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Full text of "Preussischen Akademie Der Wissenschaften 1928"

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ABHANDLUNGEN 
DER PREUSSISCHEN 


AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


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PHEILOSOPHISCH-HINPORISCHE KLASSE 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 


AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 
PHELOSOPHISCH-HISTORISCHE. KLASSE 


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VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHATDPEN 
| IN KOMMISSION BED WALTER DE GRUYTER U. CO 


CENTRAL ARCIHAECLOGIGAL 
LIBRARY, NEW DELHI. 
100. No, St 2.42. Gs latices 
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Berlin. gedruckt in der Reiehsdruekerei 


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Ottenthebe Sitzuneen . o. 2 

Verzeichnis deriim Jahre T92s eels a. Vila: San 

Bericht iiber den Erfolg dey Proisans- ug ise a be 2s et mene Peete 
ausschreibung 

Verzeichnis der im Jahre [92s ertofeten besonderi: (reli. oy cre ler 
wus akademischen Mitteln zur Ausfithrime wissenschatthcher Unier- 
nehmungen 2. 0. 2, Boa ee 

Verveichni+ der im Jahre La2> ersebienenen im Auitrage oder mit Unters 
stittzung der Akademie Ucarbeitetens oder herausgegehenen Werke 

Verinderungen fm Personestende dor Aka fended Lea fe des bbs 92s 

Verzeichnis der Mituheder de: Ahadeuie au Sciditsse des Jabircs Pes 
nebst den Verzeichnissen der Inbaber der Bradley-. der Helinholtz- 
und der Leibniz-Medaille und der Beemten der Akademie. sow ic 
der Kommissionen, Stiftungs-Kuratorien usw. in ie 


Nr. Ll. Lo Siamec: Das Zablhraftiecht der Postesssatorenze si 
» 2. Tarerarysen: Die Biireschaft im iviselen Recla 
>» Bo Wircasp: Bericht tiber die Ausgratuccen in Pessamon L927 
4 Keur: Das Papsitum vine die WG teedelee Savetia uid Apecon 
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the Co Lrowass: Das Papsttiin ued Vertes ta crsten habvigude vt 
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der portigivsischen Gesclichre 
u, Ro Haron: Hetlee Geserze ven Kos. 2 2. ; 
rama i AL Webi wsxaxv: Die Besa d des Bolos Detood rites and cler VMavier 


Anasilaos aus Larissa. Teal | 


2M, JeSomnis Ausdon Bibhothesen vou Nenstautinopel und Kare 
i SM EE. Wisgiowcu: Beitrdgc cor ‘Leatyesthichte der Epidemien- 


Lomuuentare Galens. Th Teil. 


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JAHR 1928. 


Offentliche Sitzungen. 


Sitzung am 26. Januar zur Feier des Jahrestages 
Kénig Friedrichs TL. 

Der an diesem ‘Page vorsitzende Sekretar Hr Planck créffiete die 
Sitzung mit einer Ansprache. Weiter machte der Vorsitzende Mitteilung 
yon den seit dem Friedrichs-Tage 1927 iu der Akademie cingetretcnen 
Personalveriinderungen und gab einen kurzen Jahresbericlt. Daraut’ verlas 
Ur. von Wilamowitz-Moellendortt einen eingehenderen Bericht tiber 
die »Sammlung der griechischen [usehritten« und [fr Guthnick tiber die 
»reschichte des Fixsternhimmels«. Es folgte der wissenschaftliche Fest- 
vortrag yon Hrn. Wiegand tiber »Untergang und Wiedererstehen antiker 
Kulturdenkmiler«. 


Sitznng am 5. Juli zur Feicr des Leibnizischen Jahrestages, 
dir, Rubner. als vorsitzender Sckretar, erbffuete die Sitzung iit 
ciner Ausprache und cinem Vortrage tiber das Thema »Der Kampt' des 
Menschen um das Leben«. 

Daraut folgten die Gedachtnisreden aut Hermann Abert von Hrn. 
Petersen und auf Wilhelm von Branea von Hrn. Pompeckj. Sodanu 
verktindete der vorsitzende Sekretar das Thema der Preisautgabe aus dein 
Hllerschen Legat tir 1931 und die Zuerkennung des Preises aus dem yon 
Miloszewskyschen Legat als Ehrengabe an Irn. Studienrat Dr. Benno 
BbOhm in Allenstein. 

Endlieh erfolgte dic Verleithung der Leibniz-Medaille in Gold an Hrn. 
Prof. Dr. Bruno Giiterboek in Berlin und in Silber an die TT. Dr. phil. 
und Dr. ing. h. ce. Arnold Berliner in Berlin und Prof. Dr. Albert Leitz- 


mann in Jena. 


NL: 


Verzeichnis der im Jahre 1928 gelesenen Abhandlungen. 


Physik und Chemie. 

Nernst. Uber die Berechnung der clektrolytisehen Dissoziation aus der 
elektrisehen JLeittibigkeit. (KL J9. Jan.: SB.) 

Warburg. Photolyse von Jodwasecrstofflisungen in Texan und in Wasser, 
Nach Versuchen mit Dr. W. Rump. (KL 19. Jan.) 

Haber und Bonhoefter, Uher Benutzung der Bandenspektroshopie zur 
Deutung der Vorginge in Flammen. (GS. 1. Marz.) 

vou Lane. Neuere Untersuchungen tiber die Beugnung des Lichtes. (KL 
1. April.) . 

Schlenk, Uber die Wertigkeiten des Kohlenstotts. (GS. 10. Mai.) 

Linstein, Riemann-Geometrie mit Aufrechterhaltung des Begriffes des 
Fernparallelisnus. (GS. 7. Juni: SB.) 

Finstein., Neue Mogtiehkeit ftir cine cinheitliehe Feldtheorie von CGravi- 
tation und Elektrizitit. (x1. 14. Juni: SB 

Hahn. Ubcr Elemente und Atomarten der letzten Reihe des Periodischen 
Svstems. (KL. L&. Okt.) 

Weitzenbock. Differentialvarianten in der Einsteinschen Theorie des Fern- 
parallelismus. (KI. 18. Okt.: S&L. Nov. 

Hofmann, Nitrit-Nitratbildung aus Ammoniak und Sauerstofi an allctli- 
sehen Obertlachen, (kL. 1. Nov.: SP.) 

Bodenstein, Kettenreaktioncn. (Gs. 8. Nov.: NB. 12. Nov.) 

Paschen, Das erste Funkenspektrum des Quecksilbers Hg TI. (KI. 15. Nov.: 
SB, 13. Dez.) 

Haber und von Sch weinitz, Uber Ziindung des Kuallgases durch Wasser- 
stoffatome. (KL. 29. Nove: SB. 


Mineralogic. Geologie und Paldiontulogie. 
Pompeckj. Zur Geschichte des Ohrskeleites der Wale. (GN. 29. Marz. 
Johnsen. Uber die Parbe von Mineralien. besonders yon Edelsteinen, 

tas. 21. Juni.) 


Botanik und Zoologic. 
Correns, Uber Selbststerilitit bei den héheren Pilanzen. (KI. 8. Marz.) 
Haberlandt. Zur Entwicklungsphysiologie des Periderms. (GS. 26 
SB.) 
Haberlandt, Die Lage des Zellkerns in der Eizelle der Augiospermen 
und ihre physiologische Bedeutung. (KI. 18. Okt.: S72.) 


Anatomie und Physiologie. 
Rubner, Die Welternihrung in Vergangenheit. Gegenwart und Zukuntt. 
(GN. 2. Febr.; SB. 10. Mai.) 
Tick. Beobachtungen am Orangkehlsack. (Kl. 14. Juni: SB. 26. Juli.) 
Keibel, Zur Entwicklung der Beuteltiere. (XI. 19. Juli: SB.) 


Astronomie, Geographie und Geophysik. 

Penek, Das Felsengebirge im westlichen Nordamerika. (ht. 9. Febr.) 

Ludendorff. Uber die Abhingigkeit der Form der Sonnenkorona von der 
Sonnenfleckenhiutigkeit. (M1. 24. Mai: SB.) 

Guthnick, Uber die Beriicksichtigung der Extinktion bei lichtelektrischen 
Messungen. (KI. 28. Juni; SB.) 

Guthnick, Bericht tiher den Stand der Vorbereitungen zur photographi- 
schen Uberwachung des Himmels. (KI. 28. Juni; SB.) 

von Fieker, Bemerkungen tiber die meteorologischen Verhiltnisse Teneritfas. 
(GS. 26. Juli: SB.) 

Hagen, Die Geschichte des Nebels Barnard 86. Vorgelegt von Ludendortff. 
(Kl. 1. Nov.: SB. 8. Nov.) 


Mathematik. 
srauer, Uber Sequenzen von Potenzreihen. Vorgelegt von Sehur. (UK. 
19. Jan.: SB.) 

Hammerstein, Die Vollstandigkeitsrelation in der Vheorie der tastperio- 
dischen Funktionen. Vorgelegt von Schmidt. (KI. 19. Jan.; SB.) 
Reinhardt, Uber die Zerlegung der euklidischen Ebene in kongruente 

Bereiche. Vorgelegt von Bieberbach. (KJ. 9. Febr.; SB.) 
Brouwer. Intuitionistische Betrachtungen fiber den Formalismus. Vor- 
gelegt von Bieberhach. (GS. 16. Febr.: SB.) 


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Doérge. Cher den Fundamentalsatz der Algebra. Vorgelegt von Bieber- 
bach (GS. 1. Marz: SB.) 

Fraenkel. Uber die Ordnungsfihigkeit beliebiger Mengen. Vorgelegt von 
Sehbmidt. (GS. 1. Marz: SB.) 

Sehur. Cher die stetigen Darstellungen der allgemeinen linearen Gruppen. 
(N22 Maree Sho) 

Polya. Uber die Funktionalgleichung der Exponentialiunktion im Matrizen- 
kalkiil Vorgelegt von Schur. (KL 22. Marz: SB.) 

Kamke. Verallgemeinerungen des Jordansehen Kurvensatzes und stetige 
Winkelfunktionen. Vorgelegt von Sehmidt. (KI. 22. Marz: SA, 
19. Juli.) 

Reinhardt. Zur Zerlegung der euklidischen Riitume in kongruente Polytope. 
Vorgelegt von Bieberbach. (Kl. 19. April: S/. 3. Mai.) 

Schmidt, Uber die Charliersche Entwieklung einer »arithmetischen Ver- 
teilung« nach den sukzessiven Differenzen der Poissonschen asympto- 
tischen Darstellungstunktion ftir die Wahrseheinlichkeit seltener Er- 
eignisse. (1. 3. Mai.) 

Polya. Eine Verallgemeincrung des Verzerrungssatzes aul mehrtach zu- 
sammenhiingende Gebicete. Vorgelegt yon Bieberbaech. (KI. 3. Mai: 
SB. 14. Juni.) 

Hopt. Uber lincare Integralgleichungen mit positivem Kern. Vorgelegt 
von Bieberbach. (kL. 3. Mai: SB. 14. Juni.) 

Polva, Beitrag zur Verallyemeincrung des Verzerrungssatzes auf mehrtach 
msammenhingende Gehiete. (Zweite Mittcilung.) Vorgelegt von Bie- 
berhach. (Ki. 19. Juli: SB.) 

Landau. Der Picard-Schottkysehe Satz und die Blochselie Konstante. 
(Zweite Mitteilung.) (G3. 26. Juli: SB.) 

Koebe, Riemanusche Mannigtaltigkeiten und nichteuklidische Raumftormen. 
Zweite und dritte Mitreilung. (Gs. 26. Juli: SB.) 

Szegé. Verallgemeinerung des ersten Bieberbachsehen Flaeheusatzes aut’ 
melirfach zusammenhingende Gebiete. Vorgelegt von Bieberbach. 
IGS, & Nove: SPB.) 

Bieberbach und Schur. (ber die Minkowskische Reduktionstheorie der 
positiven quadratischen Formen. (hl. 13. Dez.: SB) 


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Mechanik und Teehnik. 
Wagner. Plan eines Fernsprechkabels von Europa nach Nordamerika. 
(1. 23. Febr.) 
Wagner. Neuere Beobachtungen fiber die \usbreitung von kurzen clek- 
trischen Wellen. (KI. 29. Nov.) 
Joh. Stumpf. Uber sehnellaufende Kompressoren. (GS. 20. Dez.) 


Philosophie. 
Schonebaum. Pestalozzi. die HWluminaten und Wien. Vorgelegt von 
Spranger. (1. 23. Febr.: SB.) 
Jaeger, Uber Ursprung und Kreislaut’ des philosophischen Lebensideals. 
(GS. 25. Okt.: SB.) 
Ileinriech Maier, Die mechanische Naturbetrachtung und die » vitalistische « 
Kausalitiit. (GS. 22. Nov.: SB) 


Prihistorie. 
Sehuchhardt. Die steinzeitliche Einwanderung der VThitringer mach dem 
Norden. (GS. 16. Febr.) 
Schuehhardt. O. Stiehl und W. Petzseh.  Ausgrabungen aut dem 
Burgwalle von Garz (Riigen). (GS. 8. Nove: SB) 


Geschichte des Altertums. 


Franke. Der FriedenskongreB der chinesischen Staaten von 546 v. Chr. 
(Kt. 22. Miirz.) 

Wileken, Der Zug Alexanders in die Oase Siwa. UAL Td. Nove: SB, 
29. Nov.) 

Eduard Mever. Gottesstaat. Militérherrschatt und Stindewesen in Agvpten 
(aur Gesehiechte der 21. und 22. Dynastie). O81. 15. Nove: SB.) 


Mittlere und neuere Geschichte. 
l.enz. PreuBen und der Vatikan 1864— 1870. (GS. 12. Jano 
Ilintze, Historische Zusammenhinge zwischen Kapitalismus und Impe- 
rialismus. (Kl. 3. Mai.) 
Meinecke, Kitthlmann und die pipstliche Friedensaktion von 1917. (GS. 
7. Juni: SB.) 


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hKehr, Wie und wann wurde das Reich Aragon ein Lehen der rémischen 
Kirche? (sl. 14. Juni: SB.) 

Erdmann. Das Papsttum und Portugal. Vorgelegt von Kehr. (M1. 28. Juni; Abd.) 

Kehr, Das Papsttum und die Reiche von Navarra und Aragon bis zur 
Mitte des NIL Jahrhunderts. (KI. 19. Juli: AA.) 

Kehr, Bericht tber die Herausgabe der Monumenta Germaniae Historica 
fir 1927. (GS. 26. Juli: SB.) 

Marcks. Uber Bismarekdokumente der Jahre 1862 bis 1866. (XL. 29. Nov.) 


Kirchengeschichte. 
Stutz, Uber den Ursprung des Konklaves bei der Papstwahl. (KI. 23. Febr.) 
yon Harnack, Das Alte Testament in den Paulinischen Briefen und in 
den Paulinisehen Gemeinden. (KI. 19. April: SB.) 
von larnack, Die altesten Evangelien-Prologe und die Bildung des Neuen 
Testaments. (KJ. 1S. Okt.: SB.) 


Rechts- und Staatswissenschaft. 

Heymann, Uber die Entwicklung des sogenannten Rechts am eigenen 
Bilde. (KI. 9. Febr.) 

Stampe. Das Zahikraftrecht der Postglossatorenzeit. Vorgelegt von Hey- 
mann. (KI. 9. Febr.: 1A.) 

Thurneysen, Die Biirgschaft im irischen Recht. (KL. 8. Miirz: Ads.) 

Heymann. Uber das wissenschaftliche Eigentum. (GS. 15. Mirz.) 

Eduard Meyer, Ursprung und Entwicklung des dynastatischen Evbrechts 
aut den Staat und seine geschiehtliche Wirkung. vor allem aut die 
politische Gestaltung Deutschlands. (GS. 26. April: SB.) 

Sering. Das Londoner Abkommen vom 30. August 1924. (K&L 24. Main 

Stutz, Uber das Verfahren bei der Nomination aut’ Bischotsstithle. (K1. 
28. Juni: SB.) 

Paul M. Meyer, Zum sog. Guumon des Idivslogos. Aus Emil Seckels 
Nachlali. Vorgelegt von Heymann. (GS. 25. Okt.: SB. 1. Nov.) 


Allgemeine. deutsche und andere neuere Philologie. 
Brandl. Hercules und Beowulf. (KL 8. Miirz: SB. 3. Mai.) 
Petersen. Die Vorstellung eines goldenen Zeitalters im germanisehen Alter- 
tum. (RK. 1. Nov. 


XT 


Bolte, Falrrende Leute in der Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts. (GS, 
- 6. Dez.: SB.) 


Petersen, Tontanes erster Berliner Gesellschattsroman. (Kl. 13. Dez.) 


Klassische Philologie. 

von Wilamowitz-Moellendortf. Marecllus von Side. (KL. 19. Jan.: NB.) 

Wickert, Vorbemerkungen zu cincm Supplementum Ostiense des Corpus 
inseriptionum Latinarum. Vorgelegt von Wileken. (KL 19.Jan.: SP. 
9. Febr.) 

von Wilamowitz-Mocllendorff. Cher dic dlteste Schicht der griechischen 
Gotter. (KI. 23. Febr.: 

Norden, Altes Latein in Glossen. KL 19. April) 

Ierzog. Heilige Gesetze von Kos. Vorgelegt von von Wilamowitz-Moellen- 
dorff. (RL. 3. Mais lt“) 

Wellmann. Die Pvowd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos 
von Larissa. “Teil 1. Vorgelegt von von Wilamowitz-Moellendorif. (Ad. 
L4. Juni: Ad/.) 

Pridik, Die Astynomennamen auf Amphoren- und Ziegelstempeln aus Stid- 
ruBland. Vorgelegt von von Wilamowitz-Moellendorff. (KI. 28. Juni: 
SB. 18. Okt.) 

Meverhot. Uber das Leidener Fragment von Galens Schrift »Uber die 
medizinisehen Namen«. Vorgelegt von Jaeger. (KL 28. Juni: SB. 
26. Juli.) 

Wenkebach, Beitrige zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 
Vorgelegt von Jaeger. (KL 19. Juli: AbA.) 

Meyerhof. Uber echte und unechte Schriften Galens nach arabisehen 
Quellen. Vorgelegt von Jaeger. (KIL. 15. Nov.: SB) 


Orientalische Philologie. 
ALU. Franeke, Drei weitere Blitter des tibetischen Losbuches von Turfan. 
Vorgelegt von F. W. Kk. Miller. (KL 8. Marz: SB 
br. W. K. Miller, Ein uigurisch-lamaistisches Zauberritual aus den Turtan- 
funden. (GS. 12. Juli: SB. 28. Okt.) 
Erman. Zur figyptischen Wortforschung IV. (kL 1. Juli: SB.) 
Sethe, Altégvptische VorsteHiungen vom Laut der Sonne. (kL 19. Juli: SB.) 


NUN 


Sehacht, Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. Vorgelegt 
von Sachau. (KT. 19. Juli: .1/.) 

Spiegelberg, Drei demotische Schreiben aus der Korrespondenz des Pheren- 
dates. des Satrapen Darius’ 1... mit den Chnumpriestern von Elephan- 
tine. Vorgelegt von Erman. (kl. 15. Nov.: SB. 29. Nov.) 

Jacobi. Zur Frithgeschichte der indischen Politik. (GS. 6. Dez.: SB 

A. H. Praneke. Kénigsnamen von Khotan auf tibetisechen Dokumenten 
der Turkistansammlungen von London und Berlin. Vorgelegt von 
Liiders. (GS. 6. Dez.: SB.) 


Kunstwissensehaft und Archivologie. 


Wiegand. Gymnasien. Thermen und Palaestren in Milet. (IK. 19. Juli: SB.) 
(coldschmidt. Die Bronzetiir am Dom zu (mesen. (KL. 18. Okt.) 


Sten Konow. Ein Beitrag zur Geschichte des Buddhahildes. (GS. 22. Nov.: 
SB.) 


Bericht tiber den Erfolg der Preisausschreibung fiir 1928 
und neue Preisausschreibung. 


Preisinjfyabe ans dem con Miloszewskyschen Legal, 

In der Leibniz-Nitzung des Jahres 1925 hat die Akademic folgeude 
Preisautgabe ftir das Jahr 1928 aus dem von Hrn. von Miloszewsky ge- 
stifteten Legat fiir philosophische Preisfragen gestellt: 

» Die Weiterarbeit Fichtes an der » Wissenschaftslelire« wilirend 
der Berliner Jahre soll auf Grund des gedrueckten und ungedrnekten 
Materials klargestellt werden. « 

Diese Preisaufgabe hat uur eiue Bearbeitung gefmden. dic das Motto 
trigt: »Durceh das Denken wird dem Philosophen das in ihn gedachte 
Handeln objektiv.« Der Preis kanu ihr sehon darum nieht zuerkanot 
werden, weil sie unvollsténdig ist. Das wenige aber, was vorliegt, liBt 
darauf schlicBen. dali die Untersuchung. auch wenn sie zum AbschluB ge- 
bracht worden wire. eine befriedigende Lésung der Aufgahe nicht er- 
geben hatte. 

Die Akademie hat deshalb im Sinne des $7 des Reglements fiir die 
akademische Preiserteilung hesehlossen. den Betrag von 2000 AA dem 


XV 


Studienrat Dr. Benno Béhm in Allenstein in OstpreuBen ftir scin im Druck 
hefindliches Werk »Sokrates im 18. Jahrhundert« als Ehrengabe zu tiber- 
weisen. In einer quellenmiBig sorgsam unterbauten Darstelhing zeigt der 
Verfusser, wie die Gestalt des Sokrates. immer neu verstanden und ge- 
deutet. oft auch leidenschattlich befehdet. den geistigen ProzeB des 18. Jahr- 
hunderts begleitet, in dem sich die Autonomic der PersOuliehkeit auf mora-: 
lischem und religidsem Gebiete herausarbeitet. In den Wandlungen der 
Sokrates-Auffassung wird so die Gesamthewegung der philosophischen und 
ethisch-religidsen Motive des Jahrhunderts von dem Kampf gegen die Pedan- 
terie bei Charpentier. Thomasius und Borner tiber die rationale Begriindung 
der Moral bei Christian Wolff bis zum: Ideal der genialen und dimonischen 
Persdnlichkeit bei Hamann und Herder verfolgt. Trotz zartester Beachtung 
der individuellen Abténungen. die bei den zahlreichen naher behandelten 
Persinlichkeiten vorliegen, gelingt es dem Verfasser doch. in ebenso he- 
stimiuten wie bewegten Linien cinen historischen Authau zu zeichnen. der 
bisweilen weit tiber das Ausgangsthema hinausgreitt. Das Werk ist eine 
der bedeutendsten Leistungen. die in jimgster Zeit aul dem Gebiet der Ge- 
schichte der Philosophie zutage getreten sind. Die Akademie bringt durch 
die Verleihung des von Miloszewskyschen Preises aly Ehrengabe ihre An- 
erkennung fiir dic Gelchrsamkeit und den Geist dieser hervorragenden 


wissenschaftlichen Untersnehung zm Ausdruck. 


Prrisunfyale ans dem bl rechon Legal. 
Die Akademie stellt die folgende Preisaufgabe aus dem von Hrn. Eller 
gestifteten Legat: 
»Bekanntlich hataly sieren Jodide den Zerfall von Peroxyden. 
insbesondere von LHydreperox) d. woraus sieh cine im Vergleich 


mit den iibrigen Halogenen spezifische Fihigkeit des Jodatoms zur 
*  Loekerung der Sauerstoft-Bindung ergibt. 


Is sind neue Fiille autzusuehen. in denen Jod oder seine Ver- 


bindungen molehwaren, aber nicht peroxydisch gebundenen Sauer- 

stoff zu aktivieren vermogen im Sinne einer katalytischen Reaktions- 
} 7. aepie - 2 . 

beschleunigung. Die Ausarbeitung soleher Beispic le soll vorzugs- 

weise nach der chemisch-priparativen Seite hin gerichtet sein. « 
+ aay . )- 

is Hot Zweitause cichsmuark. 

Der ausgesctzte Preis betragt zweitausend Reiehsmark 


AMI 


Dic Bewerbungssebriften kOnnen in deutscher, lateimischer. tranzosi- 
scher, englischer und italienischcr Sprache abgefaBt sein. Schriften. die 
in st6render Weise unleserlich geschrieben sind, kénnen dureh Beschlus 
der zustindigen Klasse von der Bewerbung ausgeschlossen werden. 

Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen und 
dieses auf einem beizufiigenden versiegelten, innerlich den Namen und 
die Adresse des Verfassers angebenden Zettel fuRerlieh zu wiederholen. 
Schriften, die den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, 
werden von der Bewerbung ausgeschlossen, Zuriickziehung einer cinge- 
lieferten Preisschrift ist nicht gestatict. 

Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. Dezember 1930 dem Bureau 
der Akademie, Berlin NW 7, Unter den Linden 38. einzuliefern. Die Ver- 
hiindung des Urteils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1931]. 


Verzeichnis der im Jahre 1928 erfolgten besonderen Geldbewilligungen 
aus akademischen Mitteln zur Ausfiihrung wissenschaftlicher Unter- 


nehmungen. 
Es wurden im Laute des Jalres 1928 bewilligt: 

4000 AM fiir das Biographische Jahrbuch. 

2400 » — tir dice Forttiirung der Leibniz-~\usgabe. 

3000 » — fiir die Fortfiihruang des Nomenclator animalinn generum et 
subgenerum. 

3000 > — fir die Kircheny iiter-\usgahe. 

1000 » — fiir die Herausgabe der mittelalierlichen Bibliothekskataloge. 

2000  » — fiir die Arbeiten der Deutschen Kommissiou. 

4200» — fitr die Bearbeitung der Tudices zu [bn Saad. 

4000 0» fir die Fortftthrung des Werkes von Prof. Burdach » Vom 
Mittelalter zur Reformation «. 

JOU» — fir den Thesaurus linguae Latinae. 

3000 > — fir dice Bearbeittng des Rheinisehen Worterbuches. 

S00» — fiir die Arbeiten der Orientalisehen Konimission. 

HOQ  » — fiir die Fortfithrmg der Arbeiten des Prot’ Engler an der 
Flora von Papuasien. 


X¥II 


d0U0 AA fiir das Jahrbuch iber die Fortschritte der Mathematik. 


300 
600 


1500 
400 


2000 


700 


a00 


1500 


9500 
2500 
150 
400 
1000 
600 
900 


2000 


» 


» 


fiir die Bearbeitung des Index zum Decretum Bonizonis. 

dem Prof. Dr. Schmicdekneecht in Blankenburg i. Th. tir 
seine Opuscula Ichueumonologica. 

fiir eine Furschungsreise des Dr. B. Renseh in Berlin nach Java. 

mu Unterstiitzung der Veritfentlichung des Savigny-Buches 
des Prof. Dr. Stoll in Kassel. 

fiir eine Forschungsreise des Fri. Prof. Dr. Erdmann in 
Berlin nach Neapel. 

fir Arbeiten an der mathematischen Bibliographie des ver- 
storbenen Dr. Valentin. 

fiir eine Reise des Dr. P. Woldstedt in Berlin zum Studium 
der Glazialfragen in Nordamerika. 

fir Prof. Nernst zum Bau eines Dy namometers und zur Be- 
schaffung anderer Apparate fiir cine Untersuchung der Frage 
nach der absoluten Geschwindigkeit der Erde. 

fiir den Abschlu® der Arbeiten des Dr. H. Louis in Berlin 
im Piringebirge in Bulgarien. 

aur Ausfiihrung einer petrographischen Reise des Dr. F. K, 
Drescher in Darmstadt nach Westgrénland. 

zur Fortsetzung der Untersuchungen des Dr. Fritz Levy in 
Berlin auf dem Gebiet der Zellteilungsphysiologie. 

fiir die Ausgabe der Briefe B. G. Niebuhrs. 

fiir die Herausgabe baskischer Texte durch Prot. W. Schulze. 

fiir Herstellung von Photographien englischer Dekretalen-Ifand- 
sehriften durch Dr. W. Woltzmann in Berlin. 

fiir die Fortfiihrung der Arbeiten des Prof. Schuchhardt auf 
dem Gebiet der germanisch-slawischen Altertumskunde. 

fiir die Arbeiten des Dr. Ernst Stein tiber das Militérwesen 
des rémischen Reiches. 


SVIOLL 


Verzeichnis der im Jahre 1928 erschienenen im Auftrage und mit Unter- 
stiitzung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke. 
Vuteruchmingen hey ARademic und heer Steflingen, 
Mittclalterliche Bibliothehskataloge. Hrsg. von der Prenbischen Akademic 
der Wissenschaften fusw.f. Deutselland und die Seloweiz. Hrsg. von 
dey Bay erischen Akademie der Wissensehatten. Bd. 2. Miinchen 1928. 

Burdach. Konrad. Yom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur 
Geschichte der deutschen Bildung. Im Auttr. d. PreuBischen Akademie 
der Wissenschatten lasg. Bd. 2. To 1. Walite 2.) Berlin 1028. 

Eney klopaidie der mathematisehen Wissenschaften.  Tlrse. im = Autir. der 
Akademicn der WissenscLaften zu Berlin. GGitingen. Heidelberg. Leipzig. 
Miiuelen und Wien. Bd. 2. 1.3. Hoo. Bde 3. Po2. Tw Leipzig 
1927-28, 

Geschichte des Fixsternhimmels enthaltend die Sterndricr der Kataloge des 
Ts. und 19. Jahrhunderts. Hrsg. von der Preubischen Akademie der 
Wissenschaften, Abt. 1. Ba. 7. 8. Narlsruhe P27 2x, 

[hn Saad. Biographien Muhammeds, seiner Gelfihrten und der spiteren 
Triger des Islams bis z. J. 230 der Flucht. Im Auftr. der PreuBisehen 
Akademie der Wissenschatten hrsg, von Eduard Sacha. Bd. TL 2, 
Leiden 1928. 

Kant. Gesamnnelte Schriften. Hrsg. von der Prewsiselien Akademie der 
Wissenschatten. Bd. 1&8. Berlin u. Leipzig 120, 

Leibuiz. Gottfried Wilhelm. Saintliche Schriften und Briefe. Hrsg. von der 
PreuBischen Akademie der Wissenschaften. R.1. Bd. 2. Darmstadt 
EG2 ha Hee NP 4 

[Berlin.] Deutsche Literaturzeitung tie Writik der internationalen Wisseu- 
schaft. Hise. vom Verbande der deutschen Akademien, N. FE, do. 4. 
1. 49-33. Jg.5. LT 47. Berlin 1927 2s, 

Nomenclator animatium generum ct subgencram. tua Aufie. d. PreuBischen 
Akademie der Wissensehatten zi Berlin hese. Bd. 2. Ife. 8.0. Berlin 
1928. | 

Jean Paul. Simtliche Werke. Historis-h-kritische Ausgabe. Hrsg. von 


der PrenBischen Akademie der Wissensehatten in Verb. mit der A\ha- 


NEN 


denie ur wissenschafil, Ertoerschung und zur Pilege des Deutschtums 
uu. cl. Jean-Paul-Gesellschaft. Abtol. Bd. 6. Weimar 1928. 

Das Pilanzenreich. Regni vegctabilis couspectus. Im Autir. der Prewbi- 
schen Akademie der Wisseusebatten hase. von A. Engler. 1 90 93. 
Leipzig 1928. 

Deutscher Sprachatlas auf Grand des vou Georg Wenker begriindeten Sprach- 
atlis des Deutschen Reichs und mit Eimsehlufi von Luxemburg in 
vereint. Form bearb. i. d. Zentralstelle tir den Sprachatlas des deutschen 
Reiehs und deutsehe Mundartentorschung unter Leiting von Ferdinand 
Wrede. Ltg. 2.0 Marburg (Lahn) 192s. 

Thesaurus dinguae Latinwe editus auetoritate et Gonsilio Veademiarin qui tle 
Germaniearnm Berolincusis Gottiugensis Lipsiensis Monacensis Vindo- 
honensis. Volo 5. Fase. 8. b. Lipsiae 1828. 

Das Vierreich. Kine Zusamimenstellung und Kennzeichnunge der rezenten 
Tierformen. Begriindet von der Deutschen Zoclogischen Gesellschatt, 
Im Atte. der PreaBiscben Akademie der Wissenschaften za Berlin 
hrsg. von R. Hesse, Lfy. ot. Berlin u. Leipzig Des. 

Hessen-Nassauisches Volhswortcchueh im Aufte. u. iit: UCurerstiitzung der 
ProuBisehen Akademie der \Wissensehatten zu Berlin. des Hessischcu 
Bezirksverbandes zu iKkassel und des Nassauisehen Bezirksverbandes 
zu Wiesbaden ausgewihlt und bearh, Bd. 2. Bogen | oS. Marburg 
(Labny 1927-28. 

Weierstrass. Karl. Mathematisehe Werke. Hrsg. unter Mitwirk. ciner 
yon der PreuBisehen Akademie der Wissensehatten eingesetzten Kom- 
mission. Bd. 7. Leipzig [27. 

Wieland. Gesammelte Schriften. Ursg. von der Deutschen Kommission 
der PreuBischen Akademie der Wissenschaften. Abt. bl. Bd. Lf. Berlin 
1028. 

Rheinisches Waorterbuch. fm Auttr. der PreuBischen Akademie der Wisser- 
sehatten. der Gesellsehatt tir Rheinisehe Ceschichtshunde und des 
Provinzialverbandes der Rheinprovinz ... liesg. von Josef Mtiller. 
Bd. 1. Lfg. 14. Bd. 2. Lfg. 1-3. Bom 1828. 

Worterbuch der igyptisehen Sprache. fm Auftrage der deutschen Akademien 
hrsg. von Adolf Ernian und Hermann Grapow. Bd. 2. Lty. 2. Bd. 3. 


Lf. 1. Leipzig 192%. 


SS 


Humboldt-Stijlung. 
sehultze-Jdena. Leonhard. Zovlogische und anthropologische Ergeb- 
nisse einer Fourschungsreise im westlichen und zentralen Siidafrika 
ausgefiihrt i. d. J. 1903-05 mit Unterstiitzung d. PreuBischen Akademie 
der Wissenschaften. Bd. 5. Lfg. 3. Jena 1928. (Denkschriften d. Med.- 
Naturw. Gesellschaft zu Jena. Bd. 17.) 


Hermauu-und- Elise-geb.-Heckmaun- Wentzel-Stiflung. 

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. 
Archiv f d. v. d. Ikirehenviter-Kommission d. PreuB. Akademie d. 
Wissenschaften unternommecne Ausg. d. ilteren christlichen Schrift- 
steller. Ulrsg. von Adolf ven Harnack u. Carl Sehmidt. R. 3. Bd. 14. 
H.6. Leipzig 1924. 


Von der Akademit unterstiitste Werke. 

Anthes. Rudolf. Die Felseninsehritten von Hatnub. Nach d. Aufnahmen 
Georg Mollers hrsg. u. bearb. Leipzig 1928. (Untersuchungen zur 
Geschichte u. Altertumskunde Agyptens. Bd. 9.) 

Corpus inseriptionum Chaldicarum. In Verb. m. F. Bagel u. F. Schacher- 
ineyr hrsg. von C.F. Lehmann-Haupt. Lfg. 1. Test. Taf. Berlin und 
Leipzig 1928. 

Drescher, F. K. Uher dioritisehe Assimilationsgesteine. Jena 1927. 
Sonderabdr. 

u. M. Storz. Ergebnisse petrographiseh-tektonischer Untersuchun- 
gen im Bergeller Granit. o. O. 1926. Sonderabdr. 

Uber gangtérmige Hornfelsschollen im Zwingenberger Granit. 
Darmstadt 1925. Sonderabdr. 
-—. Uber granito-dioritische Mischgesteine der Friedeberger Intrusiv- 
masse. o. O. 1926. Sonderalilr. 

u. H. K. E. Krueger. Der Peridotit von Kaersut (Grénland) und 
sein Ganggefolge als Beispiel einer Sekretionsdiiferentiation. 0. ©. 
1927. Sonderabdr. 

-—. Uber zonaren Pyromorphit und Mimetisit von Tsumeb. oo. 0. 
1926. Sonderabdr. 

Zur Tektonik und Petrographie der Diorite von Fiirstenstein 
{Bayerischer Wald). Darmstadt 1925. Sonderabdr. 


NNI 


Erdmann. Rhoda. Uber die Eigenschatten geziichteter ‘Pumer- une) nor- 
maler Gewebe. Jena 1927. Sonderahdr. 

u. E. Haagen. Der Eintlu8 von Vitaminsehiden auf die Ent- 

stehung bésartiger Neubildungen. Berlin 1928. Sonderabdr. 


-.. Geschichte der Abteilung fiir experimentelle Zellforschung. Berlin 
o. J. Sonderabdr. 
Zur Physiologie der in ‘Tumorplasma geziiehreten Zellen. Jena 

1928. Sonderahdr. 

Kaehler, S. A. Wilhelm v. Humboldt und der Staat. Miinchen u. Berlin 
1927. 

Lipps. Th. Zur Rotliegendilora von Langwaltersdorf (Niederschlesien). 
Berlin 1927. Sonderabdr. 

Schmiedeknecht. Otto. Opuscula Iehneumonologica. Fase. 45. Suppl.- 
Bd. Neubearheitungen. Fase. 1 3. Blankenburg i. Thiir. 1927-28. 

Tobler-Lommatzseh. Altfranzisisches Worterbuch. \dolf Toblers nach- 
gelassene Materialien bearb. und mit Unterstiitzung der Preubischen 
Akademie der Wissenschaften hrsg. von Erhard Lommatzsch. Lig. 12. 
Jerlin 1928. 


Vou der Akademi: preisgekrénte Werke. 


Bohm. Benno. Sokrates im 18. Jahrhundert. Leipzig 1929. 


Verinderungen im Personalstande der Akademie im Laufe 
des Jahres 1928. 
Ks wurden gewabilt: 


av korrespondierenden Mitgliedern der physikalisch-mathematisehen 


Klasse: 
Hr. Wilhelm Bjerknes in Oslo | 
» Louis Dollo in Brissel am 10. Mai 1928. 


» Felix M. Exner-Ewarten in Wien) 
Sir Ernest Rutherford in Cambridge (Engl.) am 7. Juni 1928. 
Hr. Abraham Joftfé in Leningrad am 2]. Juni 1928. 


NN 


Hr. 


If. 


Hr. 


(restorber sind: 
das auswiirtige Mitglied der physikaliseh-mathematischen Klasse: 
Wilhelm Branca in Miinehen am 12. Mirz 1928: 
das auswirtige Mitglied der philosophisch-historischen Klasse: 
Panagiotis Kabbadias in Athen am 21. Juli 1928: 
die korrespondierenden Mitglieder der pliwsikaliseh-mathematischen 
Klasse: 
Hendrik Antoon Lorentz in Haarlem am 4. Februar 1928, 
Felix Marchand in Leipzig am +. Februar L928, 
Theodor Curtins in Heidelberg am 9. Februar 1928. 
Emil Wiechert in Géttingen am 19. Marz 1928. 
Wilhelm Wien in Mimchen am 31. August 192s. 
Johannes von kKries in Freiburg i. Br. am 30. Dezember 1928: 
die horrespondicrenden Mitglieder der yhilosophiseh-historischen 
Klasse: 
Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen am 4. Januar 1928, 
Friedrich Loofs in Halle am 13. Januar 1928. 


Zin wissenschiattlichen Beamten und Protessor bei der Akademie wurde 


epnanut Prof. Dr. Eberhard Frhr. von Kitniiberg in Heidelberg am 1. Hk- 
iober 1928, 


NXE 


Verzeichnis der Mitglieder der Akademie am Schlusse des Jahres 1928 


nebst den Verzeichuissen der Inhaber der Bradlev-. der Helmholtz- und der Leibuiz- 


Medaille wud der Beamten der Akademie. sowie der Nommissionen. Stiftunes-hura- 


Hr. 


Hr. 


ie 


Planck 
Rubnuer 
Liiders 


Heymann 5 


ee 


Puysikulisch-mathematisehe Klasse 


Adolf Engler 


Max Planck . 


Emil Warburg. 


Fyiedrich Schottky. 


Tlermannu Zimmermann 
Walter Nernst 

Max Rubner 

Albrecht Pench. 


Gottlieb Haberlundt 
Gustav Hellmann 


torien usw 


Bestiindige Sekretare 


Gewahls von der 


phys.-math. Klasse 


phys.-math. — - 


phil.-hist. » 
phil.- hist. - 


Ordenthche Mitgheder 


Ur. 


Philosophiseh-historsehe Klasse 


Eduard Sachau . 
Adolf ron Harnack 


Carl Stumpf - 


S tdolf Ernean 


Mus Lenz ; 

Ulrich von Wilamowits- 
Moellendor# . 

Nonrad Burdach 


Detrich 
Eduard Meyer 
Wilhelm Schuler 
Alois Brandl 


Sehdper 


bridrich Miiller 
Heinrich Liiders 


Eduard Norden . 
Karl Schuchhard! 


— 


Datum der Lb statrguny 


1912 Juni 19 
1919 Mai La 
1920 Aug. 10 
1926 Nov. 30 


Datum der Bestatiguns 
a ne 


1887 Jan. 24 
1s9v) Jan. 20 
1890) Febr. 10 
1894 Juni 11 
1895 Febr. 18 
1895 Febr. IS 
1895 Aug. 15 
1896 Dez. 14 
1899 Ane. 2 
1902) Mai 9 
1903 Jan. 4 
19903) Ane. 4 
1903 Aug. 4 
1903 Nov. 16 
1904 April 3 
19d Aug, 28 
1905) Nav. 24 
1906 Dez. 2 
1906 Dez, 2 
1906 Dez. 24 
1909 Aug. 5 
191] Juli 3 
1911 Dez 2 
1912 Jum [4 
i2 July 


XXIV 





Physikalisch-mathematische Klasse Philosophtseh-historische Kiasse Datum der Bestatigune 
otis ies enrtetentorenneeneteepemnetiartadaahdianeisibeieamnedtiaiemnetentitaaiiantemntntncetetatentemteinaetatitaaeatl i oseaditiattaeeedhiesiieniememeri eammmniatiionieeemmmmntee earn ieeestilacaitdieeemeetinememmeeateniiatiemsieieinabeltamaaaaae nnn aceesnaimmantl 
Hr. bert Kinstein oe Wote tok 2 6 a ee oe a ty bee Yaw ce TB Now 12 

Hr. Otto Hintze . . . . . . IDLE Febr. 16 
- Max Sering. . . . . . Dt Marz 2 


- Adolf Goldschmidt. . . . 1914 Marz 
a hinite Haber aoe ee OAS mk a ge ke TOT “Dez: 
- Kyiedrich Meineeke. .  .  . 1915) Febr, 
- AWarl Correns 2. 2. ee ee ee ee ew we «LOIS Mrz 
- Paul Kehr. 2. 2)... LMS) Mirz 
- Ulrich Stutz. . 2...) T9188) Miirz 
- Ernst Heymann 2... 91S) Marz 
so. ard Peder ee. RS ake Se oe ee ts Ls fh ete, FOS Ate 
- Erhard Schmidt . 2 1 7 ee ee ew . TOLE Ate 
- Rudolf Fick . .. we ok a? Be oh de Hee eg et WSIS Ane 
- Josef Pompeckh} 2. 2 2 2 wee ee ee AOR Feber, 


or 


— 
Celie sO OU ce ee OR RE ob) oo hE IS) 


~ Max von Lane 2... oe Re AO OR eee en rar 920° Ate: 
-  lbvich Wilchen 2 2... ASR A Jan. 
-  fysat Schur b a8 oa, Ge. be he % 2. eee 6EORE Dez. 


ve 


- Johannes Bolte. . . . 1922) Okt. 
- Julius Petersen. . 2...) 1922) Okt. 
- Theodor Wiegand . . . . 1922 Okt. 


e 


WwW It Ie Wo bo ie le be 
yo Ww ef 


- Wilhelm Schlenk . 2. 1. ee 1982 Ot. 23 
x: Hans Ludendory’ a. a ets tts eo 8 eke BD . . 19220 Okt. 23 

-  Theinvith Maier. 2...) V9RR Okt. 3 
~ Arrien Johnen 2 0. ee «1922 OK, BB 

~ krtich Marchs 2 2... 192?) Dez 9 
- Paul Guthnich 2 2 2. 7 ee. 192830 Jane 01 
- kFrane Weibel 2 2. 6 wwe, . oe...) 19230 «Jan. 1 


- Otto Franke «©... 1923 Juni 4 

~ Werner Jaeger. 2... W924 Febr. 5 

~ Ludwig Bieberback . 2 6 6 ee ee 6 ee ee ee T92E April 1 
- Otto Hahn . 2 wee ee ee eww 1924 Dez 2 
- Eduard Spranger . . . 1925) Jan. 16 

- Korl Andreas Hofmam . 1. 6. 6 6 ee ee ew we 1925 Jane YI 
- Max Bodensten . . . 1. 2 ew ee ee ee. 1925 Jan (21 
- Friedrich Paschen 2.0. 6 ee wee 1925 Feber. 9 
- Albert Brackmann . 2. . 1923) Juli 3 

- Karl Willy Wagner we od. Jets Se One Gok we Je TORS Diese «<5 
- Johannes Stumpf . 2. 6 6 6 ee ew ee ee. 1926 Jan. 27 
- Heinrich von Ficker 2 6 6 0 wee, . 1926 Juli 28 
Richard Hesse . ae woe ee ee ee ee 1926 Dez. 8 

- Hans Lietzmann . . . . 1927 Mai 3] 


Auswiartige Mitglieder 


Pha sthalisch mathematische Klasse Phiosonhiseh-historische Klasse 


a Se AS TS oe 


re. Meee Lehane in Gottingen 
-  Vheador Not kre in Karlsruhe 
- Andreas Hlensler tn Basel 
-  Theneich Wadlin in Ziirieh 
In Richard Willstiticr in Mitnehen cab on Ob oy. on ee Bo 
- Thans Dray ador{f in Drei 
burg i. Br. 
~  Nonstantin Corathodory in Munchen. Se rae Ogi cde 
- hurl COU laird in Miinehen 


4. Ehrenmitglieder 


Bernhard First von Bidow in Wlein-Vlottbek bei Hamburg . 
IIr. cbugasé ron Trott zn Solz in Wassel 

-  brtedrich Sehmidt-Ott in Berlin 2. 2 2 ee 
-  Wilhehu vou Bode in Berlin 


9. Korrespondierende Mitglieder 
Physikalisch-mathematisehe Klasse 


Nal Vrhe. Auer ron Webbach auf SchioB Welsbach (karnten) . 
Hr. ihe Baschinger tu Leipz . 

- Friedrich Becke in’ Wien 

-  bithelm Byerhurs in Oslo 

- Niele Bohr in Kopenhagen 

- Waldemar Christofer Brigger in el 

- Hugo Biking in Heidelberg : 
- Wilham Morris Davis in Cambridge, utes 
- Peter Debye in Leipzig 

-  Loais Pollo in Briissel 

- Carl Dusberg in Leverkusen 

-  behie Me Bener-Hicartin in Wien 


Greand Prhe. de Geer in Stockholm 


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ISS7 Jan. 2 
19000 Marz 

JQO07 Aue. oS 
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Parum der Bestathoen. 


19100 Jan. 3k 
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19200 Jan. 8 
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19200 Marz [1 
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1928S Mai Le 
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il 


ANVI 


Hr. 


Karl con Goebel in Minchen . 

Karl Grobben in Wien 

Ukear Gulltrand in Uppsala . 
Johannes August Hammar in Uppsala 
Seen Ledin in Stockholm . 

Richard von Hertwig in Miinchen 
David Hilbert in Géttingen 

-Areid G. [légbom in Uppsala 
Abraham Joli. int Leningrad 

Ludwig Jost in Heidelberg 

Hans Oscar Juel in Uppsala 

-ldolf Kneser in Breslau 

Martin Kuudsen in Kopenhagen . 
Paul Koebe in Leipzig 

Wladinar Noppen in Graz . 

Eugen Korschelt in Marburg 
Friedrich Nitstner in Boun . 

Eduard Landaw in Gottingen . 
Philipp Lenard in Heidelberg . 

Karl von Linde in Minchen 

Hons Lohinany in Hambure: 

Hans Horst Meyer in Wien 

Svante Marbech in Lund 

hridtjof Nansen in Lysaker , 
Friedrich Oltmauns in Freiburg i. Br. 


Witheim Ostwald in Grok-Bothen. Sachsen. 


hracst Rutherford in Cambridge (Enel) 


», Otto Schott in Jena 


-lrnold Sommerfeld in AMihelien 

Scante His Strémgren in Wopenhagen . 
Eduard Study in Bonn . 

Gustar Tammann in Gottingen 


+ Joseph John Thomson in Cambridge 
, Elugo de Vries in Lunteren. 


Otto Wallach in Gottingen . 


Richard Wettstein von Westersheim in Wi ien 


Edmund B. Wilson in New York 
Hans Winkler in Hamburg. 
Wilhelm Wirtinger in Wien 

Mac Wolf in Heidelberg 


Pieter Zeeman ww Amsterdam . 








Datuur der Wabl 
1913) Jan. 16 
1922) Noy. 23 
1924 Febr. 7 
1924 Feber. 7 
1911S Nov. 28 
1898 April 28 
1913 Juli 10 
1922) Nov. 25 
1928 Juni 21 
1925 Nov. [9 
1925 Nov. 1 
1923 Juni 7 
1920 Jimi 23 
1925 Pebr. 5 
1922) Maes 4 
1920) Dex 9 
1910) Okt. 27 
1924 Febr. vi 
1909 Jan. 21 
1910 Juli 6 
1024 Judi 24 
1920) Okt PS 
1925 Nov. 19 
1927) Juhi 7 
192) Dez. 8 
1905) Jan. 2 
1928) uni 7 
1916 Junho 6 
1920 Marz 1] 
1925) Jan. 15 
1923 Mai 17 
1919) Juni 26 
1910 Juli 2s 
1913 Jan. 16 
1907 Juni 13 
1921 Dez. 8 
1913) Febr. 20 
1927 Juli 7 
1925 Febr. 5 
(925 Jan. 15 
[922 Inni | 


Lr. 


Philosophiseh-bistorische Klasse 


Willy Bang-haup in Berlin . bok 
Adbert: Berzevicczy von Berzevicze in Biase st. 
Joseph Bidrz in Gent 

Franz Boas in New York. 

Lrich Brandenburg in Leipzig . 

Janes Henry Breasted in Chicago 

René Caguat in Paris 

Widen Caland in Utrecht 

Benedetto Croce in Neapel ¢ 

Frans Cumont in Rom : 

Olof August Danielsson in Capel 

tieorg Dehio in Titbingen . 

Giustue Khrismann in VWeidelbere 

Franz Ehrie in Rom . : 

Ernst Fabricits in Freiburg i. Br. 

Ueinrich Finke in Freiburg i. Br. 


» James George Frazer in Cambridge 
Percy Gardner in Oxford 


Rudolf Eugen Geyer in Wien . 
Francis Llewellyn Gritnth in Oxtord 
Iquazio Guidi in Rom 

Karl Llampe in Heidelberg 

Joseph Hansen in K6ln . : 
Georgios N, Hatzidakis in Athen . 
Antoine Héron de Villefosse in Paris . 
Gerardus Heymans in Groningen 
Maurice Holleaur in Versailles 
Christian Hiilsen in Flovenz 
Hermann Jacobi in Bonn 

Adolf Filicher in Marbarg . 
Hermann Junker in Wien 


» Frederic George Nenyon in London . 
Erich Blostermann in Halle 


Awel Nock in Tamnd 

Sten Konow in Oslo . 

Karl ron Kraus in Miinchen . 

Bruno Krusch in Hannover ‘ 
Hans Ostenfeldt Lange in Kopedhaneits 
Karl Luick in Wien . . 
rnold Luschin Ebengreuth in (Gea : 
(iorannt: Miereati in Rom 


NXE 


Datum der Wah! 


1919 
1927 
1914 
1920 
1925 
LQ07 
1904 
1923 
1925 
1911 
1924 
Oru 
1923 
1913 
1926 
}o22 
19T] 
1908 
192v 
L900 
1904 
1925 
1925 
{900 
1893 
1920 
1909 
1907 
191] 
1906 
1922 
1900 
1927 
1917 
1923 
1917 
1925 
1927 
1922 
1904 
1925 


ahs 


Febr. 


Dez. 
Juli 

Juli 

Juni 
Juni 
Noy. 
Juni 


Febr. 


April 
Jan. 
Okt. 
Dez. 
Juli 
Nov. 
Juni 
April 
Okt. 


Febr. 


Jan. 
Dez. 


Febr. 
Febr. 


Jan. 


Febr. 


Juli 
Febr. 
Mai 


Febr. 


Novy. 
Juli 
Jan. 
Mai 
Juli 
Juni 
Juli 


Febr. 


Dez. 
Juni 
Juli 
Nov. 


13 
15 


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N\NVEE 


Ir. 


Johannes Mewildé in Vabmeen 
Widhelne Meger-Liibke in Bonn 
Greorg lis Miller in Gottingen 
Nard Miller in Viibingen 

Maortin Nilsson in Lund 

Tinga nrmgir in Madrid 

Serotts ron Oldenburg in Leningrad . 
There Oockes tn Beelin. 

Pio Rayna in Vlorenuz 

Os ahd Redlich in Wien 


KMruest Cushing Richardsou in Vrineetou 


Michael Rostoiwzee in New Haven (Conneetient) 


Lidward Schroder in Cotingen 
Moy Schulte in Boun 

Kduard Schwarts in Miinchen 
Kurt Sethe in Berlin. 

Bernhard Seyjert in Ora 

Iidwiard Sievers in Leipzig 

Apeed Stern in Ztirich 

brane Studuiesha tn Leipzig 

hye drvich VTeatseh in Wermatnustadr 


Hdward Mununde Thompsoa in JS.ondon . 


Radaly Thane ys in Boun 
(rrolimo Vitedli in Plorenz . 
Jdickoh Wackernage in Basel 
Leopold Wenger in Miinehen 
Rad Wernle in Basel 

aldoly Wilhelm in Wien 

Franz Winter in Boun 

Trad Wolters in’ Miinehen 

Otte ron Zallinger in Salzburg 
hel Acttersticu i Uppsala 


Drouin der Wand 





12] 

L905 
igt4 
Lol? 
1924 

L927 
L927 
ge 
1909 
L927 
L924 
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1912 
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L907 
1920 
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1027 
1924 
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1925 
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1926 
123 
191 

1925 
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Juli 6 
Lebr. 19 
Febr. | 
Vebr. 7 
Dez. 1h 
Nov. A 
Juni 2e 
Viirz 11 
Des. 15 
Nov. 6 
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Juli Tt 
Juni 2e 
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Juni 1s 
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Juli 27 
Mar 2 
Juli 23 
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Jan. 14 
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Dez, ny 
April 27 
Dez. {7 
Maioo8 
Mai oS 


Febr, 2 


NALS 


fnhaber der Bradlev-Medaille 
Ur. Fewdrich Niistuer in’ Bonn (1978) 


Inhaber der Helmboltz-Medaille 
[Iv. Sandingo Ramen Cajal in’ Madrid (1905; 
~ Mar Planck in Berlin (1915) 
~-  Referd von Hertwig in Miinehen (1917) 


Verstorbene Inhaber 
Mudd du Bois Reymond (Berlin, S92.“ TS¥6. 
Karl Weierstruy3 (Berlin. [s92. ig ISO7) 
Robert Bunsen (Teidelbere. LAY? af [S994 
Lord Ae/rin (Netherhatl Largs. 1882.“ 1907; 
Rudolf Virehow (Berlin. 1899. ~ 1902) 
Sir George Gabriel Stokes (Cambridge. (O01. L905 
Henri Beequerel (Paris. (907, 90s) 
fimil Fischer (Berlin, 1909, “+ 1919) 
Jakob Tleinvich vant Hof (Berlin, Yi. Letty 
Smon Schicendener (Berlin, LOL. FOE) 
Wied Conrad leiintyen (Miinehen. LOPS, Be JO23, 


Inhaber der Leibniz-Medaille 
a Der Medaille in (rold ibsw. Biser; 
Iv. Janes Simon in Berlin (1907) 
Joseph Florimoud Due de Loubat in Paris (1916) 
II. Hans Meyer in Leipzig (1911) 
Fel. Elise Koeuigs in Berlin (1912; 
Hr. Leopold Noppel in Berlin (1917) 
-  Sfeinrich Schaee in Berlin (19t 
- Air Stegisnnd in Bertin (L923) 
- Frans von Mendefssohu tn Berliu (192+ 
- Arthur Sefomonsohn tn Berlin (Loo) 
- Frits Spies in Berlin (LO27) 
- Brame Caterbock in Berlin les, 


Versiorbene Tuhaber dev Medailie in word 
Henry To ron Battinyer (Wlberteld. LOO. 120) 
Cin ron Schjerning (Berlin. L916. “= L921) 
Ernest Solvay (Briissel, 109, > P22, 

(reorg Schiveingurth iBerlin. TOES. os 1925, 
Rudolf arenstein (Berlin, SES. <> 1923) 


“4. Der Medaille in Silbe: 

Uy. ddolf bricdrich Lindemann in Sidmouth, England (1907) 

- Johannes Bolte in Berlin 11910) 

- Albert von Le Coy in Berlin (1910) 

- Johannes berg in Leipzig (1910) 

- Mar Wellmann in Potsdam (1910) 

- Werner Janensch in Berlin (1911) 

- Hans Osten in Leipzig (1911) 

- Robert Davidsohn in Flovenz (1912; 

- Nide Garis Davies in Wairo (1912) 

- Edwin Hennig in Tibingen (1912) 

- Tingo Rabe in Hannover (1912) 

- Josef Emanuel Hibseh in Tetsehen (1913) 
- Karl Richter in Berlin (1913) 

- Hans Witte in Neustrelitz (1913) 

- Geory Wolf in Frankfurt a. M. (1915) 

- Walter Audrae in Assur (1914) 

-  Rrwin Schranon in Dresden (1914) 

- Richard Irvine Best in Dublin (1914) 

- Otto Baschin in Berlin (1915) 

- Albert Fleck in Berlin (1915) 

~ (. Dorno in Davos (1919) 

~ Johannes Kirchner in Berlin (1919) 

-  Kdmund von Lippmann in Halle aS. (ot 
Trhr. ren Schrétter in Berlin (1919) 

Hr. Otto Wolf in Berlin (1919) 

Otte Priower in Berlin (1922) 

- Kel Steinbrinck in Lippstadt (1922) 

-  Frnst Volkert in Berlin (1922) 

- Var Blankenhorn in Marburg (1923) 

-  Whert Harting in Weimar (1925) 

Richard echt in Gérlitez (1925) 

- Herman Audbrouw in Jena (£924) 

Fri. Lise Meitner in Berlin (1924) 

The. Aer! Roehf in Mosau bei Ziillichau (1925) 

- Werner Nothirveter in Berlin (1925) 

- Hans con Ramsay in Bertin (1923) 

- Walter Level in Ueidelberg (1926) 

- fiugo fbscher in Berlin (1926) 

-  flugo seeunn in Freiburg i. Br. (126) 

-  bhinvich Khbhahu in Hamburg (1927) 


Ir. Cuno Hofmeister in Sonneberg (L927) 
- Gerhard Moldentuner in Madrid (1927) 
~ Arnold Berliner in Berlin (1928) 
~ heart Leitemunn in dena (102s; 


Verstorbene Inhaber dev Medarlle in Silber 
Kart Alexander rou Martius (Berlin, 107, 120) 
Karl Zeuner (Berlin, LOU. = 1914) 
Robert Noldenry (Berlin. 19a,“ 19251 
Gerhard Hessenhery (Viibingen. LO. “> £925) 
treorg Wenker (Marburg. (OLE. 19s) 
Huyo Maguus (Berlin, 1915. - 1921) 
Jufins Hirschherg (Berlin. (915. = 1254 
BY Debes (Leipzig. LOEQ. 192d 
Georg Wistiecuns (Berlin, L924. 3 beer. 


Beamte der \kademte 


Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Eduard Stunner. Prot 


licher Beater. 


\NNNI 


. Wissensehatt- 


Archivar und Bibliothekar der Deutschen Kommission: Dr. Frife Behrend. Prof. 


Wissensehaftlichor Beamter. 


Wissensehaftliebe Beamte: De. Uernann Harms, Prot. -— Dr. Card Schinidt. Prof. 
Dr. Pricdrich Frhey. [ier von Gaertringen, Prof. — Dr. Pan! Ritter. Prof. -— 
Dr. Han: Puetseh. Prof. — Dr. Ingo Gaebler. Prot. —- Dr. Hernan Grapow, Prot, 


~~ Dr. Eberhard Frhy. con Aun Blorg, Prot. (Heidelberg). 


Seliviftleiter bei der Redaktion der Deutschen Literaturzeiting: Dr. Mand Hineherg. Prot. 


Wisseuschaftliche [ilfsarbeiter: Dr. Wi/helne Nregling. — 


Lothar Wickert. — 


Dr. Erich Hochotett. -- Dr. Waldemar von Olsheneen, — Vr. Air d LMithur 


(GSttingen}. — Dr. (reorg Feigl, — 


Dr. Walter Méving. -— Dr. Weltgang Lentz. — Dr. Hans Teshe (Heidelberg). — 


Dy. Johannes Haas. — Prof. Dr. Llrmann branche. 


Zentralbiirovorsteher: Friedrich Grinheid. Verwaltungsoberiuspektor. 


Hilfsarbeiterin in der Bibliothek: Fraulein Aras Hagemann, 


Hilfsarbeiterin im Bureau: Frivulein [lertha Tine. 
Hilfsarbeiterinnen: Fritulein MJoertha Luther, 


Fraulein Helene Born. - Fraulein Hedwig Grucher. — Friuein Aarle ron Diiriny. 
Sekretirinnen bei der Deutschen Literaturzeitung: Frau Aha Schrader, —— Pritutein 


Lilian Hinz. 
Ilausinspektor: A/fred Janisch. 
Akademiegehilfen: -/vkoh Hennig. — .Lugiet con Wek dtird?, 


Tlilfsdiener: Frits ~/, 


VYNNII 
Verzeichnis der Kommissionen. Stftungs-Kuratorien usw. 


hommissionen fir wissenschaftliche Unternehmungen der Akadenie. 


Agyptologische Kommission. 


Erman. Ed. Meyer. Schulze. Liiders. 


Griechisch-rémische Altertumskunde. 
Wileken (Vorsitzender), yon Wilamowitz-Moellendorff. Ed. Meyer. Seliulze. 
Norden. Wiegand. Jaeger. 
Corpus inscriptionum Etruscarum: Schulze. 
Corpus inseriptionum Latinarum: Wileken. 
Fronto-Ausgabe: Norden. 
(iviechische Miinzwerke: Wiegand. 
Inscriptiones Graecae: von Wilamowitz-Moellendort!. 
Prosupographia imperii Romani saec. I-III: Wileken. 
Strabo-Ausgabe: von Wilamowitz-Moellendorft. 


Corpus medicorum Graecorum. 
Jacger (Vorsitzender). von Wilamowitz-Moellendorff, Sachau. Schulze. Norden, 


Deutsche Kommission. 
Mit der Fithrung der Geseliitte beauttragt: Liiders (als Sekretar), 
Mitglieder der Kommission: Burdach. Sehulze. Kehr. Bolte. Petersen 
Heymann. Schroder (Géttingen). Seuffert (Graz). 
AuBerakad. Mitglieder: Wrede (Marburg). Hitbuer (Berlin). 


Deutsche Literaturzeitung. 
RedaktionsausschuB: Petersen (Vorsitz). von Harnack. Johnsen.  Kelir. 
Liiders. HH. Maier. Ed. Meyer. Nernst. Penek. Planck.  Stuatz 
von Wilamowitz-Moellendorff. 


Dilthey-Kommission. 


Carl Stumpf (geschittstithrendes Mitglied). Burdaeh. Tl. Maier. Spranger. 


Geschichte des Fixsternhimmels. 
(ruthnick (geschiftsttihrendes Mitglied). Ludendort?. 
AuBerakad. Mitglied: Nopft (Berlin). 


\XNITEL 


Herausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts. 
Burdach (geschaftstithrendes Mitglied). von Wilamowitz-Mocllendort?. 


Meinecke. Spranger. 


Herausgabe des Ibn Saad. 


Sachau (geschaftsfthrendes Mitglied). Errian. Sehulze. FP. W. K. Miller. 


Jahrbuch tiber die Fortsehritte der Mathematik. 


Planck (Yorsitzender). Sehmidt. schur. Bieberbach. Guthnick. Wagner. 


Kant-Ausgabe. 
H. Maier (Vorsitzender). Carl Stumpf. Liiders. Meinecke. Spranger. 
AuBerakad. Mitglied: Menzer (Halle). 


Kirehen- und religionsgeschichtliche Studien im Rahmen der rémischen Kaiserzeit. 

von Harnack (geschiattstiihrendes Mitglied). von Wilamowitz-Mocllendorft. 
Norden. Lietzmaun. Jaeger. Jiilicher (Marburg). Klostermann 
CHalle}.. wees 


Herausgabe der Werke von Kronecker. 


Bieberbach (Vorsitzender). Schur. Schmidt. 


Leibniz-Ausgabe. 
if. Maier (veschittstiihrendes Mitglied). Carl Stumpf. Planch. von Harnack. 
Kehr. Schmidt. Burdach. Spranger. Lenz. Bieberbach. 


Oskar-Mann-NachlaB-Kommission. 
Sachau. F. W. kK. Miller. Sehulze. Liiders. von Harnack. 


Orientalische Kommission. 
Ed. Mever (geschiiftstithrendes Mitglied). Sachan. Erman. Schulze. 
F.W. kK. Miller. Liiders. Franke. 


,Pflanzenreich". 


Engler (geschiiftstithrendes Mitglied). Correns. 


PreuBische Kommission. 
Marcks (geschattsfiihrendes Mitglied), Hintze. Wehr.  Meinecke. | Stutz. 
Heymann. 


XANXILV 


Spanische Kommission. 
Kehr (Vorsitzender).  Mareks. Goldschmidt. Heymann. Brackmann, 


kd. Mever. Meyer-Litbke (Bonn). 


vTierreich und Nomenclator animalium generum et subgenerum. 


Ilesse tveschiftstithrendes Mitglied). Heider. Keibel. Correns. 


Herausgabe der Werke von Weierstra8. 


Planck (geschittsttiihrendes Mitglied). Sehmidt. Sehur. Bieberhach. 


Worterbuch der deutschen Rechtssprache. 
Heymann (geschiiftsttiihrendes Mitglied). Stutz. 
AuBerakad, Mitglieder: Frensdorff (G6ttingen). His (Miinster). Frhr. von Kiinb- 
berg (Heidelberg). Frhr. von Schwerin (Freiburg). Frhr. von Seliwind 
(Wien). 


Wissenschaftliche Unternehmnngen, de nuit der Nhadenue in Verbinding stehen, 
Corpus scriptorum de musica. 
Vertreter in der General-Kommission: Carl Stumpf. 
Luther-Ausgabe. 
Vertreter in der Kommission: von Harnack. Burdach 
Monumenta Germaniae historica. 


Von der Akademie gewihlte Mitglieder der Zentral-Direktion: Schifter. Hintze. 


Reichszentrale fiir naturwissenschaftliche Berichterstattung. 
Planck (Vorsitzender). Schmidt. Haber. Hellmann. Pompeekj. von Laue. 
Nernst. Guthnick. Bodenstein. 


Sammlung deutscher Volkslieder. 


Vertreter in der Kommission: Petersen. 


Worterbuch der agyptischen Sprache. 


Vertreter in «der Kommission: Erman. 


Kommission fir éffentliche Vortrage. 
Liiders. von Wikunowitz-Moellendorff. Penek. von Laue. 


ASK 


Bei der Akademie errichtete Stiftungen. 
Bopp-Stiftung. 
Vorberatende Kommission (1926 Okt.—1930 Okt.). 
Schulze (Vorsitzender). Liders (Stellvertreter des Vorsitzenden). Brand! 
(Schriftftthrer). Burdach. 
AuBerakad. Mitglied: Briickner (Berlin). 


Bernhard-Biichsenschiitz-Stiftung. 
Kuratorium (1928 Jan. 1—1932 Dez. 31). 
Liiders. von Wilamowiiz-Moellendorff. Wileken. 


Charlotten-Stiftung fiir Philologie. 
Kommission. 


Schulze. von Wilamowitz-Moellendortt, Norden. Jaeger. 


Emil-Fischer-Stiftung, 
Kuratorium (1929 Jan; 1—1929 Dez. 31). 
Sehlenk (Vorsitzender). Haber.  Bodenstein. 
AuBerakad. Mitglied: Hermann Fischer. 


Eduard-Gerhard-Stiftung. 
Kommission. 
Wiegand (Vorsitzender), Wileken. von Wilamowitz-Moelendort?. hd. Meyer, 
Schuchhardt. 
De-Groot-Stiftung. 
Kuratorium (L927 Febr.—1937 Febr.). 
Franke (Vorsitzender).  Liaders. Ff. W. Kk. Miller. 


Stiftung zur Forderung der kirchen- und religionsgeschichtlichen Studien im 
Rahmen der rémischen Kaiserzeit (saec. I—VI). 
Kuratorium (1923 Noy.--1933 Nov. 
von Tlarnack (Vorsitzender), Norden. 
AuBerdem als Vertreter der theologischen Fakultiten der Universititen Ber- 


Litt agit ne (rieBen: Kriiver. Marburg: Jiilicher. 
Max-Henoch-Stiftung. 


Kuratorium (1925 Dez. 1-—1930 Nov. 30). 
Planck (Yorsitzender). Schottky. Schmidt. Nernst. 


NXNVI 


Humboldt-Stittung. 
Ruratorium (1929 Jan. 1—1932 Dez. 31). 
Rubner (Vorsitzender). Hellmann. 
AuBerakad. Mitglieder: Der vorgeordnete Minister. Der Oberbiirgermeister 
~ von Berlin. P. yon Mendelssohn-Bartholdy. 


Akademische Jubilaumsstiftung der Stadt Berlin. 
Kuratorium (1929 Jan. 1—1936 Dez. 31). 
Liiders (Vorsitzender). Planek (Stellvertreter des Vorsitzenden). lah. 
Spranger. 
AuBberakad. Mitglied: Der Oberbiirgermeister von Berlin. 
Graf-Loubat-Stiftung. 
Kommission (1928 Fehr. —1933 Febr.). 


Sachau.  Selhhuehhardt. 


Theodor-Mommsen-Stiftung. 
von Wilamowitz-Moellendortt. Norden. 


Paul-RieB-Stiftung. 
Kuratorium (1926 Jan. 1—1931 Dez. 31). 
Planck.  Guthniek. von Laue. Schlenk. 


Julius-Rodenberg-Stiftung. 
Kuratorium (1926 Jan. 1—1930 Dez. 31). 
Burdach. Petersen. Spranger. 


Albert-Samson-Stiftung. 
Kuratorium (1927 April 1—1932 Marz 31). 
tubuer (Vorsitzender). Hesse (Stellvertreter des Vorsitzenden). Planck. 
Penek. Carl Stumpf. Fick. Pompeckj. 


Wilhelm-Tschorn-Stiftung. 


Kuratorium: Die vier Sekretare. 


Hermann-und-Elise-geb.-Heckmann- Wentzel-Stiftung. 
Kuratorium (1925 April 1—1930 Marz 31). 
Planck (Vorsitzender). Wevmann iStellvertreter des Vorsitzenden). Brack- 
mann (Sehriftfithrer). Nernst. von Harnach. Pompeckj. 
AuBerakad, Mitglied: Der vorgeordnete Minister. 


ABHANDLUNGEN 
DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. | 


DAS ZATLARAPTRECUT 
DER POSTGLOSSATORENZEIT 


VON 


Gren Jtsriznve Prov. Dk. ERNST STAMPE 


IN GREESW ALD 


BERLIN 1928 
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


IN KOMMISSION BEL WALTER DE GRUYTER U. CO. 


Vorgeleet von Hin. Wtyaaxn in der Sitzung der phil.-hist. Klasse amo. Februar 192s, 


Zum Druck genehinigt am gleichen ‘Tage. ausgegeben am 1. April 1928, 


Inhaltsverzeichnis. 


NOTAV OF. tes ne ee onl eet ania Barada dot ise A ots Pee de oe a ate 
inleitung: Die wesentlichsten Ergebnisse des Albertus Brunus ...........0 0.2.0.4. 
Erstes Bueh: Die Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts...........ccs cece ees 
Kap. 1: Die Konsilien ...........0.. Bip Dee Rte hee aad Be Beg aise ek Seka, oh Ge cel ORS 2 Mahia ie see Oe os OS 
Ste Oldradas ale: Pontes batdensis..2 2 stv. pei ns SE Shee ENTE S AG Deeg ie hee eR ak 
CONSE L3ce se anise esi Ree ee eae on 6 Oona Mteade Magu ga eel ha eS oa eee lie ghee soles 12 

CONTIN ES ake hea hek days dite ana aeselel ate end Goateewan dia P Bio gon debs oan enhcernagvenh Groene @ cued ee Mh ona Ses 13 

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CUS VES: a cctee hea dean's areka eeaty niche Weeden ae cacy sid Bie Doane Gi pus IE- Inne veene eae tanlerandeyin wueee f 32 

$4. Gesamtwitrdigune dev Komsilien 0... ete eects 
Kapil: Die sénstioe, Literatur Gaede te oi ier et yy Mabe e Keia bi Adee eps 
Soa. -Hostienst® tind “Thomas 0c. c0 60 eke ek cate hes ed eg heed ees Gate abd og ata 
Sis, | CONUS! Bis ne satiate gaan guy ecmcokaags olens. acatialealle, Mec gndas, qQOTR gecottn atecac mda bicd Sotrgpg ona ads seat ige isarand 10a. te ete eyed 
$3. Joannes Andreae und Albericus de Rosate . 00... cee ee ce bee eens 
Sots Butts: cee es p> gee a A eon Bec tnal eee shades Bhanete Sib urene daleel gi cly a tebe ek ayes 
Scher aoa es: Wa en ators je aiae Cassa eta lae se aca Ng deca org bot ae Geshe yaaa! passer igne seta seater arate epee le 
S02 Eroebnisse des: Ieapio hh sacesitiat she ote retaceseah = etek plait eae gralt dale aang treele faraata at hnaracal endian eee 
7Zweites Buch: Die Quellen des 15. Jahrhunderts............ 0.0.0 cece e eee ee 
Napek. Die ls of sihi@iesses sce “Gna hie les seed anda e eh Sita we oes etwas ahah Aah 
Sa. Panormitanus: Romanus: Gemintanus 20. eee etre eee eee eens 
Pamorinitatiuis: cons. MSO ues .cce cag 65 et oie ale aes tales Oi pld wee Ward Ole Boh he er aeseeaue Ot 66 

PLGINAUIS CODA P28 in aioe Oo eogeeaces Aiea de Ad Soe n gee ent oa Me ak, Boia geo ye eate Sue eetos 67 
GVERMITIAN US. CONS 1235 ab 65 ees ace tien” EE: 0 Coreg Select ta eds ba toga tats Saatip naldt ocd ada ode agua eaRa gece ok hg 

$2. Jloannes Reanaudus: Paulus de Castro: Martinus Garratus Laudensis: Marianas Socinus 
senior: Benedictus Capra: Alexander Tartagnus.. 0.00... e cc cee cee eee ee teens 
doannes Reanaudus (CONS) coe ee cee eee eee e en bccn cee ee ee eee neeenes 7S 

Paulus dle Castto ents. EL. 86.5 ck cg.cas Goce a ee alain aveceleva lev altos etewee blew ha vane eae deed 7a 

Martinus Garratus Laudensis cons, 50....0 00.00.06 ce eee eee eee 7“) 

Marianus Soeinus senior cons. 16 ooo ec ec eeeee eee nessa cenaees so 

Benéditttin Capen: Uolise 20.4 oe oe a i Sl een Gey ate Runtin E Mbps pega Bs NI 

Alexandé? ‘Tartaiiitis cons. [24.06 eee aha eee en Pee we Fae ek we ee eee s2 

$3. Laurentins Caleaneus: Franciscus Aretinus: Andreas Barbatia.... 0.0.0... eee eee 
Laurentinus Caleaneus Cons, lf... cece eee ee eee Asse peo tpnaesanttes fea denih eePaae s4 

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75 


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Ludos.. Bologutitis tuts 1.0) 5.5.4 cane tae wencie e ee oie eer a Hae ee a sree, “LO? 

Collegium Papiense (CONS) 2.6.6. eee nee eee eens ee. 108 

Ka p Il: Sonstige Literatur. (Antonius de Butrio: Panormitanus: Martinus Garrats Landensis: 
Franciscus Curtius senior: TWierunyvinus Butigella) ..... 00.0000. cee eee 105 
$1. Antonius de Butrio zu c. quanto. Gedankengany .......-...... bee tim Sa Deshi eig ensue cate debe Get donk 106 
$2. Panormitauus zu e. quanto, Wortlaut.. 0.00.00. once een en enas 108 
$3. Die Stellung der Literatur und Praxis zu den stcben Fragen (p. 3)... ec cece ce eee eee 11 

BPAGG Tie fia Sie etnies edn. Pe Soo ae eh ecee fee ote are aang cot wean he eee eS eed 112 

Prage Il. os:ea 3 fag cies 6 on SA Sth beibar beaeh,, Nas Soa? ceatee avs lend haan Bee Netanh- and LA 

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Braise? PV ir sa iacciitiga aoe tivek: goatee a Nose ante Sena tbsd ace age dwn geal eens: Seana tees i doa a cates eR 115 

Freie: Ni ecened pie is vated Seely Rarendhe Dg we Se oees ete bk glee cacbnd She wien ayesha eee eee 121 

Vet O OUND ok Sieh sah te co Sebastes Sh Occ cna Na te tate eas Soyanea see os Glactteee tetrad dete Raha oh oh 122 

ea er NDT a cecacat sant re eh eed her Sig ales edi a Raat aay ahead, boards a PF Solo apne eleat bees tears Sea 123 
Schlubwort..... Peels pitas tant Sete eee. plate? wien ss cigs « ingle Sergeay ecaras ete bOeilas ya eealend wNGD baw whee {27 


Abkiirzungen. 


» wit < 

bee Renerus Budelius, de monetis ... Col. Agripp. 1501. 

Davinsoun: Ronerr Davipsoun, Forschungen zur alteren Geschichte von Ulovenz. Berlin 1896 ff. 

Heidelberger Referat: Die geschiclitliche Entwickelung des Geldnominalisimus ... Referat Srampr fiir den 
Heidelberger Rechtshistorikertag vom 10. 6. 1027 (als Manuskript gedruckt). 

Heyxrn: Reinuarp Heysrx. Zur Entstehnng des Kapitalismus in Venedig, Stuttgart 1905. 

Krerscnmayr: Heisnich Kerisciuuaye. Geschichte von Venedig (Geschichte der Europaischen Staaten, Werk 
Gotha tgos if 

Molinaeusstudie } 


33} 


Molinaeus pe Sraatpr. Wir Carolus Molinaeus Nominalist? (Sttzungsber. d. Preak. Ahad. ds Wiss. 1926 1X.) 
Mo. J 

Saviesy | Prrepricn Carn vox Savicay. Geschichte des Romischen Rechts int Mittelalter. Ausy. 2. Heidelbery 
Sa. J 1S34--185 1. 


Scnavbe: Aporr Scuatnr, Handelsgeschichte der Romanischen Voélker ... Mitnchen und Berlin rgo6. 

Secntri: Jowan n Frirpricn von Scutrst. Gesehiehte der Quellen und Literatur des khanonischen Reelits . 
Stuttgart 1875 17. 

sitzungsberichte 1925 1) Exxsi Siampr. Das deutsche Schuldentilgungsrecht des 17. Jahrhunderts (Sitzungsber. 

BSB 1025 I j od. PreubBb. Akad. d. Wiss. 1925 IT). 


We das Zahlkrattrecht, das sich seit dem 13.Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittel- 
alters aushildete. erforschen will. beginnt am zweckmaBigsten mit dem Studium des tractatus 
augmenti et diminutionis Monetarum. den Albertus Brunus Astensis £500 publiziert hat!. 

Macht man nun aber den Versuch, die Literatur. auf welehe dieser Traktat hinttihrt. 
in ihrer Gesamtheit heranzuziehen. so erweist sich das sehr bald als ein physisch die 
Krafte eines einzelnen tibersteigendes Unternehmen. Denn man miiite dann Ifunderte 
von Foliantendrucken des 15. und 16. Jahrhunderts aufmarschieren lassen. Schon das 
Zusammenholen der vielfach seltenen Exemplare aus den verschiedenen Bibliotheken be- 
reitet groBe Schwierigkeiten. noch mehr oft die Feststellung aus den in mittclalterlicher 
Sparsamkeit aut’ das auberste abgekiirzten Zitaten. welche Werke gemeint seien: weder 
das eigene Arbeitszimmer noch «die Lesesiile der Bibliothek gewiihren geniigend Raum zur 
zweckmibigen Benutzung der ungetiigen. nicht selten ro---18 Pfund schweren Drucke. 
und sind endlich alle diese Hindernisse tiberwwiden. so ist namentlich das Lesen der 
‘ilteren gotisch gedruckten Exemplare mit ihrer Kurzselirift und dem volligen Mangel an 
Absiitzen und an Abscheidungen von ‘Text und Zitaten — fiir Kopf und Augen gleich- 
MmABie eine Qual. 

Es gilt also, sich mit ciner Auswahl zu bescheiden.  Glticklicherweise ist das ohne 
Schaden ftir den Wert der Forschungsergehbnisse moglich. Denn der Schwerpunkt jener 
ganzen Literatur liegt besonders in den Rechtsgutachten — in den Konsilien. die seit Oldradus 
de Ponte (1335) bis zu Ludovicus Bologninus (1308) und weiter bis at M. Antonius 
Natta, Joa. Petrus Surdus und Jacobus Menochius (“- 1607) -  vorwiegend von italienischen 
Rechtsgelehrten -— erstattet sind. 

Sie sind his 1500 — im Gegensatz zu den Gutachten der spiteren Jahrhunderte 
nicht zahlreich. aber wegen ihres Inhaltes — namentlich aueh wegen ihrer lehrreichen 
Tathestiinde — fir die Erfassimg der geschichtlichen Entwickelung von gréitem Wert. 
Und ihre Zusammenbringung bedcutet grébere Schwierigkeiten nicht: denn Lipenius ent- 
halt ein genaues Verzeichnis. und mehrere deutsche Bibliotheken sind mit solehen Kon- 
siliensamimlungen reich ausgestattet. 

Eine weitere Quelle. die sich ohne unverhaltnismaiBige Mithe ersehlieBen liBt. sind 
die Dezisionensammlungen der italienisehen Rotae und aueh franzésisecher. spanischer. 
portugiesischer Gerichtshéfe. Sie fliet freilich bis 1500 weniger ergichig. Aber der 
Inhalt ist doch dadurch besonders bedeutsam. dai er uns das Spruchreeht jener Zeiten 
unmittelbar vor \ugen fiithrt und Autsehlub gibt tiber die ganze Art und Weise. in der 
damals die Richter jenc Fragen aus dem Geldrecht ansahen und behandelten. 

Wertvoll ergiinzt wird dieses Material durch einsehligige Bestimmungen italienischer 
Stadtreehte (Bologna. Lucea. Ferrara. Perugia u.a.m.). Die reichhaltige Sammlung der 


! Bisher sind mir zwei Ausgaben czuginehel geworden: der Abdruck in dem Appendix der libri duo 
de monetis des Renerus Budelius. 1301 (Col Agr). ye. und der Abdruck in ‘Tomas NTP des soy. tractatus 
tractatuum. 1554 (Venetiis!. 2°. 


6 E.Spatwen: 


Berliner Staatsbibliothek ermédglicht es. auch diese statutarischen Regelungen der Zahl- 
krattfragen ohne tibermibigen Zeitautwand zu durchforschen. 


Aus diesem Stoff. dem auch aus der sonstigen Literatur freilich notwedrungen 
nur mit uswalil Erginzungen zewachsen, liBt sich ein Bild formen. das die ein- 


schlagigen Rechtszustinde naturgetreu wiedergibt. 

Die Darstelhing heginnt mit einer Einleitung. welche das Wesentlichste aus den Be- 
richten des Brunus tiber die Entwickeluny seit dem 13. Jahrhundert schildert. Sie setzt 
es sich zur Aufgabe, diese Berichte nachzupriifen an den Quellen. Da jedoch die wenigen 
vor dem Beginn des 16. Jahrhunderts erschienencn Dezisionensammilungen fiir sieh allein 
keine bedeutende Ausheute gewiihren und das gleiche auch von den italienischen Stadt- 
rechten aus jener Zeit gelten diirtte. halte ieh es. um cine eindrucksvolle Darstellung zu 
erreichen, fiir richtiger. den gesamten Stoff, welchen diese beiden (uellengrippen bis 
in die Neuzeit hinein ergeben, im Rahmen selbstiindiger besonderer Abhandlungen zu- 
saimnenzufassen: sie scheiden also ftir die jetzige Untersuchung als selbstindige Ab- 
schnitte aus, finden aber doch an einzelnen Stellen bereits in ihr Beriicksichtigung. 

Aus Griinden der Ubersichtlichkeit werden die Austtihrungen in zwei Biticher gc- 
gliedert. Das erste Buch behandelt die (Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts. Das aweite 
Bueh erdrtert das (viel umfangreichere) Material des 15. Jahrhunderts. 

Giitige Untersttitzung der »Gesellschatt von Freunden und Forderern der Universitit 
Greifswald« hat es mir ermdglicht. die in dieser Sehrift besprochenen Wonsilien fast 
siimtlich {im Format der BSB) photographisch autnelimen zu lassen. Es felilen mir das 
cons. des Joannes Regnaudus und das cons. des collegitm Papiense. die (durch Budelius 
und den Tractatus tractatuwun XI) leicht zugiinglich sind: sowie die conss. 135 und 321 Ill 
des Corneus. deren Autnahme technisch za sehwierig war. 

Diese Sammlung enthilt auch noch das Einschiigige aus den Broeardica des Azo 
und den Repetitiones des Hieronymus Butigella: ferner Bartolus zu i. 99 de solutionibus, 
Joannes Faber zur Auth. hoc nisi: und aus dem C.J. Can. glossatum (Lugduni 1517) die 
ce. quanto personam. olim causa. cum canonicis des liber Extra. sowie dase. si bene- 
tiviorum der Clementinen. 

Kin Exemplar dieser Sammlung besitzt die Preubische \kademie der Wissenschaften: 
cin zweites die Universititsbibliothek zu Greifswald. 


Einleitung: Die wesentlichsten Ergebnisse des Albertus Brunus. 


[. Die Entwicklung des Zahikrattrechtes wird schon seit dem 13. Jahrhundert wesent- 
lich beeinthubt durch das Nebeneinanderbestehen you moneta minuta und moneta erossa. 


Vorher ist die moneta minuta — d. h. der Denar und seine ungepriigten Reehnungsvicl- 
fachen, der solidus und «dic libra -- die einzige Geldsorte and beherrseht den eanzen 


Verkehr. Denn die Erholung des abendliudischen Wirtschaftslehens von den Verhecrungen, 
welche dic Eimbriiche der Sarazenen. der Madjaren und der Normannen angerichtet hatten. 
ging selir langsam vor sich. und erst seit der Zeit der letzten Kreuzziige ist der Handel! 
wieder erstarkt und das Bediirthis nach moneta grossa yon neuem rege geworden. Als 
nun die Prigung sehwerer Silbermiinzen —- der grossi — wieder cinsetzt und dann. im 
13. und 14. Jahrhundert. auch die Prigung von Goldmiinzen (ducati. Noreni, seuta ete.). 
die zunichst namentlich fiir den Levantehandel bendtigt werden. wird die Aleinherr- 
sehaft der moneta minuta zunehmend auf die Kleinen Geschitte des tiglichen Verkelrs 
beschrinkt. Die gréBeren Transaktionen reibt die moneta grossa an sich, und bei jhr 


Das Lahthrattrecht der Postalossatoren il. 


~~ 


privaliert wieder die aurea vor der argentea. Doch behalt die moneta minuta die wichtige 
Funktion des Wertmessers. an dem die Kaufkratt der moneta grossa gemessen wird: sie 
ist der >valore« der grossa. steht gu Jetzterer in einem Kursverhiiltnis. das oft und 
aus verschiedenen Griinden weehselt. 

Aus diesen Verhaltmissen entstehen die beiden rechtlichen Vorfragen. in weleher Geld- 
sorte die konkrete Geldsebuld geschuldet. dob. begriiudet sei und in weleher Geld- 
sorte die Zahlung geschehe, ob in der moneta debita oder in ihrem valor oder wie 
sonst. Es ergibt sich die Scheidung in Sehuldecld. MuaBzahlgeld und Kannzalil- 
geld. Schuldgeld ist dic Geldsorte. in der die Sehuld begriindet worden ist. Muiizall- 
geld die Geldsorte. in der sie gezahlt werden mui. Kannzahteeld die Geldsorte. in der 
sie gezahlt werden kan. 

I]. Pir die Ertorsehung des Zahlkratureehtes. welehes sich im 13.15. Jahrhundert 
ausecbildet hat. bestand bei den Juristen der Neuzeit bisher kein futeresse. Man verlieB 
sich anf die Schilderungen der Literatur des 16. Jahrhunderts. uamentlich auf Albertus 
Srunus. und ging auf dic friheren Quellen Kaun zurtiek. Man entnalhm wohl den com- 
mentaria. summae. leeturae der Legisten oder Kanonisten diese oder jene Einzelstelle: 
aber selbst bei diesen Quellen, die dem Interesse der modernen Romanisten noel am 
niichsten lagen. fehit cine griindliehe Durcharbeitung. Und der Inhalt der Konsilien, der 
Dezisionen. der italicnisehen Stadtreehte ist tibherhaupt nieht beachtet worden. Es sind 
fiberhaupt wohl nur wenige dariiber wunterrichtet. in welchem Umtang diese Quellen zu 
Gebote steben, dab z. B. die Berliner Staatsbibliothek cine Sammlung italicuischer Stadt- 
rechte you etwa tooo Binden besitzt. und dat Lipenius in seiner Bibliotheca juridica 
einen mehrere Foliosciten umfassenden Katalog der Konsilienstumilungen autsteltt wid 
eine wngeltihr ebeuso umfangreiche Aufzihlung der Dezisioncn italicnischer, spaniseher, 
portugicsischer. franzdsischer. nicderlindiseher. deutscher Gerichtshéte. Schon Antonius 
Tessaurus. in der Einleitung zu seinen (vor 1590 gesamme}lten) novac decisiones sacri 
seuatus Pedemontani. emplahl 27 altere Dezisionensammiungen zu cingchendem Studium. 

Unsere Darstellung setzt sich --- wie schon oben gesagt wurde - cine Nach- 
priifung der Ausfiihrungen des Albertus Branus an der Hand dieser Alteren Quellen 
cam Ziel, 

Um dieser Nachpriifung zweekimibige Riehtlinien zu gehen, soll das Wesentliehste 
aus den Darlegungen des Brunus hicr in ganz freier Wiedergabe vorausgeschickt werden, 

1. Die THauptfragen des Zahtkraftreehtes erwachsen aus den Misbriiuehen. welelie im 
spiitercn Mittelalter die Miinzherren anit ihrer Mtiuzhoheit zu treiben pilegen. 

Solange die Hauptquclle der Staatseinkiinfte noch nicht dureh cin geordnetes Steuer 
wesen gebildet wird’. mfissen besonders die Regalien zur Erlangung von Einnakmen her- 
halten. Unter ihnen erweist sich das Miinzregal bei etwas gewaltsamer Handhabung als 
vorzugsweise crgiebig. Philipp der Schdéne von Frankreich hat die geeigneten Mabregeln 
mit besondercr Virtuositit entwickelt. Das Verthhren zerfallt in seiner vollkonanensten 
Ausbildung in drei Bestandteile. Zun&iehst wird Qmédglichst oft. um mu alle FRE dey 
»Sclilagschatz« einzuheimsen) neues Geld geprigt. und zwar nach Jiga und pondus von 
dem )isherigen versehieden, in der Benenuune aber diesem eleieh. Sodann wird dem 
neven Gelde derselbe valor dekretiert. den das alte aufwWwies. und zugleieh den Unter. 
tanen befohten. die Regulierung auch der bereits friher begriindeten Schuldverhiltnisse 
habe in dem neuen Geld in derselben Summe zu erfolyen. die in dem alten Geld hiitte 





'oCf, von Enrnere, Finanswissensehaft. § 10. 


8 BE. Srawer: 


gezahtt werden miissen!. War alse der Turonensis parvus in liga baw. pondus versehlechtert 
worden. so erhielten z.B. die Beamten trotzdem nur dieselbe Gehaltssumime wie bisher in dem 
nenen sehlechteren Gelde. Elatte man ihn umgekehrt besser ausgemiinzt. so muBten dic 
Abgaben in der gleichen Summe wie bisher in dem besseren Gelde entrichtet werden. ~-- 
So hatre der Miinzherr von seinen Operationen stets Vorteil denn wenn ihm selbst grope 
Zabluugen oblagen, versehlechterte er das Geld: standen ilun dagegen grobe Einnahmen 
bevor, so sorete cr fiir rechtzeitige Verbesserung der bonitas intrinseca. Den Schlubstein 
des Ganzen bildet die Verruftmy des bisherigen Geldes. um Regulierimgen in ihm un- 
moelich za machen wid zugleich Metall tir die Neupraigung zu gewinnen, 

Dies Vertahren. dessen Hauptbestandteil der miinzherrliche Gleiehstetiugserlals bildet. 
den ich »cdeeretum aequivalentiaes benannt habe* bildet die verbreiterste Art des da- 
mmaligen anormalen Nominalismus. deh. der amtlichen Kursfestsetzung zu eigenniitzigen 
Zweeken, der omitatio valoris causa avaritiae prineipis. at inde lucretur’«. 

Neben ihm ist der anormale Nominalismus noch in einer anderen eimfacheren Form 
durehgetithrt worden. die si¢h aut’ das Nebeneinander von moneta grossa und moneta 
minuta grindet: sie besteht lediglieh in anormaler aintlicher Festsetzung des Kursyer- 
Idiltnisses zwischen den beiden Geldsorten (z. Be awisehen dem dueatus und der dibra) 
und geschieht im Tinbliek am schwebende Sehuldy erhiltnisse des Mitnzhermie (oder seiner 
(riinstlinge), die in der einen Geldsorte begrindet. aber in der anderen zu valle sind. 
Den aut diese Form beziigliehen Erlali des Miinzherrm habe ieh (1. ¢.) »deeretum: valoris« 
genannt und babe dort zugleich daraut hingewicsen. da aman soleh anormales deeretium 
valoris nieht durcheinanderbringen dart) mit den unendlich haufigen normalen deereta 
valoris. welehe damats die Stelle der heutigen Karsberichte vertraten und mamenttich 
weeen der Menge der damals tiberall kursierenden auslindisehen Geldsorten nétig 
waren. um das grobe Publikuns tiber die Kauf- und Zahikrattverhaltnisse der versehiedeuen 
Geldsorten aufzukliren. 

Zu jenen anormalen Valvationsdekretcu. welche die etwa geschehene Verfinderung 
der bonitas intrinseca wenigstens offen angeben. gesellt sich dann noch hiutig der Ver- 
such der Miinzherren. heimlieh das Geld zu versehlechtern und an Stelle des bisherigen 
besseren dem Verkehr zuzulciten. 
jener Zeit fast cinmiitig auf. Das verdient unsere Bewunderung: denn wer den Macht- 
habern so ins Geheee kam. riskierte Leib und Leben. Der Kampf wird denn auch vou 
den Juristen mit Vorsicht und feiner Diplomatie geftihrt. aber trotzdem sehr cnergiseh., 
Deun das wirtsechattliech und moraliseh Verwertliche soleher Mitnzoperationen wurde sehou 
damals klar erkannt. Und eeeen die weltliehen Firsten gewithrte die Kirehe den 
Kiimpfern gern cinen Riickhalt. Man becdient sieh ganz bestimmeer Kamptinethoden, 


2. Gegen diese Machenschatten der Miinzherren lehnt sieh die Rechtswissenschatt 


a. Man setzte sich direkt zur Wehr. 
2) Gegen die heimliche Veranderung der bonitas intrinseea. der also kein decretium 
acquivalentiae zur Seite steht. maeht die Wissensehaft schon seit dem 13. Jahrhundert 
offen Front. Sie erkiirt das aut’ diese Weise dem Verkehr zugeleitete Geld fiir peeunia 
reproba. fir gefiilschtes Geld. das niemand zu uehmen brauche. 


1 Das ist rechthch cin anderer Vorgang. aly wenn bei der Begriindung eines Schuldvyerhiltnisses 
von vornherein bestimmt wiire. da® fiir die jeweils ans ilun failligen Leistungen das dann jeweils huvsierende 
Geld Schuldgeld sein solle. 

2 In meinem Heidelberger Referat p. 6. 

3 Dieser Ausdruck findet sich 7. B. hei Geminianus cons. 137 n. ti und bei Laurentins Caleaneus eons. 1 
n. 48. i. f. 


= 


Das Lahtiraflrecht ey Postylossatorcn ceil, ‘} 


©) Aber auch der offenen Videruug der bonitas intrinseea. an die sieh ein deeretum 
aequivalentiae anschlie&t. wird die Rechtswirksambeit bestritten. Die vornelinste Figen- 
schaft des Geldes ist. nach der Autfassung jener Zeit. die Kautkraft. und man sicht 
ein. wie sehr das Mali der Kaufkraft von pondus und liga ~~ also von dem Mab der 
Metalldeckung — abhingt. Deshalb wird das in der bonitas intrimseea verfinderte Geld. 
auch weun es den Namen des fritheren Geldes beibehilt. sehlechthin als cine alia moneta 
angesehen. -—— und iman entbinder unter Berulung auf tl. 99 de solutionibus den Gliubiger 
von der Aunalimepiieht. falls ihm daraus Schaden erwachsen wiirde'. 

Melirfach begegnet auch dic Behauptung. da ein decretum principis keine Riich- 
wirkung auf Schuldyerhiltnisse habe. die zur Zeit scines Erlasses schon entstanden waren”. 


y. Nicht so einmiitig ist der direkte Widerstand gegen das anormale decretum 
valoris. Wir sahen schon oben tp. $8). dab normale decreta valoris in jenen Zeiten un- 
entbelrlich waren zur Aufklirune des eroBen Publikums tber dic Kauf- und Zahtikraft- 
verhiiltnisse der vielen diberall) hursierenden Geldsorten. Sie waren auch ein wichtiger 
Schutz gegen unlautere Kurstreibereicn von Kautleuten und Bankiers. 

Im Einzelfall konnte die Erkenntnis. ob ein normales oder ei anormales decretum 
valoris vorliege, scliwwer zu gewinnen sein. 

So scheiden sich hier die Meinungen. 

Fine verbreitete \nsicht a der sich auch die Rota Romana dauernd bekennt — 
bemibBt die Hohe der auf die Schuldgeldstumme zu zahlenden valor-Summe uaeh dem 
Kursyerhiiltnis tempore solutionis. auch wenn dieses Kursverhiiltnis gegentiber dem tempore 
eonditae obligationis bestandenen durch decretum valoris geindert worden ist. War 
also eine Nechuld von 300 librae in ducati zu zahlen. und galt der dueatus zur Zeit 
der Schuldbegriindung 3 librae, zur Zahlungszeit aber intolge eines decretum valoris 


4 librae, so wird — nach jener Ansicht -— die Schuld von 300 librae mit 75 ducati 
richtig abgetragen. Dabei wird man aber — nach \uBerungen in der zeitgendéssischen 
Literatur — unterstellen miissen. daB die Partei, welche Vorteil aus dem valor decretalis 


zog. ihn nicht ftir sich geltend machen konnte. falls ihr nach eewiesen wurde, daB sic 
den Erlafs des decretum valoris in eigenniitziger \bsicht bewirkt resp. betrieben habe. 

Die weite Verbreitung jener Ausicht erklirt sieh wohl daraus, das das anormale 
decretiun valoris in der Praxis sehr hinter dem anormalen decretum aequivalentiae zuriick- 
getreten ist. Auch mag man es tiir wenig gefalrlich gehalten haben. weil die Riick- 
sicht auf den AuGBenhandel misigend wirkte’. Endlich hatte die Erwigung Eintlub. dab 
man sich gegen anormale deereta valoris durch (die unter b zu besprechenden) Vorbeugungs- 
mabregeln sehtitzen konnte. 

Die Gegenmeinung halt dattir. dab jedes das Kursverhélmis der Begriindimgszeit ab- 
iindernde decretum valoris unbeachtlich bleiben miisse. wenn es nicht communi usu com- 
probatur. Denn ohne solehe comprobatio sei die mutatio yvaloris nur eine momentanea: 
einer solchen diirfe keine Bedeutung zukommen: das Kursyerhiltnis der Begrtindungszeit 
bleibe dann mafigebend. Auch die Behauptung. das deerctim principis wirke nieht 
zuriiek auf schon vorher begriindete Schuldyerhialtnisse. wird zar Uneterstiitzung heran- 
gezogen. 

Auch diese Gegenmeinung fand namhatte Vertreter. 


! Cf. Brunus in Budelius p. 370 n. 7. 

2 So schon Azo in seinen brocardieca: cf. unten p. 36. 

3 Uber die Folgen anormaler Valvierung schrieh spatter Auton. Faber. de variis nummarierum debituram 
solutionibus, 1622 (Erstdruck 1598). p. S9iF. 


Phil-hist. Abh, (928. Nr. 2 


10 LE. NStawer: 


b. Man bildete VorbeugungsmaGBregeli aus. Um deren Wesen vu erkennen. mus 
man beachten. dab seit der Wicdereinfiihrung der moneta grossa zwei Geldschuldty pen 
in Gebranel waren: das debitum simplex und das debitum valorem respiciens. 

Beim debitum simples sind Schuldecld und Mutizahlgeld notwendig identiseh: cs 
Jautet schlechthin 2. Bo anf roo librac resp. auf Loo dueati. 

Beim debitum valorem respiciens gehen dagegen Schuldgeld und Mubzahigeld aus- 
cinander: ¢s lautet etwa aut roo librae (solvendae) in dueatis. Schuldgeld ist hier die 
libra. Mubizahlgeld der dueatus. 

Das debitum simples sicherte mum gegen spiitere Valvationsdekrete durch die Uinzu- 
ftigung eines pactum certae bonitatis. Es wird z. B. bei einem Darlehn yon roo dueati ver- 
abredet, dab die Ritekzahlimg in totidem similibus dueatis cjusdem ligae er ponderis er 
folegen solle. oder bei cinem Kauf um 50 Dukaten. dai 50 dueati Veneri boni auri et 
justi ponderis, ut mune enrrunt. za zahlen seien. 

Dem debitum valorem respiciens brachte man gegen spitcre Valvationsdekrete Sehutz 
durch Winzwiigune cines pactiam certae aestimationis. Die auf 100 librae in duecatis lautende 
Sehald wird dureh cin solehes pactum prizisiert aly eine Schuld von 100 librac. zu zahlen 
in chiecatis ad vationem (oder: ad commputum) etwa vou quatuor librae pro quoliber dueato. 

Das debit simplex wird durch das pactum certae bonitatis gegen spitere deercta 
acquivalentiae siehergestellt: es ana nun sehlechthin ino der vertragsmibiy testeclegten 
Mitnzsorte und Stiickzahl begliehen werden. 

Das debitum valorem: respieicns wird durch das pactum certac acstimationis gegen 
spitere decreta valoris: gesehiitzt. Die libra-Summe ist nunmehr in dueati zu beelcichen 
nach dem unabinderlich testgcelegten Nursverhiltuis. 


Dabei gilt als selbstverstindlich. dab das» Mubzahtectd « also in unserem Bei- 
spicle der Dukaten --- in seiner bonitas intrinseea unveriindert geblieben ists sehlechtere 


Dihaten wirde der Gliubiger des debituny acstimatton nur bei eutsprechendem \ufgeld 
monehmen brauchen. 


Ol das Kursverhaltiis zwischen grossa und ninuta — also in unseron Beispielen 
gwisehen ducatus und libra — sich zur Zahluneszeit verfindert hat. ist beim odebitury 


aestimatum > « ehensa gleicheiiltig wie beim edebitum certae bonitatis«. 

Und diese beiden debita sind nicht blo gegen spitere Valvationsdekrete. sondern 
auch gegen usuelle Verfindcrungen des Kursverhiltnisses unemptindlich. Also aueh 
wenn der Verkehr das Kursverhaltnis zwischen dueatus und Libra veriindert hat. ist 
doch das debitumn simplex certae bonitatis mit gleicher Stiichzahl und ebenso das de- 
hitum valorem respiciens aestimatum nach dem zur Begriindungszeit festgelegten Kurse 
zu begleichen. 

Ebenso bleibt eime Verfinderung der Kaufkratt gegentiber den Waren fiir beide 
debita unbeachtlich. mag sie durch amtliche Preistaxe oder durch den Verkehr erfolet sein. 

Die bindende Kratt diescr vertraglichen Festlegungen ist von der Wissenschatt mit 
solcher Energie verteidigt worden. dab sie zum festen Rechtssatz erwachsen ist. der z. B. 
auch in makgchende italicnische Stadtrechte (Genua, Ferrara. sologna) Aufnalime ge. 
funden hat. Die Wissenschaft hat ferner der aestimatio conventionalis die aestimatio 
durch consuetudo loci und auch die aestimatio durch Lex specialis gleichgestellt. 

e. Das pactum certae bonitatis und das pactum certae aestimationis sind Mabregeln. 
durch welche das Mu®zahlgeld nach Summe und bonitas intrinseca von vornherein fest- 
gelegt wird. 


2 = debituin certae aestimationis. 


Das Aablhrafirecht de} Postylossatoren zeit, ll 


Es hatte sich nun gegen Ausgane des Mittelalters ein alleemeines Gew olinheits- 
recht ausgebildet. das dem NSehuidner das Reeht zubilligte. auch in anderem. also vou 
dem Mubzahigeld verschiedenen Gelde zu zaliten: neben dem Mubszahlgeld entstand so 
Kannzahigeld, neben der obligatio solvendi cine tacultas solvendi. Dies Recht bestand 
am ausgedehntesten gegeniiher Schulden. die in ungeprigtem Rechnungsgeld (librae resp. 
floreni mumerales) begriindet waren: bei diesen Sehulden war grundsitzlich eine facultas 
solvendi in quavis alia moueta gegeben, 

Machte der Schuldner eines debituni simplex von soleher tacultas solvendi Gebrauch. 
so band man ihn jedoch unter Berufung aut 1.99 sol. an die Sehranke. dati er dem 
Gliubiger dureh die Ausiibung der facultas solvendi keinen Schaden zutiigen diirte. Der 
(diubiger konnte z. B. die Annahme anderen Geldes ablelmen. wenn er gerade dic sti- 
pulierte Geldsorte bendtigte (z. B. die dueati Veneti fiir cin Handelsunternehmen in der 
Levante). 

Ikonnte der Schuldner in alia meneta zahlen. so war das Kursverhdltnis der Zahlungs- 
zeit maBgebend. Aber wenn dieser Kurs des Kannzahlgeldes dureh ein Valvationsdekret 
in ciner dem Gliubiger ungiinstigen Weise festgesetzt worden war. konnte der Cliubiger 
wiedertun unter Berufimg auf lL oo sol. die Aunahme zu dicsem ungtinstigen Kurse ver- 
weigern. 

Die gleichen Regeln galten fiir das debitum valorem respiciens. Der Sehuldner 
konnte also sein debitum. das etwa in 400 librae denariorum Venetorum begriindet 
und in dueatis Venetis zu zahlen war. auch. statt in diesen Dukaten, in anderem Gold- 
oder Silbergeld nach dem Kurse der Zahlungszeit zahlen, aber inuner nur dann, wenn 
kein Interesse des Gliubigers dadurch gesehiidigt wurde. 

Dieser Schutz des Gliubigers durch Lo og sol. stand ihm ipso jure zu. Gegeuiiber 
der facultas solvendi des Sehuldners bedurft'te der Gliubiger also weder beim debitum 
simplex noch beim debitum valorem respiciens zu scinem Sehutze besouderer pacta. 


Wir treten mun in die Nachpriitune des Inhaltes der flteren Quellen ein. 


ERSTES BUCH. 
Die Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts. 


Kap. I. Die Konsilien. 
$1. Oldradus de Ponte Laudensis. 


Oldradus, gebiirtig aus Lodi, ist (nach Saviesy VE p. 3559 und Scutnre IL p. 232/3) 
abwechselnd Dozent und Praktiker gewesen. 1307—-10 lehrte er sicher in Padua, spiiter 
in Sieva. Montpellier. Perugia. Bologna (wo Bartolus sein Schiiler war). Zuletzt wurde 
er advocatus consistorialis bei der Curia Romana in Avignon und starb dort 1335. 

In seiner weltberiihmten Konsiliensammlung wird die Zahlkraftfrage dureh die con- 
silia 13. 31 und 250 hehandelt'. 

consiliim £3. 


De solutionibus. 


Suunariuin,. 
1. Monetag aestimatio consideratur, quae erat tempore latae sententiae, vel laudi: non quite 
erat tempore solutionis. 

Qunm quaestio esset inter quosdam de quadam haereditate. arbitri inter cos respectum habentes 
ad certam quotam uni parti adjudicandam. non tamen per vim quotae. aestimaverunt totam haere- 
ditatem ad certam quantitatem turonensium parvortum. habito in hae taxatione respectu. quod turo- 
hensis erossus Valet 15 vel 16) turonenses paeyos. Sicut mos in patria tune servabatur. ct tali taxa- 
tiene habita wni adjudicaverunt totain haereditatem et eundem condemnaverunt alteri ad praestandum. 
et solvendtun 12 libras taronensium parvorunt. 

Modo vult debitor sulvere trronenses grossos, sed in tanta quantitate, qded habito respecta ad 
valorem turonensium erossorum plo 15 vel 16 parvis computando, ut tune ficbat. se dicet tempore 
lati arbitrii, integra solutio. creditor vero vault ROUSSE parvos hodie currentes. ex quibus: turve- 
nensis erossus non valet nisi 14. (Quaevitur. quid juris? 

hoi certe dicendum solutionem debere fier’ habite respecte ad consuetudineia, quae tene 
pore la arbiteii vigebat. quae erat ut lieet quis de turonensibus parvis loqueretuc. mon tumen de 
vis fiebat solutio. sed ponehbanur grossus pro 1s vel tO tutonensibus pitrvis. kt quod tahlis constetucle 
attendi debeat probatur 

de legatis a. Losi servis plurium $ ult. dh. 50 $3.30) —- de legatis 3. Lonummiis (175. , 
— de fundi instructo vel instrumento legato. Let de lanionis $ asmam (1.18 $ 2.33.7) — 
de testamentis, L hacredes palam § sed et si notam (lo 2 $1. 28. 4). 


Et quod hujus temporis consuetude debeat attendi. probatur 


ih de legatis 3. 1 uxorem $ testamento (h 41 3 4.32) —— de contrahenda emptione. 1, impera- 
teres (Lo pr. eS. tj. -- Extra. de ccnsibus. ¢. oli (ce. 20. Ne 3. 30. 


Ibi note et hoc etiam veristmelitudo ostendit. Nee enim verisimile est. quod arbiter in aesti- 
mation’ totius hacreditatis de talibus taronensibus quajoris valovis senserit: quia talis debet esse de- 
duction. qualis fuit in ipsa origine. ex qua deducitur: tt 

i de fund instrocto ete. 13 (fundumy (hk 3. 33.7) — de servit. praed. rust. 1 qui duo praedia 
$2 (L 20 $ 2.8.3). 
Ut in talibus verisimilitude pro Wege) habeturs ut 
fl. de reg juris. Te seraper in stepulationibus et loin obseurns dh 3g. brag. so. wie 
Et ibi note. et eessante veresimiliudine., adhe ae Minimum est. sequeremue: ut in 

dictis vegulis juris, et dicta lex iummmis (ozs. 32). — fide Iegatis o. Leapud Julianim Ss Seyoty 
et hane interpretationem aperie probat 

{fh de haered. instit.. Lo quionon iuilitubar § Lucio ch 78 $ 1. 28.5). 





! Der hier mitgetetite Pear der comsoi3. 31 u. 250 entstammt der Ausgabe Prancof. ad Moenum 1579 
iGreithwald Jo oop Di 20. . 


KE. Siaurr: Des Zohthraftrecht der Postylossatoren zeit. 13 


Der Tathbestand des cons. 13 ist hlar von Oldradus referiert.  Dennoel ward das. 
worauf es bei ihm besonders ankommit. noch deutlieher durch die Ausftithrwigen. welche 
nach mehr als 100 Jahren zu ihm vou Marianus Socinus senior in dessen cons. 6.1 (neq 9) 
gemacht worden sind'. 

Kine Exrbteiling war durch arbitri vollzogen. Die sententin sprach dem A die ganze 
Erbschatt zu und verpflichtete ihn. dem anderen Miterben B 12 librae turonensium par- 
yorum zu zahlen. Tempore lati arbitvii galt der turonensis grossus usuell (»sicut mos 
in patria tune servabature) 15—-16 tur. parvos: tempore solutionis galt er jedoch mur 4. 
Es war — das hounen wir chen aus dem consilium des Socinus eutnelanen -  lediglich 
das Verhaltnis des valor extrinsecus verfndert: cine mutatio bonitatis intrinsecae latte 
bei keiner der beiden Geldsorten stattgefinden. 

Oldradus entseheider, da®. trotz des die Sehuld in parvi festsetzenden arbitrium. 
der debitor in grossi zu zahlen habe. und da®B er nur zum Kurse von 15-- 16 parvi zu 
zahlen brauche. 

Er hegriindet dies damit. dab tempore lati arbitrii es consuetudo loci gewesen sei. 
daB auch die in parvi ausgedrtickten Sehulden in grossi zu zahlen waren. und daw die- 
selbe consuctudo dem debitor den Kurs von 15-16 zubilligte. 

Das debitum ist also durch die seutentia als debitum simplex auf turonenses parvi 
hegriindet worden. Aber zur Zeit der Begrindiung bestand cin drtliches Gewolmbheits- 
reeht. das die Ptlicht. parvi-Schulden in grossi zu zahlen, auferlegte: das debitum simples 
wurde also durch consuetudo zum debitum valorem respiciens. Und durch Gewohnheits- 
recht wurde ferner dicses nunmehrige debitum valorem respiciens zai debitum aestimatum 
umgebildet. doi. der grossus mute gewolnheitsrechtlich zum Kurse von 15—-16 parvi 
genommen werden. 

(regen diese consuetudo vermag — nach Oldradus -— die nachtriigliche mutatio valoris 
extrinseci nichts. 

Ohne diese consuetudo loci hatte dagegen die Zahluug in parvi erfolgen miissen. 
und der debitor. der denmoch ino grossi zahlen wollte, mubte dann den Kurs von 4 
herechuen?, 

consilium 31. 
De solutionibus. eg de testamentis 
Summarium. 

1. Legata debent selvi de illa moneta. quae erat tempore conditi testamenti. 

Thema tale est. Quidam condens testamentim reliquit ad pias causas 200 libras pro ain sta per 
haee verba: 

Lego ct accipio de bonis meis pro anima mea. et parentium meorum. ct pro solvendis Ipsorun 
fovefactis, et imeis, ef expensis ot fanerariis mee corporl faciendis. ct legatis infra scriptis exsol- 
vendis 200 Vibras 

et non dixit de qua moneta: pustea coudito testamenty visit per To anos et mortuus est 


(Juaeritur nine. de qua moneta debeant solvi dietae 200 librae. an de moneta quae currebat 
tempore conditi testanenti. an de moneta quae currebat tempore mortis testataris? 





1. Fi seienduin est. quod) solutio debet fieri de moneta usuali, quae enrrehat tempore condity 
testumenti. ef videtur casus 


ff de Jegatis 3. L uxoreut § testamento (1. 41 § 4. 32) etd) auroe ct areento legato. Lo medico 
(1. 40. 34.2). - et thi not. ot de Tiberatione Iegata, 1. Aurelius § testamento et § Titins (1. 28 8 5 


$2.34. 3h 


' Cf p. 80, St. 
2 Trrig noeh Mo. ps6. deh kannte damals den Pexe des cons. 03 noch nicht. 


l4 E.Sadavawer: 


Pt sic videtur etiany im cortractibus. ut 


de contre. empt.. 1. fiperatores (pied. ry et de verheruim obl. fo continius S$ cam quis 
iL 137 $0.45. 0 - = et de Stipulatione servorum. Eousastineties (26. 95. 3h et si eertim 
petatur. [cam quid mutaomn (Lo 3.2.1; -- et extras de censibus. c. olim (e. 20. NX. 3. 30) 


et ibt not. 
Mu haee tuit sententia doming Avonis in Broeardicis in rabriceellas cadeur iensira vel moneta debetur. 
qdiae erat tempore contractus, 

Consilim 34 behandelt cinen Vermadelitnistall. 

kin Vestator hatte ad pias causas cin Legat von 200 librac hinterlassen. aber nicht 
bestimmt. de cua moneta dieser Posten Rechnuungsmiinze zu zalilen sei. Er konstituierte 
also cin debituuan simplex in librae, ohne aber die Qualicit dieser librae aiiher zu be- 
zeiehnen. er starb crst 10 Jahre spiter: das Geld hatte inazwischen cine mutatio er- 
litten.  Oldradas entseheidet. quod solutio fieri deber de moneta usuali quae currebat 
tempore conditi testamenti — wad nicht also in der moneta quae currebat tempore 
mortis testatoris. Da als Quellenbelege namentlich L eum quid. si certum petatur U. 
12.1) und cap. olim causam. Extra. de ceusibus teap. 20. X. 3. 39) angezogen werde 
so owar vermiulich cine mutatio bonitais intrinsecae der Denare eingetreten., — ind 
Oldradus wandte die schon von Azo in seinen brocardica ausgesprocheue Rechtsregel an. 
daB bei soleher mutatio ca moneta debetur. quae erat tempore contractus. 

War also die libra inzwischen (dureh Ausmiinzung geringerer Denare oder turouenses 
parvil verschlechtert worden. so werden doch die alten librae besserer minuta vesehuldet. 
mul dieser alte Betrag ist zu zahlen. 


3. 
lh. 


consilium 250. 
De solution. et consti. extraor. de condictione indebiti. 
Stummatiuin. 


t. Papa ordinavit. quod Abbas Cisterciensis darvet annuatinn \bbati Chiraevallis 300 fbeas Pines 
nensiuu parvordin: si mutate est moneta, debet solvi de antiyua: vel habite respeetu ad eam, 
qio ad tantim valorem. 

3. Ordinatio regis super solatione monerte not ligat ccelesiasticas personas. 
$- Lt quid si solvit per aliquot annos: consalitur, quod vepetat per condictioncme indebitic vel per 

vetentionvin solationis futiae: sed remedium possessorium non eonipetit pro hor 

Factum tale est: Bonifacius papa octivus feeit quandam constitutionem super certs rebus inter 
Abhbatem Cisterciensem et Abbatem Claraevallis. in qua ordinations praceepit. quod Abbas Cistercrensis 
daret Abbati Claraevallis ineontinenti co millia libris Turonensium parvorun. et nilile minus 300 
Vbras anuis singulis in festo natalis perpetuo. 

Tempore cujus ordinationis in reano Franeiae carrebat debilis moneta. ct talis. quod nus Puro- 
neusis arvossis yalebat tres solidos, De qua debili moneta Abbas Cisterciensis solvir Abba Clarae 
vallis dictanm saminam ro milliam dibraruin. 

Subsequenter post ordinationcm regiam facta est bona moueta in reno. quae currit: commuaniter, 
de qua 13) denarii valent unam Turonensem erossum. Non enim fuit prima toneta debilis reprobata. 
sed pro co yalore intuinseeo in quo erat. fi euisn suo retansity ita quod tres denarii de illa debili 
moneta currebant pro tno denario monetar fortis, 

Et stamit Rex. quod si aliquis tempore. quo currebat debilis moneta. obligaverat se ado redelitus 
solvendim perpetios durante tempore debilis monetae. quod teneretur solyere bona moenetatn. 

Dieta ordinatio Papar fnit facta anno Domini 1302. ex quo tempore Abbas Cisterciensis eoutiniie 
solvit: Abbati Claracvallis de bona inoneta pracdictam pensionem. 

BLN pracdicto facto quacvitur pritno. utvun dietus Abbas Cistercicusis de jirre seripto deheat 
solvere pracdictam annum penstonem ox precdicta bona monetas vel atenin diheretur solvendo debilerm 
nonetam seu cfug aestimationem ! 

Secunde quaeritur side jure communi sufticiat solvere debilem: monetam. atrum Statutuim pes 
xiuin. de quo fit mentio in themate. vendicet sihr locum: inter praedietos religiosos. ita quod teneatur 
ark ipsigs obseryantianm. sippostto quod res. super qiibus process ordinatio Papae. et pro quibas 
dicta cinta pensio in reguo solvitur. sint carum aliquae spirituales. alive temporales ? 

Tertio petitar consiliam. si ita sit. quod Abbas Cisterciensis habehat jus in pruedsetis, qui solvat 
Sonus dietim anita: pensieven te bona doneta. ta termine iastante deneset solvere Lana Mo 


Das Lobthiaplrecit der Postafossataren ce, 15 


vetam ot offerar se soluturim debilem. utrum Abbas Claraevallis possit: habere decursum contra atliin 
diet Abbaten Cistercieusem per alyuod interdio tua possesseriinn. eb specrthiter por hens - 
ficiuin canonis reintesranda 2 
2. Ad primain quacstionenm: respoudetar. quod solutio teri debet de itla peetnia vill, quae eur 
rebat tempore ordinations. vel de nova habite respeetu ad valoren: iihus vilis moneiaes at 
foe legatis 3. Lb uxorem § testamento th pr $ 4p. 32) 
asvitur enim de bonitate fitvinseear ut 
Woci certum petatir. Lo cum quid (hk 3.n2.0y et tbr et. e 
est casus 
Extra. de eensibus. ce. enmie cauonicis (6. 26. Ne 3. 30) 
et in casa econtra . 
vod. titulo. e@ cum olim (e. ro. XN. 3. 30) 
eS yuo potest areni ad casdme proposituien. ar 
deo solu. 1. penult. (1. 107. 40. 3) 
et de hoc not. Hostiensis Extra de qurejuin. e. quanta (esas. Ne 2. 2q¢ et Avo in libro de Broeardico, 
deo mensura et moneta. 
3. Ad secondune respondetur. quod quantum ad id. de que quaeritur statutum Resin aihil freit. 
Noluit enim obligationem augeri. sed de quali meoneta soliitio deberet ficri, demonstvare : ut 
IT. de Jegatis 1. 1 quidame (lh go. 30) 
et si Vvoluisset. ion potuissets ut 
96. dist. bene quidem te. 1. dist. ab}. — et 
Lata. de coustitationibus. quae in Eeclesiarum (e. 7. 
Neb. 2). S et oe. Leelesia Sanerae Varine ce. ro. Nor. 2) cam sin, 
4A. Ad tertinm cespondeiur. quod cousititun potest adhiberin aut per repetitvonei: indehiti, quia 
eonstat utroque jive midebitum. not. 
C. de jum ot fact agnor. bo cum qnis (ro. C21. 18) 
aut per Compensationenr. it 
We de eg. west. 3 $ pupillo (Lk 3 $ 4.3.5) eum similibus. 

5. Ad tertium respondetuy. qued in hoe caste oullum interdietum: locum habet. quia. ut dieit li 
nocens. Extra, de restit, spol. ¢. in literis te.5. Ne2.b2) nemo possidet aettonem, isi is. cur vere 
comperit Practerea simul constabir de pelitorio et possessorio: qnare. ete. ut 

Extra. dle cau. poss. et propric.. c. cum dilect. (« 0. XN. 2.02% — et de divor. et rept. a. signilie, 
(c.g. NX. 4.19) 
eter. por Innocent. Extra, de diis presbyr. ¢. coustitutas (eo 8. Xo. 17). 


Das consilinm 250 ttihrt uns in die Zeit der Kontlikte zwischen dem: Papst Bonitaz VIL. 
und seinen Nachfolyern mit den letzten Kapetingern. 

Bouitaz VII hatte in einer zwischen dem Abbas Cisterciensis und dem Abbas 
Claraevallis! schwebenden Sache cine Constitutio erlassen. in der er vorsehrieb. da der 
Abbas Cist. dem Abbas Clar. sofort roo0o librae Turonensiun: parverunm zu zalien diabe 
und auBerdem dauernd 300 librae jaherlich. 

Es handelt sich also auch hier wm ein debitum simplex ant librae ohne nithere 
Qualititsangabe. aber - anders wie im cons. 31 —- wn ein debitum aul wiederkeh- 
rende Leistungen. 

Zur Zeit dieser paipstlichen Anordnune currebat in regno Franciae delilis imoueta. 
und zwar soleche. dali cin Turonensis grossus valebat ures solidos (also 36) parvos). De 
qua debili moneta dann die Zallung der 10000 librae erfolete. D. hh. es sind damals ent- 
weder 10000: 240 parvi debiles oder 10000, 6? 3 grossi gezalilt worden. 

Im Jahre 1302 nahim dann Philipp der Scehéne eine der bei ihm fblichen Miinz- 
verfinderungen vor. Ui die Staatseinmahmen zu erhdben. lie er dice parvi besser aus- 
pragen. so daboein Denar dieser moneta fortis »pro valore intrinseco« drei Denare der 


1 Atso dem Abt von Citeaux uid demo Abt von Chauvaun. 


16 KE. Sraurn: 


moneta debilis galt (uid der grossus 13 (127) parvos fortes). Za diesem Kurse liefen dic 
fortes und die debiles von nun an nebeneimander am (die debiles waren also nicht erva 
reprobiert [verrufen| wordei). 

Der Konig betahl wan aber gleichzeitig. dab alle Obligationen aw!’ Zablung von redditus 
perpetui, die tempore quo currebat debilis moneta cingegangen waren. von mun an in 
bona moneta zu zahlen seien (wahrscheintich. um die kéniglichen Einktinfte zum drei- 
fachen Werte hereinzubehkommen’. 

Der rechtliche Inhalt des Dekretes bleibt zweifelhatt. VicHleicht war es ein nur fiir 
die Zahlung von redditus perpetui bereclnetes decretuin aequivalentiae. Moglich ist aber 
auch. daB der Kénig befahl. alle Anspriiche auf redditus perpetui sollten von nun an in 
ler glecichen Summe in bona moneta begriindet sein, — daB erm. a. W. diese Auspriiche 
offen erhéhte. indem er days Schuldeeld dinderte. 

(ehorsam dieseni kOuiglichen Betehl zahlte der Albbas Cist. seit 1302 die jahrlichen 
300 librae de bona moneta (also entweder 300 240 parvi fortes oder 300 20 grossil. 
Im Jahre 1329 (unter Philipp V.) fragte er aber an. ob er nieht liberiert werde solvendo 
debilem mouetam seu cjus aestimationem (also 300 62/, grossi). 


Oldradus entscheidet: 


1. nach dem jus seriptiam solutio tieri debet de illa peeunia villi, quae currebat 
tempore ordinationis (papacy. vel de neva habito respectu ad valorem illius vilis monetae .. . 
agitty enim de bonitate intrinseca: 

lL. cum quick. si cer. pet. — ce. cum canonicis (26). Extra de censibus (3. 30) (Gregor IX. 1230): 

Cin Canonicis majoms Leclesiag. quandai sumimam pecuniac pro pensione Leclesiae tnae debitai. 

aliquot annis persolveris. ct jidem = summam illam ex integro de meliori moneti exigant sibi solvi: 

tibi damus nosteis literis in mandatis. ut Canonicos illos solutione prioris peeuniae. vel si non sit-in 
usu. aestimatione pensionis antiquae facias manere contentos. 

Oldradus ist also -- abweichend von Durandus (et) p. 28) -— der Ansicht. da® nach 
dent jus seriptum des Cd. und des CJ Can. bei debita aut wiederkehrende Lei- 
stungen — auch wenn sie nicht einer dispositio hominis. sondern ciner dispositio Legis 
entstammen — das Schuldgeld fir alle Leistungen das gleiche. und zwar das tempore 
dispositionis unilautende sei. 

2. Das Statutum Regium nihil facit. 


Noluit enim obligationem augeri. sed de quali moneta solutio deberet fieri, demonstrare ... 


et si voluisset nom potuisset: dist. gO. ec. 8. e. quae in ecelesiaram. Extra, de constitutionibus 
ir. 2.) (lon. TEE. 1798}: 


>Constitutio Laicorum Ecelesiam seu ejus bona non adstringit.« 


In bezue auf den Zahlungsmodus yerlangt Oldradus also materielle Aquivalenz. Er 
will. da entweder das Schuldgeld in der Swuame von 300 (alten) librae gezahit werde 
oder in moneta nova der jener Summe cntsprechende Wertbetrag (also unter cntsprechen- 
der Verringerung der Stiickzahl). Dali die in moneta nova zu zahlende Summe nielht 
nach deni Dekret Philipps des Schénen bemessen werden soll. leuehtet ein: denn ie 
Entscheidung des Oldradus geht ja gerade gegen dieses Dekret an. Das »habitu respectu 
ad valorem illius vilis monetae« kann also nur bedeuten: » inter Beriicksichtiguig des 
yalor extrinsecus ustralis« (1: 3). 


PCr meine Molinacas-Studie p. 60. 


Das Lahlhiafirecht der Postylossatorencert, 1 


Der (mehrfach unklare) Tatbestand des cons. 168 behandeit nicht eine Geldzahlung. 
sondern die Absehatzung eines beneficium in Geld. und zwar in pecunia Turonensis 
(anscheinend um danach die Hohe einer dem Benefiziaten auferlegten decima zu bestimmen). 

Bei soleher Abschatzmg kommt nach O.s Ansicht der communis et usualis valor 
extrinseeus LTuronensium als MaBstab in Betracht (also ihre Kaufkratt) und nicht ihr 
valor intrinsecus: denn: 


(ne 4) cum qnis valt rem aliquam aestimare per pecuniam. ... non dirigit: considerationem ad in- 
trinsecum valorem pecuniae. sed ad usualem .. . 


Aber der valor extrinsecus der Turonenses konamt nur dann in Betracht. wenn 
(un. 3) Turonenses ... in loco beneficii vel eireumposita regione 2... habentur in usu. et eursu com 
moni. et usualis corum valor extrinsecus attendatar 

Wenn aber 


(un. 4) ibi non sit eursus et usus Turonensium ©... non bene mihi occurvit. qualiter acstimatio fieri 
possit. nisi ad illam= monetam quae ibi curvits et illus habetur postea comparatio ad Turonenses 
habite respectu ad utriusque monetac bonitatem intrvinsecam: arg. 


Extra. de eensibus. olim ye. 20. X. 3° 30). — et Extra de jureju.. quanto (e. 18. NX. 2. 24) = 
et eoram, quae ibi not. per Innocentem, — et Hostiensem et in Loar. de vet. numisma. pot. lib. 11 
(Loy. C. 11. 10). 

Besteht also kein Kursverhiiltnis zwischen der im Umlaut betindichen moneta und 
den (nicht im Umilaut’ befindlichen) Turonenses. so mu die H6he der (ja in Turonenses 
anzugebenden) Abschiitzungsstmme dadurch gefunden werden. daB man zunichst den Ver- 
kautSwert des beneticium in der alia moneta feststellt und dann die Turonensensumme 
durch Vergleich der bonitas intrinseeca beider (eldsorten errechnet. 


§ 2. Signorolus de Homodeis'. 


Die Nachrichten tiber seine Person sind spirlich. Saviesy erwahnt ihn VE p.18s 
und 497. Er unterschreibt sich: Mediolanensis doctor eximius. doécher (IL p. 1690) nennt 
ihn Signorollus Homodeus und teilt mit. er sei cin MCtus ans Mayland. habe in Vercelli. 
Bologna, Padua, Parma, Pavia. Turin gelehrt, sei Comes palatinus geworden und 1362 
gestorben. (So auch Panzirolus e. 73 p.150 1.) Aus den consilia 69. 37 (und 263) geht 
hervor. daB der Verfasser nicht der jitngere Sign. de Tlom. sein kann. den Sa. VI p. 497 
erwaihnt als Lehrer an der t4r4 neu gestifteten Universitat in Parma. Denn diese Konsilien 
geben Kunde davon, dais er Schitler und spiter Kollege des Rainerus Forlivius in Padua ge- 
wesen ist, der bereits 1355 starb (Sa. Vp. 185-92). Das cons. 23 hat S. 1340 erstattet. 

Bedeutsam fiir die Zahlkraftlehre ist sein (oft zitiertes) consilium 74. 

Es handelt sich um einen Kolonatsvertrag tiber gewisse possessiones, der vermutlich 
um den Ausgang des 13. Jahrhunderts abgesehlossen wurde. 


Signorolns. cons. 747%. 
Sunumarium. 


1. Solutio monete an debeat fiert secandtm monectam seu eins estimationen: que tempore obliga- 
tionis contracte currebat an vero debeat fieri in moneta mutata et usual. 





I Puts war mir inane nur die aviticely “acalpiitlite ine Pv der Konsilien Lugd. 1549 (Rostock. 
Je 425, 2°). Spiiter honnte ich noch den in dev Bibliothek des Reiehseerichts betindlichen Druek von 1521 
vergleichen. (Signorolus de Homodeis. consilia ac... questiones ... noviter impressa: ae revisa per 
Hijerony mum) Chuchalon... impr. Mediolani (Rothomagi) 1321. 2”). Derselbe ist ebenfalls stark korrumpiert. 
Die wichtigsten Abweichungen habe ieh in dem nachfolgenden Text von ts4o dureh in Parenthese pvesetzte 
Kursivschrift angegeben. 
2 Die EF inzelaustihrunge n dieses Konsiliums sind leider oft unverstiindlieh., Deni Setzer scheint ein 
sehr horrampiertes Manuskript vorgelenen zu haben. und ant Drockverbesserungen verstand man sich wobl 


Phal-hist. Abh. (928. Nr. 1. 3 


18 KEK. Srawpenr: 


to 


. Obligatio quando diversas habet prestationes per tempora quantum ad aptitudinem solvendi sic 
judicatiur de singulis solutionibus fiendis ac si pro quolibet tempore et secundum quodlibet foret 
obligatio contvacta: et sie licet solutionem per singula tempora variare. 

3. Difticultas solvendi licet non liberet debitorem impossibilitas tamen liberat. 

4. Debitoris esse clectionem in obligatioue generis certum est. 

s. Qualitativa sive designativa qualitatem quando aliqna distribuuntnr intelliguntur denotare eandem 

in id tempus quod designatur ex vi adiuucti verbi. 

6. Vutatio particdaris non facit rem alterari. 

7. Subrogata in locum alterius omnino habentur loco primi ct perinde ac si subrogatum fuisset 
ab initio institutum. 

8. Bonitas rei intrinseee que posset esse multiplex nisi illa sumatur per demonstrationem rei 
correspondentis aut per expressam et determinatam questionem: licitnin esse debet in quacungue 
bonitate solvere: neque restringetur ad tempus contractus. 

g. Conventio de sulvendo singulis aunis una est: et eius obligatio una: et ius unum pro omni 
teiInpore et una preseriptio que incipit a die cessationis prime. 

to. Paria esse in prescriptione et eius cursu certum est hee: aliquid modo usum non esse iure suo 
et esse cirea id quod non competit. 

ui. Regula licet sit quod non possit aliud pro alio solvi tamen ex voluntate contrahentium ctiai 
omning diversum fingitur idem quo ad solvendi potestatem et liberationem. 

12. Solvens pecuniam usualem solyit velut hane debitam. 

13. Prescriptio que fit ex negliventia licet pariat solum exceptionem regulariter ubi coniungitur in 

factum utentis et preseribentis: tamen queritar ius in eo. 

Obligatio si supersit contra heredem iniqua et alia putativa contra putativum si putat +e heredem 

per reseriptum ad potativum solvatur et videtur non debitum agnovisse ex natura. 

5. Attendere debemus monetam que erat tempore obligationis contracte ubi queritur de intrinseca 

honitate. 

16. Qualitas vel bonitas actiouis juris ubi venit quid attendere debemus. 

7. Certi condition locum habet ubi promitto decem solidus bone monete. 

18. Obligationes et conventiones non sunt porrigende vel extendende ad non cownita. 

to. Verba in dispositione prolata veferuntur ad tempus dispositionis et secundum itlud regulantur. 

20. Materia ct forma attenditur in moneta. 

21. Preseriptum non intelligitur uni obligation’ per solutionem alterius pecunic quam debite. 

2. Preseriptio interrupta et debitam agnitum videntur si non debitam pro debito solvitur. 

23. Soulvens non debitum vel partem debiti sed alind loco debiti intelligitur debitum agnovisse et 
prescriptio interrupta. 

2}. Solutio si célebratur ab aliguo qui invenitur idem debituin eius cui solvit tantum etiam si in 

solyendo non exprimat in qua solvit mon inducitur animus donandi et intelligitur in causam 

debiti facta solutio. et non in eansam donationis. 

s. Pecunia sive moneta presuppouit certuim pomdlus certam furmam et certam materiam. 

20. Monetam unam solvere pro alia leet propter omnimodam similitudinem ubi non videtur alia 

sed eadew. 


(Juestio talis proponitur. 

Quidam colouus per pos(sessiones) quas recognovit tencre a domino promisit dare quolibet anno 
in perpetauin solidos ro denariorum parverum pisanorum. hac obligatio fuit contracta jam sunt 60 anni. 
et a 30 annis S(upra) et a 30 anunis ecitra fit plaries dicta moneta mutata ct dceterior facta. ecolonus 
et ejus heredes semper solverunt domino soli(dosy decem pisanorum prout fuit mutata per tempora. 
Modo heres domini vault sibi solvi monetam seu estimationem monete quae erat tempore obligationis 
eontracte. heres vult solyvere in moneta mutata et usuali que mune est in communi usa. 

queritur quid: juris est. 


1. Lt primo probe quod (2) debeat fieri solutio in moneta s. mutata et usuali. et hoe sic pre- 
supposito, Primo quod licet nobis arguere de tempore ad locum et econyerso. ut 
Mo si cer. pe.. 1 vinum (l. 22.12.14). —- et de triti. 1 fi, (16. 33.6). — de ae. empt.. 8 si per 
venditorem (1. 3 $3.19. 17). 


Secunde qaod si etiam presupponam hoe de bonitate intrinseca in qua debet considerari tempus 
obligationis contracte quo jure actionis veniat. ut 


ff. si cer, pe. Locum quid (3.12.1). — et man, 1. hominem (lL 37.17. 1). -- et de nova. 
l. fundum Cornelianum jl. 28. 46. 2) cum similibus. 


damals noch wenig, — leh gebe das consilium wotzdem verbotenus wieder. um dem Nichtfachmann zu zeieon 
: i ees < ei im ee ie) = 
mit welchen Schwierigheiten man bei der Benutzang und Ausdentung dieser trithen Drucke bisweilen ny 


kampfen hat. 


Das Labthraftrecht dur Postylossatorenzelt, 19 


Et sie hie celebratur contractus alibi, tamen solutio modo destinatur. ut 


ff. de judi. |. omnem obtiga. (L 20.5.1). — et de bo. anet. judi. pos. Lo2 (ho2. C27. 720, 


Exigere ergo erit idem in tempore ut secundum idem tempus dicatar celebratus contractus et 
obligatio. et in qua destinatur 2). Solum(ejmodo igitur secundum tempus et diem cujnslibet solutionts 
erit moneta t. t. pi(sanorum) et usualis selvenda 


2. Secundo sic. quando obligatio diversas habet praestationes per tempora quantum ad aptitudi- 
nein(fatem) solvendi, sie judicatur de singulis solutionibus fiendis ac si pro quolibet tempore et seeun- 
dum quodlibet foret obligatio contracta. et sie licet solutionem per singula tempora variare. ut 

l. si sterilis § fi.. de ac. emp. (1. 21 8 6.10.1). 
; I : 

Sed sic est in proposite. quia per tempora est divisa prestatio er singulis annis contrahetar obli- 
vatio. sueceditur solvendi potestas in cceurente et tune ustali moneta. ergo et idem propter (?) so- 
lutionem in annos singulos destinatam. 

3. Tertio sic probatur. licet difficultas solvendi non Iberet debitorem, impossibilitas tamen tiberat. 
sie loquitur 

1. continuus § illad. de verbo. obliga. (L137 $ 4. 45.1) — et si quis cautio. 2 (2.2.41). = 
si cert. peta.. L quod te (1.5. 12.1). 

Sed impossibile est dicere colonaim veterem monetam solvere. ut probabo. er 
penitus absoly endus. 

(Juod autem impossibile sit. sie probo. sient in usum deducere legem eorreptam, est crimen talsi 
eomuittere. ut 

de Justiniano Codiee confirmands et de Emendatione Justiniani Codieis. & repetita S5) 


o ubjiciendus et 


mor 
bet 


ergo uli vel expendere correptamm monetaim est idem ergo impossibile 
Item esse impossibile de jure vel de facto sunt paria. ut in 
i. de here. instituen.. § impossibile (§ 10 (/). J. 2.14) et ibi not. — ©. de instit. et substitu. re- 
prebenda (1.5. C. 6. 25) 
utpote ergo impossibile sit eis dictum monetam solvere, scilicet veterem. ergo debent intelligi Jiberati. 
Sed ad possibile (?) de facto non tenentur. ergo nee de jure. 
4. Quarto si certum est in obligatione generis debitoris esse electionem. ut 
Insti. de act. § si quis generaliter ($2? J. 4.6)- et MM de vo quod cer. do. loz (Lo 2.1g. ph 
et ff. man. |. fidejus. (L 2 (7) E524). 17.1) 
sed hie debet boves! (2) pisanos in genere: attamen tam veteres quam novi pisani sunt bonis e1 
erit electio coloni. 

Hoe autem siie) declaratuy. pone conveni dare singulis annis decem corvbes vini eampani. nunquid 
licebit dare vinum campanum etiam non hodie natum. sed quod postea nuascetur licet deterius solito: 
et certe hoc nemo diceret. oporteat tantum vinum hodie natum de singulis annis solvi et sie est in 
moneta que est pisis per tempora variata et omnes pisani sunt boni licet alii meliores vel optimi, ut 

], ubi autem non apparet § quid fd. de verbo. obliga. (1.75 $7) oder § 8.45.1) 


17 
Seo 


yuare licere debet ct de nove factos solvere. 
Ad idem quia et qui promitit hominem in genere etiam tune bere? (2) vel qui solyi non potuit 
tempore obliga(tionis). incipere(t) solvi posse, ut 
1. qui hominem. ff de sol. (1. 34. 46. 3). 


3. Quinto sie. quando aligua distribuuntur quatitativa sive designativa qualitatem. intellignntur de- 
notare eandem in id tempus, quod designatur ex vi adjuncti verbi. ut 


lin delictis § si dominns. de noxa. (1.4 $2 (2). 9.4). — et de statu ho. 1 in servormm & in- 
genui (1.5 $ 2.1.5). - et Instit. de inge.. § ex contrario (7 in prin. 1. 4) 


sed hic solummodo solvenda fuit moneta qualificata dupliciter. primo quod Pisana. seeundo quod 
bona adjiciuntur autem verbo dari i (?)? solvi quod est per annos singulos ergo t. t. exigimus monetam 
que solita est esse Pisana et bona et hujusmodi in qualibet moneta usuali pro tempore ergo et in 
ea potest solutio celebrari. 


6. Sexto si(c). mutatio particularis non facit rem alterari. ut 


ff. de judi.. J. proponebatur (1. 76. 5.1). — et de ver. ob. 1. inter stipu. § sacram. (1 83 8 5. 
45. 1). — et de solu.. qui res $ aream (1. 98 $ 8, 46. 3) 


hie Lujusmodi moneta particulariter mutata est per tempora, ergo non alia quam prima intelligatur. 
et sit de eadem ergo de ea velut debita solutio crit fienda. 


bonos? + liberum? 3 id est? ‘sic? 


2) 


E.Srawrs 


7. Septimo sie. subrogata in locum alterius omuino habentur loco primi et perinde ae si subro- 
vatum ab initio fuisset institutum ut in 


apertissime in fi. de judi. (Lh 16. C. 3. 1). — et de offi. ejus qui vieem alterius cte. I. 
(1. 2.) 3. (3. Coa. 50), —- et in auth. de filiis ante dot. iustramenta natis. ino medio titulo 
(Auth. Coll. 3. Tit. 6. no. ra). —- et fh si is qui li. esse jus. fue. 11 $ hnjus aetio (kr 81 
(S10). oe 4%. — et si quis caution si cum. § yui injuriarum (1.10 $ 2. 2. 14) 


sed in locum prime hee est subrogata ergo debet haberi loco prime. Item perinde est ac si fuisset 
hee moneta nova ab initio instituta sed tune potuisset in ea solvi ergo et nune. 


> 


8. Octave sie. yuande queritar de intrinseea bonitate rei que posset esse multiples nisi illa su- 
inatur per demonstrationem rei Correspondentis aut per expressam et determinatam questionem. licitium 
esse debet in quacunque bonitate solvere neque restringatur ad tempus contractus. sie probat 


fecum quid. 7 si cer. pe. (lL. 3. 12. 1). — ct 1. certum (cum glossa sua), cod. tit, (6. 12. 1). — 
et 1. triticum. 1. bi antem § qui id quod. de ver. ob. (Log. 1075 8 7. 45-1 


Sed ita est in nostra questione et de intrinseea bonitate monete. quave non est certifieata per 
demonstrationem alterius (aliagus) pulcherrima solvenda debeat correspondere, quia nulla precessit 
mutatio vel munetrumejvatio (!) et bonitas non est certo modo determinata. ergo Ficere debet in qua- 
libet Lona moneta dare sed quelibet usualis per tempora bona est ergo lieet in qualihet usuali sol- 
vere licet per tempora variata. 

Argnetur ergo pro parte coloni sic. omnis debitor solvendo quod debet: debet solutione liberari ut 

Insti. qui.mo, tol, ob.. in prin. (p. J. 3. 29) ac tenemur solvere to solidos pisanorum bonorum. Reece 
efficimus. 10. Item sunt Pisani et honi. ergo dehemus sic solvere ct solutione liberari. 


9 Ex potestate preseriptionis sic arguitur. conventio de sulvendo singulis annis una est et ejus 
obligatio una et jus unum pro omni tempore et una preseriptio que incipit a die cessationis prime ut 


1. cum notissimi § in his. et 1. male agitur. de prescrip. 30 an. (7 $6. 12. Cl 7. 3a) et ibi 
etiam nota. — de agri. (et) cen. [. domini predi. (Los. C. a1. 48). et etiam nota — Extra, 
de censibus. c. cum olim (¢. ra. X. 3. 39). 


Sed ita est quod a tempore prime cessationis solutio veteris monete et in solvendo monetam et 
veterem (ufentom) cum obligatione concurrentem. (2) 30 annis et ultra ergo absolution’ et @) obli- 
gatione(/) talis monete presupposito talem monctam in obligatione fuisse prescriptum es tanto tempore, 
et obligatio in effectu  suluta. 


10. Decimo sic ex eodem. certum est hee esse paria in prescriptions et cjus cursu aliquid (') 
modo usum non esse jure suo. et esse cirea id quod non competit. ut patet 
ff. quemadmodum servi. amit. |. si omnem $1 — et L si alia (L ro $4’). 1-18 p. rs. 6). 


Sed ita est quod(s/) nulla solutio facta fuisset ommino preseript(o et ejus (et) obligatio esset 
prescriptione sublata (2) quo ad effectum ut 
1. sient. et I. omnes. de prescrip. 30 an. (Lb 3. 1. 4. C. 7. 30) 
ergo si ita est facta alia et in alia re erit idem ut prescriptum sit in oblig. sulvendi veterem mone- 
tam yuo ad effectum Preseriptione sublata. (?) 
11. Undecimo sic. licet sit regula quod non possit: aliud pro alio solyi tam? ex voluntate con- 
trahentium etiam omnino diversum fingitur idem qno ad solvendi potestatem et libera. (/dem) ut 
ff de solu. L inter artitices (1. 31. 46. 3) -- et de duo. reis. Lo duo th 4. 45. 2) 
sed het je est tacita voluntas solyere monetam ustualem: etiam variatam per temupora. quod colligitur 
eX prestatione 30 an. ut 


I. cum. de in rem verso (lL? 15. 3) de usuris. 1 adversus. et 1 quamvis eo tit. Ue 3. 1 5). 
SO). Ce 4. 32) --- et auth. de san. epi. Ssivero (Auth. Coll. o. Tit. 6 nov. 23 cap. 21. $1 {2} 
ergo ex Voluntate non videtur aliud sed idem solvi. ergo poterit in variata moneta. quasi non alia. 


solutio fieri et liberatio solventi contingere poterit. 


12. Duvdecime. aut solvens pecuniam usualem solvit velut bane debitam et jus et obli. ejus (2) 
nulla interraptio. ergo currit preseripuo, Aut quasi aliant debere sciens. hane loeo debite solvit si 
ignovanti. quod magis videtur quod sit heres qui in alterius jure(s) suceedit per 


lL. qui in alterius, ffi de re. ju. (lL 42. 50. 17) 
ergo videtur jactasse solvens. quod non est presumendum ut 
ff. de proba. 1. cum de indebito (1. 25. 22. 3) - - et ad Velle.. sed si ego (Lh 4. 10. 1) 





Der Titel lautet: si is yui testamento liber etc. Ein § hujus activ existiert nicht. Loar § 1 heginnt 


whaec autem actio« und 1.1 $10: »haee actio«, 


e 


tamen? 


Das Labthraftrecht der Pustylossatoren zeit, 2] 


aut scienti, quod non est presumendum concuditur ergo uee sciens volunsse nee acempiens seieus 
accepisse ergo ignoravit quasi id debitum quid solvittun sicut solvisse ergo debituin non agnitam 
sicut interruptione processit preseriptiv.(?) 

13. Tertiodecime., licet preseriptio que fit cx negligentia solum pariot exceptioncm regulariter ubi 
conjungitur in factum utentis et prescribentis (tamen) quevitur jus in eo. ut 

lo hee autem jura, ff de servic ur. predio. (ho. 8. 24 

et sie etiam loquitur dicta. 1. domini prediorum. Sed hic intervenit regula cirea veterem et factuim 
circa movant ergo et antiqua prescribitar et ad novam jus queritur et ad dominium agendum est. 


WA. Quartodecimo(s/) supersit obligatio iniqua (ae qua) (2) ut pute contra heredem. ¢t alia putativa 
contra putativum si putat se teredem. per respectum ad putativum: solvatur et videtur nou debitum 
agnovisse ex natura. ut 

ff. de condi. inde. 1 si pene (lrg. 12. 6) 
sed si hee erat vera obligatio ad veteres. putativa ad novos, solvendo novos non videtvytur veram 
obligationem veteru(m agnovisse. ergo processit sine interruptione, 


15. In contrarium sic probatur. Ut primo quod ex vi obligationis debeatur moneta soltum vete- 
rum pisanorum. nam(sé) hoe sie probe. ubi queritar de futrinseca bonitate attendere debemus eam 
que erat tempore obligationis contracte ut 

ff. si cer. pe. le cum quid (1. 3.12.1) 
licet(sed) ) hie quevitur de intrinseea bonitate ct qualitate monete si sunt bona vel mata in quan 
tum bona non (sunt) de extrinseea. uo (vor)! ergo consideramus eam qnalitatem que erat tempore 
obligationiy contracte. ct sig solvat colonus veteres Pisanos secundim corum bonitatem. non usnales 
et mutatos. 

16. Secundo sic probatur. ubi qualitas vel bonitas venit actionts juris (yer). atteudere debemus ca 
que evant tempore obligationis contracte non attento postea quid (2) contingat ut 

ff. de nova. 1 fundum Cor. (lL 28.46 2) —— et man... | lominem (1.37. 17.04 
sed hie promissi sunt Pisani boni. unde sunt in contractu. ergo mo (ve) in act. et. oli. 


ut I. centum Capuae. —— et 1 si post moram. de eo quod cer. to. (L 8. 110. 13.4) ~~ deine 
terd.. Loa (2) 
ergo attendam eos qui erant tempore obligationis coutracte et ita veteres Pisanos, 


17. Tertio sic 1 eavetur, quod ubi promitto ro sel. bone monete, habet locum certi conddictio. 


lL. eerti condictio in prin. et $ quoniam. si cer. pe. -— et eo Ue 1 ceri: et b ubi autem non 
apparet § qui sorem (Log p.$ 3.12.12 175 $ 9.45.1) — et 1b stipulationam quaedam de ver, 
vb. (74.45. 1) — et not. dicta 1 certum (1. 6. 12. 1). 


Sed si ita esset quod ea mmoneta deberetar que per tempo “i variaretar, ergo seeundum usu 
variaretur. hoc autem esset incertum. ergo ingerta obligation ut ea (ut. ey 
. ubi autem in prin. § illud et $ qui ilud (1.75 p. $4. $8. 45.15 
et cessat certi condictio. Ilud autem est falsum: ergo et hoe ar. quod sulvii debeat que per tem- 
pora variabitur. 
4S. Quarto sic: obligationes et conyentioncs non sunt porrigende vel extendende ad non ecognita 
ut ff. de transac.. 1. cum aquilia. et 1 et cum tu (lL 5. 2.15.1 
(1.35. 2.14). 
Sed de moneta que ton erat nee in mente venerat. nec tuit cogitatum nee potuit, ergo ad cam 
non porrigitur conventio, nec jus solutione utpote debite solvens poterit libevari. 


vod. — et de pact. [. tres fratres 


19. Quinto sic. verba in dispositione prolata referuntur ado tempus dispositionis et sectimdum illud 
regulantur ut 
lo si ita cum coneor. ibi si (2). th de auro et ar lega. qh 7. 34. 2) 
sed hie sunt prolata tempore contractus crant boni ergo ili soli debentur [ef ex couventiong veniunt, 
90. Sexto sic. in moneta attendimus materiam et formam. et secundum id dicitur esse moneta. 
quodlibet ergo alterum istorum mutatum facit vem alterant esse ut 
Loa, ff de contrahen. empt. (Lr. 18. t). 
Sed hoe (A) imitatur (2) materia et forma in alterum tantum, creo aliud factum nou potuit sulyende 
liberari ut 
ff. de sulu.. paulus (1, go. 40. 3). —- et si cer. pe.. loz So mutui (2 Sr. 12.4). 





E.Strawrr: 


21. Septimo sic. yuod non intelligatur prescriptum uni obligationi per solutionem alterius pecunic 
quam debite. quod sie probatur. omne quod representat obliga. sclutum per tempus. sive quia debituin 
sive quia pars debiti prescriptionem interrumpit. ut 

C. de prescrip. 30 an.. 1. cum notissimi (1.7. ©. 7.39) — et M1 quemadmo. servi. amit. |. si 
stillicidium: § si is. et L si in partes (1.8 $1 (2). Lg (2). 8. 6) 


sed ita est quod qui debet monetam. auditur volens (2) ut 
l. si quis argentum. (. de dona. (lL 35. C. 8.53). — et de auro ct ar Je. 1 cum aut ponde. 
in prince. et $ proinde (Lo 1g p. $4 (). 34. 2) 
ergo solvetar. et sic solvi poterit et fuit debiti pars. ergo ejus sulutio facit debitum agnitum et 
preseriptionem interruptam. 


22. Octavo sie. non debitum pro debito si solvituy facit videri debituim agnitum et prescriptionem 
interruptam, ut 
ff qui. mod. ususfrue. amit. § (4) patw)pi. quaerit (lL 2g. 7.422). — et de aqua plu. ar. lL constet 
$ si inter duus (1. 2 39. 3 2) 
presupposito ergo quod usualis moneta per tempora soluta. id cst obligationis contracte et debiti. cree 
videtur debitumm agnitum et prescriptio interrupta. 


23. Nono sic. ei (¢) qui non debitum vel partem sed aliud loco debiti solvit. tamen per vespectum 
ad hane obli. solutio(é:)nem. intelligitur debituin agnitum et preseriptio interrupta. et in usuris con- 
tingit per respectum ad sortem solventis. ut earum solutione intelligatur sortis interrupta prescriptio 
qu(ajandocunque (2) debitum agnoscatur in solvente ut 

1. cum notissimi. C. de preser. 30 an. (1.7. ©. 7. 39). — et de non nu. peeu.. J. cum fidem 
(l. 4. C. 4. 30) 
sed solventes dehitum agnoscendo ergo videtur hoe sulvisse (2). et per respectum ad debitum preseriptio 
impeditur. 

Decimo sic. admissione. aut id quod solvitur intelligetur solutum ut ipsum debitum ex contractu 
predicto, aut luco debiti aliud pro alio solvendo. et utroque casi presupponit debitum et jus eom- 
petere creditori, ergo cessat prescriptio et solidum jus in eum debiti. 


24. Undecimo sic. solutio celebratur ab aliquo qui invenitur (2) idem debitum ejus cui solvit tan- 
tnm(,) etiam si in sulsendo non exprimat in qua solvit non inducitur donandi animus. et intelligitur 
in causam debiti facta solutio et omnino non in causam donationis ut 


l. cum in corpus, ff. de acqui. re. do. (1. 36. 41.1). — et nota in 1. si ego. si cer. pe. (I. 18 
(I. 42 20). 12. 4) 
sed hoe (A) est causa debiti quia solutione tenetur. aut ergo dicemus solutionem donasse quod est falsum 
aut in causam debiti solvisse quod est verius: et per hoc debitum agnituin est preseviptio interrupta. 
Mihi autem videtur quod ex vi conventionis debeat pecuniam veterem pisanorum. et hoc per 
supra allegata: sed ex prescriptio. ct potestate prescriptionis eam pecuniam deberi que fuit majoris 
estimationis a 30 annis citra. dumtamen non excedat estimationem cjus que fuisset veteris pi(sani}. 
et hoe per 
1. is qui usumfructim cum sua glossa. fh qui. mod. nsusfrue. amit. $ fi. yue gl. incipit sed an 
habeat usum (1. 20. 7. 4). 


25. Et ad primo loco allegata argumenta tollenda sic dico. quod pecunia sive moneta presupponit 

certum pondus certam formam |ré] certain materiam 
ut ff de contrah. empt., Lor (1.1. 18.1). 

At ubicunque conventio determinatum continet tacite vel expresse. secundum id obligatio com- 
mittitur et exactio sequitur. Unde in conventione generis latius obligatus(r) contrabit(zer) nomen licet 
non ubi homo in genere promittit asinum dare quod quantum ad hominem continet determinatam 
conyentio ut 

]. inter stipulantem § sacram. de ver. obli. (1.83 $5. 45.1). — et |. per agrum et non inodus, 
(. de ser. et aqua. (err. 112. C. 3. 34). — et ff de servi. ru. predio.. 1. certo generi (1.13. 8. 3) 
lon ergo debet aliam monetam in pondere forma vel materia xolvere vel solvendo liberani. 

26. Secundo premitto quod licet tnam monetam pro alia solvere. [quod] propter omnimedam si- 
militudinem ubi non videtur alia sed eadem ut 


ff. si cer. pe. L.2 § mutui (1.2 §1.12.1). — et ff de contrahen. empt., Li (L 1.18.1) 


sed moneta antigua et nova non habent omnimodam similitudinem imo differunt ut in themate pro- 
ponitur ergo non licet nova mutata solutione (?). 


Das Zaehtkraftrecht der Posiglossatorenczeit. 23 


Tertio premitto quod conventio que fuit certa quantitate forma materia et pondere facit idem quod 
est in conventione esse in obligatione ergo jure actionis venit. i. quia (2) intvinseca est bonitas ergo 
ad tempus contractus debemus referre nt 

1. fundim Cor. de nova. (lL. 28. 46.2). — et fi man.. 1 hominem ql 37.17. 1). 


(Quarto considero Il. que dicunt hoe esse certum sol. pisanorum etiam si non adjiciatur pisanorum 
bonorum sive in contractibus loguamur. Unde dicit L eerti condictio. (L 9.12.1) dari utpote po cette ut 
1. ubi autem non apparet 8 pe. et 1. sipulationim qnaedam. de yer. ob. iL 73 $9. Loy. 45.1). = 
et de judi.. 1. si rem (2). — et tM de rei ven. (27) 
quod si mutatione secuta per tempora esset variabilis obligatio. non posset dici certa(am). ergo di- 
cendum mutationem pecunie (@) obligante et solutionem non alternari. (.) 

Ex qaibus colligitur quod hie tractatur de re certa et determinata et bonitate intrimseca et deter. 
minata ex conventione et obligatione (2) et venit obligationis et actionis jure. 

Contraria areuunt certam rem et bonitatem incertam et determinatam, ne procedat argumentum de 
peeunia ad legem (4). quia seennda lex derogat prime. ut pita sibi contranari. sed uoya moneta 
est a veteri divisa (2)! et non (vd) contravia. nee reddit eam impossibilem ad solyendum, 

Item ut clarius hee pateant et cessent primo de preseriptione allegata. premitto quod videatur ab 
ignorante solutum et receptum quia his (Acres) (2)? domini est locantis ut 

ff. de re. ju. qui in alrerius (lL. 42. 50.17) 
tamen ne scienter videatur jactare vel donare. ut 
lL enm de indebito p. er etiam [se tquens’) (2). de proba. -~ (1. seal CoA aet 


Secando premitto quod quatuor sunt. supra (sb () contractus et lieet videatar ad illum habitum 
respectum in solvendo tamen contra contractum non prescribittwr) sed contra jus actionis vel obliga. 
quod patet quia exceptio imducitur it 

L sicut et 1 cum notissimi. C. de prescrip. 30 an. (b 3. 17. C. 7.39) 
sed prescviptio sive exceptio est obligationis exclasio et sie juris non facti ut est contractus, ergo non 
prescribituy contra contractuun sed contra obligationem et actionem ut probatar dictis Hh. et quia ex- 
ceptio est actionis exclusio, Et sie loquitur 
ff. de excep. lL fi, (2) (24.44. 12). — et Insti. de exeep. per totum. (J. 4. 13). 
Kt secundam (2) obligatio et actio hie una pro omni tempore et ideo una preseriptio(a) ut 
1. si Stiehum § stipulatio, de ver. obli, (1.16 $1. 45.1). — et 1. cum notissimi $ in his (ai. de 
prescrip. 30 an. (1.7 $6.C. 7. 39). 

Sed prestationes sunt plures ideo regulaviter non preseribitur quia jam essent plures preseviptiones 
contractae ut d. 1. heres et ejus glossa, 

Sed ite est ergo quod alia obligatio veteram alia novorum pisanorum ergo aha est obligatio vera 
ex yua non solvitur citra quod (’) contingit omnino esse aliud quod solvitur quam quod debetar. 
Et tune prescriptio currit contra verum debitum et ita intelligo dictam 

L si communem (’) $1 et glo. (¢) domini prediorum (1. 10 $ 1.8. 62). 
Aut aliud vere non respective ut patet in usuris et tnne impeditur prescriptio. sie loquitur 
lL. cum notissimi, C. de preserip. 30 an. $ sed ct si quis et ibi no. (7 § sa. ©. 7. 39) 
et probatur [i] 
1. plures apochis («/). de fide instru. (119. C. 4. 21). 

Aut est aliud secundum quid sive simpliciter ut est pars subjectiva in usu et usufruc. (2) et qui 

haheant se ut pars et totum interpretative et subjective idem utilitatis et eommoditatis ut 
ft. de verbo. obli.. 1. qui in usufrue. (1. 45. 1) 


et ibi ne. per Dynum. et tune durat jus secundum id quod est preseriptum vel non preseriptum et 
secundum (2) estimationem ut utiliter durat jus principale et ita probat 


d. i. qui usumfructum cum sua glossa. qui. mo. usufrue. amit. (1. 20. 7. 4) 


et sie in nostra 4. licet enim mo(neta) pi(sanorum) veterum alia a nova. tamen subjicitur vere- 
vibus ut pars utilitati(’)* et ideo durat obligatio. primo usque ad estimationem cum non sit prescrip- 
tum alicui estimation’ que fuit a 30 an. citra unde causa quantumeunque major fuerit erit a dieto 
tempore citva dico prestandum doumtamen non exeedat causa que fuit [¢mporr] obligations contracte. 


In dem Kolonatsvertrage war bestimmt, dal der colonus dem dominus soli 10 solidos 
denariorum parvorum Pisanorum zu zahlen habe. Es war also durch »dispositio hominis« 
(Kontrakt) ein debitum simplex auf wiederkehrende Leistungen begriindet worden. 


1 diversa ? 2 heres? 3 universitati? 


D4 E. Sraurpr: 


Wahrend einer Periode von 60 Jahren. in deren Mitte der Kontrakt geschlossen war, 
falso etwa zwischen 1260 und 1320) fuit phiries dict moneta mutata et deterior facta. 
Der colonus und spater auch sein Erbe zahlten nun jeweilig die 10 sol. Pisanorum prout 
fitit mutata per tempora, 

Dann trat aber aueh auf der Dominus-Seite der Erbfall ein. und nun wollte der 
heres domini. sibi solvi monetam sen aestimationent monete quae crat tempore obliga- 
tionis contracte. heres coloni dagegen vult solvere in moneta mutata ct usuali que nune 
est in Communi usu. 

Also wieder cin Fall von mutatio der bonitas intrinseca der geschuldeten Geldsorte. 

Auch Signorolus entscheider. ebenso wie Oldradus in dessen cons. 250, dab (n. 15) 
consideranda sit ca qualita, quae erat tempore obligationis contracte. et sie solvat colonus 
veteres Pisanos secundum eorum bonitatem., non usuales et mutatos (quia hie queritur 
de intrinseca bonitate). Er griindet das besonders auf 1. cum quid. si eer. pet. (lL. 3, 12. 1) 
und aueh anf die Auslegung des Parteiwillens (nm. £8. 19). Dem Finwande. da®~ durch 
dreibigjihrige Zahling in Pisani novi und deren unbeanstandete Anmahme der Anspruch 
auf Zahlung in Pis. veteres verjiihrt sei. tritt S. (in n, 21—24) mit eingehender Wider- 
legung entgegen. 

Auch Signorolus verlangt also Zahlung nach materieller \quivaleuz. 


§ 3. (Petrus) Baldus de Ubaldis. (1327—1400)'. 


Des Kingehens auf die Persénlichkeit tiherhebt mich die reichhaltige Literatur, be- 
sonders Saviexy VI p. 208 246. 

Dieser neben Bartolus berithmteste Reeltslehrer des 14. Jahrhunderts hat cine sehr 
vroBe Gutachtentitigkeit entfaltet. 

Kinsehligig sind (mach der \usgabe von 1589) die consilia 499 n. 500 I. 269 Il. 1209, 
£30, 213 V. 

I (1380) 
cousitinn 400. 


1. Moneta antiqua an sit tuspicienda. an nova. 

2. Consuetude haber oculos retro. 

Coram vobis. ceverendo in Christo patre, et doting, domino Petro de Mathatfaris, Dei et Aposto- 
eae sedis gratia archiepiseopo darderense. et venerabili patre dy fo. Abbate 8, Grisogoni de Jarda. 
judicibus delegatis per Rever in Christo patvem et dominum do. do. Dei ot Apostolicae sedis 
eratia arcliepiscopum Strigenmsem reanique Dalmatiae viearinm generalem: 

inter me Simonem de Auria de Janna Reeium Armiratum et Comitem insularum Farrae ot 
Brachiac et Curzone., ex parte uni 

et homines sive communitates insalarum Farrae et Brachiae. ex altera parte: 

conqueror et eX pono exo pracfatus Simon de Auria. contra et adversas homines sive commu- 
nitates insulae Parrae in ca. quod pracdicti homines. sive dicta communitas dietae insnlac Farrac, 


1 Benatzen honnte ich den Andqua-Druck Francef. ad Moenum 1589 (Berlin Hg 152. 2°) und den 
vothischen Druck Brixiae 14900 (Greifswald 812. 2°). 

Die Ausgabe von rssq umfaBt 5 Biieher mit 25128 Ronsilien. ond cnthilt: 6 cinsehligige: | 499. 500. 
Il 269. V reg. 130. 213. : 

Die Ausgabe von ryoo umfaBbe nor o26 WKonsilien und enthalt T goo. 300 der Muse. vou T58qQ noch miele. 
soudern our die 4 tibrigen, Aber die Numevierang ist ganz anders: 


I] 269 \. r380 is) TP o137 in 1yg0. 


137 
Vo213 » 158qQ » TL 3300» «T4a0. 
Vo 120 1589 I] 423 1490. 
Viigo » rs8q + TE yoy" Tyo. 


Aueh die Lesarten weiehen mehrfach Voneinander ab. 


Das Lahthraftrecht der Postylossatorenzeit. 


ho 
a 


me dictum Simonem tanquam comitem insulac pracdictac. immo verius Regiam majestatem de salario 
mihi dato dictae commuumitatis per ipsam communitatem debito defraudaroat. ct defrandare couautar: 


ntpote quia pracfata commuanitas. que tempore ipsa perveniens alias per Venetos -- leet indebite et 
tyranniee — regebatur, et possidebatur, Sinealis comitibus sea reetoribus qui tune pol ipses Vemetos 


ad insulam pracdictum regendam imittelantar. singuhs annis pro corum salario solvebat sive solvere 
tenebatur libras 640 deuarioran parvorum antiquae monetae tune currentis: vatiocinande singuliin 
grossam Venetiim 32 parvos. — ct a tempore que pracfata Resia Majestas mihi jamt dicto Simons 
comitatam dietie insulae Farrac coneessit, solvit) ipsa communitas mihi solummodo singulix anuis 
Hinas 623 denariovum parvoram imonetie mune currentis. salvo jure caleuli: quae sane multo minus 
quam ascendunt pracdictae librae 640 denatiorum parvorum antiquae imonetac. raticcinande grossum 
Wt Supra, et hoe tomer datantm non modiemn. ct jaeturam. immo verius pracdictae regiac 
Majestatis. 

Quare pelo exo Simon pracfatus Tustanter, per vos doitiios judices deleuatos. Saphal seriptos 
homines sive communititem dierae insulac Tarrae condemnaric et per vestvam sententi tn condeninatos 
pronunciari ad dandum et solvendum ac restituendum. alias resareiendum mihi praedicty Simone 
ind. quod me dieto nomine hueusque in solatione dieti salarin defraudariaut pro toto tempore. quo 
ipsam insulam Regia concessione tenui, ratiocinando monetun ub supra, — ae etiam ad daudum et 
solvendum an singulis annis. quibus Regia majestas communitatem (2) dietae austdae Foarrae inihi eou- 
cesserit, tenendo tantum salarigm quantum: ipsa communitas solvere tenehatur dretis comitibus qui 
mittebantur per dictum commune Venetiaram. ratiocinando et meltiplicando monetane supra enum ex. 
pensis legitimis factis et fiendis, Tt pracmissa omnia et singuke peto omni vias jure. modo. usu. ef 
forma. qauibus melius de jure fierd potest. 

Salvo mihi jure addendi. minuend). corrigendi. declarandi. interpretandi. ct alias petit(iones) (2) unam, 
et plures. quotiescunque expedicrit dandi ae etiam omni alio jnre petendi danmima. injurias, expensas. 
jacturas. interesse et expensas. quae et quas hucusque dicta oceasione sume passus, et quae vel quas 
me padi contigerit in foturam. de qiuihus protestor expresse. 

Copia cedulae interclusae in literis ducalibus Venetiarum: 

Ego potestas insulartan Farrae et Brachiae jaro. et stabo in regimine ipso a die. que in- 
iravero. Usqie ad duos annos completes. ct ianto plas quanto successor meus steterit ad ve- 
niendunm. quem dominus dus miserit. Labendo integram salaritn de tanto tempore quanto plas 
stetere pro rate temporis, quod salarium: meu est Hib. mille Venetorum parvorum. recipiende 
grossum vertu. alias unuin pro 30 parvis. tn que quidem regimine tenere deheo duos socios 
Venetos. quorta cuilibet dare debeo lib. 30. duas robas cons enientes in wine, — et propterca hic 
debeo etiam habere altra li, mille li, too im anne de denariis. qui consaeyerunt dari cousitiariis 
dictae terrae. et non debent esse abi consthaviis verum tamen faciam unum de cdictis sociis meis 
stare in Brachia continue. sicut nuhi videbitur. item teneor et habere debeo uname notarium., veto 
scutiferos. et sex equos meis expensis. cui notario dave teneor solidos 20 in anno. 


Practerea 1326 indi. rt (2) die 7. dulii captum fuit in consilio Regni et go. quod commissio potestatis 
Farrae et Brachiae corrigatur iu tantiim. quod abi dieit. quod dehet recipere saum salarium ad rationem 
de parvis triginta dnobus. sicat moneta curvit. 

Tn Christi nornine. 

1. (QQuaestio Ista. an iuspiciatur Moneta antigua an nova, tangitur per doctores juris civilis in 


lL cum quid et Lovinoin. si ecertim petatur (3. bo 22.r2.0) et in Lom ininortim. in quibus 
causis etc. (1. 3. ©. 2. 40) 


per Cynum 
-- et L uxorem $ testamento. de leg. 3 (1. 41 $ 4. 32) 
per Dyn. 


Et fuit quaestio veterdin Pisanotuin disputata per Jacobi Butigarioum. qui determinavit quod 
dehet inspici Moneta. quae erat Tenipore promissionis, hon quae currit tempore solutionis: ct sie 
tempus Contractus inspicitur secundtin eum lac potlssimna radione. quia obligatio esta principio cerhit 
secrmadian quid. secre quate. secrndumt qamintaim 


lo certain. fh si certum: petatur (6.72. 14 


ereo tracttl Temporis Hote rita tee, «ida Tenipus hon est modus mutandae obligationis: neque maim, (2) 
obligationis status. quia a principio certus fit ex post faeto matatur: are. 


ff de verb. obh. Lo insula fitia bieruiim® (1.124. .3. 1b 


Et idem est. ubietngue aginir ex dispositione hominis, quia tempus dispositionis. won tempus in- 
cidentis solutionis attenditur. ut seiamus. quid. quantum. quale vendebatars quia (at dixip certitude 
attenditur penes originen ct plincipiim coutractus. ut 


fh de verb. obh. Lo stipalationum quardanmi th 74.45.04 


Phil-hist. Abh, 1928. Nr. ‘ 


26 


E.Sravwenr: 


Secundo response (?) ibi, dum dicit: quod ipsa provincia. Sed ista non videntur facere ad casum 
nostram, quia hie non agitur ex promissione. sed constitutione vel consuetudine: unde dicit Speculator. 
qttod quando agitur ex dispositione legis. attendatur moneta currens tempore solotionis. non tempore 
que lex fuit. edita vel consuettulo introdaeku et videtur hoe expressum in 

cult. de decimis in Clementinis (ce. 2. Cl 3. 8). 

Sed hoe non obstante dicendum est. quod tantum debet solvi domino comiti insnlarim in moneta 
nova. quae valeat. quantum valebat antiqua. secundum taxam_ sibi datam ad rationem 32 patvorum 
pro quolihet erosse. nam quando lex taxata remanet firma. remanet firma. donee revocetur per illam 
(aliam?) 1. (egem?). Sient aureus leealis taxatus est in 73 (72°) pro lib. auri. etiam: si nune de 
moneta lex foquitur. tamen de taxata monet intelligitur. ut 


I. sSialiqnid. 1. quoties, de susceptoribus praepositis et aveariis (1.12. 1.3. C. 10.72). — et no. 
in 1. quiennque. C. de serv, fu. (1.4. C. 6.1). — et 1 fin. communia de legatis (1. 3 ($12), C. 6. 43). 


2. Praeterea a consuetudine non est recedendum. et consuetudo habet oculos retro: 
ff de alimen. le. 1 Mela $1 (2) (14 $1. 34.1) — ad hoe: C. (de) locato. 1. licet (18. CO. 4. 63) 
ham tacite videtur conventum de salario antique et cousueto secundum da. et Ro. are. 
de tidejus.. |. fic in fi, (L 28. C8. 402). 
Praeterea hoe aperte probatur 
Extra. de censibus. e. ex parte Compostellani (e. 18. X. 3. 39). ~ et ec. olim ecansam (c. 20. \. 
3-39) 
primum loquitur in mensura veteri attendenda. secundum in pondere et numero veteri attendendis. 
Et econtra. si moneta parva esset ingrossata, non propterea cresceret praestatio. ut 
Extra. de censibus. in c. cum canonicis (¢. 26. X. 3.39). 
Non obstat 
c.ult.. de deci. in Cle. (e. 2.3.8 in Cle.) 
quia ibi erat causa lucrativa. hie onerosa. 

{Juare enim hie minueretur honor, videlicet stipendium. cum labor et sumptus comitis non sit di- 
minutus. porro correlativorum uno (nullo?’) modo mutato nec reliqnum mutandum est. alias totum 
viciaretur: 

ff. de contrah. empt., 1. pacta conventa $ Paulus (2) 1. 72.18.10). —- Mf de accep. L fi. (1. 23. 
46. 4) 
Kt ideo sentio pro domino comite insularam: et nota, quod verbum »sient moneta ecurrite et non 


dieit »sieut curret in futurome. valde facit pro domin» comite. 
Baldus. 


I. cons. 500 


Solutio monctae an sit fienda secundum aestimationem antiquae. an novae (ut eonferatur? in? 


= 


consilio praecedenti). 
2. Solutioni monetae an praeseribatur jo annis. 
3. Quando juridice fit taxatio a lege. semper intelligitur de moneta semel taxata. 
In Christi nomine. 
In quaestione qua quacritar, utrum communitates Farrae et Brachiae tencantur solvere corum 
comitibus per Majestatem Regiam ibi deputatis quantitatem salarii monetae nunc currentis. vel tune, 


cum regeba:tur per Venetos. 
Dico prime. quod factum. super yuo petitar consilium, fait mihi transmissum multum obsearum: 


nihilominus. quia recolo me superioribus annis in hujusmodi causa consuluisse. et illud consilium 
quaesivi in notulis meis, et inveni. 
1. Et propterea ili inhaerendo. et addendo dico. quod pro dictis comitibus ibi deputatis facii 

glossa in verbo »duos solidos« inc. conquerente, Extra. de off. ordi. (ce. 16. X. 1. 31) 
ibi glossa tenet solutionem esse fiendam secundum aestimationem illius monetae, quae antiquitus et 
ab initio solvi consuevit: nisi per solutionem minoris monetae, quae est modo in usu. sit praescrip- 
tum, ut in 

ce. olim. de censibus (¢. 20. N. 3. 30) 
sive major moneta sit in usu tempore solutionis. sive minor, facit 

ce. cum canonicis. et d. ec. olim. de censibus (c. 26. ¢. 20. X. 3.30) 


2. et quod notat Iosticnsis in summa. tit. de censi.. § ex quibus, versiculus: quid si moneta 
mnutetur — dieens. quod si solutio facta ese de aligua moneta. et singulis annis fuit solutum ad jllam 


to 


Das Lahlhraftrecht der Postglossatorenczeit, ri 


mouetam. si postea clapsis go wunis mutetur moneta. nihilominus ad aestimnationem primae tienda est 
solutio. nisi praescriptio solutionis monetae secundi generis sit completa. et sic dicit debere intelligi 
dictum cap. olim et cap. cum canonicis praeallegatum. 
Quod tamen dixi de annis 40, intellige in ecclesia, sed in privato de annis 30. ut not. in dieto cap. olim, 
Adde. quod dicit 
glossa in I. fi. in princ.. C. communia de legatis in verbo »20 solidos« (l.3 $1. C6. 43) 
et quod ibi dixi in lectura mea, quod si aureus vel moneta augeatur vel minuatur, quamdiu essent. 
reduci debent ad intellectum valovis veteris monetac 
I, si aliquid, et J}. quoties, C. de susce. et archa. (112, 1 Ban (SOs R26 et La. C. de veteris 
numisma. lib. rr (lr. Coat. 10). 
3. Et quando juridice fit taxatio a lege. semper intelligitur de moneta illa semel taxata.  Sieut 
dicimus in aureo legali. qui taxatus est ut 72 constituant libram auri, ut dicta 
1. quoties, C. de susce. et. archa. lib, 10 (1.5. C. 10. 72). 
Et per haee concludo pro dictis comitibus. s dutionem salarii tieri debere de inoneta tune currente, 
cum regebatur per Venctos: et sie de moneta quae antiquitus et ab initio solyi consuevit. 
Et ita dico et consulo Ego Bal lus. 

Der ‘Tathestand der cons. 499 und 500 | hat einen interessanten historischen [inter- 
gerund. Er spielt in der Zeit, als zwischen Genua und Venedig der Kampf um die 
Uandelsvorherrschaft in der Levante ausgefochten wurde und Ludwig von Anjou, der 
damals (1342--82) die Krone von Ungarn trug. mit Genua verbiindet war. Bevor 
das Kriegsgliick sich den Venetianern (in der Sehlacht von Chiozza 1380) wieder zu- 
wandte. hatte Ungarn ihnen die Herrschatt tiber die dalmatinischen Inseln Farra. Brachia 
und Curzo entrissen und dort an Stelle der venetianischen ungarische comites cinge- 
setzt. Den Inselgemeinden war anscheincnd auferlegt worden. den ungarischen comites 
dasselbe Salaritum zu zahlen. das sie den venetianischen bisher gezahlt hatten. 

Das hatte die communitas Farra nicht befolet. Denn cs klagte Simon de Auria de 
Janua, Regius Armiratus et Comes insularum Farrae ete. adversus homines sive communi- 
tatem insulae Farrac. Er klagt vor dem Erzbischot yon Zara (Jarda) und dem Abbas 
S. Grisogoni de Jarda. als delegicrten Richtern. die der Erzbischot’ yon Gran (Strigum) 
und Generalvikar des Koénigreiches Dalmatien bestimmt hatte. Er bringt vor, da Farra 
den venetianischen comites pilichtmai®ig jabrlich 640 libras denariorum parvorum antiquae 
monetac tune currentis gezahlt habe, »ratiocinando singulum grossum Venetum 32 parvos«: 
da® Farra ihm, dem Simon de Auria, aber jilrlich nur 623 libr. denariorum parvorum 
monetae nune currentis zahle, »quae sunt multo minus. quam asecndunt praedictae 
lib. 640 den. parvorum antiyuae monetac, ratiocinando grossum ut suprac. 

Der Kliger beantragt, Beklagte zur Nachzahlung und Schadloshaltung zu kondem- 


nieren. Der Klagschrift — die interessante AufSchliisse tiber den Libellstil jener Zeit 
gibt — ist cine »copia cedulae interclusac in literis ducalibus Venctiarum« angefiigt. aus 


si a. ergibt. daB die Besoldung der venetianischen comites friiher nach dem 
der sich u.: 8 
Kurse 1:30 berechnet wurde (»recipiendo unum grossum pro 30 parvis«). ILinter dieser 
copia bringt die Klagschrift damn die Mitteilung: 
Practerea 1326, ind. IL. die 7. Julii captain fuit in consilie Regui. et 4o.! yuod connnissio 
potestatis Farrae et Brachiae corrigatar in tantum. quod ubi dieit. quod debet recipere saum salariam 
ad rationem des parvis triginta duobus. sieut moneta curvit, 


Das Kursverhiltnis zwischen Veneti grossi und parvi, das ian ja schon dureh 
den BeschluB8 von 1326 spezicll ftir dic Salarien der comites von 1:30 auf 1:32 ver 
indert hatte, war seitdem offenbar noch mehr zuungunsten der parvi verschoben worden, 
und zwar -- wic aus verschiedenen \uBerungen des Baldus in beiden Konsilien (nament- 





1 Ey handelt sich hier vermutiich um cmen venetianischen BesehluB des Regnunue und des Kollegium 


dev Vierzig. 


IN EUSdtaMPeE: 


lich aus den Worten: »et econtra si moncta esset ingrossata« in 4gg n. 2) geseblossen 


werden dart — infolge ciner Versehlechterung der parvi bz. ihrer bonitas intrinscea. 
Baldus entscheidet in beiden Konsilien — die fiir gleiche Reehtsfalle, aber zu ver- 
schiedenen Zeiten abgegeben sind - — zugunsten der comites. 


Im cons. 499 erwihnt B. zunaelist. daB Jacobus Butrigarius () 1348: 8..VEp.68 70) 
in einer Pisaner Sache 
determinay it. quod debet inspici monceta, quae crat tempore proiissionis, non quae currit tempore 
solutionis. ef sic tempus contractus inspieiti sectndam cum... et idem esto ubreanque agitur ox 
disposition hominis, quia tempus cispositionis. non tempus ineidenus solutiowis attenditi. ut seis, 
quid) quantum quale veudebatur oo. . 
Baldus hilt aber daftir, 
isa non Videntar faeere ado castin nestram. qui hie non agitur ex promissione. sed constitution 
vel consuetudine. 
tad oer heraft sich hierfiir auf cine von den Spiteren viel verwertete Ansicht des 
Guilelmus Durandus. Der Spekulator sagt im Speculum lib. LV partie. 3 rubr. de obli- 
gationibus et solutionibus. $ 3 (p. 349 der Ausg. Franke. pa nies 
Pone: in statute civitatis dicitur. quieunqae tale quid) commmiserit. solvat ro tib. Pur. vel tadis 
officialis babeat tot Jib. Tor. pro ste Splavios contigit monetam Tur mutari et minoraris ade offi- 
ciales petunt sibr solvi salavia secunduite aestimationcm: antiqgdae monetary; vel petitur a condemimato, 
at secundim ium selvat condemuationem, quaecitur quid juris: Respon. secundum praesenten) mione- 
tum debere salaria et condenmmationes solviz: quia mutate moneta deber statutum intelligi secundtm 
ill. et non de vetert 


(. qui admit. ad bon. pos. DT. pen. in fine (L 38. 26. 9). ad idem C. de constit. pee.. 12 (b 2. 

C. 4.18) et Code vei ux act. Lounica $0 bi, saneimus omnes dotes. (C.5.13)-—in Auth. de 
no alie. aut per. Sut autem lex (Coll. 2 Tit} tno. 7 c. 2) — et Extra, de consti. translate 
(@. 3. XN. 7. 2), 

Nam et si duae essent monetac. de iminori intelligeretur 
ut ff de Jeg. 3. nummis (1.75. 32) ~- Extra, de censi. ex parte (e. 18. N. 3. 30) -- ad) idem 
de regul. jur. super (senper) Opet 1. quoties. (34. 1.67. 50.171. 

Si autem ex contractu debita peeunia esset ininorata., secundum aestimationem priovis fiel solutio. 
Extra. de ceusib. olim. (e. 20. X. 3. 39). 

Baldus tritt dieser Unterscheidung des Spekulator bei, indem er auch noch das cap. 
ult., Cle. de decimis als Beweisstelle heranzieht. Er wiirde also. da vorliegendenfalls 
eine obligatio ex constitutione cingeklagt wird. entscheiden, daB nach der moneta currens 
tempore solutionis. als dem jeweiligen Schulgelde, zu zahlen sei. 

Aber er kommt aus einem anderen Grunde doch zu dem gegeuteiligen Ergebnis. 

Weil nimlich der comes die taxa legis (von 1326) fiir sich habe. 

dicenduim est. quod tantum debet selvi domino comitt insularum in moneta nova. quae valeat. 
quantum valebat antiqua, secundtin taxam) sibi datam ad rationem 32 parvorum pro quolihet grosso, 
Nam quando lex taxate remanet firma. remanet firma donec revocetur... 

B. weist dann noch darauf hin, dat eine stillschweigende Vereinbarung de salario 
antiquo vorliege — sowie dab es. da doch das Arhbeitsmal und der sumptus des comes 
dieselben geblieben wiren. auch unbillig sein wiirde. den Entgelt daftir zu verringern. 

Und er betont schliefBlich noch, dab die Wortfassung der Urkunde von 1326 sehr 
fir den comes spreche (valde facit pro comite). da sie laute: »sicut moneta currit« uni 
nieht etwa »sicut curret in futurum«. 

lin cons. 500 wird zur Begriindung neu herangezogen die Glosse zu den Worten »duos 
solidos« in dem c. conquerente. Extra. de officio judicis ordinarii (¢. 16, X. 1. 31): denn 


ibi gl]. tenet sulutionem ese fiendam secundum aestimationem ilius monetae, quae antiquitus et ab 


initio solvi consuevit. 


1 Greifswald Jo 20 2°. 


Dus Lobthraftrecht dey Postglossatarcucel, 24 


In net und 2 wird dann noch die Frage etwaiger Verjihrung des Anspruches aul 
Zahlung in antiqua moneta gestreitt. aber nicht bejahe. 

Als Hauptargument zugunsten der comites dient wieder der Satz (in n. 3): 

quando juridies tit taxatio a lege. semper intelligitar de monett ila semel taxata, 

Die Bedeutung der taxatio (a) lege (die hier aber cin privilegium und nicht etwa 
eine allgemeine lex ist) tritt demnach in diesen Wonsilien dhnlich hervor wie dice der 
aestimatio (d.h. taxatio) cousuetudine in dem cons. 13 des Oldradus (p. 12). 

Es handelt sich also - um nech cimmal die Summe zu ziehen  -- in beiden Kon- 
silien um debita auf wiederkehrende Leistungen. Fiir diese debita wire nach der (von 
Oldradus (p. 16.) abweichenden unc mit Durandus konformen) Ansicht des Baldus Se¢huld- 
geld die moneta currens tempore singularum solutionum gewesen. weil die obligatio auf 
die Salaria nicht dureh dispositio hominis. sondern durch constitutio (also dureh dffentlich- 
reehtlichen Akt) begriindet worden war. Aber die 1326 geschehcne taxatio lege macht 
alle diese debita zu debita acstimata, die alle gleichmiibig in den grossi antiqui in stets 
gleiehbleibender Sumime (zum Korse tr: 32) zalitbar sind. 


Balclits [I] cons. 209. 
1. An ispieiita: valor nredetie tempore ineressus officn. vel tempore solutiontan fiendariun 
Stoudis qensibus. 

I. Super eo quod quacnitun. an valor inonetae tispiciiar tempore ineressus offieii. am vero ten 
pore solutiontun diendarim singetis iensibus. dico standum cousuetudini: quit ita dicunt literac 
ibastris Principis domidnt Marehtonis., (Si ergo esset conmsietude priveipume: tune iam deberenius 
fispicere. Si atten esset consueride. qaod fuspiceretie cousuctide emergens per singtlas solutiones '. 
tine tempor solmtionati esseat consideranda. et quod iaspieratar consuetide to talibus: salaviis, eta 
si nilul dicatur de ipsa. probatur 

Cy focate, Le tieet (LS. CL 4.65) et ibi per Jac. de Ave. 

Sed ponunus quod nulla appareat cousuerude, quid: jucis crit? 

Responded. sui moneta evit sublata. aut destimatio ejas est agcta vel minute Prine casa ispt 
cit valor aiitiquae monetae: ut 


Extra. de censibus., ce. olin (co 20. X. 3. 39) 


Sectuido casi. aut ost mutata ate nor debitoris, et nocet creditorg. Aut post anevanr debitorts. 
et uoecer debitori, De hac materia plene aotant doctores 


VWosi cert. petat. f. cum quid et fe vintun qh 3. 122. 12.0) 


etota dae. de Are. in dietar 1 cunt quid. quia) aestimatio ost Donnas extriiscea. ef ideo inspierur 
tempus solutions. Et ex hee apparet quod sive aestinatio sit atteta sive ininuta, seinper inspiciatue 
sofationis tenipus. 

Deo anateria nottayi) in 


e ult. de deena elem. de. 2. 3.8 0 Clann 


el do pluribus alifs. Sed veritas est. quod dixie trad bosprenul Tompus solfutionisi. ut asseritu 
per comune dictae civitatis Albae. quod gus forer*, 


Keo Baldus. 


In dem cons. 269 JL (137 1 in der Ausgabe von 14go) ist der Tatbestand nicht ge- 
uau mitgeteilt und der Text des zweiten Satzes in Einzelheiten korrumpiert. Aber man 
kann trotzdem erselhien, wm was es sich handelte. Aueh hier bestanden Differenzen tiber 
eine Gehaltszahlung. Die Gemeinde Alba stritt dariiber mit einem ihrer Beamten. Aber 
die Umstiinde. die zu diesem Streit ftihrten. und der Gegenstand des Streites waren yon 
anderer Art wie in 499. 500 L. 


T Der eingehlanunerte Passus lautet in iygo. L1g7: Si ergo esset consnetade, quod inspieeretur con- 
suctudy emergens per singulas solutiones. 

Diese Lesart erscheint mir Marer: doch statr des aweiten consuetnde ist wohl valor oder aestimatio 
vu lesen. 


, 


2 1490 liest: fievet. 


30 E Srawpnr: 


Wahrend in den Fallen der conss. 499, 500 I Verinderungen der Veneti parvi in 
der bonitas intrinseca stattgefunden hatten. und deshalb bei jenen debita auf wieder- 
kehrende Leistungen vorab entschieden wurde, welches die auf die jeweilige Leistung 
geschuldcte Geldsorte sei, taucht diese Frage im cons. 269 I nicht auf, weil die bonitas 
intrinseca des Geldes, in dem die Gehaltsschuld ausgedriickt war, sich nicht geéindert hatte. 
Fraglich war also nur, wieviel zu zahlen sei, und zwar, wieviel in Valorgeld zu zahlen sei. 

Baldus sagt. hieriiber entscheide in erster Linie die consuetudo loci. Sei eine solche 
aber nicht vorhanden. so komme es darauf an. ob das Geld, in dem die Schuld aus- 
gedriickt ist, sich noch im Umlauf befindet oder nicht. Letztenfalls sei die zu zahlende 
Summe Valorgeld nach dem Kurse der Entstehungszeit der Obligation zu berechnen (weil 
sich ein Kurs zur Zahlungszeit ja nicht feststellen lait). Wenn aber jene Geldsorte noch 
im Umlautf ist. so miisse man die zu zahlende Summe Valorgeld nach dem Kurse der 
Zahlingszeit bemessen. 

Baldus bekennt sich hier als Vertreter der Valorbereehnung nach dem tempus so- 
Jutionis (ef. p. 9). 


Baldus Vo cons. 129. 


y. Potestate alicui data ad reformandum statutuin. an ille cui est data potestas., possit’ in 
tot reformare statutum. 

IT. Fst dicendum. quod dictus emptor teneatur solvere in florenis secundum promissionem per 
eum factam multiplici ratione: 

nam ordinamentam factum per consules habet loewn respeetu eamerac tune praesentis. eum per- 
sone Jacobi cum eo fuisset adjecta (ut) uniformiter respectu. amboruin disponat. argu, 

1, jum hoe jure. ff de val. et pap. (1. 4. 28. 6). 
Cum ergo respect dacobi habeat locum donee stat apnd capsam. ergo et in camerario illo. quande 
durat? camerarius. hoe fortiticatur ex verbis pracsentis temporis. s(ive) teneantur et debeant, quae 
hon extenduntar ad futara 

I. si ita, de auro et argento (1.7. 34. 2) 
sect ad practerita. dum statutum dicit, pro bono statu. Item intelligitur de praesenti. (tune) ut no 
(tat) Bar.(tolus) 

in le. ambitiosa. de decre. ab or. fa. (1. 4. 50. 9) 
praeterea. ut statutum dictat et idem Bartolus notat in pracfato loco, tales arbitrium statuentes + 
hon possunt statuere aliquid quod sit contra statuta a toto primo merito, cum ista reformatio® sit 
contra statutum. ut patet recte jntelligenti: censenda est nulla: et quia nec directe nec indirecte 
possunt contra statata ordinare: 

ctu ergo statutum a principio factum et in volumine statutorwn positum cdicat. quod florenus 
auri detuv et recipiatur per quemlibet: pro tanto, et postea reformatio dicat. quod camerarius ot 
Jacobus teneantur recipere pro tanto minori. videtur contra statutum non solum indirecte sed directe: 
creo. ut dictum est. talis reformatio non valet. 

Praeterea et praesupposito, sine praejudicio, quod valeat. quod in veritate non valet: tamen dicti 
emptores promittentes solvere in flovenis et scieuter solventes partem in florenis astringi debent ad 
reliquam solutionem faciendaim simili iodo: 

I. non dubium § illud. C. de testa, (1.16 $1. C. 6. 23) 


non ob(stat), quod de consuetudine allegatur. immo facit pro parte communis. ut apparet. 
Praeterea consules praedicti in praejudicium Reipublicae hoe ordinare non + potuerunt. argum, 


|. praeses provincive. C, de transac, (1.12. C. 2. 4). 
Exo Baldus. 


Der ‘Tatbestand des cons.129 V ( - 1490. If 423) ist dunkel. Doch ist folgendes 
ersichtlich: 

Ein stidtisches Statut hatte. wie das damals haiufig geschah, allgemein ein festes 
Kursverhialtnis zwischen dem florenus auri und der moneta minuta (als seinem Valorgeld) 





i 


' y490; deest. * 1490: habentes, * 1490: reformatione. in t4go fehlt non, 


Das Lahlkraftrecht der Postglossatoren zeit. 31 


festgesetzt: es enthielt also ein entsprechendes decretum valouris (aber nicht etwa so wie 
I 499, 500 eine spezielle Legaltaxation des konkreten, jetzt streitigen Schuldverhiltnisses). 
Stidtische Beamte hatten jedoch. entgegen diesem Statutensatz, gewissen Schuldnern der 
Gemeinde ein giinstigeres Kursverhiltnis bewilligt durch eine reformatio, zu der sie keine 
Kompetenz hatten. Baldus hilt diese Bewilligung fiir ungiiltig. Er sagt in 120: 


Cum ista reformatio sit contra statutum ... censenda est aulla... eum eree statudun oo. dieat. 
quod tlorenus anri detur et recipiatur per quendibet: pro tanto. et postea reformatio dieat. quod ca- 
meravius ... feneatur recipere pro tanto minori. videtur contra statutum ... ergo... talis reformmatio 


non valet. 


Baldus Vocous. 130. 
1. An obligatas solvere florenos possit solvere aestimationcin. et cujus temporis. 
Quaia obligationes ex conventionce legem accipinnt. ut 
ff depo. Lor $ si convenesit (lr § 6.16. 3) 


et obligatio sit fortuata in florenis. meeesse est. quod aut oreni solvantar aut ad tantundenr aesti- 
matio florenoram per tempora carrens? pro tempore reerpiat funetionem. ne fiat aetoris seu credi- 
toris conditio deteriar. ut 


ff. de sol, 1. Paulus (Lb go. 46. 3) — et motarur Ce de don. Lost quis argentam. in prin. (135 
C2 8.53) - - et in Auth. de fideie. § quod autem feap. 3. Nov. 4 eolh ri. —= et Cy dle solu. 


Auth. nisi debitor (Auth. hinter 116. C. 8. 42). 

Unde seeundum varietatem temporum variatur moneta et aseendit et deseendit. et tempus solu- 

tionis debet jnspici vel tempus morac. ut no. in 

e ult. de decimis in Cle. (ce. 2.3.8 in Clem, 7) 
non Obstante dispositions Priorum sive Decuriontun: quia aut non fuit de intentione eorum in lune 
custin imutare aestimationem floreni et providere © er tune ad huane casam non extendit: se corum 
dispositio. ut 

ft. de adm. tat. bo ita autem. in prin, (h 5 p. 20.7) = er WM de re nuili. Lomntites agram. in 

prin. (L135 p40. 16) 
aut fait de intentione eorum. providere in ommem casum. ct tune dictum deeretum corti non valet 
cum effecta: quia in quantum redundat in damotan publictam. est ambitiosam. ut 

i de deer, ab ordi. fa. Ll ambitiosa (4. 50.9). 

[rem sapit quandam donationem, quat Decuriones facere non possunt. at 

ff. quod vii aut clam. 1. prohibere S plane (lh 3 S$ 4.43. 24h — er Hh de trans. Locum fia $ si 

practor et S$ sieui {1.8 $17. $ 24.2. 15). 

Praeterea pone casam modo. quod flovenus esset in aestimatione diminutas, salva substantia. et 
pondere. Puta non valere nisi 16 Anco(nitanos), Nunquid debitor dieeret. ergo volo solyere 16 Anco- 
(nitanosy? certe nequaquam. Unde non debet debitor petere id. cujus coutrariam non posset ! postu- 
laturas. ut 

C. de sol. Lope. (Lh 24. €.8. 421. 

Certe nee fiseus posset eum cogere Witra florentm. cam selutione ejas quod promistt Tberetur. ef 

pactam factum: servare debet. et ad nihil alind tenetur debitor. ut 
C. de sol. Losi operas (L 20. ©. 8. 42) 

et si alitrer dictum statutum mitelligerctur. esset iniquam: ct absurdian. quod esse non debet: ut 
ff. de vale. subst. Lex facto. in prin, (143 p.. 28. 61. 

Practerea dictum statutum fuit temporale. et certi offieli designativam. ande ilo ofticio sublato 
non durat statutuan. ut 

C. de fru. Alexandri.. 1. diurmos. lib rr ql2. Cori. 28). 

Praererea im his. quae mutantur tempore(.) statuentes® non intelliguntur uniformiter disponere, sed 

mutita ratione ct considerations debita cedit statatuar’. it 
C. de cad. toll. Loi. in prin. (1.1. p.. ©. 6.51). 


1 490: aut ad tantundem quod com extimatione flovenoram: per tempora eurrente pro tempore recipint 
functionem. ; 
2 r4go: in electum (? 2) * 1490; mutate extimationis flor. providere (). 
* T4907: esset. > T4oo: statut. * a4go liest statt -cedit: statutume nur veesserite. 


32 EK. Siauenr: 


Ex quibus. et abis. allegatis et quae dici possunt. dieendiuim est tlorenos debevi. ut 
fh si cer pet. Loci quid (13.12.04 
nee coat fscum mings recipere quai debeatur. cum totum delim sit liquidum, 


‘onl. 1 qindam aestmaverunt (26.02... -— et fhede usin, Loumor § Lueius ote. th qi $4. 
22.1). 


Reo Baldus |. 


In cous.130V (-= 1490. I 424) bieten sich chentalls manehe Réiitsel. Die Lesart 
der A\usgaben von 1490 und 158q stimmt mehrftel nicht fiberein. Der Fall spielt an- 
seheinend in Ancona: denn es wud moneta Anconitana erwihnt. Jemand wollte seine 
Schuld an den Fiskus. lie in floreni geschuldet war, in Anconitani (als dem Valorgelde) 
bezahlen. Der Schuldner wollte also cin aut’ floreni gestelites debitum simplex in Aus- 
fibung seiner facultas solvendi in alia moneta (poi). in Anconitani begleichen.  Streitig 
war nun wieder. welchen Kurs er bewilligen miisse. 

Baldus halt seinen (auch in 499 [. 266 Wound 129 V vertretencn) Standpunkt fest, 
das grundsitzlich der Kies der Zahlungszeit zu bereelinen sei, damit der Kreditor — 
der ja. wenn in tloreni gezahit wiirde. die volle Schuldsumme erhalten wiirde -—~ dureh 
die Zahlung in Valorgeld nicht zu Sehaden komme. War also dieser Kurs etwa 1:20 
und betrug dic gesehuldcte Sumime 1oo tloreni, so miissen nach Baldus 2000 Aneo- 
nitani gezahlt werden (auch wenn der Kurs zur Zeit der Obligationseutstehung cin 
andcrer — etwa 1:19 oder 1:22 — war). 

In diese nach Baldus durch das Reeht des Cd C (mamentlich durch L 99, 46. 3) 
vorgeschriebene Regelung war aber im vorliegenden Falle in besonderer Art cingegritfen 
worden. Denn eine »dispositio Priorum sive Decurionum« hatte dem Sehuldner (ebenso 
wie in 129 V) durch eine »mutatio aestimationis tloreni« zu einem Kurse (etwa 
b:17) verholfen. der ihm giinstiger war als der allgemein iibliche oder dekretierte. 

Baldus erklart diese dispusitio (ebenso wie in 129 V) fiir ungiiltig, Denn quantum 
in damnum publicum redundat verstoBe sie gegen L 4. 50. 9 

ambitiosa deereta decuriontum vesemadi debent. sive aliquem debitoren: dimiserint. sive daveite Sint. 
Auch sapit quandan donationem, quam Deeutiones facere noi possiat 


Log 84.43. 2g0-°- DS S47 th age 2875: 


B. weist auch darauf’ hin, dai der Schuldner doch sicher den von den stidtisehen 
Beamten dekretierten Kurs nicht zahlen wirde, wenn cr ihm ungitinstiger wiire als cer 
landliiufige, und dab in diesem Falle der Fiskus ihn aueh gar nieht zor Zahling des de- 
kretierten Kurses zwingen konnte. da er ja dann mehr verlangen witirde. als roo flor. land- 
lAufig gelten. 


Baldus Vo cons. 213. 


t. Mutato valore thorenoriuiriy. ita quod plus velo onidinas valent teanpore tumerationts (ee let pote 
quo fieri debet vestitutio: cujus debet esse dancin. 

208i quis tenetar restitvere eentiin Woreros. an possit restituere in moneta arecnten eorutn 
Valorem. 


Jem 


Pumetus quaestionis talis est. Dati fuerunt in dotem ducenti tloreni bout auvi justi pondetis, 
Sunt 33 auniovel cirea, tine tempovis valent? flor tees dibras crim dimidia. mune vero) in casa reste 


tucndae dotis morte viri valent floreni quatuer dibras eras denartos, 


'oTn roo lautet die Uiterselvitt: 
et ita dieo et consulo 
Leo Baldus, 


= pgoo: vadebat. S ggo: hee est. 


Das Lahthraflrecht der Pastylossatoren zeit, 33 


1. Modo quacritur nunquid haeredes viri cogantur vestituere 200 florenos ad rationem= uit 
libravum, cium dimidia. ut tune valebant: vel demuim possint dicth haeredes facere solutionen dic- 
torum Horenorvam 200 ad rationem quatuer libraram et quindecim denarioruii. ut mane valet florenus: 
vel etiam volunt solveve dicti tacredes monetam in bolo(gninis) ad rationen: trium lihraraa. cum 
(lanidia pro floreno. tt tune valebat Horenas. ef masime quia consuetum est in civitate et fait etiau 
tune Temporis, quod poterat et potest solyi moneta parva pre floreno dehito, Modo quaeritur quid 
juris. — an istud damnum pertineat ad haeredes., qui non fueruut wee sunt in mora restituendi dic- 
tam dotem: vel possi(ajt solvere flores ad vationem quatvor dibrarun et 15 denar ut mune valet in 
dicta civitate ubi dos data fuit ete, 


2. Ista dos debet restitui in tlorenis. quia’ floreni sunt in obligatione: et ipsa ioneta in bonitate 

Tutvinseea now est ineneta! sed extrinseca. id est. in aestimatione et valore ipsius. 
si cert pet. Locum guid et Lo vintun (Lo 3. Lo 22. 22.1) — fh de sol. b Paulus (h oy. 46. 3) 
sicut fromentum. cujus aestimatio crevit. et in ving et aliis: similibus. 

Sed si esset mutata ipsa species monetie. tue dnspieeretir tempus contracts, et not. iy 

cap. ult. de deci. in clemen. (e. 2, 3. 8 in Cle) 

Et praedicta vera. nisi tempore coutractus floreni fuissent dati ad rationem: libre. (arum titi cum 
dunidia) pro quolibet floreno: quia itkt aestimatio debet reddi et non major, sicut in qualibet re data 
in dotem. aestimata vero acestimatione. 

ff. soluto matritnonio. Loetsi aestimatis (1. 50. 24. 3). 
Et ita cauti homines futura aspicientes facere consneverunt. et ideo attendi debet diligenter tenor 
obligationis. 

Non obstat: quia hitelligitur secundum consuetudinen: sine damne ereditoris, argument. 


Extra, de consnetu.. ¢. cum dilectus (¢. 8. X. 1. 4). 
Ego Baldus. 


In dem cons. 213 V (1490. 3391) ist der Tatbestand im ganzen klar. ein Dotaltall. 

Es war eine dos von 200 floreni boui auri. justi ponderis bestellt worden. Nach 
33 jihriger Ehe starb der Mann. und nun entstand Streit zwischen der Witwe und den 
Erben des Mannes iiber die Art der Restitution. Der tlorenus und sein Valorgeld (die 
libra) waren bez. der bonitas intrinseca nicht verindert worden, aber ihre bonitas e\- 
trinseca. also ihr Kursverhiiltnis. hatte sich wesentlich verschoben: denn zur Zeit der 
Dosbestellung hatte der tlorenus 31 2 librae gegolten: zur Zeit der Restitution galt er da- 
gegen 4 librae 15 Denare. 

Die Erben wollten nur den zeitigen Wert von 700 librae restituieren, der in Gold, 
zum Kurse 4-15, 172 floreni 1 libra 60 denarii ergab; aber sie wollten diesen Wert 
auch nicht in Gold zahlen, sondern in geringer moneta argentea (bolognini). wodurch 
vermutlich noch ein weiterer Vorteil irgendeiner Art ftir sie heraussprang. Die Witwe 
verlangte dagegen 200 floreni in Gold, — eventuell 8121, librae als Valorgeld zum 
jetzigen Kurse. 

Baldus nimmt wegen anseheineuder Dunkelheit des ‘Tatbestandes zwei Méglich- 
keiten an. 

1. »floreni sunt in obligatione«. Er folgert daraus. dal ista dos debet restitui in 
florenis. Wenn nun die Behauptung der Erben richtig war. 


sqhod consuvetiin est in civitate et fuit etiam tune temporis, quod poterat et potest sulvii moneta 
parca pro tlorens debito« 


so ergibt sich weiter. dali B. ihnen die Zahlung in parva moneta bewilligen wiirde, aber 
nur zum Kurse der Zahlungszeit (ef. die vorhergehenden cons.): B. wiirde ihnen also Leistung 
yon 8121/, librae auferlegen. 

Bei dieser Ausdeutung des Tatbestandes lige also ein debitum simplex auf’ floreni 
vor. fiir das aber eine consuetudo loci eine facultas solvendi in parva moneta gewihrte. 


PoDruektehler. ex iuB camutatre heiBen, 


Phitehist. Abh L028. Nero b. 5 


34 Ke Siawer: 


2. Die Bestellungsurkunde scheint einen Anhalt daftir ergeben zu haben. dali 


stempore contractus Noveni fuissent dati ad rationem (3 ‘ol dibrarum pro quolibet: tlorens 


daB also ein debittun conventione aestimatum vorliege. Sei das wirklich der Fall. dann: 
»illa aestimatio debet reddi, et non major«. Dann hatten also die Erben nur 700 librae 
zu restituieren, und es stehe dem auch nicht entgegen. dab die Glaubigerin aut’ diese 
Weise Schaden erleide. (Dieses Risiko bringt chen die kontraktliche Festlegung eines 
bestimmten Kursverhiltnisses mit sich. wenn sie mit der consuetudo loei. die dem 
Schuldner das Reeht gibt. die Coldschuld in moneta parva argentea zu begleichen. zu- 
sammentrifit.) 


§ 4. Gesamtwiirdigung der Konsilien. 
A. Aunichst ciniges tiber die Tatbestinde. welche Gegenstand der Gutachten sind. 


I, Die Obligations causae sind von mannigtaltiger Art: Erbteilungsschiedsspruch (O 13), 
Legat (() 31). Kolonatsvertrag (S74), Dosbestellung (BV 213): Kauf (BV 129): Beamten- 
anstellung (BI 499. 500. If 269); in O 250 eine constitutio Papae. die wohl cinen zwi- 
schen den beiden Kléstern geschlossenen Vertrag bestitigte. [In BV 130 erhellt die caus: 
nicht: es handelte sich um Forderungen einer civitas. 


Il. Als Schuldform begegnet dreimal das debitum aestimatum. und zwar mit allen 
Astimationstaktoren, die vorkommen kinnen: in 013 »ponebatur grossus pro 15 
turonensibus parvis consuetudine«: in BI 499 (u. 500) hatte eine taxatio vad rationem 
32 Venetorum parvorum pro quolibet grosso per legeme« (specialem) stattgefunden. und 
in BV 213 ist (in der zweiten Alternative) der florenus aureus conventione ad rationem 
trium librarum cum dimidia pro quolibet Moreno fistimiert worden (ef. yp. 34). 

Ein debitum certae bonitatis kommt nicht vor. 

Ein debitum simplex enthalten O 31. 250. S74. BV 130. 213 {erste Alternative). 

In O 31, 250. S74 lautet das debitum simplex auf librae. © 31 bezeichnet die 
librae nicht genauer: O 250 stellt ab auf librae Turonensium parvorum. S74 auf librae 
(resp. solidi) denariorum parvorum Pisanorun. 

In BV 130 und BV 213 in der ersten Alternative geht das debitum simples auf 
floreni. 

kin debitum valorem respiciens auf librae (solvendae) in florenis aureis scheint B II 269 
und BV 129 zugrunde zu liegen. 


TW. In O 250. S74. BI 499, 500. BIT 269 werden wiederkehrende Leistungen 
geschuldet: in den tibrigen Fallen eine einmalige Leistung. 


IV. In 0 31, 250. 874, Bl 499. 500 sind Anderungen der bonitas intrinseca ein- 
getreten. In O13, BIT 269. Vi29. 130. 213 mur Anderungen des valor extrinsceus. 
In BV 129, 130 ist diese Anderung durch decretum valoris erfolgt. aber von seiter 
einer Instanz. die zu seinem Erla®8 nicht befugt war. 

In © 250 hat ein anormales decretum aequivalentiae des Konigs von Frankreich os 
unternommen, die neuen Turonenses fortes, die im Verkehr dreimal soviel galten wie 
die alten turonenses debiles. auf die Zahlkraft der letzteren. also auf den Parikurs, herab- 
zudriicken. 


B. Die Gutachten. 


I. In der Form der Darstellung steht Signorolus in scharfem Gegensatz zu Oldradus 
und Baldus. Sind letztere auch nicht gerade Meister des Stils. so fiigen sie sich doch 


Das Lahlkraftrecht der Postylossatorenceit. 3) 


in die Zeit. welche Dante, Petrarca. Boecaccio hervorbrachte. nicht uneben ein. Wo 
Referate iiber den Tatbestand gegeben werden’, sind sie einfach und klar. 

Aueh die Entscheidung wird unzweideutig und in gedrungener Kiirze formuliert 
und ihre Begriindung in knapper. streng legiceticr Ausfiihrung entwickelt. 

Siviiorolus ist laeeeeu schon ganz eae Schematismus der Scholastik vertallen. Die 
Darstellung des Tathestandes ist treilich auch bei iin einwandfrei. \ber die Deduktionen 
sind von grober Schwerfalligkeit. Zuerst in vierzehn Rubriken Griinde fiir die Gegen- 
ansicht: dann in elf Rubriken positive Vorbereitung der eigenen Entscheidung. Zin SchluB 
in weiteren Rubriken Bek&iimpfung der gegnerischen Argumente. Und das alles in einem 
Aufbau und einer Sprache. die andauernd Riitsel aufgeben. 


Ul. Der literarisehe Apparat ist bei allen dreien gering. Signorolus verweist nur ein- 
mal on. 26 i. f.. auf cine Bemerkung des Dynus zu 1. 58 (2), V.O. Oldradus zitiert in den 
conss. 13 und 31 niemand, in 168 Noten des Innocens und des Hostiensis zu ¢. 20, X. 
3.39 und «18. N.2.247%. In 250 n. 2 beruft er sich ebenfalls auf Hostiensis und auer- 
don auf das Brocardieum des Azo’ »eadem mensura vel moneta debetur« ete. in der 
Rubrica XI] de Contractibus*, und in n.5 wird zweimal Innocens angezogen. 

Baldus ist nicht viel reichhaltiger. In V 130 und 213 wird auf andere Juristen iiber- 
haupt nicht Bezug genommen, in V 129 nur aul eine \uBerung des Bartolus zu 1. 4, 50. 9, 
in IL 269 zweimal auf Jacolus de Arena’ (zu 1. cum quid. RC und 1.8. C. 4. 65). In I 500 
wird lediglich die summa des Hostiensis”. rit. de Sees erwithnt. Nur I 499 enthalt 
zalitreichere Zitate. In on. 4 wird Cynus’ (7 1336) au 13, C. 2. 4o und Dynus? (> um 
1300) zu Ll. 41 $4. 32 angetiihrt. ferner eine ee des Tavslne Butrigarius (Is Aee 
Sa. VI p.68) und die oben (p. 28) abgedruckte Stelle “des Spekulator. In n. 2 hei®t es 
dann noch: »nam tacite videtur conventun de salario antiquo et consueto secundum Ja. et 
Ro.« Es wire moglich. da damit Jacobus (> 1178, Sa. TW p. r4r ff, 145) und Rogerins 
(um 1160, Sa. LV p.197) yemeint sind. 

Ill. Sehr griindlich werden die in den NKonsilien ausgesprochenen Ansichten durch 
Stellen aus den Rechtsquellen belegt. Das Corpus juris civilis steht dabei im Vorder- 
erunde: aber auch Berutung aul das Corpus juris canonici ist hiufig. Signorolus zitiert 
auf den zwei Folioseiten. welche seine Deduktionen einnehmen. ungefiihr go Stellen aus 
Digesten. Codex. Institutionen und Authentiken. aber nur cine aus dem liber Extra. 

Oldradus stiitzt seine \usfiihrungen im cons. 165 aut cinige 40 Belege aus Digesten 
und Codex und aut 6 aus dem Jiber Extra. Im cons. 250 rekurriert er nur sechsmal 
auf das CJC. aber siebenmal auf das CJCan. Die consilia 13 und 31 sind fast ausschlieb- 
lieh auf das CJC. tundiert: daneben spielt nur das Caput Olim causam (ce. 20. X. 3. 39) 
seine Rolle. 

Die Konsilien des Baldus. simtlich von prignanter Kiirze. ecben trotzdem gleichtalls 
ausgiebig Quellenbelege. besonders [499 und V 130. 

Eine Hauptgrundlage der Zahlkrattlehre bildet die |. eum quid. ff si certum petatur 
(1. 3, 12. 1) von Pomponius (libre 27 ad Sabinum): 

»Cum quid mutuum dederimus, etsi nun cavimus, ut aeque bonum vobis redderetur. von licet dehi- 
tori, deteriorem rem. quae ex codem venere sit, reddere., veluti vinuut novam pro vetere. — Nam 
in contrahendo. quod agitur. pro cauto habendum est: id autem agi intellegitur. nt ejusdem generis. 
et eadem bonitate solvatur. qua datum) sit.« 


' Das veschielit nieht immer, weil die Konsilien ja nur fiir Riehter und Parteien bestimmt waren and 
deren Bekanntsebatt mit dem Tatbestande unterstellt wurde. 
“ Beide Stellen sind von Innecens T.. 1212 resp. 1205. Veta b230 (Sa. Vip. sp 
1 Ausy. Basileae 1567. 8°. p. 130 37- Berlin Fk 7o20. "um 1300 (Ss. Vp. gor ff. 


"ot paca (Sa. HE p. 421- IV p. 340. V p. 316 18). * Sa. VI p. 83. 7a. V op. 45 


a 


36 kK Savawenr: 


Oldradus zitiert diese lex in 31°. 1683. 2507: Signorolus in 74’ %: Baldus in 
269 II], 130 und 113 V. 

Baldus und Signorolus verwenden auch bereits die 1. Paulus ff de sol. (1. GG. 46. 3) 
von Paulus (libr. 4 responsorum): 

»Panlus 2. . respondit. creditorem non esse cogendum in aliam formam muamumos aecipere. si ex 
ea re damnum aliquod passuras sit.« 

Mehrfach in Bezug genommen werden ferner |. vinum. ff. si cer. pe. (1. 22. 12. 1) 
(Oldradus 16S‘. Signorolus 1. Baldus 269 II, 213% V). — L uxorem § testamento. ff de 
leg. 3 (1. gr $ 4.32) (Oldr. 13°. 317%. 250°. Bal. 4997 IT). -— 1. solidos, C. de vet. numisin. 
pot. (hay Cpa Try von Valentinian und Valens: 

»Solidos veteruin principuim veneratione formats ita tradi ac suscipi ab ementibus ct distrahenti- 
bus jubemus. at nihil omnino refrayationis oriatur. modo ut debiti ponderis Sint et specici prohae: 
scituris universis. qui aliter fecermt. haud Teviter in se vindicandum. « 

(Oldr. 168? +, Bal. 500? I.) 

Die Hauptbelege aus dem CJCan. bilden: 

e. olim causam, Extra de censibus (c. 20. X. 3.39) von Innocens IIl.. 1212. (Oldr. 168+, 
317. 137: Bal. 499°, 500'L.) 

¢. cum ecanonicis. eodem (cv. 26) von Gregor IX., etwa 1236. (Oldr. 250°. Bal. yuo’. 
500' I.) 

ce. si beneficiorum. de deeimis, Cle. (¢. 2. Cle. 3. 8) von Clemens V. 1311. (Bal. 499' 
ho F406 Vu 2527 Va) 

Oldradus 168! zitiert auch das c¢. quanto personam. Extra de jurejur. (eo 1S8. X02. 24) 
von Innocens IIL, 1205. 


i 


IV. Fir die Entscheidung ist zuerst nétig festzustellen. welche Geldsorte Schiuld- 
geld sei. Dariiber bestehen hercits feste Regeln. 

1. Bei dem debitum simplex erwachsen nur dann Zweilel. wenn pendente obli- 
gatione die bonitas intrinseca veriindert. m.a.W., wenn eine neue Geldsorte gleichen 
Namens. aber abweichend in pondus oder liga oder heidem, eingeftihrt worden ist. Neit 
Azo. Brocardica p. 136', gilt dann ganz allgemein der Satz: 


eadem monet debetur. (pae erat Tempore eontraetip. 


Das wurde dann, ebentalls ganz allgemein, ausgedehnt auf alle Geldschulden. dic 
irgendeiner dispositio hominis entstammen. also irgendeiner privatrechtlichen Vertii- 
eung. namentlich auch ciner letztwilligen. 

Am klarsten hezeugt dies Baldus I 499 in seinem Reterat tiher Jacobus Butrigarius: 

determinay it, quod debet inspici moneta, quae erat tempore promissionis, hen quae CHrrit tempore 
solutionis., et sic tempus contractus tnsplartur s,s et idem est ubicunque aay ex dispositions hominis, 
quia tempus dispositionis, non tempus incidentis solutionis attenditar 2.6. 

Oldradus und Signorolus sprechen sich nicht so unzweideutig aus. Aber nach dem 
ganzen Inhalt ihrer Darlegungen (in O. 31, 250°. S.74° und dem Summarium zu 13) ist 
es mir nicht zweifelhaft. dali beide die Ansicht des Baldus teilen. 

Alle drei sind m. E. auch der Ansicht. da nur diese Bestimmung des Schuldgeldes 
dem Parteiwillen entspreche. 

Nicht so einmiitig war man betreffs solcher debita, die auf einer »dispositio legis« 
beruhen. 


1 Anse. Basil 1567. 87 (ef. Sa. Vo ga gop. 


Das Libthraftrecht der Postglossatoren zeit. 37 


Durandus hatte (cf. p. 28) ausgetiihrt. obrigkeitlieh verhingte Geldstraten scien in 
dem zur Zeit der Verurteilung umlautenden Gelde zu entrichten. auch wenn dies vine 
andere bonitas intrinseca aufweise als das in dem Strafgesetz genannte eleichnamige. 
Sei also in dem Strafgesetz fiir eine gewisse Deliktsart cine Strate von 1o librae Vuro- 
nensium festgesctzt, --- set dann eine Verringerung der Turonenses in threr bonitas in- 
trinseea erfolet und erst nach deren Eintritt jemand wegen eines solchen Deliktes aut 
Grund jenes Stratgesetzes zu 10 librae Tur. verurteilt. so habe er nur to librae der ge- 
ringeren Turonenses zu zahlen. D. begriindet seine Entscheidung damit 


quia mautata moneta debet statutum: terelbigi secundum Glam er aon de veteri. 


Das kann nur bedenten. da nach der mutatio monetae das alte Strafgesetz so verstanden 
werden soll. dali es von jetzt an eine Strafe von 10 librae der geringeren ‘Turonenses 
verhinge. Man wiirde dem Ausspruch des Durandus nicht gerecht, wenn man iln noemi- 
nalistisch ausdeutete. d.h. ihn dahin verstehen wollte. nach dem alten Stratgesctz miiBten 
auch fernerhin 10 librae der alten Turonenses als Strafe verhiingt werden. bezahlen 
braueche man aber nunmehr dafiir nur noch 10 librae der neuen. 

Ehenso entscheidet D. tiber statutarisch festgesetzte Beamtengehilter: tritt spiter eine 
Verinderung der bonitas intrinseca ein. so soll das Statut von nun an dahin verstanden 
werden, daB es die neue gleichnamige Geldsorte als Schuldgeld festsctze'. 


Baldus bekennt sich —- in [| 499. 500. die Ja auch gesetzlich festgelegte Beamten- 
gehilter betreffen — als Anhinger des Durandus (und verallgemeinert dabei den ‘Vat- 


hestand auf alle debita. die »ex dispositione legis... ex constitutione vel consuetudine « 
sich herleiten (p. 28)«. Oldradus yertritt aber in dem Falle seincs consilium 250 die 
entgegengesetzte Ansicht. Eine ordinatio Papae also sicher eine dispositio legis -- 
hatte 1302 den Abbas Cisterciensis verptlichtet. dem Abbas Claraevallis tortliufend jiher- 
lich 300 librae den. Turonensium zu zahten. Nachdem bald darawt’) die Turonenses in 
bonitate intrinseca verbessert worden waren. entscheidet Oldradus. da nicht etwa von 
da an 300 librac der neuen fortes. sondern auch weiterhin uur 300 librae der alten de- 
biles in obligatione seien. 





2. Bei dem debitum valorem respiciens ist nattirlich an und fiir sich stets fraglich. 
welche der beiden Geldsorten das Schuldgeld sei. und also der Wertmesser. nach dem 
die in der anderen Geldsorte zu zablende Summe sich bestimmt. Und man miiBte dic 
Entscheidung hiertiber jedesmaliger besonderer Bestimmung tiberlassen. wenn sich nicht 
dariiber cin besonderes jus dispositivum herausgebildet bitte. Ein solebes war aber be- 
reits vorhanden and ging dahin. da die moneta minuta als Sehuldgeld und die moneta 
grossa als Mubzahlgeld zu betrachten sci. Das hat seinen historischen Grand: die 
moneta minuta als die fltere ist. als dann spéter die grossa wieder aufkam. zum Wert- 
messer der grossa geworden~. Es hat aber auch seinen praktisehen Grand: man will 
von dem Brauch, die Geschiifte des tiglichen Lebens aut minuta abzustellen. nicht ab- 
gehen. sich aber doch in der betreffenden grossa-Sorte cin Zahlungsmittel sichern., welches 
dem Emptiinger vorteilhafter ist als die minuta-Summe: vorteilhafter besonders dadureh. 


1 Bine dhotiche Gedankenreihe Jegt iibrigens Signorolus (g4-) dem veagnerischen Vertreter in den Vind. 
der sogar bet einem rein privatrechtlichen KRolonatsvertrage die Pachtsumme vou ro solidi den. pars. Pisu- 
norunt in to sel. der jewels iuatierten den, pars Pis. abtragen wollte, Er (abt ihn sagen: 

manda obligato diversas habet praestationes per tempora quantum ad aptitudinen: solvendi sic 
judieatur de stngulis solutiontbus fiendis ae si pre quolibet lemipore et secundum quodlibet foret abli- 
entio contracts. 

! Noeh Jabrhundene tandnccb celieb) sti die Vorstelling., da Bo mioneta duingta per grassam ian dest 


matin secl aqvossa per min titat. 


38 LK. NtAwren: 


dali die grossa im Verkehr als Zahlungsmittel beliebter ist. Zahlung gréBerer Sammen 
im minuta war fiir beide Teile cin unpraktisches und. wegen der grofen Transporte. dic 
nétig wurden. sehr beschwerliches Geschiift. Ganze Saumtierladiungen waren da schnell 
zusammen!, 

Trat nun bei einem debitum valorem respiciens der Fall ein, daB die bonitas in- 
trinseca sich pendente obligatione beim Schuldgelde finderte. so waren dann wicder die- 
selben Fragen zu entscheiden. die wir unter 1 erértert haben. In den Konsilien des Old- 
radus, Signorolus und Baldus kommt kein solcher Fall vor. Man hat keinen Grund, an- 
zunechmen, da sie diese Fragen hier anders entschieden haben wiirden als bei einem 
debitum simplex. 


V. War das Schuldgeld festgestellt, so blieb dann noch die Haupttrage zu heant- 
worten. wie auf die Schuldgeldsumme zu zahlen sei. 

1. Beim dcebitun aestimatum (und ebenso beim debitum certae bonitatis) war dic 
Antwort leicht: zu zahlen war genau das Ausgemachte resp. Bestimmte: cf. 0 13. BI 4gg. 
500. V 213. 

2. Das debitum valorem respiciens stellt dem Schuldgelde ein MuBzahlgeld gegen- 
iiber. In letzterem mu gezahlt werden, nicht etwa besteht nur eine facultas  sol- 
vendi, in ihm zu zahlen’. 

Nur Baldus hat (in Il 269 und V 129) tiber Fille referiert. die ein debitum valorem 
respiciens (auf librae, solvendae in florenis) enthalten. Er sagt (in Il 26G p. 54) sehr 
bestimmt: sei das Schuldgeld noch im Umlanf. so miisse nach dem Kurse der Zahlungs- 
zeit (in dem MubBzahlgelde) gezahlt werden 


»sive aestimatio sit aucta sive minuta, semper inspiciatur solutionis tempus. 


Er steht also auf dem Boden der Ansicht. die oben (p.9) als die vorwiegend ver- 
breitete bezeichnet ist. Wie wir kiinftig sehen werden, gilt er den spiiteren als der 
Mithegriinder dieser Ansicht (neben Bartolus). 

In Frage kommt hier nicht die Zeit, zu der gezahlt werden muh. sondern die Zeit. 
au_der wirklich gezahlt wird. Der Kreditor soll eben in dem Mubzahlgelde so viel er- 
halten. daB er sich damit im Augenblick der Zahlung die ihm zukommende Schuldgeld- 
summe einwechseln kinnte (so wie nach BGB $ 244)". 


1 CE Seuatee p.1i63: Davipsouy. Forschungen 4 op. 321 oben, Seater ioe. berichtet. nach einer U1- 
hunde vou Piacenza (1227). daB zu einem Transport von is Sack mit ye 200 libra imperialinin 8 Saumtiere 
erforderlich waren, Man hann danach ermessen. daB die Surmme von rund 16000 dibrae denariovim Pisanorun 
minutorum. die nach Davipsosy |. c. Kénig Konradin am 14. Maii1268 von dev Kommune Sient in Pisa als 
Soldgeld cupting. zum Transport eine ganze Karawane erforderte. 

* Diesen Charakter des Zalilgeldes im debitum valorem respiciens offenbati uns besonders gut Molinaeus 
in seiner Quaestio go (et. »Molinaeus« p. 32). Ev spricht dort (Bu. p. 511 12 0.7/8) klar aus. da8 bei emem 
pactum redimendi. nach dem eine Summe von 12000 librae Turonensinuin in 6000 aureis zu zahlen war. 
~principaliter 12000 librac sunt in obligatione.. daB aber eine acceessoria obligatio beziiglich der 6000 
aurei bestehe. dahin gehend. dab 

-ea stmua (12000 librarum) debet solvi... in dictis aureis:. 

Cf auch Guido Papa. decisiones (Delphinatus). qu. 355 1. 2 (1459). 

Bei der oben (p. 36—38) besprochenen Feststellung des Sehuldgeldes der aus dispusitio Jeais ent- 
stumunenden Obligationen kommt dagegen m. E.. nach der von Baldus tibernommenen Ansicht des Durandus. 
erundsitzlich die Zeit der Falligkeit. also die Zeit, zu der eezallt werden muB. nicht die Zeit der wirk- 
lieben Zahlune. in Betracht. Denn wenn letztere Zeit maBeebend wire. sewinne der Sehuldner EintliB aut 
che Bestimmune des Wertes der Schuldstmme und hénnte diesen Eintlu® leicht in unzubissiger Weise aus. 
uutzen. -- Den Gegensaty zeige foleendes Beispicl: eine italienisehe Civitas hatte. ihren: Statut semi (aise 
aus disposino legis). 1350 einen Bearnten mit einem jahrlichen Salarium: von 20 librae parvorum angestelit. 
Kriegsnéte maclhien ihr die Zahlung 1350 und 1351 unmoglich. zwangen sie auch noel vor dem Falligwerden 


Das Lahtkraftrecht der Postglossatoren zeit. 39 


Auf den Kurs der Inntstehungszeit der Obligation stellt Bo nur dann ab. wenn 
das Schuldgeld nicht mehr im Umilauf’ ist. 


3. Soweit die facultas selvendi in alia moneta gegeniiber cinem debitum reicht 


(cf. p. 11). wird von Baldtus ——- dessen Consilia V 130 und 213 die einzigen sind. welche 
Fille solcher facultas solvendi betreffen --- wiederwn der Kurs der Zeit der wirklichen 
Zahlung als mabgebend erachtet: es soll die 
aestimatio florenoruim per tempora caurrens pro tempore funcetionem recipere. ne fiat... creditoris 
conditio deterior... Unde secundum varietatem temporum variatur moneta ot aseendit et deseendit. 


et tempus solutionis debeat inspici (¢c. 130 p. 30: ef. zac. 213 p. 32) 

4. Auf ein debitum simplex. dessen Zahluug in setuem Schuldgelde geschieht. ist 
diese Geldsorte. in Hobe der Schuldsumme. zu zahlen. Das sagt Oldradus in ¢. 316 und 
250° (p. 13--15). Signorolus im ¢.74” (p. 21°: auch Baldus in I ¢. 499‘ (p. 25. 26) 
und ¢. 500' (p. 26) neigt sicher dieser Ansiecht zu. Der nominalistischen Zahlungsweise. 
die wegen des deeretum Philipps des Schinen zur Erwigung kam. tritt Oldradus in 
c. 250°? (p. 15. 16) scharf cutgegen (bei den tibrigen Konsilien wurde die Frage nicht 
praktisch). Aber auch die sp&ter uamentlich von Molinaeus so energisech vertretene An- 
sicht, eine zwischen Entstehung tnd Zahlung der Obligation eingetretene Verinderung 
der Kaufkraft miisse zum diminuere resp. augere der zu zahlenden Summe ftihren. findet 
sich noch in keinem der tiinf einsehlagigen Konsilien vertreten. Sie verlangen alle noch 
Zahlung in genauer [Hohe der Schuldsunme und in der tempore obligationis bestandenen 
»bonitas intrinseea«. Gesetzt also. die Schuldgeldsumme  betrug 100 floreni aurei und 
das Kursverhiltnis zwischen dem florenus aureus und der libra. das zur Zeit der Schuld- 
begriindung 0:4 war, hat sich zur Zahlungszeit (wir unterstellen: ohne daB eine Ande- 
rung der bonitas intrinseca eingetreten ware) auf 1:5 versehoben: der florenus hat also 
gegeniiber der (unveriindert gebliebenen) libra an NKaufkraft gewonnen. ‘Trotzdem sind 
zur Bezahlung der Schuld nach wie vor roo tloreni erforderlich. nicht etwa nur So. wie 
spater Molinaeus hehauptete. 


5. Das Gesamtergebnis zu V ist also dieses: 

a. Die zehn Konsilien zeigen keinerlei Hinneigung zum anormalen Nominalismus (cf. 
p. Sf€.). Fiir alle Zahlungen wird vielmelr der Grundsatz der matericllen \quivalenz ver- 
treten: die Geldleistung mu der Schuldsumme gleichwertig sein. 


b. Aber jene Zeit kennt zwei Arten der Aquivalenz: die Gleichwertigkeit an Kauf- 
kratt (valor extrinsecus) und die Gleichwertigkeit an Edelmetallgehalt (bonitas intrinseca). 
Uberall fast, wo eine Sehuld nicht in dem Schuldgelde selber. sondern in alia moneta 
gezahlt wird. bemilit sich die zu zahlende Summe nach ihrer Kaufkratt: sie muli so 
hoch sein. da mit ihr die Schuldgeldsumme angekauft werden kann’. Wird dagegen die 
Schuld in dem Schuldgelde selber bezahlt. so ist nicht die Kaufkraft. sondern der Edel- 
metallgehalt allein mabgebend. Eine Schuld von 100 ducati Veneti kann nur mit 100 
derselben ducati Veneti beglichen werden. 

Die Zahlung nach bonitas intrinseca ist der Nachklang der fritheren Zeit, in der noch 
nicht mit gemiinztem Gelde. sondern durch Zuwaigung von Metallbarren gezahlt wurde. 


der zweiten Gehaltsrate. die parvi zu versellechtern, Sie zalilte beide Raten erst 1352. Nach Durandus wird 
das Gehalt von 1350 in den besseren. das von 1351 in den sehlechteren parvi vesehuldet. Eine Zahlung aut 
die parvi in grossis miiBte aber nach den Kursen des wirkliehen Zahlungstages geschehen. 

1 Bemerkenswert ist dabei. daB jedentalls Oldraduy auf die Eutstehung des valor durch usus Gewicht 
leet: of seine cons. 250 und 168° (p. 16.17). Der Gedanke. dali der valor usualix dem valor cecretalis 
sehlechthin vorgelien nilisse. komunt jetzt freilich noch nicht zum Durehbruch: ev ist erst day Erzeugnis einer 
spiiteren Entwiekelung. die ihren Hobepunkt in Molingens (ef. »Wolinacus. p. p2 Pi erreielht. Cf aber p. 72.73. 


10 EL Srawen: 


Die Zahlung nach valor extrinsecus bedeutet ein neues Entwickelungsstaditm der Zahil- 
hrattlehre. das dic Einttirung gemiinzten Geldes und die Erkennutnis zur Voraussetzung 
hatte. dali das Geld zwar ohne liga und pondus nicht sein kénne. dati aber seine wesent- 
lichste Higenschatt scin valor extrinsecus, seine Kauf'kraft, sei. 
Wie sehr und wie Jange aber jene iiltere Anschauung noch nachwirkte. bewcisen 
die Ausfithrungen des Molinacus (qu. 100 n. 749, Bu p. 529): 
sommes... Veteres oo. (uno solo Joanne Fabro excepto) una voce ubique . 6 sive in traetatibus sive 
in Conusiiis tenmerunt semper et indistincte ... debere attend: et exigi... bouititem  intrinsecaim 


quae ente tempore contiactus sive cujuscnuque dispositionis: ct cum sit plusquaan communis et prac. 
judicata opinio. stpertiiuin exe wathores eitare 62. « 


Kap. If. Die sonstige Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts. 


Aus der Literatur des 13. Jahrhunderts habe ich auBer den bereits angefiihrten 
Dicta des Azo (p. 36) und des Durandus (p. 28) noch heranziehen kéimen die leetura 
und dic summa des Llostiensis tiber den Liber Extra und Stellen aus der Sehritt de 
regimine principis des Thomas von Aquino, Aus dem 14. Jahrhundert waren mir direkt 
zuginglich A\uberungen vou Cynus. Joannes Faber. Joannes Andreae. Albericus de Rosate 
und Bartolus. 

Abgeschen von Joannes Faber. verindern sie das Bild. das die Konsilien gaben, 
nieht. machen es aber farbenreicher. 


§ 1. Hostiensis und Thomas. 


[. Der Kardinal Henricus de Bartolomaeis aus Segusia (Susa westlieh von ‘Purin). 
nach seinem Bistum Ostia Hostiensis' genannt. Zeitgenosse des Thomas von Aquino und 
heriihmter Dekretalist (1271). hat eine summa decretalium und cine leetura super quinque 
libris deerctalium (des liber Extra) geschrieben. Letztere lag mir im Erstdruck? vor. den. 
auf Kosten des Doktor Georgius Ubelin. Joannes Schottus Argentinae 1512 ausgefiihrt hat.° 

Hostiensis triet seine Zahlkraftlehre beim cv. quanto personuam vor (bei c¢. olim causain 

5 lL 
und ¢. eum canonicis wird auf die Ausftthrungen zum ¢. quanto personam = verwiescn). 

Hostiensis bespricht zuerst die mutatio bonitatis intrinsecae dureh den rex. Ex he- 
handelt sie unter dem Gesichtspunkt der »defraudatio« und sechildert folgendes Verfahren: 

ty} 

Defraudari dicitur moneta legitimo pondere. yuando a principio ordinatum fuit et statutum certin: 
pondus auri vel argenti ponendum in quolibet denario: sed postea fuit diminatuin de mandate resis: 
et mounctam sic diminutam poster expendi mandavit et recipi ae si ejusdem pritni ponderis esset .., 
fol. 347" Sp. 2). 

Hostionsis nimmt gegen dieses Vertahren Stellung (lL ¢.): 

hon ereditur quod (rex) hoe faeere possit sine consensus populi: sed cua assensu ipsius ho 
ficri potest... 

Er bestreitet also dem rex das Recht. der neuen. gleichnamigen, aber schlechteren 
Miinze einseitig. ohne Zustimmung des Volkes. einen dem alten. besseren Gelde gleichen 
valor zu verleilien. 

Das ist derselbe Standpunkt, der (ef. unten) durch Albericus de Rosate, Bartholomaeus 
Socipus und Albertus Brunus in der Form vertreten wird, nicht ein mandatum principis. 


' Sentiin ID p. 123-120. * Berlin Fp 6394. 2°. 
Chelin. der den Drueh angeblich olne Erlaubnis des Eigentiuners der Handschrift veranlaSte. rithmt 
sich in der Vorrede. der Welt damit ein zweites Jus Flavianum zu sehenken. 


Das Zullhraftrecht der Postylossatoren zeit, 4] 


sundern nur consuetudo, vermdge dem gleichnamigen sehlechteren. nenen Gelde den 
valor des alten. besseren zu verschaffen: nur dann miisse der Gliubiger auch die Zahlung 
in der gleichen Stiiekzahl der nova moneta annelmen. weil (bei Bestehen cines soleheu 
valor ustalis) ja »pre So ex novis viliorilus potest haberi tlorenus auri sicut pro 80 ex 
antiquis melioribus«s und deshalb  »nallum adest interesse ereditoris« sich gegen dic 
Zahlung in dem ueuen Gelde zu webren, (Brunus bei Bu. p. 370%. 
Sodann erdrtert Hostiensis die Reprobationen und fragt. ob debitor oder creditor 
das periculum triigen. Er unterscheidet: 
Refert qua de causa moucta fuerit reprobata: atrium videlicet ideo reprobetur quia minis disni- 
butoest. vel causa avariciac. ut dotminus lueretur in reprobatione. licet tn allo valor sit’ dimunutus. 
In primo casu. se. quande pecunia diminuta est in valore et propter hoc inipeditar corsus: perieulin 
est debitoris et non eveditoris. ita quod debitor tenetur reddere pecuniam on ilo valore in quo cur 
rebat tempore mutai contracti: cum noseatur levitime pondere defrandata. (H. zitiert dafiir die e. olim 
causain tnd cum canonicis sowie L gg sol)... si aes remanserat. pondere tamen areenty in quo valor 
copsistit nimis fuerit diminuta ... reddenda est in eodem valore in quo mutuata fuit... 
Sin autem diminuta nou est sed solum causa avaricrae reprobata, ut recolhgatuy et contletur 
et poster cadatim sub eodem pondere. sicut frequenter fit... et debitor fuit conseius traudis vel 


in culpa. adhuc suum est periculuun.... 2... quodsi in nulla culpa reperiatur debitor. sufficit quod 
reddat pecuniam in eodem genere et ib coder pondere et in eodem valore quoad pondas: lieet climi- 
nuta sit quoad cursum... nisi aliud dic¢tinn sit... mam contraetis ex conventione legem aceipiunt ... 


fol. 358" Sp. ap 


In diesem Zusammenhang mit der reprobatio werden auch die Schutzmabregeln be- 
sprochen. welehe die (iiubiger zu ergrcifen ptlegen: 
Super quibus etiam consueverant sibi providere creditores. quando se. miutae tradunt pecunian 
sibiad cevtum) terminun veddendam. 
faciunt enim apponi in instrumento. quod subi reddatur pectunia ejusdem materiae et ejusdem 
vuloris et ponderis et in eodem cursu (fol. 357" Sp. 2) 
Z7w Zeit des TLlostiensis war also das debitun certae bonitatis und das debitum 
vestimatum auch schon im Gebrauch, 
Auch das Recht des Schuldners. statt in dem Mubzahlgeld in alia moneta zu zahlen. 
ist damals sehon anerkannt und ebenso seine Besehriinkung durch |. 99  sol.: 


Uli etiam certam est quod creditor cum damno sue non tenetur in aliam formate mummos 
accipere (fol, 3382 Sp. 1). 


H. zieht aber unter Beruttng auf C. sol. 1. penult. auch den umgekehrten Schlub: 


nec debet evigere a debitore. ut cium damno suo in aliam formami solvat (Lh ¢.). 


Letzteres wiirde von Bedeutung sein. wenn der princeps auf eine moneta debilis 
cine gleichnamige moneta fortis folgen lie und anordnete, daB dic in moneta debilis be- 
griindeten Schulden in der gleichen Sttickzahl der moneta fortis zu zahlen seien (Oldr. 250). 

Im wesentlichen Gleiches sagt die Summa aurea’ im Liber IIT de censibus rubr. 39 


Quid si imoneta mutetur: et ipsum cathedvaticum mutamdum. dicam. ut de eadem pec. solvatiar 
cum dicam ipsum sequi cousuet. regionis. ut motat: supra eod. § respon. bet versieuh quid si cdiversce 


et hoc intelligas. quando moneta saepius mutatur. ita quod tmum genus praescriptum non est. 

Porro si aliqua moneta currit per an, 40 et sineulis amis fait cathedraticum: solutam: ad illam: mouetaiu. 
et clapsix 40 anuis mutetur moneta. ad aestimationem prime reddendum est: nisi praescrip. solutionis 
mmonetae secundi generis sit completa. sie intellige. 

infra eodemt olin. sapr. vodem canonicis (e. 20. ¢. 20. X. 3. 30) 
vermm. is qui mutavit pro lvero temporal: in gravamen populi. tenetuy ad satisfactionem. 
eliamsi rex Sit: maxime si primam juraverit tenere: sie loquitur, supra 

de jurejan. quanto, (e 18. N. 2. 24) 


1 Henrviei a Segusio Cardinalis Hosticnsis atirea saminda... Coloniae 1612. 2. Berlin Fp 6301. 


Phil-hist, Abh. (92s, Nie d 6 


{? EO Siaurr: 


eavcant erse sibi principes mutantes monctam, nam apud Deum. et im foro pocnitentiall astringuntur. 
Sieut ef in noves pedagiis. et quae dicantur nova. not infra codem versie. exactionis. et hoc intelligas, 
visi forte haec innovatio fiat populo. cajas interest. approbante. are. supra 


de majo. et obed. ec. fin. (e. 1 


7. Net. 33) 
excipe Tiperatorem. sive Regem Ronnanoriuia. 


ut ff de orig. Jur. |. 2 § novissime (l. 2 $ 11. 122). ~ Institu. de ju. natur. § sed et quod 
principi (§ 6. 4.1. 2) 
ereo ad antiquame monetau. vel aestimationem ejus solyi debet. et idem jutelligas. si census vind vel 
oler ad cert imenstuman debetum. sive augeatur mensura sive etiam minuatur. 

Quid ergo si Rayinnudini vel Papi. soluti fuerint. et in pace sine quaestio. et recepti per qo aun. 
in aliqua provincia: et nune carrunt Toronen. per terran. certe ad aestimationem Raymundi. sunt 
solvendi. etiamsi ante ios so aun. eueurrerant Turonen. quia is continue per yo ann. de minori 
tnoneta recepit. videtur quod amplus solvi debuerat remisisse. argu. in his quae not. supra eodem 
S quis census. versie. sie ereo in censibus. : 

neo: Et nunquid Rex Praneiae haber privileginm coneedend: pedagia. vel noutandi nova tonetan, 
respon. Sicut Papa in consimill quaestione. sie vidercuu aliquib. atinfra qui til. sint leg. per venerabilen, 
Sinsuper (eoig. Ne g.a7) tuihi tamen non videtur. nisi et populus sibi eandem potestatem dederit. quar 
et Tiaperatori data est. 

are. 1 de orig. ju. Lo 2 $ deinde quia difficile (Lo2 So. 1.2) —— 1 quod eujus. univer. Trem 
suffragium S$ si decuriones (Lo 6 S$ 1. 3. 4) 


et hi posseut hoe concedere in pracjudicium suorum suffraganeorum tantum. non extraneorum. ad 
quod facit. quod not. supra cle capel. mon. S$ cui subest. versic. yuod etiam dictum est. et sequ. nisi 
forte, et extraneos dicas factos stos ratione territorii, quod verius est. arg. in his. quae no. supra de 
pavoch, § quis intelligatur. versie. quid de scholaribus. 


If. ‘Thomas von Aquino (1274) hat in sciner Schrift de Rebus Publicis ct Principum 
: . . : ~ . ao ie . . I~ Ja r : 
institutione (mit dem Untertitel: De Regimine principum’) im 13. Napitel des 2. Buehes 
die im Miinzwesen eingerissenen MiBbriiuche ebenfalls verurteilt. 

({Nunmismatis) factura propter authoritatem principis causatur commodam regi: quia uulli alii 
licet sab cadem figura et superseriptione cudere ... In qua quidem. etsi liceat suum jus exivere in 
cudendo nuinisma. moderatus tamen esse debet princeps quicunyue. vel rex. sive in mutando. sive 
in ditminuendo pondus. vel metallum. quia hoe cedit in detrimentam populi... 


Th. verweist dan aul den in ¢. quanto personam refericrten Fall des rex Aragonum 
(qui) graviter reprehenditar ab Innocentio Papa. quia numisina mutaverat diminuends in populi 
detrimentum. 

Auch Thomas ist die wesentlichste Eigenschaft des Geldes seine Kaut'kraft. 


Ad hoe enim inventum est numisma. ut solvantur lites in commerciis. et sit mensura in com- 
mutationibus. .. unde et (Philosophus) conclodit in (quinto) libro Ethicorum, namisma constitutum 
propter commutationis necessitatem. quia per ipsum expeditius fit commerecinm. ac tollitur in com- 
mutiielo materia itis. 

Das Geld unterscheidet sich von den Maen und Gewichten durch seinen Ligenwert: 


pendas et mensura in quantum talia semper ordinantuy ad mensurata, et ponderata. aliter per se nihil 
sunt: sed numisma, quamvis sit mensnra. et instrumentum in permutationibus. tamen per se aliquid 
esse potest. puta. si contletnr. erit aliquid. videlicet auram. ct argentum: ergo semper non ordinabitar 
ad permutationes (Kap. 14). 
Thomas hat es offenbar auch schon klar erfabt. da Geld ohne Eigenwert eiu Un- 
ding wire, weil es dann seine Aufyabe, als allgemeines Tauschmittel zu dienen. nicht 
erfiillen konnte. 


1 Greifswald Fe 388. 8 . Lugd. Batay. 1643. 


Das Zahlhraftrecht der Postylossatorenceit, 43 


§ 2. Cynus. 


Guittoncinus. aus dem Gesehleeht der Sintbuldi von Pistoja (1270 --1326. Ss. VI 
ji / he 
p71 -~-97)- hat die Zahlkraftlehre in seinen »Commentaria in Codicem ct aliquot titulos 
digesti veteris'« behandelt. Am hiufigsten werden seine Darlegungen zu lL cum quid 
zitiert. Ei Hinweis in der decisio Neapolitana 194 des Matthacus de Afilictis® (1448- 
re . : i 1 > 1 : ; 

1528) fiihrte aber auf die Lin minorum (4). C. 2, 4o tm. 15. fol. ro4’). wo Cynus die 
Folgen der reprobatio monetac so klar und eimdruchsy oll bespricht. daB es sich empfichlt. 
hier zu beginnen. 

Modo ponamos. mutuasti mihi decem in moneta tine currentic ante moram domunus terue. ut 
Rex vel alins dominus., vel commune civitatis. destiuxit diam monetam. Numanid ego sam libevatus. 
vel quid tenebor solvere? 

Dixerunt quidam. quod ego solvain illam: monetam. quae tempore mutai currebat. lieet postea sit 
reprobata. qaia mutnum est. quod tantanden in bonitate intrinseea requirit, ere ete. it Loecame quid. 
fh si certum petatur. 

Unde si prime acciperem Turonenses mutue. et postea Rex Franciag destrusit vos. et mutaverit 
monetam sicut consuevit, solvenda tamen fi cadem materia et bonitate intrinseca. consequitiy 
liberationem : 

Quidam ut Jacobus et Odottred. dicunt contrarium. videlicet, quod solyere debeo denarios seu 
monetam currentem modo. alias non liberabor: quia sant quaedam res qaarum bonitas attenditur 
penes materiam. et illis tantundem solvendo liberatur debitor. considerando bonitatem intrinsecam 
penes materiam, -  (Quaedam vero sunt res in quibus attenditar bonitas penes usum.,  Pone enim 
quod primo habetuy pro Turonense. tune currenti unt amensam. vel unum pondus rei. modo non 
possum habere tantuim pro Turonense. Certe considerata bonitate extrinseca penes tsum non lihe- 
rabor. solvende monetam illam quae modo non carrit. Rodem inedo et potest probari hie per 


]. Labeo (et) Sabinus. if de verborum significa. (1. 14. 50. 10). 
ubi cavetur. quod quaedam sunt res quae mais in ust consistunt. et ste in eis considerandis venit 
bonitas usus. 

(Juid dicemus? Credo com Petro de Bellapertica) quod solyendy Turonenses seu ilkun monet. 
quae tune currebar in eaden: materia, consequar liberationem per dietam legem cum quid. Praeterei 
eadem est ratio. hie quae est in obligatione speeiei. qua pevemta vel diminuta sine eulpa debitor 
eyus liberatur. ut 

tf de verboram obliga. 1 si ex legati causa (23-45. 01 


Ergo cam modo sit ejas bonites diminnuta quantun: ad usta sine stpa meas i tint liberatus sum. 


Diese Ausfithrungen des Cynus sind deshalb besonders wiehtig. weil uns in ihnen der 
Begriff der bonitas penes usum (aly Gegensatz zu der bonitas pencs materiam) hegeenct. 
und weil wir aus dem von Cynus gewihlten Beispicl klar ersehen. dafi mit der bonitas 
penes usum (aly seiner bonita, extrinseca) die Kaufkraft eines Geldes (und nicht erwa 
eine von der Kaufkraft verschiedene Zallkraft) gemeint ist. -- im Gegensatz zu der 
honitas penes materiam. die dureh den Metallwert (als bonitas intrinseea) dargestellt: wird. 
Cynus. als reiner Metallist, (Bonitist in meinem Sinne, ef. »Molimaeus« p. 63 Anim. 3) wollte 
also. ebenso wie Petrus de Bellapertica (> 1305). die Riekzahlung (ante moram) auch 
noch in moneta reprobata zulassen: Jacobus de Belvisio® und Odofredus (> 1265) er- 
kannten aly Valoristen (» Molinaeus« 1. c¢.). de le. als Verteidiger der Zahlaung nach Kaut- 
kraft. solehe Zahlung nicht als gentigend an. 

Zu der locum quid (fol. 50° un. g der comm. in digestum vetus) gibt: Cymus \us- 
fithrungen zu mutatio und reprobatio monctae. Er referiert: die Ansichten des Petrus de 
Bellapertica und des Jacobus de Arena. 


1 Prancofurti a, Me. 1378 Greifswald db 31s. 20.0 (ln der epistela dedicaturia des Herausgebers. RCG.- 
Assessors Nicolaus Cisner eine sehr ausfiilliche vita des Cynus mit vielen interessanien Daten. Ce war ein 
: : ; 2: Sean . : bie 
Treund des Petrarea and selbst ein eereeuis Poeta. An deny sehweren Kampfen. die damals zwischen Kaisertum 
und Papstttin tim die Suprematie enthrannten, hahim ©. auf Seiten des Kaisers stehend. lebhaften Anteil ood 


vow Sieh dadureh das Chelwollen auch spiterer maunentlich des Baldus und des Panormitanus -— 7u.} 
> Lugdum i548) Grettswald dosi3. 3. ' (Cb Ant. Faber p. So). > 133s: ef. Sa. VI p. 60 --67. 


n 


44 EL. NSrauepr. 


Pettus... distinguit. aut moneia iiutata est aut reprobata est post moran debitoris, eb tine 
Sub imajori aestimatione (i.e. bonitate extrinseea. efi. 3) debet solverc. 


tit infra eod. |. vinum) (1. 22. 12. 1) 


aut est reprobata vel mutata ante moram. et time vestitiendo monetaun quam accepit. liberabitur (per 
ane legeur feu quid)... 

sdacobus de Avena distinguit inter aestumationem solam. et pondus. ut si quidem: aestunaria sola 
est diminuta. ante moram veddatur qualis nunc est. quia taleme redderet st esset aucta. 


ar. (. de soli. 1b (penpultimi (24. C28. 42) 
post moram tenetuy supplere. quoad plurimum fait. at int. eo, 


lL vinum (1. 22.12. 1) 


Si autem est mutatum pondos. non liberaretur dande bane. are. lagus leet intr. de contrahen, emptio. 
lor. Et sie dabit antiquam. vel si nom habebit. sapplebit. ut 


extra de censi.. cup. penul. ... (ce. 20. XN. 3. 39h 


(vnus tritt fiir den Fall der mutatio dem Jacobus de Arena bei: bei reprobatio hilligt 
er dagegen die Ansicht des Petrus. so wie oben. 
Am Beginn der on. g setzt er sieh mit gewissen »modernic«. die er nieht bei Namen 
nennt. tiher die von diesen angenommene bonitas usus anseinander: 
secumduin eos... quiaedam oe. SUNT res. qularnin bonitas non consistit penes mater lam sed pebes 
ust ioarie et forma. ut est moneta. quae consistil in approbatione Princip. et istae tes habent 


eandem Lonitaten: intrinsecam ex parte usus: quia ita habes pro curventi moneta decent Hotenorai,. 
sieut babebas pro pecumia quan mutuasti: creo ete, se. 


C. fiigt hinzu. daB Petrus diese Meinung nicht teile. Er selbst steht ihr - ach 
dem ganzen Zusammenhang sciner Austithrungen zu urteilen — chenfalls ablehnend gegen- 


iiber. Vollige Klarheit tiber den Tathestand der bonitas usus. welche jene moderni \er- 
teidigten. IiBt sich aus den AuBerungen des C. nicht gewinnen. Vermutlich waren jenc 
moderni von den nominalistischen Tendenzen erfillt, denen Joannes Faber zuncigte 
(ef pp. 52. 53): dergleichen honnte Cynus als Bonitist nicht gutheiben. 


§ 3. Joannes Andreae! und Albericus de Rosate. 


I. In der additio »olim« zu der oben (p. 28) abgedruckten Stelle des Durandus schreibt 
Joannes Andreae wortlich das consilium 250 des Oldradus aus. aber »tacito authore«. Er 
schliebt sich der Ansicht des Durandus tiber die Behandlung der debita ex contraetu augen- 
scheinlich an und erstreckt sie auch auf solche ex testamento. 

Er berichtet dann noch. nach Pileus*, dab 


-quidaim uobitis babens in tale casa laudare. distinait inter debiteren: usuiariin) ef aon tsarartinn 


Das crinnert an einen von Apott Scwacsr in seiner Handelsgeschichte der roma- 
nischen Volker (1906) auf p. 754 5 mitgeteilten Vertrag von 1166 zwischen Bologna und 
Modena. der végenseitig Schutz der Gliubiger garantierte. Er erhielt 117 9 den Zusatz. 
von Schulden. die unter Zinsfestsetzung aufgenommen scien. sollten auch die Zinsen be- 
yvahlt werden: bei unverzinslichen Schulden sei darauf zu achten. »daB (mit Riicksiche 
auf etwa cingetretene Miinzverschlechterung) auch wirklich der volle Wert. den die Schuld 
mur Zeit des Kontraktabschlusses darstellte. zur Riickerstattung gclangte«. 

Diese uns zuniehst seltsam anmutende Unterscheidung zwischen verzinslchen une 
unverzinslichen Schulden wird begreiflich. wenn man bedenkt. da namentlich im Mandels- 
verkehr damals Zinssiitze tiblich waren. die wir heute als sehwer wucherisch bhezeichnen 


1348. der Verfasser der additiones zum speenlam juris des Durandus: Sv. VI Pp. oF—-125: Sentrir TI 
p. 205-220. 
2 nach pop: Sac EV p.gt2- 383 (que 35 in Centuriae octo quaestioniunis, Hamburei ro0s. 84. 


Das Lahlhraftrecht der Postylossatorenzett, A5 





wiirden. 20—25 Prozent waren gang und gabe. Und beim Seedarlehn stieg der Zins- 
fuls bisweilen auf 50 Prozent wid dartiber: et. Retyyarp Ueyxex. Zur Entstehung des 
an . 4 . - ee a . Ss 1 
Kapitalismus in Venedig, Stuttgart 1905. p. 99’. 


Il. In seinen: Kommentar zu lL. wxori (32) $1. de leg. 3° zeigt Albericus de Rosate® 
wenig Selbstindigheit und WKlarheit. In on. 4 schreibt er die Konsilien 13, 31 und 250 
seines Lehrers Oldradus aus. Und in n. 2 i. f und n. 3 gibt er die Ausftihrungen des 
Cynus zur |. in minorum (p. 43) mehrfach verbo tenus wieder. Er selbst teilt offenhar' 
die Ansiehten des Oldradus und des Cynus. die ja beide die mutatio bonitatis intrinsecac 
rein bonitistisch behandeln. Inn. 3 i. { berichtet er. dab auch Dynus (um 1298. Lehrer 
des Cynus und Oldradus) sowie Jacobus de Arena (> 1300) 


4 


tenent pracdictam opinionem. quod tempus contracts attenditur... 
Am Beginn der n. 4 wirft Alb. die Frage aut) »an Rex Franeiae vel alii Reges licite 
possunt monetam mutare. et sine peecato«. und verweist auf das cap. quanto personam. 
In seinen Commentarii zu l. cum quid? ist in n. 12 wichtig das Referat fiber Cynus: 


Cynus hie (zu ©. de jar. dot. Losi inter viruim) (b21. (2 5. 12) -- et C. in quib, can. in 
Integ. resti. non est neces. Loin minorum (lL. 3. C. 2. 40) 
tangit hane qnaestionem supponendo quod Tnperator vel Rex vel alius habens potestatem mutandi 
monetam. cam mutavceit eb antiquam reprobayerit et tsum ejus. in qua quaestione cdieit: variatiin 
esse per Doctoves. Quidam enim ut Dyuus et sequaces tenuerant quod dehbeat fieri solutio de 
moneta carrente tempore contractus. et si foret reprobata vel expendi probibita. quod debeat solvi 
nova aequivalens antiquaes et si non aequivalerer quod supplere debeat in eadem bouitate. per liane 
let alia jura per cos allegata, alii nt Odofredius et sequaces dixerunt qaod suffieit solyvere mone- 
lam novi etiamsi sit vilior: quia quaedam sunt in quibas attenditur intrinseca bonitas respectu 
materiae ut in vino et blado: quaedam in quibus attenditur respeetu formac et usus. at in moneta 
quae Consistit, in approbatione prineipis vel alterius super hoe potestatem habentis. Moneta onim 
habet Dbonitatem. qa(quia?) pro moneta no (nova) enrrenti. et st osit in viliorem: mutata. tanen 
mncHus poterunt res cit per noevani. Siete poterant et possent cum: veteri res eink si asus jus nen 
essel prohibitus: et mon interest creditoris habere veterem. sed uberiorem: et quod bonitas con- 
sideretur respectu usus. probatur infra 
de VeS. 1 Labeo et Sabinus (Lrg. 50. 00) 
pro hoc optime facit, beet per aliques non allegetin, 
32. qe fe. quis ignorat (catisa 32 qu. ge c. O20) 
cunt gh ihi posta. quae videutur terminare qiaaestioneme: dicitur euime the quod ex que aioueta nova 
currit, et expendatur authoritate. puta principis vel alteriis authovitatem habentis. succedit: in locum 
antiqiaie. of excusatus est debiter eam solvende. quia (qnando?) sine ejus facto contingit miutata’. 
et pro hoc infra 
' Davinsonr. Porschungen 1. gibt auf p. 158.9 cine Zinstabelle. die 29 Darlehushontrakte aus den Jalen 
ro bis 1210 beiandelt. Der Zinssatz weehselt: zwischen ro und 66.6 Prozent. In 17 Fallen betriiet er 20---25 
Progzent. in S Fallen geht ev daritber hinaus: nae in 4 Fallen bleibt er unter 20 Prozent. In 6 Villen waren 
Geistliche resp. Kléster die Darlelnsgeber. Dev Zinssaty betritet lier in 5 Fallen 20---25 Prozents nur in einem 
Palle begniiete sich der seistiche Geldgeber mit 14.28 Provent. Seliuddgeld waren in allen Palen librae resp. 
solidi. Die Betriige wechseln von 2 solidi bis zu 103 librae. 
Scuvtnr. pe b1g-——121. 388—300. 407. 523. 643. 716 wilt eine Menge Material daft daB im 12. und 
13. dahrhandert der Zinssatz von 20 Proveut sehr hiufig war und keineswees als wueheriseh walt. 
2 Mtherier de Rosate im prima fet secundam) Infortiati partem commentuia. Veuetus 1585. 2. Berlin 


(ie Soot. Po Sa. VI p.126—130: Scntner IL p. 245 6. 
Pou. 2 + dico Spechtrt Tempus contractus hie autem agitur de bonitare intrinseca. et ideo spectatir 
Tempus CONT ACTUS 6. es © Venew 1385. 2°. Pars Tf ffiveteris, foloob one re -1g (Berlin Ge sqoo. 2). 


Glossa v (Tempori nro) zu ce. 6 (quis tgnorat). C. 32 qu. 4. 
Arg. quod si prime euarrebat fortior moneta et mode curvit vilior de mandate prineipis, Hberor 
solvendo \iliovem. ar. 
ff de contr. emp.. dmperatores (1.71, 18.1) -- ar. contr. Extra, de censibus. olin (C. 20. X. 3. 39) 
in fi, -— Msi cer. pe. eum quid (1.3.12. 1). — Extra. de jurejn.. quanto (eS. X. 2. 24). 
Das Zrtat beweist tibrigens. wie naiv man in der Herbeivichune angeblicher Boweisstellen verfulir. Denn 
das cap. quis ignovat bandelt fiberhaupt aieht von Dingen. die sich mit der Lehre von der bonitas usus des 


46 EL. Stawenr: 


de Contvalb. Empt.. 1. lmperatores (Ll 71. 18.1). —-- et de solu. 1. creditor th og. 40. 3). cum ibi 
not. — et bene etiam faeit Extra de maledicis. ¢. 2 (e. 2. X. 5. 26) ubi dicitur. quod usualis moneta 
sulvi debet. et de mutata. — de deemiis. c. 2 (¢. 2.3.8 in Cle.) 
ubt dicitur: »ad monetam communiter carrentem:. Item pro hoe. quia cadem ratio videtur hie qitie 
est obligatione speciei. qua perempta vel diminuta sine culpa vel mova debitovis. debitor liberatur. 
infra de V.O.. Losi ex legati causa (1. 23.45. 1) 
ergo dieet sift in bouitate diminuta in substantia. non tamen quanta ad usm. ef sine facto debi- 
toris, debet liberari. sed ista ratio nou videtur procedere: quia hie now loquimur de obligatione 
specivi., sed generis quod perire non potest. 
ut Cost eer. pet. Le ineendium (lia. C. 4. 2). 
ne Ta: vSed astud est verum de genere generalissime. ut si debeo hominem ino genere iste perire 
non potest. sic loquitur |. incendium: seeus in genere subalterno: ut si debeo untn ex servis. teste 
toris. si omnes debeant (2) (depercant?). diberatus sum. ut intra 
ad legen Faleidiam. in ratione. § ineerte (bh 30 $ 5. 35. 2). 
sic videtur in propusito, sed certe uno obligate de mutuo videtur obligatus a genere generalissune, 
nou sabalterne. per dob ineendimn, et ideo iste ratio non videtur bene procedere. nec etiam prima. 
quod ita possum emere res ex moueke nova Viliori. sieut ex antiqna meliori. doe ton est veruni: 
immno quando vilescit mouneta. res efficiuntur cariores. quia vendentes cousiderant bonitatern et wtili- 
tater monetac. sicat videmus ad seusum. 
sed fortior ratio videtur pro opinione praedicta si supponamus waitiquam monetam reprobatam 
et usum ejosdem: tune etiam si debitor vellet. non posset solvere antiquam. cujus usus est reproba- 
tus. ut infra 
de pign. act. 1. cleganter § qui reprobos (1.24 $1, 13. 7) 
sed huic posset responderi. quod nou solvit monevun antiquam. sed novam. sed: tanto plus de novi. 
qnod suppleat intrinsecam bonitatem antiyuae, Et sie adhue rediremus ad opinionen Dyni ot 
sequacium. 


$4. Bartolus'. 


A. Der Kommentar des Bartolus zu 1. 99 sol.” gibt das vollstindigste Bild von desseu 
Zahlkrattlehre. Er eignet sich fiir unsere Darstellung auch deshalb besser, als das was B. 
zur 1. cum quid ausfiihrt®. weil wir tiber die Ansichten, die er zu 1. gg sol. diussert. eine 
vortretfliche Erliuterung von dem Spanier Didacus Covarruvias a Leyva hesitzen'. Dieser 
herithinte Jurist, den seine Zeitgenossen den Bartolus Hispanus nannten. schrieb 1556 
eine » Veterum collatio numismatum cum his quae modo expenduntur«. Das Kap. 7 handel 
»de mutatione monetae« und ein Anhang zu diesem Kap. 7 fait die von Bartolus ver- 
teidigten Natze in einer Anzahl conelusiones zusammen. Ich werde diese conclusiones in 
die Besprechung einbeziehen. 

l. Bartolus geht in n. 1 und 2 von Beispielen aus, in denen »centum librae« pro- 
mittiert sind. und fragt: de qua pecunia videor promittere? 

Schuldgeld (Wertmesser) sind ihm zweifellos die librae. Er fragt also nach dem 
Mubzahlgeld und betrachtet als dieses die moneta in civitate currens, »CUJUS Tespectu 
dicitur solidus et libra«. Er tthrt anschlieBend aus. dali in einer civitas mébglicherweis 
mcehrere monetae umliefen, »quarim respectu dicitur solidus et libra«c: so in Florenz zwei. 
wimlich die tloreni minuti antiqui de quibus valet florenus auri 29 solidos und die moneta 
der floreni novi. de qua valet tlorenus tres libras. Dann entscheide sich die Frage. welche 


Geldes in Zusammenhane bringen lieBen.  (Setne Uberselivitt: lautet: virginalis eastitas non pracfertur conjugia 
Abrahac.) Nur die an die Textworte “TEM pOri VOSTRO: ankniipfende Glosse springt. reelit unmotiviert. nut 
gene Lehre ber. 
ass pe SUN pe tgy: wea 

£ Bartoli a Saxoferrato (in digestat commentaria Basiliae 1388. 2°. Greifswald | 272. 

Abeedruckt auf p. 35. 

1 Pidaer Covarmiaias a Leyva Opera omni... Tom. 1p. o11—6ss. Franeofurti 13g2.00 2°.) Gyerfs. 

wald «bp 28s. Lim Abdroek der Coflatio befindet sre auch ber Bu. p.a78 0 661, 


Das Lahlhraftrecht der Postylossatorenceit, Ay 


Florenenart in conercto gemeint sei. bisweilen secundum consuetudinem civitatis: z. B. 
sei_es in Florenz consuctudo. dah in pannis et in serico appellatio solidi et librae rete- 
ratur ad florenos minutos antiquos. Eventucll komme diejenige der inchreren Geldsorten 
in Betracht, die wahrseheinlich gemeint sei. 
I Inn. 3 und 4 bespricht B. die Frage des Kannzahleeldes. Covarruvias (con- 
elusio round 2) taBt die Ansicht des B. in tolgende Siatze: 
cot: quoties obligatie concepta tuit sub certa specie monetae. non tenetar creditor recipere quati- 
libet aliam monetam etiam probam ad monetae promissae aestimationem. si sit alterius imateriac. 
e. 2: etiam ubi obligatio concepta fnit sab certa specie monetac. cogitur creditor monetam diversac 
formae et characters vecipere, modo ojusdem materiae sit, et ad eandem aestimationenn. quae debetur. 
solutio tiat. 
Bartolus selbst (nu. 4) sagt aber zur Materie der conel. 1: 
Tgitur. st tu qui debes pecuniam mimutam. velles dave tlorenos. vel econtra. Leite possent recusari 
de juve: Heet de consuetudine observetur contrarium in eivitate ista et in multis ahis .... 
und Covarruvias bestitiet. daB alle. die die Ansicht des Bartolus tiber diesen Tnhalt 
des jus teilen 


taumen Unauimi consensu fatentur eoustuetudine contrarium rece pluie Esse, 


Doch bleibt m. E.. nach 1. gg sol.. stets die Einschriinkung auch fir B. bestehen. dab 
der Gliubiger. durch die Ausithung dieser facultates solvendi. in conereto keinen Sehaden 
erleiden darf. 


NT, Nacehdem dann. in on. 5. noch kurz entschieden ist. daB die Kosten behordlicher 
Prittiung (approbatio) der moneta beide Parteien pro rata tretfen. beginnt. von n. 6 
an. die Erorterung der mutatio monetae. 


ue 6: Quaid. st moneta est mutata, de qua moneta debebit: solvi2 Haee mutatio potest diobus m|dis 
contingere: vel quod mutetim tmateria vel forma. ita quod in bonitate aliqua mutatio contingit: vel 
quidem non mutetur materia vel forma. sed mutatir equs bonitas in hoe. quod florenus auri vel alin 
moneta de argento grossior valeret plus hodie quam) consueverat. 

1. Primo modo dicunt nostri Dd. et bene. si quidem de moneta antiqua reperiatur. et eyas enrsus 
aon est reprobatus. poterit et debebit de ilki moncta antiqua solvi, Sed si non reperiatur. vel ejus 
cursus est totaliter reprebatus. debet solvii aestimatio ilius monetae antiquac: 

I. eleganter § qui reprobos. de pigno. aetio. (L 24 $ 1. 13. 7) 
et est expressum ine. olim causam. de eensi, et not. per Cynum in 
loin minoram. C. in quibus eaus. in integr. restit. non est necess, (h. 3. C. 2. 404. 


Entsprechend Covarruvias 
conel 3: pecunia mntata in bonitate intrinseea. nempe ino materia vel pondere. solvenda est se- 
cundum eam bonitatem. quam habuerat tempore contractus. non autem secundum ilam. quam habet 
tempore solutionis. 

Coy. betont, dab dies die communis opinio sei. Nur Johannes Faber belaupte in 
der Auth. hoe nisi (zu |. 16. ©. de solu. 8. 42). dais publico deereto der moneta nova 
debilis dieselbe Zahlkraft verliehen werden koOune. welche die moneta antiqua fortis hatte’. 
Cov. selbst steht ganz auf dem Boden der herrschenden Meinung. 

(Bar. n. 6) 2. Secundo modo (si) contingit mutatio 22. est advertendum. si quidem debiter nou 


est in mora. tune Jiberatur solvendo dlam monet absyue dubio: quia variatio nulla contingit einen 
bonitatem rei intrinseeam. Nam in eadem forma et materia redditur. secundun: quod debet: 


I ves in dotem. de jure dot. (1. 42. 23. 3). —- Lo cum qaid. si cert. pet. (le 3.12.7) 
sed contingit mutatio respectu aestimationis. quod non imputatur debitori, qui non est in imova: 
l. vinum. si cert. pet. (I. 22. 12. 11 





' Cov. unterstellt tibrigens auch seinem Zeiteenossen Molinaens diese Ansieht. ohne zu beacehten. daB 
dieser einen valor mere deeretalis. der nicht dareh den communis asus komprobiert wire. gar nicht anerkennt 
(ef. meine Molinaeusstudice p. 56. EV}. 


48 EL NSrawer: 


Eutsprechend Covarruvias 


conel. 4: quoties peeunia eodem: pondere et materia manentibus vel augetur vel minuitur exuin- 
seeps. quoad ejus pretium et aestimationen. ea mutatio ante moram et mocet el prodest eveditori. 


Cov. betont auch hier: Uaee conclusio communis est —— und gibt cin Beispicl: 


Tuitur in hae specie satis evit: ereditori. quod debitor ei solvat eoutum Castellanos. quos dh cote 
ventionem dedusit. etiamsi hi numi mode publice iinoris westimentin. quam tempore Contractus. 
Kademane ratione debitor tenebitur centuim Castellanos reddere creditori, etiamsi hi medo pluais 
publico decreto aestinentur quam tempore obligationis fuerint aestimati, 


Bartolus und Coyarruvias sind also gleichmabig der Ansicht. daB eine Kursiindernuneg. 
die das Mubizahlgeld. welches zugleich Schuldgeld ist. ante moram trifft. die obligations- 
miBig zu zahlende Summe desselben nicht Andert'. 


3. Eigentiimlich behandelt Bartolus den Fall. wenn die mutatio aestimationis crst 
eingetreten ist. nachdem der debitor bereits in mora solvendi geraten war. 


ne 7: quando quis est in mora in non solyendo. ipse non tenetur de intevesse quod consisut in 
luera. sed de interesse quod consistit in damno: 


I. si sterilis $ cum: per venditovem. de aetio. cmpt. (1. 21 8 3.19. 1). 


Modo videwmus in casu proposite utrum creditor sit dauinificatus. quasi peeunin tminata sit minus 
bona in sui aestimatione: an vero perdiderit lucrum. quasi si ab initio habuisser ilhan pecuniam. 
emisset ex en plures florenos. qa posset emere modo. et sic fuisset lueratus tantunt. Nan si toe 
esset interesse. non attenderetur: 


dictus $ cum per venditorem, Advertatis: res dicitur deteriorari, quando ejay aestimatio respect 
pecuniae esset vilior: 


I, vinum. si cer. pet. (1. 22. 12.1) 
vt ideo in ceteris speciebus. quae aestimantur per peeuniaie: 
l. si ita. de fidejuss. (1. 42. 46. 1) 
iHud ext facile videre: sed in pecunia. quae non agstimatur per res: 
deol. si ita (le 42. qo. 1) 
est Videre. trim ona pecuma per aliam aestimetur. 
no: Breviter mihi videtur. quod pecunia auri vel argenti grossa aestimetur per iminutan. Et hoe 
apparet ad sensu. Minuta autem nunquam aestimatur per grossiorem, Non enim possun 
clicere. quod per flovenuum aestimetur UNS NOMS parvusy, ct per COMSCGTECHS Ne duo. mee tres, 


et sie de Singulis ad intinitum. Acervus autem nummorum. vel una summa nummorum. bene posset 
aestimari per florenum: sed ipsi numani singulariter considerate. non. Et hoe patet ad) sensu, 


Nem probatur: illa ves dicitur aestimare atian. quae est convertibilis, et penmutabilis in ali 
quiuneungile : 


lt. de contah. empt. (Lor. 15.1) 


sed moneta parva est permutabilis in omen mayorem: ergo per illam aestimatiy major. sed uioeneta 
migna non est convertibilis in omnenmt minorem: ergo pero monetam orajyorent non aestinatur minor. 


Modo ad propositum, si debes mihi centum libras pecuniae minutae. dico quod pecunia 
nutata non dicituy deteriorata respecta aestimationis suave: quia non habet aliquid quo aestimetar, 


Geeen diese comununis opinio uitt dann Molinacus auf. dem ja dic Karsiinderuns (die er nur als 
usu comprobata anerkennt) gleichbedeutend mir Anderang der Kautkraft ist. Ev bemiBr den Betray der zu 
zihlenden Samme so. da® ihre Kaufheraft mit derjenigen der summa obligationix wleich ists ist also die Kant- 
kratt der betvetfenden Geldsorte tempore selutionis cine andere als tempore obligationis, so ist. nach Mo. not 
wendig amehr resp. weniger zu zahlen als die summa obligationis (Molinaeusstadie p. 57 n. 21. 


Covarruvias erlautert diese Ansicht des Molinaeus an dem obizen Beispiel: 


Juxta opinionem istun. qui tenetur solvere creditori centum aurcos Castellanos. eb li essent post 
contractam obligationem extripsecus diminwi. tenetur omnino solyere creditori aestimationem iNam. 
quam tempore contractus habebant centum Castellani. et sie mumerum augere. Qnodsi Casteilanorun 
valor esset auctus. satis esset. et satis fit creditori. si debitor solvat panciores Castellanos. qui junta 
novum augmentam aequipollent centum ilis in obligationem deduetis. : 





Das Lablkraftrecht der Postglossatorenzeit, 49 


ideo creditor diceretur amisisse Tieruin. non autem passum fuisse damm: rerite hee non imipu- 
tabitur clebitori: 
d. $ cum per venditorem. (1 21 § 3. 10. 1) 
Nee obstat 
1 nununis. de in litem jurando (1. 3. 12. 3) 
quia licet in nummis veniat interesse extra rem: verum est in eo quod non consisttt in bueno. 


Sed si tu poneres. quod eeo deberem tibi dare centum florenos auri in ecalendis Januari. et 
| Ss 

Horenus valebat tune quatuor libras. nume cum solvis valet minus: dice quod a tempore morae pertinet 

periculum ad debitorem: 


d. Ll. vinum (1. 22. 12. 4). 
Ratio: quia cum florenus aestimetur per pecanian iminntan. et acstimatio Horeni est mutata. apparel 
quod florenus est deterioratus in aestimationc. sicut dicimus in vino. et in aliis speciebus. Idem 
dieo de qualibet moneta grossa. quae per minutam aestimatur. 

Bartolus geht also von der Voraussetzung aus. dal} bei mora in now solvendo nur 
Ersatz des damuum emergens. nicht auch des lucrum cessans, verlangt werden kone, 
und er behauptet weiter, damnum kinne nur aus der bei ciner grossa-Schuld cingetretenen 
mora cntstehen. weil die (einzelne) grossa per minutam fistimiert werde, d. lh. einen Ver- 
kaufspreis in minuta habe. und durch das Sinken dieses VerkautSpreises verschlechtert 
werde. Die (einzelne) minuta (z. B. der cinzelne Denarius) habe aber keinen Verkaut's- 
preis in grossa und kimnte deshalb nicht so wie die grossa respectu aestimationis ver- 
schlechtert werden, sondern man kénne. wenn die minuta gegentiber der grossa im 
Kurse sinke, immer nur sagen. da dem minuta-Gliubiger cin lucrum entgangen sci 
(durch EinbuBe an Kaufkratt). 

Dafiir habe aber der morose minuta-Sehuldner nicht einzustehen. 

Covarruvias teilt diese Sondermeinung des Bartolus nicht. Er behauptet, die minuta 
lasse sich sehr wohl durch die grossa fstimieren, und auBerdem werde bei mora solvendi 
auch luerum cessans ersetzt, quoties ... luerum est certum. 

Coy. formuliert deshalb. abweichend von Bar., tolgende 


conel. 53 mutatio peeuniae promissae et in obligationem deduetae contingens post moram ipsi 
omnino nocet, qui in moran inciderit. 


4. mutatio momentanea aestimationis non attenditiur. 
Bar. np. g. .. augmentum vel diminutio aestimationis Horeni vel alterius monetae. quae modien 
tempore duravit. ut una die. duobus vel pluribus diebus. vel qaandoque. non est attendenda ; 


l. pretia reram civea finem =... ad lever Faleidiam (1. 63. 23. 2). 
E 3+ 35 


Ebenso kurz Covarruvias: 
eoncL 6: Mutatio numismatum quae modico brevi tempore duravit. nullo pacto consideranda est, 
nee ejus erit habenda ratio. 


Wir haben es hier mit einer SchutzinaBregel geven unlautere Kurstreibereien zu tun. 


IV. Bei Bartolus folgt nun als SchluB die Besprechung des debitum valorem respiciens 
und des debitum aestimatum. 
1. n.10: Quid si ego mutuavi tibi, vel in dotem dedi. centuan libvas in florenis. nune vis mihi reddere: 
an ego coxar recipere, vel tu dare in eadem aestimatione quae erat tance. an in ea quae est nune 
tempore solutionis? 
Respondeo: Ista verba, Solve centuan libras in florenis, hoe est dicere: [stos florenos do tibi in 
solutum pro centum libris : 
l. si quis stipulatus fuerit decem in melle (1.57, 46. 3) 
et ideo non possunt peti nisi centum librae sieut si aliqua res esset data in dotem aestimata: 
L cum dotem, C. de jure dotium (I. 10, C. 5. 12). — et L si (?) aestumatis, solu. matr. (Ll 50. 
24. Se) 
et damnum et lucrum florenis contingens pertinet ad emu qui recipit: ideo ila verba non operantur 


aliquid. 
Phil.-hist. Abh. L928. Nr. 1. 


a0 I. STAMPE: 


sed quid esset in deposite. si depone apud te centum dibras in tlorenis. quid teneris reddere? 
Breviter dico idem. Nam hie ego videor tihi itlos Morenos vendere pro ilis centum libris. et pretium 
apud te deponere : 


I, verti condictio § ti, et Lo sey. si cer. peta. (loa So. kero. r2.ay. — Vacit 1 si ex pretio, 
C. si cer. pe. (lh. 6. C. 4. 2). 


llierzu macht Covarruvias criiuternde Austtihrungen in den conel. 8 und 9: 


conel &: Obligatio solvendi certam quantitatem incerta vunmuorun specie nulla constitu illorum 
aestinuttione. ita intelligenda est. ut illa quantitas solvatur in nuimis neminatim dessgnatis suly incerto 
numero. jUNtt cam uestimationem quae viget tempore solutionis, ta sane visum est Bartolo in dicta 
Paulus ad finem. Cojus opimie conmuoni omniam sententia probata videtur. not, Albert. Brun 
in... octava limitatione. 2. columna. Et in eadem conclasione altima. quinta ampliatione, 

conel, go: In contractibus et aliis similibus aetionibus haec verba: eentum dibrae tract in 
Florenis. velista centam millia marayvedinorum in Castellanis. eam signiticationent habent. qood ili 
hunni aarei Castellani ant ii Florent traditi aut depositi nee plorvis nee qiinors aestimantar nee 
unguam aestimande sant quam centum libris vel centum millibus muavayedinorum, 

Haec est opinio Bartoli in dicta 1 Paulos. penult. quaest. — cujus sententiam inagis comimonem 
esse fatetur Alb. Brun. in dicta limitatiune oetaya, — et probatur ex his. quae notantur in 

si (quis) stipulatus sim. (fuerit) 10 in mele. 1 de solutio. th 57. 40. 3). 

Et ideo his conceptis verbis tot ili Floreni cel Castellani. quot traditi frere tempore contractus et 
obligationis. pro illis centum libris vel centum millibus maravedinorum. venditi videntur ad aesti- 
mationem tot librarum vel maravedinorum. Et ea ratione satis erit quocunque tempore reddi centum 
libras. vel centum mille maravedinos. etiam si Vloreni. vel Castellani tempore solutionis pluvis aesti- 
mentur. quam eo tempore. quo traditi sunt. fuerint avstimati contrahentiam conventione, Atque ita 
est percipienda haec communis conclusio. 





Bei Bartolus und Covarruyias tritt gleichmaBig deutlich hervor, dab bei dieser Schuld- 
art das Schuldgeld resp. der Wertmesser immer in der libra- resp. Marayedi-Summe zu 
suchen ist, die monetae grossae also nur als Zahlgeld fungieren,. 


2, Zum debitum aestimatum AuBert Bartolus sich nur kurz: 


nro i. f.: Sed si fuit dictum. Depono apud te centum libras in florenis, hoe pacto, quod reddas 
in tlorenis sub eadem aestimatione: tune sub eadem aestimatione debent reddi. probatur in 


I. pen. $ mancipia, solu. mate. (1. 66 $ 3. 24. 3) 


Sed si non esset dictum in eadem aestimatione. puto quod debeant veddi in aestimatione communi. 
quae esset tempore quo debet fieri solutio: 


I. si quis stipulatus fuerit deeem in melle (1.57. 46. 3). 
Covarruvias ist ausfiihrlicher: 
conch 7: Quoties ab initio in cuntractu. vel in alia quacunque dispositiouc., ob metus mutationts 


monetaram. sit cautuin cde pecunia sub certa uestimatione solvenda. ca pactio plane servanda ert. 
nee mutatio numismatum contrahentibus nocebit nec proderit. texts optimus in |. penul. $ si mancipia. 


ff. solut: matrim. (1. 66 § 3. 24. 3).--- notant Bart. in dict. 1. Paulus in fin, ff de solut. (Lao. 16. 3). 
Imol. et Alexand in dicto $ si mancipia: (166 $ 3. 24. 3) 


et plures alii. quos refert Alb. Brunus in tract. de augment. et dimin. ulti, conclus. versi, octavo fallit, 

Eandem opinionem seribit communem esse Carolus Molin. de contract. yuaest. 07 uum, 733- 

quidquid ipse Bart. seripserit in dicto 
S$ si mancip. (1. 66 $ 3. 24. 3). 
Erit sane hujus conclusionis duplex exemplum econstituendum. 

Primum quidem. quoties ita concepta sunt verba, Promitto solvere centum numos atireos Castel 
lanos ad aestimationem quadringentorum octuaginta quinque maravedinorum pro quolibet Castellano, 
Etenim etsi creverit. vel diminutus fuerit valur Castellani publica authoritate. nihilo minus solutio tier 
debet secundum aestimationem taxatam ab initio contractus, atque ita exemplim hoe aptat Carol Mo- 
linacus in dict. num. 735. 

Est et alterum cxemplum. quod Bay. adfert. scilicet. Depono apud te centum Jibras in Florenis 
hoe pacto. quod reddas in Florenis snb eadem aestimatione. tune enim solvendae sunt centum librae 
in Florenis juxta veterem acstimationem. quae tempore depositi vigebat. — Et ne quis in exponendo 
lioe Bart. exemplo quandoque laesitet. illid rursus aperiam. ex ipsius authoris mente in hune modum, 
ut tot Floreni sint solvendi omnino. quot juxta veterem aestimationem efficiunt centum libras, licet 


3B. 
den Jl. 
I. 


Das ZLahtkraftrecht der Postglossatorenzett, ol 


modo tempore solutionis panciores Floreni efficerent centumn libras. — vel qui olim tempore contractus 
efficiebant centium libras. tempore solutionis non efficiunt octuaginta. Hie sane sensus ex Bart. de- 
prehenditur perpeusis his quae fn qnaestione praceedenti (n. 10 initio) seripserat (ef. IV. 1). 

Quo fit, ut in specie hujus conclusionis augmentin et diminutiv cedat damno vel luero ipsius 
creditoris, — qna vatione hie idem sensas non obtinet in proxsimo exemplo (ef. cone. 8). ut patet ex 
traditis per ipsam Carolum Molinaeam. quia in illo augmentam et diminutio Castellanorum cedit 
lnere. et danino debitoris. 

Sensus autem exempli traditi a Bartolo. plane ita explieatur per Albertum Branum in dicta con- 
clus. ulti. fimitat. 8 col. 3. 


Der Vollstindigkeit halber folgen hier noch wichtige \uBerungen des Bartolus zu 
cum quid (1.3. 12.1) — quod te (I. 5.12.1) und numnis (1. 3. 12. 3). 
Bartolus zu 1. eum quid 


nei0. Debes seire, quod quacdam est bonitas intrinseca rei: ut quod vinuim sit tilis saporis. et 
colovis. et similia, Quaedain est bonitas extrinseea: ut quod vinum tantum valeat.  Pstud de valore 
venit ab extra: quia idem vinum est. et ejusdem bonitatis, quando valet plas. siewt quando valet 
mints: sed hoe quod valet plus, vel minus. provenit secunduin aceidentia, [sta bonttas extrinseca 
non consideratur. nisi a tempore morae: 


at al. ko vinuns (1.22. 02. 1) et ibi videbitis. 
netz. Et haee faciant ad quaestionem de peeunia motaata. utram debeat reddi secundain antiquant 


formam. an vero secundum nova. 

Breviter. Quandoque mutatur bonitas intrinseca pecuniae. quia in forma vel materia: et tune diei- 
tur omning alia moneta: et ideo debet reddi de antiqua. si potest. vel ejus aestimatio.n ut hie: hoe 
enim videtur agi, ut in cadem benitate reddatur. et in codem: genere, Qnoandoyae non mutatur pe- 
euniace bonitas intrinseca sed variatur valor: ut quia florenus valet plus, vel ruinus, quam = valebat. 
evistud non inspicitur. nisi a tempore morac: del. vinum, quod die. ut plenissime dixi in 


I. Paulus infra. de sol. (1. ao. 40. 3). 


Sed quaero, mutuayi bi centum florenos. et florenus tune valebat 32 solidos: et postea cui spsos 
inihi restitais. non valent nisi triginta solidos: an possis mihi reddere in illo valove triginta selidorum, 
et sis liberatus? et liberatum te esse fiquet. nisi fueris in imora: ut alleg.  vinwn. Vel nisi minus 
valeant. quia forma fuerit mutata, vel quia fiant de nove floreni in pondere ininovic ete. si pro. tanto 
expendantur tempore mutui faeti: 


areu. in Auth. ut cum. de appell. cogn. in pring. (Coll. S Tit. 16 no. 115). ~ et L bonitatis j. de 
eviet. (143. 21. 2). —- et 1. Ratilia Polla j. de contrah. cinpt. (1 69. 18. 1) 


et idem posses dicere de mensura mutata: de quo Dd. in 

Loin minora. Coin quib. caus in intear. restit. non est neeess, (1. 3. C. 2. 40). 
Vel potes aliter formave lane quacstionem et sie guxta hoe: Pone quod recepi pecunian in une 
vilore, quam deheo solvere? et videtur. quod sufficlat. qaod solvam monetam. quae curvit tempore 
contractus. quia eadent est in valore tntrvinseco. et ejasdem: qualitatis: et quia etiam tempus con- 
tractus debet attendi: 


jetand.. l.si procuratorem, (1 8. 07. 0) ver. uniusenjusque, 
- et depos. Lor S si servus deposuit (Lo 1 $ 30. 16. 3). 


Et ideo si mulier eontrahat matrimoniuim. attendi dehet tempus ejus generis contractus: ef sic 
initium, per jura pracdicta. et facit 
Code bon. quae liber. lo eam oportet § fing in fin. (60 8 4. C.0. 61). ad quod, je de dona. 
I. qai jd quod in priv. (1. 33 p-- 30. 5) 


ubi initium econtractus attenditur. et ad hoc. alleg. Dyn. casum,. 


je dle deg. 3. 1 uxorem. § testamento. (gr $ 4. 32).-—do. jad quod vide de aur et are. leg. Lb 
si ita Tegatmm esset (lL 7. 34. 2) — et pro hoe. j. de Teg. 3.. uxori $4 (1. 33 $1. 32) — et L 
nomen § filio. (L 34 $ 1. 32). -— pre hoe est casas. j. de act. et obli. Lk cum quis in diem. (1. 22. 


44.7). — et de hoe leges speciales. j. de contrah. emt. 1b Rutilia Polla (69.18. 1). -- et Lin 
lege, eo. tit. (1. Ti tS. 7). 


Quidam dieunt contra. sci. quod debeat soli monet. quae currit tempore solutionis: et ila debet 
attendi. de hoc videtar casas in 


I. quoties j. de verb. obli. Uh sq. 45. 4) 


~1 


at 
lo 


E.NSrampeE: 


» 


dic, quod non obstat d. 1. quoties. quia ibi erat dilata solutio in faverem ereditoris, et ideo tota obli- 
gatio suspenditur in tempus solutionis. Item faetum Prineipis et casus fortuitus: ut 


j. de pign. act. Le fin. § fin. (1.43 $1, 13-7). — et faeit ad illud quo supra diximus. ext. de 
censibus.. ¢. pen. cum glo, (c. 26. X. 3. 39).—et facit ad praedicta. j. de jure dot.. Ives (L 42. 
23.3). — et extre de censib.. c. crim olim (¢.19. X. 3. 30) cum eh. — et extr. de jurejur.. ¢, 


quanto. (¢, 18. NX. 2. 24) 
cum ibi not. er per Host. in summa. UL. de cvensibus. § ex quibus. cirea prince. ver. quid si moneta. 
Et hoe verum. utsi aliud esset conventum: s. quod attenderetur tempus solutionis et redditionis 
dotis: quia tune de illt moneta redderetar. quae tune esset tempore solutionis: 


are. C. de ver usxor. actio.. 1. unica. § illud (lo1 $16. 0.5.13) in prine. 


Il. Bartolus zu 1. quod te n. 6.7: 


n.6: debeo tibi libras 10 evossoram Perusinorum: contingit quod per statitume luyas civitatis iste 
Moneta est reprubata, ita quod non potest expendi: au debitor liberetur? ... puta... quod liberetur 
debitor a praestando peeuniain illam in forma. sed saltem debet eam praestare in 

Weg amateria.... nam in peconia. et in omni genere metalli, materia inspieitur simpliciter. et tralia 
mais ad se formam. quam forma materiam ... 


I. Bartolus zu Ll. nummis (I. 3, 12. 3) wiederholt in n. 2 und 3, daB die peeunia 
minuta non acstimatur per grossam, sed grossa per minutam — und dali dic aestimatio 
‘lorenorum crescit et decrescit. ut videtis tota die. 


in neg: debebas mili dare centum libras tempore quo florenus valebat 40 sok. nune florenus valet 
30 solidos: et si tune habuissem pro centum libris 50 tlorenus. nunc non posstun habere nisi gor an 
dicar perdidisse et damnum passus esse. an vero non aequisivisse ? Dubium difficile est. non ex. 
amino hie. Dixi tibi in 1 Paulas de solu. 


IV. 1. cum certum (1.10 (9), 34. 2) enthalt niehts Neues. 


§ 5. Joannes Faber. 


Dieser Zceitgenosse Philipps des Schénen und seiner Siline war lingere Zeit Rechts- 
ichrer in Montpellier ¢) 1340 als Praktiker'). Er vertrat eine nominalistische Geldlehre. 
die aber, nach Zeugnissen aus dem 16. Jahrhundert (Molinaeus. Covarruvias, Budelius). 
weder bei seinen Zeitgenossen noch spiter Anklang gefimden hat. (Namentlich auch 
nicht bei Molinaeus selbst.) Er hat seine \uffassung ausgesprochen hei dcr Kommen- 
tierung des Institutionentitels quibus modis obligatio tollitur (3. 29) und der Authentica 
foe nisi (hinter L 16. C. de solu.. 8. 42). 

Den Text seiner Ausfiihrungen zu J. 3.29 gebe ich nach dem Lyoner Druck von 
1527°. verglichen mit dem Druck von 1557. 

Si mecum contraxisti tempore fortis monetac. quam forte Rex imutayit er pro ea fret currerc 
aliam minus fortem., nunquid solvendo hance minus fortem liberaberis ’ 

Videtur quod non. sed debes solvere in tali valore. sient erat tempore contractus: 

Extra, de cens.. ¢. olim et c. pen. te. 20. ¢. 26. X. 3. 30). —- pro quo faeit fh de CoE. doin fege 
(l.77. 18. 1) 
et nota Speculatorem de obl. et solu. Some aliqua ete. 

Credo, quod si Princeps deereyit ultimam habere curstun pro prima. quamyis in valore sit de- 
hilitata. quod debitor liberabitur solyvendo illam. si se obligavit ad solidos et libras. Seeus. si ad 
certum genus monetae et valorem. 

Certuin est enim. quod Princeps habet potestatem in talibus, et ad ipsum pertinet dare cursim 
et valorem monetae. ut apparet in 


l. 2 responso 2 in principio in materia sua (. de fal. mo. (I. 2. C9. 241 


To Svavtexy VE p. auth 
2 Berlin. Ge rog. 2. fol. zo. Berlin Ge 117. 2". fol. 108. 


Das Lahlkraftrecht der Postylossutorenczeit. 53 


igitur constitutio et ordinatio sua ligat. satis autem constituit, ex quo ordinat. quod 12 denarii valent 
solidum et 20 solidi illius monetae libram. et ci dat cursum pro legitimal 

Practerea obligantes se videntur habere animum obligandi ad usualems: illa autem est usualis ete. 

Cle. de decimis, e. 2 (c. 2, Cle. 3.8). -— in Extra de inale.. co 2 (c. 2. N. 5. 26)4, —~ et facit if 
de V.S.. lex Labeo et (1) Sabinus (1. 14. 50. 16). 

(ne 4h: Sed nunguid: qui promisit certam monetam liberatur si princeps eam omnino sastulit! Petrus 
de bellapertica \idetur tenere infra, de actionibus. § sequens.). quod sic ante moram: quia tenetur 
ad genus sabalteruam quod perire potest 

ff. loca. Lin nave (Ll. 31.19. 2) (ut seripsiy — et C. de re. ere. lL ineendium. (loti, C. 4.2). — 
Sed huic opinioni obstat tf de solu. 1 Paulus respondit creditorem (1. 99. 46. 3). 

Sed potest dici quod ibi loquiur in casu in quo non erat obligatus ad certum genus monetae sed 
ad solidum et libram. secus si ad certam monetain et ejus cursus inhibeatur. 

Curia tamen Franciae videtur tenere contra et quod debeat in valore temporis contractus, 


Zu der Authentica Hoe nisi bemerkt der Kommentar’ (rectius: das Breviariiun): 


Sed quid si mutetur moneta per Principem? Speculator dicit quod. si debebatur ex contractu. 
debet solvi talis sicut tempore eontractus currebat. si ex alia causa: wailis sieut currehat tempore quo 
obligatio contrahitur. 

Et ideo si quis tempore debilis monetae ineidit in emendamn banni freti tempore monetae fortis: 
solvet debilem secundum eum. ut seripsit Speculator ce solu. et oblig. § nune aliqua. Et sie intellige 

Extra de censi.. ec. olim et ¢. pemult. (e. 20. 6. 26, N. 3. 30). 


Tu autem potes dicere, quod. si princeps statuit monetam debiliorem currere pro alia: quod 
subjecti servare debeant. Et satis hoe statuit ex quo ordinavit eam cursum habere dehere pro solide 
atque libra sicut alia forte fortior currebat: quia ad usum videtar habere respectum. 

{de Vos. L Labeo et 1. Sabinus (L 14. 50. 16). 


Item quia constitutiones principum faciunt jus unde ex quo constituunt quod talis eurrerct quam is 
furte de alio engno: valore et pondere, valet 12 den. pro solido. ducentos et go pro libra. [ta te- 
nendum est 

et facit Clem. de deci. ¢. fi. (e. 2. Clem. 3.38.) - in Extra de inaledie..w e. 2 if (e. 2. NX. 5. 26) 

Caveat tamen de conscientia vide intra 

de fal. ino. lea (lea. Ceo. 24). 


Curia Franciae consuevit statuere et tenere quod quande vex monetam debilitat vecipitur pro forti: 
sed quando fortifieat: habet respectum ad tempus contractus. facit quod vult. an nitrate patione. pa- 
iulo est. 


§ 6. Ergebnisse des Kap. II. 


I. Wir erfahren Wichtiges fiber dic Ansehauungen. welche die gréfiien Juristen yener 
Zeit von dem Wesen und dem Zwecke des Geldes hatten. 

Das Geld verdankt allerdings der approbatio principis. dessen authoritas. seine Gel- 
tung (Alb. p. 45). Aber niemand. aueh nicht der Nominalist Jo. Faber. ist aut’ den mo- 
dernen Gedanken gekomimen. dal es Geld ohne Figenwert. ohne bonitas intrinseca. geben 
kénne. ‘Thomas (p. 42) sagt: 

numisina per se aliquid csse potest. puta. si contletur. erit aliquid. videlicet auram ef argentume 
aliter atyue pondus et mensura (quae) per se nihil sunt. 

Wie kénnte es anders sein: ist man doch von der modernen Vorstellung. das das 
(reld fiir die Reechtsordnung nur aly Zahlungsmittel in Betracht komme. weit entfernt. 


' Diesen SehluBpassus interpretiert Molinaeus (Bu. p.s4o n.28: Mo. n. 765) dahin: 
quod satis hoc statuit eo ipso. quod ordinayit novam monetam cursum habere pro solido et libra. 
sieut alia fortior currebat. 
2 Im Vext sind diese beiden Zitate unrichtig gegcben. 
> Von Ausgaben des Breviarinm habe ich eingesehen: Berlin Ge r6orst. 8° (1537 
16152, 2" (1550). p. 21: und Greifswald [hb 330. S° (1511). f. 248, 


» dol, 1o7: Berlin (re 


a4 E. Sramper: 


Jene Zeit sieht die vornehmste Aufgabe des Geldes durchaus darin. das es dem Verkehr 
als allgemeines Tausehmittel diene. Thomas (p. 42): 
ad hoe inventum est numisma out... sit mensuara in commiutationibus ... unde et (Philosophus) 


coneludit. . 2... nummisina eonstitutum propter commutationiy necessitatem, quia pet ipsam expeditius 
fit Commereimin 2... 


Alle Reelitssitze tiber das Geld werden deshalb darauf zugeschnitten. daB es diese 
Aufgabe méglichst gut erfiillen konne. Daher die Forderung ciner bestimmten forma. dic 
das Geld als solehes und auch die einzelne Geldsorte erkennbar macht. und einer an- 
gemessenen bonitas intrinseea nach liga und pondus. in der man die Hauptvoraussetzang 
dafiir erblickt. dal} der Verkehr die betreffende Geldsorte gern aufnehmen wird. Das Geld 
mn eben so beschaffen sein. dab der Verkehr ihm eine bestimmte. méglichst konstante 
Kaufkraft cine bonitas usus beilegen kann. die es auch zum internationalen 
Vauschmittel branelbar macht, und lierttir ist eine taugliche forma und eine angemessene 
honitas intrinseea Haupthedingung. Deshalb auch die furehtbaren Strat bestinmmungen 
gegen die falsantes monetam. die zB. schon in den italienischen Stadtrechten jener Jahr- 
hunderte durehweg auf »igne comburatur« lauten. 

Auch die obvigkeitliche Festlegung der bonitas extrinseca durch »deeretum valoris« 
gehort hierher. Sie ist = - wie ich bereity anderweit ausgefiihrt habe! nicht etwa 
die Festlegung eines Nenuwertes (diese geschieht durch die Prégung). sonderm die An- 
ordnung eines bestimmten Kursverhiiltnisses zwischen zwei Geldsorten und fiir jene Zeiten, 
denen die heutigen Linrichtungen fiir cine dem groBen Publikum zugiingliche Bekanut- 
gabe der Geldhurse noch vollig fehlen. nicht nur niitzlich. sondern tunenthehrlich. Une 
sie verfolgt in erster Linie den Zwech. das Volk tiber die Kautkraft: der cinzelnen Geld- 
sorten aufzukliren. was um so nétiger ist. weil tiberall auch viele auslindisehe Geld- 
sorten im Umilaut sind. 

Hl. 1. Uber einzelne Geldsorten erfalren wir aus Bartolus Interessantes. Er beriehtet 
(46). da} zu sciner Zeit in Florenz zwei Sorten Goldtlorene im Umlauf waren. die minuti 
antiqui, welche 29 solidi galten. und die novi im Werte von 60 solidi (3 librae)?. 

Ferner erwihnt B. (52) eine libra grossorum Perusinorum. Uber deren Be- 
deutung und ihe Verhiltmis zu der libra denarioruin (Qninutorum oder parvorum). die uns 
bisher allein begegnet ist. erfahren wir Naheres durch das Compendium juris municipalis 
civitatis Perusiae des Bartolomens Gilianus 1635. hrse. von dessen Sohn Diomedes (ilinnus 
1635 (Berlin HJ 15300). unter »moneta« p. 201 und »catastrume« p. 52. 53. Wo stets aut’ 
die centsprechenden Libri und Rubriken der »Statuta auguste Perusie« (von Lshq ite et 
das Compendium unter »Statutume« p. 249) (Berlin Hb 65290) verwiesen wird (Rubr. 120, 
122. 123. Lib. 4. 118 in addit.. Lib. 4). 

Gilianus »catastrum«. cap. AI (de Jibray: 2... decem librae ad iminutam faciunt unum Jibeam ad 


avessam, Libra mhinuta valet solidos 20. ct sie bayocehos rat 2. unde libra grossa valebit tlorenis 
duobus. et sie seutum unam et bajoechos 25. 


Iebenso eodem cap NV (de valore et qualitate monetarum): 


Solidi 20 faciunt Libram unam parvam sive ad apinutam. Librae autem quinque faciunt tlorenaim 
untin. decem minores librae faciunt unam majorem sive ad erossam. et haec faeit thorenos dttos, 


Uher den solidus sagt cap. XT: 


Solidus est. trinm quadrantium. ad rationem 24 quatrenoram pro quolibet erosso. et sie sotidos 
octo hodie facinnt quatreni 25. et sie bajoeechos 5: 


' Heidelberger Referat p. 4. 


‘Dies scheint Dwvipsony. Forschungen. 4 p. 320-322 nieht gewuBt zu haben. 


Das Lahthraftrecht der Postylossatorenzeit, 


Roe | 
L- 


und cap. AV: 
solidus de yuo fit mentio supra cap. XI est tritm quatrenorum. ad rationeu: 24 quatrenvrum pro 
quolibet erosso. sed solidi oeto hhodie faciunt quatrenos 25 ¢f consequenter bajocelhos 5. quatuor 
denarii faciunt unum quatrenam. 


Cher den tlorenus auri wird in Lib. 4 rubr. 120 (qualiter floreni expendantur) vertiigt: 


Ad tollendimm inconvenieutias multas quae resultant ex recusationce multiplici florenorum: quae 
variin et diversis de causis per campsores et alios recusantur. Statuimus et ordinamus. quod omuis 
Ione wiarea et omnis quantitas florenoruim cujaseunque conii fuerit: imipressione coniata, si sil 
justi ponderis et ad justum pondus communis perosie et boni et puri auri 24 carectarum. expendi 
possit in civitate et comitatu perusie in quibuscunque provineiis in qmereantiis er in cambio et in 
quibuseunque negotiationibus et rehus pro bono et perfecto floreno et cursant habeat prout dither 
et habebit quilibet @) bonus florenus puri auri et justi ponderis ad pondus communis perusic : 

nou obstante quod talis moneta vel florenus osset avivata vupta recepta vel folghatas vel esse 
de conio jenuino ungarico vel papali vel alterius cujascunque eonii: 

Et nullus audeat vel presamat talem florenum vel monetam pari auri ct justi ponderis couumanis 
perusie recusare in aliqua mereantia et in alique precio cambio vel solutione in civitate vel eomi- 
tat perusie, pena 25 libraruim denaviorum in peeunia numerata cuilibet recusanti et qualibet view 
quam sibi per potestatem vel capitancenim civitatis perusie auferrt debeat ct possit suminaric .. 


Die additio fiigt hinzu, daB die ultima additio zum eap. 115 hie pro apposita et 
repetita in omnibus et per omnia zu halten sei. 
In ihrem NchluBsatz gibt sie dem Text cine Einschrinkung: 


2. Digimus quod si tlovenus anri seu ducatus auri sit vel esset foliatus ruptus seu non yusti pons 
deris quod fiat et fieri possit et debeat shassas! et diminutio preeii et valurts que fieri solet et debet 
per camnpsores et mercatores civitatis Perusie. 


Die rubr. 122 (de florenis ponderandis ad pondus eommunis Perusie) ordnet das 
Vertahren: 

Statuimus et ordinamus. quod ars cambii civitatis perusie et auditores dicte artis habeant arbi- 
trium ef auctoritatem quotiescunque eis placuerit: Eligendi et depatandi campsores quos viderint 
aptiores duos vel plures ad sigillandum et ponderandum florenos secundtum justum et conveniens 
pondus per dictamn artem ordinatum: 

Et ios ilorenos quos sententiaverint esse bonos sive sigillaverint cum corgnola et sigillo per eos 
deputato. quilibet pro bonis et justis recipere teneantur... 

Et nullus alias possit vel debeat ipsos florenos ponderare ... 


Die rubr. 123 (de moneta communis perusie expendenda) verftigt. dab die »moneta 
3 
Perusina tam grossa quam parva currere et expendi possit« in dem ganzen perusinischen 
(rebiet. und dai} niemand ihre Annahme verweigern diirfe. sub pena 25 lib. den. 
Die additio macht aber die Einschrinkung »dummodo sit bona et expendibilis«. 
Die statuta selber enthalten (in Lib. 4 rubr. 118: de... computato floreno in so- 
lutionibus) folgendes: 


t. im Text fol. 35" Sp. 2: 

Et quia in solutionibns et pagamentis que fiant rerum que venduntar et emuntar mobilium et 
imimobilium florenus expenditur quod redundat ad magnum damnum civium perusinorum: quod 
ex nune in omnibus solutionibus et pagamentis quarumcunque rerum et quandocunque fiendis et 
in omnibus promissionibus que fierent ut solvatur ad libram pecunie debeat recipere et solvere 
tam solyens quam recipiens tlorenum ad illam rationem et sumimam que determinata erit et deter- 
minabitur pro quanto accipi debeat in camera ete. 

2. in der additio fol. 36" Sp.1: Ad §. Et quia in solutionibus etc. addimus attento quod ex anti- 
yua et inveterata consuetudine et ex ¢:mmuni usu loyuendi in civitate perusie tlorenus intelligitur 
de 4o bolonenis monete veteris perusine: (ue moneta hodie ulterius non reperitur: sed solum ex- 
penditur moneta de marehia que dicitur moneta nova: cujus mouete nove 50 boloneni sunt valoris 
dictorum so boloncuorum monete veteris perusine: et sie unius tloreni: et similiter 12 grossoni de 
argentu cum dimidio alterius erossoni summant (’) et faciunt valorem unius floreni: 

Ideireo ad tollendum omne dubium ne deeetero tlorenus simpliciter nominatus accipiatur pro tlu- 
reno seu ducato auri: prout de jure intelligeretur. 


1 Ttalieniseh: sbassare niedriger machen. 


a6 EL NTAWPE: 


Statuimus et ordinamus., quando in quocunque instramento et seriptura tam publica quam pri- 
vata: tam in libris mercatoruim campsorum et aliornm artificum: quam etiam aliarnum quarumcungue 
persomarunm i civitate et comitate perusie existentium floreni mentio simpliciter facta fuerit: tlo- 
renus sit ct esse intelligatur valoris 4o bolonenorum munete vetcris perusing: seu 30 Dbolonenorum tmoe- 
nete nove: vel t2 grossofnoryum cuin dimidio sive 100 solidorum?: 

Et predicta non intelligantur nee locum habeant quo ad cameram apostoHcam perusinam: nec 
que ad commune perusie: neque in eorum salariatoruin officiales et alios a dicta camera et communi 
persulyendos: Quominus per dietam cameram et commune solutiones et pagamenta forenorum fiant 
et fier possint et valeant juxta ct seenmduim consuetudinem in dicta camera ct commune haetenius 
consuetam et observatam: 

Lt minus locum habeat quando expressum fuisset de florenis a uri seu de florenisad pondus 
communis perusie: vel mercatorum dicte civitatis, chm per dicta verba videantur partes intelli- 
Nisse de daeatis auri. 

Die Zeichnung dieses Gesamtbildes der perusinischen Geldverhaltnisse war nétig. un 
die Stellung der libra grossorum in dem perusinischen Mitnzsystem zu klaren. 

Die gcsamte moneta major et minor perusina ist durch die mitgeteilten statuta in 
ein festes Verhiiltmnis gebracht zu dem florenus simpliciter nominatus. d.h. zu einem 
ungepriigten Reehnungsgelde*, das mit dem geprigten florenus auri nichts gemecin hat. 
Diescr florenus imaginarius gilt 


5 librae ad minutam, 
2 libra ad grossam, 
40 holoneni veteres, 
50 boloneni novi. 

12' 4 grossoni. 

100 solidi. 

Der grossonus gilt 5 bajocehi. der solidus 3 quatreni resp. 12 denarii. S solidi stehen 
5 bajoechi, also einem grossonus gleich. 

Ebenso wie der florenus und die libra ad minutam ist auch dic libra ad) grossam 
ein reines Reechnungsgeld. und zwar das rechnerische Vielfache der grossoni und bajocehi. 
wihrend die libra ad minutam das rechnerische Vielfache der solidi und denarii ist. 

Schon geraume Zeit bevor (zuerst in Florenz 1252') die Praigung von Goldmiinzen 
einsetate. hatte das dringende Bediirfnis des Verkehrs. der mit den bisher allen zu Ge- 
hote stehenden denarii nicht mehr auskam, die Pragung von moneta argentea grossa, 
also von Silbergeld héheren Wertes, veranlaBt*. Diese monetae grossae wurden in Perugia 
in der libra ad grossam zusammengefabt, die um 1400 aus 25 grossoni zu je 5 bajoechi 
bestand’. wihrend die libra ad minutam nach wie ver 20 solidi zu je 12 denarii zahlte. 

In dem Kataster von Perugia” fanden beide librae in versechiedener Weise Ver- 
wendung: 

(riliaaus cap. XV p. 53 Sp. i: 


(Juando in eatastro dicitur. tale petium Terrae est aestimatum hb. 20 solid. 10 denar. 2, intelligitur 
ad rationem librae ad minutam. Quando autem dicitur qtod quis hahet 30 libras. intelliguntur librae 
ad grossam. 


1 Gilianus p. 201 erhlart dies dahin: quod si in aliqua seriptura fuerit simpliciter facta mentio floreni, 
intelligitur de so bononenis monetae veteris. seu 50 monetae novae. vel duodecim grossis cum dimidio. sen 
too solidis. 

: Der tlorenus als Rechnungsgeld kommt auch an anderen Orten Italiens vor. 7. Bo in Mailand und 
Savoyen (Brunus, Bu. p. 364. £0. 11). 

Venediy pragte die ersten Duhaten 1284. ' Cf. Davinsous. Porschungen. Teil 4. p. 318. 

* Vielleicht im Anklang an die libra Parisiensis. die. nach Du Cange. s.r. libra Par.. sich aus 25 solidi 
zusammiensetzte. ~ 

« 4Cataster est... liber in quo bona. stabilia Civium solent deseribi ad tributa colligendas (Gilianus 
pe 33 Sp. 2. Adnotationes n. 1). 


Dus Lahlkraftrecht der Postglossutorenzei. a7 


Fiir die Abschatzung des einzelnen Grundstiiekes war also die libra ad minutam 
der Wertmesser. Das Vermoégen der Zensiten wurde aber in librae ad grossam ange- 
geben. 


Der Wert der libra ad minutam in Perugia wird um 1250 auf rund ro alte Reichs- 
mark veranschlagt werden kénnen’. 


Als \stimationsmittel. d. h. aly Wertmesser zur Feststellung der Geldkurse, ist, so- 
weit ich es tibersehe, auch fernerhin nur die libra minuta verwandt worden®. trotzdem 
die Zusammenfassung der grossi zu einer libra grossorum auch an anderen Orten (z. B. 
in Florenz. Davipsoun 4. p. 318) geschehen ist. Die libra ad grossam ist also wohl nur 
als Geldsummenname gebriiuchlich gewesen, so wie der florenus simpliciter nominatus. 

2. Uber die Bedeutung der von Hostiensis (p. 42) genannten Raymundini und Pa- 
pienses vergleiche man das eben in Anmerkung (p. 57. Anm. 1) Gesagte. Dazu noch Du 
Cange. s.r. moneta baronum, sub Raimundensis. Raymonetus. 


IL]. Die verschiedenen Schuldarten werden besonders klar herausgestellt durch Bartolus 
und seinen Kommentator Covarruvias. Das debitum simplex (p. 46. 48: debitum auf cen- 
tum aureos Castellanos). Das dehitum valorem respiciens (p. 49, 50: centum librae in 
florenis, centum imillia maravedinorum in Castellanis. nulla constituta illorum aestimatione). 
Mutuirte floreni seien dann anzusehen als in solutum datiresp. venditi pro centun libris. 
so da nicht mehr und nicht weniger als centum librae in florenis zuriickzuzahlen seien 
(p. 49). Ebenso Covarruyias (p. 50). 

Das debitum aestimatum erlautert Bartolus (p. 50) an dem Beispiel eines depositum 
centum libraruim in tlorenis. bei dem Riickgabe in tlorenis sub eadem aestimatione pazisziert 
ist. Covarruvias {p. 50, 51) nimmt an. jemand habe versprochen zu zahlen centum mummies 
aureos Castellanos ad aestimationem quadringentorum octuaginta quinque maravedinorum 
pro quolibet Castellano. — exemplifiziert aber auch an dem Beispiel des Bartolus. Die Bei- 
spiele sind klar entwickelt und lehrreich. 


Zwei interessante Falle des debitum aestimatuin sind iiberliefert in den » Urkunden 
zur dilteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig«. hrsg. von G. L. F. Tarrn. 
und G. M. Tuomas. Teil 1—3, Wien 1856/57 (Greifswald Od 14. 8°): 

Bd. Tp. 385 no. 95. Oktober 1202: 


Ytigatio Balduini. comitis Plandviae. 


Balduinus ... instituit se debitorem ad facfendum solvi... Markisiue Superantio. Petro Juliano: 
ete. nobilibus viris de Venetia. marcas steclinorum --— ad rationein de soldis tredecim et denariis 
quatuor pro marca qualibet argenti — centum et decem et octo. et uncias tres. 





' Diese Veransehlagung dart aber nicht obne weiteres auf andere librae minutae iibertragen werden. 
Deun die Denarii wurden selir verschieden ausgepragt. Um 1250 hatten. nach den Angaben Scuavses. p. 812 
bis 813 (1906). die ich aber abrunde. den héchsten Wert die englischen Sterlingi mit 37 Rvichspfennigen (sic 
waren, nach Davinsony. Forschungen 4. p. 319/320. in Florenz gangbar). Ihnen. folgen nie (nordatrikanischen) 
Miliarenses mit 34: und dann, erst in weitem Abstande, die Parisienses mit 11. Bareclonenses mit 10, Turonenses 
nnd Melgorienses (von Melgueil) mit o: (zu Melgueil: Du Cange, s. r. moneta baronum. sub Melgoriensium 
comitum “moneta). 78 aalten die Imperiales (Mediolanenses. Bononienses. Cremonenses. Ferrarienses. Parmenses. 
Segusini und die franzdésischen von Vienne, ferner die der provincia Senatus (Rom) und die Resales coronati. 
0 . die Januenses, 3 \ die von Marseille: 4 . die Florentini, Lucenses, na Pisani (Perusini}, Se- 
nenses; 212 A die siidfranzdsischen Raimundini. Den geringsten Wert, 2 ., haben die Veneziani und die 
Veronenses. “Die venezianische libra minuta hatte also um 1250 nur den hater Wert der Florentiner und 
nur ?', des Wertes der libra imperialium. 


4 Cf. Oldradus cons. 13. Baldus I cons. 499. V 213 (p.12- 24-26. 32- 33). 
Phil-hist. Abh. 1028. Nr. 1. 5 


aes IE. Ni aAwMrPeE: 


Bd. Il p. 123 no. 363. August 1274: 


Potesias. Bajulo Nigropontis a Duce Veneto de mutue facienda comunissa. 
Nos. Laurentius Tenpolo. Dei gratia Venetie Dalinatie et Chroatio Dux. dominus partis quarte ct 


dimidie totius imperii Romanie. notum facimus ... universis, quod 2... comiuittimas ... Nicolao Miglano. 
de nostro mandato Bajulo Nigropontis ... ac pleuam ... potestatem ... damus 2... accipiendi mutuo 


supra nosttum commune Venetie ab omni persona, tam Veneta quam forensi, usque ad summam sex 
mniliuin yperperorum ... ita tamen quod illa yperpera ... ultra summam soldoram triginta parvorum 
pro Unoquoque Vvperpero non transcendant}. 


Das debitum certae bonitatis begegnet uns wiederum nicht. Nur Hostiensis (p. 41) 
berichtet, dali die creditores consueverunt sibi providere ... faciturt cnim apponi in in- 
strumento quod sibi reddatur pecunia ejusdem materiae et ejusdem valoris et ponderis 
(et in eodem cursu). 

Dal} dies debitum tatsichlich hiufig zur Verwendung kam. bezeugt z. B. eine Anzahl 
Urkunden der Taren-THouas-Sammlung: 

3d. Top. 125 no. 52. Dezember 1150: 

Stephanus Capello bestatigt dem Prior S, Marei de Embolis de Constantinopoli. daB er vou ili aim 
1. Dezember «perperos auri bonos novos pesantese (Besancios?) 822 auf 30 Tage erhalten habe. und 
verspricht »tune ipsos tuos suprasecriptos ... perperos auri bouos novos pesantes tibi... 
dlare.« 

Bd. I p. 178 no. 69, Februar 1183: 


Dominicus Julianus proemittit censum ... Henrico Dandalo patriarchae Gradensi pro quadam terva 
posita in Constantinopoli: 
nune atitem ego pro fietu suprascripti anni thi appagavi vperperos auri bond veteres partes (?) 
dluodecim. 
Bd. WE p. 53 no. 181, Marz 1207: 
Alexius et Theodorus. Duracini promittunt Benedicto Paletvo patriavehae Gradensi eens pro 
quadam terra posita in Constantinopoli: 
promittimus ... quod a Kalendis mensis Aprilis proximi ... usque ad 29 antos completos de- 
beamus ... dave... annuatim Constantinopoli sperperos ani pond (erates) tres. 
? a . . 
Bd. I p. 423 no. 304. Oktober 1244: 
Benedietus. Eracliensis Archiepiscopis. spondet Censtin pro terri monasterii S. Georgii HELJOrIS 


positis in: Constantinopoli: 
Censum ... pro ipsis ecclesiis et possessiouibus earum ... domino Abbati et eonventui... anni. 


atim 33 yperperorum auri. recti ponderis ... promittimus ...« 
Bd. IL p. 492 no. 328, Marz 1255: Bd. I p. 494 no. 329. April £255. und Bd. Il 
p. 495 no. 330. Juli 1255. enthalten Zensusversprechen verschiedener Priyater an den 
Jacobus Bellignus, patriarcha Gradensis, fiir in Konstantinopel belegene Grundstiieke : 
versprochen werden in allen drei Fallen als census per singulos annos yperpera auri sex 
perfecti ponderis resp. recti pondcris. 


IV. Die Unterscheidung von Schuldgeld und Zahlgeld ist mit der Anerkennung les 
debitum valorem respiciens und des debitum aestimatum von selbst gegeben. Schuldgeld 
ist auch fiir Bartolus und Covarruvias bei jenen Debitumarten die moneta minuta. Cf. 
p- 46,49 51. Die p. 37, 38 entwickelten Grundsitze werden also bestitigt. Aueh zur 
Schuldgeldfrage bei dem debitum simplex findet sich kein Material. welches aut eine Ab- 


1 In Frage stehen dic perperi oder yperperi genannten byzantinischen Goldmiinzen. die fiir Venedie — 
das 1274 noch hein eigenes Goldgeld besaB — im Levantehandel groBe Bedeutung hatten. Cf. Scmacse p. S12. 
Krerrscumayr I p. 336. Hryxen p. 125-127. Hryvryw p. 86—120 gibt lehrreiche Einblicke in die Perper. 
veschatte. dic in dem Reedereibetrieb des Romano Mairano von 1152-1201 vorhamen, 


Dus Zahtkraftrecht der Postglossatoren zeit. 59 


V. Die Frage, wie auf das Schuldgeld zu zahlen sei, miissen wir nach dem Inhalt 
der $ 1—5. fiir die Falle der mutatio und der reprobatio gesondert beantworten. 
Zuvor ist aber festzustellcn, wann eine rechtlich beaechtbare mutatio bzw. reprobatio 
vorliegt. 

1. Es gibt, wie wir sahen. zwei Arten der mutatio. Entweder wird die bonitas 
extrinseca (der valor extrinsecus) mutiert oder die bonitas intrinseea. Der Gleichklang 
der sprachlichen Ausdriicke liBt leicht die Vorstellung au(kommen. als ob in diesen Fallen 


Tathbestiinde gegeben wiren. die cinander verwandt seien. Aber das ist - wie hier 
zweckmibBig nochmals hervorgehoben wird — keineswegs so. Die mutatio valoris extrinseci 


ist Kursiinderung. Anderung des Kursverhiltnisses zwischen minuta und grossa. Die 
mutatio bonitatis intrinsecae ist dagegen Schaffung einer neuen Geldsorte, die zwar 
mit einer schon vorhandenen anderen Geldsorte den Namen gemeinsam hat. sich aber von 
ihr in liga oder pondus oder beidem unterscheidet, — ihr gegentiber eine alia moneta 
ist (Bartolus p. 51). 


2. Wie kommt cine mutatio valoris extrinseei wirksam zustande? 


Normalerweise wie ich oben (p. 54) ausfihrte — durch deeretum valoris der 
Obrigkeit (des princeps. des commune). da taugliche private Feststellungsmittel jenen Zeiten 
noch fehlen. Aber im internationalen Geschiftsverkehr - - der bei der damaligen Fiille 
selbstaindiger Territorien schon sehr bedeutend war -  kénnen sich die Geldkurse nur 
durch die Verkehrsitibung bilden. und das hat sicher Ritckwirkung auf die innerstaat- 
lichen Kurse dahin geiuBert. dab man bemiiht war. letztere den internationalen nach 
Modglichkeit anzupassen. 

Besonders wichtig waren die Kursregulierungen zwischen minuta und Goldgeld, 
damit das Gold nicht aus dem Lande getrieben wiirde und der Handel. namentlich der 
Seehandel. keine Hinschrinkung erlitte durch Abschreckung der fremden Kaufleute. Es 
liefen ja nur wenige Goldgeldsorten um (namentlich tlorentinische floreni und Dukaten 
von Venedig und Mailand). Dagegen gab es. wie wir oben p.57 sahen. minuta-Sorten 
in Menge von verschiedenstem (und andauernd sich albwiirts bewegendem) Werte!: es war 
also Grund genug vorhanden, die Goldkurse dauernd unter Aufsicht zu halten. 

3- Der obrigkeitlichen Kursregulicrung stand man also keineswegs ablehnend gegen- 
tiber: man war nur darauf bedacht. ihrem etwaigen MiBbrauch entgegenzutreten und vor- 
zubeugen. Die obrigkeitliche Schaffung neuen Geldes. welche den Tatbestand der mutatio 


' Nach dem Handworterbueh der Staatswissensehaften, Band Vie Aufl 4. p. 606. war die libra’ turo- 
nensis. ino modernen: Brankengelde. wert: 


1250 20. tre 
1350 12.25 » 
1300 7-20 
1650 1.52 
1750 0.05 


Nach Du Cange sore Moneta resp. Marea berrag das pretiam ler marea auri part (ven rund 245 Gramm): 


1300 48 librae turonenses, 
tit 70» 
1450 oo 
1507 130 
(1640 354 oh 
(L700 331 ‘). 
Uber das allaemeine Alwititsgehen dex Wertes der fransdsischen ind italienisehen rminuta von 1100 his 1250 


cf. Scmarnn p. S12. 813. 


60 E.Sramre: 


honitatis intrinsecae erfiillt, betrachtete man dagegen mit grosBem MiBtrauen, weil sie den 
Miinzherren ein Hauptmittel zu unsauberer Ausnutzung des Miinzregals war. 

Nach Hostiensis (p. 40) soll deshalb der rex diese mutatio nur eum assensu populi 
vornchmen kiénnen. Nur den Imperator und den rex Romanorum nimimt er aus. nicht 
aber den rex Franciae (p. 42) und fiigt hinzu: 

verum is qui mutavit: pro laere temporali in gravamen populi, tenetur ad satisfactionen: etiams 
rex sit... 

Auch Albericus (p.45) scheint diesen Standpunkt zu teilen. Almich auch Thomas 
(Pp. 42): 

inoderatus tamen esse debet prineeps quieunque vel rex... in matando ... qoia hoe eedit in 
detrimentum populi... 

Nur Joannes Faber gesteht dem = princeps das jus mutandi zu (p. 52): 


eertam est chim. quod prineeps habet potestatem in talibus ... 


Ich habe schon (»Molinaeus« p.62) die Vermutung ausgesprochen. da® J. Faber. 
der cine Zeitlang Rechtslehrer in Montpellier war. seine Theorie im Interesse Philipps 
les Sehénen verteidigt hat. der ja unter den Ausheutern des Miinzregals vielleicht der 
skrupelloseste gewesen ist. 


4. Kine reprobatio, d.h. eine AuBerkurssetzung einer Geldsorte, konnte nur von dem 
Miinzherrn ausgehen. Das Recht dazu wird ihm nicht bestritten. Hostiensis (p. 41). Cynus 
(p. 43. 44). Albericus (p. 45, 46). J. Faber (p. 53). Bartolus (p. 47) erwihnen nur. da& die 
reprobatio dureh den princeps geschieht. Sie war ein sehr hiutiger Vorgang und viel- 
fach auch uétig propter nimiam diminutionem monetae (Ilo.). da die Geldstiicke bei ihrer 
technisch pon unvollkommenen Ausgestaltung. aber auch infolge unlautcrer Fingrifte 
(durch radere. tondere ete.') schnell minderwertig wurden. 

Aber sie geschah auch hiufig avariciae causa (Ilo. p. 41: »Molinaeus« p.61), um 
dem princeps die aus der dann nétigen Neuprigung erwachsenden Vorteile. zune min- 
desten den Schlagschatz. azuzuftthren: und war dann zumeist fiir das Wirtschattsleben 
sehr unheilvoll. 

Solchem Mibrauche der reprobatio traten --- wie wir schon gesehen haben — die 
Juristen dureh besondere Ausgestaltung der Geldsehuld- und Zahlungslelre cutgegen. 


VI. Nunmehr haben wir die Grundlagen gelegt. auf’ denen sich die in S$ 1-- 5 ent- 
haltenen Grundsitze des Zahlungsrechtes zusammenfassend entwickeln lassen, 


1. Wenn pendente obligatione lediglich mutatio valoris ex trinseci. also lediglich eine 
Anderung des Geldkurses eingetreten ist, so gilt folgendes: 

a) Das debitum aestimatum wird von der Kursinderung gar nicht beriihrt: es ist so 
zu bezahlen, wie es ausgemaeht bzw. bestimmt war. Bartolus (p. 50): ef. Ifosticnsis (p. 41). 
Auf die guten Beispiele bei Covarruvias (p. 50, 51) wurde schon hingewiesen. 

\hnlich wirkt nach Uostiensis (p. 41), die fort gesetzte Zahlung in einer hestininten 
Geldsorte, wenn sie die ganze Verjihrungszeit von 30 resp. 40 Jahren hindureh geschehen 
ist. Auf Grund dieser pracseriptio mub dann in derselben Art weitergezahlt werden. 


' Barbarisech harte Strafbestimmungen gegen die qui radunt resp. tondunt monetan sind ele stindion 
lubriko in den italienisehen Stacdtrechten. 


Das Lihtkraftrecht der Postylossutorenzest. 1 


b) Das debitum valorem respiciens ist grundsitzlich nach dem Kurse der Zahlings- 
zeit zu entrichten'. Bartolus  Covarruvias (p. 49, 50). Es ist also derart zu zahlen, daB 
der Glaiubiger sich im Augenblicke der wirklichen Zahlung mit der Zahlgeldsumme die 
Schuldgeldsumme kaufen kénnte. 

Ist der Kurs aber durch ein anormales decretum valoris des princeps geindert, so 
dai der Gliubiger jenes Umwechseln nicht ohne Schaden wiirde vornehmen kénnen, so 
wird man aus Ifostiensis p. (41) well schlieBen diirfen, daB jedentalls derjenige debitor. 
welcher conscius fraudis war oder doch um die fraus principis wissen mute, nieht zu 
dem kiinstlich gemachten Kurse zahlen durfte. Auch wird man umgekebrt annehmen 
diirfen. dab Hostiensis (ef. p.41) dem Glaiubiger, der nicht véllig bona fide war. einen 
ktinstlich gemachten, zu hohen Kurs nicht zugebilligt haben wiirde. Es ist ja durch ge- 
schichtliche Vorgiinge bezeugt, da die principes nicht nur in ihrem eigenen Interesse. 
sondern auch in dem ihrer Giinstlinge anormale deereta valoris erlieBen, und diesen un- 
lauteren Mafnahmen trat die damalige Jurisprudenz energisch entgegen. Eine brauch- 
barere Waffe fiir diesen Kampf war itbrigens die Feststellung, daB es sich in dem kon- 
kreten Falle des ktinstlich gemachten Kurses um cine mutatio momentanea handle, dic 
sich im Verkehr nicht halten kénne und deshalb keine Beachtung verdiene. Auf diesem 
Wege eriibrigte sich nimlich der Nachweis mangelnder bona fides. Die Unbeachtlichkeit 
der mutatio momentanea verfechten Bartolus und Covarruvias (p. 49). 

c) Uber dic facultas solvendi liegen keine \uerungen vor. die von den Siitzen des 
Baldus (p. 47) abwichen. 

dy) Von der Zahlung des debitum simplex handeln cingehend Bartolus und Covarru- 
vias (p.47— 49). Sie stellen als communis opinio fest, daB ante moram einfach ad nu- 
merum zu zahlen sei*. kommen also zu dem gleichen Ergebnis wie Oldradus, Signorolus 
und Baldus (p. 39). Auch Cynus (p. 43. 44) teilt diese Ansicht unter Berufung auf Jacobus 
de Arena. Die Gesamtrichtung ist hier also noch rein bonitistisch. Anklange an Valoris- 
mus begegnen noch ehensowenig wie bei den drei Konsiliasten (cf. p. 39). 

Post moram ist aber der Kursinderung Rechnung zu tragen: 


Cynus (p. 44): post moram tenetur supplere quoad plurimum: fuit. 


Ehenso Covarruvias allgemein: 


Mutatio pecuniae promissae contingens post moram ipsi omming noeet qui tu moram ineiderit 


und Bartolus wenigstens fiir grossa-Nchulden (p. 48, 49). 

Dic eigentiimlich abweichende Ansicht des Bartolus bei minuta-Schulden ist) oben 
(pp. +9) geniigend besprochen. 

2. Ist die bonitas intrinseca mutiert. also ein zwar gleichnamiges. aber anderwertiges 
Geld eingefiihrt. so hat das 

a) keinen Kintlub auf die Zahling von debita certae bonitatis. Ist die ausgemachte 
Geldsorte nieht mehr vorhanden. so mub in alia moneta die aestimatio entrichtet werden. 

bh) Das debitum simplex ist in der moneta antiqua ad numeram zu zahlen und si 
de antiqua non reperitur, ad aestimationem antiquae: 

TJostiensis (p. 42): 


Ergo ad autiquam monetam. vel ad aestimationem ejus selyvi debet. 


» Der Gedanke. selilechthin den Kars des tempus conditae obligationis entseheiden zn lassen. wird noch 


nicht vertveten. 
2 Gutes Beispicl p. 48. 


2 E. Srawenr: 


Cynus (p. 44) (nach Jae. de Arena): 
Dabit antiquam,. vel si non habebit. sapplebit. 
Bartolus (p. 47): 
Dicunt nostri Doctores. et bene. si quidem de moneta antigua reperiatur ... poterit et debebit 
de ila moneta antiqua solvi. Sed si non reperiatur ... debet solvi aestimatio illius monetae antiquae. 
Ebenso Bartolus (p. 51 n. 17) und Covarruvias. der dics als communis opinio be- 
zeichnet (p. 47). 
¢) Wird bei cinem debitwm valorem respiciens die bonitas intrinseca des Zahlgeldes 
veriindert. so mu om. Ee. in erster Linie auch immer in dem alten Zahlgelde gezahit werden, 
si de ea reperiatur. Der Fall wird von den besprochenen Autoren nicht beriihrt. 


3. Wie ist zu zahlen, wenn pendente obligatione eine reprobatio monetae eintritt? 
Hlostiensis, Cynus. Bartolus und Alberieus haben sich zu dieser Frage gefuBert. alle 
unter Bezuenahme auf ein Darlelin. 

Hostiensis ¢p. 41) scheidet nach der Veranlassung der Reprobation. Ist sie avaricia 
principis geschchen (p. 41) and der Schuldner an dieser fraus nicht betciligt. so darf cr 
in dem reprobierten Gelde zahlen (p. 41): war er aber fraudis conscius. oder geschah dic 
reprohatio ex justa causa. weil z. B. die Geldsorte durch den Gebraueh bereits zu sehr 
abgenutzt war. so soll der Sehuldner reddere pecuniam in co valore in quo eurrebat 
tempore mutui contracti. 

Cynus (p. 44) gestatter dem Seliudner. wenn die reprobatio ante moram cingetreten 
sei, sich durch Zahlung ad numerum in dem reprobierten Gelde zu betreicn., weil das 
muti nur tantundem in bonitate intrinseca requirit (p. 43) und weil der Totalyerlust 
der bonitas usus dureh die reprobatio dem Schuldner sowenig zur Last gelegt werden 
dirfe wie der partielle Verlust durch Kursminderung. (Dies ist m. EF. sein Gedanken- 
gang aut p. 43.) Er teilt mit. da® dies auch die Ansieht des Petrus de Bella Pertiea 
sei (pe bt) 

Jacobus de Belvisio und Odoftredus seien treilich der Ansieht. da der Sehuldner 
aueh ante moram in dem reprobierten Gelde nicht mehr zahlen dtirfe, weil dem Gelde 
das Wesentlichste die bonitas usus. die Kautkraft. sei. letztere aber durch die reprohatio 
gemindert werde (cf. ihr Beispiel p. 43). 

Bei reprobatio post moram legt Cynus — auch hicrin mit Petrus tibereinstimimend 
dem Sehuldner auf. sub majori aestimatione zu zahlen (p. 44): m. E. bedeutet das. dag 
der Sehuldner dann durch Mehrzahling den Verlust an Kaufkraft ausgleichen soll. 

Bartolus zu J. quod te (p. 52) vertritt dieselbe Ansicht wie Cynus: 

Si moneta (quam tibi debeoy est reprobata. ita quod non potest expendi... puto... quod liberetur 
debitur a praestando peeuniam illam in forma, sed saltem debet eam praestare in niateria... nam 
in peenutia, et in omnt genere metalli, materia inspicitu r simpliciter et trabit mais ad se 
forman. quam forma materiam . . . 

Aus diesen klaren Worten muB man die AuBerung zu 1. Paulus (pp. 47) aus: 
legen. dab 


Si chisus fmonetae antiqnuae) est totaliter reprobatus. debet solvii aestimatio illus antiquae monetar, 


Das kann sich — wenn man die Bezugnahme auf Cynus noch hinzunimmt. im 
Sinne des Bartolus, dann, wenn es sich wn Riiekzahling cmptangenen Geldes handel. 
wie beim Darlehn -- wohl nur auf den Fall beziehen. wenn das alte Geld intolge der 


reprohatio ganz aus dem Verkchr versehwunden ist. 


Aw! die reprobatio post moran geht Bartolus nicht cin. -— 


Das Zahlkraftrecht der Postylossatorenzeit, 63 


Cynus und Bartolus waren also in bezug aut die Darlehnsriickzahlung noch reine 
Bouitisten. Teh glaube aber nicht. da®B sie auch dort. wo es sich nicht um Riickzahbine. 
sondern wn Zahlung geschuldeter Kaufpreise. Mieten usw. handelte. diesen Bonitismus 
durchgeftihrt haben. Von Bartolus findet sich im CJC glossatum zu 1.24 8 1. 13.7 cine 
geeenteilige AuBerune: 

Solutio pecuniae reprobac solyentem mou diberat: sed non cogitur solvere debitum. wisi pecuuia reproba 
reddatur. 

Atberieus (p45) beriechtet. dal Dynus und seine Antiinger im Falle ginzlicher 
reprobatio die Ausieht vertraten. 

quod debeat solyi nova aequivalens antiquae et st non aequivalerer. ut supplere debeat in eadem 
honitate ... 

Mit dieser bonitas ist. wie aus p. 46 hervorgeht, die bonitas intrinseca gemeint. 
Alhericus sehlicBt sich (p. 46) der Meinung des Dynus an: er teilt aber mit. dab Odotredtus 
und seine Anhinger Zahlung in der moneta nova zugelassen hatten. et si vilior sit: sie be- 
griindeten das anseheinend mit der der mmoneta nova vilior inmmewohnenden Gleichheit 
der Kaufhraft! (p. 45). auf Grund deren man dem Gliubiger cin berechtigtes Interesse 
nicht zugestehen dirfe, habere veterem ubcriorem. 

Es werden nur Fille cines debitum simplex behaudelt. Die Frage wie beim debitum 
valorem respiciens zu zahlen sei. wenn das Zahlgeld reprobiert wurde, ist: nicht: beriihrt 
worden. 

4. Nominalistische \nschauungen finden wir nur bei Joannes Faber. Aber nur. 
wenn der debitor se obligavit ad solidos et libras: seeus si ad certum genus monetae 
et valorem (p. 52). 

Auch dem libra-Schuldner gesteht Jo. Faber. wenn der princeps die vetus monetia 
fortis in eine (gleichnamige) nova debilis mutavit, das Reeht. in dieser nova debilis ad 
humerum zu zahlen, mur dann zu. wenn der princeps cin deeretium acquivalentiae erlassen 
hat (p. 52): die mutatio fiir sich allein entbinde auch den libra-Schuldner nicht von der 
Pilicht des solvere in tali valore sicut crat tempore coutractus (p. 52). 

Den wngekehrten Fall. wenn der Princeps die moneta debilis in eine moneta fortis 
mutavit. bespricht Jo. Faber nicht. Aus seiner abfilligen \uBerung tiber die Praxis der 
Curia Franciae (p. 53): 

quod) quando rex monetam debilitat: reerpitur pro fortis sed quando fortificat. babet respect ad 
tempus contractus 
die er mit den Worten kennzeichicet: 


facit quod vult. an nitatur ratione. patulo est 


dart man aber wohl sehlieBen. dali er cin decretum aequivalentiae auch im Falle der 
mutatio in fortiorem zu Lasten des libra-Schuldners fiir wirksam gehalten hat. 

Wie scharf Ifostiensis die decreta acquivalentiae bekampfte, haben wir oben (p. 40. 
41) gesehen. 

Und wie wenig Jo. Faber mit dem Nominalismus der Jetztzeit: zu tun hatte. habe 
ich bereits anderweit (Heidelberger Referat p. 7 ff.) ausgettihrt. 

5. Wie wird von den Nichtnominalisten die aestimatio durehgetiihrt bei einem 
debitum, das in anderem Gelde als in dem Schuldgelde gezahlt wird? Valoristisch oder 
bonitistisch ? 


i Hiergegen wendet sich Albericus speziell p. 46. 


4 BE. Naiawen: Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit. 


Wir sahen (p. 39, 40), da®B die Konsiliasten fiir diesen Fall die Zahlsumme durch 
Kursvergleichung ermittelten. Bei Albericus finden wir aber eine Berechnung nach dem 
Maf der bonitas intrinseca (p. 46). Und auch Oldradus in seinem cons. 168 (p.17) erwahnt 
einen Fall. in dem die bonitas intrinseca als Mal anzuwenden sei. 

Beide ‘Tatbestinde liegen so. da zur Zeit der aestimatio ein Kursverhaltnis nicht 
feststellbar war. 

Albericus supponiert einen Darlehnsfall, in dem das hontraktlich zu zahtende Geld 
vor der Zahlung reprobiert worden war und deshalb keinen Kurs zu der nova haben 
honnte. 

Oldradus berichtet tiber die Abschitzung eines bencticium, die in Turonenses statt- 
finden sollte. Die ‘uronenses seien aber am Ort der Schiitzung nicht im Umlauf ge- 
wesen: deshalb miisse die Abschitzung in dem dort umlaufenden Gelde (das allein das 
Mab fiir den Preis der Sachen sei) stattfinden und dann die behérdlich vorgeschriebene 
Errechnung der Schitzungssumme in Turonenses (mangels cines feststellbaren Kursver- 
haltnisses) so geschehen, da man die bonitas intrinseca beider Geldsorten als Mal nehme. 

Wir sehen also, die aestimatio nach bonitas intrinseca dient nur als letztes Aushilf<- 
mittel. (ranz wie spiter bei Molinaeus, der sie auch nur anwenden wollte, wenn eine 
valuristische aestimatio nicht méglich war (»Molinaecus« }. 58). 

6. Endlich sei noch einmal daraut’ hingewiesen. dali es cine gleichzeitige mutatio 
derselben Geldsorte in bonitate intrinseca et extrinseca nicht gibt und nicht geben 
kann. Dieselbe (seldsurte kann nur in bonitate extrinseca mutiert werden. Die sog. 
mutatio intrinseca schafft allemal eine alia moneta. Bleibt die moneta vetus danchen 
noch im Umlauf, so kann und mu sich freilich ein Kurs zwischen beiden Geldsorten 
entwickeln: die moneta vetus bekommt also neben ihren bonitates extrinsecae, die sie 
gegentiher anderen (seldsorten schon hatte, eine neue gegentiber der moneta nova hinzu. 
Aber in seiner bonitas intrinseca kann sich kein Geld verindern, ohne seine Identitat 


aufzugeben. 


ZWEITES BUCH. 


Die Quellen des 15. Jahrhunderts. 


Kap. I. Die Konsilien. 
§ 1. Panormitanus, Romanus, Geminianus. 


In der ersten Ilalfte des 15. Jahrhunderts vollzielt sieb eime Weiterentwicklung des 
Grundsatzes der &quivalenten Zahlung: es kommt niimlich die NKaufkraftiquivalens 
auf einem neucn Gebiete zur Anwendung. 

Den Anlagb bot ein Reehtsstreit: zwischen zwei Kléstern. dem: monasterium Montis 
Majoris und dem monasterium Saneti Antonii zu Vienne, um die W6he einer annua prac- 
statio. In diesem Proze®B haben drei der bertihmtesten zeitgendssischen Juristen Griachten 
erstattet: der Kardinal Nicolaus de ‘Tudesehis von Palermo. allbekannt unter dem Namen 
Panormitanus: Ludovicus Romanus. Teilnebmer am Nonzil zu Basel. wo er 143g starb: 
und Dominieus Geminianus. Bischof von Ostia und Auditor der Rota Romana. den manche 
wegen seines groben Wissens setuem cinstigen Vorginger LHosticnsis gleichstellten. Diese 
Gutachten sind uns erhalten als cons. 36 I des Panormitanius. cons. 123 des Romanus. 
cons. 137 des Geminianus'. 

Der Tathestand des Reeltstalles wird leider in keinem der drei Konsilien genau 
referiert. Aber wir erfahren ihn aus anderen Quellen. Die Entscheidung. welehe Doniinicus 
Geminianus gefallt. und die Begriindung. auf welche er sie gestiitzt hat. erschienen niim- 
lich spiteren Zeiten so einleuchtend und so bedeutsam. dai zwei groBbe Rechtsgelehrte 
des 16. Jahrhunderts sie eingehend behandeln: der Franzose Carolus Molinacus in seinem 
tractatus de mutatione monetae (alias: de usuris) n. 80g (1546) und der Laliener Jacobus 
Menochius () 1607) in seinem cons. 4g n. 23. 24 (lib. I?) etwa 1560S. Und um 1650 khonimt 
der Ttaliener Martius Venturinus aus Pontremoli in seinem cousilium 45. das einen fln- 
lichen Tatbestand begutachtete. chenfalls auf jenes alte Vorbild zurtick Nach Molinaetts 
lag folgender Tatbestand vor: 

Ex contracta a Papa homologate monasterium S. Antonii debet dare Monasterio Montis: Vaygovis 
tut possessiones. ex quibus summa 1300 Jihiarum Turonensitun annui reditus pereipiatur: er interim. 
donee tradidevit. debet solvere totidem libras. videlicet 1300 annuatim. Tone autem tempore eon- 
tractus moneta crat melior, ct exinde sensim diminuta fuit intrinseeus de quarta parte. in tantum 


quod 15 solidi veteris monetae valerent 20 novos, et 100 librae numorum antiquorum valerent 


133 libras enmm_ triente unins librae: et contra centum dibrae in novis unmimis non valerent nisi 


75 libras de nuonunis antiquis. 


Ebenso. mehefach wé6rtlich und offenbar in AnJehmung an Molinaeus. referieren 
Menochius und Venturinus. Letzterer fiigt uur noch hinzu. das monasterium Montis Majoris 
habe pritendiert. solutiones sibi fieri debere de moneta antiqua. seu ad rationcm antiquae. 

Von Geminianus selbst erfahren wir dann noch den wielitigen Miastand. dai dic 
1300 librae versprechen wurden respect. fruetuum: der Ertrag der possessiones hatte 


1 Abbatis Panormitant eousilia. Venetiis 1605. Greifswald Jy tor. 2°: consilia Ludoviei Romani. Lae. 
duni 1355, Greifswald J 8ig. 2°: Dominici Geminiani consilia. Lagduni rg4i. in Rostock Je sor 27. (Letsteres 
suscheinend das einzige ant deutschen Bibliotheken vorhandene Exemplary 

2 Von Menoehins sind r2 Bieher Ronsdien verotieutlicht. Teh benutzte die Ausgabe von 1o08 (Prancot.). 
Greifswald J 817%. Droysen. 2° 

Martii Venturmt 22. consilia 2... Bononiae 1oS3. Greifswald -oS20'. 4. 


Phil.-hist, Abh. 1028. Nev. fb. 4 


O66 EL. StTramMpe: 


tempore contractus den Wert yon 1300 librae; deshalb wurden letztere aly Abgeltung 
pro anno. bis zur Chergabe der (rrundstiicke. zugesichert. 

Diescs (in dem Kontrakte als das normale angenommene) Ertragsquantum war nun 
tempore solutionis so im Preise gesunken. da es nur fiir 1300 der schlechteren libra 
novae verkiutleh war. 

Die drei Gutachten gehen auseinander. Panormitanus legt dem Kloster S. Autou aul: 
dig 1300 librae in dem alten. besseren Gelde der Kontraktszeit zu zahlen. Romanus 
und (reminianus verpflichten es nur za 1300 librae novorum. 

Interessant waren mir die Begriindungen und der aus ihnen hervorgehende Grad des 
juristischen Konnens. 

Ich referiere zuniichst den Inhalt der Austithrungen. 


Panormitauns! stelit die Diagnose. es liege (wegen der Genehmigung durch Papst 
Bonifacius) nicht eine obligatio ex contractu vor. sondern eine solehe ex dispositione 
legis. aber eine obligatio. die durch die dispositio legis sofort entstanden sei. 

I. Zur Begriindung seiner Entscheidung tithrt er zuerst Quellenstellen und Autorititen 
der Vergangenheit an. 

Dali ad aestimationem antiquae monetae auch cine obligatio ex dispositione legis zu 
zahlen sei. beweise 

r. e. conquerente. X de offi, jud. ordi. (¢. 16. X. 1. 31) cum glossa ad verba duos 
solidos« : 

2. ¢. olim. de eensibus (¢. 20, X. 3. 39): und Tostiensis in tit. de censibus. der bei 
bojihriger Zahlung in certa moneta auch in posterum solutio ad illins aestimationem 
ftir rechtlich geboten halte. In proposito sei aber schon ultra 60 annos so gezahlt worden. 

3. 1. quortiescummque. ©. de suseept. (4, C. 10. 72) 

abi lex generaliter disponit. quod ubicunyue certa summa solidortn est solvenda. nou intelligitur 
de solidis usualibus et curventibus pro tempore. sed de illis antiquis quorum 72 faciunt unam libram 
aurt ... 

4. Dasselbe wolle die Glosse in lL. 4. ©. 6. 1 (ile fugitivis servis) et Inst. 4. 16 § final. 

5. Ebenso denke Joannes Andreac. namentlich in additionibus Speeuli in tit. de 
instrum. edi, $ porro i. te. 

abi clare sensit. quod etiam in dispositione legis debet haber’ respeetus ad monetam antiquat et 
non ad currentem. 

Im Anschlufs hieran wird ausgetiihrt. das anscheinend gegenteilige clictum des Specu- 
lator in tit. de oblig. et solu. § nune aliqua (oben p. 28) stehe dlem nicht entgegen: denn 
die Quellenstellen. auf welche es sich berufe - namentlich ec. 2. NX de maledicis 5. 26 
und ¢. olim (7) X. de injuriis 5. 36 . spraichen von Fallen. in denen die Zahlung in 
moneta currens ausdrtiekli¢h bestimmt sei. 

Das dictum des Speculator, welches ja namentlich darlegt. dal Geldstrafen in der 
zur Zeit der jeweiligen condemnatio umlaufenden moneta Turonensium (in der yon dem 
Strafgesetz bestimmten Summe) zu entrichten seien. verstoBe tibrigens (bei den Werr- 
verschiedenheiten der Strafsumme, die sich aus mutatio monctae ergeben wiirden) gegen 
den Grundsatz. dais poena commensurabilis delieto scin miisse. 


' Scutrin Hp. 362 13. 
2 Das witrdle $ ry cer partic. If libri TT Speeali sein (p. 357 0 360 in Greifswald Jo 20. 27). der von den 
Schenkunesformen handelt. Teh kann dort gene bestimimte Ansicht uieht auftinden. 


Das Lablkraftrecht dev Postglossutorenzeil, 07 


Aber ware das dictum auch »in se verume, so treffe es doch in proposito nicht 
zu. Denn es habe nur Falle im Auge. in denen die Obligation erst nach dem Erla8 
des Gesetzes entstehen kénne (nimlich erst, wenn nun soleches unter Strate gestelltes 
Delikt hegangen werde). 

In proposito sei aber die Obligation schon im Augenblick der provisio papalis dem 
Kloster erworben worden. 

Auch Bartolus halte tibrigens in Straf'fillen das tempus ortae obligationis fiir 
mabgebend. genau so wie hei Kontraktstillen. 


If. Besonders aussehlaggebend sei aber folgendes: 


Der Papst habe die jihrliche Geldzahling bestinunt in recompensationem der von 
ihm dem Kloster noch vorenthaltenen Naturaleinkiintte. 
Ergo necessario debuit intelligi de moneta tume envrente: quia nom potuit fiert recompensatio 
damuorum illatevuim nisi fiat aestimatio per pecuniam certam ct invariabilem ...!. 
- non potuisset dominus noster Papa facere recompensationenm damnorum. per solutiouem an- 


nuatin faciendam. nisi habuisset respectiun ad monetam tune eurrentem tempore peeompensationis 
factar. 


Romanus” stellt ebenfalls die Diagnose aul obligatio ex dispositione legis seu con- 
stitutionis. Er kommt aber. wie wir oben sagten. zu der gegenteiligen Entscheidung 
und gestaltet seine Ausfithrungen nach Form und Inhalt ganz anders wie Panormitanus. 

In derselben Art wie Signorolus erwiigt er. nach tiblichem scholastisehen Formular. 
zuniichst, was ftir die Gegenansicht spreche, und ]iBt erst dann die Begriindung der 
eigenen Ansicht folgen. Mit Vorliebe verwendet er das argumentum ab aequiparatione 
»quod in jure probabile este. Auch ftir die Deduktion der Gegenmeinung. 


I. Zu dem Ergebnis, da die Zahlung in der moneta antigua zu leisten sci. gelange 
man, wenn man die constitutio cinem Testament (Legat) fiquipariere oder ciner richter- 
lichen sententia oder einem Kontrakt (was gleichmiBig zulissig erscheine). Denn in 
allen drei Filler werde durch Quellenstellen, in den beiden ersten auch durch Olilradus 
(cons. 31, 13), lie Zahlung in moneta antiqua gefordert, ergo kinne sie auch fir die 
obligatio ex constitutione verlangt werden. 

“Sei die ordinatio papae aber nicht als constitutio. sondern als rescriptum oer prac- 
ceptum aufziutassen. so gestatte den gleichen SchluB wieder die Autoritit des Oldradus 
(cons. 168), der diese Entscheidung falle »primo arguendo de testamento ad rescriptum. 
secundo per textus in ¢. cum canonicis et c. olim de censibus« (ce. 26. 20. X. 3. 39). 


Il. Nunmehr geht Romanus mit der tiblichen Wendung »Praemissis tamen non re- 
ravantibus contrarium puto verius« zu der Begriindung der eigenen Entscheidune tiber. 
ragal 5 te} fo) > 


1. Halte man die ordinatio papae fiir eine constitutio, so 


a) erklarten Autoritiiten wie Cynus, Bartolus. Baldus u.a.m.. cie obligatio ex con- 
stitutione diirfe nicht mit einer obligatio ex contractu fquipariert werden. sondern mit 
einer solechen aus ultima voluntas. Dann greite dureh die 1. cum certum, ff. de auro et 
argento legato (1.9. ff 34. 2): 


cum certum auri vel argenti pondus legatum est. si non species designata sit. non materia, sed 
pretium praesentis temporis praestari debet. 


| P, fiigt noch folgenden Vergleich hinzu: »Simile videmus cum agitur de rescissione eontractus propter 
deceptionem et damnum datum ultra dimidiam justi pretii: nam in consideranda deceptione inspicimus valorem 
rei tempore contractus. quia aliter non potest quis dici deceptus in contractu.« 

2 Sa. VI p. 480: Scucrir Ip. 395. 1400—1430: Rechtslehrer in Siena. 


9 


GS EL. Staurnr: 


h) Aus ihr ergebe sich (indirekt) trotz der gegenteiligen Behauptung des Oldra- 
duis (cons. 31) —, da in der moneta currens tempore solutionis auch eine obligatio ex 
constitutione zu zahlen sei. 


¢) Direkt tolge dasselbe aus der decisio des Speculator in tit. de obli. et solu. § 
none aliqua, die daraul’ gegriindet werde, da’ einmal jede constitutio »continue loquitur. 
unde contingente mutatione pecuniae post eadem de illa et ipsa constitutio loquiture. 
und daB zweitens »mutata pecunia intelligitur ad novam miitationem mutata constitutio«. 

Direkt sei terner die Zahlung in moneta currens usualis vorgeschrieben in ¢,. olim 
(7) N de injuriis (5. 35) und in ¢. 2 if, N. de maledicis (5. 26). 

2. Billige man aber der ordinatio nicht vim constitutionis, sondern uur yim meri 
reseripti zu. so eutscheide tir Zahlung in moneta currens tempore solutionis direct ¢. 2. 
Cle. de deecimis (3.5) und ferner die Ansieht der Glosse zu lL. si proeuratores (S) S$ si 
ignorantes (7). ff mandati (17. 1) die sagt: »quando ex statuto peeunia debetur, tempus 
solutionis consideratur.« - und hinzutiigt: »quande ex rescripto, idem dicendum est«: 
die Glosse also aequiparat rescriptunr statuto. 

Die von Oldradus im cons. 31 angeftihrten 1. uxorem (41) $ testameuto (4). de leg, 
3 (32) und |. cum quid (3), si cer, pe. (12. 1) bewiesen nichts dagegen: erstere handle 
ttherhaupt nicht von einem fihnlichen Fall, und letztere beziehe sich uur aut eine obli- 
gatio ¢x contractu. 

3. Die Zahlung in moneta currens tempore solutionis sei auch deshalh angemessen 
»quia praestipponitur consuetudinem fore, ut omnes ili qui olim censum recipiebant 
ad anonetam librarum ‘Puronensium antiquorum, nune recipiant in totidem libram monetae 
in tempore currentis« ~~ und weil der, weleher solche consuetudo libidine sua vivlare 
wolle. als turpis und nach kanonischem Rechte straffallig erscheine (dist. $8. ¢. 2: dist. 
By Lote ae, wee) 

Und der Pontifex, Romanus selber empfange die solutio. quam olin recipiebat de 
Turonensibus parvis. hodie in moneta usuali seu currente. Es sei aber nach kanonischem 
Rechte satis indignum. quemguam refutare quod Beati Petri sedem sequi viderit (dist. 
ti. c 1: dist. 1. e. 6. de consecratione). Unde judicat lex ommes eam conusuctudinem se- 
qui debere. quam Romana suscepit sedes. quac caput est orbis (zitiert wird hierzw ou. a. 
bee. Ee Ta Se 

Dies treffe aber nameutlich bei exactio peeuniae zu. bei der tiberhaupt viri ecele- 
siastie? dehent esse laicis benigniores (c. 15, X. 3. 39: ¢. 9, X. 5. 37). 


Die Konsilien des Panormitanus und des Romanus gebe ieh nicht wortlich wieder. 
um Ramm zu sparen, und weil sie wohl auf jeder groBen Bibliothek leicht eingesehen 
werden kéunen. Das Konsilium des Geminianus' lasse ich aber verbotenus folgen, weil 
es so selten ist. Leider weist der Lyoner Druck von 1541 — der cinzige. den ich auf- 
treihen konnte —- mehrtach alnliche Unklarheiten auf wie der Lyoner Signorolns-Druck 
yon 1549 und dessen zu Rouen 1521 gedruckter Vorginger. 


' Semrie Il p. 294—290: Panzirolus p. 354 (II ¢. 34). Sein voller Name ist: Dominicus de 8. Geminiany, 
Das c.137 erwalnt iibrigens auch Kart Wautr. Das Valorisationsproblem. 1924. p. 211. —~ W. irrt aber 
wohl tiber die Zeit. in der G. wirkte. Denn W. glaubt. G. sei ven der »Nennwerttheorie dev Franzosen« 
becintlu8t worden. Die Franzosen des 14./15. Jahrhunderts waren aber, abgesehen von Joa. Faber, nicht nomina- 
listisch cingestellt. Noch das arrestum Parisiense vom 16.7. 1504 erkennt anf Aaqnivalente Zahlune. (An- 
nacus Robertus. res judicatae curiae... Parisieusis. 1399.) Geminianus ist ja auch in keiner Weise Nominalist. 


Das Lahtkraftrecht der Postylossatoren zeit, 69 


Dominicas Geminianas. 
consilium 137. 


Summariuim. 


1. Quo tempore attendatur valor monete videlicet tempore obligationis inducte vel potius valor 
secundum tempus solutionis. 

2. Obligatus solvere peeuniam ex obligatione legis vel staruti deber solvere de moneta currente 

tempore illo. 

Habens solvere decimam vel pensionem pro fructibus tenctur in moneta curvente non atheist 

licet sit diminuta. 


te 


In Christi uomine amen. 

(I) (Quia alias super ista materia allegationes feci diffusas: ideo ad presens transeant exclusive. 
Et eaxcludendo casus certos, ue inculcentur materie. Premitto quod hie non agitur de rebus con- 
sistentibus in pondere utero vel mensura habentibus in(2) suam intrinsecam bonitatem continuan: 
extrinseeam aut(em) aecidentalem et variabilem ad diversitatem temmporis respect precii: sicut est vintum 
granum oleum et similia quae habent saam intrinsecam bonitatem respectu essentie et habent ex- 
trinsecam respeetu valoris sed sufficit quod talia restituantar in bonitate intrinseea caquali illi quire’) 
erat tempore obligationis licer valor extrinsescus tempore restitutionis et solutionis sit mutarus: 

ut T2 et 1. vinum. ff si eer. pet. (1. 2. 22.52. 01. 

Iie enim debet solvii quantitas peeunie non autem ale speciei et in pecunia cousiderata ut pre 

cunia(me) e(eu,jus bonita(s. tis?) consideratur respectu estimationis cnin sit inventa ut estimet alias res. 
88. dist. ejiciens (¢. t1. dist. 88) 

et prout in sua estimatione plures includuutir res. 
de emp. et vendi.. c 1 (e. 1. X. 3.47). — et feo te lib, 1) (hor. a8. 12) 

et ideo attendimus sif?) tantum respectu estimationis ct valoris pro quanto expenditur, 
ut patet in c. olim. de censi. (c. 20. X. 3. 30). — de jurejur.. quanto te. oS. X. 2. 24). — de deci. 
ele. 2 (ce. 2. Cle. 3. 8) 

ergo debet attendi valor extrinsecus pecunie pro quanto appreciatur. 


(IL) (n.2.) Sed dubium hujus casus est an debeat attendi valor temporis obligationis inducte: au valor 
secundum tempus solutionis. Exeludo casus non dubios ut elarius veritas videatur. nam mutatio monete 
tironensis pon fuit facta ex dolo vel eul pa abbatis Sancti Antonii: quia si secus csset mutatio sibi noceret 


ff. si cer. pet. L quod te (I.5.12. 1). — et 1.2 $ fi. ih si quis ecautio. 12. $ fi. 2 11) 


Item abbas non fuit in mora solvendi ante mutationem quia solutio ista debet fievi singularis oim- 
nis (). ut probatur in bulla Bonifacii. ergo mmtatio ex defect more non debet nocere abbati. 


per no. in reg. mora de regu. jar. lib. VI cum coneor. (reg. 25. 5.17 in VI"). 
Item ista mutatio monete non fuit facta respectu defectus materie videlieet Quod fuisset prime aurea et 
uune sit argentea vel e converso. qui si sic fuisset. de reproba. solvi non pussit. 


ut | paulus, de solu. (1 og. solu.). — de censi.. olim. (ce. 20, X. 3. 30) 


Sed potius est diminuta ex avaritia principis. ut forte plas lucretar vel alia (2) sua voluntate : 
quo casu quando mutatio valoris est perpetua debet solvi de currenti ioneta ad existimationem an- 
tique quando agitur de solutione fienda ex obligations contractus vel census 


ut est casus in e. olim. de censi. (e. 20, N. 3. 30). — et e. sie (2?) eo. titu. - - et hoe tenet Bar- 
tolus in 1 Paulus allegati (?). —- et idem dominus Antonins de butrio ine. quanto. de jurejuran. 


(e. 18. X. 2. 24) 
et sic adhuc non est casus nuster: yoia hic non fit solutio ratione eontraetus vel ex obligatione cen- 
sus. ut patet in dicta bulla Bonifacii. 

(Itl) in. 2.) Si vero quis sit obligatus solvere pecuniam ex obligatiune legis vel sfatuti sicut sunt pene 
delictorum sieut sunt salarium offieialinm. et similia. tune @eber solvi de moneta eurrente non autem 
de illa quae crat tempore conditi statutr vel legis. et hoe tenet Speeulator 

tit. de solu. $ nune aliqua. in fine: 


quia mutata moneta debet statutuin intellegi de illa ct statuta mutentur secundum mutationem morun 

hominum foci 
de consanguinitate et affinitate. mon debet (¢. 8. N. 4.14). allegat Speculator codice qui admit. 
ad bonorum posse.. lege pen. i. fi (S.C. 6.0). — et codice de constitu. pe. 12 if (2. C. 
4.18). - et de constitutio.. translate (¢. 3. ne ie 2] cum simiibns. -~ Hane partem tenet etiam 
Paulus de eleaz. in cle. 2. de decimis (¢, 2. Cle. 3.8). — et Gaur dominus Anto. de but. in 
cap. 4. de jurejuran. (¢. 4. X. 2. 24). et pre divin istorum est glo. no, juneto tex, in eapi. 2 
de maledi. (c. 2. XN. 3. 26). 





10 


EE. S1taMepr: 


ubi tea. vult. quod pene imposite per statuta solvantur de moneta usuali. ct cieit ibr glo. tine. ynod 
idem esset servandtum si in statuto non diceretur de nsuali: moneta. 


Cun ergo solutio divinal’) istius pecunie debeat tieri ex dispositione Statutavia. (pater in bulla Boni- 
facii. ut patet ibi: Statuimus et ordinamus — et in fine bulle ibis nostrae constitutionis — et ibi: 
suututi) eoncluditur quod (quantitas taronensium solyeuda procedentem(?) sancti Antonii. aumuatimn debet 
intellegi de moneta currenti et non de estimatione antiqua, 


(IV t) Practerea istud potest probari alia ratione quando pecunia annua est solvenda ex ordi- 
nations superioris etiam per viam privilegii debet intelligi de solutione monete currentis et sie de 
mutata. vt de hoe est casus. 


in clementina secunda. de decimis (e. 2. Cle. 3. 8). 


Et potest intelligi illa clementina quando pecunia solvatur per respectum ad fructus loer gra 
vati in solutione sicut est decima papalis que imponitur eeclesiis habita consideratione fructuiun 
ecclesiarum quibus decima tmponitur. Sed sie est in proposito. quando ex ordinatione privilesii 
apostolici abbas sancti Antonii gravatar in solutione istins annuae pensionis. Et pensio est ordinata 
habito respeetu ad fructus: quia debent ci possessiones que in fruetibus annuis respondeant ad 
stimmam mille trecentarum librarum taronensitim et Toco istorum fractutm quousque cmantur solvitur 
dicta pensio. 

Et sie fit solutio babito respeetau ad fructus. ergo directo sumus in casa isto in terminis illins 
clementine secunde. 


(IV 2) Et si queratur quae fuit ratio sie statuendi. Licet textus non assignet potest aperta ratio 
assignari, Nat si habeo possessionem annuatiin dantem frumentum et blada eentutn mensurarum: 
quelibet mensura valet unam dibram turonensium: mi?) Gininus?) quinqgue solidis pro dibra(..) et sie 
secundum estimationem antignuam quindeeim solidi(s) taronen. antique monete expenduntar per(?) 
viginti solidis(.:) Et sie pro una libra de nova moneta: unde frinuentum none in mutationc monete 
habeto centum libras turonen. novorum. ct habita consideratione monete antique iste centim libre 
novae valent 75. (Juia in quarta parte est diminuta nova. 

Cum igitur nune percipiam centum libras de illis mensuris bladi nove monete injustuim esset quod 
ego sulverem decimam ad estimationem antiquam: quia solverem ultea quam esset decima habita 
enim consideratione ad estimationem antiquam deberem solvere duodeeim libras enum dimidio. 
et sic solverem 

(n.3.) plus dechna duas libras cum dimidio. et ideo ad tollendain istam injustitian: clementina 
secunda. de decimis. dispesuit quod solvatur de moneta currenti ex eo: quia habita ratione fructoum 
sit solutio decime. et pro fructibus non recipitur nisi moneta nova. Tta est hic quia vations fractunm 
solvit monasterium sancti Antonii istam pecuniam. 


(IV 3) [Ut ex isto infertur quod si monasterium(o?) montis majors solvitur moneta nova secundum 
quod currit non potest conqueri in aliquo dammniticari. Pone quod monasterium sancti Autonii emisset 
iunc temporis possessiones que habuissent in fractu unlle trecentas mensuras frumenti, et quelibet 
inensura valuisset unum Libram satisfactam erat obligationi ponere quod hodie totidem mensuras 
recipiat et quelibet mensura valet unam libram turonen. novorum qui sunt diminuti in quarta parte 
respectu estimationis antique: certe monasterium sancti Antonii nou esset obligatum ad solvendum 
iam ditminutionemn quia adimplev it id quod plomisit nee fait sua cnipa quod pecunia juitaretir, 
ergy non est sibi imputandum. 


ut Lovintan. ff si certim petatur (1.22. 12. 1) 
et si compelleretur solyere illud plus sequeretur gravari ultra intentum pape, 

Ita est nune. Nam loco illius frumenti monasterium sancti Antonii solvit istas libras certe sol- 
vendo pro istis fructibus(:) de moneta quam perciperet abbas montis majoris non potest conqueri 
petere ultra: yuia gravaret monasterium sancti Antonii in plus quam fuisset pereepturnus (ex fruc- 
tibus) et bona fides non patitur. et est contra rationem naturalem quod quis locupletetar cum aliena 
jactura. de pecu(nia?) sua. et contraheretur avaritie cecitatem(?): que maxime religiosis est prohibita. 


capitulo avaritie. de electionibus, lih. VI (c. 3.1.6 in VID. 


Dominicus ce saneto Geminiano, 


Geminianus stellt zunichst fest, dal eine diminutio monetae ex avaritia principis 


vorliege, an der aber der abbas S. Antonii keine Mitschuld trage. Stinde nun eine 
solutio ex obligatione contractus vel census in Frage, so miiBte (e. olim de censibus) de 
currenti moneta ad existimationem antiquae gezahlt werden. Eine obligatio aus solcher 
‘rausa liege hier aber nicht vor (1D. 


Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, v1 


Wenn dagegen jemand ex obligatione legis vel statuti zahlungsptlichtig sei (wie bei 
poenae und salaria), dann miisse gezahit werden de moneta currente, non autem de illa 
quac erat tempore conditi statuti vel legis. Hierfiir zitiert G., ebenso wie Romanus. 
hesonders den Ausspruch des Speculator: »quia mutata moneta debet statutum intelligi 
de illa« und fiigt selbst hinzu »eum statuta mutentur secundum mutationem morun 
hominum loci«. 

G. stellt aus den Worten der bulla Bonifacii fest. dal die solutio istius peeuniae 
debeat fieri ex dispositione statutaria, und kommt deshalb zu dem Sehluli. 


quod quantitas Turonensium solyenda ... aunuatin debet inteligi de moneta currenti et non de 
estimatione antigua (ITD). 


Diese Entscheidung --- nach der 1300 librae der neuen schleehteren Turonenses 
a zahlen sind -— wird im folgenden ((V) noch einmal. durch eine ganz andere De- 


duktion. begriindet. G. stellt fest. dali die ex ordinatione papae zu zahlende Jahressumme 
von 1300 librae ausgeworten sei per respectum ad fructus loci, also in Hinsicht auf 
den (normalen) Jahresertrag der fraglichen Grundstiieke. Die dann folgenden FEinzelaus- 
fiihrungen sind leider fhnlich korrumpiert wie die beiden Signorolusdrucke: aber der 
Grundgedanke li8t sich doch feststellen. Er ist in Folgendem beschlossen: 

Jener normale Jahresertrag war bei der Bestimmung der Hohe der annua praestatio 
als Wertmesser zugrunde gelegt. Inzwischen hat sich sein Preis aber so weit gesenkt. 
dab er nicht mehr 1300 librae antiquorum Turonensium ausmacht. sondern nur noch 

300 librae novorum. Infolgedessen brauchen auch nur noch 1300 librac novorum als 
anmut praestatio entrichtet zw werden. 

Diesen Inhalt der Begriindung unterstellen dem Geminianus auch Molinacus. Meno- 
chins und Venturinus. deren Referate nun zuniichst folgen méigen. 


Molinaeus n. 809: 


Romanus aitem non nisi frivolis et falsis vationibus movetur. excepta rations consuetudinis. quae 
est faethe nee mecessaria Geminianus autem ex miultis unam tantum bonam naturalem et concludentens 
vationem addueit. videlicet quod ila peusio erat constituta habito vespectu ad fenetus. et tn loeam 
fructutun. qui debent percipt ex possessionibus., Sed licet moueta faerit interim intvinseeas diminuta. 
tamen obligatio fractuum. sive possessionum afferentinny fructus tot libraram. non fait interim: aueta, 
praesertim cum debitor non fuerit in mora. propter dictum conventionem. Et si ab initio fuissent 
traditae possessiones tanti reditus. et postea fuit intrinsecus diminuta moneta. tamen non propterea 
fuisseT anetum pretium fructaum. nee veditus major faetus: et conseguenter non tenertin debtor 
Majorca: Summmam, solyvere., nee supplere defeetum bonitatis intvinseear peeuniac. 


Menochius n. 23. 24: 


Respouderunt Geminianus et Romanus sufficere. quod solyeretur cedditus ex moneta current Iempore 
solutionis ... Ea praccipua ratione moti sunt. quod ile annuus vedditus constitutus fuerat. ratione 
habita ad pereeptionem  fruetaum (quemadmocdian vere coutingit: in casa nostro). Et ideo. licet 
Moneta dnteinseeus mutate fuerit. attamen obligatio fruetuum. sive pracdioraim afferentium: fructus tot 
Hibparum oon fuit interim aueta. Et si ab initio tradita  fuissent pracdia tanti vedditus. et posted 
fuisset intvinsecus immmindtt mioneta: not lamen propterea fttisset waetum precium frretuum: nec 
vedditus major facts. Et per conseqiens non tenebatur monasterium Sancti Antoni njorem: stimmani 
solvere Geminiand Romani responsa probavit Modernos Pavisiensis in tractatu de usuris, numer. 800. 
Et verioe ext haee Geniniani et Romani sententia. etsi in cadenmet facti specie contrarinm respon- 
devit Abbas cons. 36 lib. 2. 


Venturinus. cons. 45. capitis seeundi casus primus, n. 7—I11: 
Respondit tamen Geminiauus pro d. Monasterio S. Antonij. Hud men teneri solvere nisi de moneta 
curventi, prout valet de tempore solutionis per tex. in Clem. ce. 2. de decim. Et per rationem supra 
relatim. quia cunt anita ia praestatio fieret habito respeetu ad) pereeptionem fructuum. qiuemiad- 


~l 
bho 


E. Srampe: 


modum pro fructibus non solvitur nisi moneta nova prout currit. et Monasterium Montis Maiovis si 
haberet fundum tanti annui redditus. ex fructibus illius non reciperet. nisi totidem libras monetae 
novae, itt nee potest gravare Monasterium S. Antonij ad solyendum de moneta antiqua. cum nou 
frerit sna colpa., quod pecunia sit mutata. et sit contra natuvalem rationem. quod quis locupletetur 
cunt alien imetura, et super hae vatione dicit fundatam esse decisionen: tex. ind. Clement. 2. de deeim, 
et (ut cdlixi) est ratio tam evidens. ct palpabilis. ut omnis alia demonstvatio snpertlua videatur. et 
CGeminianum sequutus est Menoech. in cons. go. n. 23. et sequen. ubi etiam refert. quod eundent Ge- 
minianmn. et Romanum gui in cadem faeti specie pro dicto Monasterio sancti Autonij respondit in 
cons, 123. sequutus fait Modern. Parisien. in tract. de ust. 1. 80g. licet Rom. in d. cons, 123 now 
tangat hoe Geminiani fundamentum, prout nee Abbas cons. 36, libre. 2. allegatus per Menoch, ahi supra 
nom. 24. in fine. qui pro contraria parte respondit. 

Quod vero dicitur in casu yuo tanti valent fructus de libris monetae currentis tempore solutionis. 
quanti valebant de tempore contractae obligationis. de meliovi moneta. procedit ctiam si plus valerent 
de moneta nova, quam olin valebant de antiqua. hoe scilicet modo ut semper solution facienda sit de 
meneta nova ad valorem currentem de tempore solutionis. in tanto tamen mojori quantitate. ut tantam 
fructutun quantitatem habeat modo creditor. quantam de tempore contractae obligationis habuisset. 
quia idem iudicium fit de parte. quoad partem. quod de toto qnoad totum (1. quae de tota, ff de 
rei vendicat.) et plus. et minus non faciunt differre specie. ut |. final. ff de fundo instrnet. Ciriae. 
Controvers., 222. nun, 29. 

Ex quo in sania haee eolligitar conclusio. quod in annuis praestationibus. quae solyuntur 
habit respect. ad fruetutm perceptionem. semper fit solutio de imoneta currenti. et iuxta valorem 
wonetaram de tempore cuinstibet solutionis. quam conclusionem statuunt praecitati Doctores, et quod 
(si quae ratio angninenti monetae. seu deteriorationis iflius. habenda est) ratiociniuu: inenndum. est 
super fructibus ut tot fructus. sea tot fruetuum pretium praestetur creditor in moneta currenti., quot. 
seu quantam cum moneta antiqua habuisset de tempore celebrati contractas. seu coutractae oblizationis. 
quod est quid maxime diversmim. et toto coelo distans. a ratiocinio. quod fit monetae novae. erm antiqua 
ad effectuin, ut tanto plus solvatuy de nova. quanti valet, seu valeret autiqua. cum certissiimun. et 
absolutissimuim sit. quod propter monetarum deteriorationem, seu alterationem valoris bonarum: mone- 
taram ex eansa deteriorationis inferiorum. tantum non erevit valor fractuum. quantum auctus fuit 
valor superiorum monetaram. quod etiam firmat D. 1. C. Corvigiensis in suis scripts p. 45. a tergo 
versicuL veruim quia. dicens angmentum pretij ex monetarum variatione proveniens. lonze maius esse 
augmento. quod in yalore fecerunt bona vendita. prout contigit in casu dec, Thesaur. 226. num. 3. 
subijeiens deinde rationem. quare angmentam monetae superet angmentinn valoris rei venditae. + time 
experientia nos doceat. quod valor fruetuum terrae nulliin fere augamentum. vel diminutionem unquam 
recipit ab alteratione monetae in valore extrinseco, vel iutrinseco. sed tantum a fertilitate. et stevilitate. 
penuria, et abundantia, bello. et alijs accidentibus. et ego testari possum in patria mea a recordatu 
meo citra nullam fere aliam in praetijy bladoram. vini et aliorum = frauctumm terrae, contigisse altera- 
tionem, quam quae fuit causata. propter sterilitatem et fertilitatem respective et populoram vieinurum 
indigentian. vel opidentiam. adeo ut his temporibas ploris non valeant: huinsmodi frnetus. quai 
(civeumscriptis cansis praedictis) valuerint triginta. ac triginta quinque ab hine annis. non obstante 
quod ab inde citra valor anvi fuerit duplicatus. et paulominus anctas fuerit valor argenti. et idem 
observu apud Gemin. in d. cons. 137. illis temporibus contigisse., in quo quidem Geminiani cons. Supe 
ponitur ex die eontractac obligationis. usque ad tempus excitatae controversiae. de qua in d. cons 
monetas deterioratas fnisse in quarta parte. et nibilominus. eundem fuisse valorem frumenti tempore 
dietae excitatae controversiae. qui crat de tentpore contractae obligationis. 


Gesamtergebnis: 


Es handelt sich um cin debitum simplex auf annua praestatio von 1300 librae 
Yuronensium parverum, nach dessen Entstehung die Turonenses parvi intrinsecus deterio- 
riert wurden, Die Summe sollte cin Ausgleich dafiir sein. daB das Kloster S. Antonii 
die Fruchtziehung gewisser Grundstiicke, die es unter papstlicher Bestaitigung dem Kloster 
Montis Majoris verkauft hatte, noch behielt: sie war nach dem = normalen Jahresertrag 
hbemessen. Der Preis dieses Fruchtquantums war inzwischen so gesunken. dab es ge rade 
noeh 1300 librae novorum einbrachte. 


Fir Panormitanus ist ausschlaggebend, dal} pendente obligatione die Turonenses in 
bonitate intrinseca versehlechtert worden sind. Er wendet deshalb den althergebrachten 
Rechtssatz an, dal dann in moneta antiqua. ad numerum. zu zahlen sei. — also den 
Grundsatz. dati die Zahlung nach Bonitits-\quivalenz zu geschehen habe (p. 39). Dab 


Das Lahlkraftrecht der Postglossatoren zeit, 73 


die librae novorum inzwischen gegeniiber jenen Grundstiicksfrichten dieselhbe Kaufkraft 
erlangt hatten. die friher die librae antiquorum hatten. mubte ihm aus dem Parteivor- 
bringen bekannt sein. erscheinut ihm aber offenbar als unwichtig: er ist: reiner Boni- 
tist. — was daraus hervorgelit. da®B er das Kloster Montis Majoris fiir geschidigt halt. 
wenn iim nicht in moneta antiqua ad numerum gezahlt werde. 

Romanus dagegen ist scheinbar Anliinger der Lehre von der bonitas usus gewesen 
ip. 45) und scehenkt deshalb der Kaufkratt-\quivalenz Beachtung. Aber um dies Zic! 
zu _erreichen. geht er dic verwachsensten Wege der Scholastik. © »Romanus non nisi 
frivolis et falsis rationibus movetur« sagt Molinaeus. hat aber mit dem movetur Un- 
reelit. Nicht jene scholastischen rationes haben Romanus zu seiner ntscheidung getrieben, 
sondern sicher verntinftige praktische Erwiigungen. und diese scholastischen Deduktioncn 
mit dem gewaltsamen argumentum ab aequiparatione und der Verdrehung des Sinnes 
von Quellenstellen thesonders t. 9, 34. 2.!) sind nur das Mintelchen. welches die (damals 
noch allgemein vorhandene) Unfihigkeit zu riehtiger dogmatischer Begriindung verdecken 
soll’. 

(reminianus ist aber allein der offene Bahnbrecher. Die Zahlung nach Kauthraft- 
Aquivalenz war bisher nur beim debitum valorem respiciens Reehtens (p. 39, 61): Geminia- 
nus tibertrigt dies unverhillt auf das debitum simplex, — aber freilich nur fiir ein Spe- 
zialgebiet und nur unter cng begrenzten Voraussetzungen. Bei der Begriindung der 
Obligation ist die Hohe der zu zahlenden Jahressumme mit Ritcksicht darauf bestimmt 
worden. dab sie damals den Preis tir den normalen Jahresfruchtertrag der verkautten 
Grundstiicke darstellte, Dieser normale Jahresfruchtertrag war also der Wertmesser. 
nach dem damals die annua praestatio bestimmt wurde. Daraus zieht Geminianus dic 
Folgerung, dal die Hohe der annua praestatio sich Andern iniisse. wenn der Preis jenes 
normalen Jabrestruchtertrages sich findere. Wohlgemerkt: cine Bestimmung. dal 
solehe ANnderung unter solehen Umstinden eintreten solle, war nicht getroffen. Aber 
Geminianus ist scheinbar auch cin Auhanger der zu seiner Zeit schon schr verbreiteten 
Auffassung. dai am Gelde nicht die materia, sondern die potestas. die Kauthraft. das 
Wesentliche sei und von diesem Grundgedanken aus ergibt sich ihm die Erkenntuis. 
da®B bei dem vorliegenden Tatbestand der WKautkratt des Geldes Bedeutung zukommen 
miisse, — also bei einem debitum simplex. dessen Wertmesser in cinem Warenquantum 
hestehe. 

Wenn dem Juristen cin neuartiger Tatbestand zum = erstenmal begegnet. wird er 
sie. nicht leieht von dem Fehler frei halten konnen. Momente dieses Tatbestandes als 
wesentlieh anzusehen. auf die es in Wahrheit nicht ankommt. So crgeht es auch Geminia- 
nus. Er leet Gewicht darauf, dai pendente obligatione die Turonenses in bonitate in- 
trinseea verschlechtert. dab. mit anderen Worten. neben die alten Turonenses neue 
sehlechtere getreten waren. Und ferner darauf. dali zu der Zeit. wo die Zahling ver- 
langt wurde. der Preis des Jahrestruchtertrages gerade so weit gesunken war, dab er 
zahlenmaiBig dieselbe Anzahl. die er bei der Begriindung der Obligation in Turonenses 


Po deh werde immer wieder inne. wie sehr sich die Scholastih 7a ihrem Vorteil von der Konstruktions- 
Jurisprudenz idles 19. Jalivhinderts nnterscheidet. Dureh ihre Aufgabe. die Doginen der Kirehe als wahr zu 
enwveisen. notwendig oft auf den Wee gewaltsamer. spitztindiger Begriindungen vedriingt, bewahrt sie sich doch 
hei der Behandlung von Rechtsfragen den niichternen. praktisehen Sinn ftir die Bediirfnisse des Verkelrs. 
Sie hat z. Be das kanonische Zinsverbot mit dem Satve -peconia natura sua stertlis est. als naturnoty endie 
verteidiet und doch dem) Zinseubeddrfnis des Verkehrs in groBartigster Were durch die Entwiellang des 
Rentenkaufes und die Sehatfing des Distanzwechsels Geniige getan, Unsere moderne Konstruktionsjuris- 


pradens warde dagegen oft «frivels et falsis vationibas zo ihren Matscheidungen eetrieben 


Phit-hist. Abh. 1928. Nv. 10 


74 E.Ntrawrer: 


antiygui ausmachte. nunmehr in Turonenses novi betrug: damals 1300 librae antiquorum. 
jetzt 1300 librae noverum. 

Beides ist nebensdchlich. Aber wie lange es dauerte. bis man diese Einsicht ge- 
wann. zeigen uns die Austithrungen des Molinaeus und des Menochius, die aneh noch 
nicht recht von diesen Tatbestandsmomenten loskominen kénnen. 

Erst Venturinus erkennt klar. da® die Ubereinstimmung der beiden Librac-Zahlen 
ohne Bedeutung sei. Ist der Preis des normalen Jahrestruchtertrages jetzt in der 
moneta nova Aalleninibie hoher. so ist diese héhere Summe der librae uovae zu zalilen: 
das Ziel mul immer sein. dem Gliubiger gerade so viel zuzusprechen, wie er jeweilig 
fiir jenen normalen Jahresfruchtertrag in librae novae erhalten wiirde. 

Venturinus scheint aber auch (wie ieh aus p. 72 schliebe) cingesehen zu haben, 
dali keine »mutatio bonitatis intrinsecac« vorliegen brauche. dal also. auch wenn das 
(eld dasselbe geblieben sei. die Entscheidung die gleiche sein miisse. weun nur das 
allein Wesentliche sich zugetragen habe. niimlich ein Fallen (oder Steigen) der Fruchtpreisc. 


Wiirde man nach diesem Crundsatz eine Naturalrente in eine Geldrente umwandeln. 
so wire der Betrag der Geldrente durch den jeweiligen Preis gegeben., den jene Natural- 
heziige kiinftig einbringen. Und wollte man solche Naturalrente nach demsclhen Grundsatz 
dureh cin Geldkapital tilgen. so miiBte der zur Tilgungszeit errcichbare Rentenpreis 
kapitalisiert werden. Wieviel seinerzeit dem Rentenptlichtigen von dem Rentenkiufer tir 
die dauernde Entrichtung der Rente bezahlt worden ist. wire ohne Bedeutung; dieser 
Betrag wire auch ftir die Hohe des Tilgungskapitals nicht mabgebend. Es liegt aut der 
Hand. wie wertvoll die Beobachtung dieser Vertahren namentlich fiir den witre. der die 
Naturalrente seinerzcit unentgeltlich erworben hat. 

Merlin (in seinem Repertoire de Jurisprudence. Paris 1817. Tome 11. Monnaie $ IV) 
berichtet uns fiber Tilgungen von Kornrenten, die in den spanischen Niederlanden durch ein 
Placard Philipps Il. vom 5. Marz 1571 angeordnet wurden. zu dessen Erliuterung ein 
Placard des Sehwicgersohnes Albreehts von Osterreich und der Vochter Isabela Philipps TT. 
vom 23. Juni 1601 herangezogen wird. Diese Gesetze sind hier von Interesse. 

Das Placard von 1571 sagt in art. 7: 

Der Konig wolle. que les erediteurs soient tenus indemnes de Vintéret qu ils pour- 
raient avoir pour la diminution de toute intérieure ou extérieure de la Monnaie. pour 
le yegard du remboursement des dites rentes: deshalb: 

ordonnons que. celui qui voudra faire le remboursement de telex rentes. sera tent de faite selon 
Vevahinition de da Monnaie (orien Vargent quik pourrait conster et apparoir davoir été tourny lous: 
on simon que tedit or on argent avait. adit temps. cours en nosdits pays. par le dernier notre eda 


ou placard amediatenrent precedent le jour du contrat. selon lequel yrarsemblabloment les conteactans 
seosont régiés. ne ffi toutefois qurautre chose appartit, conmme dit est... 


Das Placard von 1601 setzt in seiner Praenimbel auseinander: 


que. pons roubourser ure rente en araius. on doit. suivant le placard de 1571. avoir coud 
ada valermr des espeees an temps du contrat. pareeqiue des denrees laussent et baissent 4 peu pres 
’ ola meéme proportion que les Monnaies. qual en devrait étre de ineme des rentes en ArOQeuls mais 
que. pour couper da racine des proces que la contraricté des opinions a fait maitre. ils se sent détermings 
a faire, sur ces derni@res. un réegleament particulier. et a ordonner: 

T. (Que tantes rentes. faeultes de rachat. gageres ou autres obligations coustituees A nue livres, 
frances. palais. sous ei semblables formes et noms (Ver eest a dire. cn Monnaie niumeraire), * ponrront 
vacheter, decharger et aequitter a divres. florins. ete. en toutes: sortes de pitces Vor et Vareent avant 
cours dans de pays au jet des paiemens et re eee mens. nenobstant que par les coutrats bes vee 
Moret Vargent vomentionnees fusseut @valuces erappreciées sur te pie wl des Vionnares de ee te mpl: 


Das Latthrattrecht der Postylossatorenzeit, TD 


sans prendre cgard si elles sont augmentees oi dimintiees: ee quii aura dieu. cheore que les Gantvats 
teraient muention de rachat a earolus. rénux et autres pieces. moyennat toutetois que Févaluation et 
prisce desdites pitces suient apposées dans des contrais a livres. sams ete. de sorte qiie Pots passera 
semmblablement audit cas en pavant livres pour livres. florins pour florins: 

2. Quest des rentes. tacultés de rachat. gagéres et autres Coustitutions. sent ereces et eon stiiiees 
en Certaines espeees dor ou Wargent. clesignees par les contlats. Si comme earolas. ceus. diteats at 
autres picees en especes dor on dargent. sans fare evatination des PHN ou estimation dieelles. le 
remboursement ou acquit dieciles obligations se devia faire en memes espeees ou pieces dar ou 
WVargent. stosemblables pitees se peuvent Commmodement recouvrer. simon cn autie Monnaie dor on 
Cargent. selon quieelles pitees sout  estimices, appreciécs et evabtices par nos placards au jour de 
Pextinetion, décharge ou remboursement cesdites obligations. 


Das Placard Philipps TH. von 0571 nimmr. wie wir sehen. heinerlei Riieksicht aut’ 
Verinderungen der Kornpreise: es legt einen ganz anderen Mabstab an. um die The 
der an die Stelle der Kornrente zu setzenden Geldrente zu ermitteln. Das Placard selber 
spricht dartiber in Wendungen. die nieht leieht verstindlieh sind: aber das Placard yon 
1601 erklirt sie dahin. dab 


pour rembourser une rente en arains., on doit. suivant le placard de rszi. avo ead a da vate 


des especes au temps da contrat 
Und Johannes Voet () 1714) in seinem Comimentarius ad pandectas (Colon, \lobr. 1769) 
zu Lib. NU tit. 1 berichtet dn. 24): 


placito Philippi Hisp Reais, Hollandiae Comitis. promulgate 5. Martivisy1 oo. dispositum: fue rat. 
in vedituum: amntortin laitione solvendos esse aimiaes secundum yaloren. que probaretir fuisse eo 


tempore, quo pritnum reditus coustiturus fuit coi apparerer eum tempore solutionis: fiisse auetum, 
Das kann — nach dem ganzen Zusammenhange in den Austithrmngen Merlins wie 
Voets -~ nur folgendes heiben: 


Die Hohe der Umwandlungs- oder Ablésungssummme riehtet: siele nach deni Preise, 
um den seinerzeit die Rente gekauft worden ist. 

Und zwar ist eine Zahlung. die in der gleichen Geldsorte geschieht. in der seinerzeit 
der Rentenpreis gezahlt wurde, bei einer AbLOsung ad numerum zu leisten. also in eleich- 
viel Stiicken, mag der valor externus dieser Geldsorte inazwischen auch eesunken oder 
gestiegen sein: too Dukaten sind mit 100 Dukaten zurtickzuzahlen. Soll die Zahlung aber 
in Valorgeld geschehen. z. B. in livres, so hat, wenn inzwischen die livre geventiber dem 
Dukaten im Kurse gesunken ist, der debitor aufzuftillen. bis der Wert der 100 Dukaten 
erreicht ist: im umgekehrten Falle kann er bei livre-Zahblung einen entspreehenden Abszug 
machen. 

Bei der Unwandlung in eine Geldrente bedarf es dann noch der Festsetzime der 
Rentenhdhe nach Prozenten des crrechneten Kapitals. 

Das geschilderte Verfahren erklirt sich wohl daraus. dab man aueh in dem Kaut’ 
einer Naturalienrente ein darlehnsartiges Geschift sah. bei dem die KaufSumme die Dar- 
lehnssumme und die Naturalicnrente die (kanoniseh verbotenen) Zinsen darstellte. Intolge- 
dessen stand man unter dem Finilus der |. 3. 12. 1. die Ritekzahling »cadem bonitate« 
fordert. »qua datum sit«. 


Zum Schlu3 vergleiche ich noch die Erstrechung der Kautkrattiquivalenz. die Ge- 
Ininianus anbahnte und Venturinus durehftihrte. mit derjenigen. welche Molinaeus in seinem 
tractatus de mutatione monetae verfocht. Teh habe diese Lehre des Molinacus ja ans- 
fibrlich behandelt in meiner Untersuchung. ob Molinaeus Nominalist wart. und beschrtnke 
mich deshalb hier aut’ kurze Bemerkungen. 


Y Molinaeus-Studie. 1020, 


10 


76 KN paupn: 


Molinaeus will ebentills die Kautkrattiquivalenz auf das Geebiet des debitum siim- 
plex erstreecken. Aber er operiert nicht mit der Kaufkratt des Geldes gegenitber den 
Waren oder gegentiber einer bestimmten Ware, sondern mit der Kautkratt cimer Geld- 
sorte gegentiber ciner anderen — oder. wie man es auch und noch genauer ausdriieken 
kann, mit dem Kursverhiltis zwischen grossa und minuta, 

Bei dem debitum valorem respiciens war es ja selon seit Baldus von sehr Vielen 
anerkannt. dag bei einer pendente obligatione stattgefundencn Kursindertung zwischen 
Schuldgeld und Zahlgeld die zu zahlende Sumime nach dent Kurs der Zahhineszeit. nicht 
nach dem der Entsteluimeszeit. zu berechnen sei. Diesen Satz tibertrigt Molinacus auf 
das debitum simplex. Ist ein Darlehn von roo aurei solares gegeben vid in aurei se- 
lares gurtieckzuzahten —- sind also Schuldgeld und Zahleeld identisch -—. hat sieh aber 
das Kursverhialtnis zwischen dent aureus solaris und der libra Turonensis inzwischen von 
r:4 anf t: 35 verschoben. so braueht der Sehuldner nieht roo aurei. sondern nur so 
mrvickzuzahlen, weil er ja jetzt 400 librae fiir So aurei kaufen kamn. 

Ieh habe in der Molinacus-Studic nacheewiesen. dai M. die Kursinderune aber uur 
unter bestimmten Voraussetzungen als rechtswirksam anerkennt: die mutatio valoris mus 
vera und stabilis sein. Dazu gehort 

1. da die libra ihren Kursstand gvegentiber den anderen grossae bewalrt habe 
und auch ihre Kaufthoalt gegentiber den Waren (so da® keine Vertinderung ihrer »bonitas 
usus« vorliegt) (»Mo.« p. 47. 52. db), 

2, dab die Kursverinderung zwischen aureus und libra nicht mur durch cin deere- 
tunt principis veranlabt. sondern auch communi usu comprobata sei (» Mo. p. 45, 461. 

Es muf also cine mutatio valoris extrinseci vorlicgen. die sich im Verkehr daucrnde 
Anerkennung verschattt iat. 

Wegen dieser Tatbestandsmomente. dic Molinacus sehleehthin fordert. ohne die er 
cine reehtswirksame. die Hohe der zu zahlenden Samme becinthussende mutatio valoris 
extrinseci nicht anerkennt. ist der Versuch. iin den Nominalisten zuzuziihlen. aussichts- 
los: denn der Nominalismus besteht ja gerade in der Lehre. da® nur die obrigkeit- 
liehe Festsetzang eines Kursverhiltnisses zwischen zwei Geldsorten einen rechtswirksamen 
valor extrinsecus erzcugen konne’. 

In diesem Sinne ist z. B. Johannes Voet Nominalist (l.¢.); chenso Pothier in seinem 
Traité du prét de consomption (Teidelberger Referat p. bt. 12): ebenso Merlin (l¢.). der 
(p. 228 $ TV) ausspricht: 


ce West point au cours des especes, mais a leur valeur (publique, qui) taut avoir Goard, 


Erkennt man. so wie diese Juristen des 18. baw. 19. Jahrhunderts. eine rechtswirk- 
stne mutatio yaloris ausschlicBlich dann an. wenn sie durch deceretum principis geschiche. 
dann gewinnt der Satz, daB die Zallkratt ciner Geldsorte dureh dic mutatio valoris wech- 
selt, eine Bedeutung, in der Molinacus ihn nie verteidigt haben wiirde: denn dann wiirde 
die Zahtkratt sich ja nicht nach der natirlich im Verkehr gewordenen. sondern nach 
einer kiinstlichen. obrigkeitlich betohlenen Kaufkraft bemessen: und das ist cin bei jedem 


despotisch veranlagten Regiment schr gefahrlicher Satz. 


In meinem Heidelberger Referat habe ich jedoch schon ausgefiihrt (p. 4.5). daB das 
decretum valoris sehwerlich oft dazu miBbraucht wurde. den Grundsatz équivalenter Zah- 








1 Cf. mein Heidelberger Referat vom to, Juni 1027 fiber die geschichtliche Entwickelung des Geld- 
Hotipalismus, 


Das Aahtkraftrecht der Postyflossatorenzeit, 


~) 
ae | 


lung in unlauterer Absicht zu durchbrechen. Diese decreta wollten im Gegenteil regel- 
miBie den MiBbriuchen der campsores und mereatores steuern und ptilegten uur nach 
sorefiltigen Vernchmungen Sachverstindiger crlassen zu werden. um Kursyerliltnisse 
festzulegen, die der Verkehr bereitwillig aufhahm. Sie waren auch notwendig. solange 
der Verkehr selber noch nicht ausreichende Einrichtungen zur Feststellung von Geld- 
kursen entwickelt hatte. 

Viel vettihrlicher waren die decreta aequivalentiag (Referat p.5---7). die ftir zwei 
Geldsortenh von versehiedener bonitas intrinseea aber eleicher Benennune dieselbe Zalil- 
kraft anordneten., 

Sie kamen aber — soweit meine Kenntnis reicht —- nur bei moneta minuta vor 
und verfolgen nicht immer unlautere Zwecke. Philipp der Schéne von Frankreich hat 
freilich arg mit ihnen gewirtschattet und darin vicle Nachfolger gefunden. 

