entdecke ich,
dass alle geraden Linien, die einander aus einem beliebigen
5 Punkt innerhalb dem Zirkel durchkreuzen, indem sie an
den Umkreis stossen, jederzeit in geometrischer Proportion
[52] geschnitten sind; imgleichen, dass alle die | jenigen, die von
einem Punkt ausserhalb dem Kreise diesen durchschneiden,
jederzeit in solche Stücke zerlegt werden, die sich um-
10 gekehrt verhalten wie ihre Ganzen. Wenn man bedenkt,
wie unendlich viel verschiedene Lagen diese Linien an-
nehmen können, indem sie den Zirkel, wie gedacht,
durchschneiden, und wahrnimmt, wie sie gleichwohl be-
ständig unter dem niiralichen Gesetze stehen, von dem sie
1 5 nicht abweichen können, so ist es unerachtet dessen, dass
die Wahrheit davon leicht begriffen wird, dennoch etwas
Unerwartetes, dass so wenig Anstalt in der Beschreibung
dieser Figur und gleichwohl so viel Ordnung und in
dem Mannigfaltigen eine so vollkommene Einheit daraus
20 erfolgt.
Wenn aufgegeben wäre: dass schiefe Flächen in
verschiedenen Neigungen gegen den Horizont doch von
solcher Länge angeordnet würden, damit frei herab-
rollende Körper darauf gerade in gleicher Zeit herab-
25 kämen, so wird ein Jeder, der die mechanischen Gesetze
versteht, einsehen, dass hiezu mancherlei Veranstaltung
gehöre. Nun findet sich aber diese Einrichtung im Zirkel
von selber mit unendlich viel Abwechselung der Stel-
[53] lungen, und doch in | jedem Falle mit der grossesten
30 Richtigkeit. Denn alle Sehnen, die an den Vertikal-
durchmesser stossen, sie mögen von dessen oberstem
oder unterstem Punkte ausgehen, nach welchen Neigun-
gen man auch will, haben insgesammt das gemein:
dass der freie Fall durch dieselben in gleichen Zeiten
35 geschieht Ich erinnere mich, dass ein verständiger
Lehrling, als ihm dieser Satz mit seinem Beweise von
mir vorgetragen wurde, nachdem er alles wohl verstand,
dadurch nicht weniger, wie durcli ein Naturwunder ge-
rührt wurde. Und in der That wird man durch eine
40 so sonderbare Vereinigung vom Mannigfaltigen nach so
fruchtbaren Regeln in einer so schlecht und einfältig
scheinenden Sache, als ein Zirkelkreis ist, überrascht und
II. 1. Schluss a posterioi-i auf das Dasein Gottes 47
mit Eecht in Bewunderung gesetzt. Es ist auch kein
Wunder der Natur, welches durch die Schönheit oder
Ordnung, die darin herrscht, mehr Ursache zum Erstaunen
gäbe, es müsste denn sein, dass es deswegen geschähe,
weil die Ursache derselben da nicht so deutlich einzusehen 5
ist und die Bewunderung eine Tochter der Unwissenheit ist. |
Das Feld, darauf ich Denkwürdigkeiten sammle, ist [54]
davon so voll, dass, ohne einen Fuss weiter setzen zu
dürfen, sich auf derselben Stelle, da wir uns befinden,
noch unzählige Schönheiten darbieten. Es giebt Auf- 10
lösungen der Geometrie, wo dasjenige, was nur durch
weitläuftige Veranstaltung scheint möglich zu sein, sich
gleichsam ohne alle Kunst in der Sache selbst darlegt.
Diese werden von Jedermann als artig empfunden, und
dieses um desto mehr, je weniger man selbst dabei zu 15
thun hat, und je verwickelter gleichwohl die Auflösung
zu sein scheint. Der Zirkelring zwischen zwei Kreisen,
die einen gemeinschaftlichen Mittdpunkt haben, hat eine
von einer Zirkelfläche sehr verschiedene Gestalt, und es
kommt Jedermann anfänglich als mühsam und künstlich 20
vor, ihn in diese Figur zu veiwandeln. Allein sobald
ich einsehe, dass die den inwendigen Ziikel berührende
Linie so weit gezogen, bis sie zu beiden Seiten den
Umkreis des grösseren schneidet, der Durchmesser dieses
Zirkels sei, dessen Fläche dem Inhalt des Zirkelringes 25
gerade gleich ist, so kann ich nicht umhin, einige Be-
fremdung über die einfältige Art zu äussern, wie da.s
Gesuchte in der Na | tur der Sache selbst sich so leicht offenbart [55]
und meiner Bemühung hiebei fast nichts beizumessen ist.
Wir haben, um in den noth wendigen Eigenschaften 30
des Raums Einheit bei der grossesten MannigfaltiLrkeit
und Zusammenhang in dem , was eine von dem Andern
ganz abgesonderte Noth wendigkeit zu haben scheint, zu
bemerken, nur bloss unsere Augen auf die Zirkel figur .
grerichtet, welche deren noch unendliche hat, davon ein 35
kleiner Theil bekannt ist. Hieraus lässt sich abnehmen,
welche Unerraesslichkeit solcher harmonischen Beziehungen
sonsten in den Eigenschaften des Raums liege, deren
viele die höhere Geometrie in den Verwandtschaften der
verschiedenen Geschlechter der krummen Linien dargelegt, 40
und alle, ausser der Uebung des Verstandes durch die
dcnkliche Einsicht derselben, das Gefühl auf eine ähnliche
48 Bcwcit^griind zu einer Demonstration des Daseins Gottes
oder erhabenere Art, wie die zufiilligcn Schönheiten der
Natur rühren.
Wenn man bei dergleichen Anordnungen der Natur
berechtigt ist, nach einem Grunde einer so weit erstreckten
[56] Uebereinfetimmung des Mannigfolti | gen zu fragen, soll
man es denn weniger sein bei Wahrnehmung des Eben-
maasses und der Einheit in den unendlich vielfältigen
Bestimmungen des Raums? Ist diese Harmonie darum
weniger befremdlich, weil sie nothwendig ist? Ich halte
10 dafür, sie sei es darum nur desto mehr. Und weil das-
jenige Viele, davon jedes seine besondere und unabhängige
Nothwendigkeit hätte, nimmermehr Ordnung, Wohl-
gercimtheit und Einheit in den gegenseitigen Beziehungen
haben könnte, wird man dadurch nicht ebensowohl, wie
15 durch die Harmonie in den zufälligen Anstalten der Natur,
auf die Yermuthung eines obersten Grundes selbst der
Wesen der Dinge geführt, da die Einheit des Grundes
auch Einheit in dem Umfange aller Folgen veranlasst?
2.
20 Die Einheit im Mannigfaltigen der Wesen der Dinge,
gewiesen an demjenigen, was in den Bewegungs-
gesetzen nothwendig ist.
[57] Wenn man in der Natur eine Anordnung ent| deckt,
die um eines besondern Zwecks willen scheint getroßen
25 zu sein, indem sie sich nicht bloss nach den allgemeinen
Eigenschaften der Materie würde dargeboten haben , so
sehen wir diese Anstalt als zufällig und als die Folge
einer Wahl an. Zeigen sich nun neue Ucbereinstira-
mung, Ordnung und Nutzen und besonders dazu ab-
30 gerichtete Mittelursa'?hen, so beurtlieilen wir dieselbe
auf die ähnliche Art; dieser Zusammenhang ist der
Natur der Sachen ganz fremd, und bloss, weil es Jemand
beliebt hat, sie so zu verknüpfen, stehen sie in dieser
Harmonie. Man kann keine allgemeine Ursache an-
35 geben, weswegen die Klauen der Katze, des Löwen u.
a. m. so gebaut sind, dass sie spohren, das ist, sich
zurücklegen können, als weil irgend ein Urlicber sie zu
dem Zwecke, um vor dem Abschleifen gesichert zu sein,
so angeordnet bat., indem diese Thiere geschickte Werk-
II. 1. Schluss aposteriari auf das Dasein Gottes 49
zeuge haben müssen, ihren Eaub zu ergreifen und zu
halten. Allein wenn gewisse allgemeinere Beschaffen-
heiten, die der Materie beiwohnen, ausser einem Vor-
theile, den sie schaffen, und um dessen willen man sich
vorstellen kann, dass sie so geordnet worden, ohne die 5
mindeste neue Vorkehrung gleichwohl eine besondere
Tauglichkeit zu noch mehr | Uebereinstimmung zeigen, [58]
wenn ein einfältiges Gesetz, das Jedermann um eines
gewissen Guten willen allein schon nöthig finden würde,
gleichwohl eine ausgebreitete Fruchtbarkeit an noch viel 10
Mehrerera zeigt, wenn die übrigen Nutzen und Wohl-
gereimtheiten daraus ohne Kunst, sondern vielmehr noth-
wendiger Weise fliessen ; wenn endlich dieses sich durch
die ganze materiale Natur so befindet, so liegen offen-
bar selbst in den Wesen der Dinge durchgängige Be- 15
Ziehungen zur Einheit und zum Zusammenhange, und
eine allgemeine Harmonie breitet sich über das Keich
der Möglichkeit selber aus. Dieses veranlasst eine Be-
wunderung über so viel Schicklichkeit und natürliche
Zusammenpassung, die, indem sie die peinliche und er- 20
zwungene Kunst entbehrlich macht , gleichwohl selber
nimmermehr dem Ohngefähr beigemessen werden kann,
sondern eine in den Möglichkeiten selbst liegende Ein-
heit und die gemeinschaftliche Abhängigkeit selbst der
Wesen aller Dinge von einem einigen grossen Grunde an- 25
zeigt. Ich werde diese sehr grosse Merkwürdigkeit durch
einige leichte Beispiele deutlich zu machen suchen, in-
dem ich die Methode sorgfältig befolge, aus dem, was
durch Beobachtung unmittelbar gewiss ist, zu | dem all- [59]
gemeinern ürtheile hinaufzusteigen, 30
Man kann einen Nutzen unter tausend wählen, wes-
wegen man es als nöthig ansehen kann, dass ein Luft-
kreis sei, wenn man durchaus einen Zweck zum Grunde
zu haben verlangt, wodurch eine Anstalt in der Natur-
zuerst veranlasst worden. Ich räume also dieses ein, 35
und nenne etwa das Athmen der Menschen und Thiere
als die Endabsicht dieser Veranstaltung. Nun giebt diese
Luft, durch die nämlichen Eigenschaften, und keine
mehr, die sie zum Athemholen allein bedürfte, zugleich
Anlass zu einer Unendlichkeit von schönen Folgen, die 40
damit nothwendiger Weise begleitet sind und nicht
dürfen durch besondere Anlagen befördert werden. Eben-
K an t, kl. Schriften E. Ethik II. 4
50 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
dieselbe elastische Kraft und Gewicht der Luft macht
das Saugen möglich, ohne welches junge Thiere der
Nahrung entbehren müssten , und die Möglichkeit der
Pumpwerke ist davon eine nothwendige Folge. Durch sie
5 geschieht es, dass Feuchtigkeit in Dünsten hinaufgezogen
wird, welche sich oben in Wolken verdicken, die den
Tag verschönern, Öfters die übermässige Hitze der Sonne
[60] mildern, vornehmlich aber dazu | dienen, die trockenen
Gegenden der Erdfläche durch den Kaub von den Wasser-
10 betten der niedrigen milde zu befeuchten. Die Dämme-
rung, die den Tag verlängert und dem Auge durch all-
mähliche Zwischengrade bei dem Ueberschritt von der
Xacht zum Tage diesen Wechsel unschädlich macht, und
vornehmlich die Winde sind ganz natürliche und unge-
15 zwungene Folgen derselben.
Stellet euch vor, ein Mensch mache sich einen Ent-
wurf, wie die Küsten der Länder des heissen Weltstrichs,
die sonsten heisser sein müssten, als die tiefer im Lande
liegenden Gegenden, eine etwas erträglichere Wärme
20 sollten geniessen können, so wird er am natürlichsten
auf einen Seewind verfallen , der zu dieser Absicht in
den heissesten Tagesstunden wehen müsste. Weil aber,
da es zur Nachtzeit über der See viel geschwinder kalt
wird , als über dem Lande , nicht zuträglich sein dürfte,
25 dass derselbe Wind immer wehte, so würde er wün-
schen, dass es der Vorsehung gefallen hätte, es so zu
veranstalten, damit in den mittleren Stunden der Nacht
der Wind vom Lande wieder zurückkehrte , welches
auch viel anderen Nutzen mit befördern könnte. Nun
[61] würde nur die Frage sein, | durch welche Mechanik und
künstliche Anordnung dieser Windeswechsel zu erhalten
wäre, und hiebei würde man noch grosse Ursache haben
zu besorgen: dass, da der Mensch nicht verlangen kann,
dass alle Naturgesetze sich zu seiner Bequemlichkeit
35 anschicken sollen, dieses Mittel zwar möglich, aber mit
den übrigen nöthigen Anstalten so übel zusammenpassend
sein dürfte , dass die oberste Weisheit es darum nicht
zu verordnen für gut fände. Alles dieses Bedenken ist
indessen unnöthig. Was eine nach überlegter Wahl ge-
40 troftene Anordnung thun würde, verrichtet hier die Luft
nach den allgemeinen Bewegungsgesetzen, und eben-
dasselbe einfache Principium ihrer anderweitigen Nutz-
II. 1. Schluss a posteriori Siui das Dasein Gottes 51
barkeit bringt auch diese ohne neue und besondere
Anstalten hervor. Die von der Tageshitze verdünnte
Luft über dem brennenden Boden eines solchen Landes
weicht noth wendiger Weise der dichteren und schwereren
über dem kühlen Meere, und verursacht den Seewind, 5
der um deswillen von den heissesten Tagesstunden an
bis spät in den Abend weht, und die Seeluft, die
aus den nämlichen Ursachen am Tage so stark nicht
erhitzt worden war, als die über dem Lande, verkühlt
des Nachts geschwinder, zieht sich zusammen und ver-j 10
anlasst den Rückzug der Landluft zur Nachtzeit. Jeder- [62]
mann weiss, dass alle Küsten des heissen Welttheils
diesen Wechselwind geniessen.
Ich habe, um die Beziehungen, welche einfache und
sehr allgemeine Bewegungsgesetze durch die Nothwendig- 15
keit ihres Wesens auf Ordnung und Wohlgereimtheit
haben, zu zeigen, nur meinen Blick auf einen kleinen
Theil der Natur, nämlich auf die Wirkungen der Luft
geworfen. Man wird leicht gewahr werden , dass die
ganze unermessliche Strecke der grossen Naturordnung 20
in ebendemselben Betracht vor mir offen liege. Ich be-
halte mir vor, noch etwas in dem Folgenden zur Er-
weiterung dieser schonen Aussicht beizufügen. Anjetzt
würde ich etwas Wesentliches aus der Acht lassen,
wenn ich nicht der wichtigen Entdeckung des Herrn 25
VON Maupertuis gedächte, die er in Ansehung der Wohl-
gereimtheit der nothwendigen und allgemeinsten Bewe-
gungsgesetze gemacht hat.
Das, was wir zum Beweise angeführt haben, betrifft
zwar weit ausgebreitete und nothwendige Gesetze, allein 30
nur von einer besonderen Art der Mate|rien der Welt. [63]
Der Herr von Maupertuis bewies dagegen: dass selbst
die allgemeinsten Gesetze, wonach die Materie überhaupt
wirkt, sowohl im Gleichgewichte als beim Stosse, so-
wohl der elastischen als unelastischen Körper, bei dem 35
Anziehen des Lichts in der Brechung eben so gut, als
beim Zurückstossen desselben in der Abprallung, einer
herrschenden Regel unterworfen sind, nach welcher die
grosste Sparsamkeit in der Handlung jederzeit beobachtet
ist. Durch diese Entdeckung sind die Wirkungen der 40
Materie, ungeachtet der grossen Verschiedenheit, die sie
an sich haben mögen, unter eine allgemeine Formel ge-
4*
52 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
bracht, die eine Beziehung auf Anständigkeit, Schönheit
und Wohlgereimtheit ausdrückt. Gleichwohl sind die
Gesetze der Bewegung selber so bewandt, dass sich
nimmermehr eine Materie ohne sie denken lässt, und sie
5 sind so nothwendig, dass sie auch ohne die mindesten
Versuche aus der allgemeinen und wesentlichen Be-
schaffenheit aller Materie mit grossester Deutlichkeit können
hergeleitet werden. Der gedachte scharfsinnige Gelehrte
empfand alsbald, dass, indem, dadurch in dem unend-
10 liehen Mannigfaltigen des Universum Einheit, und in
dem blindlings Nothwendigen Ordnung verursacht wird,
[64] irjgend ein oberstes Principium sein müsse, wovon alles
dieses seine Harmonie und Anständigkeit her haben kann.
Er glaubte mit Recht, dass ein so allgemeiner Zusammen-
15 hang in den einfachsten Naturen der Dinge einen weit
tauglicheren Grund an die Hand gebe, irgend in einem
vollkommenen Urwesen die letzte Ursach von Allem
in der Welt mit Gewissheit anzutreffen, als alle Wahr-
nehmung verschiedener zufälligen und veränderlichen Anord-
20 nung nach besonderen Gesetzen. Nunmeliro kam es da-
rauf an , welchen Gebrauch die höhere Weltweisheit von
dieser wichtigen neuen Einsicht würde machen können,
und ich glaube in der Muthmassung nicht zu fehlen,
wenn ich dafür halte, dass die königliche Akademie der
25 Wissenschaften in Berlin dieses zur Absicht der Preis-
frage gehabt habe: ob die Bewegungsgesetze nothwendig
oder zufällig seien? und welche niemand der Erwartung
gemäss beantwortet hat.
Wenn die Zufälligkeit im Realverstande genommen
30 wird, dass sie in der Abhängigkeit des Materialen der
Jkiöglichkeit von einem andern besteht, so ist augen-
scheinlich, dass die Bewegungsgesetze und die allgemei-
[65] nen Eigenschaften der Materie, die ihnen | gehorchen,
irgend von einem grossen gemeinschaftlichen Urwesen,
85 dorn Grunde der Ordnung und Wohlgereimtheit, abhängen
müssen. Denn wer wollte dafür halten: dass in einem
weitläuftigen Mannigfaltigen, worin jedes Einzelne seine
eigene völlig unabhängige Natur hätte, gleichwohl durch
ein befremdlich Ohngcfähr sich alles sollte gerade so
40 schicken, dass es wohl mit einander reimte und im
Ganzen Einheit sich hervorfände. Allein , dass dieses
gemeinschaftliche Principium nicht bloss auf das Dasein
IL 1. Schlussa2)ös^eriö7'i auf das Dasein Gottes 53
dieser Materie und der ihr ertheilten Eigenschaften
geben müsse, sondern selbst auf die Möglicbkeit einer
Materie überbaupt und auf das Wesen selbst, leuchtet
dadurch deutlich in die Augen , weil das , was einen
Raum erfüllen soll, was der Bewegung des Stosses und 5
Druckes soll fähig sein, gar nicht unter andern Bedin-
gungen kann gedacht werden, als diejenigen sind,
woraus die genannten Gesetze nothwendiger Weise her-
fliessen. Auf diesem Fuss sieht man ein: dass diese
Bewegungsgesetze der Materie schlechterdings noth- 10
wendig seien, das ist, wenn die Möglichkeit der Materie
vorausgesetzt wird, es ihr widerspreche, nach andern
Gesetzen zu wirken, welches eine logische Nothwendig-
keit von der obersten Art ist: dass gleich|wohl die [66]
innere Möglichkeit der Materie selbst, nämlich die Data 15
und das Reale, was diesem Denklichen zum Grunde
liegt, nicht unabhängig oder für sich selbst gegeben sei,
sondern durch irgend ein Principium, in welchem das
Mannigfaltige Einheit, und das Verschiedene Verknüpfung
bekommt, gesetzt sei, welches die Zufälligkeit der Be- 20
wegun^sgesetze im Kealverstande beweist.
Zweite Betrachtung.
Unterscheidung der Abhängigkeit aller Dinge
vonGOtt in die moralische undunmoralische.
Ich nenne diejenige Abhängigkeit eines Dinges von 25
GOtt, da er ein Grund desselben durch seinen Willen
ist, moralisch, alle übrige aber ist unmoralisch.
Wenn ich demnach behaupte : GOtt enthalte den letzten
Grund selbst der Innern Möglichkeit der Dinge, so wird
ein Jeder leicht verstehen, dass diese Abhängigkeit nur 30
unmoralisch sein kann: denn der Wille macht nichts
möglich, sondern beschliesst nur, was als möglich schon
vorausgesetzt | ist. Insoferne GOtt den Grund von dem [67]
Dasein der Dinge enthält, so gestehe ich, dass diese
Abhängigkeit jederzeit moralisch sei, das ist, dass sie 35
darum existiren, weil er gewollt hat, dass sie sein
sollten.
54 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Es bietet nämlich die innere Möglichkeit der Dinge
demjenigen, der ihr Dasein beschloss, Materialien dar,
die eine ungemeine Tauglichkeit zur Uebereinstimmung
und eine in ihrem Wesen liegende Zusammenpassung
5 zu einem auf vielfältige Art ordentlichen und schönen
Ganzen enthalten. Dass ein Luftkreis existirt, kann,
um der daraus zu erreichenden Zwecke willen, GOtt als
einem moralischen Grunde beigemessen werden. Allein
dass eine so grosse Fruchtbarkeit in dem Wesen eines
10 einzigen so einfachen Grundes " liegt, so viel schon in
seiner Möglichkeit liegende Schicklichkeit und Harmonie,
welche nicht neuer Vorkehrungen bedarf, um mit an-
dern möglichen Dingen einer Welt mannichfaltigen Eegeln
der Ordnung gemäss sich zusammenzuschicken, das kann
15 gewiss nicht wiederum einer freien Wahl beigemessen
werden; weil aller Entschluss eines Willens die Erkennt-
|68] niss I der Möglichkeit des zu Beschliessenden voraussetzt.
Alles dasjenige, dessen Grund in einer freien Wahl
gesucht werden soll, muss insofern auch zufällig sein.
20 Nun ist die Vereinigung vieler und mannigfaltiger Folgen
unter einander, die nothwendig aus einem einzigen
Grunde fliessen, nicht eine zufällige Vereinigung; mithin
kann diese nicht einer freiwilligen Bestimmung zuge-
sclirieben werden. So haben wir oben gesehen, dass
25 die Möglichkeit der Pumpwerke, des Athmens, die Er-
hebung der flüssigen Materien, ^venn welche da sind,
zu Dünsten, die Winde etc. von einander unzertrennlich
sind, weil sie alle von einem einzigen Grunde, nämlich
der Elasticität und Schwere der Luft abhangen, und
30 diese Uebereinstimmung des Mannigfaltigen in Einem
ist daher keineswegs zufällig, und also nicht einem
moralischen Grunde beizumessen.
Ich gehe hier nur immer auf die Beziehung, die das
Wesen der Luft, oder eines jeden andern Dinges zu der
[69] möglichen Hervorbringung so vieler schönen Folgen
hat, das ist, ich betrachte nur die Tauglichkeit ihrer
Natur zu so viel Zwecken , und da ist die Einheit,
wegen der Uebereinstimmung eines einigen Grundes zu
80 viel möglichen Folgen, gewiss nothwendig, und diese
40 möglichen Folgen sind insoferne von einander und von
dem Dinge selbst unzertrennlich. Weis die wirkliche
Hervorbringung dieser Nutzen anlangt, so ist sie insoferne
II. 2. Von der Abhängigkeit der Dinge von Gott 55
zufällig, als eins yon den Dingen, darauf sich das Ding
bezieht, fehlen, oder eine fremde Kraft die Wirkung
hindern kann.
In den Eigenschaften des Raums liegen schöne Ver-
hältnisse, und in dem unermesslich Mannigfaltigen seiner 5
Bestimmungen eine bewundernswürdige Einheit. Das
Dasein aller dieser Wohlgereimtheit, insoferne Materie den
Eaum erfüllen sollte, ist mit allen ihren Folgen der
Willkür der ersten Ursache beizumessen ; allein was die
Vereinbarung so vieler Folgen, die alle mit den Dingen 10
in der Welt in so grosser Harmonie stehen, unter ein-
ander anlangt, so würde es ungereimt sein, sie wiederum
in einem Willen zu suchen. Unter andern nothwendigen
Folgen aus ] der Natur der Luft ist auch diejenige zu [701
zählen, da durch sie den darin bewegten Materien 15
Widerstand geleistet wird. Die Regentropfen, indem sie
von ungemeiner Höhe herabfallen, werden durch sie auf-
gehalten, und kommen mit massiger Schnelligkeit herab,
da sie ohne diese Verzögerung eine sehr verderbliche
Gewalt im Herabstürzen von solcher Höhe würden erworben 20
haben. Dieses ist ein Vortheil, der, weil ohne ihn die Luft
nicht möglich ist, nicht durch einen besondern Rathschluss mit
den übrigen Eigenschaften derselben verbunden worden.
Der Zusammenhang der Theile der ^laterie mag nun, z. E.
bei dem Wasser, eine nothwendige Folge von der Möglichkeit 25
der Materie überhaupt, oder eine besonders veranstaltete
Anordnung sein, so ist die unmittelbare Wirkung davop
die runde Figur kleiner Theile derselben, als der Regen
tropfen. Dadurch aber wird der schöne farbige Bogen
nach sehr allgemeinen Bewegungsgesetzen möglich, der mit 30
einer rührenden Pracht und Regelmässigkeit über dem
Gesichtskreise steht, wenn die unverdeckte Sonne in die
gegenüber herabfallenden Regentropfen strahlt. Dass
flüssige Materien und schwere Körper da sind, | kann nur [71]
dem Begehren dieses mächtigen Urhebers beigemessen 35
werden; dass aber ein Weltkörper in seinem flüssigen
Zustande ganz nothwendiger Weise so allgemeinen Gesetzen
zu Folge eine Kugelgestalt anzunehmen bestrebt ist, welche
nachher besser, wie irgend eine andere mögliche, mit
den übrigen Zwecken des Universum zusammenstimmt, 40
indem z. E. eine solche Oberfläche der gleichförmigsten
56 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Vertheilung des Lichts fähig ist, das liegt in dem "Wesen
der Sache selbst.
Der Zusammenhang der Materie und der Widerstand,
den die Theile mit ihrer Trennbarkeit verbinden, macht
5 die Reibung nothwendig, welche von so grossem Nutzen
ist, und so wohl mit der Ordnung in allen mannigfaltigen
Natun'eränderungen zusammenstimmt, als irgend etwas,
was nicht aus so allgemeinen Gründen geflossen wäre,
sondern durch eine besondere Anstalt wäre hinzugekommen.
10 Wenn Eeibung die Bewegungen' nicht verzögerte, so würde
die Aufbehaltung der einmal hervorgebrachten Kräfte
durch die Mittheilung an andere, die Zurückschlagung
und immer fortgesetzten AnstÖsse und Erschütterungen
Alles zuletzt in Verwirrung bringen. Die Flächen, worauf
[72] Körper | liegen, müssten jederzeit vollkommen wagerecht
sein, (welches sie nur selten sein können) sonsten würden
diese jederzeit glitschen. Alle gedrehten Stricke halten
nur durch Reibung. Denn die Fäden, welche nicht die
ganze Länge des Stricks haben, würden mit der mindesten
20 Kraft aus einander gezogen werden, wenn nicht die der
Kraft, womit sie durch das AVinden an einander gepresst
sind, gemässe Reibung sie zurückhielte.
Ich lülire hier darum so wenig geachtete und gemeine
Folgen aus den einfältigsten und allgemeinsten Natur-
25 gesetzen an, damit man daraus sowohl die grosse und
unendlich weit ausgebreitete Zusammenstimmung, die
die AYesen der Dinge überhaupt unter einander haben,
und die grossen Folgen, die derselben beizumessen sind,
auch in den Fällen abnehme, wo man nicht geschickt
30 genug ist, manche Naturordnung bis auf solche einfältige
und allgemeine Gründe zurückzuführen, als auch, damit
man das "Widersinnige empfinde, was darin liegt, wenn
man bei dergleichen Uobereinstimmungen die Weisheit
Gottes als den besondern Grund derselben nennt. Dass
35 Dinge da sind, die so viel schöne Beziehung haben, ist
[73] der | weiseuWahl desjenigen, der sie um dieser Harmonie
willen hervorbrachte, beizumessen; dass aber ein jedes
derselben eine so ausgebreitete Schiklichkeit zu viel-
fältiger üebereinstimmung durch einfache Gründe ent-
40 hielte, und dadurch eine bewundernswürdige Einheit im
Ganzen konnte erhalten werden, liegt selbst in der
Möglichkeit der Dinge, und da hier das Zufällige, was
II. 2. Von der Abhängigkeit der Dinge von Gott 57
bei jeder Wahl vorausgesetzt werden niuss , verschwindet,
so kann der Grund dieser Einheit zwar in einem weisen
Wesen, aber nicht vermittelst seiner Weisheit gesucht
werden.
Dritte Betrachtnng. 5
Von der Abhängigkeit der Dinge der Welt von
GOtt vermittelst der Ordnung der Natur, oder
ohne dieselbe.
1.
Eintheilung der Weltbegebenheiten, insoferne sie 10
unter der Ordnung der Natur stehen oder nicht.
Es steht etwas unter der Ordnung der Natur, inso-
fern sein Dasein oder seine Veränderung in | den Kräften [741
der Natur zureichend gegründet ist. Hiezu wird erfordert
erstlich: dass die Kraft der Natur davon die wirkende 15
Ursach sei; zweitens: dass die Art, wie sie auf die Her-
vorbringung dieser Wirkung gerichtet ist, selbst in einer
Eegel der natürlichen Wirkungsgesetze hinreichend ge-
gründet sei. Dergleichen Begebenheiten heissen auch
schlechthin natürliche Weltbegebenheiten. Dagegen, 20
wo dieses nicht ist, so ist der Fall, der unter solchem
Grunde nicht steht, etwas üebernatürliches , und dieses
findet statt entweder, insoferne die nächste wirkende Ursach
ausser der Natur ist, das ist, insoferne die göttliche Kraft
sie unmittelbar hervorbringt, oder zweitens, wenn auch 25
nur die Art, wie die Kräfte der Natur auf diesen Fall
gerichtet worden, nicht unter einer Regel der Natur ent-
halten ist. Im erstem Fall nenne ich die Begebenheit
materialiter, im andern formaliter übernatür-
lich. Da bloss der letztere Fall einige Erläuterung zu 30
bedürfen scheint, indem das Uebrige für sich klar ist,
so will ich davon Beispiele anführen. Es sind viel
Kräfte in der Natur, die das Vermögen haben, einzelne
Menschen oder Staaten, oder das ganze menschliche
Geschlecht zu I verderben: Erdbeben, Sturmwinde, Meeres- [75]
bewegungen, Kometen etc. Es ist auch nach einem
58 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
allgemeinen Gesetze genugsam in der Verfassung den
Natur gegründet, dass einiges von diesen bisweiler
geschieht. Allein unter diesen Gesetzen, wonach es ge-
schieht, sind die Laster und das moralische Verderben der
5 Menschengeschlechter gar keine natürlichen Gründe,
die damit in Verbindung stünden. Die Missethaten einer
Stadt haben keinen Einfluss auf das verborgene Feuer
der Erde, und die Ueppigkeiten der ersten Welt gehörten
nicht zu denen wirkenden Ursachen, welche die Kometen
10 in ihren Bahnen zu sich herabziehen konnten. Und
wenn sich ein solcher Fall ereignet , man misst ihn aber
einem natürlichen Gesetze bei, so will man damit sagen,
dass es ein Unglück, nicht aber, dass [es] eine Strafe sei,
indem das moralische Verhalten der Menschen kein Grund
15 der Erdbeben nach einem natürlichen Gesetze sein kann,
weil hier keine Verknüpfung von Ursachen und Wir-
kungen stattfindet. Z. E. wenn das Erdbeben die Stadt
Port Eoyal in Jamaika umkehrt,*) so wird derjenige,
76] der diejses eine natürliche Begebenheit nennt, darunter
20 verstehen : dass , obzwar die Lasterthaten der Einwohner,
nach dem Zeugniss ihres Predigers, eine solche Ver-
wüstung wohl als ein Strafgericht verdient hätten, den-
noch dieser Fall als einer von vielen anzusehen sei,
der sich bisweilen nach einem allgemeineren Gesetze
25 der Natur zuträgt, da Gegenden der Erde, und unter
diesen bisweilen Städte, und unter diesen dann und wann
auch sehr lasterhafte Städte erschüttert worden. Soll es
dagegen als eine Strafe betrachtet werden, so müssen
diese Kräfte der Natur, da sie nach einem natürlichen
30 Gesetze den Zusammenhang mit der Führung der Men-
schen nicht haben können, auf jeden solchen einzelnen
Fall durch das höchste Wesen besonders gerichtet sein
alsdenn aber ist die Begebenheit im formalen Verstände
übernatürlich, obgleich die Mittelursache eine Kraft der
35 Natur war. Und wenn auch durch eine lange Reihe von
Vorbereitungen, die dazu besonders in die wirksamen Kräf-
te der Welt [an]gelegt waren, diese Begebenheit endlich
als ein Strafgericht zu Stande kam , wenn man gleich
annehmen wollte, dass schon bei der Schöpfung GOtt alle
*) Siehe Raj von der Welt Anfang, Veränderung nnd
Untergang.
II. S. Von d. Abhängigk. verm. d. is atur-Ordnung etc. 69
Anstalten dazu gemacht | hätte , dass sie nachher durch [77'
die darauf in der Natur gerichteten Kräfte zur rechten
Zeit geschehen sollte , (wie man dieses in Whiston's
Theorie von der Sündflath, insofern sie vom Kometen
herrühren soll, sich so gedenken kann,) so ist das 5
Uebernatürliche dadurch gar nicht verringert, sondern
nur weit bis in die Schöpfung hinaus verschoben und
dadurch unbeschreiblich vermehrt worden. Denn diese
ganze Reihenfolge, insofern die Art ihrer Anordnung
sich auf den Ausgang bezog, indem sie in Ansehung lo
desselben gar nicht als eine Folge aus allgemeinern
Naturgesetzen anzusehen war, bezeichnet eine unmittel-
bare noch grössere göttliche Sorgfalt, die auf eine so
lange Kette von Folgen gerichtet war, um auch den
Hindernissen auszuweichen, die die genaue Erreichung 15
der gesuchten Wirkung konnten verfehlen machen.
Hingegen giebt es Strafen und Belobungen nach der
Ordnung der Natur, darum, weil das moralische Ver-
halten der ^Menschen mit ihnen nach den Gesetzen der
Ursachen und ^Yirkungen in Verknüpfung steht. Wilde 20
Wollust und Unmässigkeit endigen sich in einem siechen
und martervollen | Leben. Eänke und Arglist scheitern [78]
zuletzt, und Ehrlichkeit ist doch am Ende die beste
Politik. In allen diesem geschieht die Verknüpfung der
Folgen noch den Gesetzen der Natur. So viel aber 25
auch immer derjenigen Strafen oder Belohnungen, oder
jeder anderer Begebenheiten in der Welt sein mögen,
davon die Richtung der Naturkräfte jederzeit ausser-
ordentlich auf jeden einzelnen Fall hat geschehen müssen,
wenngleich eine gewisse Einförmigkeit unter vielen der- 30
selben herrscht, so sind sie zwar einem unmittelbaren
göttlichen Gesetze, nämlich demjenigen seiner Weisheit,
aber keinem Naturgesetze untergeordnet.
2.
Eintheilung der natürlichen Begebenheiten, insofern 35
sie unter dernothwendigen und zufälligen Ordnung
der Natur stehen.
Alle Dinge der Natur sind zufällig in ihrem Dasein.
Die Verknüpfung verschiedener Arten von Dingen z. E.
der Luft der Erde, des Wassers, ist gleichfalls ohne 40
60 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Goltei
79] Zweifel zufallig, und in|soferne bloss der Willkür des
obersten Urhebers beizumessen. Allein obgleich die
Naturgesetze insoferne keine Nothwendigkeit zu haben
scheinen, als die Dinge selbst, davon sie es sind, im-
5 gleichen die Verknüpfungen , darin sie ausgeübt werden
können, zufallig sind, so bleibt gleichwohl eine Art der
Nothwendigkeit übrig, die sehr merkwürdig ist. Es giebt
nämlich viele Naturgesetze, deren Einheit nothwendig
ist, das ist, wo ebenderselbe Grund der Uebereinstim-
10 mung zu einem Gesetze auch andere Gesetze nothwen-
dig macht. Z. E. ebendieselbe elastische Kraft und
Schwere der Luft, die ein Grund ist der Gesetze des
Athcmholens, ist nothwendiger Weise zugleich ein Grund
von der Möglichkeit der Pumpwerke, von der Möglich-
15 keit der zu erzeugenden Wolken, der Unterhaltung des
Feuers, der Winde etc. Es ist nothwendig, dass zu den
übrigen der Grund anzutreffen sei, sobald auch nur zu
einem einzigen derselben Grund da ist. Dagegen
wenn der Gruud einer gewissen Art ähnlicher Wirkun-
20 gen nach einem Gesetze nicht zugleich der Grund einer
andern Art Wirkungen nach einem andern Gesetze in
demselben Wesen ist, so ist die Vereinbarung dieser
Gesetze zufällig, oder es herrscht in diesen Gesetzen
[80] zufällige | Einheit, und was sich darnach in dem Dinge
25 zuträgt, geschieht nach einer zufälligen Naturordnuug.
Der Mensch sieht , hört, riecht , schmeckt u. s. w. ; aber
nicht ebendieselben Eigenschaften, die die Gründe des
Sehens sind, sind auch die des Schmeckens. Er muss
andere Organe zum Hören, wie zum Schmecken haben.
30 Die Vereinbarung so verschiedener Vermögen ist zu-
fällig, und da sie zur Vollkommenheit abzielt, künstlich.
Bei jedem Organe ist wiederum künstliche Einheit. In
dem Auge ist der Theil, der Licht einfallen lässt, ein
anderer, als der, so es bricht, noch ein anderer, so das
35 Bild auffängt. Dagegen sind es nicht andere Ursachen,
die der Erde die Kugelrundung verschaffen, noch andere,
die wider den Drehungsschwung die Körper der Erde
zurücl halten, noch eine andere, die den Mond im Kreise
erhält, sondern die einzige Schwere ist eine Ursach,
40 die nothwendiger Weise zu allen diesem zureicht. Nun
iit es ohne Zweifel eine Vollkommenheit, dass zu allen
diesen Wirkungen Gründe in der Natur angetroffen
I. 3. Von d. Abhängigk. verm. d. Xatur-Ordnung etc. 61
werden, und wenn der nämliche Grund, der die eine
bestimmt auch zu den andern hinreichend ist, um dosto
mehr Einheit wächst dadurch dem Ganzen zu. Diese
Einheit aber und mit | ihr die Vollkommenheit ist in dem [81]
hier angeführten Falle nothw^ndig und klebt dem "Wesen 5
der Sache an ; und alle Wohlgereimtheit , Fruchtbarkeit
und Schönheit, die ihr insofern zu verdanken ist, hängt
von GOtt vermittelst der wesentlichen Ordnung der
Katur ab, oder vermittelst desjenigen, was in der Ord-
nung der Natur noth wendig ist. Man wird mich hoffent- 10
lieh schon verstehen, dass ich diese Nothwendigkeit
nicht auf das Dasein dieser Dinge selber, sondern ledig-
lich auf die in ihrer Möglichkeit liegende üebereinstim-
mung und Einheit, als einen nothwendigen Grund einer
so überaus grossen Tauglichkeit und Fruchtbarkeit er- 15
streckt wissen will. Die Geschöpfe des Pflanzen- und
Thierreichs bieten durchgängig die bewundernswürdig-
sten Beispiele einer zufälligen, aber mit grosser Weis-
heit übereinstimmenden Einheit dar. Gefasse, die Saft
saugen, Gefasse, die Luft saugen, diejenigen, so den 20
Saft ausarbeiten, und die, so ihn ausdünsten etc., ein
grosses Mannigfaltiges, davon jedes einzeln keine Taug-
lichkeit zu den Wirkungen ^es andern hat, und wo die
Vereinbarung derselben zur gesammten Vollkommenheit
künstlich ist, so .dass die Pflanze selbst mit ihren Be- 25
Ziehungen | auf so verschiedene Zwecke ein zufälliges und [82]
willkürliches Eine ausmacht.
Dagegen liefert vornehmlich die unorganische Natur
unaussprechlich viel Beweisthümer einer nothwendigen
Einheit, in der Beziehung eines einfachen Grundes auf 30
viele anständige Folgen, dermassen, dass man auch be-
wogen wird, zu vermuthen, dass vielleicht da, wo selbst
in der organischen Natur manche Vollkommenheit schei-
nen kann ihre besondere Anstalt zum Grunde zu haben, •
sie wohl eine noth wendige Folge aus ebendemselben 35
Grunde sein mag, welcher sie mit vielen andern schonen
Wirkungen schon in seiner wesentlichen Fruchtbarkeit
verknüpft, so dass auch sogar in diesen Naturreichen
mehr nothwendige Einheit sein mag, als man wohl
denkt. Weil nun die Kräfte der Natur und ihre Wir- 40
kungsgesetze den Grund einer Ordnung der Natur ent-
halten, welche, insofeme sie mannigfaltige Harmonie in
62 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
einer nothwendigen Einheit zusaramenfasst, veranlasst,
dass die Verknüpfung vieler Vollkommenheit in einem
Grunde zum Gesetze wird , so hat man verschiedene
Naturwirkungen in Ansehung ihrer Schönheit und Nütz-|
[83] lichkeit unter der wesentlichen Naturordnung und ver-
mittelst derselben unter GOtt zu betrachten. Dagegen, da
auch manche Vollkommenheiten in einem Ganzen nicht
durch die Fruchtbarkeit eines einzigen Grundes möglich
sind, sondern verschiedene willkürlich zu dieser Absiclit
10 vereinbarte Gründe erheischen, so wird wiederum manche
künstliche Anordnung die Ursache eines Gesetzes sein,
und die "Wirkungen, die danach geschehen, stehen unter
der zufälligen und künstliclien Ordnung der Natur, ver-
mittelst ihrer aber unter GOtt.
15 Vierte Betrachtung.
Gebrauch unseres Beweisgrundes inBeurthei-
lung der Vollkommenheit einer Welt nach dem
Laufe der Natur.
1.
20 Was aus unserem Beweisgrunde zum Vorzuge der
Ordnung der Natur vor dem Uebernatürlichen kann
geschlossen werden.
Es ist eine bekannte Regel der Weltweisen oder viel-
[84] mehr der gesunden Vernunft überhaupt, dass man | ohne
25 die erheblichste Ursache nichts für ein Wunder oder eine
übernatürliche Begebenheit halten solle. Diese Regel
enthält erstlich, dass Wunder wenigstens selten seien,
zweitens, dass die gesammte Vollkommenheit des Universum
auch ohne viele übernatürliche Einflüsse dem göttlichen
30 Willen gemäss nach den Gesetzen der Natur erreicht
werde; denn Jedermann erkennt, dass, wenn ohne häufige
Wunder die Welt des Zwecks ihres Daseins verfehlte,
übernatürliche Begebenheiten etwas Gewöhnliches sein
müssten. Einige stehen in der Meinung, dass das Formale
35 der natürlichen Verknüpfung der Folgen mit ihren Gründen
II. 4. Vollkommenheit einer Welt nach d. Laufe d. Natur 63
an sich selbst eine Vollkommenheit wäre, welcher allen-
falls ein besserer Erfolg, wenn er nicht anders, als über-
natürlicher Weise zu erhalten stünde, hintangesetzt
werden müsste. Sie setzen in dem Natürlichen als einem
solchen unmittelbar einen Vorzug, weil ihnen alles lieber- 5
natürliche als eine Unterbrechung einer Ordnung an sich
selber scheint einen Uebelstand zu erregen. Allein diese
Schwierigkeit ist nur eingebildet. Das Gut« steckt nur
in Erreichung des Zweckes, und wird den Mitteln nur um
seinetwillen zugeeignet. Die natürliche Ordnung, wenn 10
nach ihr nicht vollkommene Folgen entspringen, hat un-
mittelbar keinen | Grund eines Vorzugs in sich, weil sie [85]
nur nach der Art eines Mittels kann betrachtet werden,
welches keine eigene, sondern nur eine, von der Grösse
des dadurch erreichten Zwecks entlehnte Schätzung ver- 15
stattet. Die Vorstellung der Mühsamkeit, welche die
Menschen bei ihren unmittelbaren Ausübungen empfinden,
mengt sich hier insgeheim mit unter, und giebt demjenigen,
was man fremden Kräften anvertrauen kann, einen Vorzug
selbst da, wo in dem Erfolg etwas von dem abgezweckten 20
Nutzen vermisst würde. Indessen wenn ohne grössere
Beschwerde der, so das Holz an einer Schneidemühle
anlegt, es ebensowohl unmittelbar in Bretter verwandeln
könnte, so wäre alle Kunst dieser Maschine nur ein Spiel-
werk, weil der ganze Werth derselben nur an ihr als 25
einem Mittel zu diesem Zwecke stattfinden kann. Dem-
nach ist etwas nicht darum gut, weil es nach dem Laufe
der Natur geschieht, sondern der Lauf der Natur ist gut,
insofern das, was daraus fliesst, gut ist. Und da GOtt
eine Welt in seinem Rathschlusse begriff, in der Alles 30
mehrentheils durch einen natürlichen Zusammenhang die
Regel des Besten erfüllte; so würdigte er sie seiner Wahl,
nicht weil darin, dass es natürlich zusammenhing, das
Gute beistand, sondern weil durch diesen natürlichen [86]
Zusammenhang ohne viele Wunder die vollkommenen 35
Zwecke am richtigsten erreicht wurden.
Und nun entsteht die Frage: wie mag es zugehen,
dass die allgemeinen Gesetze der Natur dem Willen des
Höchsten in dem Verlauf der Begebenheiten der Welt,
die nach ihnen geschehen, so schön entsprechen, und 40
welchen Grund hat man , ihnen diese Schicklichkeit zu-
zutrauen, dass man nicht Oiter, als man wahrnimmt,
64 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
geheime übernatürliche Vorkehrungen zugeben müsste,
die ihren Gebrechen unaufhörlich zu Hülfe kämen?*)
Hier leistet uns unser Begriff von der Abhängigkeit selbst
der "Wesen aller Dinge Ton GOtt einen noch ausgebreiteteren
5 Nutzen, als der ist, den man in dieser Frage erwartet.
Die Dinge der Natur tragen sogar in den nothwendigsten
Bestimmungen ihrer inneren Möglichkeit das Merkmal
[87] der | Abhängigkeit von demjenigen Wesen an sich, in
welchem Alles mit den Eigenschaften der "Weisheit und
10 Güte zusammenstimmt. Man kann von ihnen üeber-
einstimmung und schöne Verknüpfung erwarten, und eine
nothwendige Einheit in den mancherlei vortheilhaften
Beziehungen, die ein einziger Grund zu viel anständigen
Gesetzen hat. Es wird nicht nöthig sein, dass daselbst,
15 wo die Natur nach nothwendigen Gesetzen wirkt, un-
mittelbare göttliche Ausbesserungen dazwischen kommen,
weil, insoferne die Folgen nach der Ordnung der Natur
nothwendig sind, nimmermehr selbst nach den allgemeinsten
Gesetzen sich was GOtt Missfälliges ereignen kann.. Denn
20 wie sollten doch die Folgen der Dinge, deren zufällige
Verknüpfung von dem "Willen GOttes abhängt, ihre wesent-
lichen Beziehungen aber als die Gründe des Nothwendigen
88] in der Naturordnung von demje|nigen in GOtt herrühren,
was mit seiner Eigenschaft überhaupt in der grössten
25 Harmonie steht, wie können diese, sage ich, seinem Willen
entgegen sein? IJnd so müssen alle die Veränderungen
der "Welt, die mechanisch, mithin aus den Bewegungs-
gesetzen nothwendig sind, jederzeit darum gut sein, weil
sie natürlicher Weise nothwendig sind, und es ist zu er-
30 warten, dass die Folge unverbesserlich sein werde, sobald
•) Diese Frage ist dadurch noch lanpe nicht genugsam be-
antwortet, wenn man sich auf die weis© Wahl GOttes b«ruft, die
den Lauf der Natur einmal schon so wohl eingerichtet hätte,
dass öftere Ausbosserungen unnöthig wären. Denn dio grosseste
Schwierigkeit besteht darin , wie es auch nur hat möglich sein
können, in einer Verbindung der Woltbegebenheiton nach all-
gemeinen Gesetzen so grosse Vollkommenheit zu vereinbaren,
vornehmlich wenn man die Menge der Naturdinge und die un-
ermesslich lange lioihe ihrer Veränderungen betrachtet, wie da
nach allgemeinen Hegeln ihrer gegenseitigen Wirksamkeit eine
Harmonie hat entspringen können, dl» keiner öftern übernatür-
lichen Einflüsse bedürfe.