Kin Beispiel davon aus der Zeit der Kipper und Wipper. das sich wie ein Aus- 
schnitt aus Grimmelshausens Simplicissimus liest. gibt die bei Chr. Besold (consilia. 1628. 
pars 2, cons. 6y p. 2511) abgedruckte »Underthinige Supplicatio pro mandato cassatorio 
ete. Dess Kais. General Fiseal \mpts halben contra Burgermeister unnd Raht dess IIci- 
ligen Reichs Statt N.N.« ..., auf die das Reichskammergericht am 11 Maji 1627 er- 
kannte. augenscheinlich aut’ Kassation des contra Jura ct Constitutioncs Inperii errichtcten 
stiidtischen Statutes'. 

Aber wenn z. B. die Statuta urbis Ferrariac reformata A.D. 1567 im Lib. If r. 132 
(das den modus faciendi solutiones regelt) bestimmen: 

quod si creditam fuisset in genere, puta in tot libris seu bologuinis. tune 2... nulla mora contracta 
(debitor) liberetur solvendo tot libras seu bologninos in moneta currenti tempore solutionis. intelligendy 


quod dicitue de moneta currente tempore solutionis. ut non habeatur ratio valoris monetae antiquae. 
sed novae tantum seu currentis. 


so ist damit sicher kein unlauterer Zweck verfolgt worden. wie der iibrige Inhalt dieses 
Statutes beweist. M. E. wollte Ferrara. indem es nur die Zahhing der grossa-Schulden 
unter das Aquivalenzprinzip stellte und im Gegensatz dazu die Zahhing der minuta-Schulden 


nominalistisch regelte, lediglich davon abschrecken, grébere langfristige Schulden —— tir 
welche die grossa das gegebene Geld war — in der unsicheren minuta emzugehen. Auch 


die Zulassung sichernder Parteiabreden 
si inter partes fauerit conventum expresse ac speciticatum de qualitate. bonitate. vel forma monetae 
solvendae. illud omnino observari debeat 


zeigt. dali die nominalistische Bestimmung keine unlautere Schiidiguug bezielte. 


Ein anderer einwandfreier Grund zu decreta aequivalentiae, welehe von der Kaut- 
kraftgleichheit der verschiedenen gleichnamigen minutae getlissentlich absehen. ist in Zeiten 
eroBer Miinzwirren durch die Besorgnis gegeben. dal sonst eine Ubertlutung mit Prozessen 





' .Burgermeister und Rabt« hatten naémlich Wind davon bekommen. da 1623 auf dem Kreistag des 
Schwabischen Kreises zu Ulm beschlossen worden war, «die grobe so hoch verbottener Weise gesteizert: 
Miintzsorten in einer kurtzen Zeit wicderumb zu veduciren«, d.h. also, an Stelle der umlautenden sclilechten 
minuta wieder eine normale minuta anszuprigen und dadureh den Kurs der gruben Sorten. namentlich des 
Reiehstalers. ze Gulden und Kreuzer wieder herabzudviicken. (Nf&heres tiber diese Reduktion habe ich im 
»Sitzungsbericht 1y25~ gezeben.) Thre Kenntnis hatten sie dann dazu benutet. den nichts abnenden Biirgern 
noch sehleunizst Darlehne nach sehleehter minuta aufzundtigen also etwa Darlehne von tooo Gilden. dic 
in nur 100 Reichstalern ausgezablt wurden — und spiter. nachdem infolye besserer Ausprigung der iminuta 
die Reduktion des Reichstalers auf i! , Gilden stattgefaunden hatte, mit Iliffe eines inzwisehen von ihnen er- 
lassenen Aqnivalenzstatutes die Riickzahlung jener Guidendarlebne in Reichstalern zam Kurse it: 1 za er- 
vwingen. Die Widerstrebenden wurden »seturnt, aestockt. unad geblockt-. 





7s EL Sitawrer: 


eintreten werde, Tlieraw’ stiittzen zB. Kursachsen und Strakburg ihre am Ausgang der 
Kipper- und Wipperzeit erlassenen decreta aequivalentiae. 

Und aueh das von Albrecht und Isabella ro0r1 proklamierte placard stiitzt scine Be- 
stimmimng, dab bei Geldrenten. die nach minuta (z. B. nach livres oder tlorins) begriindet 
sind. allemal livres pour livres. florins pour florins bezahlt werden kémen. aut’ die Er- 
wigung. es wire ja richtiger auf die valeur au temps du contrat zu sehen. aber nur 
durch die jetzt gegebene Regehing kémne man »couper la racine des proeés« (p. 74). 

Endlich wird es nicht selten vorgekommen sein, daB cin deeretum ac quivalentiac 
nur cine durch den Verkehr bereits herbeigeftthrte Kaufkraftgleichheit der verschiedenen 
gleichnamigen minutae amtlich besuitigen wollte. Molinacus berichtet uns wiederholt, 
daf die neue sehleehtere minuta im Verkehr die Kaufkraft der alten besseren erlangt habe. 


Ich habe unserem Kapitel. welches die Fortbildung des Aquivalenzprinzipes seit 
Geminianus schildern soll. diese Ausfithrungen tiber dic verschiedenen Erscheinungstormen 
und Ursachen des valor decretalis angeschlossen. um zu zeigen, dais auch diese deereta 
dem Aquivalenzprinzip dienen konnten und gedieut haben. Das decretum aequisalentiae 
honnte dann natirlich nur die Kaufkraftiquivalenz fordern. weil es die Verschiedenheit 
der bonitas intrinseca zur Voraussetzime hatte. Die decreta valoris konnten dagegen auch 
Bonitétsfiquivalenz zur Grundlage nelanen, 


§2. Joannes Regnaudus, Paulus de Castro, Martinus Garratus Laudensis, Marianus 
Socinus senior, Benedictus Capra, Alexander Tartagnus. 


Mit dem Versuehe des Geminianus, die Zablung nach Kautkraftiiquivalenz in be- 
schrinktent Umfange auch bei dem debitum simplex einzuttihren. schlieBbt die Entwieklung 
des Zahikrattrechtes durch die Postglossatoren ab. Neue Gedanken tauchen im 15. Jahr- 
Inmdert nicht mehr auf, erst Molinaeus wirkte wieder schopferisch. Aber trotzdem ist 
es wertvoll. Finblick in die simtlichen NKonsilien des 15.Jahrhunderts zu nehmen. Denn 
sie sind fast durchweg von den hervorragendsten Juristen jener Zeit erstattet. Und es 
ist nicht nur interessant. deren Stellunguahme zu der bisher entwickelten Lehre keunen- 
gulernen. es wird auch die Einsicht in den Inhalt dieser Lehre bereichert und vertieft, 
dureh neu auttauchende Tatbestinde und durch die Vielseitigkeit der Erérterungen tiber 
die Haupttragen. 

1. Wir beginnen wit einem Konsilium des Joannes Regnaudus Avenoniensis. 

Es ist in der Sammling des Budelius (p. 462— 465) und (erheblich richtiger) im 
Tom. NIL des tractatus tractatuum (f. 206 —207) als Tractatus gedruckt, war aber ein Gut- 
achten tiber einen Fall von solutio dotis'. 

Der Tathestand hatte sich in der Dauphine creignet (die von Philipp VI. fiir Frank- 
reich erworben war). Fiir die einzige Vochter eines reichen und michtigen Mannes war 
eine in florenis (aureis) zu zallende dos von dem Vater versprochen worden. Der Inhalt 
des Dotalkontraktes ist nicht naiher mitgeteilt. Zwischen Kontrakt und Zahlungstermin 
erfolgte eine jener Verschlechterungen der minuta. die wihrend des 1oojihrigen englisch- 


1 tber die Wirkungszeit des Regnaudus (im Autorenverzeichnis des UT. T., Tom. 1 heift er Ray naudus) 
honnte ie nichts erfahren. Von Savirexy. Sentrin., Jécurr, Pwwzmorts wird er nicht erwihnt. Da er iiher 
Baldus hinaus nicht zitiert. und Albericus de Rosate zu den »Moderni« ihlt. aber auch von einer Praxis der 
curia Romana und anderer curiae berichtet. darf man wohl annehmen. daB er der ersten Halfte des ae Ai 
hunderts aneehort. : 


Das Lahlkraftrecht der Postylossatoren zeit. a9) 


franzisischen Krieges hiutig stattfanden'. Der Vater wollte nun wohl die neue geringere 
minuta zum Wertmesser nehmen und entsprechend weniger tloreni zahlen. Aber Reenaudus 
entscheidet: 

Concludo igitur, quod soli debet dos in Worenis qui currebant in Delphinatu tempore contracts 
et promissionis dotis si reperiantur: vel si nen currant vel non reperiantur. debet solv; de peeunia 
minata argentea tune currenti ad valorem dictorum florenoram: alias Si non reperiatur moneta alba 
quae illo tempore eurrebat. solverur de hodie current. ad valorem tamen intiinseeae benitatis 
monetae tance currentis. 

R. stiitzt diesen Entseheid. unter Antithrung zahireicher Quellenstellen und Autoren 
in. 3), darauf. dab der Satz. bei \nderung des valor intrinsecus cntscheide das tempus 
contractus. »sententia jurium« und communis opinio sei (n. o). tibrigens auch der vermut- 
lichen Parteiabsicht (n. 4) und der »uaturalis justitiae (n. 5. 0) entspreche. 

Lex enim est quae in ratione consistir: et dictum rationabife ita debet movere pidieem sieut lex. 
(Dist. r.. ¢. constretudo [5]). 

Auch diese »naturalis justitia« wolle eine Schidigung des Gliubigers dureh Verinde- 
rung des valor intrinsecus nicht (i. 5). 
Aus on. ii geht noch hervor, dal: 

hie in moneta... valor futrinseeus non est idem enim extrinseen. inane valde diminutus et deteriorvatus: 

daB also anormale decreta valoris oder aequivalentiae creangen waren. denen Regnaudus 

aber keine Bedeutung ftir bereits schwebende Sehulden beimag: auch hierin der seit 
Hostiensis herrschenden Lehre folgend. 


2. Paulus de Castro”. Schitler des Baldus. “1441. beschiftiet sich im seinem cons. 
If. 26 nur beiliutig mit der Frage. ob zur Beriicksichtigung einer mutatio valoris extrin- 
seci cine mora debitoris ertordert werde: 
neg: Super ultimo dubio dicendum, quod a tempore more teneatur quanti pliruni fuerunt dueat 
seu floreni, quia (quam?) odie yaleant valore extrinseeo considerate: ut nottant) doe ores; im bo cun 
quid. thesi-eer. pes ubi pier) Bar(telumy inh paulas. fh de solu. 


DaB der Jurist mora crfordert. sagt auch das sumimarium n. 4: 


Item valor eNtrinseeus peeaniarum habetur in considerationc a tempore tore, 
ks liandelt sieh um ein (zu 20°), verzinsliehes) Darlehn. Nitheres tiber den Vathe- 
stand ist nicht mitgetcilt. 


3. Martinus Garratus Laudensis®. der etwa um 1445 florirte. crértert in dem consilium 
56 cine in Pavia wn cinen Emphyteuse-Canou cntstandene Streitigkeit: 

In instrumento contivetar. qualiter Titins promisit eeutiin florenos omni anne pre canoe et flete 
emphiteoticn talium benoruin Dominis Priori ct Pratribus Sanct: Aueustini Papiae: et per deeennium 
omni anne Tits solvit Horenos centum auri sen eoram valorem. pro dieto eanone: Nune vero ‘Pitius 
recusat salvere dictos florenos ceutum auri. seu eorum valorem. sed vault solvere florenos centum ar- 
venti seu valorem ad rationen soldornm trigintaduovum Tmperialium pro quolibet lorena. qui sant 
Jonge nines valoris, quam osint floereni aurei, — dieendo quod instrumentuim dictae promissionis 
loq uit simpliciter de tlorenis. ergo quod intelligituy de exiguioribas. Lo nummis. tf de les. 3. 


Der Koutrakt hatte also unsicher gelassen, welche Sorte der floreni das Schuldgeld sei. 
Der Jurist entseheidet in der bereits herkOmmlichen Weise. dati der Schuldner tlorenos 


1 Reenaudus ne. Si sie¢it nes (pro detor) hodie facti experientia videmnus ot experti noverint 
Molinaeus bat solehe Vorginge der dalire o40S--t422 ino n. 719 interessant veschildert (- Mo. p. 5S). 
2 oy pe 28t~ 204 Greifswald hat zwei Ausgaben der eonsilia, Nurenberg 1485 ph Sri 2°) und Laedant 


1322 (1 S13 2"). 
ae M sayy fayt Auseabe der consilian Novariae 1308. Greifswald Fo sigh ose 
Scurrrr il pe Suaiah. sce 3 SOE Te y a 7 


SU EE. STAMPE: 


aureos schulde, weil er 10 Jahre hindurch solche gezahlt habe und durch solche 1o jihrige 
Zahlung das im Kontrakt unsicher gelassene Schuldgeld bestimmt werde. 
Die Verptlichtung auf tloreni aurei ergebe sich tibrigens auch aus der Hbhe der Grund- 
stiickseinkiinfte, fiir welche centum floreni argentei cin zu geringer Entgelt sein wiirden. 
lhitte freilich von Anfang an festgestanden, daB nur roo tloreni argentei geschuldet 
witirden. so litte cine nur 1ojaéhrige Zahlung von 100 floreni aurei das nicht fndern kon- 
nen. sondern nur cine dureh die ganze Priskriptionszeit fortgesetzte. 


4. Marianus Socinus senior’ begutachtet in dem cons. 6 des Vol. T einen Legatstall. 

Kin Vater hatte seinen Téehtern je 350 floreni aurei legirt, zu ciner Zeit als der tlo- 
renus aureus 45 bononinos galt. Als spiter der Erbe die Legate auszahlen wollte. war der 
florenus aureus auf 60—62 bononini gestiegen, obgleich die bonitas intrinseea der bononini 
sich nicht geiindert hatte (ef. n. 7). Die Steigerung war auch nicht etwa cine durch dis- 
positio prineipis verordnete »perpetua«, sondern nur cine »augmentatio temporis, proul 
videmus quotidie contingere«. also cin erhdhter Verkebrskurs. 

Die Legatarinnen verlangten je 350 floreni aurei oder deren zeitigen Verkelrskurs von 
60 62 bononini: der Erbe wollte aber nur in bononini zahlen. und nur 4s bononini 
auf den florenus aureus. 

Marianus sagt, er witrde. wenn nichts weiter vorgelegen litte als der bisher refericrte 
‘Vatbestand. annehmen. dab die 350 floreni aurei das NSchuldgeld seien und der Erbe 
deshalb entweder diese 350 floreni aurei. oder 350 >< 60 bis 62 bononini. als valor tempore 
solutionis fiendae zu zahlen habe. 

Aber es komme noch weiteres in Betracht: In loco conditi testamenti sci es sowohl] 
tempore conditi testamenti als auch tempore mortis testatoris communis observantia 
et consuctudo gewesen. 

quod. dicet contractus aut aliquae obligationes seu dispositiones fierent sub appellatione Horenoriun 
anveormn, intelligeretar non solum de moneta aurea sed etiam de argentea quae aseenderet ad va- 
lorem pronunciationis auvei floreni: et quod in potestate debitorum esset, pro libito voluntatis solv ere 
Inonetain argenteam, quamvis obligatio esset contracta per verbum auri: 
und aus dieser consuetudo miisse man auch das Recht fiir den debitor entnehmen. in 
der moneta argentea zu dem damaligen Kurse (45:1) zu zahlen: zumal in den Le- 
gaten nicht floreni bestimmter Prigung genanut waren (wie ctwa Sencnses, Florentini. 
Romani. Veneti). sondern nur sehlechthin floreni aurei. und aueh am Orte der Testa- 
inentserrichtung floreni aurei nicht gepragt witirden (n. 4). 

Das Kursverhiltnis 48:1 scheine auch dem \Willen des Testators zu entsprechen: 
er habe ferner die Befristung der Auszahlung in debitoris seu heredis utilitatem ct 
(nvorem festgesetzt (nu. 7): sie diirfe dem debitor deshalb nieht zum Schaden gereichen. 

Marianus stiitzt also seinen (iibrigens mehrtach im cinzelnen nieht sehr klar he- 
eriindeten) Entscheid einmal auf den mutmalichen Willen des Testators amd zum an- 
deren auf jene drtliche consuetudo. 


Fir die fistimierende Wirkung dieser consuetudo — also daftir. dal sie den Kurs 
48:1 fiir die Dauer festlege. mithin ein (eigenartiges) debituin consuetudine aestimatum 
schaffe — zitiert er das (oben p. 12. 13 besprochene) cons. 13 des Oldradus. 


hosa. VE p. 342-345-353! ScutLtir Tip. 319 320. Lebte tyor—1467: lehrte zunichst in Siena. Schiiler 
des Panormitanus. Gemeinsame Ausgabe sciner Konsilien und der Konsilien seines Sohnes Bartholomaeus (als 
Adnex si» Mariani Seemni Senensis in... aliquot titalos decretalium . 2. commentarii:. Prancot. 1383. 2°) 
Venetiis 1370. in Greifswald dq or 2". 


Das Laklhraftrecht der Postglossutorenzeit, Si 


Er weieht aber von Oldradus ab in der Diagnose der durch die consuetudo an dem 
Tatbestande hervergebrachten rechtlichen Umformung. Oldradus li®t ein debitum sim- 
plex. fiir das parvi Turonenses Schuld — und Zahlgeld sind, durch die consuetudo zu 
einem in grossi zahtbaren debitum valorem respiciens werden (das also in grossi gezahilt 
und emptingen werden mu). und das zugleich dureh die consuetudine ertolgte Fest- 
setzung des Dauerkurses 1:15 (bzw. 16) ein clebituin aestimatum wird. 

Marianus ist dagegen scheinbar der Ansicht, dai die consuetudo eine Alternativ- 
obligation auf floreni aurei oder hononini. mit Wahlrecht des debitor schaffe (ef. n. 4 
auf fol. ©) unter gleichzeitiger \stimation der bononini-Schuld. Auf’ fol. 6 i. v. oben (n. 9) 
deutet er aber an. dali die consuetudo moéglicherweise auch nur eine jistimierte facultas 
solvendi in bononinis erzeuge. 


d. Benedictus Capra’. consilium 29°. Dominicus de Gualdo hatte einen Sohn An- 
velus und von diesem eine Enkelin Bartolella. Dominicus setzte in seinem “Testament 
den Angelus zum Universalerben ein und legierte der Bartolella too Florenen. und zwar 
»50 in pecuniis. 50 in possessionibus«. D. starb und A. trat die Erbschaft an. zalilte 
jedoch das Legat an Bartolella nicht aus. Als letztere das Alter von 16 Jahren erreiclit 
hatte. verheiratete A. sie. und versprach und gab ihr roo Florenen zur dos und. erhielt 
dafiir von ihr cinen Generalverzicht (refutatio et quietatio) aul’ »omne quod petere posset 
nune et in futurum a dicto Angelo ejus patre. et super bonis ipsius Angeli ab intestato 
decedentis. jure legitime vel Trebellianice. vel quocunque jure ..«.  Bartolella besehwor 
diese refutatio. 

Spiiter. als Angelus seinen Tod nahen fithlte. errichtete er cin Testament und hinter- 
lie} in ihm der Bartolella 

in una qnanu florenos 25. in alia manu unam petiam terre preci: florenorum 25 pro bene dietioue. 
Item reliquit eidem forenvs 4 pro una tunica, et in his eam heredem instituit. et voluit eam esse 
tacitam et contentam pro omni legitima et alio debito jure mature. et quod plus de bonis suis peterc 
non posset... [tem in suo testamento dixit et declaravit. centum Hlorenos promissos et datos in 
dotem dictae Bartolelle ... fuisse ios 100 flovenos. quos Dominicus in suo testamento reliquit: Bar- 
tolelle. In omnibus autem aliis suis bonis dictus Angelus instituit universalem beredem dominam 
Catherinam suam uNxorem. 

Nachdem Angelus gestorben war, trat Catherina die Erbschatt an. Jetzt forderte 
Bartolella von ihr als der Universalerbin die 100 ihr von ihrem Grobvater Dominieus 
hinterlassenen 100 ftloreni nebst fructus ct interesse: auberdem die Supplierung ihres 
Ptlichtteils an dem Nachlaf des Vaters. 

Catherina entgegnete. dai Bartolella die 100 Florenen von Angelus schon durch die 
Doshbestellung empfangen habe, wie die Erklirung des Angelus in seinem ‘Testament 
beweise. 

Uns interessiert hier nur. ob Bartolella die 100 ihr vom Dominicus legierten floreni 
noch fordern kann und in welcher Art. 

1. Benedietus Capra entscheidet richtig. da sie zu dieser Forderung (wenn man 
zunichst von ihrem Verzicht absielt) berechtigt war. Denn Angelus war als Vater ver- 
pflichtet, sie zu dotieren (u. 4). und als Erbe des Dominicus. ihr die 100 Floreni zu zahlen 
(n. 5). Diese beiden Verptlichtungen auf je 100 Floreni konute er nicht durch die Dotierung 
mit 100 Floreni beide erfiillen. Daran dinderten auch jene Erklarungen in seinem Testament 
nichts (1. 7). 


' Sa. VI p. 4843 Sarerre IL p. 344-345: 71470: Rechtslehrer in Perugia. 
2 Consilia Benedicti Caprae tet Ludovici Bologuini). Lugduni 15358. 2° (Rostock. Je 358). 


Phil-hist. Abh. 1928. Nr. 1. 7 


8? KN tAMPr: 


Der Verzicht der Bartolella gegeniitber dem Angelus sei aber ungiiltig. da die B. ihn 
»non visis nee cognitis verbis testamenti« ausgesprochen habe tn. 13) und »propter nimiam 
reverentiam« (na. 05): das aber. »quod fit propter nimiam reverentiam. rescinditur ae si 
esset. factuim per metum 


oa $ que honorainde. 1 quaran rerum actio non detur (gy shoo- Loalt. tede furtis, (47. 24 


in : Te : E : <2 : 
2. Darauf wird dann (in n. 8. g) die Frage behandelt. in weleher Art Katherina 
die 100 Floreni leisten miisse. 

Circa secundum vero quesitum. quod est. numaquid dicti Floreni intelligautur in autre vel in qoneta. 
diceudtim ost. quod tale relictuim ita factame de roo Plorenis. videlieet 50 tn peeniiis cb 50 Un posses- 
sionibus. tatiter jntelligetur. et intelligi debebit de Dlorenis ita quod dicta Bartolella eousequetur et 
consequi debe bit ccntum Florenos, proat ipse Dominicus testator reliquit. taliter yideleet. 50 in pecunits. 
solvendy dictum quantittem 50 Flovenorum in Flovenis. vel in pecuniis. acd rationen: valovis Floveui 
aur. Come intefligatr et iutelligi debeat de Flovenis auri, prout et minus valent ips: Floveni in aura: 
de leg. 3.1. nummis. ita quod dicti 50 Florent erunt assiguandi in Florenis auri. vel in eorum valore. 
Videlieet. quanti valuerint et valeut tempore solutionis Florent auvei, prout uot. 

1 de soli. b Paudus.  - de gure jus. ce. quanto. -— et de censi.. e. olin, 
intelligetur enim tale relictuin de Florenis auri et prout valent Florent auri. prout sot. 
in dictis yavibus., —- et inc. cum: canonieis. de consi. 

ket ita similiter assignari dehebunt 50 in possessionibas. ite qitod possessiones cunt trade nde, 4 Uc 
sint valoris 50 Florenorum. habita considerativne ad valorem Florenorum: auri. quanute minus valeni 
Ploreni in adres eum tpsi Ploreni aurei sint in obligatione. et in solutione sint ipse possessianes. 
proat et sunt similiter in peeunia (pecuniaes) in solutione 50 Plorenoruim predictormm. prout supra 
dictum fuit. et pro in. 

IF de solu. in L si stipulatus sim ro in melle. (1 37. 46. 3) 


Es steht also wiederum Gihnieh wie in dem consilium des Martinus Garratus Laudenstis). 
zunichst in Frage. welche Geldsorte Schuldgeld. also Wertwnesser fiir die beiden Levate 
sei. Der Jurist folgert aus der 1. numiis. de leg. 3, das Floreni auri datiir in Betracht 
kommen (aber nieht die wertvolleren Floreni auri in auro). Sodann wird in der her- 
kOmumilichen Weise tir das Geldlegat der Zahlungsmodus festgesetzt: zu leisten sind 
entweder Floreni auri oder deren yalor tempore solutionis. 


6. Alexander ‘Tartagnus'. Einschligig ist sein consilium 21 in Liber I*. Auch in 
ihm wird erwogen, welche Geldsorte das Schuldgeld sei. Der Streit entstand aus einem 
nicht niher bezeichnueten. in Mailand abgeschlossenen und anscheinend in Placentia zu 
erfitllenden Kontrakt. ans dem der Dux Mediolani eine Forderung auf cine (nicht niher 
angegebene) »quantitas librarum Bononenorum monetae Placentiae currentis« hatte. Der 
Dux behauptete, dai diese Forderung in Bononcnis argenteis begriindet sei: der debitor 
wollte als Schuldgeld nur die minderwertigen quatreni, von denen 6 auf einen Bononenus 
gehen, anerkennen. 

Alexander pflichtet dem Sehuldner bei und berutt sich daftir in erster Linie anf’ ein 
Statut vou Placentia. das ich bisher nicht auffinden konnte®. Aus mehreren Bemerkungen 
in dem consilium wird man aber annehmen diirfen. dai jenes Statut im: wesentlichen den 
gleichen Inhalt hatte wie die Statuta civitatis Bononiae von 1461 (Venetiis 1566, Berlin 


bossa. VE p. 312 i: Seacrie Il p. 328—320.) Reehtslelirer in Pavia. Bologna. Ferrara. Padus: “gta: 
veh. 14232 zu Jmola. 
2 Consilia. Lugduni 1585 (Greifswald J 811.0 2"). 
teh konnte bisher nur durchsehen die statuta antiqua von 391 (Berlin Hl t4goq. 4°). die statata 
von 1542 (Berlin HI t4g2t. 4°) und die Constititiones Decalix, Camerae Placentiae et Parimae von 1504 
(Berlin Hl ryo2s. 4°): jenes Statut ist dort nicht erwabnr, 


Das Lahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, S5 


IH] 1624. 4°) in threr ceonelusio fol. r90" bis ror’. fehl lasse deshatb diesen Passus der 
Statuten von Bologna hier im Wortlaut folgen: 


Statuta civilia civitatis Bononiae (1401). Venetiis 1560. 4° (Berlin Hi 1624. 4°). 
conelusio fol. tgo'—-1a1? (1508) 

Practeres etiam. qui propter deteriorationem. et diminutionem. ac diversas qualitates monetaruim. 
yuae non sunt de auro. et propter augmentum ilarum. quae sunt de auro provenientem ex deterio- 
ratione. et diminuatione aliarum praedictarnm. quae longe ultra solitum: supersvenerunt a viginti quingque 
annis proxime practeritis citra. quotidie altereationes inter contrahentes. et alios orinntur snper inter- 
praetatione qualitatis monetarum. de quibus Contractibus. Testamentis. vel aliis dispositionibus tit 
mentio, et in quibus non declaratur qualitas monetarum. si simpliciter dieittuy de aliqua certs quan- 
titate librarum bononenoruim, 

Bet ob id volentes pracmissis altercationmbus via praccidere. ef time pro preterito. quam pro pre- 
senu. et quam pro fature tempore Statuimus. et Ordinamus. quod in Contractibus. Testamentis. ot 
quibuseunque aliis dispositionibus. vel ordinationibus haetenus faetis, ante tempus viginti quingne 
annortum proxime preteritorum. in quibus contineatuy. aut fiat mentio de aligna librarum bononenorum 
quantitate. seu numero. seu de aliquibus dibrar. bononenorum quantitatibus. seu niameris. et aliter nou 
speciticande., vel declarando qualitatem monetae talis quantitatis. seu talium quantitatum. intelligi et 
interpractari debeat. et sie intelligi. et interpractart Volumus dictas peeuniarum qyuantitates fuisse. et 
esse. et esse debere de bononinis argenti. Et sic de bononinis argenti solvi. seu satistieri debere. 

[it in Contractibus. ‘Pestamentis. seu Ultimis Voluntatibus. et aliis quibustibet dispositiouibus. ordi- 
nationibus. seu actibns faetis a dicto tempore dictoruin viginti quinque annerun proxime preteritorun 
citra, et in aliis de caetero faciendis. in quibus nou appareat fuisse factam specialem mentionem de 
qualitate tmonetae alicujus quantitatis. sea aliquarum quantitatum dibrarunt bononenornin. intelligi et 
interpraetari debeat in dubio de moneta currenti. videlicet. cxpendibiliim: quateinerum. 

Salvo quod in Contractibus. vel legatis. seu relictis. aut dispositionibus. actibus. vel ordinamentis. 
de vel super aliqua dote. seu aliquibns dotibus. aut saper augmento alieuyny doris, vel aliquaram 
dotium hactenus faetis. vel in futurune faeiendis: 

Et salvo. quod praeter quam in venditionibus. aut alis coutractibus. vel dispositionibus. seu actibus 
tactis, vel faciendis., super aliquibus rebus immobilibus, 

Et salvo quam in qaantitatibus. quae ex dispositione statutorum. vel ordinamentorum Comanunis 
Bononiae. aut ex conuactu. vel obligations aliqua. seu quasi, solvendae venirent dieto communi. vel 
habentibus jus. seu causam ab eo. seu per dictum commune. vel ejus nomine alieui alteri et tam pro 
preterito. quam pro presenti, et quam pro futuro tempore. 

In quibus omnibus supra exceptis. Volumus., et Ordinamus etiam nulla declaratione. seu expracs- 
sione facta de area monetae. Sed simpliciter dieendo. seu exprimendo de aliqua certa quantitate 
librarnum bon intelligi et interpraetari, ac solvi et svtistieri debere de bononinis argenteis e\pendibi- 
libnus secundum connminem cursun temporis inumiinentis quando de solutione tacienda tractaretur: si 
de alia conventione. seu communt voluntate contrahentium. vel aliornm: pracdicta facientium intentione 
contraria non appareal, 

Salis tamen. et firms semper remanentibus solutiontbus. vel satisfactionibus hactenus sie. vel 
aliter factis, quis per praedieta retvactari. vel irritari posse non Volumus. sed potius. ut et tanquany 
debite factas specialiter confirma nis. 


Alexander beruft sich (in nm. 1) daraut. dab 


Statutuin Placentiae disposuit. A in contractibus “facts ab aunis 25 cirea velo pusterum fa- 
ciendis in quibus tit mentio de aliqua quantitate librarum Bononenoram. intelligatur de moneta cur- 
reuti. videlicet expendibilmam quatrenoriun, 


Dasselbe sagt. nur etwas tustithrlicher. der Absatz 3. von Bologna. 
Alexander ftihrt ferner an. dali das 
Statutun eXcipil quantitates peenniae quae ex contract aliquo venirent solyendae commani y ¢] 


habenti catsam ab oeo. iia dieit: statutum. quod nulla expressione vel declaratione fieta de 
qualitate monetae. sed siinplieiter diemndo de aliqua quantitate Bononenorum, intelBai aut interpretari 


debear de Bononenis argentets. 
: idee nGaes ; : 
Ebenso. nur wieder austtihrlicher, Bologna Abs. 6 und 
Mlexander fiigt zu letzterem Fall tden Kontrakten mit dem commune) hinsu: 
Pondero quod statutum 5 alt quod tune debeat intelligi de Bonouenis argenteis. quando in contract 
factit esse rena iter mentio de aliqua certa quanticite Librarum Bononcnorum. Sed non potest 


nevwary quod. it COTTE le ano quaeritur, non fuit feta mentio Sinmplic iter de atienia eerta (yibaten 
cage librarum aiaaievendt oti Hi adjectio verborum. scilieet menetae Placentiae currentis ete. 


it 


s4 E. STAMPE: 


faci(unjt ut non intelligatur simpliciter facta mentio certae quantitatis librarian Bononenorum — Quia 
ubi aliquid additur vel detrahitur. illa talis dispositio seu verborum conceptio non dicitur amplius 
simpliciter facta ... nam simpliciter diceretur esse... quando fuit expressio facta prout jacent verba 
dicti statuti... est bona litera in 

I. jubemus. ©. de appell. (1. 34. C. 7. 62) 
ubi simpliciter accipitur. quando nihil additun: est. 

Da der Jurist sich so eingchend mit der exceptio beschaftigt. die in den Absi&tzen 6 
und 7 des Statutes vou Bologna wiederkehrt. wird man annehmen diirfen. dats debitor 
das commune Placentiae war. 

Die Entscheidung fallt demnach zugunsten des Schuldners aus, weil der Kontrakt 
in deu Jetzten 25 Jahren geschlossen war -- und weil in dem Kontrakt mit dem com- 
mune nicht so. wie das Statut es forderte. die Schuld simpliciter auf eine certa quan- 
titas librarum Bononenorum lautete. 

Der Jurist stiitzt diese Entscheidimg dann in n. 2 und 3 auch noch aut’ ihre Uber- 
cinstinmung mit dem in Placentia herrschenden usus loquendi. der unter dem in dem 
Kontrakt gebrauchten Ausdruck Zahlung in Quatrenen verstehe » quorum sex constituunt 
unum Bononenum monetae Placentiae currentis«. Auch die dispositio juris communis 
fiihre zu demselben Ergebnis (wobei jedenfalls an die 1. nummis. de leg. 3 gedacht ist). 


§ 3. Laurentius Caleaneus; Franciscus Aretinus; Andreas Barbatia. 


1. Laurentius Caleaneus (~ 1478) wird von Saviexy. Senurre und auch von Pancirolus 
nieht erwihnt. JOcror enthailt (unter C p.1557) Angaben. Die von mir benutzte Aus- 
gabe der Konsilien (die einzige des sehr seltenen’ Werkes, die ich auftreiben konnte') 
hezeichnet ihn als juris utriusque doctor und eques Brixianus. Sein consilium 25 haheu 
Jacobus de Puteo (1453). Jeronvmus de Tortis (1484) und ein Angelus de Ubaldis. 
unter Ausdriiecken héchster Anerkennung. mit unterzeichnet: ferner auch Antonius Ro- 
sellus ("" 1466). Unter anderen seiner Konsilien haben z. B. subskribiert Martinus de 
(zaretis de Laude (c. 13), Rolandus de Curte (c. 6), Franciscus de Curte senior (¢. 32). 
Signorolus de Llomodeis junior (vc. 32). Angelus de Castro (ce. 41). Alexander de Imola 
(Tartagnus) (¢. 49). Paulus de Castro (¢. 55). Andreas de Bartholomaeis Siculus dietus 
Barbatia (¢. 66). 

Caleaneus hat uns zwei sehr lehrreiche Konsilien tiber Geldfragen hinterlassen, dic 
cous. 14 und 15. Uhr Umtang gestattet nicht, sie hier vollstiudig mitzuteilen*: wir 
miissen uns mit Ausziigen behelfen. 


Laurentius Caleaneus Brixiensis. 


Cons. XTV. 


‘Tatbestand: Manfredus de Luzage lJocavit totam snam possessionem et podere > suum in terra de 
Bassano. districtus Brixie. Marco fabe et Georgio de soldo pro ducatis sexcentum solvendis ad certos 
terminos hoe modo: 

videlicet tertian: parte in auro veneto: tertiam partem in argento veneto: et reliqguam tertian 
partem in monetis expendibilibus in civitate Brixie (n. a1: allis similibus venetis). (in qua nedum 
expenduntur monete vencte sed monete argentee Mantnane. Bononienses. Aragonenses. Florentine 
Mediolanenses et Januenses. ac etiam expendintar monete eree venetis. scilicet duine: et hoe 
tempore contractus): 
contigit autem quod dicte monete cree et vetuste ubi indifferenter expendebantur pro duobus denariis 
pro qualibet duina redaeuntur de mandate principis ad unom denarium: et quia hoe non obstante 


! Consilia Do. Lanrentii Caleanei ... Lugduni 1549 (Rostock. Je 


Sede’ 3 
357. 20). 
- Das eons. 15 urmfaBt 71 Folioseiten. unter starker Verwendung einer eothischen Kurzschritt. cli 
5 7 ie 
meine Vagen nur nech ifthsan entziffern konnter, 


podére. italieniseh: Landgut. 


Das Lakhlkraftrecht der Postglossatorenczeit, 85 


recusabantur a yenditoribus et ereditoribus: reducuntar a principe quod soltim fiat: solatie de duinis 
pro quarta parte creditoribus. Et quia adhue recusabantur prinecps determinay it quod de cetero non 
possit fieri solutio in duinis nisi pro uno solido venete et non ultra: et ita mandat rectoribus Brixi. 
quod ita provideant: et ita praesentatis dictis literis ct jam pluribus wotifieatis: ita quod ad aires 
dietorum Marei fabe Georgii devenit fama de dicta determinatione instante tempore solutionis fictorum, 
et ante terminum per duos vel tres dies: nondam tamen faeta proclamatione de observatione dicte 
terminationis: dictus Marcus et Georgius deposnerunt in palatio dietum fictuin citate domino Man- 
fredo penes tertian personam: quarum Tertiam partem in aure. tertiam in argento veneto et tertian 
in duinis esse asseruerunt offerentes se velle solvere fictum. dominus Manfredus recusat recipere : 
sed offert facere quidquid de jure tenetur. 

Facto itaque deposito absque numeratione in vinci auerram fratvem dicti Georsii. lieet non clectiim 
per judicem. sed per parter tantum. Et postea subsequenti die facta proclamatione quod duine wots 
expendantur nisi ad snuunam unius solidi: dietus dominus Manfredus petit dietos fictabiles compelli 
ad solutionem tietorum. dicti autem fictabiles recusant dicendo quod dominus Manfredus debeat levare 
depositum. dominus Manfredus dieit quod dieti fictabiles debent sibi portare: et tenentar pecunias 
expendibiles argenteas aut aureas et non ere contaminatas: et sie recusat duinas: tam etm gaia 
non potest fier? solutio in duinis, uisi pro uno solido. Replieant tictabiles quod duine sunt monete 
expendibiles pro quarta parte ex determinatione principis: mee obstat terminatio ultimate facta quia 
vondum publicata: aude non ligat eos. dominus potestas mandat pecunias argenteas et aureas depositas 
portari per fictabiles ad domum domint Manfredi: ct ita portantur: de creis autem jobec illas starve 
in suspense donee atiud fuevit terminatum per eum: 


Caleaneus entscheidet zugnnsten des locator Mantredus. 


Die duinae seien nicht zu den monete Brixie expendibiles zn rechuen. —- schon 
nicht nach dem Sinn des Vertrages, der fiir das letzte Drittel andere. mindestens silberne 
Miinzen im Auge habe (n. 1/2). — Sodaun auch deswegen nicht. weil die duinae (nach 


dem zweiten Dekret) nur limitate expendibiles waren. und weil ihre Annahme auch 
dann noch im Verkehr auf Schwierigkeiten stief: 


maxime quod istt Moneta erea non ita frequentabatur per ementes ct vendentes ad erossunte prout 
alie monete argentee: imo ista moneta erea vel duinarum comimuniter reensabatar (a. 6.) 


venditores rerun. si debebant veeipere duinas. duplicabaut pretium (1. 2. i. t.). 


Sodanu habe. nach dem dritten Dekret. Manfredus nicht notig gehabt. ftir mehr als 
einen solidus Duinen anzunehmen. Dali dieses Dekret zur Zeit des Angebotes noch 
nicht publiziert gewesen. sei gleichgiiltig, da die Pachter bei dem Angebot um das Be- 
vorstehen der Publikation gewubt hitten. und weil es zudem als rein 6rtlich fiir Brescia 
hestimmtes Dekret gar keiner formellen Publikation bediirte: letztere sei nur fiir piipst- 
liche und kaiserliche Gesetze vorgeschrieben (n. S—r1). 

SchlieBlieh sei auch das bei dem Angebot und der Deposition beobachtete Verfahren 
nicht in Ordnung (n. 11/12). 

Dies Konsilium gibt auBerdem manche lehrreiche Autseliiisse. 

So iiher die zahlreichen tremden Geldsorten, die in dem zu Venedig gehérigen Brescia 
kursierten: fterner tiber die Gepflogenheit. entweder ad ducatum oder ad grossum oder 
ad libram zu kontrahieren, und die dabei tiblichen Verschiedenbeiten der Zahlungsart 
(n. 46). besonders aber tiber normale decreta valoris und ihre Ursachen. 


Laurentius Caleaneus Brixianus. 
Cons. NV. 


Tatbestand: In terra de Antignane haben Albertanus de Albertanis und Antonius de Naxarins. de 
certis petits terrarum. eine Emphyteuse cingerfinumt (investiverunt aed livellum perpetunm: cf Dn 
Cange) an Michael de Berlendis. (irardus de Ja Porta and Pasinus de Meleio: pro libris centam 
quinque plane. qnas dicti investiti promiserunt solverce ... quolibet anno, in festo resurrectionis do- 
ini nostri fesu Christi, «ad monetam nunc hie currentem. ad eonputam Tibraram triam et solidorum 
quingte plane pro quoliber dneato venetor... 

Post tempus dicti contractus valor dueati veneti in dicta terra de Antegnate crevit et ejus esti- 
matio propter coptuiminationen: monete triste (2). alias grosse vel cirea (2): unde dicti invesati vellent 
solyere Tibras centum  quinque imperialiuns simpliciter nullo habhito respectu ad valorem clueati... 


S6 Ek. Srawenr: 


\Ibertanus et Antonius dicunt, quod volunt eentum quingue libras habito respeetu seu relatione ad 
taxam et aestimationem librarum tritm et solidorum quingue imperialiuin (-) prioruin (2) plane pro 
quolibet dueato veneto. secundum eonventionem in instrumento appositam, 

Caleaneus entscheidet —- nach Wiirdigung der Gegengriinde in n. 1-10 — zugunsten 
idles Albertanus wid Antonius: 

n. 29: debet fieri solutio. aunt ducati veneti ad rationem librarum trium et solidornim quingue 
pro quolibet dueato veneto, aut librarum quatuor et solidorum duo pro dueato prout rine 
eurrit ... 

Griimnde: 

1. Licet ex dispositione principis fuerit ordinatum de alia moneta nova expendenda ad rationem 
librarian quatuor et grosso uno vel duobus pro quolibet dueato veneto, haee talis ordinatio non ex- 
tenditur ad contractus et obligationes praetcritas sed ad faturas tantutm. 

Et lieet diceretur in deereto principis, quod tale decretum etiam ad practerita trahatur: non tanien 
traheretur ad praeterita decisa et declarata per partes ... 

Es soll also cin spiiteres edictum principis de mutatione valoris gegen die von den 
Parteien getroffene Konventionalistimation (1 ducatus == 3 librae und 5 solidi) nichts ver- 
mogen, auch wenn es sich Riiekwirkung bheigelegt hat. 

(Berufing auf Pileus in dessen Brocarda in rubrica de contractibus: un. se ap Fe 

Im vorliegenden Fall sei aber in dem decretum keine Riiekwirkung ausgesprochen 
(n. TI1-— 13). 

2. Aus den iibrigen Deduktionen. die mit einer unendlichen Fille von Zitaten be- 
legt werden, und Lesern. die nieht mit der Disputierweisc Jener Zeit vertraut sind. oft 
schwer verstindlich sein miissen. veht so viel hervor, dalj im vorliegenden Falle die An- 
derung des Kursverhiiltnisses zwischen ducatus und libra ihren Uauptgrund jedentalls 
in ciner deterioratio bonitatis intrinseeae der moneta minuta hatte. und dali im Hinbliek 
hierauf Calcaneus seine obige Entsehcidung auch dann aufrechterhalten witrde. wenn 
keine Konventionalistimation vorliige (ef. n. 47. 48). 

In un. 48 bespricht Caleaneus tibrigens auch die von Baldus zur |. acceptam. €. de 
usuris (qu.t7) aufgestellte Ansieht. daB es fiir den Kurs. zu dem zu zahlen sei. daraut’ 
ankomme, zu welchem Kurs der Schuldner das cmpfangene Geld ausnutzen konute. 
und dab deshalb mutatio repentina und mutatio ex intervallo unterschieden werden miisse. 
(Lliertiber cf auch »Molinaeus« p. 49.) 

In n. 50 streift Caleaneus die Lehre yon der bonitas usus. ohne indes hilar vu ihe 
Stellung zu nehmen. 

In n. 48 wird reprobatio avaritia principis und der Fall. wenn der debitor ey us- 
cius war. beriilrt. 


2. Franciscus Aretinus'. Etwa 1418 — 1486. Reehtslehrer in Bologna. Ferrara. Siena, 
Pisa’. Uher die Geldlehre handeln die consilia 11. S84 und 112. 

Das viel zitierte consilium 11 betrifft einen Salzlieferungskaut. der anscheinend 1452 
in Genua abgeschlossen war. Der WKaulpreis war in solidis Januensibus stipuliert: diese 
waren also das Sehuldgeld. Nach consnetudo and auch nach dem Willen des Verkdiuters 
hatte der Kiiufer aber das Recht, de moneta grossa. id est in auro. zu zahlen.  Pen- 
dente obligatione war aber die grossa gegeniiber der minuta im Kurse gestiegen. olywohl 
‘die bonitas intrinseea beider sich nicht verindert batte. Und nun stritten die Parteion 


fo Ss. VE p, 328-342: Scuenre Tp. 333,334. Die eonsilia konnte ich in der Ausgabe von 1540 (Lue- 
dini). (Rostock, de 325. 2°) benutzen. Die consilia rrund itz sind aneh bei Budelius p.674 0 St abeedruckt. 
+ Gebiirtig aus Arezzo, entstammte er der Adelsfamilie de Accoltis. 


Das Lahikraftreeht der Poslglossatorenzet, 87 


um die alte Frage. ob bei Zahlung in Goldgeld das tempus contractus oder das tempus 
solutionis entscheide. 

a) Aretinus ist meht im Zweilel. dab. wenn der Tathbestand nicht noch weitere Mo- 
mente cnthalte. das tempus solutionis entscheide. Das sei die communis opinio. .\. be- 
ruft sieh dafiir auch aut das oben (p. 32 ff.) besprochene Wonsilium V. 213 des Baldus, 
das dieser fecit in civitate Asculi (mn. 2. 3). 

b) Aber der ‘Tatbestand enthalte noch weitere Momente. 

Is bestand niimlich ein 1447 crlassenes und 1451 kontirmiertes Statut, nach den 
reavetur in effectu, quod solutiones debeaut fieri de bona moneta. et quod tlorenus non 
possit solvi nisi ad rationem solidorum 47 «. 

Im Hinblick hieraut. »cum contractus fuerit postea factus, videtur quod debeat 
intelligi facta solutio de tloreno secundum formam statuti, nee potuerit solvi ad alium 
eomputum. quia contrahentes in dubio adstringuntur statuto loci in quo fit contractus«. 


e) Aber auf Grund noch anderer Tatbestandsmomente pflichtet Aretinus doch letztercr 
Auffassung nicht bei. 

Einmal beweet ihn. dati der Kaéufer. ein »forensis«. von dem Erlafi des Statutes 
nichts gewult hatte. waihrend der Verkéufer scin Bestehen heim KontraktsehluB8 kannte. 
den Kiiufer aber nieht davon in Kenntnis setzte. Diese Umstinde berechtigten den Kaufer. 
der durch Florenenzahling zu dem niedrigen Kurse sehr geschiidigt werde. restitutio 
gegen den Kontraktschlu ex generali clausula zu verlangen. 

Aber. zum anderen. helfe den Kiufer auch ohne in integrum restitutio nachtol- 
gender Umstand: 

Das Statut sei néimlich von den subditi nicht befolgt worden.  Freilich habe sich 
diese Niehthefolgung noch nicht auf einen Zeitraum von 10 Jahren erstreckt, so dali von 
ciner derogierenden consuetudo noch nicht gesprochen werden kémne. Aber um die 
Nichtbefolgung habe der superior, der das Statut erlassen hatte, gewulit und sie trotz- 
dem geduldet. Dadurch werde das Statut auch ohne Bildung einer ihm widersprechenden 
consuetudo auber Kraft gesetzt. 

Auch Antonius de Butrio sage ad propositum: 

quod quando lex non recipitur ab omnibus seiente superiore. lex non ligat. quia superior videtur 
cam tieite tollere. ex quo seit contrarium observari ct patitur. 

Et quando D. Andreas dicit quod lex, quae non recipitur ab onmibus, non ligat sciente 
et patiente superiore. satis ostendit. quod ad inducendum hune effectum non requiritur 
cursus decem annorum. quia. si priusquam tolleretur lex. requireretur talis cursus. tune lex 
interea ligaret, et potius deberet dici, quod tolleretur vineulum, «quam quod non ligaret. 

Ex his infertur modo ad propositum. ex quo leges istae nunquam fuerunt receptae 
in observantiam, sed non obstantibus ipsis semper fuit facta solutio de moneta currente. 
sciente et patiente superiore. qui cum esset in civitate non potuit ignorare cousuetudinem 
notoriam. . . . istae leges nullum habuerunt effectum. nee debent attendi. 

Die Austitihrungen unter ¢ sind von grofem Interesse. Denn sie zeigen, wie wenig 
Aretinus geneigt war. ein dleeretum valoris anzuerkennen, das sich nicht durchzusetzen 
wubte. Das ist sehon die Halfte des Weges bis zu Molinaeus, der ein deeretum vyaloris 
nur anerkennt, wenn es communi usu comprohatur, aber fiir einen solehem decretum 
ent gegen tretenden communis usus zu seiner Wirksamkeit die »patientia superioris« 


nicht mehr ertordert’. 


17 dem Pankt ¢ verweist Budelis. in emem Nachwort zu dem cons. rr des Aretinus, anf seine 
eigenen Ausfiihruncen. die er in eap. 20 des liber TE semes Buches ode monetis ef re nummarias (Col Aegripp. 


SX BE. Strawen: 


cons. I12. 


liu einen um 1400 anscheinend in Siena geschlossenen Erbpachtkontrakt war die 
pensio in Florenen (als Schuldgeld) bemessen, aber in minuta gezahlt worden; es bestand 
nimlich die bekannte consuetudo. quod alia pecunia pro floreno eurrenti solvi posset. 
Die bonitas intrinseeca der in Frage kommenden Geldsorten hatte sich seit dem Kontrakt- 
schluB nicht geindert, aber der valor extrinsecus des florenus war gestiegen. 

Aretinus entscheidet in bekannter Weise. dag. si ttisset expresse contentum in 
instrumento inter partes. quod tlorenus deberet solvi in eadem aestimatione. «uae erat 
tempore contractus. utique standum esset conventioni. Lage aber solche aestimatio con- 
ventionalis nicht vor. so sei jede pensio nach dem valor tempore solutionis zu entrichten. 
Er nimint datiir u.a. auch wieder auf Baldus V 213° Bezug. 

Kine andere Rechtslage sei aber dann gegeben. wenn, wie behauptet. die pensio. 
in Unkenntnis des h6heren Florenenkurses. 30 Jahre hindurch zum Kurse von 3 librae 
und 8 solidi pro floreno gutgliubig gezahlt und angenommen worden sei. Nach dem 
Eintritt dieser praescriptio triginta: annorwm sei dann zu demselben Kurse weiter zu 
vahlen: sie wirkt also ebenso wie eine aestimatio conventionalis. 


cons. 84. 


Da es nicht bei Budelius abgedruckt. also schwer zugiinglich ist. gebe ich den Text 
verbotenus wieder. Das ist auch deshalb zweckmaBig. weil dies consilium denselben 
Rechtsfall begutachtet. den auch Andreas Barbatia in seinem cons. 19 vol. IV erdrtert. 


Consilia Domini Francisei de Aretio (Lugduni) 1546. 2° (Rostock Je 325). 
Consiliumn S4. 


1 Estimatio an et quando faeiat emptionem (et n. 2 et 3). — 4. Estimationis facte causa 
limitat effectum estimationis., — 3. Declaratio potest habere locum ubi verba non sunt ommnine 
clara. lieet a jure aliquis intellectus talibus verbis presumptive detur. 

Diligenter ponderatis his que in puncto narrantur et visa consultatione et dubiis ex illa elieitis 
premittendum est pro decisione prima dobitationis que est principalissima quod de jure commiuni si 
creditor simpliciter mutuat florenos auri alio non adjeeto sieut continet prima dubitatio sine dubio 
diminutio valoris floreni pertinet ad damnum creditoris quia debitor solvendo tantundem in bonitate 
intrinseca in mutuo liberatar nisi sit ju mora quia tune teneretur solvere quanti plavimi valuit fle- 
renus a tempore moore, ut probatur in 

Locum quid et Lo viniun. ff si, cer. pe. 

Et sieut in illo easu diminuatio valovis thoreni perunet ad damnum creditoris. ita TULSTHC HCN pore 
tinet ad ejus commodim et non debitoris. Ita notat Jacobus de arena et Cynus in Ll minorum, C. 
in quibus causis in integrum restitutio non est necessaria — et tenet Bartolas in |. paulus. ff de solu, — 
et clarins Ant(onius) de bu(trie) in ec. quanto — et ibi p moder. de jurejurande in’ ver. quartus 
easus est. 

Hane conclusionem in terminis proprie de augmento si florenus tempore contractus valebat minus 
et tempore solutionis valet plus determinat et affirmat Baldus in quodam sue constlio quod fecit in 
civitate Asculi ubi coneludit quod si tempore datae dotis tloreni aurei dati in dotem valebant tres 


1591) (p- 211— 214) veveben hat. Sie sind fiir die Geschichte der ferneren Entwichelung dieser Frage yon 
eroBer Wiehbtigheit. Budelius stimmt dem Aretinus unbedingt bei. ist aber offenbar veneigt, noel tiher Are- 
tinus in Richtung auf Molinaeus hinanszugehen. 
nex quo... in pecunia usum magis. valuationemque hodierno die expendibilem et communiter 
receptam, quam ... abusivam, ut sie loquar taxationem quondam factam respicimus et ponderamus.. 
Gevade im 16. Jahrhundert hatte man mit den decreta valoris besonders schlechte Erfahrungen gemacht 
(ef. Budelius lib. Le. 16 n. 7, 8). 
7 Oben p. 32ah 


Das Labthrolticcht der Postylussatorcnceit, SY 


libras cum dimidisn et mune tempore solationis et vestitutionis dotis valeur singeli Hhras plan et 
solidos quindecim. qaia bic tou contingit matate circa boniteter tnitrinse edn monete sed erren valarer 
extrinsecum debeut reddi (loreni ut fuera dati in doteme. Ten: quod sient dimuinatio valor noceret 
ereditori ita augimentum prodevit. 


Que refert et sequitur Pectrusy de anchturcdios mi Clemetutind tinali de ecimis CL OOST Conidmins 
comeltsio Clara in prima dabie quod augmentuim torent seu dae ui si mutunm fait faetam in dueates 
pertineat ad utilitatem: hebvei sicut si dueatis essec diinmiitus sinuliter clamacim perdinet ad eum, 


Sed guagna et subulis objeetio fit coutea hebreum. nam in rec. capttulorin. que hebvers haber 
Cun magnifico communi Senarua. inter alin continentur ast verba formaliter: 


et prestindo sempre a vagione di quatre dinaii Senesi pet civsctme dura di denaris prestassere 
per merit de ustiva di ciisenuo mese [Barbatia sehreibt: clascadtimato) | : 


etoest stualis fornia convertion io bk Pubha Ss Eaetus. ti. depositn (20. $b. 10. 3h. 


qaae verb videntar hoe jmpertare quod queeiique peeunia detar motive ad ustream per bebreni 
ila pecunia si est pecunia agrossa debeat estimari peroriittne de ging ost libra cet habite respect 
ad dibram et sie ad peemmiant imei fa qin consistiy Hbra deber solvi sium, 

Et Sie de neeessario apparei quod. a quacunque apparente peednia hbebreus maatuer. semper ilhad 
mated redivitur ad iitelectum Hbravii: ita qued bre rutiuate esse videntur in Horenis quo east 
ito infra dicetur un sectude dubio -— videtur face ostimatio de moneta grasst per ininatan et de 
ea celebrate esse queda venditia ihe nt peetitua ipsins sitrantie ddesi Tibre per quas ipsa peedan 
erossd destin ciee 


at Losi stip. simt deeem: in uelle. ti de solu. 


et dicimus samiliter in dote (a2) quando res estinata datur in doten 


atl. Siouten et Loci dotem. Cy de pare do. qh ap. ro. C. 3 12) et L plertimque eth quoties, 
feo titulo Uh to. 16. 23. 38 


et sig tot Itbre samt reddende per debitoren: quot vidertur esse date anutia ita querd ULSTER TOT 61 
diminutio florent videtur debeve totum esse velo ad Taenian velektmeniumn debitors. ut ifve in seeunele 
dubia deeidetur allegaude autoritates ad propositum. 


Nec videtur posse dict quod matuumi videatur fact fu Tdtis et in POotiia MAU anita esi 
respect usurarum solv endarvinn sed respectu capitals remaneat ttituine ur dlieatix sive tlorenis. titel 
hoc videtur esse ineconveniens utounmas et idem: coutractus diverso jure censeatur 


wt locum quiedes. th de usuea. (hk 23. 41. 3) edne.ciin in tun de deen te. 30. Nog. 30n = 
et in clem. a. de elec. cum altis valgaribus, 


Sed tamen nou ob(stantibas) premissis tain de quits sebtlitite quan de qente Contralentian et 
equitate et veritate q(itod) rola debet attend? in bec eas at iatva dieam contrariiin credo dicen- 
dinn in casi nestee qaod osiende nuiltipliciter, 

Et primo premitto quod ista estimatio pecniie evosse per libvai pecunie minute ex forma capi- 
tulorum est indueta solune peopter toe ut babilins bresius et uniforiiiis seire possit hebreus et alli 
eliam yoibus iutaat quanti dsurani exigere et sainere debeant ef ut capiinla essent minus inveluta 
etonagis clara(:) nam unieniqae patet quod bespectucastire vedttecnde pectin matteatan ack esti- 
mationem dibre uniformis erit in omnibus tats (24 preeskiio usuiatin nee oest apis alind cdieere in 
capitulis quod no(ny esset si tsara fuser tixanda nen ac estimationem hbre sed respectu singuloriuin 
forenorwm simpliciter aliter enim debrisset taxari in itoreno darge aliter a strieto aliter in dueato 
veneto. et sie de singulis. 

Hoe patet etiam ultra predicta quia quando solutio usure nou petuit fiert comuodias per veductionem 
ad lihram fuit facta taxatio usure prestande ad tlovenui ut patet expresse in ro.¢, dietorum eapitulorum. 
hoe ergo declarate apparet quod cum solatio usare taxate ad estimationem fibre eque bene fieri possit 
si estimatio libre non faciat emptionem de pecunia grossa sicut si faciat. nam si faciat solvetmu usara 
directo de ipsa bra. si von faciat solvetur usura de tlavenis sed oad rationem valovis librarwm. et 
sic resultabit idem effectas non cogitar hebreus ex forma caritulormi sie dare pecuniam arossam ad 
esUmationem minute ut estimatio craptionem pecunie wrosse fagiet OX qite utroque modo satisfit inten- 
tioni capitulorurm. 


(un. 1) Videndum ergo de voluntate contrabentiom quod volnerint utrum in dabio per istam esti- 
mationem ad quam solyitur usura voluerint monetarua wrossaut transferre in contractuur emptionis et 
minutam temanere in matuo, Super quo est dieendum quod quainsvis estimatio in dubio faciat emp- 
tionem — ut at Bartolus in ista materia in |. paulus in ti. fh de solu. — et plenius infra dicetur 
in secundo dubic ubi melius cadit-- tamen hoe est vermin nisi de expressa vel tacita et conjoetarata 
voluntate partium alind presumatins, 


Phil. -hist. Abh, 1925. Nr. f. 12 


Q() 


Kk. Nravaupr: 


De voluntate expressa nou est dubinm qui casus est in 1 si inter. C. de jure do. th 21. C. 5. 12) 
et in Losi estimatis et ibi per barjtolum). tf sol ma. il. 50. 24.3) et in Lo qued si fundas, de fur. de. 
(11. 23.5). 

Sed de tacita et conjecturata adhuc est idem. Nam ut ait textus in lL servos. th fa. er. (34. 10. 2) 
et Bartolus notat per illum textim in 1. si ut certo in § nune videndum. ff comme, (Ll 5 $ 2. 13. 6) 
licet simus in contractu in quo transfertur dominium, si tamen de natura talis contractns non est ut 
estimatio faciat emptionem. non fier in dubio quia partes tacite videntur contrahere secundum naturam 
contractus et quidquid venit de natura contractus taciti (e 2) dicitur (2) agi, ut est casos elarus et ibi 
gl. in 1. cum quid. ff si cer. pe. 

(n. 2) Preterea do. Baldus notat in din conven. C. de pac. (hor. 2.32) quod quamyvis estimatio 
rej dotalis facta tempore dotis date faciat in dubia emptionem. seeus tamenu est si ex mterwallo tiat 
non enim videntur tune partes voluisse novare coutractum jam factium super fundo dotali, et sie 
patet (2) quod ex tacita mente partium conjecturata a lege tollitur presummptio dla quod in dubio 
estimatio faciat emplionent sicut ex Cousens €xpresse, 

(n. 3) Ad idem tacit optime quod posuit idem Baldus in Lor. C. contra (2) mo. (4) in ver. 3 quero. 
ubi dixit quod si estimatio feta non est pretium condigninn rei in dubio non faeit emptionem. Sed 
in casu nostro manifeste apparet de tacita veluntate contrahentiom. quod yoluerint mutiuume consisterc 
In pecunia grossa ct florenis, bon tn minut. ergo talis estimatio faeta ex causa supradieta de peensata 
grossa non faciet emptionem. hoe pater manifeste ex his que dedueuntur in puneto. 

Cum enim hebreus aliquas ptitas seripserit quod muttavit (2) dibras in florenis aureis quod mutuum 
videtur factume in dbris. at infra diectur in 2. dubie. et mialtas alias fecerit in quibas simpliciter dreit 
Se uutuasse tlorenos largos: qui non videt intentionem contrahentitan quod cunt hebreus scripsit: iste 
secundo modo non velit pecunian: minttam ita estimare per grossam ut faceret cipuonem. sed potiis 
ipsa pecuniam grossam esse mutue, nam nulla alia causa preter supradicta potest esse enr cui 
Semper G) mutuavert aurun non co inode seripserit: uisi quia aliquando voluit martuare ad: tibram. 
aliquando ad tlorenmm, ergo illa habetur pro expressa, 

ut Lo nominatic 1 de li, et post. (Lh 2 (2) 28.2): et quod notatur in |. st quis im prin. testi. 
it. de te. 3 (122.32) et Loa $ inter filium. ff de fal. (hoa $ 8.48. 10) per Bartolum 


et hoe maxime est dicendum in cast nostro attento eo quod continetur in’ 5.¢. dietoram capitulorum 
abi dicitur, quod ipsis hebreis tam super inerite quam super eapituli debeat vreddi jus sine figura 


yudieii. et sola fucte veritate inspecta, verba autem ista — sola facti veritate inspect -> Si per se 


Sola esseut apposite viderentur removere exceptiones que pertinent ad juris apices et subtilitatenn et 
forte ordinem judiciarium: inductum de jure civili casas est no, et ibi per An. de but. me. dilect 
filii, de judi. (e. 6. X.2. 0) et tenet (2) Baldus inc. 1. juxta ti. de nova for, fide. (2) et sentit idem in 
I. fi, in prin. C2 de jure deli, (1. 22. C. 6. 30). 

Sed cum iste effectus introducatur per verba preeedentia — sine figura judicii — probahiliter dici 
potest quod ista verba tune importent. Si prebatio partis sit persuasiva judex possit ei eredere ficet 
omming non esset in judicio plenario concludens, ita dicit Baldus no. in |. solam in ult. q. C. de 
testi. (Log. C. 4. 20) ubi ponit exemplum quando judex habet siupliciter arbitrium procedendi de 
facto. que verba etiam important ut posit procedi mamu regia: remota solennitate juris civilis. ut 
tradit clare Baldus in eatravay. ad repri. (c. 8. Xor. gr) super verbo videbitur in fie et sentir in 
l. si sucietatemm § arbitrorum. ff pro socio Cl. GOs P72! ys 


Et boc primo fundamento satis esset dechirata yustitia hebret im prima dubio, 


(nu. 4) Sed tamen adhue ostenditur clarius ex alio capite. Pro cujus evidentia premitto, quod causa 
estimationis facte limitat eifecttun estimationis, unde dicit tex. no. in si gratuita $1, th de prescriptis 
verbis (1.17 $ 1-19. 5). quod quando datur res estimate alieui ut cam vendat. si causa estimations 
fuit ut venditio facilius expediretur — id est ut ile gat haberet vendere sciret pro quante pretio 
ean dace deberet —. estimatio facta non transfert periculuim in aceipientem ubi alias transterret 

ev doain fi, fi de estimatoria act. (11. 19. 3) et plene tadit Bartolus in bosi ut certo § nune 
videndum. ff commiodati. 

Ita ergo di¢inius in proposite quod. cui causa lujus estimationis inducende. quia Pecunia grossit 
debet estimari per minutam. fuerit: usura et meritum cujus quidem prestatio eque bene potest fieri 
si estimatio non facit: emptionem sicut si faciat. ut supra est ostenstin. estimatio not Hnportet ultra 
suam causain nee faciat emptionent. 

Preterea in 1g. et ulttme capitulo dictorum capitulorwun continetur, quod verba dubia dictorum 
capituloriun debeant semper interpretari in favorem ipsorum hebreorum semper durante tempore 
contractus initi cum ratione (2). Quinimmo in ultimo capitule dicitur sinipliciter non faciendo men- 
tionem de verbis dubiis quod predicta pacta et capitula debeant declarari et judicari in’ favorem 
dictorum hebreorum. Deelaratio autem potest habere locum ubt verba non sunt omnine clara licet 
a jure aliguis intellectus talibus verbis presumptive detur: 

exempli in Lo nunnnis (75). fh de leg. 3 et in Losi preses. ffl de pe. (lL 32. 48. ron. 


Das Lahtkraftrecht der Postglossatorenzest, a 


lta no. declutat cleganter Bartolus ado propositum in dab executore in prin. mde appell. (lg. paca 
Ed idem tenet Baldus et clare in Tl. 3. C2 comminationes vel epistulas (7. 57)- 

Cum ergo mens istorum capitnlorum non sit omnino clara in illa parte obi dicitur quod debet 
prestari ad rationem quatuor denariorum pro libra de denariis prestitis. — Potest enim mens capi- 
tulorum et ista ratio hic dupliciter intelligi vel quod estimatio ista monete grosse per minutam taciat 
ciiptionem vel quod non faciat — dicemns quod debebit fieri iuterpretatio in favorem hebreortum 
ut ex forma capitulorum est expressum, ct maxime ex forma ultimi capituli. 

Unde posito quod in casu nostro. si non essent eapitula predicta. lex presumeret in dubie eimp- 
tionem videri factam de pecunia grossa per minutam. tamen quia intellectus contrahentiuin potuit 
aliter se habere. et sie verba non sunt ommnino elava sine interpretatione in favorem hebreorun, 

Et ista ratio meo judicio est efticacissima maxime quia. ut colligitur e\ no. in |. veteribus. ff de 
pactis (1. 39. 2.14) per gloss. Barto. in 1. quoties. de verb. obl. (1. 80. 45.1) et in Le semper in’ stipu- 
lation... de reg. jur. (Il. 34, 50.17) non solum illa ratio dicitur dubia vel ambigua de cujus intellecta 
constire non potest. sed etiam ila que.cum possit multipliciter accipic timen ex legis presumptione 
alio non constito habet certum intellectum 

ut Locum probatio (1.7. 22.3) in loeum qui calendis in prin. abr est easus th de ver. obl. 
(I. gr. 48. 1). 

Potest ergo diem rationem predictam non Solum new esse omnino claram imime ambignam sive 
dubiam. posito quod lex. si aliter non constarct de mente contvabentium. aliquem intelleetum pre- 
sumptive sibi daret. Et per ista plenissime est expeditum primum dubinm. tota feve diffieultas pre- 
sentis eonsultationis. 


Venio igitur ad secundin. in que sequende dieta Bartoli inl. paulus. 1 de solu, — que approbat 
Baldus in eonsilio preallegate et Petrus in Cle. ti. de decimis et Abbas mod. in ¢c. quanto. de jurejur. — - 

Dico quod tantum est dicere: mutuayi tali decem libras in florenis largis — quantum dicere: 
dedi tali florenos mutue pro estimatione decem librarum. que easu ex tacita voluntate partimmn in- 
ducitur ut peconie grosse videatur celebrata venditio et ipsa estimatio librarun. brevi manu videtur 
miitha concessa, 


steut dixit textus in L quoties er com dotem. C. de juve do. et ibi per Cynurm et Baldum. 


Cum ergo libre sint vel videantur concesse mutue. apparet. secundum Bartolum obi supra. quod 
ome augimentam et diminutio Mfoveni tendit ad commoduim vel ad damnum debitoris. quia prestatio 
librarum mutuatarum est uniformis et semper tenetur debitor ad idem. unde si mune tlorenus eves it 
potest debitor solvere hebreo tot libras quot recepit mutuo et cormmputare Lebreo foreman fante plus 
si solutio fiat in florenis, cum: augmentum., ut dixi, tendat ad commodtun debitovis. Et per hee est 
expeditam secundum dubini. 


Ad tertiuim est cicenduim idem omnme quod est dietum in primo per easdem vationes. Nee faci- 
wad aliquid obstacelli quod hebreas seripserit: dedi tali inutie unum tlorenum largum quingue so- 
lidos vel et vigintiquinque solidos: quia immo istud ostendit potius intentiouem mutuantis quod usque 
ad stumimain et valorem floreni voluit contrahere mutuam in libris. alias non potuisset: libram nen 
integram de p se unum florenum, sed dixisset: dedi tali mutuo qainque libras in florenis largis vel 
floveno large, sicut sepe facit cum vult mutuare ad Tibram. ut supra declaravit. Est ergo tn iste 
neste cas onon solum eadem ratio que in primo dubie. sed mayor Unde etiam in hoe easu eon- 
cludo. mutuum vidert factuin in auro et in floreno. non in libris; et consequenter hebreo augmentum 
floreni proficere sicut diminutio noceret non debitori. 


Et ita conclude in) preimissis, 


Das cons. 84 erértert ausschlicblich die Frage. welche Geldsorte in dem vorliegenden 
Falle das Schuldgeld sei. 


Die Juden von Siena gaben — wie das wohl iiberall tiblich war - ihre verzins- 
lichen Darlehen entweder ad libram oder ad florenum. d. h. entweder so. dali die libra 
denariorum Senensium — oder so. dal} der florenus aureus das Schuldgeld war. Das 
erhielt ~- wie wir schon mehrfach sahen --- seine besondere Bedeutung. wenn nicht 


in Sehuldgeld. sondern in Valorgeld zuriickgezallt wurde und der valor extrinsceus des 
florenus gegentiber der libra sich pendente obligatione veriindert hatte. Wurde ein libra- 
Darlehn von 400 librae mit Florenen zuriickgezahlt und war das Kursverhiltnis zur Kontrakt- 
zeit 4:1 gewesen. zur Riickzahlungszeit aber auf 5:1 gegangen. so geniigten zur Riick- 


1:2) 


92 EK. Sraupr: 


azahhimg So Florent. auch wenn das Darlehn seinerzeit mit too Floreni ausgezahlt worden 
war. Hatte sich umgekehrt das Kursverhiltnis auf 3:1 verschoben. so muSten 133';3 Flore- 


nen zur Riickzahlung verwandt werden. — War dagegen der Florenus Schuldgeld, das 
Darlehn also ein Florenen-Darlebn. aber dic libra das Zahlgeld. so betrug in dem obigen 
Beispiel die zurfickzuzahlende libra-Summe 500 hzw. 300. -— Denn der Natz. dai der 


tempore solutionis bestehende valor zu zahlen sei. galt ja allgemein als Rechtens (p. 87). 
Siena hatte die Bedingungen. unter denen dic dortigen Juden Geld auf Zinsen aus- 
leihen durften. in cinem Statut festyelegt. das cine ganze Anzahl von capitula umfabte. 
Das erste dieser capitula vertiigte, da® die Zinseuberechnung ad librain erfolgen miisse. 
und dab von jeder libra monatlich 4 Denare. also 20 Prozent jiihrlich. genommen werden 
diirften. 
prestindo sempre a ragione di dinart quatro Senesi per caseuna libra di denari, prestandi! per 
merite «lo ustira ci ciascuno mese, 
Dicse Vorschrifi war erlassen worden. weil diese Art der Zinsenberechnung fiir die kleinen 
Leute die eintachste und verstindlichste war (»maxime propter plebejos. idiotas et feminas« 
sagt Barbatia unhiflich inn. $). 

Bei den libra-Darlehen wiekelte sich diese Berechnung leicht ab. Schwierigkeiten 
entstanden aber bei den Florenen-Darlelien. da die Florenen (ebenso wie auch die Dukaten) 
in verschiedenen Sorten umlieten uid zudem ihr libra-Kurs sich hiiutig verainderte. 

Aus diesem Grunde wurden die Ilebrei durch jeunes Statut gendtigt. bei Florenen- 
Darlehen ihre Kapitalforderungen per libram zu fistimicren (p. 89). also formell als 
debitum valorem respiciens auszugestalten. so dab auch bei diesen Florenen-Darlehen dic 
Zinsen yon ciner dauernd feststehenden libra-Summe berechnet werden konnten. 

Nun erhob sieh aber die Frage. ol) nicht bei der einer \stimierung eigentiimlichen 
Rechtswirkung durch jene Astimierung das Florenen-Darlelm beziiglich seer Kapital- 
torderung zum libra-Darlehn geworden sci. 

Dies behauptete in dem Falle. der dem Arctinus zur Begutachtung vorlag, der Schuldner 
eines Florenen-Darlehns. um daraus Vorteil zu ziehen bei der Kapitalriickzahling, da der 
libra-Kurs des Florenas nach dem Wontraktschlu8 gegentiber der A\stimation gestiegen 
war. Er berief sieh datiir anf den bekaunten Satz. dai »aestimatio emptionem facit«. 

Aretinus entscheidet aber zagunsten des Hebreus und bhegriinder dies namentlich 
durch die Austtihriung. fiir die Reehtswirkung der acstimatio komme der causa aesti- 
mationis ausschlageebende Bedeutung zu. Diese causa sei aber lediglich in den Vorschritten 
des Statutes zn suchen. und diese wollten durch die aestimatio lediglich die Zinsenbe- 
rechnune erleichtern: es kOnne keine Rede davon sein, daB sie eine aestimatio venditionis 
causa vorgeschrieben hiitten mit dem Ziel. die Flurenen-Sehuld inbezug auf das Kapital in 
eine libra-Sehuld za verwandeln (p. SQ. 40. 50). 

Das cons. Sy gibt AntaB. uns den Unterschied Khurzumachen zwischen der aesti- 
matio. die zur Entstehung eines debittia valorem respiciens tihrt. wud derjenigen. die ein 
solehes debitum zim debitum aestimatum miacht.  Erstere ist nur bei Vertriigen auf Rtick- 
zahlung (mutuum. dos. usw.) nétig. wenn die Vorleistung in grossa gemacht ist und trotz- 
dem die minuta Schuldgeld sein soll. Sie wirkt also lediglich bei der Feststellung von 
Art wnd Stuumuie des Schuldgeldes mit. Letztere dient dagegen zur unabidinderlichen Fest- 
legung des Kurses zwischen Schuldgeld und Mubzahlgeld. bei jedem irgendwie he- 
griindeten debitum valorem respiciens: durch sie wird letzteres zinn debitum aestimatum. 


! So Andreas Barbatia: Aretinus schreibt ~prestassero«. 


Das Lahlkraftrecht der Postylossatorenzeit. 43 


Bei Kiws-A\stimationen begegnen aber auch noch andere Rechtsgebilde: cf. Baldus Vc. 213 
p- 34. Mar. Socinus I ¢. 6 p. 80. 81. 


3. Andreas Barbatia' (der sich als Subskribent des cons. 66 des Caleaneus als Andreas 
de Bartholomacis Siculus. dictus Barbatia bezeichnete. cf. p. 84) lebte 1400--1479, war 
techtslehrer, zucrst in Ferrara. seit 1442 in Bologna. Von seinen Konsilien? behandelt 


das 1g. des vol. [V die Zahlkrattfrage. und zwar — wie ich schon sagte — an dem- 
selben Rechtsfall, den das cons. 84 des Aretinus zim (egenstande hat — unter der 
Epitome : 


monete valore aucto, vel diminuto quomodo debeat fieri solutio: et an et quando estimatio facial 
tmptionem, 


Es ist nieht nétig. auf dic Ausftihrungen des Barbatia néiher einzugehen. denn er 
kommt zu der gleichen Entscheidung wie Aretinus und bringt auch an Tatsichlichem 
nichts Nenes. Auch er stellt fest. da im vorliegenden Falle die bonitas intrinseca die- 
selbe geblieben war und nur der valor extrmsecus sich veriindert hatte (vor 1m. 1) — 
und dali »mens illorum capitulorum non fuit per estimationem monete grosse per minutam. 
transferre grossain in minutame. \ueh die mens contrahentium sei nicht daraul’ gegangen, 
monetam grossam transferre in emptionem (n. 12, 14). 

Rechtlich seien deshalb floreni in obligatione. also Florenen das Schuldgeld (n. 13). 
Das Darlehn sei daher. wenn es in Florenen zurtickgezahlt werde. mit der yvollen hin- 
velichencn Florenen-Summe zu begleichen. 

Der Inhalt des consilium zeigt im tbrigen. dap Barbatia an dic Darstellungskhunst 
des Aretinus nicht heranreieht. Thm ist noch viel von jener scholastischen Formalistik 
zu eigen, wie sie uns z. B. bei Signorolus und Ludovicus Romanus hegegnet ist, und es 
fehlt dem Gedankengange mehrfach an Klarheit. 


§ 4. Petrus Philippus Corneus; Bartholomaeus Socinus; Ludovieus Bologninus; 
Collegium Papiense. 


Den Absehluli der einschligigen Gutachten des 15. Jahrhunderts bilden sechs Konsilien 
des Petrus Philippus Corneus. drei des Bartholomaeus Socinus und das cous. 16 des TLudo- 
vicus Bologninus. Ich fiige ihnen noch das lehrreiche Gutachten des collegium Papiense 
yom 16. Januar 1511 hinzu. 


1. Petrus Philippus Corneus aus Perugia wird von Saviesy nur kurz erwithnt (Sa. 
Vip. 485). ueh Scnunir (Wp. 3447) berichtet nur. daB er Schiiler des Benedictus Capra 
war. Panzirolus dagegen handelt eingehend tiber ihn (p. 194-196). und ebenso Joannes 
Fichardus in scinen vitae recentiorum jureconsultorum (p. 424 5). die dem Werk des 
-anzirolus hinzugetiigt sind. Corneus lebte 1420- 1492 und wirkte als Rechtslehrer in 
Perugia. Ferrara und Pisa. Seine Konsilien sind in 4 volumina gesammelt. Rinschligi 
sini. L279, 257. H 181, Ill 135. gat. 1V> tag’. 


iv 
| 279 betrifit einen Sozietitsfall. 


1oSa. VE p. 481: Senerre Il p. 306-—311. 
= Teh honnte die Ausgabe von 1350 benntzen (Andreae Barbatiae Siculi ... consilia. Lugduni 1550. 
Rostock. Te 318. 2°). 
Zur Verfiigune stand mir die Ausgabe Venetiis 1572. m dem Marburger Lvemplar (Marburg XVII". 
A 3502, 2°). 


94 E. Sraurr: 


Der eine socius hat 50 Florenen eingebracht, der andere »operas«. Wahrend der 
Jahre. in denen das gemeinsame Unternehmen betrieben wurde. war die honitas intrinsec: 
der Florenen dieselbe geblieben, aber ihr valor extrinseeus gegentiber der minuta sehr 
gestiegen. Bei der Auflésung der Gesellschaft wurde dann streitig. ob die »execrescentia 
extimationis« unter den socii zu teilen sei oder zu der zu erstattenden Einlage gehire. 
War also das Kursverhiltnis zwischen tlorenus und libra bei der Eingehung der societas 
4:1 gewesen und bei ihrer Auflésung 5:1. so war streitig. ob die Einlage mit 50 
oder nur mit 40 Flurenen zu erstatten sei. Corneus entscheidet, es seien 50 zu erstatten; 
er vertritt also. ehenso wie so viele seiner Vorgiinger, den Grundsatz, dali die Schuld 
nach Bonititsfyuivalenz zu zahlen sei. Er ftigt noch hinzu. dali die Kurssteigerung 
ja kein durch den Sozietitsbetrieb erzeugter (rewinn sei. 

Diese Entscheidung hat das Mibfallen des Molinaeus erregt. kr erwilmnt sie in seinem 
thier schon oft zitierten) Tractatus de usuris n. 688.9. Molinaeus hat. ja die Auffassung. 
dai an einem Gelde nicht die materia. sondern die bonitas usus, der valor. d. h. die 
Kautkraft, das allein Wesentliche sei. in schirfster, vor ihm nie in solehem Mabe ver- 
suchter Weise verfochten (cf. »Mo.« passim). Von ihr aus zieht er nun die Folgerung. 
daB eine Geldeinlage in eine societas bei der Auflésung des Unternehmens genau in dem 
Kaufkratthetrage zu erstatten sei. den sie hei der Verwendung in dem Unternehmen dar- 
stellte. also ohne Riicksicht auf Gleichheit der Stiickzahl bzw. der bonitas intrinseca. Es 
ist Ichrreich, seine Darlegung verbotenus zu vernehmen: 

Si plures mereatores contraxcrint societatem certae negociationis. eb certas quisqie summias subs 
variis speciebus contulerint. alter in solavibus. alter in coronatis. alius in alia specie monetae, — tem 
pore divisionis societatis. quo quisque sortent suam seu eapitale ante superluers cistibutionem prae- 
cipere debet. inspiciendus est valor dumtaxat. qui erat tempove collationis: quia ille demumt valor. 
ila tantum qaantitas, quae tunc erat collata. est posita ct conversa in commune, cum statin tant. 
quanti tune erat, in negociationcm communenm expensa fuerits et sie sive postea tempore divi- 
sionis creverit sive decreverit valor seu cursus collatae mouetae non debet quod superyvenit attends. 
sed solus cursos qui erat tempore collationis ... 

alioguin si Calendis Januarii convenerit: de societate inehoanda. et exereenda a Calendis 
Aprilis (usque ad annum vel aliud tempus). non debet attendi valor. qai erat ante Calendas Aprilis. 
si quis ab initio pacti vel interim contulerit: sed crisus qui erat Calendis Aprilis. tempore quo coe. 
perit exerceri: communis negociatio. et in communem usum peeunia converti’. 

Molinaeus verteidigt diese Ansicht auch fiir den Fall, si actum sit (inter partes). 
quod conferrent tot aureos et totidem praeeciperent: vel si unus ... contulit centum 
aureos, ita ut ... finita societate praeeciperet eentum aureos. (si) interim multum ev- 
ereverit aestimatio seu cursus aurei ... debet illud inerementum de capitali deduci et 
inter socios dividi ---- quamvis in hoc nominatim contrarium consuluerit Philip. Corneus 
279 libri l. et pessime. 

Et contra si... deereverit cursus aurei, debebit de communi suppleri. et reddi in 
ea aestimatione et cursu. in quo erat tempore collationis et conversionis in rem communem. 


Non obstant istae clausulae (in eisdem vel totidem speciebus), quia debent intelligi 
rebus sic stantibus’. 


' Der Satz. daB nicht die Kaufhratt des Zeitpunktes der Auszahlime dureh den Geldeeber cutscheide. 
sondern die Kantkraft des Zeitpunktes. in dem der Empfiinger das Geld ausnutzen konnte. wird von Vole 
naens auch in anderen Fallon verteidiet (2.2. beine Darlehn). (Cf. » Mo. p. 48 a. 54.) — Molinaeus berutt sieh 
datiir auch auf das. was Baldus zur |. acceptam. (. de usuris (Il. 1g. ©. 4. 32) in qa. 27 entwickelt habe (Tract. 
de usur. n. 7On). 

2) Molinaeus will also bei naehtrielicher Karsveranderung jene Klatiseln auBer Kraft setzen. weil sie 
dann den Rechtserunudsatz. daB nach Kaufkraftiquivalenz zu orstatten: seis in uuerwiinsehter cine Parte 
unbillie bevorzoeender Art tiawirksmim aiichiten, 


Das Lahtkraftrecht der Postylossatarcenzert, ae) 


Die Art. in welcher der fanatische Valorist Molinaeus den Bonitismus bekimptte. 
tritt hier sehr anschaulich zutage. 

Molinaeus jibersieht aber, dali er selbst auf den ‘Tatbestand des cons. 279 nicht 
anders entschieden haben wirde wie Corneus: denn Corneus wurde. wie der Schluls des 
eonsilium zeigt. zu seiner Entscheidung mitbewogen durch den Umstand. dai. nach \us- 
sagen von mercatores. das augmentum floreni causabatur propter defectum et variationem 
bonitatis intrinsecae monetae argenteae. dai also nicht sowohl ein Steigen des Florenen- 
Kurses als vielmehr cin Sinken des minuta-Kurses stattgefunden hatte. Dann lag aber. 
nach der eigenen Ansicht des Molinaeus gar kein verum augmentum floreni aurei vor 
(ef. »Mo.« p. 43). und intolgedessen hiitte auch Molinaeus nur auf Florenen-Riiekzahlung 
ad numerum erkennen kénnen. 


I. 287. 


Ein an sich cinfacher Fall von Dotalrestitution: Zwischen Doskontraht und Restitu- 
tion ist die bonitas intrinseca veriindert worden.  Entscheidimg richtig und wie her- 
koOmmlich. dali die zur Zeit des Kontraktschlusses dagewesene bonitas intrinseca mat- 
gebend sei. 

Das consilium weicht auch in der Methode der Deduktion nicht vom HerkOmin- 
lichen ab. Uber diese Methode und den Grad des juristischen Kénnens. der sich in ihr 
offenbart. habe ich bisher wenig gesagt: jetzt, wo wir uns dem Ende der Postglossatoren- 
zeit niihern. scheint es mir angebracht. diesen wichtigen Punht zu crértern. 

Bei der Regelung ciner Geldschuld tauchen gewisse Fragen immer in einer ganz 
hbestimmten Reihenfolge aut: 


1. In welchem Geld wird geschuldet? 

2. In welechem Geld mul gezahlt werden? 

3. In welchem Geld kann gezahlt werden? 

4. Nach welchem Mafstab ist zu zahlen? Nach Metallgehaltgleichheit (Bonitit) oder 

nach Kaufkraftgleichheit (Kurs)? 

Wenn nach Kurs. ist dann nach dekretiertem oder nach usuellem Kurs zu 

zahlen? 

6. Nach welchem zeitlichen Kurs ist zu zahlen. wenn der mabgebeude Kurs sich 
pendente obligatione geindert hat? 


7. Wie steht es um den Einflus der mora? 


or 


Die honitas intrinseea (Bonitéit) komunt nur in Betracht. wenn uach Metallgehaltgleich- 
heit zu zahlen ist. also bei Frage 4. - Der valor extrinsecus (Kurs). wenn nach Kaufkratt- 
vleichheit zu zahlen ist. also gleiehfalls bei Frage 4; dann aber auch noch bei den Fragen 
s und 7. 

Die Verinderung der bonitas intrinseca ist nur von Bedeutung fiir die Fragen 1 
und 2: die Veriinderunge des valor extrinsecus nur fir Frage 6. Man wolle sich ertnnern 
(ef. p. 64). daB » Verindertmg der bonitas intrinseea« notwendig cin anderes. cin neues 
Geld sehafit: dab sie daher notwendig nur dann von Bedeutung sein kann. wenn man 


tragt. in welchem Gelde. — genauer. in welcher der beiden Geldsorten geschuldet wird 
haw. zu zahien ist. Die Veriinderung des valor extrinsecus liBt dagegen die Identitit 
des Geldes unberiihrt: es findert sieh dann nur sein Kurs gegentiber anderem Gelde: also 


kann die Veriinderung des valor extrinsecus eine Rolle nur bei der Frage 6 spielen. zu 
welehem Kurse die Geldsorte. in der gezahlt wird. auf die Schuldgeldsumime anzurechnen 


96 


ist. 


EL. SraMpeE: 


Beispiel: die Schuldgeldsumme betriigt roo librae: zu zahlen ist in tloreni: der Kurs 


stand tempore obligationis 1:4. tempore solutionis 1:5; Frage 6 gehr dahin. oh die 100 li- 
brae mit 20 oder 25 Florenen zu begleichen waren. 


Als gebriuchlichste Belegstellen aus dem CJ Can. seien folgende verbotenus mitgeteilt : 


1. ¢, olim causam. de censibus (¢. 20. X. 3. 39): 


Summariuim: Solvendi sunt census ad antiquam mouctam. in qua institud) fueriat. nisi sit 
in alterius monetae solitione praeseriptum, 


Innocentins HL Spoletano Episeopo (anno 1212 in Umbriam.). Olim cansain quant adversus Clericos 
plebis Rupinae super synodatico proponebas. Tudertino episcopo et collegis suis commuisimius tevimni- 
nandam: coram quibus ex parte tua fuit propositam. quod cum iidem Clerici pracdecessoribus tus. 
tres in festa Nativitatis, et tres in festo Resurrectionis Dominicac. pro synedaticn solverint denarios 
Papienses. niue tantum tres Lucenses pro singulis denariis Papiensibus persotvebant. etm tammen tnaus 
denarios Papiensis valeat sex Lucenses. unde petebas eos ad Papiensium solutionem compelli, cum 
et si tu: Lneenses primo anne receperis, semper tamen jus tuum postmodume fucris protestatus: 

Chm igitar constet. quod Papienses olim pro svnodatico solvebantur. —- quod ex eo etiam sequitur. 
quod) Lueenses: soluti sum pestnodum pro eisdem, cum ex dietis testium: et confessione Advoeati 
alterins partis non revocata. postmodum appareat evidenter. quod tempore L. praedecessoris tui pre 
synodatico Papiensis fuit moncta soluta. eta tempore dicti Le non nisi triginta sex annorum ad plus 
tempus cfiluxerit, et sit legitime comprobatum, quod tres Lucenses, qui pro ine Papiense post mortem 
ipsius L. solvebantur. quinque vel sex valebant ex illis, qui hodie sunt in usu: intelligentes ex hoe. 
qhod per monetae declinationem acciderit. ut usque ad tempus tuum Lucenses dati fuerint pro sy- 
uodatico. sicut evant in usu: procuratorem adversae partis nomine Clericorum plebis praedictae tibi 
ad solutionem denariorvum Papiensitin vel aestimationcm corum pro synodatico per detinitivam sen- 
tentiam condemnamus, 


2. ¢. cum canonicis (26) eod. tit.: 


Sniumarium: Ad antiquam monetam. vel si non est in usu. ad ejus aestimationems solyenedae 
sunt pensiones antiquae, 
(rregorins TX (12367). 

Cum Canonicis majoris Ecclesiae. quaudam sumimaim pecuniae pro pensione Keclesiac taae debitumn. 
wliquot annis persolveris, et iidem suman lam ex integra de incliori moneta exigant sibi solvi: 
Tibi damus nostris literis in mandatis. ut Canonicos illos solutione priovis pecuniae. vel si non sit 
in usu. aestimatione pensionis antiquae facias manere conteutos, 


3. ¢. statuimus. de maledicis (ce. 2. NX. 5. 26): 


Gregorius [IX 1236. 
Cher (rotteslisterer werden Kirchenstrafen verhangt. und zum SchluB betuhlen: 


Per temporalem practerea potestatem coactione (si necesse faerit) Episcopi dioee, adhibita contra 
eum, blasphemus. si dives fuerit, yo solidorum, alioquin 30. sive 20: et si ad id non safticiat, = soli- 
dorum usualis monetae poena mucltetur ... 


+. ¢. olim. de injuriis (ec. 7. X. 5. 36): 


Honorius If Episcopo Bononiensi (an. 1224) 


Oli seribentibus nobis Episcopo Mutineusi. ut potestatem. consiliarios et populuan Civitatis Flo- 
rentinae ad satistaciendum de damnis et injuriis irrogatis Episcopo et Ecclesiae Fesulan. eens. Eccles, 
coaretaret. idem testes lite non contestata recepit. Quare Hos ejus processu penitus revocato. commune 
Florentin. quia banniverat Episcopum Fesulanum contra’ Deum et Eeclesiasticam libertatens,. propter 
injuriain banni. et expensas. et damina tali oceasione seeuta, taxatione juramento pracinissa, in mille 
libris usualis monetae, praedicto Episcopo sententialiter duximus condemnandom. 


5. Cle. si beneliciorum. de decimis (Cle. 2. 3. 8): 


Summarium: Decima beneficiorum alicni concessa. sibi debetur secundui t 


axutionem. et 
de moneta currente ... 


Dus Zahlkraftrecht dev Postglossutorenzett. 


lo 


Clemens V in concilio Viennensi (1311). 

Si beneticiorum decima cuivis simpliciter concedatur ad tempus, secundum taxationem decimae in 
illis partibus. in quibus fiet concessio. et ad movetam currentem communiter ipsa decuna levari poe 
terit et debebit. 

Von diesen fiinf Stellen ist olim causam fiir die Fragen 1. 2. 4. 6 verwendbar: cum 
eanonicis fiir 1. 2. 4: statuimus und olin nur fiir 1: si beneficiorum nur fiir 2. da der 
Wertmesser hier die Schiitzungssumme der Naturaleinkiinfte ist. deren ro. Teil die (in 
moneta currens zahlbare) deecima darstellt. 

Das viel zitierte e. quanto personam. de jurejurando (¢. 1S. XN. 2. 24) gibt in seinem 
Text ftir Geldzahlungstragen tiberhaupt keine Auskunft: es crértert. wie cin princeps die 
Miinzverschlechterung seines Vorgiingers wieder gut machen soll. Nur die Koinmentare 
zu dieser Stele enthalten Wichtiges. wie wir sehon bei Wostiensis sahen und noch mehr 
im Kap. TE bemerken werden. 


Die gebriuchlichsten Belegstellen aus dem CJC entstammen vorwiegend den Digesten. 
Fiir die Frage 1 wird besonders die 1. nummis (735), de leg. 3 angezogen: 
Nummis indistinete legatis hoe receptuim est. ut exiguiores fegati videantur. si neque ex con- 
snetudine patris familiae. neque ex ‘regionis. unde fuit. neque ex contestu testamenti possit apparere. 
die also in Zweifelsfillen aut das U-bliche und letztlieh auf das >in dubio minus « 
verweist. 
Ahnliche Anweisungen fiir Zweitelsfille geben |. si servus pluriwn (50) § 3. de leg. 1. 
l. semper in stipulationibus (34). R. J. (50.17) und 1. heredes palam (21) $ { 
testamenta facere possint (28. 1). 


L. Medico (40), de aurv, argento (34. 2). 1. Aurelius (25) $2. de liberatione legata 
(34, 3) und I. uxorem (41) $4, de leg. 3 gelten als Beweis dafiir. da} bei Legaten zu 
Frage 1 die Zeit der Errichtung maBgebend sei. 
Zu Frage 3 wird aus I. Paulus respondit (alias: creditorem). de solutionilbus (1. gg. 46. 3) 
Creditorem non esse cogendum in aliam formam nummos acciperc. si ex ca re dammiam aliqguod 
passurus sit 
der wichtige Satz abgeleitet, das eine facultas solvendi in alia moncta dem Gliubiger 
nicht zum Sehaden gereichen darf. 
Am meisten angefiihrt wird die Belegstelle zu Frage 4. 1. cunt quid (3). si certum 
petatur (12. 1): 
cum quid mutuum dederimus. etsi non cavimus. ut aeque bonum nobis redderetur. non lieet 
debitovi, deteriorem rem. quae ex eodem genere sit, reddere., veloti vinta novi pro vetere. Nam 
in contrabendo, quod agitur. pro canta hahendum est. id antem avi intellegitur. ut ejusdem generis. 
et eadem bonitate solvatar. qua datum est. 
Auf sie stiitzt man den Satz. es sei nach der Bonitfitsiquivalenz zw zahlen. 
Fir Frage 5 wiirde beaehtlich sein die 1. quotienscumaque (5). C. de susceptoribus 
(10. 72): 
yuotienscumane certa summa solidorum pro tituli qualitate debetur et auri massa transmittitur, 
in septnaginta duos solidos libra feratur accepta: 
denn sie enthilt cine Art deeretum valoris. 
Bei Frage © wird fiir die Behauptung, daB der valor temporis solutionis mab- 
gehbend sei, viel ausgenutzt die 1, cum certum (g). de auro. argento (34. 2): 
cum certim aur vel argenti pondus legatum est. si non species designata sit. nou materia. sed 


pretinm praesentis temporis: praestari debet, 


Plal-hist. Abb, 1928, Nerd. i) 


98 E.Stramwpnr: 


Zum binflu’ der mora (Frage 7) geht man hauptsiichlich zurtick auf 1. vinum (22), 
si certum petatur (12. 1). 1. si merx aliqua (4), de condictione triticaria (13-3). L. si 
calendis (11). de re judicata (42.1). Auch die 1. in minorum (3). ©. in quibus causis 
in integrum restitutio necessaria non est (2. 40) wird hiiufig angezogen. 


Der cinschliigige Passus des cons. [ 257 hat foleenden Wortlaut: 

Deveniendam mode est ad secanduin consultationis articulou civea quem videtur prima facie 
di¢endum quod solutio debeat fiert de pecunia hodie currenti. Nam = solutio regulariter debet  fieri 
de moneta currenti seu useali quae seilieet communiter est in usu. prout probant textus et glossa in 

Cle. 2. de decimis. et — ine. 2 i. fede maledicis 
ubi glossa notat quad etiam si non dicatur debet intelligi, quod solutio fiat de moneta usuali, et sie 
de uoneta quae est in usu. et communiter carrit. super quo glossa ibi allegat plares concordautes. 
et factt 

1. fiiperatorves (71). tt de contrahenda emptione, 
ubi dicitar. quod consuetudo regionis est in hajusmodi observ anda. 

Nee debet extimatio monetae. quae vigebat tempore contractus. attendi, sed extimatio quae viget 
tempore solutionis — dicit Baldus in dol. cma quid —. et quod fieri debeat solutio de unoneta nova 
currenti, quando est mmtata., firmat Speentator in titulo de solutionibus in S$ nane aliqna. in tine. 


‘Tamen hoc non obstante dicendtun, quod siimoneta est mutata vel deteriovata in bonitate intrimseed, 
qitia non est ejusdem: ligae vel ejasdem ponderis, quibus erat tempore contractas. solutio debet fieri 
deomonetia antiqnua., vel debet salyii extipatio monetae antiquae prout hace videtur satis expressant in 

c¢. olim eausam. de censibus. 
prout et si melior moncta sit in usu tempore solutionis, debet solvi antiqua Moneta vel ejus 
e\timatio. prout est expressum in 
eG cum Canonieis, eoden titalo. 

ut Sie Contrariortin cadem, sit disciplina. juxta 
leet si contra (35). fh de vulga. et papi (28.6). -— et can. hospitiolum Qy 32. distinet. et — 
hosi- ex tote (8) fh de leg. a. cum) similibus. 

Rt quod antiqna moneta. seu in antiqua sit solvenda. facit textus in 

Lo enm quid. ff si certum petatur. — etin | uxorenr § testamento. de leg. 3.-- et in b momen (34) 
§ filion 1 usori (33) $8 t. in eodem titulo. 
abi hoe firmat Dynus. qiod et tenet Bartolus in Paulus respondit eveditorem. ff de solu. et in dsl. eum 
qitid. abi hee Doctores communiter tenent et tenent Canonistae Communiter omues in 
@ quanto. OXTIa. de jurejur —- et in d. c¢. olim causam. —- et in de. com eanonieis — et Pau. de 
Leas. Zenz. cav. Flor. et dmo. in d. Cle, 2. de decimis. 


Nec obstant addueta in contrariam. quia respondetur duobus modis. 
Primo. quod vertan est. quod consuetudo regionis in hoe ohservatia. et solyenda est moneta quae 


est incusa.  “Varuen intellgitur de moneta. quae est in usa tempore contvactus: quia moneta usualis 
solvenda est. quae seilicet tempore contracts erat in usu. per 
d.e.olim causam., — et doe. cum cauonieis. et similibus supra adductis, 


Non vempe dicuut de. 2. de midedicis etd. Clem, 2, de decimis. ¢ aj us temporis usualis. vel currens 
Inoneta solvati. ita quod posset declurari et interpretari per dicta alia jnra supra adducta. eum: unui 
qus declaretay et interpretetur per aliud 

Lononest novi (20) et Loman et posteriores (28). (de legibus ql 3) = et e. eran dileetus psy. 
dle cousue. (X. 1 4) — et ¢. crm expediat (2g) de elec. (1.6 in Sexto), — cum similibus. 


Secundo respondert potest quod supradicta procedunt quando solutio tieri debet de debito resul- 
ante ex contracta vel ex ultima volumate. sed d. Clem. 2 et doe. 2 procedunt quando selutio fleri debet 
ratione debith causeti vigere alienyus legis. non vigore alienjus eontvactus. vel altimae voluntatis: quia les 
semper foquitur 

I. Arriani is}. ©. de haereticts (Ls). 
nee tempore fegis oritur obligatio. sed commuter mediante aliquo facto postea imminente ovitur ipsa 
obligatio. ideo non attenditur tempus legis. nee solution fier’ debet de imoneta. quae corrvebat tempore 


' Ein merkwiirdig unpassendes Zitat: 


Das Lahtkraftrecht der Postglossatorenzcit, 9) 


lesis conditae: sed de inoneta quae postea currit tempore solutionis: prout voluit Speculator in tit. 
de sol. $ 2 ver. fi. — quem refert et sequitur Jmol. in ded. Paulus. 

Nee obstat quod dieit Baldus ind. 1. cam quid. quia debet intelligi deoextimatione rei quae augetuy 
vel minuituy aliunde quam ex variatione bonitatis intrinsecae. pata si Floreni ejiusdem bonitatis 
crescunt in extimations. quia multi ex causa sunt extract de foco. vel simili cause. prout videmus 
in vino. oles. et hujusmodi. quorum extimatio crescit et decrescit: firma imanente cadem intrinseca 
honitate: mam hoc respect attenditur tempus solutionts vel gmorae. 


|. vintun. ff. si cert pet. — I. in hae (3) eth tin. (4). de titi, - cum inottis sinalihus. 
Nos autem loquimur in extimatione quae non variatar ex causa extrinseea: sed de illa quae causatun 
ex mutate bonitate iutrinseea. prout loquuntury jara pro hae parte inducta: 
et dictam distinetionem facit Jmol in d. Clem. 2. de decimis post Bartolune ind. teu quid. the si 
certiim petatur. 

Corneus hitte es leicht gehabt, seine Entscheidung zu begriinden. wenn er seine De- 
duktionen mit der Frage 1 (nach dem Schuldgelde bzw. dem Wertniesser) begonnen hitte. 
denn dann sehlugen e. olim causam und ¢. cum canonicis schlechthin durch. Clem. 2 de decimis 
und c¢. 2 de maledicis machen dann keine Schwierigkeiten. Denn in Clem. 2 ist der Wert- 
messer die Taxsumme der Einkiinfte und die moneta currens nur das Zahl geld. mit dem 
die decima von dicser Taxsumine zu begleichen ist. Una in ¢. 2 ist die moneta usualis zwar 
fiir gewisse Geldstrafen als Schuldgeld festgesetzt: aber diese Festsetzung ist doch gerade 
auch ein AustluB des Grundsatzes, dali das tempus ortae obligationis das Schuldgeld bestimmen 
soll (cf. Panormitanus, p. 66 7). 

Hierauf ergab sich dann (fir Frage 2) von selbst, dal weil cin debitum simplex vorliege. 
die moneta antiqua auch das MuBzahlgeld sei. Und wenn eine tacultas solvendi in alia 
moneta zustiindig war. mubte zuletzt noch die Art ihrer vextimatio«. nach den durch dic 
Fragen 4. 5. 6 hedingten Gesichtspunkten. zur Erérterung kommen. 

Corneus hat aber die Notwendigkeit der theoretischen Scheidung von Schuldgeld und 
Zahlgeld noch nicht erfait. Er stellt gleich die Frage 2 nach dem Zahlgelde iid findet 
dafiir. daB die moneta antigua das Zahlgeld sei. zwar auch Stiitzen in ¢. olim causam und 
c. cum canonicis. da beiden ein debitum. simplex zugrunde liegt; aber er st6Bt andererseits 
auf vermeintlichen Widerspruch der Clem. 2 und des ¢. 2 de maledicis und weil diesen Wider- 
spruch nur durch die freilich schon vor ihm beliebte, aber sachlich bedenkliche Auslegung 
wegzuriiumen, beide Stellen hiitten die Zeit, zu der die moneta currens bzw. usualis sein 
sollte, nieht genannt. und man miisse deshalb aus anderen Quellen sehlieben. dats das tempus 
contractus mabgebend sein solle. 

Die Nichtbeachtung der Notwendigkeit, Schuldgeld und Zahlgeld zu trennen. richt 
sich schlieBlich auch bei der Auseinandersetzung mit Baldus. Dieser behandelt ja in dem 
von Corneus angezogenen Passus keine der Fragen 1---3. sondern lediglich die Frage 6 
nach dem zeitlichen Kurse. die zu seiner Zeit (und noch bis zu Molinaeus) nur aut- 
tauchte, wenn in einem von dem Schuldgelde verschiedenen anderen Gelde gezahlt wurde. 

Solche Denktehler. wie sie hier dem Corneus passieren. begegnen in den Schriften 
der Postglossatoren haufig. Aber wir haben kein Recht. sie deshalb zu tadeln. Denn 
sie waren Praktiker und voll heschaftigt mit der Aufgabe. gegentiber den Hunderten 
der italienischen Stadtrechte und deren engherziger Kirchturmpolitik ein einhcitliches 
brauchbares Verkehrsrecht zu schaffen. Diese Aufgabe haben sie grofartig gelést: das 
ganze Abendland hat davon Nutzen gezogen. Scharfes theoretisches Denken aber lag 
ihnen nicht und konnte auch als besonders wichtige Aufgabe noch gar nicht \on ihnen 
erkannt werden. Denn die Quellen, in denen sie furschten, das CJC. und das CJCan.. 
waren wohl Sammlungen. in denen sich viele praktisch brauchbare Rechtsiitze fanden: 
aber Anregungen zu korrekter begriftlicher Zergliederung des Rechtstoffes konnte man 
nur in beschrinktem MaBe aus ihnen entnehmen. 


100 EO NTrawre: 


Die tibrigen Konsilien des (orneus sind fir unsere Abhandlung ohne besonderes Interesse. 

In I] 135 ist der Tatbestand dunkel. Es handelt sich um die Frage. ob gewisse 
aestimationes von Vermégensstiicken, die zwecks Berechnung der decima erfolgt sind. 
der forma statuti Perusini entsprechen. 

Hl 321 und LV 109 begutachten, ebenso wie I 287, Fille der Dotalrestitution, in 
denen pendente obligatione die bonitas intrinseea veriindert worden ist. Nie kommen zu 
demselben Ergebnis: und HI 321 gibt in n. 12 die Grimde dafir in dem gleichen Ge- 
dankengange. den wir in | 287 heobachteten, und fast genau mit den gleichen Spezial- 
ausfiihrungen wieder. 

IT 181 erértert tiberaus umfangreich einen Rechtstreit, der zwischen dem Capitulum 
ecclesiae Mediolanensis und zwei Mailindischen Biirgern (den domini de Raude) entstanden 
war tiber die Frage. ob aus einer 1421 von dem Capitulum den de Raude cingeriumten 
Emphyteuse der census annuus nach der intrinsecus besseren moneta temporis contractus 
oder jeweilig nach der inzwischen intrinsecus mehrfach deteriorierten moneta usualis ge- 
schuldet werde. Auch hier entwickelt Corneus (in n. 70, 71) fast genau ebenso wie in 
1287 und IE 321. dais an und fiir sich die moneta antigua maBgebend sei. Ex spricht 
aber dennoch den de Raude die Befugnis zu, nach der moncta usualis zu zahlen, weil 
sie das Recht. nicht nach der Moneta antiqua zu zahlen, durch 4ojihrige praescriptio 
erworben hitten. 


2. Bartholomaeus Socinus', Sohn des Marianus; lebte 1436--1507. Rechtslehrer 
iu Siena, Ferrara, Pisa. Bologna. Padua. 

Das cons. Il 247 befaBt sich mit einem Geldlegat ad piam causam. Ein Testator 
hatte zugunsten eines Florentiner Hospitals bestimmt 

quod de bonis meis emantur possersiones utiles et fertiles aestimatione tlorenorum largorum sex 
millinm nomine dicti Hospitalis. et assignentur dicto Hospitali« (n. 3). 

Zwischen dem Erben und dem Hospital entstand Streit tiber den Wert dieser Geld- 
summe. Die (goldencn) floreni largi waren nimlich nach der Errichtung des Testamentes, 
trotzdem sie intrinsecus nichts eingebiiBt hatten. gegeniiber den grossoni argentei im Kurse 
heruntergegangen (n. 6): und der Erbe wollte nun die 6000 Florenen nur in grossoni 
zahlen, wihrend das Hospital daraut drang, da® sie in auro gezahlt wiirden (da sie an- 
scheinend gegentiber den Grundstticken nicht so an Kaufkraft eingebii®t hatten wie 
gegentiber «len grossoni). 

Der Erbe berief sich auf die lex nummis, weil in dem Legat die tloreni largi nur 
simpliciter genannt seien, namentlich aber auf ein Florentinisches Gesetz vom 3. October 
1475, das anordne, 

quod quilibet debitor in tlorenis largis de auro sulvere possit in grossonibus. ex quacunque causa sit 
debitor (n. 4). 

Das Hospital entgegnete, das in dubio minus der lex nummis kénne nur Platz greifen, 
wenn der Wille des Testator sich nicht feststellen lasse. In proposito lasse er sich aber 
klar teststellen aus dem dauernden Ortsgebrauch. Der Jurist stimmt dem zu: 


Existimo quod dictus testator intellexerit de tlorenis Jargis secundum communem usum loquendi 
et intelligendi regionis: in qua. tempore testamenti, et ante lungo tempore, et post versatus erat: et 
sie de florenis largis de auro in aure. prout intelligit communis usus loquendi loci. in quo versatus 
est (n. 4). 





1 Sa. VE p. 3453-355: Scuvire IL p. 307. 320, Uber die Ausgabe der Consilia ef. oben p. 80 Anm. 1. 


Das Zahlkraftrecht der Postylossatorenzeit, 11 


Das erwahnte Florenzer Gesetz steht nach der Ansicht des Sozinus dem Hospital 
nicht entgegen. Denn letzteres sei eine domus misericordiae, quia est constituta ad sub- 
ventionem et alimentationem pauperum; und deshalb zwar keine domus ecclesiastica, aber 
doch ein locus pius: und einen solehen biinden die leges Florentinae nicht (wie dann 
in nu. 7. eingehend begriindet wird). 


Das cons. Il 247 enthalt also einen interessanten Beitrag zu der Frage 1 nach dem 
Schuld gelde. 


Das cons. Il 298 behandelt kuz aber lehrreich einen Dotalfall. Teh @ebe es deshalh 
im Wortlaut wieder. 
Sumimiae. 
1, Moneta si forte varietur. quomudo debeat fieri solutio doti promissae, 


Dominus labia mea aperiat. et Spiritus 
Sanetus illuminet intelleetum. 


Pro fundamenty pracsentis consultationis praemitto. quod in iastrumento dotali dominae dacobac. 
maritus confitetur se recepisse tlorenos 130 ad computum librarum trium pro singulo tloreno. quae 
verba signifivant, quod ila aestimatio reddi debet. et non major. sieut in qualibet ve data in dotem 
vestimata vera aestimatione, 


J, si aestimatis. ff solu. mate. (lL 50. 24. 3) 


ita dicit Baldus in suo consilio 339 inci. Punetus quaestionis talis est. in 2 vol. consiliorim (14yo) 
in formis, Unde. si hodie detcriorata essct moneta. dubitaretur, quomodoe debeat fieri restitutio doris. 
Dico. quod si ila moneta antiqua posset habevi, solvendae essent tres librae pro singulo florence: 
si autem non potest haberi. ct moneta nova est deterior in’ bonitate intrinseca: quia moneta est 
solvenda in eadem bonitate, in qua erat tempore contractus. dieo. quod est fienda solitio in moneta 
nova. et est solvenda avstimatio monetae antiquae. ef non tanta moneta numero est solvenda, sicut 
erat antiqua. sed aestimatio illius antiquac. unde tune 60 solidi faciebant florenuim aurenm. nune 
faciunt tantuin 7o stante cadem bonitate tlorent aurei et deteriorationy monetae solvi debent zo solidi 
pro illis 60. quia tantum valent. 


Casus est ind. res in dotem et tbi Bartolus. ff de jure dotium (1. 42. 23. 3). -- et tenent Bartolus 
Baldus ct alii in 1 cam quid. df si cer. pe. — et Bartolus in 1. Paulus. ff de solu. — et d. Ant. et 
Canonistae in ¢. quanto. Extra de jureju. — ubi dicit Abbas. quod lance opinionem tenent communiter 


onmes, tam Legistae quam Canonistae. quia solvi debet pecunia in eadem honitate intrinseea. qui 
erat tempore contractus 


ded res in dotem — et del cum quid. 
Unde si non reperiretur, devenitur ad ejus aestimationem. 


Quiniimmo ex quo in easu nostro fuit promissa dos et contracto matrimonio fuit mora contracta 


in solutione dotis. juxta no. in 


]. de divisione. ff so. ma. (1. 5. 24. 3) 


debetur pecuniae aestimatio quanti plorimi fuit a tempore morae. etiam attenta extrinseca benitate. 
et aestimatione secundum Bartolum et Doctores in d. 1. Paulus. et Can. Maxime d. Ant. et Abb. in d. 
c. quanto. — Et sie si tres librae essent majoris pretii. tune. et melioris aestimationis. debentur in 
ea aestimatione 
l. vinum. ff si cer. pe. cum materia. 
Unde cum promissa frerit dos Bertae. prout habuit domina Jacoba. in primis debent solvi_ 150 
tloreni aurei in moneta. quae tune ecurrebat. vel in nova deteriorata solvi debet aestimatio antiquae: 


guia omnia quae sunt in termino ad quem fit relatio. censentur repetita in termino referente. et cum 
omnibus qualitatibus suis 


l si prior. et ibi Baldus. ft. sol. ma. (1. 32, 24. 3). -- |. asse toto et 1. institutio talis. tt de 

haere. insti. (l. 77. 28.5) (1. 51? 28.5). — 1. si ita scripsero, ff. de cond. et dem. (1. 38. 33.1). 

Et quod plus est. yuia promittens fuit in mora. tenetur enim quanti plurimi valuit moneta a 
tempore morae. juxta no. in d. 1. vinum. 


Et ita coneludo, Barth. Soc. J.U. D. 


102 EL NS rawr: 


Dies Konsilium betrifft dic Fragen 1 4 und 7 und spricht so besonders klar. dab 
Erérterungen sich ertibrigen. 


Das Konsilium V.g5 ist von Cenninus de Cenninis. U.J. Doctor. Senensis. et advo- 
catus Consistorialis verfaBt (Saviexy. ScutLre, Panxziroies erwihnen ihn nicht). B. Socinus 
hat subskribiert. 

Zwei Capellani der Capella Sanetae Mariae de la Nieve (zu Siena?) hatten cinem = ge- 
wissen (rerardus eine possessio verkauft fiir 1080 florenos denariorum Senensium ad rationem 
librarum «quatuor pro quolibet floreno und dafiir rand 771 ducati largi von Gerardus 
erhalten. Sie gaben dieses Geld in depositum irregulare »in manibus egregii et circum- 
specti civis Andreae de Capaecis. de Senis, campsoris legalis et fidelis personae«. In dem 
dariiber ausgestellten instrumento depositi »pro pretio dictae possessionis. quod fuit mille 
octoginta florenorum: depositarius confessus fuit se habuisse in depositum septingentos 
(sie!) dueatos largos plurium coniorum« »quos denarios et pretium« er promisit in depo- 
situm retinere et solvere et actualiter consignare pracdictis cappellanis. In den » libri banehi« 
des Andreas waren dic capellani cingetragen als creditorcs in dictis florenis mille octua- 
ginta de retract. ad libras 4320. Das entsprach dem stilus und der consuctudo Senen- 
sium imerecatorum, »quod ipsi etiam deponentes ducatos seribant et ponant ipsos ecredi- 
tores in florenis et libris monetae Senensis (n. 7, 1. 4. 6). 

Der dueatus largus war nach der Deposition anscheinend gegeniiber dem florenus 
denariorum Senensium im Kurse gestiegen (n. 7). Es entstand Streit zwischen den De- 
ponenten und dem Depositar. ob als Schuldgeld die 1080 floreni oder die 771 ducati largi 
anzusehen seien. 

Beide Gutachter erkliren die iloreni ftir das Schuldgeld. Denn nach dem Inhalt 
des Depositiousvertrages 

ie. qui deponit dietos 771 ducatos pro dictis ro8o tlorenis, videtur vendere dictos dueatos pro 
1o8o florenis: ipstun tamen pretium apud illum mercatorem deponere ... adeo quod damnum et 
lucrum dietorwiu 771 dueatorum speetet ad iti qui reeepit dietum depositum (Cenninus ini. 2. 3: 
Socinus in nm. 7). 
Auber dieser depositio cum venditione wird yon Cenninus noch besoidlers die vorhin 
erwiihnte Buchungs-cousuetudo der mercatures yon Siena als ausschlaggebend erachtet. 

Noch andere Ausfiihrungen, die den Willen der Deponenten. die Florenen zum Sehuld- 

geld zu machen. beweisen sollen. gibt Cenninus in n. 4, und Socinus in un. 7. 


3. Ludovicus Bologninus'’, 1447—1508, Rechtslehrer in Ferrara und Bologna, auber- 
dem vielseitig in hohen Amtern tatig, hat die Zahlkrattlehre nur kurz in seinem Kon- 
silium 16 gestreift, das eine nach dem Statut von Bologna zu beurteilende Dotalrestitution 


erortert. 

Casts: contigit modo. quod Berta tempore quo uupsit. jam sunt 20 anni. dedit marito suo duca- 
tos quinguaginta (?) (centuun) in dotem aureos Venetos: qui eo tempore valebant quinquaginta soli- 
dos mm moneta pro quolibet: nune autem mortuo viro valent libras tres et solidos quingue: et sic 
valor eorun excrevit ultra bene per septein (?) solidos: petit ipsa mutier ducatos centum (2) Venetos 
in auro. prout dedit in dotem. vel in valorem. habito respectu ad valorem mune: non autem eo 
tempore dotis date existentem. Heredes autem imariti volunt solyere eos. habito vespectu ad valorem 
existentem tempore dotis date defuncto. 

Summarium: Peeunie valor si mutatur. au solutio debeat fieri ratione presentis valoris: an 
vero contracte obligationis. 








1 Sa. VI p. 386-371: Seuvrre IT p. 345—348. Teh hahe die Ausgabe der Consilia von 1358 (Lugduni) 
benutzt (in Rostock. Je 358. 2°) ° 


Das Zahtkraftrecht der Postglossatoren zeit, 103 


Das Konsilium beginnt mit den Worten: 
Cor mundum crea in me Deus: et spiritum rectum innova in viseeribus meis... 
Dann folet kurz die Entscheidung: 


Dico primo. cirea ducatos ios Venetos. datos in dotem sine dubio debere restitui centum ducatos 
Venetos nune. vel eordin estimationem. habits consideratione ad estimationem tempore solutions 
fiende evistentemm. non autem habito respectu ad estimationcm existentem tempore dotis date sive 
ista varietas tendat ad commoudum ereditoris. vel ad commodum debitoris 9... Tt im terininis decidit 
Nlustr. do. Franciscus Avetinus in consilio 84... 


Am Schlub: 

Et. ut supra seriptnin est. consulo. et juris esse dieco. Ego Ludovieus Bologninus. UT. Doctor. 
et eqnes sacri palatii Apostolici advecatus consistorialis., et Christianissimi Francorum regis consiliarins : 
juva civilia ordinarie legens in hoe vetustissimo vegie civitatis patrie mee Bononie studio: in quoruu 
fide propria manu me subseripsi. et solite sigillo stynavi. Lans Deo. et beatae Dominies advocate 
neo. Ammen. 

Trotz der Rechentehler im Casus ist der Sinn klar: es sollen entweder roo Vene- 
tische Dukaten oder 100 < 65 solidi gezahlt werden. Bologninus folgt also dem <Aretinus, 
der —- wie wir oben sahen —- nicht mur im cons. $4 (p.92). sondern auch im cons. 11 
(p. 87) und im cons. 112 (p. 85) dafiir eintritt, dai der Kurs des tempus solutionis ent- 
scheide. 

Es ist mir nicht zweifelhaft. da die ducati Veneti eine Veriinderung in bonitate 
intrinseca nicht erlitten hatten. sondern nur eine solche in valore extrinseco. 

Es handelt sich also um ein Gutachten zu der Frage 6 (oben p. 95). 


4. Consiliwn in materia augmenti monetarum. factum per excelstm collegium P:a- 
piense’. 

Aus dem Schluf des Abdruckes bei Budelius geht hervor. da hier cin Fahultits- 
eutachten vorliegt. das erste fiber die Zahlkraftfrage. welches bekanntgeworden ist. 


Ira diximus et consulimus. saepissime re ipsa inter nos diseussa et aceuratissine examinata. juris 
esse — nos Ticinensis Collegii Juristarum Doctores -— et in fidem per Seriham nostram subseribi. 
solitoque sigillo mano subsignari jussimus ... Ex Papia. die 16. Jan. MCCCCONT. — Tndictione NHL. 


Casus sie in facto proponitur. 


Jam supra annos centium, et tanto tempore. quod econtrariim non extat hoiniuii memoria, civitas 
Casalis praestare consuevit singulis annis Hlustrissimis Montisferrati: Marebionibus: qui per tempora 
fueruit. certian summeun florenorum ad computum solidorum 34 cum ditmnidio pro singulo forenc 
pro compositione census debiti Marehionatus ipsis. nee nun stimimam alteram pro. salario praestands 
practori ipsius civitatis singulis annis. (tos Horenos omnes tempore pracdicto communitas ipsa per- 
sulvit de moneta cuvrente tempore cujuslibet solutionis nolla unquain habita ratione bonitatis monetac 
antiquioris, 

Novissime autem T[Hustrissimus Marehio sub praecteatu. quod. propter inobservantiam proclama- 
tionum diversis temporibus factaram super cursi monetae. plurimum sint execllentiae suae redditus 
diminuti. ordinavit, quod in selutionious fiendis eamerae suae de cetero solvatur aurens pro florenis 
tribus. vel si solutio fiet in moneta, quod solvantur floreni quatuer cum dimidio monctae mune eur- 
rentis pro florenis tribus. quod reincidit in idem. fieet in toto dominio site. etiam) seeunduim taxi- 
tionem exeellentiac suae nunc expendatur aureus pro florenis quatuer cum dimidio. quarvitar, an 
juvidiea sit pracdicta ordinatio, 


Schuldgeld in der Kompositionsschuld war der florenus, also das Rechnungsvielfache 
von (gewohnlich) 32 solidi. wie es z. B. im Mailiindischen tblieh war. Weshalb im vor- 
liegenden Falle der Betrag des singulus tlorenus sich auf 34! : solidi erhéhte. IABt sich 
nicht feststellen. 


1 Abeedinekt bei Budelins p. g6s—474 und im VT.) NIP ft. 218—220, 


104 E. Stare: 


Aus der Darstellung geht hervor, da8 der aureus (welcher als Zahlgeld in Betracht 
kam) seine bonitas intrinseea wihrend der ganzen in Frage stchenden Zeit. bcibehalten 
hatte (n.1 i. f!, 2 i. f.). wihrend die moneta currens intrinsecus deterioriert worden war. 
Infolgedessen hatte sich das Kursverhiltnis zwischen aureus und tlorenus. welehes tem- 
pore compositionis auscheinend 1:3 stand. zur Zeit des Gutaehtens auf 1: 41.2 verschoben 
(n. 2 7. f0). 

Der Marchio hatte trotzdem neuerdings, um seine Finnahmen zu vergréBern, durch 
decretum valoris bestimmt. da§ bei Zahlung von Florenenschulden an seine camera. 
wenn sie in Goldgeld erfolgten, der aureus nur zu drei Florenen gerechnet werden solle. 
Geschiihen sie aber in moneta currens, so miifiten die Schuldner auf 3 Florenen Seliuld- 
geld 41, Florenen an Zahlgeld entrichten. Fiir alle tibrigen Zahlungen aber in toto 
dominio suo hatte er es bei dem Kursverhiltnis 1: 41/2 zwischen aureus und florenus be- 
lassen (n. I. 12). 

Das Kollegium entscheidet zugunsten der Stadt mit austtihvlicher. durchsichtig aul- 
gebauter. durch Quellen und Autorititen reich belegter Begriindung. 


I. 1. Fir die Giiltigkeit des decretum valoris spreche namentlich der Umstand, dats 
es inhaltlich ja nur jenem allgemein anerkannten Rechtssatz konform sei. nach dem 

(eum debeatur summa florenorum. de qua in themate. ex conveutione antiqua). 
solutiv fienda esset de moneta antiqua. quae currebat tempore contractus. si de ea re- 
periretur, sed quia moneta talis non reperitur, fienda est solutio de moneta nova et 
currenti, habita ratione bonitatis illius monetae antiquae. cum moneta noya sit mutata 
in bonitate intrinseca, ut notissimum est. et deterior sit (ef. mn. 1. 2). 

2. Auch konne die communitas Casalis. nach der Ansicht mehrerer Autoritéiten (Bar- 
tolus. Baldus. Signorolus, Angelus, Aretinus u.a.) auf Grund der Tatsache. daB sie dauernd 
nach moneta currens gezahlt habe. keine praescriptio geltend machen. da es sich um 
einen census handle. qui debetur Principi in signum recognitionis (n. 3). 

3. Endlich stehe es dem Princeps zu. limitatum censum movere, ut unusquisque 
teneatur solvere et recipere secundum limitationem datam a Prineipe (n. 4). 


Ul. Aber dennoch imitisse zugunsten der Stadt entschieden werden: denn: 
1. Der Inhalt des Kompositionsvertrages stehe in dem hier ausschlaggebenden Punkte 
nicht test. Es konstiere namlich nicht, 
an conventum fuerit de solvendo tlorenos. de quibus in themate. de moneta currente tempore 
cujuslibet solutionis fiendae, —- 2n vero conventum fuerit de solvendo monetam quae eurrehat tempore 
conventionis. —— vel simpliciter. yuod idem esset. 
Dann gelte aber nach anerkannten Autorititen (Baldus. Alexander, Felinus, An- 
tonius de Butrio. Martinus Laudensis, Franciscus Curtius. Sozinus, Corneus), da® 
pracsumitur conventio talis fuisse, quales sunt subsecutae solutiones: et consequenter —prac- 
sumitur conventum de solvendo moneta eurvente tempore cujuslibet. solutionis . . . (n. 4--6). 
Hierfiir spreche auch, dab 
consueverint Iustrissimi Marchiones semper recipere censum in moneta currente tempore 
solutionis nulla habita ratione bonitatis monetae —- 
daher: 


non poterit Tllustr. Marchio plus exigere. qaam consuetuin fuerit semper praestari. . .« (n. 7). 


2. Aber wenn auch ein bestimmter Inhalt der conventio feststinde, der zugunsten 
des Marchio lautete, so stinde dem Marchio doch die longi temporis praescriptio entgegen. 


Communis enim est sententia. quod per 30 annos contra laicum vel jo contra Eeclesiam currit 
praescriptio. si debitor in antigua moneta. solvat per 30 vel 40 annoy in moneta nova deteriore ... 


Das Lahlkraftrecht der Postylossatorenceit, 105 


Und »quia semper solutio facta fuit de moneta currente, nec constare potest com- 
munitatem scivisse se solvere debere in alia moneta, (et) ideo praesumitur in prae- 
seriptione tanti temporis bona fides ...« (n. S$). 

3. Und vistain opinionem veriorem esse putamus in casu pracsenti, in quo non 
solum per annos 30 vel 40 facta fuit solutio semper de moneta usuali et currenti tempore 
cujuslibet solutionis. sed tanto tempore. cujus initii memoria non extat in contrarium ... 
cujus temporis cursum (s?) non tam pracscriptionis quam tituli et concessionis (vim ?) obtinet 


(2)... et propterea dicit Cynus. quod licet non pracsumatur eausa vel titulies obligatione 
(is?) ex diuturua praestatione. nisi allegetur ... cx curs tamen tanti temporis. cups 


initii memoria hominis non existit. praestmmitur sine alia allegatione ... 

Et propterea cx cursuotanti femporis acquiruntur etiam ea quae pracseribi non 
possunt ... Cum igitur tanto tempore. cujus initii memoria non extat. feta tuerit so- 
Intio de moneta eurrente. ctiam si constaret de allegata commpositione et conventione 
antiquae. praesumeretur. etiam si uon allegetur. de solutione talis monetae« (a. 9), 

4. Aus dem allen folge. daB die communitas nicht gezwungen werden kénne. die 
Florenensumme in der Art zu zahlen. wie die ordinatio des Marehio es verlange. sondern 
nur nach dem communis cursus. den der anreus in universo dominio Montisferrati 
habe. 

Tl Aus der wie tiblieh am SechluB noch besonders vorgenommenen Widerlegung 
der fiir den Marchio angefiihrten Argumente (1) (n. off.) interessiert hier nur das von 
n. 12 ab Ausgefiihrte. das sich gegen I 3 richtet: 

1. Der Marchio sei nicht betugt gewesen. die Zahlungen an seine Kammer mit an- 
derem Mabe zu messen wie alle tibrigen Zahlungen. Der Marchio hatte nur dic Berechtigune. 
nach moneta currens tempore eujuslibet solutionis bezahlt zu werden: unter Il sei dies 
als priisumtiver Inhalt der scinerzeit cingegangenen compositio testgestellt: auch der Princeps 
sei aber an seine Kontrakte gebunden. Gegen den Prineeps sprecehe auch das c. quanto 
personam, de jrurejurando . 

quod in perniciem et jactunian populi not potest Prineeps tmonetat approbare vel reprobare 


sine cConsenst popul. quien hoe laederetur 


2. Wenn der Marchio sieli dartiber besehwere. dab er dureh die inobservantia populi 
gegeniiber seinen Edikten in seinen redditus geschmalert sci. so miisse daraut erwidert 
werden. dai es an ihm gewesen sei. seinen Edikten Gehorsami zu verschatfen: das habe 
er nicht getan. und dann gelte die. namentlich auch von Aretinus im cons. bi ver- 

teidigte Regel: 
quod. eX que) prochunationes non ferunt observatae sciente ct patiente Principe: videtur Prin- 

ceps tali ContraventionL aeqiuievisse. 

In der trotz des Erlasses der Edikte danernden vorbehaltlosen Aunahme der Zahlungen 
nach moneta currens sei auch cin Verzicht auf weitergehende Anspriiehe zu erblicken. 
Das Gutachten ist von besonderer Bedeutung ftir dic Fragen 1 und 5 (oben p. 95). 


Kap. H. Sonstige Literatur. 


Aueh im 13. Jahrhundert ist die kommentatorische Behandlung der Zallkrafttrage 
iblich geblieben. namentlich zu oc. quanto personam und zu lo cum quid gibt es wichtige 
Erérterungen dieser Art. Aber daneben erscheinen auch schon Versuche selbstindiger svste- 
matiseher Darstellung in sog. tractatus. Die Grenzen. welehe dem Unifimg dieser Ab- 
handlung gezogen sind. gestatten nur dic Beriicksichtiguny des wichtigsten Materials. Da- 


Phil.-hist. Abh. L928. Neve l. 1 


106 E. Stare: 


hin z&éhle ich die Kommentare des Antonius de Butrio und des Panornitanus zu ¢. quante 
personam, suwie des Hieronymus Butigella zu den Il. cum quid und quod te; sodann die 
tractatus de monetis des Martinus Garratus Laudensis und des Franciscus Curtius senior. 
Es wiirde eint6nig und ermiidend wirken, wenn ich auch hier jedem ftir sich eine 
in sich abgeschlossene Behandlung widmete. Ich will deshalb die jener Zeit typischen 
Gedankenreihen im Zusammenhange nur bei Antonius de Butrio autzeigen: cine wértliche 
Wiedergabe des Textes nur bei Panormitanus vornehmen. weil er am = klarsten und 
schirfsten denkt. Und dann werde ich fiir alle gemeinsam darlegen. wie sie jene sieben 
Grundfragen der Zahlkraftlehre beantworten, die ieh oben (p. 95) formuliert habe. 


$1. Antonius de Butrio zu ¢. quanto: Gedankengang. 


Antonius de Butrio' (1338—-1408), Dr. jur. civ. 1384: Dr. jur. ean. 1387. Lehrer 
des kanonischen Rechtes seit 1387. zumeist in Bologna: jedoch 1342— 1400 Deerctalist 
in Florenz: dann wieder in Bologna bis zu seinem Tode. Schiiler des Petrus de Ancharano. 

A.d. B. hat tiber Zahlkrafttragen an der bei den Kanonisten tiblichen Stelle ge- 
handelt. beim c. quanto personam. X. de jurejurando* (¢. 18. X. 2. 24). 


Seine viel zitierten Ausftihrungen haben noch nicht die gewandte abhandlungs- 


artige Form. wie wir sie namentlich bei Panormitanus finden werden: sie sind -- ziemliceh 
unifangreiche - - Anmerkungen eines Kommentators. Aber sie enthalten doch schon teil- 


weise eine systematisch geglicderte Darstellung. und mehrfach sellstindige Gedanken. 
I. Er erledigt zunichst mehrere Vorfragen: 


1. (fol. 0 Spoor. Mitte: Quere ... an posset princeps absyue consensu populi monetam factam di- 
minnere, die quod non: sed cum ejus econsensu potest: quia quilibet potest juri suo renuneiare ... 
et qida nesocian: reasni repatatur negocinm universitatis reani: suffieit consensus jOvis partis 
beento... et hoe im quantum debeat expendi pecunia intva regnuni. in quantum: auten pro major 
perte foret expendenda extra regnam: non suffieit etiam consensus populi secundum Tnnoeentem .. 


2. Infolgedessen kann auch der princeps fraudare monetam (fol. go Sp 1 oben): 


a) quando certun pondus a principio ordinatum diminuitar de mandato regis manceantis lam dimi- 
nutionem postea recipi el expendi ac si non esset diminuta (ef. fol. oo Sp. Mitte: frandatur etiam 
quando (lomini terraraiu monetun minoris ponderis cogant recipi cum moneta majoris) . 


bh) item cumoa principio enditur moneta muito ininoris valoris quam esse debeat Consideratis metallis 
et materia 

(yoitem. quando bona monetam reprobant et equivalentem vel qinis utilen: sascipiunt. ut de lepro- 
bata bonum form habeant: et iam conflan faciimt: et eudiz: in pondere approbate monete ... (ibe 
idem. Mitte). 

3. Die moneta ist auch der fraudatio dureh die campsores und das Publikuin ausgesetzt: 
trandatar etiam moneta. seeundtim Tostiensem. per campsores singulos denarias ponderantos: et 
viores conflantes 2.2.0 Alii radunt vel scindunt. (ibidem. Mitte). 

4. Die Creditores treffen Schutzmaregeln: 
provident sibi faciendo apponi in instrimentis: ejusdem omaterie: valovis: ponderis: et cursus, 
libidem. Mitte}. 

I. Daran sehlieBen sieh dann dic Hauptfragen nach deni Schuldgelde und dem Zahl- 

gelde und dem Betrage der Zahlung. 


Ola 


1. bei Kontraktsobligationen (fol. go* u.—go? u.) 

a) ante moram 

a) moneta in totum reprobata est (ef. fol. go lo m.u.). Petrus meine, quod debitor 
solvens in illa antiqua hedie reprobata liberetur (ebenso tibrigens aueh Bartolus zu I. 


besa. VE pe 48g: Scutrir Th op. 280—294 (ausfiihrlich). 
- Antentus de Butiie super secundo libro ceeretalium. Venetiis 1503 (Berlin Fp GF ein ae): 


Das Lahtkraftreeht der Postglossatorenzeit, Lay 


quod te: p. 52): Bartolus dicit estimationem debere solvere antique. ex quo cursus in 
totum est reprobatus (I. eleganter $ qui reprobos, de pign. act.: et expressum: de cen- 
sibus. cum olim): et dato quod pecunia perempta sit: non genus estimationis cjus 

Petrus sieht also auf den Fall. wo die reprobata noch vorhanden ist: Bartolus auf 
den anderen, wo sie perempta, versclwunden ist. A. d. B. scheint diese Unterseheidung 
zu akzeptieren. Klar ist seme Stellungnalme nicht: zumal er vorher (fol. go! o.-- 907 m.) 
auf die causa reprobationis (reprobatio proprer vicium monete  - repr. avaritia prineipis) 
Gewicht legte und ersterenfalls mit Tnnecens: annahm. quod debitor tencetur reddere pe- 
cuniam in illo valore quo currebat tempore mutui —- bei repr. avar. prine. aber - si 
debitor non fuit conscius fraudis ... et in nulla culpa reperiatur - bestimmt, quod 
suttieit quod peeniam reddat in eodem genere pondere et valore quoad pondus. licet 
sit diminuta quoad cursum Uf si cer, pe. lL 29), 


9) Hat eine alteratio monete in sola parte stattyefunden. detectu: pecunic. quia nimium 
erat crosa facta post debitum contractum. vel quia fuit tonsa et vastata: ist also m.a. W. 
pendente obligatione eine Verschlechterung der bonitas intrinseca erfolet. - so wird 
der debitor nur dann bhetreit, wenn er solvyit de nova secundum estimationem antique 
(.\. d. B. setzt hier wohl auch voraus. dali die antiqua yversehwunden ist (fol. go? u. 
fol. gO' 0.). 


y) quando pecunia in solo valore (extrinseeo) est diminuta —— forte quia sola vo- 
luntate principis, propter luerum: vel aliter jloe contingit so ist ja die communis 


opinio beim debitum simplex fiir Zahlung ad numerum. so dali die Kurssenkung vom 
Gliubiger zu tragen ist. A. d. B. schlieBt sich aber Odofredus an (ef. Cynus. p. 43). der 
> ao e ‘ 
heim Gelde die bonitas usus. d.h. das Mais der Kaufkraft. in den Vordergrund stellt. 
Odofredus dicit (et hoe plus mili placet) quia debet reddi in estimatione antique: de nova: vel 
antiqua: quia bonitas im pecunia: respeetu pecunie: est solum respectu usus: et estimationis. et ioe 
potest dici intrinseca bonitas: que est de fine: et principali effect peennie: ct in ila bonitate denet 
eam restituere: materia enim ibi pro nibile est: considerando pecuniam ut pecuniun. appreciatic 
enim pecunie est bonitas ejus: que causatar ex materia: et auctoritate: er forma pecunie. 

Q - 5 % : * : 

c) Anders aber, quando pecunia post debitum est diminuta in valore: non per- 
petuo: sed temporaliter: quia sie contingebat diminui: et aliquando crescere: et ali- 
quando decrescere: sicut contingit in ducatis: qui aliguando valent plus: aliquando minus: 
et sufficit debitorem solvere in illa extimatione: in qua erat pecunia sceundum tempus 
sulutionis: quia hane variationem potuerunt cogitare ... [tem quia hee estimatio ex quo 
est variabilis secundum accidentiam temporis: non est intrinseca hbonitas: sed extrinseen 
pecunie: et solus communis valor tune erit de intrinseca bonitate. (Ant. beruft sich hierzu 
auf Jacobus de Arena und das Referat des Cynus tiber diesen: dazu ef. Cynus p. 44). 


Eine weitere Scheidung. die A.d.B. noch kurz andeutet (fol. goom.). ist in ihren 
Voraussetzungen nicht klar. 


b) post moram debitoris ... de nova pecunia debet solvere ad estimationem antijue 
secundum tempus more. Die uns aus p. 48f. bekamnte Abweichung des Bartolus von 
dieser Lehre. wenn pecunia minuta in obligatione ist, verwirft A. d.B. nieht ganz. Er 
halt sie fiir berechtigt. wenn contingat variatio estimationis in minuta. quia grossa aug- 
mentatur; secus si esset hoc ex eo quia estimatio minute esset diminuta: quia hoc 
esset damnum emergens, (wihrend im ersten Fall nur ein lucrum cessans gegeben sei) 
(tol. go? u.). 


1 Fast wortlich nach Hostiensis: ef. p. 41. 


LO8 E. Stawenr: 


entstanden sind. tritt A.d.B. der Ansicht des Speculator in dem bereits oft zitierten 
S$ nune aliqua bei. welche bei einer nach Erlafi jenes Gesetzes eingetretenen mutatio 
intrinseca nicht die moneta antiqua. welche zur Zeit des Gesetzeserlasses valt. als Schuld- 
geld ansieht. sondern die moneta nova currens tempore solutionis (ef p. 28. 37, und 


2. Bei Obligationen, die nieht aus Kontrakt. sondern ex statuto vel lege superiorum 


dazu Panormitanus. p. 66). 


3. Angeschlossen sind noch Erérterungen. wie bei Nebeneinanderbestehen versehiedener 
(veldsorten gleichen Namens zu zahlen sei. 


a) In Anlehnung an die additiones des Johannes Andreae zum $ mune aliqua 
dey das consilium 250 des Oldradus »tacito authore« ausschreibt (et) p. 44. p. 14 fh) 
fithre A.d. Be. aus (f 90° o.): 

EN his deciditur questio. si inmoneta non est mutata: sed observata: alia tamen cst faeta: et melon: 
etonon est diuunata debiliors an tune debeat selvi de mova: an de autiqua: 

et tener Joan. and. in additi, quod solvi debet de antiqua: cx quo non fuit in aliqguo alterata: 
adeo quod si princeps (Philipp der Schéne) statueret quod census deberet salvia modo de bona 
Moneta: quia tune eeelesia censualis (Abbas Cistercionsis: p. ig) ex antiqua moneta: non artaretur 
ad solvendum de nova: quia statutam (regis Philippi) intelligitur de censu ex novo eontractius non 
est ex antiquo: vel de bona moneta: ad aestimationem antiquae: quia non egit -— obligationem 
auementare: sed demonstrare de qua moncta debet solvi: ad quod de leg. 1.1. quidain testamento, 

Item hoe non potuisset statui ad praejudiciam ecelesiarum ihe 

Diese Ausfithrungen gehérten ja svstematisch unter 1,2. (Veriinderung der bonitas 
intrinseca: de antiqua reperitur). Sie zeigen aber gerade dadurch. das sie unter 3 ge- 
stellt sind. wie sehr die Anschamimg. dab die Verinderung der bonitas intrinseca eine 
alia moneta schaffe. schon in Fleisch und Blut tbergegangen war. 


bh) (ibidem) Wa&hrend unter a nach dem Scehuldgelde vetragt wird. ist hier aus 
zwei gleichnamigen Geldsorten eine als Muizahlgeld auszuwihlen: denn es handelt 
sich wm den von Bartolus zu 1. Paulus. de solu. unter n. 1 und 2 behandelten Florentiner 
Tatbestand (p. 467). Das Retferat des \.d. B. gibt aber diesen Tathestand ungenau und 
irreftihrend wieder. In der Entscheidung schlicht er sich ganz Bartolus an. 


4. Am SchluB (fol. got m.) wird noch kurz das Kannzahlgeld behandelt: an invito 
ereditore alia pro altera moneta solvi possit. Die Antwort entspricht der herrschenden 


Lehre: 
dic si non alteratar materia licet alteretur fom: ex que non deditur creditor: compellitur reci- 
pere: ut quia pecunia ex utraque est de argeniv: vel auro: — quia sufficit qaod non damniticetur ... 
sed si vellet alterare materiam: ut quia obligationem in auro vellet satisfacere de argento: vel de 
ininutis: vel econyverso: non posset: quia aliud pro alio solverctur: ut hie. Idem frangeretur (2) 
propter diversitatem materie: nist aliud haberet consuetudo loci: ut bhabet alicubi: quod obligationem 
in minuta satisfecit in auro: vel argento: ex quo non habet ex hoe damnum. 


§ 2. Panormitanus zu ec. quanto: Wortlaut. 


Die Personalien sind oben (p. 65) mitgeteilt. Panormitanus ist m. E. einer der 
klarsten KOpte des 15. Jahrhunderts: besonders zu systematischer Betrachtungsweise und 
scharfer Diagnose beanlagt. Sein Kummentar zu dem ec. quantu personam diirfte zu dem 
Besten gehéren, was in jener Zcit tiber die Zahlkraftfrage geschrieben ist. Ich gebe 
ihn deshalb verbotenus wieder. 


1 Den Fall habe ich bereits cingehend besprochen und rechtlich gewiirdigt in p. 14ff.. woranf ich 
verweise, = 


Das Lahtkrattrecht der Postylossalorenzeit, 109 


Panormitanus zu ¢. quanto personam (c. 18, X. 2. 24) 
(Greifswald, Jq ror. 2°) Venet. 1605. 
n. 12 (f. 141): Ulterius quaero de quaestione quotidiana. 


Tempore dispositionis, seu contractus debiti. currebat certa moneta. cursu temporis ill moneta est 
deteriorata. seu diminuta. qnaevitur. nam quid solutio debeat tieri secundum aestimationem antiquam. 
vel prout currit. et maxime. si reperitar nova melior? Hane quaestionem satis succinete tetigit 


glossa inc. olim. de censibus. et ine. quis ignoret. ¢. 32 q. 4. --- plenius per Tlostiensem hic. et 
Paul. in ele. 2. de decimis, —- per Cynum et Odofredum in Loin minorum. C. in quib, cau. in intey. 
restif. non est neces. (1. 3. ©. 2.40) — per Bartolum in |. Paulos, alias ineipit. ereditor. ff de soli. 

per Spec. in tit. de sol. $ nunc aliqna. ver. pone. et ibi per Jo. And. in addi, —— et de Antronius) 


satis hic, 

Sed accipiendo materiam clare et conclusive. cousiderandum: est. qttod duobus modis principatiter 
potest pecunia. seu moneta deteriovari, seu minui: scilicet respectu cursus. quia stante caderm bonitate 
intvinseea. non valet tantum. sient valere solebat. Item ox defeetus pecuniae, quia est diminuta in 
pondere. ut quia fuit tonsa cireumeirea. et per longum usum est facta aerosa, utputa erat de aere. 
et insuper habebat de argento. quod ex longu usu corruit. 


(l.) (2) Primo casu distingie. quod att moueta est respectu: cursus in totum: reprobata. letputa, 
quia princeps interdixit in totum illius carsum. et tune. si debitor non fait in mora. tennit Petrus 
et sequitur Cynus. in d. Loin minorum. quod potest solvi de antiqua, quia satis est mutuun restitui 
in eadem specie et bonitate eadem intrinseca, at | eum quid. si cert. pet. — Contraritim tenuerint 


Jacobus et Odottredus et sequitur Bartolus in d. 1. Paulus. et Dominus Antonius hie. et eommuniter 
tenetur, licet Hostiensis hic videatur sentire primum dietum. sed tu tene praecedens. 


ar in |. eleganter $ qui reprobos. ff de pign. act. (Lo 24 $1. 13. 7). 

Nee obstat motivum tenentium contrarium. quia non est verum. quod moneta sta reprobata, 
habebat candem bonitatem intrinseeam, cum moneta magis consideretur respeetu enrsus. quam respectn 
materiae. 

ad hoe bon, text in ¢. (1t) eficieus. 88 dist. 


Debet ergo solvi secundum aestimationem antiquam — ef de hoc videatur tex. in dee olin —— 
et ita tenet Spee. et Jo. And. ubi supra. 


(2) Aut non est in totum reprobata. sed tantum alterata in valore. gaia non valet tantum. sieut 
valere solebat. 


Et subdistingue: 


(a.) aut hace altevatio contigit: in perpetauin. ut quia) princeps interciAd& ie tantum vabevet forte 
propter Jneruin, ut posset recolligere pecuniam. et facere coutlari, et de novo eudi. -—— et tenet hic 
Hostiensis. quod damnum pertinet ad creditorem. ex quo debitor non fuit im mora. nee in aliqua 
culpa, —— et idem Jacobus de Arena et Bartolus in dy 1. Paulus. quia pecunia ista habet suam bonitatem 
intrinsecam. — Sed Odofredus in d. fo minortum. et D. Ant. hie tenet oppositumn scilicet quod debeat 
solvi ad aestimationem antiquae monetae. ratione supra dictt. quia bouttas peenniae est respectue Usus 
principaliter. ideo debet iNa bonitate fieri restitutio, 


ded. cume quid, ff si cer. pet. 


Item si in totum nsus pecumae esset reprobatus. deberetur aestimatio. utin praeccedenti meimbro dietuns 
est. ergo idem. si in parte est diminuta 


ar. 1. q(uae) de tota, fh de rei vendi. (1. 76. 6.1), — etc. pastor $ item eum in totum. de 
offi. dele. (c. 28. X. 1. 29) 
praeterea hoe probari videtur in c. olim. de censi. praeallegato. et hoe mihi placet. ne iste eveditor 


ex sue beneficio damnum sentiat. 


(b.) Secundo casu. quando alteratio wou est in perpetumm, sed ad tempus. sicut contingit quotidie 
nium Florenum magis valere uuo die quam alive. ita quod crescit et decrescit valor. secundum tem- 
pora. et communiter tenetur hane variationem non debere attendi. 

arg, opt. in |. pretia rerum in fi.. ff ad 1. Faleidiam (J. 43 $ 2. 35. 2) 
sieut enim creditor vellet ut sibi solyeretur. si plus valeret. ita debet recipere eandem monetam. st 
minus valet. cum speretur augumentum, — Sie voluit Bartolus in d. tb Paulus. et alii in dsl minornin. 
quod est satis aequum. 

Puto tamen. quod si non esset spes. quod de proximo haberet augumentum, quod deberet haberi 
ratio ad aestimationem. quae erat tempore muta. quia verum est dicere. quod hodie non labet iam 


[fa 


EL STAMPE: 


honitatem respectu cursus. quam tune habebat. Et sie amilitat ratio praccedens: imanime. quia potest 
esse. quod nunquam cresceret. 


ara. iu l, jurisperitos in prin. fh de excusa. tuto. (I. 
cle. 2. de reser. (1. 2). 


30. 27-7) —= et equs quod tiot. ale in 
UL) Vento ad secondtum cast principalem. seilieer. quande ex defectu ipsius monetae contingit 
deterioratio, Lt commiuniter tenetur per Canonistas et Legistas. quod damnum pertinet ad debitorem. 


quit inoneta non habet suam bonitatem iutrinsecam. quam habebat tempore contractas matui. 
utd. Lo cum quid. 


Iter seias pracdicta precedere. ctram st debitor non tuit me mora. si autem fut in mora. tune. se- 
cundam ouraes. omne periculiun spectat ad ipsum debitorem. Debet enim reddere secundum aestimi- 
Hionem quae erat tempore. quo debebat solvere. nisi fuisset temporalis et momentanea, ut supra dint 


per Lo vinum. et quod ibi no. th si eer pe. 


(HT. Hoe tamen limitevit Bartolus Supra. quando caaiitin coutinert in peeunia grossa. secus. si 
infuuta, Movetur. quia grossa aestimatur per minutam et non eeontras name aaus denaurius non potest! 
aestimari per solidimm argenteum vel auremna: ct ideo. etin ila mineta wen capiat destinationein. mon 
posstimus dicere. quod debeat attendi aestimatio. quae erat tempore morac contractie. vel postea usqire 
ad tempus solutionis. sicut in aliis speeiebus cavetur in del. vinum. 

Hace ratio Bartoli non videtur multum = placere Domino Antonio hie. quia. secundum cum. sient 
arossd aestimat minutam. ita tmota aestimat grossam. si forte minuta aliquid affert utilitatis. aan 
Sieut pre parvis emitur Plovenis. ita pro Floreno possunt: emi parvic si aliqua necessitas hoe jmipellat. 
et hoe plus placer quam dictum Bartoli, quod solum = coustit in subtilitate, leet enim unos denartas 
Hon possit aestimari. amen plures simul sie. 

Vande dicerem qiod hace peeunia reprobaretur in totum. et non posset de ea sobvis dS qui ree 
probos. Iden: puto in ale dame coutingente post moran. duunmnode directs ipsa deterioratio contingat 
IpSHn inonetan parvan. ut quia fait decretum. ut dno valerent: solum tne de nevis 


ne13: (EV.) Hace omnia procedant. quando pecunia est debita ratione contractus. quid autem. si 
eX testumento. ut quia tempore testamenti plus vel minus valebat moneta. quam hodie valeat. Et 
intellige de perpetua alterationc. et die quod debet attendi valor existens tempore testamentic quia de 
eo videtur testator sensisse 


ut in bl uxovem & testamento. ff de lee. 3 (ho gi S$ 4. 32) -- et Losi im prince. ff de au. et are. lee 
: 2. 3 : 3 a 


Tenet Jo. And. in addi. Spe. in de § nune aliqua. ver, pone: et ita cousuloit Oldradns. iat recitat 
dominus Pet. de Anch. in dsc. olim. 

Idem dixit Oldy. in praecepto arbitvorum, 

Et eadeim ratione idem dic in judice condemnante incerta quantitate, 





ne ig: (V2) Quid autem in statute? pone. cavetur. quod pro tali delieto solvantur to librae. vel 
quod tot Tibrae dentur officiali, demum alteratur moneta perpetuo. Dicit notabiliter Spee. in loco 
praeallegato. quod debet solvi de pecunia current. quia de tali videtur statutuim sensisse. tide mutate 
pecuuia. videtur mutatum statutam, 


aru. translato. de const. (e. 3. Nor. 2h 


De quo ego multum dubito. Quid nfempe) si tempore statuti Florentis valebat lunge plus. quai 
hiudie. -— dicemusne. quod debeat solvi ita modicum. ct statutum voluerit: mensurare poenam de- 
lieti. quod tieri debet. 


nt inc. non afferamus. (e. 21. 6. 24. q.a) et Lo respiciendum. tt de poenis., (oir. 48. 19) 


Et idem clico in salario coustituto officiali, et casas judicio meo videtur in eontravium. ind. ce, 
olim. de censi. Nee obstat Cle. 2. de deei.. ubi solutio tit de pecunia correnti, quia ibi non alteratur 
dispositio: nam solum ibi dicitur. quod. si: alicui conceditur deeima beneticiovum. potest solvi de 
pecunia currenti. Non enim est vis. de qua solvatar. dummodo solvatar decima. 


UV.) Quid autem in mandato. seu gratia facta per aliquem domituum., at puta. quia concessit prin- 
ceps alicui centam Flovenos annuatine super certis redditibus. demu alteratur perpetuo valor Floreni? 
Dicit hie D. Ant.. quod si ignorabat princeps valorem monetac. debet intelligi. quod fiat solutio de 
moneta currenti, quod dicit tenere Gul. de monte Laud. in d. Cle. 2. Hoe satis placet, dun ponderat 
ignorantiaim principis. alias puto secus. 


arg. in d.¢. olim -— et in d.L fi. fh de aure et argen, le. 
Et per hoe babes hune articulum satis plene. et clare. prae ceteris expedituim, 


nes: (VIL) Hie snbjicio unam quaestionem quotidianam. Mutuavi tibi centum in auro. nunquid 
teneor pecipere in argento. vel in pecunia minuta? Vel econtra mutuavi tibi in areento. an possis 


Das Lahlkraftrecht der Postglossatorenze, 111 


solvere in auro me invito? vel ctiam in eadem materia alteriuy formae. puta mutuavi tibr Florenos 
Senenses. an possis restituere Florenos Florentinos in eodem yalore? 

Die concludendo mentem Bartoli in ad. lo Paulus. 
(72) quod aut mutuavi centum libras in Flovenis. ot tune satis est restitui eentume libras. etiam in 
alia moueta. quia videor aestimando illos Florenos pro ecutum dibris. iflos sie veudidisse. sieut diemus 
in dote. eum) traditur aestimata. 


ind. cum dotem. ©. de gure do. (10. C2 5. 12). 


Et idem dic in deposit. 

(2.) Aut fuit dictum. mutuo sel depono centim libras in Flovenis. et volo uuiht restitutionem fer 
in Flovenis. er tune periculum et commodam. diminutionis vel augmenti. pertinet ad debitorem seu 
depositarium. unde tenetar restituere tm Florenis seeundtun aestimationem existente rempore saline 
tionts: flendae 


arg. d. benim dotem. 


(3-) Aut fuit simpliciter factum mutuam. ut puta. mute tibi co aut eentam Florenas: ot tune 
aut sum passuras aliqgued damnum recipiendo in alia forma. ct tance non teneor reeipere, ut del. 
Panos. - Aut nullum datunum pation, et tune in alia materia non teneor recipere. puta argentum 

é pro auro: quia mutnum debet restitui in co genere et eaden: bonitate. at de 1 cam qoid: vt lind 
pro alio juvito ereditore solvii non potest 


ut L232. IR sr cer. pe. 
Aut vult restituere in eadem materia. sed in alia forma. utputea Plorentinos pro Senensibus. er eon 
mitniter tenetur. quod tencor recipere. ut d. tl. Paulus. 


Consuetude tamen est in multis partibus. ut etiam in alia materia possit restitui: quae servanda 
est. qhiia tacite videtur contvahi secundum consuetudiuem loci 


ut 1. quod: si nolit $ quia assidua. ff de aedil, edi. (Lo yt $20. 2120) — facit Lo Labeo. mt 
de sup. leg. (1 7. 33. 10) 


tenet Bartolus tbi supra. et sie consuluit Oldradus. 
Quid autem in deposito. vide tex. no. et quod thine. in 


lin nave. tt Toe. th 34. 1g. 2). 


Er satis videtur considevandum. quid fait taeite actu. an seilieet pecuniam depositun contunderet 
cum sua. vel teneret separatam, 


§ 3. Die Stellung der Literatur und Praxis zu den sieben Fragen. (p. 95.) 


Zu Panormitanus und Antonius de Butrio gesellen wir nun noch die Kommentare 
des Hieronymus Butigella’ zu cum quid und 1. quod te. ff 12. 1. sowie die traetatus 
de monetis des Martinus Garratus Laudensis* und des Franciscus Curtius senior’. 


In diesen theoretischen Ausftihrungen werden praktische Beispiele mur hin und wieder 
gegeben. Wir wollen deshalb das schine Material. welches die im Bueh I besprochenen 


1 Hieronymus Butigella wird weder von Savieny noch von Scaenie erwithnat Aber Panzirolus widmet 
iin uad seiner Pamitlie im cap. 228 einige Austithrungen (auf p. 2389) Auch Mareus Mantua beriehtet: fiber 
ihn (unter uu. 66 anf p. 45s) Ero war ein sehr gelehrter und anit erstauntichem Gedachtnis begabter Maun. 
Lehrer des gus civile guevst in seiner Vaterstadt Pavia, damn in Padua und sehlieBlich in Rom. wo er 1315 
“publics enm luctu decessit. et — quod paneis antea coneessmim fuerat - oN publico Win teruplo Mineryvae 
sepulehrum deeretam faite. Der Hobepankt scines Wirkens faillt in das Jahr 1304. 

Die Kommentare zal. eum quid und ft quod te entdeckte seh in Volumen TE der Repetitiones In V abbas 
juris civilis Jeges des Pompejus Limpius. Venetiis 1608 (einem: fiinfbandigen. ctwa roo pfiindigen Sammelweerk, 
das als Handboch ftir A\dvokaten vedacht ist. Greifswald. Jd ara. ero 2-7 — Sie finden sieh ferner im Vol It 
der Repetitiones im varia Juisconsultortn responsa, Lieduni 1353. 20. die in der Berliner Staatsbibliothek 
und in der Landeshibliotheh Wolfenbiittel vorhanden) sind. 

2 Uber Martinus Gacratus Laudensis ef oben p. za Anim. 3 and ber Mateus Mantua no iss. p. 482. 
[ir war Reebtslehrer 1438 in Pavia und 1448 in Siena. Sein tractatus ist abeedrackt bei Budelius Pp HES: 454- 
und zuverlissiger im T.T. NIL f. 203—205. 

' Franciscus Curtius senior (Sa. Vip. 486) Rechtstehrer des jus civile iu seiner Vaterstadt Pavun. 
1408. Sein tractatus de qnonetis von ry82 ist abgedraekt bei Budelias pegss  (6r. und im T.T. NTP f. 205 6. 


112 EL NiAaAwre: 


Konsilien und Quellenstellen enthalten, zur Belebung der Darstellung ausnutzen, indem 
wir tiberall darauf verweisen. Auch das Buch I werden wir. wo notig, heranziehen, ob- 
gleich ja in Kap. 1 $ 4 (p. 3440) und in Kap. II § 6 (p. 5364) bereits griindliche Uber- 
sieéhten tiber seinen Inhalt vorhanden. sind. 


Frage I. 
Welche Geldsorte bildet das Schuld geld? 

I. Wir priifen dies zuniichst nur fiir das debitum simplex. 

Da bei dieser Schuldart Schuldgeld und Mufizahlgeld identisch ist (p. 10), so werden 
hier. theoretisch. beide Geldarten regelmaBig durcheinander geworfen, so wie ich es 
oben an dem Konsilium I 257 des Corneus zeigte (p. 95. 99). Aber das praktische 
Bediirfnis. den Wertmesser zu suchen, nach dem zu zahlen ist (namentlich bei facultas 
solvendi in alia moncta). ftihrt doch stets auf den richtigen Weg. 

Ist die Geldsorte, auf welche das debitum simplex lautet, unverindert geblieben, 
so ergibt sich die Antwort auf Frage | einfach (wenn wir zunichst von den unter III 
au behandelnden Auslegungsschwierigkeiten absehen). Ist dagegen pendente obligatione 
eine mutatio intrinseca erfolgt. so entstehen Zweifel. Sie werden aber im allgemeinen 
in derselben Art gelést, die wir in p. 36f.. 58f. schilderten. 

Wir wollen wieder nach den causae der Obligationen scheiden. 

1. Bei obligationes ex contractu ist Schuldgeld die moneta temporis contractus, 
also das Geld. auf welches die Schuld lautet, in der bonitas intrinseca. die es zur Kon- 
traktszeit auf wies. 

Martinus nm. 15: 


Accedo nane ad secundum articulum, quando est mutata vel in pondere vel in 
materia. puta tempore contractus erat unius ponderis, postea vero fit alterius ponderis 
~~ vel tempore contractus ipsa moneta erat argentea bonae ligae. nunc est ligae argenti 
conteninati aere. —— In quo artieulo dicendum est, quod tune debet solvi de moneta 
prima. non de nova mutata (ut notat Bartolus in |. Paulus) (vel si antigua non haheatur. 
solvat de nova, et supplebit bonitatem in nova ad rationem monetae antiquae si antiqua 
erat melior et pro aestimatione antiquae in pondere et materia (c. olim causam: |. 1, (. de 
vet. numisma. potestate: et Albericus in I. eum quid)). 


Panormitanus (p. 109): 


Venio ad secundum casum principalem. scilicet, quando ex defectu ipsius monetae 
contingit deterioratio. Et communiter tenetur per Canonistas et Legistas, quod damnum 
pertinet ad debitorem. quia moneta non habet suam honitatem intrinsecam, yuam habebat 
tempore contractus mutut... 


Curtius n. 3: 


Et nemo dubitat. quod semper pecunia est reddenda in bonitate intrinseca, quando 
de illa reperitur. (Si vero non reperitur, poterit solvi de nova, habita semper relatione 
ad aestimatinonem pecuniae mutuatae (c. olim, ¢. cum canonicis) et sic semper habetur 
respectus ad materiam et pondus. . .) 

Belege hierzu ergeben: (seminianus ¢. 137 p. 69; Corneus I, ¢. 287 p.y5, 98 (Dos- 
riickgabe): Ife. 321, [Ve. 10g (beide betreffen ebenfalls Dosriickgabe): Ile. 181 (Emphy- 


Das Lablkraflre hl der Poslylossatoren cert, 113 


teuse, census annuus): ef. p. 100. --- Cons. Papiense p. 103 (Vergleich zwischen Casale und 
len Markgrafen vou Montferrat tiber die Hohe cines letzteren sustindigen census annuus). 
Aus Bueh I gehért hierher Signorolus ¢. 74 (Kolonatsvertrag: ‘Tatbestand auf’ p. 15). 


2. Bei obligationes ex testamento ist die (ieldsorte. auf welche das Legat lautet. 
sowie sie tempore conditi testamenti intrinsecus heschaffen war. das Schuldgeld. 


- Martinus n. 27: 


(Juacro quid in testamento. an inspiciatur aestimatio tempore testamenti, an tempore 
solutionis? Solutio: testamenti. secundum omnes Doctores (1. uxori (33) $ 1. et 1 uxorem 
S testamento (41 $ 4). ff de leg. 3). 


Panormitanus n. 13 (p. 110): 


Hace omnia procedunt: quando pecunia est debit rations coutractas. quid) autem. siex testamento. al 
quia tempore testamenti plas vel minas valebat moneta. quam bodice valeat? Et intellige de perpetia 
alterations. et die quod debet attendi valor existens tempore testamenti. quia de co videttn testator 
SCLISISNO Le 

Die dann folgende Berufung auf lL qi $ 4. de leg. 3 und auf das Consilinm (31) des 
Oldradus heweist. dali Panormitanus cine Verinderung der bonitas intrinseca im Auge hat. 


Curtius n. 16: 


. in hace quaestione Oldradus in ec. 31 decidit debere solvi di moneta usuali currenti 
et expendibili tempore testamenti (— per textum in 1. uxorem $ testamento. tf de leg. 3. - 
|. Medieo (40). ff de auro. argento (34. 2). —- 1. Aurelius $ testamento et $ Titius. ff. de libe- 
ratione legata (1. 28 $2. $5. 34. 3) —) et ita sequitur Baldus, Albericus, et Moder. hic. 

Nun folgt cine seheinbare Einschréinkung: Auf Grund der Ll 28. 33. 7 solle gelten 

quod in legatis particularibus. sive rerum sive pecuniarum. semper attendimus tempus testamenti. 

sed in fideicommissis univ ersalibus et legatis attendimus tempus mortis testatoris. 

Dies ist aber re vera keine Einsehrinkung. sondern ein ganz andersartiger Satz. Denn 
bet den Universalvermachtnissen handelt es sich nicht um Zahlung ciner in dem Errichtungs- 
akt bestimmten Geldsumme. sondern um Herausgabe entweder des ganze Nachlasses oder 
ciner Quote derselben, und dieses Objekt erhflt seine Bestimimtheit nattirlich erst au dem 
Todestage des Erblassers. 

Das cinzige hier einschligige Beispicl cines Geldsummenlegates ist das cons. 31 des 
Oldradus (p. 13). 


3. Fiir laundum und sententia lit Curtius die Zeit ihres Erlasses entseheiden, 


Curtius n. 19g: 
. quid: in laude et sententia facientibus mentionem de pecunia solvenida,  Breviter attendimus. seq 
attendere debemus teinpus land. attestante Oldrado in conus. 13: tet aliquid sentit in coms. 168), 


Zu Oldradus cons. 13 ef. p. 12. 


4. Wo die Obligation auf lex oder statutum zuriickgeht, scheiden sich die Ansichten. 
Antonius de Butrio (p. 108) schlicbt sich dem Speculater an. Panormitanus dagegen (p. 160) 
tritt ihm aus praktischen Griinden nicht bei: 


Dicit notabiliter Speculator ... quod dehet solyi de peennia curventi, quia de tali videtur statutum 
sensisse. unde mutate pecunia videtur mutatum statutum ... De quo ege imoldun dubito. Quid uempe 
si tempore statuti Plorenus valebat longe plas quam hodie = dieemusne. quod deheat solvi ita modicum. 
cum statutum veluerit mensurare poenanm delieti ete. 


Phil.-hist. Ahh, (028. Ned. es 


11-4 ES taupe: 


Ahnlich hat sich Panormitanus auch in seinem cons. I 56 gegen Guilelmus Durandus 
ausgesprochen (ef. p. 06 7). 

Curtius (a. 17 16) maeht cine beaelitenswerte Scheidung: 

. arbitvor. quod aut statutum loquitur cirea solemuitatem. prout dicit statutuim. quod donate 
excedens quingentos anreos debeat insinuari, prout etiantde jure communi est: et isto easu attendimus 
tempus legis vel statutiz: aut statutum dispouit super solutions pecuniae facienda. et isto casn inspieimus 
tempus qiho debet solvyi, ex quo oritar obligatio. Et ita dectdunt Specalator et Joannes Andreae ete. 

Curtius vertritt also die \uffassung, dali im zweiten Falle nicht die Zeit, wo wirklich 
gezahlt wird. sondern die. zu der gezahlt werden ub, also dic Zeit der Filligkeit. mab- 
gebend sei. Oben (p. 35 9) habe ich schon ausgesprochen. dal} man dies auch als den wirk- 
lichen Inhalt der Meinung des Durandus unterstellen miissce. 

Laudeusis (n. 27) vertritt schon die gleiche Scheidung wie Curtius: er sagt aber fiir den 
zweiten Fall noch ungenau: (si loguimur) de lege loguente de sulutione. ... inspicitur tempus 
solutionis’. 

Von den Konsilien gehéren hicrher Romanus c¢. 123 (p. 67 ff): Panormitanus II ¢. 56 
(p. 66 ff): (reminianus ¢. 137 (p. 69ff.): terner Oldradus c. 250 (p. 14): in gewisser Weise aueh 
Baldus Ie. 499. 500 (p. 24,9). 


Il. Das schuldgeld bei dem debituin valorem respiciens bestimmt sich naturgemal 
ebenfalls nach den Grundsiitzen, die wir unter I kennen gelernt haben. Besondere Aus- 
fiihrungen dariiber habe ich nicht aufgefunden. 


IH. Martinus und Curtius nehmen zu gewissen \uslegungstragen Stellung. 


1. Es steht fest, dab ein Geld bestimmten Namens (z. B. der tlorenus) Schuldgeld 
ist. Aber os gab in dem nach I und I mabgebeuden Zeitpunkte mehrere Sorten dieses 
Geldes (4. B. versehiedene floreni Florentini). und der Entstehungstathestand der Obli- 
gation (also der konkrete Kontrakt ete.) sagt nicht, welche dieser Geldsorten gemeint sea. 


a) Curtius u. 30: 
in civitate frequenter diversae librae pecuniarum curront ... potest exeuplificart in hac regia civi- 
tate, ubi libra Papiensinin esi 1o solidermm. et libra huperialinin est solidorum viginti, Et in hoe 
Bartolus concludit (zu 1. Paulus. mn. rund 2. bei zweifelhaftem MuBzahlyeld. ef. p. 46 7). quia primo 
‘lehemus attendere consuetadinent ct verisimilitudinem. an intcHigamus de peeunia minori (L wumumis 
ete). Et ita communiter Doctores transeunt hie ommes. 


Curtius schlieBt sich dem offenbar an’. 


b) Hat sich aber in solechen Zweifelstallen bereits ein mindestens Lojiihriger usus sol- 
vendi herausgebildet. so bleibt es bei diesem. 


Martinus n. 31. 


Nota unm. in quo cousultti: nam in instrument continetur, qualiter Titius promisit 100 Horenos 
mnui anno ex tali possessione: deinde per decennitm fuit facta solutio roo florenortun in aure (vel 
in tanta pecitniay: certe consului qaod idle protissio de too Horenis intelligittn de aureis. nom autem 
de solidis 32 pro floreno. Qnia sequens solutio continuata per deeenninum cdeelarat qualitatem: tio- 
netae dubiae 2... 





' Panormitantis (p. 110) qaacht — unter Berufune auf Antonius de Butrico —~ einen anderen Untersehied bei 
einer eratia facta per aliqguem dominuim, ut puta. quia coneessit princeps alicui ecutum Florenos annuatina Super 
certis redditibus. demum alteratur perpetuo valor Floreni. Habe der princeps den valor monetae nielit vekannt. 
so debet intelligi quod fiat: solutio de moneta currentii... alias puto seeus, — Der Grund dieser Scheidune 
ist mir nieht klar. > 

+ Ebenso Martinus n. 31: quando tit promissiv pecuniae. de qua intelligatur? Die. inspici consuetndinem. 
alias somitlitudinem. et abi non apparent eonjecturac. intelligatur de minima... 


Das Lahlkraftrecht der Pastglossatorenzei, 115 


Ebenso Curtius n. 31. 32: 


_dnstrumentum Jocations dietat conductorent teneri quoliber anno ado solvenditm: 100 tlorenos. 
Iste conductor ... decem sen viginti annis solvit singulo anno ad compatiin solidortin go pre quoliber 
floreno. iste postea in process temporis vult solvers tlorcnos ad computa de solidis 32 pro florene. 
et dominus petit flovenos aureos. Quid juris est? Landensis alias cousulatt in dine regis civitate. 


quod ubicungue dubinin est de qua peeunia senserint contvahentes 2. ista dubitatio sublevatur et 
declaratur per solutiones praceedentes longo tempore... quia talis tu dude praesumitur pecunia in 


obligatione fuisse. qualis solutio secuta est... 


Beispiele fiir ra: Capra e. 29 (p. 82): Tartagnus ¢. Hl. 21 (p. 82 4: Auslegung durch 
Ortsstatut): B. Socinus e. Il. 247 (p. 100: Auslegung durch Ortsgebrauch): fiir th: Ro- 
manus ¢. 123 (p. 67 5): Martinus ¢. 56 (p. 79, 80): ¢. Papiense (p. 104 °5). 


2. Auch eine an sich zweifelsfreie Bezeichnung des Sehuldgeldes kann dennoch durch 


Praxis oder consuetudo eine andere Bedeutung erhalten. 


Martinus n. 30: 


Nota. quod Mediolani observatur. ideo debet dicere sanri in auro». secundum collegum Mediolani. 
quod. si in instrumento dicitur »Titins mutuavit centam forenos bor vari et justi pondevis«. intelli- 
vitur de solidis 32 in moneta, tamen tbi non esset Hla consuctudo. tune debet intelligi de ano et 
dle dueato ... 

Curtius n. 25. 26: 


Maritus in instrimento dotis contitetur labuisse et recepisse tlorenos centuia boni aurioet justi 
ponderis, qualiter intelligentine iste verba. Collegium et civitus Mediotini observat de consnetudine. 
quod intelligatur de floremis acd computime solidortm 32 pro floreno ... nisi adjiciantur in insteu- 
mento ila verba vet in auto post ila »florvenos centam auris. Quis ila additio »et in autos sigui- 
ficat substantiam .. Sine dubie. won data consuetudine. ia verba boni auri« intelliguntur de aureis. 
et non de flovenis argenteis in imeneta solidorum: 32: ct plus. si essent illa verba in quaestionc appe- 
site »bond auriet jusd ponderts. 22. et ita sequitur Laudensis. Ego plas addo invenisse. solemnes 
doctores Mediolani. dominum Petru Bexurinan et D."Phorobertam: de tortis Papicen. et fere omnes 
consuluisse. consilie ineipiente Antonius Ottonus.s. quod thie tasttimente apponintur ila verba 
~boni auri. rectae ligae. et justi ponderis . quod tia verba uiultim tmiportant. ile quod non passer 
eo cast creditor coud reeipere monetam pro ditto... 


Beispiel fir 2: Marianus Socinus ¢. 1. 6 (p. 50 1). 


IV. Kin zweitellos feststehendes Sehuldgeld kann durch ein anderes ersetzt werden 
infolee you longi temporis praeseriptio 30 vel 40 annorum. Unsere fiint Theoretiker 
gehen auf dieses Thema nicht cin’. Aber gritndlich handeln von solcher praeseriptio 
Corneus c. IL 181 (p. 100) und das ¢. Papiense in nu. 8 (p. 105). Durch diese pracscriptio 
findert sich also der Inhalt eines obligatorischen Rechtes: ein Beitrag zur mittelalter- 
lichen Ersitzungslehre*, 


Frage Il. 
Welche Geldsorte bildet das Mul sahigeld ? 


I. Bei dem debit simplex ist das Sehuldgeld zugleich Mubzahigeld Die Fest 
stellung der Schuldgeldsorte Klirt also zugleich tiber das Wulizahlgeld auf. 

Bei dem debitum valorem respiciens kann dagegen. trotzdem das Schuldgeld  test- 
stelit. Zweitel tiher die MuBsalileeldsorte herrschen. 


ht jedoeh Panormnitanus stu e. ole eausam. 
2 Brunos selbst enthilt Varerial: Zo Dound Ti: i decliratie pont oa. pr de 8 uae -o: diego roo: 
ears 


dogo: arial ¢2. in fimitetio soa. 3: hoc. Ferner die pracsupposituy sequmda. passim. -- Zu TP: ind. ton 6. 


Seal Fda af Zu ba gre drones: dergetn - 0 Zu Th: in chaz m2. 7u IV: in dergers hog. 
Ih 


116 E. N1awreE: 


Das Beispiel dafiir, welehes wir bei Bartolus (p. 467) kennen Jernten. gibt) Antonius 
de Butrio (p. 108) wieder mit der gleichen Entscheidung. Fiir letztere miissen die gleichen 
Grundsitze gelten. die oben fiir das Schuldgeld unter IIL 1. 2 entwickelt wurden. 


If. Das MuBzahlgeld kann sich nachtriglieh fndern. ef. T 4. 

1. durch praeseriptio. So bei langdauernden Obligationen auf wiederkehrende Leistungen. 
etwa bei einem census annuus, der als debitum valorem respiciens konstituiert ist. Tier 
kaun praescriptio das MugBzahlgeld findern. ohne das Schuldgeld anzutasten. Unsere Lite- 
ratur erwihnt diesen Fall nicht. 


2. Dagegen erdrtert sie eingehend die Frage. welche Folgen nachtriigliche reprobatio 
tles MuBzahlgeldes hahe. 

Wir haben oben (p. 62) dargelegt, dal dies Problem bereits die Juristen des 13. 
und r4.dahrhunderts beschittigte. namentlich Odofredus, Hostiensis. Dynus. Cvnus, Albe- 
ricus und Bartolus, und daf seine Lésung dureh die Einzelnen durch ihre Auffassung von 
dem Wesen des Geldes heeintlubt wurde. Nach der Ansicht der Bonitisten ist die wesent- 
lichste Eigenschaft des Geldes seine bonitas intrinseca: solange Jetztere sich nicht dindert. 
hehailt es denselhben Wert. Cynus und Bartelus lieBen deshalb beim mutuum die Riick- 
zahling in der moneta reprobata zu (p.62). Dynus und, ilim folgend. Alberiens gestatten 
zwar die Zahlung in der moneta reprobata nicht mehr. aber verlaugen. 

quod debeat solvii nova aequivalens antiquae et si non aequiveleret. ut supplere deheat in cadem 
bonitate (intrinseea: p. 63: ef p. 45). 

Die ersten Valoristen - - unter ihuen tiihrend Odofredus (1265) - halten dagegen 
die bonitas usus ftir die wesentlichste Eigenschatt des Geldes. hinter der die bonitas 
intrinseca zuriicktritt. Das bedeutet. wenn wir aus dem, was ums Cynus (p. 43/4) und 
Albericus (p. 45/6) jiber die Gedankengiinge jener berichten. den Kern herausschilen. 
zweierlei: 

a} Der Geldeharakter wird einem Gelde nur durch die approbatio principis verliehen: 
ohne letztere hat es tiberhaupt keine bonitas usus. — ist es tiberhaupt kein Geld. 
(Butigella: reprobata non appellatur pecunia.) 

b) die ZahUkratt cines Geldes hingt nicht von seiner bonitas intrinseca ab. sondern 
von seiner bonitas usus. d. hl. seer Kaufkraft. Eine vilior moneta kann dieselbe Kaul? 
kraft haben wie cine melior. und hat dann auch dieselbe Zahlkraft (ct. besonders p. 44). 
Uher die Zahlkraft eines Geldes entseheidet also das MaB seiner bonitas usus. 

Im Punkt a stimmen also diese Valoristen mit der Bonitistengruppe Dvnus iiberein: 
auch sie lassen Zahlung in moneta reprobata nicht zu. 

Im Punkt b (dessen nihere Erértertmg in die Frage [VY gehoért) seheiden sie sich 
dagegen von siimtlichen Bonitisten, 

7u letzteren gehdrt auch Tostiensis: aber er ist Eklektiker, denn er 1ABt Zahlung 
in der moneta reprobata dann zu. wenn avaricia principis reprebiert ist und der debitor 
keine Mitschuld daran trug: in allen anderen Fillen vertrat er schon cieselbe Ansieht 
wie nach ihm Dynus (ef. p. 41, 62). 

Von den Sehriftstellern des 15. Jahrhunderts ist Antoninus de Butrio Anhinger des 
Odotredus (p. 107). ebenso Panormitanus tp. rog) tnd besonders Butigella. Cf. Repetit. 
super |. cum «quid: 

ne 27)... dicendum est in peeunia. quod solnm consideretur bonitas extrinseea. quia fila ost 
polissima et principalis. 

ne 25 if: haec ratio aequivalentiae in peeunia est tanti momenti, quod materia non ext in 
consideratione ... 


Das Lahtkraftrecht der Postglossatorenzeit. 117 


n. 30... qualitay materiae non consideratur in pecunia. sed solum= aestimatio . . 

n. 31... in debito pecuniae non consideratur materia. sed aestimatio ... nihil alind vult dicere 
extus (L. 35 p.. CU. de donationibus 8. 53) nisi quod in pecunia non consideratur cujus materiac sit, 
sed quomodo consuetudine expendatur. 

n. 32... est textus. qui non posset csse clarior. in 1. 1. de contrah. empt. dum dicitur quod propter 
difficultatem permutationis inventa est materia qyuac aeqnalitate quantitatis difficultatibus permutationun 
subveniret. neque usum domininmyne tam ex substantia praebet quam ex quantitate. pondera hoe 
ultimum verbuim. quod significat. quod pecunia praebet usum suum non ex substantia. id est nou ex 
materia, sed ex quantitate. id est ex valore ... et per illum textain videtur decidi, quod etiam si 
ex plumbo. immo etiam si ex ligne vel corio fieret pecunia. duunmodo publice esset approbata. quod 
posset solvi pro quacanque pecnnia. postquam non materia sed forma consideratur!. 


Diese Valoristen erkennen natirlich ebenfalls eine Zahlung in moneta reprobata nicht 
an. Sehr klar entwickelt Butigella seine Ansicht. (Cf. repetit. super 1. quod te n. 29: 


exo quicquid dicant doctoves. pute sic dicendum: aut iste debitor ltbraram Perusinaruns ita erat debitor 
Hlius monetae quod poterat. prout regulariter potest, alain solvere acquivalentemes aut non: prime 
casu indubitanter dic. quod non liberatur ... et ratio est in promptu, quia Heet sint reprobati Perusint. 
hoe tamen nihil facit. quia duvat alia aequivaleps imoneta. quae functionem habet eum Perusina. unde 
tenetur ad tantandem fi alia inoneta. ratio est in promptu. quia non est debiter sinpliciter Perusinoruny, 
sed est debitor in genere pecuniae valoris Perusinortum. et consequenter. lieet moneta Perusinorum 
pereat, non tamen perit id quod debetur. scilieet: peeunia ad illum valorem. 2.2. Secundo eas omnine 
liberatur (prout dicebat Cynus in dv le cum quid. ut rerert: Alexander) quia non est debitor pecuniac 
simpliciter. sed certae pecuniae in genere subalterno. unde cum genus hoe pevierit. Ttberabitur de- 
bitor ... dicitur autem peennia perisse quando est reprobata 

mn. 30: pro hae opinione adde bene facere. quia si debetur pecunia in specie, puta decent aurei 
qui sunt in arca, si pereant. liberaturs quia ill peeunia non reeipit permutationem ... sed hace ratio 
militat in casu nostro, nam si es debitor de decom libris Perusinorum, ita yttod non potes solvere 
acquivalentem pecuniain, quia forte convents. - - nonne verum est dicere. quod peeunia. eujus es 
debitor. nom veeipit permiutationem. ergo consequens est. at ejus tateritu: libereris 


Martinus Laudensis ist Bonitist und bekennt sich in on. 03. 14 im wesentlichen zu 
der Ansicht des Hostiensis. 


3. Wenn das Mu8zahlgeld verschwunden ist — si de ea non reperitur —. so mub ein 
anderes an seine Stelle treten: es wird das regelmiBig die moneta currens tempore so- 
lutionis sein. 

Martinus u. 15: 
quando est (tonetay mutata vel in pondere vel in materia... dieendunm est, quod... si 


antiqua non habeatar. solvat de nova. et supplebit bouitatem in nova ad rationen: monetae anitiquar 
Si antiqua erat melior, et pro aestimatione antiquae tn pondere et materia 


Curtius n. 3: 
Et nemo dubitat. quod semper pecunia est veddenda in bonitate intrinseca, quando de itla reperitur, 
Si vero non reperitur. poterit solvi de nova, habita semper relations ad aestimationem pecuniae mu- 
tuatae. 2... et Ste semper habetur respectits ad materiam et pondus 


Ein gutes Beispiel bietet das consilium des Regnaudus (p. 79): auch B, Socinus e. IL. 
298 (p. 1o1ff.) ist lehrreich. 


4. Blobe » Verinderung in bonitate intrinseea« verfindert das MuBzahlgeld nicht. ‘Tritt 
mea. W. neben das Mulizahigeld ein gleichnamiges Geld von anderer bonitas intrinseea, 
so bleibt selbstverstindlich trotzdem die moneta antiqua das Mufizahigeld*. 


1 Ween dieser Behauptung ist Butigella von Molinaeus (n. 798 700) heftig angeeriffen und verspotte! 
worden (» Mo.» p. 39 40). Aber vielleicht denkt Butizella an Falle von (spiter einzulisendem) Noteeld. unter 
denen besonders bekannt ist die Pragung von (cinlosungsptlichtigem) Ledergell durch Friedrich HL. withrend 
der Belagerune von Faventia (1240). Jedenfally neigt Butigella nicht dazu. dem Gliubiger schlechtes Geld 
autzunétigen. wenn er dadurch Sehaden hatte: (ef mn. 33: tenetur quidem creditor de quacunqie (monetas 
accipere: sed non est cogendus quando damnum passurus est. 

2 Aus Brunus selbst: zn Tid. ton. 8:d.2n.2:d.3 no2. — zu Wd. 8.1.6. —- 2 Ton. 2: di 2 aa -o. 
au bn. 3: deg am 3--5. 8: de pu. 14. 


118 EL NTAMPE: 


Frage III. 


In welchen Geldsorten kann gezahlt werden? 


Das 14. Jahrhundert hatte diese Frage bereits dahin beantwortet, das — soweit nicht 
besondere Abmachungen entgegenstiénden —- nach dem jus commune auch in alia forma 


gezahlt werden kénne und nach allgemeiner consuetudo auch in alia materia. Beides 
aber, mit Riicksicht auf die 1. Paulus. de solutionibus, nur dann. wenn der Gliubiger 
dadureh keinen Schaden erleide. 
Die Juristen des 15. Jahrhunderts haben diese Regelung uuverindert tibernomunen. 
Ich verweise auf Antonius de Butrio p. 108, und Panormitanus p. 110.1. Von Curtius 
sei einiges wértlich angefiihrt: 
Th 32 
oo respectu characteris et formae potest de alia solvi. dumimodo ereditor non afficiatur damno. Exempluim: 
Aliquis ducatos Venetos mutuo dedit, possem sibi reddere testonos Medivlani vel Genuenses qui habent 


anguei. nisi creditor esset passurus aliquod damnum in diversitate formae ct characteris. Puta statuisset 
ire ad partes maritimas et longinquas et ibi ducatus Venetus magis esset congruus et congruens ... 

1.22. (233 24: 

- quaero, an possit una materia pro alia argentea solvi, vel aurea pro alia aurea, vel aurea pro 
argentea. et econtra. Breviter de jure istud est expeditum. quod potest una moneta pro alia solvi. 
dummodo recipiat funetionem in genere suo, {Ita Bartolus et Angelus in d. 1. Paulus. Baldus in 1. 2 
$1 si-cer. pe.) Exempli gratia: Tibi mutuavi grossos Mediolani. tu vis mihi reddere testonos ejusdem 
ligae vel solidos. certe poteris, quia cadem est materia et pondus idem. recipientia functionem in 
genere suo... secus si non reciperent invicem funetionem. Puta. mutuavi tibi Bologninos argenteos, 
tu vis reddere monetam alterius ligae. aere contaminatam. certe non peteris. nec ereditur cogitur 
accipere. quia dicitur pati damnum et diminutionem patrimouii ... 

Attamen de consuetudine totius mundi servatur .... quod diversa pecunia in forma, et aurea 
pro argentea. et econtra solvi potest: quia ex gencrali consuctudine dicitur recipere fiactionem ... 
quod verum intelligitay ... nisi creditor foret passurus aliquod damnum ... puta si mntuasset aurevs, 
et esset in longinquas partes profecturus. non cogeretur recipere argenteam, quia difficile portatur ... 


Ehbenso Martinus n. 23 und auch Butigella zu lt. eum quid n. 28. 33 in umstiind- 
3 ] 30 
lichen Deduktionen. aus denen ich tolgende Sitze hervorhebe: 


ne 28 i. fi: 
infero unui generalins, quod pro pecunia aurea solvi poterit argentea. et pro argentea aerea. dummodo 
idem sit valor. nee creditor sit passurus damnum aliter. quam quia materia sit diversa. quod sic 
duobus verbis demonstro. si potest solvi pecunia aurea pro argentea. non ex alio est nisi quia aequi- 
valet argenteae. et haee ratio vequivalentiae in pecunia est tanti iomenti. quod materia now est 
in consideratione: ratio haec aequivalentiae habet locum etiam in moneta argentea el verea. 


Me 335 

- quia ratio, qnare permittit lex. quod pro pecunia aurea solvatur argentea. est. qtua arbitratur 
creditorem non curare de qua solvatur. ex qua eadem est utilitas utriusque. — et haee ratio 
cessat. quando est passurus damnum, —- propterea non vult eum cogi, quasi inhomanum sit... si 


mutuem tibi to aureos vel eus ex quaennque alia cansa debeas ... poteris mihi solvere libras 42 
nisi sim) passurus damnum ... quia forte velim ire in partes in quibus illa pecinia non exponitur 
. vel nisi velles mihi dare tot bagatenos aereos. quibus unus asinus csset satis onustus. 
Uber die consuetudo. ef noch Aretinus ¢. 112 (p. S84). 


Frage IV. 
Nach welehem Maistab ist zu zahlen? 


I. 2. Das debitum simplex ist so wie wir es schon in p. 3g sahen -- unzweifel- 
hatt ad numerum zu zahlen, wenn es noch in dem urspritnglichen Mufzahlgelde ge- 
zahlt wird’. So entscheidet selbst Butigella (zu lcum quid, n. 34). wenigstens beim 


' Ans Brunus selbst: der om. 4 ()3 deg: 12 on. 3. 4. Ferner die praesappositio secanda. passim, 
2 Anfeahe des debitnin eertae bonitatis ist es. diesen Erfoly — also Zahlone nach Bonititsiiqnivalens 
nech besouders sicherzustellen. 


Das Lahlkraftrecht der Postglossatorenzei, 119 


Darleln, fir den Fall. dab der valor extrinsecus des Mulizahlgeldes sich pendente obli- 
gatione veriindert hat. Er polemisiert gegen Curtius und tritt der Auffassung des Bar- 
tolus bei (ef p. 61): 


Sed yuidquid dicat (Curtius). puto conelusionem Bartoli esse verissimiun. Prime omnes tenent. 
quod in aliis rebus mutuabilibus sufficit solutionem fieri in honitate extrinseca secundum tempus 
solutionis, ergo idem in bonitate extrinseca pecuniaé. cum non possit veddi diversitatis ratio. Se- 
cundo 2... nemind dubitm est. quod quo tempore nuitiayi tibi decem. ducati valebant singuli lilias 
quatiior, nunc autem non valent nisi libras 3. quod cosdem: dueatos decem potevis restituere. Item 
poteris reddere totidem ejusdem auri et ponders: ergo non consideratur aestiinatio seeuudunt tempus 
conteaetus. Tertio 22. si esset verun quod dicit Curtins. et tempore quo mutuayi ro aureos singull 
valebant libras 4. nune autem valent smeali libras 5. sequeretar quod aut ti posses mihi reddere 
libras go in moneta argentea. aut quod sufficeret reddere ducates 5. quioad computum librarun 8 
pro singulo faciunt libras yo secundum antiquam aestimationcim. primum vero est falsum et contra 
coummunem. Seeundum etiam non est vertan. quia in iminori namere et minor? materia redderetur 
meotutum. 


Butigella denkt also nicht daran. seinen tibertriebenen Valorismus hier praktiseh zu 
verwerten: er bleibt beim Darlehn Bonitist. 


Curtius in n. 10—-15 beginnt mit einem Beispiel: 


pone. mutuavi tibi centum dueatos qui uune valent libras 4 ct 7 solidos pro quolibets et quod 
tempore solutionis fiendae augeatur valor ducati. -- an debitor tenehitar solvere et poterit solv ere 
centum ducaios. habito respeetu ad aestimationem currentem tempore ipsius muatai. vel ad) aestimatio- 
nem currentem tempore solutionis. prout sibi esset utilitas, Et sie quaestio stat in hoc. an mspiciamus 


tempus contractus vel solutionis. 


Curtius ftihrt dann aus, dai Bartolus und Baldus sich fiir das tempus solutionis ent- 
schieden hitten, andere aber — namentlich Albericus und Jacobus Butrigarius. fiir das 
tempus contractus. In einem Rechtstalle wo: 


dux Mediolani emerat maximam quantitatem salis a dominis Genuensibus certo precio tlorenorum. 
quorum acstimatio fuit postea mutata ct vaviata. fuit coneluswa per plurimos Doctores hujus collesii. 
considerandum fuisse et cogitandiuim tempus coutractus et non solutionis du. 12) 


Curtius selber tritt fiir das tempus contractus ein: 


Ego indistincte teneo tempus contractus inspici in aestimatione exvtvinseca penitus. quia ita tenuit 
Azo fons juris ... in suis Brocardicis. ut vefert et sequitur Oldyadus Laudensis in cons. sno 31 (et 
aliquid tangitur in cons. 16S). 

Et ideo in omni contract. sive locationis, sive mutui. sive alterius. attendimaus tempus contractus. 
etiam quantum ad bonitatem extrinsecam. Tdeo variata aestimatione tenebitar debitur ad illam acsti- 
unitionem. quae currebat tempore contracts (secandtim Azonem et Oldvadum). Idem: tenuit Panormi- 
tanus ... post TImolam in Clem. fin... de decimis: et ita tenent communiter Moderni: et dixit 
Petrus de Ancharany (in d. Clem. fin.) fuisse cousultim: Doctorem suum in civitate ANiol. abi quis 
dederat in dotem florenes ducentos boni auri, quo tempore minus expendebantur pro libris 4 et 
solidis deeem: consuluit: quod debuit restituere tlorenos 200 auri. gui erant in obligatione: (nisi tem- 
pore contractus fuissent dati in dotem ad vationem dibrariim. et nen florenorum simpliciter: quia 
tune illa aestimatio deberet reddi. et non major). 


Mir ist aber zweifelhatt. ob Curtius fir den jetzt vorliegenden Fall — also bei 
Zahlung eines debitum simplex in dem ursprtinglichen Mubizahlgeld — den Grundsatz 


der Bonit&tsiquivalenz verlassen will. Sonst hatte Brunus ihn in der »tertia particula 
sive conelusio« sicher als Gegner genannt. Denn Brunnus behandelt dort cingehend den 
vorliegenden Fall: 


(quando) valov tantum est mutatus seu bunitas extvinseea. et debitor certae specici peeuniarum 
tenetur vel vult de illis solvere. puta si debitor ducatorum largorum vel grossonorum Mediolani 
teneatur aut velit de illis solvere 


und er entscheidet 


(quod) attendimus numeri promissum, et non curamus de anemento vel deeremento. quod 
sapery enit post contractum tn. 1) 


120 KE. Srawrn: 


erlautert dies auch griindlich an cinem guten Beispiel (n. 2. 3). erGrtert feruer (n. 3) ab- 
weichende Ansichten des Baldus und des Antonius de Butrio. Aber Curtius erwdhut 
er nicht. 

Ich méchte deshalb annehmen. da Curtius bei seinen Darlegungen in n. 10—14 
nur ein debitum valorem respiciens im Auge hat. 

Antonius de Butrio (p. 107) scheint dagegen mit der bonitas usus-Theorie auch in 
vorliegenden Falle Ernst zu machen: allerdings nur dann. wenn der Kurs perpetuo. durch 
deeretum valoris (also nicht blo temporaliter. per usum expendendi: ef. Brunus 1. 

n. 3 i.f.) veriindert wurde. 

Er bleibt aber mit dieser Auffassung allein. Panormitanus im ce. LI. 56 (p. 72 3). Are- 
tinus im c. $4 (p. 85) und Corneus im ¢. I. 279 (p. 93) bekennen sich aly Anhinger der Boni- 
tatsiiquivalenz. 

2. Ist das urspriingliche MuBzahlgeld nicht mehr im Umlauf (si non reperiture — 
»si nou potest haberi«). so ist in der an seine Stelle getretenen moneta nova zu zahlen: 
und zwar wiederum nach Bonitéitsaiquivalenz nach Martinus n. 15 (p. 112) Panormitanus 
(p. 109). Regnandus (p. 79), Curtius n. 3 (p.112). Der Satz ist leicht erklirlich, weil ein 
Kurs zwischen dem aus dem Verkehr verschwundenen Mubzahigeld (das ja bei dem 
debitum simplex zugleich das Schuldgeld ist.) und der moneta nova schwerlich bestelt 
(ct. p. 64), vielleicht auch nie bestanden hat’. 

Wie zu zahlen sei, wenn ein Kursverhiltnis festgestellt werden kann. geht aus dem 
mir zur Verfiigung stehenden Material nicht Klar hervor.  Broanus in Partieula 5 nu. 3 
i. f. sagt: 

dici potest ubi de promissa now invenitur: quia. cum sit extineta. paviter cjus cursus est extinetus 
taliter, quod cjus valor aestimari non potest de praesenti, ideo inspicitur valor secundum tenpus 
contraectus. Ebenso in Particula 4. passim. 

3. Ist das urspriingliche MuBzahlgeld reprobiert, so werden dic unter 2 cntwickelten 
Grundsiitze analog gelten miissen: es ist also jedenfalls danu nach Bonitatsiquivalenz 
zu zahlen. wenn ein Kursverhaltnis nicht festgestellt werden kann; ef. Alberieus-Dynus 
(p. 116). — Erhellt dagegen ein Kursverhaltnis, so werden dic Valoristen (p. 116°7) 
die Zahlung nach diesem bemessen haben. Butigella (p.117) sagt aber nur: 

licet Sint reprobati Perusini. hoe tamen nihil tacit. quia duvat alia aequivalens moneta, quae fune- 
tionem habet cum Perusina: unde tenetur ad tantundem in alia moneta... 
Die Particula 2 des Brunus, in der die reprobatio behandelt wird. spricht sich ebentalls 
tiber unsere Frage nieht deutlich aus. 


Il. Das debitum valorem respiciens — das ja von vornherein auf Zahlung in einem 
von dem Schuldgeld verschiedenen Mufizahlgeld berechnet ist — wird unbestritten nach 


Kurs bezahit, d.h. also nach der Kaufkraftiquivalenz, die das Mubzahlgeld gegentiber 
dem Schuldgelde besitzt. Und ebenso ist dieser Punkt geregelt. wenn eine facultas 
solvendi in alia moneta ausgenutzt wird. Na&heres hieriiber bei den Fragen V und VI. 


Ql. Den besonderen Fall, in dem die Zahlkraft einer Geldsorte nach ihrer jew eiligen 
Kautkratt gegentiber gewissen Waren bemessen wurde. haben wir im c. 137 des Gemi- 
pianus und in dessen Kritiken durch Molinaeus, Menochius und Venturinus kennen ge- 


lernt (p. 65 ff.). 





! Die Ausfiihrungen des Brunus in Partiewla fn. 3— 7 und in Particula 4 gehen daranf. nach weleher 
Aquivalenz zu zablen sei. si non reperitur. m. E. nicht geniigend ein. 


Das Lahlhrattrecht der Postylossatorenczeit, 12] 


Die Bemessung der Zahlkraft wach dem jeweiligen Lebenshaltungsindes und ihn- 
lichen Berechnungen iiber durchschnittliche Warenkaufkraft ist der Postglossatoren- 
veit notwendig fremd. weil die zu solchen Berechuungen nétige Statistik noch yollkommen 
tehite! *. 


Frage V. 
Ist bei Zahhing nach Kurs der valor decretalis oder der valor usualis mabgebend ? 


Wer stellt dic Geldkurse fest — nieht etwa fiir ein spezielles debitum. sondern all- 
gemein als Richtsehnur fiir den Verkehr? 


I. Wir sahen schon des Ofteren. dab und aus welchen praktischen Griinden Erlasse 
der Obrigkeit hierbei eme grobe Rolle spielen (p. 59). 

L. Gegen eigenmichtige Verinderung der bonitas intrinseca durch den princeps waren 
schon Hostiensis. Thomas. Albericus aufgetreten (p. 59. 60): Hostiensis hatte bestritten, dab 
der princeps dies sine assensu populi vermége. Antonius de Butrio (p. 106) verteidigt den 
gleichen Standpunkt und erblickt in dem eigenmiichtigen Vorgehen des princeps eine 
fraudatio (die also kein rechtsgiiltiges Geld schaffen kann.) — Auch Martinus (a. 8) Jeliut 
vrundsitzlich ab: 


quaero. a princeps possit mutare monetam sine conseusu populi. Respondes quod noi. 
secundton Tineeentem et Joannem Andreae et communiter Deoetores inc. quanto. de jurejarande. 


Kr konstatiert also. dali dies die communis Opinio sei. 


Nur dann, wenn der princeps unvordenkliche Zeit hindureh das Mutationsreeht selbst- 
herrlich ausgetibt hat. soll er es naeli Martinus behalten: 


putarein tanen. quod si Princeps consucsisset mdnetane matare authoritate propria sine consensa popull. 
tanta tempore, cujus initii memoria non existat. mutationem: fiert posse sine conseusu populi 


2. Dali der princeps aus cigener Machtvollkommenheit eine mutatio in sola acstimatione. 
in valore extrinseco vornchmen konne. gilt dagegen auch im 15. Jahrhundert als selbstver- 


’ 


stindlich. Cf Antonius de Butrio (p. 107), Panormitanus (p. 109). Martinus n. 19 i. tf: 


maxime com (mutatio in sola aestiinatione) dependeat a Principe. 


' Gibt es noch andere MaQBstibe? Ber Obligationcen auf Ritekzalluneg empfaugenen Geldes (uiutuuin. 
dos) hat Baldus (zu 1. aeceptam, C.de usuris = Lo. C. 4. 32) behauptet (nach Bromus partioula 3 ne 3): 
quod si imutatio aestimationis fuit repentina vel provideri non potuit. debitor won tenetur solvere 
nisi secunduin valorem temporis solutionis: -- quod (si) diminutee vatoris suecvesserit ex imiervallo : 
tune quia debitor expendit secundum valorem temporis contractus, debet secandat ili solvere. 
ue loeupletetar com aliena jactura. 


Baldus will also. da® die Hohe der Ritekzahlungssumme sich vichte nach dem Ma® vou Kaufkraft. welches 
dev Schuldner ausnutzen konnte. Sank die Kauthraft des empfangenen Geldes. hevor er es ausnutven 
honnte, so soll er weniver zurickzuzahlen brauchen. 
Diesen Grundsatz hat spiiter Molinacus weiter ausgebaut («Mo yp. 48). Anklang hat er wenig gefunden. 
Curtius (i. 22) bringt einen alnlichen Gedanken vor: 
quaero. dliquis murtuat tibi pecuniam veprobatam. tu industiia tua expendisti pro bona. an eveditor 
poterit te cogere ad solutionem. Jacobus de Avena et Albericus hie tenuerunt quod non. quia ine 
dustria expendentis non prodest ipsi imatuanti: per test in Loa. ad lee. Pale. (3s. 2) janeta Lele. 
vanter § qui reprobos. ff de pign. act. 
Curtios will anseheinend ebenfalls die Porderung erhéhter Riiehzallung ausschlieven. - In der Kipper- 
und Wipperzeit findet man aber mehifach die Belwuptung, da’ der. qui mala pecuniam imutuo accepit 
eamaqne pro bona expendit. die empfangene Snmme in gutem Gelde znriickzahlen miisse. 


2 Aus Branus selbst: zu bnoi: dans: el 3 n.t—4i deg mn. 2.— zu Do.2: dis 3 i tf — zu Anim, 1 
hinter TH: d.3n 3.4: do 03. 


Philehist. Abe FORD. Ni 16 


122 RK Niawer;: 


Decreta valoris werden erwithnt von Caleaneus «. by tp. 54 shoe. 15 (p. 55 9). Are- 
tints «bt (p. 87) und in dem oc. Papiense (p. 103). 

Il. Aber aus dem oc. Papiense sehen wir auch. daB einem tungereechten decretum 
valoris die Anerkennung versagt wird (p. 105). Und wir erfahren ferner sowohl aus diesem 
e. Papiense wie aus dem e¢. ri des Aretinus. daB ein valor usualis sieh uieht nur dort 
hilden kann. wo ein decrettuun valoris fehlt das ist selbstverstiindlich =. sondern dab 
er auch ein yorhandenes decretum valoris auBer Kratt zu setzen vermag. auch wenn jenes 
an sieh nicht ungerecht ist: p. 87. 105 17%. 


Frage VI. 

Wie ist der nach Frage Vomabeebende Kurs zeitlieh tir die konkrete Sehuld 

zu bestiminen ? 

M.a. W.. ist die Obligation. welehe nach Kurs gezahlt wird. nach dem Kurs ihrer 
Eutstehungszeit oder nach dem Kurs der Zallungszeit zu begleichen? Im ersten Falle 
wiire der Kurs fest - - immer derselbe. wann auch der Zahlimgstermin liegt: cin deut- 
licher Anklang an die Bonitéitsiquivalenz. Im zweiten wire der Kurs beweelieh: cine 
zweifelstreie Anwendung der Kautkrattiquivalenz. 

I. Wir verfolgen die Losung der Frage zuniichst fir das debitum valorem respiciens. 

1. Curtius uitt hier - unter Nennung einer Anzahl Gewihrsiuniinner titr Zallung 
zu festem Nurse ein (p. 11g): 


evo indistinete teneo tempus contractus imspiel in westimatione extrinseea . 2. (nh. 13). 


Dies wiirde seiner bouitistischen Richtung eutsprechen (cf p. 11g). 

2. Die herrschende Meinung ist aber auch im 15. Jahrhundert fiir Zahlung nach 
beweglichem Kurse: der Kurs des tempus solutionis soll mabgebend sein. die Kaufkratt- 
fiquivalenz gewahrt werden. Oben tp. 49. 50) haben wir schon gesehen. dal} Covarruvias 
dies (1558) als communis opinio seit Bartolus bezeichnete. 

Martinus (v.22 26) ergeht sich ther die Frage in ziemlich krausen Ausftihrungen. 
Aus n. 25 erhellt aber m. E.. das er Bartolus beipttichtet. 

Butigella (p. 11g) entscheidet sich klar fit das tempus solutionis: 

oinnes tenent, quod in aliis rebus mutuabilibus suffieit solutionen: Geri in bonitate oxteinseca secoudam 
fempus solutionis, ergo idem in benitate extrinseea pecuniae. etc. 
Ebenso Capra ¢. 29 (p. 82) und Aretinus. besonders in ¢. rt on. 2 (ef p. $7). aber auch in 
e112 im Anfang. Cf. auch Bologninus ¢. 16 (p.103). Die Vathestinde dieser Nonsilien 
beziehen sich freilich aut’ Fille der facultas solvendi in alia moneta: aber die theore- 
tischen Austiihrungen sind so getabt. dab sie auch auf das debitum valorem respicicns, 
also auf Faille der Ptlieht. in alia moneta zu zahlen. bezogen werden miissen. 


3. Bei Zahlung nach beweglichem Kurse lag die Gefahr vor, dai dieser Kurs dure 
anormale decreta valoris zugunsten einer Partei beeintlubt wurde. Wir haben oben 
(p. 61) bereits besprochen. dali man dann der Partei. die fraudis conseia war. den ihr 
giinstigen kiinstlichen Kurs nicht zubilligte. 

Aber das Tlauptschutzmittel blieb das debitum aestimatum. dessen weittragende Be- 
deutung wir ja schon aus der Schilderumg des Covarruvias kennen (p. 50 1: ef p. 57 ff.). Denn 





1 Die eleichen Erscheinungen kann ian aueb bei der Zusammentreffen you Taxpreisen und Vorkehrs- 
preisen der Waren beobacliten, 

2 Caleaneus c.15 (p. 860) spricht sich energisch gesen Ritekhwirkung der deereta valoris ans. 

7 Aus Brinus selbst: za Daud PH: dot. 7: ho: lo. vu UT: diag. 


Das Zahtkraftrecht der Poslglossatorenzeit, 123 


dies sehiitzte gegen jede Kursinderung. ohne Riicksicht auf ihre Motive. Ein eutes Beispiel 
der Konventionalistimation enthilt Caleaneus ¢. 15 (p. 85/6). Auch A\retinns sagt im 
COLT. pre ie £ 1p. 88): 
si fnisset expresse conventiin iu instrumento inter partes. quod florenus deberer solvii in cadet 
aestimatione, qua erat tempore coutractus. utique Standiim esset conventions. 

Ebenso enthilt das ¢. [I] 295 des Bartholomaeus Socinus eine sehr lehrreiche Kon- 
ventionalistimation (p. 101 2 ff). 

Dagegen begegnet wns in dem c. 1 6 des Marianus Socinus cine acstimatio durch 
eonsuetudo (p. 80'1). also ein Parallelfall zu dem cons. 13 des Oldradus (p. 12. 13). 

Ein debitum lege aestimatum. wie wir es in Baldus ¢. [ 499. 500 kennenlernten 
(p. 24ff.). findet sich in den Konsilien des 15. Jalrhunderts nicht. 

II. Wird kraft einer tacultas solvendi in alia moneta gezahlt. so ist unbestritten der 
Kurs der Zahlungszeit zu entrichten. Die einschlagigen Konsilientatbestinde habe ieh 
unter I 2 angeechen. 

IIL. Die Frage. nach welchem zeitlichen Kurse auf ein debituin simplex zu zahlen 
sei, dessen Muzahlgeld sich durch reprobatio oder Verschwinden des urspriinglichen 
verfiindert hat (p. 116 7). ist nicht erértert worden. 

Nur Martinus sagt in n. 25: 


inspicitur tempus contractus. quandy aestimatio venit loco qualitttis intiinmseeae. pouderis vel 


inateriae deficientis i pecunia. quae solvitur secundum peconimin quae debetur ... quia sieut in ahis 
velous inspiemmus Campis contractis ... Ha ti aestimatione pectiuae. quae fit et sie subrogatin loce 
Lonitatis deficientis. inspicitur terupus coutractus. 0 Si auters non flere cestimatio tatione qualitatis 


inteinseeae bonitatis monetae: tune inspicitur tempus petitions vel novae, 


Teh stelle dahin. ob man diese VuBerungen hier yverwenden konne!, 


Frage VIL 
Der Eintluf der mora. 


Zu diesem sehwicrigen Problem AubBern sich: Antonius de Butrio tp. 107). — Panor- 
HitaIits: Gb. 110). =~ Martinis: tm. m, Ty. 20, BT. 24y 25.28) 29. <: CUPS Ti Te hg. 
12. Wir ziehen ferner von Brunus die wichtige limitatio [ heran. 

Von Konsilien sind einschligig: Paulus de Castro. ¢. Hl. 26 (p. 79) Cormeus ce. I. 
287 (p. 99). Bartholomaeus Socinus ¢. Il. 298 (p. ror). 

Bei der Behandlung der mora bei Geldsechulden miissen wir mora debitoris und mora 
cereditoris scheiden. 


A. Die Regelung der Folgen ciner mora debitoris steht unter dem Eintlul des kano- 
nischen Zinsverbotes. Man wittert hinter jedem Gewinn. der olme besondere Arbeit aus 
Geld gezogen wird. cine Umgehung jenes Verbotes und billigt deshalb aueh bei mora 
dehitoris dem ereditor erundsitzlich nur den Ersatz des damnum emergens zu, also kein 
luerum cessans’”. 

Diese strenge EKinschrinkung verteidigt im 14. Jahrhundert Bartolus (p. 454i). Antonius 
de Butrio und Panormitanus scheinen diese Ansieht zu teilen (cf p. 107. 110). Martinus 





1 Aus Brinus selbst: zo T uud Usd. ton. 2:d.0 nm 4-0. — Zu bau 2: ¢ 
gi Lo 4: Lb to. 7ubug: det ne 2i. fis des mer. 2: de 16). Zu Ul: des my 
d.6 n. 3. 

2 Naheres bei Winnery Exprwans. Stadien in det romaniseh-hanonisisechen Wirtsehafts- und Reehts- 
lehre (1874-1883). passim: besonders uv If p. 200 


:ale6: de rz mez: 
mot. 2. At He: 


i of a. 


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It 


124 Ee Saavmwen: 


davegen (no 21) und Curtinus (n. 6—g9) billigen bei mora debitoris auch das Jucrum 
CeSSANS ZU: 
Martinus n. 21 


si te debes inthe decem dibras iuperialium minutorum. ct postea valeat duos denarios. abi non valebat 
antea visi unui. aequum est. ut tua mora non tollat brerum omenm ... quia omnia jura clamant contra 
morosos . nee obstat quod in pecunia nou sit lucruam: quia immo consistit 


Curtius nu. 6: 


... post moram debitor tenetur ad interesse. sive consistat in Lucro. sive in daimuo ... mora semper 
debet nocere moroso ... 

Eine Mittelmeinung wollte nur dann lucrum cessans zubilligen, wenn der creditor 
eine persona solita negotiari cum pecuniis war. prout sunt campsores, und deshalb das 
luerum quasi certum (cf. Bruns lim. I. n. 6). Curtius (n. 9) verwirft diese Unterscheidung: 

Si creditor esset persona quae consuevisset verisimiliter meveari sive lnerari. nom esset dubinm 


tune quod haberetur ratio interesse ratione lucri cessantis ... Sed dato etiam quod mon esset mer- 
eator nee solitus mercavi. tamen indistinete tencebituy debitor ad aestimationem in quacunque moneta... 


I. Wir diirten demnach feststellen. dab, wenn wihrend der mora der valor extrin- 


secus des Mufizahlgeldes sank. alleemein dem Gliubiger dic Kursdifferenz -— aly dam- 
ntun emergens —- zugesprochen wurde. 


Dies galt zuniichst beim debitum valorem respiciens. Waren 100 librae in Duksaten 
zu zahlen, und war der Kurs am Stichtage’ 4:1 gewesen, withrend der amora aber auf 
3: ftir den Dukaten gesunken. so muBte der morosus 33',, Dukateu zahlen statt 25. 

Es galt aber auch fiir das debitum simplex. trotzdem hier doch prinzipiell nach 
Bonitatsiquivalenz zu zahlen ist. 

Ich nehme das gute Beispiel des Brunus. lim. I 1. 2: 


si dehitor in tlorenis aureis seu ducatis tempore que valebant 4 libras et solidos 14 solvate... 
post tempus morae, et contingat valorem dueati deerevisse post tempus que solutio fier’ deheat, vide- 
licet ad libras 4 cum dimidia. — talis debitor, si crit debitor too ducatorum. tenebitur dare Ipsos 


100 dueatos, et ultra quanti plurimi valebant ante moram, id est. goo solidus Mediolani in totum. 
se 4 solidos pro singulo dueato, et sie dabit roo et 4 dueatos et libras 2. loco too dueatorum. 

Der gleiche Grundsatz galt —- m. E. selbstverstindlich —— fiir das debitum certae 
bonitatis und das debitum certae acstimationis. 

Soweit man dem creditor Juerum cessans zubilligte. multe es ihm analog zugute 
kommen. wenn gegentiber dem Stichtagkurse der valor estrinsecus des Mubzahlgeldes 
post moram stieg. Der morosus «urfte dann nichts abziehen. Stand bei jenem 
debitum valorem respiciens auf 100 librae in dueatis der Dukat am Stichtage 1: 4 und 
post moram .£ : 5. so mute der morosus doch 25 Dukaten zahlen und nicht bloB 20. 
Und war dicselbe Kursverschiebung bei einem debitum simplex aut roo Dukaten erfolgt, 
so waren doch 100 zu zahlen und nicht So. 

H. Von den unter I entwickelten Satzen wollte aber Bartolus (p. 48.9 ff). — und nach 
Brunus lim. In. 7 auch die Mehrzahl der Legisten, die Minuta-Schulden ausnehmen. 

Bartolus behauptete. dali die (einzelne) minuta dureh die grossa nicht fstimiert 
werde, m.a, W.. keinen valor extrinsecus, keinen VerkaufsSpreis in grossa habe. Es 
kénne also, bei mora solvendi gegeniiber ciner minuta-Schuld. dem Glaubiger dadurch. 
dali etwa withrend der mora (z. B. durch ein decretum des princeps) die minuta im Wert 





1 Stiehtag ist -- nach der unter Frage VIL p. 122 dargelegten Kontroverse -  cntweder der dies ortae 
oblieationis oder der letzte Tag vor dem Eintritt der iora, 


Das Zahtkraftrecht der Postylossatorenzeit, 125 


er nun mit der minuta nicht soviel grossa kaufen kénne wie vorher.  licrum cessans 
brauche aber der morosus nicht zu ersetzen. (ef. p. 49). 

Diese Deduktion. die darauf hinauskommt. dab als valor extrinsecus nur der Ver- 
hantspreis gelte. nicht auch die Kaufkraft. und dai nur die Verschlechterung des Ver - 
kauftspreises ein damnum verursachen kOune. wird von Panormitanus (p. 110) bezcichnet 
als ein dictum quod solum constit in suhtilitate: 

livet enim unus denarius non possit aestimari, tamen plures simul sic. 

Sie ist tatsiichlich eine echt scholastische Beweisftthrung. durch einen Scheingrund. 
der ernster Priifung nicht standhilt. Ganz fihnlich wie die Rechtfertigung des Zinsver- 
hotes durch die Behauptung: 


Pecunia uatura sua sterilis est. 


Aber das Ziel. welches erreieht werden soll. ist sicher. nach der ganzen Veranlagung 
der Postglossatoren. hier wie dort ein praktisehes. Freilich ist es sehwer zu erkeunen. 
wo dieses Ziel des Satzes: »minuta per grossam non aestimature lag. leh mochte glauben. 
schon das Zinsverbot war wesentlich auf das minuta-Darlehn des Kleinbiirgertuims berechnet 
(ler mit grossa arbeitende Handelsstand kehrte sich doch nieht daran. wie Beispiele 
tausendfiltig zeigen): und die Versagung des Verzugsinteresses bei minuta-Geschiften 
wollte dieselben groBen Volkskreise von Umgehungen des Zinsverbotes abhalten. 

Wie dem auch sei, der Satz des Bartolus hat erhebliche Zustimmung gefunden. 

Aber noch zahlreicher erstanden ihm Gegner. Nach Brunus (lim. Pou. g) haben dic 
Kanonisten geschlossen behauptet. da die minuta sehr wohl durch die grossa astimicrt 
werde. und deshath. aueh wenn der minuta-Kurs sich withrend der mora senke. cin 
damnum emergens gegeben sei. Brunus tormuliert (1. ¢.) ein Beispiecl: 

J si quaeratur quomodo consistat interesse damni. formo exemplum: 

tempore quo grossonus vilebat 20 tantum solidos, daeentam 40 parvi denarii unperiales valebarut 
grossonlun: mane aitenm:. cum grossonus valeat 23 solidos. non possunt ipsi 240 denarii unum grossenuin 
valere: sedl exignntur ducentum septuaginta sex denarii. et sic est intervsse dammni. quia perinde est 
ae si deerevisset valor denariorum cum tantum non valeant de pecunia grossa, prout alias valebant. 
et istud est interesse damni... 

Antonius de Butrio (p. 107) und Panormitanus (p. 110). die ja beide gegen Gewihrung 
von lucrum eessans sind, betonen noch besonders. dali es sich um wirkliche Senkung 
des minuta-Kurses handelu miisse (also gegentiber jeder grossa) und nicht blo um 
Kurssteigerung bei der grossa (letzterenfalls kann ja davon, dali dic minuta allgemein 
an Wert verliere. nicht die Rede sein). 

Diejenigen. welche, wic Martinus und Curtius, auel das lucrum cessans zugestehen. 
gewiihren natiirlich auch bei minuta-Sechulden stets das Verzugsinteresse. Martinus n. 21 
hebt gegentber Antonius de Butrio noch hervor. dali es auf die von jenem gemaclite 
Scheidung gar nicht ankomme. 


B. Der mora creditoris wird wenig gedacht. Martinus sagt (nm. 21) fhichtig: 
econtra periculum pecuniae pertinet creditori morose, 


in Beispiel finde ich erst bei Brunus |. ¢. n. 2. 3: 


Et quod dictum est in debitore morose procedit: etiam contra tn ereditore morose... eX qin 
sequitur quod si debebatn tibi centum = ducatos tempore quo valebant 4 libras cum dimidia. ques 
volii selsvere. et noluisti. et post moram toane in nolende aceiperc commissam ducatus erevit: ad 
libras 4 et 14 solidos Mediolani. nou cogor selvere roo ducatos. quia plus solverem: quam esset in 
obligatione. vel quam valeret dueatus ante moram: propter yurodk de Sjugulo dneato detrahantur 
yuatuor solidi ef de tota stumma poo. Et sie mune tenebor. si ovelim selvere in dueatis aireis. chire 
95 dueates et 70 solidos. 


126 KE. Siawper: 


Die Steigerung des valor extrinsecus der ducati fallt also dem ereditor morosus zur 
Last, trotzdem hier ein an und fiir sich nach Bonitéts-\quivalenz zu tilgendes debitum 
simplex vorliegt’. 


Wir sind damit am Ende unserer Erérterungen angelangt und kénnen feststellen. 
dal} dic dem Brunus (p. 6ff.) entnommenen Grundsitze sich tatsfchlich im 13.. 14. und 
15. Jahrhundert. so wie es dort geschildert wurde. entwickelt haben. 

Das Material, welches man Brunus selbst ftir die sieben Fragen entnehmen kann, 
habe ich bereits am Schlusse der einzelnen Abschnitte in Anmerkungen angegeben. 

Jetzt noch einige Worte zur Charakterisierung seiner Schrift. 

Der »tractatus insignis augumenti et diminutionis monetarume« ist die erste umfang- 
rei¢he Abhandlung iiber dieses Thema: denn Martinus und Curtius hatten. modern ge- 
sprochen. das Mali kleincr Zeitschriftenartikel noch nicht tiberschritten. 

Dice Darstellung ist auch bei Brunus noch ungelenk. Das praktische Empfinden versagt 
nie. Aber in der theoretischen Begriindung der verteidigten Satze ist noch wenig Fortschritt 
hemerkhar. Und kaum besser steht es um die Diagnose der Tatbestinde. Brunus fiihlt 
z. B. den Unterschied zwischen Sehuldgeld und Zahlgeld instinktiv heraus: aber auch er 
yermag nicht, ihn theoretisch zu entwickeln; und infolgedessen gleiten. ganz Almich wie hei 
Corneus (p. 99) Ausfiithrungen. die zu Frage I, und solche, die zu Frage VI gehoren. dureh- 
einander (so ind. 1 n. 2). Auch die wichtige Scheidung von MufBzahlgeld und Kannzahlgeld 
fehlt (d. 6 n. 4). Ebenso eine klare theoretische Sonderung der beiden Geldschuldarten 
(debitum simplex — debitum valorem  respiciens). 

Deunoch bietet die Schritt manches theoretisch Wertvolle. So die gute Definition 
des valor in der praesuppositio prima un. 5, 6, 7: 

Verus valor autem est ile. qui est statutas de publico et per publica proclamata, adeo quod re. 
cusans ¢apere pro tanto valore est poena falsi puniendus ... 
Et aestimationem imonetae dat habens potestatem cudendi... Et sine mandato habentis porestatem 


cndendi nom debet mutarvi aestimatio ... 
quando meseitur valor pecuniae. attenditur communis conguetudo cambii, nom Casualis caristia vel 


utilitas (ef da. 2). 

Ferner die Stellungnalhme gegen die Ansicht des Spekulator. dai bei einer Schuld 
ex dispositione legis nicht die moneta tempore legis. sondern die gleichnamige aber in- 
trinsecus mutirte moneta currenus tempore solutionis das Scluidgeld sei. Bedenken hiergegen 
hatten ja schon Panormitanus und Curtius (p. 110: p. 1143/4). Brunus aber gliedert 
feiner. besonders in d.12: ef.d.7 n. 4: de it: 

Das tempus legis resp. statuu entseherte clan. wen die lex resp. dais Statutign eine aestimatio 
quoad) Solemmitatem vornelime. wie hej den g00 solidi der Schenhimestorm: oder eine feste taxa 
awischen zwei Geldsorten setze (wie etwa bei Baldus ¢. 1. poo): oder endlich sofort eine oblientio 

non simpliciter sed erga alitme erzenge oie 7 Be bei Oldradus ¢, 230) Bei Geldstvaten. die aut 
Grund einer cesetzlichen Bestimmune verhanet witrden. ser dagegen das t lupus contraventionis mak- 
eebend. 


Und bei Anstellung von Beamten das tempus in der der »potestas« condueitur. 
(d. 7 n. 4). 


In de iS wird gut auseettihrt. da®B. etiams: princeps statuat. quod solutiones pensiouum debeant fer 
de nova moneta, dennoch die alte Sunmme in moncta antiqua der Wertimesser bleibe. und in dem neuen 
Gelde entspreehend mehr zu zablen sei (cf. Oldradus ¢. 230). Die moneta nova wird also nach Bruns’ 


Auffassung nor MnBzahleeld. 


' Aus Brunus selbst: Sedes materiae: Lor: ef ES ou.s8.ro0. -- Zn Ad: dean rq g. 7u AIL: 
. — Zu B: d.2 n. 7. 


= 
tae 


Das Lublkraftrecht der Postglossatorenzeit, 127 


Endlich nenne ich noch die hlare Albsage an die Behauptung. bei der pectinia gene- 
rica konme es auf den valor intrinseeus nicht an. Brunus tritt letzterer mehrtach ent- 
gegen: besonders eindrucksvoll aber in d.6 n. 3: 


Sedo majas dubium est. an debitor possit solvere de antiqua ioueta Currente Temper’ comtrdetus 
quae nine plus valet computatis libris debitis ad valorem quiouuime currt — et idem de torenis 
Mediolant vel Sabsadiae - - ut quia debitor 24 librarum tempore quo ducatas valebat quatnor libtas 


tantun. velit solvere aeQice in dueatix ad rationem dibraram quinque., quas uuie valet dueatus 

consului et obtinni quod non. sed quod debeant solvi librac in tali antiqua moneta acl aestimationens 

temporis contracts: eo quia valor antiquae monefae nom mutatae in bonitate intrinseea aue tus 

fuit propter detertorationem iminerts monctae magix verosaes seu inagis aere Contaminatae, cum dete 

rioratio iminoris pecuniae sit causa augende valovem: extrinsecum majoris peeuniae vel melioris ... 

Es sind also pendente obligatione die librae versehlechtert worden und diese schlech- 
teren gegeniiber dem ducatus von 4:1 auf 5:1 gesunken. Das ist nach Brunus kein Grund 
fiir den Schulduer cines debitum in libris antiquis. auf diese Schuld in Dukaten zum 
Kurse 5:1 zu zahlen. Dab cr. wenn er in den neuen librae zahlen wollte, mehr an Zahl 
entriechten miiste (hier 30 statt 24). ist bereits in d.ion.6. 7 von Brunus ausgetiihrt. 
ll. Gut sind terner gewisse Mitteilungen tiber historisehe Tatsachen. Namentlich die 

Ubersicht tther die damalige Miimzordnine von Asti. 

~placnit hie inserere quandam ordinationem faetam nuper in hae civitate Astensi, quae babet authori- 

tate movetae codendae ad vationem marchi Mediolanis quiest uuciarum veto; ete.s (p. iu. £2 [16}). 
Sodann die Angaben tiber die verschiedenen .\rten der pecunia generica, die damals in 
Oberitalien kursierten: der tlorenus Mediolani. qui valet 32 solidos Mediolani: die libra 
(Mediolani) quae valet 20 solidos: der florenus Sabaudiae qui valet grossos 12 Papae vel 
Sabaudiae: de quibus grossis etiam non reperitur. sed sumuntur ad rationem «uartorum 
quatuor parvoruin pro singulo gross, sive tales quarti sint melioris sive debilioris metalli. 
Diese grossi wurden also ebensowenig ausgeprigt wie der tlorenus Sabaudiae. Dagegen 
faud in ducatu Mediolani die Ausprigung von solidi statt: nicht aber in Asti, wo nur 
solidini zu 4 und terlinae zu 3 Denaren (p. 1 n.12 bzw. 16) gesehlagen wurden. et. p. 2 
ne trund d.6n. 1. 


SchluBwort. 


Unsere Austfiihrungen widerlegen die Ansichi, dali die politischen und wirtschatt- 
lichen Wirren der letzten Jahrhunderte des Mittelalters die Ausbildung eines cinheitlichen. 
klaren und praktisech brauchbaren Zalikrattreechtes verhindert hitten. Die Grundtragen 
sind einheitlich und rechtspolitisch richtig gelést: damit das Geld Kaufkraft cntfalten 
kénne. muB es angemessenen Eigenwert haben: damit dem Dualismus von moneta grossa 
und moneta minuta Rechnung getragen werde. miissen zwei Arten der Geldsehuld be- 
stehen, das debitum simplex und das debitum valorem respiciens: und damit Kredit und 
Moral erhalten bleiben, mul die Zahlmg nach dem Grundsatz der nicht bloB tormalen. 
sondern auch matericllen Aquivalenz zwischen Schuld und Leistung erfolgen. 

Meinungsverschiedenheiten herrschen uur iiber Fragen zweiter Ordnung. z. B., wie 
sich das Schuldgeld bei den einzelnen Obligationstypen bestimme: ob nach Bonitiitsiqui- 
valenz oder nach Kaufkraftiquivalenz (Kurs) zu zahlen sei: welcher zeitliche Kurs bei 
Zahlung nach Kurs den Ausschlag geben solle. 

Aber auch hier kann jede der verteidigten Liésungen Anspruch auf Klarheit und 
praktische Brauchbarkeit erheben. 

Der Grund dieser Vorziige des Zahlkrattrechtes der Postglossatorenzeit ist darin 
beschlossen, dal es sich nicht dureh theoretische Spekulation. sondern durch den Fintlub 


[2S BoSpawrs: 


der Verkehrsbediirfnisse herausgebildet hat. Der Schwerpunkt seiner Entwickelung liegt 
in den Konsilien. in den Rechtsgutachten tiber praktische Fille. die entschieden werden 
mubten., Hauptsichlich dureh den inhalt dieser Konsilien entstand der allgemeine Glaube 
an die Autoritdt der italienischen Reehtslehrer. der dann zu der Umsetzung ihrer Lehren 
in ein allgemeines Gewolnheitsrecht tihrte. 

Diese Konsilien sind aueh die Hauptquelle. aus welcher wir den Inhalt des damaligen 
Reehtes ersehen konnen. 

Die Kommentarliteratur tir sich allein wiirde uns tiber letzteren geniigende Auf= 
hlirung niebt geben. weil sie in dogmatischer Darstellung noch wenig bewandert war 
und selbst den sprachlichen Ausdruck und den Satzbau noeh sehr ungelenk handhabte. 
Sie gefallt sich oft in krausen Deduktionen. und entfaltet zudem eime Zitierwut. die manch- 
mal unertriiglich wirkt'. 

Bei den Konsilien ureten diese Méngel viel weniger hervor. Und sie machen dareh 
ihre = - zumeist gut referierten Tatbesinde die Bedeutung der Reehitsiitze in vor- 
trefflicher Art anschaulich. 

Dies soll fiir die Ausgestaltung unscrer weiteren Forschungen der Leitstern sein. 
Man sollte cs ja eigentlich nicht benstigen. besonders hervorzuheben. dats der Gang einer 
Rechtsbildung nur an den MaBnahmen der sie vermittelnden Faktoren sicher beobachtet 
werden kann; aber ich finde nieht. dal bei bisherigen historischen Forsehungen im Zahl- 
krattrecht nach diescr Regel verfahren wire’. Es ist cin sehr groBes Material vorhanden 
iiher die MaBnahmen der die Rechtsbildimg vermittelnden Faktoren aut’ dem Gebiete des 


Zahikraftrechtes ~~ namentlich tiber diejenigen. die seit dem 16. Jahrhundert, dem Zeit- 
alter der groben Preisrevolution. eingesctzt haben. Aber benutzt ist wenig davon: das 
meiste war tihberhaupt nieht bekaunt. — ks ging z. B. ein tiberraschtes Aufhorehen durch 


die Eachkreise. als ich im BSB 1925 [ das deutsche Sehuldentilgungsrecht des £7. Jahr- 
hunderts an seinen Rechtsquellen skizzierte. Und man hat bisher weder den Inhalt der 


italienischen Stadtreehte niher untersueht. noch die — seit dem 16. Jahrhundert lawineu- 
artig anschwellenden —- Konsiliensammlungen: weder die Praxis der abendlindischen Ge- 


richtshéfe, noch die Respousen der Spruchkollegien an den Universitiiten. Dies alles ist 
unbebautes Feld, das. in Kultur genommen. reiche Friiehte tragen miiBte. 

lech werde deshalb auch in meinen ferneren Forschungen tiber das Zahlkraftrecht seit 
dem 16. Jahrhundert stets den Inhalt des von den rechtsbildenden Faktoren Gesehaffenen 
zum Kern meiner Darstellung machen. 

Bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts lag die Vermittling der Rechtsentstehung int 
wesentlichen in den Handen der konsiliierenden Autorititen: von da an treten an deren 
Stelle neue Faktoren. Die Gesetzgebung beginnt sich allgemeiner zu regen. zuerst in den 
italienischen Statutarrechten. Den Mittelpunkt der Rechtsentwicklung bildet aber die Praxis 
der Judikatur. 


» Wer sich in diese Koumentariiteratur vertiefen mu. wird Verstindnis haben fiir den massiven EvlaB 
des Mailinder Senats vom. 4. 1500: 

Senatus Mediolani jabet. professores academiae Ticinensis in lectionibus, antiquis diterpretibus contentos. 
a recentionibus cimmalandis abstinere. Quorum enim Jectione Scholarium imgenia consulto non onerantur. corum 
auditione aures obtundi supervacanecum est. (Aus Ang. Steph. Garonus. ordines ab excellentissinio Senarn Me- 
liolani editi, Mediolani 1639.) 

> Auch das vortretfliche Werk von Witurim Expewixy. dem ich eine Fiille yon Anregungen verdanke. 
leidet doch in seinen Darleguneen iiber Geld und Zahlung ql p. 16rff.) darunter. da es nur der theoretisehen 
Literatur Beachtung scbenkt. Wit diesem Material war cin wirklich vollstindiger und durclisichtiger Aufbau 
dey Zallhvattlelre. die seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters zum Gewolhnheitsrecht: erwuels. nicht 
erreichbar, 


Das Lahlkraftrecht der Postglossutorenzert. 129 


Den Beginn machen die italienisehen und die franzésischen Gerichtshofe: um 1530 
setzt aueh dic deutsche Rechtsprechbung ein. Aus der Menge der abendlandischen tora 
- - yon deren Dezisionensammlungen Lipenius uns cine Ubersicht gibt --- ragen als die 
bei weitem bedeutsamsten heryvor das Reichskanmimergericht und die deutschen Spruch- 
kollegien. das Parlement de Paris und die Rota Romana. Die letzteren beiden haben schon 
gegen Ausgang des 14. Jahrhunderts Entscheidungen zum Zahlkvattrecht erlassen: die 
Praxis des Reichskammergerichts beginnt 1531 und ist bis 1503 verfolgbar: die Recht- 
sprechung der deutschen Spruchhollegien entfaltet sich besonders im 17. und 18. Jahr- 
hundert. Den ersten Rang behaupten die decisiones der Rota Romana. die wohl den 
Héhepunkt des richterlichen Kéunens jener Zeiten darstellen und von etwa 1380 bis 1N50 
cine Fille wertvollen Materials tiberliefern. 

Diesen Quellen gegentiber. welehe uns unmittelbar in die Rechtshildung hineinfiihren, 
mB die wissensehattlche Literatur zurtickstehen. Sie mag in dem festen Bau. der sich 
aus jenen Material errichten lABt. als Ornamentik wirken: aber sie darf nicht der Grund- 
stein sein. aut’ dem das Gebiude sich zu erheben hatte. 


Phil-hist. AbA, (928. Nero 17 


Berlin, gedrnekt in der Reiehsdruekerei. 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 2 
DIE BURGSCHAFT IM ITRISCHEN RECHT 


VON 


RUDOLF THURNEYSEN 


IN BONN 


BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO. 


Vorgelegt in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 8. Marz 128. 


Zum Druck genehmigt am gleichen Tage. ausgegeben am 7. August 1928. 


1. Zu den Ausdriicken und den Texten. 


Was die verschiedenen irischen Wéorter, die man mit ‘“Biirgschaft, Biirge, Garantie 
oder dhnlich zu tibersetzen pilegt, genauer bedeuten, ist bis jetzt nicht klargelegt; das 
Glossar zu den Ancient Laws versagt hier fast véllig. Aber mit Hilfe namentlich von 
zwei erst teilweise herausgegebenen und noch nicht tibersetzten Texten kann man ziem- 
lich geniigende Einsicht gewinnen. Zunichst médchte ich die haufigsten Ausdriicke. die 
ich zum Teil in der Ubersetzung beibehalte, nach ihrer Herkunft kurz besprechen: tiber 
ihre Bedeutung wird Teil 4 handeln. Es sind rath. aitirr. nuidm, mace. nuscaire, 

1. rath. Gen. raiijthy, f. @St., in jiingeren Wuellen rath (die alte Dat.-Akk.-Form), 
Gen. rdtha ist schon von einem alten irischen Etymologen dem Substantiy rath (auch 
rath). Gen. ratha (auch raithe) f. “mit Wall und Graben umschlossener Platz’, ‘Festung’, 
‘Burg’! gleichgesetzt worden. Er erzihlt AL V 348 im Anhang zu der Heptas LXV, die 
von rath-Biirgschatten handelt. als Erklarung des Namens, dai die erste rath-Biirgschatt 
in Irland in einer Burg bestanden habe: ‘Aimirgin Rathach (»der Burgenbesitzer«), der 
sieben Burgen (rdtha) besaB. gab (stellte) eine als raff-Biirgschaft fiir Conall [E]Jachluath 
(»den Pferdsehnellen«): und er (d.h. sie. die rath) verfiel dem Eogan Durthachts Sohn 
[weil Conall sich der Zahlung der Schuld entzog]’, so dal (dann) Conall zuerst die Ent- 
schiidigung einer rath (eines rath-Biirgen) auf dieser Insel gezahlt hat. Namlich das ist 
die Entschidigung. die er (dem Atmirgin) gezahlt hat: zwei Burgen (d¢ rath) fiir (die 
eine) Burg neben der Riickerstattung seiner (Aimirgins) Burg. Infolge davon’ wird (noch 
heute) doppelter Ersatz dessen genommien. was (vom rath-Biirgen) gezahlt worden ist. in 
gleicher Beschaffenheit, wie es auch (beschaffen) sein mag”. 

Nach der Erklirung. die dieses -—~ natiirlich erfundene — Geschichtchen gibt, wiirde 
also rath als ‘Befestigung oder “Umwallung zu fassen sein. was dem Sinne nach sehr 
wohl angeht. Ob auch den Lauten nach. ist fraglich. Denn wahrend rath ‘Biirgschaft’ 
in der iilteren Zeit durchaus als @Stamm flektiert. scheint bei ra@th ‘Burg’ die /-Flexion 
die filtere. da der Akk. Pl. rathi schon in Muirehu Maceu-Machtheni’s Leben des Patricius 
(Arm. 6 b 1) auftritt. Immerhin. bei dem hiufigen Weclsel der weiblichen @ und /-Stimme 
schlieBt das die urspriingliche Identitét wohl nicht ganz aus. Jedenfalls wei ich keine 
bessere Etvmologie. Man kann nattirlich auch an die Moglichkeit denken. da® von alters 
her zwei Stimme “raf@- und “rat- in ahniieher. aber nicht gleicher Bedeutung nebenein- 
ander gelegen haben. 


' Dieses Wort pilegt man mit lat. pred zu verbinden, sv daB dieses zundchot cin cingefriedigtes Stick 
Land bezeichnet hatte. 

2 Eben weil er sich zunachst aus dem Staub gemacht hat. ist der Name mit dem Beiwort ‘der Pferd- 
schnelle gewihlt. In diesen Beispielen werden fast immer sprechende Namen verwendet. 

St. conid ¢ 1. conid de. 

' Aimirgin erhialt also zn seiner Entschidigung (slan) drei Burgen. zwei als Verdoppling des Er- 
satzes. die dritte. wie die Glossatoren erklaren. als seinen Ehrenpreis. Denn diesen muB der Schulduer vleich- 
fally zablen. s. unten S. 466. J 


4 TuurNrysrn: 

2. aitire (auch (tire. ities. aittire, ofttie, jiimger mit ds cidire usw.). £. /d-St.. ist im 
seiner Herkunft deutlich. Schon Text I $ 64 leitet es richtig von der Prip. efr. elir, itir 
‘zwischen’ her’. Es bedeutet daher glei¢hsam das ‘Zwisehen-Sein’. “Awischenstellung . 
nimlich zwischen Gliubiger und Schuldneyr. 

3B. ndidm. Geu. nediitaye. nadma. n. ist das Abstraktum zu nescid, -naise “er bindet. 
verkniipft. heiBt also “Bindung. Die Glossatoren umschreiben es oft mit auc nascaire 
(rr, nascuire. nasyguire). Dabei ist woscaire (m. fo-St.) Ableitung vou nase. bezeichnet also 
einen Mann. der vases hat oder mit ihnen zu tun hat. Vese (Pl. nesce) bedeutet konkret 
‘Verbindungsmittel’. oft z. B. ‘Ring’. jibertragen die Mittel. die cin solecher Garant besitzt 
und anwendet. wn seine Garantie wirksam zu machen: seine Funktion als nai heibt 
dann nascairecht Snascaire-schatt . 

4eoinace. mae (MK. PL mae(yy. also im. o-St.) lautet und tlektiert genau gleich wie 
made, ‘Sohn’, und so wurde wac vuscairé ty den Ancient Laws mit “Sohn vines nsedire 
iibersetzt. Das ist sinnlos*. da es sich nirgends um den Sohn cines Garanten. soudern 
iberall um ihn selber und seine Garantie handelt. Die falsche Uhersetzung wurde ge- 
stiitzt dureh eine verderbte Kommentarstelle AL V 286. 8 v.u.. wo unter andern Per- 
sonen dt mute induscairé (ibersetzt: “the son of a xascudre-binder) aufgefiihrt ist. Es ist 
aber zu lesen: dv mac inl ais gai wie ALL go.12: ‘der Solnm im Alter der gare. der 
Pictiit gegen scine Eltern. speziell ihrer Altersptlege’: der Gegensatz ist i mac ingor ‘er 
pietiitlose Sohn (der seinem Vater cutlaufen ist)’ und (2 mac surleicthe “der (vom Vater) 
freigelassene (freigegebene) Sohn’. Die beiden Worter mace) haben im Britannischen 
auch ganz verschicdene Form. Withrend dem ir. mee(r) Sohn’ (in Ogom-Lnsehriften Gen. 
maygi. mag’) britannisch map. jiinger moh entspricht, hat das Altere Kyimrische dancben 
nuh (ch wus kk) m. ‘Vertragsbiirge. lat. fideiussor’ (dazu mech “Biirgschaft’): es waren 
also zwei verschiedene A-Laute (urir. moagqgo- gegen wutkko-)'. Dai das Wort im Irischen 
nicht mehr persduliche. sondern sachliche Bedeutung hat, zeigt eben die Verbindung mace) 
nuscairé ‘Garantie eines seracaire. Dieses maue(e) ist aber sichtlich im Veralten und findet 
sich fast nur noch in festen Formeln und zwar fiir dic sonst vav/n genannte Bindung. Die 
Herkuntt dieses offenbar altkeltischen Wortes fiir Biirge oder Biirgschaft ist nicht bekannt. 

Die Feninina rath und aftire und das Neutrm vidi werden nicht nur fiir die he- 
treffenden Garantien. sondern auch personlich fiir deren (minnliche) Triger gebraucht, 
ohne ihr grammatisches Geschlecht zu dndern. In meiner Ubersetzung gebrauehe ich. 
je nachdem mir die cine oder die andere Bedeutung niher zu liegen scheint, ‘die und 
‘der rath oder aitire. “das und ‘der naidm.  Dabei verzeihe man mir die barbarischen 
Plurale: die raths und die vafdms, die ich der Deutlichkeit wegen statt der irischen Formen 
ratha und nodmen. nudmann verwende. .Nascaire, das war den personiichen Triiger des 
natin bezeielmet. kommt noch nieht in den alten Rechtstexten. erst in Glosse und Kom- 
mentar vor. Und nur in jiingerer Zeit wird «ifire, wenn ex die Person bezeichnet. bis- 
weilen als Maskulinum behandelt. z.B. Nom. it aifire. Gen. im aitire WW. 3. 17.546 (OD. 
F581) Sete Se 1520 Nps 2 (OD. 7. 45). imanerhin schon in dem Gedieht in Leabhar na 
g-Ceart (ed. O'Doxovay) S. 140 Nom. it aideri, Gen, an arteré (durch das Metrum gesichert). 

Ther andere Ausdriicke wie (rehaire und glime “Sicherung’. gill ‘Geisel. yell “Unter- 
pfand’ s. Teil 4. 


2% 


' Falsehe Etymologie (aith-dirs) bei Ziviigca. KZ 36. 23 
‘ Als irrtiimlich hat es suerst Pruwver. Univ g. 113 bezeielinct. 
% Vel. ZCP 15. 3126. 


1 Falsehlich wollte Proersex. Vel. Gaamm. d. kel. Spr. 1128. die zwei Worter identifizieren, 


Die Biirgschaft tin irischen Recht. 1. Zu den Ausdriicken und den Vevten, 5 


Von den beiden Texten ist 

Text I onur in der Handsehrift des Trinity College (Dublin) Tl. 3.18! (jetzt. 1337) 
S. 19ga—25a erhalten. Er ist nach der Untersclirift auf S.25a> im Jahr 151 von Cairbre 
ua Maol-Conaire in Magh Cuillin (Moveullen in GratSchatt Galway. Connaught) geschric- 
ben. Nur den Anfang, $ 1—442 nach meiner Zihlung. hat Kiso Mryrre ZCP 13. 19- 24 
nach eigener Absehrift gedruckt. aber ohne Uhersetzung. Den Rest hat Dr. R. 1 Brsi 
die groBe Giite gehabt mit gewohnter Genauigkeit fiir mich abzuschreiben®. Teh gebe 
daher unten zim bereits Gedruekten nur die Ubersetzung (und einige Besserungsy orschlige 
aim Text). vom tibrigen aueh den Text selber tnach Brsix Abschrift). 

Der erhaltene Text ist nicht vollstiindig. es fehlt ihm = offenbar der alte Anfane. 
Das zeigt ‘auch. nun’ (7) in $ round der Wortliut von $ 38. Da aueh das Ende un- 
vollstindig ist. daftir ist das ¢f setera (~~ eter) hinter fiv/t am Schhub kein sicheres Zeugnis. 
Doch ttthrt er in der Hs. cinen Titel: Berr- (doi. Borrad) Airechta. Mayer wollte brrr- 
in bretha “Urteilsspriiche verbessern, was sieh auch O'Cigry am Rand seiner Abschrift 
notiert hatte. Aber das ist irrig. Er wird in HL. 3.18. 433a (C. 1029) in einer Erkli- 
rung des Ausdrucks fer-gaia, die sieh im erhaltenen ‘Text nicht findet. also vielleieht aus dem 
verlorenen Anfang stammt. citierts wahal dosrinn aomberriudh airechta: das ist also 
wirklich der alte Titel’. Freilieh, was er bedeutet, ist nicht leieht zu sagen. Berrad 
heiBe “Seheren ound auch “das Haar’ (das. was geschoren wird). airechta ist) Gen. von 
auecht “Gerichtsversammling. Gericht’: also “die Schur des Gerichts.  Doch haben die 
Vertasser irischer Rechtstexte oft sonderbare Titel gewihlt. Wir witrden auch nicht ver- 
stehen. was der Titel des Rechtstextes Crith Gablach “der verzweigte Kant? besagen will. 
der tiber die verschiedenen Stinde und Rangstuten handelt. wenn der Verfasser nicht 
selber die Erklaérung gegeben hitte’. Vielleicht stand eine solehe auch hier im (verlorenen) 
Anfang: es fohnt nicht. sich den Kopf dartiber zu zerbrechen.  Méglicherweise war tibri- 
gens Berrad Nirechta nur der Name einer Sammelhandschritt. nieht cines bestinunten 
Werks. 

Der erhaltene Text ist cine ganz verstindige Sammlung von allen Méglichen. was 
sich auf Vertriige (auch Geschenke) bezieht und was bet solchen in Betracht kommt. Er 
ist besonders wertvoll erstens. weil er oft den Wortlaut von Formelu. Eiden usw. bringt. 
den die tibrigen Rechtstexte alle so schmerzlieh vermissen lassen. Zweitens ist er sehr 


alt. Die oft bewalhrte altertiimliche Schreibweise abgeschen von den cingestreuten 
(ilossen —. Formen wie ov fiir spiteres vat “von dir. der Plur. vadinen fiir nadmaininy). 


to- als vortonige Priposition bei Verben u.a. zeigen. daB er alter ist als dic Wiirzburger 
Glossen: er diirfte ungefiiir in den Anfang des S. Jahrhunderts gehdren. Wohl ist mir 
nicht tiherall gelungen. den genauen Sinn des schwierigen. teilweise verderbten Textes 
zu erfassen, aber das meiste wird doch klar. Dic Einteilung in Paragraphen (in beiden 
Texten) stammt von imir. 

Der kurze Text If ist zweimal in dersclben Sammelhandsehritt 1. 3. 18 (1337) tiher- 
liefert. auf S. roa und 8. 372h 0 373a. Die erste Stelle ist —- ohne Ubersetzung 





' Teh behalte bei Zitaten aus den Absehvitten von O'Doxevvx (YD. und () Crrry i.) die alien Be- 
zeivhnungen der Tss. bei. 

* Gedruekt im Catalogue of the Tr Mss. in the Library of Trimty College. Dublin. von Abbott und 
Gwynn, S. 358. 

In O'Crrry’s Kopien fiilit der Text S. 53—68. 

' Derselbe Text ist vielleicht gemeint mit dem Zitat: wf deunt isin hereuid: Al. 1 216.28 — Ub. 3. 17.82 
(OD. a8 fsa m-berrusddh Ve. 88. 58 5.6 (OC. 268720 Us handelt von dem vaseare. der das Emireiben der 
Schuld verabsiitumt, felt aber eleiechfalls in unserem Text. 
sos. ZCP 16. 201. 


o 
> 
, 


ou] 


6 THURNEYSEN: 


abgedruckt von K. Mevrr. ZCP 13. 24f2: von der zweiten verdanke ich wiederum Dr. Best 
eine genauc Abschrift'. Ich nenne jene A, diese Bound suche aut’ Grund beider den 
Text herzustellen. 

Dieser Text handelt nur von witi7r, gibt aber soleh eine fast dramatische Darstellung. 
dais man ein gutes Bild gewinnt. Zur Ergiinzung der Angaben dieser beiden Texte 
ziche ich natiirlich alles bei. was ich mir aus anderen -  gedruckten und ungedruckten — 
Rechtstexten tiber Biirgschaft und Garantie notiert habe. 


Von Abktirzungen brauche ich dieselben wie in Core Conara Fugill (in diesen Al- 
handlungen 1925 Nr. 7). Beim Abdruck der Texte scize ich zu ergiinzende Buehstaben 
oder Worter in eckige Klammern. zu streichende in runde: in ebensolehe die Inter- 
linearglosseu. 


2. Text I: Berrad Aireehta. 


Die Sehur des Gerichts. 
1. Es gibt auch voll-giiltige (Gaben)’ im Stamme® bei den Feni. Wieso’ sind sie es? 
— Antwort: ‘Voll-giiltig’ heibt. wobei kein vaidm noch rah nitig ist. um sie voll-giiltig 
zi machen, wenn nur der Empfiinger' dabei mit den Ohjekten (der Gaben) cinverstanden 
ist und sie vor Zeugen gegeben worden sind. 

Welches sind sie? — Das Nihren des Herrn (die Naturalleistungen an den Herrn), 
der Vor-Ankaut der Untertanenschatt (des Unfreigenossentums)’. das Drittel der Rechts- 
kundigen (Anwiilte), Almosen, Opfer, der Lied-Lohn des Fili, der Verdienst (die Gebiihr) 
yon Taufe oder Reliquiar (seiuistir), gebiihrende mac-slubra (Schenkung an Kinder), dic 
seoit yertu (Gabe des Ziehvaters an den Ziehsohn beim Abschlu® der Erziehung, wodurch 
der Ziehsohn zur Alterspflege seines Ziehvaters verptlichtet wird). usw. 

1 puidles, Steigerung von diles ‘eigen. verfallen’: worauf von anderer Seite kein Anspruch gemacht werden 
kann. — * tuaithe “des Stammes bedeutet wohl, daB das fiir alle Stammesangehérigen gilt. Oder vielleicht “der 
Laienschaft, so daB ruédivsa der Kirche, der Geistlichen im urspriinglichen Text \orausgegangen wiiren. — 
* Cialluid ist gewiB verderbt. Wohl e/a tech? wie in § 2. — | Statt (toge) aruiltin (folad oder folaidy michte 
ich «ériten lesen: zum Ausdruck vgl. toga firu frithfolad $16, toga folaith § 78.81. — * s. ZCP 14. 330. 

2. Das “Nihren des Herrn erstens. das ist voll-giiltig het den Feni. Wieso das? 
— (8.20) Antwort: Obschon einem Herrn gestohlene Speise als das ihm Geschuldete 
gegeben worden ist. ist sie ihm und jedem, der sie mit ilm iBt. eigen’, wenn er nur 
nicht weibB, da sie gestohlen ist. Wenn er es weil, ist sie ihm nicht eigen. Auch auf 
was von Speise der Ilerrscher* im Stamm Anspruch hat, ist ihm voll-eigen, mag er es 
zi dieser Zeit” selber verwenden*. und jedem, der es mit ihm ibt. 


'D.h. der bestollene Eigentiimer kann keine Anspriiche gegen ihn geltend machen. — ? in flaith mub 
hier den Konig bedeuten. — * in tan sin “aur Zeit. da es ihm geliefert wird’? Kaum kann es ‘in diesem Fall 
bedeuten. niimlich: ‘wo es olne sein Wissen Gestohlenes ist. --- | St. dna rotbre ist Gada rorbre au lesen von 


im beiy mit dem tbedeutungslosen) ro nach cia. Vel. didi + rosbre Al. V 442. 0 ve UL 


3. Der Preis der Untertanenschatt (des Unfreigenossentums) ferner, der ist bei den 
Feni voll-verfallen, weil er (der Genosse) dafiir dient', wenn nur auf Grund davon ‘ge- 
nihrt worden ist mit ‘lebenden (brennenden) Kerzen’’. Es gibt auch Herren*. deren 
Vor-Ankauf (an den Genossen) verfallen ist. obschon nicht datiir ‘genihrt’ worden ist: 
das ist ein Herr. der seinen (enossen erschligt (verwundet). Es gibt auch einen Ge- 


1 In O'Cerry’s Kopien S. arf. und S. 803 f. 


Die Briryschaft im irischen Recht. 2. Text 1 ¥ 1-10. 7 


nossen, dem sein Vor-Ankauf nicht eigen ist. wenn sein Herr auf Grund davon auch 
zwolfmal Gnit zwolf Jahresleistungen) “‘genalirt’ worden ist: das ist ein Genosse. der seinen 
llerrn erschlagt very untel; 

YL hua nyiallaxy aire. — * beocaindle \ebende Kerzen, werden AL ITV 52 hlare Zeugnisse genannt: der 
Genosse muB Zeugen fiir seine Leistungen haben (vgl. $1). Zwar ist AL IV 380. 3 if beveaiiuial auch ein 
Mann genannt, dessen Vater und Groby ater schon ‘Herren’ waren. Aber darum Kann es sich hier nicht handeln: 
sonst miiBte beacaindle Subjekt, nicht mit der Priip. fre verbunden sein. — + -ttaw) (O'Curry, Atdé uf Merve) 
Jl- wohl fiir stéact flaithi verschrieben. 

4. Das Drittel des Rechtskundigen, auch dieses ist bei den Feni dem Rechtskundigen 
voll-verfallen: d.h. ein Drittel dessen, was er fiir ihn’ (den Gliubiger) eintreibt: seine 
Anwaltstitigkeit ist sein (Vertrags-)Objekt- 

'L. airi, nicht airib mit Mever. — * D.h. er liefert gleiclisam die Anwaltstiti¢keit wad erhiilt dafiir das 
Drittel als Vergiitung. 

. Auch ein Almosen ist voll-verfallen. wenn nur anderseits' der. dem ¢ es gegeben 
ea ein Katholik (rechtgliubiger Christ) ist. 

' So etwas scheint ar cind hier zu bedeuten. 


6. Auch ein Opfer ist voll-giiltig, das. was Gott und der Kirche gegeben wird. wenn 
man nur in dieser nach Gott lebt. Ungiiltig ist aber. was ihr gegeben wurde, sobald 
die Kirehe nach dem Teufel oder der Welt lebt. 


7. Der Lied-Lohn des Fili ist voll-verfallen, d. h. das, was als Lohn eines Gediclhits 
gegeben wird. wenn das Gedicht nur richtig und ordnungsgemis ist. 

8. Der Verdienst von Taute und Kommunion ist voll-verfallen, niimlich dem Priester. 
wenn er ihn nur nicht seiner “Alten’’ gibt oder seinem Sohn. der ihm geboren wird. 
nachdem er Priester geworden ist. 

' Dev caillech. die ihin den Haushalt fithrt. So hat auch der Dichter Senchan Torpéist cine caillech (Aneed. | 
7,25). Auf diese Weise ist eaéllrch, eigentlich “Nonne’ (Schleiertrigerin). zur Bedeutung ‘alte Frau) gekomimen. 


9. Auch eine gebiihrende mucglubra (Schenkung an Kind) ist voll-giiltig bei den Feni. 


Wieviel macslubra gibt es bei den Feni? — Drei, nimlich die macslabru tir Altersptlege 
und die macslabra der Triinen und die mweslubru der Liebe. Was macht die maeslibru 
giiltig? - Erstens, Verdienst (d. h. daB sie etwas cinbringt) macht die awacslabra tir 


Alterspilege giiltig'; denn sie ist dauernd voll-giiltig . . .° 


' Zu interpungieren (mit O'Curry): Cid dilsig{«|thay macslabra’  Arrilliad cetainus dilsigle|thar macslabra 
vyare. — * Hier ist etwas ausgefallen: das Polgende bezielt sich auf den Ziehsolu und hat offenbar an sft 
yerta (in $ 1) angekantipft. Uber die macilabra handelt vingehender AL TT 308f. Durch Annahme der maeslabra 
gaire verptlichtet sich ein Sohn zur Altersptlege svines Vaters (seiner Eltern): daher oben aérilliud “Verdienst . 
in AL macslabra dar folaid ‘eine Kinderschenkung fiir ein (Gegen-)Objekt. Die ‘wacclabra der Tranen_ ist 
ein Geschenk. das die Triinen eines Kindes stillen soll: es kann nach AL wieder zuriickgenommen werden. 
ist also nicht “dauernd voll-giiltig. sondern rad/s nur in dem Sinn. daB es ohne Biirgschaften gegeben werden 
hann. Die macslabra sciresen ‘Schenkung aus Liebe’ bedarf keiner EF rklirung. Die cigentiimliche Genitis form 
seiresen (fehlt im Glossar AL) findet sich meines Wissens nur an diesen Stellen und stand offenbar in einem 
alten Text. der diesen Stoff behandelte. 


10. .... wie das Jrenrecht singt: ‘Kin jaihriges Kalb jedes folgende Jahr bis zum 
ErziehungsabschluB’. d.h. bis zum Ende von vierzehn Jahren. Dann wird (dem Vater) 
sein Sohn zuriickgegeben und zugleich mit dem Sohn sein Arbeitspferd'. Es ist fiir ihn 
(den Ziehvater) ein rath (zinspflichtiges Darlehen). wenn es. das Arbeitspferd, nicht zu- 
riickgegeben wird®. Darum heiSt (das Erziehungsgeld) éar-rath (“Nach-Darlehen’)*. 


“1. capall mit O'Crrry. Dieses Arbeitspferd hat ottenbar der Vater dem Ziehvater yestellt, vel. «aprudi 
Joghuuma Al. 1176. 13. In den fritheren Exzerpten aus Cain Jarraith, die AL I 146ff. “gedruckt “sind, ist 
nur bei den oberen Stinden von einem Pferd und zwar von einem Reitpferd die Rede, das der Vater 7 Jahre 
lang stellt. damit der Sohn reiten lernt. Aueh ist dort das SchluBjabr der Erziehung das 7.. nielit das 14. wie 


8 TuHURNTEYSEN: 


hier. — 7 Zu interpungieren: Is rath fair, muna taithevirth, — * Line — natiirlich falseche — etymologisie- 
rende Erklarung des Ausdrucks farrath fiir Evziehungsgeld. 

11. Es gibt ferner zwei Rechtsfehler der Erziehung’: Fiir den Vater (des Ziehsohns) 
ist es ein Rechtsfehler. wenn er seine Hand nach seinem Sohn ausstreckt (ihn zuriick- 
nimmt), nachdem er ihn in Erziehung gegeben hat, bis (bevor) er vollig erzogen ist’, 
falls nicht eine (rechtsgitiltige) Entschuldigung ihn dazu fiihrt’ — wenn das der Fall ist. 
wenn er schlecht (ungentigend) erzogen wird, wird (der Erziehungs- Vertrag) angefochten — : 
denn wenn er ihn ohne Entschuldigung wegnimmt, wird er ihn nicht in diese Erziehung 
zuriickgeben kénnen, wird er (auch) nichts vom Erziehungsgeld (zuriick-)erhalten. 

1 Dieselben 2 baryul AL W176 unten. — 7 1. eoro-altar oder corop alt, --- 4 1. adidh+n-aig oder n-uga, 


12. (S. 21.) Zweitens ist es ein Reehtstehler fiir den Ziehvater, (den Ziehsolin) vor 
der Zeit zuriickzugeben, wenn er das ganze Erziehungsgeld erhalten hat. Er gibt ihn 
zurick mit dem vollen Erzichungsgeld, wie es angelegt (eingezahlt) worden ist. Wie das 
Irenrecht singt: “Er gebe den Knaben mit den Schiitzen (Werten) zuriick, wenn .. 21. 
Es gibt drei Mabe bei diesem (dem Erziehungsgeld?), namlich Art und Selwere (dle) 
und Gewandung. 

! Das Folgende. das teilweise sicher verderbt ist, vermag ich nicht befricdigend zu ithersetzen. weil auch 
nicht genau. wo das Zitat aus dem fvarchas authort. 

18. Auch der Verdienst der Axt ist voll-giiltig bei den Feni, wenn er nur fiir 
Schweil (tiichtige Arbeit) gegeben wird’. Ebenso ist der Verdienst des Schiniedewerkzeugs* 
voll-giiltig bei den Feni. Ebenso der Verdienst des Netzwurfs. 

Lt acht ro. b@ tar aldus. — * Zu tarngair (Gen.) vel. tarngier Vain Bo C. (ed. Siracuay-Keerir) 480. 


14. Voll-giiltig ist bei den Feni auch, was der Schiller dem Lehrer gibt, um bei 
ihm zu lernen. wenn seine Lehre nur fehlerfrei ist. 


15. Und’ giiltig ist. was dem <Arzt fiir sein Heilen gegeben wurde. 

1 Fir Oars Locus ts. 

16. Auch was fiir die Verletzung eines cvirde (eines Vertrags mit einem auswirtigen 
Stanim) tiber die Grenze gegeben wurde. ist voll-verfallen bei den Feni. sobald es ttber 
die Grenze gekommen ist. selbst wenn das, was erhalten wird, gestohlen ist. Denn das 
Vergehen libt es voll verfallen. Es wird nicht herausgezahlt. wenn nur die andere 
Seite damit als dem richtigen Entgelt des (verletzten) cuirdv einverstanden ist. 


17. Auch Vertrige der Trunkenheit sind giiltig, aber nur drei von ihnen, namlich 
das Versprechen des Vor-Ankaufs ftir Unfreigenossentum und der gemeinsame Trunk (beim 
AbsehlubB) der Gemeinschaft zum Piliigen’ und alle Nachbarschaftsverptlichtungen. 

' Wel ZCP 16. 202. 2148. 

18. Erstens. das Versprechen des Vor-Ankaufs, das ist ordnungsmibig (reehtliel), 
selbst wenn das Untfrcigenossentum in der Trunkenheit angenommen wird. Doch nur 
wenn man dafiir (dann) Gehorsam leistet, so ist es ordnungsgemaB. 


19. Und auch der Vertrag zum gemeinsamen Pfltigen ist selbst bei Trunkenheit 
voll-giltig bei den Fent: denn eben er bewirkt die Trunkenheit. und beide Seiten haben 
Anspruch aut’ das (Vertrags-)Objekt. 


20. Auch Nachbarschafts-Verptlichtung ist selbst bei Trunkenheit orduungsmapig 
(rechtlich); denn jeder hat vom andern Auspruch darauf’. 


1 Es handelt sich um das ¢eirgedle senanute Unterpfand von 2 Seripuli. das jeder Bauer seinen vier 
Nachbarn dafiir gibt. dali cr fiir Sehaden, diez. Bo sein Viel durch Uinbrechen ins Nachbarland anriehtet. 
aufhommen wird. vel H. 3. 18. 443a (C. ro80). N. 35. 5. 33b (C. 1750). 


Die Biirgschaft im irischen Recht. 2. Text 1 § 11-25, ) 


21. Warum heiBt es: “Binde nicht, was du nicht eintreiben kannst’? — Weil es naidas 
gibt, die etwas binden (garantieren)', das sie nicht eintreiben kimnen, weil ihre nuddus 
(d. li. sie als naidms) nicht bis zu Bindemitteln reichen (d. h. ihre Garantie nicht ver- 
wirklichen kinnen); das ist: der Sohn eines Iebenden Vaters gegentiber seinem Vater. ein 
‘Genosse’ gegeniiber seinem Herrn, ein munuch (klésterlicher Untertan) gegentiber seinem 
Klostervorsteher, ein udach’ gegeniiber dem anderen. Denn sie treiben nichts von ihnen 
ein, indem sie ihnen gegeniibertreten, sondern ihre Qualititen stellen sich ihnen in den Weg’. 

LL. nasete.— ? Bei hulach.ulach (AL) konnte man an ein Lehnwort aus an. dtlag? ags. tdlaga*Geachteter’ denken: 
aber es kommt schon in dem ungefabr gleichlautenden alten Text AL IV 54.3 vor. Auch dort wird unter den 
naidms. die nicht betreiben kénnen, genannt: wlach for avail. mad a n-acnar ‘cin ulach gegentiber dem andern, wenn 
sie allein sind’. Die Glosse erklirt: ‘denn er wird es leugnen: ein wach, der ohne Zeugen ist — selbst wenn 
sie sich anf einer Ebene (auf off¢nem Feld. machairr) befinden. wird es also sein’. Demnach scheint wlech 
einer zu sein. der sich gewoélnlich nicht auf offenem Felde zeigt, also wohl in Wald und Gebirge lebt. 
vielleicht ein vom Stamm Auseeschlossener. Dab in dem verkiinstelten Gedicht Kriu I 72 Str. 2 Cailte seine 
zwei Beine mo dé ulaig uennt, fihrt nicht weiter: ctwa gleich “Wanderer? — 7 Ll. acht at [é] a folaith 
gaibte friu. 

22. Weshalb hei®t es: ‘Kaute nicht von einem, verkaufe nicht an einen Vertrags- 
unfihigen (?)'? —- Das ist ein naidm gegeniiber Untreien, weil ihre Uaupter sie (d. h. 
ihre Vertrige) anfechten, so dafi man sie nicht betreiben kann: wie auch ein nail gegen- 
tiber einer Erstfrau (rechtmaBigen Gattin), einem Narren, einem Unverniinftigen (Unmiindigen), 
einem Wahnsinnigen, einem Auslinder -— denn dieser treibt (seine Habe) fort. wenn er 
betrieben wird? —. einem (restrandeten. Ebenso gegenitiher jedem ‘Ungebundenen™®. 
Denn alle (diese) naidms haben einen Mund (eine Offnung) [S. 22] nach hinten’. Denn’ 
sie binden nichts auf jemand, wie niemand etwas auf sie bindet: denn ihre Vertrige 
werden von ihren Hauptern (Vormiindern) angefochten (fiir ungiiltig erklart). 

' a doraith kénnte allenfalls auch heiBen ‘auf Grund von doraith. Das davon abgeleitete durthas he- 
zeichnet nach AL V 370.3 die Eigenschaft eines Menschen, dem man mit veidws nicht beikommt. Da der 
Gegensatz sorthas § 76d (Gen. sorrthusa H. 3.18. 261b: C. 520) eine gute. richtige Birgsehaft (rath) bezeichnet. 
muB auch dorath oder doraith urspriinglich etwa ‘schlechte Biirgsehaft’, ‘schlechte Haftung bedeutet haben: 
es hat aber wohl eine weitere Bedeutung. etwa “Geschiftsunfihiger. Vertragsunfihiger” angenommen. — 
2 |. dia-sasar. — ? diaraig ist wohl ciner, der sich keine “Bindung’ (a@rarh) gefallen lift. — + D.h. sie 
kénnen nicht festhalten. — * Fiir nach |. noch oder vielleicht srch. 

23. Es gibt ferner vais, welche ‘Handlungen letreiben’ (d. h. wohl: ‘als naidms 
handeln oder betreiben’), ohne dali sie (dazu) bestellt worden sind, wie (z. B.) der nacln 
fiir das Vieh einer Frau (d.h. auf das sie Anspruch hat). Das treibt die blutsverwandte 
und die nicht-blutsverwandte Sippe’ ein usw. 

1 Vel. Heptas LAXVI (AL V 366). wo five und anfine fiir fine derb und inderh steht: jenes sind Vater. 
Sohn, Bruder. dieses ihr Mann. ihr Klostervorsteher usw., s. u. 8. 58. 

24. Ebenso (ist) ein (soleher von selbst gegebener) naidm ein Mann der Sippe gegen- 
tiber dem andern, ein Vater gegeniiber seinem Sohn, ein Lehrer (Ziehvater) gegentiber 
seinem Schiiler (Ziehsohn), ein Abt gegeniiber seinen manachs, ein Herr gegentiber seinem 
‘Genossen’. jedes Haupt gegeniiher seinen ordnungsmiBigen Gliedern, insofern sie ihm 
nicht bestritten werden, von denen er Anspruch auf sein Bestimmungsrecht hat. Dariiber 
(tiber solche Fille) heiBt es: “Es wird betrieben. ohne daB (ein “aidm) bestellt wird’’, 

1]. nad- aic[djither: vel. § 33. 

25. Es gibt weiter “Schnell-nxaidms’. Das sind naidms, die fiir gegenseitige Schulden 
und fiir Handelsgesc’ afte eintreten, die nicht angefochten werden, bevor man die Wert- 
gegenstiinde tausch’?. Diese werden (als giiltig) festgehalten bei solchen naidms', und 
(== aber) sie tibervorteilen nicht (garantieren keine betriigerische Ubervorteilung). Dariiber 
heiBt es: “Naidus halten test. und (== aber) sie tibervorteilen nicht’. 

UV. frisna [naldmann £0. 


Phil.-hist. Abh. 1925. Nr. 2. 7 


10 TMURNEYSEN: 


26. Es gibt ‘einseitige naidms’, d.h. viele Freundes-nuidms (Freunde, die ein suid 
So fo] ’ : 
tibernehmen wollen) bei dem einen Kontrahenten und ein einziger Mann als vaidm von 
seiten des andern. Deshalb wird zwischen ihnen (den Freunden) darum gelost, welchem 
von ihnen das (eventuelle) Betreiben wirklich zufallen soll’. und dementsprechend wird 
betrieben. 

1 Fir dnavsaidhidh 1. bas] saighidh? 

27. Es gibt noch andere ‘einseitige naidms’. Das sind naidms. die von der einen 

8 c . 

Seite bestellt werden. aber nicht von der andern; solche sind ‘einseitige naidms’. Diese 
naidms hetreiben nicht (kénnen nicht betreiben); denn raids! betreiben wm keine (Vertrags-) 
Objekte gegeniiber einem Kontrahenten, wenn sie nicht mit ihm (d. h. mit seiner ur- 
spriinglichen Zustimmung) betreiben. ausser wenn (= sondern nur wenn) die Objekte 
‘gegengebunden’” worden sind. So sagt man: ‘Bestelle Garantien; betreibe nicht* (direkt) 
wn Ohjekte: nimm keine Betreibung auf dich (?)*, obschon du sie nicht ausfithren (wortlich: 
betreiben)’ kannst. -Vaidms, die bestellt werden, aber nicht betreiben (kénnen), betretfen 
auch Vertriige des Waldes", Vertriige der Trunkenheit. 

* Statt des Singulars x/+ saigh naidm erwartet man nach dem folgenden mana -sasat den Plural xi + srgat 
nadmanun: ich habe so iibersetzt. Doch kénnte man auch mana-sasat in mani. sa indern. — ? Ich verstehe: 
‘auBer wenn die Vertragsobjekte auch von der Gegenseite auf den waidin »gebunden« worden sind. Friy + roirsctar 
kénnte zu einem Kompositum “friy-rig gehéren; cher ist fris-rairscfar zu bessern von fris- + ad-rig, vgl. 
das thnliche ris + nase (AL). Dieses bezieht sich meistens auf die Gegenverpflicltungen, die der Lehnsherr 
gegeniiber seinem Zinsbauer. seinem “Genossen’ iibernimmt. Ist das auch hier der Fall. so wire zu tiber- 
setzen: ‘auBer wenn es sich um Objekte des Lehensverhiltnisses handelt: dann wiirde es bedeuten, daB in 
diesem Fall auch ein einseitiger naidm gegen den Zinsbauern vorgehen kann, Vgl. oben § 24. — 3 L na-saig 
oder nvi-asdis, — + Den Sinn von xni+aururgi errate ich nur aus dem Zusammenliang: ist es die II. Se. Subj. 
(schwacher Flexion) von einem von ar und fuirec abgeleiteten Verb? —~ *1. enweder era[i]+ ros. Jos oder eher 
caro» sfa}is. Di. — © Das sind wobl auBerhalb der bewohnten Gebiete, in der Waldeinsamkeit, also ohne 
Zeugen eingegangene Vertrage. 

28. Weiter fragt sich: Welches von ilnen ist entscheidend (wértlich: wiirdiger), 
das nvidm oder das ‘Soll’ (der genaue Gegenwert)? — Bald ist das ‘Soll’ entscheidend 
gegentiber dem naidm, bald ist das nuidm entscheidend. bald sind beide gemeinsam ent- 
scheidend. 

29. Erstens. das ‘Soll’ ist entscheidend, wenn es “Kauf' der Helligkeit gegen Dunkel- 
heit’ ist, d. h. das Kaufgeschift eines Gescheiten (voll Geschittsfihigen) mit einem 
‘Torichten’ oder eines “Térichten’ mit dem andern. Denn obschon der Kluge den 
Toérichten oder der Térichte den andern tihervorteilt hat. wendet sich dieses (Geschaft) 
auf das ‘Soll?. und nxaidms haiten solehe Ubervorteilung nicht fest. 

1D. bh. moB der Ubervorteiler doch den vollen Gegenwert zahlen. 

30. Wenn es jedoch ein Kauf zwischen zwei Vollstindigen (mit gleichwertigen Ob- 
jekten) ist, dann ist das maid gleich entscheidend’ wie das ‘Sol’. Denn dann gilt (der 
Rechtstext): “Wie soll betrieben, wie geschiidigt (angefochten?) werden [usw.]°’? 

LL comsruith. — * Etwas voller zitiert ALTV 376 unten: co sasar (co + segar), co - fuastar naidin, fonai[d}n, 
fornaidm. 

31. Wenn jedoch der voll Verniinftige seine Uhervorteilung (bei Abschlu8 des Han- 
dels) kennt, dann ist das naidin eutscheidend; denn dieses sperrt das ‘Soll’ ein (macht 
es belanglos). Dariiber heibt es: “Garantie durchbohrt das »Soll«’?. 

1 |. mae (.t.naidm) dliged. 

32. Gleich entscheidend ist das naidm wie das ‘Soll’, wenn das Handelseeschift 
nach der Bestimmung eines naidm und eines Richters geht: denn es wendet sich dann 
auf das ‘Soll’. Dagegen ist das noun gewichtiger (wortlich: stirker), wenn es nach der 
Bestimmung yon niuidm und Zeugen (also ohne Richterspruch) geht. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. 2. Teat TS 26-—37, ie 


33. (S. 23.) Es gibt einen Fall. wo das ‘Soll’ entscheidend ist gegentiber dem 
nailm: wenn das ‘Soll’ tiber die Ehre des vidi weg (trotz des nvidm) aufgelést wird’ 
und das ‘Soll’ ohne xaidim festgehalten wird. Dartiber heiBt es: “Es wird (ein meen) 
bestellt, ohne daf (dementsprechend) betrieben wird: es wird betricben, ohne dab ein 
naidm bestellt wird’. 

1 Cher far carch steht die Glosse . i. diuhairt Ubervorteilang. Es handelt sich um den Fall. da® ciner 
jibervorteilt worden ist. indem der erworbene Gezenstand ihin unbekannte. verborgene Fehler hatte | Trotz- 
dem daB ein xaidin fiir den Vertrag besteht. wird das “Soll aufgelist. d. bh. entweder wird der ganze Vertrag 
ungiiltig oder wenigstens die Schuldsumme verringert sich. Andere filnliche Falle s. § 35.78. — 7 Lb wagali|r 
nad]. aicld}tha. s. $ 24: ALIV 376. 2..u. 

34. Welche Vertriige machen das ‘Soll’ ohne nud giiltig? —- Das sind die, die 
wir genaunt haben, niimlich eine Gewihrung fir Uber-Leistung', und der Lohn fiir ein 
Gecdicht usw. 


1 Zu rath tar airdigh s. ZUP 14, 362f.: 16. 210. Das ist aber oben $1 nicht genannt. vielleieht nur, 
weil jener Absehnitt gekiirzt ist. wie das vt religa7 am Seblusse zeigt: doch vgl. unten § 38. 


35. Welches sind die, die tiber die Ehre eines nid weg (= trotz eines nid) 
aufgelést werden’? — Das ist ein Lehen. fiir das (der Herr) nicht ‘genihre’, und Er- 
ziehungsgeld, ftir das nicht erzugen worden ist. 

L |, tathbonglatlar. 

36. Ebenso ein Vertrag mit dem Sohn eines lebenden Vaters. ohne da sein Vater 
dabei ist. Doech gibt es drei Séhne (drei Arten von Sdhnen) eines lebenden Vaters bei den 
Feni. clas ist: ein kalter Sohn und ein Gottes-Sohn und ein (auswirts) aufgezogener Sohn. 

Ein kalter Sohn, der ist ‘kalt"! in der Art. dais er seinem Vater entliuft. so da 
untersagt wird, ihm Lager oder Wohnung zu gewiihren. Dariiber sagt man: ‘Nei nicht 
ein Anerkenner yon irgendwelchen »Untersagten«’*. Die Untersagung zieht Ungiltigkeit 
auf sich®: ein Vertrag mit diesem Sohn ist daher kein (giiltiger) Vertrag. 

Der zweite Sohn, der Gottes-Sohn. das ist ein Sohn, der in der Verkiindigung (unter 
dem Befehl) seines Vaters ist unter gebtihrendem Zwange. so dai er nieht Herr ist (ver- 
fiigen kann) tiber Fu und Hand*. Auch dessen Vertrag ist kein (giiltiger) Vertrag. 

Der (auswiirts) aufgezogene Sohn. das ist der freigelassene Sohn (draugen) im Stamme. 
weil sein Vater ihn bei dem liBt. den er wihlt. sei es fir Kunst(-Ausitbung) oer Land- 
wirtschaft. Dieser nun ist bereehtigt zu Vertrigen. auBer Vertrigen, die sein Erbland 
besudeln (belasten). das ist mandch-tum und Untreigenossentum., 


1 Kalt hei8t dieser Sohn im Gegensatz za dem sonst mac yor (hier mac De} genannten. eigentlich dem 


“Wwirmenden’ Sohn. s. ZCP 15. 312. A.2. — ¢ nach n-ap[th}ieh scheint Gen, Plor.: opad und apad geben hier. 
wie in andern Rechtstexten. dureheinander. — ' lL Lo-s/7 -—— 4 Man erwartet cory na lain: doch heibt es 


auch AL V 78. 24: wad+comathar (Le + cand: thary cos va tam. Sollte das Verb iit dem Gen. (Plar.) honstruicrt 
werden kdnnen? 

37. Irgendein Vertrag terner, der mit Leuten unter Befehl in Abwesenheit dessen. 
der sie bewahrt (bevormundet). geschlossen wird. wird kein (giiltiger) Vertrag sein, ob- 
schon naidms und raths dafiix cingetreten sind: denn ihre Vertrige werden von ihren 
Hauptern angetochten. so dais man sic nicht betreiben kann: wie (z. B.) der Vertrag 
mit einer Frau, mit einem Kind. mit einem Knecht. mit cinem Unfreien, mit einem 
manach, mit einem Auslinder, mit einem bothach’. (Ebenso) ein Vertrag der Fureht und der 
Unkunde und des Zwangs. Ein Vertrag. den daher diese vaidms schlieben-. den kénnen 
sie selber nieht betreiben. Denn wie sie nicht (datiir) betrieben werden kénnen. so 
kénnen sie auch nicht mit jemand (mit einem der Kontrahenten) betreiben. 

1 (ber den hall) untreien bothach “Hirttler’ s. Coie Conara Fugill. 8.77. -—— 7 Bs fallt auf. da® hier die 
naidms als VertrauseliligBende bezeichnet werden mit ciuem Ausdruch. der sonst nur auf die Kontraheuten 
angewandt wird: es seheint hier naidm “Bindung den VertragsehlieBendcn selber mit zu bezeichnen, 


»< 


12 THURNEYSEN: 


38. Es gibt ferner volles Verfallen-Sein (volle BuBfreiheit)’ der Menschen-Verwundung 
(oder: -Tétung) im Stamme. wie wir es gesagt haben. nimlich: “Schaffe deinen Kopf 
auf dich(?)’*. Verfallen (eigen) ist auch ei Pfand, das (dem Sehuldner) fortgetriehen 
wird. wenn die Frist’ seines Verfallens abgelaufen ist. obschon sein Verfallen nicht auf Ver- 
trige gebunden (vertraglich ausgemacht) worden ist. Vertallen (eigen) ist auch jedes 
rtuim*, sobald es nach Zeit und Ansage gemiil jeder Gebtthr verfallen ist. Verfallen 
(eigen) ist anch das (auf dem eigenen Taya) ergriffene (fremde) Vieh, wenn nur [S. 24] 
alles Gebithrende erinnert (beobachtet) worden. ist. 


"Tin Inischen Plural. Rudibd goav duine heiBen RC 14. 242, 24 Orte. wo man trote des Kénigsfriedens 


Menschen ersehlagen dart. Uber 7 bnBfreie Verwundungen s. AL Virq2. -~ 2 Fragmentarisches. daher nicht 
sicher tbersetzbares Zitat aus cinem Text. auf den verwiesen wird. ohschon er im erhaltenen Traktat nicht 
vorausveht: vel. $34. Vermotlich auf Notwehlr beziiglich. — ? L Arre[t] Dithaim. wortlieh ‘Abfallen’. heibt 


in dem groBben Text fiber Pfindung ALI die Frist. wihrend der das Pfand sich zwar im Pfandstall des 
Gliiubigers befindet. aber noch Eigentum des Schuldners bleibt: erst darauf beginnt das allmabliche Verfallen 
des Pfandes. was dort lobad heiBt. Aber hier steht d@thaim in der vewiB urspriinglichen Bedeutung ‘Verfallen . 
‘ins Eigentum des Gliubigers iibergehen. — + In deinselben Text ALI roy. 2 v.u. heiBt es. von Untreien usw. 
werde (bei der Pfiindung) nicht ihr éa@/n genommen, sondern sie selber witrden gepackt und vefesselt. Auch 
oben ist von apad “Ansage’ die Rede. dem gewolniichen Wort fiir Ansaye, Andvohung der Pfindaung. Der 
Unterschied zwischen 7taim und athgabal (Piindung. konkret: Pfand) wird aus jener Stelle nicht klar. Die 
Glosse (106) gibt es mit edadd athgabala ‘die Bestimmung (wohl der genaue Betrag) des Pfandes’ wieder 
(ahnlich O'Dav. 783): doch hilft das nicht weiter. Gabdail etna (auch Zitim gabala FM a. 1574) scheint Uher- 
fall. Uberraschung. wuvorhergesehene Besitzergreifung’ zu bedeuten: s. K. Mryer. Zur kelt. Wortkaunde § 134. 
Aber ctwa ‘plotzliche Pfindung wiirde die be ausschlieBen.  Simacht-étaim wird in Al. melirtael: ftir das 
einfache smacht ‘feststehende BuBe’ gebraucht (s. Glossar 318) Handelt es sich aueb hier um eine nicht zur 
richtigen Zeit Vezablte BuB-Summe, fiir die gepfiindet wird? Das wiirde zur eigentlichen Bedeutung ‘Hinein- 
fallen’ ziendich stimmen. 


39. Obschon kein noid oder ralijth sie festhilt’. hilt sie das ‘Soll’ (das Reeht) 
fest; denn Zeit und Anerkennung (von der andern Seite) und richtiges Ergreifen” bindet”. 
Dariiber heiBt es: “Besessen werde auf Grand von Habhaft-Werden. festgehalten werde aut’ 
Grund von Geschehen-Lassen (von der andern Seite). zu eigen werde aut Grund von An- 


erkennung’. 

1], Cnis-n-asta. Sie sind die genannten Dinge, die in fremdes Eigentum jibergehen, — * Degbal titre 
deg-yabal? Oder fiir dugbal “Wegschatten’? ~— 3 1. naiscfid]. 

40. Weiter fragt sich: Was erhilt jeder fiir seine Garantie'? -—- Antwort: Einen 


Sack (Weizen oder Malz) fiir das ‘Wort’ eines 6a-aire (Gemeinfreien der oberen Klasse). 
ein unterjihriges Kalb fiir sein Zeugnis’, ein jihriges Kalb fiir sein als nuidm Bestellt- 
werden. eine Kuh fiir seine aitiry. d. i. ein Drittel seines Ehrenpreises’. 


! Forunidm Uberbindang bezeichnet hier jede Funktion eines Dritten. durch die ein Kauf oder Vertrag 
rechtsgiiltig wird. — ? 1. breithir [.2.] aipert, das letztere eine eingedrungene Cilosse. Es gibt Kiute, die ohne 
Biirgen. nur ‘auf Worte, “auf Grund von Worten’ (for briathraib) abyeschlossen werden, s. AL III 16. 21: 
Coie Conara Fe. S.rg S11. vel ZCP 16. 220. Dieses “Wort. wohl eine Formel. die den Kauf rechtsgiiltig 
macht. spricht offenbar ein Dritter. der dafiir eine Gebtihr im Wert eines Scripulus (eines Sacks’) erbdle. — 
* Roach ist hier, gewif richtig. mit Jiadnaine : alossiert. ODay. 1338 erklirt es mit ro-seehad (fiadan). ric it eS 
also wohl zum Verb sechid. sichid ‘sagt (ZCP 15. 336): dessen Abstraktum ist aber rasc. Also wobl eher aus 
ro und fuach “Wort, wor. Nach Heptas ALIX (AL V 284) darf for fo-ercneur “ein Mann, der velolnt wird’ nicht 
ws Zeuge auftreten: aber die Glosse bemerkt ebenda. das gelte nur nach dem neuen Recht (nufiadvaivy: nach 
der “Bestimmung der Alten’ habe der Zeuge einen Lolin (/6y) erhalten. Wir befinden uns also mit unserm 
Text bei den ‘Alten’: vel. unten § 39. — ¥ Vielleicht eingedrungene Glosse. 


AL. Ein wdm treibt jedoch seinen vollen Ehrenpreis (einen Betrag in der vollen 
Ubhe seines Ehrenpreises) ein (= er kann eintreiben). Was die alte Zeit’ betrifft, so 
konnte ein J0-airv als naidm sieben cumal (den Wert von 21 Kiihen) eintreiben, jetzt aber 
nur bis zu 5 sé”. 


1], Mad in tan sn (ot. in)? Vielleicht ist cher etwas ausgefallen. — 7? 5 s# sind hier gleieh dem Ehren- 
preis eines ho-aire (vel. AL IV. 308 unten). 


Div Biirgschaft im irischen Recht. 2. Treat Ty 38 - 15, 13 


42. Es gibt auch einen vaidm, der die Handlungen eines ra@h unternimmt: das ist 
ein noiém, der umgangen (iibergangen) wird: er betreibt «larauf’ seine NSchadloshaltung 
auf Grund von Pfandung. 


Es gibt einen aitiry. der die Handlungen eines wi/ unternimmt: das ist ein witire, 
der den Schuldner zugleich' mit einem naéd/m am Brustlatz packt: er betreibt, bevor er 
(selber) gezahlt hat. So hilt er sich schadlos. 


Es gibt noch einen xaidm. der die Tatigkeit eines rath ausiibt: das ist ein nisi. 
der fiir Unfreigenossentum” eintritt (die Garantie ibernimmt): er ist ein rah fiir das Un- 
freigenossentum, nachdem der ‘Genosse’ sich entzogen hat, bis der Herr aut’ dem Lande 
(des Genossen) ist”. 


' Tech méelite lesen: co utdhmaim felx}. saigid usw. - ~~ le gtalla. ~ 3 1. coembi oder co-mbe: oder viellercht 
mit O'Corry (58) camber “bis er den Herrn auf das Land bringt. Der vaidm muB selber die Leistungen des 
CGenossen tibernehmen, bis der Herr seinen Anteil an dent Lande des sich eutviehenden (renossen erhalten hat: 
s ZOP ry. 343f.. aneh 5. 375 f. Zam SchluBabsehinitt vel. unten § 73. 

43. [S.21 Sp.aZ. 13). Ceist, cadeat tri gnima nadma? — - duel hjotmet ueiclh| aen- 
aicdither!. urna tormastar ni fair 7 arna-dighajbhthar de, a luighe cen conn 7 a saigith cen 
ailseth. 

luhr Hs. - 4 1 ehlith, Vel. $ 058 

Welches sind die drei Tatigkeiten des wai/m? -— Die Bewahrung dessen. woftr er 
(als noid) bestellt wird, damit nichts dazu hinzugefiigt und nichts davon abgezogen werde. 
sein Schwur ohne Verhehlung und sein Betreiben (des Schuldners) ohne Vernachlissigung. 


44. Ma as-loa cobach (06. feichom) tra. ronna-acmai naidm da saigid fair, cid dod ngreinn 
ar hyenn nadma2 7 cutch a tthjoygraim ind nadine fo fiadhnaisi nad cous feichem? -— ar 
as-beir naidm fri feichemain: ‘fuircim st cobach lat sa armo chind + muiyhin an forais een 
Ayarpat cen fasan 7 sesa lat sa fair iarune 

1 Die Hs. beginnt mit Céd einen neuen Absehnitt und setzt einen Punkt hinter fair: aber es muB die Er- 
vinzung des Bedingungssatzes sein. 

Wenn ein Kontrahent’ sich entzieht (draus lauft). so daB der wid nicht dazu kommt. 
ihn zu betreiben, was treibt (eigentlich: verfolgt)” ihn dem xuidm entgegen? Und wem 
kommt die Verfolgung’ des xaidm zu unter dem Zeugnis, dal} er kein Schuldner ist? -— 
Denn der waidm sagt zum Gliubiger: “La mich den Kontrahenten mit dir am Erfillungs- 
ort® yor mir finden* »ohne Wagen. ohne Sehutz«’. und ich werde (=: so werd ich) ihn 
dann mit dir betreiben. 


 cobach, hiey mit ferchem elossiert. aus com- und fiach, ist ciner, der mit cinem andern durch eine Schald, 
ein Geschuldetes (fiach) verkniiptt ist. Daher das fem. cohche Handelsgeschitt. Kaul usw. (s. Merer. Contrib). 
spezialisiert ant den Kautpreis der Fran. — 7 Zu dorgrrinn, Albstr. togratm(m). 8. die Belege bei Pepersen. 
Vel. Gramm. § 747. Die Antwort auf die erste Frage gibt wolil unten § 46 (Linschlieben der Kalber); mit der 
zweiten sind die zum Schutz berechtigten Personen gemeint, die nin ihrerseits wegen einen rardu vorgehen 
kénnen, wenn er einen als Sehuldner betreibt, der es uieht ist. -- 3? forms, eigentlich ‘fester Wohnsitz’. be- 
zeiehnet im Foluenden deutlich mehrtach den Ort. wo die Schuld bezahlt und entgegengenommen werden mub. 
Das ist allerdings meistens die Wohnung des Schuldners., aber wohl nicht notwendig. da es $53 heift. dab 
der Scbuldner zur Zahlung dorthin “hommt. nicht dort ‘ist. — + Wohl] Sg. Imperat. -— * D. b. wohl: “wenn 
ey sieh nieht (mit seiner Habe) anf einem Wagen davongemacht hat. oder wenn er sich nicht in den Schutz 
von jemand beveben hat. dessen Sehutz ich nicht verletzen darf. Der Beeriindungssatz mit “denn geboet zum 
ersten Satz: der vaidi hat zuniichst sein Mit-Betreiben nur in Aussicht gestellt. wenn man des Schuldners 
habhaft werden kann. 


45. Cadeut tra imdegla fechemon ar nadmaim. ma theis for snadhuth? -- Ata triar 
dod-n-eim la Fenin ar nadmaim .¢. ansruth 7 daul® 7 afelnach. 

is ¢ ansruth imid-ndich® i. ansriuth a athir 7 a tsenathiy 7 ansruth faudesin. ar ni anusriuth 
cert oinfer hi sili). 


14 THURNEYSEN: 


do-n-eim diane huasalucimeth righ no epscoip® no cilli wo primduine rig no ollaman filed. 

ty]. daal ~- dal. -  * ndith Hs. — 3 esp- Us. 

Welches sind nun die Schutzmittel des Schuldners vor einem xuidm. wenn er sich 
unter Schutz stellt? - - Es gibt eine Dreiheit (eigentlich: drei Leute). die ihn vor dem 
neidm sehiitzt bei den Feni. niimlich ein gvsrvth und Bestellung vor Gericht’ und eine 
Volksversamuilung. 


Das ist ein @sruth., der ihn schiitzt (schiitzen kann), einer, dessen Vater und dessen 
Grofivater (schon) @srith war und der selber @usrith ist. Deun ein cinzelner ist kein 
richtiger @éruth in diesem Fall’. 

Es sehiitzt ihn auch das hohe Heiligtum (Privilege) eines Kénigs oder eines Bischof 
oder einer Kirche oder der Haupthurg eines Koénigs oder das eines ollam (Meisters) der ili’. 


' Das wird da/ ‘Zusammenhestelung hier. wie haintig. heifen. Wahrend einer Verhandlung vor dem 
Richter und wahrend einer Stammesversaminlung kann der Schuldner nicht betrieben werden. — + Es ist zu 
bedauern. daB der Text hier keine Detinition des dsruth (auruth) gibt. da dieses Wort verschiedene Bedeu- 
tungen hat. Bei den Dichtern (il?) bedeutet es einen von lidchster Rangstufe nichst dem olan: aber das wird 
bier nicht gemeint sein. Den dasrvth unter den Laien besehreibt der Text MWiadsle chia (AL IV 348) so: ‘Ev 
ist ein Mann. der seinen Wolnsity und sein (Stummes-)Gebiet sehiitzt. In jedem der vier Vierteljalive des 
Jahres erschiigt er vinen Menschen. Er ist nie in geringerer Anzall aly zwanzig auferhalb der (Stammes-) 
Grenze. Er erhiilt gute Speisung fiir vier Mann von jeden Dach (Haus) in seinem Stamm’ usw. Von seinem 
Schutzrecht ist aber dort nicht die Rede. umd er stelit in der Rangordnung der Stammesmitelieder erst an 
neunter Stelle. Man miibte annchmen, dab ihm seine Krieustiiclhti¢keit das Schutzrecht verleilt. Wieder eine 
andere Bestimmung steht IV 358. ro: “Der Lohe ) auruth: er bindet (verptliehtet), (aber) auf iin wird nicht 
gebunden. wie z. B. der Konig von Land (Arce. sicher falsehs 1 Arava “der Evainn’ [Stumm in Munster] ?). 
Aber um einen Konig kann es sich an unserer Stelle haum handeln. In Weptas LE (AL V 290) werden neben 
Fiirsten (flaith) und Geistlichen (¢che’s) anch die arig feibi ‘aire von Qualitit’ eewarnt, einen Schuldner vor 
dem Biirgen (ar bith-raith) zu sehiitzen, Die entsprechen offenbar unserm a@nusruth. Der Ausdruck airig feibe 
bezeichnet manchmal den eanzen Herrenstand (Adel). Aber dai jeder Adlige ein sulches ausyedehntes Schutz- 
recht hatte, scheint mir zweifelhaft. vielleicht nur die Vornelimsten: d@eéruth hénute hier, wie bei den jfili, 
die an zweithéchster Stelle Stehenden bezeichnen. also die hochste Adelsklasse niichst dem Kénig. — 3 Dieser 
letzte Absehnitt nennt die Stellen, die allgemeines Asylrecht haben, so da®& auch der tliichtige Schuldner dort 
zuniichst Schutz tindet. 


46. Os moni-dama in snadugh fugell fris, (ata dane fora loightib beds, co-tuidig ara 
rend side, coro-astta\tar a chuir bel fair. 

Und wenn der Schutz ein (richterliches) Urteil gegen ihn nicht zuli®t. so werden 
nunmehr seine Kalber eingeschlossen'. bis er sich ihnen (oder: ihm) stellt, daB seine 
Vertriige auf ihm festgehalten werden (kémnen). 


1 Das EinselieBen der Kilber, dy h. ihe Absperren von den Mutterkithen. ist als “Ptindune’ eines Kénigs 
erwithut AL IL r2o. 


AZ. Os muna-be loig luis, in gaibter loig a fine ari? — ni-gaibter, ar cuir bel doerdw nie fui- 
chit fine. 
Und wenn er kein Kalb hat. werden die Kéilber sciner Sippe dafiir gefabr?  - Nein; 


denn gemeine’ Vertriige schidigen die Sippe nicht (fallen ihr nicht zur Last). 
‘ “Gemeine. “unedle’ Vertrize werden lier die Handelsvertrige gvenannt. im Gegensatz zum Vertray des 
Unirei-Lehens. wo die Sippe fiir den “Genossen cinstelien mub. 


48. Ces do-gnither de, mitnd-comrastar jris? haga dochum raithe no ative, ma 
leit iar cul, ar it he a cu. in sin bite fri heluth .t. naidin 7 raith 7 aitive 7 c0ilebrath 7 yell, 
tiagair dane docom raithe tar w-eluth ferhewon. 

Was wird dann getan, wenn man nicht mit ihn zusammentrifft (wenn er sich nicht 
stellt)? Man geht zum raéh oder zum fire. wenn solehe dalinter (hinter dem Ver- 








“yard ist zu anaruth cu ciehen, wie Zorg von offam ard eesprochen war. im Cnterschied vom o/law der 
fli. Dort wird der Konig von Connaught als Beispiel cines ollam ard aufyefiihrt. 


Die Biirgschaft im irischen Recht, 2. Trat Is 





OT. 15 


trag) stehen. Denn es gibt Fiint’ gegen das Sich-Entziehen: ein naidie und ein ra(éjth 
und ein aitire und das Zelebrieren* und ein Unterptand. Daher geht man zum rdfh. nach- 
dem der Schuldnuer sich entzogen hat. 


? Das Zelcbrieren — ein sakraler Vorgang - als Garantie fiir cinen Vertrag wird AL TV 210.9 erwihnt: 
es geschieht bei Schwiiren auf Reliquien oder auf das Evangelienbuchi: vel. Pueaoice. Vitae Sanet. Hib, 1 OXV A. ry. 


49. Cid araen-cprr feichem? ~~ Ni anse, arindi dliges no dlighher di's ar is frichem 
cechtar hi, 

PL. de -—- 7 war, 

Weshalb wird einer féchem genannt? -— Antwort: weil er Anspruch hat oder weil 


er schuldet; denn jeder von beiden ist ein feichan’'. 

 Féichem. vou fiach ‘Schuld. bezeichnet sowohl deu Glinbiger als den Schuldner, der Dual (oder Plural) 
beide; diesen iibersetze ich mit “Kuntrahenten. 

50. Ceist, civ [arb] da line ciado-naise for ulaile? — ni anse, inti dliges na. 

Welcher von beiden “bindet zuerst auf den anderen? - Antwort: Der. der aut 
etwas Anspruch hat (der Gliubigeri. 


BL. Ceist, co-Aellangar fair? — ni anse: 
a. ‘Ciaib fort lain jiach dum sa huait dia laithiu airchiunn' isind forus |s|a oa. amscogeth™ 


cen tndscugud, eona Mdrucas 7 a tachuse, cone focul 7 a dilsi 7 a dilmame ii xeilbh si no 
a seilb nefijch doas mo guimu: oingill? 7 vinupad fris-benaiter ass foluith raithé 7 feichemon, 


1 |, latthi ar chiunn (oder airchinn?). -- 7 Vel. die Parallelstelle 8 740: ¢ fori to (=. do) thigi fadein 
: g Sit ! ge 
ainseuigrth cen cumseuguth. Danach scheint auch lier a@nscogeth cu lesen und .x. zu stveiechen, —- ' Ll odngell. 


vl. $ 57. 

b. Gail it lain, nach virm ne-taire a-laa sine reithith a trian n-airi dind fiach nascar 
am: sia dilias oit sin noo rait{h| do- thet auirut. cou raib 7 con victhar*’ hi lain frichemon 
did - ingba; comdiles cach smacht feb colatim a eich, toraic? «eric nad. berna bunadh. at-daline 
samlaid for foris 7 follis 7° fiadan, 7 rom-bi* oft in fiach so. fiach slan inill dilocht, cen 
foer, cen anad, cen imdegail. fiaclh| pir bi eter da cobhach beoa, nald|-airberna ee raithe ii 
feicheman na fir nada-naise? nad’ fox nascary im tit comorbu cach jea, 

1 .pichtar Hs. — * Ll tarie? — 4 del? — ' Lo rom-.be ~— 9 1, nods naise, — "1, na fir. 


Guib it lum vamlaid cen eluth, con csngabail, cin aisith, cin fudtach, cin acht, ¢in 
uiresc, cen doraith, cin dichell, aeht ut fo ressat a feithfolta ott swe. — 


d. Aled’. of in feichem dia ndligther. 
Wie wird er verpilichtet’? - Antwort: 


1 Wiortlich: “wie wird auf ihn vereinigt’ Die Schuld wird durch die “Bindang gleichsam mit ihrem 
Trager ‘vereinigt. so daB er sie nicht abselititteln kann. 

a. “Nimm auf deine Hand (— auf dich), (das) ich das Geschuldete von dir (erhalte) 
am zukiinttigen (bestimmten) Tag an diesem Erfiillungsort unverschoben’, ohne Veriin- 
derung, mit seiner richtigen Beschaffenheit und Art. mit seinem ‘Wort’ (Richtigerklairung)* 
und seinem Eigen-Sein und seiner Vertiigbarkeit® in meinen Besitz oder , den Besitz 
dessen, der meine Handlungen “brennt’ (anheizt?)*, (Es sei) ¢in (cin gleiches?) Unterpfand 
und éine Ansage, womit die Objekte des rath und des Schuldners ‘lhevauseeschaiten’ 
werden. 


1 ainscogeth (ainse wycth & 7 pe) scheint ans au-inse, syuhopiert zu sein und ‘unversehoben’ zu bedeuten. 
wenn auch die darel beide Belegstellen garantierte Cndung -cf4 statt dev zu erwartenden -fu antfallig ist: vel. 
die Form casguith Rev. Celt. 21, 307. Zot. Aevseageth con indscugud \wive dann aber tantologisch und es 
ist wohl mit § 740 cx chemscugud cu lesen. Gemeint scheint nach jener Stele. daB die Nchuldobjekte nicht 
verschoben oder verindert werden diirfen: seust khénnte man aneh an Verinde sung der Wohnung. des Er- 
fiillungsorts denken, — ? Focal (100 adum) heibt zB. AL IL 242 die Approbation des Malzes bei der Probe. 


16 THURNEYSEN: 


Hier werden sie entweder die Gliubiger oder die Zeugen des Vertrags aussprechen. — 3 Dilse ocus dilinaiu 
bezeichnet. daB die Gegenstiinde volles Eigentum des Schuldners. also z. B. nicht gestollen oder geliehen sind, 
so daB sie dann auch volles Figentum des Empfingers werden. — * Da yon dem Cbergang in den “Besitz’ 
des Betreffenden die Rede ist. ist er wobl nicht ein bloBer Stetlvertreter (Bevollmiichtigter) des Gliubigers. 
sundern einer, auf den die Schuldforderung des Gliubigers tibergegangen ist, sein Reehtsnachtolger. Er “brennt. 
verheizt’ die Tatigkciten des Gliubigers. vielleicht weil er Shnlich verfiilvt, wie wenn einer das Brennholz 
eines anderen zu seinem eigenen Feuer verwendet. Doch kann das Verb auch cinen Ofen ‘heizen’ be- 
deuten (s. Zu Ty, Hss. 1 20. 8), und auch dieses Bild wire mdglich: ‘er bringt die Taten des Gliubigers 
mum Reifen, wie man Weizen im Kornofen (aifh) zur Vollreife bringt’: das legt flir irische Anschanung 
vielleicht niher. 

b. Nimm in’ deine Hand: falls es (das Geschuldete) an diesem Tag nicht kommt. 
‘lauft’ sein Drittel dafiir’ auf Grund der Schuld, die da ‘gebunden’ wird: (es sei) ein 
‘eigenes ° Geschuldetes von dir oder von dem rith, der fiir dich biirgt, so da es ist und 
gezahlt wird’ in die Hand des Gliubigers, der es empfangen (wértlich: wegschaffen) soll: 
gleich ‘eigen’ (sei) jede BuBe wie der Gegenstand der betreffenden Schuld. Volltiihre’ 
seine Zahlung, die (sowcit sie) der “Ursprung’” nicht mindert. Erkenne es so an auf 
Erftillungsort und Klirung durch Zeugen. Und ich soll von dir dieses Geschuldete er- 
halten (als) ein heiles, sicheres, fehlerloses Geschuldetes ohne Vorbereitung’, ohne Frist 
(Verzégerung), ohne Schutz*: (es sei) eine Schuld eines lebenden Mannes zwischen zwei 
lebenden Kontrahenten, die der Tod des r@f/ nicht mindert noch des Schuldners (Kon- 
trahenten) noch des Mannes. der sie ‘hindet’, noch dessen, auf den sie ‘gcbunden’ wird: 


alles von ihnen geht auf Erben itiber’. 


1 Der Wecehsel von ‘anf’ und ‘in deine Hand’ (a gegen b. e) scheint bedeutungslos. — / D. h. ‘ist ein 
Drittel seines Betrags hinzuzuzahlen’. — 3 s.0. a A. 3. — 4? Con-raib ocus con-victhar, alliterierende Formel, — 


* Vielleicht ist tora7e kein Fehler fiir den Imperat. fa(i)jric. Man kénnte an ein Adjektiv denken wie jdraic 
‘von richtiger Beschaffenheit: dann hieBe es etwa: ‘Vollwertig (sei) seine Zahlung, soweit nicht’ usw. Aber 
ein solches ist nicht belegt. Ui das gewoéhnliche toraie “die heimliche Anzeige eines Missetiters durch einen 
an der Tat Betviligten’ kann es sich natiirlich nicht handeln. Doch kommt noch cin anderes Substantiv fordic 
vor. Es wird in Gnbretha Caratniad § 46 Gl 27) zwischen erich ‘Grenze’. coirthe ‘Steinpteiler’ und frside 
“‘dauernder Besitz’ als Eigentumsbeweis (bei Land) aufgefiihrt; vielleicht hedentet es “Ankanuf (Bezablung des 
Kaufpreises): aber auch das paBt hier niebt. — * Der Ursprung (die Anstammung) mindert die Sehuld’. wenn 
das durch den Schuldner vom ursprtinglichen Eigentiimer (dem Gliubiger) Erworbene verborgene Fehler hat, 
die nacitriiglich entdeckt werden. so daB dadureh die Schuldsumme herabyesetzt wird. — 7 Wohl: ‘ohne daB 
du es am Zahlungstag erst beschatfen muBt. -—- > Zum ‘Schutz’ vel. $ 45. — ® Wahrend sonst im irischen 
Recht der Satz gilt: “Der Tote tétet seine Vergehen’ (sie erléschen mit ihm. zB. AL IL 270. 5 v. u.. hat 
er fir eine Vertrags-Schuld keine Geltang: auch wenn die am Vertrag Beteiligten alle oder zum Teil ge- 
storben sind. ist sie gleich der ‘Schuld eines lebenden Mannes’. und sie bleibt ‘eine Schuld zwischen zwei 
lebenden cobach’. weil nach dem Tod des einen oder beider Kontrahenten je der lehende Erbe an die 


Stelle tritt. 


c. Nimm (es) so in deine Hand. ohne dich zu entziehen, ohne Uberschreitung', ohne 
Vernachlissigung, ohne Wegtreiben (deiner Habe oder speziell der Schuld-Objekte), ohne 
Bedingung, ohne (besondere) Abmachung’. ohne Schwierigkeit(en)*, ohne Unsorgfalt, auBer 
was Gegen-Objekte* von deiner Seite ersetzen’. —- 

1 Sonderbar, da der Schuldner bei der Zahlung kaum die Schuldsumme iiberschreiten wird: vielleicht 
aus andern Formeln verschleppt. Doch kiénnte Genauigkeit der Schuldsumme deshalb vorgeschrieben sein, 
damit die Zahlung glatt vor sich geht. — * Die alliterierenden cw acht cen airesc sind eine stehende Formel 
dafiir, da heine besonderen Abmachungen gctroffen werden oder nétig sind. — 3 Etwas Abnliches muB doraith 
heiBen. das so oder dorath geschrieben in dieser Verbindung immer wiederkehrt. vgl. $ 659. 74d, 760. Ex 
sieht aus wie das doraith von $ 22'. Duch kénnte man auch an das Adj. doraid ‘schwierig denken. —— + Vom 
Glaubiger anerkannte Leistungen des Schuldners, Ayuivalente von (Schuld-)Objekten. die den Schuldbetrag 
mindern. 


d. ‘Ich stelle Garantien *. sagt der Schuldner. 
1 Wéortlich: ‘ich erbitte’ (ad-guidiu), gew6bnlich mit dem Objekt maceu “Garantien’ oder nadmen ‘naidms’. 
Aber formelhaft geniigt das Verb allein. 


i 


*) ZCP 13, 361 habe ich filschlich thorai|,}@ yelesen. wie die Parallelstelle H. 5. 15,72 (0°D. 7. 20) weigt. 


Die Biirgschaft im irischen Recht, 2. Trat I § 52-51. 17 


B2. Ceist. co- bi im cfhjoir 7 im thairic frich eter inda feichemain so? —- nui anse: ma 
usx-loa in frichem(uin) xo dou-idligther’ forus feich laithiu dlighter feich de, nach» n-imdich 
turiia)\uith, 7 da hi feiwhem dliges ni, dlomaid wide (.i.raidid side) fia{d) fiadnuih: 

Jiach no-udlighta sa sun indiu, da tluichinr? ta-n-imgarim. bith fiach. acht: ro + inbe 
dirir diraith; 7 jirfithiy a lethchor van si cach techta.at-rogath macu be coir airitin® 7 ding- 
balue. slain* 7 frettechtue tuirix, ucht ro-imbe fiach. 

To-bongor iarum in fiach so dind raith cond smachtaib iar sin. 


ly. dia. — * datlu chuir Hs. — 3 1. ariten. — * slam Hs. 


Wie verhilt es sich um das Ordnungsmifige und um das Erhalten der Sehuld 
zwischen diesen beiden Kontrahenten? —- Antwort: Weun dieser Schuldner sich dem 
Erfiillungsort der Schuld entzieht an dem Tag, wo er die Schulden (so!) schuldet, ohne 
daB ihn ein (rechtlicher) Entschuldigungsgrund sehiitzt, und (wenn) der Gliubiger dahin 
kommt, so sagt dieser vor Zeugen aus: 

‘Die Sehuld, auf die ich hier heute Auspruch habe, ich fordere sie, ich verlange 
sie zurtick. Es soll eine Schuld sein (bleiben), auBer wenn ich sie oline Richterspruch 
sofort erhalte: und die sie betreffende Vertrags-Hiilfte wird von mir ausgefiihrt werden 
nach aller Gebiihr. Ich habe Garantien gestellt. dab ich dafiir ordnungsmiBig sein (mich 
verhalten) werde inbetreff von Annalme und Wegschatfen, Entschidigung’ und Verzicht’. 
sobald ich die Schuld crhalte.’ 

Darauf wird dann diese Schuld nebst ihren (den sie hetreffenden) BuBen vom rath 


eingetrieben. 
! Das scheint in diesem Zusammenhang zu hedeuten. daB sich der Gliubiger. wenn er die Schuld er- 
halt, ftir entschadigt erklirt. — * Ich fasse frettch/ae hier und $ 76d als substantiviertes Partivip von /ris-tomg 


‘er verzichtet, sagt sich los’, also als ungefahr gleichwertig mit dem Abstraktum fre(ajiech: vel. § 53, ferner 
slin na (7) fretech AL 1 266.13; 296.26. Nach der Glosse [266.22 wtirde er ‘Verzicht’ leisten fiir seine Sippe 
spiiterhin, d. h. wohl fiir seine Erben. wihrend sich s/ax auf ihn selber hezége. Vielleicht Iedeutet es eher: 
Verzicht auf weitere Leistung. 

53. ald] frichem co jiach tod-hi, as-beir cadisin fiad fiadnuib: 

‘fiach dleghar dim se sunn dudiu. agondar* sum. ad-guidiu macu inna hic 7 inna erie 
cona focal 7 a dilsi7 a dilmainr, acht ni fo-re tairie 7 dingbail. slan 7 freittech® [22a] 7 
[ f|resndul de’. 

is fiach dia bliadnae do tiarsiudhi nup turbuith deithbire doth-u-airp did nephthairiue. 


1 Wohl zu lesen: ae oxdar, val. ae-so. ac-suit Meyer. Contrib. — ? freitt mit ¢ uber dem letzten 4 Hs. 


Wenn der Schuldner mit dem Geschuldeten hinkommt. [aber der Gliubiger nicht,] 
sagt er selber vor Zeugen: 

‘Die Schuld. die ich hier heute sehulde. siehe. hier ist sie’! Ich stelle Garantien 
fiir ihre Zahlung und ihre Auszahlung® mit ihrer Richtigerklirung’ und ihrem Eigen-Sein 
und ihrer Verfiigbarkeit', auBer was davon (bereits erfolgtes) Erhalten und Wegschatten. 
Entschidigung und Verzicht® und Dienst (Abverdienen) ersetzt’. 

(Dann) ist es fiir ihn (den Glaubiger) eine (erst) nach cinem Jahre (fiillige) Sehuld’. 
nachdem ihn nicht ein giiltiger Entschuldigungsgrund vom Erscheinen abgehalten hat’. 


} ondar ist in Auraicept na n-Eces als Neutrum zu w(i\ndse, wiejadsi gebraucht ied. Carper, S. 361 s.v. 


unnse), scheint sich aber hier auf das maskuline jiack zu beziehen. — ? 7% veus eric. allitericrende Formel. — 
3 s.§s5r1a A.2. — 4s. ebenda A.3. — ° s. $52 A.2.-—~° Der Schuldner braucht dann die Schuld erst nach 
einem weiteren Jabr zu zahlen. — + Vel. dodun-airb Imacallam in da Thuarad (RC 26.14. $ 2), wobl ‘der 


uns verdringt hat’; falsch Siones: “who would display himselt”. 
54. Madh uadhaib dib linaib fo-ferthar fall, randtar a imbliadain eturru i nde. 
Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 2. 3 


18 THURNEYSEN: 


Wenn von ilhnen beiden verabsiumt wird, soll ihr Jahr zwischen ihnen_ halbiert 
werden’. 


? Die Schuld wird dann nach einem halben Jahr fiillic. 


3d. In-fil folta inna-sesed in feichem for araile. Mm tain di-rig raith no bes doig u 
do)irech n-aire 2 — Fil ecin. — Caide? — Ni anse: ‘toting do dia as noebath cach dliguth, 
Toimmur deruth cach techta i n-huidib 7 airisnib, nach i n-aneim na taurbuith di-coemrteyach 
mo raith’, 


(cibt es Objekte. fiir die ein Kontrahent den andern nicht wiirde betreiben kénnen. 
wenn er fiir ihn den rath ‘entbl6Bt (die Schuld vom rath eintreibt) oder dessen “Eut- 
bl6Bung angenommen wird? — GewiB gibt es. — Wie ist das? -- Antwort: “Schwére 
bei Gott, daB...' (nach?) aller Gebiihr in (richtigen) Zeiten und Handlungen*. und dag 
du nicht zur Unzeit und trotz (rechtlichen) Entschuldigungsgrundes meinen rath » enthlobt« 
hast”. 


' Das Folgende scheint verderbt: der Punkt vor und die Majuskel in Tosmaar nach der Hs. Vielleicht 
zu lesen: as ndibath cach dliguth: to-n-immuirt usw. ‘daB es ein Erléschen (der Sehuld) ist nach allem Reeht: 
daB du schlieBlich (oder lL. d+ raith “auf Grund der rath?) alle Gebiihr erzwungen hast in’ usw. — 7? aarisiu be- 
deutet sonst “Ercignis. Geschichte. — + Der ganze Schwur des Gliubigers scheint verhiiten zu sollen, daB der 
rath etwa vorbrinet, seine ‘EntbléBung durch den Gliubiger sei nicht nach dem Reeht vor sich gegangen und 
intisse rickgiingig gemacht werden: in diesem Fall wiirde die Schuld fortbestehen. und der Glaubiger hounte 
von neuem gegen den Sehuldner vorgehen. 

56. Ceist, on fil folta inna-seised in feichem forsdr raith, in tan do-mbeiy a slan? — 
Fil ecin. — Cuaide? - - “Toing do die, as-comrar na-arcechlath. na-roind ruis ( é-indergad) 
indliyhuth. as-comrar huidi huidt* 7 airisnib. 


L|. huile huidib. 


Gibt es Objekte, fiir die der Gliubiger den rath nicht wiirde betreiben kinnen. wenn 
der seine (des Gliubigers) Entschidigung giht (zahlt)? — Gewifi gibt es. — Wie ist das? 
—— ‘Sehwore bei Gott, daB ich bezahlt und (mich) nieht buBptlichtig gemacht habe’. 
Rote nicht widerrechtlich (Scham-)Réte*! Ich habe alles nach (richtigen) Zeiten und Hand- 
lungen® bezahlt’. 

1 .areechlath (besser -drorchlath) offenbar das ro-Priteritum zu ad-claid ‘macht buBptlichti¢. das sonst 
hiutig das Vergeben. das eine BuBe bedingt. als Subjelt hat: als Objekt ist bisweilen die Hale des Betretten- 
den geuannt (s. ZCP 16, 222). und so ist vielleicht auch hier statt ‘mich’ eher mo folta ncine (Besitz-j)Objekte™ 
in Gedanken 7u ergiinzen. — 7 Dev rath setzt seine Ehre ein: wenn also der Gliubiger behauptet. er habe nicht 
richtig geleistet. macht er ihn schamrot. Der vom Gliubiger zu leistende Sehwur entlastet den Biirgen. — 
> Vel. $55 A. 2: hier oline Priposition. 

57. Ceist, cid focal isin nadmainn’ nuiscess an feichem, do-fuild|ben Ana folta su? ~ 
‘Alice macu rom-bia fiach laithiu air chiund isind forus so. oengell 7 ornapad fris- be(a)naiter 
ass folauith raithe 7 feichemon’. 


1 nadmaid nim, Hs. 


Welches ist das ‘Wort’? bei dem watdm (Binden), das der Gliiubiger bindet. welches 
diese Objekte (= die Schuldobjekte) test macht’? — ‘Stelle Garantien, daB ich die Schuld 
am zukiinftigen (bestimmten) Tag an diesem Erfiillungsort erhalten werde; (es sei) ¢in 
Unterpfand und éine Ansage. womit die Objekte des rath und des Schuldners »heraus- 
geschnitten« werden”. 


t Foeal hat hier eine andere Bedeutung als § 51a: es ist die Verptlichtung (Formell. —- 2 Das Verb 
to-fo-ben- ‘abschneiden’ (oder auch to-6rn- ‘hinhaven. angreifen. vorwerfen} gibt hier kaum den riehtigen Sinn. 
Es ist wohl das Verb to-d7-men- ‘festmachen. festbinden’. prototoniert -tvidmen, auch -tridben gesclrieben (AI, 
1 266.10) und in do-fuidben aufgelést (vgl ZCP 16.2738) Demnach erginze ich hier und § 59 ein d, — 
3 Derselbe Satz § 51. 


Die Bitryschaft im irischen Recht. 2. Text T § 55 —59, 19 


58. Corus fiadnuse. 

Cid ara-n-epar’ fiada? —- arindi is ‘fiada. ar ni-derntar fiada ucht di aurchond 
cuibhsech, no dano siado ‘fiad a? do’: ar ni ovinfer is coir da fiadnaise, it a do no a tr. 
fiadnaise didiu ‘iad neoch nais®: ar ni og nach eundrath?® ocna-bidh) fiadnaise fo bith coimeta 
comne. 

1]. n-eperr. — ? fiado Hs. —- ° qnudr- Us. 


Die Rechtsordnung des (Augen-)Zeugnisses. 


Weshalb sagt man jida (Zeuge)? — Weil er ein fivda (Herr) ist: denn man kann 
nur einen voll Verntinftigen (Geschiittsfihigen), BewuBten (der volles Bewulbtsein hat) 
zum Zeugen machen. Oder jivdo ist jiud u do (vor zweien): denn ein einzelner ist nicht 
ordnungsmibig zum Zeugnis, (sondern) zwei oder drei sind es. — Furlnaise (Leugnis) 
ferner ist ‘fied neoch naisi ‘yor jemand wurde gebunden’': denn kein Handel ist voll- 
stiindig, bei dem kein Zeugnis ist um das Gedachtnis zu bewahren. 

i Vel. Cormacs Glossar 645. 

39. Ara-chan fenechus: 

Cul ten-airecar fir la Feniu? LYbat! fe comorbu cuimue cen ogom ¢ n-ailelh|ibh, cen 
aecrus (d-crandehur) n-aithynith, cen mac, con ratha. eC ad-cestar. cia for cur son siastar. It 
e tiubaithsir’ fiadain. 

Fo cach jir fedaon fre fiadno, ar is yguach nad+ mbit, 

Fidait (-i-tagait) doa pir’ dih\uind (-iscen cjhjend) diairclh\ind’ (d-con airelh|end) fir 
fo-rethar. 

Reidigther bea (t.fechem) beoaih (-/-fiadnaib): ar is ditheehta cach jr fiadnaibh® nad. 
cuinuighther cuiin| nyo. 

Cun as’ marbaws cluas ¢ n-rendaire eluinter? ar is be carne cluas caich, conid inadilus” 
cluas cloathar cid fir no aujir, Cmae cle (-é-scel) cluinther. 

Vie tuid|benar Jiaduaise fro caruit na mnai na mac na mug na feaclaig (de baith no gaith) 
f22h] we rosens; ar mald| rosen, ui-[rjoty nach ce cuimune". 

Nicundl- sech sue (ebesech rane) ban bets ar ni noillig ni sech miach midighther. 

NVé fiudnais:. mtni-taisilbther to" bes fiado to-guether. 


1 Wobl \ Jat zu lesen. — ? In dev Hs. (2 mit Ponkt davor. — ¢ 1. tuddbiut (oder -bet) fir? — 3! 1. dofir. 
vel. on dofir Al, V 370. 3. — 3% chaircind Hs. ~ © 1. fiadan? — * 1. Canid — > 1, indies? — ° Auch H. 3.17. 
431 (YD. 531) in der Porm: Ni -tubrnur fiadhnarse fri bein nd carait nd mac ni maugh na finclach na sen ne 
rostn, ar nésroich nach coin a cutmhar, — Die Ligaturen fo und do iniissen sich in der Vurlage sehr ahnlich 


gewesen sein. Der Schreiber hat daher melrfach die Ligatur @ statt do gelesen. Da aber nicht immer (na- 
iwentlich in Verbalkomposita) sicher zu entscheiden ist. wo das cine oder das andere gemeint war. helasse 
ich solehes ¢(o} iiberall im Texte. bezeichne es aber mit einem Punkt (¢). 


Das Irenrecht singt': 

Worin wird der Wahrheitsbeweis bei den Feni gefunden? — Erben haben keine (reehts- 
kriftige) Erinnerung oline Ogom (Schrift) auf Steinen*. ohne kundbares Losen*, ohne 
macs, ohne raths, obschun herichtet (ausgesagt) wird. obschon Vertriige der Alten (Ver- 
storbenen) betrieben werden. Zeugen sind es, die den Wahrheitsbeweis festmachen. 

Gut ist jeder Wahrheitsheweis. der ‘auf Zeugen’ gefiihrt wird; denn triigerisch ist 
er. wo sie fehlen. 

Geringe Leute. Vernunftlose (Unmiindige), Hauptlose' ‘gehen (leisten) einen Wahr- 
heitsbeweis, der unterstiitzt wird’. 

Ein Lebender werde" durch Lebende’ erleichtert; denn ungebiihrlich ist jeder Wahr- 
heitsbeweis, der nicht durch die Erinnerung von Zeugen erinnert wird. 


3* 


20 THURNEYSEY: 


Ist nicht eine tote Schitzung ein Horen, das in Abwesenheit gehért wird? Denn 
das Horen (Gehér) cines jeden ist cine Dirne, so da das [léren ungtltig ist, das sei es 
etwas Wahbres oder Unwahres hort. iiber das man (nur) ein Gerticht vernimmt. 

Zeugnis wird nicht an einen Freund befestigt. noch an eine Frau, noch ein Kind, 
noch einen Knecht (Unfreien), noch einen (nur) halb Verniinftigen”. noch einen zu Alten: 
denn wenn es ein zu Alter ist, so reicht die Erinnerung nicht weit. 

Nieht ..."; denn dem Schwirenden kommt nichts zu. «as tiber einen ‘Sack’ (den Wert 
eines Sacks Weizen oder Malz) geschiitzt wird”. 

Es ist kein Zeugnis, wenn ihm (dem eventuellen Zeugen) nicht zugesagt wird. daG 


es in seiner Gegenwart geschehen soll. 


1 Mit dem Satz ara-chan féncchas werden immer die roscad eingeftihrt. die oft poetiseli-rhetorisch ge- 
stalteten Rechtssiitze. deren Vortrag den gelehrten Dichtern (fil) oblag. val. $ to. 12. 60. 79. Sie bilden. neben 
den fasuiy. den Prijjudizien, die Grundlage des Fenechas. dev Cher lieferung der TP éni. des Irenrechts. Das -a- 
scheint intigiertes Pronomen. eigentlich: “das fFntches ane es: oder relativisch: ‘was das Féeuechas singt 2 — 


‘ Das ist dasselbe. was sonst oft int ogum isin yallde H. 8.15. 7a (O°D. 7. 20 u. 30) oder win golldn H. 3. 18, 
230b (C. 421 u. 422). ebd. 236a (C. 437) heiBt: also pacelech. ne Steine. ‘lie den Eigentiimer oder die Grenze 
des Landstiieks erkennen Jassen. — 3 Die Uberseizung des mir unbekannten acer(ws) nach der Glosse. Losen 


als Ordal bei ungewissem Eigentum an Land ist z. B. H. 3. 18. 236a (C. 437) erwiilnt. alithgnith wird dasselbe 
bedeuten wie sein Kompositum svaichnid ‘eonspieuus. etwa, dab das Losen otfentlieh oder auf bekannte Art 
geschehen mul, — * Doh. wohl: die keine “Haiupter’ sind. night: die keine haben. — % ‘Unterstiitzt’? oder 
“vertreten wird ihr Wahrheitsheweis durch die. die sie reehtlieh vertreten. ihe Vormuand, “‘Uaupt usw. ’}. 
Fidat nach der Glosse — firth’, — ®& Oder. falls Reta au desen ist. “wird. * Doh. ein Kontrahent 
durch Zeugen. nach der Glosse, — > finclogh (so!) ist H. 3. 18. 4250 (C982) aie Name vines fer letheuind 
‘eines Mannes mit nur halber Vernunft’ gegeben. neben havth 7 yaeth (zugleich) toricht und klug’ (s. die Glosse 
im Text). — ® Diesen — mit nicun-dlig) “beginnenden — Satz kann ich nicht sicher herstellen ‘und iibersetzen, 
zamal ich auch die Glosse ./. sch rane (1. rainne “Teile’?) nicht verstehe: der Sinn wird wohl dem des Be- 
aullidengssaizes entsprochen haben. — ! Es handelt sich um den sehworenden Zeugen und seinen Lohn: 
vgl. $40, wo aber der Zeugenlohn ein minnliches Kalb (= zwei ‘Siichen) betrigt. 


60. Ara-chan fenechus: 

Cu-du-foirgla, cu-du-len (-6 chid du |iellen) nech ni nad-aicci! nad-cluinethar? ar ix am- 
labar cach eumscas (-¢-each indsci) na+ fei fiadna fedai)r farnan bechte nan tochtae’, bag anfeich 
(-¢-aneolag) ar esomnar, airdmas ar thointin. 

Tromdith dia medamain messathar ar noillib ciall: gle cluine sin sacraibh sceo daeraibh. 

Dith newe, dith n-adgaire nad» hi snilibh sinemoin (-¢-xenfiadnaise) segar. 

1 -aicer Hs. — ? nantochtacich Us. (auf Rasur): oder 1. tuchtal? 

Das Irenrecht singt: 

Wo bezeugt einer. wo hilt er fest’ etwas, das er nieht sieht. das er nicht hort?” 
Denn stumm ist jede Aussage”. die nicht mit Zeugen gemacht wird. tiber was nicht sicher, 
nicht beschworen (zu besechwéren?) ist. die Behauptung eines Unkundigen* aus Frech- 
heit, das Sehiitzen nach (bloSem) Dafiirhalten. 

Schweren Untergang (Ungiiltigkeit) (bedeutet es) fiir seinen (des Falls) Beurteiler, der 
auf Grund von Eiden des (bloBen) Meinens urteilt: das ist fiir Freie und Unfreie eine schiefe 
(unzulissige) Klarung. Untergang (Fruchtlosigkeit) des Prozesses, Untergang der Riickfor- 
derung (ist), wo nicht angesichts zweier alter (Zeugen)’ hetrieben wird. 


' Wortlich: “folgt. “heftet sich an. — + Rhetovische Frage statt eines negativen Satzes. — % So deutet 
die Giosse das ony: vabes amy Wort eanscas., Eher bedeutet es vielleicht: °V erwirrtes: zu cummase “Ver mischung. 
Verwirrung’. — + So die Glosse fir anfrick: eigentlich “eines nicht mit der Sehuld (fiaeh) Verbundenen® — 


* Die Glosse gibt Bnivel “Zeugnisisey: aber sev--rmoin enthiilt vielleiecht emo ‘Par’. 


61. Co-du-insaigh sloigeth socr cen gialla ? 


co-du-acrd! coir Cen pee con dvis? 





om) Danach ibe an mw P ro. 270 den Sprach: ailid fir foirse AL . 460, 15 wohl falsch aufgefaBt; er 
bedeutet: ‘ein unterstiitzter Walhri bevels fordert. d. l. bereehtigt zur Vurderung (vgl. die Glosse in H. 3.18). 


Die Biiryschaft im irischen Recht. 2. Text I § 6O—63. 21 


co-du-uscnaither cath cetach cen arm? 

co-du-accobra creici cech dindba ? 

co-du-midet(hjar breithemoin? bretha cen fis? 

co-diu-boing cein (-¢-iar erin) comarba cur cen fiadia? 

jir non fiadnaise nad-aiee na-cluinethar na-tairic mdi). toing®. 

1 |. acair (oder acarar)? — * breithemoin Hs. — + Derselbe Satz auch H. 3.17. 431 (OD. 531) mit 
natoing fiir naditorng. 

Wo unternimmt ein Freier (Edler) ohne Untertanen einen Feldzug? 

Wo belangt (er?) fiir Bier(-Lieferung) ohne Herrenrecht. ohne Zinsbauern. 

Wo wird zu einer Schlacht’ ohne Watffe geschritten? 

Wo will ein Besitzloser kaufen? 

Wo fallen Richter Urteile ohne Kenntnis? 

Wo ‘erntet’ ein Erhe nach langer Zeit Vertrige ohne Zeugen? 

Es ist wahr, daf kein Zeugnis ist, wer nicht sieht, wer nicht hért, wer sich nicht ein- 
findet, wer nicht schwort. 


1 Wortlich: ‘Shundertfiltiger Kampf. 


62. Ar it he a xecht in sin con-osnat cach n-imtlhjaithbech': fiadnaisié inraici, ailig an- 
scullch|ihi, ratha rudhartha, senscriband deoda, timnae fri hee. toingthi bes lia, bes indraca, acht 
nan inraie nech ina chais fadesin, nach inraic? nach brithem avdjnagar dias, nach inraic nach 
Jiadnaisi nad-fuirgle gir for naimd® na cairde*, nach inraic nach naill lasna- bi forngaire, nach 
inraic nach fiudnaise nad foiryla. 


L mintaithbech Hs. — 7 tarae Hs. — 2 naimde Us. — * naairde Hs. 


Denn das sind die Sieben. die jJede Auflésung (cines Besitzes) beseitigen: ehrbare 
Zeugnisse, unverriickbare Steine. rahs fiir Giltigkeit, eine gittliche’ alte Schrift, ein Ver- 
miichtnis fiir den (oder: beim) Tod*. Es beschwoért es (der Schwur fillt dem zu), der 
gréBer an Zahl’, der ehrbarer ist; nur da einer nicht ehrbar ist (nicht fiir ‘ehrbar’ gilt) 
in seinem eigenen Falle. da® nicht ehrbar ist ein Richter, durch den zwei Leute (beide 
Parteien) geschiitzt (nicht verurteilt) werden, nicht elrbar ein Zeugnis. das nicht die 
Wahrheit bezeugt gegentiber Feinden und Freunden. nicht ehrbar ein Eid. der keinen 
Befehl* hat, nicht ehrbar ein Zeugnis. das (ein Zeuge. der) nicht bezeugt. 


! Warum eine schriftliche Urkunde ‘géttlicl’ hei®t, ist nicht recht klar. Man méchte denken, weil nur 
Geistliche. Schriftkundige solehe ausstellen. Aber H. 3. 18. 230b (C. 422) heiBt es: seuseribinn dadha eclasa 
no tuaithe ‘von Kirche oder Laienschaft. Immerhin handelt es sich in allen klaren Fallen um Vergabungen 
an die Kirche. AL V 450.3 steht dafiir comseribeann droda. In § 8t scheint sogar einfaches diode in dieser Be- 
deutung gebraucht. —- + Das ist die Heptas LAXVIUD (AL V 368: ZCP 16, 196): schon dort sind nur 6 Glieder 
statt 7 aufgeziblt, hier ist noch ein weiteres (vevchaid strchuimne) ausgelassen. Man beachte den alten Plural 
ailig gegentiber dem dortigen ailvhe (ZCP 16, 183). — * In Coie Conara Fug. 8.16 § 37 = 8. 37 $47 ist erwiibnt. 
da8 dem. der mehr Schwurleute (Eideshelfer) hat. der bewvisende Schwur zufillt. was ich (ebd. S.64 $12) nicht 
recht erkliren konnte. Aber an unserer Stelle handelt es sich offenbar um den. der mehr Augenzeugen hat. 
Dies wird auch sonst erwihnt. Z B. UL. 3. 17. 302 (O'D. 685) stebt bei dem Zitat: bes Yaidh). bes caidh, bes siren, 
ws inuraca iar feineachus die Erklirvung: «i+2ddh lia(dh\ a fiadhnisse firen aya. is e do-dena “wenn er mehr wahr- 
haftige Zeugnisse (Zeugen) hat. wird er beweisen. — |! Das scheint nach $ $3 einen Eid za bedeuten. den der 
snchar (wohl Richter) nicht befuhlen hat. 


63. Ni -beir fothuth fiachn. taisice cach do-berthe ; fo-lintalr|, man(ajyi-be. barth nech nad-mbi 
ndidm’ na-rrath na yiadnaise fet cach cundrath fri forgell cuimne® arna-dichlethar® («i+ ni-tabar 
dich\eall fuir). ni-ditihjomy uech ni nad-uicet nad-cluinethar, cen fiadnue fri folta. fir n-an- 
bechtai cor cen raith, car fiadhnae, cen naidins ar is raid to-boing, ruith gellas, fiadnaist 
con oi la folta fiachu. ar xb-foillsighther fiach nach) cor en fiadnaise, no co-rop a toga la 
cach a firfolail fo-triisesthar [23a] fora reir n-vige. ni beehtad nu(ch) tochtai di} tuathib tolluaidm. 


1 naidm Hs. — + cu/me Hs. — ? Arnidichlethar Us. mit Punkt davor: so las scheinbar schon der Glossator. 
—~ ']. do? 


22 TauRNIYSEN: 


Speisung nimmt Schulden nicht weg’. Alles. was gegeben wurde, wird zuriick- 
gezahlt; wenn es nicht (mehr voll) vorhanden ist. wird es aufgefiillt. Ein Tor ist ler, 
der nicht bei jedem Handel ein wid/m und eine rath und ein Zeugnis hat zum ‘Gedichtnis 
des Bezeugens’, damit nicht vernachlissigt werde. Keiner schwért etwas weg, der nicht 
sieht. der nicht hért, ohne Zeugen fiir die Objekte. Eine unsichere Wahrheit ist ein 
Vertrag ohne rat/. ohne Zeugen, ohne xvaidm: denn der xan treibt ein. der ra(ijth sichert 
durel; Unterpfand, das Zeugnis bewahrt die Schulden gemiB den Objekten. Denn klar ge- 
macht wird keine Schuld und kein Vertrag ohne Zeugnis; oder es soll jedem die Wahl 
seiner wahren Objekte (das Einverstiindnis mit den Objekten) zustehen. die er nach freiem 
Willen anerkannt hat’. Nicht sicher noch zu beschworen ist ftir die Stimme ein ‘durch- 
léchertes  waidlin, 


' Die Speisung (Gastierung) des Glinbigers durch den Schuldner tilgt die Schulden nicht. — * So etwas 
mub forrracsesthjar hier bedeaten. 


64. Corus u/tire. 
Cul arasn-eper uitire? — itir a te) i+ itr cich 7 gruaid; no dir da feichemain. 
Ceist, cés fir altire do-chasin la Feniu? — ww anse, a tri. — Cadeat? — aitire luigé 
7 aitixi foisma 7 aitivi nedma., 


! | dé: val. Cormacs Glossar 71 (Buch der Ui Maine). 


Reehtsordnung der aitire. 


Weshalb sagt man «tire? — “Zwischen (/tir) Zweien’, d.h. sowohl Brust als Wange 
(Ehre)’: oder: zwischen zwei Kontrahenten. 
Wieviel vitire gibt es bei den Feni? — Antwort: Drei. — Welches sind sie? — 


Avliim des Sehwurs und aitire des Auf-sieh-nehmens* and «aitire des naidue’. 


1 Wal. fir cache 7 gruaide. nime 7 talman. grene 7 esca ‘vin Schwur bei Beust und Wange. Himmel and Urde. 


Sonne und Mond in The Expulsion of the Dessi (¥ Cymmrodor XIV 112)$10.— * Zu verstehen ist wohl: “des Auf- 
sich-nehmens der rath-Buireschatt. vel. $ 76a. -- * In diesem Traktat bezeichnet qétir alle drei Arten 


von Bireschatten. nur durch Beiworter unterschieden: die erste ist die auch sonst aétre genanute, die aweite 
=> rath, die dritte == naidi, 

65. Co-rllangur aitiri luige? -— Ni anse: 

a. ‘Toing do dia, fond. fiad sa’ timi|h|irechta 7 bessu 7 laude 7 gnimu itive hi. taig 
frim sa 7 feisin fer so. nis + n-elafe, nos» comalfither; toss + unmuirr” teehta cirt coir di oghi 
in gnima inn» tauluaigh cach ara-thjaigh. co saigith 7 inmbleogain (. t+ fora fine). co ne-iv, 
cen Michell. co n-oighe neich inot-(hjasa a-rreir brithemon ux-beram. co folug (6c fulung) «a 
reire, clasa cladanut ndinl coscor. 

Y fond - fia sa. — 7 L. ton-dmmuirrs 

b. Toing to dia. na(ch) focre foudlo\t-ocerthar, not. geba hudhibh aitire cach techta: 
nach dal, nach aidbden tonut-fuichfither, tos-u-oimuir do nuirt 7 do luth. 

e. Toing to dia, to-n-airgife to dala jira hura cen dichll. cin ailseth acht taurbuith to 
huis no galair no thaulnatijdinand tuath., co-n-arrastar cach frit guimu cona ur iar tanrbuith 
-i-tuidecht iar taurbaid du focra a dala’, 

Dev Satz - e+ tadecht usw. ist jedenfally cine in den Text gedrungene Glosse. 

d. Toing to dia. to + indraigi' snadhud* cleivich no laich co hairm i+ n-eiperthar frit to 
dal. nach» fuicfe® di dail na. digentar dit. nus den(uy sa no nana. dena mo fer dala 
con meisur 


LL, -endrige? — -° snadhug- Hs. — 3 1. -fuehfe? — 4 1. -messur. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. 2. Teat I § G4A—O5,. 23 


e. Toing to dia n(ejime. nach airm dra’ indermill do guimu co age. not geibhid? fadein 
frisna gnimu sin 7 na aidbdena besaih aiterfe] degmo. saig. degmo- frre fir, med cla, dechmo + 
heiren. 


Lh tas roa? — 2 1 -gebr. 


f. Toiny to dia, benai foria? aurlithe to (sol) chiise hi nglas. to braghat hi slabraith co tumidin? 
cip no carcre. conut: foaslicther® as fiechaib no con+ruigle (04. coro+yella) dit fudein iar ndithim. 


lL. be n-aurlam, vgl. 8 77. — 7 1. teenidiu. — 3 -foaslichter’ Hs. 


g. Toing do dia cen toghais, cen toll, cen tobha, cin ni to (sol) chlith, lughe fir cn 
acht, cen aruse, cen dorath, cen dearmat, cen dichell, 


Wie wird zu der aitire des Schwurs verpflichtet? -~ Antwort: 


a. ‘Schwore bei Gott, daB du die Dienste und Briiueche und Fristen und Hand- 
lungen der aitire, die du gegeniiber mir! und diesem Mann eingchst. iibernelhmen (?)° 
wirst, da®B du dieh ihr nicht entziehen. dal du sie ertitillen wirst; dai du das Ge- 
hiihrende erzwingen (auch mit Gewalt zur Geltung bringen) wirst nach Richtigkeit und 
Ordnung mit der vollen Tatigkeit. die dir jeder. fitr den du (die Biirgschaft) eingehsr. 
zuteilt, mit Betreibung und Einstchen(-Lassen. nimlieh der Sippe), mit Zahling. ohne 
Unsorgfalt. mit Vollstindigkeit dessen, was dich trifft” nach der Bestimmung eines Rich- 
ters. den wir nennen werden. mit Tragen seiner Bestimmung. wer (oder: wenn) auch! 


‘Es spricht offenbar der Glanbiger oder der cinen andern zu cviner bestimmten Leistung Verptlicutende. — 
‘ Oder ‘einhalten. ausfiihren’? Das ist der zweite Belew fiir das V reub fa a? wortlich ‘untertlechten. das sich 
meines Wissens bisher nur in Morands Fiirstenspiegel (ZCP 11. 85 § 39. vel. S S. 104) gefunden hat in dem Satz: 
ar as+renar fo-jia, wo der Sinn leider nicht sicher ist. — * Wolll "raldtot « N06 Subj. zu ind-ad-sag-. — * Den 
verderbten SchiuBsatz hanu ich nicht herstellen. (vasa hann nicht gleich céaso sein. weil ein Pridikat felilt. 
Nur sehr zweifelnd vermute ich etwas wie: cia-s@ co ad+-dam andi co xcor “wer auch betreiben may. bis 
ich die Abzahlung anerkenne init Trennung (Beendigung des Vertrags). 


b. Schwoére bei Gott: irgendeiner Mahnung, durch die du gemahnt wirst, wirst du 
folgen mit den Fristen der «tire nach aller Gebiihr: irgendeine Zusammenbestellung'. 
irgendeine Veranstaltung (?)°. zu der du ...* werden wirst, die wirst du erzwingen 
nach deiner Kraft und Gewalt. 


! Pal bezeiclnet hdufig das Sich-Zusanimen-Bestellen und das Sich-Treffen vor dem Richter: doch da 
es an sich jedes solehe verabredete Zasammentreffen bedeuten hann, ist mir unsicher. ob hier nav jenes ge- 
meint ist. — * Avdbden ist vermutlich dasselbe Wort. das spiiter als ajiidben “Tat. Volitiihrung’ erscheint 
(Meyer. Contrib. 17 s.v. a(/jdbeu): es ist unten e. mit gvim “Handlung, Tatigkeit: gekoppelt, muB aber cine 
spezicllere Bedeutung haben. Da es seiner Herkuntt (ad-frdan) nach zuuiichst ein “Heranttihren, Herbciffilren’ 
bezeichnet haben muB und a(ijdien dann anech “Werkzeug. Tustrument. also das, womit man ctwas austiilrt. 
bedeutet. wire es vielleieht genauer mit ‘ins Werk setzen” wiederzugeben. Dab aiden auch Personen be- 
zeichnet, namlich zwischen dem Stammeskénig und dem Sippenhaupt in der Mitte stehende efarflaithi “Zwischeu- 
herren’ (Eriu I, 215. vel. O'Day. 185) macht die Sache nicht klarer; cbensowenig. daf& adhben von O'Day. a. O. 
mit étercian “weit entfernt: weite Ferne’ glossiert wird. — + Das Verb fiarjeh- (schwacher Flexion) ist mir 
sonst unbekannt. Sein Passiv don(djut. fuichfither erscheint hier mit dem Biirgen als Subjekt: unten d. hat 
aber das Aktiv nach+ fuic[h] fe als Subjekt ebenfalls den Btirgen und. wenn die Negationsform nach- richtiy ist. 
als Objekt anscheinend ‘ihn’. d.h. den vom Biirgen Gcleiteten: da es dort mit d/ dail ‘von der Zusammen- 
kunft wee verbunden ist, scheint os etwas wie ‘ternhalten. entziehen. hinderu’ zu bedeuten. Also etwa: ‘von 
der du wirst furngehalten werden’ (durch die Weigerung dessen, fiir dessen Erscheinen du btirgst?). Ob fiich 
(Gen.?) “Hahnrei. fviche “Halinreischaft damit zasammenhanet. ist mir nicht klar. Kaum zu Jo: eyi. . 


Schwére bei Gott. da du dich bei dcinen Zusammenhesteliungen richtig. zeitig(?)' 
einfinden wirst ohne Unsorgfalt, ohne Vernachlassigung. auBer bei dem Entschuldigungs- 
grund deines Todes oder deiner Krankheit oder sofortiger Verptlichtungen gegentiber dem 
Stamme*, (dvch) so da jeder nach (Ablauf des) Entschuldigungsgrund(s) zeitig(?) (wieder) 
an seine (Pilicht-)Handlungen gebunden ist. 


1 Das Adj. vr ‘friseh’ wird sonst vou Pilanzen (griinend’. ‘nieht verdorrt) oder vom frischen Schweine- 
fleisch oder -speck gegentiber dem cingesalzenen, auch von der frischen Butter gebraucht: in Bezug anf ein- 


24 THURNEYSEN: 


zuhalteude Verptlichtungen scheint es mir hier und unten (cov-a wr)*) am elesten ‘sofortig. zeitig (gewisser- 
maBen ‘lebend friseh) zu bedeuten. — 7 “Stimmen (Vlur.) der Text. Es handelt sich um Einberufung zum 
Heeresdienst oder zur Volhsversammlung, was allen sonstigen Verpfliclitungen \orgeht. 

d. Schwore bei Gott, daB du den Schutz (das schtitzende Geleite) eines Geistlichen 
oder eines Laien eingehen wirst(?)', bis zu dem Ort, wohin dir dein Zusammenkommen 
bestimmt (wértlich: gesagt) werden wird. dai du ihn nicht von der Zusammenkunft 
ternhalten(?)° wirst; da®8 du dich von ihr nicht freimachen wirst, wenn nicht ich dich 
freimache oder mein ‘Mann der Zusammenkunft’ (Vertreter). den ich ermiichtigen werde. 

' Das Fut. to+indraigé gehort vielleicht zu einem Kompositum von ¢o-ind-(vs-?) mit dem Verb ‘gehen. 
dann -riye zu lesen. Zu tendraide (s. u. Ss. 48) kann es kaum gehéren. —~ 7S. oben b% 

e. Schwore beim Gott des Himmels. da8, wo immer ein Versiiumnis(? eine Pflicht?)' 
deine Tiitigkeiten bis zum (SchluB-)Termin betreffen wird(?)-. du selber diese Titigkeiten 
und Veranstaltungen’ auf dich nehmen (ausfiihren) wirst nach den Briiuchen eines aitire, 
der am hesten betreibt, am besten das Richtige gewihrt, sich nicht entzieht. am besten 
zahlt*. 

1 indermill scheint § 76a zu bedeuten. was der Zahlbiirge (rath) bei Versagen des Schuldners zu zablen 
bat: es kénnte also cin “Versiumnis’, eine ‘Unterlassung’ des Schuldners bezeichnen und zu milhud verderben 
echéren: dazu wiirde der Ausdruck ‘du selber (aly Gegensutz) passen, Sieht man yon der immerbin unsieheren 
Etvmologie ab. so kénnte es auch eine Bezeichuung dessen scin. Was man von Biirgen verlangen kann. ctwa 
PHlicht: dazu wiirde vielleicht das Adj. chte ‘gebiilirend’ in § 76a besser stimmen. Da dort der Gen. rdithe 


davon abzuhingen scheint. gehért in- zum Wort und ist nicht der Artikel. — * Nur etwas zweifelnd wage 
ich die Konjektur in+ roa (za ro+saig) fiir indra, eigentlich: ‘wo... an deine Tatigkeiten heranreicht. — 
3s, oben b.*%. — * Die Kompusita drymo+ saig, drgmo + frre (1. -a), dechmo + heiren. sowie dchmo + icatar 8 74a. 


dechmo + gellnje, dechmo«{ejren, dechmo. i{n}mlig § 764, drchmo- lesaidter AL WI 38.10 zeigen, daB der Super- 
lativ dech. deg ‘bester’ wie sein Positiv maith (mad-) adverbial als Préverb gebraucht werden kann und dann 
die Endung von sechmo- bezieht. 

f. Schwoére bei Gott, da8 du bereit und gehorsam sein wirst, deinen Fu8 in die 
Fessel, deinen Hals an die Kette (zu geben) mit Verharren in Block oder Kerker. bis 
du durch die Sechulden (durch die Bezahlung der Schulden durch den Schuldner) daraus 
geliést wirst oder bis du, nach der Verfallszeit. ein Unterpfand fiir dich selber gestellt hast’. 

1D. h. “bis du durch Unterpfand sicherstellst. da du dich mit eigener Habe loskaufst’. 


g. Schwére bei Gott, da du nicht betritgen, nicht ‘durchléchern’ (unvollkommen 
ausfithren), nicht kitrzen, nichts verhehlen, wahr sclwéren wirst ohne Bedingung. ohne 
(besondere) Abmachung. ohne Scliwierigkeiten, ohne VergeBlichkeit, ohne Unsorgfalt’, 

66. Mu's-rulQai ind aitire so didiu, cid ara: tobongar de'? — ni-td acht ar aith- [23b] 
briuth a animae. 

Py. de? 

Wenn dieser aitire sich dann entzogen hat. weshalb wird von ihm eingetrieben? — 
Es geschieht nur’, um seinen Makel (seine Ehrlosigkeit) geltend zu machen’. 

1 Wortlich: ‘Es ist ihm nicht auBer’. — ? Vel. aes aidbredha ainme for inc{hlaibh ind rig AUT 72.6 vu. 

67. Cate a-sslan na aitire? toa fomeilt 7 a imluath 7 a gum 7 log .uii. cumal niath 
(.¢.ligh cimedha’, ar is cimidh ind aitivi car idithmaim fuirrd wr ndithmain, ..° a8 comre. 
ar aut rean si huile don ch\ach fris-tét, amal ron-gab uitire cairde. ar is ¢ cairde citla)-roibi 
aitire hug. 

1 ¢imédha Hs. — ? Hier scheint etwas ausgefallen. 

Welches ist die Entschidigung des «aitire? Seine Wartung’ und seine Bemiihung” 
und seine Tatigkeit® und der Wert von 7 cumal niath (21 WKiihen)* nach (seinem) Verfall 


1 








*) Vel. muce co n-ur ‘ein (zum sofortigen Schlachten bestimmtes) Mastsehwein’ AL I 122. 10. Dafiir: 
muc a fur V 78, 3- 


Di Biirgsehaft iam rischen Recht. 2, Teet 1S 06 70, 2 


[und das Doppelte von dem| was er bezahlt hat. Denn er zahlt dem. gegeniiber dem 
er (die Biirgschaft) eingeht. alles (die ganze Sehuld). wie es sich beim «fre tiir einen 
cairde (Vertrag mit einem auswirtigen Stamm) verhalt: denn beim evird+ hat es zuerst einen 
‘aitire des Schwurs’ gegeben. 

' Die Vergtitung dessen. was er fiir seine Warting wabrend der Seluldhaft: dem Gliubiger hat zahlen 
infissen, — + Wortlich: ‘Hertuntveiben. doh. die Vergiitung dafiir. dal er und seine Leute sich verveblieh in 
Bewegung gesetazt haben. am den Schuldner zur Zaldung zu veranlassen. — ' Der Loh fiir seine Arbeit. die 
er wihrend der Sehuldhaft versauimt hat. -- | Die Glosse erklirts der Preis fiir die Losang vines) cfadhyd 
(vines verfallenen. eventuell zu totenden Gefangenen}: denn der aitire ist nach seinem Verfall (nachdem ihn 
der Schuldner durch Nicht-Auslésung hat verfallen lassen) ein comibyid. Die cumala math ‘vines Kiimpen’?} Sind 
anderwarts einfach cvmala genannt: 7 cumeal sind der Wert eines (freien) Manues. 

68. Caide aitire foisma(i)? — fo-sisithar side smachta dam in fasach sin, ore nald|-u- 
vdar a chain’, for-reith coliinn smachtu. afr] it fe in so ecithre (Mautinnas indegle 7 dirigq 
raithe huidhib dligith iter da feichemain ¢ n-airbirt av. 7 in tan di-veqar rath ar feichemain 
in tucht so, con-sui rath fri slun. 

1 na nedarachain Hs. (ohne Worttrennung}. Moglieh ware auch: van|ad] cd araschatn, 

Was ist eine aitire des Auf-sich-Nehmens? -- Diese(r) nimimt aut sich! 
dieses Priijudiz. “Weil seine Regelung nicht erlangt wird’. ereilt das (Schuld-)Objekt 
BuBen*. Denn das sind die vier Tlirten des Schiitzens und des EntbliBpens! des rah 
nach den Fristen’ des Solls (Rechts) zwischen zwei Kontrahenten bei Fiihrung eines Rechts- 
streits. Und wenn der rdt/ fiir den Sehuldner auf diese Weise ‘enthloBe wird. wendet 
sich der rath zu (seiner) Entschadigung”. 


' Der Text ist hier sehr korrupt: dam ‘mir und iv fasach sin “dieses Prajudiz® stehen in dev Luft. Die 
Anderung von dam in dia-ta geniigt wohl nieht: ich vermute vielmehr eine eroBe Liieke gleich hinter sid. 
Ob fo-sisithar mit dem Objekt smachta “BuBen verbunden werden kann. ist cweifelhaft. obschon nach $ 52 
die Schuld nebst den smachta vom rath erhoben wird. An sich witrde man aly Ohjeht zu fos ssrthar cher 


raith erwarten nach §$ 76a. 77. Auch die ‘vier Hirten’ ii Poluenden bleiben unerklirt. — 7 Kanm: ‘weil es 
(das Priijudiz) das nicht singt (-- lelrty. - 3 D. hh. ‘treten zum urspriinglichen Schuldobjekt BuBen hinzu’. Die 


Lesung fo-rreith “der (Schuld-)Gegenstand tritt an die Stelle der BuBen” gibt heinen verstiindlicheren Sinn. -- - 
' Das ‘EnthléBen” (dareh) des Biirgen bedeutet hier und im Folgenden immer. daB er tatsichlich fiir den 


Schuldner zahlt. s. §$ 69. — > (¥dr hedcutet zwar meist “hestinmte Zeitstrecke : aber man wire manchmal, wie 
hier, versucht. es etwa mit Bestimmung, Regelung zu iibersetzen. Doch kommt man wohl mit (Verfalls- oder 
Zahlungs-)Fristen aus. Die Glosse 7 ndligd vu a n-uidiu AT. II 302.5 ¢. ist nicht maBgebend. —- ° Doh. ‘TaBr 
er sich dann vom Schuldner entschidigen’. 

69. Cair, co-bi slan na raithi so? — ataat di- slana' do raith huidhib dligid. ~- cadeat 
side? — slau n-aurslicthe indise cena direch 7 slan u-aurslictht iar nidirech. tar n-erie son don 


rath tar cend feichemon. 

1 |. da@ stan? 

Worin hesteht die Entschidigung dieses rath? -- Es gibt zwei Entschidigungen fiir 
den rath nach den Fristen (Zeitunterschieden?) des Rechts. -— Welches sind sie? — Ent- 
schidigung fiir Offmung der (Vieh-)Hiirde ohne ihre ‘Entbliung’ und Entschidigung fiir 
Offmung nach (== mit) “EntbléBung’. d. h. nachdem der rah fiir den Schuldner gezahlt hat. 

40. Mad ie ursluc(ith andisé ria mdiriuch tit feichem, us-ren fudesin 7 a c[hjolainn feich 
7a smachta, riasiu as-ria rath tara dhjenn. 7 as-ren boin do raith inna imloth 7 7 nn-aurslucuth 
a Mdisi, ar at sé laa deae immen olrath’ rath; miach cach laithe do didiu tar heisé is imlog?. 
bo do samlaith. is ed is [slfan v-urslicthé indise in so, 

1, imme-roloith? — 7 1. ind imloid? 

Wenn bei der Offnung der Hirde der Schuldner vor der ‘EntbléBung kommt, so 
zahit er selber sowohl seinen Schuldgegenstand als seine Buen. ehe (= ohne dab) der 
rath fir ihn zahlt; und er zahlt dem rath eine Kuh fir seine Bemtihung und fir das 
Offnen seiner Hiirde. Denn sechzehn Tage hat der rath (jemand) in Bewegung gesetzt 


Phil.-hist. Abh. 192s. Nr. 2. { 


26 THURNEYSEN: 


(zar Betreibung des Schuldners); er erhAélt nun einen ‘Sack’ fiir jeden Tag fiir die Be- 
miihung. So erhilt er (im ganzen) eine Kuh’. Dies ist die Entschidigung bei der Offnung 
der Hiirde. 


' Da 16 ‘Sicke’ = 16 Scripuli sind. eine “Kul’ aber aly 24 Ser. gilt. so erhalt er also speziell fir die 
Offnung seiner Htirde 8 Ser. == 1/3; Kuh. 
V1. Os [sllan neurslictho tur ndirinch, caide son? —- 0 n-as-comra rath tarfa| e[hjend 


co-ndecfhjomrastar a tudes airi, logh a enech iarna miad. is ed i slan 7 gert 7 indoth 7 fuillim 
7 colainn fetch. 


bas 
Und die Entschiidigung ftir das Offnen nach (= mit) EntbléBung. worin besteht 
diese? —- Wenn der rath fiir ihn gezahlt hat. so daB seine Hiirde um seinetwillen ‘ent- 


b]6Bt’ worden ist. erhalt dieser seinen Ehrenpreis nach seinem Rang; das ist seine Ent- 
schidigung und (dazu) das Produkt (Milch und Diinger') und der Wurf (die Kiilber, des 
Viehs,’ und Verdopplung® und der Schuld-Gegenstand (-Betrag). 


1 Zu dieser Bedeutung von gert s. ZCP 16, 211. — * Der Biirge wird auch fiir das entschidigt. was 
er an Milch. Diinger. Kilbern eingebiiBt hat von dem Tag an, wo er sein Vieh hat in Zahlung geben miissen. 
Lis zu dem Tag. wo er vom Schuldner entschadigt wird. -—- * fiaillan, eigentlich: “Zins. steht hier, wie é{ters. 


an Stelle von fui/id “Auftiilung, Verdopplung’. s. ZCP 14. 377. und umgekelirt Suillidh tir fuill)m ebd. 153.254. 


72. Teit for rath caich didiu ua fo-choimlich trian a selba, is © os tualaing rathe for 
cach red, inti dod-ronai no las-mbia seit div setaib indi teite fora ruith. ar atait trios raithe! 
f. rath fei dui 7 daurthach 7 caire n-umai fo bith frichguama doibh. 

1 triosraithe Hs. 

Ein jeder tibernimmt eine rath (nur) fiir so viel, als cin Drittel seines Besitzes tragen 
kann. Der ist einer rath fiir jede Sache ffihig. der sie austiithren kann oder der unter 
seinen Wertgegenstiinden den Wert dessen besitzt. tir das er die rath ttbernimmt'. Denn 
es gibt drei Erhabenheiten(?)° der ra@/. nimlich eine rath fiir einen Burgwall und eine 
Kapelle und einen kupfernen Kessel. weil sie einen bestimmten Dienst (ein offieivm) haben. 


1 Diese beiden ersten Satze sind wohl zwei verschiedene. sich nicht entsprechende Bestimmungen des 
zu einer rath Faihigen. — ? Gs. sonst wais geschrieben. das bald adjektivisch (bei Sing. und Plur.) ‘hoel’ (sub- 
stantivisch ‘cin Hober’). bald komparativisch ‘hoher bedeutet. scheint hier Dinge zu bezeichnen, die tiber Biirg- 
schaft erhaben sind. fiir die man nicht birgen hann, weil man nicht im Fall wire. das Erforderliche zu Icisten, 
Vel. die inhaltlich entsprechende Triad of Ireland (ed. K. Meyer) 220: Trt huais rdtha 7 aitiri 7 nada usw. 
mit der Beyriindung: Ar is dais (hard? Meyer) do fir fine do thabairt frra céili (vgl. auch Trias 235). 


3. Caite raith gaibess guim nadimuar 2? — rath saiges for fechemuin la noidm. riasiu 
do- coumrastar. 
Cuide naidm saiges’ grim raithe? — naidm giallna. 
|. gaibes. 
Welches ist ein rath, der die Handlung eines vaw/m unternimmt? — Ein rath, der 


einen Schuldner mit dem xaidm betreibt, bevor er ‘entblé$t° worden ist. 

Welches ist ein naidm, der die Handlung eines rath unternimmt? —- Ein naidm fir 
Unfreigenossentum’. 

1 Vel. oben § +2. 

74. Ceist, co-hellangar forsin raith huidib dligith? — ni meisid nech raith n-airi isin 
cundrath, nascar a slan na-rraithi cetamus re nadmuim forri fadisne; 7 at-guidh in feichem 
aru-teit nudmen hi slan. co-n-eipir: 

a. ‘Aico macu é n-ogslun co n-oghice n{r| raithe [24a] so do neoch inderasa dind raith, 
as theite aurut. ogic, slanic, Aiccatar ratha Fene deathe denmecha dechmo-tectar. conda-fargl ai 


Dir Biirgschaft im irischen Recht. 2. Text 1 8 7h—7-, 27 


ogslan co mbithslan, cen chin, cen clhlathaig. cen eric. cin fiachu, cen domain, con suvay, cen 
tarsne’. 


LL. tarsmiv? 


b. Adee macu nos + u-icfue ria u-eraic, icc| f\ait do chomarba so a comarbad® som. wos + n-icfue 
fadein it biu, condo-fargbae so 7 do chlomarbe slun di neoch ads rathme aurut for rath, 


1], chomarbu: oder @ comarbu si (auf rath beziiglich). 


e. Aice macu, nach airm i+ n-etar craic dé aurut treet heluth no tolluguth nadip dligthech, 
icfai a slan. ci as-comre, a forus to thigt fudear ainscuigeth. cen clh\ouscuguth nadet coman- 
mun na comthuirmi, manach* dibath ar brith na breithem, aputh cach coir 7 aurnaidiu techtu, 

' nach nach ma ist unmoglieli: 1. -nvach oder a-nnach? Nach conut-diha § 76a vielleicht eher monit.dihat. 

d. Aire macu do samluith cin acht. cen aurese. cen doraith. cen dichil? , 

Wie wird der rath nach den Fristen (= Reihentolgen?) des Rechts verptlichtet? - 
Keiner ist berechtigt, einen zum rath fiir sich bei dem Handel zu machen: zuerst, bevor 
auf den rath selber “gebunden’ wird. soll die Schadloshaltung des rath “gebunden’ werden: 
und der Schuldner (Koutrahent). fiir den er (die Biirgschatt) eingeht, bittet uédms herzu 
(als Garantie) fiir die Schadloshaltung. So daQ er’ spricht: 


1 ‘er ist natiirlich nicht der Schuldner. auch nicht der rath, da im folgenden in der dritten Person von 


ihm gesprochen wird: ebensowenig ein naidm, der erst $75 auftritts also wohl der Glanbiger. der andere 
Kontrahent. 

a. ‘Stelle Garantien fiir volle Entschidigung dieses ra‘ mit voller Zaldung inbetreff 
dessen, was er auf Grund der rath, die er fiir dich eingeht, hinaus zahlt': vole (d. h. mit voller) 
Zahlung, heile (entschiidigende) Zahlung. wie... makellose? ra@is der Feni bezahlt werden. 
die am besten bezallt werden. bis dat} du ihn voll entschidigt und dauernd entschadigt 
verlaBt, ohne Vergehen, ohne cufhach (Vergehen gegen Nachbarbauern). oline (ausstehende) 
Zahlung, ohne Schulden, ohne Bubleistung. ohne smur (weiter zuriickliegendes Vergehen)’. 
ohne Uberbleibsel (einer iilteren Schuld)*. 

1 Die Form iaderasa .. as ist sehwierig; d-rig- “enthl6Ben’ wird nicht mit as verbunden. Da es e heiBt: i. 2-ear 
éraic dt. steckt am ehesten eine Furm des Verbs @s-ren ‘zalilt’ darin. Vielleicht ivd-éra-si .. as “was er (rath f.) 
in (die Sehuld) hinaus (an den Glaiubiger) zahit': das Kompositum in-?-ren- kommt auch AL Il 374, 20 vor: 
aber die Verbindung vou /n(d)- und os ist auffillig, — * Div gewohnliche Bedeutung von death Cuntitiv’ 
paBt hier nieht: vielleicht. der Etymologie entsprechend: “nicht scharf’. eowa: Biirgen. die nicht mit unnétiger 
Seharfe vergehen. Denmech wohl Adj. zu denme “purity (Meyer, Contrib.) das selber von dantm “makellos*® 
abgeleitet ist. — ? smur ist das Simplex zu dem Sfter belegten Ausdruck sensmur cinad “weit zuriickliegendes. 


spat eingeklagtes Vergehien’, vyl. Coie Conara Vugill S. 78. $55 und dazu die Korrehtur ZCP 16. 230. -~- 
1 


+ Alle diese mit ‘ohne’ eingeleiteten Ausdimiche konnen sich nicht auf den rah. sondern nur auf den Schuldner 
beziehen. Dieser darf keine Zahlungsverptlichtungen anf sich sitven haben, die in an der Schadloshaltung 
des rath hindern kénnten. 

b. Stelle Garantien, dafi du ihn (den rath) zahlen wirst vor (’)' der (-= seiner) Zahlung. 
dal} deine Erben seine Erben zahlen werden, da8 du sie selber. wenn du lebst, zahlen 
wirst, so dafi du und deine Erben ihn entschidigt verlassen werden inbetrett dessen, 
was er als rath fiir dich anerkannt hat. 

'DaB der Schulduer den rath bezablt. bevor dieser bat zalilen miissen. kann nicht gemeint sein: ra 
‘vor ist offenbar ein Fehler fitr far ‘nach’. 

ce. Stelle Garantien: wo auch immer eine Zahlung vou ihm fir dich erlangt (er- 
hoben) wird durch dein Dich-Fntziehen oder deine “Durchlécherung’ (anvolkommene 
Leistung). ohne dali es rechtlich (entschuldigt) ist, wirst du seine Entschidigung zahlen, 
was er auch bezahlt hat, am Erfillungsort deines eigenen Hauses, unverschoben!, oline 
(solche) Verinderung. dal sie (die Objekte) nicht gleichnamig (gleicher Art)? sind oder 


4 


JS THURNE\VSEN: 


nicht gleich viel zihlen. wenn sie fiir dich nicht erloschen (getilgt) sind nach Spruch und 
Richter, bei ordnungsmABiger Ansage und gebtihrendem Abwarten’. 


hos 8 sra. — 4 evmanmuin wohl ‘gleich benannt. nicht “gleichseelig’: vgl. den iihnlichen Ausdruch 
anmunn ainuil ¢ fen AL I 278. 24 und 27. — ? Das letzte geht wohl anf den rath: er muB den Schuldner 


ordnunysgemiB betreiben. mit Ansage (des “Solls) und Einhalten der Fristen. 


d. Stelle ihm Garantien also (zu handeln) ohne Bedingung. ohne (besondere) Ab- 
machung. ohne Schwierigkeiten. ohne Unsorgfalt’. 


75. Ass berfalt nadmen frisin feichenuin: In u-aicde ¢ n-ugie na raithe teite aurat, corop 
ogslin vo mbithslan di neoch adenae anrut fora ratth, ogslan icatar rathe@ Fene cach techta:. 

Es sprechen die vadms zu dem Schuldner (Kontrahenten): “Garantierst du (durch uns) 
tiir die volle Bezahlhing des rath, der fiir dich (die Biirgschatt) cingeht. so daB er voll 
und dauernd entschidigt wird inbetreff dessen, was er als ra/h fir dich anerkennt: voll 
entschidigt, wie die rdths der Feni nach aller Gebiihr bezahlt werden ? 

76. In -lonygar for raith iar suidin in fiach no in cuurath ara» roib on fechemain ara + tart raith : 

a. “Alter macu hi fois do raithe frisin fiach so no a ndligith' no dilsi an dh\arada, 
ogratius, slanrathus, fialrathas, rath fuis, rath forius, rath tre nguim, rath fialede\uech. rath 
sitrech, for-toagar fort, na-ditth|ongur dity as. rena cent indermill techta: dagraithe. di-yene 
dir firlilnde, conut- iba each thechta. 

LL ndligrth. — * 1. cen 

b. Alee macu, gillfui 7 in-coisis, be solam fet gell 7 tobach 7 humbleogan, craice tingell fri 
ustoichich' aruis fuden, aputh asind fuighthi*, tothluguth 7 aurnidhi a tig aruis. 

Ly. asdo thig? — * Dahinter: arauiy fielein aputh asindf auspunktiert. 

e. Lier macu, at cetrath isin fiach so, cetna cor caich ara-daigh, fuis 7 forais, cen dul 
sh thenluch feichemon ara-daig dou fechemuin fees. tary, co shinddsi neich ro. gy llae 7 as+com- 
rithey dot rathaiyghes, cni athranustar, acht it raith do- cai. 

d. hice macu. at rath frisin feichemuin 7 frithillzablyech! bes tualaing slan 7 freitechta 
din fiach so no din chundrath, 7 fri comorbue, 7 a chor 7 a giallua 7 0 imur, sorthas us 
Jefluwem seguir, gelltuir, us-renar, fortota® do chjuru. do chomarba 7 cach beres do chin 7 
do raith 7 do dibath, na airbir mainché na yiallna na bothas na dilsi, na dichlibther coir diraithe? 
decline -yelluas, dechmo-[elren, dechmo + iln|utig?. 

1 |. frithdliythch? — * 1}. forta.ta? — ? 1. degraithy)? — ' 1, -yella, — * dechmointing Hs. 

e. Aiee macn do suntaith fotota’ com meid rortinech, cen prithaie’, cin frithrim, cen ache’. 
ren airease. con dorath, cen dermat, cin dich? 

! Dahinter zwei Buchstaben ausradiert: |. fortot-ta? — +? Das zweite / untergeschrieben. 1. frithaé. -— 
- as Hs, 

Daraut wird der rath vou dem Schuldner (Kontrahenten). fiir den er die rath ein- 
geht, fiir die Sechuld oder den Handel verptlichtet, dal sie (er) bestehe': 

1 Vel. con-raib § 5rb. 

a. ‘Stelle Garantien. deine rh auf dieh zu nelhmen fiir diese Schuld oder das ‘Soll’ oder 
die Giiltigkeit des Handels; (es sei) eine volle Haftung, cine heile Haftung. cine anstindige 
Haftung, eine rath des zu-Hause-Bleibens. cine rath des Erfiillungsorts', eine rath der drei 
Iandlungen*. eine rath von anstindiger Ehrbarkeit®. eine kriftige rath. die auf dich zu- 
geschworen. nicht von dir weggeschworen wird. dal} du ohne weiteres (?) den gebtthrenden 
Pilichtteil (2)' einer guten rath zahist’. daB du das Wahre (Richtige) der Wahrheit tun 
wirst. bis es fiir dich erliseht nach aller Gebiihr. 


Doh. der rath darf nicht auskneifen. — ¢ rath tré ngninh wird WH. 3. 17. 442 (OD. 373) Ee. 88 


spear (© 2452 erklart: ‘er betreibt. er zahlt. er schwort nicht weg. — % Fir rath fialeienrch Viest H. 3. 15 


Die Biiryschaft im ivischen Recht. 2. Trat Tos 75 7S, 2 


und Eg. 88 (a. QO.) rarth cicch und erblart es als cin rath, devin der Hobe seines Ehrenpreises biirgt: su. S. 47. 
—— +s. 63e 4. — * Das Prasens neben dem Futurum fallt auf. 

b. Stelle Garantien, daB du Unterpfimd stellen und anzeigen (aussagen) wirst. dab 
du bereit sein wirst zu Unterpfand und Eintreiben wil Einstehen. zur Zahlung. die du 
versprechen wirst. aus deinem eigenen Wohnhaus. bei Ansage von der Hofwiese aus. (bei) 
Kinfordern und Erwarten (der Zahlung) im Wohnhaus. 


e. Stelle Garanticn. dab du eine erste rath bei dieser Sehuld bist. ein erster Vertrag! 
(inbetreff) dessen. fitr den du (die Biireschatt) cingehst. (ein rah) des zu-Hause-Bleibens 
und des Erftillungsorts. ohne dali der Kontrahent. gegentiber dem du (die Birgschaft) ein- 
gehst, an dem Terd (Haus) des Kontrahenten. fiir den du (sie) eingehst. voriibergelit, mit 
vollem Verfallen-Sein dessen. ftir das du Unterptand gestellt haben wirst und was auf Grund 
deiner rath-schaft wird bezahlt worden sein. ohne dab es nochmals gebunden’ wird. sofern 
es nur zu deiner rah echoért. 


' Nach irischer Weise wird hier der Biirge selber uicht nur rah. sondern aueh cor “Vertvag® genanot. 
Es muB ein ‘erster’ Vertran sein: er darf nicht schon andere Vertriige gesehlossen haben, die seine Zahlunys- 
fihigkeit vermindern héunten, 

d. stelle Garantien. dab du eine rah bist gegentiber dem Gliubiger und einem .. .!. 


der zu Schadlos(-Erklirung) and Verzicht beffihigt ist inbetreff dieser Schuld oder des 
Handels. und gegeniihber einem Erben und seinem’ Vertrag und seiner Unfreigenossen- 
schaft und seiner letztwilligen Verfiigung; eine gute r7th-schaft. (gemib weleher) am vollsten 
betrieben. Unterpfand gestellt. gezahlt wird, die deinen (weiteren) Vertriigen vorgeht. denen 
deines Erben und eines jeden. der dein Vergehen und deine raf und dein Erbe ‘trigt 
(erhalt)*: die nicht Untertanenschaft unter eine Kirehe oder einen Herrn geltend macht. noch 
‘Tiiittlertum’. noch Angehorigkeit (Untreiheit)*: (durch die) das Ordiingsmibige eines guten () 
rath, der am besten Unterpfand stellt. am besten zahlt. am besten eiustelit. nicht vernach- 
lissigt werden wird. 

1 Ein Wort fithilgoh gibt es wohl nicht. Etwa freth-dlythe dh. eleichsam “Gegeu-Anspriichler 2 Ob das 
einen Bevollniichtigten (gegen § sra) oder cinen Rechtsnachfolger bedeutet. ist zweifelbaft: doch ist das zweite 
wohl erst durch das unten Folgende ausgedriickt. Jedenfalls ist es einer. der. sei es den Glaubiger. sei es sich 
fiir cntsehadigt erklaven und auf weitere Leistung verzichten kann. Zu slan > freitihta s. $327. — * ‘seinen 
bevieht sich kaum anf den Erben. sondern auf den Gliubiger selber. Der kann durch Vertrag oder Testament 
die Schuldtorderung auf einen anderen tibertragen. Demnaech mu giadlnae wohl bedeuten. daB der die Schuld- 


furderung einem Unfrei-Genossen ais Lehen (ra/h) tibertragen kann. — 3 D. i. bei Ermangeluny mitunlicher 
Nachkommen. der niichste Sippengenosse. — ' D.h. der rath muB ein freier Mann sein: er darf nicht geltend 
2 : 


machen, daB cr in einem Abhiingiekeitsverhiltnis stele. das ihn an der freien Verfiigung fiber seine Habe 
hindere. Zum ‘Hiittlertuny’ (Aothesy s. Cow Conara Fi. S. 77. 

e. Stelle ihm Garantien so (zu tun). ...' ohne zu viel zihlende Wage. ohne Geven- 
prozeB. ohne Gegenrechning, ohne Bedingung. vline (hesondere) Abmachung. ohne Schwierig- 
keiten, ohne VergeBlichkeit, ohne Unsorgfalt’. 

1 Falls fortot-ta zu lesen ist. kénnte es heiBen: “daB® es auf div ist (liegt). 

0. As-berat nadmen frisin raith: “nen-aicde hi foisin do raithe co firelhomalluath to 
ra thaigis doa fechemain, noch be folam aurlian in(imleguin, saigthe, gill 7 cirers ci as le 
frichem, at-rla so. 

Es sprechen die wavfurs aim raéth: “Garantierst du (durch uns), deine rah auf dich zu 
nehmen mit richtiger Erfiilling deiner r@//-schaft gegeniiber dem Gliubiger, und daB du 
bereit und fertig' sein wirst zu Einstehen. Betreibung (Betrieben-Werden?), Unterpfiand 
und Zahlung: daB. wenn auch der Schuldner sich cnizieht. du dieh nieht entziehst’? 

1 Vielleicht avrhthe “eehorsam zu lesen wie $65 f, 

08. Cit roe nasar conmea cach condratha iter feichemna for vadinen 7 ratha fia\d | fiad- 
nish, doathbongatar no for-lnaiter, mani-be toyha folaith, 


30 THURNEYSFS: 


Mag auch der Betrag jedes Handels zwischen Kontrahenten auf naidms und raths 
vor Zeugen “gebuuden’ worden sein. werden sie (die Handelsvertrige) aufgelést oder («die 
Objekte) aufgefiillt, wenn nicht Wahl des Objekts statt hat (wenn sich der Gléubiger mit 
dem Objekt nicht einverstanden, es nicht fiir das richtige erklirt). 


79. Air ara-cham fenechus: 

Sculrith dochiall deimnigthiu. 

do-rorben fosar tirnadmen, 

neeygellaAe ratha diandochor dochuiad na diubairt lobuir. 

hivigthjer doltat, dirgitthyer dochuir do choibchib cin imidinbairt di reir de 7 duine. 

Denn das Trenrecht singt: 

Unverstand zerstért Beweise. 

(Riehtige) Unterlage férdert richtige Bindungen (sdas). 

Raths stellen nicht Unterptand fiir einen raschen, ungiinstigen Vertrag eines Unver- 
niinttigen (Unmiindigen) noch fiir die Ubervorteilung eines Schwachen. 

Schwierigkeiten sollen erleichtert. schlechte Vertrige geradegerichtet werden tir 
Kontrahenten ohne gegenseitige Ubervorteilune waeh der Bestimmung von Gott und 
Mensch. 

80. Nigella rath goi. 

ni-suiy dilsi diupert dorvir. 

do-fuasliicé fir forurchonn, 

seguir fir tar iubaill. 

ni-upaill nech niarnos', 

née lubaill. manip i gein yaith 7 baith berthir. 


1, na nt arnas? 


Kein rafh stellt Unterptand fiir Liige (Erlugenes). 

Ubervorteilung mit Uhelwollen’ erlangt nicht Giiltigkeit. 

Der Wahrheitsbeweis (Eid) Héchststehender (?)° lést auf. 

Wahrheitsbeweis wird tiber Verfallsfrist hinaus erfordert’. 

Nichts erstirbt, das “gebunden’ worden ist. 

Es ist nicht Giiltigkeit, wenn nicht fir das Vergelen eines Klugen und (= oder) 
Unkhigen erhalten (weggenommen) wird’. 

1 Vielleicht: ‘gegen den Willen (des Uhervorteilteny. - 2 Forwrchoun ist nach dev Alliteration Gin Wort. 
Rin wreehonn ist ein voll Verniinitiger. voll Geschittsfiliger: ein forvrchonn muB also einer sein. der tber 
einem Solchen stelit. Vielleicht ist gemvint, daB cin Konig jedes Gegenzeugnis niederschligt, s. AL 78. 
) Nimlich. wenn der Eigentiimer in Unwissenheit war. da®& er Fioentumsreclite ecltend machen eaiiite: — 
£D.h. wohl: Ohne besonderen V ertrag Weegenommcnes ist ner ye spfallen, wenn es aly BuBe fiir ein Ver gehen ve- 
nommen wird. Gaith 7 baith kénnen hier wohl nicht die Bezeichnung des Haltb-Verniinftigen’ sein wie in § 50°. 

81. Duilbther cach nos norde noe n-aihehib: crich. loee, persan, espe. uimser, deodhe, 
dir, arag, comet. 

ni-ruiglet cit rechidhi* ratha elena). nadmen tolla la Feniu: ui cloin, ce tho-aithbestar 
fossuir a neate, 

is cos fo® coraith, mant+pe toga foliuith. 

ni-tuilli dilsi anfolta naich didess duis diupurta. 

“ rechtidhi? —- 2 1. fri? Vgl is cos fri covad. munabat pra fola S. 33. 3, 34b (©1757) 

Jedes neuufache Recht werde mit nem Eingeweiden (?)' getormt: Gehiet, Ort, Person, 
Nachlissigkeit’, Zeit. géttliche (Schrift)". Wahrheitsbeweis, Bindung (Garantie), (im Ge- 
daichtnis) Bewahren. 


Lee Biryschaft tm irischen Recht. 2. Treat Tg 79 —S4, 31 


Nicht kénnen Unterpfand stellen. aueh wenn sie Herrenrechtler (= Herren?) sind. 
sehiefe (unrichtige) ra@t/is, “durehlécherte’ nutidms bei den Feni: es ist nicht unrecht, wenn 
die Unterlage ihres Rechtsstreits aufgelist wird'*. 

Es ist “FuB gegen einen Steinwall. wenn nicht Wahl des Objekts statt hat’. 

Verfallen verdient keine Un-Objekte (schlechte Objekte)", und eine Kostharkeit der 
Ubervorteilung (die durch Ubervorteilung erhalten worden ist) ist nicht verfallen. 

' Von anklingenden Wortern kenne ich nur abbach. apach “Eingeweide’. Gemeint ist, daB bei Rechts- 
entscheidungen die neun Dinge in Betracht kommen. — * Im Gegensatz zu “Absicht (bei einem Vergehen): 
die BuBen sind dann verschieden. — * Ey ist wohl auch hier scuserthend droda zu verstehen. wie § 62". —— 
* D.h. ‘wenn sie beim ProzeB ahgewiesen werden’. —- * Vel. $78. Ein ‘FuBitritt) gegen einen Steinwal? ist 
etwas Nutz- und Ergebnisloses. — * Was verfallt, in das Eigentum des andern iibergeht. soll ans richtigen 
Schuld-Objekten bestelen. 

82. Ni-riae nad-criae. nivcria cin dilsi. ni dilis ni cin fol-', ni follan cin slan, ein aithi. 
ni-thyaitheri@, ma ro-rie; ar nt wich we renus, is a huiiu erewas coimeisnibh® eainbreth. 
né-oid® nad-urnaise. 

t Nach dem Folgenden wohl zu follay zu ergiinzen. — + Dayor Punkt in Hs. — * Uber und unter » 
ein Punkt. 

Verkaufe nicht, was du nicht kautst. Kaufe nicht ohne Eigentum'. Nichts ist eigen 
ohne. .*. --- Es ist nicht ..* ohne Entschiidigung. ohne Vergeltung. Nimm (wortlich: 
kaufe) nicht zuriick, wenn du verkauft hast: denn was einer verkauft. gehdrt ihm nicht: 
ihm gehért, was er kauft gema den Beobachtungen (?) guter Urteilsspriiche (Rechitssiitze). 
Einer) leiht nicht. was er nicht ‘bindet’ (d. h. ‘ohne sich die Riiekgabe garantieren zu 
( s 
lassen’). 

1 D.h. ohne daB es Eigentum des Verkiinfers ist und somit in dein volles Eigentum jibergelit. — 2 Das 
Wort follan ist dunkel. Vielleicht ist es das Stamumwort des Verbs folnaithir, das immer regrre glossiert. Val. 
O'Day. 887 s. v. Feratd: an cach ri ro fes follan fora, wo wohl ro-fira zusammengebort: ctwa “Wehr ist ,+ der 
Konig, dem ein richtig bemesscnes (normales) Gastnahl geniigt? Vel. auch Sroxrs. Metr. Gloss. 70. 

83. clra-chun fenechus: 

Ni-hois mena-urnais, arnu-tois na-tartais. ni-midither na-ecodndither. to-fet tomus mesu. 
nti forngartuigh na-fuisethar senchas. ni sencha na-fornygair nail. ni noill ein chlogram, ni 
cogrann cin clh|ompersana. 

Das Irenrecht singt: 

Leihe nicht ohne zu ‘hinden’'. damit du nieht beschworst, was du nieht gegeben 
hast. Man urteilt nieht tiher wen man nicht Gewalt hat. Ma“ steht Schitzungen voran. 
Kein Befehlender ist. wer nicht das Senchas® auf sich nimmt (sich zu ihm bekennt). 
Kein sencha@® ist. der nicht Schwur befiehlt. Kein Schwur ohne Losen*. Kein Losen 
ohne gleiche Personen (Personen von gleicher (Qualitiit). 

1 Vol. AL V 368. 14: Ds de asslvrar i fenechus: nivuiy inna-irnars slantarsrce, — * Die bekannte Samm- 
lung altirischer Rechtstexte. — 3 sem hae (val. $ $4) ist eine alte Nebenform von sexchatd ‘alter Gewihrsmann. 
Kenner der Vergangenheit’. vel. Metr. Dinds. [VY 36. 2: in der Sage individualisiert in dem weisen Ratgeber 
Senchae mac Ailella. Der senchar scheint hier als Richter zu fungieren wie AL V 458.9: IT Liyr. 22. — 4 Zum 
Losen zwischen Eideshelfern s. Coie Conara F.. 8.67f. Losen zwischen Zeugen gleichen Ranges. die sich 
widersprechen, erwahnt H. 3.17, 493 b 1O'D. 676). 

84. Ni-bie! fuirglith imdibhe. nibi* senche@ imrisin. ni-bi' siadha oinfer* acht mad craibdech 
hirisech. nibi* noillith aincis. nibi* follach nadia, ara-torbais a nu-nais. nibi! dermadach forais. 
nibi’ forranach dala, arnapat huideth® airechte. 

FINIT. et seteru. 

UL nibe. — 7 1, vinfir, — 3 arnap|athuideth Hs. 


Sei kein Bezeuger der “Beschneidung *. Sei kein sach@ des Streits’. Sei Zeuge 
keines einzigen, auBer wenn er fromm und glaubig ist. Sei kein Bescliwérer von Un- 


32 TRURNIEYSEN 


sicherem (Unbekanntem), Sei nicht nachlissig in Bezug auf Bindung. damit du cintreihen 
kannst, was du ‘bindest. Sei nicht vergeBlich in Bezug aut Erftllungsort. Sei nicht 
tibermaBig (?) im Zusamimenbestellen (vor ‘den Richter). damit du nicht ein V erzdgerer (2)° 
der Gerichtsversamimlung bist. 


1 Doh. wohl: lege kein Zeugnis ab. das zur “Beschneidung. Beraubung des Prozebeegners dient. 
* fm Geeensatz zim Sevchar der Sage. dev immer zum Prieden rit. s. $833. —— ¢ huedth. woll width au lesen, 
von (Ajywide. meist Sbestiminte Zeitstreche : doch ist mir die Be dentong Vick nicht sicher, 


3. Text II. 
1. Slun n-uitire cairde' 
Fo-frehar? cuirde® huait sin, bith uitire cairde lat 7 muircthaiy cairdi, dovtet ax? muirethagh® 
ail tay crich do chuinchith’ fiach: ‘rom. bid sa piach> lab. “roga’” of inn aitire “dochuimn na fine 


fod -ruich = Cin nbiat? peih? Lb 2 manin bet? ni, iadfaanme' for neaitive nde rice 
fuid a less, rot biat™ fetch -- it feich din? attire in sin, 

' Der Anfang nach A (das aéfire liesti: cr ist gekiirazt. wie B zeigt: Slaw carrd (so!) or. shan neaitive coords 
vi, Otfenbar war es urspriiuglich eine Frage: [Cafe] slan cairds (.7. slan n-aitire cairdi\¢ — Ni ans, —- + fosechar B. 
Sofeich- A. — * catrdi B. — | mauiredaig (cairdi om.) A. — * om. Aw — & mairedang Av —- 7 chumehith B. 
crmge A, — > rombiadsa fiacha A. —- * leraga. —- ' na foom. A. --- Tl ermth AL I, Ae bint? —~- 
Mom. AL -— 1! om. Be 8 manim-bet Be mana-tit Mo ~ 1 vadfamnin A. -  fornaitivin Nod. for for 


natin)! — ' wpiefa A. — | rodhia B. — * don A. 


Schadloshaltung des astire 
eines cairde (eines Vertrags mit einem auswirtigen Stamme). 


Der cairde wird durch dich verletzt. Du hast! einen udlire des coirde und munirethachs- 
(des cairdr, nur B). Der andere waurethach konumt tiber die Grenze, um clic (Bub-)Schulden 
einzufordern: ‘Ich mu die Schuld dureh dich erhalten’. — ‘Ieh werde’, sagt der «aitire, 
‘zu der Sippe gehen’, die ihn verletzt hat. -- “Werden wir die Schulden durch euch' 
erhalten? Wenn wir sie nicht erhalten. werden wir’ euren «tire einsehlicBen". —- “Das 
werdet ihr nicht nétig haben; du wirst die Schulden erhalten’. - - Das sind Sehulden 
auf Grund der ditire’. 


1 Das Praes. consuet. zeigt. daB “du. wie ofters. wie unser “man gebraucht und da der Fall als 
typischer gemeint ist: ein Imperativ hat bier keine Stelle. — 7 Der meiscion dem Konig und dem einzelnen 
Stammesmitglied stehende muairethach oder muirrdach hwiBt anderwarts ee Gen. mai) ch s. Teil 4¢. —- ? Viel- 
leicht zu erginzen: raya [laf] “ich werde mit dir zu der Sippe gehen, vel. § 2 und 3 * Das sind aeulel; div 
Sippenglie der. — ® Wen dieses ‘wir und ihr’ im fiuleenden Satz ieicaee ist nicht ganz klar. Der Sprechende 
ist natiirlich der auswartige suirethach. Aber der afire kann nicht mit gemeint sein. da er sich nielit selber 
‘ginschlieBen’ kann. Es ist wohl der muirethach mit seinem cigenen Gefolge. --- ° Uber das ‘FinscblieBen 
s. $24 --7D.b. durch die Bezahlung der Schild durch die schuldige Sippe selber ist der aati quitt. 

2. Aluile: is licthech inn attire. dos-n-ice tadgaire’ fu dino fa thy ni-tinci?. dott in 
muirethai\ygh® dochum inna? aitire 7 iaduid fair’. “tiagam co fine ol iin aitive. thagait?. tadaid' 
Mm uitire foraib, ‘eid no-tei din? 2? ol fine. ‘co forsaileid” mo aitire. “niataumnais Jee Wee 
fuaslaicfem new ar is" it einaid® fadeiu® ro-gabad'\. fu-n-osaile siu® fein. ragmienni" frisna 
fiachu’. teit™ 7 fu-fuasaileci™ 


' tadgere B, tayrire A. - + -tanchi Be -tiner AL - Snuvedach A. - tan A.-  * le faired - 8 haygad B. 
—- tom. A. —— > duinne B. —- * -forsluic- A. —- " inatannus ( fris om.) A. -— Hom. A. — ' cineey Be cinn A. 
- 1} fodetn A. --- “41. rot-gahbad? -- 1° fanuashilesiu By fonosailcs: A, — '° raga mmni By ragamne AL - - te B. 


ste) Sofosailee ive 
Anders (ein anderer Fall): Der «tare ist siumig'. Zwei- oder dreimal kommt eine 
Mahnung (?)° an ihn. er leistet (das ReehtmaBige) nicht. Der wairethach homuit zum aitire 
und sehlieBt ihn ein’. “Gehen wir zur Sippe! sagt der aitirr. Sie gehen. Der «itirr schlieBt 


Div Biryschaft in tvischen Recht. 3. Teat H. - 1. Die Bedeutung der Ausdriicke, 33 


sie ein. “Was hast du gegen uns? sagt dic Sippe. - “Da ihr meme a/tire auslést! 
—- ‘Wir sind nicht dazu verptlichtet (2); wir werden (sie) nicht ausljsen. Denn du bist {tir 
dein cigenes Vergehen’ gefaBt worden: lése es (das Vergcben) sclber aus. Wir werden 
fiir die Schulden aufkommen'". --- Er geht und l6st es aus. 

‘Tn AL lautet der Plural Vef{hjaig und das Stammwort fread: da Us. \ hier und § 3° Geth- let hat. 
ist vielleteht auch in anserem Text Lethach vu lesen. -  * Wohl tath-gaire, cigentlich “Ritehruaft odev Swieder- 
holter Ruf. --  ' Da dev dire uniaittelbar darauf wegeeht. handelt es sich baer diberall wohl nieht um das 
EinschlicBen der Person selber. sondern ihrer Kailber wie in Text P$ 46: dadurch wird der Betreffende gezwungen 
sich zu stellen und das Verlangte zu leisten. — | mutamnais Be matamnus A ist jedenfallsy verderbt.  Voru 
vielleicht aéfam ‘wir sind nicht (oder vé-atvam Swir evkennen nicht an’). Ob man vas zu naisfi] erghuzen 
darf, ist sehr zweifelhaft. da mit wascid die Person dureli for verbunden wird. aly Objekt (oder beim Passi 
als Subjekt) die Schuld oder Pilicht selber erscheint. —- * Namlich ‘fiir deine Siumigkeit. — & Die Sippe will 
zwar die Buwe ftir den verletzten card zahlen, aber nicht. was den are fiir seine Situmigheit trifft: dafiir 
soll er zuvor selber aufkommen. 

3. Manih licthech inn aitire 7 us-rula’ tan fines “legal duit. sé dul lam se ool ae 
mrurethag®, teit! ind aitirve? laisin nanreduch". anaid luis combi dilis’. gllaid vii, eumala de. 
hicthi fadesin~ 7 icaid fiach cairde, do-teb tar suidin cosin fine’ cena, assrenat™ side do co 
fu-di"'", ar is diabladh fri helud®, 


' srulla A. --- 2? an B. — * muredach A, — ' tet Bo -  * intartive Be anaitive A. — ° maunvegag B. — 
* dile A. — » ice fadeisin A. — 9 fia B. —- ' asrenad By asrenit AL — |! eumbada A. — ©@ Dev Anfang des un- 


mittelbar anschlieBenden Textes ist in A verderbt: er lantet hier nach Meyer: dt l- cairds cit dociisin (Ct RRY 22 
sehreibt: dit. Cltno cairde du cuisin). Fs ist nach Bozu lesen: Cos liv cated? do chusin. 

Wenn der adére nicht siitumig ist und (= aber) die Sippe sich (der Zahhing) ent- 
zogen hat. sagt der ovairethach: Du muBt mit mir gehen. Der «re geht mit dem 
muirethach, Ex bleibt bei thm. bis er verfallen ist'. (Dann) stellt er fiir sich ein Unterpfand 
fir 7 cama’, Ey zahit (ftir) sich selbst und zahlt die Schuld des (verletzten) cairde. Daraut’ 
geht er zu derselben Sippe. Diese zahlen ihm doppelt: denn auf Sich-Entziehen steht 

ig ., > 
Verdopplung. 

' Uber die Frist. wihrend der die schuldige Sippe den were ldsen kann. s. Teil ge: nachher ist er ‘ver- 
fallen. — * Der verfallene a@itire mub sich selber lésen mit seinem eigenen Wert: der Wert (= der Tétungs- 
buBe) eines Freien hetrigt 7 cevmal- 21 Kithen, 


4. Die Bedeutung der Ausdriicke. 


Bevor ich die spezielle Bedeutung von rath. nein (mae). aitire za. bestimmen suche 
ist vorauszuschicken, da{ diese Ausdriicke nicht immer streng unterschieden werden 
Verstiindlich ist das besonders bei wid, da das zugehirige Verb wuscair “(der Vertrag 
wird gebunden’ Otters allgemein heiBt: “wird durch Garantien (nicht nur dureh weidns 
im engeren Sinn) gesichert, vgl. z. B. Al I 50, 8 v.u.. So kommt denn auch noid selber 
vor, z.B. Heptas XLVUI (AL V 278 = ZCP 4. 232): ni-oid (so zu lesen) nech na seotit so 
cin naidm' a taisic now n-aithyinas otha sin dligid cach din a tuisie, ceniro-naxar keiner 
leiht diese (aufgezihlten) Wertgegenstiinde ohne »Bindung« ihrer Riickgabe oder ihres 
Ersatzes: von da an (d.h. in anderen Fallen) hat jedes Leihen Anspruch auf Riickgabe. 
auch wenn es nicht »gebunden« worden ist’. Oder ALI 210 heiBt es von athyabalu tul 
‘sofortigen Pfindungen (ohne Beschlagnahme): #/-swidet for nad mand na anti (so H. 3. 17) 
‘sie »sitzen« (verharren) nicht auf »Bindungen« noch Beschlagnahmefristen’. wo xii 
offenbar die ‘Verptlichtung des Gepfindeten bezeichnet. die Ptandobjekte an einem 
bestimmten Ort zu verwahren und fiir die Pfindung bereit zu halten. Vel. aueh IV 54. 6 
die teora (so!) wadmand [eluspa “die 3 unntitzen Bindungen’, die nachher mit cor ‘Vertrag 


1 ZCP dafiir: een fonaidm. 
Phil.-hist. ALA, 1928. Nr. 2. d 


34 THURNEYSEN: 


aufgenommen werden. Und natiirlich kann man an manchen Stellen schwanken, ob nuidin 
im weiteren oder engeren Sinn zu verstehen ist. Dagegen nuseei bezeichnet wohl immer 
den. der die wvdm genannte Garantie im speziellen Sinn tibernimant. Wenn in Coie 
Conara Fugill S. 32 $ 29 der spite Kommentar den vesrcire als vine Menschen bezeich- 
net, der ftir seine Sippe vuscvire-schaft und rah-schatt und witi-schaft aut’ sich nimmt, 
so ist, falls kein Irrtum vorliegt, gemeint, dal der Betreffende in dem speziellen Falle 
als nasesirr fungiert’. 

Auch «tire kaun seiner Grundbedeutung Zwischenstellung nach weiteren Sinn haben 
und ist so in T(ext) I$ 64 verwendet, doch ohue da die drei Arten von Garantie yer- 
mengt wiirden. Vielmehr wird jede durch ein besonderes Beiwort unterschieden. Was 
sonst wtire schlechthin heibt, ist hier witire liiyi “uv. des Schwurs’: vitire nudma entspricht 
dem sonstigen bloBen noid. aitire fotsmu ‘uv. des Aut-sich-nehmens dem sonstigen rath, 
und dieser Ausdruck tritt denn auch in demselben Text $ 68 ff. weiterhin dafiir ein. 


Endlich seheint auch rath (rath) in allgemeinerem Sinn vorzukommen. In dem Kom- 
mentar AL I 218, 6 werden rdith feichemuuis (tber diesen Ausdruck s.u.S. 51) und rath 
aitirus (1. -risy “rath der aitire-schatt’ nebeneinander genannt: das zweite wird gleich aitire 
sein. Aber namentlich in jiingeren Texten gehen unzweifelhatt rai und «itiry manchmal 
wirklich durcheinander. In dem Gedieht tiher Carn Conaill, das der 1016 verstorbene 
Mae Liae verfabt hat“, heibt es V.27: gab Coirpre eethri [i ritfifth riss “Co alam vier 
Manner als rath dafiir, aber V.67f.: con-gorar vad immulle for a chethri aitive “os wird 
von ihm zugleich nach seinen vier «ifr geruten': das sind dieselben Miinner. und. sic 
versehen eine Rolle, die in der Tat mehr der eines «iti, wie sie sich unten ergeben 
wird. entspricht. In dem Sagentext Togail Bruidne Da-Derga (ed. Sronrs) treffen aus 
Irland Verjagte mit cinem britannischen Prinzen auf hoher See zusammen und selilieBen 
einen Vertrag mit ihm, dai sie gemeinsam in Britannien und Irland plindernm wollen. 
Die Irlinder stellen drei Biirgen. die erst mit dem allgemcinen Ausdruck glinni ‘Siche- 
rungen, dann als «iti bezeichnet werden (§ 46). Als man spiter ($ 90) in der Halle, 
die man erstiirmen will, den gewaltigen Krieger Mac-Cecht cutdeckt. tlieht zunichst alles 
von dannen; dann heibt es: “Sic (die Britten) nahmen die aitire wieder zwischen sich’, d. lt. sie 
fiihrten sie mit sich als Garantie fiir die Mitwirkung der Iren. In dem iilteren Auszug 
aus dieser Sage” wird aber berichtet, der irische Biirge -- es ist hier nur einer —- 
sei als rath (hi-rraith) gegeben worden: an dessen Ehre Iiilt sich dann der Britte. 

Auch in Rechtstexten, besonders in jiingeren Glossen und Kommentaren, tindet sich 
Alinliches. Nach irischem Recht ist der. dcr einen anderen verwundet. zu dessen Kranken- 
pilege (othrus) verptlichtet. Dariiber heibt es in Crith Gablach (AL IV 302, 1 ff): ‘Eine 
aitire (vielleicht kollektiv) biirgt fiir den Mann, der verwundet, fiir (seine Beobachtung 
der) Rechtsordnung der othrus. fiir eine Kuh (d. h. bis zum Betrag einer Kuh). Welches 
sind die ordnungsmibigen Objekte von jedem. gegeniiber dem eine witire gestellt wird? 
Heilung gemaf der Bestimmung eines Arztes*: volle Wartung(?)’ (fAllt) aut die raths. 
wenn einer seine Heilung nicht vom Schuldigen erlangt. so daf sie mit Gewalt ein- 
getrieben wird (wohl vom Schuldigen). Die ras scheinen mit der aitire identisch. 
— Nach dem Kommentar AL I 288 mitissen hei der Pfandung eines Einstinders vier 





1 Wenn es aber in der Glosse All 270.5 v. u. heiBbt: do nadhmunnaib 7 do nascuirih, als oh das zei 
verschiedene Dinge wiren. so liegt wohl nur eine Verschreilung 7 fiir .2. vor. 

+ Hes. von Epw. Gwinyy, The Metrical Dindshenchas U1 440 ft. 

2) Rev. Celt 22. 402: Sroxes, S. 163: Zu ir. Ass. I 27. 

4 Lies: Cadeat a folatd) carat o ch forascurthar aitine >? — Fribuith \- Eropurthy reir lya usw, 

® Fritecht scheint in der Bedeutung dem kviny. gurtarth ‘Zuvichtung. Diingung” naliezustehen, 


Div Biirgschaft tin trischen Recht. be Die Bedentung der Ausdritehe. — la. Riith. 35 


Manner das Pfand im Pfandstall erwarten: sie heiBen ebd. 6 v. nu. aigne tayra, fiadhnaise 
.7 nascure 7 etiri “der plidierende Anwalt und Zeugnis (ein Zeuge) und ein wusedire und 
ein aitire’. aber 290, 5 v. u. wigue .. 7 fiadhuuisi .. 7 nascniri .. 7 raith. — Nach AL1118 
geschieht die Lésung des Fastens (des Gliiubigers gegen den Schuldner') auf’ Grund guter 
rath (so-raith) oder eines Unterptands (y//). Die Glossatoren fassen das so auf. da} das 
erste gilt. wenn bisher keine Sicherung (érrbaire) fiir die Sehuld bestand. das zweite, 
wenn das der Fall war. Das ist ebd. 5 v. wu. so ausgedriiekt: és aitaire (1. aitire) ro-bui leisna 
Jiuchaib roiméi siunn “hier bestand schon eine «tire fiir die Sehulden’: offenhar ist aitirr 
hier von rath nicht verschieden. Und AL If 282, 24 erklirt die Glosse « rath (1. rath) 
des Textes mit ./..¢ guim ratha 7 vitire “seine Titigkeit als rath und (= oder) aitire, 
Uher die eine oder die andere flmliche Stelle wird noch unten zu handeln sein. 
Aber im allgemeinen sind die Unterschiede eingehalten und deutlich zu erkennen. 


a. Rath. 


Die uns vertrauteste Garantie ist rath (rath). Die Funktion als rath heibt rathiges 
(Gen. -yrs) oder rdihurhas (Gen. -chuis) ‘rath-schatt. s.'T I$ 76¢ und AL. Glossar s.v. Im 
Irischen geht man eine rth (Hit. auch do-tt Abstr. dul) oder in eine rathuiges tir 
jemand (wr oder dar crnn) gegentiber (fr dem auderen Kontrahenten (dem Gliubiger). 
Hawig wird das Verl gehen’ aber auch ohne ausgedriicktes Objekt so gebraucht, z. B. 
AL V 226, 14: ragat sa dara chenn “ich werde fiir ihn gehen’. d.h. ‘biirgen’. und so ofters. 
Auch das. woftir man btirgt. wird mit der Priip. fri verbunden, z. B. TI $ 76a. AL 
186.4. Statt des Verbs gehen findet sich in T! $ 76a ‘sieh unter die rah stellen. 
sie auf’ sich nehmen (foes rdith:y. und danach wird statt rah hier § 64. 68 aitire foisma 
gebraucht (sx. oben S. 34). 

eth (jiinger rath) ist in der Regel dic Zahl-Bitrgschaft oder. persénlich gefaBt. 
der Zahibiirge. Der Betreffende verptlichtet sich zu zahlen (@ruir. i), tally der Schuldner 
sich der Zahlung entzicht (Auth, Plod, Wicd Plothay’, Der Gliubiger muB sich aber 
immer zuerst an den Schuldner wenden. erst. wenn dieser versagt, an den rath. Das 
ist wichtig als Unterschied vom aifirr (s.u.j. Ausdriieklich ist diese Reihenfolge vorge- 
sehrieben AL V 226, 29/8" und ergibt sich ohne weiteres aus TI $ 48 (Ende). auch 
$52 (Ende). AL Mf 512.13 ff gibt tolgende Bestimmung: “Wenn der Gliubiger »Schnel- 
ligkeit des Betreibens« gegen den (aranten (4b) ausgetiithrt hat (und das hei®t rier 
»Schnelligkeit des Betreibens«. den (raranten zu belangen. bevor der Schuldner sich ent- 
zogen hat). und wenn ihm bewult war. dats es nicht reehtsgemih war, ihn zu dieser 
Zeit zu belangen. so hat er 5 s?f zu zahlen und den Ehrenpreis (des Garanten), und er 
kann ihn nie mehr wegen Vertall seiner Schulden belangen. Wenn er der Meinung war, 
es sei rechtsgemib. so hat er 5 s?# zu zahlen und seine Schulden sind verfallen. aber 
tler Ehrenpreis steht nicht darauf’. 

Po ZCP 15. ceoth 

So spricht H. 3. £7,550 (OD. 767) der raith: (ahain aruin gach ni bus cigin do Cie, Vic dam Fein, dash ive 
sim ¢lodh ieh nelise aut mich. alles. was ee (dev Schuldner) zahilen muB, selber zu zahlen, wenn er sich 
ihm entzicht. —- In der Glosse zu Priscian Sx oza 4 - > Prise. Leid. o2a wird sgitester erkliat aly medius (07. 
rath) inter duos altroantis. Aber das ist zur Bestimmune nielit zu eehvanehen. da der rath durchaus nicht dem 
romischen »quester eutspricht. 

hn Kingang: .lr dos. fd frchem, dosent rath ub dosaet irgendwie verschvieben sein: fratactaim teld.). 
das O'Dowxoy aw (Suppl) auf Grund dieser Stelle mit ‘attempt or endeavour iiberserzt. ist a@achtain zu lesen 
und eine Weiterbilduns oder Umbildung des alten ¢ “Erlangen. vgl. etahta edachtain F) AL V 184. 8. 


“+ 


J 


36 THURNIYSEN: 


Das Hereinfallen-Lassen des rath durch den Seliwdner heiBt telyud w rathachuis ur 
‘seine rdth-schatt auf ilin fallen lassen” AL V 348, 19; ebenso hei witire: telyud aitiris air 
ebd. [ 232,17. Das Einstehu des rah tir den Schuldner heiBt ihlegou rathu (rather). 2. B. 
ebd. [VY 258.10 und 5 v. u. 

Ebenso oft. ja noch éfter als das Zahlen des rath wird aber sein ye/ud “durch 
Unterpfand sicherstellen’ erwihnt. z.B. TI$ 63. 76b.¢. d. 77.79. So. S81. Das hangt 
damit zusammen, daB auch der zur Zahlung Bereite im alten [Irland fast nie unmittelbar 
zahlt. sondern zunichst ein Unterpfand (ye//) stellt, das er dann innerhalb einer bestimmten 
Frist durch die Zahlung auslést: das ged/-Stellen ist daher fast so gut wie Zablen!. Uber die 
Fristen s.u. bei dmlwad (S. 45) und ciilrath (S. 521). Wann der rath das geil stellt. sagen un- 
sere Texte nicht ausdrticklich. Jedentalls nicht gleich bei der Ubernahme der Biirgschaft, 
da er sich bei dicser nach TI $76) vielmehr verptlichtet. dab er ein y// stellen wird, 
dazu bereit sein wird (auch $77): wohl nach Ablauf der Frist. die ihm «pith (§ 76b). 
die “Ansage’ seiner Schuld durch den (tliubiger. laBt, nachdem der Schuldner sich ent- 
zogen hat*. Aus der Reihenfolge der Ausdriicke “Unterpfand. Eintreiben (der Sehuld), 
Einstehen. Zahlen’ $ 76b darf man nichts sehlieBen, da in $77 sich folgen: “Einstehen. 
Betreibung (= Betrieben-Werden?), Unterpfand. Zahlung *: der Ire ist in solehen Auf- 
ziihlungen sehr unsorgfaltig und disponiert fast nie genau. Falls in $ 76b tagelfaé nieht 
nur versprechen bedeutet, wie ich tibersetzt habe und was es hiufig hei®t (wie spiter auch 
das einfache yellad), sondern seiner urspriinglichen Bedeutung nach ‘ein Unterpfand hin- 
eingeben, ‘durch Unterptand sichern’, so wtirde dort gesagt sein. da er die Zahlung durch 
cin Unterpfand aus seinem Haus als dem Erftillungsort seiner Schuld sichert. 

Zweimal (TLE $ 51a. 57) findet sich derselbe Satz. und zwar bei der Verptlichtung des 
Scehuldners, nicht bei der des rath: ofn-gell 7 oin-apad fris:benaiter ass folaith raithe 7 feichemon 
‘(es sei oder ist) ein gel? und eine apad (Ansage), womit dic Gegenstiinde des rath und 
des Schuldners »herausgeschnitten« (erhoben) werden. Das kénnte man dahin ver- 
stehen. daB ein eventuell vom Schuldner gestelltes y// und eine Ansage an ihn, dab 
er zahlen soll, auch fir den rah velte, daB also das Vorgehen nicht wiederholt zu werden 
brauche. wenn der Schuldner nicht zahlt. Ebenso kinnte man $ 76¢ deuten: cen dul 
sch thentach feichemon ara-daig don fechemuin fris-taig “olne dats} der Gliubiger am Herd 
(Haus) des Schuldners vorbeigeht (iiber das Tlaus hinaus geht)’. dai dieser sich nicht 
weiter zu bemiihen brauche. Aber das wire gewiB unrichtig. Denn die “Ansage von 
der Hofwiese aus und das Einfordern (der Schuld) und das Warten (auf die Zahlung 
oder das gel) im Wohnhaus' (§ 76b) kann sich nur auf die Wohnung des rath, nicht 
etwa des Schuldners bezichen, da das Ilaus des rath chen erwithut war. Somit ist jener 
erste Satz wohl zu deuten. daB dasselbe Unterptand (deh. ein ge// von gleicher Hohe 
und Art), wie es mit dem Schuldner ausgemacht war. dann auch vom rath zu stellen 
ist. und daB dieselbe Frist zwischen Ansage und Zahlung (denn fiir diese ganze Frist 
Ww ml ee oft v erwendet), die fiir cen Schuldner gilt. auch fiir te rath zu icobach tei ist’. 





‘Zur Bedsueive des fake Sel: me ‘> 15. 266. Es eee ceeeaihitielk in Gevensiiadel aus sid: Silber 
oder Evz oder auch in Land (s. 7ZCP 16, 216). wihrend die Zahlung natiivlich in “der Regel in Vieh vor sich 
veht oder in Gegenstiinden. die der Glaubiger mit dem Schuldner ausyemacht hat. 

+ Vel. H. 3. 18. 261a (C. 519): gelladh a ch)ind don apad “Unter pfand-Stellen am Ende der epad-Prist. 
anscheinend auf den rath beztiglich. 

Vgl. ancb: sgair. gilitair, as-renar § 76d. 

* Der Gliubiger wartet im Haus auf die Zallung und moB so Tange verpilegt werden. wie aus anderen 
Stellen hervorgeht. 

* Es ist allerdings auffallig. daB das bei der Verpilichtung des rath ($ 76.77). den es cigentlieh an- 
welt. nicht wiederholt wird. Aber man hann es auch gewissermaBen als cine Verpflichtaung des GiHubigers 


fussen. 


Div Biirgschaft im irischen Recht. da, Rath. 37 


DaB8 der Gliubiger nicht an dem “Herd des Schuldners vorbeigeht, bedeutet dann, «dab 
er sich zuerst zum Haus des Schuldners begeben und dort die Schuld einzutreiben ver- 
suchen muB, bevor er sich an den rat)? wendet. 


Jeder Gliubiger darf nach dem irischen Recht einen Schuldner. der sich entzielit. 
pfinden. Wie verhilt es sich nun bei einer durch rath garantierten Schuld? Was gelit 
yoran. dic Pfandung. wo sie méglich ist, oder das Eintreiben der Sehuld vom rath? 
Ich finde den Fall nur in einem ziemlich jungen Kommentar AL [V 258-—260 behandelt: 
‘Solange nur der Schuldige (cénéech) im (Stammes-)Gebiet gegenwirtig (faBbar) ist, ohne 
mit seinen Werten (seinem Besitz) aus dem Gebiet hinausgegangen zu sein. bis er sich 
dem Gliubiger entzielt. ist es nicht recht, den Bruder (Verwandten) als Linstiinder! oder 
den rdth als Einstinder zu belangen, sondern er soll selber betrieben werden je nach 
der Art seines Standes. Wenn der Schuldige (mit seinen Werten*) aus dem Gebiet hin- 
ausgegangen ist oder. obschon er im Gebiet ist. sich dem Gliubiger entzogen hat, so 
steht, falls er Werte gegenwirtig (fabbar) innerhalb des Gebietes hat, dem Gliubiger dic 
Wahl zu, ob er ptiinden oder den réth als Einstinder belangen will. Oder aber er hat 
nicht die Wahl. sondern soll ptiinden: denn es heibt: »Von jedem Schuldigen mit Objekt 
(Habe). ..«?? Nach der zweiten Bestimmung darf’ sich der Glitubiger also nicht an den 
rath wenden. solange er sich irgendwie durch die Habe des Schuldners schadlos halten 
kann. Dagegen die filteren Texte scheinen von einer Pfindung in solchen Fallen nichts 
mu wissen. Nach TI $52 wird die Schuld. falls sieh der Schuldner am Zahltag am 
Erfiillungsort nicht einstellt. ohne weiteres vom /d/ eingetrieben: die Pfaindung miiBte 
hier erwiihnt sein. wenn sie gebriiuchlich gewesen wiire. Alnlich $46: wenn sich der 
Sehuldner unter sicheren Schutz gefliichtet hat. werden ‘seine Kalber eingeschlossen , 
um ihn zam Erscheinen zu zwingen: hat das keinen Erfolg. geht man zum rath (§ 48). 
Das Vieh wird somit nicht als Pfand fortgetrieben’. 

Natiirlich biirgt der ra nicht nur fiir Zahlung. sondern z. B. auch fiir Riickerstattung 
von Gelichenem (AL 186, 4ff). Wenn es der Entleiher nicht zurtickgibt. mu® er selber 
es ‘guritekgeben (asic), doh. in gleichen und gleichwertigen Gegenstinden ersetzen. Um- 
gekehrt, wenn der rath fiir Ubergang in das Eigentum des Empfiingers (rr dils’) gebiirgt 
hat. der Geber aber die Objekte zuriickgenommen hat [als wéren sie nur geliehen  ge- 
wesen|. muB der rah datitr Ersatz zahlen’. -- Wenn cin Alter fiir seine Altersptlege 
jemand von auBerhalb der Sippe annimmt, muB eine raith braithirse fri corus a fine “eine 
rath der »Bruderschaft« fiir (Kinhaltung der) Rechtsordnung der Sippe gestellt werden, 
ein Biirge. der zahlt, wo jedes Sippenglied zahlen mul. falls sich der Angenommene 
entzicht (AL I 286, 6, vgl. ZCP 15. 339). 

AuBer fiir Einstehen fir ausfallende Leistungen verptlichtet sich der rah aber auch 
fiir Eintreiben (¢obach) der Seludd. doh. er mu dabei behilflich sein. Es legt ja frei- 
lich in seinem eigenen Interesse. da die Scliuld cingeht und er so entlastet wird. AL 1218, 4 
erklirt ein Glossator ‘die Pfandung eines rath. der sich dem OrdnungsmiBigen entzieht 
(as-dud coir 204. 4 V.u.) mit: “damit er eintreibe’: er soll durch die Pfindung zum Fin- 
treiben gezwungen werden. Der rath nimmt auf sich “zu zahlen oder cinzutreiben nach 





' (Uber den ‘Bruder’ neben dem rath als Einstinder s. unten 8. 30. 
2 Wohl zu streichen. 
Cusollstindiges Zitat. Cher den SehluB dieses Kommentars s. unten S. 30 f, 

' Tn Wales darf der Gliubiger den Sehuldner ohne Finwilligung des Biirgen (rach) nicht pffinden 
(Wavr-Ev iss. Welsh Medieval Law 85. 14th). Der Biirge ist also nicht nur eine Sicherung ftir den Glaubiger, 
sondern auch ein Schutz ftir den Sehuldner. 

5 Die cenglisele Cheretzung hier ganz irrig. 


38 THURNEYSEN: 


ALIV 260.13f. Vel. H. 3. 17,442(0'D.572f.) =Eg. $8, 3749. 1(C. 2451): Ls coir (Molaim Eg.) 
dona rathiibh ant risa-ndechutar do dhiol no do tobach do rev mur do-gelladur fein ¢ “es ist 
ordnungsgemals ftir die ra@ths, das, wofiir sie gebiirgt haben. abzuzahlen oder einzutreiben, 
wie sie es selber versprochen’ haben’. In den ‘Falschen Urteilen Caratnia’s’ (ZCP 15, 327 
$18) betreiben der rath und der Gliubiger gemeinsam um das ‘Soll (0¢ suigid dliyid), bis 
der Betriebene “Recht gewahrt, d.h. bis er zahlt oder, wenn er die Schuld bestreitet, 
sich dem Richter stellt. So ist also auch bei der Verptlichtung des rath TI S$ 76b ‘be- 
reit fiir Eintreibung tobach aktivisch zu verstehen, nicht. dass er bereit sei, die Schuld bei 
sich eintreiben zu lassen, was sprachlich ebenso méglich wiire. Das letztere liegt viel- 
leicht bei svigi/ “Betreibung in $77 niiher*. In der jiingeren Zeit. wo der nuidm, dessen 
Hauptptlicht das Eintreiben ist. allmihlich verschwindet, scheint beim rath das Kintreiben 
immer mehr in den Vordergrund getreten zu sein: der Gliubiger, der durch den rath 
gedeckt war, tiberlieB es offenbar oft diesem, ob er eintreiben oder selber zallen wollte: 
s. unten S. 46. 

Die ratis haben ferner den Vertrag im Gediichtnis zu behalten und dariiber aus- 
zusagen (v@l. d-coixis TT S$ 76b). auch vor Gericht, wenn die Sache vor den Richter 
kommt. Sie dienen nehen den eigentlichen Zeugen (fiduin), die bei keinem Vertrag 
fehlen. als Beweismittel. In der Autzihlung der bei einer airecht “Gerichtsyersammiung 
in Betracht kommenden Personen (ZCP 12. 359f.) sind die raths wie die aitire und die 
“Ceiseln’ (g7ii)® in der ‘Seiten-Versamimlung (t@b-airecht): doh. sie stehen oder sitzen 
au’ der Seite, aber in Hérweite der Plidierenden. da nach Coie Con. Fug.. 8S. 34 $ 36 
zu Jautes Plidieren tiber die teb-airecht Minausdringt. Nach der Glosse zu der Stelle 
gchéren sie aber vielmehr in die eigentliche airecht (airecht fudrsin) hinein. - - Daher Aus- 
dariieke wie tudnide for day-rathaib “Besitz auf Grund von guten ra@fis’ AL V 366, 13: rath 
toder ratha) rudartha ‘rath fiir Giiltigkeit’ ebd. 368, 2 == ZCP 16. 196 = TT § 62. 

Wieviel hat der r@th zu zahlen. wenn der Schuldner sich entzieht? — Bei der 
Verpilichtung des Sechuldners TT § 51) bemerkt der (laiubiger. dai, falls die Sehuld am 
Zahltag nicht cingeht, ‘ein Drittel datiir liuft’. d.h. dai sie sich um cin Drittel ver- 
mehrt*. Und ies darauf heiBt es: “Gleich eigen (verfallen) wie der eigentliche Sehuld- 
vegenstand sei jede smacht?. Smacht Wedeutet sonst in den Rechtstexten meist eine unver- 
‘inderliche Tarifbu8e von bestinmter Hohe. z. B. 5 sf. nicht einen proportionalen Betrag 
wie hier das Drittel, Aber nach dem Zusammenhang. wo gar keine andere Bube genaunt 
ist. muB es hier auf das Drittel gehen (ilmlich AL If 152,14). Nach $ 52 (Ende) wird 
die Sehuld nebst ihren swochls vom rath crhoben": cr zahit also mehr als die urspriingliche 
Sehuld. Kaum kann man das verstehen als omit den swachts. die etwa der rth selber 
durch widerrechtliches Gebahren auf sich zieht. sondern er scheint nach dieser alten 
Bestinonung gleich ftir 1! 3; der Schuld zu biirgen. 


J 
Anderwirts ist aber von der Verdopplung der ee fiir den nieht leistenden 
Since die Rede. In alten Vexten ist das der Fall: 1. beim “Genossen (Lehnstriger. 


] Sick hat yelland Gifs ddk de jungere Be sdeutung paired ei nielt “dureh Unierptand sicherstellen’. 
= Wenn es TI $73 heiBt. ein raith. der. bevor er habe zalilen miissen. init dem raidm den Sehuldner 
hetreibe. handle selber wie ein naidm. so ist also nicht an das Eintreiben der urspriinglichen Sechuld. sondern 
der Entschiidigung (s/an) des rath gedacht. woriiber unten. 
AuBerdem die sevchaidi. die Bewahrer des ttherlieferten Rechts (svehasy. und die rufriy. etwa “Fiivsten. 
Uerren’ (aber nicht Konige. da diese sehon vorher genannt sind): aneh diese tun das Reeht kund. da im 
folgenden gewiB rellad na ruirech (st na serncad) zu lesen ist. 
+ Das ist hier die Bede utung von rudrad, nicht “Evsitznug. wie der Glossator in ZCP wil und was 
us allerdings auch oft bedeutet. 
Vv el. dieselbe destimmung im kymrischen Recht (Pero. Warrer. Das alte Wales. S. 433 f.). 
Weniger deutlieh $ 68 (Anfang). wo der Text hickenhatt ist. 


Bu Birgschaft tm irischen Recht. La. Rath. 39 


der jeden Austall in seinen jiblrlichen Leistungen doppelt ersetzen mul (noch auber der 
feststehenden BuBsumme) ALI 276. ZCP 14. 368: 2. beim durch ‘Fasten’ betriebenen 
Herrn, der trotzdem selber i8t und das Erforderliche nicht ertitilt (AL 1116. ZCP 15, 261). 
Das sind also Sonderfiille. 3. pffindet nach dem Fragment ALI. 14,7 v.u. der durch 
Pfaindung Betreibende den “Mann des Vergehens’ (jrr ciauidh, 1. cine?!) gleich wn den 
doppelten Betrag; “denn es steht Verdopplung aut Sich-Entziehen’ (vel. I 98.15). Aber 
es handelt sich auch hier um das Sich-Entziehen in eimem besonderen Fall. fer ccna 
oder ciutuch ‘der Schuldige’ kénnte nach dem spiiteren Sprachgebrauch allerdings auch 
den Vertragsschuldner mit einschlicben. Aber in dem ganzen Abschnitt. aus dem das 
Exzerpt stammt, ist von der Pfindung des Einstinders (aanlegun, inbleogun) die Rede. 
des niichsten Sippengenossen. der fiir cin Vergehen des Schuldigen einstehen mu. wenn 
der sich entzieht. Jedoch nach TI $ 47 ‘sehidigen gemeine Vertriige (d. i. Handels- 
vertriige) die Sippe nicht: sie gehen zwar aut Erben diber ($ 51). aber vor Antritt der 
Erbschaft hat der priisumptive Erbe, der niichste Verwandte nicht dafiir autzukommen. 
In der Alteren Zeit scheint also nur bei BuBschulden wegen eigentlicher Vergehen Ver- 
dopplung auf der Unterlassung der Leistung gestanden zu haben. 

Aber wie die jiingeren Glossen und Kommentare zeigen. spiter wurde diese Ver- 
dopplung verallgemeinert: auch das Nicht-Bezahlen von Vertragsschulden wurde als cin 
cin “Vergehen, Delikt’ angeschen und zwischen den verschiedenen Schuldnern kein Unter- 
schied mehr gemacht: auch fiir Vertragsschulden multe eventuell der niichste Sippengenosse. 
ott brathair “Bruder” genannt. einstehen. Dadurech fnderte sieh auch die Stelling des 
rath. Einige Belege werden das klar machen. 

ALI 514, 4ff. wo ganz allgemein von Sechuldnern die Rede ist. heift es: “Wenn 
der Gliubiger zur ordnungsmaBigen Zeit der Zahliung gekommen ist. den Schuldner 
(bidbuidh) zu belangen. und der Sechuldner sich entzogen hat. so hat dieser 5 s/f zu zahlen 
und den Ehrenpreis (des Gliubigers) und Verdoppling der Sehulden: und (= ferner) die 
cumal (3 Kiihe) des Siebtels der Tétungis-BuBe) und die Verdopplung der Speise. wenn 
er ihm keine Speise anbietet’. Und (== aber) wenn er ihm Speise anhietet. so ertibrigt 
sich die cumal des Siebtels der Tétung und die Verdopplung der Speise.’ 

Die Stellung des rath erhellt aus der Fortsetzung des oben 8. 37 angezogenen Ab- 
schnitts ALIV 260: ‘Wenn der Sehuldige (einfach) das (Stammes-)Gebiet mit seinen Werten 
(seinem Besitz) verlassen hat oder. auch wenn er sich im Gebiet befindet. wenn er sich 
dem Gliubiger entzogen hat und er keine Werte innerhalb des Gebiets hat. so hat der 
Gliubiger die Wahl, ob er den »Bruder« als Ejinstinder oder den rath als Einstinder 
belangen will... Aber wenn er wihlt den »Bruder« als Einstéinder zu belangen, zahilt 
ihm dieser das Ganze (die verdoppelte Schuld nebst den BuB-Zuschligen*): und wenn er 
wihlt den rai als Finstiinder zu belangen, zahlt dieser nur den genauen Ersatz (der 
urspriinglichen Schuld). Als Ursache dieser Verschiedenheit wird ebenda angegeben: “Der 
raith als Einstiinder, der hat nur Zahlen oder Eintreiben auf sich genommen; so ist es 
in der Ordnung, da®B er nur genauen Ersatz dessen. wotiir er gebiirgt hat, zahlt, bis er 
sich (etwa) selber entzieht. Der »Bruder« als Einstiinder jedoch. der hat nicht Zahlen 
oder Eintreiben auf sich genommen. auber wie es ihn nach den Graden* (der Verwandt- 
schaft) trife: und so ist es in der Ordnung, da®B er das Ganze zallt. Denn die Verdopp- 


1 Ther die Pilicht. den betreibenden Gliubiger zu speisen. s. oben S. 36 Anm. 4. 

2 Das ist tibrigens nicht alt. Wenn ein Schuldiger (efntach) sich entzicht, wird er zwar selber um den 
doppelten Betrag gepfindet. aber nicht der Einstinder (vbhaguin) nach dem alten Exzerpt AL If 98. 13 fF 
Der Glossator ebd.. zu dessen Zeit eine andere Praxis galt. wei sie nicht reeht zu helfen. 

3 far celmennaibh, 


40 THURNEYSEN: 


lung des Schuldigen (d. h. die den Schuldigen trifft), das ist der »Ersatz« des (»Bruders« 
als) Einstinders (d.h. den dieser Einstiinder zu zahlen hat)’. — Dem entspricht die 
Glosse ALI] 14,11 v.u.: “Der »Ersatz«, den der Schuldige (cintoch) nach dem Sich-Ent- 
ziehen schuldete, der wird von der Sippe (jinr, dem Sippengenossen) des Schuldigen 
genommen, aber vom rai nur der genaue Ersatz dessen, was auf ihn »gebunden« worden 
ist, wenn der Sehuldner (7 bivdhbuidh) sich dem andern Kontrahenten entzogen hat. 


Also nach der alteren Quelle scheint der raf/ den Schuldbetrag mit denselben Zu- 
schligen, die den Schuldner treffen, zu zahlen, nach den jiingeren zahIt er genau den 
urspriinglichen Schuldbetrag. Freilich sind die Zuschlige sehr gewachsen. 

Wer kann rath sein? Fast tiherall, wo in alten Rechtstexten von rath oder so-rdth, 
dag-rath (‘guter ro) die Rede ist. fiigen die spiiteren Glossatoren hinzu: ./. do gradaih 
Fene ‘aus den Stinden der Gemeinfreien’. z. B. ALI 118,8 v.u.: V 366,24: 430, 9; 
Coie Con. Fug., 8. 21 § 15 usw. Damit kann aber nicht gemeint sein. daB® die ‘Herren’, 
der Adel von der réth ausgeschlossen seien. Denn der Text Crith Gablach (AL IV 298 ff.) 
spricht von der rath (wie auch von naidm und aitire) jedes einzelnen Standes, sogar bis 
zum Konig tiber Konige (7 rurech S. 330) hinaut. Und auch in jiingeren (Quellen wird 
rdith der “Herren” gelegentlich erwihnt, z. B. ALI 60.18: Coie Con. Fug., S. 33 8 32. 
Aber tatsichlich wird man sich vorzugsweise an Gemeinfreie als rvt/s gehalten haben, 
weil sie, wo ndtig, mit viel weniger Umstanden zu hetreiben waren als die ‘Herren’, 
s. ZCP 15, 262f. Ofters wird betont, daB der rath ein rath foruis “mit festem Wohnsitz’ 
sein muB (z.B. TI §$ 76a), so daB der Gliubiger ihn sicher finden und zum Zahlen ver- 
anlassen kann. ALV 498, 6ff. wird aber réth inforuis” erklirt als ‘ein rath ohne Be- 
kiimmerung (#ndernam) um einen Herrn (der nicht Unfrei-Genosse eines Herrn ist). ein 
raith, der Unterlage besitzt, ein raith, der nicht Vertriige in Verwirrung bringt; es wird 
also noch viel mehr in deu Ausdruck hineingelegt. Darum wird in der Glosse AL I 86, 1 
aurcuillte rath{e| (84,6 v.u.) ‘ein von rath Ausgeschlossener’ erliutert als “Barde’ (herum- 
ziehender Bankelsinger) und J/ethcerd (das alte /é@cerd ‘Wanderarzt’) und cdinti ‘Schmih- 
dichter’, die alle keine feste Wohnung haben; von einem andern Glossator als ‘Aus- 
lander, Eingewanderter (deoruidh) und ‘Gestrandeter (murchurthe), von auswiirts Ver- 
schlagener, der dem Unfreien nahesteht. Ahnlich sind im Text Miadslechta (AL IV 352 
bis 354) neun Stinde aufgefiihrt. die nicht wirdig (¢nrvcu) zu rath (und naidm und aitire) 
sind: es sind Bettler, Kuhhirten, Narren, SpaBmacher. Leute ohne ‘Kunst’ oder Land, 
Gebannte u. dgl.’. 

Zur Illustrierung seien hier noch drei kurze Texte angereiht. die die udtigen Kigen- 
schaften und Handlungen eines 77th autzihlen, wie denn solehe Aufzihlungen bei den 
Iren sehr beliebt sind; der dritte klingt an TI $ 76a an. Sie stehen in H. 3. 17, 442 
(O'D. 573) und in Egerton 88, 77 7.1 (€. 2451f.); ich gebe eine eklektische Nchreibung 
und setze die Glossen in runde Klammern: 

Atdit a cuie dlegar do gach raith cinmotha saighi{dh] (.¢. insaighi{dh| doibh do tobach 


uneich risa ndechatar*): ...° coimet ein airbernaldh]". cuimne ein fothla, aisnéis cin forran’, 








1 Danach ist in der Glosse AL IL 14—16 zu lesen: aithgin inbleoguin brathar statt athgabail inbhoguin 
briatur. Hier ist noch xo gelladh ‘oder Unterpfand geben (fiir den Ersatz) hinzugetiigt. 
2 niforais als Kompositum zu fassen, da alle Glieder auf ein dreisilhiges Wort. ausgehen. 

DaB in Crith Gablach auch den fir midboth. den untersten nicht- anfreen Einhaimischen raith (wie auch 
aitire und naidm) zaugesprochen wird. wenn auch nur fiir kleine Betrige. obschon sie kein Land besitzen, ist 
auffillig: einen festen Wohnsitz haben sie allerdings. Als zum Schwur Zuygelassene erscheinen sie auch in 
Coie Con. Fug.. S. 41 § 61. 

' Die Glosse ste ‘ht in den Hss. versehentlich hinter dem folgenden Glied. 
\ gine no Hy, cen colus E: wohl zu streichen. 8 erhernadh ¥. 7 forrain VE, 


Div Biryschaft im trischen Recht. la. Rath. 41 


fuit’ cin tséna, diconnairce gin tserba (06. re carait sech escaraity “Kit Dinge sind es, zu 
denen jeder rath verpflichtet ist auSer dem Betreiben (d. h. daB sie hingehen, um das 
einzutreiben, wofiir sie gebiirgt haben): Bewahren (nimlich: des Vertragsbetrags) oline 
Abzug, Sich-Erinnern ohne heimliche Verminderung, Anzeigen (oder: Aussagen) oline 
Vergewaltigung(?)’, “ohne Leugnung, Unnachsichtigkeit ohne Bitterkeit (d. h. gegen 
einen Freund mehr als gegen einen Feind’).’ 

sltait ceithre comadhuis cacha raithe la Frine: urradus gin derqgr (.i. gin deirge as uo 
cin dul do usa thir fein), sochraite cen feimed (.i. imat ndughcarat aca, cona» frimenn tobach an 
Jeichemhan), tumargain cin aircisecht (06. tiumargain in bidbuidh do gin aircisecht feichemhan 
toicheda iman urchraidhe do), cirie yin fuigell “Es gibt vier Gehorigkeiten fir jeden rat/ 
bei den Feni: Einheimischkeit ohne Verlassen (d. h. ohne wegzugehen oder ohne aus 
seinem eigenen Land zu gehen), Reichtum an Freunden ohne Unvermégen (d. h. er soll 
viele gute Freunde haben, damit er nicht unvermégend ist vom Schuldner einzutreiben). 
Erzwingen ohne Erbarmen (d. i. daB er den Schuldner zwingt, ohne da er [wohl der 
Schuldner] Erbarmen hat mit dem Gliubiger inbetreff [seines] Versagens’), Zahlen ohne 
Richterspruch.’ 


Cia dechraith? — Ruith fuis (.i.raith bis a fosaighecht ¢ forus"), raith foruis (dag: 
mbi_ arus), raith tri ngnimh (.i.saighi{dh|, as-ren, ni-ditoing), ruith enech (.i.teit re logh encch). 
raith seitrech, raith comtusu’ cuindrigh. ‘Wer ist ein guter raith? — Ein raith des Daheim- 


Bleibens’ (d. h. ein rath, der in der Wohnung verharrt). ein rath des festen Wohnsitzes 
(d. h. der eine Wohnung hat), ein raith dreier Handlungen (d. h. er betreibt, er zahlt, er 
schwért nicht weg>), ein rath der Ehre (d. h. er biirgt fiir den Ehrenpreis [in der Héhe 
seines Ehrenpreises]”), ein kriftiger (wirksamer) raith, ein rath mit der Macht" in Ordnung 
zu halten (oder: zurechtzurichten)’. —- 

Wie hoch kann ein rath btirgen? In dem schon mehrfach beigezogenen Text 
des 8. Jahrhunderts Crith Gablach (ALIV 298 ff.) ist durchgetiihrt, dali jeder nur fiir 
den Betrag seines Ehrenpreises, der fiir jeden Stand verschieden, aber feststehend ist". 
rath sein kann; dasselbe gilt fiir naidm, attire und Eid (als Eideshelfer). Die gleiche An- 
schauung tritt in allen Glossen und Kommentaren hervor, s. oben die (falsche) Glosse zu 
raith enech; Coie Con. Fug., 8.55 $ 126 und manche Belege im folgenden. Diese Be- 
schrinkung der rah (und der anderen Biirgschaften) auf die Hohe des Ehrenpreises ist 
aber offenbar verhaltnismaBig jung. Unser Text I, auch darin das Alter dieses Absechnitts 
bekundend, weils davon nichts, sondern kennt $ 72 zwei andere Bestimmungen: 1) Der 
rath kann biirgen in der Hohe eines Drittels seines Besitzes; 2) er kann biirgen fiir was 
er ausfiihren kann oder soweit er Werte besitzt, die der Hohe des Verbiirgten entsprechen. 
Das letzte méchte man fiir das Alteste ansehen. Die Beschriinkung auf das Drittel oder 
auf den Ehrenpreis wird aufgekommen sein, weil bei leiclitsinnigem Biirgen der Gliubiger 
zu oft Einbufe erlitt. 


1 fait E. 2 Vegi. forranach TT § 84. Bedeutet es hier etwa “Ubertreibung’? 
3 fuit (fait) verstehe ich nicht; etwa foth oder Plur. fuith “Aqyuivalentie) [zu zahlen]? Vel. ZCP 13, 3orf. 
Oder foisitiu “Bekenntnis’? Wohl nicht fot “Wachsamkeit, Vorsieht) Windisch, Tain B. C.. S. 984: Clery s. v. 
4 Der Glossator scheint an ‘ohne Nachsicht? zu denken. 
5 So scheint zu iibersetzen; doch ist es dann ein MiGverstindnis des Glossators. da natiirlich gegen den 
siumigen Schuldner kein Erbarmen geiibt werden soll. 
6 7 f. fehlt H. 
cumtusa H. 
Dieses allerdings eine negative “Handlung’. 
Zam ‘Ehbrenpreis’ s. unten. Ubrigens gewiB miBverstanden. 
10 Zu dieser Bedeutung von comtus (cumtus) ygl. AL TIT 36,5: cach coimded a cumtus, wo es die Glosse 
mit comus ‘Macht iiber...’ wiedergibt. 
1 Vel. ZCP 14. 341- 342. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 2. 


oo at 


42 THURNEYSEN: 


Die Verpflichtung des rath ist in TI$ 74-—77' in ihrem Verlauf dargestellt und von 
mir nach Vermégen itbersetzt. Danach muf der Schuldner vor der Verptlichtung des rath 
Garantien stellen, da er diesen, falls er fiir ihn zahlen muB, entschidigen werde. Die Formel 
scheint der Gliubiger zu sprechen ($ 74), und die xuidms wiederholen den Inhalt in Kiirze 
($75). Die Annahme durch das Wort vicdiu ‘ich stelle (Garantien) ist nur in § 51 (Ende) an- 
gefithrt. ist aber wohl in allen weiteren Fallen zu ergiinzen*. Erst darauf wird der rah 
durch den Schuldner, fiir den er biirgen soll, verptlichtet (§ 76). und wieder wiederholen 
die naidms die verkiirzte Formel ($77). Dabei verptlichtet sich der ra@/ nicht nur auch 
gegentiber den Erben der Kontrahenten, falls diese vor Erfiillung des Vertrags sterben 
sollten. sondern auch fiir seine eigenen Erben. Denn die rath ist erblich (vgl.$ 51b)* 
nach dem alten Spruch: Teit rath for comarbu co nomad no “Die rath geht auf Erben iiber 
bis zum neunten Glied’ (Coic Con. Fug., S. 33, $ 32, vgl.$ 31. und S. 81 $68). Der Kom- 
mentator ebenda will das freilich auf Gemeinfreie beschrinken und die ‘Herren’ ausnehmen' 
und spricht auch den Sdhnen der Gemeinfreien die Moéglichkeit zu, sich dureh ein Ab- 
kommen (4ésgna) davor zu schiitzen; doch sind das spite Ausfiihrungen. Hat der rath 
zahlen miissen, so kann er sich durch einen Eid des Gliubigers (TI $ 56) entlasten lassen: 
und auch der Schuldner kann den Gliubiger schwéren lassen, dali er die Sechuld nach 
allen Regeln des Rechts vom rath eingetrieben hat (§ 55). so dal sie endgiiltig getilgt ist. 

Ist der Vertrag einmal auf den rah gebunden, so kann er natiirlich im allgemeinen 
nicht mehr zuriicktreten, falls der Vertrag nicht aufgelést wird. was nach der iiblichen 
Bestimmung die Kontrahenten innerhalb 24 Stunden noch tun kinnen. Doch li8t ein 
junger Abschnitt H. 3.17, 546 (O’D. 758) auch dem rath eine Méglichkeit: 

Duine do-chuaidh i rathaighus ann sin, 7 rob ail leis tiachtain as. 7 masa raith ainfine 
é, manar-tocaith na ceithre uaire fichit, is tualuing ¢ tiachtain as, acht co-faghba raith a co- 
maicenta tara heisi. 7 ma ro-tocaith na ceithre uaire fichit. nocha tualaing & tiaehtain as, noco- 
faghba feich tara visi. 7 masa raith fine i, 0 raghus inn do grés, nocha tualaing i tiachtain as, 
noco:fuybha feich tara eisi, uair is do cuie slechta fichit in Corusu Fine “Ein Mensch hat da 
rath-schaft tibernommen und méchte daraus hinausgehen (sie loswerden). Wenn er ein 
un-sippischer raith® ist und wenn die 24 Stunden noch nicht verstrichen sind, so kann 
er hinausgehen, sobald er einen rath von gleicher Beschaftenheit (Stand, Vermégen usw.) 
wie er findet, um an seine Stelle zu treten. Wenn aber die 24 Stunden verstrichen sind. 
so kann er nicht hinausgehen, bis er dic Schulden fiir sich (d. h. zu seiner Entlastung) 
»findet« (ihrer habhaft wird. die Zahlung der Schulden erwirkt). Wann immer aber ein 
Sippen-rath biirgt, kann er nicht hinausgehen. bis er die Schulden »fiir sich findet«: 
denn das gehért zu den 25 Teilen der Rechtsordnung der Sippe ". 

Diesem Abschnitt geht in der Mandschrift ein anderer voraus (’D. 757): Gudhuy 
rathaigheas \(l. Guugud rathaighis) .¢. elodh a raithe do moch tet i rathigus vi. naderntar 
sin v ceithre uairibh fichit amach .i. uair nuch coir .i. con-ie fein a dichur de re ré ceithre n-uar 
Jichit co tarrachtain na aithghena; mana-tarrus imurro in aithghin, ni-cumaing a dichur de itir 
‘Falschung (Leugnung) der rd@th-schaft. d.h. daB der. der in die rath-schaft ein- 
tritt. sich der rath entzieht. Das darf nicht gesehehen von 24 Stunden an, denn es ist nicht 


' Der $67 mit abnlichem Inhalt ist leider verderbt und unverstindlich. 

* Wo es sich um einen Sehwur handelt. wird die Annalme-lormel cher tungu “ich schwére™ vewesen 
sein: doch ist sie nicht iiberlietert. 

’ Ebenso in Wales: s. Ferp. Warrer. Das alte Wales. S. 434. 

4 Falls 7 do raithiges nicht irrtiimlich eingefiiet ist. 

5 D. bh. nicht einer, der als Sippengenosse fiir den Schuldner eiustehen muB (s. oben S. 30) Auch ein 
soleher wird hier rath genannt, ebenso anscheinend in den Glossen 7a Heptas XVII. AI. V 182. 18: TR Anm. rt. 

6 Zu dieser vgl. Coie Con. Fug., S. 80 $ 62. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. tu. Rath. 43 


ordnungsgemaB. D.h. er kann (die Biirgschaft) von sich »ablegen« waihrend 24 Stunden, wenn 
er Riickerstattung (des Vertragsgegenstands) erreicht (also der Tandel aufgehoben wird): wenn 
Riickerstattung aber nicht erreicht wird, kann er sie tiberhaupt nicht von sich ablegen '. 

Die Erklirung jemandes. dab er keine rath tibernommen hat, heibt detudell oder diind ll 
rathaigis. etwa “Abschirren. Ablésen der rdth-schaft nach dem Abschnitt H. 3.18. 273 
(C..555)°: Deithbir itir in diindell? rathaigis 7 in guudhud rathichais 7 in saigid feicheman: 
In diindell rathachais. aca dichur de ata cunnachdeachaid re ni itir dar cend fir anfjine, no 
cuna-bia re ni is mo na re log a eneach dar ceand fir fuw. Tu saigid fecheman, is edh ader 
side cu-ndechauid ind 7 bidbu ata aca senu “Der Untersehied zwischen dem Ablésen der 
rath-schaft und der Filschung der rafh-schaft* und dem Betreiben des Schuldners: Beim 
»\bléseun der rdth-sehaft« lehut er sie ab. (indem er erklirt,) daB er fiir nichts Biirg- 
schaft tibernommen habe fiir den Un-Sippischen, oder daB er fiir nicht mehr als fiir seinen 
Ehrenpreis einstehe fiir den Mann der Sippe’. Beim »Betreiben des Schuldners« sagt er. 
er habe die Biirgschaft dafiir tibernommen. aber der Schuldner leugnet es. Der rath betreibt 
(pfiindet) vermutlich in diesem Fall den Schuldner. zuniiehst wm ihn zur Anerkennung 
au zwingen. 

Der letztere Fall. dat} der rat/ sich zu seiner Verpflichtung bekennt. aber der rechrlich 
Belangte leugnet ihn iiberhaupt oder fiir einen so hohen Betrag als raf bestellt zu haben. 
wird in mehreren Kommentarstiicken behandelt, die offenbar alle an einen (verlorenen) 
alten Text ankniipfen. der als Eingang hatte: Ra(jth ataim 7 nad-utamar ‘Ein rath, 
der anerkennt. aber nicht anerkannt wird’ H. 3.17. 550 (OD. 766). Das wird ebd. 
erklirt: At in raith aca atindil co-ndechaidh risna fiachaibh, 7 ata in bidbuidh aca séna na-tue 
itir tara cenn i. Acht mana-fuil fiadhnaise uiee co-ndechaidh ann, is a sena don bidbuidh 
cona-tuc tara cenn i. 7 icuidh in raith fein na fiacha, 6 do-ataim “Der raith erkennt an, Biirgschaft 
tiir die Schulden eingegangen zu sein, aber der Beklagte (bidbuidh) leugnet, ihn (als ra@ith) 
dafiir bestellt zu haben. Wenn er kein Zeugnis (keine Zeugen) hat. dal} er sie eingegangen 
ist, so fallt die Leugnung. da er ihn datiir bestellt hat. dem Beklagten zu: und der raith 
selber zahlt die Schulden. wenn er anerkannt hat’. Also obschon die Leugnung als giiltig 
anerkannt wird. muB der rath die Summe, fiir die er nach seiner Angabe gebiirgt hat. 
doch an den Gliubiger zahlen: die Verptlichtung durch den Schuldner selber ist also 
nicht notwendige Voraussetzung fiir die Giiltigkeit der rath-Biirgschaft ". 

Ahnlich ebd. unmittelbar vorher’, wo fortgefahren wird: Mu tait fiadhnaise no mad 
admaither fein do. gui co logh vinech. Cia ro-bui aice logh vinech ¢ n-aimsir eunnarta no 
cinco roibe, mand. fail ¢ n-ainsir tea, ce admaitthjer in bey, séntar de 6 sin amach “Wenn 
Zeugnisse vorhanden sind. oder wenn er selber anerkannt wird. beweist er bis zum Ehren- 
preis (bis zur Héhe seines Ehrenpreises). Mag er zur Zcit des Handelsvertrags im Besitz 
scines Ehrenpreises gewesen sein oder nicht, falls er das zur Zeit der Zahlung nicht 
ist’. so wird er, wenn er auch fiir Kleines (einen geringen Betrag) anerkannt wird, 
fiir weiteres abgelehnt.’ 


Die Fortsetzung des Absehuitts s. unten S. 30. 
In etwas anderer Form und Ausfiihrung auch ebd. 628b (C. 1381 f.). 3 In dev Ubersehrift: deindll. 
Diese eben besprochene ist vom Verfasser oder vom Schreiber im folgenden tibersprungen. 
Nach diesem ‘Text mui alsv auch der Sippengenosse als Einstinder nicht mehr als seinen Ehrenpreis 
zablen. wie der Vertrassbiirge. 

® Die Fortsetzung handelt davon. da der Gliubiger den rai nicht um mehr belangen kann. als wofiir 
er gebirgt hat. 

7 Hier ist der Satz: raith adaim 7 nanadamar (so!) mitten in den Text geraten. 

~ Doh. wohl: wean er durch unehrenhafte Handlingen seine Ehre und damit seinen Ehrenpreis ver- 
loren hat. Vielleicht auch: falls er durch EinbuBen nicht mehr derselben Vermégensklasse angehért. 


Oe woe 


oe 


44 TRURNEYSIN: 


Etwas andere Ausfiihrungen finden sich in H. 3.17, 548 (OD. 760f.)': 

1. O aidémthar € im beg, is Nels imdenam co-ria logh cnech. Madia~n-odmaither in 
ruith a raitigus 7 ui-hatmaither fri met ineich acartar ann, do- dena logh enech, 7 nech dia» mbi 
logh enech a mbith fair, ina diaidh, Mana-hatmaiter fri ni itir, is a dd comgradh do dil 
de, 7 neach dia mbidh logh enech in cunnra, da dil don feichemuin; no cethri comgrddh da 
dil dibh a ndis ‘Wenn er (der rath) fir einen kleinen Betrag anerkannt wird. steht ihm 
der Beweis zu bis zu (seinem) Ehrenpreis. Wenn der rath in seiner rdith-schaft aner- 
kannt wird, aber nicht fiir den ganzen Betrag, um den helangt wird. so wird er (seinen) 
Ehreupreis beweisen und eincr, dessen Ehrenpreis dem gleichkommt. was dariiber hin- 
aus ist, hinter ihm drein (d. h. als sein Eideshelfer, um den Beweis vollzumachen). Wenn 
er fiir nichts anerkannt wird*. braucht es zwei Manner gleichen Standes wie er, um 
es ihm abzunehmen (d.h. um den Beweis giiltig zu machen)*, und einen. dessen Ehren- 
preis der Handel (der ganze Wert (les Handelsobjekts) entspricht. um es dem Kontrahenten 
(Glaubiger*?) abzunehmen, oder vier Manner gleichen Standes, um es ihnen beiden 
wbzunehmen.’ 

2. Md ceann for meamur (lL. meamra) 7 dia+n-admatis raith dia cinn, do+déna forro co 
diairmeé. Man\a\-atmatis, is astadh nani do-gni, 7 nech dia» mbidh logh vinech in eunnradh, init 
diaigh. Mad memar for cenn 7 dia-n-atmadis’ ... nech dia-mbi logh einveh in cunnradh, 
int diaigh “Wenn es ein ‘Haupt’ (Herr) gegeniiber “Gliedern’ (Untergebenen) ist und sie 
ihn als rath fir sich anerkennen, so wird er bis zu beliebigem Betrag beweisen. Wenn 
sie (ihn) nicht anerkennen, so hilt er nur fest", und einer, dessen Ehrenpreis der 
Handel(swert) entspricht, (mui) hinter ihm drein (schwéren). Wenn es ein Glied gegen- 
iiber dem Haupt ist, und wenn dieses es anerkennt, [so halt cs nur fest und‘| einer. dessen 
Ehrenpreis der Handel(swert) entspricht, (mu8) hinter ihm drein (schwéren).’ 

3.) adh raith 7 fiadhnaise, 7 dia-n-adamur, astuit logh vinech cechtar de. Man{a\-atamar, 
ix logh einech na ratha (l. na fiadnaise?) namd astait “Wenn es ein rdith und Zeugnis (Zeugen) 
ist. und wenn anerkannt wird, so halt jedes von heiden [rath und Zeugnis] (seinen) 
Ehrenpreis fest’. Wenn nicht anerkannt wird. so halten sie nur den Ehrenpreis des 
raith (lies: des Zeugnisses?) fest’. .—- 

Entschadigung des rath. TextI § 69—71 untersechcidet zwei Arten von Ent- 
schidigung oder Schadloshaltung (sid, eigentlich “Heilheit’). Beide finden statt. nach- 


+ Hier ist der Kommentar an das Zitat angelehnt: For-toiug avonrath a tuinide “Kin vinsziger 
rath schwért seinen (des Gegenstands) dauernden Besitz zu. mit der Erklirung: te fir-toinge 
inté ne (lL. int den) do-cuaidh a raithigus, tuinide incich risa.n|djeachadh ‘wabrhaft beschwért der cine. der die 
rath-schaft eingegangen ist. den dauernden Besitz dessen, woftir cr sie eingegangen ist’. 

D.h. ‘zwar als raith. aber wegen seiner Ehrlosigkeit fiir keinen bestimmten Betrag’. 

Zu dieser Bedentung von d7/ ygl. Cain \domnain § 53: Fir den Fall, da Franen als Anzeiger (Kliger} 
der Gesctzesverletzung auftreten (dia-mbe tuarasndal bansyal), ist ein yiall a gabhala ‘cin Geisel fiir Erhebung 
(dev BuBe?y vorhanden dia dil “um es (ihnen) abzunelmen. weil Frauenzeugnis an sich nicht gilt. Ebenso 
scheint do dil a fiadnaise AL 1 138, 22 au verstelien, 

* Etwa. wenn auch der Gliubiger ehrlos, nichts beweiskraftig ist. 

5 |, dia-n-atinad, iy. Dahinter offenbar Liicke. 

5 D.h. seine Aussage (Kid) halt nur die Schuld im allgemeinen auf dem Schuldner fest. aber ihren Be- 
trag muB cin Eideshelfer beweisen. 

So ist wohl zu erganzen. 
> Dieser Abschnitt ist, wie die Sprache zeigt, aus anderer (Juelle und spiter beizefiigt. 

® Wenn der ganze Wert des Streitobjekts nicht melr aly den Ehrenpreis von rath + Zeugnis betraet, 
braucht es also keine erginzenden Eideshelfer. 2 

10 Es folgt noch als Begriindung: “Darum halien Zeugen mele fest als -7ths. weil das Zeugnis nicht 
zahlen wird (muB), auch wenn es nicht festhalt. subald es nur ein Zeugnis ablegt: der raith aber zahlt, wenn 
nicht festgehalten wird’. Die Stelle ist dunkel. weil nicht deutlieh ist. was (nicht) ‘anerkannt wird. vielleieht: 
ra@ith und Zeugnis. aber inwiefern? 


2 
3 


Die Biirgschaft tm irischen Recht. ba. Ritth. 4d 


dem sich der Schuldner am Zahitag entzogen hat, aber die erste. wenn -— wie es aus- 
gedriickt wird  - die Viehhiirde des ra@h zwar hereits gedffnet worden ist. der Schuldner 


sich aber zur Zahlung stellt. bevor der rath wirklich gezahlt hat (bevor seine Vichhiirde 
‘entbl6Bt worden ist). Der Schuldner zahlt dann die urspriinglichen Sehuldobjekte uebst 
den smachta, dh. dem Zuschlags-Drittel (s. oben 8. 38). [an den Gliubiger] und dem rath 
eine Kuh fir seine Bemiithung ((m/ad, Gu/uad. s,s) und fiir die Offiung seiner Viehhiirde 
als s/in (S$ 70). 

Diese “Kuh beruht auf cinem alten (verlorenen) Rechtstext. dessen Einleitung H. 3. 
18. 261b (C. 520)’ anfiihrt als: Slanath sorrthusa sluinnter 7 ri]. “Die Entschidigung guter 
rdth-schatt werde (hier) genannt, und we als solehe bestimmt war: soélbech bethach 
la log n-mmsaetha, was von allen Glossatoren’ erklairt wird als: “eine gut milehende Kuh 
einschlieBlich” des Lohns fiir die Bemiihung’. Die Bemtihung (msm th) heibt bei den 
andern dlod. jmluad “das Herum-Treiben, In-Bewegung-Setzen’ und hezeichnet die Zeit. 
die den rath oder seine Leute die Bemiihung, der Versuch gekostet hat. die Sehuld 
vom Schuldner cinzutreiben. Da aber diese teste Bestimmune zur Zeit unserer Texte 
(auch schon von Text 1) nicht mehr galt. suchen die Kommentatoren auf jede Weise 
dic “Kuby, die sodbech bvthuch herauszurechnen. Unser Text I meint. der ruth habe 16 Tage 
(sich oder jemand) ‘in Bewegung gesetzt und erhalte nun fiir jeden Tag einen ‘Sack 
(Weizen oder Malz) = 1 Scripulus': day macht 16 Seripuli. Im ganzen aber bekommt 
er eine Kuh = 24 Seripuli, also noch 8 Ser. fir das “Offnen seiner Viehhiirde’. Nach 
diesem Text liegen also zwischen dem (yersiiumten) Zahltag des Schuldners und dem 
Zahlen oder Unterpfand des rth 16 Tage. Diese ganze Zeit iiber ist er vergeblieh he- 
mitht. die Schuld vom Schuldner cinzutreiben. 

Noch kiinstlicher hat ein anderer Kommentar die “Kuh” berechnet. gedruckt AL V 
342---344. besser erhalten in Hl. 3. 18. 2614b (C. 520)’. Er nimmt an, die svilbech bethuch 
beziche sich anf die élvad-Vergiituug. die der Schuldner dem rah nach dessen Zahlung 
zu leisten habe: “Ein besserer 60-«irv (Gemeinfreier der obersten Klasse). . hat Biirgschaft 
in Héhe seines Ehrenprcises (von 4 Kiihen) fibernommen. und er ist cin »un-sippischer« 
radith, Und er zahlt den (genauen) Ersatz hinaus (an den Gl&ubiger), und das Doppelte 
und sein Ehrenpreis wird (spiter vom Schuldner) ihm bezahlt’. Und in der Zahl von 
4 »Ungelernten« (d. i. mit seinem ganzen Gefolge’) ist er gegangen seinen vertraglichen 
Betrag (?>) zu belangen. Und (der Schuldner) machte 6" Tage lang das taube Ohr“’ gegen 
ihn. Und die sechsmal vier halben Scripuli (der Tageslohn der »Ungelernten«) machen 
12 volle Seripuli. Und dann stellte sich der Mensch drauBen (der Schuldner) dem »Soll«. 
und es wurde cin Richterspruch tiber ihn geféllt: er miisse 4 Kithe als Ersatz und 
4 Kithe als Ehrenpreis und 4 Ktihe als Hialfte der Verdoppluing zahlen. Und nicht das 
(tesetz. sondern sein eigenes Gutdtinken bestimmte ihn. das alles in Kiihen zu geben” 
ohne™ »Drittelung«’’. Als er sie zahlen wollte. ward dem Menschen drauBen der Auf- 


1 Der Kommentar auch AL V 3421f * Vel. noch O'Day. 227. 1070. 1439-1440. 

3° So ist /¢ mit’ nach allen Erklarern zu fassen. 

4 Das ist immer der Tagesloln eines fir eladaach ‘eines gelernten Maunes oder aweier fer an-cladnach. 
> Die englische Uhersetzung in AL ist daher fehlerhaft und widersinnig. 

© (ber diesen Betrag s. unten S. 46. 

7 i. @ landaum vor in H. Jeder Stand hat das Recht auf cine bestimmte Anzahl von Begleitern. 


> a chorachas Hy -chis AL. "ul. He secht AL. 
10 So etwas muB ref tes torai He re tae toirre AL. bedenten: cigentlich “eine Zeit des . . Schweigenden’ ’ 
Nf. @ tabairt U7 a t. Als. 12 ein He. eo AL. 


Lt Die ‘Drittelung (érauugad) bedeutet. daB nur ein Drittel der Schuld in Rindern gezahlt wird. die 
beiden andern in Pferden und in silbernen oder kupfernen Gegenstinden. und daB unter den Rindern ein 
Drittel Ochsen sind (AT. Tf 1350). 


46 "THURNEYSEN: 


schubsgrund'! des Todes seines Vaters: der gilt fiir einen Monat. Und obsehon der Auf- 
schubsgrund ihn (solange) yon der Zahlung der Schulden befreit. befreit er ihn nicht 
yon der Zahlung der Milech. Und die monatliche Milch der 12 Kthe betrigt je einen 
Seripulus. so dal das 12 Seripuli macht. Und die 12 Seripuli? des fm/iad* zu den 12 Ser. 
der Mileh machen (24 Ser. =) eine Kuh. Das ist die sodlbech hethach’’, 

Diese Tiftelvien haben natiirlich keine Bedeutung. sondern sind hier nur als Bei- 
spicl angefiihrt, wie die Kommentatoren ihr Him zermarterten. um alte Rechtssitze mit 
der Praxis ihrer Tage in Finklang zu bringen. Denn schon tir die Zeit von Text I galt 
der Satz AL V 346.13: “Die Vergiitung der Bemiihung (soit im/uaidi) vom Schuldner an 
den saith. fiir die gibt es keine Bestimmung als die Zeit’. waihrend der man sich he- 
mitht. Oder. wie es AL V 224, 6 vy. u. heiBt. nachdem ein Gnlvad erwihnt worden war. 
bei dem man nicht das Haus eines Richters aufsuchen mute: “Wire das aber nétig ge- 
wesen. so hiitte ein Seripulus oder ein halber NSeripulus gegolten (je nachdem es sich 
um ‘gelernte oder ‘ungelernte’ Leute handelte). Aber die Sechuld des fmluved Kann sich 
nur bis zum Lohn des Eintreibens"” erstrecken je nach der Natur des Gebiets. in dem 
das dm/luad stattfindet”. 

Die Vergiitung der Bemiihung wird also je nach der Zeit und nach der Zahl und 
(ualitiit der dabei Beschaftigten berechnet. So libt eine andere Berechnung AL V 342. 
12ff. die vier Manner des 40-airr sich 30° Tage bemiihen. so da® die Vergiitung des 
jmluad dann 120 halbe Scripwli = 60 ganze Ser. = 2 Kiihe und cine zweijilrige Farse 
(muise — 12 Ser.) betragt. 

Anders bestimmt die Leistung des Schuldners an den rath ein (junger) Abschnitt 
ALI 514. 7 v.u.: ‘Wenn der Biirge (¢rebiire. hier = rath) zur richtigen Zeit den Schuldner 
belangt hat und der Schuldner sich entzogen hat. obschon ihm feststand. dab er die 
Schulden zu dieser Zeit schuldete, so hat er 5 sef zu zahlen und den Ehrenpreis (des 
Biirgen) und die Schulden. die fiir ihn zu zahlen dieser tibernommen hatte: aber Ver- 
dopplung der Schulden findet nicht statt. weil nicht er (der Biirge) es ist, der fordert’. 
d. h. weil er nicht der Gliubiger ist, der. wenn er eintreibt. in diesem Fall den doppelten 
Betrag der Schuld erhebt (s. oben S. 39). Der Betrag fiir den Biirgen bestiinde also. 
da er ja die Schuldsumme selber an den Gliubiger weitergeben mu8. in 5 »7¢ und seinem 
Ehrenpreis. Das steht in keinem Zusammenhang mehr mit dem alteren Recht, sondern 
ist aus dem gleich zu Besprechenden abstrahiert. 

Die Entschidigung des rath nach der Zahlung. Mat der rath zahlen miissen. 
su steht ihm der Riiekgriff auf den Schuldner zu. Nach TIs$71 (vgl. $74) hat der ihm 
‘nach Enthlibung der Viehhiirde’ zu zahlen: 1. das corpus der Sehuld (den Schuldbetrag). 
2. dessen Verdopplung. 3. seinen (les rah) Ehrenpreis. 4. Diinger und Mileh. Wachs- 
tum und Wurf (Kilber). d. h. den Verlust. den der rth dadurch erlitten hat. daB sein 
Vieh ihm erst spiiter ersetzt wird. Die xmachtu (s. oben S. 38) und die Vergiitung der 
Bemiihung (bei seinem vergeblichen Betreiben) sind hier nieht erwilunt. sei es als selbst- 
verstiindlich. sei es, daB die smachta mit zur Schuld gerechnet sind. 

Dagegen in den beiden oben S. 45f erwihnten Berechnungen des waluad (AL V 342) 
erhilt der Biirge. der fiir 4 NKiihe gebiirgt hat. 8 Kiihe als Ersatz und Verdopplung und 





2 


' turbad UW. turbaide AL. 27 da serepall dee om. H. » amluaid WW. imtuaidhe AQ. 
* Euwas kiirzer ist ganz dasselbe AL V 344. 14fh auseefithre. 

* Statt er 1 re. : 

* Der betragt innerhall) des Stammgchiets ein Drittel des Fingetriebeuen, 

7 —).b. ob innerhalb desselben Starmmmyebiets oder in entfernteren. 


~ Z ois St. cothre laithi fichit \. deich feof 


Die Biirgschaft im irischen Recht. du. Rath, 47 


4 Kihe als seinen Ehrenpreis und dazu die Vergtitung fiir seine Bemiihung: weitere 
Betriige sind hier nicht genannt’. 

Natiirlich dart’ der Biirge den Schuldner erst fiir seine Entschaédigung betreiben, 
nachdem er hat zahlen miissen. Vgl. AL HI 512, 11 v.u.: “Wenn der Biirge gegeniiber 
dem Schuldner »Schnelligkeit des Betreibeus« ins Werk gesetzt hat (und das heift bei 
ihm Schnelligkeit des Betreibens, den Schuldner zu belangen. bevor der Gléubiger ihn 
belangt hat), und wenn er wufite. daB er ihn zu dieser Zeit nicht betreiben durtte. so 
hat er 5 set und den Ehrenpreis (des Schuldners) zu zahlen, und seine Schuld(-Forderungen) 
auf Grund der ra@th-schaft sind verfallen und nie mehr belangbar (klaghar). War er der 
Meinung, dal er ihn zu dieser Zeit belangen durfte*, so hat er 5 sé¢ zu zahlen. und seine 
Schuld(-Forderungen) sind vertallen und nicht mehr belangbar. aber der Ehrenpreis steht 
nicht daraut” usw. 

Damit der ruth zu seiner Entschidigung kommt, mul er daraut bedacht sein. nur 
fiir solehe zu biirgen, die er gegebenentalls betreiben kann oder darf. Denn, sagt Heptas 
XXX (AL V 224), ‘es gibt bei den Feni 7 ra@(‘)ths, die. wer sie auch eingeht. keinem 
Entschidigung noch (sonstige) Leistungen” einbringen: 

1. eine raith fiir den Sohn eines lebenden Vaters, den sein Vater »verkiindet« (fiir 
nicht vertragsfihig erklirt); 

2. eine raith fir einen Unans&ssigen von auswiirts’; 

3. eine rath fiir einen (unfreien) Knecht, der sich seinem Herrn entzieht’: 

4. eine raith tir » Angezeigte« (oder »Abgewiesene«) der Sippe": 

5. eine raith fir eine Erst-Frau (regelrechte Gattin), die ihr Gatte »verkiindet«: 

6. eine rath fiir »ungebiihrlichen Antall« (s.u.); 

7. eine raith fir einen Héchsten (was) und fiir einen »Verbotenen«‘. die du nicht 
um deine Entschidigung betreiben kannst.’ 


Es sind also einesteils Besitzlose oder herumziehende Leute ohne festen Wohnsitz 
und nicht leicht faBbar (2. 3.7b). andernteils ein zu hoch Stehender (7a). nach der Glosse 
ein Kénig oder Thronerbe oder ein Gelehrter’ (sai). d.h. ein Dichter-Meister (ollam) oder 
auch ein gleich hochstehender Klostergelehrter, weil deren Stellung ein Betreiben aus- 
schlieBt*. Ferner Vertragsunfiihige (1. 3. 4. 5), weil die zum Einspruch Berechtigten deren 
Vertrige fiir ungiltig erkliren, so dai sie nicht zu zahlen brauchen. Ein jiingerer Kom- 
mentar (ebd. 224, 10ff.) gibt fir diesen Fall besondere Bestimmungen: “Wenn der Schuldner 
(Kontrahent) und der r@th weil (das der Kontrahent vertragsunfihig ist), und wenn 











1 Unvollstindig ist wohl die Notiz H. 3. 17. 550--551 am unteren Rand (O'D. 767): (vatharda dlighus in 
raith iar n-élodh .t.cumal smachta 7 dublad n-aithyina 7 bidh ‘Aut viererlei hat dev raith Anspruch, nach- 
dem (der Schuldner) sich entzogen hat: auf die feststehende cumal (BuBsumme) und die Verdopplung des 
»Ersatzes« und der Speise (die ihm der Schuldner bei der Betreibung nicht dargeboten haty. Die exmal smachta 
kann 5 sé bedeuten, s. unten zur Entschidigung des evl-rath und ct-rath: aber moglicherweise ist smachta ein 
Febler fiir sechtmaid (marbtha) BuBe in der Hohe eines Siebtels der TétungsbuBe’ (d.h. 3 Kithe). vel. AL 
MI 514, 7. dedenfalls fehlt mindestens ein Glied. vermutlich der Ehrenpreis. 

* Jedenfalls ein seltsamer Fall: in diesem schematischen Traktat woll nur nach Analogie der ander 
Abschnitte eingefiigt. 

* slan na somuine versteht die Glosse als ‘Ehrenpreis und Verdopplung. nach der spiteren Praxis. 

* Auch Hept. XVI (AL V 178) ist als eine Zahlung. fiir die man keine Entschidigung eintreiben kann. 
die fiir einen ambue genannt: vgl. auch Hept. LAV. unten S. 51. 

* Danach kénnen also Unfreie mit Zustimmung ihrer Herren Vertriige schlieBen; so anch AL [ 50,7 v. u. 

§ Sippenglieder, die von ihrer Sippe als Landstreicher. nicht mehr zu ihr Gehérige verkiindet worden 
AL IT 288 = ZCP 14. 374. 
urguirt, wértlich “Verbot’: nach der Glosse: Barden (Binkelsinger). Wanderirzte und Schmiihdichter. 

§ Zu diesen ‘Héchsten wird sunst auch der Bischof gezihlt. aber hier. wo es sich um ‘“Héchste’ han- 
delt, die ihre Biirgen hineinfallen lassen, vielleicht absichtlich tbergangen. 


sind; 


aun 


48 TUUCRNEYSEN: 


keine Geschaftsfaihigen zugegen sind und die Vertrige fiir ungiiltig erkliren', mui der 
raith zahlen, wie es auf ihn »gebunden« wird [und wird nicht entschidigt]. Wenn der 
Schuldner es weiB*, aber der raith nieht. und wenn der Sippenvorstand (ert fine) ihn 
(den Vertrag) nicht fiir ungiiltig erklart. (erhilt) der ra@th* (bloBen) Ersatz (vom Schuldner), 
wenn er hat zahlen miissen. Wenn der Sippenvorstand ihn zu dieser Zeit (solange Ein- 
spruch méglich ist) fiir ungiiltig erklart, dann (gilt): »Wie er den Schuldner (vor Zah- 
lung) schiitzt, schiitzt er den raith«. Wenn der Sippenvorstand beim Alschlu8 des Ge- 
schiftsvertrags zugegen ist, aber nicht Einspruch erhebt. zahlt er das, wozu der riith 
verptlichtet ist.’ 

Endlich Nr. 6: ‘eine rdith fir ungebiihrlichen Anfall’ oder ‘Angriff’ (ar indrud etechtu) 
mut heiBen: ‘fiir gewaltsames Eintreiben einer nur vorgeblichen, nicht wirklich oder nicht 
in dieser Héhe bestehenden Schuld’*. Die ganze Heptas kehrt sozusagen wortlich wieder 
als Heptas XXXL und XANIL (AL V 228), nur sind die sieben Falle statt auf einen rush 
aut’ einen vitire oder auf ein Unterpfand (ge//) bezogen. In XXNI heiBt Nr. 6: aitire as-ren 
indrud etechta, wo as-ren wohl cin Fehler fiir vr ist: in NANI ist sie aus Versehen ganz 
ausgelassen. 

Inhaltlich berithrt sich damit Hept. NVI (V 178). wo Eintreibungen (fobuiy) aufgezihit 
werden, denen man sich entziehen darf. und wo Fall 5 und 6 lauten: sluw nyill do. beir 
indrud (indruth, indraide) eitechta, slan raithi do-leir eitechta. Doeh ist zweifclhaft. oh der 
Wortlaut richtig tiberliefert ist. Eine Parallelstelle zum ersten Glied lautet in Hept. XVIII 
(V 186, 3): geal do-beir etechta (also ohne (ndrud). tibersetzt: “a pledge which unlawfulness 
gives’. Vielleicht ist wenigstens im ersten Glied das Passiv do-trrr statt do-brir zu lesen 
(vel. du - bervr in den Glossen 180, 7 v. u.: 182, 1) und entweder [wr] iadrud zu ergiinzen oder 
indrud zu streichen und e(Atechtu als Adverb zu fassen; also ‘die Entschidigune fiir ein Unter- 
pfand. das fiir ungebiihrliches Eintreiben gegeben wird’ oder “das ungebiihrlicherweise ge- 
geben wird’. In slun raithi do + beir eitechta Vat sich das Aktiv allenfalls halten. wenn man 
versteht: ‘die Entschidigung eines rath, der Ungebiihrendes (Nicht-Geschuldetes) gibt , némlich 
dem Gliubiger. Jedenfalls handelt es sich hier und in Hept. XXX um den Fall, dab 
einer cin rath fiir eine hdhere Schuldsumme zu sein belauptet. aly die wirkliche ist, oder 
fiir eine gar nicht bestehende. Da der Betriebene sich nattirlich weigern wird, diese 
zu bezahlen, zahlt sie zimichst der rah an den wirklichen oder jteebheneh Gliubiger 
und sucht nun seine ‘Entschidigung, d. h. den doppelten Betrag, vom NSchuldner ein- 
zutreiben. Gliickt ihm das, so ist also sein Gewinn um so gréBer. je hédher die angeb- 
liche Schuldsumme ist. Freilich liuft cr dabei die groBe Gefalr, da®B es dem Schuldner 
gelingt, zu beweisen, dafS er ilin gar nicht als rath fir eine Schuld oder fiir eine so hohe 
Summe bestellt hat, so da8 der rath mit seinen Anspriichen abgewiesen wird. wihrend 
das von iim an den Gl&iubiger Gezahlte verfallen bleibt. wie das oben S. 43 ausgeftihrt 


‘unter die Vertriige kommen’ {tecait fo churu) ist der irische Ausdruck dafiir. 

2 St. dia. feasa \. -fcastar. 

3 St. on raith 1. don raitth. 

' Es wird in der Glosse (226. 1248) umschrieben mit: do tendruidiu fiach gu hindligthech, ein Ausdruck. 
der AL V 186.19 als do tudruidh fiach ar mech co indligthch wiederkehrt: dieses in seinen Bestandteilen 
nicht klare Wort muB entweder ‘einem Schulden zuschreiben (imputieren) oder “(gewaltsam) Sehulden von 
jemand eintreiben bedeuten. immer mit dem Beisatz: ‘widerrechtlicherweise. Es wird von den Schreibern oft 
mit imdrud vermengt. das neben * Anfall’ auch ‘Schidigung oder iihnliches bedeutet: vel. V 286. 2, wo indrud 
(so O'Dav. 1129, inarvidia AL) im Gegensatz 7u forba ‘Nutzen. Forder ung steht. Auch AIL V 178. 7 ist indraide 
uel tindraidhe in der Closse yeranlaBt) fiir endrud. indruth verschriebén. wie H. 3. 17-376 (O°D. 477) und 
H. 2. 15. 43b (O'D. 4, 173) an derselben Stelle richtig lesen. Von “Etvmologen’ wird findruide mit tenn-ruidiud 
(ODar, ebd.. AL HI 56.15 zu einem unklaren Text}. wohl ‘heftiges Réten, wiedergegeben. AL TV 336, 3 it. 
scheint iadrud, ndruth igewaltsames) Lintreiben des Tributs dureh den Kénig zu bezeichnen. 


Die Biirgschuft im irischen Recht. la. Rath. 49 


ist. Trotzdem scheint ein solches Verfahren, da es wiederholt erwaélint wird. vorgekommen 
zu sein'. 

Da auch den hin und her ratenden Glossatoren und Kommentatoren der Fall nicht 
recht klar war, versuchen sie noch eine andere Lisung. Weil raith (oder qitirr oder gril) 
ar indrud etechtu sprachlich auch bedeuten kénunte: ‘eine Biirgschaft (oder ein Unterpfand) 
gegeniiber ungebiihrlichem Anfall. verstehen sie es als eine Biirgschaft fiir die Ver- 
hinderung eines Anfalls. Obschon die Deutung natiirlich falsch ist, liefert sie doch ein 
kleines Kulturbild. Es werden zwei Fille unterschieden: 1. Dic Verhinderung gliickt (in 
zwei Fassungen 224, 17 ff. und 21ff.): a) “Alle. das Unterpfand und der rath und der witirr 
haben gebiirgt oder sind gegeben worden’ fiir Fernhalten (Verhinderung) eines Beutezugs 
(crech) oder eines Angriffs (rvathir), Wenn feststeht. dals ohne die Sicherung der Beute- 
zug oder der Angriff stattgefunden hitte, so gilt Verfallen-Sein fiir sie alle, Menschen und 
Vieh*. Wenn es zweifelhaft ist, gilt (nur) Halb-Verfallen-Sein. Wenn feststeht, dai er 
nicht stattgefunden hatte, steht (nur) die Quote der Erbittung (der Biirgschatt) darauf’. 
b) ‘Wenn feststeht, daB sie getétet und ihre Wertgegenstiinde ihnen weggenommen worden 
waren, gilt Verfallen-Sein fiir sie alle. Wenn es zweifelhaft ist, gilt Halh-Verfallen-Sein. 
Wenn sicher ist, da sie nicht weggenommen worden wiiren, steht (nur) die Schuld(-Summe) 
fir Bemiithung (ém/uad) darauf.. — 2. Der andere Fall, die Verhinderung ist miggliickt 
oder nicht ausgefiihrt worden (226, 26ff.): “Wenn ihm gebiirgt worden ist fiir Zuriick- 
halten von Plinderung und Wegnahme, [und] wenn der. inbetreff dessen er gebiirgt hat, 
nicht (selber) Recht gewiihrt (d. h. nicht selber die Bufe fiir seinen Frevel an den Ge- 
schidigten zahlt), so hat Zahlung durch den Biirgen fir ihn statt. Wenn er Recht ge- 
wihrt, so gilt: »Was den Schuldner schiitzt, schiitzt den riith«. — 

Ist der normale Schuldner durchaus widerspenstig, so kann ihn der rah durch (ge- 
richtlichen) Zweikampf zur Anerkennung seiner Schuld zu zwingen suchen. In Heptas LV, 
die von den verschiedenen Zweikimpfen handelt. steht in der Glosse zu rv comraic im 
curu bel (AL V 300, 6 v.u.) “Zweikampf wegen Vertriigen : 7 fregrudh dou raith no don 
Jeichemain fein (ebd. 302.5 v.u.) “und der rath entspricht (oder: hat zu entsprechen) oder 
der Kontrahent selber’, wo man schwanken kann. ob »der Kontrahent« (feichem) den 
Gliubiger bezeichnet oder den Schuldner (so AL): im zweiten Fall mii8te man verstehen, 
da der Gliubiger. wenn der Schuldner und der rath sich entziehen. beliebig den einen 
oder den andern fordern kann. Doch betrifft deutlich den Zweikampf des ra@th mit dem 
Schuldner das Verbot des Zweikampfs fiir Geistliche in der Irischen Kanonensammlung 
(ed. WaAsseRSCHLEBEN® S. 122. Jib. NXAXIV. 2b): Patricius: Clericus si pro gentili homine (einen 
Laien) jfideiussor fuerit in quaciunque quantitate, st contiyerit, quod nurin non est, ul per 
astutiam aliquam gentilis ille fullat. de rebus suis soluat debitums vam si armis pugnauerit, 
computetur extra ecclesiam, — 

Ob der rath eine Gebiihr fiir das Ubernehmen der Birgschaft erhilt, auch wenn 
der Schuldner zur richtigen Zeit zahlt, ist nicht sicher. Im obigen Kommentar ist die 








1 Unméglich scheint mir die von cinem Kommentator (226. 21th) ausgeftihrte Annahine, daB einer selber 
einen r@th (oder andere Sicherungen) fiir eine nicht bestehende Schuld stellt: “Wenn er sie (die Sicherungen) 
vestellt hat. obschon er nichts schuldete. so wird der Vertrag fiir ungiiltig erklirt, wenn er jemand findet. 
der dies tut. und wenn der Burge noch nicht hat zahlen miissen: wenn der aber gezallt hat, mu8 er ihm 
das Verausgabte zahlen (ersetzen}).. — Weiter oben (Z. 19) ist gesazt, daB. wenn es den Biirgen tatsachlich 
gelingt, etwas von dem angeblichen Schuldner zu erpressen. die vole (BuB-)Schuld des Diebstahls auf ilnen liegt. 
* Das ‘geben’ bezieht sich natiirlich auf das Unterpfand. mit dem im Ivischen tiblichen Chiasmus. 

3 Das “Verfallen-Sein kaun nicht bedeuten. dali sie nun alle dem Garanten eehGren. sondern nur. dab 
die volle Summe zu bezalilen ist. die fiir das ALwehren ausgemacht worden ist. 


Phil.-hist. Abh. L928. Nr. 2. 


al 


50 THURNEYSEN: 


Art. In TI $ 40, wo die Gebithren fiir die verschiedenen Uherbindungen  ( foriaidfi) 
eines Ad-aire aufgezihlt sind, fehlt der Name des rath. Doch hat er hei giinstigen Ge- 
schiiften einen Anteil am Gewinn nach AL III 6. 24: “Bei cinem (tir die eine Seite) un- 
giinstigen Vertrag, den Kluge (Geschaftsfihige) mit BewuBtsein schlieBen, wird der Ge- 
winn halbiert; cine Halfte wird den rats (und) den Zeugen (/o rourhaib) ausgezahit, die 
andere ist (dem Kontrahenten) eigen. 

Noch ist der Fall der Entschidigung eines /7t/, der --- entgegen dem  spiiteren 
Recht — eine Biirgschatt tiber seinen Ehrenpreis hinaus tbernommen hat. deutlich in 
der Fortsetzung des Kommentars IL. 3. 17, 546 (OD. 757)' behandelt. obschon — gewif 
durch Ausfall eines Satzes —- die Charakterisierung des rath fehlt: 7 (1. ud) cumuiny 
imurro a dichur deo cethre uaire fichit amach, cia tarrus|tar| an aithgin cinco-tarrastar, mana-ti 
nech eile fo coraibh. Dia-ti imurro. tie fo cura iman uiletaidh(e), in tan is tar ceann ainfine 
7 niro-dilg\bait [a] scott ar scith a trebuiri. Madh ro. dighbait imurro, is certaithghin in 7) logh 
rinech nama ein los cin us “Er kann sie (die rath-schaft) aber von 24 Stunden an nicht »ab- 
legen«, mag Riickerstattung (des Handelsoljekts) erreicht werden oder nicht, wenn nicht 
ein anderer die Vertrige fiir ungiiltig erklirt. Wenn der aber fiir ungiiltig erklirt, so 
erklirt er die Vertriige ganz fiir ungiiltig, wenn er (rv¢/) fiir einen Un-Sippischen ist 
und sein Besitz noch nicht auf Grund seiner Biirgschaft geschmalert worden ist (— wenn 
er noch nicht hat zahlen miissen). Wenn der aber (schon) geschmilert worden ist. hat (der 
Sehuldner) nur den genanen Ersatz und den Ehrenpreis zu zahlen ohne Kalber, oline 
Milch?.’ — Auch die in widerrechtlicher Héhe tibernommene rdth-schaft ist also giiltig, wenn 
nicht von dritter Seite Einspruch erhoben wird. Und auch die Erklarung der Ungiiltig- 
keit (Widerrechtlichkeit) hebt, wenn der rah schon an den Gliubiger gezahlt hat, den 
Vertrag nicht wirklich auf, sondern verringert nur den Entschadigungsanspruch des rath, 
indem die Verdopplung, die ihm der Schuldner sonst zu zahlen hat, wegfallt. — 

Auch der rath entzieht sich der Zahlung (eid raithy oder rathuigis). Der riith 
wie auch die andern Biirgen setzen vor allem ihre Ehre fir Erfiillung ihrer Verpilich- 
tung ein. So spricht die Glosse AL | 228,5 vy. u. von dem, ‘was auf der Ehre (for 
inchaib) des aitire und des rath liegt’. Zu den 7 Dingen, durch die die Elire von einem 
jeden ‘abfiillt', gehéren nach AL IV 318f. eld rathaigis (neben ailsed nadma ‘Vernachiis- 
sigung des naidm’ und dul tria aitiri ‘seine vitirr iibertreten’)); ebenso Hept. LNXIN (AL 
V 368), wo es elud a rathy hei&t. Die besudelte Ehre kann nur durch Bekenntnis, Ver- 
giitung des Schadens, Versprechen, nicht wieder so zu handeln, und Poénitenz wieder 
gereinigt werden. Darum spricht der rat/. der gezahlt hat, zum Glaiubiger. der den Ent- 
lastungseid leisten soll: Réte nicht widerrechtlich (Scham-)Réte! (TI $ 56). Mit der 
Ehre hingt aber der “Ehrenpreis’ eines jeden aufs engste zusammen. Nach dem jungen 
Kommentar ALI 58,7 bewirkt dreimalige Vernachlissigung von vaidm, rath oder eterus 
den Verlust des ganzen Ehrenpreises: genauer spezifiziert ebd. 56, 1: git-raithigus (‘falsche r. ) 
und yu-vterus bewirken den Verlust des halben Ehrenpreises dem Geschidigten gegeniiber. 
dreimalige Wiederholung den Verlust des ganzen ihm gegentiber und des halben gegeniiber 
jedermann®. Der Betretfende wird also nicht rechtlos. aber unehrbar’ (esiraic, anhonestis). 


Der GlAubiger wird natiirlich den rath (durch Pfandung) zn betreiben suchen. Wenn 
ihm das gelingt, ist in dem jungen Abschnitt AL II 514. 20 folgendes bestimmt: “Wenn 


1 Siehe oben S. 42f. 


2 Zu diesen s. oben S. 46. 
Das beziclit sich auf eventuelle BuBen. die meist den Elvenpreis einschlieBen und die sich also in 


iliesem Fall vermindern. 


Div Biirgschaft im irischen Recht. la. Rath. a1 


der Gliubiger darauf’ (nachdem der Schuldner sich seiner Betreibung entzogen hat) den Biir- 
gen ordnungsgeméB belangt hat und (auch) dieser sich entzogen hat. obschon ihm wohl 
bewubt war. dab er die Schulden zahlen oder eintreiben mubBte. so hat dieser 5 s¢¢ zu 
zahlen und die Schuld doppelt und die (dem Belangenden nicht dargebotene) Speise dop- 
pelt, aber nicht den Ehrenpreis (im Unterschied vom Schuldner)'. In alteren Quellen 
finde ich Entsprechendes nicht erw&hnt. 


Nach der Bestimmung der gewOhnlichen rath wenden wir uns zur Heptas LAV (AL 
V 340). wo es hei®t: Es gibt sieben raths hei den Feni. die in ihrem bescas* unter- 
schieden werden. je nachdem sie aut Entschadigung und Fristen und Zuschlige(?)’ An- 
spruch haben: 1. raith fechymues. 2. raith umbui. 3. raith airnisi, 4. raith forngarta fine, 
5. raith fuashuctar coraib, 6. raith iar cul. 7. raith forsaigé fin’. Von diesen sind aus dem 
Vorhergehenden ohne weiteres klar: 2. der ith fiir einen Unansiissigen’, der daher keine 
Entschidigung eintreiben kann. und 5. ‘der raith. der von Vertriigen gelést wird’ durch 
rechtzeitigen Kinspruch eines dazu Berechtigten. so dali er von Zahlungs-Verpilichtung 
betreit. ist. 

Nach den Glossen wiirde gerade der gewoéhnliche ragth fir einen vertragsfahigen 
Kinheimischen in der Heptas fehlen. Doch ist kein Zweifel, da er mit 1. raith fechemurs 
(1. -vaex) “7, der Schuldnerschaft’ gemeint ist. So deutet den Ausdruck richtig ein Ab- 
selnitt H. 3.17. 550 (OD. 767), wo der ruith frichemnais spricht: “Crubaim orum, or s/. 
gach ni bus cigin do Wie, Pie dam fein, da-Wiee sim a doth’, Aithyhin co los 7 us 7 inforbhairt 
die do »Ieh nehme aut mich. alles. was er zahlen muB, selber zu zahlen. wenn er sich 
ihm entzieht«. Er (der Schuldner) mu (dann) Ersatz nebst Kalbern und Milch und 
Wachstum zahlen’ (s. oben S. 46). Ebenso wird rath frichemnuis neben raith aitirus (1. -ris) 
AL [218.6 zu verstehen sein. 

Aber raith frchemnais scheint eine andere Bedeutung angenommen zu haben. jeden- 
fills in den Augen der Glossatoren unserer Stelle. Austiihrlicher als in AL ist die Glosse 
in HU. 3. 17.547 (OD. 759): +d raith yabhus rathachus 7 feichemhnus urri, Sech is raith, is 
feichemh imate: codo-gribh uile dib linaibh., Dia-leige an raith fethemhna (so!) elodh in feichemhan 
tobuigh, icuidh encelann 7 aithghin cona lthyhabhail diabalta 7 ciiic seoit re fechomuin toichedha, 
7 ni-hicann bidhbuidh risin raith acht certuithyhin. 7 « rogha df fethemuin toicheda in i ruith no 
bidhbuidh aycrus ar tus “Das ist ein rath, der rath-schaft und Schuldnersechaft aut sich nimmt. 
Er ist zugleich sowohl rait/ als Sehuldner: er faBt beides zusammen. Wenn der /. f. 
sich dem eintreibenden Gliubiger entzieht, zahlt er ihm den Ehrenpreis und den »Ersatz« 
nebst der Haltte seines doppelten Betrags und 5 sét; aber der Schuldner zahlt dem rath 
nur den genauen »Ersatz«. Und der Gliubiger hat die Wahl. ob er zuerst den raith 
oder den Schuldner belangen will’. — Danach giibe es zu dieser Zeit einen raith, der 
sich gewissermaBen von vornherein als Nchuldner fiir die gleiche Schuld bekennt. so 
dab der Gliubiger. wenn er es vorzieht. sic unmittelbar von ihm cintreiben kann und 
er sic sich dann vom wirklichen Schuldner ersetzen ]4Bt. Denkbar ist das wohl. kénnte aber 
auch blo} aus dem Ausdruck ‘rath der Schuldnerschaft’ herausgesponnen sein. ist jeden- 
falls nicht der Sinn in der Heptas. 


Abulich H. 3. 07.5530—-5351 am unteren Rand (O°D. 767): Jadh wraith slodhus. is dubladh unma ual. 
* JL. 3.18. 261a (C. 5109) gibt besena hier mit dléyd “Anspruch. Ptlicht. Recht’ wieder. 

3 fardaig{e]. von der Glosse. welche “Entsehidigung’ (sfav) als “Ehrenpreis faBt. mit deiré ‘Kalber’ wieder- 
gegeben: vermutliech die Zuschlage cur Hauptsumme. — Die ‘Fristen’ (wide) werden als die bezeichnet. zu 
denen der rath die Schulden ‘hinaus’ (an den Glaubiger) zu zahlen hat oder “von anBen” (vom Sebuldner) er- 
halt: doch werden sie nicht spezitiziert. 


sN 
bo 


TurURNEYVSEN: 


3. Raith airnisi (urnaisi S. 350. 14) ‘der verptlichtete rath’ ist nach allen Erklarern 
(342. 5: 350. 14) ciner. der die rath tibernimmt mit der Abmachung, da® ihm der 
Sehuldner. wenn der sieh dem Gliubiger entzieht. nicht mehr zu ersetzen braucht. 
als was der raith selber zallen mul (also ohne Zuschlige). Oder. wie es H. 3. 18, 261a 
(C. 518) heiBt: ar is e-side fris-nascar ( coraib bel, na-teid a slan for airdbidh|+] “denn dieser 
(der rath wrnaisi) wird vertraglich verptlichtet. daB seine Entschadigung nicht tiber ein 
Bestimmtes (die feste Schuldsumme) hinausgeht’'. Der Ausdruck ist mir auGer an diesen 
auf diesclhe Heptas beziiglichen Stellen nicht begegnet: aber die Erklarung wird richtig 
sein. da sie nicht aus dem Ausdruck selber abstrahiert sein kann. 

6. Raith iar cil “rv, hinter dem Riicken’. sonst c7/-r@7th “Riieck-r@th’ genannt mit dem 
Gegensatz cet-raith ‘erster r.°. Er tritt neben diesen, wenn der nicht fiir die ganze 
Sehuld die Biirgschatt tibernimmt, nach der jiingeren Auffassung: wenn sie dessen Ehren- 
preis iibersteigt. Der cu/-raith biirgt dann aber nicht nur fiir den UberschuB, sondern 
immer fiir genau ein Drittel der ganzen Schuld und wird gleichzeitig mit dem ‘ersten rait/’ 
verpflichtet. Das fiihren zwei nieht in den Worten. aber inhaltlich tibereinstimmende 
Kommentare zu unserer Stelle aus in H. 3.17. 347 (OD. 7359) und II. 3. 18. 261 (C. 520). 
Der Wortlaut des ersten mag geniigen: 

ie is ann até cilraith 7 cetraith do dul visna fiachaib, in tan is md na feich na logh 
neinech ann, 7 cidh beg bes for logh encch ann, ni risin mbeg sin is dir do cilraith dul, 
acht re trian na bfiach. 7 ectraith re da trian. 7 nb-icann cilraith trian, coro-ica ectraith (da| 
trian. 7 dia-leige bidbuidh elodh cetraith|e|. ati encclann 7 cuic seoit 7 dubladh diz no (lL. 7) cia 
leigther lod culraith{e|, ni-dleyhar acht aithghin 7 trian n-encclainne, A n-aonfabull do-enadar 
risna_fiachaib ann sins 7 dame diaigh a ndiaigh ro-dech|sa\lais fris, cidh mor in fiach risa ndechsad 
nech dib, robu culraith cachae dibh, 

‘Dann miissen ein Riick-ra@th und ein »erster raith« die Biirgschaft tir die Sechulden 
tibernehmen, wenn die Schulden gréer sind als der Ehrenpreis (les ersten r.). Und mag 
der Uberschu8 tiber den Ehrenpreis nur wenig betragen, so muli (darf) der Riick-raith 
nicht die Bitrgschaft fir dieses Wenige tibernehmen. sondern fiir ein (volles) Drittel der 
Schulden und der »erste raith« tir zwei Drittel. Und der Riick-raith zahlt das Drittel 
nicht, bis der »erste rath« zwei Drittel bezahlt hat. Wenn (dann) der Schuldner sich 
dem versten r@th« entzieht, so erhélt dieser (seinen) Ehrenpreis und 5 sét und Ver- 
dopplung; aber wenn er sich dem Rtick-raith entzieht. schuldet er diesem nur (genauen) 
Ersatz und ein Drittel des Ehrenpreises. In diesem Fall haben sie gleichzeitig die Biirg- 
schatt fiir die Schulden titbernommen; und hatten sie es einer nach dem andern getan, 
so wiirde, gleichgiiltig fiir wie hohe Schuld einer von ihnen gebiirgt hatte, jeder von 
ihnen nur als ein Riick-rd@th gelten’. 

H. 3. 18. 261a (C. 519f.) bringt unmittelbar vorher etwas tiber die Fristen (uidi): 
lide cacha ratha lau Fene .tapaud dechinuidhe for cach raith acht so andis (\. for a ndis?): 
ar ni-dligh raith feichemnrs i. (\. 7?) ni-dlig feichem acht apad enicti amail cach cintach 
graid Feiner... Ma's-ria .i. ma tineaid dlige, is for uidhethbh dechmaidhe a gell i. di. dechmaidh, 


1 Der térichte Komimentator ebd. meint. daB der r.u. auch mit dem Glaubiger ausmachen konne, daB 
er, wenn er selber sich entziehe. nur den ‘Ersatz’ zu zahlen brauche. Wer wird aber einen Biirgen anuehmen, 
der vleich yon vornherein von seinem Sich-Entziehen spricht und erst noch ohne irgendeine Vergiitung fiir 
diesen Fall in Aussicht zu stellen! 

2 Nicht in diesem speziellen Sinn steht cetrath TI § 76¢: es bedeutet dort, daB der rath keine sonstize 
Birgschaft iibernommen hat. = 

" 8 Nimlich: demgemi8 entschadigt werden. So richtig H 3.17. Dagegen H. 3. 18 liest: robud amail 
cedraith cach dibh; aber die Fortsetzung (eb:.). woaach er nur genauen Ersatz ‘(errt-aithyin) und 1!, Ehren- 
preis erhilt, zeigt. dali ced- fiir eul- verschrieben ist. 


4 


Die Biirgschuft im irischen Recht. la. Rath. es) 


dechmaidh cedraith\e| 7 dechmaid culraith{e| oi. in culraith, dechmaid di iar n-ic do cedraith “Die 
Frist jedes riith hei den Feni: «pad (d.h. »Ansage« der Schuld und Frist bis zur Stellung 
des Unterpfands) von 10 Tagen gegeniiber jedem rqith auBer zweien; denn der rdith 
Jeichemnuis (s. oben) und der Schuldner' haben nur Anspruch auf eine vpad von 5 Tagen 
wie jeder Schuldige der Gemeinfreien ... Wenn er (anseheinend der rath) zalilt, d.h. 
wenn er Recht gewahrt, so ruht sein Unterpfand (ge//) auf Zehntage-Fristen: d. h. es sind zwei 
Zehntage, der Zehntag des »ersten raith« und der Zelntag des Riiek-rviths; nimlich der 
Riick-raith zahlt 10 Tage nach dem »ersten raith«. — Demnach hat der gewohnliche ri ijth. 
wenn ihm der Gliubiger ansagt, dab er zahlen mu. zehn Tage (genauer: Niichte) Frist 
fiir das Stellen des Unterpfands (ge//) und dann nochmals zehn fiir seine Einlésung durch 
die Zahlung selber (dagegen oben S. 36 nur eine gleiche Frist wie der Schuldner). — 

Noch bleiben von den raiths der Heptas zwei zu bestimmen. die beide den Zusatz 
Jue einer Sippe’ fithren: 4. rath forngurta fine, wirtlich “der hetohlene +. einer fin’ und 
7. raith forsaig’ fine. wo die Glosse 342. 10 forsaigi (besser -vit) mit tairismech ‘stindig. 
bestindig, feststehend’ wiedergibt. also “der stindige rath einer Sippe*. Dieser hat im 
Text einen langen Zusatz: “Denn in Bezug daraut’ ist festgesetzt worden (= gilt): »Ent- 
schidiguny des geil (Unterptands) je nach der Linge«*. Seine Entschiidigung erstreckt 
sich bis zum vollen Betrag einer cumu/. Denn er hat Anspruch auf’ ein unterjihriges 
Kalb’ (als Zuschlag) zu jedem einzelnen xf. das aus seinem (Gehéfte weggefiithrt wird; 
danach hat er Anspruch auf 3 sf zu jedem st, das durch Nach-auswiirts-Treiben aus 
dem Gebiet hinausgefiihrt wird; von 5 weiteren Nichten an’ verdient er jede zehnte 
(Nacht) 3 sé" bis zum vollen Betrag einer cumal, nebem dem doppelten Ersatz dessen, 
was er zahlt, mag es viel oder wenig sein’. Das sind also auBerordentlich hohe BuGen 
noch auBer der Verdopplung. besonders wenn die Entschidigung nicht rasch gezahlt 
wird. Das Beiwort ‘der stiindige rdith einer Sippe’ zeigt, daB es sich um jemand handelt, 
der nicht nur fiir einen speziellen Fall, sondern allgemein die Biirgschaft fiir seine Sippen- 
genossen tibernimmt. Ein soleher oder doch ein ihm nahestehender wird auch ander- 
warts erwaihnt unter dem Namen airr coisring ‘aire (Freier. Edler) des Kontrahierens. 
des Kontrakts ‘. Dieser wird Coie Con. Be S. se $29 als einer oe der nascaire- 





' Wenn ich den Vext richtig hergestellt habe. so ist sein Ausdruck ungenau, da der Schuldner ea kein 
rath ist. 
* Das Wort kelrt wieder AL V 450, 4: sendliged forrsaide sine sencuimne, wo sine unverstiindlich ist; 
‘alter als die Erinnerung der Alten (so AL) kann nicht gemeint sein, Vielleicht hatte cin alter Schreiber, dem unsere 
Heptas im Ohre klang, versehentlich fae hinter furrsaide eingeschoben, das dann weiterhin nach dem folgenden 
sen- in sive verndert wurde: alsu urspriinglich: ‘eine fe ~tstehende alte Verpflichttung gemaB alter Erinnerung. 
Man méchte forsaid: yon forns fester W ohnsitz’ ableiten. also ‘von gleicher Festigkeit oder Bestiindigheit wie 
ein forvs’: nur wiirde man dann vielleicht eher palatalisiertes rs erwarten. An arsaid ‘alt zu denken verbietet 
die Endung. Jedenfalls falscli das Glossar VI 408, das fursaig/ \erbal faBt, zu nicht existierendem for + saigiin 
‘I sue’. Ebenso falsch gewiB das Glossar in H. 3. 18. 625 (C. 1367) forrsaidhe . i i. syailedh “Zerstreuen, Aus- 


breiten’ mit dem Zitat: ut rst: Is laisna senaibh coimed int sencusa 7 a forrsaidlu fur cach, wo es substantiviseh 
‘das Feststelien’, ‘in Geltung sein’ zu bedeuten scheint: vgl. AL V 431 Anum. @ 

> Offenbar ein Zitat. Es wird hier ein auf ge// beziiglicher Rechtssatz auf den raith angewandt. 

* Das Kalb (dirt), manchmal = 2 Scripuli, wird hier vom Glossatur (S. 346) als dart scisidh ‘im Wert 
eines Sechstels (einer Kuhy deh. = 4 Seripuli gerechnet. 

* Der Glossator faBt die 5 Nachte mit Recht als apad. die Frist nach der Ansage (s. oben), die der 
Schuldner zunichst hat. um die Whtsehiidictnne des raith zu zahlen oder durch Unterpfand sicherzustellen. 

* Diese 3 s7# muB man ails Gesaintsumme. nicht als auf das einzelne vom Biirgen gezahlte st bereclinet 
fassen. Da das s@ gewéhnlich ', Kuh ist. wiirde die Grenzsnmme der cum] sonst viel zu frith er reicht, mag 
man diese. wie meist. als 3 Tale oder, wie der Glossator (346, 4 v.u.) hier will. als 4 Kithe rechnen. Dieser fiigt 
iibrigens noch 21, Kiihe. als Vergiitung fiir die Bemithung (imluad) hinzu. von der im Text nicht die Rede 
ist. ‘Der Glossator ‘lehnt sich h damit 7 an te Berechnung 8. 342,128 an. die aber nicht zur alten Hepias stimmt. 

7 Siehe Coie Con. Fug. S. 81 § 


54 THURNEYSENX: 


schafft und raéh-schaft und aitir-schatt sowohl innerhalb der Sippe als fiir sie nach 
aufen tbernimmt und dessen Stellung (Ehrenpreis, (efolge usw.) dadurch wiichst. Etwas 
anders in Crith Gablach (AL IV 316—318). wo cr nicht als ra@h'. sondern als Steller 
eines Unterpfands erscheint: (Er heibt) ‘uére coisriny, weil ihn Stamm und Konig uni 
Synode fiir sein Geschlecht (cenél) »kontrahiert« (con-srenga), ohne daB er von ihnen 
(seinen Geschlechtsgenossen) aut seine Entschidigung auf Grund (besonderer) Vertrige An- 
spruch hat*, sondern sie erkennen ihn als Fiihrer und Firsprecher an. Der ist ein «ire 
Jine®. Ex gibt Unterpfand (gel/) an Kénig und Synode und »die Leute der Kiinste« fiir seine 
Sippe, da er sie im Zaum (in der Beobachtung ihrer Ptlichten) halt. Ein wie hohes yell gibt 

Ein gell von 5 sef von dem, was er (gerade) hat. aus Silber oder Erz oder Eibenholz. 
Was ist die Entschidigung ftir sein g//? Eine Kuh fiir jede Nacht, die es fiir den, fiir 
welchen es tibergeben wird. (drauBen, uneingelist) zubringt’. bis zur zehnten (Nacht); 
hieraut Zins ftir das gel und »Hineinzahlen« (Vergiitung) seiner Tatigkeit (seines ver- 
siumten Gebrauchs) und sein (des air) Ehrenpreis gemif seinem Rang... Wann ver- 
fillt sein Unterpfand? Nach einem Monat. Was ist dann seine Entseliidigung? Eine 
Kuh fiir jede Nacht, die (das ge// drauBen) fiir jemand zubringt. die es vernachkissigt 
wird ohne Unterpfand (des Schuldners fiir seine Zahlung). ohne Anrufung eines Richters 
(wenn die Schuld bestritten wird), wie wir gesagt haben (d. h. bis zur zehnten Nacht); 
ferner gleicherweise 5 set dreimal his zur zehnten Nacht’. Das ist die Entschidigung 
fir sein ge//; das ist auch der Zins fiir seine Wertgegenstiinde, wenn er sie in ein Ge- 
hiiuse »cinfiigt« (verschlieBt)”. — Da in der Hleptas das Wegfithren aus dem (Stammes-) 
Gebiet erwihnt wird, ist der ‘stindige raith’ auch Birge gegeniiber cinem auswirtigen 
Gliubiger; das ist sonst das Amt eines «tire (s. unten). 

Gegeniiber diesem ‘standigen rath einer Nippe’ kénnte man 2. ‘den befohlenen rath 
einer Sippe als einen verstehen, der nicht immer. sondern nur in einem besonderen Fall 
fiir seine Sippe birgt. obschon man dafiir einen deutlicheren Ausdruck erwartete. Die 
Glosse (342, 7) erklirt: ‘den seine Sippe der Kirche gegentiber »hetiehlt« (stellt). ohne 
dal sein Herr es verbietet’. also fiir Leistungen an die Kirche. Der letzte Satz bezieht 
sich darauf, da8 fiir soleche Leistungen sonst der Herr der Sippe ein Unterpfand (yell), 
nicht einen rath stellt (s. ZCP 16, 206): der Glossator nimmt also an. daB der Herr eine 
Ausnahme gestattet hat. Das sieht etwas ktinstlich aus. Naher scheint mir zu liegen, 
daB forngart|Aj« ein alter Fehler fiir focarthal/| ist, also: ‘ein rath fiir einen von der Sippe 
» Verkiindeten« (d. h. als vertragsunfihig Bezeichneten), so da der rath keine Entschidi- 
ging von ihm eintreiben kann: vgl. oben S. 47 Hept. XXX Nr. 4. 


Ehefrauen als ra@iths (Huda a rathidas) sind in dem jungen Kommentar AL II 378, 23 
erwihnt. und zwar fiir ihren vollen Ehrenpreis in Gegenwart ihrer Manner. fiir ein Drittel 
desselben in ihrer Abwesenheit. Das lingt mit der spiteren Geschiftstithigkeit der Frauen 


tor kann freilich, wie jeder Vreie. eine rafh-schaft daneben ances (5° 318. 14). 

7 a scheint mir der Sinn. nicht ‘because he constrains fuath and king asw. (Eoin MacNeill. The Law 
of Status, S. 294). Fiir doth scheint mir db za lesen und zu verstelen. dab er keines jedesmaligen Vertrags 
bedarf. um auf Grund desselben seine Entschidigung zu verlangen. sondern da das durch seine Stelling ein 
fiir allemal begriindet ist. 

Zu lesen dige fine, wie der Fiihrer der Sippe sonst heibt’ 

' ro+ fia (eweimal) wohl der Subjunktis zu fied ‘er tibernachtet: vgl das Prat. Subj. xed -fiad Liadain 
and Curithir (ed. K. Meyer) 20, 6. 

5 Wohl: jeweils fiir ro Nachte. 

» D.h. wohl: wenn der aire coisring sie nicht in fremde Héinde iibergibt. sondern verschlossen yer- 
wahrt als Sicherung. daB er gegebenenfalls ftir die Leistung aufkommt oder das gel! ausliefert. Das yl! day 
zunichst in der Hand dessen bleibt. der es stellt. ist auch AL V 376. 4 erwahnt. 


Die Biirgschaft on trischin Recht. da. Rath. Ay) 


zusammen. s. ZCP 15. 3451. Niehts Sicheres wei ich zu machen aus dem albgerissenen 
Satz AL Ill 396: Beirid mathair raith maicne “dic Mutter »trigt« die rath der Kinder’; der 
anschlieBende Kommentar handelt vom Erhen der Séhne von der Mutter. erliutert ihn 
also nicht. 

AuBer bei Geschaftsvertrigen komint rat/ auch beim Vertrag dex Unfrei-Lchens vor, 
wenigstens in Kommentaren: na nadmunni 7 na ratha ‘die naidms und die riths’' ALU 222.4; 
gan (ohne) nascnire. gan ratha 272. 23 als Erklarung von ainrecht Widerrechtliches’. Ebenso 
wird Brit. Mus... Cotton Nero A 7. 154a (OD. 2230) als eine der drei Arten, wie das 
»Genossentum« tibhernommen wird. genannt: «irite bil i: fonuiscter crilsiiw for mae 7 raith [7| 
roach ‘die Annahme mit dem Munde, wobei das Genossentum auf mac und rath und Zeugnis 
»gebunden« wird’. Hier mu8 wohl der — vermutlich aus der Sippe genommene — rivt/ 
fiir den nicht leistenden “Genossen’ aut kommen. wozu sonst meist der nichste Verwandte 
als verptlichtet erscheint*. —- Ferner ist unter den Landbesetzungen (@/lach) in Heptas XXII 
(AI. V 206) eine solehe ‘mit vaidm und rath und Zeugnis’ erwihnt. wo aber der eine 
Glossator (S. 208) rath in der Erklirung wegliBt, der andere (Anm. 4) allgemein von 
trebuire do na dilsr “Birgschatt fiir an ihn Vertallen-Sein (ffir sein Eigentum)’ spricht. 
Man mu sich wohl denken, daB8 etwa beim Kaut des Landes oder bei seiner Verpachtung 
auf Zeit ein rath bestellt worden ist. der einstehen muB, wenn der eine Kontrahent seiner 
Verptlichtung nicht nachkommt. und der daher bei Besetzung des Landes durch den 
andern Kontrahenten zugegen ist. 

fine besondere Art von 7dth tritt H. 3.18, 220b -221a (C. 395f.) auf. Es scheint 
sich um einen Sohn zu handeln. der beim Tod seines Vaters entweder minderjihrig oder 
abwesend ist. Da wird jemand verpflichtet: Ader macluj, na-berur asa seilb, Ogh neich 
ara: bhi seal a athar etir seilbh 7 tir’ 7 beodil 7 marWlil ... Ceas[t], civ torba frisi-gil in raith 
se? Sech ni-gellad, ni-eren(deja(id. Ni hannsa. ur is ¢ comlaine cacha enndartha acht ro-bet 
ann nadmand 7 ratha 7 fiadnaisi: ni urachta cor ocua-biut “Stelle Garantien, er soll nicht 
aus seinem (um seinen) Besitz gebracht werden. Unvermindert gehért dem, fiir welechen 
Besitz seines Vaters tibrig ist, sowohl Landbesitz als lebende und tote Habe... Welchen 
Nutzen hat diese rdith (kollektiv), da sie weder durch Unterpfand sichern noch zahlen? 
Antwort: Das hei®t Vollstindigkeit eines Geschafts. sobald waidms und raiths und Zeug- 
nis dabei sind; wo sie nicht sind, ist cin Vertrag nicht »gebunden«. ~-- Hier hat also 
raith seine Bedeutung ‘Zahlbiirge’ verloren und bezeichnet nur noch etwa ‘Garantie, 
Sicherung’ (s. oben 5S. 34f.). Ebenso versteht die Glosse den Ausdruck in Hept. LI (AL V 290), 
wo unter den Dingen. die den Fuirsten und Geistlichen und Adligen verboten' sind, ge- 
nannt ist: dtin ar bith-raith “Schutz (des Schuldners) yor einem Dauer-rath’. Die Glosse 
gibt dieses mit fir-nascairecht “‘wahre nascaire-schaft wieder, was aber rath in einem so 
alten Text nicht wohl bedeuten kann. Es ist wohl der gewohnliche rath gemeint. der die 
Sehuld oder spiiter seine Entschidigung vom Schuldner eintreiben will. Warum er hier 
‘dauernder rath’ genannt ist, wei ich freilich nicht, da alle Biirgen bis zur Erledigung 
der Schuld ‘dauern’; vielleicht. weil die rath erblich ist. --- 

In Coie Conara Fugill. S. 21 $15 ist die “Bindung’ (@rach, nach meiner Ansicht: 
die Garantie, dali der Beklagte vor dem Richter erscheint) bei dem fchta ‘gebtihrend’ 


1 Hier in der Ubersetzung falsch mit ‘the stock’ wiedergegeben als ob von rath. 
2 Ob der raith AT. II 228.17 den einstehenden Verwandten oder einen wirklichen rath bezeichnet. ist 
bei der spiteren Ausdehnung des Begriffs raith (s. oben S. 42 Anm. 5) nicht auszumachen. 

3 Wohl als alte Glosse zu seilbh zu streichen. Der Glossator versteht selbh 7 tir als ‘Land des Vaters 
und des GroBvaters. was nicht wohl gemeint sein kann. 


‘ frithberta “Dinge. denen man sich widersetzt’. 


36 THURNEYSEN: 


genannten Urteilsweg ein rath. Ich mu®B zugeben, da ein raith. ein Zahlbtirge besser 
pabt. wenn man mit den Kommentatoren diese Prozesse als solehe ther die Leistungen 
von aut tremdem Lande Sitzenden und von Zinshauern autfaBt. als. wie mir wahrschein- 
lich war, tiber den Status der Betreffenden; der ra@iti miiBte dani wohl, wenn sie nicht 
erscheinen, ftir die gegen sie eingeklagten Leistungen einspringen. Nur verstehe ich damn 
nach wie vor nicht recht, wieso auch ein beliebiges Vergehen, wenn es lange zurtick- 
liegt (sensmur cinad), in diese ProzeBbklasse gehért: vielleicht wird durch die Siumigkeit 
des Belangenden der BuBbetrag so heruntergedriickt, dali er mit den Leistungen der 
Zinsenden auf einer Linie steht. 

Um dicsen langen Abschnitt. der das Wesen des rath von allen Seiten beleuchtet, 
zu besechlieBen, mbchte ich noch bemerken, dali das priipositionale di rath ‘an Stelle, in 
Vertretung von’! offenbar urspriinglich ‘auf Grund von 77/h-Biirgschatt’, dann ‘einstehend 


fiir’ bedeutet hat. 


b. Naidm, mac nascairi. 


Wo naidm nicht in seiner allgemeinen Bedeutung Bindung, Garantie, Verptlichtung 
gebraucht ist (s. oben S. 33), sondern in der spezielleren, die yon den Glossatoren durch 
mac nascairi ‘Garantie eines nascaire’ umschrieben wird, steht es fast immer mit rath (riith) 
zusammen und sei deshalb gleich hier angeschlossen. Denn zu einem richtigen (giiltigen) 
Vertrag (cor bél) oder Handelsgeschatt (cundrad) gehéren nadms und raths und Zeugen, 
wie immer wieder erinnert wird, z. B. oben 8. 55, TI $ 63.78 usw.*; vgl. das negative 
‘ohne naidm (oder mac) und rath? AL V 212. 510.1; PIs. Man beachte, dab naidn 
(oder mar) fast immer an erster Stelle steht. also als hauptsichliche oder vornehmste 
Garantie gilt. 

Die Hauptptlicht des aidm oder der wuidms ist in dem alten Satz TI$63 ausgedriickt: 
‘naidm treibt ein, rath sichert durch Unterpfand, Zeugnis bewahrt (im Gediichtnis) die 
Schulden’ usw. Er verptlichtet sich, zusammen mit dem Glaubiger zu betreiben”, auber wenn 
der Schuldner sich aus dem Staub gemacht oder sich unter den Schutz eines Hohen gestellt 
hat, der ihn schiitzen kann; und auch in diesem Fall sucht er ihn durch ‘EinschlieBen 
seiner Kilber’ zu zwingen sich zu stellen (TI §$ 44—46). Dieses Eintreiben darf und 
muB sehr energisch ins Werk gesetzt werden; vgl., daB ein «aitirr wie ein nad handelt. 
wenn er den Schuldner am Brustlatz (brolluch) packt, bevor er selber hat zahlen miissen 
(LI $ 42), und da blutiges Verwunden budBfrei ist fiir einen Mann, der ‘sein naidm betreibt’ 
(Heptas VI, AL V 142, 9): wie die Glosse (148, 15 ff.) sagt: “wenn der Schuldner sich 
widerrechtlicherweise (der Zahlung) entzogen hat. Ein Kommentar (148. 21 ff.) fihrt 
aus: ‘Wenn er richtiger nascaire-schaft nachgegangen ist und (der Schuldner) sich seiner 
Betreibung entzogen hat, so ist fiir ihn jede Schadigung buifrei. die er beim Eintreiben 
seiner nuscaire-schaft vollfiihrt hat. wenn er nicht anders (eintreiben) konnte; und wenn er 
es konnte. ist sie buBfrei bis zu einem Drittel (der SchidigungsbuBe)'. Nach AL V 476, 


UVol. di raith dé “an Gottes Statt Wh oa ry, dea rath ‘an ihver Stelle H. 3. 18. 370a ((. 795). 

2 Eine Ausnahme bilden ‘Kiiufe auf Worte. wo durch das ausgesprochene Wort eines Dritten cin Handel 
pertekt wird. s. TI §$ yo Anm. 2. Vel. auch /wath-nadmand TT $235. wo ned viellvicht seinen allgemeineren 
Sinn hat. 

3 Vel. auch ALI 138. 24f: do techt lais (mit dem Gliubiger) do tubach ind nadia. 

4 Dh. ‘ist ihm cin Drittel der BuBe erlassen. Frst ein junger Kommentar H. 3. 17.521 (OD. 714) will 
das auch auf den Glaiubiger itbertragen. aber nur dureh falsehe Deutung des alten Satze~: nech segar dia guin 
no dia marbad 7 rl. ‘einer. auf den man losgeht (losgehen dart). ihn zu verwunden oder zu téten’, der sich ur- 
spriinglich auf Notwelr bezieht. Da segar an sich auch bedeuten kann: ‘der betrieben wird. hat es der 
Kommentator anf Schuldner und Glaubiger gedentet: wana. futl cavmbhachtuin tobaigh dlighthigh innus cle aq 


Die Biiryschaft im irischen Recht. 46. Naidm, mac nascairi. a7 


7 v.u. steht eine BuBe von 5 sé auf cuibreach fir nadot-urguid (L.-arquid) “Fesselung eines 
Mannes. der dich nicht (als naidm) bestellt hat’; also kommt dem xaidm auch die Fesselung 
les Betriebenen zu. Auber durch diese Befugnis zu energischem V orgehen unterscheidet sich der 
naidm vom rath, der ja zunaichst auch zum Mit-Eintreiben verptlichtet ist, namentlich dadurch, 
daB er, falls das Eintreiben nicht gelingt, nicht zu zahlen hat: er ist kein Einstinder. So heibt 
es ALI 216, 3 v.u.: “Auf nascaire-schatt (wie auf Zeuguis und Anwaltschaft) liegt nicht das 
Vergehen (die Schuld) des Einstehens. weil sie sie nicht zahlen miissen’: vgl. auch TI $73’. 
Nur in éinem Fall mu8 er dann selber leisten (wird er zum rath’), nimlich wenn sich das nuidm 
aut Unfrei-Genossentum (gialla) hezieht, nach TI s$ 42 (Ende), 73 (Ende). Oben S. 55 war von 
Annahme des Genossentums mit waidms (oder mac) und rath die Rede: aber da wiirde sich 
der Herr zunichst an den rath halten. Es mu8 noch eine andere — sonst nicht erwihnte 
— Annahme gegeben haben ohne rah, nur mit raid, das wohl ein Sippengenosse der 
Lehnstriger, etwa der Sippenvorstand iibernahm, der also in diesem Fall einstehen mubte’. 
~~ Auch das Betreiben selber muB sich bei rath und naidm unterschieden haben. Wihrend 
beim rath erwihnt wird, dafi er gegebenenfalls mehrere Tage lang den Schuldner zu be- 
treiben sucht, bis er selber dem Gliubiger zahlen mu. und wihrend er je nach der Linge 
der Zeit eine Vergiitung dafiir erhalt (oben S. 45 f.). ist beim »aidm von keinen solchen 
Fristen die Rede. Sein Betreiben oder Betreibungsversuch scheint ein einmaliger Akt zu 
sein Oder, da er wohl auch beim eventuellen Eintreiben vom rath heteiligt ist oder beim 
Eintreiben der Entschidigung des rath vom Schuldner, zwei Akte. 

Die xaidms stehen tiberhaupt tiber den raths; sie sind eine Art Oberautseher tiber den 
Vertrag, man mochte sagen: der Vertrag in Person. Die Verptlichtungstormel, die der Gliubiger 
dem Schuldner vorspricht, da er den rath entschidigen werde (TI S$ 74). wiederholen die 
naidms in gekiirzter Form ($75): ebenso die Formel, durch die der Schuldner den rath 
verpflichtet (§ 76.77). Und wahrend § 40 von einer Vergiitung an den rath in gewohn- 
lichen Fallen nichts erwailnt, wird dem 46-aire (Gemeinfreien der oberen Klasse) als naidm 
eine Kuh im zweiten Jahr (colbdach), da. i. 8 Scripuli zugesprochen. 

Doch wie der rath muB der naidm den Vertrag und seinen Inhalt hezeugen, auch 
vor dem Richter. Nach TI S$ 43 sind seine drei ‘Handlungen’: die Héhe des Schuldbetrags 
(im Gedichtnis) bewahren. schwoéren. hetreiben. Und H. 3.17, 442 (O D. 573)=— Eg. 88. 
37x. 1 (C. 2452) wird ein altes Zitat-Bruchstiick: Ja nadmu naom? (.i.uaisle) naoithiugh* ‘mit 
der Verkiindung eines heiligen naidm (oder: heiliger naidms)’ erklirt: is edh is laisna nascaire 
uaisle, urrdurcugud? aneich risa-ndechatur ‘das gehért den erhabenen nascaire an, das bekannt- 
zaumachen, woftir sie die Biirgschaft tihernommen haben’. Alnlich die Glosse zu Gach for 
dagnadmaimm ‘Bindung auf einen guten naidm’ AL V 366. 23: ‘er beweist (dénam), daB es 
ihm (dem Erwerhber) gehért’. Aber auch bei Gericht sind die naidms von den raths ge- 
schieden. Sie sind nicht, wie diese, in der Seitenversammlung (fedbairecht, s. oben S. 38), 
sondern in der ‘abgesonderten Versammlung’ (airecht fo leth ZCP 12, 360. 1) mit den Zeugen 





dabei getdtet worden ist: aber wenn dieser jemand getétet hat, hat er volle (BuS-)Schuld dafiir zu zahlen’. Das 
MiBverstindnis von segar verrat sich schon in Caratnia $17 Gl.3 (s.ZCP 15. 327). 

1 Wenn in § 81 sowohl ratha als nadmen als Subjekte mit gellad “durch Unterpfand sichern’ verbunden 
sind, so ist das ein Zeugma. Der xaidm stellt kein gel/, sondern garantiert nur. 

2 Vel. auch TI § 35. 

3 naoma H; 1. naoim? Oder nadmann naom? 

' naithiugad E. ® urrdurchugh H. urrcugadh ¥. 

® Eigentlich “Kampfe : vermutlich die Kampen, die einen gerichtlichen Zweikampf ausgefochten haben. 
O’Corry las ratha; aber die sind schon vorher genannt. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 2. S 


58 THURNEYSEN: 


niemand geht zu ihnen, sondern sie sind ordnungsgemdBen Sinnes (?). bis (oder: so dai) 
sie mit ungetriibtem Gedichtnis ins Innere der Gerichtsversammlung treten’’. Die ‘abge- 
sonderte Versammlung’ ist vielleicht auSer Hérweite des Pladierens, jedenfalls auBer Verkehr 
mit den Pladierenden. So ist auch gut verstiindlich, daB bei dem Proze8 (genannt liged). 
der Vertrige betrifft, in Coic Con. Fug.. 8. 18, $9 als Garantie (7rach). daB der Beklagte 
vor dem Richter erscheint. ein nuidm (in der Glosse: nuscaire) auttritt. Auch unter den 
buBfreien. d. h. rechtmiBigen Besetzungen von Land wird AL V 206. 4 (Hept. XXIII) die 
‘mit raidm (und rath und Zeugnis) erwihnt, von der Glosse (S. 208) erklirt: “Land zu 
besetzen. indem er das naidm eines nuscaire hat fir Eigentum’: der naidm (nascaire) ermig- 
licht wohl eventuell mit Gewalt die Besetzung des Lands. ~— Nicht so klar ist die Rolle 
des nascaire. der unter den Leuten sein muB, die das Pfand eines Einstiinders im Pfandstall 
oder doch auBerhalb seines Landstiicks erwarten (oben 8. 34f.). Da es sich nicht speziell 
um Pfaindung fiir Vertragsschulden handelt, biirgt er vielleicht dafiir, daB der Pfindende, 
falls er widerrechtlich gepfindet hat oder das Pfand nicht nach den Regeln des Rechts he- 
handelt, die BuBe zahlt. wie auch der ebendort genannte rath oder aitire. — Dunkel ist 
mir unter den Leuten, die die eigentliche Gerichtsversammlung Hilden. der wa(d)scaire 
nodo-naise ‘der sie (wen?) bindet (verpflichtet)’ ZCP 12, 360. 7: er wird gleich nach den 
Richtern (oder Rechtskundigen, Grethemain) aufgefiihrt. Die Glosse* erklart: int aire cosr uy 
(1. -sring); aber was dieses hervorragende Sippenglied (s. oben S. 53 f.) hier ‘bindet’. lABt sich 
aus der Stelle nicht ersehen. 

Mehr Licht auf den Charakter des waidm wirft die Heptas LXXVI (AL V 366). wo 
7 naidms aufgezihlt sind. ‘die (fiir eine Frau) betreiben, ohne daB sie (eigens) bestellt sind’. 
die also von selbst gegeben sind: (1) ‘Der Vorstand («igr) jeder Sippe fiir ordnungsgemiibes 
coibche® einer Frau: er treibt es ein ; (2--- 4) ‘die drei Leute der fine (nihere Blutsverwandte). 
nach der Glosse: ihr Vater. ihr Sohn und ihr Bruder: (5—-7) ‘drei Leute der Nicht-Sippe 
(an-fine)’, nach der Glosse: ‘ihr fergnia. d.h. der ihre Sachen besorgende Mann‘; der Vor- 
steher ihrer Kirche: ihr Gatte’. Vgl. TI § 23 mit entsprechendem Inhalt. Dagegen in § 24 
heiBt raid for nicht ‘naidm fiir’, sondern ‘gegenitiber’; es sind von selbst gegehene nuidus, 
die die andern zur Erftillung ihrer Ptlichten zwingen, wie: der Vater gegentiber dem Sohn, 
der Lehrer gegeniiber dem Schiiler, der Abt gegeniiber den manuchs (klésterlichen Unter- 
tanen), der Herr gegeniiber seinen ‘Genossen’ usw.. auch ‘ein Mann der jie gegentiber dem 
andern’, wo wohl auch an ein tibergeordnetes Sippenglied gedacht ist. So ist tberhaupt 
der naidm, auch der vertragsmibige. der. der die Ertiillung der Ptlicht bei den Sd&umigen 
erzwingt. 

Bei Vertriigen scheint es immer mehr als einen naidm oder nosciire ma geben; vel. 
TI$ 26, wo ftir den einen Kontrahenten viele ‘Freunde’ als waid/ms sich melden, fiir den 
andern nur einer, und wo das Los entscheidet. welcher von jenen gegebenenfalls he- 
treiben soll, also wirklicher naidm ist. Somit mtissen von beiden Seiten gleich viel naidmms. 
ob einer, ob mehrere. hestellt werden. Auch in $ 75. 77 sprechen naidms (wulmen, 
Plural) die Formel vor. Und auch wo. wie oft. singularisches nuidm ‘Bindung’ steht. 


' Etwa zu lesen: [nJoch [né-]tiaghat saide co nfr|ch, ni-ted{i) nech cucu-sum, [ache] tt oe sels voir, co-tiaghat 
co cumnib glanaib i craes na hairechta. ; 

* Denn hierher gehért die Glosse 12. 

3 Corbche heiBt haiufig der Brautpreis, von dem aber die Frau. wenn nicht ihr Vater. sendern das Sippen- 
haupt sie verheiratet, einen Teil selber erhilt. Doch kann coibche tiberhaupt eine Gegenschuld bezeichnen. 

' Wohl zu lesen: @ feargnia .i. (st.7) a fear leasach. Doch ist ferynia mehr; er ist ein wattentiichtiger 
Mann. von dem es H. 3. 18. 433a (C.1029) heiBt: “Lr treibt das cotbche fiir eine Frau ein. nachdem alle dazu 
nicht imstande gewesen sind’; vgl. auch AL. IV 336. 6ff Anders, aber vewiB nicht zutreffend. ist ferngnia 
(Day. 873 erklart. : : 


Die Biirgschaft im trischen Recht. 46. Naidin., mac naseairi. a9 


kann es natiirlich sehr wohl kollektiv gemeint sein und mehrere nascaire umfassen. Die 
naidms miissen von beiden Kontrahenten anerkannt sein: ‘einseitige’ vaidms kénnen nicht 
hetreiben (S$ 27). 

Wer kann raédm sein? Nach Crith Gablach (s. oben 8. 40) der ansiissige einhei- 
mische Freie jedes Standes. und ausgeschlossen sind nach Miadslechta (ebenda) die- 
selben Leute wie bei radi’. Doch wird, wo in alten Rechtstexten von naidm oder mac(c) 
die Rede ist, durch die spiteren Glossatoren meistens hinzugefiigt: do gradaib flatha ‘aus 
den Herrenstinden’, z.B. AL V 366, 23; 430, 8: Coie Con. Fug.. S. 46 $78. Das ist 
bei der Tiatigkeit des vai/m leicht verstindlich, da ein Adliger mit scinem gréBeren be- 
waffneten Getolge viel eher etwas erzwingen kann als ein Bauer, also vorzugsweise als 
naidm gewihlt werden wird. Aber dali die andern Stinde — wenigstens in der dlteren 
Zeit —- nicht nur theoretisch zu xai/m befahigt waren, zeigt z.B. TI $ 40. 41, wo ein 
ho-aire, ein Gemeintreier. aly xaidm erwihnt wird. Anderseits sind Bischéte und Kloster- 
vorsteher (Abte) in dem Kommentar AL I 58, 10 v.u. als raidms genannt. 

Eine besondere Art, wie ein Geistlicher die Funktion als naidm tibernimmt, ist AL 
IV 210, 74f. angetiihrt. Wenn ein Vertrag auf Heilige (d.h. wohl: auf ihre Reliquien) 
oder auf das Evangelienbuch beschworen wird. so wird der Geistliche, der dabei ‘zele- 
briert’. gewissermaBen zu ihrem irdischen Stellvertreter: “Die Manner des Himmels und 
das Evangelium Christi werden nicht (selber als rains) dafiir (fir den Vertrag) bestellt° ; 
denn jeder Gottesfremdling® muB deren xvidin* betreiben. als wire er dazu bestellt worden 
oder als ob sein Zelebrieren die Biirgschaft dafiir tibernommen hitte*.’ Vgl. in den Anm. 4 
genannten Hss. das Zitat aus dem Rechtstext Duil Ruscadach: Ni- taithmis’ naidm soscela 
dre le cath (nur in H; 1. tre licath) “Du sollst das naidm des Evangeliums nicht durch 
Siumigkeit aut'lésen.’ 

Nicht wirksam ist das mdm eines Sohns gegeniiber seinem Vater’, eines ‘Genossen’ 
gegentiber seinem Herrn, eines manach gegeniiber dem Klostervorsteher, eines ulach ge- 
geniiber dem andern nach [I $ 21. Der Text AL IV 54° stimmt ungefiihr damit tiber- 


ein, nennt aber statt des “Genossen den unfreien Knecht (mud, 1. mug) — der aber wohl 
iiberhaupt von naidm ausgeschlossen ist --. und faBt im tulgenden die Stelle, als ob es 


sich dabei um Vertrige. nicht um Biirgschaft der Betreffenden handelte. Doch ist das 
nicht der urspriingliche Sinn, wie die Prap. for ‘gegeniiber’ (nicht cen ‘ohne’) zeigt*. — 
Als ohne xaidms giiltige Vertrige werden die zwischen Nachbarbauern bezeichnet (das 
sog. comaithches “Nachbarsrecht’) in Al IV 70, 4: Jm-dinyaih (1. -gabar) naidm naesaib ‘ein 


' In Hept. LAXV (AL V 304) werden 7 naedms aufgezihlt. ‘die nicht betreiben’: ‘der Sohn eines lebenden 
Vaters, der Schiiler wihrend der Zeit xa aryaist (“der Lebre’?). der unfreie manach. der unter der Gewalt 
vines Abtes stelt, der fuédir (auf tremdem Lande Sitzende) und der Gestrandete (Verschlayene), eine Frau in 
geregelter Ehe, ein Auslinder, der unter Schutz steht. Aber die Glosse faBt hier vielleicht mit Recht raid 
aly ‘Bindung, Vertrag’: es sind Vertragsunfahige. 

2 Statt ni meiccditer 1. ni - inaicediter. 

% deorad De, d.h. ein um Gottes willen aus seinem Stamm Ausgewanderter. der in dem Gebiet, in dem 
er sich aufhalt. als Wundertaéter und héchst heilige Person angesehen wird. 

4 Stati (saigid a nadma) sosaid |. side oder sum: in H.3.17.571 (OD. 79s) und Ev. 88, 31 rr (C. 2305). 
wo dieser Satz zitiert ist: @ saighi[dh] scan a nadia (sot), 

* Vel. ceilebrath als Sicherang TI $ 48: AL V 178.4 (Hept. VID. 

& -tathmes H, -taithmid E. 

7 ALI 84,5 viu. wird écdir nadma ‘unfihig zum naidin vou der Glosse (86.8) erklirt: “der Sohn eines 
lebenden Vaters. so dali cin soleher nicht nur seinem Vater gegentiber unfihig wire: aber das ist wohl zu 
weit gefaBt. 

8 Zu lesen: Atart certhri nadmlann| nad - seagad ci ad-roigsiter (st. ad roiscaider). 

” Die Stelle steht in dem schon in alter Zeit an den Text Din Tichtugud angehiingten Absehnitt Besraa 
(S. 32 ff). 


50 TuUURNEYSEN: 


vaidm wird durch die Rechtshriiuche bescitigt’, von der Glosse erklart: “daB kein aid 
eines noscaire fir Erfiillung des comaithchrs besteht, sondern ein Unterpfand (ge//). Es 
handelt sich um das oft erwihnte fairgilr, Unterpfand von 2 Scripuli, das jeder seinen 
4 Nachbarn als Sicherung gibt. da er fiir Schiiden. die sein Vieh im Nachbarland an- 
richtet, fiir Beschidigung der Umziiunung und tihnliches aufkommt. Auch Trunkenheit 
bei Abschlufi dieser Vertriige macht sie nicht ungiiltig nach T1$ 20 (vgl. ZCP 16, 202). 

- Wieviel kann ein naidm eintreiben? Wie oben S. 41 bemerkt, bildet minde- 
stens seit dem 8. Jahrhundert der Betrag seines Ehrenpreises die obere Grenze. Das 
bestitigt TI $41: Ein 60-aire kann ‘jetzt’ nur 5 sé¢ eintreiben —- das ist eben sein 
Ehrenpreis —-, aber friiher konnte er 7 cumal eintreiben. Sieben cumal (21 Kiihe), die 
volle TétungsbuBe, sind vielleicht nicht als genauer Betrag. sondern als sehr hohe (be- 
liebig hohe) Summe gemeint. Also hier ist die Erinnerung noch lebendig, da& der Ehren- 
preis als Grenzsumme auf einer jiingeren Finschrinkung beruht. Auch diese kann dazu 
gefiihrt haben, da8 man spiter als naidms vorzugsweise ‘Herren’ nahm. da deren Ehren- 
preis eben hoéher ist. 

Fir die Verpflichtung des naidm wird keine Formel angegeben. obschon man 
sie, wenn es eine gegeben hatte. [I § 64ff.’ erwarten miiBte. wo die fiir den aitire und 
den rath erwihnt wird. Nur scheinbar steht eine in $ 57, wo von dem ‘Wort’ (focal) 
hei dem nuidn, das der Gliubiger “bindet’, die Rede ist; der \Wortlaut zeigt vielmelvr, 
daB nuidm hier die “Bindung, Verptlichtung’ ist, durch die der Schuldner durch den 
Gliubiger “gebunden wird, eine kiirzere Dublette zu $ 51. Einen zum xaidm ‘bestellen’ 
wird immer durch das Verb ad-guid ‘ilin an-bitten, erbitten’ (Imperat. aicc*, Abstr. aicde) 
ausgedriickt; ob seine Zusage mit bestimmten Worten geschah, wird nicht berichtet. Denn 
was der naidm TI $ 44 zum Gliubiger sagt, kann wohl nicht als eigentliche Verptlich- 
tungsformel angesehen werden. Noch hiufiger als nam hat iibrigens das Verb ad - guid 
als Objekt muc(e)u, so daB man ace mac(c)u mit ‘stelle Garantien! tibersetzen kann: ur- 
spriinglich wird auch mace (wie kymr. mach) die ‘erbetene’ Person bezeichnet haben, hat 
aber dann sachliche Bedeutung angenommen (s. oben S. 4). 

Wie alle Birgen steht der naidm mit seiner Ehre ein. Wird ein durch ihn ver- 
birgter Vertrag aus irgendeinem Grund aufgelist. geschieht das daher tar enech nadma(e) 
‘tiber die Ehre des naidm hinweg’ T 18 33. 35. Verabsiumt ein naidm seine Pflicht. was 
gewohnlich durch ailsed nadma(e) “Vernachlissigung des navi ausgedriickt wird, so kann 
er durch Pfandung zu ihrer Ertillung gezwungen werden. Unter den Pfandungen ohne 
Beschlagnahmefrist und mit eintigiger Verfallszeit wird Al. I 214. 6 v.u. genannt: athgabail 
nadma donad. bat nasce “die Pfindung eines xvid, der keine »Bindemittel« hat’, d. h. 
wohl: ‘anwendet’. Die Glossen (216, 24 ff.) erkliiren es mit: “die Bezeugung als nascaire. 
zu der er yerpflichtet worden ist’ oder: ‘damit er mit ihnen gemeinsam eintreibe’*. Sonst 
wird erwihnt. daB der ptlichtvergessene noid oder nascaire seine Ehre verliert, daB sein 
Ehrenpreis sich mindert oder vdllig erlischt, an denselben Stellen, die vom Ehrverlust 
des rath handeln (oben S. 50). Nur in einem Text, den die Glossatoren mit issin Ber- 
ruide (Berruidh) hezeichnen*. war fir ihn Zahlung vorgeschrieben: ‘Wenn der wascaire 


1 Er heiBt hier attire nadma, s. oben S. 34. 

¢ Zu dieser Form s. ZCP 15, 366 Anm. 2. 

3 In dem dunkeln Abschnitt, der sich AL 1 124. 11r in den Aufziblungen der Pfindungen mit eintigiger 
Beschlagnahmefrist findet: em thairee ar cend nadma do livd (luth in H. 3.17, 52 u. 403 = O'D. 58 u. 499) fiad- 
naise, den schon die Glossatoren (AL 138) nicht recht zu deuten wissen. scheint es sich um etwas zu handeln. 
das gegeniiber eiuem naidm geltend gemacht wird: viellvicht, daB ein Zeuge zum Erscheinen gezwungen 
wird, um gegentiber einem falschen naidm die Wahrheit auszusagen. 

4 In AL I 216.6 ¥. u. und den andern S.5 Anm. 4 genannten Hss. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. 4c. Aitire. G1 


nicht kommt seine nascuvire-schaft einzutreiben. so hat er Ersatz (der Sehuld) zu zahlen 
und 3 sé¢.” In einem jiingeren Kommentar H. 3.17. 442 (OD. 573) == Eg. 88. 3711 (C. 2452) 
wird das so erliutert: Nascaire sin 7 tobhach gin aillsi is dir do;7 dia nderna aillsi tobhaich, 
is tré seoit fuir: 7 ni- hicann fiacha, acht in tun is cinnte co-toibheochadh na feich. mana. derna 
an aillsi ‘Das ist ein nascaire und ihm ziemt einzutreiben ohne Vernachlassigung: und 
wenn er die Eintreibung vernachlissigt hat. liegen 3 sé¢ auf ihm; aber die Schulden 
zahlt er nicht. auBer wenn sicher steht. dafs er sie hatte eintreiben kénnen. wenn er es 
nicht vernachlassigt hatte’. Diese ganze Bestimmung. die den xuscaire dem rath nahert. 
scheint mir etwas Junges und mag aus einer Zeit stammen. wo die nuscaire es mit ihrem 
Ehrverlust etwas leicht nahmen oder tierhaupt nicht mehr recht iiblich waren. 

Unter den drei Falschheiten’ (gua), die Gott am meisten bestraft, ist AL IV 52 ge- 
nannt: fuilleam gu-nadma “Zins fiir falsches (erlogenes) naiim’. Ich méchte hier naidm in 
seiner weiteren Bedeutung als “Bindung, Vertrag’ fassen; aber der Glossator versteht die 
Stelle als: ‘Zins fiir seine Léhnung (/oigidechta) zu nehmen aut Grund erlogener nascairr- 
schaft; und (doch) darf er ihn nicht einmal fiir wahre nuscairr-schaft nehmen: d.h. ein 
Lohn (/og) fiir ihn auf Grund seiner Behauptung. er stehe in raid, obschon er nicht 
steht. Gegen solche falschen nadms ist der rechtliche Schutz bestimmt, der in TI 44. 
45 erwihnt wird; unter ihn kann sich ein angeblicher Schuldner. der hetrieben werden 
soll, tliichten, bis ein Richter entscheidet. 

Anderseits wird aber auch eine Verfehlung «ler Kontrahenten gegenitber dem xaidm 
erwihnt in T1$42. Ein naidm, der ‘umschritten’ (umgangen) wird. handelt dann wie 
ein rath: er pfindet fiir seine Entschadigung. Leider wird weder hier noch anderwirts 
ausgefiihrt, worin diese Umgehung besteht. Handelt es sich nur darum, daf ihm seine 
naidm-Gebiihr (s. oben S. 57) nicht ausgezahlt wird. so daB er darum hetreiben mui? 

Diese wohl sehr altertiimliche Einrichtung der xaédms scheint tibrigens mit der Zeit 
auBer Gebrauch gekommen zu sein. In dem langen Abschnitt AL II 512—518, der 
alle moglichen Fille der Eintreibung bei Schuldnern und Biirgen (¢rebuire, hier deutlich 
-= rath) behandelt. wird ein naidm oder nascaire nirgends erwiihnt. Das Eintreiben scheint 
spiter dem Gliubiger und dem Zahlbiirgen allein tiberlassen gewesen zu sein. 


e. Aitire. 


Die Art der aiftire genannten Biirgschaft erkennen wir am besten aus ‘TI § 64-—-67 
und aus Text Il. Nach [67 gab es aitire zuerst bei cuirdr, wortlich “Freundschaft’. d. h. 
hei einem Vertrag mit einem auswirtigen Stamm’, und Text II behandelt nur diese. Hier 
wird gleich zu Anfang auch ein muéreduch genannt; und da dieser Ausdruck mehrfach 
in Verbindung mit aitire auttritt, sei er hier vorweg besprochen. Mucredach. muirethay 
(Gen. muiredaig), das auch haufig als Maénnername vorkommt, scheint in der Bedeutung 
nicht verschieden von mire -ri, Gen. muirech, NPI. nuirig (danach dann auch NASg. 
muirech). das sich in gleichen Verbindungen findet. Um «die Bedeutung genauer festzu- 
legen, kommen folgende Stellen in Betracht”. In der Prophezeiung der schrecklichen Zeit. 
da alles aus Rand und Band gehen wird, heibt es ZCP 9, 169. 27: wuiredach cecha mennata 
‘ein m. in jedem Wohnsitz’*; von der Glosse erklart: ‘d. h. ein Herr (tigerna) auf jedem 


Landstiick. d. h. keiner wird dem andern Herrschaft zugestehen’’. Umgekehrt gilt fir 


1 Siehe ZCP 15. 326. 

2 Vel. Sroxes zu O'Day. 1273. 

3 Ebenso, nur etwas verschrieben, Hibern. Min.. S.66 Z. 4. 
4 


Die Erklérung ist ungefiihr gleichlautend im 17. Jh. von O'Clerv in’ sein Glossar s. v. mutreadhach 
aufgenommen. 


2 TuturRNEYSEN: 


geordnete Zustinde: cach muiredarh a methas “jedem (oder: zu jedem) m7. [gehért] seine 
Landsehaft (sein Bezirk)’ O'Day. 1273 s. v. muuredach*. Dazu kommt die etwas verderbt 
iiberlieferte Stelle tiher die Verteilung des Blutgelds (cro), der Potungsbube in Eriu ‘IT? 215 
unten: es ist zu lesen: Driun do cru, eoiccer ind. Rannait aitiri an da trian n-aile ¢ tri.d. trian 
do flaith, trian do jine. trian do etarflaithib 7 do iteruibh, Trian na n-vlarflaithe 7 na aes 
ranutair trian de do muire rechtyi doda-fet a teyh rify|, a trian do aitiribh. a trian n-aill do 
aidhbenaibh na tuaithi do roinn co haenserepall “Ein Drittel des Blutgelds erhalten die finf 
Manner (Generationen, welche die engere Sippe des Getéteten bilden*). {tire teilen die 
andern zwei Drittel in drei Teile, nimlich ein Drittel (davon, also ?/, des Ganzen) fiir 
den First (Konig). ein Drittel (abermals) fiir die Sippe. ein Drittel ftir die »Zwischen- 
herren« und die «itive. Das Drittel der Zwischenherren und der ature, von dem wird ein 
Drittel (also 2/.-) dem mire rechtge zugeteilt, der ihnen in das Haus des Kénigs voran- 
schreitet, ein Drittel den aitirr. das tibrige Drittel teilen die adbena des Stammes Dis 
zum letzten Seripulus. Rechige ist day Recht, das unter einem bestimmten Koénig gilt. 
einschlieBlich seiner eigenen Verordnungen (Abgaben usw.). Der muy rechtgr ist also 
wohl einer. der tiber die Beobachtung dieses Rechts zu wachen hat. Er gehoért, zusammen 
mit den widbena, offenbar den Vornehmen des Stammes. zu den “Zwischenherren’. d. h. 
ym den Herren. die zwischen dem Konig und den einzelnen Sippen stehen: er ist also kein 
Konig. wie O'Davoren meint, hat aber. wenn er mit dem obigen muéredach identisch ist. 
cine bestimmte Landschaft. einen Bezirk (methas) unter sich. Er geht vor ‘ihnen’ (wohl 
den Mitgliedern der Sippe, nicht den aitirr oder den Zxischenherren) her, er fiihrt sic 
an in das Haus des Kénigs (etwa zu den obligaten Biergelagen)". In AL V 444 Anm. 
ist von dem muiri na fine (‘der Sippe) die Rede. der dem Konig gewisse Wertgegen- 
stiinde fiir seine Sippe gibt ‘zu ihrem Besten (fria lesug gal) . Das scheint der Herr der 
Sippe, der Sippenvorstand, braucht aber ‘vom obigen mire oder muiredach nicht ver- 
schieden zu sein, da die Sippe in der Regel zusammen siedelt und wohl Ofter die freie 
Bevélkerung eines ganzen Bezirks ausmacht, so dali ihr Haupt den Zwischenherrn zwischen 
ihr und dem Génig pilden kann. So ist in den Ulster Annalen a. ro1S und 1059 der muir 
clainne Sinaiyh. also eines Clans oder Geschlechts, erwiihnt, ebenso muire clainne Tairrdelbaig 
a. 1054. In Text IT $1 werden neben dem witire des cvirde auch muirethags des cairde ge- 
nannt. wo freilieh cairdi sich nur in der einen Hs. findet. also nicht véllig sicher ist: 
aber jedenfalls steht der muéiredach zum cairdr in Beziehung. Doch nicht etwa so. dal er gegen 
seine Stammesgenossen vorgeht, wenn sie den cairde verletzen, auch nicht gegen den 
siumigen aitie'. Viehnehr kommt ein mreduch des Stammes. dessen cairdr verletzt worden 
ist. hertiber, um die BubBe cinzutreiben. Viclleicht hat der einheimische, der nicht weiter 
erwihnt wird. nur datiir zu sorgen. dai der fremde — gema8 dem Vertrag — un- 
gehindert seinen Ptlichten nachgchen kann. DaB®B dieser mudiredach. der die BuBe fiir 
coeli tzten caird erheht, derselbe ist wie der gewdhnliche Bezirksvorsteher. ist vielleicht 


1 Verschrieben Arch. {. Celt. Lexicogr. 3. 227 = ZCP 17. 52 $30: cach muriy? a meithi. Nicht zu- 
treffend gibt es O"Davoren (a. O.) mit righ Konig’ wieder. —- Die Bedeutung von methas. an der die Uber- 
setzer von AL herumraten (s. VI 565). ergibt sich am klarsten aus dem Zitat AT, IV 17 Anm.: Aengus Aigle 
hieB so. weil er in Aigh aufgezogen w orden war .2.sethus 2 crich Vlad “das ist eine Landschaft im Gebiet 
von Ulster (dort falsch als Higenname gefaBt): sie paBt an allen Belegstellen. 

2 Das sind Vater. Sohn (Séhne}. Bruder (Briider). GroBvater und UrgroByater, eventuell mit Verschiebung 
vim Enkel und Urenkel. 

In der Tain Bo Cualnge (ed. Windisch 459) marschiert jedes r?mm (was eine kleinere Abteilung als 
das vorhergehende drong ‘Heerschar eines Konigs. aber eine gréBere als das folgende buiden. etwa “Rotte? > zu 
lDezeichnen “scheint) ” um seinen muirech. Der ist also auch Fihrer im Kriege. 


+ Der mauiredach von § 2 wird derselbe sein wie der in $1. 


Die Bitrgschaft im irischen Recht, 1¢. Aitire, 63 


nicht ganz sicher. aber wohl méglich. Vgl. noch unten den mire im Sonntagsgesetz und 
beim ‘Geisel (S.71f.. 77 f.). 

Indem ich mich nun zu «itive selber wende, greile ich zimichst T1365 Abschnitt / 
heraus, weil der den Charakter besonders deutlich hervortreten JABt. Die aitire hei Bt 
hier (§ 64. 65) «tire luigi ‘a. des Schwurs’. weil dieser Biirge bei seiner Verpitlichtung 
schwort, wihrend der rvth nur die Garantie dureh waldins stellt (ice macu $ 74). Er 
schwirt dem Glaubiger, bereit zu sein sich gefesselt in Block oder Kerker legen zu lassen. 
bis er durch die Schulden (dadurch. dai der Schuldner zahit) gelést wird. oder. wenn 
die Verfallsfrist abgelaufen ist, sich als verfallenen CGefangenen (cémhid) zu Dbetrachten. 
der sich selber lésen muB. Ein groBer Unterschied vom rath ist alsuv, daB dieser nur 
mit seiner Habe biirgt, der aitire dagegen mit seiner Person (leiblich) hattet’. Das ein- 
zelne des Vorgehens gegen den witire fiir cairde ist anschaulich in Text II beschrieben. 
Der mairedach des Gebiets. das sich tiber Verletzung des cairde zu beklagen hat. kommt 
tiber die Grenze und fordert die Schuld vom aitire des caird) ein. Dieser tithrt ihn zu 
der schuldigen Sippe. Wenn diese zahlt, ist der witie entlastet (§ 1). Zahlt sie nicht ($ 3) 
so nimmt der muireduch den atti mit sich (und halt ihn in Sehuldhatt). Nach einer 
bestimmten Frist (nach der 10. Nacht nach spiiteren Texten, s. u.) ist dieser verfallen. 
wenn er bis dahin nicht durch dic Zahlung von seiten des Schuldners gelést wird. Um 
sich selber zu lésen, muB er 7 cvmal (21 Kiihe. den Wert eines Mannes gleich seiner 
TétungsbuBe) zunichst durch Unterptand sichern und dann zahlen, sowie nattirlich den 
Schuldbetrag fiir den verletzten cvirdr. 

Schon aus diesem Abschnitt ergibt sich cin weiterer Unterschied des «itire vom 
rath. Bei rath mu der Glaubiger zuerst die Schuld vom Schuldner selbst zu erlangen 
suchen und hat erst. wenn dieser sich entzieht, den Zugritf aut den Biirgen: dagegen 
bei attire wendet sich der Glaiubiger oder sein Vertreter in erster Linie an den aitire und 
erst durch dessen Vermittlung an den Schuldner. Der «itire scheint sich der Sehuld- 
haft nicht dadurch entziehen zu kénnen. daB er dic Schuld gleich selber zahlt (und nach- 
her vom Schuldner einzutreiben sucht) — wenigstens ist das nirgends erwilhnt ---, sondern, 
wenn der Schuldner nicht rechtzeitig leistet, erst die Zeit der Schuldhatt beim Gliubiger 
absitzen zu miissen. Ein anderer Unterschied von rath ist, daB aitire eine rein persén- 
liche Biirgschaft ist, nicht erblich wie rath (oben S. 42), nach dem Satz: ni+ tet witire acht 
co cro ‘aitire geht nur bis zum Tod Coie Con. Fug.. 8. 33 $32 und S. 81 $68. 

T Il $2 behandelt noch einen Spezialfall. Der «tire hat auf zwei oder drei Aut: 
forderungen des muireduch nicht reagiert. Da hat ihn dieser persénlich gefaBt, und der 
uitire verlangt von der schuldigen Sippe. daB sie ihn lésen soll. Diese ist zwar zur 
Zahlung der urspriinglichen Schuldsumme bereit, aber zuvor soll der aitire die Bube, 
die ihn wegen seiner Saiumigkeit trifft, selber bezahlen. 

Zur Erginzung der Alteren Texte kann ein Stiick eines jiingeren Kommentars, der 
sich auf cairde bezieht. in Rawl. 506, fol. 30 r. wnd vy. (O'D. 2306f.) dienen: 

Vuyu-toibhghenn nech ¢ cairdi act aittert. 7 is umluidh da niat a tobuch: aitteri in feiche- 
man toicheda do dul imach dochum aittert in bidbadh. 7 a dul eu teach righ in bidhbadh in 
cetadhaigh, 7 a lanbiathadh daibh cidh socaidhi bet. 7 a ndamh choir du beith mar aen rin 


1 Sollte er sich nicht lésen kéunen. wirde er wohl dem Giiubiger vollig verfallen. Doch wird dieser 
Fall in den Texten nicht erwalint. der atire ist als zahlkriiftig gedacht. Doch bezieht sich wohl auf einen 
aitire der Abschnitt AL Hl 484. 151th: ‘Wenn der ermbid ein Unterpfand {sot @ xgell) fiv Schulden vewesen 
ist. [und] wenn der. in dessen Hand er war. iin getétet hat. so muB dieser die ToétungsbuBe und den Ehren- 
preis an seine Sippe zahlen. aber seine Sippe die Schulden, fiir die er haftete: oder. wenn sie (die Sippen- 
glieder) es vorzielen, erhalten sie nichts und zalilen sie uichts: sie haben die Wahl. 


64 THURNEYSEN: 


o Sein immach. 7 a dula sidhe cu teach oitteri in bidbadh 7 a beith and icoret (l. airet) bet 
aitteiri in bidbadh ac tabairt a toicheda arin bidbaidh. 7 in uair thair daibh a toichidh do 
thabairt, tuidhecht do aittiribh in feicheman toicheda immach and sidhe 7 aittiri in bidbad du 
thabairt lvo fo eccose athgabala, 7 a beith acu amuich ina tigib re ré dechmaidhi. 7 samaisc gellas 
gach n-aidchi risin re sin gunudh bo mor iar maitin. gunadh umlaidh sin reithit deich mba 
na fomalts orro. 7 tuidhecht daibh immach; 7 madh ferr re haittiribh in bidbadh athghabail 
du ghabail, cungnat oittir’ in fecheman toicheda riu; madh ferr leo, icat fein. 

7 ma tarraidh in bidbu aenboin dibh can ic, is in oenbo do-intai tricait bo gan fuillium, 
gan los, gan gert. 7 maini-tarraidh ni dib can ic, is fuilliumh 7 los 7 gert du rith riu. 7 in 
n-uair ra-sia leo sein immach, tabrat « toichidh aris im deich mbuaibh na fomalta, 7 a-ecuic 
dib sidhe cu fuilliumh 7 los 7 gert, 7 a cuie gan fuilliumh. 

Is ann ata eneclann dona hoitiribh 7 fuilliumh 7 los 7 gert, in n-inbuidh ra-leiec in bidbhu 
u n-elodh, resiu ra-icesatar ni immach 7 nucu-riesut nui acht i forba na ré i-ndlegur dibh 
~— dia chaecuighdhis fri goit 7 dia mis fri guin duine — 7 nucu-tarraidh bidbu ni dunia 
fiachaibh gan ic. Mainir.leic a n-elodh reimi eitir, no, cia ra-leic, masa thaisei ru-iesat nu 
fiachu immach innui in ré ari-ndlegar dibh, no ma tarraidh in bidbu ni dibh gan ic. nuevun- uil 
eneclann ann na fuillinm. 


‘Niemand treibt im cairde ein auBer ein (oder: eine) ative, und tolgendermaBen treiben 
sie' ein: Die aitire des Gliubigers geht hinaus (ins andere Gebiet) zur aitire des Schuldners. 
Und die erste Nacht (den ersten Abend) geht sie zum Haus des Kénigs, und sie er- 
halten dort volle Speisung, so viele sie sind. Aber von da an soll nur ihr ordnungs- 
gemaiBes Gefolge mit ihnen sein. Und diese (die aitire des Gliubigers) geht (dann) zum 
Haus der aitire des Schuldners und bleibt dort, so lange die qitire des Schuldners den 
Schuldner betreiben*. Und wenn die Betreibung(s-Frist) fiir sie zu Ende geht. dann gehen 
die aitire des Gliubigers hinaus (in ihr eigenes Gebiet) und nehmen die aitire des Schuldners 
mit sich wie (oder: als) ein Pfand, und diese bleiben. bei ihnen in ihren Hausern bis 
zum Termin der zehnten Nacht. Und wihrend dieser Zeit sichern sie jeden Abend eine 
zweijihrige Farse (den halben Wert einer Kuh) durch Unterpfand (gell), so daB diese 
nach dem Morgen (nach der Friihmette) eine volle Kuh wird (ausmacht), so da8 auf 
diese Weise 10 Kiihe fiir die Wartung fiir sie »laufen« (zur Schuld hinzukommen)*. Und 
(dann) gehen sie hinaus (kehren sie heim). Und wenn die aitire des Schuldners es vor- 
ziehen. (den Schuldner) zu pfanden, so helfen ihnen die aitire des Glaiubigers dabei; 
wenn sie es (jedoch) vorziehen, zahlen sie selber (unmittelbar). 

Und wenn der Schuldner (wohl durch richterliches Urteil) erreicht hat, da er eine 
einzige von den Kihen nicht zahlt (nicht hatte zahlen miissen), so »wendet« die einzige 
Kuh 30 Kithe zuriick, (aber) ohne Verdopplung oder Kalber oder Milch-und-Diinger'*. 
Aber wenn er nicht erreicht hat, da er etwas von ihnen nicht zahlt (zahlen mu8), so 








' Bei aitire geht im Folgenden Singular und Plural fortwahrend durcheinander, wabrend ‘der Schuldner 
immer im Singular steht. Wahrscheinlich ist aztire im Sing. kollektiv zu fassen als ‘alle, die die aitire ausmachen . 

* D.h. zu betreiben versuchen. Die Betreibung (toiched) bedeutet hier nur die Aufforderung zum Zahlen. 
nicht die Pfandung, die erst unten folgt. 
* Das bedeutet wohl, dab sie fiir jede vollendete Nacht eine Kuh fiir die Wartung zu zahlen haben. 
fir den Tag bis zum Ende der Nacht nur eine Farse. So viel hatte also der Schuldner jeweils auBer der 
Schuldsumme zu vergiiten, wenn er sie vor der zehnten Nacht léste. 

4+ D.h. es miissen alle von ihm eingetriebenen Kiithe ihm zuriickerstattet werden und die Uberforderung 
macht ihn quitt. ‘DreiBig Kiihe bedeutet hier wohl eine runde hohe Zahl, nicht genau das DreifBigfache. 
Aber er erhilt keine BuBe und keinen Ersatz fiir den Verlust an Kalbern, Milch und Diinger. den er dadurch 
erleidet, daB er eine Zeitlang nicht im Besitz der Kiihe gewesen ist: er ist ja immerhin ein Schuldiger (cintach). 
Zu fuillium, fuillem tir “Verdopplung’ (nicht ‘Zins’) s. TI $71 Anum. 3. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. 4c. Aitire. 65 


laufen Verdopplung und Kalber und Milch-und-Diinger dafiir (sind hinzuzuzahlen). Und 
nachdem das (das Geschuldete) durch sie (die qaitire) hinausgelangt ist (an die Partei 
des Glaiubigers), so betreiben sie ihn abermals um die 10 Kiihe der Wartung, und zwar 
fiinf von diesen mit Verdopplung und Kalbern und Milch-und-Diinger, fiinf ohne Ver- 
dopplung’. 

Dann erhalten die aitire (ihren) Ehrenpreis und Verdopplung und Kilber und Milch- 
und-Diinger, wenn der Schuldner sich ihnen entzogen hat (wihrend der ganzen Zeit), 
bevor sie etwas hinaus gezahlt haben, und wenn sie nichts vor dem Frist-Ende, an dim 
sie (zahlen) muBten, gezahlt haben — am 15. Tag bei Diebstahl und am Tag nach einem 
Monat bei Verwundung (oder Tétung) eines Menschen —-, und wenn der Schuldner nicht 
erreicht hat, etwas von der Schuldsumme nicht zahlen zu miissen. Wenn er sich vor- 
her tiberhaupt nicht entzogen hat, oder, obgleich er sich entzogen hat, wenn sie die 
Schuldsumme friiher hinaus gezahlt haben als an dem Termin, wo sie muBten, oder 
wenn der Schuldner erreicht hat, daB er etwas davon nicht zahlen muBte, so hat er 
weder Ehrenpreis noch Verdopplung zu zahlen*.’ 

Das ergibt nun schon ein etwas anderes Bild als Text II. Es kommt nicht mehr 
der muiredach des fremden Gebiets tiber die Grenze, um die BuBsumme zu erheben oder 
den aitire mit sich zu nehmen, sondern der oder die «itive jenes Gebiets selber. Sie ziehen 
zunichst, offenbar mit médglichst ansehnlichem Gefolge, zu dem Konig, dessen Untertan 
der Schuldner ist*, und erst dann mit der ihnen nach ihrem Stande zustehenden Zahl von 
Begleitern zu den uitire des Gebiets. Wenn diese den Schuldner nicht zur gesetzlichen 
Frist zum Zahlen bringen kénnen, werden sie freilich von den anderen qaitire in ihr Land 
(ihre Hauser) mitgenommen -- ob sie dort noch in Fessel oder Block gehalten werden, 
ist zweifelhaft —-; aber wenn sie bis nach der 10. Nacht nicht gelést sind, so scheinen 
sie nicht zu verfallen und sich mit den 21 Kiihen des Manneswerts lésen zu miissen, 
sondern zahlen anscheinend nur die Schuldsumme und 1o Kiihe fiir die Wartung, kénnen 
sogar die Zahlung mindestens der ersteren aufschieben, bis sie — mit Hilfe der anderen 
aitire — den Schuldner selber durch Pfaindung zur Zahlung gezwungen haben. Uber ihre 
Entschadigung durch den Schuldner s. unten. 

Ein ahnliches Bild ergeben die Glossen, die sich um einen Ausdruck in AL 1192, 11 f. 
angesammelt haben. Unter den Pfandungen mit zehntigiger Beschlagnahmefrist (an), 
d.h. wo das Pfand bis nach der 10. Nacht noch im Wohnsitz des Gepfaindeten bleibt, 
sind dort wie zwei Falle genannt: (athgabail) im inbleogain n-aitire cairde, im tobach a slain 
‘(Pfaindung) fiir das Finstehen des attire eines cairde, fiir die EKintreibung seiner Entschaidigung’. 
Der zweite Ausdruck ist klar, aber der erste hat schon die Glossatoren einiges Kopf- 
zerbrechen gekostet. Es kann sich ja nicht wohl darum handeln, daB der Vertreter des 
Glaubigers, sei es ein muiredach oder ein aitire, den anderen aitire durch Pfindung zur 
Zahlung zwingt; denn er hat ihn ja in seiner Gewalt, bis er die Zahlung leistet oder 
durch Unterpfand sicherstellt. Eher kénnte man annehmen, da8 der aitire, der sich weigert 
sich in den Gewahrsam des anderen abfiihren zu lassen, durch Pfandung dazu gezwungen 
werden soll; aber dann ware die zehntigige Beschlagnahmefrist — es ist die laingste, 


! Es wird hier wohl angenommen. dal die aitire die Wartungskiihe gleich bei ihrer Entlassung aus 
der Schuldhaft gezahlt haben. : 

2 sondern in den beiden ersten Fallen wohl nur Ersatz, im letzten gar niehts. — Ein abnlicher, zum 
Teil verderbter Text tiber dirgi (1. diablad) na ndirgi und aithgin na ndirgi “Verdopplung’ und ‘einfacher Er- 
satz der »EntbliBungen«. d.h.des vom aitire Gezahlten’, steht H. 3 18, 4232 (C. 983). Ein anschlieSender Ab- 
schnitt erklirt dort dirge (direch) tibrigens falsch. 

3 Es kam auch vor, daB der Konig selber aitire rairdi war, nach der Gluosse ALI 232. 16, s.u.S. 69. 


Phil.-hist. Abh. 1928, Nr. 2. 9 


66 THURANEYSEN: 


die das irische Recht kennt — sehr auffallig. Leichter wire die Stelle zu verstehen. 
wenn es zu der Zeit. da die Liste entstand, auch «itive cardi gab, die man nicht 
erst in Schuldhaft nahm, sondern direkt fiir die Zahlung betreiben konnte; die lange 
Frist wiirde sich dann daraus erkliren, da der aiti7e, um das Wegfiihren des Pfandes 
zu verhiiten, die Zahlung in ein auswiirtiges Gebiet abfiihren muBte'. Aber von einer 
solchen aitirr cairdi verlautet sonst in der ilteren Zeit uichts’. Die meisten Glossen ver- 
fallen daher auf den Ausweg, die zehntigige Frist mit den 10 Tagen zu identifizieren, 
wihrend deren nach dem obigen Text die aitire des Schuldners im Haus der andern 
aitire festgehalten werden, obschon. wenn man die «tir als Pfand betrachtet, dieses sich 
dann gleichsam im Pfandstall der Gegenpartei befiinde, es sich also um keine avud ‘Be- 
schlagnahmetrist’ handeln wiirde, wie doch der Zusammenhang verlangt. Die eine Glosse 
ist nur ein Auszug aus dem obigen Kommentar”. Eine andere bezieht sich direkt auf 
den Genitiv aétiri: ‘“d. h. der attire, die bei cairde fiir die Schuld (ci) als Einstiinder he- 
langt werden; denn sie erhalten keine Entschidigung, bis sie die 10. Nacht im fremden 
(rehiet zugebracht haben’. Eine weitere. nur in H. 3.17, 73 (OD. 87) stehende lautet: 
Cin inbleaghuin acurtur forin aitire isin cauirde; berur co-foann dechmuidhe (le dechmuidh ¢ ir) 
alucrich ocna aitiribh eile: cu-n-icund dech mbu feisi 7 logh vinech, cu (le Oo) rasfart dich 
nid-aidche ocna eitiribh for ur turbro in cairde. 7 ts iar sin tcuit cintuigh logh vinech 7 bu fesi 
fria n-aitiri fein 7 ro-icuit sidhe in virie alr| tis ‘Die aitire (kollektiv) wird fiir die Vergehens- 
Schuld (cin) als Einstiinder belangt hei cairde: sie wird weggefihrt und bringt die 10. Nacht 
(10 Naichte) im fremden Gebiet bei den andern aitirey zu; und sie zahlt die »1o Kiihe des 
Ubernachtens« und den Ehrenpreis'. nachdem sie 10 Nichte nach dem Verletzen (oder: 
wegen des Verletzens) des cairdr bei den aitirr zugebracht haben (sv! Plur.). Und nachher 
zahlen die Schuldigen ihren eigenen wétire den Ehrenpreis, nachdem sie zuerst die (Haupt-) 
Zahlung gezahlt haben’. Die dai fese “Kiihe des Uhernachtens’ entsprechen den bai nu 
fomalta “Kithen der Wartung’ im obigen Texte’. 

Es ist hier immer yon einer Mehrheit der witire ciirdi aut beiden Seiten die Rede. 
wihrend in Text II nur einer erwihnt wird. Das hingt offenbar damit zusammen, da 
in jiingerer Zeit ein «itive nur in der Hohe seines Ehrenpreises biirgen konnte wie der 
rath und der vaidm (oben S. 41). Da es sich bei Verletzung des cairde oft um hodhere 
Buf’summen handelte (bei Diehstahl, Verwundung. Tétung im andern Gebiet), so war 
eine gréBere Anzahl von «itire zur Sicherung erforderlich. So heiBt es auch Rawl. 506. 
30r1 (OD. 2305). nachdem die Art der Rinder fiir die BuBzahlung hei cvirde spezifiziert 
worden ist: xu hoittiri da n-idhnacul ussin crich amach 7 da ndilsiughudh (inmuich “die vitire 
‘bringen sie aus dem Gebiet hinaus und tibergeben sie drauBen (im andern Gebiet) zum 
Eigentum’. Vielleicht haben in diesem Fall die andern ative gar nicht in Aktion zu treten 
hrauchen, sondern itibermitteln die aire des Schuldigen von sich aus die Bufisumme. 


' So versteht es wohl eine der Glossen: breith caudi, uair 1s im crich ‘vine Bestimmung (?) ther den 
cairde, weil es sich um Grenze (fremdes Gebiet) handelt. 

* Es besteht noch die Méglichkeit, das Ganze als éinen Fall zu fassen: ‘(Pfanduny) inbetreff des Ein- 
stehens eines aitire cairdi, (ndmlich) um seine Entschadigung (dafiir) einzutreiben’. Das méchte ich in der 
Tat als das Wahrscheinlichste ansehen. 

> Ader win cairde, aitiri in fecheman toicheda do breath aitiri in bedbuidh leo umach fo ecuse athgabala 
tarin crich, coro-buith (L.-biat)) a cumuid (= cumbuith?) rv re dechmaide. 7 is i {s)in dechmadh adcir ann (die in 
AL vor adcir stehenden Worter a/tir? ann nv fehlen in H. 3.17 und sind zu streichen). —- Eine weitere Glosse: 
wi. fri re dechmaide bit a tig fechcman toicheda ist wohl liickenhaft: es muB heiBen: @ ty laitire in] frcheman 
toicheda. Der Gliubiger hat ja die aitire der Gegenpartei nicht im eigenen Hause. wenigstens bei cairde. 

+ Das mu ein Irrtum sein, da die aétire den andern nicht den Ehrenpreis (eneclann) zahlen. wohl aber 
die Schuldsumme: ein Wort dieser Bedeutung mui hier verdringt sein. 

° Derselbe Ausdruck: 4a? fesr tindet sich auch beim Geisel (giall). >. unten, 


Die Biirgschaft tm trischon Recht. Le. Aitire. (57 


Ebenso ist cine Mehrzahl angenommen in dem Konmentarstiiek ebd. fol. 29v -30r 
(OD. 2303) zu einem nicht angefiihrten Text. in dem der Ausdruck rth gu morseisiur 
‘(die BuBsumme) erstreckt sich bis zu sieben Mann vorkam. Der Kommentator fragt sich, ob 
sich die Grenzsumme auf die Schuldner, die Vertragsbrecher bezieht, die natiirlich oft in 
gréberer Anzahl als zu sieben zum Beutezug ins andere (vebiet einfielen, oder auf die iti. 
wenn deren mehr als sieben sind: Rith ya morsear)siur arne bidbudaibh dona haitiribh 7 a mbeith 
gu diairmhithi daibh. No dna vith gu morseisiur dona haitiribh 7 comhroinnet fern elurru 7 
a [m|beith gu diairmhithi ona bidbadaib, No vith gu tri nonbur urna bidbaduibh 7 a \m\beith 
qu moirseisiur dona haitirib “Sie (die zu zahlende BuBe) an die vitie erstreekt sich fiir die 
Schulduer (nur) bis zu 7 Mann. wiihrend sie von beliebiger Zahl sind. Oder aber: (die) 
yon den Schuldnern (zu zahlende Bube) erstreckt sich (nur) bis zu 7 Maun der «itire, und 
diese teilen sie selber unter sich. obschon sie von heliebiger (héherer) Zahl sind. Oder: 
sie erstreckt sich fiir die Schuldner auf 27 Mann, und die «tir sind (nur) 7 Mann’. Im 
ersten Fall zahlen also alle Schuldigen zusammen nur so viel. als 7 Mann von ihnen sehulden: 
im zweiten nur so viel. als woraut) 7 «tre Anspruch haben. obschon deren mehr sind. 


Tndem ich vom witire cairdé zum attire tir eine beliecbige Schuld zuriickkehre, ist als 
ein weiterer Unterschied vom ra#/ hervorzuheben. dab nach T Is 65 deutlich der Gliubiger 
den tiv (durch Eid) verptlichtet. wihrend beim ra// der Schuldner die Verptlichtungs- 
formel spricht (s. oben S. 42). Auch erhalt der «itive -— fiir Ubernahme der citire-schaft — 
eine Belohnung; wenn er ein /d-aire ist. eine Kuh (PL $ 40). Welcher der Kontrahenten 
diese zahlt oder ob heide gemeinsam. wird nicht berichtet. Dagegen sind zu a/tire die- 
selben Menschenklassen befiihigt oder unfahig wie zu radi und nvidin (s. oben S. 40): und 
es wird gewarnt, die «iti einzugehen fiir die gleichen Menschen oder Vertriige wie die 
rath, weil der Biirge. wenn er gezahlt hat, vom Schuldner keine Entschadigung eintreiben 
konnte. vgl. Heptas NXAI (AL V 228) mit Hept. NNX (oben 8.48). In der Verptlichtungs- 
formel (I $65) — abgesehen von dem oben 8. 63 besprochenen Abschnitt #: — ist mir 
leider vieles dunkel. da sich mehrere Ausdriicke finden. die ich nicht verstehe oder die 
ich nur vermutungsweise gedeutet habe. Auer der allgemeinen Verpilichtung. wie ein 
rechter «tire zu handeln. ist klar, daB er, wie die anderen Biirgen, verpilichtet wird, das 
Bestehen und den Betrag des Vertrags im Gediachtnis zu bewahren und gegebenenfalls 
zu beschwéren (65 g). Aber mehrfach ist davon die Rede. dal er gewisse da/v ‘Zusammen- 
bestellungen’ einhalten und, wie es scheint, andere dorthin schiitzend geleiten muB (65 d). 
Deren Art ist mir jedoch nicht ganz klar. Er mul wohl den Gliubiger oder dessen Stell- 
yertreter zur Wohnune des Schuldners geleiten, wie in Text Il der cities deu smuiredach, 
wn den Sehuldner zur Zahlung zu veranlassen. Mul er diesen auch zu gewissen Zu- 
sammenkiinften zwingen (65), auch d)? Gerichtsvcrsammlungen. was dd/v auch bedeuten 
kann, scheinen nicht gemeint. wenigstens nicht in allen Fallen. Doch kinnte es sich 
darum handeln, da8 ein anderer Erfillungsort ausgemacht worden ist als die Wohnung 
des Sehuldners, an den sich dann der Schuldner wie der Vertreter des Gliubigers zu 
begeben haben. etwa. wenn Unsicherheit im Lande herrseht. 

Stellt sich der Schuldner nicht zur Zahlung. so hilt sich der Gliubiger an den «itir 
(LT $ 48') und nimmt ihn. wie oben ausgefiihrt wurde. in Hatt. bis er durel) den Schuldner 
gelést wird oder. nach der Vertallsfrist, sich selber lost. Aber natiirlich haftet er nur 





! Wenn es hier beiBt man geht zum rath oder zum a@tire. so ist das wohl ein Zeugma, da der ater 
schon in der Begleitune des Gliubigers oder seines Vertreters ist. 


qe 


58 TRURNIASEN: 


Kontrahenten schon bestanden haben oder neu entstehen. Das wird in drei Kommentar- 
stiicken ausgefiihrt. die in der Sammlung H. 5. 15, 9) —10a (OD. 7. 45 f.) = H. 3.17. 546 
(OD.758f., hier das dritte unvollstiindig) unter dem Stichwort Jnudegail aitire 7 rl. “Sehutz 
des @. usw. stehen: 

1. Na hue neither risa nidechaidh int vitire 7 ima-rucad amach, is ed dlegur a n-ic 
tura cend, 7 ctamad ail ni aile daera air sinm acht ani visi-rucadh amach €7 ro+uchtaigedh 
air, nochr-dlegar a n-aera air.7a dénam donti d-rucadh conarfo|-achtaiged air acht sic. 
7 és [s]lin do swum can ni nad asa haithle “Alles, wofiir der oitire (die Biirgschaft) einge- 
gangen und wofir er weggefiihrt worden ist. das mu fiir ihn (?)' gezahlt werden. Und 
obschon man ihn fiir etwas anderes belangen méchte als fiir das, wofiir er wegvefiihrt 
und was (als) auf ihm (ruhend) ausgemacht worden ist, darf' man ihn nicht dafiir be- 
langen. Und dem, von dem er fortgeftihrt worden ist. (d.h. dem Schuldner) steht der 
Beweis zu, daf nur dieses (als) auf ihm (ruhend) ansgemacht worden ist. Und fiir ihn 
(den witire) ist es bu@Bfrei, wenn er nichts weiter zahlt.’ 

2. Int aitire. na huili neichi ima. ndechaid a n-aitirins on etl 7 ro» fds air 6 sin amach, 
is fola sin a cend in aitires na huile neiche nar[o|-achtaiged air on cetld 7 na-ras air 6 sin 
amach, nochon fola sin a cenn ind aitire “Alles, wofiir der gitire die aitire-schaft eingegangen 
ist vom ersten Tag an und was ihm weiterhin (daraus) erwachsen ist (durch Verzige- 
rung der Zahlung), das ist (Schuld-)Objekt fiir ihn als aitire*: alles. was nicht vom ersten 
Tag an (als) auf ihm (ruhend) ausgemacht worden ist und was ihm nicht weiterhin (aus 
der Grundschuld) erwachsen ist, das ist nicht (Schuld-)Objekt ftir ihn als «itire. 

3. Int aitire tucad re fiachaib airithe, ictar tara cend;7 na huili foglu nirvo-achtaigit fair 
in cétld, ni-hict{hjar ni dib sin tara cend. Mad ¢ inti |i-\ fil ldim, do-gni fogla 7 sé ’na iim, 
is comardughadh eturru 7 na feich frisi. fil aitire. Na fogla do-rigne roime 7 ni.” tarda{ilt a foli 
do i lé tabarta aitire., ni ditin 0. a? ie?) do aitire. ce acraithi inois tara vend, acht a mbeth 
cin tincisin coro. slintar aitire “Wenn ein aitire fiir bestimmte Schulden gestellt worden 
ist, so werden sie fiir ihn (? s. oben) bezahlt; aber alle Schadigungen (Vergehen, 
d.h. ihre BuBen'). die nicht (als) auf ihm (ruhend) ausgemacht worden sind, von denen 
wird nichts fir ihn(?) bezahlt. Wenn der, in dessen Hand er ist. Schidigungen ver- 
tibt, wihrend er in seiner Hand ist, tindet Aufrechnung zwischen diesen und den Schulden 
statt, fiir welche aitire besteht. Die Schadigungen, die er (hier wohl: der Schuldner) 
friiher veribt hat und die ihm (dem aitire) am Tag der Stellung des aitire nicht als (Biirg- 
schafts-)Objekt zugeteilt waren. ist vom «itiry (oder: auf Grund von aitire?) nicht zu he- 
zahlen, auch wenn er jetzt fiir ihn(?) belangt werden sollte. sondern sie bleiben uner- 
ledigt, bis der aitire entschaidigt (oder: freigegeben) ist.” —- 

Bei Gericht ist der aitire insofern dem rath gleich geordnet, als er sich. wie dieser, 
in der ‘Seitenversammlung’ (teb-airecht) befindet. s. oben S. 38. Doch galt in der dlteren 
Zeit ein aitire tir eine hohere Sicherheit als ein r@ti. Das Jehren zwei zusammengehirige 
Sitze des verlorenen Rechtstexts Findsruth Fithail, die H. 3.17, 519 (O'D.711) und AL 
I 120. 2f. zitiert sind: Emidhe dono, ni-gabhar raith do raith no aitire do eitire no geall do 
gill. Galur raith do cumung 7 aitire do raith 7 gell do aitire [7] fech do gell “Hiite dich also, 


1 In ¢ar-a cend (niemals chend), hier und in 3, ist die Beziehung des @ unklar. Auf den Schuldner kann 
es kaum gehen; am ehesten auf aifire, das dann urspriinglich in diesen Text noch weiblich gewesen wire. 
Vgl. @ cenn ind aitire in der folgenden Anmerkung. 

2 a@ cenn ind aitire wohl eigentlich: ‘unter dem Titel: aitire. 

% Nur so weit H. 3.17. 

4 Dieser Kommentator scheint an den adtire cairds zu denken. so daB weitere Verletzungen des cairde 
in Frage kommen kénnen. 


“Die Biirgschaft im irischen Recht. Ie. Aitire. 69 


einen rdith fiir cinen (andern) raith oder einen aitire fiir einen aitire oder ein Unterpfand 
(gell) fix ein Unterpfand anzunehmen. Angenommen werde ein rdith fiir »Kénnen«' und 
ein aitire fiir einen ra@ith und ein Unterpfand fiir einen aitire und die Schuldobjekte (selbst) 
fiir ein Unterpfand.’ 

Aber mit der Zeit anderte sich der Charakter des aitirr. Das geht aus einem Kom- 
mentar H. 3.17. 496a (OD. 665) hervor, dessen Titel lautet: D’ dnfulung feicheman toichedha 
for bidbuidh annso aig tobach fiach “Cher den Unterhalt des die Schulden eintreibenden 
Gliubigers durch den Schuldner (handelt) das Folgende’: Mad ria meodhonlaithe fo - foyra 
vitire feicheman cchtareriche, d imfulung aidhche apadh no re r¢ apuidth 7 troisce 7 treise imeeim- 
nighthe co-ruca fir no fiachas feichem (in) criche @imfuluny adhaigh in troisce nama ‘Wenn 
der aitiry des Glaubigers eines auswirtigen (cebiets vor Mittag (die Pfindung) ankiindigt, 
so ist er zu unterhalten (zu speisen) in der Nacht (am Abend. nach) der Ansage oder 
wihrend der Zeit der Ansage(-Frist)’ und des Fastens und des »Dreitags des Umschrei- 
tens«*, bis er (= wenn er nicht) den Wahrheitsbeweis* oder den Schuldbetrag erhilt: 
der einheimische Glaubiger ist nur in der Nacht des Fastens zu unterhalten.’ — Hier 
kommt also der ative des auswiirtigen Gliubigers. offenbar der Nachfolger des alten aitire 
cairdi, direkt zur Betreibung des Schuldners ohne Vermittlung eines einheimischen aitire: 
er ist einfach zur Mittelperson zwischen dem Glaiubiger und dem Schuldner, zum Stell- 
vertreter des ersteren geworden. Da nun auch der rath den Schuldner betreibt (oben 
S. 37f.), so versteht man. wie aitire und raith allmiblich verschmolzen und von den Jtin- 
geren nicht mehr unterschieden wurden. 

Auf diese spitere Form der aitire wird sich wohl der Abschnitt AL II 384, 17 ff. be- 
ziehen, wonach gewisse Ehefrauen aitire-schaft ibernehmen kénnen, und zwar in der Hohe 
ihres Ehrenpreises in Gegenwart ihrer Gatten und in der eines Drittels ihres Ehrenpreises 
in deren Abwesenheit: die Ehefrauen haben sich gewiB nie in Schuldhaft gegeben. Aitire- 
schaft von Frauen scheint aber nur andern Frauen gegeniiber méglich gewesen zu sein. 
ALI148.7 v.u. ist von einer weiblichen aitire die Rede, die Biirgschaft fiir eine Schuldnerin 
‘zuhanden’ einer Gldubigerin itibernommen hat’; die Gliubigerin betreibt” nun zuerst die 
Schuldnerin, dann (wenn diese versagt) die aitire und endlich die qitire die Schuldnerin. 
Also fiir diesen Kommentator ist aitire von rath kaum mehr verschieden, da die Glau- 
bigerin sich zuerst direkt an die Schuldnerin wendet, dann erst an die aitire. 

Die Entschidigung (slan) des aitire. Hat der aitire sich selber lésen und zahlen 
intissen, so hat er den Riickgriff auf den Schuldner. Er kann ihn durch Pfaindung zur 
Zahlung zwingen’. der aitire eines cairde mit zehntigiger Beschlagnalhmefrist nach AL 192, 12, 
der sonstige aitire ohne Beschlagnahmefrist nach ebenda 230, 4 v.u. Hier ist auch slan 
cairde rig” “Entschidigung fir den (verletzten) cairde eines Kénigs’ erwihnt, was die Glosse 
dahin versteht, daB der Kénig selber aitire fiir den cairde ist”. 





D.b. wohl: statt der bloBen Erklarung des Kontrahenten. leisten zu kénnen. 
D.i. die Frist (10 Tage) zwischen der Ansage (der Pfindung) und dem Fasten. 
s. ZCP 15, 268. Der Kommentar denkt an Ejnleitung der Pfandung durch Fasten. 

+ Wohl den Beweis vor einem Richter, da8 der Betriebene nichts schuldet. 

5 Die englische Ubersetzung gibt: “A femal surety came to surrender herself.. into the hands 
of a femal plaintiff’. Aber das ist nach dem Folgenden nicht der Sinn; zu re ( fri) laim vel. z.B. AL V 348. 17. 213 
andere Beispiele unten. 

* Kigentlich: ‘sie sagt an’ (apadh). 

* Bevor er selber gezahlt hat. darf er nicht mit Zwangsmitteln gegen den Schuldner vorgehen. Ein 
aitire handelt wie ein naidm, wenn er den Schuldner in Begleitung eines naidm(?) am Brustlatz packt, bevor 
er selber gezahlt hat (TI § 42). Ein naidm wird sonst neben einem aitire nicht erwahnt. nur neben einem rath. 

» rig felt zwar in einer Hs., ist aber auch hier durch die Glosse gesichert. 

§ Nach H. 3. 18, 262b (C. 523) schwoért vielmehr der Konig. den aétire selber zu lésen. 


woe 


70 THURNEYSEN: 


Wie hoch belautt sich die “Entschidigung ? Nach dem jiingeren Text (oben S. 641) 
bei aitire cairdé auf den doppelten Schuldbetrag und die 10 ‘Kiihe der Wartung’ (oder 


‘des Ubernachtens’ nach S. 66) — und zwar fiinf von ihnen verdoppelt. fiinf einfach. 
also im ganzen 15 —- und seinen Ehrenpreis. Da er selber den einfachen Schuldbetrag 


und 10 ‘Kiithe der Wartung’ hat zahlen miissen, erhalt er also iiber seine Schadloshaltung 
hinaus noch einmal den Schuldbetrag und seinen Ehrenpreis, auBerdem nach diesem Text 
5 Kihe als BuBe, was aber eine jiingere Bestimmung zu sein scheint. Text II $ 3 sagt 
nur. da die schuldige Sippe ihm doppelt zahlt; damit ist vielleicht nicht gemeint. daB 
sie alles verdoppelu muB. was der aitire bei seiner Losung gezahlt hat. sondern es ist nur 
eine kurze Ausdrucksweise. Ausfiihrlicher ist Text I $ 67. wo bestimmt wird, daB der 
aitvrs eines beliebigen Vertrags dieselbe Entschidigung erhilt wie ein aitire cardi. namlich: 
1. seine ‘Wartung’ ( fomrilt, vgl. oben ‘die Kiihe der Wartung’): 2. seine “Bemiihung’ 
mluath, Vergiitung fiir die Zeit. die er und seine Leute heim ersten Versuch. die Schuld 
einzutreiben, verbracht haben, s. oben S. 45f.): 3. seine ‘Titigkeit (Vergiitung fiir die 
dureh die Schuldhaft versiumte Arbeit); 4. den Wert von 7 cumal niath (21 Kiithen, den 
er nach semem Verfall fiir seine persénliche Lisung hat zahlen miissen): 5. nur erhalten: 
‘das joder: den) er gezahlt hat’: davor gewil eine Liicke. denn die Verdopplung der 
Sehuldsumme kann nach allen andern Texten nicht fehlen. Vielleicht: [7 “iablad neich| 
us comre* ‘und Verdopplung dessen,| was er gezahlt hat’. Moglicherweise hat auch 
der Ehrenupreis in der Lticke gestanden (vgl. logh a eurch wana miad TLS 71 beim rath). 
doch ist das unsicher. Die Bestimmungen schwanken also etwas, aber feststehend scheinen 
die Verdopplung des Schuldbetrags und die ‘Verptlegungsktihe *. 

Auch der aftire entzieht sich. In Text II $2 ist von dem siumigen aitirr die 
Rede, der zwei oder drei Aufforderungen unbeachtet liBt, dann vom muiredach gezwungen 
wird. sich zu stellen und wegen seiner Lissigkeit sein Lésegeld selber zahlen muB. Aber 
der aiti kann sich auch seinen Pilichten véllig entziehen. Das heiBt eluth der aitire 
TI 3 66, vgyl. aitire as-lui feily “ein a.. der sich dem Anstand (der Ehrbarkeit) entzieht 
ALT 214. 3 veue: aueh dul tria aitire AL TV 318.7 vou. (verderbt: dul tur aitiry V 368, 7) 
‘durch seine tire Uindurchgehen’, eine Anbildung an it trig lugae ‘er gelit durch (= bricht) 
seinen Eid’ Ml. 36 a 23. das seinerseits durch lat.per-durare veranlaBt ist: ferner ailsed 
a aitir “Vernachlissigung seiner a.) ALI 56. 55. 60. Da der «tire mit seiner Ehre ein- 
steht”, erleidet er dann den gleichen Ehrverlust wie der rath (und der xaidm) in dem- 
selhen Fall. s. oben 8S. 50. Nicht recht verstiindlich ist TI $ 66: “Wenn dann dieser 
witirve sich entzogen hat, weshalb wird von ihm eingetrieben? -— Es ist (geschieht) ihm nur. 
uum seinen Makel (sein Gebrechen) geltend zu machen. Bedeutet ‘nur’. daB nichts wirk- 
lich yon ihm eingetrieben. sondern nur seine Ehrlosigkeit durch irgendeinen Akt fest- 
gestellt wird? Oder betont ‘nur’ lediglich die Hauptbedeutung des Eintreibens der 
BuBbe? Die Glosse zum obigen athgabui aitire as+ lui feile Jautet ALL 218,11: ‘Es ist 
dasselbe wie beim rath, (eine Pfiindung) inbetreff des Eintreibens (fubach). was aber 
nach dem Vorhergehenden (Z. 4) zu verstehen ist: “damit er cintreibt ; er wird gepfiindet., 
damit er seine Fintreibungspilicht erfiillt. Doch ist natiirlich nicht sicher, daB das schon 
der Sinn des alten Textes ist; denkbar ist auch, da man ihn pfindet, um die Schuld 
und einen bestimmten BuSbetrag von ihm einzutreiben. Naheres habe ich in diesen 
Texten nieht gefunden; doch vgl. unten S. 72 zum Sonntagsgesetz. wo der ait7+ eine 
wirkliche Bube zahlt. 


Vel. dublud inech icus amach (beim giall) AL I 136. 7. 
* In den Glossen ist erwihnt: Ehrenpreis und Verdopplung AL V 228.9: Ehrenpreis ebenda I 2287: 
2.75. * Vel. a fuil for inchaih aitire 7 raithi AV T 228.5 vu. 


Die Biiryschaft im irisehen Recht. te. Aitire. 71 


Bisher war uur yon aitiry fiir einen beliebigen Vertrag oder fiir einen Vertrag, 
meistens Friedensvertrag, mit einem auswiirtigen Stamm die Rede. Aber es kommen 
auch andere aitiry vor. namentlich fiir die Erhebung und Ubermittlung der BuBen fiir 
die Ubertretung eines Gesetzes (rin). Wir besitzen leider nur noch zwei irische “Gesetze’ 
nit Ausfithrungsbestimmungen, erstens das Gesetz Adomnans (cain Adomudin), das der 
bekannte Abt von Iona 697 in Irland zur Annahme brachte und das 727 erneuert wurde’; 
es ist zum Schutz der Frauen und der jugendlichen Kleriker bestimmt, wiihrend die er- 
wachsenen Geistlichen und Ménche durch ein vermutlich jilteres, aber verlorenes ‘Gesetz 
des Patricius’ (ain Pétraic) geschiitzt waren. Zweitens das Sonntagsgesetz (iin domnaiy). 
das zuerst $887 in Inland erwihnt wird. mit sehr strengen Bestimmungen iiber die Sonntags- 
heiligung’. 

Im ersten heiBt es §$ 53. jede Hauptkirche (jedes Hauptkloster) habe drei vitire tir 
Adomnans Gesetz: den Prior (secnap). den Koch und den Tausmeister. und jede*® Sippe 
(derb-fine) dureh ganz Irland hin einen vitire und jeder® hohe Fiirst (ard-flaith) zwei aitire. 
Ferner $ 49: “Das ist die »Freiheit« (das Privileg) aller ative. die dieses (resetz td. h. 
die BuBen fiir seine Verletzung) eintreiben gehen. dali das Vergehen von Sippengenossen 
nicht auf sie fallt (sie nicht dafiir einzustehen haben), solange sie die aitir(-Biirgschatt) 
tragen und Besitz haben (ansissig sind) und sich (ihren Piliehten) nicht entziehen, nur 
ihr eigencs Vergehen und das Vergehen ihrer Nachkommen und Kinder und _ ihrer 
Dienerschaft (amus). Diese ‘Freiheit’ vertritt also gewissermaBen ihre Lihnung. Die 
aitire haben Anspruch auf Verpilegung wihrend des Eintreibens* nach $ 48: “Die Wahr- 
nehmer (rechtaire) yon Adomnans Gesetz miissen gut gespiesen werden. soviel ihr Ge- 
folge betriigt’, d.h. der «étire selbtiinfter; und jeder einzelne, der die (BuB-)Schulden 
des Gesetzes eintreibt. ist nach seinem Rang" zu speisen. sei er Herr oder Geistlicher 
oder (gewohnlicher) Laie. Eine cvmal (wohl 3 Kiihe) kommt jedem von ihnen zu. dem 
die Speisung vorenthalten wird. wenn die Nchulden cingetrieben werden. Die Schuldigen 
sind es. die speisen (miissen). und (== oder) die, die die Mitverptlichtung fiir (ihre) Sehulden 
tragen (d. h. ihre Sippengenossen, Herren usw.). Wenn (auch) diese nicht speisen. er- 
halten sie (die «itire) zwei eumal.* 

Nach dem Sonntagsgesetz kann der. der einen Ubertreter erwischt, selber die BuBe 
erheben. Sonst (Anecd. II 24, 18) ‘hat der Mann, der belangt, die Wahl, ob er auf Grund 
von cross (der von der Kirche, dem Kloster gestellten Sicherheit) oder von Geisel (vom 
Konig verptlichtet) oder von Pfandung oder von aitire des Nichsten (Sippengenossen) 
zuhanden eines muéire die Schulden eintreiben will, ‘tie zuhanden eines muire’ 
bedeutet wohl. daB der mei den Sippen-vitirer verpilichtet. Diese actire sollen nach 


i 


H 
2 


eg. u. tibers. von Kuno Meyer (Aneeduta Oxoniensia). Oxford 1905. 
ee. von O’Keerre. Anecdota from Ir. Mss. III (rgro) 21 ff; (nicht durchweg richtig) tibersetzt von 
Doxatp Macrean. The Law of the Lord’s Day in the Celtie Church (Edinburg 1926). S. 3 ff. 

3 Statt (aitire) cana (deirbfine) und cana (ardflatha) \. cacha. 

4 Vel. oben S. 36 Anm. 4. 

5 Das ist jedenfalls der Sinn des Satzes. Vielleicht ist Zi mbis @ mumnter za lesen und do socrbiathad 
vor dm oder hinter mu/niir zu versetzen. 

8 |, miad (miaith R). 

* In den jungen Anfangsabschnitten des iiberlieferten Gesetzes. die wohl aus einer Zeit herriihren. wo 
seine Beobachtung mehr nur noch ein frommer Wunseh war. als dali sie mit den alten Mitteln erzwungen 
worden ware, ist § 26 gesagt. dai Adomnan als raths und Vertreter (gremann) fiir die Erfiillung des Gesetzes 
“cu seinen Handen’ (frie lam) erhalten habe: ‘den Sohn jedes Hausherrn. die Seele des Beichtvaters, jedes 
Geschipf. das gebt und kommt’ usw. mit dem Beisatz: ‘denn fiir einen schlechten Schuldner nimmt man einen 
rath, auf daB der rath zahle. wenn der Schuldner nicht zahlt. Ebenda § 22 sind als ratha 7 yremand gar ge- 
nannt: Sonne, Mond und andere Geschépte. die Apostel. die gré8ten irischen Heiligen. Das hat mit recht- 
lichen Bestimmungen nichts mehr zu tun. 


72 THURNEYSEN: 


23, 15f. nicht besonders bestimmt werden, sondern dieselben gelten wie fiir das ‘Gesetz 
des Patricius’ (s. oben). Auch hier betreibt der aitire mit vier Begleitern oder Mithelfern 
(24, 20f.). Ferner heiBt es (23,17/ff.): “Wenn der aitire vor Mittag (zum Eintreiben) ge- 
nommen wird, so wird er sofort (an demselben Tag, vom Schuldigen) unterhalten, falls 
nicht (gleich) das Unterptand gestellt wird; wenn der aitire nach Mittag genommen wird, 
so unterhalten ihn die Schuldigen am folgenden Tag, falls der Schuldige sich nicht an 
einem Ort befindet, wo er nichts zum Unterhalt oder zum Unterpfand hat. Wenn er 
Unterpfand stellt, wird der Spruch sofort gefallt’ oder am dritten Tag, wenn der Schuldner 
(fechem) oder der aitire das vorzieht; und sie (die Schuldigen) unterhalten ihn so lange, 
wenn sie (den Aufschub) erbeten haben*.’— Von dem Bufbetrag erhilt nach 22, 22 ff. 
‘die Halfte der, der belangt® und ihn erhebt, die andere Halfte die mire und die »Herren«, 
und alle zahlen ein Siebtel (davon) an die aétire’ (darin besteht also hier der Lohn des 
aitire), Endlich 24,15 ff.: “Wenn die Schuldigen sich entziehen, unterhalten sie (nachher, 
zur Zeit der Eintreibung) die aitire und sichern durch Unterpfand und zahlen den aitire 
das Doppelte von allem, was diese ausgegeben haben, sei es Unterpfand oder Speise* 
oder Zahlung (der BuBbetrag). Wenn die aitire sich entziehen, so wird eine cumal von 
8 Unzen von ihnen erhoben.’ Also auch diese aitire fiir ein Gesetz miissen zunichst 
selber zahlen, wenn der Schuldige sich entzieht. Da8 ihnen auch das Unterpfand (geil) 
doppelt ersetzt wird, zeigt, da es sich nicht um eines handelt, das sie fiir die eigene 
Zahlung gestellt haben — denn das wiirde ihnen bei der Zahlung zuriickgegeben werden -~-, 
sondern eines, durch das sie die Zahlung des Schuldners fiir einen bestimmten Termin 
sicherten, das dieser aber dann hat verfallen lassen. Vom Ehrenpreis ist bei der Ent- 
schidigung dieser aitire nicht die Rede; dagegen wird hier von dem sich entziehenden 
aitire ausdriicklich eine BuBe erhoben (s. oben S. 70). — Wesentlich ist, daf hier aitire 
Birgen sind, an die man sich wenden kann, aber nicht muB, um die Schuld einzu- 
treiben. 

Auch in den Sagentexten werden dfters aiire erwihnt. In Fled Bricrend ladt Bricriu 
die Ulter zu einem groBen Gelage ein; da man aber erwartet, da er dabei, wie immer, 
Unfrieden stiften wird. rit der alte Sencha: ‘Wahlt aitire dafiir und setzt acht Schwert- 
triger um ihn, daB er aus dem Haus gehe, sobald er euch das Gastmahl vorgefiihrt hat’ 
(§ 7). Es geschieht so, und nach der Vorfiihrung des Gastmahls ($ 13) “wurde ihm bei 
der Ehre der attire befohlen, das Haus zu verlassen. Da erhoben sich die aitirv, ihre 
bloBen Schwerter in den Handen, um ihn aus dem Haus zu treiben.’ Bricriu verlaGt 
dementsprechend die Halle. 

In Cath Maige Tured (Rev. Celt. 12, 62 $ 24) erhailt Bres mac Elathan das Kénigtum 
von Irland, obschon er nur von miitterlicher Seite Irlander ist: aber er mu 7 aitire aus 
den irischen Kriegern (trénfir) seiner miitterlichen Verwandtschaft stellen, daB er es zu- 
riickgeben wiirde, falls er sich unkéniglich benehmen sollte. Da das wirklich eintritt, 
stellen die Einheimischen die Forderung an ihn ‘auf Grund seiner Bindungen (Garantien)’, 
und so’ gibt er in der Tat die Herrschaft an sie zuriick (§ 40). 

In Tain Bo Cuailnge (edd. Strachan-O Keeffe, 2919 ff.) ist jedem von sieben Kinigen 
aus Munster Findabair, die Tochter des Herrscherpaars von Connaught, versprochen und 


1 Vom aitire? Oder von einem Richter (vgl. 23.13)? Doch kann nach 23,12 der den ee Fas- 
sende selber twalang brithe ‘fihig zum Spruch’ sein. 

2 Die Frist ist wohl bestimmt, Enitlastungs- uder Belastungszeugen beizubringen. 

3 adhiré (23,1, atderi Edinb.) ist :-- ad: fir. dic deuterotunierte Form zu xad-atdbri (22,18) und zum 
Abstraktum aidbriud. 


+ Wohl die Speise. die ihnen vorenthalten worden ist, so daB sie sich selber haben bekistigen mitssen, 


Die Biirgschaft im ivischen Recht. Le. Aitire. 73 


dureh 15 aitirr verbiirgt worden als Lohn fiir seine Teilnahme am Feldzug. ‘latsachlich 
wird aber das Madchen einem andern gegeben. Die aufgebrachten Kénige wenden sich 
aber hier nicht an die afirr, sondern direkt gegen Findahairs Briider, so dai sich ein 
verlustreicher Kampf erhebt. Von den afire ist nicht weiter die Rede; Findabair stirbt 
vor Scham'. 

Im Saltair na Rann. der biblischen Geschichte. die 987 gedichtet ist. sagt Joseph 
zu seinen Briidern. die angeblich seinen Becher gestohlen haben (3585 ff.): “Gebt fiir euer 
Leben einen hervorragenden aitire*, euren eigenen jiingsten Bruder. der Benjamin hei®t. 
Der a/tire ist hier gewissermaBen der Stellvertreter fiir mehrere Schuldige. die sich aber 
nicht entziehen wollen. Das Wort ist hier wohl in der Bedeutung von Geisel (gial/) 
gebraucht, wofiir unten mehr Beispiele. 

In Togail Bruidne Da-Derga § 66 herrscht unter Kinig Conaire solcher Friede, daB 
selbst die Wolfe jedes Jahr nicht mehr als ein Stierkilbchen aus jeder Viehhiirde holen. 
Sieben Wolfe sind als Geiseln fiir Einhaltung dieses ‘Rechts bei ihm an die Wand ge- 
fesselt. und hinter ihnen steht Maec-Loce als cid-aitire (Riick-aitire '). der fiir sie im Hause 
Conaires spricht (nimlich wenn die Wolfe angeklagt werden, inehr geraubt zu haben). 
Hier ist also «aétivvy nur der stindige Vertreter vor Gericht. da die Wolfe sich nicht selbst 
verteidigen kinnen. Behielte der Kliiger recht, so miiBte wohl nicht dieser ci/-aitirv. 
sondern miifiten die Geiseln selber dafiir herhalten, die man ja in der Hand hat. 


Vielleicht findet sich ein fihnlicher Gebrauch von aétive auch in einem Rechtstext. 
In Heptas XLVIL (AL V 272, 8) ist unter den Frauen, ftir deren Beschlafung man keine 
BuBe schuldet. aufgetiihrt: ‘eine Frau, die die aitirr Gottes (eines Geistlichen) oder eines 
Menschen (Laien) »erbittet«* unter Darbietung ihres Leibes. Man kénunte denken, daB 
sie sich auf diese Weise einen Fiirsprecher vor Gericht zu gewinnen sucht, etwa, wenn 
ihr Mann sie der Unzucht bezichtigt. Allerdings kann es sich auch um einen Biirgen 
fiir irgendwelche Schuld handeln: in Hept. LVIII (VY 308) findet sich unter den Entschuldi- 
gungsgriinden (turbuidr) eines Mannes, sich einstweilen einem Zweikampf zu entziehen: 
‘das Betreiben einer Schuld. fiir das er von einer Frau »erbeten« wird’, wo freilich eher 
ein naidm als ein «itire gemeint sein wird. Die Glosse 274. 2 v.u.” denkt auch an die 
bestehende Moglichkeit. / fomatu « curp als ‘fir Darbietung ihres Leibes zu fassen: die 
Frau stellt einstweilen eine aitire, dal} der andere. wo er sie auch treffen mag, sich mit 
ihr vereinigen darf. Doch ist das gewi® nicht der Sinn, da aitire in der Alteren Zeit 
in der Regel eine Art Stellvertretung bezeichnet. 

Endlich erscheint in Coie Con. Fug.. 8.23 $ 19 ein «tire bei der “Bindung’ des 
fiintten “Wegs zum Urteil, d.h. bei den Fallen. wo die Art des Prozesses und Pladierens 
nicht von vornherein feststeht. sondern bei denen man den Richter um Bestimmung der- 
selben angeht. Es hei®t dort: ‘(Dieser Weg) soll auf eines ati7e FuB zur Begleitung ge- 
bunden werden, «dl. h. wohl: ‘ein aitire soll den Beklagten zum Richter begleiten’, und 
die — freilich unmafigebliche Glosse bezeichnet ihn als einen aitire aus den Herren- 
stinden. Es ist nicht ohne weiteres klar, weshalb hier gerade ein qitire als Sicherung 
bestimmt ist, da es sich nicht um die Vertretung des Beklagten vor Gericht. sondern 
um die Garantie fiir sein Erscheinen handelt: auch der Abschnitt S. 33 $ 32 bringt kein 





Vel. auch die Beispicle. wo aitire und rath wechselt. oben S. 34. 
In der Vulgata, Gen. 44.17: Ipse sit serrus meus. Die Anderung des Iren ist auffallig. 
Vgl. den cvl-rath oben S. 52. aber mit anderer Bedeutung. 
Es ist dasselbe Verb ad-guid. das auch ftir die “Erbittung (Stellung) eines naidm sebraucht wird 
(s. oben S. 60), und das auch mit dem Objekt “Geisel’ vorkommit (s. u.). 
5 Wo eitire statt cirig zu lesen ist: auch da scheint verderbt. etwa fiir dv oder de. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 2. a 


74 THURNEYSEN: 


Licht. Vielleicht wurde ein a/tre gewahlt. eben weil die Art des Prozesses nicht test- 
stand, man also von vornherein weder ein Unterpfand (wie bei Weg 1. und 3.) noch eine 
Biirgschaft wie vai/m oder rath (Weg 2. und 4.), die sich ja eigentlich auf Vertragsf lle 
beziehen, als Sicherung bestimmen konnte. Der aitire steht gewissermaBen in der Mitte, 
er kann sowohl als ein (lebendes) Unterpfand wic als ein Vertragshtirge angesehen werden: 
darum mochte man gerade einen solchen verpflichten. Doch gestattet der kurze, friih 
veraltete Text keine klare Einsicht. 

Die letztgenannten Falle bewegen sich jedenfalls sehr an der Peripherie der eigent- 
lichen Bedeutung von «itire. 


d. Giall. 


Ein sehr altes Wort fiir gewisse “Biirgen ist ferner ir. yiuil (Gen. geill, m. o-St.) 
‘Geisel’. Das zeigt einesteils, dali es auch im Britannischen als kymr. grystl akorn. guistel 
bret. goest# und in dem gallischen Eigennamen Cou-qeistli in Karnten (CIL IIE 4887)! und 
— wohl als altes Lehnwort -—- in ahd. as. gise] an. gisl ags. gisel usw. vorkommt, )e- 
sonders aber, dai es in uraltem Ablaut zu ir. gell (Gen. gill, n. o-St.) ‘Unterpfand’ steht. 
Das letztere Neutrum bezeichnet eine Sache, die als Sicherung in die Hand eines andern 
gegeben wird, der gia/l einen Menschen in derselben Verwendung. Im Kymrischen und 
Bretonischen hat aber das maskuline Wort die Bedeutung des irischen Neutrums iiber- 
nommen. Wihrend ir. yiall und gril zunachst nur auf die Grundformen “ghéislos und: ghislim 
weisen, nimmt man wegen der britannisch-gallischen Lautgestalt wohl mit Recht an, daB 
die urspriinglichsten Formen ‘g/vistlos und “ghistlom gewesen sind*, wobei unentschieden 
bleiben mag, ob im Germanischen <é/ selbstiindig zu s/ geworden ist oder ob das Wort 
von einem keltischen Stamm iibernommen wurde, der bereits die Reduktion zu s/ durch- 
gefiihrt hatte’. 

‘Geiseln’ sichern vor allem die Konigsherrschaft, sowohl die eines hiheren Konigs 
tiber ihm untergebene als auch die des Stammeskénigs tiber seinen Stamm. Da der 
Konig beim Regierungsantritt Geiseln erhalt, wird in den Sagentexten oft erwiihnt': und 
giallad ‘Geiseln stellen’ hei®t direkt soviel wie ‘sich unterwerfen’ oder ‘untertan sein. 
gehorchen’ (vgl. giallnae ‘Geiselschaft’ und “Untertan-Sein’). Von diesen Geiseln soll im 
folgenden nicht gehandelt werden. Doch sei gleich hier bemerkt. dai sie den aitire so 
nahestehen, dafi dieses Wort manchmal an Stelle von giai/ tritt. Nach der Vita Tripartita 
des Patricius (ed. Sroxes, S. 58, 3f.) befanden sich drei Edelknaben ¢ ngiallnai ‘in Geisel- 
schaft’ bei Kénig Loigaire; der jiingere Auszug daraus (ebd. 462. 5) sagt dafiir, sie seien 
a n-eterius “in aitire-schaft’ gewesen. Im Leabhar na g-Ceart (ed. O'Donovan), das die Ver- 
pflichtungen der einzelnen Kénige gegeniiber dem Oberkénig von Irland aufzahlit, wird 
S. 134 als Privileg der Airghialla erwihnt, ihre itr? wiirden nicht in SchloB (glas) und 
Ketten gelegt, sondern schwiiren nur zuhanden (fo dim) des Kénigs; wenn dann einer 
entwiche, so erlange er weder die Erhschatt ( foirbh) der Erde noch des Himmels [sondern 
komme in die Héle]*. Das sind deutlich die Geiseln". Denn da® diese in Fesseln oder 


1 Vel. auch COCESTLVS auf Silbermtinzen der Boier Pannoniens. Hotper [ 1057. 

* Siehe Pepersen. Vergl. Gramm. d. kelt. Sprachen T 136. 

8 Man ist versucht. auch das etymologisch unklare lat. »?-Ai(wm) zu gell zu ziehen als ‘nicht (einmal) ein 
Pfand, geschweige denn die Leistung selber’. Zum Lautlichen vgl. pilum aus *pistlom (2 Dem. postillum): s. Souner. 
Krit. Erlauterungen zur lat. Laut- u. Formenlehre. $. 25; Srorz-Leumany I 1509. 

4 Z.B. Tuctha .. gefi|ll fer n-Alban Anecd. from Ir. Mss. 12.2: for-nenaise a giallu Togail Bruidne Da- 
Derga § 14. Nur allzu kleine, armliche Gebiete stellen keinen Geisel nach AL I 82. 10. 

5 Dasselbe im Gedicht S. r4o. 

* Vel. auch oben 8.73 die Stelle aus Saltair na Rann, 


Die Bitrgschaft tne trischen Recht. ld. Gial. ie) 


festgeschlossen gehalten werden. wird oft erwihnt. z. B. AL IV 50. 22: LL rg0b 17 ve u. 
Doch war das nicht immer ihr Los. Geméal der Sitzorduung ftir die Kénigshalle AL IV 338, 17 
—— es handelt sich um einen Stammeskénig —- sitzen die Geiseln (yed{?]) mit ihm in der 
Halle, zwischen seinen Frei-Genossen (sverch?//) und dem Richter, deutlich ungefesselt. 
Festgeschlossen (/ nglasih Z.19) sind dort uur ye[/]/ dithme “die Geiseln des Vertallens’, 
d. h. deren Angehérige sich vergangen haben, und die dem Konig verfallen sind, weun 
sie nicht bis zu einem bestimmten Termin durch die Schuldigen gelést werden (vgl. unten. 
auch oben bei tir). Diese gefesselten Geiseln betinden sich ebenfalls in der Halle. aber 
vor dem Sitz zur Linken der Tiir, wo der Krieger (fi?) und der Tiirwart. beide mit 
Lanzen bewaffnet. sitzen. 

Solche Geiseln zuhanden des KGnigs btirgten nicht nur im allgemeinen fiir die Bot- 
miGigkeit der Untertanen. sundern speziell fiir die Ausfiihrung der einzelnen Bestimmungen 
des Kénigs. fiir das. was das irische Recht c@ "Regelung’ nennt', im Unterschied von 
urradus, den Bestimmungen des Gewolhnheitsrechts. AL 1 260,15 heibt es: It retheora 
arag (lL. cethir: oder cethri airy: oder ts cethurda arag) fris-tobngiter na ceithri aur[rjathais: 
athgabail fri: bratiha Cai. giall fri cain, aitirn fri ecairddi, gell fri neimthiu ‘es sind vier 
»Bindungen«, womit die vier vurrathas” eingetrieben werden: Pfaindung (Pfand) bei den 
Urteilen Cai’s (d. h. beim Gewohnheitsreeht), G-cisel bei e@in, aitire bei cuirde, Unterpfand 
(yell) bei Heiligtiimern (d. h. nach der Glosse: fiir Verpflichtungen gegenitber der Kirche)’. 
Die Glosse (274, 2 v.u.) erklart das zweite Glied: “Was in cain geschuldet wird, wird 
aut Grund eines Geisels eingetrieben’. 

Uber eine besondere Funktion der ‘Geiseln als Biirgen. die uns hier speziell inter- 
essiert, wiiren wir besser unterrichtet, wenn der alte Rechtstext iiber Geiselschaft erhalten 
wire, der in die Sammlung Senchas Mar aufgenommen war. Leider sind aber von diesem 
ganzen Teil nur ein paar kurze Exzerpte oder Stichwirter mit Glossen und Kommentarstiicken 
auf uns gekommen in zwei Handschriften des Trinity College (Dublin), nimlich in H. 3. 17 
(jetzt 1336). Sp. 160a—163 (OD. 198—206), gedruckt in AL I 116. 7 v.u.—118, 6° 
und 132—144, und andere, aber kiirzer glossierte in H. 3. 18 (1337). S. 379a—b (C. 825 
bis 826). von mir mit C und den Seitenzahlen von O'Currys Absehrift. die mir allein 
vorliegt, zitiert. Sowohl die abgcrisscnen Zitate wie die erklirenden Abschnitte sind zum 
Teil schlecht tiberliefert'. Drei -— gleichfalls mangclhaft wiedergegebene —- Kommentar- 
stiicke finden sich auch in Oxford, Raw. B. 506, fol. 16r. (OD. 2237f.): davon sind die 
beiden letzten identisch mit AL Il 1382 ff. und 142. 3ff., nur das erste hat in AL keine 
wortliche Entsprechung. In AL ist 140. 2 v.u. bis 142.6 v. u. cin Abschnitt eingeschoben. 
der sich ganz allgemein auf érebaire “Biirgschaft’ bezieht, nicht auf den Geisel oder min- 
destens nicht auf ihn speziell’, 

Bevor ich diesen Triimmern zu entnehmen suche. was sie etwa noch lehren, méchte 


_ 


ich einen Fall vorftthren, wo die Funktion des Geisels véllig klar ist. Er steht in der 


! Zu diesem Begriff s. Coie Con. Pug. 8. 65 $16: 73 $47: ZCP 16.195 Aum. 1. Doch sind die Birgen 
fiir edin Adomnain oben 8.71 aitire genaunt (zum qeall gabala ebd. s. 0. S. 44 Anm. 3). Aber fiir das Sonntags- 
vesetz gab es sowvhl ‘Ceiseln’ als atire (oben 8.71). Ebenso wird nach ZCP 16. 194 bei cain auf Grond von 
‘Geisel und aiterr cingetrieben. 

+ Aurrathas ist nicht gleich wrradus “(Gewobobeitsrecht’. sondern bedeutet etwa “Geschuldetes. Es ist 
Kompositum von rd@this. das AL IV 144.11 ve u. in der Bedeutung “‘Haftung vorkommet (beth fo rathus = beith 
fo cinaid 152. IO). 

Hier ist S.a18.5 hinter ¢ochai?l cin Punkt zu setzen. 

' Nameutlich verweebseln die Schreiber fortwihrend geil ¢ — gel). yell und géll. Doeh sind das die am 
lviehtesten zu heilenden Versehen. 

° Rawr. sucht tha auf den Geisel passen zo machen. indem es fiir frvdaire immer geall no trebaire vinsetzt. 


10: 


76 Troersuysnrn: 


Abhandlung tiber die verschiedenen Arten der Eintreibung des crd, des Blut(geld)js, der 
TétungsbuBe, dic K. Meyer. Eriu I 214 herausgegeben hat. Es handelt sich um den Fall. 
daB der Mérder einer andern Provinz (roied) oder eimem anderen gréBeren Stammegebict 
(mor-thuath) angehért und das Blutgeld durch Vermittlung des Konigs des Getéteten er- 
hoben wird. “Wenn er (dieser Kénig) der Kénig einer Provinz ist, so geht er in das 
Haus des Konigs von (ganz) Irland. wenn er der Kénig eines groBen Stamms ist, in 
das Haus des Kénigs der Proving oder des soustigen anderen Koénigs' und faBt (oder: 
nimmt, yuibid) dort einen Geisel fiir das Vergehen (die VergehensbuBe) dessen, der seinen 
Maun getétet hat, bis dal der ihm = sein Blutgeld zahlt. Und dann wird das Blutgeld 
geteilt. Ein Siebtel davon erhalt der Geisel. vermittelst dessen es eingetrieben wird. vor- 
weg. Darauf wird es (d. h. der Rest) in drei Teile geteilt: ein Drittel erhalt der hohe 
honig, der es eintreibt, cin Drittel bildet das Blutgeld fiir die Sippe (des Getéteten), und 
ein Drittel erhalten alle die vielen Herren”. Und der Konig der Proving oder des groBen 
Stamms nimmt das ganze Blutgeld an sich auBer dem Anteil des hohen Kénigs*®, und 
ferst) von ihm erhilt jeder scinen Anteil, sowohl die Sippe als die Herren (1. flathi). Von 
dem Drittel. das den Herren zukommt. behalt er ein Drittel fiir sich. und der Herr. der 
ihm am nichsten steht. erhilt (zunichst) die zwei andern Drittel: und jeder von ihnen. 
d. h. jeder ‘Herd’ (Haushalt), aus dem es (weiter) geht, behalt jJeweils ein Drittel (des 
Rests) fiir sich, bis nichts mehr davon tibrig ist.’ 

Also hier biirgt der Geisel nicht fiir Verletzung von Sonderbestimmungen (cai) des 
Kénigs. sondern fiir die BuBe fiir Tétung. d.h. fiir ein Vergehen, das an sich gegen 
urradus, das Gewohnheitsrecht der Einbeimischen. verst66t. Freilich gehért der Schuldige 
cinem andern Stamm an, so dai die Belangenden nicht einfach durch Pfindung gegen 
ihn vorgehen kinnen wie im eigenen Stammgebiet. Aus dem kurzen Ausdruck: er ‘faGbt’ 
oder ‘nimmt den Geisel, darf man nicht ohne weiteres folgern, daB dieser Geisel ohne- 
hin im Haus des oberen Kénigs vorhanden war: es kann auch lediglich bedeuten. da 
er ibm gestellt werden muB. und das ist nach dem unten Folgenden wahrscheinlicher. 
Der Geisel erhiilt als Loln fiir seine Titigkeit eine bestimmte Quote (ein Niebtel’): aber 
als der eigentlich Kintreibende wird sein Konig betrachtet. der denn auch die tibliche 
(uote fiir das Eintreiben fremder Anspriiche (cu/f tobaiy), némlich ein Drittel, bezieht.— 


Der oben erwihnte fragmentarische Text begann nach ©. 825 mit dem Satz: Dr 
guimaib yiall guibter®, gellaiter (\. -tir) rechta, fris+timorg|t\ar tuatha. in. troethatar fo mann 
morflatha” “Auf Grund der Téitigkeiten von Geiseln. die genommen (gefaBt)’ werden, werden 
Herrenrechte verbiirgt. wodurch Stémme im Zaum gehalten werden, wobei sie unter die 
Obliegenheiten gegeniiber einem hohen Herrscher gezwungen werden. Danach kénnte 
es scheinen. als ob es sich um die gewédhnlichen Botmabigkeits-Geiseln handelte. Aber 
im folgenden war offenbar von Geiseln mit andern Funktionen die Rede. Freilich. welche 
das sind. war schon dem Kommentator AI I] 116 nicht mehr sicher. Er meint zunichst. 
diese Geiseln wiirden fiir Erftillung des ‘Solls in urradus gestellt, wie sie sonst fiir can 
gestellt wirden. Oder aber. da e> fiir wrrad/us keine Geiseln gebe. sondern gepfindet 





' Nimlich des Kénigs des Gebiets. dem der Morder angebort. 

* Das ist der Konig. des Getéteten und die “Zwischenherren’. die zwischen dem Kénig und der Sippe 
des Getiteten stehen. s. oben SN. 62. 

2 Und natiirlich auBer dem Siebtel des Geisels. 

4 Vel. das Siebtel des aitire im Sonntagsgesetz. oben S. 72. 

> So weit auch AT. II 132 zitiert. 

* Das Folgende unsicher. 

Statt des Simplex ga/hid “nimmt. faBt (hier und im obigen Text) gebrauchen die Koumentatoren 

fast immer das Konipositum tocbail oder furgabail. wortlich “erheben . 


Die Biirgschaft im trischen Recht. td. Giall, 77 


werde, handle es sich um Geiseln, die den Herren des Untrei-Lehens (/vor-ruth) gestellt 
wiirden fiir Erfiillung des “Solls’ der Genossen (Zinsbauern). Das Zweite ist sicher falsch: 
nach allen andern Texten stellen die I nfrei-Gcenossen. obschon ihr Verhiltnis zum Herrn 
giallna (hier == Untertanenschaft) heiBt. niemals Geiseln'. Sein Bedenken gegen das Erste 
ist an sich berechtigt. da in der Tat sonst fiir wrradvs immer Pfindung als Betreibungs- 
mittel genannt ist. Vielleicht lost sich das Dilemma so. dab urspriingliech nur dann durch 
Geiseln betrieben werden konnte. wenn Angehérige verschiedener Stimme in Betracht 
kamen wie oben beim Blutgeld, dai} dann aber sekundiir diese Betreibungsart auch im 
einzelnen Stammesgebiet aufkam imeben der Pfindung): etwa dann. wenn die Parteien 
verschiedenen Bezirken (afhos) angehorten. die unter verschiedenen mud (s. unten) standen. 
Jedenfalls ist in den folgenden Fragmenten und Erklarungen nirgends von verschiedenen 
Stimmen die Rede und wird immer nur ein Fiirst erwihnet. nicht zwei wie beim Blutgeld. 
Auch der Kommentator AL 134. 15. 16. 20 spricht von mrrudus, 

Der Geisel steht ftir Schulden seiner Sippe oder seines Sippengenossen (a fue) 
ein nach verschiedenen Stellen des Kommentars (AL 134. 2: 1360.4 und 2 vite: 138. 3): 
es dient also ein Sippenglied als Geisel. Dammit vergleiehe man. dab fiir Adomnans Gesetz 
jede Sippe einen adfire stellt oder bezeiechnet foben S. 71). Aber aly der den Ceisel 
Stellende erscheint nicht die Sippe. sondern ein “Fiirst) (flai/). So in der Glosse AL 
136. 8 y.u.: “Es wird ins Werk gesetzt (atuiyithur). dali die volle Zahlung (L. lan n-crce) 
des Geisels auf die Seite dessen fallt. der ihn gestellt hat (Aveus/ur). wenn er yvernach- 
lissigt (nicht gelést) wird. oder wenn er fiir ihn volle Zahlang (1. v-erer /ain|e|) geleistet 
hat; das ist der Herr (Fiirst). der ihn »erbittet« (st. v/iiy uid leat. nguid), und der Stamm ?. 
Dabei ist wieder dasselbe Verb ad. guid ‘erbittet: gebraucht wie oben beim Schuldner und 
heim riith. welche macs oder xaidms aly Garantie tir die Erfiillung ihrer Pilichten stellen. 
Ebenso C 825: Lethslan fir tl. fuir?)) i dethshaw forsan mbidbali\d. a-lleth n-aill forsan 
faith ad-guid in giall “Die halbe Entsehidigung (fillt auf ihn?), d.h. die halhe 
Entschidigung aut’ den Sehuldner. die andere Hiilfte aut’ den Fiirsten. der den Geisel 
rerbittet«. Und ebd. weiter unten: Dewi ar (he dem iar) fallath .é.flatha ad-yuid in 
ylall, 7 bidbudh “Wenn es nach Versiumnissen ist, d. hl. des Firsten. der den Geisel 
»erbittet«, und des Schuldners’. Nach diesen Glossen scheint der Fiirst selber in gewissen 
Fallen zablen zu miissen: am wahrscheinlichsten, wenn er den Sehuldner widerrechtlich in 
seinen Schutz nimmt. so da dieser den Geisel weder l6st noch nachher entschidigt'. Aber 
wer von ihm eintreibt. ob etwa der (eisel dann gegen seinen cigenen Fiirsten vorgehen 
darf, ist nicht mehr ersichtlich. 

Einmal kommt das Verb a/-gae/ auch mit anderem Subjekt vor, in © 825 in der 
Glosse zu for da leth ‘aut zwei (beide) Seiten: .¢. bidbaia) tarsa-n-erenar 7 muire 
ad-guid iar nu-apad doib ‘das ist der Sehuldner. fiir den ivom Geiseli gezahlt wird. und 





1 Somit ist auch die anschlieBende Bemerkhung wohl wertlos, daB diese Geiselu, wenn sie Geiseln fiir 
einen Adligen seien. die Wahl hatten. ob sie sich pfinden oder ob sie tuchail marhtha itber sich ergeben lassen 
{iiber diesen Ausdruck s. unten S. 80) wollten. wihrend. wenn sie Geiseln fiir Gemeinfreie seien. diese Wali 
dem Glaubiger zustehe. 


2 Moglicherweise ist das letzte nicht cine Erklarang des Vorhergvhenden, sondern eine Glosse fiir sich. 
In dem Absehnitt sind sehr versehiedene Glossen aneinander gerciht. 

Das scheint nicht dasselbe Zitat wie AL 136: Bedidh leth lan {h lth-stan teote der Glosse?) vge [ell 
do-tuit for cach: denn in C steht das Bruchstiiek hinter dem Zitat for da lth (und zwar iiecht unmittel- 
bar), das in Al. 138: tt for da lth lanrraie evst davaut folgt. 

1 Vel. detin ar bith-varth oben 8.35. Vielleieht bezog sich auf diesen Pall das mir nicht wang klare 
Bruchstiick C. 826: (+ forag fre imdeghail i+. a chis jr Mme gail n-indhigthig. So-rrigar cen fosiulgui. 
Wird etwa der Tribat (cs) cinem solehen Fiirsten yvorenthalten? 


18 Part evrysra: 

der muire. der »erbittet«, nachdem sic angezeigt haben’'. Soll man dieser Stelle ent- 
nehmen. dab auch der mire. der Bezirksvorstand oder das Sippenhaupt, Geiseln stellt? 
Sie ist gar zu abgerissen, als da®B man viel darauf bauen michte: es kénnte ud + guid 
leicht ein Fehler fiir od-yair ‘der belangt (némlich die Gegenpartei) sein. Sicher ist 
nur. das neben dem Geisel ein muwire auftritt. wie oben neben dem acta. und zwar nicht 
nur in Glossen. sondern auch in dem Zitat AL 142: Wad giall no muire [indruidhe indlig- 
thigi?| asa mam mifocul, do-miditer mifoluidh “Wenn es ein Geisel oder muir widerrecht- 
lichen Anfalls (Eintreibens) ist. deren iibles Wort (falsche Aussage) das gribte ischlimmste) 
ist. so wird ihnen Disqualifikation zugemessen. Demnach treibt der Geisel oder sein mv 
die Schulden ein. wie wir es oben beim aitirry gefunden haben. Auf dieselbe Titigkcit 
der beiden. und zwar wiederum widerrechtlich ausgeiibt, indem fir eine nicht geschuldete 
Summe belangt wird, geht die Erklairung, die Al. 142 Anm. aus ( 826 gedruekt ist: “Hin 
Vergehen gegen das andere (oder: gemif dem andern). d.h. ein Schuldbetrag 
gemifs dem, was der Geisel oder der muiré von ihnen eintreibt, mit Freiheit von der 
Belangung(s-Summe). die yon ihm tdem Belangten) gefordert wird. Die jiingeren Kommen- 
tare. die von solehen Widerrechtlichkeiten handeln. scheinen von cinem Belangen der 
Gegenpartei durch (reisel oder muir nichts mehr zu wissen. sondern Gliubiger oder 
Schuldner gehen selber vor (s. unten)’. 

Uber die Art. wie das “Fassen’ oder “Erheben des Geisels vor sich geht, machen 
weder die Textfragmente noch die Glossen nihere Angaben. Nur in der AL 140 Anm. 
aus © 826 gedruckten Glosse heiBt es vom ferhem (Glaubiger oder Sehuldner). der — 
dort widerrechtlich —- den Geisel (der Gegenpartei) faBt. er mache ihn zum cimbid. zum 
verfallenen Gefangenen. Es ergelit also dem Geisel. wenn der Schuldner sich entzieht. 
ganz wie dem aitire (C1 $67): er wird in strenge Haft genommen. 

Wohl aber beschiaftigen sich die Textbruchstiicke und besonders eingelend die Kom- 
mentare mit der Zeit. nach der der gefaBte oder erhobene Geisel verfallen ist, mit dem. 
was er dann zu zahlen hat. und wie er darauf zu entschadigen ist. Darauf beziehen 
sich namentlich die drei Zitate AL 134— 136: 1. Ar-suilh trichu imbuair berur’ ‘Vs \e- 
dingt, dai 30 Rinder genommen werden; 2. Arsuidli (Arsail ©. 825) slan do giallaib 
yaibtur “Es bedingt Entschadigung an die Geiseln. die gefabt werden’: 3. Ar boin cach n-aidlche 
ailes ‘Denn er fordert (hat Anspruch auf) ein Rind ftir jede Nacht’. Zu 2. Jautct eine 
sowohl AL 136.5 und g als C $25 stehende. also sehr alte Glosse: Is ed slan nge[illl 
i bai fesi geil? i. cca. alin 7 uit. cumala a dithma 7 diablad (diabul C) fiach for bidbuid 
‘Das ist die Entschiidigung des Geisels: auf den Schuldner (fallen) die »Kiihe des Uher- 
nachtens« des Geisels (s. oben S. 66). 30 an der Zahl. und die 7 cuma/ seines Verfallens 
(21 Kiihe, der Wert eines Mannes gleich seiner Tétungsbube) und Verdopplung der 


! Namlich dem Geisel des Gliubigers. da dieser zn Unreelit den Geisel des Schuldners “erhoben hat. 
So scheint die Stelle nach AL 138 zu verstelen. das im fibrigen in der Erklarung selr abweicht und keinen 
miuire erwilint. 

2 Die Ergiinzung nach einer Glosse in H.2.15.43h (OD. 4.173): wohl fudrith mndligthig a lesen. Viel- 
leicht fehlt dahinter noeh etwas. 

3 Die Glosse AL 132. 3 sagt: “Bei den Geiseln. von denen er (der Verfasser des Textes) spricht. er- 
wahut er keine »Zwischenherrn« (etarflaith), uur die Hand. in der sie sind (d.h. den, dev den Geisel getait 
hat). Und doch ist ja der mere ein Zwischenherr. Aber der Satz bedeutet offenbar nur. daB bei der — naeh- 
her bebandelten -- Teilung keine Zwischenherren erwalnt werden (wie das oben beim Blutgeld der Fall ist). —- 
Kigentiimlich ist die Kommentarstelle AL 134. 10 ven: “Und der Zwischenherr erhilt nichts. weil er seinen 
Stamm nicht im Zaum halt: also offenbar der unmittelbare Herr des oder der Schuldigen. Aber ein solcher 
ephalt —- wie natiirlich -— oben auch vom Blutgeld nichts. nur die Zwischenherren des Glaubigers. Vielleicht 
eine auf MiBverstindnis beruhende Ausfithrung eines Spiitlings. 

1 OAT, 132. 08 in der Form: .lrsegh trichat ho berar. * om CL 


Dir Biirgschatt tm rrischen Recht, bd. Giall, 79 


Schulden’. Der Geisel scheint also nach der 30. Nacht seiner Haft zu verfallen (doch 
s. unten). Die 30 Naéchte und die TétungsbuBe (ftir das Vertallen) erkennen auch die 
Kommentatoren an, aber nach ihnen allen sind die ‘30 Kithe des Ubernachtens’ nicht 
Vollkiithe (Milchkiihe, jede zu 24 Scripuli). sondern im ganzen nur 21 Milehkiihe’, so da} 
also bei der Entschédigung neben der doppelten Schuldsumme nur der doppelte Retrag 
der TétungsbuBe zu zahlen ist: sie fiigen aber den Ehrenpreis des Geisels hinzu. der 
in der alten Glosse (und in ( auch sonst) nicht auftritt. Fast alle reehnen die 30 Kiihe 
des Textes als 27 trachtige Ktthe (jede = 16 Ser.) und 3 Milchktihe, also zusammen 
432 + 72 504 Seripuli oder 21 Vollkithe*. Dabei schildern sie das allmaihliche Anwachsen 
der Schuld ganz wie beim aitire toben 8. 64). Der Geisel gibt jeden der 27 ersten Abende 
ein Unterpfand fiir ein jaihriges Kalb oder im Wert eines jihrigen Kalbs (co/pach von 
8 Seripuli). und das ‘wird nach der Nacht zu einer triichtigen Kuh (40 innlega von 
16 Ser.), d. h. der ihn dann lésende Schuldner miiBte diesen doppelten Betrag zahlen: 
an den drei letzten Abenden stellt er ein Unterptand ftir (oder: von) je eine(r) zwei- 
jahrige(n) Farse (savaise’? von 12 Ser.), die sich jeweils nach der Nacht gleichfalls ver- 
doppelt zum Wert einer Milchkuh (24 Ser.). 


Die Zahlung geht nach dem Kommentar AL 136.6 v.u. so vor sich: ‘Eine Frist! 
gibt es beim Geisel zum Leisten (d.h. zur Bezahlung der Sechuld durch den Schuldner) 
bis zum Ende von 30 Tagen. Wenn dann geleistet wird. so zahlt seine Sippe (sein Sippen- 
genosse. der Schuldner) seine 7 cwma/. Die werden zwischen dem Fiirsten (flaith) und dem 
Geisel’ geteilt: zwei Drittel erhilt der Fiirst und eines der Geisel: oder sie halbieren”. Wenn 
die Sippe des Geisels am Ende’ yon 30 Tagen nicht leistet, dann zahlt er zwei Drittel 
der 7 cumal [oder] ihre volle Taltte an den Konig (77) und zahlt er das ‘Vergehen’ (die 
Vergehensschuld). fiir das er »erhoben« worden ist’. Und dann wird ihm von seiner 
Sippe [als Entschidigung] das Doppelte der (zwei) Drittel oder der Halfte gezahlt und das 
Doppelte des »Vergehens«, das er gezahlt hat. und sein Ehrenpreis’’. —- Bei dieser Rech- 
nung fallt auf, das die BuBe fiir das Verfallen (die zweiten 7 cwmal) nicht gleich nach der 
30. Nacht gilt. sondern erst nachdem der Geisel selbst gezahlt hat. “Bis zum Ende des 
30. Tags kann aber nicht etwa bedeuten ‘bis vor der 30. Nacht ; denn bis dahin witirden 
nur 20 Milehktihe, nicht 21 (7 cumal) als “Ktihe des Ubernachtens’ geschuldet. Es vergeht 
also nach diesem Erklirer nach dem Ende der 30. Nacht noch eine gewisse Zeit bis der 
Geisel zahlt. In der Tat spricht die sehr verderbte Rechning AL 134. 18 von den “zwei 
Kiihen des Verfallens des Geisels’. die zu den 30 Kithen (des Ubernachtens) hinzukiimen; 


1 Dasselbe auch (. 825: Dic wt. laithy torre ho co cenn. wer lathe do loig duint,ai, eumala ditth|m 
‘Die, d.h. »Tag«: d.h. 30 Rinder bis zum Ende von 30 Tagen fiir den Wert eines Menschen, [und ?] die 
7 cumal des Verfallenys’. 

2 Nur der Kommentator AL 134. 131% 1aBt bei c@n 30 Unzen (- - Milehkithe) gelten. aber bei urradus 
auch er nur 21: das Ende ist tibrigens verderbt und unvollstandig. Auch sonst sind diese Rechnungen reich 
an Fehlern. z.B. AL 134, 5 1. ockt sgribuill st. ccithri sg. und seeht n-aidhce st. ceithr’ n-o. Das Kommentarstiick 
132. 18-—24 kehrt 134. 8 v. u. —136. 3 wieder: sie verbessern ihre Fehler gegenseitig. Der Erklarer 132. 8 v. u. 
bis 134, 3 erhilt die 504 Scripuli, indem er 32 Nachte (statt 30) rechnet (s.u.) und ftir die ersten 30 je 16 Scr.. 
fiir die zwei tibrigen je 12 (1. da + st. se) ansetzt. 

3 Auch 132.5 samaise st. samluidh zu lesen. 

4 Vor anad ist zu interpungieren. 5 St. giallna |. giall. 

® AuBerdem zahlt ‘die Sippe’ natiirlich die Grandsehuld nebst den Zuschlagen ftir das anfanglicbe Sich- 
[entziehen. 

St. giall in cinne |. geill 7 cina. 

> Da der Kénig hier nicht genannt ist. offenbar an den Glaéubiger. Von der einzutreibenden Schuld 
selber erhalt demnach der Konie¢ hier nichts (anders oben bein Blutgeld). 

9 Nur die schlieBliche Summe, aber mit der gleichen Verteilung findet sich auch in dem Kommentar 
132. 18ff. > 134.8 vou, 


SQ) Troeurvrysen: 


er rechnet also noch eine Verfallszeit .on 2 N&ehten. Ebenso erwahnt der Kommentator 


AL 134. 1 ‘die zwei Naechte, die zu den 30 Nachten hinzutreten’'. 


Nach «dieser Darstellung zahlt also der verfallene Geisel. wm sich zu lésen. nicht 
seinen vollen Preis (7 q@una/), sondern nur zwei Drittel oder die Halfte’. und zwar an 
den Kénig, nichts davon an den Gliubiger. Dieser, der doch den Geisel 30 Nichte in 
Haft gehalten hat. erhalt tiberhaupt keine besondere Vergiitung fiir seine Wartung. Wahrend 
heim aitiry die “10 Ktthe des Ubernachtens’ (oder ‘der Wartune) dem zufallen. bei dem 
er die Zeit bis zu seinem Verfallen in Haft zugebracht hat, sind hier die ‘30 Kiihe des 
Ubernachtens nur die Summe. nach der die schlieBliche “Entschidigung des Geisels he- 
rechnet wird, nachdem er selber gezahlt hat. Als “Entschidigung erhilt dieser vom 
Schuldner nicht nur alles ersetzt. was er geleistet hat. sondern den doppelten Betrag und 
dazu seinen Ehrenpreis’. 

In anderen Kommentaren ist der Gliubiger doch etwas besser gestellt; vgl. AL 134. 20: 
‘Die Teilung der >» TétungsbuBbe« (der 7 evmal) des Geisels ist in wrradus und in cain 
dieselbe. nimlich cin Drittel erhalt der hohe Konig, ein Drittel der Geisel und ein Drittel 
der Gliubiger. Hier bekommt also der Gliubiger 7 Kiihe fiir die dreiBigtigige Wartung. 
aber diese gehen dem obigen Anteil des Kénigs ab. 

Fine etwas abweichende Entschidigung des Geisels ist in dem offenbar jungen Stiick 
AL 144, 4ff erwihnt bei ciner bestimmten Art. den Geisel zu ‘erheben’, die téebail com- 
loighthi ‘Erhebung mit Verrechnung genannt wird': ‘Wenn der Glaubiger gekommen ist. 
den Schuldner zu belangen. und der Schuldner sich eutzogen hat, so gebithren iim vom 
Schuldner 5 s@¢ und (sein) Ehrenpreis und Verdopplung der Schuldbetrige. [Wenn] er 
dann den Geisel aufgesucht und dem Geisel cine »Frist des Aufsuchens« gewahrt hat. so 
daB der Geisel den Schuldner belangen gegangen ist. und wenn der Schuldner sich dem 
(xeisel (ebenfalls) entzogen hat. so gebiihren dem Geisel (vom Schuldner) 5 sét und (sein) 
Ehrenpreis. Wenn daraut der Glaubiger gekommen ist, den Geisel zu belangen, so »liuft« 
daftir die »TétungsbuBe (coirpdire) der Verrechnung« bei beidseitigem Einverstindnis. (Es 
wird dann ausgefiihrt. daB8 durchaus sowohl der Gléubiger als der Geisel mit tocbail 
comloighthi einverstanden sein miissen. indem sonst tochdil marbtha stattfinde. Der Geisel 
stellt, wie oben dargestellt. jeden Abend ein Unterpfand, so daB die Schuld nach der 
30. Nacht 21 Kithe betrigt.) “Deren Halfte kommt dem Geisel zu und die andere dem 
Glaubiger: und ein Drittel zahlt jeder von ihnen beiden [an den Fiirsten]’. Fir so viel. 
wie der Gldubiger vom Geisel erhalten hat, hat der Schuldner diesem das Doppelte zu 
zahlen: ftir so viel aber, wie in seiner (des Geisels) eigenen Hand oder bei seinem Fiirsten 
verblieben ist, hat ihm der Sehuldner nur Ersatz (den einfachen Betrag) zu zahlen®. Das ist 
die »TétungsbuBe der Verrechnung«’. Die »TétungsbuBe der Tétung« (coirpidire marbtha) 
jedoch: Wenn der Schuldner nicht Unterpfander und Bindungen (Garantien) fiir den Geisel an- 
bietet (damit er nicht »erhoben« wird). schuldet er TétungsbuBe und Ehrenpreis an (wért- 
lich: in) seinen eigenen Geisel. Das wird nicht naiher ausgefiihrt; aber aus den paar noeh 
folgenden Worten ist ersichtlich. dal das Hinzutreten des Ehrenpreises den Unterschied 


1 Zu seiner Rechnung s. oben S. 7o Aum. 2. 

+ Man mochte sagen. er ‘verfallt’ tiberhaupt nicht ganz, sondern nur zu zwei Dritteln oder zur Hialfte. 
* Vel. auch die Glosse AL 136. 6: iss edh slan nge{i]ll7 (1. 27.) eencchiun 7 dublud inech icus amach. 

+ Der Gegensatz ist dort tocbail marbtha “Evhebung der Tétung’; s. u. 

> don flaith ist im Text ausgefallen. Der First erhalt also hier nur ein Drittel \on der ganzen TétungsbuBe. 
* Natiirlich auBer dem, was er ihm fiir das Sich-Entziehen schuldet. 

Der Unterschied vom Obigen ist also. daB. was der Geisel dem Fitrsten zablt. ihim nur einfach. nicht 
doppelt ersetazt wird. 


Div Biirgschaft im ivischen Recht, 1d Giall, Sl 


ausmacht. Nach dieser Schilderung wendet sich also der Gliubiger zuerst an den Schuldner. 
dann erst an den Geisel; iiber \hnliches beim aitizy in jungen Texten s. oben S. 69. 


Der SchluBteil des alten Textes hehandelte Widerrechtlichkeiten beim Nehmen des 
Geisels und auch — teilweis widerrechtliche -- GegenmaBnahmen des Schuldners. Doch 
sind von ihm in beiden Hss. nur kleine Brocken erhalten, su daB man fast ganz auf 
Glosse und Kommentar angewiesen ist. Einen guten Begriff. um was es sich handelt. 
erhalt man zunichst aus dem Kommentar AIL 138, 5 ff., der sich in der Erklarung des 
alten Bruchstiicks findet: Tet for da leth laneruie “Vole Zahlung geht auf zwei (beide) 
Seiten’. Der Fall ist folgender. Der Schuldner hat sich der Zahlung entzogen, und sein 
Geisel soll dafiir gefaBt, “erhoben’ werden: dieser bietet aber “Unterpfiinder und Bin- 
dungen’ an, sei es fiir die Zahlung, sei es, wenn die Schuld nicht anerkannt wird, dafiir, 
da er oder der angebliche Schuldner sich einem Richter zur Entscheidung stellen wird. 
Der Gliubiger verweigert jedoch die Annahme und faBt widerrechtlicherweise den Geisel 
trotzdem ': 


“Wenn der Schuldner dem Geisel des Glinbigers angezeigt hat, dai die Unterpfander 
und Bindungen vom Geisel des Schuldners (durch den Gliubiger) nicht angenommen worden 
sind, und wenn der Geisel des Gliubigers nicht selber Unterpfiinder und Bindungen an- 
bietet (fiir die BuBsumme fiir dieses widerrechtliche Verfahren des Glaubigers, und wenn 
daher nun auch er vom Schuldner »erhoben« wird), so schuldet der Schuldner seinem 
eigenen Geisel die TétungsbuBe und der Gliuhiger sowohl seinem eigenen Geisel als dem 
des Schuldners die Tétungsbube’. Wenn (aber) der Geisel des Glaubigers selber dem 
Schuldner Unterpfiinder und Bindungen anbietet, dieser sie aber nicht annimmt*, son- 
dern ihn trotzdem »erhebt«. schuldet der Gliubiger sowohl seinem eigenen Geisel die 
ToétungsbuBe als auch dem Geisel des Schuldners. und schuldet ferner der Schuldner die 
TétungsbuBe sowohl dem Geisel des Gliubigers* als seinem eigenen Geisel. Das heiBt: 
»Volle Zahlung geht auf beide Seiten«. - Oder aber: der Schuldner ist buGfrei bis zu 
einem Drittel’, weil der Gliubiger vorher die Unterpfinder" und Bindungen vom Geisel 
des Schuldners nicht angenommen hat; der Schuldner ist (deshalb) bu®frei bis zu einem 
Drittel gegentiber dem Geisel des Glaubigers; und das, was (dadurch) dem (eisel abgeht, 
muB der Gliubiger seinem eigenen Geisel (selber auch noch) zahlen«. Die Ausfiihrungen 
der Kommentare, inwieweit dann die gegenseitigen Forderungen von Gliubiger und 
Schuldner sich aufheben, interessieren uns hier. wo es sich nur um den Charakter der 
Geiseln handelt, nicht. 


Hier tritt also fiir jede der beiden Parteien ein (ieisel in Aktion. Ungefihr das- 
selbe ist in dem Kommentar AL 138. 23ff. ausgefiihrt': angefiigt ist aber (140. 7) die 
BuGBe. die den trifft. der die ee BeDyarte fiir eine Schuld (ein wetgenen) peng die ea 


' Vygl. © 826: Sluvindter bed u-uayg .t. forsan fechemain gadis in yiall etechta 7 do-yni cimbid de ‘Es 

werde volle Verfeblung verkiindet, d. h. fiir den Glaubiger, der den Geisel ungebiihrlicherweise faft 
und ihn zum verfallenen Gefangenen macht. 
* Der Schuldner zahit dem eigenen Geisel die TétungsbuBe, weil er sich entzogen hat und also den 
Geisel hat einstehen lassen: der Gliubiger beiden Geiseln. dem des Schuldners, weil er ihn trotz der angebo- 
tenen Unterpfinder usw. erhoben hat. und seinem eigenen. weil der fiir die BuBe fiir dieses widerrechtliche 
Verfahren einstehen muB, da sie der Gliubiger nicht gutwillig zahlt. 

> In Rawt. 506 (OD. 2237) ist, statt des Anbietens von Unterpfandern usw. der Fall gesetzt. daB der 
(reisel des Glaubigers diesen durch Fasten betrieben hat. um den zu Unrecht crhobenen Geisel des Schuldners 
zu befreien (Lom  dingbail [yell] ‘nx bidbad de). daB der sich aber dieser Betreibung entzogen hat. Der Goeisel 
des Gliubigers hat alsu seine volle Ptlicht erfiillt, soweit ex in seinen Kriften stand. 

' Weil er ihn trotz der Unterpfander usw. erboben hat. 

* D.h. ein Drittel der Tétungsbube entfallt fiir ihn. 

5 St. giall no 1. gella na. * Auch AL 132, erster Abschnitt. 


Phil.-hist. ADh. (028. Neo 2. ll 


&2 TRURNTDYSEN: 


nicht besteht: “Die TétungsbuBe und der Ehrenpreis wid Vertallen des Vergehens, {tir 
das die Sippe des Geisels belangt wird, und' der gleiche Schuldbetrag wie der, fiir den 
belangt wird (ist die Bube), falls das Vergehen nicht besteht-. Die Hilfte der Tétungs- 
buBe und ein Drittel des Schuldbetrags®. fiir den belangt wird. (fallt) an den Konig und 
ein Drittel des Schuldbetrags an den Mann. der belangt wird‘, falls nicht (widerrecht- 
licherweise) ein (eisel fiir den andern erhoben worden ist. Wenn cin Geisel fiir den 
andern erhoben worden ist. so wiegen sich die zwei Widerrechtlichkeiten aut. abgesehen 
vom Schuldbetrag, fiir den die Sippe des ersten Geisels’ belangt wird; dieser wird ge- 
drittelt: ein Drittel (fallt) an den Mann, der belangt wird, ein Drittel an den Geisel und 
ein Drittel an den Konig.’ 

Hierauf bezieht sich das lingste der erhaltencn Textbruchstiicke AL 140: Dleayu{i|r 
doib fiach fo ni do nimed. mad indliged do sasa recht’... “Sie haben Anspruch auf einen 
Schuldbetrag gemaif} dem. um was belangt wird’, wenn widerrechtlich betriehen wird... 


Die zwei Texte. aus denen wir allein das Wesen dieser Art ‘Geiseln’ kennen lernen>, 
der tiber dic Verteilung des Blutgelds und die Triimmer des alten Rechtstexts, betreffen 
nicht identische Falle. Dort handelt es sich darum, dab tiir einen Getiteten. dessen 
Morder einem andern Stammesgebiet angehiért, der Konig des (retéteten beim Oberkinig 
beider Gebiete durch Fassung eines (reisels die Zahlung des Blutgelds bewirkt: hier spielt 
sich anscheinend alles in einem einzelnen Stammesgebiet ab. Dort zahlt der Schuldige, 
soviel man sieht, ohne weiteres: der Rechtstext behandelte dagegen. wenn nicht allzuviel 
verloren gegangen ist, nur Fille, wo der Schuldner nicht rechtzeitig zahlt: ihm kam es 
nur auf die BuBen fiir diese Falle an. Ein wirklicher Unterschied ist aber. dal dort der 
obere Fiirst. ferner der Kénig und die Herren des (etéteten sowie der Geisel Teile der 
Schuldsumme selbst erhalten; hier haben der Konig des Stammgebiets und der Ceisel 
nur Anteil an den Bubbetrigen: von der Schuldsumme selber, soweit sie berechtigter- 
weise erhoben wird. ist bei der Teilung nirgends die Rede; sie fallt offenbar dem Glau- 
biger ungeschmalert zu (s. namentlich AL 132.10 v.u. — 136. 1). 

Als Hauptunterschiede des “Gcisels vom «tir. der ihm offenbar sehr nahe steht, 
lassen sich erkennen: 

1. Die Stellung eines Geisels ist immer durch einen Konig (Fiirsten) veranlabt. Ver- 
mutlich wird nicht fiir jeden Einzelfall ein (reisel neu gewihlt, sondern ist ein solcher 
fiir jede Sippe ein fiir allemal durch den Kénig bestimmt (erbeten’). Diese Geiseln be- 
finden sich aber, so wie die Kommentare die Vorginge schildern, nicht im Haus des 
Koénigs wie die Botmissigkeits-(eiseln. 


1 Steno Lz. 
+ Dieser Bedingungssatz gehort zum Vorhergehenden. nicht zum Folyenden (AL). 
St. incich 1. in feich. 

* Das iibrige erhalt der Geisel. 

° St. for in giall.Twsiuch |, for fou in yoll tuasich. ; 

6 L. do-sasar. Den verderbten Rest kann ich nicht heilen. Der SehIn®B: 1 comallat qealliibh enthiilt 
wohl dasselbe Verb wie wad. .comallat AL I] 306 (ZCP 14. 370f.): die Glosse umschreibt es lier wie dort mit 
com-im-luadh. 826 liest: Tncombat (sot) .1. feth w+. feth ad-comead cpe (le eree?) fair. 

* Dies der Sinn nach der Glosse: 7 ni ayortlhjar air (meine Erklirung ZCP 15, 273 Anm. ist kaum 
richtig). In der Glosse ist Z. 20 und 142.3 st. gyru (agra) bidbudh vielmebr agra borblachais zu lesen (so an 
der letzten Stelle richtig Raw. 506). 

~ Sonst werden sie nur in der Glosse AL V 150. 3—-u zu dem Satz in Heptas XVI erwilit: sdén ngill 
Jjir nad-aurniat (so H. 2—~15) ceart fri cach. den cin Glossator irgendwie auf den Geisel bezogen hat: aber 
er schdptt lediglich aus den oben besprochenen Kommentaren., Zu dem nur in He 2.15. 43b (OD. 4. 173) sich 
findenden Satz: no mad yiall no muir indruidle indlighthigi s, oben S$. 78 nebst Anim. 2. 


Die Bitryrchaft tin irischen Recht, be. Vrebaire, 83 


2. Die Verfallszeit (Losungstrist) des in Hatt genommenen Geisels dauert viel lAanger 
als beim qitirr. nimlich 30 (nach gewissen Kommentaren 32) Nachte statt nur 1o. und 
auch dann braucht er sieh nieht mit dem vollen Manneswert (der Tétungsbube) zu lésen. 
sondern behilt ein Drittel oder die Hiilfte dieses Betrags zurtick. Auch der. der ihn in 
Haft genommen hat, erhalt nicht fiir jede Nacht eine Kuh als Vergtitung der Wartung. 
sondern nach Verlauf’ der 30 Nichte nach den einen Kommentaren ein Drittel von 7 cml 
(also 7 Milchkiihe). nach andern gar nichts. Man mui allerdings damit rechnen, dali zu 
der Zeit der Kommentatoren. die diese Veilungen ausreelineten, der Brauch. dureh Geiseln 
zu betreiben. gar nicht mehr bestand, wie das die eine Glosse oben S. 76L. verrat; solcehe 
Rechnungstibungen an alten Texten finden sich in jiingeren Rechtskommentaren vielfach 
(vel. z. B. ZCP 15, 253 ff). 

3. Der (reisel kann sich — solange rechtmiiBig verfahren wird —- vor Hatt be- 
wahren. indem er ein Unterptand oder eine andere Garantie gibt’: diese Méglichkeit ist 
beim ati nirgends erwihnt (s. oben S. 03). Freilich i®r sich nicht mit voller Sicherheit 
sagen. ob das ein wirklicher Unterschied ist oder ob es nur ant’ Liieken unserer Uber- 
lieferung berubt. 

Wire die Einrichtung dieser Geiselschaft statt unterzugehen ausgebaut worden. so 
hatte sie wohl allmihliech dem Konig (‘dem staat’) cinen Zugriff ins Rechtsleben dar- 
geboten und ihm Anteil an BuBen auch fiir Verletzung des Gewohnheitsreehts eingebracht. 
wie das den Koénigen in Wales gegliickt ist. Aber Inland war offenbar nicht der Boden dafiir. 


Uber das Gegensttick des Geisels, das y// “Unterptand’. und seine auBerordentlich 
mannigfaltigen Verwendungen als Sicherung soll hier nicht gehandelt werden: das wtirde 
eine eigene Abhandlung fiillen, Es sei nur bemerkt, da es sowohl das yrl/ gibt. das 
einer fiir sich selber stellt und von dem im allgemeinen angenommen wird. dab er es 
nicht verfallen liBt, sondern dal es die allerbeste Sicherung ist. als auch ein ged/, das 
man fiir die Leistungen eines andern (etwa das Sippenhaupt ftir die Sippenglieder. der 
Lehnsherr fiir die Untrei-Genossen) gibt und das natiirlich 6fter verfallt und dann hohe 
Entschiidigung erfordert. Hier beschrinke ieh mich auf Personen als Biirgen und méichte 
nur noch einige allgemeine Ausdriicke besprechen. die sie bezcichnen oder mitbezeichnen. 


e. Trebaire. 


Wenn. wie oben S. 33 bemerkt. vai Bindung’ manchmal in weiterem Sinn gebraucht 
wird, so ziehen fiir diesen sowohl Rechtstexte als Glossen im allgemeinen doch das Kom- 
positum fo-nwidn ‘Unter-Bindung vor. das trotz der etwas abweichenden Praposition vielleicht 
dem lat. of-liyutio nachgebildet ist: seltener ist for-nvidi ‘Uber-Bindung’, zB. TIS 40%. 
Aber noch viel gebrituchlicher ist in den alten Vexten ein anderes Wort fiir “Bindung’ : 
arach (n.o-St. mit Plur. @ryge) zum Verb ad-rig ‘er hindet. bindet an, fiir jede Art von 
‘Sicherung verwendet. Selten in den Rechtsglossen. hiiwiger in der sonstigen Literatur 
findet sich auch glia ft. (auch fiir die bitrgenden Personen), Abstraktum zum Adj. gli. 
das ‘fest zu bedeuten scheint’: also “Festigkeit. Befestigung. AuBerhalb der Rechts- 


literatur wird sogar cor ‘Vertrag selber fiir “Biirgsehaft und Biirge’ gebraucht’. 


ES kann auelr der Sehuldner solele Garanteen fur den Geisel stellen nach S. Se. 
2 Vel Wisnisce. Tain Bo Cralnge. S.jgo Ani. 3: ylan ot. dusngean (VY CreRyY. 


ZB. Tain BLC. ped Simsenas-O Reritiy 22742 Mesea U lad (ed. Hexvesssy Soto: doch aueh PLS zoe. 


tl 


x4 TmuRNEYSEN 


In den Rechts-Glossen und -Kommentaren ist jedoch weitaus das gewohnlichste Wort 
trebaire f. far jede Art von Sicherung und Garantie. auch fiir den Biirgen selber. am 
Sftesten freilich fiir das alte rath. Die Bedeutungsentwicklung dieses Ausdrucks ist so 
eigentiimlich. daB sie wohl ein Wort der Erlauterung verdient. Trebaire ist vom Adj. 
trebor abgeleitet, das zundchst die Eigenschaft eines Mannes hezeichnet, der sein Landstiick 
(Erbland) richtig bewirtschaftet, auch die Ptlichten erfiillt. die daraut’ liegen. wie etwa 
Heeresdienst usw. Der Gegensatz ist eser¢, ein Mann, der sein Land verlaft und ungeniitzt 
liBt und dessen Pflichten verabsiumt: vgl. ALIV 128. 3. wo zwei comarha trebar. zwei ihr 
Land richtig bewirtschaftende Erben, beiderseits eines rser¢ siedeln. Ob die etymologi- 
sierenden Glossen trebar richtig in treb “Wohnung’ und ar ‘ptliigen’ zerlegen’ (also ‘den 
Wohnsitz pfliigend’). oder oh -ar bhloBes Suffix ist, kann dahingestellt bleiben; es gibt 
jedentalls den Begriff ganz gut wieder. AL IIl 54. 6 heiBt es: “Trebar ist jeder. der sein 
Sippenland unvermindert bewahrt. wie er es vortindet. der keine schwerere Belastung auf 
ihm hinterli®t. als die er vorfindet. Is hat dann weiter die Bedeutung ‘klug’ angenommen. 

Trebaire ist canichst Ahbstraktum dazu, also der Ausdruck fiir die Eigenschaften eines 
fer trebar: konkret kann es dann das bezeichnen, was man zur Bewirtschaftung des Landes 
braucht. AL IV 128.11 ist von einem esert die Rede. der von auswiirts zu seinem Land 
murtickkehrt mit ¢rebaire. doh. wie die Glosse erklirt. mit Vieh (¢rod/)*. Aber es he- 
zeichnet auch die Pflichten des ¢rbar, seine Haftung als Landbesitzef. AL [V 220 
werden Wassergriben aufgezihlt, bei denen der Landbesitzer nicht haftet. wenn etwas 
darin ertrinkt: “denn. heiBt es. “wenn nicht ein Ausnahmefall (rwdd/es) daraus gemacht 
wiirde. kénnte jeder auf Grund von ¢rebuire dafiir belangen’; wnd nachher wird ausge- 
fiihrt. daB sonst jeder zu zahlen hat. wenn etwas in einem ungentigend eingeziunten 
Wassergraben auf seinem Land zugrunde geht. In demselben Text 210 (unten) sind drei 
Regelungen genannt, welche Erben nicht andern kinnen: die Regelung (cain) inbetreff 
eines Mithlbachs (der durch das Landstiick getiithrt worden ist). die Regelung inbetreff 
einer FluBmiindung (eines Fischplatzes), die Regelung inbetreff einer Briicke (eines Kniippel- 
damms): ‘denn das sind drei ¢rebuvire, denen Erben sich nicht widersetzen kénnen, wenn 
ihre Vater und GroBviiter sie zu ihrer Zeit anerkannt haben. Ilier sind also die trebuire 
(irebaire) deutlich die Pilichten (Lasten). die auf’ dem Landstiick liegen. In der spiteren 
ganz allgemeinen Bedeutung kommt aber ¢rebaire in alten Rechtstexten noch nicht vor’ 
oder doch nur ein Anklang daran in halb bildlicher Verwendung in AL V 506,11. Es 
handelt sich um f@/. wortlich ‘einen Wall, einen Zaun, der das Riickgingig-Machen eines 
Vertrags, einer Gabe usw. verhindert*: Foal fir fosaigrthar dagnadmann CO sorathaib 7 S0- 
Jiadnaib: ar is and téit fual for’ trebaire, in tan do-n-athbongtar" cuir tar einige’ fear ‘der 
»Wall« eines Manns, der gute Bindungen mit guten raths und guten Zeugen befestigt: 
denn Jauche flieBt iiber die drebaire, wenn Vertriige iiber die Ehre yon Miannern weg 
aufgelést werden. Hier scheint mit dem Doppelsinn von ¢rebaire “Landwirtschaft (Bauern- 
hof)” und ‘Biirgschaft, Biirge-Sein’ gespielt zu werden. Doch versteht man, wie aus ‘Ga- 
rantie des Landbesitzers’ dann in weiterem Sinn ‘Garantie eines Khrenmanns und tiber- 
haupt “Sicherung werden konnte. wic cs die Glossen und Kommentare allgemein ge- 
brauchen. 


1 7, B. AL UI 56,15: cenep trebar 1. cencoh trebthach he im av 7 im buain: Ul 280. 13: besid tre- 
buire a im ar 7 im buain. 

¢ So ist auch athgabail trebaire 7 adhilce Al. 1 254.7 zu fassen. 

co treabair[?| “mit Birgschaft in dem alten Text i, V 428. 4 sebeint eine eingedrunvene Glosse. da es 

in H. 3.147.328 (OD. 428) fehit, 

+ Neben AL. ist die Kopenhagener Hs. (ZCP 4, 228) und ODay. g80 beigezogen. 

> fo AL. 5 dy-n-athmongar Al., tathbongar K. O'Day. 

c ‘einaige AL. enech K. O'Day. 


Die Biirgschaft im irischen Recht. le. Trebaire. 5. Verzeichnis technischer Ausdriicke 85 


Bei Vertriigen kann auch einer der beiden Kontrahenten selber ¢rebuire sein nach 
den Stellen, die ich Coie Con. Fug.. S.75 $ 50 angefiihrt habe. Nach Al. TIT 326 erhalt 
der Vermieter oder Verpiichter, wenn er selber frebaire ist, nur die Halfte des Jahres- 
zinses. den er bei fremder Biirgschaft bezige, niimlich nur ein Sechstel oder ein Achtel 
des Werts. je nachdem es sich um lebende oder leblose Gegenstinde handelt. Die Stellen 
sind jung, und weiteres hab ich dariiber nicht gefunden. Doch kommt auch in Wales 
der fideiussor pro se vor nach Anc. Laws of Wales (Folioausgabe von 1841), 8.784 VIL 
$ VII: ‘Quisquis dederit rem alicui, .i. argentum, pro uacca uel pro lana uel pro blado 
uel pro alia re. et ipse cui res datur sit pro se fideiussor; et amicus’ ille mortuus 
fuerit, res tamen (limiserit cum amicis suis: debitor ille uoluerit ualentiam rei habere 
de rebus fideiussoris, et amicus ille qui res mortui habet dixerit quod ipse fideiussor non 
fuit: accipiat creditor sex uiros prohatos de cognatis suis et iuret super sepulehrum mortui. 
si poterit inueniri: si non. iuret super altare dedicatum metropolis ecclesie: et sic rem 
suam habeat de rebus fideiussoris. * 


5. Verzeichnis technischer Ausdriicke und bemerkenswerter Worter. 


Hauptstellen sind durch fetten Druck hervorgehoben 


acerus .i. crandchur S. 19. Cain Adomnfin 71. 75. 

ad‘claid 18. (din Domnaig 71. 

ud-firi, saidbri 72. cairde 8. 61 u. 6.: ¢. rig 6y. 
adgaire “Rickforderuny ? 20. catha “Admpru? 57. 

ad: guid, aicde 60. 73. 77 u. 6. ceilebrath 14. 59. 

aidbden 22 f. céin .i. iar ecéin 21. 

aidbena 62. cen acht cen airese {auresc, arusc) 15f. 23. 27f. 
ailsed nadmae 6of. cétra(ijth 28. 52f. 

ainscogeth. ainscuigeth 15. 27. cim(b)id 24f. 63. 78. 

aire co(ijsring 53f. 55. cobach “Rontruhent 13. 151. 

aire fine 54. co-du-. cu-du- vor Verb “wo? 20f. 
airecht fo leth 57. coibche 13. 58. 

airisiu (airisnib) 18. coirpdire comloighthi, marbtha 80. 
aithgnith 19 f. » comanmwuin “gleichnamige 27. 


aitire. e(i)tire. itire 4. 12. 14f. 22-25. 20. 32—35. 4of. | comtus (cumtus) 41. 
58. 60. 61- 75. 78. 81—83: a. foisma 22. 25. 341: cor “Biirge 29. 83. 


a. luigi 22. 24. 34. 03: a. nadma 22. 34. 60. ‘ eorachas 45. 
anfeich .i. aneolaig 20. cos fri (fo) coraith (-rad) 30. 
ansrath 13 f. cross 71. 
arach 83. culaitire 73. 
aratchan fénechas to. 20. 30f. etlraith 52f. 
Asylrecht 14. cumal niath 24f. 70. 
aure[h]uillte raithe 40. cumscas .i. insci 20. 
aurrathas 75. cumtus «4. comtus,. 
aurslucuth (ursl.) indise 25 f. deaith (deathe) 20f. 
(ni*jaururgi ro. dechmo-. degmo- cor Verbrn 23f. 28. 
baeth 7 vaeth “Halbrerniinftiger 20. deindell (diindell) rathaigis (rathachais) 43. 
bai fese (-si) 66. 78. denmech(a) 26f. 
bai na fomalta 64. 66. deorad De 50. 
beoc{hJaindle 7. diadraig 9g. 
Berrad Airechta 5 f. diindell »s. deindell. 
(isin) Berruid(e) 3. 60. dil 44. 
bithraith 55. 77. dilse 7 dilmaine 15 f. 
bothach rr. di raith 56. 
bothus 28f. dithaim 12. 
eaillech 7. dofir ‘geringe Leute 1. 
efin 75 u. 6. do + fuifd]ben. -tui[d]benar 18 f. 


' Zu streichen? 
* Abhnlich ebd. 20g XVIII (vgl. auch 208 VEIT) und 824 NEX. I. Nur die nordwalisische Fassung will 
ven einem Selbst-Biirgen (mach cynnogn) nichts wissen (ebd. 58 XXII). 


S6 


doid {doas) raf. 

doraith 9: cen dora(ilth 151) 23. 
dorthas 9. 

doth:n-airp t7. 

Dinttel des Rechtskuudligen 7. 

Duil Roseadach so. 

Einschlicpien (div Walber) v4. 328. 
étaim 2. 

etarflaith 62. 

fait s. fuit. 

featactain 35. 

feichem “Glaubiger und “Sehulducr v5, 
fenelach. finelach (-logh) rof. 

fergnia (ferngnia) 58. 

(vov}fia 54. 

Vindsruth Fithail 6s. 

tinelach. -logh ». fenelach. 

fir fo:rethar. fir foline rof. 


TRERNEYSI A: 


mac(c) {naseairi} j. 30-~60 nu. 6. 
macslabra 6 f. 

medam (Daf. medamain} 20. 
methas {-us) 62. 


muire (-ri) 0T—63. 711. 771: m.na fine 62: m.rechtge 


o2. 
muiredach. muirethag 32f o1f. 65. 


naidm 4. 6. g-- 13. 1S. 2Tf. 26. 30. 38f. got 55. 


96. -61. 63. 06f. 74. 
nase. P/. nasee. 4. 60. 
nascaire 4. 34. 56—6E nu. 6. 
nascairecht 4 u. 6. 
ogom i n-ailehibh ro. 
ogum isin gallin (gollan) 20. 
ondar (agondar) 17. 

(tri) os raithe 26. 


rath. raith 8f 6. r1—1rs. it arf. 25-30. 


34 


--06. 


aN 


57 f. 60. 03. 66--69. 731 S85: r.aivnisi (urnaisi) 
2: r.aitivis 34.51: rear indrud @techtu 48f.; 
r. braithirse 37: r.feehemnais 34. 51: r.forais 28. 


focal 15. 18. 60. 
turten (fond«tiay 221. 


art 


follan 3r. 

fomeilt 24. 70. 

fonaidi 10. 33. 83. 

fo ni do nimed $2. 

fornaidm 10. 12. 82. 

forran 40. 

forranach 31. 41. 
focrrhisest(har 21 f. 

forsaide 53. 

fururchomn 30. 

forus 13. 15. 17f. 27 f. 3t. 4t. 
fre(i)t(tjech 17. 

fre(ijt(tlechtae 17. 28. 
trissadraig (2 frissroirsetar) ro. 
fritecht 34. 

frithberta 55. 

frithileech (/ frith-dligthech’) 28 f. 


({tonut-Woiehfither. (nach-)fuie[h]fe 22 f. 


fuillem “Verdopplung 26. 64. 
fuireim Imprrat.’ 13. 

fuit (fait) 41. 

well 141 36. 74. 830. 6. 
eiall 74—83. g. dithima 75. 
vlinne 34. 83. 

wl-eterus 50. 

vii-naidim Ot. 

eguugod vathaisis 42. 
fardaigfe] 31. 

im-beir (ima‘roibre) 6. 
imdegla fechemon 13. 
imluad. -luath. -loth 24% 451 jo. 
imsaeth 45. 

inblegon ratha 36. 

in-coisis 28 38. 

indermill 23f. 24. 

indra? 23f. 

intlongar. tellangar Ts. 22. 26 28. 
Kaufe auf Wort 12. 
lethnaidm to. 

feath 50. 

fiethech (ach) 32f. 

lnubad re. 

Jonthiraidii og. 


qi: r.forngarta fine 53f: r.forsaide 
rejav cil s2: r.inforais 4o. 
rath tar airdigh 11. 
rathachas. rathaiges 35 0. 6. 
rathus “Haftung 75. 
re(i) ti torai (toirra) 45. 
roach “Zeuguis 12. 55. 
rudilse 12. 
ruidles 6. 84. 
(macSlabra) seiresen 7. 
senchac 31. 


fine 


<2: 
30° 


senscribend (comseribend) deodae ‘seArifthohy Crkunde 


21. 
sinemoin 20. 
slanath “Evéschadigung 43. 
smacht 12. 38. 45. 
smur 27. 


Sohn. ‘halter, “(auswarts) ausfgezogener. Gattis-Nohn 
? PYyerog Il. 


soilbech bethach 45 £. 

sorthas. Gx. sorrthusa. y. 28. 45. 
tadgaire 32f. 

tavbairecht 38. 57. 68. 

tairgille 8. 60. 

tarngar (rind) Schmiedewrrksvug 8. 
tanlnadinand tuath 22. 

telgnd raithachais. aitiris 36. 
tindroide. -raide 48. 

tiubaithsir? 16. 

tocbail comloighthi so. 

tocbail gcill 76. 

toebail marbtha 77. So. 

toga “Einverstindnis 6. 21. 20%. 
totindraigi? 22. 24. 

toraic 16. 

trebaire 84t.u. G.: t. fir sich selber 8s, 
trebar 84. : 
treiniugad 45. 


Trankenheit macht gewesse Vertrige nicht ungilty §, 


turgabail geill 76. 
uide 25. 51f. u. 6. 
(hjuideth (/ -ith”) arf. 
ulach g. sy. 

ty “sestig ?. Con-a tir 22 24. 
Heung. Lougnis ty- 224 


wLO.t sin Lohn 42. 20, 


5. Verzeichnis technischer Ausdriichs 


uw. Wérter. 


6. Stillen aus Rechtsterten. Inhalt 87 


6. Verzeichnis der besprochenen oder beigezogenen Stellen aus Rechtstexten. 


Die gedruckten sind nach den Ausgaben zitiert. 


Anc. Laws of Ireland. I50, 7 v.u. 47: 8v.u. 33; 
50, 100: 58.7 90: 58. 10 v.u. 09; 60. 18 W: Fath 
vou. 24: 78 80; 82. 10 74: 84, OV.U. 10; 5 ve UL OD: 
86,1 JO; 4.35: tog, 2veu. 22: 11639: 118.8 y.u. 40: 
120. 2f. G&: 10 24: 124, 11 60: 138 O60: 138. 22 
dd: 24f. 560: 148, 7 v.u. 69; 192, 11f. 63: 21033; 214 
oveu. GO: 4v.u.37: 216. 24 60; 28 5: Ove. GO: 3 


122. 


u.573 218.4937: OFA OL; 228.17 592 FV. UOT: 
270: 232,15 70; 254.7 SL; 260, 15 79: 206, 10 LS: 
13.22 77: 2705 v-0. ENE 288, 6 v.u. 34: 290. 5 
v.u. 3D; 296, 26 77. 

IT ry.irveu. dO; 7 vu. 39: 14-16 dO: 98, 15 1h 
39: 116 76fis 7 vu. — 118.6 7d: 120 Jd: 132—144 
TI—-N2: 136.7 70: 152 14 BS: 222.4 Jo: 242 Ld: 
276 39: 280, 13 Sd: 306 S22 374. 


286. 6 387; 285 oe 
3 


20 27: 378, 23 Of; 384.1717 69: 302. 51. 20. 
TIL 6, 24 50: 16, 21 12: 36, 5 42: 38. 10 24; 50. 15 
4S. Sd: 150 45: 326 8d: noe D0: 4584.15 fh G3: 512. 


13th. 33: ue d7; 


7..u. 46, 


Li Vs 5t4. gil OU: 7 Hrs 20 O05 


Aursee Zitfern bezeichnen die Seiten dieser Abbandlung 


oveu. dos: ae s an wADs 

7 Jd: 1055: 12 ib 

Jo RqoeTie Ae ee u. aT Bo: 

TH OS; 13 882 23.57, 39: 
7 


ie ra: 34o of: 342.5 92+ 
Oo: 346-13 dO; 4veu. 
350. 14 02: 304.09: 306, 
2410: 368. 111 PL. 50: 





288: 14 34: 370.3 376, 404: re 4 893 430.8 

DO: 9 dOv 450. 3 24: 4.58: 451 ALT O83: 4sRo 0 OF: 

460. 15:20: 470.7 v.U. OOF: 500. TT Ndi 510. 1 Ot, 
Eriul 214 a 215 02 


Zeitsehr. f. Celt. Philol [V 228 si: 
3S: 360.1 oe 7 OS: XMT rg—24 5: 24f. 6. 
Handsehriften: Dublin. Trinity College. 
15 (jetvt 1316): S.43b 48. 78. 82. 
H. 3. 17 (jetzt 1336): Sp. 32 


NIT 3sof, 
H. 2. 


HO: 73 O08: 82 9: 








7 
160a—163 79: 328 S42 376 AS: 403 CO: gar 2s: 
442 28 88. dO 57. OF: g05b BL: go6a 69: s02 21: 
519 O%: sae ne 5460 2. 12. 00068: 547 OTP: 548 TE: 
350 30. 13. 5/2 530-581 47. OF 37h od 
H. 3.18 an 1337): S.10a nr 19 X—25a 5: 
oh—2212 55: 230 POA: 233a 5%: 2364 20: 261a 


262bH 609: 273 1: 37040 50; 


36. 50 ft 261b 9. W5, 52: 
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ao Te Ean ey Ys Oo, s 
: IV 50, 22 75; 52 64: 54, 110 59 a 1 O33: pons 2b—373a 5: 379a-b TONS: 23a 3, 65: 43343: 
09; 210, 718.59; 9 15; 238—20 387: 200. 31 BY: ee roheante h 2 : 
er sos Oy) 43a SN? 025 03: O28b 15. 
13f. 38: 2981. Of: 3o2. iff. ae 308 Hees 12: ee a 4 
en &. sip als " H. 5. 15 (jetzt 1387): S. 7a 16. 20; gb-—10a BS. 
316—318 dd; 318 f. 50: 336. 61h. 13fl. £8: 338.17 Dublin. R. oe . , 
75: 348 1: 352—354 10: 358. 19 1: syotmien 10. iL ee Academy. N. 35. § jetzt 23. Q. 61: 
V 78. 3 24; 142, 010. 12: 9 dG: 148. 1510 56: 178. 330 Y3 34 30. 7 2 -_ 
4959; 5 ES; 8 d7: 180, 3-9 oe: zy.ued8; 182.1 18: London, Brit. Mus.. Cotton Nero Az. S. 15 4a 50. 
182,18 u. 184 A. 1 £2: 186. 3 48: 206. 3f. 55.58: 208 Lgerton S38: fol. BT 1 28. OS. OF. OD. Ol: sSV1 Ot 
DS: 212 56: 224, 1 ff. 47: 6 u. 46: 226.14 35: art 77rr WM. 
49: 29 ft. 85: 228. 11% M8. 67: 9 TO: 272.8 73: 27 Oxford. Rawlinson B. 506: fol. ror 75. 84; 
2veu. 732 278 832 284 12; 286.2 18: 290 14.50: 300. 29\—30¥ 87: gor O62: 30or und y G2, 
Inhalt. 
Seite 
1. Zu den Ausdriicken und den Texten 20... 0... 0.00. ce eee 3 
2. Text I: Berrad Airechta “Die Schur des Gerichts...........00 00020 cee eee 6 
OT PONT ccs o bvedere- sce euda uae alae catttesaovewiee’, at oem btatias aerate tee west ohecedltrs, . unital areas 32 
4. Die Bedeutung der Ausdriiche . 00... ee etnies 33 
AS RAT ie o hE isle 8 Be Oe: Stile ad Ss Ba aaa dah ede, bud dene gla BDA ley eects 35 
Zahlbiirge 35: stellt Unterpfand 36: tieiht Schuld ein 37: vor Gericlt 38: 
Hohe seiner Zahlung 38: Fahigheit zu rath go: seine Verpilichtung 42: Leug- 
nung der rdath- sehaft: nicht anerkannter rath 43: Entschidiguny des r. 44: 
Anteil am Crewinn 30: r.entzieht sich 50: siehen rdth sr: Frauen als r. 54: 
Sonstiges 55. 
bi Naidm Mi dO NASCAR I ting ate eS RAIS has Ls oe Baca ak ik a hae ale hee Bes 56 
.Vaidm treibt ein 56: Vergutung 57: ». vor Geticht 57: Fihiykeit zu n. 59 
n. wird ‘erbeten’ 60: entzielit sich 60. 
Oo MUTA sok trees BEA ects doe Resale anny eee Paige eg ae dee at Rude Soe e edt eater as Or 
Muredach. mure 61: aitire vibt sich m Hatt und ‘verfallt 63: Vergtitung 67: 
seine Verpilichtung 67: a. vor Gericht 68: seine Futsehadigung 69: er entvielit 
sich jo: wre in Gesetzen und Sagentexten 71. 
Us Gall SBR hig eae aa Petar Baan pat Se ape aot dine Date Ae tacs at =" 
Texte 75. (yall durch Fiirsten ‘erbeten 77: sein Verfallen und seine Ent- 
schadigung 78: widerrechtliches Fassen des y. 31: Untersehied von ature 82. 
Gell 83. 
Ob LIT MATP Os sade 2 Sara eapsan San tiitha ties Bea eerste alr cea ape Sete ane ee Sites dob 83 
s. Verzeichnis techniseher Ausdriicke und bemerkenswerter Worter. ........ 85 


6. Verzeichnis der besprochenen oder beigezogenen Stellen aus Rechtstexten ... 


Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr.3 


BERICHT UBER DIE AUSGRABUNGEN 
IN PERGAMON 1927 
VON 


THEODOR WIEGAND 


MIT 8 TAFELN UND 10 TEXTBILDERN 





BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 





IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO. 





Vorgetragen in der Gesamisitzung am 21. Juli 1927. 


Zum Druck genehmigt am 28. Juni 1928, ausgegeben am 5. September 1928. 





Am g. September 1878 begannen Cart Huwayn und Arexanpre Conzr fiir die Berliner 
Museen die Ausgrabungen zu Pergamon, die alsbald zur Entdeckung der gro®en Relicts 
des Zeusaltars fiihrten. Mit der Klirung des Altarbaues verbanden die Ausgrabungsleiter 
die Freilegung der wichtigsten Teile der ganzen Oherburg: des Athenaheiligtums mit der 
beriihmten Bibliothek, des oberen Marktes und Theaters, des Dionysostempels und des 
Trajaneums. Dazu kamen palastartige Wohnbauten mit kostbaren Mosaiken. Die Bergung 
der Altertiimer, die Aufnahmen der Architekturstiicke, der Skulpturen und Insehriften 
dauerten an Ort und Stelle bis 1886; im Anschlu8 daran erfolgten die auch heute noch 
fortdauernden Publikationsarbeiten*. Dann wandten sich die Berliner Museen anderen groben 
Ausgrabungen zu: Magnesia a. M., Priene, Milet und Samos. 

Man hatte danach annehmen kénnen, daB die Aufgabe in Pergamon erschépft sei. 
Das war keineswegs der Fall. Conze driingte immer von neuem auf die Wiederaufnahme 
der Grabung. »Unmerklich«, sagte er in seinem Vortrag “Pro Pergamo am Winckelmanns- 
tag 18977, »scheint sich die Vorstellung einschleichen zu wollen, als sei das Ziel erreicht. 
Dem ist nicht so. Es ginge sonst leicht wie bei Statuenfunden: man nimmt, als das 
Ansprechendste, den Kopf und laBt die Kérperteile liegen. So sollte es mit Pergamon 
nicht gehen. « 

Erst im Jahre 1900 gelangte Conzr zu seinem Ziel. Das Auswirtige Amt stellte ihm 
von da ab fiir jedes Jahr bis zu seinem im Jahre 1914 erfolgten Tode einen Betrag zur 
Verfiigung, mit dem er, unterstiitzt durch Wityrim Dorrpretps leitende Teilnahme, den 
Architekten Dr. Pati Scnazmaxn und viele jiingere Hilfskrifte, immer in der Zeit vom 
September bis Anfang Dezember graben konnte. 

Die damit beginnende zweite groBe Epoche pergamenischer Forschung setzte nicht 
mehr auf der Hochburg ein, sondern am Fube des Berges, anfangend mit der Freilegung 
des tiefstgelegenen Stadttors und der Aufklérung des Eumenischen Mauergiirtels sowie 
des unteren Marktes. dann emporsteigend zu dem gewaltigen, auf drei tihereinanderliegenden 
Terrassen erbauten Gymnasion, dem Demeterheiligtum und dem Heratempel’. Der Verlauf 
der vom Madarasgebirge kommenden imposanten Hochdruckleitung und ihr Aufstieg zur 
Hochburg wurde villig geklart’. 

War die Grabung auf der Hochburg der Kopf des Ganzen, so waren nun gewisser- 
maBen die FiiBe gefunden. Es fehlt aber der Mittelkérper. Denn zwischen Cart Hrwaxys 
Grabung auf dem Scheitel der Burg und der Grabung Conze-Dorrrritps am unteren Siid- 
abhang liegt heute noch ein groBes, véllig unerforschtes Gebiet, das sich von Héhe 250 
bis zu Hohe 7om herabsenkt. Nicht einmal der Verlauf der Strafen ist da bekannt. Auch 





Es fehlt noch Band V 2 der »Altertiimer von Pergamon« (Die Paliste). der in Vorbereitung ist. 
° Gebalten in der Berliner Archiologischen Gesellschaft am go. Dezember 1897. Sonderdruck: Berlin. 
Georg Reimer 1898: Arehiol. Anz. 1897, S. r7off. 
Alle Ergebnisse wurden sogleich in den Athenisehen Mitteilungen behanntgemacht: 1900 1901 =2 AM 1ao2. 
1902 03 ~~ AM 1904, 1904 05 =~ AM 1907. 1906/07 = AM 1908, 1907 08 == AM 1908. 1908 og = AM ryto. 
toro rr ~ > AM ror2. 
' FP. Graener. Altertiimer von Pergamon I 3. Textband, S. 368 ff. 


4 WIEGAND: 


forscht werden, soweit es die moderne Bebauung irgend gestattet. Dazu kommen die 
groBen Grabhiigel der pergamenischen Fiirsten, von denen einer bereits seinen kostharen 
Inhalt gespendet hat, und die iibrigen Nekropolen. Unerforscht liegt westlich der Unter- 
stadt die antike Hochschule der Medizin, der groBe Bezirk des Asklepios und anderer 
Heilgétter. 

Dank der Hilfe der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft konnte die Wieder- 
aufnahme der Ausgrabungen am 31. Marz 1927 erfolgen. Das wissenschaftliche Personal 
bestand auGBer dem Berichterstatter, dem die Vorbereitung und Gesamtleitung oblag, aus 
Hrn. Dr. phil. Ertcn Borurinerr, der zu diesem Zweck vom Archiologischen Institut des 
Deutschen Reiches in dankenswerter Weise beurlaubt wurde, und dem ungarischen Archi- 
tekten Hrn. Axusros von Szauat, fiir dessen Mitwirkung wir Seiner Exzellenz dem K. Ungari- 
schen Kultusminister Hrn. Kuxo Grafen voy Kieprnspera zu Dank verptlichtet sind. Von 
Hrn. von Szarar stammen alle architektonischen Zeichnungen dieses Berichtes nach seinen 
Aufnahmen. Als Kommissar der tirkischen Regierung fungierte in hilfsbereiter Weise 
Hr. Asis Bey, Generalinspektor der Altertiimer Kleinasiens. Besonderen Dank schulden wir 
dem Generalgouverneur der Provinz Smyrna. General Krasiu Pascua, der unseren Arbeiten 
das wirmste Interesse entgegenbrachte und sie in jeder Weise forderte. Als Werkmcister 
wirkte umsichtig Hr. Fritz Bersrricn aus Kaiserslautern. Die Arbeiter, deren Zalil his 
etwa 100 stieg, waren zum kleineren Teil tiirkische und jiidische Einwohner von Pergamon, 
zum gréBeren aber Kurden, die infolge des Krieges aus der Gegend von Ersertim cin- 
gewandert waren und die man in den verddeten griechischen und armenischen Quarticren 
der Stadt untergebracht hatte. Das griechische Element ist in Pergamon, wie in ganz Klein- 
asien, véllig verschwunden. 


I. Die Arsenale der Hochburg. 


Die Arbeit begann zunichst auf dem héchsten, nérdlichsten Teil der Oberburg. Dort 
liegt, nérdlich auBerhalb der noch hochstehenden spathyzantinischen Hauptmauer', ein ling- 
lich siebeneckiger. von Quadermauern umschlossener Bezirk (80: 150m), der im Volks- 
mund den Namen »Garten der Kénigin« trug. Vor der Ausgrabung glich das Innere einer 
gleichmibigen Wiese. die nichts vom Inhalt des Bodens verriet. Dieser Bezirk war bereits 
in attalischer Zeit mit einer Schutzmauer bewehrt, die aber in nachantiker Zeit stark er- 
neuert und z. T. auch verstirkt worden ist. Man sieht in der Nordwestecke der Mauer 
die Reste cines rémischen Tempels mit Siulentrommeln, Gebilk- und Friesteilen verhaut’, 
und Erxsr Fanricius war es, der aus den Spuren, die eine Architravinsehrift ini Mértel 
hinterlassen hatte, als Inhaberin des ehemaligen Tempels die Kaiserin Faustina die Jiingere 
erschloB*. Danach muBte angenommen werden, da®B der »Garten der Koénigin« uns den 
Unterbau und Einzelstiicke des Aufbaues eines Faustinatempels spenden werde. Aber die 
Ausgrabung lieferte nicht die geringste Spur davon; statt dessen ergal sich, daB der ganze 
Bezirk schon in der Kénigszeit rein militérischen Zwecken gedient hat und lediglich mit 
Nutzhauten bedeckt war, wie A.v.Szauars Plan (Taf. 1) beweist. Er zeigt in seinem nérd- 
lichen Teile den »Garten der Kénigin«, in dem mit dunkeler Schraffur fiinf langgestreckte, 
nord-siidlich gerichtete Grundrisse erscheinen; ein sechster, nur in geringen Spuren er- 
halten, liegt am Nordende des Bezirks und verliuft in nordwestlicher Richtung. Die fiinf 





1 Taf. 4, Hintergrund, Conze, Altertiimer von Pergamon I 2, Texthand, Beiblatt 63 zu §.307. Abb. 3. 
* Conze, Altertiimer von Pergamon I 2. Textband. Beiblatt 62 zu S. 306. 
3 Fraexket, Inschriften von Pergamon II (Band VII 2 der Altertiimer von Pergamon), S. 224f.. Nr. 298. 
Die erste Abschrift stammt von H. Lorre. : 


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6 WIEGAND: 


annahernd parallel verlaufenden Fundamente konnten bald als Reste groBer Arsenale bzw. 
Getreidespeicher erkannt werden, wie sich aus der nachfolgenden Beschreibung ergeben wird. 


1. Das an die déstliche, 1.80m dicke Umfassungsmauer des »Gartens« angebaute 
Arsenal. Linge 30.93 m, Breite 6.62 m. Taf. IT rechts und Abb.1 rechts. Die Mauern 
bestehen aus Trachytbruchsteinen von maBiger GréBe, die an den einst sichtbaren, aut- 
gehenden Wandteilen gerade behauen und rauh gepickt sind, wihrend die ganze Ostseite 
der Riiekwand, die sich an die Innenseite der Burgmauer anlelinte, sowie die Fundamente 
diese Bearbeitung nicht zeigen. Das Bindemittel ist Lehm. Die Einteilung der eimzelnen 
Raiume ist so, daf§ immer zwischen zwei dickeren (70 em), aufgehenden Mauern zwei diinne 
» Trigermauern« (30cm) lagen, die nur als Unterstiitzung eines schwebenden FuBboden- 
belages dienten. Dieser selbst mu aus Holz bestanden haben. Es ist keine Spur etwa 
eines Steinplattenfulbodens vorhanden. So entstanden fiinf Kammern (ypc), die an der 
Westseite ihre Einginge hatten. Jedoch ist von letzteren nichts mehr vorhanden. Die 
ost-westlichen Innenmauern zeigen simtlich in der Mitte einen 40 cm breiten, einst etwa 
90 em hohen DurchlaB ftir die Liiftung des Bodens. Alle ftinf Zimmer hatten auBerdem 
noch eine Entliiftung nach Osten. Die Luft zirkulierte hier um die éstlichen Stirnflichen 
zweier Kammertrennungswinde, und auch die Burgmauer hatte an diesen beiden Stellen 
einen LuftdurchlaB. Ein dritter liegt am Sitidende des Bauwerks als gleichmabig dureh 
Arsenalriickwand und Au®Benmauer durchgehender Schlitz. Das fiir dieses Bauwerk an- 
zunehmende Pultdach diirfte sich westlich, nach innen gesenkt haben, da man auf der 
steilen Hochburg auf das Sammeln des Wassers bedacht sein muBte. Der Rest einer 
Tonrohrabzugsleitung mit Durchla8 durch die Aufenmauer fand sich am Siidende des 
Arsenals. 

2. Der westlich folgende Arsenalbau Nr. 2 (Taf. I links, Abb. 1 links) ist vom Bau Nr. 1 
durch eine etwa 2m breite Gasse getrennt und lauft ihm genau parallel: er liegt in gleicher 
Hohe auf felsigem Untergrund. Im siidlichen Teil tritt der Fels jetzt zutage. Linge 36.57. 
Breite 12.97 m. Die Bauart ist dieselbe wie bei Nr.1, die Ecken sind mit gré®eren Quadern 
verstirkt, die AuBenmauern starker (etwa 70 cm) als die inneren Trigermauern des hollen 
FuBbodens (etwa 45 em). Diese zeigen wiederum Liiftungsdurchlasse. die aber etwas griBer 
als bei Nr.1 sind (110: 40cm). Von den AnBenmauern hat nur die siidliche Entliiftungs- 
éffnungen, die drei andern Seiten sind geschlossen. Da die FubBbodentriigermauern alle 
gleich stark sind, so ist anzunehmen, da®B dieses Arsenal nicht in Kammern eingeteilt. 
sondern als ein einziger groBer Hallenraum von etwa 390 qm Fliche gestaltet war. Das 
Dach hatte zweifellos Sattelform und war mit Flach- und Deckziegeln geschiitzt. Einer 


derselben trigt die Aufschrift Baoducy (kepamis), ein andercr a = Arrdrov Bacrdéos, 


vgl. Inschr. v. Pergamon Nr. 652 (C. Senvcnyarpz). 

3. und 4. Die beiden westlich folgenden Arsenale (Taf. I fiir Nr. 3, Abb. 2 reehts 
fir Nr. 4, ferner Taf. IIIf links und Mitte) sind unter sich nahezu parallel. weichen aber 
von Nr.1 und 2 etwas in siidwestlicher Richtung ab und liegen 3 bzw. 4 m tiefer. Beide 
sind gleich lang und gleich breit (48.70: 8 m). Mauertechnik wie bei Nr. 2. Vom Bau 3 
sind nur die beiden Enden im Norden und Siiden freigelegt, vom Bau 4 ebenfalls die 
heiden Endstiicke und das westliche Drittel der ganzen Linge. Hieraus ergab sich. daQ 
Nr. 4 wiederum ein Kammersystem hatte (vgl. Nr. 1), und wegen der sonstigen yvollen 
Ubereinstimmung gilt dies auch fiir Nr. 3. Und zwar handelt es sich um je 6 Kammern, 
deren innere Scheidewande durch zwei dicht nebeneinander aufgefiihrte Mauern gebildet 
wurden. so daB auch diese durchliiftet waren. In jeder Kammer trugen vier diinnere 
parallele ‘Trigermauern den Fubboden. Auch dieser war mit Unterliiftung versehen. die 





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Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. 


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8 WIEGAND: 


Durchlisse (etwa 45 : 100 em) gehen durch die Liingsachse als breite Offnungen, auBerdem 
sind alle vier AuBenwiinde mit 100em hohen und 20cm breiten Schlitzéffnungen ver- 
sehen. An den Stirnseiten findet sich nur je ein Schlitz in der Achsenlinie, an den Lang- 
seiten dagegen stehen sie in dichter Anordnung (etwa 1.40 m Abstand) und jeder Schlitz 
fihrt zu je einem hohlen Zwischenraum zwischen den Fundamentmauern. Zwischen den 
Bauten Nr. 2 und Nr. 3 lief eine bis zu 3 m breite StraBe. die an den Resten der beider- 
seitigen Steineinfassungen des Weges erkennbar war. 

5. Westlich folgt, wiederum auf einem etwas niedrigeren (1.10 m) Niveau, das fiinfte 
Arsenal (Abb. 2 links und Abb. 3 rekonstruiert, dazu Taf. UI rechts und Taf. IV links), 
Linge 39, Breite 8m. Auch hier liegt Kammereinteilung mit doppelten, dicht nebenein- 
ander errichteten, aufgehenden Teilungswinden vor und in jedem der 5 Einzelriiume liegen 
4 diinnere parallele Trigermauern fiir den FuBbodenhelag. Die Dureliliiftung der Funda- 
mente ging wie bei Nr. 3 und 4 durch die Liingsachse, dazu kommen an den West- und 
OstauBenseiten die langen, schmalen Schlitze wie bei Nr. 3 und 4 in 1!/.m Abstand, wie 
sie Taf. [IV und besonders V veranschaulichen. Ob an den heiden Stirnseiten achsiale 
Entliftungsschlitze waren, liBt sich nicht mehr sagen, weil die Mauern dort zerstért sind. 
Nach Analogie von Nr. 3 und 4 ist es als sicher anzunehmen. Von den einstigen Ein- 
giingen hat sich ebensowenig etwas feststcllen lassen wie bei den vorhergehend beschrie- 
benen Bauten. Wohl aber lieB sich an diesem Bau ein RiickschluB auf die oberen Kon- 
struktionsteile machen. Auf den Fundamenten, eine Schicht héher als die Abdeckschicht 
der 4uBeren Schlitzéffnungen, hemerkt man nimlich Lagerspuren fiir Holzbalken, die durch 
die ganze Dicke der AuBenmauern hindurchreichten und auf deren Oberfliche im Innern 
des Baues einst die FuBbodenbohlen aufgenagelt waren. (Taf. VI obere und untere Abb., 
vgl. dazu Abb. 3, oberer Teil.) Reste verbrannter Holzbalken mit Faserverlauf in west- 
dstlicher Richtung hat Dr. Bornrincer beobachtet. Dariiber erhoben sich dann offenbar 
Lehmziegelwinde tiber einer flachen Ausgleichschicht von kleineren Steinen. Diese ist an 
vielen Stellen in gleichmaBiger Oberflache erhalten, die den hier beginnenden Material- 
wechsel beweist. Ware der ganze Bau als Steinbau errichtet gewesen, so hatte er bei 
seinem Untergang bedeutende Steinreste rings um die Fundamente hinterlassen.  Statt 
dessen fand sich eine starke Schicht gelblicher Lehmerde, vermischt mit einer groBen 
Menge von Triimmern des einstigen Dachziegelbelags (s. u.). 

Die Gebiiude Nr. 3, 4 und 5 sind einem Brande zum Opfer gefallen, zahlreiche Spuren 
im Innern wie an den AuBenmauern bewiesen das. Nach einer Beobachtung der HH. 
Dr. Bornrixeer und v. Szitrat gewinnt es den Anschein, als ob die Arsenale, sei es vor 
oder nach dem Brande, auBerdem durch ein von Siiden nach Norden laufendes Erdbeben 
verwiistet worden seien: »Die Mauern der Gebaude Nr. 3 und 4 liegen hiufig, sich aber- 
legend, nach Norden aus und die von Trigermauern im Innern herabgestiirzten Decksteine 
der Luftlécher sind stets nach Norden hinuntergefallen.« Die Zeit der Zerstérung wird 
sich annahernd durch die gesondert gesammelten keramischen Reste erkennen lassen, deren 
Studium begonnen hat. 

Siidwestlich des Arsenals Nr. 5, also an einer der tiefsten Stellen des Bezirkes, fanden 
sich zwei sorgfiltig ausgebaute Brunnen (Abb. 2 links unten). Zu dem siidlicheren von 
beiden fihrte ein Leitungstonrohr, das wohl einst die Dachwasser der Arsenale dem 
Brunnen zuleitete. Die natiirlichen Felswinde dieses noch 51/,m tiefen Brunnens sind 
mit hartem Verputz ausgekleidet. Der weiter stidwestlich gelegene Brunnen ist besonders 
stattlich. Die Weite betragt unten 4m im Quadrat, die Wande sind sorgfiltigst mit 
Trachytquaderwerk ausgekleidet. Die Tiefe hetrigt heute 6'/, m. 


Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. 9 


Wie die fiinf Arsenale nebeneinander angeordnet und in welchen Niveaudifferenzen 
sie errichtet waren, wird durch eine Rekonstruktionsskizze y. SzAuai's (westéstlicher Schnitt) 
in Abb. 4 veranschaulicht. 


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Abb. 4. West-istlicher Schnitt durch den »Garten der Konigine. Arsenale erginat. 


Vor der Nordseite der Bauten Nr. 4 und 5 sowie an der Westseite von Nr. 5 fanden 
sich die Reste mannshoher Pithoi (Abb. 5) mit eingekratzten Zahlzeichen. Nur eine dieser 
Zahlen ist vollstindig und ergibt 58 Einheiten eines groBen HohlmaBes. 





Abb. 5. Zwei Pithoi vor der Nordfront des Arsenals V. 


Phil.-hist. Abh. 1928, Nr. 3. 2 


10 WIEGAND: 


Die Arsenale Nr. 3, 4 und 5 sind so auffillig tibereinstimmend in der Anlage und 
Technik, da®B sie etwa gleichzeitig entstanden sein dirften, die Bauten 1 und 2 kénnten 
etwas Alter sein. Fiir die Datierung liefern uns die Stempel der Dachziegel entscheidende 
Anhaltspunkte. Solehe Ziegel haben sich bei allen fiinf Arsenalen gefunden, am wenigsten 
hei Nr. 1, 2 und 3, weil dort eine geringe Verschiittung war, am meisten bei 4 und 5, 
wo die Verschiittung bis 4m hoch war. Die Ziegel gehéren zu dem System groBer Flach- 
ziegel und Deckziegel, wie sie C. Scntcnnarpt in seiner Behandlung der pergamenischen 
Ziegelstempel beschrieben und abgebildet hat (Inschriften von Pergamon II, 8. 394) und 
wie sie tibereinstimmend in den hellenistischen Hiiusern Prienes gefunden wurden (Priene 
S. 306). Zu den von Scuvcnuarpr dargestellten Ziegeln kommen hinzu noch Randziegel 
mit Traufrinne, wie sie ebenfalls in Priene geftnden sind (s. Priene S. 307. Abb. 60). Das 
besterhaltene Sttick dieser Art trigt den Stempel A[tTdAov] B[acAevovTos| (Inv. Perg. 1927, 


Nr. 24). 








Fundstelle 
Stempel —_——— 5. yc. dest ei sé 
Ban 5. : Bans. Ban s. Bau 5. Bau yu 3.' B 


oO ier e oe ee : - is au 2. 
tvgl. hierzu Abb. 8 unten) fubere fuBere innere — Nordost- Nord- und : 
Sidseite Nordseite Sidscite seite Stidseite Ostscite 





A[tradov] BlarAevovtos]. vel. ScuvcnHanns 
S. gor, Nr. 652 ff. 

»Im 4. Jahr der Regierung des Attalos«. 
vel. ScoucHHarpr Nr. 661 ff 


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3) A »Im o.Jahr der Regierung des Attalos«. See 1 
© B vel. Scuvcunarpr Nr. 663 (Wasser- 
rohr dlterer Form aus dem Athena- 
tempel), vgl. S. 394C. 


4) : A > »Im 14. Jahr der Regierung des Atta- Poo) oe — at 


B los. Monat @[:Aéraipos]«, vgl. Senucn- | 
HAirpr Nr. 679 ff. | 
5) Moder BM »Im yo. Jahr der Regierung ei == 2 I _ Re: 
BA Oe" A des Attalos«. vel. Scare 





naror Nr. 661 ff. | 
6) AM »Im 4o. Jabv, Monat A[édvos?] der Re- 
B gierung des Attalos«, vgl.Scut cHHarp 

S. 404. Nv. 665 ff. 
7) A  M_ »Im yo. Jahr der Regierung des Atta- = 
BAH los, Monat Ay[pntpiav?]«, vel. Scnucn- | 
HaRDYT Nr. 665 ff. 


or 


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8) Pavidetov >zum Palast gehorig«, vg) ScHCcHHaRDr yi 3 5 £5 3 _ 
Nr. 641. 
g) Pacirtxav (kepasicov). I _— ~ 
10) Baciuay (Kepanis), vgl. Scntcumarpr Nr. 642. I | 3 SoS wa 3 1 
11) iepav bzw. iepéov »zu den Heiligtiimern« baw. 40 I I mee _ ==? 
»den Priestern gehérig«e. vgl. ScnucaHarpr 
Nr. 646. 
12) éopéov »zu den (k6niglichen) Stiftungen (Bene- I “= r | I = _ 
fizialgiitern) gehérig«. 
wee 1 i 1 
13) Teyov »zu den Mauern geborig«., vygl. Sent cu- 3 I re +2 3 Ss mae 
narpr Nr. 645. 
33 Ty 20 7 i I 


Bericht jiber die Ausygrabungen ino Pergamon 1927. 11 
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Die pergamenischen Dachziegel trugen cinst zwei Stempel: erstens den abgekiirzten 
Herrschernamen auf der Obertliche (s. u. Nr. 1---7), zweitens den Namen der Gebaude, fiir 
die sie bestimmt waren, oder die Namen der Besteller (s. u. Nr. 8—- 13), und zwar war 
dieser Stempel regelmaBig an der schmalen Fliche des unteren Randes eingedriiekt (Abb. 8. 
unten). Das vorstehende Verzeichnis gibt einen Uberblick tiber die wichtigsten dieser 
Stempel und tiber ihre Fundorte. Unvollstindige und zweifelhafte Stiicke habe ich weg- 
gelassen. 

Die Stempel Nr.1- 7 mit dem Namen Attalos sind epigraphisch unter sich gleichartig. 
Sie beziehen sich auf ein und denselben Fiirsten dieses Namens, und da auf 17 Stempeln 
das vierzigste Regierungsjahr erwahnt wird, so kann es sich nur um Attalos I. handeln, 
den einzigen Attaliden, der vierzig und melir Jahre regiert hat (241-- 197 v. Chr.). Aber 
auch da, wo der Stempel nicht auf den Herrschernamen lJautet (Nr. S-— 13). lABt sich engste 
Verbindung mit Attalos feststellen. Daf naimlich auch die mit dwpéwy gestempelten Ziegel 
auf seine Stiftungen zurtickgehen, ist durch mehrere Ziegel bewiesen, auf denen gleich- 
zeitig dwpéwv und A[rtaAou] B[acAevortos steht (Inv. Perg. 1927. Nr. 30, 59,87. 88, 89, 91). 
Dasselbe ist der Fall mit dem Stempel Bacitetwv, der sich zehnmal vereint mit dem 
Namen des Attalos findet (Inv. Perg. 1927, Nr. 11, 16.17, 29, 62, 64, 66, 77, 84, 85). Dieses 
Vorkommen zweier verschiedener Stempel auf ein und demselben Ziegel ist ein neues 
Ergebnis; die in den »Inschriften von Pergamon« publizierten Ziegelstiicke enthalten noch 
kein Stiick mit zwei Stempeln. Dal gerade das Jahr 201 v. Chr. als Baujahr militirischer 
Anlagen erscheint, ist keineswegs Zufall: in diesem Jahr machte Philipp V. von Makedonien 
einen gefihrlichen Angriff auf die Westkiiste Kleinasiens, versuchte Pergamon zu itiber- 
rumpeln, und da ilim das nicht gelang, verwiistete er die vor der befestigten Stadt 
eclegenen Heiligtiimer, das Nikephorion, den Aphroditetempel und das Asklepieion. Recht- 
zeitig hatte Attalos I. sich vor dem schlimmsten geschiitzt, er konnte die Angritfe auf die 
befestigte Stadt aushalten und den Gegner zum Abzug zwingen, weil er das tlache Land 
von Nahrungsmitteln entb]6Bt und alles in der Festung konzentriert hatte (Polyb. XVI 1, 
vgl. B. Nirsr, Gesch. der griech. und makedon. Staaten II, 8. 584, J. L. Ussings Pergamos S. 17). 

Damit sind die fiinf Arsenalbauten — und wir diirfen das stark zerstérte Fundament 
an der Nordspitze als sechstes hinzurechnen — als Bauten des ausgehenden dritten Jahr- 
hunderts v. Chr. erwiesen und werden damit zu vergleichen haben. was die hellenistischen 
Kriegsschriftsteller dazu sagen. 





Zuvor sei festgestellt, was sich an einzelnen Funden ergal, die auf militérische Be- 
nutzung hinwiesen. Es fanden sich an verschiedenen Stellen bronzene Pfeilspitzen, auch 
zwolf eiserne Speerspitzen im Bau Nr.i, der bronzene Uherzug eines Rundschildes yon 
67 em Durchmesser an der Nordostecke des Baues Nr. 5 (Abb. 6). Der Rand ist nach 
innen umgebogen, der umgebogene Teil spitzzackig gebildet und zeigt an 4 Stellen Locher 
fir cine Befestigung am Holz- oder Lederrand des inneren Schildteiles. Zwischen diesem 
und dem bronzenen Uberzug hatte der Verfertiger des Schildes mehrere Schichten Papyrus- 
blitter eingeschoben. deren Schrift noch an einzelnen Buchstaben deutlich erkennbar war. 
Einer Vermutung L. Drvsxers folgend méchte ich darin Reste eines Talismans erblicken, 
der den Traiger des Schildes vor Gefahr behtiten sollte. Im Bau Nr. 5, wo sich auch 
zalhlreiche Eisenteile, Nigel und Klammern, fanden, wurden besonders viele Reste von Ton- 
amphoren rhodischer Art, cinige mit Henkelstempeln, gefunden (z. B. Avopixov mit wag- 
recht liegendem Kerykeion). 


Wir diirfen annehmen, daB alles, was zur Abwehr einer Belagerung dienen konnte, 
auf diesem Teil der Hochburg gestapelt war, was natiirlich nicht ausschlieBt, da Attalos 


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12 WIEGAND: 
auch an anderen Teilen seiner Stadt Depots angelegt hat. Die meisten dieser Vorrite 
konnten nicht im Freien aufgehoben werden, und Philo Mechanicus’ gibt uns vorziiglichen 
Bescheid tiber ihre Bestandteile: Bogen und Pfeile, Speere und Schilde, Pfeilgeschiitze und 
Steinwerfer, dazu Schmiedeeisen, Erz, Blei, Pech und Schwefel, starke und feinere Binsen- 
stricke, Bogensehnen aus zusammengedrehten starken Tiersehnen, Pfahle, Seegras, Werg, 
Fackeln, Lampen, Laternen (vgl. Aneas Tact. X. 16, XXVI, 5), Olspritzen, die etwa die Funktion 


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Abb 6, Innenseite des Bronzeiiberzugs eines Rundsehildes. 


unserer heutigen Flammenwerfer hatten, und Sichelrader, die man auf’ tiefer stehende 
Angreifer der Festung herabrollen lie8 und die besonders grofe Verluste heim Gegner 
verursachten. Es mute natiirlich des Angreifers Ziel sein, solehe Magazine durch Feuer 
zu vernichten. Bei Arrian Anab. I 23 lesen wir, da dies Alexander d. Gr. hei der Er- 
oberung von Halikarnass gelungen ist: éummrpact kat Tas oroas év ais Ta BéAN abTors 
améxerto. Strabo (653) erwahnt Waffenmagazine (@ncavpoi d7Awv) als besonders statt- 
liche Anlagen in Rhodos, Massalia und Kyzikos. 

Zu den Waftenvorraten kam der Getreidevorrat. »Es gebiihrt sich,« sagt Philo (a.a. 0. 
S. 45). »da®B die Stadt sich nicht weniger als ftir ein Jahr Getreide einlegt. Man sull 





1 H. Dievs und E. Scnramwm, Exzerpte aus Philons Mechanik, B. VII und VIII, Abhandl. d. PreuB. Akad. 
d. Wiss. 1919, Phil.-hist. Kl. Nr. r2. 


Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. 13 


es kaufen, wenn es am wohlfeilsten ist und das alte verbrauchen und neues einlegen fiir 
die etwa kommende Belagerung und den dann eintretenden Nahrungsmangel.« Auch 
Wein, Speisedl, Zwiebel sollen aufgestapelt werden, dazu Erbsen und Bohnen, Kise, Hirse, 
Mohn, gesalzenes und gedérrtes Fleisch. Alles das konnte nur im Innern der Gebiude 
aufbewahrt werden, auch die gréG8eren Artilleriemaschinen mit ihren empfindlichen Sehnen 
und ihrem Holzgestell, das auf die Dauer weder Sonne noch Regen vertragen konnte. 

Berechnen wir einmal, wieviel Getreide auch nur einer dieser neuentdeckten Magazin- 
bauten fassen konnte. Wir wihlen dazu den 36!/, m langen. 13 m breiten Bau Nr. 2. 
Um seine nutzbare Innentliche zu ermitteln', ziehen wir an allen vier Seiten die Mauer- 
stirken ab und rechnen auch noch einen Umgang um die gestapelte Masse ab, scitlich 
je 30 em, an beiden Fronten je 1!/,m. Dann bleiben fiir die Schiittflache 352 qm. Die 
-\ufschiittungshéhe des Getreides ist hei Gerste mit einem Meter zu veranschlagen, somit 
352 cbm. Von diesen sind die mit 40° gebdschten Au®Benrinder abzuziehen, so daB etwa 
318 cbm verbleiben. 1 chm Gerste wiegt 550 kg. Somit enthielt der ganze Bau rund 
175000 kg Gerste. Rechnet man auf den Kopf in Kriegszeiten tiglich '), kg. so ergibt 
dies 350000 Portionen, d. h. dies eine Magazin konnte etwa tausend Menschen wahrend eines 
ganzen Jahres mit Getreide erniihren, wenn die Gerste nur einen Meter hoch aufgeschiittet 
war. Die luftige Hohlschicht unter den Magazinen mufte natiirlich ziemlich bedeutend 
sein, sie betrigt in Pergamon it), bis 2m. Wenn der Unterbau ganz in der Erde steckt. 
gibt es nur eine innere Luftzirkulation®, im anderen Fall erhalten auch die AuBenwiinde 
jene Luftschlitze, wie wir sie auf Abb. 3 sehen. Die Bauten Nr. t und 2 haben nur auf 
Je einer Langseite auBere Luftschlitze, Nr. 3 und 4 auf beiden Langseiten sowie auf den 
Schmalseiten, ebenso vermutlich Nr. 5, wo die Schmalseiten zerstért sind. Diese AuBeren 
Schlitze konnte man in der nassen Jahreszeit vermutlich mit Holzbrettern oder sclimalen 
Steinplatten dichten, um den Eintritt der Feuchtigkeit zu verhindern. Interessant ist ein 
Vergleich mit unseren heutigen landwirtschaftlichen Speichern. Zu ihrem Bau verwendet 
man entweder Hohlziegel oder man errichtet steinerne Mauern mit isolierenden Luftschichten. 
Unter dem FuBhoden mu® ebenfalls eine Luftschicht sein. wenn nicht gar ein besonderer 
Raum da ist, der fiir andere Zwecke benutzbar ist. 

Philo nennt unter den verschiedenen Anlagen fiir Getreidebewabrung auch den von 
uns gefundenen Typus (H. Driers und E. Scuramu, Exzerpte a.a.O., S.41): »Es gibt aber 
auch noch eine andere Art der Aufbewahrung (als die unterirdische), nimlich in ober- 
irdischen Speichern (€v vzepwors), deren Wande und Béden mit Olhefe iiberstrichen sind 
und die mehrere nach Norden gerichtete Fenster (6vpidas) und Luftlicher (dtex7rvods) haben«. 
Diese sind vergittert, »damit (das Getreide) nicht von den Végeln gefressen wird oder 
Tiere eindringen kénnen«. 

Die technischen Errungenschaften der griechischen Bauweise*® sind von den Rémern 
iibernommen und zah festgehalten worden. Das beste dltere Beispiel (133 v. Chr.) ist die 





' Teh folge bier der von General Waure in seinem Aufsatz iiber die Proviantmagazine der Saalbnure ant- 
gestellten Berechnungsmethode, Die Saalburg. Mitteilungen der Vereinigung der Saalburgfreunde Il, Nr. 1918, 
5.5 Auch A. Seauvren, Numantia II, S. 207 ff. ist dieser Methode gefolgt. 

* Innere Zirkulation erforderten auch die \Wasserspeicher, fiir die eine groBe Anlage in Firminm (Fermo, 
Annali dell’ Inst. 1846, S. 46, Mon. d. J. Taf. XXV und XXVI) sowie in Val Catena (Osterr. Jahreshefte 1go6. 
Beiblatt. S. 30) bezeichnend sind. 

* Tn Eleusis erscheinen Magazine insehviftlich bereits im 5. Jahrhundert v. Chr, vel. FL Nowa. Eleusis 
S.189 ff, Dirresnercer Syll. LG. 20.10, und sehr anschaulich wird in der Ehreninsechrift von Olbia fir 
Heroson, S.d. Protogenes die drohende skythische Kriegsgefahr geschildert, angesichts derer er die wichtigsten 
Tiirme der Stadt instand setzen lABt cai tov ovrdpodov S.1. Gr.2 226,145. Uber die Kornspeicher in Alexandria 
s. neuerdings U. Wircken. Hermes 63,58. 48 ff. Dio. 42. 38,2: anoOijxa tov citov, Strabo 17. 194: amortares, am 
Hafen, vgl. Milet 17. S. 156 ff. 


14 WIEGAND: 


von \. Scnutres in Castillejo bei Numantia gefundene dreiteilige \nlage mit AuBenpfeilern 
(wie spiiter auch in England, s. u.) und Luftschlitzen dag iselca: vel. Numantia IH, Taf. 25 
nehst Rekonstruktion, Abb. 3. Auf der Saalburg hatte der Hohlraum unter der Lager- 
fliche des Horreums eine Héhe von 11;,m. Eryst Fasricres fand eine Anlage mit AuBen- 
schlitzen 1905 im Kastell Urspring. Am besten erhalten sind aber solehe Anlagen in 
England, wo auf er den Schlitzen auch noch regelmiBig verstirkende AuGenpfeiler hinzu- 
treten, die darauf schlieBen lassen, da man die Getreidemassen erheblich hoher geschiittet 
hat, als in unserer Berechnung angenommen wurde. In Ribchester fand Garsrana 1899 
ein Horreum, dessen Iohlraum unter der Schiittflaiche 3!/; englische FuB, gleich etwa 
to5em hetrug!. Dariiber fanden sich die Reste eines schwebenden SteinfuBbodens und 
auf diesem eine zwei FuB hohe Schicht verkohlten Getreides. Dartiber lagen Iolzkohlen 
von Balkenresten des Daches und Reste der Dachziegel. Auch in Birrens fand man in 
einem Ilorreum verbrannten Weizen. 


Dafiir, da8 die pergamenischen Arsenale nicht nur Getreidespeicher, sondern vor allem 
auch Aufbewahrungsstiitten von Wurfmaschinen waren, ergab sich bald ein weiterer iiber- 
raschender Beweis. Rings um die Geb&ude wurde namlich die Munition dieser Maschinen 
gefunden, 894 Steinkugeln aus bDlaBrétlichem Trachyt, aus dem auch der Burgherg hesteht. 
Sie bedurften. im Gegensatz zu den Geschiitzpfeilen und den Pfeilen der Handbogen, nicht 
der Aufbewahrung im Innern von Gebiuden, lagen aber natiirlich in unmittelbarer Nahe 
der dort untergestellten Wurfmaschinen, zu denen sie gehérten. Dr. Boranixcer tibernahm 
es, dicses Material zu ordnen, und zwar wurden alle gleichartigen Kugeln zu Haufen 
vereint und das Ganze in neunzeln iibersichtlichen Pyramiden vor dem Museum der Aus- 
grabungen aufgebaut (Taf. VID. Jedesmal die oberste Kugel einer gleichartigen Pyramide 
wurde gewogen: 





Pyramide Durehmesser Gewicht in kg Pyramide  Darehmesser Gewicht in ke 
I 
I 4O rem FOLH1 11 28.9 em 24.680 
2 73-116 | 12 24.068 
3 33.6 cm 47-748 13 2.4.05 cm 1S.104 
d 2.372 ae 17.926 
5 31.3 em 38.192 | 15 17.648 
6 87.23 16 22,5 em ee hea 
7 31.772 17 13.796 
8 ayo 18 12.597 
g 26.636 19 i4¢m 6.420 
10 25.9 cm 26.210 


Daf dieses GeschoBmaterial sicher hellenistisch ist. ergab sich aus der Fundlage zwischen 
und unter den hellenistischen Dachziegelresten. 

Dic Waage, auf der die Kugeln von Dr. Bornrixcer gewogen wurden, hatte ein Ge- 
wichtsangabe bis zu 150 tiirkischen Dram herab ~ 468 Gramm. Die Gewichte kénnen 
also nicht als exakte gelten, gentigen aber vollkommen zur Bestimmung des antiken Ka- 








1 Joux Warp, The Roman Fort of Gellyaer, London 1903, 8. 60ff und $8.64. Anm. Dort liegt je 
vine Getreidehalle an der siidlichen und westlichen WallstraBe bei den Toei (vel. Transactions of the Society 
of Cymmrodorion 1908 1900. 8S. 84. Fig. 84). In Corstopitum lagen zwei soleher Gebaude dicht nebeneinander, 
vel. TLAvEREIELD, Corstopitum (Archaeologia Acliana 3. Ser.. Bd. V. 1909, S. 40, Pl. XXII). Technische Be. 
schreibungen aus rémischer Zeit finden sich bei Plin. nat. hist. MVE 301. 306. Varro rer. rust. {57, Columella 
rei rustic. lib. I ¢. b. o ff. 


Bericht iiber die Ausyrabungen in Pergamon 1927. 15 


libers im ganzen. Danach sind die schwersten Geschosse (76—73 kg) fiir dreitalentige 
Maschinen bestimmt gewesen, wie sie Athenaios W 27.7 erwiilnt. Diese wurden nicht 
geschleudert, sondern mit Wurtrinnen abgeworfen, Philo. mech. Exzerpte 91. 8, 5. 53 
Diets-Scuraum, vgl. ebenda S. 9. Fir zweitalentige Maschinen kommt das Gewicht yon an- 
nihernd 48 kg in Betracht, fiir anderthalbtalentige das Gewicht von 38 bis 37 kg. Die ein- 
talentigen Maschinen bedienten sich der Geschosse von 26 bis 24kg. Dann folgen 45minige 
Masehinen mit Kugeln von 18 bis 17!/2 ky, 30minige mit 14 bis 13 kg und 15minige mit 
etwa 6'/, kg. Es ergibt sich also, da®B die Arsenale der pergamenischen Kénigsburg sieben 
Arten von gréBeren Verteidigungsmaschinen enthielten. 

Der héchste Punkt der Burg ist aber nicht die einzige Stelle, wo sich solehe Ge- 
schosse gefunden haben: einige sind bereits bei den Grabungen Humans vor 1886 aus- 
gegraben worden, und zwar in dem am befestigten Eingang in die Oberburg westlich dem 
Athenapropylon gegeniiberliegenden Bau, der nicht als Wohnpalast oder » Wirtschafts- 
riiume«, sondern als Kaserne der Leibwiichter der Kénige zu deuten ist und der sich stid- 
lich an den Wohnpalast Nr. 5 anschlieBt. Man hat die bei dieser Baugruppe (Plan Alter- 
timer von Pergamon VIII 1, oberer Teil des Stadtberges, Gruppe VI) gefundenen Stein- 
kugeln fiir mittelalterlich angesehen. Dieser Irrtum mag dadurch verstandlich werden, 
dal noch niemals vorher antike Munition in gri®erer Menge gefunden worden war. In- 
zwischen aber sind gewaltige Mengen hellenistischer Steinkugeln am Ufer des Kriegshafens 
von Karthago entdeckt worden, im ganzen 2500 Kalksteinkugeln von 30 bis 10 em Durch- 
messer, die sich auf zwei 60 m voneinanderliegende Haufen verteilten. Mit ihnen fanden 
sich etwa 20000 tinerne Schleudergeschosse. 222 dieser Steinkugeln trugen punische 
Sehriftzeichen des 2. Jahrhunderts v. Chr. Von dem dazugehérigen Geschtitzmagazin hat 
sich nichts gefunden’. Generalleutnant B. Raraureyx, der die Munition an Ort und Stelle 
untersuchte, konnte aus ihr drei Kaliber erschlieBen, wobei das mittlere, vermutlich ein- 
talentige, am hiufigsten vertreten war. »ks war das Hauptgeschiitz, die andern dienten 
nur besonderen Zwecken« (Zeitsehr. tiir hist. Waffenkunde V, 1909-1911, 8. 236ff). Die 
von Scipio 133 v. Chr. benutzte Munition (Sandstein, rauh behauen) ergab, daB der An- 
greifer nur schwache Kaliber mit sich filrte (10 Minen = 9 Pfund, bis zu einer Mine)*. 

Die von Coyzr. Pergamon I 2, 8. 329, Fig. 125 abgebildeten beiden Kisenverhbindungen 
fiir starke Holzer, die cbhenfalls in Baugruppe VI der Hochburg gefunden wurden, glaubte 
er der byzantinischen Zeit zuschreiben zu sollen, und er labt offen, ob sie zu einem Bau- 
werk oder zu Kriegsmaschinen gehért haben. Nur das letztere scheint mir méglich; der 
steile Winkel der Eisenverbindung Fig. 125 rechts pabt in keiner Weise zu einem Lause, 
wo héchstens die Dachschrige in Betracht kame; daftr ist der Winkel aber zu steil. Holz- 
verbindungen mit sehr steilen Winkeln® sind gerade bei den Streben (a@vTypides) antiker 
Wurfmaschinen das tbliche*. Wie stark der Riickprall bei den groBen Kugelwurfmaschinen 
war und wie kraftig deshalb die Verbinde sein muBten, geht mit besonderem Nachdruck 
aus Ammians Angaben ANI 4.5 hervor; vgl. Scnraum, Die antiken Gesehiitze der Saal- 





1 Pp. Garexter. Compte rendu de la Marche du Service en 1903, 8. rof.: Nouv. Archives des Missions 
seientif. XV (1907), S. 560. Taf. XXXVo 1. R. Orarer, Die Saalburg Hl. 1. roars. 8. 164f. 

2 A. Scavrrenx, Numantia HI, S. 264f. und Taf. 53. 

3 her die Elemente der antiken Holzhonstruktion bei der Poliorketik. insbesondere auel Eisenverbin- 
dungen vgl. Sackrr. Vitruv 8. 36ff und besonders S. 61. Abb. 33. 

4° HA. Drevs und E. Scnrauu. Herons Belopoiiha. Abh. Berk Ahad. 1yg18. phil-hist. KL. Nr. 2. S. 24. Bild ro 
und S. 39 Bild 18. vel. derselben Verfasser Exzerpte aus Philons Mechanih B. VIL and VIEL Abh. roca. Ni 2. 
S.r2. Bild eb und E. Scnruim. Die antihen Gesehiitze der Saalburg. Taf. ro. HE. Dints. Antike Teehnihs S. o8f.. 
Abb. go. qr. 


16 WIrGAaNb: 


burg S. 73, Diets. Antike Technik* S.99. Nachdem sich die von Htmayyn gefundenen 
Kugeln als hellenistisch erwiesen haben, diirfen wir die Reste der Eisenverbande alter 
Wurfmaschinen ebenfalls der hellenistischen Zeit zuweisen. Es ergilbt sich somit. daB die 
Paliste auf der Hochburg, sowohl im Norden als auch im Siiden, unter militarisehem 
Schutz standen. 

Wir haben im »Garten der Kénigin« bisher nur die Arsenale behandelt. Es erhebt 
sich aber die Frage, wo denn die Offiziere und Soldaten untergebracht waren, denen die 
Bewachung und Verwaltung der Arsenale oblag. Da zeigt sich bei einer niheren Betrach- 
tung der sechs Wohnhausgruppen der Hochburg (Altertiimer von Pergamon I, af. Ill), 
daB die Gruppe Il, die sich siidlich an das Arsenalgebiet anschlieBt, keinerlei |hesondere 
Merkmale einer feineren Aushildung der Innenriiume zeigt, wie man sie fir fiirstliche Woln- 
riume erwartet. Es ist eine groBe, spaiter stark erweiterte Peristylanlage der flteren Kénigs- 
zeit, und die wenigen Reste des Oberbaues zeigen Trachyt als Baustoff. Bons hat nun 
schon, ohne von dem Vorhandensein von Arsenalen im benachbarten »Garten der Kénigin« 
etwas zu alnen, in diesem Bau, der im Verbande der alteren Burgmauer errichtet worden 
ist, eine Kaserne mit Waffendepots vermutet, weil im Schutt zahlreiche Spitzen von 
Lanzen und Pfeilen verschiedenster Art gefunden worden sind’. Es darf angenommen 
werden, daB die Arsenale mit der Wohnbaugruppe I in engstem Zusammenhang gestanden 
haben; und nun erst gewinnen wir ein ganz groBes Bild der militirischen Organisation 
Attalos’ I. Da®8 die Kaserne in einem gewissen Abstand von den Arsenalen lag, entsprach 
der Riicksicht auf Feuersgefahr. Dasselbe sehen wir in Castillejo bei Numantia, Scuunren, 
a.a. OQ. S. 207. War man bisher im Zweifel. welchem der pergamenischen Herrscher mit 
dem Namen Attalos der Kriegsschriftsteller Biton sein Werk [epi kataokeuns TroAeuikov 
opydvwv gewidmet hat, so gewinnt es jetzt die gréBte Wahrscheinlichkeit, daB der erste 
Herrscher dieses Namens gemeint ist. 

Die Burg der ersten Kénigszeit liegt an ihrem hiéchsten Punkte 275 m iiber der Ebene’, 
an ihrem niedrigsten. beim Athenatempel. 256 m. Geschosse eines Angreifers mit groBen 
Kalibern konnten damals zu diesen Hohen nicht emporgeschleudert werden, selbst ein 
PfvilgeschoB flog nicht hiher als etwa ein Stadion. Die Burg war also ausgezeichnet 
gesichert, um so mehr, als einem Versuch des Erklimmens wegen der Steilhcit und Uber- 
sichtlichkeit der Abhange der denkbar gréBte Widerstand entgegengesetzt werden kounte. 
wie ihn der zur Zeit Attalos’ I. lebende Athenaios, [epi enyavnuaTwv 37, 3 so anschaulich 
schildert®: »Wenn die Plitze unzuginglich sind und auf Felskegeln liegen. so lassen sich 
wegen Unzulinglichkeit die Maschinen nicht heranbringen, und dabei machen nicht so sehr 
die Steilabfille Schwierigkeiten als die vom Mauerkranz geschleuderten gewaltigen Fels- 
blicke, dic miichtigen Steinkugeln (oPdvdvAo) und andere fhnliche Dinge, die abwirts 
sausen und durch ihren Schwung eine unwiderstehliche Kraft entwickeln.« So hat Attalos I. 
dem von Aristoteles, Politik VII 11, aufgestellten Ideal entsprochen: »Am Ende erlangt 
man dureh gute Verteidigungsanstalten auch noch dies, daB andere nicht einmal daran 
denken. uns anzugreifen*.« 





1 Conzr. Altertiimer von Pergamon I 2, S. 327. 
2 A. Puitieeson, Altertiimer von Pergamon I 1, S. 55. O. Berter S. 39. 
Herausgegeben und tibersetzt von Rupotr Scunewer, Abh. d. Gesellsch. d. Wiss., Gottingen 1912, Band 12. 

Nr. 5. 8.35. Scunetper iibersetzt m. E. irrtiimlich o@évévAor mit »Baumstiimme«. Uber die Zeit des Athenaios 
ygl. Warier Sackur. Vitruy und die Poliorketiker, Berlin 1925, S. 86ff, dazu H. Bette, Neue Jahrbiicher 
1927. S. 138. 

' Vel. dazu die ausgezeichneten Vorschriften des pergamenischen hGniglichen Astynomengesetzes, Ath. 
Mitt. XXVIL. 1go2. S. 47 tf 


Bericht ither die Ausgrabungen in Pergamon 1927, 17 


II. Vorliufiges iiber das ,,Prinzessinnenpalais“. 


Das zweite groBe Objekt der Ausgrabung des Jahres 1927 war der palastahnliche 
Bau, der in den ilteren Berichten mit dem Namen »Prinzessinnenpalais« bhezeichnet wird. 
Er liegt vor dem Tor der Hochburg, dstlich vom Aufgang, etwa auf Héhe 295 ti. M., also 
unterhalb des Athenaheiligtums und oberhalb des groBen Altars. »Hier sind«, sagt Alexander 
Conze', »gewaltige Unterbauten eines am Abhang aufgerichteten Bauk6rpers teilweise 
yon uns freigelegt. Die Technik der Mauern, einzelne gefundene reizende Architektur- 
werkstiicke, so ein ionisches Pilasterkapitell, jetzt in den Museen (zu Berlin), endlich 
allerlei Brocken feiner Ausstattungsteile, wundervoll scharf geschnittene Stuckornamente, 
die wir auflesen konnten, zeugen dafiir, daB wir hier noch ein Stiick pergamenischer 
Koénigspracht vor uns haben. Es freizulegen, soweit es noch vorhanden ist, wire keine 
groBe Arbeit, und es ist die nichste Erginzung dessen, was getan ist, die sich bietet.« 

Die von uns hier wieder aufgenommene Arbeit wiire in der Tat nicht allzu schwer 
gewesen, hatte man nicht die Aufgabe gehabt, etwa 3000 Tonnen schwerer Blécke und 
Schuttmassen abzutransportieren, die von der alteren Ausgrabung unterhalb des Athena- 
tempels hierher abgewalzt worden waren und deren Beseitigung mehrere Wochen bean- 
spruchte. Dann aber zeigte sich eine wahrhaft groBartige Anlage aus Trachyt, wie er 
als Baumaterial in Alterer hellenistischer Zeit tiblich ist (Taf. VIII). Die alteste Periode 
ist mit starker brauner Schraffur angegeben, der Umbau in spaterer hellenistischer Zeit ist 
mit schwarzer Schraffur bezeichnet, die rémische Verinderung mit roter Farbe. Von den 
8 mit Blau bezeichneten Stellen ist nur die westlichste (an der Peristylwestecke) helle- 
nistisch, die iibrigen alle nach-antik. Mit blasser brauner Schraffur sind die im Peri- 
stylinnern eingetragenen Altesten diinnen Hausmauern angedeutet, die durch die groBe 
Prachtanlage spiiter tiberbaut wurden. 


Um ein Peristyl von etwa 30 dorischen Saulen (einschlieBlich der gekuppelten Eck- 
siiulen), deren mittlerer Durchmesser etwa 65 cm betragt, legte sich auf der NW-, SW- 
und SO-Seite ein Umgang von 3m Breite. (Die kurzen Quermauern des SO-Umgangs 
sind Substruktionen). An diesen Umgang schloB sich im SW eine doppelte Kammer- 
reihe. Dort bestand die einzige Eingangsméglichkeit, denn an der SO-Seite ruht die 
Anlage wegen des Abhangs auf hohen Stiitzmauern und UntergeschoBriumen, deren Frei- 
legung noch bevorsteht. Im NW dagegen liegt héher als das Peristyl der steile Auf- 
gangsweg zur Hochburg, so daf hier nur Riume von 5 m Tiefe sich anschlieBen konnten, 
die mit einer polygonalen Mauer gegen den anstehenden Berg abschlossen. Die SO-Seite 
hatte 5 Kammern, von denen nur die noch nicht véllig ausgegrabenen Kellerriume vor- 
handen sind, diese allerdings in prachtvoll sorgfaltigem Steinschnitt. An der NO-Seite 
zeigt sich der Rest eines grofen Saales (oecus); leider sind seine nordéstlichen Teile 
véllig zerstért. 

Diese braun schraffierte Anlage gehédrt in die Zeit Attalos’ I., wie sich wiederum 
aus den Ziegelstempeln ergab, die sich sowohl in der bei der Erbauung entstandenen 
Aufschiittungsschicht fanden als auch an den Ziegeln des an die siidwestliche Peristy]- 
mauer angebauten Brunnens an der Westecke. Ferner diente uns zur Datierung die auf 
den Mauern der ersten schraffierten Epoche hiufig vorkommende Steinmetzmarke &, die 
tibereinstimmend im Demeterheiligtum erscheint, wo sie DorrprrEtp” als zur letzten Re- 





1 Pro Pergamo. S. 22. 
2 Ath. Mitt. rgro, XXXV, S. 367, vgl. 1912. NAXVII. S. 254 


Phil,-hist. Abh. 1928, Nr. 3, 3 


18 WIEGAND: 


gierungszeit Attalos I. oder in den Anfang des Witwentums seiner Gemahlin Apollonis, 
somit in die Anfangszeit Eumenes' II. (seit 197 v. Chr.) gehérig bestimmt hat. Entscheidend 
fir den Ansatz der ersten Anlage diirften die Dachziegel mit dem Attalosnamen sein. 

Die zweite hellenistische Epoche, auf dem Plane schwarz schraffiert, kann danach nicht 
friiher als zur Zeit Eumenes II. angesetzt werden. Sie brachte Erweiterungen im Siid- 
westen und Nordosten. Hier wurde eine 71/2 m tiefe, 17!/2m breite Vorhalle erbaut. hinter 
der ein auffallend schmaler Raum liegt (31/2: 10'/2m). Als besondere Eigentiimlichkeit 
zeigt er an der Nordostseite eine etwa 1m tiefe, 4 m breite Nische, die auf einen Kult- 
raum schlieBen l48t. In rémischer Zeit (rote Schraffur) wurde dieser Raum zu einem 
quadratischen Gemach von etwa 6!/, m Seitenlinge umgebaut, dessen Mauern auffallig 
dick sind (2 m). Ob diese Mauern in ganzer Stirke hochgegangen sind, ist zu bezweifeln. 
Ein Teil ihrer Starke diirfte als Podium fiir eine Innendekoration gedient haben. Eine 
derartige Bildung liegt in gré8ter und vornelhmster Ausgestaltung jetzt vor im Saale B 
der 1927 freigelegten Thermen des Antoninus Pius (Stadionthermen) zu Ephesos. vgl. Kem, 
13. vorlaufiger Bericht tiber die Ausgrabungen zu Ephesos, Osterr. Jahreshefte XXIV, Bei- 
blatt, Sp. 25, Abb.12. Reste von Halb- und Herzsiulen aus Marmor sind gefunden, die 
vielleicht einem solehen Podium angehért haben, doch bleibt dies der weiteren Unter- 
suchung noch vorbehalten. Die Kammer war in dem jetzt noch vorhandenen Teil mit 
Marmorplatten unter Verwendung von Mértel verkleidet. An die Stelle der vertieften 
Nische der zweiten hellenistischen Periode trat eine 4 m breite. 0,60 m vorspringende 
Bank. Es wird also auch in rémischer Zeit hier ein Kult gewesen sein, wie in Ephesos 
der Kaiserkult. Auch die Front der Vorhalle wurde damals in Marmor, z. T. aus wieder- 
verwendeten Stiicken, umgebaut. Reste von Zahnschnittgesimsen sind gefunden. 

Diese ganze Anlage ruht auf einer etwa 2 m tiefen Anschiittung, unter welcher Teile 
der vorattalischen Stadtanlage zum Vorschein kamen. Diese scheint recht bescheiden 
gewesen zu sein, wie die leicht braun schraffierten Bruchsteinmauern (Dicke etwa 60 cm 
im Innern des Peristylhofes) sowie die nur 2'/, m breite geptlasterte Gasse, die von NW 
nach SO verliuft, anzeigen. Auf der Nordostseite dieser Gasse gruppieren sich die Reste 
von fiinf Zimmer um einen gepflasterten Hof, eines davon als offene Halle (Prostas?). 
Siidwestlich davon schlieBen sich zwei Riume eines Nachbarhauses an. Zahlreiche, fiir 
die Chronologie der hellenistischen Keramik wichtige GefaSscherben sind hier gefunden 
und werden von Dr. BornrincEr einer speziellen Bearbeitung unterzogen. 

Vorlautig sei nur dies wenige tiber den Befund im »Prinzessinnenpalais« gesagt, da 
es bis jetzt nur in seinem westlichen Teile geklart ist. Auch hat sich noch keine epi- 
graphische Urkunde ergeben, aus der wir auf den Kultinhaber dieser groBen Anlage sclilieBen 
kénnen. Eine ausfihrlichere Publikation wird erfolgen kénnen, sobald der Rest des Bau- 
werks, deren freigelegte Teile bereits eine Fliche von 40:50 m bedecken, ausgegraben 
sein wird. Dies soll im Herbst d.J. geschehen. 

Es mégen hier drei Inschriften folgen, die sich im Schutt der dlteren Ausgrabungen 
bei der erneuten Aufriumung gefunden haben. Sie sind bei der Freilegung des Athena- 
heiligtums seiner Zeit nicht bemerkt worden. 


1. Graublauer Marmor, rings Bruch. H.15, Br. 27 em, Tiefe 15 bis 17 em, Bh. 2.5 
bis 3.8, das © 2.5em. Die Buchstaben sind sehr tief eingehauen (Abb. 7, oben). 
Au] Kai AOnvac [Nuxndoper 
anmjo ths mapa [....... payns 
Das Bruchstiick gehdrt zu den Siegesinschriften des Kénigs Attalos I. und vermutlich zu 
Nr. 36 der Inschr. von Pergamon, vgl. Dirrenpercer, Or. I. S. Nr. 275. 


Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. 19 





Abb. 7. 


2. Teil einer profilierten Marmorbasis (Abb. 7, unten). 
Baovevs ‘Attados tev ayove|v 
T@OY KalTa TOAEUMOV YapioTHpia 


A@nvat 


Vgl. dazu Inschr. von Pergamon Nr. 21, Ditrensercer, Or. I. 8., Nr. 273. 
3. Basis aus grauem Marmor, oben und unten profiliert wie Insclir. von Pergamon 

Nr. 497. H. 50, Br. unten 65.5, oben 64.7, Tiefe 42 em, Bh. 2 bis 2.5 em. Auf der Ober- 
fliche sieben Dibellécher. H6he der Inschrifttliche ohne oberes und unteres Profil 31 em 
(Phot. Abb. 8 links oben). 

‘O Sipos éripnoev 

Lap.’ AptrtoBovrov TOU 

Tei@pavros THY kaNoupévny 

Apowsdny | Thy Yevouevyy 

iépecav THs Tlodddos Kai 

vin Popov Abnvas iepatev- 

odoav ootws Kai evoeBos 

THL TWTHPIaL THS TOAEWS 


Zwischen gwtnpia und Tys ein Punkt, 


20 WIEGAND: 








4. Die folgende Inschrift fand sich im »Garten der K6énigin«, vor der Nordfront des 
Arsenals Nr. 5. Quadratischer Trachytstein, H. 36, Br. 34, Bh. 2cem. Oben in der Mitte 
eine 12 cm breite, 3 em tiefe Einarbeitung, wohl fiir eine Herme (Abb. 9). 


‘Eppa Aapradt- 
Ta aveOnkav 
PiroKpatns 
Tipaxpartns 
Avagéaryopas 
Nixoorpatos 
lodvKpatns 
Aro[\A@vos ? 


Gute, stark verwitterte Schrift des 3. Jahrhunderts v. Chr.: AZE. Man k6énnte auch an 
einen (dorischen) Epyas Aaumadiras denken, doch wire dieser Beiname singulir. Eher 
darf man eine Genossenschaft nach Art der Aayradtorai in Patmos annehmen, worauf 
mich F. Hitter v. GarrtrinceN hinweist, vgl. Potanp, Vereinswesen S. 621, Nr. 49. 

5. WeiBer Marmor; rings gebrochen. H. 22, Br. 21, Tiefe noch 5.5 cm. Bh. 1.7 bis 
1.8em, BA. 2.2 bis 2.5. Zwischen wvos und opo 3.7 cm Abstand. Abb. 8 rechts oben. 


tlovs Pirov[s 
Tr ]oAvwpias 
-wvos Opo- 


Die Schrift ist gut hellenistisch. Es handelt sich offenbar um den Rest eines Ehren- 
dekretes ahnlich wie Drrrensercer Syl.’ 4561; Tov TatpKwv dirwv ToAvepouvTes, 604.5 
rrokvwpnpévor év TavTos, vgl. DirrenserceR Or. J. S. 221.6, Bovddueba trodvwpewv tT avOpa- 


Bericht jiber die Ausgrabungen in Perganon 1927. 21 


TOU, 243.8 ToAvwpel TdvTwv TwVv TokTav. Die Reste der letzten Zeile scheinen auf EKigen- 
namen hinzuweisen. 


Fir das Ende des byzantinischen Lebens der pergamenischen Burg waren mehrere 
Beobachtungen wertvoll, die uns die oberen Schichten der Ausgrabung gestatteten. Der 
»Garten der Kénigin« ist in spétbyzantinischer Zeit als Friedhof benutzt worden. Ebenso 
dehnte sich ein Friedhof vor dem siidlichen Tor der Zitadelle. siidéstlich vom Athena- 





Ab. 9. 


tempel tiber den Ostabhang hin aus. Es fand sich eine grofSe Menge von Gribern. deren 
Leichen mit rohen Steinplatten, wiederverwendeten antiken Werkstiicken oder mit spitz- 
bogig gegeneinandergestellten Dachziegeln tiberdeckt waren. Die Ziegel bestehen aus 
steinigem, rotem Ton, sind in der Form unsorgfaltig und vom Brande vielfach verbogen. 
Sie haben keinerlei Glattung der Obertlache, wie dies bei den hellenistischen Dachzicgeln 
tiblich ist, auch fehlt ihnen der Stempel. Statt dessen ist die Obertliche des Ziegels mit 
verschiedenartigen dekorativen Rillen versehen (Abb. 10), die vielleicht das Kennzeichen 
der verschiedenen Ziegeleien gewesen sind. 

Diese byzantinischen Bestattungen hatten keinerlei Beigaben; auSerhalb im Schutt 
fanden sich drei Bronzemiinzen Alexios I. (1081-—1118) am Nordende des Arsenals Nr. 1, 
dicht am nérdlich anschlieBenden Felsen, ferner fand sich dicht am Felsen, wo das Nord- 
ende des Arsenals Nr.1 liegt, ein kleiner Tonkrug mit 21 Goldmiinzen der Paliologen- 
kaiser Michael (1261—1282) und Andronikos I. (1282-1328). Es fanden sich ferner 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 3. 4 


NO 
ih) 


Wirreann: Bericht tiber dir Ausgrabungen in Pergamon 1927. 





Abb. 10. 


zwei Pfennige der Mathilde von Hennegau, Fiirstin von Achaia 1316—1318'. Dies sind 
die jiingsten von uns gefundenen Miinzen der Hochburg aus christlicher Zeit. Dazu stimmt, 
da nach den von Jowaxnes Morptmann (Sitzungsber. d. Pr. Akad. d. Wiss. 1911, S.1ff.) 
mitgeteilten Nachrichten Pergamon bald nach 1315 und vor 1330 in islamische Gewalt 
kam, zunichst des Fiirstengeschlechtes der Karasi, dann, von 1345, an die Osmanen. Unsere 
Beobachtungen bestatigten ferner, dafs man auf der Hochburg zwei groBe byzantinische 
Epochen feststellen kann: die altbyzantinische, die sich unmittelbar aus dem Weiterleben 
der antiken Stadt entwickelte; in ihre Festungsmauern sind die Altarreliefs verbaut worden, 
ihre Schuttmassen lieferten zahlreiche Reste christlicher Keramik; diese Siedelung, zu der 
die Kirche im Athenaheiligtum gehérte, scheint durch Brand zugrunde gegangen zu sein. 
Wenigstens trifft das fiir die friihbyzantinische Schicht tiber dem »Prinzessinnenpalais« zu, 
in der wir verbrannte Balken, verbranntes Getreide, Massen von verkohlten Kichererbsen 
u. a. gefunden haben. Die letzte byzantinische Stadt, die vermutlich auf die belebende 
Tatigkeit der Komnenen im 12. Jahrhundert zuriickgeht” und zu der die jetzt noch hoch- 
ragenden Festungsmauern am Gymnasium und am Garten der Kénigin (Siidrand) gehoéren 
(Miinzen des Alexios I., sind auch dort gefunden), ist nicht gewaltsam untergegangen, sie 
ist vielmehr einfach verédet. Die islamischen Herren. denen das ganze Hinterland lingst 
gehorte, hatten kein Interesse mehr an dieser einst byzantinischen Grenzfestung, sie lieBen 
sie verfallen und richteten sich in der Unterstadt ein’. Dazu stimmt, dafs unter den Tau- 
senden von mittelalterlichen Tonscherben der Burg sich nur verschwindend wenige Frag- 
mente islamischer Keramik gefunden haben, von islamischen Gribern und Bauwerken 
tiberhaupt nichts. 





1 ScutumpBercer, Numismatique de lorient latin, Paris 1878. Taf. XII 24. 

2 Wgl. dazu Altertiimer von Pergamon ] 2. S. 330 (Reerre). 

% Getzer. Pergamon unter Byzantinern und Osmanen, Abh. d. Kel. Pr. Akad. d. Wiss. 1903. Anh., S. 9s 
and Anm. 1. 2 


Berlin, gedruckt in der Rerelisdrucherei. 





Preup. Akad. d. Wissensch. Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 3. 






kn, hi 
hae on 
oF on - 


” AN fy Kaserne } 





? 5 nv a2 3? 42 5s 


Bezirk der Arsenale und der anstoBenden Kaserne. 


Wizcanp: Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. — Taf. L 


ay 
ee 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr 


Preup. Akad. d. Wissensch. 


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Preup. Akad. d. Wissensch. Phil-hist, Abh, L928. Nr s. 





Arsenal V. Oben: Blick von Sitden. Unten: Blick von Osten. 
Auf beiden Bildern sind die Lagerspuren von Holzbalken deutlich. 


Wiscanp: Bericht iiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. —- Taf. VI. 


Preup. Akad. d. Wissenseh, Philihost. Abb. 1928, 





‘Trachytkugeln aus dem »Garten der Kénigin-. 


Wiecanp: Bericht tiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. — Taf. VIL. 


Nr. 


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Phil_-hist. Abh. 1928. 


Preufs. Akad. d. Wissensch. 





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Sog. »Prinzessinnenpalais«. Zustand der Grabung im Juli 1927. 


Wiscand: Bericht tiber die Ausgrabungen in Pergamon 1927. —— Taf. VIIL 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 4 


DAS PAPSTTUM 
UND DIE KONIGREICHE NAVARRA UND ARAGON 
BIS ZUR MITTE DES XIL JAHRHUNDERTS 


VON 


P. KEHR 


BERLIN 1928 
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO. 


Vorgelegt in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 19. Juli 1928, 


Zim Druck genelimigt am gleichen Tage. ausgegeben am 15. September 1928, 





- 
Vor zwei Jahren habe ich hier eine Abhandlung iiber das Papsttum und den katalanischen 
Prinzipat vorgelegt, in der ich die Beziehungen zwischen Rom und den Gebieten an der 
spanischen Mittelmeerktiste von den Pyrenien bis zum Ebro, der karolingischen Marc: 
Hispanica, aus der das katalanische Reich der Grafen von Barcelona erwachsen ist, dar- 
zustellen versucht habe‘. Jetzt, da das urkundliche (Juellenmaterial aus den westlich 
daran anstoBbenden Lindern Aragon und Navarra gesammelt ist”, kann ich den Versuch 
wagen, auch die Geschichte der Beziehungen dieser Linder zur rémischen Kirche zu 
schildern. Die Aufgabe ist lohnend. Denn hier wie dort, ja hier in noch héherem 
MaBe als im katalanischen Prinzipat. hat bei der Bildung dieser Reiche und ihrem inneren 
Ausbau das Papsttum einen starken Anteil gehabt, nicht nur bei der Wiederaufrichtung 
der christlichen Kirche in den eroberten Gebieten, sondern auch in politischer Hinsicht. 

Der Maurensturm, der seit dem Beginn des VIII. Jahrhunderts tiber die iberische 
Halbinsel dahinbrauste, hatte die Reste der christlichen Bevilkerung bis in die nérd- 
lichen Berglinder zuriickgeworfen, in die Gebirge von Asturien und an die siidlichen 
Abhiinge der Pyreniien. In wechselvollen Kiimpfen behaupteten sie sich hier. Aber erst 
der Gegenstob der Franken machte den spanischen Christen Luft. An zwei Stellen 
sind diese tiher die Pyrenien vorgedrungen: von Septimanien oder Gothien her an der 
Mittelmeerkiiste und auf den beyuemen Pyreniienpiissen gegen Barcelona hin, und von 
Aquitanien her an der atlantischen Kiiste und iiber den Pa®B von Roneesvalles gegen den 
oberen Ebro. Dort gelang die Eroberung des Landes, das durch die Begriindung der 
Marea Hispanica eine Provinz des frinkischen Reiches wurde: hier aber scheiterte die 
frinkische Invasion: der groBe Karl mufte die Belagerung von Zaragoza aufgeben, und 
die Nachhut seines Heeres erlitt auf dem PaB von Roncesvalles eine Niederlage. Trotz- 
dem behauptete sich in den gebirgigen Lindern des nérdlichen Spaniens die alte Beyél- 
kerung und die christliche Kirche und gewann trotz aller Riickschlage in unablissigem 
Kampf die Kraft zur Bildung selbsténdiger Reiche. Im IX. Jahrhundert konsolidiert sich 
zuerst das Reich von Asturien durch die Eroberung von Leon und von Astorga (856), 
und im Anfang des X. Jahrhunderts tritt unter dem ersten souveriinen Grafen Fernan 
Gonzalez auch das Land Ssastilien in die Geschichte der »Reconquista« ein. Ebenso 
bildet sich in der ersten Halfte des IX. Jahrhunderts im Gehiet des spiiteren Navarra 
ein Reich, als dessen erster Kinig Inigo Arista gilt. In den daran anstoBenden Pyre- 
nientilern des Aragon und seiner Nebenfliisse, dem Lande Aragon. und weiter westlich 
davon in der Landschaft Sobrarbe, an die die zwischen den Fliissen Cinca und Nogiiera 
gelegene Landschaft Ribagorza grenzte, behaupteten sich oder entstanden selbstindige 
Werrschaften, deren Altere Geschichte freilich in tiefem Dunkel liegt. Sie gehoért zu den 


' Das Papsttum und dev katalanische Prinzipat bis zur Vereinigung mit Araeon+ in diesen Abhand- 
lungen 1926. phil.-hist. Klasse Nr (Berlin 1926). 

* »Papsturhunden in Spanien TT. Navarra und Aragon« in den Abhandlungen der Gesellschaft. der 
Wissenschaften zu Gottingen. phil-hist. Klasse N. F. Bd. X XID 1 (Berlin 1928). 


4 KEnR: 


umstrittensten Kapiteln der spanischen Geschichte. Thr hauptsichlich haben die Alteren 
und jiingeren spanischen und neuerdings auch franzdsische Forscher ihr Augenmerk 
zugewandt, vor allem der Aufhellung des Ursprunges und der Frihzeit der Dynastien 
dieser Landschaften, wie tiberhaupt die dynastischen Fragen in der spanischen Forschung 
noch heute im Vordergrund stehen. Die Periode, die uns vornehmlich beschiftigt, ist 
dariiber zu kurz gekommen. 


§ 1. Die ersten Beziehungen zu Rom. 


Keine nachweisbaren Beziehungen vor der Mitte des NI. Jahrhunderts. — Die falschen Privi- 

legien Gregors U. von 717 und Zacharias’ von 745 fiir Garcia Nimenez von Navarra. — 

Angebliche Missionen an Leo Ill. und Hadrian HW. — Angebliche Urkunden Johanns XVIII. 

fiir Ronecesvalles und Johanns XIX. fiir Leire-Pamplona. — Die Falschungen fiir Leire und 

Ona. — Beziehungen des Kénigs Sancho Gareés ILL. el Mayor zu Rom. — Die Claniazenser 

in Aragon und Navarra. — Die Romreise des Kénigs Garcia Sanchez von Navarra (Najera). — 
Ramiro I. von Aragon. 

Die Beziehungen von Navarra und Aragon zu Rom setzen verhiltnismaBig spit ein. 
obwohl das Kirchenwesen dieser Lander schon unter Sancho Garets I. (905-—-925), dem 
die Griindung des Klosters San Martin de Albelda siidlich von Logrofio zugeschrieben 
wird, und unter Sancho Gareés II. Abarea (970-994), von dem wir Privilegien fiir die 
Hauptklister San Andrea de Ciruena, San Juan de la Pefia, San Salvador de Leire, San 
Millan de la Cogolla, San Pedro de Taverna besitzen, organisiert erscheint. Aber wir 
haben keinerlei zuverlissige Kunde von irgendwelchen Beziehungen zwischen ihnen und 
Rom aus jenen Alteren Zeiten, und alles, was dariiber iiberliefert ist, erweist sich als 
Erfindung von Falschern oder als Mi®verstindnis. 

Angeblich soll schon Papst Gregor II. mit den Befreiern dieser Linder von der Herr- 
schaft der Mauren in Verbindung getreten sein; gleichsam als habe er Pate gestanden 
bei der Begriindung ihrer Unabhingigkeit. Aber das Privileg dieses Papstes vom 
30. August 717', in dem die Wahlen der Kénige Pelayo von Asturien und Garcia Nimenez 
von Navarra bestitigt werden, ist langst als eine alberne Falschung des Trinitariers Fray 
Miguel del Espiritu Santo entlarvt: sie verdient kein Wort der Widerlegung, und der 
Historiker von San Juan de la Pena, der Abt Juan Briz Marrixez, hat sie zutreffend als 
»maqina de municion tan inutil por su nulidad« charakterisiert. 

Nicht viel besser steht es mit einer Bulle des Papstes Zacharias vom Jahre 745 
fiir den angeblichen Konig Garcia Ximenez von Sobrarbe. die m. W. zuerst bei Anpri: 
Favys in dessen » Histoire de Navarre« (Paris 1612) auftaucht. Er gibt nicht an, woher 
er sie hat. Aber dal auch sie eine jener frei erfundenen Fialschungen seiner Zeit. ist, 
bedarf keines Beweises’. 





1 Datum Romae apud s. Ioannem Lateranen. die 30. mensis augusti a. 717, pontificatus vero nostri anno 9, 
Die Falschung, die in den Regesten von Jarre-Lozwenretp felilt, hat zuerst Garcia DE Goncora ¥ TORREBLANCA 
(Pseudonym fiir Juan de Sada) in seiner »Historia apologetica yv deseripcion del Reyno de Nayarra« (Pamplona 
1628) fol. 5r aus einem angeblichen Transsumt des Miguel del Espiritu Santo von 1604 nach den Originalen 
in den Archiven yon Navarrenx und Pau vedruckt. neuerdings auch [oaguin Tragera in den Memorias de 
la R. Academia de la Historia IV (1805) 83 n. 82. Diese Filschung haben schon Jos. pe Morei (Investiga- 
ciones? p. 295: 7 p. 314) und sein Widersacher Domtxco La Riva (Defensa historica p. 56f. und Corona de 
Arayon I 39rf.) abgelehnt. Nur der ewig unkritisehe Benediktinerchronist Gr. pr Arcai (Ia soleded laureada 
11 263) hat sie ernst genommen. Vgl. auch Papsturkunden in Spanien LH 9. 

2 Favyy (vel. tiber ihn Papsturkunden in Spanien H 8) gibt p-7 nur die Adresse Fidclissimo filio nostra 
Garciae Ximenwo Sobrarbis regi inclyto und die Datierung Donnee a Rome Van de nostre salut 745 et de son pon- 
tificat le cinquiesme. Zuriickgewiesen sehon von J. ne Morer (Investigaciones ! p- 206: ? p. 316) und yon 
La Riva (Defensa historica p. 65. 120), und neuerdings von Ximenez ve Eypen (Ensayo histérico 8. 38). 


Das Papsttum wid die Kénigrviche Navarra und Aragon bis sur Mitte des NII. Jahrh. 2 


Dic beiden nachsten Angaben tiber dltere pipstliche Urkunden stammen angeblich 
aus der Chronik der Kénige von Navarra des Infanten Don Carztos pr Viana, des 1641 
gestorbenen Sohnes des Kinigs Johannes IL von Aragon und Navarra. aus der Geronimo 
de Buaxcas, sonst ein ziemlich uitichterner Ilistoriker, sie in seine »\ragonensium rerum 
commentarii« (1588) tibernommen hat. Da wird erzihlt, da Konig Gareia Migo I. von 
Sobrarbe nach der Einnahme von Pamplona Boten an Papst Leo IU. gesandt habe. 
die dem Oberhaupt der Christenheit die erbeutete Fahne der Araber iiberbracht héatten’. 
Berthmter ist die merkwiirdige Erzihlung, die in der Einleitung zu dem Fuero de So- 
brarbe steht, dal} die Manner von Sobrarbe wiihrend eines Interregnums, unsicher, ob 
sie einen Kinig wiblen sollten oder nicht, sich an den Papst Hadrian, der auch Al- 
debrandus oder Abrevianus genanut wird, und an die Langobarden und Franken um 
Rat gewandt hitten, welche Staatsform zu empfehlen sci: sie hétten dann im Jahre S68 
den Konig Inigo Arista von Navarra gewihlt®. 

Auf einem MiBverstiindnis beruht die von den Historikern von Roneesvalles aufgebrachte 
Behauptung, Papst Johann XVIII. habe dem beriimten Hospital am Pa von Roncevaus 
ein Privileg verliehen: es handelt sich vielmehr um ein solehes des aviguonesischen Papstes 
Johann XXII.° 

Auf Grund einer willkiirlichen Interpretation hat zuerst, wie es scheint, Jiay pe Marrvya 
(Historia de Espana lib. VII. ¢. 14), dem Baronivs, Yerrs, A\ctirre u. a. gefolgt sind, ange- 
nommen, Papst Johann NIX. habe im Jahre 1032 den Ménchen von San Salvador de Leire 
das Recht gewiahrt, den Bischof von Pamplona zu wiihlen'. Das hat man aus dem bekannten 
Privileg des Kénigs Sancho Garcés HI. »el Mayor« fiir dieses Kloster herauslesen wollen: 
aber das ist eine kanonistische Fiktion, die keine sichere Uberlieferung fiir sich hat: in 
dem Privileg dieses Kénigs steht nichts davon’. Uhberdies sind die Urkunden aus Kloster 
Leire sehr unsichere Zeugnisse, denen gegeniiber das gréBte MiBtrauen am Platze ist: hier 
hat man systematisch und im groGBen Stile gefalscht, und wenn auch dieses Privileg echt 
zu sein scheint, um so unzuverlassiger sind die Angaben tiber angebliche Beziehungen 
zwischen Rom und dem Konig Sancho dem Alten, von denen in den Privilegien fiir Leire 
mehrfach die Rede ist. So ist, wenn nicht gefialscht, so doch stark tiberarbeitet, jene 
oft zitierte Urkunde des Kénigs Sancho el Mayor vom 21. Oktober 1022". worin erzahlt 
wird, er habe lange Zeit erwogen, dieses vornelimste Kloster seines Reiches unter den 
Schutz des apostolischen Stuhles zu stellen. Aber auf die Vorstellungen der auf dem 


de Navarra. finde ich die Angabe nicht. 
* Brancas p. 24. 28. 45. 59 ff Jos. de Morer (Investigaciones! p. s00f.:7 p. 527) meint sogar. die ganze 
Geschichte sei vielleicht kombiniert aus der Uberlieterung fiber die Bezieliungen des spiiteren Kénigs Sancho 
Ramirez zu Gregor VIL., mit dem Hinweis auf den Namen Aldebrandus. Aber das sind wertlose Konjekturen. 
* Vel. Papsturkunden in Spanien IH 45. 
' Vel. ebenda S. 35. 

Dies Privilegium regal siinul «t pontifical vom 29. September 1023 (Konzil za Pamplona) steht bei 
Saxpovan. Catalogo de los obispos de Pamplona fol. 36: Verrs. Coronica general de la orden de San Benito TV 
fol. 447 nu. 76: Acrirre. Coll. max. conciliorum 2 TV rgi: Mawsrn Coll. amp. NIN 400 ff: ehenso Traana, Colec- 
cién de ednones v coneilios de Espana HD 7g mit Bra LEXI post M, also 1023: von Baronits u.a. aber zu 
1032 vesetzt. Es bestimmt. vf... ceclesvae Trunionses Suturos CDE SCOPOS. rectores cf qubr pnatores ds prifato eonobia 
(x. Saleatorys Leycrensis) cum cleetion comprorincintium ¢piscoporum vs. ordin de regulary cligere. Von einer 
piipstlichen NKontirmation ist darin nicht die Rede. Auch die analoge Bestimmung des Konzils in Jaca von 
1063. daB die Bischdfe von Aragon aus dem Kloster San Juan de la Pefa genommen werden sullen. ist. soviel 
wir wissen. nicht der pdépstlichen Bestitigung unterbreitet worden. Der Konig. die Bischote und die GroBen 
des Landes sind hier noch aussehlieBlich die gesetzyebenden Faktoren anch in den kirehliehen Angelegenheiten, 

8 Edd. Saynovar. Catalogo fol. 34 = Rawox pr Hreses. Veatro historieo VIE 484 no 12. Vel. Papst- 
urkunden in Spanien HH 34. 


6 KeEHR: 


drangen, daB mit den Giitern von Leire die Kirche von Irun (das Bistum Pamplona) 
wiederhergestellt werden miisse. Diese Falschung oder Verfilschung hangt mit dem um 
die Mitte des AI. Jahrhunderts gemachten Versuch der Ménche von Leire zusammen, 
nach dem Vorbild des benachbarten aragonesischen Klosters San Juan de la Pena die 
Exemtion vom Diézesanbischof zu erlangen; da aber das Kloster von Anfang an dem 
Bischof von Pamplona unterstellt gewesen und nicht mit den anderen groBen Kléstern 
von Aragon eximiert worden war, so erfand man in Leire die Geschichte von der durch 
die Ereignisse verhinderten Initiative des alten Kénigs. Aber cine solche Tendenz lag 
damals gar nicht im spanischen Klosterwesen, und es ist eine ganz besondere und damit 
doppelt beachtenswerte spitere Aktion. die in Aragon zur Exemtion von San Juan 
de la Pena, Loarre, San Victorian und Montaragon getiihrt hat, wovon spiter noch aus- 
fiihrlicher zu handeln sein wird. Auch die hier unmotivierte Erwihnung des Abtes 
Paternus von San Juan de la Pefa in dieser Urkunde Sanchos des Alten weist auf diesen 
Zusammenhang mit dem groBen aragonesischen Kloster hin’. 

Es ist freilich schwer, tiber diese und andere Urkunden ein definitives Urteil zu 
tillen, zumal sie meist schlecht tiberliefert sind. Solange wir nicht eine kritische Aus- 
gabe der Urkunden der spanischen Kénige besitzen, haben wir keinen sicheren Boden 
unter den FiiBen. Gerade die Urkunden des Kénigs Sancho Gareés el Mayor, des Alin- 
herrn der Dynastien von Navarra, Aragon, Kastilien und Leon, verlangen danach. Fiir 
unser Thema hat ahnliche Bedeutung die bekannte Urkunde dieses Konigs fiir das Kloster 
San Salvador de Ona in der Bureba vom 27. Juni 1024 oder 1030 (oder nach andern von 
1033), die in der Form einer Enzyklika an alle Bischéfe des Reiches und an den Ilerrn 
Papst der rémischen Kirche gerichtet ist und nach einer ausfiihrlichen Darstellung der 
Berufung des Abtes Paternus von San Juan de la Pena die Einfiihrung der cluniazensischen 
Regel und die Neuordnung in Ona geschehen laBt auctoritaty +t iussione domini pape’. 





1 Ttaque de precatus Irsum Christum dominum nostrum, ut mei anind dignarctur desiderium adimplerr, mittens 
ad Cluniacense cenobium ecocare inde abbatem Paternum virum prudentissimum unaque cum illo gregem monasticum, 
quos largient’ clomentia Dri iam in asciterio s. Iuhannis bupt. constitu, ut viri ipsi tempore suo quam erteri sucerssores 
rorum monachi post illos futuri perpetim permancant ihi liberi in servitio Dei famulaturi. 

2 Ed. Yiees. Coronica general V fol. 467 n. 45. Vel. Magarroyx. Coleccidn diplomatica de San Juan 
de Ja Pefia S. 113. 

Die auf Paternus beztigliche Stelle lautet Lgitur super hoe negotio (die Wostereform) aecepi ab omnibus 
cpiscopés nostris consiliam et optimatibus, «t unum ex nostris patriots rirum, quantum hominibus possibile esse ad 
cagnoscendum religiosum ¢t timoratum cocitatum Paternum cum decvoto comitatu religiosorum sociorum mésimus ad 
predictum Cluniaccase ccnobium, ut in ipso perfectionem monastice vite cognoscerct ac disceret, qua sufficuenter imbutus 
ad patriam nostram redirect rt sitiente patric nostre potum monastice profissionis propinaret. (Quod donante gratia 
Dei, ut ordinacimus. factum est. Nam isdem rir doctrina discipline regularis cum suis sodalibuy perfects instructs 
prospere ad nos recersus est. tduem primo doctorem monastice cite in monasterio s. lohannis de Pena constituimus 
et ut fratres sub ipso regulariter riverent, cum postorrm animarum prefecimus ¢t predictum monasterium, ut Jirmiter 
im stabilitate regularis cit’ persisterrt, regalibus donis atque firmissimis privilegiixs munivimus. quatenus hoc irritum 
facere nulli liceret re nostris successoribus. Hoc ergo monasterio regulari dispositione decent r ordinato, omnes episcopt 
rt principes totius regni communiter consilium inierunt «t ad me venivntes unanimity prticrunt, ut sicut cenobium s. 
Tohannis de Pena decorarcram monastica religione, sic rtiam honestatem cadem regulari b. Benedicti professione Onicense 
monasterium quondam a relgioso Santio comite in honors s. Saleatoris construct et amplissimis donationibus prediorum 
ac preciosissimis supp llectilibus s. Dei ceclesie congrucntibus ditatum. (Quam corum prtitionem iustam esse considerans 
lilunter accepi et ut perficerctur tota mentis intentione distinari. Viros ergo nobiles semper lateri meo adherentes ad 
monasterium s. Iohannis de Pena misi et dounum Paternum, quem ibi abbatem cenerande conyregationis prefeceramus, 
ad nos cvenire cum aliquantis religionis Sratribus expostulari. Qui benigne obediens mee iuste petitiont quod ab co 
petecham, sine algqua dilation. impetrari. Depulsisque mulicribus in Oniensi monasterio sine aliqua recerentia 
habitantibus consensu rt roluntate atque petitione omnium patric nostre rpiscoporum ac clericorum statuimus ibi con- 
yregationem religiosorum monachorum, quibus abbatem Garsram nomine secundum regulam s. Benedicti communi etiam 
fratrum acclamatione preposuimus. Domnum erro abbatem Paternum, abbate loc diliyenter instructo et congreyationr 
honorifice ordinata, ad proprium monasterium remisimus, Diese Erzihlung klingt durchaus echt, wihrend die 
daran sich anschlieBenden Teile es nicht sind. 


Das Papsttum wid die K6nigrviche Navarra und Aragon bis zur Mitte des SIT, Juhrh. 7 


Wire diese Urkunde echt, so wire sic das erste Zeugnis von dem Eingreifen eines Papstcs 
in das Klosterwesen des eigentlichen Spaniens. Aber auch sic ist, wenn nieht ganz, so 
doch zum groBen ‘Teil verfalscht, denn die konstitutiven Bestimmungen im letzten Drittel 
des Kontextes sind dem spiteren Privileg des Papstes Alexander II. fiir das Kloster 
San Juan de la Pena vom 18. Oktober 1071 JL. 4691 entlehnt, kénnen also gar nicht 
in dem urspriinglichen Diplom des Kénigs Sancho des Alten gestanden haben. Ein merk- 
wiirdiger Zusammenhang zwischen dicsen groBen cluniazcnsischen Reformkléstern des 
nordlichen Spaniens eréffnet sich hier. Ubrigens stellt sich bei n&herem Zusehen heraus, 
da8 auch die Uberlieferung starke Widerspriiche aufweist. Yrrrs, dessen Vorlage wir 
nicht mehr besitzen, gibt als Datum an Era MLNNI, noto div subato V. kal. iulii (= 1033) 
und nennt den Namen des Papstes, von dessen Autoritiit und Befehl die Rede ist, nicht. 
In den beiden jiingeren Kopien des Archivo Historico Nacional in Madrid aber lesen wir 
Era MLVIII, noto die sabato V. kal. inlii (= 1020)' und den Namen des Papstes Gregoriis. 
Das Jahr der Era ist hier wie dort falsch, denn der 27. Juni war ein Sonnabend damals 
nur in den Jahren 1024 und 1030, und einen Papst Gregor hat es in dieser Zeit tiber- 
haupt nicht gegeben. 

Es gibt noch ein anderes Zeugnis von Beziehungen zwischen dem Kénig Sancho cl 
Mayor und Rom. Aber auch dieses, die groBe Urkunde fiir das wiederhergestellte Bistum 
Palencia vom 21. Dezember 1035, wage ich nicht als in jeder Hinsicht verhbiirgt anzuschen. 
Ilier wird in der Priiambel der rémische Papst Benedikt genannt (dieses Namens der IX.) 
und erklirt, dai die Restauration der Kirche von Palencia consilio intercentente sedis apostolicr 
erfolge. Wie dem aber auch sei, von einer Urkunde Benedikts IX. kann hier wohl nicht 
die Rede sein. 


SchlieBlich bleibt noch ein ganz tibles Unkraut auszureuten, die angebliche Urkunde 
»Ad honorem« des Kénigs Sancho Ramirez, des Enkels des alten Kénigs Sancho, vom 
18. April 1069 fiir das Kloster San Salvador de Leire®. Da wird wie in jener Urkunde 
von 1022. aber ausfithrlicher und wortreicher erzaihlt, dal} sein GroBvater Kénig Sancho 
(der Alte) am 21. April 1022 in Leire ein Kunzil abgehalten habe, auf dem er die Absendung 
des Abtbischofs Sancho von Leire-Pamplona an die rémische Kurie beschlossen habe, um 
dort unter Vorlegung der Urkunden den papstlichen Schutz und die Freiheit fiir dieses 
erste und iilteste Kloster seines Reiches zu erwirken. Aber die Bischéfe und \bte hitten 
ihm vorgestellt. daB er zuerst die zerstérte Kirche von Pamplona mit Hilfe von Leire 
wiederherstellen solle, dann aber mége er nach Rom senden und das Privileg der Freiheit 
fiir das Kloster erbitten. Im folgenden Jahre. also 1023, habe er im (rehiet von Pam- 
plona ein zweites Konzil abgehalten, wie das Privileg Sanchos fiir Leire -- gemeint ist 
die Urkunde vom 21. Oktober 1022 (s. oben S. 5) — beriehte. Bald daraut sei der 
Abtbischof Sancho der Altere gestorben und ihm der gleichnamige Abtbischof Sancho der 
Jiingere gefolgt, dem der Konig die Privilegien seines GroBvaters Sancho Abarca und 
der Kénigin Urraca und seines Vaters (rarcia und seiner Mutter Eximina bestatigt habe: 
dieses neue Privileg habe er seinem Sohne Ramiro und seinen andern Sdhnen Fernando. 
Garcia und Gonsalvo zur Bestitigung tibergeben. Aber dies alles ist erfunden. Denn der 





! Vel. Macarron |e. 8.113 Anm. 2. 
‘ Ed. P. F. npr Prrear. Teatro clerical If (1680) 40. Mit der Datierung VJ. Aal. tanuwarii Era MILXXV 
(im Anfang a. MXNXVIL, indictione IIL). Die spanische Eva ergibt in der Tat 1037. die Indiktion aber 1035. 
J.pe Morrr (Investigaciones * p. 606: ? p. 647) hat die Datierung ausfiilitlich erortert und deutet sie aut 1035. 
was allgemein angenommen wird. Vogl. aueh Exp. Sagr. XXVIL 26o1f. 
Edd. Saxpovar. Catalogo fol. 3g: Yrres. Coronica general TV fol. 439 n.o15: Actirre. Coll. mas. 
conciliorum ? 1V 434. Vgl. auch Papsturkunden in Spanien II 34 f. 


8 Krnr: 


gréBere Teil des Tenors dieser Urkunde ist abgeschrieben aus den gleichfalls getf‘ilschten 
Urkunden »Ob honorem« des Kénigs Sancho Ramirez fir das Kloster San Victorian von 
1076 und fiir das Kloster San Juan de la Pea yon rogo. oder richtiger, sie sind wahr- 
scheinlich alle von demselben oder denselben Falschern zusammengeschmiedet nach einem 
und demselben Schema mit den fiir das Bedtirfnis des einzelnen Klosters notigen Varia- 
tionen und Zutaten. Wir werden diesen Failschungen noch einmal begegnen. Hier gentigt 
es testzustellen. daB die ganze Geschichte von der Absicht des alten Sancho. Leire der 
rémischen Kirche zu unterstellen, und von der geplanten Sendung des Abtbischofs Sancho 
nach Rom erfunden ist. Ebenso ist aus der Geschichte die Fabel von der Legation des 
heiligen Gregor, Kardinalbischofs von Ostia, zur Bekimpfung der Heuschreckenplage in 
der Rioja zu streichen’. 

Wenn aber auch urkundliche Nachweise von Beziehungen des KGnigs Sancho des 
Alten zu Rom nicht erhalten sind. so ist doch gewiB, dali solehe bestanden haben. Sie 
sind wohl durch die Cluniazensermodnehe vermittelt worden, «leren Protektor dieser Fiirst 
als der erste unter den spanischen K6nigen war. 

Freilich auch dies hat der Exjesuit Jcuay Francisco v— Maspev. der gefiirclitete Kritiker 
der alten Urkunden der spanischen KGnigszeit, der sie, darunter auch die eben behandelten, 
iu Bausch und Bogen als Filschungen verwarf, bestritten*. Er meint, sie seien yon den 
spiiteren franzésischen Ménchen in Spanien erfunden. um ihren Landsleuten, den ersten 
Cluniazenserminchen, das ausschlieBliche Verdienst der Klosterreform in Spanien zuzu- 
schreiben. Er hat jenen Urkunden gegentiber einen gewissen richtigen Instinkt. wenn 
auch in starker Chertreibung. bewiesen, aber statt Argumente vorzubringen, hat er nur 
eine irrige I[ypothese aufgestellt. So hat er auch die Urkunde Sanchos des Alten fiir 
das Kloster San Juan de la Pea vom 21. April 1025, welche von der Reform dieses 
Klosters durch Paternus berichtet*, verworfen. 

Maspru hat aber auch die andern zahlreichen Zeugnisse tiber Paternus und die Titigkeit 
der Cluniazenser unter Sancho el Mayor tibersehen. ; 

Wir besitzen noch den Brief des Abtes Odilo von Cluny und des Bischofs Saneho 
von Pamplona, der sich nach Cluny zuriickgezogen hatte, an den Abt Paternus von San 
Juan de Ja Pea’. aus dem hervorgelit, wie nahe der verstorbene Kénig Sancho der Alte 





Vel. Papsturkunden in Spanien IL 621% 
* In der »Historia critica de Espana. Vel. Papsturkunden in Spanien Hl 35 Anm.2 und S. 104. 
Idd. Briz Maritsez. Historia de San Juan de la Peta S. 398: Macatron. Coleecion diplomitiea de 
San Juau de la Pefia S. 110 u.32. Ich Lasse bier zur Erginzung der oben augetiilirten Stellen tiber die Titie- 
keit des Paternus den Passus aus der Urkunde fiir San Juan de la Pefia folgen: Ob hoe igitur cuplens th jam 
supradicta mouastirio ». Tohannis bapt. confirmare ct congrigare s. requle digniter hoatam monachorum riam ac vitam 
conygregatis monachis communi electione elegruus patrom Christi sereorum Paternum abbatem. quo prefatus abba, ante- 
quam advocatus fuisset ad aordinem abbatis, sedchat remotus a seculo multo jam tempore cum socus suis, Dernde 
audins laudabilem famam Claniacensis monasterit t cidens, quia ardor dheini operis refrigesccbat in ista Ispania, 
cupins velut apes prudcntissima fructes bonos facert, adhortans secum alos, gir crant inflamma spiritu De... 
Talibus preecptis edocti, vendentes omnia sua, divina gratia cis precedente. perrexerunt illuc eum nimio honove et abi 
pervenerunt iluc, ridentes quod ad talem locum diving pietas cox perdusisset, glorificarerunt Deum. Ego vero Sancius 
rex afflictus cram nimio tedio. quia me derelicto ad alia toca migrassent, direvi ad venrrabilem Odilonem abbatem 
ciusdem Cliniacensis monastirii, sub cuius regimine degebant, rogans ut pro sua magna mixcricordia mitterrt eos ad 
me, cf ego tam alli quam rt ipsis, prout posse mihi Dominus darct, serrivem. Tle rero, ut erat clemens, consensit et 
direvit. cos ad me, ct ceniontes ad me dedi illis suprafatum monasteriam s. lohannis cum omnibus villis eel monastertis 
sis, que maserunt ibi parentes mei el que pro avimabus: sues obtulerunt ibi- alii honi ciri, «f corroborari, ut ips? 
rf sucerssores cornm secundum tegen ct consuctudinem, quam Cluniacense monasternin hahet, habeant vt ab illa nultos 
cox abstrahat. 
* Edd. Accrere. Coll. maa. conciliorum - TV 385: D°Acuiry. Spictlegiuin TIL 386: 2TH 381 =- Miene 
CXLH g4i ne 2: Ramoy pe Hersea V gog nu. 9 und Ibarra y Roprict ez. Documentos correspondieites al reinado 
de Ramiro Lp. 215 nm. i4t. 


Das Papsttum und die honigreiche Navarra und Aragon bis sur Mitte des XII. Jahrh. ) 


den Cluniazensern gestanden hat, des deae memoriae domini nostri Sancti regis defunct, 
wie sie schreiben. und wie sehr der Streit der Séhne sie betriibe: namentlich beteten sie 
fiir ihren Liebling Kénig Ramiro von Aragon (pro carissino nostro et visceribus tottus amorts 
ac dilectionis domino Redimiro, de cuius beniqgnitate et probitate morum@ue paternorim in cunctis 
repraesentationc, von der Bischof Sancho berichtet habe). Ebenso schreiht Abt Odilo an 
den andern Sohn Sanchos des Alten, den Kénig Garcia Sanchez von Navarra (el de Najera). 
und gedenkt der (ndissolubilis familiaritas et socirtas, quam olim patri restro probamur copulati 
und gelobt darin auch ihm gegentiber zu verharren; er fleht zu Gott. ilim Sieg und Ge- 
sundheit zu verleihen, und bittet schlieBlich fiir sein verarmtes Kloster um Unterstiitzung’. 
Wie tiefe Wurzeln in der religiésen Stimmung des damaligen Spaniens Cluny und seine 
Lehre geschlagen hat. beweist auBer dem Beispiel des Bischofs Sancho von Pamplona 
die Tatsache, daB drei Jahrzehnte spiter, im Jahre 1065, zwei andere Bischéfe, Johann 
yon Pamplona und Simeon [. von Oca-Burgos. sich nach Cluny zuriickzogen’. 

Doch ist nicht unwichtig, festzustellen. dal die damals von Kénig Sancho cl Mayor 
nach der Regel von Cluny reformierten Kléster — es werden auber San Juan de la Pena. 
San Salvador de Leire und San Salvador de Ona noeh Santa Maria de Hirache, San Martin 
de Albelda, San Millan und San Pedro de Cardefa genannt® — nicht von dem Mutter- 
kloster abhaéngig wurden, sondern dal sie nur die Regel von Cliny annahmen. sonst 
aber selbstiindig blieben*. Die Tradition spanischer Kléster an Cluny und ihre Um- 
wandlung in Priorate des Haupt- und Mutterklosters kommt erst spiiter in den Lindern 
Alfons’ VI. von Kastilien und Leon auf. 

KGénig Sancho Gareés el Mayor starb, wie man jetzt allgemein annimmit. im Jahre 1035. 
kr hinterlie seine Linder seinen vier Séhnen. Garcia Sanchez bekam Navarra, Najera 
mit der Rioja, die Bureba und das Baskenland. Fernando Kastilien und Leon, Gonzalo 
Sobrarbe und Ribagorza, Ramiro Aragon. Als nach der Ermordung Gonzalos Sobrarbe 
und Ribagorza mit dem damals noch unbedeutenden Aragon vereinigt wurden, entstand 
hier ein gréBeres Reich, dem der kraftvolle Kénig Ramiro einen neuen Impuls gab, 
indem er sich gegen die Mauren in der Ebene wanilte. 

Von dem iiltesten Sohn Garcia Sanchez (1035—1054). den man nach seiner 
Lieblingsresidenz »el de Najera« nennt. wird erzaihlt. da er noch zu Lebzeiten seines 
Vaters cine Pilgerfahrt nach Rom unternommen habe’. Wir wissen dariiber leider nichts 
Niheres. Damals sa8 auf dem Stuhle Petri der Tuskulaner Benedikt IX. tiblen Ange- 
denkens. Wohl von ihm erhielt der Konig Reliquien der hl. Vitalis. Agricola und 
Eugenia. die er in der von ihm 1052 gegriindeten Kirche Santa Maria la Real de Najera 
niederlegte”. Wir besitzen noch die groBe Ausstattungsurkunde fiir dieses Stitt, das der 
Eseorial seines Hauses werden solle. aber mit keinem Worte ist darin von Rom die Rede’. 
Auch bei der Wiederherstellung des Bistums in dem 1045 von ihm eroberten Calahorra, 
der alten Calagurris. héren wir nichts von Rom. Das ist oder ist doch nicht allein aut’ 








1 Edd. Actrerr Lc. 2 PV 385: p’Acurry. Spicilegium MIL 388: 21M 381 <= Miext CNLIE og2 1. 3. 
? Siehe die Autzeichnung tiber die von dem Kardinallegaten Hugo Candidus ro6s und 1007 in Najera und 
Llantadifla abgebaltenen Konzilien in den Sitzungsberichten dieser Akademie. plil.-hist. Klasse 1928. 8.207 u. TL 
Nimlich in dem Privileg Sanchos des Alten fiir Pamplona von ro27 (ed. Sinpovar. Catalogo fol. 28° 
zu 1007 u. 6. vel. Papsturkunden in Spanien IL 20}. 
' Vel. Papsturkunden in Spanien Ul 35 Anim. 3. 
> Su berichtet das sogenannte Chronicon Silense (Esp. Sager. XVIL 313): Barra Sancies ree mn senectuts bona 
plenus dierum, dum Hilins ius Garsias ob cota solveenda Romam commearet. hac vita deerssit Evra MELXNITL. quem 
Fervnandus apud Onicnse conobium magno cum honore. ut tantum patrom eecbat, humart feeit. Garsias cero post 
quam solutis Dei cotis Roma rediit ac tam obitu patris percepto, Pampilonens! provinciae appropinquatur ete, 
® Val. Papsturkunden in Spanien I 53. 
S. ebenda S$. 58 Anm. t. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 4. 2 


10 Kenn: 


die damaligen Zustiinde an der rémischen Kurie zuriickzutithren: es entsprach auch dem 
damaligen spanischen Kirchenrecht, das die Verfiigung tiber die Kirchen den Kénigen, 
den GroBen und den Bischéfen tiberlicB; erst das Reformpapsttum hat hier Wandel 
geschaffen. Der Konig selbst war nach der Tradition seines Hauses und, wie die Stiftung 
yon Najera und seine oben bereits erwihnten Beziehungen zu Odilo von Cluny beweisen. 
religiésen Stimmungen zugiinglich. Er fiel 1054 in der Schlacht von Atapuerea gegen 
seinen Bruder Ferdinand von Leon und Kastilien. Erst unter seinem Sohn und Nach- 
folger Sancho GareceéslIV. mit den Beinamen »el Noble« oder »el de Pehalen« (1054— 1076) 
setzen die ersten Beziehungen zu Rom ein, als Alexander II. mit der Entsendung seines 
Legaten, des Kardinalpriesters Hugo Candidus. in die spanisehen Angelegenheiten eingrift. 

Auch in dem anstoBenden Aragon, wo Kénig Ramiro I. (1035—1063) regierte, der- 
selbe. den Abt Odilo von Cluny und die Seinen als den wiirdigen Nachfolger des von 
ihnen besonders verehrten Vaters ritlhmten, ist keinerlei direkte Beziehung zu Rom nach- 
zuweisen'. Wohl hat spéter Gregor VII. gerade diesen Konig als einen rev christia- 
nissanus und als einen zwciten Moses gepriesen. weil er zuerst in seinem Lande den 
romischen Ritus eingettthrt und sich und sein Reich dem hil. Petrus tributir gemacht 
habe. Aber dies ist ein Mi®verstindnis. wie ich jiingst ausfihrlicher dargelegt habe’. 
Wohl diirfen wir vermuten, dali Ramiro wie seine Briider in Navarra und Leon dureh 
Vermittlung ihrer Freunde in Cluny freundschaftliche Beziehungen zu Rom. wo im 
Jahre 1049 der groBe Reformpapst Leo IX. ein neues Zeitalter einleitete, unterhalten 
haben. aber weder wissen wir etwas davon. noch haben wir AnlaB. anzunehmen. daB 
sic zu irgendwelchen praktischen Ergebnissen yefithrt hiitten. Noch lag kein Grund 
fiir die spanischen Kénige und fiir ihre Kirchen vor, die Hilfe oder die Intervention 
von Rom anzurufen, und die Kurie. von anderen Sorgen in Anspruch genommen, war 
damals auch kaum in der Lage, sich in die Verhiiltnisse dieser fernen Linder einzumischen. 
Es bedurfte eines besonderen Anlasses dazu und eincr groBen Initiative. Dies ist das 
historische Verdienst des Papstes gewesen, zu dem wir uns jetzt wenden. 


§ 2. Alexander II. 


Eiste Legation des Kardinals Hugo Candidus r065—68.— Der Bericht iim Codex Emilianensis. — 





Kouzilien von Najera to6s und Llantadilla 1067. — Mission der spanischen Bischéfe nach 
tom. — Kommendation des Koénigs Sancho Ramirez von Aragon 1068. — Riiekkelir des 
Legaten nach Rom. — Zweite Legation des Hugo Candidus 1071. -— Sendang des Abtes 
Aquilin von San Juan de la Petia. — Alexanders UH. Privilegien fitr San Juan de la Pena. San 
Victorian und San Pedro de Loavre. -—— Die gefiilschten Privilegien des Konigs Sancho Ramirez 
fin San Vietorian und fiir San Salvador de Leire. Die vefilsehten Privilegien Alexanders LH. 
fir Leire. —- Legation des Huge Candidus in Frankreich 1072. -- - Die Legaten Girald von Ostia 
and Raimbald in Spanien 1073. — Krenzzugsplan des Grafen Evolus von Rouey. -- JL. 4755. 


Es geschah unter dem Papst Alexander LI. (1061—73), daB das Papsttum zum 
ersten Male in die inneren Verhaltnisse der spanischen Kirche eingriff und seine Autoritiit 
zur Geltung brachte, die, seitdem mit jJedem Jalirzelhnt gewaltig anwachsend, schon unter 
seinen nachsten Nachfolgern ein entscheidender Faktor in der Geschichte der iberischen 
Halbinsel werden sollte. Freilich. wie das gekommen ist. wissen wir nicht, und wir kénnen 








' Woher der sonst so verstindige Garusay. Compendio historial lib NXXI ¢. 16 (2 LV 9) die wunder- 
liche Nachricht hat. Papst Benedikt VOL (bzw. IN.) habe dem Ramiro die hénigliche Wiirde von Aragon 
bestatigt. weiB ich nicht. 

2 Tn der Abhandlung » Wie und wan warde das Reich Avagon ein Lehen der roimischen Kirche« in 
den Sitzungsberichten dieser Ahademie. phil.-hist. Klasse 1928. S. ro6 ff. 


Das Papsttum und die KGnigreiche Navarra und Aragon bis sur Mitte des NIL. Jahrh. 11 


nur vermuten, daB es die bereits seit Jahrzehnten mit Spanien vertrauten Cluniazenser 
gewesen sind, die die erste amtliche Verbindung mit Rom herstellten. Sie waren es wohl. 
die die rémische Kirche zum Kampf gegen den sogenannten mozarabischen Ritus der 
spanischen Kirche aufriefen’. 


Es war wohl auf oder nach dem Konzil zu Mantua (im Mai und Juni 1004)". wo 
das Papsttum Alexanders II. als das legitime anerkannt wurde. da die Kurie die Ent- 
sendung eines Legaten in das eigentliche Spanien beschloB. Mit diesem schwierigen A\uf- 
trag wurde der Kardinalpriester Hugo Candidus betraut’. 

Die merkwiirdige Gestalt dieses Mannes, von dessen Charakter und Tiitigkeit wir 
gerne mehr wissen méchten, gehédrt zu den bekanntesten und am meisten umstrittenen 
Persénlichkeiten jener Zeit. Er war soeben von dem Gegenpapst Cadalus von Parma. 
dessen Partei er ergriffen hatte. zur Obedienz Alexanders I]. zuriickgekehrt und erhielt nun 
die ebenso schwierige wie wichtige spanische Legation. Wir wissen nicht, ob er bereits 
dank seiner franzésisch-lothringischen Herkunft Beziehungen zu Spanien hatte oder welches 
sonst die Beweggriinde waren. die Alexander I]. bestimmten, gerade ibn mit einer so be- 
deutenden Aufgabe zu betrauen. Jedenfalls —- daran kann kein Zweitel sein — war er 
der rechte Mann dazu. 


Bisher war man tiber den Beginn. die Dauer und die Einzelheiten dieser ersten groBen 
spanischen Legation nur ungeniigend unterrichtet. Ich selbst habe jiingst noch den Beginn 
der Legation des Hugo Candidus ins Jahr 1068 gesetzt*, allein aus bisher tibersehenen 
Dokumenten geht mit aller Sicherheit hervor, daB er schon im Jahre 1065 in Spanien 
gewesen ist. Das lehrt ein Bericht in dem beriihmten Codex Emilianensis saec. XI’. in 
dem erzihlt wird, da Hugo Candidus zur Zeit des Papstes Alexander II. und des Kénigs 
Ferdinand von Kastilien und Leon ins Land gekommen sei mit dem Auftrage, den spa- 
nischen Ritus zu heseitigen. Da dieser Kénig am 27. Dezember 1065 gestorben ist, so muh 
der Legat bereits 1065 hier gewirkt haben. Andere haben seine Tatigkeit im Reiche des 
Konigs Ferdinand schon ins Jahr 1064 oder noch friiher gesetzt: allein dagegen spricht 
der Umstand, da er erst nach seiner AussOhnung mit Alexander I].. also wohl erst nach 
dem Konzil von Mantua, die spanische Legation erhalten haben kann. Die Datierung dieses 
Berichts macht insofern eine groBe Schwierigkeit, als darin ein bestimmtes Jahr angegeben 
wird: kénnten wir es nur sicherer verifizieren. In dem in westgotischer Schrift geschrie- 
benen Codex steht deutlich Era T“ IX " VII", aber tiber die Bedeutung dicser Zahl sind die 


spanischen Historiker uneinig, und wie man sie auch lesen oder deuten mag — sei sie 
nun verschrieben oder sei hier unter der Era nicht die spanische, sondern die christliche 
zu verstehen --—-, sie hilft uns nicht zu einer sicheren Bestimmung des Jahres’. Als die 


' Vel. davitber meine Abhandlung tiber die Zeit und die Uinstinde. da Aragon ein Lelmsreich der ro- 
mischen Kirche wurde. in den Sitzungsberiehten dieser Akademie 1928, S. 196 fF 
* Vor 1064 sind Bezielhungen Alexanders IL. nur zu Katalanien nachweisbar. So hat er schon rob2 (Mai 20) 
dem Kloster Sauta Maria de Ripoll in der Didzese Vich ein Privileg gegchen (IL. 4470) und im Jahre 1063 
(April 17) ein zweites der Kirche San Pedro in Ager (s. Papsturkunden in Spanien I 267 neti) Loewnarirp 
setat auch die behanute Dekretale Alexanders IL »Dispar nimirum«< JL. 4528 tiber die Schonung der Judeu 
durch die nach Spanien ziehenden Sarrazenenkimpter. ich wei8 uicht mit welchem Recht. ins Jahr 1063. 

Ther die spanische Legation des Hugo Candidus handeln die Dissertationen von H. Horrgorre, Hugo 

Candidus ein Freund and Gegner Gregors VU. (Miinster 1903). Jon. Masstvo. Gregor VIL. im Verhaltnis zu seinen 
Legaten (Greifswald 1907) 5. 424% und B. Garrrey. Hugo der Weibe und die Opposition gegen Papst Gregor VII. 
(Greifswald rgi4). Aber sie wiederholen nur die alten lrrtiimer. 

' S. meine Abhandlung »Das Papsttum und der hatalanische Prinzipat« S. 27. 

* S. meine Untersuchung in den Sitzangsberichten 1928. S. 202 ff 

* Am ausfiihrlichsten hat dartiher Hewrmce Frorez in der Esp. Sagr. HI 280 ff gehandelt. Ev kommt 
nach lingerem Hin und Her schlieBlich dazu. die im Emilianensis fiberlieferte Zahl als MUXUL zu lesen ~- 


)- 


12 . KeEeue: 


einzig sichere Zeitgrenze bleibt das Todesjahr des in dem Berichte genannten Kénigs 
Ferdinand »des GroBen«. Das Jahr 1065 wird auch bestiitigt dureh ein anderes Doku- 
ment, das uns eines der Chartulare des Klosters San Millan de la Cogolla, aus dem auch 
jener Codex stammt, tiberliefert hat'. Daraus erfahren wir, dali der Kardinal damals ein 
Konzil in Najera abgehalten hat in Gegenwart des Kinigs Sancho Gareés TV. von Navarra” 
und im Jahre 1067 ein zweites in Llantadilla im K6nigreich Leon in Gegenwart des 
K6énigs Sancho, des Sohnes und Nachfolgers Ferdinands, und seiner Schwester, der Griifin 
Elvira. Wichtig ist dabei, festzustellen, daB der Schauplatz der Tiitigkeit des Kardinals 
damals hauptsiichlich das von Sancho Gareés IV. »el de Pehalen« (1054-~ 76) regierte 
Kénigreich Navarra und das Reich Ferdinands und seines Soles Sancho II. (1065—72) 
war: von Aragon verlautet hier noch nichts. 

Jener Bericht im Emilianensis behauptet, dais Hugo Candidus damals nichts erreicht 
habe. Es seien dann andere Kardinile ins Land gekommen. seinen Versuch zu erneuern. 
Wir wissen von solechen nichts, und wahrscheinlich liegt hier ein chronologischer Irrtum 
des Berichterstatters vor’, Aber richtig ist gewiB. dali dieses Eingreifen Roms in die 
inneren Angelegenheiten der spanischen Kirche und der Vorwurf der Heterodoxie grobe 
Erbitterung bei den Bischéfen von Navarra und Leon hervorrief: sie taten sich zusammen 
und beschlossen, drei von ilnen nach Rom zu senden. den Munio von Calahorra (Najera). 
Eximinus von Oca (Burgos) und Fortunius von Alava, die mit den aus den navarresischen 
Kléstern Albelda. Hirache und Santa Gemma mitgebrachten liturgischen Codices vor 
Alexander If. erschienen. In dessen Gegenwart und unter seiner persOnlichen Teilnahme 
wurden diese Biicher auf dem Konzil eingehend gepriift und, wie der Berichterstatter ver- 
sichert, als katholiseh befunden. Um welches Konzil es sich da gehandelt habe, wissen 
wir nicht; seit Baroxrus hat man es gewéhnlich auf das Mantuaner bezogen, das die 
einen zu 1064, die andern zu 1067 gesetzt haben. dessen Zugehérigkeit zu 1064 aber 
jetzt feststeht und damit ohne weiteres ausscheidet, zumal dessen tumultuarischer Aus- 
gang gar nicht eine so griindliche Priifung, wie unser spanischer Gewihrsmann erzihlt, 
gestattete. Walhrscheinlich geschah es auf dem rémischen Konzil von 1065 oder 1069. 

Nun war die Tatigkeit des Hugo Candidus gewif nicht allein auf die Verhandlungen 
tiber die Ersetzung des spanischen Ritus durch den rémischen beschrankt: dies war sicher 
nur eine der ihm fibertragenen Aufgaben. Der Kampf gegen die Simonie war eine andere, 
aber die Hauptsache war doch, die Verbindung der spanischen Kirchen und Linder mit 
Rom zu kniipfen und moéglichst eng zu gestalten. Und so wird sich seine Tatigkeit nicht 
auf Navarra, Kastilien und Leon beschrinkt haben’. Wenn wir auch kein Zeugnis dariiber 
haben. so darf doch als selbstverstaudlich angesehen werden, daB er auch das Land 





freilich ist das eine recht gewaltsame Operation —~ und sie als christliche Ara zu deuten. Ich halte die Lesung 
Era 1107 fiir die wahrscheinlichere. also ~z 1069 der christlichen Ara, und méchte die Jahresangabe auf las 
romische Konzil dieses Jahres beziehen. aut dem die Angelegenheit wahrscheinlich verhandelt w unde. 

1 §. Sitzungsberichte 1928, S.217 Nr. II. 

- Das dae 1065 ergibt sich aus der Nennung der Bischofe Johann von Pamplona und Simeon I. von 
Burgos (Qca). die sich hernach nach Cluny zuviickzogen und dureh Blasco vou Pamplona und Simeon IH. von 
Burges ersetat wurden. dieselben. die dann im Jabre 1067 auf dem Konzil zu Llantadilla erseheinen. 

3 Frorez J. c. U1 304 4%. meint. dies seien der Kardinalbischof Girald von Ostia und der Subdiakon Raimbald 
gewesen. die in den letzten Jahren Alexanders H. in Grallien tatig waren und auch in die spanischen Angelegen- 
heiten eingegriffen haben. Ware das richtig. so wiirde das rémische Konzil. auf dem die spanischen Bischéte 
mit ihren liturgischen Btichern erschienen. noch weiter an das Ende des Pontifikats Alexanders I. riicken und 
wiirden sich nene Schwierigkeiten in der chronologischen Rekonstruktion der Ereignisse ergeben. Ich moclite 
annehmen. daB hier der Berichterstatter sich nicht an die richtige Folge der Geschelinisse gehalten hat. 

4 Vielleicht hat Hugo Candidus damals das Jacobusgrab in ¢ ‘ompostela besucht. tind. er wire dann der 
Kardinallegat gewesen. von dem die Historia ( ‘ompostellana jene kostliche Geschichte erzihlt. wie der dortige 
Bischof den rémisehen Kollegen abfertigt (Esp. Sagr. XX 253). 