II. 4. Vollkommenheit einer Welt nachd. Laufe d. Natur 65
sie nach der Ordnung der Natur unausbleiblich ist.*)
Ich bemerke aber, damit aller Missverstand verhütet
werde, dass die Veränderungen in der Welt entweder
aus der ersten Anordnung des Universum und den all-
gemeinen und besondern Gesetzen der Natur nothwendig 5
seien, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körper-
lichen Welt mechanisch vorgeht, oder dass sie gleichwohl
bei allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zu-
fälligkeit haben, wie die Handlungen aus der Freiheit,
deren Natur nicht ge|hörig eingesehen wird. Die letztere [89]
Art der Weltveränderungen, insofeme sie scheinen eine
Ungebundenheit in Ansehung bestimmender Gründe und
nothwendiger Gesetze an sich zu haben, enthalten insoweit
eine Möglichkeit in sich, von der allgemeinen Abzielung
der Naturdinge zur Vollkommenheit abzuweichen. Und 15
um deswillen kann man erwarten, dass übernatürliche
Ergänzungen nöthig sein dürften, weil es möglich ist,
dass in diesem Betracht der Lauf der Natur mit dem
Willen Gottes bisweilen widerstreitend sein könne. In-
dessen, da selbst die Kräfte frei handelnder Wesen in 20
der Verknüpfung mit dem Uebrigen des Universum nicht
ganz allen Gesetzen entzogen sind, sondern immer, wenn-
gleich nicht nöthigenden Gründen, dennoch solchen, die
nach den Regeln der Willkür die Ausübung auf eine
andere Art gewiss machen, unterworfen sind, so ist die 25
allgemeine Abhängigkeit der Wesen der Dinge von | GOtt [90]
auch hier noch jederzeit ein grosser Grund, die Folgen,
die selbst unter dieser Art von Dingen nach dem Laufe
der Natur sich zutragen (ohne dass die scheinbare Ab-
weichung in einzelnen Fällen uns irre machen darf), im 30
*) Wenn es ein nothwendiger Ausganej der Natur ist, wie
Newton vermeint, dass ein Weltsystem, wie dasjenige von unserer
Sonne, endlich zum völligen Stillstand und allgemeiner Ruhe
gelange, so würde ich nicht mit ihm hinzusetzen: dass es nöthig
sei, dass GOtt es durch ein Wunder wieder herstelle. Denn
weil es ein Erfolg ist, darauf die Natur nach ihren wesentlichen
Gesetzen nothwendigerweise bestimmt ist, so vermuthe ich hier-
aus, dass er auch gut sei. Es darf uns dieses nicht als ein
bedauernswürdiger Verlust vorkommen , denn wir wissen nicht,
welche Unermesslichkeit die sich immerfort in andern Himmels-
gegenden bildende Natur habe, um durch grosse Fruchtbarkeit
diesen Abgang des Universum anderwärts reichlich zu ersetzen.
Kant, Kl. Schriften z. Ethik. Tl. 5
66 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottea
Ganzen für anstandig und der Regel des Besten gemäss
ein-[au-]zusehen ; so dass nur selten die Ordnung der Natur
einer unmittelbaren übernatürlichen Vorbesserung oder
Ergänzung benöthigt ist, wie denn auch die Offenbarung
5 derselben nur in Ansehung gewisser Zeiten und gewisser
Völker Erwähnung thut. Die Erfahrung stimmt auch mit
dieser Abhängigkeit sogar der freiesten Handlungen von
einer grossen natürlichen Regel überein. Donn so zufallig
wie auch immer die Entschliessung zum Hoirathen sein mag,
10 so findet man doch in ebendemselben Lande, dass die [das]
Verhältniss der Ehen zu der Zahl der Lebenden ziemlich
beständig sei, wenn man grosse Zahlen nimmt, und dass
z. E. unter 10 Menschen beiderlei Geschlechts sich ein
Ehepaar findet. Jedermann weiss, wie viel die Freiheit der
1 5 Menschen zur Verlängerung oder Verkürzung des Lebens
beitrage. Gleichwohl müssen selbst diese freien Hand-
lungen einer grossen Ordnung unterworfen sein; weil im
[91] Durchschnitte, wenn man grosse Mengen | nimmt, die Zahl
der Sterbenden gegen die Lebenden sehr genau immer in
20 ebendemselben Verhältniss steht. Ich begnüge mich mit
diesen wenigen Beweisthümern, um es einigermassen ver-
ständlich zu machen, dass selbst die Gesetze der Freiheit
keine solche TJngebundenhcit in Ansehung der Regeln
einer allgemeinen Naturordnung mit sich führen, dass
25 nicht ebenderselbe Grund, der in der übrigen Natur schon
in den "Wesen der Dinge selbst eine unausbleibliche Be-
ziehung auf Vollkommenheit und Wohlgereimtheit be-
festigt, auch in dem natürlichen Laufe des freien Vor-
haltens wenigstens eine grossere Lenkung auf ein Wohl-
30 gefallen des höchsten Wesens ohne vielfältige Wunder
verursachen sollte. Mein Augenmerk ist aber mehr auf
den Verlauf der Naturveränderungen gerichtet, insofeme
sie durch eingepflanzte Gesetze nothwendig sind. Wunder
werden in einer solchen Ordnung entweder gar nicht oder
35 nur selten nöthig sein, weil es nicht füglich sein kann,
dass sich solche Unvollkommenheitcn natürlicherweise
hervorfänden, die ihrer bedürftig wären.
Wenn ich mir den Begriff von den Dingen der Natur
Ö2] machte, den man gemeiniglich von ihnen hat: 1 dass ihre
40 innere Möglichkeit für sich unabhängig und ohne einen
fremden Grund sei, so würde ich es gar nicht unerwartet
finden, wenn man sagte, eine Welt von einiger Voll-
II. 4. Vollkommenheit einer Welt nach d. Laufe d. Natur 67
kommenheit sei ohne viele übernatürliche Wirkungen
unmöglich. Ich würde es vielmehr seltsam und un-
begreiflich finden, wie ohne eine beständige Reihe von
Wundem etwas Taugliches durch einen natürlichen
grossen Zusammenhang in ihr sollte geleistet werden 5
können. Denn es müsste ein befremdliches Ohngefäiir
sein, dass die Wesen der Dinge, die jegliches für
sich seine abgesonderte Nothwendigkeit hätten, sich so
sollten zusammenschicken, dass selbst die höchste Weis-
heit aus ihnen ein grosses Ganzes vereinbaren könnte, 10
in welchem bei so vielfältiger Abhängigkeit dennoch
nach allgemeinen Grundsätzen unverbesserliche Harmonie
und Schönheit hervorleuchtete. Dagegen, da ich belehrt
bin, dass darum nur, weil ein GOtt ist, etwas Anderes mög-
lich sei, so erwarte ich selbst von den Möglichkeiten der 15
Dinge eine Zusammenstimmung, die ihrem grossen
Principium gemäss ist, und eine Schicklichkeit, durch
allgemeine Anordnungen zu einem Ganzen zusammen-
zupassen, das mit der Weisheit ebendesselben Wesens
richtig harmonirt, von dem sie ihren Grund | entlehnen, L^^J
und ich ünde es sogar wunderbar, dass, sofeme etwas
nach dem Laufe der Natur gemäss allgemeinen Gesetzen
geschieht oder geschehen würde, es GOtt missfällig und
eines Wunders zur Ausbesserung bedürftig sein sollte ;
und wenn es geschieht, so gehört selbst die Veranlassung 25
dazu zu den Dingen, die sich bisweilen zutragen, von uns
aber nimmermehr können begriffen werden.
Man wird es auch ohne Schwierigkeit verstehen,
dass, wenn man den wesentlichen Grund einsieht, wes-
wegen Wunder zur Vollkommenheit der Welt selten nöthig 30
sein können, dieses auch von denjenigen gelte, die wir
in der vorigen Betrachtung übernatürliche Begebenheiten
im formalen Verstände genannt haben, und die man in ge-
meinen Urtheilen darum sehr häufig einräumt, weil man '
durch einen verkehrten Begriff darin etwas Natürliches 35
zu finden glaubt.
68 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
2.
Was aus unserem Beweisgrunde zum Vorzüge
einer oder anderer Naturordnung geschlossen
werden kann.
[94] In dem Verfahren der gereinigten WeltweiSilieit herrscht
eine Regel, die, wenn sie gleich nicht förmlich gesagt,
dennoch in der Ausühung jederzeit beohachtet wird: dass
in aller Nachforschung der Ursachen zu gewissen Wir-
kungen man eine grosse Aufmerksamkeit bezeigen müsse,
10 die Einheit der Natur so sehr wie möglich zu erhalten,
das ist, vielerlei Wirkungen aus einem einzigen schon
bekannten Grunde herzuleiten, und nicht zu verschiedenen
Wirkungen wegen einiger scheinbaren grösseren ün-
ähnlichkeit sogleich neue und verschiedene wirkende
15 Ursachen anzunehmen. Man präsumirt demnach, dass
in der Natur grosse Einheit sei in Ansehung der Zu-
länglichkeit eines einigen Grundes zu mancherlei Art
Folgen, und glaubt Ursache zu haben , die Vereinigung
einer Art Erscheinungen mit denen von anderer Art
20 mohrentheils als etwas Noth wendiges und nicht als eine
Wirkung einer künstlichen und zufälligen Ordnung an-
zusehen. Wie vielerlei Wirkungen werden nicht aus
der einigen Kraft der Schwere hergeleitet, dazu man
ehedem verschiedene Ursachen glaubte nöthig zu finden:
25 das Steigen einiger Körper und das Fallen anderer.
Die Wirbel, um die Himmelskörper in Kreisen zu er-
halten, sind abgestellt, sobald man die Ursache derselben
[95] in jener einfachen Naturkraft ge|funden hat. Man
präsumirt mit grossem Grunde, dass die Ausdehnung der
30 Körper durch die Wärme, das Licht, die elektrische
Kraft, die Gewitter, vielleicht auch die magnetische Kraft
vielerlei Erscheinungen einer und ebenderselben wirk-
samen Materie, die in allen Räumen ausgebreitet ist,
nämlich des Aethers sei , und man ist überhaupt unzu-
35 frieden, wenn man sich genöthigt sieht, ein neues Prin-
cipium zu einer Art Wirkungen anzunehmen. Selbst da,
wo ein sehr genaues Ebenniass eine besondere künstliche
Anordnung zu erheischen scheint, ist man geneigt, sie
dem nothwendigen Erfolg aus allgemeineren Gesetzen
40 beizumessen und noch immer die Regel der Einheit zu
II. 4. Voll komm enheit einer Welt nach d. Laufe d. Natur 69
beobachten, ehe man eine künstliche Verfügung zum
Grunde setzt. Die Schneefiguren sind so regelmässig
und so weit über alles Plumpe, das der blinde Zufall
zuwege bringen kann, zierlich, dass man fast ein Miss-
trauen in die Aufrichtigkeit derer setzen sollte, die uns 5
Abzeichnungen davon gegeben haben, wenn nicht ein jeder
Winter unzählige Gelegenheit gäbe, einen Jeden durch
eigene Erfahrung davon zu versichern. Man wird wenig
Blumen antreffen, welche, so viel man äusserlich wahr-
nehmen kann, mehr Nettigkeit und Proportion | zeigten, [96]
und man sieht gar nichts, was die Kunst hervorbringen
kann, das da mehr Eichtigkeit enthielte, als diese Er-
zeugungen, die die Natur mit soviel Verschwendung über
die Erdfläche ausstreut. Und gleichwohl hat sich Niemand
in den Sinn kommen lassen, sie von einem besondem 15
Schneesamen herzuleiten und eine künstliche Ordnung
der Natur zu ersinnen, sondern man misst sie als eine
Nebenfolge allgemeineren Gesetzen bei, welche die Bildung
dieses Produkts mit nothwendiger Einheit zugleich unter
sich befassen.*) 20
Gleichwohl ist die Natur reich an einer gewissen
andern Art von Hervorbringungen, wo alle Weltweisheit,
die über ihre Entstehungsart nachsinnt, sich genöthigt
sieht, diesen Weg zu verlassen. Grosse Kunst und eine
zufällige Vereinbarung durch freie Wahl gewissen Ab- 25
sichten gemäss ist daselbst augenscheinlich, und wird zu-
gleich der Grund eines besondern Naturgesetzes, welches
zur künstlichen Na|turordnung gehört. Der Bau der Pflanzen [97]
und Thiere zeigt eine solche Anstalt, wozu die allgemeinen
und nothwendigen Naturgesetze unzulänglich sind. Da 30
es nun ungereimt sein würde, die erste Erzeugung einer
Pflanze oder [eines] Thieres als eine mechanische Neben-
folge aus allgemeinen Naturgesetzen zu betrachten, so
bleibt gleichwohl noch eine doppelte Frage übrig, die aus
dem angeführten Grunde unentschieden ist: ob nämlich 36
ein jedes Individuum derselben unmittelbar von GOtt ge-
*) Die den Gewächsen ähnliche Figur des Schimmels hatte
Viele bewogen, denselben unter die Produkte dos Pflanzenreichs
zu zählen. Indessen ist es nsich andern Beobachtungen riel
wahrscheinlicher, dass die anscheinende Regelmässigkeit desselben
nicht hindern könne, ihn so, wie den Baum der Diane, als eine
Folge aus den gemeinen Gesetzen der Sublimirung anz\isehen.
70 ßeweisgruQd zu einer Demonatration des Daseins Gottes
baut und also übornatiirlicheu Ursprunges sei, und nur
die Fort]i{lanzunij, das ist der Uobergang von Zeit zu
Zeit, zur Auswickeluug einem natürlichen Gesetze anver-
traut sei, oder ob einige Individuen des Pflanzen- und
5 Thierreichs zwar unmittelbar göttlichen Ursprungs seien,
jedoch mit einem uns nicht begreiflichen Vermögen, nach
einem ordentlichen Naturgesetze ihres Gleichen zu erzeugen
und nicht bloss auszuwickeln. Von beiden Seiten zeigen
[98J sicli Schwierigkeiten. Es ist vielleicht unmög|lich auszu-
10 machen, welche die grosseste sei; allein was uns hier
angeht, ist nur, das Uebergewicht der Gründe, insoferno
sie metaphysisch sind, zu bemerken. Wie z. E. ein Baum
durch eine innere mechanische Verfassung soll vermögend
sein, den Nahrungssaft so zu formen und zu modeln, dass
15 in dem Auge der Blätter oder seinem Samen etwas ent-
stünde, das einen ähnlichen Baum im Kleinen, oder woraus
doch ein solcher werden könnte, enthielte, ist nach allen
unsern Kenntnissen auf keine Weise einzusehen. Die
innerlichen Formen des Herrn von Buffon und die
20 Elemente organischer Materie, die sich zu Folge ihrer
Erinnerungen, den Gesetzen der Begierden und des Ab-
scheues gemäss, nach der Meinung des Herrn von
Maupertüis zusammenfügen, sind entweder ebenso un-
verständlich, als die Sache selbst, oder ganz willkürlich
25 erdacht. Allein ohne sich an dergleichen Theorien zu
kehren, muss man denn darum selbst eine andere dalür
aufwerfen, die ebenso willkürlich ist, nämlich dass alle
diese Individuen übernatürlichen Ursprungs seien, weil
man ihre natürliche Entsteh ungsart gar nicht begreift?
30 Hat wohl jemals Einer das Vermögen des Hefens, seines
[99J Gleichen | zu erzeugen, mechanisch begreiflich gemacht?
und gleichwohl bezieht man sich desfalls nicht auf einen
übernatüiiichen Grund.
Da in diesem Falle der Ursprung aller solcher orga-
85 nischen Produkte als völlig übernatürlich angesehen wird,
so glaubt man dennoch etwas für den Naturphilosophen
übrig zu lassen, wenn man ihn mit der Art der allmäh-
lichen Fortpflanzung spielen lässt. Allein man bedenke
wohl, dass man dadurch das Uebernatürliche nicht vor-
40 mindert, denn es mag diese übernatürliche Erzeugung zur
Zeit der Schö])fung, oder nach und nach in verschiedenen
Zeitpunkten geschehen, so ist in dem letzteren Falle nicht
II. 5. Die gewöhnliche Methode der Pkysikotheologie 71
mehr Uebernatürliches als im ersten; denn der ganze
Unterschied läuft nicht auf den Grad der unmittelbaren
göttlichen Handlung, sondern lediglich auf das Wenn
hinaus. Was aber jene natürliche Ordnung der Aus-
wickelung anlangt, so ist sie nicht eine Regel der Frucht- 5
barkeit der Natur, sondern eine Methode eines unnützen
ümschweifs. Denn es wird dadurch nicht der mindeste
Grad einer unmittelbaren göttlichen Handlung besparet.
Demnach scheint es unvermeidllich: entweder bei jeder [100 j
Begattung die Bildung der Frucht unmittelbar einer gött- 10
liehen Handlung beizumessen, oder der ersten göttlichen
Anordnung der Pflanzen und Thiere eine Tauglichkeit zu-
zulassen, ihres Gleichen in der Folge nach einem natür-
lichen Gesetze nicht bloss zu entwickeln, sondern wahr-
haftig zu erzeugen. 15
Meine gegenwürtige Absicht ist nur, hiedurch zu zeigen,
dass man den Naturdingen eine grössere Möglichkeit, nach
allgemeinen Gesetzen ihre Folgen hervorzubringen, ein-
räumen müsse, als man es gemeiniglich thut.
Fünfte Betrachtung. 20
Worin die Unzulänglichkeit der gewöhnlichen
Methode der Physikotheologie gewiesen wird.
1.
Yon der Physikotheologie überhaupt.
Alle Arten, das Dasein GOttes aus den Wirkungen 25
desselben zu erkennen, lassen sich auf die | drei folgenden[101]
bringen. Entweder man gelangt zu dieser Erkenntniss
durch die Wahrnehmung desjenigen, was die Ordnung
der Natur unterbricht und diejenige Macht unmittelbar
bezeichnet, welcher die Natur unterworfen ist: diese 30
Ueberzeugung wird durch Wunder veranlasst; oder die
zufällige Ordnung der Natur, von der man deutlich
einsieht, dass sie auf vielerlei andere Art möglich war,
in der gleichwohl grosse Kunst, Macht und Güte hervor-
leuchtet, führt auf den göttlichen Urheber; oder drittens 35
die noth wendige Einheit, die in der Natur wahr-
genommen wird, und die wesentliche Ordnung der Dinge,
72 Beweisgrund zu eiuer Demonstration des Dateins Gottea
welche grossen Kegeln der Vollkommenheit gemäss ist,
kurz das, was in der Regelmässigkeit der Natur Noth-
wendiges ist, leitet auf ein oberstes Principium, nicht
allein dieses Daseins, sondern selbst aller Möglichkeit.
5 Wenn Menschen völlig verwildert sind, oder eine hals-
starrige Bosheit ihre Augen verschliesst, alsdenn scheint
das erstere Mittel einzig und allein einige Gewalt an
sich zu haben, sie vom Dasein des höchsten Wesens zu
[102] überführen. Dagegen | findet die richtige Betrachtung einer
10 wohlgcarteten Seele an so viel zufälliger Schönheit und
zweckmässiger Vorbindung, wie die Ordnung der Natur
darbietet, Beweisthümer genug, einen mit grosser Weis-
heit und Macht begleiteten Willen daraus abzunehmen,
und es sind zu dieser üeberzeugung, soferne sie zum
15 tugendhaften Verhalten hinlänglich, das ist moralisch
gewiss, sein soll, die gemeinen Begriffe des Verstandes
hinreichend. Zu der dritten Art zu schliessen, wird noth-
wendiger Weise Weltweisheit erfordert, und es ist auch
einzig und allein ein höherer Grad derselben fähig, mit
20 einer Klarheit und üeberzeugung, die der Grösse der
Wahrheit gemäss ist, zu dem nämlichen Gegenstande zu
gelangen.
Die beiden letzteren Arten kann man physikotheolo-
gische Methoden nennen ; denn sie zeigen beide den Weg,
25 aus den Betrachtungen über die Natur zur Erkenntnis
Gottes hinauf zu steigen. |
[103] 2.
Die Yortheile und auch die Fehler der gewöhnlichen
Physikotheologie.
30 Das Hauptmerkmal der bis dahin gebräuchlichen
physisch- theologischen Methode besteht darin: dass die
Vollkommenheit und Eegelmässigkeit erstlich ihrer Zu-
fälligkeit nach gehörig begriffen, und alsdenn die künst-
liche Ordnung nach allen zweckmässigen Beziehungen
35 darinnen gewiesen wird, um daraus auf einen weisen und
gütigen Willen zu schliessen, nachher aber zugleich durch
die hinzugefügte Betrachtung der Grösse des Werks der
Begiiff der unormessliclien Macht des Urhebers damit
vereinigt wird.
IL 5. Die gewöhnliche Methode der Physikolheologie 73
Diese Methode ist vortrefflich : erstlich, weil die Ueber-
zeugung überaus sinnlich und daher sehr lebhaft und
einnehmend, und dennoch auch dem gemeinsten Verstände
leicht und fasslich ist; zweitens, weil sie natürlicher ist
als irgend eine andere, indem ohne Zweifel ein Jeder von 5
ihr zuerst anfängt ; drittens, weil sie einen sehr anschauenden
Begrifi" von der hohen Weisheit, Vorsorge oder auch der
Macht des anbetungswürdilgen Wesens verschafft, welcher [104]
die Seele füllt, und die grosseste Gewalt hat, auf Erstaunen,
Demuth und Ehrfarcht zu wirken.*) Diese Beweisart ist lo
viel praktischer, als irgend eine andere selbst in An-
sehung des Philosophen. Denn ob er gleich für seinen
forschenden oder grübelnden Verstand hier nicht die be-
stimmte abgezogene Idee der Gottheit antrifft, und die
Gewissheit selbst nicht mathematisch, sondern moralisch 15
ist, so bemächtigen sich doch so viel Beweisthümer, jeder
von so grossem Eindruck, seiner Seele, und die Speku-
lation folgt ruhig mit einem gewissen Zutrauen einer
Ueberzeugung, die schon Platz genommen hat. Schwer-
lich würde wohl Jemand seine ganze Glückseligkeit auf 20
die angemasste Richtigkeit eines metaphysischen Beweises
wagen, vornehmlich wenn ihm lebhafte sinnliche Ueber-
redungen entgegenstünden. Allein | die Gewalt der Ueber- [105]
Zeugung, die hieraus erwächst, darum eben, weil sie so
sinnlich ist, ist auch so gesetzt und unerschütterlich, 25
dass sie keine Gefahr von Schlussreden und Unterschei-
dungen besorgt und sich weit über die Macht spitzfindiger
Einwürfe wegsetzt. Gleichwohl hat diese Methode ihre
*) Wenn ich unter andern die mikroskopischen Beobachtungen
des Doktor Hill, die man im Hamb. Magazin antrifft, erwäge,
und sehe zahlreiche Thiergeschlechter in einem einzigen Waäser-
tropfen, räuberische Arten, mit Werkzeugen des Verderbens aus-
gerüstet, die von noch mächtigeren Tyrannen dieser Wasserwelt
zerstört werden, indem sie gefiissen sind, andere zu verfolgen ;
wenn ich die Ränke, die Gewalt und die Scene des Aufruhrs
in einem Tropfen Materie ansehe, und erhebe von da meine
Augen in die Höhe, um den unermesslichen Raum von Welten
wie von Stäubchen wimmeln zu sehen, so kann keine mensch-
liche Sprache das Gefühl ausdrücken, was ein solcher Gedanke
erregt, und alle subtile metaphysische Zergliederung weicht sehr
weit der Erhabenheit und Würde, die einer solchen Anschauung
eigen ist.
74 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Fehler, die beträchtlich genug sind, ob sie zwar eigent-
lich nur dem Verfahren derjenigen zuzurechnen sind,
die sich ihrer bedient l4;.ben.
1. Sie betrachtet alle Vollkommenheit, Harmonie und
6 Schönheit der Natur als zufällig, und als eine Anordnung
durch Weisheit, da doch viele derselben mit nothwendiger
Einheit aus den wesentlichsten Regeln der Natur ab-
fliessen. Das, was der Absicht der Physikotheologie
hiebei am schädlichsten ist, besteht darin, dass sie diese
[106] Zufäliligkeit der Naturvollkommenheit als höchstnöthig
zum Beweise eines weisen Urhebers ansieht, daher alle
nothwendige Wohlgereimtheiten der Dinge der Welt bei
dieser Voraussetzung gefährliche Einwürfe werden.
Um sich von diesem Fehler zu überzeugen, merke
15 man auf Nachstehendes. Man sieht, wie die Verfasser
nach dieser Methode geflissen sind, die an unzähligen
Endabsichten reichen Produkte des Pflanzen- und Thier-
reichs nicht allein der Macht des Ohngefährs, sondern
auch der mechanischen Nothwendigkeit nach allgemeinen
20 Gesetzen der materialen Natur zu entreissen. Und hierin
kann es ihnen auch nicht im mindesten schwer werden.
Das Uebergewicht der Gründe auf ihrer Seite ist gar zu
sehr entschieden. Allein wenn sie sich von der organischen
Natur zur unorganischen wenden, so beharren sie noch
25 immer auf ebenderselben Methode; allein sie finden
sich daselbst fast jederzeit durch die veränderte Natur
der Saclien in Schwierigkeiten befangen, denen sie nicht
ausweichen können. Sie reden noch immer von der
durch grosse Weisheit getroffenen Vereinbarung so vieler
[107] nützlichen Eigenschaften | des Luftkreises, den Wolken,
dem Regen, den Winden, der Dämmerung etc. etc., als
wenn die Eigenschaft, wodurch die Luft zu Erzeugung
der Winde auferlegt [aufgelegt] ist, mit derjenigen, wodurch
sie Dünste aufzieht, oder wodurch sie in grossen Höhen
35 dünner wird, ebenso vermittelst einer weisen Wahl wäre
vereinigt worden, wie etwa bei einer Spinne die ver-
schiedenen Augen, womit sie ihrem Raube auflauert,
mit den Warzen, woraus die Spinnensoide als durch
Ziehlöcher gezogen wird, mit den feinen Klauen oder
40 auch den Ballen ihrer Fi;sse, dadurch sie zusammen-
klebt oder sich daran erhält, in einem Thiere verknüpft
sind. In diesem letzleren Falle ist die Einheit bei allen
IT. 5. Die gewöhnliche Methode der Physikotheologie 75
verbundenen Nutzbarkeiten (als in welcher die Voll-
kommenheit besteht) offenbar zufällig und einer weisen
Willkür beizumessen, da sie im Gegentheil im ersteren
Fall nothwendig ist, und, wenn nur eine Tauglichkeit
von denen erwähnten der Luft beigemessen wird, die 5
andere unmöglich davon zu trennen ist. Eben dadurch,
dass man keine andere Art, die Vollkommenheit der
Natur zu beurtheilen, einräumt, als durch die Anstalt
der Weisheit, so wird eine jede ausgebreitete Einheit,
inisofeme sie offenbar als nothwendig erkannt wird, [108]
einen gefährlichen Einwurf ausmachen. Wir werden bald
sehen, dass nach unserer Methode aus einer solchen
Einheit gleichwohl auch auf die göttliche Weisheit geschlossen
wird, aber nicht so, dass sie von der weisen Wahl als
ihrer Ursache, sondern von einem solchen Grunde in 15
einem obersten Wesen hergeleitet wird, welcher zugleich
ein Grund einer grossen Weisheit in ihm sein muss,
mithin wohl von einem weisen Wesen, aber nicht durch
seine Weisheit.
2. Diese Methode ist nicht genugsam philosophisch und 20
hat auch öfters die Ausbreitung der philosophischen
Erkenntniss sehr gehindert. Sobald eine Naturanstalt
nützlich ist, so wird sie gemeiniglich unmittelbar aus
der Absicht des göttlichen Willens oder doch durch eine be-
sonders durch Kunst veranstaltete Ordnung der Natur 25
erklärt; entweder weil man einmal sich in den Kopf
gesetzt hat, die Wirkungen der Natur, gemäss ihren
allgemeinsten Gesetzen, könnten auf solche Wohlgereimt-
heit nicht auslaufen, oder wenn man einräumte, sie
hätten auch solche Folgen, so würde die|ses heissen, [109]
die Vollkommenheit der Welt einem blinden Ohngefähr
zuzutrauen, wodurch der göttliche Urheber sehr würde
verkannt werden. Daher werden in einem solchen Falle
der Naturforschung Grenzen gesetzt. Die erniedrigte
Vernunft steht gerne von einer weiteren Untersuchung 35
ab, weil sie solche hier als Vorwitz ansieht, und das
Vorurtheil ist desto gefährlicher, weil es den Faulen
einen Vorzug vor dem unermüdeten Forscher giebt
durch den Vorwand der Andacht und der billigen Unter-
werfung unter den grossen Urheber, in dessen Erkenntniss ^0
sich alle Weisheit vereinbaren muss. Man erzählt z. E.
die Nutzen der Gebirge, deren es unzählige giebt, und
76 Beweißgrund zu einer Demoostration des Daseins Gottes
sobald man deren recht viel, und unter diesen solche,' die
das menschliche Geschlecht nicht entbehren kann, zu-
sammengebracht hat, so glaubt man Ursache zu haben, sie
als eine unmittelbare, göttliche Anstalt anzusehen. Denn
5 sie als eine Folge aus allgemeinen Bewegungsgesetzen zu
betrachten (weil man von diesen gar nicht vermuthet,
dass sie auf schöne und nützliche Folgen sollten eine
Beziehung haben, es müsste denn etwa von ohugefähr
[110] sein), das würde ihrer Meinung nach heissen, | einen wesent-
10 liehen Yortheil des Menschen'geschlechts auf den blinden
Zufall ankommen lassen. Ebenso ist es mit der Be-
trachtung der Flüsse der Erde bewandt. Wenn man die
physisch- theologischen Verfasser hört, so wird man dahin ge-
bracht, sich vorzustellen , ihre Laufrinnen wären alle von
15 GOtt ausgehöhlt. Es heisst auch nicht philosophiren,
wenn man, indem man einen jeden einzelneu Berg, oder
jeden einzelnen Strom als eine besondere Absicht GOttes
betrachtet, die nach allgemeinen Gesetzen nicht würde
erreicht worden sein, wenn man , sage ich , alsdenn dic-
20 jenigen Mittel ersinnt, deren besonderer "Vorkehrung sich
etwa GOtt möchte bedient haben, um diese Individual-
Wirkungen herauszubringen. Denn nach demjenigen, was
in der dritten Betrachtung dieser Abtheilung gezeigt
worden, ist dergleichen Produkt dennoch insoferne immer
25 übernatürlich; ja, weil es nicht nach einer Ordnung der
Natur (indem es nur als eine einzelne Begebenheit durch
eigene Anstalten enstand) erklärt werden kann, so gründet
sich ein solches Verfahren zu urtheilen auf eine verkehrte
Vorstellung vom Vorzuge der Natur an sich selber, wenn
[111] sie auch durch Zwang auf einen einzelnen | Fall sollte ge-
lenkt werden müssen, welches nach aller unserer Einsicht
als ein Mittel des TJmschweifs , und nicht als ein Ver-
fahren der Weisheit kann angesehen werden.*) Als
•) Es wäre zu wünschen, dass in dergleichen Fällen, wo
die Offenbarung Nachricht giebt , dass eine Weltbegebenheit
ein ausserordentliches göttliches Verhängniss sei , der Vorwitz
der Philosophen möchte gemässigt werden , ihre physischen Ein-
sichten auszukramen ; denn sie thun der Religion gar keinen
Dienst und machen es nur zweifelhaft, ob die Begebenheit nicht
gar ein natürlicher Zufall sei ; wie in demjenigen Fall, da man
die Vertilgung des Heeres unter Sanherib dem Winde Samiel
beimisst. Die Philosophie kommt hiebei gemeiniglich ins Ge-
II. 5. Die gewöhnliche Methode der Physikotheologie 77
Newton durch untni gliche Beweise sich überzeugt hatte,
dass der Erdkörpor diejenige Figur habe, auf der alle durch
den Diehungsschwung veränderten Eichtungen der
Schwere senkrecht stünden; so schloss er, die Erde sei
im Anfang flüssig gewesen und habe nach den Gesetzen 5
der Statik vermittelst der Umdrehung gerade diese Ge-
stalt angenommen. Er kannte so gut, wie sonst Jemand,
die Vortheile, die in der Kugelrundung eines Weltkörpers
liegen, und auch die höchst | nöthige Abplattung, um den [112]
nachtheiligen Folgen der Achsendrehung vorzubeugen. 10
Dieses sind insgesammt Anordnungen, die eines weisen
Urhebers würdig sind. Gleichwohl trug er kein Be-
denken, sie den nothwendigsten mechanischen Gesetzen
als eine Wirkung beizumessen, und besorgte nicht, dabei
den grossen Eegierer aller Dinge aus den Augen zu 15
verlieren.
Es ist also auch sicher zu vemauthen, dass er
nimmermehr in Ansehung des Baues der Planeten, ihrer
Umläufe und der Stellung ihrer Kreise unmittelbar zu
einer göttlichen Anstalt seine Zuflucht würde genommen 20
haben, wenn er nicht geurtheilt hätte: dass hier ein
mechanischer Ursprung unmöglich sei, nicht wegen der
Unzulänglichkeit derselben zur Regelmässigkeit und Ord-
nung überhaupt (denn warum besorgte er nicht diese
Untauglichkeit in dem vorher erwähnten Falle?), sondern 25
w^eil die Himmelsräume leer sind , und keine Gemein-
schaft der Wirkungen der Planeten in einander, ihre
Kreise zu stellen, in diesem Zustande möglich ist. Wenn
es ihm indessen beigefallen wäre, zu fragen: ob sie
denn auch jederzeit leer gewesen, und ob nicht | wenig- [113]
stens im allerersten Zustande , da diese Räume vielleicht
im Zusammenhange erfüllt waren, diejenige Wirkung
möglich gewesen, deren Folgen sich seitdem erhalten
haben, wenn er von der allerältesten Beschaffen-
heit eine gegründete Vermuthung gehabt hätte, so kann 35
man versichert sein, dass er auf eine der Philosophie
geziemende Art in den allgemeinen mechanischen Ge-
setzen die Gründe von der BeschafTenheit des Weltbaues
gesucht haben würde, ohne desfalls in Sorgen zu sein,
dränge , wie in der WmSTON'schen Theorie , die astronomische
Kometenkenntniss zur Bibelerklärung zu gebrauchen.
78 Beweiegnind zu einer Demonstration des Daseins Gottes
dass diese Erklärung den Ursprung der "Welt aus den
Händen des Schüpfers der Macht des OhngefHlirs über-
lieferte. Das berühmte Beispiel des Newton darf dem-
nach nicht dem faulen Vertrauen zum Verwände dienen,
5 eine übereilte Berufung auf eine unmittelbare göttliche
Anstalt für eine Erklärung in philosophischem Geschmacks
auszugeben.
Ueberhaupt haben freilich unzählbare Anordnungen
der Natur, da sie nach den allgemeinsten Gesetzen immer
10 noch zufällig sind, keinen andern Grund als die weise
Absicht desjenigen, der gewollt hat, dass sie so und
[114] nicht anders verknüpft | werden sollten. Aber man kann
nicht umgekehrt schliessen: wo eine natürliche Ver-
knüpfung mit demjenigen übereinstimmt, was einer weisen
15 Wahl gemäss ist, da ist sie auch nach den allgemeinen
Wirkungsgesetzen der Natur zufällig und durch künst-
liche Fügung ausserordentlich festgesetzt worden. Es
kann bei dieser Art zu denken sich öfters zutragen, dass
die Zwecke der Gesetze, die man sich einbildet, unrichtig
20 sind , und denn hat man ausser diesem Irrthume noch
den Schaden, dass man die wirkenden Ursachen vorbei-
gegangen ist und [sich] unmittelbar an eine Absicht, die
nur erdichtet ist, gehalten hat. Suessmilch hatte ehedem
vermeint, den Grund, warum mehr Knäbchen als Mägdchen
26 geboren werden, in dieser Absicht der Vorsehung zu
finden, damit durch die grössere Zahl derer vom Manns-
posclilechte der Verlust ergänzt werde, den dieses Ge-
schlecht durch Krieg und gefahrlichere Arten des Ge-
werbes vor dem andern erleidet. Allein durch spätere
30 Beobachtungen wurde ebendieser sorgfältige und ver-
nünftige Mann belehrt, dass dieser Ueberschuss der
Knäbchen in den Jahren der Kindheit durch den Tod
so weggenommen werde, dass noch eine geringere Zahl
männlichen, als die des weiblichen [Geschlechtes] in die
[115] Jahre gelan^^en , | wo die vorher erwähnten Ursachen
allererst Gründe des Verlustes enthalten können. Man
hat Ursache zu glauben, dass diese Merkwürdigkeit ein
P'all sf'i, der unter einer viel allgemeineren Regel stehen
mag, nämlich dass der stärkere Theil der Menschen-
40 arten auch einen grösseren Antheil an der Zeugungs-
thätigkeit habe, um in den beiderseitigen Produkten
seine eigene Art Überwiegend zu machen, dass aber da-
II. 5. Die gewöhnliche Methode der Physik otheologie 79
gegen, weil mehr dazu gehört, dass etwas, welches die
Grundlage zu grösserer Vollkommenheit hat, auch in der
Ausbildung alle zu Erreichung derselben gehörigen Um-
stände antreffe, eine grössere Zahl derer von minder voll-
kommener Art den Grad der Vollständigkeit erreichen 5
werde, als derjenige, zu deren Vollständigkeit mehr Zu-
sammentreffung von Gründen erfordert wird. Es mag
aber mit dieser Eegel eine Beschaffenheit haben, welche
es wolle, so kann man hiebei wenigstens die Anmerkung
machen, dass es die Erweiterung der philosophischen 1®
Einsicht hindere, sich an die moralischen Gründe, das
ist, an die Erläuterung aus Zwecken zu wenden, da, wo
es noch zu vermuthen ist, dass physische Gründe durch
eine Verknüpfung mit rothwendigen allgemeineren Ge-
setzen die Folge bestimmen. | 15
3. Diese Methode kann nur dazu dienen, einen ür-fllG]
heber der Verknüpfungen und künstlichen Zusammen-
fügungen der Welt, aber nicht der Materie selbst und
den Ursprung der Bestandtheile des Universum zu be-
weisen. Dieser beträchtliche Fehler muss alle diejenigen, 20
die sich ihrer allein bedienen, in Gefahr desjenigen Irr-
thums lassen, den man den feineren Atheismus nennt,
und nach welchem GOtt im eigentlichen Verstände als
ein Werkmeister und nicht als ein Schöpfer der Welt,
der zwar die Materie geordnet und geformt, nicht aber 25
hervorgebracht und erschaffen hat, angesehen werde. Da
ich diese Unzulänglichkeit in der nächsten Betrachtung
erwägen werde, so begnüge ich mich, sie hier nur angemerkt
zu haben.
Uebrigens bleibt die gedachte Methode jederzeit eine 30
derjenigen, die sowohl der Würde als auch der Schwäche
des menschlichen Verstandes am meisten gemäss sind.
Es sind in der That unzählbare Anordnungen in der
Natur, deren nächster Grund eine Endabsicht ihres Urhebers .
sein muss, und es ist der leichteste Weg, der auf ihn 35
führt, wenn man diejenigen Anstalten erwägt, die seiner
Weisheit unimittelbar untergeordnet sind. Daher ist es [117]
billig, seine Bemühungen vielmehr darauf zu wenden, sie
zu ergänzen, als anzufechten, ihre Fehler zu verbessern,
als sie um deswillen geringschätzig zu halten. Die folgende 40
Betrachtung soll sich mit dieser Absicht beschäftigen.
80 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottc3
Sechste Betrachtung.
Verbesserte Methode der Physikotheolo gie.
1.
Ordnung und Anständigkeit, wenn sie gleich noth-
5 wendig ist, bezeichnet einen verständigen Urheber.
Es kann nichts dem Gedanken von einem göttlichen
Urheber des Universum nachtheiliger und zugleich un-
Ternünftiger sein, als wenn man bereit ist, eine grosse
und fruchtbare Eegel der Anständigkeit, Nutzbarkeit und
10 üebereinstimmung dem ungefähren Zufall beizumessen ; der-
gleichen das Klinaraen der Atomen in dem Lehrgebäude
[118] des Demokkitus und Epikur's war. | Ohne dass ich
mich bei der Ungereimtheit und vorsfitzliclien Verblendung
dieser Art zu urtheilen verweile, da sie genugsam von
15 Andern ist augenscheinlich gemacht worden, so bemerke
ich dagegen, dass die wahrgenommene Nothwendigkeit in
Beziehung der Dinge auf regelmässige Verknüpfungen,
und der Zusammenhang nützlicher Gesetze mit einer notli-
wendigen Einheit ebensowohl, als die zufälligste und will-
20 kürlichste Anstalt, einen Beweisthum von einem weisen Ur-
heber abgebe; obgleich die Abhängigkeit von ihm in
diesem Gesichtspunkte auf andere Art muss vorgestellt
werden. Um dieses gehörig einzusehen, so merke ich an,
dass die Ordnung und vielföltige vortheilhafte Zusammen-
25 Stimmung überhaupt einen verständigen Urheber bezeichnet,
noch ehe man daran denkt, ob diese Beziehung den Dingen
nothwendig oder zufällig sei. Nach den Urtheilen der
gemeinen gesunden Vernunft hat die Abfolge der Welt-
veränderungen oder diejenige Verknüpfung, an deren Stelle
80 eine andere möglich war, ob sie gleich einen klaren
Beweisgrund der Zufälligkeit an die Hand giebt, wenig
Wirkung, dem Verstände die Vermuthung eines Urhebers
zu veranlassen. Es wird dazu Philosophie erfordert, und
[119] selbst deren Ge| brauch ist in diesem Falle verwickelt und
36 schlüpfrig. Dagegen macht grosse Regelmässigkeit und
Wohlgereimthcit in einem vielstimmigen Harmonischen
stutzig, und die gemeine Vernunft selbst kann sie ohne
einen verstand igen Urheber nimmer möglich finden. Die
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie Sl
eine Regel*) der Anständigkeit mag in der anderen schon
wesentlich liegen oder willkürlich damit verbunden sein,
so findet man es geradezu unmöglich, dass Ordnung und
Regelmässigkeit entweder von ohngefähr oder auch unter
viel Dingen, die ihr verschiedenes Dasein haben, so von 5
selbst sollte stattfinden ; denn nimmermehr ist ausgebreitete
Harmonie ohne einen verständigen Grund ihrer Möglich-
keit nach zureichend gegeben. Und hier äussert sich als-
bald ein grosser Unterschied zwischen der Art, wie man die
Vollkommenheit ihrem Ursprünge nach zu beurtheilen habe.] 10
2. [ISO]
Nothwendige Ordnung der Natur bezeichnet selbst
einen Urheber der Materie, die so geordnet ist.
Die Ordnung in der Natur, insofeme sie als zutällig
und aus der Willkür eines verständigen Wesens ent- 15
springend angesehen wird, ist gar kein Beweis davon,
dass auch die Dinge der Natur, die in solcher Ordnung
nach Weisheit verfaiüpft sind, selbst von diesem Urheber
ihr Dasein haben. Denn lediglich diese Verbindung ist
so bewandt, dass sie einen verständigen Plan voraussetzt; 20
daher auch Aristoteles und viele andere Philosophen
des Alterthums nicht die Materie oder den Stoff der Natur, j
sondern nur die Form von der Gottheit herleiteten. Viel-
leicht nur seit der Zeit, als uns die Offenbarung eine
vollkommene Abhängigkeit der Welt von Gott gelehrt hat, 25
hat auch allererst die Weltweisheit die gehörige Be-
mühung daran gewandt, den Ursprung der Dinge selbst,
die den rohen Zeug der Natur ausmachen, als so etwas
zu betrachten, was ohne einen Urheber nicht möglich sei.
Ich zweifle, dass es Jemandem hiemit gelungen sei, und 30
ich werde in der letzten | Abtheilung Gründe meines Ur- [121]
theils anführen. Zum mindesten kann die zufällige Ord-
nung der Theile der Welt, insofeme sie einen Ursprung
aus Willkür anzeigt, gar nichts zum Beweise davon bei-
tragen. Z. E. an dem Bau eines Thieres sind Gliedmassen 35
der sinnlichen Empfindung mit denen der willkürlichen
*) Vor „die eine Regel" hat die erste Ausgabe noch die
Worte : „Die Dinge selbst mögen nothwendig oder zufällig sein,'*
die das Druckfehlerverzeichniss als zu streichen bezeichnet.
K a n t , kl. Schriften z. Ethik II. Q
82 Beweiägruud zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Bewegung uud der Lebenstlieilo so künstlich verbunden, dass
man boshatt sein rauss (denn so unvernünftig kann ein
Mensch nicht sein), sobald man darauf geführt wird, einen
weisen Urheber zu verkennen, der die Materie, daraus ein
^ thierischer Körper zusammengesetzt ist, in so vortrefifliche
Ordnung gebracht hat. Mehr folgt hieraus gar nicht.
Ob diese Materie für sich ewig und unabhängig oder auch
von ebendemselben Urheber hervorgebracht sei, das ist
darin gar nicht entschieden. . Ganz anders aber fällt das
10 Urtheil aus, wenn man wahrnimmt, dass nicht alle
Naturvollkommenheit künstlich, sondern Regeln von grosser
Nutzbarkeit auch mit nothwendiger Einheit verbunden
sind, und diese Vereinbarung in den Möglichkeiten der
Dinge selbst liegt. "Was soll man bei dieser Wahrnehmung
15 urtheilen? Ist diese Einheit, diese fruchtbare Wohlgereimt-
heit ohne Abhängigkeit von einem weisen Urheber mög-
[122] lieh? Das Formale I so grosser und vielfältiger Regel-
mässigkeit verbietet dieses. Weil indessen diese Einheit
gleichwohl selbst in den Möglichkeiten der Dinge gegründet
20 ist, so muss ein weises Wesen sein, ohne welches alle diese
Naturdinge selbst nicht möglich sind, und in welchem
als einem grossen Grunde sich die Wesen so mancher
Naturdinge zu so regelmässigen Beziehungen vereinbaren.
Alsdenn aber ist klar, dass nicht allein die Art der Ver-
25 bindung, sondern die Dinge selbst nur durch dieses Wesen
möglich sind, das ist, nur als Wirkungen von ihm existiren
können, welches die völlige Abhängigkeit der Natur von
GOtt allererst hinreichend zu erkennen giebt. Fragt man
nun, wio hängen diese Naturen von solchem Wesen ab,
30 damit ich daraus die Uebereinstimmung mit den Regeln
der Weisheit verstehen könne ? Ich antworte : sie hängen
von demjenigen in diesem Wesen ab, was, indem es den
Grund der Möglichkeit der Dinge enthält, auch der
Grund seiner eigenen Weisheit ist; denn diese setzt über-
[123] haupt jene voraus.*) Bei dieser Einlieit aber | des Grundes,
*) Die Weisheit setzt voraus, dass Uebereinstimmung und
Einheit In den Beziehungen möglich sei. Dasjenige Wesen,
welches von völlig unabhängiger Natur ist, kann nur weise sein,
insoferne in ihm Gründe selbst solcher möglichen Harmonie
uud Vollkommenheiten, die seiner Ausführung sich darbieten,
enthalten sind. Wäre in den Möglichkeiten der Dinge keine
solche Beziehung auf Ordnung und Vollkommenheit befiadlich
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie 88
sowohl des Wesens aller Dinge als der Weisheit, Güte
und Macht, ist es nothwendig, dass alle Möglichkeit mit
diesen Eigenschaften harmonire.
3.
Regeln der verbesserten Methode der Physiko- 5
theologie.
Ich fasse sie in Folgendem kurz zusammen. Durch
das Zutrauen auf die Fruchtbarkeit der allgemeinen
Naturgesetze, wegen ihrer Abhängigkeit vom göttlichen
Wesen, geleitet, suche man 10
1 . die Ursache, selbst der vortheilhaftesten Verfassungen,
in solchen allgemeinen Gesetzen, die mit einer nothwendigen
Einheit, ausser anderen anständigen Folgen, auch auf die
Hervorbringung dieser Wirkungen in Beziehung stehenJ
2. Man bemerke das Nothwendige in dieser Verknüpfung [124j
verschiedener Tauglichkeiten in einem Grunde, weil sowohl
die Art, um daraus auf die Abhängigkeit von GOtt zu
schliessen, von derjenigen verschieden ist, welche eigent-
lich die künstliche und gewählte Einheit zum Augenmerk
hat, als auch um den Erfolg nach beständigen und noth- 20
wendigen Gesetzen vom ungefähren Zufall zu unter-
scheiden.