Das Papsttum ind die Konigreiche Navarra wud Aragon bis zur Mitte des NV). Jahrh. 13 


Aragon und dessen jJungen Kénig Sancho Ramirez, den Sohn Ramiros [., besucht habe: 
ja man darf vielleicht vermuten, daB er es gewesen ist, der in dem fiir religiése Ein- 
wirkungen empfiinglichen Gemiite dieses Kdénigs jene Reise nach Rom angeregt habe. 
die der damals fiinfundzwanzigjibrige Herrscher im Friihjahr 1065 ausgefitihrt hat. Sie 
ist. auch wenn sie zuniichst cin unmittelbares Ergebnis auBer der persénlichen Kommen- 
dation des aragonesischen Kénigs an den hl. Petrus, die nur ein Akt kirechlicher Devotion 
und ganz persdnlicher Hingabe war, nicht gehabt hat, doch eines der folgenreichsten 
Ereignisse in der spanischen Geschichte gewesen. Noch war Aragon damals das unbe- 
deutendste unter den spanischen Reichen. In Navarra. der Rioja und dem Baskenland 
herrsehte die Altere Linie der Dynastie Sanchos des Alten, die freilich seit der Schlacht 
bei Atapuerea (1054) den Primat an den zweiten Sohn Sanchos des Alten, an Ferdinand 
yon Kastilien und Leon’ und dessen Nachkommen hatte abgeben miissen. Die Bewohner 
der Berglinder von Aragon. Sobrarbe und Ribagorza rangen damals noch mit den Mauren 
um die Herrschaft tiber die den Bergen vorgelagerte Ebene. und ihr Gemeinwesen bedeutete 
neben jenen Reichen nicht viel. Dies erklirt wohl auch das gréBere Schutz- und Sicher- 
heitsbediirfnis des aragonesischen Kénigs. das in dem engen AnschluB an Rom zum .\us- 
druck kommt, wé&hrend die beiden andern spanischen Kénige, Ferdinands skrupelloser 
Sohn Sancho I.. der 1072 vor den Mauern von Zamora ein gewaltsames Ende fand. und 
Sancho Gare¢s IV. von Navarra, der im Jahre 1076 von seinen (ceschwistern ermordet 
wurde. den kirchlichen Dingen gegentiber eine gewisse Zuriickhaltung gezeigt zu haben 
scheinen; solehe Akte von kirchlicher Devotion und spontane Erklirungen  religidser 
Geftiihle wie bei den aragonesischen Kdénigen sucht man bei jenen vergebens. Es ist 
doch eine starke Differenzierung der kirchlich-religiésen Einstellung je nach der Indi- 
vidualitit dieser spanischen Koénige unverkennbar: am stiirksten ist sic bei dem Ahnherrn 
der Gesamtdynastie Sancho dem Alten. und traditionell war sie in dessen aragonesischer 
Deszendenz. Auch die Frauen migen da eine Rolle gespielt haben, wie jene burgundische 
Konstanze. die Gemahlin Alfons’ VI. von Kastilien, der nun bald alle andern tiberragenden 
Persinlichkeit in der inneren und fuBeren (veschichte und auch in der Kirehenpolitik 
Spaniens in den letzten drei Jahrzehnten des XI. und in dem ersten Jahrzehnt des 
NIL. Jahrhunderts. 

Zwei Jahre Jang (1065---67) und vielleicht noch bis tief ins Jahr 1068 hinein hat 
der Kardinallegat Hugo Candidus sich in Spanien aufgehalten, dann trat er den Riiek- 
weg nach Rom an. Wir finden in im Sommer 1068 in Auch, der Metropole der Gascogne, 
wo er mit dem bald danach verstorbenen Erzbischof Austindus und seinen Sutffraganen 
eine Synode abhielt*. Von da zog er nach Toulouse, wo er eine zweite Synode ver- 
sammelte, an der bereits der Nachfolger des Erzbischofs Austindus von Auch Wilhelm 
und andere siidfranzisische Bischéfe, ferner die Abte Hugo von Cluny und Frotard von 
Saint-Pons de Thomiéres teilnahmen*. TWierauf besuchte er tiber Narbonne auch Kata- 
lanien, wo er Ende November in Anwesenheit des Graten Raimund Berengar I. und der 
Grifin Almodis eine groBe Synode mit deu Metropoliten Wifred von Narbonne und 
Wilhelm von Auch, den Bisch6fen von Gerona, Urgel. Vich. Agde, Cominges, Toulouse 


1 Ferdinand der GroBe ist der erste dev spanischen Kénige. der in den Urhunden zuweilen schon als 
Imperator bezeiclinet wird. in dem Sinne. daB er der Senivr der Dynastie war (zB. in den Urkunden des 
Kénigs Ramiro I. von Aragon bei Inarra y Roprievez. Documentos correspondientes al reinado de Ramiro Lf. p. 16 
n. 8: p. 33 n.18. p. 169 1. 103). 

2 Edd. p’Acuery. Spicileginm tI 502: 71625 >- Mansi XTX 1o63ff Erzbischot Austindus wird in der Ur- 
kunde selbst schon als verstorben bezeichnet. Er starb nach der Gallia christ. | oSo am 23. September ros. 

* Edd. Carer, Mémoires de lhistuire de Languedoc (1633) - Mansi XIN 1065 ff mit 206%. ind. tle as. 
Alerandr? TT. 


14 Kener: 


und Uzés abhielt; auch der Bischof Salomon yon Roda?! und die Abte Frotard von Thomicres, 
Dalmatius von Lagrasse, Andreas von San Cugat, Reinald von Canigou, Oliba von San 
Pedro de Galligans*. Amatus von San Salvador de Breda* und Tassio von San Lorenzo* 
nalimen daran teil’. Er scheint damals auBer Vich und Barcelona’ auch das_beriilimte 
pipstliche Eigenkloster San Pedro de Rodas an der Kiiste des Mittelmeeres besucht zu 
haben, zu dessen Gunsten er auf dem Riickweg nach Italien. als er, wohl im Dezember 1068, 
in Avignon halt machte, um einer zahlreich besuchten Synode vorzusitzen, einen Aufruf 
erlieB’. Hier waren auch die grofen Abte Frotard von Thomiéres, Bernard von Marseille 
und Hugo von Cluny bei ihm. Anfangs 1069 war er wohl mit seinem Gefolge in Rom. 
Ist das richtig. so gehért in dieses Jahr das von vielen italienischen Bischéfen besuchte 
Konzil, dessen Teilnehmer uns eine spite Handschrift in Ferrara in einem leider sehr 
sehlechten Text iiberliefert. Unter ihnen erscheint auch Ugo cardinalis presbiter de titulo 
suuti Clementis, Vielleicht hat auch bei dieser Gelegenheit jene Verhandlung tiber die 
spanische Liturgie, von der der Bericht im Codex Emilianensis erzahlt, stattgefunden’. 
Das ist fiir lingere Zeit die letzte Nachricht, die wir von dem Kardinallegaten Hugo haben. 

Aber zu Anfang des Jahres 1071 war er wieder in Spanien, und dieses Mal war das 
Land Aragon der Schauplatz seiner Wirksamkeit. Und jetzt hatte er einen groBen Erfolg. 
Davon reden die drei Privilegien, welche Alexander II. am 18. Oktober 1071 den drei 
aragonesischen Kléstern San Juan de la Pena, San Victorian und San Pedro de Loarre aus- 
gestellt hat (JL. 4691 und Papsturkunden in Spanien II 260ff. n. 3 und 4): am ausfiihr- 
lichsten das erste. Der Papst bebt mit der Klage an, dab die Kirchen in Spanien von 
der Einheit des katholischen Glaubens abgefallen und fast alle in der Disziplin und im 


§ Vel. fiber ihn Papsturhunden in Spanien I 157. 
> Vel. ebenda I 143. 

* Wel. ebenda T 45. 

' Wohl von S. Laurentit de Monte in der Diézese Vich: vgl. Papsturh. in Spanien I iro. 

* Die oft eedruckten Ahten dieser groBen Synode s. bei Mays: XIX 1060 ff: Virraxteva. Viage liter. 
NID 201 n. 25: Esp. Sage. NLU 477 48. Ferner die Urkunde Hugos yom 24. November 1068. im Anhang 
zu meiner Abhandlung Day Papsttum and der katalanische Prinzipat S. 7g Nv. VI. 

* Vel, meme Abbandlung Das Papsttum und der katalanische Prinzipat S. 27 f. 

* Vel ebenda 8.78 Nr Ve Ich habe damals in der irrigen Meinung. Hugo Candidus habe erst itn 
Jahre 1068 die Legation angetreten, angenommen. diese Synode falle in deren Beginn und sei seine erste Synode 
eewesen. an die sich dann die von Auel. Toulouse. Gerona und Barcelona angeschlossen hitten. Aber dev 
Irrtum liegt jetzt klar zatage. Dagegen spricht auch. daB die auf dem Konzil in Avignon erlassene Urkunde 
fiir San Pedro de Rodas doeh den vorhergegangenen Besuch an Ort und Stelle voraussetzt: die Beurhundune 
hat eben auf dem Riiekweg stattgefunden. Ferner die Anwesenheit des Erzbischofs Wilhelm von Auch. der 
den Kardinallegaten von Auch ab begleitet hat. offenbar um sich in Rom das Palliame zu holen. Leider ist 
die Palliumurkunde Alexanders I. fiir Wilhelm von Auch nicht erhalten. 

» Es ist vin cigentiimliches MiByeschieh. daB von nur einer der zalireichen Synoden. die dieser eitvige 
Refornpapst abgehalten hat. die Akten auf uns gehommen sind. Wir wissen von ciner Synode in Lucca vom 
Dezember 1062. von der Lateranensischen Synode vom April 1063. deren Verliandlungen wir aus der Sammlung 
des Udalrich von Bamberg kennen, von dem Mantuaner Konzil sun Ende Mai und Anfang Juni 1064. von 
der Lateransynode vom Mai 1065. von der Synode von Melfi vom August 1067. von einer rémischen Synode 
yom Mirz 1068. von der Lateransynode vom Mat 1070. von rémischen Vastensynoden in den Jaliren 1072 
nid 1073 und haben Andentungen von einer Synode des Jahres 1066 (JL. 4612). Die Liste der zalilreichen 
Teilnehiner an der Lateransynode von 1065 besitzen wir (IL. 4565): fermer die der noch zalireicheren Teil- 
nehiner an einer Synode. auf der der Intrusus Samuel exkommuniziert und statt seiner dev Bischof Gratian 
fiir Ferrara bestitigt wird (JL. 4651). Leider ist deren Text fuBerst verderbt. Carperrerrt. Le Chiese d'Ttalia 
IV 47 hat sie noch sehlechter heransgegeben und sie zum Jalire 1069 gesetet: Lorwenrety unter n. 4631 hat 
sie wobl mit Riicksicht auf Alexanders I. Privileg fiir die Kanoniker von Ferrara vom 20. Juni 1068 (JL. 40650) 
auf die Synode you 1068 bezogen. und ich bin ihm olne weitere Nachpriifung gefolut (1 PV 210 neg) Liir 
die Geschichte der italienischen Bisttimer sind diese beiden Listen von héchstem Wert. aber sie bedirtten 
einer neuen kritischen Bearbeitung. Wie oben ausgefiilirt. gehért m. E. die zweite (JL. 4651) zu 1069. 

" Auch die Svnode von ro65 (JL. 4505) ware mogliel. Unter deren Teiluelunern wird Desiderius 
abbas s. Benedicti (von Montecassino) genaunt. dem der Liber orationum ans dem Kloster Hirache zur Priifune 
zugewiesen wurde (val. Sitzunesberichte 1928. S. 203). ’ 


Das Papsttim und die Kénigreiche Navarra wil Aragon bis sur Mitte des XT]. Jahrh. 15 


Kultus abgewichen seien. Daher habe er den Kardinalpriester Hugo Canididus dahin gesandt, 
der die Reinheit des christlichen Glaubens wicderhergestellt, die Simonie ausgerottet und 
die abweichenden Riten nach der kanonischen Ordnung reformiert habe. Kénig Sancho 
Ramirez aber habe sich zum wahren Glauben bekannt und sich selbst dem Apostolisehen 
Stuhl ergeben und die lange Zeit der rémischen Kirche entfremdeten Kldster seines 
Reiches ihr zu vollem Eigentum zuriickgegeben. Die hernach von Gregor VII. schirfer 
formulierte Theorie von dem Eigentwmsrecht der rémischen Kirche an Spanien wird also 
bereits hier angedeutet. Hierauf habe Konig Sancho den Abt Aquilinus von San Juan 
de la Pena, seinen geistlichen Vater, unter Vermittelung des Kardinals Hugo mit den 
Urkinden nach Rom gesandt und dem Papst die Bitte vorgetragen, das Kloster San Juan 
de la Pena und die beiden andern in das Eigentum und den Schutz der rémischen Kirche 
gegen einen Jahreszins von einer bzw. einer halben Unze Gold aufzunehmen. In dem 
Privileg fiir San Victorian wird bestimmter gesagt, dab der Kardinallegat und der Abt 
Aquilin zusammen diese Wiinsche des Kénigs dem Papste iiberbracht hitten, der sie gnidig 
aufnahm und gern erfiillte. In der Tat wissen wir aus andern Zeugnissen, daS der rémische 
Ritus in Aragon am Dienstag, dem 22. Marz 1071 eingefiihrt worden ist'. Danach ist kein 
Zweifel, daB Hugo Candidus damals in Aragon weilte und mit dessen Kénig den engen 
Bund geschlossen hat, der der rémischen Kirche die Unterstellung der drei groBen Kloster 
des Landes einbrachte und damit das dortige Kirchenwesen ganz von Rom abhingig machte. 
So ist das Jahr 1071 das erste, das in den Beziehungen Roms zu Spanien Epoche machte. 

Um dieses grobe Ereignis hat sich ein Kranz von Legenden gesponnen. In den Klistern 
SanJduan de la Pena und San Victorian, die durch die groBen Exemtionsprivilegien Alexanders II. 
und die reichen Schenkungen des Kénigs Sancho Ramirez bald gefiihrliche Rivalen ihrer 
Landesbischéfe wurden, bat man, um sich ihrer zu erwehren, sehr bald zu dem erprobten 
Mittel der Falschung in groBem Stil gegriffen. In dem unechten Privileg des Kénigs 
Sancho Ramirez vom 20. Marz 1076 fiir San Victorian* wird erzihlt, der Kénig habe im 
achten Jahre seiner Regierung, am 20. Mirz 1071 (Era MCVIIIJ). einen Tag in Jaca ab- 
gehalten. Da sei rx improviso, offenbar auf géttliche Fiigung, der Kardinalpriester Hugo 
Candidus erschienen, den er mit dem Abt Aquilinus von San Juan de la Pea und dem 
Abt Grimald von San Victorian an den Apostolischen Stuhl gesandt habe mit der Bitte. 
das uralte und verehrungswiirdige und hochreligiise Kloster Asaniense des hl. Victorian 
in den Schutz der Apostelfiirsten zu nehmen und ibm volle Freiheit zu gewihren. Dem 
habe Papst Alexander H. nachgegeben. So bestitigt nun der Konig dem Kloster diese 
Privilegien und die Freiheiten, welche Cluny und Saint-Pons de Thomiéres genieBen, seine 
Kloster und Kirchen und seinen Besitz. Aber dies wortreiche Machwerk ist nach der 
echten Urkunde desselben Kénigs vom Jahre 1077 fiir San Juan de la Pena gefiilseht® und 
verdient keinen Glauben; der Tag in Jaca und die Sendung des Abtes Grimald sind des 
Falschers Erfindungen. Von derselben Mache, also von der gleichen Unglaubwiirdigkeit. 
ist das oben S.7 schon erwihnte gefilschte Privileg des Kénigs Sancho Ramirez fiir 
das navarresische Kloster San Salvador de Leire’, in dem dieselhbe Geschichte mit einer 
auf Leire abgestimmten Variation erzillt wird: in seinem sechsten Regierungsjahr. am 
18. April 1069 (Ara TCLUI wohl statt TCVID), habe der K6nig ein Konzil in Leire abgehalten. 





1 Vel. Sitzungsberichte 1925. S. 204. 
* Edd. Rawoy pe Hresea. Teatro hist. IX 435 1.6 und Esp. Saur. NUVI 316 un. 23. Teh habe Papst- 
urkunden in Spanien I] 169 Anm.1 diese Urkunde noch fiir stark interpohert und fiberarbeiter erklart. aber 
sie ist Filschang vom ersten bis zum letzten Wort. 
P Ed. Sararrenrana. Documentos correspondientes al reinado de Sancio Ramirez 133 0.15. 

Edd. Yeres. Coronica general de la orden de San Benito PV) fol. 430 n.13: Sawpovar. Catulogs de 
los obispos de Pamplona tol. 39: vel. Tesapa. Coleccion de canones \ concilios de Espaia HI 7g und Papst- 
arkunden in Spanien Il 34. 


4 


16 KEHR: 


auf dem ra improviso, auf géttliche Fiigung. der Kardinallegat Hugo Candidus ersehienen 
sei. wortlich wie oben: nur wird der Abtbischof Sancho von Leire-Pamplona an Alexander II. 
abgesandt. Da sieht man sogleich den Zusammenhang dieser Fiilschungen, die alle aus 
derselben Fabrik kommen und vielfach wortlich tibereinstinmmen: die abweichenden Zahlen 
aber hat der schlaue Falscher mit Absicht eingesetzt. sicher. daB so leicht niemand diese 
chronologischen Ungereimtheiten ihm werde nachweiseu kémnen. San Juan de la Pena und 
San Victorian besaBen wenigstens echte Exemtionsurkunden Alexanders I]. vom 18. Ok- 
tober 1071; San Salvador de Leire jedoch ist niemals ein Schutz- oder gar Eigenkloster 
der rémischen Kirche gewesen, und so muBte der Falscher auch noch ein solehes Exemtions- 
privilege erfinden. Dazu benutzte er das eclite Privileg Alexanders II. fiir San Juan de la 
Pena, das er zum gréBten Teil wiederholte, aber mit seiner gefalschten Urkunde des Konigs 
Sancho Ramirez in Einklang brachte, indem er seine Geschichte von Leire-Pamplona und 
die angebliche Mission des Abtbischofs Sancho anbrachte und anderes noch hinzufiigte'. 
Da er nun einmal beim Filschen war, erfand er noch ein zweites Privileg Alexanders IT. 
fiir Leire mit Abliissen fiir die Feste seiner Schutzheiligen, des Apostels Marcial und der 
heiligen Martyvrerinnen Nunilo und Alodia, auf die Leire besonders stolz war’. Ein merk- 
wiirdiger Zusammenhang, der unter diesen von den Cluniazensern reformierten Kléstern 
San Juan de la Penta. San Victorian und San Salvador de Leire besteht und, wie wir bereits 
sahen. sich auch auf das leonesische Kloster San Salvador de Ona erstreckt*. offenbar durch 
den Gegensatz zu den Landesbischéfen bis zur gemeinsamen Abwehr mittels skrupelloser 
und raffinierter Filschungen -- man kénnte sagen — einheitlich organisiert. und der 
vielleicht noch weiter reicht, als wir bisher haben ermitteln kénnen. Diese Falschungen, 
die einmal im Zusammenhang untersucht werden miibten, sind wohl in der ersten Halfte 
des XII. Jahrhunderts entstanden'. 

Dech wir kehren zu Hugo Candidus zuriick. Nach jenen echten Privilegien Alex- 
anders Il. fiir San Juan de la Pena, fir San Vietorian und San Pedro de Loarre ist der 
Legat mit dem Abt Aquilin in Rom gewesen und hat deren Ausstellung erwirkt: wie 
hoch der Papst seine Verdienste schitzte, hat er in dem Privileg fiir San Juan de la 
Pena ausgesprochen. Er ist dann spiter als Legat nach Frankreich gegangen. wo er 
mit mehreren BischOfen und mit den Cluniazensern in Konflikt geriet, vielleicht auch 
wegen der von ihm erwirkten Exemtion jener aragonesischen Kloster, die damit der 
Einwirkung yon Cluny entzogen wurden. Sie erhoben in Rom Anklage gegen ihn wegen 
Simonie und erlangten seine Verurteilung und seine Exkommunikation auf der Fasten- 
synode vom Jahre 1073’. Aber es gelang dem Vielgewandten sogleich seine Wieder- 





! Ed. Papsturkunden in Spanien IT 257 nu. 2. 

* Ed. ehenda IIT 256 m1. 

Denn auch das groBe Privileg des Konigs Sancho Gareés IM. vel Mayor« fir Kloster Ona (ed. Yives. 
Corontea general de la orden de San Benito V 467 . 45) hangt. weun auch entfernter. damit zusammen: die 
mneisten Satze im letzten Drittel dieser Urkunde sind aus dem Privileg Alexanders Hl. fiir San Juan de la Peta 
JL. 4691 oder einer daraus abgeleiteten Urkunde entlelint. Vel. auch die Bemerkungen von M. Macatioy, 
Coleecién diplomatica de San Juan de la Pena S. 112f. 

4 ES ist natiivlich sehr miflich, olne genanere Kenntuis der alteren spanischen Kénigsurkunden und 
ohue eine grtindliche diplomatische Untersuchung dieser Urkunden ein Urteil zu formnlicren: aber der Zu- 
sammenhane ist doch so deutlich. daB er kaum anders erkliirt werden kann. Ich komme so immer wieder 
zu dem bereits mehrfach ausgesprochenen Postulat. daB ftir die dltere spanische Geschichte nichts nétiger ist 
als cine kritisele Ausgabe der filteren Konigsdiplome. 

So berichtet Bonizo (Mon. Germ. Lib. de lite I 600). Diese Angabe wird bestatigt durch Gregor VIL. als 
dieser ihm zum dritten Male anf der Fastensynode von 1078 exkommunizierte (Reg. Gregori VIL lib. V ep. 14a 
bei Caspar. Mon. Germ. Epp. sel. II 369). Das erstemal war er als Anhiinger des Cadalus exkommuniziert 
worden (uach 1061) das zweitemal. weil er -terwn constitutus legatus apostolice dis hereticis ct symoniacis ct 
ab apostoliea vile dannates se conrunxit, Was Casvar S. 370 Anm.1 au Unrecht auf seine erste Legation nach 
Spanien ro6S bezieht. wihrend es sich vielmelr um die uns nicht weiter bekannten Vorgiinge in Frankreich 
ro72 sehandelt hat. wie Caspr S.g Anim. 3 richtiger angibt. 


Das Papsttim und die Nénigreiche Navarra und Aragon bis zur Mitte des XID. Jahrh. V7 


herstellung zu erreichen, und mit der Erhebung Gregors VU. im April 1073 erdffete sich 
ihm die Aussicht auf eine noch bedeutendere Wirksamkeit. 

Unterdessen waren die spanischen Angelegenheiten., die dem papstlichen Stull zu- 
letzt eine so bedeutende Vermehrung seines Machtbereichs gebracht hatten, an der Kurie 
keineswegs in Vergessenheit geraten oder als erledigt angeschen. Sie wurden von den 
in den Jaliven 1072 und 1073 in Gallien tiitigen Legaten. dem Kardinalbischof Girald 
von Ostia und dem Subiliakou Raimbald, denen wir noch unter Gregor VIL begegnen 
werden, Wahrgenommen. Von der GréSe aber der damaligen spanischen Projekte an 
der Kurie zeugt der merkwiirdige mit dem Namen des franzésischen Grafen Evulus von 
Rouey verkniipfte Kreuzzugsplan gegen die Mauren in Spanien. dessen oberste Leitung 
sie in Anspruch nahm: noch unter Alexander JI. ist dariiber, wie wir aus Gregors VII. 
Briefen vom 30. April 1073 an die Legaten Girald und Raimbald und an die zum Auf- 
bruch nach Spanien sich anschickenden franzdsischen Barone erfahren CN DMs ir ir eumee ora Bs 
Reg. lib. | ep. 6 und 7 bei Caspar, Mon. Germ. Epp. sel. I S$— 12), verhandelt und ein 
Vertrag mit dem Grafen abgeschlossen worden. wonach dieser sich verptlichtete. das zu 
erobernde Gebiet zu Lehen des hl. Petrus zu nehmen'. Den beiden Legaten waren 
eben noch die letzten Instruktionen Alexanders II. und eine Mitteilung Hildebrands zu- 
gegangen, als der Tod dem obersten Leiter der Kirche die Ziigel aus den Iinden nabm. 
Am 21. April 1073 starb Alexander II.. dessen Pontifikat unter anderm immer denk- 
wiirdig bleiben wird, weil mit seinen. Namen die erste Angliederung Spaniens an das 
rémische System verkniipft ist. 

AuBer den angefiihrten spanischen Urkunden dieses Papstes ist noch die von 
LogewesreLp unter n. 4755 verzeichnete Notiz zu erliutern. wonach er dem Konig Sancho 
das Vorrecht verliehen haben soll, die neu zu errichtenden Kirchen sowohl in seinem Reich 
wie in den zu erobernden Gebieten den (kOniglichen) Kapellen und Kléstern zuzuweisen 
-— die bischéflichen Wathedralkirchen ausgenommen. Lorwesrrip liBe ihre Glaub- 
wiirdigkcit dahingestellt. Aber sie ist aus der Liste der echten Urkuuden zu streichen. 
Denn sie sare ae h als Vorgang fiir die erfundene analoge Verleihung Gregors VU. 
JL. 4815 = 5257 rwihnt und verdient sowenig Glauben wie diese. 


§ 3. Gregor VIL. 


Ernennung des Hugo Candidus zum Legaten fiir Spanien. -— Gresor VIL Briefe vom 
30. April 1073 TL. 4777. 4778. -— Seheitern des Unternelimens des Grafen Evolis von Rouey 
und Verschwinden des Hago Candidus. -- MaBregeln der Leeaten Girald aod Raimbald im 
Spanien. — Neue Mission der iadise it Bischofe nach Rom in Sachen des Ritus. -— Die 
Fastensynode vom Miivz 1074. — Gregors VIL Schreiben an die spanischen Nonige JL. 4840. 
4841. — Resignation des Bisehofs Sancho von Jaca. — Klage fiber den Bisehut Salomon 
von Roda JL. 4927. — Wahl des Bischofs Raimund Daimatii von Roda iin Jahre roz6. — 
Gregors VIL Privileg fiir das Bistum Roda und Eapfehlangsschreiben an den Konig Snel 
Ramirez. — Gregors VIL. Pastoralsehreiben an die Konige. Grafen und Groen Spaniens 
JL. sogr. — Legation des Amatus ven Oloron und des F rotard von Thomic res. — Legation 
des Kardinals Richard nach Kastilien und Leon. — Ubertragune der cura ecclesiarum in 
Aragon und Navarra an Frotard von Thomitres. — Kouthkt des Konigs mit dem Bischof 
Garcia yon Jaca. — Gregors VIL. Privilege fiir Jaca JL. s0y8.— Das gefalschite Priviley 

Gregors VIL. fiir Sancho Ramirez JL. 7 5257. : 


Nach der allgemeinen Meinung ist der Archidiakon Hildebrand bereits unter Alexander II. 


der eigentliche Leiter der piipstlichen Politik gewesen. Jetzt. da er selbst zum Haupte 
der Kirche erhoben war. setzte er mit der ihm eigenen Energie sogleich die schon unter 





tout partem tlam, unde paganos suo shidio +b adnneto shi aliorum auaibo crpellore posset. sub condition 
inter nos facte paction?s ea parte saucte Priyi possiderst (Caspar S. 12). 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 4. 3 


Is Keuer: 


dem Vorgiinger eingcleiteten Uuternchmungen ins Werk. Zwei spanische Angelegenheiten 
waren es. die seinen lebhaften und erregbaren Geist gleich im Anfang seines Pontifikats 
beschiftigten. der Plan des Kreuzzugs nach Spanien unter der Fiihrung des Graten von 
Roney und die Durehfithrung der kirchlichen Retorm durch restlose Beseitigung des 
mozarabischen Ritus in den spanischen Kirchen. Es war. sobald die Anzeigen seiner 
Thronbestcigung ergangen waren, eine seiner ersten Amtshandlungen. dati er dem an 
seiner Erhebung vor allen andern beteiligten Kardinal [lugo Candidus die Legation in 
Spanien und die Leitung und Durehtiihrung dieser Pline tibertruy. Schon am 30. April1o7 3. 
acht Tage nach seiner Wahl. noch als Erwahlter. teilte er den in Frankreich tatigen 
Legaten. dem Bischof Girald vou Ostia und dem Subdiakon Raimbald. mir. dafs er den 
Iugo Candidus zum Legaten fiir Spanien crnannt habe: er rilant dessen Einvernehmen mit 
ihm: er wisse keinen Gecignetercn: er entsehuldigt die ihm voergewortenen Dinge. an 
denen weniger Huge als andere schuld seien: er ermabnt sic. den Abt Ifugo von Chins 
und seine Kongregation zu eintrichtiger Wirksamkeit mit jenem zu bewegen. und gibt 
ihnen unter Iinweis auf ein leider nicht erhaltenes Schreiben seines Vorgingers und 
seine eigene Mitteilung’ genauere Instruktionen sowohl jiber den zwischen der Kurie und 
dem Fithrer des Kreuzzugs abgeschlossenen Vertrag wie tiber die mit Hilfe der Cliniazenser 
durchzutiihrende kirchliche Reform? (JL.4777 Reg. lib. I ep. 6 bei Caspar in Mou. Germ. 
Epp. sel. I $ f.) Uber diese pactio oder concentio ‘uBert sich Gregor VIE noch genauer 
in einem zweiten gleichfalls vom 30. April1073 datierten Schreiben an alle nach Spanien 
zum Kreuzzug mit oder unabhingig von dem Graten von Rouey ziehenden GroBen, von 
denen cr dic Anerkennung dieses Vertrags fordert. wonach das zu crobernde Land Eigen- 
tum des hl. Petrus sein solle* (JL.4778 Reg. lib. ] ep. 7 bei Caspar ala. O. I rift). 
Der Kardinallegat Hugo solie nach dem Rate der beiden Legaten und des Abtes von 
Cluny sich dorthin begeben und fiir die Ausfithrung des Vertrags Sorge tragen!: der Abt 
solle ihn geeignete Begleiter und Ratgeber nach Spanien mitgeben. lgatione tamen in ro 
principaliter posta, wobei Hugos Vollmacht aber ausdriicklich aut Spanien beschrinkt wird. 
Und berithint und oft wiederholt sind Gregors VIJ. Worte. mit denen er sein spanisches 
Programm ankiindigt. dali das Reich Spanien von alters her des hl. Petrus gewesen 
sei und. wenn es auch schon lange von den Heiden okkupiert worden sei. keinem 
Sterblichen denn allein dem Ileiligen Stuhl von Rechts wegen gehdre’. 

Es ist doeh sehr bedauerlich, dal wir so gar nichts tiber dieses groiie Unternehmen 
wissen. Wir wissen nicht cinmal. wohin die Reise gehen sollte. ob ein VorstoB von 


Pretey bee meminese delutis, quod ue biter domtur nostre boing Meander of nostra qaogie lgaton ovate 
rPecuminoniti furstrs, quatenus Cause Beuli comtis de Roceio yur vos of por antedu fen abbatem (Hnge yon Cluny) 
Facorom adder insisteretis, Wovens sich ergibt. dab auBer dem Scueiben des Panstes Alexander IL noch eine 
hosoudere Instraktion Hildebrands. der lier sozusagen als Kardinalstaatsseki etar funeierte, an die heiden Lesaten 
abecwaneen war. ES scheint. dab der Vertrag mit dem Grafen von Rouey. dev wohl gerade in Rom anwesend 
war eben in den Tagen der Evhebung Hildebrands zim Papste abeesehlossen worden war. Dew Greaur 
tiluct. fort ¢f coguiter pactions. quam nobiseum de terra Hyspancve ponytt iia se ripto, quad shi dedanus (Cxsexn S10} 

2 yur hervorem christianorin, qui thi re pperiiatur, i sprrituabbus corrige re saporent (Casprr S. to). Damit 
han norder mozarabische Ritus. dem gegenitber Gregor VIL cine viel schroffere Haltung cinmahnials Alexander LL. 
@emeint sel. 
: Sout partum lam, unde pagans suo studio ct adinacta siby aborum auaitio copllere posset. sub conditions 
mitiy pos fuck pactionis ra parte x. Petr) possiderct (Caspar S. 12). 

Y rohenus. ut eam cestro consibg cl abbatis Hugo cardinales dle tendat ot cquan ab oinnibus ov partes. Prt 
pation of debitum exigat (CasexR S. 10). 
, Val. G. Meyer ven Kyonac. Jalirbitcher des Deutschen Reiehes unter Heinrieh PV. and Hemrich V. 
Bd. UP 21g ft. Doeh kann ich ihm davin nielt zustinnmen. daB Gregor VIL. in diesen Briefen mit Absieht die 
spanisehen Reiehe janoriert habe: es handelt sich bet ihm hier zumichst any um die Aver] eammne der Theorie, 
daB alles den Uneliabigen entrissene oder zu enieiBende Land Eigentam des hl Petras sei Ohne die Vit- 
wirkung der spanischen Ronige wat das Unternehinen gar uielit austitibar. 


Dax Papsttum nnd di hénigreiche Nacarra und Aragon bis zur Mitte des NLD, duhrh, 1) 


Katalanien gegen Tarragona und den unteren Ebro geplant war oder von Aragon aus 
gegen Huesca und Zaragoza oder ob Kastilien die Basis bilden sollte. wo socben Alfons VI. 
die Herrschatt angetreten hatte -- nicht einmal Vermutungen kénnen wir wegen des 
Mangels jeglicher Nachrichten dariiber anstellen. Ebensowenig wissen wir. wie. wann 
und weshalb das Unternehmen gescheitert ist. Ist es tiberhaupt dazu gekommen? — Es 
blieb eine Episode, ohne irgendwelche Spuren in der Geschichte zu hinterlassen. Wahr- 
scheinlich aber ist. daB damit der Sturz des Hugo Candidus zusammenhiinet; er versclwindet. 
um dann spiiter als der Todteind Gregors VIL aufzutreten. Gliicklicher war Gregor VII. 
bei seinem andern Unternehmen, die noch unbefriedigenden Verhiltnisse im = spanischen 
Ritus endgiiltig zu ordnen. War seit 1071 dies Ziel in Aragon erreicht. su war in Navarra 
und Kastilien alles beim alten geblieben oder doch nicht wesentlich im Sinne der Kuric 
veindert. Jetzt tibernalimen die Durchfiithrung des Beschlusses Gregors VIL... die Einheit 
des Ritus auch in Spanien herzustellen, die beiden Legaten fiir Frankreich Girald und 
Raimbald. Wie es seheint. sind diese bereits im Juni 1073 nach Spanien gegangen. 
haben dort eine Synode abgehalten und sind gegen die Widerspenstigen amit scharfen 
Exkommunikations- und Absctzungssentenzen cingeschritten: zum ersten Male ftihlte die 
spaniseche Kirche die in diszipliniiren Dingen schonungslose Hand der rémischen Legaten. 
Dies alles entnehmen wir dem Briefe Gregors VIL an den Kardinalbischof Girald von Ostia 
vom 1. Juli 1073 (JL. 4787 Reg. lib. I ep. 16 bei Caspar a. a. O. S. 25), worin er ilin 
gwar lobt. dab er nach Spanien gegangen sei, ihn aber auch tadelt, daf er nicht sogleich 
nach der Synode seinen Geffihrten (Raimbald) oder einen anderen Boten mit ausfiilae- 
lichem Bericht nach Rom gesandt habe, damit er, der Papst. die von dem Legaten 
getroffenen MaBregeln hbestiitige oder findere'’. Denn mehrere fiihlten sich zu Unrecht 
exkommuniziert oder gegen die Ordnung abgesetzt oder unverdient interdiziert. Dai wohl 
auf’ jener Synode, von der wir sonst nichts wissen. auch eine neue Mission spanischer 
Bischéte nach Rom beschlossen wurde, dart'aus dem Schreiben Gregors VII. voni rg. Mrz 1074 
(IL. 4840 Ree. lib. b ep. 64 bei Caspar aca. O. 93 f) gefolgert werden, welches zu den 
zahlreichen Reskripten gehdrt. die Gregor im Verfole der Verhandinigen und Beschitisse 
seiner ersten groBen Fastensynode. deren Akten uns leider nicht erhalten sind, im Mérz 
dieses Jahres erlassen hat. Wer war da uicht alles zitiert. und was wurde nicht alles 
verhandelt!* Und wie grobartig sind Gregors VIL Projekte! Er wendet sich gegen die 
Normannen und ruft franzdésiseche GroBe zur Hilfe herbei (JL. 4823). mit denen er dann 
nach Koustantinopel ziehen will, zu dessen Verteidigung gegen die Ungliubigen er einen 
Aufraf erlift (JL. 4526). Hauptsichlich aber wurden franzésische Angelegenheiten behan- 
delt. Ferner aueh die spanischen. Jene spanischen Abgesandten sahen jetzt sieh der 
geschlossenen Einheit der katholischen Kirche in der Gestalt cines grofen Konzils miter 
dem Vorsitze eines so gewaltigen Papstes gegentiber. und man begreift, daB sie vor 
diesem den Mut verloren. ihre alten Riten zu verteidigen. Sie unterwarfeu sich dem 
Beschlusse des Konzils. und versprachen schrittlich und gelobten cs in die Hand des 
Papstes. sich dem rémischen Ofticinum anzupassen”. 

t Nohes cquidem gratum ost, quod pro wyotiis s. Roman cectoste ia Hyspanias profictus cx. sed dehucrat pru- 
hutia tua aut ilhen., quem tbe adunsiwys. aut aliquam, yur synody itirfiosset quegie, ouimin rice tua nohis ratio- 
nabibter expedive sciret, ad nos dirceisse, quatinus por Hs onnvbus confirmanda contirmarcmus +€ 1 qua mutanda 
cideventur. Cisercta ration mutarcnus (Casexe S225) Wo diese Synode stattgefunden hat. wissen wir nieht. 
Die Sentenzen betrafen den Erzbischot Wilhelm von Auch und den Bischof Poneius von Tarbes (Cvspir S. 20) 


und auBer andern den Munio. der aly Simonist gegen den Bischof Simeon I. vou Oca erhoben worden war 
(Caspar S. 94). 


£ Vel. fiber diese Fastensynode von toz4 G. Mryrr vox Avonac acu.) TE 347th 
5 restat cui, ut mile reempiatis in-cecelsiastica ordiu dirinumw officdum ... quad cham episcapy cvester ad 


NOS NUpEOr renientes (usta coustitutionenm conc per seripta sua faccre promisccunt chon anu nostra firmacerunt 


3+ 


90 Keune: 


Von diesen Vorgiingen auf der rémischen Fastensvnude machte Gregor VII. in dem eben 
erwihnten Schreiben vom 19. Marz 1074 (JL. 4840) den spanischen Kénigen Alfons und 
Sancho (@ paribus) und ihren Bischéfen Mitteilung. Gememt sind damit Alfons VI. von 
Kastilien und Leon, seit dem gewaltsamen Tode seines Bruders Sancho Erbe der Lander 
seines Vaters Ferdinand, und Sancho Gareés »el de Pehalens von Navarra’. Es ist genau 
dieselbe Lage und die gleiche Kombination wie damals. als Hugo Candidus dic Konzilien 
in Najera und Llantadilla abhielt und die Bischéte Simeon IL. von Oca-Burgos. Muto von 
Najera und Fortun von \lava nach Rom an die Kurie Alexanders IL delegiert) wurden 
is. oben S. 12). Vielleicht waren es dieselben, die jetzt im Marz 1074 auf der Synode 
Gregors VII. erschienen und sich deren Beschliissen unterwarten. Jetzt redet Gregor den 
beiden Kénigen gut zu, zur Linheit der roémischen Ordnung zuriickzukehren mit einer 
geschichtlichen Darlegung tiber das Verhaltnis von Rom zu Spanien, die mit dem Apostel 
Paulus und mit den ersten sieben von den Apostelfiirsten Peter und Paul nach Spanien 
gesandten Bischéfen anhebt und sich auf alte Papstdekrete wnd Konzilien als Zeugnisse 
{tir die alte Einheit beruft, und mit der Mahnung. den Ordo und das Officiuam der rémischen 
Kirehe anzunehmen. nicht das von Toledo oder einer anderen Kirche, sondern das der 
von Peter und Paul gegriindeten Kirche von Rom, Ptr den Konig Alfons ist die Mit- 
teilung tiber den Simonisten Muno. dessen Absetzung und Exkemmunikation durch die 
Legaten Girald und Raimbald Gregor bestiitigt, bestimmt’. 

Gleichzeitig mit seinen Vettern von Navarra und Kastilien erhielt aueh der Konig 
Sancho Ramirez von Aragon ein vom 20, Mirz 1074 datiertes Schreiben Gregors VII. 
(JL. 4841 Reg. lib. [ ep. 63 bei Caspar a.a.O. S. gr). Wir wissen, um wieviel niher 
dieser Fiirst bereits dem Apostolischen Stulil stand: er war schon im Jahre 1068 selbst 
in Rom gewesen und hatte sich damals dem Dienste des hl. Petrus gelobt. und wenn 
daraus auch noch kein festes staatsreehtliches Verhiltnis geworden war. so war er doch 
als miles b. Petri der Kurie langst vertraut. Auch war er der erste unter den spanischen 
Fiirsten gewesen, der im Jahre 1071 den rémischen Ritus in den Kirchen seines Landes 
hatte einfiihren lassen und der dic grofben Kléster von Aragon und Sobrarbe der rémischen 
hirche als Schutz- und Eigenkléster tradiert hatte. Er hatte die Legaten des Papstes 
ehrenvoll aufgenommen und an den neuen Papst ein Sechreiben gesandt, das wir leider 
nicht mehr besitzen, dessen Inhalt aber Gregor in seiner Antwort andeutet. indem er 
ihm fiir seine Utterue suavitute plenav dankt, aus denen cr zu seiner Freude ersehen habe, 
dali der KGnig von treuer Ergebenheit gegen die Apostelfiirsten und die rémische Kirche 


(Caspar S.gq) Caspar ebenda Anm. 4 jrvt. wenn er dieses Konzil anf eines der vou Hugo Candidus als 
Legat Alexanders IL. in Barcelona. wohl 1068. abychaltenen Konzilien bezielt. In Barcelona hatren damals 
die Bisehéfe des eigentlichen Spaniens nichts zu suchen, abgesehen davon. dab diese Sache selir problematisel: 
ist. Gemeint ist vielmehr ganz offenbar die romische Fastensynode vom Marz 1074. So auch Meyer von Kyun ae 
aoa, O. IL 351. -— Hiervon ist auch noch einmal im dem Sehreiben Gregors VU. an den Konig Alfons VL yon 
Kastilien und Leon vom g. Mai ro74 die Rede (JL. 4871 Reg. lib. Pep. 83 bei Caspar aca. O. S. 11a). wo es 
von dem nach der Fastensynode nach Rom = gekommenen abgesetzten und exhommunizierten Bischof Panlus 
Monio (Maio) heiBt: Romanian ordincm in dicius officiis, sicut ectrri Hyspani cpiscopl, qu synodo 
raterfucrunt, sc corbraturum (tut melins poterit obsereaturum promixit, 

' Caspar aca. O. nimmt an. unter @ paribus scien zwei eleichlantende Briefe zu versteben. Aber das 
ist mit der Adresse nicht recht zu vereinbaren. Auch miiBte dann der SchluBpassus fiber Muho abgetrennt 
werden. der in den Brief an Alfons VI. gehort. nicht aber in den an den Konig von Navarra. 

* DaB diese Angiegenheit des Mune. der gegen den Bischof Simeon IE von Oca crhoben worden war. 
mit der Verlegung von Oca nach Burgos zusammentiinger. ist sehr wahrscheinlich. Darauf komme ich. wenn 
ich yon Kastilien und Leon handeln werde. zuriick, Dieser Paulns Monio eilte soeleich nach Rom und erlanete 
nicht nur Absolution. da er die Einfiihrung des rémischen Ritus versprach, sondern auch eine Empfeblung an 
den Kénig Alfons VI. uit dem Ersuchen. ihn in seinem alten Bistum wiederherzustellen (JL. 4871 Ree. lib. 1 
ep. 83 bei Casvar asa. 0. S.1i8f.). 7 


Das Papsttum ind die Kénigreiche Navarra und Aragon bis sur Mitte des XI. Jahrh. 24 


erfiillt sei, was auch die Legaten in ihrem Bericht bestitigt litten. und da® in seinem 
Reiche das offictum Romani ordini dank seinen Bemithungen und Anordnungen cinge- 
fiihrt sei. Dann folgen wolhlwollende Ermahnungen wnd endlich eine Antwort auf cine 
von dem Konig gegen den Bischof Salomon von Reda vorgebrachte Klage. die er aber. 
da sie gegen einen \bwesenden gerichtet sei, der sich nicht verteidigen kénne. und weil 
auch der Legat (Girald) abwesend sei. nicht entscheiden konne: er vertréstet ihn aut’ dic 
Riickkehr des Legaten und auf die Sendung eines neuen Legaten. der dann die Ange- 
legenheit, die wir im tbrigen nicht kennen. in Ordnung bringen solle. In der Tat ist 
der Bischof Salomon ein Jahr darauf abgesetzt oder zur Resignation veranlaBt worden: 
er zog sich in das Kloster Ripoll zuriick’. 

Schon ein Jahr darauf wandte sich derselbe Kénig an Gregor VII. gelegentlich der 
Neubesetzung des anderen Bistums seines Landes, des von Aragon oder Jaca. Auch dieser 
Brief ist uicht erhalten. wohl aber Gregors Antwort vom 24. Januar 1075 (JL. 4927 
Reg. lib. U ep. 50 bei Caspar aca. O. S. got). Wieder beginnt der Papst mit) einem 
Kompliment an den Konig. dessen Ergebenheit und Liebe zum Leiligen Stull mit warmen 
Worten anerkannt wird. Dann antwortet er aut’ dessen Antiegen. das er mit den Kar- 
dinilen des lingeren erdrtert habe. Bischof Sancho von Aragon war alt und krank und 
bat persbnlich den Papst tun die Erlaubnis. sein Bistum aufgcben zu diirten. Er schlug 
im Einvernehmen mit dein KéGnig zwei WKandidaten vor. deren Kignine Gregor an sich an- 
erkeunt. aber als Bastarde koOnnten sie nach den kanonischen Vorschriften nicht zuge- 
lassen werden. Deshalb rit der Papst dem Konig, der alte Bischof solle mit Hilte der 
anderen Landeshischéfe weiter fungieren. unterstiitzt dureh einen Kleriker. der. wenn er 
sich hewiihre, nach einem Jahre oder noch spiiter auf Grund cines neuen Berichtes des 
Kénigs und des Bischofs und eines Zeugnisses des Klerus von Jaca dann zim Bischof 
promoviert werden kénne. So scheint es auch geschehen zu sein. Der Nachfolger Sanchos 
wurde im Jahre 1076 der Infant Garcia, ein Bruder des Konigs*- Diese Entscheidung 
ist nicht nur kirchenrechtlich interessant: jedenfalls zeigt sie. wie das Kirehenwesen von 
Aragon jetzt vollstindig in den Organismus der rémischen Kirche cingerciht ist. Die 
groBen Kiéster des Landes unterstanden bereits unmittelbar dera Heiligen Stille. und 
tiber die Resignation der Bischife entschied der Papst. Ebenuso wht er dirckt oder durch 
seine Legaten seinen Einthii auf die Einsetzung der neuen Bischite aus. 

Dies geschah schon im Jahre 1076, als an Stelle des Bischofs Salomon von Roda 
ein neuer Bischof fiir Ribagorza in der Person des Raimund Dalmatii erhoben wurde’. 
Die Wahl fand in Terrantona statt in Gegenwart stidfranzésischer Bisehéte und Abte. 
unter denen an erster Stelle der Legat Amatus. der sie auch bestitigte. genannt wird '. 


' Vel. Papsturkunden in Spanien If 137. * Vel. Papsturkunden mm Spanien IT 93. 

Die Wahl des Raimund Dalmatii muB schon 1o7o erfolgt seine denn er wird bereits als episcapus 
Rotensis in einer Urkunde dieses Jahres genannt (bei Sararreniana. Documentos correspondientes al reinade 
de Sancio Ramirez | 26 n. 12). 

' Vel. Papsturkunden in Spanien 11157. Der Bericht darfiber stebt im Chartular von Roda und lautet 
(nach Virnanveyva. Viage liter. NVorg2 Anm. a und Yera. El eartulario de Roda S. 87m. gs): Notun st onnibus 
christianis. quod Rotensis ceelesia clections cleri ct acclamatione populi ct conformations regis Sane Ranimiri fils Rav 
mundum Dalmacei pastorrm sibi clegit in coneilio facto im Terrantona presente st confirmant) Amato Romane ceclesin 
legato et Poncivn Bigorritana cpiscopo et Petro Adurensi tpiscopo ct Walllino Conernarum episvopo ecterisque eprscaprs 
et abbatibus. Nam predicta ceclesia pastore riduata diligent r sibi pastoren requirchat, xed edoneim preter hune reprrare 
non poterat. Hee autem electia fiat facta Era MEXUTT, anno incarnationis Domini MIXXV 1, acta XXIII, 
Die Epakte XXII oder NNIW ist freilich unrichtig: NNT gehdrt zu 1077. Verner hat man gegen 1076 
geltend gemacht. daB der Bischof Amatus von Oloron cest 1077 zum Legaten fiir Spanien bestellt worden ist 
(vgl. Papsttum und katalanischer Prinzipat S. 34) Aber Amatus war schon seit 1074 Legat Gregors VIL. fiir 
Frankreich (JL. 4875}. und der Ausdrach coufirmant’ beweist. daB er hier hvatt seiner ersten Legation oder 
auch laut Spezialmandats als Vertreter von Rone fungiert hat. 


29 Kune: 


Der neue Bischof scheint sogleich die Kurie aufgesucht zu haben, um von (rregor VII. 
ein Privilege fiir sein Bistum zu erbitten. Dieses ist erhalten. allerdings ohne Daticrung, 
und ich selbst habe. da es nur ein allgemeines Priviley ist ohne irgendwelehe individuelle 
Momente. die eine genaucre Daticrung zu gestatten schienen. darauf \erzichtet. eine sulche 
zu versuchen (Papsturkunden in Spanien [272 n. 14) Dies ist nun ein Fall, wo eine 
scheinbar unbedeutende AuBerlichkeit sie uns aber doch ermoglicht. Der Text dieses 
Privileges steht in einer Kanonistischen Handschritt aus Roda. jetzt in der Provinzialbi- 
hliothek zu Tarragona. im gréBeren Chartular von Roda im Kathedralarchiv zu Lerida 
und im Chartular von Alaon. das sich jetzt in der Nationalbibliothek zu Madrid befindet. 
Sic alle geben nur den Text. Aber die Urkunde stand auch in dem verschollenen klei- 
neren Chartular von Roda. das noch Joaquin Tracura kauute. der daraus cie dort allein 
stehenden Rota und Benevalete nachgezeichnet hat (Coleccion Traggia t. Vo tol. 42‘ in der 
Bibliothek der Akademie zu Madrid). In den Originalurkunden Gregors VIL aber finden 
sich diese Zeichen so nur in den ersten Jahren Gregors VII. Sein Notar. jener Rainer 
aus Lucea, den der Papst aus der Kanzlei secines Vorgiingers Alexander H. tibernommen 
hatte’ und der aus jener Zeit gewolint war. Ruta und Benevalete nach der fritheren Weise 
zu zcichuen, gab diesen Brauch aber bald auf und gab seit 1077 den Privilegien Gre- 
gors VIL eine andere \usstattung und ein auderes Ausschen. indem er die groBe Rota 
jetzt allein olme das Benevalete und dann mitten unter den Text setzte. so dals sie wie 
ein groBes Siegel wirkt. Die alte Form fand ich zum letztenmal in einem Privileg vom 

1. Februar 1077 fiir das Kloster Frassinoro (ed. Gitt. Nachr. 1897 8. 226f.). Und so 
erhlirt sich wohl auch das Fehleu der Datierung in dem Privileg tir Roda. Denn da- 
mals befand sich der Papst fern von Rom auf den Kastellen der groBen Griifin Mathilde 
von Tuscien. in Canossa, Bondeno, Carpineti und Bibbianello. nur mit kleinem Gefolye 
und obne den Kanzleichet. den WKardinalbibliothekar Petrus. Die Urkunden aus diesen 
Monaten (Januar bis in den \ugust 1077) sind teils von anderen Kardinilen in Ver- 
iretuny des Kanzleichefs datiert. teils undatiert geblichben*. So kiunen wir mit groBer 
Wahrscheinlichkeit annelmen. dal eben in dieser Zeit das Privileg fiir Roda ausgestellt 
worden ist. Gleichzeitig damit lie der Papst ein Schreiben an den Konig Sancho Ra- 
mirez autsetzen voll Lobes und Anerkennung fiir seine Regierungsweise und voll Mrmah- 
nungen. auf diesem Wege fortzutahren: am SchluB aber eiipfichit er iim den Bischot 
Raimund. dessen Treue zu ihm. dem Konig. er riihimt (ed. Papsturkunden in Spanien | 
271 n. 13). 

Eben in diesen Tagen war es auch, dal Gregor VIL. sich zu einer neuen groBen 
Initiative zur Ausfiihrung seiner spanischen Pline entschlou8. Am 28. Juni 1077 erlieb 
er jenes beriilimte P: neeonalselnciben an die Kénige, Grafen und GroBen Spaniens. in dem 

das Thema seines Schreibens vom 30. April 1073 (s. oben $8.18) wiederaufnahm mit 
dem Anspruch, daB Spanien von alters her Eigentum der rémischen Kirche sei, wen 
auch diese Tatsache im Laute der Zeiten und durch die Nachlissigkeit seiner Vorgiinger 
und infolge der Invasion der Sarrazenen und Ieiden in Vergessenheit, und das servitinm, 
das frither dem hl. Petrus geleistet wurde. auber Ubung gekommen sei (JL. 5041 
Reg. lib. IV ep. 28 bei Casrar aca. O. S. 343f)* Mit der Austithrung beauftragte er zwei 
neue Legaten. den Bischof Amatus von Oloron und den getreuen Abt Frotard von Saint- 
Pons de Thomit¢res. Nehmen wir hinzu. dab Ende Januar 1077 auf der Burg Canoss: 


ences der frihere L egat fiir Frankreich und Spanien, HISeHOE Girald von Ostia, gegenwirtig 


Py ee incinen hebae in «den So nueshetthien dieser A leidenite fags “. 
- Ebenda S,. 214. ; 
Val. Papsttam und hatalanischer Prinzipat S. 33 und Sitzungsberiehte 1928 S. 206. 


Das Papsttimce und die Konigreiche Navarra und Aragon bis zur Mitte des N11. dahrh. 23 


war. und dali vermutlich in dieser Zeit auch der neue Bischof von Roda vor GregorVII. er- 
schien, so haben wir wohl die mit den spanischen Dingen besonders vertrauten Manner 
zusammen. welche damals den Papst berieten. Freilich ein groBer Ertole war auch diesem 
neuen Versuch nicht beschieden, obwohl die Verhiltnisse in Spanien gerade su dieser Zeit 
eine gtnstigere Wendung genommen hatten. 

Denn im Jahre 1076 endete auf gewaltsame Weise die Herrschatt des Kénigs Sancho 
Garees »el de Penalen« von Navarra. Wenn nicht alles tiuscht. so hat er gegentiber den 
Versuchen der piipstlichen Legaten, in seinen Landen den rémischen Ritus einzuftihren und 
sich in die innerkirehlichen Verhiltnisse einzumischen, cine gewisse Zuriickhaltung gezcigt. 
wenigstens ist er unter den damaligen spanischen Kénigen derjenige, von dem wir aus 
seiner verhiltnismiBig langen Regierung (1054—-76) keinerlei intimere Bezielhungen 7u 
Rom nachweisen kiénnen. So reich in dieser Hinsicht unsere Uberlicterung tiber dic Per- 
siniichkeit des Kénigs Sancho Ramirez von Aragon ist. so stumm ist sie tiber diesen 
seinen Vetter von Navarra. Jetzt aber kam in diesem Kénigreich Sancho Ramirez von Aragou 
zur Regierung, doch wohl durch die Wahl der GroBen von Navarra. Wir wissen leider 
nichts tiber dic niheren Umstinde und tiber die staatsrechtlichen Formen. in denen sich 
diese Staatsveriinderung vollzog. inshesondere ob es bloB eine Personalunion war oder 
eine Realunion. Der Kinig. der sich bisher KGnig von Aragon nannte, in den Datierungen 
aber in der Regel als Konig in Aragon. Sobrarbe und Ribagorza bezeichnet wurde, 
hei®t nunmehr rex Aragonensiinn ct Pumpilonensinm'. Diese Vitulatur ist seit Papst Urban TI. 
auch die von der rémisehen Kurie gebrauchte. Die Union von Aragon und Navarra 
dauerte vom Jahre 1076 bis 1134. Doch ging 1076 der siidlich des Ebro gelegene Teil 
des alten Reiches von Navarra, die Landschaft Rioja mit Najera und auch das Basken- 
Jland Alava an Kastilien verloren. dessen Konig Alfons VI. als Riicher des ermordeten 
Vetters auftrat und unter diesem Titel sich dieses Teiles des Reiches bemichtigte. Seit- 
dem grenzten Kastilien-Leon und Aragon-Navarra uniittelbar aneinander. und damit setzen 
die Gegensiitze zwischen den beiden spitercn spanischen Hauptstaaten, den Reichen von 
Kastilien und Aragon. ein. Immer aber bedeutete die Vereinigung von Aragon und Navarra 
eine groBe Verstiirkung der Macht der Kinige von Aragon. die nun mit vermehrter Kraft 
den Kampf mit den Mauren in der Ebene aufnehmen kounten. Eben damals war auch 
der Stuhl in Pamplona durch den Tod des Bischofs Belasius oder Blasco erledigt. an 
dessen Stelle der Konig, offenbar aus rein politisehen und dynastischen Griinden, seinem 
Bruder. dem Bischof Garcia von Jaca, die Verwaltung des Bistums vou Navarra tibertrug’. 

Bald danach erschienen die beiden neuen Legaten Gregors VII... Amatus von Oloron 
und Frotard von Saint-Pons. in Spanien. Allein ihnen ist nicht der Erfolg besehieden 
gewesen. den Gregor VIL. sich von seiner groBben Fnzyklika vom 28. Juni 1077 versprochen 
hatte. Sie wandten sich zuniichst ins Katalanische, wo sie am Ende des Jahres 1077 
und zu Beginn des folgenden Synoden in Gerona und Besalu abhielten und das wenigstens 
erreichten. dai der reformeifrige Grat’ Bernard IV. von Besalti sich in der Tat zum ails 
peculiaris s. Petri erklarte und fiir sich und seinen Sohn die Verptlichtung tibernahm, einen 
jilhrlichen Zins von 100 Goldmankusen an die romische Kirche zu entrichten. Auch unter- 


' In der Ausgabe der Urkunden dieses Konigs von J. Sanvreirrayy y pr Dios. Documentos correspon- 
dientes al veinado de Sancio Ramirez 1 fin der Coleeeion de documentos para el «studio de la historia de 
Aragon Hl) ist leider jeder Versuch. die Urkunden in che richtige chronolegische Ordnune zu bringen. ver- 
inieden. statt dessen sind sie lediglieh nach den oft falsehen Zahlen der Era cingereiht. Die Nrnor (za 1062). 
4 (7 1068). 6 (zu roz2). 8 und to (7 6074) gehéren alle nach ro7zo. 

2 Wenn dieses Verfahren wobll auch gegen die Ranones yversticeR. so ist es doch unriehtign wenn ich 
(Papsturckunden in Spanien TH] 21) den Rontlikt des Kons mit dem Kardinallegaten Riehard von Mauaseile hieraia 
bezogen habe. 


24 Krur: 


stellte er die Kléster seines Landes als zinsptlichtig unter den rémischen Stuhl’. Es ist 
bis auf den Zins der gleiche Vorgang, dem wir in Aragon im Jahre 1071 begegnet sind 
is. oben S. 14). Von den miichtigeren Grafen von Barcelona aber héren wir nicht. dai 
sie sich damals zu einer filhnlichen Verpflichtung verstanden litten. 

SchlieBlich kam alles darauf an, wie im cigentlichen Spanien. in Kastilien und Leon. 
wo Alfons VI. herrschte, das Ansinnen des Papstes aufgenommen wurde. Dies Geschiift 
tibertrug Gregor VIL einem neuen Legaten, der dann auf der iberischen Halbinsel eine 
Alnliche Rolle gespielt hat wie einst Hugo Candidus. mit dem er manche Ziige gemeinsam 
hatte. dem Kardinal Riehard aus dem siidfranzésischen Hause der Graten von Milhaud. 
Er scheint den Wee jiber Ripoll und Roda genommen zu haben. wo er aut Anordnung 
Gregors VIL. den neuen Bischof Raimund Dalmatii einfiiirte oder bestiitigte*. Seine Titigkeit 
in Kastilien und Leon zu schildern, mu®B einer spaiteren Abhandlung vorbehalten bleiben. 
Aber er ist nun der eigentliche Repriisentant der roémischen Kirche in Spanien, wéhrend 
Amatus von Oloron seine Wirksamkeit zuerst auf das siidliche Frankreich besehrankt. 
sie aber spiiter auch auf das nérdliche Frankreich ausgedehnt hat. Dagegen nimmt nun 
sein (effihrte. der Abt Frotard von Saint-Pons de Thomieres. im nordlichen Spanien, 
in Katalanien und Aragon. eine eigenartige Stellung ein. 

Ich habe tiber diesen unermiidlichen Agenten des pipstlichen Stuhles bereits in meiner 
ersten Abhandlung ausfiihrlich gehandelt®. [lier ist nur nachzutragen, welche Rolle er 
aly Beauftragter Gregors VII. im Reiche des Sancho Ramirez gespielt hat. Eine unschein- 
hare Notiz im Chartular des navarresischen Klosters San Salvador de Leire, dem » Becerro 
antiguo’. erziihlt von unserem Frotard. als er dort den Abt Raimund einsetzte, dal Papst 
(eregor VII. ihm die cura regiminis ecelesiarum dieser Linder tibertragen habe auf Wunsch 
des Konigs Sancho, seines Sohnes Peter und der Bisehéfe und GroBeu’. Man hat iiher 
diese Notiz hinweggelesen”. und ein Analogon hierzu ist mir auch sonst nicht bekannt. 
Tndessen. was diese cura regininis ecelesiarum besagt. libt sich hier nun doch feststellen. 
Als im Winter 1984 durch den Verzicht des Bischofs Garcia yon Jaca. der seit dem Jahre 
1076 auch das Bistum Pamplona verwaltete, dieses frei wurde. hat Frotard in dem Streit 
der Parteien sogar gegen den Willen des Kardinallegaten Richard von Marseille, seinen 
Kandidaten, den Ménch Pedro de Roda aus seinem Kloster Thomiéres, durchgebracht. 
Wir besitzen noch ein Sehreiben des Legaten Richard an den Konig Sancho, in dem er 
diesem nicht nur die drgsten Vorwiirfe macht. sondern auch mitteilt. da er das von ihm 
ther Pamplona verhinugte Interdikt crneuert und sogar verschirft habe; es ist ganz deut- 





Vel. Papsttuin und hatalaniseher Prinzipat S. 341. 
* So berichtet cine Urhunde dieses Bischofs vom Jahre 1075 im Chartalar von Alaon (edd. Esp. Sagr. XLVI 
235 1.7 und Szrrixo y Sanz. Noticias y documentos historieos del condado de Ribagorza S. 30 Anm. 1: 
vel. auch Ramoy vi Hevesea. Teatro Inst. IX $3 und Papsturkunden in Spanien {1157}. Die Stelle lautet: 
Kyo Rarmunidus cprscopus o.. stun promotes ad afficium cnscopatus Rotensis ccclesee domno Gregoria papa iubent 
eben. Richardo cardinali ct legato SR. EB. constituente td. Sanew Pamplounsium et Aragouensium ac Ripacorcensium 
rege annucate a clero populoque acclamante, Heinrico impcrante Romanis, Philippo Francis, Aldefonso Hispanis. Es 
kiime darauf an. was der Ausdruck constituente bedeutet. DaB Raimund Dalmatii schon 1076 gewahlt worden 
war und 1077 von Gregor VII. sein Privileg erhalten hatte. sahen wir schon. Interessant ist die Datierune 
nach den drei Herrschern, die gleichgestellt erselieinen, dem rémischen (unseren) Heinrich IV.. dem franzésischen 
Philipp. dem spanischen Alfons VL. dem man also auch auBerhalb seines Reiches die Suprematic iiber Spanien 
zuerkannte. 
® Das Papsttum und der katalanisehe Prinzipat S. 381% 
' Vel Papsturkunden in Spanien II 43. 
Papsttum und jatalanischer Principat 5.39 Amn. g und Papsturkinden in Spanien [P36 Aim. 1. 
* Immerhin bemerkt Jos. oe Morer in den Anales del Reyno de Aragon lib. NVI c. 3.85: »Frotardo 
abad de San Ponce de Tomeras. en cuya providencia el Sefior Gregorio papa VIL bacia puesto todo el derecho 
eelesiastica del Reyno de los Aragoneses y Navarros:. 


Das Papsttian und div Konigreiche Nacarra wed Aragon bis sur Mitte des NIT Sahrh, Pd 


lich, dafS§ es sich hierbei um die Wiederbesetzung des Stuhles von Pamplona gehandelt 
habe’. Und im Chartular von Leire. dem eben erwiihnten »Becerro antiguo« (yp. 125). 
finden wir eine Notiz quando cenit dominus abbas Frotardus Tomerionsis et posuit: episcopraim 
Petrium in cpiscopatu. Pampilonensi.. Ey hat ibn also auch eingeftihrt. Als dann im Jahre 
1086 auch Jaca vakant wurde, hat Frotard den Erwithlten Petrus’ honsekriert. weshalb 
ihn spiter der Erzbisechof Dalmatius von Narbonne bei Urban II. verklagt hat®. Spiiter. 
unter Urban I. und Konig Peter L, als der Bischof Raimund Dalmatii von Roda starh, 
hat Frotard, wie es scheint. auch hier seinen Kandidaten durehgesetzt. den Méneh Poncius 
aus Saint-Pons de Thomi¢res’. Wie tiber dic Bistiimer. so hat er auch ttber die Noster 
des Landes verfiigt: vom Kloster Leire wissen wir, dali er den Abt Raimund dort ein- 
gesetzt hat’. Taufig hegegnet man seinem Namen in den Urkunden dieser Jalire. Welchen 
Sinflus er auf den Kénig Sancho Ramirez gehabt hat. beweist besser als alle andern Stellen 
jenes beriihmte Privileg dieses Kinigs vom Jahre 1og3. das cinzige aus dieser Zeit. das 
der groBe Zurira fiir wert gehalten hat. in seine »Indices rerum ab Aragoniae regibus 
gestarum« (1578) eingeriickt zu werden. in dem er das Kloster Thomi¢res aut’ das reichstc 
dotierte und ihm seinen Sohn Ramiro, den spiteren Konig »el Monje«. zur Erzichung 
und zum Dienst als Monch jibergab. Nimmt man hinzu. dali Gregor VIL der Leitune 
des Abts Frotard auch eine groBe Anzahl von aquitanischen und katalanischen Wlostern 
iibertragen hat. so bekommt man eine Vorstellung von der auBerordentlichen Macht dieses 
Mannes, in dessen Hinden die gcistlichen Angelegenheiten des Reiches lagen’. Sie wurde 
noch stirker unter dem Nachfolger des Kénigs Sancho Ramirez. unter Konig Pedro I. 

Was Wunder. wenn eine solche Machtstelling Widerstinde ausléste? Es gab da genug 
Rivalititen. Die Cluniazenser mochten tiber den Verlust ihres fritheren Einflusses in Aragon 
und Navarra klagen; der Kardinal Richard. seit 1079 Abt von Sankt Viktor in Marseille, 
der alles daransetzte, einen Marseiller Kirchenstaat in Spanien zu begriinden und auszu- 
hauen’, und der Metropolit Dalmatius von Narbonne. der sich tber fortwéhrende Uher- 
griffe des rithrigen Abtes zu beklagen hatte’, mochten allen Anlafi haben, den Rivalen, 
dem Gregor VII. eine so singulire Stellung jibertragen hatte, mit scheelen Augen anzu- 
sehen. Und wenn nicht alles tauscht. ist es gerade in den letzten Jahren Gregors VII. 
zu schweren \useinandersetzungen zwischen den leitenden PersOnlichkeiten in Aragon und 
Navarra gekommen, in die auch Gregor VII. hineingezogen zu sein scheint. 

Wir wissen davon aus einer uns im Archiv der Kirche von Huesca erhaltenen Auf 
zeichnung, die auf die inneren Gegensiitze in Aragon und Navarra ein helles Licht wirft. 
Auch das bis dahin so gute Verhiltnis des Kénigs Sancho Ramirez zu Papst Gregor VII. 
scheint damals eine Tribune erfahren zu haben. [eh habe diese Urkunde jiingst erliutert 
und fiir die Geschichte auszudeuten versucht’: es geniigt. wenn ich hier das Wesentliche 
wiederhole. 

Die Union von Navarra und Aragon. die Ausdehnung des Reiches dureh die groben 
Eroberungen, der Bau neuer Kastelle. dic Griindung neuer Kirchen und Kloster in den 


) Ed. Papsturkunden in Spanien II 265 n. 5. 
2 Nach Ramon pe Heesea VUE 113 war dieser vorher Monch in San duan de la Pefia. 
* Vel. den Papsturkunden in Spanien 1 281 n. 18 gedruckten Brief Urbans I. an Frotard. 

' Vel Papsturkunden in Spanien II 159. 

* S$. 24 Anm. 8. 

* Vol. Papsttum und katalanixcher Prinzipat S. 40. 

* Vel. die Abhandlung meines leider am 21. Juni d.J. verstorbenen Assistenten De Pat Seaatp Die 
Entstehung des Marsciller Kirehenstaats« im Avchiv fiir Urhundenforschung No 176i 

~ Vel. Papsttum und Katalaniseber Prinzipat S. yo und die Papsturkunden in Spanien 1 27 4 th abgedrmekten 
Urhunden und Briefe. 


“ Vol Sitzungsberichts dieser Akademie 1925. S. 212th und S.219 nu. VY. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. d. 4 


26 KraAR: 


den Mauren abgenommenen Gebieten muBte notwendiverweise zu einer vroen Verinde- 
rung in der politischen und kirchlichen Struktur des Landes ftiuren. Mit der Macht des 
KOnigs nalim auch die seiner kriegerischen Vasallen zu: die Didzesiugrenzen der bis dahin 
unbedeutenden und auf die Bergtiler beschrinkten Landesbistiimer von Aragon in Jaea 
und von Ribagerza in Roda schoben sich weit naeh «lem Siiden vor: aber darin nahmen 
die alten groBen Benediktinerkloster von San Juan de In Peta mid von San Vietorian. 
in die bereits zahlreiche alte Kloster aufgegangen waren. seitdem sie im Jahre 1071 von 
der bischéflichen Jurisdiktion eximiert und unmittelhar unter Rom gestellt worden waren. 
eine bedeutende und wnabhingige Stellung cin, ebenso wie die von Sancho Ramirez neu 
gegriindeten und als khoénigliche Kapellen reich ausgestatteten Kirehen von Loarre und 
Alquezar (1970) und vou Montaragon (1086). Daraus ergaben sich Gegensitze. Klagen 
uid Prozesse der Bischéfe untereinander. des vou Pamplona gegen deu von Jaca, dieses 
vegen den von Roda und wiederum der Kloster gegen die Bischote. So bekam Rom 
bal] zu tun. Wir hoéren. dai schon unter Gregor VIL die miteinander streitcuden Bischof 
Garcia von Jaca und Abt Sancho von San Juan de Ja Petia nach Rom geeangen seien’. 

Dazu kamen Gegensitze in der auswirtigen Politik. Das Reich Ilispanien. wie es 
Konig Sancho el Mayor in seiner Hand vereinigt hatte. galt aueh nach der Teilune unter 
seine Séhne in gewissem Sinne als cine staatsrechtliche Einheit: in diesem Sinne redet 
auch Gregor VIL. von dem requ Hispanioe uid yon den reyes Hispania oder Hi- 
spaniarum. Die Veilung galt nicht als eine endgiiltige: es entstanden zunichst noch 
keine neuen Reiche: sie kamen zusammen oder teilten sich nach dem Bedtirfnis der 
Dynastie. Daraus ergaben sich unablassige dynastische Gegensiitze zwischen den Briidern 
und Vettern. die zu hauligen Kampfen und blutigen Taten ftihrten. So ist. wie jene 
Urkunde im Kathedralarchiv zu Huesea lehrt. zwischen dem Konig Sancho Ramirez und 
seinem Bruder, dem Bischof Garcia von Jaen und Pamplona. der gekrinkt tiber die 
Stellunguahme seines kéniglichen Bruders in seinem Streit mit seinem bischéflichen 
Rivalen Raimund Dalmatii von Roda. za Alfons VIL von Kastilien und Leon tiberging, der 
damals Zaragoza belagerte und damit die Unebhingigkeit von Aragon bedrolite, ein 
schwerer Konilikt ausgebrochen, in dem auch die GroBen des Landes Stellimy nahmen 
und wahrseheinlich auch die romische Kurie. Wenn nicht alles tiuseht. ist der Bischof 
Gareia im Jahre 1084 nach Rom gegangen und hat von Gregor VI. ein Privilege fiir 
seine Kirche erwirkt. in dem die Grenzen des Bistums Jaca nach den Festsetzungen ces 
Konzils von Jaca vom Jahre 1063 und die alten verbrieften Rechte bestitigt wurden. 
vbwoh] sie durch dic Entwickelung der Dinge wihrend der letzten zwanzig Jahre sich 
stark verindert batten. Indem in diesem Privileg alles Verdienst um die Eintithrime 
des rémischen Ritus nicht dem regicrenden Konig Sancho Ramirez. sondern scinem schon 
1063 verstorbenen Vater, dem Konig Ramiro lL. and dem Bischot Garcia statt dem Le- 
vaten Hugo Candidus zugesproehen und dem alten Ramiro hohes Loh znerteile wird. 
weil er czuerst unter den Konigen Uispaniens sich dem hi. Petrus tributiir gemacht hahe. 
bekommt mit oder oline Absicht dieses Privileg Gregors VII. eime unverdiente Spitze 
gegen den Konig Sancho Ramirez, der doch von allen Konigen Spaniens vom Stand- 
punkt der rémischen Kirche aus am meisten ein Denkmal verdient hiitte. 

Wie aber immer auch es sich damit verhalten hat. aus den Urkunden. die auf uns 
gekommen sind. crgibt sich doeh ein geschlossenes Bild von der Stellung. welehe das 
Papsttum unter Gregor VIL zu Navarra ind Aragon eingenonimen hat. Dieser Papst war 


' Tn dem Sebredhen des Konigs Peter foam Papst Urban He ts. Anbangy. wo die cine Handsehnatt of pera 
bieter. clie andere oifeabar irri fr. 


2 Nor cinmal redet er von dem rer dragons (saucho Ramirez) in dL. g84¢. 


Das Pupsttum und div KGnigreiche Navarra und Aragon bis sur Mith des XU Juhrh. 24 


sonst mit Privilegien sparsam: er hat mehr mit Mandaten und Reskripten gearbeitet 
denn iit Grunstbriefen. Aber Aragon erscheint da vor den anderen Lindern Levorzugt. 
Die bheiden Bisttimer des Reiehes. das von Ribagorza in Roda und das von Aragon und 
Sobrarbe in daca. haben ein jedes ein Privilege von ihin erhalten --~ es sind die einzigen 
Privilegien dieses Papstes fiir spanische Bistttmer. Und sicher bezeugt ist auch ein Pri- 
vilee Gregors VIL. fiir das Kloster San Juan de la Pena. das erste Kloster im Lande 
Aragon’. Nur noch Sahagun im Leonesischen ist einer solehen Ehre gewtirdigt worden’. 

Zu verwerfen aber ist als Filschung jenes oft zitierte Privilege Gregors VIE. das 
dem Konig Sancho Ramirez nach dem Vorgange Alexanders I]. (s. oben 3.17) das Reeht 
verleiht. tiber die Kirchen seines Reiches. sowohl tiber die in den den Sarrazenen ab- 
genommenen Gebieten neu zu errichtenden wie tber die von ihm bereits errichteten. 
au Gunsten seiner Eigenkirchen (Kapellen) oder der Kléster zu vertiigen — ausgenomimen 
davon sollen nur die bischétlichen Wirchen sein Wh. 4815 und JL. a2 7). Der Nach- 
weis der Filsehung erfordert noch cine besondere Untersuchung. 


§ 4. Urban TI. 


Urbans IL Anfinge., — Erste Organisation der spunischen Kirche IL. 5 300-- 
des K6nigs Sancho Ramirez and Dankselireiben Urbans 1. dh. s3a0q.-— 
aragen var t. Juli roSgq JL. sg08. --- Aragon Leliusreich der vormusehen Kir 
Jahresvins von 300 Mankusen, --  Exemtionsprivileg ffir San Joan de 

ye duli ro%g. - - Legation des Wardiuals Rainer (rogue. — Legation des Kardinathiselots 
Gualter (roy21, — Reskript Urbans Th an San Juan de da Pena JL. 3501. - Tod des Kontgs 
Sancho Raimives 4. Jani toog. — Uinfttiming der Augastinervegel in Aragon. - Die honis- 
lichen Kapellen. — Konig Peter f — Weihe von San duan de la Petia 4. Dezember roug. - 

Streit des NGnigs mit Bischof Peter von daca. — Kiagselirift des Konigs an Urban tl. - - Seluts- 
brief Urbans TL. tir Konig Peter JL. sss2. — Enzvklika fir San dian de da Vera von 
19. Marz 109s. — Die Filsehung JL. }sso02. — Eroberung von Huesea. — Verleguna cles 
Bischotssitzes von daca mach LHuesea. — Urbans He Privilegien fir Bestum und Nathedrate 
von Pamplona JE. 5650 und JL. 5070. — Unrptetitunessehrerben fiir Ponerus von Rods uid 
Mandat an Odo von Ureel JL. 5707. -- Privileg tiie Montaragon JL. s7oa. -- Die neiden 
Privilegien tir das Bistum Huesea JL. 5730 und Jb. 5703. — Plan der Urrichtang des 
Bistums Barbastvo. — Mission des BisehotS Poneins von Roda, — Das Dekret Urbans HH. 
JL. 3777. -— Sendang des Abtes Frotard vou Thomicres nach Rom. Sebredben des WKonigs 


Oar iat fer Pe 


Peter an Urban I. - Pod Urbans HH. Tod Protards von Thomitrves. 


agi. Schreihen 
isthe fhe VEont- 
sountt einen 
Pema vom 





In den Wirren vor und nach dem Tode Gregors VI. ruliten die Bezichungen zwischen 
Rom und dem Reiche des KOnigs Sancho Ramirez. Erst unter dem am 12. Mirz 1osS 
in Verracina erhobenen Papst Urban Il. setzen sie wieder ein. 

Der Poutifikat dicses Papstes, mit dem cin groper Diplomat zur Regierung kam. der. 
gers festhielt. geschickter und kliiger 


ty 


wenn er auch an den Grundsi&tzen seines Vorgdin 


PeTn dem vefilschiten Prive des KRonigs Sancho Ramives ffir das Kloster vom as. Mai tooo edd. 
Briz Marrinry. Historia de San Joan de ta Pehla p. 267 and Sianargcrnasy. Documentos correspondicntes al 
reinado de Sancio Ramirez Trar on. 43: veh auch oben S28) wird ervaldt. da der Konig nach dem ‘Tode 
des Abtes Aquilin. qin det von seiner Beoder. dem Bischof Gareut vou Jaca. bedringten Kloster za helfen. 
den neuen Abt Saneho nach Rom zu Papst Gregor VIE gesandt labe out der Bitte wf apse benngae predietin 
locum apostolica auctoriate cf sua munire?, sicut antecossor cvs forcrah apse pacers non ildiquarchy mit dem Ev- 
folge yuod secnndiun quod poposceram, ips Rbentssine fecerunt. Das bestatigt em Breve Paschals IL vor 
yi. danuar 1102 (ed. Papstarhuuden in Spanien IL goin. 21) in dem dieser Papst die Priviegien seiner Vor- 
ginger Urbans HU. (ed. chenda Il 209 ne 7k Gregors VIE und Alexanders [Lh (Jb. qoou) erwihat. In der 
Memorial ajustado von 1770 fol. 13) (vel. Papsturkunden in Spanien Toros: werden auBerdemt noch zwei 
Privilegien Gregors VIL. fiir den Abt von San duan de Ja Pena (Verleihung der Mitra und des Reelites der 
Altarweihe) erwihnt. aber es sind in) Wahrheit solehe Gregors IX. 
2 JL. 5263 vom Jalve 1083 (Orig. in: Madrid. Archive Historico Nacional. Die beiden gelegentlich 
erwabnten Mandate Gregors VIL. tir Ripoll erweisen sich als solehe Gregor. IX ivygh Papsturkhunden in Spanien 
fr24 Anm. 4). 












4 


28 Kener: 


wie dieser die Dinge und die Menschen zu nehmen wuBte, ist fiir die spanischen An- 
gelegenheiten von grundegender und entscheidender Bedeutung geworden. Es bleibt 
immer eine denkwtirdige Phase in der Geschichte des Papsttums. wie dieser zuerst in den 
gedriicktesten Verhiltnissen, fast mittellos. fern von Rom und ohue Anhang sich mithsam 
hehauptende Papst, der damals mit Recht von dem Schifflein Petri sagte. daB es beinahe 
im Untergehen sei (JL. 5364). cine so grofe Sache wie die Ordnung der spanischen Ver- 
haltisse unternahm. Am 15. Oktober 1088 bestitigte Urban II. die Wiederherstellung des 
Erzbistums Toledo und gab. indem er den neuen Erzbischof Bernard zum Primas von Spanien 
ernannte und zugleich auch die Wiederherstellung der alten Kirchenprovinz von Tarra- 
gona ins Auge faBte. der weiteren Entwickehing der kirchlichen Ordnung auf der iberischen 
Halbinsel den entscheidenden AnstoB (JL. 5306—5371).. 

Ein halbes Jahr darauf, im Friljahr und Sommer 1089, versammelten sich an der 
Khurie die Boten aus Spanien, auBber dem friiheren Legaten Richard von Marseille. der 
zum Erzhischof von Tarragona ausersehene Bischof Berengar vou Ausona-Vieh und die 
Gesandten des Konigs Sancho Ramirez von Aragon und Navarra, Abt Frotard von Saint- 
Pons de Thomiéres und Abt Aimerich von San Juan de la Pena’. Diese tiberbrachten ein 
Schreiben des Kénigs, das in Rom die freudigste Uberraschung hervorrufen muBte, die 
Mitteilung niimlich. da®B er. der schon im Jahre 1068 sich als qwéles 6. Petri der rémischen 
Kirche kommendiert hatte. auf einem Kriegszug im letzten Jabre fiir sich und seine Séhne 
(rott und dem heiligen Petrus einen jibrlichen Zins von 500 Mankusen. das cinst von 
(rregor VII. geforderte Servitium, gelobt habe. ebenso seine Ritter, cin jeder 1 Mankusen”*. 
Wie man das in Rom aufnahm, sagt deutlicher als Urbans kurzes Dankschreiben (JL. 5399) 
das groBe Privileg. das dieser Papst am 1. Juli 1089 fiir die von Sancho Ramirez kurz 
mivor gegriindete Kanonika des Jesus Nazarenus in Montaragon ausstellen lieB (JL. 5398). 
Lr nimumt darin nicht nur diese neue Griindung in das Eigentum und den Schutz der 
romischen Kirche gegen den tiblichen Jahreszins von einer Goldunze. sondern er nimmt 
auch den Konig und seine Séhne und sein ganzes Reich in den Schutz des Apostolischen 
Stuhles und hestimmt, dal alle seine Nachfolger dieses Reich aus seiner. des Papstes. 
und seiner Nachtolger Hand empfangen, dem heiligen Petrus und dessen Vikareu die gleiche 
Treue und Gehorsam leisten, denselben Zins von 500 Mankusen entrichten und sich als 
Diener und Famuli des heiligen Petrus bekennen sullen. So wurde am 1. Juli rosg das 
Reich Aragon ein Lehen der rémischen Kirche. und in den aragonesischen Urkunden der 
niichsten Jahre begegnet man gclegentlich der Datierung nach den Pontifikatsjahren des 
obersten Lehnsherrn. Urban Ul. selbst spricht von dem omar rive regnum. und ebense 
spiiter der Konig Peter L, aber es ist doch zweifelhaft. ob der Konig bei seiner Tradition 
an Aragon und an Navarra gedacht hat. Als der Konig sich im Jahre 1068 dem heiligen 
Petrus kommendierte, war er nur Konig von Aragon. und es ist die Frage, ob das Servi- 
tium des Kénigs und seiner Ritter sich auch auf Navarra bezog. Das muBte zur Sprache 
kommen. als nach 50 Jahren die Union von Aragon und Navarra sich aufléste. auch wenn 
wir daritber keine Nachrichten haben’. 





1 Vel. Papsttum und hatalanischer Prinzipat S. 4rf. 

* Die Anwesenheit des Abtes Frotard ergibt sich anus den Urkunden fiir sein eigenes Kloster Saint-Pons 
und fiir Saint-Aignan. Die des Abtes Sere von San Juan de la Pefia erwihnt Konig Peter Il. in seiner 
Klagesehivitt. gegen den Bischof Peter von Jaca (s. Anhang). Hier wird anch ausdriich| ie ein Schreiben des 
Konies an den “Papst zugunsten von San aan de tx Peta erwilnt. 

Ed. Sitzungsberichte 1928 >. 215 n. U1. 

+ Gleichzeitig, am 1. Juli 1089. erhielt Frotard cin Privileg fiir sein Kloster Saint-Pons Ce Thomicres 

(JL. 5400) und am 4. Juli ein zweites fiir das ihm unterstehende Kloster Silat ionats (JL. 5 402) 


Das Papsttim und die Konigreichs Nacarra und Aragon bis sur Mitte des NIL Jahrh. 28) 


Wenige Tage darauf. am 4. Juli roSg. bekam auch das groBe aragonesische Kloster 
San Juan de la Pena das von dem Abt Aimerich im Auftrag des Kénigs Sancho erbetene 
Exemtionsprivileg (ed. Papsturkunden in Spanien II 269 n. 7)’. 

Aber jene groéBeren. durch die Wiederherstellung des Primats von Toledo in Flug 
gebrachten Dinge lieben sich von Rom aus nicht ldsen. Nur ein Legat an Ort und Stelle 
konnte sie ordnen und entscheiden. Dazu wurde der Kardinal Rainer ersehen. der spiitere 
Papst Paschal IL, der. was fiir seine eigene Regierung von Bedeutung gewesen ist. so 
die spanischen Verhiltnisse selbst kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hat. Er brach 
gegen Ende des Jahres 10o$g nach Spanien anf. In erster Linie nalimen iln die kata- 
lanischen Angelegenheiten in Anspruch*, in zweiter die kastilianischen: ol er A\ragou und 
Navarra berithrt hat. wissen wir nicht. Auch von Rainers Nachtolger, dem = Kardinal- 
hischof Gualter von Albano (1092). hat die Uherlieferung nur geringe Reste erhalten: doch 
finden wir seine Unterschrift unter dem Privilege des KGnigs Sancho Ramirez und seines 
Sohnes Peter fiir das Bistam Roda. worin sie tir die Zukunft die freie Bischofswahl zu 
respektieren feierlich versprechen”. In diese Zeit gehOrt noch cin undatiertes Reskript 
des Papstes an den Abt von San Juan de Ja Pena fiber die WKirehe von Artajona bei 
Pamplona, um die das Kloster sich mit den MoOnchen von Saint-Seruin in ‘Toulouse stritt: 
da erscheint als Schiedsrichter auch Frotard von Thomicres (JL. 5501). Dieses Schreiben 
ist wegen des Schluiisatzes bemerkenswert. worin der Papst dureh den Abe einen Grubs 
an seinen lieben Freund. den Konig Sancho Ramirez. bestellt und an dessen Schwester. 
die Griifin Sancha'. Aber des Konigs Tage waren bereits gezihlt: er starb am 4. Juni 1r0og4 
bei der Belagerung von Huesca an einer dabei empfangenen Wunde. Sein Leiclnam 
wurde zuerst in der von ihm gegriindeten Kanonika von Montaragon beigesetzt. hernach 
aber nach dem Escorial von Aragon, dem Kloster San Juan de Ja Peta. wo sein Vater 
Ramiro und seine Ahnen ruhten. iiberfihrt’. 

Dieser Konig, tiber den bereits eine reiche Uberlieferung vorliegt, verdiente wohl 
eine eigene Monographie. denn er ist in der Reihe der Koénige von Aragon eine der 
markantesten Erscheintungen. und selbst gewisse persdnliche Ziige lassen sich wohl noch 
erkennen. Er war ein wackerer und unermiidlicher Kriegsmann und. wie es scheint. 
zugleich cine stark religiése Natur. Ob von solchen Stimmungen oder von dem Uber- 
gewicht der Geistlichkeit und der kirchlichen Tendenzen der Zeit seine Kirchenpolitik 
bestimmt worden ist, kGnnen wir nicht mehr unterscheiden; aber deren konsequente Linte 
erscheint doch unverkennbar. Es ist einmal der AnschluB an Rom. der in keinem der 
andern spanischen Reiche so fri und so deutlich nachzuweisen ist. und die Kirchen- 


' Nach diesem Privileg fiir San Juan de Ta Pema hat man im NU. Jahrhoandert das Exemtionspriviles 
fiiv San Salvador de Leire mit dem Datum 26. Mai 1089 gefiilscht (ed. Papsturkunden in Spanien Il 267 mn. 6) 


, 


’ Vel. Papsttum und katalanischer Prinzipat S. 47 f. 

> Die Urkunde ist undatiert: Raawex pr Heesea Teatro hist. IX g2 erwalnt sie zu ro84: Yeua, El 
eartulario de Roda S. 19 n. 3 gibt den Text zu 1076. Die Untersenrift lautet danach Ego Gvalterius Albancnsss 
spiscopus ef sanct Romane cect cardinalis prosenticns inde aortas nupor perturbations in regue tuo cf scrns how 
rohan «cf promisstaniin canonicr factam lado «t corroburo +é ne demerps election m, quam supradict: eeclesie canonect 
CAnNOnice Jt eorint, te vel aliquis tuorum successoricne rrrunpore presumat, apostolic a auetoritate interdicnnmus. Ui was 
fiir Unruhen es sich gelandelt hat. wissen wir nicht. 

' Regen S. karissimum anicum nostrum ov nostra parte saluta ct comitissam sororcin cus, Uber die Gratin 
Sancha vgl. Papsturkunden in Spanien HW 98. — Der Streit: zog sielh noch lange hin und hat Paschal Ib zu 
wiederholtem Einschreiten gegen das Kloster San Jnan de la Pena veraulaBr (JL. 5063. 5961. $gb2). 

> Briz Marrixez. Historia de San Juan de la Peta p.607 nimmt wohl richtig an. daB die Beisetzung 
der Leiche Sanchos in San Juan de la Pea gelegentlich der Kirehweihe am 4. Dezember roy4 stattgefunden 
habe. Denn Konig Peter T. sagt in seinem behannten Schreiben an Papst Urban TL vem Jahre ous (s. Aniangs. 
daB sein Vater in San Juan de la Pena rule. ehenso wie sein GroByater (Konig Ramiro L, 


30 KEnHR: 


und Klosterreform, die er in seinen Lindern zielbewubt betrieben hat und im Zusammen- 
hang damit die Unterordnung unter den Abt Frotard von Saint-Pons de Thomitres. 

Ieh will hier noch auf ein Moment hinweisen. das mir besonders charakteristisch 
erscheint. Die Chiniazensertradition ist im damaligen Aragon bereits abgetlaut und durch 
eine neue kirehliche Riehtung ersetzt: ich meine die damals auch in Katalanien aut- 
kommende strengere Augustinerregel. Unter Koénig Sancho Ramirez von Aragon werden 
alle drei Kapitel seiner bischotlichen Kirchen durch deren eee reformiert. Jaca (1076). 
Pamplona (1084) und Roda (1092). Ebensowenig kann es Zutall sein. da alle seine 
groben Klostergriindungen Augustinerchorherrenstifter sind, wie Loarre und Alquezar (1070) 
ae Montaragon (1086). Die tibernichste Gencration griindet statt dessen Cisterzienserkloster. 

Kin anderes bereits Gfter erwiihntes Moment ist die konsequente Unterstellung der 
koniglichen Kléster und Stifter. der sog. kiniglichen Kapellen. unter Rom und in das 
Kigentum der rimischen Wirehe. So entstanden, da sie auf das reichste ausgestattet 
und ihnen auch alte Kloster angegliedert wurden, groBe vou der bischéflichen Juris- 
diktion exemte Klosterkomplexe mit den unvermeidlichen Gegensiitzen und Streitigkeiten 
im Gefolge. 

Eben diese haben die Regierung seines Sohnes und Nachfolgers, des Kénigs Pedro L. 
neben seinen kriegerischen Unternehmungen ausgefiillt. Von diesen sind die wichtigsten 
die Eroberung von Huesca im Jahre 1096 und die Einnalhme von Barbastro im Jahre 1100. 

Aber es war wohl leichter, sie den Mauren zu entreiben. als die Gegensitze unter 
den um die Didzesangrenzen und um die Beute hadernden Bischéfen und Abten aus- 
zugieichen. 

Zuniichst ging die Belagerung von Huesca weiter, nur unterbrochen dureh das Fest 
der Weile der Kirche von San Juan de la Pena am 4. Dezember 1094. an dem der 


Erzbischof Amatus von Bordeaux als Legat Urbans [. —- wir kennen ihn schon aus der 
Zeit Gregors VIL. da er nuch Bischof von Olorou war —, die Biseh6te Peter von Jaca 


und Gottfried von Maguelonne und die Abte Frotard von Saint-Pons. Raimund von Leire 
und Aimerich von San Juan de la Petia teilmahmen’. Aber gerade damals kam es zu 
einer heftigen Auseinandersetzung des honigs Peter |. mit dem Bischot’ Peter you Jaca 
iiber die Rechtsstellung dieses Klosters und der kéniglichen Kapellen und dariiber hinaus 
iiber die Berechtigung des Ansprucls der Bischite auf die Eigenkirchen der Ritter. Der 
Konig sandte seinen Getreuen Frotard* mit einem ausfiihrlichen Schreiben an Urban IL. 
der damals. im Marz 1095. auf dem Wege nach Frankreich in Piseeuza ein Konzil abhielt. 
wo auch diese spanischen Angelegenheiten zur Sprache kamen’. 

Das Schreiben des Konigs ist cine Art Denkschrift und ist cines der wichtigsten 
Zeugnisse fiir die kirchenrechtlichen Probleme im damaligen Aragon. Es ist zuerst. von 
dem Historiker von San Juan de la Pena. dem Abt Juan Briz Marrisez. aus dem Liber 
goticus gedruckt und jiingst von J. v. Pitvex-Harrrese. Iter italieum S. 437 n. 44 aus 
einer jiingeren Abschrift in der Nationalbibliothek zu Florenz, die aus dem Liber 
feudorum im Archiv von Barcelona genommen ist. noch einmal herausgegeben worden. 
Im [inblick awl die Ungenauigkeit der Texte und mit Riicksieht auf die Wichtigkeit 
dieses Schriftstiickes gebe ich im Anhang einen korrekten Textabdruck. 


1 ON, die Urkunde ber Briz Marirsez, Historia de San dian de la Peta p- 007. 

+ Die Anwesenheit Frotards ist zu erschlieBen aus der Urkunde vom 16. Mira roys fiir das Kloster Saint- 
Pons de Thomicres (ed, eae in Spanien IT 272 n. 8). 

> Hier war auch aly Gesandter des Koénigs Alfons VI. von Kastilien und Leon der Bischot Gomes ron 
Burgos anwesend (JL. = 


Das Pupsttum und die KGnigreiche Navarra und Aragon bis sur Mitte dvs XII, Jahrh. 31 


Konig Peter Ll. trigt hier dem gerechten Lehrer der ganzen heiligen Kirche seine 
Besehwerden und Wiinsche vor. indem er sich als seinen getreuen Dicner und Freund 
nach dem Vorbild seines Vaters. des Konigs Sancho Ramirez bekennt. der sich einst der 


Oberherrschaitt des Papstes unterworfen und seit den Zeiten Gregors VIL —~ was aber 
ein Irrtum ist —— bis zu seinem Vod einen Jahreszins von 500 Goldstiicken gezahlt habe. 


Der neue Konig erklirt. da& auch er sich der Oberherrschaft des Papstes unterworfen 
habe. wahrseheinlich hat er zugleich den schuldigen Jahreszins ftir sein erstes Regicrungs- 
Jahr (1095) damals abliefern lassen. Nun folgt die Beschwerde gegen seine Landes- 
bischife, hesonders gegen den Bischof Peter yon Jaea. Der verfolge das Hauskloster 
der aragonesischen Kénige und ihre Begrabnisstitte San Juan de la Pefia. das sein Vater 
dem rémischen Stuhl tributir gemacht wid dem heiligen Petrus und seinen Vikaren tiber- 
tragen hahe, damit es groBere Freiheit und wirksameren Schutz gegen alle Feinde geniebe, 
mit seinen unberechtigten Forderungen. Der Konig verweist auf das Exemtionsprivileg 
Alexanders IE (JL. 4601). das der von seinem Vater nach Rom gesandte Abt Aquilinus 
erlangt harte, auf eine Verhandhing in Rom (ver Gregor VIL), wo der Abt Sancho und der 
Bischof Garcia yon Jaca einander gegentiberstanden. und auf das Exemtionsprivileg Urbans IL 
selbst, das der gegenwirtige \bt \imerich aut Grund eines Schreibens des Kénigs Sancho 
erhalten hatte (s. oben S. 29). Allein der Bischof Peter von Jaca wiire trotzdem in seinem 
feindlichen Verhalten gegen das Kloster verharrt und habe. indem er sich auf ein angebliches 
Prizept Urbans [I.. von dem wir aber nichts wissen. berief. Anspriiche geltend gemacht. 
die bisher noeh kein Bischof zu erheben gewagt hatte. Aueh gegen die im Grenzgcbiet 


dey Christen und Heiden gegriindeten koniglichen Kapellen — gemeint ist vornehmlich 
Montaragon — erhében die Bischéfe unberechtigte Anspriiche. ungeachtet der jenen yon 


Urban Il, gewahrten Exemtionsprivilegien (s. oben S. 28). Nun moége der Papst ihm ein 
Privilege gewiihren, damit das Kloster San Juan de la Pena und die der romischen Wirche 
tradierten kéniglichen Kapellen in Zukunft wirksamer gegen dic Uhergriffe der Bischite 
geschiitzt seien. Endlich beschwert sich der Kénig dartiber. da®B die Bischofe sogar dic 
Figenkirchen seiner Tag und Nacht mit den Heiden kémpfenden Ritter ftir sich bean- 
spruchten, wihrend sie von allen Pfarrkirehen den yolien Zehuten erhielten. was in den 
andern Reichen nicht geschche: denn wenn jene ihrer Eigenkirchen beraubt wiirden, so 
wiirden sie zu Bettlern werden, und ohne Geld sei kein Wrieg zu ftihren. Das ganze 
Problem der eximierten Kléster und der Eigenkireben erscheint hier autgerollt. 

Der Papst ist den Wiinsehen des Kénigs im wesentlichen entgegengekumimen. Er 
lie} ihm und seinen Nachfolgern ein feierliches Privilege ausstellen. das uns aus dem 
Arehiy der kéniglichen Kapelle Montaragon im Original erhalten ist JL. 53552. jetzt im 
Nationalarehiv zu Madrid). In der vom 16. Mfrz rogs aus Piacenza datierten Urkunde 
nimmt er den Konig Peter und scine Nachfolger in den papstlichen Nehutz. ganz in der 
Form des sonst Kléstern und Wirchen gewihrten Schutzprivilegs. bestimmt nach dem 
Wortlaut des Privilegs ftir Montaragon vom t. Juli roSg (IL. 3308). dab alle seine Nach- 
folger das Reiel aus der Hand des Papstes und seiner Nachfolger emptangen. denselben 
Zins von 500 Mankusen entrichten und sich als Diener und Famuli des heiligen Petrus 
hekennen sollen. und fiigt hhinzu. dai kein Bischot’ oder Erzbischot. selbst nicht ein 
romischer Legat oline ausdrtieklichen Spezialbefehl des Papstes den Kénig und die Kénigin 
exkommunizieren oder interdizicren diirfe. Dieses Privileg ist im Jahre 1213 von Inno- 
cenz TI. transsumieret worden (Potthast Rey. 4773). Wenige Tage daranf. am 19. Marz 
1095, erlielS Urban If. auch den erbetenen Schutzbriet’ fiir das Kloster San Juan de la Pena 
in Form einer an die Erzbischdte. Bischéfe und GroBen Spaniens gerichteten Enzyklika. 
indem er ihnen das unter dem Schutz des Apostolischen Stulles stehende Kloster, das 


32 KEHR: 


der fromme Konig Sancho von Aragon und Pamplona sieh zur letzten Ruhestitte crkoren 
habe. auf das angclegentlichste empfiehlt und den Ménchen. den toten wie lebenden, den 
Nachlab ihrer Stinden in Aussicht stellt. Zugleich bestitigt er die von den Koénigen 
Sancho und Pedro dem Kloster verlichenen Schenkungen und Immunititen'. Eine ahnliche 
Indulgenz erlangte schon am 16. Mirz rog3 auch Frotard fiir sein Kloster Saint-Pons de 
Thomieres*. Wahrscheinlich ist gleichzeitig ein ohne Datum tiberliefertes Reskript an den 
Bischof Peter von Jaca erganeen. worin er ihn. der selbst aus dem Kloster hervorge- 
gangen sei. ernstlich tadelt. dai er diesem die Konversen und die Laien. die sich dort 
hegraben lassen wollen. abspenstig mache (JL. 5735)". 

Unter diesen Erlassen Urbans TI. vermifitt man die vom Konig erbetene Entscheidung 
tiber die niederen Eigenkirchen der kOnigliehen Vasallen, derceu wirtschattliche Existenz nach 
seiner Versicherung davon abhing. Diese Liicke hat man im NU. Jahrhundert dureh jene 
hertihmte Filschung ausgefillt, welehe hernach im spanischen Staatskirechenrecht eine so 
eroBe Rolle gespielt hat: ich meine das angebliche Privileg Urbans IL vom 16. April 1095 
JL.“ 5562. In dieser Urkunde. die an jenes Schreiben des Konigs Peter I. an den Papst 
unmittelbar ankniipft. verlieh Urban I. nach dem Vorgange Alexanders I. dem Konig 
Peter und seinen Nachtolgern angeblich das Recht, die Kirche in den den Sarrazenen 
entrisscnen Orten und die im alten Reich erbauten Kirchen den kéniglichen Kapellen 
und Kl6stern, mit Ausnahme der bischéflichen Kathedralkirchen. zu tiberweisen (s. oben 
S..27) und dehnte es sogar auf die GroBen des Reiches aus. die tiher die Kirehen im 
Gebiet der Sarrazenen wie tiber die auf ihrem eigenen Besitz erbauten Kirchen samt ihren 
Primitien und Zehnten ehenso verfiigen sollen. Dab diese merkwiirdige Urkunde cine 
Filschunge ist. hat man schon friither erkannt. denn sie sprieht sowohl dem kirehlichen 
Recht wie dem kurialen Stil Hohn: allein tiber die Motive und den Ort ihrer Entstehung 
felilte es hisher an jeder Autklirung. Diese umstindliche Untersuchung wiirde hier den 
Zusammenhane allzusehr unterbrechen, und ich ziehe deshalb vor. demniichst in einer be- 
sonderen Abhandhmeg den Nachweis der Filschung nach der diplomatischen Scite zu fiihren. 

Endlich. sam 24. November 1096, fiel nach langer Belagerung die Stadt Huesea in 
die Ufinde der Christen. Es war ein grobes und entscheidendes Ereignis, bei dem der 
piipstliche Legat Erzbischof Amatus yon Bordeaux und der neue Metropolit der wieder- 
hergestellten Kirchenproving von Tarragona. Berengar von Ausona-Vich. und Bischéfe und 
Abre des Landes anwesend waren. darunter auch Frotard von Saint-Pons de Thomieéres. 
Schon der verstorbene Konig Sancho Ramirez hatte tiber die Verteiling der Beute verfiigt: 
die groBe Moschee sollten die Kanoniker yon Montaragon bekommen und die Kapelle 
des leiligeu Kreuzes im Kastell das Kloster Thomi¢res. Da uun der Bischof von Jaen 
nach den Beschliissen des Konzils von Jaca vom Jahre 1063 und uach dem Privileg 
Gregors VIL. fiir Garcia von Jaca (s. oben S. 26) den Sitz des Bistums von Aragon nach 
Huesca verlegen sollte. so muBten diese Verfigungen jetzt dahin geindert werden, dab 
dem. Bischof die Hauptmoschee zagewiesen wurde. wiihirend die Kanoniker von Montar- 
avon dic Kapelle in der Burg, Frotard von Thomicres aber die alte Peterskirche (Nai 
Pedro cl Viejo) erhielten’. 


_ Papsturhunden in Spanien TD 273 neo. 


Von Jvrre-Loewrnrerp nm. 5738 irrig zn 1088S —rogo eingereiht. Denn der dem Bischof Peier gevebeone 
Titel vou daca ergibt als letzte Zeitgrenze das Jalir rogh. 
b Vol. Papsturkunden in Spanien IT 123. 


Das Papstium und die Konigreiche Nacarra und Aragon bis sur Mitte des NID. Jahrh. 33 


Diese und die sonstigen Veriinderungen in den kirchlichen Verhiltnissen des Reiches 
hat Urban I. in den niehsten Jahren beurkundet. Zuerst, am 24. Juni 1rog6. erhielt 
Bischof Peter von Pamplona ein Privilee fiir sein Bistum (JL. 5650), in dem die (rrenzen 
der Diézese wuschrieben wurden; ein Jahr daraut, am 4. Mirz 1097, richtet Urban ein 
Sehreiben an den Kénig Peter. worin den Mitgliedern der fiir den Bau der Kathedral- 
kirche von Pamplona gegriindeten Contraternitas die himmlische Absolution in Aussieht 
gestellt wurde (JL. 5679)'. In dasselbe Jahr gehért die Wahl und Weihe des neuen 
Bischots Poncius von Roda, der sogleich nach seiner Wah! nach Rom gekommen war 
und nun von Urban IL. selbst die bischdfliche Benediktion empfing mit einem Empfehlungs- 
schreiben an Klerus und Volk in Roda, wobei des Kénigs Peter riiimend gedacht wird’. 
und vielleicht auch das ganz falsch von Lorwenretp n. 5767 zum 19. Juli 10y6—~94u ge- 
setzte Mandat vom 6. Mai (1097?) an den Bischof Odo von Urgel. den er tadelr. dap 


er, obwohl selbst nicht Metropolitan. von seinen Nachbarbischéfen — gemeint ist Bischof 
Poneius von Roda —- Obedienz verlange, und anweist. die Entscheidung des papstlichen 


Vikars, des Erzhischots Bernard von Toledo. im Gericht des Kénigs Peter abzuwarten. 
Bernard von Toledo hat in der Tat im Dezember 1097 und im Friihjahr 1ogS mehrere 
Tagungen in Gerona. Villabertran und Vich abgehalten, aber von seiner Tatigkeit in 
Aragon wissen wir sonst nichts’. Endlich. im Mai 1098. ordnete Urban I. die Huesca 
hetreffenden Angclegenheiten durch mehrere Privilegien auf Grund der Berichte der Ge- 
sandten, des Propstes Eximinus von Montaragon als Vertreter des Kénigs und der beiden 
Archidiakonen Lupo Fortunionis und Lupo Enneconis von Huesca als Vertreter des 
Bischofs, und auf Grund der Urkunden, die sie vorlegten. In dem Privileg fiir Mout- 
aragon vom 4. Mai 1098 (JL. 5702) bestitigt er die Abmachungen tiber Besitz und 
Zelten zwischen Konig Peter und dem Bischof Peter und die Rechtsstellung der Ka- 
nonika im AnschluB an seine friihere Urkunde vom 1. Juli 1o8y (JL. 5395) und bestellt 
den Eximinus zum Abt des Stiftes'. Die leiden Privilegien fiir das Bistum Iluesca vom 
11. Mai 1098 aber bringen die pépstliche Anerkennung fiir die Verlegung der Sedes epi- 
scopalis von Jaca nach Ifuesea Die eine »Misericordie mater« beginnt mit dem IJlinweis 
auf das Privilege Gregors VII.. dessen unrichtige Angaben tihernommen werden (vgl. oben 
S. 26): die dort genannten Kirchen von Bielsa, Gistain, Alquezar und Barbastro und die 
Kirchen zwischen Cinea und Alcanadre werden auch hier dem Bischof von ITuesea unter- 
stellt, die Didzesangrenzen. wie sie das Konzil von Jaca unter Kénig Ramiro I. im Jahre 
1063 festgesetzt und Gregor VII. bestitigt hatte. die bischéflichen Abteien und Zehnten 
in demselben Umfang bestitigt (JL. 5736). Das Original dieser Urkunde ist noch im 
Kathedralarchiv zu Iluesea erhalten und verbiirgt uns so die damalige Auffassung der 
Kurie. die sich durehaus an die alteren Urkunden zugunsten der Kirche von Jaca-[luesca 
hielt’, Die andere Urkunde »Miserationibus Domini« (JL. 5703). nur in alten Kopien 
erhalten. deren Texte hier und da voneinander abweichen. hebt mit freudiger Zuver- 
sicht die Siege der christlichen Waffen in Asien tiber die ‘Tiirken. in Europa iiber die 
Mauren hervor und verzeichnet die Eroberung der alten Stadt Osea durch den kénig 
Peter mit Genugtuung: sie bestiitigt die Wiederherstellung der Sedes von ILuesea und 
die Unterstellung der Kirche von Jaca unter die neue Secdes, die Moschee in Huesca als 





' Das Breve (ed. Papsturkunden in Spanien If 280 n.12) ist stark interpoliert im = Zusanmenhang mit 
der obenerwihnten groBen Falschung JL; 5562. 
2 Ed. Papsturkunden in Spanien T 296 n. 30. 
* Vel. Papsttum und katalanischer Prinzipat S. 32. 
' Ed. Papsturkunden in Spanien I 282 n. 13. 
* Ed. ebenda IT 285 n. 14. 


2 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 1. 5 


34 Korner: 


Kathedrale, die Besitzungen und Zehnten und die Albmachungen mit der Kanonika von 
Montaragon. endlich aueh die von dem Grafen Sancho, dem Bruder des Kénigs Sancho 
Ramirez. erhbaute und der rémischen Kirche tradierte Kanonika in Lasieso mit der 
Verpilichtung. deren Zins von einer halben Goldunze zu iibernehmen’. So schienen die 
kirehlichen Verhiiltnisse in Navarra und Aragon ein fiir allemal geregelt, die beiden 
eroBen Bistiimer des Reiches, Pamplona fiir Navarra und Iluesea fiir Aragon in ihrem 
Umfang und in threm Verhialtnis zu den Kléstern und Kirchen des Landes durch die 
Autoritiit des rémischen Stuhles konsolidiert. Aber schon ein Jahr darauf erschiitterten 
die Ereignisse diesen seheinbar so gesicherten Bau. 

Eben damals erdffnete sich der Sache der Christen die Aussicht auf eine weitere 
Ausdehnung durch die Eroberung der festen Stadt Barbastro, des Hauptortes des regio 
Barbutana. Sie war in den Privilegien Gregors VII. und Urbans II. der Kirche von Huesca 
zugesprochen: jetzt aber. da ihre Eroberung bevorstand, womit sich die weitere Aussicht 
auf die Eroberung der gro®en Stadt Lerida. der alten Ilerda, am SegretluB. des letzten 
Zentrums der Maurenherrschaft nérdlich vom Ebro. auftat, stellte sich die politische und 
militirische Notwendigkeit heraus. den Sitz des Bistums der Landschaft Ribagorza aus 
dem abgclegenen Bergnest Roda dorthin zu verlegen*. Es ist die Analogie zu der Ver- 
legung der Sedes von Jaca nach Huesca. Konig Peter sandte den fiir Barbastro aus- 
erselienen Bischof Poncius von Roda, fiir den wohl auch sein Ordensgenosse Frotard 
yon Thomifres eintrat — denn mdglicherweise haben neben den sachlichen Notwendig- 
keiten auch persénliche Rivalititen eine Rolle gespielt -—- nach Rom an den Hot Urbans II. 
mit der Bitte, die Verlegung des Bischofsitzes von Roda nach Barbastro zu genehmigen. 
Wie schnell haben sich doch die Verhaltnisse. besonders in bezug auf die Beziehungen 
zu Rom verindert. Im Jahre 1063 hatte der Kénig Ramiro I. und das Provinzialkonzil 
von Jaca die Verlegung der Sedes von Jaca nach Iluesca beschlossen, ohne den Papst 
zu fragen, dem es iiberlassen blieb, die vollendete Tatsache zu bestitigen: jetzt kam alles 
darauf an. die Genehmigung des rémischen Stuhles zu einer analogen Veriinderung zu 
erlangen. Es miissen schwerwiegende Griinde gewesen sein. die den Papst veranlaBten. 
diese zu erteilen. denn er warf damit um. was er soeben bestimmt und bestitigt hatte. 
Sie ertolgte noch im Jahre 1099 dureh ein »Dekret«. ein einfaches Reskript (JL. 5777). 
welches der Ausgangspunkt geworden ist fiir unendliche Irrungen. Prozesse und einander 
widersprechende Entsecheidungen und zu einem merkwirdigen bellun diplomaticum ge- 
fiihrt hat. das sich bis zum Jahre 1203 hingezogen hat, bis Innocenz HI., der maximus 
iurista. endlich einen Ausgleich fand. Dieses unscheinbare Dekret Urbans Il. gibt dem 
Poncius bereits den Titel cines BischofS von Barbastro. das noch nicht einmal erobert 
war. und genehmigt. dab Barbastro tortan Sitz eines Bischofs sein solle fiir den den 
Mauren bereits entrissenen Teil der alten Didzese von Tlerda. Denn offenbar sollte es 
nur eine Station sein auf dem Weg zu der groBen Sedes von Lerida’. Sobald die Ge- 
nehinigung aus Rom eingetroffen war. wurden die Grenzen des neuen Bistums festgesetzt 
und eine neue Gesandtschaft nach Rom abgeordnet, mit der kein geringerer als Frotard 
von Saint-Pons de Thomiéres. der also auch hier die treibende Kraft gewesen zn sein 
scheint. betraut wurde. Er brachte zugleich den Lelimszins ftir die beiden letzten Jahre, 
insgesamt 1000 Mankusen. mit. Dieses von Virtaxveva. Viage literario XV 361 1. 68 
merst gedruckte Schreiben des Kénigs Peter 1. an Urban II. ist so interessant. das ich 





1 Uher Lasieso vel. Papsturkunden in Spanien I] try. 

2 DPartiber habe ich ausftilivlicher Papsturkunden in Spanien I 155 ff. gehandelt. 

+ Ed. Papstarkunden in Spanien I 2g7 n. 31. Uber die Uberlieferung und iiber die Interpolation von 
Alquezar in diesem von JarrE-LOEWENFELD sunst mit Unrecht als Falschung geachteten Dekret s. ebenda II 161. 


Das Papsttum und die Kénigreiche Nacarra und Aragon bis zur Mitte des X1T. Jahrh. 35 


es im Anhang noch einmal abdrucken lasse. Aber es hat Urban Il. wohl nicht mehr 
erreicht. Denn dieser Papst starb schon am 29. Juli 1099. Er hinterlieB seinem Nach- 
folger zwar mit Barbastro ein sehweres Problem. aber im iibrigen eine Autoritiit so un- 
hestritten, wie keiner seiner nichsten Vorgiinger sie besessen hatte. Das Reich von Na- 
varra und Aragon war fester in seinen Handen als irgendein anderes Land; nichts ge- 
schah hier ohne sein Zutun. Die Charakteristik. die ich von scviner Bedeutung fiir den 
katalanischen Staat und dessen Kirchenwesen gegeben habe’. gilt auch tir Aragon und 
Navarra. 

Wenige Tage nach ihm schied auch der bedeutendste Mann in diesem Reiche aus 
dem Leben, der in den letzten Jahren Gregors VIL und withrend des ganzen Pontitikats 
Urbans Il. der eigentliche Leiter des Kirehenwesens in Aragon und Navarra gewesen 
war. Frotard von Saint-Pons de Thomitres*. 


§ 5. Paschal II. und seine niichsten Nachfolger. 


Zunahme der spanischen Agenden. — Zuriichtreten von Aragon und Navarra. — Vrivilegien 
fiir Huesca. Pamplona. Leire und Barbastro JL. 5834. — Breve an den Konig von Aragon. 
den Grafen von Urgel und den Vizegrafen von Ager JL. 53836. -— Streit nin die Bistums- 
grenzen von Pamplona und Huesea. — Privileg fiir Montaragon JL. 5888. — Streit swischen 
Bischof Peter von Heesea and den Wléstern San Juan de la Petia und Montaragon. — Mandate 
Pasehals I. — Tod des Konigs Peter 1 — Alfons l. — Privilegien Paschals H fiir San 
Victorian, Calahorra und Barbastro JL. 6273. — Mandate an den Bischof Odo von Urgel 
JL. 6586. 6587. — Verhiiltnis der Kurie zu Alfuns 1. -— Vermittelungsversuch des Abtes 
von Chiusa. — Vertreibung des Bischots Raimund aus Barbastro. — Mandate Paschals U. 
JL. 6219. 6220. — Indulgenz Paschals H. fiir die Domkirehe in Pamplona und Privileg fiir 
S. Cristina, — Tod Paschals 1. — Gelasius I. — Seine ersten Amtshandlungen. — Sendung 
des Kardinals Deusdedit nach Spanien. ~~ Mandat an Stephan von Huesea JL. 0660. — 
Fall von Zaragoza. — Indulgenz Grelasius’ I. JL. 6665. — Tod Gelasius’ H. — Calixt HI. — 
Seine Familienpolitik in Spanien. — Verhiltnis zu Alfons L. — Mandat gegen Stephan von 
linesea IL. 6847.— Privileg fiir Pamplona. — Sendung des Kardinals Boso, — Honorius LU. — 
Privilegien fiir Pamplona und S. Cristina. — Stephan von Huesea in Rom. — Tod Honorius’ I, 
und Schismma in Rom. —- Anaclets II. vergebliche Versuche um Anerkennung in Spanien, — 
Innocenz IL anerkannt. — Seine Einladungsschreibeu zum Konzil von Reims. — Breve 
an Bischof Garcia von Zaragoza. — Tod Alfons’ . 


Der Kardinalpriester Rainer, der am 13. August 1099 zum Papst gewihlt und am 
folgenden Tag als Paschal Il. konsekriert wurde. kannte Spanien von seiner Legation 
her und so auch die leitenden Mianner dort. die Kénige Alfons VI. yon Kastilien und 
Peter I. von Aragon und Navarra. und seinen Bruder Alfons. den spiteren Konig. den 
Grafen Raimund Berengar II. von Barcelona und die groben Figuren des spanischen Epi- 
skopats, den Primas Bernard von Toledo und seinen Gegenspieler Diego Gelmirez von 
Compostela und natiirlich auch die damaligen Bischéfe des Reiches von Aragon und Na- 
varra. Dennoch entbehrt sein Pontifikat der einheitlichen Linie. welche dem Urbans LI. 
eigentiimlich ist: gerade in der Behandlung der spanischen Angelegenheiten libt Paschals IL. 
Politik Konsequenz und Stetigkeit vermissen. Er war kein Diplomat wie Urban II. und 
kein Charakter wie Gregor VIL, vielmehr eine passive Natur. Trotzdem nehmen unter 
ihm die spanischen Agenden in steigendem Mae zu. Héren wir die Sprache der Zahlen. 
Von Alexander Il, (1061-—73) sind 6 Urkunden fiir Spanien auf uns gekommen und 
3 Falschungen, von Gregor VI. (1073-85) 3 Privilegien und dank seinem Register 





' Papsttum und katalanischer Prinzipat S. 52f. 


* Frotard ist am 20. August rogg gestorben (vgl. Papsturkunden in Spanien 11 162). In JL. 5961 vom 
24. April, das wohl zum Jahre 1100 gehdrt. wird er bereits als verstorben bezeichnet. 


ig 


36 Kener: 


16 Briefe. ferner eine Filschung: unter Urban IL. (1088—g9) steigt die Zahl der Privi- 
legien auf 26. der Mandate und Briefe auf 41. der Spuria auf 6. Von Paschal TH. (1099 
bis 1115) sind 30 Privilegien. go Mandate und Briefe und 4 Falschungen aus Spanien 
erhalten. Aber es ist auch cine Verschiehbung in diesem Material unverkennbar. in der 
die verinderte Lage der spanischen Verhiltnisse zam deutlichen Ausdruck kommt, welche 
ihrerseits die Folge war der politischen Verinderungen auf der iberischen MHalbinsel und 
der von Urban Il. geschaffenen kirehlicghen Organisation. Zu den andern  spanischen 
Reichen ist unterdessen Portugal hinzugetreten. womit sogleich neue kirchliche Probleme. 
die Frage der Metropolitangewalt vou Braga und die bald auftauchenden Anspriiche von 
Santiago de Compostela sich meldeten. Damit und mit der Wiederherstellune der Me- 
tropole von Tarragona kollidierte der von Urban U. wiederhergestellte Primat von To- 
ledo. Das alles waren keineswegs bloBe Fragen der kirchlichen Cireumscription. sondern 
dahinter verbargen sich. nein, traten offen hervor die Auswirkungen der politischen Miichte. 
Rom sah sich hier vor neue und grobe und zugleich sehr schwierige Aufgaben gestellt 
und vor immer neue Entscheidungen. So kommt es, dab jetzt das Reich von Aragon 
und Navarra in den [lintergrund tritt und in der groBen spanischen Politik nur mehr 
eime sekundire Rolle spielt. Abgesehen von den laufenden Angelegenheiten ist es hier 
zuniichst nur die vou Urban Il. nicht erledigte Frage der Verlegung des Bistums Roda 
nach Barbastro gewesen. die seine Nachfolger ernstlich beschiattigt hat. 

Um zuniichst mit den causae minores zu beginnen. so hat Paschal IE. gleieh im An- 


fang scines Pontifikats dem neuen Bischof’ von Huesca. Stephan, dem Nachfolger jencs 
BischofS Peter, iiber den Kénig Peter I. sich bei Urban [I. einst beklagt hatte. dem Brauch 
entsprechend, ein Bestiitigungsprivileg verlichen’. dann aim 4. Miirz 1100 ein zweites dem 
Bischof Peter von Pamplona*, ein drittes am 3. Mai t100 dem Abt Raimund von Leire ' 
and kurz vorher. am 26. April 1100. das ein Jahr zuvor von Konig Peter erbetene Privileg 
fiir Barbastro »Egregias quondam« (JL. 5534). Indem er sich auf das Gesuch des Kénigs 
und das »Dekret« Urbans Hl. von 1099 (JL. 5777) beruft. genehmigt er die neue Sedes 
in Barbastro mit ihren Grenzen, abweichend von den Privilegien Gregors VII. und Urbans II. 
fiir Ifuesca. und. bestiitigt ihr die Zelhnten und die Kirchen von Almanara, Monzon, Calasanz 
und Chalamera, die regulierte Kanonika in Roda und die alten Abteien der Didzese von 
Roda. Alaon und Lavax, mit andern Worten. er erkennt das Bistuun Roda-Barbastro an 
in dem von dem Konig gewitinschten Umfang auf Kosten der Didzese Huesea. Wir wissen. 
wie hartnickig die Kirchentiirsten jener Zeit an ihren Rechten und Anspriichen festhielten, 
und unter diesen war der neue Bischof Stephan von Huesea einer der hartnackigsten und 
tatkriiftigsten, der auch vor Gewalttaten nicht zuriieckschreckte. Es handelte sich hierbei 
ja nicht blo8 um Pfarrkirchen und Pfarrkinder, sondern um Landbesitz, wm materielle 
Macht und vor allem um Vasallen, um das, was man in Spanien damals als honor bezeichnete. 
Als cinst Kinig Alfons VI. dem Bischof Garcia von Jaca Aussichten auf das Erzbistum Toledo 
machte. heiBt es, da das tausend Ritter bedeute’. Es waren zugleich kirchliche Fragen 
und solche der Macht. Um seine Entscheidung zu sichern. erlief Paschal I. am 6. Mai L100 
noch ein besonderes Breve an den Kénig Peter von Aragon. den Graten Peter von Urgel 
und den Vicecomes Gerald Ponecii von Ager. worin er auf die Konfusion in den Grenzen 








1 Ed. Papsturkunden in Spanien IT 287 n. 15. 

» Ed. ebenda IL 290 n. 16. 

+ Ed. ebenda II 292 n. 7. Mit Hilfe dieses inn wesentlichen echten Privilegs hat der bekannte Filscher 
von Leire eine neue Filsehung auf den Namen Paschals I. vom gleichen Tag gesehmiedet (ebenda IL 293 nh. 18). 

'os.die Urkunde n. Vin den Sitzungsberichten dieser Akademie 1928. S. 220: atnd-fonsus coro henigne 
susclpens cum promistt et, quod dart «i Toletanum archicpscopatum cum tanto honors. unde posset imille milites 


habrre. 


yo 


Das Papsttiin ind die Konigreiche Navarra ind Aragon bis zur Mitte dex XID. Jahrh. 3% 


der alten Bistiimer hinweist. die durch die lange Zeit der Maurenherrschatt herbeigefiihrt 
war. so dali es nétig sei, dali die ginzlich unsicheren Grenzen durch die Fiirsten und 
die Geistlichkeit festgestellt und gegebenenfalls wiedcrhergestellt wiirden. Er betont dabei 
ausdriicklich. da die Errichtung der Sedes in Barbastro nur ein Provisorium sein solle, 
bis Lerida zurtickerobert wiire (JL. 5536). Man kann hier selbst aus scheinbar so un- 
hbedeutenden Einzelheiten allerlei lernen, wie aus der Adresse dieses Briefes. Es richtet 
sich an die drei Landesherrn, in deren Gebieten der Sprengel der alten Didzese von Lerida 
lag: bis zum Noguera Ribagorzano gehérte er zum Koénigreich Aragon, an das im Osten 
die Vizegrafschatt Ager mit dem Gebiet des Noguera Pallareso grenzte, wihrend im Tal 
des Segre bis gegen Balaguer hinab die michtigen Grafen von Urgel geboten. Sie um- 
gaben Lerida im Halbkreise. und auf ibr Zusammenwirken kam alles an, die Behauptung 
des bisher Erreichten wnd schlieBdlich die Eroberung von Lerida selbst, die man in Rom 
schon ungeduldig erwartete. Aber es hat fast noch ein halbes Jahrhundert gedauert. che 
die Stadt. fiel. 

Ebensu wie zwischen Huesca und Roda-Barbastro waren die Bistumsgrenzen auch 
zwischen Pamplona und Huesea streitig. Dariiber haben im Januar 1101 in Iluesea Ver- 
handlungen zwischen den streitenden Parteien vor den pipstlichen Legaten. dem Kardinal 
Richard von Marseille und dem Erzbischof Gibelin von Arles. stattgefunden, deren An- 
weisungen aber der Bischof Stephan von Huesca nicht beachtete, was ihm ein scharfes 
Mandat vom 1. April rror1 seitens des Papstes eintrug'. Dann erhielt auch die Kanonika 
von Montaragon am 11. Januar 1102 ein neues Bestitigungsprivileg (JL. 5885)°, vielleicht 
gleichzeitig mit dem Kloster San Juan de la Pena, dessen Privileg aber nicht auf uns 
gvekommen ist. Eben damals gerieten diese beiden Kléster in neue Streitigkeiten mit dem 
Bischof Stephan von Huesea, denen mehrere Reskripte Paschals If. aus dieser Zeit gelten. 
Der Abt Sancho von San Juan de la Pena stritt mit dem Bischof um die Pfarrechte an 
der noch von Konig Sancho Ramirez seinem Kloster geschenkten Kirche des hl. Cyprian 
yor den Mauern der Stadt Huesea: er sandte zwei seiner Ménche nach Rom. die ein 
Reskript vom 11.Januar 1102 heimbrachten. worin der Papst dem Kloster den Besitz 
dieser Kirche und die Privilegien Urbans II., Gregors VII. und Alexanders II. bestiitigte’. 
Gleiehzeitig bekam der Bischof ein scharfes Mandat*, worin ilm sein arrugantes Verhalten 
gegen San Juan de la Pena und Moutaragon und auch gegen «len Kénig Peter vorgehalten 
wurde; auch iiber seine persénliche Lebensfiihrung wurde Ungiinstiges berichtet’. Denn 
auch der Konig hatte sich iiber Stephan durch seine Boten beschwert’. Da machte der 
angeklagte Bischof sich selbst nach Rom auf; er leugnete alles ab und bheklagte sich 
seinerseits tiber die beiden A\bte. Das erzihlt ein im Chartular von Lerida. worin man 
die ganze Korrespondenz zwischen Rom und Huesea aus den piipstlichen Registern kopiert 
hat, iiberlieferter Brief des Papstes an den Konig Peter. worin Paschal II. diesen in Kennmis 
setzt, da er den Streit den Bischoéfen Poncius von Barbastro und Peter von Pamplona 
iibertragen habe und ihm anheimgibt, den Erzbischof Bernard von Toledo dazu heran- 
zuziehen: kiime es nicht zur Verstindigung. so sollten die streitenden Parteien im Miirz 1103 


! Ed. Papsturkunden in Spanien II 296 n. 19. 

* Ed. ebenda II 298 n. 20. 

* Ed. ebenda II 301 n. 21. 

4 Ed. ebenda II 302 u. 22. Von Konig Peter heiBt es da gui se ipsum et sua omnia in ins rt pot statem 
sancte Romane ecclesie dedidit. 

® Super hee de vita ct conerrsationr tua gravia quedam et episcopali officio satis indigna dactantur (Le. S. 303). 
Wahrscheinlich in dem nicht erhaltenen Brief des Konigs Peter I. 

* Vielleicht waren das die in Paschals HW. Sehreiben an den Abt von San Juan de la Pea genannten 
beiden Ménehe Galindo und Simeon. 


38 Kenr: 


mit dem Berichte der delegierten Richter und einem Schreiben des Kénigs an der Kurie 
erscheinen’. Ein entsprechendes Mandat an die beiden Bischéfe stelit, alerdings mit falsehem 
Datum. in demselben Chartular von Lerida*. Uhberhaupt ist die richtige Einreihung dieser 
entweder gar nicht oder nur unyollstindig datierten Mandate Paschals I. schwierig®. so 
dab sich die geschichtlichen Vorginge nicht immer in ihrem chronologischen Verlauf sicher 
erkennen oder bestimmen lassen. So wiirde, wenn die Angabe in dem erw&lnten Char- 
tular von Lerida richtig ist, das merkwirdige Schreiben des Papstes an den Konig Peter 
iiber das Verfahren gegen den Bischof von Huesca und den ihm auterlegten Reinigungseid 
zum 11. Dezember 1102 gehéren*, womit auch der undatierte Brief Paschals I. an den 
Bischof Poncius von Barbastro im Zusammenhang steht’. Dieser Priilat war offenbar 
persona grata sowohl am Hofe des Kouigs von Aragon wie an der Kurie. die, nachdem 
sie einmal in die Verlegung des Bistums Roda nach Barbastro eingewilligt hatte. diesen 
Bischof auf alle Weise begitnstigte und die Unternehmung gegen Lerida mit Ungeduld 
hetrieb. In einem damals — das Jahr steht nicht test an Peter |. gerichteten Schreiben 
yom 4. Mai. in dem wieder von einer Gesandtschaft des Konigs an die Kurie die Rede 
ist, wird der Bischof Poncius diesem warm empfolilen und ihm die Belagerung und Er- 
oberung von Lerida besonders ans Herz gelegt”. Von Poncius, dem fritheren Ménch von 
Saint-Pons de Thomic¢res, besitzen wir noch ein Stiick aus seincr Korrespondenz mit den 
groBen rdmischen Kanonisten tiber verschiedene kirchenrechtliche Fragen, nimlich ein Gut- 
achten des Kardinalpriesters Albert von S. Sabina, aus dem hervorgeht, wie intim schon 
damals der Verkehr und der Zusammenhang der spanischen Kirche mit der Kurie gewesen 
ist’. Poncius starb am 17. April 1104. Sein Nachfolger wurde wieder ein Sitidfranzose 
namens Raimund Guilelmi (1104— 26). bisher Prior in Saint-Sernin zu Toulouse. der spiiter 
heilig gesprochen worden ist. 

Damals sind auch die Streitigkeiten zwischen dem Bischof Stephan yon Huesca und 
den Kléstern San Juan de la Pefia und Montaragon beigelegt worden”. Bald darauf, am 
28. September 1104, ist Konig Peter I. von Aragon und Navarra gesturben nach einer 
Regicrung yon 1oJahren. die seinem Reiche durch die Eroberung von Huesca und Barbastro 
eine hedeutende Gebietsvermehrung gebracht hat, damit freilich auch nicht geringe sich dar- 
aus ergebende Schwierigkeiten. Von der Persinlichkeit dieses Fiirsten, der wunderlicher- 
weise seine Urkunden arabisch unterschrieb, als wire er nicht ein christlicher Konig. 
sundern ein maurischer Emir, haben wir keine rechte Vorstellung’: aber er war trotz 
seiner Vorliebe fiir die arabische Schrift ein getreuer Lehnsmann der rémischen Kirche 





' Ed. Papsturkunden in Spanien [T gor u. 34 vom 25. Marz rroz. 

* Ebenda I 302 n. 35 mit 11. Dezember 1102. Aber dieses Datuim stimunt nicht und ist offenbar aus dem 
foloenden Brief irrifimlich heriibergenommen. Es gehort nach dem Zusammenhang sicher zum 25. Marz tio02. 

Die im Libro verde von Lerida aufgenommenen Stiicke stammen wohl aus Kopien. welche der Bischof 

Wilbem Perez von Roda im Jahre 1145. als er an der Kurie Eugens HI. prozessierte (vgl. Papsturkunden in 
Spanien H 345 n. 46) aus den Registerbinden Urbans TH. und Paschals I. nehmen heb. Daher erklirt sich 
das Felilen des Protokolls, Auch die Datierungen mit Tag und Pontitikatsjahr erkliven sich wohl so. In den 
Resistern stand natiirlich nur der Tag: day Pontitikatsjyahy ftigte der Kopist offenbar aus der Bezeiclnung des 
Bandes — denn jedes Pontifikatyjahr bildete einen Tomus — hinzu. Die Datierung der Originalbreyen Paschals If. 
bestand aus Ort und Tag und zeitweise noch aus der Indiktion. ohne Poutifikatsjahr. 

! Ed. Papsturkuncen im Spanien [ 303 n. 36. 

* Ed. ebenda 1 304 n. 37. 

" Ed. ebenda I 304 n. 38: 10 Ylerde inpugnatione scu cepugnatione nulla te desistere compellat casio. 

7 Ed. Abhandlungen dieser Akademie 1926. Nr.1 S. 81 on. VUE. 

~ $. die beiden Urkunden Paschals UW. vom 23. Marz troy (ed. Papsturkunden in Spanien IL 3034f n. 2 
und 24). 

9 Der Verfasser der Annales Compostellani (Esp. Sagr. XXII 320) nennt ihn wagnar strenuitatis et mira 
simplicitatis. 


Fi 
o 


Das Papsttim und die Kénigreiche Navarra und Aragon bis zur Mitte des XTT, Jahrh. 39 
und in den engsten Beziehungen zu den Papsten Urban II. und Paschal Il. Von seiner. 
wie es scheint. hiutigen Korrespondenz mit diesen sind leider nur die beiden Schreiben 
erhalten, die ich im Anhang noch einmal abdrucken lasse. 

Da sein Sohn und Erbe, der Kronprinz Peter. schon vor ihm gestorben war, folgte 
ihm sein Bruder Alfons [. (1104~--1134). der sich als unermiidlicher Kriegsmann und 
Sarrazenenkimpfer einen so groBen Namen gemacht hat, da man ihm den Beinamen vel 
hatallador« beilegte. Indem er im Jahre 1109 sich mit der Kénigin Urraca, Alfons’ VI. 
Toehter und Erbin, vermiilhlte, wurde er Herr auch von Kastilien und Leon. Aber wie man 
weiB, die Ehe war ungliicklich und kinderlos, und die spanischen Volker hatten sich 
bercits zu sehr auseinandergelebt. als daB die Idee, die Teilreiche zu einem groben Reich 
zusammenzufassen und mit dessen vereinigten Kriiften der Herrschaft der Mauren in Spanien 
ein Ende zu machen, damals schon ausfiihrbar gewesen wiire. Dies treilieh war noch 
bis in die Zeit Alexanders II. das Ziel der pipstlichen Politik. Wier aber miissen wir 
uns auf die besonderen Beziehungen Roms zu dem Kinigreich von Aragon und Navarra 
beschrinken, das tibrigens auch unter Alfons I. die eigentliche Basis fiir seine Unter- 
nehmungen, vorziiglich gegen die Mauren. blieh. 

Aus den ersten Jahren Alfons’ I. haben wir keine pipstlichen Urkunden fiir die 
Kirchen und Kldster seines Reiches oder rémische Briefe an ihn. Die erste Urkunde, die 
wir kennen. ist ein Privileg Paschals II. tiir das Kloster San Victorian vom 22. April 1108 '. 
Wichtiger ist die am 3. November 1109 ftir den Bischof Sancho von Calahorra aus- 
gestellte Urkunde, der nach Rom gekommen war. um dort die bischdfliche Benediktion 
zu erbitten, weil sie das erste Privileg fiir das 1045 den Mauren entrissene und wieder- 
hergestellte Bistum von Calagurris ist*. An dessen Stelle waren in den westlichen. zuerst 
von den Christen wiedereroberten Teilen der alten Didzese zwei neue Bisttimer gegriindet 
worden, das eine in Najera fiir die Rioja. das andere in Alava fiir das Baskenland *. 
Zuerst wurde Najera mit dem wiederhergestellten Calahorra vereinigt. dann nach dem 
Tode des uns schon bekannten Fortunio auch Alava. Das Bistum umfaBte nun Alava. 
Vizeava, Najera und die beiden Cameros: in dieser Gestalt hat Paschal TH. und haben 
seine Nachfolger es immer wieder bestitigt. Dem reilit sich als drittes an ein neues 
Privileg Paschals If. vom 2. Mai 1110 fiir den Bischot’ Raimund Guilelmi von Barbastro 
(JL. 6273). Wier lesen wir zuerst die Theorie. dali nach der Invasion der Araber in 
Spanien die bischéfliche Kathedra aus Lerida ins Gebirge nach Roda verlegt worden 
sei. Aber das ist eine spite Konstruktion, mit der man lediglich die jiingste Neuordnung 
der kirehlichen Verhiiltisse begriindete. die Verlegung des Bistums von Roda zuniichst 
nach Barbastro. bis Lerida wieder in den Handen der Christen sein wiirde’. Auch nach 
der andern Seite bemiihte sich Paschal IL die Stellung des neuen Bistums zu sichern., 
nimlich gegentiber dem groBen Bistum Urgel. das aus der Zeit. da es nach der Zer- 
triimmerung der Bischofssitze in der Ebene allein ftir die christliche. in die Pyreniientiler 
gedringte Bevélkerung zu sorgen hatte. Anspruch auf die Unterordnung des kleinen. spiter 
hier entstandenen Bistums Roda mit Erfolg geltend gemacht hatte. ein Anspruch. der 
aber mit der neuen Theorie. Roda sei der Sitz dcr getliichteten BisehOfe von Lerida, wic 
Jaca im Aragontal der des getltichteten BischofS von Huesca. gewesen sein soll, nicht zu 
vercinbaren war. In zwei undatierten Reskripten aus dieser Zeit weist jetzt Paschal IL. 
den Bischof Odo von Urgel an. die von ihm in Besitz genommencen Teile der alten Didzese 





Ed. Papsturkhunden in Spanien TT 308 un. 25. 
Ed. ebendt IT 310. 20. 

Vel. ebenda IT soff. 

Vel. ebenda II 15 ff. 


we we 


40) KER: 


von Lerida dem Bischof von Barbastro zu restituieren (JL. 6586. 6587). Auch an dic 
Ritter von Barbastro richtete Paschal IL ein Schreiben im Interesse des jungen Bistums. 
indem er sie tadelte. da sie. wohl wegen der Unsicherheit der militérischen Lage. ihre 
Toten nicht in Barbastro begraben lieBen und sich selbst und ihren Besitz wo anders 
in Sicherheit briichten. Das Schreiben ist vom 24. Dezember datiert. aber das Jahr ist 
unsicher’. 

Das Verhialtnis der rémischen Kurie zu dem kriegerischen Konig Alfons I, war trotz 
dessen Glaubenseifers unter Paschal IL. kein gutes. Sie multe an seinen Eheirrungen mit 
der Konigin Urraca. die als Uvenkelin seines UrgroBvaters Sancho el Mayor seine Bluts- 
verwandte war, ebenso AnstoB nehmen wie an den dadurch hervorgerufenen kriegerischen 
Wirren zwischen Aragon auf der einen Seite und Kastilien und Leon aut der andern. 
Der Konig. von Natur heftig und gewaltsam. versuchte mit Gewalt den Widerstand der 
kastilianisehen und leonesischen GroBen zu breehen. an deren Spitze auch die Bischote 
dieser Linder standen. Die IUlistoria Compostellana berichtet. er habe den Erzbischof 
Bernard von Toledo verjagt und in Haft gesetzt, ehenso die Bischife von Osma, Palencia 
und Orense und die BischOfe von Leon und Burgos und den Abt von Sahagun von ihren 
Sitzen vertrieben®. Dic Kurie versuchte. wie es scheint. zu vermitteln. indem sie im 
Jahre 1112 den mit den spanischen Verhaltnissen vertrauten Abt vou San Michele della 
Chiusa (in der Didzese Turin)? nach Spanien sandte und die spanischen Bischéfe zum 
Konzil, das im Februar 1113 in Benevent. stattfand. Jud (JL. 331); die Ehe selbst 
wurde fiir ungiiltig erklirt (JL. 6279)*. Zu ciner anderen Auscinandersetzung kam cs, 
als der Bischof’ Stephan von Huesea mit Wissen des Kénigs oder gar aut dessen Ver- 
anlassung unter Anwendung von Gewalt den Bischof Raimund von Roda-Barhastro aus 
Barbastro vertrieb und die Stadt und ihr Gebiet sich aneignete: leider hat sieh bisher 
nicht genau ermitteln lassen, wann dies geschah. Der Bischof von Huesca hatte zuniichst 
durch Verhandlungen vor dem Konig sein vermeintliches Recht aut Barbastro zu erlangen 
versucht: aber der Bischof Raimund, gestiitzt auf die beiden Privilegien Paschals If. hatte 
sich darauf nicht eingelassen und selbst cine Verhandling in Rom abgelehnt. angeblich 
mit der Begriindung, da der von Huesca reicher und michtiger sei dank seiner Nchiitze 
und seiner Freunde an der Kurie’. So griff dieser zur Gewalt. Paschal IL. davon un- 
terrichtet. lieB ilm ein scharfes Reskript zugehen, indem er ihm unter der Drohung der 
Suspension befahl. seinem Gegner binnen zwei Monaten Genugtuung zu leisten (JL. 6219)” 
K6nig Alfons aber erhielt ein sehr ungnadiges Schreiben. worin der Papst ihn daran 


' Ex. Papsturkunden in Spanien I 307 n.41. Die dort gegebene Datierung zu 1113 —13 ist ganz 
unsicher. Auch wird es sich damals nicht am den Anschlag des Bischofs Stephan von Huesca ochandelt 
haben. sondern um eine Bedrohung der Stadt darch die Mauren. Paschal Il. redet direkt von hiharice PLrss cu- 
Hons tinpore. 

* Lib, be 79 (ed. Esp. Sagr. XX orgry und ahniich berichtet die Konigin Urraca selbst (le. XN 116). 
ly Sahagun setzte Alfons seinen Bruder. den Monch Ramiro. den spiteren Konia: als Abt ein. 

Das hochberiihmte Kloster San Michele della Chiusa im Val de Susa besaB seit der Mitte des XL Jali- 
lninderts mehrere Kléster in der Didzese Gerona (vgl. Papsturkunden in Spanien 1158). So kam der Abt 
von San Michele gelegentlich nach Spanien und kannte die dortigen Verhaltnisse, Abt war damals Helmengaud 
(vel. It. ee VI p. UL. 127 f.). 

' Nach der Darstellung in der Historia Compostcllana lib. De. 7y (Esp. Sagr. XX i 38ity. Uber deren 
(daubwiirdigkeit und iiber die Ehe Alfons’ I. von Aragon und der Urraca haben die spanischen Historiker alter 
und neuer Foit nicht vline leidenschattliche Parteiioli eit hautig und austithrlich vehandelt. Die Frage gelort 
hier nicht zu meinem Thema: aber ich werde auf sie zuriickkhommen. wenn ich die Gesehiehte des Verhilt- 
hisses vou Rom zu Kastilien und Leon behandeln werde. 

> So lesen wir in der ausftihrlichen Denkschrift fiber diesen Streit, den aeh in den Sitzungsberichten 
dieser Akademie von 1928, 8.222 nu. Vo noch einmal habe abdrucken lassen. 

" Der Ansatz bei Jarre-Logwenxretp zu Troo—rioy ist offenbar irrig. 


Dus Pupsttum wud die Nénigreiche Nacarra und Aragon bis sur Mitte des XII. Juhrh. Al 


erinnerte. dal} unter seiner Regierung viel Unheil in Spanien sich ereignet habe’. und 
verlanete, da die Parochien von Huesca und Barbastro so erhalten bleiben miiBten, wie 
sie in seinen Urkunden festgesetzt scien (JL. 6220). Wir wissen nicht, was und ob der 
Konig daraut geantwortet hat. Jedenfalls blieb der Bischof von Huesea in Barbastro und 
trotzte auch weiterhin allen Sentenzen. 


Zu erwiihnen wire aus dem Pontifikat Paschals Il. noch ein allerdings stark inter- 
poliertes Schreiben dieses Papstes an den Konig Alfons I. vom 4. Juni 1114 zugunsten 
der Kathedralkirche von Pamplona® und ein nicht erhaltenes Privileg fiir das Hospital 
von Santa Cristina de Summo portu vom 14. Juli 1116*. Es lag auf der Hohe des 
Pyrenéenpasses an der groBen StraBe von Jaca und Canfrane naeh Oloron und war wie 
Ronecesyalles ein beriihmtes und reiches Stift. dessen Privilegien wid Schenkungen auber 
Paschal Il. auch Honorius II., Eugen HI. und Alexander III. bestitigt haben. Dagegen ist 
von der Legation des Kardinalpriesters Boso von S. Anastasia in den Jahren 1116 und 
1117, die hauptsiichlich Katalanien, Kastilien und Portugal galt. aus Aragon und Navarra 
kein Zeugnis auf uns gekommen'. 

Paschal H. starb am 21. Januar 1118. Sein Nachfolger wurde unter dem Namen 
(relasius II. der bisherige Kanzler und Bibliothekar Johann von Gaeta, der unter Urban II. 
und Paschal Hl. wihrend dreibig Jahre die Kanzleigeschifte geleitet und so mit allen 
Angelegenheiten der Kurie. also auch mit den spanischen, vertrauter war als irgendcin 
anderer. Er war der genaueste Kenner der Akten, denn alle Urkunden waren seit dem 
Jahre 1088 durch seine Hinde gegangen, und schwerlich gab es in der Welt einen Bischof 
oder hoheren Geistlichen, den er nicht bei ihren Besuchen an der Kurie kennengelernt 
hiitte. Wie intim seine persdnlichen Beziehungen gerade nach Spanien hin waren. lehrt auf 
mehr als einer Seite die [istoria Compostellana, die uns tiefer als irgendeine andere histo- 
rische Quelle einen Einblick in die geistliche Welt Spaniens und in ihre Beziehungen zu den 
groBen Herren an der rémischen Kurie in den ersten Jahrzelnten des XII. Jahrhunderts 
gewiihrt’. 

Wer wollte sagen, welche Entwicklung die durch die inneren Gegensiitze iiberaus ver- 
worrenen Verhiltnisse in Spanien genommen hitten, wenn Gelasius Il. ein laingerer Ponti- 
fikat beschieden gewesen wiire? Seine ersten Amtshandlungen lieBeu eine energischere 
Politik erwarten; er ernannte am 21. Marz 1118 den Bischof Olegar von Barcelona. einen 
der hervorragendsten Minner seiner Zeit. zum Erzbischof von Tarragona (JL. 6636)": er 
gab dem Erzbischof Bernard von Toledo auf, gegen den zum Gegenpapst erhobenen Mau- 
ritius Burdinus von Braga einen neuen Erzhischof wiihlen zu lassen (JL. 6637. 6638) : 
er nahm sofort die Verbindung mit seinem alten Freunde Diego von Compostela auf 





© Principatus tui tempore multa inala et multa pericula in requo Hyspanic contigovunt. Scandalis utique regni 


ceclesiarum scandala non oportet oppont schrvibt Paschal IL. 

* Ed. Papsturkunden in Spanien If 311 n. 27. Dali ein solehes Schreiben tatsichlich abgeyangen ist. er- 
weist die Datierung ans Tivera. die nur einem echten Stiiek entnommen sein kann. 

* Reg. ebenda IT 3r4 n. 28. 

+ JL. 5933 ist zu stveichen. Diese angebliche Lestitigung der Verfiigungen Gregors VIL und Urbans II. 


JL. 5257 und JL. 3562 wird zwar in mehreren jiingeren Sammlungen zum Jahre 1102 zitiert. aber es hat sich 
nirgends ein Text gefunden. und jene Angaben beruhen wohl anf irgendeiner Verweelislung. 


* Esp. Sagr. XX 260ff. Dort heibt es von Gelasius Il. treffend lohannes Gaictanus, qui rt Gelasius, prius 
Romana ceclsiae cardinals et canelarius + Romeanariui consuctudinum peritissimus laste cb canonice promotus 
Sucrat in Romanum pontificcm. Qué Gelasius fore totius orbis ecelesias carumgue pastores noccrat et quid cuique 
congrueret bene seichat, praccipu Hispaniarum ecelesias carumque rectores in promptuario sui pectoris habebat. 

® Cher Olegar s. Papsttum und katalanischer Prinzipat S$. 58, 

* Vel. hierzu die Abhandlungen von C. ERowann fiber Mauritius Burdinus (Gregor VITL) in Quellen und 
Forschungen XIX (1927) 205ff und die tber Rom und Portugal in diesen Abhandlungen. 


Phil-hist. Abh. L928, Nr. d. 6 


4? Kemer: 


(L.. 6645). und kauin in Maguelonne an der franzdsischen Kiiste gelandet. sandte er den 
Kardinalpriester Deusdedit von S. Lorenzo in Damaso nach Spanien. um die Bischéfe 
zu dem fitr den 1. Marz 1119 in Clermont in Aussicht genommenen groBen Konzil einzuladen. 
Da soliten die spanischen Angelegenheiten zur Erérterung kommen. darunter auch der 
Streit um Barbastro. Am 15. November 1118 schrieb Gelasius [1 dem Bischof Stephan 
von Huesca. seinem alten Bekaunten oder Freund von friiher her’. wie sehr er bedaure. 
da} er wegen seiner Gewalttat gegen den Bischof von Barbastro von seinem Vorginger 
Paschal UH. interdiziert worden sei: er ersucht iin. jenen in seinem bischéflichen Sitz 
au restituieren und zur Verhandlung tiber seinen Streit mit Raimund zum NKonzil naeh 
Clermont am i. Marz des niichsten Jahres zu kommen (JL. 6660)°. Der Ton ist. freund- 
schattlich und milde. Auch war der Bischot’ Stephan eine wichtige Persoulichkeit dank 
seinem Einilusse aut’ den Konig Alfons J. von Aragon, der als Herr der groBen Strabe 
yom inneren Spanien her den spanischen Bischiten den Weg nach Frankreich sperren 
konnte und den ihm feindlichen in der Tat auch gesperrt hat’. 

Gelasius If. ist nicht zur Losung der spanischen Probleme gekommen. Er bat noch 
die Freunde gehabt. den Fall von Zaragoza zu erleben. das Alfons |. mit starkem tran- 
zosischen Zuzug belagerte. und hat den ihm prisentierten Erwihlten Petrus de Librana 
selbst geweiht und mit seinem Segen zurtickgesandt und den Kiimpfern Indulgenzen 
gewihrt (IL. 6665)". Das vom 10. Dezember 1118 aus Alais datierte Breve, dessen Original 
nicht mehr erhalten ist. ist gerichtet an das Zaragoza belagernde Teer. nicht an den 
Fiibrer. den Konig Alfons. Es ist nicht unmiglich. da®B sich dahinter die starke Ver- 
stimmung verbiret. welche die rémische Kurie notwendigerweise gegen den Kinig empfinden 
mubte. vorausgesetzt. da nicht noch ein zweites Schreiben an den Konig selbst. das 
nicht auf uns gekommen ist, ausgetertigt wurde. Aber es spricht mehr dagegen als dafiir. 

(elasius TE. ist schon am 29. Januar 111g in Chmy gestorben. Sein Nachfolger 
wurde der Erzbischof Guido von Vienne. als Papst Calixt IL genannt. 


Keines Papstes Erhebung hat cinen solchen Eintlu8 auf den Verlauf der spanischen 
Angelegenheiten ausgetibt. Aber diese folgenschwere Einwirkung ist nicht durch die 
sachlichen Interessen der rémischen Kirche bestimmt worden, sondern durch rein per- 
sOnliche. Guido war der Bruder jenes burgundischen Grafen Raimund. der als erster 
(remaht der Urraca. der Tochter und Erbin Alfons’ VL. eine Sekundogenitur in (alicien 
begriindet hat und der Alnherr der burgundischen Dynastie in Kastilien und Leon geworden 
ist. Zwischen den Briidern Guido und Raimund bestand ein imniges Verhiiltnis: der 
Erzbisechot’ war dabeigewesen. als Alfons VI. in Leon dem Séhnchen Raimunds und der 
Urraca. Alfons, den: spateren Kaiser. das Kénigreich Galicien zuwies’. Als Papst aber 


VOTe tpoce frater. nostt, quia ev longo tempore te dilecrmus ct diligere volumes (V.. 6660). 

* Das oft gedruchte Schreiben wurde frither Calist I. zugeschrichen. In der alten Kopie iin Kathedral- 
arvebiv zu Lervida steht allerdings Cad. Aber das ist offenbar verlesen aus G@e/. An der Zuweistne zu Gelasius LL. 
hann hein Zweifel sein: val. Papsturkunden in Spanien T 230. 

Wir lernen aus dev Hist. Compostelana lib. Ic. 6 (Esp. Sagr, NX 205) die Stationen des Weges kennen: 
Castrojeriz. (Burgos). Villafranca, Najera. Logrofio. Estella. Puente la Reina. Pamplona. Jaea (dann tiber den 
Pa von Santa Cristina de Samme portu) Ebenda wird erzalilt (p. 260). wie die Zollbeamten des KGnigs sogar 
das Gepick des Nardinallegaten Deusdedit durchsncht haben: ganz wie heute in [ren. : 

Der Aufruf. den im Anschlu8 an dieses Indulgenzbreve dev Bischof Peter von Zaragoza cerlieb. ist 
spiter auch vom Erzbischof Bernard vou Toledo und dem Kardinallegaten Boso (wohl im Jahre rr21y unter- 
schrieben worden, An der Authentizitat dieser Urhunde zu aweifeln. liegt kein AnlaB vor. 

* Das sagt Calixt IE. selbst in seiner Ansprache an die Abyesandten von Compostela (Ilist. Compostellana 
ib, Ibe. it hei Prorrz. Esp. Sagr. XX 2751: Rogan cf cum (Diego von Compostelat. wt nepotem nostri regen 
Heh fonsum, sicut ab caus rudiments incepit, ciriliter atqen constanter adiurct ot reqgnim Gall ciar, quod arus sus 
cor Adtfonsus apud Legrancnsem civitatem me ct donne eestro (Diego von Compostela) presente oi attribuit ete, 


Das Pupsttium und die Konuigrvichs Navarra und Aragon bis zur Mitte des NID, Juhrh. 43 


hat Calixt H. in Spanien konsequent burgundische Familienpolitik getrieben. wozu die 
wachsende Verehrung fiir den hl. Jacobus und sein angebliches Grab in Compostela kan, 
die der unermiidliche und chrgeizige. zugleich tiber wnbegrenzte Geldmittcl vertiigende 
und sie klug an der rechten Stelle zu verwenden wissende Bischof von Compostela aut 
das geschickteste auszunutzen verstand. So folgte bald auf das schon von Paschal IL. 
erlangte Pallium (JL. 5986) die Erhebung von Compostela zur Metropole und des Bischots 
Diego Gelmirez zum Erzbischof (JL. 6823). dazu die Legation tiber die Kirchenprovinzen 
von Merida und Braga (JL. 6825) und sehlieBlich die Unterstellung der Sutlragane der 
alten Kirehenprovinz von Merida unter Compostela (JL. 7160). Schon ein tliichtiger 
Blick in die Jarrf-Lorwrxretpschen Regesten lehrt. welche Rolle diese MaBregeln und 
die daraus folgenden Auseinandersetzungen wihrend des Pontifikats Calixts IL. gespiclt 
haben. Dartiber wird spéter an anderer Stelle zu handeln sein. Hier handelt es sich 
auichst wm die Beziehungen Calixts I. zu Aragon. Diese konnten, eben wegen dieser 
politischen und dynastischen Gegensitze zwischen den beiden Alfonsen, wenn sie nicht 
geradezu feindlich waren, nur sehr kiihle und zuriickhaltende sein. Auch war der ehr- 
geizige Erzbischot’ von Compostela ciner der entschiedensten Gegner des aragunesischen 
Konigs, des »Tyrannen«. wie ihn die Historia Compostellana in den schwiirzesten Farben 
schildert: der unermiidlichen Titigkeit des Compostelaners ist es nicht zuletzt zuzuschreiben, 
da die Pline des aragonesischen Kénigs auf Kastilien und Leon sehlicSlich scheiterten. 
Der seinerseits ftubr fort, die Wege aus Spanien uach Frankreich und zum Papst zu 
sperren und so viel wie moéglich die Verbindung seiner Gegner mit der Nurie zu ver- 
hindern. In der Historia Compostellana lesen wir, dali der Papst einmal dureh den 
Bischof von Lesear und andere Gesandten dem Kénig von Aragon befohlen habe. dem 
Compustelancr die Reise durch sein Land zum Konzil in Reims zu gestatten: wie es 
scheint, ohne Erfolg’. Ob nun der Zufall der Uherlieferung es verschuldet hat. dai kein 
Schreiben Calixts IL an den Konig Alfons L. von Aragon auf uns gekommen ist. oder ob 
infolee der gespannten politiscben Lage der Verkehr der Kurie mit dem aragonesischen 
Hote fast ganz geruht hat. jedenfalls ist nur eine einzige Urkunde Calixts IL. die sich 
auf Aragon bezielt, erhalten. ein Mandat vom 14. Mai 1120 an den Bischof Wilhelm 
von Pamplona*, der beauftragt wird. zusammen mit dem damals als Legaten in Spanien 
titigen Bischof Guido von Lesear den renitenten Bischof Stephan von Huesca. gegen den 
Calixt Il. wegen der Vertreibung des Bischots Raimund yon Barbastro die Exkommunikation 
verhingt. ihn aber dann auf Fiirsprache des Kénigs Alfons unter der Voraussetzung. dab 
er zum 9. Februar 1120 sich an der Kurie einstelle, absolviert hatte. zu veranlassen. 
dali er nunmehr am 18. November erscheine (JL. 6847). Auch dazu kam es nicht. Der 
Bischof von Pamplona, der eine vermittelnde Stellung eingenommen zu haben scheint’. 
ist der einzige der Bischife im Reiche Alfons’ L, der ein Privileg Calixts IL erhalten hat. 
das aber nicht auf uns gekommen ist'. Von den Legaten. die damals im \uttrage 


1 Vib, Woe. 12 (Esp. Sagr. XX 276): quamquam dominus papa per Lascurrs nsem ¢prscopum ct per alios nuntios 
Aragonenss tyranno Imperasseé predicts, Jacobi cpiscapo per regnian sian transeundi horntiain dar. Seliv lesenswert 
ist der Bericht fiber die Reise des Bischofs von Porto durch Aragon (ebenda S. 28o0ff.) und seine Riiehreise 
dareh Guipuzeoa, Navarra. Vizcaya und Asturien (ebenda S. 208 ff). 
> Die Drucke bieten S. Pumpilonens: episcopo (=~ Sanctio): aber die Kopie saec. XT] im Archiy youn Roda 
(im Kathedralarchiv zu Lerida) hat @ (~~ Guilelmo: vel. Papsturkunden in Spanien [231 Anm. 4. 

In der Hist Compostellana lib. Il ¢. 20 (Esp. Sagr. AX 298) werden er und der Bischof von Lescar als 
diejenigen genannt. die den Leimkelwenden Bischof ven Porto warnen. den Weg durch Aragon zu nelunen, 
Spiiter ist es derselbe Sancho von Pamplona. der im Jalire 1129 den Kémig Alfons L. vom Kampf mit Alfons VIL 
zuriickhalt (Esp. Sagr. XXI 326. wo er aber irrig Peter genannt wird). 

' Erwahut im Privileg Innocenz’ He von 1137 (ed. Papsturkunden in Spanien TT 321 u. 33). 


44 KREUR: 


Calixts II nach Spanien gingen, ist nur von dem Kardinal Boso eine Unterschrift zu 
einer Urkunde desselben Bischots Sancho ttir das Kloster San Juan de Ja Pena angeblich 
vom 19. April 1123 bekannt?. 

Eben in jenen Jahren aber hat Alfons I. seine gréBten Taten vollbracht, indem er 
nach dem Falle von Zaragoza (1118) tiher den Ebro vordrang und das ganze Regnum 
Cesaraugustanum eroberte. Tudela und Tarazona und nach der Schlacht bei Cutanda (1120) 
auch Calatayud und Daroca einnahm, Taten. an denen auch die rémische Kurie in hohem 
MaaBe interessiert war, denn von den Siegen der christlichen Watten abgesehen, wurden 
in den eroberten Gebieten die alten Bistiimer wiederhergestellt. nach Zaragoza auch 
Tarazona, und die groBen Kollegiatkirchen in Tudela, Calatayud und Daroca neben vielen 
andern eingerichtet. Aber wir héren merkwiirdigerweise auch hier nichts von einer 
Beteiligung oder Einwirkung von Rom, und diese Tatsache ist kaum anders zu erkliren. 
als dal} dieser tapferste Vorkéimpfer der christlichen Sache in Spanien mit dem damaligen 
Haupte der Kirche in Zwist war. 

Ebenso diirftig sind die Nachrichten tiber Aragon aus dem Pontifikat Honorius’ IL. 
Von Privilegien dieses Papstes fiir aragonesische Emptiinger kennen wir nur eins fiir das 
Bistum Pamplona? und ein anderes fiir das Hospital von Santa Cristina in Summo port 
vom 16. Februar 1125: sie sind aber nicht erhalten. Ferncr wissen wir aus einem 
Protokoll tiber die Verhandlungen, die alle diese Jahre hindurch tiber den Streit zwischen 
den Bischéfen von Huesca und Roda wm Barbastro an der Kurie des Koénigs Alfons I. 
geptlogen wurden, daB der Bischof Stephan von Huesca, der bisher allen Sentenzen der 
Papste Paschal I.. Gelasius I. und Calixt Il. getrotzt hatte. endlich am Hofe Honorius’ II. 
erschien und sich eidlich verptlichtete. die dem Bischof’ von Barbastro weggenommenen 
Mobilien zuriickzugeben: aber Barbastro gab er nicht heraus*. 

Das Schisma, das nach dem ‘ode Honorius’ U. durch die zwiespiltigen Wahlen 
Anaclets Il und Innocenz Il. zum Ausbruch kam, hat. wie es scheint. die spanische 
Kirche nicht beriihrt. Anaclet [I]. hat zwar den Versuch gemacht. die Kirehe von 
Compostela, welche als eines der groBten und reichsten Heiligtiimer der Christenheit 
das gréBte Ansehen hatte, fiir sich zu gewinnen (JL. 8374. $8426). aber er wurde nicht 
einmal einer Antwort gewiirdigt: die spanischen Kirchen gingen mit der yon Frankreich. 
Fiir sie war Inmnocenz II.. der schon im -\ugust 1130 von Genua aus mit Diego yon 
Compostela in Verbindung trat (JL. 7415 --19) und im November 1130 in Clermont. 
im Miirz 1131 in Liittich seine \nhinger um sich scharte und die spanischen Bischite 
aut’ den Oktober dieses Jahres zuun Konzil nach Reims lud (JL. 7475). der legitime Papst. 

Zu den nach Reims geladenen spanischen Bischéten gehorte auch Garcia von Aaragoza. 
Alfons [. hatte fiir ihn um Dispens gebeten: Innocenz Il. gewéhrt ihn mit riicksichts- 
voller Beziehung auf den Kénig. in einem vom 4. November 1131 datierten Breve’. 
Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Kurie wind dem aragonesischen Hof 
erscheinen danach wiederhergestellt. Aber bald daraut’ trat das Ereignis ein. welches 
die spanischen Verhiltnisse vollig umgestaltete und die Kurie vor neue Aufgaben stellte. 
Im September 1134 starb der groBbe Kriegsheld Alfonso el Batallador. der letzte Konig 
des yereimigten Reiches von \ragon und Navarra. 





! Vel. Papsturkunden in Spanien IH rog Anm. 1. Die Urkunde und ihre Datierung bedarf noch der 
Untersuchung. 
2 Siche S. 43 Anm. 4. 
Reg. Papsturkunden in Spanien If 315 ne 20. 
+ Vel. die Urkunde ebenda II 316 n. 31. 
+ Ed. Papsturkunden in Spanien IL 3135 n. 30. 


Das Papsttum und die Nénigreiche Nacarra und Aragon bis zur Mitte des NH Juhrh. AD 


$6. Die rémische Kurie und die Umwalzungen seit 1134. 


Alfons’ I. Testament. — Auflé6sung der Union von Navarra und Aragon. —- Stellung der 
Karie zur Erhebung des Ramiro el Monje zam Konig von Aragon — Keine Anerkennune, — 
Innocenz H. bestitigt 1135 das Testament des Konigs Alfons I, — Sendung des Kardinallegaten 
Guido. -- Ausfiihrung des Testaments. —- Zessionsurkunden des Patriarchen yon Jerusalem und 
des dohannitermeisters zugunsten des Grafen Raimund Berengar LV. von Barcelona t1qzo. — 
Entschadigung der Templer 1143. — Bestitigung durch Hadrian TV. 1158. -- Raimond Be- 
rengar TV. Lehnsmann der romischen Kirche. -- Stellung der Kurie zi Erhebung des Garcia 
Ramirez zum Kouig von Navarra. -- Keine Anerkennung. -- Wird uur als der behandelt 
bis zum «J. rryg6. — Organisation der Kirehenprosing von Tarragona. — Verhiiltnis der Paipste 
zu Ramund Berengar 1V. — Engste Verbindung der Kirche ven Aragon mit Rom. — Die 
pipstlichen Lesgaten, besonders die Kardinale Lacintius und Gregor. --— Der aragonesische 
Epishopat und Rom. Die Kléster und Rom (Cisterzienser). — Die Ritterorden in Avagen. 


Konig Alfons I. von Aragon und Navarra ist einer der winstrittensten spanischen 
Konige, eine in der Tat héehst problematische Figur. Er war cin grober Kriegsmann. 
aber war er auch ein groBer Politiker? Er erinnert in vielem an Napoleon I.. ein Soldat 
und Eroberer wie dieser; seinen abenteuerlichen Feldzug uach Andalusien kann man mit 
dem nach Moskau vergleichen. und auch in seinem Sturz ist er iim flnlich. [Hoffent- 
lich wird die von Professor Pasevar Ganinpo in Zaragoza geplante Ausgabe seiner Ur- 
kunden uns neue Aufsehliisse tiber die Persénlichkeit dieses Konigs und tiber scine 
Politik bringen. 

Aus Kastilien hinausgedringt. wo Alfons VI. von Galicien und Leon seine Herr- 
schaft Schritt fiir Schritt festigte, wandte Alfons L sich gegen dic letzten festen Stellingen 
der Mauren nérdlich des Ebro, gegen Lerida, Mequinenza und Fraga. Ilier bei Frag: 
erlitt er am 17. Juli 1134 eine vernichtende Niederlage: mit der Bliite der aragonesischen 
Ritterschaft starben auf dem Schlachtteld die Bischéfe Aruald von ITuesca und Peter 
yon Roda-Barbastro und der Abt Durandus yon San Victorian: der in jenen Jahren oft 
als pipstlicher Gesandter fungierende Bischof Guido vou Lescar gerict in die Gefangen- 
sehaft der Mauren. Der Konig selbst starb bald darauf am 7. September 113 4°. 

Alfons I. hinterlie} keinen Sohn. An die Nachfolge seines Bruders. des Minches 
tamiro. hat er nie gedacht: er machte ihn noch kurz vor seinem Tode zum Bischof 
von Roda-Barbastro an Stelle des bei Fraga gefallenen Peter. Des Konigs letzter Wille 
war. dal sein Reich an die drei Orden vom IJleiligen Grabe in Jerusalem. die Johanniter 
und die Templer fallen solle: so hat er in seinen beiden Testamenten von 1131 und 
1134 bestimmt’. 

Aber die sich tiberstiirzenden Ereignisse verhinderten dice Austiihrung dieser uns 
seltsam erscheinenden Vertiigungen. Die Niederlage bei Fraga bedrolite das Land mit 
einer neuen Invasion der Mauren. und man begreift, da man zuerst aut die Rettune 
des Landes anstatt aut die sear komplizierte Ausfithrung des Testaments des verstorbenen 
Koénigs bedacht war, mit dem fibrigens ein Teil der aragonesischen Groben sich einver- 
standen erklirt hatte. Man brauchte sogleich einen Fiihrer. Das sind wohl die letzten 
(riinde fiir die niachsten Ereignisse gewesen. Die .\ragonesen erhoben den Bruder des 
Kénigs Peter I. und Alfons I, den letzten Nachkommen Ramiros I., des ersten Konigs 
von Aragon und Sobrarbe. den Ménech Ramiro zu ihrem Konig: die Navarresen aber 
trennten sich und wihlten einen Nachkommen aus dem Geschlecht ihrer fritheren Konige. 


' Diese Freignisse sind ncnuerdings von spanischen Historikern eingehend erértert worden: ihre Ergebnisse 
stellt A. Barresinros y Berries in seiner » Historia de Espafia y su inthiencia en la historia universal. I aint 
tibersichtlich zusammen. 

2 Vel. Papsttum und katalanischer Prinzipat S.60 Anm. 5. 


A6 Keur: 


den Gareia Ramirez zum Konig von Navarra. Die Union von Aragon und Navarra 
fand so. nachdem sie achtundfiinfzig Jahre gedauert hatte. ihr Ende: das grobe Reich 
Alfons’ [. léste sich auf. und sogleich traten die beiden michtigen Nachbarn, Graf Raimund 
Berengar IV. yon Barcelona und kKoénig Alfons VIL von Kastilien und Leon. mit ihren 
Anspriichen auf. Der letztere bemiichtigte sich sogleich der Rioja mit Najera. ver- 
stindigte sich mit dem nenen Konig von Navarra und nahm auch das ganze Regnum 
Cesaraugustanum mit Tarazona. Calatayud und Daroca als herrenloses Land in Besitz: 
in Zaragoza wurde er aly Befreier von der drohenden Wiederkehr der Mauren begriibt. 

Ks ist nicht unsere Aufgabe, die militirisehen und diplomatischen Aktionen dieser 
Jahre darzustelen. Es gentigt festzustellen, dali sich nun eine ganz neue politische 
KKonstellation in Spanien bildete. Bisher standen neben- oder gegeneimander als dic 
beiden politischen L[lauptfaktoren das Reich von Kastilien-Leon-Galicien und das von 
Aragon-Navarra -—~ das sind die reguo Hispaniarum, von denen die Urkunden der 
Piipste so oft reden: von den beiden Randstaaten versuchte damals Portugal bereits 
seine Unabhaingigkeit von Kastilien und Leon zu erreichen. wihrend die Interessen der 
Grafen yon Barcelona im Ktistengebiet lagen und damals mehr auf Siidftrankreich und 
die Provence zielten. Indem die -\utlésung der Monarchie von Aragon und Navarre 
sogleich zu cinem bedrohlichen Ubergewicht von Kastilien filrte und nachdem sowohl der 
Versuch Aragon und Navarra wieder zusammenzubringen wie ein zweiter Versuch. Kastilien 
und Aragon miteinander zu verbinden, gescheitert waren, kam es schlieBlich zur Union 
von Aragon und Katalanien unter der Dynastie der Grafen von Barcelona und damit 
mur Bildung zweier neuer Machtkomplexe, hier Kastilien-Leon. dort Aragon-Katalanien, 
zwischen denen das kleine Reich von Navarra sich miihsam behauptete, bald von diesem, 
hald yon jenem, bald von beiden in seiner Unabhangkeit bedroht. 

Von den spanischen Historikern hat, soviel ich sehe, niemand die Frage aufgeworten. 
wie sich die rémische Kurie zu diesen Ereignissen gestellt hat. Der Grund liegt klar zu- 
tage. Wir haben nicht eine einzige Urkunde aus dieser Zeit. welche uns dariiber direkt 
Auskunft giibe. Aber auch das Schweigen der Kurie besagt noch nicht, dai sie diesen 
einschneidenden Verinderungen, welche auch ihr cigenes staatsrechtliches Verhiltnis an- 
gingen, gleichgiiltig zugeschaut hatte. War sie doch an ihnen in hohem Maabe be- 
teiligt. da Aragon ein Lehen der rémischen Kirche war. Lediglich mit der untergeordneten 
Frage. wie sie die Erhebung des Ménches zum K6énig und seine Ehe mit Inez von Poitou 
aufgenomimmen habe, haben sich die spanischen Historiker und sogar mit einer gewissen 
Vorliebe beschittigt. Nattirlich, sv argumenticrten die Kanonisten. habe es zu der Ehe 
des Ménches eines piipstlichen Dispenses bedurft. Die Orthodoxeren belasteten damit 
den Gegenpapst Anaclet IL, die anderen Innocenz I]. Aber der erstere latte in Spanien 
keine Anerkennung gefunden, und weder von dem cinen noch von dem andern ist irgend- 
ein Zeugnis daritber erhalten. Nun beweist aber cin zufillig erhaltenes Dokument, dal 
die rémische Kurie sich durchaus aut den Boden des Testaments des letzten Kénigs ge- 
stellt hat. Das leider arg verstiimmelte Schreiben Innocenz Il vom to. Juni 1135, das 
au den Koénig Alfons Vil. und an die spanischen Grofen gerichtet ist und ihnen die 
Austithrung dieses Testamentes auf das bestimmtcste vorschreibt, hat sich im Kronarchiv 
von Aragon zu Bareelona erhalten’. Daraus ist zu folgern, da die rémische Kurie weder 
Ramiro Ul. als Konig von Aragon noch Garcia als Konig von Navarra anerkannt hat, 
und der spatere Verzicht des ersteren aut die Krone zugunsten seiner Tochter Petronilla und 


' In einer von Mausen angefressenen opie sace. NIE (ed. o Arno. Cartulaire de Vordre da Temple | 373 n. 2 


vud Papsturkunden in Spanien 1 3r8n.s0 210m Jahve 11635— 30). Aber das Jahr 135 ist doch das wahrseheinlichere. 


Das Papsttum und dic Kénigreithe Navarra und Aragon bis cur Mitte des XID, Juhrh. AT 


seines kiinftigen Fidams Raimund Berengar [V. von Barcelona und seine Riiekkehr ins 
Kloster entsprang vielleicht nicht bloB der Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. sondern 
mag ihm von der Kurie nahegelegt worden sein. Man braucht gar nicht cinen formellen 
Protest anzunehmen. der nur die an sich schon vorhandenen Schwierigkeiten vermehrt 
wand die Gegensitze nur noch verscharft hatte. Den Standpunkt der rémischen Kurie aber 
kann man aus spiteren Urkunden recht wohl ermitteln. 


Alle diese Angelegenheiten sind es wohl gewesen. die Innocenz II. bestimmten. cinen 
Legaten nach Spanien abzuordnen'. Die Wahl fiel aut’ den Kardinaldiakon Guide von 
SS. Cosma ec Damiano. von dessen Tatigkeit in Spanien wir freilich nur cine sehr fragmen- 
tarische Kenntnis haben*. Er hat im September und Oktober 1136 dem Konzil zu Burgos 
prisidiert. auf dem wichtige Bestimmungen tiber die Aberenzung der spanischen Didzesen 
getroffen wurden. So wurden die Grenzen zwischen Tarazona und Osmna und zwischen Zaragoza 
und Siguenza festgesetzt. und dies bedeutete zugleich eine politische Grenzziehung zwischen 
Kastilien und Aragon und damit die Anerkennung des Zustandes. wie er sich zuletzt 
herausgehildet hatte’. Der Kénig von Kastilien war seitdem Oberlehnsherr des Regnum 
Cesaraugustanwn, das aber mit Aragon-Watalanien vereinigt blieb. Was aber das Testament 
des Batallador anlangt. so ist es doch in gewisser Weise ausgettihrt worden. wenn auch 
nicht nach seinem genauen Wortlaut. Die Urkunden dariiber sind erhalten. Der Patriarch 
Wilheln von Jerusalem mit dem Kapitel vom Heiligen Grabe bevollmichtigte den Johanniter- 
meister Raimund, der nach Spanien abging. mit der Vertretung seiner Interessen: so 
kamen die beiden gleichlautenden Urkunden vom 16. September 1140 zustande. durch 
die der Patriarch mit dem Konvent der Kanoniker vom Heiligen Grabe und der Grob- 
meister Raimund vom Hospital in Jerusalem dem Grafen Raimund Berengar TV. und seinem 
Geschleeht mit dem Rat und der Zustimmung der Edlen von Aragon ihren Anteil an 
dem Kénigreich Aragon tiberlieBen und sich davon nur einzelue Orte und Besitzungen 
yorbehielten: doch das Eigentum blieh bei ihnen. das im Falle des Aussterbens des Hauses 
Barcelona ausdriicklieh vorbehalten wurde’. Die Bestitigungsurkunde des Patriarchen ist 
ausgestellt am 29. August 1141’. Wenn es auch nicht ausdriicklich ausgesprochen wird. so 
versteht es sich. dali die rémische Kurie dem zugestimmt hat. Mir scheint hicrbei be- 
sonders charakteristisch. dain diesen Urkunden mit keinem Worte von dem letzten Konig 
Ramiro II. und seiner Tochter und Erbin Petronilla die Rede ist. auf deren Ehe mit dem 
Graten von Barcelona doch tatsichlich die Herrschaft Raimund Berengars IV. in Aragon 
heruhte: es wird vielmelir in ihnen die Fiktion aufrechterhalten. dali die Erben Alfons’ L.. 
die Orden. nachdem sie sich tiberzeugt hatten. dali Raimund Berengar gecignet und not- 
wendig fiir die Regierung und Verteidigung des Reiches sei. mit Zustimimung der ara- 
gonesischen GroBben ihm das Reich tbertragen hitten’. Das ist wohl aueh der Grund 


1 Yn einer Urkunde von 1136 im Archiv zn Bargos sehreibt Alfons VIL sich die Initiative zu der Legation 
des Kardinals Guido zu, die er dureh seine Gesandten, die Bischéte Bernard von Siguenza und Martin von 
Orense. hei Innvcenz I. erwirkt habe. 

Nach Ausweis der pipstlichen Privilegien war er in der Zeit vom Joni 1135 bis in den Januar 1137 
von Rom abwesend. 

3) Vel. auch den Aufsatz von Perer Rassow. »La cofradia de Belchite: im Anuario de Historia del 
Derecho Espatiol HI (1926) 200ft. 

' Edd. Borarcnr, Coleccion de documentos inéditos [IV jon. 32 und Drravince re Rorrix. Cartulaire 
général de Vordre des Hospitaliers de Saint-Jean de Jérusalem [irri n. 136. Sie behielten sich Besitz in Bar- 
hastro. Huesea., Zaragoza. Daroca, Calatayud und Jaca und andere Rechte vor. 

+> Ed. Borarctt IV 78 n. 36. Vel. dazu das undatierte Bevleitschreiben des Patriarchen an Raimund 
Berengar IV.. ebenda IV 325 n. 137. 

® ¢t prefatiun regnim iMustrem Raunmidum conten Barchinonenscm tonentom cont, quem ubilem ae HECOSSUP TH Hi 
ad regendum «t defend ndum predictim regnum cognoeit. 


48 KrwR: 


gewesen, dal dieser nicht die konigliche Gewalt und Wiirde erlangte. sondern nur price ps 
oder dominator regni Aragoniae wurde. 

Von den Templern feblt eine entsprechende Zessionsurkunde. wahrscheinlich aber 
ist die unter Veilnahme des Kardinallegaten Guido und in Anwesenheit der Bischdfe von 
Zaragoza. Vuesca, Vich und der Erwihlten von Tarragona, Roda und Gerona am 27. No- 
vember 1143 in Gerona gegebene grobe Schenkungsurkunde des Graten Raimund BerengarlV. 
als des regut dominator Arayonensis, Aurch die die Templer die Wastelle Monzon. Mongaudi, 
Chalamera, Barbera, das Lehen des Lop Sanchez de Belehite. die Kastelle Remolinos und 
Corbins und andere Finkiinfte erhielten. die Abtindung fiir ihren Verzicht gewesen’. Die 
Johanniter erhielten u.a. auch die Stadt Daroca’. Jedentalls dart aus der Anwesenheit 
des Kardinallegaten Guido gefolgert werden, da& die Kurie dieser Ordnuung der Dinge 
in Aragon zustimmte. wenn es auch noch lange gedauert hat. ehe sie diese durch cine 
hesondere Urkunde sanktionierte. Dies ist erst durch Hadrian LV. erfolgt mittels Breve 
vom 24.Juni 1135S an den Graten Raimund von Barcelona®. Man muB den Wortlaut 
dieses Schreibens treilich mit besonderer Aufmerksamkeit lesen: in Wiirdigung seiner 
Ergebenheit und Rechtglinbigkeit bestaitigt der Papst dem Grafen das ganze Land. welches 
weiland Kinig Alfons sim Aerede decedens dem Heiligen Grabe, dem Hospital und dem 
Tempel hinterlassen und diese ihm hernach zediert hatten, gemi den dariiber ausgestellten 
Urkunden. Des Kinigs Ramiro JI. geschieht auch hier nicht nur keine Erwihnung: es 
ist, als ob er tiberhaupt nicht existiert und regiert Jiitte: die \uflassime der Kurie wiire 
danach gewesen. daB das Reich von \ragon nicht durch die \bdankung Ramiros If. und 
durch die Ehe Raimund Berengars [V. mit Petronilla. der Erbtochter von Aragon, an 
das Haus Barcelona gekommen sei. sondern direkt von Alfons I. kraft seines Testaments 
durch den Zessionsakt seiner testamentarischen Erben. der drei Orden. Dali Raimund 
Berengar [V. damit auch Lehnsmann der rémischen Kirche wurde. ergibt sich aus seinem 
iiheraus devoten Schreiben vom Jahre 1156 an Papst Hadrian IV.. worin er sich als 
rius homo miles et scrcus hezeichnet*. Um diese Zeit erhielt cr von diesem Papst ein Privileg 
mit der Bestitigung der dibertas. welche seine Vorgiinger sowohl in Aragon wie in Barcelona 
und in seinem tibrigen Land gehabt haben’. Auch Alexander If. hat cinmal es ausdriicklich 
ausgesprochen. dai das Reich von Aragon Sankt Peter gehére. in einem am 25. Juli 1163 
an Raimunds Sohn, den Konig Alfons Il. von Aragon. gerichteten Briefe’. und damit 
steht wohl auch im Zusammenhang ein Priviley Hadrians IV.. worin verfiigt wird. daB 
Raimund Berengar von niemandem mit dem Anathem oder Interdikt belegt werden diirfe. 
es sei denn durch ein Spezialmandat des Papstes oder cines piipstlichen Legaten a latere’. 
in Analogie mit dem einst von Urban Il. am 16. Marz r10og5 dem Konig Peter 1. ver- 
liehenen Privileg (JL. 5552). Und ein Ausfluti der pipstlichen Oberlehnsherrlichkeit ther 
Aragon ist es wohl auch gewesen, da Konig Alfons IL im Jahre r1g1 die papstliche 
(renehmigung zu einer Verinderung der aragonesischen Mtinze und in seinem ‘Testament 
vom Jahre 1194 dessen Bestitigung bei Celestin HI. nachgesucht hat*. Es ist also eine 





' Ed. Borartiye Loe. IV 93 m. 43. 

2 Ed. ebenda [V 368 n. 153. 

2 Edd. ebenda IV 317 n.130 und Papsterkunden in Spanien I 364 n. Sr. 
Edd. Virranurya. Viage liter, Vo 263 und Papsttum und katalanisecher Prinzipat S. go nu. X. 
Ed. Papsturkunden in Spamen T 366 n. $3. 

& Ed. ebenda L392 ne i0z: regain tbe or supcrne modrramine dispensationts coumessum, quod ad ins beat 

Petri apecialiter portinerc dinoseitur. 
7 Ed. ebenda I 365 n. 82. 
> Siehe das Mandat Celestiny UT. vom 4. September rigr (ed. cbenda I 530 n. 238) Cher das ‘Testament 


Atfons IL von tig4 vel. Papsttum und hatalanischer Prinzipat S. 63 f. 


Das Pupsttun und die Kénigreiche Nacarra uid Aragon bis cur Mitte des XID. Juhrh. 49 


klare tmunterbrochene Linie in dem staatsrechtlichen Verhaltnis des Reiches Aragon zur 
romischen Kirche von Sancho Ramirez itber Pedro I. Alfonso 1. Ramon Berenguer IV.. 
Alfonso If bis zu Pedro I.. der im Jahre 1204 in Rom sich von Innocenz UI. kronen 
lieS und sich noch einmal feierlich als zinsptlichtigen Lehnsmann des Papstes bekannt hat’. 

Nicht so deutlich ist das Verhiltuis des pipstlichen Stuhles zu Navarra nach 
der Auflésung der Union mit Aragon. War Navarra cin Lehnsstaat der romischen hirche 
wie Aragon? Und welche Stellung hat Rom zu der Erhebung des Konigs Garcia Ramirez 
einvenommen? Eines ist jedenfalls sicher: die Kurie hat das Konigtum dicses Fitrsten 
nieht anerkannt. Sie wollte und konnte ihm zwar nicht beseitigen. aber sie hehandelte 
ihn nicht als einen Souverfin, sondern uur als Herzog von Pamplona oder Navarra. So 
nennt Eugen TM. ihn in seinem Schreiben an den Graten von Barcelona vom 25. Juli 1150 
ustrem Pampilonrnsian ducem?. Ehenso hat Alexander UL. deram 26. Junir4174 ein Sechreiben 
an den Sohn und Nachtolger Gareias. Konig Sancho VIL. von Navarra. richtete. diesem 
blo8 die Anrede Svacio Necarrorion duct nobilissino geacben. Wihrend sonst im inter- 
nationalen Verkehr der Konig yon Navarra tiberall als solcher anerkannt ist. halt «lie 
romische Kurie konsequent an ihrer \utiassung fest. dag er nur cin Herzog sei: noch 
Celestin II. hat in seinen Briefen an Sancho VII. und an Sancho VU. in den Jahren 1194 
und 1196 ihnen nur den Titel dua Nararrorum gegeben'. Aber eben Celestin II]. ist es 
“vewesen. der bald darauf die Anerkennung ausgesprochen hat. Es war in den Wirren. 
die nach der Niederlage des Kénigs Alfons VHI. von WKastilien bei Alareos (am 1g. Juli 
1195) die Kurie zu dem Versuche nétigten. Sancho VIL. von Navarra aus seiner Ver- 
hindung mit den Mauren zu lésen und datity den lange vorenthaltenen Preis zu zahlen. 
Celestin HI. Lat das in seinem Schreiben an den nun als Konig von Navarra titulierten 
ausgesprochen, in dem er von dessen Konigtum sagt quod ab alio predierssorum (uorwu a 
wile apostolica non credimus fuisse obtentum’. So iange und so konsequent hat dic romisehe 
Kurie an ihrem Rechtsstandpunkt festgehalten. 

Es ist kein Zweifel, obwohl es auch hier an direkten Zengnissen fehlt. dali auch die 
hirehliche Organisation der Metropole von Larragona durch diese Verhilmisse bhe- 
dingt gewesen ist. Wir erinnern uns, da8. nachdem der erste Versuch der Wiederher- 
stellung der Kirchenprovinz yon Tarragona unter Papst Johann NIL. gescheitert war’, 
Urban I. diesen Versuch mit besserem Erfolg erneuert und im Jahre rogt den Bischot 


1 Soweit ich die Literatur iibersehe. haben die spanischen Historiker diese Tatsachen ignoriert, allerdings 
auch die ineisten der angezogenen Urkunden nicht gehannt Ani. Barrrsreros y Berrera in seiner »Tistoria 
de Espafia« ID 370 stellt. wie die meisten ander spanischen Historiker. die Sache so dar. als ob erst Peter If. 
sein Reich als Lehuasreich der rémischen Kirche anerkannt habe (eregresande Taego a sus Estados después de 
haber hecho a Aragdn. en cierto mo lo. feudatario de la Santa Sede. paso que disgust sobremanera alos 
riceoshombres avagoneses. que no tardaron en mianifestitselo a sa monet) Ubrigens war ja auch die Crrat- 
sehaft Besali. die tr1t an die Grafen von Bareelona heimtiel seit ro77 dem romisehen Stuhl zinsptlichtig und 
ebenso das vinst dem Grafen Berengar Raimund TT. von Barcelona geborende Gebiet mit Tarragona seit Loge 
im Obercigentum der rémischen Kirche (vel Vapsttum und hatalanischer Pringipat S. 47 ih). Auch Raimund 
Berengar TL. und sein Haus und Land standen im Sehutze des hb Petves laut Privilegs Paschals UH. vor 
23. Mai 1116 (J1.6524) gegen cinen Jatireszins von 30 Moabitinen (vel. Papsttim and katalaniseher Prinzipat S. 39). 

2 Ed. Papsturkunden in Spanien To 327 0.37. Es st nor cin lapsus ealami olme Bedeutung. wenn die 
piipstliche Kanzlei in dem Privileg Eneens TD fit das hoster Saini-Marter de Sees vom 17. Dezember 1145 
(JL. 8803) ihn als ree Payton nescence at at. 

* Rd. Papsturkeanden in Spanien Ton. 132. 

i Brief vom 13. April trog an Sancho VIE ted. Papstarktinden in Spanien Hoo. 2035) uit dlestes dues 
Nevarrorun usd som 20. Marz ti900 an Sancho VIEL ced. ebenda IL on. 220) mit veh evra dues Nacarra. 

Brief vom 20. Vebruar rroz ted. Papsturhinden in Spanien Hl. 220k Doel ist die Anerkenniaes 
Sauehos VIIL als Konig schon im April oder Mat rige ausgesprochen worden iel das Sehremdben Celestins HI 
an dew Kardinallegaten Grezor vor 28. Mai treo. ed. Papsturkunden in Spanien Tou. 225). 

® Papsttum und katalanischer Privzipat S.13f. 


Phil.-hist. Abh, L028. Nr. 4. 


sl 


a0) Krun: 
Seren@ar vou Ausona-Vich zw Metrepoliten vou Tarragona erhoben hat (JL. 5450)'. 
Aber wir wissen auch. welebe Miihe der nene Metropolit hatte. sie: durchzusetzen. 
Doeh find er in Aragon \nerkennung: er war 1006 bei der Eroberung von Tluesca zie 
vevens. Nach seinem Pods (raga) blieh der erzhiseltiiche Stuhl unbesetzt bis zum 
Jahre ctr. als Gelasins TL in dem Bischof Olegar von Bareeloua den rechten Mann dafiir 
fnnd ul. 6630). Dieser hiuge und energische Prilat har in der Tat im Gebiet des Grafen 
Raimund Berengar UT. die Metropolitangewalt ansgefbt. haum aber in Aragon, wo damals 
Alfons 1 gehor. von dessen gespanntem Verhaltnis zur romischen Kurie wir Lereits ge- 
hort haben. Der hat. wie cs sebeint. citersiichtiz gegen jede Etmmischung einer fremden 
Macht. die Metropolitanrceihte in seinen handem von dem = Erzbischot von Auch. seinem 
Watfengetilrten von Zaragoza. wakrnelimen lassen. Erst nach Alfons’ [. Tod hat Olegar 
vou Tarragona auch im Aragenesischen die Funktionen des Metropoliten ausgetibt. so 1134 
bet der Neubesetzune des bischotlichen Stuhles von Roda-Barbastro’ und 1135 im Gehiet 
des neuen Kénigs von Navarra bei der ersten Auseinandersctzung zwischen dem Bischof 
von ‘Tarazona und der Kirehe von Tudela. Aber naeh Olegars Tod (1137) trat wieder 
eine Hingere Sedisvakanz cin. die offenbar mit den noch ungeklirten Verhaltnissen in 
den Lander des verstorbenen Konigs Alfons Lin Zusammenhang steht. Es ist kein 
Zutall. dab cin neuer Metropolit fiir Tarragona erst im November 1143 erhoben wurde 
in Gegenwart und gewif mnter \itwirkune des Kardinallegaten Guido von SS. Cosma e 
Dainiane in Gerona. als dieser nach sciner zweiten Legation sich anschickte. Spanien zu 
yertassen. Damals. am 26. November 1143. wurde der Abt Gregor von Cuxda zum Erz- 
hisehof von ‘Varragona gewihit : er erhielt am 25. Marz :144 das Pallium von Lucius IL.’ 
Zur Entfaltang emer enispreebendcn Wirksamheit sehetut auch er nicht gekommen zu 
sein. Erst vou seinen Nachfoiger Bernard Torts. dem Eugen Ul. am 27. Mai 1145 das 
Palliumpriviteg verlieh. besitzen wir zalieichere Zeugnisse. dB er auch in Aragon und 
selbst iin Navarresisehen die Purktiouen cines Metropoliten ausgeitbt hat’, und so konnte 
endlich Anastasius EV. in einem besonders feierlichen Privilege vom 25. Marz 1154 ihm 
auch seine Suffragane zuweisen. die Bischof) von Gerona. Bareclona, Urgel. Ausona (Vich), 
Lerida. ‘Cortosa, Zaragoza. IInesea, Pamplona, Tarazona end Calahorra’. Damit war end- 
lich die Kirehenprovinz von ‘Parragoia konstituiert: sie wintaiite die Gratschatt Bareelona 
mit ihren Nebenbindern und den kurz zuvor wiederhergestellten Bistitmern von Tortosa 
und Levida. gamer ganz Aragon und das reguum Cesaraugustanum. endlich Navarra. — 
So dit das Papsttum: i viel stirkerem Mabe. als man bisher wufite, an der Bildung 
des aragonesischen Grostaates seinen Anteil gehabt. Der romischen Kurie Jag. wie wir 
Wissen. vor allem an dem Zusinimensehin’s der christhichen Reiche in Spanien zum Kampt' 
eegen dh Meaaren. und den dein sie jetzt mit erneutem Zuspruch betricben. Raimund 





Papsirun und katalaniseber Prinvipat S. 42 f. 
2 oS. oben S. 32. 
Vel Papstur under ti Sparied TT a3. a1 Aun t. 


DON das off gedreekie Schreiber Olesars an Papst Tonerens Tin der Usp. Sagi. MNIN g7r on. 20 und 


NEVE seg ons und die Amm. ¢ 70 Sos. cer Abou cian uber Papsttum und hatalanischen Prinzipat. 
So odie Urhande in der Exp. Sai. NALIN sgh 73 0 Abel soll er das Statut fiber die Teilung der 
[beeper swisshen Bisehet and Rapitet vou Zatagoza bestatigt haben: aber die Urkunde Innoeenz’ IL vom 


Se Sig chase ai let, Haron ible ase baie Ticseliiog ted. Papstarkunden in Spanien I 330 n. 38). 
6 OS. Papsaabunden in Spanien TE 33 fe: 4 
ee Papstarkanden in Spanien P3202. 53 nnd JL. S : 

Ss. Vapsiar nuden in Spanien T3220. sq. Eionst thtig eewesen in den Vethandhimeen swischen Roda 
iel Puesea, Parag! ona and Montogeen ado Angel genberten der KRirehen vou Pudela und Zaragoza. 
bos. Pop turhunden im Spanien Posse h.es hod medee Ausfnhenngen oder Abhandlung Papstiom and 

Dutardnischer Pripsipat a. 21. 


12 





Das Peapsttnin vnd die Nonigreiche Nacarra eid Aragon bis cur Mitte dex NUL daheh. ai 
J u 


Berengars 1V. kriegerische Unternchmungen gegen die Unelfubieen hat sie von Anfang 
an mit ihrem Segen begleitet. sowolil die Belagerung und Erobcrumg von Portosa (1148) 
wie die von Lerida (1149), wo der Abt von Sint-Ruf Nicolaus. der spiitere Panst Tludrian PV.. 
azugegen war’. und sie hat deshall auch den FriedensschtuB zwischen Raiuind Berengar 
und Garcia von Navarra mit Freude beyriibt. der Eugen HP in einem: Schreiben vom 
25. Juli 1150 lebhaften Ausdruck gegeben fiat’. Zwei Jahre daraut) wohl als der Grat’ 
sich gegen die letzten Burgen der Mauren nordlich des kbro wendte. lat dersetbe Papst 
un 22. Juni 1152 einen Aulruf zur Teiinahme an dem neuen Rreuzzug unter der Ftthrune 
des Grafen von Bareelona erlassen und den Teilnehmern den von Urban U. deu Kreuz- 
fahrern bewilligten Abla®B in Aussicht gesteilt(Jh.o5o4). den zweidabre spiter Anastasius lV. 
erneuert hat®. Besonders aber hat dessen Nachtolger [Ladvian IV. sieh benmht. dei 
von ihm besonders geschitzten Grafen politische Sclhiwierizkheiven aus dem Wege zu riitumicn. 
sowohl in den neuen Konthkten mit Navarra wihrend der Jahre 13560 und 1157. wo 
er den Bischot Lupus von Pamplona anwies. sich dem Caaten als Geiser Wir die von dem 
Konig von Navarra fibernominenen Verpilichtungen zu stellen’. wie ime Juni 115s. als 
er in einem Schreiben an die Exzhischote vou Tarragona and Nirbotne aut’ das wirmste 
fiir Raimund Berengar [V. als den ergcbenen. getrenen und iniuner hilfsbereiten Diener 
der heiligen romischen Wirehe ecintrat und thn und sein band. das er durel: den Broach 
des Friedensvertrags mit dem Konig Lupus von Valencia ond dareh die Umeriebe talscher 
Christen bedroht glaubte. in den besouderen Schutz des bl. Petrus uabm wh. rogiu). 
(ileichzeitig hat damals, wie wir bereits wissen. Hadrian iV. den Grafen Raimund 
Berengar IV. das Konigreich Aragon in aller Form bestitigt. ebeoso die Freiheit. wie 
sie seine Vorgiinger in Aragon, in Bareeloua tnd in ihren tbrigen Landen besessen atten. 
und ihm das Privileg verliehen, dab uiemand ihn ohne papstiches Speziabnandat ox- 
komimunizieren dtirfe. Es gibt kein gekrontes Tfaupt. dem: Tladrian IV. so viele Gnaden 
erwiesen hiitte. 


Zeugen diese Dokumente von den intimen Bezichungen. welehe zwischen den 
Papsten und der Dynastic von Barcelona bestanden —- deun sie vererbten sich auch aut’ 
dic Nachfolger, auf Alexander HI. und Alfons IL --. so sind sie ehensoschr Zeugnisse 


der politischen Einwirkung. die dic Pipste in immer stergendem Mabe auf dic spanischen 
Reiche und besouders auf das Reich Aragon ausgetibt haben. Gesandte und Boten gehen 
hin und her und halten den Verkebr autrecht: die Korrespondenz zweschon der Kurie 
und dem Ilof von Barcelona mub. wic die verliltnismiifig zahlreiehen pipstlichen 
Schreiben — von der Gegenseite sind leider nur ganz wenige erhalten - - beweisen, 
sehr rege gewesen sein. Daneben aber bediente sich die Kurie zu gegebenen Zeiten 
eigener Legaten, sowolil der legati a latere wie spezicller Gesandten. 

Seit dem ersten Kardinallegaten Hugo Candidus sind in beinahe regelmiébigen Ab- 
stinden mit sich immer erweiternder Wirksambheit Kardinile der rOmischen Kirche in 
Spanien erschienen, die zuerst wie Igo Candidus und Richard von Marseille nicht ge- 
ringe Widerstinde zu tiberwinden hatten. welche aber in dem Mabe. als die Sutoritit 
von Rom auf der iberisechen Halbinsel durchdrang, sich verminderten. Zuerst handelte es 
sich um die Beseitigung des mozarabischen Ritus und die Einttihrung des rémischen. 


1 Daran erinnert Raimund Berengar TV. den Papst in seineis Sehrciben von 1e36 (ed. Papsttum und 
katalanischer Prinzipat S.go mu, NX): da adqutsitione Herdense ct Dertes ests coctesa diahorca ae sindarim nastewin 
partim oculis vestris vidistis. 

? Ed. Papstarkunden in Spanien T3270 4. 

> Ed. ebenda I 346 n. jo. 

' S. das Nihere Papsturkunden in Spanien Wo 248. 


7 


rae 


a2 Kener: 


wm den Kampf gegen die Simonie und um die Durchsetzunge des kanonischen Eherechts, 
dann um die Ordnung der spanischen Hierarchie unter dem Primas von Toledo und den 
Metropelen von Tarragona. Braga und Santiago und die Uberwindung der dadureh ge- 
schaffenen Geyensitze und Rivalitéten. welche durch die wechselnden dynastischen Ver- 
hiiltnisse und die politischen Neu- und Umbilduugen sich komplizierten. um die Wieder- 
herstellung der alten Bistiimer in den neueroberten Gebieten und deren Abgrenzung. 
endlich um die Organisation des Glaubenskrieges gegen die Mauren. Man kann trots 
der triimmerhatten Uberlieferung gut verfoleen. wie diese Legaten. von einem Konigshof 
mim andern ziehenud. auf den yon ihnen alechalrenen Konzilien immer stirker in die 
kirchlehen Verhidltnisse auf der Halbinsel eingriffen und den Gesetzen Roms und der 
papstlichen Autoritit Geltung verschafften. Wir erinnern uns der Legationen des Kar- 
dinals Rainer. navhinals Papst Paschal IL. (1ogo). des Kardivalbischots Gualter von Albano 
(1092). der zweiten Legation des Kardinals Richard (1100 ~1102). der zweimaligen Le- 
gation des Kardinals Bosot1116 -17 und 1121), der beiden Legationen des Kardinals Deusdedir 
(trrS und tr23 - 24). der des WKardinais Humbert (112g —30) und der beiden des Kar- 
dinals Guido (1133—-36 und 1143). Fiir das Reich von Aragon aber haben neben den 
ersten Legationen des Hugo und Richard die heiden Legationen des Kardinals Jaciutus. 
des spiiteren Papstes Celestin HI. von 1154— 55 und von 1172- 74 die gribte Bedeutung 
gehabt. Er hat sich auf der Reise nach Kastilien und Paria s¢inem eigentlichen Ziele, 
lingere Zeit im Reiche Raimund Berengars TV. aufgehalten wid sich hier der Ordunng 
der kirchlichen Verhiltnisse gewidmet: wir kénnen seine Reise und seine Titigkeit fast 
von Ort zu Ort verfolgen dank der groBen Zahl von Urkunden. die von seiner Wirksam- 
keit erhalten sind, hauptsichdieh in Tudela, Tarazona und Calahorra und dann wieder 
nach seiner Riiekkehr aus Portugal und Leon. wo er im Winter 1155 das groke Konzil 
von Valladolid abhielt. in Najera, Logromo. Estella, Calahorra. Tudela. Tuesea und Lerida, 
wo er Ende April 1155 die Landesbischéfe auf cinem Konzil versammelte'. Nicht weniger 
wiehtig und reich an Urkunden war seine zweite Legation (1172— 74). auf der wir ihm 
guerst iu Tudela, dann in Leon und Portugal und schlieBlich wieder in Lerida begegnen, 
wo er im ae 1173 ein zweites Konzil abhielt. worauf er nach Kastilien weiter zog und 
im Januar 1174 nach Zaragoza zuriickkehrte. Wenn wir erst im Besitze des ganzen Ur- 
Lets ie a aus Kastilien. Leon und Calieien sein werden. wird eine genauere Dar- 
stelluug der beiden Legationen des Jacintus moglich sein. Sie sind ebenso wiehtig. ftir 
die spanische Kirehengeschiehte wie fir die Perstinlichkeit dieses Maines. der fiir die 
ganze gweite Hilfte des NUL Jahrhunderts sozusagen das spanische Referat au der Kurie 
gehabt und = spater als Papst Celestin dil in die spanischen Angelegenheiten fter und 
stiirker eingegriffen jhat als irgendeiner seiner Voreiineer. [ere ich nicht. so bieten die 
spanischen Dokumente aus den beiden Legationen des Jacintus auch manche Materialien 
zar Beurtecilung seiner Persénlichkeit. mit der jiingst der tretfliche K. Wrven b. m. sich 
eingehend beschiittigt hat". und es ist nicht ole Reiz. festzustellen. daB scine spanische 
Politik nicht immer die Billigung der Kurie gefunden hat®. Vielleieht Lingt damit zu- 
sammen, dais er als Papst seinen vertrauten Neffen, den Kardinal Gregor von S. Angelo, 
zweimal (r192—94 und 119g6—97) nach Spanien eveschickt hat. dessen Legationen fiir 
die spanischen Verhiiltnisse keine geringere Bedeutung gchabt haben wie die des Oheims: 
wie dieser 1155 und 1173. so hat ae im Juli tig3 ein Konzil zu Lerida a bgehalten 





1 the: dieses Konzil vereleiehe man YP. K Arts ¥ Tapernxer in Bonen und Sorte Si: a ran 
2 KL Werven. Die vomisehen Papste zwischen Alexander HT. und TInnecens Hk und der Desiguations- 
versuch Weilmaehten crazy in »Papsttam und Waisertume S. path 
Vel. Papsturkaunden in Spanien TP 38th (Leirey und Ibagi.izi (inesea und Rode). 


Das Pupsttum und die Wonigreiche Nararra wut Aragon bis sur Mitte des NT! Juhrh. 53 


und ist nicht nur mit vielen kirchlichen Angelegenheiten. sondern auch mit den gerade 
damals besonders schwierigen politischen Problemen befaBt gewesen. 

Schon seit dem Anfang des NIL Jahrhunderts erseheinen auch die B eziehungen des 
spanisechen Episkopats zu Rom nach den Grundsiitzen der Kurie geordnet. Die Me- 
tropoliten erscheinen regelmiBig an der IKurie zum Empfang des Palliums und kehren 
mit dem Privileg und den dazugehorenden Empfehlungsschreihen an die Suffragane und 
an die Shia taulierhanipiter ance: mehrere dayon sind erhalten. Ebenso sind aie Reisen 
der Bisehéte nach Rom ad limina apostolorum feste Regel. Da. wo die Ulerlicferung 
giinstig ist. wie in Pamplona und Calahorra oder auch in Zaragoza. kénnen wir fest- 
stellen, dali die Bischéfe darauf hielten. sich die Privilegien ilwer Kirchen regelnuibig 
hestiitigen zu lassen. 

Die Streitigkeiten der Bischéte untereinander ther die Didzesangrenzen und die \us- 
Cinandersetzungen mit den fremden und eigenen Kirehen und Kléstern. die hier. wo seit 
dem Ausgang des XI. Jahrhunderts die territorialen Verfinderungen infolye der Eroberungen 
besonders hiufig waren. kein Ende fanden. ttihrten zu ciner Masse von Prozessen. Ver- 
handlingen wid Appellationen. die der pipstlichen Kanzlei viel zu schaftem machten. Man 
steht nicht nur der groben Zahl der pipstlichen Reskripte und Mandate. die seit der 
Mitte des MUL Jahrhunderts gewaltig zunimmt. mit Verwunderung gegentiber. sondern auch 
der Arbeitsleistung der pipstlichen Kanzlei aly solecher. Denn sie zeigt eine erstaunliche 
Kenntuis der lokalen Verhiltisse. die die unsrige beschiimt. und diese zahlreichen Doku- 
mente sind alle mehr oder minder iu ihrer klaren und priizisen Fassung bei allem Formel- 
haften Wunderwerke einer geistlichen Biirokratie, die mit einem verhiltnismiBig kleinen 
Personal vorziiglich gearbeitet hat. Die gcistlichen Herren im damaligen Spanien scheinen 
zudem besonders prozeilustig gewesen zu sein: man liebte dort wortreiche Schriftsitze 
und Aufzeichnungen und brachte gerne seine Beschwerden an der Kurie vor. Es war 
ein fortwihrendes Kommen tid Gehen und die Romreisen spanischer BisehGte und Geist- 
licher miissen damals ein alltigliches Ereignis gewesen sein. Die Prozesse an der Kurie 
zogen sich Jahre und Jahrzehute hin. keiner mehr als der MonstreprozeB zwischen den 
Bistiimern Huesca und Roda um Barbastro, der unter Gregor VIL. begann und erst unter 
Tnnocenz If, im Jalre 1203 definitiv entschieden wurde! 

Das gleiche kénnen wir bei den Kléstern feststellen. nicht ohne dic Wandlungen 
au beachten. die das Klosterleben gerade in Spanien erlebt hat. Von den alten Benediktiner- 
kléstern. den urspritnglichen Mittelpunkten des geistlichen Lebens in Navarra. Aragon 
und Sobrarbe. in denen in der zweiten Halfte des NI. Jahrhunderts die cluniazensische 
Reform Pub gefalit hatte. héren wir im AIL nieht viel oder nieht viel Gutes: das Haupt- 
kloster San Juan de la Pena. der Escorial der Konige und Groen von Aragon. war um 
dic Mitte des NIL Jahrhunderts so beruntergekoinmen. dats der Landesherr Graf Raimund 
Berengar TV. auf Betehl Hadrianus [V. eingreiften und den Abt absetzen mubte*. Sie be- 
deuteten auch fiir die Kurie nicht mehr viel. Das alte Eigenkloster des piipstlichen Stuliles. 
San Victorian, gab Celestin HI. zusammen mit der Kanonika San Pedro de Ager dem 
Bischof’ von Lerida®. Im Kloster Leire stritten die Moénehe mit dem Bischot’ von Pam- 
plona und versuchten durch Falschungen groBen Stils die Exemtion zu crreichen. und 
ebenso tleiBig betrieb man dies Geschaft in San Juan de Ja Pena und in San Victorian! 
Die Zeit der Bltite war hier vorbei. Auch die in der zweiten THiltte des MI. Jahrhunderts 


' Vel Papsturkunden in Spanien I 126th 13sit 
2S Papsturkunden in Spanien TH yo2 n. 84. 

» Vol. ehenda S. 17 1f. 

* Vel. ebenda S. 341 103 fh rjoff. 


S 


a4 Kiar: 


in Aragon gegriindeten groBen Kanoniken. wie Montaragon. verwandeclten sieh in reiche 
Piriinden. mit denen die dem = geistlichen Stand sich widimenden Infanten ausgestattet 
wurden ', Die alten Klosterideale gehdrten der Vergangenhent an. aber cin neues tauchte 
auf und benvichtigte sich siegreieh auch Spaniens. Das ML dahrhundert: gehért den Clu- 
niazensern. das NUL. nach einer vortibergehenden Bliite der reformierten \ugustinerchor- 
herren. besonders der von Saint-Rufo aus Avignon. die in Katalanien eine vrobe Rolle 
vespielt haben *. gehért den Cisterziensern. die in den dreibiger Jalen dieses Jahrhunderts 
in Spanien Pub thssten und bald die ganze iberische Ualbinsel ait cinem immer dichteren 
Newz ihrer Klister fibersponnen. In diesem grokartigen Kolonisationswerk tiegt Plan und 
System. und dazu ham. dati hein Orden so eng mit dem) Papsttum ouhmiile nH war Wie 
der der Cisterzienser. die eben damals einen der ihrigen. Fugen UL. auf dem Stulile Petri 
sahen. Um origi entsteht Fitero. bald daraul Veruela am Moncayo. beide in der Diézese 
Tarazona’. ferner Oliva im WKoénigreich Navarra’. In der Didzese Tarragona griinden dic 
Cisterzienser im Jahre 2130 Poblet und Santas Creas’. in der Didzese Calahorra Ructe” 
Spfiter folyen Rueda in der Didzese Zaragoza’. Piedra in der von Tarazoua> und Trauzu 
bei Estella in Navarra’. Sie bilden gleichsam eine Iette von klosterlichen Festungen 
an der Ebrolinie. Auch Cisterziensertraucnkléster gediehen hier. wie Marcilla in der Didzese 
Pamplona. Catias in der von Calahorra. vor allem “Pulebras bei Varazona. Casbas und 
Trasobras im cigentlichen Aragon. Franquezas bei Balaguer uid Vallhoua de Tas Meonjas 
rm der Didzese Leta” . Es war zugileich cine neue fitaciut von Frankreich her. aber diese 
Cisterzienser wubten sich anzupassen und in der neuen Heimat heimiseh zu werden. keiner 
mehr als der Abt Raimund von Fitero, der Griinder des Ordens von Calatrava. 

Schon vor den Cisterziensern fabten in \ragon und Navarra die beiden Ritter- 
orden von Sankt Johann in Jerusalem und vom Tempel Salomonis FuB. Die Idee der 
Wilts Dei Vag damals sozusagen in der Lutt. und keiner hat sie mit eréBerer Tabranst 
ergriften wie der Batallador. Nicht lange nach der Eroberung des Regnuni ( esarangustamim 
vrindete er zum Kample gegen die Mauren die NKoutraternitit der Miliz von Zaragoza 
weonfrat rites Cesuranyustana weelitiiie) die durch die Bestitiguigsurkunde Alfons’ VIL aut 
dem Konzil zu Burgos vem 4. Oktober 1136 als »Cofradia de Belehite« bekaunt und 


jiingst von PL Rassow erliutert worden ist). Tm vollen Text erhalten ist die Griindunes- 
arkunde einer andern Militia Christ Aurel Alfons L.. als deren Sitz er die von ihm an 


der Sarrazencngrenze zwischen Daroca und Teruel erbaute Festung Monreal bestimimte ". 


Kin weit ausschauendes Programm verband sich damit. der Plan mit der Besiegung ee 
Sarrazenen in Spanien und dureh die Eroberung von Valencia sich den Seewee nach 
Jerusalem zu sichern, Und schwerlich ist gerade cr hinter dem = Beispiel Raimund Be- 
rengars TL. vou Barcelona zuriickgeblieben. der schon im Jahre 1130 der ritterlichen 
(renossenschatt der Vempler beitrat Wir kennen bereits Alfons’ I. Testamente von II31 


Papstarkunden mm Spanien Tl iis. 

die Abhandlung Papstttan und hatulanischer Prinzipat N.S tf. 
Papsturkunden in Spanien TH cost ort, ; 
ebenda IL 4of. 

Papsturkunden im Spanien I sro. 

Papsturkunden in Spanien TD 53. 
ebenda ID 23st. 

ebenda TE 217! 
. ebenda I 4st 

ebenda Tf 200tf 1s2fh und Papsturhunden in Spanien I 184. 
ae de Thstoria del Derechs Espanol WE troazo) 200 ff. 

. Papsturkuuden in Spanien Ul 342. 

Papsttune and hatalaniseher Prinzipat S. bof, 


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Das Popsthim ind dic Konigreiche Navarra und Aragon bis cur Mitte des NUL date, a 


und 1134. in denen er die drei Orden vom Heiligen Grabe. von Sankt Johann und vom 
Tempel zu Erben seines Reiches einsetzte: ihnen wollte er den Kampf mit den € nehiubigen 
thertragen. Tn Austiihrung dieser Pestamente erhielten sie vou Raimund Berengar TV. 
Stidte. Kastelle und Besitzungen im ganzen Reieh zugewiesen. aus denen sieh bald eine 
civentiimliche Organisation bildete. dihmlich wie in Portugal. Man wei aueh. weleh hoher 
Gunst die Templer und Johanniter bei den Papsten seit Innocens TL siel erfreuten. am 
meisten aber bei \lexander TL. welche Fille von Privilegien sie erhielten: man wabte 
in Rom. was sie fiir das Papsttum bedeuteten | 

Das ist es tiberhaupt. was diesen Forschungen in Spanien cinen besonderen Reis 
verleiht. wenn ian sieht. wie im Laute eines batben Jahrhunderts das enuze Land. vor- 
nelanlich aber das Reieh vou \ragon. systematiselh in das romische Svstent cingegliedert 
wurde, Der Historiker weib. da®B diese sieh inumer mehr verstirkende Einwirkung von 
Romo aul die hirehlichen und staathchen Verhdltnisse des Landes etn Paktor von eraBrer 
Bedeutung in der spanischen Geschichte auch der folgenden Jahrhunderte gewesen ist. 


Anhang. 
I. 


Noung Peter Loran Aragon mul Pamplonaian Po rhan We: rervsichert thi sine Tren ind 
wines Geharsams nach dem Vorbild seines Vuters, des Nonigs Sancho ¢ ty hlayt toh bith vibor setie 
Landeshischopfi, besonders liber den Bischof (Pete r) con daca, der das dey romischi un Wirehe tradiovts 
wed LOH P. AMA eundsr Tl. ue Lgentlich le r Romrviss des Abts Aguilinits privth yi rh Aloster Na 
Sin le la Pria, Hah ile xe neicille vl auch Lense at Nach foly Bs Abt Naneha, mie tle tt Bischof (Garcia) 
ron Jaca nach Rom gegangen, und jiingst dev Abt Nimerich con seinem Vater, Nonig Sancho, mit 
der Bitte wm Erivm rung ds Prictegs qesandt worden st. unerhort bedrticke. heise wir auch di 
kouiylichen hapellen: bitte um vin Sehutzprivily fiir das Nloster und seine dein Papst tradicrtn 
Aapllins beschwrrt sich ferner daritber, dap da Bischofe auf Groud cine any blichen Verpiiquig 
des Papstes von den nideren kigeukivchen sine Ritter den ganze Zhuten vorlangen, (1095) 


Liber goticus des Alosters San Juan de le Pena sace, SI raee- NTL in, fol. LOD" Zaragoz, 
Bibliotica de la Faculdad de Derecho [ BY. Libor feudorum sace, NID ee. fol. 3 Barcelona, Ar- 


chico de la Corona de Aragon Reg. t. 1 [ C7. Ferner tin Lumen coch sia», Marvin de Alquezor 
sme. NIV tol 5 Alguecar. Archivo parraquial und in jungeren Abschriften. ~~ Kid. Braz Mve- 


WNEZ, Historia he la fundacion y antiguedades he San Suan de da Pena yh los reyes he Sobrarrs, 
cleagon y Necarra (1620) p07 3 aus Band dor Pricvek-H irri ne, ter telicuin (ISS) 8. 137 
wo dd aus cine inkorrektin jiingeren Abschrift im der Biblioteca nasional in Florens XXNVI1I 
p. SY (aus C). 

Darauf folgt di bekannte Falsching TL. F 5502. 


VRBANO tocius sanete eeclesic preceptori cquissimo, domino sue om remota simu- 
latione dilectissimo, Petrus Dei gratia Aragonensium’ atque Pampilonensium rex semper 
fidele seruicium amorisqne fidelissimi indissolubile uinculum.  Nouerit: paternitas uestra. 
dilectissime mi domine. me semper uestrum fidelen: seruum et amicuny ad omnia’ pre- 
cepta uestra exequenda indubitanter eXistere. presertim cum: pater meus. uester fidelis 


Araeon. Dei gratia Be. ‘Commia me ©, 
Das ertidlegende Werk diber dic Johanniter und Pemopler que uerdiiethen Spanien ast das stot iehe 


Buel von claagcis Mirer y Sans. Les cases de Templers vy Hospitalers en Catahioya (Barcelona rao}. 


a6 Kime: 


seruus. quia’ maiorem dominum excepto Deo. cuits se serum et amicum’ efficeret. in 
toto mundo nen inuenichat, Romani pontificis se ipsum dominatui subdiderit atque etiam 
singulis annis ex censu quinwentorum’ aureorum sese tributariuin a temporibus pape Gre- 
gorti usque ad obitum suum tideliter cxhibuit ca ninirum intentioue ut uestra sanetissima’ 
auxiliaretur titercessione. uewetaretur benedictione, peceatoram snoram uestra purgaretur 
absolutione atque ad unittersa aducrsancia protectione uestra tutior permaneret. Loc anteni 
totum Sancius rex, uester Lumillimus’ et obediens filius. in uity sua habere henitatis 
uestre respectu promeruit. modo autem e¢ius anima orationum absolutionisque uestre 
subsidio adiutam oppido esse nou diffidimus. Cuius ergo sequens auctoritatem , in om- 
nibus bonis Deo iuuaute paterne tradicionis enniator bunus esse desiderans, me ipsum 
dominatui nuestro sabdidi et muilum alium) dominum exeepto Deo sanetisqie® cius habere 
elegi cadem ductus qua etiam pater imtentione. Set modernis temporibus meis. quod 
nungtam patri mes aecidit. episcopi regionis ree in me tsurgunt. maxime autem epi- 
scopus Tacensis. quos tamen ob reuercnenin uestram telerare pacienter disposui.  Mo- 
nasterium namaue saneti fohannis in’ Penna, quod mihi preclarum esse ante omnia non 
dubium est. multis uexationibus uchementer inpugnat. quod pater meus. eum antea frie 
retur quictudine. Romane sedi tributarium effici uoluit idemaue beate Petro eisque ni- 
cariis contulit. ut maiori Libertate decoraretur ct robustius contra ommes aduersarios per- 
petiin effieeretar. Tide Sancius rex. pater meus. qui in eodem: quiescit: monasterio et 
auus mneus multigue de geuero nostro”. nec non et ipse ego’ sepuiture loetim ina eam 
patribus imeis’ habere dispono. destinanit Romam  quendam religiostme tbhatem nomine 
Aquilintun genibus’ Alexandri pape. a quo satis utile priuilegiun aceepit’ super libertite 
predieti cenobii. (Quo abbate" detuneto abbas Saneius uit pradentissimus eum episcopo 
Jacensi patruele’ meo iterum” Romanum adiit’ antistiten: super quibusdai enusis ina” 
dieti mouasterii tandemaue seripto interueniente > fines eausis inposucrunt, Temporibus 
ideireo uestris’” uenerabilem abbatem Aimiricuin maiestati uestre rex Sanedus suis’) eum 
litteris direxit. quibus pietaten: uestran obsecrabat. ut uve prinilegiumy a uohis sanetus 
fohannes acciperet. ne ultra alijuam uexationem’” sustineret “nto quidem: fecistis, Set 
iam dietus episeopus lacensis “ exigit tale quid a uestro monasterio. quod usque ad presens, 
ex que extitit’ fundatum, nulla persona epise¢oporum noseitur uel etiam tetigisse 2 fride 
autem nitvhnam nobis admirationem ingerit. quod quiequid nobis contrarii teiat. cuod 
hon ¢redimus., xX precepto uestro se facere confiteatur.  Capellas quoque meas eCDiscopi 
nostri. precipue uero Tacensis. cum ceteris indiseretior sit, Inquictare inpiugnande non 
differtar. que in confinio utriusque terre paganoruim et’ christumerum site sunt. (uibus 
in tees frequencius quan alibt immoror propter assidtitatens belli. qired iter nos atae 
paganos exercetur: de quibus paucis capellis priuilegia uestra ad perpettian Tbertatean 
earundent gratia uestra penes nos habemus. Set quid andia? Prolixum addeque tala- 
riosum est referre. quantas aduersitates super his. que uobis) commmissa et uestes Sit 
nestris jue priuilegiis premimita 7. nichil tere nobis proficientibus a nostris’”: ehiscopis 


sustincamus.  Quapropter ad amplissimum misericordie nestre simian coutueientes UOStre 
2 


(. tidelis et (seruns quia fA/Ay B. CL oot umienin AA ay 2. “D4 Sian (Ie 
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(.osancdssimus /7. é bunt sims (, anetorittes is eRe Es PD Site 
enneros ©, idle ¢ thi ante onde prechartsn osse Couehementer AA yn B 
i j t y ane eet Seana , ! t ‘a webs. 
an de Generatioue wostyt i, eek ps ¢ Hb Cur pairibns mein LAA ap ( Raine BR. 
an tomporibus Bb. acce pie priues gium Coabbate ah ay PP Re eee ter, : ; 
‘ . . 2 #3 audit ling ve wy . 
Ooo adierunt 2. » jam hl ©, titerucnient: Of bon Aah echoes ; . ; 
: I: “i by 7 ; : ehaasthin ff sUISGaie ae 

UeXxdTOnenE Ulett ©. , fOLRISES + pseopusn €, ‘ t . 
tetiozisset ve oop Abltican Et ; ae ti ! eae - idl ees Mat B howe. 
MEATS ET tel at ; et ETT SED EES oi aesidduae desdata 4 aoundns &. 


COILS et premunita saat uestrisque paiuilesiis €, retPorre €, fo ouesthin p 


Das Paupsttun und die Koniqrewhe Navarra and Aragon bis sur Mitte des NIL daheh, a7 
benignitatis imploramus auxilium. quatinus super liuiusccmodi respiciatis et peticronibus” 
et supplicationibus nostris aimuatis atque priuilegium tale nobis tribuatis, ut) ionasteriun 
sancti Iohannis et capellas*’ nostras regimini uestro’ specialiter traditas tali uirtute sin” 
munite. ut amodo nullam possint infestacionei sustinere soligne Deo et nobis gratunter 
ualeant obsequium = prestare. et nobis” Mpugnantes’ stummopere precor sic® expuguetis. 
quatenus’ amodo eadem loca inquietare perhorrescant. De ceteris item mionasteriix tocius 
regni mei paternitatem uestram supplex eftlagito, ut ea ab oppressione episcopeorum liberare 
dignemini. Jd etiam inter cetera uon mihi tacendum est. quod now et inauditum apud 
nostrates et nobis graue uidetur”, uidelicet de nostris militibus neete dieque cum gente 
pagana dimicantibus., a quibus nuper’ proprierum prediorum evelesias mom parroch itis 
presules’ conantur’ auferre., talem asserentes sentenciamt a uobis aecepisse. cum ab uni 
uersis parrochitanis ecclesiis ommnem decimationem et quiequid ad eeclesiam pertinet. quot 
non ita” fit allis in regnis. possideant. Quodsi eos. ut querunt. a propriis loueribus ex- 
pulerint. restat ut mendicitati dediti dimissa milicia. que absque pecunia exerceri nou 
potest. per totum mundam euagentir. Valeat’ et dite nobis superstes tuaueat uestra 
sanctitas”. 


If. 


NKénig Peter Lo con Pumplona und Aragon un PL Crban 1: ithersendet durch dia Abt ( Fro- 
tard) ron Saint-Pons de Thomirres als schuldigen Zins fiir div beiden he tzten Jithre 1000 Markus u 
und bittet um ein die neucn Grenzen des Bistums Rode bestatigendes: Pricihy niv den Bischof Pou- 
rius, namentlich mit Barbustro, Alqursar, Monzon, Chalumera und Ahmanara, endlich ine vine Be- 
stitigung dev con dem Bischof Raimund Dulmatii in Roda eingericht tin Kanourka, (L095 ) 


Kopie auf dem groperen Rotulus sae, NID no 6 Lerida, Archivo de la Catedral (Archirma 
Rotense nu. 73) und im Cartidario mayor con Roda save, NIT pag. detenda, ~~ bdd. J. Vinita 
yueVa, Viage literario ou las iqhsias de Espana NV 361 nS; Espana Sagrada SL VU Pda le: 
JO Fr. Vera. Documentos reales hd archivo de Roda anteriores ul siglo NUM ta hn Mi morias oh 
la Faeuldad ite Fdosofia y Letras de la Universidad de Zareqgoza | (1923) 320. 


Diese Supplik cu erfillen, kam Croan 1. nicht nuhr dazu. Dits tat seta Nach polaer Paschal 1H. 
mittels Privilegs rom 20, April 1100 TL. 383 L, das sich riclfach wértlich an din Wortlaut slieses 
Schreibens anschliesit. 


Gloriosissimo atque serenissimo domino pape Vr. P. gratia Dei rex Pampilonensiun 
et Aragonensium se ipsum. (Quoniam. excellentissime doimine. Saucius rex. pater meus. 
deuotus semper erga uestram: et apostolicam sedem = existens annuatim quingentos manu- 
echones pro censu uobis persoluehat. eo quod omne reguium suum sub protectione beati 
Petri posuerat’, uolo et ego, in quantum potero, bonam illius uoluntatem peues tos imitari. 
mittendo paternitati uestre pro censu ducrum annorum mille manchoues per legacionem 
domni abbatis sancti Poncii. ut Deus per meritaum sanetorm apostolommn suorma Petri 
et Pauli me tueri dignetur semper in omnibus et auxiliari. Cum igitur. sieut divi. tei 
pater meus quam ego regnum nostrum sub iure moderaminis et tuicionis uestre pusue- 
rimius. precor obnixe clemenciam uestram, ut episcopatum illum. in quo est Rota. qui longo 
iam tempore angustis terminis ob Sarracenorum occupacionen conclusus est. secunedinin 


# peticionibus — wibuatis ut Jehle mt. ' CL eeclesias Bee nostra 0 Sint abis Ad vat 

* per vestram sentenciam impugnantes C. J sic fehlt in ©, g gnod ©, “et oanonstri didetiur simile ©. 

de fuygt Born, aa ae plures Bb. ’€, eonentur PB. wm oC ita fehlto om B, ~ Saleat SNHeTILaS 
Shit in &, * posuerit e. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. d. ~ 


aS KRorur: Das Papettimn wed die Nonigreich Navarra ond Aragon, 


metas illas. quibus eum oundique Ratmundus Dalmacii episcopus cr ali suceesseres eius 
tenuerunt., teneat et possideat per uestre auctoritatis corroborationem tam iste doumus 
Poncius episcepus. qui modo preest gratias Deo ecanouice ordinatis, quam alii suecessores 
eius im perpetuum cum his etiam omnibus. que de terra paganorum ibi addidimus. In 
pranis Barbastram: enim terminis suis. Alehezar. Montionem., Calameram. Almanara., unum- 
quodque bernm cum terminis suis. et quicquid deinceps iaiia metas huius episcopatus 
tam nes quam alii principes ucl iam cepimus uel in fiturum per Dei ausilium ceperimus. 
prout melins tractare potero cum eonsilio predieti dommi abbatis Tomeriensis atque etiam 
domni arehiepiscopi Toletani legati uestri’. Denique supplex rogo. pusitis pro mercede 
uestra in principio et fine que in priuvilegio poni delet. mt omnes eeciesias illius epi- 
seopatus secundum sanctorum canonum institutiones in huius prefati domnui Poneii cpi- 
scopi ac suceessorum storum potestate et ordinacione pontis. Si uero ali pos cecle- 
siasticos honores cuu eonsilio tel fauore clerigorum saorunme monasteriis cCoueesserit. cone 
eedat hoe quoque et contirmet auctoritas uestra’ in deereto vesteo super hoe nobis evritatiue 
transiisse, Canonieam sine reotiaraui clericortimn, lai sebe thietus Raimuncdis eDiscapus 
apud Rota institait’ wel iste ielius instituere uoluerit. quandiu anmnucnte Domine sine 
Contagione peeuliari reoutiriter uixerint. ab omni bominum intestacione Lberan. esse et 
queque itis iuste a nobis uel aliqao collata sunt uel tuerint. permanere miegra decernite. 
Hee ad utilitatem et augmentacionem episcopatus pauperis actenus ct aneistr ut corres 
borands ct confirmands sigillo uestro muniatis. suppliciter exoramus. quatenus sie in 
omnibus caritatem uestram circa nos firmissimam cognoscamus, — Valtete). 


hip fhlt wohl sieut. : peeculiatis t, 


Yo Rpvbisehos Bernard vou Polede. 
2 Gemeint ist wohl Urbans TE -Dekret IL. 5777. 
2 Dare die Urhunde vom 12. November coa2 bei Rawox or Hersea. deatee lasteriern IN pies sic 


ABHANDLUNGEN 
DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 5 


DAS PAPSTTUM UND PORTUGAL 
IM ERSTEN JAI RHUNDERT 
DER PORTUGIESISCHEN GESCHICHTE 
VON 


Dr. CARL ERDMANN 


IN ROM 





BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


IN KOMMISSION BEDE WALTER DE GRUYTER U. CQ, 





Vorgelegt von Hrn. Kesr in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 28. Juni 1928. 
Zum Druck genehmigt am gleichen Tage, ausgegeben am 18. September 1928. 





Einleitung. 


Die Ausdehnung des papstlichen EinfluBbereichs tiber den Westen der iberischen Halb- 
insel fallt in die Zeit vom Ende des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Vor 
Gregor VII. bestanden keine Beziehungen zwischen Rom und dem galicisch-lusitanischen 
Klerus; nach Alexander IIL. aber war die Eingliederung Portugals in den Gesamtorganismus 
der rémisch-katholischen Kirche eine vollendete Tatsache. In dem gvleichen Zeitraum hat 
sich die portugiesische Sonderexistenz gebildet. Erst im Jahre 1095 wird die Grafschatt 
Portugal von Galicien abgetrennt und, noch als Glied des Konigreichs Leon, dem Graten 
Heinrich von Burgund verliehen. Neunzig Jahre spater hinterlieB sein Sohn Alfons I. 
Portugal als ein selbstindiges Kénigreich, an dessen Unabhingigkeit alle Stiirme der 
Jahrhunderte bis heute nichts geaindert haben. Man mag das Zusammentreften dieser 
Geschehnisse fiir noch so zufallig halten: sicher ist, daB es eine bedeutsame Verkniipfung 
der Tatsachen und treibenden Krafte herbeigefiihrt hat. 

Es ist bekannt, daB der erste Kénig von Portugal sein Land zu einem zinsptlichtigen 
Kigentum der rémischen Kirche machte. Bekannt ist auch das Motiv dieser Oblation: 
sie sollte die Selbstiindigkeit Portugals gegentiber dem benachbarten kastilianischen Reich 
sicherstellen. Da nun dieser Akt von allen damaligen Wechselbeziehungen zwischen der 
Kurie und Portugal fast das einzige ist, was bislang Beachtung fand, hat er in seiner 
Isolierung zu der Meinung verfiihren kénnen, als habe das Papsttum ein besonderes Iiter- 
esse und deshalb einen aktiven Anteil an der Ausbildung der portugiesischen Selb- 
stindigkeit gehabt. Ein tieferes Eindringen in den Stoff bestatigt diese Auffassung jedoch 
nicht. Im Gegenteil: die Kurie erstrebte damals auf der iberischen Halbinsel als oberstes 
Ziel die »Zusammenfassung aller Krifte zum Kampf gegen die Ungléiubigen«' und hat 
sich deshalb der Entstehung der portugiesischen Selbstiindigkeit lange Zeit hemmend in 
den Weg gestellt. Fiir Portugal war das ein Faktor von allergréBbter Bedeutung. Auch 
wenn sich die Paipste unmittelbarer Eingriffe in die Verhaltnisse der weltlichen Staaten 
enthielten, so war doch ihre Autoritaét auf der Halbinsel so groB, daB die Gewahrung 
oder Verweigerung ihrer Anerkennung fiir jedes jener kleinen Reiche von entscheidender 
Bedeutung sein muBte. Wichtiger noch war etwas anderes. Sowenig wie die deutschen 
Konige konnten die portugiesischen Herrscher auf die Mitarbeit der kirchlichen Organe, 
insonderheit des Episkopats, verzichten. Unterstand und gehorchte der portugiesische 
Klerus kastilianisechen oder leonesisechen Kirchenfirsten, so war auch die staatliche Los- 
lésung Portugals von den Nachbarreichen aufs fuBerste erschwert. Die kirchliche Organi- 
sation aber hing von den Papsten ab. Von ihnen die Anerkennung der staatlichen und 
die Schaffung der kirchlichen Selbstandigkeit zu erlangen, das muBte das letzte Ziel des 








1 Pp, Keane, Das Papsttum und der katalanische Prinzipat bis zur Vereinigung mit Aragon (Abhandlungen 
der PreuB. Akad. d. Wissensch., Berlin 1926, Phil-hist. KL Nr. 1, im folgenden zitiert als: Kear. Prinzipat) S. 52. 


1> 


4 C. Erpwans: 


So werden wir durch unseren Stotf geradeswegs in das Zentrum der damaligen Ent- 
wicklung Portugals hineingefiihrt. Plane uid Erfolge des Griinders der portugiesischen 
Dynastie, des Grafen Heinrich von Burgund. und seines Sohnes Alfons, des ersten Konigs 
von Portugal, erfahren so eine neue Belenchtung. Auch kénnen wir der portugiesischen 
Geschichte eine hedeutende, noch kaum gewiirdigte Gestalt wiedergewinnen in der Person 
des Erzbischofs Johannes Peculiaris von Braga. auf dessen Sehultern dureh vier Jahrzehnte 
hindurech fast die ganze Last der Verhandlungen mit Rom gelegen hat, und als dessen 
Werk wir es grobenteils ansehen kinnen, wenn Portugal sechlieblich durch die papstliche 
Anerkennung die Sicherung seiner Selbstindigkeit und zugleich die kirchliche Gleich- 
berechtigung mit den Nachbarn errungen hat. Fiir die Geschichte des Papsttums anderer- 
seits erscheinen alle diese Fragen zuniichst als peripherisch. Aber die Art. wie die Kurie 
das weit entfernte Lindechen mehr und mehr in ihren Wirkungs- und Herrschattsbereich 
hineinwachsen li®t und in dieser Richtung bestiindig Fortschritte erzielt. so sehr sie 
auch sonst manchmal den territorialen Bestrebungen der Portugiesen entgegenarbeitet, 
ist doch recht charakteristisch und bereichert unsere Kenntnis der Politik des mittel- 
alterlichen Papsttums nicht unwesentlich. 

AbschlieBendes freilich will und kann diese Arbeit nicht geben. Das wiire nach dem 
Stande der Forschung ein unmigliches Unterfangen. Sie will nur versuchen, zum ersten 
Mal durch eine terra incognita hindureh einen Pfad zu bahnen. Denn an Vorarbeiten 
herrscht groSer Mangel. und eine betrichtliche Schwierigkeit liegt weiter darin, daB wir 
die erzihlenden Quellen ftir unser Arbeitsgebiet fast véllig entbehren. Die Viten des 
hl. Gerald, des ErzbischofsS yon Braga. und des hl. Tello. des Griinders von S. Cruz de 
Coimbra. sowie die Historia Compostellana, die nebenher auch fiir Portugal einiges ab- 
wirft, geben uns hin und wieder eine Einzelnotiz, nicht aber, wie wir es sonst von den 
erzihlenden Quellen gewdhnt sind. den Faden der historischen Ereienisse selbst. Die 
eigentliche geschichtliche Entwicklung. ja grébtenteils auch die einfache Erzihlung des 
Tatsachenverlants. mufi aus den Urkunden herausgelesen und zusammengestellt werden, 
eine Schwierigkeit, die jeder zu wiirdigen vermag, der einen solechen Versuch sehon 
gemacht hat. Denn die unentbelirliche Vorbedingung daftir ist die miglichst restlose 
Sammlung des vorhandenen urkundlichen Materials. in diesem Falle der Portugal betreffenden 
Papsturkunden. eine Arbeit, die ich fiir das Unternehmen der Gesellsehatt der Wissen- 
schaften zu Gdttingen ausgefiihrt habe und deren Ergebnis bereits vorliegt!. Diese Arbeit 
war um so notwendiger. als noch nicht einmal die Hiilfte der erhaltenen Urkunden 
frilher bekannt war. So mag die folgende Abhandlung zugleich als Kommentar zu dem 
neugetundenen urkundlichen Material dienen: sie versucht aber doch vor allem. ein zu- 
sammenhingendes Geschichtsbild zu vermitteln. 


§ 1. Die ersten Beziehungen zwischen Rom und Portugal. 


Im Sommer 1084, als Gregor VII. vor dem Zorn der Romer zu den Normannen hatte 
fliehen miissen, sandte er seinen Vertrauten Jarento, den Abt von St. Benigne in Dijon, 
nach Coimbra zum Grafen Sisnand’. Noch niemals. soweit unsere Kenntnis reicht. war 
ein Sendling Roms bis hierher vorgedrungen. Die Gedanken und Pline Gregors aber er- 
reichten auch in jenem Augenblicke noch den duBersten Westen Europas, so wie 


sie sich 
schon immer nach dem fernen Osten gerichtet hatten. 


' oC. Erpwann, Papsturhunden in Portagal (Abhandlungen d. Ges. d. Wissenseh. za (ottinven. Phil-list 


KL. N. PL XX 3. Berlin r927). im folgenden atiert: Papstarh. in Port. 
> Hron vow FPravieny. MG.SS. VIE 463. 


Das Papsttum und Portugal im ersten dahrh. dir portuyiesischen Geschichte, 5) 


Coimbra war der wichtigste Ort desjenigen Gebietes. fiir das sich damals der Name 
Portugal einzubiirgern begann. Die Besonderheit der dortigen Zustiinde wird Gregor vor 
Augen gehabt haben, als er seinen Legaten entsandte. 

Nur die siidliche Halfte des heutigen Portugal, bis etwa zum Mondego, war durch 
die arabische Invasion in langdaucrnden Besitz der Muslime gekomimen. Die nérdliche 
Halfte war dureh den bald einsetzenden Gegendruck der asturischen Konige schon im 
8. Jahrhundert zwar nicht zuriickgewonnen, aber vollig verwiistet und entvélkert worden, 
so daB sie als ein groBes menschenleeres Grenzgebiet xi/liux domini die feindlichen Volker 
trennte’. In der zweiten UWilfte des 9. Jahrhunderts begann dann eine erfolgreiche Neu- 
besiedelung von Norden her. die sich noch durch fast das ganze 10. Jahrhundert fortsetzte. 
Die alten Bischotsstidte Braga, Viseu, Porto, Coimbra und Lamego wurden wiederauf- 
gebaut und zum Teil sogar als Bistiimer eingerichtet. Politisch aber war das Land ein 
Teil des Konigreiches Leon, durch dice verschiedenen Erbteilungen manchmal yon diesem 
abgetrennt, aber doch immer wieder mit ilun vereinigt. Die kirchlichen und kulturellen 
Verhiltnisse werden wir uns hichst primitiv vorzustellen haben. Die Bischote, soweit wir 
von solehen wissen. scheinen nicht in ihren Didzesen residiert. sondern sich am Hof der 
Kénige im Norden des Reichs aufgehalten zu haben. Zwar bestanden einige Kloster, deren 
hekanntestes Lorvao ist, aber ihre Wirksamkcit auf kulturellem (sebiet wird sehwerlich 
weit gegangen sein. Handschriften portugiesischen Ursprungs kennen wir vor dem 12. Jahr- 
hundert tiberhaupt nicht, und die nicht sehr zahlreichen erhaltenen Urkunden zeigen einen 
groBen Tiefstand der Schriftsprache. Von Bezichungen zum Papsttum horen wir nichts. 
Das Schweigen der Quellen besagt zwar bei der Diirftigkeit der Uberlieferung nur wenig: 
aber nichts berechtigt uns, das Bestehen soleher Beziehungen anzunelimen. 

Am Ende des 10. Jahrhunderts trat ein Riickschlag ein: die Muslime drangen bis etwa 
zum Douro vor und verheerten auch den fiubersten Norden Portugals, der noch christ- 
lich blieb, in hiutigen Ziigen. Kein einziges Bistum blieb bestehen. Erst nach der Mitte 
des 11. Jahrhunderts gelang es Ferdinand dem GroBen von Leon, das Verlurene wieder- 
zugewinnen. Das entscheidende Ercignis war die Einnahme Coimbras. die man ins Jahr 
1064 zu setzen ptilegt. Damit war die nérdliche [Malfte Portugals, bis tiber den Mondego 
hintiber, endgiiltig in den Besitz der christlichen Spanier gekummen, withrend die siid- 
liche Halfte, von einem voriibergehenden VorstoB der Christen abgesehen, maurisch blieb. 
Dies ist die militirische Lage, die wir bis zum ersten Drittel des 12. Jahrhunderts vuraus- 
zusetzen haben. Die Séhne Ferdinands bemiiliten sich erfolgreich um eine fortsclreitende 
Besiedelung ihres Gebiets. Etwa 1070 oder 1071 wird Braga wieder als Bistum einge- 
richtet, zehn Jahre spater auch Coimbra. 

Ks waren aber schwierige und eigenartige Verhiiltnisse, unter denen die beiden ein- 
zigen Bischéfe Portugals ihr Amt zu fiihren hatten. 

Von den fiinf Metropolen, die in der spanischen Kirche vor dem Arabereinfall be- 
stauden hatten, Tarragona, Toledo, Braga, Merida und Sevilla, war Braga dic erste, die 
wieder einen Bischof erhielt. Jalhrhundertelang scheint die nordspanische Kirehe ohne Metro- 
politanverband gewesen zu sein. Aber die grundsitzlichen Rechte Bragas, das das Haupt 
der Kirchenprovinz Galicien gewesen war, also seine Jurisdiktion fiber den ganzen Nord- 
westen der Halbinsel bis hin zum Douro oder auch iiber diesen hmaus crstreckt hatte. 


' Wel hierzu und zum tolgenden die Aufsatzreihe, die L.Gonxzsca pi Agiveno unter dem Titel »Idade 
media. Notas de historia ¢ eritiea: in der Zeitschrift Broteria. Ser, Vulyar, NNI--N NID ¢rg23 —24) und Nev, 
Pe serene ete.) TD (ioas--20) verdtfenthieht lint. 


6 C. Erpwanxy: 


Pedro von Braga (etwa 1070-- 1093) finden wir Urkunden. die von einer cuthedra metropoli- 
tuna sprechen’. Aber von ciner Durchsetzung solcher Anspriiche konnte keine Rede sein. 
Stadt und Didzese hatten durch die lange Kriegszeit so gelitten, daB das Bistum selbst nur mit 
Miithe seine Existenz fristen konnte. Es gelang dem Bischof auch nur unvollkommen, die 
Giiter und Parochien, die zu seinem Sprengel gehdrten, in seine Gewalt zu bringen. Zwar 
die Kirche von Lugo, der das Bragaer Gebiet ie solationis tempore verliehen wordét war’, 
hatte ihren Besitz zuriickgegceben; Bischof Vistrarius von Lugo hatte selbst bei der Wieder. 
einrichtung Bragas mitgewirkt. und die nachtriglichen Beschwerden seines Nachfolgers 
Amor blieben wirkungslos®, Aber auch andere Bistiimer hatten in den Jahrhunderten 
der Verwiistung Rechte auf Bragaer Gebiet erhalten. Der Bischof von Astorga hielt die 
Parochien von Ledra, Aliste und Braganca in seinem Besitz’, der Bischof von Santiago 
de Compostela beanspruchte sogar die Hilfte der Stadt Braya selbst mit den Kirechen 
St. Vietor und St. Fructuosus’, wahrend der Bischof von Mondonedo Rechte auf das vor 
den Toren Bragas gelegene Dume geltend machite®. All das liitte sich zuriickweisen lassen, 
wenn Braga einen Riickhalt an der Staatsgewalt gehabt hatte. Allein Bischof Pedro, noch 
yon Kénig Sancho erhoben, stand bei dessen Bruder und Nachtolger Alfons VI. nieht in 
Gunst. So spielte denn dasjenige Bistum, das auf der ganzen Halbinsel die héchsten Pri- 
tentionen hatte und von dem die organisatorische Zusammenfassung wenigstens des Westens 
hiitte ausgehen kénnen, im spanischen Episkopat die Rolle des Aschenbrédels. 

Anders sah es in Coimbra aus’. Hier hatte der Bischof Paternus (etwa 1080-1087) 
seine Didzese zwar nicht vollstiindig in seinem Besitz, da sie teilweise noch von den Mauren 
besetzt war. Datiir aber waren die Sprengel von Viseu und Lamego dem Coimbraer Bi- 
schot’ unterstellt. Coimbra selbst hatte jedoch durch die sieben Jahrzehnte moslemitischer 
Herrschaft, der es vor nicht allzu langer Zeit erst entrissen war. ein stark maurisches Ge- 
praige erhalten. Das mozarabische Element war in Stadt und Umgebung stark vertreten, 
tiberwog wohl zuniichst tiherhaupt. Der Graf von Coimbra, Sinn er bezeichnete 
sich selbst meist als Alvazir oder Consul , hatte urspriiuglich, wenn auch als Christ, 
unter maurischer Herrschaft gelebt und war aus dem Dienst des [bn Abad in den Fer- 
nandos des GroBen und seiner Séhne tibergetreten. Ahnlich lag es bei Bischof Paternus 
selbst: er war zuvor Bischof in der noch maurischen Stadt Tortosa gewesen, ist also wolil 
gleichfalls aly Mozaraber anzusprechen. Wir finden in jenen Jahren auBerdem noch ver- 
schiedentlich fremde Bischéfe in Coimbra anwesend, offenbar derselben Herkunft’. Wie stark 
nun die Untersehiede zwischen dem mozarabischen und dem rdmisch-katholischen Chiristen- 
tum waren, ist bekannt. Die Verbindung dieses am weitesten nach Stiden vorgeschobenen 
Postens mit der abendlandischen Gesamtkirche kann danach kaum sehr eng gewesen sein. 

Woher wohl Gregor von diesen Verhiltnissen Kunde bekommen den mag? Wir 
wissen es nicht. Mindestens aber tiber die Person des Grafen Sisnand war der Papst 





' Urkunde von 1072 Mirz 4 (Distriktsarchis Braga. Liber Fidei fol. 30 0. 75): rathede Bracarensis mitro- 
politan: Urkunde von 1073 August 3 hea fol 27 n. 66): baselica metropolitana, 
* Die Urkunden fiir Lugo cpeliets bei Risco. Espana Sagrada XI. 369 ff. n. r§---21, einige davon auch im 
Bragaer Liber Fidei. doch aphietnen mir nicht alle frei von Verdacht hinsichtlich wner Eehtheit. 
S. die »Chronica de Braga«. Liber Fidel fol. rr'n. 20. gedruckt (ohne die Zeugenliste) bei A. Brawpin 
Monarehia Lusitana TT lib. 8 ¢.5 fol. ro". Espafia Sayrada XI. roo. : ; 
* Papsturk. in Port. S$. 159g n. 6. 
Chroniea de Braga s. 0. Papsturk. in Port. 8.138 n.5. Historia Compostellaua lib. re. 1 (Esp. Sagr 
XX 36f)). : eae 
» Papsturk. in Port. S.rrr und S.rs7 u. 4. 
Uber Coimbra und den Grafen Siknand vgl. jetzt besonders Goxzica por AvEvEDU in Brcasiae Mages 
ete. TED (1926) 177- -187 eee 
~ Papsturk. in Date S.16r ney. 


Das Papsttiim und Portugal im ersten Juhrh, der portugiesischen Geschichte, ( 


orientiert. denn an diesen war das Empfehlungsschreiben gerichtet. mit dem Abt Jarento 
ausgeriistet wurde. Man braucht keinen besonderen Scharfsinn, um den Zweck der Legation 
Jarentos zu erraten: offenbar sollte eine erste Verbindung hergestellt. die Angliederung 
des fernen Grenzlandes an den Organismus der rémischen Kirche vorbereitet werden. 
Auch war es sicher kein Zufall. da Gregors Wahl gerade auf einen Abt fiel: hier. wo 
es sich nicht um ein gréBeres politisches Unternehmen handelte, sondern um Kleinarbeit 
auf einem noch allgemein zuriickgebliebenen Gebiet, konnte der Anfang am leichtesten 
beim Ménchtum gemacht werden. Eine Erneuerung der Kléster im Sinne der franzisisclen 
Reformkléster konnte hier wie anderwirts die Grundlage fiir die Festsetzung des rémischen 
Einflusses bilden’. Dazu sollte dann sicherlich die Einfiihrung des rémischen Ritus kommen, 
um die sich Gregor, wie bekannt, in ganz Spanien eifrig bemiiht hat. Die Entsendung 
Jarentos war ein Glied des gregorianischen Gesamtprogramms und sollte dazu mithelfen. 
Spanien in das Kigentum des heiligen Petrus, dem es ja angeblich immer gehért hatte, 
tiberzufiihren. 

Jarento aber hat den erhaltenen Auftrag nicht ausgefiihrt. Er gelangte zunachst nach 
Frankreich und entschlo8 sich, zuvor sein Kloster in Dijon aufzusuchen, wo ihn wichtige 
Geschifte lingere Zeit aufhielten. Dann kam die Nachricht vom Tode Gregors, und 
seitdem ist von der Legation nicht mehr die Rede*. Das Versiumnis hat sich gericht. 
Fiinfzig Jahre sollten vergehen. bis das portugiesische Klosterwesen die Verbindung mit 
Rom aufnahm, und noch im ganzen 12. Jahrhundert hat die Kurie an den Klistern in 
Portugal nur einen unvollkommenen Riickhalt gehabt. 

Doch auch fiir die Entwicklung des portugiesischen Episkopats war das Fehlen einer triih- 
zeitig gewounenen Fiihlung mit Rom nachteilig. Das zeigte sich schon nach wenigen Jahren. 

Das epochemachende Ereignis der spanischen Kirchengeschichte im 11. Jahrhundert 
war die Einsetzung des Toledaner Primats. Das denkwiirdige Privileg. das Urban U. 
dem Erzbischof Bernard von Toledo am 15. Oktober 1088 verlieh und gleichzeitig durch 
mehrere Begleitschreiben weithin bekanntmachte®. rief im spanischen Episkopat alsbald 
eine allgemeine Bewegung hervor. Es ist zwar niemals festgelegt worden, worin die 
Primatialrechte Toledos im einzelnen bestehen sollten. Nach der damaligen Theorie war 
der Titel des Primas gleichbedeutend mit dem des Patriarchen und bezeichnete die hichste 
Stufe in der Hierarchie: so wie eine Gruppe von Bischéfen einem Metropoliten. so unter- 
stand eine Gruppe von Metropoliten einem Primas, die Primaten ihrerseits nur dem Papst'. 
Aber das konnte im Falle Toledos, zunichst wenigstens, nicht die eigentliche Meinung 
sein, denn es gab damals auBer dem Toledaner selbst. dessen Erzbistum soeben wieder- 
hergestellt worden war, in ganz Spanien noch keinen einzigen Metropoliten. Deshalb 
wurde auch im Wortlaut des Primatsprivilegs der Primas unmittelbar zu den Bischéfen 
in Beziehung gesetzt’. In der Enzyklika, die an den spanischen Episkopat erging, wurde 
dies Verhiltnis niher dahin erklirt, dali der Primat stellvertretende Metropolitanrechte 





1 Vel. Kener. Prinzipat S. 35f. u. S. 53. 

2 MG. SS. VIT 465 ff 

a JL. 5366. 3367. 5370. 5371. 

* Vel. besonders JL. 5126 und 7576: Kenr. Rom und Venedig bis ins 12. Jahrhundert. in Quellen und 
Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken XIX (1927) 127. 

5 JL. 5360: Primatem te univers pracsuls Hispaniarum respicient et ad te, si quid inter eos questione dignun 
exortum furrit. refercut. Die nachfolyende Klausel: (s@le/s) metropolitanorum pricikgiis singulurum konnte sich 
nur auf den Erzbisehof von Narbonne und dessen Rechte in Katalonien beziehen, vgl. JL. 3417. Auch JL. 5371 
bezeichnet Bernard als pramatian ¢piseoporum omunium, qui tin Hyspaniis sunt. Die Adresse der Enzyklika JL. 
3370 lautet iin iiberlieferten Text allerdings: Terraconcnsibus ct ceteris Hispaniarum archiepiscopis, ist aber offer- 
bar nicht in Ordnung. 


8 C. Erpwann: 


einsehlieBen sollte’, ohne dafi fiir die Zukunft. wenn der normale Metropolitanverband 
wiederhergestellt sein wiirde. schon eine Entscheidung tiber das Verhiltnis zwischen Primas 
und Metropoliten getroffen war. 

Wem auch immer die Initiative zu diesem Schritt zukommt: es war ein glinzender 
Schachzug der Kurie. Nicht nur war in der neuen Hauptstadt des kastilianiscli-leonesischen 
teichs, das jetzt die Hauptmacht Spaniens war, die nattirliche Zentrale fiir die spanische 
Kirche geschaifen und in der Person des Erzbischots Bernard. des Landsmanns und 
Ordensgenossen des Papstes. der rechte Mann gewahlit. wm den spanischen Episkopat im 
romischen Sinne zu organisieren. Es war auch ein héchst wirksamer Anreiz fiir die 
spanischen Bischéfe gegeben, sich direkt mit dem Papste oder wenigstens mit den piipst- 
lichen Legaten in Verbindung zu setzen. Denn vielen von den Bischéten, die bis dahin 
frei und gleichberechtigt nebeneinander gestanden hatten. war die Unterwerfung unter 
den Toledaner. einen Neuling wnd Auslinder, nattirlich zuwider. Wo irgend wirkliche 
oder angebliche Rechte auf Metropolitanstellung oder doch Exemtion bestanden. da hegann 
es sieh jetzt zu regen. Um aber die interimistische Oberhoheit des Toledaners abschiitteln 
zu kénnen. brauchte man das Papsttum. So begann denn die Gliederung der spanischen 
Kirche zusammen mit ihrem eigentlichen Anschlu8 an Rom. Man kennt die Entwicklung 
der Verhiltnisse in Katalonien: dort wurde schon 1089 und 1091 die Metropolitangewalt 
Tarragonas. wenn auch zuniichst nur nominell und in Verbindung mit dem Bistum 
Vich, wiederautgerichtet. wobei. wie sich spiter zeigte, bei den Katalanen eine deutliche 
Opposition gegen den Toledaner Primat mit im Spiele war’. 

Eine unerwartete Wendung aber nahmen die Dinge im Westen der Halbinsel. 

Bernard von Toledo verlor keine Zeit. seine neue Machtstellung auch in der Provinz 
Gralicien. insbesondere in der alten Metropole Braga, geltend zu machen. Am 28. August 
1089 finden wir ihn in Gemeinschaft mit den Bischéfen Gonzalo von Mondoiiedo, 
Adericus von Tuy und Pedro von Orense in Braga. wo in feierlicher Weise die Kathedrale 
geweiht wurde’. Es ist natitrlich. dali Bischof Pedro von Braga im BewuBtsein der eigenen 
alten Rechte seiner Kirche die Oberhoheit des Toledaners mit MiSvergniigen ansah. 
Jedenfalls bietet es ein eigenes Interesse. zu sehen. wie der kirehliche Gegensatz zwischen 
Braga und Toledo. der sich spiter so eng mit dem politischen Streit zwischen Portugal 
und Kastilien verbindet und zu Zeiten geradezu ein Exponent des portugiesischen Un- 
abhingigkeitsstrebens wird. schon auftritt zu einer Zeit. wo es ein portugiesisches Staats- 
gebilde noch gar nicht gab. 

Daf& sich Pedro in jener Zeit um die Wiedererwerbung der Bragaer Metropolitan- 
stclung und damit um die Befreiung von den stelivertretenden Reehten Toledos bemithte. ist 
aus bestimmten Andeutungen der Bragaer Quellen mit Sicherheit zu entnehmen*. Es wird 


auch angegeben, daB er auf einer Synode in Gegenwart von Kardinilen — es wird in 
Wirkliehkeit wohl nur ein einziger Kardinal gewesen sein — mit seinen Bemiihungen ein- 


setzte. Wir haben dabei wohl an das Konzil von Leon zu denken, das der Kardinallegat 





1 IL. 3370: Qui autem restrum sine metropolitanis propriis sunt, ipsi (primati\ interim velut proprio subesse Arhebunt. 

* Krur. Prinzipat S. 444% und S. sr. 

? Distriktsarchiv Braga. Gav. 2 de propried. e rendas do Cahido n. 138. vel. J. A. Frrreimea. Fastos 
Episcopaes da Tereja Primacial de Braga I (Braga ra28) 198. (Das wichtige Werk von Ferrera. das vielfach, 
mit den Ereebnissen der vorliegenden Arbeit tibereinstimmt, an andern Stellen aber auch davon abweicht 
konnte erst bei der Korrehtur benutzt werden.) : 

! Liber Fidei fol. 49’ n. 145. ed. Branpao TH Wh. 8 ¢. 5 fol. 12: ed honorom ccelsiar sna recuyy randum 
rehementer desndavit. Liber Fidei fol. ri’ n. 20. edsebenda fol. rr: Sed pracdictus Petrus Bracharensis ‘piscopus 
non fuit talis merit, ut charus amicus Jiri posset regis +t ab ¢o vel a comprarsulihus atque cardinalibus in sont 
ad profectuim cocessac sua aliquid profuturuim mercretur impetrare. : 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte, ) 


Rainer von S. Clemente, der spiitere Papst Paschal IL, vermutlich in der zweiten Ilélfte 
des Jahres 1ogo abhielt. Aber Pedros Begehren wurde abgelehnt. vom Kénige sowohl, 
dessen Gunst er ohnehin nicht besa’, wie von den dibrigen Konzilsbischifen, die unter der 
Leitung Bernards von Toledo standen, und auch vom Kardinal. Da Galicien und Por- 
tugal noch zu Kastilien und Leon gehérten. verhinderten politische Griinde die Wiederher- 
stellung Bragas als Metropole. Die kiirzlich erst eingesetzte Zentralisation der spanischen 
Kirche, die olmehin durch die besondere Organisation Kataloniens schon eine Mindernung 
erfahren hatte, sollte wenigstens innerhalb des kastilianisch-leonesischen Reichs zuuiclist 
ungeschmiilert aufrechterhalten werden. Auch war die Stellung Bragas noch nieht aus- 
reichend stabil, um den erfolgreichen Bestand e¢iner Metropole zu sichern, und die Per- 
son Pedros. der von dem neuen cluniazensisch-reformerischen Kirchenwesen sicherlich nichts 
wuBte, befriedigte wohl auch nicht. 

Aber man latte mit dem Ehlrgeiz und Trotz dieses Bischofs nicht gerechnet. Ver- 
weigerte ihm der Vertreter «les Papstes Urban IH. sein Recht, so gab es noch einen Gegen- 
papst, Wibert von Ravenna. der sich immer noch in Italien. zeitweise sogar in) Rom 
selbst behauptete. Wibert wird hocherfreut gewesen sein. als Bischof Pedro, walirschein- 
lich Anfang rogrt, bei ihm erschien und um Verleihung des Palliums und cines Metro- 
politanprivilegs nachsuchte. Denn nun konnte der Gegenpapst sich auch einer Obedienz 
im fernen Spanien riilmen. wo sich sonst niemand um ihn kiimmerte, wihrend Urban TL. 
damals schon lebhafte spanische Beziehungen hatte. Pedros Wunseh wurde alshald er- 
fiillt: als schismatischer Erzbischof kehrte er in seine Heimat zuriick’, 

Es war ein ktihnes Unternehmen. dessen Miblingen sich hatte voraussehen lassen. 
Dal der Primas Bernard von Toledo gegen den Rebellen und Sehismatiker vorgehen wiirde, 
war selbstverstindlich: und wie sollte Pedro dagegen aufkommen, wenn der Konig gegen 
ihn war? Wie lange er sich nach seiner Rickkehr tiberhaupt noch behaupten konnte, 
wissen wir nicht. Jedenfalls war das Ende, da® Bernard ihn fiir abgesetzt erklirte und 
ihn bis zu seinem Tode in ein Kloster einsperren lieB. Das geschah vielleieht schon auf 
dem Konzil. das Bernard am rr. April 1092 in Husillos abhielt*. spfitestens wohl aber 
im Frithjahr 1093. Pedro fand an niemandem eine ausreichende Stiitze: Kardinal Rainer 
hatte doch recht gehabt. wenn er Braga noch nicht fiir reif zur Metropolitanwiirde hiclt. 

Unter ungliteklichen Auspizien also stand der Anfang der rémisch-portugiesischen Be- 
ziehungen. Die Lage wurde noch dadureh verschlimmert, dal fiir Braga nach Pedros Be- 
seitigung Jahre der Unordnung und der Verwaisung des Bischofsstuliles kamen’. So geschah 
es auch. daB die nachste giinstige Gelegenheit zur Ankniipfung mit dem Papsttum und 
Auslischung der Erinnerung an die Wibert-Episode ungeniitzt voriiberging: der tranzosische 
Aufenthalt Urbans II. in den Jahren 1og5 und 1096 mit den Synoden von Clermont und 
Nimes. Damals haben zahlreiche spanische. auch galicische Kirchen die Verbindung mit 
der Kuric aufgenommen oder gefestigt: Dalmatius von Iria-Compostela erwarl fiir seinen 
Sprengel. vor alters ein Suffraganbistum Bragas. sogar die Exemtion’. Braga aber war 





' Vita b. Geraldi ed. Baruze-Maysr. Miscellanea 1132 ¢.6: pallum ef privileqium a papa Clhament acerput, 
Pedro selbst unterschreibt nach seiner Riickkehr in Urkunden vom 22. April und 22. duni rog1 als archy jie 
scopus (Portuzaliae Monumenta historica, Diplom, et Chart. 1447 n. 749 und ys0 1.75510 Thomas ah incor. 
natioue. HElistoria eeclesiae Lusitanae I] 182 identitiziert Pedro mit dem Bischof Panlus Munoz (son Oca}, der 
im Jahre 1074 vou Gregor VIL mit einer Empfehlung an Alfons Vi. zuriickgesandt wurde (JL. 4871). und 
sehlieBt daraus unter volliger Vernachlissignng der Chronologie. Pedro habe spater BuBe getan und sei vom 
Papste wieder in Goaden augenommen worden. Das ist natiinlich reine Phantasie. 

2 Port. Mon. Hist. Diplo et Chart TP4ston.773: in der Datierung ist frei statt preero zu lesen. 

Vita b. Geraldi aca, QO. e. 3 und s. 

tL. 3601. 


Phil.-hist. Abh. 1928, Neo. a 


10 C. Erxpw ann: 


trots sciner alten Rechte nicht vertreten und ging deshalb leer aus. In der Zeit, die sonst 
fiir die Angliederung Spaniens an Rom die wichtigste ist, den Pontifikaten Gregors VIL. 
und Urbans IL. steht Portugal noch géuzlich beiseite. Whe darin cin Wandel eintreten 
konnte. muBte sich erst dic allgemeine Lage des Landes wesentlich andern. 

Bislang hatte Portugal oline jede cigenc Organisation zum Konigreich Leon gehért. 
Die Stellung der Grafen Sisnand und Nuno in Coimbra und Porto war keine andere als 
die ihrer zahlreichen Amtsgenossen in den tibrigen Teilen des Reiches Alfons VI. Das 
weitere Vordringen nach Sitiden im Jahre 1093 veranlafte nun den Konig, eine Grenzmark 
zu bilden, indem er cine Gruppe von Grafschaften vereinigte und daraus cin Gebiet schuf, 
das den Charakter eines besonderen, wenn auch abliingigen Fiirstentums erhielt. Zunichst 
im Jahre 1094 gab er seinem Schwiegersohn Raimund von Burgund ganz »Galicien« bis 
hinunter zur Maurengrenze. Ende 1095' aber trennte er das Gebiet siidlich des Mito von 
(valicien ab und gab es seinem zweiten Schwiegersoln Heinrich von Burgund, dem Vetter 
Raimunds. Das ist der Anfang der Grafschaft Portugal, die nun erst als besunderes 
staatliches Gebilde in die Geschichte eintritt. Die spitere Entwicklung leet den Gedanken 
nahe. dal} Graf Heinrich von Anfang an danach gestrebt hat, seine Grafschaft zu einem 
selbstindigen Reich zu machen. Sicher ist. daB er in seinem Gebiet eine weitgehende 
Gewalt ausgetibt und zum spiiteren Sonderleben Portugals den Grund gelegt hat. 

Das machte sich besonders auf kirchlichem Gebiete geltend. Als Verwandter des fran- 
zésischen Kénigshauses und des »Abtes der Abte«e Hugo von Cluny hat Tleinrich dafiir 
gesorgt, dab die franzisischen Cluniazenser, die seit Jahrzchnten die wichtigsten Traiger 
der Kirchenreform im inneren Spanien waren und die Verbindung mit dem Papsttum 
herstellten, nun auch in Portugal ihren Einzug hielten. Er hat im Verein mit dem in- 
zwischen zum pipstlichen Legaten erhobenen Erzbischof Bernard yon Toledo die beiden 
damals hestehenden Bistiimer Portugals mit franzisischen Monchen besctzen lassen. Das 
arg vernachlissigte Braga erhielt den fritheren Minch von Moissae (verald zum Bischof. 
wiihrend in Coimbra Mauritius eingesetzt wurde, der aus dem Limousin stammen soll’. Heinrich 
konnte sicher sein, daB ihm diese MaSnahme auch die papstliche Gunst, auf die er als 
eifriger Maurenbekiimpfer ohnehin Anspruch hatte. gewinnen werde*. Denn diese Franzosen 
brachten natirlich den rémischen Ritus ins Land und machten dem mozarahischen ein Ende. 

So konnte endlich daran gedacht werden, auch die direkte Verbindung mit Rom auf- 
zunehmen und, was das Dringendste war, die Metropolitangewalt Bragas wicderherzustellen. 
Inzwischen war der Kardinal Rainer, der einst die Bitten des Bischofs Pedro abgeschlagen 
hatte, als Paschal IL. Papst geworden, und die seinerzeit gemachten schlimmen Erfahrungen 
moégen ihn nachgiebig gestimmt haben. Zur Zeit Pedros hatten die politisehen und per- 
sonlichen Voraussetzungen fiir die Wiederherstellung der Metropole gefehlt: jetzt waren 
sie gegeben. Leider haben wir gerade hier keine unmittelbaren Quellen. Wir wissen 
nicht. ob Gerald sich damals schon selbst nach Rom begeben, auch nicht, welche Rolle 





1 Bis zum August 1095 ist die Grafengewalt Raimnnds in Coimbra und Santarem urkundlich nachgewiesen,. 
s. J. P. Riserro. Dissertagses chronologicay HI. b 32f.n 96 und oz. Erst vom Dezember desselben Jahres an 
(ebenda n. 98) tritt dort Heinrich als Graf aut. Trotzdem hat Herevraso (Historia de Portugal 5 478 NVIV), 
dessen Chronologie bis heute anerkannt ist. den Beginn der Herrschaft Heinrichs auf Ende 1094 oder Anfang 
1095 gesetzt. weil er die Wall Geralds von Braga. bei der Hemrich nach der Nachricht des Liber Fidei schon 
mitgewirkt hat. schon so friih ansetzt. Letzeres ist aber irrig, vel. A. Frio. A Catedral de Braza S. 13 und 
Ferreira S. 208. Damit wird auch Hererianos Annalime, da Heinrich zunichst seinem Vetter Raimund 
unterstellt gewesen sei. hinfallig. 

2 Vita b. Geraldi a.a. O. S.132 ¢. 4. Liber Fidei bei Branpbav IIL lib. S e.8 fol. 17. Uber Mauritius vel 
meinen Aufsatz: Mauritius Burdinus (Gregor VIIL) in Quellen und Forsehungen aus italienisehen Archiven Gel 
Bibliothehen NIX (1927) 207 f. 

* Val. auch Papsturk. in Port. S. 104 n, UF. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugicsischen Geschichte, 11 


Graf Heinrich dabei gespielt hat. Es steht nur soviel fest. dal} Pasehal II. schon 1ogy 
oder 1100 eine grundsitzliche Entscheidung zugunsten der Bragaer Rechte getrofien hat, 
und dab dies auf dem Konzil von Palencia. das Kardinallegat Riehard von Marseille am 
5. Dezember 1100 abhielt, anerkannt worden ist’. Im Wortlaut erhalten ist uns cin Breve 
an die Bischéfe Spaniens, in dem Paschal Il ein Jahr spiiter. am 28. Dezember 1101, 
seine Verftigung wiederholt und allgemein diejenigen Bischéfe, die nach altem Reeht zur 
Proving Braga gehérten, zum Gehorsam gegen den neuen Metropoliten auffordert*. Wer 
die Suffragane sein sollten, war noch nicht bestimmt, auch ein Metropolitanprivileg selbst 
offenbar noch nicht erteilt. Wir k6nnen es vorher bei der Wiederherstellung Tarragonas 
und nachher bei der Erhebung Compostelas zur Metropole beobachten, dali die Kurie es 
vermied, die Entscheidung tiber die kirehliche Einteilung mit einem Mal zu treffen. 
So vollzog sich auch im Falle Bragas die WiederhersteHung der Metropole in zwei Etappen. 

Wahrend noch dieser vorliufige Zustand andauerte. wurden durch ein unvorher- 
gesehenes Ereignis die Dinge erneut in FluB gebracht. Bischof Diego von Compostela. 
in den kommenden Jahrzehnten die wichtigste Persdnlichkeit der spanischen Kirche, 
erschien im November 1102 in Braga, um seine Anspriiche auf die Kirchen St. Victor 
und St. Fructuosus geltend zu machen. Erzbisehot’ Gerald. der bis dahin in guten Be- 
ziehungen zu Diego gestanden hatte, auch selbst Kanoniker von Santiago geworden war’. 
nahm ihn freundlich auf. Diego aber benutzte seinen Aufenthalt. um heimlich aus den 
dortigen Kirchen die wichtigsten Reliquien. den Stolz Bragas, zu stehlen und nach 
Compostela zu bringen. Das Aktenstiick tiber diese framslatio. autgezeichnet von einem 
‘Teilnehmer, dem Archidiakon Hugo, und in die Historia Compostellaua cingefiigt. feiert 
das pium lutrocinitum mit voller Naivitét als eine von Gott eingegebene GroBtat’. In 
Braga aber war die Emporung gewaltig: bis auf den heutigen Tag hat man den Compo- 
stelanern iliren Raub nicht vergessen. 

Nun machte sich Gerald persinlich nach Rom auf. Nicht nur sein Reeht gegen 
Diego wollte er sich holen, sondern auch die Stellung seiner Kirche suwie verschiedene 
einzelne Zwistigkeiten ins reine bringen. 

Es scheint, daB damals auch Grat’ Heinrich mit dem Erzbischof nach Rom gezogen 
ist. Wir wissen. daB er im Mai 1103 auf ciner Kreuztahrt war. offenbar aber nicht 
bis ins Heilige Land gelangte, da er schon vom Februar 1104 ab wieder in Spanien 
testgestellt ist’. Der Grund seiner Umkehr kann kaum zweitelhatt sein: Urban {l. sowohl 
wie Paschal II. haben wiederholt den Spaniern die Paliistinafalrt verboten und alle diejenigen. 
die sie auf dem Wege ins Heilige Land fanden. heimygeschickt. Da nun der damals ge- 
wohnliche Weg die Jerusalempilger aus dem westlichen Europa olmehin ther einen der 


1 Vita b. Gevaldi S.132e.6. Vira am Boletin de la R. Academia de Ja Historia (Madrid) XXIV 221. 
Um ein Metropolitanprivileg kann cs sich daber noch nicht gehandelt haben: auch besaB® die Bragaer Kirche 
schon am Ende des 12. Jahrhonderts hein dlteres Papstpriviles als das von 1103. 

* Frias S. 216: quéeumygue vestrian commissas sila coch was ca antigay init euqnoccet ad Bracharensem metro 
polim pertiners, eonerabili fratry nostro Guirardy ...obebientian .. rriheaut, Zany Dauernne dieser Urkunde ins 
Jahr tror val. Papsturk. in Port. 5.382 mn. 160 Abs. 5. 

Historia Compustellana lib. toe. 20 (Uspafia Sagrada NX 7h. 

! Hist. Comp. lib. re. 13 8. 36-42. 

* Dieser Sachverbalt ist jetzt von Gonzaga, pe Azivrpo ino Groteria, Ser Fe ete. b tig23)) 317—32 
erwiesen, Gonzo, po Azvevipe uimmt an. Graf Heinrich habe sich dem von Raiser Heinrich IV. seplanten 
Kreuzzue ansehlicben wollen. und das Nichtvustandehommen dieses Keeazzugs set anch der Grand seiner 
Umkehr gewesen. Aber daB der Graf anf die vagen. zundebst den PriedensselituB mit den: Papst: voraus- 
setzenden Ankiindigungen Heinrichs hin (vel. Vivir vy. Keosac. Jahrbiieher Vorg3fa schon anfyebrochen 
ist. erseheint aly ebenso unwalrseheinich. wie daly er iberhaupt an ocinen Lintiitt im das Heer des dentsehen 
Raisers eedacht hat. 


‘ 


12 (. Erpuawn: 


unteritalienischen Tiiten filrte, wo man ein Schiff bestieg. spricht alle Wabrscheinlichkeit 
dafiir, da®B Heinrich im Jahre 1103 mit dem Papst in Berithrung kam. welcher ihn dann 
von der Fortsetzung der Kreuzfahrt abhielt. Das mag schon im Friihjahr 1103 gewesen 
sein. zu welcher Zeit Erzbischof Gerald in Rom war’. und in diesem Falle kénnen wir 
sicher annelhmen. daf Grat' Heinrich sieh perséniich in Rom um die Bragaer Angelegen- 
heiten gekiimmert und die endgiiltige Entscheidtmg bei Pasehal erlangt hat’. 

Denn nunmehr erkaunte der Papst Braga detinitiv aly Metropole Galiciens an und 
verlieh Gerald das Pallium und ein Privileg, welches leider verloren ist. sich aber aus 
den jetzt ans Licht gekommenen Fragmenten in allen wesentlichen Teilen rekonstruieren 
liBt". Vor allen Dingen machte cr nun die Suffraganbistiimer namhaft und entschied 
dabei in einem fiir Braga sehr giinstigen Sinne. Denn Gerald erhielt nicht nur die un- 
zweifelhatt zu seiner Provinz gehiérigen altgalicischen Bistiimer Astorga. Lugo, Tuy. 
Mondonedo. Orense und Porto zugewiesen —~ nur Iria-Compostela. das von Urban II. 
eximiert worden war. fellte dabei —. sondern auch Coimbra mit den beiden noch nicht 
wiedlerhergestellten. von Coimbra aus verwalteten Bistitmern Viseu und Lamego. Rechtlich 
war die Zugehdrigkeit dieser drei Dijzesen zur Bragaer Provinz mehr als fraglich. und 
Paschals Entscheidung hat denn auch dureh das ganze 12. Jahrhundert hindureh die 
heftigsten Kiimpte ausgelést. Aber politisch war eben dieser Gewinn fiir Portugal das 
wichtigste. Denn Coimbra war der bedeutendste Ort Portugals und hatte besonders durch 
seine Lage nahe der Maurengrenze die gréBte Zukuntt Von dort muite die weitere 
Eroberung ausgehen, und wenn gerade dieses Bistum mit seinen Dependenzen vom Nach- 
harlande abhingig blicb. dann war wenig -Aussicht auf Bildung ciner besonderen portu- 
giesischen Kirche vorhanden. Wenn dic Kuric sonst grundsiitzlich an der elrwiirdigen. 
aus dem Proyinzenschema des altrémischen Reichs herstammenden kirchlichen Einteilung 
festhiclt. so wurde doch hier schon zugunsten der bestehenden politischen Verhiiltnisse 
eine Ausnalme gemacht. 

Gerald lieB sich bei der Wichtigkeit des Bistums Coimbra gerade an den dortigen 
Bischof noeh ein besonderes Mandat mitgeben, das ihm als Suffragan den Gehorsam 
gegen den neuen Metropoliten anbefahl. Dasselbe wurde auch dem = widerspenstigen 
Bischof Gonzalo von Mondonedo befvllen, diesem auberdem wie dem Bischof Pelagius 
von -\storga auch die Herausgabe der zu Braga gehérigen Orte Dume, Ledra, <Aliste 
und Braganca. Weiter lieS Paschal an Graf Raimund von Galicien ein in sehmeichel- 





+ DaB Gerald im Jabre rr0o3 nach Rom gereist ist. wird auch clureh cine Urhunde des Liber Fidei 
(fol. gs’ n. 322 == fol. 133 un. 051) erwiesen. val. dariiber Ferrera S. 2181, 

“= Heinrich ist. soweit ich sehe. zuletzt am ro. Februar rro3 in Cea festzustellen (Santiago. Kapitels- 
archiy. Tumbo A fol. 27. gedruckt bei A. Loprz Frurerimo, Historia de la Iglesia de Santiago IL App. S. 54 
no 17) Wenn er bald danach aufbrach. konnte er Ende Viirz in Rom sein. Fite seine Anwesenheit am 
papstlichen Hof spriclit auch. daB Gerald mit einem Empfeblonesbriet fity Graf Raimnid von Galieien aus- 
geriistet wurde (Papsturk. in Port. S.156 n. 3) wahrend wir em entsprechendes Selireiben an Grat Heinrich 
nicht khennen. 

S. die Zitate Papsturkunden in Port. S. 281 noon Abs. 17. 8. 313 ne rro Als. 17 and 8. 322 n. 110 
Abs. 25. Die Adresse lautete danach: Bracarciis netrapols cpiscopo. Der Text enthielt den Satz: Presentiv 
itaque previlrga pagina utsta peticionem tam, harissime frater Gorard. Bracarinsi ae tropol: Galltiam provincia 
rfain ca cpiscopalium cathedrarum urbes redutyranus, id ost Austurncam, Lnenm. Tudam, Mindonium. Auriam. 
Portugalom, Colimbriam, ct episcopalis noninis mine oppida Viscum +t Lamenm. Ein Vergleich zeigt die ardBten- 
teils wortliche Chereinstimmung mit dem Privileg Calixts HT. (ebenda So r7z4q om. 21 und wir honnen anuelimen. 
daB das Formular fiberhaupt im allgemeinen das gleiche. das Ineipit also Bracarcasem metropolum ge esen 
sein wird. Das Privileg besaB Seriptumzeile und papstliehe Untersehrift und war aus dem vierten Pontifikats- 
jahr Paschals I. Die Bleibulle wird uns so ant beselirieben. daB wir sie als die Bulle Paschal n. 2 (bei 
Pervok-Hariresc. Die Bullen der Papste S. 202) identifizieren honnen. Mit Riicksicht anf die Zusammen- 


eehorigheit amit den fiinf Breven Papsturk. in Port. S. 130m. 3—7 ist das Privileg gum 1. April 1103 7u setzen. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, dir portuyiesischen Geschichte, 13 


haften Ausdriicken abgefaBtes Emptehlungsschreiben fiir Gerald ergehen. Alle diese Briefe, 
yom 1. April 1103, sind uns erhalten’. 

Gleichzeitig wurde nun aueh an Diego yon Compostela ein Breve gesandt. das yon 
besonderem Interesse ist. Diego muB es doch damals schon in der Gunst der Kurie 
weit gebracht haben, denn Paschal behandelte ihn sehr glimptlich. Den Reliquienraub 
lieB er als vollendete Tatsache bestehen. erwihnte ihn tiberhaupt nicht direkt. sondern 
besehriinkte sich auf eine Icise tadelnde Andeutung*. Dattir aber wies er die Anspriiche 
Diegos auf die halbe Stadt Braga zuriick. Gerald sollte gewissermaBen mit dem Verlust 
der Reliquien die volle Herrschatt tiber seine Didzese erkauft haben. 

Im ganzen war diese Reise Geralds ein bedeutender Erfolg fiir Braga und Portugal. 
Einen Wermutstropfen aber lieB Paschal doch noch in den soregfiiltig gemischten Wein 
fallen: er gewiihrte Gerald in der teierlichen Adresse des Pallitunprivilegs nieht den Erz- 
bischotstitel, sondern machte ihn zu einem »Bischof der Metropole Braga«’. Vergleicht 
man dies mit dem Sprachgebrauch Gregors VIL'. so ist zu sehlieBen. daB in der Ver- 
weigerung des Erzbischotstitels cine Unterstellung unter die Gewalt eimes Primas, also 
des Erzbischofs von Toledo, ausgedriickt war. Bernard yon Toledo hatte inzwischen 
schon im Jahre 1093 die héhere Wiirde eines pipstlichen Legaten erhalten. und seitdem 
tritt seine Primatialgewalt in den Hintergrund. Aber die Legatenwiirde bezog sich aur 
auf seine Person und konnte ihm jederzeit wieder entzogen onde ‘n. wihrend der Primat 
seiner Kirche von selbst auf seine Nachtolger tiberging. Die grundsiitzliche und dauernde 
Oberhoheit Toledos titber Braga wollte Paschal immer noch autrechterhalten wissen, so 
wie die Oberhoheit Kastiliens tiber Portugal damals noch von niemandem bestritten wurde. 

Die Hauptsache blieb aber doch. da jetzt die Bragaer Rechte fiber ganz Galicien 
und Portugal anerkannt waren. Damit war auch die Einbezieliung Portugals in das 
Wirkungs- und Eintlubgebict Roms in die Wege geleitet. Vier Dinge waren es. aut’ die es 
beim AnschluB ganz Spaniens an Rom hauptsichlich ankam: der hierarchische Aufbau des 
Klerus mit der Spitze im Papst. dler rémische Ritus. das kanonische Ehereeht und die von 
Rom aus geleitete Organisation der Kléster mit der besonderen Einrichtung der piipstlichen 
Kigen- und Schutzklister. Die Stellung des Klerus hing nattirlich in erster Linie vom 
Episkopat ab: auBer Gerald hat sich auch Mauritius von Coimbra am 24. Marz rior in 
Rom ein Privileg geholt’. Von beiden Bischiten wissen wir ferner, das sie auch die 
Priesterweihen nach der consurtudo Romane volizogen haben’. und die Beobachtung des 
romischen Ritus im Kult kann bei ilnen als Franzosen olinehin nieht zweifellaft sein. 
In Fragen des Eherechts kennen wir eine Entscheidung Paschals IL, die in erster Linie 
an Gerald gerichtet ist’. und die Vita dicses Pralaten erziéhlt uns ausdriicklich von seinem 








1 Papsturk. in Port. S. 150th nm. 3. 4.6 U7, 

2 Papsturk. in Port. S. 3S 1. 5: Mee cnram dectteecelisras ecb cochsasticos vrivos hususinads dolis aut oio- 
lintia w unricem elreumernrt. Dis in dieser Urkunde erwilinten geste reféera sind offenbar die sos. »chronica 
de Braga» des Liber Fidei (s. oben 8.6 Anm. 3). die keine Chronik. sondern eine urkundliche Notitia ist. Ver- 
niatiiel: lieB Erzhischof Gerald sie eben fiir seine Reise zum Papst ausfertigen. Jedenfalls kann ihre weit- 
gehende Ubereinstimmung mit der Urkunde Paschals kein Zufall sein. 

* Papsturk. in Port. S. 322 mn. iro Abs. 25. Im Text der erhaltenen pipstlichen Urkunden jener Zeit 
wird 6tters der Erzbischof\- oder Bischotstitel siehtlieh vermieden. einmal (ebenda S. rs9 n. 3) lesen wir cpeseopuy. 
An andern Stellen erscheint archicpiscopus, aber da alle diese Stiiche mur absehriftlich tiberliefert Sind. ist das 
nieht unbedinet zuverliissig. Immerhin ast denkbar. da® sich der Erzbisehotstitel. der von Gerald und seiner 
Umegebung selon angst eebraueht warde., auch in manche Papsturkunden vinselilich: das MaBaebende aber 
blieb die Adresse des Privile es. deren Cherlicferung gesichert ist. 

4 Kener, Rom und Vene dig ae ins 12, Jahrhundert. in Quellen und Forsehungen aus italienischen 
Archiven und Bibliothehen NIX (6927) 1£0. 

* Papsturk. in Port. S. rsp on. 2. 

e Papstark. in Port. S. root. pS und «. als 5901. 


l4 C. Erpwann: 


Vorgehen gegen »inzestuose« Ehen’. Nur das Klosterwesen lag in Portugal noch im 
argen, und Schutzkléster besa} dort der rémische Stuhl damals noch nicht. 

Bei dem ganzen Vorgang driingt sich eine Beobachtung auf: im Unterschiede zu 
Spanien vollzog sich in Portugal der Anschlu8 an Rom aut die Initiative der Portugiesen, 
nicht aut die des Papsttums. Das mag mit dem Charakter Paschals IL, der schwicher 
und passiver war als seine Vorgainger, zusammenhingen. Aber die Kurie konnte sich 
auch ihre Zurtiekhaltang hier schon erlauben und abwarten, bis die Portugiesen zu ihr 
kamen. Nachdem Gregor VIL und Urban I. ihre Autoritéit in Kastilien. dem Kerne der 
spanischen Lander. durch wolltiberlegtes Eingreifen aufgerichtet und gefestigt hatten. 
konnte es nicht ausbleiben. dal das kleine Teilgebiet im Westen um seiner selbst willen die 
Verbindung mit Rom suchte. Paschal I. konnte ernten. was seine Vorgiinger gesiit hatten. 


§ 2. Mauritius von Braga und Diego von Compostela. 


Zwei Vodesfaille waren es, die in den letzen Jahren des Grafen Heinrich die kirch- 
liche und politische Lage Portugals verinderten. Im Dezember 1108 starb das allgemein 
angesehene Haupt des portugiesischen Klerus, Erzbischof Gerald vou Braga. Nach einem 
halben Jahr folgte ihm der Oberherr des Landes, Konig Alfons VI. von Kastilien, durch 
dessen Tod die ganze Halbinsel in verhiingnisvolle Wirren gestiirzt wurde. 

In Braga wurde zu Anfang 1109 der bisherige Bischof von Coimbra, Mauritius, zum 
Nachfolger Geralds gewiihlt. Er war, wie wir aus seiner Laufbalin schlieBen dirfen, 
ein unruhiger Geist und hatte bei aller Geschicklichkeit im Verhandeln doch cine un- 
gliickliche Hand in politischen Dingen. Die entscheidenden Augenblicke fanden ihn immer 
auf der verlierenden Seite, und seine Iandlungsweise hat die portugiesische Kirche zum 
guten Teil um die Errungenschaften des letzten Jalrzelnts gebracht. 

Zunichst freilich verlief alles normal. Im Friihjahr 1109 war Mauritius in Rom und 
erhielt von Paschal H. die Bestitigung seiner Translation von Coimbra nach Braga, das 
Pallium und ein Privileg’. Nach seiner Riickkehr schlof er mit Diego von Compostela, 
der seine Bragaer Anspriiche keineswegs aufgegeben hatte, ein Abkommen. indem er sich 
mit der Hilfte des Compostelaner Besitzes in Braga und Cornellana belelnen lieB und 
Kanoniker von Santiago wurde*. Aber er geriet --- wenn auch zundchst ohne seine Schuld - 
mit dem damals noch machtigsten Mann der spanischen Kirche, Bernard von Toledo, in 
Zwist wegen des Bistums Coimbra. 

Der Streit der Bischéfe um die kirchliche Einteilung und um die Zuweisung der ein- 
zelnen Didzesen zu den verschiedenen Provinzen nimmt in der niichsten Zeit innerhalb 
der Beziehungen Portugals zum Papsttum den vornelimsten Platz ein. Der Historiker. der 
sein Augenmerk auf weitere Zusammenhinge zu richten liebt, mag geneigt sein. diese Aus- 
einandersetzungen als ein mehr oder weniger alltiigliches Geziink und als geschichtlich 
minderhbedeutend beiseitezulassen. Aber das ware eine Verkennung der Sachlage. In 
jener Zeit, wo sich im Vordringen gegen den Islam fiir Jahrhunderte hinaus, ja teilweise 
his auf den heutigen Tag die Staatswesen der iberischen Halbinsel bildeten. wo aber 
die kirchliche Organisation in mancher Bezielung der staatlichen vorasging, war es von 





1 Vita b. Geraldi S.133 ¢. 8 undo. 

2 Quellen ond Forschungen XIX 211 Anin. 7. Die Abwesenheit des Mauritius von Braga fallt in die Zeit 
zwischen dem 5. Februar und dem 22. Juli t1og. vgl. Card. Sariiva. Obras completas T 121. Tin Liber Fidei 
fol. 187 n. 6y4 stelt cine Urkunde vom 20. April rrog. die durch den Satz: se ill archicpiscopus rcersus fur rit 
auf die Abwesenheit des Mauritius hinwerst. F 

Hist. Compost. lib re. 81 S. 4s. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jauhrh, der portuyicsischen Geschichte, 15 


entscheidender Wichtigkeit, in welehen Rahmen die Territorien auch in kireblicher Hin- 
sicht eingespannt wurden. Der persénliche Ehrgciz der Kirchentiirsten verband oder tiher- 
schnitt sich in der mannigfachsten Weise mit den politischen Tendenzen der Fiirsten, oft 
von ihnen abhiingig, manehmal sie stiitzend und vorwiirtstreibend, oder auch ihnen hinder- 
lich. Man denke nur an die ostdeutsche Geschichte, die ja eine fihnliche Expansion zeigt 
wie die spanische, und an die Frage der Metropolen Magdeburg und Gnesen. Freilich be- 
stehen hier doch auch wesentliche Unterschiede. In Spanien wurde, anders als im dst- 
lichen Deutschland. kaum Mission betrieben, und die Errichtung einer cigenen Metropole 
und damit eines organisatorischen und kulturellen Mittelpunkts fir das unterworfene Volk 
kam deshalb niemals in Frage. Um so wichtiger aber waren die Rivalititen der verschie- 
denen christlichen Staaten unter sich. ihre Abgrenzung gegeneinander und die etwaige 
Uberordnung eines einzelnen. Dazu kam, daB die eroberten Gebiete nicht wie in Deutsch- 
land fiir das Christentum Neuland waren, sondern schon Jahrbunderte lang zur katholisehen 
Kirche gehért und eine kireliliche Gliederung besessen hatten. Die Erinnerung daran war 
allenthalben lehendig, besonders wohl dank der vielbenutzten spanischen Konziliensamm- 
lung, der Hispana, die durch die langen Unterschriftenlisten der Bischofe und Metropoliten 
ein reiches Material tiber die altspanische kirchliche Einteilung bot und hietet. Wo das 
nicht gentigte, half man durch Fialsehungen wie die Dirisio Wambar mit ihren zahlreichen 
Abwandlungen nach. Jedenfalls aber vollzog sich die Gliederung der neuen spanischen 
Kirche in bestandiger Auseinandersetzung mit der alten Tradition und kleidete sich in die 
Formen von Rechtsstreitigkeiten. die natiirlich allein vor dem Forum der Kurie ausgetragen 
werden konnten. Dies vor allem gibt dem piipstlichen Eingreifen auf der iberischen Halb- 
insel in den nachsten Jalrzelnten sein Gepriige. — 

Durch den Tod Alfons’ VI. hatte die Politik des Graten Heinriel von Portugal eine 
neue Wendung bekommen. Hatte er bislang auf die Selbstindigkeit seines portugiesischen 
Lehens hingearbeitet. so suchte er jetzt, da Alfons VI. keinen Solin hinterlassen hatte, im 
ganzen Reich des Schwiegervaters oder doch wenigstens in einem betrichtlichen Teil davon 
die Nachfolge anzutreten. Sein Interesse galt nun der Stellung, die er aut der [albinsel 
als Ganzem einnahm. nicht mehr aber der Abtrennung Portugals. Nur so erklirt es sich, 
daB8 er in der Frage des Bistums Coimbra eine Entwicklung duldete. die gerade dem por- 
tugiesischen Interesse zuwiderlief. Wir salen, daf Paschal If. Coimbra der Kirehenpro- 
vinz Braga zugewiesen hatte. Das Bistum hatte jedoch vor dem Arabereinfall nieht zu 
Braga. sondern zu Merida gehdrt. der Metropole Lusitaniens, die im 12.Jahrhundert noch 
in den Hiinden der Mauren war. Als stellvertretender Metropolit fiir Merida fungierte jetzt 
der Primas Bernard von Toledo. Dieser hat darum Coimbra stets als sein Suffraganbistum 
in Anspruch genommen und die Bragaer Rechte bestritten. Graf Heinrich aber, der die 
Freundschaft des michtigen Kirchenftirsten jetzt fiir seine ehrgeizigen Pline wohl nicht 
entbehren konnte, lie} ihn gewihren. 

Wohl noch wiihrend der Romreise des Mauritins wurde der frei gewordene Coimbraer 
Bischofsstuhl neu besetzt. Die Wahl fiel auf Gonzalo (110g— 1128). einen Einheimischen. 
der jedoch wihrend scines ganzen Pontifikats auf’ seiten des Toledaners gestanden hat. 
Er hat auch Bernard Obedienz geleistet’ und ist wohl durch diesen geweiht worden. Das 
mag in Viseu am 2g. Juli 1109 geschehen sein. als Graf Heinrich dem Bisehot’ Gonzalo 
das Kloster Loryio schenkte und Erzbischof Bernard diese Schenkung unterschrieb*. Noch 
in demselben Jahr schickte Gonzalo auch Boten nach Rom. die die Frage der Provinz- 





! Papstark. in Port. S. 165 n. 12: JL. 6475. ; 7 
2 Riperro pe VaseonceLbos in Mem. Acad. R. Seienc. Lisb., NS.. Cl. de sc. mor. I p- 404 n. ro. 


16 C. Erpmayy: 


zugehérigkeit Coimbras — zu Braga oder zu Merida-Toledo — zur Sprache bringen sollten. 
Paschal, dessen Antwort wir besitzen, verschob seine Entscheidung, bis Gonzalo selbst 
nach Rom kommen kénne!. Im iibrigen bestitigte er am 12. Januar 1110 die Schenkung 
yon Lorviio und verlieh zugleich der Beyélkerung von Coimbra zum Lohn fir die stand- 
hatte Bekiimpfung der Mauren einen AblaB*. In ahnlicher Weise hatte er im Jahre zu- 
yor in seinem Schreiben an die Suffragane Bragas zur Weiterfiihrung des Maurenkriegs 
gemahnt?. Es ist wichtig zu sehen, wie das Interesse des Papsttums fiir die Zuriickdringung 
des Islam in dieser Zeit auch auf portugiesischem Boden zutage tritt. Denn diese Ver- 
sprechungen und Mahnungen waren hier einstweilen noch das einzige. was der Papst von 
sich aus tat. Im iibrigen beschrinkte cr sich auf ein vorsichtiges und zurfickhaltendes 
Fingehen auf die Fragen. die man ihm vorlegte. 

Mauritius von Braga sah sich jedoch durch das Verhalten Bernards und Gonzalos 
in seinen Reehten yerletzt.  Hatte ihm doch eben noch Paschal H. das Bistum Coimbra 
erneut bestitigt'. Einen weiteren Streitpunkt bildete bald die Didézese Zamora, die noch keinen 
Bischof hatte. zuvor von dem Bragaer Suffraganbistum Astorga aus verwaltet. durch Bernard 
jedoch zu Salamanca geschlagen worden war’. Dann aber benutzte Mauritius die damaligen 
Wirren, um auch seinerscits zum Angriff vorzugehen. Die Tochter und Erbin Alfons’ Vie 
die Kénigin Urraca, hatte sich bald nach dem Tode des Vaters mit Alfons I. »el Batallador« 
yon Aragon vermahlt. Aber nicht nur der galicische Adel. sondern auch der Klerus 
Kastiliens war mit dieser Verbindung unzufricden. und da die Gatten verwandt waren, 
warf man das kanonische Recht in den Streit und erklirte die Ehe fir ungiiltig. 
Urraea selbst trennte sich schon nach kurzer Zeit von ihrem Manne und begann. von 
voriibergehenden Verséhnungen abgesehen, einen langdauernden Krieg. Alfons von Aragon 
richte sich an dem ihm feindlichen Klerus, indem er nicht nur den Erzbischof von Toledo. 
sondern auch die Bischéfe von Leon, Burgos, Osma. Palencia und Orense fiir lingere 
Zeit von ihren Sitzen vertrieb oder gefangennahm’. Graf Ileiurich von Portugal schlug 
sich. mindestens voritbergchend, auf die Seite des Aragonesen. Im Jalire 1112 mischte 
sich nun auch Mauritius in den Streit. Indem er das Bistum Leon fiir seine Provinz 
beanspruchte, benutzte er die Gelegenheit der Vertreibung des dortigen Bischofs, um 
an Ort und Stelle seine angebliche Metropolitangewalt zur Geltung zu bringen’. Das 
bedeutete politisch eine Stellungnahme ftir die aragonesische Partei und eine Kriegs- 
erklirung an Bernard von Toledo, den Primas und piapstlichen Legaten. 

Schon mehrmals hatte sich Mauritius beim Papste ther Bernard beschwert, auch 
piipstliche Mandate gegen diesen erlangt’, aber damit niehts erreicht. Er selbst war 
sicherlich zu sechwach, um allein gegen Bernard aufzukommen. Eben damals im Jahre 1112 
wurde auch der Aragonese, auf den sich Mauritius hatte stiitzen wollen, aus Kastilien 
zuriickecdriingt. Der Erzbischof von Braga suchte deshalb cin méglichst enges Biindnis 
mit dem miichtigsten Rivalen Bernards und Gegner Alfons L, mit Diego von Compostela. 

Bischof Diego Gelmirez von Santiago de Compostela war nicht nur ein zielbewuBter 
und in der Wahl seiner Mittel skrupelloser Mann, er verfiigte auch tiber Geldmittel, wie 





2 


1 Papsturk. in Port. S. 164 n. rt. 2 JL. 6485. 

3 JL.6222. vollstiindig gedruckt von Frra im Boletin de la R.Academia de la Historia X XIV (Madrid 1894) 219 

Papsturk. in Port. S. 314 n. 110 Abs. 17. PEPER 

Papsturk. in Port. S. 164 n. 12: JL. 6475. 

Hist. Compost. lib. rc. 64 S.116 und c. 79_S. 141. 

Papsturk. in Port. S. 164 n.12: JL. 6384: Risco. Espafia Sagrada XXXV rsof. Saraiva I r22ff. hat 

mit Recht die Unméglichkeit betont. da8 Mauritius die Bischotswitrde yon Leon selbst habe usurpieren wollen 

Aber die Tatsache des Eindringens in Leon ist damit nicht widerlegt. . 
s JL. 6475 erwaihnt mehrere soleher Malinungen: eine tavou ist Papsturk. in Port. S. 164 n. 12. 


De 


Das Papsttam und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte, 17 


sie damals nur wenige andere Kirchen Europas besessen haben. Der Glaube an das 
Grab des Apostels Jacobus in Compostela hatte seiner Kirche seit Jahrhunderten reiche 
Schenkungen zugefiihrt und zog fortwihrend von nah und fern ungezihlte Scharen von 
Pilgern herbei, dic reiche Almosen spendeten. Diego wubBte sich dieses Vorteils zu he- 
dienen. Bei Kénigen und Pipsten erlangte er ein Vorrecht nach dem andern und arbeitete 
vor allem schon seit langen Jahren aut die Erwerbung der Metropolitanwiirde hin. 
Diesem Verlangen aber standen betriichtliche Schwierigkeiten entgegen. Die Neuschattung 
einer Kirchenprovinz widersprach den kirchlichen Traditionen. Die einzige alte Metropole 
aber, deren Ubertragung nach Santiago sich aus geographischen Griinden rechtfertigen 
lieB, némlich Braga, war, gerade noch che Diego mit seinen Bemiihungen cinsetzen konnte. 
feierlich wiederaufgerichtet und bestatigt worden. Daneben kam nur noch Merida in 
Betracht. Aber abgesehen davon, daB diese ganze Kirechenprovinz tiet’ im Stiden lag. 
weit entfernt von der Diizese Santiago. war damals auch die allgemeine Lage einer 
Ubertragung der Rechte Meridas an Compostela nicht giinstig. Denn der Teil dieser 
Provinz, der iiberhaupt in christlichem Besitz war. unterstand dem Erzbischof von Toledo. 
welcher von seiner eigenen Provinz chentalls nur erst einen Teil besa und damals 
einen Ersatz nur an den Suffraganen von Merida hatte. Die Kurie konnte sich nattir- 
lich nicht leicht entschlieBen, dem Toledaner. ihrem Legaten. diese Rechte zu entziehen. 

Es war bei alledem eine wichtige Persinlichkeit, an die sich Mauritius anzulelhnen 
suchte. Diego lieB sich zunaichst einige Zeit bitten und stellte auch seine Bedingungen: 
Mauritius muBte den Archidiakon Hugo, einen allzeit ergebenen Diener des Compostelaners. 
der sich gegen Braga vorher und nachher nur feindlich gezeigt hat. zum Bischof von 
Porto weihen. Auf dieser Grundlage aber kam im Marz 11 13! eine Ubereinkunft zustande, 
deren Spitze sich gegen Bernard yon Toledo richtete. In Sommer T114 setzte dann 
auch Diego an der Kurie mit seinen Bemiihungen gegen Toledo ein: er warb darum, 
dai die Rechte von Merida dem Toledaner entzogen und ihm selbst tiherwiesen wiirden’, 

Aber Bernard von Toledo war kein veriiehtlicher Gegner. Er wandte sich, als 
er von der Bedringung durch den Aragonesen hefreit war. zunichst gegen Mauritius und 
forderte als apostolischer Legat ilu wegen des Eindringens in Leon zur Verantwortung 
vor die Synode von Palencia (Oktober 1113). Mauritius blich aus, woraufhin Bernard 
ihn nicht nur fiir suspendiert erklarte, sondern auch sofort selbst in die Funktionen des 
Bragaer Metropoliten eingriff*. Auch wandte er sich an den Papst und erwirkte hei 
diesem am 18. April 1114 die Bestiitigung der Suspensionssentenz’. 

Bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse ist es schwer zu sagen. wie weit dieser 
Streit auch einen politischen Hintergrund gehabt hat. Jedenfalls war die allgemeine 
Verwirrung in jenen Jahren groB, und es mag wohl sein. dal die Kirchentiirsten damals 
in héherem Mabe, als es sonst in Spanien der Fall zu sein pflegte. auf eigene Faust 





1 Die Evzithlung dieser Dinge in der Historia Compostellana lib. 1c. 8rf. Sora if ist von Prorrz und von 
J.P. Ripero init Reeht ins Jahrirr3 gesetzt worden. Hrirecrano (Historia de Portugal If 48y fh Not. VID 
riieckte sie nach rit4 hinunter, aber mit unzureichenden Grinden. Gleichzeitig mit Hugo von Porto wurde 
auch Munio von Mondofiedo geweilit. Dieser war schon Bischof zur Zeit der Synede von Palencia Gee 
Compost. lib. rc. 7 f. S. 183), deren Datier ung auf den 25. Oktober rrr3 durch de n Zusamme nhang mit JL. 63384 
gesichert ist. Auch hat die Erzihlung der Hist. Compost. lib. re. 82 in der Tat nur dann Sinn. wenn ‘der 
Tag der Annunziation auf einen Dienstag fel, wax rrrg der Fall war. Denn es ist zu beriiek sichtigen, daB 
die Reiseentfernung von Lerez naeh § Santiago anderthalh Tage betrug und dak die Worte: Pové hace quia crat 
festivitay annuntiationis s. Mariae sich noch auf den Tag des Einzugs in Santiago beziehen. 

2 JL. 6397 mit dem dazugehorigen (von der Hist. Compost. lib. 1 ¢. ror 8.193 falschlich zu rors ein- 
gereihten) Brief des Kanzlers Johannes vou Gaeta. 

3 Hist. Compost. lib. rc. 98 S. 183. 

+ JL. 6384. 


Phil-hist. Abh. 192. Nr. 5, 


Oe 


18 C. Erpwanxyn: 


gehandelt haben. Graf Ileinrich von Portugal war, wie es scheint, schon im Jahre 1112 
gestorben', und seine Witwe Theresa hat zwar unzweifclhaft die Selbstindigkeit Purtugals 
erstrebt, dabei aber die Bedeutung der Kirche offenbar nicht erkannt. Sie unterhielt 
fiir sich enge Beziehungen zu Diego von Compostela, kttmmerte sich aber wenig um die 
Stellung der portugiesischen Bischéfc. die infolgedessen direktionslos auseinanderstrebten. 

In jenem kritischen Augenblick hat Mauritius seine Geschicklichkeit bewilrt. Er 
ging nach Rom und erwirkte bei Paschal I. am 3. November 1114 nicht nur eine An- 
erkennung seines Standpunkts in der Frage von Coimbra und Zamora, sondern auch eine 
Aufhebung der Legationsrechte des Toledaner Frzbischofs tiber die Provinz Braga. Im 
Monat daraut erlangte er dann auch ein neues Privileg. in dem ihm endlich der Erz- 
bischofstitel gewahrt wurde. Denn in seinem ersten Privileg aus dem Jahre 1109 war er. 
ahnlich wie cinst sein Vorgiinger Gerald. nur als corpiscopus angeredet worden. Jetzt wurde 
er als vollig selbstindiger, nur dem apostolischen Stull unterworfener Metropolit aner- 
kannt und die Spuren der Unterstellung unter den Toledaner Primat verwischt®. In der 
Tat ist wihrend der nichsten dreiBig Jahre von einer Jurisdiktionsgewalt Toledos ther 
Braga nicht mehr die Rede gewesen. 

Wahrend aber Mauritius in dieser Weise in Rom tiber scinen Gegner triumphierte, 
geschahen in seiner eigenen Provinz Dinge. die den ganzen Erfolg illusorisch machten. 
Das teuer erkaufte Biindnis mit Diego von Compostela war von vornherein nicht fest 
gewesen. da Diego heineswegs mit Bernard von Toledo ganz gebrochen hatte*. Als 
nun am 24. Juni 1114 Diegos Bitten um die Metropolitanrechte Meridas vom Papst ab- 
geschlagen wurden* und etwa gleichzeitig Bernard von Toledo seinerseits um die Freund- 
schaft Diezos warb’, gab dieser den vom Papst suspendierten Mauritius aut) und ver- 
suchite jetzt. im Bunde mit Toledo die ersehnte Metropolitanstelhing aut’ Kosten Bragas 
merreichen. Die Abwesenheit des Mauritius. der nach Rom aufgebrochen war. und 
die — damals noch ungeschma erten — Legationsrechte des verbiindeten Erzbischofs von 
Toledo gaben ihm die Moglichkeit. sich zunaichst der Bragacr Sutfragane zu yersichern. 
Denn fiir den Entscheid der Kurie spielte die Zustimmung der comprocincial:s episcopi 
natiirlich eine groBe Rolle. Diego berief nun im Auttrage Bernards am 17. November 1114 
die Bischéte von Tuy. Mondonedo, Lugo, Orense und Porto, lauter Sutfragane Bragas, 
zu einer Synode, auf der man eine Bruderschaft schlob, sich zu gegenscitiger Unter- 
stitzung und zu jabrlicher Zusammenkunft in Santiago de Compostela verptlichtete’. Der 
Synodalakt brachte also die autoritative Stellung Diegos und die Gesinnung der Bischofe, 
um deren Obedienz es sich handelte. zum deutlichen Ausdruck und wurde deshalb zur 
Vorlage an der Kurie bestimmt. Zuniichst aber suchte man auch den Bischof Gonzalo 
von Coimbra zu gewinnen. An diesen schrieben die versammelten Bisehéte und forderten 
ihn zum Beitritt zu der Bruderschaft auf. indem sie ibn gleichzeitig mahnten, seine MiG- 








1 Das Todesjahr des Grafen Heinrich ist kontrovers. da die (Quellen teils rrr. teils TiI4 angeben. 
JP. Riperro hat nach eingehender Untersuchung (Dissertacces ehronologicas [2 rsott.) den Tod a aes 
1. Mai 1112 angesetzt. Hercurano (I? 482th Not. VIE) hat sich dageven fiir T134 entschieden. aber seine 
Griinde sind nicht fiberzeugend. Inshesondere bestelhit seine Bestreitung der von Florez aufgestellten €hrono- 
logie der Hist. Compost. nicht zu Recht. s.oben S.17 Ammer. Obgleieh Hrretrasos Rechnung allvemein 
anerlannut und auch von der spanischen Geschichtsschreibung aufgenommen worden ist. scheint mir deel: fen 
Ansatz Rreeiros wahrscheinlicher. Eine erncute Prittung auf Grund des spanischen und portugiesischen 
Urlondenmaterials ist jedentalls erforderlich. = 
Ouellen und Forschungen NUN 2r2if. 
Hist. Compost. lb. 1 ¢. 88 S. 163 und ¢. 92 S. 173. 
JL. 6307. : 
Hist. Compost. lib. 1 c. 99 S. 184. 
Hist. Compost. lib. rc. ror S. rg. 


re Cd 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. i 


helligkeiten mit Diego von Compostela und Hugo von Porto beizulegen'. Mit dem letzteren, 
der in dieser Angelegenheit Diegos Vikar war, hat Gonzalo bald darauf. am 30. De- 
zember 1114, tatsichlich ein Abkommen geschlossen, dessen Inhalt und Formulierungen 
darauf hindeuten, daB der Bischof von Coimbra sich auch mit Diego geeinigt hat und 
der Bradersehaft beigetreten ist’. Damit war dann die einheitliche Front der galicischen 
und portugiesischen Bischéte auf seiten Dicgos hergestellt, und dieser konnte jetzt daran 
denken, seinen VorstoB gegen Braga zu unrernelimen. 

Die Gleichzeitigkeit dieser Ercignisse mit dem Erfolg des Mauritius in Rom hat 
bewirkt, daB keine der beiden Parteien ihr Ziel erreicht hat. Mauritius. der wohl schon 
auf der Riickreise von Rom yon der giinzlichen Veriinderung der heimischen Verhaltnisse 
Nachricht erhielt, scheint gleich darauthin die Flinte ins Korn geworfen und sein Erz- 
bistum aufgegeben zu haben. Wenigstens finden wir von nun an keine Nachricht mehr 
davon, da& er tiberhaupt in Braga gewesen ist. Aber auch Diego erlebte eine Ent- 
tiiuschung. Als sein Bote ging im Sommer rri5 Hugo von Porto mit der Bruderschatts- 
akte zum Papste: aber cine Ubertragung der Metropole Braga. die eben erst bestitigt 
und gefestigt worden war. erreichte er nicht. Datiir gelang es ihm immerhin, fiir sein 
eigenes Bistum Porto die Exemtion und eine Vergréberung auf Kosten Bragas zu er- 


langen®. Er benutzte weiter seinen italienischen Aufenthalt. um sich — tibrigens mit 
Hilfe von falschen Angaben, die am Hot’ des Papstes natiirlich niemand nachpriifen 
konnte — auch yom Besitz Coimbras einen Teil zusprechen zu lassen* Das aber fithrte 


den Bischof Gonzalo von Coimbra auch seinerseits nach Rom’, und dadureh kam die 
Frage dieses Bistums tiberhaupt erneut in Flu. 

Wie schon gesagt, war es von groBer Wichtigkeit fiir die Bildung eines selbstiindigen 
portugiesischen Staates. ob das Bistum Coimbra mit den ilim unterstellten Didzesen Viseu 
und Lamego zur Provinz Braga gezihlt wurde oder nicht. Paschal IL. hatte sich in den 
Bragaer Privilegien und verschiedenen Reskripten stets fiir Braga entschieden. Als nun 
Bischof Gonzalo von Coimbra selbst im Sommer1116 in Paliano beim Papst  erschien 
und unter Vorlage der Divisio Wimbue” die Zugehérigkeit Coimbras zu Merida behauptete, 
wurde Paschal unsicher und beauftragte die spanischen Bischéfe und den Primas von 
Toledo. die Frage zu untersuehen und ihn dariiher zu informieren’. Schon das bedeutete 
schlechte Aussichten fiir Braga. denn Bernard von Toledo war ja selbst in dieser Sache Partei. 

Ware der Erzbischof von Braga damals auf seinem Posten gewesen, so hiitte er 
vielleicht die Entwickhing noch in erwitinschtere Bahnen leiten kénnen. Aber Mauritius 
ging damals in der Ferne oline Frage ganz anderen Interessen nach. befand sieh viel- 
leicht sehon am Hof Heinrichs V. und lieB jedenfalls den spaniscben Dingen ihren Lauf. 
So konnte an dem Ausgang der angestellten Untersuchung im voraus kein Zweifel sein. 





' Anhang I. 

* Anhang WI. Das Abkummen war. wenigstens nach dem Coimbraer Text. in territorialer Hinsicht fiir 
Coimbra sehr giinstig. Anscheinend wollte Hugo durch seine Nachgiebigkeit das Entgegenkommen Gonzalos 
gegentber Diego erkaufen. Charakteristisch ist ferner die Klausel: salea amicitia dumni Bernaldi Tolctani 
archicpiscopi et domnt Didac? Compostelani episcapt. . 

3 Quellen und Forschungen NIN 218f. Von Hugos Aufenthalt in Rom zeugt auch seine Unterschrift 
auf JL. 6517 (vom 24. Mirz 1116). Vor seiner Romrevise hatte er eine entsprechende Stellungnahme bei 
Bernard von Toledo erwirkt. s. Anhang ILL 

' Quellen und Forschungen XTX 248f. 

* Papstark. in Port. S. r6gf un. 16 und 17. 

8 Diese berithmte Filschung, welche eine Festleguug der kirehlichen Einteilung ganz Spaniens zum 
Inhalt hat, wird hier zum ersten Male auslriicklich bezeugt. 

7 Die Urkunde Paschals Tl. vom cS. Junixzr16 wird von Hrn. Geheimrat Kear in den » Papsturkunden 
in Spanien« aus dem Toledaner Archiv verdifentlicht werden, 


3° 


20 C. Erpwann: 


Ende 1116 wder Anfang 1117 ersehien in Spanien der Kardinallegat Boso von S. Anastasia. 
Er hat sich, nachdem er in Santiago gewesen war, auch nach Braga begeben und ist 
damit der erste Kardinal. von dem uns ein Aufenthalt in Portugal bezeugt ist’. Aber 
Verstindnis fiir die Sache des abwesenden Erzbischofs von Braga hat er begreiflicherweise 
nicht gezeigt. Die Synode von Burgos, die er im Februar 1117 versammelte und auf der 
Bernard von Toledo die papstliche Aufforderung zur Untersuchung der Coimbraer Frage 
verlas, cutschied dahin, daf Coimbra nicht zu Braga. sondern zu Merida gehdérte. Dieser 
BeschluB wurde von Bosu dem Papste mitgeteilt’ und blieb natiirlich fiir die Stellung- 
nahme der Kurie in der Folgezeit maByeebend. 

Der Kardinal nahm aber auch noch weiter gegen Braga eine feindliche Stellung 
ein. Bischof Hugo von Porto lag. wie wir sahen. wegen der Grenzen seiner Didzese 
sowohl nach Siiden mit Coimbra wie nach Norden mit Braga in Streit. Die Synode 
von Burgos entschied nun am 17. Februar rrr7 im Sitiden fiir Coimbra, im Norden fiir 
Porte, so daB Braga der hauptsiichlich leidtragende Teil war*. Boso fillte im Zusammen- 
hang damit auch eine strenge Sentenz gegen Mauritius, vermutlich wohl cine Drohung 
mit der Suspension‘, 

Den Mauritius freilich wird dieses Gewitter wenig mehr gekiimmert haben. Ehe ihn 
die Nachricht davon erreichen konnte. hatte er schon im Marz 1117 in der Peterskirche 
zu Rom Ileinrich V. die Kaiserkrone aufgesetzt. ein Akt der Rebellion gegen den Papst, 
der darauf bald mit der Exkommunikation erwiderte. Und ein Jahr danach saB Mauritius 
selbst als Gegenpapst auf dem Stuhle Petri. So wenig Spanien sonst von den Schismen 
des Investiturstreits beriithrt wurde: gerade den Erzbischof von Braga finden wir hier 
schon zum zweitenmal in Verbindung mit dem Gegenpapsttum, und man méehte fast 
glauben, daB trotz der schlechten Erfahrungen, die einst Bischof Pedro mit Wibert ge- 
macht hatte, doch die Bragaer Vergangenheit dem Mauritius den (iedanken an das Schisma 
geliufig gemacht habe. Wenn Braga in dieser Weise fiir seine Motive von Bedeutung 
gewesen sein sollte. so hat doch die Rolle, die er in Rom spielte, sonst mit Portugal 
nichts mehr zu tun’. Sie hat uns deshalb hier nicht zu beschiftigen, um so mehr aber 
die bedenklichen Folgen, die sein Handeln fiir Braga und Portugal gehabt hat. 

Vor allem lie sich Diego von Compostela die giinstige Gelegenhbeit nicht entgelin. 
Er sandte noch im Friithjahr 1118 zwei seiner Kanoniker ab, die mit Gelasius IL. tiber 
die Ubertragung des Archiepiskopats von Braga nach Santiago verhandeln sollten. Der Papst, 
damals durch Mauritius und dessen Anhanger aus Rom vertrieben, ging mit Lebhaftig- 
keit aut’ den Vorschlag ein: wenn irgendwann, so sei jetzt der Augenblick der Verwirk- 
lichung des lange gehegten Planes gekommen”. Nur wiinschte er dazu noch eine eigene 
Gesandtschatt und, wie sich versteht, eine angemessene Geldspende’. Diego heeilte sich, 
den papstlichen Wiinschen nachzukommen und entsandte zwei seiner Kleriker mit 120 
Unzen Goldes nach Rom. Endlich sehien der Augenblick der Erfillung seiner Wiinsche 
gekommen: die Metropole Braga aber, die Voraussetzung fiir die Selbstindigkeit Portugals, 
schien verloren. 








' Anonyinus von Sahagun ec. 66 hei NR. Escearoxy. Historia del R. Vonasterio de Sahavun 8. 346. 


* Papsturk. in Port. S. 171 n. To. 

» Papsturh. in Port. S172 ne to: JL. 6828, 

4 JL. 6829: fils noster B. presh, card. 6... qrarwrem, sicut ace pimus, inde in Burgensi concilio senten- 
tam promulgarit. 

* Vel. dartiber meinen Aufsatz in (Quellen und Forschungen XIX 205%. 

* Hist. Compost. lib. 2 c. 3 p. 2598. . 
7 WL. 6645: rogantes ac monentes, ut Romana celia wmultas aggravatae multisque distractionibus fatigatae 
memoriam habeas cf tam cius quam nostris opportunitatibus delita caritate subrinias. - 


Das Papsttim und Portugal im ersten Jahrh. der portugicsischen Geschichte. 21 


Aber nun nahmen die Dinge eine unerwartete Wendung. Kénig Alfons I. von Aragon, 
seit langem ein erbitterter Gegner Diegos, hatte seine Leute angewiesen. alle Composte- 
laner Boten, deren sie habhatt werden kénnten, abzufangen. Als nun die zwei Kleriker 
von Santiago sich durch Aragon, das sie passicren muBten, heimlich hindurehzusehleichen 
suchten, wurden sie schon in Castrojeriz von den proedonues Aragouenses erkannt und gefangen 
gesetzt und ihnen die 120 Goldunzen abgenommen. Der eine von ihnen wurde zwar wieder 
freigelassen, als er aber heim Papst mit leeren Héinden erschien, war von ecincr Erfiil- 
lung der Compostelaner Winsche keine Rede mehr’. 

Kein Zweitel: Portugal hatte Grund, jenen »aragonesischen Raiubern« ein Denkmal 
zu setzen. Denn der einzige Augenblick. in dem Diego die Rechte Bragas ftir sich er- 
langen konnte, war jetzt verpabt. Es verging ein halbes Jahr. bis eine neue Gesandt- 
schaft von ibm mit neuem Gelde an die Kurie gelangte. Hier aber fand sie jetzt eine 
veranderte Situation vor. Gelasius II. war gestorben. und sein Nachfolger Calixt IL, der 
nicht wie Gelasius den ganzen Fragenkreis seit Jahrzehnten kannte. war vorsichtig und 
scheute vor einer so einschneidenden Malnahme zuriick. Znudem war er der Onkel des 
jJungen Konigs Alfons VIL von Kastilien, und gerade damals wurde ihm Diego als ein 
(regner des Kénigs denunziert. So lehnte der Papst das Verlangen des Bischofs ab’. 

Fiir Diego ist es allerdings bei dicser Niederlage nicht geblieben. Denn er bemiihte 
sich nun wenigstens um die Rechte Meridas. der im maurischen Siiden gelegenen  »lusi- 
tanischen« Metropole, die fiir in allerdings einen sehr viel geringeren Wert besafi als 
Braga. Dieses Ziel hat er am 26, Februar 1120 erreicht, wenn auch mit der Einschrin- 
kung, daB er die neue Wirde nur bis zur Wiedergewinnung Meridas yon den Mauren 
haben sollte und noch nicht den Erzbischofstitel erhielt®. Calixt gab ihm dafiir die piipst- 
liche Legation iber die Provinzen Braga und Merida‘, 

Damit war zwar der Bestand der Metropole Braga selbst gerettet: aber ihre Stellung 
war doch aufs schwerste geschiidigt. Die Diézese Coimbra wurde entsprechend dem Beseheid 
des Kardinallegaten Boso zu Merida gereehnet und Compostela unterstellt. Ferner wurde 
bei der gleichen Gelegenheit die Exemtion des Bistums Porto bestitigt’. Zwischen den 
drei Bistiimern, die damals in Portugal bestanden, gab es nun kein kirehliches Band mehr. 
Eine einheitliche portugiesische Kirche konnte es unter solchen Umstinien nicht geben: 
was einst Graf Heinrich und Erzbischof Gerald erreicht hatten, war in der Hauptsache 
wieder verlorengegangen. 

Wahrend dieser ganzen Entwicklung residierte Mauritius als Gegenpapst in Rom oder 
Sutri, die rechtmiBigen Pipste Gelasius I. und Calixt UL. aber in Frankreich im Exil. 
Natitirlich latte Mauritius versucht. unter seinen portugiesischen Bekannten Anhinger zu 
gewinnen:; sein Brief an Gonzalo von Coimbra ist uns erhalten”. Aber er hatte damit 
kein Glick. Wir finden zwar in den erzihlenden portugiesischen Quellen nur Ginstiges 
tiber seine Person’. Aber der Klerus hielt zu den rechtmibigen Pipsten: so jedenfalls 
Hugo von Porto, der selbst bei Calixt Il. war, und ebenso Gonzalo von Coimbra als An- 
hinger Bernards von Toledo. Auch Braga beteiligte sich nicht am Schisma. Als Gelasius IT. 





1 Hist. Compost. lib. 2c. 4 p. 260 ff. 

2 Hist. Compost. lib. 2 ¢. 6 und rof. p. 26417. 

* JL. 6823. Der Text der Hist. Compost. lib. 2 eo p. ag2 ist verfilscht: der ecechte ‘Text stelt bei 
U. Roperr. Bullaire du pape Calixte HW. Dero n. 146. 

+ JL. 6824 und 6825. 

5 JL. 6826, vollstindig bei Roser. Bullaire 1 220 n.1yo. 

* Papsturk. in Port. 8. 173 n. 20. ; 

Vita b. Geraldi c.t6 p.134f: Vita Tellonis in P.M. EL SS. (Portagaliae Wouamenta Historica. Seriptores) 


Tog: Vita s. Martini Sauricnsis ebd [Go ¢, 3. 


22 C. Erpwann: 


den Mauritius bannte und absetzte und die Kirche von Braga zur Neuwahl aufforderte. 
kam man diesem Verlangen nach. und der erwihlte Pelagius empfing im Sommer 1115 
entsprechend der von Gelasius II. ergangenen Weisung die Weile von Bernard von 
Toledo’. In Rom scheint Pelagius selbst allerdings nicht yewesen zu sein®. Mit Diego 
von Compostela und dessen Schiitzling Hugo von Porto lag er natiirlich in Streit’. Um 
aber erfolgreich etwas gegen die beiden unternehmen zu kénnen. fehlten ilim die Mittel. 

Einmal jedoch gliickte ihm eine erfolgreiche Sendung an die Kurie, zugleich ein 
Schlag gegen Diego. Im Sommer 1121 trafen sich bei Calixt Il. Boten aus Santiago und 
aus Braga, und dieses Mal unterlagen die Compostelaner'. Die Abgesandten des Pelagius 
iiberzeugten den Papst, daB Diego noch immer darauf hinarbeite, selbst die Bragaer 
Wiirde zu erwerben, und erreichten damit, daB Braga vun der Obedienzpilicht gegen Diego 
als pipstlichem Legaten befreit wurde’. Nicht minder wichtig war das Privileg, das sie 
heimbrachten”. Denn Calixt If. bestatigte hier der Metropole Braga die vollstiindige frithere 
Liste der Suffragane einschlieBlich des inzwischen eximierten Porto und des an Santiago 
gegebenen Coimbra. Wir kennen zwar solche Fille. wo ein Papst dasselbe Objekt beiden 
Konkurrenten hestiitigt, aus verschiedenen andern Beispi¢len. und sie hedeuten kaum mehr, 
als daf die Kurie einer etwaigen endgiiltigen Entscheiding nicht vorgreifen wollte. 
Calixt II. fagte auch im Privileg fair Braga nach der Liste der Suffragane ausdriicklich 
die Klausel hinzu: salvis tumen in omnibus Romane auctoritatis pricilegiis. Das war ein 
unmiBverstindlicher Hinweis auf die Privilegien fiir Santiago und Porto und konnte hei 
spiiteren juristischen Auseinandersetzungen gegen Braga ins Feld gefiilrt werden. Immer- 
hin war aber durch dieses Privileg ausgedriickt, da® die fritheren Entscheidungen tiber 
Coimbra und Porto noch nicht als endgiiltig anzusehen seien und dab Braga die Wieder- 
gewinnung dieser beiden wichtigen Diézesen ins Auge fassen konnte. Als Gegenleistung 
Bragas fiir Santiago verlangte der Papst einstweilen nur, dai} Pelagius die Compostelaner 
Besitzungen in der Didzese Braga anerkennen solle, was auch geschah’. Daraufhin wurde 
dann einstweilen zwischen Braga und Santiago Friede geschlossen. 

Im Friihling desselben Jahres hatte Calixt If. den Mauritius Burdinus in seine Ge- 
walt gebracht, und damit waren alle Riicksichten auf den Gegenpapst, die vorher bei 
der Behandlung Bragas noch hatten mitspielen kénnen, in Fortfall gekommen. Die Periode 
der kirchlichen Verluste Portugals war nun zu einem gewissen AbschluB gekommen: 
blieben auch die Aussichten fiir spatere Wiederherstellung offen. so war doch fiir den 
Augenblick das Werk des Grafen Heinrich und Geralds zum grofen Teil zerstiirt. Die 
Schuld lag sicher weithin bei Mauritius, aber doch nicht ausschlieBlich. Ihm hatte offen- 
bar der Riickhalt an der staatlichen Macht, an der Infantin Theresa, gefehlt. Auch seinem 
Nachfolger Pelagius scheint es darin nicht besser gegangen zu sein. Wir héren von 
einem Breve Calixts II. aus dem September 1122, in dem er der Infentin hefahl, den 





1 Hist. Compost. lib. 1 ¢.117 p. 250. 

2 Meine Annahme in (Juellen und Forschungen XIX 246, daB Pelagius sich sein Privileg vom 20. Juni 
tr21 selbst geholt habe. ist irrig. Denn Ende Juli ri2t war er bei der Gefangennahme Diegos anwesend 
(Hist. Compost. lib. 2 ¢.42 p. 328). und es wird ans ausdriicklich berichtct, daB er Boten an Calixt I. geschiekt 
habe (ebd. c.46 p. 340). ~ 

3 Hist. Compost. lib. t ¢. 117 p- 2503 JL. 6829. 

4 Hist. Compost. lib.2 ¢.46 p. 340. Der Bote Diegos verwandte VI aur us ad solandam curiam, quem 
nimis iratam ineencrat (ebd. ¢. 44 p- 337). Die Summe ist nicht gerade hoch. die Brayacr mégen melir auf- 
gewandt haben. : 

» JL. 69tr. 

8 Papsturk. in Port. S.174 nm. 21. 

Ilist. Compost. lib. 2. ¢. 46 p. 340. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte. 23 
/ 4 } q 


Erzbischuf yon Braga aus der Gefangenschaft zu entlassen’. Uber das Woher und 
Warum dieser Gefangenschaft wissen wir garnichts: nur soviel ergibt sich. da damals 
die Beziehungen zwischen dem Erzbischof und der Infantin. also zwischen den obersten 
Vertretern von Kirche und Staat in Portugal, nicht eben die hesten waren. 

Es wire aber sicher verfehlt, hinter solehen Vorgingen grundsitzliche Gegensitze 
zu suchen, wie sie in jener Zeit etwa die deutsche Geschichte charakterisieren*. So 
gut wie sich bei Pedro und Mauritius von Braga die gegenpépstliche Stellung aus dem 
Streit der Bischéfe untereinander erklart und nur durch das anderweitige Vorhanden- 
sein einer Opposition gegen das rechtmébige Papsttum médglich wurde, so gut wird auch 
der Infantin Theresa ein allgemeiner Gegensatz gegen Kirche und Papsttwn ferngelegen 
haben. Sie hat, das ist unzweifelhaft. es versiumt, die pépstliche Gunst zu suchen und 
den portugiesischen Klerus zu stiitzen. Aber der Grund dazu hat, wenn wir von per- 
sonlichen Verhaltnissen absehen, die sich heute unserer Kenntnis entziehen, ohne Frage 
in den politischen Wirren gelegen. Auch tiber diese haben wir zur Zeit noch kaum 
einen Uberblick. Jedenfalls aber ist es in der ganzen Zeit der Kinigin Urraca (1 109—1126) 
hoch hergegangen, und die politischen Kiimpfe muBten sich auch kirchlich auswirken. 
Davon zeugen neben vielem andern die neugefundenen Akten des Konzils von Sahagun, 
das Kardinal Boso bei einer zweiten Legation im August 1121 abhielt?. Das Kouzil 
verhingte tiber ganz Spanien mit einer Frist von zweieinhalb Monaten das Interdikt. Den 
Grund gab man gar nicht an: wir haben aber sicher an das Vorgehen der Kénigin Urracz 
gegen Diego zu denken. das im Kerne rein politischer Natur war’. Nicht ohne Grund 
reclhinen die spanischen Historiker diesen Zeitraum zu den diistersten ihrer ganzen Geschichte. 

Diego hat sich auch sonst seiner kirchlichen Erfolge vielfach nicht erfreuen kinnen. 
Im Jahre 1124 gliteckte ihm zwar die Gewinnung der Metropolitanwiirde in perpetuwm. 
zugleich die Erwerbung des Erzbischofstitels’, Aber von seinen drei Suffraganen blieb 
gerade der wichtigste, der Bischof von Coimbra, trotz aller pipstlichen Mandate’ wider- 
spenstig. Gonzalo von Coimbra hielt nach wie vor zu Toledo und brachte dies auch 
der Kurie gegeniiher zum Ausdruck. Er holte sich am 1. Februar 1125 bei Honorius II. 
ein neues Privileg fiir sein Bistum’ und muB dann noch eine zeitlang in Rom geblieben 
sein. Denn wir horen, dai er dort im nachsten Jahr in Gemeinschaft mit dem neu- 
gewihlten Erzbischot Raimund von Toledo gegen Santiago gearbeitet hat’. Es war ein 
bestiindiges Durcheinander von sachlichen und persénlichen Gegensitzen, und als im 
Jahre 1128 durch eine Adelsrevolution in Portugal die Infantin Theresa verdriingt und 
ihr junger Sohn Alfons I. erhoben wurde, fand er die portugiesische Kirche als ein 
Trimmerfeld vor. 


§ 3. Innocenz IJ. und der Lehnseid Alfons’ I. 


Wie unklar die politische Stellung Portugals war, als Alfons I. (1128—1185) die 
Regierung antrat. zeigt am deutlichsten der Titel, den der neue Herrscher annahm: 
wihrend Theresa als Kénigstoechter in Anlehnung an die spanische Sitte allgemein Konigin 





1 JL. 6987. 
2 Val. dieser Hinsicht tiber die Besonderheit der spanischen Verhaltnisse Kenr. Prinzipat S. 63. 
3 Papsturk. in Port. S. 177 n 22. 
* Vel. Kan. o und rr der Konzilsakten und Hist. Compost. lib. 2 ¢. 38—40 p. 32318. besonders den Brief 
Bosos ¢. 42 p. 332. Intolge des Vertrages zwischen Urraca und Diego ist es dann zu einem Inkrafttreten 
des Interdikts wohl nicht gekommen. 
* JL. 7100. ® JL. 0827- G9tr. 72. 
Papsturk. in Port. 5.183 n. 20. 
> Hist. Compost. lib. 2 ¢. 83 p. 441. vgl. JL. 7271. 





24 C. Erpwawns: 


genannt worden war, bezeichnete sich Alfons I. zuniichst nur als Infant. In welchem 
staatsrechtlichen Verhiltnis Portugal damals zu dem kastilianisch-leonesischen Nachbar- 
reich stand, ist kaum zu definieren. Sicher ist nur. daS irgendeine Form der Unter- 
ordnung noch bestand, chne da sich aber der Konig Altons VIL von Kastilien, der 
»kkaiser von Spanien«. ausdriicklich als Oberherr Portugals zu bezeichnen wagte. Auch 
die wiederholten und wechselvollen Kaimpfe zwischen den beiden Lindern haben keine 
Entscheidung gebracht. sondern immer nur zu einer Art Waffenstillstand gefiihrt. Alfons I. 
von Portugal faBte von Anfang an die Gewinnung der villigen Selbstindigkeit fest ins 
Auge und hat fitntzig Jahre darum gerungen. Er tritt uns in den Quellen vor allem 
als gewaltiger Kriegsmann entgegen: danehen aber war er. wie uns gerade sein Verhiltnis 
zum Papsttum zeigen wird, auch cin cnergischer wnd ausdauernder Politiker. der die 
Mittel kannte. durch die er sich hehaupten kounte. Zunaéchst natiirlich kam es vor allem 
auf die selbstiindige Fiihrung des Maurenkrieges an. Alfons I. hat niemals die Hilfe 
der Nachbarn gegen die Muslime in Anspruch genommen und stets auf eigene Faust Kriege 
begonnen und Frieden geschlossen. Je mehr Erfolge er dabei zu verzeichnen hatte und 
je mehr er die Ritterschaft seines Landes an seine Fahnen gewoéhnte. desto sicherer 
wurde seine Stellung gegentiber allen Anspriichen der christlichen Nachbarn. 

Aber er erkaunte auch, daB dies allein nicht geniigte: auBer der Ritterschaft muBte 
er auch den Klerus auf seine Seite zielen und eine von den Nachbargewalten miglichst 
unabliingige portugiesische Kirche schaffen. Das aber war nur im Bunde mit dem Papst- 
tum durehzutiihren. und so lenkte er nach einiger Zeit zu der von seinem Vater Heinrich 
begonnenen, von seiner Mutter Theresa aber vernachlassigten. romtreundlichen Politik zuriick. 

Es kam nun ein frischer Zug in die portugiesische Kirehenpolitik. Eine der ersten 
Regierungshandlungen Alfons’ I. war die Verfiigung iiber den wichtigen Bischofsstuhl 
yon Coimbra. Dort war kiirzlich Bischof Gonzalo gestorben, und man hatte sich bercits 
mit der Infantin Theresa tiber die Wahl des Archidiakons Tello zum Nachfolger yer- 
stindigt. ello war ein naher Vertrauter Gonzalos gewesen, und man muSte von ilim 
die gleiche Politik erwarten. namlich eine Parteinahme fiir Toledo. Alfons L, kaum zur 
Regierung gelangt, verhinderte deshalb sofort die Wahl und lieB statt dessen den Bragaer 
Archidiakon Bernard erheben'. der wahrscheinlich mit dem \utor der Vita 1. Geraldi, 
einem Franzosen, identisch ist. Die Weihe wurde dementsprechend, ungeachtet der An- 
spriiche Santiagos, vom Erzbischof Pelagius von Braga vollzogen*. Der neue Bischot 
schrieb yvorsichtigerweise auch sotort an den Papst, versprach fiir spiiter eine Romreise 
und kniipfte daran eine Bitte. vermutlich um Bestitigung der Unterstellung unter Braga. 
Aber Honorius [L, der damals noch aut dem Stuhle Petri saB. hielt in dieser Frage zu 
Santiago. In seiner Antwort an Bischof Bernard vertagte er cine Entscheidung der 
vorgetragenen Bitte’. und als sich Diego von Compostela seinerseits mit ciner Klage itber 
die durch Pelagius yon Braga vollzogene Weilie an den Papst wandte, forderte dieser 
in einem scharten Mandat den Pelagius zur Verantwortung nach Rom'. 

Ehe aber der gestellte Termin herannalite. war Honorius IL gestorben und ein neues 
Schisma ausgebrochen. Dal in diesem Schisma auch Portugal wie der ganze Westen 





! Vita Tellonis in P.M. H. SS. 1 64. 

AuBer den im folgenden zu nennenden Papsturkunden vel. dazu die Zeugenaussage eines Bragaer 
Kanonikers vou 11$2 (Distriktsarchiv Braga. Gaveta dos arecbispos n. 4 und 7): td pettionrm cleric popult 
Colimbricnsis clectus fuit Bornardis archidiacouns Bracarensis ceclosic apud Guimarans de consensu domain regis 
ct consilio Bracarensis archicprxcopi, et Colabrirnses eenerunt cum co Bracaram, ubi consecratus fuit a Pelagiv 
Bracarensi archiepiscopo in ecclesia sancte Maris. : ; 

* Papsturk. in Port. S. 185 u. 27. 
' JL. 7381. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portuyiesischen Geschichte, 25 


Europas grundsiitzlich aut Seiten Innocenz IT. stand. kann nicht zweitelhaft sein. Aber 
einen Beleg dafiir haben wir nicht', da sieh in den ersten fiint’ Jahren Innocenz IL Be- 
ziehungen zu Portugal iiberhaupt nicht nachweisen lassen*. Wir wissen nur. dali Diego 
von Compostela im Sommer 1130 und Februar1131 bei InnocenzIL. eine zweimalige Erneuerung 
des erwaihnten Mandats an Pelagius erwirkt hat, ebenso auch einen Betehl, die Composte- 
laner Besitzungen im Bragaer Gebiet an Diego herauszugeben®. Allen diesen Aufforderungen 
aber ist Pelagius, soweit die Uberlieferung erkennen liBt, nicht nachgekommen, und ins- 
besondere die Frage des Bistums Coimbra blieb anscheinend cinstweilen offen. 

Es mubte erst ein neuer Anstof zur Verstirkung der Verbindung zwischen Portugal 
und Rom erfolgen. Ein solehes neues Moment lag in einer Fortbildung des portugie- 
sischen Klosterwesens. 

Auch schon yor Innocenz Il. gab cs in Portugal eine ganze Anzahl Benediktiner- 
kléster, hier und da wohl auch cin Stift von regulierten Chorherren. Aber keines davon 
ist im 11. Jahrhundert oder im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts von cigentlicher Be- 
deutung gewesen. Die bestehenden Kléster blieben isoliert und schlossen sich noch nicht 
zu Kongregationen zusammen. Die reformatorischen Bestrebungen der Cluniazenser und 
der stidfranzésischen Augustiner waren kaum bis zu den portugiesischen Kléstern ge- 
drungen. Und auch die kolonisatorische Titigkeit, die den Ménchen im tibrigen Spanien 
und spiiter auch in Portugal so grofe Wichtigkeit verlieh. scheint bis damals noch nicht 
eingesetzt zu haben. weswegen wir auch yon einer Begiinstigung der Kléster durch dic 
Herrscher in gréiierem Stile ebensowenig etwas héren wie von Privilegierungen durch 
dic Papste. Erst dic Gritmdung des Stifts S. Cruz de Coimbra im Jahre 1131 leitete 
in allen diesen Richtungen einen Fortschritt ein. 

Der offizielle Griinder von 8S. Cruz ist der Archidiakon Tello, und spater hat sich 
auch Alfons I. selbst als Griinder des Stifts bezeichnet. Aber die eigentlich maBgebende 
Persénlichkeit und hestimmend fiir die besondere Entwicklung dieser Kirche war keiner 
von beiden: das war vielmelr Johannes Peculiaris. So deutlich wir das Lebenswerk 
dieses Mannes wenigstens in den Hanptziigen heute tibersehen kiénnen. so unsicher bleiben 
doch die Umrisse seiner Persénlichkeit. Leidenschaftlich und gelegentlich aufbrausend 
scheint er gewesen zu sein, zihe, aber nicht eigensinnig. ein sorgsam abwigender Prak- 
tiker, der sich nicht verbliiffen lieS und niemals nach dem Unerreichbaren strebte. Die 
hohe Autoritiit, die er sich erwarb, stellte er selbst jederzeit in den Dienst des Landes 
und des Fiirsten. Als Kirchenmann hat er vor allem fiir Organisation gesorgt. Er war 
entweder selbst gebiirtiger Franzose oder doch frithzeitig in Frankreich gewesen'; so 
brachte er fiir die kirchliche Laufbahn Kenntnisse und Vorstellungen mit, die ihm in 
den noch unentwiekelten portugiesischen Verhiltnissen von Anfang an bedeutenden Ein- 





‘ Die Vita Tellonis. die von einer rAbellio Prtré apostate filii Leas adversum pirssimum sanctumque papam 
Tnnocentium secundum spricht (P.M. H. SS. 164). ist erst ans dem Jahre 1155. 

2 Etwa in jene Zeit miiBte die frither beriihmte Erzihlung fallen. die man nach dem »schwarzen 
Bischof« zu nennen ptlegt und nach der der Papst an Alfons I. einen Kardinal gesandt haben. Alfons diesen 
aber kérperlich bedroht und verjagt haben soll. Es ist aber langst hekannt. daf das nur eine Legende ist. 
die erst im 1g. Jahrhundert auftritt (zuerst in den »Chronicas breves de S. Cruz de Coimbra«, P.M. H. 
SS. I 27f.) und schwerlich iiberhaupt cine historische Grundlage hat. 

3 JL. 7418. 7410. 7450. 2: ae oe 

+ Fir portugiesische Nationalitit des Johannes Peculiaris sprieht die Tatsache. da im Jahre 1152 ein 
Bruder und eine Schwester von iim in Portugal ansissig waren und Grundbesitz hatten: die Urkunde. die 
das belegt. ist schon von S. Marra. Chronica dos Conegos Regrantes Il 444 herangezogen worden und steht 
im Livro de D. Jodo Theotonio fol. 47. Dem steht die vielzitierte Stelle der Vita Tellonis (P. MW. H. SS. I 65) 


entgegen: Vencrat siquidem iurenis gudam Johannes nanne Pecuharis agnomine.... Siquidem in suo de Gallic 
tote! . pier i. e s . ‘s i » - x : 
partibus adventu.... Dab es sich dabei nar um einen voriibergehenden Aufenthalt in Frankreich gehandelt 


hat. ist méglich. aber nach dem Wortlaut nicht reeht wahrscheinlich. 


de 


Phol.-hist. Abh. L025. Nr. 0. 


26 C. Expuaynyn: 


flu8B sicherten. Sein erstes Werk war die Griindung des Klosters S. Christovam de Lafoes, 
das er selbst als Abt leitete’. Dann machte ihn der Prior der Kathedrale von Coimbra, 
Johannes Anaya, zum Kanoniker und magister scholarum*, und in dieser Stellung verband 
er sich mit dem Archidiakon Tello. 

Der letztere, der tiber die Ablehnung seiner Wahl zum Bischof enttiéuscht und in 
scharfen Gegensatz zum Bischof und dem Hauptteil des Kapitels geraten war. plante die 
Griindung eines Chorherrnstifts, das ihm eine selbstandige Stellung gewihren sollte. Sein 
Ratgeber, der in allem die Direktiven gab’, war Johannes Peculiaris, und mit Hilfe des 
jungen Alfons von Portugal, den man fir den Plan zu interessieren wulbte, gelang die 
Griindung des Konvents und der Kirche S. Cruz in der Vorstadt von Coimbra. Reibungen 
mit dem Bischof und dem Domkapitel gab es hiufig. Dafiir fand das Stift Riiekhalt 
am Landesfiirsten, der bald anfing, es reich zu beschenken, und es zu seiner Grabstitte 
bestimmte. Das Entscheidende wurde aber, dali Johannes Peculiaris beschloB, da® Stift 
dem rémischen Stuhl als zinspflichtiges Schutzkloster zu unterstellen. Da sich dadurch 
eine Gelegenheit ergab, auch die Stellung des Bistums Coimbra regeln zu lassen. waren 
sowohl Alfons I. wie Bischof Bernard mit dem Plan einverstanden, und so machte sich 
Johannes Peculiaris in Gemeinschaft mit Tello und dem Diakon Dominicus, versehen mit 
Briefen des Fiirsten und des Bischofs, im Frithjahr 1135 nach Pisa auf, wo Innocenz II. 
damals resicierte. 

Uber die Verhandlungen, die dort geptlogen wurden. wissen wir leider nur die eine 
Tatsache, daB sich der Kardinaldiakon Guido von SS. Cosma e Damiano, eine wichtige 
Persénlichkeit, von der wir noch héren werden. damals schon fiir die Kanoniker von 
S. Cruz verwandt hat*. Das Ergebnis selbst aber liegt uns in vier Urkunden vor. 
Innocenz II. wuBte die Gewinnung eines pipstlichen Schutzklosters in Portugal zu schitzen; 
hatte es doch gerade daran noch immer gefehlt. so da} eine unmittelbare EintluQnahme 
des Papsttums auf das portugiesische Klosterwesen hislang nie stattgefunden hatte. So 
erteilte er am 26. Mai 1135 das gewiinschte Privileg, indem er einen jahrlichen Zins von 
zwei Byzantiern festsetzte’. Auch mag damals in Pisa schon verabredet worden sein, 
daB das junge Stift der Kongregation von S. Rut angegliedert werden sollte, wie es tat- 
sichlich von den Abgesandten auf ihrer Riickreise nach Portugal durchgefiihrt wurde. 
Auch hierdurch wurde S. Cruz enger in die Sphire der rémischen Kirche hineingezogen 
und ein Anfang fiir die Neuorganisation des portugiesischen Klosterwesens gemacht. Das 
schien dem Papste wichtig genug, um nun auch seinerseits das Zugestiindnis zu machen, 
das man in der Frage des Bistums Coimbra von ihm erhoffte. Innocenz II. hatte hislang 
die Anspriiche des Erzhischofs von Santiago auf das wichtige portugiesische Bistum 
anerkannt und die faktisch erfolgte Unterstellung unter Braga angefochten und geriigt. 





1 Vgl. vor allem die Urkunde Alfons I. fiir Lafées bei Branndo Il 294 App. 21. Der Passus in der 
Vita Tellonis a. a.O.: quoddam suo ducatu et doctrina statuit monasterium apud sanctum Christoforum ist insofern 
weniger zuverlissig, als im Original (Livro Santo fol. 2) auf das Wort gvoddam eine — anscheinend relativ 
moderne — Rasur von etwa 20 Buchstaben folgt. Da8 Johannes selbst der Abt war. geht aber auch aus 
seiner Urkunde fiir Grijd vom 26. Oktober 1137 hervor (im Livro Baio Ferrado de Grijo fol. 5°. ed. Thom. 
ab Incarnatione, Historia ecclesiae Lusitanae II 231). welche ein anteactum officium, quod in regimine cenobii 
erhibuimus, erwihnt. Damit l48t sich die Angabe der Beschwerde Johannes Anayas {Anhang IV). wonach Johannes 
Peculiaris unter dem Abt Johannes Cirita gestanden habe, kaum vereinigen: Johannes Cirita war vielmehr 
der Nachfolger des Johannes Peculiaris in Lafses. 

2 Vita Tellonis S. 67: Lohannem tune magistrum: Vita s. Theotonii (P. M. H. SS.I 83): Colimbrie magister 
scolarum; ferner Anhang IV. In jener Zeit (etwa 1130) war tats&chlich Johannes Anaya Prior, s. Risero pe 
Vasconcettos in Mem. Acad. R. Science. Lisb.. N.S.. Cl. de se. mor. I p. IL 87. 

Vita Tellonis S. 66: gui in omnibus precrat. 

+ Vita Tellonis S. 66. 

8 JL. 7691. dazu Papsturk. in Port. S. 76, 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. 27 


Von einer ausdriicklichen Zuriicknahme dieser AuBerungen ist uns zwar nichts iiberliefert. 
Wir haben aber ein ebenfalls vom 26. Mai 1135 datiertes Privileg, in dem der Bischof 
von Coimbra in den Schutz des hl. Petrus aufgenommen wird’, und man darf diese 
Urkunde wohl als eine Anerkennung des bestehenden Zustandes auftassen. Denn in 
einem Begleitschreiben an Alfons I. von Portugal sagt der Papst, daB er fiir das Bistum 
Coimbra die Bitten des Fiirsten gewihrt habe, und wiinscht von diesem als Gegenleistung 
pro b, Petri reverentia den besonderen Schutz fiir $8. Cruz®. Hier ist deutlich zu sehen, 
daB die Begiinstigung des neuen Stifts und dessen direkte Unterstellung unter die rémische 
Kirche eine Gabe an den Papst war, und da®B es sich um ein do ut des gehandelt hat. 
Die Kurie gewann eine Vermehrung ilres Eintlusses; Portugal erwarb dafiir das Bistum 
Coimbra fiir Braga, die einleimische Metropole, zuriick. So brachte Johannes Peculiaris 
ein befriedigendes Ergebuis von dieser seiner ersten Romreise heim. 


Mit leichterer Miihe und ohne Inanspruchnahme der Kurie gelang es ein Jahr spiter, 
auch das Bistum Porto zur Kirchenprovinz Braga zuriickzubringen. Denn hier war die 
Schwierigkeit im wesentlichen nur eine persénliche gewesen, insofern als Bischof Ilugo 
von Porto immer zu Santiago gehalten und im Zusammenhang damit die Exemtion fiir 
sein Bistum erwirkt hatte. Als nun Hugo im Jahre 1136 starb, lieB Alfons den Johannes 
Peculiaris auf den freigewordenen Bischofsstuhl beférdern*, und seitdem ist von einer 
exemten Stellung Portos keine Spur mehr festzustellen. Damit waren die portugiesischen 
Bischéfe wieder unter gemcinsame Leitung gebracht und der Zustand, wie er einst unter 
Erzbischof Gerald bestanden hatte. wiederhergestellt. 


Johannes Peculiaris ist aber in dieser Stellung nicht lange geblieben: er wurde, 
als Erzbischof Pelagius von Braga starb, im Herbst 1138 zu dessen Nachfolger berufen. 
Er hat von da an 37 Jahre lang an der Spitze des portugiesischen Klerus gestanden und 
tritt damit in den Mittelpunkt unserer Untersuchungen. 


Zunichst begab er sich zum zweitenmal nach Rom, um sich das Pallium zu holen. 
Sein Privileg ist vom 26. April 1139 datiert’; offenbar hatte er zuvor am zweiten Lateran- 
konzil (3. April 1139) teilgenommen’, zu dem auch der portugiesische Klerus eingeladen 
war". Dieses Privileg JABt wiederum einen. wenn auch nur unscheinbaren Fortschritt der 
Stellung Bragas bei der Kurie erkennen: wenn in der Vorurkunde Calixts II. nach der 
Aufzihlung der Suffragane durch die unangenelime Klausel sa/eis tamen in omnibus Romane 
auctoritatis privilegiis auf die konkurrierenden Privilegien Santiagos und Portos verwiesen 
war, so verschwand jetzt diese Einschrinkung. Wiederum li$t sich erraten, womit sich 
Johannes Peculiaris diesen Gunstbeweis errungen hat: er unternahm nicht nur die Reise 
in Gemeinschatt mit einem Boten von S. Cruz‘, sondern fiihrte dem heiligen Stuhl noch 








‘ Papsturk. in Port. S. 185 n. 28, 

JL. 7684: steut nox pro Colimbriensi ecclesia tuis precibus acquicrimus, ita nichilominus pro ecclesia sancte 
Crucis Colimbriensis postulationes nostras exaudias, ut vidclicet pro beati Petri et nostra reverentia fratres eiusdem 
loci attentius diligas et honorcs et a nullo infestart permittas. In gleichem Sine schrieb Innocenz auch an Bischof. 
Klerus und Volk von Coimbra, JL. 7685. 

3 J, A. Ferrrirni. Memorias archeologicas do Porto 1173. Schon auf dem Konzil von Burgos am 4. Ok- 
tober 1136 tritt Johannes als Electus auf. s. P. Rassow, La cofradia de Belehite, im Anuario de Historia del 
Derecho Espafiol IT (1y26) 224. 

+ Papsturk. in Port. S. 188 n. 30. 

3 Willkiirlich ist jedoch die von dem modernen Chronisten Luiz pos Axsos aufgebrachte Belauptung, 
Johannes Peculiaris habe damals mit Bernard von Clairvaux Freundschaft geschlossen und eine Korrespondenz 
begonnen (vgl. A. Perma DE PisteiRepo. Portuguezes nus concilios geraes, Lissabon 1787. 8. 26f.). 

§ Papsturk. in Port. S. 187 n. 29. vel. dazu A. Lopez Ferrerro, Historia de la Iglesia de Santiago IV 217. 

“Sor. 7892, dazu Papsturk. in Port. S.77 Anm.1. Vita Tellonis S. 67. 
Jha. TOOT. FOQ2s p id i 


4* 


28 (. Erpwanxy: 


ein weiteres zinspilichtiges Schutzkloster zu, S. Salvador de Grijo. das er kurz vorher 
selbst privilegiert hatte’. 

War so durch die Titigkeit des Johannes Peculiaris der papstliche Eintluf in Portugal 
im Steigen, so geschah das in etwa der gleichen Zeit auch noch in anderer Weise. In 
jenen Jahren drang der Cisterzienserorden bis nach Portugal vor. Monche von Clairvaux 
griindeten um das Jahr 1139 das Kloster S. Jozo de Tarouca. von dem aus sie ihren 
Siegeszug durch einen groBen Teil Portugals angetreten haben”. Auch das Kloster Tarouca 
hat sich von Innocenz IL. ein Privileg erteilen lassen; leider ist es uns nicht erhalten’. 
Zu beachten ist dabei, dab Erzbischof Johannes. der es mit den Augustinerchorherrn 
hielt und von den Benediktiner- und Cisterziensermoénchen in jener Zeit wenig wissen 
wollte. dieses Mal sicher nicht der Vermittler war: auch olne sein Zutun begannen 
sich damals schon neve Faden zwischen Rom und Portugal zu spinnen. Sicherlich aber 
hatte Alfons T. seine Zustimmung gegeben. Dal gerade die Cisterzienser wegen ihrer 
kolonisatorischen Titigkeit ftir Portugal von groBer Bedeutung sein wtirden. blieb ihm 
nicht verborgen. Bei seinen Schenkungen an sie machte er es gelegentlich direkt zur 
Bedingung, dali} das unbebaute Land angebaut werden miisse. und begiinstigte sie um 
so mehr, als er dadurch gleichzeitig dem Papste zu Gefallen war. 

Johannes Peculiaris seinerseits wandte sein Hauptaugenmerk ant die Zusammenhaltung 
des Episkopats. Der schwierigste Punkt blieb dabei auch fernerhin das Bistuwm Coimbra. 
Dorthin wandte sich deshalb der Erzhischof ziemlich unmittelbar nach Erhalt des Palliums 
zur Austibung seiner Jurisdiktionsgewalt'. Damals oder einige Jahre spiiter ist es dann 
zu heftigen Kontlikten mit Bischof’ Bernard gekommen. Johannes Peculiaris griff offenbar 
iiber seine Metropolitangewalt hinaus in die Rechte des BischofS von Coimbra ein. Dieser 
und sein Anhang beschwerten sich deshall beim Papst, indem sic u. a. sogar behaupteten, 
Johannes Peculiaris habe die Hostie auf dem Boden zerstampft und eine ihm = vor- 
gezeigte piipstliche Bulle mit den Worten. in seinem Gebiete sci er selber Papst, zuriick- 
gewiesen’. Das sind allerdings. wenn wir auch an dem Ernste des Zusammenstofes kaum 
zweifeln kénnen, offenbare Ubertreibungen”. Innocenz UH. kanute auch den Johannes Pe- 
culiaris bereits gentigend, um darauf nicht einzugeln. Er verwies ihm nur kurz seine 
Ubergritie in die Coimbraer Rechte und bestitigte dem Bischof Bernard «ie selbstiin- 
dige Vertiigung iiber seine Didzese’. Erst als dann weitere Klagen aus dem Kreise des 


1 Papsturk. in Port. S. 1g0 n. 31. 

2 AuBer der Literatur bei Janacscuern. Orivines Cisterc. lor. benutzte ich eine handsehriftliche Abhandlune 
yon Virergso in der Stadtbibliothek von Viseu, Ms. Provas« I 38—39. Das in P. M.H. SS. I 88—yo als aweifel- 
haft publizierte Luordnan des IWosters Tarouca erscheint auch mir als niebt uuverdiehtig. verwendet aber 
sicherlich echtes Material. 

* Zit. in Papsturk. in Port. S. 230 n. G1. 

* Zeugenverhdr von 1182 im Distriktsarchiv Braga. Gaveta dos arcelispos n.4 und 7: Cian archiepiscopus 
(Iohannes) redicrit Roma acerpto pallio, cenit Columbriam, t cpscopus Bernardus rece pit eum in processione in ecclesia 
sancte Maric ct dimisit er domum suam et ieit ad alan ¢f procuracit eum, donee rea vedirt de terra Sarracenorum, quam 
intraccrat. Die letzten Worte verweisen auf den Veldzug Alfous Lim Hochsommer 1139 mit der beriilmten 
Schlacht bei Ourique und sind auch als Quelle fiir die vielumstrittene Prage nach der Lage von Ourique 
zu. sverwerten. 

4S. die Beschwerdeschreiben bei Rrerire or Vas oxcerbos aca.Q. bo poll S.sg ft nergy Ud. und Vy) und 
unten Anhang LV. : 

6 Insufern hat die Kvitik von J. A. Pirrrira (Fastos episcopaes S. graff) fraglos reelit. doch geht sie 
zu weit. da an der Authentizitit der drei Beschwerdesebreiben nicht vezWeifelt werden kann, Reneeras hilt 
sich auch fast nur an das dritte dieser Schreibeu: freilich ist gerade dies das aufsehluBreichste. weswegen 
ich es noclimals aus besserer Uherlieferung als Anhang [V abdrucke. = 

+ Papsturk. in Port. 8. tog fn. 35 a. 36. Eine Exemtion von der Metropolitangewalt Bragas war das 
jedoch natiirlich nicht. — Gleichzeitig ergingen zugunaten des Bischofs auch Mandate an S. Cruz und Grijh. 
s. ebd. S. rg3 on. 33 und 34. , 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jalrh, der portugicsischen Geschichte. 29 
} y / Y 


Bragaer Domkapitels selbst hinzukamen. lud der Papst den Erzbischof zur Rechttertigung 
nach Rom’. 

Johannes Peculiaris folgte der Vorladung. Bis es aber zu dieser Reise kam. war in 
der Gesamtlage bereits eine schwerwiegende Veriinderung cingetreten. 

Soweit wir die Beziehungen zwischen Rom und Portugal bislang verfolgt haben. 
hatte die Initiative durchweg auf seiten der Portugiesen gelegen. Wohl haben die 
Kardinallegaten, die von den P&psten in ziemlich regelmabigen Abstiinden nach Spanien 
gesandt wurden. meist oder immer auch Portugal autgesucht. Nachweisen kénnen wir das. 
wie schon erwiithnt. zuerst bei Boso im Jahre 1117. dann bei Deusdedit im Jahre 11247, 
bei Humbert im Jahre 1129” und bei Guido im Jahre 1136‘. Aber bei keiner dieser 
Sendungen sind uns Spuren einer tiefergreifenden Wirksamkeit verblieben. Soweit sich 
erkennen 1aBt. beschriinkten sich die Kardinile damals in der Wauptsache darauf, die 
Bischéfe zu den Konzilien. die sie regelmiBig gegen Ende ihrer Legation aut kastilischem 
Boden abhielten, zu berufen und dann deren Streitigkeiten durch die Konzilien entscheiden 
zu lassen”. Erst die letzte Legation Guidos im Jahre 1143 brachte darin einen Wandel. 
Wir haben nun gleich eine ganze Anzahl Nachrichten von der richterlichen Titigkeit, 
die er in Portugal selbst entfaltet hat. Er war in Porto und fallte dort ein Urteil in dem 
schon Jahrzelnte dauernden Grenzstreit zwischen diesem Bistum: und Coimbra". Dann 
ging er nach Coimbra, wo er sich vor allem mit den Streitigkeiten zwischen dem Bischof 
und den Kanonikern von 8. Cruz betaBte’. weiterhin aber auch mit Fragen der Kirchen 
S. Justa, S. Jofio und Santiago und des Klosters Lorvao”’. Er verschmihte es dabei 
nieht, vom Prior des Domkapitels ein gréBeres Geldgeschenk anzunehmen. eine Tatsache. 
der man wenig Gewicht beimessen wird, wenn man die hiufigen und regelmiBigen Ge- 
schenke des ErzbischofS von Santiago an Papst und Kardiniile bedenkt. Jedentalls wurde 
in der Person des Legaten die Autoritit der Kurie vom portugiesischen Klerus allgemein 
zur Entscheidung strittiger Verhiltnisse angeruten. und damit fand der Legat Gelegenheit. 
iiberall dort, wo es ihm angebracht schien. den Standpunkt der rémischen Kirehe zur 
Geltung zu bringen. 

Noch weit wichtiger aber als alles dieses war das Verhiiltnis, das sich zwischen 
dem Kardinal und dem Konig selbst herausbildete. Es gibt keine erziihlende Quelle, 
die uns Nachricht giibe von dem, was sich damals zwischen beiden abgespielt hat. Die 
Urkunden aber berichten uns die eine naekte Vatsache: Alfons I. leistete in die Hand 
des Kardinals Guido dem Papste Innocenz II. den Lehnseid wnd trug sein Land dem 
hl. Petrus und der rémischen Kirche aut’. 


* Hist. Compost. lib. 2 ¢. 70 p. 410. 
Hist. Compost. lib. 3 ¢. 14 p. 4o6. 

' Nach der Hast. Compost. lib. 3 ¢. 46 p. 571 besuehte Guide damals wterrsas Hispania ceclesias. DaB er 
auch in Braga war. gibt in dem schon zitierten Verheor von 1182 (Distriktsarechiv Braga. Gav. d. areeb. mn. 4 und 7) 
der Zeuge Petrus Maurus an: Vadt cardinal Gidowm ... Bracare... teapore Pelage archicpis¢ opi. 

* Vy). Papsturk. in Port. 8.171 ff n. 18. 1g. 23. 24 und 25. 

® Vel. J.P. Risciro, Dissert. Chronol UT p. Il? son. XL 

7 Vita Tellonis 5. 68. 

> Papsturk. in Port. 5. 54 und S. 1g7 1. 30. 

* In seinem Brief an Alfons I. (JL. 8340) untersecheidet Lueius Ul. 1. den in die Hand des Kardinals 
Guido geleisteten Lehnseid und die Oblation des Landes. 2. das spiter Inieflich ertolgte ({postmodum oo. po 
littras tuas) Versprechen eines Zinses. Das letztere ist der erhaltene Brief Clares regvt vom 13. Dezember 1143: 
der erstere ist offenbar walrend des A\ufenthaltes Guidos in Portugal anzusetzen. Denn man kann den Lehns- 
eid, der seine Spitze gegen Kastilien richtete. nicht auf die Zusammenkunft von Zamora (vgl. unten S. 31) verlegen. 
Letzteres hat Hrrccraxo [3 341 richtig erhannt: er wollte die Huldiguug aber eine Weile nach den Verhand- 
Tuneen von Zamora ansetzen und sah darin den Versuch. jene Abmachungen iUlusorisch za machen. Davegen 


' Papsturk. in Port. S. tg a. 38. 
2 


30 C. Erpwawnyn: 


Man hat diesen Akt mit der Theorie Gregors VII., da Spanien das besondere Eigen- 
tum des hl. Petrus sei. in Zusammenhang gebracht. Allein mir scheint das nicht be- 
rechtigt; jene AuBerungen Gregors waren damals wohl schon vergessen. Die Lehnsober- 
hoheit des Papstes war fiir die Kurie theoretisch natiirlich von hohem Wert, hat aber 
bei entfernten Lindern, die nicht wie etwa Unteritalien fiir die eigene Territorialpolitik 
der Kurie von Wichtigkeit waren, kaum faktische Konsequenzen im Sinne rémischer 
Herrschaftsrechte gehabt, sondern blieb, wenn wir von dem geringen Lelinszins absehen, in 
der Regel rein nominell. Sie wurde deshalb als ein Vorteil von allen denjenigen Herrschern 
erstrebt, die ihre Stellung auf diese Weise legitimieren und sich durch ihre Lehnsab- 
hangigkeit vom hl. Stuhl von anderweitiger Oberhoheit befreien wollten. Dai das auch 
der Gedanke Alfons’ I. von Portugal war, steht deutlich zu lesen in dem Lehusbrief Clares 
regni, durch den er nachtraglich am 13. Dezember 1143 seine Oblation beurkundete’. 
Er versprach darin einen jaihrlichen Zins von vier Unzen Goldes — also nur einen nicht 
sehr bedeutenden Rekognitionszins —, stellte aber ausdriicklich die Bedingung, da er 
fiir sich und fiir die Wiirde und den Rang seines Reiches den pipstlichen Schutz ge- 
nieBen und keine geistliche oder weltliche Herschergewalt aubBer der des Papstes und 
seiner Legaten anerkennen wolle. Der ganze Akt richtete sich also unmittelbar gegen 
die alte Oberherrschaft Kastiliens. Schon im Jahre 1140 hatte Alfons I. den Kénigstitel 
angenommen und so seinen Anspruch auf Unabhiingigkeit gegeniiber dem Nachbarn zum 
deutlichen Ausdruck gebracht. Zur Deckung seiner Stellung sollte nun das Verhiltnis 
zum Papsttum dienen. 

Wir werden annehmen kénnen, da Kardinal Guido seinerseits Zusagen in dieser 
Richtung gemacht haben wird; denn andernfalls wiirde es schwerlich zum Lelinseid des 
Koénigs gekommen sein. Auch hat sich der Kardinal dann selbst bemiiht, das Verhiltnis 
z Kastilien in einem ftir Portugal gtinstigen Sinne zu regeln. 





spricht jedoch das Itinerar des Kardinals. das wir jetzt in den Hauptziigen erkennen kénnen. Sein Anfenthalt 
in Portugal fillt vor das Konzil von Valladolid (Papsturk. in Port. S. 84), also etwa in den Sommer 1143. 
Am 1g, und 20. September fand das Konzil von Valladolid statt, am 4. und 5. Oktober die Zusammenkunft 
von Zamora. Da der Kardinal danach zum zweitenmal nach Portugal geganven ist. ist besonders deshalb 
unwahrscheinlich. weil er am 27. November 1143 selon wieder cin Konzil in Gerona abhielt. am 17. Februar 
t144 aber bereits in Rom war. 

1 Der Brief wurde ins Register Lucius’ II. eingetragen und ist ausschlieBlich ans dieser (berlieferung 
bekannt. Als Oblatio regis Portugalensium in registro Luii Hf. findet er sich in einer Abschrift des 13. Jahr- 
hunderts im Distriktsarchiv Braga (Gav. de not. var. n. 2). daraus gedruckt von Virirno. Elucidario I 378 
s. ¥. Dinheiro. Ferner hat Innocenz IW. am 15. Julirryg auf Bitten des Erzbisehofs Martin von Braga den 
Brief transsumieren lassen: dabei (oder schon vorber) wurde er mit der irrigen. aber mit Rtichsicht auf den 
Fundort im Register Lucius’ If. begreiflichen Cberschrift versehen: Lucio secundy A. ree Portuyalensis. Das 
Transsumt Innocenz’ III. ist ebenfalls nicht direkt jiberliefert. Erst Innocenz LV. hat es noebmals in sein 
Register eintragen lassen (an. VI cur. n. 24: Bircer n. 4685). und zwar ins 6. Buel. das sich noch heute in 
Paris befindet und frither zur Colbertina gehirte Daraus hat es Batuze, Miscellanea II 220 (Miscellanea ed. 
Mansi III 78) gedruckt. Eine moderne Abschrift davon ist im vatikanischen Archiv (Reg. Vat. 214 fol. 365 
n. 24). und von hier ist cine noch jiingere Abschrift ins Lissabonner Archiv sekommen (Col. de bulas ex. 27 
m. 68 A). Zu allererst ist der Brief von B. Brito (Chron. de Cister lib. 3 ¢. 4) gedruckt worden. welcher 
eine Abschrift aus Toledo hatte. Diese Toledaner Uberlieferung gelit letztlich ohne Frage auch auts Register 
Lucius’ IL. zuriick, ist jedoch noch nicht ganz aufyeklirt. Auch beim PrimatsprozeB zwischen Toledo’ und 
Braga in den Jahren 1217—18 wurde die Urkunde herangezogeu: auf dem Rotulus, der der Brayaer Parte 
iiberreicht wurde. steht jedoch nur ein Aus7ug (Papsturh. in Port. S. 10g). Der volle Text steht in einem 
Toledaner Chartular des 13. Jahrhunderts. jetzt in der Natioualbibliothek von Madrid. Vitr. 1- n. 5 fol. 33°. 
Die Rubrika mit der Uberschrift ist lier durch den Buchbinder abgeschnitten: doch ist noch eine Kopie 
dieses Chartulars aus dem 14. Jahrhundert vorhanden, wo die Cberschrift lautet: Dr censu regud regis Portugalir 
in registro Innocentii pape lb. I. Falls sich dies auf das Register Innocenz’ IV. bezieht. so wire III in. VJ 
zu emendieren; doch het vielleicht iiberhaupt ein Irtum vor. Alle diese Abscbritten sind mehr oder wenieer 
fehlerhaft: doch hat schon Hercurano 15 525 ff Not. XIX die dadurch entstandenen Schwierigkeiten pa 
wesentlichen richtig gelést. An der Echtheit des Briefes. die J. P. Riseiro bestritten latte. aun jedenfalls 
nieht gery weifelt werden. ‘ 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. 31 


Das Konzil von Valladolid, das er am 19. und 20. September 1143 abhielt, — 
wir kannten es bislang schon aus einzelnen Erwihnungen, kénnen es jetzt aber auch 
nach der Konzilsakte selbst beurteilen', — hatte allerdings fiir Portugal nur geringere 
Bedeutung. Im Prinzip hatten auch die portugiesischen Bischéfe soleche spanischen National- 
konzilien zu besuchen, und in der friiheren Zeit war das, wenngleich unregelmaBig, ge- 
schehen. Zuletzt hatten noch am Konzil von Burgos im Jahre 1136 nicht nur der Bischot' 
von Coimbra und der Erwihlte von Porto, sondern aueh der Erzbischof Pelagius von 
Braga teilgenommen*. Johannes Peculiaris aber hat das als Erzhischof nicht mehr getan: 
er wollte nicht mehr als ein Glied der gesamtspanischen Kirche erscheinen. Vom Valla- 
dolider Konzil blieb auch Pedro von Porto fern, und wenn Bernard von Coimbra als 
einziger Portugiese daran teilnahm, so dirfen wir das sicher mit seinem Gegensatz gegen 
Braga in Zusammenhang bringen: erscheint er doch in den Konzilsakten auffallenderweise 
als Suffragan von Compostela! 

Die Zuriickhaltung der Portugiesen war vielleicht schon im Voraus mit dem Kardinal 
verabredet. Jedenfalls hat sich dieser dadurch nicht zu einer feindlichen Stellungnahme 
gegen sie verleiten lassen. Das zeigt seine Handlungsweise unmittelbar nach dem Konzil. 


Zu den traditionellen Aufgaben der nach Spanien gesandten Legaten gehorte es, 
zwischen den hadernden Fiirsten Frieden zu stiften und sie gegen den gemeinsamen 
Feind im Siiden zu vereinigen. Auch Guido wird einen solehen Auftrag gehabt haben. 
(respannte Beziehungen hbestanden auch zwischen Kastilien und Portugal. Ohne daB sich 
im Einzelfalle immer ein positiver Grund angeben lieBe, war es zu verschiedenen Feld- 
ziigen wechselnden Ausgangs gekommen; zuletzt hatten Alfons VII. von Kastilien und 
Alfons I. von Portugal im Jahre 1140 einen Waffenstillstand fiir einige Jahre geschlossen. 
Die darauf erfolgte Annahme des Kénigstitels durch Alfons I. hatte die Lage von neuem 
verschirft. Nun nahm Kardinal Guido die Friedensvermittlung in die Hand, offenbar 
um seinem neuen Schiitzling zu helfen. Es kam zu einer Zusammenkunft beider Kénige 
und des Kardinals am 4. und 5. Oktober 1143 in Zamora*, wo ein dauernder Friede 
geschlossen wurde*, und es scheint, daB Alfons VII. sogar den Kinigstitel des Portugiesen 
anerkannt hat”. 

Damit vollenden sich die bedeutsamen Ergebnisse dieses Pontifikats, der fiir Portugal 
der wichtigste von allen war. Unter Innocenz II. war sowohl die Versténdigung itiber 
die Gliederung des portugiesischen Episkopats wie die Einfiihrung der Institution der 
pipstlichen Schutzkléster in Portugal erfolgt; sein Legat hatte dort als erster eine 
nachdriickliche kirchliche und politische Wirksamkeit entfaltet und verlief den portu- 
giesischen Ko6nig als einen Lehnsmann der Kurie. Hierbei war der Gewinn fir die 
Kurie zwar ein rein moralischer, als soleher aber von erheblicher Bedeutung. Vor allem 
war es ein eindringlicher Beweis dafiir, da der Kénig von Portugal seine Politik im Ein- 
vernehmen mit dem Papsttum treiben wollte und daB das westlichste Land des orbis 
christianus seine Beziehungen zur rémischen Kirche weiter gefestigt hatte. 





1 Frra im Boletin de la R. Academia de Ja Historia LXI (1912) 166ff. Die dltere Literatur (vgl. Mansi 
XXI 507) setzte das Konzil ins Jahr 1137, doch hat schon Herccranxo 15 525ff. Not. XIX den Fehler nachi- 
gewiesen. Die Akte in Papsturk. in Port. S. 198 n. 40. 

2 Vel. die Konzilsurkunde vom 4. Oktober 1136 bei P. Rassow a. a. O. 

3 Vol. Frra im Boletin usw. LXI 1r7o0ff.; Herevrano 15 526f. Unsere Quelle sind zwei von Yeprs ge- 
druckte Urkunden Alfons’ VIL. die beide datiert sind: Zamorae.... tempore quo Guido Romanae ecclesiae car- 
dinalis concilium in Valle Oleti celebravit et ad colloquium regis Portugalliae cum imperatore venit. In beiden Ur- 
kunden sind die Zeitelemente verderbt jiberliefert. doch gehéren sie offenbar zum 4. und 5. Oktober II43. 

$ Chronica Alfonsi VI. in Espaiia Sagrada XNI 353: facta pace cum Portugalensium rege. 

5 So Hercutano [5 338. 


32 C. ErpuMann: 


Zu der Zeit freilich, wo Alfons 1 seinen in die Hand des papstlichen Legaten ge- 
schworenen Lehnseid beurkundete, war die Person, aut die sich der Eid bezog, eben 
Papst Innocenz IL. nieht mehr am Leben. Auch sein Nachfolger Celestin If. starb schon 
nach kurzer Zeit. und so ist es gekommen. dab die Frage der portugiesischen Lelns- 
abhangigkeit an der Kurie erst unter Lucius I. zur Verhandlung kam. 


§ 4. Der Kampf gegen den Toledaner Primat. 


Es ist eine merkwiirdige, aber unzweifelhafte Tatsache, daB sich die Kurie mit der 
Lelinsabhangigkeit Portugals nicht unbedingt zufrieden gezeigt hat. Zwar nahm sie selbst- 
verstandlich den Gewinn an EintluB und Prestige gern an. Aber der politische Kern 
der ganzen Aktion widersprach der spanisehen Politik. wie sie damals von der Kurie 
mit ziemlicher Konsequenz befolgt worden ist. Lucius II. hielt es ebenso wie die meisten 
seiner unmittelbaren Vorgiinger und Nachfolger mit der starksten Macht der iberischen 
Halhinsel. mit dem vereinigten Reich von Kastilien und Leon. Alfons VIL. von Kastilien 
geno} bei den Pipsten eine ganz besondere Gunst. die sich nicht nur in der Verleihung 
der goldenen Rose und vielen ehrenvoll und freundschaftlich abgetaBten Briefen Au®erte, 
sondern auch vor allem in politischen MaBnahmen zum Ausdruck kam. In Rom erkannte 
man als «ie wichtigste Aufgabe aller spanischen Fiirsten das Vordringen gegen den Islam 
und glaubte, dieses Ziel am lhesten erreichen zu kénnen. wenn die verschiedenen Fiirsten, 
statt sich gegenseitig zu bekampfen, unter einheitlicher Oberleitung stinden und, wenigstens 
bei groBen Aktionen und im Nottall, ein einziges Heer unter gemeinsamem Befehl bil- 
deten. Das bedeutete praktisch eine Unterstiitzung der Anspriiche auf Oberherrschaft, 
die Alfons VI. gegentiber Aragon, Navarra und Portugal mit mehr oder weniger Erfolg 
geltend machte. Diese Politik wollte Lucius HT. auch nach dem Lehnseid Alfons’ I. von 
Portugal nicht aufgeben. Er sah sich deshalb in einer scliwierigen Lage und hat das 
Verhalten seines Legaten, der den Frieden auf der Halbinsel auf einer andern Basis her- 
beizufiihren gesucht hatte, wenn auch nicht ausdriicklich, so doch tatsichlich desavouiert. 

Dai in Rom Schwierigkeiten zu erwarten waren, hat Alfons]. wohl vorausgesehen. 
Er bestellte deshalb zum Uberbringer seines Lehnsbriets keinen geringeren als den Erz- 
bischof von Braga, Johannes Peculiaris, welcher auch diese seine dritte Romreise sorg- 
faltig vorbereitete. Wie schon im Jahre 1139 reiste er in Gemeinschaft mit einem Boten 
von 8. Cruz’ und lie8 Belege fiir eine Erweiterung des Besitzstandes der beiden pipst- 
lichen Schutzkléster S. Cruz und Grijo vorlegen. Ebenso versah er sich mit seinem Metro- 
politanprivileg zur Erneuerung und lieB zu dem gleichen Zweck auch zwei frithere Ur- 
kunden fiir das Bistum Coimbra mitnehmen. Er hielt wohl darauf. an der Kurie nicht 
isoliert aufzutreten, sondern zu zeigen, da die portugiesische Kirche hinter ihm stand 
und dali er seine Untergebenen zur Pilege der Beziehungen zu Rom anhielt. So bekam 
die papstliche Kanzlei am 30. April und 2. Mai 1144 vier Privilegien fir Braga, Coimbra, 
S. Cruz und Griji zu schreiben’: auf diese Weise konnte Johannes hoffen, seinem Er- 
scheinen in Rom mehr Gewicht zu geben. 

Wichtiger aber als diese Privilegien war natiirlich die brietliche Antwort. die gleich- 
zeitig Konig Alfons lL am 1. Mai 1144 erhielt. ein Meisterstiick der papstlichen Diplomatie’. 
Lucius II. beginnt darin mit Lobspriichen auf die Devotion Alfons’ [.. und bei obertlichlicher 





1 Vel. Vita TeHonis S$. 68. 

* Papsturk. in Port. S. 203 ff n. 41-43: JIL. 8585. 

© JL. 8590. Uherliefert ist dieser Briet durch spiitere zweimalige Fintragnng ins Register Innocenz’ IV. 
BerceR n. 4684 und 6784. : 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte, 33 


Lektiire erscheint der ganze Brief als eine erfreute Annahme des vom Kénig und vom 
Kardinal Guido angebahnten Lehnsverhaltnisses. Sieht man aber genauer zu, so ergibt 
sich, daB der Brief’ nur das fiir das Papsttum Vorteilhafte akzeptiert, aber alle Bindungen 
und alle politischen Konsequenzen vermeidet. Die vom Konig tibernommenen Verptlichtungen 
zihlt er in prazisen Ausdriicken auf: das dem Papste Innocenz geleistete hominium, die 
Oblation des Landes an den hl. Petrus und das auch ftir die Nachfolger giiltige Ver- 
sprechen eines Zinses von vier Unzen Goldes. Die Bedingungen aber, die Alfons 1. in 
seinem Brief gestellt hatte: die Wahrung seiner Wiirde, also des Konigstitels, und die 
ginzliche Unabhingigkeit seines Landes im Geistlichen und Weltlichen von allen Gewalten 
auBer Papst und Legaten, werden mit Stillschweigen tibergangen, und auch eine Aner- 
kennung des Lelnsverhiltnisses zwischen Portugal und dem hl. Stuhl spricht der Papst 
nicht aus, sondern hegniigt sich mit dem Satze: wir nehmen dich und deine Nach- 
folger unter die »Erben des Apostelfiirsten« auf, damit ihr unter seinem Segen und 
Schutz steht und so mit Gottes Hilfe ins Himmelreich gelangen kénnt’ -— nichtssagender 
konnte er sich schwerlich ausdriicken. Es war unzweifelhaft eine Ablelhnung dessen, 
was sich der Kénig von Portugal bei der Oblation gedacht hatte. Das brachte Lucius IL. 
aber nur indirekt zum <Ausdruck. indem er in der Adresse Alfons I. nicht als Konig, 
sondern nur als dua bezeichnete*, genau so wie cs Innocenz Il. friiher getan hatte, als 
Alfons I. selbst den Kénigstitel noch nicht fihrte®. In der Stellung Portugals sollte also 
nach seiner Meinung alles beim alten bleiben und die Unterordnung unter Kastilien auch 
weiterhin durch den Titel zum Ausdruck kommen. 

Deutlicher aber zeigte sich die Auffassung des Papstes in seinem Verhalten gegen- 
tiber dem Erzhischof von Braga: er befahl diesem jetzt, sich dem Erzbischof von Toledo 
als seinem Primas unterzuordnen’. Die Frage des Toledaner Primats hatte schon seit 
Jahrzehnten geruht. Wohl hatten die Erzbischéfe ihr Primatsprivileg mehrfach bestitigen 
und auch entsprechende Enzykliken an den spanischen Episkopat austfertigen lassen. 
Aber eine tatsiichliche Unterstellung unter Toledo war den tbrigen spanischen Erz- 
bischéten, soviel wir wissen, nicht mehr zugemutet worden. Wenn nun mit einemmal 
eine solche Forderung auftritt, so mag es damit zusammenhingen, dafS§ damals auch 
Erzbischof Raimund von Toledo cder wenigstens sein Beauftragter in Rom anwesend 
war’. Die Hauptsache war aber offenbar, dali die Ablehnung der von Alfons I. gestellten 
Bedingungen auch auf kirchlichem Gebiet zum unzweifelhaften Ausdruck gebracht und 
gerade jetzt die portugiesischen Selbstindigkeitsgeltiste aufs nachdriicklichste bekampft 
werden sollten. Alfons I. hatte fiir den \ugenblick das Gegenteil von dem erreicht, was 
er wollte. Sogar in das Bragaer Metropolitanprivileg wurde jetzt wieder eine einschrinkende 
Klausel hineingebracht, wie man sie fiinf Jahre zuvor gerade getilgt hatte: der MiBerfolg 
der portugiesischen Politik tritt auch hier zutage. 

Bei alledem konnte Lucius IJ. die Tatsache doch nicht aus der Welt schatften, dah 
dureh den Lehnseid des portugiesischen Konigs die Oberhoheit Kastiliens tiher Portugal 





! Register _Innocenz’ IV. ann. Xn. y24 (Reg. Vat. 22 fol. 307’): Nos.... fam te quam silos tuos ct suc- 
cessores vestros intra hercdes ipsius apostolorum principis ipso adinvante suscipimus, ut in eius semper benediction, + 
et protectionr tam auimarum quam corporum maneatis, per quas ah hostium visibilinm «ot invisibilinm erpugnation 
dvfensi ad erlestia regna pervenive largiente Domino valeatis. 

2 Darauf Lat schon Tlerccrano [5 343 hingewiesen. Nicht richtig ist es jedoch. wenn Hrrcurayxo auch 
die Verweudanye des Wortes frra statt regianie als bedentungsvoll betont: auch Alfons I. selbst sagt in seinem 
Brief fiinfinal #rra, viemals regain. 

3 Vel. JL. 7684. 7802. 

' Val. JL. 8752. 

° JL. 8604. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 5. F 


34 C. BRD MANN? 
: 

beeintrachtigt war. Eine entsprechende Beschwerde des Kénigs Alfons VII. von Kastilien 
an die Kurie ist deshalb auch nicht ausgeblieben. wie wir aus einem Antwortschreiben 
Eugens Il. vom 27. April 1148 wissen’. Alfons VII. klagte. daB der Papst vom Konig 
von Portugal etwas angenommen oder ihm etwas zugestanden habe. wodurch die Rechte 
Kastiliens geschidigt waren -— eine deutliche Anspielung auf den Lehnszins. Wenn auch 
Eugen IH. diese Klage als unberechtigt zuriickwies und den Konig von Kastilien durch 
Verleihung der goldenen Rose zu versdhnen suchte: fiir Portugal blieb doch in der 
nunmehr geschaffenen Situation dauernd die Aussicht, die Kurie gegen Kastilien aus- 
spielen zu kénnen. Alfons von Portugal hat sich seinerseits gehiitet. etwa unter Berufung 
auf die im Lehnsbrief gestellten Bedingungen nachtriiglich zuriickzuweichen und seinen 
Lehnseid zu widerrufen. Durch einen Bruch mit der Kurie konnte er nichts gewinnen; 
vielmehr bemtihte er sich, durch Fortsetzung seiner bisherigen Haltung von der Kurie 
einen Wechsel ihrer Politik und eine Anerkennung der portugiesischen Selbstindigkeit 
zu _erreichen. 

Zuvérderst mubte der Kampf auf kirchlichem Gebiet zum Austrag kommen: die 
Unterstellung Bragas unter Toledo, also der portugiesischen Kirche unter die kastilianische. 
suchten die Portugiesen, wenn irgend méglich, zu vermeiden. Um diese Frage konzen- 
trieren sich nun die Beziehungen Portugals zum Papsttum. 

Erzbischof Johannes von Braga blieb nach seiner Riickkehr aus Rom den papstlichen 
Weisungen gegentiber jahrelang taub. Zu dem von Lucius II. angesetzten Termin, aut 
dem Braga seine etwaigen Rechtseinwinde gegen die Toledaner Primatsanspriiche vor- 
bringen sollte, erschien er nicht. Nun betahl ihm Eugen III. am g. Mai 1145, er solle 
dem Erzbischof Raimund von Toledo als Primas binnen drei Monaten kanonisechen 
Gehorsam leisten, andernfalls wire er von seinen Amtern suspendiert®. Doch auch das 
wirkte nicht; Erzbischof Johannes verweigerte den Gehorsam, und um die Suspension, 
in die er dadurch verfiel, kiimmerte er sich nicht, indem er mit der Austibung seiner 
erzbischéflichen Funktionen ruhig fortfuhr. 

Es war ein unsicheres Spiel; aber die Zeit kam dem Erzbischof zu Hilfe. Denn das 
Jahr 1147 fihrte einen Wechsel der Lage herbei. lm Miirz jenes Jahres nahm Alfons I. 
das wichtige Santarem (am unteren Tejo) durch Sturm: im Oktober fiel ihm durch die 
Hilfe einer Kreuzfahrerflotte auch die Stadt Lissabon in die Hinde. Dadurch erfulr das 
Territorium Portugals eine erhebliche Erweiterung, die sich auch in der kirchlichen 
Organisation auswirkte. Schon durch die Einnahme von Santarem war das Gebiet des 
Bistums Coimbra auf die Dauer gesichert, und damit war der Augenblick gekommen, 
wo dies Bistum keinen Anspruch mehr aut die Verwaltung der Didzesen Viseu und 
Lamego hatte. Alfons I. sehritt deshalb bald danach zur Restitution jener beiden Bis- 
tiimer®, Dazu lief§ er dann auch den Bischofsstuhl von Lissabon alsbald nach der Ein- 





1 JL. 9255. Weshalb wir von soleher Beselnwerde des Kastilianers erst nach mehreren Jahren héren, 
entziebt sich meiner Kenntnis. Hercvrano [5 344 meinte. der portugiesische Lehnseid habe im geheimen 
stattgefunden und Alfons VIL lange Zeit nichts davon erfaliren. Aber diese Auffassung scheint mir unhaltbar. 
Die Portugiesen hatten jedenfalls an Heimlichheiten kein Interesse, und die Besprechung von Zamora im 
Oktober 1143 hatte. wie wir oben sahen. offenbar gerade den Lehnseid schon zur Voraussetzung. Auch die 
Anwesenheit der Toledaner am Hof Lucius’ H. zu der Zeit, wo der Lehnsbrief beantwortet und dem Erz- 
bischof von Braga der Gehorsam gegentiber dem Primas anbefohlen wurde. spriclt gegen ein Geheimbleiben. 

2 JL. 8752, vel. JL. 9255. 9363- 

3 Der Zusammenhang der Wiederbesetzung von Viseu und Lamego mit den Eroberungen des Jahres 1147 
(vgl. Papsturk. in Port. S. 154ff n. 2. 26 und 28} ist noch nicht beachter worden. Man setzt sie meist schon 
ins Jahr 1144; doch ist der Alteste Beleg fiir die Existenz von Bischéfen in Viseu und Lamego, den ich habe 
finden hénnen, erst aus dem Sommer 1147, nimlich der bei Beginn der Belageruny Lissabons mit den Kreuz- 
fahrern gesehlossene Vertrag (im Brief des englischen Kyeuzfahrers tiber die Eroberung Lissabons, P. M. H. 
SS. I 398}. Auch gal es aus dem Jahre 1147 bereits eine Urkunde des Odorius von Viseu (Stadtbibliothek 


Das Papsttum und Portugal im ersten Juhrh. der portugiesischen Geschichte. 3d 


nahme mit einem der Kreuzfahrer selbst besetzen. dem englischen Kleriker Gilbert. 
Natiirlich wurde auch dieser neue Bischof durch den Erzbischof von Braga, der selbst 
an der Einnahme Lissabons teilgenommen hatte. geweilt, leistete diesem Obedienz’ und 
entsandte auch auf die Bragaer Synode zu Beginn des folgenden Jahres cinen Vertreter’. 
Es war aber niemandem zweifelhatt, daB das alte Bistum Lissabon niemals zur Kirchen- 
proving Braga, sondern stets zu Merida gehért hatte. jetzt also Santiago zuzuweiseu war. 
Ohne eine pipstliche Entscheidung konnte deshalb Braga unmdglich auf die Dauer ein 
Recht auf Lissabon durchsetzen. Jedentalls war es auch im Hinblick auf die Bistiimer 
Viseu und Lamego angebracht, dai} der Metropolit dem Papste die Neubesetzung anzeigte 
und sie sich als Suffraganbistiimer bestitigen lie. 

So ergab sich fiir Johannes Peculiaris eine gute Gelegenheit, seine Stellung an der 
Kurie in Ordnung zu bringen. Als Uberbringer der Nachricht von den groBen Fort- 
schritten des christlichen Heeres und der Neuerrichtung dreier Bistiimer konnte er auf 
eine gute Aufnahme rechnen; diese Lage beschloB er zu einer neuen Romreise zu nutzen. 
Wiederum sorgte er auch sonst fiir ein giinstiges Auftreten, indem er die Privilegien 
der beiden Schutzkléster, die er dem hl. Stuhl zugefihrt hatte. S. Cruz und Grijé, zur 
Bestitigung mitnehmen lie&*. Auch mit den portugiesischen Templern setzte er sich 
ins Benehmen: ein von diesen entsandter Bote erschien gleichzeitig mit dem Erzbischof 
in Rom*. Die Templer hatten in Portugal schon zwanzig Jahre vorher Fu8 gefa8t und 
eben damals, bei der Einnahme von Santarem, mit dem Kénig ein Abkommen geschlossen. 
aus dem sich eine stindig wachsende enge Verbindung zwischen dem Orden und dem 
portugiesischen Kénigtum entwickelte. Auch diese Tatsache war gecignet, die Stellung 
Portugals an der Kurie zu verbessern; standen doch die Templer damals schon in der 
(sunst der Pipste an oberster Stelle. So unternahm Erzbischof Johannes im Sommer 1148 
zum vierten Male den weiten Weg an die Kurie. die er in Brescia erreichte. 

Das Ergebnis der Reise war wenigstens ein Teilerfolg. Eugen III. rechnete ihm seine 
langdauernde Widersetzlichkeit nicht an, sondern sprach ihn von der Suspension los 
und brachte am 8. September 1148 die Rehabilitierung des Erzbischofs auch in einem 
neuen Privileg zum Ausdruck’. Aber eine Befreiung von der Unterordnung unter den 
Toledaner Primat erlangte Johannes auch jetzt nicht; Eugen II. hielt an der Politik seines 
Vorgiingers fest. Su mute der Erzbischot versprechen, den schweren Gang nach Toledo 
zu tun und sich zu unterwerfen. kr hoffte vielleicht, es werde aueh diesmal bei Worten 
bleiben. Jedenfalls beeilte er sich mit der -\usfiihrung nicht und erhielt deshalb von 
Eugen III. am 19. Dezember 1149 auf Driingen des Koénigs Alfons VII. von Kastilien ein 
neuerliches strenges Mandat mit einer erneuten Suspensionsdrohung”. Auch danach hat 





Viseu. Ms. »Provas« von Virrrno I 172 ff). Die Besetzung der beiden Bistiimer geschah aber nicht gleichzeitig: 
denn nach dem Zeugenverhér von 1182 (im Distriktsarchiv Braga. Gay. d. arcebispos n. 4 und 7) wurde Odorius 
yon Viseu in Tuy, Mendo von Lamego und Johann von Coimbra in der Kathedrale von Coimbra geweilit. 

1 Der Wortlaut der Obedienz im Liber fidei fol. 71 n. 217. 

2 Branpao, Monarchia Lusitana IT lib. 10 cap. 30 fol. 175’ aus dem Liber fidei fol. tr7’ mn. 417. Wegen 
der Beziehung auf das bevorstehende Konzil von Reims gehért die Synode ganz in den Anfang des Jahres 1148. 

3 JL. 9294: Papsturk. in Port. S. 213 1. 48. 

! JL. 9291; Papsturk. in Port. S. 50. 

> Papsturk. in Port. S.2tr un. 47. vel. JL. 9363. Rodrigo von Toledo (lib. 7 cap. 6: Scuori. Hispaniae 
Hlustratae I rrs) weiB auBerdem. offenbar durch seme Ansziige aus den pipstlichen Rewistern, noch von vielen 
Privilegien und Indulgenzen. die Alfons I. von Portugal bei Eugen III. erlangt haben soll und die jedenfalls 
entweder in den September 1148 oder in den Juni 1153 (s. weiter unten) zu setzen waren. Leider kennen 
wir sie nicht: méglich, wenngleich durchaus unsicher, ist eine piipstliche Bestiitigung des Bistums Lissabon 
und des Stifts $. Vicente de Fora. vel. Papsturk. in Port. S. 47. 

& JL. 9362. fiilschlich zum 2y. Dezember: hier wie in JL. 9363 ist die Datieruny X/V. kal. fan. zu lesen. 
vel. Papstark. in Port. S. 108 (wo jedoch das dahr 1148 in rr4g zu korrigieren ist). 


36 C. Erpwuann: 


Erzbischof Johannes noch gezigert. Er lieB nochmals den gestellten Termin verstreichen 
und verfiel so. wenigstens im Prinzip, zum zweitenmal fiir sechs Wochen der Suspension. 
Dann aber zog er schlieBlich doch mit gréBerem Cefolge nach Toledo und hat dort am 
16, Mai 1150 in Gegenwart mehrerer Bischéfe und des Intanten Fernando dem Erzbischof 
Raimund als seinem Primas Ohbedienz geleistet, was die Toledaner sogleich urkundlich 
aufzeichneten’. Daf das ein hochpolitischer Akt war, bedarf keines Wortes. Auch er- 
schien in Begleitung des Bragaer Erzbischots ein Gesandter des Kénigs von Portugal. 
der den vor sieben Jahren durch den Kardinallegaten Guido vermittelten Frieden mit 
Kastilien erneuern sollte: offenbar war die Unterwerfing Bragas der Einsatz. den Portugal 
fiir den begehrten Frieden zu zahlen hatte. 

In der Gunst des Papstes aber hatte nun der Erzbischof von Braga seinen Toledaner 
Rivalen durch die sehlieBliche Unterwerfung unter den piipstlichen Willen verdrangt. 
Schon im Jahre zuvor hatte sich Eugen Il. tiber Raimund von Toledo in ungewélnlich 
seharfen Ausdriicken geiuBert und sich nur auf Bitten des KGéniys Alfons VII. fiir die 
Toledaner Rechte cingesetzt’. \ls nun Johannes von Braga dem Papste seine Unter- 
werfung anzeigte und sich gleichzeitig beschwerte, Erzbischof Raimund habe ihn dureh 
seine Haltung in unnétiger W eise zur Erbitterung gebracht. fand er damit Glauben und 
brachte so dem Toledaner einen neuen pépstlichen ‘Verw eis ein. (rleichzeitig machte er 
eine Klage wegen des Bistums Zamora anhdngig. indem er unter Berufung auf das im 
Jahre 1124 vom Kardinallegaten Deusdedit geschlossene \bkommen’ diese Didézese. deren 
Bischof vom Toledaner Metropoliten geweiht worden war, fiir sich reklamierte. Fugen III. 
zitierte deswegen am 6. Juni 1151 beide Erzhischife nach Rom*. Es gab dann allerdings 
eine Verzégerung, die wohl damit zusammenhing. daf Raimund von Toledo im nichsten 
Jahre starb. Als aber sein Nachfolger Johann im Sommer 1153 seine Beauftragten an 
die Kurie schickte, erschien auch Johannes Peculiaris von Braga in Rom. um sich das 
Bistum Zamora zu sichern. Es ist charakteristiseh, dal} unter allen seinen Romztigen diese 
Reise die einzige ist. auf der er ohne einen Anhang von Sendlingen der portugiesischen 
Schutzklister oder Ordensritter an der Kurie erschien: dieses Mal hatte er leichtes Spiel 
und konnte auf einen umstandlichen Apparat zur Gewinnung der piipstlichen Gunst ver- 
zichten. Der Erfolg war denn auch der gewiinsclite: Zamora wurde ihm am 13. Juni 1153 
zugesprochen’ und damit fir die Kirchenprovinz Braga die gréBte Ausdehnung erreicht, 
die sie je gehabt hat. 

Das Bewu8tsein seiner sicheren Stellang an der Kurie gab dem Johannes Peculiaris 
sugar den Mut. seinen alten Widerstand in der Primatsfrage wieder aufzunehmen. Jene 
Unterwerfung aus dem Jahre 1150 ist tatsachlich fiir alle Zeiten die einzige geblieben; 
als der Nachfolger Raimunds von Toledo, der schon genannte Johann, die Erneuerung 
der Obedienz verlangte, fing Johannes Peculiaris mit seiner alten Weigerung wieder an. 
Johann von Toledo beschwerte sich alsbald in Rom. und Anastasius IV., der jetzt auf 
den Stuhl Petri gelangt war, hat den Toledaner Primat ebenso nachdriieklich verteidigt 
wie seine beiden Vorganger. In zwei Mandaten vom 8. April und 19. September risa" 











: evens von F. Frra im Boletin de la R. Acad. de la Historia XIV (1889) 544 aus dem Toledaner 
Chartular 42—21. 

* JL. 9363. 

3 Papsturk. in Port. S. rr n. 25. 

' JL. 9487. 

> Papsturk. in Port. S. 215 fh mn. 50—~52. Dazu gehort cine vierte Urkunde. die Hr. Geheimrat Kear in 
den »Papsturk. in Spanien« aus dem Toledaner Archiv veréffentlichen wird. Der Befchl an den Erzbisehot 
von Braga, dem Toledaner Primas zu gehorchen, wurde auch jetzt miindlich wiederholt. val. JL. 9735. 

§ JL. 9858 und 9795; die eet rkunde vollstindig bei Kenr. Gottinger Nachrieliten 1902 3. 427 2.7 


7 
veliort nee nicht ins Jahy 1133. soudern au 1154. wie J. Lirwewrurr. Sridicn zur Geschiclite Papst Céb- 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jauhrh. der portugiesischen Geschichte, 37 


befahl er dem Erzbischof von Braga unter neuerlicher Suspensionsdrohung die Unter- 
werfung. 

Die Mandate aber sind dem Johannes Peculiaris nicht zugestellt worden. Denn 
Anastasius IV. beauftragte gleichzeitig auch seinen Legaten Tacintus. den Kardinaldiakon 
von §. Maria in Cosmedin. den er zu Beginn des Jahres 1154 nach Spanien entsandt 
hatte, mit der Behandlung dieser Angelegenheit’, und Iacintus nahm sie ganz selbstin- 
dig in die Hand. 