3. Man vermuthe nicht allein in der unorganischen,
sondern auch der organisirten Natur eine grössere noth-
wendige Einheit, als so geradezu in die Augen fällt. 25
Denn selbst im Baue eines Thieres ist zu vermuthen,
dass eine einzige Anlage eine fruchtbare Tauglichkeit zu
viel vortheilhaften Folgen haben werde, wozu wir an-
fänglich vielerlei besondere Anstalten nöthig finden möchten.
Diese Aufmerksamkeit ist sowohl der Philosophie sehr ge- 30
mäss, als auch der physisch-theologischen Folgerung vor-
theilhaft.
4. Man bediene sich der offenbar künstlichen Ordnung,
um daraus auf die Weisheit eines | Urhebers als einen [125]
Grund, der wesentlichen und nothwendigen Einheit aber 35
in den Naturgesetzen, um daraus auf ein weises Wesen
80 wäre Weisheit «iae CUimire. Wäre aber diese Möglichkeit
ia dem weisen Wesen nicht selbst gegründet, so konnte [könnte]
diese Weisheit nimmermehr in aller Absicht unabhäagig sein.
84 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
als einen Grund, aber nicht vermittelst seiner Weisheit,
sondern vermöge desjenigen in ihm, was mit dieser har-
moniren muss, zu schliessen.
5. Man schliesse aus den zufälligen Verbindungen
5 der Welt auf den Urheber der Art, wie das Universum
zusammengefügt ist, von der nothwendigen Einheit
aber auf ebendasselbe Wesen als einen Urheber, sogar
der Materie und des Grundstoffes aller Naturdinge.
6. Man erweitere diese .Methode durch allgemeine
10 Regeln, welche die Gründe der Wohlgerei mtheit desjenigen,
was mechanisch oder auch geometrisch nothwendig ist,
mit dem Besten des Ganzen können verständlich machen,
und verabsäume nicht, selbst die Eigenschaften des Eaumes
in diesem Gesichtspunkte zu erwägen und aus der Ein-
16 heit in dem grossen Mannigfaltigen desselben den näm-
lichen Hauptbegriff zu erläutern.]
[126] 4.
Erläuterung dieser Regeln.
Ich will einige Beispiele anführen, um die gedachte
20 Methode verständlicher zu machen. Die Gebirge der Erde
sind eine der nützlichsten Verfassungen auf derselben,
und Burnet, der sie für nichts Bessers als eine wilde
Verwüstung zur Strafe unserer Sünde ansieht, hat ohne
Zweifel Unrecht. Nach der gewöhnlichen Methode der
25 Physikotheologie werden die ausgebreiteten Vortheile dieser
Bergstrecken erzählt, und darauf werden sie als eine
göttliche Anstalt durch grosse Weisheit um so vielfältig
abgezielter Nutzen willen angesehen. Nach einer solchen
Art zu urtheilen, wird man auf die Gedanken gebracht:
30 dass allgemeine Gesetze, ohne eine eigene künstliche An-
ordnung auf diesen Fall, eine solche Gestalt der Erdfläche
nicht zuwege gebracht hätten ; und die Berufung auf den
allmächtigen Willen gebietet der forschenden Vernunft
ein ehrerbietiges Schweigen. Dagegen ist nach einer
35 besser unterwiesenen Denkungsart der Nutze[n] und die
Schönheit dieser Naturanstalt gar kein Grund, die all-
[127] gemeinen und einfältigen AVirkungsgesetze der Materie
vorbeizugehen, um diese Verfassung nicht als eine
Nebenfolgo derselben anzusehen. Es möchte vielleicht
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie 85
schwer auszumachen sein: ob die Kugelfigur der Erde
überhaupt nicht von noch beträchtlicherem Vortheile und
wichtigeren Folgen sei, als diejenigen Unebenheiten, die
ihre Oberfläche von dieser abgemessenen Eundung etwas
abweichen machen. Gleichwohl findet kein Philosoph 5
einiges Bedenken, sie als eine Wirkung der allgemeinsten
statischen Gesetze in der allerältesten Epoche der Welt
anzusehen. Warum sollten die Ungleichheiten und Hervor-
ragungen nicht auch zu solchen natürlichen und un-
gekünstelten Wirkungen gehören? Es scheint, dass bei lo
einem jeden grossen Weltkörper der Zustand, da er aus
der Flüssigkeit in die Festigkeit allmählich übergeht,
sehr nothwendig mit der Erzeugung weitläuftiger Höhlen
verbunden sei, die sich unter seiner schon gehärteten
Rinde finden müssen, wenn die leichtesten Materien seines 15
inwendigen noch flüssigen Klumpens, darunter auch die
Luft ist, mit allmählicher Absonderung unter diese [Rinde]
emporsteigen, und dass, da die Weitläuftigkeit dieser Höhlen
ein Verhältniss zu der Grösse des | Weltkörpers haben [128]
muss, die Einsinkungen der festen Gewölbe ebenso weit 20
ausgebreitet sein werden. Selbst eine Art von Regel-
mässigkeit, wenigstens die Kettenreihe dieser Uneben-
heiten , darf bei einer solchen Erzeugungsart nicht fremd
und unerwartet scheinen. Denn man weiss, dass das
Aufsteigen der leichten Arten in einem grossen Gemische 25
an einem Orte einen Einfluss auf die nämliche Bewegung
in dem benachbarten Theile des Gemengsels habe. Ich
halte mich bei dieser Erklärungsart nicht lange auf; wie
ich denn allhier keine Absicht habe, einige Ergebenheit
in Ansehung derselben zu bezeigen, sondern nur eine 30
kleine Erläuterung der Methode zu urtheilen durch die-
selbe darzulegen.
Das ganze feste Land der Erde ist mit den Lauf-
rinnen der Ströme als mit Furchen auf eine sehr vor-
theilhafte Art durchzogen. Es sind aber auch so viel 35
Unebenheiten, Thäler und flache Gegenden auf allem
festen Lande, dass es beim ersten Anblick scheint noth-
wendig zu sein, dass die Kanäle, darin die Wasser der-
selben rinnen, besonders gebaut und geordnet sein müssen,
widrigenfalls, nach der Unregelmässigkeit alles übrigen 40
Bodens, die von den | Höhen laufenden Wasser weit und [129]
breit ausschweifen, viele Flächen überschwemmen, in
86 Beweisgrund zu einer Denaonstiation des Daseins Gottes
Thälern Seen machen, und das Land eher wild und un-
brauchbar als schön und wohlgeordnet machen müssten.
Wer wird nicht hier einen grossen Anschein zu einer
nöthigen ausserordentlichen Veranstaltung gewahr? In-
5 dessen würde aller Naturforschung über die Ursache der
Ströme durch eine angenommene übernatürliche Anordnung
ein Ende gemacht werden. AVeil ich mich hingegen diese
Art der Regelmässigkeit nicht irre machen lasse und nicht
sogleich ihre Ursache ausser dem Bezirk allgemeiner
10 mechanischer Gesetze erwarte, so folge ich der Beobachtung,
um daraus etwas auf die Erzeugungsart dieser Ströme
abzunehmen. Ich werde gewahr, dass viele Fluthbetten
der Ströme sich noch bis jetzt ausbilden, und dass sie
ihre eigenen Ufer erhöhen, bis sie das umliegende Land
15 nicht mehr so sehr wie ehedem überschwemmen. Ich
werde gewiss, dass alle Strome vor Alters wirklich so
ausgeschweift haben, als wir besorgten, dass sie es ohne
eine ausserordentliche Anstalt thun müssten, und ich
nehme daraus ab, dass keine solche ausserordentliche Ein-
20 richtung jemals vorgegangen sei. Der Amazonenstrom
[130] zei'iget in einer Strecke von einigen hundert Meilen deut-
liche Spuren, dass er ehedem kein eingeschränktes Fluth-
bette gehabt, sondern weit und breit das Land über-
schwemmt haben müsse; denn das Erdreich zu beiden
25 Seiten ist bis in grosse Weit<?n flach wie ein See und
besteht aus Flussschlamm, wo ein Kiesel ebenso selten
ist wie ein Demant. Ebendasselbe findet man beim
Missisippi. Und überhaupt zeigen der Nil und andere
Ströme, dass diese Kanäle mit der Zeit viel weiter ver-
30 längert worden, und da, wo der Strom seinen Ausfluss zu
haben schien, weil er sich nahe zur See über den flachen
Boden ausbreitete, baut er allmählich seine Laufrinne aus
und fliesst weiter in einem verlängerten Fluthbette. Als-
denn aber, nachdem ich durch Erfahrungen auf die Spur
35 gebracht worden, glaube ich die ganze Mechanik von der
Bildung der Fluthrinnen aller Ströme auf folgende ein-
fältigen Gründe bringen zu können. Das von den Höhen
laufende Quell- oder Regenwasser ergoss sich anfänglich
nach dem Abhang des Bodens unregelmässig, füllte
40 manche Thäler an und breitete sich über manche flache
[131] Gegenden aus. Allein in demjenigen Striche, | wo irgend
der Zug des Wassers am schnellsten war, konnte es der
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie 87
Geschwindigkeit wegen seinen Schlamm nicht so wohl ab-
setzen, den es hergegen zu beiden Seiten viel häufiger
fallen iiess. Dadurch wurden die Ufer erhöht, indessen
dass der stärkste Zug des Wassers seine Einne erhielt.
Mit der Zeit, als der Zufluss des Wassers selber geringer 5
wurde (welches in der Folge der Zeit endlich geschehen
musste, aus Ursachen; die den Kennern der Geschichte der
Erde bekannt sind), so überschritt der Strom diejenigen Ufer
nicht mehr, die er sich selbst aufgeführt hatte, und aus der
wilden Unordnung entsprang Regelmässigkeit und Ordnung. 10
Alan sieht offenbar, dass dieses noch bis auf diese Zeit, vor-
nehmlich bei den Mündungen der Ströme, die ihre
jüngsten Theile sind, vorgeht, und gleichwie nach die-
sem Plane das Absetzen des Schlammes nahe bei den
Stellen, wo der Strom Anfangs seine neuen Ufer über- 15
schritt, häufiger als weiter davon geschehen musste, so
wird man auch noch gewahr, dass wirklich an viel
Orten , wo ein Strom durch flache G-egenden läuft, sein
Rinnsal höher liegt als die umliegenden Ebenen. |
Es giebt gewisse allgemeine Regeln, nach denen die [132]
Wirkungen der Natur geschehen und die einiges Licht
in der Beziehung der mechanischen Gesetze auf Ordnung
und Wohlgereimtheit geben können, deren eine ist: die
Kräfte der Bewegung und des Widerstandes wirken so
lange auf einander, bis sie sich die mindeste Hinderniss 25
leisten. Die Gründe dieses Gesetzes lassen sich sehr
leicht einsehen ; allein die Beziehung , die dessen Folge
auf Regelmässigkeit und Vortheil hat, ist bis zur Be-
wunderung weitläuftig und gross. Die Epicykloide, eine
algebraische Krümmung, ist von dieser Natur, dass Zähne 30
und Getriebe nach ihr abgerundet die mindest mögliche
Reibung aneinander erleiden. Der berühmte Herr Prof.
Kaestner erwähnt an einem Orte, dass ihm von einem
erfahrenen Bergwerksverständigen an den Maschinen, die
lange im Gebrauche gewesen, gezeigt worden, dass sich 35
wirklich diese Figur endlich durch lange Bewegung ab-
schleife; eine Figur, die eine ziemlich verwickelte
Konstruktion zum Grunde hat, und die mit aller ihrer
Regelmässigkeit eine Folge von einem gemeinen Gesetze
der Natur ist. -iO
Um etwas aus den schlechten Naturwirkungen an-
zuführen, was, indem es unter dem eben er|wähnten Ge- [138]
88 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
setze steht, um deswillen einen Ausschlag auf Kegel-
mässigkeit an sich zeigt, führe ich eine von den
Wirkungen der Flüsse an. Es ist wegen der grossen
Verschiedenheiten des Abschusses aller Gegenden des
5 festen Landes sehr zu erwarten, dass die Ströme, die
auf diesem Abhänge laufen, hin und wieder steile Stürze
und Wasserfälle habeu würden, deren auch wirklich
einige obzwar selten vorkommen und eine grosse Un-
regelmässigkeit und Unbequemlichkeit enthalten. Allein
10 es fallt leicht in die Augen; dass, wenngleich (wie zu
vermuthen) in dem ersten verwilderten Zustande der-
gleichen Wasserfälle häufig waren, dennoch die Gewalt
des Absturzes das lockere Erdreich, ja selbst einige
noch nicht genugsam gehärtete Felsarten werde ein-
15 gegraben und weggewaschen haben, bis der Strom sei-
nen Kinnsal zu einem ziemlich gleichförmigen Abhang
gesenkt hatte; daher, wo auch noch Wasserfälle sind,
der Boden felsigt ist, und in sehr viel Gegenden der
Strom zwischen zwei steil abgeschnittenen Ufern läuft,
20 wozwischen er sein tief liegendes Bette vermuthlich selbst
eingeschnitten hat. Man findet es sehr nützlich , dass
fast alle Ströme in dem grossesten Theile ihres Laufes
[134] einen gewissen Grad Geschwin|digkeit nicht überschreiten,
der ziemlich massig ist, und wodurch sie schiffbar sind.
25 Obgleich nun dieses im Anfange von der so sehr ver-
schiedenen Abschiessigkeit des Bodens, worüber sie laufen,
kaum allein ohne besondere Kunst zu erwarten stünde,
so lässt sich doch leichtlich erachten, dass mit der Zeit
ein gewisser Grad der Schnelligkeit sich von selbst habe
30 finden müssen, den sie nicht leichtlich übertreffen können,
der Boden des Landes mag abschiessig sein, wie er will,
wenn er nur locker ist. Denn sie werden ihn so lange
abspülen, sich hineinarbeiten und ihr Bette an einigen
Orten senken, an andern erhöhen, bis dasjenige, was sie
85 vom Grunde fortreissen, wenn sie angeschwollen sind,
demjenigen, was sie in den Zeiten der trägeren Bewegung
fallen lassen, ziemlich gleich ist. Die Gewalt wirkt hier
80 lange, bis sie sich selbst zum gemässigteren Grade
gebracht hat, und bis die Wechselwirkung des Anstosses
40 und des Widerstandes zur Gleichheit ausgeschlagen ist.
Die Natur bietet unzählige Beispiele von einer aus-
gebreiteten Nutzbarkeit einer und ebenderselben Sache
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie 89
zu einem vielfältigen Gebrauche dar. Es ist sehr ver-
kehrt, diese Vortheile sogleich als Zwecke | und als die- [135]
ienigeu Erfolge anzusehen, welche die Bewegungsgründe
enthielten, weswegen die Ursachen derselben durch gött-
liche Willkür in der Welt angeordnet würden. Der 5
Mond schafft unter andern Vortheilen auch diesen,
dass Ebbe und Fluth Schiffe auch wider oder ohne
Winde vermittelst der Ströme in den Strassen und nahe
beim festen Lande in Bewegung setzen. Vermittelst
seiner und der Jupiters -Trabanten findet man die Länge 10
des Meeres. Die Produkte aus allen Naturreichen
haben ein jedes eine grosse Nutzbarkeit, wovon man
einige auch zum Gebrauche macht. Es ist eine wider-
sinnige Art zu urtheilen, wenn man, wie es gemeinig-
lich geschieht, diese alle zu den Bewegungsgründen der 15
göttlichen Wahl zählt und sich wegen des Vortheils
der Jupitersmonde auf die weise Anstalt des Urhebers
beruft, die den Menschen dadurch ein Mittel, die Länge
der Oerter zu bestimmen, hat an die Hand geben wollen.
Man hüte sich, dass man die Spötterei eines Voltaire 20
nicht mit Eecht auf sich ziehe, der in einem ähnlichen
Tone sagt: sehet da, warum wir Nasen haben, ohne
Zweifel, damit wir Brillen darauf stecken könnten. Durch
die göttliche Willkür wird noch nicht genügsamer Grund
angelgeben, weswegen eben dieselben Mittel, die einen [136]
Zweck zu erreichen allein nöthig wären, noch in soviel
anderer Beziehung vortheilhaft seien. Diejenige be-
wundernswürdige Gemeinschaft, die unter den Wesen alles
Erschaffenen herrscht, dass ihre Naturen einander nicht
fremd sind, sondern, in vielfacher Harmonie verknüpft, 30
sich zu einander von selbst schicken und eine ausge-
breitete nothwendige Vereinbarung zur gesammten Voll-
kommenheit in ihren Wesen enthalten, das ist der Grund
60 mannigfaltiger Nutzbarkeiten, die man nach unserer
Methode als Beweisthümer eines höchst weisen Urhebers, 35
aber nicht in allen Fällen als Anstalten, die durch be-
sondere Weisheit mit den übrigen um der besonderen
Nebenvortheile willen verbunden worden, ansehen kann. Ohne
Zweifel sind die Bewegungsgründe, weswegen Jupiter
Monde haben sollte, vollständig, wenngleich niemals durch 40
die Erfindung der Sehrohre dieselben zur Messung der
Länge genutzt würden. Diese Nutzen, die als Neben-
90 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
folgen anzusehen sind, kommen gleichwohl mit in An-
schlag, um die unermessliche Grösse des Urhebers aller
Dinge daraus ahzunehraen. Denn sie sind nebst Millionen
anderen ähnlicher Art Beweisthümer von der grossen
fl37] Kette, | die selbst in den Möglichkeiten der Dinge die
Theile der Schöpfung vereinbart, die einander nichts an-
zugehen scheinen; denn sonst kann man auch nicht allemal
die Nutzen, die der Erfolg einer freiwilligen Anstalt nach
sich zieht, und die der Urheber kennt und in seinem
10 Rathschlusse mitbefasst, um deswilllen zu den Bewegungs-
gründen solcher Wahl zählen, wenn diese nämlich auch
unangesehen solcher Nebenfolgen schon vollständig waren.
Ohne Zweifel hat das Wasser darum nicht die Natur,
sich wagerecht zu stellen, damit man sich darin spiegeln
15 könne. Dergleichen beobachtete Nutzbarkeiten können,
wenn man mit Vernunft urtheilen will, nach der einge-
schränkten physisch-theologischen Methode, die im Ge-
brauche ist, gar nicht zu der Absicht, die man hier vor
Augen hat, genutzt werden. Nur einzig und allein der
2U Zusatz, den wir ihr zu geben gesucht haben, kann solche
gesammelte Beobachtungen zu Gründen der wichtigen
Folgerung auf die allgemeine Unterordnung aller Dinge
unter ein höchst weises Wesen tüchtig machen. Er-
weitert Eure Absichten, so viel Ihr könnt, über die un-
25 crmesslichen Nutzen, die ein Geschöpf in tausendfacher
Beziehung, wenigstens der Möglichkeit nach, darbietet
[138| (der einzige Kokosbaum schafft dem | Indianer unzählige),
vorknüpft in dergleichen Beziehungen die entlegensten
Glieder der Schöpfung mit einander. Wenn Ihr die Pro-
30 dukte der unmittelbar künstlichen Anstalten geziemend
bewundert habt, so unterlasset nicht, auch in dem er-
götzenden Anblick der fruchtbaren Beziehung, die die
Möglichkeiten der erschaffenen Dinge auf durchgängige
Harmonie haben, und der ungekünstelten Abfolge so
35 mannigfaltiger Schönheit, die sich von selbst darbietet,
diejenige Macht zu bewundern und anzubeten, in deren
ewiger Grundquelle die Wesen der Dinge zu einem vor-
trefTlichen Plane gleichsam bereit daliegen.
Ich merke im Vorübergehen an , dass die grosse
40 Gegenverhältniss, die unter den Dingen der Welt, in
Ansehung des häufigen Anlasses, den sie zu Aehnlich-
keiten, Analogien, Parallelen, und wie man sie sonst
IL 6. Verbesserte Methode der Physikotheologle 91
nennen will, geben, nicht so ganz flüchtig verdient über-
sehen zu werden. Ohne mich bei dem Gebrauch, den
dieses auf Spiele des Witzes hat, und der mehrentheils
nur eingebildet ist, aufzuhalten, liegt hierin noch für den
Philosophen ein, wie mir dünkt, wichtiger Gegenstand 5
des Nachdenkens verborgen, wie solche Uebereinkunft sehr
verschiedener | Dinge in einem gewissen gemeinschaftlichen [139]
Grunde der Gleichförmigkeit so gross und weitläuftig und
doch zugleich so genau sein könne. Diese Analogien
sind auch sehr nöthige Hülfsmittel unserer Erkenntniss; 10
die Mathematik selber liefert deren einige. Ich enthalte
mich, Beispiele anzuführen, denn es ist zu besorgen, dass
nach der verschiedenen Art, wie dergleichen Aehnlich-
keiten empfunden werden, sie nicht dieselbe Wirkung über
jeden andern Verstand haben möchten, und der Gedanke, 15
den ich hier einstreue, ist ohnedem unvollendet und noch
nicht genugsam verständlich.
Wenn man fragen sollte, welches denn der Gebrauch
sei, deji man von der grossen Einheit in den mancherlei
Verhältnissen des Raumes, welche der Messkünstler er- 20
forscht, machen könnte, so vermuthe ich, dass allgemeine
Begriffe von der Einheit der mathematischen Objekte auch
die Gründe der Einheit und Vollkommenheit in der Natur
könnten zu erkennen geben. Z. E. es ist unter allen
Figuren die Zirkelfigur diejenige, darin eben der Umkreis 25
den grössest möglichen Eaum beschliesst, den ein solcher
üm|fang nur befassen kann, darum nämlich, weil eine '140J
genaue Gleichheit in dem Abstände dieser Umgrenzung
von einem Mittelpunkte darin durchgängig herrscht. Wenn
eine Figur durch gerade Linien soll eingeschlossen werden, 30
so kann die grössestmögliche Gleichheit in Ansehung des
Abstandes derselben vom Mittelpunkte nur stattfinden,
wenn nicht allein die Entfernungen der Winkelpunkte von
diesem Mittelpunkte unter einander, sondern auch die
Perpendikel aus diesem auf die Seiten einander völlig 35
gleich sind. Daraus wird nun ein regelmässiges Polygon,
und es zeigt sich durch die Geometrie, dass mit eben-
demselben Umkreise ein anderes Polygon von eben der
Zahl Seiten jederzeit einen kleineren Raum einschliessen
würde als das reguläre. Noch ist eine, und zwar die 40
einfachste Art der Gleichheit in dem Abstände von einem
Mittelpunkte möglich, nämlich wenn bloss die Entfernung
92 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
der Winkelpunkte des Vielecks von demselben Mittel-
punkte durchgängig gleich ist, und da zeigt sich, dass
ein jedes irreguläre Polygon, welches im Zirkel stehen
kann, den grossesten Raum einschliesst unter allen, der
5 Ton ebendenselben Seiten nur immer kann beschlossen!
[141] werden. Ausser diesem ist zuletzt dasjenige Polygon, in
welchem noch überdem die Grösse der Seite dem Abstände
des Winkelpunkts vom Mittelpunkte gleich ist, das ist,
das regelmässige Sechseck unter allen Figuren ilberhaupt
10 diejenige, die mit dem kleinsten Umfange den grossesten
Raum so einschliesst, dass sie zugleich äusserlich mit
andern gleichen Figuren zusammengesetzt keine Zwischen-
räume übrig lässt. Es bietet sich hier sehr bald diese
Bemerkung dar, dass die Gegenverhältniss des Grossesten
15 und Kleinsten im Räume auf die Gleichheit ankomme.
Und da die Natur sonst viel Fälle einer nothwendigen
Gleichheit an die Hand giebt, so können die Regeln, die
man aus den gedachten Fällen der Geometrie in Ansehung
des allgemeinen Grundes solcher Gegenverhältniss des
20 Grossesten und Kleinsten zieht, auch auf die nothwendige
Beobachtung des Gesetzes der Sparsamkeit in der Natur
angewandt werden. In den Gesetzen des Stosses ist in-
soferne jederzeit eine gewisse Gleichheit nothwcndig: dass
nach dem Stosse, wenn sie unelastisch sind, beider Körper
25 Geschwindigkeit jederzeit gleich sei, dass wenn sie
elastisch sind, beide durch die Federkraft immer gleich ge-
stossen werden, und zwar mit einer Kraft, womit der Stoss
[142] geschah, dass der Mittelpunkt der Schwere beider Körper
durch den Stoss in seiner Ruhe oder Bewegung gar nicht
30 verändert wird etc. etc. Die Verhältnisse des Raums
sind so unendlich mannigfaltig und verstatten gleichwohl
eine so gewisse Erkenntniss und klare Anschauung, dass,
gleichwie sie schon öfters zu Symbolen der Erkenntnisse
von ganz anderer Art vortref!! ch gedient haben (z. E.
35 die Erwartungen in den Glücksrällen auszudrücken), also
auch Mittel an die Hand geben können, die Regeln der
Vollkommenheit in natürlich nothwendigen Wirkungs-
gesetzen, insoferno sie auf Verhältnisse ankommen, aus
den einfachsten und allgemeinsten Gründen zu erkennen.
40 Ehe ich diese Betrachtung beschliesse, will ich alle
verschiedenen Grade der philosophischen Erklärungsart
der in der Welt vorkommenden Erscheinungen der Voll-
II. 6. Verbesserte Methode der Physikotheologie 93
kommenheit, insofern e man sie insgesammt unter GOtt
betrachtet, anführen, indem ich von derjenigen Art zu
urtheilen anfange, wo die Philosophie sich noch verbirgt,
und bei derjenigen endige, wo sie ihre grösste Bestrebung
zeigt. Ich rede von der Ordnung, Schönheit und Anständig- 5
keit, insoferne sie der Grund ist, die | Dinge der Welt auf [143]
eine der Weisheit anstandige Art einem göttlichen Urheber
unterzuordnen.
Erstlich, man kann eine einzelne Begebenheit in
dem Verlaufe der Natur als etwas unmittelbar von einer lo
göttlichen Handlung Herrührendes ansehen, und die
Philosophie hat hier kein ander Geschäfte, als nur einen
Beweisgrund dieser ausserordentlichen Abhängigkeit an-
zuzeigen.
Zweitens, man betrachtet eine Begebenheit der 15
Welt als eine, worauf als auf einen einzelnen Fall die
Mechanik der Welt von der Schöpfung her besonders
abgerichtet war, wie z. E. die Sündfluth nach dem Lehr-
gebäude verschiedener Neuem. Alsdenn ist aber die
Begebenheit nicht weniger übernatürlich. Die Natur- 20
Wissenschaft, wovon die gedachten Weltweisen hiebei
Gebrauch machen, dient nur dazu, ihre eigene Geschick-
lichkeit zu zeigen und etwas zu ersinnen, was sich etwa
nach allgemeinen Naturgesetzen eräugnen könnte, und
dessen Erfolg auf die vorgegebene ausserordentliche Be- 25
gebenheit hinausliefe. Denn sonst ist ein solches | Ver- [144]
fahren der göttlichen Weisheit nicht gemäss, die niemalen
darauf abzielt, mit unnützer Kunst zu prahlen, welche
man selbst an einem Menschen tadeln würde, der, wenn
ihn z. E. nichts abhielte, eine Kanone unmittelbar abzu- 30
feuern, ein Feuerschloss mit einem Uhrwerk anbringen
wollte, wodurch sie in dem gesetzten Augenblicke durch
mechanische sinnreiche Mittel losbrennen sollte.
Drittens, wenn gewisse Stücke der Natur als eine .
von der Schöpfung her dauernde Anstalt, die unmittelbar 35
von der Hand des grossen Werkmeisters herrührt, an-
gesehen werden ; und zwar wie eine Anstalt, die als ein
einzelnes Ding und nicht wie eine Anordnung nach einem
beständigen Gesetze eingeführt worden. Z. E. wenn man
behauptet, GOtt habe die Gebirge, die Flüsse, die Planeten 40
und ihre Bewegung mit dem Anfange aller Dinge zugleich
unmittelbar geordnet. Da ohne Zweifel ein Zustand der
94 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Natur der erste sein niuss, in welchem die Form der
Dinge ebensowohl wie die Materie unmittelbar von GOtt
abhängt, so hat diese Art zu urtheilen insoferne einen
(145. philosophischen Grund. Indessen weil es übereilt | ist, ehe
5 und bevor man die Tauglichkeit, die den Naturdingen
nach allgemeinen Gesetzen eigen ist, geprüft hat, eine
Anstalt unmittelbar der Schöpfungshandlung beizumessen
darum, weil sie vortheilhaft und ordentlich ist, so ist sie
insoweit nur in sehr kleinem Grade philosophisch.
lö Viertens, wenn man einer künstlichen Ordnung der
Natur etwas beimisst, bevor die Unzulänglichkeit, die sie
hiezu nach gemeinen Gesetzen hat, gehörig erkannt worden,
z. E. wenn man etwas aus der Ordnung des Pflanzen- und
Thierreichs erklärt, was vielleicht in gemeinen mecha-
15 nischen Kräften liegt, bloss deswegen, weil Ordnung und
Schönheit darin gross sind. Das Philosophische dieser Art
zu urtheilen ist alsdenn noch geringer, wenn ein jedes
einzelne Thier oder Pflanze unmittelbar der Schöpfung
untergeordnet wird, als wenn ausser einigem unmittelbar
20 Erschaffenen die anderen Produkte demselben nach einem
Gesetze der Zeugungsfähigkeit (nicht bloss des Aus-
wickelungsvermögens) untergeordnet werden, weil im letz-
tern Fall mehr nach der Ordnung der Natur erklärt
wird; es müsste denn sein, dass dieser ihre Unzulänglich-
[146] keit in Ansehung desselben klar | erwiesen werden könnte.
Es gehört aber auch zu diesem Grade der philosophischen
Erklärungsart eine jede Ableitung einer Anstalt in der
Welt aus künstlichen und um einer Absicht willen er-
richteten Gesetzen überhaupt, und nicht bloss im Thier-
30 und Pflanzenreiche.*) Z. E. wenn man von dem Schnee
und den Nordscheiuen so redet, als ob die Ordnung der
Natur, die beide hervorbringt, um des Nutzens des Grön-
länders oder Lappen willen (damit er in den langen
Nächten nicht ganz im Finstern sei) eingeführt wäre, ob-
*} Ich habe iu der zweiten Nummer der dritten Betrachtung
dieses Abschnittes unter den Beispielen der künstlichen Natur-
ordnung bloss die aus dem Ptlanz3n- und Thiorreiche angeführt.
Es ist aber zu merken, dass eine jede Anordnung eines Gesetzes
um eines besondern Nutzens Willen darum , weil sie hiedurcb
▼ou der nothwendigen Einheit mit andern Naturgesetzen aus-
genommen wird, künstlich sei, wie aus einigen hier erwäbaton
Beispielen zu ersehen.
II. 6. Verbesserte Methode der Pliysikotheologie 95
gleich es noch immer zu vermuthen ist, dass dieses eine
wohlpassende Nebenfolge mit nothwendiger Einheit aus
andern Gesetzen sei. Man ist fast jederzeit in Gefahr
dieses Fehlers, wenn man einige Nutzen der Menschen
zum Grunde einer besondem göttlichen Veranstaltung an- 5
giebt, z. E. dass Wald und Feld mehrentheils mit grüner
Farbe bedeckt sind, weil diese unter allen Farben die
mittlere Stärke hat, um das Auge in massiger | Hebung [147]
zu erhalten. Hiegegen kann man einwenden, dass der
Bewohner der Davidsstrasse vom Schnee fast blind wird 10
und seine Zuflucht zu den Schneebrillen nehmen muss.
Es ist nicht tadelhaft, dass man die nützlichen Folgen
aufsucht und sie einem gütigen Urheber beimisst, sondern
dass die Ordnung der Natur, darnach sie geschehen,
als künstlich und willkürlich mit andern verbunden vor- 15
gestellt wird, da sie doch vielleicht mit andern in noth-
wendiger Einheit steht.
Fünftens. Am mehrsten enthält die Methode, über
die vollkommenen Anstalten der Natur zu urtheilen, den
Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie (jederzeit bereit, auch 20
übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die
wahrhaft künstlichen Anordnungen der Natur nicht zu
verkennen) hauptsächlich die Abzielung auf Vortheile und
alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern lässt, die Grün | de [148]
davon in nothwendigen allgemeinen Gesetzen aufzusuchen, 25
mit grosser Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit
und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der
Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen. Wenn
hiezu noch die Aufmerksamkeit auf die allgemeinen Regeln
gefügt wird, welche den Grund der nothwendigen Ver- 30
bindung desjenigen, was natürlicher Weise ohne besondere
Anstalt vorgeht, mit den Regeln des Vortheils oder der
Annehmlichkeit vernünftiger Wesen können begreiflich
machen, und man alsdenn zu dem göttlichen Urheber '
hinaufsteigt, so erfüllt diese physisch - theologische Alt 35
zu urtheilen ihre Pflichten gehörig.*)
*) Ich will hiemit nur sagen , dass dieses der Weg für die
menschliche Vernunft sein müsse. Denn wer wird es gleichwohl
jemals verhüten können, biebei vielfaltig zu irren, nach dem POPE :
Geh, schreibe Gottes weiser Ordnung des Regimentes Regeln vor,
Dana kehre wieder in Dir selber zuletzt zurück und sei ein Thor,
96 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
■149] Siebente Betrachtung.
Kosmogonie.
Eine Hypothese mechanischer Erklärungsart des Ur-
sprungs der Weltkörper und der Ursachen ihrer
5 Bewegungen, gemäss den vorher erwiesenen Regeln.
Die Figur der Himmelßkörper, die Mechanik, nach
der sie sich bewegen und ein Weltsystem ausmachen,
imgleichen die mancherlei Veränderungen , denen die
Stellung ihrer Kreise in der Folge der Zeit unterworfen
10 ist, alles dieses ist ein Theil der Naturwissenschaft ge-
worden, der mit so grosser Deutlichkeit und Gewissheit
begriffen wird, dass man auch nicht eine einzige andere
Einsicht sollte aufzeigen können, welche einen natürlichen
Gegenstand (der nur einigermassen dieses seiner Mannig-
[150] faltig keit beikäme) auf eine so ungezweifelt richtige Art
und mit solcher Augenscheinlichkeit erklärte. Wenn
man dieses in Erwägung zieht, sollte man da nicht auch
auf die Vermuthung gerathen, dass der Zustand der Natur,
in welchem dieser Bau seinen Anfang nahm, und ihm
20 die Bewegungen, die jetzt nach so einfältigen und be-
greiflichen Gesetzen fortdauern, zuerst eingedrückt worden,
ebenfalls leichter einzusehen und fasslicher sein werden
als vielleicht das Mehrste, wovon wir sonst in der Natur
den Ursprung suchen. Die Gründe, die dieser Ver-
25 muthung günstig sind, liegen am Tage. Alle diese
Himmelskörper sind runde Massen, soviel man weiss ohne
Organisation und geheime Kunstzubereitung. Die Kraft,
dadurch sie gezogen werden, ist allem Ansehen nach
eine der Materie eigene Grundkraft, darf also und kann
30 nicht erklärt werden. Die Wurfsbewegung, mit welcher
sie ihren Flug verrichten, und die Richtung, nach der
dieser Schwung ihnen ertheilt worden, ist zusammt der
Bildung ihrer Massen das Hauptsächlichste, ja fast das
Einzige, wovon man die ersten natürlichen Ursachen
36 zu suchen hat. Einfältige und bei weitem nicht so
verwickelte Wirkungen , wie die meisten anderen der
[151] Natur sind, bei welchen gemeiniglich die | Gesetze gar
nicht mit mathematischer Richtigkeit bekannt sind,
nach denen sie geschehen, da sie im Gegentheil hier
II. 7. Kosmogonie 97
in dem begreiflichsten Plane vor Augen liegen. Es ist
auch bei einem so grossen Anschein eines glücklichen
Erfolgs soDsten nichts im Wege, als der Eindruck Ton
der rührenden Grösse eines solchen Naturstücks, als
ein Sonnensystem ist, wo die natürlichen Ursachen alle 5
verdächtig sind, weil ihre Zulänglichkeit viel zu nichtig
und dem Schöpfungsreclite des obersten Urhebers ent-
gegen zu sein scheint. Allein könnte man eben dieses
nicht auch von der Mechanik sagen, wodurch ein grosser
Weltbau, nachdem er einmal da ist, seine Bewegungen 10
forthin erhält? Die ganze Erhaltung derselben kommt
auf ebendasselbe Gesetz an , wonach ein Stein , der in
der Luft geworfen ist, seine Bahn beschreibt; ein ein-
fältiges Gesetz, fruchtbar an den regelmässigsten Folgen
und würdig, dass ihm die Aufrechthaltung eines ganzen 15
Weltbaues anvertraut werde.
Von der andern Seite, wird man sagen, ist man nicht
vermögend, die Naturursachen deutlich zu machen, wo-
durch das verächtlichste Kraut nach völlig begreiflichen
mechanischen Gesetzen erzeugt werde, | und man wagt [152]
sich an die Erklärung von dem Ursprünge eines Welt-
systems im Grossen. Allein ist jemals ein Philosoph
auch im Stande gewesen, nur die Gesetze, wonach der
Wachsthum oder die innere Bewegung in einer schon
vorhandenen Pflanze geschieht, dermassen deutlich und 25
mathematisch sicher zu machen, wie diejenigen gemacht
sind, welchen alle Bewegungen der Weltkörper gemäss
sind? Die Natur der Gegenstände ist hier ganz ver-
ändert. Das Grosse, das Erstaunliche ist hier unendlich
begreiflicher als das Kleine und Bewundernswürdige, und 30
die Erzeugung eines Planeten zusammt der Ursache
der Wurfsbewegung, wodurch er geschleudert wird, um
im Kreise zu laufen, wird allem Anscheine nach leichter
und deutlicher einzusehen sein als die Erzeugung einer -
einzigen Schneeflocke, in der die abgemessene Richtigkeit 35
eines sechseckichten Sternes dem Ansehen nach genauer
ist als die Eundung der Kreise, worin Planeten laufen,
und an welcher die Strahlen viel richtiger sich auf eine Fläche
bezichen, als die Bahnen dieser Himmelskörper es gegen
den gemeinschaftlichen Plan ihrer Kreisbewegungen thun. 40
Ich werde den Versuch einer Erklärung von dem
Ursprünge des Weltbaues nach allgemeinen | mechanischen :153]
Kant, kl. Schriften z. Ethik. U. 7
98 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Gesetzen darlegen, nicht von der gesammten Naturordnung,
sondern nur von den grossen Massen und ihren Kreisen,
welche die roheste Grundlage der Natur ausmachen. Ich
hoffe Einiges zu sagen, was Andern zu wichtigen Be-
5 trachtungen Anlass geben kann, obgleich mein Entwurf
grob und unausgearbeitet ist. Einiges davon hat in meiner
Meinung einen Grad der Wahrscheinlichkeit, der bei einem
kleinern Gegenstande wenig Zweifel übrig lassen würde,
und der nur das Vorurtheil .einer grössern erforderlichen
10 Kunst, als man den allgemeinen Naturgesetzen zutraut,
entgegenstehen kann. Es geschieht oft, dass man dasjenige
zwar nicht findet, was man eigentlich sucht, aber doch
auf diesem Wege andere Vortheile, die man nicht ver-
muthet, antrifft. Auch ein solcher Nutze würde ein
15 genügsamer Gewinn sein, wenn er sich dem Nachdenken
Anderer darböte, gesetzt auch, dass die Hauptzwecke der
Hypothese dabei verschwinden sollten. Ich werde die all-
gemeine Gravitation der Materie nach dem Newton oder
seinen Nachfolgern hiebei voraussetzen. Diejenigen,
20 welche etwa durch eine Definition der Metaphysik nach
ihrem Geschmacke glauben, die Folgerung scharfsinniger!
[154| Männer aus Beobachtung und mathematischer Schlussart
zu vernichten, werden die folgenden Sätze als etwas, das
überdem mit der Hauptabsicht dieser Schrift nur eine ent-
25 fernte Verwandtschaft hat, überschlagen können.
1.
Erweiterte Aussicht in den Inbegriff des Universum.
Die sechs Planeten mit ihren Begleitern bewegen sich
in Kreisen, die nicht weit von einem gemeinschaftlichen
30 Plane, nämlich der verlängerten Aequatorsfläche der Sonne
abweichen. Die Kometen dagegen laufen in Bahnen, die
sehr weit davon abstehen, und schweifen nach allen Seiten
weit von dieser Beziehungsfläche aus. Wenn nun, anstatt
so weniger Planeten oder Kometen, einige tausend derselben
35 zu unserer Sonnenwolt geluirten, so würde der Thierkreis
als eine von unzähligen Sternen erleuchtete Zone, oder
wie ein Streif, der sich in einem blassen Schimmer ver-
liert, erscheinen, in welchem einige nähere Planeten in
[155] ziemlichem Glänze, die entfernten aber | durch ihre Menge
40 und Mattigkeit des Lichts nur eine neblichte Erscheinung
II. 7. Kosmogonie 99
darstellen würden. Denn es würden bei der Kreisbewegung,
darin alle diese insgesammt um die Sonne stünden, jeder-
zeit in allen Theilen dieses Thierkreises einige sein, wenn-
gleich andere ihren Platz verändert hätten. Dagegen
würden die Kometen die Gegenden zu beiden Seiten dieser 5
lichten Zone in aller möglichen Zerstreuung bedecken.
Wenn wir, durch diese Erdichtung vorbereitet (in welcher
wir nichts weiter als die Menge der Körper unserer Planeten-
welt in Gedanken vermehrt haben), unsere Augen auf den
weiteren Umfang des Universum richten, so sehen wir lu
wirklich eine lichte Zone, in welcher Sterne, ob sie zwar
allem Ansehen nach sehr ungleiche Weiten von uns haben,
dennoch zu einer und ebenderselben Fläche dichter wie ander-
wärts gehäuft sind, dagegen die Himmelsgegenden zu beiden
Seiten mit Sternen nach aller Art der Zerstreuung be- 15
deckt sind. Die Milchstrasse, die ich meine, hat sehr
genau die Richtung eines grossesten Zirkels, eine Bestimmung,
die aller Aufmerksamkeit werth ist, und daraus sich ver-
stehen lässt, dass unsere Sonne und wir mit ihr uns in
demjenigen Heere der Sterne mit befinden, welches sicli [^^G]
zu einer gewissen gemeinschaftlichen Beziehungsfläche
am meisten drängt ; und die Analogie ist hier ein sehr
grosser Grund, zu vermuthen, dass diese Sonnen, zu deren
Zahl auch die unsrige gehört, ein Weltsystem ausmachen,
das im Grossen nach ähnlichen Gesetzen geordnet ist als 25
unsere Planetenwelt im Kleinen ; dass alle diese Sonnen
sammt ihren Begleitern irgend einen Mittelpunkt ihrer
gemeinschaftlichen Kreise haben mögen, und dass sie nur
um der unermesslichen Entfernungen willen und wegen
der langen Zeit ihrer Kreisläufe ihrer Oerter gar nicht zu 30
verändern scheinen; obz war dennoch bei etlichen wirklich
einige Verrückung ihrer Stellen ist beobachtet worden;
dass die Bahnen dieser grossen Weltkörper sich ebenso "^
auf eine gemeinschaftliche Fläche beziehen, von der sie •
nicht weit abweichen, und dass diejenigen, welche mit weit 35
geringerer Häufung die übrigen Gegenden des Himmels
einnehmen, den Kometen unserer Planetenwelt darin ähn-
lich sind.
Aus diesem Begriffe, der, wie mich dünkt, die grosseste
Wahrscheinlichkeit hat, lässt sich vermuthen, dass, wenn 40
es mehr solche höhere Weltordnungen | giebt als diejenige, [157]
dazu unsere Sonne gehört, und die dem, der in ihr seinen
100 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gotte«
Stand liat, die Erscheinung der Milchstrasse verschafft.,
in der Tiefe des Weltraums einige derselben wie blasse
schimmernde Plätze werden zu sehen sein, und wenn der
Beziebungsplan einer solchen andern Zusammenordnung
5 der Fixsterne schief gegen uns gestellt ist, wie elliptische
Figuren erscheinen werden, die in einem kleinen Kaum
aus grosser Weite ein Sonnensystem, wie das von unserer
Milchstrasse ist, darstellen. Und dergleichen Plätzchen
hat wirklich die Astronomie schon vorliingst entdeckt, ob-
10 gleich die Meinung, die man sich davon gemacht hat,
sehr verschieden ist, wie man in des Hen-n von Mau-
PERTUis Buche von der Figur der Sterne sehen kann.
Ich wünsche, dass diese Betrachtung mit einiger Auf-
merksamkeit möchte erwogen werden. Nicht allein weil
15 der Begriff, der dadurch von der Schöpfung erwächst, er-
staunlich viel rührender ist, als er sonst sein kann (indem
ein unzählbares Heer Sonnen wie die unsrige ein
System ausmacht, dessen Glieder durch Kreisbewegungen
verbunden sind, diese Systeme selbst aber, deren vcrrauth-
[158] lieh wieder unzählige ] sind, wovon wir einige wahrnehmen
können, selbst Glieder einer noch höheren Ordnung sein
mögen), sondern auch, weil selbst die Beobachtung der
uns nahen Fixsterne oder \ielmehr langsam wandelnden
Sonnen, durch einen solchen Begriff geleitet, vielleicht
25 Manches entdecken kann, was der Aufmerksamkeit ent-
wischt, insofern nicht ein gewisser Plan zu untersuchen ist.
Gründe für einen mechanischen Ursprung unserer
Planetenwelt überhaupt.
30 Die Planeten bewegen sich um unsere Sonne ins-
gesammt nach einerlei "Richtung und nur mit geringer
Abweichung von einem gemeinschaftlichen Beziehungsplane,
welcher die Ekliptik ist, gerade so als Körper, die durch
eine Materie fortgerissen werden, die, indem sie den ganzen
35 Baum anfüllt, ihre Bewegung wirbelnd um eine Achse
verrichtet. Die Planeten sind insgesammt schwer zur
Sonne hin, und die Grösse des Seitenschwunges müsste
eine genau abgemessene Richtigkeit haben, wenn sie dadurch,
in Zirkelkreisen zu laufen, sollen gebracht werden, und
II. 7. Kosmogonie 101
wie bei dergleichen mechanischer Wirkung eine geo|me- [159]
trische Genauigkeit nicht zu erwarten steht, so weichen auch
alle Kreise, obzwar nicht viel, von der Zirkelnmdung ab. Sie
bestehen aus Materien, die nach Newton's Berech-
nungen, je entfernter sie von der Sonne sind, von desto 5
minderer Dichtigkeit sind, sowie auch ein Jeder es natür-
lich finden würde, wenn sie sich in dem Räume, darin sie
schweben, von einem daselbst zerstreuten Weltstoff ge-
bildet hätten. Denn bei der Bestrebung, womit alles zur
Sonne sinkt, müssen die Materien dichterer Art sich mehr 10
zur Sonne drängen und sich in der Nahheit zu ihr mehr
häufen als die von leichterer Art, deren Fall wegen ihrer
minderen Dichtigkeit mehr verzögert wird. Die Materie
der Sonne aber ist nach des von Buffon Bemerkung
an Dichtigkeit derjenigen, die die summirte Masse aller 15
Planeten zusammen haben würde, ziemlich gleich, welches
auch mit einer mechanischen Bildung wohl zusammen-
stimmt, nach welcher in verschiedenen Höhen, aus ver-
schiedenen Gattungen der Elemente die Planeten sich ge-
bildet haben mögen, sonst alle übrigen aber, die diesen 20
Eaum erfüllten, vermengt auf ihren gemeinschaftlichen
Mittelpunkt, die Sonne, mögen niedergestürzt sein. |
Derjenige, welcher diesem ungeachtet dergleichen Bau [1^0]
unmittelbar in die Hand GOttes will übergeben wissen,
ohne desfalls den meclianischen Gesetzen etwas zuzutrauen, 25
ist genöthigt, etwas anzuführen, weswegen er hier das-
jenige noth wendig findet, was er sonst in der Naturlehre
nicht leichtlich zulässt. Er kann gar keine Zwecke
nennen, warum es besser wäre, dass die Planeten vielmehr
nach einer Richtung als nach verschiedenen, nahe zu 30
[nach] einem Beziehungsplane als nach allerlei Gegenden in
Kreisen liefen. Der Himmelsraum ist anjetzt leer, und
bei aller dieser Bewegung würden sie einander keine
Hindemisse leisten. Ich bescheide mich gerne, dass es .
verborgene Zwecke geben könne, die nach der gemeinen 35
Mechanik nicht wären erreicht worden, und die kein
Mensch einsieht; allein es ist Keinem erlaubt, sie voraus-
zusetzen, wenn er eine Meinung darauf gründen will, ohne
dass er sie anzuzeigen vermag. Wenn denn endlich GOtt
unmittelbar den Planeten die Wurfskraft ertheilt und ihre 40
Kreise gestellt hätte, so ist zu vermuthen, dass sie nicht
das Merkmal der Un Vollkommenheit und Abweichung,
102 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
wolchcs bei jedem Produkt der Natur auzutrcffen, an sich
zeigen würden. War es gut, dass sie sich auf eine
[l^il] Fläche ! beziehen sollten, so ist zu vermuthen,, er würde
ihre Kreise genau darauf gestellt haben; war es gut,
5 dass sie der Zirkelbewegung nahe kämen, so kann man
glauben, ihre Bahn würde genau ein Zirkelkreis geworden
sein, und es ist nicht abzusehen, weswegen Ausnahmen
von der genauesten Richtigkeit selbst bei demjenigen, was
eine unmittelbare göttliche Kunsthandlung sein sollte,
10 übrig bleiben mussten.