Vermutlich waren die Auftriige, mit denen Iacintus nach Spanien kam, die Her- 
stellung des Friedens unter den Firsten der iberischen Halbinsel und die Organisierung 
eines gemeinsamen Krieges gegen die Unglaubigen. In der letzteren Richtung hat er 
nachdriicklich gewirkt; er lie8 durch die Konzilien von Valladolid und Lerida eine Ex- 
pedition gegen die Mauren und die entsprechenden Ablasse beschlieBen*, nahm selbst 
dazu das Kreuz und lieB sich wenigstens nominell die Fithrung des Unternehmens iiber- 
tragen®. Die Herstellung des Friedens zwischen den Christen aber war nicht ohne Vor- 
behalte geplant. sondern durehaus im kastilianischen Sinne gedacht. Die Initiative zu 
dieser Legation geht auf Alfons VII. von Kastilien zuriick’, und besonders deutlich zeigt 
wiederum die Stellung zum Toledaner Primat. auf welches Ziel der Legat hinarbeiten 
sollte. Iacintus wurde angewiesen, nicht nur den Erzbischof von Braga, sondern auch 
die von Compostela und Tarragona. also alle Metropoliten der Halbinsel, nachdriicklich 
zam Gehorsam gegen den Primas in Toledo zu zwingen. und das bedeutete natiirlich 
auch die politische Suprematie Kastiliens. Der »Friede« sollte also mit einer Unter- 
werfung der ganzen Halbinsel unter Kastilien gleichbedeutend sein: das alte Programm 
der Kurie sollte endlich zur Durchfiihrung gelangen. 


Iacintus griff seine Aufgabe im I[Hinblick auf Portugal —- die Verhiltnisse des 
spanischen Ostens miissen hier unberiicksichtigt bleiben —- mit groBer Vorsicht an. Er_ 


selbst erwiihnt spiter in seiner Urkunde fiir Toledo’, dal er die Ubergabe der Man 
date an den Erzhischof von Braga verhindert habe. Denn seine Absicht war, als AbschluB 
seiner Legation mehrere Konzilien abzuhalten, vor allen Dingen eines in Kastilien, an 
dem auch der portugiesische und navarresische Episkopat teilnehmen und das die Kinheit 
fast der gesamtspanischen Kirche unter kastilianischer Leitung zum feierlichen Ausdruck 
bringen sollte. und er fiirehtete mit Recht, da8 der Erzbischot von Braga diesem Konzil 
fernbleiben werde. wenn er schon zuvor durch die pipstlichen Mandate tiber die volle 
Schirfe des gegen ihn gerichteten Auftrags des Kardinals unterrichtet wiirde. 

Zudem ergab sich, wiihrend Iacintus die galicischen Diézesen besuchte. eine neue 
Schwierigkeit, oder vielmehr eine alte. seit zwanzig Jahren ruhende Frage tauchte wieder 








lestins I. (Diss. Jena 1903) S. 10f. richtig dargelegt hat: auch Frra im Boletin ete. NIV 548 n.7 hat sie 
schon mit dem richtigen Datum gedruckt. 

1 JL. ggo1. vollstindig ediert von Keur. Gétt. Nachr. 1902 8. 429 n.g und von Frra im Boletin ete. 
XIV 546 n. 6. Lorweyrerp und Frra geben die Datierung zum 15. Mai 1154 an (so auch noch Papstark, in 
Port. S. 109). doch beruht das auf einem Versehen Privax-Harrecunes: in Wirklichkeit ist, wie Kear festge- 
stellt hat. die Urkunde in unserer Uberlieferung undatiert. Sie gehért bestimmt zusammen mit JL. 9795 (vgl. 
die vorige Anmerkung) zum 1g. September 1154. nicht zum 8. April. Sie zitiert das friihere Mandat an den 
Erzbischof von Braga JL. 9838. aber ungenau: nicht der Vorgiinger des Erzbischofs Johannes, sondern dieser 
selbst hatte dem Raimund von Toledo Obedienz geleistet, und nicht vierzig. sondern dreiBig Tage waren ihm 
(wenigstens iu unserer Uberlieferung) als Frist gesetzt. Doch ist es unbegriindet, wenn Frra wegen dieser 
kleinen Unstimmigkeiten noch ein weiteres Mandat vur JL. 9858 annimmt. 

2 Anhang V; F. Vaurs-Taserver in Papsttum und Kaisertum (Festschrift fiir P, Kear) 8. 366. 

3 S. Kear, Gott. Nachr. 1903 8. 48 n. 12. 

48. Anhang VI Abs. 2: (Ad/vnvus VIL) valde conquercbatur de eo (lacinto), cum ipse misisset pro cn, et 
nisi vellet, non posset venire in Ispaniai. 

> S. unten S. 39 Amm. 2. 


38 C. Erpuanyn: 


auf: der Streit zwischen Braga und Santiago. Es handelte sich vor allem um die beider- 
seitigen Anspriiche auf das Bistum Coimbra und die beiden friiher von Coimbra aus 
verwalteten, jetzt sclbstiindigen Bistiimer Viseu und Lamego. Die Erzbischéfe von San- 
tiago hatten, einerlei aus welchem Grunde, seit den ersten Jahren Innocenz II. zu der 
Unterstellung der drei Bistiimer unter Braga geschwiegen: jetzt nahm Erzbischof Pelagius 
seine alten, einst durch Calixt II. verbrieften Anspriiche wieder auf. Ebenso erneuerte 
er alte Klagen wegen der Rechte auf die halbe Stadt Braga und wegen der »votos de 
Santiago«. deren Zahlung Braga verweigerte. Er trug seine Beschwerden dem lacintus 
yor, als dieser in Orense weilte. und gab dann dem Legaten auf dessen Rat zwei Kleriker 
nach Braga mit, um dort Erzbischof Johannes in Gegenwart des Kardinals zur Rede zu 
stellen. Natiirlich widersprach Johannes Peculiaris: denn jene drei Diézesen waren der 
Kern des damaligen Portugal. und wenn Braga sie abzutreten hatte. so verlor es seine 
Stellung als Metropole Portugals. Iacintus setzte darauf' zur Beseitigung dieses seine 
Kreise stérenden neuen Zwistes einen Verhandlungstag nach Tuy an’. 


Inzwischen bereiste der Kardinal verschiedene andere portugiesische Stidte. Wir 
wissen, daB er am 8. Oktober 1154 in Coimbra war und dort von den Kanonikern von 
S. Cruz in feierlicher Prozession empfangen wurde’. Am 4. November 1154 war er in 
Tibiies (bei Braga), also schon wieder aut’ der Riickreise nordwirts, und verlieh dort 
dem Stift S. Cruz ein neues Privileg®, Am 10. November unterschrieb er eine Urkunde 
fiir Retoios de Lima’, und am 15. November war er in Tuy und gab dort dem genannten 
Stift, das damit zum vierten Schutzkloster Portugals wurde. ein Privileg’. Er kiimmerte 
sich also um die Bediirfnisse der portugiesischen Kirchen, und sicherlich wird er auch 
mit dem Kénig Alfons I. Fiihlung genommen haben. Damals in Tuy fand dann in seiner 
Gegenwart die Verhandlung zwischen den Erzhischéfen von Braga und Compostela statt. 
Volle sechs Tage stritt man sich hin und her, legte von beiden Seiten die pipstlichen 
Privilegien und andere Urkunden yor und yerschwieg nichts, was man der Gegenseite 
yorzuwerfen hatte; die Bragaer riickten sogar mit dem schon 50 Jahre zuriickliegenden 
Compostelaner Reliquienraub heraus. l[acintus bemiihte sich offenbar lebhaft um eine 
Einigung: er wollte den Erfolg des bevorstehenden Konzils nicht in Frage stellen. Aber 
es war vergeblich; er multe den Parteien befehlen, ihre Differenzen eben auf dem Kon- 
zil, das er zum Januar 1155 nach Valladolid einberufen hatte, nochmals vorzubringen. 
Beide Erzbischéfe sagten ihr Erscheinen auf diesem Konzil zu. 


Johannes Peculiaris aber hat nicht Wort gehalten. Er konnte trotz aller Vorsicht 
und aller Vermittlungsversuche des Kardinals doch nicht im Zweifel dariiber sein, daB 
er yon einem solchen Konzil, das in Gegenwart Alfons’ VII. von Kastilien abgehalten 
wurde und auf dem die kastilianischen und leonesischen Bischéfe weitaus die Mehrheit 
bildeten, nichts zu erwarten hatte. Vor allem hatte Iacintus nicht verschweigen kinnen. 
da sich Johannes Peculiaris auf diesem Konzil auch wegen der Toledaner Primats- 
anspriiche werde rechtfertigen miissen. und das bedeutete, da8 man von ihm ganz 
unmittelbar die Obedienz gegenitber dem Erzbischof von Toledo verlangen wollte. — 
(jrund genug fiir Johannes Peculiaris. das Konzil zu meiden. 





' Anhang VI. 

2S. Marra. Chronica dus Conegos regrantes I 308: Papsturk. in Port. S. 220. 

* Papsturk. in Port. S. 219 n. 54. Aus diesem Itinerar ergibt sich. daB Iacintus’ Untersehrift auf der 
Urhunde des Erzbischofs von Tarragona vom 30, Oktober 1134 bei Virnanveva. Viage literario XIX 214M. 4 
nur nachtraglich sein kann. falls nicht das Datum anders aufzulésen ist. 

+ Papsturk. in Port. 8. rizf. 

* Papsturk. in Port. S. 222 n.55- 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jauhrh. der portugiesischen Geschichte. 39) 


Trotz des Fernbleibens des Bragaer Erzbischofs war es wohl die glinzendste Kirchen- 
versammlung, die Spanien seit der westgothischen Zeit gesehen hatte.  Glicklicherweise 
besitzen wir in cinem Zeugenverhér aus dem Jahre 1182 cine teilweise Besehreibung 
vom Verlauf des Konzils, auch von der fuBeren Inszenierung'. Im Schiff der Marien- 
kirche von Valladolid hatte man ein Podium errichtet; dort saBen miteinander der » Kaiser « 
Alfons VII. mit seinen Séhnen Sancho und Fernando und mehreren Groben, ferner der 
Kardinal und zu dessen Seiten die Erzbischéfe von Toledo und Compostela. Zwischen 
ihnen und dem Altar waren die Plitze der zahlreichen anwesenden Bischéfe, Abte und 
sonstigen Kleriker; wer das Wort nahm, hatte aufzustehen. Der Erzbischof von Com- 
postela hatte den gréBten Teil seines Kapitels mitgebracht und lic® schon am ersten der 
drei Konzilstage durch zwei seiner Kanoniker. Pedro Gonzalez und den Prior yon Sar. 
die Klage gegen Braga vorbringen. Dagegen erhoben sich der Dekan des Bragacr Dom- 
kapitels Pedro Martins und der Bischof Mendo von Lamego, um fiir den Erzbischof von 
Braga einzutreten; sie entschuldigten ihn mit Krankheit. Der Prior von Sar wies das 
als eine Liige zuriick: Johannes Peculiaris sei gesund und in der Nahe. und als Bischof 
Mendo das bestritt, fing man an. sich zu zanken. Kénig Alfons VII. verlor dariiber die 
Geduld und lief in ziemlicher Erregung dem Kardinal bittere Worte sagen und ihn an 
seine Verpflichtungen gegeniiber der kastilianischen Kirche erinnern. So sah Iacintus 
seine ganze Vermittlungspolitik zusammenbrechen. Er wartete noch bis zum letzten Tage, 
in der Hoffnung, Johannes Peculiaris werde noch erscheinen. SchlieBlich muBte er dem 
Drangen des Kénig nachgeben, den Erzbischof wegen widersctzlichen Ausbleibens suspen- 
dieren und die drei Bischéfe von Coimbra, Viseu und Lamego anweisen. cinstweilen dem 
Erzbischof von Santiago zu gehorchen. 

In dem uns vorliegenden Bericht wird nichts davon erzihlt. daB8 von dem Primats- 
streit in Valladolid tiberhaupt die Rede gewesen sei. Dennoch ist kein Zweifel, daG 
gerade dieser Punkt mehr noch als die Auseinandersetzung mit Santiago der Kern des 
Gegensatzes gewesen ist. So stellt es auch Iacintus selbst in einer Urkunde dar, dic er 
nachtriglich am 3. Marz 1155 in Najera ausstellte und in der er dem Erzbischot von ‘Toledo 
bestitigte. daB er den Erzbischof von Braga wegen seines Nichterscheinens in Valladolid 
suspendiert habe, bis dieser sich entsprechend dem pipstlichen Befehl dem Primas von 
Toledo unterwerfe und fir seinen Ungehorsam Genugtuung leiste’, Auch werden wir 
kaum fehlgehen, wenn wir in dem Streit der Erzbischéfe im Grunde einen Kampt’ der 
Konige sehen. So wie auf kastilianischer Seite’ Alfons VII. der eigentliche Vorkimpfer 
fir den Toledaner Primat war, so wird auch der Erzbischof von Braga in allem Wesent- 
lichen nach den Weisungen seines Kinigs gehandelt haben. Dieser Meinung war offen- 
bar auch Hadrian IV., der inzwischen nach dem Tode Anastasius’ IV. Papst geworden 
war. Ihm wurde wenige Monate nach dem Valladolider Konzil eine andere, diesmal 
innerportugiesische Streitsache vurgetragen. Der Bischof’ Johann von Coimbra war dureh 
eine Diézesansynode unter Leitung des Erzbischofs von Braga abgesetzt worden und 
wandte sich darauthin an den Papst. Seine Beschwerde. die uns vorliegt*, JABt zwar 
durchblicken, daB der K6nig von Portugal dem Zwist nicht fern stand, richtet sich 
direkt jedoch nur gegen Johannes Peculiaris. [adrian ignorierte nun die Existenz des 








1 Anhane VI. 

* Gedruckt von Fira im Boletin ete. XIV 551 und XXIV 474 und von Krnr, Gott. Nachr. 1903 S. 158 
n. 13. Einen fehlerhaften Auszng daraus druchte J. v. Prrvex-Harirene, Acta I 265 n. 305 als Urkunde 
Innocenz’ IT.. als welche das Stiick auch von LoEwexrertp (n. 8315) registriert wurde. 


* Anhang n. TV. Da eben diese Beschwerde an Hadrian IV. gelangt ist, lat sich nicht beweisen, ist 
aber doch seliv wahrscheinlich, 


40 C. ERDMANNS: 


suspendierten Erzbischots von Braga und betahl direkt dem Konig von Portugal, den 
Bischof wieder einzusetzen. Zugleich sandte er am 10. Juni 1155 ein Breve an den 
Erzbischof Johann von Toledo und befahl diesem, im Falle des Ungehorsams den Konig 
und nétigentalls das ganze Land Portugal zu interdizieren'. Der Papst machte also vollen 
Ernst mit der kirchlichen Unterstellung Portugals unter den kastilianischen Metropoliten 
und scheute sich nicht. den Gegensatz bis zum fuBersten zu treiben. Da er danach 
auf eine neuerliche Beschwerde des Toledaners hin die Suspensionssentenz gegen Johannes 
Peculiaris am 19. Januar 1156 bestiitigte*, verstand sich von selbst. 

Es war ein kritischer Augenblick der portugiesischen Geschichte. Aut einen Kampf 
im Stile des deutschen Investiturstreits konnte es Portugal natiirlich nicht ankommen 
lassen. Dem Erzbischot Johannes Peculiaris fiel die Aufgabe zu. noch einmal durch eine 
sechste Romreise fiir den Konig und fir sich selbst das Verhiltnis zur Kurie wieder- 
herzustellen. 

Zunichst traf er seine Vorbereitungen in der schon aus friiheren Fallen bekannten 
Weise. Ein Kanoniker von S. Cruz, den er mitnalim. wurde mit einem warmen Emp- 
tehlungshrief des Kénigs fiir S. Cruz ausgeriistet, in dem Alfons I. sich wieder als Ritter 
des hi. Petrus und als devoten Sohn des Papstes bekannte*®, und hatte das Privileg des 
Stifts zur Bestitigung vorzulegen’, zugleich aber auch den seit sechs Jahren falligen 
Schutzzins dem piipstlichen Kammerer Boso auszuzahlen’. Das gehérte gewissermaBen 
zum Peterspfennig, den Johannes Peculiaris nach Rom brachte; sicherlich wird er auch 
den Lehnszins des Kénigs abgelietert haben. Wahrscheinlich hatte er ferner einen Boten 
des Stifts von Refoios de Lima mit, das bei dieser Gelegenheit sein erstes piipstliches 
Privileg erhalten zu haben scheint". AuBerdem begleiteten ihn die Bischéfe von Lamego 
und Lissabon‘; der erstere hatte in Valladulid die Sache des Erzbischofs gefithrt und war 
ein geeigneter Anwalt, der letztere hatte offenbar seine Bereitschaft zur Obedienz gegen- 
iiber dem Erzbischof von Santiago zu erklaren. damit man durch die zur Schau getragene 
Nachgiebigkeit an diesem Punkte leichteres Spiel in den Kernfragen hahe. 

Hatten wir doch eine erzdihlende Quelle tiber diese Reise des Johannes Peculiaris! 
Die karglichen Urkunden, auf die wir angewiesen sind, ermdglichen uns keine Vorstellung 
von dem vielleicht dramatischen Verlauf der Verhandlungen. sondern zeigen uns nur 
das Endergebnis, und auch dieses nur in groben Umrissen: sowohl Johannes Peculiaris 
wie auch der Kénig Alfons I. wurden wieder in Gnaden angenommen; ersterer erhielt 
am 6, August 1157 ein neues Privileg’. letzterer im folgenden Jahre ein Empfehlungs- 
schreiben fiir S. Cruz, in dem sich keinerlei Andeutung von einer Triibung des Verhiilt- 
nisses mehr findet". Weiter wissen wir, daB Johannes Peculiaris auch nach dieser Reise 





2 Die Urkunde wird von Herrn Geheimrat Ker aus dem Toledaner Archiv veréffentlicht werden. 

2 JL. ro125. Prnucx-Harrruna Il 202 n. 191 verétfentlichte einen Auszug daraus als Urkunde Alex- 
anders If.. daher nochmals JL. 10611 add. 

3 Ed. P.M. H. SS.1 71. Der Brief verweist auf die Privilegien der friheren Papste. erbittet aber von 
Hadrian IV. erst ein solches und die Bestitigung der Kircheneinkiinfte von Leiria fiir S. Cruz, gehdrt also 
vor JL. rozor und zu 1156—57 (nicht zu 1157—58. wie Papsturk. in Port. S. 78f. angegeben). 

4 JL. 10301 vom 8. August 1157. 
Papsturk. in Port. S. 379 n- 159 Abs. 1. 
Vel. Papsturk. in Port. S. 223. 
Kerr, Papsturkunden in Spanien I g3f. zitiert die Griindungsurkunde der Cofradia von S. Eulalia 
del Campo bei Barcelona vom 9. Juni 1156. welche von dem Erzbischof von Braga und den Bischéfen von 
Lamego und Lissabon unterschrieben wurde. Wahrscheinlich hat Johannes Peculiaris, der ja selbst Augustiner- 
chorherr war, in S. Eulalia Station gemacht. Doch dirften die Untersehriften nachtragliche sein, da Johannes 
Peeuliaris schwerlich im Juni 1156 schon unterwegs war. 

> Papsturk. in Port. S. 225 0. 57- 

® JL. ro412 vom 14. Juni 1158. 


oo 


Dus Papsthim und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte. 4] 


dem Erzbischof Johann von Toledo nicht Obedienz geleistet hat' und da®B die Bischéfe 
von Coimbra, Viseu und Lamego trotz der Sentenz des Iacintus Bragaer Suffragane 
geblieben sind. 

Wie war dieser glinzende Erfolg méglich, der alles in den Schatten stellt, was 
Johannes Peculiaris bislang erreicht hatte? Sicherlich wird die Geschicklichkeit des 
Erzbischofs, der ebenso wie der Papst der (horherren-Kongregation von S. Ruf ange- 
hért hatte, ihren Anteil daran gehabt haben; doch auch der Zufall kam ihm zu Hilfe. 
Das Leben des Kénigs Alfons VII. von Kastilien ging in jenen Tagen zu Ende: er starh 
am 25. August 1157, und man wird 3 Wochen vorher, als Johannes Peculiaris an der 
Kurie war, von der Krankheit und dem bevorstehenden Ende des »Kaisers von Spanien« 
wohl schon gewuBt haben. Nach seinem Tode muBte sein Reich zerfallen; denn er hatte 
bestimmt, daB Kastilien und Leon unter seine beiden Séhne Sancho und Fernando 
geteilt werden sollten. Damit war der Gedanke einer einheitlichen spanischen Monarchie 
gescheitert und demnach auch der Toledaner Primat inhaltslos geworden. Inshesondere 
die Unterstellung Bragas unter Toledo verlor jeden Sinn, da Portugal nun tiberhaupt 
nicht mehr an Kastilien stieB, sondern nur an Leon, und das junge Kénigreich keines- 
falls mehr eine Oberhoheit Kastiliens, sondern hédchstens eine solehe Leons anerkennen 
konnte. Da®B auch letzteres nicht geschehen wiirde, war aus dem Krifteverhaltnis zu 
entnehmen; die Selbstindigkeit Portugals war fiir den Moment gesichert. Aus dieser 
veriinderten Sachlage hat die Kurie zwar nicht sogleich die Konsequenz gezogen, die 
Toledaner Primatsstellung tiberhaupt aufzuheben. Sie lieB sie vielmehr in der Theorie 
bestehen, sah aber, wie die Tatsachen zeigen, von einer energischen Durchsetzung der 
Primatsrechte jetzt ab und erméglichte so dem Bragaer Erzbischof auch in der Folgezcit 
einen erfolgreichen Widerstand. 

Schwieriger war wohl die Auseinandersetzung mit den Compostelaner Anspriichen 
auf die Bistiimer Coimbra, Viseu und Lamego. Gewi8 konnte Johannes Peculiaris da- 
mals schon acht papstliche Privilegien von Paschal II.. Calixt II., Innocenz II... Lucius II. 
und Eugen III. vorlegen, in denen diese drei Bistiimer der Metropole Braga bestitigt 
wurden: aber weder waren diese Privilegien rechtlich fiir eine Entscheidung des Pro- 
zesses ausreichend, noch lieB sich ein Streit von solcher politischen Bedeutung tiber- 
haupt durch die bloBe Vorlage von Urkunden endgiiltig erledigen. Das Wahrscheinlichste 
ist doch, daS Hadrian IV. damals die materielle Frage selbst auf sich beruhen lieB und 
sich damit begniigte, Johannes Peculiaris von der Sentenz des Iacintus zu absolvieren, 
ihm aber gegentiber dem Erzbischof von Santiago eine anderweitige Genugtuung auf- 
zuerlegen. Denn wir finden Johannes Peculiaris im nachsten Jahre. am 30. September 1158, 
in Santiago de Compostela’, und es ist wenig wahrscheinlich. daB er seinen Rivalen 
freiwillig aufgesucht haben wird. Auch war gleichzeitig Bischof Gilbert von Lissabon 
in Santiago und hat damals ohne Frage den Compostelaner Erzbischof als seinen Metro- 
politen anerkannt*: méglich, da Johannes Peculiaris sich dem Papst gegentiber hatte 
verpflichten miissen, der Obedienzleistung des Bischofs von Lissabon in Santiago beizawohnen 
und dabei auf alle Anspriiche auf die Lissabonner Didzese zu verzichten. 

Weitere Forderungen mag damals der Papst als Preis fiir die Absolution auch an 
Konig Alfons I. von Portugal gestellt haben. Die Wiedereinsetzung des Bischofs von 
Coimbra war an sich eine unbedeutende Nebenfrage, und es scheint, daB Hadrian hier- 





1 JL. 12535 vom 26. Februar 1161 (vollstindig bei D. Casreson 1 Fonseca, Primacia de la santa iglesia 
de Toledo IIb fol. 23): Toletano archirpiscopo... debitam obedientiam et recerentiam nondum impendere voluistis. 

2 A. Lopez Ferreiro, Historia de ... Santiago IV App. 72 n. 27. 

3 Vel. auch Porrn. 735- 


Phil.-hist, Abh, L928. Nr. 0. 6 


42 C. Erpmany: 


auf gar nicht bestanden hat. Wir wissen aber, da er vom Kénige durch ein besonderes 
Schreiben eine weitgehende Privilegierung der Templer verlangte'. Diese Forderung zu 
erfillen, kann Alfons I. nicht schwer gefallen sein; konnte er doch wie alle spanischen 
Fiirsten die Ritterorden in seinem Lande gut brauchen und begiinstigte sie olinehin in 
freigehiger Weise. So erhielten die portugiesischen Templer am 5. April 1158 einen 
groBen Freibrief und sahen sich wohl dadurch veranlaft, auch an die Kurie zu senden 
und sich ihre Rechte dort bestitigen zu lassen”. Im niachsten Jahre erhielten sie weiter 
vom K6nig auf Grund eincs Vertrages mit Bischof Gilbert von Lissabon eine bedeutende 
Landschenkung. die ihnen so wichtig war, daB sie sie gegen einen Wachszins dem hl. 
Petrus tradierten*®. Das trug natiirlich weiter zur Besserung des Verliiltnisses zwischen 
Kiénig und Papst bei. 

So hatten denn Alfons I. und sein getreuer Diener Johannes Peculiaris durch Ziahig- 
keit und Ausnutzung des rechten Moments ihr Spiel gewonnen und vor allem die Tole- 
daner Primatsanspriiche erfolgreich abwehren kénnen. Gewi8 war noch nichts definitiv 
entschieden, wohl aber fiir den Augenblick die Freiheit behauptet und die Krisis tiberstanden. 


§ 5. Alexander III. 


Das Schisma, das nach dem Tode Hadrians IV. die Christenheit spaltete, hat den 
Westen der iberischen Halbinsel nicht beriihrt; hier erkannte man einmiitig Alexander III. 
an. Fehlen uns auch Urkunden aus der ersten Zeit dieses Papstes, so wissen wir doch, 
daB die Nuntien Theodin und Leo, die Alexander im Jahre 1161 in der Zeit schwerster 
Bedriingnis durch Kaiser Friedrich Barbarossa nach Spanien sandte, um Geldmittel zu- 
sammenzubringen, in Coimbra und Santiago aufgenommen und tatsichlich mit Geld ver- 
sehen worden sind’, und seit dem Jahre 1162 gibt es auch in Portugal eine lange Reihe 
von Urkunden Alexanders III., wihrend keinerlei Akte des Gegenpapstes bekannt sind. 

Gerade unter Alexander III. erreicht die Wirksamkeit der Kurie nach Portugal hin 
eine Intensitiit wie nie zuvor. Von den schon bestehenden Schutzkléstern erhielten S. Cruz, 
Refoios de Lima und Tarouca neue Privilegien*; Lafoes, Aleobaca und in gewisser Weise 
auch Salcedas, lauter Cisterzienserkléster. kamen neu hinzu". Besonders aber die Templer 
wurden bedacht: wir kennen acht Urkunden Alexanders III. fiir die portugiesischen Templer’. 





1 Privileg Alfons’ I. fiir die Templer vom 5. April 1158: @ summo pontifice per apostolica seripta sum 
coactus, Gedruckt bei B. pa Cosra, Historia da Ordem de Christo I 171 und 170 n. rr und ro. ferner teilweise 
bei J. pe S. Rosa ve Virerzo, Elucidario J s. v. Cruz und bei J. A. pe Ficvrrrepn. Nova Historia da Militar 
Ordem de Malta em Portugal I 111. Es existieren von diesem Privileg drei Kopien des 13. Jahrhunderts, 
vel. Papsturk. in Port. S.40 und 58, sowie jtingere Abschritten im Livro dos Mestrados. dem Chartular des 
Pepro Arvarez Secco und den Papieren Virernos. Das Stiick ist angezweifelt worden, doch seheinen mir die 
Argumente Vrrersos ausreichend, um einstweilen an der Echtheit festzuhalten. 

2 JL. rogiga@ und 104158 vom 18. Juni1158 sind mit Riicksicht auf die Uberlieferung im Fonds von 
Thomar (Papsturk. in Port. S.61) sicher fiir portugiesische Templer ausgefertigt worden. Interessant ist das 
zeitliche Zusammentreffen mit JL.10412: es zeigt, daB Alfons I. mit jener Sendung der Templer in Verbindung 
stand. Vgl. ferner Risgiro pe Vasconcetros a.a. 0.1 p. Il 66: Galdlinus dicebat, quod dominus apostolicus sibi 
concesserat: diese AuBerung gehért in die Zeit, wo Michael Salomonis noch nicht Bisehof von Coimbra war, 
also vor 1162, und scheint, da sie sich nach dem Zusammenhang auf keine der uns bekannten Papsturkunden 
beziehen kann. auf eine verlorene papstliche Verleihung ftir die portugiesischen Templer hinzuweisen. 

3 Papsturk. in Port. S. 227ff n.58 und 59 vom 12. und 15. Junizrrsgg, dazu JL. 105732. 

4 Papsturk. in Port. S. 380 n. 159 Abs.2: Lovez Ferrero. Historia de... Santiago IV App. 84 n. 33. 

5 JL. 10925: Papsturk. in Port. S. 236 n. 65 (JL. 10926) und S. 230 n. 61. 

6 Papsturk. in Port. S. 234 n. 64 und S. 237 n. 66; jiber Saleedas vgl. ebenda S. 133. 

7 JL. 108074, 109834, 128164. 136854@ und Papsturk. in Port. S. 250 n. 76 sind Spezialausfertigungen all- 
gemeiner Templerurkunden fiir die portugiesischen Ritter; Papsturk. in Port, S. 229 ff. n. 60, 67 und 74 nur fiir 
Portugal bestimmt. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. 43 


Auch die Johanniter Portugals scheinen zuerst unter Alexander HII. die Verbindung mit 
der Kurie gesucht zu haben’. AuBer den Kléstern und Ordenshiusern wurden ferner 
die Kathedralkirchen yon der ordnenden Hand des Papstes erreicht. Dieser beauttragte 
den Johannes Peculiaris von Braga, seinem Kapitel ein Statut zu geben und die Teilung 
der Einkiinfte zwischen Erzbischof und Kapitel zu regeln*, und als in Lissabon die Wahl 
des Bischofs Alvaro von seiten des Kapitels nachtriglich angefochten wurde, setzte iln 
Alexander III. von neuem ein*®. Mehrfach wurde der Papst um richterliche Entscheidung 
kirchlicher Streitigkeiten angegangen: wir kennen drei Mandate, die die Differenzen 
zwischen dem Bischof von Coimbra und den Kanonikern von S. Cruz betreffen*, und ein 
Reskript an den Kénig Alfons I. wegen der Zehntptlicht der Ritter von Santiago und 
Calatrava’. Bleibt auch die Zahl der Urkunden Alexanders III. fiir Portugal hinter denen 
fiir die anderen spanischen Linder um ein Vielfaches zuriick, so ist doch auch in Por- 
tugal der Schriftverkehr mit der Kurie, den es vorher beinahe nur dann gegeben hatte. 
wenn es um besondere politische Aktionen ging. nun schon zu etwas Alltiglichem ge- 
worden. 

Neben die schriftliche Korrespondenz trat die Entsendung von Legaten oder Nuntien”. 
Das veranlaBten zuniichst schon die Bediirfnisse der pipstlichen Finanzverwaltung. tiber 
die wir in jener Zeit im allgemeinen sehr wenig wissen, gerade in Portugal aber zufillig 
einiges Material besitzen’. Alexander [II. ist wohl der erste Papst gewesen, der zur Ein- 
sammlung von Geldern eigene Boten nach Spanien gesandt hat: wir nannten schon den 
Subdiakon Theodin, und im Jahre 1168 kam auch ein Magister Petrus nach Coimbra, 
wm fiir die Kurie den Schutzzins einzuziehn*. Beide Legaten — so nannte man sie damals, 
obwohl sie nicht Kardinile waren —- haben sich aber nicht nur mit der Zinserhebung 
beschiftigt, sondern wurden auch in kirchlichen Streitigkeiten angerufen®. Das Recht, 
Urteile zu fillen, haben sie allerdings wohl schwerlich gehabt, denn richterliche Kom- 
petenzen kamen nur einem Kardinallegaten zu. Einen solehen sandte nun Alexander III. 
im Jahre 1172 nach Spanien in der Person des [acintus, des uns schon bekannten Kar- 
dinaldiakonen von S. Maria in Cosmedin, der so zum zweitenmal die iberische JLalbinsel 
besuchte. In Portugal war er im Januar und Februar des Jahres 1173, und seine dortige 
Anwesenheit hat reichliche Spuren hinterlassen. In Coimbra hat er die Kirche 8S. Cruz 
auch diesmal aufgesucht, ihr eine Urkunde gegeben und den Schutzzins in Empfang 





1 Vel. Papsturk. in Port. S. 98. 

2 Distriktsarchiv Braga, Gav. d. Dignidades. (onegos etc. n. 1 und Liber Fidei fol. 217 n. 819: Papsturk. 
in Port. S.142 und 146. 

3 Papsturk. in Port. S. 124. 

+ Papsturk. in Port. S. 246ff. n. 73. 83 und 84. 

§ Papsturk. in Port. S. 254 n. 81. 

8 In der ilteren Literatur und sogar noch bei F. pe Atmema, Historia da Igreja em Portugal I 583f. 
figurieren als papstliche Legaten Alexanders III. nach Portugal der Kardinal Otto im Jahre 1159, Bischof (Hubald) 
von Ostia im Jahre 1162 und Kardinal Albert im Jahre 1169. Von Otto aber haben wir nur ganz allgemeine. 
keineswegs auf Portugal beziigliche Angaben (vgl. W. Ounsorce, Die Legaten Alexanders II]. im ersten Jalirzelint 
seines Pontifikats, Berlin 1928, S. 7 {f.). Hubald erscheint ausschlieBlich in einer Falschung Brrros (vgl. Papsturk. 
in Port. 8.52), und die Legation Alberts beruht nur darauf, daB man die Worte Datum per manum Alberti ete. 
in JL. 13420 dahin miBverstanden hat, Albert habe dem Kénig von Portugal eine Krone iiberbracht. Vy. 
auch P. Kear, P. Gregor VII. als Ordensgriinder, in den »Miscellanea Francesco Enrue« [I] 251. Andere 
behaupten, Johannes Peculiaris sei pipstlicher Legat gewesen, was ebenfalls auf einem Mifiverstindnis beruht. 

7 Vgl. Papsturk. in Port. S. 214 n. 49. S. 283 n.g3 und besunders S. 379 n. 159: Potth. 103 und 465: 
Papsturk. in Port. S. 41. S. dariiber C. Baver, Epochen der Papstfinanz, Histor. Zeitschr. (erscheint demnichist). 

* Papsturk. in Port. S. 380 n. 159 Abs. 4. Méglicherweise ist dieser Magister Petrus identisch mit dem 
Subdiakon Petrus, den Keur. Papsturkunden in Spanien II 71 aus dem Becerro II von S. Miilan de la Cogolla 
zum Jahre 1166 zitiert. 

® Zeugenverbér von 1186—87 bei Riseiru pe Vasconcetros a. a. O. I p. I 64 ne 15. 


b* 


At C. Erpuann: 


genommen'. Dann war er in Gemeinschaft mit Konig Alfons I. in Braga, wo er mehrere 
Streitfragen entschied*; dort hat er auch das Nonnenkloster Tuias mit einem Privileg 
ausgestattet? —- vermutlich dem einzigen kurialen Privileg, das im 12. Jahrhundert ein 
portugiesisches Benediktinerkloster erhalten hat, denn die tibrigen Kléster dieses Ordens 
in Portugal hielten es, soweit unsere Kenntnis reicht, mit Riicksicht auf ihre Armut nicht 
fiir erforderlich, p&pstliche Privilegien zu erbitten. 

Der Hauptzweck der Legation des Iacintus war aber auch diesmal politischer Natur. 
Es ging immer noch um die Auseinandersetzung Portugals mit Leon und Kastilien, kirch- 
lich ausgedriickt: um die Streitigkeiten Bragas mit Santiago de Compostela einerseits, 
Toledv anderseits. Wir missen dafiir ein wenig zuriickgreifen. 

Alfons I. von Portugal hatte nach der Eroberung Lissabons nicht geruht, sondern 
durch rastlose Kampfe gegen die Muslime schlieBlich sein Gebiet nahezu verdoppelt. Im 
Jahre 1166 fiel ihm auch Evora zu, der Hauptort des Alemtejo, traditioneller Sitz eines 
Bischofs. Der Kénig lieB sofort den Bischofsstuhl besetzen und den erwihlten Sueiro 
durch den Erzbischof von Braga weihen. Er wiinschte natiirlich, daf Evora Suffragan- 
bistum von Braga sein solle. Johannes Peculiaris aber wuBte nur zu gut, daB er keine 
Metropolitanrechte tiber Evora besa; der Ort gehérte zu Lusitanien. also zur Kirchen- 
provinz Merida-Compostela. Das Beispiel Lissabons, das ebenso unzweifelhaft lusitanisch 
war und deshalb von Johannes Peculiaris nicht hatte behauptet werden kénnen, hielt 
ihn von nutzlosen Ubergriffen in die Compostelaner Rechte zuriick. Er tat deshalb nur 
so viel. wie sich durch die Kriegslage und die Notwendigkeit sofortiger Neubesetzung 
rechtfertigen lieB: er nahm die Weihe vor, aber er forderte keinen Gehorsam von dem 
Geweihten, der vielmehr dem Erzbischof von Compostela unterstehen sollte. Allein bis 
zu einer faktischen Obedienzleistung in Santiago hatte es gute Weile. Denn davon wollte 
Konig Alfons I. nichts wissen, und die Armut der Kirche von Evora gab auch dem 
Bischof einen ausreichenden Vorwand, um die weite Reise nach Santiago zu unterlassen’*. 
So blieb ginzlich offen, was aus dem neuen Bistum werden sollte. 


Kaum anders stand es tiberhaupt mit der Mehrzah] der portugiesischen Bistiimer. 
Hinsichtlich Lissabons hatte Alfons I. es einmal (1158) geschehen lassen miissen, daB Bischot'’ 
Gilbert Compostela als Metropole anerkannte. Als aber Gilbert im Jahre 1166 starb, 
wuBte der Kénig doch wieder die Weihe des Nachfolgers durch Johannes Peculiaris von 
Braga durehzusetzen’. Anderseits hatte Compostela seine Anspriiche auf die Bistiimer Coimbra, 
Viseu und Lamego niemals aufgegeben, und demnach konnte der Erzbischof yon Braga 
yon allen portugiesischen Bistiimern nur eines, Porto, als unbestrittenen Besitz zu seiner 
Provinz zihlen. Das blieb eine Quelle dauernder Unsicherheit und muBte zum Kontlikt 
fihren, sobald in Santiago die inneren Wirren, an denen jenes Erzbistum in der Zeit 
Fernandos II. litt, beendigt waren und ein energischer Erzbischof ans Ruder kam; der 
Kénig von Portugal aber, der an der detinitiven Regelung dieser Fragen am meisten 
interessiert war. hatte allen Anlaf. bestandig auf der Hut zu bleiben. 





‘ Papsturk. in Port. S. 239 n. 68 und S. 380 n.15q Abs. 5. 

* Papsturk. in Port. S. 243 0.71. Im Zeugenverhér von 1182 (Distriktsarchiy Braga, Gav. d. Arceb. 
n. 4 und 7) sagt der Zeuge Petrus Onorigiz aus: Vidit cardinaliin Iacintum Bracare et dominum regem +t Bra- 
carensem archiepiscopum ct alios ¢piscopos. . 

$ Papsturk. in Port. S. 241 n.69. Aus diesen Urkunden ergibt sich, daB die Datieruny des Konzils zu 
Lerida auf den 6. Februar 1173 bei Sainz pve Baranpa, Esp. Sagr. XLVI 152 falsch ist. : 

' Papsturk. in Port. S. 244 0.72 und S. 304 n. 110 Abs. 3: Potth. ra 

> Potth. 755: cum omnes episcopt a librration: cicitatum allarum (Ulichone ct Elbore ) ta tlles duobus episco- 
patibus per Bracarcusem archi: piscopium fuerint consecrats, 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte, 45 


Dazu kam die immer noch nicht endgiiltig erledigte Frage des Toledaner Primats. 
Die Rechte Toledos bestanden in der Theorie unveriindert fort, und auch hier war bei 
der ersten Gelegenheit eine neuerliche Stérung der Ruhe zu erwarten. 

Eine solehe Gelegenheit kam schon bald. Nach dem Tode Sanchos von Kastilieu 
(1159) wurde sein Land der Schauplatz vielfaltiger KAmpfe, in die auch Fernando von Leon 
eingriff. Es gelang diesem im Jahre 1160, eine bedeutende Zahl kastilianischer tester 
Plitze einzunelmen, und insbesondere Toledo blieb jahrelang in der Hand seiner Auhinger. 
Damit hatten die Primatsrechte gegeniiber Braga, die durch die Teilung Kastiliens und 
Leons politisch wesenlos geworden waren, wieder eine gewisse Bedeutung gewonnen, 
und es dauerte deshalb nicht lange. bis Erzbischof Johann von Toledo die alte Streitfrage 
wieder aufrollte. Er war zu Beginn des Jahres 1161 in Anagni bei Alexander If. und 
erwirkte dort am 26. Februar ein neues Mandat an den Erzbischof von Braga und seine 
Suffragane, dem Toledaner Primas zu gehorchen. Fir den Fall des Ungehorsanis sollte 
als Sanktion das Bistum Zamora an Toledo iibergehen'. Zwei Jahre spiter, am 11. Juli 1163, 
ging Alexander III. noch weiter und entband dic Bragaer Suffragane vom Gehorsamn, wenn 
sich Erzbischot' Johannes Peculiaris nicht unterwiirfe’. 

Es war in gewisser Weise eine Wiederholung der Ereignisse von 1155: aber die 
Situation war doch lange nicht mehr so ernst. Die Mandate Alexanders III. waren weniger 
streng als die seiner Vorgiinger, und vor allem war die politische Basis tiir den Toledaner 
sehr viel unsicherer: die Herrschatt Fernandos von Leon in Toledo war wimnstritten und 
ist auch tatsichlich im Jahre 1166 zusammengebrochen. Immerhin hat Erzbischof Jo- 
hannes Peculiaris, wie es scheint, trotz seines hohen Alters es doch noch ttir nétig ge- 
halten, zum siebenten Male die Reise an den pipstlichen Hof anzutreten*. Wiederum 
begleiteten ihn seine Trabanten aus S. Cruz und Refoios de Lima: jetzt fiihrte er auch 
das Kloster Lafoes, das er vor langen Jahrzehnten gegriindet hatte und das inzwischen 
die Cisterzienserregel angenommen hatte, dem bl. Stuhl als Schutzkloster zu*. Besonders 
interessant ist der diesmal mitgenommene Empfehlungsbrief Alfons I. fiir S. Cruz. Darin 
begntigt sich der Kénig nicht damit, sich erneut als gehorsamen Sohn des Papstes und 
kampfeseifrigen miles b. Petri zu bekennen, sondern setzt dem Papst auch auseinauder. 
daB er sich die Kurie mehr als andere Fiirsten verpflichtet habe: nicht nur sein ererbtes 
Land habe er dem hl. Petrus aufgetragen, sondern auch noch umtangreiches weiteres Land 
fiir das apostolische Patrimonium hinzuerobert’” -- eine Argumentation, die vielleicht 
wirklich an der Kurie Eindruck zu machen vermochte. So erschien Johannes Peculiaris 
beim Papst in Bourges und erreichte ohne Zweifel wiederum sein Ziel: sein neues Privileg 
vom 16. August 1163 bestiitigte ihm seine Suffragane, insbesondere Zamora", und dart 
deshalb als Ausdruck der abermaligen Herstellung eines guten Verhaltnisses zur Kurie 
gelten. Und seinen Widerstand gegen Toledo hat er fortgesetzt. 


Aber auch jetzt war nichts definitiv entschieden, der Primat als solcher nicht be- 
seitigt. Erzbischof Johann von Toledo hat zwar, soweit wir wissen, von nun an keinen 








1 JL. 12535, vollstandig bei Casreson 1 Fonseca Ub fol. 23. Die Datierung ins Jahr 1161 ergibt sich 
aus der Zusammengehérigkeit mit JL. 10 656«. Das in dieser Urhunde erwihnte frithere Mandat Alexanders ITT. 
an den Erzbischof von Braga kennen wir nicht. 

> JL. 13 784, vollstindig bei Keur, Gott. Nachr. 1902, S. 430 n. 10. Die Urkunde hat den Juhannes 
Peculiaris, der damals wohl schon auf der Reise nach Frankreich war. wahrscheinlich nicht mehr erreicht. 

3 Ein ausdriickliches Zeugnis ftir die Anwesenheit des Erzbischofs am papstlichen Hof haben wir diesmal 
nicht, sie ist jedoch mit Riicksicht auf das Zusammentretfen so vieler Urkunden unbedingt wahrscheinlich. 

! JL. 10925; Papsturk. in Port. S. 232 ff n. 62. 64 und 65. 

+ PLM. H. SS. 173. 


*  Papsturk. iu Port, S. 233 ne 63 


46 C. Erpu ann: 


Versuch mehr gemacht, sich Braga zu unterwerfen: aber er starb im Jahre 1170, und 
seinen Nachfolger Cerebrunus lie8 der Ehrgeiz nicht schlafen, obgleich die leonesische 
Herrschait in Kastilien wieder zuriickgeworfen war und damit die Grundlage fir eine 
Durchsetzung des Primats fehlte. Formal-juristisch bestand sein Anspruch zu Recht, und 
als Cerebrunus sich an die Kurie wandte, konnte sich ihm Alexander III. nicht wohl ver- 
sagen. Wiederum erging deshalb an Johannes Peculiaris und seine Suffragane der alte 
Befehl, dem Erzbischof von Toledo als Primas zu gehorchen’. Freilich zeigt schon 
das Mandat selbst, daB es jetzt der Kurie nicht mehr voller Ernst war. An die Stelle 
der positiven Strafen, wie sie die friiheren Mandate verhangt hatten, Suspension, Ent- 
bindung der Suffragane vom Gehorsam oder Ubergang eines Bistums an Toledo, traten 
nun nur noch lahme Redensarten iiber kinftige Strafen. Damit war bei Johannes Peculiaris 
natiirlich nichts zu erreichen. Cerebrunus von Toledo aber dringte weiter und verlangte 
vom Papst weitere Mahnungen und Befehle. Alexander III. kam dem am 1g. Mai 1172 
zwar nach, beauftragte im tibrigen aber den Kardinal Iacintus, den er gerade als Legaten 
nach Spanien entsandt hatte, sich mit Johannes Peculiaris direkt in Verbindung zu setzen, 
um seinen Widerstand in der Primatsfrage zu brechen’. 

Das ist die letzte positive Nachricht, die wir aus jenem Stadium des Primatsstreits 
besitzen. Nun wird es fiir drei Jahrzehnte still, und wir wissen nur, das auch weiterhin 
weder Johannes Peculiaris noch seine Nachfolger den Toledaner Primat anerkannt haben. 
Da kann doch nicht zweifelhaft sein, da eben lacintus es gewesen ist, der diesen Stein 
des AnstoBes aus dem Wege geriumt hat. Wie er schon bei seiner ersten Legation um 
des Friedens willen die p&pstlichen Mandate nicht hatte abgeben lassen, so wird er auch 
dieses Mal sich die selbstiindige Handlungstreiheit bewahrt und von einer wiortlichen 
Ausfiihrung des piipstlichen Auftrages abgesehen haben, besonders da er damit jetzt ver- 
mutlich im Sinne des Papstes selbst handelte. Wie er den Toledaner zum Schweigen 
gebracht hat, wissen wir freilich nicht®. Aber die Macht der politischen Verhiltnisse war 
jedenfalls stirker als der Ehrgeiz eines einzelnen Prilaten. Kastilien und Leon getrennt, 
Portugal ein gewaltig gewachsener und nicht mehr machtloser Staat -— was sollte da 
noch die Unterstellung der portugiesischen Kirche unter die nicht einmal mehr benach- 
barte kastilianische? Der Friede war nur zu erreichen, wenn man Portugal als selbstindig 
und seinen Nachbarn gleichberechtigt anerkannte. 

Es ist charakteristisch, da in demselben Augenblick, wo die Primatsfrage ver- 
schwindet, auch die Frage des portugiesischen Kénigtums ein anderes Aussehen bekommt. 
Beide waren aufs engste miteinander verkniipft, waren gemeinsam durch den Lehnseid 
Alfons’ I. entstanden und fanden nun gemeinsam ihre Liésung. Wihrend alle Welt in 
Portugal und Spanien den Konigstitel Alfons’ I. seit Jahrzehnten anerkannte, hatte sich 
die Kurie immer noch darauf versteift, dali der Portugiese nur ein »Herzog« wire‘. 





1 JL. 10 609 add.. volistindig bei Ker. Gott. Nachr. 1902. S. 431 u. 11. Das Stiick ist undatiert, die 
Angabe des ersten Registerbuches aber sicher falsch, da schon Erzbischot Cerebrunus (1170—1180) genannt 
wird. Da der Inhalt auf die erste Zeit des Cerebrunus weist, setze ich die Urkunde zu 1170--1172. 

* JL. 14 291, vollstindig bei Keur, Gott. Nachr. 1903. S.153 nu. 7. Aus der Nennung des Kardinals 
Tacintus ergibt sich der Ansatz zu 1172, wie schon Leinewezer S. 70 darlegte. 

* Die Tatsache, daB Toledo seine Anspriiche bis zur Zeit des Erzbischufs Rodrigo aufgegeben hat, halte 
ich fiir sicher. Im Jahre 1190 traf Erzbischof Martin von Braga mit dem Erzbischof Martin yon Toledo in 
Rom zusammen, ohne daS der letztere die Primatsfrage anschnitt (Zeugenverhér von 1216. Torre do Tombo, 
Col. Esp. Pt. HW Cx. 43 M. 1 n. 1). 

* In den Urkunden Innocenz IL, Lucius’ Il, Eugens HI. und Hadrians 1V. heiBt Alfons stets due: bei 
Alexander III. (vor dem 23. Mai 1179) in JL. 10g25 und Papsturk. in Port. S. 237 0.66 und S. 244 n. 72 
ebenfalls dur, ebenda S. 230 n. 61 princeps. Nur ebenda S. 247 n. 74 wird rer gebraucht, doch diirfte hier 
ein bloBes Versehen der Kanzlei vorliegen, ebenso wie umgekebrt spiter unter Urban III. (ebenda S. 325 
n. tir) einmal irrtiimlich dare erscheint. S) 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte. 47 


Nun nahm Iacintus, der bei seiner ersten Legation selbst nur den Herzogstitel fiir 
Alfons I. gebraucht hatte’, die Bezeichnung als Konig auf; in seiner Kanonisations- 
urkunde fir den hl. Rosendo von Celanova nennt er Portugal ein Kénigreich und Alfons I. 
unter den spanischen Kénigen*. Stillschweigend erkannte er den unabinderlichen Tat- 
bestand an und gab den Versuch auf, Portugal von der erkiimpften Stufe herabdriicken 
zu wollen. 

Das war gewiB die Hauptsache, aber doch nicht alles. Iacintus hat sich nicht 
restlos fiir den portugiesischen Standpunkt eingesetzt. Jene Erzaihlung eines englischen 
Chronisten zwar, dab, als der Kardinal den Bischof von Coimbra habe absetzen wolien, 
Alfons I. ihn durch die Drohung, ihm einen Fu abzuschneiden, aus dem Lande gejagt 
habe*, kénnen wir getrost ins Reich der Fabel verweisen. Dazu war Alfons I. viel zu 
klug und viel zu devot gegeniiber der rémischen Kurie, und die ehrenvolle Weise, in 
der Iacintus auch nach seinem portugiesischen Aufenthalt von Alfons I. gesprochen hat, 
schlieBt ein solches Abenteuer aus’. Aber wir miissen den Gegensatz zwischen Braga 
und Santiago beriicksichtigen, die Frage der Zuweisung der stidportugiesischen Didzesen. 
Hier hat nun Iacintus, wie wir bestimmt wissen, verfiigt, da die kiinftigen Bischéte 
von Lissabon durch die Erzbischéfe von Santiago geweiht werden sollten’. Auch folgte 
der damalige Lissabonner Bischof Alvaro dem Kardinal nach Galicien und traf dort mit 
dem Erzbischof Pedro von Compostela zusammen; ohne Frage hat er ihm damals aut 
Veranlassung des Iacintus Obedienz geleistet®. Die Stellung des Kardinals zum Bistum 
Evora, das von seiner Route weit ablag und schwerlich tberhaupt von ihm besucht 
worden ist, kennen wir nicht, sie kann aber im Prinzip nicht anders gewesen sein als 
die zu Lissabon. JIacintus hielt hier also am Rechtsstandpunkt fest, den er in der 
Primatsfrage aufgegeben hatte; der altlusitanische Siiden Portugals sollte zu Compostela, 
der leonesischen Metropole, gehéren. 

Auf den ersten Blick erscheint diese Haltung als inkonsequent, ja widersinnig. Die 
kirchliche Einteilung sollte grundsatzlich von jeher der politischen Kinteilung folgen und 
sich mehr oder weniger an sie anschlieBen. War nun Portugal als selbstindiger Staat, 
die portugiesische Metropole als gleichberechtigt neben den Nachbarn anerkannt, so war 
zu erwarten, daB alle portugiesischen Didzesen auch der portugiesischen Metropole zu- 
gewiesen wiirden. Noch auffallender wird die Lage bei einem Blick auf die Karte: 
Santiago de Compostela, im Norden Portugals gelegen, war von den siidportugiesischen 
Didzesen durch den ganzen Komplex der Kirchenprovinz Braga getrennt. Aber die 
Frage erhilt sogleich ein anderes Gesicht, wenn man die Gegenseite bedenkt: auch vom 
leunesischen Reich gehérte gerade der Kern, ganz Galicien, kirchlich zu Braga, der 
portugiesischen Metropole, und von allen leonesischen Bistiimern unterstanden nur die 
drei siidlichsten, Salamanca, Ciudad Rodrigo und Coria, dem einheimischen Metropoliten. 
Diese in ihrer Art wohl einzigartige Verschrinkung zweier Kirchenprovinzen in zwei 





1 Papsturk. in Port. S. 2roff. n. 54 und 55. 

2 Die Urkunde ist leider nur in spanischer Ubersetzung erhalten bei A. Yeres. Coronica general de la 
orden de S. Benito V 14: sie ist undatiert, gehért aber offenbar zu 1173. 

8 Roger de Hoveden (ed. Srvess in Rer. Brit. m. a. seript. 1.1) If 333 zum Jahre 1187. Lemeweper S. 32 
wollte wegen dieser unglaubwiirdigen Notiz sogar eine dritte Legation des Iacintus annehmen; aber die Nach- 
richten Rogers tiber Portugal sind auch sonst wenig zuverlissig. 

+ Wel. die Urkunde bei Yeres Vir4 und Papsturk. in Port. S. 367 n. 147. 

5 Papsturk. in Port. S. 242 n. 7o. 

6 In der Urkunde des Iacintus bei Yerrs V 14 erscheinen nebeneinander Erzbischof Pedro yon Compostela 
und Bischof Alvarv — sv ist das Antonw des Drucks zu verbessern — von Lissabon: die Tatsache der Ohe- 
dienzleistung Alvaros, wenn auch cline Angabe des Zeitpunkts, ist durch Potth. 755 verbiirgt. 


48 C. Erpwann: 


Nachbarlandern war nur aus den besonderen Ereignissen zur Zeit Diegos von Compostela 
entstanden und erklirbar — aber schilieBlich lieB sich doch aus der Not eine Tugend 
machen. Auf seiten der Kurie blieb natiirlich nach wie vor das Bestreben, Streitigkeiten 
unter den christlichen Fiirsten der Halbinsel. die gemeinsam gegen den Islam kampfen 
sollten, nach Méglichkeit zu verhindern. Ging das nicht durch Oberherrschaft eines 
einzelnen, so war es durch eine mdglichst enge Verbindung der im ibrigen gleich- 
berechtigten Staaten zu versuchen. Ein grofer Teil Leons unter der portugiesischen, 
ein grofer Teil Portugals unter der leonesischen Metropole — diese Lage erschwerte 
natiirlich fiir beide Kénige die Kriegfiihrung gegeneinander, ohne doch jetzt noch die 
Selbstindigkeit Portugals zu gefiihrden. Wenige Jahre zuvor war in der Tat durch den 
Edelmut Fernandos von Leon gegen den von ihm gefangenen Konig von Portugal ein 
Friede zwischen beiden Lindern zustande gekommen, der sich in der nichsten groSen 
Krise, beim Maureneinfall des Jahres 1184, gut bewahlrte und zu gemeinsamer Bekimpfung 
der Unglaubigen gefiihrt hat. Diesen Frieden dauerhaft zu gestalten und dazu das Uber- 
einandergreifen der Kirchenprovinzen zu sanktionieren, das wird wohl die Idee des Tacintus 
gewesen sein, die sich, alles in allem, auch als durchfiihrbar erwiesen hat. 

War somit festgelegt, daB der »lusitanische« Siiden Portugals zu Compostela ge- 
héren sollte, so blieb freilich immer noch die Frage, wo denn die Grenzen Lusitaniens 
waren. Denn wie wir wissen. verfochten die Compostelaner die — historisch vollauf 
berechtigte -— These, dai auch das Zentrum Portugals in alter Zeit lusitanisch gewesen 
wire, und beanspruchten deshalb die Dijzesen Coimbra, Viseu und Lamego fiir sich. 
Es ist durchaus wahrscheinlich, da&B Erzbischof Pedro von Compostela, der bei Iacintus 
groBe Schiitzung genoB, dem Kardinal auch dieses Verlangen vorgelegt hat. Iacintus 
aber war offenbar nicht geneigt, sich an dieser verzwickten Frage zum zweitenmal ab- 
zumtihen; er hat dazu, soviel wir wissen, keine Stellung genommen', wahrscheinlich 
aber den Erzbischof an den Papst verwiesen. Pedro von Compostela sandte jedenfalls 
nach Rom, wihrend Jacintus noch nicht aus Spanien zuriickgekehrt war”, und lieS den 
ganzen Komplex seiner Klagen vorbringen. Alexander III. ging darauf ein und traf nun, 
als der Erzbischof von Braga Widerstand leistete, eine ganz neuartige Verfiigung: so- 
lange wie die portugiesischen Diédzesen, auf die Santiago Anspruch hatte, sich wider- 
rechtlich zu Braga hielten, sollten zur Strafe diejenigen leonesischen Bischédfe, die Suf- 
fragane Bragas waren, dem Erzbischof von (Compostela gehorchen*. Das bedeutete plotzlich 
die glatte Anpassung der kirchlichen Einteilung an die politische, die Wegriumung 
aller Komplikationen durch einen Federstrich. Die Neuerung fand alsbald Anklang beim 
Kénig von Leon; so wie Alfons I. von Portugal seine Bischéfe am Verkehr mit Santiago 
hinderte, so verbot jetzt Fernando II. von Leon den Galiciern den Gehorsam gegenitiber Braga’. 

Es ist médglich, daB Alexander III. damals, wahrend Iacintus noch abwesend war, 
daran gedacht hat, den Streit ftir die Dauer auf diese einfache Weise zu regeln. Zu- 
nichst aber handelte es sich nur um eine voritbergehende StrafmaBnahme, die riick- 
gingig gemacht werden konnte, sobald sich der Erzbischof von Braga rechtfertigte. 





1 Lopez Ferrero IV 325 gibt an, Jacintus habe damals die strittigen Didzesen durch eine Sentenz 
Santiago zugesprochen. Aber das ist ein MiBverstindnis: die Sentenz, die Lorez Frrrerro meint, ist die des 
Jahres 1155. 

2 Das Mandat Alexanders IJI. wurde noch dem Johannes Peculiaris ausgehindigt (Papsturk. in Port. 
S. 384 n. 160 Abs. 15), weleher am 3. Dezember 1175 starb. 

3 Das Reskript ist verloren, vgl. aber Papsturk. in Port. S. 244 n. 72 und Porrs. 799. 

4 In einem Bragaer Zeugenverhér von 1199 (Torre do Tombo, Col. Esp. Pt. Il Cx. 43 M. 1 n. 1) wird 
angegeben, da§ Fernando im Zusammenhang mit der Trennung von seiner portugiesischen Gemablin (im Jahre 1175) 
zwei Bragaer Suffraganen befohlen habe, ihrem Metropoliten nicht mebr zu gehorchen. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte. Ag 


Johannes Peculiaris, der auf diese Weise sehr viel mehr verlor als gewann, war auch 
nicht damit einverstanden. Aber er war nicht mehr in der Lage, diesen letzten StrauB 
noch auszufechten; er starb am 3. Dezember 1175, hochbetagt und lange beweint von 
den Seinen’. Sein Lebenswerk war nahezu vollendet; nur die Aufsetzung des Schlub- 
steins muBte er andern Hinden tiberlassen. Sein Nachfolger wurde Godinus (1176— 1188), 
der die gleiche kénigstreue Politik verfolgte, mindestens solange Alfons J. noch lebte. 
Godinus erschien im Januar 1177 an der Kurie, um sich das Pallium zu holen’, und traf 
dort mit einem Compostelaner Kanoniker zusammen, der wieder die Compostelaner Gra- 
vamina vorbrachte. Nun war auch Jacintus anwesend und hat, wie wir annehmen kénnen, 
seinen Standpunkt zur Geltung gebracht. Jedenfalls wurde die reinliche Scheidung zwischen 
Portugal und Leon, wie sie im letzten pipstlichen Mandat angeordnet worden war, jetzt 
wieder aufgegeben, die galicischen Bistiimer an Braga zurtickgegeben, daftir aber zunichst 
Lissabon und Evora an Compostela iiberwiesen, und wegen der weiteren strittigen Bis- 
timer — Coimbra, Viseu und Lamego, ferner Zamora -—- und der sonstigen Differenzen 
ein gerichtliches Verfahren anberaumt®. So viel war nun auch von seiten des Papstes 
selbst grundsitzlich festgelegt, daB jenes merkwiirdige Ubereinandergreifen der zwei 
Kirchenprovinzen bestehen bleiben sollte. 

Der groBe ProzeS zwischen Braga und Santiago hat 22 Jahre gedauert, aber wir 
brauchen nicht alle seine Phasen zu verfolgen. Er hatte auch nicht mehr eine so ent- 
scheidende Bedeutung, wie sie derselben Streitfrage im Jahre 1155 zugekommen war, 
weil Portugals Selbstindigkeit davon nicht mehr beriihrt wurde. Das konnte sich auch 
Alexander III. nicht verhehlen, und er hat deshalb, noch ehe es zur ersten ProzeBver- 
handlung an der Kurie kam, am 23. Mai 1179 durch ein feierliches Privileg Alfons I. 
als Konig anerkannt, ihn und seine Erben unter den Schutz der Kurie genommen, Por- 
tugal fiir ein K6nigreich erklirt, das dem hl. Petrus gehére, und die piapstliche Hilfe 
fir die Verteidigung der Kénigswiirde versprochen*, kurz alle die Bedingungen erfiillt, 
die Alfons einst vor 35 Jahren an Innocenz II. gestellt hatte. Der Kénig vervierfachte 
bei dieser Gelegenheit den an die Kurie zu zahlenden Jahreszins und versprach statt 
vier Unzen nunmehr zwei Mark Goldes; auBerdem leistete er eine einmalige Zahlung von 
1000 Goldstiicken’. Sicher waren dem Papste diese geldlichen Hilfsmittel nicht gleich- 
giiltig — aber es heift doch die Politik eines Alexander III. weit unterschitzen, wenn 
man gemeint hat, Alfons I. habe die Anerkennung seines Kénigtums einfach erkauft”. 








1 Im Bragaer Zeugenverhér von 1216 (Torre do Tombo, Col. Esp. Pt. Il Cx. 43 Rol. 3) wird die Toten- 
klage um Johannes Peculiaris ausdriicklich erwahnt. Nach der Tradition ware der Erzbischof hundert Jahre 
alt geworden, doch scheint mir das um mindestens zwanzig Jahre zu hoch, da die Vita Tellunis (P. M. H. 
SS. I 65) den Johannes Peculiaris ums Jahr 1130 noch als iuvenis bezeichnet. 

2° Vgl. Papsturk. in Port. S. 244 n. 72, Die Angabe von R. pa Cunna, Historia ecclesiastica dos ar- 
cebispos de Braga II 79 (aufgenommen von Fort. pe Armeipa. Historia da Igreja em Portugal 1 608), da8B 
Godinus das Pallium von Calixt III., dem Gegenpapst, erhalten habe, beruht auf einem Miverstindnis, eben- 
so die Behauptung. daB er von Rom aus eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht habe. Ferreira, Fastos 
episcopaes I 338, nimmt weiter an, daB Godinus am dritten Laterankonzil teilgenommen habe, doch ist das 
unbelegbar und mit Riicksicht auf die Anwesenheit des Godinus in Rom im Januar 1177 einerseits, Ende 1180 
anderseits, nicht wahrscheinlich. 

3 Papsturk. in Port. S. 244 n. 72. 

4 JL. 13420. 

5 Porrg. 103 und 465. Kénig Sancho I. hat spiter zur Zeit Celestins III. behauptet, seit der Zahlung 
der 1000 Goldstiicke wren noch nicht zehn Jahre verflossen, und Hercutano Is 548 N. XXVI hat daraus 
errechnet, da diese Zahlung erst im Jahre 1181 erfolgt sei. Aber auf die chronologische Wissenschaft Sanchos I. 
ist schwerlich Verla8. und das Natiirlichste ist doch, da8 jene einmalige Zablung bei Gelegenheit des Privilegs 
von 1179 geleistet wurde. 

6 Hercutano I5 44of. 


Phil,-hist. Abh. 1928. Nr. 5. ” 


d0 C. Erpuann: 


Im Vordergrunde standen vielmehr jene politischen Erwigungen, die schon mehrere Jahre 
zuvor bei der Legation des Kardinals lacintus Beriicksichtigung gefordert hatten. Den 
Gedanken der Vorherrschaft eines einzelnen spanischen Staates hatte die Kurie jetzt auf- 
gegeben, deshalb konnte und mufte sie fiir einen Ausgleich der Interessen sorgen und 
die Gleichberechtigung der verschiedenen Fiirsten —- zunichst wenigstens im Westen 
der Halbinsel — anerkennen. 

Der enge Zusammenhang der politischen Entwicklung Portugals mit der Rolle. die 
der Metropole Braga zugewiesen wurde, tritt auch hier am SchluB wieder zutage. Nachdem 
Portugal als Kénigreich anerkannt war, konnte Braga auch im Zeremonial dieselben Rechte 
fordern wie die benachbarte Metropole. Den Erzbischéfen von Compostela hatte Eugen III. 
das Privileg des Vortragkreuzes in ihrer Kirchenprovinz verliehen, und das galt damals 
noch als ein besonderer Vorzug’. Dasselbe Vorrecht erhielt nun am 29. November 1180 
der Erzbischof von Braga, sodaB er seinem Rivalen gleichstand’. Auch in den auSeren 
Formen, die dem Mittelalter so wichtig waren, galt jetzt die portugiesische Kirche eben- 
soviel wie die leonesische. 

Damit stehen wir am Schluf; der Unabhingigkeitskampf der Portugiesen ist zuende 
gefiihrt. Waren die einzelnen Streitpunkte, um die es sich bislang gedreht hatte, auch 
noch nicht aus der Welt geschafft, so hat es darin etwas wesentlich Neues doch nicht 
mehr gegeben. Der ProzeB mit Santiago ist nach einem gewaltigen Aufwand von Tinte 
durch Innocenz III. im Jahre 1199 dahin entschieden worden, da die streitigen Bistiimer 
verteilt wurden. Santiago erhielt auBer Lissabon und Evora noch Lamego und das da- 
mals neu entstehende Idanha (Guarda), ferner schlieBlich Zamora, wihrend Braga Coimbra 
und Viseu behielt. Diese Einteilung hat sich trotz ihrer geographischen und scheinbar 
auch politischen Widersinnigkeit 200 Jahre hindurch behauptet, bis endlich die Wirren des 
groBen abendlindischen Schismas zu einer Erneuerung auf Grund der politischen Grenzen 
nétigten. Auf der andern Seite hat auch der Primatsstreit mit Toledo eine merkwiirdige 
Auferstehung erlebt, indem der Erzhischof Rodrigo Jimenez von Toledo die alten An- 
spriiche seiner Kirche bei der Kurie doch noch anmeldete. Innocenz IIL, der diese un- 
zeitigen Forderungen nicht mehr brauchen konnte, hielt ihn zunichst von der Einleitung 
eines Prozesses zuriick, aber durch sein beriihmtes Auftreten auf dem vierten Lateran- 
konzil erzwang Rodrigo das gerichtliche Verfahren gegen Braga. Er erreichte jedoch 
nichts anderes, als da Honorius III. nach langer Verhandlung die Entscheidung suspen- 
dierte, also alles beim alten liefi. Aber dieser geschichtlich ergebnislose, ja anachro- 
nistische Proze}S hat fiir die Wissenschaft dadurch eine erhebliche Bedeutung, daB er 
uns in mehr als einer Richtung mit einzigartigem Quellenmaterial versorgt hat, ohne 
welches wir auch von den friiheren Phasen des groBen Primatsstreits kaum etwas wiiBten. 


Unterdessen blieb der Verkehr zwischen dem Papsttum und Portugal rege, ja belebte 
sich immer weiter. Die Zahl der Privilegien und Reskripte wichst fortlaufend und erreicht 
in manchen Jahren eine betrichtliche Hoéhe, wenn man die weite Entfernung und die 
Reiseschwierigkeiten bedenkt. Die Angliederung Portugals an den Organismus der 
rémischen Papstkirche ist mit dem Pontifikat Alexanders III. abgeschlossen. 

Merkwiirdig ist, da wir in all dieser Zeit von unmittelbaren Bemiihungen der Pipste 
um die Férderung des Maurenkrieges in Portugal nichts mehr héren. Das wird freilich 
wohl nur an zufialliger Liickenhaftigkeit unseres Materials liegen; daB der Eifer der Kurie 
fiir den Maurenkrieg damals erkaltet ware, ist nicht wahrscheinlich. Um hier aber sicher 





1 Lopez Ferrerro IV App. 39 2.14, vgl. JL. 9363. 
? Papsturk. in Port. S. 251 0. 77. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Juhrh. der portuyiesischen Geschichte. a1 


urteilen zu kénnen, miibte man erst das ganze spanische, insbesondere kastilianische und 
leonesische Material an Papsturkunden tibersehen. Uberhaupt kounte die vorliegende Ab- 
handlung, wie hier nochmals betont werden soll, keine erschépfende und endgiiltige 
Darstellung geben, und vieles muBte hypothetisch bleiben. Einiges wird sich ergiinzen 
lassen, wenn die Beziehungen des Papsttums zu den spanischen Kernlanden hearbeitet 
sind; noch mehr aber wire notwendig, die innerpurtugiesische Geschichte selbst weiter 
aufzuklaren an der Hand vor allem der Kénigsurkunden, deren Sammlung und Heraus- 
gabe das dringendste Erfordernis auch der portugiesischen Geschichtsforschung ist. 


Anhang. 


I. 


Die Bischdfe Diego) con Compostela, A(Ifons) von Tuy, M(unio) von Mondonredo, Pfedro) 
von Lugo, Diego) con Orense und Hu(go) con Porto teilen dem Bischof G(onzalo) ron Coimbra 
die Beschliisse der Synode von Compostela mit und fordern ihn auf. der geschlossenen Bruderschaft 
beizutreten und seine Differenzen mit Santiago und Porto zu bereinigen. 


(1114) November 17. 
Livro Preto saec. XII ex, fol. 242 Lissabon, Torre do Tombo, 


Die Akten der Synode finden sich in der Historia Compostellana lib. 1 ce. 101 (Esp. 
Sugr. XX 191). 


D. Compostellane sedis, A. Tudensis. M. Mindoniensis, P. Lucensis, D. Auriensis. 
Hu. Portugalensis confratres et coepiscopi. Venerabili G. Colimbriensi episcopo in Christo 
salutem. Ex precepto domni B. Toletane sedis archiepiscopi et sancte Romane ecclesie 
legati XV. kal. decembris Compostelle convenimus et cum abhatibus monasteriorum Calli- 
cie ceterisque religiosis prelatis concilium celebravimus Domino annuente. In quo siquidem 
concilio comites et ceteros terre obtimates. qui ad concilium Legionense ire non potuerunt. 
commonefecimus. ut decreta, que in eodem concilio sancita fuerant. inviolabili observa- 
tione custodirent. (Folgen die 10 Kanones der Synode nebst horroboration.) 

Confraternitatem etiam inter nos fecimus, ut alius alium diligat et alius alii, si ne- 
cesse fuerit, pro posse suo subveniat et mutuam caritatem adinvicem habeamus. Quando 
aliquis nostrum obierit, eius anime unanimiter alii subcurrant elemosinis, oracionibus. 
saerificiis, quatinus ad eternam beatitudinem pervenire possit. Ad hane autem confrater- 
nitatem conufirmandam statuimus. ut unoquoque anno mediante quadragesima Compostelle 
conveniamus et corrigamus malefacta, que ad audienciam nostram venerint. Vestraim itaque 
rogamus sanctitatem, ut in hac confraternitate nobiscum intrare velitis et nobiseum fra- 
terna dileccione familiarius coniungi, quia nos libenter vestre dignitatis honorificenciam 
suscipiemus. Sed prius oportet vos corrigere iniuriam, quam erga domnum Compostellanum 
habere vel commisisse videmini, quia vota sancti Iacobi et quasdaim ecclesias, que in 
episcopatu vestro sunt. vicario suo yos abstulisse conqueritur. (Juod tactum in oculis 
nostris mirabile videtur, cum* domnus papa vota sancti Iacobi et eius hereditates ita 
tirme auctoritatis sue privilegio Compostellane ecclesie confirmavit. quod nulli unquam 
ecclesiastice secularive persone licitum sit ea sine proprio periculo invadere aut inquie- 
tare. Si ergu nostram contraternitatem et dileccionem non spreveritis, ecclesie Conpostellane 





“eum, 


52 C. ErpM ann: 


sua vota et hereditates in manu episcopi Portugalensis eius procul dubio vicarii absque 
contradiccione restituetis. Ipsum quoque Portugalensem si vobiscum dilectionis vinculo 
astringeretis et concordiam super parte suae dioceseos, quam tenetis, cum eo faceretis, 
ut ambo in id-ipsum ad omnia essetis, multum nobis scitote placeret et domno archi- 
episcopo Toletano, qui nobiscum illud idem conlaudat. Valete. 


Il. 


Die Bischéfe Gonzalo von Coimbra und Hugo von Porto schlieen miteinander den Vertrag, 
dap der Douro als Grenze zwischen den beiden Bistiimern gelien solle mit Ausnahme derjenigen 
(Gebiete siidlich des Douro, die (Gonzalo freiwillig abtreten wiirde. 


Figueiredo (Pinheiro du Bemposta) 1114 Dezember 30. 

Livro Preto saec. XII ex. fol. 240° Lissabon, Torre do Tombo [B]. -— Livro Censual saec. 
XIV fol. 2 Porto, Biblioteca Municipal, daraus ed. Censual do Cabido da Sé do Porto (Porto19214) 
S.7 [C]. 

Der bereits bekannte Text des Livro Censual weicht von dem des Livro Preto gerade in den Haupt- 
punkten sehr stark ub. Ich gebe deshalb hier den letzteren wieder, an dessen Urspriinglichkeit ich 
nicht zweifle. Aus dem Zusammentreffen des Wochentags und der Festbezvichnung ergibt sich das 
Jahr 1114, dus auch sachlich allein méglich ist. Offenbar begann man in diesem Falle das neue 
Arenjahr schon mit dem Weihnachtstage. Die Rechnung von J.P. Rreerru, Dissert. Chronol.V? 7 
(danach J. A, Ferrera, Memorias archeologico-historicas da Cidade do Porto 8S. 150) ist irriy. 


Noverint homines tam presentes quam futuri* amicitiam factam’ inter domnum Hu- 
gonem‘ Portugalensem episcopum et domnum Gundisalvum Colimbriensem episcopum hoe 
modo: Promisit enim alter alteri, quod essent adinvicem amici fideles in veritate absque 
dolo et malo ingenio, salvo suo ordine et salva” Romana auctoritate. Promisit etiam 
G. episcopus Colimbriensis’ Hugoni Portugalensi episcopo, quod honorem sui episcopatus, 
quem’ trans Dorium habet aut habere debet, non requirat et” iuvet eum sicut amicus 
amicum per se et per suos amicos’ ad predictum honorem defendendum’ ipsi’. Hu. vero 
Portugalensis episcopus taliter promisit’ G. episcopo Colimbriensi’, ut honorem™ suum, 
quem habet citra Dorium, nullo modo requirat, nisi quantum dederit ei ex amicitia, salvo 
iure Compostelanensis ecclesie sancti lacobi, et” si quis eum in honore suo” inquietare 
voluerit. iuvet’ eum per se et per amicos sicut amicus amicum’. Et hance’ amicitiam? firma- 
verunt inter se ita, quod” si quis eam infregerit*®, prout superius determinatum est, alter 
alterum conveniat. Et si non potuerit se rationabiliter excusare vel neglexerit emendare, 
habeatur quasi periurus® et infamis', et alius’ absolutus et' liber erit’ ab hac” fidelitate”. 
In omnibus tamen supradictis* salva amicitia domni’ Bernaldi Toletani archiepiscopi et’ 





“ tam futuri quam presentes 5 quam fecerunt C. ° Huguonem C.  “ salva feAlt C. © Colin- 
briensis episcopus domno C. 7+ que ad ecclesiam Portugalensem citra Dorium vel ultra Dorium pertinet, 
quemyuem ipse Portugalensis episcopus pontifficale iure possidet aut possidere debet, non inquietet nec reti- 
neat nec usurpet absque volunptate sua, sed C. 4% amicos suos C.  @ folyt et aquirendum seu adipisendum (. 
i folgt Portugalensi episcopo, et quando Romam ire decreverit. adiuvet eum de facultantibus suis (.  * pro- 
misis (. / Colibriensi episcopo C.  ”~™ honorem episcopatus sui. qui ad ecclesiam Colibriensem iure veteri 
pertinet, quem ipse Colibrienssis episcupus possidet aut pussidere debet, non inquietet nec retineat nec usurpet. 
sed iuvet eum ad predictum honorem retinendum et defendendum sicut amicus amicum (. “ ipso C. 
o- o fehit C. Pp Hane autem ©. 7 folgt in fidei veritate C. 7 quatenus(.  s—s infringere vel violaret sive 
disrrunperet, esset periuros C. t folgt et ab ordine pontifficale sequestratus, donec ei satisffaceret, cuius 
amicitiam violavit C. 4 folgt esset(. ¢-* fehlt (. © huius amicitiae et fidey iuramento (= folgt salvo 
honore et reverentia Conpostellanae ecelesiae et C. ¥-y fehit C. . . 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. 53 


domni Didaci Compostelani* episcopi. Hi sunt testes’: Laurencius® testis. Daniel‘ testis. 
Pelagius‘ testis. Gundisalvus’ testis. David’ testis. Erfredus* magister testis. Lauren- 
tius magister testis’. Martinus monacus’ testis. Abba* Fulco testis. Fagildus mona- 
cus’ testis. Gutier Menendiz” testis. Vilielmus” monacus’ testis’. Hec’? carta facta est’ 
feria IIII** in festivitate sancti Iacobi post natale Domini apud Fikeiredo’ T* C* L* HI*’. 


Il. 


Bfernard), Erzbischof von Toledo und Legat des rémischen Stuhls, befiehlt dem Abt 
G(audemirus) von 8. Thirso, die Bevélkerung des Gebiets von der Vizella bis zur Antua unter 
Androhung des Interdikts zum Gehorsam gegeniiber dem Bischof Hugo von Porto zu ermahnen. 


1115 (Anfang). 
Rotulus saec. XIII Braga, Arquivo Distrital (Gav. dos arcebispos n. 26). 


Gegen die Urkunde ist, wenn man sie in den Anfang des Jahres 1115 (Ara 1153) setet 
— im Friihjahr oder Sommer 1113 brach Hugo nach Rom auf -—, sachlich nichts einzuwenden. 
Die beiden erwdhnten Synoden miissen die von Palencia (1113 Dien 25) und Leon (1114 
Oktober 18) sein. Die Uberlieferung ist aber nicht ganz sicher. Denn auf dem Rotulus, der 
einem Prozefs zwischen Braga und Porto im Jahre 1250 entstammt, folgt auf diese Urkunde 
eine andere, ebenfalls 8S. Thirso betreffende vom 0). Oktober 1101, die durch eine unmégliche 
Zeugenliste sehr verddchtig ist. 


B. Toletane sedis archiepiscopus et sancte Romane ecclesie legatus. Karissimo filio 
suo G. abbati in sancti Tirsi monasterio in Christo salutem. Quod ad concilium in preterito 
anno neque modo venire non potuistis, graviter tulimus. Sed domnus Hugo Portugalensis 
episcopus vos sine culpa esse nobis asseruit, qui vos in sua vice ad disponenda ecclesie 
sue offitia se dimisisse testatus est. Mandamus itaque vobis et per obedientiam preci- 
pimus, ut ex nostra parte ammoneatis omnes abbates monasteriorum seu priores neenon 
etiam omnes clericos et laicos viros et mulieres seculares et Deo votas" infra antiquos 
terminos Portugalensis diocesis commorantes, a Avicella scilicet in Antenonam, quatenus 
veniant ad sinodum Portugalensis episcopi. quando ipse instituerit, et exhibeant ei debitam 
subieccionem et obedientiam et eum” in pace proprium episcopum suum Ssuscipiant et 
nullum alium episcopum super se recipiant. Qui vero ei infra terminos supradictos* obe- 
dierint, omnipotentis Dei et beate Marie virginis gratiam consequantur. Illis autem. qui 
intra terminos antiquos Portugalensis episcopatus constituti debitam subieccionem et obe- 
dientiam ei negaverint, apostolica auctoritate divinum offitium interdicimus et eorum 
ecclesiis, ita ut porte ecclesiarum non aperiantur, signa non pulsentur, corpora non sepe- 
liantur nee aliquid divinum offitium fiat preter absolucionem et babtisterium. Valete/’. 
Seripta sunt hee in Era T°C°LIIt. 





@ eiusdem ecclesiae C. 5 Rethenfolge der Zeugen abweichrnd, und das Wort testis fehlt iiberall C 
¢ folgt archidiaconus C. d folyt canonicus Colienbriensis C. é Palagius clericus C. f folgt clericus C. 
g Daniel archidiaconus C. 4—h hane cartam dictaverunt magister “Laurentius et magister Espedus C’. 
i folgt et prior C. Abbas C. 1 folgt et prior C. m ‘Guiterrus Menendis C. “ Guillelmus (. 
° yndorinus C. P oe Escripsit Daniel Colinbriensis canonicus (. 9 Datierung vor den Zeugenunter- 
sehrifien C. r Ffacta est autem haec aes C. * fferia 11114 Ainter Iacobi C ‘ apud Fikeiredo 
fehlt, statt dessen Era C. « Millesima (. L. VE ’ nate. * cum, * folgt nochmals ei. 


¥ folgt a. 


j4 C. Erpwany: 


IV. 
Bischof Johann von Coimbra beschwert sich iiber den Erzbischof Johann von Braga. 
(1154—11755) 
Kopie (Konzept?) saec, XII Lissabon, Torre do Tombo (Col. Esp. Pt. IT Cx. 24). — 
Daraus Livro Preto saec. XT] ex. fol. 247 ebenda. — Ed. Ripetro vE VAscoNcELLos in 
Mem. Acad. R. Scienc, Lish., N.S. Cl. de sc. mor. I p. I 62 n. 14 (V) aus dem Livro Preto. 


Formal ist das Stick kein Brief, sondern vine unadressierte Aufzeichnung.  Seinem In- 
halte nach kann es aber schwerlich fiir einen andern als den Papst bestimmt gewesen sein. 
aluch wissen wir aus dem Breve Hadrians IV. vom 10. Juni 1155 an den Erzbischof von 
Toledo, das Herr Geheimrat Keur in den »Papsturkunden in Spanien« aus dem Toledaner 
Archie veréffentlichen wird, dap sich der Bischof von Coimbra tatsdchlich un der Kurie be- 
schwert hat. Aus dem genannten Breve folgt auch der xzeitliche Ansatz. 


Iohannes Bracarensis archiepiscopus. quem ecclesia Colimbriensis. cum nihil esset. in 
filium adoptavit. quem ego Johannes“ Colimbriensis episcopus tempore mei prioratus 
canonicum constitui et melioribus’ prefeci, ex quo archiepiseopatum concendens moua- 
calem habitum, quo diu sub abbate Johanne Cirita usus fuerat. dep[osui]t, ex quo car- 
nium esum, a quibus se perpetuo abstinere voverat. frequentare cepit. velut obstinatus 
privignus® primitivam matrem suam sedem Colimb(riensem) diminuere. persequi et om- 
nibus modis opprimere non cessavit. Inprimis itaque tempore Bernardi episcopi pre- 
decessoris nostri. cum de cellario ipsius pontificis una statione centum modios consump- 
sisset. arreptus furore iniquitatis sue altare sancti lohannis funditus deiecit. cruces fregit. 
corpus Domini ad viaticum infirmorum propriis pedibus conculeavit et in pulverem com- 
minuit. In ecclesia sancte Crucis in suburbio Colimbrie contra preceptum et privilegium 
domini pape Innocencii et absque consensu episcopi non solum regulares. sed etiam secu- 
lares ordinavit. In tempore vero nostro absque nostro consensu magn{um|" altare sancte 
Crucis consecrare presumpsit. archidiaconum meum de Calambria cum omni substancia 
sua me nesciente abdusit’. filiam Pelagii’ a viro suo absque ratione et nostro consensu 
separavit et” alteri viro copulari permisit, excommunicatos nostros contra volumptatem 
nostram absolvit, scilicet quendam de Penala. qui clericum manu amputata castraverat 
et proprie uxori nares absciderat. quem cum causa penitentie Romanum pontificem adire 
precepissem. obvius ei archiepiscopus accepta quam secum deferebat expensa domum 
redire precepit et alteram ducere uxorem me nolente concessit. Gundisalyum Petri. 
quem excommunicationis vineulo innodaveram, yuoniam’ heremitalem vitam, in qua per 
tres annos vel eo amplius sub regula Claresvallensi conversatus fuerat, turpiter ad se- 
cularia rediens reliquerat, me inconsulto absolvit et divinum officium in secularibus, in 
quo etiam usyue in hane diem perseverat, celebrare concessit. Me ipsum, cum semel 
Colimbriam visitasset et clericis ipsius ville de iniuriis suis conquerentibus a rege illatis 
satisfacere falso promisisset, convocato parve auctoritatis clericorum conventu me absente’ 
absque ratione et non advocatum ab episcopali officio suspendit. Sedem nostram non 
advocatus absque omni necessitate causa depressionis nostre in anno quinguies aut se- 
pius visitare et tocies per octo vel per XV dies magno comitatus agmine advocatorum, 
tam monacorum quam canonicorum cetervrumque. quos causa difficultatis convocare po- 
tuerit’, cellaria nostra consumendo in domo nostra stare, omnia episcopalia tractare, 





« am Wortindr Rasur. b folgt se. “ auf Rasur. “ magn mit folgender Rasur. * folgt Rasur 
con etwa 16 Silben. f folgt Rasur von chia drei Silben. 9 folgt Rasur von rtea sechs Silben. 


: = 4 : 4 quem, 
i folgt Ras von ctwa elf Silben. poterit. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der partuyiesischen Geschichte. aes) 


priorem manu sua sedi nostre preponere, minari, omnia ante discessum suum turbare 
et sic seminata discordia omnibusque consumptis absque voluntate nostra a_ civitate 
deridendo recedere consuevit. 


Vv. 


Akten des (vom Kardinallegat Jacintus in Gegenwart des Konigs Alfons VIL. von Kustilien 
abgehaltenen) Konzils (con Valladolid). 
(1155 Januar) 
Kopie saec. XIT Tuy, Archivo de la Catedral. 


Der Anfang der iiberhaupt schlecht erhaltenen Urkunde ist abgrschnitten, daher fehlen dic 
amen des Kardinals und des Kéniygs sowie die Anyabe von Zeit und Ort. Dup es sich un 
das Konzil von Valladolid handelt, ergibt sich nur aus den Initialen der Bischofsnamen. Div 
Kanones haben vielfache Anklinge an die des zweiten Laterankonzils, sind aber doch durchierg 
neu formuliert. Sie wurden (auBer Kanon 31) mit wenigen Abdnderungen auf dem Konzil 
von Lerida am 1. Mai 1155 (vgl. F. Vatis-Taserner in Pupsttum und Kaisertum, Fest- 
schrift fiir P. Kenr, 8. 36-4 ff.) wiederholt, gréBtenteils auch auf dem des Jahres 1173 (8, P. Sarxz 
bE Baranpa, Esp. Sagr. XLVIIT 301); danach liepen sich die Liicken ergdnzen. Die von mir 
hinzugefiigte Zdhlung der Kanones folgt der Interpunktion der Vorlage. 


eelacbinp sede ah aaa teed Mt bah Geek Bees Sigie Saleen et atte aent Ou b Bett OCIS La ea Yeates 
seach a ashe ek eran wh Ree ee had ide Soe (aA AIS Sito Ni la Bi ie teatt st .....] una archiepisco- 
pis I. Toletano, P. Compostellano et venerabilibus episcopis R. Palentino, I. Legionensi, 
M. Ovetensi, L. Pampilonensi. R. Calagorritano, I. Oximensi. P. Seguntino, V. Sepobienst, 
E. Evilensi, N. Salamantino, S. Zamorensi, P. Asturicensi, I. Lucensi. M. Auriensi, 
M. Lamezensi, O. Visensi, I. Colimbriensi, P. Portugalensi. B. Almariensi necnon et 
reverendis abbatibus® B. Crassensi, I. Pinnatensi, I. Oniensi et P. sancti Augustini et D. 
sancti Facundi et aliis quam plurimis tam abbatibus quam ceteris viris religiosis. In 
ea itaque invocata sancti Spiritus gratia plurima sanctorum patrum instituta innovarunt 
adiungentes quedam valde necessaria. 

(1) Cognitis itaque Christianorum multis et magnis [per Slarracenos oppressionibus 
factis illis subvenire et gentis adverse spurcitiam et infestationem de medio tollere pa- 
terno affectu desiderantes de meritis apostolorum Petri et Pauli con|[fis]i tam clericis yuam 
laicis in remissionem peccatorum suorum iniungimus, ut secundum vires et facultates 
divinitus concessas ad christianitatem defendendam’ et Sarracenorum malitiam reprimendam 
omnimode nit{antur], eandem veniam indulgentes illis, quam papa Urbanus indulsit pro- 
fectis Iherosolimam ad liberationem orientalis ecclesie. [Ili enim qui tam sanctum iter 
devote inceperit atque perfecerit seu ibidem mortulus fuer]it. de omnibus peccatis suis, 
quibus corde contrito et humiliato confessionem susceperit, absolutionem auctoritate nobis 
a Deo concessa concedimus et tam ipsum quam res.suas et homines in protectionem 
[beati] Petri et nostri suscipimus ab itinere incepto usque ad reditum. Unde si quis 
interim ipsum vel bona sua perturbare aliquibusve molestiis fatigare presumpserit, 
anatema sit. 








4 abbatis. b defenden. 


36 C. Erpuann: 


(2) Inherentes [quoque] vestigiis Leonis, Nicolai, Calixti atque Innocentii summorum 
pontificum statuentium, ut lex continentie et Deo placens munditia in ecclesiasticis per- 
sonis et sacris ordinibus dilatetur*, decernimus’, quatinus presbiteri, diaconi, subdiaconi 
atque conversi et professi‘, qui sacrum transgredientes propositum uxores sibi copulare 
presumpserint, separentur. Huiusmodi namque copulationem, quoniam contra ecclesiasticam 
regulam sacrarumque legum constitutionem constet esse contractam, matrimonium non 
esse censemus. Qui etiam abinvicem separati pro tantis excessibus condignam peni- 
tentiam agant. Id ipsum quoque de sanctimonialibus feminis, si, quod absit, nubere 
temptaverint, observari statuimus. Nihilominus innovantes, ut clericus cuiuscumque ordinis 
publice* concubinarius, nisi a suo episcopo aliove prelato suo admonitus infra dies XL 
se correxerit et condignam penitentiam egerit, officio et beneficio suo privetur. Nullus 
quoque missam vel evangelium presbiteri sive diaconi audiat, quem concubinam suam 
vel subintroductam mulierem scit indubitanter habere. 

(3) Proinde ecclesiarum prelatis et ceteris clericis proibemus extranearum mulierum 
et presertim Sarracenarum omniumque feminarum consortium in propria domo citra matrem 
aut sororem aut eas forte personas, que omnem effugiunt suspitionem. 

(4) Presbiterorum et diaconorum filii ad ordinem clericatus non promoveantur, pro- 
moti officio’ et beneficio priventur, nisi ad regularem habitum se transtulerint aut se 
caste victuros iuramento firmaverint aut de eorum honestate dubitatum non fuerit. 

(5) Nati quoque de non legitimo matrimonio vel incestu ad clericatus officium non pro- 
moveantur. 

(6) Nullus episcoporum servum alterius ad clericatus officium promoveat, nisi forte 
eorum petitio aut voluntas accesserit, qui aliquid sibi in eo vendicant potestatis. Debet 
enim esse immunis ab aliis divine militie adgregandus. 

(7) Si quis ordines vel ecclesias aut ecclesiastica beneficia, que quidem’ prebendas 
vel archidiaconatus, preposituras et huiusmodi vocant, simoniace vel per manum laicam adeptus 
fuerit, rem et’ pretium perdat, et si clericus fuerit, perpetuo condempnetur, si laicus, 
perhenni anatemate feriatur et interventor nota infamie percutiatur et insuper acceptor 
pretium ecclesie in duplum restituat, et omnem cautionem pro hoc quolibet modo ex[po- 
sit]lam et pignerum et fideiiussorum dationem, [prout sacrorum] principum [mandal]vit aucto- 
ritas, vacare censemus. 

(8) Innovamus autem, ut quicumque a subdiaconatu et infra in arcediaconum, [decjanum, 
priorem, abbatem, archipresbiterum promotus fuerit et secundum hoe, quod dignitas ex- 
egerit, infra annum ordinari contempserit, honore percepto privetur. Adicientes*, ut nullus 
in eadem [ecclesia] duos honores sortiatur, quia sicut in uno corpore diversa membra sunt 
nec eundem actum habent, sic in una eademque ecclesia, cum diversa sint officia, unum 
tantum ab uno administretur officium. 

(9) Profibe]mus etiam, ut nullus presbiter sive diaconus seu clericus vestibus varii 
coloris utatur, sed et clausis, et presbiter et diaconus maiorum sedium et ecclesiarum 
persone, nisi peregrinationis vel expeditionis necessitate urgente, nec comam capillarum 
nutriat, barbam radat, onestam tonsuram atque coronam faciat, ut tam in habitu corporis 
quam in statu mentis [a] laicis differat et Deo et hominibus placeat. 

(10) Episcopus autem aliusve prelatus, qui super eos magisterium habere dignoscitur, 
predictos excessus sciens et corrigere negligens ordinis sui periculum incurrat, laicus 
vero eos in illis eriminibus defendere presumens anathema sit. 





a fehlt. » discernimus. ~¢ prefessi. 4 puplice. ¢ ab officio. f quod. 9 sehit. 4% adnuentes. 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portuyiesischen Geschichte, ae 


(11) Statuimus quoque. ut nullus episcopus ordinationes faciat nisi in INT anni tem- 
poribus distinctis nec alterius episcopi clericos ordinare aut ordinatos suscipere presumat 
vel basilicas seu altaria consecrare vel eius parrochianos excommunicare aut ¢xeommuni- 
eatis communicare yel eius interdictum aut excommunicationem absolvere sine cius assensu 
et conscientia presumat, sed nec archiepiscopus sui suftraganei, nisi forte ab eo admonitus 
ipse episcopus iconomos, archidiaconos et ecclesiasticos alios or[djines in ecclesia sua or- 
dinare contempserit, sicut septime Romane sinodi testatur auctoritas. 

(12) Sacri Calecedonensis concilii statuta sequentes contirmamus. ut decedentium bona 
episcoporum seu ce[terjorum ecclesie prelatorum a nullo omnino hominum diripiantur, sed 
ad opus ecclesie et successorum suorum in potestate clericorum integra conserventur. Si 
quis autem hoc infregerit, anatema sit. 

(13) Laicos ecelesias aliquomodo [ten]lere vel alijuid in eis iure hereditario vendicare 
apostolica auctoritate proibemus, et tamdiu in illis divina officia celebrari interdicimus. 
donee eas in libera dispositione proprii episcopi dimittant: idem ct statuentes de omni- 
bus ecclesiasticis beneficiis. Si quis autem ecclesie prelatus laicis ecclesias conferre pre- 
sumpserit vel’ ecclesiastica beneficia. honore suo privetur. 

(14) Decimas item a laicis possideri apostolica auctoritate sub perpetuo anatemate 
proibemus. Sive enim ab episcopis vel regibus vel quibuslibet persunis laicis eas ac- 
ceperint. nisi proprio episcopo vel diocesane ecclesie reddiderint, sciant se sacrilegii crimen 
committere’ et eterne dampnationis periculum incurrere. Qpportet autem decimas et pri- 
mitias. quas sacerdotum esse sancimus, ab omni populo accipere, quas fideles Domino 
precipiente offerunt iuxta illud Ma[l]achie prophete: Inferte omnem decimationem in orreum 
meum, ut sit cibus in domo mea. Nee minus laici quamyis religiosi in ecclesias personas 
introducere vel removere nisi per manum episcopi presumant. 

(15) Sancimus item. ut quicumque vir sive mulier habitum religionis susceperit, 
ulterius dimittendi et ad seculum redeundi licentiam non habeat. Si autem contra hoe 
institutum postea erediderit coniugia esse copulanda’ aliove modo seculariter vivere pre- 
sumpserit, tamdiu excommunicationi subiaceant ipsi suique defensores, quousque ad pro- 
positum redeant. 

(16) Si quis monacus canonicusve regularis compater vel sanctimonialis commater 
efficiatur, anatema sit. 

(17) Ii qui super Christianis et in civitate sive vico vel quolibet loco arma tulerit 
et ibi ostentatione virium et congr{e]ssuum temeritate mortuus fuerit, eeclesiastica non 
permf{i|ttatur sepultura, licet ei petenti in articulo mortis viaticum et penitentia non negentur. 

(18) Precipimus etiam auctoritate apostolica, ut? presbiteri et clerici, monaci, regu- 
lares omnes et religiosi, peregrini, mercatores, rustici ad agriculturam euntes et in ea 
persistentes necnon et animalia omniaque supellectilia agriculture necessaria omni tempore 
securitatem habeant. Quam si quis infregerit. donee satisfaciat, anatema sit. 

(19) Coniunctiones sane consanguineorum usque ad VIL. lineam omnino fieri proibemus. 
Inter eos autem contracta matrimonia dirimantur et ipsi pro ineestu condignam agant 
penitentiam. Quam si contempserint, excommunicentur. 

(20) Nemo filium vel filiam, quam ex sacro fonte susceperit vel ad confirmationem 
ante episcopum tenuerit. sibi vel filio sive filie sue matrimonio copulare presumat, et. si 
talis inter eos facta copula fuerit, dissolvatur’. 

(21) Heresiareas et ab eis ordinatos apostolica auctoritate deponimus. 





a fehlt. 5 jineurrere. “ conopulanda, @ et. e absolvatur, 


Phil.-hist. AGR. 1928. Nr. 4. 8 


a8 C. Erxpu ann: 


(22) Nullus clericus, nisi qui hereditatem habuerit, extraordinaria munera facere vel 
in expeditionem ire vel aliquid pro ea solvere cogatur. Contra quod si quis venire 
temptaverit, anatema sit. 

(23) Sancimus preterea, ut dispositiones et testamenta decedentium inviolabiliter con- 
serventur, ut sive mobile sive immobile quis in testamento reliquferi]t, illius sit absque 
contraditione, nisi fuerit illegitim[us. cui fJuerat adiudicatum. Quod si quis violaverit, 
anatema sit. 

(24) Hoe autem nullatenus pretermittendum duximus, quod quicumque in clericum 
vel in quamlibet [personJam ecclesiasticam sive religiosam violentas manus iniecerit vel 
ceperit vel capi fecerit vel captum tenuerit, nisi gravis egritudinis vel mortis necessitas 
ingruat, nullus episcopu[s eum a]bsolvat, donec Romano pontifici se presentetur [a]ut 
eius mandatum suscipiat. Quod et faciat timore mortis [absolutus, si convaluerit.| 

(25) Si quis [ecclesiam vel cemeterium ecclesie violaverit, anatema sit, 

(26) Si quis ab episcopo vel archiepiscopo suo pro manifesta culpa] excommunicatus 
fuerit et ipse propter hoc ipsum et homines suos seu bona sua violare, rapere seu alio 
quolibet modo alicnare et molestare presumpserit, usquequo digne satisfaciat vel plenam 
de satisfactione securitatem prebeat, anatema sit, et licet mortis articulo urgente peni- 
tentiam et viaticum accipiat, ecclesiastica careat sepultura. 

(27) Excommunicatis nullus communicare presumat. Secundum sanctiones enim 
sanctorum canonum excommunicatus est, qui excommunicato scienter participiat. 

(28) Horrendam quidem incendii malitiam et Dei populo dampnosam et non solum 
corporibus, sed animabus perni[ciJosam auctoritate apostolorum interdicimus. Si quis epi- 
scopus hoc relaxaverit. damnum restituat et per annum ab officio pontificali se abstineat. 
Sane regibus et principibus faciende iustitie consultis archiepiscopis [..] episcopis facultatem 
non negamus. 

(29) Nullus abbas sive monacus capellanum in ecclesiam mittat sive ab ea removeat, 
nisi per manum episcopi vel archidiaconi sui, a quo curam animarum suscipiat, cui et 
de ordinibus et criminalibus [re]spondeat. 

(30) Nulla quoque ecclesiastica persona secularisve ecclesiam construere sine assensu’ 
episcopi vel archidiaconi presumat. 

(31) In illis’ quippe locis, quibus tempore A. Ispaniarum regis bone recordationis 
portaticum accipiebatur, et non in aliis deinceps accipiatur, nec etiam plus eo, quod 
tune sumebatur. Contra quod si quis fecerit, anatema sit. 

(32) Ab initio quoque [quadragesime] usque ad octavas pasce et ab initio adventus 
Domini usque ad octavas ephiphanie tregam inter Christianos observari et nulla inter 
eos prelia fieri omnino precipimus. Quod. si quis fregerit, excommunicetur. 


VI. 


Zeugenverhér iiber die auf dem Konzil von Valladolid (1155 Januar) vom Kardinal- 
legaten Jacintus gegen den Erzbischof Johannes von Braga gefillte Suspensionssentenz. 
(Tuy 1182) November 4. 
Rotulus saec. XII ex. Braga, Arquivo Distrital (Gav. dos arcebispos n. 4). 
Die Zeugen wurden vom Erzbischof von Compostela beigebracht, um zu beweisen, dap 
infolge der Sentenz des Jacintus das Erzbistum Braga nicht mehr im Besitz der Suffragan- 
bistiimer Coimbra, Viseu und Lamego geblieben sei. Vyl. Papsturk. in Port. 8. 280 n.91 Abs, 15. 








@ asenssu. 5 Nullis, 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. Sh) 


Hee sunt atestationes testium, quos introduxit dominus Compostellanus adversus 
Bracharensem prima V. feria post festum Omnium sanctorum super interruptione trium 
episcopatuum, Colimbriensis, Visensis et Lamecensis, et super sententia, quam dixit latam 
a domino [acinto cardinali et legato in concilio apud Vallem Oliti. 

(1) Petrus abbas de Antealtaria iuratus dixit: Ego eram monacus in munasteriv de 
Antealtaria et sedebam in concilio, quod celebratum fuit apud Valledolit in presentia 
domini Iacinti cardinalis ecclesie Romane tune legati. Et surrexit magister Petrus Gun- 
zalvi ecclesie Compostellane canonicus et Petrus prior de Sar, et audivi quod magister 
Petrus Gunzalvi proposuit tres articulos et dixit, quod dominus Iohannes Bracharensis 
archiepiscopus promisit in presentia domini cardinalis apud Tudam domino Pelagio Com- 
postellano arehiepiscopo se responsurum in concilio apud Valledolit super tribus epi- 
scopatibus, scilicet Colimbriensi, Visensi, Lamecensi, et de possessionibus sancti Victoris 


et sancti Fructuosi et super hereditatibus, quas petit in Brachara, — interrogatus si 
sciret quas hereditates, dixit se nescire. —- et de oblationibus que dicuntur vota, que 


retinebant ei. Tune surrexit prior Bracharensis et dixit. quod archiepiscopus suus in- 
firmabatur et non poterat venire ad concilium. Tune surrexit prior de Sar et dixit. quod 
dominus Bracharensis erat ibi prope et nolebat venire et veniebant ad eum et loquebantur 
cum eo. Tune surrexit dominus Menendus Lamecensis episcopus et dixit, quod non erat 
verum. Tune respondit magister Petrus et dixit episcopo Lamecensi: »Tu dimittis capud 
tuum et vadis ad alienum.« Tune respondit ei episcopus: »Si magister Petrus poterit 
facere suis medicinis vel incantationibus, quod non potuit facere Ypocras et Galienus, 
scilicet quod aufferat capud uni et ponat alteri — tale est quod dicit magister Petrus. « 
Ad hee fuit motus et iratus dominus cardinalis, absolvit predictos tres episcopos ab 
obedientia Bracharensis ecclesie et commendavit eos Compostellano archiepiscopo. Inter- 
rogatus, qua die concilii mota fuit questio, dixit secunda, et eadem die episcopi absoluti. 
Interrogatus, si vidisset ibi predictos tres episcopos vel eorum nuntios, dixit se non 
vidisse nisi Lamecensem. et si alios vidit. non cognovit. Interrogatus de loco, in quo 
celebratum fuit concilium, dixit quod in ecclesia sanete Marie in fundo ecclesie cum 
imperatore et archiepiscopis sedente cardinale, et concilium erat inter ipsos et altare. 
Interrogatus de anno, mense et die, dixit se nescire. 

(2) Petrus abbas sancti Martini iuratus dixit. quod, cum dominus ecardinalis lacintus 
ecclesie Romane tune legatus Ispaniarum esset apud Auriam in domo episcopi domini 
Martini eiusdem ecclesie in quadam cortecella. dominus Pelagius Compostellanus archiepi- 
scopus conquestus fuit domino legato de domino Iohanne Bracharensi archiepiscopo de 
ecclesiis sancti Fructuosi et sancti Victoris cum suis hereditatibus et de suis episcupis, 
scilicet Colimbriensi, Visensi et Lamecensi, et dominus eardinalis dixit ili: »Mitte duos 
de clericis tuis meeum ad dominum Bracharensem, et cum venero Bracharam, moveant 
verbum in presentia ipsius archiepiscopi, et ponam cum eo, qualiter fiat.« Et dominus 
archiepiscopus misit cum eo duos clericos. Interrogatus, qui essent illi clerici, respondit 
se dubitare, verumtamen credit, quod essent Didacus Ordonii et Didacus Nuniz. Et dicit 
quod se presente nihil actum est usque ad concilium de Valledolit. In concilio autem 
se presente et vidente surrexit magister Petrus Gunzalvi et dominus Petrus prior Sarensis. 
Movit magister Petrus yuestionem domino cardinali adversus Bracharensem archiepiscopum 
de ecclesiis sancti Victoris et sancti Fructuosi cum suis hereditatibus et de suis episcopis. 
qui debebant stare cum ecclesia sancti Iacobi. scilicet Colimbriensi, Visensi et Lamecensi, 
quorum Visensis et Lamecensis presentes erant, Colimbriensis absens. Ad hee Petrus 
Martini Bracharensis prior surrexit et vocavit episcopum Lamecensem, ut surgeret secum. 
Idem prior dixit, yuod erat nuntius domini Bracharensis, qui infirmabatur et venire non 


8* 


60 C. Erpwanyn: 


poterat. Magister Petrus dixit ei. quod mentiebatur, et dicebat dominum archiepiscopum 
sanum esse et prope et designabat locum, ubi eum esse dicebat. Et dicit altercationes 
super his multas fuisse. Tandem dominus cardinalis absolvit illos duos episeopos, 
qui presentes erant. ab obedientia Bracharensis ecclesic, ut* starent cum ecclesia sancti 
Iacobi. et dixit tertio se missurumn litteras. Adiecit etiam. quod dominus imperator misit 
abbatem de Cellanova ad dominum cardinalem, dicens quod valde conquerebatur de eo, 
cum ipse misisset pro eo, et nisi vellet, non posset venire in Ispaniam, quod non fa- 
ciebat iustitiam Compostellanensi ecclesie de Bracharensi. Adiecit etiam, quod dominus 
eardinalis interdixit Bracharensem archiepiscopum, si autem pro hoe negotio vel pro 
alio. nescit. Interrogatus. quot diebus duraverit concilium, dixit per tres. Interrogatus, 
qua die concilii iamdicti episcopi absoluti fuissent a Bracharensi, dicit tertia die, eadem 
die Bracharensis interdictus. Interrogatus. si ante conquestionem domini imperatoris vel 
post predicti episcopi fuerint absoluti et archiepiscopus interdictus, dixit se nescire. In- 
terrogatus de loco et sessione, dixit idem quod et primus. De anno. mense et die in- 
terrogatus dixit se nescire. 

(3) Petrus abbas de Podio iuratus dixit, quod in presentia cardinalis apud Tudam 
vidit placitum inter Pelagium archiepiscopum Compostellanum et Iohannem Bracharensem 
archiepiscopum super episcopatibus Lamecensi. Visensi et Colimbriensi et super ecclesiis 
sancti Victoris et sancti Fructuosi. Et in concilio apud Valledolit sub eodem cardinali 
lavinto magister Petrus Gunzalvi tenebat vocem ecclesie beati Iacobi super eisdem (juestioni- 
bus, et ex parte Bracharensis ecclesie Petrus Martini eiusdem ecclesie prior et cum eo 
Menendus Lamecensis episcopus. In primo die et secundo die tenuerunt placitum, in 
tertio autem die non interfuit. quia infirmabatur. Interrogatus de loco et sessione, anno, 
mense et die. idem dixit uod et alii. 


(4) Petrus abbas de sancto Petro de Cella iuratus dixit se vidisse apud Tudam in 
presentia eiusdem cardinalis archiepiscopos Pelaium Compostellanum et Iohannem Braecha- 
rensem contendentes super duabus ecclesiis. una sancti Fructuosi et alia cuius nominis 
non recordatur, et super medietate civitatis Brachare et super episcopatibus Visensi, 
Lamecensi et Colimbriensi, et hee cuntentio duravit per VI dies apud Tudam. Et do- 
minus eardinalis recepit kartas ab utrayue parte et mandavit eis, ut irent ad concilium 
apud Valledolit. Interrogatus de concilio dixit se non interfuisse. Interrogatus de anno, 
mense et die, quo Tude convenerint, dixit se nescire. 


(5) Petrus prior de Antealtaria iuratus dixit se interfuisse concilio apud Valledolit 
in presentia domini cardinalis et vidisse magistrum Petrum Gunzalvi stantem pro ecclesia 
sancti Iacobi contra Bracarensem. qui proposuit III articulos, videlicet: de IIII episcopatibus, 
Lamecensi. Visensi. Colimbriensi, qui iam tune extabant. et de Egitaniensi. qui non ex- 
tabat; secundus erat de possessionibus sancti Fructuosi et sancti Victoris et de sua de- 
rectura. quam habebat Bracare: tercius de votis. Et tenuit rancuram de archiepiscopo, 
qui non venerat ad concilium. Ex alia parte surrexit Petrus Martiniz prior Bracarensis 
et dixit. quod archiepiscopus suus detentus infirmitate non venit, et ipse venerat pro eo. 
Ad hee respondit P. prior Sarensis et dixit. quod archiepiscopus male fecerat. quia non 
venerat. sicut promiserat. et quia sanus erat. Ad hee respondit Melendus Lamecensis 
episcopus dicens se paratum esse respondere cum priore pro archiepiseopo suo. Tune 
respondit magister Petrus et dixit. quod predictus episcopus non posset respondere. cum 
esset sine capite. Econtra episcopus dixit. quod magister Petrus non posset facere per 








a et 


Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrh, der portugiesischen Geschichte. 61 


omnia argumenta sua. quod non potuit facere Ypocras et Galienus, scilicet ut aufferret 
capud uni homini et imponeret alii, ut loqueretur. Ad hec adiecit. quod imperator tune 
motus fuit et iratus contra cardinalem. quod non fecerat Bracharensem venire. ‘Tune 
dominus cardinalis absolvit predictos III episcopos ab obedientia Bracarensis ecclesie et 
mandavit eis, ut obedirent ecclesie Compostellane, uorum Lamecensis et Visensis pre- 
sentes erant tantum. Interrogatus, qua die concilii questio mota fuerat et episcopi ab- 
soluti, dixit se nescire, credit tamen secunda. Interrogatus de loco dixit, quod in ecclesia 
sancte Marie et in pulpito, quod erat factum in media ecclesia, sedebat cardinalis cum 
imperatore et archiepiscopis et episcopis suis. Interrogatus de anno. mense et die dixit 
se nescire. 

(6) Bernardus archidiaconus iuratus dixit se presentem fuisse in concilio apud Valle- 
dolit in presentia domini Iacinti presente domino imperatore et filio eius rege Sancio et 
ecclesia plena episcopis et abbatibus et aliis clericis. Et dicit, quod ibi surrexit magister 
Petrus Gunzalvi pro ecclesia Compostellana adversus Bracarensem et movit querimoniam 
de tribus episcopatibus, scilicet Visensi, Colimbriensi et Lamecensi, et de hereditatibus. 
quas repetit ecclesia Compostellana in Bracara, id est saneto Victore et saneto Fructuoso 
cum appendiciis suis, et de votis. Et surgentes multi clerici pro Bracarensi ecclesia cum 
episcopo Lamecensi et locuti sunt contra eum, et diu disceptatum est hine inde. Inter- 
rogatus de loco et sessione dixit, quod fuit in ecclesia sancte Marie, scilicet in maiori 
ecclesia, sedente cardinale et iuxta eum Pelaio Compostellano archiepiscopo et imperatore 
cum filio suo rege Sancio et aliquibus militibus in eodem pulpito. Interrogatus de anno, 
mense et die, et qua die concilii querela fuit mota, dixit se nescire. 

(7) Iohannes cardinalis Compostellanus iuratus dixit se interfuisse concilio Valledolit 
in presentia domini Iacinti cardinalis in ecclesia maiori sancte Marie et vidit duos clericos 
Bracarenses, quos audivit ita nominari: Pelaium Cabritam et Petrum Martini, et Menen- 
dum episcopum Lamecensem, et placitabantur cum magistro Petro Gunzalvi et cum iudice 
domino Didaco de duabus ecclesiis Bracare, sancti Victoris et sancti Fructuosi, cum 
possessionibus suis et medietate Bracare et de episcopatibus Visensi, Lamecensi et Co- 
limbriensi. Interrogatus. qua die concilii questio fuit tractata, dixit quod prima et se- 
cunda die. Interrogatus de loco sessionis dixit in corpore ecclesie inferius. Interrogatus 
de anno et die concilii dixit se nescire, de mense dixit ianuario. Interrogatus, qualiter 
sederent in concilio, dixit se nescire, preter quod imperator sedebat iuxta cardinalem. 
Dixit etiam quod Toletanus et Compostellanus archiepiscopi erant ibi. 

(8) Iohannes Gotofrez canonicus Compostellane ecclesie iuratus dixit se presentem 
fuisse apud Tudam in presentia domini Iacinti cardinalis in solario episcopi Tudensis, 
et surrexit dominus Pelaius Compostellanus archiepiscopus et misit querelam in presentia 
cardinalis de archiepiscopo Bracarensi et mandavit magistro Petro Gunzalvi et iudici 
domino Didaco, ut surgerent pro ecclesia Compostellana, et petebent ecclesias sancti 
Fructuosi et sancti Victoris cum medietate Bracare, et petebant ecclesiam Colimbriensem, 
Lamecensem et Visensem pro suffraganeis. Archiepiscopus Bracarensis cum Petro Martini 
et P. Cabrita defendebat se et aliqando dicebat, quod tenebat ecclesias sancti Fructuosi 
et sancti Victoris cum medietate Bracare pro pecunia et pro capite sancti Iacobi, et ali- 
quando dicebat, quod iam tenuerat eas per centum annos et volebat cas retinere sibi. 
Et super hoc disceptatum fuit per VI dies. Tune dominus cardinalis mandavit eis, ut 
irent ad concilium Valledolit et quisque defferret privilegia et instrumenta sua. Inter- 
rogatus de anno, mense et die, quando hee acta sunt, dixit se nescire. 

(9) Petrus prepositus Compostellane ecclesie iuratus dixit se presentem fuisse apud 
Auriam in domo episcopi Auriensis, quando ecclesia Compostellana cum domino Pelaio 


62 C. ErpMwann: 


archiepiscopo suo conquesta fuit domino lacinto cardinali adversus ecclesiam Bracarensem 
super tribus episcopatibus Colimbriensi, Visensi, Lamecensi et super hereditatibus ecclesie 
Deati lacobi, videlicet eeclesiis sancti Victoris et sancti Fructuosi cum pertinenciis suis, 
et de votis et super medietate civitatis Bracare. Et tune dati sunt domino cardinali 
duo de canonicis Compostellane ecclesie, Didacus Ordonii et Iohannes Arie, ut credit, 
qui hane questionem Bracare proponerent coram domino cardinali, sicut et fecerunt. Tune 
dominus cardinalis prefixit diem utrique parti, yuo se cum instrumentis et allegationibus 
suis apud Tudam coram se presentarent, et factum est ita. [bique disceptatum fuit diu 
super isdem questionibus, Compostellanis dicentibus et asserentibus, quod supranomi- 
nati Il] episcopatus erant de provintia Emeritensi et sie de archiepiscopatu Compostellano 
per ecclesiam Emeritensem. Super hoc multas inducebant allegationes et privilegia Ro- 
manorum pontificum. Pro ecclesia sancti Iacobi stabant magister Petrus Gunzalvi et Di- 
dacus Episcopus, qui* postea fuit iudex, et interdum dominus Martinus Ovetensis, qui* 
postea fuit archiepiscopus. Pro Bracarensi stabant dominus Iohannes Bracarensis archi- 
episcopus et Petrus Martini prior et Pelaius Cabrita dicentes episcopatus illos provintie 
(valletie esse et rationes super hoc multas proferentes. De hercditatibus dicebant Com- 
postellani, yuod multo et longo tempore ecclesia Compostellana et dominus Didacus Com- 
postellanus archiepiscopus, tum per se ipsum tum per vicarios suos canonicos, eas in 
pace et yuiete possederat. Econtra Bracarenses dicebant predictas hereditates et posses- 
siones suas esse debere et diu in pace se eas possedisse. Interdum etiam dicebant: »Da- 
bimus vobis quod de vestro habemus, si restitueritis nobis capud beati Iacohi et capellam 
et arcas, que a nobis habuistis, et corpora sancti Fructuosi et sancte Susanne«, multa 
hine inde replicantes. Tune dominus cardinalis mandavit sub peremptorio omni occasione 
remota, ut concilio interessent apud Vallemdolit pro lite ista terminanda et diftinienda. 
Ventum est ad concilium, ubi se presentavit dominus Compostellanus cum maxima parte 
eapituli sui. Dominus Bracarensis non venit ad concilium. sed misit dominum Menendum 
Lamecensem episcopum et priorem Petrum Martini et Pelaium Cabritam et quosdam 
alios. Tune conquestus est dominus Pelagius Compostellanus archiepiscopus cum cano- 
nicis suis, scilicet magistro Petro Gunzalvi et P. priore Sarensi, qui postea fuit archi- 
episcopus, et Memerco’ Didaco Episcopo, et proposuit illas questiones sicut et Tude 
adversus Bracarensem. Econtra Bracarenses idem respondebant quod apud Tudam et 
insuper allegabant archiepiscopum suum infirmitatate detineri et ideo ad concilium non 
venisse. Compostellani vero dicebant eum sanum esse. Tune dominus imperator com- 
motus aliquantulum dixit domino cardinali: »Mihi displicet multum, quod ego sum de- 
honoratus in concilio isto, quando ecclesia Compostellana non potest habere ius suum«. 
Tune dixit dominus cardinalis, quod expectarent Bracarensem per diem illam et aliam. 
Et cum dominus Bracarensis non veniret. in ipso concilio absolvit illus tres episcopos 
ab obedientia Bracarensis et suspendit ipsum Bracarensem. qui non venerat responsurus, 
et eos adiudicavit Compostellane ecclesie. Interrogatus, si illi tres episcopi interessent, 
respondit Lamecensem interfuisse, Colimbriensem minime, de tercio nescit. Interrogatus 
de anno et die dixit: nescio, de mense: ianuario, per quod dies duravit concilium, dixit: 
tres. Interrogatus de loco dixit, quod in ecclesia maivri sancte Marie. De sessione car- 
dinalis dixit, quod in pulpito, quod ei fecerant in fine ecclesie. sedebat cum archiepi- 
scopis Toletano et Compostellano et imperatore et duobus filiis suis et aliis baronibus 
[....] paucis. Interrogatus, qua die concilii fuerint episcopi absoluti, dixit se nescire, 
credit tamen quod. tercia. 





@ quod. » korrigiert, Lesung unsicher. 


Dus Papsttum und Portugal im ersten Jahrh. der portugiesischen Geschichte. 63 


(10) Sesnandus presbiter Compostellane ecclesie canonicus iuratus dixit, quod pre- 
sens fuit, ubi in presentia domini cardinalis apud Tudam in claustro veteri canonicorum 
die una et postea duobus diebus in solario episcopi Tudensis Iohannes Bracarensis ar- 
chiepiscopus et Pelaius Compostellanus erant, et pars nostra petebat a Bracarensibus 
ecclesias sancti Victoris et sancti Fructuosi et medietatem ville Bracare et tres episco- 
patus Visensem, Lamecensem et Colimbriensem*. Pro parte Compostellane ecclesie sta- 
bant decanus P. Pardus, iudex Didacus, magister P. Gundizalvi, P. prepositus Compostel- 
lane ecclesie. De his qui stabant pro ecclesia Bracarensi, non cognovit nisi Pelagium’ 
Cabritam. Qualiter autem Bracarenses se defendebant, ignorat. Dicit tamen, quod ex 
utraque parte producebant cartas. Dicit etiam, quod tribus diebus tantum interfuit con- 
cilio, quamvis pluribus fuisset pertractatum. Preterea dixit, quod interfuit concilio apud 
Valledolit in presentia domini cardinalis. quando magister Petrus Gunzalvi ex parte 
nostra et iudex dominus Didacus petebant predictos episcopatus ect predictas ecclesias a 
Bracharensi. Archiepiscopus Bracharensis non erat ibi, sed Menendus Lamecensis epi- 
scopus partes eius defendebat cum aliis, quos non cognovit. Requisitus, qualiter dominus 
Lamecensis et qui cum eo erant defendebant Bracarensem. dixit se nescire, verumtamen 
dixit, quod bene defendebant eum verbis. Dixit etiam se audisse, quando cardinalis 
absolvit illos duos episcopos Visensem et Lamecensem ab obedientia Bracarensis ecclesie 
et eos adiudicavit Compostelle. Interrogatus de Visensi, si presens esset, dixit se nes- 
cire, Colimbriensem abesse. Interrogatus de loco concilii dixit in ecclesia canonicorum. 
Interrogatus, ubi sederit cardinalis. dixit in fundo ecclesie in solio, quod sibi fecerant, 
et archiepiscopi Compostellanus ct Toletanus sedebant cum eo, unus ex una parte, alter 
ex altera, et erat ibi imperator cum filio suo rege Sancio et quidam alii, quos non cog- 
novit. Interrogatus, quot diebus duraverit concilium, dixit se nescire, certus tamen est, 
quod omnibus diebus interfuit. Interrogatus, qua die concilii episcopi predicti fuerint 
absoluti, dixit se nescire. Interrogatus de anno, mense et die concilii dixit se nescire, 
scit tamen quod, quando intravit Valledoliti, erat dies septuagesime'. 





« Colimbriam. auf Rasur. 5 Pelagius. 


1 (1155) Januar 25. 








Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 





ABHANDLUNGEN 
DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAURGANG 1928 


PHPTLOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 6 


HEILIGE GESETZE VON KOS 
VON 


Pror. De. RUDOLF TERZOG 


IN GTESSEN 


BERLIN 1928 
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


IN KOMMISSION BEL WALTER DE GRUYTER U. CO, 


Vorgelegt von Hrn, von Wiramowrrz-Morttenporrr in der Sitzung der phil.-hist. Klasse yom 3. Mai 1028. 


Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 24. Oktober 1928. 


Vorbemerkung. 


In Jahre 1900 erteilte mir die Kommission der Berliner Akademie fiir die Sammlung der 
griechischen Inschriften auf Anregung des urspriinglich daftir vorgesehenen W. R. Paton 
den Auftrag. die Inschriften von Kos und Kalymna zu sammeln. Schon hei meiner Vor- 
arbeit auf Kos im Jahr 1895, deren Ergebnis die Koischen Forschungen und Funde 1899 
waren, hatte ich mich der frenndlichsten Unterstiitzang Patons zu erfreuen gehabt, der 
durch seine Inscriptions of Cos 1891 sich als der beste Mann dafiir erwiesen hatte, aber 
meinte, daB ein Deutscher in der Tiirkei leichtere Méglichkeit zu intensiver Forschung habe. 

Ich machte darauf aufinerksam, dai eine Sammlung der Koischen Inschriften fiir das 
Corpus, nachdem die erhaltenen Inschriften in den letzten 10 Jahren gesammelt seien. un- 
hetriedigend sein mitisse, solange nicht durch Schiirtung der Versuch gemacht sei. das 
Asklepieion zu finden, in dem als dem Hauptheiligtum der Insel ein reicher Schatz an 
Urkunden zu erwarten sei. Die Akademickommission erkannte das an, konnte aber grund- 
sitzlich von sich aus fiir Inschriften unter dem Boden keine Mittel einsetzen. Ich revidierte 
nun im Sommer 1900 im Auftrag der Akademie alle schon bekannten Inschriften von 
Kos und Kalymna, soweit sie noch zu finden waren, und fand dazu wieder 360 neue. 
Im Jahre 1901 revidierte ich die Inschriften von Kalymna und Kos im Britischen Museum. 
Im Jahre 1902 konnte ich dann eine Expedition zusammenbringen, um zwei bekannte 
Ohjekte, das Heiligtum des Apollon yon Halasarna und einen ‘Tempel von Isthmos aus- 
zugraben und dann nach dem Asklepieion zu suchen. Ich fand es an dem Platz, wo es 
Paton frither vermutet hatte, und konnte die Ausgrabung so weit fordern, dai ihre Fort- 
setzung durch die Ergebnisse gesichert war. Sie konnte 1903 und 1904 in der Haupt- 
sache zu Ende gefithrt werden. Die vorlaufigen Berichte dartiber habe ich im Archiol. 
Anzeiger 1901. I131—140. 1903. I—1I2. 186 -199. 1905. 1--15 gegeben. Die Zahl 
der Insehritten war dureh diese Kampagnen vervielfaltigt. aber nun lag die doppelte Last 
der Veréffentlichung der Inschriften und der Ausgrabung auf meinen Schultern. da meine 
Mitarbeiter mir durch ihren Beruf entzogen wurden und die Gewinnung anderer zur Aus- 
arbeitung nicht gelang. Schon 1902 hatte ich sofort nach der Entdeckung des Askle- 
pieions vergeblich versucht, das Archavlogische Institut zur Leitung der Ausgrabungen 
zu vermégen. Von einer kurzen Revisionskampagne 1907 brachte ich eine schwere Malaria 
mit, dann verlangsamten fuBere Umstinde. die sich nicht meistern lieben, die Vollendung 
der Arbeiten fiir die Verdéffentlichung. Seit 1912 zerschnitt auch noch die Okkupation 
der Insel dureh Italien den Faden, dann kam der Krieg und die Nachkriegsnéte. Erst 
1922 war es wieder méglich, mit Unterstiitzung der Notgemeinschaft den Architekten 
Dr. Paul Sehazmann zur Aufarbeitung der Architektur nach Kos zu schicken und in Pro- 
fessor Margarete Bieber die Mitarbeiterin fiir die Einzelfunde zu gewinnen. Aber auch 
diese in den besten Hianden liegenden Arbeiten wurden durch iuBere Uinstinde gehemmt; 
erst jetzt ist fiir den Abschlu8 freie Bahn geschatffen. 


4 Ro llerzoa: 


Inzwischen wurde die Ausgabe der Inschriftensehitze in den Inscriptiones Graevae 
mit berechtigter Ungeduld erwartet. Ich mu bekennen. daB hier auch innere Hemmungen 
wirkten. und versuche sie zu erkliren. Mit der Entdeckung des Asklepieions und den 
mehryihrigen Forschungen aut der Insel erwuchs in mir der Gedanke, die Geschichte von 
Kos zu schreiben. Fir sie waren die archivlogischen Ergebnisse und die gefundenen 
Urkunden die Quellen. die meinandergearbeitet werden mubten. um klare geschichtliche 
Daten zu geben. Das band mich an die Klarlegung der Baugeschichte, die von der 
Durcharbeitung der Architektur abhingig war. Die Fille der Inschriften war auch so 
gro8 geworden., daB sie zu einem geschlossenen Urkundenbuch anwuehs. das nun auch 
den Anspruch auf Durchdringung erhob. So rang ich von innen heraus mit dem ge- 
waltigen Stoftf. um das Ganze organisch herzustellen und auch aus den Fragmenten alles 
herauszuholen, was sie immer eindringender Forschung hergeben konnten. Machte ich 
doch als Epigraphiker immer wieder die Erfahrang. daB unfertig verOffentlichte Inschriften 
selten melir die Liebe finden. die ihr Entdecker fiir sie hat. und deshalb ungenutzt am 
Wege liegen bleiben. So ergab sich zwischen den bercchtigten Auforderungen des In- 
schriftencorpus, die Sammlungen so rasch wie mdglich der Oftentlichkeit zar Verwertung 
zugiinglich za machen. und meinem historischen Gewissen, das sie méglichst fertig her- 
ausbringen wollte. ein innerer Kontlikt. an dem ich bei allen meinen anderen wissen- 
schaftlichen Pilichten schwer getragen habe. 

Da war es mir wie eine Erlésung. als ich den wichtigsten und schwersten Teil der 
Inschriften, die alten heiligen Gesctze. im Manuskript ftir die Inscriptiones Graecae vorlegte. 
daB der Vorsitzende der Kommission in Erkenntnis der Schitze. die in diesen Insehriften 
lagen. mir die Anregung gab. diesen Teil als etnen Prodromus vor dem langsameren Druck des 
Corpus fiir die Abhandlungen der Akademie umzuarbeiten mit allem. was ich tiber den im 
Corpus verfiigbaren Raum hinaus zu sagen hatte, und dadurch auch das Corpus zu cntlasten, 

Wenn ich das in den folgenden Blattern tun darf. so kann ich damit auch vor 
den Mitforschern Rechensehaft ablegen von der stillen Arbeit der vergangenen Jahre. 
Sie sollen zeigen. wie ich mit den sehoweren Texten gerungen habe. Daher bin ich mit 
Erginzungen im Text viel weiter gegangen, als gebriiuchlich ist. Ieh bitte die Mitforscher. 
jede Tuschrift mit meiner Begriindung ganz zu lesen, che sie mit der Kritik einsetzen. 
dann aber, wenn sie nicht fiberzeugt sind, das ganze Hilfsgeriist abzureiBen und es mit 
dem nackten Fragment selbst zu versuchen. Nur ein Versuch. das Ganze wiederherzu- 
stellen. tordert den Widerspruch heraus, der zur Porderung antreibt. Ifalbe Erginzungen 
kOnnen viel mehr irrefiihren als gauze. weil sie nieht streng mit dem Raum rechnen. 
leh habe mich daher gewissenhaft an die zuliissigen Grenzen der Zvilenlingen gehalten. 
Fiir die Erganzungen fiihle ich mich. soweit ich sie nicht aus dem hoischen Material 
entnehmen konnte. dem Index der Sylloge stark verpilichtet. 

Die Auswahl der Insehriften war auBer durch den Inhalt auch dadurch bestimmt. 
dal ich dice wichtigsten Inschriften. die in der SyHoge und anderen Sammlungen in nicht- 
revidiertem Text enthalten sind und so immer wieder verwendet werden. gereinigt vorlegen 
wollte. Um aher kein MiBverstindnis aufkommen zu lassen. betone ich ausdriieklich. dab 
meine Berichtiguugen in keiner Weise das Verdienst des zu frith verstorbenen ersten Her- 
ausgebers Paton schmilern kénnen. Er hat mit diesem in jungen Jahren gewagten ersten 
Wurt GHinzendes geleistet in Lesung. Ergiinzung und Verarbeitung des erschépfend ge- 
sammelten Stoffes. Aber er hat es in seinem Werk und auch mir gegeniiber oft aus- 
gesprochen. daB er mit den Grundlagen seiner Lesung oft nieht zufrieden. aber nicht 
mehr in der Lage zur Nachpriifung war. Auch hat natiirlich das seither vervielfachte 
Material viel breitere Grundlagen geschaffen. als ihm zu Gehot standen. 


Heilige Geselze roy hos, ) 


Bei der Auttihrung der Literatur habe ich amich auf das Nougste beschrankt und 
hitte die weitere bei Paton und in der jeweils neuesten Bearbeitung. meist der Sy lloge . 
aa suchen. deren Kommentar ich auch immer voraussetze. Auch den vollstindigen kri- 
tischen Apparat behalte ich der Corpusansgahe vor. 

Die Siglen der Anfithrungen sind die gebriiuchlichen, dem: Epigraphiker vertrauten. 


PH — Paton and Hicks. Inscriptions of Cos. Oxtord rSgt. 


KF = Rudolf Herzog. Koische Forschungen und Funde. Leipzig rsa. 
Mai. - Amedeo Maiuri. Nuova Silloge epigratica di Rodi e Cos. Firenze 1925. 


Der Notgemeinschatt der Deutschen Wissenschaft verdanke ich es. dab ich in diesem 
Frithjahr nach 21 Jahren auf das Asklepioseiland zuriiekkhehren und. auts cntgegenkon- 
mendste getérdert durch den Gouverneur der Dodekanesos und das Istituto storico-archeo- 
logico di Rodi, die letzte Revision meiner Arbeiten mit schGnem Erfolg vornelunen konute. 

iese ist auch der vorliegenden Abhandlune noch hei der Korrektur zugute g@ekomimen. 
1) t auch d orliegenden Abhandlun: h } ler | ktur zugute gel 
nicht minder die Ratschlige und Beitriige der beiden meoctatar der Inscriptiones Graceac, 


1—4. Staatlicher Opferkalender. 


Die vier Platten von weiBem Marmor sind in dersetben schlanken. tet’ cingegrabenen 
Schrift des 1V. Jahrh. (H. d. B. 0.012) wohl von demselben Steinmetzen beschrichen, Riich- 
seite frei. Sie sind von flmlicher Dirke (L:0.18. 2: uicht festzustellen. da in den Boden 
der Kirche cingelassen. 3:0.135. £:0.14). aber verschiedener Breite (1:0.62 Buchstaben- 
zahl 44-58. 2:0.54 Buchstabenzahl 43- 50. 3:0.45 Buchstabenzahl um yo. 4: erhalten 
0.45 Buehstaben mit Erganzung um 40). Die Hohe ist bei keinem vollstindig erhalten 
(1: 1.19 oben und unten gebrochen. 2:0.52 oben und unten gebrochen. 3:0.52. davon 
0,27 unten frei. 4:0.56. davon o.15 unten frei). aber doch wohl fiir alle gleich anzu- 
nehmen. Sie waren jedenfalls zusammenhingend autgestellt. fraglich Dleibt. ob frei oder 
im Verband einer Mauer (fTempelwand oder Altarsockel?). 1 hat auf der linken Rand- 
seite zwei kurze Zusitze (Lab), die nicht zu scinem Text gehdren. Hier {mui also. 
wie Paton S. 88 darlegt. links ein Stein im rechten Winkel angestolen haben. Jeder Stein 
muB einen Monat enthalten haben. also waren es 12. Die Breite der Steine war vom 
Umtang der Vorschriften des Monats abhingig. der austithrlichste Text. 1. steht auf dem 
breitesten Stein. die dirftigsten (3: nur 2 Tage in der 3. Dekade. und 4: 3. Dekade fallt 
ganz aus) auf den sehmalsten. Eine genaue Symmetrie. «ic tir eine geschlossene 4scitige 
Anordnung vorauszusetzen wiire. bestand also nicht. es ist daher wohl cine offene 3seitige 
anzunehmen. Die Reihentolge der 12 Steine im Verband mute natiirlich der des Kalenders 
entsprechen: fuBere Anzeichen fiir die Stellung der 4 crhaltenen Steine zueinander fehlen. 
und die Verweisungen auf andere Monate 2,;,, beweisen nicht. da diese im Kalender 
vorangingen: die ausfiihrlichen Vorschriften, aut’ die verwiesen wird. standen eben an <ler 
Stelle. wo sie am wichtigsten waren. Was wir haben. sind nur Reste cines Drittels des 
Kalenders. Wenn das tibrige noch aus dem Boden geholt werden kémnte, so wire 
damit ein groBer Schatz fiir die Geschichte des griechischen Kults gehoben. Die Fund- 
bestiinde der Steine scheinen in die Nahe des antiken Theaters und der henachbarten 
Friedhofkirche “Ar. ‘lwAnnue zu fithren. auf die auch die Fundorte der Proxeniedekrete passen. 
die im tepdn Ton Avwacka GeGn aufgestellt wurden (PHD 1. Mai. 432 und ined.). Der Tempel 
oder Altar dieses Heiligtums erseheint auch aly passendster Platz fiir den staatlichen Opfer- 
calender. 


6 R. Herzoc: 


1—3 = PH 37—39. SGDI 3636—38. vPrott. LEN [ 5—7. Michel 716—18. Syl. 
7616—18. 31025—27. Sehwyzer, Del. 251 ABC. 4 ined.. von mir 1900 im Haus des 
Arztes Mixaadktc TlapeeniAane vorgefunden. Es scheint wie 1 und 3 aus dem Besitz des 
Sammilers Dem. Platanistes zu stammen. Alle Steine habe ich nachgeprift und von allen 
Abklatsche, von 1—3 auch die von Paton gemachten. Die Reihenfolge der 4 Steine 


soll nichts tiber ihre Stellung im Kalender (s. Anhang IIc) prajudizieren. 


1. Monat Batromios. 


i Kall EYXO[NTAI].01¢.C...€..1C eC... 
WO MRA Crete WAS Aa eats ts ¢ KaeatteP Toic AAaloic eeoic, cop! TA)- 
IN ene Oeyata Cy lereye Kal lepgeYaanec Kal APKEYO NT = 


5 ae x’ VA “IAC, TYAC, BoYc A€ ENNH [€'AANTI, BOYN €= ENATAC Scheie: 
‘ez A.... €wn Kal TTACeEMIAAN TIPATON KAI N ‘oc TIAAN* EC AE 
TAN cee EAANTW TIAM@YAQ! TIPATOI, EN AFOPA] AE CYMMIC- 
"TIONTAI’ O AE TePeYc KACHCOW ‘TIAPA; T'A.N TPATIEZAN EXWN TA'N Cj- 
TOAAN TAN iePAN, TO} A€ iep‘oro10) EKAT,epwW TAC TPATézAc’ TT! Am,- 
7 YAO! AE ETTEAANTW BOY'C TPEIC TOY\C KAAAICTOYC. Al M[er KA, 
TOYTWr KPIOHI TIC’ Ai AG [MH, “Yaneic TPjeic EAANTW, Al MEF “KA T - 
'o.yTwr KPI@HI Tic’ Al ae mH, Aymanec Te.€ic ToYC AoiTToYe, al ‘me - 
rT KA TOYTWN KPI@HI TIC’ AAG MH, ATEPOYC, EAANTW EC TAN Arlo - 
'P|AN Kal ETTEAANTW KATA TA YTA, al MJEr KA TOYTWF KPIGHI TIC 
ts al AG MH. TRITON ETEAANTW KATA TAYT|A’ AT OE KA TOYTWF KPI OHI 
MHAEIC, ETMKPINONTW BOYN EK XI'AIAC TYOC EKACTAC’ enh cay 
NTEC AE TOYTOYC CYMMICFON Tal TO1jC ANAOIC KA) EYeY K/PIN? 
ONTI KA EYXONTAI KAl ATIOKAPY'CCO NTI" ETIEITA ETTEAANTII Ay 
TIC KATA TAYTA* @YETAI Aé, Ai Mér KA YTOKYYEl, TA! IcTiAl” ey El, 
20 AG TEPEACOPOC BACIAGWN KAI TePA TrAPEXE! KAI ET@vE! TEPA CE H,- 
MIEKTOY* TEPH A€ AAMBANE! TO AEPMA KA) TO CKEAOC, lePOTIO!' 0}, 
Aé CKEAOC, TA AE KAAA KPEA TAC TIOAIOC’ TON AE KPIOENTA T' coy 
Zunl KAPYKEC AFONTI EC AFOPAN’ Emel A€ KA EN TAI APOPAL €W'N,- 
Ti, Aropevel OY KA Al 6 BO%C H AAAOC YEP KHNOY ENAEZIO‘C, * 

2s ““K@ 1oic TAPExwW TOM BOYN, K@io1 a€ TIMAN ATTOAONTW TO TAI leTiAL 
TIM@NTW AE TIPOCTATAI OMOCANTEC TIAPAXPHMA’ ETTel AE KA TIMA,- : 
leHjl, ANATOPEYETW O KAPYE OTIOCCOY KA TIMAGHI’ TOYT@ Aé ENANT | TA,- 
[P|A TAN “IcTiAN TAN Eraipcian kai evonTi(?)" 6 ac iepeYc cTéntel KAi ‘ert, 
CTENAE! KYAIKA OINOY KEKPAMENOY TIPO TOY BOOC. ETIEITA AFONTI TOM ae" 

3» '0,%N KA] TOr KAYTON Kal @@GIAC EMTTA Kal MEI KA] CTEMMA’ EzArO'NT.- 
'€ © A€ KAPYCCONTI EYPAM'AN’ KHNE] OE EKAHCANTEC TOM BOYN KA'T - 

AOON Ts @AAADI KAI AAQNAI’ Tol Ac [KAPYKEC K APTIONTI TOM mer xOl- 
'PO\t KAI TA CTIAArXNA Ertl TOY BwMOF énicnénaontec MEAIKPATON, € NT\- 
‘ep A Aé EKTIAYNANTEC TTAPA TO M BWMON KA'PTIONTI" Ertel AG KA Kaen “eAI: 

3 ATIOTA, ETICTIENAETW MEAIKPATON” O AE Ikap|yz KAPYCCETW €oPTAzE'N ZHN, - 

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Ileilige Gesetze von Nos. ( 


40 TAN TAN NYKTA‘ €ITEl A€ KA CITONAAC TT OIM\C'WINTAI, AlPécow 0 iapeye [c - 
"@, ACH TON TAPOTIOION BOOC TOY BYOMENOY Ta! ZHN] TH! TToaiai Kai TPOA'TO,- 
[P,eveTW AFNEYECOAI TYNAIKOC KAI ANA'PO|C ANT] NYKTOC’ TO! A€ KAPY[KE.- 
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EPI@OC’ TOY XOiPOY OYK ATTOsoPA’ eve! TePEYc Kal TePA TrAPExet’ TEPH JA 
AMBANEI AépmaA Kal ckéaoc. | “Es adma: ANOMENQY’ écc AnkHiaac AAlm - 
So ATPL OIC TEAEWC KAI TEAEA KYEOCA’ TOYTWN OYK ATIO®OPA’ KYAIKEC KIAL- 
NiAl AYO AfAONTAI” BYE! jepeyc ‘kal Tep|A TrAPéxel’ réPH Ae oYATA. “ExkT ai’ Aii- 


fa. Auf der linken Randseite, in Hihe von Z. 8. Ib. Ebenda. in Hohe von Z. 20. 


TON @YOMENWN TPEIC KA] XYTPA. 

2 ‘ a Peat Naelitras 3 
TAL AeyKoeHi etwa Zusatz, d. h. Nachtrag zu 
Arto@opa éc iép- Kyaikec KAINAl Wie 22; f. 3s. 
EAN. 


Paton. dessen unscharfen Abklatsch von La ich besitze. michte Aeykooéw 1, und éc 
(ajweeAN lesen (Inser. of Cos S.88), Meine Lesung konute ich jetzt am Stein und cinem 
neuen Abklatsch nachpriifen. Z.2 SehluB steht OHI da (Pat. OIT). 

Infolge der traurigen Schicksale des Steines sind seine beiden Rinder beschadigt. 
indem links bis tem. rechts bis 3 em durch Abrundung verloren sind, so dab Zeilen- 
anfang und -ende nicht immer exakt festyestellt werden kann. Die richtige Silben- 
trenning. die zur Kontrolle dienen kénnte, fehlt aut diesen Steinen noeh. Auch ist 
die Schrift bald weit. bald eng, so das bei den Ergiinzungen nicht mit sicheren Buch- 
stabenzahlen gerechnet werden kann. Dureh sorgfaltige Nachpriifing am Stein und Ab- 
klatsche. namentlich Teilabklatsche der schwierigsten Stellen, kounte ich Patons Lesungen 
an viclen Ntellen ergfinzen und berichtigen. — Zur Trennung der Tage verwendet der 
Steinmetz das Zeichen |. innerhalb des Tags:. Zum Verstindnis der Reste des Opfer- 
kalenders (1—4) schicke ich voraus, da die Zeit. etwa Mitte des IV. Jahrh., sich aus 
der Sehrift und Sprachform klar ergibt. In der Sprache zeigen sich aubBerdem alte 
und jingere Formen und Satzbildimgen nebeneinander (vgl. Anh. II), Ubergangserschei- 
nungen. die eine Kompilation aus Alteren Gesetzen nahelegen. Das wird durch 5 und 8 


S Ro llerzoe: 


bestitigt. Als Aula fir dicse Kodifikation der Opferordnung tir den ganzen Staat bietet 
sich von selbst der Svnoikismos des Jahres 366 (s. Anh. [ai Denselben Fall keunen wir 
aus Mykonos um 200 v. Chr.. Syll.3 10242: €m apxéntwn Keatinoy Tloayzhaoy Piaderonoc. ote 
CYNWIKIC@HCAN Al TIOAEIC, TAAE EACEEN Myxonioic fepA @YEIN TPaC TOIC TPOTEPON KA) ETTHNOPEWEH TEP] 
TWN TIPOTEPON. 

Der Monat des 1. Steines ist durch 2,, als Bateémioc erwiesen. der erste erhaltenc 
Tag durch Z. 3y—46 als der 1g. Es ist ein gliicklicher Zutall. daB er sehr ausfiihrlich 
ein Hauptstaatsopfer, fiir Zeus Policus, das Haupt der gefestigten Staatsurdnung, behandelt. 
Es fillt (1g.-—20. Batr.) nach meiner Rekonstruktion des koischen Kalenders (Anh. Ile) 
etwa Mitte Februar. die geeignetste Zeit ftir die eniaytia pata (Z. 36). die Erbittune eines 
guten Jahres vom Wettergott. 

Die ersten Zeilen sind. besonders links. so stark verrieben und die Buchstabenreste 
von Schrammen iiberschnitten und durch wiederholtes \uskratzen der Tiinche aus ihnen 
unklar geworden. dab die Lesung und Ergiinzing sehr unsicher ist. Zu 1—2 gebe ich 
im Text die einigermaBen sicheren Buchstaben. Unter Uinzunahme vou weniger sicheren 
testen glaube ich versuchsweise folgende Erginzung vorlegen zu hénnen: “Ka; eyxoN TAL 


Toic ecarménoic ec AAATAC, oYAAC @(€ OiC ApxlaréTAIC KAgaATIEP KTA. Statt Ana'ac witre auch 
ta... mdglich, doeh tAc zu kurz. Die Erginzungen beruhen fiir die Verba e¥xontal 


Artoxapyccontw auf Z. 18, fitr €oe Tan (inf. fut.) ewiaytia @P aia auf Z. 351. Der allerdings 
nicht ganz cinfach ausgedriickte Sinn wire: Die Vertreter des Gesamtstaates und der 
Phylen {(Z. 3) geloben, den Staatsgottern des Synoikismos ebensu die Jahresfeste zu feiern 
wie vorher die einzelnen Phyvlen ihren Phylengéttern. also Aufnahme der Gotter des Staates 
und der einzelnen Phylen auch in den Kult der anderen Phylen. wo sie bisher keinen 
Kult hatten. 3 r. Halfte nach den sicheren Resten wahrscheinlich: Pat. icpevc men ial 
eyaa Tor monapxoy kann nieht gelesen werden: Aexevontec sind Kultbeamte der Phylen. 
iepoovaakec erscheinen spiter auch im Asklepieion (s. Anh. I[b) [auch im Heiligtum des 
Apollon in “Epéeima bei lalysos [@ All 1.731. Willer]. 4 “a,mo’Kar yvecéntw, die 2 breiten & 
sind deutliech erkennhbar. Das Wort bedeutet hier und Z. 18 wohl die Schlubbekriftigung. 
wie sonst émeyxecea! auf e¥xeceal folet. 5 durch meine neue Lesung so¥c aé éNNA EAANTI Ver- 
schwinden die Schwierigkeiten der Stelle. die bisher zur Verwirrung des Tatbestandes vee 
fithrt hatte: Im ersten Wahlgang (Z.3—13) werden aus jeder Phyle 3, also g Rinder. 
aur Pritfing getrieben. im zweiten und dritten (130-15) ebenso: im vierten Wahlgang 
(15 f.) wird von den 3 in den ersten 3 Walhlgingen aus jeder xiaiactye vorgefiihrten eines 
nachtriglich ausgewihit: von diesen g wird im fiinften und letzten Wahlgang (16— 15) 
cines endgiiltig gewahlt. Es ergibt siel daraus auch. daB die enata Z. 5. die den Er- 
klarern so viel zu schaffen gemacht hat. hein besonderes Glied in der Volkseinteilung ist. 
sondern nur das énnq aufnimmt wid mit ximactyc. dem dritten Teil der Phyle, identiseh 
ist (s. Anh. Ia). Es werden also im ganzen 27 Riuder zur Wahl fiir das Zeusopfer (Z. 22 ff.) 
vorgeftihrt. Die Wahl fiir das Histiaopter (1S — 22) erfolgt wohl aus den tibrigen 26 Rindern: 
so erklirt sich am besten seine stérende Einschiebung. 6 der zweite Buchstabe ist nicht E. 
sondern =: die drei Geschlechternamen kOmnen nieht xiatactrec sein (vgl. 13a—t), sondern am 
chesten tpiaxAacc, das niichste Gliedl (s. Anh.Ia). TTaceemiaan ist hier sicher. dagegen 13) 
TTaceemi(a,aan. Diese Endungen weeliseln auch sonst. z. B. Baxxiaal und BakxiAaal. 7/8 cymmic- 





rontat sicher (-n71 Pat.). daher auch Z. 17 ergiinat. 8 y [c]tosdsy, was v. Wilamowitz 
vermutete, ist deutlich erkennbar. 9 10 TTlame yao: wahrscheinlich, davon hanet die Er- 
vingune der zwei anderen Phyleunamen in Z. 11. 12 ab. 153 KaTA TA YTIA sicher: Kal 
Atepoyc Pat. 16 émixpinontar Pat. 17,18 EYOYI... ONTH: ever K'PIN ONT! erschcint 


eee By oad } nthe ato - ~p eg jaan ’ - Bae 
inir nicht sicher: evey nonti v. Prott ist zu kurz  yaokyyei sicher. coni. aor. s. Anh. IIT. 


Tlcilige Gesetze con Nos, ‘) 


25 to wohl Dittographic. Zur Sache vel. 8 UE $6. 27 Mitte vel. von Ue. torte wie 
Z. 38 ablat. vel. Anh. UL 28 TANOCTAWEIAN eel. and ere. vou He: TAN.TAMIAN 
Pat.. der sich trotz der Liteke durch PH gor, zu der Deutung tan Tamian verleiten lich. 
“letia “Eratpeia, bisher nicht bezeugt (vielleicht I@ NIP 3.450 zu ergiinzen?). kann wie Zerec 
“€taipeioc Patronin der Hetirien oder Syssitien sein. was zu dem folgenden Festmah] pabt. 
Aber es kann auch mapa TAN ictiAN TAN eTalpeiaAN Oder TAN eTalPelAN gelesen werden. Woz 
Hiller Syil? 527% anfithrt. § Wenn ich evont: richtig gelesen habe. kann es sich hier nur 
um cin Voropfer handeln. wozu das foleende gehért. 28 29 €k crenaer Pat. 31 Mitte vel, 
you He: -icantec y. Prott Ditt. Sehwyz. gegen den Dialekt. der -fgzantec verlangen wiirde. 

31 32 gel. von He: aaenar hatte Pat. vermutet. KatAexontal eaaadi Kal daonat als Beginn des 
Voropters ist den von Stengel. Opterbriiuche S. to ih. gesammelten Handinugen beizutiigen, 

32 KApyKec ere. von Ife: iepcic Pat. saciacic (nach Z. 20) v. Prott. Ditt. Die nieht sehr vor- 
nehmen Opferdienste. Verbrennen des Schweins und Auswasehen der Kuttelu (vel. Leonardos. 
"Ee. 191y. 51: 1G 1? 78q: TaNTeP’ exco KaYzeT'€ KA) TON ONOON NizeTe). passen Weder fiir Priester 
noeh ftir reyes sacrificuli. wohl aber fiir die kHevkec als Opferdiencr: mu sie doch auch der 
kHpvz Hermes bei Aristophanes Plut. 1165 verrichten. 35 VPPOTN. deh. arota vel. von He: 
natofac! (Pat.) Ditt. Schwyz. ist auch sachlich unmoéglich., das Kolleginin (!) der namoiar in 
Ilalasarna hat hier nichts zu tun. Das Wort bedeutet dasselbe wie anoina »ohne Weinkw. vel. 
Aristophanes Byz. bei Eustath. in fH. p.727.18. in Od. p. 1720. 28 amoinoc ercia H NHeAAIOC. 

Subj. zu éricrrenaétw ist der jepeve (2.25). Oa Kap ye velound ere. von Te. 36 Ant. gel. von 
Hy. 37 Akeaton erg. von Pat. Becht. v. Prott. Stengel. Opferbr. 8. gir ': aoinon vy. Prott und 
Stengel frither, Ditt. Schwyz. 38 cté mma’ toytw ae gel. von Hg. vel. SGDETV S$. 507, danach 
Schwyz. 39 zenizonti Hg: -zo'ntw Pat. Bei seiner Einweihung bewirtet umeckchrt der Priester 
des Zeus Polieus die iaponoioi und KApykec, DAL. Vel. auch 8A32. 40 noice wintar: Solmsen 
hatte Rh. Mus. 59.161? den kurzvokalischen coni. aor. wie Z.1g vermutet, ich hatte das 
als moglich O. Ifotmann. SGDI IV S. 507. angegeben. bei crneuter Nachpriifung zeigt sich. 
dai die Liicke fiir moc oNtar doch zu weit ist. AIPEZOQ kinnte alte Schrift E ftir 
dlas unechte e: scin wie Ofter noch O ftir das unechte oy, withrend fiir E sonst kein Bei- 
spiel aus Kos bekannt ist, und v. 43 aireicew steht. 41 cearh gel. von lg: ‘aay te A 
Nilsson ist umméglich. Beim Festmahl am Abend vor dem Hauptopter des 20. Batr. werdeu 
nach der Spende zwei ceareic gewiihlt, der eime vornehme aus den isroroio: vom Priester, 
der thm auch die Reinheitsvorschrift einschiirft. der andere dienende ans den KApyKec von 
diesen selbst: diesem schiir{t irgendeiner von ilnen die Reinheitsvorschrift ein. 42 Ana'pdc 
gel. von Ifg. vermutet von Becht. Sehwyz.: 4 ecenoc vy. Prott Ditt. ttherschreitet den Rauin. 
Zu Anapéc fiir Piderastie vel. Theokr. Il 150. Zingerle. Strena Buliciana 8. 180 und unten 
3B. Die Vorschrift gilt nur fiir die beiden ceareic und nur fiir die Nacht vom ru. 
auf den 20., nach dem Festmahl (vgl. den SehluBb von Nenophous Symposion). damit 


ihr Orenda nicht geschwitcht wird. 43 xpAzwnti Pat.  4ytwn wollte Bechtel unnétig in 
avTa@n findern: e —~as=u (s. Anh. Hf). 44 Anf. erg. von Hg: ta: ay antar Pat. und alle 


nach ihm nach Z. 53: aber hier wird kein Flotenspicler gewihlt und dem 2. ceareye mub 
eine Vorsehritt gegeben werden. | Nach tayta sehe ich dic Spuren der Interpunktion 
48 tyewaxe wahrscheinlicher als tye@axc. Kptoc typwaHc : aPtoc TyPoeic (Sophron fr. 14.1. 


Theokr. I.58) - kpywaHe KHWAHC: KPYGEIC KHWEIC APTOC TYewAHC Wiire -- ApToc erkpyoiac, der 
Tyeoménw tryPl omTATA!. =49—55 Der Text ist in Verwirrung geraten. als bei der Redaktion 


die ausfithrlicheren Bestimmungen des alten Gesetzes, die in 3 A>2—3: erhalten sind. 
ausgezogen wurden. Dabei wurde jepa Tapeyc mapéxe: vor répH Toy Bo0dc KTA. Z. 49 vergessen: 
als der Steinmetz das bemerkte. tilgte er «lie weitere Fortsetzung nach cxéaoc Z. 50 und 


holte den vergessenen Satz nach: dabei ging er um ein Wort zu weit und mubBte daher 


DPhil-hist, Abh, 1928. Nr. 6. » 


10 R. Wrrzoa: 


-epH wieder tilgen. wovon das E sichtbar blich. Dic richtige Fassung ist also: jepa iapeyc 
TIAPEXEI* EPH TOY BOOC TW IEPHI AEPMA KAI CKEAOC Kal xeavoc HMicy KTA. Auch in Z. 51 und 54f. 
stehen HKorrekturen auf Rasur. Die Korrekturen sind unschin und seliwer lesbar, ich 
bin aber doch etwas tiber Paton hinausgekommen: 50 «ai xéayoc sicher: kal HmAtoc Pat. 
xéayce ist das Bruststiick. das mit ckéaoc und koiaia zusammenhingt. Iippokrates meri 
AnatomAac 1 braucht es von der menschlichen Brust. Euripides El. $37 vom Bruststtick 
des Opfertiers: dazu Hlesych xeavn* mépoc Tn ierciwn und Nikander Alex. S1 m. Schol. 
52 Nectoriaaic vgl. 1Be. zu ocaendc teik@aioc vel. Laum. Heiliges Geld 112. 9 54:55 ist 
schwer lesbar. aber z. T. dureh Asie gesichert: 55 Anfang ist vor Amoeépetal Platz 
fiir oyk. 57 me 7 Tk Ada sicher trotz Patons Zweite]: die Vermutung Useners Meadnia hatte 
schon wegen der gebotenen Form des Datums (vygl. 31) nicht angenommen werden diirfen. 
Der Tag ist wohl der 22. (vgl. Anh. Ile). 61 exxt’ar Pat: auf’ seinem Abklatsch ist 
mit voller Dentlichkeit EXKT zu lesen: exktar wie exz, exzakocio: auf Inschritten vou Ma- 
gnesia und Milet, vgl. Nachmanson, Laute und Formen der magnet. Insehr. 94. 


Ja Wher Leukothea s. Anh. Ila. iiber die dorische Kontraktion Aeyxoed: Anh. LI. 


Monat Karneios(?). 
ey A. | aan I a 


- = - SEE LL. er réph AAMBANE! AGPMA KA! CKEAH TIAL AY Ti 
Al AM€épat’ “Péai oic KveYca KAi lepA occanep ToY TTeaareitn Yo - 
Y T€fPATITAI’ TOYTWN OYK ATtO@OPA* eve! TAPEYC KAI iePA TIAPEXEI* Fr y- 

= €PH AAMBANEI! AEPMA. LAckatar’ Heal Apreiat Eneiai Baciaciat aam- 
ANIC KPITA’ KPIN6C@W AE MH EAACCONOC ON WNHMENA TIENT- 
HKONTA APAXMAN’ @Yel TAPEYC KA] TePA TIAPEXEI” EPH AAMBA'NEL, 
AEPMA KAl CKEAOC’ TAYTAC ATIOPOPA’ ENAOPA ENAEPETAI KAI evel tai) 
él TAi icTial EN TO! NA@! TA ENAOPA KAl EAATHP EF AmIéKTOY ‘cr - 

te YP@N' TOYTWN OYK EKGOPA EK TOY NAOY, ie “EN acKATAr Zun} Maxa- 
NHI BOYC KPINETAI TO ATEPON ETOC Ee OY KA EWNT! K A PNetAi, Ka’ ‘@A)- 
mep TOY Batpomioy TO ZHNi TOI TToatn! KPiNeTAI, K Al} xolPOC TIPO- 
KAYTEYETAI, KAl TIPOKAPYCCETAI KA@ATIEP TOI Tloaim. ale Aywae k}- 
ATA\ ZHNI Maxanfll olec Tpeic Ténewl Kal BOYC 6 KPleElc TO 

1! ATEPON ETOC E OY KA EWNTI KAPNEiAI. TO A€ ATEPON ETOC OIEC T- 
péic Téeacwi’ TAYTA evel IAPEYC OG TuN Ay@aeka Ocan, kal iepa T1- 
APEXE! TOYTOIC’ TIPOOYETAI TAP TOF KOINON. A €PONTI Dyacom- 
AXIAAl AAGITON HMICKTON, OINOY TETAPTAN’ réPH Ac Dyacon- 
AXIAAIC AIAOTAL TOY BOOC OTIAA, TAPCOC. TON AE O.WN TO @MON, 

20 €£ OY A G€OMOIPIA TAMNETAI. KA! O B P'O/NXOC 2)" TéPH AAMBANE! 0 IA- 
PEYC CKEAH KAl A€PMATA? TAI AYTAI AMEPAI Aoanaial Maxalni - 
Al AAMAAIC KPITA TO ATEPON ETOC. Eo OY KA EWNT! Kapnejal. rt. 
d Ag ATEPON ETOC OIC TEAEA’ EYE! TAPEYC KA] ATIOPPAINETAI GAA 
ACCAI’ TOYTWN OYK ATIO®OPA’ ATIYPA AIAOTAL TAI GEO! EAAI Oo. - 

2s Y TETOPEC KOTYAEAI, OINOY TETAPTA. TIPOXO! KAINA] AYO KAT KYA‘I,- 
"KEC KAINAI TPEIC’ TOL “c ae Kapnel,oi¢ TAM TOAIN @NEICeAl AAM A 
TAIN MH EAACCONOC TIENTHKONTA, APAXMAN’ TAYTAN - - - - = = 


Der Monat ist nach Z.11, 15, 22 (26) der Karneios. Da Apollon Karneios in dem 
erhaltenen Stiick nicht vorkommt, spricht nicht dagegen, da seine Haupttage, der 7. und 20., 


Heilige Gesetze con Nos. 1] 


nicht erhalten sind (vgl.4). Der erste erhaltene Tag ist, wie Paton gesehen hat, der der 
Rhea heilige 9., vgl. Nikander Alex. 217f. mit Schol. 

1,2 Die unteren Buchstabenenden kénnen. wenn auch nicht sicher. auf Z. 2 zu «al 
iepA TraPéxjel ergiinzt werden, aber kaum davor evei iapeyc.! 5 Das Priestertum Hpac “En ac 
Aprriac Ba‘ciaiac, hat im I. Jahrh. n. Chr. C. Stertinius Xenophon Kata rénoc zugleich mit dem 
“Péac kal Artéanwnoc Kapnefoy und anderer Witter, Histor. Zeitschr. 125.226' = Maiuri 475. 
6 Die Dittographie ON (nicht EM wie Pat. las) ist vom Steinmetz ungentigend getilet. 
Der geringe Preis von 50 Dr. spricht fiir das hohe Alter der Vorschritt. Vel. zu 136. 
II, 15,22 ka €wnT! Steht da: kaéwnti Pat. 14 ff. Den Kult des Zeus Machaneus leitet Volleraff 
Bull. Hell. 34.841 aus Argos her. || 16 Avywaexa steht da: Ada. Pat. 17 vor to¥toic 
interpungieren Pat. und Nachfolger. vgl. aber 5 Asof 17, 18 Das ¢ in Dyacomaxiaarc, 
25 KoTyacal, 34 Tlamevacon usw. ist ein irrationaler »Gleitlaut«, s. Anh. IIE. 19 amon »Fleisch « 
nach Pat.: vielleicht »Schulter« won: @moc = NOTON: N@TOC? | 20 6 BPdNxoc »die Kehle« 
erg. von Hg, aber sehr unsicher: 10 ctAeoc Pat. steht sicher nicht da. 24 anyea sc. iepA 
gel. von Hg: [evcjtea Pat. Nach Pindar OL. VI[S6 mit Sehol. und Diodor V 56, 6f. opferten 
die Rhodier und Athener der Athena Anya iepA. Vel. auch Eitrem. Opferritus 276. 26 roic 
ae Kapneioic erg. von Ig »fiir die Karneen«, deren Haupttag wohl der 20. war |so Thera. 
in Sparta Vollmond, Hiller]... 27 SehluB gel. von Ig. 


3. Unbekannter Monat (Pedageitnyos?). 


er ee ere eee eee 1. L'EnAtay €ziKAAOC’ 

[HPWCI TIA|CIN(? Ol'EC TPEILC TEAEWI’ OY|ONTAI KATA @YA- 

[Ac. 0] MEN TON “Yanéwn TAPA TO HeAkacion, 6 Aé TON Ayma- 

NWN TIAPA TA ANAZIACA, O AC TON TTAMeYAcwNn EN EiTEAI 

TmapA TO Aamateion’ [€é'm) ToYTWN ExAcTw! iepA OYAOMET- 

"PION . HMIEKTON EKATEPWN. KA] KYAIKEC KAINAl TPEIC é- 

"kKAC) TU KA) TIINAE EKACTWI’ TAYTA TIAPEXONTI TO! TA= 

portoiol, Kal evONTI. |. Teitar ANoméNoy* “Hpakaci éc Ko- 
..TON APAN KAYTOC ? TAL AYTAIL AméPAI’ “Hpakaci 

ro €C..,CCAAON BO%C’ TOYTON eYel 6 TAPEYC’ TO ac 


ut 


feed! €o,fepa AlAOTAI KPIGAN TPIA HMEAIMNA KA] CITY- 
PON TPEic TETAPTHC KA] MEAITOC TETOPEC KOTYA- 
€Al KAl TYPO] O1EO] AYWAEKA KAl ITTINOC KAINOC KAI oP- 
YCANWN AX6OC KAl EYAEWN AXBOC KA] OINOY TPIA 
5 Hm{ixoa. frei. 
{rei. 


Da in den Resten dieses Monats Ilerakles cine besondere Rolle spiclt. so kénnte 
man an den Pedageitnyos denken, in dem sein Jahrestest jedentalls im Gesehlechtskult des 
Diomedon (10) war. Vgl. Anh. Ile. 

1 sicher gelesen von Hy: te'tpAai éz] efkAaoc Pat. 2 Hewci ma cin erg. von Ife: Tove 
Hew,cin Pat. zu kurz. eeoic mAcin? Hiller v. Giirtr. Die dritte Dekade, die Rolle des Herakles. 
der auf Kos zwar als Gott verehrt wird. aber doch als Oherster der Herven gelten kann. 
endlich dic Teilung nach Phylen spreechen fiir Heroen, deh. dic Eponymen der Phylen 
und ihrer Unterabteilungen und etwa die fiir das Vaterland Getallenen. Dazu paBt. dab 
wie bei Heroenmahlen (5 Ay. 8-\,;) keine reen verteilt werden und keine tepeic, sondern 
die iepororol (Z. 8) fungieren. . ol ec tpei.c (= sicher) téncwi ftillt den Raum gerade aus: das 


os 


}? R. Ilrerzoa: 


von Dubois und Pat. gelesene OIE existiert nicht. mapa tA Anazinca == -aa (gen. sing. mit 
»(leitlaut«) Flurname »beim Gut des Anaxilas«, wie das von Prott angefiihrte mapA TA 
Meiayaoy a Herond. V 52 maeA TA Mixkdane. Etréat » Weidicht« sicher oT von Hg: Citéai 
Dub. Pat. Es ist der Name einer Flur oder eines (spiter abgegangenen) Demos wie der 
attische Demos €itéa (Meisterhans-Nehwyzer 51°7) und der koische Tlead == Titenéa (s. 
Anh. 1b). 5 6 o¥aomet'pion wie ovaoxdion. 7 TINAE Exacta! »patella« nach vy. Prott: oder 
Votivtatel, »Heroenmahl«? 7,8 erg. von Hg: ia peic Dub. Pat. ist zu kurz. 8S 9 und 10 
Auf. gel. von Hg: ec Konicaaon erg. Pat. beidemal. was zu den Resten nicht stimmt. ec 
Ko niop ton? 8:9 Hiller v. Girtr.. ‘ec TTAjccanon? 10 He als Flurnamen. wenn man nicht 
mit Dub. und Hicks an mit IHerakles verbundene Herven denken will, wie an seinen koischen 
Solm 10 éc Qeccanon >ftir Thessalos«? Auch B59 écc Aakniaac Admater ist nicht klar. 

II eewi €¢ fepa erg. von Hg nach 2.4: ‘iarei ijepA Pat.. eed: iepA. was den Raum nicht filet. 


- Prott. Ditt. Schwyz. éolepA —— Z. 5 €m! ToYTwN ékAcTwl 1ePA. Vel. Ziehen. LGS II 65. ta €¢° 
5 S 9 

i€POIC. 492, TA KA@HKONTA T@! eewl - - éeiepa. Poll. VI76 ésiepoc Name einer maza. Fiir Pat. 

wiirde sprechen 7B, ... iephi KpieAN .... aber der Priester aamBane! répH, mapéxel iepA. 


13 Innoc »Laterne«, vel. Aristoph. Pac. 841 mit Schol.: Liehter spielen im koischen Kult 
auch spiter eine Rolle. 


4. Unbekannter Monat. 


Sect lonears can ny ‘Ent AKAIAC KATA Armoaaw'ni ania? UIC. 
"TEAEWC’ TOYTOY, ATo@OPA’ evel iaPeYC KAl IEPA TT APE - 
"xel’ répH @épei S EPMA KAl CKEAOC ? TAI AYTAI AMEPaAt’ 
TAATOI CIC TEAEA* TA YTAC ATIODOPA’ iePA IAPEYC TIAPE- 
5 X€l" TEPH AEPMA. i “EN ATAI TIPO € 1KAAOC’ XAPICCIN AE" 
‘evel A€ TAPEYC OjF KA KEAWNTAI TO! iAPOTIOIO! TAYT- 
"AC AG TO AIMA TIOT IPPAINE! A [éPEA TPIC MEM THOT) TO N 
"BWMON, TO A€ TETAP TON TIOTI TOA AION TON EN TAIC EA- 


“AIAIC KEIMENON” AAIN;YONTI AE AYO GYWNAC TIOIHCANTE- 

1 "co, TON Te KPE@N MIAN?, KAI TWN CTTAATXNWN, KAI TAC @1- 
"WNac TiseNTI Em BwMOY' one? Ac TAI Acial emitieen- 

“tl, Tol Al HBWNTEC ETA PEAMENO! KAl TON CITAATXNW N| 
"T@N ETT] TOY BWMOY, KAl TOY AleoY TOY EN TAIC EAA TAI - 
‘¢ AYAMENO! OMNYNTI* CIT AAFXNIZETAI TIPATICTA MEIN, 

': TA émtl BUMOY. ETA TA Er] Toy aleoy Kal TA ATO TOY al- 
“e0Y"’ TA A€ KPEA KAI TA! cKke Alaec 2, Kal TO AEPMA arizeT- 
ais Tepa taporoiol mapé conti. | € “TkAaI’ Attoaawnt Kap- 
“nel@! KAl APTAMITI of ¢ TeAeWC Kal TEAEA™ OYE! TEP- 

“eve 0 TON Avwaeka Oe wn icpA aé iepeyc mapexel’ réPH 

2. "AAMBANEL QEPMA Kal ckeaoc. frei. 


frei. 


Zur Bestimmung des Monats kaun nur soviel gesagt werden, da es nicht der Karneios 
war, weil am 20.. dem zweiten Haupttag des Apollon. nur ein bescheidenes Opfer fiir ihn 
vorgesehen ist. Der Stein kann nach den Magen aueh nicht das Unterteil von 2 sein. 

1 Der Rest des ersten Buchst. palit besser zu A als zi Q ‘oxtwxatackatal. Laat 
habe ich erginzt, weil die zugehérige Gittin Z. 4 des Raumes halber nur Latu sein kann. 
ygl. S Bis. , 5 statt ‘enjatal kimpte auch “neAtai mee tkAaoc »undevicesima« ergiinzt werden: 


Heilige Gesetze von Nos. 13 


aber in dem Opterkalender vom Demes [sthmos PH yo2h folet aut’ Z. 5 avwaecatar Z. 12 
enAtal (loch wohl mpo ikAaoc. Sonst ist diese Bezeichnunge des 1g. nicht bekannt. Der 
Steinmetz hatte hier und Z.17 die Vulgiirform cixaaoc wesehrieben, sie ist aber hier dure 


unvollstindige. Z.17 durch vollstindige Tilgumg des E in die alte dourisehe Form ixaaoc 
wie 1,; 5, 3, verbessert. Um Itazismus handelt es sich dabei natiirlich nicht.  Fiir dic 


RKulthestimmungen Z. 5-~17 glaube ich den Nchliissel in folgenden Frwigungen gefunden 
zu haben: Das Oper gilt den Chariten (5): bei diesen wird in Athen der Ephebeneid voll- 
zogen. Blut (7). cmadrxna (10.12.14) und aieoe (13.15) spielen bei Kidoptern eine Rolle: 
eine weitere Beziehung zum Ephebeneid scheint sich aus dem Lokal en taic ae (SA E33 


mi ergeben. 5 Die Ziege ist Opfer fiir die Chariten in Athen (Ziehen LGS II 24), verboten 
in Thasos (ebda. 109). 6 Das Opfer wird, wenn ich richtig erginzt liahe: wegen seiner 


Bedeutung fiir die Minner von einem minnlichen Priester vollzogen, doch wirkt die Priesterin 
mit, Z.7.: 70 aima diirfte sicher erginzt sein. vgl. Lykophron Alex. 684 eepMdn alma TIPOCPANAC 
soerw. Die Rolle idles Bhits beim Eidopfter ist hbekannt (vgl. Stengel. Opferbriiuche 1S ff). 

S der aieoc ‘Aproc, ist die alte rohe Urform des \ltars: bei einem solehen aieoc wurden 
z. B. in Athen Beamteneide geschworen (\ristot. Ae. nos. 7.1.55.5. Demosth. 54.26 [Uarpoer. 
s. aieoc,. Plut. Sol. 25. Pollux Vill 86) Wenn er in Kos nach der einzig moglich er- 
scheinenden F regauzung én taic éaaiaic stand. so erinnert das an einen in Dreros aut Kreta 
mit dem Ephebeneid verbundenen Brauch, SvH.3 527155 KA EAAIAN EKACTON OYTEYEIN KA] TEOPAM- 
MENAN ATIOACIEAI” OC AE KA MH OYTEYCE!, ATIOTEICE? CTATHPAC TENTHKONTA. Verstindlich wird dieser 
Brauch. der fihnlich noch in der Schweiz erhalten ist (vel. Mannhardt. Wald- und Feld- 
kulte T 49 ff). aus dem attischen Ephebencid in der filteren Fassung: Plut. Ale. 15 oY MAN 
AAAA Kal Thc rfc CYNEBOYAGYEN ANTEXECeAl TOic AeHNaioIc KAl TON EN ArPAYAOY TIPOBAAAOMENON Aél 
TOIC E®HBOIC OPKON €Prw BEBAIOYN’ OMNYOYCI FAP DPOIC XPACACeAI THC ATTIKHC TrYPOiC KPIGATC AMTEAOIC 
CYKAIC EAAIAIC, OTKEIAN TIOIGICEA] AIAACKOMENO! THN HMEPON KAI KAPTTOeOPON. Cie. de rep. III 9.15 
Athenienses iurare etiam publice solebant. omuem stiam esse terram. quae oleam frugesve 
ferret. Bei Plutarch wie bei Cicero wird diesem Schwur cine imperialistische Tendenz zu- 
geschrieben, die aber nicht urspriinglich sein diirfte. Vielmehr wird er mit der eleusinischen 
Mysterienlehre und dem uralten jepdc Aeotoc der Buzyyen zusammenhiingen und ihre heilige 
Ackertlur am Burgabhang mit dem Aglaurion. dem Lokal des Epheheneids. értlich ver- 
bunden gewesen sein. Vielleicht war dort auch eine Olpflanzung wie im Pandroseion aut 
der Burg. Der alte Schwur klingt noch nach in der spiteren Fassung des Ephebeneids 
bei Pollux VIIL 105 kal THN TaTPIAA OYK CAATTW TIAPAAGCW. TAEYCW ae KA) KATAPOCW OTTIOCHN AN 
TrapadézumAl. Wobei fiir das unverstindliche macycw einzusetzen wiire KaTasyteycw. Bei Stoh. 
flor. 43,48 ist die Fassung noch weiter veriindert. (Das Material bei Guil. Hofinann. De 
jur. ap. Ath. formulis. StraBh. Diss. 1886. 28 ff) Der entsprechende Passus in einem auBer- 
ordentlichen Biirgereid von Kos aus dem Antang des Uf. Jahrh. (ined.) lautet: ovae TAr 
K@IAN €AACCW TINOMENAN TTEPIOYEYMAl, ANA’ AYEHC@ KATA AYNAMIN TAN AYTOY, zeigt also auch eine 
expansive Tendenz.. 9 aain yonti. das o ist klein tiber dem y nachgetragen, es handelt 
sich also um ein Verbum. das auf’ -vai und -yw flektiert werden bonne: auch ¢MNyYONT! 
wire moglich, das ich 14 erginzt habe. eyvwnac (die Endung auf Rasuri hier und Z. 10 11 
als neues Wort. gebildet wie cipeciwnn, schlagt v. Wilamowitz vor: es miiBte etwa » Opfer- 
portionen« bedeuten: ich hatte es als gen. des Eigennamens. Ovuwnac. gefabt, Ovaona als 
den Namen der alteren Charis, die zwei Portionen bekommt. Acia Z.11 als den der jiingeren. 
die nur eine bekommt: avo Oya@nac (gen.) Moicante’c ; MOiPAC TON KPEGN: KA' TON CTTAATXNWN, KAI 
TAC ‘se. moipac’ Qywnac (gen.) tieentt emi B.wmoy. Das wiire aber ungeschickt ausgedriickt 
und wir wissen nicht. ob die Koer wie anderwiirts in alten Kulten nur 2 oder 3 Chariten 
verehrten. und wie sie bei thnen hieBen, Die Acia wird ja wohl eine von ihnen sein. 


14 R. Herzou: 


und ihre Portion auf den sieoc gelegt werden. Hier findet dann der Schwur statt. 
12 Tol del He@ntec habe ich als koische Bezeichnung der Epheben (vgl. 9) ergiinzt, émapzé- 
menol nach Stengel, Opferbr. soff. und Syll? 323%. T@N cmaArxnwN - - [AYAMeNo!| nach Stengel. 
Hermes 49,99. ', 14 craarxnizetal == crraarxnevetal wird Maceab. 11 6,7.8.18. 21.42 von dem 
ewemeinsamen Essen der cnadrxna als Loyalititsbezeigung am Geburtstag des Konigs ge- 
praucht. Das kann eine in den hellenistischen Kénigreichen erfolete Umbildung des 
Ephebencids der demokratischen Staaten sein. Den Ursprung des Ephebeneids sehe ich 
in einer Weihe des »MAnnerbunds«, bei der die Kommunion. das craarxnevein, der in «lie 
Biirgerschaft Aufgenommenen, die Hauptsache ist. Deshalb dart wohl an das Opfer dabei 
nicht der strenge MaBstab angelegt werden, den Stengel. Termes 49, 90ff. an das Schwur- 
opfer anlegt, dal} nur mannliche Tiere (zwar kann aiz an sich minnlich sein, aber teAroc 
wiire deutlicher) geopfert werden, und daB vom Opfer nicht gegessen werden darf. Fiir 
den Biirgereid aus besonderem AnlaB bestimmt auch die obengenannte koisehe Urkunde: 
TA AE OPKWMOCIA ECTW TAYPOC KATIPOC KPIOC, TénclA MANTA, OLWohl] eine GOttin unter den Scliwur- 
edttern ist: AaaeA TavTa Nal TON Aa Kal TAN” Hpan kal TOM TToteiaa. Aber unsere Kenntnis 
yom Geschlecht der Opfertiere und dem Verbot, von ihnen zu essen, ist noch so liieken- 
haftt und widersprechend, daf ich Stengels Ausfiihrungen fiir zu apodiktisch halte. Gegen 
sie spricht schon [ 103, wo die Troer als orkia darbringen APN’ etepon neYKON, ETEPHN AC 
MéAAINAN, [4 te Kal Heaiw, was Stengel nicht zu entkriiften gelungen ist. 15 AIOO steht 
auf Rasur. es war wohl zuerst verselentlich BQMOY wiederholt. | tA ém to¥ afeoy Kal TA 
amo ToY ajeoy entspricht den Begriffen émisomia und Amoswmia ierA, die Aristoph. Byz. bei 
Eustath. ad Od.1720.28 detiniert als TA mH ém) Bwmoy, Aan’ éml EAdooye KaAeArizOmena. Val. 
IG V 2,403.! 16 Anfang AIAES oder ALAE&? Der erste Buchst. hat cinen diinnen Quer- 
strich, aber auBer Kepaiaec, fiir das die Bedeutung »Térner« (der Ziege) nicht bezeugt ist. 
finde ich kein passendes Wort auf -aiaec: sonst liegt ckeaiaec nach der Formel ckéaoc kal 
aépma am miichsten. | Arizetat Wohl = kaear. == kapmovtal: alles. was nicht zur Kommunion 
dient. wird. wie bei Eidopfern, verbrannt. 17 Anfang ergiinzt nach 3,. | 17-——20 zu Apollon 
Karncios pabt am besten Artemis; der Priester der Zwélfgitter opfert auch 2y6 fiir einen 
Einzelgott. 


5—S8. AIAPPAGAl fiir einzelne Kulte. 


Die leider spirlichen Reste 3--7 vehéren der Schrift und Sprache nach in dieselbe 
oder wenig iltere Zeit wie 1—4. Auch sie erweisen sich als Koditikation aus der Zeit des 
Synoikismos. Sie sind aber, soweit sich erkennen 14t, nicht an der Kette des Kalenders, 
sondern nach den einzelnen Géttern geordnet. 8 stammt aus dem ersten Drittel des III. Jahrh. 
und gibt sich selbst als Kodifikation alter Gesetze, die sich mit 5 beriihren. Als tech- 
nischer Ausdruck fiir solche heilige Gesetze kehrt in Kos immer wieder aiarpaod » Regle- 
ment«. 


3. Zwei Bruchstiicke einer doppelseitig beschriebenen Platte von weiBem Marmor. 
I= PH 40. SGDI 3639. LGS18 stammt wie 1, 3, 4 aus der Sammlung des Dem. Platanista 
in Kos und wurde von mir nachgepriift und abegeklatscht. I] wurde in der unmittelbaren 
Nachharschaft der Kirehe “Ar. ‘loAnnue gefunden (PH S.94). was auf denselben Aufstellungs- 
ort wie bei 1—-4 hinweist; es wurde von Paton 1886 velesen, aber seine Abschrift ging ver- 
loren und der Stein wurde 1887 aus Kos verschleppt. Er kam 1915 dureh Schenkung ins 
Brit. Museum und wurde in den Gr. Inser. Brit. Mus. IV 2 nr. 968 mit Photographie und Nach- 
zeichnung erstmals yon Marshall herausgegeben. Ich erkannte aus dem Inhalt die Zu- 
sammengehérigkeit von I und If und stellte den textlichen Zusammenhang her. Ilerr 


Heilige Gesetze con Nos. 15 


Roger Hinks vom Br. Mus. unterstiitzte mich dann aufs liebenswiirdigste durch Ubersendung 
yon Abklatschen und Uberpriifung einzelner Stellen am Original. 

Dicke 0.08 bei Il (Oberteil), 0,085 bei [ (Unterteil). H. d. Buchst. 0.01, sehr alnlich, 
aber etwas altertiimlicher wie beim Kalender. Beide Bruchstiicke haben je einen Rand. 
Die Buchstabenzahl der Zeilen war 52—355, ohne Silbentrennung. Sinnesabschnitte sind 
durch kleine Zwischenriume bezeichnet A17. Br4.23. tm Text markiert dureh y(acat). 


Die Anordnung ist wie folgt: 





Seite A: Fragm.I (London) Enden von Z.1—21. Fragm.I (Kos) Anfiinge von Z.16— 34. 
» B: » II » Antiinge von Z.1—21. Fragm.I (Kos) Enden von Z.15 — 34. 


A. Kultgesetz des Zeus Polieus. 


we er ee ee ee ee ee eee \T! 
wee ee ee ee ee ee ee ee ee ee ee eee WN TOYT. 
wer ee ee ee ee ee ee ee eee eee Ojicit KA A TOA- 

‘IC KEAHTAID = = = 2 eee eee ee eee ee eee -|ANTAC* TAPA Aé €- 

‘ml TOYTOIC A TIOAIC TIAPEXE! KAl AIAWT! TO TINOMENJON(? APrYPION EC T- 
‘AN KAAPWCIN TOY TaPéwc(?)* ATIOACAYCOAI AE APXAN TA,NAE TON IAPA* MONA- 
'PXIAC TIPOCTACIAC CTPATATIAC” ArNEYECO|Al A€ TONAE TON TAPA* MYCAP- 

[@1 MA CYMMEIFNYCeAI MHAG TIAP’ HPWNA ECejEN MHAE TAP’ “EKATac MerAn- 
[ac MHAé OCCA TOIC eEdIC TOIC XEONT/OIC eYETAI MHAE OCCA TOIC ENE- 
PTEPOIC HPWCIN ENTAMNETAI, MHA EM\TIATEIN HP@ION MHAE EC OTKIAN 
‘ECEPTTEN EN OTTO[Al KA ANGPWITOC ATTO@A;NHI AMEPAN TIENTE Ad AC KA AME- 
PAC 0 NEKPOC EEENIXOHI, MHAE EC OIKIAN E|CEPTIEN EN OTTOIAL KA TYNA TE- 
KHI AMEPAN TPI@N A® AC KA TEKHI, TIENTE A€,; Al KA EKTP@I’ Al AE Ti KA TOYT- 
WN TOM MYCAPO@N TOI TaPAI CYMBAL OArEN, TIE|PITAMECOW XOIPWI EPCENI K- 


1s Al KA@APACOW ATIO xPYCioY Kal TIPOCTTEPMET AC’ Ai AE Ti KA TON AA(A)WN TI- 
[ 


q6r=—4 


Itt 


aézetat 6 Taree TloY ZHNdc TOY TToaiéwe kal TO|N OeGn TaN Ayo acka’ k]- 
A@AIPETAL xoiPwi € TM eAndccal KA ee! ZHN]} TToaial Bov{N KA) AeAN,- 

20 al TTOAIAAI GIN Te AEAN KYEOCAN EN TOI- - = 2% -|c(?) Opert Tep/A Eml ToY.- 
Toic Tapeyc TraP[éxel* A A TOAIC ATTOAIAWTI TG! TAPHI TO] AN AAICKOM - 
ENON ApryPION éc [TAN @YCIAN: KATA TAAe 0 BO¥c eveTal ZHNi TTonlAt’ ENA|- 
OPA ENAEPETAI’ Elo ECTIAN OYETAI APTOC EZ HMIEKTOY KAl AAGITON HM)- 
lexTON KAl KPTOC |ATEPOC TYPMAHC KAI TA ENAOPA* TAYTA OYE! TAPEY|- 

5 C KA €TicTIENAe.| OINOY KPATHPAC TPEIC KAI TePA TIAPEXEI* TA AE TEAE - 


& 


cTPA A T16aic TrA[Péxel” 6 AE TAPEYC EENIZEI TON MONAPXON KAl TOC IA,- 
portoioc Kal KA!PYKAC. TéPH @éPel A€PMA KAl CKEAOC KAl xéavor Hmicy, 
Kal Kolaiac Hm[icy’ eYA@OPW! AE TOY CKEéAEOC TOY TAN TAPOMOION Ai - 
AOTA! AKPICX[ION, KAPYEI NWTOY AIKPEAC, YTTOMAIA, AIMATIOY OBEAO)- 

3» ¢ TPIK@AIOC, [NecToPiaaic N@TOY AiKPEAC, TATPOIC KPEAC, AYAHTAI Kj- 
PEAC, XxAAK! EWN KAl KEPAMEWN EKATEPOIC TO KE@AAAION’ TA AE AAAA KPEA 


tac Tréaio'c’ TAYTA TIANTA OYK ATlOoéPeTAl ExTOC TAC TIOAIOC’ - - - | 


is) 


-AlL MHQE - > 7 ee er ee er ee ee 


16 R. llerzos: 


B. Kultgesetz des Apollon Dalios. 


NONTA MY[CAP © => - 2-2 3 ee tee ee eee eee eee eee 
TAC \AGAC Ste ers Be see eee Scie oS ee bee tne ee coke ete eS Blea 
Wh Hb mm ee ee ee ee ee ee ee ‘To. AmoiapHiaal Tol TO lepon m1Y¥P, 
eéPONTEC EK TOY Bum OY TCY KepaT@noc ToY En AAdawi’ TAc ae Aanhaac? 
TAc ArpetAc ‘TAC? epmoycac mepi Tor KepaT@Nna Kal TON TOM TIAIAWN XOPON T - 
ON TON TTamevacwn éreK Temme! A Oa: 2). Kaaymniol? €c eycian ATATON - 


U0 


Tw éc KON Ta! Ardéanwn) To! Aaninl BoYN Kal OIN TEAEWN KAI TEAEAN’, 
TOYTWM o€pe! O TapeYc rePH CKEAH KA) TA AéPmaTA’ O iaPperc Ail Oveiw - 

rm | OYETAL ET) KAAAIAPIAL KA! OYP WI KA AC@AAS AL TOIC TUL Altona - 
wni TO! AAaiwi GEWPIAN TEAC! YC! BOYN KAI CIN TEACWN KA] TEAGAN’ TOYT- 
WN ¢€pel 6 TAPEYC FéPH CKEAH :KE®AAAC TIOAAC KA) TA QEPMATA’ TOYTON, 
Tar KPEWN OFK ExArurA éK KO KATA TAYTA Aé AtlArEeN? - - - - B= RL eee 
oc’ ' Kniaioc amAren T@: Arto aawni TO: Aanlw! BovN KAL ON TEAEWN K - 

13 Ai TEACAN KA) TAL AaTOT TEA EAN’ FéPH @EPE! O iAPEYC; CKEAH Keoan ac. I, 
TIOAAC KA] TA GEPMATA’ T@ C KPEGN TOYTWN GYK E#Ar wra EK K@* ArTAreN AE [0,- 
kKA Kal é¢ Aoncoc némr HTaA! eewPia éc TIyeia K wiwn 4 ZEéNWN, TOI Aréaa- 
fon to! Aanio: H tal Aa‘tol €c eYciAN MHAAM)@C Y' AAAO A TAL AIXOMHNIA- 
‘| Tor » HNOC TOY Aan joy’ ToYTOIC aé O IAPEYC OiN EmiPPEzéTW TEACWN 

a yrtep AM SIAPHIAAN KA) €rTeyxécew Tw! ATIOAAWNI MH EENIKON CTPATEYM- 
"A ETIBAA,OM'ENON MHAE AAICTAC ETITIETONTAC OTT AA o€PEN éT” AMoIAPHIA- 
‘ac’ KATA TAYTA Aé ETipPEZéTW KAI YEP TOP xOP@ N AMNAN KA) AMNON KAI 
"emeyxécew TA AYTA TO! Arténnwni Kal tar Aptamiai. © “Icemiwtaic ala- 
"ONTW TO] TAMIA] APAXMAC TETPAKATIAC €C @/CIAN YITEP Tac Troaloc. A- 

1s 'AACAPNITAIC AE TPIAKATIAC 2 . “AA A AIATPADA A TIEP: TA,N IAPEWCYNAN T- 
‘AN AAMOTEAGQN KYPIA SIAMENETW EC TON ATIANTA XPSNO.N' Al AE TIC KA MET- 
‘A@HI TL T@N EN TAIAE TAI AIAPPA@AL TEFPAMMENWN, WCTE TAM TIOAIN EZ WM M= 
‘eTETEGH BAATITEC@AL H TA TePA MH KASWC CYNTEAEIC Al. ZAMIOYNTW 
TO] TTPOCTATA! APAXMAIC XIAiAIC” Al AE TiC KA T@N TA PEWN H TAN TAPE- 

sv TAN MH APNEYHTAL CYNOYCIAC TIAIACC bh ANaAPOC H TAP® €NO H FYNAIKOC 
"TIPO MEN TAN @YCIAN TPION AMEPAN, TIPO Aێ TAN TIANATYPIWN T PIAKONTA AME= 
"PAN. ZAMIOYCOW APAXMAIC XIAIAIC KA: KATAAYECEW TAC TAPE WCYNAC TA 
'C BAMOTEAGOC’ Al AE KA IEPEIA MA APNEYHTAL ATIO EPCENOC TOKOY T PiAK'ON - 
‘TA AMEPAN FH ATIO OHAEOS TECCAPAKONTA AMEPAN. ZAMIOYCOW APA XM'AIC x - 

2s TIATAIC KAI KATAAY€COW TAC IAPEWCINAC TAC AAMOTEAEOC’ ----- ----- 


A. Der ganze Text der Seite gilt dem Priestertum des Zeus Polieus und der Zwolf- 
gétter, das wohl meist in einer Person vercint war, als das héchste Staatspriestertum. 
Es beginnt nicht erst mit Z.17 toicae teaێzetai (s. zu GA,). Es ist vielmehr natiirlich. 
daB die Voraussetzungen fiir die Person vor der Weihe behandelt werden, wie auch 8A;:—-3: 
Auch passen die arneiai Z. 7--16. die sich mit den eastus des tlamen Dialis bertiliren. gut 
aum Zeuspriester. 

Durch meine Nachpritfungen an den Abklatschen babe ich aus den Bruehstiicken 
namentlich an den Bruchrindern mehr herausgcholt als Pat. fiir 1 und Marshall fiir Il. 
was ich ebensowenig immer angebe wie die friiheren Lesungen und Erginzungen vor 
Kenntnis des Zusammenhangs. 1— 6 hezichen sich vielleicht auf die Losung des Priesters, 


Heilige Gesetze con Nos. live 


die aut Kos spiter meist durch den Verkauf. meacic. ersetzt wurde. Die Opfer em tal mpAces 
und die Anweisung des Geldes dafiir kehren in den spateren aiarraoas repel mabe wieder. | 
6f. Befreiung oder AusschluB des Priesters von Amtern wie in Rom fiir den rex sacrorum 
und den tlamen Dialis. Die drei héchsten Amter erscheinen auch sonst in der von mir 
ergiuzten Reihenfolge; fiir mpoctaciac. das Amt der mpeoctatar. kGnnte auch aamapxiac cingesetzt 
werden. Vgl. Anh. Te. 7---16 Arnefar und kaeapmei des Priesters, ergdnzt aus 8 A245. 
das mir dan Schlissel zur Zusammenfiigung der Bruchstiiecke gab. | 8 map “ExAtac Meran ac' 

In Karien heift Hekate in spiterer Zeit mericTH ecA. vel. Bruno Miiller. Meérac eeoc 335. 
Ks handelt sich hier um die “Exataia acinna, vel. meine Musbaheangen in den Hess. Blitt. 
{. Volkskunde 25.1926,222. | 13 Anfang \IKA gel. von Ig. 14 me pitamecew verkiirzter 
Ausdruck: »er soll sich mit dem (Blut des) zerschnittenen Ferkels umspritzen«. Abnlich 
TIEPIPPAINW TePIMATTW TePIcKYAAKIzW bei Reinigungen. 15 SchluB ANQNM 16 hier faugt 
vorn Fr. I an. Die erhaltenen unteren Buchstavencndes passen besser mM THAPAKPO YCEl, 
»wenn er einen von den anderen Verstéen begangen hat«, als zu dem synonymen MAPAMAPTHI. 
das 8 A.g steht. | 16f. Geschlechtszugehirigkeit des Priesters, ergiinzt sich wechselseitig 
mit 8Az,¢ Vgl. Anh. Ia. Diese Priestertiimer sind also kata rénoc. | 17-22 Weihe des 
Priesters. 17,15 erg. yon Hg nach 6A,. AETETAL steht klar auf dem Stein: aézeta: 
gegen den dorischen Dialekt Pat. Uber das Wort teaézw s. Anh. ILL , 20 -- y ope: Marshall: 
nach Hinks ist der erste, verstiimmelte Buchst. sicher kein ®, vielleicht ein nachlissiges F, 
wahrscheinlich kein Y. sicher kein =. Mir erscheint auf dem Abklatsch sicher nur der 
obere schriige. breite Balken eines =. der schwache Strich, der von seiner Mitte schriig 
nach unten geht, nur ein Kratzer: der untere Schrigbalken des = kann durch Beschidigung 
am Rand verschwunden sein. So erscheint mir = wahrscheinlicher als Y. Fiir den ersteren 
Fall kénnte én tO: tToY ZHnojc Ope: ergiinzt werden. fiir den zweiten kiime Zxnoc Oveio y 
oder “Yetiojyy nach PIL 382 == Syl21107 in Betracht. Ein leider stark zerstirter Opfer- 
kalender, den Jak. Zarrattis in Asphendiu, am Fu des aus Theokrit VIL 46 mit Schol. 
bekannten héchsten Berges von Kos, des “Qroméawn, des » Herrschers tiber die Jalireszeiten«,. 
gefunden hat. verzeichnet untereinander Opfer Zuni} ‘Opiw: und “A; réanwni ‘Qromé aonti|. wozu 
lie Epiklesis Qeoméaon in dem Apollohymnos von Tenos IG XII 5,893; zu vergleichen. Das 
Bergmassiy hat zwei Gipfel. von denen je einer dem Zeus und dem me heilig sein konnte. 
Der Kult des Zeus und Juppiter auf den héchsten Bergen ist bekannt. Vel. Ahan he ae 
22-- 34 Opfer an Zeus Polieus, schon von Pat. durch Vergleich mit 1j6—;; in der Haupt- 
sache richtig hergestellt. Ilier scheint der Text in Ordnung und dem alten Gesetz niher 
zu sein. Das Reglement soll hier wohl nicht nur fiir das Einweihungsopter, sondern 


fiir das Staatsopfer an Zeus tiberhaupt peers werden. , 25,26 Téac,ctea erg. von Hg 
nach PH 2759 Syll. 104717: feyjctpa Pat. nach 2.4, wo es aber nicht steht. also tiberhaupt 
unbezeugt ist. | 2627 erg. von Hg nach 8 A32f. und 159: iaporoidc Kal Ka pyz Pat.: es 


kommt aber nie ein einzelner fapornoicc yor, sondern nur das Kollegium. Es handelt sich 
hier um die cena aditialis, die bei den rémischen Priestertiimern eine so grofe Rolle 
spielte. Auf griechischem Gebiet ist mir nur die Schilderung bei Athen. MII 549 F aus 
Kyrene bekannt. 

Bi—25 Kult des Apollon Dalios, der auf Kos wie im ganzen Bereich der dorischen 
Hexapolis eine grofe Rolle spielte. | 1— 4 ergeben nichts. 3 tAc inéac Marshall » presumably 
the entrails«, Méglich wire auch taéac »gnadig« wie teaéac: téacewe oder Taac »Scharen« 
mit Gleitlaut. 4 Rasur. | 4—7 myeedeo: und Chore fiir Delos. 5 als Objekt zu eépontec 
ek To? sumo? liegt am udchsten das heilige Feuer, das auch die Lemnier aus Delos (Philostr. 
lleroic. 14. Nilsson, Griech. Feste 173.470) und die Athener aus Delphi holten (Pomtow, 


Syl? 711°). Den Namen des Geschlechts der myeedpeo: habe ich Z. 4 aus Z. 20. 21 ergiinzt. 


Phiti-hest. Abh. L028. Nro 6. 3 


18 R. llerzoe: 


Der Altar ist dann der beriihmte Keaton aut’ Delos (vgl. tiber ihn Cahen, Rev. Et. Gr. 
36. 1923, 14ff.). Um ibn schritten die Adaiaacc. Jungfrauenchire nicht nur aus Delos, 
sondern auch von fremden Staaten zum Fest gesandt. Auf Kos kommen AaaiAacc in einer 
Prozession vor (ined.). Ich habe sie daher Z. 5 ergiinzt. obwohl Arreta: (Z. 6) nach Hesych 
S. V. TIAPA KWIOIC ENNEA KOPAI KAT ENIAYTON AIPOYMENAI TIPOC @ePATTEIAN THC AeHNAC Waren, weil 
ebensogut in jedem andern koischen Kult gewihlte «opai so heifen konnten, und weil 
Athena mit Delos nichts zu tun hat. Nach Arpetac ist viclleicht tAc durch Haplographie 
verloren. Zu dem Miidchenchor gescllt sich der Knabenchor. den die Pamphyler stellen. 
wie auch an den Dionysien auf Kos die Phylen (PH 45. KF 13). Solehe Auaitai xopoi 
(Kallimach. tr. ge Pf.) haben Pindar und Bakehylides z.B. tir die Keer eingeiibt. | 7 EDEK 
deutlich auf dem Abklatsch gel. von Hg: TE! Marshall. 7-23 Voropfer auf Kos fiir 
die Theorie nach Delos. Wie sich die attische Tetrapolis vor der delischen und pythischen 
Theorie versammelte, um giinstige Fahrt zu erbitten (Philochor. fr. 158 M.), so scheinen 
sich die Nachbarn auf Kos versammelt und die Opfertiere zum Voropfer mitgebracht zu 
haben, das in Kos vollzogen wurde und von dem der koische Priester die repo bekam. Der 
technische Ausdruck fiir Opfer und Theorien. die von einem auswiirtigen Ort eingebracht 
werden. ist AmArein Z. 14. 16, danach zu ergiinzen Z. 7.13. Vel. KF ig. IGP ind. Plato 
Phaed. 58d. Von den Nachbarn sind erhalten die Knidier Z.14. heispielsweise kinute 
man Z.7 die Kalymnier, deren Hauptgott Apollon Dalios war, und Z.13 die guten 
Freunde und Naehbarn im Stiden. Nisyrier und Telier, ergtinzen (vgl. Anh. Ib). Doch 
ist diese Kombination problematisch. Die Ordnung scheint bei der Redaktion verwirrt 
worden zu sein, denn die WKnidier sind Z.14—-19 nachtriiglich zwischen die Opter- 
bestimmungen cingeschohen worden. . 10 KAIOYI gel. von Hg: KAIOYL «ai ‘ove Tai 
Marshall; kal oyewi ist die beste Ergiinztmg zu em kaaniapial. Kal Acoanciat nach Z. 2011 
12 ckéaH aus ckéaoc korrigiert. 17 zu den Formen oxxa tnd Aoaséc s. Anh. I. 18 VEAAAO 
anscheinend aus AAAA korrigiert. Erginzung und Sinn ist unsicher. Ob nur dasselbe 
Voropter fiir die pythische Theorie vorgeschrieben werden soll oder fiir den Fall, dali die 
delische Theorie auch nach Delphi geht, ist wnklar, ebenso oh sich das Datum, 14. oder 
15. Dalios. auf die delische Theorie bezieht. Nach meiner Rekonstruktion des Kalenders 
fallt der koische Dalios in den Juni;Juli: ob die groBen Delia auf Delos im delischen Monat 
Hieros (Febr./ Miirz) oder Thargelion (Mai, Juni) stattfanden. scheint uoch nicht geklirt. Tin 
Jahr 250 war eine koische Theorie im Buphonion (Sept. Okt.) auf Delos (ygl. Nilsson, 
Griech. Feste 144ff. IG X12. 287 Az2). So scheint unsere Urkunde in ihrer Liickenhattig- 
keit die Frage der Delien noch weiter zu verwirren. 19—23 SchluBopter und Gebet 
fiir den Schutz der nmye¢dro: und der Chore: fiir die feuerholenden Amphiareiden wird ein 
ausgewachsenes Schaf’ geopfert, sie werden also Jiinglinge gewesen sein. fiir den Knaben- 
chor dem Apollon ein minnliches Lamm, fiir die Deliaden der Artemis ein weibliches. 
Man denkt bei den Chéren an Catull 34 und Iforaz e. 1V 6,33 und an ihre griechischen 
Vorbilder (vgl. Philologus 71. 1912. 1411). © 20 zeniKON cTPATeyma: wenn auch die exexeipia 
von den griechischen kriegfiihrenden Iecren und Flotten gewahrt wurde. so waren doch 
die Perser und andere Barbaren ebenso zu fiirchten wie die Piraten. 23 leshar ist mur 
AI spat. EO mataic: AANEO Dubois. ier,A a] ‘Ice. Pat. 24 lasen Dub. und Pat. vor 
YPEP noch Tl: es diirfte sich in beiden Zeilen um eine Augentiuschung handeln. da 
der Rand bestoBen ist. 23—25 Den heiden bedeutendsten Demen wird Geld fiir ibre 
Opfer angewiesen wie 15,6—22. Isthmos, der alte Vorort der lisel. schickte noch im Jahr 250 
eine eigene Theorie nach Delos, IG X12, 287,;. [S. auch Anhang IV).] 

25—34 Allgemeine Bestimmungen fiir Priestertiimer: 25 —29 Sanktionen gegen Ande- 
rungen des Reglements. 29— 34 Sanktionen gegen Verletzung der arnetar dureh Priester und 


Heilige Gesetze von Nos. i 


Priesterinnen. Die Bestimmungen fiber cynoycia und rékoc fehlen in der Aufzihlung der 
arnetar 9A und 8A. Wenn Priester oder Priesterin sie verletzen. sv ist das nicht wie jene 
Betleckungen ein durch kaearpmoi zu tilgendes Verselhen, sondern eine aktive Sechuld: daher 
werden sie bestraft und vom Priesteramt entfernt. An ein vollstindiges Keuschheitsgehot 
fir sie darf man deshalb nicht denken, vielmehr sind die koischen Arnefa: alle recht mild 
(vgl. auch Ty.) 30 2NOH lese ich auf dem Stein: "NOH Dub. Pat. ‘ojino’y) 4 Hicks: ich 
hatte bei Wachter. Reinheitsvorschr. 1127 vorgeschlagen “apcleno/c; # rynaikoc nach Ly. das 
richtige wird aber mapeéno'y: sein: das Gesetz will allen Geschlechtsverkehr beider Ge- 
schlechter, erlaubten und unerlaubten. nattirlichen wid unnattirlichen. erfassen. und das 
ergibt 4 Objekte in verschiedenen Kombinationen. 31 t)piAkonta Ame'pAN, fasse ich in dicsem 
Zusammenhang als die ieromHnia, vor dem Fest soll die Frist so lang sein. Wenn schon die 
Erginzung dieser Zeilen nur ein Versuch sein will, so gilt das noch mehr fiir die der letzten 
Zeilen mit wenigen Buchstabenresten: sie beruht auf der Lehre. die bei Hippokrates de 
nat. if. 18 (VIT 500 Littre) ausgefiihrt ist. dali die kAearcic bei den Frauen nach dem toKoc 
hei der koveu etwa 42 Tage dauere. beim xofeoc uur 30. Da wir sonst beim toKxoc 40 Tage 
ArnefA normal vorgeschrieben finden. so kiénnte hier die niedrigere Zahl so erklirt werden. 
(Vel. Wiichter. Reinheitsvorschr. 8.29). 


6. Bruehstiick einer AIATPA®A:. 


PH 41 = SGDI 3640. LGS Igo. Obere Ecke einer doppelseitig beschriebenen Platte. 
Fundort nach Pat. wie bei 5. ebenso Dicke 0.081, Buehst. flinlich, aber ihre H. nur 0,007, 
also wohl nicht Anfang von 3. Leider habe ich den Stein nicht wiedergetiunden, auch keinen 
Albklatsch von Paton. Der obere Rand der ersten Zvile war bestoBen. 


ahs 


Toicae tealézetai 0 iapeve To¥ (tott mit Epiklesis’ kaeaipetal xoiPw 
epcen em ean‘Accal kai evel TO! Gott mit Epiklesis Bo%n kal OIN TEACWN K)- 
al Emeyvel Aaloitwn HMieKTON KA] MEAITOC TETOPAC KOTYAEAC KAl KPIOA,- 

N HMIEKTON, Alptoyc AYO €Z HMIEKTOY KA! ETTICTIENAE! OINOY KPATHPAC TPE |- 

s Ic’ TOYTWN o'¥k ATO@OPA' = - = - ----- +--+ -------------- i 
| Axai@i(?)" TAY, TA evel TaPEYC’ TA AE TéAecTPA A TrOAIC TIAPEXEI’ TOF KPE|- 
ON OYK ATIO@OPA’ = > = - = = 2 eee ee eee eee eee eee A KA TAPE,~ 


‘y|c @YHI KAs - 2-25 eee eee eee ee ee eee eee eee eee 


ane. .F, 

EXWNTI A 

TAC MIAC AE 

poh Ghia eS SeSle igs aes Sh hoe Ce) a Si et Meg eee ee Shieh fe TAN ZAMIAN?, EKTTPACCECE- 

Bo Ale eaetin nese cathe Roa e net SAR St ssc Neteas live ap fai TIA|PEXEC@AI C= 
fe ee ee ee ee ee ee eee ee eee TOYC A-€ NEMOM- 


[énoc? ------------- +e eee ee eee eee eee ©? poe c- 





DaB hier ein Teil derselben Koditikation wie bei 3 vorliegt. ist klar, ob aber A der 
Anfang eines Reglements ist, nach dem zu SA,-¢ Ausgeftihrten fraglich. 


vs 


20 R. Herzog: 


Ar lOIZAE | E/ erg. von Hg nachd5.\,,, das weitere nach den entsprechenden Formein 
in 5A und dem Kalender. 6 [Zun:i Axaid: Pat.: dagegen spricht, dai bei Opfern auf den 
Gotternamen stets das Optertier folgt: als Epiklesis ist nur Aumtap Axaia in Béotien be- 
kannt. Ich méehte daher eher an eine Ortsbezeichnung én 1,1 Axaid: denken oder bei 
Annahme einer leichten Verlesung Patons etwa an [kaeAriee ém mHN |) Aantal. 

B scheint sich auf die Verwaltung des Heiligtums zu beziehen: alles einzelne bleibt 
unklar. 


7. Bruchstiieck emer AIATPA®s oder eines Kalenders. 


PH 42 = SGDI 3641. LGS Tar. Bruchstiick von 2 anschlieBenden Seiten ciner acht- 
eckigen (?) Stele. H. 0.80. Buchst. wie in den vorangehenden Inschriften. H. 0,01. »Now 
at Svini. Brought from Cos. possibly from one of the demes.« Pat. Ieh habe den Stein 
in der Sammlung in Symi nicht gefunden, besitze aber den Abklatsch von Paton. 


A. B. 
(pee ee ee eee eee eee ejKaTep., Aé Tepe) ----------------- 
ee ee ee eee AP AXMAL TEPAl KPIGAN i7 = > = = = - = - TeTapT|- 
“eee eee eee xolpol?.c ez, Ol T- e¥c, meaiolinoy? ---------- €,- 
“eadwi = = ee ee TIE MTIONTAL K- = TeTAPTieic Oder TéTAPTAI - - - ~ - - ; 
gs [pee eee eter eee KA PYCCONT-  APYCTAP K[AINOC - ------+---- ols 

‘| ATNEYEC@AL ~ - ~~ ~ - EnT|A AMEPAN TEAEWI C- - ------------- B? - 

~ ee ee OUN APRS SSS eee aS tle kee 


Meine yon Pat. und Nachfolgern abweichenden Lesungen und Erginzungen beruhen 
auf dem Abklatsch. A 2 Bichet, 0.015 hoch.: 3 ~E= OITO Pat: <EEZOIT He 
5 \WPONTAIKS Pat.: nach dem M ist kein Platz aan firQ 6A A MFEPAN der Abklatseh: 
auch tpPiAKoNnT,A ist moglich. B3 memoinoy erg. von Prott = oinomem 4 vgl. 2ig 25 Bio. Zu 
oi tTeaéw!, Ay und Be vgl. 8 Bo. 


Anhangsweise seien die Reste von Opterkalendern aus den Demen erwihnt. Der 
von Jak. Zarraftis gettndene Opferkalender vom Demos Phyxa (Asphendit). oben zu 5 A 25 
erwiihnt, ist leider ganz unvollstindig und schwer leshar. Er scheint die Kultordnung 
einer biiuerlichen Genossenschaft aus dem II. Jahrh. v. Chr. zu enthalten mit Opfern 
fiir Sminthios, Hekate, Zen Horios, Apollon Horomedon, Phyxios und Herakles, und Pro- 
zessionen (mopevontal. vel. PH 382). 
3733. LGS 112 nach dem Abklatsch Newtons im Brit. Museum aus dem [V. Jahrh.. 4o1 und 
402 = SGDI 3731.32. LGSt1o.11 aus dem Ill. Alle drei Reste sind so spfrlich. dab 
sich ihr Abdruck auch mit meinen verbesserten Lesungen und Ergiinzungen hier nicht 
lohnt. Erwihnt sei nur. daf 403; acimnén und 402; aei mNON Wc AammPOTATON Parallelen 
zu den Festmahlen 139, 5Az26 und 8A, bieten. 





8. ATNELAL und KAOAPMO!I im Demeterkult. 


Linkes Oberteil einer doppelseitig beschriebenen Stele von w. Marmor. ausgegraben 
1903 bei der dstlichen Saiulenhalle der unteren Terrasse des Asklepieions. Die Leiste oben 
ist weggeschlagen. Erh, 1.0.73, erh. Br.o,42. D.0,175. I. d. Buchst. 0,009. Schone Schritt 
der I. Wilfte des TH. Jahrh. Herausg. von Herzog. Archiy f. Rel. wiss. X 1907. 400 his 


1-5 {ie"). 


Heilige Geselze con Nos, a 


as 122 B 

I. “Em monapxoy Qeyxaeve mHnoc Al- -, - Tag - -. éml mPOcTATAN 46, 
Pinwniaa To? Dinictoy © Anazikae’¥c toy acinoc ‘ “Hpoadtoy Toy, 
‘Hpakacitoy * “EmikpAteoc ToY Piawno‘c * ToY aginoc ToY a€inoc © Toy Ae€iNoc ToY AEiNOC ° 
égarutal eimtan Tlaciac Qeccanoy © Inm'm- - To% acinoc " 6 AcINA| 

s Bevadpoy’ 
POYC KA] TIATPIOYC NOMOYC CYNTEA@NTA |* AFAGAI TYXAI’ AEAOX@AL TAL, 


omwc Tal Te ArNElAl KAI TO] KA GAPMO! TAIC @EATC KATA TOYC ie - 


EKKAHCIA] EAECOAI ETIICTATAC EK TIANTWN AY O° TO! Aé AIPE@ENTEC EFAONTW 
CTAAAC GPFAEAC@AI AYO KA] TIAPAAABONT EC TIAPA T@N NOMO®YAAKWN ATTANTA, 
TA TECPAMMENA EN TOIC iePpoic NOMOIC TeP! T'AN Z\AMaTPCC TEPEIAN KA] TON. 
to KAGAPMMN ANATPAYANTW €C €KATEPAN 'CTAAAN KATA TAYTA KAl ANAGENTW TAN, 
MEN €C TO TepPON TAC AAAMATPOC €C TON ENTOC ‘TIPOAOMON. TAN A€ TOT] TW! TIPOSY- 
pwl TOY Ackaatieioy’ TO A€ TENOMENON ANATAWMA TEAECANTW TO] TAMIA!’ Ai AE TI - 
NEC KA TIAPA TA FEfPAMMENA EZAPONTAI TIE Pl TOYTWN H MH CYNTEA@NTI TAYTA, 
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Ila Aamatpoc “Oayammialc tac €m Toal?,. 

‘Arneveceal TAN 1éPHN TONAC’ * mMycAPGI MH CYMMEIPNYCeAI MHAG TAP EKATAC, 
MHA TIAP HPWNA EC@EN MHA ETTIBAINEN ee” HP@ION MHAE EC OIKIAN ECEPTIEN EN Al, 
KA TYNA TEKH! H €KTP@I AMEPAN TPIUN Ad AC [KA AMEPAC TEKHI H EKTP@I. MHAE EC OT - 
KIAN €céPrTeN EN OTOfAl KA AN@PwTIOC |ATIOGANHI AMEPAN TPI@N A® AC KA AMEPAC 
O NEKPOC €ZENIXOHI MHAE TWN @NAC IAIWN MHAENOC ATITEC@Al MHAE TON @MOAAI - 
KTWN MHAENOC EceeN’ / TOYTWN Tom MYCAPMN Al Ti KA TAl i€PEIAl CYMBAL TOLETN: 
WCTE TIAPAMAPTEIN. © 0 TI MEF KA M YCAPON @ATHI, TIEPITAMECOW XOlPuI @HAGIAI, 

Kal ATlO xpYcioy KAl TpocTTePmela’c KA@APACOW KAI TIEPIPANACOW' Ai AE Ti KA TON, 

30 AAAWN CYMBAL, ATIO XPYCIOY KA} (TIPOCTTEPMEIAC TIEPIPANAC@W KA] KA@APA €CTW . 

TA A€ TEAEIA A KA ANAAWEHI EC T'AN TEAETAN TAC I€PEIAC. TIAPEXE! A TIOAIC A,- 

TIANTA XWPIC H A TErPATITAL TAN I€PEIAN TIAPEXEN” A AG TéPCIA EENIZE] TON. 


MONAPXON KAl TOC Tepomma!oc KA) KAPYKAC’ TA Ae EoecTiA TAL ZVAMATPI ETTI- 
eye! A i'épeia. © A lEPWCYNA TAYT/A ECTW TPIAKAACC Prt meNTHKOC - 

* TYOC TIOAAWNAAN’ TAN TéPe IAN TEAEZEI A TIOAIC.. 

If. AAmatpoc Talc en Icemai? . 
ArNeveceal A€ TAN IéPEIAN T@NAE* MYCAPWI MH CYMMEITNYCOAI MHAEN: MH - 
Ac ETTIBAINCIN €@ HP@ION MH'A€ EC OTKIAN ECEPTTEN EN Al KA TYNA TEKHI H EKTPWI 
AMEPAN TPIWN A® AC KA AMEPAC TEKH] H EKTP@I. MHAE EC OIKIAN ECEPTIEN e- 

40 N OTTOIA! KA ANGPWITOC [ ATTO@ANHI AMEPAN TPI@N A® AC KA AMEPAC O NEKPOC €ZE - 
NIXOHI. MHA TON ONA'CIAIWN MHAENOC ATITEC@A] MHAE TWN @MOAAIKTWN MHAENOC, 
EC@EN*’ TOYTWN TOM MYCAPGN Ai Ti KA TAI IEPEiAl CYMBAI, WCTE TIAPAMAPTEIN . 

‘al Mier KA TI T@M MY(CAPGN @ATHI. TIEPITAMECOW XOiPWI EHAEIAI KAI ATTO XPY!- 
‘cloy K Al TIPOCTIEP:MEIAC KAGAPACOW KAI TrEPIPANACOW" AT AE Ti KA TON AAAWN, 
4: ‘TOP rerp,AMMEN'WN TIAPAMAPTH!. ATTO xPYCiOY KAT TIPOCTIEPMEIAC TIEPIPANACOW 


2? R. Herzoa: 


Hl. B. 
st Al a€ Tic KA ANHP €C TO TEPON MAXAIPAN CIAAPE)AN ECENETKH! TAIWTIKAN H FYNA 
“TIEPONAN. EZENEIKATW KA] TO IEPON TIEPIPAINATW XPYCiWi KA] TTPOCTIEPMEIAI* 
“al A€ KA 0 CoATEYC 0 O€PWN TOM TIEAYKYN H T:0 Ei@oc TO iePON TOYTWN TI TIO!ACHI, 
'XPYCIWI KA] TIPOCTIEPMEIAI TIEPIPANAT:W. 
B32 ‘Al Qé Ti KA AFAAMA KA@IAPYHTAI! TIOIHCAMENA A TIOAIC H TIPIAMENA, KA@APATO) 
"AYTO KA) TIEPIPANATW XPYCIWI kK Al TrpocriepMelal Kal TEAECATW Ol TEAEWI! ETI- 
TIOKWI KAl ANAGETW Ei KA TAPYHT Al’ KATA TAYTA A€ €l KA KA] TAN TPATTEZAN TIC 
“H AAAO TI ANA@HMA €TTICKEYAC A€HT Al H ATIOBAHI H KATArH! H TO £lp0c TO TePON 
‘AMBAYNGAI, ETTICKEYAEACOW KAI KA,TA TAYTA OlcTTIep TOM TIEAYKYN érPATITAl, 
1 “GEAPECAMENA ANAGETW ElTTEP APY |NTAI, KAl KA@APA ECTW. 
s3. Al aé Tic KA AHAHTAI TePON TAPYCAC OA! OTIOVN OTTEIOYN, BYCAC OYMATA TA NOMI- 
"ZOMENA KAPTIWCATW OAA* ETtel AE KA TATA KAPTIW@HI, OINW! KATACBECAC ANGAWN 
"TAN CTIOAON KA] TTAPAAABMN TO T1YP TO A-JAION KAl TAC TAC ATO TOY BWMOY @ KA META- 
‘@éPHI TA lePA, KAl Er XYTPAIC EK, TOY TEPOY METENEIKWN KATABAAETW Em TOM 
i [BWMON TOF KAINON’ TA AE AGIAPYMAT|A TAYTA TIEPIPANATW XPYCIWI KAl TIPOCTIEPMEI- 
‘al KA] TEAECATW KATA TA rerPAM|MENA. 
<4 ‘Ai Aé KA NEKPOC ATAGOC EN TIN] AA, MW! H @ECMOC EM@ANHC HI H [0)CTEON AN@PWITOY, 
'H TIPOBATON €CEAGHI EC TI TEMENOC, H NOMOC MH KEKA@APMENOC KATA TON NOMON 
[TON TePON, TOM MEN NEKPON H TO O|CTEON EKOEPONTW KA CATITONTW TO] AAMOTAI, CI 
22 Tka Hi TO TepON’ al A€ Tic KA Arxic TEYC H KYPIOC HI TOY ATIO@ANONTOC H ECEAGON- 
"roc, TOYTOIC EMArreAAONT'w AYTAMEPON Ertel KA TIYOWNTAI’ Eértel A€ KA EZAPOHI 
'ATIANTA KAl MHAEN ET! AYT@ N EM@ANEC Al. KAGAPANTW TO TepON TO! ArxicTeic’ 
Tal Aé KA MH EWNTI ArxiCT EiC H KYPIOI, KAGAPANTW TO] AAMOTAI, Ci KA Al TO ié- 
[PON’ KATAKAAYTITETW A€ Kal, €ZArEéTW A TéPEIA KopoTPOeON KATA TA NOMI\z O- 
-s TMENA EM @AAACCAN KAI 6YETW Y|N H OIN KopoTPdewi’ érel A€ KA TAYTA TIOIHCWN- 
"Tl, TON AAMON AYTAMEPON KA@APANTW kK Al TIEPIPANANTW ATIO xPYCioY Kal TPOCTIEP- 
"melac’ TO B€ ANAAWMA TEAECANTW TO! T,AMIAI TAC TIOAIOC TOIC AAMOTAIC, Al KA MH 
TEWNTI APXICTEIC H KYPIO! TO? ATIO@ ,ANONTOC H ECEABONTOC’ Ai AE KA CONTEC 
"ATXICTEIC H KYPIO! MH TIOIHCWNTI KATA, TA FEPPAMMENA, TO] AAMOTAI EZENEI- 
3. "KANTW@ KAL KA@APANTW’ TO AE ANAAWMA”TTPAEAN TWN TIAPA T@N APXICTEWN H KYPIWN, 
“kal A TIPAEIC ECTW TOTC AAMOTAIC KABA|TIEP Er AIKAC’ KAGAIPEN AE KAl TA ial- 
‘A GIMATA KAGATIEP TOC MIAINOMENOC rérp ATITAL. 
ss Al a€ Tic KA EN TIN] AAMWI ATTIATEHTAI CXOINIAIWI, O TAWN TIPATICTON KATAAYCA= 
“TW TON NEKPON KA] EIMATI KATAKAAYYATW' TO; A€ EYAON €E OY KA AMAPEHTAI, ATTO- 
°3 TAMMN €ZENEIKATW KAI KATAKAYCATW KAi 7,0 CXOINION O TAWN’ Al A€ KA lepeyc TAHI, 
“TOM TIAPIONTA TIPATICTON KEAECOW TAYTA TIO EIN. 
s» TTON Ae iAPHIA TIAPEXONTA TAI TTOAI H IAIWTAL @YONTI BCOIC H BEAIC OICIN KYOEN- 
"TA @YEN OCION ECTIN. TAN TIMAN MA ATTOAAMB) ANEN TON GYOMENWN TEPEIWN A KA 
“MA KYOENTA EEYPEOAI” TOYTWN AE TA KPEA TOM TIPIAMENON ATIOAOMEN TOI A= 
TIOAOMENWI WCTE KATAKOYAI, Al KA TOYTWN HI ATO @0PA" TON A€ ATIOAGMENON TO 
TepelON KATAGENTA TAN TIMAN, Al MEF KA E@EYPEGHI OTI OY KYOEN OYK ATIEAOTO, 
"ATIOAABEIN TIACAN’ T@N A€é MH KYOENTWN, AT KA MH TOY|TWN HI ATTO@OPA, ATIOAOMEN 
“TAN TIMAN TW! A€l TIPIAMENWI, TON A€ KAPMWCANTA TO JAPHION ATIOAOMEN TAN TI+ 
“MAN TAL AVAmATPI). 
as37 ‘At a€ Ti KA TAPHION TIOT] TOM BWMON AFOMENON MH @EAHI: ETIeceal émi eYCIAN, 
ATWN TO CTOMA AYTOY AAC] KAl KYMINWI MéAITI aeaeyménol|c TIePty ACATO| 





(e) 


ITeilige Geselze con Nos. 23 


Die Zeilen hatten etwa 58—62 Buchstaben. Die Silbentrennung ist sorgtaltig durch- 
gefiihrt (korrekt auch Ajy yo €N Omoiai). daher auf Seite B manchmal am Schlus Platz fir 
mehrere Buchstaben frei. Statt der Interpunktion dienen Zwischenriiume von einer Buch- 
stabenbreite. In A II sind die Kapitel dureh Uberschritt und éexeecic herausgehoben. so wohl 
auch die $$ aut Seite B. 

Die Urkunde besteht aus drei Teileu: [=- A 1-—20 Beschlu®B der Autzeichnung. Hab =A 
21—47 Arnetar und kasapmoi, fiir zwei Demeterpriesterinnen crhalten. IIf-- B 1—46 Ka- 
suistik von kaeapmoi, die anscheinend wenigstens z. T. in «die Kompetenz der Demeter- 
priesterinnen fallen, erhalten sind 7 Paragraphen. 

Als ich den Text im Archiy f. Rel.-Wiss. in halbfertiger Bearbeitune verdétfentlichte. 
tat ich es in der ausgesprochenen Ifoffnung, durch Mitforscher wertvolle Beitriige zur Er- 
vinzung und Erklirung zu bekommen. damit er nicht als Rohmaterial im Corpus ein 
ehrenvolles Grab finde. Diese Hoffnung hat getrogen: es ist mir kein Ergiinzungsvorschlag be- 
kanntgeworden. Immerhin wurde die Urkunde Veranlassung fiir die Arbeit meines Schiilers 
Theodor Wachter, Reinheitsvorsehritten im griechischen Kult, Rel. Vers. u. Vor. IX 1. 1g1o0. 
die sich einen rithmlichen Platz in der Religionsgeschichte erobert hat. Ich selbst glaube 
nun den Text durch bestiindige Weiterarbeit, gefOrdert durch Neufunde, wenn nicht dem 
Wortlaut, so doch dem Inhalt nach gesichert vorlegen zu kénnen. Was ich in der ersten 
Veritfentlichung (Hg*) zur Erginzung und Erklirung des Textes gegeben habe. wieder- 
hole ich nur, wo es ndtig ist. und verweise noch auf meine Studie: Die Zauberinnen des 
Sophron, Ilessische Blitter ftir Volkskunde 25. 1926, 217—22y. [S. auch Anhang [Vc.| 


ATL Das Priiskript ist nach einem unedierten Dekretfragment erginzt. 1 Das Datum 
A pramitioy nevmuniat wiirde die Liicke ausfiillen. _2— 5 TTroctatai waren es 6, €zarHTai 3. 


Ein ®iawniaa’c - -} sowie TTaciac Geccano’ erscheinen auf der Zeichnungsliste fiir die A»s- 
klapieia, “Hpoaotoc: “Hpakacitoy ist wohl der Antragsteller von 14. Dadureh wird der Be- 
schlufs aut’ etwa 270—60 datiert. Uber die Exegeten vgl. Axel W. Persson. Die Exegeten 
und Delphi, Festskrift Lunds Universitet 1918 12. 5 tTaic eeaic: tar AAmatei IIgt. 6 Die 
iepol Kal TATPIO! Nomo! sind dieselhen, aus denen im IV. Jahrh. die Urkunden 1—7 kompiliert 
waren. 8 NnomoevadAKwn erg. nach Plato Leg. VIII 828 B tavta ae cyneaeontec €HrHTAl KAI 
jepeic iépeial Te KA] MANTEIC META NOMO®YAAKWN TAZANTWN A TIAPAAEITIEIN ANATKH TO NOMOSETH * KAI AH 
KAl AYTOY TOYTOY XPH FiTNEC@A! ETTITNMONAC TOY TIAPAAGITIOMENOY TOYTOYC TOYC AYTOYC. | Q iePéEIAN: 
arneiaN Hg! 1112 €ntoc [To? NAOY TOIXON, TAN AE EN TOI je,|p@1 tToY “AckaaTi ei oy Flyt. 
14 éneymion=—religio kommt auch sonst Ofters in Verbindung mit Aceseia in koischen 
Insehriften vor. 17 Anaeémen: AnarpAvai Iig?. 1g zur Kompetenz der Arzte zu diesen Vor- 
schriften vgl. Rohde, Pyehe3 If 97t.172 und Plato Kratyvlos 405 AB. 


Ifa. Die Epiklesis “Oaymnia hat Demeter auch in dem attischen Sholion 2, [182 Dieht. 
Zu den Vorschritten vgl. die Parallele 5A;—1;. | 23 mar’ Hewna ccoen vgl. Paus. V 13,3 0¢ 
A AN H AYT@N Hacion 4 =éNWN TOY eYOMENOY TW TTéAoTTI iepefoy ArH TON KPEWN, OYK ECTIN OT ECEAGEIN 
TrAPA TON Aia. TO Ae AYTO KA EN TH TTeprAmw TH Yep TOTAMOY Kaikoy TIETION@ACIN Of TO THAEoW 
eYONTEC* ECTI FAP AH OYAE TOYTOIC ANABHNAI TTPO AOYTPOY TIAPA TON ACKAHTTION. | 26 M.T. BNAC IQIWN 
MHAE TON KENEBPEIWN MHAE TON TINI|KTON I g@t: auch wmocrmapAkton oder whoeaayKton (Wiichter S13) 
oder cTikT@N /-—€éaageiwn, Wachter 92) oder sacaykton oder Anékton (Athen. gd IX 375 b) wiire 
moglich. 28 mér ka hat der Stein. 29 Aro xeycioy kai mpocnepmeiac vel. Wachter 337, dazu 
noch Eur. Iph. Taur. 1216 arnicon xeycw méaaepon (so codd! nyeco Reiske). F. Boehm, De 
symbolis Pythagoreis 10 1. 4 €N leP@ AN TI AKOYCION AIMA FENHTAL, H XPYC@ H @AAATTH TIEPIPPAINECOAL. 
KA@APACeW KTA.: KAoAPOHTW KTA. IIgt: fiir diese Reinigungen ist das med. retlex. allgemein ge- 


brituchlich. 31-~35 Weihe der Priesterin, vgl. 3A, ff. 31 Téacia se. iepcia. 34 AEPEIA 


vf Ri dberzoa: 


der Stein. tavt ac, Hgt: vel. aber BAvsy, avta a iaee woyna und zur Form die koische 
fusehritt Syil.3 100023 kal To¥tor. © Zu teiakAc wad mentHKoctye vg]. Anh. La. 


ITb. tac en ‘leemwi?. Dort war das von mir ausgegrabene Demeterheiligtun. Vel. 
Ags ec ‘leemon. Aut dieses folgten wohl noch weitere Demeterheiligtiimer, wie das in Anti- 
machia (s. unten 11. in Haleis (Theokrit VID. en Eitear (oben 34). terner die der Artemis 
und dex Aphrodite (Ayot)). Diese Géttinnen schemen nach den alten Gesetzen Pricsterinnen 
vehabt zu haben. die andern vielleicht Priester. 

BI. Dic kaeapmo: sehcinen ohne systematische Ordnung aus den alten Gesetzen aus- 
gezogen zu sein. Sic secheinen sich z. T. auf bestimmte Kulte zu beziehen, z. T. allgemeine 
Geltung za haben. Vielleicht haben bei allen die Priesterinuen der Demeter mitzuwirken. 
weil Demeter die Reinheit der Erde hiitet (B24 4 iepeia). Uber die tiir ihren Kult besonders 
verlangte Reinhcit vgl. Vitruv.17.2: item Cereri extra urbem loco. quo non omnes scmper 
homines nisi per sacrificium necesse habeant adire. cum religiose caste sanctisyue moribus 
is locus debeat tueri. Apuleius met. VI 1. 

$1. Ferrum inlatum. zu stihnen wie im romischen Ritus [vgl. IG XT 7.220. Hiller]. 
4 Tpocrepmeiar=-ovaaic, vgl. Eitrem. Opterritus und Voropfer 307. Moéglich wire auch ‘eaanwl 
KAi AA@NAL KATAKPYYAT,W, Val. Schol. Aristoph. Pac. 948. Der Ausdruck tovtwn tr TolHcHI 
Z. 3 geht weiter als was sich in Z. 1 ergiinzen Jib. 

$2. Weihung von Weihgeschenken aller Art und Entstihnung von Reparaturen. Vel. 
(1. Lock. Griech. Weihegebriiuche 47 ff 5 moincamena med. factit.. vel. Herodot. [31 “Aereio! 
CeEWN EIKONAC TIOIHCAMENO! ANEeECAN EC Aensorvc. 7 Wolil ef ka, uicht ¢i ka. Im allgemeinen 
wird ai ka in Kos linger festgehalten. aber ef ka kommt auch sonst im HL. Jahrh. vor. Doch 
michte ich, um die Altertiimlichkeit der Gesetze zu wahren, im tibrigen in unserer Urkunde 
alka Wie Bog 35 erglinzen. TAN TPATIEZAN Tic Met: denselben Fehler hatte ich KE 959 gemacht. 
Wo Statt KAeiZONTEC ETT! TAN TPATIEZAN ZU lesen ist emi TAN TeATEzAN. Vel. auch 123 mit Kommentar. 
Aut diese Zweideutigkeit wird im dorischen Dialekt nicht immer genug geachtet. Erst so 
werden die aor. pass. Amosaki H Katara verstindlich. Um was es sich in diesem $ handelt, 
zeigen am besten die Tempelinventare. z. B. Michel 515 (Delos. vor 304), 131 ff. Katearota 
Varia, 145 teArezal mikpal CAV AATIIN, toytwn erickevic acémenai AIM. merAaai teArezal AAT. 
TOYTWN Emickeyne acomenal HEL. $33 (av. von Delos 279), 64 ANTI Thc GHPIKAEIOY TAC ATIOBAHOEICHC. 
129 “ECKA PIOY mikPoY Hmycy kaTeAroc. $27 (Oropos um 250). 24 OCA MEN AN AOKHI EMICKEYHC 
Tipocaciceal. emickeyacATwcan. Ob das Subjekt der Handling hier a méaic oder A iepeia oder 
c jereve ist. bleibt fraglich. | 10 ezapecav:na (oder -cAmenoc) vyl. Hock 88 f. Syll.3 2647: 
statt des attischen Wortes kénute eziaacamena eingesetzt werden oder exiaacAcew A TAI EricKeYAl 
MEMIAINTAI. KA@APA SC, TA ANAGHMATA. 

$3. Griindung eines (privaten) Heiligtums. Vgl. Hoch 73-88. PIL 53. KF 217 0 scina 
Te jepon fapycato. | 13 vor IAION ist cin schriger Apex zu sehen, wie ihn das A hat. | 
w ablativ. Cher die Ubertragung des heiligen Feuers vgl. Plut. Arist. 20. 5 und oben OB y¢. 
iiber die der heiligen Erde Hock 77 £. 

$4. Stihnung unbegrabener Leichen. ausgegrabcuer menschlicher Gebeine und unreinen 
Viehs. Den Schitissel gibt das Hg’ 411° angetiihrte attische Gesetz bei Demosth. 43.57 {. 
17 OL TEON 18 db adeovpon ecenoui Ly": modglich wire auch 4 KTANOc T. 2.4 NOMIZO. 
Zu den Erliuterungen Hg" 411f mogen noch einige Belege zugefiigt werden: eel? 587 
(Eleusis a. 32g), 11Qf. NéKYN ANEAONTI EK THC “Papiac micedc Nikwni “Eacycini ofkoyNTi ‘TOI KA OHS 
PANT! THN PAP.AN. xoipoy TimH ~-. Livius 31.30.4f.: Die Athener beschweren sich tiber Philipp: 
adeo omnia simul divina humanaque iura polluerit. ut priore populatione cum infernis 
deis ... bellum nefarium gesserit: omnia sepulcra monumentaque diruta esse in finibus 


Leilige Geselre ron Whos, 2D 


suis, Omnium nudatos manis, nullius ossa terra tegi. Philostr. Heroic. IP p. 139. 3 K. auf 
der Insel Ikos wird das Skelett eines 12 Ellen langen Mannes blobgelegt. Protesilaos 
befiehlt emmeAmtein TON NeEKPON KAl MA FyMNOYN ExonTac. Fiir meine Erkliirung von eecmdoc Z. 17 
als Grab scheint Sophokles Eurypylos fr. 7.3 Hunt zu spreehen: eecmon iap%ceal TO NIN, 
was wohl vom Grab gemeint ist. vielleicht auch Aelian fr. 242 Hercher ... esaya TON 
TEONE@TA. OEAMA TO AAIW CYAAMA {AON ATTOKPYTITWN ANePwriNwW eccew (Crab oder Satzung?). 
Toc miainomenoc, d.h. die Trauernden. 

$5. Stihnung des Selbstmords durch Erhingen. Zur Sache vgl. Hess. BL fd. Ve 220. 
223°. 34 Kal €xplyATw exToc TON opwN Ha": jetzt cimati kataKaayyATw nach Sophokles Aias g1 sf. 
| Theoer.| NNT 36 ff. 52 ff u. a. Stellen. 

$6. Lieferung trichtiger Opfertiere. Diesen $. den ich im Archiv in Ruhe gelasseu 
hatte, glaube ich jetzt durch Vergleich mit 1,; erschlossen zu haben. Vel. auch Stengel. 
Griech. Kultusaltert? 115. Da die Trichtigkeit der Opfertiere vor der Schlachtung nicht 
immer nach absolut sicheren Anzeichen festgestellt werden kann. so war den Lieferanten. 
die fiir bestimmte Opfer (z. B. 15-,61, 23. Stengel. a. a. 0.3 155) trichtige Tiere zu liefern 
hatten. Spielraum zur Ausrede gelassen. wenn sich ein Vier beim Opfer als nicht trichtiy. 
also fiir das betretfende Opfer nieht ocion, herausstellte. Das Gesetz sorgt dafiir. dag dem 
Opferer oder dem Gott kein Schaden daraus entstelit. Ist Anoeopa fiir das Fleisch erluubt. 
so wird der Lieferant wenigstens soweit entschiidigt. dai er es zum Aushauen und Verkaut 
zurtickbekommt: ist ¢s aber verfallen. weil keine Anoeors ist, so verfillt tiir den Lieferanten 
auch der fiir ihn hinterlegte Preis. aber der Kiiufer hat auch nichts davon: er mub das 
Tier verbrennen und dem Gott (bzw. der Géttin) den Preis datiir abliefern. 37 Schlus 
oicin kyéen II gt: oicin zu eeoic, die alte Form wie 3A;.  Kydeic ist ein neues Wort. aber 
korrekt gebildet. kyoeic: kyoc = Kpydeic: kPpYoc = eydeic: eYoc. 35 Artonama anen II g*: oir rANEN 
IIg': ich hatte eine Beschiidiguug des Steins ttir den (Querstrich eines F gehalten. Nach 
Dio Chrys, N14 €AN Tic kepmation imation codd.. emend. Ad. Wilhelm. Hermes 61. 466) 
AToa@tTai ‘=a codd.. emend. Emper.) kisaHaon H cKkevoC H KTHNOC NOCOYN TE KAl AXPHCTON. 
ANATKH AYTO ATOAAMBANEIN kOnnte man auch hier amonamsaAnen im Sinn von »zuriicknehmen « 
erwarten und ergiinzen “emanarkec ATioAaMa.ANEN. Aber das Opfertier kann ja nicht eintach 
lebend zuritickgenommen werden, da der Betund sich erst nach der Schlachtung heraus- 
stellt. So-wird doeh das kompliziertere Verfahren anzunehmen und AroaamBanein hier wie 
oft bedcuten »als gebiihrend bekommen« als Korrelat zu TAN TIiMAN amtoaomen, nicht zu 
amoaiaoceat »verkanfen«. Vielleicht 1a8t sich aber noch cine glattere Losung finden. 
43 wenn kapmwcanta als zu streng erscheinut. kann dafiir auch einfach meiAmenon eingesetzt 
werden. 

$7. Storrische Optertiere. Zur Sache vgl. oben Ly. Stengel. a.a.0263. Dio Cass. 41.61. 
Macrob, Sat. II[ 5.8. Serv. in Verg. Georg. IL 395. 46 der letzte Buchstabe war sicher ein 
Y. nicht Y (Hg'). Meine Ereiinzung des Mittely beruht auf Eitrem, Opferritus 322f. Wenn 
ich den Sinn im allgemeinen getroffen habe, so ist der Zweck des Bestreichens sowohl 
kagaptikoc als meiaiktixoc. Ks ist mir nicht geliungen. von Metzgern etwas dariiber zu er- 
fahren, wie man jetzt storrisches Schlachtvieh zum Mitgehen gefiigig macht. 


9. Kalender des Gymnasions. 


PIU 43 = LOS 13. Syvil? 619.2 1028. Bruchstiick einer Tatel von w. Marmor, ob. 
und unt. Rand beschidigt. r. u. 1. gebrochen. H. 0.29, gr. Br. 0.25. mittlere Kolumne 0.12. 
Zwischenraum zwischen den Kolumnen 0,o1—-0,02. D. 0.20. II. d. B. etwa 0,007. Schrift 
des Uf. Jahrh. vy. Chr. Aus der Sammlung des Dem. Platanista. Abklatsche von Paton und Hg. 


PRIL-hist, Ahh, 1928. Nr. . t 


pA) R. Werzou: 


A. KapNne;lor B. “Apta mitioy C. 'Kaetcioy, 
"A Tlomni’ Ail kal A T1'0 cerania. A ‘Tlommé a. 
“Asanai'ai TTo- E Arwnarion CIA ch =~ > = j. 

“a. KAI, Nikal. HBONTWN. ee 
. EO} TIAN AEC EC Tomna Eymenei. frei ---- - 
"TPE XOYCIN Z Eic Kyrpiccon Laoiews 
‘APW_NAPION. Kal gic TO Awae- frei - - - - 
Cc ATTA ACIA KAGEON’ @YCIA (BG =<+4 
“ABW NTWN. KAI ATWNAPION N-rc ere 
to Z €i,c Kyma- ANHBWN. ie 
PICCON. T Thyedkacia Ani 
. Thlomntt Cwrthper. 
"BAC IAEl TA Arwndpion Ha® NTON , 
‘Throne mai. 1B TTaeA Atonvew. 
ts. . LIAAP OMA TE “En Aanion. 
ITrAlAwW)N* AO- 10 Tlomnt 
"cic AGA WN Movycan. 
"tToic 1 alcl Toic KOE Tommi ea- 
"AGA HTAIC. cinei ATTA. 
‘K “Er,| AAnion kal KE ArwnApion fe®.NTON , 
‘cic Ki vrtAPiccon. fi Anoneizic 
.. Boyan. AIAACKAAWN 


KAl KE@AAAI OY) 
MAGHMATON. 


Die Ergiinzung wird dureh die Unregelinibigkeit der Schrift erschwert. Die Buchstaben 
sind von wechselnder GréBe. bald enger, bald weiter gestellt, die Zeilen z. T. durch eiceecic 
verktirzt. Der Dialekt ist die koin4. mit cinigen dorischen Formen, namentlich in den heiligen 
Namen. Von den 12 Monaten ist nur ciner. der Aptamtioc. ganz erhalten, vom 3. ist nicht 
cimmal der Name erhalten. Am Namen des ersten fehlen 5—6 Buchstaben. Ich habe die 
Namen nach meiner Rekonstruktion des Kalenders (Anh. I[c¢) ergiinzt. Innere Anhalts- 
punkte dafiir aus den Kulten ergeben sich, wie bei cinem Gymuasitumskalender zu erwarten. 
vieht. Wenn Rayet. Mémoire sur Vile de Cos S4. den ersteu Monat Adaion nennt. so ist 
das einfach cin FehlsechluB aus Ao. Die Uberschritt Aaaioy ist sicher hier zu kurz. 

A. cael Aedniai TTo “MAdl, Nikai Pat: aber Nika ist auf’ Kos in dieser Zeit als selbstiindige 
Gottin verelirt worden, an deren Fest am 20. Petageitnyes (der hier nicht in Betracht 
kommt) das Gymnasion beteiligt ist. Mahui 441. Auch konnte hei Zeus eine Epiklesis 
nicht fehlen. wenn sie bei Athena stinde. Ich nehme daher cine Abkitrzung Tloa. an, 
die etwa als TToai oyxoic: auf beide bezogen werden konnte. und fahre mit xa: Nixa: fort. 
Z.5.8.10. 20 habe ich die Tageszallen meist nach B (Apollonfest am 7. u. 20.) ergiinzt. 
6 <OYEIN ‘teéxovcin He: NOYEIN -aovein. Pat. cyntelaovcin arwnApion Hill. Zu meiner 


Ergiinzung vel. Herodot. VIIE102 Aranac apameontal. epist.ad Hebr. 12,1 tpexwmen TON... AT@NA. 
Pa le ~ : - rex Per eo : 1 

Menander Epitr. 107K. teéxein en arwer, Sy? 7 tpg TAC AAMMAAAC EAPAMON. 7 ATWNAPION. 

Das Deminutiv weist auf einen Gymnasiumsagon. nicht aut’ cinen offentlichen. 8 erg. 


von Hg: ‘neoté cia v. Prott zweifelnd. Artaneta werden auf’ zwei unedierten [uschr. dieser 
Zeit erwihnt. 10. 21. B6. eic Kyrdpiccon. So hieB also sehon im UL. Jalirh. einfach der 


Leilige Gosefze ron Kos, eae 


alte Zypressenhain, in dem im TV.Jahrh. das Asklepieion gegitindet wurde (s. unten 
zu 11. 12). Schon Paton hat gesehen, daB dieselbe Bezeichnung des Asklepieions vorliegt 
im pseudhippokrateischen Brief 11,1 Putzger: Aaeen cic K@, Kai ETyxe TOT Eo%CA THC PABAOY 
H ANAAHYIC EN €KEINH TA AMEPA KAI ETHCIOC €OPTH| WC ICTE TIANHTYPIC AMIN KAI TIOMTTH. HN TIANTEACA 
(so liest Crénert in pap.’) €c Kymariccon AN €eoc ANArein (von der Stadt hinaut) toic Tw eew 
(Asklepios) meochkoyer. Raxet. a.a. 0. $3. irrte also bedeutend. als er die Ortlichkeit auf 
den heutigen FluB Kyrdpiccoc im Gebiet von Antimachia bezog. worin ihm noch Kk. Sudholf. 


Kos und Knidos (1927) 58 gefolgt ist. 15-—19 gel. und erg. von Hg: ‘aianomaA [ém- 
AO CE|WN [TAICH TOIC MA@H TAIC Pat. Ditt.. was zum Raum nicht stimmt. TON émaocewn 
y. Prott zweitelnd. Cher aiaaroma als pars pro toto = »Turnen« vyl. Preuner. Ath. Mitt. 28. 


1903, 358f. Ziebarth, Griech. Schulw.? 142. Teile der Wettkiimpfe sind die auf hoischen 
(Gvmnasiumsweihungen genannten aiakiearicméc und atayaamoc, Ziebarth 144. (in aia- liegt 
der Aron). 16 Aeaa Alaotal, nicht émaiaotal. 19 AeaHTaic vgl. Syll.36575;. maeHtHe wird. 
soviel ich sehe. nieht absolut gebraucht, sondern immer in bezug fae den Lehrer. 
20 tiber Apollon Dalios s. 3B. 22 sovak fabt v. Prott als Versammlung der néor oder 
eoHso! oder beider nach Inschr. v. Perg. If 252. 486B. Aber da das koische Gymnasion 
3 Klassen. maiaec, ANHB0!, ABONTEC hat. so miiBte die Klasse beigettigt werden, wenn man 
nicht auch nach modernen Grundsiitzen die Knaben als ratsfiihig gelten lieB: daher verstehe 
ich unter soyak eine Konfer ce der Beamten und Lehrer des Gymnasions. 

B.7 Awackaecon vel. 2re6. Dd Ajys. 8 vor evcia interpungiert Hg, nach e. Paton. 11 vel. 
PH 34. Maiuri 46241. We Stiftung des Pythokles im If. Jh. ftir Zeus Soter und Athana Soteira. 
die hauptsichlich fiir das Gymnasion bestimmt war, hat dank ihrer groBartigen Fundierung. 
10 \lexander-Talente (PH 34,). durch alle Stiirme hindurch bis in die Kaiserzeit bestanden. 


oO 
13 HB vel. 4.20 14 AIONYZQ der Stein: -cofy Pat. 18.19 KC == 25. KE == 26. 
nach der Umkehrung in der 3. Dekade. 21 Das Compendium ftir den Tag hat Pat. als 
TPOTPIAKAAI' -= 2g. erkannt. aber nicht ganz richtig wiedergegeben.  23f. gel. von Hg: 
KEDAAAIP keeanai ¢ zweifelnd Pat. und Nachtolger: ich erkenne im = Abklatsch 
KEDAAAI® = xeoanaioy, mit einer sonst allerdings erst spiiter belegten Ligatur. Y in O, 
darunter in kleinen Buchstaben MAQHMATQN. die 2 ersten Buchstaben wichier. die tibrigen 
fasterloschen. Andacizic tabt v. Prott unrichtig als »designatio magistrorum anni insequentis«. 
richtig Ditt. als Examen. vgl. Svll.271741- “p lut. Quaest. cony. IN 1,1. J. v. Priene 11420. 
ATI. KE®AAAIOY MABHMATWN ftasse ich als »SchluBbexamen in «len einzelnen Fachern«, sumimae 
sliseiplinarum. 

C. Die traurigen Reste zeigen. dali dieser Monat viel weniger Feste hatte: in B ist 
der 12. Z.14. in C schon Z. 8. 

Die Zeit des Kalenders wird bestimmt durch die Kinigsteste. Mit Recht haben v. Prott 
und Ditt. gegen Pat. verfochten, da®B der KGnigstitel A;3. Bis. Cy die lebenden Kéinige 
bezeichne. der bloBe Name die Divi. Also wurden im koisehen Gymnasion zum Dank fiir 
ihre Stiftungen und auf Grund derselben Feste cingerichtet fiir die Verstorbenen Attalos J. 
(240-—197. Ag), den Bundesgenossen der Koer im Krieg gegen Philipp. und Eumenes II. 
(197-159. Bs), und fiir die Lebenden Ptolemaios Vi. Philometor (151 146. Aj3), unter 
dem der Koer \glaos S. d. Theukles. aus erster Familie, diente (Durrbach. Inser. Del. 1 92). 
und Attalos IL. (159—1358. Bys). Dadurech wird der Kalender zwischen 159 und 146 datiert. 
Er ist ein klassisehes Dokument fiir den Wettkampf. den gerade in diesen Zeiten die Héfe 
und Schulen von Alexandria und Pergamon um die Bildung und che Seelen der Griechen 
(und Romer) kimpften. Die Koer freuten sich dieses Wetteifers und nahmen unparteiisch 
von beiden das Beste, vor allem das Geld. Der tremde EintluB zeigt sich aueh darin. dali 
die Sprache des koischen Gymnasiums die Gemeinsprache geworden ist. 


2S R. Weer zoa: 


10. Stiftung eines Familienkults des Herakles durch Diomedon. 


Vierseitig beschriebener Pfeiler ohne Bekrénung, von weifen Marmor. an den Rindern 
bestoBen. am stirksten Seite C unten (mindestens 2! , Zeilen Verlust). Hohe des Steins 0.64. 
unten ctwa 0.08 frei. © erhalten 0,53, Br. AC 0,33. BD 0.26. Oben keine Einarbeitung. 
Gefunden 1843 von [.. Ro® »in suburbio oppidi a in horto Tureae cuiusdam .. . scalae 


inaedificatum«. Durch den Gebrauch als Treppenstute ist der linke Teil von A von Z. 12 
al ganz abgetreten. Spater kam der Stein unter die ea Ua jetzt steht er im 
Museum im Kastro. He. yon Rob. Inser. gr. ined. nr. 341. PI 36 (SGD 1 3634. Inser. 


jurid. IT pga. Swill? 934. 29106, LOS D144). Lani, Stitt Hi 45). Ich konnte den Stein genau 
nachpriiten und Aull dey ganzen Seiten und aller schwierigen Stellen machen. durch 
Bechtel bekam ich auch Patons Abklatsch. 

AT ‘Atoméawn AN€@Hk| 


e TO Témenoc 'Téae] “Hpakac] Aviome Aonteiui, ANéeHKE A'é Kal TOYC 
s EENMNAC TOYC EN TOI KATTWI KAI TA OTKHMATIA KAI AipyN Kal TA Erro NA AYTOY* €ONTW AG EnCY- 
eePoll, TIOIOYNTE C TA CYNTETATMENA® ETTIMEAECOWN AC AYTWN TO! TUN TEPON KOINWNEYNTEC ONWC 
19 EAEYEEPO] ONTEC AIATEAEWNTI KAI mHec!T ¢ AYTOYC AAIKAI’ @YONTW AE TA TepA Tol ér Ai 01MEAON- 


AON TCC KAl Ael TO! €z AYTwE rE NTO Meno!’ ExéTW Ac AiByc Kai Tol Er Aisyo c miceo? TON KATION 


Moora Sie ant, Bhat OCOY KA AOKI “KA A@C € XEIN, TO AE MICOWMIA ATTOAIAONTW Oey- 
1: AA'l cloy, Bete Apryeio, N YTIAPXEIN EC TAN OY CIAN TTeTAreiTN YOY EKKAIAEKATAI KA] ETTTAKAIAEKATAI 
CTPMMATA AE TAPE XONTW Em] TAF KAINAN TOI} “Hpakaci Kal tA'l “Hepa kal tar Heal? én talc 
2) NEYMHNIAIC. ‘KA@AIPONTW AE KAI TAC EIKONAC TAC T WN TrPOrONWN TON Aiome AoNTOC Kal CT: €- 
®ANOYNTW TA ArAAMAT,A émei KA TIANA: yric Hi" iepAcew ae TOY, “HPaKaevc NYN TmeN Aibaoroc?, 
2 TS AE AOIT,ON Ae) O TIPECBYT “ATOC TON Atoméaontoc eErrON WN’ eYONTW AE TH! MeN “HPakacl 
kal Tal HB At? MOCKON [H EPIPON KA AiraA?. TOI Ae Aionsycwt alra H ‘epipon. TAL AG Heal? erie on 
H alra, toile [aé matpwioic ecoic?. wn} TO] Bwmol EN T I TeEmMéNEI TAPYNTAI, AIrA?. TAI AG 
Aepoal TAL AIrA H XOIPON?* EC AE TON ENIC MON TATC MEN Moipaic? eYONTW AFA H XOIPON, TO I 
ace TTactwi? mocxon’ TAN CTIONA!AN A’ HMEN AKPATON MEN TOI AloNycul Kal T:@1 “Heaka ‘el kal 
Twi TTaciwi?, KeKPAMENAN AE TAIC A AAAIC GEAIC KA) AYTWI Aicneéa, ont’ TeplaA Ae TAPEXéTW 
APTON TOT! TAN] APTOOAT TAN? KAl OINON KA! MEA\ TIOT! TAN CITONAAN, frei. 
BB.) « al EYAA TIoT) TAN eYCIAN’ Fle; PH AG AAMBANETW TOY iePéo Y, EKACTOY CKEAOC KAl TO AEPMA’ 
-: TIQIEIN A€ KAI TAN ATIOTTYPIAA KATA TA TIATPIA’ MH €EHMEN DE, MHOENI TA OIKHMATA TA ToT! To! 
TEMENEL MHAC TO TEME'N| OC EF € IAIAZECeAI MHAE TrwAle) IN MHA YOTIGEMEN’ AL AC KA TI Ae- 
fu HE T@N OIKHMATWN H TOY ce EMENEYC OE€PATIEIAC. emickle YAZONTWN EK TAC TIOBOAOY CKACTA * 
EICATMrION AE AIAOTW WI KA FENHTAL TTAIAION, orc, METECTI TON TON TePWN, xO 1 PON, IEPA, 
:* AIBANWTON, CTTONS AN. CTE®ANON. fLrei. 

If TA Ae ArAAMATA KAI TA ANA GHMATA ECTW EN TAI OIKIAL KATA AMPAN WCTTEP KA) NYN €XEl. YEN AC 
EKKAIAEKATA] MHNOC TTETArEITNYOY KA! TON ZENICMON TIO!EIN TWIT “Hpakaci, TAN A ATIOTTYPIA 
ENITAKAIACKATAI” €TIMHNIOYC A AIPEICGAL TPEIC KAT € NIAYTON, OITINEC EXEYCETN TAI TA IEPA META 
TOY Tepéwe’ El MEAECBWN AE TO] ETIMHNIO! WE KA AEH! TOT! TAN Aéz'INn,. 

II] -. AN ae ti acHi émickey[Ac HH TO; TEMENOC HO KHTT'OC. H KAI Of Z ENWNEC H TO TOIKH MATION H JH! 

olkia H ‘eri toy frei. 

('-s Teménoye o,epare jac. [EZAIPEIN TO TETITW KOC APLYPION ATIO TWN TIPOCOAWN TON TIPOC EAeOY CON 

ATO TOY TEMENO YC KAI TOY KHTIOY KA. T@N EENWNWN OCON AN OAINH TAI T KANON EINAI’ TO AE 
“» KATAAQITION Apr YPION KAI TA EZAIPHMATA QIA'IPEIN KAT A MEPH, E1C EKACTHN AG OYCI AN TO! € TII- 

BAAAONTI MEPEI XPACOAI’ MH CEECCTW AE TOIC KOINWNOYC! TWN ieP@r re werein TA TEMENH MHA’ EN 

ToIC EE NCI. ENOIKEIN MHA €N THI OTKiAL THI ert] T OY Te, MENEYC MHAE ATIO@HKHI XPACOAI TH I 

A€C] XHi THI EN TI TEPGI MHAE N TO! TEPITTATWL,. AM MH TIOAEMOC HI, AN AE TIC) TON “KAT 

AN APOFENCIAN AOEHI TOIC KO IN,WNO YC! TON, JeP@N ENACIHC ETNA TOIC tafolc, eT ALN “FAMON, 


ur 


[eilige Gesetze von Nos. 29 


c? CYNTEAHTAI, TOEITW TOF TA;MON ‘MHNOC TT €TAreITNYOY, EKKAIAEKATHI MEN CYN: AITAIAN, EITTAKAI- 
A€KATHI AG AIAN OMHN. INA H oYciA TOI “HpaKaci cynTealATAL KA: TA TA TIATPIA, OKTWKAIAEKATHI 

<A’ H CYNA, FWFH, KA] EN TAC AOITAIC AMEPlAIC CYNTE, AcICew 6 TAMOC’ H Ac CTPMN'H KAI TA 
A TAAMATA TOL Hpakaci €cTw [KATA XW? AN YITAPXONTA, ECT AN O TAM_OC CYNTE AE|COHI’ AAIPEIN 

me AG ATIO T@N Tepeliwn, A AN AOK HI KAA@C €X€IN eT] THN TPATTEZ AN TOI e€@'l, TOIC AE AOITIOIC 
TIACL OCA €C EC'NICMON O7K E{WN. XPACeW O TON AMON TIOIDN’ EoléTW AE KAI 6 TePeYe efc ToC 


rAmoyc TA rep! 


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H TW! TO,N FAMON TIOIOYNT! AABMN OKTO APAX MAC €,K THC TPOCcdAOY, KAl Of TAC 

tes OTKIAC EKT'H MENOL THN TE ANAPEIAN KAI THN FYNAIK €!_AN TTAPEXONTW CIC TOYC FAMOYC TAC OIK'! AC 

TIAPEZEAOMENO! OIKHMATA EIC ATIO®ECIN TWN CKEYWN, 0 AE THN ANAPEIAN EXWN  TI|APEXETW THN 

110 OTKIAN KAI €fC THN @YCIi “AN KA| TON ZENICMON TOY Hpaka ec TACAC TAC HMIEPAC’ TOYTWN AE ETI 
MEAECEWN O] ETIMHNIO! OTTWC O1 TE FAMO! META TIACHC | EYKOCMIAC CYNTEAECEHCONTAL KAl omwe?: 

Dts !to ic TEKNOIC TANTA TA AON T.A TIAPACKEYATE™ TOIC Ae ETTi[M EAOMENOIC OTTWC EKACTA CY! 

130 TAI KAGA AIATELPATITAL “€1/C AYNAMIN €:NAI EY ElH KA] AY 'T O/C KA] TOC ErrdNoic AYTON. ANE@HKA 


N Te'AG- 


A€ KA] AYXNIAC AYO KA 1) AYXNOYC XAAKOYC ETTTATIY POYC AYO KAI ECXAPAN TETPATW ©N ON KA] KPATHPA 
23 KAL TATIHTA KAI TPATIEZAN KAI CTE®ANICKOYC TIENTE TOIC ATAAMACIN XPYCOYC KAI POTTAAA AYO KAI 
@YMIATHPL A, TPIA KATAXPYCA KAI KAINHN, GC TE TIANTA TAYTA [EPA €INAI TO? “Heakae’c, KA) BA@PON 
139 THC KA{ NHC KAI KYKAON XAAKOYN. EAN AE TIC TOAMHCHI KATAAYEIN Tl T,0N ¥T10 Aloméaontoc 
133 CYNITIETATMENWN AAIKQN TA i€PA ‘KA i TOYC TPOrONOYC YEP WIN Fé rPATITAI EN TO! BWMOI! KAI 





€N: TAL CTHAHI, MH €TTITPETTEIN TOY ¢ er Aloméaontoc ‘+ @ TEPFENHMENOYC Kal TOYC Er- 


er Atoméaontoc kal Toye érr 6 NiOYC AYT@N” AN AE TIC NO@OC WN KP 16 €lC TNWCEAI METEXEIN TON 
10 TeP@IN,. MA EZéCTW AYT@I METEXEIN TON ‘I,epwcyn@n. AamadAnete Ac Ard, THC TPOCbAOY HcTE 
TO! TTaciwii} eic eyciaN apAxmAc TIENTHKO!N Ta, Talc Ae Moipaic TECCAPAKO N| TA’ @YONTW AE TOI 
us TTactwi kal; taic Moipaic of kat anaporénelt a\N. ANE@HKA Ae Kal YAAINAC '@1A,AAC TECCAPAC Kai 
KAANIA'A Aano:yprAn, Aladnal ae TOIc “H [pakaloic mepiaac Tole cy'mmomne!yoyci. trei. frei. 


Ro®B und Paton sahen in den 4 Seiten der Insehrift Teile von 4 Urkunden, die sich 
auf dieselhe Stiftung bezégen. Paton nahm an, dal ein verlorener Stein dariiber ihre An- 
finge enthielt. Aber B. die oben am besten erhaltene Seite. laé8t oben eine Zeilenhéhe 
frei, hatte also keinen AnschluB nach oben. Durch meine vollstindigeren Lesungen wird 
der Anschlufi des Textes zwischen den Seiten glatt hergestellt. und am Anfang der Ur- 
kunde fehlen nur 2 Worte. Auch verschwinden jetzt die bisher aus Unvollstindigkeit er- 
klirten Unklarheiten des Textes zum groBen Tcil: was an Zweifeln bleibt, wire wohl 
durch die Aufschrift des Altars, die Z. 133 ff neben unserer Stele erwihnt. gcklirt. Dab 
die Urkunde nieht aus einem Gui ist, verraten die deutlich zu scheidenden 3 Hinde (I, II. HI) 
aus verschiedener Zeit. [— A1—B55 zeigt eine schlichte Schrift. die noch in das IV. Jahrh. 
gehirt, ohne Beriicksichtigung der Silbentrennung: IT = B56—65 eine elegante Schrift mit 
cinwiirts geschwungenen Linien (alnlich z. B. der Charmylosinschrift PH 349 = KF 8.139 
mit Tafel IIL3), mit richtiger Silbentrennung, auch kaum spiiter als 300: IIl = B69—D Schlub 
ist entschie@len spiiter, weniger clegant und regelmaBig, mit Apices, aber noch die alten For- 
men NPE, mit richtiger Silbentrennung. Aut B wird noch Grobe d. B. und Zeilenabstand von 
lund I beibehalten. auf C wird beides immer geringer, auf’ D ist das Bild ruhiger. Die letzten 
1! , Zeilen sind unregelmaBig und etwas gréBer, aber von derselben Hand. Sie wird nach 
dem allyemeinen Eindruck auf ctwa 280 herunterdatiert werden miissen. Aber der Ver- 
fasser ist eine Person, denn die Wendung an die Nachkommen in III Z. 115 mapackeyate, 
149 aamBAnete, und dic 1. Person Z. 120, 155 ANéoxka kann nur vom Stifter selbst ausgehen, 
der sonst durch die ganze Urkunde mit seinem Namen in der 3. Person spricht. 


30 Ro derzoa: 


1 ist als Stiftungsurkunde in sich abgeschlossen. naihere Angaben fiber dic Gétter, 
die Vorfahren und die Stiftungsohjekte enthielt vielleicht dic Tuschyritt auf dem Altar: 
I tragt cinige Austithrungsbestimmungen nach: Ul dagegen fat z. T. die alten Bestimmungen 
genauer. z. T. fiigt es neue bei und schlieBt mit Nachtrigen Z. 120 ff (sicher in cinem 
Zug init dem Vorhergehenden). deren Unordnung einen senilen Eindruck macht. Die Stif- 
tung ist also sehon zu Lebzeiten des Stifters in Wirkune vetreten und von ili selbst 
weiter ausgehaut worden. 

I und {1 sind in gemiBieter keischer Doris mit einzeluen Koineformen (5 Toio%ntec. 
S ontec) abeefaBr, HL wngekehrt in Koine mit cinzelnen dorischen Formen ($4 tTeméneyc. 
TOO ec. 129 “HpakacYc). Der Stifter, natiirlich cin Koer. war wohl in der Welt herwn- 
gekommen und hat daher sehlieBlich die ihin geliiufige Koine nicht mehr in die Kanz- 
leidoris tibersetzt. (Auch das Testament KF 168 ist in Koine abgefaSt). Er nennt sich 
aut der Stele einfach Atoméawn. Sein voller Naine mateiacti kann als Weihinschrift auf 
dem Altar gestanden haben, euwa in der Form von PH 33. KF 217. mit to iepon tapycato. 
Auch in der verwandten Stiftung der Nachbarstadt Halikarnass Syvll.3 1044 ist der Stifter 
TToceiawnioc latpokaefoye nur in der Urkunde {fl mateiacti venanut, soust nur cinfael. 

Unter den aus koischen Insehriften bekannten Persinlichkeiten kéunte nur in Betracht 
kommen der Stifter einer Poruriitstatue. deren Basis Schazmann 1922 im Asklepieion ver- 
haut fand, mit der Aufschrift: “Ba cinéwe “Antironoy TAN €iKONA ANéoHke ‘Ai omeawn Aioadtoy. 
Aus inneren Griinden Kime eigentlich nur Antigonos Monophthalmos in Betracht. der 
306— 301 die Oberherrschaft tiher Kos hatte und you dem die Kocr auch ein Portriit 
dureh Apelles malen lieBen. Ein Bedenken dagegen ist aber das gebrochene A aul der 
Basis, das zuletzt Holleaux, BCI] 48 (1924), S. 5! zwar fiir das I. Jahrh., aber doch nicht 
so fri. belegt. Da der Buchstabencharakter sonst gut auf ca. 300 pabt und die Mo- 
numentalschrift immer fortgeschrittener ist. mdchte ich doch lieher bei Antigonos Mono- 
phthalmos bleiben als an Antigonos Gonatas (oder gar Doson) denken. bei dem man einen 
Enkel unseres Diomedon als Stifter annelanen kéunte. 

Dem Inhalt nach beriihrt sich unsere Urkunde aufS engste mit dem Testament der 
Epikteta und den Philosophentestamenten. wie man schon lange geschen hat. fm Mittel- 
punkt des Kults steht der dem Stifter. wohl als m)thischer Ahnherr, besonders nahe- 
stehende Herakles, dem andere beigesellt sind: der Kult des Stifters und seiner Vorfahren 
als Heroen schlieBt sich in bescheidener Form obne ausdriickliche Nennung an (36 cronaa. 
20 elKONEC). 

Die Objekte der Stiftung sind in [1 ff Témenoc. Zen@nec EN TO! KATWI. OTKHMATIA. 44 Und 
48 ofkdmata. also mit Einsehhu} der zenwnec. und témenoc. Auch oben 1,5 hedeutet To oiKHMA 
TO AamOcion einen Bewirtungsraum. zenon: in Il 57 kann A oikia auch darin eingeschlossen 
sein; in IIT wird an Gebiiuden genamnt 70 zen@Nec. O1KHMATION. ofkiA, S2 ZENWNEC, OIKIA. AECXH. 
TIEPiTTATOC, 1O4 oikia ANAPeiA und rynaikeia: auch das konnte in den Begriffen yon I auf- 
gelien. cikia ANAPEiA == EEN@NEC, FYNAIKEIA ~= OikKAMATA. AécxH und mepimatoc als Zuhehir dazu. 
doch wird wohl eher eine Vermehrung der Ohjekte cingetreten scin. Vermietet werden 
von den Gebauden, wie es scheint. nur die zen@nec (75); sie miissen aber doch tiir die 
zenicmoi zur Verfiigung stehen. Die genonec. die ofkia und die Hallen dirfen nicht privat 
benutzt werden. Die Vermietung gesehah wohl auch nur gelegentlich zu gesellschattlichen 
Veranstaltungen. Méanner- und Frauenhaus sind aber nach 1o4ff. in privatem Besitz. 
Darin liegen fiir uns Widerspriiche, aber fiir die Beteiligten bestand keine Unklarheit. da 
die Objekte alle durch den Artikel als bekannt vorausgesetzt sind. Den ndehsten Ver- 
gleich mit unserem Stiftungsbestand bietet das Testament des Theophrast Diog. La. V siff.. 
das als Stiftungsgebiude des Peripatos nennt: Moyceion. cTwiaion. mepimaToN. TAC OfKIAC TAC 


Heitlige Gesefze von Kos. 31 


TrPOC T@® KHTTW TIACAC, TePON, MNHMEION, TrepimATON. Auf Kos selbst kommt auBer KF 1635 ani 
nichsten die bertthmte Charmylosinschritt des [V. Jahrh. von Pele PH 349 (vgl. KFS. 139): 
“lepA A rA KALA olkia A emt] TAC TAC KAl TO! KATTON KAI TA: CIKIAI TAI ETT) TON KATION Qewn Ay@acka Kal 
Xapmyaoy Hew TON Xapmyaéwon. Der Vergleich diirtte klarmachen, dali} Charmylos nicht ein 
eponvmer Geschlechtsheros der Vorzeit ist, wie Weinreich. Triskaidekadische Studien (Rel. 
Vers. u. Vor. XVI). S.1f. meint. sondern der Stifter selbst. wie unser Diomedon. Den 
Xapmyaeijor (eher als Xapmyao: oder Xapmyacic) entsprechend werden die Teilhaber unseres 
Kults Atomeaénteio: geheiben haben. Wer sind die auBer Uerakles verehrten Gétter? Nach 
Z.125 sind 5 Araamata vorhanden; 27 wird Atdénycoc, 30 Agroaita genannt. Ob der erst 
150—-153 genannte Zeyc?) TTAcioc von Anfang an dazu gehért, ist fraglich. die Movra 
kommen wohl fiir ArAamata nicht in Betracht. Dagegen erwartet man im Kreis des Ierakles 
noch Hebe als Genossin bei den Theoxenia wie Juventas neben Hercules bei den rémi- 
schen lectisternia (Wissowa. Rel. u. K. d. Rom.? 136). besonders da ihre Verbindung mit 
Herakles im koischen Kult durch Cornutus. Theol. Gr. 31 bezeugt ist. Auch die vers6hute 
Tlera ist zu erwarten. Z.29 kommt dazu eine Géttergemeinschatt. vielleicht die eco: 
maTe@iol, die aut’ Kos Kult haben. Auf Grund dieser Erwiguneen habe ich 26--36 die 
einzelnen Gétternamen erginzt. nattirlich nur paradigmatisch. 

Ii. Der Platz fiir die 2 ersten Worte entspricht genau dem Raum, den dieselben 
in Z. 2 ausfiillen 4 oikumatia ist sicher.  Arsye ist hier und Z.11 an Stelle eines andern 
Sklaven nachtriiglich eingesetzt 10 die yon Rob bemerkte. yon Paton tibersehene Ditto- 
graphie aon ist obertlichlich getilgt. 12f gel. und erg. von Ig: nach «anon sind 2 Halb- 
zeilen, die wohl eine fehlerhafte Wiederholung enthielten, getilgt. der Text ist dadurch 
in Ordnung gebracht. 16—38 gel. und erg. von Hg: zu 17—19 vgl. 95.127. Die 
folgenden Vorschriften entsprechen, auch der Reihenfolge nach. ganz denen im staatlichen 
()pferkalender: eycia, crioNnad, lepeyc TepA TrAPéxel. rePH AAMBANEI. =TQ—2I1 vg]. Theopomp. fr. 344 
Jacoby KATA MHNA EKACTON TAIC NOYMHNIAIC CTESANOYNTA KA) AIAPYNONTA TON EpmHn Kai THN EKATHN 
KAl TA AOITTA TON Tep@Nn (= ZOANWN f¥. 159). A AH TOYC MPOréNoYe KATAAITIEIN. (Ich habe ther diese 
Geschichte, was Jacoby tibersehen hat, im Anhang zu E. Hornefler. Der junge Platon I 
S.r5oft. gehandelt.) Stiftung von Kalaureia Laum Nr. 57.12 «al SKA KA A eycia Al, TAC TE 
CIKONAC KA@APAC TIOIEIN ... KAI CTEPANOYN GC OT! xaPiecTaTA. Vol. Ziehen LGN S.354f. 23—25 Der 
ilteste Sohn als Priester auch in der Stiftung der Epikteta Z.5S{% und des Poseidonios 
yon Malikarna8 Svll3 ro44roff. Auch PIT 34,-10 ist entsprechend zu erginzen 37 vgl. Posei- 
donios fr.1 Jac. 46 éziaidzecea: nicht, wie Laum tibersctzt. »enteignen«, sondern »sich als 
Privatbesitz aneiguen«. Vl. das Testament des Theophrast Diog. La. V5 3 und OGL 38 3. 194. 
51 ekacta in kleineren Buchstaben auf Rasur. 53 Die Dittographie twn ist ausradiert. 

Il 56 vgl. gst, 63-—68 trigt die als notwendig erkannte Bestellung von émméAniol 
nach. 68 aézin, Ilg, fiir aeziwein; reicht der Platz bei weitem nicht. 

lif 69 -So bestimmt in Ergiinzung von I 471 die Verwendung der Einkiinfte zu 
Reparaturen und Opfern niher. 6y—-79 gel. und erg. von Hy. 771. Die Zweiteilung 
TO KATAAOITION APr¥PION KAi TA czalPumaTA ist Wohl ein ungeschickter Ausdruck fiir das. was 
im der Schulstiftung des Eudemos von Milet Sy1L? 577.58 heilit To acimOn ToY ezaipeeéntoc 
cic TAYTA (== 64). vel. chenda 20 ézaipeiN .... KAI MEPIZEIN ©... TO ETMIBAAAON. = S4f. Age} XHI 
wahrscheinlicher als “ay, aft. 85 ma’ én TG MePiTATw! ist ein durch en Twi iepor hervorgerutener 
Fehler des Steimmetzen: mepimatoc ist eime gedeckte Wandelhalle wie im Testament des 
Theophrast.  $7--115 Uberlassung der Stiftungsriitume an bediirftige Mitglieder zu Hoch- 
zeiten: dasselbe bestimmt das Testament der Epikteta und dic aiareaeca des staatlichen 
Nikeheiligtums in Kos, Maturi 441. syontw ae kai Tol Toc rAmoc EN TO! leP@! TroleYNTEC iePEION 
téaeion AO <a. beides ohne Voraussetzung der Bediirftigkeit: ramon moiein »eine Hochzeit 





32 Ro dlurzoa: 


ausrichten« auch Uerondas VIES6. 85 f. gel. und erg. von Hg. (fiir toic iafoic ist der Rawn 
etwas eng. fiir 16 jaion eher zu weit), vgl. das Testament des Aristoteles Diog. La. V 14 
‘Orlwe AN AzIWC HMG@N TO!c tajoic emiKomicen, des ‘heophrast V 55 €N Toic TAl0lc MAAA NENAYATHKOTA, 
des Epikur X 20 xpeian en Toic iaioic maPecxHMénol, Paul M. Meyer. Griech. Texte aus \g. 1.16 
HMAC .. TOic TAioIc €ZHCeENHKOTAC. Of. gel. und erg. von lg. gg 102 gel. und erg. von 
Hg. 110--113 erg. von Hg. Es kinnte noch ctwa cine Zeile fehlen. aber die Ergin- 
zung gibt alles Notwendige. Das Futurum mapacxeyate 114 ftihrt auf emimeaécewn of éni- 
MHNIO| Owc, ToYTwN auf die rAmol, 114 aut die enaceic: Tékna bedeutet hier Amoronoi (<ind 
hei®Bt maiaion 52 und PH to): der ergiinzte Satz wird mit teic ae émim. aufgenommen. 
onwc e¢. ind. fut. Ofters in Urkunden, es kommnit auch in der Literatur vermischt mit coni. 


vor, Kitlner-Gerth If S.376 A.5. 9 r20tf Das Inventar kann an sich an die Immobilien 
1 1—5 angeschlossen werden. es wird aber inazwischen vermelhrt sein. 122 TeTPAFWNON 
ist sicher. 30 KyKkAon Wohl »Servierbrett« ftir die iepA (Nehenopter). 137 eine Ver- 


schreibung ist getilgt. 140 cyndrein kann sich schon wegen des Priisens nicht. wie Ziehen 
meint, auf eine Gerichtsverhandlung beziehen. sondern geht auf die cynarwrh Z. o3: ec 
TAN AvPION 2Cigt nur. wie dissolut und aphoristisch die Nachtriige angefiigt sind. 157—-159 gel. 
und erg. von Eg. (Hpakacioic Wilhelin.) 


11. 12. Sehutz des Zypressenhains. 


11. Stele von weiBem Marmor, ohne Bekrénung, obere Eeken abgerundet, unten ab- 
gebrochen. UH. erh. 0,25, Br. oben 0,45. nach unten breiter werdend. D. 0,103. If. d. 
Buchst. 0.015. Monumentale Schrift, etwa Ende des V. Jahrh.. ctoixnaon. Gefunden 15. Sept. 
1904 in mittelalterlichen Mauern an der Nordilucht der oberen Terrasse des Asklepicions. 
Ottomanisches Museum, Konstantinopel. Abklatsche. Photographie. 

12. Drei Bruchstiicke einer Stele von weiBem Marmor. gefimden 1yo2. 1903. 1904 
im Osten der mittleren und unteren Terrasse des Asklepieions. a Oberteil mit) vorsprin- 
gendem Giebel und Akroterien. b mit linkem, ¢ mit rechten Rand. Br. oben 0.355. nach 
unten breiter. D. 0.908 -0,085, TH. d. Buchst. 0.012.) Sehdne monumentale Nehrift des 
IV. Jahrh. Abklatsche. 


11. 12, 

At tic KA TAMNHI TAC KYTIAPICCO- a Qinictoc Aicxina cine’ owe 
c TAc én TOI TEMENE] H TAC CEW TO- AIA®YAACCHTAI TO TEMENOC 
¥ TEMENECOC H OEPHI TA EYACA Ex T- tToY Aroaawnoc To¥ Kymapic- 
OY TEMENEOC TA KYTTAPICCINA. Xi- cioy KAI TloY AcKaaTiioy Kal MH= 
AIAC APAXMAC ATTOTEICATW KAI T- aeilc TAMNHI TAC KYTAPICCO'C Tess 
© TAPON ACEBEITW. AT KA MA EKKAH- "TAC ENTOCeE TOY TEPIExOMé- 
ciAl AOZE! EC AAMOCION EPFON. o- c "NOY TOMOY YIT,0 TON OPWN Tor 
AINONTW AE TOI EMIMEAHTAI FO. ¥. TEMENEYC. ‘TE POCTATAC MH 
TEMENEOC KAI TON AAAWN O xX PHIZ - AEIC TIPOTIGETW MHAE ETIYAD | - 

so WN €C TAN €K'KIAHCIAN KAT A TON iA,- ZéTW MHAE CNWMAN MHACIC vs 
"PON NOMON KAI TON MAC'TPIKON,. Aropley ét!w @¢ A€i KATAXPH CeAl 


TOY “KYTTAPICCINO Y zY'AOY - - 


11. Z.2 vel. Strabo XIV 634 von Didymia komue ron KATOIkKian 6 TOY CHKO? TEPIBOAOC 
AEAEKTAI KAI AACOC ENTOC TE KAI EKTOC TroAYTencc. Paus. I] 11.6 vom Asklepicion von ‘Titane 
bei Sikyon kymariccwn éctin €nTOc TOY TePIBGACY AgNAPA Apxaia. 7 Vl. Syl? 120. Stiftung 


Heilige Gesetze von Kos. 33 


einer kymapittoc Von Karpathos fiir Athen écieponerron. 10f. ergiinzt nach Syl. 672 (Delphi). 
47 f. of maAcTPOi | KATAMAN YONTW KAT AYT@N KAOTTAC KATA TOM MACTPIKON NOMON. 338 (Ialysos), 33f. 
TIOTALTEAAETW AE TON TOYTWN Ti TIOIEYNTA O XPHIZWN EC TOYC macTPOYc. 972 (Lebadeia). SSf Kata 
TON KATOTITIKON NOMON Kai NAoTIO/KON. Die Inschrift kann mit v.11 zu Ende sein. 


12. Der Antragsteller ist sonst nicht bekannt. Z.11f. zu xpAcear ¢. gen. part. vel. 
vy. Wilamowitz. Hermes 34, 212 zu SylIL? 1182. 

Die beiden Gesetze lehren uns den alten Inhaber des Asklepieions kennen, den die 
Griechen Ardéaawn Kymariccioc nannten. Im alten Gesetz 11 ist er gar nicht genannt, weil 
das Numen wohl seit uralter. yorgriechischer Zeit im Hain selbst beschlossen war. Das 
zweite Gesetz uennt ihn an erster Stelle, gibt ihm aber einen Teilhaber, der nur Asklepios 
sein kann. Zwischen beiden Gesetzen ist er eingedrungen. In cinem leider schwer ver- 
stiimmelten Epigramm des V./IV. Jahrh., das auf der oberen Terrasse ausgegraben wurde. 
steht TTatanoc én Aacet. Das kénnte an sich der cine oder der andere sein. In der Opfer- 
ordnung vom III. Jahrh., unten 15, ist er schon vor Apollon Kyparissios getreten. und 
seit dem IL. Jaluh. v. Chr. lebt nur noch der Name des Hains éc Kyrériccon (oben 9 A jo, a4. 
Bo). Im Hl. Jahrh. un. Chr. hatte sich wm ihn ein Ort gebildet, den eine im Westen der 
oberen Terrasse gefundene Inschrift nennt: FAioc Popxioc Ainycic eiepateycac Kyraptciwt@n 
rHN KPANHN €K TON Taiwn ANéeHKA. Im Mittelalter erscheint er als to“Aacoc im Besitz des 
Klosters Patmos und hat diesen Namen bewahrt als Bezeichnung der Thermenruine des 
Asklepieions. das einmal in eine Kirche umgebaut war, TTanaria T “Apcoy. 

DaB das Verbot des Sehlagens der heiligen Zypressen nétig war. zeigt seine Wieder- 
holung nach nicht sehr langer Zeit. Wie Octavian im Jahr 30 v. Chr. einen Frevler dagegen 
als Sachwalter des Gottes zur Strafe brachte. habe ich in der Historischen Zeitschrift. 
Band 125, S. 214 ausgetiihrt. Es fragt sich aber, ob die zweite Vertiigung 12 das Verbot 
ganz kategorisch aussprechen wollte oder nicht doch noch im verlorenen Teil eine Aus- 
nahme vorsah. etwa éc Aaao Ti (Oder TAAN) H €c lepON Epron. Klar ist jedentalls, daB der weiterc 
Aushau des Asklepieions, namentlich auf der oberen Terrasse. den Hain noch weiter de- 
zimieren mubte, dab also cin absolutes Verbot doch immer wieder von oben her gebrochen 
worden wiire. Auf die sehr interessante Parallele des Zypressenlaines von Daphne hei 
Antiochia, dessen Schicksale wir tiber Soo Jahre lang, von etwa 300 v. bis nach 500n. Chr. 
verfolgen kénnen, kanu ich leider hier nicht eingehen. 


13. Asyliegesetz des Asklepieions. 


Bruchstiick von weiBem Marmor, ausgegraben 1903 im Asklepieion. L. Rand erhalten. 
Hoch 0.16. Br. erh. 0,26, Riickseite gebrochen. H. der Buehst. 0.015. Elegante monumen- 
tale Zierschritt mit Apices, 1. Hélfte des IL. Jahrh. Abklatsch. 


‘Td jepdn TOY Ackaamio¥ ACYAON ECTW KATA XPHCMON TOY Ardaawnoc TOY TTyeioy ka - 
@ ATI EP KAlelgPWTAl ° Ai Aé TIC KA TIAPABAINHI TOC OPOC TAC ACYAIAC. ENOXOC ECTW 
'TAt] TE AIKAI KAI TAL ETTAPAI Gc lePdcYaoc’ Swe A€ TOI BPO! EYCAMO! EWNTI, TIEPIMA,- 
pyécow TO i€PON KYKAW! KA@WC TOI OPO! TIEPIEXONTI” 6 A€ NOMOC OYTOC EC TIANTAC] 

s TOC xPONOC KYPIO'C EcTW KAI EM TIOAEMM! KAI EN EIPANAI EENOC OCTIC KA €C TO Tej- 
PON EASHI, NOMOIC XP Hcew TOIC Kw@IwN’ ai A€ Tic KA BiAl EK TOY TePOY ATHI A COMA Hy 
XPHMA OTIOYN OTTOeE NOPN opm@meENOC, TO! Te AckaAaTi@: KAL TAI OAL TAL K@I@N Y- 
TEXETW AIKAN YTTEP TO|Y ENANTIA TIPAEAI TAI TE TIOT] TON EON EYCEBEIAI KAl TAI 
aA APO: WIOE: MCHANEL Aliso Soe cgi ee satis Hat wee ee cole eR le ema es Se 


Phil-hist. Ahh. 1928. Nr, > 


3: R. dinerzoa: 


Als Zeilenliinge ist aus den Z. 6—S, die am sichersten zu ergiinzen sind, 61—63 Bueh- 
staben erschlossen. Die Wiederherstellung des Ganzen ist. namentlich fiir die ersten Zeilen. 
rein paradigmatisch. Die ersten Reste, in Z. 2. sind nieht ganz cindeutig, da nur der 
untere Teil erhalten ist; moglich wire auch [kaeArjep Ke INTAL TO! oPOI” O AE TIAPABAINWN TOC 
opoc TAc AcyAlac KTA.;. Sonst ist die Lesung nicht zweitelhalt. Die auBere Form der Ur- 
kunde zeigt, daB sie cin Gesetz ist, das an sichtbarer Stelle von jedermann gut gelesen 
werden sollte. wie Nr. 11.12. Ein Spruch des delphischen Orakels ist fiir das Asklepieion 
durch die Asylicurkunden nicht ausdriicklich bekundet. aber naeh Analogic der anderen 
Asyliegriindungen bei den nahen Bezielungen der Kocr. besonders der Asklepiaden. zum 
pythischen Gott anzunehmen als Reelitstitel fir die Asylic. 

Die Rechtfertigung tir meinen Versuch. den Inhalt des Gesctzes herzustellen. méeer 
die folgenden Belegstellen geben: Pausan. [1 27.1 vom epidaurischen Asklepieion To ae tepon 
Aacoc TOY ACKAHTIOY MEPIEXOYCIN Opol TANTAXOGEN KTA. Von den Asvlicyaranutien ftir das koische 
Asklepicion kommen in Betracht der Brief Ptulemaios’ UL.. in dem er die Garantie seines 
Vaters erneuert (unediert), Z. 10 {f. acvaon Hreiceal TO iePpON We ToYC dPOYe TeseikaTe: Garantie 
von Jasos (uncdicrt ), Z.12 ff. "to ie'pOn to¥ Ack aHmio? acyAON ciNal KA@ATTEP KABIEPWCAN K Gio! 
€ ic TON TANT |A XPONON’ EAN |A€ TIC TTAPABAINHI TOYC OPOYC THC ACYAIAC. ENOXOC ECTW T|HI EIC TON EON 
Acepeial. . ./ Von einer unbekannten Stadt (unediert) [- - 1d Tepdn TOY Ack anmioy* TON Ae 
[TAPABAINONTA Tove Spore TH|c Acyaiac TON ex ‘der Stadt dbemwménjwn ENOXON ENA tolic Nomoic Toic 
KeIMgNOIC Er! TOIC T,0 eeion Acesovci: Yon eincr dorischen Stadt tuned.). Z. 9 TAcy, /AON HMEN €C TOM 
TIAN TA xPONON,: Von einer unbekannten Stadt (unediert). Z. 5 ff ka: alzioyci] YHeica coal TO TePO,N 
To? Ackanmioy ‘to map’ aYTosic Acyaon kaelAyMeP kK AsiépwcaN aYTO Ka iol. Voller erhalten sind diese 
Bestimmungen in den Garanticn der \toler ft das Nikephorion in Pergamon (182 v. Chr.) 
Syll.3 62917 47.; fiir Magnesia Svll.3 923 83:7, Arein MHEENA EK TAC xdPAC TAC MArNHTWN, MHAAMOOEN 
oOpmwoménoyve KTA.; fiir Mytilene Michel 25 515. fiir Teos Syll.3 563: fiir Keos Syll.3 522: Kreter 
fiir Teos Michel 58 341, Kal COMATWN KA] XPHMATON. €i TIC KA ATH, ‘unlic h Michel 5633. SGDI 5100. 
5146. Vertrag zwisehen Chaleion und Oiantheia, Schwyzer 363. — Wilhelin. Oest. Jahresh. 
1914, 1961. — F.v. Woe8. Das Asylwesen Agyptens, 1923. gibt fiir diese Fragen wenig 
aus, weil er das griechische Asylwesen zu wenig beriicksichtigt und kennt. 

In den vollstindig erhaltenen Antworten anf die Fest- und Asylieansage fiir das koische 
Asklepicion heift es meist kurz 16 ieron ‘to? Ackautioy TO én Kai) acyaon einal. Jedeufalls 
haben die Koer, bescheidener und stolzer als die meisten andern Staaten, die Asylie nicht 
fiir Stadt- und Landgebiet, sondern nur fiir das ieron verlangt. Sie haben sie aueh mit 
hohen Ehren SS y. Chr. gegen die mithradatischen Schergen gewahrt und sind dafiir von 
Tiberius und Claudius helohnt worden. Das habe ich niher ausgefiihrt in der istori- 
schen Zeitschrift. Band 125, S. 221 ff. 224. — Die Grenzen des Asylon wurden durch oeoi 
kenntlich gemacht. Einfriedigung saga tan Mauer hat man meist verschmiiht. Fiir die 
Seheu vor der Gottheit geniigte ein Seil oder ein Wollfaden. Einige Belege dafiir gibt 
J. Pley, De lanae in antiquorum ritibus usu. Rel. Vers. u. Vor. Al 2. S6ff., die sich leicht 
vermehren lassen. Ausdriicke daftir sind mepicxoinizein. Tepictemmatovn. Danach habe ich 
7. as.% Trepima pyécew ergiinzt; das einzige sonst passende V erbum ‘ia evécew fiigt sich nicht 
in den Zusammenhang, da «lie vollzogenc Griindung des Heiligtums Voraussetzung ist. 
Nach Vheokrit I 2g 1T@ meri MEN xEIAH MaPYeTAI YYOe! Kiccéc ist das Kompositum auch ohne 
Beleg unbedenklich. Es erhebt sich die Frage, ob vielleicht solehe opo: der Asylie im 
Asklepieion zutage getreten sind. Ich glaube sie bejahen zu kunnen. und lege sie in der 
stattlichen Anzahl von 19 Steinen vor. Die meisten stammen sicher aus dem Asklepicion. 
bei keinem der tbrigen ist Verschleppung ans ihm unwalhrscheinlich. Die meisten sind 
richtige oro: in Plattenform. die Inschrift im oheren Teil. Der Schrift nach stammen die 


Heilige Gesetze rou Kos. 35 


Altesten aus dem IV.. die jiingsten aus dem II. Jahrh. Jeb habe von allen Abklatsche. 
Soweit nichts bemerkt. sind sie unediert. 


al. 


ly, 


Cs 


Q. 


p- 


(|. 
r. 


+ LF 


Ajioc ‘Ikecioy Cimwnaan. Stadt Kos, in einem Garten verbaut. = PIT 14g. Syll.’929. 
Pat. Cimwniaan. 
Aide “Ikecioy Aaictpamiaan. Ausgegraben im <Asklepieion. Vgl. s. IU. Jahrh. 


Adc ‘Ikeci'oy Nectopia‘'an. Ausgr. Askl. Vel. 1,5. 
"Anoc Mikecioy ...,aaan. Ausgr. Ask. 


Aioc ‘lkecfoy. Ausgr. Askl. 

“Alidc ‘Iklecioy . darunter frei. Ausgr. Ask. 

Zunec TTatewio Kaaainaan. <Ausor. Askl. IV. Jalrh. 

Adc Tlatpwioy “Etymoayciaaan (verbessert aus Etomosyctaaan), Val. “Ereosoytaaal in 

Athen und den Monat Bycioc in Delphi. Ausgr. Askl. IL Jahrh. 

Aio'c) Maxan'foc}. Ausgr. Askl. I. Jahrh. 

TTaazia AN, Atoc. frei. Ausgr. Askl. TT's aziaan? Beide A in Z.1 sind als A an- 

gelegt und dann dureh die Grundlinie verbunden. 

‘Aroc trei ...aniatan. [Im NKastro der Stadt verbaut. das auch andere Steine aus 

dem Ask]. birgt. 

Aide. danach gebrochen. darunter frei. Ausgr. Askl. 

Aidc Patrio Aeanaiac Evevanakti aan. Ort wie bei a. = PH 150(ungenan). SyIL3922. 

LV. Jahrh. 

Aedna'c areialc,. Ausgr. Askl. 

Tlaceemi'a aan Kal Noctiaan Anéaawnoc Kapnlei’o vy. Patmos, Kloster. == Syl? 928, 

von Dittenberger durch Vergleich mit 16 als koisch erkannt. Das Kloster Patmos 

hesitzt seit dem Mittelalter das “Aacoc aut’ Kos. den Platz des Asklepieions. der 

Stein ist also sicher ans ihm = verschleppt. 

[Aréanjwnoc [Kapnejioy oder [yz ioy?, darunter gebrochen. Ausgr. Askl. 

Actykaiaan Moipan. Ausgr. Ask. 

Moipan Aatcrpamiaan. Ausgr. Askl. If. Jahrh. Moira? Veal. b und r. 

Anaromne- — Karin- -- PH 151. Basiswiirfel von grauem Kalkstein im Asklepieion. 

CTOPIAAN AAN H. 0.65, Br. 0.44—--47. T.0.36 —37. Inschrift 0,335 vom 

obcren Rand entfernt. Es seheint eine vorhandene Basis 
als Grenzstein zwischen den Bezirken zweier Geschlechter 
verwandt zu sein. 


Nicht hierher gehéren die folgenden 4 Inschriften. der Schrift nach um 200 v. Chr.: 


Ul. 


Ww. 


X. 


A moira Aioc “Oayatioy Kataadre!. Platte von myraaaonetea init Leiste. aut der K 
steht(?). im Kastro vermanert. mir durch Albsehr. von Jak. Zarr. mitgeteilt. = Mai. 452) 
(falseh gelesen katAret). 
B moipa Arron awnoc Kapneioy. Platte von myraaadnetea, von mir 1g00 im Johanniter- 
kastro der Stadt Kos vermauert gefunden. Nicht bei Maiuri. 
F moira Eema Kyaaanioy. Platte von myraaaonetpa. von Jak. Zarrattis 1916 bei einer 
alten Kirche der Stadt gefunden und mir durch Abschritt mitgeteilt, jetzt von mir 
revidiert. —- Maiuri 452¢ (falsch ergiinzt). 

MOiPA KATA [AH rei ApTAmi aoc Toziti{ajoc. Block von weifem Marmor, links ab- 
gebrochen. von mir 1900 im Kastro vermauert gefunden. = Mai. 4524 (katAre: gelesen). 


Dic Buchstaben am Anfang bedeuten die Numerierung. 1. Zeus, 2. Apollon Karneios. 
3. Termes. Die Steine haben nichts mit dem Kult der Moiren zu tun. wie Maiuri an- 


a 


36 R. Herzog: 


nimmt, sondern geben die Albschnittsgrenzen (moipa = meric) ftir die Bewachungsbezirke 
der Stadtmauer des [V. Jahrh. v. Chr. an. aus der zum groBen Teil die Mauern der Johanniter- 
festung erbaut sind. Sie stammen wohl von der Organisation der Verteidigung im kretisch- 
philippischen Krieg 204—197, tiber den ich Klio IL 1g02. 318ff gehandelt habe. Jeder 
Absehnitt wird in den Schutz eines Gottes gestellt. Vel. dazu Sylls 346%. 495%. g6r. 
Ad. Wilhelm. Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Wiener Akad. 1g24. S.117 und 150. Auch 
die Inschritt von Gytheion, IG V 1,1154 = Michel 760 Mojpa Aidc Terpactioy hezeichnet wohl 
einen solechen Abschnitt. 

Immerhin kénnen diese Steine einen Fingerzeig fiir die Bedeutung der oro: aus dem 
Asklepieion geben. An Festplitze fiir die einzelnen Abteilungen kann man nicht gut 
denken. da wir es nicht mit den Géttern des Asklepieions. sondern der alten staatlichen 
Kultordnungen zu tun haben und die dltesten Steine wohl vor den Anfiingen des Askle- 
pieions liegen. Voran steht mit mindestens 6 Steinen Zeus Hikesius. der Asyisehiitzer. 
dann kommen die Geschlechtsgétter Zeus Patroios und Phatrios und Athana Phatria. Auch 
Apollon Karneios und die Moiren fiigen sich in diesen Kreis ein. Die Alteren Steine sind 
zwar sicher auch ilter als die um 270 —260 erfolgte Garantie der Asylie des Asklepieions. 
aber diese kann sich an ein altes lokales Asyl des Alsos des Apollon Kyparissios an- 
gelehnt haben, das nach dem Synoikismos von 366 vom Gesamtstaat tihernommen und 
dessen ILut einzelnen Geschlechtsabteilungen des Volks iibertragen wurde. Die deo: werden 
dann init Griindung des Asklepieions erweitert worden sein. Die Abteilungen mobgen teia- 
kAdec sein. Néheres tiber sie s. Anhang Ia. 

Leider wissen wir iiber die praktische \uswirkung der iketeia wid acyaia in alter 
Zeit nicht viel. Eine wertvolle Quelle ist neu erschlossen in den Heiligen Gesetzen von 
Kyrene. von Wilamowitz, Sitzungshber. Berl. Ak. 1927. 167ff Dazu kommen die attisehen 
Dramen. vor allem Aeschylos Hiketiden. 

In Kyrene wird ein ikécioc in ein Privathaus geschickt, 
Heiligtum der Gemeinde hinsetzen, um geweiht zu werden, 
ist. mu er sich auf die Schwelle setzen. $ 19. 

Bei Aschylos suchen die ‘Ikétiacc vor allem Schutz bei Zevc ‘Ikecioc, dessen Croll 
gegen Verletzer der ikéra: ihr sicherster Schutz ist (290 Wil. und passim). aber auch hei 
Apollon 214. Themis Hikesia 360 und bei den Altiren der anderen Stadtgitter 452. 
4931, 501. Sie werden dann in ein Ancoc gefiihrt 508. Die Rechtsfolge der ixete.a ist 
die Gewihrung des metoikein YN Acya‘al BpoTaN, 609 615 in den Formeln der Gesetzes- 
sprache. Zur Wohnung werden ihnen Biirgerhauser oder der Kénigspalast angeboten 957 ff. 
Der Kénig und alle Birger wollen ihre meoctatai sein 963 ff. Das erweekt den Eindruch. 
als ob sich aus der Hiketeia primitiver Zeiten das Metikenrecht entwickelt liitte. 


17; er mub sieh vor dem 
IS; wenn er ein Mérder 


s 
s 


Wenden wir diesen Eindruck aut das koische Asyl an. so kann man sich folgcndes 
Bild machen: Die ikétar kommen in das dcyaon. Dieses ist in Bezirke gcteilt. die unter 
dem Schutz einer Gottheit stehen und der Hut eines Geschlechtes anvertraut sind. Ein 
Biirger aus diesem Geschlecht tibernimmt die neoctacia iiber den ikétHe. nachdem dieser 
geweiht ist. Er kann dann bei ihm auBerhalb des dcvaon in Stadt oder Land wolhnen., 
solange nicht von auBen die Gefahr des rein droht. gegen die nur das Acyaon selbst ein 
Wall ist. Die ixéta: kénnen mit Blutschuld Beladene oder entlaufene Sklaven. aber auch 
Verbannte oder (unschuldig) Verfolgte oder tiberhaupt Fremde sein. Es diirfte nicht notig 
sein, das Problematische an diesen Vermutungen ausdriicklieh hervorzuheben. Magen 
andere weiter und klarer sehen! [S. auch Anhang IVd.} . 


[Heitige Gesetoe vou hos: a4 


14. Einbau eines Thesauros in den Asklepiostempel. 


Stele von weiBem Marmor mit Leiste. 13 Bruchstiicke, davon 12 mit Schrift. in 
romischen Gebiude D neben Tempel B verbaut gefunden. Dicke o.1o. HH. d. Buchst. 0.007. 
Sebr sorgtiltige. schéne Sehritt. 1. Halfte des IM. Jahrh. Abklatsche. 


a. Emi mondpxoy ®yaotimoy Aanioy neymuniial’ Hp;oaotoc “Hpaka eltoy, 
(Brust) efte* ATA@AL TYXAI’ AEAOXEAL TAL EKKAH'CiAl IAPY|CACOA! SHC AYPON| 
Tw! ACKAATTI@! TAM TIOAIN EN Tw! NAl@I TOY Acka amioy’ To] Ae TWAH.- 
TAl MICOWCANTW TON '6H CAYPON TAPYCACEA! EN TJOTTIWI Wl KA TOI TE 
TIPOCTATA! KAI 6 TepeYc TOY Acka‘amioy Kal Tol leroeyaa Ke'c ATOAE: - 
; ond TAN YAF- 
TIOAOTIZO - 


wn 


[EWNTI TO Ae FENOMENON, ANAA WMA TEAECANTW TO] TIAMIAI A 


éNArreaA 


eracao. MENWN ETT] T AN KATACKEY - 


i XPHMATW N TON 


poles TOt AcCKAATTION 
MENOI TAI TIGAI ATO TON! 


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y 


TAN TOY NAOY’ OCCA AE FErPATI|TA! EN TA‘ IEPA! GIATPA Al AN EKYPWCE 


rMOC 
“KAHCIA 
1 Ten APXAl ECCEYMENOC KA’ €K,ACTAN “€EA/MHNON EK TAN TTO@OAWN TON 


‘TePON TEMENEWN ATIOPEPEN, TO! TAM{ AI] KATABAAAONTW EC TON GHCAY- 


mHNOoc Aaceioy? érl m,onApxoy {ApxialAmoly? T,dc TAMAC TOC AE | 


"PON TTAPEYNTWN TON Te iePO|@YAAKWN T@N EN APXAl EYNTWN Kai ié PE - 
PEWC; AcKAATIOY, KA} AOTON EC K'l BWTON EMBAAAONTW TWN XPHMATON 
occ A KA éC TON OHCAlY PON EMBAHGHI To! Te TAMIAl KAI TO! TePOeYAAKEC 
KA) TO] TIPOCTATAI’ ExETW AE O GHCAYPOC KAAIKAC TECCAPAC’ TAN AE 
KAAIKQN TAM MEN MIAN TO! TIPOCTATAI EXONTW. TAIN' AE ETEPAN TO! lePo,- 
SYAAKEC, TAN A€ TO! TAMIAI. TAN AE O iepeYc TO? AckAATIOY* oO Mwe ON 
IY TAPXONT:W N XPHMATWN € ETOIMOY TAI Te BYCIAl TOI ACKA ATTI@! Kal 

tal Yricia Kal TAL HTTIONA! KAl A TIANATYPIC KAT TA] 6€ WPOACKIAL 

2) “Kal TOI Ar @NEC KAAWC KAl ETTI@AN]C CYNTEAWNT Al AZ.WC TOY Te Ac - 


KA@ €KACTAN TTe\- 
TIPO €KACTAC TTA- 


or 


"KAATIOY KAl TAC TOY AAM'OY TIPOAIPECIOC. TO! TAMIA | 


TAETHPIAA _, Bet : Bes, ye : z 7 : 
TA XP,HMATA TA TLOTITIO,PEYO MJENA EK TAN 'TIOGOAWN TON TEMENE,- 
NAP YPIOC y . RY 88 . 2 4 
Nea ne eee aeyial a Sa meneve tan Bea ATIO@EP ONTW EK TOY GHCAYPOY 
[ON KAI Tove TOKO.‘ “TEN i eS i 
TEPON A 
25 AAAO 
Noc 
= HP 


hb. Die foleenden 3 Fragmente (pr. 2 aneinanderpassend) Jassen sich vielleteht so zu- 
5 0 a 


sammenschlieben : 


oF 


AY|TET EC 
Ec TON GHC AYPON ECO AO 


im 


“al KA MH Ti A-AAO AOEHI T Gt AAMW: TEP] TOYTWN* METAGEPON TW A€ KA, KAT. 
"ENIAYTON 2) €K TOY GHCAY POY TO? IAPYMENOY TIPO TOY BWMOY TOY EN TOI 1€P OI 
s [ToYC TEAANOYC KA} AITINEC KA ATT APXAI EMBAAAWNTAI T @1 GEW!. KAl CCCA KA 


"A TIOAIC I€PEIA A,O;P'AEH! TON TO Y BEOY TIOIMNIWN. TAN A ZIAN TACCETW A 
‘EKKAHCIA, TAN AE TIMAN AMTO@E PONTW TO! TEPOTTOIO! TI,APAXPAMA €C TON SH- 


38 R. Ilerzou: 


© CAYPON’ ATIOSEPCN|TW Ae KA! [TOI IEPO®YAAKEC OC CA KA TIOTEAGHI To, 


‘to: se@! Strafgelder? jynon TA YTTAPXO NTA XPH- 
. META 6 
To MATA 2-27-2520 et eee €M MHNI - ------ > TQ! ett] |MONAP- 


“xoy Dyaotinoy 
ai2 ist am Sehluf PE wohl als Dittographie getilgt. ebenso b 8 SchluB TQI b 6 
FOAE=HI. was keinen Sinn gibt. Buchstabenzahl 50—-57 


Die Urkunde betritlt den Einbau eines Thesauros in den Tempel des Asklepios und 
ist neben dem Tempel B der mittleren Terrasse des Asklepieions gefunden. Diesen Tempel 
datiert Schazmann aut Grund seiner Nachpriifung nicht. wie wir zuerst. wn das Jahr 4oo, 
sondern zwischen 300 und 270, Der Thesauros ist nach seiner Beobachtung nicht nach- 
triglich. sondern schon wahrend des Baus eingetiigt worden. In dicse Zeit pat der Schrift- 
charakter der Inschrift und der Name des Monarchen. unter dem der Beschlu8 getabt worden 
ist. Bei der Seltenheit des Namens (vgl. Aamétimoc Timoaamoc) kann er ohne Bedenken 
mit dem heriihmten koisehen Arzt Phylotimos eleichgesctzt werden. Sein voller Name ist 
nach der (unedierten) Subskriptionsliste fiir die Asklepicia um 260 y‘aotiimoc Timoaykoy. 
Durch die von mir 1900 im Kastro der Stadt aufgefundenen Grabsteine Timoaykoc Mna- 
cimaxoy — Maiuri 538 und Mwnacimaxoc Timoaykoy = Maiuri 515 (Buchstabenformen ungenau 
wiedergegeben) kann sein Stammbaum his aut den Uippokratesschiiler Timolykos —- Tumu- 
licus der Briisseler [Hlippokratesvita (IL. Schoene, Rh Mus. 58. 1903.8. 57) zuriiekgetiihrt werden : 


Timolykos I geb. um 420, Bliite um 380. 


Mnasimachos — » » 390, » » 350. 


| 
Timolyvkos IT» » 360, » i B20; 
Phylotimos » » 330, » » 290. 


Mnasimachos erscheint als Arzt im spiitesten Buch der Epidemien, VIL 112 oaéea etmiex 
KATA Mnucimaxon. Phvlotimos selbst in dem letzten abyerissenen Satz desselben Buches. 
124: 0 Pyaotimoy Traic e@HBOC HASE TIPOC Eme EYPWN KPANIOY dcTéoN (aul die weiteren verderbten 
Worte kann ich hier nicht cingchen). Am Anfang desselben Buches, ¢. 4, wird nach den 
koischen Monaten Karneios und Agrianios datiert. vgl. Anhang Ile. Daraus ergibt sich. 
da® das VIL. Bueh cin untertiges Journal im Rohzustand aus der koisehen Schule ist. das 
nach dem SechluBsatz auf etwa 250 datiert werden kann. Es wird mit der Bibliothek der 
koischen Arzteschule, die natiirlich auch knidische und andere Werke enthielt, wm 270—6o 
in Absehriften (oder im Original wie spiiter die athenischen Staatsexemplare der drei 
grofen Tragiker?) an die alexandrinische Bibliothek abgegchben worden sein, wie dic 
Schule auch gleichzeitig Arzte nach Alexandria abeah, Gorgias und Xenophon (Wellmann. 
Hermes 35.381!. PH 5.360). Das war die Gegengabe fiir die Forderung des Asklepieions 
durch Ptolemaios PhiladeIphos.  Doch diese Fragen der Geschichte des Corpus | ippo- 
crateum miissen andern Orts in eréferem Zusammenhang hbehandelt werden. 

Der héchste Beamte wird in diesem Fall, da es sich um das Asklepieion handelte, 
auf den Antrag Einflu§ ausgetibt haben. Der Antragsteller “Hedaotoc “Hpakacitoy wird 
einer unedierten Inschrift von Halasarna als apxeycac map’ “Heakael geehrt: er ist: auch mit 
Wahrvcheinlichkeit ohen 8, als neoctétac eryiinzt. 

Was ieh tiher den im Tempel eingebauten Vhesauros im Arch. Anz. 1903. 8. 190 
und Arch. f) Rel. Wiss. X (1907), 8. 207 ff ausgetiithrt habe. elaube ich j jetzt etwas genaucr 


Lleitige Geselze ron Whos. 3) 


fassen zu sollen. Dieser Thesauros soll nach den Bestimmungen unserer Tnschrift wohl 
nur die evroBe sichere Kasse des Gottes sei. in die von den tamiat alle Einktintte des 
Gottes eingebracht und aus der zur Bestreitune der NKult- und Festausgaben die Gelder 
entnommen werden sollen. Zu diesen Einkiinften gehéren auch die Ertritgnisse des Opfer- 
stocks, den ich jetzt in b 4 finde €k to¥ excay poy TOY iaPpYMéNnoy TIPO TOY BwMOY, TOY EN Tul 
iepo!. und mit der tewray to apakontoc bei Herondas IV got. gleichsetze. In einfacheren 
Verhiltnissen waren beide identisch, wie vier andere koische atarpacai zeigen. am aus- 
fiihrlichsten die schon im Arch. f. Rel. Wiss.. a.a. QO. 8. 211, angefiihrte der Aphrodite Pontia 
aus dem II. Jahrh., ferner die aiareacd des Nikeheiligtums Maiuri 441. 17-—24 und das 
Fragment Maiuri 442. das danach verbessert und ergiinzt werden kann. endlich eine in 
zwei fragmentierten Fassungen von mir im <Asklepicion ausgegrabene aiarpaedA des As- 
klepioskults aus dem [. Jahrhundert y. Chr. 

Infolge der Liiekenhattigkeit der Urkunde kann ich oft keine eindeutige Ergiinzung 
geben. Die von mir erwogenen Mévlichkeiten beruhen auf anderen arareasat fihnlichen 
Inhalts. 7 wire auch eyacic,ménon oder [meropicjménon miglich. 

ai7tt haben zur Voraussetzung. dai der Plan zur Stiftung des Festes der Askle- 
pieia schon gefaBt ist. Ihm gelten eine grobe, leider nur in Bruchstiicken erhaltene Subskrip- 
tionsliste, aul’ der eine Reihe bekannter koischer Asklepiaden- und Arztenamen erscheinen. 
gegen 260 zu datieren. und die Antworten von Konigen und Staaten auf die Ansage der 
Asklepieia und Bitte um (Garantie der Asylie. Von ilmen gehoért die erste Reihe in dieselbe 
Zeit, doch folgen spitere nach. wie in Magnesia und Teos. Die Siegerlisten der Asklepieia 
scheinen um 254 zu beginnen. Die vorliutigen Darlegungen dariiber in den Dissertationen 
von P. Boesch. Qewroc (Ziirich-Berlin 1908) und Th. Klee, zur Geschichte der gymnischen 
Agone an griechischen Festen (Basel-Leipzig 1918) sind in manchen Teilen zu ergiinzen 
und zu berichtigen. 


15. 16. Opferordnung der Asklepieia. 


15. Rechter unterer Teil einer Stele von griiulichem Marmor. H. erh. 0,46. Br. erh. 
0,21, D. o,11; unten o.1g frei. I. d. Buchst. 0,007. Flotte, leicht eingeritzte Schrift des 
HE. Jabrh.. =ML. Ausgegraben 1903 im Asklepicion. 2 AbkI. 

16. Bruchstiick einer Stele von Marmor. r. Rand erhalten. HI. erh. 0.16. Br. 0.22. 
D.0.09. IL. d. Buchst. 0.006. Sehritt des HI. Jahrh. EPZ. Ausgegrabeu 1904 im Asklepieion. 
3 AbkI. 

Der Inhalt der beiden Urkunden ist identisch, der Wortlaut z. I. in 16 evekiirzt: um 
die gegenseitige Erginzung zu veransehaulichen, habe ich in jeder Inschrift das auf der 
andern Erhaltene unterstrichen. Die Zeile von 18 liBt sich danach auf etwa 66—68. 
die von 16 aut’ 44—46 Buehst.. mit Silbentrennung. berechnen. 


15. CTWN FiNE~ 
WN TO! edi O TeE- 
“AANOC ? KY PIA ECTW A EKKAHCI'A, 


“YA@IZECOAl CCCON AET ATIOSEPEIN EK TOY GHCAYPOY" OTIWC OYN? YTTAPXC,NTWN XPHMATWN CYN- 

= “TEAHTAI A TIANATYPIC AZiWC TWN @EMN KA! TAC TIOAIOC. TO! TAMIA! AIAO,NTW EC TAC eYCiAC 
"¥rmép TAC MOAIOC TOIC TePoTTOIOIC EM MHNI.. 2... ee ? APAXMAC XIA IAC TIENTAKOCIAC, 
‘Tol Ae Teportoio) WNEICeWN EC TAN TIOMTTIAN BOYC AYO @C KAAAICTOC XPYC'OKEPWC, TOI MEN Ac- 
KAATTI@! MH EAACCONOC AEION APAXMAN TIENTAKOCIAN, TM! A€ ATTOAAW,NI MH EAACCONOC AzI- 
"ON APAXMAN TETPAKOCIAN. TAI GE Yrieiai Kal TAL HiTICNAI AAMA AIN EKATEPAL MA EAAC- 


40 R. Wrrzoe: 


2 CONOC AZIAN APAXIMAN TPIAKOCIAN’ ANATIGENTW AG EC TAN CTIGNAA N O MONAPXOC Kai TOl ie- 
POTIOIO! KAS EKACTAN TIANATYPIN TOIC GEOIC SIAAAC AYO APrYPEA C. TAN MEN TIOAIC ACKAA- 
Tm KAI “Yrieiat Kai “HTTIoNAl. TAN Ae iepottoiol Amoaawnt Kyrtapicciwi’ Arétw ae A- 
"ACEANAPEIAC APAXMAC EKATGN EKATEPA® CTIENAETW AC 6 Tepeyc’ TIENTIETW AE KAI 6 Te- 
‘peyc TO! MEN Ackaartiw! Kai TOI ATIOAAWNi CIN TENEWN EKAT EPW 1 MH EAACCONOC AZION 


“APAXMAN TIENTHKONTA’ TIENTIETW AE KAI TA! “Y rieial KA: TA! Hr IONAL CIN TEAEAN EKATE- 


PA! MH €AACCONOC AZIAN APAXMAN GIKOCITIENTE’ spat. —- T0] AE MPOCTATAI KAI TON AA- 
‘AWN Kulwn 6 xPHIZWN? TO? MHNOC TOY Tletareitnyoy ? NEYM,HNIAI AIPEICOWN ETIIMHN OC €F €- 


_KACTOY QAMOY KA! TON TTAPOIKWN ENA?. TOIC AE AIPESEICIN: AlA0 NTQ@ TOL TAMIAI “ICeMIWTAM 


"MEN TOL ETTIMHNIW! APAXMAC CKTAKOCIAC. AAACAPNITA, N Ae Kal IITiWTAN KAI AirHaion 
> KAY ANTIMAXIAAN KA APXIAAAN Kal AAGNTION KAI Teawtan KA | TIVEEWTAN EKACTWI APA- 





“XMAC €ZAKOCIAC’ Al A€ KA MH ANAAWE6H! TIANTA. KAI TOIC TIAPOIK, ‘ole? APAXMAC TETPAKOCIAC 


“SEQAIAZONTW EK TON KATAAOITION ? . frei. 


16. “Anéaaoni Kyttapicciwt’ Aretw ac. Anezanalpeiac APAXMAC, 


7 


'EKATON EKATEPA, * TIEMTIETW AE O TEPEYC € N TAI TIANATY. PI TOIC MEN 6€ - 


‘dic? OIN TEAEWN EKATEPWI MH EAACCONOC A ZION APAXMAN TTENT 4, : 


TKONTA. TAL AG Yriciat KAl TAI “HTti0N| iAl OIN TEAETAN KAT é- 
‘PAL mH EAACCONOC AZIAN APAXMAN CIK/OCITIENTE” Tol ale! 


TIPOCTATAI KAI TON AAKWN Kwiwn 0 XPHIZW_ N? ToY MHNOC eth Me 


Tletareitnvoy? NEYMHNIA! AlPEiCeWN éTmiMn Nioc €z EKA- 


‘CTOY AAMOY KAl TWN TIAPOIKWN 2 ENA. Toic aE AIPE®, CIN DILO: IN! = 
"Tw TO] TAMIAI ‘Icomintam MEN TO! €TTIMHNIW! APAXM, AC OKTA- 


1 'KOCIAC. A\AACAPNITAN AE KAI TAANTIMAXIAAN Kal Air; HAIWN 


KAl APXIAAAN KAI ‘IHTHWTAN | KAl AAeNTION KAI Tenens: N KA! ive 





ZEWTAN EKACTWI APAXMAC CEAKOCIAC™ Ai A€ KA MA A, NAAW- 


“eA TIANTA, KAI TOIC TTAPOIKOIC? APAXMAC TETPAKOCIAC] €=0- 


AIAZONTW EK TON KATAAOITTIWN ae 


Die Erganzungen sollen nur den allgemeinen Inhalt herstellen. Wo keine Fragezeichen 
stehen, ist der Zusammenhang einigermasen sicher. 

Ai1—4 vibt die Herkunft der Mittel an. aus denen 4—-22 die Opfer der ranaryeic 
(B 2) bestritten werden sollen. Die siareata schlicBt sich also sachlich an Nr. 24 an 
(\a~ 14,-4 ). 

A5—16 Opter fiir die monic. A6 als Monat wire knapp TTetareitnya moOelich. wie 
Aty — By; der Raum zu verlangen scheint. Er mui vor dem Festmonat (Aaceioc vom 
‘Aacoc) liegen. Die Zahl 1500 ergibt sich aus deu angenommenen Kinzelposten: diese sind 
unter Bonide veneeins des Prilence Geldwerts und der W ichtigkeit der Opfer erschlossen 
aus andern koischen Pandey. Der soe xpycoxépwc tity den pythischen Apollon im Jahr 

278 soll joo Dr. kosten (Syll.? 398), cine admaaic als Opter em) TA mpacel TAC Tepweynac der 
Aphrodite Pontia im II. Jahrh. 600 Dr.. withrend eine uae Keita in der alten Opfer- 


ordnung oben 65 nur 50 Dr. kostete. A 10—12 a es sich hier um die 





Stittung von ena handelt. ergibt sich aus der Aualowe yon Pi 3 388 (iereye und iepo- 
T0101) imd PH 406 (monapxoc und ieporoioi) in V ale mit ae ie. des Ul. Jahrh. aus 
IIalasarna KF 220, Sitzungsber. d. Berl. Ak. 1901. S. 481, au der ich noch den Anfang ge- 


funden habe. Danach stiften zuerst lie TepaTeYCANTEC j@ Ci TMOTHPION ‘FMIC@AIPON. YYKTHPION. 


Ficilige Gesetze von Ros. 4] 


oiaad Aron Ane. H, spiter Priester und Hieropoioi zusammen solche im Gewicht von 150 Dr.. 
spiiter nur noch von 50 Dr. A 13—15 ist bedeutend linger als B2-- 4, aber B2 én Tas 
manarye! ist nicht in Ai4 unterzubringen. Es ist also wohl eine doppelte Redaktion an- 
zunehmen. 

A16—22 = B5—r4 Opter fir die Demen. A16 Es ist sonderbar. da® auber den 
meoctatal. dem Regicrungsausschub vou 6 Mitgliedern. jeder Koer, der will. mitwihlen soll. 
aber ich finde keine betriedigendere Ergiinzung. AS “ton mapoikwn und A 21 Toic maPoi- 
koi ist auch zweifelhaft. aber wohl besser als Kaaymnion. Dice maroiko: nehinen auch 
Syll2 3983; am Fest teil. Die bekannten Demen konnen alle im Text untergebracht werden. 
Die Mutzihlung und absteigende Skala geht nach ihrer Bedeutung im Staat, zugleich auch 
nach der Eutternung von der Stadt. Isthmos ist der alte Vorort. Halasarna der niichst- 
bedeutende Demos. In Brot. muB des Raums wegen eine Vertauschung der Demen an- 
genomnien werden. A 20 = Bri Thyzewta: ist die alte Form. die auch Pheokrit VID1 30 
TaN éml Tlyzac eip@ oa6n bewahrt hat. wihrend die Scholien dazu die spiitere. volksetymolo- 
gisch von Anoaawn Pyzioc (oben SN. 20) hergeleitete Form Oyza wie PH 3271. Oyz@tai keunen. 
Der alte Name kommt von dem kleinasiatischen Wort nyzoc »Buehsbaum«, dessen P-Laut 
schwankte wie bei der harischen Stadt Tyreaa—®yreaa. Niheres tiber die Demen s. Anhang Ib. 

Die eciuzelnen Posten ergeben nach meinen Erginzungen I~ 800 — 8 x|600] + 1X 400 
= 6000 Dr. = 1 Talent. B12 SchluB8 ainaaw- und A 21 -o1c (Dativ statt Gen.) lassen daraut 
schlieBen. dali der letzte Posten von den andern getrennt ist. Er soll wohl nur gegeben 
werden, wenn noch genug Geld zur Verfiigung steht, also an cine Kategorie minderen 
Rechts. wie die maroixot. Dic Kalymnier als Omonoaita: wiiren mit ,oo Dr. wohl nicht zu- 
frieden gewesen, und bleiben daher besser auber Rechnung. 

Die atareaoa ist dadurch besonders wichtig. daB sie den Aroaawn Kymariccioc zum letzten 
Mal nennt, und zwar schon von Asklepios an die zweite Stelle verdriingt, im (Gegensatz 
zu Epidauros, wo Apollon imeist an erster Stelle bleibt. In den Opterbestimmungen steht 
sie noch der alten staatlichen Opferordnung nahe. 

Den Ubergang zur neuen Periode, der Finanzierung der Kulte durch Verkaul’ der 
Priestertiimer und fixierte Sporteln fiir die Opfernden. zeigt die néichste Urkunde. die gleich- 
zeitig oder etwas ilter sein kann. 


17. Priestertiimer der Demeter. 


Oberteil cincr Stele vou weiBem Marmor. Die Leiste oben ist gréBtenteils weg- 
gescllagen; unten gebrochen. I. erhalten 0.30. Br. o.4o—-41. H. d. Buehst. 0.01 3—14. 
schmal. Sehriftt fiinlich der des groBen Opterkalenders. aber etwas jiinger. Im Besitz des 
Zaxariac TTana Nikoaaoy in .Antimachia. gefunden in seinem Crundstiick nahe bei seinem 
Haus. PH 386. Ziehen. LGS 132. Svlloge? 591. 31006. Ich revidierte den Stein 1902. 
Abklatsche. 

'K aTA TAdE Tal iépeia: iepwcew Tar Aamatpi’ €ZH- 
MEN AE TOIC KYPIOIC KAl TAM MH TIAPEYCAN TYNAIKW N° 
TO! XPHZONTI EMBAAAECBAI. Al KA EN TAI XWPAI 

EWNT!’ TAC AE AAXOYCAC OMOCACAC TEPOCEAI* TAIC 

AE TEAEYMENAIC KAI TAIC ETTINYMOEYOMENAIC HMEN 


uw 


TAL AHAOMENAI. KAGATTIEP KA! TIPIN TI@AHTAN TENECCAt 
TAN IEPWCYNAN CYNETAX6H. TIENT OBOAOC AIAOYCAIC 
ATIOAGCAYCOAL TWN AAAWN ANAAWMATWN TIANTON * 
TIAPACKEYAEAI AG TAIC TEAGCYMENAIC TAC iePHC TA NOMI- 


Phit-hist. Abh, 1028. Nr. 1 


4? R. Herzou: 


19 ZQMENA* HMEN AE KAL TWN TEPWN T@N OYOMENWN TAIC XPHZOY- 
CAIC ATIOAOMEN TOY MEN ETEAOY HMIWBEAION. TOY AE TEAEIOY 


"TO MEN EN MEPOC HMEN TAN TEPEIAN. TA AE AYO H 


‘MEN i€PA’ TAIC A & 


‘Jepelaic CZHMEN YOlEPEIAC AMOACIEAI TOAITIAAC - - ---- - - 


Z. 2 TAN Pat. g mapackeyacai Pat. 12 —14 gelesen und ergiinzt von Herzog. 


Die Inschrift ist aus einem gréBeren Zusammenhang ausgehoben. wie czmen ae Z. 2 
deutlich zeigt tebenso Svll? 1016). Sie stammt aus der Umarhbeitung der alten aiarpaca 
tir alle Demeterpriesterinnen des Staates Kos, die also iihnlich wie oben Nr.8 war. 

Die Vmarbeitung war nach Z.6 durch den Verkauf der Priestertiimer bedingt, sic 
zeiet aber noch den Zwischenzustand der Verbindung mit der Losung (Z. 2---4). die wohl 
die engere Wahl fiir den Kauf ergeben sollte. 

5 Paton hat recht gesehen. dal er Demeter hier als Ehegottin nach Plut. coni. praec. 1 
auttaBte. ebenso in der Erklirung von emnymocyomenai »women on their second marriage«. 
Dafiir spricht Paus. U, 34.12 (Hermione): Kai nadc etepce éctin AgpoaitHc’ AYTH KA] AAAAC EXE! 
TIAPA EPMIONEWN TIMAC KAI TAIC TIAPGENOIC KA HN [YN XHPEYOYCA TIAPA ANAPA MEAAH @OITAN. ATTACAIC 
TIPO TAMOY 6YEIN KAGECTHKEN ENTAYOA. . 


Tn der atareaca PIL 27 - - Syll. 1012 aus dem I. Jahrh. v. Chr., deren Lesung ich wesent- 
lich t6rdern konnte, ist Aldnycoc Gyaaoedroc Ehegott und seine Priesterin vollzieht die 
teaetai der Teaezomenal. Die Nportel datiir ist auf 5 Drachmen gestiegen. Den Schlu8 unserer 
Insehrift habe ich nach PH 27.23ft. erginzt. 


Anhane. 
J. Staat. 


a. Politisch-militarische Gliederung. 


Die Koer haben aus der Argolis dic drei dorischen Phylen mitgebracht in der ofti- 
ziellen Reihentolge “Yaacic Avymanec Tlamovao: init den Phylengéttern Herakles. Apollon 
[vel. IG XI 3.38 Telos: eyvaac Anonawnoc. Hiller], Demeter (PH Appendix E. S. 341f'). 
Die weitere Gliederung ergibt sich aus Folgendem: 

In cinem unedierten EhrenbesechluB fir Aioxanc Aamarxoy AKAPNAN TETAPMENOC TIAPA BA 
cine TItonemalw: (I. oder IL.) erhalt der Geehrte ftir sich und seine Nachkommen das koisehe 
Biirgerrecht. tol Ac MPOCTATAI ETIIKAAPWCANTW AYTOYC EC ®YAAN KAi TPIAKAAA KAl TIENTHKOCTYN’ OTTOLAC 
Aé KA AAKwNTI ovaA cc. eyyNTW. Dieselbe Formel steht verstiimmelt in dem koischen Ehren- 
beschlub fiir den Kalyinnier QeoxeatHe “Onacirénevc SGDI 36112, aus derselben Zeit. Das 
Biirgerrecht mu auf Kos selten verliehen worden sein, denn sonst haben wir nur Proxenie- 
erteilungen. Die zwei letzten Glieder, triakac und mentHkoctyc. konnten auch oben dAi- 
und 8 A;, hergestellt werden. In den vielen Btirgerrechtsverleihungen von Samos lautet 
die Formel regelmiiliig emiKAHP@CAI AYTON ETTi ®YAHN KAl XIAIACTYN Kal EKATOCTYN Kal rénoc. Samos 
ist durch Polykrates in 3 Phylen eingeteilt worden (Ierodot. [Hl 34. Szanto. Die griech. 
Phylen. Sitzber. Wien. Ak. 144. 1901. 5. Abh. S.51ff). Das in der koischen Formel feh- 
lende Zwischenglied ergiinzt sich aus 1; y5. Es ist die ximiactyc. dort als 9. Teil der Biirger- 
sehaft auch nichtofliziell als énata bezeichnet. (Die weiteren triither angenommenen Belege 
fiir enata aul’ Kos. PH 3674, [ = Svll? 1023] und 385 haben sieh als falsch gelesen erwiesen.) 


Heilige Gesetze von Nos. 43 


Eine Gegentiberstellung von Kos und Samos ergibt die vollst‘indige Gliederung mit mathe- 
matischer Sicherheit: 
Norinzall der Birger 


Kos a Samos 
(Krieger) 
cymmac AAmoc oder ctPaTéc go00o0 CY MITAC AHMOC 
oYAA 3000 YAH 
XIAIACTYC = €naTA les AAMOC 1000 AIALACTYC 
TPIAKAC 7 1 39 (ler ead 100 EKATOCT YC 
TIENTHKOCTYC 50 réNoc 


Der militirische Charakter ergibt sich aus den Namen Tausendsehatt. Wundertschatt. 
Finfzigschaft. Wieweit er mit gentilizischer und hommunaler Gliederung ausgeglichen 
wurde, liBt sich wie meist nicht mehr feststellen. Die Ubereinstimmung zwischen dem 
ionischen und dorischen Staat ist natiirlich nicht zuffillig. sondern das Ergebnis ciner An- 
gleichung. die durch die delische Amphiktyonie seit alter Zeit geftrdert wurde. Samos 
nimmt die dorische Dreizahl der Phylen aut. Kos die ionische Heeresgliederung. Dic 
xiatactyec finden wir auch in Ephesos bei gréBerer Anzahl ioniseher Phylen. Die Sub- 
stantiva auf’ -tyc sind spezifisch ionisch. Antimachos yon Kolophon hat sie mit heson- 
derem Kifer weitergebildet (so dai Eratosthenes das Spottwort Antimaxuctye bildete). und 
die alexandrinisehen Dielter, allen voran sein Widersacher Kallimachos. haben es ihm wie 
andere Newhildungen nachgemacht. Uber ionische Einiltisse aut’ Kos vel. auch Anh. IIL 

Durch unsre Klarstellung der koischen Gliederung erledigen sich die Austithrungen 
von Paton (PH XANAY). Szanto, a.a.O. 24. Francotte. La polis greeque 126. Busolt. Griech. 
Staatskunde [ 258. Nilsson. Griech. Feste 18. Blinkenberg. Die lind. Tempelehr. 1915.8. 17 
zu Bgo. die alle dureh das scheinbare Zwischenglied der enata: verwirrt sind. Die Norm- 
zal] der Birger = Krieger. gooo. entspricht ganz dem, was fiir Kos (und Samos) im 
VI. und V. Jahrh. angenommen werden kann. 

Die Verteilung der crhaltenen gentilizischen Namen auf die Untcrabteilungen der 
Phylen ist ganz unsicher. Ob die ximactyec nach Geschlechtern benannt waren. ist mir 
traglich. Sicher festzustellen sind nur 2 mentHkoctyec. die ‘I nmaaa 5 A;- und die TToa- 
a@naa 8A,:. Die 3 Geschlechter 16 gehoren alle zur Phyle der Pamphyler. kénnen aber 
keine ximiactyec sein. da zwei von ihnen 13p in einer Gruppe erscheinen. die viel mehr 
als g umfaBt. Da fterner jedes der 3 zu einer andern xiaiactyc gehdoren wird. kinnen dic 
2 zusammengekuppelten Paare 13p und t nicht die mentHKoctyec einer Teiakac sein. Danach 
diirften die in 13 zusammengestellten Geschleehter tpiaxaaec sein. 

Von Interesse diirfte cine Zusammenstellung der bis jetzt bekannten gentilizisehen 
Namen (cinschlieBlich Demen auf -aai) sein. 


AaxuHiaat 15, Ocaaal? ined. TTonawnaat 8 A;; 

AmolaPHiaal @ Bao. 21 “TL mmaaal D Ate CimwNaAal a. 

ANAPOMNHCTOPIAAI t. Kaaainaal &. Cymmaxiaar Pricstertuun, ined. 
Antimaxiaat Demos Kapinaai t. Dyacomaxiaa 2 1g 

Apxiaaal Demos Aaictpamiaal hs. Xapmyaeiol? PIL 349 
AckaaTiadal Mai. gor Nesp.aarSteph. Bis.v.Kac  -aaa d. 

Actykaiaal Yr. Nectopiaa eo. ¢. cacioi? PIL 3455 

TAlxniaaat PIT 3453 Nicypiaaat PIT 368 Vigo -AHinat I, 

EtrymMosyciaaal hh. Noctiaal le. p. Ac éom 1p: 

EYPYANAKTIAAI ID. TTaceem'a aa |. p. 


“Hpakaciaal Mai. 461 TTaagiaa: TTaaz.?) k. 


oe 


44 R. Werzoa: 


Aut die Analyse dieser Namen kann hier nicht eingegangen werden. Deutlich sind 
kleinasiatische (karische) Einschlige: ich stelle daher auch koische Biirgernamen. die sicher 
dieser Herkuntt sind. zusammen: Beyazic Miinzbeamter. dol. wohl Monarch PH. N 45. vgl. 
Kretschmer, Einl. in die Geseh. d. griech. Sprache 318. Aaraanoc. Keicamic (Kretschmer 3 33), 
Kaco-mytTaane? im Uippokratesstammbaum. Nannakoc. Nannakic. Nannion. dazu “Annakoc 
Pll 160, mehrfach auf Kos im If. Jahrh.. besonders bedeutsam durch die Anspielung auf die 
Nannakossage Herond. [lf 10. vgl. KF S.51. Kretschmer 356. Tlanamyac (Kretschmer 333. 357) 
Maiadta (iranisch) PH 10b 73. 4422. Qevaotoc Tanamya PH 4430. TTao%e Priester in Halasarna 
33 n. Chr. (Xretschmer 369). Karische Familien k6nnen zur Zeit der karischen Oberherr- 
schatt im V. und LY. Jahrh. eingebiirgert sein. aber der Hippukratesstmmbaum. der doch 
ein fiirstliches Geschlecht repriisentieren will. und der Karische Name des Demos Hala- 
sarna (und TTyza und Axdena 8.45?) sprechen fiir altere Mischung. Der A\polonkult im 
Alsos. in Pyxa und Lalasarna kénnte auf einen vorgriechischen Gott zuriickgehen, 


b. Kommunale Gliederung. 


Der Synoikismos (oder nach Diodor. XV 76 und Strabo p. 6357 richtiger metoikicmoc) 
von 366 (PH S.NXVID hat einen alten Ort an der Ostkiiste zur mosaic gemacht und die 
andern alten Orte, auch den alten Vorort am Westende, Koc 4 Actymanaia (PIL XLIXN f1) 
zu Demen degradiert. Aber die Zentralisation der Verfassung ist alter. Der eponyvine Beamte 
hei®t schon in V.Jahrh. monaexoc (s. 1c), und in den attisechen Tributlisten des ersten Nee- 
bunds erscheinen nur Kato, nicht wie aut Rhodos die einzelnen Orte. Auch innerhalb 
des Staats werden die Koer nie (wie in Rhodos nach dem Synoikismos von 408) mit dem 
Demotikon bezeichnet. Der koische Synoikismos ist also dem rhodisehen wm cine Stufe 
voraus, 

Die Demen hat Paton (S. 212 f.) festgelegt und ihre Grenzen auf seiner Karte mit 
groBer Wahrscheinlichkeit eingetragen. Der bedeutendste war als alter Vorort Isthmos. 
Von seinem Namen Actyméaaia ist keine inschriftliche Spur mehr erhalten, aber vielleicht 
im Amtstitel ménapxoc ein Rest des alten Glanzes (s.1¢). Wo die noaic fiir die Demen 
sorgt. wird Isthmos stets an erster Stelle genannt, 5B2;. 8 Avs. 15,g: im Jahr 250 sehickt 
es eine eigene Theorie nach Delos, IG XI. 287 Byy. 295m. 3106. Der Nachstbedeutende 
ist Halasarna mit karischem Namen. Sein Mittelpunkt ist ein stattliches Heiligtum des 
Apollon. Seine Bevélkernng im IL Jahrh. v.Chr. kann daraus berechnet werden, da um 
150 ein (unedierter) Beschlufs der aaméta: fiir einen Arzt ans dem Freigelassenenstand 
248 Stimmen (gegen 0) auf sich vereinigt. Nimmt man als Mindestzahl auch nur 2 50 Demoten 
an, so kommt die biirgerliche Seelenzahl mindestens auf 1000, wozu noeh «ie maporKol 
und Sklaven kommen. Der Demos hat nach der Inschrift einen aamocioc iateéc mit mAeHTAI 
und einem Assistenten (vmHpétac. dem Geehrten), der spéter auch selbstindige Privatprasis 
treibt. Antimachia, dessen ehrwiirdiger. durch dic Sage von Terakles’ Kampf berithmter 
Name bis heute fortlebt, ist jedentalls in der Kaiserzcit so zuriickgegangen, da zwei 
hbenachbarte Demen, Archiadai wid Aigelioi. mit ihm zusamunengelegt wurden (PH 393 1°). 
Die Airéaio: waren aber im IIL Jahrh. vy. Chr. noch so bedeutend, da®B sie einen eigenen 
Aamocioc jatpoc hatten (uned. Inschr. aus dem Asklepieion). Auch Tea (= TTtenéa) ist 
spiitestens unter Augustus mit dem Demos Haleis verschmolzen worden (PH 344). Wippia 
und Pyxa-Phyxa, deren Mittelpunkte in der Nordebene lagen. waren die unbedeutendsten. 
Man sieht, wie der Synoikismos von 366 und das Autbliihen von Industrie und Handel 
allmihlich die lindliche Bevélkerung aufsog. 

Leider ist das Demenverzeichnis in 15. 16 stark verstiimmelt. aber. wie meine Rekon- 
struktion zeigt, wird es alle bisher bekannten und nicht mehr Demen enthalten. Ein 


Heilige Gesetze ron hos. 45 


spiiter abgegangener Demos kénnte €itéa 3, sein. vielleicht auch Axnitar auf einer uned. 
Inschrift der Kaiserzeit aus Ilalasarna. wenn das nicht bloB die Zuntt der »Kelterer« ist. 
Die Kynapiciatai (s. zu 11.12) sind wohl erst in der Kaiserzeit eine Gemeinde geworden. 
In einer neugefundenen Inschrift des HI. Jahrh. v. Chr. stittet Panomaxoc Geccaaoy Giiter 
én Axépnal und én Airfaw: (dem Demos). Von dem bei Steph. Byz. s. v. genannten Demos 
Aaonove (Name undorisch) hat sich keine Spur gefunden. Der Ort “Eemoymonic vollends 
bei Steph. Byz. s. vy. diirfte auf Verweehslung beruhen. 

Auf das Verhalmis von Kalymna zu Kos (PH 8S. 252f.) kann ich hier nicht n&iher 
eingehen. Ein 1907 von mir im Asklepieion gefundener Beschlub verttigt die Vereidigung 
der Koer und Kalymnier auf die Atokatactacic(:) TAc omortoarteiac (neues Wort!) und die 
Trot! BACIAN TTtoaematon (1. nach 301 oder IL) eiaia kal cymmaxia. Zuniichst scheint Kalyimna 
auch in diesem Verhiltnis noch ein Eigenleben als monic gefithrt zu haben. aber noch vor 
Ende des IL. Jahrh. vy. Chr. ist es zu einem Demos von Kos geworden, und so ist es 
geblieben. Auch die tibrigen kalydnischen Inseln wie Pserimos sind spater koisch (Paton. 
Bull. Corr. Hell. XIf 282). Nisvros dagegen, urspriinglich eng mit Kos verbunden (B 676. 
Uerod. VIE 99. Diod. V 54), ist spiiter selbstiindig geworden und yor 200 unter rhodischen 
Eintlu8 gekommen (IG XID 3. 8.17). Fiir Telos ordneten koische Sehiedsrichter die dureh 
Alexanders Edikt fiber die Verbannten entstandenen Schwierigkeiten (uned. Inschrift). 

Von koischer Kolonisation haben wir nur spirliche Spuren: Strabo NIV 654 labt 
Etpia => Salapia im Daunierland durch Rhodier metA Kwon in uralter Zeit gegriindet werden 
(PH S.XVI). Am Anfang des V.Jahrh. zogen Koer mit ihrem Tyrannen Kadmos nach 
Zankle. dabei soll Epicharmos gewesen sein (PIL S. NAIf). Die Kamarinaier und eine 
andere sizilische Stadt, walrscheinlich Syvrakus, ehren in ihrer Antwort auf die Finladung 
zu den Asklepicia (uned.) die Koer als ihre cynoikictai. Man wird dabei an die Neusied- 
ling von Syrakus. Kamarina, Agvrion und andern sizilischen Stadten durch Timoleon aus 
Asien und den Inseln 339 denken (Plut. Tim. 23. Diod. XVI S82). Damals kann Theokrits 
Vater mitgegangen sein (PIL S. 359). Nach Plut. Tim. 35 wurden damals auch Akragas 
und Gela neu besiedelt. unter den oikictai wird [éproc ex Kéw genanut. Der Name kommt 
aut Keos sonst nicht vor, auf Kos dagegen hiiufig (Asklepiaden). so da die Anderung 
ex Ko naheliegt. Die uralte erste Besiedlung von (rela erfolyte von Rhodos. Kreta. Telos 
und anderen Inseln. Da Kos. Telos. Akragas und andere sizilische Stidte die Krabbe in 
ihrem alten Wappen fiihren. so kann vielleicht auch da koische Mitwirkung vermutet werden. 

Kine Uberrasechung bringt die AufSchrift einer Ehrenstatuenbasis aus dem Asklepieion 
fiir Avaon Aiaion Tléctomon ANeyraTon Kynpoy (bisher unhbekannt) ANTIAABOMENON TAC TEPAC 
KAI AAMOCIAC AMMN EN KYTIPWIXWPAC KAI TPONOAGENTA (Sic!) TWN Tac TOAIOC alKAiwN. Es handelt 
sie bei diesen Dominen wohl um eine aweea der Ptolemiier. die nach der Annexion von 
Kypres von den rémischen publicani beansprucht wurde. Die Entscheidung fiel wohl 
nach 22 v.Chr., als Kypros wieder Senatsprovinz wurde. Von Getreideschenkungen aus 
Kypros handelt die leider stark fragmentierte Inschrift Maiuri 433: der Schrift nach ist 
der dort genannte Kénig Ptolemaios!. Schon zwischen 329 und 325 hatte Kos von Kyrene 
eine Kornspende von 10000 Medimnen erhalten (Ferri, Abh. Brl. Ak. 1925, 5. Abh. 8. 24). 
und im II. Jahrh. verhandelte es mit Thessalien dariiber, ein Zeichen dafiir, dali die sehr 
fruchtbare Insel ihre aytApketa allmihlich durch Ubervilkerung und Industrialisierung verlor. 


«. Beamte. 


Dal3 Kos in iltester Zeit Baciacic gehaht hat, ist selbstverstiindlich. Die Sagengeschichte 
nennt als soleche Merops, Eurypvlos, Thessalos, Chalkon, Krisamis. Ein sakrales Uberlebsel 
ist noch erhalten in dem rereadroc Bacinéwn Lao. Percasdroc ist, wer répr o€pe: (146. 5 Bo. 32), 


46 R. HeErRz0G: 


Ehrenteile vom Opfer bekommt, also ein Rechtsnachfolger der Baciacic. In ihrer Mehr- 
zahl méchte ich eher die SchultheiBen der alten Orte als mit Paton eyvaosaciacic erkennen. 
An ihre Stelle ist spatestens im V. Jahrh. mit der oben ([b) erwihnten Zentralisation der 
monapxoc als héchster, eponymer Jahresbeamter getreten, wenn anders die Angabe Sorans 
(Vit. Hipp.) tiber Hippokrates’ Geburt 460 monapxo?ntoc AsriAaa (der Name auch auf Ka- 
lymna SylJ.3 1210) mHNoc Arpianioy ékty kal eikoctH urkundlich ist. Dazu, da der monapxoc 
viel Alter als der Synoikismos ist, wiirde es auch stimmen, wenn mit Paton nach PH 4024.6, 
406. 417 angenommen werden kann, dal der Demarch des alten Vororts Isthmos sich 
spiiter noch ménapxoc nennen durfte. Die Annahme von Paton, dai die Beamtennamen 
auf den koischen Miinzen den Monarchos angeben, hat sich mir durch das neue Material 
immer mehr befestigt. 

Den Regierungsrat bildeten die meoctAtal, 6 an der Zahl mit einem reammateyc, wie 
nach 14. PIT 27 und einem unedierten Dekretfragment festgestellt werden kann, also 2 
von jeder Phyle. Sie treten tiberall als oberste Exekutivbehérde auf. Die Demen haben 
AAmapxo! und eigene Unterbeamte, z. B. Tamiat. 

Die militirischen Amter sind 3 cteataroi nach den Phylen, soxaroi (Maiuri 675,), in 
der Marine ein navapxoc (Syll.3 100024 und uned. Inschr.) und tridparxo!. Eine Anzahl von 
Schiffsoffizieren fiihrt die Weihung einer koischen Tetrerenmannschaft IG XII8, 260 auf 
(nach Lehmann-Haupt, Klio XVIII 1923, 366ff. ist die Inschrift nicht aus Samothrake, 
sondern aus dem ‘leeén am Bosporus nach Konstantinopel verschleppt). Leiturgien waren 
TPIHPAPXIA, AAMTTAAAPXIA, xOPArIA, Amter Arwnoeétac der Dionysia und Asklepieia, rymnaciapxoc. 
yTlorYMNAciAPxoc, mmAlAonNdMoc. Von Finanzbeamten kennen wir tamial. mwantal, aorictal, xpeo- 
ovaaKec mit einem aamocioc, spiiter auch treanezital. Die altdorische Polizeibehirde der 
mactpot kann aus 11,, erschlossen werden, nomoeyaakec vielleicht aus 8 Ag. Das Ansehen 
der koischen Richter (aikactai, aiannaktal) im Ausland zeigt sich in vielen auswiirtigen 
Ehrungen koischer Richter. Aber auch die Koer muBten gelegentlich fremde Richter be- 
rufen. Sie hatten dafiir das Amt des atxactarwréc, itiber das drei unedierte Inschriften 
interessante Auskunft geben (H. F. Witzig, Zeitschr. d. Sav.-Stift. Rom. Abt. XXVIII 240). 
Die vorbildliche Organisation der aamocio: iateoi kann hier nicht behandelt werden. Tech- 
nische Beamten sind Apxitéxtonec. Das Regierungsgebiude, TA Apxeia. stand auf der AropA. 
Das Amtsjahr war in eine xeimepinA und eepiNA €xAmHNOC eingeteilt. 


ll. Kult. 
a. Die Gotter. 


Plinius (n. h. 29,4) nennt Hippokrates genitus in insula Coo in primis clara ac 
valida et Aesculapio dicata. Er soll nach der Legende die im Tempel des Gottes von 
den Genesenen aufgeschriebenen Kuren abgeschrieben haben. Der Kaiser Claudius weil 
von seinem Leibarzt, dem koischen Asklepiaden Xenophon. da Asklepios selbst nach 
Kos gekommen sei (Tac. ann. MIL 61). Dasselbe lesen wir schon bei Herondas Il 97 xo- 
ckAHTOC K&c finoen ENoAa’ Ex TrikkHc. Danach war es communis opinio, daB der Asklepios- 
kult auf Kos alt sei, jedenfalls sein Heiligtum aus der Zeit vor Hippokrates stamme. Auch 
ich habe sie, ehe ich das Asklepieion fand, in den KF S.172{f.. 200ff. mit viel Phantasie 
yertreten. Freilich hatte schon Paton (S. 347) aut das spite Erscheinen des Asklepios anf den 
koisehen Miinzen (I. Jahrh. v. Chr.) und auf seine geringe Rolle in der Namengebung und 
auf den ilteren Inschriften hingewiesen; aber das Bild konnte sich ja durch die Auf- 
findung des Asklepieions zu seinen Gunsten verschieben, Ihr Ergebnis war entgegengesetzt. 


Heilige Gesetze von Kos. 47 


und es ist auf Grund des seit Paton vervielfachten Materials eindeutig: Ein staatlicher 
Asklepioskult hat in Kos tiberhaupt nicht vor der Mitte des IV. Jahrhunderts, also vor 
dem Tod des Hippokrates, bestanden. Es kann kein Zufall sein, dai wir in allen alten 
heiligen Gesetzen, wo doch die Hauptgitter in den verschiedenen Monaten immer wieder- 
kehren. keine Spur von Asklepios und seiner Familie finden. Dieser Eindruck wird noch 
dadureh verstirkt, dais auf den oro: im Temenos des Zypressenhains (18a—t). das er sich 
doch seit der Mitte des IV. Jahrh. erobert hat, die alten Gétter mehrfach erscheinen, aber 
seine Familie nicht. Dasselbe bezeugen die Miinzen, die bis zum Ende des III. Jahrh. nur 
die Bilder der drei Phylengétter Herakles, Apollon und Demeter, in der Hautigkeit der 
Typen genau nach der oftiziellen Rangordnung der Phylen abgestuft geben, die dann vom 
IL. Jahrh. an immer mehr durch Asklepios verdringt wurden, bis sein Schlangenstab vom 
[. Jahrh. v. Chr. an das offizielle Staatswappen ist. 


Eine Zusammenstellung der alten Gétter, wie sie vor allem die alten heiligen Ge- 
setze an die Hand gibt, zeigt, dai die Staatskultordnung des Synoikismos Zeus (in den 
alten Gesetzen immer Zxn) und die Aywaeka Oeoi besonders betont. Das legt den Versuch 
nahe. die Liste der koischen Zwélfgiétter aus dem alten Bestand zu gewinnen. Dabei 
iiberwiegen die Gittinnen an Zahl; da aber die Liste so wenig wie die von Olympia nach 
Paaren Gott-Géttin geordnet gewesen sein mu’, und Zeus als Oberhaupt iiber den Zwilf 
stehen kann, so ergibt sich folgende Modglichkeit: 


Zeus. Apollon, Poseidon, Hermes, Dionysos, Herakles. 


Ifera. Athena. Demeter, Artemis: weniger sicher Rhea, Leto, Hestia. Aphrodite, Hekate: 
schwerlich Charites. Moirai. 


Die Hauptgétter Zeus, Apollon, Athena, Hera, Demeter, Artemis, Hekate, Dionysos, 
Aphrodite, Hestia sind durch mehrere Epikleseis ausgezeichnet. Zeus meist mit Athena 
vereint. als Polieus. Patroos, Phatrios, Hikesios gemeingriechischer Schutzgott, als Macha- 
neus aus der Argolis mitgebracht, wie auch Hera. Apollon Karneios ist gemeindorisch. 
Dalios stammt aus der delischen Amphiktyonie, Pythios ist gemeingriechisch. Ihm gilt 
die Alteste erhaltene Inschrift von Kos KF 36, V.Jahrh., also aus der Zeit, als der Fundort 
noch nicht zur spiiteren moaic gehdrte. Die Koer wuBten von Beziehungen zum Pythios 
schon im I. heiligen Krieg (pseudhippokr. TTpecseytixéc), Hippokrates und seine Familie 
hatte ein enges Verhiltnis zu ihm, im Jahr 278 gaben die Koer ein besonders eindrucks- 
volles Zeugnis der Verehrung (Syl. 398). 

Die farblose Gittin Rhea ist vielleicht mit der Oc@n MAtHe PIT 4026 identisch. Nicht 
ohne Interesse ist Leukothea la, eine Seegéttin wie Hekate Pontia und Aphrodite Pontia 
auf Kos. Sie kénnte ihren Kult gehabt haben an den weiben Kalkfelsen des siidéstlichen 
Vorgebirges der Insel, das jetzt dem Schifferheiligen Hag. Phokas geweiht ist, im Altertum 
aber wohl Aevconaa geheiBen hat und der Schauplatz der Seeschlacht von Kos im IL. Jahrh. 
gewesen ist (Beloch’ IV 2,507). Hie doch auch ein Vorgebirge an der pamphylischen 
Kiiste wahrscheinlich sowohl Aevkonaa wie Aeykéoeion (Ruge bei Pauly-Wiss. s. y.). Eine 
allerdings recht unsichere mythologische Spur von Leukothea findet sich bei Antoninus 
Liberalis XV Mepomic (aus Boios). Dort wird die Koerin Bycca zur Strafe in den gleich- 
namigen Vogel (Uhu) verwandelt Kai €ct: Acykooéac opnic. Dabei ist auch TO tac AeHNac kal 
Aptémiaoc aacoc erwihnt. Theokrit I167 nennt ein Aacoc AptAmiaoc, das auf Kos gedacht ist. 
und PH 55 enthialt eine Weihung an einen Gott und Aedna Aaceia. Da die Weihung Yree 
TAC TON ‘TAIAWN, Yreiac KAI evTaziAc geschieht, wird der Gott wohl Asklepios sein und die 
mit ihm verbundene Athena auch einen Kult im ‘Aacoc gehabt haben. Jedenfalls hingt 
die Epiklesis ehenso mit einem Aacoc zusammen wie der Monat Aaceioc (s. IIe). 


48 R. Wlerzoc: 


Um die Mitte des IV. Jahrh. ist dann im Zypressenhain ein Altar fir Asklepios und 
seine Familie errichtet worden. von dessen Altester Bautorm eime Sockelplatte mit den 
Aufschriften Aafo : Amépac Maxaonoc “Exarac beim Kern des Altarbaus ausgegraben wurde 
(Archaol. Anz. 1903. 191). Es ist das ein Teil der cymswmo: eeci, die Tlerondas IV aufzihlt. 
Ahnlich war es im Amphiaraion yon Oropos, Pausan. 134.3. IG VIl421. ‘€¢."Apx. 1917, 39: 
Amoiapdo. Amoiadxo. “Epmo. ‘Ictinc. Vel. auch Tegea IG V. 2.82 Aaioy kai Ackaamio?. Gytheion 
IG Vii, 1170... TON jepéa TON Ereanectatwn eeWn Aidc Boyaaioy Kal “Haioy Kal Ceatinuc Kai 
AckaHmio? kal Yriac kal... Thermos. Apex. Aeat. Ligr15.57. n.34 Anaoy. Nixac. Ackaamioy. 
Daraus ergibt sich auch. dal Helios als cymawmoc nicht etwa auf rhodischem EintluB beruht. 
sondern wie Hemera das heilende Sonnen- und Tageslicht verkérpert. 

Fir diesen Altar haben dann die Néhne des Praxiteles das von Herondas beschriebene 
Altarwerk geschaffen, und zwischen 300 wid 270 ist der erste. bescheidene Tempel (B) west- 
lich vom Altar errichtet worden (s. oben zu 14 und Jahrb. d. deutseh. Arch. Inst. NNNVIIT IN 
24211). Als Inhaber des Asklepieions werden von da an immer entweder \sklepios allein oder 
mit veieia und Epione zusammen genannt. Epione verbindet als seine Gattin und Toehter 
des Hlerakles nach der koischen Legende den Stammbaum der fiirstlichen Geschlechter der 
Asklepiaden und Herakliden, die sich auch spiter immer wieder verschwigern. Aus der 
zu 14 angedeuteten treibenden Rolle der koischen Asklepiaden bei der Griindung und 
Ausgestaltung des Staatskults des Asklepios ergibt sich wie aus ihrem schon bei Pherekydes 
von Athen (fr. 59 Jae.) stehenden Stammbaum, dal sie natiivlich ihm von altersher einen 
Gesehlechtskult weihten, den sie nicht aus Epidauros, der dorischen Heimat der Koer. 
sondern aus Trikka, also Thessalien herleiteten. wobei wicderum Thessalos auf Kos die 
Verbindung mit den Ierakliden gibt. Ob wir daraus auf eine vordorische. »thessalische« 
oder »achaeische« Schicht von Einwanderern auf Kos schlieien dtirfen, oder ob die Askle- 
piaden nach der Nostensage nach Syrnos auf der knidischen Chersonnes und von da tiber 
Knidos erst nach Kos gekommen sind (Theopomp fr. 103 Jac.). ist eine Frage, auf die hier 
nicht eingegangen werden kann; karischer Einschlag im Stammbaum spricht fiir die letztere 
Kombination, ohne die erste Annahme auszuschlicben. Die koischen Asklepiaden und der 
Staat Kos haben seit der Zeit des Hippokrates, der in Thessalien wirkte, immer wieder 
ire cyrréneia mit Thessalien betont und geptlegt. 


b. Kultbeamte. 


Wie sich mit dem Beginn des hellenistischen Zeitalters im Bestand der Staatsgitter 
ein Umschwung durch den Siegeslaut des Asklepios vollzieht. so tritt auch in der Be- 
deutung des Kultus eine auffallende Wandlung cin. Die alten Gesetze und Orduungen 
faBten die Einzelkulte zu einem gro®Ben. fest gegliederten System der Staatsreligion zu- 
sammen. Sie sind voll altertitimlicher, bis ins einzelne genau festgelegter Kultvorschriften. 
In der hellenistischen Zeit dagegen, vom UI. bis L. Jahrh. v. Chyr., treten diese fiir die Religions- 
geschichte so wichtigen Kultvorschrilten ganz zurtick. Die zahlreichen Reglements der 
Priestertiimer, dic nun bei jedem Verkaw’ neu aufgesetzt werden, erschépfen sich zum 
groBten Teil in finanziellen Bestimmungen. Wichtiger als die persinliche Eignung zum 
Priestertum (Mindestalter von 10—14 Jahren und Ntellvertretung erlaubt!) ist die Kauf- 
summe und ihre piimktliche ratenweise Zahlung. Ein raffiniertes System yon Opferzwany 
und Sporteln, die aus den alten Nebenoptern abgelist sind. {iillt die Tempelkasse bzw. das 
Konto des Gottes bei der Staatsbank. wenn der Gott nicht gar eine eigene Bank auftut. 
Nur zum Teil flieBen die Eimnalimen dem Priester zu als Ersatz fiir die oft hohe Kauft 
summe (KF 10 bei einem unbedeutenden Priestertum im |. Jalirh. 19 Soo Drachmen!). ganz 


Heilige Gesetze con Kos. au 


wie es noch bis jetzt von koischen Erzbischéten getibt wurde. So sind diese jiingeren 
Urkunden eine wertvollere Quelle fiir das Wirtschafts- und Finanzwesen als fiir die Religion 
der Insel. Vgl. meine Austiihrungen im Archiv f. Rel.-Wiss. X 1907. 218 und bei Zieharth. 
Zeitschr. tf. Numism. 31+. 1922. 36f. Von solehen Reglements sind erhalten «die fiir den 
Priester des Poseidon. der Kos und der Rhodos, IL. Jahrh.. Syll° 1000: Priesterin der 
Aphrodite Pontia. Il. Jahrh., unediert: Priester der Nike, Ul. Jahrh.. Maiuri 441: Priester 
(nicht Priesterin) des Asklepios. der Hy gieia und Epione. I. Jahirh.. PIT 30: Priester der 
Cymmaxiaal. Il. Jahrh., unediert: Priester der Adrasteia und Nemesis. [f. Jahrh. PI 29. 
I. Jahrh. KF 9. ro: Priesterin des Dionysos Thylophoros. LJahrh.. Pll 27. -Sylleior2 
(von mir Z. 1— 35. 60-—74 wiederhergestcllt): endlich cine gréBere Anzahl von fragmen- 
tierten. die nicht mit Sicherheit bestimmten Kulten zugewiesen werden kénnen. 

Die alten und jungen alareaeai geben zusammen ein reiches Bild von Person und 
Funktionen der Priester und Priesterinnen in ihrer Entwicklung. das aber hier nicht aus- 


gefiihrt werden kann. — Sie kénnen von sich aus Bitrger zum nakoroc oder zur Yeiepeia 
bestellen. 


Neben den Priestern stehen als staatliche Kummission die terormorof. wohl nicht ftir 
jeden Kult besonders. aber fiir moatc und Demen (IIalasarna und Isthmos). Diesen stechen 
als Subalterne die karykec zur Seite, auch ieroxdpyKkec genannt. Fir die Verwaltung 
der Ileiligttimer sorgen im V. Jahrh. im Zypressenhain emimeantai toy teméneoc, im \skle- 
picion seit dem IL. Jahrh. iepoevaakec. bei Apollon von Ilalasarna 3 naroiai. die auch politisch 
wie dic mpeoctatal in der monic auttreten. Ein zentrales Kolegium sind wohl die 3 ¢za- 
rutai 8A. Auch die Phylen. die in 1.3. PIL 367 als Triiger bestinunter Kulte erscheinen. 
hahen ihre Kulthbeamten, die mit einem schon homerischen Wort. aber auBerhalb Kos nicht 
helegten ‘Titel Apxevontec heiben. 13. PH 44. 3673,. aS4. Ihre Funktionen sind tA iePA 
exeyein, d. h. wohl wie bei Aristot. Aeun. moa. 54. 4 Sonderopfer ausrichten wie die jeronoiol, 
und aéxeceal Toye eraétac. Auch aut einer uned. Inschrift von Halasarna wird der aus 
14,. 8A, bekannte “Hedaotoc “Heakneitoy geehrt. weil er apxevcac map Hpak act TA Te. iePa 
ézéoyce TOI ec@ Kal .... caézato. Dieselben Funktionen haben PIT 352 die erimanio die 
aber PH 367 neben den Apxevontec stehen und 15,, vom Staat Beitriige fiir die Opfer ilres 
Demos bekommen. Am bekanntesten sind die enimAnio: in den Gesehlechts- uid Privat- 
kulten. so auch bei Herakles Diomedonteios. wo sie auch: éxevceyntal TA iepa META Toy iepéwe 10,3. 


e. Der Kalender. 


Die Versuche von Paton (App. BS. 327 ff) und Bischoff (zuletzt Pauly-Wiss. \ 1580), 
den koischen Jxalender durch Konkordanz mit dem auch noch nicht sicher festgelegten 
rhodischen wiederherzusteHen. stimmen nicht zu meinem seither erweiterten Material und 
tragen schon in sich die Gefahr eines Zirkelschlusses. Ich habe daher die Warnung cines 
Sachverstiindigen wie Martin P. Nilsson (Die Entstehung und relig. Bedeutung des griech. 
Kalenders 8. 50) vor dieser Methode. weil die Lage gleichbenannter Monate in verwandten 
Kalendern vielfach wechsle, beherzigt und versucht. den koischen Kalender nur aus sich 
selbst. dureh absolute und relative Daten. ohne Schielen nach Konkordanzen. zusammen- 
zustellen. 

Jahresanfang seinomwpinA icameria (24. Sept.). Zwei €zZamHnot. 


A. XeimepindA €ZAMHNOC 


1. Arpianioc Sept.—Okt. gemeindorischer Monat. 
2. Kapnetoc Okt.—Nov. gemeindorisch. 
3. Aptamitioe Nov.— Dez. gemeingricchisch. 


Phil hist, Abh, 1028. Nr 6, i 


30 R. Herzoa: 


4. Kasicioc Dez.—dan. Kos und Kalymna. Fluigott von Argos? 
5. Bateomioc Jan.—Febr. gemeingriechisch. 
6, Fepdctioc Febr.— Marz gemeindorisch. nicht rhodisch. 


B. GepinA €ZAMHNOC 
7. Yakineioc Marz— April gemeindorisch. 
8. Gevaaicioc April—-Mai kos, Rhodos, Kreta. Mitvlenc. 
g. Tletareitryoc Mai—Juni gemeingriechisch. 
o. Adaioc Juni—Juli Kos. Nisvros, Rhodos. 
1. TTAnamoc Juli— Aug. gemeingriechisch. 
12. Aaceioc Aug.—Sept. nur Kos. 





Begriindung: 

A. Perdctioc SchluB des Winterhalbjahrs KF 9, vgl. Maiuri 4423, wo zu lesen ist: 
[ANOIF,ONTW A€ TON EHCAYPON ME[TA TOY TepéwC TO] TIPOCTATAl ATIAE KA@ €KACTAN CZAMHNON EN TE TOI 
Flepactio: kal En TO! Ancelwi - “|. Er folgt auf’ den Bateomioc PH 2712—1;. — Arpidnioc unl Kapneioc 
zwischen 24. Sept. und 24. Dez. Hippokr. Epid. VII, cin unfertiges Konzept der koischen 
Schule um 280 (s. zu 4), enthalt ¢. 1—5 cin zusammenhingendes drztliches Journal, mit 
Daten fiir die einzelnen Fille: 1 metA kyna oi mypetol érénonto lap@acec, August. 2 mepl TON 
AYTON XPONON ... TrePl APKTOYPON, Mitte Sept. 3 mTepi eeiNoTMPINHN icHMEPIHN. 24. Sept. 4 Diiit 
fiir einen Kranken cxeaodn Han epi ménte KA) eiKocin KMépac €OnTI’ KAi ArPiaNiwt (oder -oy: 
AAPIAN(O C. AapiAna vulg. ArpiAnw Littre) TaAYtaA’ TOI Aé Kapnetwi (oder -to? aé K. -oy: Kainioy 
CK. Kainefoy vulg.) Wechsel in der Dift. 5 meri xeimepinAc Haloy teomac 24. Dez. Meine 
kmendation der zwei Namen. der Littré schon nahe war. diirfte einleuchten. da Personen- 
namen nach dem Zusammenhang nicht in Frage kommen. Sie sind als cinzige Monats- 
namen in den Epidemicn stchengeblichen entgegen dem von Galen. NVIL A S.17ff Kiihn 
formulierten und begriindeten Prinzip des Hippokrates: emeiah ... a’ ésovaeto Tove éz 
ATIANTWN T@N EON@N W@EACIN, AMEINON HN AYTW FPAYA! MONHN THN ICHMEPIAN. ANEY TOY MNHMONEYCAI 
TINOC MHNOC’ H MEN FAP ICHMEPIA KOCMIKON €CTI TIPATMA. O1 A€ MHNEC EMIXMPIO! KA@ EKACTON €ONOC. 
Fredrich, Hippokr. Unters. 224°: »Mit dem Herbst beginnt auch Hippokrates als Dorer 
das Jahr.« Nach dem Kalender des Papias (Carinos [var. Carnios] Byzantinorum lingua 
november mensis) entprach der Karncios auch in Byzanz dem November (vgl. Bischoff. Pauly- 
Wiss. \ 1993). 

Kaeicioc — Batpdmioc sind zwischen Kos und dem noeh sclbstandigen Kalymna gleich- 
gestellt um 300 v. Chr., Syll.% 95326. Sie waren also benachbart und durch yerschiedene 
Schaltung zusammengefallen. Batromioc ist anf Rhudos der Schwalbenmonat, die Schwalhen 
kommen auf Rhodos und Kos im Februar an (EHippokr. 7. aiait. TL. VE 598 L.). 

Aetamitioc hat allein kein relatives oder absolutes Kennzeichen fir das Datum. er pabt 
nach dem Kapneioc als Apollonmonat. 

B. ‘Yakineioc — TTetareitnyoc (d. h. der Monat der “HpAkaeia nach 10,7. 60. 90. 157. PH 36747) 


—~ Adnioc — Anceioc folgen ziemlich dicht aufeinander im selben Jahr PH 367. Die Daten 
der Urkunde beginnen mit dem 1. “Yak. == Halbjahrsanfang und enden mit dem 30. Al- 


seios — JahresschluB. Oevaaicioc kommt wnmittelbar vor Tletareitnyoc 10, 4-16, vor TTANAMoc 
Syll3 1210. Wollte man den TTetareityyoc nicht als staatlichen Heraklesmonat gelten 
lassen und in das Winterhalbjahr versetzen. so niihme er den @evaaicioc dorthin mit. wo 
aber nur der “Aptamitioc lose ist. so da die Schwierigkcit griBer wire. 

Anccioc in der 2. Hiilfte des 1. Jahrs, Batromioc 1. Hiilfte, Adnioc 2. Hilfte des 2. Jahrs, 
Abstand bei meiner Anordnung je 5 Monate: Reglement fiir die Priesterin der Aphrodite 
Pontia, Z. 40-—43 KATABOAAC S€ TIOIHCEiTAl TPEic APryPioY, TAM MEN TIPATAN &M MHN] Aacelwi TO: éml 


Heilige Gesetze con Nos. 51 


MONAPXOY XAIPEAAMOY, TAN A€ ACYTEPAN EM MHN} Batpomiwl T@! META MONAPXON XAIPEAAMON, TAN AC 
TPITAN €M MHNI AAAwI Twi Em TOY AYTOY MONAPXOY. 

Aaceioc im 2. Halbjahr, Batpémioc im 1. Ialbjahr des nachsten Jahrs. TTAnamoc in dler 
2. Halfte dieses Jahres: PH 29;;~20, zu lesen und zu ergiinzen: 6 aé [mPIAMeNoc TAN iePWCYNAN 
KATABOAAC TTOIHCEITA|| TOY EYPEMATOC EN ENIAYTO! TPEIC, TAM MEN TIPATAN EM MHN | Ancelwi TO! emt | Mo- 


NAPXOY TO? A€iNOC TOY A€iNOC, TAN Ac AcYTéPAN EM’ MHNi Badrom {wi TOI META MONAPXON TON ACINA. 


TAN A€ TPITAN EM M|HNI TTAN/AMw! TOI Em! TOY AYTO? MONAPXOY. - -). 
TTANamoc ist wohl gleichzeitig mit den Pythien in Delphi, August: Syll.° 398. Eine 
in der 2. Halfte Juni, ine} HMEPON .... KAAlANAWN ‘lovaiwn etwa 39 Y. Chr. in Rom besehlossene 


Lex Antonia, Birgerrechtsverleihung fiir Koer (unediert), wird in JXos am 2. Panamos als 
eingegangen registriert. Dazu war in einem Monat bequem Zeit (Friedlander, Sittengesch.’ 
1 338). | 

Aaceioc, der spezifisch koische Monat. der scinen Namen von dem “Aacoc hat, ist als 
jiingster bei der Zusammenstellung des koischen Kalenders an den SchluB gesetzt worden. 
Welcher Monat als Schaltmonat diente. ist aus den Zeugnissen nicht festzustellen. 

fo) 
DaB die Verweisungen inn Opferkalender 2 keine Gegeninstanz fiir meine \nordnun 
a oS 
sind, habe ich schon zu 1—4 betont. Auch die Sehliisse von Monatsnamen auf das Datum 
entsprechender Feste (Adnia, Kapneta: sind wegen der Verschicbungen triigerisch. 
ie Tagesnamen hatte schon Paton, S. : inahe alle beisammen. ie von ih 

Die Tag en hatte schon Paton, S. 403, beinahe alle beisammen. Die von ihm 
aufgefiithrten erhalten durch mein Material z. T. weitere Belege., z.T. durch meine Nach- 
priifung kleine Berichtigungen. PH 344, ist zu lesen ai == 14. Der 19. heibt nach 4; enata 
mpd ikaaoc. der 22. nach 15, énata met TkAAA. By enata cF ikaaoc. wofiir an dieser Stelle TetpAc 
ez ikAAoc = 27. als falsch gelesen weeffllt. Der 27. heiBt Syl? 95326 TeTAPTA ez ikAAoc, 
<F go. ka. Neu hinzu kommen der 2. == aeytépa, wn P23. <= OFAA €E €IKAA : a- 
KF 9; Neu | kommen der 2 épa, t Vide ee ez eikaaoc (uned. Hala 
sarna). So fehlen nur noch der 8. und 13. 


II. Sprache. 


Der koische Dialekt hat drei cingehende Behandlungen gefunden: 1. Hans Barth, 
De Coorum titulorum dialecto, Diss. Basel 1896. 2. ©. Hotlmann und C. Gladis in SGDI 
IV 3 (1910) 505—578. 3. Fr. Bechtel, Die griech. Dialekte II] (1923) 560—600. 929—932. 

Leider haben die beiden letzteren auf die fleibige, von Wackernagel angeregte Basler 
Arbeit nicht Bezug genommen und hat Bechtel auch mir Arbeit von Hofmann: Gladis nicht 
geniigend herdnpezopen. So ist die letzte Darstellung trotz des Verdienstes umfassender 
Dialektvergleichung ein Riickschritt infulge mangelnder Genauigkeit und Vollstindigkeit. 

Der Raum gestattet mir hier nur aphoristische Bemerkungen tiber die dltere Sprache 
namentlich auf Grund der von mir hicr behandelten Inschriften, mit Beitrigen aus zwei 
oben mehrfach herangezogenen unedierten Urkunden, Schiedsspruch ftir Telos, [V.Jahrh. 
(Tel.) und Homopoliteia von Kos und Kalymna, Anfang des III. Jahrh. (Homop.). Ich 
knitpfe dabei nach Méglichkeit an die Paragraphen bei Bechtel 

Das Alphabet ist schon in den altesten erhaltenen Inschriften (KF 36, 11) das 
ionische. Nur die dlteste Miinzaufschrift, Cat. of Greek coins in the Brit. Mus. Caria and 
Islands S. XCI 194. Pl. NXN 3 aus der ersten Hilfte des V.Jahrh., hat noch eine Spur 
des iilteren: KOZ. 

Orthographie. Zum Sandhi Hoffm. 522 kommt hinzu 4s 10a aieon, 

Unechtes oy wird im IV.Jahrh. noch éfters, meist im gen. sing. der 2. Dekl. mit o 
wiedergegeben, aber daneben hat schon das Gesetz des V.Jahrh. 11 dreimal to? teméneoc, 
in Z. 2'3 sogar tiber das Zeilenende weg to?. ~ E fiir unechtes e: scheint nur 1,, airécow 


- 
4 


a2 R. llerzoe. 

neben 4, aizeicew erhalten zu sein. Kyéoca 156.69 neben kyevca 2, kann mit Bechtel $ 3 als 
vionische« Orthographie aufygefaBt werden, aber auch als unkoutralhiert fiir kyvéoyca. Die 
fKontraktion ist in den alten Inschriften noch dfters unterlassen. z. B. repeaedroc. TeméNeoc. — 
Uber exxta: s. 1g; — Fitr die Aussprache im IL. Jahrh. v. Chr. ist von Interesse 13h. 

Fine fiir die fltere Sprache charakteristische Erscheinung habe ich an einer Reine 
von bisher unhetriedigend erklirten Belegen festgestellt und Hotimann mitgeteilt. der sie 
S.507——-509 annalhm und als »Gleitvokal« einordnete (ich hatte sie »(Quetschlaut« oder 
] mouilli¢é genannt). Leider hat Bechtel das ignoriert und die Falle gegen jede Methode 
wieder einzeln erklirt $ 34. 35. 40. Die Belege sind: ®vacomaxiaaic 2. 18. KOTYAGAI 25 
Bio. TAPA TA Anazinca 35. Tlamovacun 34. OB-. PH 45aq neben Tlameyao: I-. zvacwn axeoc 3y,. 
TA zvaca IL. Dincwniaac Miinzbeamter PH N 4 ({V. Jahrh.). Unsicher sind wegen Konkurrenz 
mit anderen Erklirungen 3B, tac iseac. PH 349 TON Xapmyacwn, elier von Xapmyacion oder 
Xapmyacic. Syll.3 ro00;, eT NAYTIAEwW! = NAYTiAW! Oder NayTiAcin!? Eine ganz unsichere Spur 
ist bei Hlippokrates meri rynaix. L197, wo neben Amyaion die Variante amvacon stcht, gleich- 
bedeutend mit amyaon Kuchen. Wenn dieser Fall beiseite gelassen wird. scheint der Gleitlaut 
nur direkt nach dem Ifochton (oder bei lingeren Wortern Nebenton. Piacwniaac. Oyacomaxiaal) 
einzutreten, nicht nach unbetonter Silbe wie TTAmeyaoi. Dieselbe Erscheinung findet sich 
in archaisehen Insehriften auf Melos 1G NI 3, 1143. 1171. 1216 Dyncoceennc, PyaAcoKPATHC. 
®yncot...., und auf Thasos IG NI 8, 615 @inewniacoc. Sie scheint also eine insel- 
eriechische Figenheit zu sein. Meine Erklirung bei Hoffmann (igre) hat R. McKenzie 
im Class. Quarterly ANVIL 1923. 196 und ANNI 1927. 194 aufgenommen und noch weitere 
auBerkoische Belege gesammelt (Teos, Knidos). 

Die Altertiimlichkeit der Gesetzessprache in den Gesetzen 1—8. 11 zeigt sich noch 
Klar in den einfachen Nitzen. wo oft mén oder ae felilt. oft der Artikel fehlt (Beispiele 
aus 1: Z.4. 20. 21. 23. 25. 26. 38. 39. 45. 51.53.56. 58. 61.63). Dazu kommen alte Worter 
und Formen wie émippezw Kéaomal APxeyw xéayc ovata Aonool méayxyc. epnein fiir »vehien«. 
Den Uhergang in der Zeit der Kodifikation zeigt das Nebeneinander von alten und neuen 
Formen wie ‘letia ictia neben ectia. ikac Lye. 3). vom Steinmetz 4, ,, cikéc gesehrieben und 
dann verbessert. iapeyc iaportoiol TAPHION eben jep-. dagegen immer ‘era. Tloaiai usw. neben 
Tloniéwe 15. oicin FA 3. 8B 3, neben den kurzen Formen. 

Die Kontraktion ¢+a>H (Bechtel $ 5) wird ganz mechanisch durchgefiihrt. auch 
wo dadureh die Wortform undurchsichtig wird, éNnx 1;. TTeaty gen. KE 6, Tleas = Tirenéa, 
Acyxoen =: -eéai La, iépHn 8 Avs = iépeian. epic 17, == iereiac. am auffallendsten H¥twN =: Eay- 
TON 143. Nieht hierher gehéren, wie Bechtel glaubte (3.564 Anaziméanc aus Anazitoneac). 
die auf Kos und Kalymna namentlich um 200 in rauhen Massen auftretenden Fraucnnamen 
auf -s. auch -is und -ex. Das richtige hatte schon Barth 12. Soff. geschen, vel. KES. 52. 
Hotimaun 511. Da es einfach ionische Formen sind. mégen nur einige Belege aus den 
vielen zeigen: ‘Asponik. Atexyainh, Aain. AnazictpatH. Apictaréen, Apicry neben Apicta, AfH. 
Zwek, Oevaocin. “Innixn. Kaeitoeed. Kavmenn, Kaytin (Theokrit VIE5!). Menickh. Mik’k 4. Mixo- 
TépH. Nixomaxu. TTamofan. Cimotérx. Nuciac neben Naciwtac. Aunma Aamooantoc. Die ionischen 
Formen sind wohl eintach eine vom Festland heriibergekommene Mode, wie sie aueh in 
den modernen Vornamen in immer neuen Wellen auftritt. 

Jonischen Eintlu® zeigen auch die Formen Aaksiaat. Amoiaruiaat. avtic 1,9 (Bechtel IIL 
S.232) Ténewc. iapewoyna, TAMNW (Bechtel $70) Joo. Eby. emtpayvai. emitpavéw Tel. emteava 
Ifomop.. vielleicht xatanamye@nti Tel.. kataaayeymat Homop., ‘Ictia ictia. endlich alga opckwmécia 
Homop., vel. Bechtel I 159f. Andererseits weist Bechtel mit Recht hei verschiedenen 
Formen auf die Verwandtschaft mit westgriechischen Dialekten. namentlich den argolischen 
und syrakusischen hin. [Das ionische Tuschritttragment Mai. 440. das nach dem Scehrift- 


Heilige Gesetze von hos. a3 


charakter um 350 anzusetzen ist. ist nach Schritt. Sprache und staatsrechtlichen Voraus- 
setzungen (Z.1 [-- kal A méaic yréeen'to) nicht koiseh. Es diirfte aus Halikarnass ver- 
schleppt sein, wo im V.Jahrh. eine Samtherrschatt von Tyrann und Gemeinden bestand 
(Syll.3 45) und im IV. Jahrh. zur Zeit der karischen Oberherrschaft cine solche von Dynast 
und Stadt anzunehmen ist wie im hosporanischen Reich und erakleia und spfter in 
Pergamon und Svrakus (vygl. Rostovzew, Iranians and Greeks in South Russia 8.68), Fir 
Kos ist eine solehe Samtherrschaft und Aufgabe der Staatssprache in einer wichtigen Ur- 
kunde auch zur Zeit der karischen Schutzherrschaft wm 350 nicht wohl denkbar. | 


Zum SchluB8 noch einige Zusiitze und Berichtigungen zu Beelitel. 


“LI. 


1 éeiopke@nti Tel.. spiiter auch e@ éeTH. Kae iafan zeigen Uhberaspiration. 


She 


5a Oradl aus Oraoal ys. S. 51 Mitte. 
13 Xapiccin 4s. 
29 epcent BAqy. 
S$ 34.35. 40 fallen wey, ebenso $ 43, denn Aptamictioc 363330 (= PH 34) ist einfach 
ein Gedichtnisfehler von Bechtel. Es steht dort ganz richtig Aptamitioy. 
42 gekiirzter Ace. Tloteiaa in der Sechwurtormel ITomop.. wie “Anoaaw $ 49. 


She LS. 


Se 
Oa 
et. 


SS o 


S44 ec Aonedc SB,-. Die kalvmnische Inschritt SGDI 3607; Aoaeoic gehért der 
Schrift nach ins Il. Jahrh. v. Chr. und bezieht sich nach Z.9 “Amoixtion’- aut Delphi. 
Zu Vokalismus yvgl. Hesych s. v. adatal” TAAKOYNTIA MIKPA. Kol, AOABAL’ @YMATA’ OF AE 


MIKTA TIAAKOYNTIA. OOAGOC’ H MATPA. 
48 gen. Hew PH 3499 = KF 8.139. 
56 mpAticta “yy. 
64 tayta nom. sing. fem. 8 A3,. 
$74 emenixoén Tel. ézenixeAl 8 Arg. go. dagegen ezeneikANTo 8Bag. metencikwn 8D yy. 
75 TrapackevAzAl LZ. 
78 Aika... aoze LI,. 
79 €rnwmec Tel. 
S$ S4 oxka neu auf Kos 5Br6 17. vgl. Bechtel I] 1S1 Megara. 240 Syrakus. 330. 359 
Lakonien. 635 Rhodos. Theokrit LV 21 oxka eywnti. 

$86 ome? 4y,. avtei? I4b,. 
87 Ablative tovt@ Loz.38. exatépw 1y. 6 8Bi3. Gae »hier« Homop. 
Sot Dem écte = usque entspricht amote Tel. Amote oktwxaiaeka ctéwn inde a duodevi- 
ginti annis. 

$98 aytéc als Retlexivum gilt jedentalls nicht ftir die hellenistische Zeit. wo z. B. 
in einer Inschritt des Il. Jahrh. (Arztehrune. Halasarna) éayto¥ neben aytoy usw.. €9° 
EAYT@I. KA@ EAYTON. Toe AYTOoc steht. Aber auch fiir die alte Zeit haben wir den Belee 
HYTON = cayTOn Ly, (s. oben S. 52). 

$ ror fillt weg, es ist zu lesen [mjotiaéni. 

Die altertiimlichen Wortstellungen 11, TA zyaca ek Toy Temencoc TA KyTapiccina und I1,, 
KATA TON TePON NOMON Kal TON MacTPIKON hat II]. Schone. Hermes LX 1611f. fiir die griechische 
(und G. Neckel. Acta philol. Scandin. 114 fiir die germanische) Sprache belegt. 11, zeigt 
mit der Wiederholung des A\rtikels eine fltere Ntufe als die Belege Nehines, zu denen 
noch das von mir angefithrte Beispiel Svll.? 972ss kommt. 

An fiir Kos neuen Worten kommen hinzu: 

arizw 446. Arpetai DBe. ATota 135. arryea 224, woftir wegfillt evctpa. aptooaria? 10... 
BPONXOC? Zao. agzic 106g. éviepa? Birt. evwna 40.10. Kydeic 8 B37. mactrixdc 11,,. dmoroaiteia 
(Hom.). meritAmno DAyy. meprvéw 8By5. merimaryw? 134. crraarxnizw -#iy. teaézw 5AY- 1s. 


a4 R. Herzoc: 


6, PH 2760. Die Bildung auf -ezw ist sehr selten (miezw hat neben sich miezew). aber ver- 
stindlich als Ableitung von teaet-4 Weihe. tyewarc Lys. xéave Igo. 

Einen Einbruch der Koine zeigen 9.10. In der Kanzleisprache und meist auch 
Privatinsehriften hat sich die Awpic bis ins IL Jahrh.n. Chr. gehalten. In hyperdorischen 
Formen wie Amiona tneben dem regelmabigen hellenistischen “Hriona 14, ) und oft) und 
MPONOASENTA Verrit sich in der Kaiserzeit die Unsicherheit, aber auch die Nanzicisprache 
der hellenistischen Zeit sieht manchmal wie Ubersetzung aus der Koine aus. 


IV. Zusiitze. 

a) Zum Bergkult des Zeus aut Kos $8.17. Der alte Vorort der Insel. Isthmos. 
wird im Siiden beherrsecht von dem massiv aus dem Meer autSteigenden (354 m) Berg. 
der jetzt to Zuni heiBt (Photographie Petermanns Geogr. Mitteil. Jahre. 1920. Tafel 29. 3). 
Da Zeus aut Kos bis ins IV. Jahrh. immer Zan heiBt, so liegt es sehr nahe. darin das 
Fortleben eines alten Namens Zunion zu erkennen. Es wiirde sich daher empfehlen. aut 
der Hochtliche des Berges nach antiken Resten zu suchen, nachdem eine Grabung des 
italienischen Instituts von Athen siidlich von ihm an der Aspri Petra eine Siedlung von 
neolithischer bis hellenistischer Zeit bloBgclegt hat Della Seta, Bolet. d’Arte I fase. VI 
1422/23). und nach neuesten Nachrichten auch Sechitritngen im Gebiet vou Isthmos vou 
gutem Erfolg begleitet waren. Fir die ganze Insel ist der becherrschende Berg, der die 
Wolken sammelt, das jetzt Aixaio Boyné genannte Massiy. Es hat zwei durch einen Sattel 
getrennte Gipfel, einen langgestreckten. von unten aus als der héhere erscheinenden west- 
lichen mit der Kapelle ies Keier6e, $38 m hoch (Photogr. a. a. O. Tafel 29. 2), und einen 
isolierten dstlichen, 846 m hoch. ‘Aria Tloko¥ wach ciner verfallenen Kapelle genanut. 
(Die Héhenangaben nach der kartographisch vortrefflichen italienischen Generalstabskarte 
der Insel Kos in 5 Bittern 1: 25000, 1925. Sie ersetzt, obwohl auch sie in der schwie- 
rigen Toponymie nicht vollkommen ist. als Grundlage fiir die Festlegung der antiken 
Reste wusere mit viel bescheideneren Mitteln und Anspriichen entworfene Karte a. a. 0. 
Tafel 28.) In Antimachia war ein koindN Twn cymmoreyoménwn TraPA Aa “Yétion (PH 382 
= Syll3 1107). Da das Gebiet des Demos von Westen an das Massiv st6Bt. so inte 
der Kult auf dem westlichen Gipfel Xeictoc, der auch heute noch Kult hat. ausgeiibt worden 
sein. Auf dem Gipfel fanden wir keine antiken Reste, aber auf dem Anstieg Reste von 
Mauern und Zisternen. Der Ostgipfel Ar. TToxoy liegt tiber dem Gebiet des Demos Pyxa 
mit Kult des Andaaon ‘Qroméawn. von dem der Name des Berges hei Theokrit VIL 46 
stammt. Apollon hatte sich also, wie auch anderwarts, mit seinem Vater in die Herr- 
schaft gcteilt. Der ganze Gebirgszug. der sich mit seinen Vorhergen bis an das Stadt- 
gebiet eseereekt. hiels nach Plinius N. HW. Vi134 TTriwn, natiirlich wegen seines zackigen, 
siigetérmigen Grates. Die Stadt Kos von 366 hat keine Erhéhtmg. die als starke Burg 
dem Zeus Polieus einen ragenden Sitz hitte geben kénnen: nur eine Meine Erhéhung 
hebt sich ini modernen Stadtteil “Acna ab. auf der ein cinst statilicher Palazzo aus der 
Johanniterzeit steht. Hier kénnte eine Zitadelle mit dem Kult des Zeus Polieus und der 
Athana Polias gewesen sein. 

b) Zur delischen und pythischen Theorie S. 18. Den Voroptern fiir gliiekliche und 
sichere Reise der Theoren entspricht ein Brauch der attischen Pythias. den Aschylos 
Enmen. 12f. mit Schol. bezeugt und atiologisch begriindet: Der xttisehen Theorie nach 
Delphi geht ein Vortrupp mit Beilen voraus oc ainmer@contec THN ran, wie Theseus den 
Weg. len auch Apollon gezogen war. von Riubern gesiubert hatte. Vel. Ephoros tr. 31 
Jac. und Radermacher. AY iener Stud. 41, 105ff. Sy “3 541. 696-- 99. 711. 728. 


Hleilige Gesetze von Kos. D9 


c) Zu den Arneiar und kaearmo! ®A und 8. Die heiligen Gesetze von Kyrene. 
die durch v. Wilamowitz, Sitzungsber. d. Berl. Ak. 1927, 155 ff, soviel neues Licht bekommen 
haben, konnten S. 36 fiir das Verstiindnis der Asvlie herangezogen werden. Sic bieten 
aber auch sonst manche Beriihrungspunkte mit den koisehen, die zur wechselscitigen Er- 
liuterung dienen. Auch die kyreniiischen sind eine Kodifikation verschiedener Sehichten 
alter Gesetze um 300 in ungeordneter Folge. vom ersten Herausgeber Ferri gut als »lex 
saturas bezeichnet. wie etwa 8B. und mit denselben deutlichen Spuren mehrfacher Mocderni- 
sierung der Sprache. Alber im ganzen sind sie nach Sprache wid Inhalt noch viel alter- 
tiimlicher als die koischen und kénnep daher eher Licht aus deren klarerer Fassung behommien. 
So wage ich einige Vorsehlige zu ihrer Ergiinzung und Deutung mit aller durch den 
Mangel an Autopsie und an Kenntnis der editio princeps gebotenen Zuriickhaltung. $ 1 (der 
Einteilung von Wil.) méchte ich ergiinzen Z.2 tic KA@APMOIC Kal ANHIAIC KA] iKET Hiatc. 
Dadurch wiirden auch die letzten $$ 17— 19 erfabt: fiber den engen Zusammenhang von 


c 


arneia und] iketela—acyaia v@l. den niichsten Zusatz. Z. 4 néco'c oaod!. 5 eEmmpocee TAM TYAAN 


 TICeE, 1@ Anotpomaiw. Anotedraion: An. A-aioc == Aanion: An. Aaatoc. Das Heiligtum hat 
seinem Zwech cntsprechend den Platz vor den Toren, der Gott mul auch die Opfernden 
vor der Pest sehtitzen. —- $ 2 ist noch weit liberaler als das koische Verbot 11, das sich 


sogar ausdriicklich ¢zw toy teméneoc erstreckt. Doch ist die hoische Ausnalime €éc aamocion 
epron grundsitzlich nicht sehr verschieden von der kyreniischen Bedlingung ai ka TOI ecw 
TAN TIMAN Teicec, Sie zeigt nur schon den Rechtszustand. dali das Vermigen des Gottes im 
Notfall dem Staat zur Verfiigung stelit bei den Griechen wie bei den Semiten (vgl. Smith- 
Stiibe. Die Religion der Scmiten, 1899. 107). Das Sinken des Waldreichtums mu8te zur 
stiindigen Wiederholung und Versehiirfung der Verbote fithren. Ein besonders Ichrreiches 
Beispicl ist der Zypressenhain von Daphne, der so noch im IV. und V. Jabrh. n. Chr. 
geschiitzt wird, Codex Justin, NI 78.1.2. — Auch $ 3 sieht liberaler aus als die Tabu- 
gesetze in anderen Kulten. Aber in Kyrene handelt es sich wm Laien und wohl wn hius- 
liche Opfer. Z.13 wird zu ergiinzen sein maAn 4 (= aan, Kiihner-Gerth II 285 Anm. 35) 
ec Tapon!, Z.t4 TAN amép,an Tanac..? In Kus dagegen gelten die arneiar ftir Priester oder 
Opterfunktionire oder tir das Ieiligtum. Z. 151 schlage ich. ini Vergleich mit Kos 
DA rol. 8A 234f. 38th. etwa vor: “Amo acxoc ANepwrtoc’ Ai KA YTTEN@H! TON AYTON, ACXO? OPO®ON, 
MIANE] T AYTOC AYTON KAT AAAON, TON AG! OPOGON OY MIANET’ Al KA MH YITEN@H! O ANOPWTOC OKA ENAO! 
Hl, AYTOC MEN MIAPOC T ENTAI AMEPAC TPIC, AAAON AE OY MIANE? OYAE OTTYI KA EN@HI AYTOC O ANOPWTTOC. 
d. he. wenn ein Laie. Mann oder Frau. unter dasselbe Dach mit einer \Woéehnerin komunt. 
so wird er sieh und einen anderen (mit dem er nachher in Bertihrune kommt). mit dem 
Tabu der Wéchnerin anstecken. sein Dach (seine Wolnung) aber nicht. Wenn der Mensch 
aber in den Wohnraum einer Woehnerin wihrend ihrer Abwesenheit komunt, so wird er 
selbst aul’ drei Tage unrein (darf also nicht in cin Uciligtum gehen). seine Ansteckung 
geht aber weder auf andere noch auf Réume fiber. Das Taus der Woehnerin selbst wird 
nach $16 auch bei Fehlgeburt tabu wie in Kos. Wiihrend in Kos anseheinend im 
Kult des Zeus die Fehlgeburt linger unrein macht als die Geburt, auffallenderweise aber 
im Kult der Demeter nicht. wird in Kvrene sogar ein Unterschied nach der Entwicklung 
des Fotus gemacht, ob Totentabu (wenn er schon als zaion gelten konnte, also als toter 
Mensch ausgeworten wurde) oder Wochnerintabu cintreten soll. Da in Kos die Arzte mit 
den Tabuyvrsehriften befabt werden (8 Ay). kann auch in Kyrene aus der Unterscheidung 
aut’ Mitwirkung der Arzte gesehlossen werden. —- § 4 erhilt Licht aus Kos 3 Ag—to. 
8 A.3.35 wid aus der von mir dazu angefiihrten Stelle Pausan. V 13.3. Der Kult cines 
gestorbenen und heroisicrten Menschen, z. B. Battos und Onymastos, macht Tabu. Deshalb 
darf der Laie oder Priester von cinen: Heroenmah!l oder Heroon nicht olne Reinigung 


56 R. Herzou: 


in das Heiligtum eines Gettes gehen (Kyrene. Olympia, Pergamon). der Priester muB sic 
itherhaupt meiden (Kos). Dagegen t@n iep@n 6c.a maNT!, GOtter. auch chthonische. machen 
nicht Tabu, also kann man von einem Gétterheiligtum zum andern ohne weitercs gehen. 
7. 21 bedeutet arnéc den. der rein sein mul. Priester. priesterlicher Funktionir (z. B. dic 


coareic Kos 1,2) oder Laic. der ein Heiligtuin betritt. — $ 5 zeigt Anklinge an Kos 8B 
$3 und § 6t. Z. 231) bedeutet iknye wohl Asche: auel «onic und croaéc kann ja sowohl 
Asche wie Staub bedeuten. 


d) Zur Asylie 8.36. Das ganze Problem der griechischen Hiketeia und Asylia 
miiBte von ihrem Ursprung an neu aufgenommen und dabei auch der groBe urkundliche 
Zuwachs an Asyliegarantien fiir Heiligtiimer verarbeitet werden. Fiir den Ursprung der 
Asylic kann die vergleichende Religionswissenschaft weiter helfen. Die Reelitsfulgen der 
Ieiligheit eines Orts entsprechen sich in der semitischen und griechischen Religion genau. 
auch iv ihrer Verkettung: Einfriedung des heiligen Bezirks, haram oder hima. Smith- 


Stithe. S.rrgt, ~ Kos 13. — Verbot. dic Biume des heiligen Hains zu schlagen. Smith. 
S.124 ~ Kos 11. 12. — Verbot des Weidens im heiligen Bezirk dureh Unbercchtigte und 


Vertall des weidenden Viehs. Smith, 8.106 ~ Kos 8B S$ 4 und uned. aiareaoa des Asklepieions. 
1. Jahrh. v. Chr., in zwei Fassungen (Ergiinzungen aus der zweiten unterstrichen) [émimeneicow 
Aé 6 iepeYc, KA\ OTwIC TO TEME NOC MH KATABOCKHTAI’ Ai A€ Ti KA €YPEGHI NEMOMENON, exécTwl KATA- 





OYEN TOIC B€ OIC TO EYPEOEN’ OMWIC AE MHAE Tol KATIO! KATABOCKWNTAI, }| 6YPWN Ti NEMOME NON @AINETWI 
mot] TON iePH éml TOI Amiccwil’ TO A€ AOITION, €cTw! TAIN eewin (der Steinmetz verwirrt sich 
bestindig mit dem Jota mutum). Weiteres Material jiber Wald- und Baumtrevel habe 
ich Philologus 79. 405 f. $2, 47f. zusammengestellt. — Talbugesetze des Heiligtums. Smith. 
S.rroff. ~ Kos 5A und 8. — Asyl des Heiligtuins, Smith. 8. 108 ~ Kos 13. Die Ent- 


wichlung des Asylrechts zum Metékenreeht zeigt auch dic Finrichtung der gérim, Smith, 





PT Oe 


Heilige Geselze rou Kos, 


Register. 


naa | 
=f 


Die Register sollen nur als Erginzung der Indizes von PIT APL Mai. syll3, SGDI und Bechtel sowie 
des Tuhaltsy erzeielinisses dienen. Fette Zitfern hezeiclinen die Inschriftennummern. gewOhniiche die Seitenzahlen. 


Sachregister. 


Arpeetal 0 B, 
Alexanderdrvachmen 16, 
APXEYONTEC 0) 

Arate 8 Aig. 38f 48 
Asvlie 13. 55 


y i r \ 
Baumiresel PL. 12. 55. 
QAAIAAEC TN 


ENATA 15. 43 
Ephebenweihe? 13 
Eveveten SA 


ferrum indatum 5B St 
Teste: Ackaarieia 14-16 -— Atta- 
Aelia 9 AS -— “HpAKaeiA 10,5-4 — 
Tlreckacia 9 Bit 
Festmahl 1,,. 4 Ass. S Ayo. 20 
(otter fo—48 
A®@ANA AACEIA 47 -- ToaiAc 3 A 20 
--- PaTPIA T8060 
“AAloc 48 
AMEPA 48 
Arloanwn AAaioc 4,2 6 B — Kap- 
neloc 4,; 13 p. v — Kymapic- 
cloc 12. 44 — Cmineioc 20. 44— 
Oyz.0C 20. 44 -— “QPomeauwn 17. 
20. 44. 54 
ApPTAMIC 415.3 B23. 8 Arg — Aoxia 
8 A, --- Tozitic 13x 
Acia 4 
AckaaTleion 8 Ape. 48 
Ackaamioc 11. -16. 45 
Arroalcion 8 A,; 
Avpoalta TIONTIA 40 
AXAioc Epiklesis? 6 A. 


Aamatue 8. 17. 24 —- “OAvamia 
SA.; 
AYWAEKA GEO! Do Bays Dekh s 


st 
Awackdoeon 9B 
“EkATA MerAna 3 Az. vel. & AL: 
“Epmac Kyaaanioc 13w 


t a 





Zan Zevo 54 — Ikécioc I8a—f 
— Maxanerc 2. 131 — “Oavn- 
moc 1Bu — ~Orioc Grenz- 


schittzer 17.20 —TTAcioc 31 — 
Tlateaioc 134 h — Toateye 1. 
3A. 9A, — “YeTioc 17. 34 — 
Patrioc 1381 

ZHNION 5.4 

“HBA 31 


Phil.-hist. Abh. LOPS. Nr 6, 


“Hmdéna 14—16. 48. “Amiona 54 
“HPA 31 

“Hpakatc 10 

ByYana? 4, io 

‘Ictia “Etaireia 12, 

Kopotréeoc SB, :: 

Aatwo 4,. 5B 

Aeyxood La. 47 

MAXA@N 45 
MolPAl 31. 
Nika 9.4, 
TTatraio: Geol 31 
“YrieiA 14--16. 48 
XaApitec 4 


BWres 


Griindung vines Heiligtuns 8 BS 3 

Gyinasion 9 

ETAIPEIA? 1. 

lepooyaakec 13. 14. ». 

Hihetic 36. 56 

Homoepolitie 45 

KApykec 1. 44 

Kolonisation 45 

MONAPXIA & A. 

monaPxoc BA». SA, yy. Ita, |, . 
Wyo. 44 


Mpfertiere. Preise 4o— trichtige 


8B $6 —stérrische $7 — alz 4. 
— eovc xpycoKépwe 15. --- aAé- 
mMAAIC 15., — xolpoc epcHN 3 Ay: 


MIAPOIKO! 41 

TIeAANGC? Ita., bs. 15.¢ 

Priestertiimer. Losung und Verkauf 
oA. UT 48t. 

mye AlAion SB, 

tryeoopo! 3B 


Reinigungen oA. 8S. 55 

Reparaturen SBS 2 

Semitische Religion 55 f. 

Synoikismos 8. 44 

Tabu (Unreinheit) 53 f. —  (ie- 
schlechtsverkehu 1... 5 Box — 
Geburt. Pellgeburt, Hekatemaht. 
Heroen.  Leiche.  Selbstmord, 
Speisen 5 A. 8. 556. 

Testamente 30 ff. 

Theorien nach Delos ou. 
ob. 54 

eHcaypoc 14. 17,_ 

Weibgeschenke SBS 2. 15. 16 

Zypressen geschiitat 1. 12. 55 f. 


Delphi 


Geographisches Register. 
Kéc 3 Bz 13. Koto :; 
Orre auf Kos 44f. 
AirHaio! 15,,,. 16... én Airhaai 45 
“AKOPNA 45 
Aadcapna § Ais. 
5B, 
Eitéa 3, 
ZHNI ON’ Bere 34 
Inmotar 15.., 
‘Icemiatal 91.3. 15,:. 
8S A:- 
Kyrariccoc 9. KYNAPICIaTAl 33 
AEX KOAAA 47 
ANITA. 45 
Theiwn Cebirgskette 54 
Thrze@tal 15... 16:, 
“Qrpomeaon Berguipfel 17. 20. 54 


‘AAACAPNITAL.’ 


“Icemdc 


Delos 5B 

De phoi 5 B,-; 

Elpia 45 

Epidauros 34. 41. 45 
(rela 45 
Halikarnassos 53 f. 


Tonischer Emschlag auf Kos 43. 52 





Kalyimmna rs. 45 

Kamarina 45 

Karischer Einschlag auf Kos 44 
Knidos 5 B,, 48 
Kypros 45 

Kyrene 36. 45. 55f. 
Nisvros TX. 45 
Pserimos 45 

Rhodos 44. 45. 40. 50 
Samos 43 

Syrakusai 45 

Svrnos 48 

Telus 1s. 45 
Thessalien 45. 45 
Trikka 45 

Zankle 45 


Personen. 
Konig Antigonos 30 
~ Attalos LIE 9 
Eumenes I. 9 
Prolemaios I. I]. 38. 42. 45: 
VL 9 
A. Didins Postumnus proce. Cypri 45 


5 


58 


“ATAAOC GEYKAEYC 27 
“ANAEIKAAC mpocTATac 8 A_ 


ANAzIAAC 3, 


Atoxafic AamApxoy AKAPNAN 42 
AtoméAon Aioadtoy? 10. 30 


EmikPATHC PiAwNoc mpocT. 8 A; 

“Emixapmoc Dichter +45 

“Hpdaotoc “Hpakaeitoy mpoct. 8 A>. 
14, 

‘Hponaac Dichter 39. 46. 48 


Bedxeitoc Dichter 17. 41. 45. 47-52 
Berykahc mMénapxoc § A, 
“‘ImmoKPATHC Arzt 44. 46—48 
Mnacimaxoc TimoAvKoy Arzt 38 


TTaciac eeccanoy éarHTAc 8 Ay 
Timéayxoc MnacimMAxoy Arzt 38 


PIAWNIAAC PiaicToy TipocT. 8 A; 
byadétimoc TIMOAYKOY MON. Arzt 14 


XAPMYAOC 31 


Wortindex 


(mit Einschlu8 von Ergiinzungen) 


ArIZeIN dye 
Arxicteyc 8 Boo. 22 30 
AOAHTAI 9 Axo 

AzIA Wert 14 be 
AnArxeceal 8 B,, 
Anosadt 8 By 
Aniéaeizic Examen 9 B., 
ArtoTa lePA 1; 
aTTYPA lePA 2,, 
APTO@ATIA? 105, 
AYTAMEPON 8 B., 


BPONXOC, 2.5 


rAMON TIOIEIN 1037¢ 


R. Herzou: 


AONA 1,, 

aézic Bewirtung 10... 
anaecoal 1,, 

aiarPAoA Reglement 14. 40 
alaapomA Turnen 9 Ax: 


EKOYEIN 19 

exTPGi 9A, SA, x 
EAAIAL AL 33 

éMMATEIN 3 Axe 
eNeYMion religio 8 A,, 
ézararA €K KO 3 By. 165 
ézlaiAzeceal 10,5 
ériApxeceal 4,, 
emicTATAl AusschuB 8 A- 
epmein gehen 5 Be 
écépnein 5A. SA 
éciepaA? 3,, 

HPwN 8 A., 


eepancia 10,,, -3 

eecméc Grab 8 B,- 
ONACIAIA 8 Ave. yr 

eYMATA 8 Bry 

YONA? Sy 10 

lala Vermégen 32 

Acc, o B; 

imnoc Laterne 3,, 
KAAAIAPIA 3 Bro 
KaTAacinioc 10.. 
KATACBECAC 8B, 
KATAPXECeA! 13x 
KATAXPACeAl c. ven. 12,, 
KEPAIC. bras 

KEPAAAION MAOHMATON 9 B., 
kigwatoc I4,, 

KYKAOC Servierbrett 10,,., 
Kyoeic 8 Bz. 4: 

KyTtApiccoc. -iccinoc 11. 12 


A€CXH 103, 
Aleoc 4a 53 15 


MACTPIKOC NOMOC 11,, 


meaioinoc. 7B, 
micedc 10;,. MICeMma ;, 
moiPpA Absehnitt 13 u—x 


noméc Herde 8 Bys 


EZENIKON CTPATEYMA 3 Ba, 
EEN@NEC 30 
zitoc fepon SB, s 


OIKHMATION 10, 5, 
OKKA 3 Bis 
OMOTIOAITEIA 45 
oveoc 3 Bio 


TIAPAKPOYEIN, &} Ay, 
TIAPAMAPTANEIN 8 A> 
méay«yc 8 By 
TePIMAPYEIN 13, 


tepimaToc Wandelhalle 3of, 


TIEPIPAINGIN 8 passim 
TIEPITAMNEIN 3 Ax, 
TIEPIYAN 8 Bys 
TIOTIPPAINEIN +. 
mpocriepmelA § passim 


CKEAIC, ys 
CTIAATXNIZEIN 4,4 
CTOAA Is 

cTPOMATA 10,- 
coareve I,, 43 

cxoINion 8 B,; -iaion 5, 


TAMNEIN 11,. 12, 

TeAézeIn DJ A,-. GA, 8 A,;. 
TEAECTPA 8 A>: 

TeTPArwNoc 10,,5 


TMA Wert. Preis 1.;. 8 By. 


TeAneza 8B S$ 2 
TPEXEIN APWNAPION 9 AL, 
TYPM@AHC Tyg 


YTIEXEIN AIKAN 13, 
xéayc Bruststiick 15. 


@MON oder GMON? 2,,, 


Heilige Gesetze con Ros. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seti 
Worbem Gr trite pc. c.f ce isa) aclu ote ays: ere tee 8, Pcs baad piers PG ew ald eens 3 
1-—4. Staatlicher Opferkalender .........0 0.0.0 c eee cece eee eee 7 
53—8. Alarpagai fiir einzelne Kulte ... 2.0.0... ee eee eee TY 
o. Kalender des Gymnasions 0.2... 0.0 cece cece eee eee 25 
to. Stiftung eines Familienkults des Herakles durch Diomedon ..... 28 
11. 12. Sehutz des Zypressenhains 2.0.0.0... 6. eee eee ee as 
13. Asvliegesetz des Asklepieions 2.0... 0.0 cee eee cee a 
14. Einbau eines Thesauros in den Asklepiostempel ......0 ......-5 ae 
15. 16, Opferordnung der Asklapieia ..............--05. i “abe dss 30 
17- Priestertiimer der Demeter... 0.0.0... 0c c ec eee eens 41 
Anhang 

I, Staat 
a) Politiseh-militariseche Ghederung .... 0.0.0.0... eee ee 42 
b) Kommunale Gliederung ..... 00... 0c cee eee eee 44 
@) Be atnte ss seis in hoe eh bg 3085 4 Pad ech eRe a eect einige een og w 45 

II. Kult 
ay Die GOttens oo xccenk ete eh ie devon Ye RS AM ee de> eee 40 
hb) WKWultbeamte. ©: 6.20. nda ch ee Reb cael a Sad SLY S Means 48 
¢). Der Kalendets 205i 2250.68. 924.5 pe dad ad on ha Ba aa 40 
TEs. Sprache ata. icc. ce lame Cen ethnic get ee aging tin-ke grat ae Ga RI 
TV. ZU Satzeis wise cea ak heehee hh ene Saito ee ede Se ee 54 


REGISteR An cane-peescy hese th kana head Velie okie deed diet a } Sap or aca Sharan geeud 57 


Berlin. gedrucht in der Reichsdruekerei. 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JATRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 7 
DIE ®YYIKA DES BOLOS DEMOKRITOS 
UND DER MAGIER ANAXILAOS AUS LARISSA 
TEIL I 
VON 


Prov. Dk: MAX WELLMANN 





BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 





IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO. 





Vorgelegt von Hrn. von Witamowrrz-Morttenporrr in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 14. Juni 1928. 


Zum Druck genebmigt am gleichen Tage, ausgegeben am 26. Ohtober 1028. 





Hine ganz neue Betrachtungsweise der Natur, zum gréten Teil mystiseh-magischer Art, 
setzte in hellenistisecher Zeit in Agypten ein. das durch seinen uralten Tier- und Pflanzen- 
kult gewissermaBen dazu pridestiniert war. Wéhrend der Peripatos die Biologie der Tier- 
welt. die Ptlanzengeographie und die methodische Behandlung der Steinkunde in den 
Mittelpunkt seiner naturwissenschaftlichen Forschung gestellt und in allen Zweigen der 
Naturwissenschaften trotz vieler Fehlbeobachtungen und Fehlschliisse GroBartiges geleistet 
hatte, tritt jetzt das Streben zutage. in dem Gesamtgebiet der organischen und unorga- 
nischen Natur die geheimnisyollen. wunderbaren Krifte der Naturobjekte, d. h. ihre dvces, 
ihre okkulten Eigenschaften und Krifte sowie das Walten der Svmpathie und Antipathic 
in den verschiedenen Naturreichen auf Grund ihrer @voes aufzuspiiren und nachzuweisen. 
Mensch, ‘Tier. Ptlanze und Stein, einschlieBlich der Metalle werden als Trager von ge- 
heimnisvollen Kritten hingestellt. die Krankheiten und sonstige Leiden zu heilen und 
dem Menschen Reichtum, Glick, Ansehen und Wunderkraft zu verleihen vermigen: Natur- 
wissenschaft und Medizin tlieBen in dieser Betrachtungsweise in cins zusammen. Dabei 
haben die Vertreter dieser Literatur mit verbliffender Leichtgliubigkeit neben der griechi- 
schen Wissenschaft (Peripatos. Demokrit, Apollodor 6 ioAdyos) die altpersischen Schwindel- 
biiecher des Zoroaster und Ostanes, die des Juden Dardanos, des Phénikiers Mochos und 
des figyptischen Zauberers Apollobex mit ihren greulichen Sympathie- und Antipathie- 
mitteIn zu Rate gezogen’, wodurch diese Literatur einen eigenartigen, romantischen An- 
strich erhielt. Alle diese Arbeiten fanden ihren Niederschlag in der sogenannten Phy- 
sikaliteratur (Puowd, dvowai duvayes, livres des propriétés, de rebus physicis, okkulte 
Kriifte oder Mepi avrarafewy Kai ocuptabewv): der Triiger dieser merkwiirdigen, ihrem 
Inhalte nach z. T. orientalischen Literatur ist der dvyp dvouxos, (.h. in der in helleni- 
stiseher Zeit tiblichen Bedeutung des Wortes der Mann, der der okkulten Vorginge und 
Zusammenhange in der Natur kundig ist, der Magier’. Wir kennen die Hauptvertreter 
dieser Literatur. Es sind Bolos Demokritos (um 200 vy. Chr.). Manethos (@vowov én 
tou"). Nigidius Figulus' zur Zeit des Pompeius, Demetrios 6 @vowcos (Plin. n. h. VIII 59). 
der Neupythagoreer Anaxilaos unter Augustus: dann im 1. Jahrhundert n. Chr. der Arzt 
Apollodoros, adsectator Democriti (Plin. n. h. NATV 167) unter Tiberius. unter Nero Xeno- 
krates aus Aphrodisias’ und etwas spiater der Landwirtschafter Pamphilos (Geop. XV 1, 6), 





1 Plinwn. he 30.9. Wertmann. Die Georgika des Demokritos. Abh. d. Pr. Akad. d. Wiss. 1921, 8. 8. 

+ Vel. Comonr, Die orient. Religionen im rém. Heidentum, Teubner 1914. S.210f. Atrrep Wirpemann, 
Magie ane Zauberei im alten Agypten in der Zeitschrift »Alter Orient«. 6. Jahrg. (19035). Heft 4. 

+ Diese Schrift. die wir aus Suid. s. v. Mavéfos, Diog. L. I pr. 10, Eus. pr. ev. HL 2 u. Geup. 20.5 kennen, 
gehért sicher in die vorehristliche Zeit nach Bolos. 

! Seine naturw. Schriften (De animalibus, de hominum naturalibus) fiigen sich vollhommen in den Ralimen 
der yon Bolos inaugurierten Physikaliteratur. Sein Buch De animalibus “stimmt abgesehen von der Anord- 
nung des Stotles auch darin mit den ®vorxé des Bolos tiberein, daB neben den Werke n griech. Wissenschaft 
(vor allem des Peripatos Frg. 117. 118. 121 Swobvuda) auch die altpersischen Seliatadeloncier der Magier be- 
nutzt sind (Frg. 67. 112. 126—128}. 

* Vol, Wertmany. Herm. 42. 614f. 


ee 


4 M. Wertuimayy: 


gegen Ende des 1. Jahrhunderts Hermes Trismegistos mit seinen von Mitty, Les lapidaires 
grecs, tom. IL S. 51f. edierten Koiraniden, um 100 n. Chr. Polles aus dem kleinasiatischen 
Aigai mit seiner Schrift [epi avrirabemy Kat ouprafedv (Suid. s. vy. [oAAns), um 120 
n. Chr. Neptunalios mit seinen vod’, Aelius Promotus mit seinen Ovo dvvapepd, ferner 
ein Apollonios (Belinus von den Arabern genannt*), der Landwirtschafter Didymos aus dem 
3. Jahrhundert® und der Veteriniir Apsyrtos aus dem 4. Jahrhundert (Suid. s. v.). Die 
beiden letzten Werke dieser Art sind der Physiologus. der gegen Ende des 4. Jahrhunderts 
in Syrien, genauer in Caesarea, entstanden ist, und das unter dem Namen (les Aristoteles 
gleichfalls in Syrien um 600 n. Chr. entstandene Handbuch der Naturgegenstiinde, das 
K. Anrens (Kiel 1892) herausgegeben hat und von dem der durch die Arbeiten von 
V. Rosr* und Ruska’ beriihmt gewordene Liber Aristotelis De lapidibus nur ein Teil ist. 


Derjenige, der diese Literatur inauguriert hat, vermutlich im AnschluB an die ‘Iéio- 
guy des Orpheus-Archelaos", ist der Mendesier Bolos Demokritos. Dieser ungemein frucht- 
bare Schriftsteller war nach Suid. s. v. Neupythagoreer. Der Neupythagoreismus, dessen 
Bedeutung fiir die Religionsgeschichte, genauer fiir die Bildung und Wandlung religiéser 
Begriffe im Orient sowie fiir die Naturwissenschaften und Medizin immer noch nicht richtig 
eingeschitzt wird, ist in hellenistischer Zeit. und zwar schon im 3. Jahrhundert vy. Chr. 
auf dgyptischem Boden (Alexandreia) entstanden. Von Kyrene oder Unteritalien, d. h. 
von Tarent oder Thurioi oder Rhegion, kam er her und schilo& sich in Agypten in kléster- 
lichen Niederlassungen zusammen, die mit ihren festen Ordenseinrichtungen und ihrer 
strengen Ordenszucht mit groBem Erfolge Anhinger geworben haben. Was dieser aske- 
tisch-mystische Ménchsorden aus seiner Heimat fir seine Adepten mitbrachte und mit 
religidsem Fanatismus vertrat, war der unerschiitterliche Glaube, da8 es den Sterblichen 
verginnt sei, durch asketische Lebensweise und fromme Hingabe des Herzens mit der 
ewigen, cinigen Gottheit (der Movas) schon im Diesseits in Verbindung zu kommen und 
sich durch Reinheit des Leibes und der Seele das ewige Leben im Jenseits zu erringen. 
Das Neue, das sich bald als feste Schale um diesen griechischen Kern ansetzte, ist der 
mystisch-magische Einschlag in ihren Vorstellungen von Gott, Mensch und Natur, der 
in dem in Alexandreia zusammengebrauten Synkretismus seine Erklirung findet. Der 
pythagoreische Geist geht hier ein Biindnis ein mit orientalischen. d. h. aigyptischen, 
jiidischen, babylonischen, assyrischen und persischen Ideen und nimmt jene Gestalt an. 
die in den nachchristlichen Jahrhunderten als sein eigentliches Gepriige erscheint. Wir 
erfahren von einer umfangreichen Literatur nicht nur ethisch-religidésen Inhaltes, die dem 
Zwecke der Erbauung. der Belehrung und der Proselytenmacherei dicnte, sondern auch 
naturwissensechaftlichen, medizinischen, landwirtschattlichen. technischen, zauberhaftigen 





1 Vel. JuL Afric. Kerto’ 34 in Thevenot. Veterum mathem. op.. Paris 1603. p- 3On%. 
2 Vgl. Werraann, Die Georgika des Demobritos, 8S. gq A.5. Da Arnobius (adv. nat. I 52) ihn kenut. 
lebte er spitestens in der ersten Halfte des 3. Jahrhunderts. Ein gucimdéy dieses Apollonios begegnet in den 
Hippiatrica nach E. Over, Rhein, Mus. 45. 64. oe 

3 Euseb., Eclogae propheticae. ed. Gaisrorp, S, 111, 4. 

‘ Zeitschrift f. deutsche Altert.. N. FP. Bd. VI, 8. 327rf. 

5 Das Steinbuch des Aristoteles. Heidelberg 1912. Wetimaxn, Arist. de lap. in den Sitzungsber. d. 
Berl. Akad. 1924. S. 79f. . 

6 Wir kennen die ‘Icodvy des Ps. Orpheus. eines Neupyth. aus dem Beginn des 3. Jahrhunderts. etwas 
genauer durch die dichterische Paraphrase des Hofpveten des 3. Ptolemaivs, des Archelaos, die dem Leibarzte 
Ptolemaios IV., dem Herophilecer Andreas, Anla8 zu scharfer Polemik in seiner Schrift Mepi trav Wevdds remrbey 
Héevev gegeben hat. Das Buch entbielt neben allerlei Qavedora aus den 3 Naturreichen einen Wust von okkulten 
ZaubermittelIn und mystisch-magischen Zauberkniffen (val. Plin.n. hy. Das Gedieht des Archelaos. das als 
Lehrgedicht in eine Linie zu stellen ist mit den ®avdyeva Arats und den Oypiaxd Nikanders. ist bis auf die 
Zeit des Georgios Pisides herab viel benutzt worden, Vd6llig verzeichnet ist sein Bild in PW II 453. 


Die Pvoxd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. 1. a 


sammenschlieBung der Anhanger zu festen Verbinden (Ménchsorden) zur Voraussetzung 
haben, wihrend die rein technischen Werke (Baducd) tiber die Falschung von Edelsteinen 
und Perlen und die Purpurfirberei die Existenz von Werkstiitten bezeugen. in denen das 
Legieren, Oxydieren und Destillieren getibt wurde. 

Wie alle Ménchsorden hatten sie das Streben nach Expansion. Ihre Jiinger gingen 
hin in alle Welt, um Proselvten zu machen ftir die neue Religion. So héren wir, dab 
sie zu Beginn des 2. Jahrhunderts in den geistig hoch interessierten Kreisen der griechiseh- 
und astrologisehen Inhaltes. von der die landwirtschaftlichen Werke (fewpyikd) die Zu- 
romischen Gesellschaft Roms Propaganda fiir ihre Ideen zu machen suchten. Im Jahre 
181 y. Chr. wurden nach glaubwiirdiger Uberlieferung auf einem Gute in der Nahe Roms 
pythagoreische Sehriften unter dem Namen des Stifters des rémischen Sakralwesens. des 
Numa, aufgetunden (cin bekannter Kniff dieser Sekte. um ihren Schriften gréfere Ach- 
tung zu verschatten). die der Senat auf Antrag des Priitors Q. Petillius als religionsgefihyr- 
lich verbrennen lieB'. Sicher ist. daB es im Anfange des 1. Jahrhunderts in Rom eine 
fest geschlossene pythagoreische Gemeinde gab. die in geheimen Konventikeln ihr Wesen 
trieb und deren wirksamster Vertreter der Freund Ciceros, P. Nigidius Figulus. gewesen 
ist. dessen Schriftstellerei erst verstiindlich wird, wenn man die Entwicklung des ilteren 
Neupythagoreismus (Bolos) beriicksichtigt. 

In Palistina gelang es unserm Orden. schon um dice Mitte des 2. Jahrhunderts vy. Chr. 
festen FuB zu fassen. Es ist kein Zweifel, dal} der asketisch-mystische Ménchsorden der 
Exsiier (Essener). ein ins Jiidische umgewandelter Ableger des neupythagorcischen Ordens 
gewesen ist. Mit groBem Geschick hat er es verstanden, sich dem religiésen Empftinden 
der paliistinensischen Bevilkerung anzupassen. Er hielt fest an der jiidischen Hoch- 
schiitzung des Gesetzes. der Feicr des sabbatlichen Gottesdienstes. und Moses galt als sein 
Prophet: aber in diese fuBere Schale ist sein eigenstes Wesen mit so groBem Geschick 
eingefiigt. dali man bis auf den heutigen Tag in der richtigen Beurteilung dieses Ordens 
fehlgegangen ist. Und doch bezeugt Josephos (Arch. XV 10. 4). dessen Urteil eigentlich 
mabgebend sein sollte, daB die Lebensweise der Essier und ihre ordensmabigen Einrich- 
tungen (ihre dita) pythagoreisch seien. und im Bell. Ind. I$, rr hebt er die Uherein- 
stimmung der essiiischen Lehre von der Stitte der Seligkeit und Verdammnis mit grie- 
ehischen Vorstellungen nachdriicklich hervor (Ouodokouvtes rai EANjvwv). Dies Zeugnis, 
an dem man natiirlich vielfach zu riitteln gewagt hat, darf um so mehr Glauben be- 
anspruchen, als dieser Jiidische Schriftsteller, allerdings schon in jungen Jahren. voriiber- 
gehend diesem Orden angehért hat (Jos. vit. 2). Grestiitzt wird sein Urteil durch keinen 
(eringeren als den Apologeten Justinus Martyr (Dial. ec. Tryph. 80). Hegesippos (¢. 180 
n. Chr.) kennt in seinen Hypomnemata nach Euxebios (K.G@.TV 22.7) in dem vorchrist- 
lichen Judentwu 7 Hiresien: “Eooato., Padidatot. Huepopanrtiotal. Macpebeo. 
Lapapetra. Laccovkaior und Papioatot. Dem entsprechen bei Justin in seiner Aut® 
aihlung der Ifiresien folgende Namen: 2addcoveator. Tenotat. Meporal. Parirator, 
ErAyuavol, Paptoator, Bantiorat. Wie man sieht. fehlen bei ihm die Essier. Da® 
er sie ithergangen haben sollte, ist bei ihrer Bedeutung einfach unglaublich. U:erxrrip 
(Ketzergeschichte S. 84) vermutete sie deshalb hinter den Bantiorat: aber daran wird 
niemand zweifeln. dab die Bawticraé des Justin mit den HyepoBantictal des Hegesippos 
identisch sind. Beriicksichtigt man das Urteil des Josephos iiber die Esser. so wird man 
sie ohne jedes Bedenken mit den EXAnviavol Justins identitizieren. Mit anderen Worten: 
der Apologet hielt sie ftir eine hellenisierende Sekte. 








l Zevier. Geseh. d. Phil, WM 2 (4) S. roof. 


6 M. Wetiwayny: 


Trotzdem herrscht tither das Problem der Essier immer noch grobe Meinungsver- 
schiedenheit. Die einen suchen den Essiismus aus dem Judentum allein berzuleiten — 
was schleehterdings unméoglich ist —. die andern wittern in den vom Judentum ab- 
weichenden. bzw. ihm widersprechenden Ziigen buddhistischen oder persisehen. bzw. sy- 
rischen Einschlag. Demgegeniiber ist Zetirre in seiner Philosophie der Griechen von 
vornhercin fiir das Urteil des Josephos, d.h. der mafgebenden Uberlieferung einge- 
treten und hat zuletzt seine Hypothese in der 4. Autlage seines Werkes S. 305f. noch 
einmal in tiberzeugender Weise austiihrlich begriindet. E. Scntrer (Gesch. des jiid. Volkes 
im Zeitalter Jesu If 678. 651) hat sich ihm, wenn auch nicht vorbehaltlos angeschlossen. 
Die Einwendungen Bovsstrs (Relig. des Judentums 8. 434f.) koénnen nicht als stichhaltig 
gelten, weil er nur Ejinzelheiten herausgreift und die schlagenden Analogien tibersehen 
bzw. unberiicksichtigt gelassen hat. 

Bisher war man allgemein der Meinung, daB das Quellenmaterial fiir unsere Kenntnis 
des Wesens und der Lehre des Neupythagoreismus erst gegen Ende der hellenistischen 
Zeit einsetzt. Diese Meinung ist irrig; denn einmal haben wir einen doxographischen 
Bericht tiber die Lehre der jungpythagoreischen Schule (Diog. L. VI 24f.)’, aus der der 
Neupythagoreismus hervorgewachsen ist, ein Bericht, der uns dic Kenntnis der Grund- 
lehren, auf denen der Neupythagoreismus aufgebaut ist, vermittelt. Und daun kennen 
wir einen der Hauptvertreter des neupythagoreischen Ordens aus dem Ende des 3. Jahr- 
hunderts  - was bisher allen Forsehern auf diesem Gebiet entgangen ist — in der Person 
des Bolos Demokritos*, dessen umfangreiche, fragmentarisch erhaltene Literatur uns einen 
Kinblick in das Wesen dieses Ordens gestattet. Mit Hilfe dieser beiden neuen Quellen 
ist es moglich, die Zetrrrsche Annahme zur GewiBheit zu erheben. Ich lasse die Waupt- 
argumente folgen. 

1. Die Neupythagoreer wie die Essier (Essener, die Frommen) waren eine auf be- 
stimmten Institutionen beruhende religiése Gemeinschaft, die eine Art von asketiseh- 
mystischen Minchsorden mit eigenen klisterlichen Niederlassungen bildete. Freilich, da 
die Neupvthagoreer derartig organisiert waren, ist, soweit meine Kenntnis reicht, nirgends 
iiberliefert, folet aber, wie bereits erwilint, aus ihrer Schriftstellerei. Die Georgika des 
Bolos haben Ptlege des Landhbaues, der Vieh- und Bienenzucht, was von den Essiiern be- 
zeugt ist (Philo, Quod omn. prob. liber sit $12 p.457, Euseb.. pr. ev. VII 11, 4, Jos. B. J. 
IS, 5, Ant. 18.1, 5), zur Voraussetzung. und seine Badia werden nur dureh die An- 
nahme verstindlich. da®8 ibm. wie tatsichlich den Essenern, Werkstatten zur Herstellung 
yon Edelsteinen und Perlen zur Verfiigung standen. Weiter will Bovssrr (435) von he- 
sonderen religidsen Kulthandlungen in dem Orden der Neupythagoreer nichts wissen, 
trotzdem bereits fiir die Jungpythagoreer der ganze Apparat der sakralen ayveta in dem 
Anonyimus Alexanders bei Diog. I. VUE 33 ausdriieklich bezeugt wird. Diese mannig- 
fachen Reinigungszeremonien haben olue Zweifel sakramentale Bedeutung ebenso wie dice 
gemeinsamen Mahlzeiten beider Orden, die dureh die beim Mahle gesprochenen Gebete 
baw. Zauberformeln magische Kraft erhalten und den Adepten in die Gemeinschaft mit. 
Gott bringen sollen. Aus ihrem religidsen Charakter erklirt es sich, daB in beiden Orden 
die Logik ganz zuriicktritt und dats die metaphysischen Fragen nur insoweit von ilnen 
behandelt worden sind, als sie von religijsem Interesse sind (Wesen (ottes, Schépfung 





' Man hat diesen Bericht frither ffir neup. gehalten, Wel. Zerrer, a. a. O. 103. Dagegen Weir ayy. 
Eine pyth. Urkunde des 4. Jalrhonderts vy. Chr. Herm. 54, 8. 225f. Driers. Vors. Naehtriige (1922) S. XLUL 
E. Rospr. KL Sehr. Writ. Denatre. La vie de Pyth. de Diogéne Laéree. Broxelles 1922. Anders urteilen 
Wirvmowrrz. Platon If 2 8.84 A.t ound Parner. Gnomon (1926) Bd. IL Heft 3 S. 15 


: : : } 3 
* Vgl meine Abbandlung. Die Georgika des Demokritos. aa. O. 


Die Pvoa des Bolos Demokritos und der Mayr Anawilaos vux Larissa. I. i 


des Weltalls). Das Wichtigste ist ihnen die Ethik. Gerade auf diesem Gebiete zeigt sich 
der fundamentale Unterschied zwischen Essféismus und Judentum. Wa&hrend im Judentum 
die héchsten ethischen Forderungen durch den »syvnagogalen Partihularismus«< begrenzt 
erscheinen, wie Bouvssrr ausdriicklich hervorhebt, tragen ihre ethisehen Anschauungen 
den echt humanen Charakter hellenistischer Philosophie (Philo aca. QO. 455). Doeh_ hiite 
man sich. die drei Kardinaltugenden der essiiisehen Ethik (iaAofea. dAaviperta und 
diapetia) mit der Sittenlehre der Stoa in Zusammenhang zu bringen. die hekanntlich 
nach dem Vorgange Platos 4 Grundtugenden unterschied: @povyos. avcpea. Ccucaocrvi 
und codpootvy., Vielmehr wurzelt die essiisehe Sittenlchre im Pythagoreismus. 
Man hore den Anonymus Alexanders bei D. L. VU 32: dpKiwv 7 eva TO Cikcuov (vel. 
Jos. Arch. XVID 1. 5 § 20), Kat die tovto Ata bpxiwv NéyeoHu. THv 7 pera cppoviay 
Elva Kal THY Uyeda Ka TO a@yabov amav Kai Tov Beov ... dittav T eivae Evapyoviwy 
iodtyta. Tyas Geots Cew vouiCew KTA. Und man Denne ieltaae. Was wir ous anderen 
Quellen (Jawnticn) erfahren, dali Liebe zu Gott und dem Menschen, Gehorsam gegen Recht 
und Gesetz. Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit. vor allem aber selbstlose Freundesliehe die 
sittlichen Grundlagen dieses Ordens gewesen sind. 

Als Ordensstifter galt den Pythagoreern Pythagoras. den Essecern Moses (Jos. B. d. 
Il 8. 9. Diererton, Abraxas 145). Des Stifters Name war ilinen niiechst dem des héehsten 
Gottes am heiligsten, und auf seinen Namen waren z. T. die heiligen Schriften der beiden 
Orden gestellt. Ich erinnere an die Movds dex Moses (Dirrrrwu. Abr. 167) und an die 
groBe Zahl mystischer Schriften, die schon im 1. Jahrhundert vy. Chr. unter dem Namen 
des Pythagoras in Umlauf waren (Zrrirr I 283. 3). 

Als letztes und héehstes Ziel des Lebens galt ilnen die Gliickseligkeit. die etéauovia 
oder eveoto (Divg. L. VII 32. Bolos in seinen H@uxd. Duis, Vors. ig. Clem. Str. 1 
15, 69, Phil. a.a.. 459). die nur durch die Reinheit und Vollkommenheit der géttlichen 
Seele erreicht werden kann und die ihr Streben verstindlich macht. die Seele vor jeder 
Befleckung zu bewahren und ihre Abhingigkeit von dem mit ihr wahrend ihres Erden- 
wallens unldslich verkniipften Leibe zu verhindern. Der tiefere Grund dieses Strebens 
ist ihre Uberzeugung, da nur die reine Seele der Segnungen teilhaftig wird. welche ein 
unmittelbarer Verkehr mit der Gottheit vermittelt. Wissen der Zukunft, Wunderkraft und 
Unsterblichkeit. 

Was ihre Religion anlangt, so huldigten die Anhinger beider Orden einem gemil- 
derten Monotheismus. Neben der héechsten. vollig tiherweltlich gedachten Gottheit, der 
Monas. dem »Alleinen« oder der Zahl »Eins« (D. L. VU 25. Die von Dinrrrica. Abr. 
edierte essen. Schrift Movas i) oyéon Movoéws). die im Verein mit der eiuappeévi das 
Weltall lenkt und von deren sehrankenloser. den Naturlaut’ beliebig mit Wundern durch- 
brechender Allmacht sie fest iberzeugt waren (vgl. Bolos bei Theod. Prise. S. 251. 6 Rosr), 
erkanuten beide Orden als weitere Gétterwesen die Sonne und die tibrigen Gestirne sowie 
die Dimonen (Engel) an. Sehr merkwiirdig und voéllig unjiidiseh ist die Verehrung der 
Sonne durch die Essener. Zwar folgt das nicht so sehr aus der vielbesprochenen Stelle 
des Josephos (B. J. IL 8. 5) mpos ye piv TO Geiov idtws EV EELS mpi ep cwaa yew TOV 
iAwov ovdev PbéyyovTa Tev PESijAwv. TaTpious Cé Twas Eis aUTOV elyds, WOTEP iKETEU- 
ovtes avatetAa: denn diese Worte besagen nur, da sie jeden Morgen vor Aufgang der 
Sonne nach Osten’ gewandt (im Gegensatz zum jiidischen Ritus) bestimmte, von den 





! .Nach der Sonne gewandt«. so ist das eis eérov aufzufassen, Vel. Mare Aur. XL 27. Soph. Salom. 
16. 28. emyal sind natiitlich Gebete. und zwar der Art. wie sie der achte orph. Hymius e’s “HNiov uns vor 
Augen ffilrt. 


8 M. Wrutmwayy: 


Viitern ererbte Gebete sprachen, eine Sitte, die von Apollonios bei Jamsiicu (V. Pyth. 256, 
ZELLER a.a.Q. 171 A. 2) und Mare Aurel (XI 27, vgl. Krotr. Die Lehre des Hermes 
Trism. 108) fiir die Pythagoreer gleichfalls bezeugt wird. Wold aber diirfen wir es schlieBen 
aus dem ingstlichen Bemiihen, mit dem sie alles Unreine wie. z. B. die Exkremente, dem 
Licht der Sonne als der reinsten sichtbaren Offenbarung des Géttlichen zu entzielhen such- 
ten’. Dal sie daneben den Himmel. die Erde und die Elemente wie die Pythagoreer, 
wenn auch nicht fiir Gétter, so doch fir Auswirkungen gottlicher Kraft hielten, das folgt 
aus der Lehre der christlichen Essener. der Ebioniten”, vor allem aber aus der Eidesformel, 
die den Novizen bei ihrer Aufnahme in den Orden vorgeschrieben war, und in der nicht, 
wie wir es bei einem jiidischen Orden erwarten, der Gott ihrer Vitter. sondern der Himmel, 
die Erde und die Elemente als Zeugen angerufen wurden, 

3. In der Seelenlehre begegnet uns bei beiden Orden derselbe Dualismus: Geist und 
Materie, Seele und Leib. Die Seele, die, wie es bei den Essener heifBt (Jos. B. J. 11 8, 11), 
»aus dem feinsten Ather«. d.h. dem géttlichen Feuerhauch entstanden ist. galt ihnen 
als unsterblich. der Leib als vergénglich (Jos. Arch. NVUD1, 5)°. Der Leib ist ein Ge- 
fingnis, in dessen Fesseln die Seele liegt. Durch den Tod von seinen Banden befreit, 
erhebt sie sich, wie von langer Knechtschaft erlést. freudig in die [ljhe, worauf die der 
Frommen in ihre paradicsische Heimat jenseits des Ozeans (bzw. zum Ather) und die der 
Gottlosen in den Tartarus (Gehenna) eingeht*. Der ganze Komplex dieser Vorstellungen hat 
bei dem Pythagoreer Alexanders schlagende Parallelen: man vergleiche D. L. VUL 28. 26. 31. 
Wie man sieht, ist in dieser Seelenlehre der Boden der jiidischen Anschauung vollig ver- 
lassen. Statt der jlidischen haben wir hier rein griechische Lehre: denn das ius talionis, d. hb. 
das Recht der vergeltenden Gerechtigkeit, tritt nicht nur bei den Juden. sondern auch 
schon hei den Neupythagoreern auf. Vgl. Bolos bei Plin.u.h. (14. D.L. VIN 31. Nun 
sucht man das Zeugnis des Josephos dadurch zu entkraften, daB man sagt (so Bovussrr 
S. 440 A. 2), er habe in seiner Darstellung dieser Dinge. hesondcrs in seiner Schilderung 
des Paradieses, griechische Farben (vgl. Odyss. IV 563) aufgetragen. Dagegen hat schon 
Divrrricn (Nek. 221) Einspruch erhoben. Es wire doch sehr merkwiirdig, wenn Josephos 
die Seelenlehre der Essiier in seiner Darstellung cbhenso gefiirht haben sollte wie Philo 
in seiner Sehrift Quod omnis probus liber sit $12 p.458 die essiiische Tugendlehre, dic 
gleichfalls rein griechisch ist. Dazu kommt, da® der Ausdruck fiir den unwiderstehlichen 
Trieb der Seele, mit dem sie wie mit magischer Gewalt in den fiir sie gecigneten Korper 
hineingezogen wird (wyye Tar dvouwy KkataonacGa). aus der okkulten neupythagoreischen 
Literatur des \ltertums stammt. So heiBt es bei Aelian in seiner Schrift nat. an. NX 14 in einer 
aus Bolos stammenden Wundererziihlung gleichfalls wyy: amoppiitw ta. Es ist bezeich- 
nend, da Porphyrios, De abst. lV 13 8.175, 8 in seinem Exzerpt aus Josephos dafiir pvpy) 
vows hat. Vgl. Brrsays, Theophrastos’ Schrift ther Frémmigkeit S.26. Und die Auftassung 
der Seele als eines Ablegers des feinsten, feurigsten Athers (ék Tov AewToTdTOV olrav 
aifépos ist der Ausdruck bei Josephos) ist gleichfalls echt pythagoreisch, wie der Ausdruck 
des Neupythagoreers hei D. L. VIL 28 beweist: eivar 6€ tiv Wuyiv aréomacpa aibépos. 





1 Jos. BL J. I S8.9 $148. Fir die Pyth. bezeugt von D. L. VII 17: mpos jNtcov TeTpapyevov uy dulyew 
(pyth. Spruch). Bolos bei Plin. n. h. 28.69: Magi vetant eius causa contra solem lunamque nudari aut umbram 
cuiusyuam ab ipso respergi. Vel. ZELLER, aa. (0. 368 A. 5. Daher die Hacke bei den Essdern zur Beseiti- 
gung der Exkremente und der Schurz zum Bedechen der BloBe. 

2 Zerier Ill? 8. 335 A. 2. 

$ Vou der Verginglichkeit des Leibes und der Priiexistenz, also Ewigkeit der Seele, spricht auch der 
Verf. der codia Salom. 9. 15. 8. 19, vul. 3.13. wo die émoxom weyov erwihnt wird. ZELLER 204.1. 296, I. 

4 Mit Recht vermutet ZELLER 332 A. daB die Seele aueh nach essenischer Auffassung vor ihrer end- 
giltigen Niederlassung gerichtet wird. $ 


tIV 
’ 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa, 1. 4) 


4. Die kultischen Handlungen. vor allem die tiglichen Waschungen und Bader zur 
Sicherung der Reinheit des Leibes und der Seele sowie die gemeinsamen Mahlzeiten 
(cvooita, dpotpameCa), sind beiden Orden gemeinsam. Thr Zweek ist, wie bereits er- 
wahnt, den Adepten die Gemcinschatt mit Gott zu crméglichen. Als Zeichen ihrer Rein- 
heit diente das weile Linnengewand, das Pythagoreer und Essener hei ihren heiligen 
Verrichtungen trugen. Beiden gemeinsam ist ferner das Verbot des Eides im profanen 
Leben (Jos. B. J. 18.6 $135, Arch. NV 10. 4 $ 371, Philo ava. O. 12, 455 ~ Pyth. hei 
D. L. VU 22, Zrrter 162 A.') sowie der Brauch, dem Novizen hei seinem Eintritt in den 
Orden einen schauerlichen (@puKwdys) Eid abzunehmen, die Gottheit zu ehren, dem Nich- 
sten gegentiber Gerechtigkeit zu iiben und die Kultgeheimnisse zu wahren (Jos. B. IL 8.7 
$139, Arch. XVUD 1. 5 § 20. D.L. VHI 33. 32). Der Ehe standen sie indifferent gegen- 
iiber, weil dadurch die Lust geweckt werde. Von einem Verbot der Ehe ist bei den 
Essenern keine Rede, wie Bovssrr behauptet. Jos. B. H 8.2 $120 spricht nur von einer 
Umepopia yauou Tap avtos. d.h. von ciner Geringschitzung der Ehe. Anders Philo 
bei Eus. Praep. ev. VIP 1. 8 und Jos. Arch. XVII § 21. 

Das Verhot des Fleischgenusses haben die Essener von den Pythagoreern tibernommen. 
Mit Recht schlieBt das Zerter a. a. O. 318 aus ihrer Verwerfung der von dem jiidischen 
Grottesdienst unzertrennlichen Ticropfer. Dieser bruch mit dem jiidischen Tempelbrauch 
setzt auBerjiidischen EiniluB bei unserm Orden voraus. 

5. Ueilige Schriften (lepa yoaupara), zu deren Geheimhaltung sich dice Novizen hei 
ihrem FEintritt in den Orden verpftlichten muBten. gab cs bei den Neupythagorecrn und 
ssenen. Von denen der letzteren erfahren wir, dai sie Fragen nach dem Wesen Gottes 
und nach der Entstehung des Weltalls behandelten (Philo. Quod om. pr. 1. sit $ 12. 458). 
Wir besitzen noch eine derartige essenische Schrift in der BiésXos iepce ExuxaNoupévy Movas 
i) Oy0dn Meovoéos mit einer merkwiirdigen Kosmogonie, die A. Dietrrier in seinem Abraxas 
S. 169f herausgegeben hat. Daneben beschiiftigten sie sich. da sie ehenso wie die Neu- 
pythagoreer auch den firztlichen Beruf austibten (Jos. B. ILS. 6 $136). mit uaturwissen- 
schattlich-medizimischen Fragen und suchten die okkulten Heilkrifte der Pflanzen und 
Steine (cot Tes AGov bei Jos. ist magischer Terminus der neupythagoreischen Literatur) 
zu erforschen und sammelten die darauf beziiglichen Schriften der altcren Literatur (Jos. 
B. aca. O.). Es bedart’ kaum eines Wortes, daB hiermit die Mriouwa des Bolos gemeint 
sind (Suid. s. v. Bedos). der diese neue Betrachtungsweise der Natur. die Erforschung der 
mystisch-magischen Eigenschaften und Kritte der Tiere. Pilanzen und Steine inauguriert hat. 

Auch darin stimmen beide Orden iiberein, daB sie es liebten. ihre Schriften dem an- 
geblichen Stifter ihres Ordens. also dem Moses, Pythagoras bzw. anderen GréBen der 
Vorzeit, wie dem Kénige Salome oder dem Orpheus unterzuschieben. Endlich wird auch 
die Vorliebe tiir allegorische Auslegung in ihren Geheimschriften bzw. ihrer Sehritter- 
klarung fiir beide Orden bezeugt, fiir die Essener durch Philo a. a. ©. 455 und fiir die 
Neupythagoreer folgt es aus den beiden Schriften des Bolos [lepi tov év Ba3svA@ve iepov 
yeeupatov und Fepi tev év Mepoy, in denen die Keilinschriften und die Athiopiseh- 
figyptischen Hieroglyphen nach Art der ‘lepoyAvdixd Horapollons in allegorischer Weise 
gedeutet waren’. 

Kehren wir nach diesem Exkurs zu der Physikaliteratur des Altertums zuriick. Thr 
bedeutendster Vertreter ist Bolos Demokritos (um 200 y. Chr.) aus der im Nildelta ge- 
legenen Stadt Mendes, deren Bevélkerung seit uralter Zeit mit kanaaneischen Elementen 
gemischt war. Daraus wird sich das Interesse des Bolos fiir die Juden erklitren; denn 


Phil-hist. Abh. 1928. Nero. 2 


10 M. WeLiMaynn: 


nach Suidas s. v. Aauwxpiros verfaBte er eine Schrift tiber die Juden (flepi lovéaiwy), in 
der er die Schauergeschichten von der Anbetung eines Eselkopfes und vom Ritualmorde 
der Juden erzihlt hatte’. Als Schriftsteller war er von einer staunenswerten Vielseitigkeit: 
er schrieb ither Landwirtschaft (fewpyicd), tiber Sympathie und Antipathie (Pvou«a dv- 
vauepd), tiber Medizin (Téyvn iarpxn), Chemic (Badixa), tiber magische Zauberkunststiicke 
(aiyvie), ther Wundergeschichten (Qavudora), Astrologie, Mantik, Svmbolik, Geschichte 
(epi lovéatwv), Taktik (Taxtica*) und Yrrouvipata Oued. Er ist es gewesen, der in 
einem groB angelegten Exzerptenwerk des Titels Xepdxunta (se. Cuvauepa) »iiber kiinst- 
lich hergestellte mystisch-magische Sympathiemittel«, die auGBerordentlich umfangreiche 
Schwindelliteratur des Orients. des Dardanos., Zoroaster. Ostanes u. a. der Welt zugiing- 
lich gemacht hat’. Die vielen Zitate dieser Scliwindelliteraten die uns in der Folgezeit 
begegnen. gehen auf dies Werk zuriick. Die Schriften des Bolos, besonders seine ®vouxd, 
haben haupts&chlich durch das Medium der Araber. den Liber de rebus physicis des be- 
riihmten Arztes Rhazi (gest. 923), die Schrift De ligaturis physicis des Avicenna (um 
19000) und das Wunderbuch des arabischen Arztes [bn Zohr (gest. 1131 zu Sevilla) bis 
zum Ende des Mittelalters nachgewirkt. Wie tiefgehend dieser Eintlufs gewesen ist. er- 
kennt man am besten daran, daB die Zaubermatzchen, dic in unserer deutschen Sage des 
Mittelalters dem Dr. Faustus zugeschrieben werden. sich z. T. auf Bolos zuriickfihren 
lassen, und da der von dem Mendesier zu nenem Leben erweckte jiidische Magier Dar- 
danos (Plin. n. h. 30.9, Diets, Vors. If 129, 1) sich gleichfalls in unsere Faustsage hiniiber- 
gerettet hat. In der Historie von Dr. Johann Faustum?* iibergibt dem Dr. Faustus sein 
Geist ein groBes Buch von allerlei Zauberei und Nigromantie, die Dardaneae artes, die 
man spiter bei seinem Famulus Christoph Wagner gefunden haben will. 

Die wichtigste und bekannteste Schrift des Bolos ist sein Sympathiebuch. die ®vouwd 
(Ouvauepa)’, die gewohnlich unter dem Titel [epi cuumabemy kai avtorabewy zitiert werden". 
Die Vermutung Werpucus’, dali es Sammlungen von ouumdea schon in der ilteren 
Stoa gegeben habe, ist unwahrscheinlich und nicht erweisbar: alle Anzeichen sprechen 
dafiir. dali diese von Cicero (De div. IL 33) erwiihnten Sammlungen spiiteren Ursprunges 
sind und vermutlich von Poseidonios herrithren, der den Mendesier gekannt und benutzt 
hat*. Es ist so gut wie sicher, daS Bolos diese Literaturgattung inauguriert hat und dafi 
die spiteren Verfasser von Sympathiebiichern (®vowcd) in seinen Fubstapfen gewandelt 
sind. Uber den Inhalt dieses Werkes berichtet Suidas s. v. Bodos: éyer dé mepi oup- 
mabey Kai avtirabewv AOwv Kata oToyeov. Mit dieser Inhaltsangabe stehen die beiden 
Bruchstiicke ini Widerspruch, die laut Titel dieser Schrift angehéren. Vgl. Columella 
r.r. MI 3,64: sed Democritus in eo libro, qui graece inscribitur [epi avrirafev, affirmat 
nach Dardanos vgl. X 3571.) has ipsas bestiolas (Kohlraupen) enecari, si mulier, quae in 
menstruis est. solutis crinibus et nudo pede unamquamgue aream ter circumeat: post hoc 





1 Driers. aca.O. S. XV. 
2 Dievs, a.a. O. 
3 Wenimans. Die Georg. des Dein. S28. Dies. Antike Technik 2 S. 135 A. 2. 
* Val. Karn Srirocx. Faust. Das Volksbuch n. das Puppenspiel. Frankf. a. M.. S. 16. 
* Dirts. Vors.+ If 125A. 
Suid. s.v. Bodos Meverorios. Der iilteste Gew ahrsmann fiir diese Schrift ist Cassius Dionysius (8S v. Chr). 
aus dessen landwirtsehaftlichem Werk (durel Vermitteluny des Celsus) die Notiz bei Colum. IN 3. 64 (rept aytira- 
Seov) stamiut. In Augusteischer Zeit wird sie vou dem Grammatiker Theon unter dem Titel Mept mmixatedy 
kai avamaberdy zitiert (schol. Nic. Vher. 704) Aus dem Gramunatiker Didyimos ist Plut. quaest. eony. IT 7. 04th 
(oi tas dvrimateias pyNotvres) getlossen und aus dem Landwirtschafter Pamphilos (Neptonalios) Tatian, Or ad 
Graecos S. 18.12 Seh. (wepr Evuwahewor Kai avTimaberay). : 

7 Die Sympathie in dev antiken Literatur, Stutigart 1894. 8. 8. 

~ Dir. Vors. S. 130. 16. 


Dvoixd des Bolos Demokritos und dir Magier Anasiluoxs aus Larissu. I. 11 


enim cdecidere onmes vermiculos et ita emori. Schol. Nik. Ther. 764 (aus Theon): Bodos 
dé 6 Anpoxpitews év TO Tlepi cuprabev Ka avtimabov [Mépoas dyow éyovtas Tap éav- 
tows Favacyov putov dutevoa év Aiyintw ws ToAAGY pEAACVTOV avapEiicerOa, TiV 
(sc. Aty.) de ayabiy ovoav eis TovvavTiov peTapadrev Toujoal Te TO PuTOV KupTOV YAUKU- 
tatov'. Dazu kommen mehrere Fragmente, die, trotzdem der Titel fehlt, doch unzweifel- 
haft derselben Schrift zuzuweisen sind, vor allem das ungemein wichtige Zitat bei Theo- 
dorus Priscianus (Physica S. 251. 1 Rose aus Didymos-Xenokrates): in quarum (se. febrium) 
curatione Democritus inquit pollutione opus esse, ut sunt caedis culpae et menstruae mulieris 
et sacrarum ayinm vel vetitorum animalium carnes cibo datae et sanguinis potus. nam 
et epilempsin ... sie curare praecipit. efficaciae potentiam praeferens et vetans inquiri 
rationem. Diese Stelle beweist unwiderleglich, dab, wie bei Plinius im 28. Buche seiner 
Naturgeschichte (nach Nenokrates-Demokrit)*, so bei Bolos in seinem Sympathiebuche von 
den Heilwirkungen verschiedener Bestandteile des menschlichen Koérpers sowie der nach 
figyptischem Glauben heiligen Tiere und Vogel die Rede war. Ferner folgt aus weiteren 
Bruchstiieken®, vor allem aber aus Plinius', daB er auch yon Pilanzen darin gesprochen 
hat. Mithin ist der Text des Suidas-\rtikels verderbt, und es fragt sich nur, wie diese 
Verderbnis zu heilen ist. Hier hat Kiésrrr’? das Richtige gesehen, der vor den Worten 
AOwv Kata oTo.yetov eine Liicke annahm. Was stand in ily? Soviel ich sehe, gibt es 
zwei Méglichkeiten: entweder war der Inhalt des Syimpathiebuches genauer bestimmt, 
oder es sind mit Dis" die Worte A@wv Kata ororyeiov als Sondertitel zu fassen und 
dementsprechend davor der Ausfall eines Wortes, wie etwa KkaTdAoyos (Dirrs), anzunehmen. 
Aus diesem Dilemma fiihrt uns der Titel einer Schrift, die in einem irgendwie gearteten 
Zusammenhang mit der Schriftstellerei des Bolos steht, der Kyranis des Harpokration aus 
Alexandreia’. Dieser lautet im Codex Paris. 2256 (D) und Mare. (app. cl. V 13): €« Tov 
tov Aproxpatiovos tov AdeEavdpéws mrepi dvoiey Cuvauewv Gowv te Pute@v Kai Gov. 
Bedenkt man nun, da® in einer zweiten. ihrem Grundstocke nach gleichfalls von Bolos 
abhingigen Sehrift, den Pvouai duvdpers pos AckAnmeov des Hermes, d. h. den sogenannten 
Kyraniden B. 2—4°, urspriinglich auBer den Tieren auch die Pilanzen und Steine ver- 
arbeitet waren” und da®Q[ die alphabetische Anlage gleichfalls typisch ftir sie ist, so ergibt 
sich fiir die Liicke bei Suidas ungesucht folgende Ergiinzung: éyer cé rept cupmabeav 
kai avtirabeov (Cohwv, putev). NBov kata crowyeov. Der Einwand, dali diese Anordnung 
des Stoffes nicht reeht zu dem Bilde passen will, das wir auf Grund der Plinianischen 
Exzerpte (B. 20—-30. 32) von seinem Sympathiebuche gewinnen, erledigt sich dadurch, 
daB, wie spiiter nachgewiesen werden wird, durch die Sehuld des Plinius der in seiner 
Hauptyuelle Xenokrates gleichfalls nach Tieren", d. h. doch wohl alphabetisch geordnete 





1 Erwahnt wird die Schrift mit Titel sonst nur noch von Tatian ad Graeveos 17 8.18.12. der fiir unsere 
Zwecke nichts ausgibt. und vielleicht von Gellius IV13, wenn die Ergiinsimyg Diers’ (Vorsokr. 8, 127, 18) das 
Richtige trifft. 

2 Val. Plin. 28. 4ff 77. (Demokrit bei Solin 13. 4) 107 f. 

8 Krateuas Frg. 8 W. (iiber die avayadNis). Petron. cena Trim. 88. 25. 

* Plin. ne h. 25.13. 20. rg. 28. 149. 21.62. 24.156. 26. 10. 27. FAL. 37- 60. 146. 140. 160. 185. Die meisten 
dieser Zitate aeinunen aus Nenokrates. 

> FHG. I 2 
Vorsokr. rae: 6 Anum. 

Mery, Les lapidaires de lantiquité S. 4.3. Bd. IL S. 227. 

Mey, a.a.O.S.51f. In der Vorrede zum ersten Buche dieser bermetischen Schriften. zur Kyranis, 
bemerht der Redaktor nach Hermes folgendes iiber unsere Schrift: eis tpeis orv [GHev] CeXov Kupavicas AO: Gray 
ouvray pa écudyvca Kara wTOLyetov, Os MeuvypoverTa Te mparyuare . 

® Vel. Mir S. 124, rof. 

10 Gal. XIT 261: ypader yotr 0 Zevoxpatys év TH TpOTo mepi Tis aro tay Cor odereias. evile rept épipov 
(vel. Hermes Kyr. S. 35.23) cadéyerar, cata AEEw ce, 


ce 1 


12 M. Weirwayy: 


Stoff willkiirlich zerrissen worden ist. Die alphabetische Anlage derartiger naturwissen- 
schaftlicher Schriften ist eine Neuerung, die auf Reechnung des Bolos konumt, und es ist 
bemerkenswert, dal sowohl Paxamos, gleichtalls ein Nachtreter des Mendesiers’. in seinem 
Kochbuch*, wie Krateuas in seinem Piotopixdy, sich in dieser Beziehung der Neuerung 
des Bolos angeschlossen haben. 

Uber die Buehzahl des Werkes erfahren wir nichts. Das einzige Sympathiebuch. 
von dem auBerdem die Uherlieferung zu melden wei. das des Polles aus Aigai (um 
roo n. Chr.). wafaBte nach Suidas (s. v.) drei Btieher. 

Was die Verteilung des Stoffes im einzelnen anlangt. so darf soyiel als sicher gelten. 
daB der Alschnitt tiber die Tiere wie bei seinem Zeitgenossen Aristophanes yon Byzanz 
in der Epitome der Aristotelischen Tiergeschichte, bei Plinius (Nenokrates) und Hermes 
Trismegistos nach Siiugetieren (einschlieBlich des Menschen), Vogeln und Fischen geordnet 
war: denn da er auch die letzteren in den Bereich seines Werkes gezogen hat, datiir 
spricht. abgesehen von der Analogie bei Plinius und Hermes, ein Zitat bei den Geoponikern 
(XX 6. 3): ver Cé. érrel Op@ émdupytixes EyovTds Twas pos Tiv Excdorov (sc. iyOvos) 
Tpoonyopiay ... OAnV THY TpocdoKiay adboves ExTANpoow ... doa Te AoKANTHOs (Ah. Epps 
wpos AokAntiov) Kat Mavnfo xa MdEauos cai Anuoxpitos trepi tovtwov Cecadijvicav 
loieoddpyoav ed.). mpos amdvtTev tiv yvoow wapéEw*. Kine klare Vorstellung von dem 
Inhalt gibt das Chamileonkapitel, das Plinius (28, 112f.) aufbewahrt hat*. Wir lernen 
aus ihm. dais die Schrift ihrem Uauptinhalte nach tiermedizinischer Art mit mystisch- 
magischem Hinsechlage war. wihrend das naturwissenschaftliche Element zuriicktrat. Eine 
kurze Beschreibung des Tieres’ sowie eine knappe Notiz tiher die Antipathie von Chamilleon 
und Habicht” bilden die Einleitung zu dem nach den einzelnen Kérperteilen geordneten 
gewaltigen Arsenal der Jleilwirkungen dieses Tieres. 

Wie es scheint. war diese Art von Literatur mit ihrem merkwiirdigen Gemisch yon 
Medizin. Naturwissenschaft und Magie auf dem Boden von Palistina uralt. Wenigstens 
heift es schon yon dem grofen Zauberer Salomo im alten ‘lestamente (Reg. 3 ¢. 4, 28): 
Kai EAdA\noE Tept GUAwV ... Kal EACAYTE TEPL TOV KTHVOV Kal TrEpt THY TETEWaY Kai TED 
TOV EpTeT@V Kat Tept TOV iyOvev. Ich weiB, daB E. Meyer’ diesen Worten einen ganz 
andern Sinn untergelegt hat: aber ftir meine Auftassung spricht, abgesehen von andern 
Griinden, die jiidische Sage, die den weisen Kénig wegen seiner codia mit dem Juden 
Dardanus. dem Sohne Machols (Reg. 3 ¢.4, 27: “Hudovos. Joseph. Arch. VII 43)°, in Ver- 
bindung brachte. d. h. mit jenem Dardanus, dessen Schriften Bolos in seinem Grabe gefunden 
haben und seinem Sympathiebuche zugrunde gelegt haben will (Plin. n.h. 30. 9 aus Anaxilaos 
flept paryou). Hieraus ist zu entnehmen, dali sowohl unter seinem Namen wie unter dem 
seines Rivalen, des weisen Kinigs Salomo, derartige naturwissenschaftlich-pharmakologische 
Schriften im Umlaut’ gewesen sind; da sie magischen Inhaltes waren. folet fiir Dardanos 
aus Columella (r. r. X 357f. Wirkung des Menstruationsblutes auf die Kohlraupen), fiir 





1 Seine padi téyvy ist olme Zweifel im AnschluB an die Bade des Bolos entstanden. vielleicht auch 
seine Feopyxa. Vel. Oper bei Susemmi. Alex. Lit. 1 842. 

* Vel. Oper a. a. O. 843. 

3 Vermutlich aus Anatolios. Wal. Oper. Rh. Mus. 48 S. 21 A. 2. 

' Wenn Plinius an dieser Stelle von einem besonderen Buch (volumen, zén0s. 3430s} des Bolos spricht. 
so ist das ein schlagender Beweis dafiir. daB cr es nicht selbst in Handen eehabt hat. DaB fibrigens Plinius 
neben Nenokrates noch ein magisches Sympathiebuch (Anaxilaos) benutzt hat. soll spater bew iesen werden, 

* Ein Nachhall der demokritischen Beschreibung des Chamialeon steht bei Timotheos Gaz. e. 47 (Haver). 
worlibey spater zu tandelin ist. 

* Vel. damit. was Hermes Koir.ti7.o0 von der Seclunse berichtet. 

Der Papyrusfund yon Elephantine S. 11s. 

~ Vol. Rrrizessters, Poim. 163 A. 4. 


Die Pvoixa des Bolus Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larixsu. 1, 13 


Salomo aus Josephos (Arch. VIE 44)', der ihm nachriihmt, da er Herr gewesen sei fiber 
die Dimonen und dab er die Gebreehen der Menschen durch Besprechen (ém@éa’) und 
Beschwérungen (é€opxwol)’ zu heilen yermocht hahe*. Diese Schrift unter dem Namen 
des groBen Koénigs, die sicher im 1. Jahrhundert n. Chr. existiert hat und die den Anlab 
dazu gegeben hat, daB er im Orient als die letzte Quelle aller Naturforschung gegolten, 
muB in ihrer Anlage cine frappante Ahnlichkeit mit dem Sympathiebuche des Bolos gehabt 
haben. Aber aueh inhaltlich war die Bertihrung mit der sympathetischen Literatur der 
Griechen so eng. da§ der byzautinische Monch Anastasios Sinaiticus (640---700)' in seinen 
Quaestiones 41 (Migne Sy. 598D) sie als Urquelle der griechischen Tradition ausprechen 
konnte’: 7@s voiréov TO »éAcAnoev LorAouwy epi Tov EvAwv ...« Kai Tas dices Kai 
Tas dvvapes Tov PoTav@v Kal TOY dévdpwv Kal Tov Cowv TavT@v TrEedvowdoynKevar abTov 
eipyKev evtevev Kai TOUS Ths iarpixas y3Aous yeypaporas Epevvijoac tau mPOA * 
TOV Bepuov TE KML Wuypev Ka Enpov Ka vypav ovvlewa Tas TAEels, Kal THOCE THs 3oTAvyS 
Toile TW METPYW Wuyporepa i i] pene Kati Tovde TOU Cou TOCE TO Bie twos TdHous 
ireEpappaxor. Ho THS Cavys yoAH (= Pln 28 *. O4). i} TO AEdvTElov aTEéap (-- 28. 8g). 7 
TO Tapio cia (-= 28,147. 217. 220. 241). i} TeV Exicv@v ai odpKes (=. 29.69.70)" rept 
TOUTWV 01 coor TOV iat pov avryyeypiibacw. éK TOV Zoopuovos YET paupevov enrages 
TUS cpopyds. OTL C€ TrEpt TOUTwMY TUVTOV mepvowooynKer, UKOVGOV avToOU eV TH copie 
A€yovTos: »év yet Tov Geov Kat ners Kati ot Aoryor Nav: Kai AUTOS MOL ECWKE TWV OVTOV 
THY yvaow ayeucy eidévat ovoraow KOopov. évepyetas oToLyElov ... pvoes Sdov Kal 
Oupous Gupiov. Tver peaTov pias Kal duaroyir Hous vO porev. Crahopas Guar Kai Cuvauels 
pitav. doa Té €oTt KpuTTa Kai Euavy, eyvov’ 6 yap TavTev TeEyviTHs ECicakEé pe Todiav.« 

In der Tat entspricht der Inhalt dieses pseudepigraphen Werkes. uach den kurzen 
Andeutungen des spiiten Ménches zu schlieben. demjenigen der Sympathiebticher. Die 
angefiihrten Mittel: Hyinengalle, Lowenfett. Stierblut und Vipernileisch gehérten zum eisernen 
Bestand dieser Literatur. Aber wenn ihm Beeintlussung der medizinisch-sympathetischen 
Literatur nachgesagt wird, so mag das auf die Pharmakologien uns unbekannter jiidischer 
Arzte zutreffen, fiir den Schépfer dieser Literatur, Demokrit. gilt das sicher nicht, da dieser 
nach durchaus zuverlissiger Uberlieferung (Plin. 30,9) fiir den unzweifelhaft jiidischen 
Einschlag" seines W erkes den Rivalen Salumos. Dardanos, verantwortlich macht. Und 
wenn Plinius an derselben Stelle (30. 11), wo er die Hauptvertreter der jiidischen Magie 
mit Namen nennt. den Salomo unerwélnut baaae so diirfte der Schlub naheliegen, da diese 





1 Vel. Dirrertcu, Abraxas S. tyr. Jahrb. f. kl. Phil. 16 S. 755. 
2 Vel. dazu die mit seinem Namen versehene Déimonenbeseliwérung im Pap. Paris. 3000 bei Dierericr 
a.a. 0.139. Vel. Plin. iun. UI 15 S. 89.11 Rose. 

3 Josephos schlieit mit der Bemerkung: af avry peype viv rap ipniv y Pepamete retatov iryrver. 

Vel. Krumpacner. Gesch. d. byz. Lit $. 65. Nach seinen Untersuchungen gehort der Grundstock 
der quaestiones dem Moénche Anastasios. 

§ Ich gebe den Text nach der von Sirzycuwsk«1, Byz. Arch. 2 S. 53 edierten Physiologus-Kosmashand- 
sehrift in Smyrna s. 12 (Bibliothek der euay yeNiKl, TON). 

6 So berichtet Bolos (Colum. IX 3.64) tiher die Wirkung des Menstruationsblutes gegen Kohlraupen 
nach Dardanus (Col. XN 357.) also nach jiidischem Aber glauben. Auf jfidischem Aberglauben berult. was 
Plinius (28. 80. 7.65 nach Xenokrates-Demokrit) von der merhw tirdigen Wirkung des Menstruationsblutes auf 
den jiidischen Asphalt des Toten Mecres erzallt. Vgl. Joseph. b. Jud. IV 480. Tacitus Hist. V 6 spricht von 
veteres auctores (Demokrit) als Quelle. Poseidonios ‘hannte die Sage (Strabo XVI 7641. wohl nach Demokrit. 
Dasselbe Blut spielt in der jiidischen Sage von der Ptlanze Badpas. die wie das Tiel it ver dem Menschen 
flieht und nur durch aufge fess Menstruationsblut baw. Urin eines Weibes zum Stillstand gebracht wird: 
Joseph. b. Jud. VII 180. Dinder bei Phot. Bibl. 223 S. 2158 33. Land. Anecd. Svr. IVS. as. Die heilkraftige 
Wurzel kann man nur init Hilfe eines Hundes gewinnen, den. man an die Wurzel bindet (daher der Name Kové- 
oractos), Diese jiidische Sage steht bei Ael. u. a. xiv 25 (aus Bolos). In Agypten hieB die Pilanze éyAaoddus (carm. 
de herb. 153f.). bei den Griechen Pionie. Die bildliche Darstellung dieser auf die pavepayopas-Wurzel tiber- 
tragenem Sage im cod. Const. des Dioskurides. Vogl. Frrept inner. Sittengeseh. T® 582, Roupe. gr. Rom.? 248A. 


4 


14 M. Wettwaynyn: 


Falschung erst ein Erzeugnis des 1. Jahrhunderts n. Chr. (vor Josephos) ist. Bestiitigt sich 
diese Vermutung. so gehért sie in den weiteren Kreis jener Schriften, die in Anlehnung 
an das demokriteische Sympathiebuch verfaBt sind und zu denen ich auch die auf dem 
Boden Paliistinas entstandenen ‘lepai iSAor der essiischen Kultgemeinde rechne, von denen 
Josephos (b. Jud. I 136) folgendes bezeugt: omovddGova oO exToTws TEpi TA TOY Tadal@V 
ovyypaupara, uddkiora Ta pos wéAeiav Youyns Kai copatos ExNéyovtes. EvUev avTois 
mpos Geparretay mabov pila T adreEntipior Kai Awv idwWTTES avEepevvOVTd. 

Das Sympathiebuch, das den Demokrit beriihmt gemacht hat, darf’ als reiche. schier 
unerschdpfliche Fundgrube des Aberglaubens geschiitzt und bewertet werden. Dieser 
romantische Zug’ war das Erbteil der altpythagoreischen Schule: wie weit ihr darin der 
Abderite getolgt ist, der den Volksaberglauben gleichfalls in den Bereich seiner Arbeiten 
gezogen hatte’. wissen wir nicht. Ihr Doppelangesicht erhalt die Sehrift dadurch. daB 
neben den Griechen (Theophrast®. Archelaos*, Leophanes’. Apollodor® u. a.) der orientalisch- 
igyptische Volksaberglaube zu Worte kommt. wie er in den Werken persischer, chal- 
daischer. jiidischer. phonikischer Magier. igyptischer Zauberer und in den neupythagoreischen 
Fiilschungen (Ps. Pythagoras [epi Botavev) seinen Niederschlag gefunden hatte. Wenn 
tiberhaupt jemand. su hat Bolos ein Anrecht darauf, als Begriinder des Folklore angesprochen 
zu werden. Die Volksiiberlieferung. auf die Juba mit einem Achselzucken herabsah. 
hat es ihm angetan: er war bemiiht, sie zu sammeln und aufzuzeichnen und, soweit 
es anging. in cin System zu bringen. Die inhaltlich vielfach gleichartigen Falschungen 
des Juden Dardanos' und des igyptischen Zauberers Apollubex*, des Zoroaster” und 








’ Diese romantische Richtung ist yon neuem in der ersten Kaiserzeit in Alexandreia iippig ins Kraut 
eeschossen. Anaxilaos aus Larissa. der Grammatiker Apion und sein Nachfolyger als Verwalter des alex. Mu- 
seions. der iepoypanpate’s Chairemon, der Erzieher des jungen Nero. sind ihre Hauptvertreter. Des letzteren 
‘lepoyNvdxé hetitelte Schrift iiber allegorische Deutung der athiopischen und figyptiseben Hieroglyphen geht 
auf Bolos Demokritos zuriick und hat manches demokritische Gut an Horapollon weitergegeben. Vel. meine 
Bemerkungen in den Nachtragen zu Diets Vorsukr. $, 18. 

* Vol. Driers. Cher Demokrits Dimonenglauben. Archiv fiir Gesch. d. Philosophie. Bd. VIL S. 54. 

* Plin. n. h, NXV ry: dixit Democritus. credidit Theophrastus esse herbam. cuius contactu inlatae ab 
alite quam retulimus (X 40). exiliret cuneus a pastoribus arbori adactus. Plin. XV 138 (Democritus et Theo- 
phrastus). Steph. Byz. s. v."Awuvtos. Dazu vyl. Driers. Cher Epimenides von Kreta. Sitzungsber. d. Berl. Akad. 
21 (1891) 8.7. Werrtwanxy. Die Georgika des Demokritos. S. 8. 

+ Geop. XV 2.21. Colum. r. r. UX 14.6 (Bagonie der Bienen) ~ Archelaos bei Varro r.r. 116, 4. Ant. 
Kar. 190. — Theophil. Sim. quaest. nat. rr 8. 20 (Boiss.), S.27 (Fruchtbarkeit der Hasen) ~ Arch. bei Varro 
rr. W112. 4. Vgl. Geop. XIX 4 ~ Arch. bei Plin. n. bh. VIL aro. 

* Colum. r.r. VI 28 ~ Leophanes bei Arist. de gen. an. IV 1 p. 765a25. Aet. plac. V7.5 (420.7 Drers). 

* Bolos im Anon. Rohdei (KL Sehr. I 397. Diets. Vors. 1127) ~ Nic. Ther. 306f. (aus dem Tologen 
Apollodor}. 

* Uher Dardanos vgl. Avr. Die Apologie des Apuleius von Madaura 8. 324. wo die Literatur verzeichnet 
ist. Wertuany. Die Georg. des Demokrit S.15 A. 8. Die Hauptstele iiber ilin bei Plin. n. h. XXX 9 (in 
seinem AbriB iiber die Geschichte der Magie): Democritus ApoHobechen Coptiten et Dardanum et Phoenicem 
(90 Dsets) inlustravit. voluminibus Dardani in sepulero eius petitis, suis vero ex disciplina eorum editis. Wir 
haben es also mit einem jiidischen Magier zu tun. angeblich aus der Zeit Salomus (Joseph. Ant. 8. 43, Buch der 
Konige Il] 4.27: vgl. E. Meyer. Der Papyrusfund von Elephantine S.1r8. Rerizexsrei. Poim. 163.4). Es 
liefen also wirklich Schriften unter seinem Namen um. Ihr Inhalt war derselbe wie der der angeblichen Schriften 
des groBen Zauberers Salomo und des Bolos (Dierericn. Abraxas 8.141): von den magischen Kraften der 
Menschen (Tiere). Steine und Pflanzen war in ihnen die Rede. Vgl. Colum. r.r. X 357 ~ Demokrit bei 
Colum. XI 3.64. wo vom Umgang eines nackten Weibes gegen die Kohlraupen div Rede ist. Die Dardaneae 
artes des Colum. haben sich in unserer Faustsage erhalten: vel. Simrock. Faust. Das Volksbueb und das Puppen- 
spiel (Frankfurt a. M.) S.16. Uher den AGos iepaxitys hat er gehandelt nach der Paraphrase zu Ps, Orph. Adixa. 
herausgegeben von Mery in seinen Lapid. grecs 8. 169.18 (wo Adpéavos fiir Aapeios zu lesen ist). DaB er tiber 
Pilanzen gehandelt hat. bezeugt Ps. Apul. de herb. med. 8: Dardanus (Xeovtoxdéiov) cacalian nominat. Ps. Ap. 17: 
Dardanus (gentianam) aluiten (se. dicit), Vgl Dierericn. Jahrb. f. Phil. Suppl. AVI 754. Wrinricu ava. 0. 27. 
Wessery. Wiener Studien VIII 180. - 

> Plin.n.h. XXX og. Avr ava. O. 324. 

° Fin direlhtes Zeugnis fiir die Benutzung des Zorvaster durch Bolos liegt nicht vor. Plin. (1. h. XXIV 526. 
160) nennt den Bol. cinen Anhanger der Maier. unter denen natiirlich anel Zoroaster si verstelien ot. 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Mayier Anaxilaos aus Larissa. J. 1d 


Ostanes' boten ihm das Material. Es ist véllig verkehrt. wie ich schon in meiner Abhand- 
lung tiber die Georgika des Demokrit betont habe, in ihm einen literarischen Schwindler zu 
sehen von dem Schlage des Vertassers der pseudoplutarchischen Schrift [epi rotayev. Er 





Beaclitenswert ist die Tatsache. daB sich Zitate des Zoroaster vleichermaBen in der landwirtschaftlichen, botanischen 
wie in der Steinbuchliteratur tinden (Geop. XI 18. 11: Verwendung der ersten drei Rosenknospen des Friihlings 


bei Augenschmerzen. Vel. Plin. NXIUID tro. Athen. IIE 78d. — Geop. XII 9, 10 Wirkung des Lattichsamens 
in Wein gegen Skorpionstich ~ Plin. NX 62. Diosk. simpl. IL 126. mat. m. If 136 S. 208.11. Dazu Plin. XVII 
200 -~ Plin. NXXVIT 133. 150.157. 159. Sol. 41. 16. 159. 2). Diese Zitate fiihren anf einen magischen Natur- 


Wissenschafter als Quelle. der auf beiden Gebieten schriftstellerisch titig gewesen ist, doh. auf Bolos. Uber 
Zoroaster vgl. Apr a.a.O.S. 324. Die Titel der unter Zoroasters Namen umlaufenden griechischen Schriften 
natarwissenschaftlichen Inhaltes — von den philosophisch-religidsen Traktaten sehe ich hier ab — nennt uns 
Suidas in seinem ersten Zoroasterartikel: Zopodortpys. lleproundos codds ... dépeta cé attov Mept ddcews 313dia 
e. Flept Mifav teutov ev. Artepooxoma. Arotehecuatixa y3Xia e. In einem zweiten Zoroasterartikel berichtet Suidas 
von einem Astronomen des Namens unter Ninos in Assyriea, dessen Asche als kostbarer Talisman anfbewahrt 
wiirde: von Werken dieses Zoroasters ist keine Rede. Dann folgt ein dritter Artikel: Zeponeodpys | Zaponde- 
ys, Zopopaodpys hdsl. Varianten) Xadcaios codés. eypave Mabtypatixa kai Pvorkd. Ersichtlich hat eine doppelte 
Tradition iiber das Land, in welchem der groBe Religionsstifter wirkte, Suidas’ Vorlage dazu gefiibrt. zwei 
Zoroaster anzusetzen. Der erste von ihnen gehdrte als »Persomeder« (nur hier diese Wortbildung!) bereits 
awet Volkern an. Es scheint. als ob cine Diskrepanz in der griechischen Namenformung dem Zepopaarépys 
sein Dasein gegeben hat. Ist er wirklich nur ein Doppelganger des ersteren, wie schon Hive gemutma8t hat 
(vel. Fasrieu s-Harvess. Bibl. Gr. I 308). so werden wir die Titel ®vowde und Mabyyatixa des dritten Artikels 
als Dubletten zu den Titeln [epi d¥cews und AroreXeruatixa des ersten Artikels betrachten miissen. Bekannt- 
lich brauchten Griechen und Rémer spiter allgemein veSypatixés in der Bedeutung doztpoddyos. Was hat sich 
von den naturwissenschaftlichen Werken des Zoroaster erhalten? Und haben wir einen Zeitansatz fiir ihre 
Entstehung? Man darf sich grundsatzlich nicht scheuen. Falschungen auf seinen Namen in die Zeit der héch- 
sten Bliite Alexandreias hinaufzuriicken. Die bekannte und vielbesprochene Nachricht des Plinius (30, 4). daB 
Hermippos zoroastrische Schriften im Umtange von 2 Millionen Zeilen bibliothekarisch ordnete. zeigt unwider- 
leglich. zu welch ungeheurem Umfang die apokryphe Literatur auf Zoroasters Namen. auch wenn man ibn 
als Sammelnamen fiir die Erzeugnisse der orientalischen Literatur faBt, bereits im dritten voreliristlichen Jahr- 
hundert angeschwollen war (vgl. Dirts, Dox. 151). Dies bleibt auch dann wahr. wenn man das Zend-Avesta 


in jener Ubersetzung einbegriffen sein 14Bt — wie die Orientalisten es gerne wollen. vgl. Wixpiscumann. Zo- 
roastrische Studien 291 — und die von Plinius angegebene Zahl nach Willkiir reduziert; deun eine auBerordent- 


liche Zahl mu®B es auf jeden Fall gewesen sein. die der Quelle des Plinius vorlag, sonst hatte er sie nicht 
der Erwihnung wert gelialten. Fiir die Entstehung des apokryphen Steinbuches haben wir. abgeselien davon. 
dai es vou der Quelle des Plinius benutzt ist. einen festen Anhalt durch eine Notiz. die Pitra Spic. Solesm. 
UL 392 nach handsehrittlicher Uberlieferung bietet: huins lapidis (se. coralli) haee est virtus. ut ait Zoroaster 
et Metrodorus: portantibus salubris est; fulmina, typhona et aquaticos serpentes fugat a nave vel a tecto vel ab 
agro, quocumyue geratur ete. Vel. Damiceron, de lap. 7. Die oben angefiihrten Zoroasterzitate der Geoponica 
lat man zusammenzunehmen mit den Anfiihrungen in den aus Pamphilos stammenden Synonymeniisten der 
Wiener Handschriften des Dioskurides. Danach hatte er die Malve (paddy) Cetcerua genannt. den wilden 
Lattich (9pitaE aypia) d<pouppos. die Erdscheibe {xveddpwos) crvidadirs. das Bilsenkraut (ooxianos) trddvi0s, den 
Alraun (uavépaydpas) cinopgpos (vgl. Diod. U 57. Roupe. griech. Rom. 248A), die Koloquinte (codoxew is) Ain Spy. 
Fraglich ist das Synonymon dototv attoyeves: es scheint den Propheten zu gehéren. Vel. Werumany. Diosk. 
ILT 358. Offenbar fliet hier die gleiche Qnelle wie in den Zitaten der Geoponika, von denen das eine ja 
auch fiber den Lattich handelt. freilich ohne die hier erwahnte Benennung derselben. Im fibrigen sind die 
Pflanzennamen Pseudo-Zoroasters griechische und durchsichtigen Sinnes. Woher stammen diese botanischen 
Notizen? Man konnte an die Schrift Mept diceos denken. Dem widerspricht aber Proclus. der in seinen com- 
mentaril in Plat. Sy mp. (II r0o9 Kr.) von dieser Schrift bezeugt : ao tpoNoytkov ce ear feanatov 7a puypMa yenovea, 
Wir werden sie also wohl einer botanischen Schrift zuweisen miissen, die von ahnlichem Kaliber war wie dic 
pseudo-pythagoreische Nehrift Mepi potavor. Der Falscher schrieb offenbar fiir ein Publikum. dem der mythische 
Schein des uralten Religionsstifters mehr galt als die Autoritat eines Diokles und Theophrast. Schriften des 
Zoroaster waren noch im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. im Umlauf. Vel. Bernas, Ges. Schriften If 102. 103. 
Zacharias Seholasticus. Vie de Sévere (Patrol. orient. Il 1907) ed. Ktcener S. 62f. 

' Benutzung des Ostanes durch Bolos folgt aus Tatian 17 S. 18.15. Berrueror, Coll. d. Alchim. I 56. 7 
(Diets S. 129. 1. 130. 23). Uber ihn vgl. Apr a.a.O. S. 325. Die dltere Tradition. die Hermippos aufbewabrt 
hat. kennt zwei Trager dieses Namens, den Begleiter des Xerxes auf seinem Zuge gegen Griechenland (Xerxes 
soll bei dem Vater des Demokrit eingekehrt sein und ihm Magier zur Erziehung seines Sohnes zuriickgelassen 
haben: Diog. L. EX 7.34) und den Begleiter Alexanders des GroBen (Plin. 30.8. 11. Diog. pr. 1 2). Nach 
spiterer Uberlieferung soll Bolos Demokritos von einem Ostanes in dem Tempel zu Memphis in den magischen 
Kiinsten unterrichtet worden sein und auf Grund dieser Lehren seine Schrift ®vomd cai uvovnKa. die erst aus 
nachehristlicher Zeit stammt, abgetafit haben (Drers S. 130. 23f.). Dazu stimmt. da er in den “lacpixa ducted 
kal dvrimeOytixa des Aelius Promotus, die auf Bolos zuriickgehen, ausdriicklich als sein Schiiler bezeichnet wird 
(Sitzungsber. d. Berl. Akad. 37. 1908 8. 776.15. Davi Dirts. Antike Technik 2 8. 136). Offenbar nannte sich sein 


16 M. WeLeuany: 


glaubte an das. was er er schrieb. und verbot. nach den Griinden seiner Mittel zu forschen: 
nam et cpilempsin ... sie curare praecipit. efficaciae potentiam praeferens (Gal. NIL 573. 
Vitr. IX 1,14. Nept. Einleitung) et vetans inquiri rationem heibt es in den Physica des 
Theodorus Priscianus (S. 251. 5 Rosr). Wie mir scheint. ist die spiitere griechische Schwindel- 
literatur erst unter der Einwirkung seiner Schriften entstanden (vgl. Arrexsript, Herm. 57, 
S. 219f.). Plinius (nh. NAVI 118. ANN of. Gell. X 12) mubte nattirlich das Sympathie- 
bueh fiir ein Schwindelbuch halten, da er keine Ahnung von der Existenz eines jiingeren 
Demokrit hatte. Wir aber wollen dem Bolos dankbar dafiir sein. dai er uns eine sv 
reiche, schier unersehépfliche Fille uralten Volksaberglaubens erhalten hat (besonders bei 
Plin. n. h. 28—32). der auf die Herkuntt unserer eigenen Sagen helles Licht wirft. Um 
nur ein Beispiel anzufiihren, so kennt jedermann — und wiire es nur aus Grimm — die 
Sage von der Springwurzel. die héchstwalirscheinlich indischen Ursprungs ist’. Schon 
im 5. baw. 4. Jahrhundert mu sie in Griechenland verbreitet gewesen sein. da Theophirast 
sie kennt. wenn wir Plinius (n. h. 25,14) Glauben schenken diirfen. Bolos hat sie dann 
aufgegriffen und seinem Svmpathiebuche einverleibt (Plin. a.a.O. und 10.40): dureh ihn 
ist sie in die naturwissenschaftliche Literatur des Orients und Okzidents zu Plinius, \elian 
in. a. 145). Dionysios (De avibus 114). Hermes Trismegistos (Cyr. 1 8.15.16. HES. 87. 30) 
und durch die Vermittelung des Plinius zu Isidor (AJL 7. 47) gelangt. Aus Isidor haben 
sie dic mittelalterlichen Bestiarien’ tibernommen. aus denen sie in die enzyklopidischen 
Naturbiicher des Mittelalters tibergegangen ist. in die Schrift De natura rerum des Vincen- 
tius Bellovacensis (AVI 132), des Albertus Magnus De vegetabilibus V 118. des Ps, Albertus 
De mirab. mundi (fol. 22, in der Ausgabe Argent. 1492) und in das Buch der Natur von 
Kosrap vos Mecexperc (S. 380 Prenrrr. S. 326 Seuvrzr). Bei der weiten Verbreitung 
dieser Literatur ist es nicht wunderbar, da sie ins deutsche Volk eingedrungen und in 
die mitudliche Uherlieferung fibergegangen ist. Schon in cinem Gelielht des Meisters Alt- 
schwert (ed. Hotraxp 8.70) wird auf sie angespielt: uns ist sie in der Form geliiutig. die 
sie bei Grimm in seinen deutschen Sagen n.g (MLythel. g23f) erhalten hat*. 
Diejcnigen, die diese abergliubische Afterwissenschatt an das Mittelalter weitergegeben 
haben. sind. abgesehen von den Kirchenvitern. von Isidor und Solin die bereits erwihuten 
arabischen Arzte: Rhazi mit seiner Schrift De rebus physicis (Pvouwa. Vel. [bn al Baitar, 
Simpl. ed. Lrererc in den Not. et extraits Bd. 23.121). der philusophisch gerichtete Arzt 
Ibn Zohr (um rroo. Vgl. Ibn al Baitar, Not. 23.79). Avicenna mit seinem Canon und 
seiner Schrift De physicis ligaturis (vgl. \lb. Magn. De veget. V 1S. VI 281). HWunain ibn 
Ishak, Costa ben Luca* und der unbekanute Verfasser der auf arabischer Uberlicferung 
(Rhazi?) beruhenden Sehrift De mirabilibus mundi. Thre Quellen sind Hermes Trisme- 





Lehrer noch dem groBen Magier. Ihm ist woll die Abhandinng bei Brrinerot. Coll. des alehim. vrees S. 261 
guzuweisen. Em vierter Trhger dieses Namens aus der Zeit der Khe opaira wird bei Brin asa. O. 292 f. er 
wiihnt. Eine Reihe von magischen Sympathiemitteliu von Mensel. Tier und Stein erwiihnen Plin. XX VILL 69 
256.267 (vel. NNVUL 6). Damigeron. De lap. 34. Alex. Tro} 507 (aus Didyinos-Bolosy. Wie Zoroaster ist 
auch er von Pamplilos fiir die Synonymentisten der Pilanzen benutzt (vel Diosk. Bd. HI gis). Das Werk. 
aus dem diese Zitate stammen, scheint der von Eusebios (pr. es. D 10.53) angefiihete éardreryos vi sein. zn 
dem der dxtétaws des Arztes und Landwirtschafters Didymos ein Gevenstiieh hildete. Vel. Oorr. Rh. M. He 
219 A. Die Ostaneszitate bei Plinius stammen sicher aus Bolos, : : ” 

1 Vel. or Gruernatis. Die Tiere in der indogerm. Mythologie (S74) S. 543k. W. Scuwanerz. Indog. 
Volhsglaube S. 60. . 

2 Gotvstare-Wenpetver. Ein turco-venezianisi her Bestiarins. Halle 1Sq2. 8. <2 373- 

Vel. Versarixex. Mythen und Brainche dis Volkes in Osterreieh (Wien 1859) S.r4o. Wrairke. Der 

deutsche Volkselanbe 3 S. oa. ; 

+ Von jhin riilirt der unter den Schriften Galens (Juntina V 2S, if.) erhaltene Traktat De ineantatione. 
adiuratione et suspensione her. Vel. Rost. Arist. de lapidibes (Zeitselir. f. deutsch. Altertuin Bd. XVII. neue 
Folge Ba. VI 33 fh 


on) 
~I 


Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa, I. 17 


gistos Koiraniden, Neptunalios, Archigenes, Galen, Alexander von Tralles, Josephos, Ana- 
tolios, Timotheos von Gaza und endlich der ritselhafte Athoursofos, Athuriscus (Xeno- 
krates?)'. Hier einige Beispiele: 

1 Ibn al Baitar a.a.O.23 n. 711 S. 459: Razés, dans son Livre des Proprictes. 
Jai lu, dans les Elections de Honein, quil avait reconnu par la pratique «ue le meilleur 
spécifique contre l’épilepsie était de couper une laniére de cuir dans la peau de lane, 
a Vendroit du front, et de la porter toute l'année (~ Didymos bei Alex. Tr. [ 571: ovov 
TO peTwmov Cépua TeplaTToOmEevov Kai Hopovpmevov amadAdooEL sc. TOUS EMANTTLKOUS 
und Theod. Prisc. Phys. S. 254, 1: ex corio frontis asini facta veluti fasciola eorum arti- 
euli constringendi sunt) ... IL (se. Razeés) dit autre part: jai lu dans un livre attribué 
a Hermes que si lon porte un anneau taillé dans Je sabot de Lane, on guerit de lépi- 
lepsie (Herm. Koir. S. 69.16 ed. MELy: é« Tov ovuyos aitou éumpoobiov deEov todos Ei 
Toujoes OakTUALov i} Kpikiov Kai ddces hope SapoviCopévo. cwhhiicera. Aus Hermes 
stammt Didymos bei Theod. Prise. Phys. 254, 2. Anders Diosk. m. m. IT 42. Plin. ». h. 
XAVIT 225. Gal. XID 341 (aus Niger). Aus Rhazi stammt wieder Ps. Albertus de mirab. 
mundi fol. 20°: et dicitur, quod si fiat anulus ex albis ungulis asini portatus al) epilemp- 
tico, confert ei. Hier sieht man deutlich die Zusammenhiinge: Demokrit, Hermes 1. Jahr- 
hundert n. Chr., Didymos 3. Jahrhundert, Rhazi 10. Jahrhundert und Ps. Albertus)... Athour- 
sekes, dans son Livre des Proprictés. Si lon fait porter a un enfant la peau du front 
de Vane, on le préserve contre les frayeurs (Plin. n. h. NAVIIL 258: et pellis asini iniecta 
inpavidos infantes facit. Herm. Koir. 70.1: édv tis kabevdy emt dopas ovov. éaipovas 
ov doferra ovde TedAovv Kai vuKTypwa avtThuata. Ps. Alb. de mir. m. fol. 217: et dieunt, 
quod pellis asini si suspendatur super pueros, prohibet eos terreri) ... Lagriculture Per- 
sane. Si quelquun piqué par un scorpion monte sur un ane, la téte tournce vers la 
queue, il lui passe son mal. On dit qu'il en est de méme. si l individu pique s’approche 
de loreille de lane et lui dise: jai été pique; alors le mal disparait (Plin. n. h. NNVII 
155: quin etiam si quis asino in aurem percussum a scorpione se dicat, transire malum 
protinus tradunt. Herm. Koir. S. 70, 8: ei 6€ Tis v0 oKoprriov Tri] Kal EctH Eis TO 
ovS TOV OVvov OTL »oKOpTios pe ETANEEV«. O pev AMES iaOioETM. Eis CE TOV OVOV 7) 
eduvn HETATETELTM. Ist Demokrit nach Geop. XIII 9, 6: Anudxprros cé puoe Tov TAH 
yevta vo TKOPTIOU kai evOéws eiovTa TO OVW »oKOpTIOs pe ETANEEV« oOvK aAYIiTEW, 
THs GAyncoves eis TOV OVoV uetapavovons. Geop. XV 1,25. Ael. Prom. latp. dvoid 
Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1908 S. 776, 2). ... Proprietés dIbn Zohr. Le braiment de 
Vane fait mal au chien tellement quil lui arrive de hurler de douleur. (Tim. Gaz. 31 
S. 292, 3 Haupr: ote étv oykijonta (sc. 6 Ovos) Tous KUvas /AaTTE!). 

2 Ibn Baitar a. a. O. 25 n. 1210 S. 278: Razes. dans ses Proprietes. Si lon en 
(d. h. de la dépouille de serpent) met sur les hanches dune temme dont les couches 
sont difficiles, elle accouchera facilement (Plin. n. h. NXX 129: anguium senectus adalli- 
gata lumbis faciliores partus facit, protinus a puerperio removenda. Ps. Alb. de mivr. 
mundi fol. 20°: et spolium serpentis. uando stringitur super anchas (canchas ed.) mu- 
lieris accelerat partum. Sed cum parit, illico removeatur). 

Ibn al Baitar a.a. O. 23 n. 313 S. 244: i) est dit (aus Rhazi) dans le Livre des 

Propriétés. attribué A Balinas (Apollonios): celui qui met du pourpier dans son lit n’é- 





1 Dieser Autor. der auBerdem unter dem Namen Athoursepes. Athoursates. \thourestos. Atorosphos, 
Atoroscos erscheint. wird von Ibn al Baitar (Not. et extr. 23.157. 459. 25.78. 270-334 und 26. 338) und hautig 
von Rhazi in seinem Continens erwilnt. Fabricius (Bibl. gr. Hamburg 1726, Bd. NII S. 94) identifizierte ihn 
mit dem Arevpioror des Galen (XU 251). Er iibersah dabei. da dieser monstrése Avevpirtov auf der Kon- 
jehtar eines der arabischen Literatur kundigen Arztes beruht. 


Phol.-hist, LLBA, L92N. Vroe fe 3 


18 M. WEeELLMAND: 


prouvera ni pollutions, ni songes eérotiques. (Plin. n. hh. XX 214 von der porcillaca: ve- 
nerem inhibet venerisque somnia. Ps. Alb. de mir. m. 20°: Belbinus iterum dixit, quod, 
qui posuerit portulacam super lectum suum, non videbit somnium nee visionem penitus.) 

4 Rhazi Cont. 1 6 (ed. Brrxtazr 1486 S. 21): dixit Atorosphos: clistere factum ex 
sanguine testudinis cum castoreo confert mirabiliter spasmo. [bn al Baitar 25, 279: ces 
frictions (dl. h. faites avec le sang de Ja tortue) sont utiles aussi contre les convulsions 
et le tetanos ... les lavements avec ce sang et du castor¢um sont encore plus efficaces. 
Plin. n. h. 32, 36: comitialibus instillatur (sc. sanguis testudinis) ore diducto, is qui mo- 
dice corripiantur spasmo cum castoreo clvstere infunditur. 

5 Rhazi, Cont. II 3 (8S. 69): Athoriscus: accipiatur de stercore lupino ossa acuta et 
nisi fuerint acuta, acuentur capita cum cultello: unde si quis dolorem passus fuerit in 
dente cum ipso scarificet locum dentis, dum egrediatur sanguis, et dolor mitigabitur 
statim. (Plin. n. h. XXVIII 178: certum est in excrementis eorum (sc. luporum) plerumque 
inveniri ossa; haec adalligata eundem effectum habent (sc. dentifricia fiunt). 

6 Ibn Zohr bei Ibn al Baitar a. a. O. 23 n. 79 8. 80: dés que le lion entend le eri du 
eo, blane, il est pris de tremblements nerveux et de frayeur. (Neptun. 63: Aéwv aAéx- 
Topa opserra (Kai) uadiota AavKdv. Daraus Ambros. Hex. VI 4.26. Aus Ambrosius 
Konrad von Meg. S. 192, 24 Pretrrer: »der Leb fiirht den weizen hanen«. Ps. Alb. de 
mir. mundi fol. 20°: et dicunt quod leo terretur ex gallo albo)... Si l'on se frotte le 
corps de sa graisse, on fait fuir les autres lions et lon a rien a craindre de facheux. 
Il en est de méme, si l'on se fait des frictions avec son fiel (Plin. NX VIIL 90: perunctos 
eo sc. adipe leonis bestia: fugiunt; resistere etiam insidiis videtur. Ps. Alb. de mir. m. 
fol 20°: et qui inunguntur cum sebo (sipo ed.) renum leonis non timent ire inter bestias, 
quia omnes bestiae terrentur ex leone. Diosk. m.m. Il 76 S. 157,13: @aci 6€ Kai avTt- 
padppakov avto (se. TO AEdvTEIov GTEap) Tos émBovAevovow eEiva..). Celui qui s‘oint 
la face avec la graisse que l'on trouve entre les yeux sous la peau, inspirera une grande 
fraveur 4 qui le regarde, et tous les projets quil formera lui réussiront (Plin. a. a. O. 89: 
Magorum vanitas perunctis adipe eo (se. leonis) faciliorem gratiam apud populos regesve 
promittit, praecipue tamen eo pingui, quod sit inter supercilia, ubi esse nullum potest. 


Ps. Alb. de mir. m. Einleitung: leo est animal intimidum ... et ideo qui associat sibi 
oculum leonis aut cor aut pellem qui est inter duos oculos vadit audax et intimidus et 
inducit timiditatem omnibus animalibus) ... on dit que les fumigations que l'on en fait, 


guérissent de la fiévre quotidienne (Plin. a. 0.90: adips cum rosaceo cotidianis febribus 
se. medetur). 

7 Ps. Alb. de mir. m. fol. 20": et si serpens occurrit praegnanti, abortit. et si oecurrit 
parturienti, partum accelerat. ~ Plin. XXX 128: viperam mulier praegnans si transcen- 
derit, abortum faciet. Ps. Demokrit 40: yuvy eyxvos ody oiovdytotouv imepBaca éexTt- 
TPwOTKEL, WOWoVaH O& WKUTOKIOV YuValKi. 

Der Rekonstruktionsversuch der @vowa des Bolos hat auszugehen von den sicher 
fiir ihn bezeugten Antipathien und Svmpathien in der Tier- und Ptlanzenwelt. Es sind 
folgende: 

1 Basilisk und Wiesel. Antipathie nach dem Anonymus Rohdes, KI. Schriften 
I 397 (Diets, Vors.3 Il 127, 20): avturafijis 6€ TO Kwady (d. h. BaowWioKw) éoriv 4 Ka- 
ToKicws yaéa’ TavtTns yap ovTE THY hwvnv (GopHv?) OUTE TO Eidos h€per. GAN cbOds 
amdAduTa. € 6€ Kal TpOs TO PwAco evpot. ClacTapacoe TovTOV H yadéa. Benutzt von 
Juba bei Plin. n. h. VUE 79 (Solin 27, 53 ex Plinio aucto. Isidor XII 4,7 aus Plin. und 
Solin). Vgl. Alb. Magnus, De animalibus XXV 19 (1562 Sraptrr). Vgl. Konrad von Megen- 
berg, Das Buch der Natur S. 152,19 Pretmrrer (aus Solin). 264, 16 (aus Plinius), 


Die Pvoixd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 19 


2 Schlange und Ibis. Antipathie. Demokrit nach Geop. XIII 8,5: Anpoxprros 
o€ dnow odw pn KweicOa, iBews mTEpou éexippipévtos avTe. Vgl. XV 1, 15 (aus Pam- 
philos-Demokrit). Diese Antipathie erklirt sich daraus, daB der Ibis sich von Schlangen 
nabrt und sie dadurch vertilgt: Herod. Il 75. Cicero n.d. I 101. Artapanos bei Euseb. 
pr. ev. IX 27. Joseph. Arch. I[ 10, 2. Plut. de Is. 75 p. 381b. Ael. n. a. X 29 (Apion). 
Theoph. Sim. Dial. 14. Aus Demokrit-Pamphilos stammen: 

Ael. n.a.1 38: Aéyouar de Aiyvarriot (Bolos) kai Tovs Odes TavTas IBewv TTEpa Ceciévat. 

Neptun. 81 (Gemout, Strieg. Progr. 1884): wrepa (ews wavtes Odes decoikact. 

Ps. Demokrit 35 (Gemotn a. a. O.): ews wrepa trav Epretov huyadever. 

Eine Weiterbildung dieses Aberglaubens ist der Rat einen Ibis auf Reisen mitzu- 
zunehmen zum Schutz gegen Schlangen: Joseph. a.a.O. Dasselbe vom Hahn zum Schutz 
gegen den Basilisken: Ael. n. a. II] 31 (vgl. Geop. II 42, 3). Auch das Krokodil fiirehtet 
die Federn des Ibis nach Horap. hierogl. II 81. 

3 Schlange und Eichenblatter. Antipathie. Die Schlangen sterben, wenn man 
Eichenblatter auf sie wirft. Geop. XIII 8, 5: Anudxpiros O€ duow odw ... OvijcKew oe 
dpvos PvAAwy éryPrAnBévtwv ait@. Vgl. XV 1,15 (Pamphilos). Plin. n. h. XXIV 117 be- 
zeugt dasselbe von der Brombeere (rubus, Batos). Ebenso Ambros. Hex. S4, 5. Aus der- 
selben Quelle stammt die Notiz, daB ein kleiner Zweig der Speiseeiche (@iyos) sie be- 
tiubt: Geop. XV 1,16 (Pamphilos). Plut. quaest. symp. II 7 p. 641¢. Sext. Emp. p. 
hyp. I 58. 

4 Schlange und Sputum eines nichternen Menschen. Antipathie. Demokrit 
nach Geop. XIII 8, 5: OvjoKew dé (sc. Op) ... aoitov Twos eis TO OTOUA a’TOU éuTTU- 
cavtos. Quelle Arist. h. a. VIIl 171: éote 6€ Tots wAeloTos avTa@v (sc. ioBdAwv) TrodeE- 
puov TO Tov avOpwrov wrveAov. Plin. n. h. VIL 15. XXVIII 35. 38. Ael. n. a. If 24. 
Nic. Ther. 86 (Apollodor). Lucrez [V 638. Lucian Philops. 12. Ambros. Hex. VI 4. 28: 
ieuni hominis sputum si serpens gustaverit, moritur (Neptunalios-Pamphilos). Tim. Gaz. 
39 (295, 3 Havpr Op.). Gal. XII 289 u. oft. Konrad von Meg. 261, 3 (aus Ambrosius). 
Ibn al Baitar, Simpl. (Lecterc, Not. et extr. 23, 234): toute salive en genéral est contraire 
aux animaux nuisibles 4 lhomme par piqtre ou morsure. En particulier, elle tue le 
scorpion. 

5 Die Schlangen fressen Fenchelsamen, um sich scharfsichtig zu erhalten, und 
reiben ihre Augen an dem Kraute, wenn sie im Friihling aus ihren Léchern herauskommen. 
Sympathie. Albert. Magnus, De veget. VI 346 (Jessen, aus Avicenna): Demucritus autem 
tradidit, quod vermes venenosi sicut serpentes et alia similia pascuntur semine feniculi, 
ut eorum visus confortetur. Dixit etiam, quod, cum serpentes primo egrediuntur de ca- 
vernis in principio veris, fricant oculos suos herba feniculi, ut illuminentur oculi eorum. 
Aus derselben Vorlage Ibn al Baitar, Simpl. (Lecterc a. a. O. 25, 165): Democrates pretend 
que les reptiles mangent les graines de fenouil pour s‘aiguiser la vue. Les serpents et 
surtout les viperes se frottent les yeux contre le fenouil, dés quils sortent de dessous la 
terre au printemps, pour s éclaircir la vue. Konrad von Meg. (Buch der Nat. II 5, 37 S. 344 
Scuutz aus Alb. Magnus), wo Alexander als Quelle erscheint. Die letzte Quelle dieses 
Sympathiemittels ist Nic. Ther. 31f. mit Scholien (aus Apollodor-Theophrast). Aus Pam- 
philos stammt Neptun. 22 (Geuot): odes auBAvwrovvTes udpabpov éobiovor. Aus Juba 
stammen <Ael. n. a. IX 16. Plut. soll. an. 20,974B. Cels. bei Origenes IV 86. Basileios 
Hex. IX (29, 193A). Aus Basileios der syrische Physiologus (Lanp, Analecta Syr. IV 
S. 36), BNG (Buch der Naturgegenstinde von K. Anrenxs, Kiel 1892) 65. Mich. Glycas, 
Chron. 8.95, 1. Aus Varro stammt Plin. n. h. VUI 99. Aus pharmakol. medizinischer 
Vorlage (Xenokrates?) Plin. n. h. NX 254. Vgl. XD 152. XIX 173. 


3* 


20 M. WeLuuaxy: 


6 Schlange und Rettichsamen. Antipathie. Ars. Maeyvs, De veget. VI 426 (JEssEy, 
aus Avicenna): contra morsum viperae valet (sc. raphanus). et si ponatur frustum eius ° 
super scorpionem imoritur. Et ideo dicit Democritus. quod, qui habet manum infectam 
maturato scmine raphani. sine sui nocumento tractat serpentes. Konrad vy. Meg. (Buch 
der Natur V 68 8. 359 Scuviz): Demokritus sagt. wenn man die Hinde mit reifem Rettich- 
samen abgeriecben habe, kiénne man Schlangen anfassen und ohne Schaden mit ihnen han- 
tieren. Ibn al Baitar, Simpl. (Not. et extr. 26 S. 23). 

Plin. n. hh. NX 25: idem (se. raphani sativi) et contra venena prosunt, cerastis et 
seorpionibus adversantur, vel ipso vel semine infectis manibus inpune tractaveris, inpo- 
sitoyue raphano scorpiones moriuntur. Ps. Demokrit (Gemoiy. aus Anatolius) 10: oKopiri 
padavos erippipeioa améxtewev aitov. Geop. XIII 9. 1. NIE 22,6. XV 1. 24 (Pamphilos). 

7 thn al Baitar, Simpl. [ff 141 (Sosrnermer): Democrates. Wer einen Strick von Wolle 
(Verweehselung von épvéo und épw@) nimmt und denselben um das Kniegelenk eines 
wilden Stieres bindet. wird denselben dadurch so ziihmen. dai er sich leicht binden liBt, 
wie einige behaupten (aus Rhazes). Ibn al Awam ed. Citvent-Muiier II (2) 8. 6. Plut. 
qu. symp. If 7, 641¢: a@yptos 6€ Tavpos ar peper Ka TpabveTu oUKH poo debeis (daraus 
Geop. AV 1.4). Ps. Demokrit (GemoLt) 31: cy plos de Tavpos év Epa ocyowia debeis 
HME pos yiverau, emer a o€ xeporrAnGec cyowm tov moda debeis, OvijoKer 0€ Tap avTa 
udpapyvpou Eis TO OUS avTOU éudvonbévros (= Hippol. IV 30 S.94 Wenxprann).  Plin. 
h.n. XXIII 130: caprificus tauros quamlibet feroces collo eorum cireumdata in tantum 
mirabili natura conpescit, ut inmobiles praestet. Daraus Isid. XVII 7,17. aus Isidor 
Konrad yon Meg. IV A. 16 (2 76 Scnvtz). Horap. Hier. If 77: ovtos (se. 6 Tavpos) yep 
oTav Opyd. deo per at ayplocvKH Kai Tuepouta. Mich. Glye. Ann. 1 26 p.13¢: 60ev Kai 
TOV TApwoV O Xarerwraros CUKI] mpoodebeis nouylav myer Kai Yravoews avéyeTa Kai 
dAws abijot TOV Oupov @oTrED aTrouapawwopmevos (aus Plutarch?). Alb. Magn., De veg. VI 
104: dicunt autem qui magicis student. quod tauri ferocissimi ficulneis alligati citius 
mausuescunt. Ael. n. a. TV 48. Hor. Il 78. 

S Ibn al Baitar (Not. et extr. 25 n.1210 S. 278): Dimoukrates. Si l'on en (d. h. 
de la dépouille de serpent) fait des fumigations 42 une femme chez qui lexpulsion de 
Varrire-faix est difficile, ou dont lenfant est mort avant d¢tre expulse, elle se débarras- 
sera promptement de tout ce quelle porte dans labdomen. Cvest un fait d’expeérience. 

Plin. n. h. XXX 128: anguis inveterati suffitu menstrua adiuvant. Anguium senectus 
adalligata lumbis faciliores partus facit, protinus a puerperio removenda. Ps. Albert. de 
mirab. mundi fol. 20°: et spolium serpentis quando stringitur super anchas (?) mulieris 
aceelerat partum. 

9 Léwe und Hahn. <Antipathie. Demokrit nach Geop. Il 42, 3: Geparreta ovy ev- 
ploKeTau eTEpA puoi Kal avrimabyjs (zur Beseitigung des Uae Neovo Toa, Opo- 
paryyy), i Kal Anpoxpiros papTuper heyov OT, Emel A€wv O Onp WTOELTAL TOV ehexTopa 
idwv avtov Kai gvaoTéAAeTa, oVTWS Edv Tis AGB wETU Adppous TOV aNeKT pvova €v Tas 
Xepow auTou Kal qrepteABy TO ywpiov, evOéws xopilera bev 1) NEOvTEIOS Téa. Ta O€ 
OoTr plc yivera. Diese Antipathie beruht auf altem Aberglauben: Fab. Aesop. 323. 261 
(Achill. Tat. If 21). Ael. n. a. Ill 31 (Bolos). Vgl. V 50. VI. 22. XIV 9. Plin. n. h. VIII 
52 (Juba). XN 47 (aus Plin. Sol. 27, 20 S. 120, 9). Plut. soll. anim. 32 p. 981E. De inv. 
et odio 4 p. 537U. Sext. Emp. p. h. [ 58. Geop. XV 1,9 aus Pamphilos: aus derselben 
(Juelle Nept. 63 (Gemott) und aus Nept. Ambros. Hex. VI 4, 26 (222, 7), nach denen der 
Lowe besonders den weiSen Hahn fiirchtet. Ebenso Ibn Zohr bei Ibn Baitar (Not. et 
extr. 23.50). Ps. Albertus de mir. mundi fol. 20°. Alex. Aphr. Probl. 1 S. 4, 22 (peter). 
Proclus. De sacrif. et magia (S. 9 Krort im Vorlesungsverzeichnis Greifswald, Ostern 1901). 


Div Pvoixd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxiluos aus Larissa. 1. 21 


Luerez IV 710f. (Erklirung der Antipathie nach Epikur-Demokrit). Letzte literarische 
(Quelle der echte Demokrit in seinen Atria epi Géwv. Vel. Konrad yv. Meg. S. 192. 24 
(aus Ambrosius). Ein Austlu8 dieser Antipathie ist die Vorschritt (Plin. n. h. 29. 78. 
Nept. 64), sich mit Hahnenfett einzureiben, um vor dem Angriff des Lowen sicher zu sein. 
Ubertragung vom Konig der Vierfii®ler auf den Kénig der Schlangen, den Basilisken. 
ist die Antipathie von Basilisk und Hahn (Ael.n. a. V 50) und die Vorschritt. einen Hahn 
auf Reisen mitzunehmen zum Schutz gegen ihn (Ael. n. a. TIE 31). 

10 Léwe und Feuer. Anthipathie. Demokrit nach Ael. n. a. VI 22: éyfora de 
TO pev A€ovTt TUP Kat GAeKTpvwv (aus Pamphilos). Vgl. Il 31. VIE 6 (SchluB). Letzte 
(Quelle der echte Demokrit: Schol. Hom. T zuA 554 und Ps. Arist. h. a. IX 225 (629" 1 IO): 
cAnOn o€ Kal Ta heyopeva. TO Te hoPeiwGa padiota TO up (se. TOV déovra), @OTED 
kat ‘Ounpos éroinoev ‘kadpeval te detal. Tas TE TpEt ExoVMEVOS TEP’ oni schol. 
Hom. P 663). Ael. n. a. IV 34 (aus der aristoph. Epitome. Suppl. Arist. S. 74. 3). Aus 
Juba stammen Ael. n. a. VIL 6 und Plin. n. h. VIL 52. Aus Manetho Va. mn. a All 7, 
Vel. Alex. Aphr. Probl. 1 68. Horap. Hier. 75. Oppian Cyn. IV 133f. (aus Tatian). Isid. 
XII 2. 4 (aus Sol. 27, 20). Nach Artem. Oneir. I] 12 bedeutet die Erscheinung eines Liwen 
im Traum Feuersgefahr. Konrad von Meg. 8. 143. 16 (aus Plinius-Isidor). 

11 Hyaine und Panther (mdpdaXss). Antipathie. Magier (d. h. Demokrit) bei Plin. 

oh. XXVUI 93: praecipue pantheris terrori esse traditur (se. hyaena), ut ne conentur 
aa resistere et aliquid e curio eius habentem non adpeti, mirumyue dictu, si pelles 
utriusque contrariae suspendantur, decidere pilos pantherae. el. n. a. Vi 22: vawa 6€ 
Ti TapodAer (se. éyBiorn eori). Horap. Hier. Il 70: avOpwrov ce TT @pevov ure TOV 
éAATTOVOV Povddpevor onpnvet ovo Cépuata Coypapovory, @Vv TO mev vaivns éoti, TO 0€ 
AAO Trapodhews * ec yep Omou TEA cu ovo TavTa déppata, TO pev THs TapddAews 
amoBddAe Tas tplyas. To 6€ GdAXO Ov (aus Chiremon-Demokrit). BNG@ (syr. Buch der 
Naturgegenstinde ed. Anreys, Kiel 1892) ¢. 5: »Wenn du ihn (den Panther) aber téten 
willst, so salbe dich mit Iyinenfett, tritt ein zu ihm in seine Héhle und tite ihn. ohne 
daB er dich verletzt«. Ibn al Baitar (Not. et extr. 26 n. 2236 S. 377): On dit qu'un 
homme, sil s’est frotté le corps et les membres avec de la graisse d’hyéne. et qu'il se 
présente en face dune panthére, celle-ci ne peut se lever ni avancer. 

12 Chamileon und Habicht. Antipathie. Demokrit nach Plin.n. h. XNVUI 113: 
vis eius (sc. chamacleonis) maxima contra accipitrum genus. Detrahere enim supervolan- 
tem ad se trauditur et voluntarium praebere lacerandum ceteris animalibus. Etwas Ahn- 
liches berichtet Hermes ‘Trismegistus in den Koiraniden IV 8. 117.9 (Mety) vom 7rvev- 
ev Gartdoos: fecit autem crebro omnia volatilia coeli super se convolare, ut. cum 
comedatur ab iis. eos capiat. 

13 Salamander und Feuer. Sympathie. Magier (d. h. Demokrit) nach Plin. n. h. 
XXIX 76: ex ipsa quae Magi tradunt contra incendia. quoniam ignes sola animalium 
extinguat (sc. salam.), si forent vera, iam esset experta Roma. Urquelle dieses Aber- 
glaubens wohl der echte Demokrit: daraus vermutlich Theophr. de igne 60 (~ Plin. n. h. 
29,75). Arist. h. a. Ve.19,106 (daraus Antig. Kar. 84). Nic. Ther. 818f. Alexiph. 537f. 
(aus Apollodor). Aus Bolos-Pamphilos stammen Neptun. 59 (Grmott) und Geop. XV 1, 34. 
Ael. n. a. I 31 (aus Metrodor [epi ovvnOeias). Herm. Trism. Koir. Il S. 72, 8 (Méty). 
Zusammen gehéren Physiol. 31, Eustath. Hexaem. (AVI 748-\) und Horap. Hier. II 62. 
Vgl. auBerdem Plin. n. h. X 188. Augustin. De civ. dei 21.4. Tim. Gaz. 53 (300, 6 Havrt). 
daraus Georg. Pis. Hexaem. 1040. Hippolytos Ref. IV 33. Aetius XIII 56. Isid. XH 4, 36 
(aus Plinius). Liber monstr. I[[ 14 (Haver. Opuse. If 250). Gervasius von Tilbury. Otia 
imp. S.13 (Lresrecut). Konrad von Meg. S.277,9 (nach Augustin. Isidor und Adelinus). 


29 M. WeELuMANN: 


Sextius Niger hatte gegen diesen Aberglauben Front gemacht: Plin. n. h. NXNIX 76. 
Diose. mm. m. IP 62. 

14 Skorpion und Mauergecko (aoxadaBorns. stelio). Antipathie. Demokrit nach 
Geop. AIL g. 7: avtimdBeav eye 6 dokadaBeris Tpos TOV GKOpTioV: Ev OUV TIS Eis EAQLOV 
tTHEas TOV acKadapwrTHy eK Tov EéAaiov ypion Tov TAnyevTa. aTadAdooE THs OdvVHS. 
Plin. neh. NATX go: scorpionibus contrarius maxime invicem  stelio ¢raditur. ut visu 
quoque pavoerem iis adferat et torporem frigidi sudoris. itaque in oleo putrefaciunt eum 
et ita es perungunt (Isid. NU 4. 38). Ael. Prom. (Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 
1gO38 8.770. 4.) Serib. Larg. 164. Ael. u.a. VI 22. Diose. simpl. W127. Philum., de ven. 
an. ig 8.18.16. BNG 72. Plin. n. h. XP go. 

15 Skorpion und Esel. (reop, MIL 9.6: Anuoxperos 6é prot TOV mAnyerTa vo 
oKOpTIO’ Kai eviews eiovTa TO Ovw' »oKOpTios pe ETANEEV«, OVK Aye THS GAyNddvos 
eis TOV Ovoy peTaBawovons. Geop. XV 1.25 (Pamphilos). Ibn al Baitor (Not. 23.459): 
L’agriculture persane. si quelyuwun pique par un scorpion monte sur un ane la téte tournée 
vers la queue. il lui passe son mal. on dit qu'il en est de méme si lindividu piqué s‘ap- 
proche de Voreille de Vane et lui dise: jai eté piqué: alors le mal disparait. 

Plin. nw h. NAVE 155: Quin etiam si quis asino in aurem pereussum a scorpione 
se dicat. transire malum protinus ¢raduut. 

Ael. Prom. (Sitzungsber. a. Berl. Akad. d. Wiss. 1908 S -776. 2): pos TKOpTLOTANKTOUS 

Co) mem Any HEvOS T poo epyeTo Ovw Kat EYETW TPOS TO OUS* réyw TETANYLUAal VO TOU 
oKopTiov Ev THOE TO TOTW«. 

Herm. Trism. Koir. Ils. v. dvos (70. 8 Minx): €i 6€ tus bd OKopTtiov ANY] Kat ETH 
eis TO OVS TOV Ovov OTL »oKOpmios me EmANEEV«, 6 prev TAryels iabijoeTa, eis dé TOV 
Ovov 1) OOUVH mEeTaTrETEIT AL. 

16 Froseh. Sympathie. Plin.n.h. NXNXU.49: Democritus quidem tradit. si quis ex- 
trahat ranac viventi linguam. nulla alia corporis parte adhaerente. ipsaque dimissa in 
aquam inponat supra cordis palpitationem mulieri dormienti. quaecumque interrogaverit 
vera responsuram. Vgl. Wrieraxp. Die Abderiten I c¢. 12. 

Herm. ‘Trism. II s. v. Pdr payos (S.56.17 Méxy): tovtouv (se. Tov Barpdyou) THY 
yAwooav éav Tis Kon. avtov d6€ atoAvon Covra., Kal exrypayy év TH yhoooy OUTWS* 
» » Yovoyedapevog « Kat AaBpaiws kabeveovorns yuvaixos emiOy eis TO OTHOOS, EiTTOL Got TavTA 
doa erpakev év (TO) Btw. 

Borssoxape. Notices et extr. XI (Paris 1827) S.240 (aus einem cod. Paris. 2286): 
Sat payou CovTos Kowas Thy yAwooav TovTov amoAvoov: yeayrov Ce Eis TiV yoocay, 
Hv éxowas Tov pat payou, OUTwS* »xouveywCnpuvood « Kal OUTW KOLM@MEVHS autns émiBes 
Tiv yAwoour Eis To otnfos avTHs Kai TavTa Co: Elo! Goa ErOINTE (aus Hermes?). Veal. 
Hrim. Inc. mag. in Fieckeisens Jahrb., Suppl. 19. S. 537. 

Zunge und Herz verschiedener Vogel haben nach altem Aberglauben te nase 
dieselbe Wirkung. So wird dasselbe berichtet von der Gans (Koir. IIL s - nv S. 100, 17 
Méty). von der Fledermaus (Koir. Ils. v. vuetepis nur in A. S. 68 aa vom Uhu (buto 
hei Plin. n. h. 29.81). vom vuxtuopaE (Borssonave a. a. O.). Vgl. Wotr. Beitriige zur 
deutschen Myth. I. n. 622. 8.251. Das persische Papageibuch. itbers. von Ikex. Kulturhist. 
Liebhaberbibliothek Bd. 21.221. Wwtrrer? $165. S.124. Auch Edelsteinen sprach man 
dieselbe Kratt zu. Vgl. Damigeron. De lap. 30. 65. Borssoxapr a. a. O. (Magnet). Ps. Alb. 
de mirab. mundi fol. 22" (aus Hermes durch syr.-arah. Vermittlung): ut mulier confiteatur 
quae fecerit. cape ranam aqualem vivam et tolle eius linguam et remitte eam in aquam 
et pone dictam linguam super partem cordis feminae dormicntis. quae cum interrogatur, 
dicit omnia quae scit. 


Die Dvaoika des Bolos Demokritos und der Mayier Anavilaos aus Larissa. 1. 23 


Konrad von Meg, Buch der Natur III F 20 (S. 260, Scnurz): »Legt man einem schlatenden 
Menschen die Zunge des Wasserfrosches unter den Kopf. so beginnt er zu reden und 
offenbart heimliche Dinge (aus arab. Vorlage). 

17 Marder (aiAovpos) und Raute. Antipathie. Demokrit nach Geop. XIV g. 6 
éav O€ Tiyavov imo Tas Trépvyas Tov dpviBwv mpoddeOy, ovTE aiAovpos ot'TE COTE 
ovte adAo Te Oypiov aweta avTev’ Kai TOAAD padAov, Ec Eis TiV TpOdiy YOAV ado- 
mekos i} aikovpov avadupacas ds, ws 6 Anpoxpitos diaBezaovtTa. Vel. XIV 4: exer 
yap twa Tpos Ta Onpia avtindGeav tO miyavov. XIII 6. XIV 15. Pallad. | 24,3. Plin. 
n.h. XNVUIT 265: gallinaceos non attingi a vulpibus. qui iocur animalis ecius aridum 
ederint, vel si pellicula ex eo collo induta galli inierint: similiter in felle mustelae. Tim. 
Gaz. 37 (294,15 Haupt): OTe édv Tis mijryavov Badn O7rouv det ai opves atAiGovTat, ov'K 
éwepyeTat avtais TO Oypiov Tayéws. Suppl. Arist. 112,17. Dioscor. m.m. Ill.45 (59,7 W): 
baci o€ Tov yuAov (sc. THyavov) Expppavbevta opvik amepiKew Tos aidoripous. “Theo- 
phyl. Sim. c. 6. 

18 Hauswurz und Insekten. Antipathie. Demokrit nach Colum. r. r. XP 3. 61: 
Veteres quidam auctores. ut Democritus, praecipiunt semina omnia suco herbae, quae 
sedum appellatur, medicare eodemyue remedio adversus bestiolas uti: quod verum esse 
nos experientia docuit. II 9,10. NX 356. Pallad. X 3.2. Plin. NVI 150: Democritus suco 
herbae quae appellatur aizoum, in tegulis nascens, ab aliis hypogaesum. Latine vero sedum 
aut digitillum. medicata seri iubet omniasemina. Vgl. NIX. 179. Geop. I} 18.1. NID7. 3. 20.4. 

19 Basilisk und Wiesel. Antipathie. Democrit nach Anon. Rohdii (KI. Schr. 1 397): 
Anpoxpitos o€ iotope ... avturatiis 6€ T® Kwadn (BaciNicke) ExT 1) KaTOIKCLOS ya éa- 
TAUTHS yap ovTe THY Oopnv (pavnv Hds., vgl. Plin. Tim. Gaz. Suppl. Arist. 111, 23) ovTe 
TO eldos Péper, GAN evOus amorAvTaL, Ei CE Kai TpOS TH Hwdrew@ eEvpol, CragTapdcoel 
TouTov 1) yadéa. avtn Tis avtorabeias 4 evépye. Plin. n. h. VII 79: Atque huie tali 
monstro (sc. basilisco) ... mustellarum virus exitio est: adeo naturae nihil placuit esse 
sine pare. inferciunt has cavernis facile cognitis soli tabe. necant illae simul odore mo- 
riunturque, et naturae pugna conficitur (aus Juba-Demokrit). Daraus Sol. 27,53 (127.2 M) 
und aus Solin wieder Konrad von Meg. III A 52 (8.125 Sch. 152 Pf): Die Beschreibung 
des Basilisken (Demokrit a. a. 0.) stammt aus dem Jologen Apollodor (Nic. Ther. 396), aus 
Demokrit hat sie Juba entlehnt bei Plin. VII.78 (wo der Schluss necat — adsumptum 
aus Theophr. stammt (V. Roser, Arist. Pseud. 8. 352). 

20 Die Friichte der mwepoéa (schwarze Cordie?) verlicren ihre giftige Eigenschatt 
durch die Verpflanzung von Persien nach Agypten. Schol. Nie. Th. 764: tv c€ wepoeiav 
daciv, iv podakweav (Sopaxweav?) Kadrovocov, aro Aiftotrias eis Atyurtov perapurevOyvar. 
Bodos ce 6 Anpoxpirewos év Te flepi ouuTabevav kai avtim@abewv Mépoas duow éyovras 
Trap éautots Javaciov putov purevorn év Aiyirre ws TroAN@V HeANovT@V avaipethiren Bat, 
thy oe (sc. Atyurrov) ayabny ovoav eis Tovvavtiov petapadrew Troujoal TE TO putov 
KapTov erie Vgl. Ps. Arist. wept fut@v 17. Diosk. I 129 (120.6): Touvto ¢é (se. 
TO Tepoela Cévépov) iatopnoav twes (Demokrit) év [epoice avapetixov ewat, petatebev 
dé eis Aiyurtov ad\Aowbiva Kai éd@dmov yeveoOu. Vel. Galen VI 617. XII 569. Orib. 
I 72. Plin.n.h. XV 45. [sid. NVIE7, 7. Theophr. ¢. pl. Uo 3.7. Daremprre. Orib. [ 581. 
Anth. Pal. IX 483 mit folgendem Scholion: 7 TEPT EC ... drow cé puow Hépoas € eXovTas 
Bavacimov putov deaBo3arer eis Atyurtov ws avaipnoov tous yevoapuévous’ TO Ce weTa- 
BArnOyvar eis KapTrov ypromov (aus Nikanderscholien). Ibn al Baitar 23, 365. 

21 Umgang eines in der Menstruation befindlichen nackten Weihes gegen 
Kohlraupen. Colum, r. r. XT 3,64: sed Democritus in eo libro qui graece inseribitur 
Flepi avrirabev alfirmat has ipsas hestiolas (sc. erucas) enecari. si mulier quae in men- 


24 M. Wetimann: 


struis est solutis ecrinibus et nudo pede unamquamque aream ter cireumeat: post hoe 
enim decidere omnes yermiculos et ita emori. Vgl. Colum. X 357. Plin. n. h. XVII 266: 
privatim autem contra urucas ambiri pe (sc. iuhent) a muliere initiante mensis, nudis 
pedibus, recincta. ANVIIE 78. Pallad. I 35. 3. Geop. XII 8, 5 (aus Didymos- Demokrit). 
Ael. n. a. VI 36: ai KauTral emwepovTat Ta Ndyava, Taya & Kal dapHelpovew auTa. 
amodAvvta Ge attra. yun Thy éryujvov KaBapow Kabapopuévn, ei dtéAOor péon TOV Aa- 
xyavov. 
22 Antipathiemittel gegen Ungeziefer. Demokrit bei Geop. XIIL 14. 9: Anpo- 
Kpitos 6€ dyot mddas Aaywou ij) éAdhou Tepl Tovs Epuivas THs KAiWNS TPOTUPTwpEvoUS 
kata [voTa Kata] TO émikkwTpov pn éav Kopes yiveoOu. Aet. Tetral. XI 46: Anyo- 
kpttos 6€ hyow wdcas éX\ahov TpocapTwpevovs KaTa TiV THS KAivHS OTPwLVIV OK av 
Kopes yeveo Oat. 

23 Specht und Springwurzel. (Péonie. Vgl. [Theophr.] h. pl. IN 8.6. Plin. 
AXV 29. XAVI 85.) Demokrit nach Plin. n.h. NXNV 14: dixit Democritus, eredidit Theo- 
phrastus esse herbam. ecuius contaetu inlatae ab alite. quam retulimus (X 40). exiliret 
cuneus a pastoribus arbori adactus. Quae etiamsi fide carent. admirationem tamen im- 
plent coguntyue confiteri multum esse quod vero supersit. 

Plin.n.h. X 40 (aus Juba): adactos cavernis ecorum (sc. picorum Martiorum) a Rates 

cuneos admota quadam ab eis herba elabi errditur culyo (d. i - Demokrit). vel: 
I 45: ovKoUV et tis Mov évOeis enippdgeve TW Opvew TO 7 poeipypeven (sc. TO Jpvomvddrersh 
Tiv exdvow, 0 6€ cUUBarey TiV emBouhiyv ‘xomiCer Troav éyOpav TG MOw: 6 CE cia Bapov- 
pevos Kai py pépwv eEdAreTa, Kai avéwyev avOis TH mpoeipypévo Pity wrodpopn. 
Dion. Ixeut. 1 14. Herm. Trism. Kyr. I 8. 15, 16 (Mity). Koir. Hs. v. 87. 30. Ps. Hipp. 
Hepi av (190 Mexy aus Herm. Trism.). Isid. XI 7.47. Alb. Magnus, De veget. V 118. 
Konrad von Meg. (380 Pr. 326 Scnvize). BNG 113. Diese Sage ist auch in die mittel- 
griechische Physiologusredaktion des Epiphanius tihergegangen (Gotpstacn, Der Phys. u. 
seine Weiterbildung. Philol. Suppl. VII 1901 S. 377) und in die italienische (hersetzung 
des griechischen Physiologus von Domenico Pizzimenti (Gorpsravs 392f.). Vel. Gru, 
Mythol. 923f. Deutsche Sagen n. 9. VernarrKen, Mythen u. Briiuche des Volkes in Oster- 
reich (Wien 1859) 8.140. Wuorrxe. Der deutsche Volksaberglaube S. 99 (3. Autl.). 

24 Hyine. Mare. Emp. de med. 35,19: medulla de spina hyaenae admixto felle 
cius et oleo vetere ad temperiem et lenitudinem acopi decocta nervorum vitia omnia do- 
loresque auctore Democrito persanat. Plin. n. h. XAVIII 96 (Magi-Anaxilaos): nervis (se. 
prodesse Magi dicunt) medullas e dorso (se. hyaenae) cum oleo vetere ac felle. Herm. 
Trism. Koir. S. 76, 8 (Mity): 0 de é« THs payews aiTHs pvedds GAEibdpevos mdvTA TéVvOV 
Wuov Kal payews tata. 

25 Hyane. Mare. Emp. de med. 5.42: Democritus adfirmat. felle hyaenae si frous 
perfricetus, epiphoras incipientes et omnem oculorum dolorem posse sedari. Plin. n. hb. 
XAVITL 94 (Magi-Anaxilaos): lippitudini fel (se. hyaenae) inlitum frontibus aut. ne om- 
nino lippiatur. decoctum cum mellis Attici eyathis III et eroci uncia inunctum (sc. me- 
detur); sic et caligines discuti et sutfusiones: claritatem excitari melius inveterato medi- 
camento ... eodem sanari argema. scabritias. exerescentia in oculis, item cicatrices. Diosk. 
m.m. II 78 S.159.15. (Gal. SIV 241 (aus Nenokrates). Herm. Trism. Koir. S. 76, era 
Hieron. ady. Tov. If 6. Theod. Prise. Eup. | 38 S. 40,13 (aus Ps. Galens €vmopiora). 
Alex. Trall. II 47. Tim. Gaz. 4 8. 279.18 Haver. Vel. Serib. Larg. 38. Antonius Musa 
bei Gal. XII 739. 

26 Schlange vermittelt das Verstindnis der Vogelsprache. Plin.n. h. X 
137: nec Sirenes impetraverint fidem ... vel quae Democritus tradit nominando angues 


Die ®vod des Bolos Demokritos und der Magier Anuxilaos aus Larissa. I. 25 


(aves Hdss.), quarum contuso sanguine serpens gignatur, quem quisquis ederit. intellec- 
turus sit alitum colloquia. NXIX 72: Democritus quidem monstra quaedam ex his (se. 
anguibus) confingit, ut possint avium sermones intellegi. Vgl. Gell. X 12.7. Wurranp, 
Die Abderiten I ¢.13. Ps. Orph. Lith. 699f. 745. Livprecur., Gervasius von Tilbury, 
Otia imp. 8.155. Porphyr. de abst. HI 3. Timoth. Gaz. 25. Philostr. Vita Apoll. II 9. 
Das pers. Papageibuch (Tuti Nameh). tibers. von Iken (kulturhist. Liebhaberbibl.) II go. 
W. Scuwarrz. Ind. Volksgl. 256. Scnvrrysere. Wendische Volkssagen aus dem Spreec- 
wald (Leipz. 1880) g6. 

27 Krateuas Frg. S (Diose. ed. Werimayy Il 146): ypovta 6€ avTy (se. avaryadnwon) 
kai eis Tas Aypoxpitov Cuvdues. Alb. Magnus. De veget. VI 471: et quaeritur diligenter 
ad plures usus Magorum. Was unter den ¢cvvdues des Gauchheils zu verstehen ist, lelrt 
Pamphilos in den Geop. XV 1, 31: 6 kouvpdAtos AGos Ketuevos ev TH oikia TavtTa POdvov 
Kai émiBovAiv éAauve. Ta abta Ce Trot Kai Ta Kapgdyn THS EPevov. Kai ai pia THs 
aorakabov, Kai 7 evacns avayaANis PoTavy, Kat i oKAa Enpawvopevy Kai €v TO 7 po- 
py THS oikKias KEWEVT. Dazu Diosk. m. m. II 178: pac 6 €vlol Ti bev Eyovuoav TO 
kudveov avOos mpomToces CaktvAlov orédAEW, Tiv de TO howiKouy EpebiCew KaTaTac- 
Getrav. Dali der Paragraph der Geoponika demokritiseh ist. folgt aus folgenden Paral- 
lelen. Die Wirkung der Koralle gegen allen Zauberspuk bezengen Zoroaster (Spic. Solesm. 
ed. Pitra HL 392): pellit umbras daemonicas et monstra quaclibet. Ps. Orph. Lith. 589. 
Damig. de lap. 7. Uber das Ebenholz vel. Albertus Magnus. De veget. VI 96: qui autem 
student ineantationi et physicis ligaturis (Avicenna) dicunt quod ebenus nigra cunis alli- 
gatur, ut infantem phantasmata non terreant. Aus derselben Quelle Konrad von Meg.. 
Buch der Natur IVA 14 (S. 275 Seu.): »Legt man schwarzes Ebenholz den Kindern in 
die Wiege oder bindet es daran fest. so ersehrecken sie nicht vor schwarzen Gesichtern. 
So sagen wenigstens die Zauberer in ihren Biichern.« Uher die Meerzwichel (o«iAAa) 
ygl. Diosk. L171: €ote be Kat ardeEupadppakov ody po Tov Fupev Kpeuauevy. Plin. n. h. 
XX tor. Isid. NVIE 9, 86. Albert. Magnus, De veg. VI 431: dicit autem ineantator, 
quod, si suspendator super No prohibet introitum venenvsorum. 

29 Plt. quaest. conv. IL 7 (641B): oav 6€ Kal of Tas avTiabetas Opudouvres. Kal 
dAAa ToAAa TrapovTwY nv axovew. OTL [avopevov edeparra KATATAVEL KPlOs odbets. exie- 
vav 0€ puryou KAwviov, éav Tporayayns kai Oiryns, (oT HOW. ay plos ce TAU pos aT pepet 
Kat Mpavver ct UK} mpoodebeis. TO C nexT pov TUVTA KWEL Ket TpOouyeT at Ta KoUpa, 
TAY WKiLOU Kai TeV EAdLW Bpeyoueve. i 6€ oOnprtis AtHos ovK Mayet Tov oienpov. av 
TKopooy yptaOy. tovtav yap éeupavy tiv Teipav éxyovtwv. yadeTov eivat THY aiTiay, 
ei wy Kal TravTeA@s advvatov, KaTanabew (vgl. Theod. Prise. Phys. S. 251 Rose). Quelle 
Plutarehs sind des Didymos Juutroowkd. Antipathie von BE rans ‘anil Widder oder Schwein: 
Ael.n.a. I 38. Sext. Emp. p. h. [ 58. Ilorap. Iier. is . S86. Plinw an. h. VEE 27. Plat. 
de soll. an. 32 p. 981 D. de inv. et od. 4 p. 5370. ae de ira [[ 12. Ael. n 
VI 28. XVi 36. Tim. Gaz. 25 (288. 27). Georg. Pis. 963. Wher Antipathie von Viper 
und Speiseeiche vgl. Frg. 3. Uber die Zahmung des Stieres vgl. Fre. 

Uber die Anziehungkratt des Bernsteins vgl. Geop. XV 1.29. Plin. NNXVII 48. 

Uber den Magnetstein vgl. Geop. XV 1, 25 (Pamphilos): i] MayvIyTis Aifos rot ol 
Onpitis epedkeT a tov oldnpov. exmvet C€ Tkopddov TpoTTpY3evTOS AUTH’ avaty Oe Taw 
Tpayelov aiuaros emiyubevros avty. Joh. Lyd. de mens IV 13 (77): (der Magnetstein 
zieht das Eisen an) & pi) yuA® Kpopmveov cde. WS TOLS Micon Coxe’ avis 6 Tpa- 
vel aivate ypipuevos 6 payvns THy EAKTIKIY avadéyeTa GUvauv.  Plin. 20.2. 34, 147. 
36,127. Arist. de lap. 15 p.154 Ruska. Demokrit bei Brrinrior, Coll. des alehim. IT 
S. 428. Weitere Erscheinungen von Sympathie und Antipathie in der Natur behandelt 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nrov. 4 


26 M. WeLiMANN: 


Plut. quaest. svmp. I 1, 4 p.614B.16 p. 624F. Ig p.642C. ILS p. 641 F. IV 2 p. 6640. 
V 7 p. 680E sq. V g p. 684C. VI 8 p. 695A. De inv. et odio 4 p. 537B. Coniug. 
praec. 44 p. 144C. Aet. a 26 p.918B. Amator. 9 p. 754A. De sera num. vind. 7 
p. 553A. 9 p. 554A. 14 p. 558E. 16 p. 559E. 

29 Senec. Epist. 90. 33: P oeeidit porro vobis eumdem Democritum invenisse, quem 
admodum ebur molliretur (aus Poseidonios). Plut. An vit. ad infel. sufficiat ec. 4 p. 4o9E: 
ws yap i KpoKn TO OoTéov Trpie TEePpa Kai GEE CidBpoyov yevouevoy (Plin. n. h. XXXII 71) 
Kai Tov édéehavta TH GVO padakov yevouevov Kai yad@vTa KaduTTOVOL Kal Clacynpati- 
Govow, aAdAws 6 ov CvvavTa, ovTws 1) TUyn TO TeTOVOOs EE alToU Kai paraKov UO 
Kakias Tpooterovea KoiWaiver Kai TiITpwWoKE. Diosk. m. m. Il 87: evepyns dé Kat 6 édE- 
has yivera Bpeyduevos avT@ (sc. TO GUGe). Sim. Seth, De alim. fac. s. v. @oveas (= 
GvOos) S. 119. 3 (Langk.): @aot yap ws Kai Ta Aehavtwa dora Tpos Kaipov TOUT (se. 
Cube: éupeivavta padrdooeta dikny Kypov. 

30 Plut. coniug. praec. 44 p. 144C: él cabanep TOV aidoupov ooMN ppov ExT paT- 
TecGa Kai paiver Bat Aeyouy, oUTW TUS ‘yuvaikas aypiaiver Kal mapadpovelv UTrO MUpwv 
ouveéBawe ... Tas dé Tiypes Paci TEpiTUpTaviCopevas Expaiver Oa TavTdtact. Kai ClagTrav 
éautas. Nept. 57: aidovpov TO Kpaviov éav podivw ypions éavTov Owaypioeta. Tim. Gaz. 
S. 99,7 (ed. Laxsros, Suppl. Arist.): éyOpov dé av’rais (sc. aiAovpots) TO pvpov. KaBdTep 
apa wépuke kai yuwi. Vgl. Plut. de superst. 5 p.167C. Sext. Emp. p. h. I 58: réypis 
ywodov tupmavou (sc. pevyet). 

31 Schwalbe — Schwalhbenkraut (yeAddvov), Sympathie. Demokrit bei Kra- 
teuas nach Diosk. m. m. II 180 (251, 15): doxet d€ KaTwvouacba xedwonioy, eTrELONTTED 
aya Tas xendoar (pawopevas) pvera. Ayyovoas de oupTapakuacer. Tives O€ TPOTI- 
oropnoay OTL, Eav TIS Tuprobi Ta@V THs yeNOdvos veoooar. ai pnTépes Tpoadépovoea 
Thy Toav iovtTa Thy THpwow avTou (daraus Isid. XVII 9, 36. Ps. Apul. 73). Plin. n. h. 
25, 89 (Demokrit-Niger): hac enim (sc. chelidonia herba) hirundines oculos pullorum in 
nido restituunt dantyue visum, ut guidam volunt, etiam erutis oculis. Plin. VIII 98 (aus 
Varo). Cels. de med. VI 6, 39 aus Demokrit. Hermes im alphab. Dioskurides: ei dé Tis 
Tos veotToUs aitis Tupdovs anepydontra, pepe Botavyv Kai avotye ad’To’s pvoKG 
twt TpoTw. Das Kraut Chelidonion heilt die Blindheit der Schwalben, mag sie natiirlicher 
Art sein oder auf Blendung beruhen. Dieser Aberglaube ist eine Weiterbildung der peri- 
patetischen Uberlieferung von der Regeneration der ausgestochenen Augen bei jungen 
Schwalben: Arist. de gen. an. [V 97 (daraus Plin. X 165). h.a. Il 83f. (daraus Ant. Kar. 
72. Plin. XI 152) VI 36 (daraus Ant. Kar. 98). Ael.n.a. JI 3. NVI[ 20. Das demo- 
kritische Sympathiemittel hat eine weite Verbreitung gefunden: abgesehen von Krateuas 
und Celsus (Cassius Dionysius) kennen es Pamphilos (Nept. 52 Gemor. Ael. n. a. IIE 25). 
Dion. Ixeut. I 21. Didymos (Theod. Prise. Phys. 8. 250, 8R.), Timoth. Gaz. (Georg. Pis. 
Hex. 1305f.). Von den Kirchenschriftstellern Basileios (Hom. 8 in hex. XXIX 177A, 
daraus Ambros. Hex. V 17 §. 183, 18 und Mich. Glyk. Chr. IS. 79.8). Durch Isidors Ver- 
mittlung ist diese Sage, die sich bis ins 16. Jahrhundert erhalten hat (vgl. Fiscuer-Benzon, 
Altdeutsche Gartentlora S. 61), zu Konrad von Meg. (200, 14. 390, 7) gelangt; auBerdem 
taucht sie in der Basiliusrezension des Physiologus (c. 22 Zurerrr in den Studi ital. di 
phil. class. V S. 175), in Pitras cod. A und bei Mustoxydes auf. Vgl. Perers, Der griech. 
Phys. u. s. orient. Ubers. 8. 55. Scumer, Zum Tier- u. Kriuterbuch des meck]. Volkes, 
Schwerin 1861 S. 29. 

32 Adlerfedern. Antipathie gegen anderer Vogel Federn. Plut. quaest. cony. V 
p. 6080F: Kal kablarep Ta TOV dANwV Opvewy MTEPA TOIS TOU aETOU owrebevra BSNAY. 
Ta wnyoueva Kai awavOer tov mTikwv puddvTwr, ovTws oidev améyer Kai avOpdrov 


Die Pvoua des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. 1. zi 


wavow thy pev wdéAjov eiva thy O amnvy Kai BAaBepav (Quelle ist Didymos mit s. 
LuuTroowakd-Demokrit, vgl. Steph. Byz. s. v. OBais). Aus Demokrit stammen <Ael. n. a. 
IX 2. Plin.n.h. X15 (dureh Vermittlung von Juba): aquilarum pinnae mixtae reliqua- 
rum alitum devorant. Konrad v. Meg. S. 167 (Prrirrer). Ps. Albert. de mir. m. fol. 20°: 
dixerunt etiam philosophi (Democrit), quod quando pennae aquilarum ponuntur cum pennis 
aliarum avium, comburunt et mortificant illas (aus Avicenna). Vgl. Theophyvl. Sim. quaest. 
phys. I 2 (aus Alex. v. Aphrod.). Daraus Mich. Glye. Ann. IS. 83.7. Cervantes, Der Li- 
centiat Vidriera, Ausg. von Rorrer Bd. 9 8. 98. 

33 Tamariske und Milz. Antipathie. Plin. n. h. \AIV 67: eandem esse arbitrantur 
quidam tamaricem (se. myricen) et ad lienem praecipuam, si sucus eius expressus in vino biba- 
tur, adeoque mirabilem eius antipathian contra solum hoe viscerum faciunt. ut adfirment, si ex 
ea alveis factis bibant sues, sine liene inveniri. Et ideo homini quoque splenico cibum potum- 
que dant in vasis ex eafactis. Diosk.m.m.187 (82, 19), simpl. H 63 (273,19). Cael. \ur.m. 
chr. If 4, 61: item cibum vel potum sumere iubent Aeerotaitcs in vasculis ex tamarisci ligno 
confectis (se. contra lienem). Geop. XIX 7,6: é7redi ponbavon® ov TO C@ov padre Tov oTrANVa 
voor. (sc. 0 ous), avOpakas pupuctvous eis Vowp imo Péoas mapdoye Trew. Kat ab perous 
6€ OOS avTi TOV VoaTos Eis pUpiKivoUs KUALKAS (avOpaxas codd.) éusArnbeis Kai mrobeis Oe- 
parevoe:’ Tovto dé wddtota Anpdxpitos paptupet. évepyertépav 6 avtos Anudxprros 
iagw Tov oTAyHvos Tos avOperros évecOa CiaBeBaovta, ei dvOpakt oidnpov Tupwoas 
anooBbéons veatt, eiTa TO Vowp b&e piEas dons miEW TO TdoyoVTL TOV oTAHVva. Colum. 
de re rust. VIL 10, 8. Mare. Emp. 23.1. 6.10. 49. Ps. Gal. NIV 377. Gal. NUT 254 
(Archigenes). Cels. [VY 16. Diosk. m.m. V 80 (53, 1). 

34 Chamialeon. 

Plin. vn. h. NXVUI 112: iungemus illis simillima et peregrina aeque animalia priusque 
chamaeleonem, peculiari volumine dignum existimatum Democrito ac per singula membra 
desecratum, non sine magna voluptate nostra cognitis proditisyue mendaciis Graecae 
vanitatis. 

similis et magnitudine est supra dicto (108. 8, 120f.) crocodilo, spinae tantum acu- 
tiore curvatura et caudae amplitudine distans. nullum animal pavidius existimatur et 
ideo versicoloris esse mutationis. 

(113) vis eius maxima contra accipitrum genus: detrahere enim supervolantem ad 
se traditur et voluntarium praebere lacerandum ceteris animalibus. 

caput eius et guttur. si roboreis lignis accendantur. imbrium ct tonitruum concursus 
facere Democritus narrat, item iocur in tegulis ustum. 

(114) reliqua ad veneficia pertinentia quae dicit, quamcuam falsa existimantes, omit- 
temus, praeterquam ubi inrisu coarguent eum: 

dextro oculo, si viventi eruatur, albugines oculorum cum lacte caprino tolli, lingua 
adalligata pericula puerperii. eundem salutarem esse parturientibus. si sit domi: si vero 
inferatur, perniciosissimum. 

linguam, si viventi exempta sit, ad iudiciorum eventus pollere. 

cor adversus quartanas inligatum lana nigra primae tonsurae. 

1 Excerpt bei Gellius X ra, 1 ff. 2 per singula membra] membratim Plin. XXVIII 149. 5 Die 


Beschreibung bertihrt sich am meisten mit der des Timoth. Gaz. ¢. 47 (2 98, 11H): €or Ce ivoueyéOys TO KpoKo- 
cetkw (se. yepoaio. d. b. dem Skink), «vprés (66 tiv pau) kai eis 6€0 Nertés. Vel. Herm. Trism. Koi. S. 78, 8. 


Vel. Arist. hoa. WD ra. 41. Plin. VUIL 120. 6 Quelle ist Arist. de part. an. IV ur (136). Vgl. Timoth. und 
Hermes a.a. QO. Anders Theophr. Frg. 172. 189. 8 Etwas Ahnliches berichtet Herm. Trism. S. 117.9 vom 
mevpwov Jaddooios. sicher nach Demokrit. 10 Vyl. Gell. a. a, O. 2. 3: 13 coarguentium Hdss. D: ver- 
bessert von Mayuorr. 17 Vgl. Herm. S. 78, 15: ov o€ pily xapadéovros ggerou| Kai BovyAdacou dopovpeévy 


7 Kparousievy 4 yAoooa auTou Pinokdcoysv éory peyterov pos éyOpous. 


4 “a 


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4 


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red 


28 M. WeLLMANN: 


(115) pedem e prioribus dextrum pelle hyaenae adalligatum sinistro bracchio contra 


-latrocinia terroresyue nocturnos pollere, item dertrum mamillam contra formidines pavo- 


resque. 

siuistrum vero pedem torreri in furno cum herba, quae aeque chamaeleon vocetur, ad- 
ditoyue unguento pastiilos eos in ligneum vas conditos praestare, si credimus, ne cerna- 
tur ab aliis qui id habeat. 

(116) armum dextrum ad vincendos adversarios vel hostes valere. utique si abiectos 
eiusdem uervos calcaveris: sinistrum vero quibus monstris consecret, ualiter somnia quae 
velis ac quibus velis mittantur, pudet referre: omnia ea dextro pede resolvi, sicut sinistro 
latere lethargos, quos fecerit dexter. 

set capitis dolores insperso vino. in quo latus alterutrum maceratum sit. sanari; 

si feminis sinistri vel pedis cinere misceatur lac suillum. podagricos fieri inlitis pedibus. 

(117) felle glaucomata et sutfusiones corrigi prupe crrditur tridui inunctione, serpentes 
fugari ignibus instillato. mustelas contrahi in aquam coniecto, corpori vero inlito detrahi pilos. 

idem praestare uarrat /ocvr cum ranae rubetae pulmone inlitum; practerca iocinere 
aimatoria dissolvi. 

melancholicos autem sanari, si ex corio chamaeleonis sucu sherbae Heleniae bibatur: 

intestinu et fartum eorum, cum animal id nullo cibo vivat. simiarum urina una inlita 
inimicorum ianuae odium omnium hominum his conciliare; 

(118) cvuda tlumina et aquarum impetus sisti, serpentes soporari: eadem medicata 
cedro et murra inligataque gemino ramo palmae percussam aquam diseuti, ut quae intus 
sint omnia appareant. utinamque ev ramo contactus esset Democritus, quoniam ita lo- 
quacitates inmodicas promisit inhiberi. palamque est virum alias sagacem et vitae uti- 
lissimum nimio iuvandi mortales studio prolapsum. 

22 Gell. a.a.O. 5. 25 Vielleicht vinciendos nach Gal. NIL 251. Herm. 42, 628. 26 caleaverit Hdss.: 
von Urticus Vind. Pl. 610 verbessert. 26 vero M: umeri Hdss. 28 set M: sit oder sic Hdss. 30 fieri] 
sanari oder liberari vermutet M. 31 Mare. Emp. VOT 67: chamaeleontis fel tantam vim habere creditur, ut 
ypochyses intra triduum jnunctionibus sanet. 32 Vgl. Plin, 29, 73. 149. 32,55 (Magier). 17. 266. 32 Herm. 
S. 78,13: 9 ¢& yoky abtod yAvcavbeioa Koope? abfnuepov. Archig. bei Gal. XI] 800: yemaidéovtos yodijs (1d) troy, 
KagToploy 7d ov'uuetpov avathacce. Vegl. Papias bei Gal. NIL 799 ~ Diosh. simpl. 149. Diosk. m. m. I 79 (161, 13) 
weicht ab. Herm. S. 77.30 (s. dpwvos). 36 cum simiarum urina M: urina una M. 40 Vgl. Demokrits 
flaiyua ¢.3 (132.17 Drers). 


Diese Zusammenstellung der Sympathiemittel des Demokrit hat einen doppelten Zweck : 
einmal dem Leser eine Vorstellung zu geben von der auberordentlich groben Wirkung 
seines Sympathiebuches in der nachehristlichen Zeit, sodann ein klares Bild von der Her- 
kunft der einzelnen Berichte zu gewinnen. Es ist kein Zweifel, daB die @vaid des Bolos 
im ersten Jahrhundert v. Chr. viel gelesen worden sind: sie galten neben Aristoteles und 
Theophrast als das maBgebende naturwissenschaftliche Werk. Im allgemeinen lA8t sich 
der Grundsatz aufstellen, dafs die auf Landwirtschaft beziiglichen Reste letzten Endes aus 
Cassius Dionysius (88 y. Chr., Celsus, Hygin), die botanischen aus Krateuas (Plin. 20—27. 
Dioskurides), die zoologischen aus Juba (Plin. 8 ~ 11, Ael. n. h.) und die von Philosophen 
angefiihrten Bruchstiicke aus Poseidunios (Didymos) stammen. Das Verhiltnis im einzelnen 
liBt sich nur in besonderer Untersuchung feststellen. Bevor ich auf die Prifung des Ver- 
haltnisses der einzelnen uns erhaltenen Traktate ttber Sympathie und Antipathie wie die des 
Ael. n.a.I 35—39 (vgl. auBerdem III 7. 31. V 48. 50. VI 22. 45. 46), Pamphilos in den Geo- 
ponica XV 1. 3f., Neptunalios, Plutarch und Timotheos von Gaza niher eingehe, sind zwei 
Vorfragen zu erledigen. Wie weit reicht bei den Geop. XV 1 in dem von Cassianus Bassus 
(s. VI) zusammengeschweiften Sympathietraktat das Ezzerpt aus den ®voua des Pam- 
philos, und wie steht es mit den unter dem Namen des Demokrit erhaltenen, von Grmou. 
im Programm des Striegauer Realgymnasiums (stern 1884) edierten Exzerpten [epi oup- 


Die ®veuwa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 29 


rafewv Kai avtoraGewv? Was die erste Frage angeht, so ist nach meinen Ausfithrungen 
im Hermes (51 S.50f.), die dahin zu berichtigen sind, da8B mit dem zitierten Pamphilos 
der Landwirtschafter (Suidas) und der Verfasser des beriichtigten Kriuterbuches (Galen) 
in der Zeit der Flavier gemeint ist, kein Zweifel, dal die Paragraphen 6—10. 14. 17—~19' 
wegen der Ubereinstimmung mit Aelian (n.a. I 35f.) und Neptunalios dem Pamphilos zu- 
zuweisen sind. Von den tibrigen Paragraphen kommen in Fortfall 3---5. die aus Plutarch 
stammen (tavta pev []outdpy» elpnta § 5). weiter 20--23, in denen es sich nicht um 
Antipathiemittel, sondern um biogenetische Fragen der Tierwelt im Anschlub an den Peri- 
patos (Arist.h.a. V 19, 93f. 104. schol. Theocr. VHT 22. Arist. h.a. VI 41. Ps. Arist. IX. 256) 
handelt, endlich, was 11. 12 itiber die Hyiine und 32 tiber den Gagatstein nach dem Zeugnis 
des unter Septimius Severus lebenden Dichters Nestor aus Laranda. zu dem der Redaktor 
ein besonders nahes Verhiltnis hatte’, mitgeteilt wird. Die Ankniipfung des letzten Be- 
richtes (avtn 0€ 7 AdMos, vgl. 6. 11) beweist. da die voraufychende Notiz tiber die Wir- 
kung des Steines zu der Masse der tibrigen Sympathic amittel gehort, die olme jede innere 
Vv Ginndine lose aneinander gereilt sind. ‘Die geringe Ciereinstinmine der tibrigbleibenden 
Paragraphen mit Aelian erklirt sich aus der stofflichen Differenz. da dies S$ 2S—33 Steine 
behandeln., fiir die naturgemiB in Aelians Tiergeschichte kein Platz war. Immerhin beriibrt 
sich § 24 (iiber die QadatrTior OpviBes) mit Ael. V 46, aber letzterer spricht in Uberein- 
stimmung mit Ps. Aristoteles IX 48 (daraus Ant. Kar. 36 und Plin. VIIL 98) von Stérehen, 
Rebhiihnern und Holztauben; $ 26 (iiber Ameisen) deckt sich mit Ael. I 25 (~ Plut. soll. 
an. 11 p. 968A). wiihrend § 34 (iiber den Salamander im Widerspruch mit Acl. u. a. II 31 
steht. Was dagegen $ 27-29 von den KepaoeAa oréppata, dem Magnetstein und dem 
Bernstein berichtet wird, beriihrt sich nahe mit Plutarch quaest. conv. VID 2 und I 7, 
jedoch so, daB es ihm gegeniiber eine selbstindige Uberlieferung repriisentiert®. Hier haben 
wir also sicher Gut des Pamphilos vor uns. Damit hingen die weiteren Steinmittel (30—33) 
so eng zusammen, daB wir sie unbedenklich derselben (uelle zuweisen konnen. In § 24 
phonmen die beiden magischen Skorpionmittel (é€av 6 wAnyels IO OKOpTiov Eis TO OVS — 
aAynoovos) wortlich mit Geop. XII 9. 5. 6. sind also Einlage des Cassianus Bassus, zumal das 
eine aus Apuleius stammt; dagegen gehen die beiden Paradoxa i in $ 35, die inden Geop. XVII11 
und XVII 9, 7 wiederkehren, aber jedesmal am Ende des ‘Kapitels stehen, wohl auf 
Pamphilos zuriick und sind von Bassianus Bassus in die spiteren Biicher eingelegt. So- 
mit erhalten wir fiir Pamphilos noch folgende Paragraphen: 24 (bis avTw). 26—32 (bis 
dwwKel). 33. 35. Eine andere Frage ist die, ob Cassianus Bassus den Pamphilos noch selbst 
in Hiinden gehabt hat: dariiber wird das Folgende Aufschlub geben. 





Ich komme zu dem Antipathietraktat des Demokritos. Dariiber sind sich. soviel ich 
sehe. alle’ Gelehrten einig, da er ein spites Machwerk ist und das der Titel und die 





1 Bei den Paragraphen 15. 16 (gis — pdévvvta) ist die Herleitung aus derselben Quelle unwalrscheinlich, 
dasie im Wortlaut mit Geop. XII 8.6. 5 stimmen, wo Apuleius. d. bh. ein lateinisch sehreibender Autor, benutzt 
ist. Die SchluBnotiz von 16 ist dann wohl aus Plat. quaest. symp. IL 7 p.641C entlelhnt. trotzdem dasselbe 
auch noch bei Next. Emp. p. h. 1 58 zu lesen ist. 

Vgl. Over, Rh. Mus. 48. 9. 

DaB die xepacSdra oréppara nicht durch Feuer vernichtet werden kénnen. bezeugen die Geop. If rg. 4, 
wihrend Plut. qu. conv. VII 2,1 nur von ihrer Harte spricht. Letzte Quelle ist Theophrast (vgl. Arist. Ps. 33) 
der aber Caus. pl. IV 12. 13 die Erklarung (ra év To omeipec Oa oréppata axtoueva zor KepuTos Tor Bods} als ayav 
etm$es verworfen hat. Dag Pamphilos iiber sie gehandelt hat, folgt aus Pollux I 223. Uber den Magnetstein 
ist der Bericht der Geoponica (AV 1, 28) ausfiilirlicher als Plutarch qu. conv. IL7 p. 641 C. bei dem der auch 
sonst in diesen Zusammenhang iberlieferte Satz fehlt, daB8 Bocksblut dem Steine wieder seine Kraft verleihe 
(Job. Lyd. de mens. 1V 137 S. 77-6. Ps. Arist. de lapidibus 15 S. 155 Ruska). Die enn der Geop. (XV 1, 29) 
iiber den Bernstein deckt sich mit Plntarch a. a. O., doch feblt bei letzterem der Name covyyivos. 

# Gemoit, Programm von Striegau. 1884 S. 1D E. Oper, Rh. Mus. 45, net: Wenpticu, Die Sympathie 
in der antiken Literatur. Programun Stuttgart 1894 S. 351f. 


2 
2 


30 M. WELLMANN: 


ionisierende Vorrede gefalscht sind: auf keinen Fall hat er etwas mit dem ionisch schrei- 
benden Verfasser eines Sympathiebuches, Polles aus Aigai, zu tun. Fraglich ist dagegen, 
ob der Inhalt aus Ael. n. a. I 35f. VIE7.8 und den Geoponika B. NIM. XV zusammen- 
geflickt ist. was Grwott a.a.O. bewiesen zu haben geglaubt und Driers (Frg. d. Vors. Il 
S. 128, 10) gebilligt hat. Mit Recht hat Wenmuicr (8S. 38) die Hvpothese Gremorts abge- 
lehnt. Benutzung Aelians ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sich an keiner der von 
Gemott auf ihn zurickgefiihrten Stellen Spuren des fir Aelian charakteristischen Stiles 
finden. Aber auch die Ubereinstimmung zwischen beiden ist mitnichten so eng, da& 
durch sie die Annahme Gervotrs empfohlen wiirde. In Wegtall kommen die Para- 
graphen 2. 23. 12. 35, die beiden ersten, weil sie mit Aelian nicht im Einklang stehen’, die 
heiden letzten, weil sie ebensogut aus anderer Quelle entlehnt sein kénnen*. Somit 
kommen in Frage nur § 11. 13—16. 21. 25. 50. Was $ 25 vom Verlausen der aus der 
Wolle von AvxoSpwta mpoBara hergestellten Kleidungsstiicke berichtet wird, steht inhalt- 
lich im Einklang mit Ael. I 38, aber Aelian hat den Ausdruck Avkoov7ras ois, wihrend der von 
Demokrit gewihlte Terminus in demselben Zusammenhange bei Plutarch (quaest. symp. 
IL9, 1 p. 642B, daraus Geop. XV 1,5. Vgl. Plin. X 115. Tim. Gaza 7 8. 281. 20. Arist. 
h. a. VIIL 10, 72 in einer Interpolation) wiederkehrt. In § 16 (Einmaliges Schlagen einer 
Schlange mit einem Rohr macht sie leblos, wiederholtes wieder lebendig) laBt die wért- 
liche Ubereinstimmung mit Geop. XV 1, 16 (= NIIL8. 6 aus Apuleius) nicht Ael. I 37, sondern 
eine andere Vorlage als Quelle vermuten. Dal die Paragraphen 13. 22. 24, welche die 
Antipathie von Léwe, Fuchs, Panther, Hyane, Schaf behandeln, aus derselben (Quelle 
stammen. beweist Timotheos von Gaza 7 (282, 7). 4 (279. 19). Da nun Ael. [ 36 nur 
zwei dieser Geschichten kennt, kann er unméglich als Quelle in Frage kommen. Aus 
den Paragraphen 11°. 14'. 21° endlich, die allgemein verbreitete Anti- und Sympathie- 
mittel enthalten, wird niemand bei der groBen Ubereinstimmung der diese Mittel be- 
richtenden Autoren einen SchluB8 auf Abhingigkeit von Aelian herleiten wollen. Ebenso 
unabhiingig von ihm sind die von den Wetterprophezeiungen der Tiere handelnden Pa- 
ragraphen (3. 4. 5. 7- 46. 48. 49. 51), die als AusfluB der @vouwKn pavreta gleichtalls zur 
Sympathielehre gehdrten (vgl. Jamblich de myst. 3, 26 S.162 Parrury), also in unserm 
Traktat ihre volle Berechtigung haben. So hei®t es bei Aelian (VII 7), daB die Kraniche, 
wenn sic vom Meere her nach dem Lande zu fliegen, Unwetter kiinden, bei Demokrit 
($ 5) dagegen in Ubereinstimmung mit Geop. I 3. 11: mav dé dpveov, oiov ai yépavot. Nach 





1 In $2 wird der Adlerstein abweichend von Ael. I 35 in Ubereinstimmung mit Nept. 4y. Ael. Promotus 
"latpixa dvoid (S. 774, 17 W.) u. a. AGos éyxdpov genannt. auBerdem weicht der etwas unklare Inhalt von Aelian 
ub, $23 handelt von der magischen Wirkung des Léwenfettes in teilweiser Ubereinstimmung mit Neptun. 6r. 


Geop. XIlL12.4. Plin. XNVIL 90. Sext. Plac. 8, 4. Diose. m. m. IL 76 (S. 157. 13). wihrend bei Ael. I 37 
(X12 ~Neptun. 74. Physiol. 43) vom Elefantenfett die Rede ist. 


2 $32 (Wirkung der Wolfsknéchel auf Wagenpferde) stimmt inhaltlich mit Julius Africanus’ Keoro/ 
(Thevenot, Vet. mathem. opera, Paris, 1693 c. 34 S. gorb: Avxov dotpdyados deFiod rodés mpd éurpooBiov pidels 
mpo tetpadpov totnot To apua) so gut wie mit Ael. I 36. $35 ~ Ael. 1 38 {Antipathie von Schlange und Ibis) 
deckt sich auBerdem mit Neptun. 81. 

’ Von den balkyonischen Tagen handelte schon der Peripatos (Arist. h. a. V 28. Ant. Kar. 23. Plin. X go. 
Phot. Lex. 77 Reitz. Schol. Theokr. VIL 57 aus Alexander von Myndos. Dionys. Ix. 117. Plut. soll. an. 35 
p- 982 F. 321 D.), dann die Sympathieliteratur (Ael. 1 36. Neptun. 35. Plin. XVIII 231. Vgl. Lue. Hale. 2). end- 
lich die christliche Literatur der Hexaemera (Basileius hom.8 in Hex. XXIX 177A. daraus Eustath. Hex. XVIII 733A. 
Ambros. 172.7. Mich. Glyeas I S.79, 11. Isid. NID 7, 25). Vel. Cyran. IIT s. v. S. 85, 14. 

4 Ther die Antipathie von Platane und Fledermaus lesen wir bei Ael. 137 (wo aber von Betéubune 
der Fledermiiuse durch Beriihren mit Platanenblittern keine Rede ist). Neptun. 35. Plin. XXIV 44. Geop. 
Nillx3. XVir.18. Sext. Emp. p. bh. 158. 

8 Sympathie von Polyp und Olbaum: Quelle Klearch (Athen. VI1 317¢). Vgl. Ael. n. a. I 37- Tim. Gaz. 
iS. 302 Haury). Opp. Hal. I 310. IV 268 und Ael. IV 45 (Leonidas?). 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 31 


Demokrit § 7 ist das Springen der Mause auf Unwetter zu deuten, womit Arat (Phain. 1132f.) 
und Theophrast (de sign. temp. 41) im Einklang stehen, wihrend bei Aelian (VII 8) vom 
Pfeifen der Méiuse die Rede ist. Wenn Demokrit 51 den leisen Ruf der Raben, Dohlen 
und Krihen auf Dirre deutet, so widerspricht das dem, was Aelian (VII 7) berichtet, 
da®B der leise Schrei der Krihen am Abend heiteres Wetter und das Schreien der Raben, 
Krahen und Dohlen am spiten Abend Sturm bedeute; dagegen deckt sich Demokrit z.T. 
mit Geop. I 2, 6: Kai yAavE ddovea cuvey@s év vuKTI Kal KOopévy TPaéws Ev HMEépa KpweCovTa 
Kai KOpakes T)eloves ayeAnoov waTrEp yaipovTes Kai Kp@CovTEs avopuSpiav OnAovCoW. 

Ist somit Aelian als Quelle abzuweisen, so fihrt, wie mich diinkt. die Ubereinstim- 
mung mit den Geoponikern auf die Spur der Vorlage. Uberblickt man nimlich die Anti- 
pathie- und Sympathiemittel des Ps. Demokrit, so fiigen sie sich mit wenigen Ausnahmen 
vortrefflich in den Rahmen einer landwirtschaftlichen Schrift. Es liegt deshalb nahe. 
an Benutzung eines Landwirtschafters zu denken. Bestitigt wird diese Annahme durch 
$ 16, der beweist, da8 in der Vorlage das Landwirtschaftsbuch des Apuleius benutzt war: 
denn obgleich dieser Paragraph sich inhaltlich mit Ael. 1 37 deckt, so schlieBt er sich 
doch im Wortlaute an die griechische Ubersetzung des Apuleius an. Man vergleiche: 


Dem. 16. Geop. XV 1, 16. Ael. I 37. 
opis Kadduw  mAn'yels éyis TAnyeis araE Kadduo odews O€ ef KaBixolo Ka- 
amaé vapka, kKwetra 0€ TOA-  vapKa, TAE€ovaKkis dé povvuTa Aduw, METATIV TPOTHV TAN- 
AGKIS TUTTTOMEVOS. ~ Geop. XIII 8,6: AzrovAjios yiv arpeuet Kai vapkn TTe- 


6€ hnot Tov ody KaAdpw araE odnOeis novyd Ger ei O€ éxa- 
mAnyévta vapkav, mWAEovdKis ydryors Cevtépav i} TpiTnv, 
de povvva ba. avéppwoas avTov. 


Mit den Geoponikern beriihren sich nun im ganzen 19 Kapitel: 


Geop. 13,11 ~ D. 5 Geop. XV 1,3. ~ D. 31 
» 14,3 ~ D. 48 » XAVrI,5 ~ D. 25 
» 12,6 ~ D. 51 » RViI,7 ~ D. 13 
» X48 ~ D. 20 » AV 4,13 ~ Di 32 
» XII3.4 ~ D. 29 » AV 1,15 ~ D. 35 
» Kil 4,2 ~ D. 37 » XV 1,16 ~ D. 16 
» XUI8,7 ~ D. 33 » AV iI-IS ~ D. 14 
» Xl 12,4 ~ D. 23 » KVi1,24 ~ D. 10 
» Kill 14,7 ~ D. 38 » KV 1,32 ~ D. 34 

» NAV 1,35 ~ D. 30 


Von einer direkten Benutzung der Geoponika kann aber nicht die Rede sein, da 
Demokrit abgesehen von 6 Paragraphen (10. 16. 29. 30. 32. 34), die wértliche oder fast 
wortliche Ubereinstimmung aufweisen, bald reichhaltiger ist, bald sich niher mit Aelian 
und Neptunalios (35; vgl. 6. 24. 36) beriihrt. So fiihrt er § 31 drei Mittel an, um einen 
wilden Stier zu zihmen bzw. zu téten: arypios O€ Tavpos év EpwEw TYOWlw SeBeis i iBEpos 
yiverar: éreTa O€ xeiporrAnblet cyowiw tov (defiov) mdda deBeis, Ovnoxe O€ Tap’ aiTa 
vdpapyvpov eis TO ovs avTov éudvonbevtos. In den Geoponika (XV 1, 4) steht nur das 
erste Mittel (nach Plutarch quaest. symp. 7 p.641C; auBerdem bak Horapollo II 77. 
Mich. Glykas, Ann. IS. 26, 9 und Plinius XXIII 130, woraus Isid. NVII 7, 17. Quelle Bolos- 
Demokritos), wihrend das zweite bei Aelian IV 48 und Horapollo II 78, das dritte bei 
Hippolytos (Refut. 1V 30 S.94) zu lesen ist. Ferner ist § 35 die Beriihrung mit Neptu- 
nalios 81 und Ael. I 38 viel enger als mit Geop. XV 1, 15 (aus Demokrit nach Geop. XIII 


32 M. WexiimMann: 


8,5). Dazu kommt, dali sich eine Reihe von Paragraphen, auch von den oben angefiihr- 
ten, inhaltlich mit Timotheos von Gaza und Plinius deckt. von denen die mit Plinius 
tibereinstimmenden direkt aut Demokrit hinweisen. Fiir Thimotheos von Gaza kommen 
folgende Paragraphen in Betracht: 


D. 1 ~ Tim. G. 54 (300, 14I1.) D. 21 ~ Tim. G. 8. 302. 4 
D. 3 ~ Georg. Pis Hex. 1215f. D; 220° Tim: Ge 7 (2522 5),- Suppl Arods 5 
D. 6. ~% Tim, Gs 27 (289222) Digan Tins Get (2792 161.. Suppl. At. r0Ot 14 
D. 13 ~ Tim. G. 7 (282, 7) D. 25 ~ Tim. G. 7 (281, 20). Suppl. Ar. Sg, § 
Fir Plinius folgende: 

D. 5 ~ Plin. NNXID 51 D.28-< Plin. ANNI 44. Vel. Cyr. a17. 11 

D. 9 ~ Plin. XXXVI 176 D. 31 ~ Plin. XXIIL 130 

D. 10 ~ Plin. XX 25 D. 36 ~ Plin. XXIX 92. Nept. 53. Hor. Il 64 

De ta ee Plinie RATT 24: D. 38 ~ Plin. XNA 124. 136 

D. 23 ~ Plin. XXVID go Dy 40s: Pline RS: 138. -Galu nr 245 


Kurz. Ps. Demokrit und die mit ihm thereinstimmenden Partien der Geoponika gehen 
auf eine gemeinsame Vorlage zuriick. die wegen ihrer Ubereinstimmung mit Geop. XV 1 
identisch sein mul} mit der von Cassianus Bassus in seinem Sympathietraktat benutzten 
Quelle, in der Pamphilos und Apuleius verarbeitet worden waren, d.h. entweder auf Di- 
dymos oder Anatolios’ Tewpyud. Fir Didymos spricht zwar die von E. Oprr (Rh. Mus. 
45. 212f.) erwiescne Tatsache, daf der mit Ps. Demokrit 37 sich beritihrende Paragraph 
der Geoponika (ATI 4, 2) aus ihm stammt; gleichwohl cn die Quellentrage zugunsten 
des Anatolios entschieden durch das Zeugnis des Photios', nach dem Pamphilos und Apu- 
leius zu scinen (uellenschriftstellern gehdrten, ein Zeugnis, das durch den syrischen Ver- 
fasser des von K. Anrrns (Kiel 1892) he srausgegebenen Buches der Naturgegenstinde (BNG), 
in dem die TewpyiKd des ee benutzt sind, best&tigt wird: mehrere Paragraphen 
Ps. Demokrits (13. 14. 16. 23. 24. 30. 37) stimmen mit dem BNG, d.h. mit Anatolios 
tiberein. 

Wenden wir uns nach diesem Exkurs Aelians Tiergeschichte zu. so habe ich in 
meinem bereits angefiihrten \ufsatze tiber Pamphilos auf die zentrale Stellung hingewiesen, 
die dieser Landwirtschafter auf dem Gebiete der Sympathieliteratur in seinen Pvoikd ein- 
genommen hat*. Nach meinen <Ausfiihrungen darf als sicher gelten, daB Aelian in den 





1 Ovrr. Rh. Mus. 45.66. Vel. die Inhaltsangabe des 1. Buches der Geoponiker. 

+ Imy. Jalirhundert n. Chr. gab es drei berithmte Triiger dieses Namens: den Arcat. den Grammatiker 
und den Landwirtschatter. Der Arzt (Gal. NII 839. 842) aus Alexandreia wurde unter Tiberius nach Rom be- 
rufen zur Bekamptung eines ansteckenden Gesichtsausschlages, der Mentagra. und erwarb sich durch gliickliche 
Kuren ein vrobes Vermégen. Der zweite Triiger dieses Namens ist der beriihinte Grammatiker aus Alexandreia 
(ypannatixes Apotdpyeos neant ihn Suid. s. v.). der Verfasser der 95B. PAGooa und des Aenov. Er hat unter 
den Flaviern gelebt: der Grammatiker Apion unter Tiberius-Claudius ist nach Ath. XIV 642° von ihm benutazt. 
and der Kabinetssekretir des Kaisers Hadrian. Jul. Vestinus, hat bereits eine Epitome seiner FAéoca verfaBt. 
AuBerdem kennen wir die geoBen Grammatiker des alex. Auscioné aus der ersten Kaiserzeit in ihrer zeitlichen 

teihenfolge. Es waren das Didymos (unter Augustus), dann Theon, Apion, Chairemon, Dionysios. des Glaukos 
Sohn unter Nero — dann erst kann unser Grammatiker als Vorsteher des Museions folgen. Derselben Zeit 
gehért der Landwirtschafter an. Er stammte wahrscheinlich aus Nikopolis am Amanos in Svrien (Suid. s. vy. 
wo soust Verwirrung angerichtet ist) und war wie Alexander von Myndos und Polles aus Aigai ein fruclite 
barer Autor auf dem Gebiete der Mantik und der sonstigen okkulten Wissenschaften. Suidas nennt ihn diAd- 
gofos wie den Polles und den Bolos-Demokritos, dem ev ein gut Teil seiner mystisch-magischen Weisheit ver- 
dankt: mévlich daB er wie dieser Neupythagoreer gewesen ist. Aus seiner Feder stammen die 3 Bucher 
Feopytxé (Suid.). die ®varxd (Geop. XV 1.6) und das ‘beriichtigte Kriuterbuch. dessen Kunde wir Galen ver- 


Die Pvowxa des Bolos Demokritos und der Mayier Anaxiluos aus Larissa. J. 33 


hier zur Frage stehenden Kapiteln seiner Tiergeschichte (I 35 {f.) aus ihm geschépft hat. 
Durch diese Tatsache fillt gleichzeitig Licht auf das Verhiltnis des Priinestiners zu Nep- 
tunalios', dem Verfasser des zweiten gleichfalls von Grmoun (Striegauer Progr., Ostern 
1884) edierten Sympathietraktates. Trotz der Bedenken Werticus” halte ich im An- 
schlu8 an die iiberzeugenden Darlegungen E. Oprrs*® diesen unter dem Namen des Ne- 
pualius erhaltenen Traktat fiir einen Auszug aus den von Julius Africanus in seinen 
Keoroi ec. 34% angefithrten Pvow«a Nerrovvavov; denn daB die von dem beriihmten Chrono- 
graphen fiir ihn bezeugte Antipathie von Wolf und Pferd in diese Uberlieferung vortrefi- 
lich hineinpabBbt, beweist unwiderleglich die Wiederkehr bei Ael.n.a.I 36. Wir werden 
darum den Verfasser in das 2. Jahrhundert, d.h. in jene Zeit setzen diirfen, wo, wie Ta- 
tians Schrift [epi Géowv, des Amyntianos Traktat [epi EAXehavrwv und das zoologische Werk 
des Pison (Aet. XII[ $7) beweisen, das Interesse fiir die Naturwissenschaften von neuem er- 
wacht war, und zwar genauer vor Tatian, der ihn nach den Ausfiihrungen Overs (Rhein. 
Mus. 45, 71) bereits benutzt hat. Der Verfasser scheint aus Palistina zu stammen: wenig- 
stens spricht er von der Sabbatruhe der Ameisen in einem Ausdruck, der sich mit dem 
Verfasser des Lukasevangeliums (23, 56 To odOBatov novydGew) in auffiilliger Weise be- 
rithrt. Der Traktat besteht aus 86 kurzgefafiten Sympathie- und Antipathieerscheinungen 
in der Tier-. Pflanzen- und Steinwelt, die in letzter Linie aus dem Sympathiebuch des De- 
mokritos (Bolos) stammen. <Aufffllig ist, dafi der Traktat in Briefform verfaBt ist, an 
einen sonst unbekannten Sextus gerichtet. Das ist die Form, in der spiiter im 4. Jahr- 
hundert die Veterinire, wie z. B. Apsyrtos. ihre Lehren vortrugen. Die Vorlage des Nep- 
tunalios sind, wie im folgenden nachgewiesen wird. die ®vowd des Pamphilos. DaB das 
uns erhaltene Sttick des Neptunalios nur ein diirftiges Exzerpt ist, folgt aus dem Fehlen 
des von Julius Africanus erhaltenen Antipathieberichtes. Bestitigt wird es durch den heiligen 
Ambrosius. Es ist bekannt. dai dieser redegewaltige Bischof in seinem Hexaemeron fir 
seine naturwissenschaftlichen Berichte neben Basileios noch andere Schriften benutzt hat’. 
Zu diesen Einlagen aus anderer Quelle gehéren die beiden Abschnitte tiber Antipathie und 
Sympathie" deren Zusammengehérigkeit dadurch erwiesen wird. dai das Mittel, mit dem 
der kranke Hirsch sich selbst heilt, in beiden tibereinstimmend zu lesen ist. Da®B die Quelle 
des Ambrosius in diesen Abschnitten ein Grieche und kein Lateiner war. folgt mit abso- 
luter Sicherheit aus einem Versehen des Kirchenvaters, das durch seine Vermittlung in die 
naturwissenschaftliche Literatur des deutschen Mittelalters. in Konrads von Meggenberg’ 
Buch iiber die Natur tibergegangen ist: 


Ambros. 8. 222. 12. Neptun. 7. 
. . . £: e. ~ ‘ is 
omnis fera aegra canis hausto curatur san- TavOyp voowy aia Kuvos TiVvel. 


guine. 





danken. Vol. Oper. Rh. Mus. 45.78. Drerericn. Jahrb. f. kl. Phil. suppl. 16 S. 783. Galen (XI 796) rechnet 
ian zu den vedrepor zusammen mit Avchigenes. Andererseits hat ihn der jiingere Dioskurides 6 yAwtroypddos 
bereits fiir sein Hippokratesglossar benutzt (Gal. NIX 64). Dadurch ist seine Zeit bestimmt. 

' Uber den Namen vel. Winimowrez bei Oper. Rh. Mus. 48,1A. Rh. Mus. 45 8.71 Ast. 
A.a.O. S. 41. 

3 Rh. Mus. 45 S. 7of. 

+ Vel. Vet. mathem. op. Paris 1693 S.301b. Hermes Bad. 62 S. tor ff. 

+ Vel. die Praef. zu der Ausgabe von Scuexxi S. XHIf. Prass, De Basilii et Ambrosii excerptis ad 
hist. anim. pertinentibus. Marb. Diss. r905 5. sof. 

8 Hexaem. S. 84,3 u.222.5f. (Scuenxt). Die vier Sympathiemittel, die S. 214,11 zu lesen sind (Bar, 
Schlange. Schildkréte, Fuchs). stammen dagezen aus Basileios Hom. IX in Hex. (X XIX 193M.) 
+ Vel. die Ausgabe von Prenrer 5. 144, 2. Quelle Konrads ist Thomas Cantimpratensis aus dem 
13. Jahrhundert. 


Phil.-hist. Abh. 1928S. Nr.7. 5 


tw 


34 M. WELLMANN: 


Ein weiteres. auf Fliichtigkeit beruhendes Versehen ist dem Bischof S. 223, 17 unter- 
gelaufen: turtur nido suo, ne pullos suos incurset lupus (sic!), scillae folia superiacit. 
novit enim quod huiusmodi folia lupi fugere consuerunt. novit vulpecula quomodo poste- 
ritatem foveat suam ... Nach dem einstimmigen Zeugnis der einschligigen Literatur 
ist es nicht die Turteltaube, sondern der Fuchs, der zum Schutz seines Lagers gegen 
den Uberfall des Wolfes Meerzwiebelblitter verwendet’. wahrend die Turteltaube ihr Nest 
dureh [risblitter sichert”. 

Wir dtirfen wohl aus diesem Irrtum des Ambrosius schlieBen, dai in seiner Vorlage 
beide Mittel standen, wie es tatsichlich bei Neptunalios (27. 34) der Fall ist. Im tbrigen 
kehren von den 16 Antipathiemitteln des Ambrosius 9 bei Neptunalios wieder: 


Ambr. 222, 7. Neptun. 63. 
leo gallum et maxime album veretur. Aéwy adéxtopa PoBerra, (Kai) padtoTta 
AeuKov. 
Ambr. 222, 8. Neptun. 13. 
capra yulnerata dictamnum petit et de a& tokevbetoa Siktapvov éobier Kai TO 
vulnere excludit sagittas. Bédos éxBadreu. 
Ambr. 222, 10. Neptun. 4. 
leo aeger simiam quaerit. ut devoret quo Aé€wv vooov TiOnkov éaOiet. 
possit sanari. 
Ambr. 222, 10. Neptun. 18. 
leopardus capreae agrestis sanguinem bibit mapoads vorovea aiyos aypias aiua rivet. 
et vim languoris evitat. 
Ambr. 222, 12. Neptun. 7. 
omnis fera aegra canis hausto curatur san- mavOnp voo@y aiua Kuvos Trivel. 
guine. 
Ambr. 222, 12. Neptun. 12. 
ursus aeger formicas vorat. apkTos vooovca puppiddvas éoOier. 
Ambr. 222, 13. Neptun. 20. 
cervus oleae ramusculos mandit. Vgl. 84, 3. Tpayerados voowy édaias KAddovs yAw- 
pous éo Bier. 
Ambr. S. 84, 4. Neptun. 31. 
lucustas quoque folia oleae adrosa liberant axpioes vooovoa édaias dvAAa éoOiovar. 
ab aegritudine. 
Ambr. 223, 17. Neptun. 27. 


Die Ubereinstimmung der ausgehobenen Mittel, die z. T. bis zum Wortlaut geht, 
wird hoffentlich fiir sich selbst sprechen; besonders hervorheben will ich noch, daf in 
dem Bericht tiber die Antipathie von Léwe und Hahn der Zusatz et maxime album* (se. 
gallum leo veretur) in der ganzen tibrigen Uberlieferung* keine Parallele hat. Dazu kommt, 





Neptnn. 27. Ach n. a. 136. Tim. Gaz. 5 (280.9) 4 (279. 19) Geop. XV 1, 7. 

Neptun. 34. Ael. n. a. 135. 

Der weie Hahn galt den Pythagoreern als heilig: Ael. v.h.1V 17. Vgl. Plin. n. h. 29, 123. 

4 Abgesehen von Ibn Zohr in seinem Livre des propriétés (Notic. et extr. Bd 23 S. 79) : 


ee 


Die Pvouwd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 35 


daB die sieben bei Neptunalios fehlenden Mittel sicher der Antipathieliteratur angehéren, 
da sie bei den Autoren, die Reste derselben erhalten haben, wie Plinius, Aelian, Dios- 
kurides, Timotheos von Gaza und den Geoponikern, wiederkehren, also urspriingliche Be- 
standteile eines und desselben organischen Ganzen bilden: 


Ambros. 222, 5. 


lupus si prior hominem viderit, vocem 
eripit et despicit eum tamquam victor vocis 
ablatae: idem si se praevisum senserit, de- 
ponit ferociam, non potest currere. Ygl. 
Ambr. in ps. 118 exp. (XV 1339), exp. Euang. 
sec. Lue. l. VIE 48 (XV 1711). 


Ambros. 84, 5. 


rubi folia superiecta serpenti interimunt 
eum. Wohl Irrtum des Ambrosius. 


Ambros. $4, 6. 


culices non tangent te, si absenti herbam 
cum oleo coquas et eo te perunxeris. 


Ambros. 223, 5. 


quid dicam alio homines delectari et illud 
ad escam sumere, quod leopardus fugit. Vgl. 
Konrad von Meg. 145. 


Ambros. 223, 13. 


ieiuni hominis sputum si serpens gusta- 
verit, moritur. Vgl. Konrad von Meg. 261. 


Geop. XV 1, 8 (aus Pamphilos): 

6 AUKOS Tpoopev TOV avOpwrov acOeEvE- 
orepov avtov Kai adwvov toe. ws 6 [MAd- 
tov év tats [odrelas aitov drow: oes 
O€ mpoTepos 6 AU’Kos avTOS aobevéaTEpos 
yivera. Tim. Gaz. 7 (281, 8). Suppl. Arist. 
88, 10. Plin. VII 80 (aus Varro nach August. 
civ. dei 18,17). Sol. 2, 35. Isid. XII 2, 2 
(aus Serv. Eel. 9, 54 u. Ambros.). Konrad 
von Meggenberg 8.147 aus Ambrosius, Hex. 
VI 4, 26. Der tosco-venez. Bestiarius c. 16° 
(ed. Gotpstatp u. Wenpriner 8. 316) hat 
diese Angabe aus Timotheos. 


Geop. XV 1.15. 
dis Ovnoke Spvos PvAAwy éw1BAnBevTwv 
avT®@. Quelle Demokrit nach Geop. XIII 8, 5. 


Plin. XXVII 52. 


culices ex oleo perunctis abigit (absin- 
thium) et fumo, si uratur. Divse. m. m. III 
23 (32,1): doxet dé Kai (se. TO awivAov) 

. Grehopevov TE pet EAaiov KOveTTAS Kw- 
Avew (aus Niger-Krateuas). Aetius XII 42. 
Theoph. Non. 265. Philum. 12. 


Plin. XX 50. 
serpentes abigit et scorpiones odore (se. 
alium —- okodpodoy), atque. ut aliqui tradi- 


dere, bestias. 


Geop. XIII 8, 5. 


Anpoxpitos 6€ dnow odw ... Ovijoxey ... 
aoitov Twos eis TO OTOMA aVTOV eEuTTI- 
cavtos. Ael. Il 24 (aus Pamphilos): éyw ei 
AdBors kai avy evAaBws TE Kai &yKpaTos 
TOU TpaynAov KaTaoyOIs Kai ClacTtioas TO 
oToua eiTa aUTa TpooNTVT ELAS, Es THY YNOvV 
KatoNoOaiver TO mWTVaAov, Kai yiveral oi 
TOTOUTOV KaKOV ws ONTEW TOV Ey. Tim. 
Gaz. 39 (295, 3). Plin. NAVI 35.38. VIL15. 


5* 


36 M. WeLiwayny: 


Ambros. 228. 20. Tim. Gaz. 25 (288, 27). 


formidabilis tauris helefantus murem timet. oTt PoPovvTa Tovs yolpous Kai TOUS was 
(se. eA€avres). 


Plin. VI 29. 


animalium maxime odere murem (sc. ele- 
phanti) et. si pabulum in praesepio positum 
attingi ab eo videre. fastidiunt. Daraus Sol. 
25.9. Isid. NIT 2, 16. 
Ambros. 228, 21. 


leo quidem rex ferarum exiguo scorpionis 
aculeo exagitatur et veneno serpentis occi- 
ditur. Vgl. Konrad von Meg. 8. 143, 13. 


Ist somit an der Herkunft dieser Partien des Ambrosius aus den ®vowd des Nep- 
tunalivs nieht mehr zu zweifeln, su erhilt meine vbige Annahme, daB uns dies Werk 
nur im Exzerpt vorliegt. dadurch eine urkundliche Bestitigung, und wir kénnen uns 
nunmehr auf Grund der aus Ambrosius gewonnenen Bereicherung seiner Pvowd mit 
gréBerer Zuversicht der Frage nach seiner Quelle zuwenden. Der Traktat' gliedert sich 
in der Hauptsache in zwei Abschnitte, von denen der erste (1---51) die Mittel behandelt, 
welche die Tiere zum Schutz gegen Krankheit oder ihnen feindliche Tiere gebrauchen, 
der zweite sonstige auf Antipathie bzw. Sympathie beruhende Eigentiimlichkeiten von 
Tieren, Pilanzen und Steinen in buntem Gemisch enthalt. Fiir unsere Frage ist die Be- 
merkung von groBer Wichtigkeit. die dem Verfasscr in der Vorrede, welche die Wid- 
mung an einen KpaTiaT os Sextus enthalt, tiher seine Vorlage entschliipft ist: TEpiToov 
6é pow doxer avépt mdon madela Kexoopnpevy piooddous Kai TouyTas Kai pavrels eis 
HapTuptas Trapeyelv, OTL TA péyloTa TOV Beparcevpdtov errwoais Kal TepidTTos Kal TEpt- 
ypiotos Kata avtidbeav Oepameveru. Danach war die ( Juelle, aus der er seine Schrift 
kompilierte, ein gelehrtes Buch, in dem nach léblicher Grammatikersitte der guten alten 
Zeit Philosophen, Dichter und Seher als Gewiéhrsleute fiir die mitgeteilten Antipathic- 
hzw. Sympathiemittel angefiihrt waren. Legt schon diese Charakterisierung der (Quelle 
die Vermutung nahe, dali es sich um niemand anders wie um den Landwirtschafter Pam- 
philos handelt, so wird diese Vermutung zur GewiSheit erhoben durch die Ubereinstim- 
mung mit den Bruchstiicken, die uns von den ®vouwa? des Pamphilos durch Geop. XV 
1,6 wid Aelian erhalten sind: 


Geop. XV 1, 6. Neptun. 72. 

Ilaupitvos 6€ év TO Trepl Puoikov pnow, iNTOS vapkKa éeTr1Bas iyvn AUKov Tpdc gata. 
ott AtKwv TaTHoavTes Uo. vapkoor Ta Vegl. Ael.n.a.I 36. Plin. XXVIII 157. 
oKeAn. 

Ambros. Hexaem. 
Geop. AV 1, 7. Neptun. 75. 223.17 Seh. 

AvKos oKIAANS Oryov oTa- NUKOS akWHTEL TKIAANS AUTO turtur nid suo. ne pullos 

ta OOev of aAwTeKes TOIS TpoTeveyBeions. 27. dAWTEKES  suss incurset lupus, scillae 





t Vel. Wenpticn a. a. O. 39f. 


2 


2 Vel. Hermes 51. 50f. 


Die Buokd des Bolos Demokritos wl der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 3 


powdeos avT@v oKiddav Ta- 
iy 
pat@evtca die tovs AUKOUS. 


Ael. n. 


Geop. XV 1.8. 

6 AUKOS Tpoopav Tov «vO perov ao bevéorte- 
pov avuTOV Kal aeovov toe, ws 6 [Mato 
év tas fodreias avtou dyow: odbeis dé 
TpOTEpos 6 Akos aUTOS do Hever TEpos yivEeTcu. 


Geop. XV 1, 9. 
N€wv emyBas Tpivov TreTdXois vapKa: o- 
Berra Kat TOV cNEKT puovee Kai Tov bOdoyyov 
avTou Kav ty abtov, pevyer. 


Geop. XV 1. 14. 

Kapxivos TpoceveyGeicns avT@ moNUTFOCOS 
TAEKT VHS (Boravys ed.) cmoBddnNet Tas yAds. 
voKTepides Kiccov Bupwpévov OvijrKovet. 
yurres camroAAvvTa ptpov oop. 


Geop. NV 1.15. 
’ , ” ~ wv dhs 
ov kunfyoeTa odis TTEPOV iPEews avTO 
ETL PLPEVTOS. 


Gieop. XV 1.18, 


TeAapyo. tAaTavou PvAAa Tals veoTTiais 
évtGéaot Oa Tas vuKTEpioas. 


(reop. AV 1. 19. 

yerwoves out Tas owdas oéAwov évti- 
Géac, patra ddgvnv, KipKol aypiav Fpwa- 
KWHV, ApTrat KiTdoY, Kopakes ayvov, emoTrEs 
QOlaVTOV, KOPOVAL TEPLOTEPEGVa TOV UTTIOV, 
Kopvool aypworTw Kiya pupowny ... 
Epwoiws KapKivov, aeTos KaAXiTpLyov (Ver- 
sehen). 


oxithAyns pvAXa (oKidAras PvA- 
Awv ed.) evtievtra tos do- 
Eots Ota TOUS AUKOUS. 


a. I 36. 


ri 


folia superiacit. novit enim 


quod huiusmodi folia lupi 
Vel. fugere consuerunt. 
Neptun. bei Ambros. S. 222. 5. 
lupus si prior hominem viderit. vorem 


eripit et despicit cum tamdquam victor vocis 
ablatae: idem si se praevisum senserit, de- 
ponit ferociam, non potest currere. 


Neptun. 60. 
A€wv Erisas pivov PvAdols NevKoLs vUpKA. 
Veh thy vel 3h; 


Neptun. 63. 
A€wv Gréxtopa Pofeira (Kai) pdduora 
Aeuxov. Ambros. S. 222.7. Aelon.a. HE 31 


Neptun. 70. 
Kapxive ToAUTous étv TAeKTdvyy EeriOH, 
TOUS O0OVTUS CTrOPAaNAEL. 


velo ae EE “Fs 
evwdia 6€ Kai wipov yuYw atti Gavarov. 


Neptun. 81. 
, , & 
TTEpa (Bews TravTes Odes Cesoikact. 
na. To 38s 


Ael. 


Neptun. 35. 
\ . am , ‘ £ 
TeAapyot oatouv yeNwvys Kat TAaTAVOU 
: a ec ake : 
pvAra eéevtiPéace (se. Tats veoTTudts) Cue TAS 
vuxtepioas. el. n.a. 1 37. 


Neptun. 45. 
xedtdoves EAXadou Tplyas 
evtiBéaon). Ael. n.a.T 37. 


Kal wéAwov (se. 


Neptun. 28. 
pdcoa oapvys Pvdda TH vorowd (ev)Te- 


Géact Kai CiadvAdtTovet Tots veoocors. 
kel De Bek. 25: 


Neptun. 29. 
lepaé KiPKOS (@UPAVWTTOV Mypias noni: 
Ta akpa éobier Xela 1-35 


38 M. WELLMANN: 


Geop. XV 1, 28. 
4 payvntis Gos rot oOnpitis EPEeAKET AA 
Tov olonpov. 
Ael. v. h. [ ro. 
ai 6€ (se. aires) BAnDeroa Tapay pnya Tijs 
OukTapvou Bor dvns OleT payor. Kal apa TO 
yevoaurQ@u ora éxeivais Ta Bédn éxtrinre 
(aus Pamphilos). 


Ael. veh. I 9. 

Aéovta SE vorovvTa TeV HEV G\AwY OvdEV 
ovivnct, Pappakov O€ €OTW AUTO TIS vooou 
Bpwbeis mi8nkos (aus Pamphilos). Vgl. el. 
n.a. V 39 (aus Juba, vgl. Plin. VII 52). 


Ael. n. a. VI 3. 
dtav d¢ av mdAw h TeTANpwpEevN (sc. 7H 
cpxTos), pupynkov éoOie Kai KevouTa paoTa 
(aus Pamphilos). 


Vel. Ael. n. a. Il 24 (aus Pamphilos) ~ Neptun. 
Dureh die yorstehende Untersuchung ist der sichere Nachweis erbracht, 


Neptun. 37. 
Ael. n.a. I 35. 


vw * ba ¥ 
éromes adtavtov TiMéact. 


Neptun. 33. 
Kopwvn dé TepiorTEepew@va Htot iepav Bo- 
tavyv. Ael.a.a. O. 


Neptun. 25. 
x ~ ” ’ , ‘ a 
Kopvoadndos vooev aypwoty éoGie Kai TH 
a ’ Ae Se ” 7 
vooold av’Tov Guolws Tiv aypwotw évTi- 


Onow. Vel. Ael. a. a. O. 


Neptun. 50. 
kiyda pupoivny (se. évtiOnor TH KaNId). 


Neptun. 16. 


épwo.s vooav Kapxivov éoGie. Ael. a. a. O. 


Neptun. 77. 
payvns AiBos EAxer oidnpov. 


Neptun. 13. 
aé toktevOeica OikTauvov éobiet Kai TO 
Bédos ExBdArNe. Ambros. 222, 8: capra vul- 
nerata dictamnum petit et de vulnere ex- 
cludit sagittas. 


Neptun. 4. 

Aéwv vooev tiOnkov éxOier. Ambros. 222, 
10: leo aeger simiam quaerit. ut devoret 
quo possit sanari. Vgl. Tatian, Orat. ad Gr. 
18 (20.12 Scu.). Philostr. vit. Ap. II 4. 
Horap. 11 76. Tim. Gaz. 51 (299, 26). Georg. 
Pis. Hex. 942. August. ad fratres in eremo 
s. 55 (XL 1338 Mienr). 


Neptun. 12. 
apkTos vooovoa pupuddvas éo ble. Am- 
bros. Hex. 222, 12: ursus aeger formicas vo- 
rat. Vgl. Arist. h. a. VIII 55. Plut. de soll. 
an. 20 p.974B. ait. phys. 26. Plin. n. h. 
Vill ror. XNIX 133. Sext. Emp. p.h.157. 
August. ad fratres in eremo s. 55 (XL 1338). 


bei Ambros. Hex. 223, 13. 
daB Nep- 


tunalios aus Pamphilos geschépft hat. Seine @voixd sind also zu rekonstruieren mit Hilfe 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. 1. 39 


der Geop. XV 1, 6f, des Aelian n. a.. des Neptunalios und des Ps. Demokrit, dessen Vor- 
lage Anatolios gleichfalls auf ihn zuriickgeht. Natiirlich kann uns Pamphilos, der auf 
diesem Gebiet der Physikaliteratur nur Kompilator war, als Quelle nicht geniigen: wir 
miissen weiter zurtickzukommen und die Urquelle dieser abergliubischen, mystisch-ma- 
gischen Gelehrsamkeit aufzudecken suchen. 

In der Tat finden sich Spuren dieser Antipathielehre schon bei mehreren Alteren 
Autoren, vor allem bei dem Grammatiker Didymos-Plutarch und Juba’. Bekanntlich hat 
sich Plutarch in seinen Tischgesprachen wiederholentlich mit den merkwiirdigen Tatsachen 
dieser Lehre auseinandergesetzt”. DaB er in dieser Schrift die Luutrooakd des Didymos 
benutzt hat, gilt wohl heute fir ausgemacht*. Da die von ihm besprochenen Sympathie- 
bzw. Antipathiemittel nicht auf die Tierwelt beschriinkt sind, sondern auch Ptlanzen' und 
Steine’ umfassen, so ist die SchluBfolgerung unabweisbar, die schon H. Diris (Vorsokr. II” 
126, 27) gezogen hat, daB8 mit den of tas avtimabetas OpvAovvtes, die Plutarch-Didymos 
(II 7 p. 641B) als Quelle anfiihrt, Bolos-Demokritos gemeint ist, auf den das halb veracht- 
liche OpvAovvtes vortrefflich paBt. Bestitigt wird der Schlu®B dureh Plutarch Il 1, 3 
p- 647B: of 6€ Kai THy GueOvorov oidpEvor TO TPOS TAS OivwcEs BonDEtv aUTIV TE KAL THY 
er@vupov avtys Nov ovTw KexAnoOa Sianaptdavovot KeKANTAL yap aTO THS ypoas éExaTépa. 





' Die Zusammenstellung bei Plin. n. h. VIL 97 —101 iiber die medicinae ab animalibns repertae (vel. 
Plut. de soll. an. 20 p.974B. Ps. Arist. h. n. IX 6. 42f) hat mit Bolos-Demokritos (Mivzer, Beitrage zur 
Quellenkr. des Plin. 419) nur entfernt etwas zu tun. Quelle war ein Lateiner, wie wohl aus den lateinischen 
Pilanzennamen (cunila bubula § 98, aber innerhalb desselben Paragraphen auch origanon, § 99 iuniperi spinis. 
lactuea silvestris) geschlussen werden darf. Man denkt natiirlich zunachst an Varro. dem derartige Zusammen- 
stellungen lagen. Doch erregt Bedenken. da8 Varro in Ubereinstimmung mit der landliutigen Uberlieferung 
von den kretischen Ziegen erzihlt hatte (Valerius Max. 18.18. Vgl. Mtxzer a. a. O. 114). was Plin. VIL 97 
(=| XXV 92. Michael Glvk. ann. 1S. 95. 8 nach Aelian?) von den Hirschen berichtet. daB sie durch den Ge- 
nuB von Diptam die Pfeile aus den Wunden entfernen. Im iibrigen beruht die Zusammenstellung in der 
Hauptsache auf peripatetischer Tradition (VIII 97: idem-medentur ~ Ps. Arist. h. a. IX 5. 39. VIII 08 (testudo) 
~ Ps, Arist. IX 46. VIII 98 (mustela) ~ Ps. Arist. IX 47. Plin. VIII 98 (ciconia) ~ Ps. Arist. IX 48. Plin. 
VIII 99 (anguis) ~ Arist. VUE 114. 113. II 84. VIIE 100 (pantherae) ~ Ps. Arist. IX 42. Plin, VIIE ror (ursi) 
~ Arist. VIIL 55), in die. wie es scheint. demokritisches Gut hineingearbeitet ist (PI. VIII 97 chelidonia ~ 
Nept. 52. Plin. XXV 89. Diosc. m. m. If 180 (251.15) u. 6fter. Pl. VII 98 apri ~ Nept. 2. Tat. ad Gr. 18 
Plut. ait. phys. 26. Pl. 32. 55 u. dfter. Pl. VII 99 anguis-feniculam ~ Nept. 22 u. dfter. Pl. VUE ror enthilt 
neben demokr. Gut Unica. 

2 Weitere auf Sympathie beziigliche Notizen stehen bei Plutarch de invidia et odio c. 4 p. 537B ait. 
phys. 26 p. 918B. coniug. praec. 44 p. 144 Cf. 

3 Vel. M. Scuwpr. Didymi Chalcenteri fragmenta S. 370f. Wiramowrrz, Antig. r. Kar. 215. Hrrzer., 
Dialog II 225. E. Ronpve. Griech. Roman? 486A. 2. 

4 Vol. Dr. 4 p: 614B (PBotyAwroov. Teprotepedv, actavtov). Ochsenzunge. in Wein getan, macht frohlich: 
desgleichen. wenn man den Boden des Symposionzimmers mit einem AbguB von Eisenkraut oder Frauenhaar 
besprengt. Diese Wirkung der Ochsenzunge kennt auch Diose. m. m. IV 127 (daraus Gal. XI $52). Plin. 
XXV 81 (daraus Ruodlieb, Roman II 27, S. 210 Srimer): Ps. Apul. 42. Isid. XVIT 9. 49. Vom zeprotepedy ~ 
iepd otavy berichten dasselbe D. m. m. IV 60 (215. 4). Plin. XXV 107. In beiden Fallen ist die Quelle Kra- 
teuas (Niger). der wie Didymos den Bolos benutzt hat. Vgl. Plut. q.s. U1 1, 3 p. 647B itber ducOvetos Boravy 
(nach Ps. Apul. 87 das kvvoxepadiov, das bei D. m. m. II] 130 avrippwov heiBt) —- 16.4 p. 624C (5 bis 6 bittere 
Mandeln vor dem Symposion genossen verhiiten den Rausch). Bekanntes Svmpathiemittel nach Plin. XXIII 14s. 
D. m. m. 1123 (113.8) simpl. I 24. Ps. Gal. XIV 540. Geop. VII 31. DaB Fiichse nach dem Genu8 von 
bitteren Mandeln sterben, wenn sie nicht gleich darauf Wasser saufen (Plut.1 6 p. 624F). berichten auch 
Plin. XXUD 145. D. mm. I 123 (113.8) d. bh. Krateuas. Nach Neptun. 68 wird der Hund dureh den GenuB 
eingeschlifert. — Vo p.684D (Sympathie von Raute und Feigenbaum) ~ Plin. XIN 136. D.m. m. HI 45 
{57,2}. Pallad. IV 9, 14 — IV 2,1 p. 664C (Feigenbanm vom Blitz verschont = V 9 p. 684(, ebenso Morchelni. 
Zu PBodpoivgl. Theoph. Nonn. 260. Zur covey Geop. XI 2,7. Theoph. Nonn. 260. Ioh. Lyd. d. ost. 45 — VII 2. 2 
p- 700k (wilde Feigen verhindern das Abfallen der Friichte und beférdern das Reifen, wenn man sie an 
zahme Feigen hiingt). Diese Theorie des Capriticiereus stammt aus dem Peripatos (Arist. hh. a. Vc. 32. 146. 
Theophr. h. pl. IT 8, 1. c. pl. Il9,5. Plin. XVII 255. XV 81. Ps. Democrit 20 — VII 2.2 p. jool (iiber 
das Sien und Pflanzen von Eppich und Kiimmel) ~ Theophr. h. pl. II 4.3. ¢. pl. V6.7. Plin. NIX 158. 
Colum. IX 3, 34. Pall. V 3. Geop. XII 23,2. Theophbr. h. pl. VII 3, 3. 

5 So handelt Plot. 117, 1 p. 641C vom wAextpov und oéypims AfMos und Ill 1.3 p. 647B vom apuébvoros. 


40 M. Weritwany: 


Die Herleitung des Namens Amethyst von der Wirkung des Steines, gegen die Plutarch po- 
lemisiert, stammt tatsichlich von den Magiern, d. h. von Demokrit’ nach Plinius (ANXVI 124): 
Magorum vanitas ebrietati eas (sc. amethystos) resistere promittit et inde appellatas. Aus 
diesen Worten fallt zugleich Licht auf die Geistesrichtung des Bolos: er war trotz seiner 
ausgesprochenen Vorliebe fiir Naturwissenschaften und Aberglaube doch im Grunde des 
Herzens ein Grammatiker vom reinsten Wasser. 

Der Grammatiker Didymos also hat sein Sympathiebuch selbst in Handen gehabt, 
wie tiberhaupt die Autoren des 1. Jahrhunderts v. Chr.: Krateuas (fir Botanik), Cassius 
Dionysius (ftir Landwirtschatt), Matrodor von Skepsis (fiir Mirabilien), Poseidonios, Nigi- 
dius Figulus, Varro und Anaxilaos aus Larissa. Das gleiche gilt fiir Juba. Dieser maure- 
tanische Fiirst, der in Rom eine sorgfiiltige Erziehung genossen hatte und literarisch stark 
interessiert war. hat auch tiber naturwissenschaftliche Dinge viel geschrieben. Seine geo- 
graphischen Werke iiber Libyen und Arabien waren voll von Bemerkungen itiber die 
Fauna und Flora der fremden Linder. Man merkt es dem Kénige an, daf er die Jagd 
als Sport getrieben hat: eigene Beobachtungen, die er in seine Darstellung einflechten 
konnte (Ael. n. a. TX 58. VIL 23), beweisen es. Ein klares Bild von seiner Arbeitsweise 
auf diesem Gebiet gibt die Abhandlung von Sprencex* tiber die (Juellen des dlteren Plinius 
im 12. und 13. Buch der Naturgeschichte. Mit Recht hat man seine Schriftstellerei mit 
der des Alexander Polyhistur verglichen®. Er war wirklich wie dieser Autor ein Viel- 
wisser. ein Kompilator, aber nicht so kritiklos wie dieser. Er ist bemtiht gewesen, seine 
(Juellen durchweg gewissenhaft anzuftihren. und in allen zoologischen Fragen galt ihm 
Aristoteles als héchste Autoritit. Ein hervorstechender Zug seiner zoologischen Arbeiten 
ist das Streben, die sittlichen und geistigen Fahigkeiten der Tiere besonders zu betonen'. 
Nicht ohne Grund hat man’ diese Eigenart mit den neupythagoreischen Neigungen 
dieses kéniglichen Dilettanten in Verbindung gebracht. Schon Hrirzri" hat mit Recht 
aus dieser Eigenart auf die Existenz einer tierpsychologischen Schrift des Juba geschlossen. 
Den Beweis werde ich spater erbringen. Hier interessiert uns sein Verhiltnis zu Demo- 
krit (Bolos). In Frage kommen die zoologischen Biicher der n. h. des Plinius (VIM-—XI) 
und Aelians Tiergeschichte. Daf er den Demokrit gelesen und benutzt hat. folgt aus 
Plin. n. h. VU 61 (vgl. X 207). der den Demokrit als Gewiihrsmann fiir das Marchen von 
der Liebe und Dankbarkeit eines Drachen zu einem arkadischen Knaben (Thoas) zitiert. 
Die Wiederkehr desselben bei Aelian n. a. VI63 (vgl. v. h. NII 46) sichert unsere Her- 
leitung aus Juba. Von Ubereinstimmungen des Plinius (Juba) mit Neptunalios (Pamphi- 
los). die natiirlich aus Benutzung derselben (uelle (Bolos) zu erkliren sind. lassen sich 
nur folgende nachweisen: 

Plin. nh. VHT 29 (Antipathie yon Elefant und Maus) ~ Nept. bei Ambros. Hex. 228. 20. 
Tim. Gaz. 25 (288, 27 H.). 

Plin. n. h. VIE 52 (Antipathie von Léwe und Hahn. Feuer. hewegte Rider. leere 
Wagen) ~ Nept. 65. 63. 

Plin. on. h. VUE 52 (L6we und Affentleisch, Syimpathie) ~ Nept. 4. 

Plin. n. hb. VI rog (Marchen vom Biber. der sich bei der Verfolgung die Hoden ab- 
heift) ~ Nept. 75. 

Dazu kommen folgende weitere Bruchstiicke des Demokritos. die sich auf Grund 
anderer Uberlieferung fiir ihn (Juba) gewinnen lassen: 








' Vol. Heliodor Aeth. Vii3- Plat. quom. adul. poet. ete. p. 15 B. 

2 Rh. Mus. 46 S. 54. * Vel. dacony bei P. W. IX 2388. ! Fig. 31-36. 

* Zeuver, Phil. d. Gr. Wl 2* 8. rr2. Usrner. Kl. Schriften Uf 51. Scsemm, Lit. d. Alex. I qre. 
P. W.IX 2387. Hirzer. Dialog I 179 A. 

68 Hirzer a.a. 0. 


Die Pvorxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. 1. 


I Plin. VII 79. 

atque huic tali monstro (se. basilisco) ... 
mustellarum virus exitio est: adeo naturae 
nihil placuit esse sine pare. inferciunt has 
cavernis facile cognitis soli tabe. necant 
illae simul odore moriunturque, et naturae 
pugna conficitur. Aus Juba nach V. Roser. 
Ar. Ps. 352. Auch seine Beschreibung des 
Basilisken (78) stammt aus Bolos. 


2 Plin. X 4o. 

pullos in eavis educant (se. pici Martii, 
OpuvokoAdrTa) avium soli. adactos caver- 
nis eorum a pastore cuneos admota quadam 
ab eis herba elabi creditur rilgo. Daraus sid. 
AH 9:47" 


Herm. Trism. Komp. S. 
dpvokohdnths, oi oe 
otpovbiov isyupdoTopov. Omep oTav TiKTH 
UmrO KEeve@va Opvos TikTEl. EdV OUV TIS META 
Aiov dvappaEn tHv vooouy abou, ws Gé- 
New jj perce Evrov i} pera TreTaAOVU on pov 
Kai dvayeopyioy. EpyeTau 6 OpvoKxohdrrns Kat 
pepe Boraviy HvTWa ywuokEe Kab TPOTTL 


87, 30 MEny. 
Sevdpoxohdariy, 


Geis avoiEe mavta (Ta) kNelWpa. Vgl. Herm. 
Kup. S. 15. 16. 
3 Plin. X 109. 


ob id eum iis (se. cohunbis) habenda est 
avis quae tinnungulius vocatur: defendit enim 
illas terretque accipitres naturali potentia in 
tantuin, ut visu vocemque eius fugiant. 
hac de eausa praecipuus columbis amor eorum, 
feruntque. si in quattuor angulis defodiantur 
in ollis novis oblitis, non mutare sedem co- 
lumbas. 


4 Plin. AL go. 

magnain adyersitatem (avtaraGeav) oleo 
mersis (se. seorpionibus) et stellionibus putant 
esse. Vl. Plin. NXXIN go (aus Demokrit). 
Aelius Diomuns Sitzungsber. d. Berl. Akad. 
XAAVI (1908) S. 776, 4. Serib. Larg. 164. 


4] 


Bolos-Demokritos (bei Roupr, KI. Schr. 1397). 

avtimabis 66 TO Kwddy (i. e. BaciWtoKe) 
éoTw i KaTolkidlos yadéa’ Ta’THS yap oUTE 
thy bop (hboviv Has.) ee TO €l0os Pépet, 
aQAnN evO@vus amodAuTa. ei CE Kal T pos TO 
porep evpou. Saonapdooe TOUTOV 1] yaréa. 
auTn THs avTorabelas H évépyea. 


Plin. NXV 14. 

dixit Democritus, eredidit Theophrastus 
(ubi?), esse herbam, cuius contactu inlatae 
ab alite qua retulimus (X 40) exiliret cuneus 
a pastoribus arbori adactus, quae etiamsi 
fide carent, admirationem tamen implent co- 
guntque confiteri multum esse quod vero su- 
persit. Vgl. Plin. SXNVE 1S: chondridis (d. h. 
pseudodictamni Pl. XXV 93) tactu’ clausa 
omnia aperiri. 

Aclon te F 45: 

To Cwov 6 SpvoKxoddnris é& ov ope Kal 
KexAnT At - . ovKoUV Ef TIS ALGov (se. TH Kane) 
evOels emppd&ete TO OPvew TO ‘T poeipn|pEevep 
THv eoovow, 0 6€ cup sarov THY emmy SouAgy 
Kouifer moav éySpav TO NiHw: 0 de ota Ba- 
povpevos Kai pi) pépwv EEdANETAL, Kai avéw- 
yev avis n piry vrodpomy. Vegl. Dion. 
de av. I 14. 


Colum. re x0  8. Fs 

id ne fiat (d. h. da die Vauben ihren 
Schlag verlassen), vetus est Drmocriti: prae- 
ceptum. genus accipitris tinnunculum § vo- 
cant rustici. qui fere in aedificiis nidos facit. 
eius pulli singuli fietilibus ollis conduntur. 
spirantibusque opercula superponuntur et 
gypso lita vasa in angulis columbarii sus- 
penduntur: quae res avibus amorem loci sic 
conciliat, ne unquam descrant. 


Geop. ATE 9, 7 (aus Demokrit). 
avtindBeav € Exel ) “ioeadapeorns pos TOV 
oKopTtiov’ éav ovv Tis eis EAaLOV THEAS TOV 
aoKaAacwTHy ék TOV EXaiouU xpton TOV TAH- 
yéevta, amadAdooe THs OOvvHS. Ael.n.a. VI22 
(aus Demokrit). Gal. XIV 243. SOD: 45. 





1 Diese Sage ist sicher indischen Ursprangs. 
S. 543. W. Scuwariz, Indog. Velksglaube 5. 69. 


Phil.-hist. Abh. 1928, Nr. 7 


Vel. De Geserxaris, Die Tiere in der indogerm. Myth. 


43 M. Wettmann: 


5 Plin. VII 34. elephantis frigidissimum esse sanguinem; ob id aestu torrente prae- 
cipue draeconibus expeti. quam ob rem in amnes mersos insidiari bibentibus coortosque 
inligata manu in aurem morsum defigere, quoniam is tantwm locus defendi non possit manu. 
dracones esse tantos. ut totum sanguinem capiant. itaque elephantos ab iis ebibi sieca- 
tosque concidere et deracones inebriatos opprimi conmorijyue (Juba). 

Plin. NXNUZT 115: (rubricam) milton vocant Graeci, miniumyue cinnabarim. unde natus 
error Indico nomine. si¢ enim appellant illi saniem draconis elisi elephantorum morientium 
pondere permixto utriusque animalis sanguine. ut diximus (Juba). Vgl. Miyzer. Beitriige 
zur Quellenkritik der Naturgesch. des Plinius 413. Urnicus. Die Quellenregister zu Plin. 
letzten Biichern S. 4. 


6 Plin. VII 188 (aus Celsus): Demokrit hei Colum. r. r. VI 28: 
dextro teste praeligato feminas generat quae (se. proles equorum) sive ut foemina 
(sc. aries). laevo mares. sive ut maseulus coneipiatur. nostri arbitril 


fore Democritus affirmat, qui praecipit, ut, 
cum progenerari marem velimus. sinistrum 
testiculum adinissarii lineo funiculo aliove 
quolibet obligemus. cum foeminam dextrum. 
idemyue in omnibus pene pecudibus facien- 
dum censet. 


Durch diese Pliniusstellen gewinnen wir nunmehr festen Boden fiir die riehtige Er- 
kenntnis dessen, was sonst noch an demokritischem Gut in seinen naturwissenschaftlichen 
Biichern steckt. Das wichtigste Kriterium bildet das sympathetische bzw. antipathetische 
Element, das dreien dieser Bruchstiicke gemeinsam ist: Antipathie von Basilisk und Wiesel, 
von Turmfalke und Habicht, von Mauergeko und Skorpion. Dazu kommt Ubereinstimmung 
mit Schriftstellern, deren Bekanntschaft mit Bolos notorisch ist, wie Aelian, Neptunalios 
und Hermes Trismegistos, sowie Verkniipfung von landwirtschaftlichen und medizinischen 
Notizen mit der jaturwissenselaftlichen Uherlieferung, also Ubercinstimmung mit den 
Geoponika. Endlich ist ein rein formales Kriterium von Wichtigkeit, das ein Austlu8 
der grofen Zuriickhaltung des sonst fiir Mirabilien begeisterten Plinius gegentiber den 
Wundergeschichten des von ihm irrtiimlicherweise mit dem Abderiten identifizierten 
Bolos Demokritos ist, die Einleitung der aus ihm entnommenen Notizen mit Ausdriicken 
wie ferunt, narrant, si credimus, vulgo creditur u.a. Das ist bekanntlich die Art, wie 
Plinius auch sonst, inshbesondere in den Biichern 28 ff. tiber die magischen Notizen des 
Bolos Demokritos referiert’. Bolos galt als Wortfiibrer der volkstiimlichen, auf Aberglauben. 
Mystik und Magie beruhenden Richtung der antiken Naturwissenschatt im Gegensatz zum 
Peripatos. als dvoixos Kat e€oyijv, als der er vielfach mit BewuStsein die peripatetischen 
Errungenschaften ignoriert und auf die vorperipatetische zoologische Literatur, auf Alk- 
maion. Herodot, Herodoros aus Herakleia, Ktesias, Philolaos und Diogenes yon Apollonia 
zuriickgegriffen hat. Es ist das die hellenistische Richtung der Naturw issenschaft. die 
schon vor ihm <Archelaos in seinen /é:oduy" vertreten hat, der gleichtalls der spateren 
Zeit als @voues galt* und vou Bolos sicher benutzt seonden ist’. Wi ir sind voll und ganz 
herechtigt. solehe Notizen. die Plinius mit »vulgo creditur«, »vulgus eredit«. »yulgus 





1 So schon bei Cassius Dionysios nach Varre ror. D1.g. Vitray PX 5.4. 
2 PW. 11433. Wie weit Orpheus mit seinen “leopuy gewirkt hat. wissen wir nicht. 
; Stob. Flor. X a 
' Vel. Coliun. ror. TX ry.6 (entstehung der Bienen aus dem Mark der Rinder) ~ Archeluos (Varro rr. 
TIL 16. 4. Geop. XV 2. me Theoph. Sim. Dial. :1 (Fruchtbarkeit des Hasen) ~ Archelaos bei Varro rv. TL 12. 4. 


Die ®voxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos wus Larissa. I. 43 


existimat« einftihrt. dem Demokrit zuzuweisen, zumal diese Art der Einftihrung des Bo- 
los auch sonst in der rémischen Literatur nachweisbar ist. So fiihrt Celsus De med. IV 7 8.130, 


19 Dar. ein sicher demokritisches Mittel gegen Angina (Asche von verbrannten jungen 
Schwalben)’ mit den Worten cin: »vulgo audio« und ftigt zum SchluB hinzu: quamvis 
in monumentis medicorum non legerim. tamen inserendum huic operi mew credidi, natilich 
da Bolos nicht als Arzt, sondern als Physiker. wie auch bei Plinius galt. Und bei Caelius 
Aurelianus (A. M. TI 16, 137) heiBt es. nachdem der Vertasser ein gleichfalls aus Demokrit 
stammendes (vgl. [Il 16, 132) Sympathiemittel” gegen Iydrophobie angetiihrt hat: sed haec 
quae ru/yus per experimenta probata putat longe aliena ab arte monstrantur (Soran). 

Auf Grund dieser Kriterien lit sich manecherlei Gut des Bolos aus den zoologischen 
Biichern des Plinius gewinnen: doch das ist Sache einer Einzeluntersuchung. Ich kehre 
zu Aelians Tiergeschichte und Neptunalios zurtick. Der Prinestiner hat in seiner Schrift 
epi Cwwv eine Vorlage benutzt (ich vermute den Grammatiker Telephos aus Pergamon, 
Ael. X 42), in der das gesamte naturwisseuschaftliche Wissen in Ausziigen aus der ein- 
schligigen Literatur behandelt war. Diese Ausztige liegen in sciner Tiergeschichte trotz 
des Bestrebens des Verfassers, die zusammengehérigen Partien zu zerreiBen und auf’ ver- 
schiedene Stellen seiner Kompilation zu verteilen, bisweilen noch in ihrer urspriinglichen 
Anordnung vor. Das gilt nun auch fiir die Antipathiekapitel des ersten Buches (35— 38), 
zu denen walirscheinlich noch tolgende Kapitel gehéren: 145, 07. 31, 1V 23, VI 22. 36. 
45. 46. 63. Aut’ jeden Fall bilden die Kapitel 35— 38 des ersten Buches ein organisches 
Ganzes und sind als Ausziige aus ein und demselben Antipathiebuch (Pamphilos) zu be- 
trachten. Gelingt es nun, fiir eines der in ihnen behandelten Sympathiemittel eine be- 
stimmte Quelle nachzuweisen. so haben wir damit den Verfasser des ihnen zugrunde 
liegenden Antipathiebuches. In der Tat diirfen zwei Mitte] als sicheres Eigentum des 
Bolos-Demokritos auf Grund des knappen Fragmentenbestandes des Mendesiers gelten. 


Ael. 138. Geop. NII 8, 5. 
ANéyouat Oe Aiyiariot Kai TOUS Odes Trav- Anpoxpitos oé€ puow odw py KweioOa 
tus iBewov wrepa dedieva. Vel. Neptun. St. (ews mrepou érippupévtos avira. 


Dem. 35. 
re sel. Prom. 5..774,17W. Vel. Si30 Aca. 


AGos aeTiTHs O EéYKUOS TEplaTTOMEVOS 
7 


del. I 35. 
aeroi 6€ Tov Aov (sc. TpoBdAdAovTa.), 


domep ou €& attov aetitys KéxAnta /e- 
yeTa dé ovTos 6 AGos Kai yuvaEi Kvovoas 
ayabov eiva, Tats apPpA@oect TOAEMLOS wv. 
Vel. Plin. NNN 130. Neptun. 49. 


(se. pos pajtpas OAtoHov 7rotet). 


Aetius I 32: 


€K TOU Tre pl AGov Anpoxpirov. Aos 
aeriris 6 €v Te KWEioBaL nyov ATTOTEA@Y WS 
ETEPOU eyKupov ribou iTapXov, KATOXLOS 
euPpvov éotiv oTav odo Oipat @ wow ai UNTPAL 
TeplanTOMEvos Cpaylov apwTtepe. 


Nieht minder sicher sind auf iln mit Hilfe des Didymos-Plutarch folgende Mittel 


zurtickzuftihren. 


1 Ael. 136: 9 de Eyevnis eméyer Tas vas, Kai EE ov Toei KaAoUMEV avTiv ~ Plut. 


ae bell Fea p- Oe Ds wo Chaiemonianos von der Wirkung eines Kleinen Fisches, 


der 





1 Plin. XN gs: 
tisque aliis morbis humani corporis medentur. 


mom. 56. Simpl. 183 


XAAVIIL84. Serib. Larg. 172. 


3. Archigenes (Gal. NUly77. vel. 
+ Das Mittel hat die Antipathie von Hund und Hyine (Demokrit) zur Voraussetzung. 


hacnaes (sc. Hedin denuten ripariaram) vault ad cinerem ambusti mortifero faucium malo mul- 


Vel. Plinw nh. NNX 3 
359- 043) 


Koir. IT 99. 22. Diask. 
Scrib, Larg. 7o. 


Vel. Plin VIL roo. 


. Herm. Frism. 
rey eurm. a. 17 


6* 


44 M. WeELLMAXNN: 


eyevnis, Schiffe mitten in der Fabrt aufzuhalten, berichtet mit dem Bemerken, daf er 
das selbst erlebt habe. Xenokrates (Plin. XXXII 2f) und Plinius IN 79 (Juha?) bestitigen 
lie Herleitung dieser auf Antipathie beruhenden Wirkung des Fisches aus Demokrit. 
Der austtihrlichere Bericht bei Aelian n. a. I[17 stammt natiirlich mit Benutzung des 
Bolos aus derselben Quelle wie Oppian Hal. [212f, d. h. aus Metrodor von Byzanz oder 
Leonidas (Pamphilos). Fiir die christlichen Abhandlungen tiber das Sechstagewerk ist 
der Bericht des Basileios (XXIX 161C) maBgebend geworden, der wohl einer Sehrift 
flepi mpovotas. in der Pamphilos verarbeitet war, entnommen ist (das charakteristische 
e€ ovpias depopueva mAota des Basileios lesen wir auch bei Aclian Il 17 und bei Hermes 
Cyr. IV S. 108, 22 in der Wiener HWandschrift): aus ihm schépfen Eustathios (XVII 724 B), 
Ambrosius (S. 165. 20Scu.) und Michael Glykas (Ann. | S. 70, 3). Die Interpolation bei 
Aristoteles (h. a. Il 60 ~ Plin. IN. 79) stammt méglicherweise aus Bolos, dessen Spuren 
auch sonst in den Interpolationen des Aristoteles nachweisbar sind. Vgl. V 106. VIII 24. 
72. 81. 131 +62 u. éfter. Bei Timotheos von Gaza (Georg. Pis. Hex. 997) taucht der 
Name vavepatys auf. der in den Cyr. 1 31, 4 wiederkebrt.  Isid. NJI 6, 34 endlich kom- 
piliert Plin. XAXNIE 2 und Ambrosius a. a. O. 

2 Nel. 1 38: dppwdet 6 éXéhas Kepdotny Kplov Kai yotpov Bory ~ Plutarch q. s. IL 7 
p- 641C: pawdpuavov é\épavta kataraver Kpiws opbels (daraus Geop. XV 1. 3). Horapollo 
Il 85: éxetvos (sc. Aas) yap Bewpav Tov Kpiov devye. Sext. Emp. P. h. 1 58: hevyer 
dé Kpiov pev €Xéhas. Uber Antipathie von Elefant und Schwein vgl. Plut. iny. et odio 4 
p- 537: eikdrws 0 éyet TH A€ovTL TpOS TOV GAeKTpvdva Kal TO E€havT. Tpds THY bv 
pioos isyupov yeyevvnxeva Tov PoBov. de soll. an. 32 p. 981D. Horapollo Il 86: ékeivos 
yap akovwv dwvijs yoipov devye. Tim. Gaz. 25 (288, 27), daraus Georg. Pis. 963f. Se- 
neca de ira [1 12. Ael. n. a. VIII 28. AVI36. Vortrefflich paBt zu Bolos das von Aclian 
a. a, O. zum Beleg der Sympathie des Elefanten fiir schéne Frauen beigebrachte Ge- 
schichtechen von dem Elefanten als Rivalen seines Zeitgenossen Aristophanis von Byzanz 
(Plin. VII[ 13 aus Juba, Plut. de soll. an. 18). Es ist kein Zweifel, da® wir darin einen 
malizidsen Hieb des Bolos auf seinen heriihnten Rivalen auf naturwissenschaftlichem Ge- 
biete zu sehen haben. 

3 Ael. 1 38: ckrjxoa dé Kai éxewov Tov Noyov. AvKoordda olv wéEas Tis Kal Eproupyi)- 
gas Kui yiT@va Epyaoduevos AuTEt Tov oOnpévov' ddaEnopov yap épydera, ws Adyos 
~ Plut. y.s. Ug p. 642B. Nach Plutarch schmeckt das Fleisch eines von einem Wolfe 
getdteten Schates siiBer als anderes, und seine Wolle erzeugt Liuse (daraus Geop. XV 1, 5). 
Beide auf Antipathie von Wolf und Schaf beruhende Eigentiimlichkeiten lesen wir auch 
bei Timotheos von Gaza 7 (281, 20). Suppl. Arist. S. 89, 8; die letztere abgesehen von 
der Interpolation bei Aristotelis (h. a. VIII 72 ~ Plin. Al 115) in dem Sympathietraktat 
des Demokrit 25. 

AuBerdem weisen die behandelten Aeliankapitel an 4 Stellen nahe Beriihrung mit 
Plinius in den Biichern 20—28 und an einer Stelle Ubereinstimmung mit Apuleius auf. 
Bedenkt man nun, da® in jenen Biichern des Plinius Exzerpte aus Schriftstellern (Kra- 
teuas-Niger, Xenokrates und Anaxilaos) vorliegen, die simtlich den Bolos fir Sympathie- 
mittel ausgebeutet haben, aber von Pamphilos nachweislich nicht henutzt worden sind, 
und daB Apuleius nach dem tberzeugenden Nachweis E. Oprrs (Rh. Mus. 45, So) fiir 
dvoid gleichfalls auf Demokrit zuriickgegriffen hat, so ist die Annahme wahrscheinlich, 
daB diese Mittel gleichfalls dem Bolos gehéren: 

1 Ael. 1 35 (iiber den AtOos aetitns) ~ Plin. XXX 130, bereits im vorhergehenden 
auf Demokrit zuriickgefiihrt. 


Die Pvoxd des Bolos Demokritos und der Magier Anaxiluos aus Larissa. I. 45 


2 Ael. 1 36: tyvos d€ AVKoV TaTEl KaTAa TUYNY UTOS. Kai vapKH TeplEiAndev aiTov 
~ Plin. NNVII[ 157: tanta vis est animalis (se. lupi) praeter ea quae retulimus (VIII 80). 
ut vestigia eius caleata equis adferant torporem. Geop. AV 1.6 (Pamphilos): [Hapebiros 
de ev TO Tlepi hvoxov dyow, 6Tt AVKwV iyvy TaTHoOavTEs (TOL vapK@ot Ta TKEAH. Nep- 
tun. 72: Orqos vapka émBas tyvy NUKov Tpdcdata. lul. Africanus Keorol ¢. 13 (ed. 
Thevenot). Eine schwangere Stute verwirft in diesem Falle nach Plin. NN VIII 263. Ho- 
rapollo If 45. 

3 Ael. 137: ai dé vuxtepides, OTav avTos yertvidowor (se. TAaTAaVOU piAAOIS), VvaAp- 
K@OL Kal ylvovTa AvTew advvatoe (vgl. VI 45) ~ Plin. XXIV 44: platani adversantur 
vespertilionibus. Nept. 35. Demokrit 14. Geop. XVi1, 18. NIE 13. Sext. Emp. P. bh. 15s. 

4 Ael. 1 38: €pw 0€ ef tis Kai oTdow ébédot ev TO TUVCEITVW Epydoadba, CyyHévTa 
u7ro Kuvos AGov Eufadr@v TO olve AUTEL TOUS TUMTOTAS ExpHatvwv ~ Plin. XXIN 102: minus 
hoc miretur (se. dab es geffihrlich ist, auf den Urin eines tollwiitigen Hundes zu treten), 
qui cogitet lapidem a cane morsum usque in proverbium discordiae yenisse. Augustin, De 
doctr. christ. II 20. 

5 Ael. 1 37: odews 6€ ei Kabikowo Kadduo, meee Thy TPOTHV maya aT peel Kat 
vapkKn renibels ieaniGen ei 0€ émrayaryos Sevtépav 3} i) TpITHY. dvéeppwoas avtov ~ Apuleius 
bei Geop. XIII 8, 6: AzrovAnos 6€ dyot tov 6gw KaAduw ama mAiyyévtTu vapKkav, mweovd- 
Kis 0€ pwvvvcba (daraus XV 1,16). Demokrit 16: odis Kaddum mAnyels amak vapKa. 
KivetTae O€ TOAAAKIS TUTTOMEVOS. 

So sind wir denn zu dem wichtigen Resultate gelangt, daB uns in den Sympathie- 
kapiteln des Aelian tatsichlich Exzerpte aus dem Sympathiebuch des Bolos vorliegen’. 
Uber die Frage freilich, ob in einer Schrift bereits diese Sympathiemittel zu Gruppen 
vereinigt oder ob sie von ihm unter den einzelnen Tieren verzeichnet waren und die Zu- 
sammenstellungen erst von Pamphilos herriihren, ist volle GewiBheit nicht zu erreichen; 
wahrscheinlich aber ist das erstere, zumal er sich in seinen wa’yma als Freund derartiger 
kurzgefaBten Verzeichnisse erweist. 

Verfolgen wir nunmehr auf dieses Ergebnis gestiitzt die Spuren des Bolos in dem 
gleichfalls aus Pamphilos stammenden Traktat des Neptunalios. so sind zunichst die 
Paragraphen, welche ibm und Aelian a. a. O. bzw. Plutarch a. a. O. gemeinsam sind. 
ole alles Bedenken gleichfalls dem Mendesier zuzuschreiben: Nept. 16. 25— 29. 33-— 


2 37: 
48-—50. 55. 59. 60. 63. 70. 72. 74. 77. 78. Zur Eruierung weiteren Gutes verhelfen uns 
die namentlichen Zitate. deren Zahl ja leider nur gering ist, sowie die Ubereinstimmungen 
mit Schriftstellern, die. wie XMenokrates (Plinius \\ff.), sicher den Mendesier benutzt 
haben. Es handelt sich um folgende Paragraphen: 

1 Neptun. 81: mrTepa (Bews tavTes oes Oedoikact. Demokrit nach Geop. XII 8. 5: 
Anpoxpiros 6€ dyow odw pn Kweioba ews mTEpOU eTrppipevTos avTw. Vel. S. 18. 

2 Neptun. 58: aeiGwov ecav év av&nbeion oedivn apis EK THs yis Kal peTc uodiBou Kpv- 
ys eis éoTiav, Tup eis AUTHV OK evabOiioerat. Ael. Promotus latpixa dvoikd (776, 14): 
eis Kauuvov O€ yaAKéws i) Badavelov TavTHY THv Botavyy Eav Oijs, ov KavOHoETAS. Tape Cé 
Oortdver TO CWacKkdrAy eeacapny, OT Kai porBov piiopa CIV TO GECOw Eis THY KauLWOV 
vretiOe. Demokrit Mayvia (132,14 Driers): pdyepov uy dvvacba tiv mupav avawer: 
Boravyv aeLwov Bes aitou eis THY éotiav. Hippol. Refut. IV 33: ei Ce Kai yuAov aeCwou 








‘ DaB auBerdem bei Ael. n. a. VI 22 gleichfalls Bolos vorliegt, bedarf kaum eines Wortes. Antipathie 
von Léwe, Hahn und Feuer ist sattsam als demokriteisch bekannt. Die Antipathie von Hyiine und Panther 
wird von Plinius (28. 93) als magisch-demokriteisch bezeugt. Von der Feindschaft des Skorpion und des 
Manergecko herichtete Demokrit nach den Geoponika (XU 9,7), Plinius (XNIX go). Vgl. S. 22. Von der 
Antipathie von Zugtier und Spitzmaus handelte schon der Peripatus (Arist. h. a. VIL 147. Interpolation). 


46 M. WELLMANN: 


tis ToUTOIs peT O€ous ExmlEee... Badev TO Hdpyakov péver TavTed@s axavotov. Vel. 
(FANSUHINIETZ a. a. O. S. 53. 

3 Neptun. 40: puryady (wuyadis P: pvaypos Gro.) adoKadaBoTtny (se. eis THY EvVAV 
évtiGyo) cue tTovs okoptiovs. Die Grundlage dieses Aberglaubens, Antipathie von Skor- 
pion und Mauergecko. ist demokriteisch nach Geop. MIIlo,7. Vgl. S. 22. 

4 Neptun. 41: EAados Cpvos (pAAa Out Tous odes). So ergiinze ich die Liicke von 
etwa 12 Buchstaben in P: kdpudos épvos PvAAa. was Gruott vermutet hatte. ist wegen 
Neptun. 25 unméglich. Auch hier ist die Beobachtung, da®8 Eichenblitter Schlangen 
téten, demokriteisch nach Geop. XII S, 5: Anpudxpitos 6é dyow ody... Ovijoxew dé Opvos 
pidrAwv ériBAnGevTwv avTe. 

5 Neptun. 56: acduavta Aver aiua tpdyou Bepudv. Altester Zeuge ist Nenokrates 
nach Hieronymus com. in Amos proph. IIL 7 (AXXV 8. 1124D ed. Miexr): hic lapis du- 
rissimus et indomabilis solo hireorum cruore dissolvitur et missus in calidum sanguinem, 
perdit fortitudinem suam (Xenokrates wird vorher zitiert). Die Worte des Plinius (XX XVIE59 
und XX 2) lassen keinen Zweifel, daB er dies Antipathiemittel dem Bolos verdankt. Plin. 
ANAVIL 59: non aliter clarius intellegi potest (se. diseordia rerum concordiaque), siqui- 
dem illa invicta vis (sc. adamas) duarum vivlentissimarum naturae rerum, ferri ignium- 
que, contemptrix hircino rumpitur sanguine neque aliter quam recenti calidoque macerata 
et sic quoque multis ictibus, tune etiam praeteryuam eximias incudes malleosque ferreos 
frangens. Plin. NX 2: miremur omnia ea hominum causa, quod Graeci sympathiam et 
antipathiam appellavere, quibus cuncta constant ... adamanta rarum opum gaudium, in- 
fragilem omni cetera vi et invictum, sanguine hircino rumpente... Hier haben wir den 
urkundlichen Beweis. da an den Stellen. wo Nenokrates mit Pamphilos tibereinstimmt, 
Bolos vorliegt. Vgl. Rose, Arist. de lapidibus 406f. Augustin de civ. dei 21, 4 (494, 3 
Domb.). wohl aus Solin 52, 56 (194, 1). Isidor XII 1, 14 (aus Solin). NVI 13, 2 (aus Plin.). 
Psellus (Paradox. ed Westrruann S. 147, 14). Konrad yon Megenberg S. 433, 3 (aus 
Isidor) 128, 18. 

6 Neptun. 61: A€ovtos, oTéaTt oVTE pws OUTE pi (uvtes P) pogiacr. Didymos 
bei den Geop. NII 12, 4 (vgl. Onrr, Rh. Mus. 45, 214A. 3): puiae dé mavTeA@s OvVK éTrl- 
KadeGovTa Tois dAdyos. éctv NeovTElm OTEaTi KaTaypicbeow. Dal bei Bolos der Be- 
richt iiber die Wirkung des Liwenfettes umfassender war. beweist Xenokrates (bzw. 
Anaxilaos bei Plinius NAVI 90; perunctos co ise. adipe leonis) bestiae fugiunt, resistere 
etiam insidiis videtur (~ Diose. m. m. [1 76 (157. 13). Ps. Demokrit 23: oxdpocov peta 
mers Aéovtos ivgl. Plin. 29, 78. alium erhéht die Wirkung) ef ypioatdé tis TO éavToU 
goa. ovdev avT@ TrpoveAevoeTM Oypiov. Sext. Plac. 84: leonis adipe si totum corpus 
perunxeris. a serpentibus eris tutus (aus Nenokrates?) Konrad von Megenberg S. 144, 
16 (aus Plinius). Vom Elefantenfett hatte Bolos Alinliches berichtet: Ael. n. a. 137. X 12. 
Nept. 74. Physiologos 43. 

7 Neptun. 64: oTéatt aAeKTpvovos ci ypioeTa avOpwros, anooTpéder Tiv opunv Tov 
A€ovTos, iv eyer rept avtov. Anaxilaos (bzw. Xenokrates) bei Plinius X XIX 78: pan- 
therae. leones non attingunt perunctos eo (sc. iure gallinaceo). praecipue si et alium 
fuerit incoctum (vgl. Ps. Demokrit 23). 

8 Neptun. 65: Aéwv Gpya Kevov (eeKdvos vexpov P. verbessert von GrnoLt) d7ro- 
oTpéepeTa Kai Tpoyov oTpEePopevov Kai Up Kawyevov. Juba bei Plinius VIII 52: atque 
hoe tale. tan. saevum animal rotarum orbes circumacti currusyue inanes...etiam magis 
terrent, sed maxime ignes. Seneca De ira If 11. 5: ecurriculi motus rotarum«ue versata 
facies leones redegit in caveam (aus Juba?) Die richtige Beobachtung, dab das Feuer 
die Lowen schreekt, ist seit Tomer (A 554 P 663) Gemeingut der naturwissenschaftlichen 


Div Pvorked des Bolos Demokritos und der Mayivr Anawiluos aus Larissa. 1, AT 


Literatur. Schon der echte Demokrit muf dariiber gehandelt haben (schol. Hom. T zu 
A554). Der Bericht des Peripatos steht Ps. Aristoteles h. a. IX 225 (daraus schol. Hom. 
P 663). Aus Aristophanes Epitome stammt Ael. n. a. [V 34. aus Juba Ael. VIL 6, aus 
Manetho Ael. NIL 7, aus Bolos-Pamphilos Ael. VI 22. Vgl. Horapollo IT 75.0 Opp. Cyn. 
IV 133 (aus Tatian). Artemidor Oneir. II 12. Isidor XH 2, 4 aus Solin 27. 20. Vgl. Kon- 
rad von Megenberg S. 143. 14 (aus Plinius). 

9 Neptun. 68: Kvov Kopara, ei aquvydddny wikpav pet éAatov Aetav KaTadelEy i) Kat 
aAe6y. Dazu stellt sich Bolos bei Didymos-Plutarch quaest. symp. 16 p. 624F: Tex- 
unjpiv ce Tov Adyou isc. Tiv ToOV auvycarov TiKpoTHTa avaEypavey Tov TeuaTos TA 
évtos) TO TuuBawov Tepi Tas aAWTrEKaS*’ av yap auuyddAas TiKpas payovoa fi) éTuTl- 
vwoow, aroBvijcxover Tov typev GOpdws éxderovtTwv. Diose. m. m. I 123 (113. 8). Plin. 
ANU 145 (Niger-Krateuas). 

10 Neptun. bei Ambrosius Hex. S. 223.13: ieiuni hominis sputum si serpens gusta- 
verit, moritur. Demokrit nach Geop. NIIES, 5. Vgl. Ael. n. a. I] 24 (aus Pamphilos). 

Die demokriteische ITerkunft endlich verrat deutlich genug eine Reihe von Paragraphen 
auch dadurch, dal sie gerade die charakteristischen Merkmale der Arbeitsweise des Men- 
desiers aufweisen, wie wir sie aus den namentlichen Fragmenten kennengelernt haben: An- 
kniipfung an den Peripatos, Benutzung des Iologen Apollodor und des gn an 
Archelaos und Mitteilung der Avows zu dem magischen Mittel (vgl. S. 48). Sogleieh in 
$1 tritt sie deutlich zu Tage. Wiahrend der Peripatos (Ps. Arist. [NX 42, danach aus 
tierpsychologischer Quelle Plutarch de soll. an. 20 p.974B und Acl.n. a. VUI 9g) das 
Kraut unbenannt IABt (70a tis. Vgl. Ael. n. a. V 46. Plin. NNV gt), mit dem der Hund 
seine Verstopfung heilt. erscheint es bei Neptunalios, Plutarch ait. phys. 26 p. g1SB, 
Thimotheos von Gaza (26 5. 259, 7, daraus Georg. Pis. Hex. 939. den wieder Michael 
Glykas Ann. | S.95. 11 ausschreibt) und Theodoros Priscianus (Phys. ed. Rosr. S. 250, 5 
aus Didymos) als @ypwotis yAwpd. Es ist dasselbe Verfahren. das uns hei Neptun. 52 
in einem sicher aus Bolos stammenden Paragraphen entgegentritt (vgl. S. 26). Auch hier 
kniipfte Bolos an Aristoteles an (de gen. an. IV 97. i a. VI 36 ~ Antig. Kar. 98. h. a. 
IT 83f. ~ Antig. Kar. 72. Plin. XI. 152). aber wihrend der Peripatos nur die Regenera- 
tion der ausgestochenen Augen bei jungen Schwalben bezeugt. hat er auf Grund des 
Volksaberglaubens dem Schellkraut (yeAccovos Boravy) diese Wirkung vindiziert. Weitere 
Belege sind Neptun. 2. 8. 13. 54. 55. 73. 83. Archelaos liegt offenbar dem (vom Excerp- 
tor?) christlich getirhten Berichte des Neptun. 53 von der Sabbatruhe der Ameisen beim 
Neumond zugrunde : Kapotav vuktepioos eav pwreo BuppuiKoy rrapabhys. ouTe eigiaow oOUTE 
eEiaow aot 6€ avTovs TO caBBaTov hovydfew Kai cyoAiy ayew. Vgl. 42. Flir Arche- 
laos bezeugt von Iohannes Lydus de mens. Ill 11 (50 W.): aévvatov ovv idew pipunka 
év Tals veoynvicus EpyaCouevov, ws kat Apyeddw eipyta. Aus ihm stammen Antigonos 
von Kar. 126. <Ael. n. a. [22 (dureh Pamphilos). Plin. NI 109 (durch Juba). AVI 292. 
Der erste Teil dieses Paragraphen (Antipathie von Ameise und Fledermaus) ist durch die 
Wiederkehr bei Plin. XXIX 92 als demokriteisch gesichert. Vgl. Dion. de avibus I 16. 

Der Jologe Apollodor steckt in $ 22: odes euBAvorouvTes pecpabov éxfiovor. wie 
die V ergleichung mit Nikander Ther. 2 St]. lehrt: (AAG OU YE orabwoio Kai avAlov eptreTa 
puyonv prtoiws ék TAVTA dwsEea ee THOS oT aCaréwv hortowv amecicato “yipas p@AUS 
ETLOTEIBWV, OTE pwreov Elaipt pevyov oupacw auPprAOooe, papabov dé € vijyuTos 6pTHE 
BooknOets wxvy Te Kai avynevta TIByow. Vel. Scholien zu 32. 33. Der Peripatos hatte 
das Erblinden der Schlangen bei der Hautung fiir einen Irrtum erklirt. aber die Regene- 
ration der ausgestochenen Augen zugegeben (Arist. h. a. VIS4, daraus Ant. Kar. 72. Plin. 
XI152), von der Verwendung des Fenchels in diesem Falle wei er nichts. Dagegen 


48 M. WELLMANN: 


ist die Ansicht Apollodors in die hotanisch-pharmakologische Literatur (Plin. NX 254. 
Vel. Vill og) tibergegangen, wie ich glaube, durch die Vermittlung des Bolos: dafiir spricht 
die Fassung dieses Gaonicier hei Plinius. nach der die Schlangen dadureh die Lehr- 
incister der Menschen geworden seien (demokriteisch!). Aus Pamphilos haben es Ael. n.a 
IX 16 und Plutarch de soll. an. 20 p. 974B, waihrend dem Bericht des Basileios Hom. 
IX in Hex. (XNIN 193: daraus Ambros. Hex. 214, 20 und aus Ambros. wieder Mich. 
Glyk. Aun. [95. 7) ein Buch der Pronoialiteratur zugrunde liegt, wie dem des Celsus bei 
Origenes contra Cels. [LV S56 Juba. 

Endlich weisen aut Bolos Neptunalios 57: aiAovpov TO Kpaviov éav pociva ypions, 
éauTov CuypyoeTa AVoes CE avTov. éav THydvov yvAov Ery3péEns. Vgl. 71. Anti- 
pathie von aiAevpos und Wohlgeriichen bezeugen Plutarch coniug. praec. 44 p. 1440. 
Ael.n.a. VE27. Tim. Gaz. (Suppl. Ar. 99, 7). Raute verabschenen Katzen (Geop. ATV 9. 6. 
D. WE45 8.50.7. Pim. Gaz. Suppl. Ar. 112.17) und Marder (Geop. NTV 4). 

Neptun. 67: Ktov paivera Kai aroOviocKke: tans otéate twepiypiohes’ Nioes Oe€, 
ei (1. cv) cogocéXov yvAov ypions. Uber Antipathie von Hund und Hyine vel. Cael. 
Aur As A Wia6,a a7. Pline ANMIL G05, -Setib. Lares 17s. Nelo alley Neptcs: 

Fiir Neptunalios ist damit, um das Ergebnis der Untersuchung zusammenzufassen. 
die Quellentrage entschieden: seine Sympathiemittel sind, soweit wir dies kontrollieren 
und nachpriifen kénnen, diirftige Exzerpte aus dem Sympathiebuch des Bolos-Demokritos. 
Kine zentrale Stelling nimmt in dieser Uberlieferung der Landwirtschafter Pamphilos ein: 
seine ®vowd haben Aclians Tiergeschichte und Neptunalios Pvoikd gespeist. Der Strom 
dieser Uherlieferung ist dann z.T. durch den Geoponiker Didymos (3. Jahrhundert) in 
das Sammelbecken der landwirtschaftlichen Literatur geleitet worden. und aus Anatolios 
hat das diirftige Machwerk, das den Namen des Demokrit traigt (iiber Antipathie und 
Sympathie), seine Nahrung erhalten. 

Kine schwierige Frage harrt noch der Antwort. Woher stammt das demo- 
kritische Gut in den Biichern 20-32. 36. 37 der nat. hist. des Plinius, d.h. in jenen 
Biichern. in denen die Heilwirkungen der Pflanzen, Tiere und Steine behandelt sind. 
Zwei Quellen glaube ich in meinen Hermesaufsitzen tiber Sextius Niger und Xenokrates 
aus Aphrodisias nachgewiesen zu haben. Aber daneben flutet in simtlichen pharma- 
kologischen Biichern noch ein dritter Strom der Uberlieferung. der ihm die zahlreichen 
Magierexzerpte zugefiihrt hat. Es fallt auf. dali in diesen Biichern neben den Zitaten 
einzelner Magier wie Ostanes'. Zoroaster’, Horus* u.a.', dh. neben jenen Autoren, deren 
angebliche Schriften Demokrit durch seine duowd. Xepoxunta. Badd der Benutzung 
zugiinglich gemacht hat®, die “Magi als Sammelname erscheinen. Es liegt auf der Hand. 
dais diese ganze Masse. die inhaltlich eimheitlich ist. msammengehort. d. h. also, dav 
ein Buch magischen Inhalts existiert hat. in dem Exzerpte aus magischen Schrittstellern 
tiber die Heilwirkungen von Pilanzen. Tieren und Steinen zusammengestellt waren und 
das voll war von dem wiistesten Aberglauben. Wer unter den »Magi« zu verstehen ist. 
das sagt uns Plinius selbst in der Einleitung zu B. NANA. wo er cinen kurzen Cherblick 
tiber die Geschichte der Magie gibt. als deren Ilauptvertreter er den Ostanes, Zoroaster, 





1 Vel Plin, XXVIID6g. 256. 261, NXX 14. 

2 Pin. NNXV I} 1s0. 157- 150. 

> Plin. NNN 145. “XXAVIL 138. 

' Vel. Apul. Apol. e.g (100, 10 Helm): ego illi sim Tarmoendas (Plin. XXX 5) vel Damige ‘von vel is 
Moses vel Johannes vel Apollobex vel ipse Dardanus vel ee ay Lad alius post Zoroastren et Hostanen anter 
magos celebratus est. Asi, Die Apol. d, Apul.. Relig. Vers. IV2 8.320 (2461. 

~ > Bor. Sphaera S. 370. Weritwaxy. Die Georg. des Dee oe Abh. d. Berl. Ak. d. W. rg2t. 


Die ®voxa des Bolos Demokritos und der Magivr Anaviluos aus Larissa. 1. 49 


Dardanos, Apollobex, Moses. Joannes’ und als Vermittler der imagischen Weisheit des 
Dardanos und Apollobex den Bolos-Demokritos nennt. Die Magier des Plinius sind also 
in Wirklichkeit Demokrit. Man vergleiche mur den Bericht der Magier tiber die Hyiine 
und deren Heilwirkungen (Plin. no h. NNVIID 92f.) mit dem des Demokrit tiber das Cha- 
mileon (SXVUHDE rr2f.) und man wird zugeben. daB sie wie ein Ei dem andern gleichen. 
Kinen positiven Beweis fiir diese Annahme gewinnen wir aus Mareellus Empiricus. der 
an zwei Stellen den Demokrit als Quelle antiihrt. wo in dem = entsprechenden Berieht des 
Plinius die Magier als Quelle erscheinen: 


Plin. NNVUI 94: Mare. Vil 42 (8.67 Lh: 
lippitudini fel (sc. yaenae) inlitum fron- Democritus adfirmat. felle i vende si {rons 
tibus (se. prodesse Magi tradunt)... eodem — perfrieetur. epiphoras inecipientes et omnem 
sanari argema, scabritias, exenesoennin in oculorum dolorem posse sedari. Vel. VIE 104. 
oculis, item cicatrices. Ael. Prom. Avvapepov ¢. 102: GAXo e/PpOKOA- 


Auptov oEudopKucov vas yoAry mete mene 
Tos akatrvou mwéEAs Xpe-. 


Plin. \NVIII 96: Mare. XNAV ry (303 10): 
nervis (prodesse tradunt Magi) medullas e medulla de spina hyaenac admixto. felle 
dorso (sc. hyaenae) cum oleo vetere ac felle.  eius et oleo vetere ... nerverum vitia omnia 


doloresque auctore Democrito persanat. 


Das von Plinius (ANVIII 92) den Magi zugeschriebene Kapitel tiher die magischen 
Kigenschatten der Hyine, tiber die Antipathie von Hund und Hviine, iiber ihre Eigen- 
schaft, sehlafende Menschen zu behexen. und tiber die Art thres Fanges. der nur dann 
Ertolg verspricht. wenn das Tier nach der linken Seite flict, geht gleichtalls aut De- 
mokrit zuriick. wie wir aus der Paralleliiberlieferung (Ael.n.h..d.h. Pamphilos. Nestor 
von Laranda, Timotheos von Gaza, Horapollon und Plin. VIIL93 aus Juba) sehlieben diirfen. 
Man vergleiche: 

1 Geop. XV 1. 10. Vimis tr (3702 ta), Proclus aca. Q. 

vawa Poko TW doy TH OTL €v wey) Epyouevi) 1 yep vad, part | (se. d- 
amo GeATVHS VUKT EPL} C OK Tov (se. vauva) €av KUVOS OVTOS a Tiv TOU KUVOS ev yer 
KUVOS ETUIATA WOTED rate. oyot- eT oTeyous Ad yTat KadTw- Kadypevau TATHTUTd OK 
vou amo vous Katayer auTov Fev Tis avTOU OKs, aUTOV KaTadAAEL Kai Holvyv Tro 


(éautHv Hals.). Katapeper avobev Tov Kiva. era Tov KUva. Ps, Arist. mir. 
Suppl. Arist. S. 100. 27. ase, T45. 
Pline VID L6", Acl on. a. Vii4 ivgl. WE 7. 
practerca umbrac eius (se. hyacnael con- OTA 3) TATPHS O THS weNvyys KUKAOS, K(t- 
tactu canes obmutescere (sc. tradunt). TOTW Ace dcever TH av yi Kal THY UTIs 


oKw emy3arNer T TOIS KUOL Kitt Treepay prc 
«a'rous KATECT’ yore Ka KUTUYONTEVT UTE Ws 

a puppakices. EIT ATTAYEL TOT OVTUS Kat 
cipree O.Tt Ka ovAEeTa TO EvtEevAEv av- 
tos (aus Juba-Pamphilos). 


1 Vel. dazu die sonstigen Magierlisten in der criechiseh-romischen Literatur. die durch Namen spaterer 
Masier hereichert sind. bei Apul. De magia go S. 100.10. Arnob. adv. gentes Psa. Vernul. De anna a7. ABI 
a.a. QO. 319.) Rerrzensiets., Poim. S. 164 Al1. Di rerien. Vleck. Jahrb. Suppl NVI7s 3 

2 Mare. Emp. VUE 175 ~ Phin. NAVH1 97 ist wohl gleichfalls Demokrit. 

+ Man sieht. Plinius und Aelian gehoren zusammen. denn beide sprechet daven. cab die Hvane den 


Hnnd dureh ihren eigenen Schatten behext. Thre Quelle ist Juba. der aus Demohrit schoptt. Bei Demokrit 


Phil-hist. Abh. 1928. Nr. 7. 7 


30 


2 Nestor bei Geop. NVo1.11 

6 ce Néotwp év tH Mava- 
Kei TOU pyow, OTL I vawa, 
errencay Hedoytae avpwrov i} 
Kiva KabevCovta, Trapextelver 
TO OiKElovV COOUATH KabevoovTe 
Kat el fev éauTiy icot peCova 
tou Kablev'Covros TUyydvouray, 
mapappova PvoiKws TH eauTis 
pujKer Troe’ TOV KabevéovTa Kai 
KateoUie avTOU Tas YElpas ov- 
dev apvvomevov. ei d€ Boayv- 
tépay éavtiy Feacera, pev- 
yel TaYUTATOIS TOG. 


3 Nestor bei Geop. NV 1 

vais Cé oot emwovaors, 
omoveate jay mo Tou eto 
Mépous aviv errévat, Emel vap- 
Kyoet oe (vapKioes Hads.), Kat 
ovK av ctvao PonOyoa EavTo. 
é& apirtepou 6€ pépous émtov- 
ans, Gappev émepyou’ avarpets 

‘ as : 
yap avTivy mavTos. 


M. WeLtiumuaynn 


Pini. G. SiLor 5: 


avept fev ouv virvouvTt 


Tpoo3arovo (se. vane) 
Tapper pet éauTijv" Kat él 
pev eu) TO HIKOS exou ou 


WAEOV, KAL QUTI] OH TrwS ETTI- 
Kpareotepa YEvorro ave él 
Ge 6 curnip peifoy € Exel TO [e- 
yebos, MUTOS av Kal Outya- 
OTUS MpolTO Ti viKOody. 


Tim. G. Ss. 
avopa oe Pnpariyy ovK av 
AcdBo, Kabas Exe TEpt- 
Tpeyew pricews: €i [eV 14p 
ev apirrepe dusKorro. paov 
av addoyos ety, érl deEte 
cé Tis EXaUVwY UaTHVY av ToO- 
vov opbein Kai axiyyta, TO 
tou Adyou. GwKev. Iorap. 
71: avtTy yap cwxKopéevy 
éav emt de&ta oTpapi, ava 
pel TOV OwKovTa’ écv O€ Er 
TH MploTEpa, CvaipErTct VITO 
TOU CuwKOVTOS. 


101.9. 


Plin. 28.02. 
hyaenam Magi ex omni- 
bus animalibus in maxima 


admiratione posuerunt, ut- 
pote cui et ipsi magicas artes 
dederint vimque. qua alliciat 
ad se homines mente alie- 
natos. Von den magicae artes 
der Hyiine spricht aueh Juba 
bei Plin. VUI 106. 


Plin. 28,92. 

cum fugiant \enantem. 
declinare ad dexteram (se. 
traditur). ut praegressi ho- 
minis vestigiaoecupent: quod 
si successerit, alienari men- 
tem ac vel ex equo hominem 
decidere. at si in laevam de- 
torserit. deticientis argumen- 
tum esse celeremyue ¢ap- 
turam. 


Wenn endlich von Plintus (AXVIIT 198) den Magiern die Ansicht imputiert wird, 
dal man einen Ziegenboek durch Abschneiden seines Bartes an die Herde tesseln kimne. 
so erhellt aus der Wiederkehr dieser Notiz bei den Geoponikern, da8 damit niemand anders 
als Demokrit gemeint sein kann: 


Plin. a. a. 0. 


adiciunt et Jugé sua commenta: 
omunium rabiem hircorum, si muleeatur harha. 
eadem praecisa non abire eos in 


mitigari: 
alienum gregem. 


(i reap. AVI 9.7 


ecw KEL pi 1S aToOU TOV meryoue. 


primtun 


Geop. AV 


Tpayos ce ov hevéera. 


x 


35: TpUYyOS ov devéeta. ev 
KeipysS alTOU TOV TOYOve (Pamphilos). 


Unfiinglich benutzt ist diese magische Schrift von Plinius besonders in B. XXX, 


wihrend in den Biichern XN—NAXAVIT. NNNXVI und XNXVIL! das 
zitate am Ende der einzelnen Abschnitte ftir nac htrigliche Benutzung spricht. 
sames Kennzeichen dieser magischen Notizen verbietet uns. 


Auftreten der Magier- 
Hin gemein- 


einen Rémer als Quelle an- 


Zuepres hen: die Namen der Pflanzen und Steine. hesonders die Synonvma. sind durchweg 





stand heides. da® die Hyane auf den Schatten des Hundes tritt und ihren eigenen Schatten auf den Hund fallen 


laBt. 


. XAVILS 


Fraglich ist. oh er in dieser Geschichte dem ances folate oder sue ihm aus derselben Quelle se hépfte. 


1 Vogl. Plin. ANE XNI 66.166. 176. XAIL 50. AAIV; 7. ANNVir42. NAXV Il 118. 13s 143% 


Die vod des Bolos Demokritos und der Magier Anaxiluos aus Larissa. J. al 


griechisch. Das fiihrt auf einen griechischen Autor als Vorlage des Plinius. In letzter 
Linie nattirlich auf Demokrit. Aber aly Vermittler scheidet er aus. da Plinius ihn nicht 
mehr selbst in Hinden gehabt hat. Dagegen spricht auch die Art der Polemik. die er 
geven die Magier richtet. Bekanntlich hielt er die Schriften des Mendesiers fiir echte Er- 
zeugnisse des Abderiten und geriet dadureh in cinen inneren Widerstreit: denn was er 
in seinen (uellen (Nenokrates. Juba. Celsus, Hygini als demokriteisch bezeugt fand. wider- 
sprach vollig dem Bilde. das sich zu seiner Zeit ein gebildeter Romer von dem groBen 
griechischen Denker machte. So merkt man ilm das innere Widerstreben an. mit dem 
er, trotz seiner ausgesprochenen Neigung ftir alles Wunderhare in der Natur, dem Leser 
das demokriteische Kapitel tiber die mystisch-magischen Zauberwirkungen des Chaméaleons 
(28.11Sf.) auftiseht. Zwar versteigt er sich zum SchluB dieses Abcolnitens zu einer Art 
von Kritik. aber diese Kritik wird sogleich wieder durch den Hinweis aut die se!bstlosen 
Motive des grofien Forscliers gemildert: palauyue est virum alias sagacen: et vitae uti- 
lissimum nimio iuvandi mortales studio prolapsum’. Im schneidenden Gegensatze hierzu 
steht die Art, wie er die impudentia. mendacia. vanitates, conmenta®. sollertia occultandis 
iraudibus sagax (29.53) der Magier geiBelt. deren unglaubliche Superstitionen er zwar 
mit unverhiillter Entriistung zuriickweist. aber cloch gleichzeitig mit einem gewissen inneren 
Behagen immer wieder an den Mann bringt. Es ist meines Erachtens hei der Nchirfe 
dieser Polemik psychologisch undenkbar. daB sie gegen Demokrit gerichtet ist’. Vielmehr 
spricht aus ihr ganz unverkennbar die Abneigung gegen einen Schiriftsteller. dessen Ten- 
denzen ili als verwertlich und der schirtsten Zuriickweisung bediirftig erschienen sind. 
Also nicht Demokrit. sondern ein jiingerer Schriitsteller tiber Magic ist es. den er an 
diesen Stellen so leidenschattlich bekémptt. 

Ebenso wie Demokrit ist Nenokrates von der Anwartschaft aul diese Exzerpte aus- 
geschlossen. (rang abgeschen davon, daB er. wie scine Ausschreiber Plinius. Archigeues. 
Didymos-Alexander von Tralles beweisen. zwar einzelne Magier wie Osthanes. Zachalias, 
Zoroaster antiihrt, aber niemals die »Magi« (udyou als Sammelnamen verwertet. wird diese 
Annahine dadurch nahe gelegt. daB in dem von dem byzantinischen Dichter Meliteniotes?* 
(s. NIU. XIV) verfaBten Verzeichnis der von Xenokrates behandelten Geminen gerade die 
von den Magiern (ygl. Plin. NXNAVI) erwiabnten Edelsteine. wie wir spditer sehen werden, 
fehlen. Es wire ein merkwiirdiger Zufall. wenn der Byzantiner bei semer sonstigen \kku- 
ratesse gerade diese Gemmen unerwihnt gelassen haben sollte. 

Nun wird an zwei Stellen der einschligigen Bticher (AXVOI 245. NAIN 135. vgl. So) 
das Verfahren der »medici« (d. h. des Niger und Xenokrates’) in Gegensatz gestellt zu 





1 Vel. auBerdem Plin. 25.14: quae etiumesi fide curent. admirationem tamen inplent cuguntque contiteri 
multuin esse quod vero supersit. 24, 160. 20.14 (24. FOO). 27. 41. 
* Vol. Plin. 22. 20, 25.106. 27.57. 28.89.94. 198. 20.68.81. 30. 7-19. 32.78. 34. 37-54. T42. 

Man vergleiche nur Plin. 32.40 mit Plin. 2y.81. 0 Hier berichtet er nach Deniakrit daabe mazische 
Zeuyz vom Frose h wie die Magier vom Uhu. Aber wihrend es bei Demolhrit nur heibt: Democritus 4 uidem 
tradit, versteigt er sich in der Wiedergabe der magischen Fabeleien zu der AuBerung: non omittam a hac 
quoque alite exemplum mayicae \anitatis, quippe practer reliqua portentosa me sndacia... tradunt. Damit soll 
nicht gesagt sein, daB Demokrit nicht bisweilen anch seinen Hich abbekommt wie 28.112. aber die Form der 
Polemik ist eine ganz andere: nicht Demokrit ist der Schuldige. sondern die Gravei mit ihrer vanitas. 

' Vel. Krcmweacner, Byz. Lit? S. 782t. Mery. Les lap. gr. 11205. 

7 Hen: 42.622f. Dab dumok ash ee Gut bei Sonukvates zu lesen war. sehlieBe ich aus der von Galen 
(XII 248) titr ihn bezeugten austithrlichen Behandlung der scheuBlichen Sympathiemittel der Korperteile und 
Ausscheidungen des Menschen, von denen eines, die Verwendung der Sehidelknocben. sicher demokritiseh ist. 
Vel. Plin. nob. XXVUI 7: extant donnmentatninns Democriti ad lind noxii hominis ex capite ossa plus pro- 
desse, ad alia amici et ho-pitis. Theod. Prise. Phys. S. 251.1 (Rose. aus Didymos- Xenokrates), Ferner folst 
es aus dem Urteil. das derselbe Galen (XI 793) iiber ihn fille: évOporos TAN Te Niven ixavas Kal elie ovK 
ary\dayuevos, in dem der Vorwurf der yoyrefe einen direkten Hinweis auf ihn Sst So heiBt sein Naeh- 


va 


52 M. WELLMANN: 
dem eines nicht fachminnisch gebildeten Autors. Das fiihrt uns zu der Annahme, da8 
damit ein Vertreter der magischen Literatur gemeint ist, die ja in diesen Biichern neben 
der frztlichen Fachliteratur den breitesten Raum einnimmt. Sehen wir uns daraufhin das 
Autorenyerzeichnis der Biicher 28—30 an, so ist der einzige Autur, der auf die magischen 
Exzerpte Anspruch machen kann, der Magier Anaxilaos aus Larissa’ aus Augusteischer Zeit, 
der von Plinius in den Quellenverzeichnissen ausdriicklich als Nichttachmann von den Arzten 
gesoncert wird. 

Schon H. Striapter hat in seiner Dissertation »Die (Juellen des Plinius im 19. Buche« 
(Miinchen 1891) 8. 30 die Ansicht vertreten, dai »kein zwingender Grund vorliege, dem 
Plinius eine Kenntnis dieses zeitlich nahestehenden Autors abzusprechen«. Ich halte diese 
Ansicht fiir richtig. DaB das Zitat des 19. Buches (§ 20) direkt aus ihm stammt, wenn 
auch médglicherweise erst bei einer nachtriiglichen Uberarbeitung dieses Buches hinzugefiigt 
worden ist, und nicht aus zweiter Hand (Niger oder Nenokrates), wie ich frither anzu- 
nehmen geneigt war, folgt aus dem Autorenverzeichnisse dieses Buches, in dem Anaxilaos 
am Sehlusse der externi als Quellenschriftsteller genannt wird, wiihrend die Namen des 
Niger und Nenokrates fehlen, also ihre Benutzung in diesem Buche ausgeschlossen ist. 
Eine Bestiitigung erhalt diese Ansicht durch eine Stelle des Plinius (\XV 154) iiber die 
Heilwirkingen des Schierlings, an der Anaxilaos zitiert wird. Vergleicht man den Pliniani- 
schen Bericht mit Dioskurides (m.m. [V 78 S. 240.6). so ergibt sich aus der Ubereinstim- 
mung, da’ bei Plinius Sextius Niger (Krateuas), bei Dioskurides Krateuas als Quelle vor- 
liegt. Nun heilt es bei Plinius: Anaxilaus auctor est mammas a virginitate inlitas semper 
staturas, d.l. nach Anaxilaos bleiben die Briiste stets fest und prall, wenn sie von der 
Zeit der Pubertiit an mit Schierlingssaft eingerieben werden (gr. uacGovs TpocecTadpEvous 
pudatre, vgl. Gal. XI 258, wo dasselbe vom Blute der Fledermaus bezeugt wird), nach 
Dioskurides-Krateuas dagegen verhindert ein Umschlag mit Schierlingssatt die Entwick- 
lung der mammae bei Jungfrauen (uacOous év mapbevia kodver avEec Oa, dd. i. lat. mammas 
virginum cohibet, wie es bei Plin. NAVI[76 heibt). Dieser Widerspruch legt die An- 
nahme nahe, dai das Anaxilaos-Zitat von Plinius selbst herrtihrt, der damit den Zweck ver- 
folgte. die Behauptung des Krateuas zu berichtigen. 

Uber den Titel der Schrift des Anaxilaos, die Plinius* benutzt hat, ist nichts tiber- 
liefert. Die erhaltenen Bruchstiicke lehren nur, dali in ihr von Tieren, Pflanzen, Baumen. 
Metallen und Steinen die Rede war. Bedenkt man nun, da& der Lariss&er nach dem 
Zeugnis des von O. Lacercrantz edierten Papyrus graecus Holmiensis 8. 3 ein Nach- 








treter Anaxilaus gradezu yéys bei Sext. Emp. p. h. 1 46: kai ye of yéyres (d. bh. Anaxilaos) ypiovres tas Opvaddicas 
i@ yexot Kal PoA@ GyTias ToLOvoW OTE NEV YaXkots. OTe Ce UéNavas dalverGa Tos Tapovtas ~ Anax. bei Plin. XXXII 4i- 
Ebenso heiBt Simon 6 Mirrpvés bei Hippol. Refut. V7. Vgl. Orig. c. Cels. 168. Xenokrates zitiert seine Autoren 
dem Namen nach: Demokritos. Ostanes, Zorvaster usw. Die generelle Quellenbezeichnung (Méyo.) wie bei 
Plinius ist in seinen Werken nicht nachweisbar. 

1 Vel. Hieron. bei Eusebios Chron. (Scuénr If 141): Anaxilaus Larisaeus Pythagoricus et magus ab 
Augusto. urbe Italiaque pellitur. Diets, Jahrb. des arch. Inst. 1y13 S. 1. Deutsche Literaturzeitg. 1913 S. gorf. 
Berl. phil. Woch. ror3. 1337f. Antike Technik S, 125 f. 

2 Vel. Bruxy. De auctorum indicibus Plinianis. Bonn 1856. S. 2. 

3 Beiliiufig bemerke ich, daB Plinius den Bolos Demokritos nicht direkt benutzt hat. sondern da8 er 
seine abstruse Gelehrsamkeit auch in den Biichern 2off. aus zweiter Hand hat. Es gilt fiir sie dasselbe wie 
fiir die zoologischen und landwirtschaftlichen Bicher seiner Kompilation, in denen ihre Herkunft aus Juba 
und Celsus oder Hygin-Cassius Dionysius notorisch ist. Nun versteht man auch. wie Plinius (XXVIII 112) 
dazu ham. von einem »peculiare volumen« zu sprechen. dessen Demokrit das Chamiileon gewiirdigt habe. wo 
es sich in Wirklichkeit nur um ein Exzerpt aus einem umfinglichen Kapitel scines Sympathiebuches handelt. 
Es ist ganz undenkbar, da8 ibm dieser irreftihrende Ausdruck in die Feder gekommen wire, wenn er es selbst 
in Handen gehabt hatte. Bekanntlich hat Weriptich. Sympathie in der antiken Lit. S. 19f. diese Frage vor- 
sichtigerweise offengelassen. obgleich er der Annahme einer direkten Benutzung des Bolos durch “Plinius 
zuneiet. 


Dir Pvoka des Bolos Demokritos und der Magier Anasiluos aux Larissa. I. a3 


treter des Bolos gewesen ist. dessen Badixd von ihm neu bearbeitet worden sind. bedenkt 
man ferner. da er wie Bolos Mafyua und Badia verfaBt hat, sv darf dic Vermutung 
ausgesprochen werden. daf sein fiir Plinius in Frage kommendes Werk im Anschlu8 an 
Demokrits Sympathiebuch verfabt war, also etwa den Titel ®vouwa cuvauepa gefiihrt hat. 
Auf jeden Fall beruhte diese Schritt aut demokritischer Grundlage. Anaxilaos war wie 
Bolos Neupythagoreer und Magier. und gerade sein Geburtsland war wic Agypten als Sitz 
der Magie iin Altertum seit alter Zeit verruten. Wieviel or freilich aus andern (Quellen 
hinzugetan hat, entzieht sich zuniichst unserer Beurteilung. Wir wissen nicht einmal, ob 
er auch die naechdemokritische magische Literatur, also z. B. die Nehriftt des am Hofe 
Mithridates’ des Groen Jebenden Zachalias [epi Awv., der bei Plinius (XX XVII 169) 
zitiert wird, fiir seine Zwecke zu Rate gezogen hat. Dal seine Schrift dasselbe Anord- 
nungsprinzip aufwies wie das Svmpathiebuch des Bolos. zeigt zur Evidenz das von Plinius 
den Magiern entlehnte Kapitel tiber die Heilwirkungen der Ilviine (XX VIM g2— 106), und 
wenn Plinius (XXX 19) nach der Wiedergabe mehrerer Mittel des Blindmoll (talpa) fort- 
faihrt: ectera ex co animali placita eorum (se. Magorum) suis reddemus locis (vgl. XXX 38. 84). 
so gibt er damit deutlich zu erkennen, dab in seiner Vorlage die Mittel nach Tieren ge- 
ordnet waren. Vgl. auberdem Plin. NXIX 81rf. 

Was wir sonst von Anaxilaos wissen, sei hier in Kiirze zusammengestellt. Aus 
Thessalien gebtirtig, muB er gegen Ende der republikanisehen Zeit. wahrscheinlich schon 
lingere Zeit vor 4o v. Chr.t nach Rom gekommen sein, wo er fiir die Sache des Neu- 
pythagorcismus erfolgreiche Propaganda gemacht hat. In der pseudepigraphen Briefliteratur 
des Altertums ist ein Schreiben des Kynikers Diogenes an iln erhalten (Brief 19 5. 240 
Herenrr), in dem der Kyniker mit witziger Ubertragung der pythagoreischen Scelenwande- 
rungslelre auf sich aus seiner Tracht uachweist, dab er einst als Agamemnon auf Erden 
gelebt habe. Wie mir scheint, weist dieser Brief aut engere Beziehungen zwischen dem 
Larissier und den Kynikern. Wir wissen. dali Diodoros von Aspendos zuerst unter den 
Pythagereern die kynische Tracht und Lebensweise autgebracht hat*, und in der neueren 
Komidie erscheinen die Pythagoreer als Asketen nach kynischer Art. Daraus werden wir 
sehlieBen. dali Anaxilaos die Verbindung von altpythagoreischer Askese mit kynischem 
Wesen beibchalten hat. Ob er mit Nigidius Figulus, der, von Cisar verbannt. 45 v. Chr. 
im Exil gestorben ist und dessen ausgebreitete Schrittstellerei densclben okkultistischen 
Zug aufweist, in Verbindung gestanden hat, Abt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist. 
daB8 er im Jahre 28 v. Chr. von Augustus* vermutlich auf Betreiben des Micenas. der den 
princeps bei der Konstituicrung der Monarchie vor dem Treiben der Magier (youTes) ge- 
warnt hatte’. aus Rom und Italien ausgewiesen wurde. Da es sich hierbei um cine blowe 
PolizeimaBregel handelte, deren Wirkung an den Grenzen der alten magistratisch-senato- 





1 Nach Sext. Emp. (p. h. 146 ~ Anaxilaos bei Plin. n.h. NXNID tyr) hat bereits Aenesidem in seinen 
flupp. Novyor, tiber deren Abfassungszeit vy. ArNim. Quellenstadien zu Philo (Phil. Untersuchungen) 8.79) zu ver- 
vleichen ist. eine der Schriften des Auaxilaos. seine Malye, sein Zauberbuch benutzt. falls nicht das Zauber- 
kunststiick aus Bolos direkt stammt. 

? Vel. Reirzensieix. Hellenist. Wundererziblungen §. 45 .A.2. Merkwiirdig ist. daB dasselbe auch von 
den Magiern bezeugt wird. von Diog. Laert. Praef. 7. 

* Vel. Hieron. zur Olymp. 188.1: Anaxilaus Larissaeus pythagoricus et magus al Augusto urbe Italia- 
que pellitur, Moauasex, Phil. Sehr. VIL 616. 

+ Vel. Cass. Dio 52, 36.3. wo es in der langen Rede. die ihn dieser zur Empfehiung der Monarchie 
halten liBt. heiBt: Tots cé dj payevtas rave ofk evar TpoorKe. ToNNors yap ToNAUKIS Of ToLOlTOL, Ta NEV Twa GAyA;), 
ta é dl} AED Yeucy NEvyovTes veoynoty exaipovTw TO CurTs TovTo Kul Tv diNorodEW TpurToLWvUevoy OK GALYOL ToI- 
otow' 60 Kal éxetvors dvAaccecbal cor tupawe. Garpinitsex, Augustus und seine Zest 8.743. 767 halt zwar 
diese Rede lediglich fiir ein rhetorisches Machwerk des Cassius Dio. Aber maz diese Ansieht bis za einem 
gewissen Grade richtig sein. so liegen ihr doch tatsichlich Ratschlége des Macenas zugrunde. 


j4 M. WeELiMANN: 


rischen Cvercitio, d.h. Italiens. aufhérte, so steht der Annahme keinerlei Bedenken ent- 
gegen. da er nach seiner Ausweisung nach Agypten, dem klassischen Lande der Magie, 
gegangen ist. Uber die weiteren Schicksale des Mannes schweigt unsere U berlieferung. 
Und doch ist dieser Neupythagoreer. dessen Name bei Ceryautes in seinem Don (Quixote 
in dem groben Zauberer Arcalaos. dem Erzfeinde des Amadis von Gallicn. wieder auf- 
lebt. literarhistorisch — so wichtig, weil er die zweite Phase der neapythag. mystisch 
magischen Schriftstellerci einleitet. die ihrem Wesen nach nur cin Ableger der ersten 
(Demokrit) ist. allerdings mit stirkerer Betonung und Hervorkehrung des religiésen Gaukler- 
und des magischen Zauberwesens. In seiner Schriftstellerei kniipft Anaxilaos direkt an 
Bolos an und gibt das alte hellenistische Gut weiter an die nachfolgenden Generationen. Drei 
Werke kénnen wir von ihm erseblieBen: abgeschen von den bercits besprochenen Ovoued 
ein Zauberbuch mit dem fiir diese Literaturerzeugnisse tiblichen Titel Matyvie!. natiirlich 
nach dem Vorbilde des Bolos*. und cin Firbebuch (Badica). wie das des Mendesiers und 
des Kochktinstlers Paxamos aus dem 1. Jahrhundert vy. Chr. (Suid. s. v.) von der Be- 
arbeitung der Metalle. der Herstellung von Edelsteinen und der Zubercitung vou Firbe- 
mitteln handelnd. Die letztere Schrift wird bezeugt von Plin. n. h. NNAVIL 197. wo die 
Bemerkung. dab es eine cigene Literatur tiber die kiinstliehe Herstellung von Edelsteinen 
giibe. auf ihn zielt. und von dem Verfasser des Pap. gr. Holmicnsis. herausgegeben yon 
Otto Lacercranrz (Upsala und Leipzig 1913) 8. 3.13. Es la®t sich beweisen. daB die 
beiden uns erbaltenen chemischen Papyri aus dem Ende des 3. Jahrhunderts nu. Chr.. der 
pap. Leidensis X (ediert von Lrermanys in den Pap. gr. Musei Lugdunt: Batavi Bd. ILS. 205f) 
und der von Lagrrcranrz herausgegebene Pap. Holmicnsis in letzter Linie aus ihm stammen. 
Der Vermittler ist der bekannte christliche Chronograph Sextus lulius Africanus aus 
Jerusalem. der am Hofe der severischen Kaiser wollgelitten ein groBes cnzyklopidisches 
Werk mit dem Titel Keoroé vertaSt hat, in das aide gheniisehen Exzerpte .\ufnalime 
gctunden hatten (vgl. Lacrreranrz S. 106). 

Das Zauberbuch des Anaxilaos erwihnen der Bischof you Lugdunum. [renacus (“- 202). 
in seincr Widerlegungsschrift der gnostischen Lehren ([18) und Ps. Cyprian. De rebap- 
tismate (.16 (Harren HI 89f.*). Ein paar Bruchstiicke aus ihm hat uns der byzantinische 
Gelehrte Michael Psellos (11. Jahrhundert) aufbewahrt. Sie stehen bei Westermann. Para- 
dox. gr. 143. Merkwiirdigerweise ist auch hier der Vermittler Sextus Tulius Africanus. 

Bei diesem Sachverhalt verdient die Tatsache Erwi&hnung, da in den ersten Jahr- 
zelinten des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Magie in Agypten. Palistina und Svrien von neuem 
tippig ins Kraut scho8, dai ferner in Palistina und Syrien die Lehren der dltesten Guostiker 
von magischen Ideen durchsetzt und durchtrainkt sind. die eine zuverlissige Uberlieferung 
(ren. £13. daraus Epiph. contra haer, 34.1. Bd. 1217. Dixporr. Vel. Uippol. VI 39f. 
Loseckx. Aglaoph. 122. Ps. Cyprian. De rebapt. ¢. 16) auf’ Anaxilaos zuriickfithrt. Drei Namen 
werden in diesem Zusammenhang von der Uberlieferung genannt: Simon Magus, der 
alexandrinische Grammatiker und Antisemit Apion und der Valentinianer Markos. Bekanut- 
lich hildet die Simon Magus-Sage cinen wichtigen Bestandteil des Clemensromaus’. Sehen 
wir hier von dieser Sage vollig ab und halten wir uns an den historisehen Kern, so scheint 
mir so viel sicher zu sein, daB dieser Simon (Acta 8. 9 f.), der Griinder der nach ihm henannten 
gnostischen Sekte. vor dem Auttreten des Philippos in Samaria als Magier gewirkt und 


1 OVel GaNscuinu t/. Teas Rapitel gegen die Magier (Leipzig 1013) Ser. 72. 

2 Dirrs. Vorsohi I 13 

ae sr Usrxrr. Das W alusaohtsidst (Bonn 1889) 8. 64 AL 25. 

' Vel. Uincesricup, Die Ketzergeschichte des Urchriste ntums SN. 163f Wairz, Zeitselwitt fir die neutest. 
Wiss. 5 Whee Sv12ef. 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anavilaos aus Larissa. 1. ay) 


durch seine Zauberkunststiicke (uayevov) das samaritische Volk ftir sich gewonnen hat. 
dergestalt. da es von ihm hieB: ottés éotw 4 Ovvapis Tou Ocot Tov peyddAov. Damit 
stimmt das Zeugnis des Hippolytos (Ref. VI 20) tiberein. der von den Simonianern berichtet. 
da sie durch Magie auf das Volk gewirkt und sich dabei der émaodat. PbiAtpa. ayoyma. 
der Oveporrourot Caiuoves und der mdpedpor bedient hitten, d. h. des ganzen magischen 
Arsenals, wie es seit Bolos in der neupythagoreischen Literatur allgemein beliebt war. 
Wiehtig ist dabei. daB dies magische Element der Simonianer nicht etwa ein zufflliger 
Einschlag ist. sondern dais es tief in den Grundlagen ihrer Lehre wurzelt. Demnach werden 
wir den Schrittstellern. die itber die Zauberpraktiken des Simon bzw. seiner Schule Genaueres 
berichten. nicht von vornherein den Glauben versagen. Nun werden in den Ps. Clemen- 
tinischen Homilien (II 32. IV 4) mehrere von den Zauberkunststiicken und Taschenspieler- 
kniffen des Simon angeftihrt. So wird ihm nachgeriihmt, er habe Bildsiulen in Bewegune 
setzen und sich im Feuer wialzen ké6nnen. ohne dahei Schaden zu nehmen: ferner wird 
ihm die Fahigkeit zugeschrieben. zu iliegen. aus Steinen Brot zu machen. sich je nach 
Beliehen in cine Schlange. Ziege oder in Gold zu verwandeln. verschlossene Tiiren zu 
6ifnen. Eisen zu zerbrechen, Lei Symposien ewAa verschiedener Art erscheinen zu lassen 
und sich das Geriit dienstbar zu machen. Alle diese Zaubermiitzchen' sind wns bekannt 
und geliufig aus der magischen Literatur. deren Niederschlag uns im Philopseudes und 
Pseudomantis Lukinns. in dem Abschnitt der Refutationes des Hippolytos tiber die Magier 
(IV 28—42). in der Schrift des Grammatikers Apion [epi pdyou (Plut. de proverbiis Alexan- 
drinis ed. Crusivs 8.24) und bei Origenes (Celsus) contra Celsum 1 68 vorliegt. Es ist 
sehr walrscheinlich. dat das Beispielmaterial, das allen diesen Berichten zugrunde liegt. 
in letzter Tinie aus derselben Quelle stammt, d.h. aus einem Zauberbuch. mag nun die 
direkte Vorlage dieser Autoren eine Schrift Kata uadyov (man denkt an die youtwov dwpa 
des Oinomaos und an die Sehrift des Epikureers Celsus, des Ginners des Lukian) oder 
Hept uaywv (Apion) gewesen sein*. Ich gebe hier eine Zusammenstellung der hervor- 
stechendsten Uhereinstimmungen: 

1 dvdpiavras Trovet (sc. Liuwv) Tepuratev. Lukian. Philops. 18f. 

2 €mt mup KuAwpevos ov KaietTa. Luk. ava. 0.13: Tl yap ede: more avTov (se. €& 
YrrepBopéwv Eevov) Op@vtTa Cue TOV CEOS pepopevov iméepas ovays Kai ed voaTtos Badct- 
Sovra Kal Cid TUpos CueEwvtTa Kat TYOAH Kai Babyy: Hippel. IV 32: GANG Kat émi cvOpdxey 
TTUPOS TEPITATOUVTES of Taomevon yuuvots Toow ov KatovTa. Vel. Theuphr. [epi rupés 8. 
(FANSCHINIETZ a... QO. 5 

3. werata. fae a.a.O. 13. dial. meretr. 1.2: ot« oicGa os pauppakis i] Xpvadpiov 
i] poitnp avrijs Oetrards Twas wcus éEriotamevy Kai TI GEeAIVIyY KaTdyovTa: haci CE 
atiy Kat wétecOat THS vUKTOS. “‘Aristoph. Vogel 654: Luk. Lue. 12. 

4 €k AGwv aptovs Tove. 

5 dus yivetau, eis aiya meTapoppovta. OimpdcwTos yiveTa. eis ypuTov pmeTU3dAdAETCUL. 

6 Apas kexreopevas dvolye. Demokrit in seinen Xecpdxunta nach Plin. 26,18: chon- 
dridis (d. h. dictammi Plin. 25.93) tactu clausa omnia aperiri. Nach Bolos (Plin. 25. iene 
AelL neacl +5. Dion. x. P14.. Herm. Trism. Koir. Ts. v.8.87..30.. Kye. 18.14) attinet lie 
Springwurzel. d.h. die vom Specht zum Offnen seines verschlossenen Nestes herbeigeholte 
Wurzel (Pionic) durch Bertihrung jeden Verschluj. Hermes a.a.Q. (cod. M 8.277): tavtyv 


* Es ist kultargeschichtlich interessant. daB von Cervantes in seiner Novelle »Die hetriigliche Heirat« 
der Zauberin Camacha von Montilla dlinliche Zauberkunststiicke nachgesast werden (Ausgabe von Krurtr-Rorirr. 
Sad Bd. X 190). Vyl. Don Quixote. Bd. I ri4f. 

> Vel. Dints. Die Entdeckung des Alkohols. Abb. d. Berl. Akad. ry13 S.24 4.6.  CGrayscuinierz. Hippo- 
lytos’ Kapitel geven die Magier 5. 18f. 


36 M. WEeLEMANN: 


tiv Potavyy 6 NaBav avoiEe mavta Ta KNEpa, Kai obdEv AUTO GVTIaTHoETAa. Nach Lukian, 
Gall. ¢.28 hat die rechte Schwanzfeder eines Hahnes (Parodie?) dieselbe Wirkung. Vel. 
FRIEDLANDER, Sittengeschichte | 528. 

7 otdnpov Ave. Anaxilaos bei Psellos leet. mir. S. 147.8: oienpov dé pyEes. ei cavdapaynv 
Kat Aeiov ae kataBpéEas éeniypicas ate (avrov ed.). Ps. Demokrit bei Berruetor, Coll. 
des aleh. gr. S.50,5. 51.11. 

S év Ceirvots eidowha TavToéar@v iceov Tapictiow. Worauf das gelit, lehrt Anaxi- 
laos (Plin. 35.175. 32,141. 28,181), der in seinem Zauberbuch ([Maiyua) Anweisungen 
dartiber gab. wie man hei Symposien die Gesichter der Anwesenden bleich wie Tote oder 
als Mohren oder mit Pferde- bzw. Eselsképfen versehen erscheinen lassen kone. 

Q TH Ev OiKia OKEVH ws aUTOMATA PEpopeva Tpos Umnpediav BArAéwETHM Toll, TOV 
Pepopevenv ov PAeropuévwv. Das »'Tischlein deck dich« kennt Apion in seiner Schrift [epi 
pdryou nach Plut. de proy. Alex. S. 32 (Crusics): 6 dé [ldons ottTos padakos iv tiv duo, 
Tavras O€ wb perros év paryeta dievivoyer, @OTE EK TOV ETAOLOwV AUTO Kal CeiTVa TroAV- 
TeAn opacba Ka Siaxovovpeévous twds. Kai wédw abaviy mdvTa yiver Bau. Orig. contra 
Cels. 1 68: Geurva te woAvTEAH Kal TpaTéCas Kat TEmpaTa Kai Ora TH OtK OVTA SERV TOY 
(tov payov). Philostratos V. A. 1V 25. Tausend und eine Nacht n. 465 (XI 59. deutsch 
von Hasicur). Luk. Philops. 35, 61. 

Es verdient Beachtung, dali sich zwei der Taschenspielerkunststiicke Simons aus dem 
Zauberbuche des Anaxilaos helegen lassen. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, da® 
Simon das Buch gekannt hat. In der Tat gibt es cine antike Uberlicferumg, welche diese 
Vermutung stiitzt. Sie findet sich in der Schrift Ps. Cyprians De rebapt. 16 (II 3. S.S9 
Harri). wo von den Simonianern berichtet wird. daB sie bei der Taute. wenn der Tiut- 
ling ins Wasser steigt, tther dem Wasser ein magisehes Feuer erscheinen lassen. Dann 
heiBt es weiter: quod si aliquo usu perpetrari potest, sicut adfirmantur plerique huius- 
modi lusus Anaxilai esse. sive naturale quid est, quo pacto possit hoe contingere, sive 
ili putant hoe se conspicere sive maligni opus et magicum virus ignem potest in aqua 
exprimere: illi tamen talem fallaciam et stropham praedicant perfectum baptisma esse ete.! 
Dies wichtige Zeugnis lehrt uns, da®8 schon im Altertum die communis opinio die Meacyvic 
des Anaxilaos fiir die Zauberkniffe der Simonianer verantwortlich machte. Freilieh wissen 
wir nicht, worin das Zauberkunststiick bei der Taufe bestanden hat. aber unwillktirlich 
denkt man dabei an jenes Wunderstiick. das Livius (39,13) von den bakehischen Mystericn 
des Jahres 186 y. Chr. berichtet und das darin bestand, mit Kalk und Sehwefel priparierte 
Fackeln beim Eintauchen in das Tiberwasser in Flammen zu setzen’. 

Diese Uberzeugung. dab der magische Einschlag in den Svstemen der filteren Gnostiker 
aut das Zauberbuch des Larissiers zurtickgehe. wurzelt tiet’ und fest in der Uherlieferung 
der christlichen Kirche. So erkVirt Irenacus (elench. 113. Epiph.’ Ref. VI 39) die Betriigereien 
des Valentinianers Markos gleiclfalls daraus, da er die Hairyvia des -Anaxilaos mit den 
Gaunerknitfen der Magier vereinigt habe. te yap Ava&ihdov mraryviet TH TwV Acyoueveov 
payor Tavoupyia oumpitas ov aitov davtafev Te Kai payevwr eis éxrAyEw TOUS OpwVTas 
re kai weMopevous avTH Tepteparer. Es ist sicher kein Zufall, daB von den beiden Zauber- 
kunststticken, die Irenaeus von ihm anfiihrt, den Wein im Kelch blutrot erscheinen zu 
Jassen und einen gréBeren Kelch aus einem kleineren bis zum UberflieBen zu fiillen, das 








1 Hireenrerp VI 39 8.183. Usenxer. Weilinachtsfest 8.64 A. 25. 
* Vel. Driers a.a. O. 25. Fin thnliehes ye eur lesen wir bei Ps. Albertus De mirab. mundi fol. 217 
ut ignis de aqua exeat. accipe testam oxi ct sulphur vivum tritum impune et calcem et claude foramen et 


mitte in rele et incendetur. 
3 Vel. Hingrxrrep aca. OLS. 36g f. 


Die Bvoixa des Bolos Demokritos und der Mayier Anavituos aus Larissa, 1. a7 


erste der (Juelle des Hippolytos bekannt ist, der an bekannter Stelle ([V 2S S. 56, 31) 
das Rezept dafiir angibt: aivatéén 6€ vypaciavy mot Kypov ayyovon davauiEas Kai os 
edyvy TO ABaveT@ Tov Kipov évOEuevos’. 

Gegen dies Resultat, das den Anaxilaos in einen gréberen Zusammenhang riickt und 
ihm eine kulturgeschichtliche Bedeutung ersten Ranges verleiht. spricht scheinbar eine 
Stelle des Hippolytos (VI 7): oUTOS 6 Sipe Mayelas EuTrEipos wv Kal TH MEV mai€as ToAAous 
KaTa THV Opacvpijcous TéeyVHV. TpoTrp avobev é&eOéueba (IV 28t). Ta Ce Kal Cu 
Capdvev Kakoupyious. OeoTomoa éavTov éereyeipyoev, avOpwros yous Kal HETTOS GTrO- 
votas. (ANscHinirrz a. a. O. S. 19f. hat auf Grund dieser Stelle. allerdings mit der gréBten 
Reserve, die Vermutung ausgesprochen. dal dieser Thrasymedes mit dem Neupvthagoreer 
aus Mctapont identisch sei, den Jambiicn in seinem Katalog der Pythagoreer (V. P. 267. 
Dies 45 A S. 344. 26) erwihnt, und daB er eine Téyvy payixy vertabt habe. die Hippo- 
Ivtos als Quelle vorgelegen habe. Derselbe Ganscuisierz hat aber auch daraul’ hingewiesen 
(S. rg A. 1), daB die Worte Kata tiv Opacumjcous Téyvnv moglicherweise sprichwortlich 
aufzufassen sind nach Analogie des Platonischen kata tHv TravKov Téyvyv im Phaidon 
(r08D). Angesichts der angefiihrten Zeugnisse halte ich diese Erklirung fiir die einzig 
migliche. betone aber dabei, dali die Ausftihrungen Ganscmsinrz tiber den Charakter der 
(Juellenschrift des Hippolytos in dem <Abschnitt tiber die Magier. die er mit der mittel- 
alterliclien Magia naturalis eines Gaspar Schott und anderer vergleicht, das Richtige treffen. 

Dirrs* hat die Vermutung ausgesprochen. da das Z Zauberbuch, das diesem Abschnitt 
seiner Refutationes omnium haeresium zugrunde liegt. aus \gypten stammt. In der Tat 
ist auf dem Boden dieses Landes zuerst. soviel wir wissen. der Versuch gemacht worden, 
diese magischen Zauberkunststiicke s\stematisch zu behandeln®. und damit der Grund zu 
einer Literatur gelegt worden. die. ohne etwas wesentliches Neues zu lietern gegen eine 
festgegriindete Tradition, in der Zeit der Bliite der Magie einen nachhaltigen EintluB aus- 
geitbt hat. Bolos-Demokritus war der Archeget und Anaxilaos der Wiedererwecker dieser 
Literatur. Zur Bestimmung der Quelle des Hippolvtus bietet nun zunichst der von 
Ganscuisipiz (a. a. O. 8. 17) geftihrte Nachweis eine Handhabe. dai das benutzte Zauber- 
buch in der Weise angelegt war, dal bei jedem Kunststiick erst das Problem angegeben 
war und dann die Licing: bzw. Lésungen folgten. Das ist aber die Art. wie Demokrit 
und im Anschlu8 an ihn “Saasilius nicht nur in ihren [Jatyva. sondern auch in ihren 
chemischen Schriften (Badika) den Stoff behandelt haben. Weiter helfen uns die zer- 
sprengten Triimmer dieser Literatur. wie sie uns namentlieh bei Plinius und Psellos 
(mirab. lectiones) vorliegen. von denen der erstere die Meatyvia des Anaxitlaos noch selbst 
in Hiinden gehabt hat: doch das hedarf genauerer Priifung. 

Die Rezepte. die Iippolvtos (IV 28 8. 55, 3f W) tir die Herstellung von svmpa- 
thetischer Tinte erhalten hat, sind denen vollig analog. die im Papyrus Leidensis X 
iiher Goldschrift (ypvcoypadia) mitgeteilt werden. Als Schreibmittel werden erwihnt: 
eect ie (xarnavGos. aerugo), Gallipfellésung, eeu Urin. Paschsailce: WolfSmilch- 





1 Vel. Hippolytos VI 39: crip v yep Te ToMUTyY Cuvdjevov Xpoww pe eR ER: Naflpaio eviay (se. Mapxos) TO 
Keparnart émi woNv dAvapew dvepever, OTs THs Uy potyTos netadaov vO Kat dvaiuyev em Ly poon TO TOU. Ta Ce Cuvdnerce 
ToUTO Tupac yen dupnaxe év TH KaTa eyo Pipro dy 28) Tpoeiropev éxbenevor. 

2 Dirzs, Die Entdeckung des Alkohols. Sitzungsber. der Berl. Akad. 1913 8. 24 A. 

3 Verschieden hiervon sind die Schriften fiber die Geschichte und das Wesen dev ‘note Dariiber hat 
schon Nanthos geschrieben. dessen Maywe (Clem. Alex. Strom. IID 2 8. 200, 20 St. Diog. L. pr. 2) moglicherweise 
em Abschnitt aus seinen Avciaxd sind. Vel das Zitat hei Plin. n. bh. 25. 14 (aus Jabal. Ferner “‘Hermippos. 
der bekanunte ae dessen Schrift Mepit néyey im Anschlu8 an scine pinakographiselien Arbeiren 
entstanden ist, Vel. PWOXV Halbbd. 8. 846. Der Meeytxds des Aristoteles (Rosr Fry. 32 -—30) ist walirschein- 
oe ein Werk des “Peripatetikers Antisthenes von Rhodos. eines filteren Zeitgenessen des Polybios (um 180). 

Vel. PW T2538. 2543. Mit diesen Schriften zusammen gehért das Werk des Apion [epi uc-you, 


Phil.-hist. Abh, 1928. Nr. 7. 8 


a8 M. WeLLMANN: 


und Feigcnsaft. und zwar werden Vitriol und Gallipfelldsung auch als Reagenzien ver- 
wandt. Dureh einen gliicklichen Zutall sind wir in der Lage, ftir zwei dieser Methoden 
den demokriteischen Ursprung nachzuweisen. Brrineror. La chimie au moven age II 275 
hat nach syrischer Uberlicterung ein Bruchstiick aus dem ersten Buche (seiner [atyvia?) 
des Demokrit mitgeteilt. das mit folgenden Rezepten beginnt: 

1 »prends de Lvriv, avec laquelle tu ceriras sur ton bras ce que tu voudras et 
laisse prendre. ensuite repands sur les lettres de la poudre de charbon séche et essuie 
avec un linge: alors les lettres seront visibles.« 

2 Autre. »prends des noir de galle, Wroie bien. projette dessus de Peau. ct avee 
cette liqueur ¢cris sur du papier et laisse s¢cher. prends de la liqueur de misy. trempes-y 
le papier et lis.« 

Das Wichtigste in diesen beiden Rezepten ist die Verwendung von Urin und Gall- 
aipfelldsung als Tinte: darin stimmt Hippolytos (TY 28 S. 55. 3f Vel. Gavscnisierz 3rf. 
S.55.11. wo doch wohl ovpov zu lesen ist) mit Demohrit iiberein. Als Reagenz dient 
nach Demokrit im ersteren Falle Kohlenasche (vgl. Plin. 26.62), was Hippolytos aus- 
gelassen hat, der aber Asche als Reagenz kennt (8. 55.9): im zweiten Falle Misy. d. h. 
nach Lippvasn! ein Zersetzungsprodukt des in Cypern vorkommenden cisenhaltigen Schwefel- 
kieses, woftir bei Hippoltyos, Philon (Mech. B. VS. 102. 31f) Sem.) und in der mittel- 
alterlichen Magia naturalis (vel. Porra S. 506. Weeris. Die natiirliche Magie S. 185). 
Kupfervitriol cisclicint, Es hindert nichts. anzimehmen, dah} beide Verfahren von der 
zugrunde liegenden Quelle, d.h. von Demokrit (Anaxilaos) bei ihrer Neigung zur Voll- 
stindigkeit (vgl. die chemischen Papyri) angegeben worden waren, 

Die V erwendung yon Milch und Wolfsmilehsaft als Pinte und von Asche als Reagenz 
kennen Ovid, Ars amat. II[ 627. und Plinius 26. 62: tithymallum nostri herbam lactariam 
voeant. alti lactuecam caprinam (aus Antonius Castor) nurrantyue lacte eius inseripto corpore*. 
cum inaruerit. si cinis inspergatur, apparere litteras. et ita quidam adulteras adloqui ma- 
luere quam codicillis. Beide Parallelstellen sind kulturgeschichtlich wichtig; denn sie 
gestatten uns einen tiefen Einblick in das sittliche Leben Roms. Threm Charakter naeh 
sind diese Rezepte unbedenklich dem Anaxilaos zuzuweisen. Man verstcht. wie Augustus, 
der die Heiligkeit der Ehe durch die lex Inlia de adulteriis sicherzustellen suchte. da- 
zu kan, in ihm einen Hauptgegner seiner Bestrebungen zu sehen. 

. 29 (S. 57: 4) Dbehandelt Uippolytos das cous von Eiern. In den [laryma des De- 
mokrit (Frg. 2)? und des Ananilaos (Psellos a.a. QO. 8. 146. 257%) ist gleichfalls davon die 
Rede. Das Verfahren war ein doppeltes: entw ne Srurdt das Ei in eine Farbbrithe ge- 
legt (Wein mit Krokus oder OL mit Kiimmel und Essig) oder es wurde der Farbstoff in 
das Ei eingefiihrt. Das letztere Vertahren beschreibt Wippolytos. Als Farbstoffe dienten 
ihm sinopische Erde (owor7ris) und das péAav ypadicov. von denen uns das erstere als 
Farhstoff zur Herstellung vou hochrotem Purpur aus dem Papyrus Holimiensis (ka 7, 19) 
geliufig ist. Eng verwandt mit diesen Experimenten ist das von den Geoponikern (XIV 10) 
mitgeteilte Kunststiieck. Eier mit beliebiger Aufschrift zu versehen’. Der Vertasser gibt 
eine doppelte Anweisung. je nachdem das Ei gekocht oder rol ist. Im ersteren Falle 
wird mit einer Tinte, ne Aus elise Hse: Raise und Essig besteht. die Schrift auf- 








1 “Chemische pape dis: 3 satreaanilends Ge nee Les ‘itung S. 16 (Sonderabdenehy. 
+ Bekanntlich hatte Moses nach Lev. 1g. 28 den Juden verboten ee OTIKTA EY TO wouaETE Toll. 
Freilich ob damit dasselbe gemeint ist wie in der Stelle das Plinius., ist mehr als fraclieh. 

Diets Vors. IL S&S. 132, 13: oo Ono tojda ever ta: Géous TO ov xpie KpoKe eins ueT olvon, 

Prellos ava. Ou: Kat mov epyarus Toparpor vee! euparors év €Natl ‘@ flepuo KUUVOV Kat foes Kyovtt 

Dieselben Kunststiicke a sieli mit: geringfiigigen Abweichungen in der Magia natoralis-Literatur. 
Vel. Ponty S. 54. Wrrerrn S. 24g. Die nelle sind dic Geoponiker. 


pa 


Die Bvoicd des Bolos Demokritos und der Magicr Anawalios aus Larissa. I. a9 


getragen und das Ei dann in scharfe Salzlake (@Api) velegt. bis die Schriftzeichen infolge 
der Porositit der Eischale eingezogen sind. Nachdem cs gekocht ist. findet man 
beim Abnelhmen der Schale diese Zeichen auf der Eihtille. Soll das Ei roh bleiben. so 
wird es mit Wachs tiberzogen, in das die Schritt tief’ eingeritzt wird. und eine Nacht 
in Essig gelegt. Halt man am folgenden Tage das Ei gegen das Licht. so sieht man 
die Sehritt deutlich durchschimmern. Es bedart kaum des Hinweises aut das von Hippo- 
lytos (IV 40) behandelte Experiment. wo gleichfalls cine aus Gallipfelldsung und Essig 
hestehende Tinte zu Ahnulichem Zweeke Verwendung findet. 1m ag crkennen, dali dic 
beiden Kunststticke der Geoponica aus demselben Kreise stammen. Bekanntlich hat Bolos- 
Demokritos auch Tewpy«d veschrieben. und wir wissen. da demokritisches Gut durch 
Vermittelune des Afrikanos in das landwirtschatftliche Corpus des Anatolios gelangt ist! 
Es ist schr wohl méglich. da die Autorenitherschrilt unseres Kapitels: Adpixavov echt ist. 

Demokriteischer Einschlag ist sicher nachweishar in dem folgenden Experiment des 
Hippolytos (¢. 30: das Lamm sehlachtet sich selbst ab. Vel. Gavsemixmiz S. 45). Die 
SchluBuotiz, dai man dem Tiere durch EingieBen von Quecksilber ins Ohr yollends den 
Garaus mache, geht auf den Mendesier zuriick nach Ps. Demokrit Mept avtarabewy e. 31: 
Ovijoker O€ (sv. Tavpos) Tap abTa Wpapyvpov eis TO ovS avTOU EudvonOevTos. Und von 
den kaustischen Mitteln, mit denen dem Tiere nach der Anweisung des Hippolytos die 
Kehle cingerieben werden soll. ist das letzte, die Meerzwichel (oKiAAa@). als Causticum 
gleichfalls dem Bolos bekannt. Vgl. Hatyvov [ Wuypa tedyorta xataxalerba oKiddav 
eis UCwp yNapov PpéEas dos ait@ viyacba. Handelt es sich bei diesem Experiment wm 
Ziegen, so empfichlt Hippolytos (c. 31 8. 57,17), ilmen die Ohren mit Wacls zu ver- 
stopfen, da sie durch die Ohren atmen und infolge der Verstoptung der Luftkanile sterben. 
Diese merkwiirdige Ansicht von der Atmung der Ziegen war zuerst. soviel wir wissen, 
von dem Pythagoreer Alkmaion vertreten worden. <Aristoteles h. a. | 11.492" 13: €T¢ Ge 
Kepadijs Moptov, OC ov akovet, amvouv, TO ovs’ Adkuaiwy yap ov adnBy Aéve. Papevos 
avarvely Tas aiyas Kata Ta OTA. Trotzdem Aristoteles sie als izrtitmlich zurtickweist, 
hatte sie doch Eingang gefunden in die naturwissenschaftliche Literatur der hellenistischen 
Zeit. Der Vermittler ist Archelaos, der sie in seinen /ovoduy von ueuem aufgegritfen 
hatte. Varro r. vr. If 3.5: de quibus (se. capris) admirandum illut, quod etiam Archelaus 
seribit: non ut reliqua animalia uaribus. sed auribus spiritum ducere solere pastores cu- 
riosiores aliquot dieunt®. Vergleicht man diese Worte mit \elian (n. a. I 53). so weist 
die Ubereinstimmung dieser beiden Autoren in der Quellenangabe (ot vouevtixot Aoryou -— 
pastores dicunt) darauf hin, dal der Aberglaube auch in die landwirtschaftliche Literatur 
eingedrungen war, und die Worte Varros sind so zu erkliren. dab er diese Notiz in 
seiner landwirtschaftlichen Quelle, Cassius Dionysios (88 v. Chr.) vorgefunden und zu ihrer 
Bekrittigung das Zitat aus Archelaos (etiam Archelaus seribit). der nach dem Autorenver- 
zeichnis bei Varro und Columella von Cassius Dionysios nicht benutzt worden ist, hin- 
zugefiigt hat. Der Landwirtschatter aber, der dem Cassius das naturwissenschattliche 








' Vel Over. Rh. Mus. 45 S. 832. 
+ Aus Varro stanunt Plin. VIII, 202: auribus cas spirare. non naribus. nee umaquam tebri carere Arclie- 
laus auctor est. 

> Nelian aca. Ov: €yee te mAeovextyua y aE Ty Tov TvevuETOSs elTpory. Ms vi vouerTiKo. NOyo! darty.  dvarvel 
yep Kal Ca TOV OTOV Kal Cia TOY JUKTHPOW, kal alo Aytikatatey TOV eyyAev éott, Val. Horapollo Il 68: rud dé care 
To ua\Aov akovovta OéAXovrTes cHulva, arya Coypadotow: at'ty yap dvazvel Cia zov pollen Ku Tov eter, Von der 
Bezoarzivge {Capra aevayrus) weili die gemeinsame (Quelle des Qppian. Cyn. IE 338 ff. und des Timotheos von 
(raza (ec. 15 8. 285.11 H) etwas Ahnliehes zu berichten: nur sind hier an die Stelle der Ohren die Hoérner als 
Luftleiter getreten. Das wird aus derselben (nelle stanmen, dh. aus Demokrit, hat aber nichts mit Hippo- 
lytos zu tan. da dieser von der Hausziege spricht. 


HO M. Weiiwayny: 


Material bereitet hat, ist Demokrit. der den Archelaos tatsichlich benutzt hat. Man wird 
also auch dies Experiment des Hippolytos als vou Demokrit tibernommen anerkennen 
miissen. 

Zu dem folgenden Experiment (ce. 31 S.57, 20): olkov d€ trowvor kateoOa tov Oa- 
AATTIwY TWOS iy@ple yplwWuEVOV TOU KaAoUpLEvou CakTVAOV bietet wieder Plinius (n. h. IX 
1$4) eine schlagende Parallele. Er berichtet, da die édxktvAo: Gadaoouwot (Fingermuschel, 
Solen Vagina L. Vel. Plin. NNAIL 151. wo sie zu den Solenes gerechnet werden) die 
Kigenschaft besitzen, im Dunkelu zu leuchten, sie selbst und ihr Saft. so da sogar die 
Ilinde, der Fuboden und die Kleider, auf die einige Tropfen des Saftes fallen, dasselbe 
Phanomen hervorrufen. Als Quelle des Plinius fiir Wundergeschichten von den Bewohnern 
des Meeres kommen zwei Autoren in Betracht: Juba (Demostratos) und Thrasyllos’. Fiir 
den TLofsterndeuter des Tiberius. der als Astrologe und Zahlenmystiker pythagoreisieren- 
der Platoniker war — so nennt ihn Porph. V. Plot. 20 —.d. h. Anhinger des neupytha- 
goreischen Ordens. als Quelle spricht der Umstand, dal} er im Autorenverzeichnis zum 
9g. Buche des Plinius genannt wird (Juba felilt) und dab die Notiz, die Plin. n. h. NNNIL 55 
unter seinem Namen mitteilt*, von der merkwiirdigen Antipathie von Schlange und Krebs, 
auf Demokrit zurtickgeht®. Ist also Thrasyllos die Vorlage des Plinius fiir das in Frage 
stehende Pavjcciov, so kommen wir mit ihm in den Kreis der Neupythagoreer (Demokrit- 
Anaxilaos). Dal} der Larissier tatsiichlich derartige Kunststiicke in seine [Maiyvice auf- 
genommen hat, schlicbe ich aus einer weiteren Stelle des Pliniuy (n. h. NXNIL 141), wo 
unmittelbar nach einem Zitat des Anaxilaos von dem Seestern folgendes berichtet wird: 
pulmone marino si confricetur lignum, ardere videtur adeo ut baculum ita pracluceat. 
Dieselbe Wirkung der Scelunge kennt der Verfasser der herinetischen Koiraniden (S. 271, 
nur in M erhalten): aAedbas dé avtov (sc. mvevpova Gaddoouov) év pike Kabaps Kai WuiEas 
év ndiw Gedoe: aitoy Kata Thy vwKTa Patvovta woTep NauTdda (aus Anaxilaos. Vel. 
Breruetor. Coll. des aleh. gr. 351, 26). Dasselbe bezeugt derselbe Autor von den Augen 
des Thuntisches und der Seelunge. S. 110, 5: éav de pascov ypions (xc. Oivvov 6fbar- 
yous Kat Trvevpovos Baracolov Aewoas) dcevwv oe aoeArjvou (vuKTOs), OdEEs Pos Ex Tis 
paBeov anoreurerOu. In diesen Zusammenhang gehdrt das yom Hippolytos (LV 38) 
mitgeteilte Zauberkunststiick, Sterne an der Decke eines Zimmers erscheinen zu lassen: 
aortépas Ce eva doxew trowvor Opicoay (jn) immovpou Podides vat. META KOMUEWS CE- 
cevpevar Kai TrpooTeTAAgpEVaA TO Opddy KaTa Ciadreinuara. Auch zu diesem Experiment, 
das mit phosphoreszierenden Fischschuppen ausgefiihrt wurde, hieten die Kviraniden des 
Hermes ((Juelle Anaxilavs) eine Parallele. S. 110, 1 heifBt es: G¥vvov ofBarpors Kat trvev- 
povos Badacciou édv tis hewoas pavy ev oTéyy Tov oikouv OWE, ddEovew oi Ev TO oik@ 
aoTeépas opav. Daran, dai die Fischnamen hier andere sind, wird niemand Ansto8 nehinen; 
in dem Zauberbuch, das Vollstindigkeit erstrebte*, waren natiirlich die verschiedenen 
Fischarten, die sich hierzu eigneten. aufgezihlt. 








' Val. tiber ihn Zetire I 14+ 8. 633. Usener, Kl. Schriften HI 1578. 
* Plin. a.a. O.: Thrasyllus auctor est nihil aeque adversari serpentibus quam cancros: sues pereussas 
hoe pabulo stbi mederi. Vegi. IX 99: contra serpentium ictus medentur (se. cancri). Warro bei Plin. VIL 97. 
Vgl. NXAL 53. Demohrit bei Nept. 2: oves vorotyres Kapkivous Totapious éxbiovow. Tatian, Or. ad gr. 18 (20, 11). 
Plut. aet. ph. 26 p.o18B. bruta rat. ati g p.ogtE.  Letate Quelle ist der Peripatos (Cheophrast) nach Ant. 
Kar. 35. Achy. h. 1 7. Nach Plin. VIET 97 (Varro-Demokrit) fressen auch die Hirsche Krebse. wenn sie von 
Spinnen gebissen sind. Vel Opp. Cyn, H 2Ser Aeloy he 13.35. Auress, Das Bueh der Naturgegenstiinde 
S.2.0 Geop. XIX 7.1 (Weiterbildung dieses Aberglaubens). 

Man versteht jetzt. dals Thrasvllos fii Demohrit soviel itbrig hatte. Da er ihn zum Pythagoreer 
vestenmpelt hat (Diog. Laert. EX 38). versteht sich bei einem Anhinger des neupythagoreischen Maénehsordens 
von selbst. 

4 Val. Gansesinieiz S, 38. 


Die Pvorxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos wus Larissa. 1. 61 


Nicht minder deutlich tritt die Abhingigkeit des Hippolytos von Demokrit-Anaxilaos 
in den verschiedenen Experimenten des Feuerzaubers eutgegen, iiber die er c. 32. 33 be- 
richtet. Es handelt sich im ganzen um 5 Experimente: 

1 Die Hande in heiBes Pech zu stecken, ohne sich dabei zu yverbrennen (¢. 32 
B50, Ed UR ey Bo ee oT 2), 

2 Auf gliihenden Kollen zu gehen (¢. 32 8S. 58,14 und ec. 33 S. 59. 20). 

3 Eine Sternpyramide von selbst zur Entziindung und zum Verbrennen zu bringen 


(¢, 32 S.°58,96 und ¢. 33° 8. 59, 2:0). 


4 Rauch aus dem Munde zu blasen (c. 32 8S. 58,16 und ¢. 33 8S. 60. 4). 

53 Ein Tuch in gliihende Kohlen zu legen, ohne da®B es verbrennt (¢. 32 S. 58.17 
und ¢. 33 8. 60, 7). 

Schon Ganscuiyirrz (S. 49) hat auf die Beriihrung dieses Abschnittes mit Theophrast 


flepit mupds 57f. hingewiesen. In der Tat erwihnt Theophrast nicht uur zwei dieser 
Experimente (2. 4). sondern er stimmt auch in der Verwendung des Essigs. des Fiweib 
und des Salamander als oSeotuKa Pdpuaxa.mit ihm tiberein. Offenbar hat die Vorlage 
des Hippolytos die Arbeiten des Theophrast gekannt und verwertet. Nun [ibt sich be- 
weisen, dai sowohl Anaxilaos wie Demokrit in diesen technischen Dingcn an den Peri- 
patos angeknuiipft haben. Plinius (33, 94) hat ein kurzes Exzerpt aus ciner technischen 
Schrift erhalten, das sich dem Wortlaute nach als Einlage gibt: contexiyue par est reliqua 
circa hoc. ut universa naturae contingat admiratio. Es enthalt eine Zusammenstellung der 
zum Liten und Schmelzen der Metalle verwendbaren Stoffe. Inhaltlich stimmt es so vor- 
trefflich zu dem Bilde, das wir uns von der Schrittstellerei des Demokritus-Anaxilavs zu 
machen haben. dai ich kein Bedenken trage, es dem Anaxilaos zuzuweisen. der im Au- 
torenverzeichnis zu diesem Buche als Quelle des Plinius genannt wird. In diesem Ex- 
zerpt wird nun in Ubereinstimmung mit Theophrast (59. 62) folgendes bezeugt: ignis 
autem (restinguitur) acetu maxime et viseo et ove. Das Demokrit sich gleichfalls in seinen 
chemischen Arbeiten aufs engste an il angeschlossen hat. dafiir bietet die chemische 
Literatur des Altertums ein wichtiges Beispiel. Nach Theophrast (de lap. 60) bereitet 
man Quecksilber. indem man Zinnober mit Essig in einem kupfernen Moérser mit kupfernem 
Pistill anreibt: mroverrae C€ (sc. yuTOS Gpyupos) 6Tav TO KWvapapr TeLpOy wet o&ovs év 
ayyeto yaAK® Kai OoidvKe yadx@. Plin. 33.123. Dasselbe Verfahren wird fiir Demokrit 
in einem aus dem Syrischen erhaltencn Traktat nach Berrurior. La chimie au moyen 
age IL S. 85 (n. 3) bezeugt: preparation du mercure a froid. prends un mertier de plomb, 
mets-y du cinabre et broie. en ajoutant de Veau. avee un pilon egalement en plomb, 
jusyuwa ce que tu obtiennes du mercure. prends du vinaigre et broie au soleil’. 


Das dritte Experiment beruht aut der Erkenntnis, daB ungeléschter Kalk (tTITavos — 
ealx viva, doPeotos) durch UbergieBen mit Wasser zur Entziindung gebracht wird. Die 
Entziindung der aus weiber Kreide bestehenden Pyramide erfolgt also dadurch. das der 
unter ihr befindliche Kalk mit Wasser tibergossen wird, wiithrend das Weiterbrennen durch 
das Ol veranlaBt wird. mit dem sie getrinkt ist. Es ist also zu lesen S. 60, 2: ava- 
arera 6€ 6 avtov Tov payou oTévCovTos  TUpa TiTavov UTroKEmevyy (UTOKaOLEVHY ed.) 
éyouoa avtl aorodias Kai ABavwtov AewTOV Kai ToAVY. Das wichtigste in diesem Experi- 
ment ist, dal} die Pyramide sich von selbst entztindet, und in der Tat ist diese Eigen- 





1 Diese Technik ist der spiteren alchimistischen Literatur ganz geliutig. Vgl. Berinrror, Collection 
des aleh. gr. S 172,16. Den (und, weshalb Bolos Mérser und Keule nicht. wie Theophrast, aus Kupfer. 
sondern aus Blei bestehen lift. erfahren wir von Diusk. m.m. Vo gs S&S, 66. 13. 


62? M. WreLtiwann: 


schaft des ungeldschten Kalkes, durch die das herbeigefithrt wird. dem Anaxilaos bekannt 
nach dem Zeugnis des Plinius (33, 94): calx aqua aceenditur et Thracius lapis. Vel. 
Pe 36.05 

Auch was Hippolyvtos (¢. 33 8. 59, 20) ther die Verwendung des Salamanders sagt. 
um die Fiibe beim Gehen iiber glithende Kohlen feuertest zu machen: tovs 6€ mddas 
ov KaleTa iyvoKoAAa' Kai cadapavepa yproduevos. beruht auf demokriteischer Lehre nach 
dem Zeugnis des Plinius (29, 76 aus Anaxilaos-Demokrit): ex ipsa quae Magi tradunt 
contra incendia. quoniam ignes sola animalium extinguat. si forent vera, iam esset ex~- 
perta Roma. Es ist kein Zweifel, da®B er auch hierin dem Theophrast gefolgt ist, in 
dessen Schritt Fepi Tupos 60 folgendes zu lesen ist: éav © apa TH] UypoTnTt TH TOLLUT}) 
Kal TO Yuxpov poor pice. Kal TOUTO ouvepyew Eis Thy opéow. omep KaL TeEpl THV 
cahaudvepav eval’ Yuypov yep TH pice TO G@ov, Kai ij ceToppeovoa uypoTis yAioy pa 
Kul Ga yUAOY TW EYoVTa TOLOUTOV, wWoTE OuKvETOcK ata, 

Wenn endlich in dem letzten Experiment (c. 33 S. 60, 7) Trinken des Tuches mit 
Salzlake. Eiweif und dem Safte des Mauerpfeffers empfohlen wird, wn sein Verbrennen 
zu verhiiten, so ist diese Wirkung des Eiweil} dem Anaxilaos gleichfalls bekannt nach 
Plinius (29, 51): et. ne quid desit ovorum gratiae. candidum ex iis admixtum calci vivae 
glutinat vibri fragmenta; vis vero tanta est, ut lignwm perfusum ovo non ardeat ac ue 
yestix quidem contaeta aduratur. Die Ubereinstinmung mit Theophrast ([ept mupds 59: 
dit Te TOTO TBEeoTiKWTAaTOV Elva hao. éav Tis pEEY TO CEOS WOU TH AevKG) sichert 
wieder die Herleitung dieses Stiickes aus Demokrit-Anaxilaos. Und die Verwendung des 
Mauerpfeffers als oBeotikov Pdppakoyv ist echt demokriteisch nach [atyviov y: udyepov 
pay OVvacOa Thy Tupav avawar Botavyv aeGwov Hes avTou eis Ti éotiav. Vgl. Neptun. 58. 
Aelius Promotus a. a. O. S. 776, 14. 

Den SchluBstein des Beweises, da das Zauberbuch des Anaxilaos die Urquelle des 
Kirchenvaters gewesen ist, liefert sein cigener Bericht tiber die Zauberkunststiicke des 
Markos (VI 39 vgl. Iren. 113). Das angebliche Wunder des Markos. Wein in Blut zu 
verwandeln. wird von ihm als Taschenspielerkniff entlarvt. wobei er auf den Abschnitt 
seines Werkes tiber die Magier verweist. wo dieser Kunstgriff yon ihm erklart wird (LV 28 
S. 56.31). Nun erinnern wir uns. dai Irenius (113) als Quelle der Zauberkunststiicke 
dieses Valentinianers die [atyva des Anaxilaos angesprochen hat. Mithin ist der Schlub 
nicht abzuweisen. daS sich auch jener Abschnitt der Refutationes des Hippolytos an die 
Lehren des Larissiers anlehnt. Eine erwtinschte Bestitigung liefert uns eine Notiz des 
Psellos (Lect. mir. S. 147.7 West.). die auf Anaxilaos zuriickgeht: vowp € eis oivov pe- 
Tasadres KyKidas Newoas Kai EuPadrwv eis avtd. Danach hatte er tatsiichlich derartige 
Kunststiicke in seinen [aiyvia behandelt. 

Zu den magischen Worttftihrern der ersten Jahrzehnte n. Chr. gehdrt endlich auch 
der als Antisemit verrufene alexandrinisehe Grammatiker Apion’®. Uber seine magischen 
Neigungen kann der nicht im Zweifel sein. der die von Plinius aufbewahrten Bruchstiicke 
dieses Mannes kennt. Wer wie er den Schatten Homers beschworen hatte. wn von ihm 
zu erfahren. in welcher der 7 Staidte. die ihn den Ihrigen nannten. er wirklich geboren 
sei (Plin. 30. 18). der war ein Magier. Und den Magier verraten zwei weitere Bruch- 








1 Interessant ist die Parallele. die Gavscmixterz S. 50 aus dem Liber de oe mundi anfiihrt, 
das von einem Schiiler des Albertus Magnus herriihrt (197. 199): dicunt phil usophi, quod calx talis non com- 
burit in igne et gluten piscis salvat ab igne. et alumen iamenum et sanguis salamandrae. Das Bueh. das auch 
sonst me eee iirdige Parallelen zu dicser Titemtie aufweist. bedarf einer "Ouellentinte rsuchung. 


2 Vel. Mownses. RG. Vo517 A. 2. 


Die Buoikd des Bolos Demokritos und der Magier Anixilaos aus Larissa. 1. 63 


stticke. in denen zwei Kriiutern. dem avaxauyepws' und Kxuvoxedadwov*. magische Kriitte 
nachgerfilint werden®. Und sehr merkwiirdig ist. dal} die zahlensy mbolischen Spiclereien. 
die in der auf Magie beruhenden Lehre der Gnostiker (Simon. Menander. Markos) he- 
kanntlich eine bedeutsame Rolle spielen'. uns gleichtalls bei Apion begegnen. So hatte 
er entdeckt. dal} Momer darum mit dem unpassenden Wort pajms die Ilias begonnen habe. 
weil die ersten beiden Buchstaben als Ziffern die Biicherzahl seiner beiden Epen darstellen’. 
ferncr, da} der erste Vers der Ilias gerade soviel Silben enthalte wie der erste der 
Odyssee und daB dasselbe fir den letzten Vers beider Gedichte gelte’. Hier liegen klar 
und deutlich Zusammenhinge vor. die nicht etwa wie bei Philo auf Poseidonios, sondern 
auf die neupythagoreische Lehre der hellenistischen Zeit weisen. Diese Annahme wird 
dadurch gesichert. dai der Neupythagoreer Nikomachos aus Gerasa dieselhe Zahlenspiclerei 
mit derselben Willkiir getrieben hat’. Erinnert man sich nun. dai Apion in den Ps. 
Clementinischen Homilien ([V 6) als Schiller des Simon Magus erscheint, so wird man 
diesem Zeugnis nicht allzuviel. aber auch nicht allzuwenig Gewicht beilegen diirfen. 

Kein Wunder. da dieser Scharlatan iiher Magie (/lept udyou™) nach zuverlissiger 
Uberlieferung geschrieben hat. in dem unter anderem von dem » Reichmannsptennig« des 
Magiers Pases" und von dem »Tischlein deck dich« die Rede war. d.h. von magischen 
Kunststiicken, die vor ihm Demokritos-Anaxilaos literarisch behandelt hatten. Mtszrr 
fa. a. O. S. 130) hat vermutet, dali Plinius aus dieser Sehrift dice inhaltlieh wertvollen 
Notizen zur Geschichte der Magie (30, 1f) geschéptt habe. Offenbar oline Kenntnis dieser 
Vermutung Mixzrrs hat Grercxrs (Hermes 49. 347 f) Varro-Poseidonios als Quelle an- 
gesprochen. Um diese wichtige Frage nach der Vorlage des Plinius entscheiden zu kénnen., 
scheint es mir zweckmiBig, zunichst einen Uberblick tiber diesen Abschnitt zu geben. 
Seine Gliederung ist folgende: 

1 Einleitung (1.2). Entstelung der Magie aus der Medizin und ihre friihzeitige Ver- 
kniipfung mit dem religidsen Aberglauben und der Astrologie. 

2 Hauptteil. 

a (3-—5) Persien Wiege der Magie. [hr Begriinder Zoroaster. der nach Eudoxos und 
Aristoteles 6000 Jahre vor dem ode Platos (349). nach Hermippos 5000 Jalire vor dem 
Trojanischen Kriege gelebt hat und dessen Schriften einen Umfang von zwei Millionen 
Zeilen hatten. 


‘ Phn, 24.167: adiecit his (se. portentix Democriti) ... anacampseroten celeber arte granimuitica paulo 
aute. cuius omnino tactu redirent amores vel cum odie depositi. Da Apion mit dem = celeber arte gram 
matica paulo ante« semeint sei. hat schon Diirresix vermutet. Diese Vertmutung wird gesiehert dureh 
Plinius 50.18. 37.75. Vel. Plut. de facie in orhe Tunae p.939D. Hes. s. ve tvemiarepes 

* Plin, 30. 18: quaerat aliqnis. quae sint mentiti vereres Masi. cum admescentibus nobis visus | Apion 
wramnmaticae artis prodiderit eynoeephalian herbam. quae in Aegypte voearetur osiritis., divinam et contra omnia 
veneticia. sed st teta crueretur. statim eum. qui erutsset. mori. 

® Mit Reelt sind diese beiden Bruehstueke in den FHGr. Hf 515 seiner Selivitt Mep! udeyou' Zugew iesen, 

Wel. Irenaeus Il 24. T24.7. Dieterich. Abraxas 46. 

“Seneca Epist. 88. 40. 

* Plot. quaest. conv, IN 3p. 73940 (vom Grammatikher Zopsyvion vorgetuagen: curmep. Cay Kal co ras 
Wuifos tov TpOtov otto TO THs Ocvrielas iromtiNapoy ewar Kat zéXw TO reNevtadey Tor TeNertetoy é Ty NS Kat an 
Toudtos exyxoNovAykeva Man gewobne sich daran, da® auch Apion za den Quellen Platarelis gehort hat. 

* Zevvrer Ill 24 Ss. 137. 

~ Vel. Suidas s. ve Mdons.  Cresivs. De proverbiis Alex. S. 24. 

"Suid. s. we. Peary, 6 ee Marys orTos nauk. HV zyy Otorw, waved, ce (3 Aprons ev Heyer evyvoyer, Oore 


: ee, one aan be auhes eae eT Sas Shc Se , , . , : ~ , , 2 st 
eK tov exaoton apron Kat cemmvea TloXvTeNy npamdtteal KaL ClaKkovorievous Tivas, Kat TEN amayy Tavra yhver Get, FIye 8 
Sy ha ‘ % : ; au agate ease ws eee 2 soos ” aes : 
Kai 11 IGALOV eK MLAS ante TeToUEVON. OF Clacieouevoy Ur atton Tos TixparKkover waa ov nbedev oveicba, ei 
so , eo eo ae Say sent, (tae Nh, es ; 7 ae ae ae , - . 
EpovAetTo, TadW Tap auto yuplrKeTo, Kat Antew ee 6 YPEHMETIKOS WVYMOVEVEL AUTOU FY FO Tepe Mayu. Vel Origenes 


contra Cels. P68 qaus Apion?) Lirerecus. Zur Volkshande 8.9. Cresirs. Verhandiungen der Philologen: in 
Gorlitz (18go0) S. 40. 


64 M. Wrbituwann: 


b (5—7) In Griechenland Homers Odyssee iltester Zeuge. Hauptst&tten Telmessus' 
und Thessalien. Fraglich. ob der Thraker Orpheus” zur Verbreitung beigetragen. 

e (8.9) Verbreitung der persischen Magie zur Zeit der Perserkriege durch Osthanes, 
der Xerxes auf seinem Zuge gegen Griechenland begleitete und der zuerst (primus, quod 
exstet. ut equidem invenio, commentatus est de ea) tiber Magie geschrieben hat, nach 
den diligentiores schon friiher dureh den jiingeren Zoroaster aus Prokonnessos. Anhdnger 
der Magie bei den Griechen: Pythagoras, Empedokles. Demokrit und Plato. 

d (9g. 10) |Agyptische Magie*]. Hauptvertreter Demokrit, der die Schriften des Kop- 
titen Apollobex. des Dardanos und Phénix dadurch heriihmt gemacht hat (inlustravit). 
dai er auf ihren Grundsitzen seine eigenen literarischen Arbeiten aufbaute*. 

e (11) dtidische Magie*, begriindet von Moses, Jannes und Lotapes, die viele tausend 
Jahre nach Zoroaster lebten. ebenso wie die Vertreter der kyprischen Magie’. 

f (11) Neue Bliite der Magie zu Alexanders des Grotien Zeit. Ihr Vertreter der jiingere 
Ostanes. der Begleiter des groBen Kénigs. 

3 Anhane. 

a (12) Magie hei den Rémern. Beweis: die Bestimmungen des Zwilttafelgesetzes 
und des senatus consultum vom Jahre 97 v. Chr., durch das die Menschenuopter verboten 
wurden. 

lb (13) Verbot des gallischen Priestertums der Druiden’ durch Tiberius” und die Magie 
in Britannien. 

¢ (14---17) Magie unter Nero. neubelebt durch die Anwesenheit des Kénigs Tiridates 
yon Armenien in Rom (66 n. Chr.). 

Die Zitate des Eudoxos. Aristoteles, Hermippos (3) sowie die Ausdriicke »inveni« 
und »diligentiores« (8) sprechen fiir eine literarisehe Quelle: aus ihr stammen sicher die 
in sich zusammenhingenden Paragraphen 1—11. Wie steht es nun aber mit den fol- 
genden Austiilrungen tiber das Auftreten der Magie in Italien, Gallien und Britannien? 
Hat Plinius sie aus derselben Quelle entlelnt? Entschieden wird diese Frage durch die 
Tatsache. dai diese Notizen kulturgesehichtlicher und nicht literarhistorischer Art sind. 
Es liegt aut’ der Hand. daB sie zum Teil Lesefriichte sind. wie die Berufung auf das 
Zwilftafelgesetz und das senatus consultum vom Jahre 97, die Miyzrr (a. a.O. 178A 2) 
mit Recht auf Varro zuriickgefiihrt hat. zam Teil aber aus Plinius’ eigener Kenntnis stammen. 








1 Vol. Cieero de div. 1 g1: Telmesus in Coria est. qua in urbe excellit haruspicum disciplina. 

* Die Anspriiche des Orpheus auf die atperrs der Magie werden auch von der Quelle des Diogenes 
Laertios (1 prooem. 5) zuriickgewiesen. Uhrigens galt Thrakien auch als Ptlegestitte der Alchemie nach Beriarior, 
Collection des aleh. grees S. 26. 

Val. Rerizenstrix, Poimandres 163 A. 4. 

* Teh lese mit Drers: Democritus Apollobechen Coptiten et Dardannin et Phoenieem inlustravit, volu- 
minibus Dardani in sepulchrum eius petitis. suis vero ex disciplina eorum editis. Vel. Wemrich a.a. O. 26 A. 
Renizeasiety aca. QO. Die Fiktion des Demokrit. dai er die Schriften des Dardanos im essen Grab oefunden 
habe, fiihrt. wie Reuizensirin richtig bemerkt. ant Agypten. 

Diog. L. L prooem. 9: mor ee Kal rors “Toveaors (se. seyors) x tot'row ewer, deh. von den persischen Magiern. 
Plinias leitet dageeen die jiidische Magie offenbar von der agyptischen ab: est et alia magices fuctio a Mose 
et Ianne et Lotape ae Indaeis pendens. Moses und Jannes waren ja zuerst Agypter. In der Tat beriihrt sie sich 
in der charakteristischen Verbindung von Magie. Alchimie und Mantik mit der agyptisehen. Vel. Retizry- 
SrRIN aca. rgpA.r. 164A.1. Frecoeninvt, Hellen, Studien 173. Ars. Apologie des Apuleius 319gf Zu den 
jiidischen Maziern warden auch Salomo gerechnet. sowie Dardanos. Chalkeos. Haimanos und Athanox: Joseph. 
Arch. VIII 43. 

5 In cinem Amulett des Paris. gr. 2316 fol. 435 werden unter den Magiern aufgezihlt: Kizpios i) Kixpuowa. 
Epiphanios, der Bischof von Constanzia aut Zypern. steht in ihrem Banne. Ein kyprischer Magier aus der 
Zeit des Claudius. Atomos mit Namen {so ist zu lesen). wird yon Joseph. Arch. NN 142 erwahint. 

7 Vel. Diog. L. procem. 1. 6. Strab. [Vorg7 (aus Poseidonios). PW V 1730. 

> Vel. PWV 1734. Momsen. R.G. V 96. 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Mayier Anacilaos aus Larissa. 1. 65 


worauf die Ausdriicke »ad nostram memoriam« und »hodie« (13) deutlich hinweisen und 
worauf der Bericht iiber die Anwesenheit des Tiridates in Rom von selbst hinfiihrt. Damit 
ist aber der Vermutung Grricnens die Grundlage entzogen: das Zitat Varros im Autoren- 
verzeichnis bezicht sich nur auf $12. Allerdings hat ja Varro iiber Mantik! und Aher- 
glauben, vermutlich in seinen Antiquitates rerum divinarum et humanarum. mit Benutzung 
der poseidonischen Schrift [epi pavtucns geschricben und dabei walirscheinlich auch cinen 
Uberblick tiber die Geschichte der Mantik gegeben. Der Bericht Strabos (XVI 762 aus 
Poseidonios) mag uns eine Vorstellung davon geben. in welecher Weise das Thema von 
ihm behandelt worden ist. Aber weder von ihm noch von Poseidonios [Hibt sich he- 
weisen. daB sie eine Geschichte der Magie verfaBt haben. Und selbst wenn wir es fiir 
Varro annehmen, so spricht doch die Nichterwihnung des Nigidius Figulus. der ibm als 
Haupttriger der Magie im ersten Jahrhundert galt und den er fleiBig benutzt hat. in dem 
plinianischen Bericht gegen seine Benutzung. 

Als einheitliche Mabe bleiben also die Paragraphen 1—11. Zu ilnen ist uns hei 
Diogenes Laertios prooem. rf. eine wertvolle Parallele erhalten. Wir lernen daraus. dab 
die Zitate des Eudoxos und Aristoteles*- - gemeint ist die Schrift [epi @Aocodias — nicht 
das Mayiov, das jinger ist als [ermipops und den Peripatetiker Antisthenes aus Rhodos 
zum Vertasser hat’ -~ aus Hermippos’ Schrift Mept udyov stammen und dali die thm hei- 
gelegte Ansicht (4) tther das Alter des Magiers Zoroaster aus dem Platoniher Hermodoros ! 
stammt, dessen Zitat bei Diogenes ihm demnach gleichfalls zuzuweisen ist. Ob die Be- 
merkungen tiber die jiidische und kyprische Magie (11) bei Hermippos gestanden haben. 
LiBt sich nicht ansmachen. so wahrscheinlich es ist, da ja bei der umtangreichen Uber- 
setzungstitigkeit. die Ptolemaios Philadelphos veranlabte, auch die Werke der jiidischen 
Literatur beriieksichtigt wurden und zur Einordnung in die griechische Literatur Ver- 
anlassung gaben. Immerhin ist daran festzuhalten. dafs wir mit Hermippos wohl eine 
der Primirquellen des Plinius kennenlernen. von den Mittelgliedern dagegen zuniichst 
nichts erfahren. Daf aber zum mindesten ein Mittelglied anzusetzen ist. folgt aus der 
Erwithnung der Schriftstellerei des Bolos-Demokritos, die in nachhermippische Zeit fiihrt. 
Leider ist bei Plinius der Sachverhalt dadurch verdunkelt worden. dafi er den Mendesier 
mit dem Abderiten identifiziert: deun seine Quelle, die doeh den Bolos selbst in Hiinden 
gehabt haben mul wegen der Kenntnis der Vorrede der in Betracht kommenden Schrift 
(epi avrorabemv Kai oupTrabemv oder KEeLpoKpTc?). kann unméglich dicses Glaubens 





1 Augustin (de civ. dei VII 35) bezeugt. daB er iiber Hydromantie und Nekromantie gehandelt hat. In 
demselben Zusammenhang wird Varro auch von Isidor (WIT 9. 63) in dem aus Plinius. Augustin de civ. dei 
und doetr. chr. zusammengearbeiteten Abselinitt de magis zitiert. Eine Probe aus diesem wohl de divinatione 
betitelten Kapitel hat Apuleius Apol. 42 erhalten. durch die die Benutzung des Nigidius Figulus seitens des Varro 
hezeugt wird. Fiir die Behandlung des Aberglaubens werden wir gleichfally em besonderes Kapitel seiner 
Antiquitates ansetven diirfen. Wie mir scheint. besitzen wir noch ein Exzerpt aus diesem Absclirutt bei Augustin 
de doctr. chr. IT 20. Vel. Varro bei Plin. 28.57. Auf jeden Fall dtrfen wir wohl annehmen, dal die Nisidius- 
Zitate in deu B. 29 (oy. 135) und 30 (84) aut ihn zuriiekgehen. Vel. Varro bei Plin. 28.21. 37.00. 29. 4. 65. 106. 

2 Vel Diog, L. 8: Apiurrore Nas eC év xpare flepi Aiiocodias Kai TperpPvrepors ede (NO. Tats Tay fleyormy uergou's ) 
Tiny Aryurtion * Kul Co Kat abrors eivar apyes, ayatoy Calnova Kat KUKOY eatuova (> Phat. le IS gop... Gyet et otro 
Kal “Epuirros ev TO xprozto Flepi ueyor Kar Eveokos ev Ty flepisem Kat Oedzourvos ev vp Gytay -ev Bivunmeov. Ex ist 
gav kein Zweite. daB auch das Theopomp-Zitat aus Ucrmnippes stamme und ebense der Bericht Phitarehs 
(de Iside a. a. O.) fiber den Mithraskult, Er ist also der dlteste Zeuge fir diesen Walt. 

® Val. PWT 2838. 2543- 

+ Dios. L. pr. 2s ano ce TOV Mayor, ov p&at Zoponarpyy roy Ieprmy, Epuocopos ney 0 TH Natevikos év <7) Flepi 
natynatoyv Ayow eis TyV Tporas Coow ery yeyoverae: mevtagiryt Ace ~ Pin. 30. 4: Hermippus. quai de tota ea arte 
diligentissime scripsit ... ipsum tse. Zoroastrem) vero quingue milibus anneruca: saute Tres bellum fnisse. 
Plut. de Is. 46: Zopoartpys 6 lyos, Os TH TUKUT YINOIS ever Tov Tpoikay Yepoveit “pee IeTEpOV UTTOpovoN. Ich er- 
innere davan, daB ich seiner Zeit Apron als Quelle der Plutarchisehen Schrift aneesprechen habe. Seine alle- 
gorische Mythendentung lernen wir aus den Ds. Clementinisehen Hom. Viz kemnen. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 7. 9 


66 M. WeLtwany: 


gewesen sein. Zudem spricht das ja auch Plinius offen aus (10): in tantum fides istis 
(sc. quae tradit Democritus) fasque omne deest, adeo ut qui cetera in viro probant. haec 
opera eius esse infitientur. sed frustra. 

Zu der Bestimmung der Vorlage des Plinius verhilft uns das Autorenverzeichnis zu 
diesem Buche. Wir lesen dort folgende Autorennamen in folgender Reihenfolge: 


Eudoxos zitiert $ 3 
Aristoteles » $ 3 
Hermippos » $ 4 
Homer » $$ 5 
Apion » $18 
Orpheus » S$ 7 
Democritus »  & 9 
Anaxilaos » $74 


Wie man sieht, wird durch Apion die tatsiichliche Reihentolge der benutzten Autoren 
durehbrochen. Zwar wird er § 18 zitiert, aber dort handelt es sich, wie Plinius aus- 
driicklich hervorhebt, um eigene Reminiszenz gelegentlich eines Vortrages dieses sensations- 
liisternen Grammatikers. Das Zitat ist also Beigabe des Plinius, und Apion kommt als 
Vorlage der Geschichte der Magie nicht in Frage. Dagegen spricht fiir Anaxilaos alles. 
Dieser Neupythagoreer hatte merkwiirdigerweise geschichtliche Interessen. Es ist eine 
ansprechende Vermutung von Epvarp Scawarrz (PW I 2083), daB der von Diogenes Laertios 
(L107. Ill 2) erwahnte Anaxilaos Anaxilaides (als Vertasser einer Philosophengeschichte ?) 
mit dem Larissier identisch ist. Seine Heimat Thessalien als Brutstitte der Magie wird 
in dem Plinianischen Berichte (§ 6) ausdriicklich erwihnt. Ihm ist es ferner zuzuschreiben, 
daB Plinius den Mendesier mit dem Abderiten zusammengeworten hat; denn er pilegte 
seinen groBen Vorginger, wie es auch bei Plinius geschieht, mit scinem Beinamen An- 
poxpitos zu zitieren. Vgl. Pap. Holm. a 13. 

Derselbe Anaxilaos war aber auch einer der Hauptvertreter der chemisch-technischen 
Literatur des Altertums — auch darin ein Nachtreter des Bolos — d. h. jener Literatur. 
die das Nachahmen und Falschen von Gold, Silber. Edelstein (Elfenbein) und Purpur zum 
Gegenstand hatte. Sein und des Bolos Farbebuch sind die Altesten Werke tiber ehemische 
Technik, die wir kennen. [hre eminente kulturgeschichtliche Bedeutung leet darin, dab 
sie den AnstoB gegeben haben zu der von ihr grundverschiedenen, im 2. und 3. Jahr- 
hundert n. Chr. gleichzeitig in Agypten, Palastina und Syrien einsetzenden alchimistischen 
Literatur, deren Verfasser verméige magischer Mittel und unter Mithilfe von Geistern die 
Edelsteine selbst herstellen zu kOunen vermeinten. Sicher gehen die Anffinge dieser rein 
technischen Literatur, besonders im Orient. in unbestimmbar weite Zeit zuriick. aber uns 
ist sie erst in der Gestalt bekannt, die sie im 3. Jahrhundert in A\gvpten in den Werk- 
stiitten der neupythagoreischen Ordensniederlassungen erhalten hat. Was sie von der 
alchimistischen Literatur unterscheidet, ist. da®B sie frei von allem theosophischen. mystisch- 
magischen Dunst ist und weiter nichts darstellt als den Niederschlag mannigfacher Versuche 
und Ertahrungen auf dem Gebiete der Nachahmung und Filschung der Edelmetalle, Edel- 
steine und Farbstoffe, wobei die Verfasser ihren Zweck, Vortauschung echter Waren durch 
unechte, ganz offen eingestehen. 

Fiir die Existenz einer solchen Schrift des Anaxilaos haben wir das Zeugnis des 
Pap. Holm. (ed. Lacercrantz S. 3.13) und des Plin. no h. XAXVIT 197. fiir Bolos wird 
sie — Suid. erwihnt sie in seinen beiden Bolosartikeln nicht — durch vier unanfeeht- 
bare Zeugnisse verbitirgt. 


Die @votxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 67 


1 Poseidonios hei Seneca Ep. mor. 90. 33: exeidit porro vobis eundem Democritum 
invenisse, quemadmodum ebur molliretur, quemadmoduin decoctus calculus in smarag- 
dum converteretur. qua hodieque coctura inventi lapides in hoe utiles colorantur. 

2 Plinw n. hh. NNAVIL 197: quin immo etiam exstant eommentarii auctorum (se. Ana- 
xilai et Denon juos non equidem demonstrabo, quibus modis ex erystallo smaragdum 
tinguant aliasque eects sardonychem e sarda, item ceteras ex alis: neque enim est 
ulla fraus vitae lucrosior. 

3 Pap. Holm. @ 12 S.3: aAAo (se. Trepl apyvpou Tou} ews). eis 0€ Anpoxpitov 
Avagidaos avaéper Kal TOCE* TOUS KoWOUS Aas ¢ ape orun Ti pia TH TXLTTH Aujvas ev pana ou 
o&ee Kal avatAdoas KoANoUpue TavT emt Tpels Tiépas ebuyev év Padavelw, KaTrerta 
Aectvas Tuveywveve TOV yaAKOv emt Tpis Kal VeaTt OadaTTin KaTaaBevviwv Eyruyev. Edey- 
Eat TO aTroPyoomevov H Trepa'. 

4 Demokrit [ayia @ (Duts 55 B 300, 11): Ta yadKa ypvoa romoa daiverBa: 
Getov carupov peta TIS KpITHplas pelEas Exuaooe, vou Diris mit Recht mit dieser Literatur 
in Zusammenhang gebracht. 

Das Bild, das sich aus diesen Zeugnissen von der Schrift des Bolos* gewinnen laBt, 
ist folgendes. Sie enthielt Vorschriften iiber die Bearbeitung von Elfenbein®, tiber die 


Nachahmung der wahren Edelsteine durch geringwertige Steine (calculi — Aida, AR 
Adpia, Pap. Holm.). z. B. den kpvotaddos (Glimmer, Marienglas), mit Angabe der Ma- 
nipulationen. die zu diesem Zwecke erforderlich waren (decoctiv --~ éynous, coloratio -- 


Bady). Unter anderem war die Rede von der Imitation des Smaragds durch Glastliisse 
und von der Verwandlung des Granats (sarda) in den Sardonyx. Dazu kamen Rezepte 
tiber Imitation der Edelmetalle (Gold wnd Silber) durch minderwertige Metalle. Was den 
Charakter der Schrift anlangt. so war sie uoffenbar eine technische Schrift, die, hervor- 
gegangen aus der Handwerkerliteratur, die von dieser unzertrennliche Fialschertechnik 
bew aint hat, aber. wie das Bruchstiick aus den [laéyvia und der SchluB des Rezeptes 
des Holm. beweisen, ihren Zweck, d. h. die Verfilschung der Edelmetalle und Edelsteine, 
offen eingesteht. DaB daneben auch der Sechwindel eine Rolle spielte, soll nicht ge- 
leugnet werden: liuft doch die Behauptung des Bolos, da Elfenbein durch Gerstenweiu 
(CvOos —- Bier) erreicht werden kénne. nach der Anschauung der modernen Techniker 
auf offenbaren Schwindel hinaus. Dagegen scheinen mir die rein praktischen, auf Er- 
fahrung beruhenden Vorschriften der drei Rezepte. die sich dem Bolos-Anaxilaos mit 
Sicherheit zuweisen lassen (Holm. a S. 1.12 und [atyvia a’) zu beweisen, daB ihnen 
alchimistische Neigungen fernlagen, da sie vdéllig frei sind von jenem, den spiteren 
Alchimisten eigentiimlichen Aberglauben, durch ihre Kunst unedle Metalle in edle ver- 
wandeln zu kinnen*. 





1 Der verdienstvolle Herausgeber des Pap. Holmiensis, Lagercranrz, hat. wie ich glaube mit Recht, 
auch die voraufgehende Anweisung des Hohn. (@ 1f.) zur Nachahmung von Silber dem Bolos zugewiesen. 

2 Vel. EL “Onerr bei Scsraum I S 858. 844. Wripcicu a. a. O. Ss. 2of. Rirss. PW [1342f. Berineror, 
Des origines de Valchimie et des cuvres ae d Démocrite d’Abdére, Journal des Savants 1884 S. 5178. 
Diexs, Antike Teehnik S. ro8t. S. 139 (zweite Autlage). 

3 Das von Bolos erfundene Verfahren zur Er eoaline des Elfenbeins wird mitgeteilt von Dioskurides, 
Plutareh und Simeon Sethi. Vel. Diosk. m. m. IL 87 (171.8 ): evepyijs 6é Kai 6 éXédas vyiverar Ppexouevos atte 
(se. (Ge). Plot. an vit. ad intel. sufticiat 4 ‘P- 499 E: as yap 7 Kpoxyn TO datéuv apie TéePpa Kal oFet tidjpoyov 
YEvopievor, Kat TOV eAtbavta TO Gubler falas yevdnevor Kat XaAGvTa KaJTTOVL Kat car xnparivovew, aAX\ws Cot) ovvav- 
taut: ovtws KTA. Simm. S. S. I1y, gbe dag yep os Kat ta ehehavtwa dora pos Kaipov TOUT éupetvavta (se. povka ~ 
Gibe) padaooera cixyy xypot. Vel. Heuy. Kulturpflanzen® 8S. 142 f. 

+ Drers a. a. O. bemerkt Tait Recht. das das Rezept der Mafywa bereits die Anfange der Goldmacherkunst 
zeigt. Es ist kein Zweifel, daB aus diesen Badixa betitelten Schriften die weitverzw eigte Literatur der Alchimie 
hervorgeganzen. ist. 


g* 


M. WeLttuanyn: 


Ga 


Trotz der Diirftigkeit dieser Zeugnisse springt die Ahnlichkeit des Inhaltes der Schriften 
des Bolos und Anaxilaos mit den beiden uns erhaltenen chemischen Papyri in die Augen, 
die aus dem Ende des 3. Jahrhunderts stammen und beide in Agypten beim Aufdecken 
eines thebanischen Grabes im Jahre 1828 gefunden wurden. Es sind dies der Pap. Lei- 
densis X, der von Lermaxns in den Pap. gr. Musei Lugduni-Batavi Bd. IT (Leiden 1885) 
S. 205f. ediert worden ist und von der Nachahmung der Edelmetalle und von der Purpur- 
firberei handelt, sowie der yon dem Schweden Orro Laerrcraxtz herausgegebene Pap. 
Holmiensis (friiher in Stoekholm, daher der Name: jetzt in Upsala im Victoria-Museum), 
Upsala und Leipzig 1913, der Rezepte fiir die Imitation von Edelsteinen und Perlen, daneben 
aber auch fiir Purpurfirberei und die Verfiilschung des Silbers enthiilt’. Beide sind. wie 
die Schriften des Bolos und Anaxilaos. eine Sammlung von Rezepten. die, noch nicht 
durehtrinkt von mystisch-alehimistischen Ideen, uns in jencr urspriinglichen Gestalt vor- 
liegen. welche die Vorstufe zu den Rezepten der Alchimisten der Kaiserzeit bildet. Und 
wenn Poseidvnios in seinem Bericht tiber die von Bolos getihte Praxis yon Steinen spricht, 
die zur Imitation von Edelsteinen geeignet seien (lapides in hoe utiles), so setzt das vor- 
aus, daB er sie bei ihm gelesen hat. Ist es Zufall, daB sie im Holm. m@ 36 8.19) in dem- 
selben Zusammenhange aufgetiihrt werden: Awv eid Tev eis Badiv. of de EmiTijeErot 
mpos Badunv MBot KpvaTaddAos TaPaows* Te Epevhia Kata Baov mupitys? In demselben 
Papyrus sind der Nachahmung des Smaragds nicht weniger als 10 Rezepte gewidmet’. 
yon denen zwei’ auch die Verwendung von Marienglas (kpvataAAos). die fiir Bolos be- 
zeugt ist, kennen. Besonders deutlich tritt die Zusammengehirigkeit in der Ubereinstim- 
mung des Maryvia-Fragmentes mit dem Leidensis zutage: Ta yaAKa Xpvad Tomoa pat- 
veobau — Pap. L. 6,25: ware paiveoba ta yadka ypvod. 5.14: yadKou ypucodavous 
TOMOIS. Andrerseits fehlen in beiden Papyri Vorschriften tber die Umwandlung von 
Edelsteinen ineinander. Die einzige Parallele. die mir zur Hand ist, bietet einer der tech- 
nischen Traktate des Corpus chemicum, der den Namen des Galmanas triigt und in dem. 
wie wir spiiter sehen werden, zum Teil alte, aus Bolos stammende U herlieferang erhalten 
ist. V gl. S. 36120" idxwOov él BovaAe Auyverny TOUT: oKevace Eupiov OUTWS* Xarkirou 
Hep y piovos Hepn y’. Koxkov [adatikov _HEpos a’: wiEas yp@. ws TpoeipnTta. év TH 
youl TTpevvvwy Kal EmLTTpwWVVWUWY Kai OTTOVY wWpas Y’. 

Was den Titel der chemischen Schrift des Mendesiers anlangt: so steht uns leider 
kein direktes Zeugnis zu Gebote. Mit Bestimmtheit kénnen wir nur so viel sagen. dab 
der Titel ®vouwd kai pvotud ausgeschlossen ist. Wie dieser Titel dem Werke des 
Alechimisten und Mystikers Demokrit. der in die nachchristliche Zeit gehért’, ver- 
bleiben mu, so darf man. wie mir scheint, bei Bolos nach Analogie der chemischen Schrift 
des Hermes Trismegistos" an den Titel Pvowa papal oder Bisro. dvoKav Bahav oder 
endlich Bad@ixad denken. Der letztere Titel empfiehlt sich besonders dadurch, daB das 
sicher von Bolos abhingige Fiarbebuch des bekannten Kochschrittstellers Paxamos aus dem 





1 Vel. Dies, Jahrb. d. arch. Inst. 1913. 1. Deutsche Literaturzeitung 1913 S.yort. Antike Technik S. 108f. 
S. 139 zweite Aufl. E. vox Liepuaxy, Chemische P Papvri des 3. Jahrhunderts, Chemiker- Zeitung 1913. HammMer- 
Jexsex., Deux Papyrus a contenu dordre chimique, Acad. roy. de Danemark 1916 S. 270. Drets, Deutsebe 
Literaturzeitung 1917 S.591. Lrepmany. Chemiker-Zeitung 1917 Nr. 86 87 S. 58yf. 

2) i aglich ist mir. ob darunter wirklich der Tabaschir zu verstehen ist. wie Prof. v. Lreeuaxx (Chem. 
Zeitung 1913 8. ty) vermutet. 

I Velérr Sz. = 15. 36 Si tr. (2 S.12. 725 S.14. @ 40 S. 10. iB 23 S.20. ry 23S. 22. 14 S. 2 

+ irs S.ri. fF 10 S.9. 

> Vol. Riess. PW. s. vy. Alehimie [ 1343. 

5 Berineroi aa. O. L242. 10f. Synesius Bemerkung tiber den Titel der Sebrift des Alehimisten Demokrit 
bei Berin. 8.57.15. 


. 
oO 


Die ®vorka des Bolos Demokritos unl der Mayier Anasilaos aus Larissa. I. 69 


1. Jahrhundert vy. Chr. oder genauer aus Varronischer Zeit’. nach Suidas s. v. diesen Titel 
gefiihrt hat. Dagegen ist bei der notorischen Abhingigkeit des Alechimisten Demokrit 
von dem Mendesier die Annahme berechtigt. daB sein Fairbebuch ebenso wie das seines 
Nachtreters vier Biicher umtzBte*. von denen je eines das Farben von Gold, Silber, Edel- 
steinen (Perlen) und Purpur behandelt haben mag. 

Die merkwiirdige Uhercinstimmung des Fairbebuches des Bolos mit dem Ifolmieusis* 
und dem ihm nahe verwandten Leidensis (X) legt uns die Frage vor nach der Quelle 
dieser wertvollen Urkunden. Ich gehe dabei vom Holm. aus. 

Bekanntlich werden in diesem Papyrus als (Juelen Demokrit (Bolos)-Anaxilaos (@ 13 
S. 3) und Afrikianos (kK@1I 8.32. Kd 19g S. 37) genannt. Die Tatsache, daB bei letzterem 
die Buehzahl (é« 3(3Ao0u 7 S. 37) angegeben ist, legt die Vermutung nahe. dab dieser 
Autor dem Schreiber des Papyrus coreelopall hat. Dazu palit ortretlicli dal} er der 
jiingste der zitierten Autoren ist und dem Schreiber bzw. Redaktor (um 300 v. Chr.) zeitlich 
sehr vahesteht; denn daran ist trutz der Bedenken Lagercrantrz’ (S. 106) nicht zu zweiteln, 
dali dieser Afrikianos mit dem Begriinder der christlichen Zeitrechnung. Sextus Julius 
Africanus. identisch ist'. der in seinen Keotoié nach dem Zeugnis des Georgios Synkellos 
(Chron. S. 359) auch tiber die ynuevtuat dvvdues gehandelt hat. Da dies Buch des 
Afrikauus in \gypten in der Zeit des 3./4. Jahrhunderts eine beliebte Lektiire war, lehrt 
ein anderer Papyrusfund’. und da cs in alchimistischen Kreisen verbreitet war, folgt 
daraus, dai Zosimos" und Olympiodor’ ihn benutzt haben und dab sein Name in dem 
Verzeichnis der »Philusophen der géttlichen Wissenschaft und Kunst« der bekannten 
Alchimistenhandschrift (eod. Mare. 299) erscheint’. 

Genaueres tiber den Inhalt dieses Abschnittes seiner Keorol erfahren wir durch das 
leider allzu kurze, von Psellos aufbewahrte Exzerpt (Westermann, Paradox. gr. 8.145, 11): 
mwhdtTe o€ Kai takwOivas AGovs Kai Tuapaydivas Kai capéavvyas. Wir gewinnen da- 
dureh die GewiBheit. da darin von der Imitation der Edelsteine, des Hyakinths". Smaragds 
und Sardonyx" die Rede war. Dazu kommen die beiden Rezepte des Papyrus ka 1 S. 32. 
Ko 19 S. 37) mit ihren Vorschriften tibher Purpurfiirbung und zwei Zitate in dem Corpus 
Chemicum". die bewcisen, daB er auch von der Nachahmung der Edelmetalle gehandelt 
hat. Man sieht. inhaltlich entspricht das, was Afrikanus in den ersten Biichern seiner 
Keorot gegeben hat, vollig dem Farbebuch des Bolos. und somit auch jener Schrift. aus 
der uns die beiden Papyri \usziige erhalten haben. Damit ist natiirlich die Frage noch 





' Wel. Over bei Svsemia I S. 844. 

+ Dirts. Vorsokr. 55B 15 8.130. <Antike Technik S.113. 8.125 zweite Aufl. 

3 Vel. Prof. v. Liepaany, Chemiker-Zeitung 1917 S. 3. 

4 Ebenuso urteilt Prof. vy. Lirpesaxy in der Chemiker-Zeitung 1913 8.22. Uber Afvikanus vel. Bat w- 
srark. Lucubr. Syrograecae (Leipz. Diss. ane S. 404. Over. Rh. Mus. 45.81. Lacrreraxiz 8. 106. 

° Pap. Oxyrh. 412 (Grenrrii-Henr TIT S$. 36). 

6 Beritfetol a. a. O. Loy. 7 
7 Berinero: S. 75 

’ Berruetor. Introd. rrr. Orig. 128 

* Vel. dazu Berinevor I 351.0.17 (aus dem Traktat des Saimanas). 

" Vel. Dlin. 37. £97- 

ll Berrneror [ 8. 169. 7 aeNet youv Kat Adpixaves dygt ota umidyoure eis THY Paci (xe. xpucov Kal apyr'por) 
petadra Kai wypa Kai yur Kal Ppotdvat«, Oly mpiodor bei Bering. I 75-17% sto @b anus én mevor Oy ék TOY apyatov, wa fo} 
KoANN OH 6 aporevixos eis TO reAOvY Kupicioy, orep teXovy Ku piciov aovnToToy (clas ounrivey verhindernd) Ad pixavos 
éxtdecev, Das Bruchstiick bebandelt die Verarbeitung des Arsenit: (doh. des gelben NSchwefelarsen}, das bei 
der Herstellung von Gold Verwendung fand. Die V orsehriften. die Oly mpivdor (75.88) gibt, stammen sicher 
aus Afrikanus. dessen Text allerdings tiberarbeitet vorliegt. 


70 M. WELLMANN: 


nicht entschieden, ob er auch in der Art der Behandlung des Stoffes dieselben Wege 
vewandelt ist. d.h. ob er sich frei hielt von jenem mystisch-magischen Dunst. der den 
spiiteren Alchimisten ihr eigenartiges Geprige verleiht. Das scheint nun aber in der Tat 
der Fall zu sein. so merkwtirdig das bei einem Autor sein mag. der. wie die zallreichen 
Bruechstiicke aus dem landwirtschaftlichen Abschnitt seiner Schrift’ beweisen. eine aus- 
gesprochene Vorliebe ftir heidnischen Aberglauben und Magie besaB. Dafiir sprechen nicht 
nur die heiden Rezepte des Papyrus Holmiensis sowie das von Olympiodor autbewahrte 
Bruchstiick*, sondern auch die Vatsache, die sich spiter ergeben wird. daB er die alchi- 
mistische Schrift seiner gelehrten Landsminnin, der Jiidin Maria® aus dem 2. Jahrhundert 
n. Chr.. unbenutzt gelassen hat. Der SchluB liegt also nahe. dab er die Altere chemische 
Literatur zu Rate gezogen hat. als deren Hauptvertreter Bolos-Demokritos und Anaxilaus 
m gelten haben. Bei dieser Sachlage ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen. 
dab das Zitat des Bolos-Anaxilaos im Papyrus Holmiensis aus Afrikanus stamimt. d. h. dab 
er des Anaxilaos Schrift Bagdad — eine solche hat das Zitat zur Voraussetzung — zur 
Grundlage seiner Chemie gemacht hat. Dasselbe gilt dann aber auch fiir den Schreiber 
des Papyrus Leidensis X, wenigstens fiir die Partien. die mit dem Holmiensis tiberein- 
stimmen. Da Afrikanus im 3. Buche seiner Keorol von der Purpurfiairberei gehandelt hat. 
so werden die beiden ersten Biicher der Behandlung der Imitation der Edelmetalle (Gold, 
Silber) und vielleicht auch der Edelsteine gewidmet gewesen sein. vorausgesetzt. daB die 
stoffliche Anordnung bei ihm dieselbe war wie bei Bolos-Anaxilaos. eine Annahme. die 
der kompilatorische Charakter seiner Schrift wahrscheinlich macht. Das 24 Biicher um- 
fassende Werk war bekanntlich eine Art von Realenzyklopidie. Synkellos charakterisiert 
es als eine mpayuatela iatpikev Kal dvoKeov Kai yewpyiKov Kai yuuevTKaY TeEpeyoUTa 
duvdes. Von den iarpiuad war sicher im 13. Buch die Rede nach einem Bruchstiick des 
cod. Laur. 74,23 8.202": é« tov Adpuavou Keatav, érep éoti kertos wy’, Ked. KB’. 
kabaptika daha’ KuKAauivou yvAos (yUA@ cod.) ouddrAw (Guhake cod.) émiypirbeis Kabap- 
Tov evtovov. OBepwi d€ KaBapors noe KoAdKUVAa Ev OAuw TWIWAeETM. Kai odvy Tov 
yurov HOijoas aqua odeym pédcTe oUUBANGEvTL Trav KaBaipE (KaOPE cod.), 6 Kai YErmavos 
ETLELKETTEPOV. TEUTAGa TA Aevka Kabewioas (katayyi€e) eis CANO oKEvOS Kawov KaE aro 
tov watos (aya) adi [Te] OALy~ ToiNTOV (Cwpov) avaBpdoas. Kai Ta péev mpodayelv cptou 
diya Ta TevTAA, Tov dE Cwpov kepdcavta Trew, Eapi TE TapaTANolws GAvTOTATH KevOcts. 
KVI}KOU TOU OTTEPUATOS O YVAOS OPPO TH Ek TOU ‘yaAakTos pyHeis Kai TOOEIS. Die Biicher 6 
und 7 enthielten die von Thevenot’ edierten otpariyixd’. In welchen Zusammenhang 
das im Papyrus Oxyrh. 412 erhaltene Bruchstiick"” des 18. Buches mit einer Erérterung 
iiher gefiilschte Odysseeverse gehort, wissen wir nicht. Ein bisher unbekanntes, leider 
verstiimmeltes Stiick aus seinen ®vowd steht oline Angabe der Buehzahl im eod. Vati- 
canus gr. 284 S. 288°: €« tT&v Adpixavov Keotav mepi tov Kwapepuou: TO éé Kwdpopov 
Hpodéotos (Ill 111) Aéyer ovdeva eidévar, Omws yiveta dpvers dé veoT Tics oikooomelvy em 
dkpaus Tv TetTpov (das Folgende unleserlich) Tov kwvauepou: Tovs cé eyywptous ov Cvvac ba 
émi Tas axpas aveABew Gv (SchluB der Seite). In diesem naturwissenschaftlichen Abschnitt 





1 Man vergleiche die Ausziige des Psellos aus seinen Keotof bei Westermann a. a. O. Dazu kommt cine 
grobe Zall yon Exzerpten in den Handschriften der Hippiatrika, deren Kenntnis ich den zukiinftigen Herans- 
eebern. Prof. Oper und Horre. verdanke. jetzt ediert Bd. IL ihres Corp. hipp gr. 

* Vel. S. 69 A. It. 

' Riess. PW 1 1350. 

' Vet. mathem. opera. Parisiis 1693 S. 2748 

. Gitzer aca. O. S. 2. 

© Grexrece-Hine HI 36. 

* Vel. Philumenos ed. Wetiwany VI A. 2, 


Die Pvoixa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa. I. 71 


ist sicher Neptunalios benutzt'. 
ein Zitat des Bolos-Demokritos’, 


und in dem landwirtschaftlichen Absehnitt begegnet uns 
das wohl aus den (uintiliern stammt’. 


Die obige Vermutung, dab der Redaktor des Holmiensis aus Africanus geschdptt hat, 


wird durch folgende Erwigung bekriftigt und gestiitzt. 


Der Papyrus beginnt mit einer 


Reihe von Vorschriften, die sich auf die Herstellung von Silber (apyvpou qoijois vier 


Rezepte: a@ 1. 13, 21. 9 22). 


die Behandlung des dabei verwandten Zinns (kaoorrépou 


KdBapos a 28) und die Vermehrung des Silbers (Owuraaciacuds, TpitAwots apywpou vier 


Rezepte: a 36, 39. 8 1.17) beziehen. 


Von diesen neun Rezepten zeigen sechs eine enge 


Beziehung zu denen des Leydensis. wie LacEercrantz (S. 98) richtig gesehen hat’. 
Sieht man sich nun diese Rezepte genauer an, so bemerkt man, da diejenigen des 


Leidensis bis aut eine Ausnahme (1 


,30f. ~ H. 8 116) vollstandiger sind und dem ur- 


spriinglichen Texte des Originales offenbar niher stehen als die des Holmiensis, die nicht 


nur in Einzelheiten (besonders in den Gewichtsangaben) abweichen, 
jedoch so, daB das Verstindnis nicht darunter leidet. 


lich gekiirzt sind, 


2 es oe Ue Me 

aAXO (nach voraufgehendem capyvpov Trot 
nots)” Kaooitepov AevkKov TE Kai padaKov 
TET PAK kafijpas Kak Tovde pepn G, yar- 
kov te TaXatikov Aevkou pvav a cuyo- 
vevoras omnye Kal oKevate, O Geras. Kat yive- 
TU dpryupos 6 TPOTOS. @s Kal TOUS TexviTas 
ANavOavew, OTe €E oikovouias To.acde cuve- 
OTN. 


Eb Qs 2S se ks 

KAO OTE POU kdbapors: y} 6€ TOU Kao oITE- 
pow kdbapois Tov ywpovvTos eis Tiv TOU 
apryepou Kpaow (xdBapow Pap.: verb. L) de: 
Kacoirepov Kabapov €a Wuryrnva Kai dehpas’ 
éeAaiw Te Kai aopadrtw éx TeTapTOV Yywveve 
Kai wAvvas ddOou Kabapios: 7 poo Barhe Tos 
Téetapow Tov apyipov Tovde mepn G Kal 
xorxou tov [ddaticov pépy F Kai Anoera 

TEPOKElEevov @S apyvpopa. 


> 


sondern auch erheb- 
Man vergleiche: 


Leid. 2. 8-- 14. 

aoHMoU Toots. 

AaBov KaooitEepov AeTTOV Kai padaKoV 
KaBapov Tetpakt Kai AaBav avTov pep 6 Kai 
xadKou Aevkov Kkabapov pépy [Kai] yo Ka 
ae ; ait 
aonpmov pépos a’ yoveve. 

Kat OTav ywvevOij Tuye TAEOTAKIS Kal 
oKevate, 0 Oédes, (kat) Eota TpeTOV aon- 
Mov. wate Kai Tous Teyvitas habew. 


L. 1, 9—20. 

Ka OoUTepou kdBapors tov Bawtopévou eis 
THY Kpaow TOU conmov. 

Aasov KacolTepov kabapov amo TavTwv 
xeveve Kal ao ov Yoynvac | Kat dAehbas €Xaov 
Kal oveis 7aAw Xoveve: Elta T pias EAMLOV 
Kal do partov Kal aAdas jAenvov Kai x Tpl- 
Tov xwveve Kal €av xovevty. atofou Kkabapios 
mAUvas* €oTa yep WS dpyupos oKANpOS. 

oTrav Ce avTl apyupouarov epyager Bau 
GEAys. iva hath Kat ex! THY Tov ap yupov oKAI- 
piav. Tpooy ye TOS TET paow epeow TOU 
cpryipou HEH Yo. Kal yevijoeTae TO TepoKel- 
Mevos ws apyvpeoua. Vgl. BerrurtorlS. 37.717. 





' Thevenot a.a. O. 
* Gieop. V 45.2: 


wevavileicav tv oTaduNiy. 
3 Vel. Thevenot c. 3", 


2 Val Holm. «21 8.3 ~ Leid. 2.8—14. H.@28 S.4~L. 1, 9- 
41. H. p17 S.5 ~ L. 2, 1-7. 
24~ 1. 12,26. H. cg 8 S.40~ 1. 12. 37. 





30. IL pi S.4~ ZL. 1. 30 


IL. ce y 5.38 ~ Li 12. 24. 


S.4~ LL. 2. 30- 
cinstimmungen : 
~ Ts 12. ast. 


LU. ve 15 s. 


> Es ist ein Irrtum von Ligercranrz (S. go} und Diets (Abb. d. Berl. Ak. 1913 Nr. 3 S. 16). 
meinen. daB der Inhalt des Rezeptes nicht mit der Uhberschrift stimme. 
das Zinn drei- bis viermal umzuschmelzen unter Zugabe von OL Asphalt und Salz auf diese Kaflapars, 


S. 30rh fin. (aus dem Kapitel Ac’). 
nee yap ot TeEpt Anpoxpttov Kat Adpixavov, e€ frovas yHEpas Kat ou 7AELOUS KaAAwS CLA SLEVELY 


20. H.a36 S.4~ L. 2.21 24. Hea 39 
Dazu kommen noch folgende seen 
IL. «¢ 13 8. 


wenn sie 
Ohne Zweifel ae die Vorschrift, 
Lehrt 


=] 
ho 


Ee 2 Or Se he 
. ¥ a 7 . , 7 
apyvpou OmAaTlagyoOs’ OiKOVOMICUS YIVETCU 
Sapdpois. 
tov Kimpiov yadkov e&twpevov avy ado- 
ocayvy 6€ak ywvevoas ewiBare TOV apyupov 
eis OtTAATIAO MOV. 


H, @:39-S. 4. 
” ‘ . , ~ a = 
ado’ Ta aTroKOUpaTa TwVv Tov yadKou 
TreT Aw aduy KUTUBAT TE Kal oTuntipia' 
orrsddu re| cevemer)) yhuxec VEUTL amo pexe 
iijLe pas G eit éry3cdNwv peua TOV apyupov 
yoveve. 


H. 8 1—16 S.4. 

aAXo (se. ‘Tpos apyvpou dirAwow): TOs 
de Takis Kal 10€° xarkou Fadaticou pépos 
ca cepyipov TE KATOITEPOU TE TOV OTOUCALIO- 
TUTOV, OV OF) PovAhav errovopndCovow IBnpera 
oi EO TEPLOL. map ois _yivercu. Katt Peopctior 
ouotos. Noveverau TP@TOS 0 Xarkos. iO 6 
cpryupos Kat meTa OVO CiaTupwcEs 6 Kao- 
OITEPOS. . . See 

erred oTav padakvvOy, TrOAAAKIS Qvayoveve 
Kat katdyuye, éywv éTolunvy TTABAOA (se. 
OTUNTpiav) avEemevyv VeaTe THY. 

TAaUTHV THY patav é&ehov KATA EVE 
maAW TE TUpOU Kal TOAACKIS Kal _ HEX pL ye- 
vac AeuKOTATOS 6 cpyupos. ET éAdoas 
avTov Kai TAaTUVas avaTpyse KoopoNn 
opav ovTHW TE KaTEpyaCou. 

Kal TplTAwGts yiveTaU TH AUTO TpoTTH 
KaTapepComevev TOV OAK@V, OS TPOKEITAL 


Hepp aes 
i O€ avéxNemTos pata KaTaoKevaceT cu 
maw THe Ta&er THS CTAWTEWS: apedov 
yep THs pags <i cevayaveve TOOUTUS p- 
yupou pers Kal TOUTO TroUjoaS Tpis KaTC- 
yuye Kai eis Tov KovpoABov amoTGe. 


M. WreL_uuaynn: 


Ly Se 
aoipou CitAwOLs. 
AaBov yadkov Kirpwv éEiwoov Kai ert- 

padre aAOS aMpwviaKkou Tas was < 6, 
oTUTTHplas < 6, ywvevoas pioye ivov 
aonuov (sc. TO YarkG). 


21—24. 


I. 2. 30—35. 

aonpov Trouos: Aabwv Ta cToKOMpaTa 
TeV TETdAWY Kkardpayrov oger Kat Aevehi 
oTunTaple oXoTH Kal apes Speyer bau npe- 
pas (° Kat TOTE xeveve TH dts yar- 
ov. yns Xias yn’ Kai Lapias ( aonpias Pap.) 
<n kat ados Kanmaéoxixov < a’, otv- 
TTHpias oy.oTHS < a” wlEas y@veve ery Zar- 
Awv atpduevtov (sc. apyupoy). 


Pl en BO 

aorjpov OlrAwols. 1 6é CitAwWoLs TOU aoN- 
pou ylveTa ovtws: tov éEupévov yadKou 
<p’ Kat adorpou = n KML KOO OTEPOU Bovr- 
Ms < Me xoveverau 6€ T p@TOs 6 XOAKOS 
Kat peta dvo TUPHTELS 0 KaoolTEpos, ETA 
) Gonpos. EiTa OTH Cuporepa padaka ye- 
VT al, cvayaveve TOAAAKIS Ka KaTaYUYyE TH 
Tr poetpnfeven oKevdo pare eiTa TAATUVaS TS 
aUTaIS OiKOVOpicUS avao nye TH couporiBy. 
Kal (7) TplTAWOIS ylveTUL Tats a’Tais oiKO- 
vouiaus KaTapepiCouévas Tats OAKais (ows. 
WS TpoEipyTat. 


ae 207. 
eR ~ Cass ee ~ he 
avexAemTos pata. 1 6€ avéxdeuTos paca 

os tae AEN 

KATaTKEVACETaL OUTWS TdAW TAS avTCis 

a , =~ ~ . . ‘ 

OlKovomiats Tas THS CurAWoEws’ Errctv CE 

> , . % a. + al . 

apa GeXns amo Tijs pagis ay amoxowas 

avaydvevo-ov TAS (as aonjpou <0" Kai yw- 

vevov T pis Kai Tadw kat €ita Woywv aro- 


tiHou eis tov KovddrABov. 





doch der Leidensis, da8 das Erdpech zur Reinigung des Zinns verwandt wurde (L. 
Nur soviel will ich zageben. 


dazu diente, das Zinn hart zn machen (Leid. 1.8). 
KiBapois Kai oxXipoots dem Inhalte besser entsprache. 
! Vel. Prof. v. Lweaann a. a. OL Soy, 


1.7.22) und daB das Salz 
daB die Uberschrift: cace. 


Div Pvoka des Bolos Demokritos und der Magier Anaxiluos aus Larissa. I. 73 


Diese Gegenitiberstellung erweist die Unabhingigkeit beider Texte voneinander: wie 
aus den Ubereinstimmungen zu entnelmen ist. gehen sie auf eine gemeinsame Urquelle 
zuriick. in der schon die Silberrezepte mit den Vorschriften tiber die Reinigung des Zinns, 
tiber Diplosis und Triplosis des Silbers verbunden waren. Sie lehrt uns aber. wie mir 
scheint. noch ein zweites, néimlich da dem Redaktor des Iolmiensis diese Rezepte der 
gemeinsamen Quelle durch die Hand eines seine Vorlage kiirzenden Vermittlers zugetlusscu 
sind, woraus sich dic Anderungen der Gewichtsangaben am leichtesten erkliren lassen: 
denn diese Kiirzungen und Anderungen auf Rechnung des Schreibers zu setzen, liegt bei 
der mechanischen Art. wie er seine Vorlage kopiert hat. nicht der geringste Antal vor. 
Also auch auf dicsem Wege kommen wir zu der Annahme eines Zwischengliedes zwischen 
der gemeinsamen Vorlage und dem Redaktor. Es kann aber nach dem Bisherigen nicht 
zweifelhatt sein. wer dieser Autor gewesen ist. Andrerseits hat aber auch der Schreiber 
des Leidensis nicht direkt aus der Urquelle (Anaxilaos) gesehéptt; in seiner Vorlage muh 
bereits der gemeingriechische Ausdruck ftir Silber (apyvpos). der offenbar in der Quelle 
gestanden hat. durch die figyptische Bezeichnung aonpov ersetzt worden sein. mit andern 
Worten. seine Vorlage war die Schrift eines \gypters. nicht des Africanus. und zwar 
walrscheinlich eines sachverstindigen fgyptischen Priesters (zpodijrns). wottir mir dic 
gréBbere Urspriinglichkeit und Reinheit der im Leidensis vorliegenden Uberlieferung im 
Gegensatz zu der Vorlage des Holmiensis zu sprechen scheint. 

Ist es nun miéglich. die gemeinsame (uelle zu bestimmen? Im Gegensatz zu Liver 
crANTz (S. 107) glaube ich. dali die drei ersten Silberrezepte des Holmiensis (a 1: apyvpou 
TrolWots. 13 dAXo. 21 AAO) auf das engste zusammenhiingen und aus einer Quelle stammen. 
Sein Einwand. daB die beiden ersten dem dritten gegentiber cine Sonderstellung cin- 
nelunen, weil sie die Gewinnung dieses Edelmetalles aus Kupfer sehlechthin ohne Zusatz 
von Silber lehren. bewceist. abgesehen davon. da er auf das erste nicht einmal zutrifft, 
gegen meine Annahme nicht das mindeste. Er beruht offenbar auf einer ganz falschen 
Vorstellung von dem Umfange dieses Qucllenwerkes. Wie die tibereinstimmenden Partien 
nicht nur der beiden Papyri, sondern auch des technischen Traktats des Arabers Sal- 
manas beweisen. handelt es sich dabei um ein Werk groBen Stils. in dem die teils alt- 
iiberlicterten. teils neubewihrten Rezepte und Vorsehriften zur Nachahmung edler Me- 
talle. Steine und Stoffe kempilatoriseh vereinigt waren. Darf also meine Annahine mehr 
Anspruch auf Wahrscheinlichkeit machen, so gewinnen wir damit als Quelle ftir cic 
Silberrezepte auf Grund des Zitats (Hl. @ 13) die Schrift des Anaxilaos, die dann natiir- 
lich wegen der Wiederkehr des dritten Silberrezeptes im Leidensis auch der Vorlage 
dieses Papyrus zur Hand gewesen sein mu. Freilich, wieweit das Eigentum des Bolos, 
aus dem Anaxilaos geschépft hat. in den tibereinstimmenuden Partien der beiden Papyri 
reicht. lift sich schwer sagen, da Anaxilaos, wie wir spater sehen werden. in) seiner 
chemischen Schrift auch Eigenes geboten hat. 

Erwahnung verdient noch, da sich auch sonst Spuren des Bolus-Anaxilaos in beiden 
Papyri mit Ililfe anderweitiger Uherlieferung nachweisen lassen. So kannten beide Autoren 
die Eigenschaft des Bocksblutes. harte Gegenstinde, selbst den Diamanten. zu erweichen’. 
Dazu stimmt, dab im Holm. zur Erweichung von Glimmer und Glas Bocksblut cmpfohlen 
wird. H.«5 8.16: xkpvotdAdov parakis’ tpayelw aipati Céoas wddacoe. TO de aiTo 





1 Bolos Lei Neptun. 56: acduavra Niet aina tpayou bepuov. Bolos bei Xenokrates (Hieron. com. in Amos 
proph. UI 7 Bd. NXV M. 5. 1124D): hie lapis durissimus et indomabilis solo hireorum eruore dissolvitur. 
Xenohrates bei Plin. 37,39. Vyl. 20. 2. Anaxilaos bei Psellos (WesreRMANN S. 147.14): dknev cé yadkéos Aulij- 
vera paora rpeyelo ypidpevos ainat. Anders urteilt Plin. 28.148: danach wird dureh Bocksblut die Schneide 
eiserner Instrumente vesebiirft. Pallad. VIII 5. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 7. 10 


v4 M. Werimany: 

Kai veAw. € 29 S.13. Das Erweichen von Blei und Zinn geschieht nach Anaxilaos (Psellos 
bei Werstermayy a. a. O. 147.1) durch Einlegen der Metallstiicke in Stutenharn. Den- 
selben magischen Charakter trigt die Vorschrift, die im L.g.21 ttir das Erweichen von 
Kupter gegeben wird: yadkou udda&is: mupdécas évTie eis Kémpov Opvieiov Kai OTav 
wey, edavve. Und mit der anaxilaischen Anweisung tiber die kagcotépov pddaéis ver- 
kniipft sich von selbst das Rezept zur kacottépou okAjpwos im L. 11,4: ywvevwv avtov 
oTunTHpiay oyiotny Kai ydAKavOov peiEas Kai evwoas AE TE Troujoas éwiTacce, Kal 
esta okAnpds. Vgl. Psellos S. 147,8. 

Ferner heifit es bei Plinius an einer Stelle, die aus Anaxilaos stammt (29, 51): candidum 
ex ovis admixtwm ealci vivae glutinat vitri fragmenta (daraus Sext. Plac. 31.11). Er schrieb 
also dem mit ungelischtem Kalk (aoPeotos. titavos) vermischten Eiweili die Wirkung zu. 
Glasstiicke zusammenzuhalten und zusammenzukitten. Dazu stellt sich H. ¢ 39 S. 12: 
KpUoTAAAOUY TIPHTs, OTWS pi] KATATOHTAL I Pay Aa3wv ynviov mov TO EUKOV avauekov 
KovporOw (~ kpiity nach L. 8,86 8.227) Kat woujoas yAowv Tayos KaTaypicov Kai Barov 
eis OOdviov Onoas aes hucpas y eis dpdcov kai jAwov. Vel. Salmanas bei Berraxror | 
Se AOESS: 

Auf Anaxilaos weist die Beobachtung, da Rizinusé6l das in ihm gekochte Maricn- 
elas dunkel macht (Il. crr1 S.17: waoa kpvoraddos ewonevy év Kiker péAawa yiveTat. 
Vgl. L. 4,13), aut’ Grund von Plinius (23, 84): ex cleo (se. cicino) lumen obscurum propter 
nimiam pinguitudinem. Mit Plinius (34.163) stimmt ferner L. 5.37 in der Behandlung 
der Frage, wie Zinn zu priifen sei und woran man die Verfalschung erkennt. Man vergleiche: 


dea 
KaTolTepou yvoval, ei CeddAwTM. Ywver- 
cas avTOV UTOTTpPwWOOV YapTIV Kai Eyyeov. 
ety KaTaKal] 6 yapTHs (KaTayays yapTns Pap.), 
HOoAUBov Eye. 


Plins 347 1633 
plumbi albi experimentum in charta est. 
ut liquefaetum pondere videatur non calore 
rupisse. 


Aus derselben Quelle stammen L. 7. 12 (ypucov coxmacia. Vgl. Plin. nv. h. XXXII 59). 
L.. 7.20 (apyvpou doxmacia. Vgl. Plin. XNA 127) und Lg, 12 (donpuov doxmacia). Dab 
das Verzeichnis der zur Ilerstellung von Edelsteinen (durch Firben) geeigneten Mineralien 


(H wa 36) auf Bolos zuriickgeht. ist hercits friiher bemerkt worden. 


Endlich liegt der Men- 


desier nach syrischer Uberlieferung folgenden Rezepten des Leidensis zugrunde: 


I Lif, COS. 215: 

” oN x . , ~ OD Ff 

GAA. el TAVTOS AoNpOoV TaTrpoV 3o1)- 
fea. Nadav ayupa Kal Suvi Ka ey pLoVv THY avoY, 
BpéSas o&e1, emtyer kai adas avOpakas (1. GA- 

. ry , = ‘ 
pupayas Plin. XXX 106)° tTavta Te eis THY 
A. . Lé x w 

Kapuvov Bare. pvoa de emutéov Kat €a yu- 
ynvat. 


Demokrit nach Berrneror, La chimie au 
moyen age Ilg7 n. XIX aus einer syr. Has. 
des Brit. Mus. 

pour porter remede a Largent qui n'est 
pas beau. Prends de la paille (ayupa), de 
lorge pour faire de la biére (Sum Gersten- 
malz, vgl. Lagercranrz 203. Gihrungsstoff 
des Gerstenbieres nach Berra.) et de la rue 
sauvage (Tyyavov aypioy) fais macérer 
dans de la saumure (aApy), trois drachmes, 
plus du natron blane (av@pakas? Sonst ist 
darunter Glanzkupfer zu verstehen. Vel. 
Lippuann a. a. O. S.8) trois drachmes. Mets 
dans un creuset (ywvea Schmelztiegel) et 
place-le dans le feu. Sonftle heaucoup, 
Jusqua ce que le produit soit trés chaud et 
brillant. 


Die ®vorkd des Bolos Demokritos und der Maygier Anaciloos aus Larissa. I. 


3 Li 5e4-8..2 

TS av TIS Apyupov Gaol) Kabdpiov Kil 
Aapeepov ewe. apwv pépos a ToV cpyiipou 
Kai TO (ov HOAsBou yaracas eis Kqquvov 
TIHKE, Aypl av O pOAUBos avarwby. Kai ToUTO 
TONKS Tote, aypt AauTrpos yEvIT a. 


3 L 5.37 8.219. 

KAT OTE POV yreva ei CecoAwWT MH. Xove- 
oas aro imdortpoooy yeprny Kat eyyeov" 
ea KOTAK) 0 yapTys(kaTakays ydpTis Pap.). 
poAuzov eye. Vel. Pling nh. XXXIV 163: 
plumhi albi experimentum in charta est ut 
liquefactim videatur calore 
rupisse, 


pondere hon 


4 Ip Fett ea 28. 

cepyupory Hy ae OKEVOS VEU TETCA@Y 
Xpurmoa viT pov TUppov Kal aN ovyyo- 
revouerd pvpyaov pel veatos Kai eriypirov 
Kal yiveTau. 


5 L907 8.221 

Narxou Xplons. éCev Berns yoAKov a cpryvpou 
Xpopa eye, TOV Xarxov cabdpas ETMENDS 
KaTay ple (KaTeyele P) vepapyupe Kai Wyubio. 
Kai aeTH O€ 1) UOpapyupos porn eTiypicbea 
TrOLEL, 


75 
Demokrit nach Berrn. a. a. O. I 106. 
Purification de Vargent falsifie. Prends 


de Vargent une partic. du plomb deux par- 
ties: fais chauffer cnsemble, jusqua ce que 
le plomb britile(?). 


Demokrit nach Berrn. a. a. O. If 276 n. 13 
nach einer Hds. der Cniversititshibliothek 
in Cambridge. 

Pour reconnaitre sil v a une fraude dans 
Vétain. Apres Vavoir mis sur le feu, é¢tends 
une feuille de papier par terre et verse dessus 
Vétain fondu; si elle brole, il est fronduleux: 
sinon, non. Dasselbe in der Hds. des Brit. 


Mus. Berry. Uog7 nu. ANIL 


a. O. IP 9S, 23. 

Préparation du tinkal (ou soudure dor). 
Natron jaune une livre: sal alcalin, de méme: 
fondant des polisseurs. de meme. Broie ct 
mets dans une marmite. Ajoute du lait. de 
facon a recouvrir la mati¢re ... 


Il 28 n.8. 


Comment le cuivre devient blane comme 
de Vargent. nettoie le euivre convenablement 
et prends du mercure et de la céruse: frotte 
avee cela fortement et la couleur (du cuivre) 
deviendra pareille a celle de Vargent. 


Demokrit nach Brrru. a. 


Demokrit bei Brrru. a. a. O. 


6 .12,7 8.235 ~ Dem. bei Brerin. a. a. O. I 88 un. 
I 


7 1a,10.5 8223 
S. Le $e 20 Se 23 


Ist die hisherige Beweistfiihrung richtig. 
hn Tolmiensis wird zweimal (ce 41 8. 25. w@ 36 8. 26) auf andere Ausfiih- 


der Papyri. 


rungen mit folgenden Worten Bezug genommen: 
daB diese Vermerke nieht von der Hand des Redaktors 
stannnen. 
Opows Kai TéTH VE tinhaltlich ~ I. keg S. 38, 


craniz hat richtig gesehen (S. 119). 
herriihren, sondern aus der Vorlage 
an einer Stelle des Leidensis 12. 25: 
dieser Vermerk fehlt) beweist. 
stammen und sich aut sein (uellenwerk. 


dafs sie aus der Feder der Urquelle. 
das Farbebuch des Bolos, 


~ Bertu. a. a. OU. If 204 n. 3. 
3 ~ Berru. a. a. O. I $6 u. 8. 


Plin. un. h. NXNUI 127 


fillt dadureh Licht auf mehrere Stellen 


év a\Aw rome und ToT KG. Lacer- 
Die Wiederkehr dieser Ausdrucksweise 
Wo 
d. h. des Anaxilaos 
heziehen. In diesem 


eine Anordnung. die wir hei Africanus 


waren also die cinzelnen Rezepte numeriert, 
nach dem oben angefiihrten Bruchstiick aus seinen /arpud zu schlieBen wiederfinden: 
aus ihm hat sie der Redaktor des Holm. herithergenommen. Dab tibrigens Africanus 
derartige Vermerke bei seiner groBen Gewissenhaftigkeit aus seinen Quellen unbesehen 
heriiberzunehmen ptlegte. auch wenn sie zu seiner eigenen Einteilung oder zu seinem 
eigenen System absolut nicht pabten, dati hat Giizrr a. a. O. 208 ein besonders sprechen- 
des Beispiel aus seinen Xpovoypadia beigebracht. 
1 


76 M. WEeELitMaNN 


Fraglich ist, woher das Zitat des Holmiensis 6 24 S. 15 stammt: Kpuatadhov otuwis. 
mpo Tov jsdAAew avTov Banter Ba. co Beéorou [Epos a. Belov ameipou pepos a Tpipas 
mda pmerfov d&0s kai THe Tots AGous. Kai év TE Y Tour ovTws’ 7 aVOpwrivy KOTpos 
éatw TU Neyouevoy oKdpdov. Wie man sieht, stelit die SchluBbemerkung mit dem vor- 
aufgehenden Rezept in keinerlei Zusammenhang: vielmehr hat sic, wie Lacurcraxtz ge- 
sehen hat, ein Rezept zur Voraussetzung, wie es in dem technischen Traktat. des Sal- 
manas (BrewieLot I 360. 13f) erhalten ist: zrodjous Aou aeptrou. Aasov AGov aepitHv 
cpatov OUTOS* Aadov oKopoda NElwoov Kai eyKpuyov tov Nov ME pas C, eita eis avOpa- 
Tivyv KOTpOV iuepas Y° eTertTa Tomjoas yupydbiov amo TpLyoy imTEtwv évbes tov AiOov. 
Ich nehme deshalb an, daB dies Rezept in der Vorlage des Ilolm. vor jener SchluBbe- 
merkung gestanden hat’, also vom Schreiber des Papyrus versehentlich ausgelassen worden 
ist. und das diese SchluBworte den Zweck verfolgten, einen Widerspruch der Quelle auf- 
zudecken, der darin bestand, daB sie oxdpéov und Kémpos avOpertvy bald unterscheidet, 
bald identifiziert hat’. An sich kénnte diese Bemerkung von Africanus oder von Ana- 
xilaos herriihren: im ersteren Falle wire sie gegen Anaxilaos. im letzteren gegen Bolos 
gerichtet. Ich persdnlich neige der letzteren Annaliume zu. Gestiitzt wird diese Aunahme 
dirch eine andere Stelle des Holm. «11 S.17, die wir im vorhergehenden aut Anaxi- 
laos zurtickgefiihrt haben und die klar und deutlich eine Korrektur des Boulos enthiilt. 
Wir lernen daraus, da Anaxilaos dem Mendesier in seinem Firbebuche nicht immer 
sklavisch gefolgt ist. sondern ihn gelegentlich auf Grund eigener Ertahrungen zu berichtigen 
wagte. ein Umstand, der bei der Feststellung der Bruchstiicke des Bolos nicht auBer acht 
gelassen werden dart. 

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, dai der Papyrus Holm. zum ‘Teil 
auf der von Bolos inaugurierten, von Anaxilaus weitergegebenen technisch-chemischen 
Literatur fuBt und daB ihm diese Uberreste alter Uberlieferung aus den Keoro? des Africanus 
zugetlossen sind. Aut’ Anaxilaos als Quelle werden wir auBerdem durch die merkwiirdige 
Ubereinstimmung von 13 Rezepten mit dem chemischen Traktat des Arabers Salmanas 
geftihrt, der von Berragetor im Corpus chemicum abgedruckt worden ist (S. 350f.). Diese 
Ubereinstimmung ist natirlich Lacrrcranrz (8.99) nicht entgangen, aber er hat tiber- 
sehen. daf das erste dieser Rezepte bei Salmanas aus der alchimistischen Sehrift der 
gelehrten Jiidin Maria stammt, die im 2. bzw. 3 Jahrhundert’ n. Chr. gelebt hat. Man 
vergleiche: 


Bertu. 


Pap. H. n1 S. 13. 

mpootuyis KaBodun (se. AGov). Tl Trav- 
tos ABouv otudopévoy apatwors Kai Borwors 
Kal orTuyis Boravn tor poTiov A Ta 
opaupic Eyouoa’ aTEp yap TaUTHS THS 0- 
Tavis, 0 Tivovow, &paovTat OUTE KpvoTan- 
Nos ore 6 Aeydmevos TaPdots EK THs 
Aiyirrov Katapepopevos. 


S235 75103 

Tept tav NGwv dWacKkovea (se. Mapia) 
NALOT pOTriov epnce Prrav: Tov iov (2?) v7o- 
detEara reader OUTWS* »€TTW GOL OV Trav- 
Tos Aiou apatwors otupopevov (Katy oruyis 
H Havéparyopa 1 TA O@aipia é eXOvoe: exeivys 
yap avev THs Boravis ovdev yiverau. TOUTO 
expuwav TO HuoTi ploy: oUTE yap Yn ovTE 
(ra)Baors ovTe KpvoTaddAos apmovoba 
xwpis tov Cytoupévov Ovvarau. 





1 In der Sehritt des Salmanas sind, wie spiter nachgewiesen wird, Uberreste der Schrift des Anaxilaos 


nachweisbar. 