Die Glieder der Sonnen weit aus den entferntesten
Gegenden, die Kometen, laufen sehr exzentrisch. Sie
könnten, wenn es auf eine unmittelbare göttliche Handlung
ankäme, ebensowohl in Zirkelkreisen bewegt sein, wenii-
15 gleich ihre Bahnen von der Ekliptik noch so sehr ab-
weichen. Die Nutzen der so grossen Exzentricität werden
in diesem Fall mit grosser Kühnheit ersonnen; denn es
ist eher begreiflich, dass ein Weltkörper,, in einer Himmels-
region, welche es auch sei, in gleichem Abstände immer
20 bewegt, die dieser Weite gemässe Einrichtung habe, als
dass er auf die grosse Verschiedenheit der Weiten gleich
vortheilhaft ein£,^erichtet sei; und was die Vortheile, die
[162] Newton | anführt, anlangt, so ist sichtbar, dass sie sonst
nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit haben, ausser dass
25 bei der einmal vorausgesetzten unmittelbaren göttlichen
Anordnung sie doch zum mindesten zu einigem Verwände
eines Zweckes dienen können.
Am deutlichsten fällt dieser Fehler, den Bau der
Planetenwelt göttlichen Absichten unmittelbar unterzu-
30 zuordnen, in die Augen da, wo man von der mit der Zu-
nahme der Entfernungen umgekehrt abnehmenden Dichtig-
keit der Planeten Bewegungsgründe erdichten will. Der
Sonnen Wirkung, heisst es, nimmt in diesem Maasse ab,
und es war anständig, dass die Dichtigkeit der Körper,
35 die durch sie sollten erwärmt werden, auch dieser pro-
portionirlich eingerichtet würde. Nun ist bekannt, dass
die Sonne nur eine geringe Tiefe unter die Oberfläche
eines Weltkörpers wirkt, und aus ihrem Einflüsse, den-
selben zu erwärmen, kann also nicht auf die Dichtigkeit
40 des ganzen Klumpens geschlossen werden. Hier ist die
Folgerung aus dem Zwecke viel zu gross. Das Mittel,
nämlich die verminderte Dichtigkeit des ganzen Klumpens,
II. 7. Kosmogonie 103
begreift eine Weitläuftigkeit der Anstalt, welche für die
Grösse des Zwecks überflüssig und unnöthig ist. ]
In allen natürlichen Hervorbringnngen, insoferne sie [163]
auf Wohlgereimtheit, Ordnung und Nutzen hinauslaufen,
zeigen sich zwar Uebereinstimmungen mit göttlichen Ab- 5
sichten, aber auch Merkmale des Ursprungs aus allge-
meinen Gesetzen, deren Folgen sich noch viel weiter als
auf solchen einzelnen Fall erstrecken und demnach in
jeder einzelnen Wirkung Spuren von einer Vermengung
solcher Gesetze an sich zeigen, die nicht lediglich auf 10
dieses einzige Produkt gerichtet waren. Um deswillen
finden auch Abweichungen von der grösstmöglichen Genauig-
keit in Ansehung eines besonderen Zweckes statt. Dagegen
wird eine unmittelbar übernatürliche Anstalt, darum weil
ihre Ausführung gar nicht die Folgen aus allgemeinern 15
Wirkungsgesetzen der Materie voraussetzt, auch nicht durch
besondere sich einmengende Nebenfolgen derselben ent-
stellt werden, sondern den Plan der äusserst möglichen
Richtigkeit genau zu Stande bringen. In den näheren
Theilen der Planetenwelt zum gemeinschaftlichen Mittel- 20
punkte ist eine grössere Annäherung zur völligen Ordnung
und abgemessenen Genauigkeit, die nach den Grenzen des
Systems hinaus, oder weit von dem Bejziehungsplane zu [164J
den Seiten, in Regellosigkeit und Abweichungen ausartet,
gerade so wie es von einer Verfassung zu erwarten ist, 25
die mechanischen Ursprungs ist. Bei einer unmittelbar
göttlichen Anordnung können niemals unvollst-ändig er-
reichte Zwecke angetroffen werden, sondern allenthalben
zeigt sich die grosseste Richtigkeit und Abgemessenheit,
wie man unter andern am Bau der Thiere gewahr wird. 30
3.
Kurzer Abriss der wahrscheinlichsten Art, wie ein
Planetensystem mechanisch hat gebildet werden
können.
Die eben jetzt angeführten Beweisgründe für einen 35
mechanischen Ursprung sind so wichtig, dass selbst nur
einige derselben vorlängst alle Naturforscher bewogen
haben, die Ursache der Planetenkreise in natürlichen ße-
wegkräften zu suchen, vornehmlich weil die Planeten in
104 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
ebenderselben Richtung, worin die Sonne sich um ihre
Achse schwingt, um sie in Kreisen laufen und ihre
Bahnen so sehr nahe mit dieser ihrer Aequatorsfläche zu-
[165^ sammen treffen. Newton war der grosse Zerstörer aller
5 dieser Wirbel, an denen man gleichwohl noch jango nach
seinen Demonstrationen hing, wie an dem Beispiel des
berühmten Herrn von Mairan zu sehen ist. Die
sicheren und überzeugenden BeweisthümerderNEWTONischen
Weltweisheit zeigten augenscheinlich, dass so etwas, wie
10 die Wirbel sein sollten, Mrelche die Planeten herum-
führten, gar nicht am Himmel angetroffen werde, und
dass so ganz und gar kein Strom solcher Flüssigkeit in
diesen Kiiumen sei, dass selbst die Kometenschweife quer
durch alle diese Kreise ihre unverrückte Bewegung fort-
15 setzen. Es war sicher hieraus zu schliessen, dass, so wie
der Himmelsraum jetzt leer oder unendlich dünne ist,
keine mechanische Ursache[n] stattfinden könne , die den
Planeten ihre Kreisbewegung eindrückte. Allein sofort
alle mechanischen Gesetze vorbeigehen und durch eine
20 kühne Hypothese Gott unmittelbar die Planeten werfen
zu lassen, damit sie in Verbindung mit ihrer Schwere
sich in Kreisen bewegen sollten, war ein zu weiter Schritt,
als dass er innerhalb dem Bezirke der Weltweislieit hätte
bleiben können. Es fällt alsbald in die Augen, dass noch
[166] ein Fall übrig bleibe, wo mechanische | Ursachen dieser
Verfassung möglich sind: wenn nämlich der Eaum des
Planetenbaues, der anjetzt leer ist, vorher erfüllt war,
um eine Gemeinschaft der Bewegkräfte durch alle
Gegenden dieses Bezirks, worin die Anziehung unserer
30 Sonne herrscht, zu veranlassen.
Und hier kann ich diejenige Beschaffenheit anzeigen,
welche die einzige mögliche ist, unter der eine mechanische
Ursache der Himmelsbewegungen stattfindet, welches zur
Rechtfertigung einer Hypothese ein beträchtlicher Umstand
35 ist, dessen man sich nur selten wird rühmen können.
Da die Räume anjetzt leer sind, so müssen sie ehedem
erfüllt gewesen sein, sonst hat niemals eine ausgebreitete
Wirkung der in Kreisen treibenden Bewegkräfte statt-
finden können. Und es muss demnach diese verbreitete
*^ Materie sich hernach auf die Himmelskörper versammelt
haben; das ist, wenn ich es näher betrachte, diese
Himmelskörper selbst werden sich aus dem verbreiteten
II. 7. Koamogonie 105
Grundstoffe in den Bäumen des Sonnenbaues gebildet
haben, und die Bewegung, die die Theilchen ihres Zu-
sammensatzes im Zustande der Zerstreuung hatten, | ist bei [167]
ihnen nach der Vereinbarung in abgesonderte Massen
übrig geblieben. Seitdem sind diese Eäiime leer. Sie ^
enthalten keine Materie, die unter diesen Körpern zur Mit-
theilung des Kreisschwunges dienen könnte. Aber sie
sind es nicht immer gewesen, und wir werden Be-
wegungen gewahr, wovon jetzt keine natürlichen Ur-
sachen stattfinden können, die aber Ueberbleibsel des 10
alleräl testen rohen Zustandes der Natur sind.
Von dieser Bemerkung will ich nur noch einen
Schritt thun, um mich einem wahrscheinlichen Begriff
von der Eutstehungsart dieser grossen Massen und der
Ursache ihrer Bewegungen zu nähern, indem ich die 15
gründlichere Vollfuhrung eines geringen Schattenrisses
dem forschenden Leser selbst Oberlasse. Wenn dem-
nach der Stoff zu[r] Bildung der Sonne und aller Himmels-
körper, die ihrer mächtigen Anziehung zu Gebote
stehen, durch den ganzen Kaum der Planetenwelt zer- 20
streut war, und es war irgend in dem Orte, den jetzt
der Klumpen der Sonne einnimmt, Materie von stärkeren
Anziehungskräften , so entstand eine allgemeine Senkung
hiezu, und die Anziehung des Sonnenkörpers wuchs mit
ihrer Masse. Es ist leicht zu verjmuthen, dass in dem [168]
allgemeinen Fall der Partikeln selbst von den entlegensten
Gegenden des Weltbaues die Materien dichterer Art in
den tieferen Gegenden, wo sich Alles zum gemeinschaft-
lichen Mittelpunkte hindrängte, nach dem Masse werde
gehäuft haben, als sie dem Mittelpunkte näher waren; 30
ob zwar in allen Kegionen Materien von allerlei Art der
Dichtigkeit waren. Denn nur die Theilchen von der
schwersten Gattung konnten das grösste Vermögen haben,
in diesem Chaos durch das Gemenge der leichteren zu .
dringen, um in grössere Nahheit zum Gravitations- 35
punkte zu gelangen. In den Bewegungen, die von ver-
verschiedentlich hohem Fall in der Sphäre umher ent-
sprangen, konnte niemals der Widerstand der einander
hindernden Partikeln so vollkommen gleich sein, dass
nicht nach irgend einer Seite die erworbenen Geschwindig- 40
keiten in eine Abbeugung ausschlagen sollten. Und in
diesem Umstände zeigt sich eine sehr gemeine Kegel
106 Beweisgrund zu emer Demonstration des Daseins Gottes
der Gegenwirbing der Materien, dass sie einander so
lange treiben oder lenken und einschränken, bis sie sich
die mindeste Hinderniss leisten; welchem gemäss die
Seitenbewegungen sich endlich in eine gemeinschaftliche
5 Umdrehung nach einer und ebenderselben Gegend ver-
169] einigen mussten. Die | Partikeln demnach, woraus die
Sonne gebildet wurde, kamen auf ihr schon mit dieser
Seitenbewegung an, und die Sonne, aus diesem Stoffe ge-
bildet, musste eine Umdrehung in ebenderselben Richtung
10 haben.
Es ist aber aus den Gesetzen der Gravitation klar,
dass in diesem herumgeschwungenen Weltstoffe alle
Tbeile müssen bestrebt gewesen sein, den Plan, der in
der Richtung ihres gemeinschaftlichen Umschwunges
15 durch den Mittelpunkt der Sonne geht, und der nach
unseren Schlüssen mit der Aequatorsfliiche dieses
Himmelskörpers zusammentrifft, zu durchschneiden, wo-
fern sie nicht schon sich in demselben befinden. Demnach
werden alle diese Theile vornehmlich nahe zur Sonne ihre
20 grosseste Häufung in dem Räume haben, der der ver-
längerten Aequatorsfliiche derselben nahe ist. Endlich
ist es auch sehr natürlich, dass, da die Partikeln
einander so lange hindern oder beschleunigen, mit
einem Worte, einander stossen oder treiben müssen, bis
25 eines des andern Bewegung gar nicht mehr stören kann,
zuletzt Alles auf den Zustand ausschlage, dass nur die-
jenigen Theilchen schweben bleiben, die gerade den Grad
des Seitenschwunges haben , der erfordert wird , in dem
170] Abstände, darin sie von der Sonne sind, der Gravitation
30 das Gleichgewicht zu leisten, damit ein jegliches sich in
freier Bewegung in konzentrischen Zirkeln herumschwinge.
Diese Schnelligkeit ist eine Wirkung des Falles, und die
Bewegung zur Seite eine Folge des so lange dauernden
Gegenstosses , bis Alles in die Verfassung der mindesten
35 Hindernisse sich von selbst geschickt hat. Die übrigen
Theilchen, die eine solche abgemessene Genauigkeit nicht
erreichen konnten, müssen bei allmählich abnehmender
Bewegung zum Mittelpunkte der allgemeinen Gravitation
gesunken sein , um den Klumpen der Sonne zu ver-
10 mehren, der demnach eine Dichtigkeit haben wird, welche
der von den übrigen Materien in dem um ihr befindlichen
RaumO; im Durchschnitte genommen, ziemlich gleich ist:
II. 7. Kosinogonie 107
so doch, dass nach den angeführten Umständen ihre Masse
noth wendig die Menge der Materie, die in dem Bezirke
um sie schweben geblieben, weit übertreffen wird.
In diesem Zustande, der mir natürlich zu sein scheint,
da ein verbreiteter Stoff zu Bildung verschiedener Himmels- 5
körper, in einem engen Eaum zunächst der verlängerten
Fläche des Sonnenäquators, von desto mehrerer Dichtig-
keit, je näher dem Mittel|punkte, und allenthalben mit [171]
einem Schwünge, der in diesem Abstände zur freien
Zirkelbewegung hinlänglich war, nach den Zentralgesetzen 10
bis in grosse "Weiten um die Sonne sich herumschwung,
wenn man da setzt, dass sich aus diesen Theilchen
Planeten bildeten, so kann es nicht fehlen, dass sie nicht
Schwangkräfte haben sollten, dadurch sie in Kreisen, die
den Zirkeln sehr nahe kommen, sich bewegen sollten, ob 15
sie gleich etwas davon abweichen, weil sie sich aus
Theilchen von unterschiedlicher Höhe sammelten. Es ist
ebensowohl sehr natürlich, dass diejenigen Planeten, die
sich in grossen Höhen bilden (wo der Eaum um sie viel
grösser ist, der da veranlasst, dass der Unterschied der 20
Geschwindigkeit der Partikeln die Kraft, womit sie zum
Mittelpunkt des Planeten gezogen werden, übertreffe),
daselbst auch grössere Klumpen als nahe zur Sonne ge-
winnen. Die Uebereinstimmung mit vielen anderen Merk-
würdigkeiten der Planetenwelt übergehe ich, weil sie sich 25
von selbst darbietet.*) In den entlegensten Thei len des [172]
Systems und vornehmlich in grossen Weiten vom Beziehungs-
plane werden die sich bildenden Körper, die Kometen,
diese Regelmässigkeit nicht haben können. Und so wird
der Raum der Planetenwelt leer werden, nachdem sich 30
Alles in abgesonderte Massen vereinbart hat. Doch
können noch in späterer Epoche Partikeln aus den
äussersten Grenzen dieser Anziehungssphäre herabgesunken
sein, die forthin jederzeit frei im Himmelsraume in
Kreisen sich um die Sonne bewegen mögen: Materien von 35
der äussersten Dünnigkeit und vielleicht der Stoff, woraus
das Zodiakallicht besteht.
*) Die Bildung eines kleineren Systems, d&s als ein Theil
zu der Planetenwelt gehört, wie des Jupiters und Saturns, im-
gleichen die Achsendrehungen dieser Himmelskörper werden
wegen der Analogie unter dieser Erklärung mit begriffen.
i03 Beweisgrund zu eiuer Demonstration des Daseins Gottes
4.
Anmerkung.
Die Absicht dieser Betrachtung ist vornehmlich, um
ein Beispiel von dem Verfahren zu geben, zu welchem
5 uns unsere vorigen Beweise berechtigt haben, da man
nämlich die ungegründete Besorgniss wegschafft, als wenn
eine jede Erklärung einer grossen Anstalt der Welt aus
allgemeinen Naturgesetzen den boshaften Feinden der
Religion eine Lücke öffne, in ihre Bollwerke zu dringen. |
[173] Meiner Meinung nach hat die angeführte Hypothese zum
mindesten Gründe genug für sich, um Männer von aus-
gebreiteter Einsicht zu einer näheren Prüfung des darin
vorgestellten Plans, der nur ein grober Umriss ist, ein-
zuladen. Mein Zweck, insoferne er diese Schrift betrifft,
15 ist erfüllt, wenn man durch das Zutrauen zu der Kegel-
mässigkeit und Ordnung, die aus allgemeinen Natur-
gesetzen fliessen kann, vorbereitet, nur der natürlichen
Weltweisheit ein freiers Feld öffnet, und eine Erklärungs-
art wie diese oder eine andere als möglich und mit der
20 Erkenntniss eines weisen GOttes wohl zusammenstimmend
anzusehen kann bewogen werden.
Es wäre übrigens der philosophischen Bestrebung wohl
würdig, nachdem die Wirbel, das beliebte Werkzeug so
vieler Systeme, ausserhalb der Sphäre der Natur auf des
25 MiLTON s Limbus der Eitelkeit verwiesen worden, dass man
gleichwohl gehörig forschte, ob nicht die Natur ohne
Erdichtung besonderer Kräfte selber etwas darböte, was
die durchgehends nach einerlei Gegend gerichtete Schwungs-
[174] bewegung der Planeten erklären | könnte, da die andere
30 von den Zentralkräften in der Gravitation als einem dauer-
haften Verbände der Natur gegeben ist. Zum wenigsten
entfernt sich der von uns entworfene Plan nicht von der
Kegel der Einheit; denn selbst diese Schwungskralt wird
als eine Folge aus der Gravitation abgeleitet, wie es zu-
35 falligen Bewegungen anständig ist; denn diese sollen als
Erfolge aus den der Materie auch in Euhe beiwohnenden
Kräften hergeleitet werden.
Ueberdies merke ich an, dass das atomistische System
des Demokritüs und Epikür's, ungeachtet des ersten An-
40 Scheins von Aehnlichkeit, doch eine ganz verschiedene
II. 7. Kosmogonie 109
Beziehung zu der Folgerung auf einen Urheber der Welt
habe, als der Entwurf des unsrigen. In jenem war die
Bewegung ewig und ohne Urheber, und der Zusammen-
stoss, der reiche Quell so vieler Ordnung, ein Ohngefähr
und ein Zufall, wozu sich nirgend ein Grund fand. Hier 5
führt ein erkanntes und wahres Gesetz der Natur, nach
einer sehr begreiflichen Voraussetzung, mit Nothwendig-
keit auf Ordnung, und da hier ein bestimmender Grund
eines Ausschlags auf Kejgelmässigkeit angetroffen wird. [175]
und etwas, was die Natur im Gleise der Wohlgereimtheit 10
und Schönheit erhält, so wird man auf die Verrauthung
eines Grandes geführt, aus dem die Nothwendigkeit der
Beziehung zur Vollkommenheit kann yerstanden werden.
Um indessen noch durch ein ander Beispiel begreif-
lich zu machen, wie die Wirkung der Gravitation in der 15
Verbindung zerstreuter Elemente Eegelmässigkeit und
Schönheit hen^orzubringen nothwendigerweise bestimmt
sei, so will ich eine Erklärung von der mechanischen
Erzeugungsart des Saturnusringes beifügen, die, wie mir
dünkt, soviel Wahrscheinlichkeit hat, als man es von 20
einer Hypothese nur erwarten kann. Man räume mir
nur ein: dass Saturn in dem ersten Weltalter mit einer
Atmosphäre umgeben gewesen, dergleichen man an ver-
schiednen Kometen gesehen, die sich der Sonne nicht
sehr nähern und ohne Schweife erscheinen, dass die 25
Theilchen des Dunstkreises von diesem Planeten (dem
wir eine Achsendrehung zugestehen wollen) aufgestiegen
sind, und dass in der Folge diese Dünste, es sei darum,
weil der | Planet verkühlte oder aus andern Ursachen. L^'^^]
anfingen , sich wieder zu ihm niederzusenken ; so erfolgt 30
das Uebrige mit mechanischer Kichtigkeit. Denn da alle
Theilchen von dem Punkte der Oberfläche, da sie auf-
gestiegen, eine diesem Orte gleiche Geschwindigkeit haben
müssen, um die Achse des Planeten sich zu bewegen, so
müssen alle vermittelst dieses Seitenschwungs bestrebt 35
gewesen sein, nach den Eegeln der Zentralkräfte freie
Kreise um den Saturn zu beschreiben.*) Es müssen aber
*) Saturn be"wegt sich um seine Achse, nach der Voraus-
setzung. Ein jedes Theilchen, das von ibm aufsteigt, muss daher
ebendieselbe Seitenbewegung haben und sie, zu welcher Höbe es
auch gelangt, daselbst fortsetzen.
1 10 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
alle diejenigen Theilchen, deren Geschwindigkeit nicht
gerade den Grad bat, die der Attraktion der Höhe, wo
sie schweben, durch Zentrifugalkraft genau das Gleich-
gewicht leistet, einander notb wendig stossen und ver-
5 zögern, bis nur diejenigen, die in freier Zirkelbewegung
nach Zentralgesetzen umlaufen können, um den Saturn
in Kreisen bewegt übrig bleiben, die übrigen aber nach
und nach auf dessen Oberfläche zurückfallen. Nun müssen
[177] nothweudig | alle diese Zirkolbewegungcn die verlängerte
10 Fläche des Saturnusäquators durchschneiden, welches einem
Jeden, der die Zentralgesetze weiss, bekannt ist; also
werden sich endlich um den Saturn die übrigen Theilchen
seiner vormaligen Atmosphäre zu einer zirkelrunden Ebene
drängen, die den verlängerten Aequator dieses Planeten
15 einnimmt, und deren äusserster Rand durch ebendieselbe
Ursache, die bei den Kometen die Grenze der Atmosphäre
bestimmt, auch hier abgeschnitten ist. Dieser Limbus
von frei bewegtem Weltstoffe muss nothwendig ein Ring
werden, oder vielmehr, es können gedachte Bewegungen
20 auf keine andere Figur als die eines Ringes ausschlagen.
Denn da sie alle ihre Geschwindigkeit zur Zirkelbewegung
nur von den Punkten der Oberfläche des Satums haben
können, von da sie aufgestiegen sind, so müssen die-
jenigen, die von dessen Aequator sich erhoben haben,
25 die grosseste Schnelligkeit besitzen. Da nun unter allen
Weiten von dessen Mittelpunkte nur eine ist, wo diese
Geschwindigkeit gerade zur Zirkelbewegung taugt und in
jeder kleineren Entfernung zu schwach ist, so wird ein
Zirkelkreis in diesem Limbus aus dem Mittelpunkte des
(178) Saturns gezogen werden können, innerhalb welchem alle
Partikeln zur Oberfläche dieses Planeten niederfallen
müssen, alle übrige aber zwischen diesem gedachten
Zirkel und dem seines äussersten Randes (folglich die in
einem ringförmichten Raum enthaltenen) werden forthin
35 frei schwebend in Zirkelkreisen um ihn in Bewegung
bleiben.
Nach einer solchen Auflösung gelangt man auf Folgen,
durch die die Zeit der Achsendrehung des Saturns ge-
geben ist, und zwar mit soviel Wahrscheinlichkeit, als
40 man diesen Gründen einräumt, wodurch sie zugleich be-
stimmt wird. Denn weil die Partikeln des inneren Randes
ebendieselbe Geschwindigkeit haben wie diejenige, die ein
II. 7. Kosmogonie 111
Punkt des Saturnsäquators hat, und überdem diese Ge-
schwindigkeit nach den Gesetzen der Gravitation den zur
Zirkelbewegung gehörigen Grad hat, so kann man aus
dem Verhältnisse des Abstandes eines der Saturnus-
Trabanten zu dem Abstände des inneren Randes des 5
Ringes vom Mittelpunkte des Planeten, imgleichen aus
der gegebenen Zeit des Umlaufs des Trabanten die Zeit
des Umschwungs der Theilchen in dem inwendigen Rande
finden, | aus dieser aber nnd der Yerhältniss des kleinsten [179]
Durchmessers vom Ringe zu dem des Planeten, dieses 10
seine Achsendrehung. Und so findet sich durch Rechnung,
dass Saturn sich in 5 Stunden und ungefähr 40 Minuten
um seine Achse drehen müsse, welches, wenn man die
Analogie mit den übrigen Planeten hiebei zu Rathe
zieht, mit der Zeit der Umwendung derselben wohl zu 15
harmoniren scheint.
Und so mag denn die Voraussetzung der kometischen
Atmosphäre, die der Saturn im Anfange möchte gehabt
haben, zugestanden werden oder nicht, so bleibt diejenige
Folgerung, die ich zur Erläuterung meines Hauptsatzes 20
daraus ziehe, wie mich dünkt, ziemlich sicher: dass, wenn
ein solcher Dunstkreis um ihn gewesen, die mechanische
Erzeugung eines schwebenden Ringes eine nothwendige
Folge daraus hat sein müssen, und dass daher der Aus-
schlag der allgemeinen Gesetzen überlassenen Natur selbst 25
aus dem Chaos auf Regelmässigkeit abziele. |
Achte Betrachtung, [180]
Von der göttlichen AUgenugsamkeit.
Die Summe aller dieser Betrachtungen führt uns auf •
einen Begriff von dem höchsten Wesen, der Alles in sich 30
fasst, was mau nur zu gedenken vermag, wenn Menschen,
aus Staube gemacht, es wagen, ausspähende Blicke hinter
den Vorhang zu werfen, der die Geheimnisse des Un-
erforschlichen vor erschaffenen Augen verbirgt. GOtt ist
allgenugsam. Was da ist, es sei möglich oder wirklich, 35
das ist nur etwas, insofern es durch ihn gegeben ist.
Eine menschliche Sprache kann den Unendlichen so zu sich
112 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
selbst reden lassen : Ich bin von Ewigkeit zu
Ewigkeit, ausser mir ist nichts, ohne ins o-
ferne es durch mich etwas ist. Dieser Gedanke,
der erhabenste unter allen, ist noch sehr vernachlässigt
5 oder mehrentheils gar nicht berührt worden. Das, was
sich in den Möglichkeiten der Dinge zur Vollkommenheit
und Schönheit in vortrefflichen Planen darbietet, ist als
ein für sich nothwendiger Gegenstand der göttlichen
Weisheit, aber nicht selbst als eine Folge von diesem
[181] unbegreiflichen Wesen ange|sehen worden. Man hat die
Abhängigkeit anderer Dinge bloss auf ihr Dasein ein-
geschränkt, wodurch ein grosser Antheil an dem Grunde
von soviel Vollkommenheit jener obersten Natur ent-
zogen, und ich weiss nicht, welchem ewigen Undinge
15 beigemessen wird.
Fruchtbarkeit eines einzigen Grundes an viel Folgen,
Zusammenstimmung und Schicklichkeit der Naturen, nach
allgemeinen Gesetzen ohne öfteren Widerstreit in einem
regelmässigen Plane zusammenzupassen, müssen zuvörderst
20 iu den Möglichkeiten der Dinge angetroffen werden, und
nur alsdeun kann Weisheit thätig sein, sie zu wählen.
Welche Schranken, die dem Unabhängigen aus einem
fremden Grunde gesetzt sein würden, wenn selbst diese
Möglichkeiten nicht in ihm gegründet wären V Und was
25 für ein unverständliches Ohngefiihr, dass sich in diesem
Felde der Möglichkeit, ohne Voraussetzung irgend eines
Existirenden , Einheit und fruchtbare Zusammenpassung
findet, dadurch das Wesen von den höchsten Graden der
flacht und Weisheit, wenn jene äusseren Verhältnisse
30 mit seinen inneren Vermögen verglichen werden, sich im
[182] Stande sieht, | grosse Vollkommenheit zuwege zubringen?
Gewiss eine solche Vorstellung überliefert nimmermehr
den Ursprung des Guten ohne allen Abbruch in die Hand
eines einzigen Wesens. Als Hugen [Huygens] die Pendeluhr
35 erfand, so konnte er, wenn er daran dachte, sich diese
Gleichförmigkeit, welche ihre Vollkommenheit ausmacht,
nimmer gänzlich beimessen; die Natur der Cykloide, die
es möglich macht, dass kleine und grosse Bogen durch
freien Fall in derselben in gleicher Zeit beschrieben
40 werden, konnte diese Ausführung lediglich in seine Gewalt
setzen. Dass aus dem einfachen Grunde der Schwere so
ein grosser Umfang von schönen Folgen auch nur mög-
I. 8. Von der göttl. Allgenugsamkeit HS
licli ist, würde, wenn es nicht von dem, der durch wirk-
liche Ausübung allen diesen Zusammenhang hervorgeh rächt
hat, selbst abhinge, seinen Antheil an der reizenden Ein-
heit und dem grossen Umfange so vieler auf einem
einzigen Grunde beruhender Ordnung offenbar schmälern 5
und theilen.
Die Bewunderung über die Abfolge einer "Wirliung
aus einer Ursache hört auf, sobald ich die Zulänglichkeit
der Ursache zu ihr deutlich und leicht einsehe. Auf
diesem Fuss kann keine Bewunderung mehr stattfinden, 10
wenn ich den mechanischen | Bau des menschlichen [183]
Körpers, oder welcher künstlichen Anordnung ich auch
will, als ein Werk des Allmächtigen betrachte und bloss
auf die Wi;klichkeit sehe. Denn es ist leicht und deut-
lich zu verstehen, dass der, so Alles kann, auch eine 15
solche Maschine, wenn sie möglich ist, hervorbringen
könne. Allein es bleibt gleichwohl Bewunderung übrig,
man mag gleich dieses zur leichteren Begreifung an-
geführt haben, wie man will. Denn es ist erstaunlich,
dass auch nur so etwas wie ein thierischer Körper mög- 20
lieh war. Und wenn ich gleich alle Federn und Eöhren,
alle Nervengefässe , Hebel und mechanische Einrichtung
desselben völlig einsehen könnte, so bliebe doch immer
Bewunderung übrig, wie es möglich sei, dass so viel-
fältige Verrichtungen in einem Bau vereinigt worden, 25
wie sich die Geschäfte zu einem Zwecke mit denen, wo-
durch ein anderer erreicht wird, so wohl paaren lassen,
wie ebendieselbe Zusammenfügung ausserdem noch dazu
dient, die Maschine zu erhalten und die Folgen aus zu-
fiilligen Verletzungen wieder zu verbessern, und wie es 30
möglich war, dass ein Mensch konnte ein so feines
Gewebe sein und ohnerachtet so vieler Gründe des Ver-
derbens noch so lange dauern. Nachdem ich auch endlich
mich belehrt habe, dass soviel Einjheit und Harmonie [184]
darum möglich sei, weil ein Wesen da ist, welches nebst 35
den Gründen der Wirklichkeit auch die von aller Möglich-
keit enthält, so hebt dieses noch nicht den Grund der
Bewunderung auf. Denn man kann sich zwar durch die
Analogie dessen, was Menschen ausüben, einigen Begriff
davon machen, wie ein Wesen die Ursache von etwas 40
Wirklichem sein könne, nimmermehr aber, wie es den
Grund der innern Möglichkeit von andern Dingen ent-
Kant. ki. Schriften z. Ethik, n. 8
114 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottos
halte, und es scheiut, als wenn dieser Gedanke viel zu
hoch steigt, als dass ihn ein orschaffeucs Wesen erreichen
konnte.
Dieser hohe Begriff der göttlichen Natur, wenn wir
5 sie nach ihrer Allgen ugsamkeit gedenken, kann selbst in
dem Urtheil über die Beschaffenheit möglicher Dinge, wo
uns unmittelbar Gründe der Entscheidung fehlen, zu
einem Hiilfsmittel dienen, aus ihr als einem Grunde auf
fremde Möglichkeit als eine Folge zu schliessen. Es ist
10 die Frage: ob nicht unter allen möglichen Welten eine
Steigerung ohne Ende in den Graden der Vollkommenheit
anzutreffen sei, da gar keine natürliche Ordnung möglich
ist, über die nicht noch eine vortrefflichere könne ge-
[185] dacht werden; ferner, | wenn ich auch hierin eine höchste
15 Stufe zugäbe, ob nicht wenigstens selbst verschiedene
Welten, die von keiner übertroffen werden, einander au
Vollkommenheit gänzlich gleich wären? Bei dergleichen
Fragen ist es schwer und vielleicht unmöglich, aus der
Betrachtung möglicher Dinge allein etwas zu entscheiden.
20 Allein wenn ich beide Aufgaben in Verknüpfung mit
dem göttlichen Wesen erwäge und erkenne, dass der
Vorzug der Wahl, der einer Welt vor der andern zu
Theil wird, ohne den Vorzug in dem Urtheile eben-
desselben Wesens, welches wählt, oder gar wider dieses
25 Urtheil einen Mangel in der üebereinstiuimung seiner
verschiedenen thätigen Kräfte und eine verschiedene Be-
ziehung seiner Wirksamkeit, ohne eine proportionirte
Verschiedenheit in den Gründen, mithin einen Uebelstand
in dem vollkommensten Wesen abnehmen lasse: so
30 schliesse ich mit grosser Ueberzeugung, dass die vor-
gelegten Fälle erdichtet und unmöglich sein müssen.
Denn ich begreife nach den gesammten Vorbereitungen,
die man gesehen hat, dass man viel weniger Grund habe,
aus vorausgesetzten Möglichkeiten, die man gleichwohl
35 nicht genug bewähren kann, auf ein nothwendiges Be-
tragen des vollkommensten Wesens zu schliessen (welches
[186] so be Ischaffen ist, dass es den Begriff der grössteu
Harmonie in ihm zu schmälern scheint), als aus der
erkannten Harmonie, die die Möglichkeiten der Dinge
40 mit der göttlichen Natur haben müssen, von demjenigen,
was diesem Wesen am anständigsten zu sein erkannt
wird, auf die Möglichkeit zu schliessen. Ich werde also
II. 8. Von der gÖttJ. Allgenugsamkeit 115
vermutheD, dass in den Möglichkeiten aller Welten keine
solchen Verhältnisse sein können, die einen Grund der
Verlegenheit in der vernünftigen Wahl des höchsten
Wesens enthalten müssten; denn eben dieses oberste Wesen
enthält den letzten Grund aller dieser Möglichkeit, in 5
welcher also niemalen etwas Anders, als was mit ihrem
Ürspruuge harmonirt, kann anzutreffen sein.
Es ist auch dieser über alles Mögliche und Wirkliche
erweiterte Begriff der göttlichen Allgenugsamkeit ein
yiel richtigerer Ausdruck die grösste Vollkommenheit 10
dieses Wesens zu bezeichnen, als der des Unendlichen,
dessen man sich gemeiniglich bedient. Denn ob man
diesen letztern zwar auslegen kann, wie man will, so ist
er seiner eigentlichen Bedeutung nach doch offenbar
mathematisch. Er bezeichnet das Verhältniss einer Grösse 15
zu einer andern als dem | Maasse, welche [s] Verhältniss [187]
grösser ist als alle Zahl. Daher in dem eigentlichen
Wortverstande die göttliche Erkenntniss unendlich heissen
würde, insoferne sie vergleichungs weise gegen irgend eine
angebliche andere Erkenntniss ein Verhältniss hat, welches 20
alle mögliche Zahl übersteigt. Da nun eine solche Ver-
gleichung göttliche Bestimmungen mit denen der er-
schaffenen Dinge in eine Gleichartigkeit, die man nicht
wohl behaupten kann, versetzt, und überdem das, was
man dadurch will, nämlich den unverringerten Besitz von 25
aller Vollkommenheit, nicht gerade zu verstehen giebt,
so findet sich dagegen Alles, was man hiebei zu denken
vermag, in dem Ausdrucke der Allgenugsamkeit bei-
sammen. Die Benennung der Unendlichkeit ist gleich-
wohl schön und eigentlich ästhetisch. Die Erweiterung 30
über alle Zahlbegriffe rührt und setzt die Seele durch
eine gewisse Verlegenheit in Erstaunen. Dagegen ist der
Ausdruck, den wir empfehlen, der logischen Kichtigkeit
mehr augemessen.
8*
[188] Dritte Abtheilung.
Worin dargethan wird: dass ausser dem
ausgeführten Beweisgrunde kein anderer zu
einer Demonstration vom Dasein GOttes
5 möglich sei.
1.
Ein th eilung aller möglichen Beweisgründe vom
Dasein GOttes.
Die Ueberzeugung von der grossen Wahrlieit: es
10 isteinGOtt, wenn sie den höclisten Grad mathematischer
Gewissheit haben soll , hat dieses Eigne , dass sie nur
durch einen einzigen "Weg kann erlangt werden, und
giebt dieser Betrachtung den Vorzug, dass die philo-
sophischen Bemühungen sich bei einem einzigen Beweis-
15 gründe vereinigen müssen, um die Fehler, die in der
Ausführung desselben möchten eingelaufen sein, viel-
mehr zu verbessern, als ihn zu verwerfen, sobald man |
[189] überzeugt ist, dass keine Wahl unter mehr dergleichen
möglich sei.
20 Um dieses darzuthun, so erinnere ich, dass man die
Forderung nicht aus den Augen verlieren müsse, welche
eigentlich zu erfüllen ist: nämlich nicht das Dasein einer
sehr grossen und sehr vollkommenen ersten Ursache,
sondern des allerhöchsten Wesens: nicht die Existenz von
26 einem oder mehreren derselben, sondern von einem einzigen;
und dieses nicht durch grosse Gründe der Wahrschein-
lichkeit, sondern mit mathematischer Evidenz zu be-
weisen.
Alle Beweisgründe für das Dasein Gottes können nur
80 entweder aus den Verstandsbegriffen des bloss Möglichen
oder aus dem ErfahrungsbegrifFc des Ex istir enden
ITI. Dass kein anderer Beweis möglich sei 117
hergenommen werden. In dem ersteren Falle wird ent-
weder von dem Möglichen als einem Grunde auf das
Dasein Gottes als eine Folge, oder aus dem Möglichen
als einer Folge auf die göttliche Existenz als einen Grund
geschlossen. Im zweiten Falle wird wiederum entweder 5
aus demjenigen, dessen Dasein wir erfahren, bloss auf die
Existenz | einer ersten und unabhängigen Ursache, [190]
vermittelst der Zergliederung dieses Begriffs aber auf die
göttlichen Eigenschaften derselben geschlossen, oder es
werden aus dem, was die Erfahrung lehrt, sowohl das 10
Dasein als auch die Eigenschaften desselben un-
mittelbar gefolgert.
2.
Prüfung der Beweisgründe der ersten Art.
Wenn aus dem Begriffe des bloss Möglichen als 15
einem Grunde das Dasein als eine Folgerung soll ge-
schlossen werden, so muss durch die Zergliederung dieses
Begriffes die gedachte Existenz darin können angetroffen
werden; denn es giebt keine andere Ableitung einer
Folge aus einem Begriffe des Möglichen, als durch die 20
logische Auflösung. Alsdenn müsste aber das Dasein wie
ein Prädikat in dem Möglichen enthalten sein. Da dieses
nun nach der ersten Betrachtung der ersten Abtheilung
nimmermehr stattfindet, so er|hellt, dass ein Beweis der [191]
Wahrheit, von der wir reden, auf die erwähnte Art un- 25
möglich sei.
Indessen haben wir einen berühmten Beweis, der auf
diesen Grund erbaut ist, nämlich den sogenannten
Cartesianischen. Man erdenkt sich zuvörderst einen
Begriff von einem möglichen Dingo, in welchem man 30
alle wahre Vollkommenheit sich vereinbart vorstellt Nun
nimmt man an, das Dasein sei auch eine Vollkommenheit
der Dinge, also schliesst man aus der Möglichkeit eines
vollkommensten Wesens auf seine Existenz. Ebenso
könnte man aus dem Begriffe einer jeden Sache, welche 35
auch nur als die vollkommenste ihrer Art vorgestellt
wird, z. E. daraus allein schon, dass eine vollkommenste
Welt zu gedenken ist, auf ihr Dasein schliessen. Allein
ohne mich in eine umständliche Widerlegung dieses Be-
1 IS Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
weises einzulassen, welche man schon hei Andern antrifft,
so hezieho ich mich nur auf dasjenige, was im Anfange
dieses Werkes ist erklärt worden, dass nämlich das Dasein
gar kein Prädikat, mithin auch kein Prädikat der Voll-
5 kommenheit sei, und daher aus einer Erklärung, welche
[192] eine will | kürliche Vereinbarung verschiedener Prädikate
enthält, um den Begriff von irgend einem möglichen
Dinge auszumachen, nimmermehr auf das Dasein dieses
Dinges, und folglich auch nicht auf das Dasein Gottes
10 könne geschlossen werden. •
Dagegen ist der Schluss von den Möglichkeiten der
Dinge als Folgen auf das Dasein Gottes als einen Grund
von ganz anderer Art. Hier wird untersucht, ob nicht
dazu, dass etwas möglich sei, irgend etwas Existirendes
15 vorausgesetzt sein müsse, und ob dasjenige Dasein, ohne
welches selbst keine innere Möglichkeit stattfindet, nicht
solche Eigenschaften enthalte, als wir zusammen in dem
Begriffe der Gottheit verbinden. In diesem Falle ist
zuvorderst klar, dass ich nicht aus der bedingten Mög-
20 lichkeit auf ein Dasein schliessen könne, wenn ich nicht
die Existenz dessen, was nur unter gewissen Bedingungen
möglich ist, voraussetze; denn die bedingte Möglichkeit
giebt lediglich zu verstehen, dass etwas nur in gewissen
Verknüpfungen existiren könne, und das Dasein der Ur-
25 Sache wird nur insofeme dargethan, als die Folge existirt,
[193] hier aber soll sie nicht aus dem | Dasein derselben ge-
schlossen werden; daher ein solcher Beweis nur aus der
innern Möglichkeit geführt werden kann, wofern er gar
stattfindet. Ferner wird man gewahr, dass er aus der
30 absoluten Möglichkeit aller Dinge überhaupt entspringen
müsse. Denn es ist nur die innere Möglichkeit selbst,
von der erkannt werden soll, dass sie irgend ein Dasein
voraussetze, und nicht die besonderen Prädikate , dadurch
sich ein Mögliches von dem andern unterscheidet; denn
35 der Unterschied der Prädikat(3 findet auch beim bloss
Möglichen statt und bezeichnet niemals etwas Existirendes.
Demnach würde auf die erwähnte Art aus der innern
Möglichkeit alles Denklichen ein göttliches Dasein müssen
gefolgert werden. Dass dieses geschehen könne, ist in
40 der ganzen ersten Abtheilung dieses Werks gewiesen
worden.
III. Dass kein anderer Beweis möglich sei 119
3.
Prüfung der Beweisgründe der zweiten Art.
Der Beweis, da man aus den Erfalirungsbegriffen,
von dem, was da ist, auf die Existenz ei|ner ersten und [194
unabhäDgigen Ursache nach den Regeln der Kausal- 5
Schlüsse, aus dieser aber durch logische Zergliederung
des Begriffes auf die Eigenschaften derselben, welche
eine Gottheit bezeichnen, kommen will, ist berühmt und
vornehmlich durch die Schule der WoLFFischen Philosophen
sehr in Ansehen gebracht worden, allein er ist gleich- 10
wohl ganz unmöglich. Ich räume ein, dass bis zu dem
Satze: wenn etwas da ist, so existirt auch
otwas, was von keinem andern Dinge abhängt,
Alles regelmässig gefolgert sei, ich gebe also zu, dass
das Dasein irgend einer oder mehrer Dinge, die weiter 15
keine Wirkungen von einem andern sind, wohl erwiesen dar-
liege. Nun ist der zweite Schritt zu dem Satze: dass
dieses unabhängige Ding schlechterdings noth-
wendig sei, schon viel weniger zuverlässig, da er ver-
mittelst des Satzes vom zureichenden Grunde, der noch 20
immer angefochten wird, geführt werden muss; allein ich
trage kein Bedenken, auch bis soweit Alles zu unter-
schreiben. Es existirt demnach etwas schlechterdings
nothwendigerweise. Aus diesem Begriffe des absolut
nothwendigen Wesens sollen nun seine Eigenschaften der 25
höchsten Vollkommenheit und Einheit her | geleitet werden. [195]
Der Begriff der absoluten Nothwendigkeit aber, der hier zum
Grunde liegt, kann auf zwiefache Art genommen werden,
wie in der ersten Abtheilung gezeigt ist. In der ersten
Art, da sie die logische Nothwendigkeit von uns genannt 30
worden , müsste gezeigt werden, dass das Gegentheil des-
jenigen Dinges sich selbst widerspreche, in welchem ■
alle Vollkommenheit oder Eealität anzutreffen, und also
dasjenige Wesen einzig und allein schlechterdings noth-
wendig im Dasein sei, dessen Prädikate alle wahrhaftig 35
bejahend sind. Und da aus ebenderselben durchgängigen
Vereinbarung aller Realität in einem Wesen soll ge-
schlossen werden, dass es ein einziges sei, so ist klar,
dass die Zergliederung der Begriffe des Nothwendigen auf
solchen Gründen beruhen werde, nach denen ich auch 40
umgekehrt müsse schliessen können: worin alle Realität
120 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
ist, das existirt nothwendigcrweise. Nun ist nicht allein
diese Schlussart nach der vorigen Nuinmer unmöglich,
sondern es ist insonderheit merkwürdig, dass auf diese
Art der Beweis gar niclit auf den ErfahrungsbegrifF, der
6 ganz, ohne ihn zu brauchen, vorausgesetzt ist, erbaut
[196] wird, sondern ebenso wie der Cartesia|nische lediglich
aus Begriffen, in welchen man in der Identität oder dem
Widerstreit der Prädikate das Dasein eines Wesens zu
finden vermeint*)
10 Es ist meine Absicht nicht, die Beweise selber zu
zergliedern, die man dieser Methode gemäss bei Ver-
schiedenen antrifft. Es ist leicht, ihre Fehlschlüsse auf-
zudecken, und dieses ist auch schon zum Tlieil von
Andern geschehen. Indessen da man gleichwohl noch
15 immer hoffen könnte, dass ihrem Fehler durch einigo
Verbesserungen abzuhelfen sei, so ersieht man aus unserer
[197] Betrachtung, dass, es | mag auch aus ihnen werden, was
da wolle, sie doch niemals etwas Anders als Schlüsse
aus Begriffen möglicher Dinge, nicht aber aus Erfahrung
20 werden können und also ebenfalls den Beweisen der ersten
Art beizuzählen seien.
Was nun den zweiten Beweis von derjenigen Art an-
langt, da aus Erfahrungsbegriffen von existirenden Dingen
auf das Dasein Gottes und zugleich seine Eigenschalteii
25 geschlossen wird, so verhält es sich hiemit ganz anders.
Dieser Beweis ist nicht allein möglich, sondern auch auf
alle Weise würdig, durch vereinigte Bemühungen zur
gehörigen Vollkommenheit gebracht zu werden. Die Dinge
der Welt, welche sich unsern Sinnen offenbaren, zeigen
30 sowohl deutliche Merkmale ihrer Zufälligkeit, als auch
*) Dieses ist das Vornehmste, worauf ich hier ausgehe. Wenn
ich die Nothwendi;.'keit eines Be^rifles darin setze, dass sich das
Gegentheil widerspricht, und alsdenn behaupte, das Unendliche
sei so beschHiTen , so war es ganz unnöthig, die Existenz des
nothwendigen Wesens vorauszusetzen, indem sie schon aus dem
Bej^riffe des Unendlichen folgt. J*, jene vorangescliitkto Existenz
ist in dem Beweise selbst völlig milssig. Denn da in dem Fort-
gang desselben der Begriff der Notbwendigkeit und Unendlich-
keit als Wochselbegriffo angesehen werden, so wird wirklich
darum aus der Existenz des Nothwendigen auf die Unendlichkeit
gesclilossen , weil das Unendliche (und zwar allein) nothwendig
existirt.
III. Dass kein anderer Beweis möglich sei 121
durch die Grosse, die Ordnuni^ und zweckmässigen An-
stalten, die man allonthalben gewahr wird, Beweisthümer
eines vernünftigen Urhebers von grosser Weisheit, Macht
und Güte. Die grosse Einheit in einem so weitläuttigen
Ganzen lässt abnehmen, dass nur ein einziger Urheber 5
aller dieser Dinge sei, und wenngleich in nllen diesen
Schlüssen keine geometrische | Strenge hervorblickt, so ent- [198]
halten sie doch unstrittig so viel Nachdruck, dass sie
einen jeden Vernünftigen nach Regeln, die der natürliche
gesunde Verstand befolgt, keinen Augenblick hierüber im 10
Zweifel lassen.