2 Fir verfehit halte ich die von eae S.185 versuchte Erklérang. 
. Lippmann a 


ae ess in dev chemischen Literatur vgl. 
> Vel. Rress PW I 1350. 


her die Verwendung von 
aja. 0. S.7 : 


Die Dvorxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxiluos aus Larissa, I. MEL 


Die Ubereinstimmung der Maria und des Holm., d. h. des Africanus, geht, wie man 
sieht, bis zum Wortlaut. DaB® trotzdem beide von einander unabhangig sind, geht daraus 
hervor, da8 Maria den Text der Vorlage gebessert hat, indem sie anstelle des Heliotrop- 
saftes den Bliitensaft des Alraun (uavépaydpas), der auch sonst bei der Beizung des 
Glimmers eine Rolle spielte (Brrru. 1 S. 160, 8). empfahl. Ist somit die Benutzung der 
Maria durch Africanus ausgeschlossen. so dart andererseits die Tatsache, daB eines der 
tibereinstimmenden Rezepte bei Salmanas aus der gelehrten Jiidin getlossen ist, als fast 
unumstiblicher Beweis datiir gelten. dai auch die tbrigen. mit dem Holm. stimmenden 
Rezepte des Arabers demselben Werke der Maria entnommen sind. Wir haben also 
folgenden Tatbestand: Maria und Africanus haben dieselbe chemische Quelle benutzt, die 
der vorhadrianischen Zeit (Maria) angehért. Wer war nun diese Quelle? Antwort er- 
teilt uns eines der iihereinstimmenden Rezepte. das wir im vorhergehenden auf Anaxi- 
laos (Bolos) zuriickgettihrt haben 


Holm. ¢ 39 S. 12. 
KONVOTGAAOU TPIS. OTS fu] KATATOH- 
Tal y payn, Aa3dwv ynviov wou TO AEvKOV 
> 4 . 4 ‘\ £ t ~ 
avapeEov Kovporth» Kat toujoas yAowwu 
mTdayos KaTdypiov Kai Parwv eis obdmov 
onoas aes nuépas ¥ eis Cpdcov Kat ALov. 
4 


Bertu. S. 361, 5 
6 KpvoTadAos apaiwovTa Kai ov pHyvuTaL 
A x . cad ‘ 7 ‘ , 
oUTws: AaBwv wov TO AEuKOV Kai KovpdAHov 
motel yAolov Tdyos Kai KaTaypte TOUS AiBous 
Kal évonoov (evducov codd.) eis d@dvov 
Kal amrawpe muépas +’. 


peTa 0€ Tas Y Avoov Tov Abo Kai KaTEp- 
yaCou. 

Das Resultat der vorstehenden Untersuchung ist also, daB die Badixa. das Firbe- 
buch des Anaxilaos im Pap. Holm.. an allen den Stellen vorliegen, wo Ubereinstimmungen 
mit dem Pap. Leid., mit den Rezepten des chemischen Traktats des Salmanas (Bertn. 
Corp. chem. 350f.) und mit Plinius n. h. nachweisbar sind. Wir erhalten also fiir diese 
im Holm. aufbewahrte chemisch-technische Literatur folgende Reihenfolge der Quellen- 
sehriftsteller: Bolos-Demokritos (200 y. Chr.), Anaxilaos (28 vy. Chr.), Africanus (230) und 
der Redaktor des Holm. (250-~300). Auf den Larissier geht letzten Endes auch der 
Papyrus Leidensis zuriick: aber der Vermittler ist hier ein Agyptischer Chemiker (tey- 
vitns), wie der von dem Redaktor S. 233 genannte Phimenas aus Sais, da in ihm das 
gemeingriechische Wort ftr Silber A&prqupos), das in der Vorlage, d. h. bei Anaxilaos, zu 
lesen war, durch das aigvptische aonpov, das urspriinglich die. von den Griechen 7Aex- 
Tpov benannte Silbergoldlegierung hezeichnete, ersetzt worden ist. 


Fragmente des Anaxilaos. 


1 Plin. n. h. 19, 19: inventum iam est etiam (se. linum) quod ignibus non absume- 
retur. vivum id yoeant, ardeutesque in focis conviviorum ex eo vidimus mappas sordibus 
exustis splendescentes igni magis quam possent ayuis. regum inde funebres tunicae 
corporis favillam ab reliquo separant cinere. nascitur in desertis adustisyue sole Indiae, 
ubi non cadunt imbres, inter diras serpentes, adsuescityue vivere ardendo, rarum inventu, 
difficile textu propter brevitatem. rufus de cetero colos splendescit igni. cum inven- 
tum est, aequat pretia excellentium margaritarum. vucatur autem a Graecis akavoTivov 
ex argumento naturae. <Aaxaus auctor est linteo eo circumdatam arborem surdis ictibus 
et qui non exaudiantur caedi. 


1 Gemeint ist der Asbest, griechisch duiavros. Vyl. Diets, Zeitschrift fir vergleichende Sprachforschung 
Bd. 47 S. 207. 2 Vgl. Sotakos bei Apollon. mir. 36. Strab. X 446. Proclus in Plat. rempublicam comm. 
IT 22 (Kron). Aus Sunil stamimen indirekt Disse: mm. Vi138. Plin. 36. 139. Basil. in ieiun. (XXXI 


78 M. Werrwanyn 


Sp.173A Miexe). Geop. XV 1,3 4 Athanasius. De incarn. verb. 28 (XXV Sp. 144¢ Miene): cai oomep cot 
mupos Eyortes Kuta dvow TO Kalew, Ef ore Tis €ivai TL TO wy Cadioy attov Tyy Katow, GANG Kai [aXov achevés avto 
Ceevvor, O1oVv cy A€yer Tat TO Trupa TOIS ‘Iveots ajtiavtov. 7 axavotivoy Diris: acuestinon ) (Pari 1ser Exzerpten- 
hodex ro3r8). acuestinum oder abestinum die tibrigen Hdss. $ Ahnliche Zanberkunststiiecke bei Plin. n. b. 
37-192 (aus Nenokrates. vgl Meliton. 1143 cevcpirys). 30. 85. 24. 2. 


2 Plin. n. h. 32, 141: sepiae atramento tanta vis est. ut in lucerna addito Aethiopas 
videri ablato priore lumine Amaai/aos tradat ... pulmone marino si confricetur lignum. 
ardere videtur adeo ut baculuin ita praeluceat. Isid. XII 6, 46. 


r Seat. Emp. Pyrrl. ivp. 1 46 (aus Aenesidem): kai ye of yoytes (Anaxilaos) yplovtes tis OpvadAicas i@ yad- 
Kov Kat Go\@ oyTias Tolovew OTe uty yadkorvs 6Té cé péAavas dalverba Tors TapovTus cla THY payelav To” puyGEvros 
napeovropay. Daraus Simeon Sethi 8. 99 (Lanex.). Africanus bei Psellus lect. mir. (Paradox. gr. ed. Wesrrrm. 
146): aiblowa Ce roujores ev cuurooiy daviva, ef oytlas Td pédav eyyfos TH E\Avyvio. Vel. Porta. Magia natur. 
(Honoviae 1044) $. 620. Lin anderes Experiment keunt Ps. Albertus de mir. m. 19° (wold gleiclifalls aus Auaxi- 
laos): quandy volueris ut qui sint in palatio videantur nigri. accipe de ee maris et caleato et perinisce 
ea simul, deinde humecta cum eo licinium et illumina cum eo lampadem. Vul. fol. 22%. 2 Vel. Hermes. 
Koir, IVs. ve avevnov S.rr7 (nur in D): adehbvas cé abrév év pacer xabapa Kai wikas év fdio Yedoe adtov Kata Ty 
weata datvorta Gorep Nanmdca. Vom Gdvvos bezeugt dasselbe Hermes, Koir. IV s. vy. (110.5): av dy péjscov yploys 
ocevov owe doedijvou “uKrdsy, cékers pds éx tis papcov droréumerGa. Auf dieselbe Quelle gehen die weiteren 
Zauberesperimente zuriick. welche die Koir. rro,1.7f. vom Thunfisch berichten Ferner Koir. IL s. v. ctor 
S. 64. 1g: yNavKov cé Kuvos audbotepovs Tots dd Bahpors were baryvijtos AiMov Kal eiaion NiPow rolyouy Hy oTiuiay 
os EypokodNovipiow, Kal owe onpeorduevos ower Ta év TO oKOTO yrdneva, — Koir. Il s Pian iF} vawva S. 4s 223 el oy othe 
eveergey neylrTyy Toot, motyoov ovTe* Auxvov reOdvr0s éav oréap o1ov powder epTeTou ij TEeTpUTdcaY nibs eta Ppaxeos 
tor givGenaros (Sc. THs ratvys 74.18) Kal ypions pupdapov i} xXapTapiov (xyvdpror, xuvaplov Hass.) Kul cetfys Tuts Ta- 
pore bles Avyvou adbevros (lucerna accensa lat. Ubers. : vebevros Hdss.), cofovew éxeivor civar TO Anpiov, ob éotiv 
To oreup, eite NEovTos Eite Tavpov, i} ddews 7} Etépov twos. Daraus Ps, Albertus de mir. m. fol. 21. — Koir. 1V 


SV. yAatxos 3. 100. 21 


Plin. n. h. 28, 180: equarum virus a coitu in ellychniis accensum Avzxilaus pro- 
didit equinvrum capitum visus repraesentare monstrifice, similiter ex asinis. nam hip- 
pomanes tantas in veneficio vires habet, ut adfusum aeris mixturae in effigiem equae 
Olympiae admotos mares equos ad rabiem coitus agat. 


: Die Verwendung des virus (spuma) e coitu (cdxpvor) ist magisch. Vgl. Osthanes bei Plin. 28, 261. 175. 
2 usus Hdss.: visus Vulgata. Mayzorrs Verbesserung ist cine Verirrung. Dasselbe Experiment aus ler- 
selben Quelle Hermes, Koir. 70, 4: dakpva cé dvov atv édaio oyujtas Kal ahbvas Avyvioy Kal Gras owe Owe TevTas 
tors év cuuroui dvoxebadous (vielleicht ¢ évtTas Ovek.). Kat avzoi tors GANYAOvs. Daraus Ps. Albertus de mir. m. fol. 227: 
si vis quod caput hominis assimiletur capiti asini, sume de segmine aselli et unge hominem in capite. ut sic 
apparebit. Aus Anaxilaos stammt weiter Psell. mir. 147, 10 iw ESTERMANN): ‘yuvaixa ¢é évortpiConevyy ef povde 
cela cvdpyvyyov, Gvov Caxpyot xpie 7d Ecompov. Dies Kunststiiek gehérte zu dem magischen Arsenal des Simon 
Magus nach den Ps. Clementinischen Hom. II 32: év cefzvois eiCoXa aavtocaréy iceay maple row, Vel. Porta, 
Magia natur. XX 9g 8.620. Das Zauberkunststiiek von den Fselsképfen ist u. a. auch in die Faustsane ein- 


gedrungen. Vel. Srrocx, Historia von Dr. Joh. Fausten 8S. 61. 4 Vel. Ael. n. a. XIV 18 und Paus. V 2 
Dede aus yemeinsamer Quelle, die nach ee (avcpos ua-you codia jee bull magischen Charakters gew ed 
sein muB. ‘also vielleicht Demokrit-Polemon. Yel. Karkrany, Pausanias der Perieget S. 78f. 


4 Plin. n. b. 35,175: lusit et Avavilaus eo (sc. sulpure) addens in calicem vini prunaque 
subdita cireumferens exardescentis repercussu pallorem dirum velut defunctorum effun- 
dentem convivis. Daraus Isid. XVI 1.10. Vgl. Porta, Mag. nat. XX 9 8.621. Whiecres, 
Die natiirliche Magie 8. 253. 

5 Plin. n. h. 25,154: Anaxilaus auctor est mammas a virginitate inlitas (sc. suco 
cicutae) semper staturas. Vgl.S. 52. 


1 Vel. Diose. m. m. IV 78 5. 240. 11. wo es heiBr: hactous éy mapbevia KoAver sh he (Quelle Krateuas). 
Anaxilaos bezeugt das Gegenteil (uacGots zporerzadpevous ounrdrrer vel. Gal. XI 258). kann also von Dioskurides 
nicht benutzt sein. Das Mittel des A. ist magisch. Vgl. Plin. 28. 249: item virgini VII grana fimi (se. leporis 


Magi propinant). ut stent perpetuo mammae. 


6 Plin. n. hh. NAXX 74: hydrocclicis stelionis mire prodesse tradunt capite. pedibus. 
interaneis ademptis relicum corpus inassatum ... sicut ad urinae incontinentiam eaninum 


Die Pvorxa des Bolos Demokritos und der Magier Anaxilaos aus Larissa, I. 79 


adipem cum alumine schisto fabae magnitudine, cocleas Africanas cum sua carne et testa 
crematas puto cinere (vgl. Diosc. m. m. Il 9 $.125, 10), anserum trium /éqiuds inassatas 
in cibo. huius rei auctor est Anavi/aus. Vgl. Plin. NNN 143: mulierum libidinem movere . . 
anseris Jinguam in cibo vel potione sumptam (mirum). 


7 Africanus bei Psellos lect. mirab. (Wrstruravy Paradox. S. 146, 14 aus den [aiyvia 
des Anaxilaos) : 

mapdcoEa d€ Tovey oi pev TOANOL BovAOWT Gy EK MaryElas Kal aTTITYOpEvLEeVvwV TEYVOY: 
ov 6 av ei BovAow Kai TO oé3as PvAdTTOIS Kal TAUT? Cv TroLOiNS Kat YEAGHS WS NOWTA. 

AwooTEpUa Youv pEeTa apToTUpov ev Tue BadratTio pepe CiacKkecalwv ev ata 
Ta Tapavnyoueva cuvates iyOveua. 

ei BovAe O€ Kai GNEKTOpA viKnoOM payopevov, adiavtov Tpifas To cvijeE PpwopaTe 
Trapapiryvve. 

aifloma 6€ Tomoes év cupTooin pavnva. ei ontias TO péAav éyyéos TO EhAvyViw. 

Kai OTPOPIAOV Ei cvoiEat Bovhowo xepot, Addpyupov vdatt NEWOUs KATY PLE. 

Kal meSh BadiCov ov Trovécets apTemoiav Tas xepor KaTEXov HovoKAovoy. 

Kai @ov Epydoao moppupow, ei eusddrous ev eatin Depp kvquvov Kal 0€0s EXOVTL 

HOAYSCov dé Kat Kacoltepov evyepos padrd&eas TH yelpl, eis ovpa imov édoas 
Ppaynvat Tas vAas. 

ei O€ Bowne yavat Kopiy i mrapbevos | eoTl, yayaryy Aov Katwlev Bupa mE pt- 
okéracov. Kai €i pi) Cue TOV OTOMATOS aUTIS 6 KaTVOS avaTVi], TapDevias ToUTO CoKt- 
paciav cx piBy yivooke. 

cypuTTve@v TE ov vot aes vitpov Kal xarkaviov dappawopevos. 

vcwp O€ eis oivov peTapareis KykKioas AEWwWOUs Kil Eu ar@V Eis AUTO. 

aidnpov oe piiges, ef cavdapdyny kai Oeiov o€e KatappeEas éemypioes avTa 
(avtov Hdss.). 


2 Uther das yerav vel. Demokrit bei Plin. 28. 1ry. Gal. XT 251. 3 Vel. Geop. NX 4: iyOts eis eva 
TOTOV revaryaryei sav toious ‘[Annoxplron]. Tim. (raz. (°°) bei Hat er, Opuse. m S. 302.10. Dieses Bannen be- 
stimmter Tiere an einen Ort ist magisch: Plin. n. h. 28, [UJ+ 32+ 35+ 20+ 73+ 17. 200. 3 Dies Mabjov kannte 


schon Krateuas bei Diose. m. m. IV 34 9 Ss. ee IQ: Towel ce Kat Tors aNexTpvovas Kal ros, aptuyas ax inous eivat 
ueryvinevoy (sc. aciavtov) +] tpods. Plin. n. h, 22,65 (aus Niger): perdices et gallinaceos pugnaciores fieri putant 
in cibum eorum (se. adianti generibus) additis. 7 Vel. Anaxilaos Frg. 2. S azpoprvrov MY, y Plin. 
nh. 25.130: artemisiam quoque secum habentibus negant (sc. Magi?) nocere mala medicamenta aut bestiam 
ullam, ne sulem quidem. 26.150 (aus Nenokrates-Anaxilaos}: artemisiam et elclisphacum alligatas qui habeat 
viator negatur lassitadinem sentire. Diose. simpl. 1220. Ps. Apul. de berb. med. 11: herbam artemisiam mo- 
nuclonon si quis iter faciens secum in manu portaverit. non sentiet itineris laborem. fuyat et daemonia in 
domo posta | et pr ohibet mala medicamenta et avertit oculos malorum hominam. Carm. de herb. 3 v. 30: Avec 


yep Kowrov avepus dcormdpon" os Kk evl yepow Thy MOVOKNOWOY (se. apt.) eyy. wept ce wi omy epirerce muvee Gevyet, Vv Tis 
ex éy 66a, Kal ddopata cewd. Fler. Ineant. mag. (Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. 19 S. 554 aus dem cod. Bonnen- 
sis 218): artemisia. si quis item facit in cited et in manu portaverit. non sentit laborem itineris. fugat 
foe prohibet maleficia. venena discutit, avertit oculum malum. Vgl. Cato de agricult. 159 (Plin. 26, a1). 

s. Apul. roo. 10 Derartige Kunststiicke behandelte Demokrit in seinen flaiyia, Vel. zweites ral. 
fopaene Refut. [V 29 S. 5 37: 43 Oa Ce Citdhopa émceikvevtae Tov tpozov toyvre Es folgt ein anderes Verfahren. 
(reop. XIV to. tt Das orpov fanddews verwendet Demokrit Physika AMM uadderoen TOV ote. ypov hei Ber- 


THELOL, lection des alchim. grees S. 51.15. Das orpor maucis aoMspor warde zam Goldliten verwandt. Vel. 
Diose. m. im. I] 81 S. 164, 17. v yg S.§t.tr. Strab, XVI 764. Plinw n. be 33,93. Albertus Magn. de veget. 
VI 254. 13 Vgl. Plin. 36, 142 (aus Niger): deprendit (se. gagates lapis) sonticum morbum et virginitatem 
suffitus. Borssonape, Notices et extraits Tom. XV (Paris 1827) S. 240: wept tor praver yuvaixa. ITE rapBevos 
éativ etre énoiyevhy ... yayaryy NAov troOvuta broxdte abtis, Kat ef nev obfpycer, wapflevos éativ, ef ce sf, otk ert. 
Brrsrax, Ind. lect. der Jenenser Universitat 1873 74 S23 (yrvaika yrova €l mapflevos erty on). ; Vel. 
Trenacus Detect. 1 13, 2 (daraus Epiph. Haer. 34. 1). Hippol. IV 30f. Hier wird dem Ve ene ae Ada os 
vorgeworfen. daB er die Verwandlung von Wasser in Wein auf Grund der Vorschriften der zalywa des Ana- 
eilaos ausgefiihrt habe. 18 Das cicnpov Avew gehdrte nach den Ps. Clementinischen Homilien (II 32) 2u 
den Zauber Ennsisrneken: durch die Simon Magus ihe Menge betérte. Dasselbe Rezept steht bei Ps. Demokrit 
Physica S. 51.1 (BerrHetor, Collection des alchim. grees). ein zweites S. 50. 5. 


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80 M. Wetumann: Die Dvoixd des Bolus Demokritos und der Mayier Anaxilaos aus Larissa. I. 


~ A ba - + , - > 4 wa tf ~ x 
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Kat GNEKTWwWP OUK av ToTE avaKoKKicelev EXaiy TOUS pUKTHpAs X plomevos. 
yedupata oe eis vowp ypaweas, Ei Knkida NerTHy eis TO vewp CciacKeddceas 
x ft A A . bg f J -~ Xx . ~ . ~ 
kai YyrpGiov (yryubim Hdss.) dua édAaiw mpoomiEeas: éEvpevovta yap évtevOev 1 Tov 
Ueatos eripdvera Kai déyeTa yepos ypadovans émuZorijv. 
1 Vel. Anaxilaos Frg. 3. 3 Plin. 10,167: ova aceto macerata in tantum emolliuntur. si per anulos 
transeant. 29,49. Albertus Magn. de veget. VI. 254: quandu in eo (se. aveto) est acredo et acetositas fortis. 


est fortis exsiccationis et subtiliationis et penetrationis. ita etiam. quod ovum. in ipso per tres dies positum, 
penetrat et ‘omollit; ita quod figuras eius testa recipit. _et convolutum prolongatur. ita quod per anulum tra- 


hitur. 5 Neptunalios, De symp. 56: acapavTa AvEL cine tpayou Hepnoy.  Plin. n. h. 37. sg (Demohrit). Pap. 
Holm. « 5 of : Pdtintish de civitate dei 21. 4. 4. Same asl bei Hieron. com. in Amos proph. WT 7 (XNNV Sp. r124D). 
Plin. 20. Rose. Ps. Arist. de lap. 406f. 6 Ps. Alb. de mir, im. fol r8*: et si quis inungit anum galli 


cum aes non potest tune tangere gallinam. et si inungatur caput eius oleo et frons. non potest vociferare. 
donee deponatur. Vel. Plin. n. “h. 29. 80. Neptun. 85. 

S Irenaeus I 13: Anaxilai enim ludicra cum nequitia eorum. qui dicuntur Magi, 
commiscens (sc. Marcus) per haec virtutes perficere putatur apud eos. qui sensum non habent 
et a mente sua excesserunt. Daraus Epiph. contra haer. 34, 1 (If 217 Drixp.). Vel. Uippol. VI 
39f. Losecx, Aglaoph. 122. 


9 Ps. Cyprian, De rebapt. c. 16 (If 89f. Harrrr): qui originem iam exinde trahunt a 
Simone mago ... (baptisma) taliter dicuntur adsignare. ut quam mox in aquam descen- 
derunt, statim super aquam ignis appareat. quod si aliquo lusu perpetrari potest. sicut 
adfirmantur plerique huiusmodi lusus Anaxilai esse. sive naturale quid est. quo pacto 
hoe potest contingere, sive illi putant hoc se conspicere, sive maligni opus et magicum 
virus ignem potest in aqua exprimere. Vgl. Hiorsrerp a. a. 0. 183. 


10 Diogenis Epist.19 (Hercner, Epist. gr. 240). 


11 Pap. Holm. @ S. 3,13 (Lacercrantz): eis de Anudxpirov Avakinaos avadéper Kai 
téde. Es folgt ein Rezept zur Herstellung von Silber. Vgl. S. 67. 








Berlin. gedruckt in der Reichsdruckerei._ 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 


AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 


Nr. 8 
AUS DEN BIBLIOTHEKEN 
VON KONSTANTINOPEL UND KAIRO 
VON 


Pror. Dr. JOSEPH SCHACHT 


IN FREIBURG I. BR. 





BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 





IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO. 


Vorgelegt von Hrn. Sacuau in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 19. Juli 1928. 
Zum Druck genehmigt am gleichen Tage, ausgegeben am 1. Dezember 1928. 


Vorwort 


Inhalt. 


I. Fiqh und Nebengebiete (Nr. 1—74) ......... 


Werke tiber Suriit (Nr. 51—74).............. 


Il. Hadit (soweit nicht schon beim figh behandelt) (Nr. 75—76) .. 


IU. ‘Tafsir und yiraa (Nr. 77—82) ..0......0-.. 


IV. Dogmatik (Nr. 83) 
V. Geschichte (Nr. 84—85) 


VI. Poesie (Nr. 86)........4. 
VIL Tiirkisch (Nr. 87 —102)..........00.. 20000. 
Altosmanische Glossare (Nv. 8g9—101) .....-.. 


Indizes: 


I. Autorenindex..... 
II. Titelindex........ 


III. Handschriftenindex 


heite 


|* 


4 J. SCHACHT: 


Vorwort. 


Diese Veréffentlichung enthilt die Ergebnisse meiner Handschriftenstudien in den Biblio- 
theken von Konstantinopel und Kairo wiihrend zweier Studienreisen Oktober — Dezember 
1926 und September 1927—Januar 1928, und zwar nicht Texteditionen und Bearbeitungen, 
sondern Identifizierungen von Handschriften. Die Auswertung Konstantinopler und Kairiner 
Manuskripte habe ich bereits begonnen und hoffe, aus diesen beiden unerschipflichen 
Schatzkammern im Laufe der Zeit noch manches Wichtige vorlegen zu kénnen'; hier 
handelt es sich darum, zunichst einmal die von mir identifizierten Handschritten vor- 
zufiibren. 

Mein Ziel auf beiden Studienreisen war in erster Linie die Feststellung und Er- 
schlieBung neuer Quellen zur iiltesten Geschichte des islamischen Rechts; tiber die Not- 
wendigkeit derartiger Studien beim heutigen Stande der Forschung und ihre hauptsich- 
lichsten Resultate habe ich bereits kurz auf dem fiinften Hollindischen Orientalisten- 
kongrefS in Leiden (April 1927)° berichtet und gedenke es ausfiithrlicher auf dem 17. Inter- 
nationalen OrientalistenkongreB in Oxford zu tun*; inwieweit das gesteckte Ziel erreicht 
ist, mag im einzelnen der Inhalt dieser Mitteilungen selbst zeigen*. Nattirlich muBte 
ich, um die Resultate einer systematischen Durchsicht und keine Zufallsfunde bieten zu 





‘ Die Werke, die ich zunichst herauszugeben oder zu bearbeiten gedenke (Nr. 15. 22. 84), sind mit 
einem Stern bezeichnet. 

2 Vel. Oostersch Genvotschap in Nederland. Versiag van het vijfde Congres, Leiden 1927. S. 22. 

3 Vel. auch meinen Aufsatz: Aufgaben der islamischen Rechtsforschung, OLZ 1928. [Zur niheren 
Austiihrung sei mir gestattet. mit einigen Ktirzungen folgendes aus meinem Oxforder Vortrag hier anzufiigen. 
Die zuerst von Gotpzmer und Syouck Hurcronir vorgetragenen Auffassungen vom Wesen des islamischen 
Gesetzes gehéren heute zum Igma’ aller, die sich mit dem muhammedanischen Recht beschiiftigen. Damit 
sind der Erforschung des Fiqh neue Aufgaben gestellt; nachdem die wesentlichen Grundziige klar erkannt 
sind. miissen zuerst — natiirlich stets mit dem Blick auf das Granze — Einzeluntersuchungen vorgenommen 
werden, ehe zu einer neuen, fiber eine Wiederholung des bereits Bekannten hinausgehenden Synthese ge- 
schritten werden kann. Nuu sind es zwei Gebiete, auf denen diese Einzelarbeit die wichtigsten Ergebnisse 
verspricht, namlich einerseits die Aufhellung der Anfange juristischen Denkens im Islam, andererseits die Ver- 
folgung einzelner Rechtsinstitute und Literaturformen iiher die gesamte Entwicklung hin. die natiilich gleich- 
falls von den iltesten erreichbaren Zusténden ausgehen muB. Zur Lésung dieser Aufgaben ist die Alteste 
Fiqh-Literatur, sowohl als Zeugin fiir ihre eigene Zeit wie als Vermittlerin noch alterer Nachrichten. véllig 
unenthbehrlich. Z.B. ist es von gré8ter Bedeutung zu wissen, von welchen Fragestellungen und Einzelfiillen 
die juristische Spekulation ausgegangen ist: daza mu8 man aber den Wortlaut der ltesten Fiqh-Bécher kennen. 
Leider ist von ihnen nur sehr wenig bekannt und noch weniger gedruckt zuginglich. Demnach stellte ich 
mir zur Aufgabe, von Figh-Werken, die schon in ihrem Alter die Gew abr wertvollen Quellencharakters traven 
oder — mdgen sie auch aus jiingerer Zeit stammen — wichtige, heute verlorene Quellen benutzen. Manu- 
skripte aufzufinden, um so verschollene Schriften wiederzuentdecken, aber auch die handschriftliche Basis der 
bereits bekannten zn verbreitern. Zur Erreichung dieses Zweckes waren die Bibliotheken von Konstantinopel 
und Kairo besonders geeignet: in Konstantinopel strémten Jahrhunderte lang auf den versehiedensten Wegen 
dauernd wertvolle Denkmaler der arabischen Literatur zusammen, und obgleich Kairo wobl die Stadt ist. ‘die 
dureh diesen Proze8 die gréBten Verluste erlitten hat, so bergen ihre éffentlichen und privaten Sammlungen 
immer noch quantitativ bedeutend mehr als die Konstantinopler Wagqf-Bibliotheken und stehen ihnen qualitativ 
mindestens gleich. Korrekturzusatz.] 

4 Wgl. besunders Nr. 1—29. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 5) 


kénnen, den Kreis der durchzusehenden Handschriften ziemlich weit ziehen; hier gebe 
ich nur den zur Publikation in dieser Form geeigneten. wenn auch nicht unbedcutenden 
Teil meiner Studien. 

Neben dem Hauptthema habe ich verschiedene Gebiete vornehmlich des praktischen 
Fiqh, mit denen ich mich z. T. bereits beschiftigt habe, besonders die Surut-Literatur, ferner 
das alte, weniger bekannte Hadit und einiges aus dem Tafsir beriicksichtigt und bin bis- 
weilen selbst tiher diesen Rahmen hinausgegangen. Meine Absicht war nimlich — und 
das ist das zweite Ziel, das ich mit dieser Verdffentlichung verfolge —, eine kleine Vor- 
arbeit fiir die Bestandsaufnahme der erhaltenen arabischen Literaturwerke zu liefern, deren 
Dringlichkeit nicht erst hervorgehoben zu werden braucht. Diesem Zweck soll auch die 
Ileranzichung der Bearbeitungen, Kommentare und Ubersetzungen der dlteren Werke dicnen. 
Aus demselben »bibliographischen« Interesse habe ich bisweilen auch auf Handschriften 
hingewiesen, die die behandelten Werke nicht enthalten, oder auf Werke, die mit den 
hbesprochenen nichts zu tun haben, wenn die Gefahr der Verwechslung vorlag. 

Die an den SchluB gesetzte ttirkische Abteilung, die ihre Existenz meinen persdn- 
lichen Interessen verdankt, wird hoffentlich nicht als Fremdkérper empfunden werden; 
es liegt nur in fuBeren Umstiinden und Zielsetzungen begriindet, da sie hier einen er- 
heblich geringeren Raum einnimmt als die arabische: zudem habe ich die Ergebnisse 
meiner Feststellungen tiber altosmanische Korankommentare bereits OLZ 1927, 747 ff. 
und 1928, 812 ff. veréffentlicht. 

Trotz ihres Reichtums sind die Konstantinopler und Kairiner Biicherschitze von 
europiischen Gelehrten bis auf wenige Ausnahmen bisher lange nicht entsprechend ihrer 
Wichtigkeit benutzt worden, hauptsichlich wegen der Mangelhaftigkeit der »Kataloge«’ 
und der frither nicht zu unterschitzenden technischen Schwierigkeiten. So kann ich, von 
Verwertungen yon Handschriften fiir einzelne Themata* abgesehen, fiir Konstantinopel 
nur Horovirz (MSOS 10) und Rescuer (zuletzt ZS 1, 216ff.; 3, 247 ff.)*, fir Kairo nur 
Horovitz (1. ¢.) und Vorrers (ZDMG 43.44) nennen; in allen diesen Arbeiten bleiben 
aber die Gebiete, tiber die hier berichtet wird, so gut wie unberiicksichtigt. Ich freue 
mich aber, auf Ritrrr (Islam 17, 15ff.) bereits als einen Nachfolger hinweisen zu kénnen, 
und hoffe, daB die Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo, deren Benutzung in 
letzter Zeit gegen friiher ja bedeutend erleichtert worden ist, ktinftig die Beachtung in 
Europa finden werden, die sie verdienen. 

Uber die Bibliotheken von Stambul und Umgegend habe ich die notwendigen tech- 
nischen Mitteilungen bereits ZS 5, 288 ff. gegeben, und es geniigt. hier darauf zu ver- 
weisen. Von den Kairiner Sammlungen kommen in Betracht: 

1. die Agyptische Bibliothek, die frithere Khedivialbibliothek: nur diese besitzt einen 
gedruckten Katalog, dessen erste Ausgabe (1301—1309; Band 1 der arabischen Abtei- 
lung 1317 in zweiter Auflage erschienen; vgl. Gasrrett, Manuale di Bibliografia musul- 
mana I, 197f.) zicmlich zuverliissige Angaben bietet, allerdings nur einen geringen Teil 
der jetzigen. durch die verschiedensten Waqf-Bibliotheken vermehrten Bestiinde umfaBt, 
wahrend die zweite, im Erscheinen begriffene der arabischen Abteilung (Bd. 1 Religidse 
Wissenschaften 1924; Bd. 2 Sprachwissenschaften 1926; Bd. 3 Adab I, 1927) trotz der 
vorziiglichen Ausstattung inhaltlich alle Mangel der Konstantinopler »Kataloge« teilt und 
einen entsehiedenen Riickschritt darstellt: 





! Uber die Bestinde der Bibliotheken ohne gedruckte Listen wute man geradezu nichts. 
+ In gréBtem Mafstabe durch Masstexonx in seinem Hallag-Werk. 
3 Die Arbeit von Hors (ZDMG 54) ist ein catalogus catalogoram fiir die persischen Ilandschriften. ge- 
legentlich durch die Resultate der Einsichtnalme in die Handschriften selbst erweitert. 


6 J. SCHACHT: 


2. die verschiedenen Sammlungen der Azhar-Moschee, und zwar: 


a) die Hauptsammlung in dem Bibliotheksgebiude links neben dem Haupteingang. 
bh) die Sammlung im riway as-sa‘@ida (dabei noch mehrere Stiftungen usw.), 
c) die Sammlung im riwaq al-atrak (dabei eine eigene tiirkische Sammlung und 
mehrere Stiftungen usw.), 
d) die Sammlung im riwaq as-Sauwam, bestehend aus den Sammlungen 
as-Saih ‘Abdarrahman Adib. 
as-Saih Ahmad Muhammad Zain al-Qazif'l. 
a$-Saih Muhammad Madulhi 
(dabei noch mehrere Stiftungen usw.); 
auch die anderen riwaqs von al-Azhar besitzen Biicher und Handschriften; 

3. die Bibliothek in der qubbat al-Giri, aus mehreren Wagf-Bibliotheken und der 
ebenfalls gestifteten, meist orientalische und europiische Druckwerke (darunter sehr wert- 
volle) enthaltenden Bibliothek von Alimad Zaki Pasa bestehend; dem Vernehmen nach 
sollen noch andere Wagqf-Bibliotheken dorthin tberfiihrt werden; 

4. die gleichfalls als Wayf organisierte Privatbibliothek von Almad Pasa Taimur 
in der Sari‘ Sagarat ad-durr in Zamalik; 

5. die besonders an Kalligraphien reiche Privatbibliothek von Nureddin Bey in der 
sari‘ darb al-gamamis. 

Im Marz 1927 hatte ich Gelegenheit, die unkatalogisierten Handschriften der PreuBischen 
Staatsbibliothek in Berlin durchzusehen; ohne einer Katalogisierung vorgreifen zu wollen, 
habe ich auf sie hingewiesen, soweit sie hier fiir mich in Betracht kamen’. Bei dieser 
Gelegenheit méchte ich noch ausdriicklich feststellen, da meine Absicht auch bei den 
Manuskripten in orientalischen Sammlungen keineswegs eine Katalogisierung, sondern 
lediglich Identifizierung war; eine kurze Beschreibung ergab sich in den meisten Fallen 


' Vereinzelt wurde auch die eine oder andere weitere Handschrift beriicksichtigt. [Ich benutze die 
Gelegenheit, aus den Neuerwerbungen des British Museum. die ich Oktober 1928 durchsehen konnte, die in 
Betracht kommenden Handschriften anzufiihren. soweit sie nicht bereits in Ellis-Edwards. Handlist richtig 
identifiziert sind. 
rE: Or. 8935: Handschrift von angeblich 336 Seiten. bisweilen etwas tliichtige, doch leserliche Schrift von 

71o+x. am Anfang nicht durchweg gut erhalten, am Ende sama‘at, gutes Exemplar. 
2¢: Or. 5954 (Ellis-Edwards S.17): ziemlich groBe, dicke. bisweilen vokalisierte, altere Schrift, am Ende un- 

vollstindiger Teilband. 


3g: Or. 8946: deutliche, z.T. unpunktierte Schrift. vollstandig. 
sn: Or.9068: Teilband, kleinere Schrift. 
Zu s: Or. 6644 (Ellis-Edwards S. 23): anonymes Kommentarfragment in schéner, groBer Schrift, Teilband 


(1. Band). am Anfang fehlt ein Blatt: mit 5 4 oder n nicht identisch. 

see Anm.: Or. 7904: die guujat al-munja auf 192 Blatt, recht schéne, stark vokalisierte Schrift von 723: die 
Vorrede des Autors ist von spiiterer Hand vor dem Titel am Ende des Inhaltsverzeichnisses nachgetragen 
worden. 

Se: Or. 9800: 136 Blatt kleinen Formats, kalligraphisch schéne. stark vokalisierte, iltere Schrift, am Anfang 
viele Glossen, sehr schénes Exemplar. 

t4: Or. 8924: am Anfang unvollstandiz. endet wie Kopriilii 296. 

16: andere riwaja Riev, Supplement 168; ein Auszug daraus bildet den Hauptteil von ebd. 170 (Katalog un- 
richtig): ein Fragment der hurzen ‘aqida auf dem ersten und den beiden letzten Blittern von ebd. 170. 

18a: Ur.g220: 342 Blatt gréBeren Formats mit breitem Rand, junge Schrift, Text anscheinend nicht sebr korrekt. 

20: Or. 9144: 184 Blatt mittleren Formats mit breitem Rand. langere Rezension; anscheinend von demselben 
Schreiber wie die Handschrift A meiner Ausgabe, mit der sie auch textlich identisch ist. 

Zu 29: Or. $936: anderes, ausfiilrliches begriindendes Werk tiber den alten innerhanafitischen Ibtilif (ver- 
schieden von Nr. 49): 200 Blatt gréBeren Formats, Altere, deutliche, gréBtenteils unpunktierte Schrift, 
am Anfang und am Ende unvollstindig: eine spitere Hand, die auf einem vorgesetzten Blatt den Anfang 
etwas ergdnzt hat, gibt als Titel Ge JI UU Ge ke ot al - 1 (vgl. Br. I 216. 32). 

Zu gt: Or. 8aqg: das arabisch-persische Original; angeblich 307 ‘Blatt, kleine, stark vokalisierte Schrift. 
Korrekturzusatz.] 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 7 


als natiirlich, muBte aber nach der Feststellung des Inhalts durchaus erst in) zweiter 
Linie kommen. 


Die Einteilung des Stoffes in sieben Kapitel ergab sich ungezwungen aus dem In- 
halt; wenn méglich, habe ich verschiedene Werke desselben Autors nicht getrennt. da- 
fir aber Verweise gegeben; diese sind auch da verwandt, wo die Einordnung in die 
verschiedenen Kapitel zweifelhaft sein konnte. Die behandelten Grundwerke wurden. 
nach der Zeit der Autoren geordnet, fortlautend numeriert; an wenigen Stellen” wurden 
mehrere aus praktischen Grtinden zu Sammelnummern zusammengefait: Bearheitungen. 
Kommentare und Ubersetzungen folgen, durch diakritische Buehstaben unterschieden. un- 
mittelbar auf’ das Grundwerk. Die Werke iiber Surtt (soweit sie nicht schon vorher 
zusammen mit anderen Schriften desselben Verfassers anzuftihren waren) und die alt- 
osmanischen Glossare wurden - wieder aus praktischen Griinden — als Sonderabteilimgen 
an das Ende der hetreffenden Kapitel gestellt: hier gilt die alphabetische Ordnung nach 
den Verfassernamen, sekundar nach den Titeln. Die Anordnung der Handschriften inner- 
halb der einzelnen Nummern erfolgte nach ihrem Alter. wenn sie datiert waren, sonst 
nach der Reihenfolge der Bibliotheken in meinen Zusammenstellungen (fiir Konstantinopel 
ZS 5, 288ff., fir Kairo oben)', nur ganz ausnahmsweise nach ihrem geschiitzten Alter. 
wenn eine Datierung fehlte. In dem Bestreben, weitere Feststellungen zu erleichtern. 
habe ich auch Handschriften, die ich selbst nicht sehen konnte. angefiihrt. wenn dic 
betreffende Bibliothek keinen gedruckten Katalog hatte*. und zwar in eckigen Klammern | | 
am Anfang der » \nmerkungen« zu den einzelnen Werken, hinter den von mir identifizierten 
Manuskripten. uch auf die mir bekannten Drucke habe ich hier hingewiesen; wenn 
ich sie nur aus nicht ganz Zuverlassigen Mitteilungen kannte, habe ich ein Fragezeichen 
gesetzt. Neben Angaben iiber den Inhalt bringen die Anmerkungen noch Verweise auf’ 
die Literatur, bei denen ich mich aber in der Regel mit der Antithrang der wiichst- 
liegendlen (bzw. iiltesten) Quelle begniigen muBte; endlich behandle ich hier auch Schriften, 
die mit den im Text angefiihrten verwandt sind oder verwechselt werden kinnen usw.. 
aber keine eigene Hauptnummer erhalten konnten. 


AuBer den allgemein tiblichen sind folgende Abkiirzungen gebraucht: 

‘Abdalyadir: al-gawahir al-mudi’a fi tabaqat al-hanafija. Maidarabad 1332: 

AnLwarpt: Verzeichnis der Arabischen Handschriften der Kinigl. Bibliothek zu 
Berlin; 

Br. = Brockermann. Geschichte der Arabischen Literatur: 

Browne: die persische Literaturgeschichte; 

HH = Haggi Halifa: 

Horn: die oben angefijhrte Arbeit: 

IH = ibn Uallikan; 

IS = ibn Sa‘d; 

al-Laknawi: al-fawaid al-bahija fi taragim al hanafija. Kairo 1324: 

Prertscu: Verzeichnis (er tiirkisehen Handsehriften der Konig]. Bibliothek zu Berlin: 

ibn Qutlibuga: Die Krone der Lebensbeschreibungen, ed. G. Fiitcen. Abhandlungen 
der Deutschen Morgenlaindischen Gesellschaft 1133 

Rrev ture.: Catalogue of te Turkish Manuseripts in the British Museum. 


1 Im Texte sind die Namen der Bibliotheken abgehiiret vitiert: dazu ist nur zu bemerken. daB Welieddin 
Nr. 11, Es‘ad Nr. 30. Mehmed Murad Nr. 57 (die Signaturnummern der Bibliothek habe wh oan Klammern auf 
die Nummern des gedruckten Kataloges folgen lassen), Ejjib Nv. 64 meines Konstantinopler Verzeielnisses 
bedeutet. 

2 Sowie in der Agyptischen Bibliothek. 


8 J. ScHACHT: 


Die Zeichen oem tt C6 Meaeiaraaaniaaen trennen zwecks gréBerer 
Ubersichtlichkeit Hauptwerke (Paralletriwajas) sowie Bearbeitungen usw. erster, zweiter 

und dritter Ordnung voneinander und von dem 2ugrundeliegenden Werk. 

Es ist mir eine angenehme Pflicht, den Stellen, die durch Gewihrung von Urlaub 
und Stipendien meine beiden Studienreisen erst erméglicht haben, némlich dem Badi- 
schen Staatsministerium, der Freiburger Wissenschaftlichen Gesellschaft und vor allem 
der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, auch hier meinen ehrerbietigsten Dank 
auszusprechen. Der Direktor des -\rchaologischen Instituts in Konstantinopel, Hr. Prof. 
Dr. Scnepr, gewahrte mir wihrend des griBeren Teils meines dortigen Aufenthalts 
Aufnalhme in seinem Hause; auch an dieser Stelle sei ihm herzlich gedankt. Zu gréBtem 
Dank bin ich ferner den vielen Bibliothekaren in Konstantinopel, Skutari, Brussa und 
Kairo verpflichtet, die meinen zahlreichen Wiinschen mit gré8ter Freundlichkeit ent- 
gegenkamen und mir alle denkbaren Erleichterungen gewihrten. In ganz besonderer 
Dankesschuld bin ich gegeniiber seiner Exzellenz Halil Edhem Bey, der mir die Benutzung 
der reichen Sammlungen des Top Qapu Serai ermédglichte, und Ahmad Pasa Taimur 
und Nureddin Bey, die mir ihre beriihmten Privatbibliotheken zugiinglich machten. Ich 
schlieBe mit dem Wunsch, dais man dieser Arbeit nicht ansehen mige, unter welch 
schwierigen Bibliotheksverhiltnissen in Freiburg ihre Niederschrift geschehen muéte. 








Freiburg i. Br., Juni 1928. JosEpn Scmacar. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 9 


I. Figh und Nebengebiete. 


1. abi Hanifa an-Nu‘man ibn Tabit (st. 150 oder 151): al-musnad. Von den auf die 
Lehrvortrige des abu Hanifa zuriickgehenden musnad-Werken erwihne ich: 
A. Die riwaja des abu Jusuf (st. 182), tiberliefert von seinem Sohne Jusuf. 
Ag. Bibl. hadit 1617: mittelgroBe Handschrift von angeblich 132 Blatt, doch 
sind die letzten 11 Blatt spiter aus einem ganz andern Zusammenhang 
dazugebunden worden, wohl um den Textverlust am Ende, der recht er- 
heblich sein mu8, zu verdecken; priichtige, iltere Handschrift mit schéner, 
groBer, deutlicher Schrift, i. a. gut erhalten. nur auf den ersten 6 Blatt 
ein Wasserfleck, der manche Stellen unleserlich gemacht hat. 
Diese riwaja ist nach den Kapiteln des Fiqh geordnet, verdient also 
eigentlich den Namen musnad nicht. Verwertet von al-Uuwarizmi (vgl. 
unten F). 


B. Die riwaja des abu Abdallah al-Husain ibn Muhammad ibn Wusrau al-Balhi 
(st. 222). 
Berlin 8° 1829: 152 Blatt mit deutlichem ta‘liq: unser Werk 7b—152a; 
es geht vorher 1b—6b eine titellose Schrift mit Traditionen, die abu 
Hanifa riihmen, also eine Art manaqib, die derselbe al-Balli von abul- 
Fadl Ahmad ibn al-Hasan ibn Hairun iiberliefert. 
Hier sind die Gewahrsmanner alphabetisch angeordnet. Verwertet 
yon al-Huwarizmi (vgl. unten F). Vgl. Abdalqadir I Nr. 542. 








C. Die riwaja des abu Muhammad ‘Abdallah ibn Muhammad ibn Ja‘qub ibn al- 
Harit al-Bubari al-Hariti (st. 340). 

Azhar 21440: mittelgroBe, mitteldicke Handschrift von 1149, hiibscher 
Einband. 

Ag. Bibl. hadit 430: mittelgroBe Handschrift von angeblich 435 Blatt, nicht 
alte. aber gefiillige und deutliche, bisweilen vokalisierte Schritt: Stiftungs- 
vermerk von 1167. 

Ebd. 768: angeblich 52 Blatt groBen Formats, nicht ganz junge, deutliche 
Sehrift, auf dem Titelblatt geschmacklose spitere Verzierungen. 

Ebd. 1659: mittelgroBe Handschrift von 122 Blatt. Altere, nicht besonders 
schéne, aber deutliche Schrift; am Ende unvollstindig, in den Traditionen 
von Nasih ibn ‘Abdallah abbrechend. 

Hier sind die Gewahrsminner nach ihrer Bedeutung in der Tradi- 
tionswissenschaft geordnet. Verwertet von al-Uuwarizmi (vgl. unten F). 
Vel. ibn Qutlubuga Nr. 87. 





nw 


Phil.-hist. Abh, 1928, Nr. . 


J. SCHACHT: 


D. Die riwaja des Anonymus aus dem 5. Jahrhundert, die al-Hilati (vgl. unten E) 
abgekirzt hat. 
Ag. Bibl. hadit 155: dicker, mittelgroBer Band von 237 Seiten, unschdne, 
aber deutliche Schrift von 1243; mit der Vorlage verglichen, 6fters 
Liicken. 


Hier sind die Gewihrsminner alphabetisch angeordnet; jedes hadit 
hat seinen eigenen isnad bis herab zu dem Verfasser, dessen Zeit da- 
durch festgestellt werden kann. Anfang: ot. cae Ste a> Gl ye . 


lal Gel C4 ale dela by je Nal Sy ho si Lae Oe L.'s 
Ende: CF Snel ode lS dey af Y Soc |e ae yan se 
of Ab eo ede eh ot be of EE Ge 6 U8 Baal 
So Oe gy ar|we . AX oS py LI) he oe dhe al Spe Ge JB! 
ae, FAS Ie GI Coe Coe oF oe og, 


KE. Die riwaja des Sadr ad-din (oder Kamal ad-din) abi ‘Abdallah Muhammad ibn 
‘Abbad ibn Malikdad al-Hilati (st. 652) mit dem Titel maqsad al-musnad, ein 
Auszug aus dem unter D angefiihrten Werk. 

Ag. Bibl. hadit 440, 2: 37 Blatt am Ende des etwa 160 Blatt dicken, groben 
Bandes, grofe, gefillige, deutliche Schrift von 790, nach einem beim 
Verfasser gehérten Original. 


Hier sind die Gewahrsminner ebenfalls alphabetisch angeordnet; die 
Kinzel-isnade sind weggefallen. Anfang wie in D; Ende: ee ae 
OI bly oth Je Sa bat Je Saas Ne Slo de JB. » orl ae 


Sip Jés ol de ele bs gts JB ob NW LY slo hat oS y 
ols Be oll 1b oN 3 6 SM. Das Werk es al-Hilati wird 


von al-Huwarizmi (vgl. unten F) im Verzeichnis seiner 15 Quellen nicht 
genannt. Vgl. Abdalqadir II Nr. 200. 


F. Die riwaja des abul-Mu’aijad Muhammad ibn Malimud al-Huwarizmi (st. 655). 


Ag. Bibl. hadit 47¢: gréBere, dicke Handschrift von 212 4- 239 Blatt, der 
erste Teil von junger, flissiger, deutlicher Hand, der zweite, anschlieBend, 
nicht tiberall gut erhalten, mit groBer, sehr deutlicher Schrift von 8 51. 


Ebd. 475: groBe Handschrift von angeblich 298 Blatt, nicht sehr schéne. 
kleinere Schrift von 1134. 


Azhar, riwaq al-atrak, hadit 518: sehr groBe Handschritt von 425 Blatt 
in recht schénem Einband, groBe, deutliche Schrift von 1142. 


Ag. Bibl. hadit 416: gréBere Handschrift von 375 Blatt, gefallige und deut- 
liche Schrift von 1271: fol. 45—63 groBe Liicke. 


Gedruckt Haidarabad 1332, 558+558S. 8°. Zusammenstellung 
von 15 auf die Lehry ortrige des abu Hanifa Hirielewehenden muenad: 


Aus den Bibliotheken von honstantinopel und Kairo. 1] 


Werken, unter denen auch das kitab al-atar des as-Saibani (Nr. 4) an- 
gefiihrt wird, nach Kapiteln des Fiqh geordnet. Vgl. Bro I 170 71: 
ibn Qutlubuga Nr. 200. 





Gi. Die riwaja eines Anonymus, mit der des abu Jiusuf oder der des al-Uuwarizmi 
identisch ? 
Berlin S° 1832: 59 Blatt aus einem unsauberen Kollegheft, am Anfang 
und Ende unvollstindig. 
Nach Kapiteln des Fiqh geordnet. 


H. Die hadite von abu Hanifa enthaltende riwaja des abu Umaija Marwan ibn 
‘Tauban, deren Zugehorigkeit zu den masanid jedoch zweifelhatt ist. 

Ag. Bibl. hadit 1259: ungefaihr in der Mitte der kleineren, aber dicken 
Sammelhandsehrift, die meist Traditionstexte von spiten Handen enthiilt. 
steht auf 4 Blatt guz fih nushat ali Hanifa an-Nu’man ibn Tabit al-Kuit) 
riwajat abi Umaija Marwan ibn ‘Tauban ‘anhu. 

Die Traditionen handeln meistens tiber die rituellen Pflichten. 
Vor abu Ilanifa steht. soviel ich sehe. immer az-Zuhri. Anfang: 


6 all te bes ce al fo al Sper oe fal (OU aL i oe 5 
4a dole els L7bls Ju ay’ as anal! oe Fs ere! J! alll ah: 
Ende: cel ab Jib 6 oll oa Les ate al deo atl Spey Cede 


|Seraihibliothek 364. 365. 366. 367.| Weitere von mir nicht gesehene 
riwajas (z. T. mit den Anonymi oben identisch?) ibn Qutlubuga Nr. 37. 
42: UHV 535 ff: Ampwarpt 1255 t); Gorpzimer. Muh. Studien II 230 
Anm. 7; Br. I 171. Die ebd. genannte riwaja des Musa ibn Zakarija’ 
al-Haskafl (st. 650) ist mit dem Kommentar des ‘Ali al-Qari ibn Sultan 
Muhammad al-Harawi al-Makki (st. 1014) nach der urspriinglichen An- 
ordnung des Verfassers entsprechend der Wichtigkeit der Gewihrs- 
miinner auch in Indien 1312, in der das Ganze nach den Kapiteln 
des Fiqh ordnenden Bearbeitung des Muhammad as-Sind: 1304 (am 
Rande des al-adab almufrad), Lucknow 1318 (mit hindustanischer 
Uhersetzung) und Kairo 1327, in der von Muhammad Tasan al-Laknawi 
eingeleiteten. verbesserten und glossierten Neuausgabe der Bearbeitung 
des as-Sindi in Indien 1309 1316 gedruckt worden. 


2. Malik ibn Anas (st. 179): al muwatta. Ich erwahne hier nur folgende Handschriften 
der riwaja des as-Saibani aus besonderen Grinden: 
Ag. Bibl. hadit 440, 1: groBe Handschrift von ca. 160 Blatt, grobe, deutliche 
Schrift von 790: an erster Stelle auf 120 Blatt unser Werk. in der Unter- 
schrift als kitah al-iltilaf bain Malik ibn Anas waMuhammad ibn al-Hasan 
hezeichnet. 

Ebd. 2103: 145 Blatt mittleren Formats, gefallige, deutliche, etwas vokalisierte 

Schrift von 1108, stellenweise Glossen. 
Gedruekt Indien 1291. 1292. 1293. 1297. 1304. 1315 sowie Kasan 1909 

ivgl. 2¢). Vgl. Br. [ 176. 


12 J. ScHACcHT: 


2a. Ein Kommentar zum al-muwatta’ in der riwaja des ag-Saibani, der auch die An- 
sichten anderer Juristen heranzieht, stammt von ‘Ali al-Qari ibn Sultan Muhammad 
al-Harawi al-Makki (st. 1014). 
Ebd. 323: gréGerer Band von 433 Blatt, groBe, sehr deutliche Schrift von 1269, 
Grundtext rot hervorgehoben. 
Vgil. Br. 1 176. 





2b. Ein weiterer Kommentar, der verschiedene Handschriften beriicksichtigt, ist der 1166 
vollendete al-muhaija’ fi kasf asrar al-muwatta’ von ‘Utman ibn Ja‘qub al-Islamboh. 
Ebd. 586: sehr groBe und dicke Handschrift von 1170. 
Der Autor ist identisch mit dem von Autwarpt 1256 A als Kommen- 
tator des musnad abi Hanifa angefiihrten “Utman Effendi ibn Ja’qtb ibn 
al-IIusain al-Kumahi (vgl. Ragib 327 [Katalog]). 








Auf der Vulgata-Rezension des al-muwatta’ dagegen beruhen die beiden folgenden Werke: 

2e, al-istidkar fi Sark madahib ‘ulama’ al-amsar mimma rasamahul-imam Malik fi mu- 

wattaihi min ar-ra’j wal-atar von abu ‘Amr (oder “‘Umar) Jusuf ibn ‘Abdallah ibn 
Muhammad ibn ‘Abdalbarr al-Andalusi al-Qurtubi (st. 463). 

Ebd. 24: zwei sehr dicke Bande sehr groBen Formats mit recht schwieriger 
magribinischer Schrift; a) angeblich 221 Blatt, am Anfang und am Ende 
unvollstindig, augerdem Blatt 1—144 mit zuerst sehr starkem, dann abneh- 
mendem Textverlust beschadigt; b) angeblich 355 Blatt, am Ende unvollstindig. 

Ausfiihrlicher Kommentar mit Beriicksichtigung der Ansichten an- 
derer Juristen. Vgl. Br. I 368 sowie den al-muwatta’ in der riwaja 
des ag-Saibani, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von 
Muhammad ‘Abdalhaij al-Laknawi, Kasan 1909, Einleitung S. 16. 





2d. at-tamhid lima fil-muwatta’ min al-ma‘ani wal-asanid desselben Verfassers. 


Ebd. 315: zwei recht dicke Bande gréSeren Formats, vokalisiertes, groBes, 
deutliches Neshi, der erste Band am Ende unvolistindig und mit spiter er- 
giinztem erstem Blatt; den zweiten und vierten »Teil« des Werkes ent- 
haltend. 

Ebd. 716: sehr grofe und dicke Handschrift von angeblich 286 Blatt, bis- 
weilen etwas fliichtige und unpunktierte, kleinere Schrift im Hauptteil, 
der den 7. »Teil« des ganzen Werkes bildet (am Schlu8 Rasur und Ande- 
rung); vorher und nachher (etwa je ein Achtel des Bandes) Fragment je 
eines anderen »Teils« in gréBerer Schrift. 

Aufarbeitung des al-muwatta’ nach musnad-Art, nach Maliks unmittel- 
baren Gewiihrsminnern geordnet, mit Behandlung jedes einzelnen hadit 
nach der Traditionswissenschaft, Anfihrung der Parallelen und Erkliérung 
der Ausdriicke. Vgl. Muhammad ‘Abdalhaij al-Laknawi l. c. S. 16f 


3. Muhammad ibn al-Hasan a8-Saibani (st. 189): kitab al-asl (mabsiut). 
Mehmed Murad 1038—1041 (1022—1025): ich habe davon den letzten Teil 
1041 (1025) gesehen, einen schénen, sehr dicken Band groBen Formats, 
groBes, schénes Neshi von 639; an den Randern Wurmfra8; bisweilen 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 13 


sind die Varianten anderer Handschriften angegeben; reicht vom kitab al- 
hijal bis zum kitab al-gasb; riwaja des al-Gizagani mit Ausnahme des kitab 
al-hijal; Handschrift M meiner Ausgabe des kitab al-maharig: fil-hijal des 
as-Saibani (Nr. 3a). 

Ag. Bibl. figh hanafi 34: angebl. 134 Blatt sehr groBen Formats in Frag- 
menten von Einbanddecken, schéne, deutliche, sehr reich vokalisierte Sehritt 
von 666, priichtiges Exemplar; enthalt jetzt nur kitab al-igarat, kitah as- 
Sarika, kitab al-mudaraba (unvollstiindig). war friiher nach Ausweis der 
Reste des Inhaltsverzeichnisses viel umfangreicher. 

K6éprilti 537: sehr schéne, grofe Handschrift von 222 Blatt von 728; reicht 
vom Anfang bis einschlieBlich zum kitab al-aiman; riwaja des al-CGrizagani. 

Molla Celebi 38: dicke Handsehrift mittleren Formats von 731 in schénem 
Einband; reicht vom Anfang bis zum kitab al-aiman wal-kaffarat; riwaja 
des al-Giizagani. 

Garullah 575: dicker, groéBerer Band von 731, z. T. stark zertressen; »erster 
Teil«; riwaja des al-Guzagant. 

Ag. Bibl. figh hanafi 491: groBe, dicke Handschrift von angeblich 197 Blatt. 
groBe, deutliche Sehritt von 737, sehr schéner, leider stark mitgenommener 
Einband; enthalt das kitab al-igarat, kitab aS-Sarika, kitab al-mudaraha in 
der riwaja des al-Guzagani. 

‘Atif 742: 252 Blatt gréBeren Formats von 950; »erster Band«; riwaja des 
al-Giizagani. 

Garullah 576: groBe Handschrift von 402 Blatt von 950; »zweiter Band«; 
zu ‘Atif 742 gehérend? gehért jedenfalls nicht zu Garullah 575; riwaja 
des al-Guzagani. 

Molla Celebi 39 f.: zwei Bande mittleren Formats von 254 und 273 Blatt von 
959; vom kitab al-ma’dun bis zum kitab al-abiq und (anschlieBbend) vom 
kitab al-mukatab bis zum kitab al-‘aql reichend; riwaja des al-Guzagani. 

Jeni Gami‘ II 98 f.: zwei Bande groBen Formats von 664 und 463 Blatt von 
970/71; jener drei, dieser zwei »Teile« enthaltend, im ganzen bis zum 
kitab gu'l al-abiq reichend; riwaja des al-Guzagani mit Ausnahme des kitab 
al-hijal. 

‘Atif 743 f.: zwei Bande groSen Formats von 433 und (201+ 208 =) 409 
Blatt von 1100; enthalten den zweiten und dritten bzw. den vierten und 
fiinften »Teil«, gehdren nicht zu ‘Atif 742; riwaja des al-Gizagani und 
anderer (im kitab al-hijal usw.). 

Besir Aga bei der hohen Pforte 206: 174 Blatt groBen Formats von 1118; 
vom Anfang bis einschlieBlich zum kitab al-faraid reichend; riwaja des 
al-Gizagani. 

Ragib 450: 301 Blatt groBen Formats von 1138 (so nach Angabe des Ka- 
talogs), kleine Schrift; reicht ebensoweit. 

Aja Sofia 1026: recht dicke Handschrift von 1140: reicht ebensoweit; riwaja 
des al-Guzagani. 

Selim Aga 285f.: zwei dickere Handschriften grofen Formats mit Besitz- 
vermerk von 1141 im ersten Band, kaum wesentlich Alter; erster und 
zweiter »Band«, ebensoweit reichend; riwaja des al-Guzagani. 

Sitileimanije 586: dicker Folioband von 1152, aus zwei Banden zusammen- 
gebunden, die je zwei »Teile« umfassen; ebensoweit reichend. 


14 


J. SCHACHT: 


‘Asir Il 87-91: finf schéne Bande recht groBen Formats von 231, 369. 
371, 375, 299 Blatt mit groSer Schrift von 1207/09; der dritte Band ist 
zum groBen Teil alter, hat auch einen anderen Einband und etwas kleineres 
Format; riwaja des al- Gizagani mit Ausnahme des kitab al-hijal. 

Seraibibliothek 697: zwei Bande, yom Anfang bis zum kitab ad-dijat bzw. 
vom kitab al-igarat bis zum kitab al-hagr reichend; riwaja des al- Giizagani. 

Ebd. 698: vom Anfang bis zum kitab al-wasaja reichend. 

Ebd. 699: sehr groBe, schéne Handschrift von 645 Blatt, kleine, ta lhqartige 
Schrift; den ganzen al-asl umfassend. 

Nur-i ‘Otmanije 1377: der Band enthilt auf 435 sehr grofen Blattern vier 
»Teile« und endet mit dem kitab al-fara’id; riwaja des al-Guzagani. 

(Jara Mustafa Pasa 245: schine, alte, stiirkere Handschrift gréferen Formats, 
aber schlecht erhalten; endet mit dem kitah al-‘aty fil-emarad; in der Mitte 
eine Liicke, jetzt sind zwei weiBe Blatter dort, es hat aber nach Ausweis 
des Inhaltsverzeichnisses wesentlich mehr dort gestanden (auch das kitab 
al-hijal); riwaja des al- -Gizagani. 

Ebd. 252-254: drei dickere Biinde gréBeren Formats; vom kitab ad-da'wa 
bis zum kitab al-mudaraba bzw. vom kitab al-aiman bis zum kitab al- 
faraid baw. vom kitah al-kafala bis zum kitab al-hiba reichend; riwaja 
des al-Guzagani. 

Ebd. 311: Eolie schéne, alte Handschrift, am Ende unvollstindig; enthalt 
kitab al-hijal, kitab al-luqata, kitab al-muzara‘a. kitab an-nikah. bis auf 
das erste nach der riwaja des al-Ciizagani. 

Ebd. 326—329: vier schéne Bande groBen Formats von 314, 362, 329, 
302 Blatt, anscheinend nicht vollstindig; riwaja des al- Gucarini. 

Molla Celebi 75,4: 23 Blatt: die Handschrift trigt auf dem Schnitt die Be- 
zeichnung magmu' lil-Hassaf; unser Teil hat auf’ Rasur den Titel kitab 
al-hijal fil-fiqh al-mansuba lil-imam ahi Jusuf: es ist in Wirklichkeit das 
kitab al-hijal aus dem al-asl. 

“Atif 745: 245 Blatt gréGeren Formats; als sechster »Band« bezeichnet: 
riwaja des al-Guzagani und anderer. 

Garullah 577: dicker Band recht grofen Formats; zweite »Hialfte«, aber 
nicht bis zum Ende reichend; riwaja des al-Guzagani. 

Ebd. 578: mittelstarke Handschrift mittleren Formats: dritter »Band«; riwaja 
des al-Gizagani. 

Ebd. 579: mittelstarke Handscehrift gréBeren Formats, ziemlich stark zer- 
fressen; vierter »Band«, an Garullah 578 nicht anschlieBend; riwaja nicht 
von al- Gaizagani. 

Ebd. 580: mittelstarker Band groBeren Formats; enthilt einen Teil des 
Werkes in der riwaja des al-Gazagani. 

Ehd. 581: schéne Ta'liq-Handschrift von 228 Blatt groBen Formats: reicht 
vom kitab ar-rida bis zum kitab al-hiba: enthalt neben der riwaja des 
al-Guzagani die des Ahmad ibn Hafs. 

Ag. Bibl. figh hanafi 33: zwei sehr groBe Bande mit schéner, deutlicher, 
stark vokalisierter Schrift etwa des 9. Jahrhunderts; a) 274 Blatt; vom 
Anfang des kitab al-buju’ bis in das bab bai‘ ar-ragul al-‘abd au al-ama 
fajazid qabl al-qabd au janqus usw. nach der riwaja des abu Hafs reichend 
und unvermittelt abbrechend, dann vom Anfang des kitab al-‘abd al-ma’din 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 15 


lahu fit-tigara bis zum Ende des bab gu'l al-abiq nach der riwaja des al- 
(ruzagani reichend; 1) Teil desselben Exemplars, in Unordnung; enthalt 
neben Fragmenten anderer Bicher das kitab al-mukatab, kitab al-wala’, 
kitab al-iqrar (unvollstindig). kitab al-wadi‘a, kitab al-‘arija, kitab al- 
ginajat (unvollstandig), kitab ad-dijat (Fragment), kitab al-‘aql nach der 
riwaja des al-Giizagani. 

Ebd. 141: gréGere. mitteldicke Handschrift von angeblich 131 Blatt in schénem, 
aber schlecht erhaltenem Einband, deutliche, bisweilen unpunktierte Schrift 
etwa des 8./9. Jahrhunderts; reicht vom kitab al-aiman bis zum kitab ad- 
dijat, in dem sie bereits nach drei Seiten unvermittelt abbricht: riwaja 
des al-Giizagani. 

Ebd. 382: sehr grobe, dicke Handschrift von angeblich 202 Blatt, groBe, 
schéne, nicht immer punktierte altere Schrift, am Ende nicht gut erhalten, 
am Anfang und Ende unvollstindig; beginnt im kitab al-mudaraba, endet 
im kitab al-hagr; riwaja des al-Guzagani. 

Ehd. 496: zwei gréBere, mitteldicke Binde, gréBere, unschéne, aber deut- 
liche Schrift etwa des 8. Jahrhunderts; a) in schénem, aber recht schlecht 
crhaltenem Einband, angeblich 218 Blatt, am Anfang unvollstiindig; vom 
bab salat al-marid al-farida bis einschlieBlich zum kitab al-marid reichend ; 
b) angeblieh 239 Blatt. vom kitab ad-da‘wa wal-baijinat bis einschlieBlich 
zum kitab al-mudaraba reichend. 

Ehd. 623: zwei groBe, dicke Bande in schénen, aber schlecht erhaltencn 
Einbiinden, deutliche, z. T. vokalisierte Schrift etwa des 8./9. Jahrhunderts: 
den zweiten und vierten »Band« enthaltend; a) angeblich 217 Blatt, das 
kitab al-mukatab, kitab al-wala’, kitab al-ginajat, kitab ad-dijat, kitab al- 
‘aql umfassend: b) angeblich 195 Blatt, das kitab al-harag, kitab as-said 
wad-dabaih, kitab al-wasaja, kitab al-fara’id umfassend. 

Azhar 4280: sehr grofer, dicker, schéner Band mit grober, schéner, oft 
vokalisierter Alterer Schrift; enthalt den ersten »Teil« des Werkes nach der 
riwaja des al-Gizagani, sollte nach dem Inhaltsverzeichnis bis zum bab 
al-hint fil-jamin bil-masj usw. reichen, bricht aber schon im vorhergehenden 
bab al-aiman ‘alas-salat was-sijam waz-zakat ab. 

In der riwaja des al-Guzazani stehen auch Teile aus as-Saibanis al- 
gami al-kabir und anderen Werken, so dem kitab at-taharri (94b der 
Handschrift Nur-i “Otmanije 1377; vgl. Fibrist 204, 22), dem kitab al- 
mugarrad von al-I[asan ibn Zijad (ebd. 94b, g6a), dem kitab an-na- 
wadir (ebd. 96b: etwa identisch mit der Schrift des Ga‘far ibn Mu- 
hammad ibn Hlamdan, aus der ebd. 215a nawadir entnommen sind?). 
Vgl. Br. I 172 Nr.t. 


3a. Eine Parallel-riwaja zum kitab al-hijal des asl-Textes bildet das selbstandig iiber- 
lieferte kitab al-maharig fil-hijal des as-Saibani. 
Sehid ‘Al Pasa 962: Handschrift P meiner Ausgabe. 
Ag. Bibl. figh hanafi 550: Handschrift Q meiner Ausgabe. 
Fiir das Nahere vgl. meine Ausgabe in den Beitragen zur semitischen 
Philologie und Linguistik Heft 8. 


16 


3b. 


3e. 


J. ScuacautT: 


Von Muhammad ibn Muhammad ibn Ahmad al-Marwazi al-Hakim ag-Sahid (st. 344) 
stammt ein Auszug aus dem al-asl nach einer anderen riwaja und den beiden 
gami's des aS-Saibani mit dem Titel al-kaf1. 
Ag. Bibl. figh hanafi 400: gréBere, dicke Handschrift von angeblich 254 
Blatt, etwas verkniffene, aber deutliche, etwas vokalisierte Schrift von 726, 
Blatt 1 spiiter ergiinzt; enthilt den ersten »Teil« des Werkes und reicht 
bis zum kitab as-sariqa. 
Das Vorwort habe ich in Beilage II meiner Ausgabe des kitab al-ma- 
harig fil-hijal von a$-Saibani (Nr. 3a) gegeben. Vgl. Br.I174, 9; HU 
V 22. 
Diese Bearbeitung liegt den beiden folgenden Werken zugrunde: 


Sams al-a’imma abi Bakr Muhammad ibn Ahmad ibn abi Sahl as-Sarahsi (st. 483): 
al-mabsut, ein Kommentar zum al-kafi. 

Fatih 2057—2073 und 2074-—2086: zwei Exemplare; 2060 und 2075 sind 
zu vertauschen, 2077 ist hinter 2061 zu stellen; die Bande des ersten 
Exemplars sind dickere Handschriften mittleren Formats mit sehr weiter 
Schrift, 2062, 2063 und 2072 nicht an das Vorhergehende anschlieBend 
(ist etwa 2062 vor 2072 zu stellen? das wire noch nachzupriifen), 2073 
von spiaterer Hand geschrieben; die Bande des zweiten, unvollstindigen 
Exemplars sind dickere, z. T. recht dicke Handschriften gréBeren, nicht 
immer gleichen Formats und schlieben meist nicht aneinander an, sind 
z. T. aber umzustellen, 2074 (auBen als 2075 bezeichnet, so daB es zwei 
Binde 2075 gibt) von 723, 2060 von 640, 2079 von 710 (?), 2082 von 
624 (am Anfang unvollstindig), 2083 von 620, 2085 von 737. 

Es‘ad 902: 349 Blatt gréBeren Formats von 626, schéne Handschrift, wenn 
auch nicht sehr gut erhalten, den g. (letzten) »Band« des Werkes ent- 
haltend. 

‘Atif’ 10171025: vollstindiges Exemplar; 1017: 398 Blatt groBeren Formats 
von 1096; 1018: 728 Blatt desselben Formats von 1097/98 (enthilt zwei 
»Teile«); 1019: 669 Blatt desselben Formats von 1098 (enthilt zwei 
»Teile«); 1020: 336 Blatt desselben Formats von 1098 (enthielt friiher 
zwei »Teile«, wie aus der Schnittbeschriftung ersichtlich ist, heute folgt 
der zweite »Teil« als besonderer Band); 1021: 322 Blatt desselben Formats, 
aus einer Alteren Handschrift entnommen, die letzte Seite wieder von erster 
Hand: 1022: 631 Blatt grofen Formats von anderer Hand von 1103 (ent- 
halt zwei »Teile«): 1023: 284 Blatt groBen Formats von erster Hand von 
1098; 1024: 670 Blatt groBen Formats (enthilt zwei »Teile«); 1025: 
333 Blatt gréBeren Formats, nur der Anfang von erster Hand, der Haupt- 
teil von 633, etwas blaf. 

Revan-Kiosk 618: recht dicke Handschrift mittleren Formats von 643; ent- 

_ halt den 15. »Band« des Werkes vom kitab al-hagr bis zum kitab al-iqrar. 

Corlulu ‘Ah Pasa 240--2147: anscheinend vollstindiges Exemplar; 240: 334 
Blatt gréBeren Formats von 652, erster »Band«; 241: 398 Blatt desselben 
Formats von 710, zweiter »Band«; 242: 412 Blatt gleichen Formats. 
schlieBt nicht an, wird als vierter »Band« gezihlt; 243: war nicht auf- 
zufinden, diirfte aber den dritten »Band« dargestellt haben; 244: 277 Blatt 


clus den Bibliotheken ron Konstantinopel und Kairo, 17 


gleichen Formats von 692 (?). schlieBt an 2.42 an: 245: 489 Blatt gleichen 
Formats, etwa gleichaltrig. Ende jiinger ergiinzt. anschlieBend: 246: 286 Blatt 
gleichen Formats, etwa gleichaltrig, anschlieBend: 247: 365 Blatt eleichen 
Formats. etwa gleichaltrig, ansechlieBend. Schlubband. 

Revan-Kiosk 617: mittelgroBer. aber recht dicker Band von 663. der 13. 
(letzte) »Band« des Werkes: das erste Blatt spiiter erginzt. das Inhalts- 
verzeichnis dort nicht in Ordnung. 

‘Amuga Hiisein Pasa 222f.: zwei Bande griBeren Formats: der erste. durch 
Wurmfra} beschidigt, enthalt auf 177 Blatt das kitab al-muzara‘’a von nicht 
junger Hand, das letzte Blatt spiiter ergiinzt, sodann auf 138 Blatt den 
Teil vom kitab as-Sarb bis zum kitab al-ikrah von anderer. aut’ 736 da- 
tierter Hand. das letzte Blatt spiter ergiinzt: der zweite Band. anschlieBbend., 
zeigt auf Blatt 1—153 die Haupthand des zweiten Teils von 222. auf 
Blatt 154——175 und 176—211 zwei spittere [lainde. von denen die zweite 
mit der Erginzungshand des ersten Veils von 222 identisch ist. auf 
Blatt 212 bis zum Ende wieder jene Hand. nur aut’ den letzten Blittern 
(nicht anschlieBend) die Haupthand des ersten Teils von 222. 

Seraibibliothek 1142: zwei sehr groBe und dicke, schiéne Bande von $34. 
den ganzen al-mabsut umfassend. 

Aja Sofia 1031: gréBerer. dickerer Band von 843. zweiter »Band« des al- 
mabsut. 

Kopriilti Il 107: dicker Band kleineren Formats aus dem 9. Jahrhundert, ent- 
halt den zweiten »Band« des Werkes. vom kitab al-aiman bis zum kitah 
as-sarika,. 

Rustem Pasa 132 --136: unvollstindiges Exemplar von einer Hand: 132: 
406 Blatt grofen Formats von 931. aut dem Sehnitt »3. Band«. am Ende 
»5. Teil«; 133: 450 Blatt desselben Formats von 931. auf dem Schinitt 
»4. Band«, ansehlieBend: 134: 449 Blatt desselben Formats. auf dem Schnitt 
»5. Band«, anschlieBend: 135: 405 (oder 4152) Blatt desselben Formats, 
auf dem Sehnitt »6. Band«. anschlieBend: 136: 296 Blatt desselben Formats, 
letzter »Band«, nicht anschlieBend. 

Mehmed Murad 1026—1033 (1010-1017): ich habe davon 1033 (1017) ge- 
sehen, 510 Blatt: der letzte »Band« des Werkes, aus zwei »Teilen« zu- 
sammengebunden, deren erster am Ende yon spitcrer Hand erginzt ist: 
der zweite. auf 970 datiert. schlo®B urspriinglich nicht an. der Zusammen- 
hang wurde durch einen Einschub von dritter Hand hergestellt. 

Jeni Gami’ 542—3544 (so bei Br. zu lesen): unvollstindiges Exemplar: 542: 
452 Blatt groBen Formats von 085, erster »Band«: 543: 443 Blatt des- 
selben Formats von 985, dritter »Band«, nicht anschliebend: 544: 3g1 
Blatt desselben Formats von 985, vierter (letzter) »Band«. anschlieBend. 

Azhar, riway al-atrak. fiqgh hanafi 2370: drei sehr groBbe und dicke Bande: 
a) von 1002 in schénem Einband: b) anschlieBend, in sehénem Einband: 
¢) am Anfang und am Ende unvyollstindig, endet im bab al-igara des kitab 
al-hijal, letzter »Teil«. 

Ibrahim Pasa 648—651: volistiindiges Exemplar. sehr schéne Handscehritten 
gréBten Formats von 511 + ¢a. 450+ ca. 500 + ¢a. 500 Blatt von 1006/07. 
Ragib 579f.: vollstindiges Exemplar, zwei sehr schéne. dicke Bande in Folio 

yon 846 --636 Blatt von 1123. 


Phit-hist, Abh. L928, Nerv, 


on 


18 


J. SCHACHT: 


‘Asir | 387--390: vollstindiges Exemplar, gréBere Bande von 617+619 
+597+581 Blatt von 1133: Papier stellenweise stark nachgedunkelt und 
von der Tinte angegriffen; schwer zu benutzen, da die Blitter z. T. an- 
einandergeklebt sind und beim Trennen brechen wiirden. 

Hekim Oglu 381-386: yollstindiges Exemplar. recht dicke Bande mittleren 
Formats von verschiedenen Handen, der letzte Band auf 1146 datiert, mit 
Ausnahme von 383 in losen Bogen. 

Ag. Bibl. figh hanafi 490: vollstindiges Exemplar, 10 Bande gréBeren Formats. 
kleine. aber deutliche Schrift von 1170, kopiert aus Handschriften von 
582-—684, schéne Einbinde; a) 326 Blatt, die einzelnen Lagen nicht immer 
in Ordnung: b) 330 Blatt; ¢) 195 Blatt; d) 264 Blatt; e) angeblich 243 Blatt; 
f) 340 Blatt; g) 356 Blatt; h) 273 Blatt: i) 333 Blatt: k) 247 Blatt. 

Seraibibliothek 714: vollstiindiges Exemplar, drei dicke Bande. 

Aja Sotia 1379: schéne, dickere Handschrift gréBeren Formats, erster »Band«. 

ebd. 1380: 629 Blatt groBen Formats, kleine Schrift, zweite (letzte) »ITAlfte«. 

K6priilii 642f.: vollstindiges Exemplar, recht schéne, groBe Handschriften 
von 349+635 Blatt, kleine Schrift. 

‘Umumi 2101: vierter »Band«, vom kitab as-suf‘a bis zum kitab ad-da‘wa 
reichend. 

ebd. 2147: Teilband. 

Jahja 119f.: vollstiindiges Exemplar; schéne Handschrift von 755 Blatt sehr 
groBen Formats, recht kleines Ta‘lq; nachtriglich unter ZerreiBung eines 
Satzes in zwei Bande gebunden (1-390; 391—785); Text ganz gut? 

Siileimanije 595 und Sahzade 37: volistindiges Exemplar; zwei sehr dicke 
Bande in Gro8folio, kleine Schrift; daB beide Bande zusammengehéren, 
wird auf einem Vorsatzblatt in 595 mit Recht festgestellt. 

Es'ad 715: 433 Blatt mittleren Formats, vom kitab al-buju’ bis zum kitab 
al-igarat reichend. 

Hamidije 548: vollstiindiges Exemplar; schéne Handschrilt von 976 (sic) 
Blatt sehr groBen Formats, kleine, aber sehr deutliche Schrift, schéner 
Einband. 

ebd. 549: vollstiindiges Exemplar; schéne Handschrift von 1132 (sic) Blatt 
sehr groBen Formats, ziemlich kleine, aber deutliche Schrift, schéner Einband. 

Mahmud Pasa 231: 410 Blatt mittleren Formats, vom kitab ar-rahn bis zum 
kitab al-mudaraba reichend. 

Mehmed Murad 1034-—1037 (1018—1021): anscheinend vollstiindiges Exem- 
plar: ich habe davon 1037 (1021) gesehen; Seite 643 bis 1266 (also 
waren 1036 und 1037 und dann wohl auch 1034 und 1035 urspriinglich 
zusammengebunden), recht grofes Format, nicht kleines, ganz vokalisiertes, 
schoénes Neshi, schéne Handschrift, letzter »Band« des Werkes; Datum 
am Ende ausgeschnitten. 

Esmahan 196-—199: anscheinend vollstindiges Exemplar; ich habe davon 
196 und 199 gesehen, zwei sehr dicke und groBe Handschriften, als erster 
und letzter »Band« des Werkes bezeichnet; Text ganz gut? 

{Garullah 839—844 (Fragmente).] Gedruckt in 30 Banden Kairo 
1324-1331; vVerbesserte Ausgabe des kitab al-hijal in den Beitrigen 
zur semitischen Philologie und Linguistik Heft 3. Vgl. Br. I 373, 5, 2; 
HY V 363. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kaitro. 19 


3d. Saib al-islim ‘Ali ibn Muhammad ibn Isma‘il al-Isbigabi (st. 535): Kommentar zum 
al-kafi. 


Nur-i ‘Otmanije 1602 f.: 435-+ca. 400 Blatt recht groBen Formats von 570 (oder 
590), den zweiten und dritten »Band« des Werkes enthaltend, anonym: 
mehrere Notizen von spiteren Handen geben die richtige [dentifikation, wihrend 
nach dem Schnitt der al-mabsut des ‘Abdal’aziz ibn Ahmad ibn Nasr al- 
Halwa (st. 448 oder 4.49) vorliige; noch spitere Hinde setzen al-Isbigabi 
und al-Halwa’l filschlich gleich; da al-Halwa 1 allgemein als sahib al-mabsut 
gilt (vgl. ‘Abdalgadir I Nr. 847; ibn Qutlubuga Nr. 104: al-Laknawi s. v.), 
konnte ihm das Werk leicht filschlich zugeschrieben werden; die endgiiltige 
Entscheidung wird ein Vergleich mit Parallelhandschriften zu bringen 
haben; auf den al-kafi als Grundlage des Werkes des al-Isbigab: wird in 
einer Notiz in 1602 hingewiesen. 

Vel. ‘Abdalqadir J Nr. 1022; al-Laknawi s. v. (ITH V 23 liegt eine 
Verwechslung mit dem Autor von 5b vor). 





8e. Burhan al-islam Radi ad-din Muhammad ibn Muhammad ibn Muhammad as-Saralhisi 
(st. 544): al-muhit. also der sog. al-mulhit ar-radawi, der die Fragen des al-mabsut, 
der an-nawadir, des al-gami° al-kabir und der az-zijadat des as-Saibani (aber auch 
anderer Werke) nach der angegebenen Reihenfolge innerhalb sachlicher Kapitel 
erlautert. 


Corlulu ‘Ali Pasa 248—254: 248: recht dicker Band gréBeren Formats von 856; 
249: 278 Blatt gréBeren Formats von anderer Hand von 952, deckt sich 
am Anfang noch ein Stiick mit 248; 250: 424 Blatt gréBeren Formats 
von 977, anschlieBend; 251: 264 Blatt gréBeren Formats, anschlieBend, 
scheint am Ende unvollstindig; 252: 311 Blatt gréBeren Formats, sollte 
wohl anschliefien, am Ende unvollstindig; 253: dicker Band gré®eren 
Formats, deckt sich am Anfang ein Stiick mit 252; 254: 205 Blatt griBe- 
ren Formats. schlieBt wohl an, hat keine richtige SchluBeulogie usw., 
scheint aber doch bis zum Ende zu gehen. 


Qara Celebizade 183: 425 Blatt groBen Formats von 964. schlecht erhalten. 
erster »Band«. 


Nur-i “Otmanije 1805: 692 Blatt sehr groBen Formats mit kleiner Schrift, 
vollstandig. 
Rustem Pasa 139-145: dicke Binde gréSeren Formats, »Band« 2—8 (Ende) 
des Werkes enthaltend 
[Garullah 863—-867 (Fragmente); Azhar 1160 (angeblich von 713), 
1264, 1293, 11056 (Fragmente)}. Von den vier verschiedenen Ausgaben 
dieses Werkes, von denen die Existenz der gréfSten allerdings fraglich ist, 
liegt hier die »zweite« oder »mittlere« in 10 »Binden« vor, ganz sicher in 
den Handschriften Corlulu ‘Ali Pasa und Rustem Paga und, soviel ich 
sehe, auch in den andern. Von den bei Br. angefiihrten Handschriften 
bieten Jeni CAmi‘ 561—563 und India Office 206 t. aller Wahrschein- 
lichkeit nach die »dritte« oder »kleine« Ausgabe in 4 »Binden«. Vgl. 
Brel 374s £4: 


3* 


20 JoScwacwy: 


3f. Die kiirzeste Ausgabe desselben Werkes. der »Auszug« in zwei »Banden«, liegt 
unter dein Titel wagiz al-mulit vor: 
Sehid ‘Ali Pasa 1003: 326 Blatt mittleren his griBeren Formats von 858. 
{Wehbi 398.] 


3g. abu Nasr “Abdarralim ibn Tsam al-Bahdi (so in der Unterschritt: im Titel, offen- 
bar fAlschlich: al-Balli): mubtasar al-asl. 
Garullah $73: nicht Junge Handschrift von 118 Blatt groBen Formats, nicht 
durchweg gut erhalten, Besitzvermerk von 1081. 
Autor und Werk mir sonst unbekannt. 


In keiner unmittelbaren Beziehung zum al-mabsut des as-Saibani stehen: 

1. der al-mubsiit des Fahy al-islam ‘Ali ibn Muhammad ibn al- 
Husain al-Pezdewt (st. 482: vgl. Br. I 373, 4, wo das Werk fehlt: 
ibn Qutlubuga Nr. 122), von dem der zweite »Band« WELIEDDIN 
1454 (241 Blatt) unter dem Titel al-mabsut lil-fatawa (sic) vorliegt. 

2. der al-muhit des Burhan al-islam Malmud ibn as-Sadr al- 
kabir Tag ad-din Ahmad ibn as-Sadr aS-Nahid Burhan al- 
vimma Abdal’aziz ibn ‘Umar ibn Abdalaziz ibn ‘Umar ibn 
Maze (sic; st. ea. 570: vgl. Br. 1 375, 18,1), also der ol-muhit al-bur- 
hani, von dem ich folgende Handschriften nenne: SULEIMANIJE 601 
(dickere Handschrift groBen Formats von 587, letzter »Band«, das kitah 
as-Surut und das kitab al-mahadir was-sigillat enthaltend); JYLDYZ 
739—7A2 (a/b: 671 Blatt sehr groBen Formats, nachtriglich in zwei 
Bande von 264+ 407 Blatt zerlegt; ¢: 557 Blatt etwas kleineren, aber 
immer noch sehr groBen Formats von $50, aus einem anderen Exemplar, 
aber anschlieBend; d: 209 Blatt, in Format und Schrift a/b entsprechend, 
wohl anschliefiend, bis zum Ende des Werkes reichend); AZHAR, 
RIWAQ AL-ATRAK, FIQH HANATI 2368 (vier sehr groBe und dicke 
Bande, simtlich ltickenhaft; nicht sehr alt, in b Stiftungsvermerk von 
1182); MEHMED MURAD 1042 -1046 (1026—1030: vollstindiges 
Exemplar: EBD.1047 (1031) F. (desgl.); AG. BIBL. FIQH ITANAFI 481 
{anscheinend vollstandiges Exemplar in vier Biinden. von denen ich 
den ersten gesehen habe, eine 4uBerst dicke Handschritt sehr grofBen 
Formats in schénem Einband, vom Anfang bis einschlieBlich zum kitab 
al-mukatab reichend): AZHAR. RIWAQ AL-ATRAK. FIQH HANAFI 
2369 (fiint gréBere. dicke Biinde aus einem siebenbindigen Exemplar, 
Teil 4 und 5 tehlen, in 1 und 3 Litcken, z. T. in schénen Einbinden, 
nicht sehr alt). [Sehid “Al Pasa 954-961 (Fragmente): Garullah 
852-862 (desgl.). Die Handsehriften Jeni Gami’ 549--554 und 
355--360 kommen mir jetzt als in Wirklichkeit den al-muhit ar- 
radawi (Nr. 3e) enthaltend stark verdichtig vor.] 


4. Ders.: kitab al-atar. 
Jeni Gami’ 568: mitteldicke Handschrift mittleren Formats von 7.4. 
Selim Aga 275: recht schéne Handschrift von angeblich 184 Blatt. vokali- 
sierte Schrift von 762; am Schlu drei Seiten Kleinigkeiten. 


clus den Bibliotheken con Koustantinopel und Kairo, 21 


Welreddin 467: 115 Blatt kleinen Formats. Besitzvermerk von 1052. 

KkOpriilti 388, 2: 75 Blatt mittleren Formats. klare Nehrift von 1079. 

Aja Sofia 1355. 2: 51 Blatt mittleren Formats von ¢a. 1130. 

‘Umumi 1853: $88 Blatt kleinen Formats von 1218. 

Ag. Bibl. fiqgh hanafi 104¢: kleinere Handschrift von 134 Blatt, kleinere, etwas 
zitterige Schrift: jiinger. jedoch wohl filter als das foleende Exemplar: 
Ubersehriften und Stichwérter rot. 

Ebd. 43: mittelgroBe Handschrift von angeblich 118 Blatt in sehénem Ein- 
hand: jiinger. Stiftungsvermerk yon 1292; Uberschriften und Stichwéorter rot. 

KOpriilii 233: 121 Blatt mittleren Formats, klare Schrift. 

Weheddin 460: 106 Blatt kleinen Formats. 

Laleli 798: angeblich 116 Blatt kleinen Formats. unschéne. etwas unbe- 
stimmte Sehrift. 

Indischer Druck mit Verwort von Muhammad Abdalhaij al-Laknawi. 
Im Werk des al-Lluwarizmi (Nr. 1 F) verwertet. Wichtig fir die alteste 
Geschichte der ahl ar- raj, z. B. die Rekonstruktion Hammads und 
Ibrahim an-Nabas. Vel. Br. 1172, 5. 


5. Ders.: al-gami’ al-kabir. 

Fatih 1351: 112 Blatt mittleren Formats von 717. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 740: kleiner, dicker Band yon angeblich 292 Blatt, 
unpunktierte, flitchtige. nicht ganz leichte Schrift etwa des 8./9. Jahr- 
hunderts, am Anfang und am [nde unvollstindig: erstes Kapitel: bab min 
al-iqrar aida, letztes Kapitel: bab min an-nikal wal-hul. 

Welreddin ro71: sehéne Handschritt von 171 Blatt und Inhaltsverzeichnis 
von 958, am Ende einige Liiecken. 

Aja Sofia 1355. 3: 97 Blatt mittleren Formats von ca. 1130 mit Glossen. 

Val rs 1725: 33 


da. Kommentar des abul-Lait Nasr ibn Muhammad ibn Almad ibn Ibralium = as-Samar- 
qandi (st. 383 0. a.). 
Mehmed Murad 854 (840): 460 —500 Blatt kleinen Formats von 763. zwei 
»Teile« in cinem Band. 
Weheddin 1159: sehéne Handsehrift von 290 Blatt. z. PT. etwas blab. ano- 
nymer Kommentar zum al-gami al-kabir, anscheinend dasselbe Werk. 
Esmahan 13g: schone. altere. dicke Uandsechrift grofen Formats. spiirlich 
punktiert. am Anfang und am Ende einige Blatter von spaterer Hand, 
recht schlecht erhalten. enthaélt den ersten » Band« desselben Werkes anonym. 


Der ‘Text des Grundwerkes ist abgekiirzt. Anfang: 3) as el ci ice 
ASPEN WT SS gee Ske eB Oe EE Ge ol cally PLY ow COE ge STAI 
3 yLa}| Shes| ea <u £4. Der Vertasser wird hiufig. auch in der Handsehrift 
Mehmed Murad. mit Ala addin ibn “Alim ibn “Alaaddin as-Samarqandi (sic) 
verwechselt, so daB IU I565 und 567 beide as-Samarqandis als Kommen- 
tatoren des al-gami al-kabir nennt (das wire nicht die einzige Verwechs- 
lung der beiden Autoren bei ihm). [eh glaube. da nur abul-Lait ein 
derartiges Werk vertaSt hat. 


22 J. SCHACHT: 


5b. Kommentar des Saih al-islam aba Nasr Ahmad ibn Mansur al-Isbigabi (st. um 480). 
Mehmed Murad 858 (844): dicker Band gréBeren Formats, fliichtige Schrift, 
oft ohne Punkte; nicht besonders gut erhalten, Besitzvermerk von 1116; 
am Ende unvollstindig, sollte noch ein zweiter Band folgen? 
Vel. HUI 567 sowie V 23, wo unser Autor allerdings zu Unrecht 
genannt ist (vgl. zu Nr. 3d). 





5e. Kommentar des Sams al-a’imma abi Bakr Muhammad ibn Ahmad ibn abi Sahl 
as-Saralisi (st. 483). 

Uaraggizade figh 205: dicke, grofe Handschrift von 774, enthalt den dritten 
»Teil« eines anonymen Kommentars zum al-gami’ al-kabir, anscheinend des 
Werkes des as-Sarahsi. 

Aja Sofia 1381: 852 Blatt sehr grolien Formats; Blatt 1 ist unbeschrieben. 
sollte wohl reicher ausgestattet werden, so fehlt der Anfang; auf dem 
Schnitt und von spiterer Hand auf dem Vorsatzblatt falschlich als der 
al-mabsut des al-Halwa’i bezeichnet: enthélt den ersten Teil des Kommentars 
des as-Sarabsi bis zum kitab al-‘ain wad-dain einschlieBlich. 

Der Text des Grundwerkes 1a8t sich tiberall yom Kommentar trennen. 
Velo Br. lize, 3h. 

dd. Versifizierung des abu Nasr Ahmad ibn abil-Mwaijad al-Mahmidi an-Nasafi (st. 
519; die Abfassung der Verse 515 vollendet) mit einem Prosakommentar des Ver- 
fassers. 

Berlin 4° 1343: 379 Blatt von 632, am Anfang unvollstindig. 

Seraibibliothek 733: zwei mittelgroBe. stiirkere Binde von 726. 

Ebd. 732: schdne, stirkere, mittelgroBe Handschrift. 

Fatih 1688: schéne. mittelstarke Handschritt mittleren Formats; hier ist der 
Prosakommentar und die Bezugnahme auf ihn in der Prosavorrede des 
Werkes, die im iibrigen dasteht, weggelassen; diese mechanische \bkiirzung 
ist also von dein folgenden Auszuge des Vertassers verschieden. 

Vgl. HUI 569; Br.I 172, 3, Ausziige ec. 


Se. Auszug des Verfassers unter Weglassung der Prosa und mit sonstigen Ktirzungen. 


Seraibibliothek 735: schéne, mittelstarke Handschrift mittleren Formats. 
Vgl. HHH 569. 





df. Kommentar des Burhan al-a’‘imma Husam ad-din ‘Umar ibn ‘Abdal‘aziz ibn ‘Umar 
ibn ‘Abdal’aziz ibn “Umar ibn Maze as-Sadr as-Sahid (st. 536). 
Weleddin 1157: stark mitgenommene Handschrift von 297 Blatt. vollstindig. 
Der Text des Grundwerkes ist tiherarbeitet. WVgl. HH II 568. 





5g. Kommentar des Rukn ad-din abul-Fad] ‘Abdarrahman ibn Muhammad ibn Amira- 
waih al-Karmani (st. 543) mit dem Titel nukat al-Sami‘ al-kabir. 
Hiisein Celebi figh 1: dickere Handschrift mittleren Formats, Besitzvermerk 
von 593. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 23 


Fatih 1554; ca. 300 Blatt kleinen Formats von 649. 

Taleli 804: schéne Handschrift von 226 Blatt gréBeren Formats: Datum 944. 
aber korrigiert: stellenweise schlecht erhalten, Text nicht so gut wie in 
Fatih 1554; hier hat der Kommentar von erster Hand den Titel isarat 
gami’ al-kabir (sic). 

Molla Celebi 41: 379 Blatt mittleren Formats, an den Réindern ziemlich stark 
zerfressen. ; 

Der Text des Grundwerkes ist iiberarbeitet. Anfang: +lei| 3| Qe \\ 


Gl staid gos css GA os Wa eal te leh a Nii 
All OY ley dels (lb Gd LAS) ate S eI aL oS. Vegi. HU It 567. 





Sh. Kommentar des Burhan al-islam Mahmud ibn as-Sadr al-kabir Tag ad-din Ahmad 
ibn as-Sadr as-Sahid Burhan al-a’imma ‘Abdal'aziz ibn “Umar ibn ‘Abdal’aziz ibn 
‘Umar ibn Maze (st. ca. 570). 

(Jara Celebizade 1 17: dickere Handschrift gréBeren Formats, dltere, stark ver- 
blaBte Schrift, z. Z. ohne Einband. am Anfang und am Ende unyollstindig: 
beginnt in der Behandlung der Sahada. endet in der des hai’. 


Anfang des ersten voll erhaltenen Kapitels: JU! Jel ols oF ged! ob 
> 39 «Addo ola B ueohat ola] L glace pel or selss ae 3 y ws LS u 
ce Aa ls SY loges ST SI Glee icy old De Cie ce 1a! SEIS) BT 
al categll. Vel. HEIL 565. 


di. Kommentar des abu Nasr Ahmad ibn Zain ad-din Muhammad ibn ‘Umar al-‘Attabi 
al-Buhari (st. 586). 
Qara Mustafa Pasa 186: ziemlich dicke Handschrift gréBeren Formats von 639: 
schlecht erhalten, viele Glossen. 

Ibrahim Pasa 538: 229 Blatt gréBeren Formats, hi®liche, z. T. stark verblafSte 

Schrift, fast ohne Punkte; am Ende in Unordnung und unvuollstindig. 
[Garullah 67 2] Der Text des Grundwerkes ist tiberarbeitet. Anfang: 
al > J] ste Pe Lol | dos 3Lu alale ¢ ahd be oly a Mall Gb wr .... Val. Abdal- 

Sidr TNb: 3235 renee II 566. 


dk. Auszug aus dem al-gami’ al-kabir von demselben. 
Fatih 2132: dickere Handschrift kleineren Formats von 712. 
Nach dem Vorwort spiter als das vorhergehende Werk verfaBt. Vgl. 
HU Il 566, 570. 





Eine selbstandige Schrift al-Attabis hingegen ist sein Aitab gan 
al-jigh (vgl. Br. I 375, 21), von dem ich folgende Handschriften nenne: 
FATILL 1559 (dickere Handsehrift griBeren Formats von 837. deu zwei- 
ten »Teil« des Werkes enthaltend, vom kitab al-ma’'in bis zwn kitab 
al-wasaja reichend); SERAIBIBLIOTHEK 815 (328 Blait groBeu Formats 
yon 1119); HH Il 566. 570 kann dies Werk schwerlich gemeint sein. 


24 JScmacutr: 


51. Kommentar des Iftibar ad-din abu Hasim ‘Abdalmuttalib ibn al-Fadl ibn ‘Abdal- 
muttalib ibn al-Husain al-Hasim: al-Llalabi (st. 616). 
Qara Mustafa Pasa 187: ziemlich dicke Handschrift gréBeren Formats von 613, 
gut erhalten, den zweiten und letzten »Band« ies Werkes enthaltend. 
(arallah 674: 305 Blatt gri®eren Formats von 985, den zweiten »Teil« ent- 
haltend. 
Ebd. 673: schéne, groBe. iltere Handschritt von 372 Blatt. nicht durchweg 
gut erhalten, vollstindig. 
Der Text des Grundwerkes ist tiberarbeitet. Das Vorwort ist ganz 
vom Gedanken der nicht zu tiberbietenden Vortrefflichkeit des al-gami‘ 
al-kabir beherrscht. Vgl. Br.1172, 3d. 


5m. Kiirzerer Kommentar des Gamal ad-din Mahmid ibn Almad ibn ‘Abdassaijid al- 
Hasiri al-Buhari (st. 636) mit dem Titel al-wagiz. 
Fatih 1696 bis: stirkere Handschrift griBeren Formats von 663. am Anfang 
unvollstindig. 
Welieddin 1225: 237 Blatt, unpunktiert. 679 mit dem Original verglichen: 
vollstindig. 
Garullah 716: 189 Blatt groBen Formats von 1ort. vollstindig. 
Mehmed Murad 772 (757): dicker Band groBen Formats von 1076, vollstindig. 
Fatih 1696: dicke Handschrift von angeblich 306 Seiten imittleren Formats: 
vollstindig. 
Welieddin 1350, 3: 182 Blatt und Index. enge Schrift. schwer zu lesen. 
[Azhar. riwaq al-atrak, fiqh hanafi 2768 (angeblich von 1142)]. Der 
Text des Grundwerkes ist gekiirzt. Vel. ‘Abdalyadir Il Nr. 476; ITH I 565f. 


dn. Lingerer Kommentar desselben mit dem Titel at-tahrir fi Sarl al-gami‘ al-kabir. 
Ejjub gt: recht dicker Band gréBeren Formats, alter als 622, aus welchem Jahre 
ein Vermerk stammt, daB der Sultan al-Malik al-Muazzam (vgl. Br. I 380, 33) 
ihn gehért habe (vgl. ‘Abdalqadir If Nr. 476): sehr schine Handscehrift, leider 
in der zweiten Halfte durch Feuchtigkeit stark mitgenommen, so da die 
Lesung schwierig ist; enthalt die ersten zwei »Binde« des Werkes. 
Molla Celebi 42f.: zwei dickere Binde mittleren Formats von 713: vollstindig. 
Nur-i ‘Otmanije 1580f.: zwei sehr groBe Handschriften von 427 und 432 Blatt, 
kleine Schrift von 971: vollsbindic: 
Ragib 514—517: vier Bande mittleren Formats von 18S +41 5+436+263 Blatt, 
von verschiedenen Hinden geschrieben, iltere und jiingere Teile; v sollstiindig. 
Ulu Gami’ figh 4: recht dike, mittelgroBe, ziemlich alte Handsehrift, ent- 
halt den vierten »Band« des Werkes. das damit noch nicht abgeschlossen ist. 
[Garullah 670 (angeblich »Band« 5 enthaltend). 671.] Der Text des 
Grundwerkes ist tiberarbeitet. Im Vorwort sagt der Verfasser. daB er 
schon einen Kommentar zum al-gami al-kabir geschrieben habe. aber kurz. 
und nun einen ausfiihrlicheren schreiben wolle. Anfang: oll el... 


sy)| JLs| or tS 2 L ae 4 poll ear] 3 GX \9 eLYI ros catia |3I 42 4 
al olf Y & pei SY Vel. Abdalyadir I Nv. 476: HID 565 £.; Br. 172,36. 


lus den Bibliotheken von Konstantinopel und kairo, zo 


do. Kommentar des abul-Hasan ‘Ali ibn Halil ibn ‘Al ibn al-Husain ad-Dimasqi (st. 951) 
mit dem Titel at-taisir lima‘ani al-gami° al-kabir. 
Ejjub 90 und 92: zwei Bande gréBeren Formats von angeblich 318 und 273 
Blatt. dieselbe Hand von 731 bzw. 720 (sic), unpunktiert: Nr. 92 scheint 
an Nr. 90 anzuschlieBen und bis zum Ende zu reichen. 
Ag. Bibl. figh hanafi 112: groBer, dicker Band von angeblich 273 Blatt, tliich- 


' 


tige, aber nicht undeutliche, unpunktierte Schrift etwa des 7./8. Jahr- 
hunderts, den zweiten »Teil« des Werkes enthaltend: reieht vom kitab al- 
bujw bis zum kitab al-ginajat. 
Der Text des Grundwerkes ist tiberarbeitet. Anfang: 3y2| ws a 
Sil ge de SI chy me Oo Se! aH) sa syd 3 de) sil) sue ee 
all oe Lit, Vgl. die Biographie bei ‘Abdalyadir | Nr.g9$: HII Ul 570, 
wo sein Werk falschlich als Versifizierung hingestellt wird: Bre. 1172. 3e. 
5p. Auszug des Sadr ad-din (oder Kamal ad-din) abu ‘Abdallah Muhammad ibn ‘Abbad 
ibn Malikdad al-Hilati (st. 652) mit dem Titel at-tallis. 
Husein Celebi fiqh 2: dickere Handschrift gréBeren Formats von 652, viele 
_ Glossen. 
Sehid ‘Ah PaSa 607, 1: das Ganze eine dicke Handschrift kleineren Formats 
yon 780; an erster Stelle unser Werk, nicht besonders dick. 
Seraibibliothek 730: dasselbe Werk. 
Ehbd. 731: dasselbe Werk. 
Harageizade fiqgh 10: dickere Handsehyrift mittleren Formats. 
[Jvldvz 9916 (angeblich 180 Blatt); Garullah 603. 6545.) Vgl. Br. I 
172, 3, Ausziige a. Zu den Kommentaren vgl. IL Il 400. 





dq- Anonymer Kommentar zum Auszug des al-[ilati mit dem Titel at-tablis fi sarh 
at-talbis. 

Garullah 654: 275 Blatt groBeren Formats von 734, den dritten Band des 

Werkes enthaltend; es scheint mindestens noch ein Band folgen zu sollen. 





dr. Weiterer Kommentar von ‘Ala’ ad-din ‘Ali ibn Balaban ibn ‘Abdallah al-Farisi 
(st. 731) mit dem Titel tuhfat al-haris fi Sarh at-tallus. 
Sehid ‘Ali Pasa 797: dicke Handschrift gr6éBeren Formats ohne Einband. 
am Ende durch WurmfraB stark beschidigt; nur den ersten »Band« des 
Werkes enthaltend. 
Ebd. 798: nicht dickes Bandchen gréBeren, ziemlich hohen Formats, Ta‘hq, 
einen in sich geschlossenen Teil aus demselben Werk enthaltend. 
Vgl. Br. I 172, 3, Ausziige a. 


wee 





os. Weiterer Kommentar von abul-‘Isma Mas‘ud ibn Muhammad ibn Muhammad al- 
‘Agduwani mit dem Titel at-tanwir. 
Seraibibliothek 736: zwei gréRere, stirkere Bande von 819, fliichtize Schrift 
mit wenig Punkten, der Text scheint aber korrekt: vollstindig. 
Ebd. 734: gréBerer, dicker Band von 852, enthalt den ersten »Band«,. 


Phil.-hist. Abh. 1928, Nr. 8, 4 


J. ScHAcHT: 


Sehid ‘Ali Pasa 7o9f.: 367 + 347 Blatt grof%en Formats von derselben Hand 
von 867, vollstindig. 
Ebd. 801: 449 Blatt groBen Formats von 8So0, vollstindig. 

[Molla Celebi 44. 45. 46.] Vgl. Br. I 172. 3. Ausziige a. HH II 4o1 
gibt dem Werk des al-‘Agduwani keinen Titel und nennt andererseits 
weiterhin einen anonymen Kommentar at-tanwir: es diirtte sich um eine 
irrtitmliche Doppelanfiihrung desselben Werkes handeln. wie wohl sicher 
bei der auf die Erwihnung des at-tanwir folgenden Nennung eines sarh 
al-Mas‘udi. 


ww 


5t. Weiterer Kommentar von Sams ad-din Muhammad ibn Hamza al-Fanari (st. 834). 


Garullah 656: 71 Blatt gréfSeren Formats, enthalt den allein fertiggestellten 
Anfang des Werkes. 


So nach einer Notiz von Garullah von 1139 auf dem Vorsatzblatt, nach 
der al-Fanari die Werke folgender Autoren benutzt hat: 


(in 9 Banden: Nr. 5r) oll GULL 

(Fehler fiir al-'Agduwani; Nr. 5s) (J) s+} 

(unvollendet: vgl. Br.1172, 3, Ausziige a) Gal oyF Or AF oy AF ll 38 
(unvollendet; vgl. Br. 1172. 3, Ausziige b) Q\5kail 

(in 6 Banden; Nr. 5n) ¢ pel ype 

(nicht ganz zutreffend; Nr. 5m) ¢merd jo gh Goll y pcll 2 

(in 2 Banden: Nr. 51) tli 

(vgl. HB U 400ff.) Glossatoren des (bo) 254) 

(Fehler fiir Sulaiman Nr. 5w) ¢ ue | sali Lt Sil aed aad 

(das ist al-Maridini Nr. 5x) Kommentar dazu von Gil. 


Garullah hat auch den Kommentar at-tanwir zum at-tallis gesehen (vgl. 
zu Nr. 5s) und einen andern Kommentar dazu von Tag ad-din ‘Ali ibn Sangar 
al-Bagdadi (st. 661 oder vor 700; vgl. HH Il 568) im Original des Ver- 
fassers. Zu al-Fanam vgl. IU 401; Rescuer, es-Saqaiq en-no minijje 
von Task6priizade tibersetzt S. 11 ff. 


Die AG. BIBL. FIQH HANAFI 296 (so statt 269 des Katalogs zu lesen) 
vorliegende fasiyat al-Fanari ist eine Glosse zur al-wiqaja. 


A AAA 


5u. Weiterer Kommentar von al-Harawi mit dem Titel at-tamhis fi Sarh at-talhis. 
Garullah 675: 255 Blatt gréGeren Formats, sehr fliichtige und schwer leshare 
Schrift mit wenig Punkten, Stiftungsvermerk von 924; der Verfasser nent 
sich nicht, wird auf dem Titel als al-Harawi bezeichnet. 
Vgl. HU I 4or. 


bo 
“I 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 


dv. Weiterer, tiirkischer Kommentar des Muhammad al-Mauqufati. 
Sehid ‘Ali Pasa 719: mitteldicke Handschritt groBen Formats, Ta‘hq, un- 
vollstiindig. 
Zum Autor vgl. Br. Il 432, 7. 1: das Werk finde ich nicht erwahnt. 





dw. Kommentar des abur-Rabi Sadr ad-din Sulaiman ibn Wahb (st. 677) mit dem 
Titel al-wagiz. 
Fatih 1555, 1: mittelstarke Handschrift mittleren Formats. an erster Stelle 
unser Werk von 681. 
Ebd. 1553: mittelstarke Handschrift mittleren Formats von 751. 
‘Atif 768: 291 Blatt groBen Formats von 756 mit vielen Glossen. 
Fatih 1556: schéne. mitteldicke Handschritt mittleren Formats. 
Harageizade figh 203: groBe, dicke, schéne Handschrift, alt: enthalt den 
zweiten »Band« des Werkes: an die folgende Mandschrift anschlieBbend? 
Ebd. 204: groBe Handschrift von 299 Blatt, von anderer Ifand als 203. 
ziemlich alt; enthilt das erste » Viertel« des Werkes. 
Verkiirzende, auch den Text ‘indernde Bearbeitung. Antang: s|sl* ... 
igs «oe je ila, So 3 cage al esd att Zum Autor vgl. ‘Abdalyadir I 
Nr. 655, wo filschlich Wuhaib gedruckt ist. und al-Laknawi s. y.; das 
Werk finde ich nicht erwihnt. 


Dew awa ann on 


5x. Kommentar zur Bearbeitung des Sadr ad-din Sulaiman yon Saib al-islam Fabr 
ad-din abu ‘Amr ‘Utman ibn Ibrahim ibn Mustata ibn Sulaiman al-Maridini al-Misri 
(st. 731). 

Mehmed Murad 855-857 (841-—843): a) und e) von vornherein zusammen- 
gehérig. 277 + 260 Blatt gréBeren Formats von 775: h) 370 Blatt griBeren 
Formats von 703: a) reicht vom Anfang bis zum bab al-firqa fil-marad, 
b) anscheinend anschlieBend vom kitab ad-dawa (nur am Anfang etwas 
unvollstindig) bis zum bab al-bai‘ain jaqian ma‘a, also ctwas tiber den 
Anfang von ¢) hinaus, das mit dem bab ar-ruguw’ binuqsan beginnt und mit 
dem bab al-aiman fiqtida’ al-emal (Ende des Werkes) schlieit. 

Garullah 669: 170 Blatt gréBeren Formats von 755. den zweiten »Band« des 
Werkes enthaltend. 


Anfang: 3 +Lidly Jest ow plill g Con 3) Je Se alse aL 3 Cee 
al sv_j|. Vel. LEI 568, wo ebenso wie bei al-Laknawi s. y. sein Werk 


einfach als Kommentar zum al-gami al-kabir hingestellt wird. 





Sy. Kommentar des al-‘Amili. 

Siileimanie 462: schéne, dltere Handschrift von 251 Blatt gréBeren Formats, 
yon fol. 241 an jiinger; enthalt den ersten »Band« des Werkes bis zum 
kitab ad-daman einschlieBlich; der Verfasser nennt sich nicht, von zweiter 
Hand fol. 1a und am Ende als al-imam al-‘Amili bezeichnet. 


4t 


28 J. Scwacut: 


Anfang: 3 Gurall gu gl Gaably LY) ow Cady oe SS! GU bel. 
a s\ucd| +\42|. Autor und Werk mir sonst unbekannt, wenn man nicht 
HH II 566 al-gami‘ al-“Amili lesen will. 





oz. Anonymer Kommentar. 
Jeni Gami’ 392: nicht junge Handschrift groBen Formats yon 302 Blatt. 
Anfang: leas ais Mey Sad] Gand cli Sey smell oJ cecil Ia}... 
ail LS sdtall Ge (LY! 8 wy bers OL. 


Saa. Anonymer Kommentar. 


Welieddin 1158: schéne Handschrift von 249 Blatt, das kitab al-wasaja ent- 
haltend. 


Sbb. Anonymer Kommentar. 


Sehid ‘Ali Pasa 802: 228 Blatt groBen Formats, am Ende nicht volistindig. 


5ee. Anonymer Kommentar? 


Mahmud Pasga 223: 300 Blatt grofen Formats, die Kollation 839 vollendet. 
vom kitab ad-da‘wa wal-baijinat bis zum kitab al-wasaja reichend; Kom- 
mentar zu einer Schrift des Muhammad, anscheinend dem al-gami’ al-kabir, 
in fusul eingeteilt; zitiert ganz am Ende den al-Mahbubi. 


Entgegen den Angaben der Kataloge liegen der al-gami‘ al-kabir oder 
Kommentare zu ihm in folgenden Handschriften nicht vor: 

JENI GAMI' Il 103: recht dicke Handschrift grofen Formats. am 
Ende unvollstaindig, enthailt den zweiten Band von as-Sujutis al-gami 
al-kabir (vgl. Br. Il 147, 56), mit dem musnad ‘Utman ibn ‘Affan beginnend. 

MEHMED MURAD 852 (838): 242 Seiten grofen Formats von 991, 
enthalt den Kommentar des Qadi Han zu as-Saibanis al-gami' as-sagir (vgl. 
Br.I 172, 4), wie auf dem Titelblatt und dem Schnitt aus »al-kabir« ver- 
bessert ist, ebenso wie die folgende Handschrift 853 (839), ein dicker 
Band gréBeren Formats. 

QARA MUSTAFA PASA 304: soll nach dem Katalog an zweiter Stelle 
einen Sarh al-gami’ al-kabir enthalten; dieser angebliche Kommentar besteht 
aber aus zwei einander Ahnlichen Fighwerken (beide haben am Anfang 
begriffliche Erlauterungen iiber fiqh, Sari‘a, hukm u. a.), die zum al-gami‘ 
al-kabir in keiner naheren Beziehung stehen kénnen; anonym. An erster 
Stelle steht auf 173 Blatt die 

gunjat al-mugni min munjat al-mufti von Sirag ad-din Jusuf ibn 
abi Sa‘d ibn Ahmad as-Sigistani. [Ag. Bibl. fiqh hanafi 1321.] 
Diese ist ein Auszug aus des Verfassers eigener munjat al-mufti (vollendet 
868; vgl. Br. I 380 37), von der ich folgende Handschriften nenne: 


1 Die Nummer der ilandscusut isi imi ablanden gekommuen. 


clus den Bibliotheken von Konstentinupel und Kairo. 29 


WEHBI 525 (102 Blatt gréBeren Formats von 915); SERAIBIBLIOTIIEK 
1025 (mittelstarke Handschrift gréBeren Formats): QARA CELEBIZADE 
207 (109 Blatt gréBeren Formats); “ATIF 1175; AZHAR 7587 (grobe 
Handsehrift von 140 Blatt, fliissige. aber deutliche, undatierte Schrift 
etwa des 9./10. Jahrhunderts, Blatt 1 ganz jung ergiinzt). [Seraibibliothek 
865. 866. 867. 868. 1024. Ag. Bibl. fiqh hanafi 439. 440.] Diese 
hinwiederum ist ein Auszug aus den ul-futiwa as-sugra von Nagm 
ad-din Jusuf ibn Abmad al-Hassi (um 620: vgl. Br. I 380, 31) 
und anderen Werken. 

Davon zu unterscheiden ist die gunjat al-munja litatmim al-gunja von 
Nagm ad-din abur-Raga’ Mubtar ibn Mahmud ibn Muhammad 
az-Zahidi (st. 658: vgl. Br. I 382. 44.1), von der ich folgende Hand- 
schriften nenne: QARA CELEBIZADE 180 BIS (286 Blatt groBen For- 
mats, schine Schrift von 713): AZHAR. RIWAQ AS-SAUWAM, SAIL 
‘ABDARRAHMAN ADIB, FIQH HANAFI 462 (groBe Handschrift von 
212 Blatt. etwas fltichtige. aber deutliche Schrift von 814. z.T. wasser- 
fleckig): SEHID ‘ALI PASA ...' (251 Blatt groBen Formats yon 848): 
WEHBI 445 (233 Blatt mittleren Formats von 1095): SERAI- 
BIBLIOTHERK 864 (recht schéne. griéBere. dickere Handschrift von 37 
[sic]): EBD. 1027 (mittelstarke Handschrift gréBeren Formats von 59 
[sic]}: WEHBI 558 (iltere Handschrift von 322 Blatt kleinen Formats, 
Anfang jiinger ergiinzt): QARA CELEBIZADE 180 (165 Blatt gréBeren 
Formats: Text ganz korrekt?): ‘ATIF 1164; AZHAR 10911 (groBe 
Handschrift von 155 Blatt, schénes Titelblatt mit reicher Vergoldung: 
etwa aus dem g./10. Jahrhundert); EBD., RIWAQ AS-SAUWAM, SAIL 
‘ABDARRAHMAN ADIB, FIQH HANAFI 463 (groBe Handschrift von 
259 Blatt nach der alten Ziihlung: es fehlen fol. 2—5 und 259 mit dem 
Schlu8: etwas verschnérkelte, aber deutliche Schrift etwa des 9./10. Jahr- 
hunderts). [Azhar, riway al-atrak, fiqh hanafi 2797 (angeblich von 908: 
Titel nach dem Katalog hawi masa il al-munja litatmim al-qunja).| Eine 
andere Schritt desselben Autors ist der A@wt masi@il al-munja (vgl. Br. 
ebd. 3), von dem folgende Handschriften angefiihrt seien: AZHAR 14358 
(groBe Iandschritt von angeblich 196 Blatt. etwas fltichtige, dickere Schrift 
von 893): JENI GAMI 407 (155 Blatt gréBeren Formats, hiBliche. 
schwere Schrift von 917, nicht gut erhalten, Blatt 1 spiter ergénzt); 
AZHAR 7936 (mittelgroBe, sehr dicke Handschrift von angeblich 416 Blatt 
yon 1291). |Ag. Bibl. fiqh hanafi 285. 286. 786. 1353.] Beiden Schriften 
liegt zugrunde die munyat al-fuquh@ von Badi* ibn abi Mansur al- 
Qubazni. dem Lehrer des az-Zahidi (vgl. al-Laknawi und HH im 
Index s.v.). 

Die Handschritt (JARA CELEBIZADE 179 (im Katalog bezeichnet 
als al-fawaid az-zaimja ft qunjat alemunja) hat mit den behandelten 
Werken nichts zu tun, sondern ist eine kleine. aber sehr dicke Hand- 
schritt des Ait@b al-usbth wan-nae@ ir von ibn Nugaim (vygl. Br. II 310, 
oar ae 





J. ScHACHT: 


Endlich ist auch das QADIZADE 254 (diinnere Handschrift kleinen 
Formats) vorliegende kitab munjat ad-dal@ il al-mustahrag min kitab al- 
fatawa liQadi Han (vgl. Br. I 376, 23,1) ein ganz anderes Werk. 


6. Ders.: kitab al-hugag. 

Nur-i “Otmanije 1492: mittelstarker Band kleineren Formats, Ta‘liq. Gold- 
einfassung, gut erhalten, ohne Verfasser, Titel und Jahr; beginnt mit 
ihbtilaf ah) al-Kufa wa’ahl al-Madina fis-salawat wal-mawaqit. 

Indischer Druck. Behandelt unter Anfiihrung reichlicher Belege aus 
der Tradition den ibtilaf zwischen Hanafiten und Malikiten auf dem 
ganzen Gebiet des figqh. Vgl. Fihrist 20}. 20 (lies al-hugag); spiter 
ist dieses Werk selbst bei den Hanafiten vollkommen verschollen; nur 
die Nachrichten tiber ein kitab al-hugag (bisweilen in ha&g verderbt) des 
‘Isa ibn Abban (st. 221; Fihrist 205,14: “Abdalqadir I Nr. 1113: HU 
V 73; al-Laknawi s.v.) und ein solches des Bisr ibn Gijat al-Marisi 
(st. 219 oder 228; HU 1.c.) werden aut riwajas unserer Schrift gehen. 
Das ist also das ilteste bisher bekannte Ihtilafwerk (vgl. Gotnzmer, 
Zahiriten 37, Anm.; at-Tabar, kitab ibtilat al-fuqaha’ ed. Kers, Vorwort 
S..4ff.). 


Als altere Schrift tiber den Ibtilaf fiige ich hier noch an das Aitab jilaf 
as-Safit waabt Hanifa von abi Ishaq Ibrahim ibn ‘Ali as-Sirazi 
(st. 476; vgl. zum Autor Br. I 357, 9). vorliegend in der Handsehrift 
WEHBI 507 (diinnere Handschrift grifseren Formats. 1311 kollationiert), 
das mit seinen bei as-Subki. tabagat 3.88 erwihnten an-nukat fil-hilaf 
identisch sein diirfte. 


@. Ders.: kitab as-sijar al-kabir. Handschriften ohne den mit dem Grundtext ver- 
arbeiteten Kommentar des Sams al-a’imma abu Bakr Muhammad ibn Ahmad 
ibn abi Sahl as-Sarahsi (st. 483) sind nicht bekannt: ich fiibre hier nur wenige 
Handschriften des kommentierten Werkes aus besonderen (+riinden an. 


‘Asir | 335: recht schine, ziemlich starke Handschrift mittleren Formats, 
Ta‘igq von 1127, aus dem Exemplar des al-Hayiri abgeschrieben. 

Seraibibliothek 1148: recht schéne Handschrift mittlerer Gréfe. Ta‘liy. aus 
dem Exemplar des al-WJasiri abgeschrieben. 

Ebd. 1149: recht schéne, groBe, undatierte Nesli-Handschrift. 

Reyan-Kiosk 650: 361 Blatt grofen Formats, Ta‘hy. 

Ag. Bibl. figh hanafi 770: fltere. unpunktierte Handschrift, am Ende unvoll- 
standig. 

Ebd. 64 ¢. 65 ¢. 66¢: drei schine. jiingere. vielleicht niiher zusammengehé- 
rende, da ganz ahnlich ausgestattete Handschriften. 

Vgl. Br.1172,6; Herrenine, Fremdenrecht 159 ff. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 31 


Va. Von einem unbekannten Autor riihrt ein Auszug aus dem kommentierten Werk her. 
Laleli 1156: schéne Handschrift von angeblich 135 Blatt gréBeren Formats, 

ganz vokalisiert, filter: auf dem schénen Frontispiz al-muhtar min as-sijar 

al-kabir (sic) lil-imam ibn al-imam Muhammad ibn al-Hasan as-Saibani.. . 


y 


birasm...Sams ad-din (Rest unleserlich). 


7b. Das kommentierte Werk wurde 1213 von Muhammad Munib al-‘Aintabi ins Tiir- 
kische tibersetzt (gedruckt Konstantinopel 1241; vgl. Herrenine, Fremdenrecht 161 f.). 


Nach der Vollendung der Ubersetzung hat al-‘Aintabi einen Kommentar dazu 
geschrieben. 
Jyldyz 413: etwas dickere Handschrift mittleren Formats. 


8. Ders.: kitab az-zijadat. 

Laleli 946: 59 Blatt kleinen Formats von 672. 

Garullah 679, 1: 116 Blatt mittleren Formats, aber mit kleinem Spiegel, mit 
vielen Randglossen; das an zweiter Stelle stehende Werk, wohl von der- 
selben Hand, ist auf 695 datiert. 

Aja Sofia 1385, 5: 64 Blatt mittleren Formats von ca. 1130. 

Fatih 1555. 2: 95 Blatt mittleren Formats, kleiner Spiegel, am Rande viele 
unleserliche Glossen. 

Ag. Bibl. figh hanafi 1242: angeblich 71 Blatt mittleren Formats, jiingere 
Schrift. 

Vgl. HH Ill 552 ff. (auch fiir die Kommentare); Br. [1 172, 2. 





8a. Kommentar des abu Nasr Ahmad ibn Zain ad-din Muhammad ibn ‘Umar al-‘Attabi 
al-Buhari (st. 586). 
Molla Celebi 48: dicker Band mittleren Formats. unpunktierte, nicht leichte 
Sehrift von 651, z.T. ziemlich zerfressen. 
Fatih 1709: mitteldicke Ilandschrift mittleren Formats yon 672. 
‘Umum 2436: 170 Blatt mittleren Formats von 711. 
Corlulu ‘Al Pasa 185. 1: 166 Blatt gréBeren Formats, eigenartiger, aber les- 
barer Duktus von 761. 
(Jara Mustafa PaSa 189, 1: dickere Handschrift griBeren Formats, etwas ver- 
schnoérkelte, aber doch lesbare Schrift. 
Weleddin 1350, 1: 113 Blatt und Index, enge, schwer lesbare Schrift. 
Molla Celebi 47: dicker Band mittleren Formats, unpunktierte, alte Schrift, 
nicht leicht zu lesen, am Ende unyollstindig. 
Fatih 1710: 207 Blatt mittleren Formats. 
Harageizade figh 213: 238 Blatt mittleren Formats, etwas fltichtige Schrift. 
[Garnllah 677.] Verktirzender, den Text bearbeitender Kommentar; er 
zeigt ebenso wie das Werk des Sadr ad-din Sulaiman (Nr. 8c) die An- 
ordnung der Vulgata des Grundtextes, beginnt also mit dem al-gam‘ bain 
al-mash wal-gusl, wihrend die andern Werke mit der Frage des musiafir 
ahdat falam jagid al-ma’ o. 4. beginnen, also einer andern riwaja folgen, 
und nur Nr. 8g beide riwajas miteinander vereinigt. Vgl. Br.I 172, 2. 


J.Senacut: 


8b. Kommentar des Fabr ad-din al-Hasan ibn Mansur ibn Malmud al-Uzgandi al-Far- 
gani Qadi Han (st. 592). 

Berlin 4° 1191: 239 Blatt mit groBer. deutlicher. nicht immer punktierter 
Schrift von 713, vom Anfang bis zum kitab al-hiba einschlieBlich reichend: 
im anschlieBenden Teil soll das kitah al-wakala folgen. 

Fatih 1708: recht schéne Handschrift von 457 Blatt gréBberen Formats von 723. 

Qara Mustafa Pasa 188: 197 Blatt gréBeren Formats. kleine Schrift von 765, 
fol. 1b einige Litcken; war im Besitz von Taskopriizade. 

‘ASir I 114, 1: schéne Handsehrift, 333 Blatt gréis8eren Formats von 839. 

Ibrahim Pasa 693: dicke Handschrift groBen Formats von go4. 

‘\sir I 381: 292 Blatt gréBeren Formats von 956. 

Molla Celebi 52: 265 Blatt gréBeren Formats von 972. vom Anfang bis zum 
kitalb as-said reichend. 

‘Atif 865: 296 Blatt gréBeren Formats von 974. 

Ragib 518: 246 Blatt gréberen Formats. 

Laleli 974: 208 Blatt griBeren Formats. filter, von Blatt 199 an jiinger, bis 
zum kitab al-hiba reichend. 

Fatih 1706: dicke, nicht junge Handsehrift: gréferen Formats. 

Ebd. 1707: dieke, nicht junge Handschritt von 310 Blatt mittleren Formats, 
hiGBliche Schrift. am Ende nicht ganz vollstindig. 

[Garullah 678.] Den Text bearbeitender Kommentar. Anfang: ¢4il wtb 


Zl onbel Se gi GOs JV) haa 0 bat YL Vel. Br b172.2. 


8e. Auszug des abur-Rali’ Sadr ad-din Sulaiman thu Wahh (st.677) aus dem Kom- 
mentar des Qadi Han. 
Corlulu ‘Ali Pasa 238, 1: die ganze Handschritt ca. 210 Blatt mittleren For- 
mats, unser Werk auf ca. 50 Blatt, von 71g. 
Fatil 1666: mitteistarke Mandschrift gr6éBeren Formats, kleiner Spiegel. 
Dieser Auszug beginnt mit dem al-gam‘ bain al-Gusl wal-mash. folgt 
also in der Anordnung der Vulgata des Grundwerkes gegentiber dem 
bearbeiteten Kommentar. Vel. Br. 1172. 2: Autwarpr 4441. 
8d. Konunentar des Tag ad-din abul-Mafahir Mubammad ibn abil-Qasim Malmud ibn 
Muhammad as-Sadidi az-Zauzani (st. Sor) zum Auszug des Sadr ad-din Sulaiman 
mit dem Titel malak al-ifadat fi Sari az-zijadat. 
Corlulu ‘Ali PaSa 238. 2: die ganze Handschrift ca 210 Blatt mittleren For- 
mats, unser Werk aut 163 Blatt. von g17. 
Vel. ibn Qutlibuga Nr. 201 (in Unordnung): Anpwarpr 4441 am Ende 
(zu verbessern): Br. [I] 195. 6 (zu verbessern). 


8e. Anonymer, den Text bearbeitender Kommentar. 
(Jara Mustafa Pasa 190: starke Handschritt groberen Formats. den zweiten 
(letzten) »Band« enthaltend: auf dem Schnitt ist falschlich al-Attabi (Nr. 8a) 
als Verfasser angegeben. 
Von den vorhergehenden Werken verschieden. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 33 


8f. Anonymer Kommentar. 


Molla Celebi 49: 302 Blatt gréBeren Formats, am Anfang unvollstindig, den 
ersten »Teil« des Werkes enthaltend. 


Ehd. 51: 146 Blatt gréBeren Formats, vom talaq bis zu den fara id reichend. 
[Molla Celebi 50.] Das Werk wird am Ende von Molla Celebi 49 von 
erster Hand dem Qadi Han zugeschrieben. ist aber von seinem Kom- 
mentar (Nr. 8b) verschieden; hier ist das Grundwerk immer wortlich 

angefiihrt und hervorgehoben. 

8g. Anonymer Kommentar. 
Sehid ‘Ali Pasa 808: recht dicker Band gréBeren Formats, Altere, eigenartig 
verschnorkelte, verkniffene Schrift. 


Wohl von allen vorhergehenden Werken verschieden. Anfang: <4!) 3 cb 


al pall Jee oy GALS GUI bel ell Ga Wey. 





8h. Anonymer Kommentar. 
Mehmed Murad 1022 (1006): 321 Blatt gréBeren Formats von 692. fleckig. 
Vom Werke des Qadi Han (Nr. Sb) verschieden; etwa mit Nr. Se 
identisch? 





Der anonyme magma‘ riwajat al-gimi' as-sagir wal-gami al-kabir waz- 
sijadat (so der Titel von zweiter Hand) WELIEDDIN 1340 (dicker Band, 
am Anfang unvollstindig, auf dem Schnitt riwajat gami’ as-sagir [sic]), 


18 


AG. BIBL. FIQN HANAFI 119 (so im Katalog statt 19 zu lesen: recht 
schéne Handschrift griBeren Formats von angeblich 167 Blatt von 788, 
lose im Deckel, in ziemlicher Unordnung, in der Unterschrift als a¢- 
ta‘liq ‘alaz-zijadat hezeichnet) enthalt Glossen zum Text eines zaiditi- 
schen Fiqhwerkes. 


9. Ders.: kitab zijadat az-zijadat. 
Corlulu ‘Ali Pasa 185, 2: 14 Blatt gréBeren Formats. eigenartiger, aber les- 
barer Duktus von 761. 
Qara Mustafa Pasa 189, 2: wenige Blatter griBeren Formats, etwas yer- 
schnérkelte, aber doch lesbare Schrift. 

Vgl. Fihrist 204, 21: HU II 555f.; Antwarpr 4440 (das dort vor- 
liegende Werk kann ich allerdings auch nicht bestimmen; Autwarpts 
Hinweis auf den al-gami° al-kabir und as-sagir verstehe ich nicht: die 
Anordnung der Materien in der Handschrift stimmt weder mit der im 
al-gami’ al-kabir noch im al-gami‘ as-sagir noch in den zijadat noch in 
der zijadat az-zijadat noch auch im asl iiberein: sollte etwa eine kom- 
mentierende Bearbeitung des kitab an-nawadir [Fihrist 204, 23] vorliegen?). 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nron, 


wr 


34 J.ScHacat: 
9a. Sams al-a’imma abu Bakr Muhammad ibn Ahmad ibn abi Sahl as-Sarabsi (st. 483): 
nukat zijadat az-zijadat. 
‘ASir IL 114, 2: 20 Blatt gréBeren Formats aus dem siebenten Jahrhundert. 
Garullah 679, 2: 21 Blatt mittleren Formats von 695, gréBerer Spiegel als 
hei dem an erster Stelle stehenden Werk, aber wohl von gleicher Hand. 
Aja Sofia 1385. 6: 23 Blatt mittleren Formats von ca. 1130; das Ganze 
ist ein dickerer Sammelband und enthalt neben den bereits angefihrten 
Werken 1.) auf 98 Blatt das kitab al-harag von abu Jusut und 4.) auf 74 
Blatt den al-gGami° as-sagir von a$-Saibani aus derselben Zeit. 
Welheddin 1350, 2: 12 Blatt, enge, schwer lesbare Schrift. 
Fatih 1555, 3: ca. 20 Blatt mittleren Formats, recht fliichtige, unpunktierte 
Sehiritt. 
HH ML 554. 


10. Muhammad ibn Idris ag-Safi'l (st. 204): kitab al-amm. 

Garullih 593: dicker, stark zerfressener Band gréBeren Formats von 791, 
den ersten »Teil« enthaltend, am Anfang unvollstindig. 

Seraibibliothek 693, 2: das Ganze ein dicker Band gréBeren Formats, ent- 
halt an zweiter Stelle den ersten »Teil« unseres Werkes bis zum kitab 
al-gizja einschlieBlich. 

Ebd. 694: sehr dicker, groBer Band. vollstindig. 

Garullah 591f. 594: das Werk in der dem gedruckten Text zugrunde- 
liegenden Rezension des Sirag ad-din “Umar ibn Raslan al-Bulqini (st. 805), 
auf den nur die duBere Kapiteleinteilung ohne innere Eingriffe zuriickgeht 
(in Nr. 591 fol. 1a einige Worte von al-Bulqini selbst dariiber); a) dickerer 
Band gréBeren Formats, den ersten »Teil« enthaltend: b) dickerer Band 
yon 196 Blatt gréiieren Formats, den zweiten »Teil« enthaltend, an- 
scheinend anschlieBend: ¢) dickerer Band von 271 Blatt griferen Formats, 
den vierten »Teil« enthaltend, am Ende anscheinend unvollstindig. 

Gedruckt Kairo 1321—1325. Vgl. Br. I 180; Herrenine, Fremden- 
recht 145 ff. 


11. Ders.: kitab ihtilaf al-hadit. 
Taimur. hadit 464: gréBere Handschrift von 203 Sciten, nicht schine. aber 
deutliche Schrift von 1326, Abschrift aus einem Exemplar von 642. 
Ag. Bibl. hadit 38: mittelgroBe Handschrift von 94 Blatt, schine, Altere, 
z.f. vokalisierte Schrift. 
Gedruckt am Rande des kitab al-amm Bd. VII. Vgl. HU 1195. 


12. Ders.: al-musnad. 

Ag. Bibl. hadit 1345: gré8ere Handschrift von angeblich 158 Blatt, grofBe, 
deutliche, stark vokalisierte Schrift von 555, am Anfang und Ende viele 
sama at. 

Ebd. 1973: mittelgroBe Handschrift von 161 Blatt, geliufige, am Anfang 
etwas fliichtige, nicht immer punktierte Schrift von 596, am Anfang und 
Ende sama‘at. 

Fatih 1148 bis: 165 Blatt kleineren Formats von 1141. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 35 


Azhar, riwaq al-atrak, hadit 525: kleinere, mitteldicke Handschrift von 11558, 
recht schéner Einband. 

Ebd. 526: gleiches Format, gleicher Umfang, von demselben Schreiber aus 
demselben Jahre, ebenfalls recht schéner Einband. 

Fatih 1148: 231 Blatt groBen Formats, schéne Handschritt. 

Ag. Bibl. hadit 246: reich vergoldete und verzierte Prachthandschritt von 
angeblich 197 Blatt sehr groBen Formats: hervyorragend sorgtiltig und 
recht schin in taliqartiger Schrift spiteren Datums geschrieben; am Rande 
an zweiter Stelle unser Werk. 

Azhar 3278: groBe, dicke Handschrift, schéne, alte, oft unpunkticrte Schritt 
etwa des 7. Jahrhunderts mit spiteren Verhesserungen und Punkt- 
ergiinzungen, vielbenutztes Exemplar, am Ende spiiter ergiinzt, hiibseher 
Einband. 

Ebd. 6003: groBe, dickere Handschrift, gro8e, deutliche, ta‘liqartige Schrift 
etwa des 7./8. Jahrhunderts, aus einer 610 mit ihrer Vorlage. in der 
samaat von 421 und 505 standen, verglichenen Handschritt kopiert. 
schéner Einband. 

Taimur, hadit 265: kleinere Handschrift von 363 Seiten. spittere. aber nicht 
ganz junge, deutliche Schrift. 

Gedruckt am Rande des kitab al-eamm Bd. VI; indische Lithographie 
von 1306 mit Vorrede von Muhammad ‘Aly Akram al-Arawi (220 und 
einige weitere Seiten). Das Werk ist nach den Kapiteln des fiqh geordnet, 
verdient also eigentlich den Namen musnad nicht. Vel. Br. 1 180. 


12a. Magd ad-din abus-Sa‘adat al-Mubarak ibn al-Atir (st. 606): as-Safi al-1 fi Sarh 
musnad as-Safi‘i. 
Ag. Bibl. hadit 306: fiinf Bande gréBeren Formats von angeblich 1a6, 148. 
38, 207. 238 Blatt. etwas eckige, aber deutliche und schone Schrift von 
733 bis 735; a) in losen Bogen, b) am Anfang unvollstindig. in schinem 
Einband, d) gegenwirtig im Ausstellungsraum. 
Vgl. Br. I 180, zum Autor ebd. 357, 15. 


12b. Muhammad ‘Abid ibn Abmad ‘Ab ibn Muhammad Murad schrieb 1230 einen 
tartib musnad al-imam as-Safi'l. 


Ag. Bibl. hadit 1832: 167 Blatt mittleren Formats von 12So. 








Die angeblichen masanid a$-Safi‘is in ‘ATIF 612 (ziemlich diinne 
Handschrift mittleren Formats von 1034) sind in Wirklichkeit dic 
fadail al-imam as-Saft von Fabr ad-din abu Abdallah Muhammad 
ibn “Umar ar-Razi (st. 606; vgl. Br. I 506, 6 [ 1). 


13. Ders.: kitab ar-risala fi usul al-fiqh. 


Seraibibliothek 693,1: das Ganze ein dicker Band griBeren Formats. 
Gedruckt Indien 1889, Kairo 1321. Vgl. Br. I 179, 2. 


an 


36 J.Scuacut: 


14. Ders.: kitab as-sunan (al-ma’tura). 

Ag. Bibl. hadit 276: mitteldicke Handschrift kleineren Formats von angeblich 
110 Blatt, schwierige Schrift von 573; endet mit S.117 des Druckes, 
darauf folgen noch 5'/, Seiten, S. 118—120 des Druckes entsprechend, 
und der im Druck 8. 118 oben wiedergegebene SchluB. 

Aja Sofia 551: mitteldicke Handschrift von ca. 150 Blatt mittleren Formats, 
weitaus alter und schéner als das folgende Manuskript: am Ende stehen 
2 Seiten Text auf einem verkehrt gebundenen Blatt ganz hinten hinter 
2'/, Blatt wertloser Notizen, die auf den TextschluB folgen; endet ent- 
sprechend S.122 oben des Druckes. 

Képrilii 296: 95 Blatt mittleren Formats von 729; endet mit S.117 des 
Druckes. 

Azhar 22374: mittelgroBe, mittelstarke Handschrift von 1311: endet wie 
Aja Sofia 551, hat dahinter noch zwei sama‘as. 

Ag. Bibl. hadit 724: mitteldicke Handschrift von angeblich 72 Blatt kleinen 
Formats, Schrift nicht jung, nicht immer ganz leicht; endet wie Aja 
Sofia 551; hier trigt der letzte Abschnitt die Uberschrift mas’alat a$-Safi'. 

Ebd. 1534: etwas dickere Handschrift von angeblich 153 Blatt kleinen For- 
mats, dltere, schwach vokalisierte Schrift, die letzten 3 Blatt spiter er- 
giinzt; endet wie Aja Sofia 551. 

Gedruckt in Haidarabad sowie Kairo 1315 (dieser Druck beruht auf 
den beiden ersten Handschriften der Ag. Bibl.). Riwaja des at-Tahawi. 
also wohl noch aus seiner Safiitischen Zeit stammend. Vgl. Br. 1179.1. 


*15. abi ‘Adallah Ahmad ibn Muhammad ibn Hanbal (st. 241): kitab al-masa’il. 
Taimur, fiqh 511: grdBerer Band von 344 Seiten, nicht ganz gut erhalten, 
groBe, schéne, kalligraphische, bisweilen vokalisierte Schrift von 773; 
Titel yon spaterer Hand: as‘ilat al-imam Ahmad: am Anfang unvollstindig 
(tahara usw. fehlen) und auch sonst liiekenhaft: so gréBere Liicken zwischen 
S. 216/17; 272/73: auch ist manches verkehrt gebunden, wie S. 96/97; 
140/41; 142/433; 170/71. 

Antworten des imam Almad auf Fragen seines Sohnes abu ‘Abdar- 
rahman “Abdallah und Darlegung seiner Ansichten auf allen Gebieten 

des fiqh. Der Titel nach Fihrist 229, 25 hergestellt. 


16. Ders.: kitab as-sunna. 

Taimur, hadit 335: gréBere Handschrift von 222 Seiten, bis S. 112 in 
dickerer, nicht besonders schéner, aber lesbarer Schrift von 733 (so nach 
dem Zwischenkolophon S. 99), von S. 113 an in fliichtiger, unschéner, 
nicht immer leichter Schrift von 1329; auBerdem sind S. 1-—16 spiter 
erganzt. 

Ag. Bibl. hadit 1747: 287 Seiten von verschiedenen Hinden, keine alt, die 
letzte sogar sehr jung. ha@liche Schriften, aus zwei verschiedenen Exem- 
plaren, von denen das erste aus einem Sammelbande herausgelist ist, zu- 
sammengesetzi und erginzt. 

Traditionen des imam Ahmad iiber dogmatische Fragen, dazwischen 
auch Ausspriiche von ilim selbst; riwaja seines Sohnes abi ‘Abdarrahman 
‘Abdallah. Ganz verschieden davon ist die ‘aqidaartige, kleine, als 


clus den Bibliotheken vou Nonstantinopel und Nairo, 37 


Lithographie von 31 8.0. O. ued. gedruckte Sehrift, die sich ebentulls 
als kitab as-sunna von Almad ibn Uanbal bezeichnet (vorhauden Taimur. 
hadit 354). 


17. Hilal ibn Jahja ibn Muslim al-Basri Hilal ar-ra’j (st. 245): kitab alikam al-waqt. 

Ibrahim Pasa 669: 100—120 Blatt grofen Formats, schéne Schritt von 730. 
sehr stark wurmzerfressen. guter Text. 

Stileimanie 379: mittelgroBbe Handschrift von 176 Blatt mit kleinerem Spiegel. 
von 771 (?), Text nicht besonders gut. 

Ag. Bibl. fiqgh hanati 1060: groBe Iandschritt von angeblich SS Blatt mit 
vorhergehendem Kapitelverzeichnis, kleinere, sehr deutliche Schrift von $46. 

Welieddin 1586: 219 Blatt und Kapitelverzeichnis, schwach punktierte Schrift 
von 866. 

Garullah 571: kleine, aber dicke Handschrift von $86, Text nicht besonders 
gut. 

Mehmed Murad 733 (719). 1: das Ganze eine mitteldicke Handschrift kleinen 
Formats yon 970. an erster Stelle unser Werk: stellenweise Wurmtrai. 

Melimed Rasid 288, 2: das Ganze ca. 100 Blatt gréBeren Formats von 985. 
an zweiter Stelle unser Werk. 

Qara Celebizade 92, 1: das Ganze 169 4- 263 Blatt kleinen Formats, an erster 
Stelle unser Werk von 987. sehr kleiner Spiegel. ziemlich viele Ver- 
besserungen am Rande: Text durchweg ganz gut? 

Ragib 441, 2: 129 Blatt gréBeren Formats und Kapitelyerzeichnis, Neshi von 
998 (?), guter Text. 

Welieddin 1587. 1: schéne Handschrift von 144 Blatt und Kapitelverzeichnis 
von 1007. 

Ag. Bibl. figh hanafi 112¢. 1: gro®e Handschrift von 74+ 105 + ca. So Blatt. 
kleine, deutlieche Schrift. schéner Einband: an erster Stelle unser Werk 
von 1105 mit vorausgchendem Kapitelyerzeichnis, Uherschritten und Stich- 
worter rot (an dritter Stelle steht das kitab Sami as-sigar von Muhammad 
ibn Mahmud ibn Husain al-Usturusani [st. 632: vgl. Br. I 380. 35, 1] von 
1106). 

Qara Mustafa Pasa 156. 1: 83 Blatt gréBeren Formats und Inhaltsverzeichnis, 
schénes Ta’hy. 

Riza Pasa 267, 3: das Ganze ca. 140 Blatt gréBeren Formats. Ta hq: an dritter 
Stelle auf 49 Blatt unser Werk: die rot nachzutragenden Worter fehlen 
oft: Text kaum ganz gut. 

Laleli 801: 188 Blatt kleineren Formats, Sehrift nicht besonders sehén, bis- 
weilen unpunktiert; guter Text. 

Wehbi 467, 2: ca. 150 Blatt kleineren Formats, ta liqartige Schrift. am Rande 
étter Nachtrige, die z. T. weggeschnitten sind. 

Haraggizade, figh 248: dickere Tandschrift. Text anscheinend nicht beson- 
ders gut. 

Ag. Bibl. figh hanafi 20. 2: in der zweiten kleineren Haltte der Handschrift 
unser Werk mit vorausgehendem Kapitelverzeichnis: Uberschritten und 
Stichworter rot. 

Vel. Br. 117 3.54 unten Nr tons hese 


r 


38 


J. SCHACHT: 


‘UMUMI 1868, 13 liegt nicht das Werk des IIilal vor, sondern das 
kitab tasgil al-augaf von Juisut ibn Husain al-Kirmasti (st. 906). 
das auch die beiden folgenden Handschriften bieten: LALELI 835, 2 
(45 Blatt kleineren Formats von 1053); RIZA PASA 267, 2 (17 Blatt); 
das Werk bringt keine eigentlichen sukuk, auch nicht im letzten Kapitel, 
das so tiberschrieben ist, sondern stellt die wichtigsten fiir die wayfs 
geltenden Bestimmungen zusammen (vgl. Br. II 231, 5, 3: hier und auch 
bei al-Laknawi s. vy. heift der Autor gegen die Handschriften ibn al- 
Hasan). Kurz erwihnt sei hier noch das Aitab tasgil al-augaf von abus- 
Su'ud Muhammad ibn Muhammad ibn Mustafa al-‘Imad1 (st. 982: 
zum Autor vgl. Br. Il 438 $6, 4), das ebenfalls keine sukuk enthalt: 
LALELI 835, 1 (16 Blatt kleineren Formats, Besitzvermerk von 1176). 


18. abu Bakr Ahmad ibn ‘Amr al-Hassaf’ (st. 261): kital adab al-qadu. 


Fatih 2269: 120 Blatt kleinen Formats von 804: es folgen noch § Blatt 
Kleinigkeiten. 
Molla Celebi 57, 2: dasselbe Werk. 
Vgl. Br. I 173, 6, 2. Handschriften des nicht kommentierten Werkes 
habe ich sonst nicht gesehen. 


18a. Kommentar des Burhan al-a’imma Husam ad-din ‘Umar ibn ‘Abdal'aziz ibn ‘Umar 


ibn ‘Abdal‘aziz ibn ‘Umar ibn Maze as-Sadr a$-Sahid (st. 536). 


‘Umumi 2798: das genannte Werk. 
Ragib 507 (so fir 587 bei Br. zu lesen): 332 Blatt mittelgroben Formats. 
‘Atif 733: 160 Blatt groBen Formats. 

Val. Br. ebd. 


18b. Kommentar des abu ‘Abdallah Muhammad ibn ‘Ah ibn abil-Qasim ibn abi Raga’ 


al-Qa‘idi al-Hugand1. 


Jeni Gami‘ 424: nicht sehr dicker Band kleinen Formats; keine Vorrede, 
der SchluB bricht ohne Eulogie unvermittelt ab; anonym. 

Aja Sofia 1203 soll nach dem Katalog der sari adab al-qadi von 
Muhammad ibn Ahmad al-Qasimi al-Gunaidi at-Tamimi vor- 
liegen, von Br. mit dem obigen Werk identifiziert. Die Zuweisung von 
Jeni Gami 424 an al-Hugandi beruht nur aut der Angabe des Kata- 
loges. Aus den tabaqat-Werken ist mir der Autor unbekannt; SERAI- 
BIBLIOTHEK 791 (2 Bande) liegen fatawa von ihm vor, in denen er 
auch Entscheidungen des Tag ad-din al-gadi abi’ Bakr ibn Almad al- 
Ahsikati al-Hugandi: (mir sonst unbekannt) beriicksichtigt. Vgl. Br. I 
173, 6, 2; HHI 221 (mit der nisba al-Qasimi statt al-Qa‘idi). 


19. Ders.: kitab ahkam al-waqf. 


Ag. Bibl. fiqgh hanafi 19: groBe Handschrift von angeblich 125 Blatt. groBe, 
geliufige, nicht schéne, aber deutliche Schrift von 852, Uberschriften und 
Stichwo6rter rot. 

Qadizade 117: 226 Blatt kleinen Formats von 877. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 39 


Qara Celebizade 92, 2: das Ganze 169 + 263 Blatt kleinen Formats, an zweiter 
Stelle unser Werk von 936. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 18: groBe Handschrift von 132 Blatt, geliufige. nicht 
schéne, aber deutliche Schrift von 955; am Schlu8 Kapitelverzeichnis 
von spiiterer Hand: Uberschriften und Stichworter rot. 

Wehbi 543: 132 Blatt recht groBen Formats von 974. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 20, 1: groBe Handschrift von angeblich 188 Blatt, kleine, 
dicke, unschéne. aber deutliche Schrift von 1097 (Datum auf Rasur); in 
der ersten griéBeren Halfte unser Werk mit vorausgehendem Kapitelver- 
zeichnis; Uberschritten und Stichwérter rot. 

Ebd. 112¢, 2: 105 Blatt von 1105 mit vorausgehendem Kapitelverzeichnis, 
Uberschritten und Stichworter rot. 

Seraibibliothek 1194: dicke Handschrift gréBeren Formats, nicht junge, ziemlich 
schwach punktierte Schrift; am Ende kurze Biographie. 

(Jara Mustafa Pasa 156, 2: etwa 100 Blatt gréBeren Formats. schénes Ta‘hq. 

‘Umumi 2130: alte Handschritt. 

Riza Pasa 267, 1: 71 Blatt. 

Molla Celebi 57, t: an erster Stelle des Schriften von al-Hassaf’ vereinigenden 
Sammelbandes unser Werk. 

[Sehid ‘Ali Pasa 1008: Garullah 914.] Gedruckt Kairo 1322 (356+118.). 
Vel. Bre] 17 35°0..2, 


19a. abu Muhammad ‘Abdallah ibn al-lusain an-Nasihi (st. 447): gam’ waqfai Hilal 
wal-Hassaf 
Welieddin 1587, 2: 63 Blatt. 
Mehmed Rasid 288, 1: dasselhe Werk. 
[Jvldyz 938: Garullah 569.| Vgl. Br. I, 373, 2 (die nisba zu ver- 
bessern). 


19b. Malmud ibn Ahmad ibn Mas‘td al-Qunawi (st. 771): al-muntabab min wagqfai 
Hilal wal-Hassat. 

Sehid ‘Ali Pasa 2762.1: mitteldicker Sammelband ziemlich kleinen Formats, 
an erster Stelle das Original des Verfassers von 755: die Tinte hat das 
Papier ringsherum ganz geschwiirzt. 

Berlin 8° 2073.2 (genauer: 2073, 3): fol. g2a—1o1b des Sammelbandes: 
ziemlich kleine, aber saubere und lesbare Schrift von 883. 

Riza Pasa 6: diinne Handschrift kleinen Formats von 1042. 

Weleddin 1344, 7: fol. 42-69; Abschrift vom Original. 

[14 Handschriften in Azhar.] | Zusammenstellung des Wichtigsten aus 
den beiden wayf-Werken mit Angabe der jeweils henutzten Quelle. 
Vel. Abdalyadir If Nr. 479: der Autor Br. If 81. 14. 


19e. Burhan ad-din Ibrahim ibn Misa at-Tarabulusi (st. 922): kitab al-is‘af’ fi ahkam 
al-auqaf. 
‘Umumi 1863, 8: Handschrift von 955. 
Halis 6322, 2: 96 Blatt, kollationiert 1001. 


J. Scuacnr: 


‘Umum: 1862, 7: 54 Blatt. 
Mehmed Murad 733 (719). 2: das Ganze ein mitteldicker Sammelband kleinen 
Formats. an zweiter Stelle unser Werk, z. T. nicht gut erhalten. 
[Jvldyz 7771. 9 Handschritten in Azhar.]  Gedrueckt Bulaq 1292. 
Korrigierende Bearbeitung des Werkes von al-Uassaf unter Hinzufiigung 
der Ubersehtisse bei Hilal. Vgl. Br. TI 83. 28, 2, wozu auch die 1173, 6,1 
angetiihrte anonyme Handschrift aus Algier zu stellen ist. 








Anhangsweise erwihnt sei das Aitab taisir ul-wuqtf ‘ala gawamid ahkam 
al-cugif von Zain ad-din Muhammad ibn “Abdarrauf ibn ‘Ah ibn 
Zain al“abidin al-Munawi at-Safii (st. rogi: vgl. Br. IL 306, 9): 
WAMIDIJE 459 (161 Blatt mittleren Formats von 1120). [Azhar 1088. 
5551.| 


20. Ders.: kitab al-hijal wal-maharig. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 134: 109 Blatt mittleren Formats, groBe, deutliche Schrift 
yon 496, bei den gréBer geschriebenen Woirtern Ornamente nach Art des 
»bliihenden« Kufi: befindet sich gegenwiirtig im Ausstellungsraum. 

Siileimanije 453, 1: 140 Blatt kleinen Formats von 902. unser Werk auf 
102 Blatt: es folgt noch Verschiedenes. 

Sehid ‘Ali Pasa 766: 80 Blatt kleineren Formats von 953, schénes Ta‘liq. 

Ebd. 767: kleine, nicht dicke Handschrift, fltichtige, bisweilen vokalisierte 
Schrift von 955, am Anfang und am Ende spitere Ergiinzungen: Text 
scheint nicht besonders gut. 

‘Atif S21: 47 Blatt gréBeren Formats von 967(?), nur die Anfangs- und 
SchluBkapitel enthaltend. 

Halis 6322, 3: an erster Stelle auf 6 Seiten eine Biographie des al-Hassaf; 
an zweiter Stelle der is’af (oben Nr. 1gc), kollationiert 1001; an dritter 
Stelle auf 100 Blatt unser Werk: an vierter Stelle hat die Handschrift 
nach Ausweis einer Notiz auf fol. ra auch noch die nafaqat des al-Hassat 
(unten Nr. 21) enthalten. 

Ag. Bibl. fiqgh hanafi 1017: Kopie von 1313 nach der Handsehrift ebd. 154. 

Aja Sofia 1143: etwas eckige, deutliche Schrift. 

Molla Celebi 57. 3: dasselbe Werk. 

Garullah 278: diimnere Handschrift kleineren Formats, etwas zittrige, deut- 
liche Schrift. 

Orhan fiqh 4: 84 Blatt mittleren Formats. nicht besonders alt. 

Hiisein Celebi fiqh 4: 69 Blatt ziemlich kleinen Formats, schénes, aber nicht 
altes Ta‘lq. 

Haraygizade figh 12: diinnere Handschritt kleinen Formats, alte, recht ge- 
fillige, vokalisierte Schrift, schénes Exemplar. 

Azhar 4298: kleincrer, mittelstarker Band mit mittelgroBer, nicht schéner, 
aber deutlicher Schrift: Textzustand anscheinend nicht besonders gut; 
scheint Vorlage oder naher Verwandter der Handschrift Berlin 4972. 

Gedruckt Kairo 1314: Hannover 1923 (ed. Scuacut: Beitrige zur semi- 
tischen Philologie und Linguistik Heft 4). Alle angefiihrten Handschriften 
enthalten die lingere Rezension: auf ihr Verhiltnis im einzelnen gedenke 
ich an anderer Stelle niher einzugehen. Vgl. Br. [173. 6. 3. 


Aus den Bibliotheken ron Konstantinopel und Rairo. 4] 


21. Ders.: kitab an-nafaqat. 


In allen mir bekannten Handschriften liegt das Werk zusammen mit dem mit 
dem Text zusammengearbeiteten Kommentar des Burhan al-a’imma Husam ad-din 
‘Umar ibn ‘Abdal‘aziz ibn “Umar ibn ‘Abdal'aziz ibn ‘Umar ibn Maze as-Sadr as- 
Sahid (st. 536) vor. 


Képrilti 1588, 5: 23 Blatt kleineren Formats, deutliche Schrift. 

Weleddin 1546, 2: fol. $1112 unser Werk: Text scheint recht gut. 

Es‘ad 1026, 1: 26 Blatt kleineren Formats. 

Sehid ‘Ali Paga 2752, 1: das Ganze ein ziemlich dicker Sammelband gréBeren 
Formats; an erster Stelle auf 17 Blatt unser Werk, nicht vollstiindig. 

‘Ati’ 727, 2: 19 Blatt mittleren Formats, kleinerer Spiegel. 

Handschrift im Privatbesitz von Isma‘1l Sa ib Effendi, Bibliothekar an der 
‘Umum: 31 Blatt kleineren Formats. 


[Sehid ‘Al Paga 2725.53.] Anfang: UtS) Uo pe ce atl 0 JB... 
aay oly le gl] Sas [ee pL B Yoo y Saal] La OLS) Le G GIL] | al 
(Siira 2, 233) GeoVal gaoz lallgls dle aye COM cil 22. beady Ue a 


| Cpe 1A oat 31 a> 25F lde paw Je 2... Vl. Fibrist 206.18: ibn 
Qutlubuga Nr. 12. 


LALELI 252 (ein kleinerer Sammelband von 165 Blatt) enthalt fol. 
128b—132h die risala fi sugit an-nafaga von Zakarija’ ibn Ibrahim 
al-Muqaddasi al-Hanafi (mir sonst unbekannt). 


#22, abu Ga'far Muhammad ibn Garir at-Tabari (st. 310): kitab ibtilaf al-fuqaha’. 
‘ASir I 382: schéne Handschrift kleineren Formats von 117 Blatt. alte, deut- 
liche, unpunktierte Schrift, Papier gebréiunt: Titel spater aufgeklebt: al- 
gihad wal-gizja wal-muharabun wayital ahl al-bagj min kitab muhtasar 
ihtilaf “ulama’ al-amsar ta‘lif abi Ga‘far Muhammad ibn Garir ibn Jazid 
at-Tabari, was den Inhalt richtig wiedergibt. 

Das Kairiner Fragment (Ag. Bibl. figh hanafi 645: ed. Kerry, Kairo 
1320) gehért zu einer andern, in Schrift und Format ganz abweichenden 

Handschrift. Vgl. Kern, ZDMG 1got, 61ff.: Br. 1143, 4. 


al-ibtilaf. 

Ag. Bibl. hadit 37: ziemlich dicke Handschrift von angeblich 130 Blatt gré- 
Beren Formats, alte, ziemlich enge Schrift, am Ende unvollstindig: es 
folgen vier spiter ergainzte Blatter, aber nicht anschlieBend und am Ende 

ebenfalls unvollstandig. 
Ibtilafwerk mit Voranstellung der Belege aus Koran und Sunna unter 
starker Heranziehung der alten Juristen und ausfithrlicher Darlegung der 
Begriindung der einzelnen Parteien: zum SchluB gibt der Verfasser sehr 
ausgesprochen seine eigene Meinung. in der er sich an as-Salit anschlieBt. 

Phil-hist. Abh. 1928. Nr. 8. 6 


J. ScHACHT: 


Anfang: ol gy ale 5eLd call o pole & dea, eAluly FS al bish... 
Brad Saal ool? Je att Coal J SE A aly) oy AES oh USI Jb 
a\ Jl otS Vgl. Keax, ZDMG 101, 61 Anm. 4; at-Tabari. kitab ibtilaf 
altauaha: ed. Kern. Vorwort 8.5; zum Autor Br. I 180, 3: HHI 196 
liegt eine Verwechslung mit Nr. 32 vor. 


24. abi Ga‘far Ahmad ibn Muhammad ibn Salama ibn Salama al-Azdi at-Jahawi (st. 
321 0. a.): kitab ibtilaf al-fuqaha’. 


Auszug des abu Bakr Ahmad ibn ‘Ah ar-Razi al-Giassas (st. 370). 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 647: recht dicker Band sehr groBen Formats von an- 
geblich 244 Blatt, enthalt den zweiten Teil des Werkes vom kitab as-sarf 
an; reichte urspriinglich wohl bis zum Ende. ist heute am Schlu8 un- 
vollstindig. 

Die Anlage entspricht Nr. 22 und 23: zuerst Anfihrung der diffe- 
rierenden Ansichten, dann Angabe der eigenen Meinung, wenn auch bis- 
weilen einfacher und nicht so eingehend begriindend. Vgl. Kery, ZD MG 
1901, 62 Anm. von S. 61; at-Taban, kitab ibtilaf al-fuqaha’ ed. Kern, 
Vorwort 8.5 Anm.5; zum Bearbeiter Br.I 191d: zum Autor des Grund- 
werkes ebd.173, 7: vgl. HH I 195. 


25. Ders.: kitab al-mubtasar fil-figh (vgl. Br. 1.174, 6). 





Kommentar des Saib al-islam abu Nasr Almad ibn Mansir al-Isbigabi (st. um 480). 
Molla Celebi 56: dicker Band mittleren Formats. enthalt den ersten Teil des 
Werkes. 
[Sehid ‘Ali Paga 815f.; Garullah 682. 683.]  Vgl. ‘Abdalqadir 1 
Nr. 260; ibn Qutlubuga Anm. 139. 


26. Ders.: kitab aS-Surut al-kabir. 

Sehid ‘Al Paga 881: 214 Blatt kleineren Formats, haGliche Schrift, z. T. 
wassertleckig; enthalt das kitab al-buju’. 

Ebd. 882: ca. 200 Blatt desselben Formats, dieselbe Schrift, stark wasser- 
fleckig, die ersten Blatter sehr triimmerhaft; enthalt das kitab wilajat 
al-qada’ und das kitab al-mahadir. 

Ag. Bibl. figh hanafi 139: vgl. die Ausgabe SBAk. Heid. 1926/27. 4. 

Ebd. 140: vgl. die Ausgabe ebd. 1928. 

Die beiden Kairiner Fragmente ed. Scnacnt (vgl. oben). Vgl. Br.1174, 4; 
Fihrist 207, 19. 


27. Ders.: kitab aS-Surut as-sagir. 
Qara Mustafa Pasa 240: 144 Blatt gréBeren Formats von 821 (so von 
zweiter Hand auf dem erginzten letzten Blatt). 
Mehmed Murad 997 (982): 170 Blatt gréBeren Formats von 858, kollationiert. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Rairo. 43 


Ebd. 998 (983): 175 Blatt gréBeren Formats von $70. scheint aus der vor- 
hergehenden Handschrift abgeschrieben. 


Anfang: Qh Ul cl gl Gul 3 | pe las BT cass 499 jer yl ... 
Bo cb gill obras OFLU DBs ole Vy aittls olLI G ble 2S) «bi 
aS Jes ye al lyf Lath as CESY i clad L ZL. V gi. Fibrist 207. 19. 


28. abul-Fadl Muhammad ibn Salih al-Karabisi as-Samarqandi (st. 322): kitab al-furugq. 
Seraibibliothek 1181,1: das Ganze ein mittelstarker Band kleineren Formats 
yon 1003; unser Werk ziemlich diinn, beginnt ohne Vorrede: an-nija 
fard fit-tajammum dun al-wudw’. 
[Nureddin figh 106.] Vgl. Islamica II 508, 1. 


29, abul-Lait Nasr ibn Muliammad ibn Ahmad ibn Ibrahim as-Samarqandi (st. 383 0. a.): 
kitab mubtalif ar-riwaja. 

Taimur figh 531: gréBerer Band von 279 Blatt, schéne, deutliche, meist 
punktierte Schrift von 614, Blatt 1—11, spater ergiéinzt. 

‘ASir II 117: 129 Blatt gréBeren Formats von 653, aus zwei Teilen zu- 
sammengebunden, stellenweise ziemlich blaB. 

Nur-i ‘Otmanije 1373: ziemlich starke Handschrift mittleren Formats von 669. 
(so von zweiter Hand auf dem erginzten letzten Blatt). 

Ag. Bibl. figh hanafi 458: recht groBe Handschrift von angeblich 248 Blatt, 
etwas verschnérkelte, aber deutliche, bisweilen vokalisierte Schrift von 669, 
lose im Einband; am Anfang unvollstindig, doch fehlt nicht viel. 

Ebd. 119: kleinere, aber sehr dicke Handschrift, kleinere unvokalisierte 
Schrift von 733 (Einer unsicher). 

Képriilii 650: 259 Blatt gréBeren Formats von 730+ x, nicht gerade leicht 
lesbare Schrift. 

Azhar, riwaq al-atrak, fiqh hanafi 2796: groBe Handschrift von 122 Blatt, 
kleine, aber deutliche. bisweilen vokalisierte Schrift von 844 (so in dem 
von zweiter Hand stammenden SchluSkolophon). 

Harageiade figh 206: groBe, dicke, altere schéne Handschrift, am Ende 
unvollstindig. 

[Sehid ‘Ali Pasa 967f.; Garullah 874.] Auch Autwarpvt 4870 liegt 
dasselbe Werk vor. Es behandelt die Meinungen abu Jlanifas, abu 
Juisufs, ag-Saibanis, Zufars, as-Safi‘is und Maliks uber die Fragen, tiber 
die es Ihtilaf gibt. Vgl. Br. I 196, 4. 


Uber die altosmanischen Bearbeitungen seines Korankommentars habe 
ich OLZ 1927,747 ff. und 1928, 812ff. berichtet. 


30. abi Muhammad ‘Abdallah ibn Jisuf al-Guwaini (st. 438): kitab al-gam‘ wal-farq. 
Ag. Bibl. fiqh Safi1 80: gréBere, dicke Handschrift von angeblich 231 Blatt, 
groBe, deutliche, alte Schrift etwa des 7./8. Jahrhunderts, am Anfang und 

Ende unvollstindig, den ersten »Teil« des Werkes enthaltend. 


6* 


J. SCHACHT: 


Ebd. 1504: gréBere. dicke Handschrift von angeblich 328 Blatt, ganz moderne 
Abschrift des vorhergehenden Exemplars. 
Vgl. Islamica I 509. 10. 


31. abul--Abbas Ahmad ibn Muhammad al-Curgani (st. 482): kitéb al-mu‘ajat fil-‘aql. 
Ag. Bibl. figh Safi‘t 915: bis auf das spiiter ergiinzte Titelblatt mit dem 
Anfang des Textes recht gut erhaltenen Handschrift von angeblich 217 Blatt 
mittleren Formats; reich vokalisierte, sehr deutliche Schrift von 586; am 
Ende noch Kleinigkeiten. 
Die Schrift ist entgegen der Angabe al-Asnawis (HTH IV 419) ein furugq- 
Werk im engeren Sinne. Anfang: (>"> stbll as WW clei liu oie... 
JA dle cetly lel ny or de Ylty «ll svi} oi aadl lel SY Ue 
ey v3 al. Bisweilen werden sogar richtige Fragen gestellt. Val. Isla- 


mica I] 510. 13. 


$2. abul-Muzafiar (oder abu Zakaria’) Jahja ibn Muhammad ibn Hubaira al-Hanbah 
al-Wazir (st. 555 oder 560): kitab al-israf ‘ala madahib al-asraf. 

Alexandrien, 6ffentliche Bibliothek (vom Buchhandler J. E. Sarkis, Kairo, er- 
worben. Photographie im Besitze von Sarkis): 255 Blatt mit sehr schdner, 
vokalisierter Schrift von 772. 

Azhar 22642: mittelgroBe, dicke Handschrift von 1272, schlechter Text. 

Ebd., riway al-atrak, ‘ilm ‘amm 1650: mittelgroBe, recht dicke Handschrift, 
groBe, deutliche Schrift von 1299. 

Wehbi 411: mitteldicke Handschrift mittleren Formats. 

Azhar 22643: mittelgroBe, dicke Handschrift mit dlterer, stark vokalisierter 
Schrift, Uberschriften und Stichwérter rot und griin; beginnt am Anfang 
im kitab as-salat, am Ende fehlt das letzte Blatt. 

Ebd., riwaq al-atrak, ‘ilm ‘amm 1651: mittelgroBe Handschrift von 289 Blatt, 
kleinere, zierliche, nicht besonders alte Schrift, Uberschriften und Stich- 
worter rot. 

Alexandrien, 6ffentliche Bibliothek (ebenfalls von Sarkis erworben): mittel- 
dicke Handschrift groBen Formats, alter, am Anfang und am Ende un- 
vollstindig. 

Das Werk bildet die aufs stiirkste ausgenutzte Grundlage der spiteren 
Ihtilaf-Werke von ad-Dimasqi und indirekt von a$-Sa‘rani; der Text des 
ad-Dimasqi stimmt auf weite Strecken wo6rtlich und fast wo6rtlich mit 
ihm tberein und unterscheidet sich fast nur durch Weglassen der 
grammatischen Bemerktmgen, die mit dem Thema kaum Niheres zu 
tun haben. Die Handschriften Azhar 22642 und ebd.. riwaq al-atrak. 
‘lm ‘amm 1650 bieten eine zweifellos echte, lingere Einleitung, die in 
den andern am Anfang vollstiindigen Handschriften (iiber Wehbi 411 
kann ich keine nahere Angabe machen) fehlt. Das Werk wird fast 
durchweg mit des Verfassers weit bekannterem al-ifsah ‘an ma‘ani as- 
sihah verwechselt; ein kiinstlicher, unbegriindeter (vgl. Votters zu Ref. 48) 


Aus den Bibliotheken von Nonstantinopel wnd Kairo, 45 


Harmonisierungsversuch ibn Suhbas bei IIH II 620. Vgl. Br. | 408. 11, 2. 
wo Ref. 49 nachzutragen ist (ebd.1 ist der Titel irrttimlich; vgl. Br. [158): 
Kerry, ZDMG 1901, 62 Anm. von S. 61: at-Tabart, kitab ihtilafal-tuqaha’ 
ed. Kery, Vorwort S. 7: WHI 195 f3; 318: V 32 und oben zu Nr. 23. 


33. Gamal al-islam abul-Muzaffar As‘ad ibn Muhammad ibn al-Iasan al-Karabisi an- 
Naisaburi (st. 750): kitab al-furuq fil-furu’. 

Ag. Bibl. figh hanafi 293: gréBere, dicke Handschrift von angeblich 191 Blatt, 
unschéne, aber i. a. deutliche Schrift (mit spiiteren Verbesse:ungen) von 
606 (Datum spiiter in 622 geandert). unsauber, nicht durchweg gut er- 
halten. 

Garullah 821: 100 Blatt gréBeren Formats yon 1007. 

Ag. Bibl. fiqgh hanafi 292: gréBere, dickere Handschrift von angeblich 283 Blatt 
von 1207: scheint Kopie der Handschrift 293. 

Azhar, riwaq as-Sauwam, Sail ‘Abdarrahman Adib, fiqgh hanati .99: mittel- 
grobe, mitteldicke Handschrift. etwas tliichtige Schrift etwa des 10.11. Jahr- 
hunderts. das erste und das letzte Blatt fehlen. 

[Nureddin fiqh 104 (unvollstiéindig).] Vgl. Islamica IT 508. 2. 


34. Muhammad ibn Mahmud ibn Husain al-UsturtSani (st. 632): kitab al-fusil. 
Seraibibliothek 821: das genannte Werk. 
Ebd. 822: dasselbe Werk. 
Ebd. 823: dasselbe Werk. nicht vollstindig. 
Nur-i “Otmanie 1772: 359 Blatt grofen Formats. nicht jung. am Ende und 
einige Male in der Mitte unvollstindig, doch kann nicht sehr viel felilen. 
Ehd. 1773: 447 Blatt groBen Formats. nicht jung. am Ende anscheinend 
unvollstandig. 
[Wehbi 570: Garullah 822.| Handelt in 30 fusul iiher Richter und 
Gerichtsverfahbren. Vgl. Br. I. 380. 35, 2. 


35. Sadr as-Sari‘a al-auwal Ahmad ibn ‘Ubaidallah ibn [brahim al-Mahbabi (ebte um 
630): kitab talqih al-uqul fil-fturugq bain ahl an-nuqul. 
Seraibibliothek 11$1, 2: das ganze ein mittelstarker Band kleineren Formats 
yon 1003; unser Werk etwa doppelt so dick wie das vorhergehende (Nr. 28). 
Wehbi 467, 1: 130 Blatt kleinen Formats. 
|Sehid ‘A Pasa goo.] Vgl. Islamica II 509. 3. 


36. Zain ad-din abul-Fath ‘Abdarrahim ibn abi Baker ibn ‘Al ibn abi Bakr ibn “Abdal- 
galil al-Marginani as-Samarqandi ar-Risdani (oder ar-Ristam1) al-fmadi (st. um 670): 
kitab fusul al-ibkam fi usal (oder ahbwal) al-abkam (beendet 651). 

Jeni Gami’ Il 148: dicke Handschritt groBen Formats von 887. 

Nur-i ‘Otmanje 1774: 383 Blatt gréBeren Formats von g43. ziemlich gut 
erhalten. 

‘Asir If 112: 348 Blatt gréBeren Formats von 997. 

Seraibibliothek $24: dasselbe Werk. 

Ebd. 825: dasselbe Werk. 


46 J. ScuHAcutT: 


Ebd. 826: dasselbe Werk. 
[Molla Celebi 81; Sehid ‘Ali Pasa 903. 904; Garullih $23(2). 824.] 
Handelt in 40 fusul iiber Richter und Gerichtsverfahren. Wie der Ver- 
fasser im Nachwort sagt. hat er das von seinem Vater begonnene Werk 


vollendet. Vgl. Br. I 382, 45. wozu auch ebd. 402 Anm. zu stellen ist: 
HU IV 440. 


37. Sihab ad-din abul-‘Abba’s Ahmad ibn Idris ibn ‘Abdarrahman as-Sinhagi al-Qaratl 
(st. 684): kitab anwar al-buruy f1 anwa’ al-furuq. 
Weheddin 1031: 234 Blatt groBen Formats. Besitzvermerk von 961, hat 
durch Feuchtigkeit stellenweise ziemlich gelitten. 
Vgl. Islamica II 500. 5. 


37a. Auszug (vollendet 712) von Sams ad-din abu ‘Abdallah Muhammad ibn abil-Qasim 
ibn ‘Abdassalam at-Tunisi (st. 715). 
Azhar 3954: kleinere, aber sehr dicke Handschritt von angeblich 265 Blatt, 
groBe, nicht sehr tibersichtliche, unvokalisierte Schrift von 728, aus dem 
Autograph des Verfassers abgeschrieben. 
Ebd. 15936: groBe, dicke Handschrift von 1250. Abschrift aus dem vorher- 
gehenden Manuskript. 
Das Werk bietet 274 furuq. meistens recht kurz. 


Die Handschrift ‘ASIR 1 1148,7 (das Ganze ein nicht sehr starker 
Sammelband kleineren Formats) sollte nach dem Inhaltsverzeichnis auf 
fol. 128—130 al-furuy lil-Qarafi muhtasara enthalten, es fehlen aber 
gerade die betreffenden Blatter. Vielleicht lag hier dasselbe Werk vor 
wie AG. BIBL. MAGAMI' 484, wo gegen Ende die kurze anonyme 
risalat al-farq bain al-hukm bis-sihha wal-hukm al-migib steht; es ist keine 
eigentliche furug-Schrift. sondern behandelt nur das im Titel angegebene 
Thema: scheint Autograph des Verfassers zu sein. 

Anhangsweise erwihne ich noch das anonyme 4itab al-istihsan, eine 
kurze risala an zweiter Stelle des Sammelbandes AG. BIBL. MAGAMI 
377; sie behandelt nach Kapiteln des fijh geordnet die Falle, in denen 
istihsan vorkommt, unter Angabe der parallelen normalen Falle und 
ahnelt dadurch der turny-Literatur: aus spiterer Zeit stammend. 





37b. Glosse des Sirag ad-din abul-Qasim (asim ibn ‘Abdallah ibn ag-Sat (st. 725) zum 
Werke des al-Qarafi mit dem Titel kitab idrar as-Suruq ‘ala anwa’ al-furtq. 
[Nureddin figh (809) (unvollstindig).] Vgl. Islamica II 509, 5. 


88. Gamal ad-din abi Muhammad ‘Abdarrahim ibn al-[lasan ibn ‘Ah ibn ‘Umar ibn 
‘Ali ibn Ibrahim al-Qurasi al-Umawi al-Asnawi (st. 772 oder 777): kitab matali‘ 
ad-daqa’iq fi tahrir al-Gawami’ wal-fawariy. 

Ag. Bibl. fiqh Safi'l 277: gréBere, diinmnere Handschritt von angeblich 64 Blatt, 
etwas fliichtige, aber deutliche Schrift von 872, mit starken Ktirzungen 


des Textes, so da®B oft nur die Uberschriften dastehen. 


fond 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 47 


Ebd. go1: angeblich 102 Blatt. schéne Schrift etwa des 10. Jahrhunderts. 
Besitzvermerk von 1109. am Ende unvollstiindig; ehemals schéner. sehr 
schlecht erhaltener Einband; hier dieselben Textkiirzungen wie in 277. 
so dal} beide Handschriften niher verwandt sein miissen. 

Von dem Werk existicrt eine moderne hektographische Vervielfaltigung 
von 200 Seiten gr. 8° (zwei Exemplare ebd. 1421 und usul al-fiqh 372 
vorhanden). Vgl. Islamica II 510, 14. 


39. Ibrahim ibn ‘Ali ibn Muhammad ibn Farhun (st. 799): durrat al-gauwas. 
Taimur magami 319: fol. 181—254 des Sammelbandes unser Werk, schiine, 
groBe. vokalisierte, nicht ganz Junge Schrift. 
Juristisches Ritselbuch; den Titel habe ich in der von der Hand- 
schrift gebotenen Form heibehalten. Vgl. Br. If 176 oben 3. 


40. Sams ad-din Alimad ibn Ibrahim ibn an-Nahhas ad-Dimasqi (st. 81.4): masari‘ al- 
aswaq ila masari’ al-‘ussaq wamutir al-garam ila dar al-islam (verfabt 812). 
Ibrahim Pasa 400: mittelstarke Handschrift groBen Formats von 845. 
Huda’ figh 58: dicke Handschrift groBen Formats, vokalisierte Schrift von 
$56, recht schénes Exemplar. 
Seraibibliothek 649: zwei stiirkere Foliohandschriften, kalligraphisch hervor- 
ragende Schrift von 877, sehr schéne Ledereinbinde. 
Esmahan 105: recht schéne, dicke, gréBere Handschrift von 927. 
Welieddin 826: schéne Handschrift von angeblich 492 Seiten, kollationiert. 
[Seraibibliothek 648. 2407 (vgl. Rescuer, RSO 1911, 723 Nr. 103).| 
Das Werk stellt hauptsichlich Traditionen aller Art uber die Verdienst- 
lichkeit des gihad usw. zusammen, behandelt daneben auch Historisches 
und Juristisches; wegen der alten exzerpierten Traditionssammlungen, 
die z. T. verloren sind, wertvoll: vgl. Catalogus Leiden’ Nr. 1853; 
Br. Il 76, 12, 1 (lies Wien 1414; zum Druck und zur Ubersetzung vel. 
aber unten); Rescuer MO 1913, 126 Nr. 3517. 


40a. Auszug des Verfassers mit dem Titel masariq al-aSwaq. 
Seraibibliothek 637: diinnere Handschrift gréBeren Formats. 
[Sehid ‘Ali Pasa 555.] Gedruckt Bulaq 1242 ohne Seitenzihlung. Die 
Isnade sind stets weggelassen, auch der Teil der Vorrede, der die Quellen 
anftibrt, fehlt. 


Ein anderer Auszug von Malmud al-‘Alim ist Bulaq 1290 gedruckt. 





AOb. Kiirzende Ubersetzung des Mahmud ‘Abdalbay1, genannt Baqi (st. 1008) mit dem 
Titel fada’il al-gihad (vollendet 975). 
Seraibibliothek 2604: schéne, mitteldicke Handschrift gréBeren Formats, Ab- 
schrift von Waisi von 975, dem Jahr der Ubersetzung. 
Hasan Pasa 336: recht schéne, dickere Handschrift gréBeren Formats aus 
der ersten Halfte des 12. Jahrhunderts. 


JScHacnr: 


Nur-i “‘Otmanije 1191: mittelstarke, schéne. kalligraphische Handschrift gri- 
Beren Formats in Sehwarz. Rot, Blau und Gold mit goldener Seitenein- 
fassung von i. a. guter Erhaltung (z. T. wassertleckig), schéner Lederein- 
band mit Goldpressung. 

[Revan-Kiosk 363. 623; Jyldyz 15333: Melmed RaSsid 673.] Die 
Ubersetzung gibt nicht die kiirzere Rezension des Verfassers wieder. 
sondern bildet einen selbstandigen Auszug ‘Abdalbaqis aus dem lingeren 
Werk: die Isnade fehlen auch hier. Vgl. Br. If 76, 12, 1. 


Zur Kennzeichnung der literarischen Tradition, in der ad-Dimasqi steht. 
fiihre ich noch einige weitere Werke tiber den gihad an: 

1. fadail al-gih@d von abul-Mahasin Jisuf ibn Rafi’ ibn Saddad 
al-Mausili (st. 632: vgl. zum Autor Br. I 316): KOPRULU 764 (63 Blatt 
kleinen Formats, Ta‘lq, enthilt Traditionen); 

2. kitab al-igtihad fi fudl al-gihdd vou abul-Fida’ Isma‘il ibn “Umar 
ibn Katir ad-Dimasyi (st. 774: vgl. Br. I 49. 8, 4): KOPRULU 234 
(128 Blatt von 636, zwei verkehrt zusammengebundene Tcile; enthilt 
Traditionen): WELIEDDIN 468 (recht schéne Handschrift von 343 Blatt 
von 848, anonym. dasselbe Werk enthaltend?): 

3. risdlat al-irsad ila fud@il al-gihad, anonym, dem Sultan Bajazid II 
gewidmet: SERAIBIBLIOTHEK 2674 (schéne, diinnere Handschrift 
gréBeren Formats, groBe. weite Schrift, kleiner Spiegel): 

4. fud@il al-gihad vor Muhammad ibn Ibrahim al-Husaini: 
HAMIDIJE HW 61 (54 Blatt Kleineren Formats, Original des Verfassers 
von 1019): 

5. fad@il al-gihad. anonym: WEKIM OGLU 560 (kleinere. aber dicke 
Handsehrift von 1063. tiirkischer hoher Stil); 

6. risale-i gihad von Mustafa ibn Muhammad si Sl Agazade: 
‘ATIF 443 (sehr diinne Handschrift mittleren Formats mit kleinem Spiegel. 
enthalt Traditionen in 10 Kapiteln). 

[Vgl. auch Revan-Kiosk 364 (mirgat al-gihad von ‘Ali Effendi); Jvldvz 
15725 (titrkisch): Mesil Pasa 77; Nehid ‘Al Pata 519 (tada‘il al-gihad 
von Malmud mugawir Makka) = Huda’ fiqh 23 (fata il al-gihad von Saib 
Mahmud Effendi Misri)?; ‘Ah Emir, tiirkisch 508: Garullah 396 (fada‘il 
al-Zihad von Garullah selbst) ).] Gedrueckt: nail al-irsad fil-gihad von Wusain 
ibn Hasan al-Aqhisari (Ah Emini, tiirkisch 509); mawda‘iz al-gihal 
wad-din von Hafiz ‘Izzet Effendi (ebd. 510); ‘wmdat al-gihad von 
EskiSehirli Mehmed Emin Effendi (Jyldyz 15759): cubdat al-murad 
jil-gihad von Muhammad Fikri ibn Husain ibn Ramadan al- 
Qaisari (ebd. 15760). 


M41. ‘Abdalbarr ibn Muhammad ibn Muhammad ibn a8g-Nilina (st. 921): ad-daba‘ir al- 
asrafija fil-algaz al-hanafija. 
Taimur fiqh 86: mittlerer Band von 290 Seiten von 1287, etwas steife, aber 
deutliche Schrift. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo, 49 


Wehbi 467, 3: ea. 130 Blatt kleineren Formats. 

Ag. Bibl. fiqh hanati 36: 62 Blatt kleineren Formats, auf dem letzten kiinst- 
lich zum AbschluB gebracht, ha8liche, nicht immer korrekte Schrift; das 
letzte Kapitel »masail fima junsab ilal-imam al-a‘'zam« sollte nach dem 
Inhaltsverzeichnis auf Blatt 73 beginnen. 

Der Vertasser sagt in der Einleitung, da®8 er von keinem »unserer 
Imame« eine eigene Schrift tiber die Rétsel gefunden habe als von 
ibn al-‘Izz mit dem Titel at-tahdib lidihn al-labib (vgl. HH I 483). aus der 
er verschiedenes zitiert: ihr letzter Abschnitt habe tiber Fragen gehandelt, 
auf die man keine einfache Antwort geben diirfe, sondern unterscheiden 
miisse (vgl. al-Qazwim, kitab al-hijal fil-figh ed. Scuacur VI 1. 15ff.). 
Die Ritsel beriihren sich bisweilen mit furng: bald am Anfang erwahnt 
der Verfasser seinen eigenen Kommentar zu seiner manzuma fil-furuq. 
Vol. Bee S3--275- 3: 


42. Fudail ibn ‘Ali ibn Ahmad ibn Muhammad al-Gamali al-Bakri (st. 991): adab al- 
ausija . 

Wamidiye I 73: 68 Blatt kleinen Formats von 970. 

Taimur figh 291: kleine Handschrift von 121 Blatt, schénes Ta‘liq von 1065, 
Stichwérter am Rande hervorgehoben, hiibscher Einband; am SchluB eine 
kurze Biographie. 

Jvldyz 9931: 117 Blatt mittleren Formats von 1042, am Anfang eine kurze 
Biographie. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 4¢: kleine Handschrift von 9o Blatt, kleine, ta‘liqartige 
Schrift von 1070. im oberen Teil durch Wasser beschiidigt, schéner Fin- 
band: am Anfang Kapitelverzeichnis und eine kurze Biographie. 

‘Atif 1097: 137 Blatt kleinen Formats von 1077. 

Azhar 7558: mittelgroBe, mitteldicke Handschrift von 1287. 

Jvldyz 9999, 1: 130 Blatt kleineren Formats. am Anfang eine kurze Bio- 
graphie. 

Wehbi 537, 1: das ganze eine diinnere Handschrift mittleren Formats. 

‘Atif 727, 3: 77 Blatt mittleren Formats, ziemlich kleiner Spiegel, am SchluB 
eine kurze Biographic. 

Mehmed Murad 734 (720), t: 91 Blatt kleineren Formats. 

Ebd. 735 (721): 162 Blatt kleinen Formats, am Anfang eine kurze Biographie. 

[Nehid ‘Ah Pasa 686; Garullah 572. 814: Iliisein Celebi tiqh S6.| 
Gedruckt am Rande des gami’ al-fustlain des Badr ad-din. Der Verfasser 
hat das Werk als Qadi von Mekka zusammengestellt. HH I 218 schreibt 
es failschlich seinem Vater “\la’ ad-din “Ali zu, ein Versehen, das bisweilen 
in die Kataloge und auch in Br. Il 431, 3. 1 eingedrungen ist. Zum 
Autor ygl. ebd. 434, 14. 


43. Ders.: kitab ad-damanat fil-furu‘. 
Seraibibliothek 886: das genannte Werk. 
‘Umumi 2676: dasselbe Werk. 
Ebd. 2677: dasselbe Werk. 
Gedruckt zusammen mit Nr. 45. Das Werk handelt tiber die ver- 
schiedensten Arten von daman und ist aus Zitaten aus vielen Fig h- 
schriften zusammengesetzt. Vgl. Br. II 434, 14, I. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 8. 


~~ 


50 


44, 


46. 


47. 


48. 


J.Scuacut: 


aba Muhammad Ganim ibn Muhammad al-Bagdadi (um 1030): adab al-ausija’. 


Mehmed Murad 734 (720), 2: 28 Blatt von 1021 (andere Hand als in dem 
Nr. 42 enthaltenden ersten Teil). 


Zum Autor vgl. Br. Il 374 $4 A2. 


Ders.: kitab ad-damanat fil-furu’ (verfaBt 1027). 

[Qasidesizade 250; Garullah 815; Nureddin figh 529.| Gedruckt zu- 
sammen mit Nr. 43, der es sich in der Anlage eng anschlieBt. Uber- 
haupt scheint die Schriftstellerei des Ganim durch die des Fudail be- 
einflubt (Nr. 44 und 42). Vgl. Br. If 374 $4 Az. 


Ders.: kitab malga’ al-qudat ‘ind ta‘arud al-baijinat. 
Wehbi 537. 2: das genannte Werk. 
Vgl. Br. I 374 $4 At. 


Abdalkarim ibn Muhji ad-din ibn Sulaiman ibn ‘Abdarrahman ibn ‘Abdalhadi ibn 
‘Al ibn Muhammad ibn Zaid ad-Dimasqi al-Garra‘l (st. 1161): hiljat at-tiraz fi 
hall masa‘il al-algaz. 
Ag. Bibl. magami’ 228, 2: das Werk steht auf fol. 89132 des mittelgroBen 
Sammelbandes, kleine, dicke Schrift von 1050. 
Ebd. fiqgh hanbali 55: mittelgroBer Band von angeblich 49 Blatt von 1073, 
schéner Einband. 
Zum Autor vgl. Gamil Effendi as-Satti, muhtasar tabaygat al-Hanabila 
(Damaskus 1339) 123. 





Anhangsweise sei auf eine Ritselsammlung aut’ dem Gebiet der 
Traditionswissenschaft hingewiesen: AG. BIBL. MAGAMI' 28¢  stehen 
ziemlich am Ende cles kleineren. diinnen Sammelbandes von angeblich 
77 Blatt auf drei Seiten mus@il ju'aja biha fi ‘ilm al-hadit, Fragen nach 
besonderen Kuriosititen mit Antworten, anonym. 





Said ibn ‘Ah as-Samaryandi al-Manafi: gannat al-ahkam wagunnat al-bussam. 

Jeni Gami‘ 1186, 3: 103 Blatt aus einem dicken Sammelbande mittleren 
Formats, kleinere, saubere Sehrift. 

Sehid ‘Ali Pasa 736: 67 Blatt ziemlich groBben Formats, oben innen durch 
Wasser beschidigt. 

Ag. Bibl. figh hanafi 34¢: 113 Blatt kleineren Formats, nicht sehr alt; die 
Quellenangaben bei den einzelnen Fragen fehlen durehweg. 

Azhar 17589: groBe, mitteldicke Handschrift, urspriinglich Teil eines Sammel- 
bandes, deutliche Schrift etwa des 9./10. Jahrhunderts. 


Das Werk gibt eine Auswahl aus den friiheren hijal-Schriften. Autor 
und Werk bisher nur aus HH II 631 bekannt. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Katro, do] 


49. Anonymus, kitab al-isarat. 

Ag. Bibl. fiqh hanafi 806: recht groBe, dicke Handschrift von 595, am An- 
fang unvollstindig und in den ersten Blittern gréBere Liicken; der Titel 
steht durch die Unterschrift fest. 

Alteres hanafitisches Ibtilaf-Werk: auBer abu Hanifa, abu Jusuf und 
as-Saibani werden noch Zufar. Malik und as-Safi‘l dfter genannt; am 
Anfang der einzelnen Abschnitte wird meist der Ihtilaf kurz ausein- 
andergesetzt. dann dic eigene Ansicht ausfiihrlich begriindet. Vg]. Kerry, 
ZDMG rgo1, 62 Anm. von S. 61. 


50. Anonymus, kitab al-ibtilaf. 
Ag. Bibl. figh hanafi 1724: groBe Handschritt von angeblich 142 Blatt mit 
groBer. deutlicher Schrift von 657. Titelblatt spater ergiinzt. 

Der im Katalog als Verfasser genannte ea ist nur der Schreiber, 
der Titel kitab iltilaf as-sahaba wat-tabiin ist nur aus den Anfangs- 
worten rekonstruiert. Auf dem Vorsatzblatt fHlsehlich mit dem kitab 
ralmat al-umma von ad-Dimasqi identifiziert. Das Werk bringt zuerst 
die betr. Hadite. dann die Ansichten der Juristen, nicht bloB die in den 
madahib maBgebenden; nicht ganz alt. aber doch nicht unwichtig. 


Werke tber surut. 


51. Galal ad-din abii Nasr Almad ibn Rukn ad-din Muhammad ibn Almad ibn ‘Abd- 
arraliman ibn Ishaq al-‘Imadi al-Fathabadi at-Targumani ar-Rigdamuni (st. 493): 
gurar as-Surut wadurar as-sumut. 

Qylyé ‘Al Pasa 480: 252 Blatt gréBeren Formats von 883. 
Jeni Gami‘ 515: etwa 350 Blatt gréBeren Formats von 939, eigenartiger 
Schriftduktus. 
Q@ara Mustafa Pasa 239: gréBere. dicke Handschrift von 954. 
Es'ad 722: 254 Blatt gréBeren Formats von 974. 
Jeni Gami’ 516: 200-—250 Blatt griseren Formats, etwas flichtige Schrift, 
stellenweise schlecht erhalten. 
Seraibibliothek 1033: gréBere. dickere Handschritt. am Ende vollstindig? 
Aja Sofia 1040: angeblich 224 Blatt gréBeren Formats. 
Sehid ‘Ali Pasa 920: 199 Blatt groBen, hohen Formats, verschiedene Hinde, 
am Ende jiinger ergénzt; am Ende vollstindig? 
Das wichtige Werk gibt nicht blo Surut, sondern behandelt auch 
Rechtssitze und fiigt technische Anweisungen bei. Vgl. WH IV 46, 
zum Autor auch ‘Abdalyadir I Nr.183. 


52. Darwis Timurtaszade al-[anafi: sakk. 
Es‘ad 3612.13: 80 Blatt kleineren Formats von 1084. 
Tiirkische Urkunden. Mit dem Br. Hf 311, 5 behandelten at-Timir- 
tasi nicht identisch. 


Qu 


bo 


J. ScHACHT: 


53. Badr ad-din abu Muhammad al-Hasan ibn ‘Umar ibn Habib ad-Dimasqi al-Halabi 
(st. 779): kasf al-murut an mahasin as-Surut. 

Siileimanije 569: 170 Blatt kleineren Formats, 773 von einem Hanafiten 
aus dem Original des Verfassers abgeschrieben, trigt hier den Titel surut 
al-masa‘il. 

Taimur figh 312: kleinere Handschrift von 480 Seiten, schéne, groBe, deut- 
liche Schrift von 847, das erste Blatt modern erginzt. 

{Handschrift im Privatbesitz von Rechtsanwalt G. Sata in Beirut (von 
840, an zweiter Stelle eines Sammelbandes).] Das wichtige Werk bringt 
am Anfang der einzelnen Kapitel vor den Surut noch Einleitungen; der 
Verfasser sagt in der Vorrede, daB er den Gebrauch in ag-Sa’m zu- 
grunde gelegt habe: die Formulare beginnen meist mit hada ma. Vel. 
Br. II 36, 4, 8. Ein andercs Werk desselben Autors Nr. 85. 


54. Hamza ibn Ahmad al-Qarahisari: muhimmat al-qudat lihtijagihim ilaiha {1 kull 
al-muhimmat. 

Taimur fiqgh 538: 282 Seiten kleinen Formats, fliissige, nicht undeutliche 
Schrift von 996. 

Baba Effendi magami 7.1: die ersten 78 Blatt des Sammelbandes kleinen 
Formats, am Anfang unvollstindig, setzt im fiinften Kapitel ein; Hand- 
sehrift nicht vor 1040, das als fiktives Datum einer Urkunde am Ende 
angegeben ist. 

Orhan fatawa 3: 319 Blatt schmalen, hohen Formats: unser Werk beginnt 
fol. 5b und reicht bis ca. 130; weiterhin bis zum Ende tiirkische For- 
mulare, wie auch schon auf den ersten Blattern (die Handschrift ist am 
Anfang unvollstindig) und am Rande. 

Das Werk besteht aus 10 Kapiteln und einer hatima. Vgl. HH VI 
280; Antwarpt nach 4971, Nr. 4; Wien 1800. 


55. Hidr ibn ‘Otman: sakk. 

Laleli 1096, 1: 176 Blatt kleineren Formats und Inhaltsverzeichnis, von 1136: 
étter Randbemerkungen; es folgen noch einige Formulare und (auf 19 Blatt) 
das 40. Kapitel aus dem gami’ al-fusulain des Badr ad-din tiber mahadir 
und sigillat. 

‘Umumi 2755: Fragment. nur wenige Blatter, 1150 kiinstlich zum Abschlub 
gebracht. 

‘Ah Emiri, tiirkisch, 468, 2: 177 Blatt kleineren Formats, Taly von 1160: 
es gehen vorher fetwas und qanunnames aut 45 Blatt. 

Jyldyz 15955: 138 Blatt kleinen Formats von 1186. 

‘Umumi 2765: 143 Blatt. 

‘Asir II 131: 185 Blatt kleinen Formats mit vielen Grlossen von abus-Su‘td, 
Ta hig. 

Berlin 8° 1999: 121 Blatt, Ta‘liq, am Ende unvollstiindig; vorher auf 10 Blatt 
Verschiedenes. 

[Nureddin fiqh 395.] Tiirkische Formulare. Vegl. Br. II 229 § 5. 1? 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. a3 


56. Sams ad-din al-Akrami: al-basit fif-Surat. 
(Jara Mustafa Pasa 158: mittelstarker Band, anscheinend noch zu Lebzeiten 
dles Autors geschrieben. 
Behandelt auch mehr technische Fragen, doch von den eigentlichen 
surut nicht zu trennen. Vgl. HH IV 47. 


a7. ‘Al Effendi: sukuk. 
Emir Hoga Kemankes 148: diinne Handschritt kleinen Formats. hat durch 
Wasserflecken ziemlich gelitten. 

In 9 Kapiteln ohne Vorrede. Der Vertasser nennt sich nicht. so daB 
die obige Angabe nur auf dem Katalog beruht; am Ende wird als fik- 
tives Datum einer Urkunde 999 gegeben. wahrend es sonst nur »kada« 
heiBbt. 


58. ‘Ali Himmet ibn ‘Otman $.5Y\: kitab al-mahadir was-sigillat. 


‘Atif’ 2945: ganz moderne, sehr saubere, schéne Handschrift von 246 Seiten, 
vom Verfasser gestiftet. 
Moderne Darstellung; der Verfasser war zuerst Beamter am Fetwahane 
und Lehrer an der Medreset iil-qudat. dann Qadi von Amasia. 


or 
ad 


‘Mam ad-din abul-Qasim ibn Muhammad ibn Jusuf al-Birzali (st. 739): kitab 
as-surut. 

Taimur figh 475: 29 Seiten gréBeren Formats, nicht ganz junge, grdBere 
Schrift, Ausschnitt aus einem Sammelbande; erstes Blatt z.'T. ergiinzt: Titel 
Sal cal fe pall syd (Ly! etl ase gy Ayla) bat) Span GT 

oh oN al slack bo ll 3 te jam ooo. 
Kurze und biindige Zusammenstellung. Die Formulare beginnen meist mit 
hada ma (bzw. hada kitab) oder aqarra fulan. Zum Autor vgl. Br. II 36, 3. 


60. Kakila ibn Mahmud ibn Muhammad al-Kakili: al-amtila as-Sartija fi tahrir al- 
wata iq aS-Sar aja. 

Ag. Bibl. figh hanafi 1716: angeblich 105 Blatt kleineren Formats, deutliche 
Schrift von S61. 

Ebd. 38: kleine, aber dickere Handschrift, lose im Deckel, nicht durchweg 
ganz gut erhalten, recht schwierige Schrift; am SchluB folgt ein kurzes, 
anonymes kitab as-Surut, auBerdem stehen am Anfang und ganz am Ende 
sowie auf eingefiigten Blattern Formularskizzen in sehr schwieriger Schrift. 

Ausfiihrliche und wichtige Darstellung; die Formulare beginnen, so- 
weit ich sehe, durchweg mit hada kitab. Vgl. WH1437: Antwarpr 
nach 4971, Nr. 6. 


61. al-Kattani: kitab as-Surut. 
Sehid ‘AH Paga 921: diinne Handschrift kleinen Formats von 887. 
Formulare arabisch und tiirkisch; am Anfang ein Kapitel tiber adab 
al-qad1. 


a4 J. ScHACHT: 


62. Muhammad al-Qadi biqada’ 4) (Tuzla?): magmi at sukuk Sar ‘ija ‘ala qawa‘id madhab 

al-a’imma al-hanafija (verfaBt 1172). 

Nureddin fiqgh 278: das genannte Werk. 
Der interessante Inhalt scheint z.T. tiber die andern sukuk-Biicher 
hinauszugreifen. 
63. abu ‘Abdallah Muhammad ibn Ahmad ibn ‘Abdalmalik al-Fistali (st. um 790): 
wata iq. 

Taimur figh 361: gréBere Handschrift von 320 Seiten, schdne, deutliche, 
jiingere magribinische Schrift, Uberschriften rot, Stichwérter rot oder rot 
tiberstrichen. 

Gedruckt in Fes. Das wichtige Werk bringt vor den surut oft Ein- 
leitungen und hipter ihnen stindig ausfiihrliche Erklarungen. Vegl. as- 
Sigilmasi, al-‘amalijat al-‘amma, Tunis 1290, 455; Ahmad Baba at-Tim- 
bukti, nail al-ibtihag bitatriz ad-dibag, Fes 1317, 265". 


= 


DarwiS Muhammad ibn [flatun JTursun ibn Akmal ad-din ar-Rumi al-Bursawi 
Iflatunzade (st. 937): sukuk. 

Ulu Gami® fatawh 20: diinmnere Handschrift kleinen Formats. 

Ag. Bibl. figh hanafi 1059: 36 Blatt kleinen Formats. 

Taimur figh 186,1: dinne Handschrift mittleren Formats; an erster Stelle 
auf 23 Blatt unser Werk; hiBliche, ungleichmaBige, jiingere Schrift, nicht 
durchweg leicht zu lesen, Uberschriften rot; in der Mitte Liicke. 

Arabische Formulare, die stets mit ac i io? 4m> ot (bisweilen andere 


Epitheta) anfangen. Vgl. HH IV 46. 106 (beide Notizen gehen wohl auf 
dasselbe Werk). 


65 


as-Saih Mubammad a&g-Sahir biBaldyrzade (st. 1060): sukik. 
Welieddin 1456,1: 111 Blatt, nicht vollstindig. 
Gedruckt. Urkunden arabisch, Einleitung tiirkisch. Vgl. Perrscn 138; 
Rrev ture. 16f. (Or. 1142). 


66. Muhammad ibn Sa‘d ibn ‘Abdallah ibn abi Bakr at-Tamimi al-Maliki: zubdat al- 
haga iq fi ‘umdat al-wataiq (verfaBt 975). 
Taimur figh 308: 242 Seiten mittleren Formats, nicht durchweg ganz gut 
erhalten, magribinische Schrift von 1018; es folgen noch weitere Surit. 
Wichtiges Werk, das iiber die Surut im engeren Sinne hinausgreift. 
Vgl. Leiden® 1852. 


67. Muhammad Sadiq ibn Mustafa ibn Turaqzyzade Ahmad Sanizade: bada’i‘ as-sukik. 
‘Umumi 2675: 213 Blatt. 
Gedruckt am Rande des gami‘ anwar as-sukuk walami‘ ad-dija’ lida- 
wis-Sukuk von Jusuf Zija’addin (539 S. gr. 8°, Konstantinopel 1284). 
Formulare tirkisch, Text arabisch; z. T. von seinem Vater und Lehrer 
herriihrend. Mit dem Werk des Sani (Nr. 69) nicht identisch. 





1 Diese Angaben und die korrekte Form seines Namens verdanke ich Hrn. Dr. Préssrer. 


Aus den Bibliotheken von Nonstantinopel und Kairo. aD) 


68. Muhammad ibn ‘Abdallah Musazade: sakk. 


Handsechrift von 314 Blatt mittleren Formats von 1134 in meinem Besitz: 
es folgen noch fatwas von abus-Su‘ud. 
Qasidegizade 295: 241 Blatt mittleren Formats von 1201; es folgen noch 
einige weitere Urkundenformulare. 
‘Umumi 2674: 194 Blatt kleinen Formats. 
[Jyldyz 15797; Mehmed Rasid 265; Nureddm fiqh 442 (von 1190); 
Berlin 2° 4071. 8° 2200.] Gedruckt. Text arabisch, Urkunden tiirkisch. 


69. Muhammad ibn Darwis Muhammad al-Edrenewi at-Tana’i Sani: sakk (verfaBt 1024). 

Esad 810: 149 Blatt kleineren Formats, z.T. stark wassertleckig; es folgen 
noch andere Formulare auf 10 Blatt von 1054. 

Mehmed Murad 999 (984): 158 Blatt kleinen Formats. am Anfang stark 
beschiidigt. 

‘Umum 2756: bis fol. rorb stehen tiirkische Formulare, ohne Vorrede o. i.. 
anonym; der Autor scheint aus Adrianopel, da es in den Formularen 
hiufig genannt wird; vielleicht unser Werk enthaltend: es folgen noch 
weitere sukuk und Varia. 

Berlin 8° 1981: 126 Blatt, am Ende unvollstindig. 

Ttirkische Formulare. Mit dem Werk des Sanizade (Nr. 67) nicht 
zu verwechseln. Vel. HH IV 106; Browne, Cambridge. Handlist 1350: 
Rieu ture. 16f. (Or. 1142). 


70. Muhammad ibn Mustafa ibn Mabmiud al-Istamboli Hagibzade (st. 1100): bida‘at 
al-hukkam f1 ihkam al-ahkam. 

Qursunlu Oglu 81: 191 Blatt mittleren Formats, kleine, hiGBliche Schrift 
von 1098, am Ende oben durch Wasser beschiidigt. 

Weheddin 1555, 3: auf fol. 76—94 ein Fragment, nur die Einleitung und 
die Behandlung Auferlicher formaler Dinge wie Titel usw. enthaltend. 

‘Umum 2754: 123 Blatt, z. T. durch Flecken unleserlich geworden. 

Jyldyz 15808: 207 Blatt kleineren Formats, nicht durchweg ganz leicht 
zu lesen. 

Orhan fatawa 12: nimmt etwa die Halfte des mitteldicken Bandes mittleren 
Formats ein, am Ende vollstindig?; vorber und namentlich nachher Ver- 
schiedenes. 

[Jyldyz 15971; ‘Al Emir, tiirkisch 470; Nureddin fiqh 65 (angeblich 
»t12t aus der Handschrift des Hagibzade aus der Handschrift des 
Verfassers kopiert«). 279 (angeblich von 1174). 406.450 (angeblich 
von 1108).] Gedruckt? Arabische und tirkische Formulare. Vgl. HUIV 
107; zum Autor auch Br. II 424, 6. 


71. Pir Muhammad ibn Musa ibn Muhammad al-Bursawi as-Safi'i Kil Kedisi (st. 982): 
bida‘at al-qadi lihtijagihi ilaihi fil-mustaybal wal-madi. 
Esmaban 216, 1: sehr enge Schrift, daher diinn; es folgen zwei fatwa-Samm- 
lungen, beide am Anfang unvollstindig, und Verschiedenes. 
Hiisein Celebi fatawa 8: diinnere Handschrift mittleren Formats, nicht be- 
sonders alt. 


56 J. ScHAcHT: 


Haraggizade fiqgh 224, 2: das ganze eine kleine, diinnere Handschrift. ziem- 
lich gefallige, aber jiingere Schrift. 
Taimur adab, magmu’ 681: Teil eines Sammelbandes: Alter als das folgende 
Exemplar, aber nicht vollstandig. 
Ebd. fiqgh 273: 68 Seiten kleinen Formats, ziemlich kleine. ta liyartige, nicht 
ganz junge Schrift. 
[Wehbi 551.] Vgl. HH Il 56; Br. If 433, 11 (f&lschlich unter den 
Hanafiten); AmnLwarpt 4967; Gotha 1134; Krarir 462; Leipzig Rats- 
bibliothek 213; Leipzig Vot.ers 866 II. 


72. Mustafa ibn ag-Saih Muhammad: raudat al-qudat ftil-mahadir was-sigillat. 
‘Umumi 2670: 176 Blatt, 1157 (oder 1159?) gestiftet, am Ende unvoll- 
stiindig, doch kann nur sehr wenig fehlen: sehr viele von Benutzern hin- 
zugefiigte Randglossen, die die Bedeutung der Formulare erkliren. 
{Nureddin figh 407.] Gibt tiirkische, bisweilen auch arabische For- 
mulare, je nach dem praktischen Gebrauch in Rum. 


73. Nu'man Dabbagzade (um 1200): tuhfat as-sukuk. 
“Asir Il 112: 241 Blatt mittleren Formats von 1237. 
Gedruckt nach dem Original des Verfassers. iiber den am Anfang 
einige biographische Daten mitgeteilt werden, Konstantinopel 1259 
(417 S.). Einleitung arabisch, Formulare tiirkisch. 


74. Anonymi iiber Surut. 

A. Jyldyz 15939: ganz diimne Handschrift kleinen Formats, enthalt das 9. und 

10. Kapitel, anscheinend das Ende, eines sukuk-Werkes; Formulare tiirkisch: 
auch am Rande stehen suwar. 

. Ebd. 15951: ganz diinne Handschrift kleinen Formats, verschiedene tiirkische 

sukuk und Kleinigkeiten enthaltend. 

. Stileimamije 1063: diinnere Handschrift kleineren Formats, Werk iiber tiirki- 

sche Formulare, Anfang der Vorrede fehlt. 

D. Es’ad 807: mittelgroBe, diinnere Handschrift, ziemlich kleine, nicht leicht 
lesbare Schrift; enthalt im Text und am Rande tirkische sukuk, Anfang fehlt. 

E. Ebd. 808: schéne, dickere Handschrift mittelgroBen Formats, arabische surit. 

F. Ebd. 3070, 4: verschiedene Formulare und Kleinigkeiten. 

G. Ebd. 3368: 29 Blatt hohen Formats, tiirkische Formulare. 

H. ‘Ah Emin, tiirkisch, 471.1: das Ganze 27+14 Blatt kleinen Formats, an 
erster Stelle tiirkische Urkundenformulare von 1084, an zweiter Stelle ein 
qanunname. 

I. Mehmed Rasid 281: 19 Blatt kleinen Formats, tiirkische, bisweilen auch 
arabische Urkunden in 7 fusul; vorher Kleinigkeiten, es folgen verschiedene 
rasail und Varia: am Ende ist die Handschrift nicht vollstindig. 

‘Atif 2819, 6: 11 Blatt kleinen Formats, ein Werkchen, das ebenso beginnt 
wie das in der vorhergehenden Handschrift vorliegende, aber nur 5 fusul 
umfaBbt. 

Anfang: #6 (sic) Sidhe logeye G5lo9 DUC Sle sl a> 3 elt ae Yar 
Gb} 25531 (sic) ela fle GUE. 


Aus den Bibliotheken von RKonstantinopel und Kairo. a7 


K. Mahmud Pasa 251: 150 Blatt gréferen Formats von 752, am Anfang un- 

vollstiindig, doch kann nicht viel fehlen: arabische Formulare. 

Ag. Bibl. adab 4158: angeblich 57 Blatt kleineren Formats, ohne Vorrede 

(selbst ohne basmala) und SchluBformel: aus tiirkischer Zeit. fiktives Datum 

eines Formulars 1114; Titel: al-imda’ fi awa il as-sigillat. 

Enthalt meistens nur Stilistisches, aber bisweilen auch Formeln. die 
fir die Surut in Betracht kommen. 

Taimur fiqh 363: groBer Band von 398 Seiten, etwas verschnoérkelte. aber 

doch deutliche und nieht schwere, iltere Schrift: Titel von erster Iand: 

(sie) Mba) joe) Syke] Led) at Let SF Montes Segall Val gb) OL, 

Behandelt neben den Surut auch die sonstige Rechtspraxis in 58 Ka- 
piteln und weiteren ungezihlten Abschnitten: der anonyme Verfasser 
scheint Safiit, beriicksichtigt aber den Ihtilaf ausfiihrlich. 

N. Ebd. magami 138: grépere, mitteldicke magribinische Sammelhandschrift mit 
bemerkenswertem Einband; $8. 195—217 die al-wata iq al-fa’sija in nicht ganz 
junger magribinischer Schrift, ohne Vorrede beginnend, auch am Ende un- 
yermittelt abbrechend; Uberschriften rot. 

Vgl. Gotha 1131. 

QO. Nureddin fiqh 170: megmu‘a-i sukuk-i Sar‘ije, tirkisch. ein Formular fiktiv 
auf ro40 datiert; auBberdem enthilt die Handschrift verschiedene, aus anderen 
(Juellen exzerpierte suwar. 

P. Ebd. 306: sukuk-i Sarije. tiirkisch. Handschrift von 1195. 


L 


= 


Vgl. Nr. 26. at-ahawi (st. 321 0. a.): kitab ag-Surut al-kabir. 
Nr. 27. ders.: kitab as-Surut as-sagir. 


Il. Hadit 
(soweit nicht schon beim fiqh behandelt). 


75. ‘Abdallah ibn Humaid (st. 249): al-musnad. 
Aja Sofia 894: recht schéne Handschrift grofen Formats von angeblich 
204 Blatt. 1090 in Konstantinopel geschrieben. 


Vgl. Br. I 157, 2 (die dort angefiihrte Handschrift Jeni Gami’ 568 
enthalt in Wirklichkeit Nr. 4). 


76. ‘Abdallah ibn Muhammad ibn abi Saiba (st. 264): al-musannaf. 

Ng. Bibl. hadit 848: groBe Handschrift von angeblich 175 Blatt, recht schéne, 
grofBe, stark vokalisierte Schrift von 713: am Anfang unvollstindig, z. T. 
Schiden am oberen Rande (am letzten Blatt Textverlust): letzter Band 
des Werkes. 

Nur-i “Otmanije 1215—1221: vollstindiges Exemplar: a) mittelstarker Band 
gréberen Formats, nicht jung. recht gut erhalten, schiner Ledereinband. 
Blatt 1—18 spiter ergiinzt, bricht unvermittelt ab; b) deckt sich am An- 
fang ein kleines Stiick mit dem Ende von a), enthalt zwei »Teile«: ¢) an- 
schlieBend, enthalt zwei »Teile«: d) anschlieBend, enthalt einen »Teil«: 
e) Handschrift von 1088, wohl anschlieBend, enthalt einen »Teil«; f) schéne, 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 8 


D8 J. Scuacur: 


alte Handschrift, anschlieBend, enthalt einen »Teil«: g) Handschrift von 
1O88. anschlieBend, enthélt einen »Teil«, das Ende des Werkes: die ein- 
zeluen Binde stammen von verschiedenen Handen, manches ist nachtrig- 
lich erginzt: aus mehreren Exemplaren zusammengesetzt. die verschieden 
abgeteilt waren, daher Unstimmigkeiten in der Zihlung der »Teile«; spiter 
sind die Bande 1215—1221 auf dem Schnitt als Band 1—7_ bezeichnet 
worden. 

Ag. Bibl. hadit 802: drei gréBere Bande von angeblich 150. 305, 92 Blatt; 
a) nicht durehweg gut erhalten, b) und c) in losen Bogen: fltichtige, aber 
nicht gerade undeutliche. unpunktierte. Altere Schrift: a) beginnt mit dem 
Anfang des Werkes, am Ende unvolistindig: b) war urspriinglich an- 
schlicBend, am Ende unvolistiindig: ¢) am Anfang und am Ende schlecht 
erhalten und unvollstindig. 

[Seraibibliothek 498 (7 Biinde).| Vgl. IS VI 288; Br. 157, 7 (es ist 
aber ein musannaf-Werk und ‘Abdallah und »abii Saiba« sind eine 
Person). 


Vel. Nr. 40. ibn an-Nahhas ad-Dimasqi (st. 814): masari’” al-aswaq (verfaBt 812). 
Nr. 78. abu “Ubaid Ahmad ibn Muhammad al-Harawi (st. 401): kitab al-G@aribain. 


Ill. Tafsir und qira’a. 
77. Mugatil ibn Sulaiman (st. 150): at-tafsir fi mutasabih al-qur’an. 
Seraibibliothek 74: zwei Biinde. 
‘Umuimi 561: sehdne, alte Handschritt von 288 Blatt kleineren Formats. 
Behandelt die verschiedene Bedeutung einzelner Worter. wie huda, 
kufr usw.. an verschiedenen Koranstellen. Antang: o> 3 cy -2 9l Gil 
~ > . -. : : /” . 
asl zc pee| ee eke Nila oe ola a>. Vgl. Massiexos, Al-Hallaj 520 


und Index. 


78. abu ‘Ubaid Ahmad ibn Muhammad al-Harawi (st. 401): kitab al-garibain (garibai 
al-qur’an wal-hadit). 

Ag. Bibl. tafsir 167: Handschrift von angeblich 243 Blatt recht groBen Formats, 
deutliche, reich vokalisierte Schrift von 526, am Anfang nicht ganz gut 
erhalten und unvollstandig. 

Taimur luga 54: 466 Seiten mittleren Formats, stark vokalisierte, deutliche 
Schrift von 575. S. 1—22 spiter erginzt, enthilt den dritten und letzten 
Teil des Werkes von an. 

Ehd. 55: drei gréBere Binde griBeren Formats von 480, 455, 390 Seiten, 
charakteristische, groBe, deutliche, stark vokalisierte Sehritt von 619, nicht 
durchweg ganz gut erhalten. doch iiberall leshar; wertvolles. volistindiges 
Exemplar. 

Ag. Bibl. tafsir 20 _-: zwei Biinde: a) dicke Handschrift gré8eren Formats 
von angeblich 232 Blatt. die erste Lage spiiter erginzt; Lage 2--12 und 
13 bis zum Ende je eine Hand, beide ziemlich reich punktiert und vokali- 


lus den Bibliotheken von honstantinopel und Kairo, ae) 


siert, die erste gréBer und eckiger: bis _- einschlieblich reiechend. nicht 
durchweg gut erhalten: b) etwa ebenso dick, angeblich 237 Blatt des gleichen 
Formats: dieselbe Schrift wie im zweiten Teile des ersten Bandes. von 693. 

Seraibibliothek 2727: dicker Band gréBeren Formats. ganz vohalisiert, wert- 
volle Handschrift: zweiter. aber nicht letzter »Band« des Werkes. 

Ag. Bibl. tafsir 888: angeblich 157 Blatt griBeren Formats. deutliche. grobe, 
‘oft vokalisierte, Altere Schrift, nicht durehweg gut erhalten. am Ende un- 
yollstindig: enthalt den zweiten »Teil« des Werkes. 

Ebd. 874: ganz moderne Abschrift von 1342 aus der Handschrift 20 +. 


Vel. Brel a3 ps 





78a. abul-Fad! Muhammad ibn Nasir al-Farist as-Salami (st. 550): at-tanbih ‘ala hata’ 
al-garibain. 
Taimur luga 56: ganz moderne Ahbschrift von 1327 aul 143 Seiten groBen 
Formats aus der Handschrift Damaskus, Zahirija 51. 
[Haraggizade lugat 24. 25.] Zum Autor vgl. ITH I 430. 


79. abul-Qasim ‘Abdalkarim ibn Hawazin al-QuSair: (st. 465): kitab lataif al-isarat 
(verfaBt vor 410). 
K6priilii 117: 310 Blatt gréBeren Formats von 851: vollstindig. 
Weleddin 214: S81 Blatt mit kleiner Schrift, spétere Nachschrift von 1108, 
unvollstindig. 

[Seraibibliothek 93.] Der Kommentar behandelt nur ausgewiihlte 
Verse. Vel. HH V 313: Br. I 433, ohen 7. wo noch Leiden’ 1659 

(Fragment) nachzutragen und Jeni 101 statt 104 zu lesen ist. 


80. abu ‘Al ‘Umar ibn Muhammad ibn Halil as-Sakuni (st. 707): kitab at-tamjiz lima 
auda‘ahu az-Zamalhsari minal-i‘tizal fi tafsiriht lil-kitab al-‘aziz. 
Seraibibliothek 98: zwei grébere, dickere Ilandschriften vou 749. in Mekka 
vollendet. 

Ebd. 97: zwei gréBere, dickere Handschriften von 767. 
[Nehid “Ali Pasa 300; Garullah 235. 236.]| Vgl. Br. I 291 am Ende 
von Absatz 1, wo aber Kairo 1 154 zu lesen ist: zur Handschrift Nur-i 

‘Otmanije 475 vgl. Soa. 





80a. Anonymer Auszug. 
Nur-i “Otmanije 475: 148 Blatt kleineren Formats von 1124. gut erhalten, 
mit Surenindex, Koranworte rot kenntlieh gemacht. 
[Sehid “Al Pasa 301.] Identisch mit Leiden’ 1668; vgl. Br. I 291 
am Ende von Absatz 1. 


81. abu ‘Abdallah Muhammad ibn Ahmad ad-Dahabi (st. 487): tabaqat al-qurra’. 


‘Ah Emir, arabisch 2500.1: etwa 280 Blatt kleineren Formats von 1128. 
am Anfang unvollstindig, doch fehlt nicht viel; namentlich am Anfang 


8 


60 J. Scuacut: 


fehlen manche mit roter Tinte nachzutragende Namen: es folgen noch 
10 Blatt mit einer risala von Salih ibn Muhammad ibn Jabja 6 \,J| tiber 
qira’a. 
K6priilii 1116: dasselbe Werk. 
Berlin 2° 3140: dasselbe Werk. 
Vgl. Br. II 47,2 d (so lies statt a). 


82. ‘Abdalkarim ibn ‘Abdalgabbar: kitab al-muhakamat (verfaBt 825). 
Jeni Gami' 158,1: das Ganze ein ziemlich dicker Band mittleren Formats, 
Talq; unser Werk nimmt die gréBere Halfte ein; es folgt ein anonymer 
Kommentar zu den Sawahid des al-kassaf (vgl. Br. I 291 Z.5? Kairol 179°). 
[Hiisein Celebi tafsir 22.] Das Werk ist eine Verteidigung der Ein- 
wendungen des al-Avseraji (vgl. Br. If 228 und 232. wo nicht alles 
in Ordnung ist) gegen den Kommentar des ar-Razi (vgl. Br. I 3901 5) zum 
al-kassaf. Vgl. Br.I 291 Z. 1. 








Anhangsweise erwihne ich noch das Aital al-ithaf bitamjis ma taba‘ 
fih al-Baidawt sahib al-kassa@f (Br.T 418 Z. 8), das in der Handschrift 
KOPRULU IIT 7,1 (6 Blatt kleinen Formats) dem Hogazade Muhammad 
al-Izmiri zugeschrieben wird (vgl. aber den Katalog Kairo I 120 und 
HH I 480). 


Vgl. Nr. 29 am Ende zum Korankommentar des abul-Lait as-Samarqandi 
(st. 383 0. a.). 
Nr. 102. Cagataischer tafsir. 


IV. Dogmatik. 


83. Polemik gegen Sekten. 
A. Sohn des ‘Ali ibn Muhammad al-Gurgani as-Saijid a$-Sarif. wohl Nur ad-din 
Muhammad (st. 838): risala fi radd ar-rawafid. 
Aja Sofia 2249: ziemlich diinne Handschrift kleinen Formats von 98S. 
Gegen die Sia, dem Sultan Murad IT gewidmet. Zum Autor 
vgl. Br. II 210, 3. 
B. Werk des Qasim Glye!| gegen die Qyzylbas. 
Welieddin 3255.4: 7 Blatt eines Sammelbandes recht kleinen Formats. 
Laleli 3720, 3: 5 Blatt eines schénen, dickeren, mittelgroBen Sammelbandes. 
Der Titel lautet bei Welieddin fi haqq qyzylbas, bei Laleli risala 
fi bajan madhab al-qyzylbasija. 
C. Werk des Husain ibn ‘Abdallah G)s.+!| gegen die Qyzylbas. 
‘Asir I 1207,8: fol. 105—-158 eines Sammelbandes von 220 Blatt kleinen 
Formats. 
Titel: fi takfir qyzylbas. Dem Sultan Siileiman I gewidmet. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. G1 


D. Fetwa des Sams ad-din Muhammad ibn Ahmad ibn Sulaiman ibn Kamal 
Pasa (st. 940) gegen die Qyzylbas. 
Es'ad 3548,3: 3 Blatt eines kleinen, diinnen Sammelhandes. 
Zum Autor vgl. Br. II 449,2. Vgl. Perrscn 5, 38. 
KE. Mutahhar ibn ‘Abdarrahman ibn ‘Ali ibn Isma‘ul: risala fi takfir as-Sia. 
Seraibibliothek 1807: schéne, nicht sehr starke Handschritt kleinen Formats 
in schénem Einband, groBe Schrift. 
Ebd. 1851: ziemlich diinne Handschrift kleinen Formats, ta hyartige Schrift. 
Dem Sultan Murad IIL gewidmet. 
F. Werk des Muhammad ibn Malik. 
Wehli S10: 7 mittelgroBe Blatter, nicht junge Schrift. das g.. fiber die 
batinija handelnde Kapitel, das Ende des Werhes. enthaltend. 


Vgl. Nr. 16. Ahmad ibn Hanbal (st. 241): kitab as-sunna. 


V. Geschichte. 


* 84. abi Muhammad Bakr ibn Muhammad ibn Ualaf ibn Waijan ibn Sadaqa ibn Waki’ 
(so korrekter als Waki) al-Qadi (st. ca. 330): kitab abbar al-qudat watarihihim 
wa ahkamihim. 

Jeni Gami’ IL 223: ca. 450 Blatt gréBeren Formats von 555: als Vertisser 
wird hier irrtiimlich sein Vater genannt. 

Das wichtige Werk, das alter als al-Kindi ist. behandelt die Richter 
in den hauptsichlichsten Stidten des Islam von der Einftihrung des 
Islam an bis herab zu dem Verfasser. Autor und Werk Fihrist 114. 
18 bzw. 21; sein Vater (st. 306) Fihrist 141,17 und Index s. v. Waki: 
Jaqut I] Index; TH Nr. 170 am Ende: abul-Fida’ Il 334: ibn Vagribirdt i] 
I, 205; as-Sam‘ani 360b Z. 8 v. u.; sein GroBneffe, der Dichter ibn Wakr, 
(st. 393) IM Nr.170; daraus ergibt sich das oben angesetzte ungef‘ilire 
Todesjahr unseres Autors. Waki’, ein Gewihrsmann al-Bubaris. (IL 
Nr. 247 und 843 [Al 109]) ist natiirlich von allen diesen Persinlich- 
keiten zu trennen. Der Katalog bezeichnet das Werk irrtiimlich als 
das kitab abbar al-qudat as-Suara’ von abu Bakr Ajimad ibn Kainil 
ibn Halaf as-Sagari at-Tabari (st. 350) in falscher Anlehnung an EH I 
188 (vgl. IV 331), Jaqut 116 f (vgl. as-Sanvani 330 a. by). vielleieht ver- 
anlaft dadurch, da gerade am Anfang tatsiichlich Verse von behandelten 
(Jadis zitiert werden: mit dieser Schrift hat unsere aber nichts zu tin. 


85. Badr ad-din abu Muhammad al-Hasan ibn ‘Umar ibn Habib ad-Dimasqi al-Halabi 
(st. 779): durrat al-aslak fi daulat al-atrak. 


Seraibibliothek 3011: dickere Handschrift gréSeren Formats, Original von 
der Hand des Verfassers. 


Vgl. Br. Il 36,4,1. Ein anderes Werk desselben Autors Nr. 53. 


Vgl. Nr. 87. Javygyzade “Ali Effendi, tarih-i al-i Salguy. 
Nr. 88. ‘Asiqpasazade, tarh. 


62 J.ScHACHT: 


VI. Poesie. 


86. LUalid ibn Safwan al-Qannas (st. 90): qasidat al-‘arus. 

Jeni Gami’ 1187, 13: das Ganze eine schéne, stirkere Handschrift gréBeren 
Formats. die muallagat und andere Qasiden mit Kommentaren enthaltend: 
unser Stiick an vorletzter Stelle auf 12 Seiten: Text vokalisiert, Kommentar 
z.'T. ebenfalls vokalisiert und ein wenig blaB: der Kommentar ist anonym 
und wesentlich kiirzer als der in der folgenden Handschrift: etwa iden- 
tisch mit den »Scholicen« der Handschriften im British Museum und in 
der Vaticana? 

Aja Sofia 4072, 5: das Ganze ein dickerer Band gréBeren Formats mit nicht 
junger Schrift, eime Sammlung ven Gediehten und Kommentaren enthal- 
tend; mehrere Blattziihlungen, unser Stiick Blatt 25—45 der letzten Zih- 
Jung: Text und z. T. auch Kommentar vokalisiert: der Kommentar stammt 
von Alt ibn abil-Qasim al-Qazwini (auch Berlin 7523, 3 vorliegend). 

Vel. Br. I 60, 9, 2. 


VU. Tiirkisch. 


87. Jazvgyzade ‘Ali Effendi: tirth-i al-i Salgua. 

Revan-Kiosk 1390: grofe, dickere Handschrift yon 1115 mit dem Tugra- 
stempel des Sultans Almed III, beginnt sogleich mit dem Prosatext, die 
ersten Seiten vokalisiert; am Schlu®B ein Gedicht, das die Widmung an 
Sultan Murad If enthailt und den Namen des Ubersetzers aus dem Persi- 
sehen wie oben angibt; der Titel wird von spiiteren Hinden in der oben 
gebrachten Form geboten: einzige bekannte vollstindige Handschrift. 

Ebd. 1391: sehr grofSe und dicke Handschrift mit groBer, schdner. ganz vokali- 
sierter Schrift; am Ende unvollstindig, obwohl es die Unterschritt. die das 
Datum 951 bringt, anders will; Titel von zweiter Hand J si és 

Ebd. 1392: groBe, recht dicke Handschrift mit groBer, schéner. unvokalisierter 
Schrift; am Ende unvollstindig (unvermittelt abbrechend); Titel von zweiter 
Mand sowohl jet- Ji 2 oly wie auch Gyt J é2¥; allem Anschein nach die 
Vorlage der Handschrift Leiden’ 942: 

Ebd. 1393: mitteldicke Haudschritt gréBeren Formats. in sich abgeschlossener 
Teil eines aus mehreren Banden bestehenden Exemplars; Titel von erster Hand 
Spoke dy Aly: ich vermute. daB es die Vorlage der Pariser Handschritt 
(vgl. Houtsma, Recueil Bd. Tl) ist, die. soviel ich sehe. an denselben Ntellen 
einsetzt und aufhért. 

Vel. M. [opAn, The Rahat us sudtir (Gibb Memorial II 2) IX und ANNVI. 
Nach dem oben gegebenen Befunde sind die Nachrichten Negib ‘Asvms 
bei Marovarvt, Ostttirkische Dialektstudien 53 Anm. 4 zu berichtigen. 
Vgl. Basrxerr. Geschichtsschreiber der Osmanen 15 Anm. 2. 


Aus den Bibliotheken ron NKonstantinopd und RKuiro, 63 


Die Handschrift AJA SOFIA 3019 (dicker Band hohen Formats, Ta‘liq) 
enthalt nicht das behandelte Werk, sondern 1. den tarrh-i al-¢ Saljiiy 
von Maulana Sams ad-din al-Jazdi. 2. den tarih-i suldtin-i Kerman 
von Said Hoga Nasir ad-din Munsi, 3. die Geschitht des Sultiins 
Oljaiti von abul-Qasim ‘Abdallah ibn ‘Ali ibn Muhammad al- 
Qasani (vgl. Browye III $8) (alles persisch). 

Die Handschrift JEN] GAMI 827 (375 Blatt gréBeren Formats von 
945) enthalt den ebenfalls persischen far A-d al-i Saléiqg von Wazir 
(ramal ad-din ‘Ali al-Qiftr (st. 646: vgl. Browsr IT 476). 

Anhangsweise erw&hne ich noch den persischen. 922 verfaBten (a@rih-/ 
Hata waHotun (auch Haliindine) von Saijid “Ali Akbar Uata i. der 
in folgenden Handsehriften vorliegt: “ASIR | 609. 610 (beides nicht 
sehr starke Handschriften kleineren Formats): EBD. I] 249 (125 Blatt 
kleineren Formats, schénes Ta‘liy): BERLIN 4° $98 (114 Blatt. Ta‘liy 
yon 1252. die tiirkische Ubersetzung idles Werkes enthaltend: vgl. Prrrsca 
183: lith. Konstantinopel 1270). 


88. DarwiS Alimad ibn Jahja ibn Sulaiman ibn “A\siq Pasa. bekannt als ‘Asiqpasazade: 
tarih. 

Azhar. riwaq al-atrak, ttirkisch 3732: grobe, dicke Handschrift. schéne, groBe, 
ganz vokalisierte Schrift. Stiftungsvermerk von 1082 (so alt wird auch 
die Handschrift sein). 

Vel. das Vorwort der Ausgabe von F. Giese. 


Altosmaniseche Glossare. 


89. abu Haijan Muhammad ibn Jusuf al-Garnati al-Andalus: (st. 745): kitab al-idrak 
lilisan al-atrak (vollendet 712 [sie]). 
Weheddin 2896: schéne altere Handsehritt von 65 Blatt griBeren Formats, 
aus dem Original des Vertassers abgeschrieben, mit Glossen tibersit. 
Halis 6574: recht schéne. iltere. stark vokalisierte Handschrift von 97 Blatt 
kleinen Formats; der Text wurde mir als sehr schlecht bezeichnet. 
Gedruckt Konstantinopel is0g. Vel. Br. I iro Amn. und Nachtrag: 
Dexy, Grammaire de la panies Vurque MUL: Anpwarpr 6550. 3 (auch 2). 


Einen weiteren faqih als Grammatiker des Tiirkischen finden wir in 
Muhammad ibn Mustafa ibn Zakarija’ as-Sulgari(geb. 0S 1 nach Abdalyadir IL 
Nr. 409, 631 nach ibn Qutlubuga Nr. 202. 621 nach as-Sujuti [ebd. 
Anm. 610]; vgl. noch Aniwsrpi 6OSs0. i) 


90. [Ders.]: al-qawanin al-kullija fi dabt al-luga at-turkija. 

Nehid ‘Ali Pasa 2659: 1oy Seiten kleinen Vormats mit ziemlich groBer Schrift. 
Der Druck des Werkes wurde 1337 in der Ewqat-Druckerei in Kon- 
stantinopel begonnen, ist aber iiber den ersten Bogen nicht hinausge- 
kommen. Eine neue Ausgabe unter den \uspizien des Ttirkijat Istitiisii 
der Universitit Stambul “steht bevor (vgl. Wirren OLZ 1928, 175). 
Die Vertasserangabe im Druck ist stark zu bezweifeln. Sehr wichtige 

und interessante Quelle. 


64 J. Scuacur: 


91. ‘All ibn Nusrat ibn Dawud: at-targuman (verfaBt 843). 
Seraibibliothek 2767: dicker Band mittleren Formats von 975. 
Das Werk ist ein arabisch-tiirkisehes Lexikon, wihrend die von Br. II 
194, 6 angettihrten Handschriften arahisch-persisch sind (HU II 277 
schweigt iiber die Sprache); es diirfte demnach hier eine Ubersetzung 
des Werkes in das Tiirkische vorliegen; ebenso wie das Original in 
unserer alphabetischen Anordnung. Vgl. Horn Nr. 869. 


92. Hasan ibn Husain al-‘Imad al-Qarahisari: samil al-luga (verfaBt 886—918.) 
Ag. Bibl. luga farisija 8¢: schéne, grdfSere Handsehrift von angeblich 193 Blatt 
von 947. Blatt 1—13 spiater erginzt. 

Fiir Ttirken bestimmtes persisch-tiirkisches Lexikon mit langerer 
persischer Vorrede: hier gibt der Verfasser 2a-—-3a seine (Juellen an: 
am Ende grammatische Kapitel. Interessantes Altosmanisch. Vgl. Horn 
Nr. 882; Rrev ture. 139 (Add. 7684); Parmer, Cambridge. Trinity 39 f. 
(Rete. 07): 


93. Werk des Hairi Sams ad-din al-Qarahisari. 
Taimur, ma‘agim turkija 12: ziemlich groBe Handsechrift von 967 Seiten in 
schénem Samtband. kleine, deutliche, meistens unvokalisierte, ta liqartige 
Schrift; Titel von zweiter Hand eee) Si op: 
Aus arabischen Lexika zusammengestellte Worter sind tiirkisch er- 
klart: in unserer alphabetischen Anordnung. Interessantes Altosmanisch. 


94. Hindusah: tag al-masadir. 
Nureddin luga 134: dicker Band mittleren Formats. 
Ebd. ohne Signatur: schéner, mittelgroBer, mitteldicker Band. 
Fir Tiirken geschriebenes Lexikon, das persische und arabische Worter 
tiirkisch erklirt; hat auch einen Abschnitt tiber persische Grammatik. 
Interessantes Altosmanisch. Vgl. Horx Nr. 860? 


95. Anonymus: pehlewi-i farsi (verfaBt 925). 
Nureddin luga 140: groBe, dickere Handschrift. 
Arabisch-persisch-tirkisches Lexikon mit héchst interessanten alt- 
osmanischen Teilen. 


96. Anonymus: at-tulfa az-zakija fil-luga at-turkija. 
Welieddin 3092: 180 Seiten gré®eren Formats, Titel von zweiter [and; 
bricht mit dem Ende von 8.179 unvermittelt ab: S.1 und 180 mit 
Notizen von spiteren Hinden vollgeschmiert. 
Tiirkisch-arabisches Glossar, abhangig von aba Haijan (Nr. 89), der 
zitiert wird; gleichfalls sehr wichtig: vgl. KCsArch. II 36 zu V. 18. 


97. Anonymus: luget-i mahmudije. 
Nureddin luga 125: diinne Handschrift kleinen Formats von 957. 
[Nureddin luga 168.] Arabisch-tiirkisches Lexikon, Bearbeitung des 
Werkes des Firiste Oglu; interessantes Altosmanisch, zeigt auch im 
tiirkischen Teil nicht selten arabisches Lehngut. Vgl. die vorliutige 
Beschreibung der Handschrift Berlin 8° 1601, 7 von J. IH. Morprwayn. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 65 


98. Anonymus: mirqat al-luga. 

Taimur, ma‘agim -turkija 1: sch6ne, mittelgroBe Handschritt von 366 Seiten 
yon 999, Schrift der arabischen Worter groB, der tirkischen interlinear 
klein, aber zicrlich und deutlich; unser Werk reicht bis S. 310, es folgt 
von derselben Hand ein 4hnliches persisch-tiirkisches Werk, unvollstiindig. 

Ag. Bibl. luga turkija 69: dickere Handschrift mittleren Formats, tlichtige, 
schwierige Schritt. ; 

Ebd. 23 ¢: angeblich 171 Blatt gréBeren Formats, Blatt 1 spiter erginzt: Schrift 
der tiirkischen Worter klein, etwas fliichtig und schwierig. 

Nureddin luga 130: dasselbe Werk. 

Avabisch-tiirkisches Lexikon. nach Art der meisten arabischen Lexika 
angeuordnet; interessantes, wichtiges Altosmanisch. Vgl. Leiden’ 121; 
Wien 113; Browne, Cambridge, Handlist 1034. 


99. Anonymus: luget-i muntahab. 

Ag. Bibl. luga turkija 8¢: 168 Blatt mittleren Formats, flichtige, aber lesbare 
Schrift. 

Taimur, ma‘agim turkija 2: 302 Blatt mittleren Formats, Schrift nicht be- 
sonders schén, aber deutlich. 

Ebd. 3: 280 Blatt mittleren Formats, fliichtigere Schrift. 

Ebd. 19: 308 Seiten mittleren Formats, nicht schéne, aber deutliche Schrift: 
am Ende fehlt selr wenig: am Rande zahllose Glossen, die nicht alle 
zum ursprimglichen Text gehéren. 

Nureddin Iuga 110: dasselbe Werk. 

| Azhar, riwaq al-atrak. tiirkisch 3943 (unvollstindig).] Arabisch-tiir- 
kisches Lexikon in unserer oc aaa Anordnung; interessantes Alt- 
osmanisch, z.B. sj = eat eR? its os In Einzelheiten weichen die 


Handschriften bisweilen v oneinander etwas ab. Vgl. Leiden, Akademie 35 
(de Jong): Horn Nr. 908. 


100. Anonymus: muntaha al-irab fi lugat at-turk wal-‘agam wal-‘arab. 
Seraibibliothek 2770: dicker Band groBen Formats, den zweiten »Teil« des 
Werkes enthaltend. 


Gibt zu jedem arabischen Wort die persische und tiirkische Uber- 
setzung; recht wertvoll. 


101. Weitere anonyme Glossare. 
A. Taimur, ma‘agim turkija 13: groBe Handschrift von 224 Seiten, unvokali- 
sierte. ta‘liyartige Schrift, am Anfang und Ende unvollstandig. 
Nach Art der meisten arabischen Lexika angeordnet; interessantes Alt- 
osmanisch, z.B. 4° =! BEL . 
B. Nureddin luga 107: diinnere Handschrift kleineren Formats, am Anfang und 
Ende unvollstindig. 
Arahisch-persisches Glossar, nach sachlichen Kategorien geordnet, mit 
schr interessanter altosmanischer Interlineariibersetzung. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 8. 


66 P J. ScHacnutT: 


C. Ebd. 190: diinne Handschrift kleinen Formats. 
Arabisch-persisches Lexikon mit sehr interessanten altosmanischen 
Glossen. 








Auch sonst ist die Bibliothek NUREDDIN besonders reich an wichtigen 
und seltenen altosmanischen Glossaren, z.B. LUGA 192—194 (letzteres 
ein kleiner, mitteldicker Sammelband mit persisch-tirkischen Glossaren 
mit interessantem Altosmanisch). 

Auch in der Sammlung TURKISCHER BUCHER in AZHAR, RIWAQ 
AI-ATRAK finden sich zahlreiche altosmanische Glossare, auch Drucke 
sind stark vertreten. 


102. Anonymus: ¢agataischer tafsir. 
Seraibibliothek 16: zwei dickere Bande in Gro®folio von 950. 


Vgl. Nr. 7b. Muhammad al-‘Aintabi, tirkische Ubersetzung (von 1213) des kitab 
as-sijar al-kabir des as-Saibani. 

Nr. 29 am Ende zu den altosmanischen Bearbeitungen des Korankommentars von 
abul-Lait as-Samarqandi (st. 383 0. a.). 

Nr. 4ob. ‘Abdalbaqi, fadwil al-gihad. tiirkische Ubersetzung des Werkes des ibn 
an-Nahhas ad-Dimasqi. 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 67 


Indizes. 


(Ein Stern verweist auf die »Anmerkungen« hinter dem angefiihrten Abschnitt.) 


I. Autorenindex. 


abit Ishaq Ibrahim ibn ‘Ali a3-Sirdzi (st. 476): 6* 
Ibrahim ibn ‘Ah ibn Muhammad ibn 
(st. 799)? 39 : 
Burhan = ad- a Ibrihim 
(st. 922): 

Sams ad- din Aiea 
ad-Dimaésqi (st. 814): 40. 4oa 

Sihab ad-din abul-Abbas Ahmad _ ibn 
‘Abdarrahman as-Sinhadi al-Qarafi (st. 684): 

abul-Fadl Ahmad ibn al- Hasan ibn Hairtin: 1B 


ibn Misa 


abu Hafy Ahmad ibn Hafs: 3 (vgl. ibn Qutlibuga Nr. 9) | 
| Husain ibn Lasar al-Aqhisiari: 


Sadr a8-Sari‘a_ al-auwal Ahmad ibn ‘Ubaidullah ibn 
Ibrahim al-Mahibibi (lebte um 630): 35 

aba Bakr Alsmad ibn ‘Ali ar-Razi al-Gag-as (st. 370): 24 

abu Bakr Ahmad ibn ‘Amr al-Hassaf (st. 261): 
18. 19. 20. 21 

abu Bakr Ahmad ibn Kamil 
at-Tabari (st. 350): 84 

abii Nasr Alimad ibn * bil-Mu’ aijad al-Mahmidi an- 
Nasafi (st. 519): 5d. e 

abul-Abbas Ahmad ibn 
(st. 482): 31 

abu “Ubaid Ahmad _ ibn 
SF 401): 78 
alil ad-din abi Nar Ahmad ibn Rukn ad-din Mu- 
anaad ibn Ahmad ibn ‘Abdarrahmin ibn Ishaq 
al-‘Imadi al-Fathabadi at-Targumani ar-Rigdamiini 
st. 49. 

a fea Ahmad ibn Muhammad ibn 
(st. 241): 15. 16 

abii Ga‘far Ahmad ibn Muhammad ibn Salama ibn 
Salama al-Azdi at-Tahawi (st. 321 0. a.): 14. 24. 
25. 26. 27 

aba Nasr Ahmad ibn Zain ad-din Muhammad ibn 
‘Umar al-Attabi al Buhari (st. 586): 5i. k. 8a 

Saib al-iskim abi Nasr Ahmad ibn Mansiir al-Isbi- 
fabi (st. um 480): 5b. 25 

Darwis Ahmad ibn Jahja ibn Sulaiman ibn ‘ASiq Pasa, 
bekannt als ASiqpaSazide: 88 

Gamal al-islam abul-Muzaffar As‘ad ibu Muhammad 
ibn al Hasan al-Karabisi an-Naisaburi (st. 750): 33 

abul-Fida’ Isma‘il ibn ‘Umar ibn Katir ad-Dimagqi 
(st. 774): 40b* Nr. 2 

Badi ibn abi Manstr al-Qubazni: 

Bisr ibn Gijat al-Marisi (st. 219 oder 228): 6 

Tag ad-din abi Bakr ibn Ahmad al-Ahsikati al Hu- 
gandi: 18b 

abi’ Muhammad Bakr ibn Halaf ibn MHaijan ibn 
Sadaga ibn Waki‘ al-Qadi (st. ca. 330): 84 


ibn Ualaf a8-Sagari 


Muhammad — al-Gurdani 


Muhammad 


Hanbal 


5 ec* 


Farhiin , 
at-Tarabulusi ; 
ibn Ibrahim ibn an-Nahhas - 
Idris ibn | 


al-Harawi | 





| abu 


_ Darwis Timtirtaszide al-Hanafi: 52 


Garullaih: sob* 

Ga‘far ibn Muhammad ibn Hamdan: 3 

Hasan ibn Husain al-Imad al-Qarahisiri (schrieb etwa 
um 900): 92 

al-Uasan ibn Zijaid al-Lw li (st. 204): 
Qutlibued Nr. 55) 

Badr ad-din abi Muhammad al-Hasan ibn ‘Umar 
ibn Habib ad-Dimasqi al-Halabi (st. 779): 53. 85 


3 (vel. ibn 


: Fahr ad-din al-Hasan ibn Mansnr ibn Mahmiid al- 


Uzéandi al-Fargini Qidi Hin (st. 592): 5ec*. 8b 

4o0b™ 

Husain ibn Abdallah Oly natl: 83C 

abit ‘Abdallah al-Llusain ibn Muhammad ibn Husrau 
al-Balhi (st. 222): 1B 

Hamza ibn Ahmad al-Qarahisari: 54 

Halid ibn Safwan al-Qanniy (st. go): 

Hidr ibn “Otman: 55 

Hairi Sams ad-din al-Qarahisiri: 93 

Zakarija@ ibn Ibrahim al-Mugqaddasi al-Hanafi: 

Zainal‘abidin ibn Ibrahim ibn Nugaim (st. 970): 
5 .cc* 

Said Hoga Nasir ad-din Mungi: 87° 

Sa‘id ibn ‘Ali as-Samarqandi al-Hanafi: 48 

abur-Rabi Sadr ad-din Sulaiman ibn Wahb (st. 677): 

, st w. 8¢ 

Sams ad-din al-Akrami: 56 

Maulana Sams ad-din al-Jazdi: 87* 


86 


21* 


| Salih ibn Muhammad ibn Jahja jlwt: 81 


Ali Effendi: 40b* 

al-Amili: 5y 

‘Abdarralman Abdallah ibn 
hammad ibn Hanbal: 15. 16 

abi Muhammad Abdallah ibn al-[lusain an-Nasihi 
(st. 447): 19a 

‘Abdallah ibn Humaid (st. 249): 75 

abul-Qasim ‘Abdallah ibn ‘AH ibn Muhammad al- 
Qasini: 87* 

Abdallah ibn Muhammad ibn abi Saiba (st. 264): 

aba Muhaminad Abdallah ibn Muhammad ibn Ja‘ zi 
ibn al-Harit al-Bubari al-[ariti (st. 340): 1C€ 

abi Muhammad Abdallah ibn Jitsuf 
(st. 438): 30 

Abdalbarr ibn Muhammad ibn Muhammad ibn aé- 

_ Silma (st. g21): 41 

Galal ad-din abul-Fad] Abdarrahman ibn abi Bakr 
as-Sujiiti (st. grr): 5 ec* 

Rukn ad-din abul-Fadl Abdarrahman ibn Muham- 
mad ibn Amirawaih al-Karmani (st. 5.43): 


g* 


Ahmad ibn Mu- 


al-Guwaini 


= 
oD 


68 


Zain ad-din abul-Fath Abdarrahim ibn abi Bakr 
fbn ‘Ali ibn abi Bakr ibn ‘Abdalgalil al-Marginini as- 
Samarqandi ar-Risdini (oder ar-RiStani) al-Tmadi 

_ (st. um 670): 36 

Gamal ad-din abii Muhammad ‘Abdarrahim ibn al- 
Hasan ibn ‘Ali ibn ‘Umar ibn ‘Ali ibn Ibrahim al- 
Qurasi_ al-Umawi al-Asnawi (st. 772 oder 777): 38 

abi Nasr Abdarrahim ibn ‘Tsim al-Bahdi: 3¢ 

Abdalaziz ibn Ahmad ibn Nasr al-Halwa’i (st. 448 
oder 449): 3d 

Abdalkarim ibn Abdalgabbar (schrieb 825): 82 

‘Abdalkarim ibn Muhji ad-din ibn Sulaiman ibn Abd- 
arraiman ibn ‘Abdalhadi ibn ‘Ali ibn Muhammad 
ibn Zaid ad-Dimasqi al- Garra‘i (st. 1161): 47 


abul-Qasin ‘Abdalkarim ibn Hawéazin  al-QuSairi 
(st. 465): 79 
Abdallatif ibn Abdal‘aziz, genannt Firiste Oglu (st. 


vor 879): 97 

Iftihar ad-din abi Hasim Abdalmuttalib ibn al-Fadl 
ibn ‘Abdalmuttalib ibn al-Husain al-HaSimi al-Halabi 
(st. 616): sl. t 

Sail al-islim Fahr ad-din abi ‘Amr ‘Utman ibn Ibra- 
him ibn Mustafa ibn Sulaiman al-Maridini al-Misvi 
(st. 731): 5t. x 

‘Utman Effendi ibn Ja‘qiib ibn al-Husain al-Kumal 
al-Ishimboli: 2b 

ibn al-Izz: 41 

Hafiz ‘Izzet Effendi: 40b* 

Al@addin ee ‘Alim ibn ‘Ala’addin as-Samarqandi: 5a 

‘Ali Effendi: 

Jazygyzade “ii Effendi: 

Wazir Gamal ad-din ‘Ali ae Qifti (st. 646): 87* 

‘Ala’? ad-din ‘Ali ibn Balaban ibn Abdallah al-Farisi 
(st. 731): gr. t 

abul-LHasan Ai ibn Halil ibn ‘li ibn al-Husain ad- 
Dimasqi (st. 651): 50 

Tas ad-din ‘Ali ibn Sangar al-Bagdadi (st. 661 oder 
vor 700): 5t 

‘Ali ibn abil-Qasim al-Qazwini: 86 

‘Ali ibn Muhammad al- Gurganias- Saijid aS-Sarif (st. 816): 
Vorwort S.6 Anm.1? 

‘Ali al-Qari ibn woe Muhammad al-Harawi al-Makki 
(st. 1014): 1 H*. 

Saih al-islam ‘Ali ibn Muhammad ibn Isma‘il al-Isbi- 
gabi (st. 535): 3d 

Fabr al-islam as ibn Muhammad ibn al-Husain al- 
Pezdewi (st. 482): 3% Nr. 

‘Ali ibn Nusrat ibn Dawitid (schrieb 843): 91 

Saijid ‘Ali Akbar Hatai: 87* 

‘Ali Himmet ibn ‘Otman sYi: 58 

Sira& ad-din ‘Umar ibn Raslin al-Bulgini (st. 805): 1 

Burhan al-a’imma Husam ad-din “Umar ibn Sbdal. 
‘aziz ibn “Umar ibn ‘Abdal‘aziz ibn ‘Umar ibn Maze 
as-Sadr ai-Sahid (st. 536): 5f. 18a. 21 

abi ‘Ali ‘Umar ibn Muhammad ibn Halil as-Sakini 
(st. 707): 80 

‘Isa ibn Abban (st. 221): 6 

abti Muhammad Ganim ibn Muhammad al-Bagdadi 
(um 1030): 44. 45. 46 

Fudail ibn ‘Ali ibn Ahmad ibn Muhammad al- Gamali 
al-Bakri (st. 991): 42. 43 


(Jasiim BhyxedI: 83B 


J. SCHACHT: 


Sira{ ad-din abul-Qasiin Qasim ibn Abdallah ibn as- 
Sat (st. 725): 37b 

‘Alam ad-din abul-Qasim ibu Muhammad ibn Jutsuf 
al-Birzali (st. 739): 59 


Kakila ibn Mahmid ibn Muhammad al-Kakili: 60 
al-Kattani: 61 

Malik ibn Anas (st. 179): 2 

Maid ad-din abus-Saadat al-Mubarak ibn al-Atir 


(st. 606): 12a 

as-Saih Muhammadas-Sahir bi Baldyrzade (st. 1060): 65 

Muhammad al-Qadi biqada’ 4), (Tuzla?) (schrieb 
1172): 62 

Hogazade Muhammad al-Izmiri: 

Muhammad as-Sindi: 1H* 

Muhamimnad al-Mauqiifati: 5v 

Muhammad ibn Ibrahim al-Husaini: sob* Nr. 4 

aba Bakr Muhammad ibn Ibrahim ibn al-Mundir 
an-Naisaibiiri (st. 318): 23 

abi pea Muhammad 
(st. 487): 

ahead ibn Ahmad al-Qasimi al-Gunaidi at-Ta- 

_ mimi: 18b 

Sams ad-din Muhammad ibn Ahmad ibn Sulaiman 
ibn Kamal Pasa (st.940): 83D 

Sams al-aimma abi Bakr Muhammad ibn Ahmad 
ibn abi Sahl as-Saralisi (st. 483): 3¢. 5¢. 7. 9a 

abit ‘Abdailah Muhammad ibn Ahmad ibn ‘Abdal- 
malik al-Fistall (st. um, 790): 63 

Muhammad ibn Idrisas-S fi i(st. re 10. IT. 12.13.14 

DarwiS Muhammad ihn Ulitin Tursun ibn Akmal 
ad-d'n ar-Riimi al-Bursawi Itltiinzide (st. 937): 64 

abi Ga‘far Muhammad ihn Garir at-Tabari (st. 310): 22 

Muhammad ibn al-Lasan as-Saibini (st. 189): 2. 3. 34. 

_ +5. 6 7. 8.9. ga. 

Sams ad-din’ Muhammad 
(st. 834): 5% 

Muhainmad ibn Sa‘d ibn ‘Abdallah ibn abi Bakr at- 
Tamimi al-Maliki (schrich 975): 66 

abul-Fad] Muhaminad ibn Salih al-Karabisi as-Samar- 
qandi (st. 322): 28° 

Sadr ad-din (oder Kamal ad-din) abn ‘Abdallah Mu- 
hammad ibn Abbad ibn Malikdad al-Hilati (st. 652): 
1E. sp. t 

Muhammad ibn Abdallah) Misizade: 68 

Zain ad-din Muhammad ibn Abdarraiif ibn Ali ibn 
Zain al-“abidin al-Munivwi as-Satii (st. 1031): 19¢* 


82* 


ibn Ahmad ad-Dahabi 


ibn 


Hamza al-Faniri 


‘aba ‘Abdallah Muhammad ibn ‘AH ibn abil-Qasim ibn 


abi Raga’ al-Qaidi al-HuSandi: 18b 

Nir ad-din Muhammad ibn ‘Alf as-Saijid as-Sarif ibn 
Muhammad al-Gnrgani (st. 838): 834A 

Fabr ad-din abt? ‘Abdallah Muhammad ibn 

_ ar-Rizi (st. 606): 12b” 

Sams ad-din abn Abdallah Muhammad 
Qasim ibn ‘Abdassalaim at-Tiinisi (st. 715): 

Muhammad ibn Malik: 83F 

Muhammad ibn DarwiS Muhammad al-Edrenewi at- 
Tanai Sini (schrieb 1024): 6 

Mahammad ibn Muhammad ibn Almad al-Marwazi 
al-Hakim aS-Sahid (st. 314): 3b 

Burhan al-islam Radi ad-din Muhammad ibn Muham- 
mad ibn Muhammad as-Sarahsi (st. s44): 3c. f 

Akmal ad-din Muhammad ibn Muhainmad ibn Mah- 
mud al-Babarti (st. 786): 5t 


“Umar 


ibn abil- 


374 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 


abus-Su'tid Muhammad ibn Muhammad ibn Mustafa 
al-‘Imadi (st. 982): 17%. 55. 68 


abul-Mu‘aijad Muhammad ibn Mahmiid al-Huwarizmi _ 


(st. 655): 1 F 


Muhammad ibn Mahmid ibn Husain al-UsturiSani _ 


(st. 632): 17. 34 


Tae ad-din abul-Mafahir Muhammad ibn abil-Qasim | 


Malhmiid ibn Muhammad as-Sadidi az-Zauzani (st. 801): 
8d 

Muhammad ibn Mustafa ibn Zakarija’ as-Sulgari 
(geb. 681 oder 631 oder 621): 89* 

Muhammad ibn as ibn Mahmiid al-Istamboli 
Hasibzade (st. 1100): 

Pir Mu ee ibn vitea ibn Muhammad al-Bur- 
sawi a8-Safii Kiil Kedisi (st. 982): 71 

abul-Fadl Muhammad ibn Nasir al-Farisi as-Salami 
(st. 550): 78a 


abit Haijan Muhammad ibn Jisuf al-Garniti al-Anda- 


lusi (st. 745): 89. [go]. 96 


Eskisehirli Melimed Emin Effendi: jo0b* 
Muhammad Hasan al-Laknawi: 1H* 


Muhammad Sidiq ibn Mustafa ibn Turaggyzade 
Ahmad Sanizide: 67 


Murad: 12b = 

Muhammad ‘Ali Akram al-Arawi: 12 

Muhammad Fikri ibn Husain ibn Ramadan al- 
Qaisari: 40b* 

Muhammad Munib al-Aintabi: 

Mahmid mugawir Makka: sob* 

Saih Mahmiid Effendi Misri: 40b™ 

Gamal ad-din Mahmtid ibn Ahmad ibn ‘Abdassaijid 
al-Hasiri al-Buhiri (st. 636}: 5m. n. t 

Burhan al-islim Malhmiid ibn as-Sadr al-kabir Tag 
ad-din Alamad ibn as-Sadr aS-Saliid Burhan al-a’imma 
‘Abdal‘aziz ibn ee ibn Abdalaziz ibn 
Maze (st. ca. 570): 39¢* Nr. 2. 5h 


Tb 


abul-“Isma Masud 


‘' Mustafa ibn Muhammad SI Agazade: 


‘Umar ibn ' 


Mahmid ibn Ahmad ad Mas tid al-Qonawi (st. 771): 19b 


Badr ad-din Mahmiid ibn Ismail ibn Qadi Simauna | 
(st. 818): 55 


69 


Mahmidal-Alim: 40a 

Mahmud Abdalbiaqi, genannt Baqi (st. 1008): gob 

Naim ad-din abur-Rata’ Multar ibn Malhmid ibn 
Muhammad az-Zahidi (st. 658): 5 ¢c* 

abi Umaija Marwan ibn Tauban: 1H 

Sa‘d ad-din Mas‘tid ibn ‘Umar at-Taftizini (st. 791 
0. a): 5t 

ibn Muhammad ibn Muhammad 
al-‘A‘duwani: 5s. t 

Mustafa ibn a’-Saih Muhammad: 72 

4o0b* 
Nr. 6 

Mutahhar ibn ‘Abdarrahman ibn ‘Ali ibn Isma‘ll: 83 E 

MugAatil ibn Sulaiman (st. 150): 77 

Misa ibn Zakarija@ al-Haskafi (st. 650): 1 11* 

abi Sulaiman Misa ibn Sulaiman al-Gitizagani (st. 
nach 200): 3 (vgl. ibn Qutlibuga Nr. 227) 

abul-Lait Nast ibn Muhammad ibn Ahmad ibn Ibra- 
him as-Samargandi (st. 383 0.a.): 5a. 29 

Nu'min Dubbagzide (um 1200): 73 

abit Hanifa an-Nu‘min ibn Vabit (st. 150 oder 151): 1 

al-Harawi: 5u 


a ' Hilal ibn Jahja ibn Muslim al-Basri Hilal ar-ra’j 
Muhammad ‘Abid ibn Ahmad ‘Ali ibn Muhammad . 
. Hindtsah: 94 

‘ abul-Muzaffar (oder abi Zakarija’) Jahja ibn Muham- 


(st. 245): 17 


mad ibn Hubaira al-Hanbali al-Wazir (st. 555 oder 
560): 32 

abu Jiisuf Ja‘qiib (st. 182): 1A. oa 

Nagm ad-din Jitsuf ibn Ahm id al-Hassi io 620): 5 cc* 


| Jiisuf ibn Husain al-Kirmasti (st. 906): 


abul-Mahasin Jiisuf ibn Rafi® ibn Saddaa al-Mausili 
(st. 632): sob* Nr 


| Sirag ad-din Jitsuf ibn abi Sad ibn Almad as-Sigi- 


staini (schrieb 868): 5 c¢c* 

abn ‘Amr (oder ‘Cmar) Jisuf ibn Abdallah ibn Mu- 
hammad ibn ‘Abdalbarr al-Andalusi al-Qurtubi (st. 
463): 2c. d. 

: diisuf ibn abi Jiisuf Ja‘qiib: 1A 

| Jiisuf Zij@audin: 67 


Il. Titelindex. 


.al-dtar: 1 PF. 4 

.al-ithaf bitamjiz ma taba‘ fih al-Baidawi :ahib al- 
kasSaf: 82* 

.al-igtihad ft fadl al-gihad: sob* Nr. 2 
wahkam al-wagqf (lil-Hassaf): 19 

.ahkam al-wadf (von Hilal): 17 

ahbar al-qudat wata@ihihm waahkimihim: 84 
anbar al-qudat a$-Su'a a: 84 

. al-ihtilaf (lin-Naisdburi): 23 

. al-ihtilaf (anonym): 50 

. ibtilaf al-hadit: 3r1 

.ibtiaf al-fuqaha (lit-Tabari): 22 

. ibtilaf al-fuqaha” (lit-Tahawi): 24 

adab al-ausi)i’ (von Ginim): 44 

adab al-au ija’ (von Fudail): 42 

k. adab al- -qadi: 18: Sarh: 18b 

k. idrar aS-Suriiq ‘ald anwa’ al-furtiq: 37b 

k. al-idrak lilisin al-atrak: 89 


ates 


Pee Pr Boor pr 


Ror pr pe ee 


r. al-inSad ila fada@il al-Sihdd: gob* Nr. 3 

k. al-istihsan: 37a* 

al-istidkadr fi Sarh madahib ‘ulama’ al-amsir mimma 
rasamahul-imaimn Malik fi muwatta‘thi min ar-ra’j wal- 
afar: 2¢ 


ales df fi alkkim al-anqaf: 19¢ 
. al-i8arat: 49 
eal-astah wan-nuzaiir: 5 ec* 
.al-iStaf ‘ad madahib al-asiaf: 32 
. al-asl (m-bsiit}: 3 

.al-ifah ‘an ma‘ani as-sihah: 32 
. al-amm: 10 


, al-amtila a&Sartija fi tabrir al-wata@ iy a$-Sar‘ija: 60 


+ 


al-imda’ fi awl as-sigé Wat: 741. 

k. anwar al-burtiq fi anwa’ al-furtty: 
bada i as-sukak: 67 

al-basit fiS-Suriit: 56 

bidaat al-hukkam fi ihkim al-ahkdm: 70 


37 


70 


bida‘at al-qadi lihtijagihi ilaihi fil mustaqbal wal-madi: 71 

[v. fi bajan madhab al-qyzylbasija]: 83B 

pehlewi- -i farsi: 95 

tag al-masidir: 94 

tirih-i al-i SalSiiq (von Sams ad-din al-Jazdi): $7* 

tarih-i al-i Salgiiq (von ‘Ali- Effendi): 87 

tarih-i al-i Salétiq (lil- Qifti): 87* 

tarih-i Hata waHotan: 87* 

tarih-i salatin-i Kerman: 87° 

[tarih as-Sultin Olgaita]: 87* 

tarib-i ‘ASiqpaSazade: 88 

k. at-taharri: 3 

at-tahrir fi Sarh al-Gimi‘ al-kabir: 5n. t 

tuhfat al-haris fi Sarh at-talhiy: 5r 

at-tuhfa az-zakija fil-luga at-turkija: 

tuhfat as-sukiik: 73 

at-tablis fi Sarh at-talhis: 5 q 

tartib musnad al-imam a3-Safi‘l: 

at-tarSuman: I 

k. taséil al-augaf (liabis-Su‘tid): 17* 

k. taséil al-auqaf (lil-Kirméasti): 17* 

at-ta‘liq ‘alaz-zijadat: 8h* 

at-tafsir fi mutaSabih al-qur’an: 77 

r. fi takfir aS-Si'a: 83 E 

fi takfir yyzylbas: 83C 

at-talbis: 5p. t 

k. talqih al-‘ugil fil-furtq bain abl an-nuqiil: 35 

at-tamhiy fi Sarh at-talhis: 5u 

at-tambid lima fil-muwatta’ min al-ma‘ani wal-asanid: 
2d 

k. at-tamnjiz lima auda‘ahii az-Zamabgari minal-i'tizal 
{i tafsirihi lil-kitab al-‘aziz: 80 

at-tanbih ‘ala hata’ al-Garibain: 78a 

at-tanwir: 5s. t 

at-tahdib lidihn al-labib: 41 

at-taisir lima‘ini al-fami‘ al-kabir: 50 

k. taisir al-wuquf ‘ala gawamid ahkam al-wuqif: 19c* 

samir anwar ar-sukiik walami‘ ad-dija lidawi8-Sukuk: 67 

k. Sami® as-sigar: 17 

al-kami* as-sagir: ga; Sarh: 

sami‘ al- fusilain : 55 

k. dami° al-fiqh: 5 k* 

al-Sami‘ al-kabir (lis-Sujiiti): 5 ¢c* 

al-€ami° al-kabir (lis-Saibani): 3. 3e 5 

k. al-Zam' wal-farq: 30 

gam° waqfai Hilal wal-Ha:saf: 19a 

gannat al-ahkim wagunnat al-hus;am:; 48 

k. al-Rawahir ad-dau ija wabulasat al-wat@iq al-inin- 
hagija: 74M 

haSijat al-Fandri 5 t* 

hawi masa’il al-munja: 5 ce* 

k. al-hugas: 6 

[fi haqq qyzylbas]: 83B 

hiljat at-tiraz fi hall masa il al-algaz: 

k. al-hijal wal-maharig: 20 

k. al-hara&: 9a 

Hata@iname: 87” 

k. hilaf as-Safi'l wa’abi Hanifa: 6* 

durrat al-aslak fi daulat al-atrak: 85 

durrat al-gauwas: 39 

ad-dah@ir al-aSrafija fil-algaz al-hanafija: 41 

r. fi radd ar-rawafid: 83A 

k. ar-risala fi usiil al-figh: 13 


g6 


12b 


5 cc* 


47 


J. ScHACHT: 


risdle-i gihdd: 4ob* Nr. 6 

raudat al- -qudat fil-mahadir was-sigillat: 72 
zubdat al-haqa’iq fi ‘umdat al-wata’iq: 66 
zubdat al-murad fil-gihid: 4ob* 

k. zijadat az-zijadat: 9 


k. az-zijaidat: 3e. 8 

r, fi suqut an-nafaqa: 21* 

k. as-sunan (al-matira): 14 

k. as-sunna: 16 

k. as-sijar al-kabir: 7 

a8-Safi al-‘i fi Sarh musnad as-Safi'i: 12a 


Samil al-luga: 92 
k. aS-Surat (lil-Birzali): 59 


: k. aS-Surat (lil-Kattani): 61 


k. aS-Surtit as-sagir: 27 
kh. aS-Surat al-kabir: 26 


sakk (von TimirtaSzade): 52 
gakk (von Hidr ibn ‘Otman): 
sakk (von Sani): 69 

sakk (von Miasiazade): 68 
sukuk (von I#lattinzade): 6 
sukuk (von Baldyrzade): 65 
sukik (von Ali Effendi): 57 
sukiik-i Sar‘ije: 74P 

sukitk-i Sar‘ije, meSmira-i: 740 

k. ad-damanat fil-furii’ (von Ganim): 45 
k. ad-damanat fil-fura’ (von Fudail): 43 
tabaqit al-qurra’: 81 

‘umdat al-Sihid: gob* 

gurar as-Surit wadurar as-sumiut: 
k. al-garibain: 78 

gunjat al-mugni min munjat al-mufti: 
[fatwa]: 83D 

fatawa (lil-Hugandi): 


51 
5 cc* 


18b 


; fatawa (li’abis-Su‘iid): 68 


' fada@il al-imam a8- Safi'i: 


fatawa (anonym): 71 (bis) 

al-fatawa as-sugra: 5 cc* 

r. al-farq bain al-hukm bis-sibha wal-hukm al-miigib: 
37 a* 

k. al-furtiq: 28 

k. al-furtq fil-furi': 

k. al-fusiil: 34 

k. fusil al-ihkam fi usul (oder ahwaél) al-ahkam: 

12b 

fad#il al-3ihad (von Garullah): 4ob* 


33 
36 


- fadwil al- -cihad (lil-Husaini): 4ob* Nr. 4 


fad7’il 
fala il 


al-ihad (von ‘Abdalbaqi): 4ob 

al-Sihad (von Mahmiid mugawir Makka): yohb* 
fadail al-Sihad (von Mahmiid Misri): 40b* 

fadail al-gihad (lil-Mauyili) 4ob* Nr. 1 

fada’ il al-tihad (anonym): 4ob* Nr. 5 

qintinnime: 74H 

[r. fil-qird’a]: 81 

qasidat al-‘ariis: 86 

qunjat al-munja litatmim al-gunja: 5 cc* 

al-gawanin al-kullija fi dabt al-luga at-turkija: 9o 
al-kafi: 3b 

al-kaSsaf, Sarh sawahid: 82 

kaSf al-muriit ‘an mahdsin aS-Surit: 
k. latwif al-isirat: 79 
luget-i mahmiidije: 97 
luget-1 muntahab: 90 
al-mabsut (lil-Pezdewi): 3 g* 


53 


Nr. 1 





Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo. 71 


al-mabsit (lil-Halwa’1): 3d 

al-mabsat (lis-Sarahsi): 3¢ 

al-mabsit (lis-Saibani) : 3. 3e 

k. al-mugarrad: 3 

magma’ riwajat al-Sami° as-saeir wal-Sami° al-kabir 
waz-zijadat: 8h’ 

magmitat sukiik Sar‘ija ‘ala qawa id madhah al-aimina 
al-hanafija: 62 

k. al-emabadir was-siiillat: 58 

k. al-muhakamat: 82 

al-muhit (al-burbani): 3¢* Nr. 2 

al-muhit (ar-radawi): 3e. g* Nr. 2 

k. al-maharig fil-hijal: 3a 

al-muhtar min hk. as-sijar al-kabir: 7a 

mulhitayar al-asl: 3¢ 

k. al-muhtasar fil-fiqh: 25 

muhtalif al-ashab: Vorwort S. 6 Anm. 1 

k. mubtalif ar-riwaja: 29 

mirqat al-gihad: 4ob* 

mirgat al-luga: 98 

k. al-mas@il: 15 

mas@il ju‘aja biha fi ‘ilm al-hadiv: 47° 

musnad abi Hanifa: 1 

musnad as-Safii: 12 

musnad ‘Abdallah ibn Humaid: 75 

magari’ al-aswiq ila masari al-“uSSiq wamuuir al-garam 
ila dar al-islam: 4o 

magariq al-aSwaq: oa 

al-musannaf: 76 


h. marali ad-daqW@iy fi tahrir al-Bawami wal-fawiriq: 38 

ke al-mu‘ajat fil-aqh: 31 

maysad al-musnad: 1E 

malak al-ifadat fi Sarh az-zijidat: 8d 

k. malga’ al-qudat ‘ind ta‘drnd al-baijinat: 46 

maniyqib abi Hanifa: 1B 

al-muntahab min wagfai Hilal wal-UWassaf: 10h 

muntaha al-irab fi lugat at-turk wal“agam wal-arab. roo 

manzuma fil-furtiq: 41 

munjat ad-dali il: 5 ec* 

mnunjat al-fuqeha: 5 ce 

munjat al-mufti: 5 cc" 

muhimmat al-qudat lihtyagibim ilaiha ft ladl al-muhim- 
mat: 54 

al-muhaija’ fi kaSf asrar al-muwatta’: 2b 

mawa‘iz al-dihid wad-din: 4oh* 

al-muwatta’: 2 

nushat abi Hanifa: 1H 

k. an-nafaqit: 20. 21 

nukat al-gami‘ al-kabir: 52 

an-nukat fil-hilaf: 6* 

nukat zijadat az-zijadit: qa 

k. an-nawadir: 3. 3e. 9 


nail al-irsad fil-Qihad: 4ob* 


al-wagiz (lil-Hasiri): 5m. t 
al-wagiz (von Sadr ad-din Sulaiman): sw 
watiz al-muhit: 3f 


‘ wat@iq: 63 


al-wat aiq al-fa’sija: 74. 


Ill. Handschriftenindex. 


(Die Nummern der Konstantinopler Bibliotheken verweisen auf meine Zusammenstellung ZS 5, 288 ff. 


Zu den eckigen Klammern vgl. das Vorwort.) 


1. Jeni Gami’. 


158, 1: 82 [s4off-]: 39% ai 
392: § [55516]: 38° 98f.: 3 
407: 5¢c* 568: 4 103: 5c" 
424: 18b 827: 87* 143: 36 
515: 51 1186, 3: 48 223: 84 
516: 51 1187, 13: 86 ; 
542 ff: 3¢ 

2. Seraibibliothek. 
16: 102 7I4: 3¢ 864: 5cc* 
a457F 730: 5p [865]: 5¢c 
[93]: 79 731? 5p [866]: 5 ec 
97: 80 732: 5d [867]: sce 
98: 80 733: 5d [868]: 5c 
[36448]: 1H* 734: 58 886: 43 
[498]: 76 735: 5e [1024]: seu" 
637: 40a 736: 58 1025: 5c 
[648]: 40 7gi: 1b 1027: 5cc* 
649: 40 815: 5k* 1033: 51 
693, 1: 13 821: 34 1142: 3¢ 
693, 2: 10 822: 34 1148: 7 
694: 10 823: 34 1149: 7 
697: 3 824: 36 r181, 1: 28 
698: 3 825: 36 1181, 2: 35 


699: 3 826: 36 1194: 19 


1807: 83E 2004: 40b 2767: gt 
1851: 83E 2674: 40b* 2770: 100 
[2407]: 40 2727: 78 301: 8s 
5. Revan-Kiosk. 

[363]: sob [623]: 40b 1302: 37 
[364]: 4ob~ 650: 7 1303: 87 
617: 3¢ 1390: 87 
618: 3¢ 1391: 87 

6. Aja Sofia. 
551: 14 1379: 3¢ 1355, 6: ga 
So4: 75 1380: 3¢ 2240: 834 
1026: 3 1381: 5¢ 3019: 87* 
1031: 3¢ 1385, 2: 4 4072.5: 86 
1040: 51 1385, 3: 5 
1143: 20 1385,5: 8 

7. Koprili. 
T17: 79 642f.: 3¢ II 
233: 4 650: 29 ZS 
234: 4ob* 764: 4oh* Pe EON 
296: I4 1116: 81 
388, 2: 4 1588, 5: 21 II 
537: 3 7-4: $2" 


72 


J.Scuacnt: 


g. Nur-i “Otmanije. 


475: 80a 1377: 3 1772? 34 379: 17 
11gt: 40b 1492: 6 1773: 34 453, 1: 20 
1215fh: 76 1580f.: 5n 1774: 36 462: 5y 
1373: 29 1602f.: 3d 1805: 3¢€ 
10. Qara Mustafa Pasa. 
156,11: 17 189, 1: 8a 252ff.: 3 deen 
156, 2: 19 189. 2: 9 304: 5¢c” Yoo" | 
158: 56 1go: 8e ZIT: 3 bs ia 
186: 5i 239: 51 3261f.: 3 eee cA 
187: 51 240: 27 ae 
188: 8b 245: 3 eras ay? 
11. Weheddin. 
214: 79 1159: 5a 15-46, 2: 21 
406: 4 1225: 5m 1555.3: 70 
467: 4 1340: 8h* 1586: 17 
468: job* 1344.7: I9b 1587, 1: 17 
826: 40 1350.1: 8a 1587, 2: Iga 
1031: 37 1350, 2: ga 2896: 89 
1071: 5 1350, 3: 5m 3092: 96 
1157: 5f. 1454: 38° 3255) 4: 83B 
1158: Saa 1456, 1: 65 
252: 21 
12. ‘Umumi. 798: 4 
Sor: 17 
561: 77 2147: 3¢ 2754: 70 804: 5g 
1853: 4 2436: 8a 2755% 55 
1862, 7: I9¢ 2670: 72 2756: 69 
1863, 8: 19¢ 2674: 68 2765: 55 
1868, 13: 17* 2675: 67 2798: 18a ; 
2101: 3¢ 2676: 43 Ao +0 
2130: I9 2677: 43 538: 51 
13. Ragib 
441, 2: 17 507: 18a 518: 8b 715: 3¢ 
: 14ff: 5n fi: 3¢ 722: 51 
450: 3 514 5 579 3676 940 
oe 808: 74E 
14. Jahja. 
r19f.: 3¢ 
185.1: 8a 
18. Jyldyz. 185.3: 0 
413: 7b 9931: 42 15808: 70 
739 ff: 3g* 9999-1 42 15939: 74A 
[938]: 19a [15333]: 4ob 15951: 74B 
[7771]: 19¢ [15725]: ob" = 159553 55 
[9916]: 5p [15797]: 68 [15971]: 70 
19. Halis. is 
6322, 2: 19¢ 6322, 3: 20 6574: 89 30f.: 3 
oe 58 
po : 42f.: 5n 
20. Riza Pasa. foqecs 
6: 19b 267,11: 19 «= 267,22 17* = 267, 3: 17 [45]: 5s 


23. Siileimanije. 


569: 53 601: g* 
586: 3 1063: 746 
595: 3¢ 
24. ‘Air. 
1148, 7: 37a° IT4, 2: ga 
1207. 8: 83C 131: 55. 
249: 87° 
I 
87 ff: 3 WT 
II2: 36 Il2: 73 
114.1: 8b 


25. Qylyé ‘Ali Pasa. 
480: 51 


26. Besir Aga bei der Hohen Pforte. 


206: 3 


27. Laleli. 


835, 1: 17% 1096, 1: 55 
835-2: 17% 1156: 7a 
946: 8 3720, 3: 83B 
974: 8 


29. Ibrahim PasSa. 


648ff.: 3¢ 693: 8b 
669: 17 

30. Es‘ad. 

S10: 69 3368: 74G 
g02: 3¢ 3548, 3: 83D 
1026, 1: 21 3612. 13: 52 


3070, 4: 74F 


Corlulu ‘Ali Paga. 


37) 
238, 1: 8e 240ff.: 3¢€ 
238, 2: 8d 248ih: 36¢ 
32. Qasidegizade. 
[250]: 45 295: 68 
33. Molla Celebi. 
[46]: 5s 56: 25 
47: 8a 57,1: 19 
48: 8a 57,2: 18 
4g: 8f 57-3: 20 
51: 8f T5e4¢ 3 
52: 8b [81]: 36 


[398]: 3f 
411: 32 

445: oe 
467,12 35 
467.2: 457 


Aus den Bibliotheken von honstantinopel und Rairo, 


34. Mesih PaSa. 
[77]: 4ob* 


35. Wehbi. 


467, 3% 41 543: 19 

507: 6* [551]: 71 
525: 5cc* 558: 5 ce" 
53791 [570]: 34 
537.2: 46 810: 83F 


27, Sahzade. 


37: 3¢ 
38. Qara Celebizade. 
92,13 17 179: 5 ¢¢c* 183: 3¢ 
92,2: 19 180: 5 ce* 207: 5ec* 
117: 5h 18o0bis: 5 cc* 
39. Qadizade. 
117: 1g 254: 5¢c* 
40. Sehid ‘Ali Pasa. 
[300}: 80 799f.: 5s [o54fF}: 3g” 
{301}: 80a 801: 5S g62: 3a 
[519]: qob* 802: 5bb fo67!}: 29 
[sss] 4oa 808: 8g 1003: 3f 
607,1: 5p [815 f.J: 25 [1008]: 19 
[686]: 42 881: 26 2659: go 
719: §V 882: 26 [2725,53}: 21 
736: 48 [900]: 35 2752, 1: 243 
766: 20 [903]: 36 2762, 1: 19b 
767: 20 [904]: 36 .1: gec* 
797° 5° 920: 51 
798: 5°r g21: 61 
41. ‘Atif. 
443: 4ob* 743f: 3 1097: 42 
612: 12h" 7452 3 1164: 5cc* 
727,22 21 768: 5W 1175: 5¢¢* 
727,32 42 824: 2 2819.6: 741 
733: 18a 865: 8b 2945: 58 
7422.3 tor7 fh: 3¢ 
43. ‘Amiga Hiisein Paéa. 
222f.: 3c 
45. Hekm Oglu. 
381ff.: 3¢ 360: yob~ 
46. ‘Ah Emir. 
arabisch tarkisch 
2500, 1: 81 468, 2: 55 471,10: 74H 
[470]: 70 [508]: sob* 


1 Die Nommer ist mir abhander gekommen. 


Phil.-hist. Abh. 192s, 


Nr. >. 


[235]: 8o 
[236]: 80 
278: 20 
[396]: 4ob* 
[569]: 19a 
571: 17 
[572]: 42 
575+ 3 
576: 3 
577: 3 
578: 3 
579: 3 
580: 3 
581: 3 
591f.: 10 
593: 10 
[265]: 68 
281: 741 
1148: 12 
1r48hbis: 12 
1551: 5 
1553: 5W 
1554: 58 
155551: 5W 
1555.2: 8 


1555.3: 9a 


223: See 


733 (719). 1: 
733 (719). 
734 (720). 1: 
734 (720), 2 


735 (720): 42 
5m 
5 cc" 


772 (757): 
852 (838): 


go : 50 


17 854 (840): 5a 
2: 19¢ ( 
42 858 (844): 


47. Garullah. 


594: 10 [O82]: 25 
[603]: sp [oda]: 25 
654: 54 716: 3m 
[655]: sp [Seal? 42 
656: 5t drat: 4s 
669: 5x 821: 33 
[670]: 3m [S22]: 34 
[671]: 5n [823]: 36 
[672]: 5i [824]: 30 
673: 51 [830th]: 3e 
674: 51 [Ss2it]s 32 
675: 50 [S62ah]: 30 
[677]: 8a 373: 38 
[678]: 8b [874]: 29 
679.1: 8 QI4: 19 
679,2: ga 

45. Mehmed Rasid. 
288.1: 19a [O73]: pob 
288.2: 17 
49. Fatih. 
1556: 5 1705: &b 
1559: sh 1709: 8h 
1066: 8¢ 1710: Sb 
1688: 5d 2057 ff: ge 
1696: 5m 20741: 3¢ 
Ihg6bis: 5m 2132: 3k 
1706: 8b 2269: 18 
17O7: 8b 
32. Hamnidije. 

459: Igc™ sO 

548: 3¢ 61: 40b° 

549° 3¢ 73+ 42 

55. Mahmud Pasa. 
231: 3¢ 25t: 74K 


56. Rustem Pasa. 


132ff.: 3¢ 1391h: 36 


57- Mehmed Murad. 


855 841) ff: 5x 
3h 
997 (982): 27 
998 (983): 27 
999 (954): 6a 
1022 (100%): Bh 


TO4T (TORT) Es 


64. Kjjub. 
gl: 5n 


Io 


> 
re) 


53 re 


a 
o> 
4 
oF 


TO2O{LOTO}TE : 36 
TOZ LOTS}: 3 
TOsZS(1o22HT.: 
1042 (1o026)ff: 


¢ 


7A J.Scuacut: 


65. Esmahan. 


105: 40 139: 5a 196ff.: 3¢ 
66. Ilasan Pasa. 


336: 40b 


68. Selim Aga. 

275: 4 285f.: 3 

6y. Emir Hoga Kemankces. 
148: 57 


72. Huda’. 

figh 

[23]: 4ob* 58: 40 
75. Ulu Gami'. 
fiqh 
4: 5n 


fatawa 
20: 64 


77. Baba Effendi. 
magami 
71? 54 


84. Orban. 
fatawa fiqh 


3: 54 4: 20 
12: 70 


85. Hiisein Celebi. 


fiqh 


1:58 4: 20 
2: 5p 86: 42 


tafsir 
[22]: 82 


fatawa 
8: 71 


86. Qursunlu Oglu. 
81: 70 


87. Haraggizade. 
fiqh 
10: 5p 


12: 20 
203: 5W 


lugat 
[24]: 78a 
[25]: 78a 


204: 5W 
205: 5¢ 
206: 29 
213: 8a 


224,2: 71 
248: 17 


Agyptische Bibliothek. 
figh hanafi 20,13 19 
18: 19 20,2: 17 
19: 19 33: 3 


adab 
4158: 74L 


34: 3 1724: 50 724: 14 
36: 41 $f: 42 768: 1C 
38: 60 34¢: 48 802: 76 
43: 4 64¢: 7 848: 76 
112: 50 65¢: 7 1060: 17 
11g}: 8h* 66°: 7 1259: 1H 
119!: 29 1O4e: 4 1345: 12 
139: 26 1i2¢,1: 17 1534: 14 
140: 26 Il2¢,2: 19 1617: 1A 
I4l: 3 ; 1659: 1C 
gs 20 i figh hanbali nar: ae 
285]: 5ce : 1832: 312 
[286]: 5 ¢c* 39° 47 1973: 12 
ages 33 fiqh Safi 2103: an 
ne ot 80: 30 ne 
2 ‘5 ae Pe luga farisija 
400: 
[439]: 5 ec* 915+ 31 8¢: 92 
[440]: 5 ¢c* 1504: 30 
pe ao hadit luga turkija 
490: 3c 24: 2¢ Sgt 98 
491: 3 37: 23 aE: 
496: 3 38: 11 B302-98 
550: 3a 155: 1D ee 
623: 3 246: 12 magam1 
647% 24 276: 14 228, 2: 47 
740: 5 306: 12a 377s 2: 37a* 
TIO Tas 315: 2d 484: 378° 
ee aaeeae ee 
1017: 20 430: 1C fsir 
1059: 64 440,02 2 tatsir 
1242: 8 440,2: 1E 167: 78 
[1321]: 5 cc* 475: IF 874: 78 
[1353]: 5cc* 586: 1b 888: 78 
1716: 60 716: 2d 20,¢¢: 78 
Azhar. 
[1088]: 19c* [5581]: rge* 15936: 37a 
. [rr60]: 3e 6003: 12 17589: 48 
[1264]: 3e 7536: 5cc* 21440: 1C 
[1293]: 3e 7558: 42 223743 14 
3278: 12 7587: 5 ce 22642: 32 
3954: 37a IOGII: 5 cc* 22643: 32 
4280: 3 {r1056]: 3e [ferner]: 19b.¢ 
4298: 20 14358: 5¢c* 


Azhar, riwaq al-atrak. 


figh hanafi hadit, tirkisch 

2368: 3g* 518: 1F 3732: 88 
2369: 3g* 525: 12 [3943]: 99 
2370: 3¢ 526: 12 [ferner]: rore* 
2768: 5m ute 
2796: 29 ilm amm 
[2797]: 5 c¢c* 1650: 32 

1651: 32 


* Die Nummer ist zweimal vorhanden, 


Aus den Bibliotheken von Konstantinopel und Kairo, 


Azhar, riwaq as-Sauwam, Saih ‘Abdarrahman 


462: 5 cc* 


adab 


magmu’ 681: 


fiqh 
86: 41 
186, 1: 64 
273: 71 
2gI: 42 
308: 66 
342: 53 
361: 63 
363: 74M 
475: 59 


71 


Adib. 
figh hanafi 
463: 5cc* 


Taimur. 


hadit 
265: 12 
335: 16 
464: 11 


499+ 33 


ma‘agim turkija 


macsami 
138: 74M 
319: 39 


l4 


tigh 
[65]: 70 
[104]: 33 
[106]: 28 
170: 740 
278: 62 
[279]: 70 
306: 74P 
[395]: 55 


2° 3140: 81 
[2° 4071]: 68 
4° 898: 87% 
° 1191: 8b 


Nureddin. 


[406]: 70 
Loz]: 72 
[442]: 68 
[450]: 70 
1520]: 45 
[(8og)]}: 37 


Juea 


107: 101B 


Berlin. 


4° 1343: 5d 
8° 1829: 1B 
8° 1832: 1G 
8° 1981: 69 


° 


~I 


ny 


110: Q9g 
125: 97 
130: 98 
VS4E OF 
140: 95 
[168]: 07 
190: 1o1€ 


192th: toi C* 
ferner: 9.4 


8° Tyggg? 55 
8°? 2073.2: 19b 


Andere Handschriften. 


21. 32 (bis). 53. 68. 
einigen Handschriften des British Museum. 


Vel. auch das Vorwort zu 





Berlin, gedrockt in der Reichsdruckerei. 


ABHANDLUNGEN 


DER PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


JAHRGANG 1928 


PHILOSOPHISCH-THISTORISCHE KLASSE 


Nr. 9 


BEITRAGE ZUR TEXTGESCHICHUTE 
DER EPIDEMIENKOMMENTARE GALENS 
U. TEIL 


VON 


Dr. putt. ERNST WENKEBACH 


STUDIENRAT AN DER AUGUSTE-VIKTORIA-SCHULE IN CHARLOTTENBURG 


BERLIN 1928 


VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 





IN KOMMISSION BEI WALTER DE GRUYTER U. CO 





Vorgelegt von Hrn. Jaeger in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 19. Juli 1928. 


Zum Druck genelmigt am gleichen Tage. ausgegeben am 20, Dezember 1928. 





"Winrend Galens Kommentare zu Epid. If in der Sgmmelausgabe seiner Epidemienkommen- 
tare (y), die im 14. Jahrhundert bestanden haben mu®, fehlten und schon in fribyzan- 
tinischer Zeit zu den Seltenheiten im Buchhaudel gchdrten, scheint es, daB die zu Epid. VI 
in der Verbreitung vom Schicksal cin wenig mehr begiinstigt worden sind. Wenigstens 
gab es im Anfange der Neuzeit in Italien. und zwar am Druckorte der ersten griechischen 
Galenausgabe selbst, noch eine Hs., die es dem Herausgeber der Galenaldina ermoiglichte. 
drei Viertel der Erkliérung des 6. Epidemienbuches den Komimentaren zu Epid. [ und HI 
tolgen zu Jassen. Da nun auch heute yon allen curopiischen Bibliotheken allein die Bibliotheca 
Marciana in Venedig noch eine Us. der Kommentare Galens zu Epid. VI besitzt, so ist 
von vornherein zu vermuten, daii gerade diese in Venedig autbewahrte Hs. die Druck- 
vorlage der Aldina fiir unser Buch gebildet hat. Die Glaubwiirdigkeit der Vermutun 
wiichst zur Gewiblheit, wenn man im ahademischen Kataloge der Medizinerhss. Anfan; 
und Ende der einzigen Hs. in Uhereinstimmung findet mit unserem Texte, der ja aut’ der 
Aldina beruht’. Als im Frithling und Sommer des Jahres 1525 die Galenaldina entstand. 
gehérte ihre Vorlage fiir Galens Kommentare zu Epid. VI bereits za den Biicherschitzen 
des Kardinals Bessarion; heute ist sie als Cod. Venetus Marcianus 283 (von mir mit U 
bezeichnet) Eigentum der Biblioteca Nazionale di San Marco in Venedig. wo ich sie im 
Marz und April 1gro fiir das Corpus Medicorum Graecorum verglichen habe. Auf diekem 
Papier geschricben, scheint die Hs. nur wenig alter als Marcianus 285 (m), der wahr- 
scheinlich der zweiten Hilfte des 15. Jahrhunderts entstuammt. Auch sie ist reich an Kiir- 
zungen, aber ihr Schreiber war kein hervcerragender Kalligraph. Er hat nur schwarze 
Tinte benutzt und den Text des Hippokrates durch Anfiihrungsstriche am Rande kenntlich 
gemacht. Die Zahl der Zeilen auf einer Seite schwankt zwischen 22 und 27, meist hetrigt 
sie 25 oder 26. Auf einem VorstoSblatte steht von Bessarions eigener Hand gesclirieben, 


a 
fe) 
SY 


. . . aad v . ae * 
wie im Marcianus 285 (m), Inhaltsangabe und Eigentumsvermerk: [adn es t 6 T emt 
fas . cad , 2 » io eal > 
Gyue e&yyows und darunter xtiya Eyucoaptwros KapcyvaS TT GasvV\ und am Rande 
vis * . 2 . . . 
zwischen den beiden Zeilen to ma. In der dritten und vierten Zeile folgt die lateinische 
Ubersetzung: Galient exposito in sectd epidemiar) liber b. cuF sabinor) nicens nd an der cut- 
sprechenden Stelle des Randes die Standnummer locus S7. 

Dieser direkten Uberlieferung des spiiteren byzantinischen Mittelalters steht die um 
mehr als ein halbes Jahrtausend fltere indirekte Uberlieferung aus der arabischen Uher- 
setzungsliteratur gegeniiber. Die Bearbeitung der acht Kommentare Galens zu Epid. V1 
geht wie die der tibrigen Epidemienkommentare auf den ebenso durch Fifer und Gewissen- 
haftigkeit wie durch Sach- und Sprachkenntnis ausgezeichueten arabischen Arzt Hunain 





‘ Ebenso bat aus dem gleiehlautenden Anfang end dem vorzeitigen Schlusse (Bd. XVIHB S. 311K. 
rotdypas Te kai dpOpiricas) schon Wariner Brivitesm geschlossen in semer ergebnisn ighen Abhandluny 
De Hippocr. Epidenvarum libri VI. comic:tatoribus. Kénigsberger Doktordissert. 1908. S. 57. 


is 


Ill. Galens 
Kommentare - 
ew Ep:d. VI. 


U (Cod. Venet. 
Marcianus 
Gr. 283), der 
cinzige Zeuge 
der direkten 
Uberlieferung 
von Galens 
Kommentaren 
zu Epid. VI. 


Tie indirekte 
Uberlieterung 
in HL ¢Scorial. 
Arab. 805): 
Nunains Uber- 
setzuny als text- 
kritisches 
Hilfsmittel, 


U als Quelle der 
Aldina fur 
Galens 
Erklarung von 
Epid. V1 
1. im Proémium: 
Untersuchung 
der Anfangssitze 
in bezug auf 
Ubereinstim- 
mungen des 
Druckes mit der 
Hs. und Abwei- 
chungen, die, 
wenn nicht als 
Druckfehler, 
zweifellos als 
Konjekturen des 
Aldinenkritikers 
zu bewerten 
sind. 


4 E. WENKEBACH: 


Ibn Ishaq (gestorben 877) zuriick', dessen Ubersetzungswerk aus dem Scorial. arab. 805 
des 13. Jahrhunderts (H) zugunsten des Corpus Medicorum (Craecorum von meinem Mit- 
arbeiter Dr. Franz Prarr-Berlin erschlossen worden ist. Wie sich Hunain mit seiner 
Ubertragung fiir die Kommentare der vorangehenden Epidemienbiicher als textkritischer 
Helfer bewiahrt hat und sich fiir weite Strecken dieser galenischen Schriftstellerei als einziger 
Zeuge darstellt, so wird er auch in den Kommentaren des hier zur Erérterung stehenden 
Buches nicht nur die im Griechischen verlorengegangenen Teile ergiinzen, er wird auch bei 
der Wiederherstellung des fehlerhaften Textes in U die wertvollste Stiitze bilden. 

Da die handsehriftlichen Grundlagen der ersten Druckausgabe von Galens Epidemien- 
kommentar tberhaupt noch nicht untersucht worden sind, so ist auch die Hs. U und die 
Art, wie sie vom Aldinenkritiker benuézt worden ist. noch véllig unbekannt. Ich halte 
es daher fiir ersprieBlich, das Verhiltnis zwischen U und der Galenaldina an ausgewihlten 
Stellen aus Anfang, Mitte und Ende des Buches so genau wie méglich darzulegen. Schon 
das kurze Proémium der Schrift zeigt die Abhingigkeit des Druckes von unserer cinzigen 
Hs. in unzweideutiger Weise. Sogleich der einleitende Satz liefert an mehreren Stellen 
den biindigsten Beweis. Sowohl U wie dic Aldina beginnen, wenn wir von dem erst in 
Chartiers Ausgabe erscheinenden Buchtitel und auch von der erst dort dem ‘Texte voran- 
gestellten Kapiteltiberschrift [adnvov mpoojuov absehen. den Text der galenisehen Erkli- 
ring (S.793.5) mit demselben Worte Eis. Diesem folgen in U die Worte: + éxryv Tov 
érOnuev immokpatous cvyypayydtev éAuuivavto ToAAGl tev e&irynte@v, dAdo ANOS. 
ws éxaotos nAtioe TIavas E€nyoacba, Thy Kata Tov (UL. hh. TovTO) NEW trad\daTTOV, 
ote HvaykdoOnv éyw due ToVTO THY TE TaAMOTHTA TOY avTLypddhov éemiCnTiCa. Ta TE 
Umopynipata Tov Tpdtwv éEnynoauévov TO PiBrlov, év ois Kai CevEis éorw | (S. 794) 6 
TapavTivos Kal 6 épvOpatos npakdeiOns Kai mpo aiTav Baxyeids Te Kal yAav«tas. Mit diesen 
Zeilen geht die Aldina Wort fiir Wort zusammen, nur an folgenden Stellen weicht sie 
von ihnen ab: Z. 5 eis to éxtov Ald.: eis + éxtyv U — Z.7 addot CAdXws Ald.: GAXors 
aAAws U. Hat der Kritiker dort das Richtige getroffen, scheint er es hier verfehit zu 
haben. Galens Hiatscheu empfiehlt eher. aAAois vor GAAws in GAXos als in GAOL zu findern, 
eine distributive Apposition neben meistens pluralischem Subjekt und Pridikat, wie ich 
sie gerade in diesem Kommentar 6fter bei ihm beubachtet habe: so schreibt er Bd. XVILA 
S. 824, 11 évor Tov vewTépwv petaypadhew éreyeionoav dAXOS GAAos. o1 MEV érANYeEs 
ypapovtes, oi d€ Katadnyies -~ S.992,2 Tous 0 éEnyntas EOavpaca rodvedes MeTa- 
ypawavtas tiv pyow adAov adAAwWS — Bd. XVIIB 8.58,4 a@AXOS youv dAAws aita 
ypape, OndovvTes aravtes, ws ovy oldv T éoTi TAaves EENyi}oacba Ti pijow. édv ye 
Thy apyaiav pvdAatTn (oder puAaTTHs?) yeadpiv. Vgl. ebenda 8. 260,8 due tovto Toivur 


1 so 4 “a ~ , > “~ 2 W7 
adAos ém GAO TOV TPlOY oHUaLOLEVWY FKE Tov E€NyNoapévwy TO By3Alov. — S. 72,1 
ms ~ . , > *. rag , ~ . cy ¢ 
KaTa TOUT ov EiKOTWS EV AUT@ TOUTwWI TpwToYV oi EENYHTA ouvéyOnoay, UTTAKOVELY 

Q ~ ” . ~ . a \ a ri * ~ 
a&iovvres GAAOS AAO, KA OTL TAGW avTOIs TO Olov i KHKis évavTiwvTa. — S. 80, 4. 


THY Yyouv mpoKkepévnvy ovVK ovoaY aiveypatadn CiagT@ot TOAVELO@S, GAXNOS GANOGEV TE pl- 
ypdbwv tas kata ta’tTny arodaces. Diesen allgemein griechischen Sprachgebrauch, den 
die homerischen Gedichte (z. B. A 744 arap peyabuuor Emewi étpecav addvéis GXXOS. 
émet iOov avdpa weoovta oder A 42 of ToAAOL TrEpt PdOpov Edoitwv GAAOHEV ctdAOS 





' Die Bedeutung der Arbeit. die Hunain mit seinen Schitlern in seinen Galentibersetzungen geleistet 
hat, erkeunt man jetzt am leichtesten und griindlichsten aus G. Berusrrissers Abhandlung: [unain Ibn Ishay. 
Uber die syrischen und arabischen Galen-Ubersetzungen. Abhdl. f. d. Kunde d. Morgenlandes. luxe. v. d. Deutsch. 
Morgenlind. Ges. Bd. XVI, Nr. 2. Leipzig 1925, und aus der Darstellung von Max Meyeruor. New Light 
on Hunain Ibn Ishaq and his Period, Extrait d'Isis. n° 28 (vol. VIL, 4) Octobre 1926. Bruxelles. Soc, An. 
M. Weissensruca, Imprimeur du Roi, Editeur. 


~ 


Beitrige zur Teartygeschichte der Epidemi nukommentare Galens. 1. a 


feorecin iayne und chenso w 415) und die Dialoge Platons (z. B. im Eingange des ( har- 
mides Kat we ms eiCov eiowvtTa €& ampoocoxijtov, etfes woppobev jpxamaCovto aAXos 
adAobev und ebenda 153d Hp@twv 6€ GAXOS GAAO) verauschaulichen hénnen. méehite ich 
(xalen auch an unserer Stelle zuschreihen: ... éAvuujvavto moAAot tev éEnyitov. aNros 
dAXws, ws Exactos jATmice TWBavas eEnyiicacGa, Tiv Kata TovTO (wie die Aldina mit 
Bezug auf to éxtov tev érienmev richtig aus U ibernommen hat. wihrend Chartier und 
Ktux tovtov wegen Irmoxpatovs gegeben haben) AéEw trradAdt tev. wie ich ihn sogar 
Bd. XVILB S. 328,17 eikdtTws Tovyapour of €Enyntai Cujveyfyoav, GAOL CAS ot HOvOY 
eEyynodpevoe THv NeEw. AAG Kat peTaypawWarvtes der UCherlicferung vorziche'. 

Ebenso hatte der WKritiker der Galenaldina in’ dem den eben behandelten Worten 
folgenden Konsckutivsatze nicht @orTe qvayKaoOny eyo Cut TOUTO THY Te TAAMOTITA TOV 
avTiypdper érCytiga. Ta Te VTOmpATa TOV TpeToV EENyNTauEevovy TO PuddAOV drneken 
solen. wenn in seiner Ils. oder deren Vorlage viclleicht die Kiirzung Ta re mwadawT 
geschrieben war. Dali es ta Te Tada (fiir das Galen weniger geliutige maAaotata) 
oder wadatata ivgl. Comm. in Prorrhet. I] 23. Bd. XVI636K. = (MG V g.2 p.7a.tt 
Dirts éemetmov LevEwcu TEL TaruTaTor EuTrepikoy Tev cwteypadev heiBben mub. bezeugt 
nicht nur Hunain mit seiner Ubersetzung in Ho »dé diltesten con dew Handschriftine. sondern 
hat auch schon in seiner Wiedergabe reteres der Uhersetzer der Juntinen, der wm dic 
Mitte des 16. Jahrhunderts an der Universitit Padua titige Professor der Medizin. Junius 
Paulus Crassus. angedeutet, dessen Ubersetzung die Charteriana neben dem griechischen Texte 
1679 wiederholt hat, so daB wir sie nun mit dem Nachdrucke der Pariser Edition noch 
in Ktuxs Ausgabe lesen: Quamobrem propter hoe ct ego cetercs codices indayare cf corunt 
commentaria, qui prani librim hune explanacerunt, ecoleere couctus sum. Withrend Crassus’ 
Nachfolger Jo. Bapt. Rasarius in Venedig (1562) in seiner Chersetzung (Galeni opera. 
t. TL fol. r18') nur hier und da im Ausdruck findernd schreibt: quamobram ceteres eyo 
libros, S commentarios corum, qué primi hune in librum conseripseruat. jadagare sim coactis, 
hat sein Vorgiinger Joannes Vassius von der Pariser Universitit™ sich viel euger an die 
Aldina angeschlossen, indem er seiner 1550 verdffentlichten Uhertragung p. 443 folgende 
(restalt gegeben hat: qua effectum est ratione, ut coactus ego fucrim vt evemplarinm anuti- 
quitatem, «f primorum interpretum commentarios perceshigare, 





1 Vel. tiber die Appositio partitiva in adXos dddov. aline alinm. Weuxer-Greri. Ausfiilel. Gramm, d. 
uv, Spr.. IL 13 Hannover 1898, S. 286 ff. 
2 Von den drei humanistisechen Ubersetzern der Kommentare Galens zu Epid. VI seheint mir donnie. 
Vassaeus Meldensis der jilteste. ber die Entstehung und Verdétfentlichuny seiner Arbeit lesen wir in der 
Vorrede an deu Kardinal Odo a Castillione. Erzbischof vou Toulouse. (ar Lutitiae Universitat. dic acquivorte 
vernalis ann’ Doniuid 1540) folgendes: wd me quoriiutam amicorum commorrt rohiurtas. ut libros Epatemitariumn 
Ieppucratis cum Galeni in cos commentariis, quos a omultis annis vam latinos factos hetvbam, pubboarcm Sie vv 
sehien zum ersten Male 1550 Lugduni. opud Gultelimm Rouillivm sub Seuta Vorto: vine zweite Auflages Paris 
1337. ist wohl nur ein Nachdrueck der ersten und wie diese von Crassus unbeeinthubt. Past zur selben Zen 
wie Vassiius verdffentliehte Junius Paulus Crassus. Professor der Medizin an der Universitit seiner Vaterstadt 
Padua. seine gleichfalls nur aus dem Aldinentexte geflossene Ubersetzung in der Juntina. die sich jufolge semer 
eréBeren Sach- und Sprachhenntais vor den beiden anderen oft dureh richtige Konjekturen auszeichnet 
Crassus’ Uhersetzung ist mir bekannt geworden unter dem Titel Claud. Galen in Sertiin Hiympocratis de Morhis 
Popularibus thram Baplanations a Lunia Paulo Crasso Patarina in baquam Latenan corsa aus Galent Opors t Ed. 
O77—~S20, Lugdini, Apud Joannem Frellonim MDL. Uher den Verfasser s. JGcHers Geleliten-Lexikon I. 
Leipzig 1750, Spalte 2174. Die Juntina hat der jiingste dev drei lateinischen Bearberter Jo. Bapt  Rasariis 
(Vewetiis 1062 apud Vincentim Valgrisaon). tiberwiegend our stilistisch elittend. genutet. din Geeensatze 7n 
iirem franzosischen Kollegen habe die beiden [talicner ihre wissensehafthehe Ehre dadurch besudelt. dab sie 
sich zu Falsehungen haben verfiihren Jassen. Diese inbetreff des Rasarias suerst von Hrrwasy Sonn ge- 
auBerte Vermutung hat W. Brdvitesm in seiner schon angetiihrten Dissertuuon De Typ. Epide nnaraia LVI. 
conmentatoribus S.557—65 schart und griindlich fiir Rasariuy bewiesen und S.66 -68 auf Crassus als Palscher 
des Kommentars des Palladios ausgedehnt: mit welehem Rechte. wird noel geuauer zu yotden sein. 


Vorlatiges 
Pater) uber 
die latemischen 
I beri tauingen 
von Vassatls, 
Crassus und 
Reasarims 


6 BK. WENKEBACH: 


Schon diese Kleinigkeit kann uns nebenbei bemerkt dazu dienen, uns eine Meinung 
iiber die drei Ubersetzer der galenischen Kommentare zu Epid. VI zu Vilden, und dieses 
Urteil wird die Priifung der Gesamtleistung der drei genannten humanistischen Mediziner 
durchgehends bestitigen: sie sind gleicherweise nur von der Aldina abhingig; Vassius 
hat die Ubersetzung des Crassus nicht gekannt, Rasarius aber scheint sie nur stilistisch 
zu tiberarbeiten; schlieBlich tiberragt Crassus seinen Vorgiinger und seinen Nachfolger 
an Textverstindnis so sehr, da8 man wegen teils vdéllig richtiger, teils weniger fehler- 
hafter Lesarten in seiner Ubersetzung ihm beinahe die Benutzung einer von U unab- 
hingigen Hs. zutrauen kénnte. DaB dies aber doch nur ein Trugschlu8 wire, kann so- 
gleich der Einleitungssatz des galenischen Prodbmiums an den beiden noch zu besprechen- 
den Stellen zwingend erweisen. Ich beginne mit dem Ende des oben mitgeteilten Satzes, 
in welchem auch von Crassus, dem Aldinentexte gema®, unter den Altesten Erklarern 
des 6. Epidemienbuches e¢ Zeuais Tarentinus et Erythraeus Heraclides..., ante quos ctiam 
Bacchius et Glaucias aufgezihlt werden. Allein auf Grund dieser in U und in der Aldina 
tibereinstimmenden Satzform hat man noch jiingst den Empiriker Zeuxis aus Taras stammen 
lassen, was aber Galen, sooft er sich auch auf diesen Hippokratesexegeten beruft, sonst 
nirgends bezeugt. Wer die Renaissance des Hippokrates in Alexandreia kennt, wird nicht 
daran zweifeln, daB Max Wettmann (bei Susemim1, Gesch. d. griech. Lit. in d. Alexan- 
drinerzeit, Leipzig 1891, I S. 826, Anm. 300) aus seiner Kenntnis der griechischen Me- 
dizingeschichte die noch im Kiuyschen Texte falsch gedruckte Stelle durch den Zusatz 
von kai berichtigt hat: év ois kal Zev&is éote (kai) 6 Tapavtivos kai 6 ’EpvOpaios 
"Hpaxdeions. Zu den von Weinmann angefiihrten Zeugnissen fiige ich eine Stelle hinzu, 
an der Galen die beiden Herakleides ebenso miteinander verbindet wie hier: (S. 608, 10) 
otk axvnoa & av ovde Tas Ud ‘HpaxAeidov tov Tapavtivov re kai Tov Epvépaiov 
yeypapupevas amrodeEes Tov mapeyyeypapGa tovs yapaxtnpas eine, ei py ye TOIS vouV 
éyovat mpddnrov évducCov eivat TOUTO Kal DatTov Eorrevdov amadXaynva THs Tola’TNHS 
mroAvAoyias. Zum Wberflusse bringt nun auch Prarrs Ubertragung der arabischen Uber- 
setzung aus H, wo unter den Hippokrateserklirern »Zeuvxris und Herakleides, bekannt 
als Tarentiner und bekannt als Erythrder, und vor thnen Glaukias und Bakcheios« 
erscheinen, die Bestitigung, da®B Crassus mit seiner lateinischen Ubersetzung zu Unrecht 
an der Fassung der Aldina und der Hs. U festgehalten und We.imany allein von allen 
mit der Stelle beschaftigt gewesenen Kritikern das Richtige gesehen hat. Noch viel 
schitzenswerter ist die Hilfe Hunains an der zweiten Stelle, dem Anfange des Einleitungs- 
satzes, den selbst Crassus, so einwandfrei seine Ubersetzung scheint, doch nicht in Ord- 
nung gebracht hat, weil auch er die Verstiimmelung des Textes nicht bemerkt hat. Der 
Paduaner iibersetzt die oben ausgeschriebenen Worte so: Sextum Hippocratis librum de 
popularibus morbis multi explanatores corruperunt, alti aliter, ut quisque se verisimiliter ex- 
planaturum esse sperabat, tpsius verba permutantes, womit man die ahnliche Wiedergabe 
von Rasarius und Vassius vergleiche, die bei jenem (t. III fol. 118°) Depravarunt plerique 
interpretes sextum Hippocratis de morbis vulgaribus librum: dum alii aliter, ut quisque se ad 
cerisimilitudinem explanaturum sperarat, ilius cerbu permutant, bei diesem p. 443 Sextum 
epidemiorum Hippocratis librum plerique interpretum suggillaverunt: alii aliter, ut singuli pro- 
babiliter exponere sperarent, ita dictionem permutantes lautet. Aber schon die oben hervor- 
gehobene Priposition eis, die in U und in der Aldina das Ganze erdffnet, verrit wahr- 
scheinlich eine Liicke, jedenfalls einen Schaden des Textes, den bisher niemand notiert 
hat; denn AvyaiverOa eis Te ist tiberhaupt ungriechisch. Der Araber lehrt ihn genau 
erkennen, wenn er anstatt der in U iberlieferten Worte eis tiv éxtyv... moAXol TOV 
éEnynta@v in H schreibt: »Erste Abhandlung von dem Kommentar Galens zu der sechsten 
Abhandlung von dem Epidemien genannten Buche des Hippokrates. Ich wei nicht, dap die 


~1 


Beitrage zur Textyeschichte der E pidemienkommentare Galens. II. 


Erklérer an einem Buche des Hippokrates verdorben haben, was sie an diesem Buche verdorben 
haben; denn viele dndern in ihm viele Dinge«, und er hilft ihn auch beseitigen, obwohl er 
Galens Gedanken nicht scharf genug erfaBt hat. Wenigstens ist es mir nicht zweifelhaft. 
da8 Hunain besser getan hitte zu tibersetzen: »Ich weiB nicht, wie es gekommen ist. 
daB...«, womit er einen echt galenischen Sprachgebrauch zur Bezeichnung sonderbarer 
und verwunderlicher oder bedauernswerter Tatsachen wiedergegeben haben wiirde. Der- 
selben Wendung ovK oid o7ws, die ich durch die arabische Ubersetzung durchschimmern 
sehe. hat sich Galen bei Erwahnung derselben oder dhnlicher Geschehnisse in unserem 
Epidemienkommentar bedient, indem er schreibt: XVIL[A S. 524/25 Ovt« oi0 érws 
edvoTuynce Kal TOUTO TO BiBriov, oomep Kai d\Aa To\Na TeV lrroxpdrovs, Ta Mev 
Gros Oweokevalopéva, Ta O€ ToIs Ur’ abToOU YEYPappevors TrapeyKe(uevov t. (Eévov) exovra 
-- oder XVILB S. 165,18 Zev&is d€ ovK O10’ OTwS THY apynv Tov devTépov popiov 
THS PHTEWS OVTWS eEnyioaro und in freierer, ghey nis Anwendung S. 288, 3 /lo- 
TEpov operet wikis aitas (nimlich tas vécous) 7 BAarTEL mapaheenreu. TravTwv Oe 
TOV esmynTav ovK 010 Omtws UTobenévwv aitas wpereicOa Kai wiéw axovodvrwv Thy 
mpos yuvaika, ywpis Hpaxdeidov (oder ‘Hpaxdeida, vgl. CMG V 9,1 p. 135, 7 Heunr.: 
von mir nach §S. 608, 10 verbessert: npaxneos U und die Drueke von Aldus bis Kiny) 
tov EpvOpaiov, mavrov 6é dtapepouevov év Tat KaTa Tas érravé€as THpmawopuevwt, 6 MOL 
doxet 1iBavdtatov ws (év) aiviypac éival, TOUTO udvov éo@. Und ebenso auch in anderen 
Hippokrateskommentaren Galens, wie z. B. neben einem finiten Verbum im Kommentar 
ZU Hepi picews avOparov XV, 44K. (= CMG V9.1 p. 24, 22 Mew.) Eviot € TOV uat- 
K@V dvouacbevrov proodspov ovK 010 Omws éTOAuncav atodyvacba dd&av dAA6KOTOV 
anacav dwatpérovaay thy dvouwKnv Gewpiav oder neben einem Partizip ebenda XV, 2 
(= CMG V 9,1 p. 3,9 Mew.) pOdcavros © ovK 010 Omws eis ToAAOUS éExTrETEtV TOU 
ovyypdupatos ovKel’ érepov én’ aitar Troe do&é pow. Der Ausgangspunkt fiir diesen 
Sprachgebrauch scheint mir in dem formelhaft gewordenen oi dt zu liegen: Soph. 
Ant. 276 mdpem Sdxkwv ovy éExovow, of6' 6T1 oder Dem. VI, 29 ove yap abTos dv rofl 
Umepewva mpeoBevew, ovr av wets oid’ OTe éxavoacbe TodeuovvTes, ei ToLa’TA mpdkew 
TUXOVT eiprvis Piiirrov woe oder bei demselben IX, 1 [loAA@v, © cvdpes: ‘AGnvator, 
AOyov Yryvopuevwv ... Ka WavTwWV O10 OTL pnodvrwy a: av, ei Kat fu Totovot TOUT, 
Kal Néyew dew Kal TpaTTEW, OWS ExElvos TavoEeTA THS UVBpEews Kai Siknv doce, Eis 
Tou? wrnyyéva TavtTa TA TpdynaTa Kai Tpoemev dp@, waTE OédoKa un BAdopHpoV 
pev eirrewv, GdAnOes d€..., wo oid’ bt geradezu als versicherndes Adverb verwendet ist. 
Von hier haben die Spateren, wie es scheint, ovk oi0 omws auch mit Bezug auf nicht 
finite Verbformen, also parenthetisch. gebraucht fiir unser »mir unbegreiflich« oder 
»sonderbar« oder »seltsamerweise«, wie im Lateinischen xescio quo pacto, mirum quantum 
oder mire quam ohne Riicksicht auf die Satzkonstruktion gesagt wird'. Daher fille ich 
die von Hunain an unserer Stelle bloBgelegte Liicke, indem ich annehme, da® Galen, 
and zwar in Ubereinstimmung mit dem ei Sprachgebrauche, wie in dem ersten Bei- 
spiel aus dem Epidemienkommentar (S. 524/ 25), seine Erklarung mit den Worten be- 
gonnen hat (Ovx of0” omws Kai TovTO TO BiBAiov, @omep Kai ado Tt Tav Tov) brio0- 
Kpdrous ovyypauudtwv, éduuyvavto TodAot Tov éEnyntov. Uber den Buchtitel und den 
Ursprung des seltsamen Fehlers sogleich im Anfangssatze des Kommentars wird besser 
erst spiter in einem andern Zusammenhange die Rede sein, wenn ich auf die ebenfalls 
in Mitleidenschaft gerogenen noch tibrigen ersten Worte aus U eingehe. 








+ Reiche Sammlungen von Beispielen bieten Iwaw Métrer in seiner Praefatio zu Ser. min, II p. LXXI sy. 
aus anderen galenischen ‘Schriften und Wiz. Scaxm, Der Atticismus in seinen Hauptvertretern I 279, II 133 
und III r40, aus den Schriften des Lukian, Aristides und Aelian. Den Alteren Gebrauch belegen mit vielen 
Stellen Reupanrz. Indic. zn Demosthenes S. 258 und Ast, Lex. Plat. I 604. 


Ein Selbstzitat 
Galens ber eine 
Konjektur des 
Empirikers 
Herakleides a.ts 
dem Komm, zu 
Epid Hf im 
Widerspruche 
mit der Fiil- 
schung XVII A 
3.37415 K, 
aber 1m Ejn- 
klange mit der 
arabischen 
Ubersetzung 
des Komm 
zu Epid. I. 


8 E. WENKEBACH: 


Die folgenden Sdtze des Proébmiums werden die schon gewonnene Erkenntnis be- 
stitigen, dali U die Quelle des Aldinentextes ist. Ankniipfend an die Reihe seiner ersten 
Vorliufer in der Hippokratesexegese, fihrt Galen nach U so fort (S. 794, 2): et péev ov 
yet TO OnNOTOA THY Tada ypadiv eEdeyov HuaptnoOa tiv A€Ew eikos eEivar Kai duet 
ToUTo émwoelw a’rous Tiv inmwoKpatous eiva TijvCEe Twa, Kav ameceEdunvy a’Tovs, Et YE 
peta Thy erravdpfwow éWpwv CicdoKovTds TL ypyowov TE aud Kai THS yrouNs eyopevor 
Tou Tadawv. émel € éviote xTé. Wieder sind die Abweichungen der Aldina von U 
geringtiigig: sie beschriinken sich auf das fAlsehliche eikos ei) av, das der Herausgeber 
aus e€ikos eva eher verlesen als absichtlich geindert hat. Mehr sagen uns vielleicht die 
Stellen. an denen der Kritiker Fehler der Hs. unverbessert in den Druck tibernimmt. 
Da der Araber die nichsten Zeilen in H so wiedergibt: » Wenn sie Alar gesagt hdtten, wiv 
die alte Lesart war, und dann gesagt hdtten, dai es wahrscheinlich sei, dap ein Fehler in ihr 
gemacht sei, und sie deshalb die Vermutung ausgesprochen hétten, dap die wahre Lesart des Hippo- 
krates dem entspreche, was sie geschrieben hdtten, dann ...«, so vermute ich. da® Galen Kai 
cut TOUT Urovoeiv avTot geschrieben hat. Noch lehrreicher ist der folgende Satz, in dem 
der Verfasser die Pilichten des Auslegers weiter behandelt und im Falle, daf es unmig- 
lich sei, die alte Lesart zu erkliren, nur eine einleuchtende Berichtigung des Hippokrates- 
textes gelten 1iBt. Als Beispiel einer sulehen fihrt er daun eine Verbesserung des Ilera- 
kleides (des Tarentiners, wie zu vermuten ist und sich sogleich zeigen wird) aus dem zweiten 
Epidemienbuche mit den Worten an, die wir in der Ausgabe Kiss so lesen (S. 794. 11): 

. wOaviv thy exavdpfwow aitns (nimlich tis apyaias ypadns) Troetoba, Kabdrep 6 
Hpakdetcns év TS Cevtépe TOV ExtOnuav éToujTaTo KaTa Tiv éEw éxeivyv, év  yéypanTac: 
»mpos de To Adpodicwov ai otpai éBrerov.« éreisymep (von dem Basler Herausgeber 
Gemusius verbessert: é7eéy wept Aldina) Tots éEnynoapévors tiv ovpat ypadiv amObdves 
eipyta, Taya, puoi. Gipar pev Hv yeypaupévov duc Tov 4, THs péoHs € ypappnhs ev ait 
OiapBapetons ecozev 6 BiBrAoypados oipai yeypapOa. dv| (8.795) vatov yap OH ovTH Kai 
AenTis ivos atoAwAuLas TuvaTOAAVT Aa TiV Yoaupiy TAdTHY Kai pias aUTHY Expuyelons 
Kat KaT apyas evOus avthy apudpav ypapetoav e€itnAov aitiy bd Tov ypdvou yevéoBa.. 
Die lateinischen Ubersetzer Vassiius, Crassus und Rasarius stimmen in der Wiedergabe 
dieser Sitze. die Ktny bis aut eine Stelle ebenso bietet wie der Herausgeber der Aldina, 
im ganzen tiberein. unterscheiden sich aber voneinander in der Ubersetzung jener eben 
ausgenommenen Worte’: diese erscheinen in der Aldina so gestaltet: Kai pias avtiy éK- 





1 Jeb stelle hier die drei Ubertragungen der oben aus der Aldina mitgeteilten Sitze nebeneinander, um 
noch an einem Beispiele die Abhangigkeit der humanistischen Mediziner von ihr zu veranschaulichen: 


Vassius p. 444 
Quoniam qui seripturam ovpat Cx- 
plicaverunt, citra probabilitatem dixe- 
runt, forsan (ingquit) Opa, id est, 
lanuae quidem erat scriptum per 0: 
sed media linea in ipso verbo cor- 
‘rupta, arbitratus est bibliographus 
obpai seriptum esse. fieri siquidem 
ita potest, ut et tenui membrana de- 


“Leta, simul ct linea haec disperierit, 


ef una ipsam effugicate, et statim ab 
initio ipsam obscure scriptam, ob 
tmporis usuram erolevisse. 


Crassus bei Kian 8S. 794f. 
Quoniam ab explanatoribus haec dictio 
obpai minime probabiliter declarata 
est, forsan, inquit, prius Ovpa per 
litteram 0 seriptum erat; linea vero, 
quae in ipso media erat, abolita li- 
brarius obpat scriptum fuisse existi- 
mavit. Fieri namque hoe modo po- 
tuit, ut membrana tenui deleta simul 
et hace linea deleretur 


et ab initio protinus ipsam debilius 
obscuriusque scriptam temporis lon- 
ginguitate prorsus eévanuisse. 


Rasarius III fol. 118%, 
Quia vero illud obpai minus proba- 
biliter explicabatur, fortasse inguit. 
scriptum erat Hipa per 0, ae media 
linea expuncta, librarins obpai serip- 
tum esse existimavit: fiert enim potuit, 
ué illa tenui membrana pereunte, si- 
mul quoque haec linea perierit: 6) ut 
hace ipsa sola defecerit: & ut initio 
scripta esset, ut aegre videretur, tum 
progress temporis eranucrit. 


Was immer der Franzose bei der Ubersetzung des Aldinentextes sich gedacht haben mag, jedenfalls hat er 
sich mit shlavischer Treue gutgliubig an ihn gehalten. Der Venezianer dagegen sucht die ars nesciendi seines 
Paduaner Kollegen Liigen 2n strafen. indem er die Liicke der Juntina durch Konjektur erginzt, die doch 


Beilrage zur Tertgeschichte der Epidemienkummentore Galens. IT. ) 


devyeons: mit Gemusius hat Ktny suas und mit Chartier éx@vyeons gemeinsam. Waihrend 
Vassiius sie aus der sinnlosen Form der Aldina sinnlos abgeklatscht hatte, indem er ¢/ 
una ipsam effugiente schrieb, hat Crassus aus Scheu vor barem Unverstande sie wegge- 
lassen; Rasarius aber stellt sich, als ob er hier Galeni commentarios, um seine eigene Emp- 
fehlung aus dem marktschreierischen Titel seines Werkes auf die Uhersetzung dicser 
Worte zu tibertragen, ad veterum librorum jfidem summa diligentia et singulari cura emendatos 
uuctosyue zu geben verméchte, und ergiinzt die wohl bedachte Lticke des Juntineniiber- 
setzers mit dem wiederholten, seines Erachtens verbesserten Unsinne der Aldina: ct wt 
haee ipsa solu defecerit. Hiitte Rasarius bei seinem Unternehmen in Venedig wirklich die 
Hs. U zu Rate gezogen, wiirde er Licht in die dunkle Stelle gebracht haben. Denn die 
handschriftliche Uberlieferung, obwohl nicht gerade leicht lesbar, kann nicht anders ge- 
deutet werden als kai pulas avtiv éxpayovons. Da aber die Buchstaben in pias 
nicht voneinander abgesetzt sind, so konnte bei dem Drucke der Aldina das v zwischen 
den Schleifen der Schriftzeichen ~ und ¢ leicht tibersehen werden, und im letzten Worte 
ist das a, das der Schreiber von U in seiner Vorlage oft wie ot oder os geschrieben fand. 
und das er ihr gern nachbildete, dieser Form gem&f so gestaltet, da sein erster Tcil. 
das Rund, ganz dicht an den nur leicht nach links gebogenen ersten Strich des y heran- 
geriickt ist und nicht vollig geschlossen scheinen, also mit v verwechselt werden kann. 
eine Tiiuschung. die dem Aldinenkritiker ée@uvyovons hiitte vorspicgeln kinnen; was ihm 
expevyeions eingegeben hat, ist mir unerfindlich geblieben, wenn nicht Fliichtigkeit der 
Arbeit datiir verantwortlich zu machen ist. DaB die Lesung cai wudas avTiy avimilich 
mit Bezug aut Z.1 ivos. eine Pflanzenfaser im Papier, nicht mit Bezug auf Z.2 tiv ypaupiy. 
den Ouerstrich im 6, woftir in U mit einer sonst. z. B. gleich Z.5, fiir ypadiv gebriauch- 
lichen Kiirzung yp. geschrieben steht, das schon in der Aldina richtig autgelést worden 
ist) €x@ayovons das Echte lietert, bezeugt wieder die Ubersetzung des Arabers in I: 
eine Fliege frap sie (niimlich die Faser) auf«. Werakleides hatte also, um seine Konjektur 
Gipa fiir otpai zu empfehlen, wie es scheint, darauf hingewiesen. da® der Fehler ent- 
weder dadureh entstanden sein kénne, daB der Querstrich des @ durch den Schwund einer 
von einer Fliege (die also hier mit ihrem Zerstérungswerke dasselbe vollbringt wie sonst 
die Biichermotte, 6 ovs) weggefressenen Papiertaser mitverloren sei, oder auch dadurch. 
daB der sogleich von Anfang an diimne Strich mit der Zeit ganz ausgegangen sei. Sollte 
Galen also S.794/95 nicht geschrieben haben: duvvatov yap én ottws (U: ovtw Aldina) 
(nto. ye (kat U und seit der Aldina alle Ausgaben) Aeris ivos atroAwAvias cvvarrodéo bai 
(cuvardAAvo Ba U und alle Drucke) kai tTHv ypauuny Tadtiy, pvias avTHy Exhayovons 
findem ich das in U vor putas iiberlieferte kat vor thy ypaupiy versetze) (1) Kai (da die 
arabische Ubersetzung in H »oder« fir kai enthilt) kat apyas evOvs aitny apvdpav ypa- 
petoav e€ityov aitnv (ich vermute wavteA@s) UO TOU ypdovov yevéoBa? So beifiillig 
auch dem Erklarer die Vermutung seines alten Vorgangers hier erscheint, trotzdem lesen 
wir in dem noch von Kituwn als galenisch abgedruckten Kommentarfragment Bd. XVII A 





nur aus dem Unsinn der Aldina herstammt, so sehr er sich auch bemiibt hat, seine Leser irrezufiihren. 
Denn auf Stellen wie die hier ausgeschriebene darf man beziehen, was Rasarius im Titel des dritten Bandes 
seiner Galeniibersetzung verspricht: ae (sc. comméntarios in libros Hippocratis seriptos) multis partibus plures 
in linyuam latinam nuper convorsos, 6° ad veterum librorum fidem sionma diligentia, 6° singulari eura emendatos, 
auctosque studiasi ita compericnt, ut nune dcnique Galenus suam amplitudinem, dignitatemgue obtinere videatur. Nam 
vy tres in Lib, Hippoc. de humoribus commentarios, et dimidium sexti in sextum Epidemiarum, ét septimum, et octavum 
adiuazimus. Und noch mehr sind auf bewuBte Tauschung seiner Leser die Worte bereclnet. mit denen Rasarius 
fol. 161% am Ende des Galentextes der Aldina den auf Galen beruhenden Kommentar des Palladins dem Galen 
unterschiebt: Quae sequuntur, usque ad finem octari commentarii, ex libro manu scripto sumpta sunt omnia, 
nune primum in lucem edita. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 2 


10 E. WENKEBACRH: 


S. 374 (infolge eines Druckfeblers anstatt 362), 15 ff. tiber die von Dioskurides verbreitete 
Lesart mpos dé Tappodioia ai ovpai éBAerov nichts weiter als die lakonische und nicht 
genau zu unserer Stelle passende Bemerkung: HpaxAeiOns de olerat totvito améBavov (Druck- 
fehler fir da7Qavov) eivat, 6 vouiGer, dt OUpar iv yeypappévov Oia 8, THs péons ypappuns 
év aiti 7 TO ypdvy SiaPOapeions i Tov PiBALoypador | (S. 375/363) mpwrov oParevros. 
Aber selbst Lirret (Euvres d’ Hippocrate V 92,11) hat sich weder an der dirftigen Kirze 
noch an der Unstimmigkeit dieser Erklarung, verglichen mit unserer Stelle, gestoBen und 
auch an den fiir Galen unertriglichen Hiaten nichts von der Falschung gemerkt’, viel- 
mehr hat er Pseudogalen als Kronzeugen fir den Text unserer Hippokrateshss. mpos dé 
Tappodto.e oi poor €BAaTrov aufgerufen, welche die Grundlage fiir das gleichlautende 
Lemma (S. 360,15) und die zusammengestoppelte Auslegung (S. 375,363) geliefert haben. 
Wie der echte Galen unserem Proémium entsprechend iiber die zweifelhafte Stelle ge- 
urteilt, ja sogar wie er dieses Urteil auf die ihm wahrscheinlich von Sabinos oder Ruphos 
vermittelten Kommentare seines alexandrinischen Vorliufers Herakleides von Tarent im 
einzelnen begriindet hat, wird uns Hunains Ubersetzung aus H in deutscher Ubertragung 
von Franz Prarr lehren’, mit dessen freundlicher Erlaubnis ich hier die Voraussetzung 
tir die Worte unseres Prodmiums, jene alexandrinische Grundlage selbst, trotz der langen 
Abschweifung vom Thema unverkiirzt mitteile. Galen zitiert im Lemma »der Geschichte 
einer Frau, die nach der Geburt von Zwillingstéchtern am ganzen Kérper anschwoll«, als SchluB- 
satz: » Und der Schwanz neigte nach dem Aphrodision« und beginnt seine Erklirung mit der 
Feststellung, daB dies die alte Lesart sei. Dann fiihrt er wértlich fort: »Dée alten Er- 
kldrer der Ausdriicke des Hippokrates wie Bakcheios und Glaukias oder die, welche seine Schriften 
erklarten wie Zeuxis und Herakleides aus Tarent — beide yehéren zu der Sekte der Empiriker - -- 
und Herakleides von Erythrae und andere Anhdnger der Sekte der Theoretiker kénnen diese Stelle 
nicht anders schreiben, als ich sie angegeben hube.« Danach erwiihnt Galen im allgemeinen, 
daB die Lesart verschieden abgeindert sci, da er aber nichts gegen Anderungen einzu- 
wenden habe, wenn die alte Lesart unverstindlich sei. Nachdem er dann die ersten Sitze 
der Krankheitsgeschichte behandelt hat, kommt er auf den unmdglichen SchluBsatz der 
alten Erklirer: »Der Schwanz neigte sich dem Aphrodision zu.« Andere schrieben, wie er 
berichtet, »ApArodisia« und verstanden Beischlaf. Dann hat Artemidoros mit dem Bei- 
namen Kapiton dadurch, daf§ er diese Worte durch ahnliche ersetzte, sie so abgedndert, 
daB der Sinn herauskam, der AusfluB8 sei beim Geschlechtsverkehr hinderlich gewesen. 
Wenn diese Lesart richtig ist, so scheint ihr Sinn dem Verfasser annehmbar und beinahe 
befriedigend, daB bei dieser Frau solcher Ausflu8 den Geschlechtsverkehr hinderte und 
es ihr nicht méglich war zu empfangen. Nur hat gener Mann, nimlich Artemidoros Kapiton, 
wie Galen bemerkt, den Text stark gedndert. Dagegen hat Herakleides am Wortlaute nur sehr 
wenig gedndert, aber seinen Sinn in einen andern verwandelt. Er stellt fest, dap er in den Hand- 
schriften ovpa, Schwanz, gefunden habe, er bittet aber, dafs es ihm gestattet sei, um eine an- 








1 Den Verfasser des noch fiir Kian (XVII A S. 313-462) galenischen Kommentarfragments habe ich 
in meinem Aufsatze: Pseudogalen. Kommentare zu den Epidem. d. Hippokr. (in Abhandl. d. Preu§. Akad. d. 
Wissensch. 1917, phil.-hist. Kl. Nr. 1) S. 23 ff. als vergrébertes Abbild der Rasarius und Crassus an den Pranger 
gestellt und unter den frechsten Schwindlern der italienischen Spatrenaissance als plumpen Gedankendieb vor 
allem am Kommentar des Metzer Arztes Anutius Foésins (Basel 1560) entlarvt und den ersten Herausgeber 
des Machwerkes (Venedig 1617), den Venezianer Bibliothekar Joannes Sozomenus, in meinen Untersuchungen 
iiber Galens Komment. zu d. Epidem. d. Hippokr. (in Abhandl. d. Preu®. Akad. d. Wissensch. 1925, phil.-hist. 
Kl. Nr. 1) S. 18ff. mittels seiner der Falschung beigefiigten Uberset-ung ais betrogenen Betriiger erwiesen. 

2 Da der pseudogalen. Kommentar zu Epid. I als Karikatur der Hippokratesexegese nicht einmal unter 
den Spuria gedruckt zu werden verdient, wird mein arabistischer Mitarbeiter die echte Erklarung Galens aus 
der Bearbeitung des Hunain Ibn Ishaq (gest. 877) im Scorial. arab. 804 verdeutscht im Corpus Medicorum 
Graecorum herausgeben. 


Beitrage cur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. I. 11 


nehmbare Erklérung herauszubekommen, anstatt ovpa lieber Qvpa schreiben zu diirfen. Er dnderte 
also o in 0 und sagt, dazu habe ihn der Umstand bewogen, dap die Erkldrungen mit dem Worte 
ovpa nicht befriedigten. Seine Worte lauten so: »Manche sagten, dafs Hippokrates bei diesem 


Namen cine Ubertraguay gebraucht habe, die den Weg des Vergleiches gehe. Ev wolle damit auf 
die Bewegung des Weibchens zur Begattung hinweisen und aus diesem Grunde gebrauche er nur 
andeutende Ausdriicke, um den Sinn mit den Worten ,Der Schwanz neigte zur Begattung’ zu 
verschénern. Denn die Lebewesen, die von hinten harnen, und dies sind die Weibchen von allen 
Lebewesen und von den minulichen, wie Aristoteles sagt (500615; 339b 22; 689a 34), der 
Hase, eine Art Affen, welche Lynx heiBen, und die Kamele, bewegen, wenn sie zur Begattuny 
yereiat sind, thren Schwanz und reiben damit ihre Geschlechtsteile, weil er ithnen nahe ist. Man 
sagt also: Hippokrates habe dies im Sinne gehabt, als er von dieser Frau sagte, dafs der Schwanz 
cum Geschlechtsgenup neigte, und das, was bei den erwihnten Tieren vorkommt, durch eine Me- 
tapher in der Art eines Vergleiches auf diese Frau tibertragen und auf das hingewiesen, was bei 
thr ebenso geschah wie bei den Tieren. welche von hinten harnen.« Nach dieser Erkldrung lapt 
Herakleides noch vine andere Darlegung wértlich so folgen: » Manche haben gesagt, dap die Be- 
gattung dieser Tiere erfolge, indem das Mdnnchen sich auf das Weibchen lege.« Andreas sagte, 
dap jenes wie der Hahn auf der Henne (auf dem Weibchen) reite. Das Weibchen lege sich auf 
die Erde und das Mdnnchen kauere auf ihm, dap sein Bauch mit dem Riickgrat con ihm zu- 
sammenkomme. Es wére also bei diesen Tieren thnlich wie bei den Végeln. Sehen wir doch, dap 
sie bei der Begattung ihren Schwanz wegen der Nihe der Zeugungsorgane notwendiy nach oben 
richten miissen. Mit dem also, was Hippokrates anfithrte, indem er sagte: » Der Schwan: war 
cum Geschlechtsgenusse geneigt«, habe er nur auf den Reiz zur Begattung hinweisen wollen, der 
bei dieser Frau auftrat.« Galen nennt diese Erklirung weitabliegend, die nach seiner Meinung 
anders sein sollte. Dann sagt Herakleides folgendes: » Hippokrates meinte mit seinen Worten 
das Heraustreten der Gebdrmutter nach aupen, mit dem Ausdruck ,Aphrodision’ die Scham der 
Frau und mit dem Worte ,Schwanz’ den Mund der Gebdérmutter, wie man manchmal die Ge- 
schlechtsteile des Mannes scherzweise Schwanz nenut. Ich persdnlich bin aber weit dacon entfernt, 
diese Erklérung anzunehmen.« Danach sagt Herakleides folgendes: » Um div Darstellung unseres 
Aommentars vollstindig zu machen, mtissen wir auBer dem Erwdhnten noch das eruwdhnen, was 
Bakcheios gelehrt hat. In der zweiten seiner Abhandlungen, in denen er Ausdriicke des Hippo- 
krates erkldrt. kommt er auch auf dieses Wort zu sprechen. Er sagt: ,Die Meinung des Hippo- 
krates in seinen Worten: ,Der Schwanz neigte sich nach dem Aphrodision hin® war, dap diese 
Frau in dieser Zeit 2ur Begattung neigte.” Aber ich sehe nicht rin, wie diese Behauptung cu den 
Worten des Hippokrates paft, da sich in ihnen nichts findet, was auf die besagte Bedeutung 
hinweist.« Und auch Herakleides erkldrt die Worte des Hippokrates nicht so. Er ist cielmehr der 
Ansicht, dap statt oipa, Schwanz, Opa, Tiir, cu schreiben sei, so dap die Worte des Hippo- 
krates lauteten: » Die Titre ging nach dem Aphrodision hin.« Dies erldutert er und sagt: » Hippo- 
krates pflegte die Orte anzugeben, wo die Kranken thre Wohnung hatten. Dies diente ihm zur 
Erinnerung an den Zustand yener Kranken. So hat er an einer Stelle geschrieben (Epid. I, 6. 
Kranker, IT 699 L.): »Kleanaktides, den Kranken, der oberhalb des Hvrakteion, d.h. des Herakles- 
tempels, wohnte, befiel Fieber.« An einer andern Stelle sagt er (Epid. I, 8. Kranker, Ill 56 L.): 
» Der kranke Sklave, der am Liignermarkt wohnte«, an noch einer Stelle gibt er die Erléuterung 
des Zustandes vines Kranken und den Ort, wo er wohnte, wie er es kurz vorher (t. V p.gt, 15 L.) 
machte in der Erzdhlung, die er mit den Worten begann: » Eine schwanyere Frau bekam am 
rechten Bein unten Ausschlayg.« Am Schlusse dieser Geschichte sagt er: »Sie wohnte, soweit ich 
mich erinnere, bei der Familie des Archelaos am Felsen.« Es scheint also, dafs er von dieser 
Frau, die Zwillingstichter gebar, sagte, dap die Tiir ihrer Wohnung nach dem Tempel der Aphro- 
dite hinausging. Denn die Griechen pflegen den Tempel der Aphrodite Aphrodision zu nennen, 


Q« 


12 E. WENKEBACH: 


wie sie den Tempel der Artemis Artemision und den Tempel des Dionysos Dionysion nennen. 
Diese Erkldrung des Herakleides kommt dem Annehmbaren und Befriedigenden nahe, obwohl er 
nur wenig an der alten Lesart gedndert hat. Denn zwischen oipa, Schwanz, und Qvpa, Tiir, 
ist nur ein Unterschied im ersten Buchstaben. Das Wort otpa schreibt man im Griechischen im 
ersten Buchstaben mit einer einem Kreise dhnlichen Form, o, den ersten Buchstaben des Wortes 
fipa mit derselben Form, nur dap sie vin Querstrich schneidet, 6. E's ist wohl méglich, dap 
dieser Querstrich durch Verfliissigung der Tinte oder sonst aus einem Grande cerwischt und zer- 
stort wurde! und so statt @vpa, Tiir, obpa, Schwan: entstand. Nach Herakleides erkldrten einige 
diese Worte, olnwohl sich in ihnen nur ovpa und keine andere Lesart befund und obwohl Hera- 
hleides sic richtiggestellt hatte, indem sie sagten, unter OBvpa verstehe er die Scham der Frau und 
sage, dap sich an ihr bet dieser Frau Brennen einyestellt habe und dieses Brennen die Frau sum 
(reschlechtsgenup gerevizt habe. Und sie dnderten das Wort Aphrodision, dessen Bedeutung, wir 
ich schon gesayt habe, Tempel der Aphrodite ist, und setzten dafiir Aphrodisia, dessen Bedentung 
Geschlechisgenups ist. Einige andere fiigten zum ersten Buchstaben vou otpa noch vin K und 
schricben kovpa, Mddchen, und sagen, Hippokrates habe mit diesen Worten gemeint, der Aus- 
flup der Frau habe so lange gedauert. bis thre biden Téchter so ult waren, dap es Zeit wurde, 
sie cu verheiraten.« 

Doch ich kehre zu Galens Prodmium zu Epid. VI zuriick. Auch der nichste Ab- 
schnitt dieser kurzen Vorbemerkungen (S. 795, 4—796, 3) wird tiber das Verhiltnis zwischen 
U und der Aldina nichts Neues enthiillen. Die Verbesserung der behandelten alten Les- 
art durch den Tarentiner Herakleides bringt den Erklirer auf die Epidemienausgaben des 
Kapiton und Dioskurides, die er fiir die kiihnsten Konjekturenmacher erklirt. Bei der 
Uberlegung tiber die Art, wie er ihre Konjekturen am besten mitteile, kommt der Ver- 
fasser wegen der Unzufriedenheit der meisten Leser mit sehr umfangreichen oder auch 
nur mibig langen Kommentaren und wegen ihres Strebens nur nach niitzlicher Belehrung 
zu dem Entschlusse, den Mittelweg zu gehen und es von vornherein mitzuteilen, damit 
der Leser wisse. woran er sei. Denn wie er seine tibrigen Kommentare auf Bitten von 
Freunden geschrieben habe, so seien auch diese zu ihrem Besten bestimmt. Da seine 
Schriften aber trotz ihrer Beschrankung auf einen engeren Kreis doch in die weitere 
Offentlichkeit gedrungen sind, halt Galen ein solches Vorwort fiir nétig. In diesem Teile 
desselben begegnen in U und der Aldina folgende Lesarten, die mir der Erwihnung wert 
scheinen: S. 795, 6 dwooxovpionv U, Aldina: Avookopionv hat tiberall der Basler Heraus- 
geber eingefiihrt — Z. 9/10 ef wev TO pret TOV VrouvyUaTwY ovCEis EUEArE QVAYVWCO- 
pévov aita dvoyepaivew U, Aldina: ich schiebe t@v zwischen €uedAAe und avayvecopeé- 
vev ein. Ohne Not hat der Aldinenkritiker Z.14 den Artikel gesetzt: év aoyy mpoetmov 
U: év tH apy Tr poetTrov Aldina: aber es ist vielleicht der Infinitiv zu lesen, wenn ich 
den Zusammenhang der Sitze richtig sehe: (Z. 9) evpov ... weuvnoOar xad\dov elvat, pep- 





' Vorausgesetzt, daB die bezeichneten Worte in H unverkiirzt tibersetzt oder tiberliefert sind, wiirde 
die Wendung im Ausgangspunkte dieser Betrachtung plas abriy éxdbayotons nicht dem Herakleides. sondern 
Galen gehéren, Aber auch wenn in dieser Kleinigkeit Galens Selbstzitat tiber seine Auffassung des unistrittenen 
Satzes aus Epid. Il nicht bestatigt wird. bringt es doch, woran ja nicht zu zweifeln war. die Ablehnung des 
von dem anonymen italienischen Falscher aus der Hippokratesvulgata bezogenen Satzes. wie ilin die Ausgabe 
Artemidors dargeboten batte, pos ¢& radpocio of poo: €8rartov, und stellt in der Hauptsache den Einkiang 
zwischen den galenischen Kommentaren zu Epid. If und VI sicher. Uberdies wird der kleine Mangel mehr 
als ausgeglichen durch den Zuwachs medizingeschichtlichen Wissens aus den zahlreichen, oft sogar wortlichen 
Zitaten der alexandrinischen Hippokrateserllirer Andreas (val. Max Wertuayy in den Beitriigen zu Susemims 
Literaturgeschichte der Alexandrinerzeit I. 817, in Pacry-Wissowas Real-Enzyhl. I, 2136 und in LitaKers 
Reallexikon §. 62), Bakcheios von Tanagra (vgl. Wetrmann bei Susemuz I, 820 und meine Bemerkune in 
phil.-hist. Abh. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1925, S. 52£.) und Herakleides von Taras (vgl. Wetumann bei Scsesut IL. 
yrgf. und in Lifsxers Reallexikon S. 450). 


Beitrége zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. IT. 13 


pouevwv € ToM@V ... Toujcarba tiv éEnynow Kai TovTO EvOéws ev apynt Tpoerreny, 
td e oa , ra > , Vg . . 

omws KTé. ~- Und S. 796, 2 mpooiu) towitwv édenOnv U: mpooywv in der Aldina ver- 
hessert. 


Dann schlieBt der Verfasser sein kurzes Vorwort mit Bemerkungen tiber Sprache, 
Verfasser, Inhalt und Titel des 6. Epidemienbuches (S. 796, 3—797,14). Den erstge- 
nannten Gegenstand betrifft der in U und in der Aldina tibereinstimmende Satz: (S. 796, 3) 
@oTEP OUY TOUTO TpoEiTOV, OUTW Kal TOCE TpoETEWY avayKaidy ExT, WS TO THS éEppn- 
veias eldos év THOE TO BiBAlw TapToAY CiaddAdTTEL TOU KATA TO TPOTOV Kai TpiTOV TOY 
eTOnuLeV, & TyEdov amavTes iryouvTa yeypapOa mpos exdoow bh’ InmoKxpatovs pova, 
dessen Worte €v tae ta Sy3Ai erst in der Pariser Ausgabe zu év TH PBiBAv ver- 
kirzt erscheinen. Uber den hippokratischen Ursprung der Schrift lesen wir in U (S. 796, 8): 
TO O€ ExTOV TOUTO Kai po altov TO dedTEepov, EE wv aiTos immoKpatns éavTw TapeE- 
oKxevacato, paciv vro Oecoadou Tov viéos a’tov cuvTeOyva. Wie der Satz in die Aldina 
tibernommen ist, steht er auch in Kinys Ausgabe; ich fiige den Artikel in avtos (0) 
‘lroxpatns hinzu, den wenige Zeilen weiter unten (S. 797, 2) in av’tTov Tov immoKpdTous 
auch U bewahrt hat. Ebenso berichtige ich im n&chsten Satze einen von U iiber die 
Aldina bis in die Ktunxsche Ausgabe fortgepflanzten Fehler, wenn ich in der handschrift- 
lichen und gedruckten Uberlieferung der Worte (S. 796, 11) Kal Ties pev nryouvTa Kai 
avTov Ti Trapaypaya tov Beroadov, tTwes dé aAAOUS TOV pEeT’ avTOv (Aldina: av?, d.h. 
avt@v U) von der interpolierenden Tatigkeit des Thessalos oder seiner Nachfolger zap- 
eyypawar herstelle. ein in diesen Kommentaren auch sonst fehlerhaft tiberliefertes Ver- 
bum, das aber z. B. XVIIB 8S. 268, 12/13 Kat Ola TovTO THY prow OAnY bronTEvovoW 
ws TAapey yey panpevny oder S. 304, 10 et’ ovv avtos 6 Irmoxpatns ovTws éypawer, 
eite Tis GAAos éoTW 6 mapeyypawas THvoe Thy Pyow auch in unserer einzigen Hs. 
richtig erhalten ist. Auch die folgenden Sitze, die den Inhalt der Epidemienbiicher be- 
handeln, enthalten kleine der Aldina mit U gemeinsame Fehler. die sich bisher der Ver- 
besserung entzogen haben. In den Worten der Kiuyschen Ausg gabe (S. 796, 13) év pev 
ov Ta TpPOTe Kal TS TpITH® TeV er dnpuay Kataotdoes TE Twas ypapeE Tov TeEpie- 
yovtos, é ais Ta émonpnjoavta voonuata Omyouvrae muB es selbstverstindlich xata- 
oTdces ye Twas und dmyerra heiBen. Und endlich im Zusammenhange mit der [n- 
haltsfrage einige kurze Bemerkungen iiber den Titel: (S. 796.15) TavtTn yap én’ aitov 
avTos patverat TH heEet (nimlich émrOnulat im Sinne yon ern VOOHMATA) YpwuEvos 
Kal Ota TOUTO Kai TO emiypappa TOS PiBriors TOUTO éTroujTaTo, TOV én (S. 797) Onpiov 
vOoNpaT ov OwWackaNlas avtois yiwouevys, ov TOV avTOU Tov TrmoKpdtous émiOnpi@y, as 
émowtro KaTa ras modes. wie sie noch in Ktuxs Ausgabe gedruckt sind. Da8B in U 
zwischen didackadias und avtois die Priiposition év ausgefallen ist, scheint mir sicher; 
ob Chartier aber unmittelbar davor die Lesart von U tev émidjpwv voonuatov, die auch 
in die Aldina tibergegangen ist, aus seiner Vorlage, der Basler Ausgabe, unter Kins 
Beifall in Tov émenuiwv voonuatov richtiggestellt hat, scheint mir nicht tiber jeden 
Zweifel erhaben, wenn man aus Galens grobem Proémium zu seinen Epidemienkommen- 
taren S.12,10—14 und S. 13, 1/2 vergleicht, womit seine Erklirung zu [epi craitys 
d&éov I 8, XV 429K. (= CMG Vg,1 p. 122, 22-26 Hermr.) im Einklang ist. Ander- 
seits glaube ich aber aus den Indices der bisher erschienenen Bande des Corpus Medi- 
corum Graecorum und aus der Erklarung der Epidemienbiicher I und HI zu erkennen, 
daB sein eigener Sprachgebrauch neben émidnunoavta vooypaTa nur éTriOnpia VOONMATA 
oder é7rdyutot vooot verwendet. so daB ich doch bei der Anderung Chartiers verbleiben 
mdchte, wie die schlieBlich noch anzufiihrenden Worte zweifellos der Berichtigung be- 
diirfen, die der Herausgeber der Aldina bereits durch Akzentinderung angebracht hat: 


Untersuchung 
der Schlu8satze 
des Vorwortes 
betreffend 
Ubereinstim- 
mungen und 
Abweichungen 
von 
U und Aldina. 


2. im ersten 
Kommentar: 
u. a, haupt- 
sachlich kurze 
Auslassungen 
und Zusitze, 
selten als Inter- 
polationen der 
Hs., ofter als 
falsche Ergin- 
zungen der 
Hippokrates- 
lemmata in den 
Druckausgaben 
anzuschen. 


14 ; ; E. WeENKEBACH: 


(S. 797, 3) TO 8€ wAEirrov eidos Ths SidacKadias apopiryol Twes eivar patvovTal, KaTa 
meptypadiy éxactos idiav yeyovdtes. ore (anstatt des von den ttbrigen Kritikern nach 
yeyovdétes gesetzten Kommas) & dzropiav oixeias émvypadys Kai Tavta Ta Ovo PiBAia 
(indem ich den von Chartier und Kény hinter éxeypadis gesetzten Punkt getilgt habe) 
avyypioacbal pact tH Tév Emdnudy (Aldina: érWyplwv U). dAcpoTOV EyovTa TO Ths 
éxvypadns oikeiov. In den wenigen noch tibrigen Zeilen, in denen Galen den Titel Oceo- 
cadov Kataotdoes fir dieses Buch als falsch ablehnt und zur Vermeidung unndtiger 
Weitschweifigkeit darauf verzichtet, noch andere zahlreiche Bemerkungen seiner Vorginger 
in der Auslegung dieser Schrift zu hehandeln. stimmt die Aldina wieder genau mit dem 
einzigen uns bekannten Zeugen der byzantinischen Uberlieferung iiberein. 


Demselben Zwecke wie die eingehende Besprechung des Proémiums dient im folgenden 
die Mitteilung einer Reihe beliebig ausgewilhilter Stellen aus Galens Kommentar selbst, 
und zwar zuerst zu Epid. VI,1. Auch hier werden Ubereinstimmung und Widerspruch 
gleicherweise die Zusammengehérigkeit unserer einzigen Hs. und des ersten Druckes erkennen 
lassen. In der Erklirung des 5. Lemma. dessen Anfang S. 824, 7 Ai T@v vyTtiov éxAauYes 
lautet, lesen wir tiber den Wechsel der Kérperwirme in den verschiedenen Lebensaltern 
in U (S. 825, 4): yiverae pev ovv ws TO TOAD duct Woypav éyxepddov Kpacw, cvveCevypevns 
UypoTytos altTH TA TOAAG, TTdviol Ydp ai Ek Mopiov Twos dpudpEeval, Deparevera O, OTAav 
iBaokwow, éav Kal TAA Tis WS TpoTIiKEr TaTTH (vom Sehreiber selbst aus mparrer 
verbessert), Gla tiv éxt TO Enpdtepov te Kai Hepudtepov petaPodrjv THs Kpdoews AOU 
tov copatos. Die Unverstindlichkeit der mit yap eingeleiteten Erliuterung beseitigt die 
arabische Ubersetzung in H mit dem Einschub » Epilepsivi«. so da& man einen Sprung 
eines Abschreibers in den Worten omdvor yap (ai emiArpwes ei) ai éx popiov twos 
Opyopuevae wahrnimmt. In der an g@patos angeschlossenen Begriindung heiBt es in U 
(Z.9) émws yap 6 axpdQwv Oepudtepds éote Tov mawds, Euabes Ev ToIs TEpi Kpaoewy, 
évOev (év8a von mir hergestellt) kai Omws 0 7 (schon in der Aldina richtig in 6 7rats 
aufgelést) Tov axudGovrds éott Geppdtepos’ 6 pev axudlov arr@s Hepudtepos, 6 dé Traits 
ovy amd@s, GAN’ OTL WA€ov Eyer TO EuuTov Gepydv. Da der Herausgeber der Aldina bei 
der Hast seines kritischen Geschiftes nur den ersten Teil dieser Worte beriicksichtigt, den 
Schlu8 aber auBer acht gelassen hat, so erkliirt es sich, daB in der Aldina der Satz évOev 
Kal OTws 6 Tats ov (so!) axuaCovTos eat Gepuotepos erscheint. Auch Chartier hat ver- 
wunderlicherweise an der Negation ov« der Basler Ausgabe festgehalten, obwohl er in der 
bei ihm wiederholten lateinischen Ubersetzung der Juntina Crassus’ richtige Konjektur 
ubi etiam quomodo puer invene sit calidior declaravimus finden’ und von Galen selbst im 
dritten Kommentar zu diesem Buche (XVII B, S. 42, 15) Belehrung annehmen konnte. 
Hlunains Text in H stimmt mit U tiberein. Aus derselben Erklarung sei noch eine dritte 
Stelle angeschlossen, an der neben Zeuxis dessen Lehrer Herophilos erscheint und Zeuxis 
iiber den Gebrauch des Wortes vimia bei Hippokrates und Herophilos zitiert wird?. Wir 
lesen in U (S. 826, 11): 6 6 autos ovtos Levéis vijmid how eipnoGa mavta Ta radia, 





' Thrigens haben auch Vassius und Rasarius den Ivrtum der Aldina vermieden, mag er nun auf der 
Fliichtigkeit des Kritikers oder einem Versehen des Setzers beruhen: jener tibersetzt p. 464 Quo etenim modo 
florens aetate, puero calidior sit, ex commentariis de temperamentis didicisti: uhi ct quomodo puer calidior aetate 
Jlorente, dieser t. IIL fol. 1217 nach seiner Gewolnheit abnlich wie Crassus: nam quomodo fuvenis sit puero 
calidior, in Ubris de temperamentis didicisti: vbi ctiam, qv6 pucr sit iueene calidior, docuimus. 

* Uber Herophilos aus Chalkedon, den neben Erasistratos bedeutendsten Arzt der hellenistischen Zeit 
in Alexandreia (um 300 y. Chr.), vgl. M. Wettmanns Darstellung seiner Lehre in den Beitrigen zu Scsemrais 
Geschichte d. gricch. Lit. in d. Alexandrinerzeit, Leipzig 1891, I, 785 und in Lénkers Reallexikon, Leipzig I9T4. 
S. 461. wo er auch als Kommentator einzelner hippokratischer Schriften und als Glossograph erscheint. 


Beitrdye zur Texrtgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 15 


Ola TAUTHS Ths NeEews > paiverat vipTrea Aeyou 6 lrrokpatns TH Ews ins Kai ovY! TA VEeoyva 
méypt T@V TEVTE ij eS érov, ws viv of mAEioTa Néyouow. npKer d€ Kai 6 ‘Hpodiros Ta 
THAKAUT A (aus THVIKAUTA vom Schreiber sellst verbessert t) Aéywv vyria, Cc wv poe: ,TOLS 
vyTtios ov ryiverat orrép | (S. 827) wa peydada, katapynvia, KUnpa, ParaKpoTHs.* ov yap... « 
Da®& der Kritiker der Aldina, dem alle lateinischen Ubersetzer der Renaissance’ und alle 
Herausgeber von Gemusius bis Kiény folgen, nicht smépya zu oméppata hitte erweitern, 
sondern peydAa zu ydAa@ verkiirzen sollen, beweist Hunain mit seiner arabischen Uber- 
setzung in H, wo Prarr peyaAa durch » Milch« ersetzt findet, und ein noch Alterer Zeuge, 
der Iatrosophist Johannes von Alexandrien (vielleicht aus dem 7. Jahrhundert), dessen 
Epitome aus Galens Kommentar zu Epid. VI in einer lateinischen Ubertragung des 13. Jahr- 
hunderts [4 (fol. 121') folgende Worte enthalt: sie hyrophius et xeutippus (von Brivrigam 
in Zeuxis verbessert) dicunt: Infuntibus neque lav fit neque pariunt neque calvi fiunt nisi 
post pubertaten®. Es ist also nicht zu bezweifeln, da Herophilos geschrieben hat: Tots 
varios Ov yiveTa oTréppa, yada. KaTawjvia, KUnua, dadrakpotns. Wenn danach sein 
Schiiler Zeuxis. den Galen wahrscheinlich aus dem Kommentar des Ruphos yon Ephesos 
oder des Sabinos zitiert, zur Erklarung nach dem Zeugnis yon U mit den Worten fort- 
falirt: (S. 827, 1) ov yep - Tots HEX pt THS T poeipnpeviys diktas Trapary.vouevors Aéryet pi} yivesBar 
TavTa, TOUT/ (so) a0 Tijs TPWTHS evféws yEeverews, OTEp TIVES dex opevor KaTayehoow CUTOU: 
OS TH TAT ywookopeva CwWdoKOVTOS, OV ETTI Kai O KAaANIEAYOS. (AG Tots péypis HENS, ETrEWy 
twes vré\aBov Kai év TovTAS TavTa yWwerOa.« TavTa pév Go. Ta Tov LevEos, so finden 
wir in dem in der Aldina mit dem Asteriskus gedruckten tovti ein sicheres Kennzeichen 
ihrer Herkunft. Da8 tovréorw gemeint ist. haben erst die spiteren Kritiker von Cornarius 
an gemerkt. Dagegen gehen weiter unten U und Aldina in der richtigen Lesart zusammen: 
(S. 827, 9) TO THS eraAmpias maos Hol Kata gvoikny yivera Svoxpaciav. oTav vy pos 
6 éyKépados ikavas jj. Kat THvikavTd ye Kai Tardl) (in der Aldina richtig in madlov 
aufgelést) dvouaera TO voonua, wo Gemusiius radi@v geschrieben hat, dessen Anderung 
sich hier noch im Kiusschen Texte hehauptet, obwohl in dem sogleich folgenden Zitat 
aus [epi tédtev Kai dépwv Kai Térev" (c. 3, t. II p. 1S L. = 1 36, 2 Kénr.) die Krankheit 
nicht nur in U und in der Aldina, sondern auch in den tbrigen Drucken meaudtov heiBt: 
(S. 827, 14) »TOIs Tawiois oupminreny omaopous TE Kat fo Opacra. a vouiGover TO Tatdiov 
Troléew Ka vou ov elval.« KATH TANT HV THY pnow evdyAov, ort Mpooumaxoveat det TO Tarot) 
adOos, ws eva thy AeEW Ta’THv’ .a vouiGovor TO Tatdl) mafos Tole Kai iepny vovToV 
eva‘. Aber auch hier hat der Basler Herausgeber folgerichtig wenigstens an der ersten 
Stelle der Paraphrase des Zitats (Z. 16) To wadimv mafos geiindert, wihrend er dieselbe 
Anderung in der niachsten Zeile dem Pariser Herausgeber tiberlassen hat. Ebenso ver- 
filhrt Gemusius X VILB S. 341,6 bei der Wiederholung des Zitates und der gleichen Schreibung 
der Krankheitsbezeichnung. Wihrend Ktatewers mit dem humanistischen Arzte Zwixcer 
TO Qetov fir TO Tralov* in seinen Text aufgenommen hat, ist GuNpERMANN in seiner Sonder- 





1 Das in Frage hommende Zitat aus einer Schrift des Herophilos vibt Vassius im Anfange so wieder 
p. 4605: Tots vamos non fit semen notabile, menses, conceptus, calriedum. Crassus schreibt in der von Chartier 
und Kiéun wieder abgedruchten Juntina: infantibus non erumpunt semina mutta, neque menstrua purygamenta, tédem 
non concipiunt, non calveseunt. Rasarius (t. HT fol. r21? Bi Tnfantihin non multum seminis, non menstruar purgationes 
erumpunt, tidem non concipiunt. non caled fiunt. 

2 Die Kenntnis dieses Zeugnisses und seines Gewahrsmannes serdanke ich dem III. ca von 
W. Brivriegams schon genannter Abhandlung De Hippoer. Epidemiarum 1. VI. commentatoribus p. 73 84. 

3 DaB an dem Titel nichts zu Aindern ist. zeigt die Stellensammlung in Iwan Mtirers Proleg, zu Ser. 
min, IT p. XLVIsq. 

$ Nachtriglich erkenne ich in unserer Uberlieferung einen alten orthographisehe n Fehler. Die mir als 
Krankheitsname Schon immer befremdlich erschienene Bezeichnung maovy dirfte wohl in weaféerov zu indern 
sein, wie auch Anutinus Fotsius geschrieben hat. Aus dem Artikel -xadikée 740s seiner Occon. Hippocr.-p. 477 


16 E. WENKEBACH: 


ausgabe der Schrift bei der handschriftlichen Lesart verblieben, zu der auch Hunains 
Ubersetzung an unserer Stelle in H pa®t, wenn er von der Epilepsie sagt: »er nennt sie 
mit dem Namen Kind«. Derselbe Aratber iibertrigt auch in Ubereinstimmung mit unseren 
Hippokrateshss. Z.15 »die heilige Krankheit« anstatt des in U und in der Aldina stehenden 
bloBen vovoov, wofiir aber die Umschreibung Galens Z. 18 richtig iepnv vovcov bietet. 
Eine andere unserer Hs. U und der Aldina gemeinsame kleine Liicke zwischen vovcov eivat 
und Kata TavTnv, das Asyndeton also im Anfang des niichsten Satzes. lABt sich beseitigen, 
indem man entweder vovgov eiva. Kata (uév ovv) TavTnv oder vovocy eivat. Kata TadTHY 
(uev ovv) Thy pnow schreibt. SchlieBlich hat noch die durch das Zitat veranlaBte Anakoluthie 
(S.827,9 TO THs éwrnwias raBos ATO. KaTAa Hvotkiv yivera dvoKpaciay weitergefithrt 
in Z.18 mit den Worten yivera dé kat) in unserer byzantinischen Ubcrlieferung Schaden 
genommen. Wir sehen abermals den Text in U und in der Aldina leicht verstiimmelt: 
(S.827/28) yiverat dé kai Ov auap|tipata Tois radios TAVTO TOUTO TdAos, iat piKHs Bepameias 
deduevov. Da Hunain in H nach & auaptiyata zu seiner Ubersetzung die Worte »in der 
Lebensweise« hinzufiigt, so glaube ich, daB Galen oO: duaprijpata (dtatrns) Tots Taciois 
oder ov’ auaptnpata (ra kata Thy Olattay) Tots Taio geschrieben hat, wie er dieselhe 
Wendung (S. 828, 6) wieder gebraucht: dnAdv éorw €& duaptnudtev tovTos TOV KATH 
Thy Oiaitav 4 Twos E&wOev aitias érépas éoynkos Thy yéveow. Zu allerletzt sei aus der 
Erklirung des oben zitierten Lemma noch der Satz erwilint (S. 828,10): éxeivd ye pay 
af.ov ob puxpas (U: opipas Aldina) Cyticeds éorw, éav kata THY Tada ypadiv éxAapyfias 
akovowpev, @s 6 immoKkpatns Kai o Cevéis nkovoe (U: -cev Aldina). Die Ubersetzung in 
H_ schickt dem Zeuxis »diejenigen, welche sich nach der Schule des Hippokrates nennen«, voran, 
so daB o imTOoKpPaTHS in ot birroxpdareiot zu verbessern ist, entsprechend dem, was $.825,13 
vorangegangen, ékAduyes ovv Tov Gepuov BovAovTa Aéyew aitov oi KaNéoavTEs EavTOUS 
Inroxpatefovs, und das Verbum aus dem Singular jKovee in den Plural jxovoav um- 
gesetzt werden muB. 

Mit dieser langen Reihe tibereinstimmender und abweichender Lesarten aus der Erklirung 
des 5. Lemma verbinde ich einige wenige Kleinigkeiten aus dem Kommentar zum 6. Lemma. 
Wir lesen in U, dessen Text ich mit der Aldina vergleiche und, wo notig, durch fremde 
oder eigene Berichtigungen wiederherstelle, von gewissen Nierenleiden folgendes: (S. 8 32/33) 
H pev ovv da vO (Aldina und alle iibrigen Ausgaben: ich schreibe tov auf Grund von 
S. 832, 8 u. 13) ovTw Aeyouevov aiTov ddUvNn ywouévyn KaTa TOUS vehpous éri T@ (in der 
Aldina und allen tibrigen Ausgaben zu To entstellt) OA(@ec@ai te Kai Bapiverba mpds 
tov mAnGouvs te Kai Bapous Tov TelpitT@pdTwY (pds TO TAHOoUs TE Kal Pdpovs Tov 
mepittTwpatey verkehrt Chartier und Kinx) ev@éws apa tO Ouyopyoa Kdtw tTavta Kab- 
(otatai Te Kat waveta Tedéws. O&K TOU KaTa Tas PdéBas abpo.wbévros tAjOous, 
étav eis Tos vedpovs Katacknyn, Kav dreBorounBaow, otk evGéws AVeTaA bid TE TO 
TuKVOV THS TeV veppev ovaias Kai OTL Oia TOAAGY avTOIS ETKEMEVWV TWLATWV TOV 
eEwbev éerirBepévov BonOnuatwov adixvoupévy ddvauis éxAvera (man kann schwanken, ob 
nur os vor adixvoupevy hinzuzufiigen ist oder wddus eis avTOUS, da Hunain in der arabischen 





wiederhole ich, was er zur Lesart @+iov seines Zeitgenossen Zvinggerus notiert: .1¢ ut raléerov legam fait 
Erotianus. qué cum ratdixov waBos exponit, scribit, mucelav viv tiv madozpodlay, b0ev Kal ZodmKdyjs (!) év Media aye 
AeuKov attiy Sd (!) émaiéevoe ydha. Tatdeiav nune vocat puerorum educationem. Unde Sophocles in Pilia ait, allan 
ipsam hoc lac educavit. ut waitelav leg. existimem apud Erot. cum raidiav omnia habeant exemplaria, et forte wat- 
éerov maGos. Ohne mich hier in eine Behandlung des Peliasfragmentes ecinzulassen, will ich doch nicht uner- 
wihnt lassen, daB derselbe orthographische Fehler wie an den beiden Stellen des Epidemienkommentars auch 
im L(aurentianus) des Sophokles in jener wegen des »dialektiscken Kalkuls« vielbesprochenen Rede der An- 
tigone sich findet: V. 917f. ahextpov, dvupevaiov, ovTe tov ydsiov pépos Aayotoav oltre raidelov tpomys. wo T, 
maidtov gegeniiber naidefov des Paris. A bietet. 


Beifriige zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. IL. ke. 


Ubersetzung in H »geschicdicht hingelangend« und Crassus in der Juntina e¢ qguoniam ob multa 
ipsis superiniecta corpora exterius appositorum remediorum facultas ad renes iam debilior effecta 
percenit ergiinzt hat). Avec de aur (avtHs Aldina: ich verbessere es in avtT@v, wie schon 
Crassus solvit autem ipsorum dolores non id solum iihersetzt hat) tas ddvvas ov TovTO 
povov (tovto fehlt den Drucken erst seit Chartier), a@AAa Kai 4) Gia THs dvw yaoTpos 
EKKPLOLS, i) (i) durch ‘Druckfehler bei Kitun: »und« in der arabischen Ubersetzung H) ye 
veTal KOLWOV Tt oUUT TOMA TOIs KWAOV Taayovot Kal vedpov. Kat yepTou Kat ouvexes ol 
vedpot TO KOAW Kai TO K@AOV TOIS VEePpols GUVaTTOVTaL avTa TOU TrepiTovaiou (Aldina: 
obwohl schon Crassus per tunicum peritonarum cocatam geschrieben hat, ist bisher duc fiir 
avTa noch nicht eingesetzt worden: »wreil zwischen beidrn das Bauchfell ist« H). 


Sind an den bisher mitgeteilten Stellen unter den mannigfaltigen Versehen des Schreibers 
von U oder der Drucker der Aldina und ihrer Nachfolgerinnen nicht selten kurze Aus- 
lassungen zu bemerken, wird man nach dem entgegengesetzten Fehler in den Kommen- 
taren zu Epid. VI viel linger suchen miissen. Da aber auch fremde Zusatze nicht fehlen. 
mégen zwei Stellen aus Epid. VI. 1 zeigen, an denen wieder Cod. U und die Editio 
princeps miteinander tibereinstimimen: Die erste Stelle betrifft die Benennung der schon 
behandelten krankhatten Zustinde aus dem 5. Lemma, dessen Anfang (S. 824, 7) ai Tov 
vyTtiov exAduyres lautet. Mit Bezug aut’ diese kKrankheitsbezeichnung lese ich den ein- 
leitenden Satz der galenischen Auslegung (Z. 10): Tavtny THY sypucbiy aTavTOV NEV TOV 
éEnyytev eiddtwv., UmdvtTwy 6€ TeV Wadden avTiypapev éyovTwv, Evol TOV VEWTEPwV 
peTaypapew éreyeipnoav MAos GdAws, Of pev Eri} Yres ypddovtes. of O€ KaTAadHYWres 
|, of dé émAduyes]. Die Unechtheit des eingeklammerten letzten Gliedes wird nicht 
nur dureh das Fehlen der Worte in der Uhersetzung des Arabers in H bewiesen, auch 
Galen selber bezeugt sie. da er in der Erklirung mit keinem Worte auf den vierten 
Ausdruck eingeht. Man vergleiche auch nach Abschlué einer langeren Besprechung des 
Ausdruckes exhapyres tiber die noch fehlenden nur die Worte (S. 828/20) Tapanerp Oyjoe- 
Tal rep év T@t TOLOVTWL AOYwL TO THs emAnypias Ovoua Kai KaTa TOUTO | haivovTal Twes 
ovK addyws err wes yodwavTes. woTep Eviot KaTaAWes. Ebenso verriit sich die In- 
terpolation an der zweiten der oben gedachten Stellen in einer Darstellung der Ent- 
stehung von Harngrie und Blasensteinen: (S. 836, 9) dédexTar pev yap év Tos Tov dv- 
CiKOV dvvauEewv VTouvnuaow EAKwy Eis EauTOV O vedpds. Oaov ev Tais drEeiv Oppwdes 
re (verbesserte Chartier: dow’ U: 666@6y Aldina und Basileensis) Kai AewTov avayeuKrTa 
T@L aimatt. Tov de eis (U: és seit der Aldina alle Ausgaben) tyv KowWiav abtou duj- 
Govvtwy tO TowiTov Topwy (U: im Arabischen »Durchgdnge« H: wopov aus der Basler 
Ausgabe in alle anderen tibergegangen) emt méov avaotopobevtov (Aldina: avacro- 
pobévrwv U), ovvombertai Te Kai TOV TayvTepov. oTav ovv TOUTO Geppaivopevov év TH 
KowNial TOV veppou Teopoedy apne ovoTacw, éav pev TOV veppov CTCOKPITUKH dvvamis 
OWWTHTAL TAaV avTO GUY TOLS OVPOLS, ai vraupdders év autos UrooTdceEs yivovTa. éav OE 
(Aldina: ézav oe U) eumeT™Aao MeVvov te (U: ELTETEIANLEVOV Aldina: éu7remAnpeévoyv seit der 
Basler Ausgabe die tibrigen) kat OvoamdAvTov He THe KOINiaL TOU veppov, de | (S. 837) xo- 
pevov (U, Aldina. Basileensis: deyouévouv Chartier) éavt@ Te mapaThijotov éTEpov éK TNS 
KoiAns dAeBos, ert wA€ov avEdvera. TepimAaTTETA Yap aEi TO Emtppéov TL TpoiT- 
apyovTt, Kat eae 6 Tepos G&wWAOyos Ta peyéDer GuvicTaTa. [Twes O€ EipyKact, Cue 
Tt aia otpovow; oT émedn Oo AiGos cEiwv, OTav ywvoedyns éott. WAHTTEL TH Tapakel- 
peva pdpia Kal aia tot exxpiverOa.| éav Cé apawOne péev i) eis TOV vedpov Ex Tijs 
KolAns hAeBos eioodos, typov O jt TO aipa Kai wTE TOU mjTE YAloypov, aiwaTw@des oVTW 
TO ovpov yivera. Das Fehlen der in Klammern gesetzten Worte in H. Sprache und Stil 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. 3 


18 E. WeNxKEBACH: 


dieser Siitze’ und bei der Wiederholung des Gedankens doch eine auffallige Verschieden- 
heit im Erklarungsversuche des Blutharnens sind zweifellos stichhaltige Griinde, die Stelle 
fiir ungalenisch zu erkliren. Da® es auch in der Ausgabe Kéuns nicht geschehen ist, 
beweist wie unziihlige andere Merkmale derselben Art die mit dem Fortschreiten des 
Nachdruckes immer mehr wachsende Unwissenschaftlichkeit der letzten Galenausgabe, 
die in den SchluBbinden zu einem bloen Geschiftsunternehmen herabgesunken ist. 


Ganz anders als itber die beiden oben besprochenen Beispiele ist tiber eine Gruppe 
von Zusitzen zu den hippokratischen Lemmata zu urteilen, die sowohl der byzantinischen 
Uberlieferung in der Hs. U und im Erstdrucke wie der arabischen Bearbeitung in H fern- 
geblieben sind. Von ihnen will ich gleich hier, wenn auch tiber, den ersten Kommen- 
tar zu Epid. VI hinausgehend, zur Erliuterung einige Proben geben. Was im zweiten 
Kommentar dieses Buches als Lemma’ Ai adrooractes, oiov BovBeves, ... KaxonOees Oé 
otto: im Texte Chartiers gedruckt steht und infolgedessen auch in Ktuys Nachdrucke 
(S. 918, 9-11) zu lesen ist, begleitet von der nicht zu diesem Lemma passenden Er- 
klirung (Z. 12) [vevua de muKvov pev éov dddvnv onpaiver... 6XéOpiov Kapta ion yiverat 
(Z. 16), zeigt erst die Pariser Ausgabe so hergerichtet. Den von U beglaubigten Text 
(S. 918, 6) apeden (so) TomKov ovaa BorOnua. mvevpa Se muKvov péev éov Tdvov on- 


Maiver... Tapadpooivyv onpaiver, ON€Opiov Kkapta Hon yiverae bietet auch die Aldina, nur 
das sie die in U nicht bezeichnete Auslassung des Hippokratestextstiickes Ai dzro- 
ordowes ...ovTo und der zugehérigen Interpretation Galens durch das zwischen BorOnya 


und mvevpa hinzugesetzte Aedrer gekennzeichnet und in dem folgenden, aber nicht zum 
gedruckten Lemma gehérenden Kommentar das nach mvukvov peév éov leicht tibersehbare 
movov, das zumal bei der beschleunigten Druckarbeit dem Blicke des Setzers oder Kor- 
rektors um so eher entgehen konnte, tibersprungen hat. Die umfangreichere Liicke im 
Hippokratestexte ist bereits von den lateinischen Ubersetzern erkannt worden. KEinem 
von ihnen, wahrscheinlich dem franzdsischen, Johannes Vassiius aus Meaux, folgend, hatte 
Chartier sie auszutiillen versucht. Da er dabei doch bemerkt haben mu, daB die Worte 
mveupa Oe... dy yiverae zum Kommentar des zweiten ausgefallenen Lemma gehoren, 
das ja tatsichlich von der Atmung handelt (Mvevuata opupa... Oepudv, yuypdv), so 
scheint es mir unmdglich, die verwunderliche Versetzung dieses Kommentarstiickes tiber die 
Atmung unter das Lemma iiber gewisse Abszesse dem Pariser Galenforscher selbst zu- 
zuschreiben, auch wenn man beriicksichtigt, da die Epidemienkommentare zu den letzten 
Schriften seiner Ausgabe gehéren, die erst nach seinem Tode ans dem Nachlasse des 
verdienten Arztes von seinem Schwiegersohne Charles du Gard der Offentlichkeit wher- 
geben wurden. Will man den seltsamen Fehler nicht auf einen bloBen, allerdings unkorri- 
giert gebliebenen Druckirrtum zurtickfiihren, woran man zuerst denken wird, kénnte man 
in ihm eine verkehrte oder fltichtige Einwirkung des genannten Herausgebers finden. 
Da jedoch auch Chartier selber noch der Stelle seine Fiirsorge gewidmet hat. schlieBe 
ich aus der Art, wie die Liicke behandelt worden ist, die in seiner einzigen Druckvor- 








1 Teh halte es fir verschwendete Miihe, dariiber nachzudenken, ob der byzantinische Interpolator ge- 
meint hat: twés 62 jperjcact da tf aiua obpovow; dv, émedy 6 MOos é€udv, Srav yovoedys éot, white Te map 
keipeva popia, Kal aiva moi éxxpiver Ou, so daB or als kausale Konjunktion und «ai als etiam verstanden werden 
miiBte, oder ob mit Bezug auf eipyxac:, was mir natiirlicher und deshalb richtig scheint, dr bei Anftthrune 
der direkten Rede eines atderen die Stelle unseres Kolons als Anfiihrungszeichens in der Antwort vertritt, 
die einen Kausalsatz mit doppeltem, durch «ai verbundenem Pridikat enthuic: émed) 6 MOos éidv... mAdfrre 
Ta Tapakeiyeva pdpia Kat alua moe éxxpiverfa. Wichtiger scheint mir, darauf hinzuweisen, daB der Interpolator 
grammatisch schon in dem Indikativ bei érav und stilistisch in der hiatreichen Wortfiigung sich als Falscher 
viner spiteren Zeit verrat. Uber den unliterarischen Vulgarismus grav mit dem Indikatiy vgl. die Sammlung 
ans verschiedenen Papyri hei Wii. Scum, Der Atticismus IV, go. 


Beitrige sur Teatyeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 19 


lage, der Basileensis, dem Texte der Aldina und deren Vorlage U gemaf hinter mapa- 
dpocivnv onpaive klafft. In dem Fiillsel nimlich yuypos (so!) de €« Tov puxTihpds TE 
Kal OTOMATOS TpoEpyouevov enthiillt sich ein neues Beispiel des von Chartier auch sonst 
getibten Verfahrens, Liicken des Galentextes durch Riicktibertragung aus lateinischen voll- 
stiindigeren Ubersetzungen zu schlieBen, ohne den Leser auf die zweifelhafte Gewihr 
seiner Ergiinzung aufmerksam zu machen’. Aber er hat hier vergebliche Mithe aufge- 
wendet, weil er nieht erkannt hat, was schon alle drei lateinischen Uhersetzer erkannt 
hatten, daB Galen zur Erliuterung der Worte tiher die Atmung sich eines Hippokrates- 
zitates bedient, und zwar aus dem Prognostikon (I] 122, 11 L. = 1 82, 20 Ktut.). Hitte 
Chartier diesen Sachverhalt durechschaut, wiirde er einerseits das in seiner Vorlage, der 
Basler Ausgabe. wie in der Aldina fehlende rovov nicht durch odvvyv im AnschluB an 
seinen humanistischen Uhersetzer wiedergegeben haben, anderseits hatte er das verstiim- 
melte Zitat aus seinem Hippokratestexte in der ergiinzten Form mvevya ce... mapa- 
fooctvyv onpaive, (vypov dé éxmveduevoy éx T@V pwav Kai TOU GTOuATOS) dAEOpLOV 
KapTa non yivera hergestellt. Somit ist es selbstverstandlich, daB auch von dem Lemma 
ia (S.919, 1—4) [vevpata cuxpa... Oepuov. vypov weder in U noch in der Aldina 
eine Spur zu finden ist. Chartier hat es wieder in Uhereinstimmung mit der verglichenen 
lateinischen Ubersetzung aus seinem Hippokrates zu dem Texte der Basileensis, von der 
er ausschlieBlich abhingt, hinzugefiigt. Welchem Ubersetzer er folgt, wird besser erst 
spiter in einem anderen Zusammenhange sich entscheiden lassen. Hier gentige die An- 
fiihrung dieser Stelle als eines Beispieles fiir die verhiltnismaiBig seltenen Zusitze, die 
unser Buch erst in den nachaldinischen Ausgaben empfangen hat. Unsere byzantinische 
Uberlieferung in U verbindet yivera (S. 918, 16) sogleich mit iyTnpiov (S. 919, 7). Den 
Wortlaut der mir noch unbekannten arahischen Bearbeitung dieses ganzen Abschnittes 
wird uns H hoffentlich nicht vorenthalten. Da8 Galen in dem ausgefallenen Stiicke seiner 
Erklarung sich auf seinen Kommentar zu Epid. I berufen hat, darf man aus der Be- 
merkung (8. 919.8) Kai tavtny tiv pyow év Tar Sevtépwo Tov Erinmuav éEnynodpeba 
entnehmen. Ebenso verfahrt er an der dritten Stelle, die noch als Beispiel Chartierscher 
Zusiitze zum Hippokratestexte erwalnt sei. Obwohl Galen dem Lemma xo’ (S. 939, 13) 
Ta éykaTaNeropeva peTa Kpiow vrootpopwdea nach dem Zeugnisse von U die nicht 
miGBverstindliche Bemerkung beigegeben hat (S. 940. 1): “H aiti pyois node Kav T@ dev- 
Tépw Tov emOnuav yéyparta Kai peTa TadtTnv GdAAas (@AAa verbesserten Cornarius 
und Gemusiius) péypt THs, do01 Tprraogvets, as brepBnodpeba Ova TO TpoeEnynoacBa. 
tand sich Chartier doch bemiiBigt, das von Galen absichtlich tibersprungene lange Lemma xé 
(S940, 4--13), wohl nur der Vollstindigkeit des Hippokratestextes wegen, in seiner Aus- 
gabe abzudrucken. Wie in U ist in H nichts davon zu finden. Wieder sehen wir die 
Aldina mit U zusammengehen, wihrend Vassiius, diesmal im Gegensatze zu Crassus und 
Rasarius, das ausgelassene Lemma (p. 542) tibersetzt und mit eigenen Anmerkungen (p. 543) 
versehen hat. 


1 Seitdem Hermayn Driers in seiner Doktordissertation die Eigentiimlichkeit Chartiers, ganze Satze aus 
noch unversehrten lateinischen Ubersetzungen retrovertierend in scinen Text einzuschwarzen, aufgedeckt hat, 
ist man wiederholt auf solehe. hier und da sogar sehr ausgedehnte Stellen gestoBen. die den Leser befremden 
oder gar irrefiihren kénnen. Vgl. z.B. Jou. Mewacpr. Eine Filschung Chartiers in Galens Schrift itiber das 
Koma, in den Sitzungsber. d. PreuB. Ak. d. Wiss. 1913. XIII. besonders S. 264 ff, und meinen eigenen Aufsatz 
iiber Pseudogal. Komm. zu d. Epidem. d. Hippokr. in den Abh. d. Preaf. Ak. d. Wiss., 1917, phil.-hist. Kl. Nr. 1. 
S. 12-22. Chartier unterscheidet sich in dem Bestreben. seinen Lesern der Hippokrateskommentare Galens 
einen méglichst vollstindigen und glatten Text zu liefern. von Gemusius und Cornarius. die auf dieselbe 
Weise zuweilen wenigstens kleincre Liicken zu fillen gewagt haben, dadurch. daB er nicht wie jene dlteren 
Kritiker derartige Zusitze seiner Ausgabe im Drucke durch Klammern kenntlich gemacht hat. Vgl. den ersten 
Teil dieser Abh. SS. 71, 8%. yt. rit. fo Anm.. 57/58 Anm.. 64. 80 Anm. g. E. 


2() Kk. WEXKIBACH: 


Wenn der Zusatz Chartiers (LX, 409) in den Hippokrateshss. an beiden Stellen, im 
Epid. IT und VI, gleichlautend gelesen wird, erhebt sich die Frage, wo Hippokrates selber 
die Tagebuchnotiz gemacht und wo Thessalos oder ein anderer Ordner seines Schriftennach- 
lasses sie wiederholt hat. Galen ist hier auf die Frage nicht eingegangen, der er nicht 
tiberall ausgewichen ist. Deshalb diirfen auch wir gemifs dem Zwecke dieser Abhandlung 
uns hier an der Feststellung der Tatsache doppelter Uberlieferung geniigen lassen, wie denn 
tiberhaupt unser Hippokratestext dem von Galen erklirten im ganzen gesehen zum Ver- 
wechseln fhnelt. Eine Stelle médchte ich jedoch aus dem Bereiche der hier untersuchten 
Blatter zur Erérterung stellen, da ich einen Widerspruch oder eine Unklarheit zwischen 
unserem byzantinischen und dem arabischen Hippokratestexte wahrzunelmen glaube. Wir 
lesen in U als 15. Lemma des ersten Kommentars (S. 853.5): Al tov oxedéwv éxOyrvv- 
oles. Olov i} PO vdcov (vocou berichtigt dic Aldina) d6douropnoav (ddoropijoavte berich- 
tigt ebenfalls die Aldina) # €« vooou a’tixa, Git tows T éxkoTTTwV (TO EK KOTTOV Ver- 
bessert die Aldina) eis ap6pa dméotn, Ov a (dc 6 verbessert wieder die Aldina) ai Tov 
oKedewy ExGyAvvotes. Aus Hunains Ubersetzung in H iihertrigt Prarr die in Frage stehende 
dunkle Tagebuchnotiz des Hippokrates su: »Schudche der Schenkel tritt cor der Krankheit 
ein, wie ex einem Reisenden vor der hrankheit widerfihrt, und sie tritt mit der Krankheit cin, 
wir bei einem, der einem andern auf dem Fupe folgt« und findet im Arabischen einen Wan- 
derer und einen Wettliufer einander entgegengesetzt. Nur mit Widerstreben &uBere ich 
von hier aus die Vermutung, der erste Satz des Lemma kénnte gelautet haben: ai Tov 
oxehéwy éxOydUvoes, lov i} TO vdcov ddouTopic~avTe i} Ek vdcouv avTixa (ueTadpopn- 
gavtl), OwWTt KTA., und zwar mit um so heftigerem Widerstreben, je wnklarer mir die 
Auslegung Galens scheint (S. 853, 8): Ov« éot: yrava cados, woTepa (WoTEpoV ver- 
hesserte Chartier) tas doGeveias povas éxOndvvoes eipykev, i) Tas civ atpodia TeV OKE- 
OV OAwWY Ywouévas. OTOV pEV Yap Em (TH) TpoTepw TaY TpoEpNLevov TapacerypaTeoy, 
eyywpel Kal Tas TV aTpodia voetv. OGoV Ce Eri THO devTépw, KaD’ 6 hyot SwTe iows 
to (U: TO berichtigte die Aldina) ék kdrwv eis apfpa anéotn, Tus isyvoTntas ovK av 
Tis evAOyws akovoeev, GAN’ awh@s Tas aoGevelas. aitwes SUvavTat Kai yopis iayvotntos 
iro. yy éxAvTous (U: e& fiir y in der Alina: ei getilgt in der Basler Ausgabe) tds évep- 
yelas ép| (S. 854) yaoarGu Tav oKxehov i} Kai Tas anootdces ITodéyerOa (kai felt 
seit Chartier: trootdoes U, Aldina: admootdaces verbesserten Cornarius und Chartier). 
Mit Bezug auf Lemma und Kommentar bekenne ich. den Sinn der dunklen Worte nicht 
aufhellen zu kénnen’. 


Aber nicht zweifelhaftt scheint mir, daB das 19. Lemma dieses Kommentars in der 
Hauptsache, der éAkvdpiwv éxOvors, richtig tiberliefert ist, wenn es in U heiBt (S. 865, 2): 
Nicee 8° av kai EAXKvdpiwv KaTw Exbvors, nv pH oTpoyyANH (vom Schreiber selbst ver- 
bessert) kai Bab? (8dfea Aldina: Babéa Basileensis) 7: Ta (d&) tTotatra (6€ von Chartier 
zugesetzt) dAéOpia Kat GAAws (Kal) TaWloew (kai habe ich hinzugefiigt: »und besonders 
den Kindern« H). Denn im Beginne der Erklarung schreibt Galen (S. 865, 5) lapa tov 
(von mir verbessert: To U, Aldina und die tibrigen Drucke) éxOvew, dep éotiv éEoppay, 
thy ExOvow elpnkev. ExTEwouevns THs péons ovAAAaBHS, ws ei Kal éESpuncW elpijKer (von 
mir berichtigt, vgl. z. B. 8. 886, 16 @s ei Kai weddvoTdtous TovTOUS eipnket’: eipnxe U. 











* Um von Kundigeren mich belehren zu lassen, setze ich Lrrrrés Ubersetzung der mir unverstiindlichen 
hippokratischen Tagebuchnotiz hierher (tom. Vp. 270, 6): Impuissances des Jambres, comme chez celui gui a fait 
une route avant la maladie ou immédiatement aprés: c'est probablement pare: que Feffet des lassitudes s'est porte sur les 
articulations, que les jambes sont devenues impuissantes. Auch aus ir vermag ich nielits Befriedigendes zu entnehmen. 

2 Fir den Wechsel des Plusquamperfekts und des gewéholicheren Aorists in sulchen irrealen Ver- 
sleichungssatzen ist lebrreich. was wir Bd. XVII BS. 243, 13 lesen: wor é ovvawavres duddtepu tiv -ddodov 


Beitrige zur Textgeschichte der Enidemienkommentare Galens. [. 21 
Pp) e £ 


Aldina). Und inbetreff des Substantivs éAkvdpiov vergleiche man die Wortverbindung 
S. 866, 6 oO: @v eirev amootdcedy TE Kai aiuoppayi@v Kai EXKvOplov. 

Von hier aus wage ich nun endlich an der letzten aus Epid. VI, 1 noch zu erwih- 
nenden Stelle einen U und der Aldina gemeinsamen kleinen Schaden durch leichten Ein- 
griff zu beseitigen. Denn ich nehme keinen Ansto8 mehr daran, da in der Erklirung 
des auf Augenleiden beztiglichen Lemma 23 (S. 868, 4) Kakov 0€ Kai TO émEnpawopevov 
otov ayn, das noch in Ktuxs Text mit den W orten erliutert wird: ®aiverat ry vO MEVvOV 
Kai Tovto év Tos o€€éor voonpacey, oTav eoxdtos a Enpa, ovv appwotic Ouvctpews, Mt- 
Kpov wavu Anpuvdplwy exTintovT@Vv Kata ToUs d6POadpos, eit avis EmEnpa- 
vonevev, das in den Lexika fehlende und, wie es scheint, sonst nicht nachweisbare Sub- 
stantiv Anpvoptov vorauszusetzen ist. noch méchte ich Anpvopiov dureh die im Corpus 
Hippoeraticum bezeugte andere Deminutivbildung Anpiwv ersetzen oder gar den Mibegriff 
der Kritik verteidigen, aus einem sprachlichen Grunde an der vorliegenden medizinischen 
Tatsache zu findern, indem man miKpov wavy éAKUOplov ExmuotvyTwy Kata Tos Od- 
Gaduovs schreibt und diese Worte auf dieselben Geschwiire wie S. 865, 2 und 866. 7 
und ihre Eiterung (vgl. S. 864, 37) bezieht: hier werden dieselben Anuia cpikpd vou 
Hippokrates gemeint sein, die in Epid. I, 2. 616, 10L. beschrieben und von Galen Bd. 
XVILA S. 93ff. erklirt worden sind, hesonders S. 95, 4 etwHe 6€ Tats TowdTas Of>Far- 
jucis Anpla yiverbu piKkpd, (uoyis EKTIMTOVTA, puKpa pev oa THY vo meyiav THs ێVv 
TOS 6PBarpois UypornTos.) poyis 0 éxmimtovtTa oa Thy TIkvwoW TOV YITOYoY, iV 
€K THS TOU TEpleyovTos Wuyporiros éoyov, wo der Zusatz der eingeklammerten Worte 
poyis exrintovta ... vyporntos, deren Ausfall in w durch die Wiederholung derselben 
Worte veranlaBt ist, auf Hunains Ubersetzung in H beruht!. Daher ist hier nicht an 
die gewéhnliche Augenbutter Triefiiugiger zu denken, deren Bezeichnung Ajpar von He- 
sych als ai wept Tous kavGous Tov dpbaryov TeTiyvia cvoTdoes gedeutet worden ist, 
sondern Galen versteht, der hippokratischen Saftelehre entsprechend, unter dem zwweifel- 
haften Ausdrucke denselben Eiter, der in jener Hesychglosse weiter mit den Worten 7) 
expéovoa Tov odGaduov axafapoia bezeichnet wird. Wenn nun im Kommentar Galens 
(S. 868, 7) die Worte puxp@v mavu Anuvdptov ExtrimTovTwv KaTa Tous OPGadrvovs begegnen, 
so besteht kein Grund mehr, das wie éA«vdpiov richtig gebildete Deminutivum Anpvdpiov 
dem Verfasser abzusprechen, zumal da bei Spiteren solehe Bildungen auch von a-Stimmen 
vorkommen, wie z. B. teyv-vdpiov von Téyvy”. Bedenken erregt mir nur noch eine Kleinig- 
keit, der Gebrauch der Praposition kata mit dem Akkusativ bei einer Ortsvorstellung, 
die Vassiius nicht richtig wiedergibt, indem er schreibt p. 492 purvis admodum lemulis, 
id est sordeculis, iuxta oculos ineidentibus ich erwarte mit Crassus, dessen Chersetzung 





TOV orpor, omep €oTt vy kevwow, é« THs AéLews eydovo ui dav, ws et Kal ollpou ekapiow elmev. opto Tuli ev apy 
THs pyoews ae KOmpou Kat ot'pov tiocos, ws (ei) Kat oTws elpyto* KOTpov kal orpov KEV@OIS. Dagegen €i7 vev 
allein z. B. S. 209. 6 oder 233. 14. wie elpyto allein S. 176, 5. Deshalb halte ich denselben VerstoB wie oben 
fir besseruneshediirftig. Aen S Aoeh in der Ktéunschen Ausgabe XVIB S. 195, 9 das Perfeht mit dem Aurist 
wechselt: To per Sepa opy Kata Tus CoTikas mTwuEs ava yvovtev WuOv, os ef kal év TH Gepu a) Spy AN€NEKTAaL, To Ce év 
wiyer kabdrep Kal ovTws eimev: éy aépi Wuxpo. und méchte A€Aexra Hieber in éA¢Aexro als in Aedeypevoy Vv Ver~ 
bessern; zwischen xabldrep und «ai ist ef nétig. Aktiv isch hei®t es, wie an dem Ausgangspunhte dieser Beobach- 
tung, auch S. 1 33: 9 in U éAda kai pelo dyow eivat abta (nimlich te KONA) Kal nptyo Aa ék TOV HETOKO\OY, @s el 
Kat pegevrepiov eipyxer, Wo Chartier und in seinem Gefolge Ktéun mit Bezug auf dvew (Z. yg) das letzte xai 
in riv geindert haben. 

1 Andere Stellen fiir Agjun. sordrs Sea pituita conereta lippleatium oculurum, hat Anutius Fotsias in 
seiner Oecon. Hippocr., Francofurdi 1558. p. 383 gesammelt. wo neben Aja auch das Deminutiv Ayu’. aber 
nicht Anudepa erscheint. 

2 Vel. Kiuyer-Brass, Ausftihrl. Gramm. der griech. Spr.. I, 2°. Hannover 18y2. Wortbildungslelre 
§ 330, 4 S. 279. 


3. in den mitt- 
leren Kommen- 
taren: Entstel- 
lur.g handschritt- 
licher J.esarten 
im Diucke durch 
Ubereilung des 

Aldinen- 
kritikers — 
Unterlassung 
einfachster 

grammatischer 

Berichtigungen 
wegen beschleu- 

nigter Arbeit 

am Texte 
(Zusammen- 
stelhing 
unkorrigiorter 
grammatischer 
Fehler aus einem 
Druckbogen der 
Kinaxschen 
Ausgabei. 


2» E. WenKEBACH: 


der fraglichen Worte percxiguis lacrymulis ab oculis excidentibus zwar eine Konjektur, aber 
eine m. E. notwendige, enthalt, anstatt kata tovs 6@@adpovs den durch den Gedanken 
geforderten Genetiv: kata tov oPGadyov setzt auch die arabische Ubersetzung »fleine 
Blutteitchen steigen von den Augen herab« in H bestimmt voraus. wihrend die Lesart im 
tibrigen nicht ganz sicher scheint. 

Bei einer weiteren, wenn auch nur flichtigen Musterung der noch tibrigen Kommen- 
tare zu Epid. VI wird uns nun eine tberaus zahlreiche Gruppe von Lesarten begegnen. 
die in der handschriftlichen Uberlieferung das Richtige entweder unversehrt oder leichter 
beschidigt bieten, wihrend sie bei der Wiederholung durch den Druck so entstellt worden 
sind, daf man ihre Ersatzstiicke in der Aldina nicht fiir Besserungsversuche ihres Kritikers 
ausehen kann, sondern sie eher als Merkmale beschleunigter und tbereilter Arbeit erkennen 
wird. Von zwei Stellen des zweiten Kommentars erliutert die eine den hippokratischen 
Begriff tenyuva, anschlieBend an Kopf und Kinn, nach dem Zeugnisse von U mit den 
Worten (8. 901, 10): év 6€ rois aAAois pépeot TOU TomaTOS Ev TE TH YEIAwY KOAAGY EAKN 
1 KONTOUS OAOUS, évievTes Pdppaka pTTTiKa, Tpayvvopey TH pOpia Kai THY yaortépa YAic- 
Xpou préypatos euwerAnopévynv éviote Tpayvvtikois Papydkois CrappvTTouev. Der nach 
meiner Ansicht nicht heile Satz steht in der Aldina und ihr gemi§ in allen nachfolgenden 
Ausgaben noch verdorbener, indem KoAAav, eigentlich »zusammenleimen«, hier yom Ver- 
schlieBen einer Wunde zu verstehen, zu dem sinnlosen cad\@v verunstaltet ist, das aber 
vielleicht auch nach dem Willen des Korrektors xoiAwv sein soll und dem mit Sternehen 
hezeichneten yeA@v folgt. Wenigstens scheint es, da® Vassiius und Crassus den Begriff 
xoiAa darin gefunden haben: jener iibersetzt p. 514/15 in caeteris vero corporis | partibus, 
in quibus cava uleera et sinus integri, pharmaca infundimus abstergentia, partesque exasperu- 
mus etgs., dieser sehr &hnlich, aher ebenso ungenau: at in aliis corporis particulis, ubi sunt 
cuca ulcera et integri sinus, abstersorius medicinas infundentes, locos illos exasperamus. Ta auch 
Hunain »vom Verbinden der Lippen« in HW spricht, vermute ich, da® Galen mit Bezug aut 
den Verschlu8 der Geschwiirrinder und Wéolbungen geschrieben hat: €v ye Toe yeiAn 
KoANav €AKov i) KOATCOUS OAOVS. — Die andere Stelle hat in U diese Gestalt: (S. 922, 5) 
Ta yap év Siahépats 1 yaptas 1 CéATOIS Up intoKpdrous yeypaupéva TOV vidv avToU 
fercarov abpoicavtd pact taiti ta dvo fiBria cwbeiva, +6 Te SevTEpoV Kal TO éxToY, 
wo der Bearbeiter des Aldinentextes das in der IIs. iibergeschriebene winzige 6 iiher- 
sehen oder vielmehr fiir o angesehen und so € in 6 abgeiindert hat; das unmdgliche dia- 
dopas hat erst Ktun beseitigt, aber das Urspriingliche nicht an seine Stelle gesetzt, das 
er aus XVIIB 8. 249,8 tows d€ Kai Tov viov aitod Oecoadov ADpoical hac Tas vro- 
ypapdus ToU mwaTpos evpovTa yeypampévas év yaptas Te Kal OrpOépais Kai dérXTOIs 
hitte entnehmen kénnen. —- Aus dem dritten Kommentar seien in Kiirze folgende Stellen 
angefiihrt: XVII B S. 28,7 zitiert Galen, um das Lemma (S. 25,6) Olow, érav adpo- 
dud foot, pueara yaotnp zu erkldren, aus dem Kommentar des Sabinos unter den 
dort angegebenen Griinden fiir die Richtigkeit der Behauptung auch ein Wort Demokrits. 
das im Kiuxschen Texte so mitgeteilt wird: éwera 6€ Kai 671 Anudxpriros etme, éivOpwros 
é€ avOperov év tais cuvovoius éxOdpvyTa', und fahrt danach so fort: Kai HEVTOL Kal 
ditt haci woddy ddaEnopov Ota TH aAHOerav TOU Deppod Kai Thy 





1 Fragm. 32 Drers (86 Nat.): {wovoiy dromdnfin: ébécovta yep avOpmmos b& av. drrov 





kal amoomarat why he 
2 eugnissen anc ; : nicht unterlaBt an- 
zufiihren, was wir S. 521, 5 lesen: ts yap jv dvdyxy ypadew Anudkpitov pév cipykevar juxpav émAyVrlav elvan thy 
ouvovoiay (womit auch Hunain in H tibereinstimmt), €mkovpov é& jydérote Bev Oedelv adbpodiciav Xpiow, aya- 
~ 2 
Stelle aus dein 3. Kommentar zu Epid. V1. 


Beitrage zur Teatgeschichte der Epidemienkoimmentare Galens. I. 23 


unterscheidet sich von der Basler Ausgabe, von der Chartier ausgelt, nur dadurch, daB 
sie den mit der Aldina und U tibereinstimmenden Infinitiv der Basileensis éx@dpvucbc 
in den Indikatiy écOdpvurat verwandelt, wihrend sie im niichsten Satze die vom Basler 
Herausgeber Gemusiius aus der Aldina empfangenen Fehler an Kiuy weitergegeben hat. 
Kin Zeichen seiner hastigen Arbeit hat der Kritiker der Aldina in dem Ersatze des ihm 
unbekannten tov Oopov, wie in U deutlich geschrieben ist, durch tov Oepyov hinter- 
lassen. Wie Cornarius im ersten Satze am Rande seiner Galenaldina avOpwrov, aus dvOpwros 
hergestellt, wie ich glaube, mit Recht in Einklang brachte mit dem tberlieferten Infinitiv 
exOopvuc Oat, so stimmte er auch im zweiten Satze einem lateinischen Ubersetzer zu, in- 
dem er zu den Worten dAnOecav tov Bepyov seines Aldinenexemplars die Bemerkung 
machte: aAvkotyta Interp. legit. rel aduvpotntas Tov oméppatos: denn schon Vassiius 
tibersetzte den zweifelhatten Satz (p. 608/09): Practerva inquit, et ideo priritum maultum 
propter srminis, tum salsuginem, tum acrimoniam patiuntur, und Crassus (nach Chartiers Wieder- 
holung aus einer Juntina): quin etiam quoniam, inguiunt, maltum pruritum ac morsuin ob 
seminis salsuginem atque acrimonium patiuntur, womit die Ubersetzung von Rasarius fast 
vollig tibereinstimmt. Da Janus Cornarius. von Marburg an die soeben erdffnete Universitit 
Jena berufen, schon im folgenden Jahre (1558) starb, kann Rasarius. dessen Kommentar 
erst 1562 erschien, nicht als sein Gewihrsmann gelten. Aus anderen. eindeutigen Stellen. 
an denen er mit Riickiibertragungen in das Griechische sich an einen évterpres anschiiebst. 
folgere ich, da® er diese Eintragungen wahrend seiner letzten Lebensjahre auf Grund der 
Juntina des Crassus gemacht hat, indem er sein Ziel, der Aldina und der Basler Ausgabe 
seinen eigenen griechischen Galen folgen zu lassen, unverriickt im Auge behielt. [litte 
sich Cornarius nun an unserer Stelle mit seinem Herstellungsversuche aus der Juntina 
niher an die in U tberlieferten Schriftzeichen gehalten. so wire es ihm erlaubt gewesen. 
Sut THv cApaiav Tov Bopov in seine geplante Galenausgabe aufzunehmen. Denn dai Galens 
Gewihrsmann Sabinos, das zur Umschreibung des demokritischen é€érovra dienende 
Verbum é€k@dpvve@a fortfiihrend, das etymologisch mit ihm verwandte @opov fiir o7rép- 
patos wiihlen konnte, wird niemand bestreiten, der tiber den Sinn und das Vorkommen 
des Substantivs 6 Oopds vergleicht, was man z. B. in Galens Kommentar zum Prognostikon I 42, 
XVINB 106 (= CMG V 9,2 p. 256, 12 Hees) liest: éA€éyOn Oe Kai ev Tots Tepi OTEPLATOS. 
ws €v TOS TOV ayyelwv XiTOoW, up @Vv oi opyels Tpepovrat. TOANAKIS paiverat evapy@s 
TpopeTaBeSAnyevov non TO aipa Tpos THY TOU OTCEPUATOS yeveow | (ovce yap avTovs ToV 
ayyeiwv Tos yit@vas Ur’ aAAov Tivos EikOs TpépeTOa) Kai KadoVTW Evol TOV iaTPOV 
Thy TolavTHy VypoTHTa Bopwon. Oto Kai TO OTEéppa aiTO Dopov dvoudfovor Kai wadciof 
dco Tiv dvvauv avTov orépya Kadovow, ov THY GwLaTiKHV ovoiav. Und ebensowenig 
verwunderlich wird es ersecheinen, da auch 4 aApaia in der Bedeutung des hiutigeren 
GAun fiir GAuvpdtns nach den Indices der bisher bearbeiteten Binde des CMG im Sprach- 
gebrauche Galens nicht belegt ist: in unserem Epidemienkommentar hat er selbst das 
Wort aApy nicht vom salzigen Geschmacke, sondern nur in seiner Grundbedeutung gebraucht. 
wie z. B. S. 877,13 Tovs Mev ov GAuvpwdeas (nimlich wupeTovs) Ei THY adijy aywv Tis 
epet TOUS ddagno pov TWA TOLOVVTAS Elvat TOES AMT OMEVOLS. @oTrep Ud avuns TE Kal TaAVTOV 
TOV GAMUp@Y yiveTa TwpaTov (oder soll man ypnyatwv vorziehen?). So bestechend 
jedoch auch die Lesart éu TH cApaiav Tou Gopov im Kommentar des Sabinos gegeniiber 
dem Unsinne der Aldina dia tThv aAnbeav tov Oepuov selbst auf kritische Leser wirken 
kénnte, trotzdem haben die lateinischen Ubersetzer und Cornarius mit ihr das Urspriing- 
liche nicht gesehen. Auch diese Stelle gehért zu den vielen verderbten. die erst durch 
die neuerschlossen¢ indirekte Uberlieferung des Arabischen gecheilt worden sind. Sogar 
ein Galenkenner von dem Range Hermann Scudxrs vermochte die Verderbnis nicht in Ord- 


24 E. WENKEBACH: 


nung zu bringen, obgleich er mit seiner Konjektur ajfecav das Richtige getroffen hatte’. 
Wir finden also als letzten Grund fiir die Behauptung des Hippokrates Oiow, orav adpo- 
diwidloot, dvoata Hn yaorHp aus Sabinos’ Kommentar folgenden Satz von Galen nach 
der Ubersetzung Hunains in H wiederholt: »drittens, dap ihnen Beipen und Jucken entsteht 
wegen der Cngewohntheit der Begattung und ihrer Erregung«. Da Sabinos und seine Schule 
das hippokratische Lemma von denjenigen verstehen, die mit dem Geschlechtsverkehr an- 
fangen (S. 28,2 of pev mept tov LaPivov ovK aAdyws Paci Tos appodiiaGew apyomevors 
TovTo cupBaivew), so muB es dia THy dnOerav TOV Dopety statt due THY aANnOELav Tov 
Gopov. wie in U geschrieben ist, heiBen. Hatte der erste Grund sich auf die mit dem 
Liebesgenusse verbundene Neuerung des kérperlichen Zustandes bezogen®, erwihnt der 
letzte das fiir junge Leute und tiberhaupt zum ersten Male geschlechtlich Verkehrende 
Ungewohnte und Heftige des StoBens, wie der Araber den griechischen Ausdruck eben- 
falls eigentlich verbal gefa6St hat. Es ist mir nicht zweifelhaft, da cr nicht tov Bopov 
vor Augen gehabt hat, sondern Tov Bopetv, ein Verbum, das auch das Bespringen bei der 


Begattung bezeichnet. DaB Opwicxw > Opdioxw, VGap, auch govicl wie Adpvupa de coitu 
gebraucht worden ist, zeigt eine Hesychglosse, in der es durch oye’, éyxvov tow um- 
schrieben wird, und, um nicht ohne Beispiel zu reden. sei schlieBlich noch Aesch. Eum. 660 
tikTe. 6 6 OpwiorKov angefihrt. 

S.42.13 4. dwep duewdv éore kai (kai schon in der Aldina ausgefallen) dupiora 
TPOS IOV Ev TE TOLS Tepl KpaoTEwv UTOMVIpATL Kav TOLS Eis TOUS Ahopiopots, OvY aTAGS 
éott Gepudtepos 6 Tais Tov akudCovtos, dAAa TO ouudita Bepuo Bepudtepos. édetyOn 
ce tovTouv Hepydrepov andA@s TO pH GUupuTOY, & WA€ov éexTovoW (so U) of akucdCovres. 
Da in der Aldina ktwow gedruckt ist, glaubte Chartier, den Fehler durch die Worte 6 
TA€ov KT@oW zu verbessern. Galen hat natiirlich @ wAEoverTovow oi akudCovres geschrieben. 
Val. auch S. 14. — S. 56,13 pévovra yap evdov (nimlich Ta adda pevpara) ov wétTETAL 
. SF ‘ , & ia e bay URS by as 8 . 3 pom | . Sate ey ‘ . 
pacios Kat POdver ye TO oMAdYYvov EAKovV. wo die Fliichtigkeit des Aldinenkritikers die 
Lesart der Hs. b@aver zu daiver entstellte, das erst Chartier in daiverar geiindert hat. — 
S.67,1 mit Bezug auf trdyAwpor: évoenvupevns dé THS Pwvijs TOUS Bpayet” wypoT™ (d. i. 
Bpayelav wypdtyta U), Tim TadThv peulyOa Bovrdovra. mapadretrovew, aber in der Aldina 
in Spayetous @YpoTHTAs aufgelést, wofttr von Chartier nicht das notwendige Ppayetav 
wypoTntTa, sondern Apaytouvs wypoTnTas eingesetzt worden ist. -— S. 89,12 mpoidvTos 
de Tov ypdvou tis Tpopys UToAauBavopevov Wypdétepdv TE Kai paraKwTEpov rivera Kat 
dia TOUTO TdAw yadaTa, Kabarep ai Enpat dipOipa (U: dupO€pat verbessert in der Aldina) 
te kai Pipoa TeyPetoar pev VeaTt, AravOeioa Oé EdXaiw Kai oTéatt.. Da aber in die 
Aldina Bipoa te, yOeioa voarr tibergegangen ist, worin schon Cornarius yvOeioa anstatt 
Ueto empfahl, so begreift man, daf noch Ktuys Ausgabe die Konjektur von Gemusius 








1 Da adjGeav fehlerhaft ist, hat auch Brivrigam in seiner mehrmals zitierten Dissertation S. 202 er- 
kannt; daB es in dem behandelten Satze. wie er behauptet, allein fehlerhaft sei, widerlegt schon die Uber- 
lieferung von U. Mit H. Scuénes Konjektur dev, die er mitteilt, allein 1a8t sich dem Gedanken nicht auf- 
belfen. 

2 Da auch diese Zeilen noch nicht in Ordnung scheinen, fiihre ich sie hier an. Wir lesen in U 8. 28, 4 
mpGrov pev, oT pweyas 6 Eeviopos yiveTar wept TO cya’ ypagovor yap ovtws abtol: Cv feuonov dyoty éemAywiav te 
kat vedpiticas abtois Evepa te ypovea yiveoOu. Das vom Aldinenkritiker ftir dyclv eingesetzte dvonv haben die la- 
teinischen Ubersetzer in fletus beibehalten. wie es, von Chartier tibernommen, auch noch im Kéunschen Texte 
steht. Die arabische Ubersetzung in H gibt mit Auslassung der Worte ypddovs yap ottws abto! (nimlich oi 
repi tov Lasivov. Z. 2) dasselbe Verb wieder wie in Z. 3 und 9. Deshalb ist dyolv in bach zu aindern und 
die ganze Stelle so zu schreiben: tpotov pev, ot péyas 6 feviopios yiverat Tepi TO copa, [ypddover yap ottws 
abrol,] & dv Levirudy daow émdyyiav te Kal vedpitidas airois Erepd te ypdsva yiverbu. Weder der Gebrauch des 
Ausdruckes fevouds noch seine im Stile des Sabinos vielleicht als Latinismus zu wertende Wiederholune im 
Relativsatze rechtfertigt, wie mich diinkt, die neben dact miiBige Hervorhebung durch +pédovaw. - 


Beitrdge cur Textgeschichte der Epidemienkaminentare Galens. IL, 25 


aus der Basileensis Bupoa te BpeyGeioa vdati fortgepilanzt hat. Dureh Einschub eines 
y und der Partikel uéev kommt alles in Ordnung: kai Bipoa Tey) y Geto at pev VOaT« ist 


. x ros —~ ’ * t ” a , Qt ‘ 
ilie echte Lesat a S. 89/90 Ta 0 epetns ouY Opotws | ovTa oan, Taya OE KA TrApEye- 
ypaupméva oady T eva vouiGovor... vradAaTTOVGl Te Tas TaAaas ypadas in U. aus 


dem wicder durch Flichtigkeit des Korrektors der Aldina mapayeypappeéva fiir wapey- 
yeypauméva sich in den Druck eingeschlichen hat. aus dem auch Kény es noch nicht 
ausgetrieben. Uber die Zahigkeit der fehlerhaften Uberlieferung gerade bei diesem Ver- 
hum sind schon oben (S. 13) Beispiele zusammengestellt’. 

Je weiter der Kommentar zu Epid. VI fortschreitet, desto spirlicher werden in der 
Aldina infolge sichtbarer Hast beim Abschlusse der Drucklegung selbst die nichstlicgenden 
grammatischen Berichtigungen. von sachlichen Anderungen, die der Kritiker, wie frither 
gezeigt, sogar schon in den Kommentaren zu den Epidemienbiichern I und II meisten- 
teils seinen Nachfolgern tiberlassen hat, ganz zu schweigen. Dai also in der Beseitigung 
der letztgenannten Fehlerart aus dem vierten und ftinften Kommentar zu Epid. VI vom 
Bearbeiter der Aldina fast nichts geleistet worden ist, wird niemand mehr wundernelmen. 
Nur zur Probe seien noch einige wenige bis heute unverbesserte Stellen kurz erwihut: 
ich werde ihren in der Regel mit U und der Aldina tibereinstimmenden Wortlaut aus 
Ktuxs Ausgabe mitteilen und meine Anmerkungen zu ilnen auf eigenes Risiko hinter- 
herschicken, weil mir die arabische Ubersetzung dieser Teile noch unbekannt ist: S. 139.12 
kal yp) THViKaUTAa TOV iaTpdv, GTav EiDéADH TIS, OV O KdpuVeV Oty HCéws bpd, META Bpayu 
Kedevew a&ioTtiaTws, jovydou ocuudéepew TH KduvovTl, Kai KaTa TalTHY TIY Tpdpacw 
eEeNOety a&i@oa Kai €€ avtov mdvtas. evdnAov yap OTe ouveEeOovtes Ev TO TapavTixa 
Tos py pido ot pidror pet OAtyov eioeADew CvvijcovTra. Statt der Worte kai é€ avrov 
vermute ich kal tous E(évouvs Kai Tovs oikelovs) a’Tov. -— S.151,5 émt Ce Kowrov rou 
Kata Thy TaTpioa iipov iatpevovtos év “Poun Kai TowvTd Te crvépy. Wihrend Vas- 
situs, unbekiimmert um die geschichtliche Wahrheit, (p. 689) Quinto autem putrie nostrac 
Romae nudenti tale quippiam eeenit tihersetzt hat, schreibt Crassus Quinto rero ciri nostro 
Romae medicinam exercenti id contigit. Erst Jon. Mrwarpr hat den Gedanken Galens erkannt. 
indem er im Hermes, Bd. 44, S. 1231, die Worte xkata tiv maTpida nuov in KaTa TOV 
Tarépa nuov abiuderte. Damit aber der Hiat verschwindet, ziehe ich TOUS TAaTEDUS 
vor und glaube, da Galen die ihm vorangehende Generation bezeichnet hat. — 8S. 172,9 
éuol © cuewov eivat Ookel .. . Tote Eva AO'Yov aravTa TOVvdE »év Bépuw hive Wes. ToTOV 
vdwp, edwvew, Urrvos év Yuyer éryBeBAnumevo.« THs euyrdyer AéEews THY TewTHY TVAAABIV 
dit TOU M ypapovTwy TE Kai AeyOvTwV Hu@V Ola TOU Vv. YyEev}oETA Yap OUTWs apOpoV, ws 
ei kai év TO Wye tis Epy. Im Lemma lese ich év@épuwe (wie auch S. 171, 4 in U steht) 
pioe Wikis. ... Umvos év Wiye émiPeBAnpéver. da U sowohl hier wie Z.7 die auf der 
byzantinischen Aussprache beruhende Schreibung émBevAnus’ bewalirt hat, die in der Aldina 
richtig als émriBeBAnpevw erscheint. Die naichsten Worte tis euyuye AégEews hat (emusiius 








! Das fiir éeypddew, abschreiben. falschlich gebrauchte éyypddey hat sich Ofter mit ahnlicher Zahigkeit 
der Berichtigung entzogen. So ist z. B.S. 11,9 in U gesehrieben toAAd yé-yovev auapriuata tov éyypadonévar, 
ov Kata Thy yveuny TOV ypayrdvtov TV ueTtabecw Tov ypaupatov TromTaevor und noch in Ktunxs Ausgabe nicht 
durch rév écypadoucvey ersetzt. wie derselbe Fehler in Galens Kommentar zum Prorrhetikon 13 (CMG V 9.2 
p. 12,5 Driers) erst von Wiramownz beobaclitet worden ist. Vgl. die Anm. vu der Stelle unter Corrigenda 
et Addenda p. XXXH. Abnlich wie das mediale erypddecda scheint Galen davt-ypadeotla, fiir sich abschreiben 
vder abschreiben lassen, gebraucht zu haben, wie z. B. S. ggh. LE eikes €otw Os wepirrov wapeMfeiv rov dvtiy pa- 
dbopevov ék tav apyaior tropvnuatoy oder NVILB S. 30.9 tiv yap éxetvor ypadiy del xpootitym, Kav juaptyo 4a 
(Ktun: japteiofe: U. Aldina und ihre Nachfolgerinnen) coxje (von mir berichtigt: Coxe? U und alle Drucke) 
Kata tots mpdrovs «vtiypawapevous. Ist daher nicht in den Worten (S. 80. 3) toes onv if év tS ypédber ba 
TO TpOroy avttypadov €k TOV WronvyuaTaV Tov imroxpdtovs mapedydOy (U: mapeXerpAy verbesserte Chartier) 1 rorov- 
tov yeypupuévov, i) KTé. besser ev 74 (avri)ypaderhar oder é&v tar (éx)ypeéderar herzustellen? 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. 4 


26 E. WENKEBACH: 


in der Basler Ausgabe aus der mit U stimmenden Lesart der Aldina tis év woyer AéZews 
gelindert, aber das Asyndeton nicht beseitigt. Nach éwySeBAnpévwe konnte das an THs 
anzuhiingende pev ovv leicht tibersehen werden. Auch die folgenden auf Chartier zurtick- 
gehenden Worte sind noch nicht geheilt, obwohl zugleich mit seinem Texte die durch Kon- 
jektur verbesserte Ubersetzung des Crassus verdffentlicht ist: Aanc Gravcam vocem éuyiyer 
per literam v scribentibus nobis ac proferentibus, non per a, quod idem est ac si cum articulo 
quis ita diceret é€v TO Wye, womit ein Weg zu ihrer Heilung gezeigt war’. Da in U steht: 
Ts év yuyer AcEews Thy TpeTHv ovAAaLHY duet Tov V (uw haben die Drucke seit der Basler 
ov 


Ausgabe) ypadhévtwy te (so von derselben Hand berichtigt, aber der fliichtige Korrektor 
der Aldina hat die tibergeschriebene Korrektur tibersehen: yoadévrov hat erst Chartier 
durch ypaddvrwv ersetst) Kai AeyovTov nuwv Oia Tov pf (v wieder seit der Basileensis), 
yeviiverGa (yevijoera hat gleichfalls Gemusius eingefiihrt) yap otras dpOpov, ws ei Kal 
év TO Woye Tis Ey, so vermute ich, daB Galen geschrieben hat: THs (uev otv) éuydyer 
Aeews Tiv TpwTHv ovAAGBHV die TOU V ypapdvTwy TE Kai eysvTaV Tuav. (ov) Cue TOU 
B, yevijioeoOcu (rrpddndov oder noch besser KatddyAov TavTo TW) peTa TOV apOpov, ws 
ei xté. — S. 189.1 ETomov ovv 09 Tots amavTa pEpuaipopevois ov TpoTHKoV iaTp% Pépew 
TocaTys antecba hvowdovyias, wo hepmarpopévors aus der Basler Ausgabe stammt: auch 
hier hat die Hast des Aldinenkritikers das Versehen versehuldet, indem er das in U un- 
deutlich geschriebene weugopeévors in pepepouevors verlesen hat. Die Richtigkeit der Uber- 
lieferung in U beweist der Gedanke, verglichen mit S. 189,8—10 und S. 190, 4, wo zwei- 
mal unser péudeoOa durch wéyew ersetzt ist. Schon Crassus hat den Ausdruck richtig 
mit ists omnia vituperantibus wiedergegeben, Vassius dagegen verharrte mit seinem sollicite 
omnia cogitantibus (p. 715) im Irrtum. Im folgenden daclite ich an ov rpoonkov iaTper 
(hpovipor mpo)¢épev, wenigstens scheint mir rpodépew durch den Gedanken gefordert. — 
S.229/30 ei O npets xai|tavTa pepabiixauev Te Kai modrTopev, Suoiwv Te TroLotpev épéroew 
émioTapéva KuBepvijtn Kai padtws ém akpov avaBnva Ouvapevn TOU icTov, doa T GANA 
TOV VaUTaYV ETI Epya ywooKoVT! TE Kai TPATTOVTL. Kal yap OTPATHYO! TOANOL TOAAAKIS 
Kai Togevew Kai axovtiCew Kai payerOa dia Epov te Kai Sopdtwv éxictavral Te Kat 
mpdttover Kat Pagideis woa’tws, GAA’ ovK i) Baoirers i} oTpaTiyos fv AdéEavdpos 6 
Makedwov i) Pidurmos 6 Tatnp a’tov TatUTa Ta TeV TTpaTwtov expattov, d\Aa kal 
eTepas Téyvas imnpeTiKas TH OTpaTHYKH Te Kai Bao]. Kal Totvuy Kai Tels } Mev 
iatpot ywookopev exdorou Borfjipatos mowTnTd Te Kai ToTsTITA Kai Kaipov Kal TpdroVv 
yxpucews, i) 0 tmnpéra dreBotopovpev Kai oucvdGopev Kai TaAAG Out TOV XElpwv Evepryoupev. 
akbar Tovyapovv 7 péev iatpiKy TpweTH TeV iaTpav éxTW, 6 O iaTpos Tijs UTTHPETIKHS 
Téyvis, exelvy Oe Tov UTNpEeTav, KTE. In diesem von Chartier festgestellten Texte der 
Kiaxschen Ausgabe ist es zunaichst auch Cornarius entgangen, das aus U in die Aldina 
tibernommene akpouv in a@kpov zu verwandeln. Dann ist die Lesart der Hs. GAN’ ovy (so) 
4 Baciel’s i} otTpateyos iv und TavtTyn Ta TeV OTPATWTeV empatrov yom Bearbeiter 
der Aldina durch ad’ ovy 7 Baoidevs, } otpatHyos ijv ersetzt worden, worin Cornarius 
i) vor dem zweiten 7 vermiBte, Gemusius aber dieses 7 in 7 ainderte, und das verkleckste 
n von Tavty, das aber bei scharfer Priifung noch erkennbar ist, durch die hastige Arbeit 
des Korrektors zu a verderbt: der oben abgedruckte Pariser Text muf also dem urspriing- 
lichen weichen: GAN’ ovy Ht Bacirevs ij oTpatnyos fv AX€Eavspos 6 MaxeSev 3) Pivarrros 





1 Die Uberlegenheit des Paduaner Professors tiber den Pariser Ioannes Vassaeus kann auch ein V 
gleich dieser Stelle zeigen. Der franzésische Humanist gibt die Worte p- 704 so sinnlos wieder 
in seiner Aldina las: orationis év Wye: primam syllabam per v scribentibus et legentibus nobis per fe 
id est vefriyerat, erit siquidem tta articulus perinde atque quispiam dizerit, &v wiye. _ 


er- 
wie er sie 
ita &uobiyer 


Beitrage zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Gelens. LI. a7 


0 KatTip aToOv, TAVTHL Ta TOV OTpaTWTOV ExpatTov. Zu dem eigentlich ortsadverbial 
gebrauchten tavTi im Sinne von hae ratione vgl. z. B. Galens Kommentar zu [epi dtairis 
6€éwv II 58 (CMG V 9,1 p. 265, 2 Heimer.) Ois pév trépyera Ta kata THY yaorépa THel- 
ova, TO Padavetov iatnow avTioT@V av’Ta TpOs OAOV TO Gopa, Kai TaVTHL PAdTTETAL. 
Im folgenden halte ich kai ues, i pév (éopev) iatpoi, ywooxouev fir nobtig. Endlich 
bedarf zpw7n der Verbesserung; Cornarius bemerkte am Rande seiner Aldina TpweTepn, 
wofiir er natiirlich mporépa hitte schreiben miissen, aber ich schwanke, ob ich nicht lieber 
TrpwT evel herstellen soll, nach dessen Verderbnis zu mpoty ein Abschreiber leicht éorw 
einschwiirzen konnte. — S. 236.37 KadovyTa pev ovv oi pabdvtes OTiovy udOnpa Tetra 
devoba kat éxeivo, TH pioe 0 trapye TeTalOEupeva TA pEelyoTa Elva Ywpis TOU uabelv, 
womep 6 Oovkvdidns éxi tov OeuortokNéous eirrev. oikeia yap cuvéret Kai oUTE TpoMaBov 
eis avTOUS ovdev ovTE Eximsabwv. TV CE Tapaypnua Ol éXayiotns BovAns KaAAiT TOS 
YVOuoVv Kai TOV pEANOVTMV ETL TAELTTOV TOU YEevyoopuevov apioTos eEikaoTis. Auch hier 
triigt die tibereilte Arbeitsweise des Aldinenkritikers die Schuld wenigstens an einem Teile 
der Versehen, die noch heute nicht beseitigt sind. Fiir wemamdevpéva hatte Cornarius ae7ra- 
Oeupeévy oder Trem aiceupevyv in seiner Aldina angemerkt; tatsichlich bietet auch die Ls. 
memradevus’, d.h. memaceupévy. Oder soll man zemawWevpévov mit Bezug auf’ ein still- 
schweigend gedachtes Tuva vorziehen? Da der Editor princeps im folgenden das Thukydideszitat 
(I 138, 3) ebensowenig erkannt oder wenigstens verglichen hat wie einer seiner Nachfolger, 
so ist auch die weitere Berichtigung unterblieben. Wahrend der Schreiber von U deutlich 
eis avT, das in eis avtTHv aufzuldsen ist, und tov Te geschrieben hatte, ist an der ersten 
Stelle der Herausgeber der Aldina mit eis avtovs und an der zweiten Chartier mit Tov 
dé abgewichen. Ob KaAAwrtos anstatt kpaTiotos unseres Thukydidestextes Galen oder 
den Abschreibern auf das Schuldkonto zu setzen ist, wage ich nicht zu entscheiden. — 
S. 248/49 éav d€ ijrot TO KaTa Tas Koias TvevMAa Ciadbapy TavTaracw i} THS KATA 
diow kpdlrews eri wAEtoTOV ExTpATH, peTa THS KaTAa TOV eyKepadov axodovbjoa. Im 
AnschiuB an den vorangegangenen Gedanken hatten zwar Vassifius und Crassus cine Liicke 
gegen Ende des Satzes entdeckt und auszufiillen versucht', aber trotzdem sind alle Iler- 
ausgeber bei dem Texte verblieben, den die Aldina aus U empfangen hatte. Da uns hier 
auch die arabische Ubersetzung Hunains zur Verfiigung steht, so diirfen wir mit gréRerem 
Vertrauen an die Heilung des Satzes herangehen als die Mediziner der Renaissance, von 
denen Cornarius unmethodisch die Worte der Aldina peta Tis Kata TOV eyKépadov akodov- 
Oyjva (so), mit seiner Juntina teilweise thereinstimmend, durch avaykatov Gavatov axodovbijvat 
(so) ersetzen wollte. Gestiitzt auf Prarrs Ubertragung aus H »... mit der Substanz des 
Gehirns, so ist es unbedingt nétig, dap diesem entweder eine windige Krankheit oder der Tod 
folyt«, ergiinze ich den verstiimmelten Text so: éav de... THs Kata piow Kpdoews Eri 
TAELTTOV EKTPUTHL META THS KATA TOV éyKedadov (ovClas, avayKaiov TOUTOIS HTOL VoonLA 





m . A . . we ro 

1 Die nur durch Konjektur erginzten Ubersetzungen des Aldinentextes (S. 248. 12) lauten bei Vassiius 
(p. 755): Wempe satis fuerit his qui medicinalem artem secundum rationem tractant, ut quandiu naturale crebri 
temperamentum, spiritusque in ipsius ventriculis contentus conservetur, vivere animal posse coynoscant, non posse vero 
si spiritus in ventriculis ipsius contentus prorsus corruptus fuerit, aut a temperamento naturali plurimum recesscrit, 
consequuto ct id mali cerebri temperamento, bei Crassus in der bei Chartier nachgedruckten Juntina: Satey cst 
enim artem medicam cum ratione tractantibus illud nosse, quoad scilicet ipsius cerebri ac spiritus in cius sinihus 
contenti, naturalis temperics invéolata servatur, vivere posse animal; si vero contentus spiritus aut prorswm corruptus 
sit aut a naturali temperatura una cum ea quae in cerebro est longissime discesserit, mortem necessario scque. 
Rasarius’ Ubersetzung (IE 1547 BC) auszuschreiben eriibrigt sich, weil sie wie auch sonst mit ihren nur 
stilistischen Anderungen nichts Neues lehrt. Die Stelle ist eine von denen. die Cornarius entweder vollstandig 
oder teilweise mit Crassus. uicht mit Vassius iibereinstimmend, ja sogar von dem Ubersetzer der Juntina ab- 
hangig zeigen. 


4* 


28 kk. WENKEBACH: 


te duowoes' i} Tov Gdvatov) akoAovfijoai. Der Sprung des Schreibers von éyxépadov 
ovoias zu akoovOnoat infolge der Abnliehkeit der Silben entbehrt nicht der Wabrschein- 
lichkeit, zumal unser Buch, wie schon Sfter erwihnt, gerade unter solchem Versehen der 
Abschreiber stark gelitten hat. 

Keinen der im vorigen Abschnitte gesammelten sachlich tehlerhaften Sitze hat cer 
Kritiker der Aldina in Ordnung gebracht, im Gegenteil. er hat sogar richtig Uberliefertes 
durch seine Hast verdorben. Deshalb ist es kaum zu verwundern. daB er an vielen Stellen 
nicht einmal fiir grammatische Kleinigkeiten Zeit gefunden hat. Um den Schlu8 auf einen 
vorsehuellen Abbruch seiner Arbeit jedem Zweifel zu entriicken, lasse ich von einem be- 
liebig gewahlten Druckbogen der Ktuyschen Ausgabe aus Epid. VI, 5 eine dichte Reihe 
von Fehlern folgen. bei denen selbst die allercinfachste grammatische Korrektur in der 
Aldina unterblicben ist oder unrichtig Uberliefertes bei der Drucklegung neu entstellt 
worden ist. Wir sehen. wie in engem Raume falsche Lesarten aus U in die Aldina un- 
verbessert tibergegangen sind, weil offenbar dem Kritiker verwehrt war. in Ruhe seines 
Amtes bis zum Ende zu walten: 8. 257.8 tais ypadais eixeias éEnyijoes U, Aldina: oikelas 
berichtigten Cornarius am Rande seiner Aldina und Gemusiius in der von ihm besorgten 
Basler Ausgabe. — Z.9 GAnOéotepov & aw ebro tis ob typ” T éEny. GAG Tals exe 
voJeraus éEnyijicert tpocavanerAdoe Tas yeadds U und mit Autlésung der Kiirzungen 
auch die Aldina: Cornarius hemerkte mpooavatemAdo@a vel vaxact«. die letzte Verbesse- 
rung TpocavaremAdkace steht in der Basileensis. --- Z.11 evOUs ov TO avaoma py” Th 
Tote cypatver Kata tiv A€Ew; U, Aldina: seit Chartier liest man 7 avaora pros, wofiir 
aber TO avaorat pyua einzusetzen ist. — S. 258.8 trovto & advvatov yevéoOat, pi) Kav 
év yevte (su!) T@v ovoudtov éEnynoapuevev nuov U: pn Kav’ év y’ éte Tov Aldina. als ob der 
Bearbeiter seiner Verbesserung nicht sicher gewesen wire, die jedoch ganz feststeht, oder 
indem er, was ich fiir wahrscheinlicher halte. den Asteriskus hei der zuerst aus U tiber- 
nommenen falschen Lesart. sie nachtriglich berichtigend, in der Eile zu tilgen vergaB. — 
Z. 11/12 9 THY Kapdlav Kai Tov Trvedpmova Kai T KdTO avaoT eis EavTa TO TE Jeppov Kat 
To vypov U: Kat thy Karobev avaomav \ldina: wahrend Cornarius schon richtig aus dem 
folgenden (Z.13) €& T@v KaTa TO wap am Rande seiner Aldina kat Thy in éx T@V ab- 
geindert hatte. ist von Gemusius aus dem Vorhergehenden (Z. 10 Tot TOV TVEVPOVa Kal 
THv Kapolav eis THY KEehadnv avacracba ddva) Kai Tihv Kedhadny fiir Kai Tiv Kdrwobev 
in den Text eingefithrt worden, eine Vermutung, welche die lateinische Ubersetzung yon 
Vassiius (p. 761 vel cor et pulmonem et caput retrahere ad se calidum ct humidum) mit der 
Basler Ausgabe teilt, und die Crassus (aut cor et pulmonem et caput ex inferioribus locis 
calorem humoremque ad se ipsos attrahere) mit der Verbesserung von Cornarius verbunden 
zeigt. — S.259,10 hvddtrecba pev, oTav i Kapdla Kai H Kepadt Oepudtep Tov ™poo- 
yKovtos umapyn U: die Lesart der Aldina oTav... Oepudrepar tov mpoonKovTos bmap- 
yovor hat sich noch bei Ktun behauptet: mir scheint, daB die Anderung von Geppotepos 
der Hs. in Oeppotépa geniigt. — Z.16 BraPyoeta peyddws bd ths bEvm i’ UL. dah. 
o€upéviys, das die Aldina bietet: THs o€vbupuins, wie im Lemma (S. 257. 4), Gemusius, aber 
mit Cornarius im Kommentar als tys 6€v6vpias zu drucken; und derselbe Fehler noch 
einmal S. 260, 1 émerndevew €vOup's’ éurrotew Kal ypoius avadnynos évexa Kal xupaoi U, 





' In einer Anmerkung will ich wenigstens den Verdacht nicht unterdriicken. daB der Ausdruck ducddes 
voonua mir nicht echt scheint: jedenfalls habe ich keinen Beleg fiir ihn aus Galens Hippokrateskommentaren 
oder seinen Schriften tiberhaupt zu Gebote. Nur wenn man bedenkt. daB nach seiner Theorie avedua durddes 
und Fieberhrankheiten zusammenhangen, wird man doch vielleicht von der Anderung miperices abstehen. 
Vel. z. B. tiber den mvperds xavocdcys Galens Kommentar zum Prorrhetikon I 18. XVI 54 = CMG Vg. 2 
p- 35 Drexs. - 


Beitriige cur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens, 1. 29 


wo die Aldina abermals bei o€v@uyévyy verblieben ist, wihrend Cornarius und Gemusius 
o€vbupinv herichtigten; an yuudows, wie noch die Kénysche Ausgabe hat. ist ein Klecks 
hinter dem @ in der Hs. schuld, der Schreiber meinte yuuwouos: Cornarius schrieb éyyu- 
pw@otos aus seinem Hippokratestext. — S. 262,10 kata dé Thy éypiyopow arorewopevou 
mpos TO d€épya tov éupiirou Geppov. Ta onAdyyva Woypdtepa Y Thov attav U: wihrend 
der Kritiker der Aldina die Abkiirzung r’ sonst in yiveta auflist, wie z. B. sogleich 
S. 264. 2, schreibt er hier yivovra, das auch Kéayx noch bewahrt hat. —- S. 263,1 Tov 
mepirarov aQvTt TOU Yuuvaclou mavTES HKovoav oi eEmryno dpevor TO pysrtov, W 6 AdYos 
i] TOLWOGOE* TOS avo porous ai ppovtices yuna) Tpoonyopi Kexpero tar TH TOU TrEepiTaTou, 
OnAovons THS Hovis TUT HS eldds Tt yumvaciou U: yuuvaowv, mpoonyopias KeypioOa Aldina 
und Basileensis: mpoonyopta Cornarius und Chartier: obwohl das Sternchen aus der Pariser 
Ausgabe verschwunden ist. scheint mir die Stelle mit der grammatischen Berichtigung doch 
noch nicht wiederhergestellt. Hat Galen Tots avO parrots ai ppovTides yuuvaciov, (vopi- 
oavtes (oder do€daavtes) avtov Tit) Tpognyopia Keypnobat THLE TOU TEPITEATOV | geschrieben ? 
Und mit Bezug auf die Ausdriicke ppovtiatijs und povtides (Z. 12°13) @S Ka Tals apt 
otopavous vedédaus evpetv U: eotw vor evpew verdanken die Ausgaben erst Chartier. — 
Der unmittelbar tolgende Satz gehdrt zwar wegen seiner korrekten Form strenggenommen 
nicht hierher, mége aber doch hier stehen diirfen, weil die Verballhornung auch dieser hand- 
schriftlichen Lesart die Eile des Kritikers verrit: Z.14 ei 0€ tw dd& Prooddov Gewpias. 
ovkK iaTpiKiis. 6 Noyos EyeoOa U: diese echte Uberlieferung ist in der Aldina dureh die 
Worte 7 Od& verunstaltet worden. Was der Pariser Herausgeber mit T@ Od&) beab- 
sichtigte, hat erst Ktény in tw verwirklicht. — S. 265. 9 Kami tev Towitov EEapOnudTov 
anacav Te T perycAny O\dow év TO TwMATL ToLOVo@Y TANHYoV U: eCaphnparov und 
amwac@v TE Kal (su) TH peryaAnv Aldina: eEapOpnudrov verbesserte Gemusius. amacw@v TE 
Tov peyaAnv Chartier. — Z. 13° TH O€ Tepl TOU GuVTpEyEV Eis TATA TO aiua Kal TANPOLV 
TO é€xkkevwOev advTH Kal TOIs TaU’TA €youow eEnrynois U. Aldina: avr liest man seit der 
Basler Ausgabe: die richtige Lesart 7 avtTy ist in Cornars Galenexemplar verborgen ge- 
blieben; aber den Anfang des Satzes wird er wohl nicht geheilt haben. wenn er ty tilgen 
und oe hinter zept stellen wollte. Wahrscheinlich ist der Anfang verstitmmelt. so da8 
ich an Erganzungen wie Tpavpatos. (évrav) bot 0€ Tepe Tov oder TH oe (voy TrpOKEevnt 
puna et) Trept Tov KTA. dachte. — 8. 266.8 Tatty Thy pyow imdmTEVO” TIVES wS Trapeyye- 
yeaupéevny U, Aldina: trwmtevoav erst in der Basler Ausgabe. —- S. 266/67 ov povov 
ahipa, Kabdrep aiTos wvduacev, AAA Kai Wav GAO Pap|uakov wypov éxyéovtes U. Aldina: 
cAeba von Chartier hergestellt und éyyéovtes von Cornarius und Gemusiius. Unmittelbar 
danach (S. 267.1) €otw dé éndovote TO hapyakov év wrey’TH (Sv!) Bepuawoepevov eri 
mwodvyvaias pdoyos i éxi Tou Kadoupevov Kypiovos U: das von Galen gcbrauchte Verbum 
hat der Aldinenkritiker aus dem Wortungetiim @TEXUTH, wie ich glaube. richtig heraus- 
geholt, aber mit seinem €v @ Téyovot, worin erst Cornarius und (emusius durch Her- 
stellung von teyyovor den Drucktehler getilgt haben. diirfte er sieh wohl zu weit von 
den tiberlieterten Schriftzeichen entfernen. als daB man es fiir urspriinglich ansehen kann: 
ich empfehle lieber TO fdpyaxov, év Gt Téyyera (TO Epiov), Depuawopevov. Die iibrigen 
Irrtiimer der Hs. sind jedoch unberichtigt in die Aldina tithergegangen. Aus Cornarius’ 
Galenaldina ist die Verbesserung émt [7ro]Avyviatas dAoyos niemals veréffentlicht worden. 


und xypiwvos erscheint erst in der Pariser Ausgabe. — 8. 268.16 @s ov Tavrov ov id- 
cacbai Te Tay voowon Suber, ExKOTTOVT THY Oiov PiCav aiTHs ddvvHY TE Tpaivat | (S. 269) 


Tapnyopnoavt U: auBer der Ubernahme der aus dler Hs. fortgepflanzten Nominative hat der 
Kritiker der Aldina den Infinitiv des Avurists in den des Prisens abgeindert: éxxdémtovtas 


4.im Fragment 
des sechsten 
Kommentars: 
Liicken, teils aus 
Unachtsamkeit 
des Sehreibers 
von U (oder 
seiner Vor- 
ganger), teils 
infolge Papier- 
schadens im 
Archetypus. 


30 E. WENKEBACH: 


und Trapyyopugavras geht aut Chartier zuriick. — S. 270, 3 éxatépws 0 av 6 Adyos emt 
thy TolavTiy nKoe Cidvorav U: auch dieses richtig iberlieterte Sitzchen beweist in der 
Aldina die Hast des Korrektors, da es in ihr zu éxaTepov O av... Ker entstellt ist: EKATEPOS 
wollten Cornarius und Chartier: ier gehdrt zu den zihen F ehlern, die allen Besserungs- 
versuchen bis heute widerstanden haben: -— S. 271, 9. Kal yap TAUTA ovopara xohov eiov 
ind Twov iatp@v eipyuéva, TrapovipS Tals ypoas, as Eyovrw U: yoA@v ovouata eiow hat 
die Aldina an ihre Nachfolgerinnen weitergegeben, yon denen nur die Kinnsche Ausgabe 


éotw vorgezogen hat. — S. 272, 2 mwapéyxewta de TO oy TO xorades, amo Tiovos 
évOeuxvupevov Tavopos Ti Yyéverw TH YoAWCE TAEOTHY EK TOU Tiovos év TH Tpoph ryive- 
o8a U, Aldina: TrapeyKerrat ist erst von Chartier berichtigt. — 7.8 ot & Kata puow 


exovTes Kat cepitrato. Th TE TAP Kal Td yAUKEéa Kal TA YE UNCEnlav EyovTa ioyupav 
TOlOTHTA pe? nons m poo pepovrat U: der Aldinenkritiker hat zwar pe? ndovns richtig her- 
gestellt, aber das ungriechische dmepitrato:, yon Chartier in aMEpITTOTATOL penechlininn: 
bessert, unangetastet in die Aldina tibergehen lassen. Galen kennt nur dmépitTot, wie 
schon Cornarius in seiner Aldina bemerkt hat. 

Diese Liste vorwiegend tibersehener grammatischer Fehler zeigt uns den Bearbeiter 
des galenischen Epidemienkommentars nicht sowohl in der schon im ersten und dritten 
Epidemienbuche erkannten Beschrinkung seiner kritischen Fahigkeiten, als vielmehr in 
fliichtiger Hast bestrebt, das tibernommene Werk. unter dem Driingen vermutlich des 
Druckherrn selbst, irgendwie zustande zu bringen. Denn mégen wir tiber seine Kignung 
zur Lésung der ihm vom Herausgeber tibertragenen Aufgabe so gering denken wie wir 
wollen, er hatte doch genug Griechisch gelernt und es in den vorangehenden Biichern 
redlich bewdhrt, um hei gleichméRigerem und ruhigerem Fortsehritte seiner Arbeit wenig- 
stens einen Teil der aus einem Druckbogen Kiuss soeben gesammelten VerstéBe gegen 
die Grammatik zu beseitigen. Wenn ich nun als SchluBteil und zugleich Gegenstiick zu 
der eingehenden Erérterung des Proédmiums noch eine kurze Behandlung ausgewillter 
Stellen des Bruchstiickes aus dem sechsten Kommentar zu Epid. VI anschlieBe, so habe 
ich dabei nicht den Zweck im Auge, den Helfer des Editor princeps von einer neuen 
Seite seiner kritischen Titigkeit zu zeigen, vielmehr wiirde das Bild, das ich von dem 
einzigen Zeugen der byzantinischen Uberlieferung entworfen habe, unvollstindig bleiben, 
wollte ich ‘iber die Schiden mit Stillschweigen “hinweggelien, die ihn gegen Ende immer 
schwerer betroffen haben. Ist der Bearbeiter der He. U bei seinem textkritischen Ge- 
schaft, wie ich zu beweisen versucht habe, allmihlich immer fliichtiger geworden, so 
stellt sich die Hs. selbst, je mehr sie sich dem Ende nihert, desto liickenhafter dar. 
Die Mingel, die ich hier meine, sind durch Papierschaden entstanden, der den Archetypus 
mit der Zeit ergriffen hatte, nicht durch Unachtsamkeit des Schreibers von U verursacht 
worden. Solche kleinen Liicken von nur einem oder wenig mehr Wortern, Mingel, an 
denen U, nach Art der Hss. tiberhaupt, in allen Teilen, wie schon gezeigt, gleicherweise 
leidet, kommen fir mich hier nur noch insvfern in Betracht, als diese Untersuchung des 
Kommentarfragments nicht jedes Beleges derartiger Textyerstiimmelung entbehren soll. 
So lesen wir S. 312, 10 in U: To ypapew om arcodeibeis andvTwv TOV ToLwUTeV év éEn- 
YNTiKoIs vropvnpaciw advvatov env eal. oAddkis Te yap avayxacOyoeTat Aéyew 
Ta avTa, WAHOOS TE Kai piKos UTOMYNRAT OV ececOar 0 eepBunFivar padiws duvapévev 
(Ouvduevov ohne Not Chartier), @AA’ ode tov Ths Cons xpovov ikavov écecba TrpOs THY 
TOV irmoKparous BiyBtwv ebnynow, TIS EKATTOU Odymaros | del TAS amodetfers ypacber 
kal? éexaortny prow. ETL TE TOIS avaryveoopevols oyANpov TO mpayya kal TOs KaTacKEvac at 
Bovdouevors Ta UomvypaTa a ypovw. (S. 313) TOAA@ Kal Canavijpacl Te ypadice- 
o Oat: Hunains Ubersetzung lautet aus H tibertragen: » Denn wenn ich dies beabsichtigte, ware 


Beitrage zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 31 


ich gezwungen, ein und dasselbe oftmals zu erwihnen, und die Biicher meiner Erklérung wiirden 
lang an Maf und viel an Zahl, so daf sie nicht leicht gezdhit werden kénnten, und es wiirde das 
Map meines Lebens nicht geniigen, die Biicher des Hippokrates zu erkldren ....«: Daher 
bedarf es der Anderung von dvayxacOyoeTa in nvayKdoOnpev av, wenigstens des Zu- 
satzes von wore yor 7AnOds Te Kal pyKos und vielleicht auch des Zusatzes von av AP 
zwischen avayvwoouevors und dyAnpov, sowie schlieBlich mit Bezug auf Tots katacKevacat 
Bovdronévors Ta Vromvypata der Verbesserung éxypadioeoOar fiir te ypadrcecba. 
woftir auch der Araber »cbschreiben« Wietet’. — S. 314, 4 é€rnvopbecavto cé Ties, oi 
pev Kata OotiKiy TT@OW aicbioe yodWavres, iv’ i TO NeyOmMEVvov im’ avTOU Tove: 
Ondov éott TH aicOyoe, ws ExTVOLV Kai EloTVOUY Ey TO TOMA TO Cow Odov, errevyveyOar 
6€ TovTOIS TO TdpKES OAKOI Ex KOIAlols (Eis KoWWias Aldina: ék KowAlas richtig die Basler 
Ausgabe) kai é€wHev U: ich vermute 6dov, (oi dé éBédovres oder ot dé BouvAnfévres) ér- 
evyveyOa [de] tov’Tos xré. Aber vielleicht ist 6€ nicht als Flickwort zu streichen, sondern 
in Cy oder On arov) zu iindern. Uhbrigens dienen die zitierten Worte zugleich zum Be- 
weise, da Cornarius in seiner Aldina am Ende des Lemma (S. 311) zwischen eio7vouv 
und dem ersten Worte der galenischen Erklirung éAkew mit Recht aus seinem Hippo- 
kratestexte die Worte cAov to coma nachgetragen hat. In ihrer Auslassung stimmen U 
und H auffallenderweise itberein. DaB Galen aber oAov TO o@ua hier wirklich gelesen, 
bezeugt auch das Zitat S. 313, 11 TO 6 éxmvouy Te Kai Elomvolvy OAOV TO T@ma, und 
wenigstens TO o@ua steht (S. 317, 5) an einer Stelle, die in der byzantinischen Uberliefe- 
rung auch sonst der Zusitze bedarf: (S. 317.3) €met tToivuy eumrpoobev eizrwv 6 immo- 
Kpdtys, odpkes OAKol ka e€wbev, cit’ Et To'Tw mpocUels, ws ExTVO’V ElaTVOUV ETI 
TO TWMAa, Wo das nach OAKkot leicht tibersehhare é« Kowdjs hinzuzufiigen bleibt, wie das 
zwischen éxmvovv und efomvovy ausgefallene kai schon in der Basler Ausgabe hinzugefiigt 
worden ist. — S. 329, 2 Twv Totvuy dapuakov ooa mpaivew Tas ddvvas TépuKEv, WaTED 
diANo mh GA TO Eevdiabi?. ovTW Kai Tpds pdpiov GAXO Svayw U: Teds GAAwV TO * év 
didbeow und am Ende des Satzes dvvata Aldina: hierzu notiert Cornarius am Rande 
seines Exemplars dAAnv ditbeow und dvvauw exe alii, womit er Gemusius meint, den 
Herausgeber der Basileensis: Vassius (p. 806) tibersetat: Phaurmucorum itaque quae dolores 
mitigare nata sunt, ut aliud ad aliam affectionem, ita et ad aliam partem aliud virtutem habet: 
ahnlich Crassus: medicamentorum igitur quaecumque dolores sedure apta sunt, sicut aliud alii 
affectui, ita et aliud alii membro prodesse idoneum cst: ich lese wa7Ep GAXO Trpos GAAHV TOV 
év{ros) didbeow, ovTw Kai Tpos (AO) BOpiov aAXO dvvaTa. — S. 329, 11 Ta Tpai- 
vovta tas dn€es érevieuev, doa TE EeuTrAATTETOa Kai TepiTAATTETOa TAGTTETOs SvvaTat 
TH TGV EvTep\ TP Tint ToUs KaTapEpopévous avwbev Eis aita ddKvovTas yuuoUs U: Tept- 
mwAaTTecOa CvvaTa TH TOV EvTEpwv Tpoonintew Tovs Aldina: die Basler Ausgabe hat 
die noch von Kiun festgehaltene Erginzung aufgebracht ooa te éumAdtTecOa Kai Trept- 
mwaTTecAa OvvaTa TH TOV EvTépwy ETITOAT, & KwAVOVOW TpooTinTEY TOs KaTade- 
popévous avobev eis ata Cdxvovtas yuuous, von deren Urheber Gemusius sich Cornarius 
mit seiner Randbemerkung in der Jenenser Galenaldina évtépwv (ovola, Kai Kwdvew) 
mpoonixtev entfernt, wihrend die Ubersetzung des Pariser Professors Vassius (p. 806) 
morsus mitigantia infundonus, et quar intestinorum superficiem restituere et circumimplere pos- 
sunt, quae delatos a superis partibus in ipsa mordaces humores incursare prohibent der Basi- 
leensis so dicht folgt. daB es schwer wird. an ein zufalliges Zusammentreffen beider zu 
glauben. Mit Gemusius und Vassius geht in einem Teile seiner arabischen Bearbeitung 





' Cher den haufigen Ivrtum der Schreiber in betretf des Verbuins éxypideofa: yul. meine Bemerkungen 
8.254 


32 E. WEN KEBACH: 


Hunain zusammen. obwohl sie mir nicht in allem klar erscheint, wie sie Prarr aus H 
itbertragen hat: »wnd was so beschaffen ist, dap es sich ringsum an der Oberfldche des Innern 
von den Eingeweiden festsetat, so dap es sie trocken und fest macht; denn dieses Festwerden 
hindert, das die beiBenden Sdfte die Eingeweide trefen.« Da jedoch Galen mit der Alteren 
Atthis. wie es scheint, nur den adverbialen Genetiv émrroAns gebraucht, so fehlt mir das 
Vertrauen selbst zu dem ersten Worte des Basler Fiillsels; ich wiirde es gern durch Tie TeV 
évtépwv émipavetac oder noch lieber durch Te Tov évtépwv erin: ersetzen, wenn ich 
nur gewi8 wire, daB Galen den hippokratischen Ausdruck émiAoov zur Bezeichnung des 
Gedirmnetzes in seine eigene Kunstsprache tibernommen hat. Dann wire auch die Buch- 
stabenfolge aim in den Wortern émimAw und mpoomirrew geeignet, den Sprung eines 
Sehreibers von dem ersten zum zweiten zu erkliren. An die Hiillen der Eingeweide 
dachte auch Crassus. dessen Ubersetzung in der Juntina morsus deinde mitigantia et quae- 
cumgue inhaerentia et intestinorum tunicas oprrivntia superne tneideates mordaces humores ar- 
cent, in sedem danus mit der Wortwahl tunicas das galenische Tots yir@or nahelegt. Nicht 
viel bestimmter wage ich iiber die anderen tibersprungenen Worte zu urteilen. Hatte 
Galen weiter geschrieben wate EnpavOévta Kai wuKvebévta Kodier TWpooTinTEW TOUS... 
yupovs? Oder darf der Doppelausdruck in HT nach einer Eigentiimlichkeit des arabischen 
Ubersetzers als Ersatz von oxAnpuvOévta gelten? In diesem Falle wiirde ich einstweilen 
m folgendem Herstellungsversuche raten: 60a Te éumAartec Oa Kai wepimAaT Teg Ba [wAaT- 
recba] SivaTa TH TOV évTépwv (Eripaveta, 616 TKAnpYVOevTA KwdVEl) TpoTTinTEW TOUS 
... yupovs. — S. 330,4 Tos 0° dfOarpois TowvTwy év OAwW TO GwpAaT TpOs Pabaipos. 
aber vom Schreiber selbst in mpoxabaipopev verbessert, U und in derselben Textgestalt 
von der Aldina bis zur Kiuyschen Ausgabe unveriindert fortgepflanzt. obwohl die latei- 
nischen Ubersetzungen schon auf verschiedene Weise versucht hatten, die Lticke zu fiillen: 
Vassiius (p. 807) oculis vero dolentibus talia fiunt, unicersum corpus prius expurgamus und 
ganz anders Crassus, der in der Juntina folgende Erginzung wagte: orulis vero dolentibus 
horum nihil facimus, sed unicersi corporis inutilem materiam prius medicamento educimus. 'Trotz 
Rasarius’ Zustimmung zu dieser Wiedergabe (fol. 160° E oculis vero dolentibus nihil horum 
efficimus, sed prius totum corpus expurgamus schreibt er ktirzend), hat keiner der huma- 
nistischen Ubersetzer Galens Gedanken getroffen. Richtiger beurteilt. wenn auch noch 
nicht richtig ergiinzt, findet sich die Liicke in Cornars Aldinenexemplar, indem zwischen 
rowovTwv und 6dAw die Worte wepeyouevwy yupov eingesetzt erscheinen. Da aber Hunain 
in H. ttbersetzt: » Wenn in die Augen etwas ron derartigen Sdften fliept und dann im ganzen 
Korper ein UberfluB von schlechten Sdften ist, so reinigen wir vorher zuerst den Kérper«. 
kénnte man yon hier auf folgende Vorlage des Arabers schlieBen: tots 6’ 6@Oadpois ToLov- 
tov diypav Twos émippéovTos, eiTa Kak@v yuuev éexikpatolvTwv) év dAwL TOL TOHMATI 
mpoxabaipouev. Nicht nur der Gedanke des Verfassers, auch die Entstehung der Liicke 
durch den Sprung eines Schreibers von TowvtTwv zu émixpatovvtwv scheint mir klar. — 
S. 333, 2 TowvTov yap Te Tpayua eotW 6 KUKEwV, ws Kai Tap’ bunpov MEeuaDyKaTE, p- 
yrivTov ev GAAd TO Olve, Kowov 6 éydvt@v dadvTwv ad’tov. tows 6€ Kai TO MET GA- 
pirev mév eivat Tov oivov, €& avayKns 0€ Kal TO AANWV EK TOU KUKEWV ovopaTtos aéwoet 
zis Sndovocba, Tovs Tadaovs oUTws paAAoV EdeKvis Keypnoba TH mpoonyopia U: die 
Abweichung der Aldina von der Hs. beschrankt sich darauf, daB sie @\Aa aus GAA 
richtiggestellt hat: Chartier hat cde nach tows weggelassen, dagegen tT nach iows Kai 
zugesetzt, wie er auch Te ado fiir To a\Awv seiner Vorlage, der Basileensis, geschrieben 
hat, lauter Verschlechterungen des schon zur Geniige miShandelten Textes: geringfiigige 
Verbesserungen haben die philologischen Mediziner der Renaissance beigesteuert, von denen 
Cornarius TO GAAwy durch pet’ @Awy am Rande seiner Aldina ersetzte und Crassus die 


Beitriige cur Textyeschichte der E pidemienkommentare Galens. Il. 33 


Worte tows d€ kai TO pet’ GAditwv pev eivat TOv ovov mit dem Satze fortasse et cum 
polenta vinum miscebant wiedergab, pev eivar also richtig fiir weryvdvat nahm. Noch bevor 
mir die arabische Ubersetzung bekanntgeworden war, wollte ich schreiben: ... ws Kat 
map’ ‘Opnpov (k 290) pepabyKare, pryvivTwv pev (GAAwV) ahAa TL Oivwi, KOWOV O° Eydv- 
Twv anavtov aitov. icws 6€ Kal TO pet’ CAditov muyvivae Tov oivov EE avay«ns [de 
Kat TO GAAwv] Ex TOU KUKEewV GvopnaTos a&woe Tis Onrovoeba. ..., ohne zu bedenken, 
daB padAov am Ende des Satzes nicht eine Dittographie (nach é& avayxns), sondern eine 
andere Stérung des Zusammenhanges (vor GAAwv) anzeigt, die vielleicht wieder eher in 
einer kleinen Liicke ihre Ursache hat. Und wirklich widerspricht die von Prarr er- 
schlossene Ubersetzung Hunains der Tilgung des Satzgliedes, indem sie nach H so lautet: 
»und jeder von denen, dic -diesen Kykeon nahmen, mischte mit dem Wein etwas von Speise, 
indem ein anderer etwas andercs hineinmischte, aber allen Arten, die alle anwandten, ist ge- 
meinsam, dap sie Wein nahmen. Vielleicht kinnte einer sagen. dafi das Mischen von Gersten- 
mehl mit Wein beim Mischen des Kykeon unbedingt nétig sei, daps dageyen das Mischen mit 
anderem bei dem, was die Alten mit dem Namen Kykeon bencnnen, durchaus nicht notig sei. 
und er kinnte darauf hinweisen, dap es das erste ist, dieses Wort so 21 gebrauchen.« Deshalb 
ist mein erster Vorschlag folgender Abinderung bediirftig: tows de Kai TO wet aAditov 
puyvivat Tov oivov é& avaykns. (ov piv TO ye met) AANwV Ex TOU KUKEwWY OVdLATOS 
akwoe Tis Onrovaba, Tovs Tadaovs oTwSs paddov érWEKvis KEeypnoOa TH. TpoTHYO- 
pia. Gegen den Sinn der Worte scheint mir zwar nichts einzuwenden, aber der Ursprung 
der TexteinbufBe ist nicht einfach zu erklaren. .\m leichtesten diinkt mich die Entstehung 
des Irrtums, wenn man annimmt, da8 die in U nach é& avayxns tberlieferten Worte 6é 
kai TO doch auf einer Dittographie aus dem vielleicht in der Hs. dariiber befindlich ge- 
wesenen Zeilenabschnitte beruhen und die eechte Lesart verdriingt haben. — S. 339/40 
+o 8° émt tov amAnvos eipnpévov' apiotepos omAnv péyas oi pev | ovTws TpocKE Oat 
vouiovow ws TO yada TO AEvKOV 6 TOMTHS TpoTeOyKE Kai TH TVES TO Yapalevvadees 
U: nur 7o vor ydAa bietet in T@ abgeiindert die Aldina (mit Bezug auf A 434), und 
yapaevvaddes hat erst Kinny aus « 243 und & 15 hergestellt, aber niemand hat den Ver- 
lust des Textes bemerkt, der aus Hunains Ubersetzung in H wieder gutgemacht werden 
kann, wenn er nach of meév zu tibersetzen forttihrt: »cerbinden mit der gropen Milz, die 
anderen sagen, dap der Zusatz ‘links’ in der Erwdhnung der Milz so hinzugefiigt worden sei, 
wie ...« Daher schreibe ich TO 6’ émt Tov omAnvos eipnudvov apiotepos (Tat) oTAHV 
péyas oi wev (ovvarrrovow, oi dé) ovTws KTA. — 


Die sogleich folgenden Worte fithren uns zu der anderen, fiir diese Untersuchung 
noch beachtenswerteren Gruppe der oben erwahnten Textverstiimmelungen hintiber, ich 
meine solche Stellen, an denen ein Papierschaden im Archetypus die Unvollstandigkeit 
anseres Textes verschuldet hat. Wir sehen namlich den Schreiber von U an to ya- 
paevvadees (S. 340, 2) die Worte otx Ovtos ydAakTos Twos, 0 uh AevKOV EoTW, anschlieBen, 
dann einen Raum fiir ungefihr 10 Buchstaben aussparen und nach abermals falsch ge- 
schriebenem yapaevvadees eiolv das Ende der Zeile wieder leer lassen, mit einer Liicke, 
in die ungefihr 8 Buchstaben passen, schlieBlich mit (Z. 6) ypadnbeica ovy nuoppaynaev 
zum ungestorten Schreibwerke zuriickkehren’. Diese Anordnung ist von dem Heraus- 








! Das obige Hippokrateszitat (S. 340, 6) veranlaBt mich, nebenbei eine muderne Textverstiimmelung zu 
erginzen. Da namlich Liichenhaftigkeit auch aus eigenem Verschulden unseren Druckausgaben mit den Hss. 
eignet, kann der Text Chartiers und seines Leipziger Nachdruckers zeigen. Wir lesen bei Ktuy (8. 339, 4) 
ote yap éypawe Zebfis, pis dvvyoypapyGeiod, oby ijuoppdyyoev, ddéOpiov yey kre. Da aber der Schreiber von U 
das Zitat aus dem Kommentar des Empirikers Zeuxis in dieser Porm gibt: pis ovvyoypadyfeioa, otk adixey aipa 


Phil.-hist, Abh. 1928. Nr. 9. 5 


34 E. WENKEBACH: 


geber der Aldina fast in allem getreulich befolgt worden. Erst auf Chartier gehen die 
in Kénys Ausgabe stehenden Zusitze zuriick: (Z. 3) o¥Te ydAaxtdés twos, 0 pH AevKOV 
cot, (ovTE TVMV) (at) (un) yapaevvddes eiotv. (Taya o€ €xOUVONS THS 
pioews TOU yépovTos ovTws pis dvuyoyypadnBeica ovy Huoppaynoev xré. Ahnlich hatte 
schon Cornarius den ersten Satz erginzt, indem er in seiner Aldina bemerkte éotw, 
ovTE oUwy (so) TwWev, Of ye (so) Ov Kai, im zweiten aber war ihm der Zusatz tTwes dé ypd- 
ovat, pis dvuyo-|ypadpnOeioa als ausreichend erschienen. Ein abschlieBendes Urteil ist 
uns noch verwehrt, da die arabische Ubersetzung dieser Stelle noch unbekannt ist. — 
Zu dieser Gattung unvollstindig tiberlieferter Textstiicke gehért vielleicht nur scheinbar 
auch die Einleitung zur Erklérung des nichsten Lemma, das (S. 341, 6) die peydaAn vooos 
oder das wdQos mradtov erwihnt!. Hier finden wir (Z. 8) tTwés d€ npaxdelav avtny éxa- 
Aerav. ovy ws EmtAnTTOU TOU npaxre’ (HpaxAégovs Aldina) 6vtos, GAN éoikaow odor 

dvopacw avtny (durehgestrichen, aber die Aldina hat avtnv beibehalten), oo cavTws 
(woavtos in der Aldina verbessert) ye yvovres évdextuxov peyeous Ovona Tomo TF ipaxet” 
(tnv “Hoaxdelav Aldina) in U geschrieben mit einer zwischen ovTo. und ovepacow fiir 
ungefihr 8 Buchstaben offenen Liicke, die auch in der Aldina und der Basler Ausgabe 
nicht geschlossen ist. Die Textgestaltung, die Cornarius versuchte, wenn er zwischen 
ovro. und évouaow die Worte peyaAos Tio einschob und fir avtTnv ocaiTos Ye yvovTes 
in wenig glaubhafter Weise yeynfotes, avty woavtTws empfahl, ist niemals aus seiner 
Galenaldina in die Offentlichkeit gelangt. In ihren lateinischen Ubersetzungen haben 
Vassiius und Crassus Ergiinzungen gewagt, jener, wenn er (p. 814) den Satz so wieder- 
gab: Quidam et herculeum ipsum appellaverunt, non quod Hercules epilepticus fuerit, sed viden- 
tur hi, veluti et nominibus aliis magnitudinem ipsius cognoscentes nominacerunt, ita et nomen 
hoc herculeum magnitudinis indicatorium fecisse, dieser mit folgendem freieren Zusatze der 
Juntina: nonnulli et Herculeum ipsum vocacerunt, non quod Hercules co vexaretur, sed viden- 
tur illi, sicut alii etiam nominibus eius saevitiam exprimere voluerunt, ita et nomen hoc mu- 
gnitudinem significans, Herculewm scilicet effinxisse. Ohne Riicksicht auf diese Ubersetzer lie6 
der Pariser Herausgeber die zweifelhaften Worte so drucken, wie wir sie noch bei Ktux 








yaderetatov onueiov’ Ei é ely “yey pappevoy Oo rep ovv év Tois mElotots yeypanrat pis ovuxoypadpnOeica ody iuoppayyoev, 
6déOpiov ev xré. und die Setzer der Aldina und Basileensis mit dem Schreiber der Hs. tibereinstimmen, so 
liegt der Irrtum des Pariser Buchdruckers am Tage: er ist vom ersten dvvyoypadybeioa auf das zweite iiber- 
gesprungen und lat deshalb die dazwischenstehenden Worte aus. Nicht ebenso einleuchtend ist bei Chartier 
der Grund des Druckfehlers an einer anderen Stelle, aber der Fehler selbst nicht weniger gleichartig (S. 324, 4): 
boot 6& mept (rav) dpatsv éyovTov 7O déppa kai tas bn’ abto cdpkas HyovvTa Tov Adyov adt@ yeyovévat wuKVOULENAS Tis 
émavelas Kai KaTeyopévou Tov TpoTEpov éxxevoupévov Oeppot, A€é-youor pév tT Tv adnOdv, ob piv xté. Dagegen haben 
noch die Basler Ausgabe und die Aldina den Zusatz von U hinter yevyovéva: richtig bewahrt: viv, émed} tovTous 
dhaclv éx Tov GravetoOa tiv Oepyaciav amotehetoba wWuypotépous kai dia tovTo OeppaiveoOa. Endlich ist wiederum 
erst in Chartiers Ausgabe wegen der gleichen Endung bei zwei aufeinanderfolgenden Wéortern das zweite 
ausgefallen: (S. 328, 4) of te droit mavres, 6 Kupyvaios, 6 [Mapfixds, 6 Aoovpios, da U, Aldina und Basileensis 6 Mn- 
aos nach 6 /MapOinds einschieben. Viel seltener ist dagegen in unseren gedruckten Galenansgaben der ent- 
gegengesetzte Fehler zu finden. Nur eine langere Dublette der Kéunschen Ausgabe (S. 336, 6—8) tév xaxovpyov 
yunGy ... ylvovra kata tas ist vor Korrektor nicht getilgt worden. Sehr zablreich aber sind in U die nicht punk- 
tierten Dittographien, auf deren Beseitigung jedoch der Kritiker der Aldina eine ebenso angestrengte wie er- 
folgreiche Aufmerksamkeit gerichtet hat. Da ich in der Charakterisierung seiner textkritischen Arbeit auf die 
Ausmerzung solcher Dittographien nicht eingegangen bin, so sei ihm wenigstens an dieser Stelle die An- 
erkennung nicht versagt. 

1 Wie an der frither (S. 15 f.) belandelten Stelle, S. 827, 11, su bestatigen auch hier (S.341,6) sowohl U wie 
H die Uherlieferung unserer besten Hippokrateshss. za:dfov als einen Ausdruck fiir eine Form der Epilepsie. 
wofiir schon philologische Mediziner der Renaissance 6efov lesen wollten; mdOos zadfov haben die Galenauscaben 
wieder von dem Kritiker der Basileensis erhalten. Da es mir aber unglaublich scheint, da8 Hippokrates eine 
Art der Epilepsie mit dem Namen »Kind« benannt hat, habe ich S.15* in rafos rafov einen orthographischen 
Fehler angenommen und mit Foésius naigerov geschrieben. 2 


Bettrdge zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. [1. 35 


lesen: GAN’ éotkacw ovToL érrovouaGew EAAOYMOIS OVOMaTW aTHY, @TAUTWS YE "YvOvTES 
evoeTtixov peyefous ovopa tomoa tiv Hpaxdecav. Hunain hat jedoch nach H so iiber- 
setzt: »aber die, welche sie mit diesem Namen benannien. scheinen dasselbe im Sinne gehabt 
zu haben, was die im Sinne hatten, die sie die groBe nannten. und sie rrfunden fiir sie einen 
die grope« anzeigenden Namen aus dem Namen des Herakles wegen der Grépe seiner Kraft. « 
Findet man also auf Grund der arabischen Ubersetzung die galenische Urtorm in folgen- 
dem wieder: GAN éokkaow of oUTwS dvoudoavTEs AUTHV OTAUTUS YWOCTKOVTES EVOELKTIKOV 
peyéGous Ovoua tromoa thy “HpaxdXefav, miBte man annehmen, da% die Kennzeichnung 
der Liicke in U auf einem Irrtum des Schreibers beruht. Aber auch der Araber scheint 
mir um der Deutlichkeit willen zu fordern, daf Galen von den “HpakAeiav aitiy Kane- 
oavtes geschriehen hat: GAN’ éoikacw otto (Trois meyaAnv) dvoudcacw avTHy woaiTws 
Yé yvovres, so daB auch diese Stelle mit vollem Rechte hier aufgezihlt zu werden ver- 
dient. — Dagegen ist es unzweifelhaft, daB im weiteren Verlaufe der Erkliérung der 
(vedankenzusammenhang in unserer Hs. mehrmals unterbrochen ist, was auch der Schreiber 
anzeigt, wenn U uns diesen Text liefert: (S. 342, 2) TovTov ovv TOV yupoV Kai oi GAXOL 
pev ovicact (ebenso Aldina: évicaot Basler Ausgabe: @vijcact Chartier: der Schreiber 
yon U beabsichtigte ovwact zu schreiben) TupeTol, paAMora (in der Aldina berichtigt) 
6€ ot Xpovot Kal TOUTWY TTAVTOV O TeTAapTaios paldiota (wieder berichtigt in der -Aldina). 
Kal avTovU TovToU mdAW 6 yYpovdTaTds TE Kai META Piryous TapokuvopuEVOS. avTO TE yap 
TO piryos (danach eine kleine Liicke von 4—5 Buchstaben, dann) poyAets yap apyiv Tov- 


Twv éuppdtrovros yuupov noe TOV TV opyaot’ (aber alle diese in einem Zuge geschriebenen 
Worte von poyAeis bis dpuacia hat der Schreiber selber durchgestrichen: dann auf einer 
neuen Zeile, in deren Anfange fiir etwa 7 Buchstaben Platz gelassen ist, steht allein) 
poydes (in der folgenden Zeile, die vorn fiir 3 oder 4 Buchstaben Raum bietet, wieder- 
holt er erginzend und verbessernd) TOU eykepahou Mev Ti apynv TovTwY eubpdrrovros 


Xvpov. n o€ Tov TY ovoav eutrpoo Gev Kal Stahopew auTov eOTW ixavy Kal Trpos TOUTW 
w 


Thy Kpacw oAnv oodpois piyea Badd (plyeot BadAew Aldina) TE Kai GANOLWOUY Et TO 
Gepuotepov vypav kat Wuypav. Wieder haben sich Aldina und Basileensis, denen in 
manchem auch die Pariser Ausgabe folgt, in der Druckanordnung genau an U gehalten. 
Von Besserungsversuchen an diesem locus desperatus ist za merken, dal Cornarius nichts 
weiter als ovcav in ovoa zu andern wufte, Vassius und Crassus aber febris autem calor 
prius extenuans oder febris autem caliditas prius attenuans schrieben. womit Chartiers Kon- 
jektur # 6€ Tov mupeTou (Gepuacia ertWv)ovTa eumrpooGev iibereinstimmt, wihrend 
das barbarische piyeot (uetaBovot mupetov tapoEvopois) BadAew TE Kai GANowovY dem 
Pariser Herausgeber allein auf das Konto zu setzen ist. Die Bearbeitung der Stelle durch 
den Araber, von Prarr aus H verdeutseht, enthillt folgende Gedanken: » Dean der Schiittel- 
Jrost cermag diesen Saft, welcher klebrig ist, in die Wurzeln der Nercen zu stopen und thre 
Ginge cu Gffnen. Und die Hitze des Fiebers ... und ist auperdem imstande, die ganze Mischuny 
des Gehirns zu dndern und sie in eine heipere Mischuny zu verwandeln aus der feuchten, kalten 
Mischung, welche corher war«. Nur als Notbehelf méchte ich die folgende Textgestaltung 
angesehen wissen: auto TE yap TO pryos (oidv Te) Trapekyew eis (rovs mOpous) TOU 
eycepdrou, TOUTETTL THS Aapyns TV vevpov, avTOUsS avag Tou@oav TOUTOV TOV yoxpov 
ovTa Kal avTous) eupparrovTa XunOY, i TE TOV TupeToU Deppacia Kai Staopewv autor 
éoTw ikavy Kal Tpos TOVTWL THY Kpaow odnv (Tov eyKepadou) o ppodois ptyeot (uera)y- 
Bddrew TE Kat dddowWUV Ei TO OEeppdtEpov ovcav EuTTpocHev Vypav Kai Wuypav. Denn 
modgen die Worte aus U auch irgendwo in der vorausgesetzten Vorlage des Arabers 
untergebracht erscheinen. so will dieser Versuch, hariolandi cause gewagt und hier und 


ov 


36 E. WENKEBACH: 


da von der Laune beherrscht. doch nicht als eine in jeder Hinsicht methodisch ge- 
sicherte Lésung der textkritischen Schwierigkeit gelten. -- Endgiiltig scheint mir da- 
gegen, was Hunain an einer anderen in U (fol. 164" oben) als liickenhaft gekennzeichneten 
Stelle hinzufiigt. Hier ist es leicht, in den Worten (S. 327, 7) KaTavTAovvTes ovv avTiy 
(nimlich tyv Keparnv) podivw Wuype (wofir Hunain »mif vielem« in H bietet, als ob er 
ovyvar gelesen hatte) Oeparevouev TO cUUTTwPA Kal TOV épiomTEANdTwV O€ (Ep’vTMTEAaTOV 
mit Auslassung von 6€ die Aldina) ta é¢ taepBddXovoav Beppaciav ddvvevtTa (danach 
ist eine halbe Zeile frei gelassen. wie auch die Aldina eine gréfere Liicke bezeichnet) Kai 
Todaypas w@ca’tws, Ep av TO peta yoAWes TE i) Hepudy die in den lateinischen Uber- 
setzungen nicht ergiinzte kleine Liicke durch den Zusatz von yoiyovow iduaot (nach 
dduvevra) oder nur, wie z. B. S. 845, 1. Tos Wvyovor zu fiillen, weil auch Hunain nur 
»mit ktihlenden Mitteln« hinzugesetzt hat, ohne ein zweites Verbum, vielleicht impea. 
wiederzugeben. Der Relativsatz verlangt wohl die Form éf ov (av) To petua yoA@dées 
te it (kat) Gepudv. — Wiahrend auf dem vorhergehenden Blatte der Hs. (fol. 163° oben) 
die noch in der Kiunschen Ausgabe (S. 325, 12/13) bezeichneten Liiecken dem Leser so- 
gleich in die Augen fallen, ist an einer Reihe anderer Stellen die Unterbrechung des 
Zusammenhanges vom Schreiber der IIs. U nicht deutlich gemacht worden. Aber es 
kann keinem Zweifel unterliegen, da® die arabische Bearbeitung des galenischen Kom- 
mentars, da sie itberall mehr oder minder umfangreiche Zusitze enthilt, den urspriing- 
lichen Zustand des Buches besser erkennen lehrt. Auch solche nicht gekennzeichneten 
Liicken médgen an einigen Beispielen veranschaulicht werden. So lesen wir in U: 
(S. 324, 11) Tov Yuypov O ovdev eidiaddpntdov éoti, GAN ATTOV pev TOUTO TérovbE Th 
vypa (aus wWuypa korrigiert), wadAov de ta Enpd, mreovexreiv (ehenso in der Aldina: 
mAcovextet verbesserte der Basler Herausgeber) 0 audow ta pice Oepud. Kata TovTO 
ovv pot doxovow auaptdvew, womit der Schreiber sogleich das nichste Hippokrateslemma 
verbindet: die erwartete Erérterang der auaptyuata folgt tatsiichlich in H. — Oder 
(S. 322, 11) TO MEAL Kal TO Gipaiov, OmEp EYnpa Kadrovow oi KaTa TV Hetépav aoiav 
éhrnves. »6 évvypdtepos...« U: »und nicht nur dus Volk von Asien benannte es mit 
diesem Namen, sondern auch das Volk aus den Stddten des Landes der Dorier und des Landes 
der Aolier benannte es sow H, woran sich die erst von Chartier aus dem Hippokratestexte 
gewonnenen Worte des nachsten Lemma in gleichlautender Ubersetzung anschlieBen, nur 
daB vavos zwischen tora und adpodiora iibertragen erscheint und mdvra vor dem ersten 
Worte des folgenden, in U erhaltenen Lemma fehlt. Das in unserer byzantinischen Uber- 
lieferung verschwundene Lemtha hat H mit Galens Erliuterung bewahrt. --- Oder mit 
Bezug auf das hippokratische odpxes oAxol: (S. 318, 10) ob yap éAkovet udvov eis éavTas 
To eixetov (im Texte, oi von derselben Hand am Rande: 70 oixeiov Aldina), GAAd Kal TO 
pi TowUTOV éxKpivovot. TOU MEV ovV EAkeW H YpEla TpOodnoTépa, Tov O° Exkpivew aon- 
Aorépa, kal detrai twos eis Tictw Adyou. petaBoyev ovv Exit Ti eyouevyy pnow U: 
die vom Erklirer selbst fir notwendig gehaltene Beweisfiihrung steht in aller Ausfibr- 
lichkeit zwischen Adyouv und petaBouev in H. -— Endlich im Kommentar zum 2. Lemma, 
das mit den Worten €vOepudrepov PdréBuov (S. 315, 10) beginnt, beobachten wir nicht 
nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen U und H in betreff des Ausdruckes préBes, 
wenn der byzantinischen Uberlieferung (Z. 12) PreBiows évOepudrepov (U, Aldina: prePiov 
berichtigten Cornarius und Gemusius) akovotéov éoti Thy aptnpiav, duodoyoUvTev dardv- 
Tov tov éEnynoapévoy Ta immoKpatea BiPrAla PréBas ovy id TovTou pdvov, GAL Kal 
TOAA@Y GANwv Trada@v dvouater fa Kai Tas aptnpias in U diese Wiedergabe des (e- 
dankens in der arabischen Hs. H nach Prarrs Verdeutschung entsprechen soll: »Die Er- 
klirer stimmen darin jiberein, daps die schlagenden Adern im allgemeinen mit dem Namen 


Beitraége zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. IT. 37 


» Adern« genannt wurden, aber nicht viele con den Alten auper ihm sie so nannten'«; noch 
viel auffalliger ist, daB sich der Erklirung des Wortes @Aéfiov in H ein Abschnitt vor- 
angestellt findet, von dem in U auch nicht die dunkelste Spur zu entdecken ist. Da 
diese Sitze auf die Entstehung des galenischen Epidemienkommentars aus miindlichen 
Vortrigen ein helles Licht werfen, wie man es nicht oft, wenigstens in diesem Teile 
der Hippokratesexegese Galens, wieder antreffen diirfte, so sei es erlaubt, den Zusatz 
aus H in der Ubertragung Prarrs hier mitzuteilen. Nach dem Lemma heiSt es also 
(S. 315, 12): »Ich will meine Genossen, die mich um die Abfassung dieser Erkldrung gebeten 
haben®, an etwas erinnern, wodurch auch andere Nutzen haben, die diese Erkldrung lesen wollen, 
in der ich dieses Buch fiir euch miindlich erldutert habe. Denn in meiner miindlichen Er- 
kldrung dieses Buches fiir euch habe ich euch angefiihrt, was die Kommentatoren in der Er- 
klérung der dunklen Stellen dieses Buches geschrieben haben, dann lief ich dem folgen, dap 
ich euch das Richtige von dem Falschen schied und, was notwendig richtig ist, feststellte wud, 
was notig war, erlduterte. Hier aber ist es mir nicht méglich, dies zu tun, weil, wenn ich 
es wollte, die Erkidrung dieses einen Kommentars cu diesem Buche zwanzig oder mehr Kom- 
mentare betriige. Ich halte es also fiir das beste, mich auf die Erwihnung dessen zu beschreinken, 
was in meiner miindlichen Erklérung fiir euch von einem jeden einzelnen dieser vielen Aus- 
spriiche feststand. Und ich unterlasse die Erwihnung des Unrichtigen, das einige in ihrer Er- 





1 In dem oben angegebenen Zwiespalte zwischen der direkten und indirekten Uberlieferung bin ich 
geneigt, was den Gebrauch des Wortes ¢A¢pes betrifft. auf’ die Seite von U zu treten. Wenigstens scheint es 
mir, daB Satze, wie XéPas yap éxadovv of radaot tas aptypias in Galens Kommentar zu [epi craitys ofewv IV. 26 
(CMG Vo, 1 p. 294, 26 Hermr.; vgl. auch ebenda IV, 78, p. 336, 8) oder tas revouevas dd€3as e’re Tas Kupios 
dvopaCopévas PAé3as elte xal tas dptypias, Ott Kal tadras éviote PAEBas dvoudlovew of rataoi im Kommentar zum 
Prorrhetikon IL, 9 (CMG V 9, 2 p. 119, 14 Diets), der Ubersetzung Hunains nicht Recht geben, vorausgesetzt. 
daB der Text in H heil ist. 


2 Solche Berufung auf Bitten junger Medizin studierender Freunde darf unter den Griinden fiir Galens 
Hippokrateserklirung geradezu als Erkennungsmal der Eehtheit dieses Kommentars gelten. Auch der Hinweis 
auf Lehrvortriige des Verfassers fehlt sonst nicht ganz, aber von einer miindlichen Hippokratesinterpretation 
des Professors Galen erinnere ich mich nicht im Epidemienkommentar gelesen zu haben. Hierher gehéren 
die Worte, mit denen er das Proémium zum zweiten Kommentar des dritten Epidemienbuches erétfnet: 
(S. 576) Eyol pév odd dAdo te BiBNiov éypady yopis tov denOqvai tivas jj @idovs i} étalpovs Kat pddiota tors 
els amodyplav paxpotépay oteNNopévous, akidcavras éyev Urduvypa Tov bw épovd pyOévtwv abtots i deryOévrov 
év tais tév Cov dvatopuais Kam{oxéyeot) tév vooowtev (»und bei Besuchen der Kranken« in der arabischen Uber- 
setzung H), émet 0° éxmerdvta twa kal Gddos eCofev aka orovdijs eivar, Tpotpeyrapevors pe Kai abtois aravra Tis tatpi- 
Kis Téyvys Ta pépy ovuTAnpOca, KaTa Tov adTov Tpdrov, Ov dy Tiaiv dwKa, | (S. 577) Kai tovtos Expaka. yryraoKov 
3 éuavrov év draow ols éyeypadev éfyyyoduevov aet tiv ‘Immoxpdrovs yvepunv, Gua Tot kai Tas émtkaipotatas altov Tév 
pioeov mapatebelo Oat, wepitrov iyovuny elvar ypadew e€yyyioes év Uropuvipaor KaB” éxaotyy Aekw an’ apyhs ews téXovs 
dtavrwv abtov tév Biy3diov. émet 6& Kal TavrTas €yerv écenOnoay éviot Tov ETalpwr, ard TOV YyyyowTaTev Kal 
xpnowotarev ‘Inroxpdtovs Pisdtov jpEduyv, wo er Weiterhin Zweck und Uinfang seiner bisherigen erliuternden 
Schriftstellerei behandelt, ein locus classicus, mit dem der zweite Katalog seiner siimtlichen Hippokrateshom- 
mentare zur Erginzung des Gesagten aus seinem Biichlein Mepi rv icv p¢3dov (in Ser. min. vol. He p.g2 und 
112 sqq. Mitrer -= Bd. XIX, 1off. K.) zusammenzunehmen ist. AuSer diesen beiden Hauptstellen fiihre ich. 
um die persénlichen Bemerkungen Galens in der arabischen Ubersetzung als unverdichtig zu erweisen, noch 
wortlich an, was er in unserem Kommentar iiber Zweck und Ursprung desselben an zwei anderen Stellen 
geschrieben hat: Erstens lesen wir im Vorworte, wo er von dem mittleren Charakter seiner Erliuterung 
spricht, die ebenso weit von rein wissenschaftlichen Abhandlungen mit Widerlegung samtlicher falschen Er- 
klirungen wie von nur praktisch verwertbaren Anweisungen entfernt sein soll, (S. 795, 13)... méoyy twa 
rottav dupotépwy moujoacba tiv eEiryyow kal tovro edOéws ev apyii mpoeirov (oder mpoermeiv?), drws dnahdazTev- 
rat tévde Tov dropvydtwov oi pi) yYaipovTes TovtaIs. eyo bev yap, Gowep kai TaANa Tavta TodNOIs TAY Cenfévrwy 
étalpwv yapCopevos érolyca, | (S. 796) kai tas ényicers tavtas éxelvwv evexa ovveByKa. Und zum andern im An- 
fange von Epid. VI, 5 (S. 224, 1) ywdoxovras cé pov tiv mpoalperw tods éraipovs, ols XapiCdpevos émi tTHy 
éEiynoey adiypat tov TPOKELMEVOV Ypaupatos, avauvicw Kal viv, ws exaotov THv doypatav TeV dTodei~ews Cro- 
pévev dma€ mov ciedOav tedtws, otk év érépen PifZrdtor ypado, faxponro’ (U: seit der Aldina in paxpéroyov aufgeldst 
statt in paxpodoyiav) mepittiy elders yiwouevyy, el wept TOV abTav Néyar (AEyer Aldina) tis ta alta, xafimep Evia Te- 
Tonjkact TOV vewTepwv iatpGv, ov dis povov 3} tpis, GNAG Kal TeTpaxis ij TAEovaxis Ett Tepl Tov adtav ta abta ypawWuvies 
év woNNois vropuvypact Te Kal ovyypauuaaw. 


Verstummeling 
des Archetypus 
(vy) oder der 
direkten 
Vorlage (7) am 
Ende der Hs.: 
Verlust von mehr 
als 21,, Kom- 
mentaren zu 
Epid. VI. 


v, die Yorlage 
von U, wahr- 
scheinlich auch 
im Titel 
beschadigt, aus 
der Sammelhs.y 
(zwischen dem 
10, u.14. Jahrh.) 
abgeleitet. 


38 E. WENKEBACH: 


khirung beibrachten, und fithre fiir dich dies nur kurz an. entsprechend etwa dem, was not- 
wendig erkldrt werden mup. Die Kommentatoren machen in threr Erkldérung zu dem kurz 
corangegangenen Absatze nicht wenig Worte, die alle, wie ich euch zeigte, nicht in Uberein- 
stinanung mit der Ansicht des Hippokrates und nicht wirkliche Tatsachen sind. Und ich lasse 
alle ihre Ausfiihrungen beiseite und beschrdnke mich darauf, nur die Angabe con thnen nieder- 
cuschreiben, von der ich euch seigte, dap sie vorziiglich dient cur Erkldrung dieses Satzes des 
Hippokrates. Und ich sage, daB er unter » Adern« die sehlagenden Aderu versteht. Denn alle 
Erkldrer . . .« 

An Umfang gleicht diese Liicke (S. 315,12) der vorher erwaihnten (S. 318.13), ibr 
Fiillsel umfaBt in H an beiden Stellen ungefajir 15 Zeilen, so dal. wenn der Schaden 
nicht durch MottenfraB oder Feuchtigkeit mitten auf beiden Seiten eines Blattes der Urhs. (7) 
oder der unmittelbaren Vorlage (v) entstanden sein sollte, er sich vielleicht auch darauf 
zuriickfihren laGt, daB von jenem Blatte des Musterbuches mit dem oberen oder unteren 
Rande zugleich ein betriichtliches Stiick der Schreibfliche weggerissen war. Auch die 
gegen Ende der Hs. U vom Schreiber bezeichneten Verstiimmelungen begegnen z. T. in 
gleichen Abstiinden. Man darf’ sich also die letzten Blatter der Vorlage von U oder schon 
des Archetypus wahrscheinlich durchléchert oder zerrissen und das ganze Buch am Ende 
ungetiihr um ein Drittel oder ein Viertel.seines Umfanges verkiirzt vorstellen, da U schon 
auf fol. 169' mit den Worten zroddypas te Kai apOpirias (S. 344K.) aufhdrt und somit 
von den 8 Kommentaren zu Epid. VI (vgl. z. B. S.99,15 und Ser. min. If 113,09 M.) mehr 
als 2'/, Kommentare verlorengegangen sind. Aber die auf fol. 169 folgenden zelin leeren 
Blatter yon U hatten kaum geniigt, ein Drittel eines Kommentars aufzunelmen. Auf 
fol. 178° steht von derselben Hand, die den Text von U geschrieben hat, folgende mir 


* . . : a ¢ T , A 
unverstindliche buchtechnische Angabe: [T& yap evve tetpu- deo | uw) TOUTwY TeV TE- 


ar ” lal ‘ » NX ar ? - ~ ~ am a \ 
Tpadtav. | iryouv TOUTOV: K eiot Tere m-| WMS KaTOpdivws: a. B. Y.| 6. €. G. €. 7. O. evov (sn) 
, & 
aut kabdrrep dvvacat. 


Wie die Vorlage (v) unserer einzigen Hs. fiir Galens Kommentare zu Epid. VI am 
Ende verstiimmelt und selbst im vorzeitigen SchluBteile verwiistet war, so zeigte sie auch 
yorn Spuren der Beschidigung, zwar nicht von der Art, da® ganze Blattlagen oder auch 
nur einzelne Blatter aus dem Anfange des Buches verlorengegangen wiren, aber doch 
eine Liicke im Texte des Anfangssatzes, die um so auffalliger scheint, als die Stérung 
von hier in den voranstehenden Buchtitel iibergreift. Ich erinnere daran, da®B ich S. 7, 
auf Hunain gestiitzt, den unvollstindigen Eingang des Prodmiums in U dureh Erginzung 
aus Ho wiederherzustellen versucht habe. Was aber die ersten Worte unserer Hs. U Cis 
THY EKTHY TOV éETrLOnwev betrifft, so gehdren sie offenbar zum Titel des Buches, der in der 
arabischen Ubersetzung aus H so lautet: » Erste Abhandlung von dem Kommentar Galens 2u 
der sechsten Abhandlung von dem Epidemien genannten Buche des Hippokrates.« Es ist also klar. 
da die Liicke auch einen Teil des Titels verschlungen hat und die Uberlieferung in U 
aus H in den beiden Hiilften des Verlustes so ergiinzt werden muB: Eis TO éxtov TeV 
Exiénuoyv (Irirokpdatous tropvnpa Tp@tov [adnvov. Ov« oid" drrws Kai TovTO TO BiBrtov. 
woTep kai GAXo Tt TeV TOV) InToKpadToUs GvyypauaTov éAuuHvavTO TOAAOL TOV éENYNTOV. 
Auch der Ursprung des Irrtums ist deutlich. Sogleich im Beginne dieser Schrift finden 
wir cin Beispiel fiir den gerade in Galens Epidemienkommentaren, wie mehrfach gezeigt, 
tiberaus hiufigen Schreibfehler, da&B die Wiederholung desselben oder eines ihnlichen 
Wortes in engem Zwischenraume das Auge des Abschreibers zu einem Sprunge vom ersten 
zum zweiten Vorkommen dieses Wortes verfiihrt und das dazwischen stehende Stick der 
Rede dem Untergange ‘iiberliefert hat. Der Wortlaut des Titels ist mir freilich wegen 


Beitrige zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. 1, 3) 


der Stellung des Verfassernamens zweifelhaft, weil «dieser nach stehendem Brauche auch 
in der besten Uberlieferung der galenischen Hippokrateskommentare die erste Stelle im 
Buchtitel einnimmt; anderseits scheint mir die Voraufnahme des Genetivs FaAnvov in der 
gewolnlichen Fassung [aAnvou eis TO extov Tov Emidnjuev ‘lrroxpdtous tropvnpa Tperoyv, 
wie Galen selber zweifellos den ersten seiner acht Kommentare zu Epid. VI nach der 
Weise aller seiner Hippokrateskommentare in dem als Einzelschrift verdffentlichten Buche 
betitelt hat, dazu zu zwingen. eine zweite Liicke anzusetzen, was sich jedoch als noch 
unwahrscheinlicher erweist als die Endstellung von Fadnvov. Deshalb glaube ich, da 
in der yerlorenen Sammelhs. (vy), in der die im byzantinischen Mittelalter zwischen dem 
10. unl 14. Jahrhundert noch erreichbaren Kommentare Galens zu den Epidemienbiichern J, II 
und VI vereinigt waren, der Name des Verfassers nur vor den Kommentaren zu Epid. 1 
gestanden hat. Da®B unsere auf @, den Archetypus der zusammengelegten Kommentare 
zu dem hippokratischen Krankenjournal (Epid. 1 und ND) zuriickgehenden Hss. der ersten 
Klasse. wenn sie tiberhaupt betitelt sind, lauter verschiedene Titel ftihren, hat seinen Grund 
in dem Verluste des ersten Blattes der Urhs. Der Vertreter der zweiten Klasse, der 
Sonderiiberlieferung der Kommentare zu Epid. Il (L), hilft uns, den gewéhnlichen Buch- 
titel. den wir von Galens tibrigen Hippokrateskommentaren her kennen, auch in den 
Epidemienkommentaren herzustellen. Der Verlegenheit wegen der Betitelung der Koumen- 
tare zu Epid. VI entgeht man vielleicht. wenn man die eben mitgeteilte Vermutung an- 
nimmt. Doch gleichviel. ob [aAnvov im Anfange des Titels gestanden hat oder nicht. 
wichtiger ist jedenfalls die Erkenntnis, daB unsere einzige Hs. U dureh den Sprung aus 
dem Titel in den ersten Satz des Proémiums verriit. daB der zuerst abgeirrte Schreiber. 
sei es der von U selbst oder der von uv gewesen. der dic Kommentare zu Epid. VI aus 
em Zusammenhange mit denen zu Epid. Ill léste, eine Vorlage benutzte. die weder Kapitel- 
noch Buehiibersehriften durch Tinten- und Schriftwechsel gekennzeichnet hatte: wahr- 
scheinlich gingen die gleichtérmigen Schriftziige. ohne Raum auszusparen, aus dem Schlusse 
des dritten Kommentars zum 3. Epidemienbuche zum ersten Kommentar des 6. Epidemien- 
buches weiter. dessen Aufschrift und Einleitung zur Erklirung ebensowenig voneinander 
abgesetzt und durch Farbenwechsel unterschieden waren. So diirfte die Vorlage (v) der 
bis auf U verlorengegangenen Hss. ausgesehen haben. die ich auf die Sammelhs. y 
(10./14. Jahrhundert) zuriickfihre. 

Ihr letzter Zeuge, um zu U zuriickzukehren. ist. wie ich sogleich aus der Erérterung 
des aufschluBreichen Anfangssatzes aus dem Proédmium und weiterhin durch die Unter- 
suchung aller ausgewihlten Abschnitte aus der galenischen Erlaiuterung selbst sowohl an 
CUbereinstimmungen mit der Aldina wie an Abweichungen von ihr bewiesen zu haben 
glaube, in die erste Druckausgabe eingegangen und durch die Aldina der Gewihrsmann 
und Retter des noch heute giiltigen Vextes geworden. Dieser unserer einzigen Hs. ist 
ein giinstigeres Los beschieden gewesen als dem Archetypus. Was sie von den Kommen- 
taren Galens zu Epid. VI in festen und meist klaren. wenn auch nicht sehr ebenmiaBig 
schénen und wegen ihrer zahlreichen Abkiirzungen nicht tiberall bequem lesbaren Schrift- 
ziigen der Nachwelt gercttet hat. ist uns dank der Sorgfalt ihrer Besitzer vollstandig erhalten 
geblieben. Aus einer Reihe lateinischer Randiibersetzungen von Hippokrateslemmata in 
sogen. Humanistenschrift des 14./15. Jahrhunderts kénnte man schlieBen. daB die Hs. U 
zur Zeit der Friihrenaissance im Abendlande zu Lehrzweeken benutzt worden ist. bevor 
sie aus der Hand eines Arztes in eine der bekanntesten Biichersammlungen Italiens gelangte. 
Da sie. wie schon erwihnt, wa&hrend der Vorbereitung der ersten gricchischen Galen- 
ausgabe ein Besitztum des Kardinals Bessarion in Venedig war. muSten die Aldusmiinner 
sie anders behandeln als der Herausgeber Opizo und sein Helter Johannes Clemens bei 


U als Drueckvor- 
lage der Aldina 
wahrscheinlich 
von John Cle- 
ment benutzt, 
sicherlich in 
beschleunigter 
und schon des- 
halb oft mangel- 
hafter Kritik 
unter den 
letzten Stiicken 
aus dem SchluB- 
bande der 
Galenaldina 
bearbeitet. 


40 E. WENKEBACH: 


der Drucklegung der Kommentare zu Epid. I und III die Pariser Hs. 2165 (P) behandelt 
hatten. AuBerdem dringte die Zeit, so daB man keine Gelegenheit mehr erhielt, ein in 
Kolumnen eingeteiltes Druckexemplar mit Raum fiir einzutragende Anderungen des Kritikers 
herzustellen. So ist denn auch die fremde Hs. nicht wie P durchkorrigiert, sondern die 
Abweichungen des Druckes von U sind, wie bei der sichtlichen Beschleunigung der Arbeit 
schon ein groBer Teil der Korrekturen in Epid. I und III, sogleich in den Satz tibergegangen. 
Wer die Drucklegung der Hs. tiberwachte, wiirden wir nicht bestimmt angeben kénnen, 
wenn uns nicht zufallig zwei Stellen in U eine Handhabe zur Beantwortung der Frage 
béten. Zu zwei Siitzen der Schrift habe ich in U mit der Aldina tibereinstimmende Ver- 
besserungen von fremder Hand gefunden, die mir von der John Clements nicht verschieden 
scheint. Wo der Schreiber in U fol. 147° (S. 268. 13) ov6€ yap oddé TovTO éoTiv Eitrelv Trepl 
THS TpoKepeévyns pioews, O7Ep évior wiOavas édoEav evpynkéva, T Tpoonyopt”’ Tijs oouvns 
amaTyny eipno Oat vouiCovres geschrieben hatte, glaube ich in dem mit anderer, und zwar 
tiefschwarzer Tinte in winzigen, niedlichen Buchstaben tther mpoowryopr’’ iibergeschriebenen 
Trapnyop"’, das auch die Aldina bietet, die zierliche Hand desselben Korrektors wieder- 
zuerkennen, dem die Hs. P ihr véllig anderes Aussehen verdankt. Und ebenso ist in U 
fol. 149° (S. 276, 2) Tov 6€ cuvTaKévT@V poplwv EvdeikvuTa THY ypoar, OTav oiov opoBoeon 
te Kal kaxoedn cuveSépyntal twa avrois in der tiber kako mit viel dunklerer Tinte iiber- 
geschriebenen Korrektur xpipvo, womit wieder die Lesart K PiLVOELOn in der Aldina iberein- 
stimmt, wahrscheinlich ein Zusatz des Aldinenkritikers Clement zu finden. Es bedarf 
keiner Kiihnheit, von hier aus die Vermutung zu fuBern, da Opizo als Editor princeps 
aus der Schar der philologischen Mediziner, die ihr in Italien erworbenes oder erweitertes 
Wissen und Kénnen in den Dienst der Officina Aldina gestellt hatten, dem jungen, betrieb- 
samen Clement auch die Bearbeitung der Kommentare zu Epid. VI iibertragen hatte. Den 
bescheidenen Fahigkeiten dieses redlichen Linacrianers als Textkritiker entspricht auch 
in dem hier untersuchten Teile der Galenaldina die uns vorliegende kritische Leistung 
durchaus, wobei aber ein gerechtes Urteil die in der Arbeit gerade am Epidemienkommentar 
sich immer deutlicher offenbarende Hast der Drucklegung zu beriicksichtigen fordert. Der 
Sommer des Jahres 1525 war schon weit vorgeschritten, und noch immer konnte die 
Galenaldina die Presse nicht verlassen, weil ihre letzten Schriften noch nicht druckfertig 
waren. Zwar lagen die letzten Bogen des Schlugbandes (tom. V), die auf fol. 245—-268 Galens 
Kommentare zu [epi aryuav, auf fol. 269-— 304 die zu [epi apbpev, auf fol. 305—327 die zu 
Eis ro intpetov und in einem neugezihlten Anhang (fol. 1—6) Fadnvou tev lrroxpatous 
yAwooav eE€nyiioes enthielten, von fol. 245 bis 327 und wahrscheinlich auch mit dem 
kurzen Anhingsel (fol. 1 —6) schon seit Wochen vollstindig ausgedruckt zum Binden und zur 
Ausgabe bereit'; aber die Epidemienkommentare, die von der Ungunst der Zeit schwerer 
mitgenommen worden waren als die tibrigen in der Aldina vereinigten Stiicke der Galeni- 
schen Hippokrateserklirung, machten dem Professor Opizo und Dr. Clemens noch immer 
zu schaffen: jener, mit immer neu aufgetriebenen Hilfsmitteln ausgestattet, war um eine 
kritische Nachlese zu den Kommentaren des ersten und dritten Epidemienbuches, zumal 
um gewissenhafte Ausfillung der noch offenen Liicken bemiiht, ohne jedoch sein lebhaft 





1 Diese Tatsache wird durch die Paginierung der Aldina erschlossen, zugleich ein Beweis fiir den ver- 
spateten Abschlu8 und die iibereilte Arbeit an den Kommentaren zu Epid. VI. Die Aldina enthalt in tom. V 
auf den Folien 163'—210% die Kommentare zu Epid. I und HI. Wahrend der auf fol. 2117 beginnende 
Kommentar des 6. Buches bis fol. 252% durchgezahlit ist, sehen wir im folgenden, daB Galens Eis ah arepi ay- 
pov vrépvnua mpotov wieder mit fol. 245' zu zahlen anfingt. Dieser letzte Teil muB also vorher gesetzt 
und gedruckt sein. Auch die verschiedene Farbung des Papiers in den beiden Schriften fiihrt zu demselben 
Schlusse. 


Beitrége zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 4] 


ersehntes Ziel zu erreichen, dieser hatte noch die letzten Kommentare zu Epid. VI wenigstens 
von den argsten grammatischen Fehlern seiner Druckvorlage U zu siiubern. ein Vorsatz. 
dem aber die Vollendung gleichfalls versagt blieb. Der Wille des Druckherrn Andreas 
von Asola war starker als die Gewissenhaftigkeit seiner medizinischen Textkritiker: sein 
dimonischer Arbeitseifer und Erwerbssinn dringten zur Erledigung neuer Aufgaben, zu- 
ndchst der schon in Bildung befindlichen Hippokratesausgabe. Daher nahm der damalige 
Leiter der Aldinischen Buchdruckerei seinen Gelehrten die Galenhss. schlieBlich kurz ent- 
schlossen aus der Hand, erfiillte aber trotz der Erinnerung an den Verdru, den die philo- 
logische Genauigkeit der genannten Mediziner dem ungeduldigen Geschiftsmanne bereitet 
hatte. und den man aus der Widmung des 5. Bandes an Opizo noch heraushért. doch 
in seinem und der kiinftigen Benutzer Namen aufrichtig und vornehm eine Pilicht der 
Dankbarkeit. indem er dem Editor princeps das merkwiirdig gewendete Lob spendete und 
dabei auch seines ehrlichen Helfers nicht vergaB: Galenum paene integrum ab inferis excita- 
rimus: in quo restituendo tantuin tibi laboris et vigiliarum impensum est, uti me saepe desperatio 
coepti subiret operis ... hune V tomon tibi dicamus uni meritissimo, si quidem tuus est Galenus 
et libra et aere quod aiunt et mancupio. ... Sed quando tu unus cvelut imperator bellum hoc 
patrare tam difficile et arduum non poteras et grati est animi fateri cui debeas: agent etiam 
gratias Graeci Latinique restituti Galeni Clementi et Odoardo et Roseo Britannis, qui te reluti 
centuriones acerrimi in victoria hac consequenda plurimum adiucere. .. Beruht doch auf ihrer 
textkritischen Leistung ein trotz allen Mingeln epochemachendes Werk der Medizingeschichte. 
das erst jetzt nach fast vierhundertjiihrigem Bestande durch die abschlieBende Textrezension 
des Corpus Medicorum Graecorum allmihlich abgelést wird. Ftir Galens Epidemienerklairung 
kommt in der von mir vorbereiteten interakademischen Ausgabe fast dieselbe handschrift- 
liche Grundlage aus dem byzantinischen Mittelalter in Betracht wie in der Aldina: denn 








vor dem 

to. dJahrh. * 

1o. Jahrh. iB H 
v 

14. Jahrh. 

15. Jahrh. 

E 
16. Jahrh. 


gy 


Phil-hist. Abh. 1928, Nr. 9. ; = 


Stemma 
codicum. 


Wirkung der 
Editio princeps 
der Epidemien- 
komm. auf die 
_lateinischen 
Ubersetzungen, 
insbes. auf die 
von Epid. VJ, 
1—6 von Crassus 
und Rasarius. 


Darf man Junius 
Paulus Crassus 
bei seiner Ein- 
schwarzung 
mehrerer 
Abschnitte aus 
den Scholien des 
Joannes von 
Alexandreia zu 
Epid. VI in den 
Komm. des Pal- 
ladios mildernde 
Umstinde 
nubilligen ? 


42 E. WENKEBACH: 

abgesehen yon dem durch planma®ige Textverkiirzung auffalligen Zweige der Uberliete- 
rung haben alle itbrigen handschriftlichen Zeugen des Textes, sei es direkt oder indirekt. 
das Ihrige zur ersten Druckausgabe beigetragen. Dieses Verhaltnis zwischen den Hss. und 
der Editio princeps des galenischen Epidemienkommentars mége zum Schlusse, dem Hss.- 
Verzeichnis der Einleitung entsprechend, die vorstehende Ubersicht veranschaulichen. 

Als Aldus Manutius in seiner griechischen Gesamtausgabe der Werke des Aristoteles 
auch die naturwissenschaftlichen Schriften des Peripatos im Originaltexte dem Studium 
weiterer Kreise erschloB, war unter den Verwaltern des peripatetischen Erbes wahr- 
scheinlich als einer der naturwissenschaftlich interessiertesten und textkritisch emsigsten 
sein langjihriger Hausgenosse und Freund, der Arzt Thomas Linacre aus London, tiitig 
gewesen. Ungefiihr ein Menschenalter spater sollte nach Aldus’ vorzeitigem ode im 
Dienste seines Nachfolgers Andreas von Asola eine kleine Schar aus Linacres Schule 
hervorgegangener Kritiker und Korrektoren auf den von ihrem Lehrer mitgelegten Grund- 
lagen weiterbauen, indem sie, von Opizo und anderen humanistischen Arzten gefiibrt, 
die auf ihrer italienischen Reise erworbene kritische Kunst an den Werken des Galenos 
und am Corpus Hippocraticum erprobten. Will man die Wirkung ihrer Arbeit an Galens 
Hippokrateskommentaren in die Weite und Tiefe einigermaBen richtig abschiitzen, dart 
man auch den indirekten EinfluB8 nicht auBer acht lassen, der sich durch die lateinischen 
Ubersetzungen dieser galenischen Schriften in das Bildungsstreben zallreicher Generationen 
aus der abendlindischen Arztewelt ergossen hat. Wie die Galenaldina von 1525 fir die 
Epidemienkommentare dem Herausgeber der Basileensis (1538), Hieronymus Gemusiius, 
nachweislich codicis instar galt, so darf man von vornherein vermuten, daB die lateinischen 
Ubersetzer in der Regel auf der Editio princeps fuBen. Um aber ihre Arbeitsweise so 
genau wie méglich zu erkennen, scheint mir die Frage einer eingehenden Untersuchung 
wert. ob nach Opizo und Clemens noch Textkritiker mit echt wissenschaftlicher Methode, 
wie Nicolaus Macchellus und Augustinus Gadaldinus in den Kommentaren zum Epid. I 
und Ill ss. zur Erginzung und Berichtigung des Aldinentextes herangezogen hatten, so 
auch fiir Epid. VI, 1—-6 die Gewihr der Uberlieferung an bekannten oder unbekannten 
Hss. gepriift haben. Da von den drei lateinischen Uhersetzern der Kommentare zum 
6. Epidemienbuche, Vassius, Crassus und Rasarius, die beiden letztgenannten an selb- 
stindigem Urteile den wahrscheinlich Altesten tiberragen, so will ich mich im folgenden 
auf die Beantwortung der Frage beschrinken, ob Crassus und Rasarius bei ihren Ab- 
weichungen von der Aldina Hss. folgen, und zwar ob sie sich an U oder gar an eine 
von U unabhingige Hs. anschlieBen. 

In seiner Dissertation De Hippocratis Epidemiarum libri VI. commentatoribus, Konigs- 
berg i. Pr. 1908, ist Warruer Bricricam der Beweis einer doppelten Falschung gelungen. 
Seine Behauptung p. 66: ut Rasarius Palladii contextwn Galeno, ita Crassus Johannis Ale- 
xandrini Palladio supposuit hat der Verfasser gewissenhaft und griindlich im einzelnen er- 
wiesen. Und doch lassen sich vielleicht trotz dem ahnlichen Taéuschungsversuche beider 
Ubersetzer noch heute diese beiden Geister desselben Zeitalters — ich meine die Re- 
naissance der hippokratisehen Medizin —- voneinander scheiden. Ich bin wenigstens geneigt, 
dem Professor Junius Paulus Crassus von der Universitit Padua! bei der Beurteilung 








1 Eine Biographie des Junius Paulus Crassus scheint es nicht zu geben. Da ich genauere und jiingere 
Nachrichten tiber sein Leben und Wirken vermisse, so mu8 ich mich auf das alte Gelehrtenlexikon von Jécher, 
Bi. 1, Leipzig 1750, Sp. 2174, berufen, in dem es von ihm in aller Kiirze heiBt: »Medicus von Padua, lehrte 
in seiner Geburtsstadt als Professor Medicinae in der Mitte des 16. Seculi, tibersetzte unterschiedene Blicher 
des Galeni ins lateinische (die aber nicht vollstindig aufgezihlt werden) und starb zu Padua 1574.« Die uns 
hier beschaftigende Schrift, die bei Jécher fehlt und auch in der reichhaltigen Bibliographie zu Lrrrres Hippo- 
kratesausgabe, Paris 1840, t. Il, p. 593 auffalligerweise nicht genannt ist, gehdrt vielleicht zu Crassus’ friihesten 


Beitrage zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 43 


oder Verurteilung seines Unternehmens mildernde Umstiande zuzubilligen. Wir erfahren 
aus dem Widmungsschreiben seines Sohnes Celsus Crassus, mit dem er den Sammelband 
der Medici Antiqui Graect 1581 Serenissimo Francisco Medici Magno Etruriae Duct aus dem 
Schriftennachlasse seines Vaters darbrachte. daB Crassus d. A. in seinem arbeitsreichen 
Leben nur zu den Férderern der Heilkunde gezihlt zu werden wiinschte: In Ais qué in 
hance curam incubuerunt fuit puter meus, Iunius Paulus, qui quantum a medicina facienda, et 
illius professione otii dabatur, in publicam semper utilitatem libentissime contulit, et quanquam, 
non hac parte tantum, illustrandis scilicet veteribus autoribus, medicinae iucvandae desiderio tenebatur, 
sed et alia quaedam ex suo deprompta ingenio litteris mandaverat, haec tamen, ut etiam eru- 
ditae, in libros Theophrasti de Stirpibus, qui ex multis nobilissimi philosophi scriptis mendosissimi 
nobis fere supersunt, Annotationes, inchoata atque impolita illius et publicis et privatis occupatio- 
nibus remanserunt. Inveni tantum inter illius scripta, libros hos veterum Medicorum, cueteros 
quidem olim in latinam linguam ab ipso translatos, sed maturius postea et diligentius emendatos: 
Palladii vero scriptoris graeci, nunquam editos, in librum VI. Hippocratis de Morbis in populum 
grassantibus, et in librum de Articulis, non inutiles comentarios (!), quos latinos fecit paulo 
antequam decederet e vita. Huius autoris editionem debebunt aliqua ex parte studiosi Hirr, 
Mercuriali excellentissino medico, eidemque viro eruditissimo, qui illum ex V.C. Io. Sambuci 
bibliotheca desumptum, quam non tam sibi, quam publicae utilitati habet instructissinam, Vienna 
annis superioribus attulit, patrique meo conimunicavit. Es ist zwar nicht zweifelhaft, da der 
uns nicht mehr (oder soll ich in der gegenwirtigen Phase des CMG lieber sagen: noch 
nicht) bekannte Codex Sambuci, der dem Ubersetzer Crassus den Kommentar des Palladios 
(wahrscheinlich aus dem 7. Jahrhundert) geliefert hat, ebenso verstiimmelt war wie die 
tibrigen uns bekannten Hss. dieses Kommentars und keineswegs vollstindiger und vor- 
ziiglicher, wie sein Editor princeps Dierz angenommen hat, und da deshalb die in ihm 
fellenden Stiicke, nimlich der ganze zweite Abschnitt und zwei Lemmata des dritten 
Abschnittes, die mit zwei griechisch allerdings erhaltenen, aber verstellten Lemmata des 
sechsten Abschnittes der Herausgeber des Originaltextes p. 39—73, 88—92, 158 sq. und 
176 in der lateinischen Ubersetzung des Crassus aus dessen Sammelwerke p. 174-—205, 
216—219, 268 sq. und 281 mitteilt, wegen der genauen gedanklichen Ubercinstimmung 
mit der Ubersetzung eines anderen spiiten Kommentars, eines Zusammenhanges, der trotz 
der durch die sprachliche Verschiedenheit zweier verschiedener Zeitalter bedingten Form 








Arbeiten; ich setze sie zwischen 1538, d.h. das Jahr. in welchem die auf der Aldina von 1525 beruhende 
Basileensis des Hieronymus Gemusius erschien, und 1541. das Jahr, aus dem mir ihr altester Druck bekannt 
geworden ist: Galeni Opera latine. Tom.V, fol. 145'—189%. Apud hacrrdes Lucae Antonii Juntae Florcntini. Venctiis 
M.D. XLI. Ob und wann sie vor der Juntina als Einzelschrift herausgekommen ist. habe ich nicht ermitteln 
kénnen. Vermutlich hat es keine Sonderansgabe dieser Ubersetzung gegeben, wenn wenigstens die Angabe des 
Conspectus tertiae Classis den Tatsachen entspricht: In sextum Hippocratis librum de morbis culgaribus commentarti 
sec, nune primum latine in lucemexcuntes, lun. Paulo Crasso Patavino interp. Sie ist oft wiederholt worden. 
z. B. schon wenige Jahre spiter in einem franzésischen Nachdrucke, der mir zuerst in die Hande tiel und mir 
zuerst ihren Verfasser bekannt machte: Galeni Opera, tom. II, Luyduni. Apud Ivannem Frellonium. M.D. L. 
enthalten nimlich Sp. 677-820 unter dem Titel Cleud.G@aleni in sextum Hippocratis de Morbis popularibus Ubrum 
explanationes a Iunio Paulo Crasso Patavino in linguam Latinam versae dieselbe Ubersetzung. die ich der Bequem- 
lichkeit wegen in dem von Cart Gorrtros Ktun 1828 besorgten anonymen Nachdrucke der Pariser Galen- 
ausgabe Chartiers (1679) benutzt habe. Es scheint mir aber nicht ganz sicher, ob Chartier, wie sonst meisten- 
teils die lateinischen Ubersetzungen Galens, auch diese aus einer der spiteren Juntinen selbst benutzt hat. 
Denn die iiberaus seltenen Anderungen, die in der Pariser Wiederholung an der Ubersetzung des Crassus mit 
Absicht vorgenommen worden sind, zeugen hier und da von so arger Gedanhenlosigkeit, da® es mir scliwer 
fallt, sie Chartier selbst zuzutranen. Dazu kommen um so hiufigere Widerspriiche zwischen seinem griechischen 
Texte und der daneben stehenden Ubersetzung des Crassus. Diese doppelte Beobachtung 1i8t mich vermuten. 
daB die Ubersetzung des Paduaners erst nach dem Tode Chartiers zu dessen griechischem Texte der Koin- 
mentare zu Epid. VI hinzugefiigt worden ist. zumal es feststeht, da mit dem iibrigen auch die Hippohrates- 
kommentare Galens in Bd. IX der groBen Prachtausgabe erst aus dem Naclilasse Chartiers, des Leibarztes 
Ludwigs XIV., von seinem Schwiegersohne Charles du Gard herausgegeben wurden. 


6* 


Crassus als Uber- 
setzer der aus U 
in die Aldina 
ubergegangenen 
Komm. zum 
Epid. VI und 
als Konjektural- 
kritiker: 


44 E. WENKEBACH: 


auf den ersten Blick klar wird, nicht dem Palladios gehéren kénnen, sondern dem Kom- 
mentar des Johannes Alexandrinus, vermutlich eines Zeit- und Zunftgenossen des Palladios, 
entlehnt sein miissen. Aber es scheint mir der Erwigung wert, daf} Crassus, wie er in 
seiner Ubersetzung der uns griechisch allein erhaltenen Kommentare Galens zu Epid. V1 
(Venetiis 1541) sich des Zusatzes von 2'’, Kommentaren aus dem ihm doch wahrscheinlich 
schon damals bekannten Buche des Palladios enthalten hat, auch im Falle der Erginzung 
des Palladios die aus Johannes Alexandrinus eingeschwirzten Teile nicht selber aus eitler 
Ruhmbegier verdffentlicht hat, sondern daB es erst seinem Sohne vorbehalten geblieben 
ist, die vielleicht unter den Vorlesungsheften seines Vaters gefundene Schrift, die dieser. 
wie man sich vorstellen kénnte, lediglich um der Vollstaindigkeit willen ftir seine Lehr- 
vortriige ergiinzt haben diirfte, ohne eine Bemerkung tiber die Herkunft der verdiichtigen 
Stiicke, die freilich auch in seinem Manuskript befremdlicherweise nicht kenntlich gemacht 
worden waren, den fiir Hippokrates begeisterten Studierenden der Medizin auszuhindigen. 
Da die Méglichkeit solcher Entstehung der Schrift nicht ohne weiteres abzuweisen ist 
und da ihre Verdéffentlichung den Verfasser nicht belasten kann, scheint es mir ein Gebot 
der Billigkeit, Crassus als Falscher wenigstens nicht mit dem als frecher Betriiger ent- 
larvten Rasarius in einem Atem zu nennen. Solange dem Ubersetzer Crassus selbst bei 
dem Vorliegen objektiver Merkmale des Betruges die subjektive Absicht zu betriigen nicht 
unzweideutig nachweisbar ist, mu man auch fiir ihn als noch so verdichtigen dunklen 
Ehrenmann den Juristenspruch Jn dubio pro reo gelten lassen. Jedenfalls habe ich aus 
seinen eigenen Worten iiber einen Streit mit einem ungenannten franzdsischen Arzte wegen 
seiner Aretaios-Ubersetzung (p. 1/2 seines Sammelwerkes) den Eindruck eines zwar emp- 
findlichen und vielleicht selbstgefalligen und rechthaberischen. aber auch ernsten und 
strengen Arbeiters gewonnen’, und ich empfehle. um das schwankende Charakterbild 
dieses humanistischen Medizinerphilologen aus Padua festzustellen und sein literarisches 
Portrait aufzuhellen, seine tibrigen Arbeiten der Aufmerksamkeit medizingeschichtlicher 
Forscher zu einer sorgfaltigen Priifung. Ich selber kann in diesem Zusammenhange, wo 
es sich nur darum handelt, quellenmiiges Studium der nachaldinischen Galenkritiker, 
d. h. die Benutzung von Hss. in der Textgestaltung der Epidemienkommentare zu unter- 
suchen, zur Lésung des Problems nichts weiter beitragen, als was ich schon bei einer 
anderen Gelegenheit betont habe*, da Crassus d. A. mir von den Ubersetzern der Kom- 
mentare Galens zu Epid. VI der sprachlich faihigste zu sein scheint, der aber ebenso wie 
vor ihm Vassius in Paris und nach ihm Rasarius in Venedig nur auf sein divinatorisches 
Ingenium angewiesen war, als er daran ging, seine Ubersetzung aus den ihm vorliegenden 
Druckausgaben herzurichten. Mein Urteil tiber Crassus als Konjekturalkritiker gilt es im 
folgenden an einer Reihe ausgewahlter Stellen ausfiihrlicher zu begriinden. 


Sind auch in meiner bisherigen Erérterung tiber U schon manche Lesarten des Crassus 
erwihnt worden, so handelte es sich doch dabei in erster Linie nicht um ihn selbst und 
die Entstehung seiner Ubersetzung, vielmehr dienten sie dem Zwecke, das Verhiltnis 
zwischen U und der Aldina zu erliutern. Wer den griechischen Text in Ktnns Ausgabe 





1 Diesem Urteile widerspricht die kurze Bemerkung Hunes nicht, des jiingsten Herausgebers des Aretaios: 
CMG Il: Aretaeus. Ed. Carotus Hupe. Lipsiae et Berolini in aedibus B. G. Teubneri. MCMXXUI Er nennt 
in der Praefatio p. VII Junius Crassus nur als ersten lateinischen Ubersetzer (Venetiis 1552), ohne auf den 
oben erwihnten Gelehrtenstreit einzugehen oder iiberhaupt die Arbeit des Crassus am Aretaios zu beurteilen. 
Aber anch so sieht man doch aus seiner Adnotatio critica, da8 Crassus in seiner Ubersetzung zuweilen allein 
die richtige Lesart wiedergibt, wo alle unsere Hss. und Ausgaben anderes bieten. 

2 Eine kurze vergleichende Charakteristik der drei Galeniibersetzer Vassius, Crassus und Rasarins habe 
ich in einem sogleich noch einmal aufzunehmenden Aufsatze in den Abhandl. der philol.-histor. Kl. der Sachs. 
Akad. d. Wiss. Bd. XX XIX. Nr. 1, Leipzig 1928, S. 7! versucht. 


Beitrage cur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 45 


mit der der Chartierschen Edition nachgedruckten Ubersetzung von Crassus vergleicht, 
dem wird eine tiberraschend groBe Zahl von Abweichungen auffallen und unter diesen 
so viele teils véllig richtige, teils weniger unrichtige Lesarten, daB man sich versucht 
fiihlen kann, sie nicht nur aus einer griindlicheren Beschiftigung mit unserer einzigen 
Hs. U, die, wie gezeigt. von den Aldusmannern nur fliichtig und mangelhaft bearbeitet 
werden konnte, sundern sogar aus einer anderen Uberlieferung als U herzuleiten. Daher 
kommt es mir jetzt darauf an, eine méglichst genaue und sichere Erkenntnis der Grund- 
lage seines Werkes zu gewinnen und vor allem die Frage zu beantworten, ob Crassus 
Hss. benutzt hat, sei es U oder gar von U unabhangige. Von den verschiedenen Gruppen, 
die sich aus der Verbindung von Hs.. Erstausgabe und Ubersetzung entweder in Richtigem 
oder Unrichtigem ergeben, erwilne ich zuerst die beiden Fille der Whereinstimmung aller 
drei Elemente. sei es in richtigen oder falschen Lesarten. Da hier natiirlich von dem 
positiven Falle abzusehen ist, daB Crassus den Text ebenso richtig iibersetzt, wie U und 
die Galenaldina ihn bieten. darf ich mich sofort zu dem entgegengesetzten wenden, daf 
ndmlich alle drei im Negativen tibereinstimmen. In diesem Zusammenhange sei es mir zu- 
nichst erlaubt, ein paar Stellen zu behandeln, an denen Crassus mit seiner Ubersetzung zur 
Heilung des verderbten Textes nichts beitrigt, weil er die Verderbnis mit der Hs. und der 
Druckausgabe bewahrt. Die Abschweifung vom Thema wird zwar Crassus und sein Werk 
iiber einige Strecken unseren Blicken entziehen, aber auf den Gang der Abhandlung von 
vornherein aufmerksam gemacht, mége der Leser um so williger mitgehen, als er aut diesen 
Nebenpfaden weder von Crassus noch von anderen Galeniibersetzern und -kritikern ge- 
klarte Verse in neuer Textgestalt kennenlernen und von ihnen auf den Hauptweg zur 
Beantwortung unserer Frage, wie tiber die Benutzung von Hss. oder Drucken dureh Crassus 
zu urteilen sei, sicher zuriickgefiihrt werden soll. 


Ich beginne mit einem von denselben Zitaten, deren ausfiihrliche Erérterung mich 
iiberhaupt erst zu dem Urteil tiber Crassus und seine Arbeit an den Epidemienkommen- 
taren Galens veranlaBt hat. Als ich vor kurzem Galens Deutung des hippokratischen Aus- 
druckes meupryadees mupeTo! aus dem ersten Kommentar zu Epid. VI (8. 871, 12 K.) nebst 
den zur Erklirung dieses Adjektivs vom Interpreten angetiihrten Verszitaten tiber die dunkle 
Glosse méudi€ untersuchte', habe ich in meiner Auseinandersetzung des sechsten Zitates, 
a.a. QO. S. 21". auch seine verballhornten Wiedergaben durch die drei bekannten humanisti- 
schen Mediziner nicht tibergangen, um die tiberragende Stellung der von Franz Prarr er- 
schlossenen Bearbeitung des Hunain ibn Ishaq vor den lateinischen Ubersetzungen auch fiir 
Epid. VI an neuen Proben zu beleuchten und den Wert der indirekten Tradition aus dem 
Arabischen selbst fiir Nichtmedizinisches klarzustellen. Die in Frage stehenden Sitze lauten 
bei Crassus: Pro gutta autem idem (nimlich Aeschylus hance rocem mréudeyos) uccepit in Prometheo: 
Bene cave, ne tibi incidat | Pemphia: amara enim et pro vita halitus (mit Drucktehler fiir 
et non pro)”. Zum Beweise, da dem Paduaner keine andere Uberlieferung zu Gebote 
gestanden hat als die fehlerhafte, die im wesentlichen sogar noch tiber Bexttey und Gort- 
rriep Hermann hinaus giiltig geblieben ist. kann die Vergleichung mit U und der Galen- 
aldina dienen. Uber die Bedeutung 9 wéugi&: 4 pavis heiBt es in U (S. 880, 10 K.) émi de 
ths pavitiwos (pavidos verbesserte Bextiey) 6 aités dyow (niimlich 6 AiayvAos) év mpo- 
unOet’ éEevAaGou de pi} oe TpoaPadAn (zrpooPaAnc verbess. Casaubonus und Gorter. Her- 





' Diese schon in der vorigen Anm. gemeinte textkritische Untersuchung habe ich unter dem Titel: 
»Dichterzitate in Galens Erklérung einer hippokratischen Fieberbezeichnung« als des XXXIX. Bandes der 
Abh. d. philol.-hist. Ki. d. Sachs. Ahad. d. Wiss. Nr.r, Leipzig bei S. Hirzel, 1928. veréffentlichen diirfen. 

2 Unabhangig von Crassus schreibt Vassiius (p. 500) am Ende des zweiten Verses et non ad vitam vapor. 
Rasarius aber wahrscheinlich in dem Streben. die Cbersetzung des Crassus stilistisch zu glitten. ¢¢ letales halitus. 


1, Crassus uber- 
cinstimmend 
mit U und der 
Galenaldina in 
unrichtigen 
Lesarten: 


Neuer Heilungs- 
versuch an 
einem Zitat ber 
die Glosse méu- 
dé aus Aeschyl. 
Frem, 206 N, 
mittels der Uber- 
setzung 
Hunains in H. 


46 E. WENKEBACH: 

MANN) OTOua | weugiE? wWikpa yap Kai ov dia Cwns atpot. Auf Grund der arabischen 
Ubersetzung Hunains, die von Prarr aus H verdeutscht lautet: »denn er (der Tropfen) 
ist bitter und sehr verderblich«, und aus eigener Vermutung hatte ich a.a.O. S.21f. dem 
letzten Satze folgende sinngemiBe Fassung gegeben: mikpol yap KovAoe Cddns atpol. 
Aber von Ewaurp Brean in einer schriftlichen Nachricht aut den metrischen AnstoB am 
Schlusse des Verses aufmerksam gemacht, halte auch ich jetzt arpoié nicht mehr fir heil 
und ebensowenig at pis, obwohl das Feminin die Verbesserung der handschriftlichen Lesart 
Tikpa yap kai ov Oia in wWikpa yap KovAia erleichtert. Zur Verteidigung von atpol oder 
avpis wird man sich nicht auf Verse berufen wollen, wie diese: Prom. 488 f. yapyovu- 
yov Te TTHOW oiwvev oKEbpas | Owpioa — Sieben 71f. pp por TWoAW ye Tpéuvobev Tav- 
wAebpov | ExBauvionre — ebenda 535 @pas dvovons, Tapdus avtéd\dAovaa OpiE — Choeph. 
1056 ék Ta@VvOe TOL TapayHos és Ppévas TitveE (vgl. Soph. Ai. 300) — Sieben 18 dzravra 
Tavookovoa twawelas OTAOv — Ag.1045 @mol Te CovAOIS TavTa Kai Tapa oTAaOunY — 
Choeph. 204 opixpov yévort’ av o7réppatos wéyas mwvOunv (vgl. auch V. 260 und zur 
Quantitit des v s. Gusrav Meyer, Griech. Gramm.3 8.117 u. rijatos) —— Prom. 198 aAyos 
6€ ovyav, wavtaym Oe dvoToTpa (vgl. Kinver-Buass, Griech. Gramm. I, 1 S. 558. Anm. 3) 
oder endlich Pers. 375f. vavBarns tT avnp | tporotvto Keémnv oKadpov aud’ etipetpov. 
Denn hier ist tiberall der vor muta cum liquida nicht gelingte Vokal entweder zweifellos 
oder wahrscheinlich nach der Wortbildungslehre kurz, dagegen fordert die Etymologie 
des Wortes atpoi oder atpis in dem oben zitierten Verse des Aischylos, worauf ich zu 
einem anderen Zitat in meinem Aufsatze (vgl. a.a.QO.S. 11 Anm.1) zufallig schon selber 
hingewiesen hatte, das a als sichere Linge zu messen. Deshalb wollte ich dort den im 
6. FuBe des jambischen Trimeters unzulissigen Spondeus durch den Pyrrhichius ersetzen 
und a@tpoi in adi andern und dachte den Fehler daraus zu erkliiren, da® das tiber CdAns 
aA tibergeschriebene Glossem aAune in vorntiber geneigter hyzantinischer Minuskelschrift 
leicht zu a@rpoi (oder atpis?) verlesen ward und so die urspriingliche Lesart aus dem 
Texte verdringt hat. Ob man die Unvollstindigkeit der arabischen Ubersetzung auf eine 
Liicke in der Hs. H zuritckfithren soll oder auf eine Verlegenheit Hunains gegeniiber 
einer vielleicht schon in seiner Vorlage gefundenen Verderbnis, li®t sich nicht entscheiden. 
Jedenfalls hat er aber den Anfang des zweifelhaften Satzes, wie mir scheint, richtig auf 
mwéugié bezogen, womit die Uberlieferung in U mupd und das aus ovAfa verschriebene 
ov da tibereinstimmt. Daher kénnte man vermuten, da8 der schlieSende Trimeter dieses 
Zitates so zu schreiben sei: méupig mikpa yap xai obAia Cadns adi. In dem ganzen 
6. Zitat der méudié-Verse aus dem von Galen benutzten Lexikon méchte somit eine 
Mahnung des Prometheus an seinen Retter Herakles aus der Tragédie [pounOevs dvd- 
pevos des Aischylos zu erkennen sein. bei dem Abenteuer mit Atlas sich vor Spritzern 
des Wogengebrauses wegen des schadlichen Salzes zu hiiten. Obwohl das Himmelszelt 
seinen »Triiger«, als welcher Atlas einen ebenso redenden Namen fiihrt wie Tantalos, 
nur in der Mitte haben kann, ward er doch mit der Gétterwohnung nach Westen an 
das Meer versetzt. »So kam es«, wie Wiamowirz in seinem Kommentar zu Euripides’ 
Herakles V. 394, Bd. II? 8.97 schreibt, »zu der kiimmerlichen Vorstellung, da® Atlas 
nur die Sdulen, d. h. die Grenzsteine zwischen Himmel und Erde, am Rande der Welt 
bewacht«. Da hier aber der Ozean mit seinen Schrecknissen ihn umbraust, kann Herakles 
als Uberwinder des Atlas vom gelésten Prometheus in der gleichnamigen Tragidie des 
Aischylos mit den durchaus angemessenen Worten mixpa yap xovAla CdAns avd vor 
einer auf ihn lauernden Gefahr gewarnt worden sein; auch wird erst so die Wahl des 
Ausdruckes in der ersten Satzhalfte (ordua) recht verstndlich: é€evAaBov sé un oe 


Beitrage zur Textyeschichte der E pidemienkommentare Galens. II. 47 


TpooPdrn ortdua réudiE, worin also otéua im eigentlichen Sinne als der Mund 
zu verstehen ist, nicht wie oftmals das lateinische os als das Antlitz nach der Figur. 
die als pars pro toto bekannt ist. aufgefaBt werden darf. Die beiden Begriffe oroya 
und CdAns @As fir aAuy bedingen einander, wie mir scheint, so notwendig, dali man 
von dieser Beziehung aus vielleicht sogar einem paliographischen Einwande begegnen 
kénnte, den ich selber wegen der doppelten Anderung und der weiten Entfernung von 
den iiberlieferten Schriftztigen als begriindet anerkenne. Ich bestreite nicht, daB die Kon- 
jektur GdAns aAi fir Cons aryol an iuGBerer Probabilitit dem Ersatze von kai ov it durch 
kovMia weit nachsteht. Féllt also die Unahnlichkeit beider Schriftbilder und die kiinst- 
liche Erklarung des Ursprunges unserer Textverderbnis so schwer ins Gewicht. da man 
ihretwegen glaubt, den Vers ablehnen zu miissen, biete ich zuletzt noch ein in seiner 
Form weniger bedenkliches Mittel zur Wiederherstellung des schadhaften atpyoi strenger 
Priifung dar. Sollte der Vers nicht geheilt sein, wenn man liest: wéudiE: mixpa yap 
KkovAla Cons axune? Diese Anderung laBt das in U stehende Cwys unangetastet und 
schmiegt sich mit akuye enger an das iiberlieferte a@ryol an als GAt. Der metrische An- 
stoB an der falschen Uberlieferung wird durch dkpye nicht minder leicht aus dem Wege 
geriumt, weil muta cum liquida in ihm ebensowenig Position macht wie in dem vorher- 


gehenden mpd. Uberdies ist, ob aku etymologisch zu @kpos und @kyuov (iiber deren 
a@ vgl. Gustav Meyer, Griech. Gramm.’ S. 99) gehdrt oder nicht, jedenfalls die Tatsache 
anzuerkennen, da die Tragiker es gern, wenn auch in anderer Bedeutung als hier, und 
zwar fiir kapds, im 6. FuBe des jambischen Trimeters gebrauchen, wie z. B. Aischylos 
selbst Pers. 406,7 kai pay map nuov [lepaisos yAooons pdbos | irnvtTiate, KovKér’ iv 
uérrew aku oder Ag. 1353 WudiGoual te dpav: TO wi wéAAew O° akun’. Was nun den 
Inhalt des neuen Verses betrifft, so bedarf zu seinem Verstindnis der gew6hnliche Dativ 
wie bei den Verben des Niitzens oder Schadens, so auch bei den entsprechenden Adjek- 
tiven (vgl. Ktaner-Gertu, Griech. Gr. II*, 1, S. 415/16) keines Beleges; trotzdem mége zum 
Zeugnis dafiir, daB selbst die Adjektive des Stammes oA- nicht nur mit dem Genetiv 
hier und da verbunden erscheinen, wie z. B. in den Worten der Kassandra Ag. 1156 
im ydpo yduot Tapisdos 6XE€Optoe Pidwv, sondern nach der tiblichen Rektion auch mit 
dem Dativ, eine Stelle aus den Fragmenten des Herakleitos angefiihrt werden, zumal sie 
mir in unserem Zusammenhange um des Gedankens willen noch erwahnenswerter scheint: 
Fr. 61 (52) in Diets’ Vorsokratikern I? S. 70, 20 OdAacoa vowp Kafapdtarov Kai mia- 
poTaroy, iyOvo. pev TOT OV Kat TwTIpLOY, avOpwrots d€ amotrov kat 6XEOpiov. Die 
Todlichkeit des beiBenden Tropfens beziehe ich auch bei der neuen Versgestaltung auf 
das Meerwasser des Okeanos, das hier als verderblicher als das gewéhnliche Meerwasser 
vorgestellt werden mu, wenn Prometheus seinem Retter Herakles von ihm sagt, dali 
es dem in der Bliite und Kraft stehenden Helden gefihrlich werden kénnte. Deshalb 
diinkt mich auch die Wortyerbindung (7éudiE) otAla Cons axpne fiir die oben bezeich- 
nete Situation durchaus passend. Zur Stiitze fir Gems axum will ich nicht unterlassen. 
auf das Alteste mir bekannte Beispiel der gleichbedeutenden oder sinnverwandten Wort- 
verbindung év Biov axpie hinzuweisen: aus Empedokles’ Buche [lept @vcews lautet Frag- 
ment 20 (in Diets’ Vorsokrat. I’, 180, 4): TovTo pev av Bpotéwv ped€wv apieikeTov OryKov’ | 
dddore pev Pidtnte cuvepyopev’ eis ev anavta | yuia, TA Opa Nédoyye, Biov aréOov- 
Tos év akpne'|addoTe & adte kaxgor OiatpnOevt’ Episecor| mrAdlera avo’ exaora Tepip- 
pnyyive Bioww. Ist aku im eigentlichen Sinne Scharfe und Schneide und von hier aus auch 





1 Andere Beispiele dieses Sprachgebrauches bietet Ewarp Bruun aus der griechischen Tragédie im An- 
lange zu seinen Sophokles-Ausgaben, Bd. 8. Berlin 1899. S. 146, 13. 


cy 


Heilungsversuch 
an Emped. Fre¢. 
B67 D. aus der 
arabischen 
Ubersetzung 
in H. 


48 E. WENKEBACH: 


der Héhepunkt, wie Empedokles axuy als den Héhepunkt des bliihenden Lebens sieht, ver- 
steht schon Aischylos es als die Bliite selbst und mit ihr als Kraft, so daB Gwns akun 
sich nicht wesentlich unterscheidet von tHe THs axuaCovons (d. h. avOovons oder Oare- 
fovons) Gwis ovvduer (oder icy’). Schon der Verfasser der Schrift [epi apyains iat pixijs 
definiert: éxdotou 6€ mavTwv Tov édvTwY inyUpOTaTov f aku. So versteht man leicht 
die Ubertragung auf Krankheiten und Krankheitszufalle, wie Fieber, oder auf das Lebens- 
alter zwischen dem 30. und 40. Jahre, wie denn in der Stufenfolge der Lebensalter z. B. 
in den hippokratischen Epidemien oi axudQovtes den peipdkia folgen. Aus der helleni- 
stischen Literatur sci nur noch eine Stelle um ihres Sprachgebrauches willen angefihrt, 
auch wenn ihr Verfasser den Vertreter der akun Gwis sich mehr als peipdxiov vorzustellen 
scheint: Nymphodoros von Syrakus schreibt bei Athen. Dipnosoph. 1. VI p. 266¢ in seinem 
tns Aoias mapdrdouvs (FHG Il 378) von zwei Chiern vol. II p. 91, 13 Karset: otTos 6 
Apiuvaxos mpexBitepos yevouevos Kadéoas TOV épwpEvov TOV EavTOU Els TWa TOTOV eye 
QUTOL OTL réyo oe TavToV avOpeTreV HydTHoU UddNoTAa Kai CU pol Et Kal Tats Kai Vids Kai 
Ta G\Na TWavtTa: euoi pev ovv ypdvos ikavos BEBlwTa, ov O€ véos Ei Kal akmiy eyes 
tou Cnv. th ovv éotw: avopa oe det yevéoOa Kadov Kayabov'.« Kann ich also auch 
die hergestellte Wendung nicht aus einer Tragédie des Aischylos oder eines andern Tra- 
gikers beibringen, braucht doch m. E. nicht jeder Sprachgebrauch an zwei Stellen belegt 
zu sein, um fiir eine als richtig zu gelten. Mit Riicksicht auf Gestalt und Gehalt des 
Verses méchte ich mich daher bei der Annahme beruhigen, daB Galen entweder seinem 
alexandrinischen Glossenlexikon bester Tradition. vielleicht nach der Art des Didymos, 
oder dem Epidemienkommentar eines seiner Vorliufer. beispielsweise dem des alexan- 
drinischen Empirikers Zeuxis, der ihm auch sonst oft auf dem Umwege tiber den ge- 
lehrten Rufus von Ephesos oder Sabinus bekanntgeworden ist, als erstes Beispiel fir 
die Gleichung méudé : pavis die Worte des aischyleischen [TpounBevs Avdpevos entnommen 
habe: é€evAaBov de wh oe mpooBadrAn oroua | wéugué: mixpa yap KobAla Cons akpne. 
Von dieser durch Hunain angeregten Auffassung des Zitates ist Crassus in seiner Uber- 
setzung ebensoweit entfernt wie Joannes Clemens, der Gehilfe des Editor princeps der 
Galenaldina, oder seine tibrigen textkritischen Zeitgenossen. die um das Verstindnis der 
Verse gerungen, es aber noch weniger erreicht haben als die Aischylos-Kritiker der uach- 
folgenden Jahrhunderte. 

Wie Crassus’ Ubersetzung der wegen der Glosse méudié von Galen zitierten Verse 
in Epid. VI,1 mich davon tiberzeugt hat, daB sie allein auf der Aldina beruht, so bestirkt 
mich in Epid. VI, 2 ein anderes Dichterzitat in meiner Meinung tiber seine Arbeit. Zu der 
Tagebuchnotiz des Hippokrates Epid. VI, 2,25 (V 290,7 L.) Or: év Oepporépan, TTEPEWTEPWI. 
év Tolar de&totot Kai wéAaves Oa TovTO Kai eEw ai préGBes uwaddAov beruft sich Galen in 
seinem Kommentar auf zwei alte Dichter. um die Richtigkeit der Behauptung iiber den 
Ursprung des mannlichen Geschlechtes zu erhirten. Die Stelle ist in U so tiberliefert: 
(S.1002,8) 76 pévTor appev év TO OEE Leper THs ptpas KvicxerOa Kal GAdoL TOV TaAQO- 
tdtev avdpev eipnxaow. 6 pev yap Flappevidys ottws edn: rdeEiTEpoior pEev Kovpous. 
Aaotor & avd Kovpas«, 6 0 "EpumedoxAjs ovtws: »év yap Oeppuotépw TO KaT’ ap peva émAero 
yains.« Kai péAaves Oia TOUTO kai avdpwdéaTeEpoar avopes Kai NayvijevTes UaAAOV. OTL 
O& aAnbés (lies GAnOns) n Tept THS Kpdoews TOU dppevos ws Depuotépov ddEa, TEAéws 6 





1 Charakteristische Belege der Worter dxpy und axuafew aus dem Corpus Hippocraticum liefert das alte. 
immer noch niitzliche Lexikon des Metzer Arztes Anutius Foésius: Oeconomia Hippocratis, Francofurdi. Anno 
S. MDLXXXVIII, p.17. Ich erinnere auch daran, da8 noch die Chronik des Apollodor von Athen die dx 
als die Héhe des Lebens bei Dichtern und Schriftstellern um das 4o. Lebensjabr anzusetzen pflegt. Vel. 
H. Diets, Untersuchungen iiber Apollodors Chronik, Rhein. Mus. Bd. 31 (1876) S. 1 ff. 


Beitrdge zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 49 


AOYos Ev TOS TEpl Kpdoews Uouvnpacw é&elpyaota. Noch unter dem Texte Kinss 
(S. 1002) lesen wir folgende aus der Pariser Ausgabe (IX, 430) nachgedruckte Chersetzung 
von Crassus: Marem sane in dextra uteri parte concipi ct alii ertustissimé ciré textati sunt. Par- 
menides enim ita inquit: »In dextris quidem purros, sinistris vero puellas.« At Binpedocles 
ale: »In calidiore enim parte terrae masculus fuit.« Et nigri ideirco et viriliores viri et 
hirsuti magis. At opinionem de mauris temperatura ut calidiore veram esse exquisite in commentariis 
de temperamentis explicavimus. Was Crassus recht und schlecht itibersetzt. das hat sein 
Nachliufer Rasarius (t. If fol. 134°) wie gewéhnlich bei Dichterzitaten in rhythmisierte 
Rede wmstilisiert, wobei er aber unmethodisch ganz nach Gutdiinken verfihrt: so hat er 
das Wort des Parmenides (S.1002,12) in U de&:tepotor prev Kovpous, Naoto 6 av Kovpas 
aus seiner Druckvorlage zu cinem daktylischen Hexameter zurechtgemacht, indew er das 
Fillwort texeras zu puellas hinzutiigte, aber wahrscheinlich auch die von Driers in den 
velumbis versus« des Fragm. 17 (Vorsokrat. f S.124,19) tibernommenen Anderungen Karsrrss 
de&itepowrw fiir deErrepotoe und 6€ tiir oO av stillschweigend vorwegnahm. und ehenso hat 
er den Vers des Empedokles mit  »dichterischer Freiheit«. doh. hier mit barer Willkiir 
umgeformt: ae Parmenides quidem sic: »Dextra foret pucros, tencras pars lueva purllta.« 
Emprdocles quogue his verbis: » Quae calet, est maribus tellus magis apta creandis.« quam 
ab rem & nigri, GF magis viriles, mugisyue hirsuti viri sunt. AML dies, was wir bei Rasarius 
und Crassus lesen, geht m. E. iiber die Aldina nur aut das Zeugnis von U zuriick. Wahrend 
der Versiticator Rasarius noch weniger als sein gelehrterer Vorgiinger Crassus uns hier eine 
andere handschriftliche Quelle als U erdffnet hat. miissen wir dagegen in II cine neue 
Uberlieferung des empedokleischen Bruchstiickes anerkennen. Mein fiir die Textkrituk 
hoffentlich nicht unergiebiger Versuch betrifft allein das Fragment B67 (Dirts) aus dem 
Lelrgedichte des Dichterarztes Empedokles. La®t Hunain, was den ersten Satz des Zitates 
angeht, in seiner arabischen Wiedergabe deu minnlichen Embryo aut der wirmeren Seite 
wohnen, so zeigt mir Prarrs wortliche Ubertragung »der mdiiliche Embryo war anf der 
wdrmeren Seite wohnend,« daB der \raber mit den beiden Worten »iwar wohnend« zwei 
Worte des Empedokles wiedergibt. und zwar nach meiner Deutung dieser neuen Uber- 
lieferung nicht das einfache Pridikatsverbum eva, sondern. da der Dichter den verbalen 
Begriff selbstiudiger gemacht oder nachdriicklicher betont hat, seine Umschreibung mit 
dem Partizip des Priisens: éwAeto vawv. Die gesamte Literatursprache der Griechen von 
Homer iiber die attischen Tragiker zu den Philosophen. Geschichtschreihern und Rednern * 
bietet zahlreiche Beispiele dieses Sprachgebrauches. besonders wenn das Partizip in der 
Weise eines gewdhnlichen Adjektivs dem Subjekt eine bleibende Eigenschaft oder einen 
dauernden Zustand beilegt'. Haufig erscheint zwar méAew oder weAerbar wie yiyverbai 
nach der Art von evar schon bei den philosophisehen Dichtern der vorsokratischen Periode 
mit einem Subjektspridikativum versehen. aber in den Fragmenten des Empedokles ist 
leider doch kein Beleg fiir den Typus €wAeto vatwy erhalten. Trotzdem bin ieh itber- 
zeugt, dai die Ausdrucksweise des Empedokles hier nicht anders zu verstehen ist als 
z.B. W69 evdes, avtrap éueto Aehaoevos émrev, AyaAdev; So sind wir durch dic palao- 
eraphisch nicht schiwierige Anderung vat@v von dem sachlich hier unstatthaften yaijs 


1 Diese Ausdrueksweise evlautert Ktuxer-Gerrnu. Griech. Gramm. IT. 1. 8. 38th, ver allem in Anm. 3, 
an zahlreichen Beispielen von Homer bis Demosthenes. Die Tatsache. daB diese umschreibende Redeweise 
auch dem Stile Galens nicht fremd ist (vgl. z.B. Geore Hetureircu im giammatischen Index des zuerst er- 
schienenen Bandes der neuen Galenansgabe im CMG V 9.1 p. 473. wo unter Partizipium ziemlich viele Beispiele 
allein aus Galens Kommentaren zu [epi éairns ofeov angefiihrt werden) und sogar von Hunain in seinem Uber- 
setzungsstile nachgeahimt worden ist, hat es mir erméglicht. eine bisher ungeheilte Stelle aus dem Proéminin 
seiner Epidemienkommentare wiederherzustellen. Vel. dariiber Abh. a. PreuB. Ahad. d. Wiss. rg18, phil-bist. KL. 


Nr. 8, S. 25/26. 
Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9 


e 
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30 E. WENKEBACH: 


hefreit, das allerdings Crassus so wenig Sorge gemacht hat wie den tibrigen lateinischen 
Uhersetzern. mit dem aber die Sammler der Bruchstiicke des empedokleischen Lehrgedichts 
von Karsten bis Drers sich immer wieder zu schaffen machten, indem sie es bald in 
yaotpos. bald in yaoryp verwandelten. Wiahrend also die modernen Kritiker die Er- 
wihnung des Mutterleibes im Versende als notwendig erwarteten. hat Iunains Ubersetzung 
mit Sicherheit, wie ich glaube, gerade in dem fraglichen Punkte alle bisherigen Herstellungs- 
yersuche dieses Verses erledigt. Ihr widerstrebt nicht nur Inhalt und Form des Verses. 
wie Srrox Karsten in Empedoclis carm. reliqu., Amstclodami 1838, p.124. fragm. 264 
mit seinem Vorgiinger F.G. Srurz ihn bot: év yao Oepyotépm TO Kat’ appeva  emdETO 
yaortpos', und wie der Gehalt, so die Gestalt. die nicht minder miSfillig Hersricn Stery in 
Emped. Agrig. fragm., Bonnae 1852, p. 66, fre. 276 ihm zu gehen wagte: év yap Geppotépw 
appev O€sas emdeto yaoTpos, auch die wegen der cinleuchtenden Probabilitit des 
Gedankens wohl allgemein angenommene Versform, die Icrmans Diets in seinen Fragmenten 
der Vorsokratiker 17, Berlin 1906, 8.193, Fragm.67 aus seinen Poet. Philosoph. Graec. 
Fragm., Berol. 1901, p.133 so wiederholte: év yap Oepuorépwr ToKas appevos EerdeTO 
yaorTp, stimmt in einem Begriffe, so glinzend gerade er auf Grund der Erklirung Galens 
(S,1002.8) TO pévTor dppev év Ta dcE@ pepe: THS pHTpas KuioKedOal Kai GAXAOL TOV 
TradaoTaTwv avopev eipjkacw aus den entstellten Schriftzeichen der Uherlieferung wieder- 
gewonnen schien, mit der Ubertragung Hunains dennoch nicht tiherein. Wer diese als neue 
Uberlieferung gelten laBt, wird nicht zigern, selbst yaot#p preiszugeben und das in U ge- 
schricbene yadys? durch vaiwy zu ersetzen. Es scheint mir aber auch wichtig, da® man, 
um unsere direkte byzantinische Uberlieferung in genauen Einklang mit der jiingst ent- 
deckten indirekten des Arabischen zu bringen. den neuen Begriff des Wohnens nieht mit 
Willkiir in den der Wohnung verkehren dart. Diesen Irrweg bin ich sclber zuerst gegangen. 
indem ich aus dem in U iiberlieterten ro kav ein Wort fiir Behausung herstellen wollte. 
Da mir T07r0s trotz der zu Fragm. 30 des Archytas gegebenen Definition aus Simpl. Ph. 467, 26 
(in den Fragm. der Vorsokrat. I? $S.257.20) éo7e dé TOTrOSs TO ev @ COLd EoTW ij OUVAT 
av eivae der nach der feinen Kritik des Aristoteles als Rhetorik emptundenen Darstellungs- 
weise des sizilischen Dichterarztes selbst in einem Lehrgedichte [epi dicews als zu wenig 








1 Karsten will in seiner Versform den Gedanken ausgedriicht finden. daB in dem wirmeren Teile des 
Matterleibes der fiir das minnliche Geschlecht bestimmte Ort ist. Aber seine Erklirang im Comm. p. 241 
ro Ket’ éppeva (yopiov) scheint mir, wie unten auseinandergesetzt werden soll. fir den Stil des Empedokles 
unangemessen, und ich wundere mich. wie Emiio Boprero, Id principio fondamcntale del sistema dé Empedocte, 
Roma 1904. p. 41. frgm. 332, trotz Drers in offenbarem AnschluB an Karsien tibersetzen kann: poche nella 
parte piu calda del ventre é il luogo per i maschi. 

2 Die Verderbnis am Versende in yafys halte ich fiir alt und tinde einen Beweis dafiir in der Tatsache, 
daB schon Joannes von Alexandreia. ein wahrscheinlich mit Palladios gleichzcitiger medizinischer Sebriftsteller 
des 7. oder 8. Jahrhunderts, in seinem Kommentar zu dem angefiilirten Hippohrateslemma den Vers des Par- 
menides zwar aus seinem Galentext iibernimmt. aber die Verse des Empedokles nicht zitiert. Wir lesen niim- 
lich in der yon Crassus in seine Palladios-Ubersetzung eingeschwiarzten Einlage. die zweifellos aus den Scholien 
des genannten Iatrosophisten herstammt, zum AbschluB einer langeren Erorterung iiber die Entstehung der 
beiden Geschlechter in Crassus’ Sammelband (Medici Antiqui Graeci. Basileac 1381. p. 203 CD) folgendes: Hae 
sunt igitur omnes causae, ab quas mares in dextris, foeminac in sinistris partibus ortantur, Et huius rei fidem a 
pastoribus accipe. Siquidem oves ¢° caprae geminos fortus ediunt. 6 cum preqgnantes fucrint cas in dextris mares. 
in sinistris focminas gerere inveniemus. Et hoc idem Parmenides affirmacit inguiens, In deatris qui- 
dem pueros, in sinistris vero puellas. Cacterum quandoque (licet raro) Gin sinistris mares seed 
fueminae, & in dextris foemine, quemadmodum ¢, mares, procreantur. Quare “Hippocrates ierian studens, haec 
verba adiecit, Quoniam in calidiore firmiorum. Sed alii dicunt, quia in calidiore Jirmiora. quocirca cum in caelidioré 
loco fiant dextra, ideo firmiora sunt. At Galenus non tta dirit, sed in calidiore quia Gy firmiore: quoniam dextraé 
partes calidae GF firmae sunt; & fortes & nigri capilli. Da also schon im 7- Jahrhundert das Empedokles- 
zitat in manchen Galenhss. entstellt und unverstandlich war, Lat Joannes von Alexandreia es feleohetateh 
vorgezogen, es auszulassen. 7 


a 


Beitrége zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 5] 


anschaulich nicht recht angemessen erschien, wollte ich es zuerst, von der Hesychglosse 
doyovs’ Coyeia., AovTHpas ausgehend, unter der Annahme, daS nicht nur Beliilter oder 
Badewannen gemeint scien, sondern doyerov auch fiir mavdoxeiov gebraucht sein kénne, 
durch doyos als Bezeichnung der Herberge ersetzen, bin aber von der Wahl dieses Wortes 
zuriickgekommen, weil alle Zeugnisse ftir seinen poctischen Gebrauch, vorausgesctzt, dab 
es solche tiberhaupt gegehen hat. verschollen sind. Auch A€yos oder das gewihltere 
Adyos, womit passend das Verbum AoyaGeo Gar bei Empedokles selbst in Fragm. 84,8 (Vor- 
sokrat. I? 8. 196,36) von dem hinter der Pupille des Auges in IHiillen sich bergenden 
Feuer verglichen werden kénnte. schien mir nicht in Betracht zu kommen, da Hunain 
weder vom Bette noch Verstecke als einem bergenden Raume fiir die Leibestrucht spricht. 
So habe ieh dann Dirts’ mich immer noch bestechenden Vers év yap Gepuotépw ToKas 
adppevos erdeto yaotnp der arabischen Ubersetzung anzunihern versucht und glaubte. 
durch den Ersatz von toxés durch éddmos (oder tTéyos oder sonst cin sinnverwandtes 
Nomen, das in den Vers paft) das Urspriingliche erreicht zu haben: év yap @Geppotépar 
duos appevos érAeto yaoTHp. Das homerische doduos ist auch in einem Verse der 
KaSapuoi des Empedokles aus den Voll. Hereul. N.1012 col.18 ans Licht getreten: frgm. 142 
(Vorsokrat. I? 8.215.7) Tov & ov? ap re Aws téyeot Copor aiyiwyo.o | TEprr01) av ovclé) 
daivis ‘E)kat)ns Téyos (ijdcrorowov). Aber so haufig bei Homer auch Wendungen sind 
wie év Aiéao Comoro oder so naheliegend bei ihm auch der Gebrauch des Wortes zur 
Bezeichnung der Schafhiirden. des Wespennestes oder Bienenbaues erscheint, einen Beleg 
fir die Ubertragiung von dopos vermag ich weder bei Empedukles noch bei anderen 
Dichtern nachzuweisen; daher mubte ich mich auf die Feststellung beschrinken, dal schon 
im Sprachgebrauche der Vorsukratiker wenigstens Beispiele ftir eine Ablniiche bildliche 
Ausdrucksweise nicht fehlen, wie z.B. Demokrit schreibt Frgm. 171 (Vorsokr. [? S. 416,16) 
yoy] oikntiptov Caiwovos, dem Odpos (oder Téyos) appevos yaorHp entsprechen 
wiirde’. Allein die eindringliche Mahnung meines arabistischen Mitarbeiters Prair. der hei 
wicederholter Priifung der Lesungen seiner Hs. IZ immer wieder betonte, da der Satz im 
Arabischen deutlich lesbar, verstiindlich und vollstindig sei, an keiner Stelle also die 
Annahme einer Liicke zulasse, rief mich von den beschriebenen Irrgingen zuriick und 
gebot mir, nicht nur bei dem Versschlusse éwAeTo vatwy zu verbleiben, zumal wir den 
Empedokles auch im Antange seines Stihneliedes, in dem GrufBe an seine Mithtirger 
(Fragm. 112, Vorsokrat. I? S. 205,8 @ pro. ot heya aot Kata EavOov Axpdyavros | vader 
aw apa mONE0S, aryablov pededijpoves Epyov, | Setvev aidotot Ayeves KAKOTHTOS + drreipot, | 





! Zur Porbemetnne meines Vorschlages wollte Franz Prarr das in U stehende + To Kat’ cppeve Lewaliren 
und nichts weiter als yatys Hndern: éy yep depporépat TO Kav ap pe Va érAeTo Copa oder VULOV, inde Mh er aus 
Scheu vor meiner dreifachen Anderung des tiberlieferten Verses seinen Autor dadureh zu Ehren zu bringen 
hoftte, daB er das Subjekt des Satzes entweder in dem Begriff Wolhnung oder nach meines Kritikers eigenen 
Worten in dem fand. »was sich zum miannlichen Embryo bildete. Aber so ers'rebenswert auch mir jede Ver- 
einfachung einer Wirderlerstellingsarbeit erscheint, die Worte 16 kat dppeva éxXeto Cua vder vuioy leiden an 
mehreren “unertraglichen Miangeln ‘und Fehler, von denen ich nur die folgenden hervorheben will: den an 
der Koine auch auBerhalb der philosophischen Ausdrucksweise immer w eiter wuchernden Ersatz rein hasueller 
Abhingigkeitsformen durch pripositionale Umschreibung (vgl. die reichen Belege fiir diese Sprachneiguug in 
Win. Scraps Atticismus. Bd. TV. Stuttgart 1896, Ss. 613 und 624, ebenda auch gerade mit Bezug auf xtra 
statt des bloBen Genetivs) wird man um so weniger fiir den Stil des Dichters Empedohles hier beanspruche ra 
wollen, als unser Brispiel dieser Spiiteren Vorliebe einen Hiat schafft, den er an den jibrigen fiinf Stellen 
seiner Fragmente vor éxAero im fiinften FuBe des aus dem Epos iibernummenen Versbaues gerade naeh dem 
Muster Homers vermeidet: es kommt noch hinzu., daB édpa, wenn auch bei den Alteren éfter ohne wesent- 
lichen Bedeutungsunterschied mit éésos. dem Ausdrucke fiir das abgesonderte Gemach, gleichgeset/t. doch gern 
den den dieliien C6 p10 iibergeordneten Begriff bezeichnet: endlich hatte mein Mitarheiter sich tiberhaupt nicht 
verlocken lassen sollen, das Verbum am Versende preiszugeben, zumal er von der Unverselirtheit des arabi- 
schen Textes fest iiberzengt war, sondern, freilich wieder mit doppelter Neuerung, den Vers ev yap Gepuoreper 
Séuas Uppevos Exdero vaiov vorziehen dilrfen. 


2 E. WenkEBACH: 


XK MipeTe), noch das homerische vatew gebrauchen sehen, ich fiithlte mich auch verptlichtet, 
in weiterer genauer Entsprechung des von Hunain Wiedergegebenen in dem verderbten 
TO Kat dppeva das Subjekt des arabischen Textes zu suchen und die Bezeichnung des 
minnlichen Embryo in den Worten tékos appevos anzunehmen’. Die Anderung des 
iiberlieferten TO Kar in ToKos ist zwar nicht ganz so leicht wie in das von Diets in den 
Text eingesetzte tokas, sie wird aber, wie mich diinkt, durch den Gedanken des Arabischen 
eefordert, auch wenn mir das Wort T6kos bei den philosophischen Dichtern der vorsokratischen 
Zeit nur im eigentlichen Sinne vom Gebiiren oder der Geburt, nicht von der Nachkommen- 
schaft begegnet ist. In der letztgenannten Bedeutung mu8 es jedoch mit seinem Synonymon 
schon O 14of. apyadéov 6€| ravteav avOperev pica yeveiy Te TOKOY Te oder mit Bezug 
anf die Brut des Adlers 0175 €A@@v (nimlich 6 aieTés) é& dpeos, Of: oi yevel] Te TOKOS 
te verstanden werden, um auf den gewodhnlichen Sprachgebrauch der Tragédie nach dem 
Typus Oicirov toéxos (Aischylos Sieben 372) nicht weiter einzugehen. Zum Beweise 
dafiir, daS Empedokles hier téxos Gppevos anstatt aopyv tdéxos zur Bezeichnung des 
minnlichen Embryo habe sagen kénnen, braucht es auch, wie ich glaube, nicht des 
Jlinweises auf Stellen. an denen der Genetiy eines Substantivs mit einem Adjektiv wechselt, 
wie z.B. Cie. de fin. V28, 84 honesta oratio. Socratica, Platonis etiam, eine Wortfiigung, 
die wohl auch im Griechischen als Adyos kai Lwxpaticos kai oy Kai MAdtovos oder um- 
gekehrt als Adyos kat Lwxpdrovs kai On «ai MAat@vds nicht unmdglich wiire?; denn 
yorausgesetzt, da Empedokles in dem Zusammenhange. dem das Zitat entstammt, einer 
Erorterung tiber die Bildung des Geschlechtsunterschiedes. ro dppev und To 6ijAv einander 
entgegengesetzt hat, konnte ihm daran liegen, lieber Tékos appevos als TéKos appny 
gu sayen. Fiir den Sinn des Satzes verschligt es natiirlich nichts, ob wir zur Bezeichnung 
des (ieschlechts den Genetivy des substantivierten Neutrums oder das im Kasus seinem 
Substantiv angeglichene Adjektiv lesen. Der Gedanke ist nicht mi®verstindlich, wie ja 
auch der Anfang des Verses év yap Gepuorépa seine notwendige und klare Erginzung 
péper THS pujTpas aus dem Zusammenhange der Darstellung empfingt. Mit dem Ende des 
yon Dirts und mir verbesserten Verses endet seit der Galenaldina in unscren Ausgaben 
und lateinischen Ubersetzungen zugleich das Zitat; aber der arabische Ubersetzer und 
die Sammler der Bruchstiicke von Empedokles’ Gedicht [epi @’oews haben es, wie schon 
der Rhythmus ergibt, mit Recht um anderthalb Verse weiter erstreckt, da auch der niachste 
Satz nicht Galen, sondern Empedokles gehért. Auch der zweite der zitierten Verse, der 








' Nur beiliufig seien einige Beispiele fir die Verwechslung der Buchstaben os und @ aus U und der 
Aldina zusammengestel/t. damit meine Verbesserung toxos déppevos fiir 76 kat éppeva nicht ohne paliiographische 
Stiitze bleibe. Die Endung -os der Urhs. ist in U zu « verlesen oder umgekehrt @ in os, wie Giese Bueb:- 
staben auch bei der Druckleguug der Hs. U in der Aldina Ofter miteinander vertauscht worden sind, ein 
Ivrtum. der sich aus der Gewohnheit erklart, das @ bald in einem Zuge, bald abgesetzt zu schreiben, so da8 
das Rund neben dem getrennten, mehr oder weniger gewundenen Striche auBer fiir o: oder ov auch fiir os 
eenommen werden konnte. So Hest man in U Bd. XVUA 8. 876,15 aioOavdneOa, wo Z.13 ifr: moAAis ai- 
Ghivera tis Kat abriy obaias i OACzNS, ovdeuas év THe ToWtyT THs Beppacias aicBave p eves dapopas eemeint ist — 
oder 8. 888.3 Spéyyos in einem Hippokrateslemma, das miperds foyer kai Bpéyjia GAAoTE Kal GAXoTE fordert — oder 
Bd. XVILB S. 186. 12,13 o70 Tis Katé tiv Gpav Bep pO7H 7, schon in der Aldina durch das beabsichtigte Oepudty Tos 
ersetzt. — wie der Helfer des Editor princeps auch in dem Satze Bd. XVILA S. 811, 4 Kal viv aie év tats abtats 
rpoberuias Tv TeV AuTrovvToV amoxpiow roo ba br aro OKIE patos eis xoplov wAyotov Te Kelpevov Kal céEar Oa Ta 
reproneva Povdpevov irrtiimlich aoc} ppata hat drucken lassen — oder wie er einen Ahnlichen Fehler in den 
Worten Bd. XVHUB S. 55. 15 woANov re wept thy c&ifynow tis MpoKeipevys picews evpioes apaptavovtas fiir alle 
Ausgaben bis Ktun verschuldet hat. obwohl in U richtig wo\né geschrieben ist. der dagegen einige Seiten 
vorher (S. 52.14) seinerseits wieder fehlerhaft ef pév évavria tm wept Thy éTepay adtev separa, Fie av ére- 
oyujvato bietet, wo erst Chartier den Febler seiner Druckvorlage. der Basileensis, in évavréov zi verbessert hat. 

2 Die angefiihrte Cicero-Stelle verdanke ich einer Beispielsammlung Jon. Vancexs im Ind. lect. hibern 
J899:1900 onic, Berolin, p. 6. wieder abgedrucht in Opuse. acad. Il, Lipsiae MDCCCCVIL, p. 334- , 


Beitrage cur Teatyeschichte der Eqidemienkommentare Galens. 11. 33 


eine Folgerung aus der Entstehung des mannlichen Geschlechtes in der wirmeren, rechten 
Halfte der Gebiirmutter anschlieBt, enthilt in H eine von U abweichende Lesart und be- 
stitigt in ihr eine Konjektur Karsreys, die auffalligerweise Driers in den Anmerkungen 
zu den Fragmenten der Vorsokratiker Bd. Il’, 1, $.687 nicht ecinmal ftir erwihnenswert 
gehalten hat. Zu den Worten néimlich. wie sie noch Dies aus den Galeneditionen weiter- 
gibt (Vorsokrat. I’, S.193, 2/3): Kat péAaves Out TovTO Kai avepwdéateEpor avopes | 
kai Nayvynevtes waddAov. hatte schon jener hollindische Kritiker in seinem Kommentar 
p- 241 bemerkt: »Empedoclem, qui significuntibus epithetis rex desiynare solet, potius scripsisse 
suspicor adpopedéatepot, menbris robustioribus; adpotns ct avdpotns saepius confusu in 
Homero.« Sein Stilgefiihl hat ihn nicht betrogen: fiir das vorwiegend attischen Prosaikern 
eigentiimliche Adjektivy dvdpwdéotepor schreibt Hunain in der Tat nicht »mannhafter«, 
sondern »xstirker an Gliedern«. Ob die Form jedoch richtig ist, die Karstrs diesem 
Gedanken gegeben hat, kénnte zweifelhaft erscheinen, wenn man bedenkt. daB (0 pomepijs 
eigentlich »grobkérnig«. dann tiberhaupt »grob, dick, stark« (Gegensatz AemTopepiis). 
aOpomepéaTepos und adpopuepas (igs. Kata AeTwTOV) mehrfach bezeugt sind. Aber einerseits 
das junge Alter dieser Bildung, unter deren Gewahrsmainnern im Thesaurus auch (ralen 
éfter aufgezihlt wird, anderseits die Tatsache, da Empedokles mit altertiimlichem Pleo- 
nasmus’ pouvopeAn yuia (im Fragm. 58. Vorsokrat. 1? S. 190,11) gesagt hat, wie in der 
pythagoreischen Schule ovAoweAH oder 6AOpEAELa als Gegensatz von fépos im Brauche 
war. empfiehlt, den Wortschatz des Empedokles und der griechischen Dichter tiberhaupt 
um das von Srox Karsrey ohne Kenntnis des arabischen Galentextes fein erfiihlte 
Adjektiv adpopedéorepor zu bereichern®. Obwohl Diets, die Rhetorik des Dichter- 
philosophen Empedokles richtig beurteilend, ihm die Paronomasie in avdpwdéatepor 
avopes nicht zu nehmen gebot (Poet. Philosoph. Fragm.. Berol. 1901, p. 133), wiirde er 
unzweifelhaft von der arabischen Uberlieferung aus, deren Wert er zuerst erkannt und 
wie fiir die Philosophen, so auch fiir die Arzte der Griechen die jetzige Philologen- 
generation gelehrt hat, seinen Widerspruch aufgegeben und aépomedéotepor in den 
Text aufgenommen haben. Wie Crassus sich fiir alle den vorigen Vers betreffenden 
Erwigungen als bedeutungslos erwiesen hat. kann er uns auch ftir diesen nichts Neues 
lehren, wenn er mit seiner Adnomination viriliores viri die handschriftliche Lesart der 
Aldina avépwdéotepot avdpes nachbildet: eine von U unabhingige Uberlieferung hat 
ihm bei seinem Werke wahrscheinlich nicht zur Verfiigung gestanden. Oder man miiBte 
annehmen, daB, wenn er eine andere Hs. als U benutzt haben sollte, diese merkwirdiger- 
weise mit ganz denselben Fehlern hehaftet gewesen wire wie UL, also nur aus derselben 
(uelle (v) entsprungen sein kénnte wie U. Im tibrigen stimmen die arabische Ubersetzung 
Hunains und die lateinische Ubersetzung von Crassus in dem Empedokleszitat tiberein, 
auch in bezug auf Kai péAaves dia Tovto. das sie beide ebenso im Lemma (S. 1001, 4) 
zusammen mit dem vorhergehenden év Gepuotépw: wie mit dem nachfolgenden kai é&w 


1 Beispiele fir diesen abundierenden zweiten Bestandteil des Adjektivs hat v. Wiramowirz im Kommentar 
zu den Worten eras yévos in V.689 des euripideischen Herakles in seinem Buche Euripides’ Herakles IP. 
Berlin 1895. S. 138 besprochen. 

2 Wie Soranos in seinem Gynaec. 1. 1V, 11, CMGIV p. 142. 14 (I-pere) das Gegensatzpaar bypoxedadov. 
ecpoxébadov yom pédos gebrauchen kann. so verzeichne ich getrost unter den empedokleischen Neubildungen 
auch dépopeAys, das bisher in Karsrens Fragmentsammlung verborgen geblieben ist. Selbst seinem Lands- 
manne Hewricts van Herwerven ist es in seinem Lv.vicon Graecum suppletorium et dialecticum, Lugd. Batav. Iglo. 
noch unter den Addrnda t. Il p. 1643 entgangen. wie auch Passows Worterbuch der griechischen Sprache. 
vollig neu bearbeitet von Wirueta Créxert, Gottingen 1912. das leider infolge des Krieges bisher ein 
Torso geblieben ist. 1. Lieferung. Sp. ror, und ebenso das neueste Greck-English Lexicon von H. G. Lin- 
pELL und R. Scorr in der Bearbeitung von H. St. Jonrs. Part I, Oxford 1925. p. 25 keine Spur von aépo- 
heAs verrit. 


Crassus in Uber- 
einstimmung 
mit U und der 
Aldina 
in Fehlern aus 
Hippokrates- 
lemmata und 
Galensatzen in 
Fpid. VI, 1. 


a4 EK. WENKEBACH: 


bewahrt haben. gemifs unserer byzantinischen Uberlieferung in U, aus der es in die 
Galenaldina und die von ihr abhingigen Dracke tibergangen ist: auch Galen dirtte also 
die Worte des Lemma év Oeppotépw: und kai wéAaves Oia TovTO hereits in seinen Hippo- 
krateshss. wie wir gelesen haben, so da Diets MutmaBung (Poet. philosoph. fragm. p. 133), 
der Zusatz dieser Worte sei aus den behandelten Empecdoklesversen in die Bliitter des 
hippokratischen Nachlasses hineingeraten, auf einen sehr alten Interpolator hindeuten mub. 
Da sie viel Wahrscheinliches ftir sich hat, dart man wohl diese Stelle zu denen reehnen, 
die Galen, auch wenn er hier von den verdieltigten Worten als einer Interpolation schweigt, 
im Sinne hatte, als er dem Thessalos, dem dltesten Sohne des Hippokrates, und anderen 
Schiilern des Meisters im Proémium zu Epid. VI (S. 796,12) Einschwéarzungen in die Tage- 
buchnotizen des Hippokrates zuschrieb. Was endlich den Vorschlag desselben Forschers 
betrifft, im [ippokrateslemma é&w (S. 1001, 5) wegen der Erklirung Galens (S. 1001 2) 
fepudtepov o€ éote TO appev, ws| dyrot Kai TO TaV PrEBPOv LéeyEDoS Ev avT@ Kai I 
ypoa als nicht von Galen gelesen in wéCoves abzuindern, so halte ich diese Konjektur 
auch gegen die Zeugen unserer Hippokrates- und Galentiberlieferung fiir durchaus er- 
wagenswert. 

Der ausftihrlichen Erérterung des Aischylos- und des Empedoklestragmentes seien 
zuniehst noch einige Prosastellen sowohl aus Hippokrateslemmata wie aus dem Kommentar 
des Galen in teils genauerer, teils kurzer Darlegung angeschlossen, lauter Pruben aus 
Epid. VI, 1, die den lateinischen Ubersetzer mit der Editio princeps und unserer Hs. in 
Ubereinstimmung zeigen, auch wenn sie nichts zw Entscheidung der Frage beitragen 
kénnen, ob Crassus die Hs. U oder ihre Vertreterin dureh den Druek, die Galenaldina, 
benutzt hat. 

Auch diese Reihe mége eine eingehende Behandlhing einiger Siitze erdffnen, die in 
der yon mir bereits untersuchten galenischen Erklirung des hippokratischen Ausdruckes 
Treupryooees Tupetol begegnen. Wo also Galen yon der Abschweiftng tiber die méupié- 
Stellen zur Interpretation jener mehrdeutigen Fieberbezeichnung zuriickkehrt, schreibt er 
nach U: (S. 881, 13) Ta pev ovv x TOU Téudeyyos (Aldina: verbess. Basileensis) évduatos 
onpavoueva kai On A€NEKT ae (oline Ovéuatos in der Aldina und den iibrigen Ausgaben). 
Tpoelpytat o€ Kai epi Tov Ovo onnawouévov EE aiT@v (der Satz mpoelpyta Cé 
é& avtov fehlt in H), émecn mavtes tov éEnynt@v oi apirto Kai Kata TaiTa edéEavTO 
TH réEa Keypicba tov inmokpatyy. vuvi 6 éx tev eipnpévev (éx fehlt seit der Aldina 
allen Drucken) onpawopévov eyywpe tpoobewva Kai addo Tpirov. Die Worte, auf die es 
mir vor allem ankommt, sind von Crassus so tibersetzt worden: Prem phigis itaque signi- 
ficata iam recensuimus, deque duobus +x istis supra mentionem fecimus, indem er ehenso wie 
sein Vorliufer Vassius und sein Nachtolger Rasarius €€ a’tov von den Bedeutungen der 
Glosse aréudté und in partitivem Sinne gebraucht sein laBt. Da ich aber die Behauptung 
Galens, schon vor der Digression vom Thema die zwei Bedeutungen der Glosse behandelt 
mi haben, im Widerspruche mit seiner vorliegenden Darstellung fand, glaubte ich a. a. O. 
S. 43f.. daB é& avrev nicht von den wéudiE-Bedeutungen als Ersatz des partitiven Ge- 
netivs, sondern fiir den instrumentalen Dativ gleichbedeutend mit ta’ a’itov oder Tap 
avT@v autzufassen und auf die weudrywdees mupetol zu beziehen sei: diese selbst (QUT@V) 
erschienen mir in einem richtigen Gegensatze zu der nur nebenhei herangezogenen Trép- 
gE und seien tatsiichlich schon vor der Erlauterung der Glosse wéugiE durch elf Dichter- 
zitate, die wohl urspriinglich ein volles Dutzend gebildet haben diirften, in ihren beiden 
Bedeutungen klar geworden, nach ihrem Wesen als Fieber schlechthin als Tupwdes und 
durch Handauflegen im besondern als avevyato@des erkennhar. Deshalb empfahl ich, 
eine kleine Liicke anzusetzen und sie so zu fiillen: é€ aitov (rév reudrywoov Trupe- 


Beitrdge zur Textyeschichte der k pidemienkommentare Galens. LI. 05 


TOY), émreloiy ..., Wobei ich eine Verkiirzung des Ausdruckes annalm aus arepi twv ¢évo 
THMAVOMEVeY EK TOV OvouaTOS a’TeV TeV Teupiywowv TupeTov. Zu den beiden Bedeu- 
tungen, die Galen im vorigen anerkannt hat, fiigt er jetzt aus seiner Darlegung noch 
eine dritte. Wegen Hunains Ubersetzung in H »man kann zu diesen beiden Bedeutungen 
noch eine dritte hinzufiigene kénnte man fiir den Araber Tos eipnpévois onpawopevols vyor- 
aussetzen. Aber ich bleibe bei den in U tiberlieferten Worten é« Tov eipnuéevwv und 
halte wegen Galens stillschweigender Bezugnalme auf die vorhergehenden Erklirungen 
der Glosse méugdiE die Lesart vi 6 éx tev eipnpévwv (rovTos Tois Ovow) cnuawopévots 
éyywpet tpocGewa Kai dAdo TpiTov fiir richtig und habe nur geschwankt, ob ich Galen 
hier nicht den Gebrauch des Duals tovrow tow dvow cnpawopévow verstatten soll. Von 
dieser Auffassung weicht F. E. Kixp in einer mir brieflich mitgeteilten eindringenden 
Analyse des galenischen Gedankenganges' mehrfach ab. Uberzeugt, daf Galen sich an 





1 Den Vorwurf der Weitliutigkeit fiirehte ich nicht. wenn ich die von FP. Ee. Kinny mir freundlichst zur 
Verfiiguug gestellte Zerglicderung der von mir untersuchten wéud:€-Zitate Galens im Wortlaute verdffentliche. 
zumal nar sv seine Meinung tiber die oben behandelten Stellen klar wird und. fiberdies seine scharfsinnige 
Entwichlang, mir geeignet scheint. meinen Aufsatz durch einen wertvollen kyritischen Beitrag zur Galeninter- 
pretation zu bereichern. Uin also genaue Beziehungen zwischen dev Reihenfolge der zpdc&-Zitate. wie ich sie 
mit Hilfe Hunains oder auf eigenes Risiko lese, und der Reihenfolge der galenisehen Austiihrungen tiber eu- 
Seydcees wupevo! herzusiellen und dadureh nicht nur meine Lesarten zu rechtfertigen, sondern auch das Ver- 
stindnis jener Seiten des Epidemienkommentars zu verticfen, schreibt mir Kinp tiber Galens Gedankengang 
folgendes: »Sabinos und Metrvodoros nebst Anhang khennen den Zusatz ieiv oder ideiv cewol (S. 877). Nur 
wenige Hss. haben bloBes weudrydcees. Die besten Erklarer sagen: zeudirydces - = mevpardces (S.877 a. E. in 
Verbindung mit S. 881. Z.4 vu.) oder genauer: 1d Tis Oeppotas eidos ist mvevpataces (S. 878). so daB also 
eine Vereinigung von mevucrodes und zupoces vorliegt. Nun hat jedoch zéué:€ mehr Bedentungen, und jeder 
der Erklirer nimint die herans. die ilun paBt. Ich kénnte mich nun auf das avenparddes nud rvpaces beschrinken, 
aber der Znsatz ie zwinat mich. auf die Bedeutungen von wend cinzugehen, eireiv me rep! Tav Kata Thy Tep- 
dvya rnpawopevov (S. 879). “Die Ausfithrung ergibt 1. tvoy (== tvevparéices), 2. dxtives (== mupéces). 3. pavis und 
vedos, 4. Wuyi}. Der Vorsatz eimeiv te mepi tév xara tiv mépdrya cypavoevey ist S. 881 ausgefiihrt: ta pév otv ék 
Tot méphiryos evonatos oypecwdueve Kai Cy NAextat. ES ist aber auch vorher tiber die (uns bekannten und yon 
uns verwendeten [75v]) zwei Bedeutungen von ihuen (é& abrév == ee mdvtov tov th jpov eipypevey onpeuvonevey 
éx tod réudeyos dvdpatos) geredet worden. nimlich tiber das mvevpatdces kai mupGces = mvoy und axrives. Jetzt 
kéunen wir ans den (d. h. weiter) genannten Bedeutungen noch eine dritte hinzufiigen: vovi & é« tév eipypevey 
onpavorevoy (uder oyuavopevor) eyyopel tpoobeivar kal AAO tpirov, niimlich wieder eine Kombination von avev- 
uaraces und mepdces oder rvof und dktives. aber diesmal in Verbindung mit pevis = oxewOjpes. Auch hier mob 
idety Weggenommen werden. Die, welche es aber beibehalten. stiitzen sich auf Bedeutung 3 und 4: pera drv- 
KTQWOv = 3. pavis und tots tis Weyis axtopevovs = 4. wuyi.« Mit den letzten Worten weist Krxp auf eine von 
ibm entdeehte Bezichang hin zwischen den beiden alexandrinischen weudc€-Zitaten und der Deutung von zen- 
diydces Us tors Tis Wuyijs artoucvous Tupetots (S. 882,15). die auch Sabinos (S. 884 85) angenommen hatte. die 
mir aber bei der Abfassung des Aufsatzes entgangen war. Erst nachher fand ich, daB schon Palladios sicher- 
lich aus Galens Kommentar Ahnliches herausgelesen hatte, wenn wir folgende Seholien p. 32/33 Drerz von 
ihm ancinandergcreilit sehen: flouddrvyas de éxcAovy of madatol Tas aKrivas vot ijAfou, Kai TovToUS baci héyew Teu- 
dryéees, Tols aro yMokaias yiopevous. GAAot bavi meudiya Thy Wuyi. mendiy odes ov daol, tos amtTopévous 
riv wuyyy peta mapadpoovvys. Diese Zeilen geben mir Anlaf zu mehrfachem Bedenken, aber bevor ein hand- 
sebriftlich begriindeter Text des Palladios vorliegt. ist es miBlich. zum ersten Scholion zu bemerken. daB mou- 
dédvyes, eine ablautende Weiterbildung von méudtyes, sonst die vewdlinliche Bezeichnung fiir Wasser- und 
Brandblasen, hier (wie bei alten Dichtern bisweilen wéudryes selbst) von den Soonenstrahlen verstanden werden 
soll, wihrend hingegen die durch Hitzschlag entstehenden Fieber nicht roudorvyddes, sondern meudryddets 
yenannt werden. Aber noch viel miBlicher scheint es mir in betreff des zweiten Scholions, das zu méugi€ : 
wuyy gehérende Adjektiv meudrydécees im Sinne von avO perro ty wWoyry arrdpevor (uuevor oder ad bevres) = thy 
oOuny remrnyuevot kil Tupuxpotravres als mente capti desipientesque zu verstehen. wie Crassus in seiner Palladios- 
Ubersetzung (Medici Antiyui Graeci, Basileae 1581) p.172 es verstanden hat. Es unterliegt mir keinem Zweifel, 
daB Crassus. der in Galens Worten (8.882.153) tots tijs tuyis axtosévouvs zuperors, als er den Kommentar zum 
6. Epidemienbuche tibersetzte. zwar richtig als fbres animam laedentes getaBt hatte, bei semer spateren 
Cbertragung der Palladios-Seholien das strittige Wort doch falsch wiedergegeben hat, und ich wundere mich, 
daB ihm nicht eingefallen ist, ryv yuyiy in THs Weyys zn andern, um die notwendige Chereinstimmung zwischen 
den Erklirungen des Galenos und Palladios herzustellen. wie er ja im Anfange des wéudié-Scholions, dessen 
Verderbnis auch in seiner Hs.. dem Codex Sambuci, vorausgesetzt, nicht zoudcAvyas, sondern réndry[y]as ge- 
lesen hat. Das ganze Zitat Jautet namlich in seiner Ubersetzung so: Pemphingas autem vocabant reteres solis 


~ 


56 E. WENKEBACH: 


keine scharfe Scheidung zwischen wéudiEé und meudiywdees gehalten habe. versteht er 
wie Crassus und die anderen lateinischen Ubersetzer €€ atrev (S. 881, 14) partitiv und 
von den Bedeutungen der Glosse méudié, indem er so interpretiert: Der Vorsatz eizrewv 
Tl TEpl TOV KATA THY Téeuprya Thuawopévey sei S. 881 ausgefithrt. Es sei aber auch 
vorher iiber die (Galen bekannten und von ihm verwendeten, was der Artikel tov be- 
sage) zwei Bedeutungen von ihnen (€&€ avt@y -= ék mdavrov tov vd’ ipov eipnpevov on- 
Mawopévwv ék Tov Téudryos ovduatos) geredet worden, niimlich tiber das mvevpar@ces 
Kai Tup@des = Trvoy und akties. Jetzt kiénne er aus den (d. h. weiter) genannten Be- 
deutungen noch eine dritte hinzufiigen: vu 6 ék tev eipnuévev onpawopuevov (oder on- 
pawopevov) éyywpet mpocbetva Kai addAo TpiTov, niimlich wieder eine Kombination von 
mvevpaT@des und mup@des oder avo und axtives, aber diesmal in Verbindung mit pavis 
== omwOypes. Die Verteidigung des tiberlieferten Textes wiirde ich natiirlich ebenso gern 
wie die Empfehling meiner Konjekturen zu den Dichterzitaten von Krxp annehmen, wenn 
ich sie nur ftir mdglich hielte. Die Bedeutung jedoch, die er den Siitzen (S. 881, 13) 
mpoepyta oe kai... 退 av’tav und (S. 881, 16) vuvi 6€ ... AAO TplTov beilegt, ver- 
mag ich nicht ohne weiteres aus ihnen herauszulesen. Wer die mwéudié-Zitate und dic 
Erklirung des A\djektivs weudeyédns als einheitliches Ganzes auffaBt, dart’ gewiB im Sinne 
Galens die dort aufgezeigten Bedeutungen hier wiederfinden, cbwohl mir in diesem Falle 
S. 881. 13 eine Wendung wie efpnra 0 (év tovTos dua Oi) Kal besser gefallen wiirde. 
Aber sowohl der Gegensatz zwischen dem ersten die méugié-Erérterung abschlieBenden 
und dem zweiten Satze (AéAextar — mpoeipnta) wie die Beziehungslosigkeit des Wortes 
Aé&is in dem an den zweiten Satz angeschlossenen Kausalsatze (S. 881, 14) émedi 7avTes 
tov ée€nynTov oi pistol Kai KaTa TavTa édéEavto Th N€EE Keypnoba Tov IawoKpaTHy 
und das Fehlen des Wortes auperot. worauf sich der Satz (S. 881,17) wa meudryodes 
axovowpev eipnoBa Tovs oiov orwOijpwv é€adNouevov Kai aravtévTwv THe yep pavTa- 
glav arootédovtas beziehen mu8. veranlassen mich, bei meiner Deutung und Ergiinzung 
der Worte €€ aita@v (trav reudrywdav rupeTa@v), ered)... zu bleiben. Der dem Verfasser 
gwar stets vorschwebende Begriff zreudiyodees TupeTo. ist fiir Belehrung Suchende in zu 
weitem Abstande zum letzten Male genannt worden (S. 878,13 u.17). Wo Galen in 
den verlassenen Weg der Erkaérung wieder einbiegt. also S. 881, 14, mu® er ihn auch 
sogleich wieder ausdriicklich angegeben haben. Erst so wird nach der langen Abschwei- 
fung vom eigentlichen Thema dem Leser, wie mir scheint, der Sinn der unklaren und 
zweifelhaften Siitze ohne AnstoB klar, und ebenso halte ich im dritten Satze. Hunain 





ae 


radios. 6° has febres aiunt dici pomphingosas, que ab exurente solae (Druchtebler fiir sole) excitatae sunt. Alii 
dicunt pemphinga animam significare: unde pemphingosos mente captos, desipientesque appellari. 
Vel. tiber den Gebrauch von areca bei Galen z. B. die Ind. zu CMG V 9,1 p. 440. wo Hriureicn aus den 
Kommentaren zu [epi éiaitys 6féov mehrere Stellen mit den Objekten xedadjs, dpevav oder trav vevpwv Kal THs 
+epys, aber kein Beispiel fiir passives azrecOa mit dem respektiven Akkusativ anfihrt. Wichtiger jedoch 
als die Verbesserung dieser Palladiossatze scheint mir fiir Galen die indirekte Bestatigung meiner Auffassung. 
daB in den beiden letzten Zitaten réudryes die Seelen der Verstorbenen sein miissen. Lesen wir in U (S. 881.9) 
5 06 KadNipayos Ober py bia meudlyyov evayovow éa. 6 68 eddopiwv ottws: ele & avOy néubeyyes emtpilover Oavdvra 
und in H nach Prarrs Verdeutschung »Und die Grammatiker erwihnen, dap die cine der Bedeutunyen welche 
diexes Wort anzcigt, der Hauch ist, und Kallimachos und Euphorion haben mit diesem Worte den Hauch ean: 
Kallimachos, indem er sagt: ‘Die Baume, welche Windhauche durchwehen, treiben immer Jrische SchaBlinge durch 
die Hauche’ und Euphorion, indem cr sagt: ‘Sanfte Hauche umsduseln den Toten'«, so empfehle ich jetzt um so 
zuversichtlicher zwar nicht fiir die Erginzung der umfangreicheren Liicke, die immer mehr oder weniger 
freiem Phantasiespiele vorbehalten bleibt, aber fiir die Wiederherstellung der beiden Verse die Textgestalt, die 
ich a. a. O. S. 42h. so gegeben_ habe: (S. 851, 9) B . + Tas néuryas. A (Kai HevTot KadXipayos Kat Eidopiiay éonprvay. 
HETMOVEvOY TOY 7 Tey YRC EBO TON: OTE ad €K seas PMC MOTOS: OVE HEN OY ETEpov eet TO Teva, TOVTWL TOL évéuari Th 
Tav wuyov mvevuatas o pev yap) Kaddipayos wde* »peidta rendi-yov ‘alyév ayovar veaw, 6 68 Evdopioy ottws eimev: 
Came davey réudiryes émrpiCovet Bavovrav«. 


Biitrage zur Tertycschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. a7 


folgend, den kleinen Zusatz von tovtow tow dvow und die geringfiigige Anderung von 
THuawvouevwov in onpavouévow wenn nicht fiir denknotwendig, so doch wenigstens fir 
wiinschenswert’. Fir alle diese Erwiigungen kommt Crassus mit seiner lateinisehen Uher- 
setzung nicht in Betracht, nur da auch er die Unbequemlichkeit des eben erwahnten 
Fehlens yon muperof empfunden hat und deshalb den Finalsatz um den Zusatz von febres 
erweitert: Af nune modo dictis significatis et aliud tertium adjecisse concenit, ut pemphigodees 
febres eas intelligumus. quar cveluti scintillaruim exsilientium manuique nostrae occursantium 
imaginem reddunt. 

Mit diesen griindlicher untersuchten Sétzen verbinde ich im folgenden eine Anzahl 
kurz zu erledigender Beispiele ftir die Ubereinstimmung zwischen Crassus’ Uhersetzung 
und der Editio princeps samt ihrer Vorlage in unrichtigen Lesarten. So druckt PS 
aus der Ubersetzung von Crassus nach der Ausgabe Chartiers zu Galens Worten S. 793; ‘94 
Ta TE iTOUVHMATA TOY TPOTOV BE einetiieve TO ByBriov, ev ois kai Levéis eorw | 6 





1 Was die verschiedenen Bedeutungen der Glosse menue und yor allem die Gleichung réudit : Woyy 
betrifft. so hat Kixp in seiner Disposition der Zitate Wey; als eine besondere vierte Bedeutung angesetzt. 
Indessen will es mir auch jetzt noch so vorkommen. als ob der Glossograph beim Aufbaue seines lexikalischen 
Artikely méudeyes : yoya’ strengeenommen nicht als cine neue. den drei iibrigeu gleichgeordnete Bedeutung 
angesehen wissen will. sondern die pluralische Anwendung als eine Abart der ersten Bedeutung (voi) be- 
trachtet, wohl unter dem Einflusse popularphilosophischer Auffassung vom Seelen-mvetja stoischer Schriftsteller, 
Ich verbleibe bei dieser Gliederung. weil ich glaube, da8 der Lexikograph die Stellen kiinstlich. um nicht zu 
sagen spielevisch, angeordnet hat, ‘indem er in betretY der Bedcutungen den 8 singularischen Beispielen div 

4 plaralischen umgehebrt folzen l&Bt, wie er anch dem Nominatiy, “Genetiv. Dativ und Akkusativ des Sin- 
malas in den ersten 4 Beispielen chiastisch den Akkusativ, <Dativ). Genetiv und Nominativ des Plurals in 
den letzten 4 Beispielen vielleicht hat entsprechen lassen wollen: Das Wort 7éécé bezeichnet in Zitat 1-3 
moy, in Zitat 4 und 5 akris, in Zitat 6—8 pavis und vedos. und dann folgt mit zwiefachem Chiasmus der AkEt 
sativ des Plurals mp@ryes in Zitat 9 eher fiir védy als pavidas oder Suppeay atayovas, darauf war wahrscheinlich 
der verlorene Dativ reudié in dem ausyefallenen Zitat 10 ftir deri: zitiert, wabrend der Genetiv weu@fyov und 
der Nominativ wéy@cyes in Zitat rt und 12 zvevndtov und mreivata im Sinne yon weyev und Wvyal bezeichnet. 
Gegen diem. E. auf MiBverstiindnis beruhenden Verswiedergaben des Arabers in H lese ich, wie schon gesagt. 
Callim. fragm. bei Scuxemer I] 640 pete teudiyor (alley €yover vée und Euphor. fragm. 176 (Scuetweiter) 
(yre)caviy rep deyes émitpiCover Oavdvrov. Wie die kunstvolle Gliederung des von Galen wiederholten lexikalischen 
Aufsatzes mit deu beiden letzten Formen zéndryes und readf/yov fiie mvetnara und mvevudtov: weyal und yoyav 
in der Bezeichnung des Lebenshauches. d.h. der Seelen und Geister. zum Begriffe des Blasens und Webens in 
roy 2uriichkehrt. womit der Glossograph in den drei ersten Zitaten des singularischen Gebrauches der Glosse 
ihren Sinn umschreibt. und zwar an einigen Tragikerstellen. deren Wortlaut ich aus dem hier noch mehr als 
sonst entstellten U teils mit Hilfe Hunains. teils aus eigener Vermutung so wiederhergestellt habe: Soph. 
fragm. 313 N Ariuke meuds& ‘foviov reNay Topov —~ Soph. fragm. 495 N2 Kal ray’ av kepauvias | © Eudiyos [Ppovris| 
(arpor s) Kal Curouypuas Aasor = -Aesch. ir agm. T93, N.? Evdetav € épre THVeE* Kai qpenat nev | Bopedeas cers pos Tvous, 
tv  etNa Jor | ppdpov cataryiCovra, pay o rvaprdryt CUO YELLE POL wéepdtyt CvTr tpéewas advo, so seheint mir edieselbe 
rhetorische Architektonik als zwei singularische Beispiele der niichsten Bedeutung. indem der Lexikograph. 
vielleicht yon BUS tiber aiDyo 2 aby} und ders fortschreitend. den Lichtstralil als Lichthauch aufzufassen zwingt, 
Soph. frag. 314 N.? Kav €Batuaces | tyAEoKorov re OWA xpurenv icdvy und Aesch. fragm.170 N.2 "As ote re udeé 
yAlov ZpoacepKeTut | avr aotepomov dyna Aytoées xopys einem pluralisclhen Beispicle entzegengesetzt zu haben. und 
gwar im Dativ (tépéc&e: dette, dem einzigen Kasus. der unbelegt bliebe, wenn unser ‘Text aus U unversehrt 
wire. Da nun Palladios in dem vorhin erwiihnten Seholion bezeugt. da8 von alten Dichtern roudcdvyes., das 
ich aber, wie schon Crassus in seiner lateinisehen Palladiosithersetzung. sei es aus seiner Hs. oder durch 
BKonjehtar. durch réudeyes ersetze. fiir axzives jAvov gesagt worden sei, so sehe ich in der Anwendung des 
Plurals einen Hinweis darauf, da8 jener byzantinische Tatrosophist des 7. Jahrhunderts noch einen v ollstndigeren 
Text des gaienischen Epidemienkommentars | las als ungefalir zwei Jahrhunderte spater Hunain, dessen C bersetzung 
in Hoan fihnlicher Liicke Teidet wie U. Was endlieh den noeh feblenden Akkusativ des Plurals fiir be 
Regenwolken. in Ihye. frau. 17 B.. 20 (Dieu) fluxwas wepdiyas mer(p)dpevor hetrifft. dem die Glosse im Singular 
nicht nur mit der Bedeutung » » Wetterwolke. in Soph fr agm. 496 N22 Mépchiye waow ow ay YYEAO Tupos. swnileri 
ae im Sinne von pavis oder orayev an der soeben beliandelten Stelle. Aesch. tragm. 206 N.? Efevra3or ce pay 

rE mpoo adm oF ripe | re TiKph yep cotNie CoRs axejt. und in Aesch. fragm. 186 N.2 Myc’ atuatos mrendiya 
mpis meécon 3cdps entspricht. so zeigen diese vier Beispiele der dritten Bedeutung unseres glossematischen Wortes 
eine ihniiche Bedeutungsy erschiebung wie die Stellen. an denen der Glossograph méudi€. etymologisch eigentlich 
die Blase. als Welen des Windes (of) und als ireendwie bewegte Luft (svete) mit dem Nehensinue ves 
Atems und der Seele oder des Geistes auffafit. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. 


iv 9] 


a8 E. WENXKEBACH: 


Tapavtivos kat 6 €pvOpatos tulgende Wiedergabe ab: +f eorum commentaria, qui primi 
librum hune explanaverunt, ... Inter quos et Zeuxis Tarentinus et Erythraeus Heraclides 
censentur. die mit U und der Aldina tibereinstimmt. Da Tarent sonst nirgends von Galen 
als Heimat seines oft zitierten Vorliiufers Zeuxis genannt ist. hat Max Wenimany, der 
beste Kenner der alexandrinischen Medizingeschichte. den Fehler, wie schon bei anderer 
Gelegenheit (S. 6) bemerkt. durch Einschub von «ai vor 6 Tapavtivos Mingst berichtigt, 
eine notwendige Anderung, die ich auch bereits oben aus H hestitigt habe. von der 
aber Brivriuam a.a.O. p.7 keine Kenntnis gehabt zu haben scheint, wenn er unter den 
Hippokratesexegeten den Empiriker Zeuxis wieder zum Tarentiner macht wie cdessen 
jiingeren Zeit- und Schulgenossen Herakleides p. 10. 

Ein anderer Irrtum aus der Medizingeschichte, den Crassus teils mit U. teils mit 
der Aldina gemeinsam hat, mége aus dem SchluBteile dieses Kommentars sogleich hier 
stehen, obwohl der Ubersetzer von sich noch einen neuen Fehler hinzubringt, zugleich 
jedoch auch sein Streben verrit, Mingel seiner Vorlagen zu heheben: S. 886, 4 eipytal 
ye piv n mwéugré Kav Tais idiais yvwpas, as eis Evpydavra, Tov kai iarpov avapépovar 
Kata THvde THy A€Ew, worin erst Kitun deu vermutlichen Druckfehler der Charteriana 
Kat in Kata verbessert hat: elonté ye pv 4 wéudiE Kav tais Kvidelais yvouas, as eis 
evpuh@vtTa Tov Kai iatpov avafépovar tHvde thy AéEw steht in U: John Clement hat 
in der Aldina den orthographischen Fehler im ersten Worte beseitigt. aber auch das bis 
Kian fortgepflanzte kav tats idiats yvomas verschuldet: Crassus tibersetzt Dicta est sane 
pemphix et in Gnidiis sententiis, quas Eriphonti medico attribuunt hisce rerbis; kein Wunder, 
daB er, gleichgiiltig ob mit oder ohne Kenntnis der Uberlieferung unserer Stelle in U, 
das alte Grundbuch der Arzteschule von Knidos kennt: verwunderlich aber wiire es, wenn 
das Schulhaupt Euryphon ihm unbekannt gewesen wire. Da in der Juntina von 1541. 
in der Crassus seine Ubersetzung wohl zuerst veriffentlichte. Furiphonti fir Euryphonti 
gedruckt ist, so sieht Eriphonti entweder nach einem Druckfehler oder nach einer Schlimm- 
besserung eines gedankenlosen spiteren Herausgebers aus. Da®B der Ubersetzer das zwischen 
Tov und iatpov in U und der Aldina eingefiigte kat absichtlich auslaBt. wie auch Cor- 
narius es getilgt hat, scheint mir klar. In meinem schon angefiihrten Aufsatze tiber die 
Glosse méugi€ habe ich a.a.O. 8. 49f. zwei Wege zur Verbesserung vorgeschlagen, ent- 
weder das eis (rovus Trept TOV) Evpydevta tov Kvidiov iat pov avapépovot oder as eis 
Evpupevta te kai (Hpdccov rovs makaorarous tev) iatpev avamépovot, von denen ich 
den ersten fiir den gangbareren halte. Die Textverderbnis war vielleicht schon den Hss. 
wenigstens «les 8./9. Jahrhunderts eigentiimlich; denn Hunain l48t uns véllig im Stiche. 

An einer kleinen Liicke leidet mit U und der Aldina Crassus’ Ubersetzung auch in 
den Worten S. 802, 14 éwor d€ aobevéoratov eivat TovTO TO pépos (nimlich TO Bpéypa) 
tis Kepadrs eirdvtes eixdtws daci peCovws TGV AAAwv aiTo Tacyel, die er so wieder- 
gibt: Alii partem hanc capitis infirmissimam esse dicentes, ideo et magis quam alias obnoxiam 
esse vitiis affirmant. Aus H nehme ich nach Prarrs Verdeutschung 6Ans zwischen rs und 
kepadns auf, wenn es nicht besser nach tTys kehadys eingeschoben wird. 

Ebenso hilft die arabische Uhersetzung in H S. 815,8 das Asyndeton in dem Satze 
dAAras ciabéces axovowpev Tas avadoyous TH KapnBapia, das Crassus mit U und der Al- 
dina gleichlautend <Alios affectus intelligamus capitis gravitati proportione respondentes tiber- 
setzt, durch ihren Zusatz »so daf« vor aAXas beseitigen: ich michte lieber d\Xas (roivuvy 
diabéceis als (@ore) adAas Ciabéceis schreiben. 

Nicht viel spiiter stehen U—, Aldina und Crassus wieder gegen H zusammen, wenn 
wir S. 817,16 émi dé THs évapyos puKpas (nimlich cedadjs) éyvoxévar pev yen thy ope 
KkpoTHnTa mit den Worten tibersetzt finden: Sed in capite vridenter parvo parvitatem qui- 


wt 


Beitrdge sur Teatygeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 


dem novisse opus est. wiihvend dic arabische Ubersetzung in H » die Schlechtigheit« (tiv KaKOTHT A) 
bietet. Hat Crassus pravitatem geschricben? 

Abermals in der Nachbarschaft besteht dagegen die Ubercinstimmung von Ls., Erst- 
druck und Ubersetzung nur darin. dai sie alle drei irgendwie Unrichtiges enthalten: S. S19. 9 
braNharrouerys KaTa Tl THS apioris ClaTTAAT EWS Ps THS Kedaips) TIS EOKKE Tr po- 


MINKE! opaing TeOhippevy ka exatepov ovoy (Aldina: ovo, doh. ovoas. in Rasur. daher 
am Rande ove, d.h. ovone U): optima figura aliquantulum permutata ©... Optima enim capitis 
Jigura oblongo orbi utringue compresso similis vst Crassus: da Wunain »an beiden Orten der 
Ohren« nach IL tbersetzt. so mu man die handsehriftliche Lesart ovone in os Audern. 


Besserungsbediirftig sind auch die Worte 8. 828.10 éxewd ye pry a&wov ov pixpas 
Gn Tiiwess éoTlv, €av KaTa Tiv Tadaav ypadiy éextawrias akovcwpev, ws 6 (TOK PAT NS 
kai o Cevéis nkovoe U und Aldina: Mud utique non exigua consideratione diguum est, si se- 
cundum antiquam lectionem fulgores aceeperimus, ut Hippocrates et Zeuxis acceperunt Crassus: 
die arabische Uhersetzung in H erwihnt hier wie 8. 825.15 »dirjenigen. welche sich nach 
der Schule des Hippokrates nennen«, so dab ws oi ‘lamokpatetot kai 6 LZevéis weovoeav 
herzustellen ist. wie ich bereits 8. 16 auseinandergesetzt habe. 


Endlich noch zwei von den UJippokrateszitaten, an denen sogar hier und da der 
Ubersetzer die Korrektur ebenso aufer acht lit wie an verderbten Stellen des galenischen 
Kommentars: im ersten heibt es S. 867. 3 dxdcoww év Tuperois o&€€ou, uaddov de kavorddeow 
@éKOVGL ddkpua Tapappel. TOVTOLTW CTO PoV aipoppayinv Re uae Hv mT adda 
dAcBpiws Eywow gemiB U und Aldina, wihrend an der Stelle des ersten Epidemienbuches. 
aus dem die zitierten Sitze stammen (AVIT A S.191.4 K.= 11658,12 L., I 196, I} Kt'nn.). 
dic Uberlieferung von MQV auf folgenden Text ihres Archety pus @ fiilirt: otoe sev trupe- 
TOW! Kavewoest paAAov ddkpya ATOpPpel, TOVTOIOL ATO pwov aivoppayiay Tpocdéyer Bat. 
Hv Kat Ta aAAG oAEHpiws ay Exoou, wo aber Clemens bei der Drucklegung von P fir 
die Aldina pev in év geiindert, nach muperotow die Worte o&éo1 uaddov ohne Interpunktion 
und ohne die Partikel dé eingefiigt. dann akovova (ftir uaAXov) und schlichlich mapa p pet 
(fiir aoppet) geschrieben hat: da die arabische Ubersetzung in H den Relativsatz so ge- 
staltet: » Avs aeessen Augen bei heipen, brennenden Ficbern unfreiwillig Tronen liefen«, scheint 
mir Galen an beiden Stellen denselben Text geboten zu haben. so daf& sowohl der Zu- 
satz 0€€o1, waddov wie aékovot aus IJ und U, beides wie im Paris. A des lfippokrates. 
aufgenommen werden mul. Dagegen scheint mir in dem an den folgenden Hauptsatz 
angehiingten Bedingungssatze der Widerspruch der doppelten Uberlicferung unléshar: was 
in Epid. | auch die Galenhss. haben ijv Kat TaAAa oAEOpios fun Eywou, ist im Zitat des 
Epid. VI selbst in der abgedinderten Form nv uy TaAAa@ OAeOpios Eywow yon Crassus nach 
U und der Aldina iibersetzt worden vist alia pernicioss habeant. ohne dab er das Kai der 
Originalstelle beriicksichtigt hat. 

Ahnlieh verfihrt der Ubersetzer im zweiten Zitat, wenn er bei der Uberlieferung 
von U und der Aldina bleibt: Zu den Worten S.871,1 Hv yap thy advyiv devywow 3) 
dakptocw 7 cactpepovTa, in denen Hunain der Ubersetzung des Verbs Caxpv@ow im Arabi- 
schen den Zusatz »ohne Willen « in H nachschickt. entsprechend der urspriinglichen Lesart des 
Prognostikon ec. 2 (1 116.5 L.:=1 80,11 Kin.) qv... daxpdoow ampoatpétos i} Cta- 
otpépwvTa, erscheint Crassus’ Ubersetzung Si lucem enim fugiant aut lacrimentur aut in- 
certantur olne den notwendigen Zusatz. 

Diese Stellensammlung kénnte man mithelos aus allen Kommentaren zu Epid. VI um 
ein Vielfaches vermehren, allein schon die behandelten Beispiele sind geeignet, die Tat- 
sache auf das klarste zu veransehaulichen. daB die lateinische Ubersetzung des Crassus. 


te} 


2. Crassus in 

Epid. VI. x im 
Widerspruche 

mit der Aldina, 

aber im Ein- 

klange mit C 

in Richtigem 

oder Falschem 
ohne Benutzung 

einer Hs. 


60 FE. Wexkespacn: 


die Galenaldina und unsere Hs. U sehr oft auch im Negativen iibercinstimmen, wie 
ihre Zusammengehérigkeit sonst natiirlich auf der Ubercinstimmung im Positiven beruht, 
und deshalb die Frage nach der Quelle dieser Ubersetzung aus solchen Proben ungeklart 
bleibt. 

Sehen wir im folgenden zu, ob die Herkunft des Textes, dem Crassus sich anschiiebt. 
deutlicher erwiesen wird, wenn wir an zweiter Stelle dieser zusammenhiingenden Untersu- 
chung tiber den Ursprung seines Werkes solche Fille betrachten, in denen Crassus, sei 
es im Richtigen oder Unrichtigen, gegen die Aldina mit U zusammengeht. Seinem Ver- 
fahren an den beiden letzten Stellen entgegengesetzt ist dic Methode, die er S. 812, 3 
erkennen la$t: das Zitat aus der Schrift Hepi mardiou pvovos lautet noch in der Ausgabe 
Kiuys S. 811/12 "Orav o€ TH yuvaui 0 TOKOS | TaparyiviyT at. ouppaiver TOTE TH Tract 
KIVOUMEVD Kal doxapiGovrt Kal yepot Kai Toot pagal TWa TOV tuevov TeV ETWTATY. pee 
YEVTOS évos of oto AKIWWOUVOTEPHY OUvau EyovaL Kat piyyvUTa TP@TOS Ev O EKeivov 
eyouevos, ewerta 0 votatos ebenso wie in der Aldina: ihr fehlerhattes @KWOUVOTEPHV, 
das bei der hastigen Arbeit Clements durch Verlesung des in U richtig tiberlieferten ax 16- 
votépnv in die Druckausgabe gelangt ist, permneilet Crassus, indem er richtig tibersetzt: 
una effractu. reliquae imbecilliorem facultatem habent. aber er brauchte keine Us., im besondern 
keine Galenhs., um ein Hippokrateszitat aus seinem Drucke zu verbessern. 

Anders sind, wie mir scheint, die folgenden Anderungen des Uhersetzers zu erkliren, 
in denen er von der Aldina abweicht und mit unserer Hs. zusammengeht. Wenn in der 
Erklirung des Ausdruckes 9 t7epea tity den Gaumen S. 821/22 Kaderra oO ovtTws TO 
pépos exelvo THS VYNANS Yopas avTOV, OGoOV UTEP Tas Ex THS| pos Eis AUTO TUYTE PIT ELS 
éoTi peTéwpov aus Chartiers Ausgabe in die Kiéuys itbergegangen ist, wo das ungriechische 
Nomen cuvtepnoes aus dem ebenso unmdglichen cvvtépvaels éote (so!) cer Basile- 
ensis und der Aldina entstanden ist, so offenbart Crassus mit sciner Ubersetzung éta vero 
appellant in eo altioris spatii partem illam, quae supra foramina e¢ naribus in ipsum pertinentia 
sublimis est nichts weiter als eine bessere Kenntnis der Terminologie, die ihm TUT PIT ES 
zu verstehen erlaubte, wie in U tatsiichlich zu lesen ist. 

Ahnlich ist die Berichtigung eines Irrtums 8. 825,11. Wahrend U in der Hauptsache 
unversehrt (lie Worte o7ws yap ce) axpudCov Bepudrends éoTt Tov maids, éuabes ev Tois 
mepi Kpdoewv, evOev Kai Orws 6 Tais TOU akudovTds éaTt Gepudtepos iiberliefert, ist 
bei der Drucklegung der Hs. durch ein Versehen des Setzers Tov vor axudCovTos in ov 
yerkehrt worden, einer von den zihen Drucktehlern, die durch alle Ausgaben der Ver- 
besserung widerstanden haben. Und doch hatte schon Crassus (wie wahrscheinlich noch 
trither Vassius) den Fehler in seiner Ubersetzung beseitigt: Quo enim pacto jucenis puero 
calidior sit, in libris de temperamentis dulivisti: ubi liam quo modo puer jucene sit calidior 
declaracimus. Die Erweiterung des Satzes um das letzte Wort halte ieh im Original fiir 
tibertliissig, aber ubi tal ani evOa zu schreiben, scheint mir dem Sprachgel rauche 
Galens gemiBer. Vgl. auch S. 14. 

Auch an der folgenden Stelle bedurtte Crassus keiner uns unhekannten Hs., um die 
falschen Lesarten der Aldina durch die echten zu ersetzen. deren eine wenigstens U_ be- 
wahrt hat: S. 874; 8 éva pev evOus €& apyis havévra Otapever, twa 6 ToL mpooavEavouény 
i dutAvopevny éyer TH €& cpyns gaveicav ciadopdv, éna de Kal “yevouevny eTeEpav ove 
dAws €€ apyns TEd u«viay(!) Kai dtad Geipopeéevny TeNElws Tov && apyns ewpapévev haben 
Clemens und Opizo in der Aldina drucken lassen, obwohl in ihrer Vorlage wenigstens 
megdnvviay bis auf den Akzent noch richtig zu lesen war. Die mit der arabischen Uber- 
setzung in H ithereinstimmende Verbesserung dcvadepopévyv, die Cornarius an den Rand 
seiner Galenaldina eingetragen hatte, haben die Sammler dieser Noten aus dem Exemplar 


Beitrige zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11, 61 


der Jenaer Universitatshibliothek wie vieles andere nicht mit veréffentlicht'. Crassus gibt 
heides tadellos in den Worten xonnulla et alteram (se. qualitatem) nequaqguam @ principio 
tisam ac pentitus ab tis, quae a principio apparuerunt, differentem tir enatum und corrum- 
pitur Wei Vassiius (p. 496). 

Aut bloBer MutmaBung aus dem Gedankenzusammenhange kann auch seine nichste 
Schreibung beruhen, inbetreff deren sich Hs. und Druckausgabe voneinander unterscheiden: 
S. 884.16 671 6é od TO Cewot KaA@S TrpoTéOnKaY oi TEpt TOV TaBivov o'TwS ypaYayTeEs 
tiv NEEw: voi Ce TEeudheywcees ie Cewols, Kai mpdabev Eitrov (S. 877. 5---10). GNAG Kai 
vov aval (S. 885) uvjow U im Einklange mit H: ovde zwischen ote dé und TO Cewvor ist 
in der Aldina ausgefallen und ist noch von keinem Herausgeber wieder cingefiigt worden. 
Da®B Crassus keine Hs. zur Ileilung der Verderbnis benutzt hat, scheint mir die Unschirfe 
seines Versuches zu beweisen: Verwin quod neque Sabinus recte hane vocem, terribiles, adive rit, 
ita seriem cerborum scrilens, uliae pemphigodees adspectu terribiles, antea dixd et nue in memo- 
rian recocabo ansiatt des erforderlichen Verwn quod Sabinus ne hane quidem vocem terri- 
biles recte adiecerit, denn nicht auf den Gegensatz zwischen Sabinus und anderen Uippo- 
krateserklirern kommt es bei der Linzufiigung von deol an, sondern daraut, dal die 
hinzufiigenden Erklirer. die Schule des Sabinus, nicht einmal cewol, geschweige icew dewol 
mit Reeht hinzugesetzt haben. Hatte Crassus den Gedanken im ganzen wenigstens richtig 
erkannt. ist Vassius (p. 503) mit der Auslassung der Negation bei dem Unsinn der Al- 
dina geblieben. 

Bemerke ich nun noch, da% von den wichtigeren Stellen aus Epid. VI, 1, an denen 
Crassus’ bessere oder richtige Lesart mit U gegen die Aldina tibereinstimmt. nur noch 
das schon oben erwiilnte Sitzchen fehlt, S. 886, 4 eloentad ye may n meugiE Kav Tais 
idlats yvwucis mit seiner im Anlaute des Titels zwar besserungsheciirftigen Herstellung 
Dicta est sane pemphix et in Gnidiis sententiis, wofiir U kav tais Kvioelas yvouas dar- 
bietet, so glaube ich nichts Belangreiches tibersehen zu haben und zu dem Schlusse be- 
rechtigt zu sein, da Crassus weder aut U noch auf eine andere Hs. angewiesen war. 
um die offenbaren und fiir einen sprach- und sachkundigen Arzt der Renaissance durch 
divinatorische Kritik korrigierbaren Fehler der Editio princeps aus dieser seiner Vorlage 
zu tilgen. 

Oder mit gréBerer Vorsicht will ich zunichst nur behaupten, da Crassus fir seine 
bisher besprochenen Verbesserungen U zu Rate gezogen haben kann, aber nicht zu Rate 
gezogen haben mu. Anderseits wird niemand von einem so kundigen Ubersetzer Galens 
erwarten. daB er, aueh wenn U ihm zur Verfiigung gestanden hatte, eine in U fehler- 
hafte, aber in der Aldina schon berichtigte Lesart gegen seine gedruckte Ubersetzungs- 
vorlage beibehalten haben wiirde. Und wirklich vermag ich aus Epid. VI. 1 kein der- 
artiges Beispiel beizubringen, daf} einstimmig falsche Lesungen in U und in der Uher- 
setzung des Crassus den Verbesserungen des Editor princeps in der Galenaldina gegen- 
iiberstiinden. Umgekehrt l&Bt sich indes beobachten, da® Crassus mit der Aldina sowohl 
Eigentiimliches wie sicher Unrichtiges gegen teils auch Unrichtiges, teils Besseres in U 
aufweist. Fir den ersten Fall berufe ich mich auf die folgende Kommentarstelle (S. 816, 





t (her die Galenaldina des bekannten humanistischen Mediziners Janus Cornarius vyl. Jou. Mewarpi 
in der Pracfatio weiner Ausgabe von Galens Komm. zu [Mept dicews avéperov im CMG Vo. 1. p. XXL—XNUE 
und einige Bemerkungen in meinem Aufsatze Pseudogal. Komm. zu d. Epidem. d. Hippokr. (Abb. d. Proud. 
Akad. d. Wiss. 1917. phil-hist. KI, Nr. i) S.3ff a. 5.53. Die Ausgabe der Randnoten Cornars. erschicnen 
unter dem Titel: Jane Cornard Conjecturae et emendationes Galenicae prim. ed. Cuntsi. Goinrripes GRUNER. 
Jenae 1789, schlieBt nicht uur manebe Sehiriften Galens ganz aus. sondern ist auch in den ausgewahilten Teilen 


unvollstindig und unzuverlassig. 


3. Crassus in 
Epi. VE, 1 mit 
der Aldina in 

Ubercinstim- 

mung gegen U. 


6? E. WENKREBACH: 


12): Kavravta madw ovdev dadépe. moTepa KpaTtepavyeves ev mévTE TVAAABAS 7) 
Kpatpavyeves év TETpaTl TIS ypawee. Tovs yap KpaTepo’s EyovTas TOUS avyévas, 
OTEp EoTW ioyupoUs, ExaTépa TOV hovov oHpaiver. TO MEVTOL MAKPAUVYEVES, OTTED EvtoL 
ypadouar Tiv madaav iradAaTTOVTEs ypadiy. ov TavTOv Oydot lesen wir noch in Kiuns 
Ausgabe. da John Clement nicht nur wpotepa seiner Hs. U berichtigt. sondern auch aus 
der Uhberlieferung derselben Vorlage 7 paxpavyeves év térpacc tiir die Aldina 7) kpa- 
Tpavyeves ev TETPAGe hergerichtet hatte: Dieser Textgestalt gleicht Crassus seine Uher- 
setzung an, wenn er schreibt: Hoc loco etiam nihil refert. utrum craterauchenes Graeca 
voce per quingue syllabas aut cratrauchenes per quatuor quispiam scripserit: robustis enim 
cereicibus homines utraque significat. Macrauchenes vero, id est longi colli. ut nonnulli cve- 
lerem scripturam pernutantes scribunt, non candem rem significut. Alyweichend davon die 
arabische Bearbeitung in H: » Anstatt ‘sturknachig: haben einige ‘lungnackiy? geschrieben, urut 
uer dies getan hat, hat vinen doppelten Fehler gemacht: vinmal. dap er die alten Dinge ge- 
andert, cum andern, dap er den Sinn vom richtigen Wege entfernt hat; denn es ist nicht der- 
silo Sinn ‘starker Nacken” und ‘langer Nackew'«, Mag nun das in U stehende pakpav- 
Neves an der ersten Stelle aus den nichsten Zeilen eingedrungen sein oder auf Verschrei- 
bung mit « im Anlaute beruhen. vielleicht lift sich der Fehler der Uberlieferung durch 
die Annahme beseitigen, daB, wie die Adjektive kpatepos und das allerdings viel sel- 
tenere kpatus (z.B. [1181 DidAavros Ouvydtup: tis dé Kpatis apyeipdvens | npdcato) 
einander entsprechen. auch die Zusammensetzungen mit avyiv, KpaTepavyeves und Kpat- 
avyeves, im fonischen richtig gebildet scheinen: Kavravla madw ovdev diadéper. 1éTEpa 
Kpatepavyeves ev méevte cvAAaBais 1) KpaTtavyeves Ev TéTTApGi TIS ypawen'. 

Der andere der beiden oben bezeichneten Fille, ich meine die Gleichheit oder Ahn- 
lichkeit. die darin besteht. dali Crassus und Aldus wenn nicht genau dieselbe, so doch 
wenigstens eine sehr ahnlich unrichtige Lesart der entweder ganz oder doch zum Teile 
richtigen in U gegentiber fortpflanzen, lift sich an folgenden Belegen veranschaulichen. 
In dem Vorworte zu seinem Kommentar zu Epid. VI, wo Galen. wie ich schon frither 
(S. Sth.) ausfiihrlicher dargelegt habe, eine plausible Konjektur des Empirikers Herakleides 
von Tarent zu den in alten Hss. verderbten Worten des zweiten Epidemienbuches []pos 
ée to Adpodiciov ai otpai eBrerrov (S. 794.13), und zwar Al OYPAT fir ai ovpat. 
unter anderem auch wegen der einleuchtenden Entstehungsursache des Fehlers billigt. 


' Einem mir spater aufgesticgenen Bedenken gegen die letzte Verbesseruny will ich hier selbst noch 
hegegnen., Wenn Galen nach der Uberlieferung beispielsweise in seinem Protrept. ce. X p.15.13 (Karper) 
ri GH\yTisiy éxitifcevow éFeraler Par rpoorxer novyv. ef te Palvorr yew ypyoiuov geschrieben hat, bemerkt der 
Ilerauseeber in der gelehrten Mantissa p.40: von forremus optativum in antiquo scriptore, sed postcriores ... ettan 
in interrogativis (eniitiatts). si quid quod futurum sit quaeritur, interdum optativo modo utuntur und erliutert diese 
Gewohnheit aus Lukianos. Uber den Optativ in Nebensiitzen nach einem Hauptsatze, der kein historisches 
Tempus enthilt. hatte Kamer sich u.a. auf Avotr Sonny. Ad Dionem Chrysost. Anal. (ex Comment. Universit. 
s° Viadimiri). Kioviae, MDCCCACVIL p. 216 berufen kénnen. Daher lasse ich Satze wie XVIL1 S. 875, 11 
ere (c2) xepow elre yerpi NEYyots, zpos To Tas eEipyuevas cradhopas ywooKkew otcev cofoe in betretf des Modus un- 
eelindert, wihrend die XVI. 2 8.80.13 feblerhaft stehenden Worte mir leichter in Ordnung gebracht scheinen. 
wenn man schreibt: enor é as ob(éev) Caddpe: [eize] xévwow 3) Nerruopoy cieiv trohaupdvorvow, als wenn man elre 
in jro verwandeln wollte. Zu der Phrase cradépe: wei fod vel. Vantens Komm. zur Poetik des Aristot3 p- 146. 
Sowohl die Leichtigkeit der Verbesserung wie die Beobachtung. dali es sich an den fraglichen Stellen meisten- 
teils um den Optativ des Prisens, nicht um den des Aorists handelt. rit mir. fiir Galens oben zitierte Worte 
bei ypawer cu verbleiben. zumal er auch Epid. VI. 5 S. 305,13 schreibt: «fre 6é tiv pév yuvaixa 75 éXaTipior. 
Thy Ce arye tov (aypiov) rixvoy (wie ich die von der Aldina und Basileensis aufgeléste Lesart der Hs. U aus 
dem Tippohrateslemma  ergiinze. nachdem Chartier vielleicht dasselbe beabsichtigt hatte, dessen verdruckte 
Konjehtur viv ec airya tov atya cov, noch von Kiun wiederholt, allerdings auch auf bloBem Setzerirrtum be- 
ruhen kounte) atrov, ere cé auddotepa BepPpexvias, Kalaipew tie macica | (S. 306) te60 yaXaxtt dyow, obey duced éper. 
KaBarep oft et eSpoxvia ypawer tis 7 dayotoa, 


Beitrige cur Texetgeschichte der Bypidemicnkonmentare Galens, 1. 63 


nV Yeypaupevov dia tov 8, ths péons Ce YPGupaS év airy Cub bapeions edofev 0 uFAw- 
ypados ovpat yeypapba. éy| (S. 795) vaTov yap on ovUT@ Kal hewTHs ivos CTCON@AVIAS 
cuvarodAvoba Thy ypaupny Ta’tnv Kal pas auTny expuyeirns Kai Kat apyus eviis 
auTny apudpav ypadeiray e€ityrov avTiy i710 Tov ypovov yevéoba. Auch die schon er- 
érterte Wbersetzung des Crassus braucht nur wiederholt zu werden. um ihren Ursprung 
au verraten: forsan, inquit, prins Avpat per litteram @ scriptum erat: linea vero, quae in 
ipso media erat, abolita librarins ovpai scriptum fuisse exvistimavit. Fieri namgue hoe modo 
potuit, ut membrana tenui deleta simul et hare linea deleretur +t ab initio protinus ipsam d- 
bilius obscuriusque scriptam temporis longinguitate prorsus eranuiss. Wer sich daran er- 
innert. da die in U schwer lesbaren Worte pucds (soll heiBen wulas, so daB die Biicher- 
motte durch die Fliege ersetzt ist) adtTyv (nimlich Tyv iva) ex@ayovons bei der tiber- 
eilten Drucklegung der Hs. von dem Aldinenkritiker Clemens zu peas atti éexduyer- 
ons entstellt wurden. dem wird auch ein Blick auf den Pariser Galentibersetzer Vassius 
in das Gediachtnis zuriickrufen, wieviel verstindiger und geschmackvoller Crassus verfiihrt. 
wenn er die sinnlosen Worte der Aldina untibersetzt lift. Die Licke in der Chersetzuny 
dieser Stelle kann. wie mir scheint. als biindigster Beweis gelten, dab weder U noch 
eine andere Hs. dem Paduaner Protessor als Quelle gedient hat. Ist ihm hei sciner Be- 
mithung um die unverstindlichen Worte der Aldina auch nieht der rettende Finfall 
pvias avtnvy éxdayovons gekommen. wie er ihm heim Lesen der Hs. 1 hitte kommen 
miissen, selbst wenn die Stelle in U damals schon ebenso unleserlich gewesen wire wie 
heute. so hat er doch in dem aut’ €&(ryAov folgenden avTiy richtig wavtws oder Tav- 
TeEAWS gewittert. Aber auch damit halte ich die Stelle noch nicht fiir geheilt. Ich lese: 
duvatov yap On nto ye (von mir vermutet: ovTws Kai U) AewtHs wos atodwAVIas TUY- 
atoAéo Oat (von mir verbessert: cuvvarrdAAvo Ga U und alle Druckausgaben) tiv ypapuay 
travtyy, Kai (ravta) pvias aitnvy éexhayovons. (oder scheint es ratsamer. das yor 
pvias iiberlieferte kai. wie schon bei der ersten Behandlung %. 9. zwischen ouvamro- 
A€oGa und THv ypauuny TavTHv zu versetzen und anstatt Kal tTavTa lieber wate oder 
pyrore vor puias avTny als ausgefallen anzunehmen?) (7) Kai (wihrend die arabische Uher- 
setzung »oder« fiir «at bietet. habe ich # vor kai hinzugefiigt) kar dpyas etfs avthy 
(nimlich thy ypauunv) auvdpav ypadewwav é&itnAov Tavtws (oder wTavTeAWS von mir 
geschrieben: prorsus Crassus: avtyv U) taro tov ypovov yevéoOa. Die schart ertabte 
Zweigliedrigkeit des Satzbaues fordert sowohl cuvamoAéobac und tH ypauuny TavTHV 
wie e&itn\ov yevéoOa und adtiv auvdpav ypadetwav, auBerdem die korrespondierenden 
Partikeln yn7o: ye und 7, von denen Hunain wenigstens die zweite gerettet hat. und die 
Erklarungsbedirftigkeit der ersten Partizipialkonstruktion Aewtys vos dmoAwAvias emp- 
fiehlt, entweder Tavta zwischen tav’tyy. kat und wvias avTHy einzufiigen. zur Einleitung 
und Verbindung der zweiten. erliuternden Partizipialkonstruktion. wie wir »und zwar« 
gebrauchen, oder den durch Umstellung des kat unverbunden nachfolgenden Zusatz in 
seinem Werte als Vermutung des Interpreten durch mite oder px} mote vor putas atti 
fiir unser »vielleicht« kenntlichzumachen'. Wenn Crassus eine neben U selhstindige Uher- 
lieferung gekannt hatte. wiirde er gewil} die Ubersetzung dieser Stelle schiirfer gefaBt haben. 

Nicht minder lehrreich fiir die Erkenntnis seiner Arbeitsbedingungen scheint mir 
eine andere ebenfalls schon besprochene Stelle S.826 27. wo Galen durch Vermitthing des 
Zeuxis Worte des Herophilos zitiert (vgl.S.14f): npkec ce kai o Hpodidos ta tHdtkabTa 





1 (Uber das in den Galenhss. ofter begegnende MiBverstiindnis dieses Sprachgebrauches LS eine Be- 
merkung im ersten Teile dieser Abhandlung S.167. Einige heliebige Beispiele: oj cv Epid. Wor S.ss3. rs: 
It. 3 8. 788. - 1 ay T0Te Epid. VIL 3 S. 45.8: 67.5 


64 E. WENKEBACH: 


Neyov vijria, OC wv hyot »TOIs vyTiots OV yiveTac OTEp|maTa peydra, KaTapHna, 
KUnua, padakpotys.« So lesen wir noch bei Kiuy wie in der Aldina: ihr folgt auch 
Crassus, indem er so tibersetzt: Contentus fuit autem et Herophilus tam grandes natu infuntes 
rocare per haec cverba: »infantibus non erumpunt semina multa, neque menstrua purgamenta, 
iidem non concipiunt, non calvescunt«, nur daB er an peydda begriindeten AnstoB nahm 
und es durch woAAd ersetzte, statt, wie bereits friiher aus Hunains Ubersetzung in Hund 
aus der lateinischen Bearbeitung der Scholien des Johannes von Alexandreia 8.15 be- 
wiesen. aus der Schreibung unserer Hs. U orrépua peyada die Worte oréppua. |pel- 
yaa und so die urspriingliche Form des Herophiloszitates zuriickzugewinnen'. 

Kein anderes Hilfsmittel der Textkritik als sein Divinationsvermigen ist endlich in 
diesem Zusammenhange unserer Untersuchung fiir die letzte Stelle zu erschlieBen, die 
Crassus allein durch Konjektur zu erledigen versuchen mute. Wahrend Kiuy S. 874, 2 
gemiB dem Texte Chartiers und dieser mit seinem Vorliufer Hieronymus (emusius, 
dem Herausgeber der Basileensis, die in Frage stehenden Worte so drucken lieS: Kai 
Toivuy évioTe pev avyunpa Kai kataEnpos paivera yn OSeppacia, Kabdarrep ei ABov Twos 
iwdueba Oepyov. 7rodAAdKis 0€ havtacia TH voTiMder Kai UYpa TdvU aTMOONS. 
oot aicbdaverOa cados avadepopévou Twos éK TOV T@Y KauVovTWY O"ATOS UTMOU TAp- 
modAov, zeigt die Fassung ihrer gemeinsamen Quelle in den zweifelhaften Sitzen folgende 
auf den Aldinenkritiker Joannes Clemens zuriickgehende Form: zroAAdkis d6€ favtacia 
(so!) TH voTidde Kal vypa mavv (so!) atuddns, die wiederum aus dieser Schreibung 
von U herzuleiten ist: aoAAa@kis 6€ havtacia TH avoTi@de Kai Uypa ToAAal aATHO- 
ons. Lesen wir nun bei Crassus: Igitur squalida interdum atque valde arida caliditas ap- 
puret perinde atque si lapidem aliquem calefuctum tangamus: plorumyue cero roridam se 
humectatam et halituosam repraesentat, ut halitus quidam permullus ex laborantiun cor- 
pore emanans perspicue sentiatur, so sehen wir den Ubersetzer abermals auf sein eigenes 
Risiko den Text der Aldina gestalten. und zwar dem Echten wieder niherkommend als 
Gemusius, wenn er gegentiber dem Festhalten des Basler Kritikers an davraoia das 
richtige g@aiverat mit den zugehérigen drei Subjektspridikativen voTiwdys, vypa und 
ATH wOHns voraussetzt. Anderseits wird man aber auch erkennen. daB Crassus vielleicht 
imstande gewesen wire, der Uberlieferung in U noch mehr zu entlocken, wenn sie ilm 
zu Gebote gestanden hatte, nicht zu reden von einer anderen und weniger beschidigten 
Hs. als U. Gestiitzt auf die indirekte Uberlieferung des Arabischen in H. wo Hunain 
nach Gepyov mit den Worten fortfalirt: »wad manchmal finden wir siv (die Witze) entgegen- 
geset2zt, so dafs mit ihr (verbunden) ist Nasse und Feuchtigheit, wel meanchmal finden wir sie 
dampyig«. vermute ich, da Galen geschrieben hat: kai toivuy éviote pev adypnpc Kai 
katdEnpos paivera n Beppacia, xabamep ei AMov Twos ayraiveba Gepuov, modAdKIS OE 





1 Vorausgesetzt, daB Palladios das Zitat des Herophilos nicht willkiirlich ktirzt. kénnte man aus seiner 
Wiedergabe p.12 Drerz Nijmia Néyer ob ta wrotithia, ahAa Ta radia, orep kai ‘Hpddiros: vyma ob dadaxpoovrat, 
ovK a@ypuTvototy, avtt Tov madia folgern, daB ein Teil der Galenhss. schon im 7. Jahrhundert an dieser Stelle 
schadhaft war. Denn wiahrend sein Zeit- und Zunftgenosse Johannes von Alexandreia in seiner Hs. wenigstens 
in betreff des fraglichen Ausdruckes noch den echten Text vor Augen gehabt haben diirfte, steckt in Palladios® 
ovK aypumvovow ohne Zweifel ein Fehler. Dieser Irrtuin scheint mir selbst fiir einen spiten latrosophisten so 
wenig glaubhaft, daB ich eher an einen Schreibfehler eines Abschreibers denken und damit dem Palladios 
eine ungenaue Wiederhoiung des Zitates zutrauen méchte. Dierz suchte den Feller mit Crassus zu beseitigen. 
wenn er aus dessen lateinischer Ubersetzung non concipiunt (p.158) 0d cvAAapPBavovcryv herstellen wollte. 
Aber seine Anderung verdient palaographisch keinen Glauben. Ich empfehle licber ov« éroxvotory, da selbst 
in Créxerrs leider unvollendeter Neubearbeitung des Passowschen Warterbuches weder éyeXexriaow nuch 
dyadaxrovow bezeugt ist. Dagegen hat Brivrcan, a. a. O. p. 735q., bei seiner Vergleichung Galens mit Palladios 
und Joannes das m.E. auch fiir einen friihbyzantinischen medizinischen Schriftsteller bier unmdécsliche otk 
aypumvovorv unangetastet gelassen. 


Beitrdge zur Texrtgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 65 


paivetat TovvavtTiov voTiddns Kat bypd. TOAAA Kis Oé) ATMOONS, WOT aicBd- 
veofa capos dvapepopévov Tivos éK TOU TOV KaLVOVTwWY GoOLATOS AaTMOU TapTrdAXoV. 

Die voranstehende Gruppe hat Stellen vereinigt, die Crassus in einem mehr oder 
minder weiten und tiefen Gegensatze zu U zeigen, ihn aber auch bald auf der Grund- 
lage der Aldina, bald von ihr ausgehend und weiter entfernt tiberall zu selbstindigen 
Ergebnissen seiner eigenen Kritik gelangen lassen. in denen Wahrheit und Irrtum seiner 
Auffassung gemischt und ohne Frage viel mehr der Aldina als U angepaft erscheinen. 
DaB bei solchem Aufspiiren des Richtigen sein wachsamer und scharf priifender Verstand, 
wie er sich auf sich selbst gestellt ftihlte, zuweilen seinem Drange nach selbstiindigem 
Urteile zu sehr nachgab und im Falle des Zwiespaltes zwischen der Hs. und der Editio 
princeps Crassus hier und da zum Falschen verleitete. habe ich schon 6fter hervorgehohen. 
In diesen Zusammenhang gehdren nun vollends die freilich seltenen Stellen, an denen 
Crassus von der richtigen Lesart, in der U und die Aldina zusammengehen. zu einer 
unrichtigen Uhersetzung abirrt. Von den wenigen Beispielen in Epid. VI, 1 mégen hier 
die Worte S. 865.7 angefiihrt werden: Avew & aita dno (nimlich 6 brmoxpatns Te 
EAKUCpia) TAS aATOTKIPMMAaTOS Ceopevas Ctabéces, nv pi) oTpoyyVAa Kai Baba jj, von 
Crassus so wiedergegeben: Ipsa ceru affectus abscessu egentes discutere inguit, nisi rotunda 
et profunda sint, als ob er awooriparos gelesen hiitte, eine Vermutung des Crassus. 
die schon Cornarius abgelehnt hat, wenn wir am Rande seines Aldinenexemplars die 
Bemerkung eingetragen finden: dmootnpatos Interpr. falso, oder die schon aus einem 
anderen Grunde oben (S. 58) mitgeteilte Einleitung zu einem wéudié-Zitat aus den Kvidua 
youa S. 886, 4: elpntal ye pv 9 weudié Kav Tats idlars yvOuas (Aldina, aus der schon 
Cornarius den Fehler Clements entfernte, indem er mit U tibereinstimmend Kviélats 
wiederherstellte), ds eis Etpupwvta tov Kai iatpov avapépovot kata THvde Ti h€Ew 
(worin der Zusatz von cata auf Kittuy zuriickgeht). In ihrer Wiedergabe durch Crassus 
in Gnidiis sententiis, quas Euriphonti (in der Juntina von 1541, Hriphonti bei Chartier- 
Kitun) medico attribuunt hiser verbis fHllt wahrscheinlich der mehr oder weniger ent- 
stellte Name des Euryphon dem Drucker zur Last, die Ausmerzung des kai aber, das 
zwischen Tov und iatpoy steht, ist zweifellos das Werk des Crassus selbst. Ich wiirde 
die Stelle nicht in diesem Zusammenhange aufzihlen. wenn Crassus kai in Kata ge- 
Andert und vor vyvde tTHy A€Ew versetzt hitte. Denn man kann schwanken, ob man 
in kat den Rest von Kvidiov, wie oben (S. 58) vermutet, oder madaiv sehen soll, oder 
ob man es, was einfacher scheint, fiir das vorweggenommene kata, das vor THVvdE Ti 
AéEw fehit. halten soll. Werden dic beiden hehandelten Stellen wohl mit Recht dieser 
Gruppe zugezihlt, scheint es mir dagegen nicht tiber jeden Aweitel erhaben, ob dem 
Ubersetzungsfehler whscessu (S. 865. 7) und der Auslassung von Kat (S. 886, 5) als dritter 
Beleg yon Irrtiimern, die dem Crassus im Unterschiede von der Hs. und der Druckaus- 
gabe allein eignen, hinzugefiigt werden darf, was aus U iiber die Aldina his zur Kituy- 
schen Ausgabe gelangt ist: S. 854, 9 TaVTWS av KAKELVOUS (naiinlich Tous aA pwdets 
wupetous) ap’ autos eimey. ep wv Kal TO oladov avTo Kat nave, ogTwV av yevntat, 
mupa palvera. TavTas pev ovv Tas dtapopas ouK év Tais TOV TUpETOv, aAr ev Tas 
tov yuuev duayvdcer auewov tHecba, Tovs ce TUPETOUS év TH THS Geppacias. woTreEp 
yap ot yupot THs yevoews ciow aio Ont a, Kata TOV av’TOV AOYoV oF MUpeTol Tis adijs. 
Denn dic indirgkte Uberlieferung des Arabischen, die den Begriff yuyov in H durch 
» Geschnuicke« wiedergibt, hat mich inzwischen davon tiberzeugt. daB ich bei dem ersten 
Versuche, die Stelle ins Reine zu bringen’, das Zusammentreffen Hunains mit Crassus 





1 Vel. meinen schon genannten Aufsatz: Dichterzitate in Galens Erklirung einer hippokratischen Fieber- 
bezeichnung aus den Abb. der philol.-histor. KL. d. Sachs. Ahad. d. Wiss., Leipzig 1928, Bd. XA XIX 1,5.46, Anm. 2. 


Phit-hist. Abh. LO28. Nee). 9 


4. Seltene Irr- 
tumer des Cras- 
sus bei richtigen 
Lesarten von U 
und der Aldina 
in Epid. VI, 1. 


5. Crassus’ Be- 
richtigung von 
Fehlern in 
Epid. VI, 1 aus 
Konjektur, 
nicht aus griind- 
licherem 
Studium von U 
oder gar einer 
uns unbekann- 
ten Hs. geflossen. 


66 E. WEenKEBAOCRH: 


zu Unrecht wenn nicht auGer acht gelassen, so doch wenigstens nicht gentigend ge- 
wiirdigt hatte: wir lesen nimlich bei Crassus: Quod si inter febrium differentias et istas 
Hippocrates collocasset, omnino et illas una cum his enumerasset, in quibus et ipsa saliva et 
omnia quae gustet febricitans amara videantur. Has quidem differentius non inter febrium, 
sed potius inter saporum notitias collocare satius est; febres autem inter caloris differentias 
enumerandae sunt; quemadmodum enim sapores gustatu, ita et febres tactu sentiuntur. Diese 
Ubersetzung beruht offenbar auf der Grundlage év tais Tov yevpaTtwv (oder vielleicht 
yevotov?) diayveoeow.... @oTEp yap Ta yevuata (oder wieder Ta yevoTa?) THs 
yevoews ciow aicOnta, deren letztes Wort, trotz yuyot aus U durch alle Drucke be- 
wahrt, ein neutrales Subjekt vorauszusetzen scheint. Doch wie man auch tiber yevuata 
oder yuuot urteilen mége, jedenfalls liefert Crassus mit der Erginzung des Subjekts im 
vorhergehenden Relativsatze omnia quae gustet (febricitans) ein sicheres Beispiel der 
letzten Gruppe von Textinderungen, die noch zu besprechen tibrig sind, solcher Konjek- 
turen nimlich, durch die, wie schon (S. 45) bemerkt, zur Verwunderung der durch Chartier 
und Kinny bei den falschen Lesarten unserer Hs. U festgehaltenen Leser Crassus zuerst 
Textverderbnisse beseitigt hat und das Interesse kritischer Leser noch heute am stiirksten 
zu erregen vermag. 

Da mir daran liegt, eine mdglichst feste und sichere Grundlage fiir mein Urteil tiber 
die Entstehung jener Ubersetzungen zu gewinnen, so will ich in diesem SchluBabschnitt 
eine gréBere Zahl von Stellen aus Epid. VI, 1 sammeln, an denen der Professor von 
Padua seinen Pariser Kollegen Vassiius an Verstindnis um Haupteslinge iiberragt und 
nicht nur vor den Galenherausgebern seiner Zeit, sondern noch vor Chartier und Kiun 
in einer Weise hervorsticht, daB man zuweilen geneigt ist, ihm neben seinem Druck- 
texte noch eine von U unabhiangige Uberlieferung zuzuschreiben. Indem ich sogleich an 
die zuletzt angefiihrte Stelle ankniipfe, S. 884,10 éf @v Kai TO oiadov aiTo Kai rdvO, 
dowy av yevyta, miKpa haivera, deren Ubersetzung Crassus, wie bemerkt, um das Subjekt 
des allgemeinen Relativsatzes erweitert hat, so stoBe ich mich an dem sachlich zwar 
richtigen febricitans, weil Hunain in der arabischen Ubersetzung in H_ schlechthin von 
veinem Kranken« spricht, und méchte schon aus Riicksicht auf die Paliographie dem 
von dem italienischen Renaissancegelehrten konjizierten 6owv av (6 mupétTw@v) yevntat 
das von dem tibersetzenden Araber gebotene 6 vog@y. zumal dieses nach dowv leicht 
iibersehen werden konnte, in Ubereinstimmung mit der von Galen selbst soeben (Z. 6) 
gebrauchten Wendung dowv av O Kaduvwv yeinta entschieden vorziehen. Schon diese 
Kleinigkeit bestitigt mein auf allen bisher gepriiften Stellen beruhendes Urteil, da Crassus 
fiir seine Arbeit an den Kommentaren zu Epid. VI keine Hs. benutzt hat. Die folgen- 
den Stellen, an denen er falsche der Hs. U und der Aldina gemeinsame Lesarten he- 
richtigt, wihle ich der Reihe nach aus, wie sie im Buche vorkommen. 

S.793,9 wate hvayxacOny éyw Oa TOvTO TV TE TWahadTHTA TAY avTLypadwv 
émntnoa Ta TE UTopvnuaTa Tav mpdTev éEnynoapévov TO BiBAlov U, Aldina: Quam- 
obrem propter hoc et ego veteres codices indagare et eorum commentaria, qui primi librum 
hune explanaverunt, evolvere coactus sum schreibt Crassus, indem er Ta wadata Tov dv- 
tTrypaddwv anstatt Ta madatdTata in der Vorlage von H voraussetzt. Obwohl ich dem 
Araber lieber folge, verschweige ich nicht, daB Galen auch in diesen Kommentaren oft 
Ta Tadaa Tov avtrypadev sagt. 

S. 804, 8 émel.. . haivetat wowovpevov, Oo... UTapYel, KAT TOTOUTOV vEevpwon Tpoo- 
ayopeudpevov avtny (nimlich tyv pntpav) amd Twos opodTyTos, kavtavla trapdywyov 
Ovona Tov vevpwv tomoduevot U, Aldina: Crassus hat allein das finite Verbum des Haupt- 
satzes Tpoaayo pevopev aus der ganzen Satzkonstruktion erkannt, wenn er tibersetzt: 


Beitrige zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. IF. 67 


hac ratione uterum nervosum esse ex quadam similitudine dicimus, derivatum a nercis nomen 
ri quoque imponentes. 

S.811.17 TovTo yap Kav TO Tepi TWadiov dicews eipntat Kata THhvde THY NEEw U, 
Aldina: hoc enim et in libro de pueri natura hisce cerbis testatum est mit richtiger Herstellung 
des Titels der zitierten Schrift durch Crassus. 

S. 814,14 evdnrov O° 6tt Kai thy AéEW Exeivnv, Kal nv Kal GAXaL aTrd VaTEPEWY 6 
‘hrmoxpatns éypayrev, éEnyotvra Sirt@s U, Aldina: Ilud quoque in confesso est eam partem, 
quam ita scripsit Hippocrates, et quaecuma@ue aliae ab uteris, duobus modis explanari, indem 
Crassus das noch in Kitnys Ausgabe fehlende Relativpronomen aus dem Lemma S. 799, 7 
Kai kata TO Boéypa ai ddvva Kai doar Ada awd vorTEpéwv richtig hinzugefiigt hat. 

S.816,12 Kai yap Kai TovTov (nimlich Tov otevdy Kai paxpov Owpaxa) evpiv eivar 
TpoonKkeyv, ov TAaTUv wdvov 7 waxpdv U, Aldina: wie Crassus mit Bezug auf angustum 
longumque pectus schreiht: quandoquidem id amplum esse, non latum dumtaxat aut longum, 
oportet, so indere ich das Imperfekt in das Prasens, und zwar des Hiats wegen nicht 
in mpoonke, sondern in tpoonkoy (mit stillsechweigend zu erginzendem éoriy)'. 

S.818,15 GAN ai pev opixpai (kepadai) yoyOnpai dia wavTds, ai O& peyddat yévowT 
av woTe KaTa TO oOTdvov él popn | (S. 819) te THS KaTa TavTa OuvapeEws Kai TAHOE THs 
vans, 6& ns dwrdaoOnoav U, Aldina: Crassus’ Ubersetzung Sed exigua capita semper praca 
sunt: magna vero, licet raro, nonnunquam tamen et bona fuerint et ob facultatis corwn forma- 
tricis robur et materiae, unde creata sunt, ubertatem l&Bt die durch S.819,15 év 6€ Tt OTaviwt 
yivovra kai ToUTwv (nimlich Tov peyddwv Kepadov) TwWes ayaa bestitigte Verbesserung 
ai 0€ peydda yévowt av mote (kayabai) kata TO ondvov erkennen, allerdings im 
Widerspruche selbst mit H, in dem Prare dieselbe Liicke entdeckt hat wie in unserer 
byzantinischen Uberlieferung. 

S. 820, 10 BéATiov eivae vouiSovta avEnByvac tTHv Kat ivtov (nimlich éEoyyv).  av- 
Tika yap n TE KUYplwTaTN TOV KOIWN@Y Eat TOU EyKEepaAoU Kal H TOV vwTiaiov pvEAOU 
pifwors U, Aldina: da fiir das fehlerhafte avt/ka die arabische Ubersetzung in H >in 
Hinterkopfe« bietet, so ist av7d@t zu schreiben, womit Crassus iibereinstimmt, wenn er 
tibersetzt: melius enim putandum est, occipitii eminentiam maiorem esse, ibi namque et no- 
bilissimus cerebri sinus et dorsi medullae exortus locati: sunt. 

S. 825, 13 éxAduwpes ovv tov Depyov BovrAovra Aéyew avrov oi KadéoavTeEs EavTOUs 
lrmoxpateious éxk petapopas amo ths éxtos pAoyos, NTIS, oTav erikpation (verbesserte 
Ktun: émuxpatioe U, Aldina) tis vAns, wore éavty cuveEopomoa tacav, éFéaupe 
Te Kai havepa maow éyéveto U, Aldina: die Ubersetzung des Crassus Illi itayue qui se 
ipsos Hippocraticos nominant, ipsum fulgores calidi dicere colunt, per translationem ab externa 
flamma, quae quum materiam vicit eamque sibi ipsi omnem assimilacit, effulget manifestaque 
omnibus redditur, quum prius humidam materiam exsiccans occultaretur bedingt diese Er- 
ginzung: ths vAns, ote (avTHY) EavTH cuveEopowmoa Tacav. 

S. 827, 1 dienen zur Erliuterung des oben (S.15) behandelten Herophiloszitates 
die Worte od yap Tots péypt THs Tpoepnuévns HAuKias Tapaywopévois (lies Taparyevope- 
vos) Aéyer py yiveoOa TavTa, TOUT amo THS TpwTns ebféws yevéoews in U und in der 
Aldina, in der tovti den Asteriskus trigt: das selbstverstindliche Toutéo te hat sowohl 
Cornarius wie Crassus hergestellt, jener als Randbemerkung in seiner Aldina, dieser in 
seiner Ubersetzung: Neque enim praedictam aetatem natis haec accidere negat, hoc est a primo 
statim ortu. 








' Vel. tiber diese schon oben S. 49! besprochene umschreibende Redeweise Georc Hetmreicus Ind. rerh, 
ad l. de victu acut. in CMG Vg. 1 p. 464 8. ¥. 


US 


68 E. WENKEBACH: 


S. 833,2 n 0 & tov kata tas pdéBas aB pore Bevros mAnGovs (nimlich oduvn), 6Tav 
eis Tous vedpous Karaoknyn, Kav preBorounBoow, ovk evOéws AVeTa Oia TE TO TUKVOY 
tis Tov vedpav ovoias Kai OTL Ola TrOAAGY avTOIS ETTIKEEVOV Taparov i Tov eEwbev 
émitiepévov BonOnuatov adixvoupévn Ovvaus éxdveTa. AVEr dé aUTAaS (U: avtHs Aldina) 
tas 6dvvas ov TovTO povoy (TovTO in den Ausgaben von Chartier und Kiuy ausgefallen), 
GAAG Kai h Old THS avw yaoTpos Exkpiors, i} yiveTat KaKdv TL OUUTT@EA TOIS KWAOV Ta- 
gyovat Kai vepov. Kai yap Tot Kal TuvEey@s oi veppot TH KOA Kal TO K@AOV TOS vePpois 
cuvarrovta avTa Tov mepitovaiov U, Aldina: At dolor ex sanguine in venis contracto pro- 
veniens, quando in renes incubuerit, etiamsi cenam caecideris(!), haud illicu discutitur et ob renum 
corporis densitatem et quoniam ob multa ipsis superiniecta corpora exterius appositorum reme- 
diorum facultas ad renes iam debilior effecta pervenit. Soleit autem ipsorum dolores non 
il solum, verum etiam per superiorem ventrem facta excretio, quae (quam Druckfehler bei Ktny) 
tam coli, quam renum dolore vexatis commune quoddam symptoma est: continenter enim renes 
laxo intestino et laxum intestinum renibus per tunicam peritonoeum vocatam copulantur Crassus: 
auBer ipsorum dolores, das Crassus aus dem verkehrten avtys der Aldina mit Bezug auf 
renes zurechtgemacht hat, dem aber die in U iiberlieferte Wortstellung avtTas Tas ddvvas, 
d.h. ipsos dolores, widerstrebt, bestatigt der Araber alle Anderungen des italienischen Huma- 
nisten; denn auch in H sehen wir vor der Ubersetzung von adixvovpévy den Begriff »ge- 
schadcht« zagesetzt, so daB Galen  Tav eEwbev errr Beueveov BonOnudtov (udAts Eis aT OVS) 
adixvoupévy Ovvauus geschrieben zu haben scheint, und gegen Ende der angefiihrten Worte 
den Nehensatz »weil zwischen beiden das Bauchfell ist« tibersetzt, dem im Originaltext dca 
Tou Tepitovaiou entsprochen hat. Selbst Chartier hat aus Crassus’ Verbesserungen keinen 
Nutzen fiir seinen Text, neben dem die richtige Ubersetzung abgedruckt steht, zum Staunen 
seiner Leser zu ziehen gewuBt. Oder soll man glauben, da®8 er tiber der Arbeit an den 
Kommentaren zu Epid. VI gestorben ist? Bekanntlich ist das Werk erst aus Chartiers Nachlab 
erschienen. In Hinsicht auf solehe Stellen wie diese will es mich wahrscheinlicher bedinken, 
da der Pariser Galenkritiker nicht die Ubersetzung von Crassus, sondern die von Vassiius 
benutzt hat; diese bleibt aber fiir clie Verbesserung unserer Sitze unergiebig. Vel. S -43. 80. 

S. 841, 2 apiorov éott Tous pev xvpous Aertous eiva, padane SE (kai) 7 pos Thy 
dEodov altav émitndea Ta TOV veppov oopara (kai von mir zugesetzt). THY apynv yap 
ovoe ryevynOnoetai Tote NiGos év avTois, éav aupoTepd Tis avTA Siapurdrry (Aldina: dta- 
gudatre U) U, Aldina: optima res est humores tenues esse et renum ipsorum corpora mollia, 
ut per ipsa transire facile humores possint: nam ab initio neque calculus in ipsis unquam gene- 
rabitur, si quis haee ambo diligenter observet Crassus: er hat also a’tTa in tTavra zweifellos 
richtig verbessert; schwebte ihm im vorhergehenden vor padaxa dé mrpos THY deEodov abTov 
emwiTnoeiav Ta TeV veppov {avTo@r) Topara? Oder padana dé (ws) mpos ... émiTijdera. 

S. 852, 3 mpwoTn ev oo (Aldina: yap zwischen ev und oot hinzugefiigt: in U) Kat 
arparertarn Ouaryvwos eis Tov TpoTov TOV TUPETOV ATO TOV pawopevov KaTa TO COpa 
ryevnoetat, ... Oavpactov ovv Orws TovTO TO Bewpnua Xpnowwratov ov éXaGe (U: édabn 
durch Druekfehler die Aldina: éAd6y seit der Basileensis die Ausgahen) tovs éEnynrds U, 
Aldina: sogleich der Anfang zeigt Crassus wieder von der Aldina abhingig, da er das 
in U stehende yap ausliBt; die Verderbnis in eis TOV TpoTov hat er mit TpoToV nur 
zur Hialfte beseitigt, indem er eis Tov, worin wohl éxaotov oder tavTos steckt, nicht 
beriicksichtigt; schlieBlich hat er éAabe (zwar ohne Gewinn tir die folgenden Heraus- 
geber) wiederhergestellt, wenn er nun die ganze Stelle so wiedergibt: Primam sane 
tutissinamque naturae febrium notitiam ex iis quae in corpore apparent, ucquirentes (scheint 
Drucktfehler fiir acquires), ... Mirandum est igitur quonam pacto have utilissima contemplatio 
explanatores latuerit. 


Beitriige zur Leatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 69 


S. 856, 8 Ta yap tro Tmayéwv Kai yNioypwv ywoueva (pyyata) ws av Yuypev ovTev 
twAatea TE Esti Kai OVoTEnTAa (Aldina: CVomevta U) Kal onmeTa MadAov, ov TéTTETaM 
ypove wAreiou U, Aldina: num ex crassis tenacibusque constantia (se. tuberculu) utpote frigidis 
vt lata sunt ct acgre coquuntur, quin etiam putrescunt potius quam coquantur longiori tem- 
pore Crassus in Ubereinstimmung mit Hunains Ubersetzung in IL »sée sind ndher der Faulnis 
als der Kochung«: kat onmeta paddAov i) WeTTETM ypdver TAEiove hat also Galen ge- 
schrieben. Dagegen kinnte es scheinen, als ob beide Ubersetzer in den niiehsten Worten 
einen nicht sicher lésbaren Widerspruch enthillen. Wo wir in U und der Aldina lesen 
(Z.11): ovv tovTos O€ émrawel Kal TA OMad@s ExTrVioKOMEVaA. Ta Yap EK pépous pév Twos 
éauTO@V ExTrUnoavTAa, TO AOUTOY Oe aTaV GvEKTUITOV EYoVTA Tp@TOV pEV AUTO TH (Ta hat 
erst die Basileensis in die \usgaben hineingebracht) ypovwtepa tev GAAwv exTrUnoaYTOV 
evOews eva poyOnpa, devtepov dé To dvaoyepel THs Hepareias, gehen die Ubersetzungen 
yon 7pe@tov pev an anscheinend auseinander: Hunain sehreibt nach H_ »dus erste, was daran 
getudelt wird, ist das, was ich davon erwdhnt habe, dap siv lénger dauern«. Crassus gibt die 
ganze Stelle so wieder: Praeterva laudut et acquabiliter suppurantia. Nam quae ex aliqua 
parte suppurant. reliquum vero totion non suppurans habent, primum quidem vo quod aliis statin 
suppurantibus diuturniora sunt, seruulum vero quod difficilius curuntur, peiora censentur. 
Ich gestehe, da ich Crassus wegen der Einfachheit des Ausdruckes den Vorzug gebe, 
und empfehle zu lesen mp@tov pév aiT@e TL ypovwTepa TOV WAwv éExrrunTavToy EiOéws 
eivat poyOypa (eotrv oder paivera), Cevtepov oe xré. Aber vielleicht liegt nur eine Kigen- 
tiimlichkeit des arabischen Ubersetzers vor, der ebensowenig wie Crassus peumtéa vor 
Augen gehabt hat, sondern, wie er oft @yaBds mit »lobenswert« wiedergibt. hier das Gegen- 
teil poyOnpa mit der Wendung »iwas getudelt wird« meint. 

S. 874, 9 Twa & To tpocavEavopevyy i} CuaAvopevyv eye Thy EE apyns haveioav cia- 
dopa, eva dé Kai ryevouevyy étépav ovd’ ddws EE apyns wepyvulav (so U: weduxviav 
Aldina) cal drafOerpopévyny teres tav €E apyns éewpauevov U und Aldina an einer 
schon S.60 wegen der zum Teil verschiedenen Lesarten der Hs. und der Druckausgabe 
hehandelten Stelle: wonnulla vero aut augescentem aut decrescentem. quac ab initio apparuit, 
qualitatrm habent, nonnulla et alteram nequaquam a principio visam ac penitus ab iis, quae 
a principio apparucrunt. differentem Crassus, der wie Cornarius Oradepopévyyv im Ein- 
klange mit der arabischen Bearbeitung, die nichts von einer Vernichtung des Unterschiedes 
weiB, hergestellt hat. Ebenso sind gleich im folgenden Crassus und Cornarius die ein- 
zigen Kritiker geblieben, die in dem Satze (Z.14) wept 0€ tov ddwv edegys oopeba, 
moTEpov yap opbas éyer Tas eipnuevas Epappooa TH ACFE TOV hrroxpartous statt des fehler- 
haften métepov, das aus U iiber die Aldina sich bis Ktay behauptet hat, mpotepov 
geschrieben haben: in H steht ungenau tibersetzt »Jefst«. 

S. 876, 7 ébegns d€ tiv Kata péyefos ai’T@v (niimlich To@v mupeTov) Crahopav év- 
decvipievos Env’ voi O€ mepuaées evOéws, oi d€ Oia TavTos PAnypol«. KATA TL wEV OUV 
h towlty davracia yiveta Tos anTOMEVOIS, WS HTOL TOAAHV Eivar CoKEty I} GACYHY TV 
Deppaciav, adbis ovropeba, vuvi 6 67 haiveta povov eimew apxéoe U, Aldina: da es sich 
wn ein Hippokrateslemma (5. 871, 11) handelt, mu man aus Crassus’ Ubersetzung At 
deinceps febrium in mugnitudine differentiam demonstrans, inquit, aliae statom perurentes, aliar 
in totum debiles bn autnelmen, wie auch Z.4/5 6 lrmoxpdtns ... €uvnuovevoev vorher- 
geht, und ebenso gleich im n&chsten Satze kata Ti (oder vielleicht dca 77Z). wottir U 
an alle Drucke kata Ti weitergegeben hat. 

S. 885, 5 Opolws O& ipaptov Kai of mvevpaTwdes ev avTovs (nimlich Tovs meudi- 
yédes trupetous) eipjrOa A€yovTEs, OV TOS THY adiyy Tiy dwyvwow avadepovTes, GAN 
émt Ovotrvoias efon (Aldina: eides U). év  péya Kat wuKvov yiweTa TO Tretua U. Aldina: 


70 E. WENKEBACH: 


schon der Hiat zwingt, die Konjektur des Aldinenkorrektors durch das von Crassus tiber- 
setzte eiOos, év wt zu ersetzen; denn er schreibt: Pari modo peccaverunt et illi, qui febres 
istas spirituosas dictas esse voluerunt, non ad tactum notitiam referentes, sed ad difficilis respi- 
rationis speciem, tn qua ragnes creberque spiritus redditur. 

S. 887, 3 émiorkéwtou Oe Ex avTov (néimlich TOV eE@y pov TupET@v) Ta dtaywpovpeva, 
Kav pev av (av hat erst Kiuys getilgt) pera xohns evploKys, é& avayvoews avTns yivwoke 
Thy Kata vow ypouw imndAadyOa, Euv dé avev peta (da das letzte Wort a in U 


geschrieben, also schwer deutbar ist. so ist bei dem hastigen Abschlusse des Werkes in 
der Aldina von Clement eine kleine Liicke durch ein Sternchen bezeichnet worden) thy év 
Stapopa wupov tiHeco Thy ypoav U, Aldina: In ipsis vero dejectiones considera: nam si eas 
bile tinctas inveneris, ex eius effusione naturalem colorem permutatum esse cognoveris; at si sine, 
in differentia febris colorem ponito Crassus: wie er, sich auf die Aldina stiitzend, wupou, 
das die Pariser Ausgabe in wupos verwandelt zeigt, zu up (eT) ov erweitert und a in av{Ta) 
verbessert und erginzt hat, so verrit er seine Abhingigkeit von der Editio princeps noch deut- 
licher in den Worten at si sine, dem Abklatsch der in der Aldina ohne Genetiv gedruckten 
Worte éav dé dvev, deren Wiedergabe er bei Kenntnis der Hs. U vielleicht um den Zusatz 
von TauTns vermehrt haben kénnte. zumal wenn ihm dieser Gebrauch des Pronomens 
ovTOS aus Stellen wie S.912,12 éav TE xepis oduvns, édvy TE OUY TAUTH oder 8.990, 12 
nro. ov OyKw Tapa Hvow 7 Ywpis TOVTOU LOVNV éTYNKwS THY KATA TO MHKOS ETiOoTW 
gegenwiirtig gewesen wire. Jedoch zu einer wesentlich anderen Auffassung der ganzen 
Stelle zwingt uns, was wir in H als Ubersetzung der Worte Galens lesen (S. 887, 3): 
»man mups bei diesen (hochgelben Fiebern) untersuchen die Sache der Gelbsucht; und wenn du 
den Kot nicht vermischt mit Galle sichst. so wisse, dap ...; wenn uber die Abgdnge mit viel 
Galle vermischt sind, so mache die Farbe zu viner Art der Fieber.« Die sichere Lisung des 
sachlichen Widerspruches muB ich Kundigeren iiberlassen. Indessen scheint mir, da auch 
manche Satze aus den Epidemien samt Galens Erliuterungen in die Richtung der auf- 
falligen arabischen Variante weisen: Erstens tiher die avayvois @ypas yoAns ziehe man 
Epid. 115 (If 642, 121.) und dazu Galens Kommentar 8. 168. 169 zu Rate und Epid. III, 1 
(IIL 34,5 L.) mit dem Kommentar 8. 537f. und 558, wozu ein Aphorismus iiber dieselbe 
ixtepwons avayvors IV 62 (IV 524 L.) stimmt; vgl. auch Galen zu Epid. III, 3 (III 70, 3 L.) 
tiber eine Form des Erysipelas im Komm. S.659; ferner zur ersten Krankengeschichte 
nach der Aowwons kataoraors IIf 17 (IIL 102 L.) im Komm. 8. 742/43. Zweitens tiber die 
zum P@wodes oder papacuos fiihrenden Fieber erwige man Epid. I, 2 (Il 604 L.) und im 
besondern einige Sitze der galenischen Erklirung, z. B. S. 68f., 70°71. Deshalb wiirde 
meiner Kenntnis der hippokratischen Fieberlehre folgende Gestaltung des Textes am meisten 
entsprechen : ETO KET TOV e€ €m avrav (d. h. Tov eEdypov TUPETOV), ), (6 Ts EGTL TOV 
ixTépwv oder T@V ixtepwdar) Ta Saywpovpeva kav pwev ad(ra Xwpis) xoNis evpi- 
oKnis, €& avayvoews auTys yivwoKke THy KaTa hiow Xpow ormrdy Gat, éav d€ av peta 
{yoAns moA)ANs, év Otapopa mup{eT)ov tibeco THv ypdav. Da sich in der Aldina 
nur sehr diirftige und dunkle Spuren dieses vermutlich echten Galentextes aus U erhalten 
haben. so ist es begreiflich, da Crassus sich mit seiner Ubersetzung sehr weit von dem 
Gedanken Hunains entfernt: seine Sachkenntnis hat nicht ausgereicht, den verzwickten und 
mehrfachen Schreiberirrtum zu durchschauen. Die vertrackte Uberlieferung scheint mir 
eine doppelte Erklirung zuzulassen. Zundchst méchte vielleicht mancher in av lieber eine 
Dittographie von kav als ein Uberbleibsel von avta@ (nimlich ta dcaywpovpueva) oder den 
Rest des vom Sinne geforderten a@vev finden; da die Praposition schon in der Vorlage (v) 
ausgefallen war, so kénnte ein Schreiber ohne Kenntnis der pathologischen Tatsache, daB 
der Kot Gelbsiichtiger ohne den Farbstoff der Galle ist, die Praposition im Gegensatze 
zu dem wenigstens iiberlieferten dvev des zweiten Gliedes durch peta ersetzt haben, 


Beitrage zur Teatygeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. ral 


zumal wenn er das fiilsehlich erwartete weTa in dem vor xoXns seiner Vorlage noch 
erhaltenen av7a@ zu erkennen glaubte; indem man nun nach atta das fehlende dvev wegen 
Galens Hiatscheu durch ywpis ersetzen muB, das vor yoAis leichter tibersehen sein konnte 
als dvev, so stellt sich die erste Satzhilfte in dieser Form dar: kav pév [av] ata (ywpis) 
yodrns evpioxnts, Einfacher scheint mir, um den Ursprung des Fehlers zu erkliren, der 
zweite Weg, der zum selben Ziele fiihrt: in kav wev Gv peta yodns sehe ich einen Irrtum 
und einen Heilungsversuch zugleich von seiten eines sciolus librarius, dem sich so aus 
Kav Mev av(Ta Xwpis) yodrs evpioxns sowohl das verlesene dv wie das unrichtig hinzu- 
gefiigte weta ergab. Der Nachsatz des ersten Bedingungssatzes lautet in H wie in U. 
Was. aber darauf mit abweichender Form als zweiter Bedingungssatz dieses Gegensatz- 
paares folgt, glaube ich auf Grund des Arabischen aus der byzantinischen Uberlieferung 
so sicderiecstellen zu kénnen: éav 6€ av peta (wokNns xo)Ans (oder peta (xoAns 
mwoX)Afs), nimlich evpioxyis Ta Staywpovmeva (oder Ta Ciaywpypata). Obwohl av nicht 
notwendig ist, halte ich es doch um des gegensitzlichen Gedankens willen fiir so passend. 
da ich es lieber als Ersatz fiir das iiberlieferte @vev bewahrt als in seiner verschriebenen 
Form eingeklammert habe: denn was das seltsame @vev weTa@ nebeneinander betrifft, so 
sieht es so aus, als ob fiber das in U schwer lesbare weta in v, der Vorlage unserer 
einzigen Hs., das aus dem verkehrten peta des vorigen Satzes fiilschlich gewonnene Glossem 
avev tibergeschrieben gewesen wire. Gegen die dem Sprachgebrauche Galens zwar gemiibc 
Hervorhebung des Gegensatzes durch av (vgl. z. B. in seinem Kommentar zu [epi dvcews 
avOporov im CMG V 9.1 p.9,19 pn@ lrroxparous pyr av tov [oAvBov) spricht jeden- 
falls der Umstand, daB das auf das zweifelhafte avev folgende Wort sein Gegensatz peta 
ist. Wie man aber auch itiber die Tilgung oder Anderung von avev denken mége, sicherlich 
ist weta heil. Dagegen darf man wieder tiber die Wortstellung in der Ausfiillung der 
niechsten kleinen Liicke schwanken: das in U vor év c.adopa gerettete THv kann, aus 
Ans verlesen, sowohl peta (7ToOAANS Yo)ANs als auch wetTa (yoAns o)ANHS nahelegen. 
Was also Crassus nicht gelungen ist. kéunte mit Hunains Hilfe auf besseren Erfolg rechnen. 
Soviel von dicser letzten Stelle des letzten Abschnittes. womit ich die Untersuchung 
liber die Hilfsmittel, die Crassus bei der Abfassung seiner Ubersetzung angewendet hat. 
schlieBen will. Auch am Ende dieses Abschnittes zeigt sich also, was ich bereits an seinem 


Anfange zu einer Kleinigkeit seiner Ubertragung bemerkt habe: Crassus hat seine auf 


sorgfiltigem und eindringendem Studium beruhende Berichtigung oder wenigstens ver- 
suchte Verbesserung des Textes in Galens Kommentaren zu Epid. VI nur auf der Grund- 
lage der Druckausgaben gefertigt: weder U noch eine fiir uns verschollene 
Hs. hat er zu der instar codicis fiir ihn giiltigen Aldina hinzugezogen. 
Dieses mir langst feststehende Urteil, das ein rundes Viertelhundert tiberwiegend 
richtiger Textinderungen in Epid. VI, 1 aus der Ubersetzung des Crassus durchgehends 
auch in dieser Schlu8gruppe ausschlaggebender Stellen bestatigt hat, lieBe sich noch durch 
zahlreiche andere Konjekturen des, wie mir scheint, sprachgelehrteren als sachkundigen 
Professors der Medizin von der Universitat Padua tiefer begriinden. Allein so wichtig 
eine weitere Erérterung solcher Fehler und ihrer Verbesserungen fir die neue Ausgabe 
unseres Buches im CMG auch wire. fiir den Wert des Crassus und seiner Leistung wiirden 
wir nichts Wesentliches hinzulernen. Auf Schritt und Tritt st68t der Leser dieser Kommen- 
tare auf Stellen, die durch die Sorgfalt und den Scharfsinn eines nur wenig bekannten 
Humanisten in Ordnung gebracht sind, und es kann die Bedeutung seiner griindlichen 
Arbeit an diesem Buche Galens nicht beeintrichtigen, wenn festgestellt werden mub, daG 
er kraft seines Verstandes unzihlig oft nur geringfiigige Schiden der Uberlieferung hat 
heben kénnen, die Heilung der umfanglichen aber, die ganze Sitze und Seiten betreffen, 
wie die Ergiinzung der in der direkten Uberlieferung der Byzantiner verlorengegangenen 


Crassus als 
unverachtlicher 
Konjektural- 
kritiker wenn 
auch meist nur 
geringfiigiger 
Verderbnisse in 
Epid. VI, 1-6 
von Cornarius 
anerkannt. 


Mu Crassus 
auchals Betriiger 
angeschen 
werden wie 
Rasarius ? 


Der Galeniiber- 
setzer Joannes 
Bapt. Rasarius 
als Falscher der 
aus Palladios” 
Komm. ein- 
geschwarzten ~ 
Ergaénzung you 


Epid. VI, 6—8. 


72 E. WENEKEBACH: 


Kommentare zu Epid. VI spaiten Nachfolgern aus unseren Tagen hat tiberlassen mtissen, 
die den Ertrag der neuentdeckten indirckten Uberlieferung aus der arabischen Ubersetzungs- 
literatur fiir das CMG nutzbar zu machen bemiht sind. Die héchste Anerkennung fir 
die Kritik des Crassus finde ich darin, daB ein so tichtiger Vertreter der philologischen 
Medizin, wie der aus der Schule des Erasmus hervorgegangene Obersachse Janus Cornarius, 
der mehrere Jahrzehnte hindurch mit unermiidlichem FleiBe bis zu seinem vorzeitigen 
Tode (1558) an der Ausmerzung der Textverderbnisse in der Aldina und Basileensis arbeitete, 
fiir die von ihm geplante Neuausgabe der Werke (calens in den Kommentaren zu Epid. VI 
nichts Besseres glaubte tun zu kénnen als Crassus’ Ubersetzungen in das Griechische zu 
ithertragen. wie er im Bereiche des Epid. I und III oft auf die Ubersetztmg von Hermannus 
Cruserius und Augustinus Gadaldinus zuriickgegriffen hatte. Wem mein Versuch, einen 
unverichtlichen Textkritiker der humanistischen Arztewelt halber Vergessenheit zu ent- 
reiBen, gegliickt scheint, der wird nicht bestreiten, dafi unter den Gelehrten, die sich um 
die Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Hippokrateskommentaren (ralens beschiiftigt haben, 
der iltere Crassus mit Ehren zu nennen ist, und den wird es auch vielleicht eine tible 
Laune des Schicksals diinken, daB es den mit Gehalt und Gestalt der galenischen Schriften 
so vertrauten Arzt in Padua nicht an die Stelle des Aldinenkritikers Joannes Clemens 
oder des Basler Herausgebers Hieronymus Gemusaeus berufen oder ilm nicht wenigstens 
die Gelegenheit zu einer Alnlich erfolgreichen Ubertragung der Kommentare zum ersten 
und dritten Epidemienbuche geboten hat, wie sie ihm im Epid. VI gelungen ist. Ob ein 
so geschitzter Mediziner der Renaissance gegen Ende seines Lebens sich durch seinen 
anschligigen Kopf im Falle des unvollstindig erhaltenen Kommentars des Palladios, wie 
ich in der Einleitung zu dieser Untersuchung bemerkt habe (S. 44), zu einer nicht nur 
objektiven, sondern auch subjektiven Falschung hat vertiihren lassen und dadurch seinen 
wissenschaftlichen Ruf besudelt hat, wird sowohl jeder an der Medizingeschichte interessierte 
Arzt wie Sprach- und Literaturforscher um so Jebhafter aufgehellt wiinschen, als ihm vom 
rein menschlichen Standpunkt aus daran liegen wird, Crassus’ Intellekt und Moral mit- 
einander in Harmonie zu wissen. 

Wahrend der Professor der Medizin an der Universitit Padua Junius Paulus Crassus 
trotz allen Verdiensten um die Renaissance des Hippokrates gegenwirtig unter dem Ver- 
dachte steht. auf die Ehrlichkeit seiner wissenschaftlichen Berufsarbeit nicht immer ge- 
wissenhaft genug bedacht gewesen zu sein. darf man bei seinem jiingeren Zeit- und Zunft- 
genossen Joannes Baptista Rasarius aus Novara’ nicht mehr daran zweifeln, dali er auf 
der schiefen Ebene der Scharlatane abwarts geglitten ist und nun zu jenen dunklen Ehren- 
miinnern der humanistischen Medizin gezihlt werden mu8, die wohl mehr aus eitler 
Ruhmsucht als aus gemeiner Profitgier sich nicht gescheut haben, weit tiber ihre Lebens- 





‘ Der Arzt Joannes Baptista Rasarius, aus Novara, der alten Bischofsstadt an der StraBe von Mailand 
nach Turin, gebtirtig, scheint vor allem in Venedig tatig gewesen zu sein. Seine medizinischen Schriften. 
meistenteils wolil lateinische Ubersetzungen aus dem Griechischen, dic in Jéchers Gelelirten-Lexikon, Leipzig 
1750, Bd. VI, Sp. 1370 aufgezihlt werden, reichen von 1554. in welchem Jahre sein Oribasius an die (ffent- 
lichkeit trat, bis 1567. wo er seine Ubersetzung der Hippokrateskommentare Galens um den zu De humo- 
ribus et de alimento erweitert haben soll. Uber die Renaissancefilschung des pseudogalenischen Kommentars 
zu Hippokrates’ Mepi yvuav, die aber nicht Rasarius zur Last gelegt werden darf. vgl. die vorlaufigen Angaben 
des Entdeckers Prof. Cart Kaprreiscn in den dahresherichten des CMG. Sitz.-Ber. d. PreuB. Akad. d. Wiss.. phil.- 
hist. KL, 1915 S.o2, und 1916 S. 138. Rasarius selbst tut sich augenscheinlich nicht wenig auf die Erweite- 
rung der Galenkenntnis unter den Arzten seiner Zeit zugute und benutzt eitel und dreist seine ehrliche wie 
unehirliche Arbeit gleicherweise als Aushangeschild zur Enypfelilung seiner Leistungen, wenn er in dem Titel 
seines Werkes nach Marktschreier Art ausposaunt: Galeni in libros Hippocratis ¢° alior. Commentarii ... quos 
multis partibus plures in linguam latinam nuper concersos, g ad vetcrum librorum jidem summa diligentia, ee Sin- 
gulari. cura emendatos, auctusque studiosi ita comperient, ut nunc denique Galenus suam amplitudinem, dignitatemg; 
obtinere uideatur. Nam o° tres in lib. Hippoc. de humoribus Commentarios, et dimidium sexti in sextum Epide- 
miarum, et septimum, et octavum adiunximus. Venetiis. Apud Vincentium Valgrisium. MDLXII. 


Beitrage zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 13 


zeit hinaus zu Betriigern an ernst strebenden Genossen der Heilkunst und an den Erforschern 
ihrer Geschichte zu werden. Der Verdacht, den zuerst der griindlichste Galenkenner 
unserer Zeit, Hermann Scnéxe, wegen der Erginzung des in U verstiimmelten Kommentars 
zu Epid. VI in Rasarius’ Ubersetzung auf diesen geworfen hatte’. ist schon lingst in 
seiner Schule ausfiihrlich begriindet worden: seit der Entlarvung des Ergiinzers durch 
Bracticams 6fter erwilnte scharfe und sichere Beweisfiihrung steht Rasarius als frecher 
Schwindler am Pranger. Auf die letzten Worte unserer Hs. U fol. 169" und zugleich der 
Aldina (t.V fol. 252°) @AAa Kat of Kipoot Ta aita TowavTa Hepatrevovet, TOddypas TE Kai 
apOpiriéas (Bd. XVIIB S. 344,6-—8 K.), die Rasarius in seiner groBen lateinischen Galen- 
ausgabe, Venetiis. Apud Vincentium Valgrisium. MDLXIT, t. Ul fol.161* so wiedergibt: éam 
rarices & hos ipsos morbos, S podagras, § articulorum dolores sanant. JABt er zwar die Bemerkung 
folgen: Quae sequuntur, usque ad finem octari commentarii, ex libro manu seripto sumpta 
sunt omnia, ae nunc prinnan in lucem edita. Aber fiir Kenner der handschriftlichen Ver- 
hiltnisse war es kein Geheimnis, daB Rasarius fiir seine Arbeit an den Kommentaren 6— § 
zum sechsten Epidemienbuche keine neben U_ selbstiindige und vollstiindige Galenhs. 
benutzt, sondern die Scholien des Palladios dem Galen als Kommentar untergeschoben 
hat. Dadurch, daB Fraxz Prarr mit seiner Verdeutschung der Hunainschen Ubersetzung 
dieser Kommentare uns die urspriingliche Form des Werkes aus Cod. Escorial. arab. 805 
(H) wieder erschlossen hat*, ist es mir erméglicht, das Ergelnis der Untersuchung, das 
fiir Brivrigam ohne die Kenntnis Hunains negatiy bleiben muBte, nach der positiven Seite 
zu yervollstindigen. Im folgenden stelle ich Palladios. Pseudogalen und Galen einander 
gegeniiber, um an einer kurzen Probe zu zeigen, was wir von dem Araber zu erwarten 
haben, und zwar geniigt es, wie mir scheint, zu diesem Zwecke. wenn ich das erste Lemma 





! Vel. Diers’ Ersten Nachtrag zum Handschr.-Kat. der ant. Arzte in den Abh. d. Preu§. Ak. d. Wiss., 
phil.-hist. Kl, rg08 S. 35 Anm.1. wo Scnoexe kurz bemerkt hat: »Ob die von Rasarius gedruckte Fortsetzung 
wirklich ans cinem vollstindigeren Galenexemplare stammt oder dem Commentar eines spiiteren griechischen 
Interpreten der Lippohratischen Schrift entnommen ist. bedarf der Untersuchung: wabhrscheinlicher ist die 
aweite dieser beiden Miglichkeiten.« Die geforderte Untersuchung ist von Watraer Bratricgam in seiner 
Doktordissertation De Hippocr. Epidem. 1. VI. Commentatoribus, Regimonti MCMVITI. p.37—63 mit Umsicht 
mu eindeutigem Ergebnisse gefiihrt worden. 

2 Wenn Rasarius. wie oben erwiihnt. an der Stelle. wo U und mit ihm die Aldina und alle ihr fol- 
genden Druckausgaben mitten im 6. Kommentar zu Epid. V1 abbreclen. die Bemerkung macht: Quae sequuntur, 
usque ad fincm octaui Commentarii. ex libro manu scripto sumpta sunt omnia, ac nunc prirmun in licem edita, 
so durfte der Verdacht der Unechtheit dieser Erginzung schon aus der Uberschrift des griechisch nicht er- 
haltenen Teiles in der arabischen Hs. 2846 der Bibliothcque Nationale in Paris entstehen. Sie ist nach einer 
Mitteilung meines arabistischen Mitarbeiters Prarr im 19. Jahrhundert von dem franzésischen Arabisten Reinaud 
nicht aus dem oben bezeichneten Codex Scurialensis abgeschrieben. Die Uberschrift selbst lautet: (fol. 85 ro) Commen- 
tarii Galeni in VI" epidemiorum Hippocratis | a medii (sie!) 6* commentarii usque ad finem octari | (er trans- 
lationc Honcin,) qui differunt a supplementis, quae edita fucrunt latine a Rasario, Mit Absatz. aber 
von derselben Hand Nune arab. transcripti (1) a Davido Colrillo Scoto in regio Monasterio d. Laurentii | ex biblio- 
theca arabica domus cum licentia bibliothecarii ct prelotorum. Diese Hs. enthalt nicht, wie der akademische Hss.- 
Katalog der griechischen Arzte (Abh. d. PreuB. Ahad. d. Wiss. 1906. S. 104) erwarten laBt, alle acht Kommentare 
zum sechsten Buche. sondern nur die im Griechischen verlurenen. Aber sie bietet auch eine Abschrift der 
Kommentare zum Epid. IL, wie die folgende Bemerkung desselben Schreibers bezeugt: Commentarii Galeni numero 
sex in totidem sectiones IT* | cpidemiorum Hippocratis integri ex arabico transcripti (1) | cum aliaqui non extent apud 
Graecos nee Latinos nisi 28 «ft 38 commentar. ct ex illis fragmenta | aliquot misrra, hie integros reperi (1) in pluribus 
exemplaribus in pracstantissina bibliotheca | Regia ad D. Lanrentii Excuriacum (das ¢ der letzten Silbe aus / 
gelindert) dicta et manu propria descripsi David Colvillas Scotus. Dann folgen unter dem Siegel der Bibliothéque 
Impériale Mss. von anderer Hand. und zwar der des frauzésischen Abschreibers Reinaud, die Worte: Casiri, 
dans son catalugiw des manuscrits de | CEscurial, tom. 1 p. 249 et suiv. (x SOO et SO1), cite deux manuscrits 
contenant le commentaire dr | Galion sur le traité des épidémics @ Hippocrate. D’un et Pautre renforment des partics 
qui se trouvent dans cette copie: | mats ui Tun ni Vautre ne représente Vexcmplaire sur le qui la présente copie a été 
faite. Reinaud. R.C.5749. Die Vorlage Reinauds. d. h. die Absebrift des Schotten Colville, ist verlorengegangen. 
‘DaB sie im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts entstanden ist. bezeugt ihr Schreiber selber mit folgender 
Subseriptio hinter dem arabischen Texte: (Byo autem David Coleillus Scotus huc manu mea deseripst tf nonis 
septembris 1624 jfinem imposui. Laus Deo et B. Virgini Mariae) 


Phil-hist. AbA. 1928. Neo. 10 


Palladios, 
Pseudogalen 
und (der aus der 
arabischen 
Ubersetzung 
in H wieder- 
entdeckte) Galen 
imersten Lemma 
des Hippokrates 
und der Er- 
klarung Galens 
aus der von 
Rasarius 
gefalschten 
Fortsetzung 
miteimander 
verglichen. 


74 


E. WENKEBACH: 


des Hippokrates nebst Galens Erklarung aus der Fortsetzung des eingeschwarzten Werkes 
mit dem echten galenischen Kommentar in Prarrs Ubertragung aus dem Arabischen vorlege: 


Palladios (in der Ausgabe 
von F.R. Dietz, Bd. II 8.166) 
zu Epid. VI, 6: 


A’ ‘H yodn, oiov etzrov Trept 
Tov opviwv, oT yoAwdees. 

Tovtov Tov Adyov TEeAElws 
é€éBarev 6 Tadnvos. ti yap 
eim@ Tepi Tov OpviBwv, dT: 
yorddees; Kai tives pacw 6Tt 
vai’ yoA@dees yap eiowy, ws 
OndOLTO KOUPov Kai WETEWPOV 
avtov'. 





Rasarius, Gal. Op. III fol. 
161G, Gal. in VI. lib. Hipp. 


de vulg. morbis com. sextus: 


9 Bilis, ut dixi de avibus, 
guia biliosae sunt. 


Quod saepe sum testatus, ex 
obscuris orationibus elici nullum 
verum sensum posse, hoc etiam 
loco commemoro: neque enim 
quam vim habeat verbum bilis, 
satis intellegi potest: ut necetiam 
conjici, quid nobis praenunciet. 
quare haec sententia vel Hippo- 
cratis non est, ut ego quidem 
censeo: nam quid de avibus ipse 
unquam supra dixit? vel est ab 
eo recordationis causa forte con- 
scripta. quod autem ait, quia 
biliosae sunt,id ipsum verum esse 
declarat earum levitas, & quod 
in sublime ferantur: cuius rei 
alibi exposita a nobis causa est 
copiose. 


Hunain aus Cod. Escorial. 
arab. 805 (H) fol.130. von 
Franz Prarrverdeutscht,tiber 
Epid. VI,6(V324,13L.): nyo- 
AN. Olov EiTroV. 

Hippokrates sagte: DieGalle, 


wie ich erwudhnte. 


Galen sagte: Wenn man diese 
Worte fiir sich allein nimmt, 
sind sie tiberfliissig und unnétig. 
Denn wer nur beabsichtigte, 
sie zur Erinnerung fiir sich 
zu machen, hatte solche Worte 
nicht allein geschrieben, ohne 
die Worte hinzuzufiigen, die 
er schon gesagt hatte, wie z. B.: 
» Die Galle ist ein Saft, dessen 
Zustand so ist, wie ich ihn be- 
schrieben habe, als ich sagte: 
Das Fett erzeugt die gelbe 
Gralle, und das Blut erzeugt 
die schwarze’.« Wenn diese 
Worte in zwei Teile geteilt 
wiirden, wie manche den ersten 
Teil (naimlich irgendeiner 
zweifelhaften Rede) gewdhn- 
lich mit den vorangegangenen 
Worten verbinden und den zwei- 
ten TeilzumAnfange der folgen- 
den Worte machen, und auch 
wenn nun das Ganze mit dem 
Folgenden verbunden wiirde, so 
dap das Ganze nur ein Satz 
wire, so blieben seine Worte 
auf jede -Weise unbefriedigend 
und ungentigend. Ich denke, 
dap diese Worte und die Worte 
nachher zwei Angaben sind, 
die in dieses Buch von einem 
Menschen, der sie falschte, ein- 
gefiigt worden sind und Hippo- 
krates nicht ihr Verfasser ist. 





1 Auch die Ubersetzung des alteren Crassus in dem Sammelbande, der, wie S. 43 erwihnt, unter dem 


Titel: Medici antiqui Graeci Aretaeus, Palladius, Ruffus (!), Theophilus: Physici & Chirurgi. ... 


Basileae ... 


Beitraége zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 75 


Liest man die von Prarr aus H iibertragene Bearbeitung der Interpretation, die Galen 
von dem auf die Worte 4 yoAi, oiov etov beschrankten Lemma des Hippokrates gegeben 
hat, und vergleicht man sie mit dem, was Rasarius als galenische Erklirung bietet, so 
wird man keinen .\ugenblick im Urteile schwanken, wo der echte Galen zu suchen ist. 
Hunains Kommentarsttick ist im ganzen wie im einzelnen von sv selbstverstandlicher 
Nattirlichkeit, daB, wer dem Erklirer durch alle Lemmata bis hierher gefolgt ist. keiner 
weiteren Erklirung zu bediirfen scheint. Trotzdem will ich bemerken, da% Galen in den 
ersten Sitzen bei seinem Verfahren bleibt, die Unverstiindlichkeit, ja sogar die Unechtheit 
eines Lemma zu der Absicht einer solchen als Gedichtnisstiitze gedachten Tagebuchnotiz 
in Beziehung zu setzen. Die vermiite Klarheit des Gedankens veranlaBt Galen, iln sinn- 
und zweckmaBig aus der hippokratischen Lehre tiber die Galle zu ergiinzen, indem er 
schreibt, da die Bemerkung nur dann ihr Ziel erreicht haben wiirde, wenn sie z. B. aut 
das Lemma 8. 319 Kat oiot To pev triov, yoAn EavOy, TO aia, wéAawa Bezug genommen 
hatte, bei dessen Erklarung Galen selber (S. 322. 6ff.) darauf hinweist, da Hippokrates 
auch mit den Worten S. 269,13 yA@ooa yAwpat, yodwdees. TO OE yoAwdEES ATO Triovos, 
épvOpai dé ab aivatos, pédava 6€ amo pedatvys yoAns auf dieselhe Meinung abzielt. 
Von diesen Verweisungen und Ergiinzungen des echten Galen finden wir bei Pseudogalen 
keine Spur. Nogleich im Anfange seines Unterfangens wird Rasarius’ Schwindel in dem 
getilschten Selbstzitat Galens Quod saepe sum testatus, ex obscuris orationibus elicit nullum 
verum sensum posse, hoc etiam loco commemoro entiarvt. Beispiele fiir die Umsetzung 
der dritten Person des Singulars, in der Palladios sehr oft tiber Galens Lesarten und 
Meinungen berichtet, in die erste Person hat bereits Brivrieam a. a. O. 8.61/62 gesammelt. 
Unsere Stelle gehért tiberdies zu den willkiirlich erfundenen Zusatzen des italienischen 
Renaissancearztes, mit denen er vielleicht Verdacht schépfende Leser seiner Ubersetzung 
bei einem Vergleiche mit dem Kommentar des Palladios tiber seinen Betrug hinwegzutiuschen 
versuchte (vgl. Brivrigam a. a. O. 8.63/64). Auch die vom echten Galen abweichende 
Abgrenzung der Sitze, die wir gleich im ersten der pseudogalenischen Abschnitte be- 
obachten. ist bei Palladios nicht beispiellos: Parallelen aus den im Original erhaltenen 
Kommentaren Galens sind wiederum von Briutieaw bei seinem Vergleiche mit Palladios 
hervorgehoben worden. Mit ihm iibereinstimmend teilt Pseudogalen auch hier so, wie 
der echte Galen nach der oft befolgten Gewohnheit friiherer Erklirer oder Herausgeber 
es zwar als tatsichlich geschehen bezeugt, zugleich aber auch fir ganzlich unzweckmiabig 
und erfolglos hilt. Wie also Rasarius bei seiner Ubernahme einer anderen, auch schon 
Galen bekannten Abteilung der hippokratischen Satze aus den Scholien des Palladios. 
der trotz seiner Abhingigkeit von Galen doch auch wieder selbstandig zu sein  strebt. 
die Gedanken des galenischen Kommentars in den ersten Satzen nicht getroffen hat, so 
iret er auch in den nichsten von der urspriinglichen Anlage der Erklarung ab. Nimmt 
Pscudogalen, nachdem er (wieder mit dem frechen Ersatze der dritten durch die erste 
Person) sich fiir die Unechtheit dieses Lemma entschieden hat, die Folge der Verbindung 
dieses und des nichsten Lemma in einer kurzen Bemerkung tiber die gallige Mischung 
der Végel voraus. von der Galen der Trennung beider Lemmata entsprechend erst im 
folgenden gesprochen haben kann, geht der echte Galen. wieder seinem Brauche getreu. 





anno MDLXXXI von Celsus Crassus. dem Sohne des Ubersetzers. veréffentlicht worden ist, bietet p. 274 nicht 
mehr: Hane partem Galenus prorsus Hippocratis esse negavit. Quid autem de avibus dicam, cur sint biliosae? 
NVonnulli utique cas esse biliosas affirmant, quod inde constat, cum carum corpora leria sint, G7 sublime petant. 
Offenbar folgt Crassus mit seinem Codex Sambuci derselben Uberlieferung der Palladiosscholien wie Rasarius: 
deun das verderbte efrm, dem Rasarius’ dérit mit Bezug auf Hippokrates entspricht, haben schon Varen‘rin 
Rose und Brivricaw berichtigt. indem jener e?(7é\ 7. dieser (a.a.O. p. 63?) efre zu lesen vorschlug. 


10° 


Hat Rasarius 

in Venedig bei 
seiner Crassus 

_umformenden 
Ubersetzung von 
Epid. VI, r—6 
die Hs.° Bessa- 
rions U benutzt ? 


Rasarius’ Ab- 
haingigkeit von 
den Druck- 
ausgaben auf 
Grund aller 
seiner Rand- 
noten zur 
Ubersetzung 
von Epid.VI, 1-6 
erwiesen: 

1. Rasarius’ 
Randbemer- 
kungen zur 
Ubersetzung 
von Epid. VI, 1. 


76 ; E. WENKEBACH: 


auf die Art der Abgrenzung der hippokratischen Lemmata mit einigen Worten ein, wenn 
er sich hier iiber die Zuteilung eines zweifelhaften Satzgliedes zum Vorhergehenden oder 
Nachfolgenden fast derselben Ausdriicke bedient wie z. B. Bd. XVI A S.974,12. 976, 8. 
978, 8ff. 987,12. 16/17 oder Bd. XVII BS. 21,4°5. 22,3/4. 9/10. 35,8, um erst dann 
die Vergeblichkeit dieses Bemiihens der Erklirer und Herausgeber und damit die Uneclhitheit 
des ganzen Lemma festzustellen. 

Was Rasarius’ Quellenstudium angeht, so ergibt sich also aus dem dargelegten Sach- 
verhalte, daB fiir seine Textkritik an diesem Teile der galenischen Hippokratesexegese 
wegen seiner Einschwirzung der Palladiosscholien in Galens Kommentare zum _ sechsten 
Epidemienbuche natiirlich eine von U unabhingige und vollstindigere Hs. nicht in Be- 
tracht kommt. Wie steht es aber um seine Arbeitsweise bei der Ubertragung der uns im 
Originaltexte verstiimmelt tiberlieferten Kommentare? Hat er auch fiir sie keine unver- 
sehrte Hs. der Kommentare Galens zu Epid. VI benutzt, scheint es doch nicht ausgeschlossen, 
da ihm wenigstens die uns bekannte Hs. Bessarions bei seiner Arbeit in Venedig zu 
Gebote stand, zumal er zu den anspruchsvollen Ubersetzern gehdrt, die durch gelegent- 
liche Vermutungen ihrer Auffassung einzelner Stellen Ausdruck geben und dabei auch 
ihre Handschriftenstudien in mehr oder minder hiufigen Randbemerkungen herausstellen. 
Und wirklich bekennt sich z. B. Brivtigam zu der Ansicht, daB Rasarius seine Ubersetzung 
aus U gezogen habe, wenn er schreibt (aa. O. p. 57/58): Commentario Galeni, quousque 
Graece extat, ad verbum Rasarii versio Latina respondet, eaedem corruptelae, eaedem lucunae 
obviam sunt, quapropter Rasarium vodem codice usum esse puto, quem nos habemus, 
codex integer autem nobis non modo non servatus est, sed ne aceepimus quidem de eo quicquam. 
Im Unterschiede von anderen Biichern Galens, die Rasarius mit mehr Anmerkungen ver- 
sehen hat’, erscheinen sie iiber den Gesamtbereich von Epid. VI, 1 --6 nur so diinn gesiit. 
daB ich alle diese von Rasarius in Randbemerkungen kritisch behandelten Stellen dureh- 
gehen will, um die Frage zu entscheiden, ob seine Ubersetzung auf Hss.-Studien beruht 
oder auf der Lektiire der Galenaldina, die ihm wie Crassus codicis instar gewesen sein 
kénnte. 

Von den beiden Stellen, die allein aus dem ganzen Epid. VI, 1 angemerkt erscheinen., 
ist die erste, mit der er also seine Kritik an dieser Schrift tiberhaupt eréffnet, zufillig 
die letzte der aus Crassus’ Ubersetzung von mir behandelten, und sie liefert zugleich 
den sachlich wertvollsten Beitrag: gegen Ende des ersten Kommentars (fol. 125°), wo im 
Texte die Worte begegnen: ifa quae perpallidar sunt (nimlich febres), pallidam bilim testantur. 
tu vero in eis alvi excrementa considerato: quae sitcum bile inncta invenies, ex eius effusione 
colorem naturalem mutatum esse scito: si verorsinezin febris differentia colorem statuito, 
bietet Rasarius zum ersten Kreuze die Randnote: Al. sine bile invenies und zum zweiten ent- 
sprechend cum bili. Was die erste Lesart dieser Stelle betrifft, guae si sine bile invenies 
anstatt quae si cum bile iuncta invenies, so verrit Rasarius leider nicht, wo er sie sonst 
gelesen hat, noch wagt er ein Urteil tiber ihre Richtigkeit. Da®B sie im Texte stehen 
sollte, glaube ich S. 70f. bewiesen zu haben, als ich Hunains Gedanken in der Satzform 








1 Mit Rasarius’ Galenstudien haben sich, soviel ich wei®. nur Curr Wacusuuin und Hermaxy Diets 
beschaftigt. Wiihrend fiir jenen (in einem Aufsatze der Gott. gel. Anz. 1871, 706) sich ergab, da8 man. wenn 
man bei ihm ad veterum codicum Graecorum fidem lese, nur an die Aldina uid Basileensis denken diirfe. hat 
dieser in einer eingehenden Untersuchung: Die handschriftliche Uberlieferung des Galenschen Kommentars 
zim Prorrhetieum des Hippokrates (Abh. d. PreuB. Ak. d. Wiss. 1912, S. 164f) festgestellt, daB von Rasarius 
zwar nur oberflichlich, aber doch mit methodischerem Sinne als von seinen librigen Zeitzenossen Hss. zur 
stilistischen Verschénerung der altesten Ubersetzung jener Kommentare. die .Joannes Vassiius aus Meaux 1535 
in Paris veréffentlicht hatte. mehrfach herangezogen worden sind. i 


Beitrage zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. I]. may 


sarius die mit der arabischen Bearbeitung iitbereinstimmende Variante in seinen Text auf- 
genommen hitte, wtirde sie mir nicht als Zeugnis dafiir gelten, da sie aus einer an- 
deren Hs. als U herstammen miiBte, sondern vorausgesetzt, da er die Lesart sine bile 
fiir echt gehalten hatte, wire ich geneigt, in ihrer Wahl einen Beweis seiner Sach- 
kunde zu sehen, die ilm sei es aus der natiirlichen Erfahrung oder aus der hippokra- 
tischen Lehre eine richtigere Entscheidung gestattet hatte als seinem Kollegen Crassus. 
Ebenso ist, wie mir scheint, iber die zweite Anderung dieser Stelle zu urtcilen. Ja ihre 
Textgrundlage zeigt mir sogar noch viel klarer ihren Ursprung an. Der ltickenhafte 
Gegensatz si veroy sine in febris differentia colorem statuito entspricht genau der Aldina, 
deren Korrektor Clemens bei seiner durch die Epidemienkommentare hin immer mehr 
beschleunigten Arbeit nicht Zeit genug gefunden hat, das in U auf dvev folgende uw” oder 


zu deuten. Wenn Rasarius peta yoAns und nicht avev TavTys gelesen und tatsiich- 
lich fiir richtig gehalten hat, so ist das nur die notwendige Folge der vorangegangenen 
Entscheidung tber den ersten Teil des Gegensatzes. Gerade das Fehlen von mu/ta in 
seiner zweiten Randbemerkung cum bili, wie ich es S. 887,6 gemif den Worten éav dé 
[avev] (oder av fiir dvev) weta (yoAns ToA)ANs (oder peta CrodAns xo)Ans), ev 
Sahopa mup{etyov TiHeco Thy ypoav aus H tordere, ist mir ein untriigliches Kennzeichen 
ftir die Herkunft der Randnoten aus Konjektur. Allein schon wegen der Erwihnung der 
beiden Lesarten an der ersten der beiden bezeichneten Stellen verdient Rasarius vor 
Crassus, Cornarius und allen iibrigen Galenkritikern und -herausgebern Anerkennung. 


An der anderen Stelle desselben Kommentarstiickes (S. 889. 14) finden wir zu dem 
Satze fol. 125° continuarum vero (se. febrium appellamus) aliam semitertianam, aliam ardentem, 
aliam gelidam, aliam succensam, aliam pestilentem. aliam joleosam, aliam hepialam die niichste 
Randbemerkung, die sich so darstellt: ~plaustra@ alij uertunt. Die bekreuzte Fieber- 
bezcichnung erscheint in U und seit der Aldina in allen Drucken eindeutig als éAeoon, 
das aber in éAwdy zu verbessern ist’. Was Rasarius im Texte bietet, o/vosam, d. h. 





! Unter den Elementen, die von Substantiven Adjektiva bilden, nimmt das Suffix -#éys cine besondere Stellung 
ein. DaB es mit Unrecht als eine Kontraktion aus -oedjs angesehen wird in Beispielen wie tapaydeys oder 
Oupwsdys, die ich aus dem sechsten Epidemienbuche des Hippokrates notiere, hat nach Loneck (Pathol. El. 
J, 458 ff), Wacskerxacet (Dehnungsges. d. griech. Komp. S.45ff) u.a. auch Friepr. Buass in seiner Neu- 
bearbeitung der Kinnerschen Gramm. d. griech. Spr., Hannover 1890, 13 S.214, Anm.1 mit Bezug auf die 
Kontraktionsgesetze, die Stellung des Akzentes und die Zeugnisse der alten Grammatiker mit Fug behanptet. 
Auch die Bedeutung beider Suftixe widerstreitet der Gleichsetzung. da nur einige, wie eXmedys und éAccoe.dijs, 
dasselbe bedeuten. Die Adjektive auf -éeys bezeichnen meistens eine Fille. nar zuweilen wie die auf -e.cjs 
eine Art oder Ahnlichkeit. Ich wei8 nicht, ob man schon bevbachtet hat, daB die Endung -oé¢ys unverhiltnis- 
miBig hiufiger an vokalisch auslautende Nominalstimme tritt als an die mit Suffix-eo- gebildeten neutralen 
Stimme und daQ tiberhaupt Neubildungen auf -@ons erst im Zeitalter des Attizismus sich mehren. Da aber selbst 
Witn. Scumip (Der Atticismus in seinen Hauptvertretern Bd. IV. Stuttgart 1896. S. 698f.) in seiner reichen 
Sammlung die Ableitung dieser Adjektiva auf -#dys nicht beriicksichtigt hat, seien hier einige Beobachtungen 
mitgeteilt, welche die Bildung auf -ec-odys betreffen. Wegen der stets vollzogenen Kontraktion in diesen Bei- 
spielen habe ich Galen an der angefiihrten Stelle die Form €ddééys von ro dos »sumpfige Niederung« zuriich- 
gegeben, wie von dem allgemein griechischen ro révayos, vadum, seit der hellenistischen Zeit rerayoddys iiblich ge- 
wesen zu sein scheint. Von haufiger gebrauchten Ausdriicken des medizinischen und insbesondere hippokratischen 
Wortsehatzes kann ich nur 1d éAxos > éAxdoys, und zwar niemals in offener Form, angeben, da dpmdeys von 
i Opl€ oder } dpicy, nicht von dem spiten ro dpixos oder daxwcys von 6 daxds abgeleitet ist. Ebenso ist als Stamm- 
wort zu «apdéys eher 6 xdpos als ro xdpos »tiefer Schlaf. Starrsucht« anzunehmen. Auferhalb des hippokratischen 
Sprachgebrauches wird @vddéys richtiger von 76 Ofov »Weihrauch« als 76 @’os »Raucherwerk« abgeleitet: bei 
Theophrast erscheint es geradezu als Ovoedjs »dem Weihrauche abnlich«. Dagegen glauben manche Gram- 
matiker, aus dem homerischen 4 8 dpa pw cyader cé€aro xédmen (Z 483) ein Nomen * 1d «ios == 16 Ovos »Raiucher- 
werk» erschlieSen zu kénnen, wie «va in delphischen Inschriften fir »Brandopfer« begegnet. Aber gerade 
dieses Wort scheint mir zu beweisen. daB cyoeys zu dem Verbum «afew oder genauer zu dem joniseben 
Aorist «jae gehért (vgl. Gusrav Meyer, Griech. Gramm.3, Leipzig 1896, $8.82 u. Kar zu Kye}. Trotzdem fellt 
es selbst bei Alteren Dichtern nicht ganz an Beispielen fiir die Ableitung auf -deys von sigmatischen Stiimmen; 





2, Rasaiius’ 
Randbemer- 
_ kungen zur 
Ubersetzung von 
Epid. VI, 2. 


78 . E. WENKEBACH: 


éAawon, sieht nach dem Abklatsch eines orthographischen Fehlers aus; seine sinnlose 
Wiedergabe unserer handschriftlichen Lesart éAwéy durch plaustrum ergibt sich als Ent- 
stellung aus palustrem von selbst. Ob aber in dieser Randiibersetzung ein Druckfehler 
oder ein Schreibfehler des Herausgebers zu erkennen ist, liBt sich kaum entscheiden: 
in der von Chartier (t. IX p. 388) neben dem griechischen Texte Tov peév éAewdn mit- 
geteilten Ubersetzung des Crassus aliam palustrem, die ich in allen mir bekannten Nach- 
drucken der Juntina von 1541 gefunden habe und auch Kin aus der Pariser Ausgabe 
wiederholt, ist zweifellos die Quelle seiner Randbemerkung entdeckt. Uber Rasarius’ 
Uss.-Studien gibt also diese Stelle noch weniger aus als die erste, mit der sie zusammen 
das einzige Paar kritisch gekennzeichneter Satze in Epid. VI, 1 bildet. 

Im zweiten Kommentar zum Epid. VI erscheint fol. 128' das 10. Lemma <Abscessus, 
quales bubones, signum sunt germina habentium, cum aliorum, tum vel maxime viscerum: ma- 
ligni autem sunt ohne Kommentar Galens: dafiir steht mitten in dem unbedruckten Raum 
von vier Zeilen die Bemerkung des Herausgebers Galeni explanatio non est. Dann folgen 
als neues Lemma die Worte: Spiritus parvi, crebri: magni, rari: crebri, magni: extra magnt, 
intus parvi: intus magni, extra parvi: hie qui eatendat, ille, qui urgeat: duplex vero revocatio, 
ut iis, qué superinspirant: calidus, frigidus. Zum Zeichen, daB auch der Anfang der hier 
erwarteten Erkldrung noch fehlt, erscheint ein Stern. Danach fahrt der Ubersetzer so 
fort: spiritus creber inflammationem in partibus supra septum transeersum significat: magnus 
vero, & longo tempore attractus, delirium indicat: frigidus vero, si ex naribus, oreque prodierit, 
mirum in modum iam perniciosus est. Dann als neues Lemma Oscitationum continuarum re- 
medium, longus anhelitus est. Dem Sternchen gegeniiber hat Rasarius folgende Randbe- 
merkung als Ersatz der fehlenden Erklarung Galens tiber die Atmung drucken lassen: 
- Hoc plane declaratur li. 3. de diff. resp: cap. 3. Wie der Ubersetzer in den letzten Worten 
sich als Interpret betitigt, so hat er auch im tibrigen die schweren Verderbnisse, an 
denen die byzantinische Uberlieferung dieses ganzen Abschnittes leidet, nach der Art 
seines Vorgiingers Crassus, soweit es ihm méglich war, auf sein eigenes Risiko zu be- 
seitigen versucht. In U lesen wir (S. 918, 5), und zwar am Rande durch <Anfihrungs- 





so hat sich wenigstens Euripides Iphig. Aul. 141 GAodces xpyvas und ein anderer Dichter bei Plutarch Mepi 
derot6aipovias 7 p. 1Ogb épefsddeos Gadacons verstattet. Wie in der Medizinersprache, mehren sich auch in den 
naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles und seiner Schule solche Bildungen von sigmatischen Neutra: 
aus dem Inder Aristotelicus von Herm. Bonrrz notiere ich xytaédys, o€eédys, oxvtedns, vebddys — vehedoedis, cko- 
rdéys, das freilich ebensogut von dem vokalischen Stamme ceoro- abgeleitet sein kann. xpedéys (von To Kpéas). 
womit bei Spiteren «vepedys von 7d xvépas zu verbinden ist: theophrastisch dagegen ist dv@édys und das schon 
genannte @vdcys. Mehrere von diesen Bildungen teilt Galen mit den Peripatetikern, wie «ytdéédys und déddys; 
andere wie mvwyoéens oder éaxvwons finde ich erst bei ihm hautfiger verwendet. Noch merkwiirdiger scheint mir 
das zuletzt genannte, insofern als es von einem Verbalstamm gebildet ist, vergleichbar dem im Corpus Hippo- 
craticum hiufigen ¢@vders, das ich gleichfalls eher von dem Verbum ¢6ivew als von dem bei Hesych als 
»Mehltau« gedeuteten Substantiv 7 ¢6va herzuleiten geneigt bin, wie vielleicht das ebenso hippokratische (vgl. 
Mepi dpOpov éuporjs c. 48, If 182,15 Kiuz.) und in Platons Timaios wenigstens handschriftlich bezeugte puddys 
mit Ahnlicher Bedeutung wie wAodéys von dem Verbalstamme pu- oder pyy- herkommt. so daB in betreff der 
verbalen Abstammung die Gleichung gelten wiirde «y-: «yaééys = puy-: puddys. Aber Witamowrrz behauptet in 
den Interpretationen zu seinem Platon (Bd. II S. 393) mit Bezug auf die beiden Timaiosstellen (86d, e), daB 
pudcys sich grammatisch nicht rechtfertigen lasse, und ersetzt es durch das gewdhnliche podéys. Wird also das 
Bedenken in betreff pydcys wohl bestehen bleiben, scheint mir das von Késrewery in seinen Hippokrates II 
p- 25,20 aus Erotian und Archigenes wieder cingefiihrte BArydeys »trocken, ausgedérrt« seiner Herkunft nach 
ganz ungedeutet. So selten in der gesamten Grazitit soleche verbalen Ableitungen auf -ééys auzutreffen sind, 
so verhiltnismaBig haufig begegnen in der Literatur der Spateren von -es-Stimmen weitergebildete Adjektiva 
wie Bpebdcys, perdeys, deyyesns u.a. Die urspriinglich klare Bedeutung der Fiille ist mit der Zeit immer 
mehr der der Ahnlichkeit gewichen und auch in dieser allmahlich so abgeschwacht, daB das Suffix -ddys den 
Sinn des Suftixes -«és angenommen hat oder iiberhaupt tberfliissig scheint. Das Fortwuchern aller Bildungen 
auf -oéys schreibt darum Wx. Scumip a.a.O. S.699 mit Recht der Unbestimmtheit der Bedeutune zu “die 
dem Suffix seit der hellenistischen Zeit »Anwartschaft auf die Funktion eines Universal-Adjektivsuffixes« ver- 
liehen haben diirfte. 


Beitrige zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 79 


striche als Zitat gekennzeichnet, die Worte: T@ you oma bev kepahns oduvopevw (dduvw- 
pévy in der Basler Ausgabe verbessert) #) év pet@mw (év HETOT zu) verstellte C hartier) 
6p Oi prey TpnOeira doperen ( (openeee verbess. Chartier)’ tomu«oyv otoa BonOnua. mvevpa 
6é€ Tukvoy ev éov 1Wévov oypaiver (ebenso in der Aldina und Basileensis, nur da® die 
Aldina und Basileensis mévov tiberspringen und die Aldina die Liicke zwischen BonOnpua 
und mvevua durch den Einschub des Wortes Aeirec bezeichnet) preyyoviy € év Tos UTED 
Tov PpEevov Xepioss. meya oe QVCTTVES HEVOV kai Ou Todo ypovou mapappoovvyy on- 
patver, dX€O prov _Kdpta non yiverau. iNTHPLOV YAaoLEwWV TUVEYewv BaKpOTVvoUS. Kai TAUTHY 
THY pyow év TH OevTépw Tov ErOnmov eEnynodueBa, und was folgt bis S. 920, 5 emdp- 
oes. als ob es ein einziges langes Lemma wire. Es fehlen also in U die Lemmata ( 
und ia’ der Kinyschen Ausgabe (S. 918, 8—11 und S. 919, 1---5), der sie von Chartier 
geliefert wurden, wihrend sie in der Basileensis und Aldina ebenfalls noch vermi8t werden. 
AuBer diesen beiden Lemmata gehen aber auf den Pariser Herausgeber auch die Worte 
(S. 918, 14/15) yvypos (Drucktehler fir ywuypov) dé éx Tov puKtnpds Te Kal oTOpaTos 
Tpoepyouevov zwischen onuaiver und 6d€Opov zuriick, ein Zusatz, den er nicht von sich 
aus gegeben, sondern aus Vassiius’ oder Crassus’ ergiinzender Ubersetzung Frigidus vero 
(niimlich spiritus) si ex naso et ore prodierit, iam valde perniciosus est, die auch Rasarius 
(wie gewdhnlich, mit stilistischen Anderungen) wiederholt, ins Griechische zuriickiiher- 
tragen hat, ohne zu merken, daB Crassus oder vielmehr Vassaus die ausgefallenen Worte 
des Zitates aus dem 5. Kapitel des Prognostikon meint (Il 122,13 L. =I 82,24 Kim. 
wWouypov o€ exmveduevov éx Tov pivaVv Kai Tov oTdpaTtos bAApLOvV KdpTa HON yiveTai). 
Die Verkennung des Hippokrateszitates ist auch schuld daran, daS Chartier das auf zv- 
kvov pev éov in U folgende wovov, das von Clemens beim eiligen Drucke der Aldina 
tibersehen und auch von Gemusiius in der Basler Ausgabe nicht nachgeholt worden war, 
durch 60vvnv ersetzt hat, und zwar wahrscheinlicher durch Retroversion aus der unten 
mitgeteilten Ubersetzung des Pariser Professors Vassius als dureh Konjektur, da Crassus 
und in seiner Nachfolge auch Rasarius im Anschluf an die Aldina und Basileensis nur 
preypovnvy wiedergeben. So geringfiigig es auch scheint, erblicke ich doch gerade in 
dem Ersatzstiicke phlegmonem bei Crassus und in dessen Latinisierung /nflamma- 
tionem bei Rasarius ein sicheres Beweismittel fiir meine Behauptung, da®8 beide Uber- 
setzer von den Drucken abhiingig sind, im besoudern von der Aldina, deren Druckvor- 
lage U jedoch oder gar eine andere, weniger beschédigte Hs. nicht gekannt und nicht 
benutzt haben. Was ich hier aus einer Kleinigkeit erschlieBe, ergibt sich mir auch aus 
dem Nachtrage der Lemmata. Hatten Crassus und Rasarius eine vollstindigere Hs. zur 
Verfiigung gehabt, hatte jener fiir die beiden Lemmata iiber die Abszesse und tiber die 
Atmung sich wohl nicht mit der Feststellung zu begntigen brauchen, die er schon in 
der Juntina von 1541 zwischen den Worten quae locale remedium est und Spiritus autem 
creber mit dem Hinweise gemacht hat Defieiunt aliqua, und dieser wiirde sich schwerlich 
darauf beschrinkt haben, nur den Wortlaut der beiden fehlenden Lemmata mit Vassius 
(p. 526sq.) nachzutragen und von diesen das erste wie bei Vassius ganz unerklirt zu 
lassen, zum zweiten aber in einer Randhemerkung nur dasselbe oder ein dhnliches Hilfs- 
mittel der Erklirung anzudeuten, das Vassius p. 527/28 unter der Uberschrift Haec Ex- 
positio ex primo de spirandi difficultate vollstindig mitgeteilt und mit der Fortsetzung des 
galemsehen Zitates aus dem Prognostikon (p. 528) Spiritus autem frequens quidem cum existit, 
dolorem' vel DANG gnu in locis septo transverso superioribus indicat et q. s. verbunden hatte. 





} Da Chartier. wie oben soseinaniensesetst. das Prognostikzitat nicht erkannt hat, so hat er seinen 
Zusatz odvvyv anstatt des hippokratischen Tovoy augenscheinlich aus dolorem gezogen, mit dessen Einschub der 
alteste Ubersetzer der Kommentare zu Epid. V1, Joannes Vassiius aus Meaux, beweist, daB er die Quelle der 


80 E. WENKEBACH: 


vielmehr wire es vielleicht beiden, sowohl Crassus wie Rasarius, mdglich gewesen, das 
ohne die Erginzung aus einer von U unabhingigen, weniger verstiimmelten Hs. beziehungs- 
los bleibende «ai in Galens Selbstzitat (S. 919, 8) Kat tTavtnv Ti pnow év Tor evTépar 
tov Enonuev éEnynodueAa durch das im vorigen vermiSte andere Zitat desselben Kom- 
mentars verstindlich zu machen, in welchem dem kiinftigen Herausgeber seiner arabischen 
Bearbeitung, Franz Prarr, wie er mir mitteilt, tatsiichlich eine galenische Erklirung der 
hier tibergangenen Satze begegnet ist. Wir werden also die fehlenden Erklirungen aus 
dem <Arabischen erfahren. 

Nur wenige Blitter weiter enthalt die Ubersetzung eines Kommentarsatzes ein neues 
Zeugnis fiir Rasarius’ Benutzung der Aldina. Er schreibt fol. 130°" aliae vero tusses ab iis 
diversae sunt quae * malignae non sunt: haeque aut ex intemperie instrumentorum respira- 
tionis, aut faucium, asperaece | arteriae asperitate, § quandoque ab esculentis, potulentisque ex- 
asperantibus, quandoque vero ex aere nos ambiente gignuntur. Dazu fol. 130° die Randnotiz 
In Graecis libris est asteriscus, sed si pro his verbis, ai ov, legas ai uy, fortasse locus erit 
integer. Damit sucht Rasarius ein Bedenken zu zerstreuen, das bei Crassus in dieser Form 
zum Ausdrucke kommt: aliae vero tusses sunt ab eis diversae .*..*., quae malignae non 
sunt aut ex instrumentorum spirabilium intemperie aut faucium arteriaece asperitate ohortae etq. s. 
Wenn Crassus also eine Verstiimmelung des Textes annimmt, so widerspricht ihm Hunains 
Wicdergabe »andere als diese sind die Arten des Hustens, bei denen nicht Bésartigheit und nicht 
Schlechtigheit des Hustens ist, welche wegen ... entstehen« in H, worin die Doppeliihersetzung 
des Begriffes xaxojOys nach Prarrs Beobachtung nicht auf eine Liicke unserer Hs. hin- 
weist, sondern auf einer weitverbreiteten Stileigentiimlichkeit des tibersetzenden Arabers 
beruht: Hunains Ubersetzung deckt sich also mit den Worten des Originals érepa 6é 
ToUTwV eioiv ai ov KaxoOes ai Oia... aTroTeNovEval, A. h. einer Textgestaltung, die mit 
noch leichteren Anderungen aus dem Texte der Aldina eiciv « ai dv kaxdnOes, ai dua... 
amoteAovpeva zuriickzugewinnen ist, als sie Cornarius in einer Randbemerkung  seines 
Aldinenexemplars pi) ovoa xaxoj$es im Sinne hatte, um von Chartiers Vorschlage zu 
schweigen, der noch von Ktuy S.948, 12 in den Worten étepa 6€ TovTwv eiclv ai KaxénOes 
ovK Eyouoa oa dvokpaciav ... awoTehovpeva nachgedruckt worden ist. Mit meiner eigenen 
Anderung hat sich schon Vassiius begniigt, wenn er, ohne eine Liicke anzusetzen. sechreibt 
p- 549 Tusses autem aliae, quae malignae non sunt, ob intemperiem fiunt usw. Hatten 
alle genannten Kritiker U, die Grundlage unserer Drucke. gekannt. so wiirden sie sich 
wahrscheinlich weiter reichender Anderungen enthalten haben: denn es ist wieder nur 
eine Folge der wegen der Ungeduld des Druckherrn tiberhasteten Drucklegung der Hs., 
wenn John Clement die deutliche Schreibung in U eiotv ai ob kaxdnOes ai due so ent- 
stellt in die Aldina hat tibergehen lassen. Rasarius ist mit seiner Vermutung ai ui fiir 
ai ov dem Richtigen niher gekommen als alle Herausgeber, und man kann sich nur wundern, 








angefiilrten Worte richtig erkannt hatte. Von hier aus eréffnet sich vielleicht auch ein Weg, die zahlreichen 
Widerspriiche zwischen Chartiers griechischer Textgestalt und der ihr beigegebenen Uhersetzung aufzuhellen: 
Chartier hatte, wie ich vermute, manche seiner Konjekturen durch Riickitbersetzung von Vassius bezogen, 
aber sein Schwiegersohn du Gard hat ohne Kenntnis dieser Arbeitsweise seines Schwiegervaters nicht Vassiius’ 
Ubersetzung, sondern die bekanntere und bessere des Crassus ausgewihit und dem griechischen Texte gepen- 
iibergestellt, als er die nachgelassene Schrift Chartiers druckfertig machte. So schwindet denn auch das Be- 
fremdliche an dem Irrtum. den Kian mit seinem Nachdruck aus der Pariser Ausgabe fortgepflanzt hat, daB 
nimlich das zvetua-Zitat nicht unter dem Lemma iiber die Atmung (S. 91g, 6) erselieint, sondern unsinniger- 
weise S. 918,12 im Anschlu8 an das Lemma fiber Abszesse, wo es niclits zu suchen hat. Will man nicht 
lieber an einen unberichtigten Drackfehler denken, der dem Korrektor auf das Schuldkonto zu schreiben 
wire, scheint mir diese Stelle eine von den seltenen Anderungen, die nach Chartiers Tode von dem Pfleser 
seines wissenschaftlichen Erbes unvserstandigerweise bei der Ubernahme der Ubersetzung des Crassus an ihr an- 
gebracht wurden. Vgl.S.43 Anm. und S. 68. 


Beitrige zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 8! 


daB er ebensowenig wie Cornarius gewagt hat, ov in ov zu verbessern, als ob der Gebrauch 
dieser Negation hier ungriechisch wire'. Ich hin iiberzeugt. daB8 er, wenn er U benutzt 
hatte, seine Bedenken gegen ov aufgegeben oder wenigstens anstatt seiner Graeci libri, 
womit er, da nicht nur die Aldina, sondern auch deren Nachfolgerin, die Basileensis, 
ai ov enthalt, libri impressi meint, libri manu scripti zitiert haben wiirde. 

Auch aus der nichsten Randbemerkung, die noch auf derselben Seite (fol. 130°) zu 
lesen ist, darf man nicht auf Hss.-Studien des Ubersetzers schlieBen. Zur Erklarung des 
Aphorismus (S.951,2) Mnoev imepopav., pndev eixnt dient in Rasarius’ Ubersetzung der 
folgende Satz: quod in hoc etiam potissimum contigit, quod dictum est, in laboriosis febribus 
lusses aridas excitari: neque quas laboriosas appellarit, investigarunt: an eas videlicet, quae a 
laboribus gignuntur, § ecternis futigationibus, an quar sine his, candem affectionem invehunt: 
sy utrum ca # lassitudo absolute, an ex accidenti aegros oecuparit mit der Randbemerkung 
7 al. tussis, Aber weder unsere direkte byzantinische noch indirekte arabische Uberliefe- 
rung bestitigt die Lesart tussis. Was der Schreiber von U in den Worten 8.952,8 ove 
TOTEpov aTAGS TH Kai KaTa oUpPEBnKOS 6 KOTOS av’ToOIs éyéveTo bietet, hat nach H auch 
Hunain tibersetzt. Rasarius gibt m. EF. auch hier nur eine eigene Konjektur, wenn er 
a] Bn& fiir 6 Kdzros notiert. welch letzteres auch in der Wortwahl bei Vassiius (p. 552 Neque 
utrum simpliciter, an et per accidens labor ipsis obortus sit) sichtbar wird. 

Nicht lehrreicher ist die letzte Stelle aus Epid. VI, 2, wenn fol. 131° zur Erliuterung 
des Satzes aus dem 33. Lemma des Hippokrates (S.959, 8) €uetot ovK wéAcov (nimlich 
einen an Ausschlag leidenden Kranken namens Simon) die Worte erscheinen: addit autem 
ipsum nihil esse a cvomitibus adiutum. utrum vero ipse usum vomitus nobis consulut, an alius 
quis, non drelaravit: nec tamen id seire, necesse est: quia satis est nosse humores cutimn petentes, 
romitu esse evacuandos: # cum ninis longa iterum sit ad interna corporis reculsio, ul per ventrem, 
aut vomitus ecacuentur, quare putabit fortasse quispiam, me dicere in his purgatione per alcvum 
nunquane esse utendumn, denen folgende Randbemerkung beigegeben ist: + Vel sic clig; * rursum 
nimis longingua sit ad interna corporis revulsio, ut per aleum, G vomitus ecucuentur: fortasse 
putabit quispiam Ke. Indem Rasarius also den Kausalsatz vom Vorhergehenden trennt 
und mit dem Folgenden verbindet, sieht es so aus, als folge er der Interpunktion der Aldina, 
die sich bis zur Ktaxschen Ausgabe behauptet hat: (S.960,17) movov yap apxet TO yvavat 
ToUs mpos TO Céppa péefravtas yupors Ol éxelvou ypnvar Kevovy. éredy TOppw Taw | 
(S.961) avrois éotw 7 eis TO Babos avtionacis, ws Ow yaoTpoOS 7H EueTwV Exkevovo bat. 
iows ovv oijon pe Aéyew pnoérote KaBapoe ypicba tH Cie yaoTpos Et TOV TOLOUTOY. 
Ich glaube jedoch, da® alles in Ordnung ist, sobald man den Punkt hinter Kevovv in ein 
Konima verwandelt, und sehe keinen Grund. die Partikel ovv an der Spitze des von Rasarius 
beabsichtigten Nachsatzes in den iiberlieferten Worten tows ovv oifjon pe Aéyew zu tilgen. 





1 Ich habe nicht untersucht und weif auch nicht. ob andere schon untersucht haben, ob Galens Sprach- 
vefiih! in betreff des Gebraueches von of und sj} bei attributivem Adjektiv mit den Definitionen tibereinstimmt, 
ie von n Grammatikern bei Ktuner-Gerra. Gramm. d. gr. Spr. I 13, Hannover und Leipzig 1904, S.197 
ie von de ur g U L pz S. 19 
mit Bezug auf andere Fille so aufgestellt werden : » Ein abstraktes Substantiv oder substantiviertes Adjektiv 
wird durch od negiert. wenn es sich auf tatsiichliche Vorginge bezieht und demnach in einen Behauptungssatz 
umwandeln 14Bt, oder wenn der Begriff desselben durch die Negation in sein Gegenteil iibergeht; dagegen 
durch jj, wenn es als reiner Abstraktbegriff, als bloBe Vorstellung aufgefafit werden soi] oder einen Bedingungs- 
satz vertritt.« Die meines Erachtens richtige Deutung kommt an unserer Stelle schon mit der beliebten Rede- 
figur der Litotes aus: od steht bei einem Worte, wenn sein Begriff so aufgehoben wird. daB er in den ent- 
gegengesetzten iibergeht. Hier werden also, wie ich glaube. harmlose, unsehidliche oder wenigstens nicht 

i=] 2 . . * Tr: 2 o - 
dauernd schidliche Arten von Husten gemeint sein, die Hippokiates auch ev7@ers hitte nennen kénnen; denn 
Galen schreibt in seinem Kommentar zu /lepi dafrys dféov IL to (XV 590 K. = CMG V 9,1 p. t99. 21 Hetur.) 
’ x , ” x o r ~ Gi . ~ 
eb/Oes 86 vérous eipnkev od Tas KaxoyOers. adda Tas evTpémrous’ isnev yap, O71 ol'Tws KeypyvTat tHe A€~er TOAAOL TaV 
a e , ’ M 2 et Ary oo li h B XVI 5 XVHIB 6£ 6 
mahatav Kat abtos 6 ‘Inmoxpatns TohAakts. @s ev ETEpOIS SECEIKTA (namlich z. B. > 722.2 236f. 611). 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. ll 


3. Rasarius’ 
Randbemer- 
_kungen zur 
Ubersetzung von 
Epid. VI, 3. 


8&2 E. WENKEBACH: 


Auch aus Epid. VI, 3 kommen nur einige vereinzelte Siitze in Betracht. Von einer 
varia lectio in dem hippokratischen Lemma (Bd. XVILB S.14, 2) ‘Yewar tov rover, é 
puijoetat heiBt es fol. 136°: alii seribunt ¥} eipveta, addentes i, ac circunflectentes, 5 ft sub- 
scribentes. Dazu fuBert Rasarius am Rande die Vermutung: fortusse legendum est § € 
cum t scribentes, Wahrend in U zu lesen ist S. 14,9 Tweés 6€ »f} eipveTacw ypdpovalt, mpoc- 
TiévTes TO TA Kal TWepiom@vTEs Kal peTa t ypddhovTes, Wa onmalyyTal TOV TOveV 
upewa iy Udiévar, kaboti av eipvyta 6 av@pwros, lie® Clement zum Zeichen, dal er die 
Stelle nicht ins Reine gebracht habe, in der Aldina kal peta 7 * ypddovtes drucken. 
Ciemusius wollte in der Basler Ausgabe einen vermeinten Feller herichtigen. wenn er 
ypadovTes in vroypadgovtes verwandelte. das sich bis Ktay behauptet hat. Da so- 
wohl Vassiius (p. 600) wie Crassus subscribentes schreibeti, wie Rasarius im Texte, so haben 
sie alle das Sternchen der Aldina fiir ein Fehlzeichen angesehen, sei es. daB sie die nahe- 
liegende Konjektur voypdadovtres von sich aus gemacht oder vom Basler Ilerausgeber 
tibernommen haben. Es scheint mir nicht zweifelhaft. dai U mit Bezug auf das adskri- 
bierte ¢ recht hat und Rasarius, der sich ja auch gar nicht auf Mibri, weder manu scripti 
noch dmpressi, beruft, nichts als eine eigene. teils falsche, teils richtige Vermutung vor- 
bringt: richtig, inmsofern er ypadovtes wicderherstellt, falsch, insofern er € vor peTa t 
einftigt, und zwar von der irrigen Voraussctzung aus, da Galen die erste Silbe des Verbs 
meine. waihrend er doch entsprechend seiner erklirenden Bemerkung xa@oti av eipuyrat 
6 avOpwros offenbar die Schreibung von je bezeichnet: mpoor@évtes 70 ita Kai Tept- 
oRMVTES Kal peTa T ypadovTes. 

Ebenso handelt es sich auch fol. 137" um eine Konjektur, und vielleicht nieht einmal 
um eine, die Rasarius selher, sondern von den ihm bekannten Vorgiingern schon Crassus 
in seiner Ubersetzung gemacht hatte. Wir lesen namlich in betretf des Lemma des Hippo- 
krates S. 25,7 Olow, drav appodioialeor, puoata h yaotip, ws Aauvaydpa, oto & év 
tovtot woos, ws ApxeoAdwr bei Rasarius die Worte: quam ob rem Rufus quoque f ait: 
pro sirepitu maluit timorem scribere mit der Randbemerkung: Verbum ait, expunyendum videtur, 
cy tta erit integra sententia, wie schon Crassus las: proptercu et Rufus pro hac voce, strepitus, 
mealuit scribere, timor, ut Hippocrati de melancholicis sermo sit, quorum maxime proprius timor est. 
Diesem Vorschlage hatte auch Cornarius beigepflichtet, als er im Texte der mit U tiberein- 
stimmenden Aldina S.29,17 di TovT ovv Kai ‘Poudos éXeyev avTi Tov yddos EiAETo 
ypa| (S. 30) few »hoBos«, va 0 Aoyos 7 75 “InroKpater Tept TOV pehayyoAKoy, ois éoriv 
iciactatos 6 PoBos das Verbum é€Aevev ausmerzte, statt efAeTo in édéoHae zu jindern, 
woran Vassiius in seiner Ubersetzung p- 609sq. Ob id itaque Rifus dicebat se malle scribere 
pro Wodos, | id est crepitus, poBos, id est, timor gedacht hatte. Da aber auch Iunain eAeryev 
in H nicht beachtet hat, so klammere ich es ein. 

Dagegen teilt Rasarius an der niichsten Stelle, wie es scheint. einen eigenen Besse- 
rungsvorschlag mit: fol.140° vermutet er zu den Worten des Textes inrentu difficile prorsus 
est, cum ipse Hippocrates f albo nihil adiungat am Rande auf eigenes Risiko: Si Galenus 
legisset Netw i. arido in tenuem pollinem redacto, forte sublata esset obscuritus. Auf das Lemma 
(S. 70,14), wie es aus U in die Aldina iibergegangen ist, =npp 6€ det NeVKSH, Olov KIKiS, 
oTurTnpt ’. worin seit der Basileensis xykis, oturTnpin in den Druckausgaben geiindert ist, 
beziehen sich folgende Sitze des Kommentars: (S. 71,14) dvAattopéys (verbesserten Cor- 
narius und Gemusius: prdaktoperns U, Aldina) dé Ths Tadads ypadhs aiveypatédns f 
AEs yivera. Tiva yap amo pwov a&iot NevKad Kevorv }} kudaipew i) cuumértew (ver- 
besserte Gemusius in der Basler Ausgabe: ouymérrew U, Aldina) i) abdtépata depoueva 
Gedcacba, wavtdnaow amopov evpew (U: ametpov seit der Aldina simtliche Ausgaben, 
obwohl schon die lateinischen Ubersetzer die handschriftliche Lesart wiederhergestellt 


Beitrdge zur Textgeschichte der Epidemienkommentare Galens. II. 83 


haben, indem Vassiius plune invenire est difficile, Crassus omnino incentu dubium ance ps- 
que est und Rasarius inventu difficile prorsus est schrieb), attov ye tov IxmoKpdtous 
pncev tpooGévtos TH XevKG. Da mir Galens Erklirung die auch von Lirrre in seinen 
Text autgenommene Form Aev«a zu verlangen scheint, so hatte Rasarius wenigstens Aeta 
konjizieren sollen, eine Vermutung. die aber. soviel ich wei, von keiner Iippukrates- 
handschrift bestitigt wird. 

Je weiter die Ubersetzung fortschreitet, desto seltener werden die auch im Voran- 
stehenden schon spirlichen Bemerkungen. Wahrend die einzige angemerkte Stelle in 
Epid. VI, 4 sich mit der Berichtigung eines Druckfehlers von selbst erledigt, bleiben noch 
drei Stellen aus Epid. VI, 5 kurz zu behandeln. Wo Rasarius fol.152" im Texte die Uber- 
setzung hat quare medicus ad sanitatem naturalem, GS * quae arte comparatur, est vino 
polior, erscheint am Rande die Bemerkung: videtur in Graeco libro pro twoinot legendun 
etiam (ob Drucktfehler fiir esse?) wotntexijv. Der Ausdruck in Graeco libro ist wieder miB- 
verstindlich. Tatsichlich steht sowohl in U wie in der Aldina und Basileensis zroizow 
(S. 226, 15): Tis ovv aitis éote Tis yevéoews TOV Bonfijuaros ; 0 TOV Kaipov EUPLOKWV 
Snrovott. tiva d€ TovTov oi "EdAnves dvouatovor ; i Kal TovTO Tacw evdrihov, ws (U. 
Aldina, Basileensis: 6 Chartier, Ktuy) iatpos ottos KaAeirat. @oTe iaTpos oivov Kup.o- 
Tepos eis |(S.227) vylerav (aus vyelav korrigiert U: vyefav von der Aldina bis Chartier 
vyieav Ktux) dvotkyy Te Kai Woinowv. Daher kann der Ausdruck ix Grueco libro ehenso- 
gut von einer der beiden Rasarius vorliecgenden Druckausgaben wie von unserer cinzigen 
Hs. U verstanden werden. Wer nun Gewicht darauf legt, daB er von den libri inpressi 
in der Regel im Plural spricht, kénnte unsere Notiz auf U beziehen. Ich gestehe jedoch, 
da8 mir bei dem tbrigen bisher festgestellten Sachverhalte dieser Beobachtung keine allzu 
starke Beweiskraft innezuwohnen scheint. Da Rasarius den Fehler verbessert litte, wird 
man nicht glauben, wenn man auch nur Stellen vergleicht wie die folgende aus Galens 
Yyrewa (VI 21,8 K. = CMG V 4, 2 p.11,24 Koen): ws evar thy pev vyelav didBeow Kata 
piaw évepyelas ToujTikHy, Tv de vooov citbeow Tapa drow évepyeias PAT TIKI: 
das Adjektiv aromriucos hat aktiven Sinn und kann von einem objektiven Genctiv begleitet 
sein. Schon vorher suchte Cornarius dem Gedanken aufzuhelfen, indem er in seine Galen- 
aldina fiir wodyow das Verbaladjektiv aointov eintrug, das vermutlich fiir toimtiy 
verschrieben ist. Denn wie das Gegensatzpaar »nattirlich« und »ktinstlich« z. B. in Wen- 
dungen der Rechtssprache wie mais eite yevvntos wv eite TOLNTOs (Plat. Gesetze XI, 923 e) 
erscheint oder mit Bezug auf woAitys. bei dem der geborene demjenigen gegeniibersteht. 
der bei Demosth. gegen Lept. 30 O Tit Tap Upev TOLHo El toNXitys heiBt, so kéunte es 
scheinen, als ob auch 4 TH. Tap iaTpov TWoijoes Uyera von den Arzten Totti} genannt 
worden wire im Gegensatze zu der nicht durch ihre Kunst erworbenen oder wieder- 
hergestellten, sondern natiirlichen Gesundheit (vow) vytea). Aber es diinkt mich be- 
merkenswert, dai sich der Gedanke in dieser Form bei Galen nicht ausgedriickt findet: 
wenigstens erinnere ich mich nicht, im in den Epidemienkommentaren so gelesen zu haben. 
wie er nach den Regeln der Grammatik hier lauten miiBte: @OTE iaTpOsS oivoU KU- 
plot Epos (éotw wohl besser an dieser Stelle einzufiigen, als, wenn tiberhaupt nétig. am 
Ende des Satzes) €is vyie.av duotkivy Te Kat wotnTiHy. Indessen befreit uns Ilunain 
von dem, wie bemerkt, fiir Galens Denk- und Ausdrucksweise befremdlichen Gegensatze 
der »natiirlichen« und »kiinstlichen« Gesundheit; denn die zweifelhaften Worte stellen 
sich nach Prarrs Ubertragung aus II so dar: »£s ist infolyedessen nétig. dap der Arzt wich- 
tiger ist als der Wein als Ursache fir de Bewahrung der Gesundheit und thre Entstehung.« Der 
Fehler in U steckt also nicht in woitjow, das aus U richtig durch alle Drucke fortgeplanzt 
worden ist, sondern in dvorkyy, wofiir mit leichter Audeeuns duvAaknv cinzusetzer ist. 


11* 


4. Rasarius* 
Randbemer- 
kungen zur 
Ubersetzungv on 
Epid. \L 5. 


84 EK. WENKEBACH: 


DaB damit auch die Verbesserung vyeias geboten ist. mégen endlich aus mehreren gleich- 
artigen wenigstens zwei Beispiele zeigen: ein Satz aus Galens Kommentar zu [epi Suatrns 6&€ev 
1,16 (XV 448K. = CMG V 9,1 p.131,23 Heir.) @omep yap # TeV vorovvTeV Oepa- 
mela Tov TpoBeBAnuevou viv bw aiTou Sera cKéupatos, ovTws Kal h TOV vryiaivovTwv 
acparea hudakns évexa Ths Uytelas Kai 4} TOV aoKOUVTeV Tpovoia KTH EWS eveka 
ths evegias und der andere aus unserem Epidemienkommentar selbst, S. 817.12 déde«rat 
yap év trois (trav) ‘Yyewov vropvipacw ob pupa Xpela ywouevn ois iatpois éx Tis 
ToavTys yyeoews eis Pudakiv THS TOU pépous UytEelas Kal THY éoouerny Erravepbwary. 
Deshalb empfehle ich, die ganze Stelle so zu lesen: tis ovv aitios éoti Tihs yevérews TOU 
BonBipatos; 6 Tov Kaipov etpioxwv Syrovdtt. tiva dé TovTOV of “EdAnveES évoudfouew: 
i Kal TOUTO Tac EvonAOV, ws iaTpoOs OUTOS KaAEtTAL; WOTE laTPOSs Olvov KUpLOTEpOS (éoT WW) 
eis vytefas duAakiyv Te Kal Twoinow. 

An einer Unklarheit im Wortgebrauche leidet m. E. die zweite der bezeichneten Stellen. 
Zum 15. Lemma in Epid. VI, 5 S.275,2 Ovpov éudypowv Bowuati cai wépati Kai os elobev 
éov, O70v Tov Wypov (vypou schrieben Cornarius und Gemusitus und in Ubereinstimmung 
mit ihnen tibersetzte Vassiius qualis est humidi interni und Rasarius ubi Jumidi colliquatio: 
vypotns U und Aldina, bei denen Crassus verblieben, wenn er whi hwniditas, colliquatio 
schrieb) ovvtn&ts lesen wir im Kommentar bei Rasarius fol. 1 56° at quae (nimlich partes 
urinae) magnitudine § duritia + farinae crassioris similitudinem habeni, nec taumen albae sunt, 
carnis colliquescentis sunt indicia und dazu die Randbemerkung: Sunt, qui hordei gant. Graeci 
tamen libri habent xpiuvodn. Sicut etiam superius. Da Vassiius den fraglichen Ausdruck von 
Spelt- oder Bohnenmehl versteht und ihn deshalb P- 773 mit pultacea wiedergibt, kann 
Rasarius nur Crassus meinen, dessen Ubersetzung er ja durchgehends im Wortgebrauch 
umgestaltet, und wirklich tibersetzt dieser die ganze Stelle (S. 276, 2—-9) so: Indicat autem 
colliquatorum membrorum colorem quum partes aliquae ervi et hordei speciem referentes una 
cum ipsa exeunt: a jecore enim huiusmodi corpuscula veniunt, sieut carnosiora a renibus. Ta 
cero et foliorum similia a vesica; unguinosu ab adipe: hordacea quidem magnitudine et duritie, 
sed non albida, colliquatae carnis notae sunt; sicut et nigra lienis magis. Zieht man jedoch 
den Artikel xpiuvov farina crassior in der bekannten und noch heute brauchbaren QOe¢eco- 
nomia Hippocratis von Anutius Foésius p. 355 zu Rate und vergleicht man besonders die 
Stellen tiber kpiuvedes Vroordaces, unter denen er p. 356, zweite Spalte, auch unser Lemma 
behandelt, so wird es schwerlich glaubhaft, da® Crassus die Lesart der Aldina Kptuvo- 
e107 (S. 276, 3) und Kpiuvwdn (ebenda Z. 6/7) in kptO006n geaindert wissen wollte; Kpiuve- 
Ons lautet nimlich das Adjektiv fir den Aldinenkritiker Clement, der es aus der hs. Uber- 
lieferung Kaxoeion an der ersten der beiden angegebenen Stellen hergestellt hat'. Wenn 
Rasarius tatsichlich die urspriingliche Lesart in U gekannt hatte. wiirde er wohl, wie in 
anderen Biichern Galens, zu deren Textverbesserung er nachweislich Hss.-Studien getrieben 
hat”, auch hier die Gelegenheit nicht unbenutzt gelassen haben, die Crassus zugeschriebene 
Konjektur durch das Zeugnis einer Hs. zu widerlegen oder ihre eigene Verbesserungs- 
bedirftigkeit zu erwihnen. 








' Joun Cremenr hat es hier sogar gewavt, seine Verbesserung in die Hs. Bessarions. seine Druckvor- 
lage, einzutragen. In Verbindung mit einer anderen Berichtigung, die er mit seinem charakteristisch zierlichen 
Duktus tber die fehlerhafte Lesart in U itbergeschrieben hat, habe ich unsere Stelle, wie S. 40 dargestellt 
als Handhabe benutzt, die kritische Arbeit auch an den griechisch erhaltenen Kommentaren zu Epid. VT jenem 
jongen Linacrianer aus London zuzusehreiben. ’ 

* Vgl. Herwann Drers’ schon friiher genannte Untersuchune aus den Abh. d. PreuB. Ak. d. Wiss.. phil.- 
hist. KL, ror2, S. 16 ff, wo dem Ubersetzer Rasarius fiir seine Arbeit an den Kommentaren Galens zum Pror- 
rhetikon bezeugt wird (S.18), »nach Aldus allein in wirklich Wwissenschaftlicher Weise sich um die Gewibr 
des Textes bekiimmert zu haben«. 


Beitrage zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. &5 

In der Erklarung des vorletzten Lemma aus Epid. VI,5 enthillt sich in dem echten 
Teile des Galenschen Kommentars die einzige Stelle, an der Rasarius selber ausdriicklich 
auf die handschriftliche Grundlage des Buches Bezug nimmt. Die Worte des Hippokrates 
(S. 307, 5) EvBépuw Bpwbev evdobev Wikis, EEwSev movos. HAtw, Tupi, éoOijtt, ev Opn Gepwh. 
TH 0€ é€vavtTiw ws évavtiws finden wir in Rasarius’ Ubersetzung fol. 158° so erliutert: 
percalido corpori vx cibis, potionibusque comporata refrigeratio intus convenit: nocet autem ca- 
trrior calor a sole, ignt, aestivo tempore, 3 vestimentis; a quibus omnibus sxiceus calor. signi- 
Jicatur: nam humidum, S moderatum, qualis balneorum est. potestate refrigerare ostendimus. 
planum autem est, in huiusmodi sermonibus, ubi non adiungimus aquarum sponte nascentiun. 
aut marinarum, aut sulfurearum, aut aluminosarum, semper hos vonsietas balneas intelligi: nam 
dlae siccant, + § calfaciunt, non refrigerant. contrariae autem naturae corpori, contraria. Ther 
die Herkunft des bekreuzten Verbs und der ilim folgenden Negation gibt Rasarius in einer 
Randnote Auskunft: Locus in graeco codice corruptus, sed emendatus ex Orib. lib, 10, cap. 3. 
Die Nachricht in betreff der griechischen Hs. stimmt zu der Tatsache, daB U ohne Kenn- 
zeichen eines Textverlustes (S. 309, 7) exewa pev yao Enpaive te kai Pvyet hietet. Zwingt 
uns nun diese einzige ausdriickliche Erwihnung eines Graecus codex zu der Annahme. daB 
Rasarius U benutzt hat? Ich will nicht bestreiten, daB er die Ils. gesehen haben kann, 
zumal sie Kigentum der Markusbibliothek in Venedig war, wo er selber seine Galeniiber- 
setzung erscheinen lieS und von wo er den reichhaltigen Index samt dem Widmungs- 
schreiben an den Herzog Alfonso Il. von Ferrara laut Untersehrift am 1. September 1563 
sandte; daB er sie aber, wenn er sie tiberhaupt eingesehen hat, nur sehr oberilichlich 
und nur an sehr wenigen Stellen cingesehen hat. glaube ich mit aller Bestimmtheit Le- 
haupten zu kénnen. Was unseren docs classievs noch im besondern angeht, so konnte 
Rasarius seine Behauptung tiber die Textverderbnis der griechischen Hs. ebensogut aus 
der Aldina und der Basileensis schépfen: beide Druckausgaben enthalten S. 309.7 den 
Text gleicherweise verstiimmelt wie U. Der mangelhaften Uhberlieterung war.noch Vassius 
(p. 794) in seiner Ubersetzung ili ctrnim siecant et refrigerant gefolgt. Auch hier war 
Crassus vermutlich der erste. der den Schaden erkannte und aus derselben Quelle, die 
Rasarius angegeben hat, zu beseitigen suchte, indem er schrieb: Liquet uutem nos in istis 
sermonibus consucta hare balrwa intelligere, ubi non apponimus aquarum sponte nascentiuin aut 
marinarum, aut sulphureurum, aut ahoninosarum, quandoguidem illac siecant calefaciuatque 
et non refrigcrantur (lies refrigerant). Von Crassus hat vielleicht Cornarius seine Erginzung 
bezogen, obwohl er sich nicht, wie bisweilen, auf den énéerpres latinus beruft; denn auch 
er lat (in einer Randbemerkung seiner Galenaldina) zwischen «ai und oye: die Worte 
Geppaiver, kai yy hinzugefiigt. Fiir die Druckausgaben des Galen hat erst Chartier die 
Liicke geschlossen: éxetva wey yap Enpatver te kat (Beppaiver, ov) yoye Aber der Iiat 
seines Zusatzes lABt es geraten erscheinen, eher die Form von Cornarius zu bewabren, 
wenn Galen nicht etwa geschricben haben sollte: éxewa pev yao Enpaive te kai (Be p- 
paivel, pi) mévToe ye oder Myde pévTor) yoye. 

Endlich ist noch eine einzige Stelle aus dem Bruchstiicke von Epid. VI,6 iibrig. 
In einer Liste erwirmender Mittel hei&Bt es im Kommentar Galens foul. 160' ex hoc etiam 
est genere pit liquida, § quod 7 piceum vocatur: & quod in Cilicia capneluenm dicitur, wid 
dazu am Rande: pisselaeum legendum videtur. Rasarius wollte also wigoéAacov lesen. 
wie schon Vassius (p.806) konjiziert hatte. Aber das noch in der Ktiuxschen Ausgabe 
testgehaltene méooavov der Hs. U wird mit Cornarius leichter in micoav@os geindert. 
Auch Crassus hat picenm itibersetzt, das Rasarius im Texte hat. als ob man wiooavov 
als wiooivov verstehen diirfe; aber es enthehrt eines Zusatzes. Der andere Fehler, der 
in der Bezeichnung eines Rauchéles dureh Chartier erst im Anlaute Terichtigt ward. 


Selbst Rasarius’ 
einzige ausdriick- 
liche Beziehung 
auf den graerits 
codes unserer 
Uberlieferung 
nicht beweis- 
kraftig genug fur 
das Fls.-Studium 
des Ubersetzers, 


5. Rasarius’ 
Randbemer- 
kung zur Uher- 
setzung yon 
Epid. VI. 6: 
Rasarius hat 
sich wahrschein- 
lich gar nicht 
oder nur sehr 
oberflachlich um 
U gekiimmert. 


Nachtragliche 
Ausdehnung der 
Untersuchung 
auf Rasarius’ 
Arbeit an den 
Kommentaren 
des Epid. I und 
Ill. 


Rasarius’ Text- 
kritik an Epid. I, 
1—3 beruht 
neben der Aldina 
und Basileensis 

des Galen und 

Hippokrates- 

ausgaben tat- 
séchlich aufober- 
flachlicher Be- 
schiiitigung mit 
Galen-Hss., und 
zwar Vertretern 
von w, vondenen 
der eine M oder 
w gewesen sein 

kann. 


86 E. WENKEBACH: 


matvéAaiov ist aus U zur Aldina und Basileensis gelangt und ist noch in der Ausgabe 
Kiuxs zu kaw éAacov entstellt, und doch hatten schon alle drei Ubersetzer richtig kam vé- 
Aatov gelesen, wie es auch im Aldinenexemplar von Cornarius angemerkt steht. Wie 
capnelaeum, so scheint auch pisselaeum aus der Uhersetzung von Vasséus in die von Rasarius 
getlossen zu sein. Jedenfalls bestatigen auch diese Lesarten, was alle Randbemerkungen 
des Ubersetzers gelehrt haben, da8 Rasarius sich bei seiner Arbeit an Epid. VI, 
1—-6 héchstwahrscheinlich nicht um die Hs. U bekitimmert oder, wenn er 
sie gekannt haben sollte, sie nur sehr selten und ganz oberflachlich be- 
nutzt hat. 

Allein mit dieser Feststellung iiber die Arbeitsweise des Ubersetzers Rasarius in den 
Kommentaren zu Epid. VI ist unsere Aufgabe noch nicht gelést. Da er auch Galens 
Kommentare zu dem hippokratischen Krankenjournal in Fpid. 1 und Hl hearbeitet hat, 
so scheint es mir nétig, um das Thema zu erschépfen, auf die vorhergehenden Biicher 
guriickzukommen. Nur so li&t sich ein Vollbild von der textkritischen Titigkeit dieses 
yenezianischen Arztes gewinnen. Deshalb sei es mir erlaubt. nachtriiglich wenigstens die 
wesentlichen Randbemerkungen aus Rasarius’ Ubersetzung von Epid. J. 1--- 3 und Epid. I. 
1--3 zu durchmustern. 

Aus Epid.I,1 kommen zur Beantwortung der Frage, ob Rasarius Hss. benutzt hat, 
nur zwei Stellen in Betracht. Sogleich in seiner ersten Randbemerkung fol. 72" (zu 
Bd. XVIL A S. 23,12 K.) quamvis graeci libri habent vos (so) tumen puto leygendum esse 
npépas, quia ex quatuor quadrantibus non mensix, sed dies constituitur, die zur Berichtigung 
eines den Schaltmonat bei der Rechnung nach Mondjahren betreffenden Satzes dienen 
soll (die aus @, dem Archetypus von MQV, bezeugte Uberlieferung S. 23.9 avayKaCovra 
Toryapowv oi oVTwS ayovTEs TOUS wvas EusdAyv Twa Tov, GTav Tp@ToV ABpow Fn! 
TO Tov éumrporbev EviauT@v EANEa Kal YevyTaL Ypdvos evos pHvds vertriigt keine Andcrung 
des letzten Wortes), entspricht Rasarius Angabe tiber die Graeci Libri der einstimmigen 
Uberlieferung von MQV, aber wegen des fehlenden Zusatzes manu seripti oder des fehlenden 
Gegensatzes zu impressi sehe ich keinen Grund, an andere Biicher als die Aldina und 
Basileensis zu denken, die beide mit der tiber P aus V herstammenden Lesart wnvds dem 
Ubersetzer vorgelegen haben. 

Dagegen scheint mir bei aller Rasarius gegeniiber gebotenen Vorsicht, da8 er fol. 75° 
zu dem Satze (S.69,5) proprie enim illas intermittentes febres vocunt, quae post statum inte- 
gritatem quandam praestant: quae vero declinationem sensui manifestam habent, nullam tamen 
integritatem habent, eas acutas continuasque nominat: quae totum circuitum habent, ut plurimum, 
duarum de quinquaginta horarum: quantum etiam * semitertiana: sed ad integritatem non 
veniunt ete. die fiir unsere Untersuchung wichtige Randbemerkung Veteres libri habent 
tpitaios he, tertiana tatsichlich auf Grund eines Zeugnisses aus @ gemacht hat: denn 
in MQV steht wirklich 6 Tpitaios, das erst der Aldinenkritiker John Clement (P’) in 
der aus V gezogenen Abschrift P durch 6 HiT piTatos ersetzt hat. Ich lese »duAetrovTas« 
yap éxeivous 6vondfovercy (woftr ich ahker évopa Cer (ewler) vorziche. da Hunain in H 
iibersetzt: »es ist seine Gewohnheit zu nennen«) Wiws Tuperovs, dco. peta THY aKLHV 
anupe&iav Twa Pépovew’ oot O aioBythy pev rowvvTa TapaKpiy, amupe&iav 0€ ovdepiav 
éyouow, o&eis Kal ouveyets Kader (wobei bemerkenswert ist, da Hunains Ubertragung 
in H o€eis cai ausliBt), Tv pev OAyv Tepiodov Eyovtas 6KT@ Kal TecoapdKovTa opav 
rouninav, OowvTep Kai 6 NMITPLTAtos (OcovTep MOV: oomep P*, Cornarius: 6 Tpt- 
ratos MQV: von P? berichtigt im Einklange mit der arabischen Ubersetzung »und 
dies ist das Mafs der Periode des Semitertianfiebers« in H), aAN ott’ eis amupeElav 
AnyovTas KTE. 


Beitrdge zur Textyeschichte der Epidemienkommentare Galens. 11. 87 


Sehen wir weiter, ob vielleicht Stellen aus Epid.I.2 zu einem sichereren Urteile fiihren. 
In betreff gewisser 6@@adpia tibersctzt Rasarius fol. 77" (= S8.94,9): erant autem incoctar 
(nimlich Uppitudines), et longo tempore durabant propter humiditatem et frigus: siquidem flusions 
tum concoquuntur, cum a native calore superantur. facile autem superantur, cum humor eviguirs 
est, nec admodum frigidus: cum cero # multum frigidus est, difficulter concoguuntur und bemerkt 
dazu am Rande: v. 1. orav 6€ Kat wodv Kai Youypov .i. cum GF multus, § frigidus est. 
Wihrend der zweifelhatte Satz in MQ S.g4,12 xKpatetra: 6€ paoy, oTav 6Alyov TE fi 
TO vYpOY Kal pa wavy Yuypdv, dTav GE Kal TOA Kat Yuypov, dvoKdAws TéTTETAL 
lautet, liest man kai mwoAt Wuypdy in V, aus dessen Abschrift P die Aldina ihre Lesart 
jwoAv Kai Yvypor empfangen und an alle ihr folgenden Druckausgaben weitergegeben 
hat. Soll man in Rasarius’ Randbemerkung den Zusatz von kai vor 7roAv aut das Studium 
seiner c(cteres) Uibri) oder auf cine Konjektur des UWhersetzers zuriickfithren? Solange 
nicht gewichtigere Zeugen auftreten, lasse ich die Sache unentschieden. 

Bald darauf (fol. 77°) erscheint zu dem Satze (S. 98,9) sé enim arr humutus frigidus- 
que sit, corpora, pracsertim humidiora frigidioraque, sunt calfucienda, huius modi igitur plures 
cxercitutiones prosunt, et modicum vinum, quod calidiore natura sit. cl aquin - aceipiat, tum 
eduliu culfucientia diese Randnotiz: Gruece EAKTLUKOY. i. aqua feral: Lyitur cliam 7poo- 
AaPov. i. aqua adiuncta. Wo Rasarius selbst keinen Ansprach auf handschriftliche Stu- 
den erhebt, haben wir noch viel weniger AnilaB als sonst, ihm solche zuzutrauen. Die 
verderbte Uberlieterung stellt sich in den Vertretern von @ so dar: (S. 98.11) yupvaord 
TE OV TAEiW TOS TOWUTOLS WpPéAA Kai Olvos OACyOS TH HEeppoTépa Pvoe Vowp EXK- 
tTiKkov (eAtiKOV Q) édéopaTd Te (EdéopaTe M) Kat GeppaivovTa MQV: Da vdap EXKTLKOY 
aus P in die Aldina iibergegangen ist, das letzte Wort aber in der Basler Ausgabe in 
Tpooapav verwandelt erscheint, so ist die doppelte Quelle fiir die Lesarten des Uber- 
setzers aufgedeckt. Wenn Rasarius mit seiner Ubersetzung im Texte bei der Aldina zu 
verbleiben glaubt, so widerspricht dieser Meinung der Sinn des Adjektivs eAxricds, der 
z. B. aus einem Satze der Yyewd wie VI 429/30 K (CMG V 4,2 p. 188,12 Kocn) ov 
uv ov addy TovTOUS dvivyow EAKTLKIY CUvapeY Exovoa yoAous yuuou klar hervor- 
geht. Aber auch die Konjektur rpoogAapev, die Uieronyinus (emusiius in der Basi- 
leensis vorgebracht und noch Ktuy wiederholt hat, kann nicht befriedigen. Der ganzen 
Stelle, die seit der Basler Ausgabe so fortgepflanzt worden ist: Kat oivos oAtyos Bepyd- 
tepos pice av Kai tOwp wpocraPBoy, édéopara Te Gepuaivovta. entsprechen aus der 
arabischen Uhersetzung in II diese Worte der Verdeutschung Prarrs: » Wein wenig, aber 
seiner Natur nach hitsiger, und Wasser darf durchaus nicht dabei sein usw.« Daher 
empfehle ich folgenden Wiederherstellungsversuch: Ka oivos OALyos, TH PioE Depudtepos 
(cai) Udwp éAdyiotov (oder besser OALyLo TOV) édéouata Te éxGeppaivovra. 

Im selben Kommentar (S. 131, 9) lautet das 36. Lemma des Hippokrates in Rasarius’ 
Ubersetzung fol. 807: Quae hos tenebant, erant haec, dysenteriae, tenesmi, lenteriae, &§ alvi 
flucus: nonnullos etiam aqua inter cutem, + quae vel haee habebat adiuncta, vel non habebat 
‘und dazu die Randbemerkung: Quidam libri habent, peta TovTwv, Kai avev TOVTMV ac at. 
i. cum his & sine his fastidia. sed Gal. ita non legit. Da die Hss. MQV nieht doac 
bieten. das erst John Clement (P’) tibereinstimmend mit Paris. J des Hippokrates in die 
Druckvorlage der Galenaldina (P) eingetragen und die Editio princeps an alle Druckaus- 
gaben weiter tiberliefert hat, sondern die schon in der Urhs. » yom Randle in den Text 
verschlagene Bemerkung et @yow an die letzten Worte des Lemma peta TOUTWY Kal 
avev TovT@Y anhingen. so ist es nicht klar, ob Rasarius mit seinem Ausdrucke quidam 
libri die gedruckten Galenausgaben oder Vulgathss. des Hippokrates meint. Unter den 
jungen Pariser Hippokrateshss. hat allein J nach der <Adnotatio critica Lirrrts den aueh 


&8& E. WENKEBACH: 


in der arabischen Ubersetzung vermiBten Zusatz aoat, so daB ich trotz dem verwunder- 
lichen Attribut guidam, das sich nur auf die Aldina und die Basileensis beziehen kdnnte, 
wenn man /ibri als libri impressi versteht, eher an die Galenausgaben als an Hippokrates- 
hss. zu denken geneigt bin’. 

Ebenso verhilt es sich, wenn Rasarius in der Erklirung des Lemma S. 173, 10 Mera 
dé Tavta OuoevTepibdees EyeévovTo ovTOL TdVTES. OUpa OTL Ovpyoav boaTHdEa OKETTEOV 
(MQV: wahrscheinlich richtig »man muf cusehen, ob dies der Fall war, weil sie wdsserigen 
Urin lieBen« FH: und der arabischen Ubersetzung entsprechend #jpd ye vor ovpa aus der 
Hippokratesvulgata zugesetzt von Chartier: Ermerixs hat den letzten Satz getilgt) fol. 83° 
folgendes veréffentlicht: Erat enim cverisimile, quia cum urinis humor biliosus non expurgatus 
est, cum in ventrem flucisset, dysenterias generasse. erat quoque verisimile. vo quod magna 
esset huius humoris redundantia, & quia biliosa excrementa per urinas + non essent expurgata, 
re eo quod adhuc in corpore superfluebat. dysenteriam in eis esse excitatam und zu non am 
Rande bemerkt hat: Haec negatio abest a quibusdam libris, sed non conveniret cum principio 
Auius expositionis. Auch hier versteht er unter quibusdam libris, denen die Negation fehlen 
soll, Druckausgaben Galens, von denen die Basler zuerst py ausliBt, waihrend alle Ver- 
treter von w es miteinander gemeinsam haben. Dai Rasarius mit der Bewahrung der 
Negation, die er m. E. der Aldina verdankt, der sie hinwiederum aus P = V zugeflossen 
ist, sich falsch entschieden hat, kann auch die arabische Bearbeitung der Sitze in H 
zeigen, der zufolge ich schreibe: (S. 173,13) €ixds pev (von mir hergestellt: yap MQV) 
iv, Kai OwTe Tots ovpos ovK é€eKabapOy TO yoA@dEs, Eri yaoTépa prev Tas (verbesserte 
P*; puvévros MQV) dvoevrepias epyaracba eixos 0é Kai dia (TO) Todds TAEOVEEias TOU 
yuuou tovtou yeyo| (S. 174) vévar, Kai ei [un] yoAddeow ovpos e€exevoOnoay (ui feblt in 
Hund ist zuerst von Gemusius in der Basileensis eingeklammert: kai €i un yoAddeow 
ovpots MQ: Kai €i pn yodwdea Tos ovpois V: yoAdon P? und alle Ausgaben), é« Tov 7re- 
piTTevovTos ETL KATA TO Toya THY CvGEVTEpiav (av) adToOIs yevéoOa (av von mir hinzu- 
gefiigt). 

An der nachsten von Rasarius angemerkten Stelle aus Epid. I, 2 lesen wir fol. 84" 
als Ubersetzung der galenischen Erklirung: (S. 186, 6) reliquum igitur est, ut de iis, qui 
gracili, quique aspera voce sunt, itemque de blaesis, deque iracundis videamus: ac primum de 
iis, + qué gractli voce sunt, quos primo loco commemoravit: nam si ita scriptum sit, significat 
eos, gui vocem gracilem habent. nam nune quoque gracili voce esse quidam dicuntur, sicut 
etiam tenui mit der folgenden langen Randbemerkung: Hoc loco mendum est sine dubio: 
quia cum Hipp. primo conmemoret tous vwodevous id est qué alta voce sunt, hic agitur 
de gracili voce, tamquam prius sit relata. ¢ etiam verba sunt perturbata in graeco contextu. 
Duo tamen libri veteres nihil melius habent aut plus quam impressi. sie igitur legi forte 
posset: Ac primum de iis, qui alta voce sunt, quos primo loco memoravit: nam si ita scrip- 
tum est, significat eos, qui magnam vocem habent. iam vero gracili quoque voce quidam esse 
nunc dicuntur Sc. Auch hier ist die Bemerkung des Ubersetzers. obwohl sie neuen und 
genaueren Aufschlu8 tiber sein Hss.-Material enthalt oder zu enthalten scheint, doch nicht 
zu identifizieren. Denn neben der Lesart Hunains in H »und ich beginne mit dem ersten, 
den er erwthnt«, die ich zu den in MQV iiberlieferten Worten so hinzufiige: (S. 186, 6) 
Aownov ov éatw émioxéYacba Tepi TaV icyvodevav Kai tpayypdvev Kai TpavrA@v Kat 
dpyAwv, Kal TpoTov (uév TEpt TOV TPATOYV) yYeypappevoy, TeV icyvopwvev. ei pev 
ovv oUTWS Ein yeypamuevov, TOUS ityvous tiv davyy * isyvogwvor yap ért Kai viv KTE., 





1 Diese Stelle gehért zu denen, die ich schon friiher behandelt habe: vgl. tiber sie den ersten Teil 
dieser Abhandlung S. 32f. 


Beitridge zur Teatyeschichte der Epidemienkommentare Galens. I. 89 


bieten MQV auBer eiev fiir ef und yeypauuévwy in V fiir yeypauuévovy keine nennens- 
werte Variante, auch die Liicke hinter dovyy ist nicht gekennzeichnet, die ich durch eine 
Wendung wie dv akovoipey oder uas akovetv yp (oder éypny) fille. Was mir 
aber die Hauptsache scheint, die von Rasarius angenommene Lesart Uodevor hat fiir 
Galen keine handschriftliche Gewihr, da sie im Lemma (S. 183, 7) erst vom Aldinenkri- 
tiker Clement in seine Druckvorlage P eingeschwiirzt worden ist. Mit dem Urteile zur 
Kommentarstelle (S. 186, 7) duo tamen libri ceteres nihil melius habent aut plus quam 
impresst hat Rasarius, wie schon gesagt. insofern recht, als alle mir bekannten Ver- 
treter der Urhs. » derselben Uberlieferung folgen, die, nur um den erwihnten Zusatz von 
P? vermehrt, aus P in die Aldina und die yon ihr abhingigen Druckausgaben einge- 
gangen ist. 

Die letzte Notiz, die Rasarius seiner Ubersetzung von Epid. I, 2 hinzufiigt, betrifft 
tol. 85° die Worte des Hippokrates (S. 200, 10) si cero +; decimo octavo die aliqui: riguissent, 
iis quadragesimo indicabatur und lautet: In Hipp. Aldino lyitur eixooty .i. vigesimo, G 
ita videtur Galen. interpretari. Mit seiner Wiedergabe des Lemma schlieBt er sich wieder 
nicht an die Galenhss. an, statt deren er sich ja auch ausdricklich auf die Hippokrates- 
aldina beruft, sondern stiitzt sich auf seine cigene Vermutung. Denn in  endete «las 
Lemma schon bei den Worten dmep Kai peo Sutépoww (S. 200, 9), in denen P? das fehler- 
hafte a7rep in atep (so!) inderte und erst Ktun das richtige arap wiederhergestellt hat. Die 
sowohl in der byzantinischen Uberlieferung wie in ihrer arabischen Bearbeitung fehlenden 
Worte hat abermals P* nachgetragen, von dem sie so in die Aldina tibernommen worden 
sind: éott 6 oiow Expwe évdexaty, UéoT pede TETTapEerKaweEKaTH. EKpivEe TEEiWS OYCON. 
ei O€ TwWEes EmEppiyouy Tepl TUS OKTH, TOUVTEOITW EKXpWwEV TETTApaKOOTH. EémEpplyouv 
6é of WAEiaTOL Trepi Kplow Tiv €E apyiis. oi Oe EwipprydaavTes EE cpyns wept Kpiow Kat 
év tThow trootpoPpyow aqua Kpice. In dicsem Zusatze Clements hat Rasarius aus dem 
Zusammenhange der Krankengesehichte die Zahl 6x7 durch naheliegende Konjektur in 
decimo octavo geindert. Fir die Fliichtigkeit seiner Hss.-Studien scheint mir besonders 
beachtenswert, da®B er hier sugar tiber einen umfangreichen Mangel seiner libri veteres mit 
Stillschweigen hinweggeht. Seine richtige Lesart eigrsimo anstatt wept Tas 6xT@ hatte 
schon Cornarius mit Tepi tiv eikoo tiv ebenso aus der Ilippokratesaldina vorweggenommen, 
wie sie erst Chartier von ebendaher in seiner Galenausgabe veréffentlicht hat’. 

Dasselbe Bild von Rasarius Beschi{ftigung mit seinen Galenhss. zeigen die von ihm 
angemerkten Stellen aus dem dritten Kommentar zum ersten Epidemienbueche. Wenn er 
gleich in der Erklirung des ersten Lemma fol. 86° zu den Worten (S. 218, 8) guod vero 
postea ~ flatuum meminit, ipsi quoque genere spirituum continentur am Rande bemerkt: 
In lib. imp. legitur oduypoev .i. pulsuum, tamen in contextu verborum Hipp. hoe verbum 
non est. auget dubitationem, quod subiunyit se de his dixisse in progn. in lib, de diff. resp. 5 
alibi, de flatibus vero et in prognosticis: ut de alia re plane loqui videatur, so bezielt er sich 
auch hier fiir ofvypov auf die heiden von ihm henutzten Drucke, in deren zweiten 
erst der Herausgeber Gemusius dvoev eingetiihrt hat. Und doch hatte Rasarius auch 
hier das tibereinstimmende Zeugnis von MQYV fiir das irrtiimliche o@uy pov antfiihren kénnen. 

In Ahnlicher Weise folgt er in der Beschreibung des vierten Tages aus der ersten 
Krankengeschichte des Epid.[ tol. 89°, wo sein Text die richtige Lesart der Aldina (S. 254, 4) 
quarto die omnia exacerbata, urina nigra, now levior, urinu melioris coloris hietet, wieder 
nur mit einer unbestimmten Randnotiz Jolestior leguut alii den Iss., deren Verschreibung 
Sve dopwrépy in V oder dvafopotépy in M von Clemens (P*) in P durch evpopwtépny 





1 Uber diese Stelle vgl. den ersten Teil dieser Beitrige zur Textgeschichte S. 33. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. 12 


90 E. WENKEBACH: 


erscizt -wortlen -ist. Es faillt zwar auf, da®B -Rasarius selbst hier den Hinweis aut’ seine 
e(eteres) Uibri) vermeidet, trotzdem wiiBte ich sonst keine Zeugen fir die raria lectio seiner 
Randbemerkung zu nennen. 

-Gegen Ende der vierten Krankengeschichte dieses Buches finden wir fol. go’ zu den 
Worten (S. 270, 3) decimo quarto die ¢ palpitationes die Randbemerkung: Hoe verbum abest 
-ab impressis libris quibusdam, tamen 5 Hipp. Aldinus habet, S Gal. exponit. Hiitte Rasarius P, 
die Druckvorlage der Allina, geselhen, in der ihr Kritiker (P*) eine Liicke mit den Worten 


mévot 

mwahpot (durchgestrichen) 6¢ 6Aou Tov cwpuaTtos: Adyo. TONAL TuKpa geschlossen hatte, oder 
wiire ihm.die Liicke aus MQV oder einem anderen Vertreter von w bekannt gewesen, wiirde er 
wohl auch auf seine libri veteres Bezug genommen haben. Das noch in der Ausgabe 
Ktays (S. 270, 4) gedruckte wdvor andere ich im Einklange mit Hunains Wendung »Zuchken 
traf sie am ganzen Kérper« in H, indem ich aus Galens Erklarung S.271,17 waApos 
aufnehme, das sich auch im Paris. A des Hippokrates findet. 

Da in Galens erliuterndem Satze aus dem Kommentar der fiinften Krankengeschichte 
(S. 276, 14) TO yap Tadralrwpov THs Ans Otaitns dua Tots éxi TpodH AovTpois aBpoiGew 
elwOe tO TotwovTov mANGos das positive Tadaitrwpov nur durch einen Irrtum von P in die 
Aldina hineingekommen ist, aus der es sich bis zum Kianschen Texte behauptet hat, so 
hitte Rasarius fol. gi" in den Worten nosque hunc rigorem, quem frbris non sequitur, a frigidis 
crudisque humoribus exoriri docuimus: & ideirco nune magis quam olim existere, quod tota victus 
ratio» dura una cum balneis post cibum, huiusmodi coacervare copiam consuevit seine Kon- 
jektur am Rande, wo er sich so verbessert: potius legendum est. labore vacans, ut. 2. de 
cau. symp. 5-8 lib. de rigore. cap. 7, bei wirklich griindlichem Hss.-Studium mit der echten 
Lesart ataXNairwpov aus MQV, ihren Stammyiitern oder Ablegern stiitzen kénnen, ja 
miissen. 

Umgekehrt hitten ihn seine veteres libri instand gesetzt, gegen Ende des Kommen- 
tars zur selben Krankengeschichte seine am Rande von fol. 91" stehende Berichtigung 
quadragesimo zu dem Sitachen (S. 278, 7) quamobrem die « quarto decimo primum iudi- 
cata est zu erliutern; denn das fehlerhafte Teccapeoxkaidexataiov der Aldina, das ihr 
Korrektor in Ubereinstinmung mit dem ebenso falschen tTeocapacKxatdekaTéws von 
QV, dem Teccapackatdexataiws in M bis auf die Orthographie gleicht, aus seiner 
Vorlage P, einer Abschrift von V, hergerichtet hat, bedarf, wie man aus Hunains Uber- 
tragung in H erkennt, wirklich der Verbesserung TET TUpakooTaia. 


Weiterhin, in der.zehnten Krankengeschichte, bemerkt Rasarius zu seiner Ubersetzung 
(S. 289,14) # guinto, cum labore exacerbatu sunt omnia am Rande fol. 92": Aliter ex v. lib. 
quintus dies laboriosus fuit: sexto omuia sunt exacerbatu. Er iibersetzt also im Texte den 
Zusatz des Aldinenkritikers Clemens (P’) wéuatn und lABt mit ihm éxtn, das allein 
MV bieten, da Q wegen Verkiirzung der Lemmata in seiner Vorlage E hier ausfallt. 
unberiicksichtigt. Welcher vetus liber jedoch oder welche veteres libri als Zeugen fiir die 
varia lectio semer-Randbemerkung angerufen werden, vermag ich nicht bestimmt anzugeben, 
neige aber auch hier zu der Annahme. da8, da die Hippokratesvulgata die beiden Satzchen 
zusammenzieht und fir ¢ des Paris. A kai, wie auch der Text der Galenausgaben seit 
Chartier, bietet, der Ubersetzer seine Lesart aus M oder dessen Abschrift w geschdpft 
‘haben kann. 

Endlich hat Rasarius fol. 92°.im Anfange der elften Krankengeschichte, deren Worte 
(S.293,9) sequentibus diehus somnum non vidit: spiritus rarus, ma nus, 7 hypochondrium 
statim reculsum er am Rande so erklirt: In quibusdam lib. legitur abtika aveowaopévov i. 
statim revulsus, & nomen hypochondrti non est: sed-Gal. cum facit mentionem spiritus., nou 


Beitrdge zur Teatyeschichte.der E pidemienkommentare Galens. I, v1 


addit eum fuisse revulsum: ideo culgatam lectionem sercavimus, sich zu Unrecht fiir die Vulgata 
entschieden, wenn er dic Lesart Uioydvdptov av’tika aveormacpévov, der Aldina und 
Basileensis folgend, mit der Begriindung bewahrt, daf Galen nichts von dem abgerissenen 
Atem in seinem Kommentar berichte. Dagegen hatte schon Cornarius zur Lesart vroydv- 
dptov in seinem Aldinenexemplar angemerkt: »Hip. non, ut Gal. ad mvetipa refert lib. 2 ¢. 3. 
dvorvoias«. Vgl. VIL 879, 12 und 932,3.8K. Deshalb schreibe ich die zweifelhaften Sitze 
auf Grund von @ so: (S.293,8) np&ato O€ mwovetv (7rovéew haben die Drucke von P*) tH 
Tew Tept [O'| Vroydvoptov (6 expungierte P’). dowdns, ddvovoa (zwischen den beiden 
letzten Worten erscheint in unseren Ausgaben dpixwdns, weil P* es aus seinem Hippokrates- 
text eingefiigt hatte) cai tas éyouévas (verbesserte ebendaher P?: tetayévov MV) ovy 
Urvwce. Tvevua apaidv, péya, [UToydvoplov| a’tixa aveomaopuévov. Ich habe also 
UTroyovopiov als unecliten Zusatz, der aus den ersten Worten unserer Stelle wiederholt 
ist, getilgt. obwohl HMV, d.h. sowohl die direkte wie die indirekte Wherlieferung es 
bezeugen. Unter dem Ausdrucke in quibusdam lib. versteht Rasarius sicherlich auch hier 
nicht Galenhss.. sondern Hippokratestexte, und zwar wahrscheinlicher Ubrd Gnpressi: Hippo- 
cratis als manu script. 

Somit ergibt sich im ganzen geselien auch aus den sieben behandelten Stellen von 
Kpid. I, 3. da& Rasarius bei seiner Ubersetzung zwar Hss. der ersten Klasse. 
vielleicht zwei und unter diesen M oder seine Abschrift w. zur Verfiigung 
gehabt, sie aber nur selten und im Vorbeigehen zu Rate gezogen hat. und 
daB seine Randbemerkungen zur Textkritik mehr als gelehrte Textverbrimungen eines 
anspruchsvollen und eitlen Arzt-Philologen aus der italienischen Spiitrenaissance zu bewerten 
sind denn als Ergebnisse griindlicher und gewissenhafter Arbeit eines aus urspriinglichen 
(Quellen schiépfenden Ubersetzers. wie mir tiberhaupt seiner ganzen Bearbeitung der Epi- 
demienkommentare Galens ein iatrosophistischer Zug anzuhatten scheint. ein vorwiegend 
formales Interesse an der Glittung der ihm vorliegenden Vorgiingerinnen seiner eigenen 
lateinischen Ubersetzung. 

Noch obertlichlicherstelltsich die textkritische Bemithung des Ubersetzersin Epid. tL, 1 —3 
dar. Hier tibersetzt Rasarius in seiner Wiedergabe der vierten Krankengeschichte (S. 585, 3). 
wo er zu den Worten / cumque ex potationibus continuae febres factae essent, dolor 
nocte exacerbatus est die Randbemerkung hinzufiigt: Alias ex potationibus autem continuis 
dolor exacerbatus est: Nocte incuhut primwn, im Texte tol. ror richtig mupetov, das er 
in seinen beiden Vorlagen, der Aldina und Basileensis, aus dem Zusatze Clements (P?) aus 
-P tibernommen fand. Das Fehlen von wupet@v sowohl in beiden Hss.-Klassen.der byzan- 
tiniscben Uberlieferung wie in der arabischen Bearbeitung Munains (in H) léBt sich nicht 
mit den Worten des Kommentars ovov mooi dayidis (S. 586, 6) rechtfertigen, da Hippo- 
krates in den Worten ék 0€ méTwv (1UpeT@v) TUVEX@Y YEvopevay 6 Tévos TapwedvOn 
vuxtos errefepudvOn TO mpw@Tov den terminus technicus mupeTot cuveyets verstanden 
wissen will. Fir die Wortverbindung é dé mét@v cuveyov seiner Randbemerkung 
brauchte Rasarius keine Galenhs. einzusehen. auch die im Vat. lat. 2396 erhaltene Uber- 
setzung des Calvus. die auf einem Vertreter der ersten Hss.-Klasse beruht', brauchte er 
nicht zu kennen; denn wuperov fehlt auch in V und anderen Hippokrateshss. und somit 
wahrscheinlich auch in lateinischen Hippokratesausgaben. 


DaB Rasarius auch an der folgenden Stelle keine Galenhs. benutzt hat. bezengt er 
noch deutlicher. wenn man zu seiner Ubersetzung fol. 102° (=-S. 595.9) nos enim plerosque 





! Uber den rdmischen Arzt Fabius Calvus und seine Ubersetzung der galenischen Kommentare zu dem 
Krankenjournal des Hippohrates in Epid. 1 und UI s. den ersten Feil dieser Untersuchungen S. 383. 


Rasarius’ noch 
fliichtigere Ar- 
beit an Epid. ITI, 
I—3. WO seine 
Randnoten zu 
Lesarten der 
Druckausgaben 
nur auf Konjek- 
tur beruhen, 


y? E. WENKEBACH: 


aegrolos ita vidimus respirare, ut eas (nimlich primas narium) f in inspirando diducerent und 
ihrer Randbemerkung Vetus interpres habuit, in expirando contraherent, Sc. Sed haec 
absunt a Graecis lib. seinen Gewaihrsmann Gadaldinus selbst hinzunimmt, der, wie alle iibrigen 
Zusiitze zu Epid. II, :—3, so auch diesen dem Cod. Liaur. 74, 25) verdankt’. Hatte Rasarius 
die an der Statte seiner Tatigkeit aufbewahrte Abschrift von L aus der Bibliothek Bessarions (m) 
und nieht die ihm vorliegenden Druckausgaben unter dem Ausdrucke Graeci libri verstanden. 
so wirde er die SchluBworte seiner Notiz nicht geschrieben haben. 


Ebenso vermute ich, dali Rasarius den umfangreichsten. nach 8. 625,12 k. einzufiigenden 
Zusatz Gadaldinis zur ersten Juntina (1541) auf Grund eigenen Studiums der Hs. m 
nicht mit den allgemeinen Worten fol. 105" Fragmentum in antiquis libris incventum am 
Rande eingefitthrt und in ihm vor allem. wenn er von m selbst und nicht von der ersten 
Juntina abhingig wire, nicht die Erkennungsmarke, das schon frither behandelte Satzchen’, 
ihnlich wie Gadaldinus mit der Wendung Aic quidem prima fabulae (statt des aus m 
erwarteten scripti) pars finem habeat wiedergegeben haben wiirde. 


Zu diesem Befunde stimmt auch, da® er bei der neunten Krankengeschichte fol. 105° 
= 8. 626, 3 in der Randhbemerkung zu seiner Ubersetzung 7 deiectiones crudue, tenues, paucae. 
deren Attribute er abandert, wenn er schreibt: quod ait de deicctionibus fortasse nullas 
Juisse legendum rst, Galenhss. weder anzutiihren vermag noch wagt. 


Auch fol. 106" = 8.637,18 in der Erklirung der Worte aus der elften Kranken- 
geschichte nulla prueterea facta + comatis mentione. wo Rasarius am Rande bemerkt: Jn 
impressis legitur kavmatos, i. arstus, sed nulla eius erat facta mentio, hatte er die Lesart 
kavpatos. die er in der Aldina und Basileensis gefunden hatte, aus einem Zeugen von 
belegen kénnen, aus dem sie in MQV iibergegangen ist. wic er sich umgekehrt fiir seine 
Konjektur k@patos auf Lm berufen durfte. 

Ebensowenig stiitzt sich Rasarius aut’ ein handschriftliches Zeugnis, wenn er fol. 109° 
zu den Siitzen: (S. 679, 16) at eiAovom. & Kareiiovoa ab iANatvw deduci non videntur: nec vero 
rliam eidovpevat. S Kateovpevat. raro enim apud veteres haec verba comperies, ihdaivew 
dico. & iddos, a quo Sophron videtur comparaticum. ut grammatiei appellant, t itdOTE pov 
tav Kiova deduxisse die letzten Worte am Rande so tihertrigt: 7 ./. columnd@ magis 
distortam. Und in der Tat geht die Lesart (AAoTepov tTavkdova der Aldina und aller 
von ihr abhiingigen Drucke tiber P auf V zuriick. wo (AAO TEpov TavKVova (so) geschrieben 
ist, wihrend iAAdTepov T&v KUova ohne Verbesserung Q, iAAdTepov Tav KVova M 
und adAntepov Tayxvwva Lm bieten. Dagegen lautet nach Prarrs Ubersetzung die in- 
direkte Uberlieferung in H: » Augen verdrehend mehr als schwarze Raben (oder Krdhen).« 
DaB Hunain recht hat, beweist folgendes Scholion zu Aristoph. Thesm. 846: iAAds: TUPAds. 
Seotpappevos Thy olw. Lwoppov iANoTEpa Tav Kopwvay, das Geore Kawen in seinen 
Comic. Graec. fragm., Berol. 1899, fragm.158 Sophr. (22> Ahr. 104 Bo) p.178 mitteilt. Weder 
Hiindinnen, an die der friihbyzantinische Schreiber vielleicht gedacht hat, als er fiir unsere 
beiden Hss.-Klassen, sowohl wie L, seine Unform verschuldete, noch Siulen. wie in 
der Ubersetzung von Rasarius steht, scheinen mir hier am Platze: kop@vac, cornices. 
kommen auch im Fragm.156 der Mimen des Sophron in der neuen Bearbeitung der Comi- 
corum Graecorum Fragmenta von Grore Karser (Berol. 1899) vor: daher ist TAYKOpwvav 





! DaB unter den nachaldinischen Galeniibersetzern auch der Modenese Augustinus Gadaldinus fiir die 
Kommentare zu Epid. HI ein methodisches Hss.-Studium betriecben hat, habe ich schon friiher ausfiihrlich be- 
wiesen; ygl. tiber ihn und seine Verbesserung und Erginzung der Uhersetzung von Hermannus Cruserius diese 
Beitrage zur Textgeschichte, I. Teil S.57', 64, 66°. 


2 Siehe den ersten Teil dieser Beitrage 8. 66". 


Beitrdge sur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. I. 13 
sicher’; ob das seltene Adjektiv des Zitates mit dem Scholiasten singularisch iAAoTépa 
oder mit Karser (in seinem WoOrterverzeichnis zu den Fragmenten der altesten Komiker) 
pluralisch (AAD Tepac gelautet hat, das der folgende Plural nahelegt, liBt sich, wie ich 
glaube, kaum entscheiden, aber die Form, die das Scholion bietet, und die in » und L 
gemeinsame Endung -ov, welche die Schreibung eines Byzantiners verrit, der das a hald 
in einem Zuge, bald mit Absetzung zu schreiben pflegte. indem er das Rund und den 
geraden Strich voneinander trennte. scheinen mir wegen ihrer Ubereinstimmung den Singular 
zuempfehlen. Daher bin ich tiberzeugt, dal die zweifelhafte Stelle des galenischen Kommen- 
tars, aus dem ich nur die oben zitierten Sitze wiederholen will. um eine neue, wegen 
der Verwirrung der Verben eiAAeuw. eidetv, (AAew und iAdaivev allerdings nicht tibertliissige 
Textgestaltung zu unterlassen*. su zu verbessern ist (S.679/680) o7aviws | dé mavy rapa 
Tois Tadaois EevpioKeTal TA Tolav’TA pata TE Kai OvdyaTa, Aéyw Oe TO iAAaIvEW Kai 
TO idAOs, ad ot Kai 6 LOdpov Soke reToMKEeva TO TVYKpITIKOV é6vopaCbuEvoY Tapa TOV 
ypaupatikov »ikNoTeépa TAY Kopwvav«. Man sieht also. daf Rasarius’ Konjektur ohne 
jede Gewahr ist, wie er auch in dem sogleich folgenden Zitat aus Platons Tim. 76b 
S. 680,14 Sed propter tarditatem, jab ucris frigore intro iterum sub cutem eiotpevov, 
radices egit, quo in loco videtur eitovpevov. pro eo quod est, conclusum. vel repulsum in altum, 
dixisse die Randbemerkung 7 Apud Platonem leyitur a spiritu circunstante gegen die Uber- 
lieferung aller Galenhss. v7r0 Tov mepteot@tos kpvovs durch das lediglich seinem Platon- 
text entnommene wvevuatos abiandert. 

Auch die letzte noch fehlende Bemerkung, die Rasarius macht, und zwar fol. 116' 
S. 768.5, wo in der von Galen nicht vollstindig mitgeteilten siebenten Krankengeschichte 
puniceo colore, die Ubersetzung des von Clement (P’) gegebenen dorvixkwdys, am Rande 
durch die Worte Al. thorruit in Ubereinstimmung mit Cornars @pixédns der Hippo- 
krateshss. ersetzt wird. ist nicht geeignet, fiir Rasarius’ Hss.-Studien zu Epid. III. 1—3 
zu zeugen: der Ubersetzer hat in diesem Teile seines Werkes noch fliichtiger und noch 
weniger griindlich gearbeitet als in den Kommentaren zum ersten Epidemienbuche. 

Somit ist das Ergebnis meiner Untersuchung: wihrend Crassus ftir seine Ubersetzung 
der Kommentare Galens zu Epid. VI aut’ die Benutzung einer Hs. véllig verzichtete und 
sich nur auf die ihm vorliegende Aldina und vielleicht auch die Basileensis stiitzte. sind 
bei der tiberwiegend formalen Leistung seines Nachfolgers Rasarius wenigstens noch fiir 
Epid. I, 1—3 wirklich hier und da Spuren handschriftlicher Studien nachweisbar, vielleicht 
aus der Miinchener Hs. 232 (M) oder deren Abschrift. einer der jiingsten Venediger Hss. (w): 
je weiter er aber in seinem Werke vorriickte, desto fltichtiger und gleichgtiltiger ward 
er gegen die handschriftliche Uberlieterung des Textes, so da er sich weder bei der 


' Obwohl das Sophronzitat in der Sondertiberlieferung der Kommentare zum Epid. III noch arger ver- 
unstaltet scheint als in der Hauptiiberlieferung der Kommentare zu Epid. I und UI. sehe ich in tay xopovay 
doch ein Beispiel auffilliger. von 1. oft bewahrter Sorgfalt, die nur leider noch Ofter in yri®liche Nachlissig- 
keit umschlagt. Denn anerkannt. dai Ausnahmen von der Regel, daB der Nasal im Wortende dem folgenden 
Konsonanten nicht angeglichen wird. beispielsweise fiir die Platoniiberlieferung als unbeabsichtigt gelten miissen 
(vgl. v. Witamowrrz, Platon U?, Berlin 1920, S. 339). fiir das Wort des alten Komikers méchte ich in der 
phonetischen Schreibung des Nasals mit demselben Rechte, mit dem derselbe Uelehrte z. B. dem Bion eine 
doppelte Anwendung dieser Orthographie verstattet hat (vgl. v. Wiramowrrz, Bion von Smyrna, Adonis. 
Berlin 1900, S. 351) »ein Zeichen guter Traditions erkennen, »da die Normalisierung der Orthographie im 
2. Jahrhundert n. (lv. nichts mehr davon hat wissen wollen«. Andere Belege fiir sulehe Besonderheit der 
Schreibung aus den galenischen Hippohrateskommentaren wird niemand erwarten, der die orthogiaphische 
Singularitét im Sophronzitat mit durch den dorischen Dialekt des Dichters gerettet glaubt. Vgl. auch Kiuner- 
Brass. Gramm. d. gr. Spr. 13, Hannover 1890. S. 263 Anm.r. 

2 E. Nacamanson gibt in Erotiani cvocum Hippocraticarum collectio (Upsaliae 1913) p.91,1 gdwvai xar- 
ef\Noveai, seine handschriftliche Grundlage kennt nur efAXerv. Uber die beiden Wortgruppen e/’Aw. Ado, 
eikfo, TAX vgl. K. Burpacu in N. Jahrb. XXV. 1922. S. 254. 


Phil.-hist. Abh. 1928. Nr. 9. 13 


Trotz der diplo- 
matischen Kritik 
einzelner lateini- 
scher Ubersetzer 
der Epidemien- 
kommentare Ga- 
lens Ersatz der 
Aldina erst darch 
das CMG. 


94 E.Wewnxesacu: Beitrage zur Teatgeschichte der Epidemienkommentare Galens. U. 


Arbeit an Epid. IM, 1—3 um die Hs. des Kardinals Bessarion (m) aus der Markushibliothek 
in Venedig noch fir Epid. VI,1—6 um unsere einzige Hs. U aus dem Besitze desselben 
Sammlers gekiimmert hat; schlieBlich fulite er also fiir diese beiden Biicher ebenso wie 
Crassus fiir das seine nur noch auf der Editio princeps Opizos und John Clements in der 
Aldina und aut ihrem durch Gemusius allein aus Konjektur verbesserten Nachdrucke der 
Basler Ausgabe. Das Quellenstudium des jiingsten Ubersetzers der Epidemienkommentare 
kann sich an strenger Gewissenhaftigkeit nicht mit der Ergiinzung des Proédmienanfanges 
zu der Criiserschen Ubersetzung des Epid. I. 1 aus einer verschollenen Hs. durch Macchellus 
messen und noch viel weniger mit Gadaldinus’ durchgehends ergiinzender und bessernder 
Revision des Epid. II in derselben 4ltesten lateinischen Druckitbersetzung, die von den 
Kommentaren zum hippokratischen Krankenjournal (Epid. [ und Il) Hermannus Cruserius 
auf Grund der Aldina 1536 in der Cratandrina veriffentlicht hatte. Aber trotz dem bedenk- 
lichen Mangel an wissenschattlichem Ernstc. der Rasarius schlieBlich sogar zum Falscher 
werden lies. dart dem letzten Ubersetzer galenischer Epidemicnkommentare in derHippokrates- 
renaissance Italiens die Anerkennung nicht vorenthalten werden. daB er der letzte. wenn 
auch noch so oberflichliche Benutzer von Galenliss. bei seinem Werke gewesen ist. Von 
allen uns bekannten Ubersetzern der Epidemienkommentare Galens haben sich vor den 
Herausgebern der Aldina, Clemens und Opizo, nur Calvus, nach ihnen nur Gadaldinus, 
Macchellus und zuletzt Rasarius um die handschriftliche Gewiihr der Uberlieferung bemiiht. 
Thre diplomatische Kritik gilt es jetzt nach ungefithr vierhundert Jahren durch die neue 
Ausgabe der Hippokrateskommentare im CMG zu tiberwinden. 


Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 


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‘*A book that is shut ts but a block” 
cHAEOLOG), 


GOVT. OF INDIA % 
x Department of Archaeology vs) 
5 NEW DELHI. % 
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S. Boy 148, Ne DELHI.