4.
Es sind überhaupt nur zwei Beweise vom Dasein
Gottes möglich.
Aus allen diesen Beurtheilungen ist zu ersehen, dass, 15
wenn man aas Begriffen möglicher Dinge schliessen will,
kein ander Argument für das Dasein Gottes möglich sei
als dasjenige, woselbst die innere Möglichkeit aller Dinge
als etwas angesehen wird, was irgend ein Dasein voraus-
setzt, wie es von uns in der ersten Abtheilung dieses 20
Werks geschehen ist. Imgleichen erhellt, dass, wenn
von dem, was uns Erfahrung von existirenden Dingen
lehrt, der SchUiss zu ebenderselben Wahrheit soll hinauf-
steigen, der Beweis nur durch die in den Dingen der
Welt wahrgenommenen Eigenschaften und die zufällige 25
Anordnung des | Weltganzen auf das Dasein sowohl als [199]
auch die Beschaffenheit der obersten Ursache kann geführt
werden. Man erlaube mir, dass ich den ersten Beweis den
ontologischen, den zweiten aber den kosraologischen nenne.
Dieser kosmologische Beweis ist, wie mich dünkt, so 30
alt wie die menschliche Vernunft. Er ist so natürlich,
so einnehmend und erweitert sein Nachdenken auch so
sehr mit dem Fortgang unserer Einsichten , dass er so .
lange dauern muss, als es irgend ein vernünftig Geschöpf
geben wird, welches an der edlen Betrachtung Theil zu 35
nehmen wünscht, GOtt aus seinen Werken zu erkennen.
Derham's, Nieuwextyt's und vieler Anderer Bemühungen
haben der menschlichen Vernunft in dieser Absicht Ehre
gemacht, obgleich bisweilen viel Eitelkeit mit unter-
gelaufen ist, allerlei physischen Einsichten oder auch 40
Hirniiespinnsten durch die Losung des Religionseifers ein
122 Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
ehrwürdig Ansehn zu geben. Bei aller dieser Yortreff-
liehkeit ist diese Beweisart doch immer der mathematischen
Gewisslieit und Genauigkeit unfiihig. Man wird jederzeit
[200] nur auf irgend einen unbegreiflich grossen Urheber | des-
5 jenigen Ganzen, was sich unsern Sinnen darbietet, schliessen
können, nicht aber auf das Dasein des vollkommensten
unter allen möglichen Wesen. Es wird die grösste
"Wahrscheinlichkeit von der Welt sein, dass nur ein
einiger erster Urheber sei; allein dieser Ueberzeugung
10 wird viel an der Ausführlichkeit, die der frechsten Zweifel-
sucht trotzt, ermangeln. Das macht: wir können nicht
auf mehr oder grössere Eigenschaften in der Ursache
schliessen, als wir gerade nöthig finden, um den Grad
und die Beschaffenheit der Wirkungen daraus zu ver-
15 stehen; wenn wir nämlich von dem Dasein dieser Ursache
keinen andern Anlass zu urtheilen haben als den, so uns
die Wirkungen geben. Nun erkennen wir viel Voll-
kommenheit, Grösse und Ordnung in der Welt, und
können daraus nichts melir mit logischer Schärfe schliessen,
20 als dass die Ursache derselben viel Verstand, Macht und
Güte besitzen müsse, keineswegs aber, dass sie Alles
wisse, vermöge etc. etc. Es ist ein unermessliches Ganze,
in welchem wir Einheit und durchgängige Verknüpfung
wahrnehmen, und wir können mit grossem Grunde daraus
25 ermessen, dass ein einiger Urheber desselben sei. Allein
[201] wir müssen uns bescheiden, | dass wir nicht alles Erschaffene
kennen, und daher urtheilen, dass, was uns bekannt ist,
nur einen Urheber blicken lasse, woraus wir vormuthen,
was uns auch nicht bekannt ist, werde ebenso bewandt
80 sein, welches zwar sehr vernünftig gedacht ist, aber nicht
strenge schliesst.
Dagegen, wofern wir uns nicht zu sehr schmeicheln,
so scheint unser entworfener ontologischer Beweis der-
jenigen Schärfe fähig zu sein, die man in einer Demon-
35 stration fordert. Indessen wenn die Frage wäre, welcher
denn überhaupt unter beiden der beste sei, so würde man
antworten: sobald es auf logische Genauigkeit und Voll-
ständigkeit ankommt, so ist es der outologisclie, verlangt
man aber Fasslichkeit für den gemeinen richtigen Begrilf,
40 Lebhaftigkeit des Eindrucks, Schönheit und Bewegkraft
auf die moralischen Triebfedern der menschlichen Natur,
80 ist dem kosmologischen Beweise der Vorzug zuzu-
III. Dass kein anderer Beweis möglich sei 123
gestehen. IJikI da es ohne Zweifel von mehr Erheblich-
keit ist, den Menschen mit hohen Empfindungen, die
fruchtbar an edler Thätigkeit sind, zu beleben, indem
man zugleich den gesunden Ver | stand überzeugt, als mit [202]
sorgfältig abgewogenen Vernunftschlüssen zu unterweisen, 5
dadurch, dass der feineren Spekulation ein Genüge gethan
wird, so ist, wenn man aufrichtig verfahren will, dem
bekannten kosmologischen Beweise der Vorzug der all-
gemeineren Nutzbarkeit nicht abzusprechen.
Es ist demnach kein schmeichlerischer Kunstgriff, der 10
um fremden Beifall buhlt, sondern Aufrichtigkeit, wenn
ich einer solchen Ausführung der wichtigen Erkenntniss
von GOtt und seinen Eigenschaften, als Keimaeus in
seinem Buche von der natürlichen Religion liefert, den
Vorzug der Nutzbarkeit gerne einräume, über einen jeden 15
andern Beweis, in welchem mehr auf logische Schärfe
gesehen worden, und über den meinigen. Denn ohne den
Werth dieser und anderer Schriften dieses Mannes in
Erwägung zu ziehen, der hauptsächlich in einem un-
gekünstelten Gebrauche einer gesunden und schönen Ver- 20
nunft besteht, so haben dergleichen Gründe wirklich eine
grosse Beweiskraft und erregen mehr Anschauung als die
logisch abgezogenen Begriffe, obgleich die letzteren den
Gegenstand genauer zu verstehen geben. | [203]
Gleichwohl da ein forschender Verstand, wenn er ein- 25
mal auf die Spur der Untersuchung gerathen ist, nicht
eher befriedigt wird, als bis Alles um ihn licht ist, und
bis sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Zirkel,
der seine Frage umgrenzt, völlig schliesst, so wird
Niemand eine Bemühung, die wie die gegenwärtige auf 30
die logische Genauigkeit in einem so sehr wichtigen
Erkenntnisse verwandt ist, für unnütz und überflüssig
halten, vornehmlich weil es viele Fälle giebt, da ohne solche
Sorgfalt die Anwendung seiner Begriffe unsicher und zweifel-
haft bleiben würde. 35
5.
Es ist nicht mehr als eine einzige Demonstration
vom Dasein Gottes möglich, wovon der Beweisgrund
oben gegeben worden.
Aus dem Bisherigen erhellt, dass unter den vier 40
erdenklichen Beweisgründen, die wir auf zwei | Hauptarten [204]
124 Beweiegrimd zu einer Demonstration des Daseins Gottes
gebracht liabon, der Cartesianische sowohl als der, so aus
dem Erfahrungsbegriffe vom Dasein vermittelst der Auf-
lösung des Begriffes von einem unabhängigen Dinge ge-
führt worden, falsch und gänzlich unmöglich seien, das
5 ist, dass sie nicht etwa mit keiner gehörigen Schärfe,
sondern gar nicht beweisen. Es ist femer gezeigt worden,
dass der Beweis, aus den Eigenschaften der Dinge der
Welt auf das Dasein und die Eigenschaften der Gottheit
zu schliessen, einen tüchtigen und sehr schönen Beweis-
10 grund enthalte, nur dass er nimmermehr der Schärfe einer
Demonstration fähig ist. Nun bleibt nichts übrig, als
dass entweder gar kein strenger Beweis hievon möglich
sei, oder dass er auf demjenigen Beweisgrunde beruhen
müsse, den wir oben angezeigt haben. Da von der Mög-
15 lichkeit eines Beweises schlechthin die Eede ist, so wird
Niemand das Erstere behaupten, und die Folge fällt
demjenigen gemäss aus, was wir angezeigt haben. Es
ist nur ein GOtt und nur ein Beweisgrund, durch
welchen es möglich ist, sein Dasein mit der Wahr-
20 nehmung derjenii^en Nothwendigkeit einzusehen, die
[205] schlechterdings alles Gegen theil vernichtigt; ein | Urtheil,
darauf selbst die Beschaffenheit des Gegenstandes un-
mittelbar führen könnte. Alle anderen Dinge, welche
irgend da sind, könnten auch nicht sein. Die Erfahrung
25 von zufälligen Dingen kann demnach keinen tüchtigen
Beweisgrund abgeben, das Dasein desjenigen daraus zu
erkennen, von dem es unmöglich ist, dass er nicht sei.
Nur lediglich darin, dass die Verneinung der göttlichen
Existenz völlig Nichts ist, liegt der Unterschied seines
30 Daseins von anderer Dinge ihrem. Die innere Möglich-
keit, die Wesen der Dinge, sind nun dasjenige, dessen
Aufhebung alles Denkliche vertilgt. Hierin wird also
das eigene Merkmal von dem Dasein des Wesens aller
Wesen bestehen. Hierin sucht den Beweisthum, und
35 wenn Ihr ihn nicht daselbst anzutreffen vermeint, so
schlaget Euch von diesem ungebahnten Fusssteige auf die
grosse Heeresstrasse der menschlichen Vernunft. Es ist
durchaus nöthig, dass man sich vom Dasein Gottes
überzeuge; es ist aber nicht ebenso nöthig, dass mau
40 es demonstrire.
Einige Bemerkungen
zn
Ludwig Heinrich Jakob*s
Prüfung
der Mendelssohn'schen Morgenstunden
1786
Ludwig Heinrich Jakob, Doktor der Philosophie iu
Halle, Prüfung der Mendelssohiischen Morgenstunden oder
aller spekulativen Beweise fiir das Daseyn Gottes in Vor-
lesungen. Nebst einer Abhandlung von Herrn Professor
Kant 8. Leipzig 1786. bey Johann Samuel Heinsius.
Kant's Abhandlung steht hier ö.XLIX— LX unter dem
Tittel „Einige Bemerkungen von Herrn Professor Kant"
(vgl. Hartenstein ^ VL S. 129-135. UV, S. 463-468. Rosen-
kranz I, S 391 — 398) Als Anmerkung zu diesem Titel
druckt Jakob die nachstehenden Worte:
„Als ich dem Herrn Professor Kant meinen Eutschluss,
die Prüfung der MENDELSSOHN'schen Morgenstunden her-
auszugeben , meldete , und ich in meinem Briefe unter
andern der Stelle in den Morgenstunden S. 116 er-
wähnte, hatte Herr Professor Kant sogleich die Güte, mir
eine Berichtigung dieser Stelle zu meinem Buche zu ver-
sprechen, welche er mir nachher in diesem Aufsatz, worin
noch weit mehr enthalten ist, zusendete; wofür ich ihm hier
öffentlich meinen verbindlichsten Dank abstatte."
W enn man die letzte MEMDELSSOHN'sche, von ihm selbst [XLIX]
herausgegebene Schrift liest und das nicht im Mindesten
geschwächte Veiirauen dieses versuchten Philosophen auf
die demonstrative Beweisart des wichtigsten aller Sätze
der reinen Vernunft darin wahrnimmt, so geräth man in | 5
Versuchung, die engen Grenzen, welche skrupulöse Kritik [L]
diesem Erkenntnissvermögen setzt, wohl für ungegründete
Bedenklichkeit zu halten und durch die That alle Ein-
würfe gegen die Möglichkeit einer solchen Unter-
nehmung für widerlegt anzusehen. Nun scheint es zwar 10
einer guten und der menschlichen Vernunft unentbehr-
lichen Sache zum wenigsten nicht nachtheilig zu sein,
dass sie allenfalls auf Vermuthungen gegründet werde, die
Einer oder der Andere für förmliche Beweise halten mag;
denn man muss am Ende doch auf denselben Satz, es sei 15
durch welchen Weg es wolle, kommen, weil Vernunft
ihr selbst ohne denselben niemals völlig Gnüge leisten
kann. Allein es tritt hier eine wichtige Bedenklichkeit
in Ansehung des Weges ein, den man einschlägt. Denn
räumt man der reinen Vernunft in ihrem spekulativen 20
Gebrauch einmal das Vermögen ein, sich über die
Grenzen des Sinnlichen hinaus durch Einsichten | zu [LI]
erweitern, so ist es nicht mehr möglich, sich bloss auf
diesen Gegenstand einzuschränken; und nicht genug,
dass sie alsdenn für alle Schwärmerei ein weites Feld 25
geöffnet findet, so traut sie sich auch zu, selbst über die
Möglichkeit eines höchsten Wesens (nach demjenigen
Begriffe, den die Religion braucht) durch Vernünfteleien
zu entscheiden — wie wir davon an Spinoza und
selbst zu unserer Zeit Beispiele antreffen — und so durch 30
angemassten Dogmatismus jenen Satz mit eben der Kühn-
heit zu stürzen, mit welcher man ihn errichten
zu können sich gerühmt hat; statt dessen, wenn diesem
in Ansehung des Uebersinnlichen durch strenge Kritik
128 Bemerkungen zu Jakob's Prüfung
diu Fiügel beschnitteu werden, joner Glaube in einer
praktisch- wohlgegiündeten, theoretisch aber unwider-
leglichen Toraussetzung völlig gesichert sein kann.
Daher ist eine Widerlegung jener Anmassungen , so gut
6 sie auch gemeint sein mögen, der Sache selbst weit go-
[LIIJ fehlt nachtheilig | zu sein, vielmehr sehr beförderlich, ja
unumgänglich nöthig.
Diese hat nun der Herr Verfasser des gegen-
wärtigen Werks übernommen, und, nachdem er mir ein
10 kleines Probestück desselben mitgetheilt hat, welches von
beinem Talent der Einsicht sowohl als Popularität zeugt,
mache ich mir ein Vergnügen, diese Schrift mit einigen
Betrachtungen, welche in diese Materie einschlagen, zu
begleiten.
15 In den Morgenstunden bedient sich der scharfsinnigo
Mendelssohn , um dem beschwerlichen Geschäfte der
Entscheidung des Streits der rMnen Vernunft mit
ihr selbst durch vollständige Kritik dieses ihres Ver-
mögens überhoben zu sein, zweier Kunststücke, deren
20 sich auch wolil sonst bequeme Richter zu bedienen
pflegen, nämlich, den Streit entweder gütlich bei-
zulegen oder ihn als für gar keinen Gerichtshof gehörig
abzuwei sen. |
[LIII) Die erste Maxime steht S. 214, erste Auflage: „Sie
25 wissen, wie sehr ich geneigt bin, alle Streitig-
keiten der philosophischen Schulen für blosse
Wortstreitigkeiten zu erklären, oder doch
wenigstens ursprünglich von Wortstreitig-
keiten herzuleiten"; und dieser Maxime bedient er
30 sich fast durch alle polemischen Artikel des ganzen Werks.
Ich bin hingegen einer ganz entgegengesetzten Meinung
und behaupte, dass in den Dingen, worüber man vor-
nehmlich in der Philosophie eine geraume Zeit hin-
durch gestritten hat niemals eine Wortstreitigkeit zum
35 Grunde gelegen habe sondern immer eine wahrhafte
Streitigkeit über Sachen. Denn obgleich in jeder Sitracho
einige Worte in mehrerer und verschiedener Bedeutung
gebraucht werden, so kann es doch gar nicht lange
währen, bis die, so sich im Gebrauche desselben an-
40 fangs veruneinigt haben, den Missverstand bemerken
und sich an deren Statt anderer bedienen; dass bö
[LIV] al|80 am Ende ebenso wenig wahre Homonyma als
der Mendelssohn 'sehen Morgenstunden 129
Synonyma giebt. So suchte Mendelssohn den alten
Streit über Freiheit und Naturnothwendigkeit
in Bestimmungen des Willens (Berl. Monatsschr. Juli
1783) auf blossen Wertstreit zurückzuführen, weil das
Wort „Müssen" in zweierlei verschiedener Bedeutung 5
(theils bloss objektiver, theils subjektiver) gebraucht
wird; aber es ist (um mit Hume'u zu reden), als ob er
den Durchbruch des Oceans mit einem Strohwisch
stopfen wollte. Denn schon längst haben Philosophen
diesen leicht missbrauchten Ausdruck verlassen und 10
die Streitfrage auf die Formel gebracht, die jene all-
gemeiner ausdrückt: ob die Begebenheiten in der Welt
(worunter auch unsere willkürlichen Handlungen ge-
hören) in der Reihe der vorhergehenden wirkenden Ur-
sachen bestimmt seien oder nicht; und da ist es offen- 15
bar nicht mehr Wortstreit, sondern ein wichtiger, durch
dogmatische Metaphysik niemals zu | entscheidender [LV]
Streit. Dieses Kunststücks bedient sich der subtile
Mann nun fast allenthalben in seinen Morgenstunden,
wo es mit der Auflösung der Schwierigkeiten nicht recht fort 20
will; es ist aber zu besorgen: dass, indem er künstelt
allenthalben Logomachie zu ergrübein, er selbst
dagegen in Logodädalie verfalle, über welche der
Philosophie nichts Nachtheiligeres widerfahren kann.
Die zweite Maxime geht darauf hinaus, die Nach- 25
forschung der reinen Vernunft auf einer gewissen Stufe
(die lauge noch nicht die höchste ist) dem Scheine nach
gesetzmässig zu hemmen und dem Frager kurz und gut
den Mund zu stopfen. In den Morgenstunden S. 116. heisst
es : „Wenn ich Euch sage, was ein Ding wirkt oder leidet, 30
so fragt nicht weiter, was es ist. Wenn ich Euch sage,
was Dir Euch von einem Dinge für einen Begriff zu machen
habt, so hat die fernere Frage : was dieses Ding an sich selbst
sei? weiter keinen ] Verstand" etc. Wenn ich aber doch (wie in [LVI]
den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften 3 5
gezeigt worden) einsehe, dass wir von der körperlichen Natur
nichts Anders erkennen als den Eaum (der noch gar
nichts Existirendes , sondern bloss die Bedingung zu
Oertern ausserhalb einander, mithin zu blossen äusseren
Verhältnissen ist), das Ding im Eaume ausser dem, dass ^0
auch Raum in ihm (d.i. es selbst ausgedehnt) ist, keine
andere Wirkung als Bewegung (Veränderung des Orts,
Kant, kl. Schriften z Ethik ir. 9
1 30 Bermerkungen zu Jakob's Prüfung
mithin blosser Verhältnisse), folglich keine andere Kraft
oder leidende Eigenschaft als bewegende Kraft und Be-
weglichkeit (Veränderung äusserer Verhältnisse) zu er-
kennen giebt; so mag mir Mendelssohn oder jeder
5 Andere an seiner Stelle doch sagen, ob ich glauben könne,
ein Ding nach dem, was es ist, zu erkennen, wenn ich
weiter nichts von ihm weiss, als dass es etwas sei, das
[LVII] in äusseren Verhältnissen ist, in welchem selbst | äussere
Verhältnisse sind, dass jene an ihm und durch dasselbe
10 an anderen verändert werden können, so dass der Grund
dazu (bewegende Kraft) in denselben liegt; mit einem
Worte, ob — Ja ich nichts als Beziehungen von Etwas
kenne auf etwas Anderes, davon ich gleichfalls nur
äussere Beziehungen wissen kann, ohne dass mir irgend
15 etwas Inneres gegeben ist oder gegeben werden kann — ob
ich da sagen könne: ich habe einen Begriff vom Dinge
an sich, und ob nicht die Frage ganz rechtmässig sei:
was denn das Ding, das in allen diesen Verliältnissen
das Subjekt ist, an sich selbst sei? Eben dieses lässt
20 sich auch gar wohl an dem Erfahrungsbegriff unserer
Seele darthun, dass er blosse Erscheinungen des inneren
Sinnes enthalte, und noch nicht den bestimmten Bogriff
des Subjektes selbst; allein es würde mich hier in zu
grosse Weitläufigkeit führen. |
[LVIII] Freilich, wenn wir Wirkungen eines Dinges kennten,
die in der That Eigen schafton eines Dinges an sich selbst
sein können, so dürfen wir nicht ferner fragen, was das
Ding nocli ausser diesen Eigenschaften an sich sei; denn
es ist alsdann gerade das, was durch jene Eigenschaften
30 gegeben ist. Nun wird man fordern, ich solle doch der-
gleichen Eigenschaften und wirkende Kräfte angeben,
damit man sie und durch sie Dinge an sich von blossen
Erscheinungen unterscheiden könne. Ich antworte: dieses
ist sclion längst und zwar von Euch selbst geschehen.
35 Besinnt Euch nur, wie Ihr den Begriff von Gk)tt, als
höchster Intelligenz , zu Stande bringt. Ihr denkt Euch
in ihm lauter wahre Realität, d. i. etwas, das nicht bloss
(wie man gemeiniglich dafür hält) den Negationen ent-
gegengesetzt wird, sondern auch und vornehmlich den
40 Realitäten in der Erscheinung (realitas rhaenomenon),
[LIXj der I gleichen alle sind, die uns durch Sinne gegeben
werden müssen und eben darum realitas apparens (wie-
der Meudelssoka'scheu Morgenstunden 131
wohl nicht mit einem ganz schicklichen Ausdrucke) ge-
nannt werden. Nun vermindert alle diese Realitäten
(Verstand, Wille, Seligkeit, Macht etc.) dem (irade nach,
so bleiben sie doch der Art (Qualität) nach immer die-
selben, so habt Ihr Eigenschaften der Dinge an sich t
selbst, die Ihr auch auf andere Dinge ausser Gott an-
wenden könnt. Keine anderen könnt Ihr Euch denken,
und alles Uebrige ist nur Realität in der Erscheinung
(Eigenschaft eines Dinges als Gegenstandes der Sinne),
wodurch Ihr niemals ein Ding denkt, wie es an sich selbst 10
ist. Es scheint zwar befremdlich, dass wir unsere Begriffe
von Dingen an sich selbst nur dadurch gehörig bestimmen
können, dass wir alle Realität zuerst auf den Begriff von Gott
reduziren und so, wie er darin stattfindet, allererst aucii auf
andere Dinge als Dinge an sich anwenden sollen. Allein jenes j ] l
ist lediglich das Scheidungsmittel alles Sinnlichen und [LX]
der Erscheinung von dem, was durch den Verstand, als
zu Sachen an sich selbst gehörig, betrachtet werden kann.
— Also kann nach allen Kenntnissen, die wir immer
nur durch Ei fahrung von Sachen haben mögen, die Frage: 20
was denn ihre Objekte als Dinge an sich selbst sein
mögen? ganz und gar nicht für sinnleer gehalten werden.
Die Sachen der Metaphysik stehen jetzt auf einem
solchen Fusse, die Akten zur Entscheidung ihrer Streitig-
keiten liegen beinahe schon zum Spruche fertig, so dass 25
es nur noch ein wenig Geduld und Unparteilichkeit im
ürtheile bedarf, um es vielleicht zu erleben, dass sie end-
lich einmal ins Reine werden gebracht werden.
Königsberg, den 4. August 1786.
I. KANT.
0*
Ueber das Misslingen
aller
philosophischen Versuche
in
der Theodicee
1791
Berlinische Monatsschrift Ton J. E. Biester , Berlin,
1791, Sept., p. 194-225. (Hartenstein ^VI S. 137-158.
»VI S. 75-93. Eosenkranz VII, 1, ß. 385— 408.)
Unter einer Theodicee versteht man die Vertheidigung[194]
der höchsten Weisheit des "Welturhebers gegen die An-
klage, welche die Vernunft aus dem | Zweckwidrigen in[195]
der Welt gegen jene erhebt. — Man nennt dieses, die
Sache Gottes verfechten; ob es gleich im Grunde nichts 5
mehr als die Sache unserer anmassenden, hiebei aber
ihre Schranken verkennenden Vernunft sein möchte, welche
zwar nicht eben die beste Sache ist, insofern aber doch
gebilligt werden kann, als (jenen Eigendünkel bei Seite
gesetzt) der Mensch als ein vernünftiges Wesen berechtigt 10
ist, alle Behauptungen, alle Lehre, welche ihm Achtung
auferlegt, zu prüfen, ehe er sich ihr unterwirft, damit
diese Achtung aufrichtig und nicht erheuchelt sei.
Zu dieser Eechtfertigung wird nun erfordert, dass der
vermeintliche Sachwalter Gottes entweder beweise: dass 15
das, was wir in dieser Welt als zweckwidrig beurtheilen,
es nicht sei; oder dass, wenn es auch dergleichen wäre,
es doch gar nicht als Faktum, sondern als unvenneidliche
Folge aus der Natur der Dinge beurtheilt werden müsse ;
oder endlich, dass es wenigstens nicht als Faktum des 20
höchsten Urhebers aller Dinge, sondern bloss der Welt-
wesen, denen etwas zugerechnet werden kann, d. i. der
Menschen (allenfalls auch höherer, guter oder böser geistiger
Wesen) angesehen werden müsse.
Der Verfasser einer Theodicee willigt also ein, dass 25
dieser Kechtshandel vor dem Gerichtshofe der Vernunft
anhängig gemacht werde, und macht sich anheischig, den
angeklagten Theil als Sachjwalter durch förmliche Wider- [196]
legung aller Beschwerden des Gegners zu vertreten, darf
Letztern also während des Eechtsganges nicht durch 30
einen Machtspruch der UnStatthaftigkeit des Gerichtshofes
der menschlichen Vernunft (exceptionem fori) abweisen,
d. i. die Beschwerden nicht durch ein dem Gegner auf-
erlegtes Zugeständniss der höchsten Weisheit des Welt-
136 Ueber das Misslingen aller philosophischen
Urhebers, welches sofort alle Zweifel, die sich dagegen
regen möchten, auch ohne Untersuchung für grundlos
erklärt, abfertigen; sondern muss sich auf die Einwürfe
einlassen, und wenn sie dem Begriff der höchsten Weis-
5 heit*) keinesweges Abbruch thun, durch Beleuchtung
[197] und Tilg |ung derselben begreiflich machen. — Doch auf
Eines hat er nicht nöthig sich einzulassen: nämlich dass
er die höchste Weisheit Gottes aus dem, was die Er-
fahrung an dieser Welt lehrt, auch sogar beweise; denn
10 hiemit würde es ihm auch schlechterdings nicht gelingen,
weil Allwissenheit dazu erforderlich ist, um an einer
gegebnen Welt (wie sie sich in der Erfahrung zu
erkennen giebt) diejenige Vollkommenheit zu erkennen,
von der man mit Gewissheit sagen könne, es sei überall
15 keine grossere in der Schöpfung und Regierung derselben
möglich.
*) Obgleich der eigenthümliche Begriff einer Weisheit nur
die Eigenschaft eines Willens rorstellt, zum höchsten Gut, als
dem Endzweck aller Dinge, zusammenzustimmen, hingegen
Kunst nur das Vermögen im Gebrauch der tauglichsten Mittel
zu beliebigen Zwecken, so wird doch Kunst, wenn sie sich
als eine solche beweiset, welche Ideen adäquat ist, deren Mög-
lichkeit alle Einsicht der menschlichen Vernunft übersteigt
(z. B. wenn Mittel und Zwecke, wie in organischen Körpern, ein-
ander wechselseitig hervorbringen), als eine göttliche Kunst
nicht unrecht auch mit dem Namen der Weisheit belegt werden
können, doch, um die Begriffe nicht zu verwechseln, mit dem
Namen einer Kunstweisheit des Welturhebers zum Unter-
schiede von der moralischen Weisheit desselben. Die
Teleologie (auch durch sie die Physikotheologie) giebt reichliche
Beweise der erstem in der Erfahrung. Aber von ihr gilt kein
Schluss auf die moralische Weisheit des Welturhebers , weil
Naturgesetz und Sittengesetz ganz ungleichartige Prinzipien
erfordern, und der Beweis der letztern Weisheit gänzlich a priori
geführt , also schlechterdings nicht auf Erfahrung von dem , was
in der Welt vorgeht, gegründet werden muss. Da nun der
Begriff von Gott, der ftir die Religion tauglich sein soll (denn
zum Behuf der Naturerklärung, mithin in spekulativer Absicht,
brruchen wir Ihn nicht\ ein Begriff von ihm als einem moralischen
Wesen sein muss, da dieser Begriff, sowenig als er auf Erfahrung
gegründet, ebenso wenig aus bloss transsceiulentalen Begriffen
eines schlechthin nothwendigen Wesens, der gar für uns über-
schwenglich ist, herausgebracht werden kann: so leuchtet
genugsam ein, dass der Beweis des Daseins eines solchen Wesens
kein anderer als ein moralischor sein könne.
Versuche in der Theodicee 137
Das Zweckwidrige in der Welt aber, was der Weisheit
ihres Urhebers entgegengesetzt werden könnte, ist drei-
facher Art:
I. Das schlecht! hin Zweckwidrige, was weder als [198]
Zweck noch als Mittel von einer "Weisheit gebilligt und 5
begehrt werden kann.
II. Das bedingt Zweckwidrige, welches zwar nie als
Zweck, aber doch als Mittel mit der Weisheit eines
Willens zusammen besteht.
Das erste ist das moralische Zweckwidrige, als das 10
eigentliche Böse (die Sünde); das zweite das physische
Zweckwidrige, das Uebel (der Schmerz). — Nun giebt es
aber noch eine Zweckmässigkeit in dem Verhältniss der
Hebel zu dem moralischen Bösen, wenn das letztere ein-
mal da ist und nicht verhindert werden konnte oder 15
sollte: nämlich in Verbindung der Uebel und Schmerzen
(als Strafen) mit dem Bösen (als Verbrechen); und von
dieser Zweckmässigkeit in der Welt fragt es sich, ob
Jedem in der W^elt hierin sein Kecht widerfährt. Folglich
muss auch noch eine 20
mte Art des Zweckwidrigen in der Welt gedacht
werden können, nämlich das Missverhältniss der Ver-
brechen und Strafen in der Welt.
Die Eigenschaften der höchsten Weisheit des Welt-
urhebers, wogegen jene Zweckwidrigkeiten als Einwürfe 25
auftreten, sind also auch drei:
Erstlich die Heiligkeit desselben als Gesetzgebers
(Schöpfers), im Gegensatze mit dem moralisch Bösen in
der Welt.
Zweitens die Gtitigkeit desselben als Kegierers 30
(Erhalters), im Kontraste mit den zahl | losen Uebeln und [199]
Schmerzen der vernünftigen Weltwesen.
Drittens die Gerechtigkeit desselben als Eichters,
in Vergleichuiig mit dem Uebelstande, den das Miss-
verhältniss zwischen der Straflosigkeit der Lasterhaften 35
und ihren Verbrechen in der Welt zu zeigen scheint.*) |
*l Diese drei Eigenschaften zusammen, deren eine sich keines-
wegs auf die andere, wie etwa die Gerechtigkeit auf Güte, und
10 das Ganze auf eine kleinere Zahl, zurückführen lässt, machen
den moralischen Begriff von Gott aus. Es lässt sich auch die
Ordnung derselben nicht verändern (wie etwa die Gütigkeit zur
obertten Bedingung der Weltschöpfung machen , der die Heilig-
138 lieber das Misslingen aller philosophischen
[200] Es wird also gegen jene drei Klagen die Verant-
wortung auf die oben erwähnte dreifach verschiedene
Art vorgestellt und ihrer Gültigkeit nach geprüft werden
müssen.
5 I. Wider die Beschwerde gegen die Heiligkeit des
[201] göttlichen Willens aus dem Moralischhösen , | welches die
Welt, sein Werk, verunstaltet, besteht die erste Recht-
fertigung darin:
a) Dass es ein solches schlechterdings Zweckwidriges,
keit der Gesetzgebung untergeordnet sei) , ohne der Religion
Abbruch zu thun, welcher eben dieser moralische Be^flF zum
Grunde liegt. Unsere eigene reine (und zwar praktische) Ver-
nunft bestimmt diese Rangordnung, indem, wenn sogar die
Gesetzgebung sich nach der Güte bequemt, es keine Würde der-
selben und keinen festen BegriflF von Pflichten mehr giebt. Der
Mensch wünscht zwar zuerst glücklich zu sein; sieht aber doch
ein und bescheidet sich (obzwar ungern) , dass die Würdigkeit
glücklich zu sein, d. i. die üebereinstimmung des Gebrauchs
seiner Freiheit mit dem heiligen Gesetze , in dem Rathschluss
des Urhebers die Bedingung seiner Gütigkeit sein und also noth-
wendig vorhergehen müsse. Denn der Wunsch, welcher den
subjektiven Zweck (der Selbstliebe) zum Grunde hat, kann nicht
den objektiven Zweck (der Weisheit) , den das Gesetz vor-
schreibt, bestimmen, welches dem Willen unbedingt die Regel
giebt. — Auch ist die Strafe in der Ausübung der Gerechtigkeit
keineswegs als blosses Mittel, sondern als Zweck in der gesetz-
gebenden Weisheit gegründet; die Uebertretung wird mit Uebeln
verbunden, nicht damit ein anderes Gute herauskomme, sondern
weil diese Verbindung an sich selbst , d. i. moralisch und noth-
wendig, gut ist. Die Gerechtigkeit setzt zwar Güte des Gesetzgebers
voraus (denn wenn sein Wille nicht auf dag Wohl seiner Unter-
thanen ginge, so würde dieser sie auch nicht verpflichten können,
ihm zu gehorchen); aber sie ist nicht Güte, sondern als Gerechtig-
keit von dieser wesentlich unterschieden, obgleich im allgemeinen
Begriffe der Weisheit enthalten. Daher geht auch die Klage
über den Mangel einer Gerechtigkeit, die sich im Loose, welches
den Menschen hier in der Welt zu Theil wird, zeige, nicht
darauf, dass es den Guten hier nicht wohl, sondern dass es
den Bösen nicht übel geht (obzwar, wenn das Erstere zu dem
Letzteren hinzukommt , der Kontrast diesen Anstoss noch ver-
grössert). Denn in einer göttlichen Regierung kann auch der
beste Mensch seineu Wunsch zum Wohlergehen nicht auf die
göttliche Gerechtigkeit, sondern muss ihn jederzeit auf seine
Güte gründen; weil der, welcher bloss seine Schuldigkeit tbut,
keinen Rechtsanspruch auf das Woblthun Gottes haben kann.
Versuche in der Theodicee 139
als wofür wir die üebertretung der reinen Gesetze unserer
Vernunft nehmen, gar nicht gebe, sondern dass es nur
Verstösse wider die menschliche Weisheit seien; dass die
göttliche sie nach ganz andern uns unbegreiflichen Eegeln
beurtheile, wo, was wir zwar beziehungsweise auf unsere 5
praktische Vernunft und deren B-^stimraung mit Eecht
verwerflich finden, doch in Verhältniss auf göttliche
Zwecke und die höchste Weisheit vielleicht gerade das
schicklichste Mittel sowohl für unser besonderes Wohl
als das Weltbeste überhaupt sein mag; dass die Wege 10
des Höchsten nicht unsere Wege seien (sunt Supet'is stui
jura) , und wir darin irren, wenn, was nur relativ für
Menschen in diesem Leben Gesetz ist, wir für schlecht-
hin als ein solches beurtheilen und so das, was unsrer
Uetrachtung der Dinge aus so niedrigem Standpunkte als 15
zweckwidrig erscheint, dafür auch, aus dem höchsten
Standpunkte betrachtet, halten. — Diese Apologie, in
welcher die Verantwortung ärger ist als die Beschwerde,
bedarf keiner Widerlegung und kann sicher der Verab-
scheuung jedes Menschen, der das mindeste Gefühl für 20
Sittlichkeit hat, frei überlassen werden.
b) Die zweite vorgebliche Eechtfertigung würde zwar
die Wirklichkeit des Moralischbösen in der | Welt ein- [202]
räumen, den Welturheber aber damit entschuldigen, dass
es nicht zu verhindern möglich gewesen; weil es sich 25
auf den Schranken der Natur der Menschen, als endlicher
Wesen, gründe. — Aber dadurch würde jenes Böse selbst
gerechtfertigt werden; und man müsste, da es nicht als
die Schuld der Menschen ihnen zugerechnet werden kann,
aufhören, es ein moralisches Böse zu nennen. 30
c) Die dritte Beantwortung: dass, gesetzt auch, es
ruhe wirklich mit dem, was wir moralisch böse nennen,
eine Schuld auf den Menschen, doch Gott keine bei-
gemessen werden müsse, weil er jenes als That der.
Menschen aus weisen Ursachen bloss zugelassen, keines- 35
weges aber für sich gebilligt und gewollt oder veranstaltet
hat, — läuft (wenn man auch an dem Begriffe des
blossen Zulassens eines Wesens, welches ganz und
alleiniger Urheber der Welt ist, keinen Anstoss nehmen
will) doch mit der vorigen Apologie (b) auf einerlei Folge 40
hinaus: nämlich dass, da es selbst Gott unmöglich war,
dieses Böse zu verhindern, ohne anderweitigen hohem und
HO Ueber das Missliiigen aller philosopliischen
selbst moralischen Zwecken Abbruch zu thun, der Grund
dieses Uebels (denn so müsste man es eigentlich nun
nennen) unvermeidlich in dem "Wesen der Dinge, nämlich
den nothwendigen Schranken der Menschheit als endlicher
5 Natur, zu suchen sein müsse, mithin ihr auch nicht zu-
gerechnet werden könne. |
203) II. Auf die Beschwerde, die wider die göttliche Gütig-
keit aus den Uebeln, nämlich Schmerzen, in dieser Welt
erhoben wird, besteht nun die Rechtfertigung derselben
10 gleichfalls
a) darin: dass in den Schicksalen der Menschen ein
Uebergewicht des Uebels über den angenehmen Genuss
des Lebens fälschlich angenommen werde, weil doch ein
Jeder, so schlimm es ihm auch ergeht, lieber leben als
15 todt sein will, und diejenigen "Wenigen, die das Letztere
beschliessen, so lange sie es selbst aufschoben, selbst da-
durch noch immer jenes Uebergewicht eingestehen, und
wenn sie zum Letztern thöricht genug sind, auch als-
dann bloss in den Zustand der Nichtempfindung tiber-
20 gehen, in welchem ebenf^xUs kein Schmerz gefühlt werden
könne. — Allein man kann die Beantwortung dieser
Sophisterei sicher dem Ausspruche eines jeden Menschen
von gesundem Verstände, der lange genug gelebt und
über den Werth des Lebens nachgedacht hat, um hierüber
25 ein Urtheil fällen zu können, überlassen, wenn man ihn fragt:
ob er wohl , ich will nicht sagen auf dieselben , sondern
auf jede anderen ihm beliebigen Bedingungen (nur nicht
etwa einer Feen-, sondern dieser unserer Erdenwelt) das
Spiel des Lebens noch einmal durchzuspielen Lust hätte.
30 b) Auf die zweite Rechtfertigung: dass nämlich das
Uebergewicht der schmerzhaften Gefühle über die an-
[204] genehmen von der Natur eines thierischen | Geschöpfes,
wie der Mensch ist, nicht könne getrennt werden, (wie
etwa Graf Veri in dem Buche über die Natur des Ver-
35 gnügens behauptet) — würde man erwidern: dass, wenn
dem also ist, sich eine andre Frage einfinde, woher näm-
lich der Urheber unsers Daseins uns überhaupt ins
Leben gerufen , wenn es nach unserm richtigen Uebor-
schlage für uns nicht wünschenswcrth ist. Der Unmuth
40 würde hier, wie jene indianische Frau dem Dschingiskhan,
der ihr wegen erlittener Gewaltthätigkeit keine Genug-
thuung, noch wegen der künftigen Sicherheit verschaffen
Versuche in der Theodicee 141
konnte, antworten: „Wenn Du uns nicht schützen willst,
warum eroberst Du uns denn?"
c) Die dritte Auflösung dieses Knotens soll diese sein:
dass uns Gott um einer künftigen Glückseligkeit willen,
also doch aus Güte, in die AVeit gesetzt habe, dass aber 5
vor jener zu hoffenden überschwenglich grossen Seligkeit
durchaus ein mühe- und trübsalvoller Zustand des gegen-
wärtigen Lebens vorhergehen müsse, wo wir eben durch
den Kampf mit Widerwärtigkeiten jener künftigen Herr-
lichkeit würdig werden sollten. — Allein, dass diese 10
Prüfungszeit (der die Meisten unterliegen, und in welcher
auch der Beste seines Lebens nicht froh wird) vor der
höchsten Weisheit durchaus die Bedingung der dereinst
zu geniessenden Freuden sein müsse, und dass es nicht
thunlich gewesen, das Geschöpf mit jeder Epoche- 1 seines [205]
Lebens zufrieden werden zu lassen, kann zwar vorgegeben,
aber schlechterdings nicht eingesehen werden, und man
kann also freilich diesen Knoten durch Berufung auf die
höchste Weisheit, die es so gewollt hat, abhauen, aber
nicht auflösen; welches doch die Theodicee verrichten zu 20
können sich anheischig macht.
III. Auf die letzte Anklage, nämlich wider die Ge-
rechtigkeit des Weltrichters*) wird geantwortet:
a) Dass das Vorgeben von der Straflosigkeit der
Lasterhaften in der Welt keinen Grund habe; weil jedes 25
Verbrechen, seiner Natur gemäss, schon hier die ihm an-
gemessene Strafe bei sich führe, indem die innem Vor-
würfe des Gewissens den Lasterhaften ärger noch als
Fuiien plagen. — | Allein in diesem ürtheile liegt offenbar [206]
ein Missverstand. Denn der tugendhafte Mann leiht hiebei 30
*) Es ist merkwürdig, dass unter allen Schwierigkeiten , den
Lauf der Weltbegebenheiten mit der Göttlichkeit ihres Urhebers
zu vereinigen, keine sich dem Gemüth so heftig aufdringt, als
die von dem Anschein einer darin mangelnden Gerechtig-
keit. Trägt es sich zu (ob es zwar selten geschieht), dass ein
ungerechter, vornehmlich Gewalt habender Bösewicht nicht un-
gestraft aus der Welt entwischt, so frohlockt der mit dem
Himmel gleichsam versöhnte, sonst parteilose Zuschauer. Keine
Zweckmässigkeit der Natur wird ihn durch Bewunderung der-
selben so in Affekt setzen und die Hand Gottes j/leichsam daran
vernehmen lassen. Warum? Sie ist hier moralisch, und einzig
von der Art, die mau in der Weit eiuigermassen wahrzunehmen
hoffen kann.
142 lieber das Misslingen aller philosophischen
dem Lasterhaften seinen Gemüthscharakter, nämlich die
Gewissenhaftigkeit in ihrer ganzen Strenge, welche, je
tugendhafter der Mensch ist, ihn desto härter wegen der
geringsten Uebereilung, welche das sittliche Gesetz in
5 ihm missbilligt, bestraft. Allein wo diese Denkungsart
und mit ihr die Gewissenhaftigkeit gar fehlt, da fehlt
auch der Peiniger für begangene Verbrechen; und der
Lasterhafte, wenn er nur den äussern Züchtigungen
wegen seiner' Frevelthaten .entschlüpfen kann, lacht
10 über die Aengstlichkeit der Redlichen, sich mit selbst-
eigenen Verweisen innerlich zu plagen ; die kleinen
Vorwürfe aber, die er sich bisweilen machen mag, macht
er sich entweder gar nicht durchs Gewissen, oder, hat er
davon noch etwas in sich, so werden sie durch das
15 Sinnenvergnügen, als w^oran er allein Geschmack findet,
reichlich aufgewogen und vergütet. — — Wenn jene
Anklage ferner
b. dadurch widerlegt werden soll: dass zwar nicht
zu leugnen sei, es finde sich schlechterdings kein der
20 Gerechtigkeit gemässes Verhältuiss zwischen Schuld
und Strafen in der Welt, und man müsse im Laufe
derselben oft ein mit schreiender Ungerechtigkeit ge-
führtes und gleichwohl bis ans Ende glückliches Leben
mit Unwillen wahrnehmen: dass dieses aber in der Natur
25 liegende und nicht absichtlich veranstaltete, mithin nicht |
[207] moralische Misshelligkeit sei, weil es eine Eigenschaft
der Tugend sei, mit Widerwärtigkeiten zu ringen (wozu
der Schmerz, den der Tugendhafte durch die Vergleichung
seines eigenen Unglücks mit dem Glück des Lasterhaften
30 leiden muss , mitgehört), und die Leiden den Weith der
Tugend zu erheben dienen, mithin vor der Vernunft diese
Dissonanz der unverschuldeten Uobel des Lebens doch in
den herrlichsten sittlichen Wohllaut aufgelöst werde; —
so steht dieser Auflösung entgegen : dass, obgleich diese
36 Uebel, wenn sie als Wetzstein der Tugend vor ihr
vorhergehen oder sie begleiten, zwar mit ihr als in
moralischer Uebereinstimmung stehend vorgestellt werden
können, wenn wenigstens das P^nde des Lebens noch die
letztere krönt und das Laster bestraft; dass aber, wenn
40 selbst dieses Ende, wie doch die Erfahrung davon viele
Beispiele giebt, widersinnig ausfallt, dann das Leiden dem
Tugendhaften, nicht damit seine Tugend rein sei, sondern
Versuche in der Theodicee 143
weil sie es gewesen ist (dagegen aber den Regeln der
klugen Selbstliebe zuwider war), zugefallen zu sein scheine:
welches gerade das Gegentheil der Gerechtigkeit ist, wie
sich der Mensch einen Begriff von ihr machen kann.
Denn was die Möglichkeit betrifft: dass das Ende 5
dieses Erdenlebens doch vielleicht nicht das Ende
alles Lebens sein möge, so kann diese Möglichkeit nicht
für Rechtfertigung der Vorsehung gelten, sondern
ist bloss I ein Machtspruch der moralisch-gläubigen Ver- [208]
nunft, wodurch der Zweifelnde zur Geduld verwiesen, aber 10
nicht befriedigt wird.
c. Wenn endlich die dritte Auflösung dieses un-
harmonischen Verhältnisses zwischen dem moralischen
Werth der Menschen und dem Loose, das ihnen zu Theil
wird, dadurch versucht werden will, dass man sagt: in 15
dieser Welt müsse alles Wohl oder Uebel bloss als Erfolg
aus dem Gebrauche der Vermögen der Menschen nach
Gesetzen der Natur proportionirt ihrer angewandten Ge-
schicklichkeit und Klugheit, zugleich auch den Umständen,
darein sie zufälligerweise gerathen, nicht aber nach ihrer 20
Zusaramenstimmung zu übersinnlichen Zwecken be-
urtheilt werden; in einer künftigen Welt dagegen werde
sich eine andere Ordnung der Dinge hervorthun und Jedem
zu Theil werden, wessen seine Thaten hienieden nach
moralischer Beurtheilung werth sind; — so ist diese 25
Voraussetzung auch willkürlich. Vielmehr muss die
Vernunft, wenn sie nicht als moralisch gesetzgebendes
Vermögen diesem ihren Interesse gemäss einen Macht-
spruch thut, nach blossen Regeln des theoretischen Er-
kenntnisses es wahrscheinlich finden, dass der Lauf der 30
Welt nach der Ordnung der Natur, so wie hier, also auch
fernerhin unsere Schicksale bestimmen werde. Denn was
hat die Vernunft für ihre theoretische Vermuthung Anderes
zum Leitfaden, als das Naturgesetz ? und ob sie sich gleich,
wie ihr vorher | (No. b) zugemuthet worden, zur Geduld [209]
und Hoffnung eines künftig bessern verweisen Hesse, wie
kann sie erwarten, dass^ da der Lauf der Dinge nach der
Ordnung der Natur hier auch für sich selbst weise [unweise]
ist, er nach ebendemselben Gesetze in einer künftigen Welt
unweise [weise] sein würde? Da also, nach derselben, zwischen 40
den innem Bestimmungsgründen des Willens (nämlich der
moralischen Denkungsarf» nach Gesetzen der Freiheit, und
144 Ueber das Misslingen aller philosophischen
zwischen den i^grössteutheils äussern) von unserem
Willen unabhängigen Ursachen unseres Wohlergehens
nach Naturgesetzen gar Lein begreifliches Verhältniss ist,
so blp'bt die Vermuthung, dass die Uebereinstimmung
5 des Schicksals der Menschen mit einer göttlichen Ge-
rechtigkeit, n;ich den] eyiiöen, die wir uns von ihr machen,
so wenig dort, wie hier zu erwarten sei.
Der Ausgang dieses Kechtshandels vor dem Gerichts-
höfe der Philosophie ist nun : dass alle bisherige Theodicee
10 das nicht leiste, was sie verspricht, nämlich die mora-
lische Weisheit in der Weltregierung gegen die Zweifel,
die dagegen aus dem , was die Erfahrung an dieser
Welt zu erkennen giebt, gemacht werden, zu rechtfertigen;
obgleich freilich diese Zweifel als Einwürfe, so weit
15 unsre Einsicht in die Beschaffenheit unsrer Vernunft in
Ansehung der letztern reicht, auch das Gegentheil nicht
[210] beweisen können. Ob aber nicht noch etwa mit der | Zeit
tüchtigere Gründe der Kechtfertigung derselben erfunden
werden könnten, die angeklagte Weisheit nicht (wie bis-
20 her) bloss ab instantia zu absolviren, das bleibt dabei
doch noch immer unentschieden; wenn wir es nicht dahin
bringen, mit Gewissheit darzuthun: dass unsre Vernunft
zur Einsicht des Verhältnisses in welchem eine
Welt, so wie wir sie durch Erfahrung immer
25 kennen mögen, zu der höchsten Weisheit
stehe, schlechterdings unvermögend sei; denn alsdann
sind alle ferneren Versuche vermeintlicher menschlicher
Weisheit, die Wege der göttlichen einzusehen, völlig ab-
gewiesen. Dass also wenigstens eine negative Weisheit,
30 nämlich die Einsicht der nothwendigen Beschränkung
unsrer Anmassungen in Ansehung dessen, was uns zu
hoch ist, für uns erreichbar sei, das muss noch be-
wiesen werden, um diesen Prozess für immer zu endigen;
und dieses lässt sich gar wohl thun.
35 Wir haben nämlich von einer Kunstweisheit in
der Einrichtung dieser Welt einen Begriff, dem es für
unser spekulatives Vernunftvermögen nicht an objektiver
Realität mangelt, um zu einer Phvbikotheologie zu ge-
langen. Ebenso haben wir auch einen lie^'rifF von einer
40 moralischen Weisheit, die in eine Welt überhaupt
durch einen vollkommensten Urheber gelegt werden könnte.
Versuche in der Theodicee 145
an der sittlichen Idee unserer eigenen praktischen Ver-
nunft. — Aber von der Einheit in der Z ujsaramen- [211]
Stimmung jener Kunstweisheit mit der moralischen
Weisheit in einer Sinnenwelt haben wir keinen Begriff,
und können auch zu demselben nie zu gelangen hoffen. 5
Denn ein Geschöpf zu sein und als Naturwesen bloss dem
Willen seines Urhebers zu folgen, dennoch aber als frei-
handelndes Wesen (welches seinen vom äussern Einfluss
unabhängigen Willen hat, der dem erstem vielfältig zu-
wider sein kann) der Zurechnung fähig zu sein, und 10
seine eigene That doch auch zugleich als die Wirkung
eines höhern Wesens anzusehen: ist eine Vereinbarung
von Begriffen, die wir zwar in der Idee einer Welt, als
des höchsten Gutes, zusammen denken müssen, die aber
nur der einsehen kann, welcher bis zur Kenntniss der 15
übersinnlichen (intelligiblen) Welt durchdringt und die
Art einsieht, wie sie der Sinnenwelt zum Grunde liegt;
auf welche Einsicht allein der Beweis der moralischen
Weisheit des Welturhebers in der letztern gegründet werden
kann, da diese doch nur die Erscheinung jener erstem 20
Welt darbietet, — eine Einsicht, zu der kein Sterblicher
gelangen kann.
Alle Theodicee soll eigentlich Auslegung der Natur
sein , sofern Gott durch dieselbe die Absicht seines
AVillens kund macht. Nun ist jede Auslegung des 25
deklarirten Willens einesGesetz'gebers entweder doktrinal [212]
oder authentisch. Die erste ist diejenige, welche jenen
Willen aus den Ausdrücken, deren sich dieser bedient hat, in
Verbindung mit den sonst bekannten Absichten des Ge-
gesetzgebers herausvernünftelt; die zweite macht der 30
Gesetzgeber selbst.
Die Welt als ein Werk Gottes kann von uns auch
als eine göttliche Bekanntmachung der Absichten '
seines Willens betrachtet werden. Allein hierin ist sie
für uns oft ein verschlossenes Buch; jederzeit aber 35
ist sie dies, wenn es darauf angesehen ist, sogar die
Endabsicht Gottes (welche jederzeit moralisch ist)
aus ihr, obgleich einem Gegenstande der Erfahrung,
abzunehmen. Die philosophischen Versuche dieser Art
Auslegung sind doktrinal und machen die eigentliche 40
Theodicee aus , die man daher die doktrinale nennen
Kant, kl. Schriften z. Ethik, ir. 10
146 Ueber das Misslingen aller philosophischen
kann. — Doch l<ann man auch der blossen Abfertigung
aller Einwürfe wider die göttliche Weisheit den Namen
einer Theodicee nicht versagen, wenn sie ein gött-
licher Machtspruch, oder (welches in diesem Falle
5 auf Eins hinausläuft) wenn sie ein Ausspruch derselben
Vernunft ist, wodurch wir uns den Begriff von Gott
als einem moralischen und weisen Wesen nothwendig
und vor aller Erfahrung machen. Denn da wird Gott
durch unsre Vernunft selbst, der Ausleger seines durch
10 die Schöpfung verkündigten Willens; und diese Auslegung]
[213] können wir eine authentische Theodicee nennen. Das
ist aber alsdann nicht Auslegung einer vernünfteln-
den (spekulativen), sondern einer machthabenden
praktischen Vernunft, die, sowie sie ohne weitere Gründe
15 im Gesetzgeben schlechthin gebietend ist, als die un-
mittelbare Erklärung und Stimme Gottes angesehen
werden kann , durch die er dem Bachstaben seiner
Schöpfung einen Sinn giebt. Eine solche authentische
Interpretation finde ich nun in einem alten heiligen Buche
20 allegorisch ausgedrückt.
Hiob wird als ein Mann vorgestellt, zu dessen Lebens-
genuss sich Alles vereinigt hatte, was man, um ihn voll-
kommen zu machen, nur immer ausdenken mag. Gesund,
wohlhabend, frei, ein Gebieter über Andre, di^ er glück-
25 lieh machen kann, im Schoosse einer glücklichen Familie,
unter geliebten Freunden; und über das Alles (was das
Vornehmste ist) mit sich selbst zufrieden in einem guten
Gewissen. Alle diese Güter, das letzte ausgenommen,
entriss ihm plötzlich ein schweres über ihn zur Prüfung
30 verhängtes Schicksal. Von der Betäubung über diesen
unerwarteten Umsturz allmählich zum Besinnen gelangt,
bricht er nun in Klagen über seinen Unstern aus; worüber
zwischen ihm und seinen vorgeblich sich zum Trösten
einfindenden Freunden es bald zu einer Disputation
35 kömmt, worin beide Theile, jeder nach seiner Denkungs-|
[214] art (vornehmlich aber nach seiner Lage), seine besondere
Theodicee zur moralischen Erklärung jenes schlimmen
Schicksals aufstellt. Die Freunde Hiobs bekennen sich
zu dem System der Erklärung aller Uebel in der Welt
40 aus der göttlichen Gerechtigkeit, als so vieler Strafen
für begangene Verbrechen; und ob sie zwar keine zu
nennen wussten, die dem unglücklichen Manne zu Schulden
Versuche in der Theodicee 147
kommen sollten, so glaubten sie doch a priori urtheilen
zu können, er müsste deren auf sich ruhen haben, weil
es sonst nach der göttlichen Gerechtigkeit nicht möglich
wäre, dass er unglücklich sei. Hiob dagegen, — der mit
Entrüstung betheuert, dass ihm sein Gewissen^ seines 5
ganzen Lebens halber keinen Vorwurf mache, was aber
menschliche unvermeidliche Fehler betrifft, Gott selbst
wissen werde, dass er ihn als ein gebrechliches Geschöpf
gemacht habe, — erklärt sich für das System des un-
bedingten göttlichen ßathschlusses. „Er ist 10
einig," sagt er, „er macht's, wie er will."*)
In dem, was beide Theile vernünfteln, oder überver-
nünfteln, ist wenig Merkwürdiges, aber der Charakter,
in welchem sie es thun, verdient desto mehr Aufmerk-
samkeit. Hiob spricht, wie er denkt und wie ihm zu 15
Muthe ist, auch wohl jedem Menschen in seiner Lage|
zu Muthe sein würde; seine Freunde sprechen dagegen, [215]
wie wenn sie ingeheim von dem Mäch tigern, über dessen
Sache sie Eecht sprechen, und bei dem sich durch ihr
Crtheil in Gunst zu setzen ihnen mehr am Herzen liegt 20
als an der Wahrheit, behorcht würden. Diese ihre Tücke,
Dinge zum Schein zu behaupten, von denen sie doch ge-
stehen mussten, dass sie sie nicht einsahen, und eine
Ueberzeugung zu heucheln, die sie in der That nicht
hatten, sticht gegen Hiobs gerade Freimüthigkeit , die 25
sich so weit von falscher Schmeichelei entfernt, dass sie
fast an Vermessenheit grenzt, sehr zum Vortheil des
Letztem ab. ,, Wollt Ihr," sagt er,**) „Gott vertheidigen
mit Unrecht? Wollt Ihr seine Person ansehen? Wollt
Ihr Gott vertreten? Er wird Euch strafen, wenn Ihr 30
Personen anseht heimlich! — Es kommt kein Heuchler
vor Ihm."
Das Letztere bestätigt der Ausgang der Geschichte
\virklich. Denn Gott würdigt Hiob, ihm die Weisheit •
seiner Schöpfung, vornehmlich von Seiten ihrer Unerforsch- 35
lichkeit, vor Augen zu stellen. Er lässt ihn Blicke auf
die schöne Seite der Schöpfung thun, wo dem Menschen
begreifliche Zwecke die Weisheit und gütige Vorsorge
des Welturhebers in ein unzweideutiges | Licht stellen; [216]
*) Hiob XXIII, 13.
••) Hiob XIII, 7 bis 11, 16.
10^
148 Uel)er das Mipslingcn aller philosopbisclien
dage?on aber auch anf die abschreclvendo, indem er ihm
Produkte seiner Macht und darunter auch schädliche
furclitbare Dinge hemennt, deren jedes für sich und seine
Species zwar zweckmassig eingerichtet, in Ansehung
f) anderer aber und selbst der Menschen zerstörend, zweck-
widrig und mit einem allgemeinen, durch Güte und
Weisheit angeordneten Plane nicht zusammenstimmend
zu sein scheint; wobei er aber doch die den weisen Welt-
urheber Terkündigende Anordnung und Erhaltung des
10 Ganzen beweist, obzwar zugleich seine für uns unerforsch-
lichen Wege selbst schon in der physischen Ordnung
der Dinge, wie vielmehr denn in der Verknüpfung der-
selben mit der moralischen (die unsrer Vernunft noch
undurchdringlicher ist) verborgen sein müssen. — Der
15 Schluss ist dieser: dass, indem Hieb gesteht, nicht etwa
frevelhaft, denn er ist sich seiner Redlichkeit bewusst.
sondern nur unweislich über Dinge abgesprochen zu
haben, die ihm zu hoch sind und die er nicht versteht,
Gott das Verdammungsurtheil wider seine Freunde fällt,
20 weil sie nicht so gut (der Gewissenhaftigkeit nach) von
Gott geredet hätten, als sein Knecht Hiob. Betrachtet
man nun die Theorie, die Jeder von beiden Seiten be-
hauptete, so möchte die seiner Freunde eher den Anschein
mehrerer spekulativen Vernunft und frommer Demuth bei
25 sich führen ; und Hiob würde wahrscheinlicherweise vor
[217] einem | jeden Gerichte dogmatischer Theologen, vor einer
Synode, einer Inquisition, einer ehrwürdigen Klassis oder
einem jeden Oberkonsistorium unserer Zeit (ein einziges
ausgenommen) ein schlimmes Schicksal erfahren haben.
30 Also nur die Aufrichtigkeit des Herzens, nicht der Vorzug
der Einsicht, die Redlichkeit seine Zweifel unverhohlen
zu gestehen, und der Abscheu Ueberzeugung zu heucheln,
wo man sie doch nicht fühlt, vornehmlich nicht vor Gott
(wo diese List ohnedas ungereimt ist): diese Eigenschaften
35 sind es, welche den Vorzug des redlichen Mannes in der
Person Hiobs vor dem reli^nönen Schmeichler im gött-
lichen Richterausspruch entschieden haben.
Der Glauben aber, der ihm durch eine so befremdliche
Auflösung seiner Zwoifel, nämlich bloss die Ueberführung
40 von seiner Unwissenheit, entsprang, konnte auch nur in
die Seele eines Mannes kommen, der mitten unter seinen
lebhaftesten Zweifeln sagen konnte, (XVII, 5,6): „Bis dass
I
Versuche in der Theodicee 149
mein Ende kömmt, will ich nicht weichen von meiner
Frömmigkeit" u. s. w. Denn mit dieser Gesinnung bewies
er, dass er nicht seine Moralität auf den Glauben, sondern
den Glauben aui' die Moralität gründete; in welchem
Falle dieser, so schwach er auch sein mag, doch allein 5
lauterer und ächter Art, d. i. von derjenigen Art ist,
welche eine Keligion, nicht der Gunstbewerbung, sondern
des guten Lebenswandels gründet |
Schlussanm erkling. [218]
Die Theodicee hat es, wie hier gezeigt worden, nicht 10
sowohl mit einer Aufgabe zum Vortheil der Wissenschaft,
als vielmehr mit einer Glaubenssache zu thun. Aus der
authentischen sahen wir, dass es in solchen Dingen nicht
so viel aufs Vernünfteln ankomme, als auf Aufrichtigkeit
in Bemerkung des Unvermögens unserer Vernunft, und 15
auf die Kedlichkeit, seine Gedanken nicht in der Aussage
zu verfälschen, geschehe dies auch in noch so frommer
Absicht, als es immer wolle. — Dieses veranlasst noch
folgende kurze Betrachtung über einen reichhaltigen Stoff,
nämlich über die Aufrichtigkeit als das Haupterforderniss 20
in Glaubenssachen, im Widerstreite mit dem Hange zur
Falschheit und Unlauterkeit, als dem Hauptgebrechen in
der menschlichen Natur.
Dass das, was Jemand sich selbst oder einem Andern
sagt, wahr sei, dafür kann er nicht jederzeit stehen 25
(denn er kann irren); dafür aber kann und muss er
stehen, dass sein Bekenntniss oder Geständniss wahr-
haft sei; denn dessen ist er sich unmittelbar bewusst.
Er vergleicht nämlich im erstem Falle seine Aussage
mit dem Objekt im logischen Urth^ile (durch den Ver- 30
stand); im zweiten Fall aber, da er sein Fürwahrhalten
bekennt, mit dem Subjekt (vor dem Gewissen). Thut er
das Bekenntniss in Ansehung des erstem, ohne sich des
letztern bewusst zu sein, so lügt er, weil er etwas | Anders [219]
vorgiebt, als wessen er sich bewusst ist. — Die Be- 35
merkung, dass es solche Unlauterkeit im menschlichen
Herzen gebe, ist nicht neu (denn Hieb hat sie schon ge-
macht); aber fast sollte man glauben, dass die Aufmerk-
samkeit auf dieselbe für Sitten- und Religionslehrer neu
150 lieber das Misslingen aller philosophischen
sei ; so wonig findet man, dass sie, ungeachtet der Schwierig-
keit, welche eine Läuterung der Gesinnungen der Menschen,
selbst wenn sie pflichtmässig handeln wollen, bei sich
führt, von jener Bemerkung genügsamen Gebrauch ge-
5 macht hätten. — Man kann diese Wahrhaftigkeit die
formale Gewissenhaftigkeit nennen; die materiale
besteht in der Behutsamkeit, nichts auf die Gefahr, dass
es unrecht sei, zu wagen; da hingegen jene in dem
Bewusstsein besteht, diese 'Behutsamkeit im gegebenen
lO Falle angewandt zu haben. — Moralisten reden von einem
irrenden Gewissen. Aber ein irrendes Gewissen ist ein
Unding; und gäbe es ein solches, so könnte man niemals
sicher sein, recht gehandelt zu haben, weil selbst der
Kichter in der letzten Instanz noch irren könnte. Ich
15 kann zwar in dem Urtheile irren, in welchem ich
glaube Recht zu haben; denn das gehört dem Verstände
zu, der allein (wahr oder falsch) objektiv urtheilt; aber
in dem Bewusstsein: ob ich in der That glaube
Recht zu haben (oder es bloss vorgebe), kann ich
20 schlechterdings nicht irren, weil dieses Urtheil oder viel-
mehr dieser Satz bloss sagt, dass ich den Gegenstand so
beurtheile. |
[220] In der Sorgfalt, sich dieses Glaubens (oder Nicht-
glaubens) bewusst zu werden und kein Fürwahrhalten
25 vorzugeben, dessen man sich nicht bewusst ist, besteht
nun eben die formale Gewissenhaftigkeit, welche der
Grund der Wahrhaftigkeit ist. Derjenige also, welcher
sich selbst (und, welches in den Religionsbekenntnissen
einerlei ist, vor Gott) sagt: er glaube, ohne vielleicht
30 auch nur einen Blick in sich selbst gethan zu haben, ob
er sich in der That dieses Fürwahrhaltens, oder auch
eines solchen Grades desselben bewusst sei;*) der lügt|
*) Das Krpressuugsmittol der WalirhafU^koit iu äussern Aus-
sagen, der Kid (tortura gpiritualis) , wird vor einem menschlicbou
Gerichtshöfe nicht bloss für erlaubt, sondern auch für unentbehr-
lich gehalten; ein trauriger Beweis von der geringen Achtung
der Menschen für die Wahrheit, selbst im Tempel der öfTont-
üchen Gerechtigkeit, wo die blosse Idee von ihr schon für sich
die grösste Achtung einflössen sollte! Aber die Menschen lügen
auch Ucborzeugung, die sie wenigstens nicht von der Art oder
in dem Grade haben, als sie vorgeben, selbst in ihrem inneni
Bekenntnisse; und da diese Unredlichkeit (weil sie nach und
Versuche in der Theodicee 151
nicht bloss die ungereimteste Lüge (vor einem Herzens- [221]
kündiger), sondern auch die frevelhafteste, weil sie den
Grund jedes tugendhaften Vorsatzes, die Aufrichtigkeit,
untergräbt. Wie bald solche blinde und äussere Be-
kenntnisse (welche sehr leicht mit einem ebenso un- 5
wahren Innern vereinbart werden), wenn sie Erwerb-
mittel abgeben, allmählich eine gewisse Falschheit in
die Denkungsart selbst des gejmeinen Wesens bringen
können, ist leicht abzusehen. — Während indess diese [222]
nach in wirkliche Ueberredung ausschlägt) auch äussere schäd-
liche Folgen haben kann, so kann jenes Erpressungsmittel der
Wahrhaftigkeit, der Eid (aber freilich nur ein innerer, d. i. der
Versuch, ob das Fürwahrhalten auch die Probe einer innern
eidlichen Abhörung des Bekenntnisses aushalte), dazu gleich-
falls sehr wohl gebraucht werden , die Vermessenheit dreister,
zuletzt auch wohl äusserlich gewaltsamer Behauptungen, wo nicht
abzuhalten , doch wenigstens stutzig zu machen. — Von einem
menschlichen Gerichtshofe wird dem Gewissen des Schwörenden
nichts weiter zugemuthet, als die Anheischigmachung : dass, wenn
es einen künftigen Weltrichter (mithin Gott und ein künftiges
Leben) giebt, er ihm für die Wahrheit seines äusseren Bekennt-
nisses verantwortlich sein wolle; dass es einen solchen
Weltrichter gebe, davon hat er nicht nöthig ihm ein
Bekenntniss abzufordern, weil, wenn die erstere Betheurung die
Lüge nicht abhalten kann, das zweite falsche Bekenntniss ebenso
wenig Bedenken erregen würde. Nach dieser innern Eidesdelation
würde man sich also selbst fragen: getrauest Du Dir wohl, bei
Allem , was Dir theuer und heilig ist, Dich für die Wahrheit
jenes wichtigen oder eines andern dafür gehaltenen Glaubens-
satzes zu verbürgen? Bei einer solchen Zurauthung wird das
Gewissen aufgeschreckt, durch die Gefahr, der man sich aus-
setzt, mehr vorzugeben, als man mit Gewissheit behaupten kann,
wo das Dafürhalten einen Gegenstand betrifift, der auf dem Wege
des Wissens (theoretischer Einsicht) gar nicht erreichbar ist,
dessen Annehmung aber dadurch, dass sie allein den Zusammen-
hang der höchsten praktischen Vernunftprinzipien mit denen der
theoretischen Naturkonntniss in einem System möglich (und
also die Vernunft mit sich selbst zusammenstimmend) macht,
über Alles empfehlbar, aber immer doch frei ist. — Noch mehr
aber müssen Glaubensbekenntnisse, deren Quelle historisch ist,
dieser Feuerprobe der Wahrhaftigkeit unterworfen werden, wenn
sie Andern gar als Vorschriften auferlegt werden ; weil hier die
Unlauterkeit und geheuchelte Ueberzeugung auf Mehrere ver-
breitet wird, und die Schuld davon Dem, der sich für Anderer
Gewissen gleichsam verbürgt (denn die Menschen sind mit ihrem
Gewissen gerne passiv), zur Last fällt.
152 Ueber das Missliügeu aller philosoj>hischeii
öfifontliche Läuterung der Denkungsart wahrscheinlicher-
weise auf entfernte Zeiten ausgesetzt bleibt, bis sie viel-
leicht einmal unter dem Schutze der Denkfreiheit ein
allgemeines Erziehungs- und Lehrprinzip werden wird,
5 mögen hier noch einige Zeilen auf die Betrachtung jener
Unart, welche in der menschlichen Natur tief gewurzelt
zu sein scheint, verwandt werden.
Es liegt etwas Rührendes und Seelenerhebendes in der
Aufstellung eines aufrichtigen-, von aller Falschheit und
10 positiven Verstellung entfernten Charakters; da doch die
Ehrlichkeit, eine blosse Einfalt und Geradheit der Denkungs-
art (vornehmlich wenn man ihr die Offenherzigkeit erlässt),
das Kleinste ist, was man zu einem guten Charakter nur
immer fordern kann, und daher nicht abzusehen ist,
15 worauf sich denn jene Bewunderung | gründe, die wir einem
[223] solchen Gegenstande widmen; es müsste denn sein, dass
die Aufrichtigkeit die Eigenschaft wäre, von der die
menschliche Natur gerade am weitesten entfernt ist. Eine
traurige Bemerkung! Indem eben durch jene alle übrigen
20 Eigenschaften, sofern sie auf Grundsätzen beruhen, allein
einen innern wahren Werth haben können. Ein con-
templativer Misanthrop (der keinem Menschen Böses
wünscht, wohl aber geneigt ist, von ihnen alles Böse zu
glauben), kann nur zweifelhaft sein, ob er die Menschen
26 hassens- oder ob er sie eher verachtungswürdig
finden solle. Die Eigenschaften, um derentwillen er sie
für die erste Begegnung qualifizirt zu sein urtheilen
würde, sind die, durch welche sie vorsätzlich schaden.
Diejenige Eigenschaft aber, welche sie ihm eher der
30 letztern Abwürdigung auszusetzen scheint, könnte keine
andere sein, als ein ll:ing, der an sich böse ist, ob er
gleich Niemanden schidet: ein Hang zu demjenigen, was
zu keiner Absicht als Mittel gebraucht werden soll; was
also objektiv zu nichts gut ist. Das erstere Böse wäre
35 wohl kein anderes, als das der Feindseligkeit
(gelinder gesagt, Lieblosigkeit); das zweite kann kein
anderes sein als Lügenhaftigkeit (Falschheit, selbst
ohne alle Absicht zu schaden). Die erste Neigung hat
eine Absicht, deren Gebrauch doch in gewissen andern
40 Beziehungen erlaubt und gut sein kann, z. B. die Feind-
seligkeit gegen unbesserliche Friedensstörer. Der zwcito|
[224] llang aber ist der zum Gebrauch eines Mittels (der
Versuche in der Theodicee 153
Lüge), das zu nichts gut ist, zu welcher Absicht es auch
sei, weil es an sich selbst böse und verwerflich ist. In
der Beschaffenheit des Menschen von der ersten Art ist
Bosheit, womit sich doch noch Tüchtigkeit zu guten
Zwecken in gewissen äussern Verhältnissen verbinden 5
lässt, und sie sündigt nur in den Mitteln, die doch auch
nicht in aller Absicht verwerflich sind. Das Böse von
der letztern Art ist Nichtswürdigkeit, wodurch dem
Menschen aller Charakter abgesprochen wird. — Ich
halte mich hier hauptsächlich an der tief im Verborgnen 10
liegenden Unlauterkeit, da der Mensch sogar die innern
Aussagen vor seinem eignen Gewissen zu verfälschen
weiss. Um desto weniger darf die äussere Betrugs-
neigung befremden; es müsste denn dieses sein, dass,
obzwar ein Jeder von der Falschheit der Münze belehrt 15
ist, mit der er Verkehr treibt, sie sich dennoch immer so
gut im Umlaufe erhalten kann.
In Herrn De Luc Briefen über die Gebirge, die
Geschichte der Erde und Menschen, erinnere ich mich
folgendes Eesultat seiner zum Theil anthropologischen 20
Reise gelesen zu haben. Der menschenfreundliche Ver-
fasser war mit der Voraussetzung der ursprünglichen
Gutartigkeit unserer Gattung ausgegangen, und suchte
die Bestätigung derselben da, wo städtische Ueppigkeit
nicht solchen Einfluss haben kann Gemüther zu ver- 25
derben, in | Gebirgen, von den schweizerischen an [225]
bis zum Harze; und nachdem sein Glaube an un-
eigennützig hülfleistende Neigung durch eine Erfahrung
in den erstem etwas wankend geworden, so bringt er
doch am Endo diese Schlussfolge heraus: dass der 30
Mensch, was das Wohlwollen betrifft, gut
genug sei (kein Wunder! denn dieses beruht auf ein-
gepflanzter Neigung, wovon Gott der Urheber ist); wenn
ihm nur nicht ein schlimmer Hang zur feinen
Betrügerei beiwohnte (welches auch nicht zu ver- 35
wundern ist; denn diese abzuhalten, beruht auf dem
Charakter, welchen der Mensch selber in sich bilden
muss)! — Ein Resultat der Untersuchung, welches ein
Jeder, aucli ohne im Gebirge gereist zu sein, unter seinen
Mitbürgern, ja noch näher, in seinem eigenen Busen 40
hätte antreffen können.
Königsberg. I. KANT.
Das
Ende aUer Dinge
1794
Berlinische Monatsschrift vou Biester, Berlin, 1794,
Juni, p. 495-522 (Hartenstein ^VI S. 391— 408. »VI
S. 357-372. Rosenkranz VII, 1, S. 409-427).
Jis ist ein, vornehmlich in der frommen Sprache [495]
üblicher Ausdruck, einen sterbenden Menschen sprechen
zu lassen: er gehe aus der Zeit in die Ewigkeit.
Dieser Ausdruck würde in der That nichts sagen,
wenn hier unter der Ewigkeit eine ins Unendliche 5
fortgehende Zeit verstanden werden sollte; denn da käme
ja der Mensch nie aus der Zeit heraus, sondern ginge
nur immer aus einer in die andre fort. Also muss damit
ein Ende all er Zeit, bei ununterbrochener Fortdauer
des Menschen, diese Dauer aber (sein Dasein als Grösse 10
betrachtet) doch auch als eine mit der Zeit ganz un-
vergleichbare Grösse (duratio NoumenonJ \ gemeint sein, [496]
von der wir uns freilich keinen (als bloss negativen) Be-
griff machen können. Dieser Gedanke hat etwas Grausendes
in sich: weil er gleichsam an den Eand eines Abgrunds 15
führt, aus welchem für den, der dirin versinkt, keine
Wiederkehr möglich ist (,,Ihn aber hält am ernsten Orte,
der nichts zurücke lässt, Die Ewigkeit mit starken Armen
fest." Hallek); und doch auch etwas Anziehendes : denn
man kann nicht aufhören , sein zurückgeschrecktes Auge 20
immer wiederum darauf zu wenden (nequewit exjüeri
eorda tuendo. Virgil*) ). Er ist furchtbar -erhaben;
zum Theil wegen soiner Dunkelheit, in der die Ein-
bildungskraft mächtiger, als beim hellen Licht zu wirken
pflegt. Endlich muss er doch auch mit der allgemeinen 25
Menschenvemunft auf wundersame Weise verwebt sein;
weil er unter allen vernünftelnden Völkern, zu allen Zeiten,
auf eine oder andere Art eingekleidet, angetroffen wird. —
Indem wir nun den Uebergang aus der Zeit in die
Ewigkeit (diese Idee mag, theoretisch, als Erkenntniss- 30
Erweiterung betrachtet, objektive Realität haben oder nicht),
sowie ihn sich die Vernunft in moralischer Rücksicht selbst
macht, verfolgen, stossen wir auf das Ende aller
Dinge als Zeitwesen und Gegenstände möglicher Er-|
fahrung; welches Ende aber in der moralischen Ordnung [497]
der Zwecke zugleich den Anfang einer Fortdauer eben
*) Sie können sich an dem Anblick nicht satt sehen. (A. d H.)
158 Das Ende
dieser als übersinnlicher, folglich nicht unter Zeit-
bedingungen stehender Wesen ist, die also (und deren
Zustand) keiner andern als moralischer Bestimmung ihrer
Beschaffenheit fähig sein wird.
5 Tage sind gleichsam Kinder der Zeit, weil der
folgende Tag mit dem, was er enthält, das Erzougniss
des vorigen ist. Wie nun das letzte Kind seiner Eltern
jüngstes Kind genannt wird, so hat unsere Sprache
beliebt, den letzten Tag (den Zeitpunkt, der alle Zeit
10 beschliesst) den jüngsten Tag zu nennen. Der jüngste
Tag gehört also annoch zur Zeit; denn es geschieht
an ihm noch irgend etwas (nicht zur Ewigkeit, wo nichts
mehr geschieht, weil das Zeitfortsetzung sein würde. Ge-
höriges), nämlich Ablegung der Rechnung der Menschen
15 von ihrem Verhalten in ihrer ganzen Lebenszeit. Er ist
ein Gerichtstag; das Begnadigungs- oder Verdammungs-
ürtheil des Weltrichters ist also das eigentliche Ende aller
Dinge in der Zeit und zugleich der Anfang der (seligen
oder unseligen) Ewigkeit , in welcher das Jedem zu-
20 gefallene Loos so bleibt, wie es in dem Augenblick des
.498] Ausspruchs (der Sentenz) ihm zu Theil | ward. Also ent-
hält der jüngste Tag auch das jüngste Gericht zu-
gleich in sich. — Wenn nun zu den letzten Dingen
noch das Ende der Welt, sowie sie in ihrer jetzigen Ge-
25 stalt erscheint, nämlich das Abfallen der Sterne vom
Himmel als einem Gewölbe, der Einsturz dieses Himmels
selbst (oder das Entweichen desselben als eines ein-
gewickelten Buchs), das Verbrennen beider, die Schöpfung
eines neuen Himmels und einer neuen Erde zum
30 Sitz der Seligen und der Hölle zu dem der Ver-
dammten, gezählt werden sollten; so würde jener
Gerichtstag freilich nicht der jüngste Tag sein, sondern
es würden noch verschiedne andre auf ihn folgen. Allein
da die Idee eines Endes aller Dingo ihren Ursprung
35 nicht von dem Vernünfteln über den physischen, sondern
über den moralischen Lauf der Dinge in der Welt her-
nimmt, und dadurch allein veranlasst wird, der letztere
auch allein auf das Ueborsinnliche (welches nur am
Moralischen verständlich ist), dergleichen die Idee der
40 p^wigkeit ist, bezogen werden kann; so muss die Vor-
stellung jener letzten Dinge, die nacli dem jüngsten Tage
kommen sollen, nur als eine Versinnlichung des letztern
aller Dinge 159
sammt seinen moralischen, uns übrigens nicht theoretisch
begreiflichen Folgen angesehen werden. |
Es ist aber anzumerken, dass es von den ältesten [499]
Zeiten her zwei, die künftige Ewigkeit betreffende Systeme
gegeben hat: eines, das der Uni tarier derselben, welche 5
allen Menschen (durch mehr oder weniger lange Büssungen
gereinigt) die ewige Seligkeit; das andere, das der Dua-
listen,*) welche einigen Auserwählten die Seligi'keit, [500]
allen Uebrigen aber die ewige Verdammniss zusprechen.
Denn ein System, wornach Alle verdammt zu sein be- 10
stimmt wären, konnte wohl nicht Platz finden, weil sonst
kein rechtfertigender Grund da wäre, warum sie über-
haupt wären erschaffen worden; die Vernichtung Aller
aber eine verfehlte Weisheit anzeigen würde, die, mit
ihrem eignen "Werk unzufrieden, kein ander Mittel weiss, 15
den Mängeln derselben abzuhelfen, als es zu zerstören. —
Den Dualisten steht indess immer ebendieselbe Schwierig-
keit, welche hinderte, sich eine ewige Verdammung Aller
zu denken, im Wege; denn wozu, könnte man fragen,
waren auch die Wenigen, warum auch nur ein Einziger 20
geschaffen, wenn er nur dasein sollte, um ewig verworfen
zu werden? welches doch ärger ist, als gar nicht sein.
Zwar so weit wir es einsehen, so weit wir uns selbst
erforschen können, hat das dualistische System (aber nur
unter einem höchstguten Urwesen) in praktischer 25
Absicht, für jeden Menschen, wie er sich selbst zu
richten hat (obgleich nicht, wie er Andere zu richten
*) Ein solches System war in der altpersischeu Religion (des
ZorOASTEr) auf der Voraussetzung zweier im ewigen Kampf mit
einander begriffenen Urwesen, dem guten Prinzip, Ormuzd,
und dem bösen, Ahriman gegründet. — Sonderbar ist es,
dass die Sprache zweier, weit von einander, noch weiter aber
von dem jetzigen Sitze der deutschen Sprache entfernten Länder,
in der Benennung dieser beiden Urwesen deutsch ist. Ich
erinnere mich bei SONNERAT gelesen zu haben, dass in Ava
(dem Lande der Burachmanen) das gute Prinzip Godeman
(welches Wort in dem Namen Darius Godomannus auch zu liegen
scheint) genannt werde ; und da das Wort Ahriman mit dem
arge Mann sehr gleichlautet, das jetzige Persische auch eine
Menge ursprünglich deutscher Wörter enthält, so mag es eine
Aufgabe für den Alterthumsforscher sein, auch an dem Leitfaden
der Sprachverwandtschaft dem Ursprünge der jetzigen
Religionsbegriffe mancher Völker nachzugehen. [Man s.
Sonnerat's Reise, Buch 2 Kap. 2. B. (Anmerkung von BiESTEE.j]
160 Das Fnde
befugt ist), einen iiherwieg-pnden Grund in sich; denn
so viel er sich kennt , lässt ihm die Vernunft keine andre
Aussicht in die Ewiprkeit übrig, als die ihm aus seinem
[501] bisher | geführten Lebenswandel sein eignes Gewissen am
5 Ende des Lebens eröffnet. Aber zum Dogma, mithin
um einen an sich selbst, objektiv-gültigen, theoretischen
Satz daraus zu machen, dazu ist es als blosses Vernunft-
urthoil bei weitem nicht hinreichend. Denn welcher
Älensch kennt sich selbst, wer kennt Andre so durch und
10 durch, um zu entscheiden: ob, wenn er von den Ursachen
seines vermeintlich wohlgeführten Lebenswandels Alles,
was man Verdienst des Glücks nennt, als sein angebornes
gutartiges Temperament, die natürliche grössere Stärke
seiner obern Kräfte (des Verstandes und der Vernunft,
15 um seine Triebe zu zähmen), überdem auch noch die
Gelegenheit, wo ihm der Zufall glücklicher Weise viele
Versuchungen ersparte, die einen Andern trafen; wenn
er dies Alles von seinem wirklichen Charakter absonderte
(wie er das denn, um diesen gehörig zu würdigen, noth-
20 wendig abrechnen muss, weil er es, als Glücksgeschenk,
seinem eignen Verdienst nicht zuschreiben kann); wer
will dann entscheiden, sage ich, ob vor dem allsehenden
Auge eines "Weltrichters ein Mensch seinem innem
moralischen Werthe nach überall noch irgend einen
25 Vorzug vor dem andern habe, und es so vielleicht nicht
ein ungereimter Eigendünkel sein dürfte, bei dieser ober-|
[502] flächlichen Selbsterkeuntniss, zu seinem Vortheil über den
moralischen Werth (und das verdiente Schicksal) seiner
selbst sowohl als Anderer irgendein Urtheil zu sprechen? —
80 Mithin scheint das System des Unitariers sowohl, als
des Dualisten, beides als Dogma betrachtet, das spekulative
Vermögen der menschlichen Vernunft gänzlich zu über-
steigen, und Alles uns dahin zurückzuführen, jene Vernunft-
idoen schlechterdings nur auf die Bedingungen des prak-
35 tischen Gebrauchs einzuschränken. Denn wir sehen doch
nichts vor uns, das uns von unserm Schicksal in einer
künftigen Welt jetzt schon belehren könnte, als das
Urtheil unseres eignen Gewissens, d. i. was unser gegen-
wärtiger moralischer Zustand, so weit wir ihn kennen,
40 uns darüber vernünftiger Weise urtheilen lässt: dass
nämlich, welche Prinzipien unsers Lebenswandels wir
bis zu dessen Endo in uns herrschend gefunden haben
aller Dinge 161
(sie seien die des Guten oder des Bösen), auch nach dem
Tode fortfahren werden es zu sein; ohne dass wir eine
Abänderung derselben in jener Zukunft anzunehmen den
mindesten Grund haben. Mithin müssten wir uns auch
der jenem Verdienste oder dieser Schuld angemessenen 5
Folgen, unter der Herrschaft des guten oder bösen
Prinzips, für die Ewigkeit gewär|tigen; in welcher Rück- [503]
sieht es folglich weise ist, so zu handeln, als ob ein
anderes Leben, und der moralische Zustand, mit dem wir
das gegenwärtige endigen, sammt seinen Folgen, beim lo
Eintritt in dasselbe unabänderlich sei. In praktischer
Absicht wird also das anzunehmende System das dua-
listische sein müssen; ohne doch ausmachen zu wollen,
"welches von beiden, in theoretischer und bloss speku-
lativer, den IVorzug verdiene; zumal da das unitarische 15
zu sehr in greichgültige Sicherheit einzuwiegen scheint.
Warum ewarten aber die Menschen überhaupt ein
Ende der Welt ? und wenn dieses ihnen auch eingeräumt
wird, warum eben ein Ende mit Schrecken (für den
grössten Theil des menschlichen Geschlechts)? . . . Der 20
Grund des Erstem scheint darin zu liegen, weil die
Vernunft ihnen sagt, dass die Dauer der Welt nur sofern
Werth hat, als die vernünftigen Wesen in ihr dem End-
zweck ihres Daseins gemäss sind, wenn dieser aber nicht
erreicht werden sollte, die Schöpfung ihnen zwecklos zu 25
sein scheint: wie ein Schauspiel, das gar keinen Ausgang
hat und keine vernünftige Absicht zu erkennen giebt.
Das Letztere gründet sich auf der Meinung von der
verderbten Beschaffenheit des menschlichen Gejschlechts,*) [504]
*) Zu allen Zeiten haben sich dünkende Weise (oder Philo-
sophen), ohne die Anlage zum Guten in der menschlichen Natur
einiger Aufmerksamkeit zu würdigen, sich in widrigen, zum
Theil ekelhaften Gleichnissen erschöpft, um unsere Erdenwelt,
den Aufenthalt für Menschen, recht verächtlich vorzustellen.
1) Als ein Wirthshaus (Karawanserai) , wie jener Derwisch
sie ansieht : wo jeder auf seiner Lebensreise Einkehrende gefasst
sein muss, von einem folgenden bald verdrängt zu werden.
2) Als ein Zuchthaus: welcher Meinung die brahmanischon,
tibetanischen und andre Weisen des Orients (auch sogar Plato)
zugethan sind : ein Ort der Züchtigung und Reinigung gefallener,
aus dem Himmel verstossner Geister, jetzt menschlicher oder
Thier-Seelen. 3) Als ein Toll haus: wo nicht allein Jeder für
sich seine eigenen Absichten vernichtet, sondern Einer dem
Kant, kl. Schriften z. Ethik II. ^
162 Das Ende
die bis zur Hoffnungslosigkeit gross sei; welchem ein
[505] Ende und zwai ein schreckliches | Ende zu machen, die
einzijje der höchsten Weisheit und Gerechtigkeit (dem
grössten Theil der Menschen nach) anständige Maassregel
5 sei. — Daher sind auch die Vorzeichen des jüngsten
Tages (denn wo lässt es eine durch grosse Erwartung
erregte Einbildungskratt wohl an Zeichen und Wundern
fehlen?) alle von der schrecklichen Ai-t. Einige sehen
sie in der überhandnehmenden Ungerechtigkeit, Unter-
10 drückung der Armen durch übermüthige Schwelgerei der
[506] Kelchen und dem all|gemeinen Verlust von Treu und
Glauben ; oder in den an allen Erdenden sich entzündenden
blutigen Kriegen u. s. w., mit einem Worte, an dem mora-
lischen Verfall und der schnellen Zunahme aller Laster
15 sammt den sie begleitenden Uebeln, dergleichen, wie sie
wähnen, die vorige Zeit nie sah. Andre dagegen in un-
gewöhnlichen Naturveränderungen, an den Erdbeben,
Stürmen und Ueberschwemmungen , oder Kometen und
Luftzeichen.
20 In der That fühlen, nicht ohne Ursache, die Menschen
die Last ihrer Existenz, ob sie gleich selbst die Ursache
derselben sind. Der Grund davon scheint mir hierin zu
liegen. — Natürlicherweise eilt in den Fortschritten des
Andern alles erdenkliche Herzeleid zufügt, und obenein die
Geschicklichkeit und Macht, das tbun zu können, für die grösste
Ehre hält. Endlich 4) als ein Kloak: wo aller Unrath aus
andern Welten hingebannt worden. Der letztere Einfall ist auf
gewisse Art originell und einem persischen Witzliug zu vor-
danken, der das Paradies, den Aufenthalt des ersten Menschen-
paars, in den Himmel versetzte, in welchem Garten Bäume genug,
mit herrlichen Früchten reichlich versehen, anzutreffen waren,
deren Ueberfluss nach ihrem Genuss sich durch unmerkliche Aus-
dünstung verlor ; einen einzigen Baum mitten im Garten aus-
genommen, der zwar eine reizende, aber solche Frucht trug, die
sich nicht ausschwitzen Hess. Da unsere ersten Eltern sich nun
gelüsten Hessen, ungeachtet des Verbots, dennoch davon zu
kosten; so war, damit sie den Himmel nicht beschmutzten, kein
andrer Rath, als dass einer der Engel ihnen die Erde in weiter
Ferne zeigte, mit den Worten: „das ist der Abtritt für das
ganze Universum," sie sodann dahinführte, um das Benöthigte
zu verrichten, und darauf mit Hinterlassung derselben zum
Himmel zurückflog. Davon sei nun das menschliche Geschlecht
auf Erden entsprungen.
aller Dinge 163
menschlichen Geschlechts die Kultur der Talente, der
Geschicklichkeit und des Geschmacks (mit ihrer Folge, der
Ueppigkeit) der Entwicklung der Moralität vor; und dieser
Zustand ist gerade der lästigste und gefährlichste für
Sittlichkeit sowohl als physisches Wohl: weil die Bedürf- 5
nisse viel stärker anwachsen, als die Mittel, sie zu be-
friedigen. Aber die sittliche Anlage der Menschheit, die
(wie HoRAz'ens poena, pede claudö) ihr immer nach-
hinkt, wird sie, die in ihrem eilfertigen Lauf sich selbst
verfängt und oft stolpert, (wie man unter einem weisen 10
Weltregierer wohl hoffen darf) | dereinst überholen; und [507]
so sollte man, selbst nach den Erfahrungsbeweisen des
Vorzugs der Sittlichkeit in unserm Zeitalter in Ver-
gieichung mit allen vorigen, wohl die Hoffnung nähren
können, dass der jüngste Tag eher mit einer Eliasfahrt, 15
als mit einer der Kotte Korah ähnlichen Höllenfahrt ein-
treten und das Ende aller Dinge auf Erden herbeiführen
dürfte. Allein dieser heroische Glaube an die Tugend
scheint doch, subjektiv, keinen so allgemeinkräftigen Ein-
fluss auf die Gemüther zur Bekehrung zu haben, als der 20
an einen mit Schrecken begleiteten Auftritt, der vor den
letzten Dingen als vorhergehend gedacht wird.
Anmerkung. Da wir es hier bloss mit Ideen zu
thun haben (oder damit spielen), die die Yernunit sich
selbst schafft, wovon die Gegenstände (wenn sie deren 25
haben) ganz über unsem Gesichtskreis hinausliegen, die
indess, obzwar für das spekulative Erkenntniss über-
schwenglich, darum doch nicht in aller Beziehung für
leer zu halten sind, sondern in praktischer Absicht uns
von der gesetzgebenden Vernunft selbst an die Hand 30
gegeben werden, nicht etwa um über ihre Gegenstände,
was sie an sich und ihrer Natur nach sind, | nachzu- [508]
grübeln, sondern wie wir sie zum Behuf der moralischen,
auf den Endzweck aller Dinge gerichteten Grundsätze zu
denken haben (wodurch sie, die sonst gänzlich leer wären, 35
objektive praktische Realität bekommen) ; — so haben wir
ein freies Feld vor uns, dieses Produkt unserer eigoiieu
Vernunft: den allgemeinen Begriff von einem Ende aller
Dinge nach dem Verhältniss, das er zu unserm Erkenntniss-
11"
164 Das Ende
vennögen hat, einzutheilen und die unter ihm stehenden
zu klassificiren.
Diesem nach wird das Ganze 1) in das natürliche*)
Ende aller Dinge, nach der Ordnung moralischer Zwecke
5 göttlicher Weisheit, welches wir also (in praktischer Ab-
sicht) wohl verstehen können, 2) in das mystische
(übel-natürliche) Ende derselben, in der Ordnung der
wirkenden Ursachen, von welchen wir nichts ver-|
[509] stehen, 3) in das widernatürliche (verkehrte) Ende
10 aller Dinge, welches von uns selbst, dadurch, dass wir
den Endzweck missverstehen, herbeigeführt wird, ein-
getheilt und in drei Abtheilungen vorgestellt werden:
wovon die erste soeben abgehandelt worden und nun die
zwei noch übrigen folgen.
15 In der Apokalypse (X, 5. 6) „hebt ein Engel seine
Hand auf gen Himmel und schwört bei dem Lebendigen
von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel erschaffen
hat u. s. w. : dass hinfort keine Zeit mehr sein
soll/'
20 Wenn man nicht annimmt, dass dieser Engel „mit
seiner Stimme von sieben Donnern" (v. 3) habe Unsinn
schreien wollen , so muss er damit gemeint haben , dass
hinfort keine Veränderung sein soll; denn wäre in der
Welt noch Verändening, so wäre auch die Zeit da, weil
25 jene nur in dieser stattfinden kann und ohne ihre Voraus-
setzung gar nicht denkbar ist.
Hier wird nun ein Ende aller Dinge, als Gegenstände
der Sinne, vorgestellt, wovon wir uns gar keinen Begriff
machen können : weil wir uns selbst unvermeidlich in
30 Widersprüche verfangen, wenn wir einen einzigen Schritt
[510] aus der | Sinnenwelt in die intelligible thun wollen ;
welches hier dadurch geschieht, dass der Augenblick, der
*) Natürlich (formaliter) heisst, was nach Gesetzen einer
gewissen Ordnung, welche es auch sei, mithin auch der mora-
lischen (also nicht immer hloss der physischen), nothwendig
folgt. Ihm ist das Nichtnatürliche, welches entweder das
Uebematürliche oder das Widernatürliche sein kann , entgegen-
gesetzt. Das Nothwendige aus Naturursachen würde auch
als materialiter-natürlich fphysisch-nothwendig) vorgestellt werden.
aller Dinge 165
das Ende der erstem ausmacht, auch der Anfang" der
andern sein soll, mithin diese mit jener in eine und die-
selbe Zeitreihe gebracht wird, welches sich widerspricht.
Aber wir sagen auch, dass wir uns eine Dauer als
unendlich (als Ewigkeit) denken: nicht darum, weil wir 5
etwa von ihrer G-rösse irgend einen bestimmbaren Begriff
haben, — denn das ist unmöglich, da ihr die Zeit, als
Maass derselben, gänzlich fehlt — ; sondern jener Begriff
ist, weil, wo es keine Zeit giebt, auch kein Ende
statt hat, bloss ein negativer von der ewigen Dauer, wo- 10
durch wir in unserm Erkenntniss nicht um einen Fuss
breit weiter kommen, sondern nur gesagt werden will,
dass der Vernunft in (praktischer) Absicht auf den End-
zweck, auf dem Wege beständiger Verändrungen nie Genüge
gethan werden kann ; obzwar auch, wenn sie es mit dem 15
Prinzip des Stillstandes und der ün Veränderlichkeit des
Zustandes der Weltwesen versucht, sie sich ebenso wenig
in Ansehung ihres theoretischen Gebrauchs genug-
thun, sondern vielmehr in gänzliche Gedankenlosigkeit
gerathen würde; da ihr dann nichts übrig bleibt, als 20
sich eine ins Unendjliche (in der Zeit) fortgehende Ver- [511]
ändrung, im beständigen Fortschreiten zum Endzweck
zu denken, bei welchem die Gesinnung (welche nicht,
wie jenes, ein Phänomen, sondern etwas üebersinnliches,
mithin nicht in der Zeit veränderlich ist) bleibt und be- 25
harrlich dieselbe ist. Die Regel des praktischen Gebrauchs
der Vernunft, dieser Idee gemäss, will also nichts weiter
sagen, als: wir müssen unsere Maxime so nehmen, als
ob bei allen ins Unendliche gehenden Verändrungen
vom Guten zum Besseren unser moralischer Zustand 30
der Gesinnung nach (der homo Noumenon, „dessen
Wandel im Himmel ist") gar keinem Zeitwechsel unter-
worfen wäre.
Dass aber einmal ein Zeitpunkt eintreten wird, da
alle Verändrung (und mit ihr die Zeit selbst) aufbort, 35
ist eine die Einbildungskraft empörende Vorstellung. Als-
dann wird nämlich die ganze Natur starr und gleichsam
versteinert: der letzte Gedanke, das letzte Gefühl bleiben
alsdann in dem denkenden Subjekte stehend und ohne
Wechsel immer dieselben. Für ein Wesen, welches sich 40
seines Daseins und der Grösse desselben (als Dauer) nur
in der Zeit bewusst werden kann, muss ein solches Leben,
166 Das Ende
wenn es anders Leben heissen mag, der Vernichtung
[512J gleich scheinen: weil es, um | sich in einen solchen Zu-
stand hineinzudenlicn, doch überhaupt etwas denken muss;
Denken aber ein Ri^flektiren enthält, welches selbst nur
5 in der Zeit geschehen kann. — Die Bewohner der andeni
Welt werden daher so vorgestellt, wie sie, nach Ver-
schiedenheit ihres Wohnorts (dem Himmel oder der Hölle),
entweder immer dasselbe Lied, ihr Hallelujah, oder ewig
ebendieselben Jammertöne anstimmen (XIX, 1—6; XX, 15):
10 wodurch der gänzliche Mangel alles Wechsels in ihrem
Zustande angezeigt werden soll.
Gleichwohl ist diese Idee, so sehr sie auch unsere
Fassungskraft übersteigt, doch mit der Vernunft in prak-
tischer Beziehung nahe verwandt. Wenn wir den mora-
15 lis( h-ph^^sischen Zustand des Menschen hier im Leben
auch auf dem besten Fuss annehmen, nämlich eines be-
ständigen Fortschreitens und Annäherns zum höchsten
(ihm zum Ziel ausgesteckten) Gut; so kann er doch
(selbst im Bewusstsein der Unveränderlichkeit seiner Ge-
20 sinnung) mit der Aussicht in eine ewig dauernde Ver-
änderung seines Zustandes (des sittlichen sowohl, als
physischen) die Zufriedenheit nicht verbinden. Denn
der Zustand, in welchem er jetzt ist, bleibt immer doch
ein Uebel vergleichungsweise gegen den bessern, in den
[513] zu treten er in | Bereitschaft steht; und die Vorstellung
eines unendlichen Fortschreitens zum Endzweck ist doch
zugleich ein Prospekt in eine unendliche Reihe von
Uebeln, die, ob sie zwar von dem grössern Guten über-
wogen werden, doch die Zufriedenheit nicht statt finden
30 lassen, die er sich nur dadurch, dass der Endzweck
endlich einmal erreicht wird, denken kann.
Darüber geräth nun der nachgrübelnde Mensch in die
Mystik (denn die Vernunft, weil sie sich nicht leicht
mit ihrem immanenten d. i. praktischen Gebrauch bo-
35 gnügt, sondern gern im Transscendenten etwas wagt, hat
auch ihre Geheimnisse), wo seine Vernunft sich selbst,
und was sie will, nicht versteht, sondern lieber schwärmt,
als sich, wie es einem intellektuellen Bewohner einei
Sinnenwelt geziemt, innerhalb den Grenzen dieser ein-
40 geschränkt zu halten. Daher kommt das Ungeheuer von
System des Laokiun von dem höchsten Gut, das im
Nichts bestehen soll: d.i. im Bewusstsein, sich in den
aller Dinge 167
Abgrand der Gottheit, durch das Zusammenfliessen mit
derselben und also durch Vernichtung seiner Persönlich-
keit, verschlungen zu fühlen; von welchem Zustande
die Vorempfindung zu haben, sinesische Philosophen sich
in dunkein Zimmern mit geschlossenen Augen an | strengen, '514]
dieses ihr Nichts zu denken und zu empfinden. Daher
der Pantheismus (der Tibetaner und andrer öst-
lichen Völker), und der aus der metaphysischen Subli-
mirung desselben in der Folge erzeugte Spinozismus;
welche beide mit dem uralten Emanationssystem aller 10
Menschenseelen aus der Gottheit (und ihrer endlichen
Eesorption in ebendieselbe) nahe verschwistert sind. Alles
lediglich darum, damit die Menschen sich endlich doch
einer ewigen Kühe zu erfreuen haben möchten, welches
denn ihr vermeintes seliges Ende aller Dinge aus- 15
macht; eigentlich ein Begriff, mit dem ihnen zugleich
der Verstand ausgeht und alles Denken selbst ein Ende hat.
Das Ende aller Dinge, die durch der Menschen Hände
gehen, ist, selbst bei ihren guten Zwecken Thorheit:
das ist, Gebrauch solcher Mittel zu ihren Zwecken, die 20
diesen gerade zuwider sind. Weisheit, d. i. praktische
Vernunft in der Angemessenheit ihrer dem Endzweck
aller Dinge, dem höchsten Gut, völlig entsprechenden
Maassregeln, wohnt allein bei Gott; und ihrer Idee nur
nicht sichtbarlich entgegen zu handeln, ist das, was man 25
etwa menschliche Weisheit I nennen könnte. Diese Sicherung [515]
aber wider Thorheit, die der Mensch nur durch Versuche
und öftere Veränderung seiner Plane zu erlangen
hoffen darf, ist mehr „ein Kleinod, welchem auch der
beste Mensch nur nachjagen kann, ob er es etwa 30
ergreifen möchte"; wovon er aber niemals sich die
eigenliebige üeberredung darf anwandeln lassen, viel
weniger darnach verfahren, als ob er es ergriffen
habe. — Daher auch die von Zeit zu Zeit veränderten,
oft widersinnigen Entwürfe zu schicklichen Mitteln, um 35
Religion in einem ganzen Volk lauter und zu-
gleich kraftvoll zu machen; so, dass man wohl aus-
rufen kann : arme Sterbliche, bei Euch ist nichts beständig,
als die Unbeständigkeit!
168 Das ILnde
"Wenn es indess mit diesen Versuchen doch endlich
einmal so weit gediehen ist, dass das Gremeinwesen fähig
und geneigt ist, nicht bloss den hergebrachten frommen
Lehren, sondern auch der durch sie erleuchteten praktischen
5 Vemunft (wie es zu einer Eeligion auch schlechterdings
Dothwendig ist) Gehör zu geben; wenn die (aut mensch-
liche Art) "Weisen unter dem "S^olk nicht durch unter
sich genommene Abreden (als ein Klerus) sondern als
Mitbürger Entwürfe machen und darin grösstentheils
[616] übereinkommen, welche auf | unverdächtige Art beweisen,
dass ihnen um "Wahrheit zu thun sei; und das "Volk
wohl auch im Ganzen (wenngleich noch nicht im kleinsten
Detail) durch das allgemein gefühlte, nicht auf Auktorität
gegründete Bedürfniss der nothwendigen Anbauung seiner
15 moralischen Anlage daran Interesse nimmt: so scheint
nichts rathsamer zu sein, als Jene nur machen und ihren
Gang fortsetzen zu lassen, da sie einmal, was die Idee
betrifft, der sie nachgehen, auf gutem Wege sind; was
aber den Erfolg aus den zum besten Endzweck gewählten
20 Mitteln betrifft, da dieser, wie er nach dem Laufe der
Natur ausfallen dürfte, immer ungewiss bleibt, ihn der
Vorsehung zu überlassen. Denn man mag so schwer-
gläubig sein, wie man will, so muss man doch, wo es
schlechterdings unmöglich ist, den Erfolg aus gewissen
25 nach aller menschlichen "Weisheit (die, wenn sie ihren
Namen verdienen soll, lediglich auf das Moralische gehen
muss) genommenen Mitteln mit Gewissheit vorauszusehn,
eine Konkurrenz göttlicher "Weisheit zum Laufe der Natur
auf praktische Art glauben, wenn man seinen Endzweck
30 nicht lieber gar aufgeben will. — Zwar wird man ein-
wenden: Schon oft ist gesagt worden, der gegenwärtige
Plan ist der beste ; bei ihm muss es von nun an auf
[517] immer | bleiben, das ist jetzt ein Zustand für die Ewig-
keit. „Wer (nach diesem Begriffe) gut ist, der ist immer-
85 hin gut, und wer (ihm zuwider) böse ist, ist immerhin
böse" (Apokal. XXII, 11); gleich als ob die Ewigkeit
und mit ihr das Ende aller Dinge schon jetzt eingetreten
sein könne; — und gleichwohl sind seitdem immer neue
Plane, unter welchen der neueste oft nur die Wieder-
40 herstellung eines alten war, auf die Bahn gebracht worden,
und es wird auch au mehr letzten Entwürfen ferner-
hin nicht fehlen.
aller Dinge 169
Ich bin mir so sehr meines Unvermögens, hierin einen
neuen und glücklichen Versuch zu machen, bewusst, dass
ich, wozu freilich keine grosse Erfindungskraft gehört,
lieber rathen möchte: die Sachen so zu lassen, wie sie
zuletzt standen und beinahe ein Menschenalter hindurch 5
sich als erträglich gut in ihren Folgen bewiesen hatten.
Da das aber wohl nicht die Meinung der Männer von
entweder grossem oder doch unternehmendem Geiste sein
möchte; so sei es mir erlaubt, nicht sowohl was sie zu
thun, sondern wogegen zu Verstössen sie sich ja in Acht zu 10
nehmen hätten, weil sie sonst ihrer eigenen Absicht (wenn
sie auch die beste wäre) zuwider handeln würden, be-
scheidentlich anzumerken. |
Das Christenthum hat, ausser der grössten Achtung, [518]
welche die Heiligkeit seiner Gesetze unwiderstehlich ein- 15
flösst, noch etwas Liebenswürdiges in sich. (Ichmeino
hier nicht die Liebenswürdigkeit der Person, die es uns mit
grossen Aufopferungen erworben hat, sondern der Sache
selbst: nämlich der sittlichen Verfassung, die Er stiftete;
denn jene lässt sich nur aus dieser folgern.) Die Achtung 20
ist ohne Zweifel das Erste, weil ohne sie auch keine wahre
Liebe stattfindet; ob man gleich ohne Liebe doch grosse
Achtung gegen Jemand hegen kann. Aber wenn es nicht
bloss auf Pfiichtvorstellung, sondern auch auf Pfiichtbefolgung
ankommt, wenn man nach dem subjektiven Grunde der 25
Handlungen fragt, aus welchem, wenn man ihn voraus-
setzen darf, am ersten zu erwarten ist, was der Mensch
thunwerde, nicht blos nach dem objektiven, was er t h u n
soll; so ist doch die Liebe, als freie Aufnahme des
Willens eines Andern unter seine Maximen, ein unent- 30
behrliches Ergänzungsstück der UnvoUkommenheit der
menschlichen Natur (zu dem, was die Vernunft durch Gesetz
vorschreibt, genöthigt werden zu müssen) : denn was Einer
nicht gern thut, das thut er so kärglich, auch wohl mit
sophistischen Ausflüchten vom Ge|bot der Pflicht, dass auf [519]
diese, als Triebfeder, ohne den Beitritt jener nicht sehr
yiel zu rechnen sein möchte.
Wenn man nun, um es recht gut zu machen, zum
Christenthum noch irgend eine Auktorität (wäre es auch
die göttliche) hinzuthut, die Absicht derselben mag auch 40
noch so wohlmeinend und der Zweck auch wirklich noch so
gut sein, so ist doch die Liebenswürdigkeit desselben ver-
170 Das Ende
schwimden ; denn es ist ein Widerspruch, Jemanden zu ge-
bieten, dass er etwas nicht allein thue, sondern es auch
gern thun solle.
Das Christenthum hat zur Absicht: Liebe zudem Ge-
5 schäftder Beobachtung seiner Pflicht überhaupt zubefördern,
und bringt sie auchhervor ; weil der Stifter desselben nicht in
der Qualität eines Befehlshabers, der seinen Gehorsam
fordernden Willen, sondern in der eines Menschenfreundes
redet, derseinen Mitmenschen ihren eignen wohlverstandenen
10 Willen, d. i. wornach sie von selbst freiwillig handeln würden,
wenn sie sich selbst gehörig prüften, ans Herz legt.
Es ist also die liberale Denkungsart, — gleichweir
entfernt vom Sklavensinn und von Bandenlosigkeit, — wovon
das Christenthum für seine Lehre Effekt erwartet, durch die
[520] es die Herlzen der Menschen für sich zu gewinnen ver-
mag, deren "Verstand schon durch die Vorstellung des Ge-
setzes ihrer Pflicht erleuchtet ist. Das Gefühl der Frei-
heit in der Wahl des Endzwecks ist das, was ihnen die
Gesetzgebung liebenswürdig macht. — Obgleich also der
20 Lehrer desselben auch Strafen ankündigt, so ist das doch
nicht so zu verstehen, wenigstens ist es der eigenthümlichen
Beschaffenheit des Christenthums nicht angemessen, es so
zu erklären, als sollten diese die Triebfedern werden, seinen
Geboten Folge zu leisten: denn sofern würde es aufhören,
25 liebenswürdig zu sein. Sondern man darf dies nur als lieb-
reiche, aus dem Wohlwollen des Gesetzgebers entspringende
Warnung, sich vor dem Schaden zu hüten, welcher unvermeid-
lich aus der Uebertretung des Gesetzes entspringen müsste
(denn: lex est res stirda et inexorahüis , Livius) aus-
30 legen; weil nicht das Christenthum, als freiwillig ange-
nommene Lebensmaxime, sondern das Gesetz hier droht:
welches, als nnwanilelbar in der Natur der Dinge liegende
Ordnung, selbst nicht der Willkür des Schöpfers, die Folge
derselben so oder anders zu entscheiden, überlassen ist.
35 Wenn das Christonthum Belohnungen verheisstfz. B.
[521] „Seid fröhlich und getrost, es wird | Euch im Himmel Alles
wohl vergolten werden"), so muss das nach der liberalen
Denkungsart ni(ht so ausgelegt werden, als wäre es ein
Angebot, um dadurch den Menschen zum guten Lebenswandel
40 gleichsam zu dingen: denn da würde das Christenthum
wiederum iür si^-h solbht nicht liebenswürdig sein. Nur ein
Ansinnen solcher Handlungen, die aus uneigennützigen Be-
aller Dinge 171
weggründen crtspriBgCD, tann gegen den, welcher das
Ansinnen thut, dem Menschen Achtang einflössen; ohne
Achtung aber giebt es keine wahre Liebe. Also muss man
jener Yerheissung nicht den Sinn beilegen, als sollten die
Belohnungen für die Triebfedern der Handlungen ge- 5
nommen werden. Die Liebe, wodurch eine liberale Denl^art
an einen Wohlthäter gefesselt wird, richtet sich nicht nach
dem Guten, was der Bedürftige empfängt, sondern bloss nach
der Gütigkeit des Willens dessen, der geneigt ist, es zn
ertheilen: sollte er auch etwa nicht dazu vermögend sein 10
oder durch andre Beweggründe, welche die Rücksicht auf
das allgemeine Weltbeste mit sich bringt, an der Aus-
führung gehindert werden.
Dass die moralische Liebenswürdigkeit, welche das
Christenthum bei sich führt, die durch manchen ausser- 15
lieh ihm beigefügten Zwang bei | dem öftern Wechsel der [522]
Meinungen immer noch durchgeschimmert und es gegen die
Abneigung erhalten hat, die es sonst hätte treffen müssen,
und welche (was merkwürdig ist) zur Zeit der grössten
Aufklärung, die je unter Menschen war, sich immer in 20
einem nur desto helleren Lichte zeigt[, ihm auch nur in
der Folge die Herzen der Menschen erhalten könne, ist nie
aus der Acht zu lassen]*).
Sollte es mit dem Christenthum einmal dahin kommen,
dass es aufhörte, liebenswürdig zu sein (welches sich wohl 25
zutragen könnte, wenn es, statt seines sanften Geistes, mit
gebieterischer Auktorität bewaffnet würde), so müsste,weil in
moralischen Dingen keine Neutralität (noch weniger Koalition
entgegengesetzter Prinzipien) stattfindet, eine Abneigung und
Widersetzlichkeit gegen dasselbe die herrschende Denkart 30
der Menschen werden; und der Antichrist, der ohnehin
für den Vorläufer des jüngsten Tages gehalten wird, würde
sein (vermuthlich auf Furcht und Eigennutz gegründetes),
obzwar kurzes Eegiment anfangen: alsdann aber, weil das
Christenthum allgemeine Weltreligion zu sein zwar be- 35
stimmt, aber es zu werden von dem Schicksal nicht
begünstigt sein würde, das (verkehrte) Ende aller
Dinge in moralischer Rücksicht eintreten.
Königsberg. L KANT.
*) Die Worte in [ ] sind von TiEFTRUKK ergänzt.
Inhaltsangabe
Solle
I. Versach einiger Betrachtung^en über den Opti-
mismus. 1759. 1
II. Der einzig: mö^liclie Beweisgrrund zu einer De-
monstration des Daseins Gottes. 1763. ... 11
Vorrede 13
Erste Abtbeilung. Worin der Beweisgrimd zur
Demonstration des Daseins Gottes geliefert wird 19
1. Betracht. Vom Dasein überhaupt 19
2. Betracht. Von der inneren Möglichkeit, in-
sofern sie ein Dasein, voraussetzt .... 27
3. Betracht. Von dem schlechterdings nothwen-
digen Dasein 32
4. Betracht. Beweisgrund zu einer Demonstration
des Da.seins GOttes 39
Zweite Abtheilung. Von dem weitläuftigen
Nutzen, der dieser Beweisart besonders eigen ist 45
1. Betracht. Worin aus der angeuomraenen Ein-
heit in dem Wesen der Dinge auf das Dasein
GOttes a posteriori geschlossen wird .... 45
2. Betracht. Unterscheidung der Abhängigkeit
aller Dinge von GOtt in die moralische und
unmoralische 53
3. Betracht. Von der Abhängigkeit der Dinge
der Welt von GOtt vermittelst der Ordnung
der Natur oder ohne dieselbe 57
4. Betracht. Gebrauch unseres Beweisgrundes in
Beurtheiluug der Vollkommenheit einer Welt
nach dem Laufe der Natur 62
5. Betracht. Von der Unzulänglichkeit der ge-
wöhnlichen Methode der Physikotheologie . . 71
6. Betracht. Verbesserte Methode der Physiko-
theologie .............. 80
7. Betracht. Kosmogonie 9G
8. Betracht. Von d.-r göttlichen AUgenugsamkeit Ul
DritteAbtheiluug. Worin dargethan wird, dass
ausser dem angeführten Beweingrund kein anderer
zu einer Demonstration vom Dasein GOttes mög-
lich bei 116
III. Einige Bemerkungen zu Ludw. Ueinricb Jakob^s
Prüfung der Mendelssohn^schen Morgenstunden
178« 125
IT. Ueber das Mlsslingen aUer philosophi»chen Ver-
suche in der Tlieodicee. 17i)1. 133
V. Dan Ende aUer Dinge. 1791 155
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Geist und Körper, Seele und Leib.
Von Ludwig Busse,
weiland Professor der Philosophie an der Universität Halle.
1903. X, 488 S. Preis M. 8.50, geb. M. 9.50.
Das Buch behandelt das Verhältnis des Psychischen zum Physischen in
umfassender Weise. Nachdem der Materialismus kurz charakterisiert und wider-
legt worden ist, erörtert Busse in eingehender Weise die Streitfrage : Psycho-
physischer Parallelismus oder psychophysische Wechselwirkung? Die verschie-
denen Formulierungen des parallelistischen Gedankens werden dargelegt, die
Schwierigkeiten, welche ihn unmöglich machen, erörtert. Alsdann wird gezeigt,
daß die Wechselwirkungslehre durch das Prinzip der Geschlossenheit der Natur-
kausalität nicht unmöglich gemacht wird, mit dem Prinzip der Erhaltung der
Energie aber sehr wohl vereinbar ist. — „Eine glänzende systematische Dar-
stellung" urteilte die Allgemeine Zeitung.
Grundriß der Religionsphilosophie.
Von DDr. A. Dorner,
o. Professor der Theologie an der Universität in Königsberg.
1903. XVIII, 448 S. Preis M. 7.—, geb. M. 8.50.
Zu den hervorragendsten Erscheinungen der heutigen Religionswissenschaft
gehört ohne Zweifel der Grundriß der Religionsphilosophie von Aug. Dorner.
Otto Pf leiderer in den Protestant. Monatsheften.
Dorners Buch steht im schärfsten Gegensatz zu der Anschauung, daß die Reli-
gion wissenschaftlich nur als Objekt der Psychologie u. Geschichte in Betracht
komme. Die Religionsphilosophie ist nach ihm ein Zweig der Metaphysik und
zwar der Metaphysik des Geistes, welche sich zu Ethik und Religionsphilosophie
spezialisiert .... Alles was man an dem Buche etwa aussetzen mag, wird reichlich
aufgewogen durch die unbekümmert um das wissenschaftliche Parteigetriebe ihren
eigenen geraden Weg verfolgende Selbständigkeit des Denkens, welche auch dies
neueste Werk Dorners auszeichnet und es in die Reihe der Bücher stellt, aus denen
man wirklich etwas lernen kann. Monatsschrift für höhere Schulen.
Encykiopädie der Philosophie.
Mit besonderer Berücksichtigung der Erkenntnistheorie und
Kategorienlehre.
Von DDr. A. Dorner,
o. Professor der Theologie an der Universität in Königsberg.
1910. 343 S. Preis in steifen Karton geheftet M. 6.—.
Inhalt: I. Phänomenologische Untersuchung. Kritische
Sichtung. S. 5 — 42. Die Wahrnehmung und die Formen des empirischen
Denkens. Der Aufbau der Wissenschaften. S. 42—115. Kategorienlehre
S. 115—280. II. Die Aufgabe der Philosophie und ihre Teile.
S. 284—334.
Die transzendentale und die psycholo-
gische Methode.
Eine grundsätzliche Erörterung zur philosophischen Methodik.
Von Dr. Max F. Scheler,
Privatdozent der Philosophie an der Universität in München.
184 S. Preis M. 4.—.
Kein Theologe, der es mit seiner Wissenschaft ernst nimmt, darf diese
geistvolle, lebendig geschriebene Abhandlung übersehen.
Theologischer fahr esbericht.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Das Wahrheitsproblem unter
kulturphilosophischem Gesichtspunkt.
Von Dr. Hermann Leser,
a. 0. Professor der Philosophie an der Universität in Erlangen.
1901. VI, 90 S. Preis M. 2.—.
Der Verfasser ist in die Schule Kants gegangen, insofern als er überall an
dessen transzendentale Methode anknüpft. Er sucht aber das Werk Kants zu
vertiefen und zu erweitern. Er sucht dies weniger durch eine wesentliche Ab-
änderung der transzendentalen Methode selbst zu erreichen, sondern gleichsam
nur durch eine Erweiterung des Arbeitsfeldes dieser Methode und durch eine Ab-
änderung ihres Angriffspunktes . . . Die Schrift bildet eine wirklich lohnende
Lektüre und kann zur Klärung der philosophischen Grundbegriffe nur beitragen.
Dejitsche Literaturzeiiung.
Das Problem der Theodicee
in der Philosophie und Literatur des 18. Jahrhunderts
bis auf Kant und Schiller.
Gekrönte Preisschrift der Walter Simon-Preisaufgabe der
Kantgesellschaft.
Von Dr. Otto Lempp,
Privatdozent an der Universität Kiel.
1910. VI, 432 S. Preis M. 9.—.
Eine sorgfältige, erschöpfende, streng wissenschaftliche und dabei doch gut
lesbare Schrift, die über diese viel umstrittenen Gedankengänge Abschließendes
bietet . . . Wer sich in den mannigfachen Qottesbeweisen und den Anschauungen
über die Willensfreiheit zurechtfinden will, muß zu diesem Buche greifen. Man
wird immer wieder staunend gewahr, welche Erkenntnisschätze in unserer klassi-
schen Zeit des Idealismus oft noch so ungehoben liegen.
Pfarrer Traub in der Christlichen Freiheit.
Zur Wiedergeburt des Idealismus.
Von Dr. Fcrd. Jak. Schmidt,
Direktor der Margaretenschule in Berlin.
1908. VIII, 325 S. Preis M. 6.—, geb. M. 7.—.
Aus dem Inhalt: Kapitalismus und Protestantismus. Der mittelalter-
liche Charakter des kirchlichen Protestantismus. Der theologische Positivis-
mus. Adolf Harnack und die Wiederbelebung der spekulativen Forschung.
Das Erlebnis und die Dichtung. Goethe und das Altertum. Kant-Orthodoxie.
Die Philosophie auf den höheren Schulen. Die Frauenbildung und das klas-
sische Altertum.
Was F. J. Schmidt in diesen gesammelten philosophischen Studien zu sagen
hat, geht uns alle von Herzen an. Der Qedankeninhalt ist so groß und wohl-
Eeordnet, daß es ein Jammer wäre, einzelne Gedanken herauszubrechen und dem
eser zu zeigen. Eine zusammenfassende Darstellung wieder der Grundgedanken
hieße sie herausnehmen aus dem lebendigen Zusammenhang, in dem sie durch
den glänzenden Stil plastisch hervortreten, gleichsam leben vor den Augen des
Lesers ... Ich bin durch diese gedankentiefen, großzügigen Ausführungen ein
anderer geworden, fester in meiner wissenschaftlichen Erkenntnis, die neue Ge-
stalt und Tiefe gewonnen hat, freier und sicherer in meinem religiösen Leben,
froher in meinem Pfarrerberuf, stolzer als Protestant und deutscher Bürger.
Protestantenblatt .
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Der Skeptizismus in der Philosophie.
Ein historisch-kritischer Versuch.
Von Dr. Raoul Richter,
a. o. Professor der Philosophie aa der Universität Leipzig.
Zwei Bände. 1904 und 1908. 388 und 590 S.
Preis geh. IM. 14.50, geb. M. 17.50.
Das gehaltreiche Werk kann allen zur Lektüre empfohlen werden , die an
dem einseitigen Vorurteil von der Unfruchtbarkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit
eines begründeten Skeptizismus und seiner Verwechselung mit einem nihilistischen
Agnostizismus noch festhalten. Ganz besonders aber kann es dem Dogmatismus
aller Schattierungen als .,heilsames Zuchtmittel im Dienste der Wahrheit" ans
Herz gelegt werden : zum Heil der Philosophie als der systematische Versuch
einer wissenschaftlichen Begründung unserer Wertschätzungen.
Archiv für die gesamte Psychologie.
Friedrich Nietzsche. Sein Leben und
sein Werk.
Von Dr. Raoul Richter,
a. o. Professor der Philosophie an der Universität Leipzig.
2.. umgearbeitete u. vermehrte Aufl. 1909. VIII, 356 S.
Preis M. 4.80, geb. M. 6.—.
Das Buch erhält seinen spezifischen Charakter durch das von vornherein
klar formulierte und konsequent durchgeführte Programm : Nietzsche im strengsten
Sinne des Worts phi 1 osophiegeschicht lieh zu behandeln, also im Gegensatz
zu allen kulturgeschichtlichen, psychologischen und pathographischen Darstellungen
zum Verständnis des logischen Gedankengehalts seiner Lehre zu führen, die von
ihm aufgeworfenen Probleme auf die Richtigkeit der Fragestellung, die von ihm
gegebenen Lösungen auf ihre innere Möglichkeit hin zu prüfen, kurz : Nietzsches
Denken als ein philosophisches Bemühen um philosophische Probleme ernst zu
nehmen. Daß ein solches Buch in unserer Literatur über Nietzsche — man darf
sagen eine Notwendigkeit ist, braucht nicht hervorgehoben zu werden.
Archiv für Psychologie,
Friedrich Nietzsche: Also sprach
Zarathustra.
Erklärt und gewürdigt
von Oberlehrer Hans Weichelt.
1910. VIII, 319 S. Preis M. 5.—, geb. M. 6.20.
Dies Buch, edel in Sprache und Gedankenbildung, inhaltlich ebenso ausge-
zeichnet wie in der Form, von außerordentlicher Sachkenntnis und Belesenheit
zeugend, wird sich seinen Platz in der ernst zu nehmenden Nietzsche-Literatur
erobern. Neues Sächsisches Kirchenhlatt,
Wir besitzen schon mehrere Kommentare zum „Zarathustra", aber keinen,
den man weiteren Kreisen mit so gutem Gewissen empfehlen kann, wie den un-
längst erschienenen von Hans Weichelt. Er gehört zu dem Besten, was über
Nietzsche geschrieben worden ist, und zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß
ihn ein Mann geliefert hat, der Nietzsche versteht und verehrt und ihn doch nicht
adoriert, sondern freimütig und herzhaft kritisiert. . . . Aller Pedanterie abgeneigt,
erweist sich Weichelt als selbständiger und geschmackvoller Interpret, der fein-
fühlig nachzuempfinden, geschickt zu reproduzieren und prägnant zu formulieren
vermag Berliner Tageblatt,
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Die Religion.
Einführang in ihre Entwicklungsgeschichte.
Von C. Schaarschmidt,
weiland o. Professor an der Universität Bonn.
1907. VIII, 253 S. Preis M. 4.40, geb. M. 5.40.
Der Verfasser hat sich die .Aufgabe gestellt, eine Einführung in die Entvtick-
lungsgeschichte der Religion zu schreiben, und man wird ihm nach der Lektüre des
fließend und geistvoll geschriebenen Buches bestätigen, daß er dieser Aufgabe ge-
recht geworden ist. Man fühlt stets, daß hinter den Zeilen eine frische, von
warmem Enthusiasmus getragene Persönlichkeit steht, die nach Klarheit über die
tiefsten Probleme der Menschheit gestrebt hat und nun für das Ergebnis ihres
Forschens und Denkens in Wort und Schrift eintreten will.
Jahresberichte der Geschichtswissenschaft.
Gesammelte Aufsätze zur Philosophie
und Lebensanschauung.
Von Dr. Rudolf Eucken,
o. Professor der Philosophie an der Universität zu Jena.
1903. IV, 242 S. Preis M. 4.20, geb. M. 5.20.
Diese dankenswerte Sammlung philosophischer Aufsätze von Eucken verdient
eine besondere Würdigung, da sie als Einführung in seine eigenartige Lebens-
anschauung wohl dienen und gleichsam rückwirkend eine Art Präludium für seine
bereits erschienenen größeren Werke abgeben kann. . . . Die Vornehmheit und
der Reichtum der Diktion braucht bei .Aufsätzen aus der Feder Euckens nicht erst
hervorgehoben zu werden; daß eine gewisse persönliche Wärme hier mehr zur
Geltung kommt als in den größeren systematischen Arbeiten, gibt dem Ganzen
etwas Intimes, dem wir unser Entgegenkommen nicht versagen können.
Archiv für Psychologie.
Wenn irgend Gelegenheitsschriften die Probe der Sammlung und Ausgabe
in Buchform "länzend bestehen, so sind es die Euckens. Sie reichen auf dem
Gebiete der Philosophie nahe an das heran, was die wundervollen Aufsätze
Treitschkes uns auf historischem, die A\ichael Bernays' auf literarhistorischem
Gebiet geben. Deutsche Literatur- Zeitung.
Platos Ideenlehre.
Eine Einführung in den Idealismus.
Von Dr. Paul Natorp,
o. Professor der Philosophie an der Universität in Marburg.
1903. VIII, 474 S. Preis geb. M. 8.70.
Ein Werk, das in den hellsten Vordergrund philosopliischen Interesses ge-
hört, eins der bedeutsamsten der Philosophiegeschichte überhaupt, wie in den
letzten Jahrzehnten nur sehr, sehr wenige erschienen sind von ähnlich zentralem
Interesse, ähnlicher wissenschaftlicher Intensität, Energie und Kühnheit! Eme
völlige Neuauffassung Platos! Ein kraftvolles Werk aus einem Guß und eigener
Kraft! ... In Summa: Dies Werk zieht an dem früheren Plato eine neue Seite
hervor und stellt den späteren Plato (vom Parnienides an) zum ersten Male ins
volle, helle, rechte Licht; aber wie in der Renaissance führt hier der historische
Kampf für Plato gegen Aristoteles in heute nötigster tiefster Selbstbesinnung zur
Lebensfrage der Philosophie, der Wissenschaft, der Erziehung. Soll die Wissen-
schaft mit dem Realismus noch mehr herabsinken zur Beschreibung und nicht
wieder Methode werden? So verstehe ich's. In diesem Sinne ist dies Buch eine
Erziehung zum Idealismus. In diesem Sinne hat es Plato im Innersten verstanden.
Karl Joe l itt der „Deutschen Literaturzeitung**.
Katalog der
Philosophischen Bibliothek.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
m
Neuersclielnun$en \n\j) des Jahres 1910/11
Vorländer, Karl. GescMclite der PhilosopMe. Zwei Bände.
3. Auflage. I. Altertum, Mittelalter und Übergang zur Neuzeit.
II. Philosophie der Neuzeit. Preis M. 8.10, geb. M. 10.—
Kirchner'* "Wörterbuch, der philo sophischen Grundbegriffe.
6. Auflage. Dritte Neubearbeitung von Stadtschulrat Dr. Carl
Michaelis. YIII, 1124 S. Preis geh. M. 12.50, geb. M. 14.—
Aristoteles. Nikomachische Ethik. 2. Auflage. Neu übers,
u. erläut. v. Dr. theol. Eug. Rolfes. Preis M. 3.20, geb. M. 3-80
Aristoteles. Drei Bücher über die Seele. Neu übers, v. Gymn.-
Dir. Dr. A. Busse. 1911. XX, 94 u. 27 S. Preis M. 2.20, geb. M. 2.70
Fichte. "Werke. Bd. I. Mit Einltg. von Prof. Dr. F. Medicus.
(Früher erschienen Bd. II— V.) Preis M. 7.—, in Hfz. geb. M. 9.—
Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts. Mit den
von Gans redigierten Zusätzen aus Hegels Vorlesungen neu her-
ausgeg. von Dr. Georg Lasso n; Preis M. 5.40, geb. M. 6. —
Humboldt, Wilh. von. Ausgewählte phüosophische Schrif-
ten. Hrsgeg. V. Dr. Joh. Schubert. Preis M. 3.40, geb. M. 4. —
PlatO. Theätet. 2. Auflage, neu übers, und erläut. von Geh. Rat
Dr. Otto Apelt. Preis M. 3.40, geb. M. 4.—
Schiller. Philosophische Schriften und Gedichte. Mit aus-
führl. Einleitg. herausgeg. von Prof. Dr. Eugen Kühnemann.
2., vermehrte Auflage. Preis M. 4.50, geb. M. 5.20
Schleiermacher, Friedrich. Grundriß der philosophischen
Ethik. In der Twestenschen Passung neu hrsg. von 1). Fried-
rich M. Schiele. Preis M. 2.80, geb. M. 3.40
Schleiermacher. "Werke in 4 Bdn. Mit Geleitwort von Prof. D.
Dr. Dorn er hrsg. v. Priv.-Doz. Dr. 0. Braun (s. Verzeichnis).
Ober das Wesen der Universität. Abhandlungen von
Fichte, Schleiermacher, Steffens. Mit e. Einltg. hrsgeg. v.
Priv.-Doz. Dr. Eduard Spranger. Preis M. 4. — , geb. M. 5. —
Zu beziehen durch:
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Philosophische Bibliothek.
Sammlung der philosophischen Hauptwerke alter und neuer Zeit
übersetzt und erläutert von namhaften Gelehrten.
Die neu herausgegebenen Bände zeichnen sich durch genaue Register
aus und erleichtern somit den Gebrauch der Schriften außerordentlich.
Jeder Band ist einzeln zu beziehen!
Band M ^
*2 Aristoteles. Metaphysik. Übersetzt u. mit e. Lebensbeschrei-
bung des Aristoteles, sowie mit Erläuterungen versehen von
Dr. E. Rolfes. Bd. L 1904. 18, 162 u. 36 S. (geb. 3.—) 2.50
3 Bd. IL 1904. 164u. 46S. (geb.-3.— ) . 2.50
5 — Nikomachische Ethik. 2. Aufl. Neu übersetzt und mit einer
Einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von Dr.
theol. Eug. Rolfes. XXIV, 234 u. 40 S. (geb. 3.80) . 3.20
Das Bestreben, den inneren Zusammenhang' hervortreten zu
lassen, charakterisiert die Übersetzung: Rolfes' und führt nebst
glücklicher Wahl des deutschen Ausdrucks zu einer flüssigen, auch
an schwierigen Stellen verständlichen Sprache.
Monatshefte für Mathematik und Physik.
7 — PoUtik. 38, 268 S. (geb. 3.—) 2.50
9-13— Organon kompl. 126, 606 S. (geb. 6.—) 5.10
Daraus einzeln:
9 — Kategorien und Hermeneutica. 12, 82 S. (geb. 1.40) . . 1. —
10 — Erste Analytiken, oder: Lehre vom Schluß. 172 S. (geb. 1.20) —.80
11 — Zweite Analytiken, oder: Lehre vom Erkennen. 136 S. . . — .80
12 — Topik. 32, 206 S. (geb. 2.40) 2.—
13 — Sophistische Widerlegungen. 26, 66 S. (geb. 0.90) . . . —.50
14—18 — — Erläuterungen zum Organon kompl. 729 S. (geb. 3.80) . 3.—
Auch einzeln zu beziehen.
* — Ars poetica. Ed. Fr. Ueberweg. 40 S —.40
20 Berkeley. Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen
Erkenntnis. Übers, u. mit Anm. versehen von Friedrich
Ueberweg. 4. Aufl. 1906. 166 S. (geb. 2.50) .... 2.—
102 — Drei Dialoge zwischen Hylas und Philonous. Übers, u. eingel.
von Prof. Raoul Richter. 1901. XXVII, 131 S. (geb. 2.50) 2.—
21 Bruno, Giprdano. Von der Ursache, dem Prinzip und dem
Einen. Übers, u. mit Anm, versehen von Prof. Adolf Lasson.
3. Aufl. 1902. XXIV, 115 u. 47 S. (geb. 2.—) 1.50
22 Cicero. Fünf Bücher über das höchste Gut und Übel. Mit
einer Lebensbeschreibung des Cicero. 846 S. (geb. 1.40) . 1. —
23 — Drei Bücher über die Natur der Götter. 262 S. (geb. 1.20) —.80
24 — Lehre der Akademie. 176 S. (geb. 1.—) —.60
* Comte. Ang'nste. Die positive Philosophie. Im Auszuge von
Jules Rig. 2 Bde. in Groß S». 32, 472 S. 12, 524 S. . 16.—
25 CondiUac. Abhandlung über die Empfindunßfen. Übers, von
Johnson. 228 S 1.50
•) Außerhalb der Nummemfolge der Philosophischen Bibliothek.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
nd M h
\— Descartes. Philosophische Werke. 4 Bde. in 2 Geschenkbd. geb. 14. —
•9 Diese reichhaltigste deutsche Ausgabe Descartes' erhält einen
besondemWert dadurch, daß die Erklärungen zu seinem Hauptwerk,
den Meditationen, aus Descartes' eigenem Briefwechsel und aus
Auseinandersetzungen mit seinen Zeitgenossen stammen, so daß
Descartes sich hier seinen eigenen Kommentar geschrieben hat.
u. I. Abhandlung über die Methode. Die Regeln zur
ßa Leitung des Geistes. Die Erforschung der Wahrheit durch
das natürliche Licht. Neu übers, u. mit Einleitung u.
Anm. herausgeg. von Dr. ArturBuchenau (geb. 3. — ) 2.40
Daraus einzeln:
— Abhandlung über die Methode. 2. Aufl. 1905. 82 S. —.60
— Die Regeln zur Leitung des Geistes. Die Erfor-
schung der Wahrheit durch das natürliche Licht.
1906. 168 S. (geb. 2.40) • • • l-^^
7 n. Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Neu
übers, u. auf Grund der „Objectiones et Responsiones"
erläutert von Dr. Artur Buchenau. 3. Aufl. 1904.
68 u. 246 S. (geb. 3.50) 3.—
Erst die bisher in der Semlnarlektüre unberechtigt vernach-
lässigten „Einwendungen und Erwiderungen'', die ja einen weit
größeren Umfang einnehmen als das zugrunde gelegte "Werk, geben
einen vollständigen und sicheren Einblick in die Tendenz und Ab-
sicht dieser Schrift Descartes'. Immer sieghafter kann rnan den
kritischen Gedanken, der in den Meditationen noch in einer
metaphysisch-dogmatischen Umhüllung auftritt, in der Verteidi-
gung gegen die Einwürfe und Mißverständnisse der Gegner durch-
brechen sehen. 0. Buek im „Literarischen Zentralblatt".
18 ni. Die Prinzipien der Philosophie. Mit einem Anhang, enth.
Bemerkungen Descartes' über ein gewisses in den Nieder-
landen gegen Ende 1647 gedrucktes Programm. 3. Aufl.
.von Dr. ArturBuchenau. 1908. 48, 310 S. (geb. 5.60) 5.—
19 lY. Über die Leidenschaften der Seele. (Mit zwei Briefen
Descartes' als Vorrede.) 2. Aufl. 144 S 1. —
^ — Regulae ad directionem ingenii. Nach der Originalausg. von
1701 herausgeg. von Dr. Artur Buchenau. 1907. IV, 66 S. 1. —
'— Fichte, Job. Gottl. Werke. Hrsg. v. Prof. Dr. F. Medicus.
12 6 Bde. in Groß 8<^. (bisher erschienen Bd. I—V.) 1908—11.
(geb. in Hfz. 54.—) 42.—
Die Textbehandlung ist durch mustergültige Genaviigkeit aus-
gezeichnet. Die Einleitungen des Herausgebers zum „Geschlossenen
Handelsstaat", zur „Anweisung zum seligen Leben"* und zum
-Atheismusstreit" verdienen besonders hervorgehoben zu werden.
Sie führen vortrefflich in die zeitgeschichtlichen Bedingungen
dieser Schriften ein und geben eine kritische Erörterung ihi:es
Wertes nach modernen Forschungen. Daß Fichte auch für unsere
Zeit noch manches zu sagen hat, daß er noch nicht lediglich histo-
risch geworden ist, mögen besonders die Einleitungen zum „Han-
delsstaat" und zur „Anweisung" lehren. Es scheint aber, als ob
auch die geistige Stimmung vielfach zu Fichte zurücklenkt als
dem Denker, der unter der Hülle seiner Metaphysik des Ich der
Persönlichkeit ihre Stellung gewinnt.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht.
17 — Bd. L Mit Bildnis Fi cht es nach der Büste von L. Wich-
mann. 1911. CLXXX u. 603 S. (geb. in Hfz. 9.—) . . 7.—
Einleitung von Medicus S. I— CLXXX. Versuch einer Kritik
aller Offenbarung (1792). S. 1.-128. —Rezension des Aeuesidemos
(1794). S. 129—154". — Über den Begriff der Wissenschaftslehre
(1794). S. 155-216. — Bestimmung des Gelehrten (1794). S. 217—274.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Band Jl ^
— Grundlage der gesamten "Wissenschaftslehre ^1794). S. 275—520.
— Grundriß des Eig-entümlichen der Wissenschaftslehre in Rück-
sicht auf das theoretische Vermög'en (1795). S. 512—603.
Daraus einzeln:
127a Fichte, Job. Gottl. Bd. I. Über den Begriff der Wissenschafts-
lehre (1794). IV, 61S 1.—
127b — — Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794). Mit
Einltg. von F. Medicus. XXX, 245 S. (geb. 4.—) . . 3.—
127c — — Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre
in Rücksicht auf das theoretische Vermögen. IV, 83 S. . 1.20
128 — Bd. li. 1908. 759 S. (geb. in Hfz. 9.—) 7.—
Grundlage des Natiirreohts a796). S. 1— S9ü. — Das System
der Sittenlehre (1798). S. 391—759.
Daraus einzeln:
128a — — Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der
Wissenschaftslehre (1798). 1908. IV, 371 S. (geb. 4.50) . 3.50
128b Grundlage des Naturrechta. 1908. IV, 389 S. (geb. 5.—) 4.—
129 — Bd. III. Mit e. Bildnis Fichtes (Kupferstich von Schult-
heis). 1910. 739 S. (geb. in Hfz. 9.—) 7.—
Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797). S. 1—34. —
Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797). S. 35—102. —
Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797^.
S. 103 — 118. — Die philosophischen Schriften zum Atheismusstreit
(1798—1800). S. 119—260. — Die Bestimmung des Menschen (1800).
S. 261—416. — Der geschlossene Handelsstaat (1800). S. 417—544. —
Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigent-
liche Wesen der neueren Philosophie (1801). S. 545—644. — Fried-
rich Nicolais Leben und sonderbare Meinungen (1801). S. 645—739.
Daraus einzeln:
129a Erste und zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre.
1910. IV, 102 S 1.50
129b Die philosophischen Schriften zum Atheismusstreit. Mit
Einleitung von F. Medicus. 1910. XXXIII, 142 S. . . 2.—
129c Die Bestimmung des Menschen. 1910. IV, 155 S. . . 1.80
129d Der geschlossene Handelsstaat. Mit Einleitung von F.
Medicus. 1910. XII, 127 S 1.60
129e — — Sonnenklarer Bericht über das eigentliche Wesen der
neueren Philosophie. IV, 102 S 1.20
129 f NicolaisLeben und sonderbare Meinungen. 1910. IV, 95 S. 1. —
i:{0 — Bd. IV. 1908. 648 S. (geb. in Hfz. 9.—) 7.—
Darstellung der Wissenschaftslehre. Aus dem Jahre 1801.
S. 1—164. — Die Wissenschaftslehre. Vorgetragen i. J. 1804.
S. 165—392. — Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1806).
S. 393-648.
Daraus einzeln:
130a Die Wissenschaftslehre von 1801 u. 1804. 396 S. (geb. 5.—) 4.—
130b — — Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters. 1908. IV,
264 S. (geb. 4.—) 3.—
131 — Bd. V. Mit e. Bildnis Fichtes (Medaillon von Wich-
mann). 1910. 692 S. (geb. in Hfz. 9.—) 7.—
Über das Wesen des Gelehrten (1806). S. 1—102. — Anweisung
zum heiigen liehen (1806). S, 103-308. — Bericht über den Begriff
der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale ders. (1806).
S. 309—356. — Zu .Tacobi an Fichte" (lbü7). S. 357-364. — Reden
an die deutsche Nation (180M). S. 366—610. — Die Wissenschafts-
lehre in ihrem allgemeinen Umriß (1810). S. 611—628. — 5 Vor-
lesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1811). S. 629—692.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Daraus einzeln: ,, '^
I31a Fichte, Job, Gottl. Über den G-elehrten. Bestimmung des
Gelehrten (aus Bd. I) (1794) — Wesen des Gelehrten (1805)
— Bestimmung des Gelehrten (1811). IV, 224 S. (geb. 4.—) 3.—
I31b — — Anweisung zum seligen Leben. Mit Einltg. v. F. Medi-
en s. XVin, 205 S. (geb. 3.50) 2.50
131c Reden an die deutsche Nation. 1910. 250 S. (geb. 2.80) 2.—
AuUerhalb der Gesamtausgabe erschien:
30 — Versuch einer Kritik aUer Offenbarung, Hrsg. v. J. H. v.
Kirchmann. 202 S 1.—
120 Fichte, Schleiermacher, Steffens. Über das Wesen der Uni-
versität. Mit einer Einltg. herausgeg. von Eduard Spranger.
1910. XLin, 280 u. 11 S. (geb. 4.50) 4.—
109 Goethes Philosophie aus seinen Werken. Ein Buch für jeden
gebildeten Deutschen. Mit ausführl. Einltg. herausgeg. von
Max Heynacher. 1905. VIII, 110 u. 318 S 3.60
— — Einfach geb. M. 4. — In Geschenkband 5. —
Nur eine Zusammenstellung' ! Aber solche bloßen Zusammen-
stellungen können die größte Tat bedeuten, sind vielfach unend-
lich wichtiger als selber Bücher schreiben. Die gewaltigsten
"Werke der Weltliteratur sind nur Anthologien. Das Zusammen-
bringen des Einzelnen und Verstreuten ist die Kulturtat; daß es
durch Buchbinderfäden in eins geheftet wird — wie Ungeheures
will das sagen l Als ich dieses Buch las, in einem, was man sonst
nur von da und dort sich zusammenholen und sich selber zurecht-
konstruieren muß, so Zug um Zug vom Urquell trank — da kam es
auch über mich immer wieder wie ein Erschrecken und Erschauen.
Und mir war's als wieder etwas ganz Neues, als hätte ich's zum
ersten Male erfunden und entdeckt und noch nie gehört : Goethes
Philosophie bedeutet wirklich und wahrhaftig etwas ganz Neues.
Julius Hart im „Tag".
31/2 Grotins, Hngro. Drei Bücher über das Recht des Krieges und
Friedens. Mit Anm. u. einer Lebensbeschreibung des Verf.
2 Bde. 530 S. 480 S. (geb. 7.—) 6.—
33 He^el, Georg" Wilh. Friedr. Encyclopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse. In 2. Aufl. neu herausgeg.
von Georg Lasso n. 1905. 76, 499 u. 23 S. (geb. 4.20) 3.60
Diese Ausgabe der Enzyklopädie bUdet eine Zierde der Philo-
sophischen Bibliothek und wird auch an ihrem Teile dazu bei-
tragen, immer weitere Kreise der Gebildeten von neuem für die
Phüosophie des tiefsten Denkers der deutschen Nation zu gewinnen.
Preuß. Jahrb.
114 — Phänomenologie des Geistes. Jubiläumsausgabe. Hrsgeg. u.
mit einer Einltg. versehen von Georg Lasson. 1907. 119,
632 S. (geb. 6.—) 5.—
Ganz besonders hervorgehoben zu werden verdient die aus-
führliche Einleitung, die der Herausgeher diesem "Werke voran-
geschickt hat. Er gibt darin eine Entwicklung des Hegeischen
Denkens bis zur „Phänomenologie" hin und eine Charakteristik
dieser Schrift selbst, die als die beste und wirkungsvollste Ein-
führung in das Studium dieses Philosophen hingestellt werden
können. Preußische Jahrbücher.
124 — Grundlinien der Philosophie des Rechts. Mit den von Gans
redigierten Zusätzen aus Hegels Voriesungen neu herausgeg.
von Georg Lasson. 191L XCVI, 380 S. (geb. 6.—) . 6.40
112 Herders Philosophie. Ausgewählte Denkmäler aus der Werde-
zeit der neuen deutschen Bildung. Herausgeg. v. Horst
Stephan. 1906. 44, 275 u. 35 S. (geb. 4.20) ..... 3.60
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Bond
JH ^
Herder ist der Sämann, der am Eingang unserer modernen
Kultur steht. Mit dem weitausgreifenden Schritt des Sehers und
Propheten hat er als erster das große Keich unseres Weltempfin-
dens und Welterkennens durchschritten und überallhin über das
fruchtbare Land seine Keime ausgestreut, die heute langsam der
Blüte und Frucht entgegenreifen.
123 Hnmboldt, Willi. Ton. Außgewählte philosophische Schriften,
Herausgeg. v. Joh. Schubert. 1910. 39, 222 S. (geb. 4.—) 3.40
* — Denkschrift über Preußens ständische Verfassung 1819 und
andere Abhandlungen zur Staatslehre. Mit Einleitung von
L.B. Förster. 3G u. 96 S —.60
35 Hnme, Dayid. Eine Untersuchung über den menschlichen Ver-
stand. 7. Aufl. Herausgeg. von Raoul Richter. 1911.
VIII, 193 u. 31 S. (geb. 2.90) . 2.40
36 — Dialoge über natürliche Religion. Über Selbstmord und Un-
sterblichkeit der Seele. Übersetzt u. eingeleitet von Fried-
rich Paulsen. 3. Aufl. 1905. 28 u 138 S. (geb. 2.—) . . 1.60
Diese Schrift kann uns auch heute noch, 150 Jahre nach ihrem
Entstehen, ermutigen in unserm heißen Ringen um Gewissens-
freiheit und Toleranz. In seiner Einleitung „erörtert Paulsen mit
meisterhafter BHarheit Inhalt und Absicht des Humeschen Dialoges,
und mit der ihm ,in so hohem Maße eigenen Fähigkeit der über-
sichtlichen Darstellung komplexer Verhältnisse entwickelt er im
Eahmen dieser Erörterung, die möglichen Verhaltungsweisen zu
den Reli^ionswahrheiten' überhaupt. Gerade hierdurch aber ge-
winnt seme Einleitimg einen über die Bedeutung ihrer ursprüng-
lichen Bestimmung weit hinausreichenden "Wert". Kantstudien.
116 Kaiser Julian. Philosophische "Werke. Tibers, u. erklärt von
Rud. Asm US. 1908. VII, 205 u. 17 S. (geb. 4.25) . . . 3.75
37 — Kant, I. Sämtliche Werke. Herausgeg. von K. Vorländer,
52 0. Buek, 0. Gedan, W. Kinkel, J. H. vonKirchmann,
F. M. Schiele, Th. Valentiner u. a. In 9 Geschenkbänd. 60.—
Dies dürfte die timige, Ausgabe von Kants Sämtlichen Werken sein,
die zurzeit im Buchhandel zu h«ben ist. Besonders freudig wird es
daher begrüßt werden, daß hier zum vollen Verständnis des gewissen-
haft revidierten Textes eine wesentliche Erleichterung durch die
Einleitungen und Azmierkungen erster Autoritäten geboten wird.
37 — Kritik der reinen Vernunft. 9. Aufl. Neu herausgeg. von
Dr. Theodor Valentiner. 1906. XII, 770 S. (geb. 4.70) 4.—
— — In Geschenkbänd geb 6.40
Die Ausgabe ist auf feinstes Dünndruck-Papier gedruckt, so
daß das große Werk trotz seiner fast 800 Seiten doch einen über-
aus handlichen und leichten Band bildet.
113 — Kurzer Handkommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft.
Von Geh. Rat Prof. Dr. Hermann Cohen. 1907. 242 S. 2.—
38 — Kritik der jjraktischen Vernunft. 5. Aufl. M. Einltg. hrsg. v.
Prof. Dr. Karl Vorländer. 1906. 47 u. 220 S. (geb. 3.40) 2.80
39 — Kritik der Urteilskraft. 3. Aufl. Neu herausgeg. u. eingeleitet
vonProf.Dr.KarlVorländer. 1902. 38, 378U.86S. (geb. 4.10) 3.50
Ich stehe nicht an, diese Ausgabe eine Zierde der Philosophi-
Bchen Bibliothek zu nennen.
Ferd. J. Schmidt in den Preuß. Jahrbüchern.
40 — Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. 4. Aufl.
Herausgeg. u. eingeleitet von Prof. Dr. Karl Vorländer.
Älit 3 Beilagen. 1905. 44, 196 u. 12 S. (geb. 2.50) ... 2.—
41 — Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 3. Aufl. M. Einltg.
herausgeg. v. Prof. Dr. Karl Vorland er. 1906. 30 u. 102 S.
(geb. 1.80) 1.40
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Kant, I. Metaphysik der Sitten. 2. Aufl. Hrsg. u. eingeleit. von
Prof. Dr. Karl Vorländer. 1907. LI, 360 u. 18 S. (geb. 5.20) 4.60
43 — Logik. 3. Aufl. Neu herausgeg. u. eingeleitet von Prof.
Dr. Walter Kinkel. 1904. 28 u. 171 S. (geb. 2.50) . . 2.~
44 — Antkropologie in pragmatischer Hinsicht. 4. Aufl. 1899. 279 S. 1.50
45 — Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft.
3. Aufl. Herausgeg. u. eingeleitet von Karl Vorländer.
1903. 96, 236 u. 24 S. (geb. 3.70) 3.20
Der gfToße Vorzug der Ausgaben Dr. Vorländers besteht in den
ausführlichen Einleitungen, welche die Grundgedanken des kriti-
schen Idealismus eriäutem und so, in Verbindung mit genauen
Sachregistern, das Studium Kants zu erleichtem und sein Ver-
ständnis zu fördern recht geeigfnet sind. "Wie trefflich jene Ausgaben
ihrem Zwecke dienen, wird nur der recht zu würdigen wissen,
der sich ohne solche Hilfsmittel durch Kants Philosophie mühsam
hat hindurcharbeiten müssen. Protestantische Monatshefte.
46 — Kleinere Schriften zur Logik u. Metaphysik. 2. Aufl.
Herausgeg. u. eingeleitet von Prof. Dr. Karl Vorländer.
1905. 32, 169; 40, 172; 20, 175; 31, 175 S. (geb. 6.—) ... 5.20
Hiervon einzeln:
46a — Versuch, den Begriff" der negativen Größen in die "Welt-
weisheit einzuführen, (geb. 2. — ) 1.50
46b — Träume eines Greistersehera , erläutert durch Träume der
Metaphysik, (geb. 2.—) 1.50
46c — "Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik
seit Leibnizens und "Wolfs Zeiten in Deutschland gemacht
hat? (geb. 2.—) 1.50
46d — Der Streit der Fakultäten, (geb. 2.—) 1.50
47 — Kleinere Schriften zur Ethik u. Keligionsphilosophie. (2. Abt,
in 2. Aufl.) Vni, 224; VHI, 172 S. (geb. 2.50) 2.—
Hiervon einzeln:
— Zum ewigen Frieden — .60
47^1 — Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration
des Daseins Gottes und die anderen kleinen Schriften zur
Rel.-Phil. 3. Aufl., rev. von Fr. M. Schiele. 1911. (geb. 1.90) 1.50
Es ist dies die einzige Einzelausgabe der für das Verständnis
von Kants Entwirklung in seiner vorkritischen Periode bochbe-
deutsamen Schrift über die Beweise fürs Dasein Gottes. Zahllose
Ungenauigkeiten and Fehler der Hartensteinschen Ausgabe sind
beseitigt worden.
48 — Kleinere Schriften zur Naturphilosophie. 2. Aufl. Herausg.
u. eingel. vonDr. Otto Buek. Bd.l. 1909. 42, 338 S. (geb. 4.60) 4.—
49 Bd. 2. 1907. 12 u. 454 S. (geb: 5.60) . 6.—
50 — Vermischte Schriften und Briefwechsel. VI, 562 S. (geb. 4.60) 4.—
51 — Physische Geographie. 2. Aufl. Neu herausgeg. von Paul
Gedan. 1905. 30, 366 u. 386 S. (geb. 3.40) . ..... 2.80
Die Einleitung des vorliegenden Bandes gibt dem Leser ein
klares Bild von Kants Bedeutung für die Geographie und bietet
zugleich die wichtigsten textgeschichtlichen Bemerkungen. Zahl-
reiche Literaturangaben sind dabei beachtenswerte Fingerieige
für den, der sich aus historischem Literesse eingehender mit dem
Stoff beschäftigen will. Norddeutsche Allgemeine Zeitung.
52 — Die vier lat. Dissertationen im Urtext. VI, 122 S. (geb. 1.40) 1. —
Siehe auch: Wolffsche Begrifi*sbestimmungen.
66 Kirchmann, J. H. v. Grundbegriff'e des Rechtes und der Moral.
2. Aufl —.80
▼ V.A XCtg VV^ll A.- \,1.AJ\. ATX^lli^l 1X1 l^ClU^lg.
Band jf ^
Kirchniann, J. H. t. Die Lehre vom Wissen. Vergriffen.
118 An ihre Stelle trat Messer, Einführung in die Erkenntnis-
theorie, (geb. 3. — ) 2.40
Kirchner, Wörterbuch (12.50), siehe unter Lehrbücher der
Philosophischeu Bibliothek.
68 La Mettrie. Der Mensch eine Maschine. Übers, u. erläutert
von Dr. MaxBrahn. 1909. 22, 72 S. (geb. 2.20) . . . 1.80
Leibniz. Philosophische Werke. In 4 Yorzugsbänden geb. . 24. —
Diese vierbändige Leibniz-Ausg-abe ist die einzige, die in hand-
lichem Umfang ein Gesamtbild der "Weltanschauung dieses Philo-
sophen gibt, der für die Grundlegung der Probleme wissenschaft-
licher Forschung noch heute maßgebend ist. Wer um die philo-
sophische Begründung der Physik oder der Biologie sich bemüht,
wer Geschichte, Ethik oder Religionsphilosophie durchdenkt, oder
wer nach einer strengeren und tieferen Gestaltung der logischen
und mathematischen Prinzipienlehre strebt, muß auf Leibniz zu-
rückgreifen.
107 — Erster Band: Hauptschriften zur Grundlegung der
Philosophie. Übers, von Dr. Artur Buchenau. Durch-
gesehen u. mit Einleitungen u. Erläuterungen herausgegeben
von Dr. Ernst Cassirer. L: Zur Logik und Methoden-
lehre; Zur Mathematik; Zur Phoronomie und Dynamik;
Zur geschichtlichen Stellung des metaphysischen Systems.
Mit 17 Fig. 1904. 382 S. (geb. 4.20) 3.60
108 — Zweiter Band: Hauptschriften usw. IL: Zur Metaphysik
(Biologie und Entwicklungsgeschichte; Monadenlehre); Zur
Ethik und Rechtsphilosophie; — Anhang; — Sach- und
Namenregister. 1906. 580 S. (geb. 6.—) 5.40
69 — Dritter Band: Neue Abhandlungen über den mensch-
lichen Verstand. Übers., mit Einltg. u, Lebensbeschrei-
bung von Prof. Dr. C. Schaarschmidt. 2. Aufl. 1904.
68, 590 S. (geb. 6.80) 6.—
70 — — Erläuterungen dazu von Prof. Dr. C. Schaarschmidt.
2. Aufl. 1908. 122 S. (geb. 2.50) 2.—
71 — Vierter Band: Theodicee. Übers, u. erläut. von J. H.
V. Kirchmann. Mit 2 Tfln. XVI, 533 S. (geb. 3.60). . 3.—
72 Erläuterungen dazu. 162 S —.50
Außerhalb der Gesamtausgabe sind erschienen:
7S — Die kleineren philosophisch wichtigeren Schriften. XII, 268 S. 1.—
74 Erläuterungen dazu. 200 S —.60
119 Lessings Philosophie. Denkmäler aus der Zeit des Kampfes
zwischen Aufklärung u. Humanität in der deutschen Geistes-
bildung. Herausgeg. von Dr. Paul Lorentz. 1909. 86,
396 S. (geb. 5.20) 4.50
Lorentz' Auswahlband ist wohl das beste und brauchbarste
Werk, das wir über diesen Gegenstand in neuerer Zeit erhalten
haben. Der Herausgeber verzichtet gern auf eine neue Resultate
ergebende Forschung, aber er verzichtet nie auf ein sehr selb-
ständiges und tiefes Nachdenken über die Lessingschen Geistes-
firodukte. "Wer schnell die QuoUenbelege für die Lessingsche
xsbens- und Weltanschauung gebraucht und sich in der Kürze
eine Übersicht über die Ansicht des iJenkers in einzelnen Fragen
auch entwicklungsgeschichtlich verschaffen will, folge diesem ge-
diegenen Führer. Monatshefte der Comeniusgesellschaft.
V WA xctg ^f^Jli, x* caia ita^aia^a aaa jl^wa^^^a^.
ad .. U/ (^
tl Lessing:. Über das Trauerspiel. Briefwechsel mit Mendelssohn
und Nicolai. Nebst verwandten Schriften Nicolais u. Mendels-
sohns herausgeg. u, eriäut. von Prof. Dr. Robert Patsch.
1910. 55, 144 S. (geb. 3.50) 3 —
5 Locke, Versuch über den menschlichen Verstand. I. Bd.
487 S. 2. Aufl 3.—
'6 — — II. Bd. Neuausgabe im Druck.
'8 Erläuterungen zu Bd. 11. 138 S 1.—
9 — Leitung des Verstandes. Übers, v. Jürgen B. Meyer. 104 S.
(geb. 1.20) —.80
* Melanchthon. Ethik. In der ältesten Fassung zum 1. Male
herausgeg. v. H. Heineck. 69 S 1.20
Mendelssohn, Moses. Von der Herrschaft über die Neigungen
(3. — ). Siehe unter Lessings Briefwechsel.
Nicolai, Friedrich. Abhandlung vom Trauerspiel (3. — ). Siehe
unter Lessing'S Briefwechsel.
iO Plato. Der Staat. Übers, von Friedr. Schleiermacher.
3. Aufl., durchges. von Th. Siegert. 1907. 432 S. (geb. 4.60) 4.—
[1 — Gastmahl. Neuausgabe in Vorbereitung.
12 — Theätet. Übers, u. eriäut. von Dr. Otto Apelt. 2. Aufl.
1911. IV. 28, 116 u. 48 S. (geb. 4.—) 3.40
Ohne die Apeltsche Übersetzung- wird sich niemand mehr
über Theätetfragen äußern können. Die Lektüre ist ein Genuß,
namentlich sind dem Verfasser die Glanzstellen des Dialoges vor-
trefflich gelungen. — Das Buch bietet in gewissem Sinne einen
Abschluß der Theätetforschung. "Wochenschr. f. klass. Philologrie.
i3 — Parmenides. 42, 142 S. (geb. 2.—) 1.50
* Renan, Ernst. Philosophische Dialoge u. Fragmente. Übers.
V. Konrad V. Zdekauer. XIX, 239 S • 2.—
1/5 Schellings "Werke in 3 Bänden. Mit drei Porträts Seh. 's und
Geleitwort von Prof. Dr. A. Drews, hrsg. u. eingel. v. Dr.
A.Weiß. 1907. Groß 8 o. (geb. in Hfz. 30.— ) 25.—
(Vorzugsausgabe, 30 numerierte Exemplare in Ganzleder-
bänden 40. — ).
"Wer die Überzeugung teilt, daß Schellings rastlos fortstürmende
Gedankenarbeit in Tiefen der Wahrheit oder doch wenigstens des
"Wahrheitsuchens hineinführt, die kein anderer Denker uns er-
schließen kann, dem muß es eine Freude sein, obige prächtige
Ausgabe der "Werke Schellings anzuzeigen . . . Die Auswahl der
"Werke ist so getroffen, daß dem, der diese Ausgabe durcharbeitet,
ein g'eschlossenes Bild der Gedankenentwicklung Schellings vor
Augen liegt . , . Besonders sei noch auf das Vorwort von A. Drews
und die Einleitung des Herausgebers hingewiesen. Eine Einleitung
zu Seh. ist ja besonders wichtig, denn wer kennt ihn und die
mannigfachen Beziehungen seiner Gedanken I Christliche "Welt.
(3 — Bd. I. Schriften zur Naturphilosophie. 1907. CLXII, 816 S.
Mit Bildnis Schellings in Photogravüre, (geb. in Hfz. 11. — ) 9. —
Geleitwort von Prof. Dr. A. Drews. S. TX— XXXn. — Ein-
leitung; Schellings Leben und Lehre. "Von Dr. 0. "Weiß. S.
XXXin— CLXn. — vom Ich als Prinzip der Philosophie. (1795).
S. 1—96. — Ideen zu einer Philosophie der Natur. (1797). S. 97—440.
— Von der "Weltseele. (1798). S. 441—680. — Einleitung zu dem
Entwurf eines Systems der Natuiphilosophie. (1797). S. 681 — 738.
— Allgemeine Deduktion des dynamischen Prozesses. (1800).
S. 739—816.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Band ju ^
134 Schellin^. Bd. II. Die Schriften zum Identitätssystem. 682 S.
(geb. in Hfz. 10.— ) 8.—
System des transzendentalen Idealismus (1800). S. 1—308. —
Darstellung eines Systems der Philosophie (1801). S. 309—416. —
Bruno, oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge
(1802). S. 417—536. — Vorlesungen über die Methode des akade-
mischen Studiums (1803). S. 637—682.
135 — Bd. III. 935 S. (geb. in Hfz. 11.—) 9.—
Philosophie der Kunst (a. d. handschr. Nachl. 1802/3). S. 1—384.
— Über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur (1807).
S. 385—426. — Über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809).
S. 427 — 512. — Darstellung des philosophischen Empirismus (1827).
S. 513 — 574. — Auswahl aus der positiven Philosophie (Philosophie
der Mythologie und Offenbarung. 1840/45), S. 575—856. — Biblio-
graphie und Register. S. 857—935.
Die Schriften dieser Ausgabe sind zu entsprechenden
Preisen auch einzeln zu beziehen.
Außerhalb dieser Ausgabe erschien:
10-1 — Münchener Vorlesungen: Zur Geschichte der neueren
Philosophie. Darstellung des philosophischen Empirismus.
Neu herausgßg. mit Erläuterungen von Prof. Dr. Artur
Drews. 1902. XVI, 262 u. 92 S. (geb. 6.20) 4.60
* Scbelling' als Persönlichkeit. Briefe, Reden, Aufsätze. Hrsg.
V. 0. Braun. Mit Abb. der Jugendbüste Sch.'s. 1908. 282 S.
(geb. 5.-) . . 4.-
Enth. u. a.: Über das Wesen deutscher Wissenschaft (1812?)
Vorrede zur Allg. Zeitschrift von Deutschen für Deutsche (1813).
Von den Briefen sind hervorzuheben die an Eichte und Hegel,
die poetischen Reisebriefe an seine Eltern, mehrere Briefe an
Goetne mit dessen Antworten, an Schubert usw. — Ein Buch, das
die größte Beachtung verdient, weil ein Geist hindurchüutet, der
dem Suchen unserer Zeit so innig verwandt ist.
Kasseler Allgemeine Zeitung.
103 Schiller. Philosophische Schriften und Gedichte (Auswahl).
Zur Einführung in s. Weltanschauung. Mit ausführl. Einltg.
herausgeg. von Eugen Kühnemann. 2. vermehrte AufJ.
1910. 94 u. 344 S. (geb. 5.20) 4.50
136— Schleiermachers Werke in 4 Bänden. Mit Geleitwort von Prof.
139 D. Dr. A. Dorn er. Hrsg. u. eingel. v. Priv.-Doz. Dr. Otto
Braun. 1910.11. Groß 8«. (Bisher erschienen Bd. 1, 3 u. 4)
(geb. in Hfz. 36.—) . 28.—
Diese Neuausgabe und Sammlung der wichtigsten Schriften
Schleiermachers ist ein ganz besonderes Verdienst um das Werk
eines der grüßten deutschen Führer, dessen Denken in seiner
Originalität und reformatorischen Bedeutsamkeit noch lange nicht
genug gewürdigt ist. Solange wir noch nicht aus der Krisis, in
der die ganze cnristUiche Ideenwelt steht, heraus sind, so lan^e ist
der Mann, der in dieser Krisis mitten inne stand und zu emem
Führer aus ihr bestimmt war, ein Prophet für unsere Tage. Er
hat unter allen den Großen seiner Zeit am persönlichsten und ein-
dringlichsten mit dem eigentlichen religiösen Problem gerungen,
hat aber. ebensosehr daneben die ethischen und erkenntnistheore-
tischen Überzeugungen und Werte zu behaupten gesucht, indem
er sio in eigener Weise durchdachte und ins praktische Leben mit
unermüdlicher Tätigkeit einführte. Kantstadien.
136 — Bd. I. Mit Bildnis Schl.'s nach der Büste von Rauch.
CXXVIII, 547 S. (geb. in Hfz. 9.—) . 7.—
Geleitwort von Prof. D. Dr. A. Dorn er. S. I.— XXXII. —
Allgemeine linleitung von Priv.-Doz. Dr. O. Braun. S. XXXIII-C.
Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre. Mit Inhalts-
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
and Ji ^
analyse von Dr. O. Braun. XXV 111, 346 S. — Akademieabhand-
lungen (Tug;endbegriff, Pflichthegriff, Naturgesetz und Sitten-
gresetz, Begriff des Erlaubten, BegnrifE des höchsten Gutes, Beruf
des Staates zur Erziehung", Begriff des großen Mannes) S. 347—532.
— Register usw. S. 533—547.
Daraus einzeln:
[36a Schleiermacher. Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sitten-
lehre. (1803. 1834. 1846.) 1911. XXXII, 346 S. (geb. 5.—) 4.—
— Akademieabhandlungen. 1911. lY, 185 S 2. —
iJd. III. 1910. XII, 748 S. (geb. in Hfz. 9.— ) .... 7.—
Dialektik (Auswahl). S. 1—118. — Die christliche Sitte (Aus-
wahl). S. 119—180. — Predigten über den christlichen Hausstand.
Hrsg. von Prof. D. Joh. Bauer. S. 181—398. — Zur Pädagogik
(Auswahl). S. 399—536. - Die Lehre vom Staat (Auswahl). S.
537—630. — Der christliche Glaube (Auswahl) S. 631—729. —
Register. S. 731—748.
Daraus einzeln:
38a — — Predigten über den christlichen Hausstand. Hrsg. u. ein-
gel. V. Prof. D. Joh. Bauer. IV, 42, 176 u. 4 S. (geb. 4.—) 3.—
39 — Bd. IV. 1911. X, 663 u. 17 S. (geb. in Hfz. 9.—) . . . 7.—
Auswahlen aus: Psychologie. S. 1 — 80. — Vorlesungen über
Ästhetik. S. 81—134. —'Hermeneutik. S. 135—206. — Reden über
die Religion. S. 207—400. — Monologen. S. 401—472. — Weih-
nachtsfeier. S. 473—532. — Universitäten im deutschen Sinne.
S. 533—642. — Zwei Rezensionen. S. 643—662. — Register.
S. 663—680.
Daraus einzeln:
39a — — Über Universitäten im deutschen Sinne. 1911. IV, 110 S. 2. —
39b Reden über die Religion. (In Pappband 1.80) .... 1.40
Außerhalb der Gesamtausgabe erschienen femer:
84 — Monologen. 2. Aufl. Ejritische Ausgabe. Mit Einleitung,
Bibliographie und Index von D. Friedrich M. Schiele.
1902. 46 u. 130 S. (geb. 1.90) 1.40
Endlich sind uns die Monologen in mustergültiger Ausgabe
vorgelegt I Während die bisherigen Neudrucke sich an die dritte
und vierte Ausgabe hielten, ohne die Änderungen zu prüfen oder
gar anzugeben , gibt Schiele den Text der ersten Ausgabe vom
Jahre 1799 und fugt die Abweichungen sämtlicher späteren Aus-
gaben im kritischen Apparat hinzu. Er hat damit eine gediegene
Arbeit geliefert, und die Vergleichung der Texte bietet reiche Aus-
beute zur Erkenntnis des Umbildungsprozesses in Schleiermachers
Gedanken. Für eine richtige Würdigung der Monologen ist aber
der erste Text die einzig maßgebende Unterlage.
Zeitschrift für Philosophie.
17 — "Weihnachtsfeier. Krit. Ausg. Mit Einig, u. Reg. von Priv.-
Doz. Lic. Hermann Mulert. 1908. 34 u. 78 S. (geb. 2.50) 2.—
85 — Grundriß der philosophischen Etkik. (Grundlinien der Sitten-
lehre.) Hrsgeg. V. F. M. Schiele. 1911. 219 S. (geb. 3.40) 2.80
— Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem
Sinn (4. — ). Siehe unter Fichte.
6/7 Scotus Erigena. Über die Einteilung der Natur. Übers, von
L. Noack. 2 Bde. 428 S. 416 S. (geb. 3.80) 3.—
88 — Leben und Schriften. Von L. Noack. 64 S —.50
89 Sextns Empiricus. Pyrrhoneische Grundzüge. Übers, von
E. Pappenheim. 19 u. 222 S. (geb. 2.40) 2.—
90 Erläuterungen dazu. 296 S 1.50
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Shaftesbury. Untersuchung über die Tugend. Übers, und ein-
geleitet V. Paul Ziertmann. 1905. 15 u. 122 S. (geb. 1.80) 1.40
Die vorliegende Übertragung der Hauptschriit Shaltesburys ist
wohlgelungen. Besonders lesenswert ist die Einleitung, in der in
Kürze die ethischen Ansichten Shaftesburys und sein tiefer Ein-
fluß auf die Groben seiner Zeit und des ausgehenden 18. Jahr-
hunderts beleuchtet wird. Es ist bekannt, wie Goethe, Herder
und Schiller von Shattesburj- abhängen; Leibniz bedauert gerade
von unserer Schrift, daß er' sie nicht vor Veröffentlichung seiner
Theodicee kennen gelernt hat. Allgemeine Zeitung.
111 — Ein Brief über den Enthusiasmus. — Die Moralisten. Obers.
u. eingeleitet von Dr. Max Frischeisen-Köhler. 1909.
31 u. 212 S. (geb. 3.50) 3.—
Spinoza. Sämtliche Werke. Übersetzt von 0. Baensch,
A. Buchenau, C. Grebhardt, J. P. v. Kirchmann und
0. Schaarschmidt. In 2 Geschenkbäuden geb 21. —
Dies ist die einzige deutsche Ausgabe der Werke Spinozas, die
auf Grund der umwälzenden Ergebnisse der modernen Textkritik
erfolgt ist. So bietet sie in ihrer Textgestaltung der Forschung
die sicherste Grundlage; die Einleitungen bemühen sich, das
Verständnis der Schriften Spinozas nach allen Seiten sicher zu
stellen.
91 — Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück.
Übers, u. eingeleitet von Prof, C. Schaarschmidt. 3., verb.
Aufl. 1907. 12u. 128S. (geb. 2.30) 1.80
92 — Ethik. Übers, u. mit e. Einleitung u. Register versehen von
Otto Baensch. 7. Aufl. 1910. 29, 276 u. 39 S. (geb. 4.—) 3.40
Die tiTjersichtlichkeit des Druckes, der die Lehrsätze von ihren
Beweisen besonders abhebt; das ausführliche Register, welches
jedem deutschen Ausdruck den lateinischen Terminus Spinozas
hinzufügt; die Anmerkungen, welche teils textkritische, teils die
Übersetzung gewisser Stellen rechtfertigende, teils erläuternde Be-
merkungen enthalten, machen diese Ausgabe zu einem sehr be-
quemen und handlichen Führer für jeden, der Spinozas Hauptwerk
näher kennen lernen will. Jahrbuch für Philosophie.
93 — Theologisch-pohtischer Traktat. 3. Aufl. Übers, u. eingeleitet
von Dr. Carl Gebhardt. 1908. 34, 362 u. 61 S. (geb. 6.—) 5.40
Eine vorzügliche Übersetzung dieses ungewöhnlich bedeut-
samen Buches, die der Verfasser Carl Gebhardt mit einer lehrreichen
und fesselnden Einleitung, kundigen Erläuterungen und guten
Kegistern versehen hat. Der Politiker in Spinoza ist bisher
unterschätzt worden. Spinoza war nicht der einsame, welt-
fremde menschenscheue Gelehrte, als den man ihn sich gewöhn-
lich vorstellt. Er war einer der klügsten und umsichtigsten
Staatsmänner, die Holland hervorgebracht hat. Unser Traktat ist
eine politische Tendenzschrift, die zunächst — das hat Gebhardt
sehr wahrscheinlich gemacht - die Kirchenpolitik Jan de Witts
zu rechtfertigen unternimmt, dann aber weiter ausgreift und die
Freiheit des Denkens, die Autonomie der Vernunft, das Prinzip
der voraussetzungslosen Wissenschaft gegen die Ansprüche der
jüdischen und christlichen Theologie mannhaft verteidigt.
Berliner Tageblatt.
94 — Descartes' Prinzipien der Philosophie auf geometrische
Weise begründet. — Anhang, enthaltend metaphysische Ge-
danken. 3. Aufl, Neu übers, u. herausgeg. von Dr. Artur
Buchenau. 1907. VIII, 164 u. 26 S. (geb. 3.—) . . . 2.40
95 — Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes. — Ab-
handlung vom StEiate. 3. Aufl. Übers, u. eingeleitet von
Dr. Carl Gebhardt. 1907. 32, 181 u. 33 S. (geb. 8.60) 3.—
96 — Briefwechsel. 13 u. 258 S. (geb. 2.40) 2.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Ausgabe im Urtext:
Spinoza. Opera philosopliica. Herausgeg. u. eingeleitet von
Hugo Ginsberg.
II. Epistolae doctorum quorundam virorum ad B. de S. et
auctoris responsiones. — Colerus, La vie de Sp. 94 u. 254 S. 2. —
III. Tractatus theologico-politicus. — Bayle, Dictionnaire
historique et critique. Artikel Spinoza. 336 S 2. —
IV. Principia philosophiae Cartesianae. — Appendix conti-
nens Cogitata metaphysica. — Tractatus de intellectus emen-
datione. — Tractatus politicus. 79 u. 256 S 2. —
Steffens, Henrik. Über die Idee der Universitäten (4. — ).
Siehe unter Fichte.
Wolffsche Begriffsbestimmungen. Ein Hilfsbüchlein beim Stu-
dium Kants. Zusammengestellt von Julius Baumann.
1910. VI, 54 S. (geb. 1.40) 1.—
Lehrbücher der Philosophischen Bibliothek.
J7 Kirchner -Michaelis. Wörterbuch der philosophischen Grund-
begriffe. 6. Aufl. 1911. YIII. 1124 S. (geb. 14.—) . . . 12.50
Die hier vorliegende dritte Neubearbeitung des altbewährten
Kirchnerschen "Wörterbuchs durch die Hand des Herrn Stadtschul-
rat Dr. Michaelis wird sich ohne Zweifel bald viele neue Freunde
zu den alten hinzuerwerben. Der Umfang des Werkes schwoll
durch die Fülle des neuen Stoffes von 45 auf über 70 Bogen an
— schon dies ein Maßstab, wie gründlich die Umarbeitring erfolgte.
L8 Messer, Ang. Einführung in die Erkenntnistheorie. 1909. VI,
188 u. 1 1 S. (geb. 3.—) 2.40
Das ist die beste einführende Schrift in die Erkenntnistheorie,
die Kef. kennt. Sie zeichnet sich besonders dadurch aus, daß
sie trotz des kleinen Umfangea eine Anschauung erweckt von der
Fülle der Probleme, die der Erkenntnistheorie erwachsen; ferner
daß sie stets auf die richtige Problemstellung hinweist; endlich
ragt sie noch durch große Klarheit und Übersichtlichkeit hervor.
Vierteljahrsschrift f. wissensch. Philosophie u. Soziologie.
)5 Vorländer, Karl. G-eschichte der Philosophie. I. Bd. : Altertum,
Mittelalter und Übergang zur Neuzeit. 3. Aufl. 1911. XII.
368 S. (geb. 4.50) 3.60
)6 II. Bd.: Philosophie der Neuzeit. 3. Aufl. 1911. VIII,
524 S. (geb. 5.50) 4.50
Vorländers Buch reizt geradezu zum Studium. Die gediegene
Art, in der er das historische mit dem systematischen Element zu
vereinigen verstanden hat, macht das Buch zum philosophieg'e-
schichtlichen Handbuch par excellence. Es gehört auf den Arbeits-
tisch eines jeden der Philosophie „Beflissenen". Kant-Studien.
15 Witasek, Stephan. GrundUnien der Psychologie. Mit 15 Fig.
im Text 1908. VIII, 370 u. 22 S. (geb. 3.50) 3.—
Was "Witasek bietet, ist so gefaßt, daß niemand sein Buch
ohne Gewinn aus der Hand legen wird. Der Stil ist eirtfach und
durchsichtig, die erläuternden Beispiele sind anschaulich und be-
lebend, neue Begriffe werden so erklärt, daß auch der Laie bei
einiger Aufmerksamkeit gut folgen kann. Besonders wohltuend
ist die Präzision , mit der überall zwischen gesicherten Erkennt-
nissen und vorläufigen Hypothesen unterschieden wird. Alles in
allem : ein tüchtiges Burh , dem auch wegen seines ungemein
billigen Preises weiteste Verbreitung zu gönnen ist.
Christliche Welt.
Neuere philosophische Werice
aus dem Verlag von Felix Meiner in Leipzig. ^ o
Bluwstein, J. Weltanschauung Ardigos. 1911. 122 S. . . 1.50
Brann, 0. Hinauf zum Idealismus! Schelling-Studien. 1908.
XII, 154 S. (geb. 3.50) 2.50
Inhalt: Hinauf zum Idealismus I — Schelling und unsere Zeit.
— Schellingrs geistige Persönlichkeit und ihr Verhältnis zu Goethes
Geisteswesen. — Schellings Methode und ihre Beziehungen zu
Plato, Goethe und Schiller. — Schelling und die Eomantik. —
Schellings Gotteslehre und das religiöse Suchen unserer Zeit. —
Die Entwickelung des Gottesbegriffes bei Schelling.
— Zum ßilduugsproblem. 2 Vorträge, (Philosophie u. Schule.
Kunst u. Schule). 1911. 49 S —.75
— Immanuel Kant. Ansprache an die Königsberger Studenten-
schaft. 1904. HS •. —.50
Basse, L. Geist imd Körper, Seele und Leib. 1903. X, 488 S.
(geb. 10.—) 8.50
„Eine glänzende systematische Darstellung".
Allgemeine Zeitung.
Dieterin^, Paul. Die Herbartsche Pädagogik vom Standpunkt
moderner Erziehungsbestrebungen gewürdigt. 1908. XVIII,
220 S. (geb. 7.—) 6.—
Domer, A. Encyklopädie der Philosophie. Mit bes. Berück-
ßicht. der Erkenntnistheorie u. Kategorienlehre. 1910. 343 S.
In steifem Karton 6. —
— Grrundriß der ßeligionsphilosophie. 1903. 466 S. (geb. 8.50) 7.—
Zu den hervorragendsten Erscheinungen der heutigen Religions-
wissenschaft gehört ohne Zweifel der Grundriß der Religions-
philosophie von Aug. Dorner.
Otto Pfleiderer in den Protestant. Monatsheften.
— Pessimismus, Nietzsche und Naturahsmus mit besonderer Be-
ziehung auf die Religion. 1911. VIII, 328 S. (geb. 7.50) . 6.—
Mit wohltuender Sicherheit der Logik und eingehender Sach-
kenntnis legt der Verfasser die Gedankengänge des Brahmanismus,
des Buddhismus, Schopenhauers, Hartmanns, Drews' auf und unter-
zieht ihre Philosophie einer vorurteilsfreien, aber tief einschneiden-
den Kritik, die Unzulänglichkeit des Pessimismus vornehmlich
nach der religiösen Seite aufweisend .... Das Werk gehört zu
dem Besten, was von theologischer Seite über die philosophischen
Zeitfragen geschrieben worden ist. "Wartburg.
DUhring*, E. Kursus der Philosophie als streng wissenschaft-
licher "Weltanschauung u. Lebensgestaltung. XII, 559 S. 9. —
Dürr, Ernst. Über die Grenzen der Gewißheit. 1903. 160 S. 3.—
Ehrenberg', Hans. Die Parteiung der Philosophie. Studien
wider Hegel und die Kantianer. 1911. VI, 133 S. . . . 4.—
Encken, Rudolf. Gesammelte Aufsätze zur Philosophie und
Lebensanschauung. IV, 242 S. (geb. 5.20) 4.20
Wenn irgend Gelegenheitsschriften die Probe der Sammlung und
Ausgabe in Buchform glänzend bestehen, so sind es die Euckens.
Sie reichen auf dem Gebiete der Philosophie nahe an das heran,
was die wundervollen Aufsätze Treitschkes uns auf historischem,
die Michael Bernays' auf literarhistorischem Gebiete geben.
Deutsche Literatur-Zeitung.
— Beiträge zur Einführung in die Geschichte der Philosophie.
2. erweit. Aufl. 1906. VI, 196 S. (geb. 4.50) 3.60
— Braun, 0. Euckens Philosophie und das Bildung&problem.
1909. 54 S —.60
Falckenberg-, Richard. Kant und das Jahrhundert. Gedächtnis-
rede zum 100 jähr. Todestag. 2. Aufl. 1907. 28 S. . . . —.60
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
FloumOY, Tli. Beiträge zur Religionspsychologie. Übers, v. J^ ()^
Prof Dr. M. Regel. Mit Vorwort von G. V o r b r o d t. 1911.
LU, 62 S . 2.60
Groos, Karl. Die reine Vernunftwissenschaft. Systematische
Darstellung von Schellings rationaler oder negativer
Philosophie. X, 187 S. . . . ,. 3.—
Jacoby, Günther. Herders u. Kants Ästhetik. 1907. X, 348 S.
(geb. 6.30) 5.40
— Der Pragmatismus. Neue Bahnen in der Wissenschaftslehre
des Auslands. 1909. 68 S. . . . . . . . . . . . . 1.20
Jang'mann, K. Rene Descartes. Eine Einführung in seine
Werke. 1908. VIII, 234 S 6.50
Kinkel, Walter. Der Humanitätsgedanke. Betrachtungen zur
Förderung der Humanität. 1908. 192. S 2.50
Kirehmann, J. H. t. Über das Prinzip des Realismus. 60 S. — .60
— Über die Wahrscheinlichkeit. Vortrag u. Diskussion. 63 S. — .40
— Über den Kommunismus der Natur. 3. Aufl. ...... — .60
Bekannter Vortrag", dessentwegen der Verfasser seines Amtes
als Appellationsgerichts- Vizepräsident enthoben wurde.
Koeber, R. Die Philosophie Schopenhauers. 327 S. . . 5.—
Kölinert, H.„ Comtes Verhältnis zur Kunst. 1910. 65 S. . 1. —
Lass on, A. Über Gegenstand u. Behandlungsart der Religions-
philosophie. 65 S — .60
Lempp, Otto. Das Problem der Theodicee in der Philosophie
u. Literatur des 18. Jahrhunderts bis auf Kant u. Schiller.
1910. VI, 432 S. In steifem Karton •.. . • 9.—
L^yy - Bmhl , L. Die Philosophie Auguste Comtes. Übers.
von H. Molenaar. VI, 288 S 6.—
Lewkowitz, A. Hegels Ästhetik im Verhältnis zu Schiller.
1910. 77 S 1.80
Lipps, Theodor, Psychologische Studien. 2., umgearb. u. er-
weit Aufl. 1905. IV, 287 S. (geb. 6.— j 5.—
In dieser neuen Fassung" träg:t die Darstellung g-anz jenes
eigentümliche Gepräge, das für den Lipps des letzten Jahrzehntes
charakteristisch ist, jenes eindringlich Bohrende der Analyse, das
pfeLlscharf Geschliffene der Polemik, das sokratische Fortschrei-
ten von Frage und Antwort, wodurch allmählich das gewünschte
Eesultat aus den Tiefen der Seele herausgeholt wird.
Dr. William Stern in der „Zeit".
Hehlis, Georg. Die Geschichtsphilosophie Comtes kritisch
dargestellt. 1909. IV, 158 S 3.—
Meinong, A. Über die Stellung der Gegenstandstheorie im
System der Wissenschaften. 1907. VIII, 156 S 4.80
Merz, Job. Theod. Leibniz' Leben und Philosophie. Aus
dem Englischen mit Vorwort von C. Schaarschmidt. 226 S. 2. —
Xatorp, Paul. Piatos Ideenlehre. Eine Einführung in den
Idealismus. 1903. VIII, 474 S. (geb. 8.70) 7.50
Ein Werk, das in den hellsten Vordergrund philosophischen
Interesses gehört, eins der bedeutsamsten der Philosophiegeschichte
überhaupt, wie in den letzten Jahrzehnten nur sehr , sehr wenige
erschienen sind von ähnlich zentralem Interesse, ähnlicher wissen-
schaftlicher Intensität, Energie und Kühnheit! Eine völlige Neu-
auffassung Piatos I Ein kraftvolles Werk aus einem Guß und
eigener I^aftl . . . Karl Joel in der „Deutschen Literaturzeitung".
yoack, Ludwig". Philosophie-geschichtliches Lexikon. Histo-
risch-biographisches Handwörterbuch der Geschichte der
Philosophie. XII, 936 S 12.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Oehler, Kichard. Friedrich Nietzsche u. die Vorsokra- Jl Ss
tiker. 1909. VIII, 168 S 3.5O
Plchler. Hans. Über Christian Wolffs Ontologie. 1910. 95 s! 2! —
Plüniacher, 0, Der Pessimismus in Vergangenheit u. Gegen-
wart. Geschichtliches u. Kritisches. 2. Aufl. XII, 355 S. 7.20
Renan, E. ..Spinoza. Rede, geh. zum 200 jähr. Todestag im
Haag. Übers, v. C. Schaarschmidt. 24 S —.40
Richter, Raonl. Der Skeptizismus in der Philosophie. 2 Bde
Bd. 1. 1904. XXIV, 303 u. 61 S. (geb. 7.50} ... ' 6 —
Bd. II. 1908. VI, 529 u. 55 S. (geb. 10.—) 8.50
Der grriechische Skeptizismus hat aiif deutschem Boden noch
niemals eine so energische — sagen wir es gleich — im ganzen
treffliche Darstellung und Beurteilung erfahren. Richter nimmt
ihn ernst und weiß , obwohl keineswegs blind für seine Schwä-
chen, Plattheiten und Naivitäten, die ihm innewohnende philoso-
phische Kraft und seine bahnbreohende Bedeutung füe dia Pro-
bleme der Erkenntnistheorie klar herauszustellen.
Wochenschrift für klassische Philologie.
Richter, Raonl. Friedrich Nietzsche. Sein Leben u. sein
Werk. 2., vermehrte Aufl. 1909. VIII, 356 S. (geb. 6.— ) . 4.80
Ich habe selten ein Buch (und niemals eins über Nietzsche!)
mit soviel Freude und Genuß gelesen, wie diese musterhaft klare,
nirgends überschwengliche, doch überall von woltuender, liebe-
vollster Wärme gleichsam durchleuchtete Arbeit, deren letzter Ab-
schnitt mit seiner sachlich historischen Bearbeitung der Lehre
Nietzsches vorbildlich beweist, wie bewundernde Verehrung fiir
einen Großen und unbestechliche kritische Besonnenheit zu ver-
einigen sind. Das Literarische Echo.
Rnge, Arnold. Das Problem der Freiheit in Kants Erkenntnis-
theorie. 1910. VIII, 84 S 1.60
Schaarschmidt, C. Die Religion. Einführung in ihre Ent-
wicklungsgeschichte. 1907. VIII, 253 S. (geb. 5.40) . . 4.40
Scheler, Max F. Die transzendentale und die psychologische Me-
thode. E. grundsätzl. Erörterung zur philosoph, Methodik. 1 84 S. 4. —
Schmidt, Ferdinand Jakob. Zur "Wiedergeburt des Idealismus.
1908. VIII, 325 S. (geb. 7.—) 6.—
Aus dem Inhalt: Kapitalismus und Protestautismus. Der
mittelalterliche Charakter des kirchlichen Protestantismus. Der
theologische Positivismus. Adolf Hamack und die Wiederbelebung
der spekulativen Forschung. Das Erlebnis imd die Dichtung.
Goethe und das Altertum. Kant-Orthodoxie. Die Philosophie auf
den höheren Schulen. Die Frauenbildung und das klassische
Altertum.
Stern, L. William. Die Analogie im volkstümlichen Decken.
Eine psychologische Untersuchung. Mit einer Vorbemerkung
von M. Lazarus. IV, 164 S 3.—
VorlUnder, Karl. Kant-Schiller-Goethe. Gesammelte
Aufsätze. 1907. XIV, 294 S. (geb. 6.—) 5.—
Weichelt, Hans. Friedrich Nietzsche: Also sprach Zara-
thustra, erklärt und gewürdigt. 1910. VIII, 319 S. (gel). 6.20) 6.—
Ziegler, Leopold. Zur Metaphysik des Tragischen. Eine philo-
sophische Studie. 1902. XII, 104 S 1.60
Einen Autor, der in seinem Erstlingswerk die Metaphyysik
des Tragischen zu seinem Gegenstand erwählt, diesen Gegenstand
in BD große und weittragende Beziehungen zu den höchsten Ge-
bieten des menschlichen Lebens zu setzen weiß und sich damit in
einer so glänzenden Weise abfindet wie Ziegler, einen solchen
Autor wird man alle Veranlassung habenj für die Zukunft im Auge
zu b«'halten. Prof. Arthur Drews i. d. ^.Südwestdeutach. llundsch.".
— Das Weltbild Hartmanns. Eine Beurteilung. 1910. 196 S.
(geb. 8.50) 2.50
Druck von 0. Ommbach la Leipzig.
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B Kant, Immanuel
2755 Immanuel Kant 's Beweisgrund
S35 zu einer Demonstration des
1911 Daseins Gottes